PRIMS Full-text transcription (HTML)
Chriſtian Weiſens uͤberfluͤßige Gedancken Der gruͤnenden jugend.
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Leipzig/ beyThomas Fritſch/1701.

Geliebter Leſer!

D nunmehr dieſe uͤberfluͤßige ge - dancken noch einmahl ihr gluͤcke / o - der daß ich beſſer rede / ihr ungluͤcke in die welt verſuchen wollen / ſolches hat der Autor nicht verlanget / und gleich wohl nicht verhindern koͤnnen. Jmmittelſt weil ich als ein unbekandter genoͤthiget werde an deſſen ſtelle zu treten / und dieſe neue Edition mit einer neuen vorrede zu bekleiden / ſo werde ich die freyheit haben / nicht ſo wohl aus ſchul - diger freundſchafft / als aus liebe zu der war - heit / gegenwaͤrtige gedancken zu entſchuldigẽ. Es mag ſeyn / daß iemand den titul nicht recht verſtanden / und dahero von dem gantzen we - ſen ein ungleiches urtheil gefaſſet hat. Denn freylich wer dieſe gedancken in ſolcher mey - nung wolte uͤberfluͤßig nennen / wie etwan dort〈…〉〈…〉 zu verſtehen ſind / der muͤſte ſeinen eifer nicht uͤberfluͤßig haben / wenn er ſolchen allhier verſparen wolte: Allein es wird verhoffentlich noch ein gnaͤdiger und beſſer verſtand zuruͤck ſeyn. Uberfluͤßige gedanckenA 2heiſ -heiſſen ſolche gedancken / die man bey muͤßigen nebenſtunden als einen zulaͤßigen zeitvertreib zu fuͤhren pflegt. Denn weil man krafft ſei - nes obliegenden amts an dergleichen neben - werck nicht gebunden iſt / und ein ander bey ſeinen verrichtungen eben ſo weit kommt / der ſich ſolcher gedancken aͤuſſert; Als geſchicht es nur zum uͤberfluß / und gleichſam zur zugabe / wie bißweilen ein gaſtwirth ſeinen gaͤſten oh - ne noth aus einer uͤberfluͤßigen liberalitaͤt et - liche kannen wein frey paßiren laͤſſet. Parer - gon heiſſet nicht ein boͤſes werck / ſondern ein werck / welches zum uͤberfluß neben der or - dentlichen arbeit getrieben wird. Uñ wo wuͤr - den die Autores Horarum Subſecivarum, Dierum Canicularium, Dierum Genialium, und andere / welche ihre arbeit Otium genennet / zu rechte kommen / wenn man nichts uͤberfluͤßiges vor - nehmen duͤrffte. Gellius waͤre mit ſeinen No - ctibus Atticis laͤngſt unter die wercke der fin - ſterniß gezehlet / und in den Indicem librorum prohibitorum geſetzet worden.

Nun wird zwar iemand einwenden / der gedachten ſcribenten uͤberfluß waͤre gleichwol der welt etwas nuͤtzer geweſen / als wenn etli - che abgeſchmackte lieder / nicht anders als aus einer klingenden ſchelle / ausgelaſſen wuͤrden. Doch der unterſcheid beſtehet hierinnen / daß jene des maͤnnlichen alters / dieſe aber der gruͤ - nen jugend uͤberfluͤßige gedancken ſind: Undwiewie eine iegliche zeit ihre eigene ergoͤtzligkeit hat / wie man auch nicht eher thut als ein mann; als wenn der bart dem geſichte eine ſaure mine abfordert: alſo wuͤrde ſich die ju - gend uͤber dem zeitvertreib ſchlecht zu eꝛfreuen haben / welche ſich von ihrer inclination allzu - weit abſondern wolte.

Und wer kan leugnen / daß dergleichen - bungen ſo gar ohne nutzen verrichtet werden? Jſt es nothwendig / daß ein junger menſch in poetiſchen und oratoriſchen ſachen auffge - muntert / und zur recommendation der an - dern gelehrſamkeit an luſtige und angeneh - me Inventiones gewieſen wird; ſo will ich hof - fen / es ſolte nicht allein das junge volck hieꝛinn zu loben ſeyn / ſondern ein ſorgfaͤltiger infor - mator ſolte auch dahin trachten / wie er ſeinen untergebenen dergleichen uͤberfluͤßige gedan - cken einfloͤſſen moͤchte / daruͤber ſie andere - berfluͤßige wercke / als ſpielen / ſauffen / muͤßig gehen / vergeſſen koͤnten.

Jh halte auch nicht / daß iemahls ein mann durch liebliche worte beruͤhmt worden / der in ſeiner jugend allen uͤberfluß in ſolchem ſtuͤcke verachtet hat. Jnmaſſen die bloſſen ſchul-ma - terien nicht genung ſind / ein ſtattliches Ingeni - um zu excitiren / wenn es nicht aus eigenem antrieb ſeinen fleiß etwas hoͤher fuͤhren ſoll. Legen doch die huͤner viel lieber in das neſt / das ſie ſelbſt erwaͤhlet haben / als welches von einerA 3un -ungedultigen kaͤſemutter iſt angeleget wordẽ.

Nun iſt es wohl an dem / daß lauter liebes - ſachen dariñ enthalten ſind / welche / dem anſe - hen nach / bey jungen leuten viel aͤrgerniß an - richten koͤñen / uñ wiꝛd deꝛgeſtalt iemand denẽ uͤbeꝛfluͤßigen gedancken denſelben titul zule - gen / welchen der Frantzoͤſ. Pontus de Thyard ſeinen ſonneten gegeben hat / daß er ſie Erreurs Amoureuſes, verliebte irrthuͤmer nennt. Doch es ſey ſo / ſie moͤchten Errores Juveniles heiſſen / ſo wuͤrde auch dieſer irrthum nicht allzu verdammlich ſeyn. Denn es waͤre nicht ein error vitii, ſondern ein error imprudentiæ. Wenn ein kind auff dem ſtecken reitet / ſo iſt es ein error infantiæ: Wenn ein knabe mit boh - nen ſpielet / oder die muͤcke fligen laͤſt / ſo iſt es error pueritiæ. Denn wenn ſie ſo klug waͤ - ren als alte leute / wuͤrden ſie an dergleichen lumpen-poſſen keine vergnuͤgung haben. Un - terdeſſen begehen ſie keine ſuͤnde / oder zum we - nigſten wird dieſe that præcisè nicht als ein boßhafftiges und unrechtmaͤßiges weſen zu verdammen / oder wohl gar zu beſtraffen ſeyn. Weil nun die jugend der natur noch etliche thorheiten ſchuldig iſt / ſo wird eine ſolche poc - tiſche ſteckenreuterey als ein error juvenilis um ſo viel deſto mehr zu entſchuldigen ſeyn / jemehr das nachfolgende alter die eitelkeit ſelbſt zu verlachen / und durch anſtaͤndige ge - dancken zu verbeſſern pfleget.

Ge -

Geſetzt auch / es waͤren lauter liebes-ſachen darinn / (wiewol ich bald den falſchen concept benehmen werde /) ſo iſt es ja nicht ein ſchelmi - ſches ding um die liebe / daß man nicht daran gedencken duͤrffte. Denn daß aͤrgerliche ſau - poſſen nicht geduldet werden / da iſt freylich der jugend daran gelegen. Aber wenn niemand an die liebe gedencken ſolte / wo wuͤrden ſo viel tauſend Præceptores mit ihrem Terentio bleiben / welcher in dem eintzigen Eunucho mehr unziemliche haͤndel vorſtellet / als in den gantzen uͤberfluͤßigen gedancken zu leſen ſind. Denn ich will itzo vom Ovidio, Martiali und andern nichts ſagen / welche der jugend ohne alle widerrede in den haͤnden gelaſſen weꝛden. Uber dieſes duͤrffte auch kein hochzeit-carmen in oͤffentlichen druck heraus kommen / aus groſſer beyſoꝛge / es moͤchte ein junges blut hie - durch zu boͤſen gedancken / oder zu einem ſcan - dalo accepto veranlaſſet werdẽ. Uñ es iſt nicht zu leugnen / daß eben in dieſem buche etl. lieder ſolche perſonen betreffen / welche zu ſich einer ehelichen liebe verbunden / auch innachfolgen - der zeit die gluͤckl. vollziehung befoͤrdeꝛt habẽ.

Doch was gehet die liebe ſo groß dieſe verſe an / indem ſelbige mehr zu einer annehmlichen Allegorie, als zu den gedancken ſelbſt coope - rirt hat? Wen Petrarcha unter ſeiner Laura, Opitz unter ſeineꝛ Aſterie, andere unter andeꝛn verliebten nahmen gemeynet haben / das iſtA 4mehrmehr als bekandt. Wer es auch nicht verſte - het / der iſt ohne zweiffel nicht werth / daß er ſolches an dieſem orte erſt lernen ſoll.

Alldieweil nun dem Auctori beliebt hat ſein ſtudieren unter dem bilde eines liebhabers vorzuſtellen / uñ hiedurch ſeine begierde gegen das frauenzimmer duꝛch einen gelehrten be - trug abzuweiſen / ſo wird er entweder auſſer ſchuld ſeyn / oder die compagnie der beſchuldig - ten wird ſo groß werden / daß er ſich vor einen ſchwachen feind nicht ſondeꝛlich wird entſetzen duͤrffen. Die bloſſen abſchieds-lieder / welche in trefflicher menge erſcheinen / muͤſſen zeuge ſeyn / daß es faſt unmoͤglich geweſen / ſo viel - mal zu verreiſen. Und ich habe ſelbſt aus ſei - nem munde gehoͤret / wenn er ein collegium beſchloſſen / und gleichſam von einer diſciplin zu der andern gereiſet waͤre / ſo haͤtte ſich eine verliebte erfindung angegeben / unter der pro - ſopopœia einer jungfer die angenehme diſci - plin nachmahls zu bedienen: Ja / es iſt ein lied vorhanden / darinn er ſich beruͤhmt / er haͤtte zwey maͤgdgen auf einmahl: Da werden alle bekandten zeuge ſeyn / daß der Auctor zugleich theologica und juridica collegia hielt / und als ein liebhaber der fundamentalen philologie, beyderſeits principia faſſen wolte. Jndem nun etliche meynten / er waͤꝛe ein perpetuus transfu - ga, der ſich bald zu der ſchwartzen / bald zu der rothen fahne begeben wolte / ſo proſequirte erſol -ſolchen poſſen in dieſem hoͤniſchen liede / damit die guten freunde deſto eher fertig wurden / und waren alſo die zwey liebſten Theologia und Jurisprudentia.

Solten etliche lieder in ihrem eigenen ver - ſtande directè auf liebes-ſachen gehen / ſo wird ſolches mehrentheils als eine Satyra zu verſte - hen ſeyn / darinn die jungen leute mehr abge - mahnet / und bey vorſtellung unterſchiedlicher thorheiten zu einer andern und hohern liebe heimlich angewieſen werden.

Doch wieder auff die gelehrten allegorias zu kom̃en / wann ſich etwan ein guter freund mit unzeitigem richten uͤbereilen wolte / ſo wird das beſte mittel ſeyn / aus einem vorneh - men mann dergleichen anzufuͤhren / welcher erſtlich auff einer beruͤhmten Univerſitaͤt Poë - ſeos Profeſſor, hernach ein groſſer Theologus geweſen: dieſer hat als Profeſſor anmuthige ſachen heraus gegeben / und iſt oftmahls duꝛch gelegenheit der gedachten allegorie zu verlieb - ten und entzuckten gedancken verleitet woꝛdẽ. Allein daß niemand das aͤuſerliche ſchatten - werck mit der ſache ſelbſt vermengen ſolte / hat er dieſe denckwuͤrdige erklaͤrung mit beygeſe - tzet: Cave inſontes numeros attemeres! Amor noſter caſtus eſt, ut ipſa Diva. Quam ſi ſuô vis vo - carinomine, audi Poeſin, & illas Humanitatis ar - tes, quas colui: Imo Theologiam. Nihil miri, ſi ſub virgineo induxerim vultu. Fecerunt anteA 5meme alii, & præclariores. Ergo exue profanam mentem: & Eclogas aut allegorias puta. Ab his nec ſanctiſſimus abſtinuit Spiritus. Alius eſt ignis noſter, quàm in plebe accendit Veneris ne - quam ille puer. Nec tam putris aut putidus ego, ut illis intepeſcam faculis. Quicquid cre - diderit Viroſus: Sufficiat, placuiſſe mihi Chari - tillam, & me tibi, mi Lector. Nam Frontones & Capitones ne aſſis æſtimo.

Darbey mag es bleiben / und weil das curi - euſe Seculum ſich an den liedern noch nicht ſatt geleſen hat / wird der Auctor, als mein hochge - ſchaͤtzter freund / deſto eher zufrieden ſeyn / daß die drucker-preſſe noch einmahl damit bemuͤ - het wird. Auch dieſe kurtze entſchuldigung mag er ſich gefallen laſſen / ungeacht er ſeinen eigenen ſachen das wort viel beſſer / und viel - leicht aus wichtigern beweiß-gruͤnden haͤtte reden koͤnnen. Was noch uͤbrig iſt / ſo wird der geneigte leſer mit fernerer affection mir unbekandten dermaſſen zugethan verbleiben / daß ich ſolches dermaleins in bekandter geſtalt ruͤhmen koͤnne. Jetzt verbleibe ich zwar ein ſchuldiger diener / doch mit dem nahmen

Der Einfaͤltige Unbekandte.

Ge -

Geehrter Leſer.

FCh bin endlich dahin gebracht worden / daß ich meine uͤberfluͤßige gedancken in die welt ausflie - gen laſſe. Zwar / wenn ich ſolche vor guten freunden haͤtte behalten koͤnnen / waͤre ich nimmermehr auff die unbarmhertzigkeit gerathen / ſo viel bogen un - ſchuldig papier dadurch zu verklecken. Denn ich lebe der zuverſicht / ob ein anderer meine uͤberfluͤßigen einfaͤl - le weiß oder nicht weiß / ſo wird es nicht viel zu bedeuten haben. Jedennoch weil ich zum uͤberfluß ſehen und er - fahren muͤſſen / daß die geringen ſachen von unterſchiede - denen liebhabern nicht allein abgeſchrieben / ſondern auch wie zu geſchehen pfleget / offtermahls veraͤndert und ver - ruͤcket werden; Als habe ich nicht umgang nehmen wol - len / denſelben ihre alte geſtalt wie der zu geben: wie et - wan eine ſorgfaͤltige mutter ihr ungeſtaltes kind nicht gerne weiter beflecken und verſtellen laͤßt / ſondern viel - mehr dahin trachtet / damit es bey der natuͤrlichen und urſpruͤnglichen beſchaffenheit erhalten werde. Ein ied - weder unpartheyiſcher richter wird hierinn meiner muͤt - terlichen affection vergeben / und wo ich meiner frucht gar zu guͤnſtig geweſen bin / ſolches die menſchliche ſchwachheit entſchuldigen laſſen / als welche in der liebe am eheſten ſuͤndigen kan. Sonſt werden es die umſtaͤn - de leicht geben / daß ich in der ſo genannten Lindenſtadt wohne / und die mund-art / ſo mich offtermahls / wider mein wiſſen / in den nacken ſchlaͤgt / kan mein vaterland nicht verbergen. Flieſſen die reime nicht wohl / ſo bin ich vor eins kein poet / vors andere / ſeh ich viel / die esſchlim -ſchlimmer machen / wenig die es beſſer treffen. Die teut - ſchen Virgilii und Horatii ſollen entweder noch gebohren werden / oder ſie verbergen ihre ſchrifften noch / und der muͤſte ein bloͤd geſichte haben / der ſich durch die ſterne un - ſrer zeit wolte verblenden laſſen. Was die vielfaͤltige nahmen und andere raͤtzel betrifft / ſo werden diejenigen / die es angeht / die auslegung ſchon machen. Jch / mei - nes theils / habe etliche allbereit vergeſſen; Und etliche darff ich nicht verrathen. Vor meinen veraͤchtern fuͤrch - te ich mich nicht: Dann vielleicht bin ich ihrer ſpitzfindig - keit zu gering / oder zum wenigſten bleib ich anderweit un - angefochten / wann ſie an dieſem leichten papier ihre luſt buͤſſen. Und alſo mag ich mich nicht rechtfertigen / ich mag auch keine freunde anfuͤhren / als wann ſie mir durch uͤbriges anhalten den ermel zuriſſen haͤtten. Es gehe mir nun ſchon / wie es gehen ſoll / und weil ich meinen heimlichen zweck erhalten habe / iſt diß mein troſt / daß der zehende nicht weiß / wie ich heiſſe. Alters hal - ben will ich es noch erleben / daß manch einfaͤltiges hertze ſoll in verdacht gezogen werden / als wann es darbey ge - weſen waͤre. Jch ſtehe inzwiſchen als ein Apelles hinter der taffel / und laſſe die leute nach belieben urtheilen. Werde ich getroffen / ſo will ich mich ſchaͤmen / wo nicht / ſo will ich lachen: Aber keines von beyden werde ich vor den leuten thun.

Uberfluͤßiger gedancken Erſtes Dutzent.

I. Thraͤnen der jungferſchafft.

Suͤſſer gifft verliebter hertzen /
Schwaches werck-zeug voller krafft /
Werthes ziel der keuſchen ſchmertzen /
Du beruͤhmte jungferſchafft!
Freylich gehet deine zier
Allen ſchoͤnen ſachen fuͤr.
2. Wie die roſen in dem Meyen
Jhre bleiche lieblichkeit
Niemals ſchoͤner von ſich ſtreuen /
Als wenn ihre ſicherheit
Unberuͤhrt und unbefleckt
Jn dem gruͤnen ſtocke ſteckt.
3. Alſo muß man dich erheben /
Weil du keiner frembden hand
Dich zum raube wilſt ergeben /
Sondern das beliebte pfand
Aller ruh und lebens raſt
An der ſuͤſſen freyheit haſt.
4. Du ergetzſt dich an der jugend /
Biſt alſo an dir vergnuͤgt /
Und gebrauchſt dich deiner tugend /
Welche dir im hertzen liegt /
Da ſie auch die beſte frucht /
An der zarten keuſchheit ſucht.
A5. Doch
5. Doch wie lange kan es waͤren?
Endlich muß die jugend ſich
Durch den ſchnellen lauff verzehren /
Oder es beruffet dich
Liebe / luſt und eitelkeit
Jn der tugend wette-ſtreit.
6. Will man bey den aͤpffel-baͤumen
Zu der luſt ſpatziren gehn /
Darff man nicht die zeit verſaͤumen
Wann ſie in der bluͤte ſtehn /
Eh der Gaͤrtner nach der ſaat
Auch die frucht gebrochen hat.
7. Und ſoll dann der ſchoͤnen wangen
Halbvermiſchtes milch und blut
Gantz und gar vergebens prangen /
Wie ein ſaurer apffel thut /
Welcher nicht ſo wohl den zahn
Als das aug ergetzen kan?
8. Wein und bier wird ja zum trincken
Nicht zum anſehn aufgeſetzt /
Und was nutzt ein guter ſchincken
Wann er nicht den mund ergetzt?
Solte denn der jugend ſchein
Auch nicht etwas nutze ſeyn?
9. Freylich pflantzt die zeuge-mutter
Dir was heimlichs in die bruſt /
Daß du dich nach frembden futter
Hoͤchſt-begierich ſehnen muſt /
Und da fehlt dir manche krafft
O du arme jungferſchafft!
10. Wie manch ſchoͤnes neſt voll eyer
Unter froſt und kaͤlte ſteht /
Biß das angenehme feuer
Frembder bruͤt daruͤber geht;
Alſo
Alſo iſt es umb den ſtand /
Den du fuͤhreſt / auch bewandt.
11. Manches ſchaͤfgen traͤgt die ſchwere
Seiner wollen mit verdruß /
Weil es auff des ſchaͤffers ſchere
Gar zu lange warten muß:
Manche roſe kruͤmmt den ſtiel /
Weil ſie niemand brechen will.
12. Gute nacht du leere ſchuͤſſel /
O du leuchter ohne licht!
Feſtes ſchloß / doch ſonder ſchluͤſſel /
Gute wag und kein gewicht /
Ach wie wohl iſt die daran
Die bey zeiten freyen kan!

II. Die verliebte jaͤgerey.

DJe lieb iſt gleichſam eine jagt /
Da ſich ein groſſer hauffen
Jn die gebuͤſche wagt /
Wo angſt und muͤh entgegen lauffen /
Und wo die gantze welt
Sich faſt in das gehaͤge ſtellt.
2. Die netze ſind von heucheley
Und eitelkeit geſtricket /
Darinnen wird die treu
Der jungen einfalt offt beruͤcket /
Und wer nicht langen kan
Der flickt ein bißgen hoffnung dran.
3. Der ſpuͤrhund iſt die ungedult /
Der billt und laͤſt ſich hoͤren /
Die unſchuld mit der ſchuld
Jn ihrem lager zu verſtoͤren:
Wie iſt er doch bemuͤht
Eh er das wild vor augen ſieht?
A 24. Und
4. Und alſo muß der windhund fort
Durch bitten und verſprechen /
Durch klagen da und dort
Die ungewiſſe bahne brechen /
Biß man den ganßen reſt
Der groſſen docken lauffen laͤſt.
5. Offt ſchieſt man ehr und tugend todt /
Dann die verliebten minen
Sind wie der haaſen-ſchrot:
Wohl denen die ſich ſo bedienen!
Denn wer ein narr will ſeyn /
Schieſt gar mit ſilbern kugeln drein.
6. Wiewohl manch armer jaͤger ſagt
Er hab es gut erleſen /
Und hab ein reh gejagt /
So iſt es kaum ein fuchs geweſen:
Und wer den hirſchen hetzt /
Nimmt wol ein eichhorn auf die letzt:
7. Oft ſetzt ein hauer ſeinen zahn
Jn die getroffne liebe
Mit ſolchem eyfer an /
Daß alle gunſt in einem hiebe
Zu grund und boden geht /
Und wenn ſie noch ſo feſte ſteht
8. Doch geht / ihr freunde / geht ins feld /
Habt ihr mit euren netzen
Schon einmahl auffgeſtellt /
So ſeyd ihrs ſchuldig fortzuſetzen:
Denn der iſt uͤbel dran
Der hetzen und nicht fangen kan.

III. Die unterſchiedlichen Liebhaber.

JCh ſchwatzte neulich von galanen /
Als ich bey meinen maͤdgen ſtund;
Da
Da ließ ſie mich hernach vermahnen /
Die ſachen waͤren ihr nicht kund;
Sie moͤchte mich wol gerne fragen /
Was ein galan ausdruͤcklich ſey?
Da ließ ich ihr zur antwort ſagen /
Die leutgen waͤren vielerley.
2. Dann ſagt ich / wer ſich aller orten
Zum lieben frauenzimmer macht /
Und iſt doch kalt in ſeinen worten
Ob er gleich noch ſo freundlich lacht:
Wer alle wochen eine neue
Zum zeitvertreib erwaͤhlen kan /
Und fragt nach keiner liebes-treue /
Der iſt ein bloſſer ſpaß-galan.
3. Und wer ſich laͤſt die grillen treiben /
Daß er die gaſſen nunter ſchwaͤntzt /
Ob etwan durch die fenſter-ſcheiben
Ein weiſſes jungfer-haͤubgen glaͤntzt /
Und meint er habe durch den tempel
Der liebes-pflicht genug gethan /
Der heiſt den andern zum exempel
Ein lauff-und pflaſterſtein galan.
4. Wann auch ein junger gelber ſchnabel
Sich im proceſſe ſelbſt verfuͤhrt /
Und alles mit der ſilbern gabel
Fein fromm und ſittſam embrochirt /
Auch nichts in ſeinen complimenten
Als ehren tugend ſprechen kan /
So heiſſet er bey uns ſtudenten
Nur ein devotion-galan.
5. Und wer mit allerhand ſpendaſchen
Der liebſten ihre koͤthe ſchmuͤckt /
Und alle tage ſeinen pagen
Nach zucker und citronen ſchickt /
A 3Wer
Wer offtermahls ſpatziren faͤhret /
Zur hochzeit gehet / wenn er kan /
Und ſeine pfennge ſo verzehret /
Jſt ein diſcretion-galan.
6. Doch welchen das geneigte gluͤcke
Zu der vollkommenheit beſtimmt /
Daß er durch ſeine liebes-blicke
Den maͤdgen auch das hertze nimmt /
Wer mit vermiſchten wechſelkuͤſſen
Den ſtillen bund erhalten kan /
Obs gleich die leute wenig wiſſen /
Jſt ein affection-galan.
7. Wiewol die ſchlimmſten loͤffelknechte
Genieſſen manchmal treflich viel /
Nur deſſentwegen weil der rechte
Nicht ins gehaͤge kommen will:
Jnzwiſchen weil ſie ſolches wiſſen
Gehn ſie mit allen freuden dran /
Und unter ſolchen luͤcke buͤſſen
Wird mancher noch ein noth-galan.
8. Naͤchſt dieſem bildt ſich mancher immer
Die allerſchoͤnſten ſachen ein /
Und muß doch bey dem frauenzimmer
Jm ſpiele pickelhaͤring ſeyn /
Er kan ſich zwar vor ſelig ſchaͤtzen
Und nimmt den ſchertz mit willen an;
Doch ſag ich / wer ſich laͤſſet haͤtzen /
Jſt ein vexation-galan.
9. Hieran ihr herren junggeſellen
Jch habe mich allhier bemuͤht
Euch in der liebe vorzuſtellen /
Wo jemand ſeines gleichen ſieht /
Der gehe nur in ſein gewiſſen
Und zieh ſich ſelber vor gericht.
Jch
Jch werde dieſen loben muͤſſen
Der hefftig liebt und meynt es nicht.

IV. Der luſtige ſpaß-galan. Auf die melodey: Jungfer Ließgen weiß es wohl / ꝛc.

ES ſteht in der welt doch aus der maſſen fein /
Wann zwey junge leute recht vertraulich ſeyn!
Sie ſind drum nicht flugs verliebt /
Wann ſie gleich von hertzen
Freundlich koͤnnen ſchertzen.
2. Manchem maͤdgen wird was boͤſes zugedacht /
Wann ſie etwan mit den junggeſellen lacht /
Doch darum kein bein entzwey:
Wer fragt nach den ſchwencken
Was die leute dencken?
3. Ein rechtſchaffnes buͤfgen das verſteht doch wol /
Was es bey der maͤdgen freude dencken ſoll.
Wer nicht ſchimpf und ernſt verſteht /
Wird mit ſchlechten frommen
Von dem maͤdgen kommen.
4. Wan man gleich einander noch ſo fꝛeundlich heiſt /
Und wohl gar die armen in einander ſchleuſt:
Darff ein buͤfgen gleich wol nicht
Auff verliebte ſachen
Sich die rechnung machen.
5. Ach wie ſchlaͤgelt mancher armer ſpaß - galan /
Der ſich in die freundlichkeit nicht finden kan
Und der allen zeitvertreib
Vor ein liebes-zeichen
Heimlich will vergleichen:
6. Nein fuͤrwar / beym frauenzim̃er gehts ſo nicht /
Wann das loſe maͤulgen gleich mein liebgen ſpricht /
Jſt es drum nicht ſo gemeynt /
A 4Als
Als muͤſt er vor allen
Jhr ſo wohl gefallen.
7. Jch bin endlich allen feinen maͤdgen gut /
Und bin gerne da man ſchoͤn und freundlich thut;
Doch bild ich mir nichts ein /
Wann ich gleich die ſuͤſſe
Gegengunſt genieſſe.
8. Endlich / wer verſchwiegen iſt der geht noch hin /
Hat er ſonſten gleich nicht einen hohen ſinn:
Stille / fromm und luſtig ſeyn
Kan die junggeſellen
Niemahls ſehr verſtellen.
9. Ach wohl dem der in der jugend luſtig iſt /
Eh er in dem alter allen ſpaß vergiſt!
Doch die liebe brauche man
Nur zum bloſſen poſſen /
Sonſt iſt man geſchoſſen.

V. Die ſubtile liebe.

DJe maͤdgen ſind wie poſt-papier /
Subtil und zart im lieben /
Denn wer in ihre zier
Sich nur zu erſt hat eingeſchrieben /
Der ſtehet oben an
Da man die ſchrifft wohl leſen kan.
2. Er findt ein unbeflecktes blat /
Da ſich die reine tugend
Noch nie geſchwaͤrtzet hat /
Und lockt die einfalt ihrer jugend /
Durch die untraͤglichkeit /
Jn alle gunſt-gewogenheit.
3. Hingegen wer den rathſchluß faſt
Was anders drein zu ſchwatzen /
Und dieſen erſten gaſt
Will
Will aus der liebes-taffel kratzen /
Der uͤberſieht es doch
Und macht in das papier ein loch.
4. Auch wann es gut gerathen ſoll
So muß ein ſchandfleck bleiben /
Darauff man nicht ſo wohl
Die neue liebe kan beſchreiben /
Dann dorte / da und hier
Sticht noch die alte dinte fuͤr.
5. Man hat ja wohl einander lieb /
Doch muß man immer hoͤren
Wie ſie den erſten dieb
Jn ihren hertzen heimlich ehren /
Darneben trau’n ſie nicht /
Und was man auch vor worte ſpricht.
6. Dieweil nun itzt das kleine kind
Die ſauer-ſuͤſſen ſachen
Fein zeitlich lieb gewinnt /
So will ich mich an keine machen /
Damit werd ich allein
Kein ungluͤckſelger ſchreiber ſeyn.

VI. An einen verliebten / aber doch ſehr hoffaͤrtigen lieder-dichter.

MEin freund / was fluchſt du auf die ſterne /
Was klagſt du ihr verhaͤngniß an /
Als haͤtten ſie dir aus der ferne
So groſſen uͤberlaſt gethan?
Ach bilde dir auf ihren ſchein
Doch nicht dergleichen haͤndel ein.
2. Die ſterne / welche droben ſchimmern /
Sind warlich viel zu ſtoltz darzu /
Als daß ſie ſich darum bekuͤmmern /
Was ich allhie auf erden thu:
A 5Drum
Drum dencke daß dir auch ſo iſt /
Dieweil du meines gleichen biſt.
3. Es ſind ja freylich andre ſachen
Der hohen ſatzung unterthan:
Doch darffſt du nicht die rechnung machen
Als gieng es dich ingleichen an:
Denn was dein ſchwacher ſinn begehrt /
Jſt offt kaum deiner ſorgen wehrt.
4. Da heiſt ein irrthum der gedancken
Alsbald der ſterne gauckelſpiel /
Und wenn die ſehnſucht aus den ſchrancken
Der klugheit ſich entreiſſen will /
So muß der unbewießne zwang
Des gluͤckes vor die richterbanck.
5. Wann wir begehrten was wir ſolten /
So ſtuͤnd es allenthalben gut /
Und wir bekaͤmen was wir wolten;
Hingegen wo man das nicht thut /
Da qvaͤlt man ſich mit ungedult:
Doch hat der himmel keine ſchuld.
6. Mein freund / der ſtern iſt im gehirne /
Der dir ſo ungluͤckſelig ſtrahlt /
Und hinter deiner eignen ſtirne
Steht dein verhaͤngnuͤß abgemahlt.
Der himmel laͤſt dich wohl zur ruh /
Sprich du nur ſelbſt dein ja darzu.

VII. Polniſcher Tantz.

AUf der hochzeit iſt mir keine luſt /
Als die bloſſe courteſie bewuſt /
Wann die maͤdgen und ſtudenten
Jn der bunten reihe ſtehn /
Und mit ſuͤſſen complimenten
Endlich auff den tantz-platz gehn.
2. Da
2. Da iſt freude / da iſt luſtigkeit /
Da vergißt man alles hertzeleid:
Leib und ſeele kommt zuſammen:
Mancher giebet nur die hand /
Und wird durch die liebes-flammen
Unverſehens angebrannt.
3. Wie liebaͤugelt mancher courtiſan
Eh er ſich ins tantzen finden kan.
Seht wie koͤmmt er auffgezogen /
Maͤulgen geben darff er nicht /
Weil ſie mit dem ellenbogen.
Jhn in das geſichte ſticht.
4. Endlich koͤmmt die fiedel auf den platz /
Da erwiſcht ein jeder ſeinen ſchatz:
Dieſer geht als wie auf kohlen /
Der macht einen bloſſen paß /
Jener ſchneidet capriolen /
Dieſer knickt ohn unterlaß.
5. Mancher ſetzt die beine gar zu krumm /
Einer ſpringt nur um das Maͤdgen rumm /
Dieſer tantzet im gewichte /
Jener ſchont die neuen ſchuh /
Dieſer kehrt ihr das geſichte /
Jener gar den fertzer zu.
6. Wann ein maͤdgen in der einſamkeit
Stille ſitzt und welcke ruͤben ſchneidt /
Kommen bald die tuͤtſchemuͤtter /
Und erwiſchet mit verbruß
Jrgend einen armen ritter
Der die luͤcke buͤſſen muß.
7. Alſo wird das liebe geld verthan /
Biß man keinen tantz mehr zahlen kan /
Da ſpricht man es ſey zu ſpaͤte /
Giebt zum abſchied einen kuß /
Weil
Weil man doch auff die karrete /
Noch zwey groſcheu wagen muß.

Nachſprung.

LUſtig ihr maͤdgen die hochzeit iſt aus /
Wandert mit euren bedienten hinauß /
Laſſet euch aber beyleibe nicht hertzen /
Gehet fein leiſe / die mutter die wacht /
Laſſet die kerlen einandermahl ſchertzen /
Haͤtten ſie vormahls ſich luſtig gemacht.
2. Gehet geſchwinder ihr kindergen ihr /
Leget euch nieder und ſchlaffet dafuͤr /
Sehet die armen verliebeten ſchafe /
Sind ſie nicht truncken / ſie ſtehen ja kaum /
Springet inzwiſchen und tantzet im ſchlafe
Morgen erzehlet den luſtigen traum.
3. Gehet und leget euch immer zur ruh /
Hoͤrt ihr noch lange den ſtaͤndigen zu?
Sehet die mutter die legt ſich ans fenſter
Nehmet euch beſſer im finſtern in acht:
Wuͤnſchet ihr niedlichen gaſſengeſpenſter
Allerſeits eine geruhige nacht.

VIII. Das umgekehrte kartenſpiel.

WAnn wir die eitlen Sachen
Der ſuͤſſen loͤffeley
Und etwas kuntbar machen /
So iſt die fantaſey /
Wo man die warheit ſagen will /
Ein umgekehrtes kartenſpiel.
2. Ein ſpieler wirfft die blaͤtter
So eyfrig aus der fauſt /
Das manchem das geſchmetter
Lang in den ohren ſaußt /
Ein
Ein buhler giebt in ſtiller ruh
Den hoͤchſten trumpf verſchwiegen zu.
3. Ein ſpieler will gewinnen /
Und wann es doppelt ſteht /
So richtet ſein beginnen
Sich eintzig auffs labeth:
Ein buhler nimmt ſich ſchlecht in acht /
Ja er verſpielet mit bedacht.
4. Ein ſpieler miſcht die karten /
Biß er das hoͤchſte blat
Nach viel verſuchten arten
Jn ſeinen haͤnden hat:
Ein buhler wuͤnſcht in ſeiner pein
Nur das geringſte blat zu ſeyn.
5. Ein ſpieler wird verdroſſen
Und meint es ſey geſchehn /
Wann ſeine ſpielgenoſſen
Jhm in die karte ſehn:
Ein buhler zeiget ſeiner zier
Die blaͤtter ungebeten fuͤr.
6. Wiewol bey ſolchen haͤndeln
Geht der verluſt noch hin /
Man mag gleich all’s vertendeln
So hat man doch gewinn.
Denn der verſpielt bleibt immer reich
Und der gewinnt verſpielt zugleich.

IX. Poeten muͤſſen verliebt ſeyn.

SPrecht mich nicht weiter an
Um ein verliebtes lied /
Denn ich bin ausgethan
Wo luſt und liebe bluͤht /
Das gras iſt abgemeyht /
Die roſen ſind vergangen /
Der
Der winter fuͤhrt das leid
Und hat ſich angefangen.
2. Jch fuͤhle keine luſt
Die mich zum verſen treibt /
Weil meine kalte bruſt
Unangefochten bleibt:
Das harte ſilber fleuſt
Nur bey der groſſen hitze /
Und der poeten geiſt
Wird nur im lieben nuͤtze.
3. Wie kan ich itzt betruͤbt
Und wieder froͤlich ſeyn /
Jn dem mir nichts beliebt
Von anmuth oder pein /
Soll mein erfrornes hertz
Von glut und flammen ſingen.
Und ſoll der kalte ſchertz
Die ſproͤde feder zwingen.
4. Ach nein die aloe /
Der zucker und zibeth /
Macht weder wol noch weh.
Wann der geſchmack vergeht:
Man muß die eitelkeit
Der liebe noch ertragen /
Will man von freud und leid
Gereimte reime ſagen.
5. Der iſt fuͤrwar nicht klug /
Der ohn ein ſeitenſpiel /
Durch einen ſelbſtbetrug /
Verſchwiegen tantzen will /
Und ſo wird mein gedicht
Ein ſchlechtes urtheil fuͤhlen /
Wo die begierden nicht
Die ſarabande ſpielen.
6. Geh
6. Geh zarte Poeſie /
Du bleibſt mir unbewuſt /
Geh meine ſuͤſſe muͤh /
Jetzt meine ſaure luſt /
Jch ſchreibe / was ich kan /
Jhr aber meine bruͤder /
Sprecht mich nicht weiter an
Um ſchertz und liebes-lieder.

X. Das ſchlaffende gluͤcke.

MEin gluͤcke ſchlaͤfft nun lange zeit /
Und will noch nicht erwachen /
Und meine furchtſamkeit
Kan ſich gar wenig hoffnung machen /
Dann wann es helffen ſoll /
So ſchnarcht es mir die ohren voll.
2. Der gantze leib iſt ausgeſtreckt /
Der mund iſt zugeſchloſſen /
Die augen ſind verſteckt /
Die krafft der ſinnen iſt zerfloſſen /
Nur in der bloſſen bruſt
Treibt noch der athem ſeine luſt.
3. Jch ſtoß / und brauche was ich kan
Die kraͤffte meines lebens /
Jch ſchrey die ohren an /
Doch muͤh und arbeit iſt vergebens:
Dann mein verhaͤngniß ſpricht /
Dein gluͤcke ſchlaͤfft und hoͤrt dich nicht.
4. Wolan mein gluͤcke ſchlaff nur fort /
Jch werde zwar indeſſen
Noch manchen lieben ort
Und manche luſtigkeit vergeſſen /
Jch werde noch der pein
Der ungewißheit dienſtbar ſeyn.
5. Doch
5. Doch wer zu lange ſchlaffen muß /
Der kan auch lange wachen /
Und kan den uͤberfluß
Der ſpaͤten nacht zum tage machen /
Wenn er die lager-ſtatt /
Nur lang genug gedruͤcket hat.
6. Darum mein gluͤcke ſchlaff nur aus /
Und bringe mit den ſegen
Hernachmals in das haus /
Jetzt will ich dich nicht mehr bewegen /
Die noth kan nicht beſtehn /
Sie muß doch auch zu bette gehn.
7. Wo ſie mich in der jugend laͤſt
Bey der gewohnheit bleiben /
So werd ich wol den reſt
Des alters mehr begluͤckt vertreiben /
Jnzwiſchen wird die ſchuld
Des gluͤckes leichter durch gedult.

XI. Hanß in allen gaſſen.

ZWey maͤdgen auf einmal / fuͤrwahr das iſt zu viel /
Doch weil die liebe mich alſo bethoͤren will /
Darff ich nicht widerſtehen /
Jch ſeh mein elend an /
Und laß es immer gehen
So gut es gehen kan.
2. Jch weiß nicht welche mir am beſten anlaß gibt /
Sie beyde ſind polit / ſie beyde ſind beliebt /
An ihrer ſchoͤnen jugend /
An ihrer hoͤfligkeit /
An ihrer liebes-tugend /
Jſt gar kein unterſcheid.
3. Was eine lieblich macht / das fehlt der andern nicht /
Da iſt ein augen-glantz / da iſt ein angeſicht /
Die
Die allerſchoͤnſten finger
Das wollen-weiche zwey /
Der halb-verſteckten dinger /
Jſt alles einerley.
4. Wann dieſe gegen mir ein bißgen freundlich thut /
So denck ich jene dort die kan es gleich ſo gut /
Und komm ich zu der andern /
So laß ich meinen ſinn
Zur erſten wieder wandern /
Da ich geweſen bin.
5. Jn deſſen weiß ich nicht / wasich behalten ſoll /
Dann jener bin jch gut / und die gefaͤlt mir wol /
Soll ich das hertze faſſen
Und ein geliebtes kind
Von dieſen beyden laſſen /
So bin ich taub und blind.
6. Es iſt doch nun geſchehn / das geht am beſten an /
Wo ich ſie alle zwey vor mich behalten kan /
Mein hertz! es koͤmmt ja beſſer /
Jn dem du als ein gaſt
Der eitelkeit / zwey meſſer
Als keins im vorrath haſt.
7. Ein ſolcher wechſel ſtutzt / und ſteht vortreflich ſchoͤn /
Wann eine ſauer ſiht kan ich zur andern gehn /
Traͤgt die ein ungefallen /
So komm ich dorten ein /
Und ſo kan ich bey allen
Verliebt und luſtig ſeyn.

XII. Als das jahr 1663 zu ende ging.

DU liebes jahr / ſo eilſt du nun von hinnen /
Und nimmſt mit dir die freude meiner ſinnen /
Ja freylich iſt diß ſchon der letzte tag /
Da ich noch drey zu ſechſen ſetzen mag.
B2. Ver -
2. Vergoͤnne mir du auszug meiner jahre
Daß ich mein hertz der feder offenbare
Laß mich einmahl auff dich zuruͤcke ſehn /
Es wird mir doch nicht mehr ſo wol geſchehn.
3. Du haſt mir erſt die jugend und das leben
Durch eine krafft der ſuͤſſigkeit gegeben /
Jch war noch tod / du haſt mich aufgeweckt /
Jch brannte nicht / du haſt mich angeſteckt.
4. Du haſt mich erſt den ſanfften weg gefuͤhret /
Und meine bruſt durch liebes-gluth beruͤhret /
Du ſchoͤne zeit du haſt mir kund gethan /
Was der verſtand vertrauter freundſchafft kan.
5. Jch konte nicht mein hertz mein liebgen ſprechen
Und muſte mir den kopf umſonſt zerbrechen /
Doch deine gunſt verſetzte mich zur ruh
Und fuͤhrte mir die ſchoͤnheit ſelber zu.
6. Da war ein ſinn / ein willen / ein belieben /
Schertz ſonder ſchertz / vergnuͤgung ohn betruͤben /
Sie war erfreut und luſtig wann ich kam /
Und kraͤnckte ſich / ſo bald ich abſchied nahm.
7. Jedennoch hab ich was von dir bekommen
So haſtu all’s auch wieder weggenommen
Du haſt mir nur den ſchein / der uns betreugt /
Durch einen traum / und durch ein bild gezeigt.
8. Jch werde wohl nicht in dergleichen freuden
Mein angeſicht bey ſolcher ſchoͤnheit weiden /
Du altes jahr du nimbſt den alten ſinn /
Die alte luſt / die alte hoffnung hin.
9. Jch will mich nicht deßhalben mit dir zancken /
Jch werde dir vielmehr vor dieſes dancken /
Daß ich itzund durch dein und meinen fleiß
Den ſchlauen gang der ſtillen liebe weiß.
10. Jch muß nunmehr in dieſem neuen jahre /
Befliſſen ſeyn / wie ich die ſtunde ſpare
Die
Die ich zu viel auf zeit-vertreib gelegt /
Darzu mich ſie und ihre luſt bewegt.
11. Das gluͤcke mag am beſten fuͤr mich ſorgen /
Du altes jahr zeuch fort / ich denck an morgen /
Daſelbſten wird der neue ſonnenſchein
Mein neuer troſt und neue wolluſt ſeyn.

Uberfluͤßiger gedancken Anderes Dutzent.

I. An ſeine Marilis / als er mit ihr zuͤrnen muſte.

JCh bin ſchon ſatt und ſage
Daß mich der hunger treibt /
Jch ſeh mein gluͤck / und klage
Daß ſolches auſſen bleibt /
Jch ſuch und fliehe meine pflicht /
Jch wolte gern und will doch nicht.
2. Jch bin verliebt / und leide
Die pein der einſamkeit /
Jch ſehne mich und meide
Doch die gelegenheit /
Die gegenwart beliebet mir /
Und gleichwol geh ich nicht zu ihr.
3. Die liebes-grillen wancken
Jm hertzen hin und her /
Und machen die gedancken
Mit tauſend ſorgen ſchwer /
Und ſchlieſſe doch vor meiner ruh
Den kopff / das hertz / und alles zu.
4. Jch bin ein patiente /
Und lauffe vor der cur /
Als wann mein ruͤcken brennte /
Jch ſuche zwar die ſpur /
B 2Doch
Doch wann ich ihrer inne bin /
So will der ſchwere leib nicht hin.
5. Jch ſchlaff und muß doch wachen /
Jch red und ſchweige doch /
Jch klag und muß auch lachen /
Jch ſterb und lebe noch /
Und dieſes waͤhrt ſchon lange zeit /
Bey tag und nacht ohn unterſcheid.
6. Du allerliebſte ſeele /
Dir iſt allein bewuſt /
Daß ich dein hertz erwehle
Zu meiner zarten luſt /
Und daß ich liebe / weil das licht
Des lebens mir den ſchein verſpricht.
7. Jtzt muß ich mich verſtellen /
Mein kind / du wirſt von mir
Kein ſchlimmes urtheil faͤllen /
Dann ich verſpreche dir /
Mein hertz ſoll unbefleckt und rein /
Gar bald bey deinem wieder ſeyn.
8. Wie muß ich mich bemuͤhen /
Daß ich es enden kan /
Dann die magneten ziehen
Mein ſchwaches eiſen an.
Und achten meine krafft nicht viel /
Wann ich mich widerſetzen wil.
9. Doch halt ich mich zuruͤcke
So lang ich halten kan /
Und ſchaue deine blicke
Nur in gedancken an /
Und ſuche die zufriedenheit
Jn der entfernten freundlichkeit.
10. So will ich dich probiren /
Es ſteht die wieder frey
Mich
Mich etwas rum zu fuͤhren /
Doch da wird meine treu
Jn allen proben voller Schein
Wie feines gold und ſilber ſeyn.

II. An eben dieſelbe / als er ihrer gunſt verſichert ward.

MEin maͤdgen iſt mir gut!
Und ob ſie gleich zu zeiten /
Abſonderlich bey leuten /
Ein bißgen ſproͤde thut;
So macht ihr wort-gezaͤncke
Mir gleichwohl einen muth /
Daß ich im hertzen dencke /
Mein maͤdgen iſt mir gut.
2. Mein maͤdgen iſt mir gut.
Manch jahr iſt ja vergangen /
Seyt mein geneigt verlangen
Jn ihrer freundſchafft ruht /
Wie ſolt ich dann nicht wiſſen
Jndem ſie anders thut /
Wie weit ich koͤnne ſchlieſſen /
Mein maͤdgen ſey mir gut.
3. Mein maͤdgen iſt mir gut!
Mein laſſen und beginnen /
Das ihren zarten ſinnen
Gar nichts zu wider thut /
Bewegt mir auch das hertze
Wie eine ſanffte fluth /
Daß ich mit freuden ſchertze /
Mein maͤdgen iſt mir gut.
4. Mein maͤdgen iſt mir gut!
Sie macht ihr amts-geſichte
Vißweilen noch zu nichte /
Und ruͤhret mir das blut
B 3Durch
Durch liebgeſinnte blicke:
Drum ſpricht mein freyer muth /
Jch habe noch das gluͤcke /
Mein maͤdgen iſt mir gut.
5. Mein maͤdgen iſt mir gut!
Ein ander mag ſich kraͤncken /
Und voller furcht gedencken /
Was ſeine Nymfe thut;
Jch kan die ſorgen brechen /
Denn mein vergnuͤgter muth
Kan in der warheit ſprechen /
Mein maͤdgen iſt mir gut.

III. An Dorindgeu / als er derſelben bey ſpaͤter herbſt - zeit ein ſchoͤn ſtraͤußgen von vergiß mein nicht / uͤbergab.

MEin Dorindgen nimm die blume
Mit beliebten haͤnden an /
Welche dir zu ſchoͤnen ruhme
Selbſt den fruͤhling trotzen kan /
Goͤnn ihr doch dein angeſicht /
Weil ſie ſo beweglich ſpricht /
Vergiß mein nicht.
2. Hoͤre / mein Dorindgen hoͤre /
Wie der ſtumme redner ſchreyt /
Und ertheile mir die ehre
Deiner unvergeſſenheit /
Du verſtehſt es wol / mein liecht /
Dann ein jedes blaͤtgen ſpricht:
Vergiß mein nicht.
3. Schaue die verliebten farben /
Schaue die vermiſchung an /
Welche durch die zarten narben
Blau und gelbe ſpielen kan /
Und
Und dieweil der unterricht
Deinem hertzen auch geſchicht /
Vergiß mein nicht.
4. Jn dem kuͤhlen roſenthale
War es geſtern aufgebluͤht /
Doch auf dieſem bundten ſaale
Fand ich nichts was ſchoͤner ſieht.
Drum ſo lange luſt und licht
Durch die roſen - auen bricht /
Vergiß mein nicht.
5. Andre ſchoͤne blumen legen
Jhre frembde zierligkeit
Dieſer demuth zwar entgegen /
Doch ſie irren trefflich weit.
Meine blum iſt abgericht /
Daß ſie ohne falſchheit ſpricht /
Vergiß mein nicht.
6. Drum ſo nimm auch diß geſchencke
Mit geneigten haͤnden hin /
Mein Dorindgen und gedencke
Mein im beſten / wo ich bin:
Dann das ſchoͤne bluͤmgen ſpricht /
Wann die hoffnung ſelbſten bricht /
Vergiß mein nicht.

IV. An ſeine Marilis / als ſie ſauer ſehen wolte.

ACh! mein Marilis / was hab ich dann gethan /
Weßwegen ſihſt du mich mit ſolchen augen an /
Jſt dann die gunſt ſchon aus / und ſoll der augen ſchein
Der meine ſonne war / nun mein comete ſeyn.
2. Was haſt du dann darvon / daß ſich das roſenfeld
Der wangen alſo rauh als wie ein dornbuſch ſtellt?
Und daß der ſchoͤne mund / der ſonſt ſo ſuͤſſe lacht /
Mir alle froͤlichkeit zu lauter nichte macht.
B 43. Du
3. Du allerliebſtes kind / wo iſt die werthe hand /
Die ſich vor dieſer zeit umb meine finger wand?
Hat ſie mich gnug gedruͤckt / mein hertz / und ſoll ich nun
Jn deiner gegenwart nicht mehr ſo freundlich thun?
4. Wo iſt das liebe ding / die ſuͤſſe Marilis /
Die ihren diener ſonſt ſo fein willkommen hieß?
Du biſt es warlich nicht dein anſehn das mich plagt /
Hat meine bloͤdigkeit faſt aus der welt gejagt.
5. Ach kan ein maͤdgen auch ein bißgen boͤſe ſeyn /
Und nim̃t der eyfer auch die jungfer-hertzen ein?
Jch haͤtt es nicht vermeynt / dieweil betruͤbt und ſchoͤn /
Belieblich und erzuͤrnt nicht wohl beyſammen ſtehn.
6. Nun fuͤhl ich deinen zorn der mir den tag zur nacht /
Die nacht zu lauter angſt / die angſt zur ſpeiſe macht.
Ach meine Marilis / hab ich dir was gethan?
Wie? oder ſtellſt du dich alſo zum poſſen an.
7. Jch hoͤre doch nicht auf dir an die hand zu gehn /
Und wilſt du meine pflicht aus boßheit nicht verſtehn;
So weiß ich daß der troſt in meinem hertzen gruͤnt /
Jch habe deinen zorn mit willen nicht verdient.

V. Der getreue haus-knecht.

JCh armer haus-knecht habe nun
Mein aͤmptgen angenommen /
Nun muß ich helffen wirthlich thun
Wenn frembde gaͤſte kommen /
Sonſt werd ich wieder weggejagt
Von meiner lieben jungen magd.
2. Jch geh und laſſe mich durchaus
Die muͤhe nicht beſchweren /
Und ſolt ich funffzehenmahl das hauß
Jn einem tage kehren:
Denn wenn mich ja die arbeit plagt /
So denck ich an die junge magd.
3. Die
3. Die koͤchin mag ſo offt ſie will
Mich etwas anders heiſſen /
Die frau die mag den beſen-ſtiel
Mir umb die ohren ſchmeiſſen:
Jch bleibe dennoch unverzagt
Bey meiner lieben jungen magd.
4. Wenn ſie mir an der ſeiten ſteht
So hab ich ſchon gewonnen /
Und alle traurigkeit vergeht
Wie butter an der ſonnen /
Jch bin ihr knecht / der ihr behagt /
Sie meine liebe junge magd.
5. Wir ſtecken faſt den gantzen tag
Beyſammen in der kuͤchen /
Und wann ich poſſen treiben mag /
So iſt ſie auch verglichen /
Doch iſt kein menſch / der mich verklagt
Mit meiner lieben jungen magd.
6. Jch geh in keller / hole bier /
Und wann ich nunter ſchreite /
So kommt die magd und giebet mir
Fein ſauber das geleite /
Doch niemand in dem hauſe fragt /
Was machſt du mit der jungen magd.
7. Der Boden und der ober-ſaal
Die ſtehn uns allzeit offen /
Da haben ſie uns hundertmal
Beyſammen angetroffen /
Doch hat der herr noch nie geſagt /
Geh / pack dich von der jungen magd.
8. Jch wolt auch wol kein hauß-knecht ſeyn /
Wann ich nicht eben wuͤſte /
Daß ich das liebe maͤgdelein
Sonſt gar entrathen muͤſte /
B 5So
So bleib ich gleichwol ungeplagt
Bey meiner lieben jungen magd.
9. Die ſchoͤnen jungfern moͤgen nun
Aus meinem hertzen weichen /
Dann wann ich ja will freundlich thun /
Geh ich zu meines gleichen.
Jch armer hauß-knecht habs gewagt /
Und loͤffle mit der jungen magd.

VI. Der abgeſetzte hauß-knecht.

DU liebe junge magd / dein treuer haußknecht kom̄t /
Jndem er hier und da betruͤbten abſchied nimmt /
Und giebt dir auch die hand / wie ſauer gehts ihm ein /
Daß er nicht weiter darff dein lieber hauß-knecht ſeyn.
2. Ach nim̃ die fromme hand / nim̃ ſie zu guter letzt /
Und dencke daß ſie dich zwar oͤffters hat ergetzt.
Wann ſie aus ſchuldigkeit dir einen dienſt gethan /
Doch daß ſie weiter nicht im dienſte bleiben kan.
3. Jch ſage nur nicht viel / es geht mir freylich nah /
Doch dieſes iſt gewiß / ich bliebe gerne da.
Du liebe junge magd / du kenneſt meinen ſinn /
Du weiſt daß ich bey dir am allerliebſten bin.
4. Dieweil ich aber nun das ding nicht aͤndern kan /
So nim doch meinen gruß mit gutem hertzen an /
Und wiſſe / daß du zwar nicht allzugroſſe luſt /
Jedoch ein frommes kind hinfort entrathen muſt.
5. Hab ich dich ja erzuͤrnt durch irgend einen tritt /
So gib mir doch den troſt auf meine reiſe mit /
Und gib mir zu verſtehn ohn allen heuchel-ſchein /
Daß aller miß-verſtand nun ſoll vergeſſen ſeyn.
6. Wiewol ich habe dir fuͤrwar kein leid gethan /
Schau nur die gantze zeit in meinem leben an:
Haſt du was ausgelegt nicht als ich es gemeint /
So ſey der auslegung und nicht der ſache feind.
7. Ob
7. Ob ich gleich manches mahl ſehr ausgelaſſen bin
So kom̃t die fꝛoͤmmigkeit mir doch nicht aus dem ſinn;
Jch bin ſo von natur / ich kan nicht anders thun /
Jch kan nicht gar zu lang auff einer ſtelle ruhn.
8. Wer aber mein gemuͤth darbey betrachten wil /
Der findet ſicherlich das rechte widerſpiel:
So loſe manches wort in meinen reden ſcheint /
So gut und redlich hats mein hertze wohl gemeynt.
9. Es ſteht in dieſer welt doch aus der maſſen ſchoͤn /
Wann treue ſeelen recht in ſtiller freundſchafft ſtehn:
Man iſt drum nicht verliebt / man iſt einander gut /
Als wie ein guter freund mit ſeinem freunde thut.
10. Jch darff nicht mehr ſo thun / ich habe ſo gethan /
Nimm alles was geſchehn im beſten auf und an /
Und goͤnne mir zuletzt ein freundlich angeſicht /
Doch meine bangigkeit ſiehſt du die helffte nicht.
11. Hiemit zu guter nacht du liebe junge magd /
Was hilfft es wañ man ſich gleich noch ſo ſehr beklagt;
Jch muß doch endlich fort / kan es nicht jetzt geſchehn /
So kan ich dich vielleicht auff deiner hochzeit ſehn.
12. Und waß ich biß dahin verborgen halten wil
Das ſoll die loſung ſeyn bey deinen hochzeit-ſpiel /
Judeſſen lebe wohl und pruͤfe meinen ſinn
Ob ich nicht biß daher dein treuer haußknecht bin.

VII. Als ſich Liſilis nicht wolte kuͤſſen laſſen.

DU freundliche Liſilis ſoll ich dich kuͤſſen /
So zeug doch nicht das muͤndgen weg /
Ein kuͤßgen iſt leichtlich zu tode gebuͤſſen /
Und macht ja keinen ſchwartzen fleck.
Ach halte mein laͤmgen ach halte gewiß /
Jch gebe dir einen empfindlichen biß /
Ach Liſilis.
2. Ach
2. Ach beuge dein leibgen nicht immer zuruͤcke /
Sonſt kan ich warlich nicht darzu /
Mein engel gib achtung indem ich dich druͤcke /
Daß ich dir nichts zu leide thu /
Ein kuͤßgen verbleibet mein liebes-genieß /
Jch bitte zum ſchoͤnſten / vergoͤnne mir diß /
Ach Liſilis.
3. Halt ſtille mein hertzgen / was heiſſen die poſſen /
Nun haͤltſt du gar die haͤnde vor /
Die haben ſich uͤber die lippen geſchloſſen /
Doch gib das koͤpffgen nur empor /
Jn warheit ich habe das kinne gewiß /
Drum halt ich dich feſte / verzeihe mir diß.
Ach Liſilis.
4. Was wilſtu dich wehren / was wilſtu noch ringen /
Wo flog der tieffe ſeuffzer hin /
Mein laͤmgen / ach laſſe dich immer bezwingen /
Weil ich dir ſchon ſo nahe bin /
Jch habe gewonnen / mein liebes-genieß
Bleibt meinen entzuͤcketen lippen gewiß /
Ach Liſilis.
5. Ach Liſilis hab ich dich endlich betrogen /
Jch habe dich dreymal gekuͤſt /
Und keinmal vor freuden zuruͤcke gezogen /
Nun ſuche wo das fleckgen iſt.
Ach halte mein laͤmgen / ach halte gewiß /
Jch gebe noch einen empfindlichen biß /
Ach Liſilis.

VIII. Als er ſich unter fremdes frauenzimmer machen ſollte.

JCh will bey meinem maͤdgen bleiben /
Jch hab die brieffe nicht davon /
Daß ich mich ſoll an ein andre reiben /
Drum geb ich auch kein botenlohn.
Und
Und danck es keinem gar zu viel /
Der mich zu andern fuͤhren will.
2. Jch habe manche liebe ſtunden
Jn leerer hoffnung zugebuͤſt /
Eh ich es in der that befunden
Daß ſie mein maͤdgen worden iſt:
Drum lenck ich auch mein angeſicht
Nunmehr zu keiner andern nicht.
3. Jch weiß von auſſen und von innen
Was ihr gemuͤth im ſchilde fuͤhrt /
Und bin gewiß daß ſie die ſinnen
Mit lauter freundlichkeit regiert /
Sie iſt belieblich / zart und ſchoͤn /
Was ſolt ich dann zur andern gehn.
4. Offt hertzt ein fremder eine ziege /
Und ſieht ſie vor die Venus an /
Weil er dieſelbe nach der gnuͤge
Bald erſtlich nicht erkennen kan /
Und weil ein ſchleyer und die nacht
Die ſchlimmſte magd zur jungfer macht.
5. Und wann ich gleich was ſchoͤnes kuͤſſe /
So iſt mirs dannoch unbekant /
Ach nein / ich nehme das gewiſſe /
Und denck / ein vogel in der hand /
Jſt beſſer dann ein gantzes dutzt
Das noch in freyen felde ſtutzt.
6. Wer ſich nun gerne will verhindern
Der ſuche ſeine liebe weit /
Es iſt doch wahr / an fremden kindern
Verderbt man alle freundlichkeit /
An fremden hunden wendet man
Die ſuppen gar vergebens an.
7. Jch bleibe nun wo meine liebe
Sich erſtlich hat hervorgethan /
Und
Und da ich endlich keine diebe
Zu meinem ſchaden fuͤrchten kan.
Ein ander ſuche was er will /
Von meinem maͤdgen halt ich viel.

IX. Dorindgen muß ſich einer zauberey beſchuldigen laſſen.

DOrindgen darff ichs ſagen /
Und darff ich ohne ſcheu
Dich oͤffentlich verklagen /
Mit deiner zauberey?
Ach du verwandelſt meinen ſinn /
Daß ch mir ſelbſt nicht aͤhnlich bin.
2. Sonſt iſt mein junges hertz /
Bey allen maͤdgen kalt /
Und gibt der liebes-kertz
Gar ſchlechten auffenthalt /
Doch du verwandelſt meinen ſinn /
Daß ich bey dir verliebet bin.
3. Verlier ich ja bey andern
Manchmal ein gutes wort /
So bin ich nun von Flandern /
Und geh bey zeiten fort /
Doch du verwandelſt meinen ſinn
Daß ich bey dir beſtaͤndig bin.
4. Jch habe meine bruͤder
Ohn allen ſchein geliebt /
Sie haben mich auch wieder
Mit willen nicht betruͤbt /
Doch du verwandelſt meinen ſinn /
Daß ich den freunden untreu bin.
5. Jch bin zur luſt gebohren /
Die haͤngt mir allzeit an /
Und gibt mir nicht verlohren
So lang ich liſpeln kan:
Doch
Doch du verwandelſt meinen ſinn
Daß ich bißweiten traurig bin.
6. Jch kan an andern orten
Vortreflich loſe ſeyn /
Und laſſe mich mit worten
Jn manche kurtzweil ein /
Doch du verwandelſt meinen ſinn
Daß ich gar eingezogen bin.
7. Sonſt gieng ich bald zu bette
Wann nun der abend kam /
Und alles um die wette
Mit ſich zur ruhe nahm:
Doch du verwandelſt meinen ſinn
Daß ich des abends munter bin.
8. Wie ſchlimm haſt du gehandelt /
Jch kenne deine liſt /
Jch werde ſo verwandelt /
Du bleibeſt wie du biſt:
Ach kind / verwandle deinen ſinn /
Wie ich bey dir verwandelt bin.

X. An die unvergleichliche Margaris.

M Eines hertzens koͤnigin /
Angenehmſter ſchatz auf erden /
Richte deine luſt-geberden
Guͤnſtig auf den diener hin /
Als bey welchem deine gaben
Ruh und troſt zu ſchaffen haben /
Ich geſteh es zwar betruͤbt /
Schoͤnſtes kind ich bin verliebt.
2. M ich mein verraͤther ſeyn /
Ach was ſoll ich laͤnger ſchweigen /
Regen ſich doch alle zeugen
Gegen mir und meiner pein /
Alle
Alle kraͤffte meiner ſeelen
Reitzen mich mit ſanfftem qvaͤlen /
Ich bekenn es offentlich /
Schoͤnſtes kind ich liebe dich.
3. Mache nur durch deine gunſt
Alle meine noth zu nichte /
Richte dein geneigt geſichte
Gegen mir nnd meiner brunſt /
Alle freude / luſt und ſchertzen
Reiß ich ſonſt aus meinem hertzen /
Ich begehr in dir allein
Selig und vergnuͤgt zu ſeyn.
4. Meine werthe zuͤrne nicht /
Alles was ich dir erzehle /
Reimet ſich mit meiner ſeele /
Glaube / was die zunge ſpricht.
Andre moͤgen falſche ſachen
Ruͤhmen und zur tugend machen /
Ich will ohne falſchen ſchein /
Suͤſſes kind / dein diener ſeyn.
5. Mein geluͤcke ſteht bey dir /
Alles will ich dir ergeben /
Reitze mein beſtaͤndigs leben
Gunſt-geneigt zu deiner zier:
Alſo werden meine ſinnen
Ruh und ſuͤſſen troſt gewinnen.
Itzt verbleib ich halb betruͤbt /
Schoͤnſtes kind in dich verliebt.

XI. An eben dieſelbe / als ſie ihren nahmens-tag begieng.

WJe ſchoͤn hat doch der ſonnen licht
Zu ſcheinen angefangen /
Wie laͤſſt ſie ihr geſicht
Jn lauter neuen ſtralen prangen /
Ach33
Ach dieſes gilt gewiß
Der allerſchoͤnſten Margaris.
2. Denn ihr beliebter namens-ſchein
Bricht nun mit gutem gluͤcke
Bey unſern linden ein /
Und gibt uns ſolche blicke /
Bezeugt uns auch gewiß /
Sie ſey die ſchoͤnſte Margaris.
3. Drum werd ich auch nicht unrecht thun /
Wann ich mich auch ergetze /
Und meine feder nun
Mit ihrem Tugend-lobe netze /
Weil ich in meinem ſinn
Jhr ſonſten hoch verpflichtet bin.
4. Jch habe meine luſt an ihr
Und ruͤhme ſie vor vielen /
Wenn ich der Tugend zier
Seh auß der zarten ſchoͤnheit ſpielen /
Und wenn die freundlichkeit
Die ſuͤſſe reitzungs-macht verneut.
5. Wie hab ich manche liebe zeit
Voruͤber laſſen ſchweben /
Seit die gelegenheit
Jn ihrer gegenwart zu leben /
Mich bey der linden-ſtadt
Mehr als zu wohl ergetzet hat.
6. Derhalben weil ihr namens-Licht
So froͤlich iſt erſchienen
Erkuͤhnt ſich meine pflicht
Sie gegenwaͤrtig zu bedienen /
Und wo ich das nicht kan /
So nehme ſie den willen an.
C7. Der43[34]Uberfluͤſſiger gedancken
7. Der Himmel ſey ihr ferner gut /
Und gebe ſein gedeyen
Zu allem was ſie thut /
So werd ich gleichfals mich erfreuen
Und werd ohn allen ſchein
Jhr auffzuwarten muͤhſam ſeyn.

XII. Als er vor betruͤbten Liebes-Grillen nicht ſchlaffen konnte.

Jtzt ruht und ſchlaͤfft die gantze welt
Was ſee und feld
Jn den verliebten armen haͤlt.
Nur ich empfinde keine ruh /
Und bringe nicht ein auge zu.
Dann weil der tag zu ende geht /
Eh meine ſonne vor mir ſteht /
So bricht der abend auch herein /
Und muß gedoppelt finſter ſeyn.
2. Jch habe lange nacht
Umſonſt gewacht /
Und meinem ſchmertzen nachgedacht /
Wiewol je mehr ich dencken muß /
Je mehr empfind ich uͤberdruß /
Weil niemand die erwuͤnſchte bahn
Zu meiner hoffnung finden kan /
Und dannoch hab ich dieſen trieb
Der traurigen gedancken lieb.
3. Jch bin verliebt in meine pein /
Und nicht allein
Jn ihren hochgeſchaͤtzten ſchein:
Denn wann der ſchlaff ein ſanfftes ziel
Jn meinen ſorgen ſetzen will /
So35anderes dutzent.
So ſtellt ſich meine mattigkeit
Noch immer in den gegenſtreit /
Biß ſich ein traum ins hertze ſpielt /
Daß er mir die gedancken ſtielt.
4. Jn dieſem ſchatten koͤmmet mir
Die liebſte zier
Jn ihrer hoͤchſten ſchoͤnheit fuͤr /
Und ſtralt mein hertz dermaſſen an /
Daß ich es kaum vertragen kan;
Jedoch wann ich ein gleiches ſpiel
Mit meinen armen machen will /
So greiff ich an die kalte wand /
Und ſie entwiſcht mir aus der hand.
5. Jtzt ſehn ich mich nach meiner ruh /
Und ſchlieſſe nu
Die augen vor mir ſelber zu /
Komm wieder / komm du ſuͤſſer traum /
Und mache meiner wolluſt raum!
Denn wird der kummer nicht geſtillt
Durch ein erdichtes ſchatten-bild /
So weicht auff eine kleine zeit
Zum minſten die empfindligkeit.
6. Ach aber ach es geht nicht an!
Daß ich daran
Ein rechtes labſal haben kan.
Mein ſchmertzen geht mir viel zu nah /
Ach waͤre nur der morgen da /
Vielleicht iſt diß der liebe tag
Da ich mich wieder ruͤhmen mag /
Daß eine die mich ſonſt betruͤbt /
Mir ruh und leben wieder giebt
C 2Uber -36

Uberfluͤſſiger Gedancken Drittes Dutzent. Darinnen unterſchiedene Sachen begriffen / ſo vor - mals auf dem Schauplatze unvergnuͤgter Liebhaber vorgeſtellet worden.

I. Der unerkannte Liebhaber.

MEin liebgen will es nicht verſtehn /
Daß ich in ſie verliebet bin /
Sie kan vor mir voruͤber gehn /
Als haͤtte mein getreuer ſinn /
Der ihre lieb und gunſt begehrt /
Sich nach der gnuͤge nicht erklaͤrt.
2. Jch kan die aller ſchoͤnſten blicke
Genieſſen als ein guter Freund;
Doch hab ich nicht das hohe gluͤcke /
Daß ſie es in dem hertzen meint /
Daß ſie auff mich viel kundſchafft legt
Und ein verlangen nach mir traͤgt.
3. Wil ich bey ihr die zeit vertreiben
So laͤſt ſie mich mit willen ein;
Jedennoch will ich auſſenbleiben /
So kan ſie auch zufrieden ſeyn /
Sie henckt deswegen vor das hauß
Gar keinen ſchwartzen flor hinauß.
4. Und was mich treflich kan verdrieſſen /
So iſt das loſe tauſend-kind
Vor allen andern drauff befliſſen /
Wie ſie mir reden abgewinnt /
Und meine bruſt hindangeſetzt
Mich nur mit fremden maͤdgen hetzt.
5. Jch37drittes dutzent.
5. Jch darff dieſelben nicht verachten /
Denn ſonſten hieß es alſobald /
Daß wir es nirgend anders machten /
Und waͤren weder warm noch kalt:
Und gleichwohl wenn ich freundlich thu
So heiſts ich ſpreche ja darzu.
6. Jch darff ihr zwar die Haͤnde druͤcken /
Die meinen aber druͤckt ſie nicht /
Jch ſpiele mit verkehrten blicken /
Und ſie behaͤlt ihr angeſicht /
Mein fuß der ſtoͤſſt ſie ungefehr /
Jedoch ſie ſtoͤſſt nicht wieder her.
7. Den ſuͤſſen purpur-mund zu kuͤſſen
Geht mir zu ſchwer und ſauer ein /
Dieweil ich mich befuͤrchten muͤſſen
Es moͤcht ihr nicht belieblich ſeyn /
Wiewohl was hilfft ein kalter kuß /
Jndem man ſonſten warten muß.
8. Jch ſchwatze viel von liebes-ſachen
Wie es die leutgen in der welt
An dem und jenem orte machen /
Und alles was mir wohl gefaͤllt /
Das macht mein hoͤchſt-verliebter mund
Jhr durch verbluͤmte reden kund.
9. Jch kan ſie aber nicht erwiſchen /
Sie ſchlaͤgt die reden in den wind /
Jch muß in einem teiche fiſchen
Da keine fiſche drinnen ſind /
So eilt die junge zeit dahin /
Daß ich ſtets aus mir ſelber bin.
10. Und alſo ſeh ich meine freude
Nur zwiſchen furcht und hoffnung ſtehn /
C 3Und38Uberfluͤſſiger gedancken
Und kan in meinem hertzen-leide
Der wolluſt nicht entgegen gehn /
Der himmel hat es ſo gefuͤgt /
Jch liebe wol / doch unvergnuͤgt.

II. Der ungedultige liebhaber.

JCh hab ein bißgen lieb gehabt /
Und habe meinen ſinn gelabt /
Doch nun will ich mich ſelbſt verſtoͤhren.
Denn weil es gleich am beſten ſchmaͤckt /
Und wann man noch die finger leckt /
Da iſts am beſten auffzuhoͤren.
2. Es iſt doch lauter kinderey
Mit der verliebten loͤffeley:
Wie muͤſſen wir die zeit verderben /
Jn leerer furcht und hoffnung ſtehn /
Und manchen gang vergebens gehn /
Eh wir ein bißgen gunſt erwerben.
3. Und wann ſie nun erworben iſt /
So waͤhrt es eine kurtze friſt /
Biß wir ſie wiederum verſchuͤtten /
Ein ſchritt / ein wort / ein eintzig blick
Treibt alle freundlichkeit zuruͤck /
Und da hilfft kein genade bitten.
4. Die maͤdgen wollen luſtig ſeyn /
Drum lieben ſie nur auff den ſchein /
Der bloſſen zeit vertreibung wegen:
Doch weil es nur am gluͤcke liegt /
Daß man ſie bey der laune kriegt /
So koͤmmt man offt gar ungelegen.
5. Und wann wir noch ſo ſicher ſeyn /
So ſtellt ſich gar ein ander ein /
Der39drittes dutzent.
Der lernt zu erſt die bahne brechen /
Hernach ſucht er gelegenheit
Durch ſeine ſchlaue freundlichkeit
Uns unvermercket abzuſtechen.
6. Da geht das grillen-fangen an
Wie man den cauſenmacher kan /
Bey guter zeit zuruͤcke treiben /
Doch deſſen allen ungeacht /
Ob man ſich noch ſo mauſig macht /
Muß er im ſattel ſitzen bleiben.
7. Was hat man dann nunmehr darvon
Als allenthalben ſpott und hohn /
Und tauſend ſorgen in dem hertzen?
Ade du lebendiger tod /
Jch will hinfort mit deiner noth
Jn meiner vollen freyheit ſchertzen!
8. Drum lob ich eine compagnie /
Da wir biß an den morgen fruͤh
Auff gute treu und freundſchafft ſauffen /
Fuͤrwahr eh ich das liebes-ſpiel
So eyffrig wieder ſpielen will /
Eh will ich aus der ſtadt entlauffen.

III. Der furchtſame liebhaber.

WAs ſoll ich laͤnger ſchweigen?
Es iſt doch nun geſchehn /
Nachdem die klaren zeugen
Mir aus den augen ſehn:
Jch habe durch den ſuͤſſen trieb
Der ſchoͤnheit auch ein maͤdgen lieb.
2. Und will es jemand wiſſen /
Was denn die liebe ſey /
C 4Darauff40Uberfluͤſſiger gedancken
Darauff ich mich befliſſen /
So ſag ichs ohne ſcheu /
Und ſpreche die beſchaffenheit
Der leib iſt furcht und bloͤdigkeit.
3. Sonſt pfleg ich zwar zu ſchertzen
Jn allem was ich thu;
Doch meine furcht im hertzen
Laͤſſt ihr gar wenig zu:
Denn dieſer ſcrupel faͤllt mir ein /
Das maͤdgen moͤchte boͤſe ſeyn.
4. Und daß ich alles ſage /
Was mir beſchwerlich iſt:
Jch habe ſie mein tage
Nie auff den mund gekuͤſt /
Und gleichwol hab ich tag und nacht
An die corallen-luſt gedacht.
5. Gelegenheit macht diebe /
Nur ich verſteh es nicht /
Und wenn mir gleich die liebe
Manchmal die bahne bricht /
So bin ich doch ſo wunderlich
Jch armes kind / und fuͤrchte mich.
6. Sonſt kan ich fleiſſig tippen
Wann ich bey andern bin /
Da geb ich meine lippen
Jn die rapuſe hin /
Denn werd ich gleich was ausgericht
So ſterb ich doch von drauen nicht.
7. Kan ich was mit bekommen /
So weiß ich was ich thu /
Und wird mirs auch genommen
So ſchnipp ich eins darzu /
Wer41drittes dutzent.
Wer weiß wo noch ein maͤdgen iſt
Die mich wohl ungebeten kuͤſt.
8. Doch meine tauſend freude
Die nehm ich wohl in acht /
Jn dem ſie mir zu leide
Viel ſauer minen macht /
Und mitten in der freundlichkeit
Mir unverſehns die ſpitze beut.
9. Jch wolte gerne kuͤſſen /
Die furcht die macht mich matt /
Die weil ich nicht kan wiſſen /
Ob ſie es gerne hat /
Und ob ſie das verleckte ſpiel
Auf ihren lippen leiden wil.
10. Ach dieſer ſache wegen
Verſuch ich keine kunſt /
Es iſt mir mehr gelegen
An ihrer guten gunſt /
Doch weil ich ſie nicht kuͤſſen kan /
Greiff ich ihr in gedancken dran.

IV. Der hoͤhniſche Liebhaber.

BOtz tauſend Roſilis
Wils trefflich heuer geben /
Das naͤrrgen meint gewiß
Man koͤnn ohn ſie nicht leben /
Ach nein es iſt fuͤrwar
So boͤſe nicht gemeint /
Jch hab um die gefahr
Schon geſtern außgeweint.
2. Wer doch aus ungedult
Sich was zu leide thaͤte /
C 5Und42Uberfluͤſſiger gedancken
Und wegen ſeiner ſchuld
Viel um verzeihung baͤte /
Es iſt mir warlich leid /
Daß niemand alber iſt /
Und ihr auß dienſtbarkeit
Die ſtoltzen fuͤſſe kuͤſſt.
3. Jhr leute ſeht doch her /
Mein wolt ihr nicht erſchrecken;
Will jener oder der
Sie nicht im leibe lecken:
Das maͤulgen macht ſie krumm /
Die augen ſind erhitzt /
Die naſ iſt umm und umm
Ein bißgen zugeſpitzt.
4. Jedoch der groſſe zorn
Jſt wol noch auszuſchwitzen /
Deßwegen ſoll kein horn
Mir auf der blatte ſitzen /
Jhr rauhes angeſicht
Sey endlich wie es ſey /
Um ihren willen bricht
Mir doch kein bein entzwey.
5. Sie laſſe kuͤnfftig ja
Die groſſe boßheit ſtreichen /
Man findet hier und da
Warhafftig ihres gleichen:
Drum ſey ſie nicht ſo kalt
Und lerne mich verſtehn /
Sonſt will ich alſobald
Zu einer andern gehn.
6. Fuͤrwar ich lieſſe gern
Ein luſtig liedgen ſchallen /
Ach43drittes dutzent.
Ach waͤre nur mein ſtern
Nicht auff den Miſt gefallen!
Wie wol ich weiß wohin /
Jch ſchick ihn in das hauß /
Zu meiner waͤſcherin /
Die waͤſcht ihn wieder aus.

V. Der betrogene Liebhaber.

KOmmt ihr leute kommt und ſchauet
Mein betruͤbt exempel an /
Seht wie einer fallen kan
Welcher auff die liebe bauet /
Und ſein leben auf das ſpiel
Eitler wolluſt gruͤnden wil.
2. Waͤr ich vor ſo klug geweſen
Als ich itzo worden bin /
Haͤtte mein betrogner ſinn
Wol was beſſers auſſerleſen /
Aber ach ich armes kind
War an beyden augen blind!
3. Die beliebten purpur-wangen
Nahmen mir das leben ein /
Und erregten durch den ſchein
Alles hoffen und verlangen /
Biß ich alles was ich fand
Jhr und ihre gunſt verband.
4. Was ich dichte / was ich machte /
War auf ſie allein gericht /
Sie / mein engel / war mein liecht /
Und wann ich an ſie gedachte /
Lieff das blut in einem nu
Dem verliebten hertzen zu.
5. Wann44Uberfluͤſſiger gedancken
5. Wann ich gleich in einem tag
Kaum ein halbes blickgen ſah /
Gieng mir doch der ſtrahl ſo nah /
Daß ich auſſer aller klage /
Gleichſam als zu groſſem danck
Manch erfreutes luſt-lied ſang.
6. Aber nun bin ich verdorben /
Seit mir die gelegenheit
Zu dergleichen freundlichkeit
Unverhofft iſt abgeſtorben /
Und mein hertze keine ſtatt
Mehr in ihrem hertzen hat.
7. Alle luſt iſt mir zu wider /
Was ich ſehn und hoͤren muß /
Bringt mir lauter uͤberdruß /
Und die allerſchoͤnſten lieder
Von der liebe kommen mir
Abgeſchmackt und alber fuͤr.
8. Wann ich ja bißweilen ſchertze /
Und mein altes freuden-ſpiel
Wiederum verneuen will /
Ach ſo rufft mein ſchwaches hertze
Mitten in der ſuͤſſen ruh
Meinem ſchmertzen wieder zu.
Zwar ich ſehe ſchon von weiten
Daß die zeit mich troͤſten kan /
Doch wiewohl iſt der daran /
Welcher ſolchen eitelkeiten
Seine ſeele nicht ergiebt /
Oder doch geluͤcklich liebt.
VI. Der45drittes dutzent.

VI. Der ungewiſſen Liebhaber Nacht-Gedancken.

JCh armes kind! wie einſam muß ich leben /
Wie muß ich noch in eitel hoffnung ſchweben /
Jch dencke viel / und weiß doch nicht wohin /
Es wundert mich daß ich ſo luſtig bin.
2. Wo werd ich noch mein ruheplaͤtzgen finden /
Und welcher ort wird ſich mit mir verbinden /
Jch blicke zwar ins liebſte vaterland;
Doch Gottes rath iſt mir noch unbekannt.
3. Wie muß wol itzt das liebe ſeelgen liegen /
Das mich einmahl im lieben ſoll vergnuͤgen /
Sie liegt vielleicht in ihrer ſanfften ruh /
Und druͤckt das liecht der ſchoͤnen augen zu.
4. Sie wird an mich den abend nicht gedencken /
Da ich mich muß im Vorrath gleichſam kraͤncken /
Und wo ſie ja den kopff ietzund zerbricht
So weiß ſie doch von meiner liebe nicht.
5. Das iſt gewiß / die maͤdgen ſo ich kenne /
Und die ich ſchon mit ihren namen nenne /
Die ſind mir wohl ohn zweiffel nicht beſchert /
Jch habe ſie auch nie ſo weit begehrt.
6. Es iſt noch zeit / daß ich ein kind erwaͤhle /
Am leibe ſchoͤn und ſittſam an der ſeele:
Diß iſt genug? ſonſt ſey ſie arm und reich /
Groß oder klein / es gilt mir alles gleich.
7. Wiewol ich kan mein wort nicht von mir geben /
Wer weiß / ob ich das gluͤcke werd erleben
Wie mancher giebt der eitelkeit valet
Eh er die ſpur der ſuͤſſen liebe geht.
8. Es mag drum ſeyn / ich bin bereit zu allen /
Des Himmels-ſchluß ſol mir allzeit gefallen /
Jch46Uberfluͤſſiger gedancken
Jch ſtreite nicht / ich bleibe gern allein
Jch wil auch gern der liebe dienſtbar ſeyn.
9. Dieſelbe mag es nach belieben karten /
Jch wil den troſt in aller ſtill erwarten /
Schlaf wohl mein kind / mein unbekanntes ich /
Schlaf du nur wol / ich wache ſchon vor dich.

VII. Die vergnuͤgten Liebhaber.

SO liegen die neuen verliebten beyſammen
Jn unverruckter hertzens-luſt /
Und locken die hitze der ehrlichen flammen
Auß ihrer tugendhafften bruſt /
So ſchertzet und ſpottet das edele paar
Der nimmer-vergnuͤglichen liebes-gefahr.
2. Jhr liechter des Himmels ach ſehet ſie liegen /
Seht wie ſie durch die ſchoͤne nacht
Jhr lieben im lieben durch lieben vergnuͤgen /
Biß Phoſphorus den morgen macht:
Da lernen ſie langſam und ſchlaͤfferig ſeyn
Und ſchlaffen in werther zufriedenheit ein.
3. Sie koͤnnen ſich kuͤhnlich einander erklaͤren /
Dann deſſenwegen ſind ſie da /
Auff alles verlangen auff alles begehren
Folgt nichts als ein vergnuͤgtes ja /
Sie heiſſet ſein leben / er heiſſet ihr liecht /
Sie kuͤſſen einander und fuͤrchten ſich nicht.
4. Was manchen verliebten im weiteſten felde /
Wie eine roß im winter bluͤht.
Was mancher nur gleichſam in einem gemaͤhlde /
Von ſeiner luſt-vergnuͤgung ſiht /
Das fuͤhlen ſie wuͤrcklich und ruffen die ruh /
Als eine beliebliche zeugin dazu /
5. Drum47drittes dutzent
5. Drum kom̃et ihr Gratien / ſchwinget die lieder /
Durch die erfreute Linden-lufft /
Erfuͤllet die gaſſen biß Echo hinwieder
Mit ihrer holen ſtimme rufft:
Die ſelig verknuͤpfften die haben geſiegt /
Sie leben erfreulich / und lieben vergnuͤgt.

VIII. An eben dieſelbige.

GUte nacht ihr edlen beyde /
Lobt den Himmel der euch liebt /
Und die angenehmſte freude /
Dieſer nacht zu eigen gibt /
Lobt den Himmel und bedenckt /
Was er euch vor gnade ſchenckt.
2. Euer leben und gedeyen
Das bezeugt euch mehr als wol /
Daß ſich manches haupt erfreuen /
Manches hertze troͤſten ſoll /
Dieſe freude kan allein
Nicht vor zwo perſonen ſeyn.
3. Die geliebten Eltern zwingen
Sich zu der verlangten ruh /
Doch die lieben hertzen bringen
Vor der luſt kein auge zu /
Dann ſie dencken allzugleich
Edles beyde nur an euch.
4. Sie erwarten mit verlangen
Die erwuͤnſchte tageszeit /
Euch empfindlich zu empfangen /
Als ein pfand das ſich verneut /
Und die freundſchafft in der that
Endlich recht verknuͤpffet hat.
5. Nun48Uberfluͤſſiger gedancken
5. Nun des guͤnſtgen Himmels-ſegen /
Halte ferner den gebrauch /
Wachſet nicht nur eurentwegen /
Sondern ihrentwegen auch /
Die an allen was geſchehn /
Jhres hertzens wolluſt ſehn.

IX. Der Jungfern Grabe-Lied.

NUn ſo zeuch du fromme ſeele /
Zeuch aus aller angſt und noth!
Stirb fein ſeelig und erwaͤhle
Deinen allerliebſten tod /
Welcher jetzt ſo freundlich koͤmmt /
Und dich in die armen nimmt /
Der auch ſtets bey dir wird bleiben /
Und dir huͤbſch die zeit vertreiben.
2. Zachries pfeift die ſterbe-lieder
Vor den trauer-leuten her /
Hofemann laͤufft hin und wieder
Ja die laͤng und in die qver /
Die großvaͤter ſind betruͤbt /
Weil man trefflich achtung gibt /
Und die waͤchter mit den ſpieſſen
Vor der treppe ſtehen muͤſſen.
3. Nun die namen ſind geſchrieben
Jn das groſſe kirchen-buch /
Drum zerreiſſet nach belieben
Jmmer hin das leichen-tuch /
Steiget nur in ſarg hinein /
Kurtzweil muß getrieben ſeyn /
Habens doch die lieben alten
Vormals eben ſo gehalten.
4. Gute49drittes dutzent.
4. Gute nacht du liebe ſeele /
Schlaff bey leibe nicht zuviel /
Biß fein luſtig weil das oͤle
Jn dem laͤmpgen brennen wil /
Wirſt du nach vollbrachter nacht
Gleich ein bißgen außgelacht:
Hat es doch bey jungen leuten
Trefflich wenig zu bedeuten.
5. Nun die jungfer iſt geſtorben /
Und das weibgen lebet noch /
Jſt ihr namen gleich verdorben /
Weiß daß liebe laͤmmgen doch /
Wo ſie ſich erholen ſoll /
Und der todt bekoͤmmt ihr wol /
Weil ſie bald in jungen jahren
Seine ſuͤſſigkeit erfahren.
6. Aber ihr betruͤbten maͤdgen /
Die ihr noch am leben ſeyd /
Bleibt zu frieden / dann die faͤdgen
Zu dem hembde ſind bereit /
Daß in euer todes-pein
Soll der ſterbe-kittel ſeyn:
Dannoch welche ſtirbt am ehſten
Soll die andern helffen troͤſten.

X. Als er ſeine Liſilis auff einer Hochzeit bedienen wolte.

KOmm du angenehmer tag /
Und vergoͤnne daß ich mag /
Meiner Liſilis allein
Zu beliebten dienſten ſeyn.
2. Ach wie ſehnlich ach wie offt /
Hab ich laͤngſt darauff gehofft /
DBiß50Uberfluͤſſiger gedancken
Biß des guten gluͤckes-rath
Mich damit beſeligt hat!
3. Andre konten gar zu fein
Unterweilen luſtig ſeyn /
Wann das maͤdgen hier und dar /
Als ein gaſt zugegen war.
4. Aber mir war nichts verguͤnt /
Dann ich war ein armes kind /
Und ſah kaum von fernen an /
Was von andern war gethan.
5. Nun es iſt des gluͤckes art /
Daß es manche freude ſpart /
Nur damit die luſt darbey
Endlich deſto groͤſſer ſey.
6. Jetzo bin ich wol vergnuͤgt /
Weil mein wunſch hat obgeſiegt /
Und die hand die mir gefaͤlt /
Meinen ſinn zufrieden ſtellt.
7. Alles lacht und lebt in mir /
Und ergoͤtzt ſich an der zier /
Meiner werthen goͤnnerin /
Der ich gantz ergeben bin.
8. Aber waͤr ich auch gewiß /
Ob die loſe Liſilis
Mir deßhalben auch noch mehr
Guͤnſtig und gewogen waͤr?
9. Zwar ich zweiffle nicht daran /
Weil ſie’s doch nicht laſſen kan /
Und ſie iſt mein creutz / mein blut /
Noch der alten hacke gut.
10. Jch verlaſſe mich darauff /
Auf ihr muſicanten auf /
Strei -51drittes dutzent.
Streichet biß die quinte reiſt /
Und die nacht uns wandern heiſt.

XI. Als das Maͤdgen auf eben dieſer Hochzeit nicht wolte luſtig ſeyn.

HAb ich mich nicht geſpitzt
Auf dieſes Hochzeit-ſpiel /
Und gleichwol da ich itzt
Die luſt betrachten wil /
So iſt ſie warlich ſchlecht /
Das maͤdgen wil nicht laͤchen /
Und mir iſt auch nicht recht /
So ſtehen meine ſachen.
2. Jch haͤtte mir den ſpaß
Viel beſſer eingebildt /
Doch nun wird diß und das
Die helffte kaum erfuͤllt /
Jch war von hertzen froh /
Dann ſchickt ich mich auf minen /
Da wolt ich ſo und ſo /
Das loſe kind bedienen.
3. Es hat ſich wol bedient /
Wann ſie aus lauter liſt
Sich nicht ſo viel erkuͤhnt
Und ſelber luſtig iſt;
Wann ſie den ſchoͤnen reſt
Der zeit nur wil verliehren /
Und den Saturnus laͤſt
Jn ihren ſinn regieren.
4. Jch bin zu wunderlich
Und werde flugs betruͤbt /
Wann nur ein maͤdgen ſich
D 2Ein52Uberfluͤſſiger gedancken
Ein wenig theuer giebt:
Es darff ein eintzig blick
Sich wider mich erregen /
So prall ich ſchon zuruͤck /
Und iſt mir alls entgegen.
5. Was hilffts / ich wil hinfort
Ein bißgen kluͤger ſeyn /
Und mich auff keinen ort
So uͤbermaͤſſig freu’n:
Es iſt doch mein gebrauch /
Je aͤrger ich mich ſpitze /
Je weniger wird mir auch
Der freude ſelber nuͤtze.
6. Hingegen ſo behaͤlt
Dieſelbe luſt den preiß /
Wenn daß man auff der welt
Nichts von den haͤndeln weiß
Denn alſo koͤmmt man offt
Zu angenehmen leuten /
Die einem unverhofft
Den ſchoͤnſten ſpaß bereiten.
7. Dem ſey nun wie ihm ſey /
Jtzt bin ich wol vexirt /
Und kan doch nicht vorbey /
Daß ſo ein ſtern regiert /
Jſt mein geluͤcke gut /
So will ichs bald erleben /
Daß mir das loſe blut /
Soll beſſre blicke geben.
XII. Der53drittes dutzent.

XII. Der ungluͤckſelige Garten-Courtiſan.

Er.
MEin kind ſo treff ich ſie
Jn dieſem garten an?
Sie. Ach daß er doch die muͤh
Um mich nicht laſſen kan.
Er. Jch habe ſie geſucht /
Und habe ſie gefunden.
Sie. Dadurch iſt mir die frucht
Der einſamkeit verſchwunden.
Er. Sie goͤnne mir die luſt
Und laſſe mich hinein.
Sie. Dem Herren iſts bewuſt
Jch muß alleine ſeyn.
Er. Mein kind wie iſt ſie doch
So ſauer und vermeſſen.
Sie. Mein Herr ich habe noch
Kein honig-baͤmmgen geſſen.
Er. Behaͤlt ſie ihren ſinn
Wie ſie allzeit gethan.
Sie. So geh er immer hin /
Wenn ers nicht leiden kan.
Er. Ach was vor ſtiche gibt
Sie meinem frommen hertzen.
Sie. Jn warheit es beliebt
Demſelben ſo zu ſchertzen.
Er. Jch ſtelle mich ja gar
Zu ihren dienſten ein.
Sie. Der diener wird fuͤrwahr
Vor mich zu koͤſtlich ſeyn.
D 3Er54Uberfluͤſſiger gedancken
Er. Jch wuͤnſch in ihrer pflicht
Zu leben und zu ſterben.
Sie. Ach nein / ich laß ihn nicht
So liederlich verderben.
Er. Wenn dieſes moͤglich waͤr
So doͤrfft ich zu ihr hin.
Sie. Er hoͤre wieder her /
Wann ich nicht hauſſen bin.
Er. Ein ſchoͤnes maͤdgen ſoll
So ſtrenge nicht verfahren.
Sie. Den athen moͤcht er wol
Zu einer ſuppe ſparen.
Er. So darff ich nicht zu ihr
Mein kind was mach ich nun.
Sie. Botz tauſend kan er mir
Sonſt keinen poſſen thun.
Er. Ein ſchoͤnes angeſicht
Werd ich fuͤrwahr nicht haſſen.
Sie. Mein blut! er kan doch nicht
Die complementen laſſen.
Er. Sie iſt ja roth und weiß
Mit roſen umgeſtreut.
Sie. Gewiß er hat den preiß
Der hoͤchſten hoͤffligkeit.
Er. Doch fuͤhl ich meine qual
Und wuͤnſche kaum zuleben.
Sie. Er ſag es noch einmahl /
Das war recht wohl gegeben.
Er. Jch ſag es noch einmahl /
Wie iſt ſie nun geſinnt?
Sie. Fuͤrwar das ſteht gar kahl /
Jſt er ein pfaffen-kind?
Er.55drittes dutzent.
Er. Es iſt ihr ſteter brauch /
Sie treibet ihr gehoͤne.
Sie. Hat ſeine mutter auch
Mehr ſolche kluge ſoͤhne?
Er. Was hilffts / ich ehre ſie /
Und wann ſie eiſern waͤr.
Sie. Drum war mir heute fruͤh
Das hertze noch ſo ſchwer.
Er. Jch lauff und bin doch matt /
Jch brenn / und will mich waͤrmen.
Sie. Wer keine bienen hat
Muß freylich ſelber ſchwaͤrmen.
Er. Nun meine ſeele ſoll
Jn ihrer ſeele ruhn.
Sie. Mein herr es wirds ihm wol
Ein ander hoͤltzgen thun.
Er. Fuͤrwar ich bleibe da /
Daß ich ſie nicht verliere.
Sie. Ach er gewene ja
Das maul zu anderm biere.
Er. Jedoch ſie laſſe mich
Nicht vor der thuͤre ſtehn.
Sie. Mein was bemuͤht er ſich /
Jch muß nach hauſe gehn.
Er. Nun ſo behalte ſie
Auch ihre ſtoltze weiſe.
Sie. Er ſchone ſeiner knie /
Viel gluͤcks auff ſeine reiſe.
D 4Uber -56

Uberfluͤſſiger Gedancken Vierdtes Dutzent.

I. Er troͤſtet ſich wegen ſeiner Mit-Buhler.

MEin hertze biſt du noch betruͤbt /
Dieweil das maͤdgen das dich liebt /
Auch andern ſchoͤne blicke gibt?
Ach bilde dir durchauß nicht ein /
Als wolteſt du bey ihr allein
Der hahn allzeit im korbe ſeyn.
2. Bedenck es beſſer was du thuſt /
Und wann du ja die ſuͤſſe luſt
Mit andern leuten theilen muſt /
So habe doch genug daran /
Daß kein affection-galan
Dir deinen ſpaß verwehren kan.
3. Du biſt der beſte bruder nicht /
Du haſt dein geiles angeſicht
Gar offt zu andern hingericht /
Darum mein hertz / was zuͤrnſtu viel /
Wann dich das maͤdgen durch ihr ſpiel
Mit gleicher muͤntze zahlen wil?
4. Sie nimmt ſich warlich noch in acht
Wann ſie mit andern freundlich lacht /
Daß ſie es nicht zu loſe macht /
Hergegen du biſt ſo verpicht.
Auffs liebe brod / und achteſt nicht /
Ob dich einander gleich verſpricht.
5. Kein menſch hat die beliebte krafft
Der mehr als theuren jungferſchafft
Auß ihrer jungen ſchoß gerafft /
Du57vierdtes dutzent.
Du aber frage deinen ſinn
Wo haſt du laͤngſten den gewinn
Der angebrannten keuſchheit hin.
6. Und endlich kriegſt du loſer dieb
Gleich manchen guten lungen-hieb /
Hat ſie dich doch ein bißgen lieb:
Denn ſie vertreibt die lange zeit
Mit voͤlliger zufriedenheit
Bey dir und deiner luſtigkeit.
7. Sie iſt dir nicht alleine ſchoͤn /
Drum laß die andern immer gehn /
Du kanſt den poſſen doch verſtehn.
Es koſt viel zeit eh es gelingt /
Daß dich einander uͤberſpringt /
Und ſich in deine ſtelle dringt.
8. Darumb mein hertze ſey getroſt /
Wann mancher kerle ſich erbooſt /
Und mit um deine liebe loſt /
Wo ſie dir nur gewogen iſt /
So dencke / daß du vor der liſt
Deß henckers ſelber ſicher biſt.

II. Auf einen einfaͤltigen Guͤmpel.

MEin ſchaͤtzgen iſt ein flegel /
Er ſtolpert uͤbern ſchlegel
So offt er zu mir geht /
Und zeigt mit ſeinen ſparren /
Daß er vor einen narren
Bey aller welt beſteht.
2. Er treibt ſo lahme poſſen /
Als waͤr er recht geſchoſſen
Mit groben haſen-ſchrot:
D 5Drum58Uberfluͤſſiger gedancken
Drum wer ſich muß beqvemen /
Und ihn zur ſeite nehmen /
Der hat die haͤrtſte noth.
3. Ach wann die complimenten
Wie pech und ſchwefel brennten /
So wers um uns geſchehn:
Wir haͤtten unſre gaſſen /
Da wir uns niederlaſſen /
Schon in der gluth geſehn.
4. Bald ſeh ich ihm zuſauer /
Bald heiß ich gar ein bauer /
Bald hat er ſonſten was:
Es mangelt nicht ein dreyer /
So heiſt der albre freyer
Mich gar ein raben-aaß.
5. Und doch der gute kerle
Sieht ſelbſt wie eine perle
Die auff dem miſte liegt /
Und iſt ſo truͤb und dunckel
Als wie ein ſchwartz carfunckel
Den man im ofen kriegt.
6. Bey meiner treu ich wette
Er hat im haſen fette
Biß uͤbers knie geſteckt /
Nun iſt kein hund im lande
Der ihm die groſſe ſchande
Von ſeinen ſtruͤmpffen leckt.
7. Die groſſen haſen-ohren
Die ſind ihm angebohren;
Jedoch der ſchiefer nicht /
Der hat ihn erſt geſtochen /
Als man vor wenig wochen
Das59vierdtes dutzent.
Das kirch dach angericht.
8. Das auſſerleſne ſchaͤtzgen
Begehrt wol gar ein ſchmaͤtzgen /
Und bitt mich noch ſo ſehr:
Ja / ja ihr armer teuffel /
Daran iſt gar kein zweiffel /
Hoͤrt morgen wieder her.
9. Ach ihr verliebter haſe
Jhr ſtoſſt euch an die naſe /
Kuͤſſt mir das angeſicht
Da mir die naſe mangelt /
So habt ihr recht geangelt /
Und ihr verbrennt euch nicht.
10. Ach Hans ſpann an / und fuͤhre
Den eſel vor die thuͤre /
Das haus iſt viel zu gut:
Er wird auff dieſer erden
Nun wohl nicht anders werden /
Er bleibt ein
11. Wiewol er mag es bleiben /
Und ſeine zeit vertreiben /
Wie wo und wenn er wil:
Jedoch daß ich die plagen
Faſt ſtuͤndlich muß ertragen /
Das iſt fuͤr mich zu viel.
12. Steckt ihm den kopff voll hoͤrner
Reibt ihm den ſteiß voll doͤrner /
Das maul voll theriack:
Schickt ihn mit ſolchem kleiſter
Der narren obermeiſter
Zum gruͤnen donnerſtag.
III. An60Uberfluͤſſiger gedancken

III. An die junge und wunder-ſchoͤne Salibene.

DU alte Salibene /
Mit gunſt daß ich dich hoͤhne /
Weil du dich in den gruͤnen
So hoͤflich laͤſt bedienen.
2. Dein altes angeſichte
Kan bey dem ſchoͤnſten liechte /
Wie finſtre wolcken pflegen /
Uns in den ſchatten legen.
3. Roht ſteht in purpur feine /
Doch nicht im helffenbeine:
So muͤſſen ſchoͤne minen
Dich zuverſtellen dienen.
4. Den wein wird niemand kauffen
Auch niemand wird ihn ſauffen /
Den man im faulen faͤſſern
Auß pfuͤtzen pflegt zu waͤſſern.
5. Alſo kan auch dein lachen
Uns ſchlechte freude machen /
Weil ſich in allen thaten
Daß alter muß verrathen.
6. Wir hoffen zwar auff erden
Noch ſaͤmtlich alt zu werden /
Und duͤrffen drum die alten
Nicht gar zu ſchimpflich halten.
7. Doch wann ſie jungen leuten
Jn ihren circkel ſchreiten /
Und anders als ſie ſollen
Der luſt gebrauchen wollen.
8. So muß man ihnen ſagen
Wie viel hat es geſchlagen /
Und61vierdtes dutzent.
Und ihre ſchoͤnheits-ſtralen
Mit hellen farben mahlen.
9. Die zeit iſt laͤngſt verfloſſen /
Da ſie das gut genoſſen /
Das gut das ſie verlohren /
Eh als wir ſind gebohren.
10. Wir ſehn den reiffen lentzen
Um unſre jahre glaͤntzen /
Und koͤnnen die violen
Mit unſers gleichen holen.
11. Hingegen will bey ihnen
Kein graͤßgen ferner gruͤnen /
Weil ſich an ihren wangen
Der winter angefangen.
12. Drum geh / o Salibene /
Geh fort du alte ſchoͤne /
Daß Venus mit dem knaben
Nicht mehr darff unluſt haben.
13. Halt dich zu hauſe ſtille /
Und ließ in der poſtille /
Und lerne mit dem ruͤcken
Den warmen ofen druͤcken.

IV. Wie man zuͤrnen ſoll.

MAedgen wiltu boͤſe ſeyn
So biß es immerhin /
Gleich bilde dir nicht ein /
Daß ich auch boͤſe bin.
Denn ſeh ich zwar
Offt gantz und gar
Als wie die theure zeit /
So iſt mein hertz
Doch62Uberfluͤſſiger gedancken
Doch ohne ſchertz
Noch voller Freundlichkeit.
2. Ach wie wolt ich boͤſe ſeyn
Auff dich du loſes kind?
Jch bin fromm und du biſt fein /
Drum bin ich gut geſinnt /
Und nimmſt du dir
Gleich manchmal fuͤr
Fein ſauer ausſehn /
So denck ich das
Es iſt zum ſpaß /
Und nicht aus ernſt geſchehn.
3. Maͤdgen ich bin dir verpflicht
Und bin von hertzen gut /
Einer andern ſchenck ichs nicht /
Wann ſie was eckel thut /
Ach immer hin /
Ein falſcher ſinn
Der kommt bey mir gar nicht an
Jch thaͤte dreyn
Auffs boͤſe ſeyn /
Trotz wers nicht laſſen kan!

V. Kleine Leute ſind ſo gut als die Groſſen.

JHr leute wolt ihr meiner lachen
Daß ich ein bißgen kleine bin /
So wil ich euch zuſchanden machen /
Jch dencke lachet immer hin /
Wie offte ſieht ein kleines hauß
Viel ſchoͤner als ein groſſes aus.
2. Die kleinen zobeln kommen hoͤher
Als eine groſſe beeren-haut /
Ein63vierdtes dutzent.
Ein mandel-nuͤßgen iſſt man eher
Als eine ſchuͤſſel ſauer kraut /
Und weil die kleinen lerchen gehn
So laͤſt man wohl das rindfleiſch ſtehn.
3. Ein kleines mode-huͤtgen ſtutzet
Mehr als ein babilonſcher thurm /
Ein kleines ſeidenwuͤrmgen nutzet
Mehr als ein groſſer regen wurm /
Der beſte ſammt hat kleiner maß
Als wohl der grobe cannefaß.
4. Manch buͤbgen hat zwar kurtze bein /
Und macht doch einen guten tantz /
Manch fuͤchſgen iſt von anſehn kleine
Und hat doch einen groſſen ſchwantz /
Den kleinſten hunden haͤnget man
Die allergroͤſten kloͤppel an.
5. Und dieſes laͤugnet warlich keiner /
Ein reſolvierter kerl iſt jo
Jn kleinen duodez viel feiner
Als ſo ein narr in folio.
Ein kleiner hat ein loſes maul /
Hingegen ſind die groſſen faul.
6. Wie war es in dem paradieſſe /
Da Adam zu der Eva kam /
Und ſie als ſeine zuckerſuͤſſe
Vergnuͤgung in die armen nahm /
Und als das hoͤchſt-verliebte paar
Ein Maͤnnlein und ein Fraͤulein war.
7. Nach dieſem iſt es ja geſchehen /
D ſich ein weibgen ohngefehr
An einen ochſen hat verſehen /
Da kommen nun die groſſen her:
Drum64Uberfluͤſſiger gedancken
Drum bleibt die art auch unverruͤckt /
Und ſie ſind etwas ungeſchickt.
8. Jch wil gar gerne kleine bleiben /
Ein ander kerle mag ſich nun
Jn Goliats regieſter ſchreiben /
So wil ich doch nicht furchtſam thun /
Der kleinſte zwerg iſt gleich ſo gut
Als auch der groͤſte

VI. Phillis muß einen haben / der wie milch und blut ausſieht.

MAedgen muſt du mich betruͤben /
Kanſt du meinen treuen ſinn
Nicht ein bißgen wieder lieben /
Weil ich doch dein diener bin?
Ach es kommt mir nicht ſo gut /
Jch bin nicht wie milch und blut.
2. Bring ich gleich die jungen tage
Mit verliebten ſorgen zu /
Hab ich doch vor meine plage
Keine vielgewuͤnſchte ruh /
Denn es koͤmmt mir nicht ſo gut /
Jch bin nicht wie milch und blut.
3. Das iſt noch mein ungeluͤcke
Und die allerſchwerſte pein /
Daß ich meinen feind erblicke
Wo ich gerne wolte ſeyn /
Dieſem koͤmmt es nun ſo gut /
Denn er iſt wie milch und blut.
4. Niemand darff dir zu gefallen
Einen liebes trempel gehn /
Denn der eſel iſt fuͤr allen
Doch65vierdtes dutzent.
Doch in deinen augen ſchoͤn /
Ach es koͤmmt ihm trefflich gut
Weil er iſt wie milch und blut.
5. Nun ich bin ohn allen zweiffel
Auch nicht eine fleder-mauß /
Jch ſeh auch nicht wie der teuffel
Oder ſonſt ein wetter aus
Alles / alles waͤre gut /
Waͤr ich nur wie milch und blut.
6. Ach wer will mich ſchoͤner mahlen /
Kommt ihr meiſter / kommt hieher /
Gerne will ich euch bezahlen /
Wann es tauſend thaler waͤr /
Trauet mir / mein geld iſt gut /
Mahlt mich nur wie milch und blut.
7. Nun da will ich brave ſtutzen
Als ein kerl von raiſon /
Da will ich mich beſſer butzen
Als ein kleiner Fuͤrſten-Sohn /
Dann da werd ich gleich ſo gut
Wann ich bin wie milch und blut.
8. Doch dieweil ich mehr begehren /
Mehr von hertzen wuͤndſchen kan /
Als mein gluͤcke will gewaͤhren /
Seh ich meinen unſtern an /
Ach es koͤmmt mir nicht ſo gut /
Jch bin nicht wie milch und blut.

VII. Er giebet ſich uͤber den verluſt ſeiner geliebten Marilis zufrieden.

WAs gedenckſt du liebes hertze?
Darffſt du nicht zum maͤdgen gehn?
EMuß66Uberfluͤſſiger gedancken
Muß ſie deinem freyen ſchertze
Halb gezwungen widerſtehn?
Gib dich nur gedultig drein /
Du kanſt doch wohl luſtig ſeyn.
2. Laß den blinden eyfer ſchelten /
Und verbleibe wohlgefaſſt /
Alles doppelt zu entgelten /
Was du nicht verdienet haſt:
Uberwinde den verdacht /
Welcher dich gehaͤſſig macht.
3. Schuͤtze mir dein gut gewiſſen
Und der ſeelen unſchuld fuͤr /
Wirſtu was verlieren muͤſſen /
So gedencke daß du hier
Noch auf eine kurtze friſt
Fuß zu halten willens biſt.
4. Wirff die augen auch zuruͤcke
Auff das allererſte jahr /
Als dein eingebildtes gluͤcke
Noch in weitem felde war /
Haſt du da von keiner luſt
Eben als wie itzt gewuſt.
5. Drum ſo gib dich bald zufrieden /
Denn der ungebundne geiſt
Wird von dir nicht abgeſchieden /
Biß der lebens-faden reiſt /
Deſſen freyheit ſtellet dir
Zeugs genug zum lachen fuͤr.
6. Doch es ſchmaͤckt gewaltig ſuͤſſe /
Wann die edle freundlichkeit
Durch die gruͤß und gegengruͤſſe
Sich von tag zu tag erneut /
Wann67vierdtes dutzent.
Wann der arm den leib umſchlingt /
Und der mund die ſeele zwingt.
7. Jſt auch irgend eine freude /
Die uns alſo ſanffte thut:
Ach wie wallt das eingeweide
Wie erzittert marck und blut /
Wann die liebſte ſich geneigt /
Nur in bloſſen minen zeigt.
8. Schweig mein hertz / was wilſt du machen /
Dencke nur nicht mehr daran:
Haben dir die ſuͤſſen ſachen
Ja vor dieſem wohl gethan
Ey ſo ſtelle ſchertz und pein
Nach des gluͤckes willen ein.
9. Wilſt du dich an eine binden?
Nein du wirſt die gantze welt /
Voll verliebter ſeelen finden /
Wo dir ja ſolch thun gefaͤllt:
Eine ſchad fuͤrwahr nicht viel /
Jmmerhin was lauffen wil.
10. Suche deine guten bruͤder /
Nimm die karten und ein glas /
Singe neue poſſen-lieder /
Seele wie gefaͤllt dir das?
Gelt es geht ſo lieblich ein
Als wann wir beym maͤdgen ſeyn?

VIII. An ſein Maͤdgen / als er anderswo mit der magd geloͤffelt hatte.

ACh meiner ſeelen ſeele!
Siehſt du nicht ſauer aus /
Daß ich ein fremdes haus
E 2Zu68Uberfluͤſſiger gedancken
Zu meiner luſt erwehle /
Und daß ich einen feuchten kuß
Von ſchlechten lippen borgen muß?
2. Ach koͤmmt dein ſchoͤner ſpiegel
Mir nicht im traume fuͤr /
Jndem ich deine zier
So einen hoͤllen-riegel
Nicht ohne guten vorbedacht
Mit meinem loͤffeln gleich gemacht?
3. Ach zeucht mich nicht dein eyfer
Jn den gewiſſens-ſtreit /
Weil noch die feuchtigkeit
Von dieſem fremden geifer
Auff meinen ſchnoͤden lippen liegt
Und mich ſo wunderlich vergnuͤgt?
4. Verzeih mir meine ſchoͤne /
D ich ohn unterſcheid
Mich nach der freundlichkeit
Gemeiner maͤdgen ſehne /
Und gieb mir keinen ſchlimmen danck
D iſt mein bloſſer uͤbergang.
5. Jch muß mich ja ergetzen /
Sonſt bin ich viel zu klug /
Daß ich den waſſer-krug
Will vor das wein-glas ſetzen /
Du wirſt indeſſen doch allein
Mein hertz und meine fuͤrſtin ſeyn.
6. Jch liebe dich im hertzen /
Die lippen ſind mir frey /
Die moͤgen wol dabey
Mit andern maͤulgen ſchertzen /
Wer weiß wer dich bißweilen kuͤſt /
Wann69vierdtes dutzent.
Wann du von mir entfernet biſt.
7. Darum es ſey vergeſſen /
Es iſt einmahl geſchehn /
Du haſt es nicht geſehn /
Wie ich bey ihr geſeſſen:
Und uͤber dieſes weiſt du wohl /
Wie weit ich mich verbinden ſol.
8. Du wirſt mein liebgen bleiben /
Und keine ſchoͤne luſt
Soll mir auß meiner bruſt
Dein liebs-gedaͤchtnuͤß treiben.
Jch liebe dich ohn / unterlaß /
Die andern brauch ich vor den ſpaß.

IX. Als die junge Amoͤne nicht wolte Stand halten.

AMoͤne darff ich mich erkuͤhnen
Mit meiner ſchlechten hoͤfflichkeit
Die ſuͤſſe ſchoͤnheit zu bedienen
So ſich auß ihren augen ſtreut?
Ach ſoll ich allerſchoͤnſtes bild?
A. Ach laſt mich gehn die mutter ſchilt.
2. Mein hertz ich habe ſchon die ehre
Sie anzuſprechen laͤngſt geſucht /
Sie gebe mir geneigt gehoͤre /
Sonſt bleibt mein lieben ohne frucht /
Sonſt wird mein wunſch nur halb erfuͤllt.
A. Ach laſt mich gehn / die mutter ſchilt.
3. Mein liebſtes kind ſie laſſe ſchelten /
Es geht deßwegen uns nicht an /
Der mutter lehre kan nicht gelten /
Sie hats vor dieſem ſelbſt gethan /
Sie hat ſich nicht alſo verhuͤllt.
E 3Ach70Uberfluͤſſiger gedancken
A. Ach laſt mich gehn / die mutter ſchilt.
4. Sie iſt in ihren beſten jahren /
Da muß die luſt gebuͤſſet ſeyn:
Die mutter wird nicht alls erfahren /
Sie gebe ſich doch willig drein.
Was laͤufft ſie als ein ſchoͤnes wild?
A. Ach laſt mich gehn / die mutter ſchilt.
5. Mein ſchatz / ſie ſeh doch ihres gleichen
Jn dieſer ſtadt ein wenig an /
Wie ſie mit ihren liebſten ſchleichen /
Und kehren ſich durchaus nicht dran /
Obs bey der lieben mutter gilt.
A. Ach laſt mich gehn / die mutter ſchilt.
6. So opffert ſie die ſchoͤne jugend
Der hoͤchſtbetruͤbten einſamkeit?
Was hilfft es / daß ſich ihre tugend
Bey dieſer angenehmen zeit
Mit lauter luſt und zier erfuͤllt?
A. Ach laſt mich gehn / die mutter ſchilt.
7. Jch will ſie endlich gehen laſſen /
Jedoch aus meinem hertzen nicht /
Da will ich ſie beſtaͤndig faſſen /
Biß ihr beliebtes angeſicht /
Jn gleichem liebes-feuer glimmt.
A. Ach laſt mich gehn / die mutter koͤmmt.

X. Als er von der reiſe wieder kam und ſein voriges maͤdgen nicht mehr lieben konte.

JCh haͤtt es nicht vermeint / daß bey den junggeſellẽ /
Wann ſie ſich freundlich ſtellen /
Die angemaſte treu
So wanckelmuͤthig ſey:
Weil71vierdtes dutzent.
Weil aber mein gewiſſen
Mir ſelbſt entgegen ſcheint /
Hab ich offt ſagen muͤſſen:
Jch haͤtt es nicht vermeynt.
2. Jch haͤtt es nicht vermeynt. Es ſind gar wenig
Jndeſſen angebrochen / (wochen
Alß ich ein ſchoͤnes bild
Noch vor mein labſal hielt;
Nun ſeh ich / daß mein hertze
Den handel gantz verneint /
Und ſpricht noch wohl im ſchertze:
Das haͤtt ich nicht vermeynt.
3. Doch haͤtt ichs nicht vermeynt: Denn meine ſee -
Daß ich mich ſelbſt nicht kannte / (le brante /
Jch redt / ich ſang von ihr /
Stets war ich auſſer mir:
Nun bin ich zwar geblieben
Ein bloſſer guter freund /
Doch kan ich ſie nicht lieben:
Das haͤtt ich nicht vermeynt.
4. Jch haͤtt es nicht vermeynt: als wir zuſammen
Und endlich abſchied nahmen / (kamen /
Da bildt ich mir wohl ein
Jch muͤſte traurig ſeyn.
Doch weil mir nun bey andern
Das gluͤcke guͤnſtig ſcheint /
So bin ich auch von Flandern.
Das haͤtt ich nicht vermeynt.
5. Das haͤtt ich nicht vermeynt / als ich die bangig -
Jn meiner ſeele ſtreiten (keiten
Und ſchmertzen und verdrieß
Mich ſtets beſtuͤrmen ließ.
E 4Nun72Uberfluͤſſiger gedancken
Nun leg ich alles nieder /
Und bin ihr zwar nicht feind /
Doch komm ich ihr nicht wieder /
Und haͤtt ichs nie vermeynt.

XI. Er iſt fromm / aber wenn er ſchlaͤfft.

ALs ich meiner Roſilis
Neulich an die ſchuͤrtze grieffe /
Sagte ſie mir gar gewiß /
Jch waͤr fromm / doch wann ich ſchlieffe;
Sonſten waͤr ich in der haut
Ein rechtſchaffen boͤſes kraut.
2. Ja mein liebgen / fieng ich an /
Jch geſteh es / wenn ich wache /
Daß ich es nicht laſſen kan:
Doch es iſt ſo eine ſache /
Stelle deine ſchoͤnheit ein /
So will ich nicht loſe ſeyn.
3. Uber dieſes bin ich doch
Jn dem ſchlaffe fromm und ſtille /
Drum mein engel / iſt es noch
Dein und mein beliebter wille /
Suchſt du die gewogenheit
Bloß in meiner froͤmmigkeit.
4. Ey ſo ſchlaff einmahl bey mir:
Sonſten muß ich es geſtehen /
Daß ich keinmal kan zu dir
Fromm und eingezogen gehen:
Soll ich fromm ſeyn / meine zier /
Ey ſo ſchlaf einmal bey mir.
XII. Der73vierdtes dutzent.

XII. Der Kuͤſter zu Plumpe beſchreibet ſeinen zukuͤnff - tigen eheſtand.

ES iſt nunmehr beſchloſſen
Und ich will unverdroſſen /
Hinaus auff Plumpe ziehn /
Da will ich probe ſingen /
Und mich vor allen dingen
Umb ein huͤbſch lied bemuͤhn.
2. Nach dieſem will ich ſorgen /
Ob ich heut oder morgen /
Ein ſchaͤtzgen haben kan /
Jch will ein weib erkieſen /
Denn hat es doch vor dieſen
Mein vater auch gethan.
3. Doch ſoll ſie mir gefallen /
So muß ſie auch in allen
Mich laſſen Herre ſeyn /
Sie muß zu allen ſchweigen
Und mir reſpect erzeigen /
Sonſt thaͤt ich zehnmahl drein.
4. Sie muß ſich laſſen ſchelten /
Und muß auch diß entgelten
Was ſie nicht ſchuldig iſt:
Wann ich ſie werde ſchlagen /
Muß ſie gedultig ſagen:
Schatz / daß du boͤſe biſt.
5. Jch muß im hauſe ſchmehlen /
Und gantz allein befehlen
Umb kleider / ſpeiß und tranck:
Den hals wolt ich ihr brechen /
Wenn ſie nicht wolte ſprechen:
E 5Nun74Uberfluͤſſiger gedancken
Nun GOtt ſey lob und danck.
6. Trotz / wann ichs haben wolte /
Daß ſie nicht ſprechen ſolte
Die weiſſe milch ſey ſchwartz.
Sie muß gehorſam bleiben
Und mir zu ehren glaͤuben /
Dreck waͤre fiedel-hartz.
7. Sollt ich gleich alls verſauffen
Und in die ſchencke lauffen /
So geht es ſie nichts an /
Gnug / daß ſie ihre ſachen
Jn ruh und friede machen
Und eſſen kochen kan.
8. Jch folge meinem kopffe /
Und werffe mit dem topffe
Nach frauen / kind und magd /
Wo jemand in dem hauſe /
Wenn ich zu offte ſchmauſe /
Mir was zu wider ſagt.
9. Wann ich will lerchen freſſen /
So mag ſie unterdeſſen
Jm kaͤſe luſtig ſeyn /
Geh ich zu wein und biere /
Alsdann ſo jubilire
Sie uͤbern gaͤnſe-wein.
10. Spiel ich wo in der karten
So mag ſie immer warten
Auff wucher und gewinn /
Denn werd ich viel verſpielen
So ſol ſie redlich fuͤhlen
Wie ich ſo boͤſe bin.
11. Und wann ich zwoͤlffmahl haͤtte
Zuſam -75vierdtes dutzent.
Zuſammen in das bette
Ja an ihr bein gethan /
So muß ſie dennoch kommen
Hab ich nicht einen frommen
Und wohlgerathnen mann.
12. Sie muß mein baͤrtgen buͤrſten
Wie einen jungen fuͤrſten /
Sie muß die ſchwartzen floͤh
Aus meinen hembden haſchen /
Und mir die hoſen waſchen
Wann ich auffs haͤußgen geh.
13. Sie muß mir maͤulgen geben
Und iſt es mir nicht eben
So muß ſie gar den ſteiß
Mir zu gefallen hertzen
Sonſt kan ſie leicht verſchertzen
Was ſie am beſten weiß.
14. Wolt ich ſie gar verſchencken
So darff ſie nichts gedencken
Das mir zu wieder iſt /
Sie muß ſich laſſen fuͤhren /
Kurrentzen und regieren
Nur wie es mir geluͤſt.
15. Wil ich mich von ihr ſcheiden /
So muß ſie diß auch leiden /
Wil ich zum maͤdgen gehn /
So muß ſie mit dem liechte
So lang ich es verrichte
Mir vor dem bette ſtehn.
16. Wird ſie viel kinder kriegen
Darff ſie in wochen liegen
Nur vierzehn tage lang /
Die76Uberfluͤſſiger gedancken
Die uͤbrigen vier wochen
Da muß ſie wieder kochen
Und waͤr ſie ſterbens-kranck.
17. Wird ſie in letzten zuͤgen
Und auf dem todte liegen /
So wil ich ihr voran
Die neue liebſte ſagen
Daß ich in vierzehn tagen
Zur hochzeit ſchreiten kan.
18. Und wird ſie endlich himmeln
So mag ſie vor verſchimmeln
Und auf der bahre ſtehn /
Die hunde ſollen trauren
Und mit dem plumpen bauren
Jn langen maͤnteln gehn.
19. Heran ihr lieben kinder
Jhr nehmt mich doch geſchwinder
Wann ihr ſo deutlich hoͤrt /
Wie ſchoͤn ihr ſollet werden
Mit reden und geberden /
Durch einen mann geehrt.
20. Kommt nur mit hellem hauffen /
Auff plumpe naußgelauffen
Und lacht mich freundlich an /
Jch bin ein teutſcher ſaͤnger
Der als ein ratteufaͤnger /
Die weiber haſchen kan.
Uber -77

Uberfluͤſſiger Gedancken Fuͤnftes Dutzent.

I. An ſeine wertheſte Dulcimene / als er dieſelbe vor ſeinem Abſchiede kuͤſſen duͤrffte.

DUlcimene ſoll ich kuͤſſen /
Oder bin ich viel zu ſchlecht
Reiner lippen art zu wiſſen?
Gib mir doch vor dißmahl recht:
Ein ſubtiler kuß / mein liecht /
Nimmt dir deine farbe nicht.
2. Roſen bleiben dennoch roſen /
Ob der biene gleich beliebt
Jhren blaͤttern liebzukoſen:
Drum ſey du auch unbetruͤbt /
Denn du ſolſt mein roſen ſchein /
Jch die fromme biene ſeyn.
3. Dulcimene biſt du boͤſe /
D ich endlich meinen ſinn
Von der bloͤden furcht erloͤſe /
Und ein bißgen kuͤhner bin?
Ach nimm doch den freyen lauff
Meiner luſt nicht uͤbel auff.
4. Laß mich nur / wer weiß wie lange
Du und ich einander ſehn.
Meinem hertzen iſt ſchon bange
Denn es kan gar bald geſchehn /
Daß mein ungewiſſer fuß
Frembder leitung folgen muß.
5. Jtzt bin ich noch bey den linden /
Doch es iſt des gluͤckes-ſpiel /
Welches78Uberfluͤſſiger gedancken
Welches mich von dir entbinden
Nicht mit macht entreiſſen wil /
Und ſo ſchick ich mit bedacht
Mich zur letzten guten nacht.
6. Was ich unterdeſſen lebe
Leb ich dir und meiner luſt /
Biß ich mich darein ergebe
Daß du mich geſegnen muſt /
Und wer weiß ob morgen nicht
Mir mein abſchieds urtheil ſpricht.
7. Nun dieweil wir ſtets beyſammen
Jn ergebner treu gelebt /
Und ingleichen freundſchaffts-flammen
Nach ergetzlichkeit geſtrebt /
So gedencke daß ein kuß
Unſern ſpaß verſiegeln muß.
8. Halt mein liebgen halte ſtille /
Dieſes iſt mein erſtes mal
D ich meinen wunſch erfuͤlle /
Und vielleicht die letzte zahl /
Von der angenehmen laſt
Die du mir bereitet haſt.
9. Bleib mir nur dabey gewogen /
Und gleich wie der freundſchaffts-bund
Dich noch niemals hat betrogen /
Alſo glaͤube / daß mein mund /
Welcher dich ſo furchtſam kuͤſt /
Bloͤde / doch beſtaͤndig iſt.
10. Wilſt du meiner bald vergeſſen /
So vergiß mich immerhin /
Denn weil ich am leib entſeſſen /
An der ſeele bey dir bin /
Denck79fuͤnfftes dutzent.
Denck ich doppelt / halb vor mich /
Und / mein leben / halb vor dich.

II. Als er von der Liſilis muſte wegziehen.

JHr maͤdgen von der Pleiſſe /
Die ihr mit hoͤchſtem fleiſſe
Die hoͤflichkeit ſtudirt /
Und aller maͤnner hertzen
Durch euer ſuͤſſes ſchertzen
Als wie gefangen fuͤhrt.
2. Jch muß es zwar geſtehen /
Jhr koͤnnet ſachte gehen
Und etwas hoͤhniſch ſeyn /
Doch wenn wir eure wangen
Mit voller luſt empfangen.
Geht alles lieblich ein.
3. Jhr angenehmſten kinder /
Die zeit koͤmmt mir geſchwinder
Als wind und waſſer fuͤr /
Seit ich bey geſeſſen
Und meiner ſelbſt vergeſſen /
An der beliebten zier.
4. Jch kan nicht laͤnger bleiben
Und meine zeit vertreiben /
Wie ich bißher gethan /
Nur nehmet mein verlangen
Und was ich ſonſt begangen /
Jm beſten auff und an.
5. Und wolt ihr mir gefallen /
So laſt mich unter allen
Zu erſt vergeſſen ſeyn /
Jch will mich auch bemuͤhen /
Mein80Uberfluͤſſiger gedancken
Mein hertze zu entziehen
Von aller liebes-pein.
6. Mein liebgen ausgeſchloſſen /
Die wird mir dieſen poſſen
Jn ewigkeit nicht thun /
Jch weiß / das ihr gemuͤthe
Wird voller huld und guͤte
Bey meiner ſeelen ruhn.
7. Es hat nichts zu bedeuten
Ob ſie ſich vor den leuten
Gleich anders ſtellen muß /
So wird ſie in gedancken
Mir dennoch ohne wancken
Vergoͤnnen kuß um kuß.
8. Es iſt wohl eh geſchehen
Daß ich ſie nicht geſehen
Und doch hab ich geliebt:
Die liebe ſucht ein hertze /
Das ſich im leid und ſchertze
Nicht aus dem vortheil gibt.
9. War nicht das fenſter offen
So ſenckte ſich mein hoffen
Jn ihre freuudlichkeit;
Sah ich ihr angeſichte /
So ward ich von dem liechte
Der gegenwart erfreut.
10. Ach wenns das maͤdgen wuͤſte
D ich verreiſen muͤſte /
Und ſie zugleich mit mir!
Wiewol ſie muß es wiſſen
Weil unſre ſeelen muͤſſen
Verknuͤpfft ſeyn fuͤr und fuͤr.
11. Jch81fuͤnfftes dutzent.
11. Jch kuͤſſe mit verlangen
Die allerſchoͤnſten wangen
Noch einmahl durch die lufft /
Und warte biß das gluͤcke
Mich wiederum zuruͤcke
Zu ihrer ſchoͤnheit rufft.
12. Da werd ich mich erfreuen /
Und dieſe gunſt verneuen
Die mich vergnuͤgen ſoll /
Jtzt muß ich mich entſchlagen /
Und kan nichts anders ſagen /
Als liebgen lebe wohl.

III. An ſeine Roſilis / als ihm bey ihr das Hauß verdotten ward.

LJebſte ſeele ſiehſt du nicht /
Wie ich mich allhier betruͤbe /
Weil in unſrer ſtillen liebe /
Hoffnung / raͤth und troſt gebricht /
Hoͤrſt du nicht die trauer-worte /
Manchesmal von weiten an /
Die ich an dem lieben orte /
Nicht ſo frey vergieſſen kan.
2. Liebſtes kind was machſt du doch?
Haſt du irgend unterdeſſen /
Meiner allbereit vergeſſen /
Oder denckſt du meiner noch?
Glaͤubſt du wohl in deinem hertzen /
Ob es immer moͤglich iſt /
D du noch in meinem ſchmertzen
Ein betruͤbtes labſal biſt?
3. Freylich denck ich immerdar /
FAn82Uberfluͤſſiger gedancken
An die liebe zeit zuruͤcke /
Da das wanckelbare gluͤcke /
Mir ein bißgen guͤnſtig war /
Da ich heimlich und verſchwiegen
Mehr als ein bekannter hieß /
Und mein hertzliches vergnuͤgen /
Alle tage wachſen ließ.
4. Nun iſt alles umgewandt /
An den reden und geberden
Und wir arme kinder-werden /
Endlich wieder unbekandt:
Und ſo fern wir noch zu zeiten /
Hier und da einander ſehn /
Muß es doch nur vor den leuten /
Und mit ſchlechter luft geſchehn.
5. Jch erblicke zwar dein hauß /
Doch die thuͤr iſt mir verſchloſſen /
Und es giebet keinen poſſen /
Denn die liebe luſt iſt aus /
Und weil in der menſchen ſachen
Alles nur ein weilgen wehrt /
Muß mein ſinn die rechnung machen /
Daß ers nur umbſonſt begehrt.
6. Liebſtes hertze lebe wohl /
Leb in angenehmen freuden
Weil ich doch mit angſt und leiden /
Meine ſeele ſpeiſen ſoll /
Brauche deiner ſchoͤnen jugend /
Und verſaͤume keinen tag /
Jch bin froh daß ich die tugend
Nur abweſend ehren mag.
7. Andre maͤdgen koͤnnen mich /
Schwer -83fuͤnfftes dutzent.
Schwerlich zu der liebe zwingen /
Dann ich ſeh vor allen dingen /
Liebſtes hertze nur auff dich:
Werden deine ſchoͤne gaben
Mir verriegelt und verpfaͤlt /
Will ich doch die ehre haben /
Daß mir nicht der wille fehlt.

IV. Er mag nicht mehr verliebt ſeyn.

NUn bin ich wieder frey /
Nun darff ich an die pein /
Und an die liebes-treu /
Nicht mehr gebunden ſeyn:
Ein ander mag ſich ſehnen /
Wie ich bißher gethan /
Jch blicke meine ſchoͤnen /
Mit kalten augen an.
2. Nun bin ich wieder frey /
Und ſpotte der gefahr /
Der ſtrick iſt ſchon entzwey /
Der mein gefaͤngniß war /
Die ſchoͤnſten luſt-gedancken /
Vergnuͤgen meinen ſinn /
Dieweil ich aus den ſchrancken /
Der knechtſchafft kommen bin.
3. Nun bin ich wieder frey!
Vor ließ das eitele thun /
Der blinden fantaſey
Mich wenig ſtunden |ruh’n /
Da ſtell ich mir der wangen /
Und da der augen-zier /
Mit ſehnlichem verlangen /
F 2Jn -84Uberfluͤſſiger gedancken
Jn einem traume fuͤr.
4. Nun bin ich wieder frey /
Und achte dieſes ſpiel /
Der bloſſen loͤffeley /
Als einen biernen-ſtiel.
Ade ihr ſchoͤnen kinder /
Gedenckt an euren freund /
Jch ſcheide nun geſchwinder /
Als ich es ſelbſt gemeint.
5. Nun bin ich wieder frey.
Das liebes-feuer ſtreicht
Bey mir umſonſt vorbey:
Drum weicht / ihr maͤdgen weicht /
Sucht andre maͤnner-ſinnen /
Jch ſag es ohne ſcheu /
Mich koͤnnt ihr nicht gewinnen /
Denn ich bin wieder frey.

V. Daphnis nimmt von der Roſilis Abſchied.

ACh Roſilis du ſuͤſſes kind
Wie biſtu gegen mir geſinnt /
Darff ich dich laͤnger lieben?
Wie oder ſoll ich deinen ſinn
Nicht mehr damit betruͤben /
Auff deinen willen zieh ich hin /
Nur mach es nicht ſo ungewiß /
Ach Roſilis.
2. Ach Roſilis zu deiner pein
Will ich dir nicht behuͤlfflich ſeyn /
Sollſtu deßwegen leiden /
Daß ich bißweilen umb dich bin /
So will ich dich zwar meiden:
Jedoch85fuͤnfftes dutzent.
Jedoch erklaͤre deinen ſinn /
Gefaͤllt dir jenes oder diß
Ach Roſilis.
3. Ach Roſilis wie war ich doch
So wunder-ſeelig als ich noch
Dich friedlich konnte kuͤſſen /
Nunmehr vor einer langen zeit
Haſt du dich aͤndern muͤſſen /
Als ich in meiner ſicherheit
Mir in die karte ſehen ließ /
Ach Roſilis.
4. Ach Roſilis daſſelbe mahl
Hab ich nicht eine ſchlechte qval
Jn deiner bruſt vermehret /
Und mir war auch nicht wohl dabey
So bald als ich gehoͤret
Daß ich mit dir verrathen ſey /
Du weiſt den jammer der mich ſtieß
Ach Roſilis.
5. Ach Roſilis wie hab ich mich
Seit dieſer zeit ſo wunderlich
Mit liſt an dich geſtohlen /
Man doͤrffte zwar zu mir und dir
Die haͤſcher langſam holen /
Jedoch der neid tritt uns dafuͤr
Und gibt uns manchen ſcharffen biß /
Ach Roſilis.
6. Ach Roſilis nun laſt uns auch
Ein uͤbel-angenommener brauch
Gar kaum beyſammen ſtehen /
Doch ſoll diß ſchoͤne liebes-band
So bald nicht untergehen:
F 3Jch86Uberfluͤſſiger gedancken
Jch bleibe noch in deiner hand
Mein kind und liebe dich gewiß /
Ach Roſilis.
7. Ach Roſilis nun gute nacht /
Mein groſſes ungeluͤcke macht
Daß ich dich muß verlaſſen /
Doch eh ich dein vergeſſen will
Werd ich mich ſelbſten haſſen /
Du bleibſt mein angenehmes ziel /
Mein troſt / mein leben / mein geniß /
Ach Roſilis.
8. Ach Roſilis ich werde nun
Mit dir nicht mehr ſo freundlich thun /
Wer weiß wann ich dich wieder
Jn gutem gluͤcke ſehen kan /
Jn deſſen nimm die lieder
Vor ein bewaͤhrtes zeugnuͤß an /
Dein Daphnis liebet dich gewiß /
Ach Roſilis.

VI. Er entſagt der Marilis und ihrer anmuthigen geſellſchafft.

JHr maͤdgen habt ihr meinetwegen
Bißweilen einen boͤſen ſinn /
Dieweil ich offtmahls ungelegen
Und zu der unzeit kommen bin?
Verzeiht mir nur / es iſt verſehn /
Und kuͤnfftig ſolls nicht mehr geſchehn.
2. Jch bin mit euch ſo umgegangen
Als ein bekannter guter freund /
Und alles was ich angefangen
Hab ich in einfalt gut gemeynt.
Nun87fuͤnfftes dutzent.
Nun aber werd ich durch verdacht
Beſchuldigt und verhaſſt gemacht.
3. Jhr kinder gebet euch zu frieden /
Jch wil euch nicht beſchwerlich ſeyn /
Jch habe mich von euch geſchieden
Und ſtelle mich nicht weiter ein /
Dieß ſey nunmehr das letzte lied
Damit euch meine fauſt bemuͤht.
4. Nun doͤrfft ihr weiter nichts entgeltẽ
Hat gleich mein vorwitz was gethan /
Kein menſch wird euch um etwas ſchelten
Das euch und mich betreffen kan /
Und werd ich unverſehns genannt.
So ſprecht ich ſey euch unbekant.
5. Lebt wohl ihr loſen tauſend kinder /
Jch lege luſt und kurtzweil hin:
Denn dieſes iſt mir noch geſuͤnder
Als wann ich euch verdrießlich bin:
Gruͤſſt nochmahls euer liebes hauß
Und legt mir alls zum beſten auß.
6. Jch will die gaſſen nicht betreten /
Jch will nach aller moͤglichkeit
Nicht mehr in jener kirche beten
Da ihr ſonſt anzutreffen ſeyd /
Und wo ihr etwan werdet ſtehn
Da will ich aus dem wege gehn.
7. Eins hab ich endlich ausgenommen /
Wofern ich noch verreiſen muß /
So werd ich nur noch einmahl kommen /
Damit mein frommer abſchieds gruß
Euch ſchuldigſt werde beygebracht /
Sonſt ſag ich itzo gute nacht.
F 48. Ver -88Uberfluͤſſiger gedancken
8. Verbrennt die lieder meine zeugen
Der ungefaͤrbten redlichkeit /
Lernt meinen nahmen bald verſchweigen /
Vergeſſet meiner wo ihr ſeyd.
Es iſt genung / ich denck an ſie /
Mit mir verlohnt ſichs nicht der muͤh.

VII. Verwirte Reiſe-Gedancken.

NUn weiß ich weder aus noch ein /
Vor der bedraͤngten ſeelen-pein /
Dann mein verhaͤngnuͤß macht den ſchluß /
Daß ich aus ---- wandern muß.
Ach ſeele was betruͤbſt du dich /
Warumb iſt dir ſo wunderlich /
Was iſt denn nun dieſelbe luſt /
Die du zuruͤcke laſſen muſt?
2. Jſt es die wunder-ſchoͤne ſtadt:
So dich bißher ergetzet hat?
Ach nein / vielleicht iſt anderswo /
Der ſtaͤdte zierrath eben ſo:
Beliebt dir die gelegenheit /
Zu aller zarten hoͤflichkeit /
Ach nein / ich habe dieſen pracht /
Der heucheley vor laͤngſt veracht.
3. Willſtu dem Pindus hier allein
Ergeben und verbunden ſeyn?
Ach nein / ich habe gnug ſtudirt /
Wer viel kalmeuſert / wird verfuͤhrt.
Du ſihſt vielleicht die ſtellen an /
Dahin man dich befoͤrdern kan?
Ach nein / die kunſt iſt doch bekannt /
Und findet wohl ihr vaterland.
4. Macht89fuͤnfftes dutzent.
4. Macht dir die ſchoͤne compagnie
Des frauenzimmers ſolche muͤh?
Ach nein / es iſt die gantze welt /
Mit ſolcher zucht durchaus beſtellt.
Jſt etwan hier ein bruder-ſpiel /
Das dir nicht aus dem ſinne will?
Ach nein / auf einer fremden bahn /
Trifft man auch gute bruͤder an.
5. Jſt irgend ein vertrauter freund /
Der dich von gantzen hertzen meint?
Ja wohl / doch ihn verlier ich nicht.
Verlier ich gleich ſein angeſicht.
Ach meine ſeele ſage doch /
Was druͤckt dich ſonſten vor ein joch?
Du biſt betruͤbt / was iſt denn diß?
Nichts / freylich nichts / als

VIII. An Gritgen.

G Unſt-geneigtes tugend-bild /
Ruh und friede meines hertzens.
Ietzund da ſich alles ſchmertzens /
Troſt und ruh in dich verhuͤllt /
Gib mir doch den abſchieds-kuß /
Eh dich mein betruͤbter gruß /
Noch einmahl erinnern muß.
2. Gib der ſchoͤnen augen-ſpiel
Rein und lieblich anzuſchauen /
Itzt da ich von dieſen auen
Traurig abſchied nehmen will:
Glaͤntze nur zu mir herein /
Eben als wann dieſer ſchein /
Nun mein leit-ſtern ſolte ſeyn.
F 53. Gib90Uberfluͤſſiger gedancken
3. Gib die wangen / liebſtes kind /
Recht und niedlich lieb zu koſen /
In der zier / da nechſt den roſen /
Tulpen und narciſſen |ſind /
Gib den mund da mir der ſafft
Einer honig-ſuͤſſen krafft /
Nicht geringen troſt verſchafft.
4. Gute nacht ich werde dir /
Ruhm und ſchoͤnen danck zu wiſſen /
In dem hertzen ſeyn befliſſen.
Tugend deine pracht und zier
Glaͤntzt an ihren ſtralen voll
Eben da ich reiſen ſoll /
Nun ich ſcheide / lebe wohl.
5. Geh und wachſe ſpat und fruͤh /
Reich an ſeegen / reich an gluͤcke.
Itzt da ich zur reiſe ſchicke /
Thu mir noch die courteſie /
Guͤldnes kind / und laſſe du /
Endlich mir die letzte ruh /
Nur auff deinen lippen zu.

IX. Jn eines andern nahmen.

DRey Sommer ſind vergangen /
Dreymahl hat ſich das leyd
Des Winters angefangen /
Seyt meine junge zeit /
Der werthen Linden-Stadt /
Sich gantz ergeben hat.
2. Soll ich die zeit beſinnen /
Die nun verfloſſen iſt /
So iſt ſie zwar von hinnen
Als91fuͤnfftes dutzent.
Als eine kurtze friſt:
Doch iſt mir manche luſt /
Annoch davon bewuſt.
3. Jch kenne die perſonen /
Die mir zu jeder zeit /
Beliebten beyzuwohnen /
Mit rechter freundlichkeit /
Jch kenne manchen freund /
Der es recht gut gemeynt.
4. Nun werd ich muͤſſen ſcheiden /
Auff meiner freunde rath /
Und werde muͤſſen meiden /
Was mich ergoͤtzet hat /
Der ſchluß iſt ſchon gemacht /
Jch ſage gute nacht.
5. Wiewohl was ich verlaſſe /
Betruͤbt mich alles nicht /
Weil ich die hoffnung faſſe /
D mich des himmels liecht
Auff einer frembden bahn /
Mit freuden ſegnen kan.
6. Nur eins macht mir gedancken /
Gar gerne ſag ichs nicht /
Doch weil die noth den ſchrancken
Der bloͤden liebe bricht /
Mein kind / ſo beicht ich raus /
Es iſt ein liebes-haus.
7. Dein haus haͤlt mich zuruͤcke /
Da mich die ſuͤſſe laſt /
Der allerſchoͤnſten blicke /
So hefftig angefaſt /
Daß ich den letzten gruß /
Nur92Uberfluͤſſiger gedancken
Nur ſchrifftlich bringen muß.
8. Was hab ich nicht vor freude /
Mein kind bey dir gehabt /
Seyt deiner augen-weide /
Mich und mein hertz gelabt /
Seyt ich in meinem ſinn /
Dein ſteter diener bin.
9. Doch nun iſt es geſchehen /
Wer weiß wann ich dich kan
Mit freuden wieder ſehen /
Drum nimm den abſchied an /
Den ich dir itzt gebracht /
Zu tauſend guter nacht.
10. Gedencke mein im beſten /
Jch ſey auch wo ich ſey /
Und dencke meiner feſten /
Und unverwandten treu /
Jtzt iſt der ſchluß gemacht /
Jch ſage gute nacht.

X. Daphnis beklagt ſich / die Fillis habe in einer gegenwart den Strefon gekuͤſt.

ACh mein leben toͤdtet mich!
Fillis will nichts von mir wiſſen /
Und hingegen laͤſſt ſie ſich /
Weil ich da bin / andre kuͤſſen:
Wann der ſtoltze Strefon will
Sich zu ihren lippen legen /
Kommt ſie ſelbſt ihm halb entgegen /
Und befoͤrdert ihm das ſpiel.
2. Doch ich armer Daphnis muß
Boͤſes ſehn / und gutes dencken /
Denn93fuͤnfftes dutzent.
Denn es will kein feuchter kuß /
Meine duͤrre lippen traͤncken;
Mein verhaͤngnis troͤſtet wohl /
Daphnis ſey du nur gedultig /
Fillis bleibt dir etwas ſchuldig /
Das dir endlich werden ſoll.
3. Unterdeſſen ſteckt mein ſinn /
Zwiſchen eyfer / ſcham und liebe /
Daß / indem ich luſtig bin /
Jch mich ebenfalls betruͤbe.
Stell ich meine freundſchafft ein /
Oder bleib ich ihr ergeben?
Soll ich auff ihr falſches leben
Guͤnſtig oder boͤſe ſeyn?
4. Weicht ihr augen / kehrt euch weg /
Wolt ihr meine treu verfluchen /
Oder einen frembden fleck
Auff dem falſchen muͤndgen ſuchen?
Schliſſt die ſchwachen lieder zu /
Denn ich brauch euch nur zur ſtraffe /
Gebt mir lieber als im ſchlaffe /
Finſtre doch gewiſſe ruh.
5. Aber bleibt nur immer da /
Soll ich mich nur aͤrger ſtraffen /
Jhre zier beliebt mir ja /
Drum ſo doͤrfft ihr auch nicht ſchlaffen /
Sonſt verdoppelt ihr die noth /
Cilt und oͤffnet eure lieder
Und erblickt die ſchoͤne wieder /
Denn wo nicht / ſo bin ich tod /
6. Jſt es ja ſo weit geſchehn /
Ach ſo wil ich ihr geſichte /
Lieber94Uberfluͤſſiger gedancken
Lieber falſch als gar nicht ſehn /
Alldieweil ich mich verpflichte /
Daß die Fillis ihre ſtadt /
Ohne liederliches wancken
Zwar zufoͤrderſt die gedancken /
Doch im augen gleichfalls hat.
7. Fillis aber dencke nach
Willſt du meine noth verlachen
Und durch ſolches ungemach
Mir das leben ſauer machen?
Nun ſo thu es immerhin
Doch daß ich nicht alles wiſſe /
So verſpahre deine kuſſe /
Biß ich nicht zugegen bin.

XI. Des Strefons Loͤbgen hat den armen Florindo bey ſeiner Roſilis außgebiſſen.

JCh armer ſchweiß! nun muß ich wandern /
Das gluͤcke ſieht mich ſauer an /
Und koͤmmt nunmehr zu einem andern /
Der beſſer courtiſiren kan /
Mein freuden-kleid iſt gar zerriſſen /
Das Loͤbgen hat mich außgebiſſen.
2. Was hilffts! ſol ich mich lange kraͤncken?
Jch darff an die vergangne zeit
Doch nicht ſo kuͤhnlich wieder dencken /
Dieweil ich doch in ewigkeit
Den poſſen werd erdulden muͤſſen /
Daß mich ein hund hat außgebiſſen.
3. Ja beiß / daß dir die zaͤhne krachen /
Du elementſches raben-aas /
Wilſt du dich an die herren machen /
So95fuͤnfftes dutzent.
So wuͤnſch ich dir / ich weiß nicht was:
Jch moͤcht es hertzlich gerne wiſſen /
Warum du mich haſt ausgebiſſen.
4. Ach beiß die kerlen vor zu todte /
Die mir nach meiner liebſte ſtehn /
Und die wir auff die neue mode
So ſchoͤn in meinem haber gehn:
So haſt du dich darauff befliſſen /
Und mich am erſten außgebiſſen.
5. Die hunde fahren ſonſt die diebe /
Nicht aber meines gleichen an /
Diß haſt du deinem Herrn zu liebe
Und mir zum ſchabernack gethan /
Drum werd ichs auch zu ruͤhmen wiſſen /
Du haſt mich unrecht ausgebiſſen.
6. Nun muß ich manchen praler hoͤren
Der ſich hingegen eingeliebt /
Und wie er ſpricht / in allen ehren
Ein maͤulgen nach dem andern giebt /
Und meine frundſchafft iſt zerriſſen /
Weil mich der hund hat außgebiſſen.
7. Wolan ich gebe mich gefangen /
Jch bin ein armer untermann.
Und weil ich nicht ſo trefflich prangen
Noch mein geluͤcke ruͤhmen kan /
So muß ich auch den ſpaß vermiſſen.
D loͤbgen hat mich außgebiſſen.
XII. Eine96Uberfluͤſſiger gedancken

XII. Eine warhafftige Hiſtorie / vorgeſtellet in einem geſpraͤche zwiſchen Florindo und ſeiner Roſilis.

Florindo.

BUten abend liebſtes kind / Jſt es mir einmahl verguͤnnt / Ach ſie gebe mir bericht / Darff ich oder darff ich nicht?

Roſ.

Loſes kind / wer ſagts dann euch? Jtzund ſchlaͤfft die mutter gleich / Wolt ihr fromm und ſtille ſeyn Nun ſo kommet immer rein.

Flor.

Liebſte ſie verzeihe mir / Jch verfuͤge mich zu ihr / Mach ich ihrer ruh und raſt Etwan einen uͤberlaſt?

Roſ.

Seyd willkommen ſeltner gaſt / Sagt von keiner uͤberlaſt / Sagt vielmehr mit was vor recht / Jhr uns alſo ſelten ſprecht.

Flor.

Weil es offtermahl geſchieht / D die mutter ſauer ſieht / Ach wie gerne kaͤm ich her / Wann die mutter beſſer waͤr.

Roſ.

Ja wenn man nicht weiter kan / Klagt man nun die mutter an / Sagt ob nicht die liebes-liſt Uber meine mutter iſt?

Flor.

Furcht vermiſcht ſich mit der liſt / Ach wo nichts zu fuͤrchten iſt / Und die liebe ſiehet an Alles was ihr ſchaden kan.

Roſ.97fuͤnfftes dutzent.
Roſ.

Mein Florindo geht gemach / Denckt den ſachen beſſer nach / Denn zu unſer freundlichkeit Giebts ja noch gelegenheit.

Flor.

Dieſes muß ich auch geſtehn / Weil ich itzt zu ihr darff gehn / Ach wie lang iſt mir die zeit Worden in der einſamkeit.

Roſ.

Ja ein junggeſelle muß Unerhoͤrten uͤberdruß Leiden in der einſamkeit / Denn die jungfern ſind ſo weit.

Flor.

Was vor jungfern? nennt ſie mir / Meine jungfer hab ich hier / Auſſer ihr iſt keine luſt Meiner ſeele mehr bewuſt.

Roſ.

Ach du falſche zunge du / Spricht das hertz auch ja darzu? Zwar es iſt gar bald verricht / Seht mich an und lachet nicht.

Flor.

Liebſtes kind es lacht ſich nicht / Wann ſie mir ſo wider ſpricht / Ach wo treff ich reden an / Daß ich mich erklaͤren kan?

Roſ.

Rechte liebe ſieht den mann / Nicht verbluͤmte reden an / Und die ſuͤſſe freundſchaffts-pflicht Die beſteht in worten nicht.

Flor.

Bin ich ihr zu unbekand / Fodert ſie dannoch ein pfand / Seit mein hertze / daß ſie liebt / Sich in ihre haͤnde giebt?

GRoſ.98Uberfluͤſſiger gedancken
Roſ.

So tyranniſch bin ich nicht / Euch zu ſchaden abgericht: Ach behalt das hertze ja / Sonſt ſeyd ihr dem tode nah.

Flor.

Wann mein hertz daſelbſten ſchwebt Wo die ſchoͤnheit ſelber lebt / Fuͤrchtet ſich mein lebens-licht Vor der nacht des todes nicht.

Roſ.

Nun was ſchwatzt der loſe mund? Setzt ihr euers lebens-grund Bloß in meiner ſchoͤnheit ein / Koͤnnt ihr ſchlecht verſichert ſeyn /

Flor.

Warlich ihre ſchoͤnheit iſt / Die das leben mir verſuͤſt / Und die mir auch da gefaͤllt Wann ſie ſich zu wider ſtellt.

Roſ.

Eure worte ſind zwar gut / Aber ach ihr falſches blut / Wiſſt ihr auch / was ihr der magd Neulich hat von mir geſagt.

Flor.

Ach die maͤgde duͤrffen nicht Wiſſen wie die liebes-pflicht Und wie weit der treue ſchluß Sich bey uns erſtrecken muß.

Roſ.

Gleichwohl hab ich jene nacht Ohne ſchlaffen zu gebracht / Und darzu wer ſchertzen wil / Nimmt die wahrheit mit ins ſpiel.

Flor.

Jhr zu ehren glaub ich was / Doch die magd das raben-aas Hat vielleicht die ſachen nicht Mir nach willen ausgericht.

Roſ.99fuͤnfftes dutzent.
Roſ.

Mein verzeiht mir was ich thu / Ach ich trau es euch nicht zu / Nehm[e]den ungereimten ſchertz Nur wohl auff mein liebſtes hertz.

Flor.

Jch bin ihr verbundner knecht Und zu allen ſachen recht / Sie thut mir keinmahl zu viel / Wann ſie mit mir ſchertzen wil.

Roſ.

Nun ſo bin ich eure magd / Weil ihrs gleichwohl habt gewagt / Und verſprochen ohne ſchein / Daß ihr wollt mein knechtgen ſeyn.

Flor.

Die vergnuͤgung nimmt mich ein / Daß ich als ein todter ſtein Nicht ein woͤrtgen ſprechen kan / Ach ſie nehme dieſes an.

(oſculatur.)
Roſ.

Ey ihr vorwitz kommt ihr nun / Koͤnnt ihr wieder freundlich thun / Kommt mir nur nicht mehr ſo nah / Seht ihr meine nadel da.

Flor.

Das iſt noch ein guter kauff / Meiner treu ich wag es drauff / Und erſchrecke warlich nicht / Wann mich ihre nadel ſticht.

(oſc.)
Roſ.

Wie zum tauſend ſchlapperment Habt ihr euch nicht genug verbrennt / Seht da habt ihr einen ſtich / Weſſentwegen hertzt ihr mich?

Flor.

Nun die ſtraffe nehm ich an / Gleichwohl hab ichs gern gethan /G 2Dann100Uberfluͤſſiger gedanckenDann ihr angenehmer mund Hat mein hertze ſo verwundt.

(oſc.)
Roſ.

Nadeln her ein ſaͤckgen voll Wo ich immer ſtechen ſoll! Daß ihr doch ſo loſe ſeyd / Denckt die mutter iſt nicht weit.

Flor.

Liebgen ach was wehrt ſie ſich / Sie gedencke doch an mich / Es iſt ja nicht ſtets ein tag / Daß ich ſie umbfangen mag.

Roſ.

Nun es ſteh euch alles frey: Nur gedencket diß darbey / D ihr ja nicht ſtaͤrcker ſchreit / Dann die mutter iſt nicht weit.

Flor.

Denn befehl nehm ich in acht / Dann was mich gluͤckſelig macht Kan ich ohn ein eintzig wort Mir erwerben fort und fort.

Roſ.

Schweig mein kind / und kuͤſſe mich / Oder ſonſten kuͤß ich dich. Ach du loſer hertzens-dieb / Haſt du mich rechtſchaffen lieb?

Flor.

Freylich bin ich recht verliebt / Und was ſie zu koſten gibt / Das verſichert meine brunſt Einer rechten gegen-gunſt.

Roſ.

Hoͤrt / dort koͤmmt die mutter raus / Geht doch unbeſchwert hinaus / Ach nehmt euch ja wohl in acht / Liebſtges hertzgen gute nacht.

Flor.

Nun mein liebſtes tauſend-kindSie101fuͤnfftes dutzent.Sie verbleibe ſo geſinnt / Wie du mich verliebt gemacht / Liebſtes taͤubgen gute nacht.

Roſ.

Morgen kommt ihr ungefehr Um die ſtunde wieder her / Nehmt die zeit nur wohl in acht / Unterdeſſen gute nacht.

Flor.

Nimm den heiſſen abſchieds-kuß / Weil ich dich verlaſſen muß / Wegen meiner liebes-macht / Liebſtes ſeelgen gute nacht.

Roſ.

Du nimm diß dargegen hin / Und gedencke daß mein ſinn Dir zu dienen iſt bedacht / Liebſtes Schneutzgen / gute nacht.

Flor.

Jſt das nun das letzte wort? Freylich / freylich muß ich fort / Da mein gluͤck am beſten lacht / Schoͤnſtes Liebgen / gute nacht.

Roſ.

Jtzund gehſt du zwar von mir / Doch mir traͤumet ſtets von dir / Biß die morgenroͤthe lacht / Ach mein Liebgen / gute nacht.

Flor.

Wo ich dieſe nacht nicht bin / Schick ich liebes-ſeufftzer hin: Bin auff morgen nur bedacht / Ach mein Laͤmgen / gute nacht.

Roſ.

Weil ich morgen dencken kan / Seh ich auch mein leid nicht an: Doch fuͤrwahr die mutter wacht / Ach mein Engel / gute nacht!

G 3Uber -102

Uberfluͤſſiger Gedancken Sechſtes Dutzent.

I. Des Florindo Schreiben an ſeinen vertrau - teſten Fillidor.

MEin bruder lebſt du noch / wie daß du mir nicht ſchreibſt
Uñ noch zum wenigſten mein freund in bꝛiefen bleibſt?
Jch ſitze faſt ein jahr nun wieder bey den Linden /
Und laſſe mich die luſt zu ſchoͤnen kuͤnſten binden /
Doch hab ich keinen brief von deiner hand geſehn /
Und gleichwol koͤnte mir kein groͤſſer dienſt geſchehn.
Denn ſolt ich dieſen nicht von reinem hertzen lieben /
Dem ich aus wahrer treu das hertz einmahl verſchrieben /
Und zwar in junger zeit da ſich die zarte glut
Durch einfalt / lieb und luſt biß in das tieffſte blut /
Ja in die ſeele ſetzt? ich muß es ja geſtehen /
Jch habe gute macht mit andern umzugehen /
Die ſchoͤn und freundlich thun: man gibt mir offt die hand /
Verſchweret und verflucht den leichten unbeſtand
Und trinckt auf bruͤderſchafft: doch wan̄ die complimenten /
Die in dem munde ſich / auch in dem hertzen brennten /
So waͤr es gut genug / der falſche heuchelſchein
Der faſt ein handwerck wird / der heiſt mich furchtſam ſeyn.
Jch ſelbſten bin alſo / ich geb an manchen orte
Wohl meinem feinde ſelbſt die allerſchoͤnſten worte
Jch kuͤß ihm gar die hand / und ſtelle meine pflicht
Zu ſeinen dienſten hin / und dennoch mein ichs nicht.
Die mode bringts ſo mit / wiewohl bey ſolchen ſachen
Kan ich auf keinen freund gewiſſe rechnung machen:
Deum bleib ich in mir ſelbſt / und bin darbey vergnuͤgt /
Daß mir die heimlichkeit im hertzen ſtille liegt /
Ach bruder waͤrſt du hier / dir woͤlt ich mich vertrauen /
Jch wolt auf deine treu die ſtaͤrckſten thuͤrme bauen:
Und wie du ſonſt mein hertz in deinen haͤnden haſt /
So ſolte keine luſt und keine ſorgen-laſt
Mir angelegen ſein / ich wolte dich erbitten /
Und103ſechſtes dutzent.
Und dir in deinen ſchos den halben antheil ſchuͤtten.
Jtzt kuͤß ich dich / mein freund / viel meilen durch die lufft
Und ſchicke dir den gruß / der deine liebe rufft /
Der dein gedaͤchtnuͤß reitzt / wofern du ſo vermeſſen /
Und unbeſtaͤndig biſt / daß du mich haſt vergeſſen:
Doch mein / verzeihe mir / du liebes hertze du /
Ach nein / ich traue dir kein ſolches laſter zu.
Dem ſey nun wie ihm ſey / ich kan dich doch verſichern /
Wann ich zu bette geh / wan ich bey meinen buͤchern /
Wann ich beym maͤdgen bin / ſo faͤllt mir dieſes ein /
Wo muß mein Fillidor doch dieſe ſtunde ſeyn?
Du angenehmer dieb / du haſt mir diß geſtohlen /
Was niemand anders wird aus meinem leibe holen /
Und haͤtt ichs noch bey mir / ſo ſag ich rund und frey /
Jch wuͤnſchte nichts ſo ſehr / als deine dieberey.
Wiewohl ich bitte dich / ſind wir vertraute bruͤder /
So ſchicke mir mein hertz nur um die helfte wieder.
Worzu? ach frage nicht / es zeucht mich ein magnet
Der mit verſuͤſter krafft nach meinen hertzen ſteht.
Er ſetzt mir hefftig zu / und ſucht ein tuͤchtig eiſen /
Daran er ſeine krafft vollkommen wil erweiſen;
Jnzwiſchen hab ich ihm den leeren platz beſtimmt /
Biß daß ein pack von dir die pleiſſe runter ſchwimmt.
Ach koͤnnte nur ein brief vor andern leuten ſchweigen /
Jch wolte dir von mir ſo einen abriß zeigen
Als kein Apelles nicht / ich weiß nun was die ſtadt
Die werthe linden-ſtadt vor luſt-vergnuͤgung hat.
Komm du nur ſelbſt zu mir / ſo wollen wir uns letzen /
Und unſre liebes-glut in friſcher koſt ergetzen.
Jndeſſen liebſtes haupt verſichre deinen ſinn /
Jch bleib in dich verliebt weil ich Florindo bin.

II. Die unverroſtete Liebe.

DJe erſte liebe roſtet nicht /
Wann zwey verliebte ſeelen
Ein ander in getreuer pflicht
Zu dieſer zeit erwaͤhlen /
G 4Da104Uberfluͤſſiger gedancken
Da noch die zarte gluth vielleicht
Nach keinen fremden feuer raͤucht.
2. Dann wo ſie ihren fuͤſſen ſtand
Bald erſtlich hat erkohren /
Da iſt ihr liebſtes vatterland
Da wird ſie neu gebohren /
Da trifft ſie luſt und nahrung an /
Dadurch ſie ſich vermehren kan.
3. So bald ſie aber anderwerts
Die heiſſen ſtrahlen lencket /
Und an ein unbekanntes hertz
Die luſt-begierden hencket /
So koͤmmt ſie in ein fremdes land
Und ſetzt den grundſtein auff den ſand.
4. Es darff ein ſchlechter wirbelwind
Ein kleines luͤfftgen raſen /
So wird das weſen gar geſchwind
Jn einen klump geblaſen /
Alsdenn ſo muß der ſtaͤrckſte wein
Des ſchaͤrffſten eßigs vater ſeyn.
5. Dem erſten liebſten bleib man gut /
Und wann man unterweilen
Gleich anders redt und anders thut /
Will doch der ſchmertz nicht heilen /
Es bleibt ein kleiner auffenthalt /
Der immer in dem hertzen wallt.
6. Es muͤſt ein ſchlechtes maͤdgen ſeyn
Das wir nicht ſolten lieben /
Wann ſie uns zu der ſuͤſſen pein
Hat erſtlich angetrieben /
Wann es bißweilen anders ſcheint /
Sind die gedancken doch ihr freund.
7. Jch105ſechſtes dutzent.
7. Jch fuͤhle meinen erſten pfeil
Noch immer in den hertzen /
Der nimmt noch ſein beſcheiden theil
Von meinen zarten ſchmettzen /
Und ob mirs gleich nicht werden kan /
So denck ich doch mit luſt daran.
8. Jch kan mich endlich ſcharff verliebt
Bey allen maͤdgen ſtellen /
Und die ein bißgen anlaß gibt /
Kan leicht mein hertze faͤllen /
Doch keine blickt mich ſuͤſſer an /
Als die ich erſtlich lieb gewan.

III. Jn eines andern namen / der ſeinen abſchied verſchweigen muſte.

LJebgen ſol ich ietzt verſchwiegen
Oder offenhertzig ſeyn /
Sol ich mich und dich betriegen
Oder ſag ich meine pein /
Welche mich mit uͤberdruß
Nach und nach verzehren muß.
2. Nein ich wil den mund bezwingen /
Denn ich kan es nimmermehr
Uber dieſes hertze bringen /
Wann es noch ſo hefftig waͤr /
Daß ich dir mit meiner pein
Wolte ſo beſchwerlich ſeyn.
3. Dann ſo fern ich muß verreiſen /
Wirſt du meiner traurigkeit
Keinen groſſen dienſt erweiſen
Durch erregtes hertzenleid.
Ach es iſt genung daran /
G 5Daß106Uberfluͤſſiger gedancken
Daß ich mich nicht troͤſten kan.
4. Jch ſol alle luſt vergeſſen
Welche meine ſeele liebt /
Da die jahrs-zeit dir indeſſen
Neuen fug zur freude gibt /
Und dein ſuͤſſes muͤndgen lacht /
Weil mein kopff calender macht.
5. Niemand wird es wol vermeinen /
Daß ich auff dem ſprunge ſteh:
Doch der tag wird bald erſcheinen /
Welcher mein betruͤbt ade /
Das noch itzt im hertzen giert /
Offentlich bekennen wird.
6. Drum ſo ſprech ich in gedancken:
Liebſtes ſeelgen lebe wohl!
Und wofern ich von dir wancken
Und dich gantz verlaſſen ſoll /
So bedanck ich allezeit
Mich vor deine freundlichkeit.
7. Und wo mein gehaͤuffter ſchmertzen
Keine reden uͤbrig hat /
Ach ſo nimm in deinem hertzen
An des letzten gruſſes ſtatt /
Den ich dir nicht geben kan /
Meinen letzten ſeuftzer an.

IV. Daß naͤrriſche Ding die Liebe. Worinn meiſtentheils auf gewiſſe ſpruͤchwoͤrter gezielet wird / welche bey einer bekannten Compagnie im brauche waren.

JHr leute laſſet euch in liebesſachen ein!
Dann wo die liebe nicht auf erden ſolte ſeyn /
So107fechſtes dutzent.
So waͤr das liebe ding die Eva nicht geſchaffen /
Und wann es ſuͤnde waͤr / ſolthaͤtens nicht die pfaffen.
Es kan nicht unrecht ſeyn / wells die Juriſten thun:
Es iſt nicht ungeſund / weil nicht die Aertzte ruhn:
Wanns unnatuͤrlich waͤr / ſo wuͤrd es die nicht jucken /
Die der Philoſophie biß an den nabel gucken.
(Manum inſerere in ſinum Philoſophiæ. Terentius
1
Heaut. act. 3. ſc. 3. v. 2. & 3.)
2
Wann es altvaͤtriſch waͤr / ſo waͤr es nicht beliebt
Von einem der ſich auf die neue mode giebt:
Und waͤr es kinder-ſpiel / ſo wuͤrden nicht die alten
Auf dieſe leckerey ſo groſſe ſtuͤcke halten.
Es iſt auch nicht Franzoͤſch / die Teutſchen kom̃en auch
Von augen in das hertz / vom hertzen in den bauch.
Es iſt auch nicht Catolſch / wañ wir die haͤndel treiben /
Denn ſonſten liſſen es die Lutheraner bleiben. (mann /
Es iſt kein ſchelmenſtuͤck / ſonſt gieng ein handwercks -
Der ehrlich bleiben wil / nicht ſo mit freuden dran.
Es iſt auch keine kunſt es kans ein ieder bauer /
Der liebet ſeine frau und hertzt ſie auf die thauer.
Die liebe klinget nicht / ſonſt waͤrs fuͤrwahr nicht gut /
Man hoͤrte drauſſen all’s was man im hauſe thut.
Die liebe ſtincket nicht ſonſt koͤnte man es riechen /
Alsbald wann ha und ſie in einen winckel kriechen.
Die liebe ſieht man nicht / was wuͤrde ſonſt daraus /
Die leute leſchen ja darzu die liechter auß.
Sie kan nicht bitter ſeyn / dann ſolt es herbe ſchmecken /
So wuͤrde mancher nicht darnach die finger lecken.
Die lieb iſt nicht beruſt / ſonſt waͤre niemand weiß:
Weiß kan ſie auch nicht ſeyn / dann ſchwartz behaͤlt den
(preiß:
Viel wenger iſt ſie ſchwer / man kan ſie leichtlich faſſen /
Und108Uberfluͤſſ ger gedancken
Und der iſt wol ein narr / der ſich wil helffen laſſen.
Die liebe kan ja nicht von pfefferkuchen ſeyn /
Die bauren wuͤrden ſie ſonſt auf den hirſe ſtreun:
Kein welckes ruͤbgen nicht / ſie wuͤrde nicht gelitten /
Die jungfern haͤtten ſie ſchon laͤngſten klein geſchnittẽ.
Sie iſt kein kaͤſe nicht / denn ſolte dieſes ſeyn /
So ſteckte mancher eh ſein ſcharffes meſſer ein:
Sie iſt kein haͤſcher nicht / wer haͤtte ſonſt verlangen /
Daß ihn die liebe ſolt in ihrem loche fangen?
Die liebe brennet nicht / ſonſt wuͤrd ein gantzes land
Den erſten hochzeit-tag bißweilen abgebrannt:
Die liebe kuͤhlet nicht / ſonſt wuͤrde man nicht ſchwitzẽ;
Die liebe ſticht auch nicht / ſonſt wuͤrde man ſich ritzen;
Die lieb iſt auch kein floh / ſonſt waͤr gefahr dabey /
Die jungfern knickten ihr den kopf geſchwind entzwey;
Sie iſt kein klapperſtorch / ſonſt waͤr es groſſe ſchande /
So bald es winter waͤr / ſo zoͤg ſie aus dem lande.
Die liebe thut nicht weh und bringet ſchlechte pein /
Sonſt wuͤrd ein jungfer-maul nicht alſo wolfeil ſeyn;
Die waͤre wol ein kind / wann jemand greiffen wolte /
D ſie vor freuden nicht ein bißgen lachen ſolte.
Es bleibet wol dabey / nur hurtig lieb gehabt /
Ach wohl dem / welcher ſich in ſeiner jugend labt /
Ein alter taugt nicht mehr / er ſpielt nur mit geberden /
Und weil er ſonſt nichts kan / muß er zum han ---

V. Als er in den Citronen-Keller fiel.

HAlt bruder / halt ich falle /
Der abſatz gleit mir ab /
Jch portzle ſchon hinab /
Sind bald die ſtuffen alle?
Ach komm und hilff mir doch /
Jch109ſechſtes dutzent.
Jch halte mich ja noch
Vor zittern und erſchrecken
An den gemeinen weiber-ſtecken,
2. Es iſt noch gut / ich lache /
Mein herr verzeihe mir /
Dieweil ich ihm allhier
So ein gerumpel mache:
Es kan gar bald geſchehn /
Und er wird leichtlich ſehn /
Daß mein jntent geweſen /
Ein paar citronen auszuleſen.
3. Jch tummes menſch ich wolte
Jch lieffe nicht ſo blind;
Doch wann mein tauſend-kind
Den fall erblicken ſolte /
Sie kaͤme doch gerannt /
Und reichte mir die hand /
Wann niemand ſonſten kaͤme /
Der die bemuͤhung auf ſich nehme.
4. Da lieg ich uͤbern hauffen /
Und bin von hertzen froh /
D dieſer fall noch ſo
Ohn ſchaden abgelauffen:
Doch ſeh ich ferner an /
Was draus erfolgen kan /
So fuͤrcht ich mich fuͤr allen /
Jch werde wol noch einmahl fallen.
5. Jch ſitze zwar dem gluͤcke
Noch gleichſam in dem ſchoß /
Und fall auff einen ſtoß
So leichtlich nicht zuruͤcke /
Jedoch / wer weiß / wo itzt
Sich110Uberfluͤſſiger gedancken
Sich irgend einer ſpitzt /
Der mich in wenig tagen
Kan unverhofft zu boden ſchlagen.
6. Du freude meines lebens /
Schau / wie ich furchtſam thu /
Hingegen mache du
Die furchtſamkeit vergebens /
Bleib du mir zugethan /
So lang ich ſprechen kan /
Mein kind du wirſt vor allen
Mir nicht aus meiner ſeele fallen.

VI. Jn Namen eines guten Freundes / welcher ſich in ein ſchlechtes Maͤdgen verliebt hatte.

LJebſtes kind / mein ander leben /
Wehrtes ſeelgen wilſt du nicht /
Deinen diener glauben geben /
Wann er dir ſo viel verſpricht /
Ach wer ſolche worte gibt /
Jſt nichts anders als verliebt.
2. Welche mit der liebe ſchertzen /
Geben ſich bißweilen bloß /
Aber doch in meinem hertzen
Jſt die ſehnſucht viel zu groß /
Daß ich dir du hertzgen du /
Keinen tritt zu leide thu.
3. Ach ſprichſt du es ſind perſonen /
Den ich mehr verpflichtet bin /
Die in andern gaſſen wohnen /
Da gedenck ich lieber hin /
Andern armen leuten ſey
Jch zum bloſſen poſſen treu.
4. Schweig111ſechſtes dutzent.
4. Schweig und lern es beſſer treffen
Dieſes war noch weit gefehlt /
Wer kan euch mit worten aͤffen /
Wann ihr uns das hertze ſtehlt /
Jhr / ihr maͤdgen ſeyd uns hold /
Wann ihr uns vexiren wolt.
5. Und darzu was ſols bedeuten /
D du nicht ſo vornehm biſt?
Wann nur bey den armen leuten
Tugend lieb und ſchoͤnheit iſt /
Ach ſo trifft man alles an /
Was die liebe wuͤnſchen kan.
6. Alles was ich bey den reichen
Forn und hinten ſuchen wil /
Das kan ich mit dir vergleichen:
Dann du haſt doch gleich ſo viel /
Bein und adern / fleiſch und blut /
Haſt du eben auch ſo gut.
7. Wann ſich andre maͤdgen ſchmincken /
Biſt du von natur ſo ſchoͤn /
Wann ſie nach ziebethe ſtincken /
Kanſt du ohne diß beſtehn /
Manche tauſchte gern mit dir /
Und geb alles geld dafuͤr.
8. Drum ſo laß dich noch gewinnen /
Wo ich anders bitten kan /
Schaue mit geneigten ſinnen
Meines hertzens unſchuld an /
Liebſtes ſeelgen ich will dein
Und du ſolſt mein liebgen ſeyn.
9. Haſt du nicht viel edelſteine /
Traͤgſt du keine perle nicht;
Ach112Uberfluͤſſiger gedancken
Ach ſo glaͤntzt mit ſuͤſſerm ſcheine /
Deiner zarten-augen-liecht.
Haſt du gleich kein hauß voll gold /
Bin ich deinen lippen hold.
10. Deine haͤnde deine wangen /
Deine bruͤſtgen und was mehr /
Reitzen mich und mein verlangen /
Gleich als wann es ſilber waͤr /
Alſo kan dein fleiſch allein
Mein vergnuͤgter reichthum ſeyn.

VII. Eine Olle Putterie.

BOtz tauſend heiſt es nun / botz tauſend wieder was /
Botz tauſend noch einmal / botz tauſend wz iſt das /
Botz tauſend heut und morgen / botz tauſend im̃erdar /
Botz tauſend ohne ſoͤrgen / botz tauſend guter jahr.
2. Botz tauſend guten tag / botz tauſend groſſen danck /
Botz tauſend nicht zu kurtz / botz tauſend nicht zu lang /
Botz tauſend in der menge /
Botz tauſend nicht zu breit /
Botz tauſend nicht zu enge /
Botz tauſend nicht zu weit.
3. Botz tauſend iſt geflucht / botz tauſend iſt gebet /
Botz tauſend geht noch hin / botz tauſend klingt noch
Botz tauſend hin und wieder / (nett /
Botz tauſend da und dort /
Botz tauſend auff und nieder /
Botz tauſend immerfort.
4. Botz tauſend dz iſt recht / botz tauſend muß es ſeyn /
Botz tauſend hat den platz / botz tauſend das iſt fein /
Botz tauſend allen ſachen /
Dahinden und daforn /
Botz113ſechſtes dutzent.
Botz tauſend macht mich lachen /
Botz tauſend thut mir zorn.
5. Botz tauſend ſeht mich an / botz tauſend lachet nicht /
Botz tauſend ſtutzt es nicht / wenn man botz tauſend
Botz tauſend ſack voll enden / (ſpricht /
Botz tauſend mahl gelacht.
Botz tauſend complimenten /
Botz tauſend gute nacht.

VIII. Er thut bey der Margaris buſſe.

WAs macht ihr noch / ihr allerliebſten kinder /
Ach ſeht doch her / da koͤmmt ein armer ſuͤnder /
Der hat unlaͤngſt ſich gar zu viel erkuͤhnt /
Und hat wohl gar den bittern tod verdient.
2. Ach ſoll ich dran? es iſt ja ewig ſchade /
Es iſt geſchehn / ich bitte um genade:
Dann meine ſuͤnd iſt mir von hertzen leid /
Und hat mich mehr als tauſend mahl gereut.
3. Ach ſchauet doch auf mein bußfertig hertze /
Und ob ich ſonſt gleich trefflich gerne ſchertze /
So muß ich doch vor dieſes mahl geſtehn /
Daß mir die wort aus meinem hertzen gehn.
4. Jch bin betruͤbt / und muß mich hoͤchlich ſchaͤmen /
Und darff mir nicht die kuͤhnheit ſelber nehmen /
D ich bey euch die ſuͤnd abbitten kan /
Drum nehmt die beicht allhier geſchrieben an.
5. Jch will fuͤrwahr ins kuͤnfftig froͤmmer werden /
Jch will nicht mehr in reden und geberden /
Wann ihr es ſeht / ein ſolches unkraut ſeyn /
Mein bart der ſetzt ſich ſelbſt zum buͤrgen ein.
6. Vergeſſet nur die gar zu groſſen ſuͤnden /
Und laſſt mich troſt in der vergebung finden /
HSteckt114Uberfluͤſſiger gedancken
Steckt ſie in ſack / ſchickt ſie ins waſſer naus /
Und laſt den zorn an mir nicht weiter auß.
7. Alſo werd ich ein frommes buͤfgen bleiben /
Und werde nicht mehr loſe haͤndel treiben;
Je dennoch iſt die ſuͤnde gar zu groß /
So ſtrafft mich bald / und laſt mich kuͤnfftig loß.

IX. Marindgen das Hertzen-Diebgen.

MArindgen / wer hat mir mein hertze geſtohlen /
Haſt du es etwan ſelbſt gethan?
Jch weiß mir daſſelbe nicht wieder zu holen
Du diebgen gieb dich immer an /
Und mache deinen diebſtal kund /
So hab ich mein hertze / ſo bin ich geſund.
2. Marindgen / ich ſuche mein hertze vergebens /
Wann ich bey andern leuten bin /
Du zierde der hertzen / du krone des lebens
Wo ſteckſt du mir das leben hin?
Du haſt es doch gewiß bey dir /
Ach lange den heimlichen diebſtahl herfuͤr.
3. Marindgen / du haſt mir die helffte genommen /
Was nutzt mir nun die todte laſt?
Beliebe nur immer noch einmahl zu kommen /
Biß du mich gantz geſtohlen haſt /
Schleuß mich zu deinem hertzen ein /
So werd ich vollkommen befriediget ſeyn.
4. Mein hertze / mein hertze Marindgen / ich ſterbe /
Wo du mich ferner ſo betruͤbſt /
Und / eh ich in meiner bedraͤngniß verderbe /
Mir nicht das hertze wieder gibſt /
Drum komm / eh ſich der ſchwache geiſt
Auß meinem verſtuͤmmelten coͤrper entreiſt.
5. Zum115ſechſtes dutzent.
5. Zum wenigſten werd ich mich duͤrffen erkuͤhnen /
Und werde / wie mich laͤngſt geluͤſt /
Mich deines vollkommenen hertzen bedienen /
Darein mein hertz geſchloſſen iſt.
Mein liebgen gib mir nur verlaub /
Ein billicher wechſel iſt endlich kein Raub.

X. Auff einen falſchen Freund.

DU ſchaͤndliche kroͤte / nun haſt du den gifft
An meiner unſchuld ausgelaſſen /
Du drache / dein gifftiges hauchen betrifft
Mein leben unverdienter maſſen /
Doch bleib daheim / es hat nicht noth /
Ein ſolch baſilisk der ſieh’t mich nicht todt.
2. Du fleiſcherner teuffel / du wanderſt herumb /
Als wie ein loͤw in finſtern puͤſchen /
Und ſieheſt dich hinten und fornen wohl um /
Ob du was ſchwaͤchers kanſt erwiſchen!
Doch lauff nur fort du wildes thier /
Ein muthiger Hercules ſtreitet bey mir.
3. Du hungriger wolfs-zahn / ach wolſt du nicht geꝛn
Mich armes ſchaf zu todte beiſſen?
So lauſchet ein liſtiger habicht von fern
Wann er die taube will zerreiſſen /
So ſchnappet ein raͤubiſcher hecht
Und jaget wol ſelber ſein eignes geſchlecht.
4. Du garſtige fliege / was ſchmirſt du vor koth /
An das verhalten meiner jugend?
Du eyfriges luͤgen-maul wirſt du nicht roth /
Jndem du meine reine tugend
Zu lauter groſſen laſtern machſt /
Und meine gedancken ſo hoͤhniſch verlachſt?
H 25. Du116Uberfluͤſſiger gedancken
5. Du diebiſche katze / was leckſt du mich doch /
Wann du mich willſt von hinden kratzen?
Du ſpitzige zunge / was willſtu mir noch
Von guter gunſt und freundſchafft ſchwatzen:
Du meinſt / ich ſol ins netze gehn
Drum ſingſt du ſo lieblich und pfeiffeſt ſo ſchoͤn.
6. Du Tuͤrcke / du Heyde / bedenckſt du dich nicht /
Du unmenſch / haſt du kein gewiſſen /
Des himmels gerechtigkeit eiffert und ſpricht:
Verflucht ſey! der ſich ſo befliſſen /
Daß er den nechſten der ihn liebt /
Mit tauſend betruͤglichen haͤnden betruͤbt.
7. Doch ſchwerme nur beſſer du raſender hund /
Biß mir und aller welt zuwieder;
Jch bleibe doch immer am leibe geſund /
Du aber ſchlaͤgſt dich ſelber nieder /
Ein hund der ſich ſo ſehr bewegt /
Hat ſelten neun tage zuruͤcke gelegt.
8. Jch habe noch keinen bekannten geſehn /
Dem du von hertzen guͤnſtig waͤreſt:
Drum laß ich es endlich gedultig geſchehen /
Daß du mich hier und da verſehreſt.
Vielleicht kompt noch die liebe zeit /
D mancher ſein eiffriges wuͤten bereut.

XI. Er nimmt Abſchied.

DU liebes kind / indem ich von dir reiſe /
Und deiner gunſt zu guter letzt erweiſe /
Was ich bißher mit groſſer luſt gethan;
So nimm diß lied mit lieben haͤnden an.
2. Mein kind / es iſt vielleicht mein beſſer gluͤcke /
Wofern ich bald zu dieſer reiſe ſchicke /
Abſon -117ſechſtes dutzent.
Abſonderlich / weil hier in deiner ſtadt
Mein armer ſinn kein ewig bleiben hat.
3. Jndeſſen werd ich offt zuruͤcke dencken /
Und mich damit in meinem hertzen kraͤncken /
Daß ich nunmehr den ſuͤſſen uͤberfluß
Der ſchoͤnſten luſt mit dir entrathen muß.
4. Du biſt allein mein augen-troſt /
Nachdem ich dich bedachtſam auserleſen /
Und haͤtt ich nicht ſo offt auff dich geſehn /
So waͤr auch wol mein abſchied eh geſchehn.
5. Jch habe zwar die liebe ſtadt geprieſen /
Doch hab ich dir das lob allein erwieſen /
Du warſt die luſt / die kurtzweil und das ſpiel /
Das mir ſo wohl bey dieſer ſtadt gefiel.
6. Drumb weil ich itzt am leibe von dir wancke /
So kan ich nichts / als daß ich mich bedancke /
Vor deine gunſt und alle freundligkeit /
Damit dein haus mich itzo noch erfreut.
7. Nun gute nacht / mein kind / zu tauſend mahlen /
Jch kan nicht viel mit groſſen worten pralen /
Gefall ich dir / nun ſo gedencke mein /
Wo nicht / ſo laß mich bald vergeſſen ſeyn.
8. Der abſchied iſt vor dieſes mahl genommen /
Beliebt es dir / ſo will ich wiederkommen /
So bald die zeit mir einen kleinen reſt
An meine luſt zu wenden uͤbrig laͤſt.

XII. Die hoͤniſche Jungfer / Vorgeſtellet in einem geſpraͤche zwiſchen den Coridon und der Roſilis.

Coridon.

MEin roͤſgen / meine luſt / mein kind / das ich erwaͤhle /

R.

Ach geh du falſche ſeele.

H 3C. Was118Uberfluͤſſiger gedancken
C.

Was ſagt ſie / bin ich falſch / da ich ſo freundlich thu?

R.

Schreibts meiner einfalt zu.

C.

Sie iſt mein hertzens-troſt / mein reichthum / mein geluͤcke /

R.

Daß dich mein leibgen druͤcke.

C.

Wie glaͤntzt ihr angeſicht / kein bluͤmgen iſt ſo nett.

R.

Hat er nun auch geredt?

C.

Die hellen augen ſeh ich als zwey ſterne ſcheinen /

R.

Zwey ſterne wird er meynen.

C.

Und dieſer ſchoͤne glantz hat mich verliebt gemacht /

R.

Jch haͤtt es nicht gedacht.

C.

Jch ſchwere bey der hand / die ich ſo ſehnlich kuͤſſe /

R.

Jch dachte was mich biſſe.

C.

Drum ſtell ich mich bey ihr in tieffſter demuth ein /

R.

Kan er auch hoͤniſch ſeyn?

C.

Sie muß die auslegung auch nicht ſo boͤſe machen /

R.

Fuͤrwar / ich muß nur lachen.

C.

Sie lacht / und gibt mir doch im lachen einen ſtich /

R.

Ach Herr verſorge mich.

C.

Und dannoch werd ich ſtets zu ihren dienſten ſtehen /

R.

Er laſſe ſichs vergehen.

C.

Wie werd ich doch verracht / ich armer ſchmetterling.

R.

Ach vaͤttergen / mein ding.

C.

Mein kind / was flucht ſie ſo / ſie ſuͤrchte ſich der ſtraffe /

R.

Er redt gewiß im ſchlaffe.

C.

Sie wecke mich nur auff / ſonſt ſchlaff ich haͤrter ein /

R.

Vor dißmahl kans nicht ſeyn.

C.

Und alſo bleibt mein hertz allzeit in ihr verſchloſſen /

R.

Das ding gibt keinen poſſen.

C.

Jhr hertze gegen meins / das waͤr ein ſchoͤner tauſch /

R.

Er hat doch einen rauſch.

C.

Es ſcheint / als waͤr ich gantz von ihrer gunſt geſchieden /

R.

Er laſſe mich zu frieden.

C.

Sie rede doch mit mir / wenn meine bitte gilt.

R.

Ach nem / die mutter ſchilt.

C.

Sie hat mich doch nicht lieb / ſie ſagt mirs mit geberden

R.

Er ſol ein rathsherr werden.

C.

Jndeſſen bleib ich doch verpicht auffs liebe brod /

R.

Mit ihm hats keine noth.

C. Sie119ſechſtes dutzent.
C.

Sie lebe wohl mein kind / ich wil ſie nicht verſtoͤren /

R.

Es iſt mir lieb zu hoͤren /

C.

Jch hoffe ja ſie wird auch meinen ſchertz verſtehn /

R.

Jch dacht er wolte gehn.

C.

Jch geh in dem ich ſie zur unzeit angetroffen /

R.

Der thorweg ſteht ihm offen.

C.

Jedoch parol, daß ſie mich morgen wieder ſieht

R.

Er ſey nur unbemuͤht.

Uberfluͤſſiger Gedancken Siebendes Dutzent.

I. Der verliebte Gedancken-Streit / beſtehet in fuͤnff perſonen:

  • I. Dem zweiffelhafftigen liebhaber.
  • II. Denen gedancken wegen Marilis.
  • III. Wegen Roſilis.
  • IV. Wegen Regilis.
  • V. Wegen Liſilis.
Der Liebhaber.

VErlaſſt mich / ihr fluͤchtigen liebes-gedancken / Mein hertze fleuſt wie ſpaͤter ſchnee / Soll meine zufriedenheit immer ſo wancken / Als wie ein ſchiffgen auff der ſee? Ach weichet ihr grillen / und machet mich frey / Jch bleibe mir ſelber am liebſten getreu.

Marilis.

Sind die ſchoͤnen roſen-wangen Nicht der ſchoͤnſten liebe werth / Soll der mund vergebens prangen / Welcher deinen kuß begehrt? Ach mein hertz / erwaͤhle diß Durch die ſuͤſſe Marilis.

H 4Roſi -120Uberfluͤſſiger gedancken
Roſilis.

Sind die wollen-weiche glieder / Jſt das zarte fleiſch nicht ſchoͤn / Als auff welchen hin und wieder Neue wolluſts-roſen ſtehn? Ach mein hertz / bedencke diß / Und die liebe Roſilis.

Regilis.

Hier ſind lilgen und narziſſen / Hier iſt weiſſes helffenbein / Hier iſt unſchuld bey dem kuͤſſen / Stille wolluſt bey der pein / Drum mein hertz / behalte diß Jn der werthen Regilis.

Liſilis.

Schau die angenehmen haare / Sih die friſchen augen an / Nimm den glantz der jungen jahre / Welcher nichts als ſiegen kan / Liebſtes hertz / auch ſuche diß Bey der ſchoͤnſten Liſilis.

Der Liebhaber.

Wo bleib ich / was ſuch ich / was ſoll ich behalten / Wo ſetz ich meine ruhſtatt ein? Mein ſchwaches gemuͤthe wil lieber erkalten Als bey der hitze muͤhſam ſeyn: Drum weichet ihr ſorgen / und qvaͤlet mich nicht / Jch warte / was endlich mein gluͤcke verſpricht.

Marilis.

Mein / wie ſolte dir belieben Roſilis die bauer-magd? Regilis kan dich betruͤben /Wann121ſiebendes dutzent.Wann ſie nur ein woͤrtgen ſagt; Und die liebe Liſilis Jſt dir trefflich ungewiß.

Roſilis.

Marilis wil gar zu niedlich Und zu wohl bedienet ſeyn / Regilis iſt unterſchiedlich Halb ein engel / halb ein ſchwein / Liſilis das loſe blut Stecket voller wanckelmuth.

Regilis.

Marilis wird dich belohnen Durch ein ſauer angeſicht / Roſilis mag dich verſchonen / Der Oremus taug dir nicht / Liſilis der wildfang hat Jhres gleichen in der ſtadt.

Liſilis.

Marilis iſt dir gewogen / Doch ein ding verhindert ſie / Roſilis hat dich betrogen / Es verlohnt ſich nicht der muͤh / Regilis verſteht es nicht / Wann ſie gleich der kuͤtzel ſticht.

Der Liebhaber.

Jhr eiteln gedancken / ach laſt mich zu frieden / Die einſamkeit bekommt mir wohl / Jch waͤre viel lieber von allen geſchieden / Als das ich laͤnger zweiffeln ſol / Verſchonet nur meiner / und laſſet mich gehn / Ein ander mag euere poſſen verſtehn.

H 5Mari -122Uberfluͤſſiger gedancken
Marilis.

Marilis / die liebe ſeele / Traͤgt ihr feuer in der bruſt / Drum ſo lauff doch und erwehle Die verliebte tauſend luſt / Weil ſie ohne trug und liſt Dir von hertzen guͤnſtig iſt.

Roſilis.

Hier iſt keine complimente / Kein verbluͤmter woͤrter-ſchein / Und du kanſt als ein ſtudente Leichtlich hahn im korbe ſeyn / Arme leute wiſſen auch Der verliebten luſt-gebrauch.

Regilis.

Wilſt du dich ſo weit bemuͤhen? Hier iſt ſtets gelegen heit / Wann du wilſt ſo muß| dir bluͤhen Jhre ſuͤſſe freuudlichkeit / Drum vermindre deine laſt / Und behalte was du| haſt.

Liſilis.

Hier ſind liebgereitzte minen / Wann ſie auch nicht dran gedenckt / Drum ſo kan ſie leicht verdienen / Daß man ihr das hertze ſchenckt / Schau das liebe ſeelgen an / Wie ſie thun und lachen kan.

Liebhaber.

Jhr liebes-gedancken ihr habet gewonnen / Jhr habet die ſauer-ſuͤſſe pein Jn meinem ermuͤdeten hertzen entſponnen /Drum123ſiebendes dutzent.Drum muß ich nun gefangen ſeyn. Jch liebe ſie alle / doch Liſilis iſt / Die meine gedancken am beſten verſuͤſt.

II. Der ordentliche Liebes-Proceß.

1. die Freyheit.
WOl dem / der ſeinen jungen jahren
Die ſuͤſſe freyheit goͤnnen kan!
Er mag die zarten kraͤffte ſpahren /
Und legt die ſtunden beſſer an /
Als einer / der ſich tag und nacht
Mit liebes-grillen muͤde macht.
2. Das erſte Blickgen.
Doch halt mein geiſt / beſinne dich /
Sieh auff / das maͤdgen zeiget ſich /
Du muſt es doch betrachten.
Jch hab es vormahls nicht gewuſt /
Man darff dergleichen augen-luſt
Jn warheit nicht verachten.
3. Die erſte Liebe.
Haͤtt ich das zuvor bedacht /
Daß ein blickgen ſolche macht
Gegen unſre ſeelen haͤtte /
Ach / ſo gieng ich auffgericht /
Und mein hertze laͤge nicht /
An der ſtrengen liebes-kette.
Nun iſt meine freyheit hin /
Und ich muß den armen ſinn
An die eitle ſchoͤnheit binden:
Meine freude liegt daran /
Ob ich bey der liebſten kan
Liebe / gunſt und gnade finden.
4. Die124Uberfluͤſſiger gedancken
4. Die erſte Bekandtſchafft.
Luſtig / mein liebgen das lernet mich kennen /
Sie lacht mich ſchon ein buͤßgen an:
Luſtig / mein hertze mag braten und brennen.
Wann ich mich hier erqvicken kan:
Luſtig mein kindgen / mein engel / mein liecht
Laͤſſet ſich kuͤſſen und wehret ſich nicht.
5. Die Eyferſucht.
Der eyfer / der moͤchte mich freſſen /
So hat er mein hertze beſeſſen /
Jch bilde mir wunderlich ein /
Sie waͤre mein liebgen allein /
Und freuet mich / ---- aber /
Ein heimlicher dieb /
Der hat ſie auch lieb /
Und geht mir in haber.
6. Der Liebſten Zorn.
Mein ſchwacher geiſt / ſo ſchick dich in die trauer /
Dein ſuͤſſes kind ſieht aus der maſſen ſauer
Ein jeder blick / dardurch ſie ſich bewegt /
Jſt wie ein blitz / der mich zu boden ſchlaͤgt.
Jſt diß der lohn vor meine treue liebe /
Daß ich mich nun biß auf den tod betruͤbe?
Zu guter nacht du allerliebſtes hauß /
Jch ſeh es wohl / es iſt vor dißmahl aus.
7. Die Verſoͤhnung.
Mein liebgen / ſo haſt du dich beſſer beſonnen /
Und darff ich wieder zu dir gehn?
Hat endlich die unſchuld dein hertze gewonnen /
Und lernſt du meinen ſinn verſtehn?
Mein freundliches hertzgen / verſichere dich frey /
Jch bleibe dein diener und ewig getreu.
8. Die125ſiebendes dutzent.
8. Die vollkommene Beſitzung.
Mein gemuͤthe ſey verſchwiegen /
Kanſt du dich gleichwohl vergnuͤgen
An der milden freundlichkeit:
Zwey perſonen muͤſſen ſpielen /
Und hingegen unter vielen /
Wird die freude leicht zerſtreut.
Laß dich ſtreichlen / laß dich kuͤſſen /
Darff es doch kein ander wiſſen /
Wann du nur verſichert biſt /
Daß dein liebgen unter allen /
Dir zu lieb und wohl gefallen /
Stiller gunſt verbunden iſt.
Laß dir ſanfft die haͤnde truͤcken /
Spiele mit entzuͤckten blicken /
Jtzund haſt du noch die wahl /
Drum ſo laſt die jugend ſchertzen /
Und verſencke deine ſchmertzen /
Jn den ſuͤſſen roſenthal.
Die verloſchne Liebe.
Wir jungen leute ſind wohl narren /
Wann uns die liebe freſſen will /
Da hat ein jeder einen ſparren
Zu wenig oder doch zu viel /
Jch habs verſucht ein halbes jahr /
Jch weiß / wie mir zu muthe war.
Nun muß ich meiner ſelbſten lachen /
Daß wir uns ſolchen kummer machen /
Jch lege luſt und eitelkeit
Zu meines maͤdgens fuͤſſen nieder /
Und ſuche die gelegenheit /
So gar geſchwinde wohl nicht wieder /
Jch126Uberfluͤſſiger gedancken
Jch halte mein triumph-geſchrey /
Jch war verliebt / nun bin ich frey.

III. Als Coridon dem Florindo an das Knie kuͤtzelte / in Meynung als haͤtte er die Marilis darbey.

MEin knie thut mir abſcheulich weh /
Es juckt mich wo ich geh und ſteh /
Jch weiß nicht / was ich dencke:
Es krappelt ſtets und wo ich bin /
Da faͤhret mirs bald oben hin /
Bald ſitzt mirs im gelencke.
2. Denn eine junggeſellen hand /
Die hat mich geſtern ſo verbrandt
Mit ihrem complimenten /
Sie griff mir dran / und macht es doch
So wunderſchoͤn / als wann wir noch
So wohl einander kennten.
3. Es iſt fuͤrwar ein artger ſchwanck /
Mein knie das muſt ohns henckers-danck
Ein jungfer-knie bedeuten /
Da kriegte mich der narr dabey /
Und machte ſeine loͤffeley
Gantz heimlich vor den leuten.
4. Die worte waren ſchrecklich krum /
Sie flogen in der ſtuben rum
Wie lauter ungeziefer /
Monſieur der hat ein hauß gebaut
Von butter-milch und ſauer kraut /
Und deckt es nun mit ſchiefer.
5. Er fand bey mir zwar guten platz /
Doch dacht ich ja / mein lieber ſchatz /
Je ſeyd ihr nicht ein flegel?
Fuͤr -127ſiebendes dutzent.
Fuͤrwahr / wo ihr euch nicht beqvemt /
Und hoͤfflich euren abſchied nehmt /
So huſt ihr auf den ſchlegel:
6. Er ſah mir die gedancken an /
Drum gieng er als ein naſſer hahn /
Und kratzte mit den fuͤſſen /
Jch hab hingegen groſſe muͤh /
Und werde noch zu meinem knie
Den zahn - artzt brauchen muͤſſen.

IV. Auf die alten Junggeſellen.

WEm das gluͤcke wiederfaͤhret /
Daß er in der jungen zeit
Auch ein junges maͤdgen freyt /
Dem iſt doch ein ſchatz beſcheret /
Welchen alles gold und geld
Lange nicht die wage haͤlt.
2. Er gebraucht ſich ſeiner jugend /
Und vexiert mit hoͤchſter luſt
Aus der allerliebſten bruſt
Die verborgne liebes - tugend
Und vertauſcht zum uberfluß
Lieb um liebe / kuß um kuß.
3. Er verjungt ſich alle morgen /
Und wie unſre lebens-friſt
Niemahls ohne ſorgen iſt /
Alſo ſchenckt er ſeine ſorgen /
Zwiſchen liebe / luſt und pein /
Jn der liebſten mund hinein.
4. Ach die atlen junggeſellen
Wiſſen von der freude nicht /
Wann ſie gleich ihr angeſicht
Unter -128Uberfluͤſſiger gedancken
Unterweilen froͤlich ſtellen /
Ach ſo koͤmmt es ungefaͤhr
Von der bloſſen hoffnung her.
5. Sie belecken nur die ſchalen
Mit vergebner angſt und muͤh /
Denn der kern iſt nicht vor ſie /
Und wenn ſie mit liebſten praalen /
Jſt der angemaſte glantz
Warlich weder halb noch gantz.
6. Auf den abend in dem bette
Liegen ſie als wie ein bild /
Halb erfroren eingehuͤllt /
Auf den morgen iſt es wette /
Denn da brennt das bette-ſtroh
Vor der liebe liechter loh.
7. Wann ſie ſich am kluͤgſten duͤncken /
Wiſſen ſie wohl ſelber nicht.
Was ſie in der ſeite ſticht /
Biß ſie einſt das leid vertrincken /
Da vergeſſen ſie der zeit
Und der truͤben einſamkeit.
8. Ach wohl dem der ſich verſorget /
Welcher hier ein bißgen iſſt /
Dort ein weilgen wieder kuͤſt /
Und an allen ecken borget /
Jſt fuͤrwahr ein armer mann /
Der offt will / und ſelten kan.

V. Er ſchaͤmet ſich / daß er ſeines Maͤdgens Ge - ſundheit trincken muß.

JCh will den handel nur geſtehn /
Jch habe dir zu ehren /
Auff129ſiebendes dutzent.
Auf dein geſundes wolergehn /
Ein glaͤßgen muͤſſen leeren /
Doch da mirs in die haͤnde kam /
Da kriegt ich eine groſſe ſcham.
2. Es war ein guter freund darbey /
Der moͤchte gerne wiſſen /
Wer doch das liebe maͤdgen ſey /
Das mir mein hertz entriſſen /
Und weil ich dieß zu hertzen nahm /
So kriegt ich eine groſſe ſcham.
3. Jch bin nicht gerne / wo man gar
Zu offenhertzig handelt /
Und ſehe lieber / daß ein paar
Jn ſtiller liebe wandelt /
Darum / als die geſundheit kam /
So kriegt ich eine groſſe ſcham.
4. Jch liebe dich / mein ſuͤſſes kind /
Und kuͤſſe dir die haͤnde /
So offt ich durch den ſchnellen wind
Die liebes-ſeufftzer ſende /
Jedoch / als ich daß glaß bekam /
So kriegt ich eine groſſe ſcham /
5. Mein kind ich ſchaͤme mich zwar nicht /
Ein glaͤßgen aus zuſtechen /
Mein hertz / mein mund / mein angeſicht
Wird ander zeugnuͤß ſprechen /
Doch / weil mirs zu geſchwinde kam /
So kriegt ich eine groſſe ſcham.
6. Dann wer ſich aus der fuͤnſternuͤß
Bald wil der Sonne naͤhen /
Der iſt am erſten ungewiß /
Wie und was er geſehen /
JDie130Uberfluͤſſiger gedancken
Die augen ſind ihm ſtumpff und lahm /
Und er kriegt eine groſſe ſcham.
7. So ließ ich in verliebter pflicht
Geheime klagen flieſſen /
Dieweil ich meiner ſonnen-liecht
Nicht konte noch genieſſen /
Und als das liebe glaͤßgen kam /
Erſchrack ich vor der groſſen ſcham.
8. Nun Liebgen wirſt du mir die hand
Mit gleicher liebe druͤcken /
Wirſt du ohn allen unbeſtand
Auff deinen diener blicken /
So wird mein hertze wieder zahm /
Und mir vergeht die groſſe ſcham.

VI. Auf eine Fruͤhlings-Hochzeit.

HAben ſich die ſuͤſſen ſtunden
Nach dem winter eingefunden /
Jetzt da alles lebt und lacht /
Solt ihr nun vergnuͤget werden /
Da die zier der gantzen erden /
Allenthalben hochzeit macht?
2. Sucht einander liebzukoſen /
Weil die ſuͤſſen fruͤhlings-roſen
An dem jungen ſtocke ſtehn /
Weil ihr mit verliebten fuͤſſen
Koͤnnt auff lilgen und narciſſen
Zu der luſt ſpatziren gehn.
3. Laſt die klee-beſaͤeten decken
Euch zur freundlichkeit erwecken:
Denn ihr ſeyd die kleine welt /
Welche gleiche luſt und freude /
Mit131ſiebendes dutzent.
Mit dem groſſen welt-gebaͤude /
Gleichſam um die wette haͤlt.
4. Laſt die freuden-ſonne ſcheinen /
Und verſtecket ſchmertz und weinen
Jn die liebe die euch bindt
Und gedenckt / wie dieſes wetter
Alle graͤßgen / alle blaͤtter /
Guͤnſtig in einander windt.
5. Alſo naͤhret eure flammen /
Alſo ſaget auch zuſammen /
Jch bin dein / und du biſt mein:
Dieſes kan in eurem ſtande /
Zu dem neuen liebes-bande /
Doch die beſte loſung ſeyn.
6. Nun wir wollen uns gedulden /
Biß ihr eure ſpaͤte ſchulden
Nach weynachten richtig macht:
Unterdeſſen wuͤnſch ich beyden /
Zu den angefangnen freuden /
Eine wunder-ſuͤſſe nacht.

VII. Die ungluͤckſeligen Kuͤſſe.

WAnn ich ein liebes kindgen /
Das mir gewogen iſt /
Auf ihr corallen-muͤndgen
Zur kurtzweil nur gekuͤſt /
So hab ich ſtets in acht genommen /
Daß mir ein ungluͤck drauff gekommen.
2. Jch armes menſche kuͤßte
Die ſchoͤnſte Roſilis /
Als wann es niemand wuͤſte;
Doch dieſes iſt gewiß /
J 2Jch132Uberfluͤſſiger gedancken
Jch habe ſie nach dieſem kuͤſſen
Nunmehr drey jahr vermeiden muͤſſen.
3. Wann ich mich noch beſinne /
Du ſchwartze Marilis /
Als ich bey deinem kinne
Ein kleines wuͤndgen biß /
So hat ich zwar den kuß erworben /
Doch unſre freundſchafft war verdorben.
4. Du freundliche Cythere /
Dein honig-ſuͤſſer mund
Ward mir zu groſſer ehre /
Vor mich einmahl vergunt /
Jedoch der kuß hat mich gerochen /
Jch habe dich nicht mehr geſprochen /
5. Es iſt mir unvergeſſen /
Jch wolte nicht mit dir /
Mein kind die naſe meſſen /
Doch wie ergieng es mir /
Wie fieng der teuffel an zu ziſchen /
Was ſchlug er nicht fuͤr noth darzwiſchen.
6. Drum halte mirs zu gute /
Daß ich nicht kuͤſſen kan /
Dann mir iſt flugs zu muthe
Als wuͤrd ich ausgethan /
Jch bin zu andrer luſt erkohren /
Zum kuͤſſen bin ich nicht gebohren.

VIII. Ein Abriß der Schoͤnheit ſelber.

JCh weiß ein liebes ſchaͤtzgen /
Ein artig kammer kaͤtzgen /
Daruͤber muß ich mich bemuͤhn /
Und ſie auf meinen ſchauplatz ziehn.
2. Das133ſiebendes dutzent.
2. Das maͤdgen muß in allen
Den leuthen wohlgefallen /
Und hat auch nicht ein eintzig glied /
Daß nicht der ſchoͤnheit aͤhnlich ſieht.
3. Die haare ſtehn ihr nette /
Gleich wie mein ſtroh im bette /
Und ſind ſo naturell und krauß /
Wie einer krancken waſſer-mauß.
4. Sie ſtutzet mit dem zopffe
Auf ihrem kleinen kopffe:
Du lieber kopff / biſt du nicht rund /
Wie meiner groſſemutter hund.
5. Die auserleſne ſtirne
Sieht faſt wie eine birne /
Die drauſſen auf den miſte liegt /
Und hier und da ein fleckgen kriegt.
6. Die ſchoͤnen ohres-loͤcher
Die ſind / wie zwey gemaͤcher /
Da floͤh und laͤuſe bleiben ſtehn /
Wann ſie aufs haͤußgen wollen gehn.
7. Die ohren haben laͤppgen /
Als wie die kaͤſe-naͤppgen /
Die ſind voll ruß biß oben an /
Daß man ſie bald wegſchauffeln kan.
8. Die augen macht ſie helle
Wie eine pferde-ſchelle
Wann ſie ein blickgen ſcharff-verliebt /
Als eine todte ratte giebt.
9. Die naſe ſteckt im quarge /
Gleich wie in einem ſarge /
Sonſt iſt das leder zart und keuſch /
Wie angebrantes ſchoͤpſen-fleiſch.
J 310. Das134Uberfluͤſſiger gedancken
10. Das maul lacht ihr von forne /
Gleich wie der hund / im borne /
Und wie ein bauer in der ſtadt /
Wann er ein eiſen funden hat.
11. Die wohlgeſtalten backen /
Wie auch der ſchoͤne nacken /
Die ſind / wo ichs vergleichen mag /
Mie eines muͤllers kohlen-ſack.
12. Jn ihrem zarten kinne
Hat neulich eine ſpinne /
Vier wochen lang ein neſt gebaut /
Und gleichwohl hat ihr nicht gegraut.
13. Die groſſen leder-flaſchen
Sind wie die bettel-taſchen /
Und hencken albern vor ſich weg
Als ein gebeitzter kirſchner-fleck.
14. Die wohl geſchickten haͤnde
Sind weich / wie alte waͤnde /
Die finger ſind ſo zart und friſch
Wie ein verdorbner flederwiſch.
15. Die armen ſind wie priegel /
Und wie die hoͤllen-riegel /
Die gucken zu den ermeln raus /
Und ſehn wie eine blut-wurſt aus.
16. Mehr hab ich nicht geſehen /
Es ſoll auch nicht geſchehen /
Dann wo ſie ſich nackt ſehen laͤſt /
So ſterb ich warlich an der peſt.
17. Drum wil ich nur beſchlieſſen /
Weil ich nicht mehr kan wiſſen /
Doch dieſes ſey zu guter letzt
Jhr als ein wunſch hinzu geſetzt.
18. Beſte -135ſiebendes dutzent.
18. Beſtecket ſie mit raute /
Spickt ſie mit ſauer kraute /
Und ſchicket ſie mit haut und haar
Dem hencker zu dem neuen-jahr.

IX. Pindariſche Trauer-Ode eines verzweiffelten / aber beſtaͤndig-Verliebten.

1. Satz
DJe kuh wird auf dem ſeile tantzen /
Der ochſe wird Latein verſtehn /
Der bock wird junge baͤumgen pflantzen /
Die ſau zur juden-hochzeit gehn /
Der kater wird die meſſe ſingen /
Die henne wird den fuchs verſchlingen.
Der eſel wird die laute ſchlagen /
Die ſchafe werden feuer ſpruͤhn /
Der baͤr wird ſammt und ſeide tragen /
Der wolff wird an dem karne ziehn /
Das pferd wird muß und ſuppe lecken /
Dem hunde wird der haber ſchmecken.
Der haſe wird calender machen /
Der wiedehopff wird geld verſtreun /
Die ratze wird am thore wachen /
Der affe wird ein doctor ſeyn /
Das eichhorn wird die froͤſche fangen /
Der ſtorch wird haſelnuͤſſe langen.
Der guggug wird Sonaten ſpielen /
Das murmelthuͤr wird freundlich thun /
Die taube wird im miſte wuͤhlen /
Die wachtel wird im waſſer ruhn /
So fern ich mich ſo hoch vermeſſe /
Daß ich der Roſilis vergeſſe.
J 42. Gegen -136Uberfluͤſſiger gedancken
2. Gegenſatz.
DAs waſſer wird berg an ſpatziren /
Die erde wird im monden gehn /
Die ſonne wird am himmel frieren /
Die berge werden niedrig ſtehn /
Die tiſche werden untern baͤncken /
Die pfuͤtzen uͤbern weiden hencken.
Man wird das weinfaß auf dem dache /
Das ſtorchs-neſt in dem keller baun /
Man wird Roſacer in der lache /
Citronen auf der fichte ſchaun /
Man wird mit alten ſcheiden handeln /
Und ſie vor in kaneel verwandeln.
Man wird das maul mit peche ſchmincken /
Man wird ſpeck auf die merthe ſtreun /
Man wird aus leehren kannen trincken /
Bey faulen eyern luſtig ſeyn /
Man wird das bier mit ellen meſſen /
Und heckerling vor ſpargen freſſen.
Der wird ſich auf ein pflugrad ſehnen
Der gerne weiche pretzeln friſt /
Ein ander gar nach hobelſpaͤnen
Der dem ſalate guͤnſtig iſt /
Wann ich mein liebgen werde kennen /
Daß ſie mich wird ihr liebgen nennen.
3. Nachſatz.
DJe aſcher-mittwoch ſol auff einen freytag fallen /
Man ſol die Martins-gans zum oſter-haͤßgen
ſtallen /
Die maͤdgen ſollen lux / die buͤfgen lutze heiſſen /
Der beſen-binder ſol die kupfferſtuͤcke reiſſen /
Der ſtunden-ruffer ſol Concerten muſiciren /
Und137ſiebendes dutzent.
Und der gemeine lauff ſol ſich durchaus verlieren /
Wo ich der ſtoltzen ſeel in dem beliebten leibe
Nicht auch biß an den tod getreu und guͤnſtig bleibe.

X. Als Monſieur Laͤppiſch ein Maͤdgen zu tode complimentiren wolte.

ES iſt ja ſonſten gifft genung /
Wir duͤrffen keine feuer-ſchlangen
Und irgeud duͤrre kroͤten fangen /
So haben wir den rechten trunck /
Auf allen nothfall thut es auch
Ein kleines bißgen hutterauch.
2. Was treibt dich dann vor noth darzu /
Daß du den armen maͤdgen eben
Mit deinen worten wilſt vergeben?
Ach halt das maul und ſchaff ihr ruh /
Dann hat ſie ja den todt erſehn /
So koͤnt es ohne dich geſchehn.
3. Da ſteht der narr und knaſtert ihr
Sechs hundert tauſend eitelkeiten /
Die weder gicks noch gacks bedeuten /
Aus ſeiner lahme zunge fuͤr /
Da fippert er und radebrecht
Die reden als ein ſchinder-knecht.
4. Jhr leute nun gedenckt an mich /
Wir haben morgen eine leiche /
Der guͤmpel fuͤhrt die ſtumpffen ſtreiche
Bald oben hin / bald nnter ſich /
Darumb / ſol ungeluͤcke ſeyn /
So ſticht er leicht zum hertzen nein.
5. Es jammert mich das arme kind /
Daß eben die beliebten ſachen /
Die andere maͤdgen luſtig machen /
J 5Jhr138Uberfluͤſſiger gedancken
Jhr an dem leben ſchaͤdlichſind /
Und daß ein wort / das ſonſt verſtaͤubt /
Jhr an dem hertzen kleben bleibt.
6. Sie koͤmmt in warheit nicht davon
Dann wolte ſie den leib purgieren /
Und allen unflat von ſich fuͤhren /
Wo waͤre die purgation?
Ach nein / ſie ſtirbt in dieſer qval /
Wir ſehn ſie nun das letzte mahl.

XI Das unempfindliche Hertze.

JCh wolte mich gerne verlieben /
Fuͤrwahr ich kan nur nicht /
Der kuͤtzel iſt lange vertrieben
Der junge leute ſticht /
Jch ſeh die maͤdgen an /
Als wie ein alter mann.
2. Die pfeile der lieblichen blicke
Sind viel zu ſtumpff vor mich /
Die reden die niedlichen ſtricke /
Ziehn ab und ſchaͤmen ſich /
Weil ihre leiſe krafft
So wenig nutzen ſchafft
3. Die roſen der zierlichen wangen /
Die lippen von rubin /
Die geben ſich ſelber gefangen /
Je mehr ſie ſich bemuͤhn /
Je mehr iſt ihre laſt
Mir eitel und verhaſſt.
4. Die reihen der artigen haͤnde /
Die alabaſter haut /
Da mancher verliebter kein ende
Zu139ſiebendes dutzent.
Zu ſeiner wolluſt ſchaut /
Die ſelben kommen mir
Todt und verdorben fuͤr.
5. Die freude der reitzenden ballen /
Die wunder-ſchoͤne bruſt /
Mag andern perſonen gefallen /
Jch haſſe dieſe luſt /
Und die gelegenheit
Zu ſolcher eitelkeit.
6. Sie moͤgen ihr angeſicht weiden /
Noch hundertmahl ſo ſchoͤn /
Sie moͤgen ſich butzen und kleiden
Und vor den ſpiegel ſtehn /
Nun mehr ſo bleib ich ſchon
Am liebſten weit darvon.
7. Drum weichet ihr zarten geſichter /
Blickt mich nicht weiter an /
Mein hertze ſey zwiſchen uns richter /
Daß ich nicht liebeu kan /
Bemuͤht euch anderswo /
Jch bleibe lieber ſo.

XII Die verliebten Nahmen.

NUnmehr bedarff ſie einen nahmen
Den ſie dem neuen liebſten gibt /
Dann allesheiſt doch ja und amen /
Uud was ſie denckt / das iſt verliebt /
Der halben muß ein wort allein
Der neuen freundſchafft zeuge ſeyn.
2. Mein ſchatz iſt vor die handwercks-leute /
Vor dieſem wars ein huͤbſches wort:
Mein liebgen ſchickt ſich auf die freythe /
Doch140Uberfluͤſſiger gedancken
Doch nach der hochzeit muß es fort:
Mein ſchaͤtzgen taugt fuͤrwar nicht viel /
Als wann ich ſie vexieren wil.
3. Mein laͤmmgen ſteht nicht ſo den buͤfgen /
Als wohl den lieben maͤdgen an:
Mein ſchneutzgen / das bedarff ein brieffgen /
Daß man es recht verſtehen kan:
Mein engel trifft gar ſelten ein /
Dann niemand wil der fluͤgel ſeyn.
4. Mein hertzgen iſt das allerbeſte /
Wann knecht und maͤgd beyſammen ſind:
Mein Vatter koͤmmt zu ehrenveſte /
Und reimt ſich auff kein junges kind:
Mein zuckerbild / mein nelcken-ſtrauß /
Das ſieht mir ſo poetiſch auß.
5. Mein kind das laͤſt ſich endlich hoͤren /
Wann man es nicht zu offte ſagt:
Mein ſeelgen laͤſt ſich fein mit ſchweren /
Wann man es ſonſt nicht gerne wagt:
Mein ſpaßgalan / mein Courtiſan /
Steht nur den loͤffel kaͤtzgen an.
6. Mein haußwirth war vor alten zeiten
Der ſchoͤnſte titul von der welt:
Mein freund kan alle mit bedeuten /
Wer ſich ein bißgen freundlich ſtellt:
Mein troͤſter iſt ein ſuͤſſer hohn /
Es ſchwatzt ſich nur nicht wohl davon.
7. Mein hampel-mann iſt vor das bette /
Doch vor den leuten taug es nicht:
Mein haͤhngen iſt bißweilen wette /
Wan er zuvor mein huͤhngen ſpricht:
Mein guͤmpel das iſt immerfort
Nicht141ſiebendes dutzent.
Nicht mehr als nur ein huren-wort.
8. Mein mahlgen iſt zwar gut zu ſchertzen /
Doch der verſtand iſt vielerley;
Mein herr / das geht mir nicht von hertzen /
Man denckt doch immer narr dabey;
Mein mann ſteht ſchlecht wie michs beduͤnckt /
Dieweil mein weib ſo garſtig klingt.
9. Jch kan ihr nichts vor angen mahlen /
Was ſie vor reden fuͤhren ſol /
Sie lerne nur fein niedlich thalen /
Ein freundlich wort das find ſich wohl /
Und wo ſie nichts erſinnen kan /
Nimmt er ein ſchlechtes maͤulgen an.

Uberfluͤſſiger Gedancken Achtes Dutzent.

I. Die Junggeſellen-Noth.

DEr ehſtand plagt mich offt /
Daß ich mich unverhofft
Jns weſen nein verliebe /
Denn hab ich lange zeit /
So denck ich allbereit /
Ach haͤtt ich eine frau / die mir die zeit vertriebe.
2. Fruͤh morgens ſteh ich auff /
Und wann ich meinen lauff
Bald hie bald da betrachte /
So rumpelt mir der bauch /
Derhalben denck ich auch /
Ach haͤt ich eine frau / die mir ein ſuͤpgen machte.
3. Und wann ich meinen bart.
Recht142Uberfluͤſſiger gedancken
Recht nach der neuen art /
Gern in die falten ſchraubte /
So kommen federn drein /
Da muß ich traurig ſeyn /
Ach haͤtt ich eine frau / die mir im barte klaubte.
4. Bißweilen bin ich kranck /
Da lieg ich auf der banck /
Und bete meine ſpruͤche /
Doch in dergleichen qual /
Da denck ich hundertmahl /
Ach haͤtt ich eine frau / die mir im ruͤcken ſtrieche.
5. Jm bette kommt ein floch /
Der huͤpfft mir gar zu hoch /
Und macht ſo krumme ſpruͤnge /
Daß ich mit uberdruß
Von hertzen wuͤnſchen muß /
Ach haͤtt ich eine frau / die mir die thiergen fienge.
6. Jm winter waͤr es zwar
Kein wunder / wann ich gar
Mich da zu todte haͤrmte /
Doch ſeh ich diß noch an /
Dieweil ich wuͤnſchen kan /
Ach haͤtt ich eine frau / die mir das bette waͤrmte.
7. Wann ich in meinem ſinn
Rechtſchaffen boͤſe bin /
Und meine luſt nicht buͤſſe /
So denck ich vielerley
Doch dieſes auch dabey /
Ach haͤtt ich eine frau / die ſich erſchlagen lieſſe.
8. Jn ſumma / was ich thu /
Da kan ich nicht darzu.
Als wie der hund im ſchilffe /
Es143Achtes dutzent.
Es iſt mir alles leid /
Drum wuͤnſch ich allezeit /
Ach haͤtt ich eine frau / die mir aus noͤthen huͤlffe.

[II. ]Die Jungfer-Noth.

WO ſind ich einen troſt
Jn meinen hertzenleide?
Mein gluͤck iſt doch erboſt.
Und goͤnnt mir keine freude
Ach gebt mir einen mann /
Der mich verlaßnes kind ein bißgen troͤſten kan.
2. Jch bin vor warten kranck /
Die ſchoͤnen ſommer-tage
Sind mir nur gar zu lang /
Und mehren meine plage:
Drum gebt mir einen mann /
Der mir die liebe zeit mit luſt vertreiben kan.
3. Jch weiß kein eintzig ſpiel /
Das mir belieblich waͤre /
Zwar / wann ich ſpielen wil /
So find ich kein gehoͤre /
Drum gebt mir einen mann /
Der mit mir aus-und ein im bette ſpielen kan.
4. Zur hochzeit moͤcht ichs wohl
Von junggeſellen leiden /
Doch weil ich immer ſoll
Nur welcke ruͤben ſchneiden /
So gebt mir einen mann /
Der auf der hochzeit mich zum tantze fuͤhren kan.
5. Es iſt mir nicht bewuſt /
Daß ich in vielen jahren
Auff eine ſommer-luſt
Spa -144Uberfluͤſſiger gedancken
Spatzieren waͤr gefahren /
Ach gebt mir einen mann /
Der mich zur vogel ſtang auf pfingſten fuͤhren kan.
6. Hab ich in dieſer welt
Nicht lauter ungeluͤcke /
Das liederliche geld /
Das waͤchſt mir auch nicht dicke:
Drum gebt mir einen mann /
Dem ich die pfenge fein im hoſen ſteubern kan.
7. Ach / iſt er noch nicht da /
Es liegt mir im gekroͤſe
Fuͤrwahr ein bißgen nah /
Jch werde gerne boͤſe /
Drum gebt mir einen mann
Der meinen boͤſen ſinn mit ſanfftmuth leiden kan.
8. Jch bin der jungferſchafft
Von gantzem hertzen muͤde /
Und meine ſchlechte krafft
Hilfft mir zu keinem friede /
Drum gebt mir einen mann /
Der mich zu einer frau mit ehren machen kan.

III. Eine neue Jungfer-Noth.

WJe iſt das zarte jungfer-fleiſch
Den maͤdgen ſo beſchwerlich /
Dann / ſind ſie fromm und keuſch /
So iſt es gleichwohl ſehr gefaͤhrlich /
Dieweil ein falſcher wahn
Die ſchoͤnſte tugend ſchimpffen kan.
2. Die leuthe ſehen auf den ſchein /
Und laſſen ſolche ſachen
Der tugend richter ſeyn /
Die145Achtes dutzent.
Die weder fromm noch boͤſe machen /
Und dencken unverwandt /
Ein muͤckgen ſey ein elefant.
3. Man laſſe doch ein maͤdgen gehn /
Und bey den junggeſellen /
Ein viertelſtuͤndgen ſtehn /
Wie werden ſich die leute ſtellen /
Als muͤſte ſie allein
Die aller aͤrgfte hure ſeyn.
4. Ein maͤdgen kan nicht / wie ſie will
Auch in der kirche beten:
Denn laͤſt ſie gar zu viel
Die augen aus den falten treten /
Und ſieht den himmel an;
So heiſts / ſie meynt den courtiſan.
5. Wie manche zeitung wird erdacht;
Da hat ſich die verſprochen /
Und die wird ausgelacht /
Dieweil ihr ſchatz die treu gebrochen /
Und wird die ſache klar /
So iſt das zehnde wort nicht war.
6. Doch diß iſt rechte lumperey /
Die tummen junggeſellen
Die ſolten ſich darbey
Zur ernſten gegenwehre ſtellen /
So bleiben ſie zur ruh /
Und helffen noch wohl ſelbſt darzu.
7. Die wolte gerne juͤnger ſeyn /
Die ſchwitzet in das bette /
Die hat ein boͤſes bein /
Die traͤgt nur eine falſche kette /
Die ſchminckt ihr angeſicht /
KDie146Uberfluͤſſiger gedancken
Die folgt der lieben mutter nicht.
8. Die nimt ſechs thaler zum gewinn /
Der ſchleppen doch die maͤuſe
Holtz-aͤpffel ſonſt wohin /
Die bleibt bey ihrer alten weiſe /
Die iſt ein halbes ſchwein /
Die ſaͤufft ſo gerne brantewein.
9. Und die hat einen holen zahn /
Drum ſtinckts ihr aus dem loche /
Die ſchielt den liebſten an
Und gucket in die andre woche /
Die iſt ohns henckers danck
Wohl gar am lieben dinge kranck.
10. Derhalben iſt manch armes kind
Jm hertzen wohl geplaget /
D / wann ſie ſich beſinnt /
Aus ſchmertzen und verzweifflung ſaget /
Mein leben wird mir ſchwer /
Ach wer ein junggeſelle waͤr.

IV. Als das Maͤdgen ſich zu keinen Liebes Haͤn - deln verſtehen wolte.

LJebſtes kind / ich bin nicht bloͤde /
Stelle dich nur gegen mir
Jmmer noch einmahl ſo ſproͤde /
Jch verbleibe doch bey dir /
Und empfinde meine luſt
Bey der unverliebten bruſt.
2. Spotte meiner treuen liebe /
Lache meine reden aus /
Schertze wann ich mich betruͤbe /
Und verſchließ mir gar das haus /
Jch147Achtes dutzent.
Jch wil doch bey dir allein
Jn verliebten dienſten ſeyn.
3. Zeuch die haͤnde ſtracks zuruͤcke
Wann ich ſie ergreiffen wil /
Spare deine ſuͤſſe blicke /
Und verderbe mir das ſpiel /
Jch bins ſonſten wohl gewohnt /
Daß man mich ſo ſchlecht belohnt.
4. Darff ich keine roͤſgen brechen
Die auf deinen lippen ſtehn /
Darff ich nicht mein liebgen ſprechen /
Und mit dir ſpatzieren gehn;
So verlaß ich doch das liecht
Deiner ſtillen ſchoͤnheit nicht.
5. Jch erkenne dein gemuͤthe /
Wie es alle liebes-arth
Und die unbefleckte bluͤte
Vor demſelben liebſten ſparth /
Welcher kuͤnfftig mehr als wohl
Dich allein vergnuͤgen ſol.
6. Nun ich muß dich ſelber loben /
Weil die zarte ſittſamkeit
Durch die allerſchoͤnſten proben
Solche tugend von ſich ſtreut /
Ach waͤr mir ein ſolches kind
Von dem himmel auch verguͤnt!
7. Unterdeſſen laß mich lieben /
Weil ich dich nicht haſſen kan:
Jſt mir ſonſt nichts uͤberblieben /
Nun ſo bin ich wohl daran /
Daß wenn mich nach dir geluͤſt /
Mir dein anſehn offen iſt.
K 2V. Die148Uberfluͤſſiger gedancken

V. Die zukuͤnfftige Liebſte / nach eines andern Erfindung.

MEin liebgen ſol ſo ſeyn /
Ein kind von jungen jahren /
Von ſchoͤn und liechten haaren /
Von etwas bleiben wangen /
Darnach ſteht mein verlangen /
So ſol mein liebgen ſeyn.
2. Mein liebgen ſol ſo ſeyn /
An augen wie die tauben /
Am muͤndgen wie die trauben /
An lippen wie die roſen /
Da wuͤnſch ich liebzukoſen /
So ſol mein liebgen ſeyn.
3. Mein liebgen ſol ſo ſeyn:
Von wollenweichen haͤnden /
Von wohlgefaſten lenden /
Von unbefleckten armen /
Da moͤcht ich gern erwarmen /
So ſol mein liebgen ſeyn.
4. Mein liebgen ſol ſo ſeyn:
Nur ehrlich vom gebluͤte /
Und luſtig vom gemuͤthe /
An reden ſey ſie ſtille /
Mein wille ſey ihr wille /
So ſol mein liebgen ſeyn.
5. Mein liebgen ſol ſo ſeyn:
Ein ander frey nach gelde /
Nach einem weiten felde /
Nach einer welcken ruͤbe /
Jch liebe / die ich liebe /
So ſol mein liebgen ſeyn.
6. Mein149Achtes dutzent.
6. Mein liebgen ſol ſo ſeyn:
Sie darff nicht hoͤhniſch lachen /
Und complimenten machen /
Und gar zu praͤchtig gehen /
Jch wiel ſie doch verſtehen /
So ſol mein liebgen ſeyn.
7. Mein liebgen ſol ſo ſeyn:
Als wie das maͤdgen ſiehet /
Das mich jetzund bemuͤhet /
Das mich ſo weit getrieben /
Daß ich mich muß verlieben /
So ſol mein liebgen ſeyn.

VI. An die ſtoltze Roſilis.

JCh kan nicht laͤnger bitten /
Es iſt vor mich zu viel /
Wo ſie an ihren ſitten
Nicht anders werden wil /
So hab ichs ſchon bedacht /
Und gebe gute nacht.
2. Man trifft dergleichen leute
Noch allenthalben an /
Wer weiß / ob ich nicht heute
Was friſches haben kan?
Die welt iſt groß genung /
Und ich bin ſtarck und jung.
3. So wolte ſie es haben /
Jch ſolte mich allein
Mit leerer hoffnung laben /
Und doch ihr diener ſeyn /
Drum ſchuͤtzte ſie bey mir
So lahme poſſen fuͤr.
K 34. Ach150Uberfluͤſſiger gedancken
4. Ach nein / es ſind der ſauren /
Jch weiß wohl / was ich thu /
So hetzet man die bauren /
Jch bin zu ſchlim darzu /
Es treffe mir ſo ein:
Quarck muͤſte butter ſeyn.
5. Ey / ſol ich mich verlieben?
Soll ich mich auf den todt
Um ihre gunſt betruͤben?
Ach nein / es hat nicht noth /
Sie iſt gar falſch bericht /
Vor liebe ſterb ich nicht.
6. Du armes tauſend-kindgen /
Verbleibe wer du biſt /
Und wo ein viertel ſtuͤndgen
Dir nicht beſchwerlich iſt /
So ſieh zum fenſter nauß /
Jch ſuch einander hauß.
7. Jch wil dich uͤbertrotzen /
Sey noch einmahl ſo ſtoltz /
Laß dein geſichte ſtrotzen /
Als wie ein eichen-holtz /
Jch geh nunmehr gemach
Und frage nichts darnach.

VII. Alte Grillen.

AUf ihr ſtoppeln meiner liebe!
Denckt einmahl an jene zeit /
Als ich meine dienſtbarkeit
Einer ſtillen gunſt verſchriebe /
Und mein hertz ein ſuͤſſes band
An der liebſten hertzen fand.
2. War151Achtes dutzent.
2. War ich nicht dem loſen kinde
Gleichſam auf den hals gepicht?
Welche ſtunde fragt ich nicht /
Wo und wie es um ſie ſtuͤnde?
Auch ein blickgen ſchien ein jahr /
Wann ſie nicht zugegen war.
3. Jch entſchlug mich aller freude /
Die geſellſchafft war mein tod /
Was mir neue luſt gebot /
Zehlt ich unter meine feinde:
Denn es ſolt in ihr allein
Meine freundſchafft fruchtbar ſeyn.
4. Sie vergnuͤgte mein verlangen /
Jhre ſchoͤnheit war mein ruhm /
Jhre gunſt mein eigenthum /
Und die roſen ihrer wangen /
Die ſie mir zu eigen gab /
Brach ich unverhindert ab.
5. Ach / wie hoch wahr ich geſtiegen /
Meine Venus ſchien mir voll:
Doch / nach dem ich fallen ſoll /
Werd ich deſto lieber liegen:
Denn des gluͤckes wechſel-ſtand
Hat ſich ſchleunig umgewand.
6. Nun / ich muß mich drein ergeben:
Denn ich kan doch nicht dafuͤr /
Und ich armer / ſol ich hier
Keine freude mehr erleben /
So verliehr ich doch das liecht
Einer andern hoffnung nicht.
7. Unterdeſſen will ich dencken /
Was ich nicht beſitzen kan /
K 4Und152Uberfluͤſſiger gedancken
Und die luſt der alten bahn
Mir in mein gedaͤchnuͤß ſchencken /
Ob ich gleich in meinem ſinn
Nur ein armer jude bin.

VIII. Als die boͤſe Catharis ihren Namens-Tag begieng.

Boͤſe jnngfer ſol ich nun
Mich der ſachen unterwinden /
Und der zeit ihr recht zu thun /
Sie mit einem bande binden?
Nein / ach nein / ach warlich nein /
Nein / ſie moͤchte boͤſe ſeyn.
2. Dann ſie hat mir gar zu viel
Jhren ſcharffen text geleſen:
Wo ichs weiter treiben wil /
So bekomm ich gar den beſen;
Nein ich wag es nicht mit ihr /
Dann wer iſt mir gut dafuͤr?
3. Laͤſt ſie ſich nicht ſauer an
Jn den reden und geberden /
Daß ich armer hampel-mann
Moͤchte zum ſalate werden /
Wann ich nur den uͤberfluß
Jhrer boßheit koſten muß.
4. Jch bin from als wie ein lamm /
Gleichwohl ſind die jungfern alle
Mir zum bloſſen poſſen gram /
Daß ich offt in ſchwermuth falle /
Wann ich dencke / wie ich wohl
Dieſen ſachen helffen ſoll.
5. Wann doch itzt mein ſchlechtes band
Hoͤflich153Achtes dutzent.
Hoͤflich auffgezogen kaͤme /
Und entweder ihre hand
Solches nicht vor willen naͤhme /
Oder mir zum uͤberdruß
Traͤte ſie es untern fuß.
6. Ey / wie wuͤrd ich da beſtehn /
D ich armer diebel ſolte
So bezahlt nach hauſe gehn /
Wann ich courtiſiren wolte?
Nein / ich gebe mich nicht bloß /
Meine ſcham iſt viel zu groß.
7. Alle leute wieſen ja
Mit den fingern / wo ich ſtuͤnde;
Seht doch / ſeht den kerlen da
Mit dem ſchoͤnen angebinde /
Seht doch / ſeht wie er ſich ziert
Und den rotz ans ſchienbein ſchmirt.
8. Dieſes geh ich endlich ein /
Wo das boͤſe donner-hertze
Will ſchier kuͤnfftig froͤmmer ſeyn /
Nun ſo ſchwer ich nicht im ſchertze
Bey dem ſchacht und damen-ſpiel /
Daß ich ſie noch binden will.

IX. Gut gemeynt / uͤbel gerathen.

ACh weh ich armes kind!
Was vor ein labyrinth
Verwirt mir die gedancken?
Da muß ich ungefaͤhr
Bald hin bald wieder her /
Als wie ein ſchilffrohr wancken.
2. Jſt diß der ſchoͤne grund /
K 5Darauff154Uberfluͤſſiger gedancken
Darauf die hoffnung ſtund /
Die mir ſo guͤnſtig lachte?
Sol dieß die freundſchafft ſeyn
Die mir den falſchen ſchein
Sonſt vor die augen machte?
3. Mich deucht / ich haͤtt einmahl /
Durch ſorgen / muͤh und quaal /
Den fiſch heraus geangelt;
So werd ich die gefahr
Nun allererſt gewahr /
Da mir das beſte mangelt.
4. Die freunde ſind nicht faul /
Und wollen mir das maul
Mit ſuͤſſen worten ſchmieren /
Da kommen ſie zu mir /
Und wollen da und hier
Mich bey der naſe fuͤhren.
5. Die feinde ſehn mich an /
Und blecken ihren zahn /
Als wolten ſie gedencken /
Jch wuͤrde dergeſtalt
Den karrennicht ſo bald
Aus dieſen kothe lencken.
6. Und alſo weiß ich nicht /
Wohin ich mein geſicht
Vor gram und ſorgen wende:
Mein liebgen hab ich noch /
Sonſt hat die luſt ein loch /
Und alle gunſt ein ende.
7. Jhr leute kommt und ſchaut /
Wie ſchlimm hab ich gebaut /
Der grund ligt auf dem ſande.
Der155Achtes dutzent.
Der wirfft mir nun das hauß
Zu allen fenſtern naus /
Und laͤſt mich in der ſchande.
8. Wolan ich bin genug
Mit meinen ſchaden klug /
Jch mags nicht mehr erfahren /
Jch leyde was ich ſoll /
Und itzo ſeh ich wohl /
Verſtand kommt nicht vor jahren.
9. Doch will ich meinen ſinn /
Daß ich ſo alber bin /
Aus aller macht verfluchen:
Und goͤnnt mir GOtt die zeit /
So will ich anderweit
Mein beſſer gluͤcke ſuchen.

X. Auf ein verwelcktes Roͤßgen.

ACh mein roͤßgen iſt verwelckt!
Welches meiner augen weide /
Meine wolluſt / meine freude /
Welches durch das gantzejahr
Meine liebſte farbe war /
Dieſes eilet ſo behende
Zu dem unverhofften ende /
Ach mein roͤßgen iſt verwelckt!
2. Ach / mein roͤßgen iſt verwelckt!
Wann ich etwas am geruche /
An der krafft und ſchoͤnheit ſuche /
Find ich nur ein duͤrrrs blat /
Welches ſchlechte reitzung hat /
Gleichwohl konte mein verlangen
Geſtern in derſelben prangen /
Ach156Uberfluͤſſiger gedancken
Ach mein roͤßgen iſt verwelckt.
3. Ach mein voͤßgen iſt verwelckt!
Und die zeit / die alten dingen /
Muß ihr letztes urtheil bringen /
Raubt mir auch das ſchoͤne pfand
Gar zu zeitlich aus der hand /
D ich von dem edlen ſtuͤcke
Kaum den ſchatten noch erblicke.
Ach mein roͤßgen iſt verwelckt!
4. Ach mein roͤßgen iſt verwelckt!
Die verliebte fruͤhlings-blume /
Welche vor dem ſchoͤnen ruhme
Das gedaͤchtniß in der welt
Sonſten auch nichts mehr behaͤlt /
Alldieweil die ſchoͤnen gaben
Sich zu weit verhuͤllet haben /
Ach mein roͤßgen iſt verwelckt!
5. Ach mein roͤßgen iſt verwelckt!
Und in dem ich ſie betrachte /
So empfind ich ſtill und ſachte
Mein gewiſſes ebenbild
Jn dem leichnam eingehuͤlt
D ich bald auch werde muͤſſen
Meine junge zeit beſchlieſſen /
Ach mein roͤßgen iſt verwelckt!
6. Ach mein roͤßgen iſt verwelckt!
Und je laͤnger ich die raͤncke
Dieſer eitelkeit bedencke /
Kommt mir auch die ſuͤſſe zier
Mehr und mehr betruͤbter fuͤr;
Drum / in dem ich ſie beklage /
Kan157Achtes dutzent.
Kan ich nicht / als daß ich ſage /
Ach mein roͤßgen iſt verwelckt!

XI. Ein Diſcurs uͤber die Jungferſchafft zwiſchen dem Florindo und der Marilis.

Flor.
MEin allerliebſtes kind / will ſie ins kloſter ziehn?
M. Jch hab es ſo bedacht / was ſol ich mich bemuͤhn.
F. Viel gluͤcks auf ihren weg / ſie laͤſt ſich noch wohl halten /
M. Viel lieber wolt ich mir den kopff in ſtuͤcken ſpalten.
F. So muß ihr fleiſch und blut umſonſt gewachſen ſeyn?
M. Was heiſt dann fleiſch u. blut? ich finde mich nicht drein.
F. Sie wird verſichert auch den alten Adam mercken.
M. Ach nein / ich halte viel von lauter guten wercken.
F. Der ehſtand laͤſt vielmehr die guten wercke ſehn.
M. Er ſage was er wil / es iſt doch nun geſchehn.
F. Sie laͤſt ihr alle noch ihr jungfer-roͤſgen brechen.
M. Jch rath es keinem nicht / die doͤrner moͤchten ſtechen.
F. Es muß geſtochen ſeyn / wann nur die blume bricht /
M. Es iſt ein eben thun: ach nein / ich moͤchte nicht
F. Jſt ſie nicht uͤbel dran / wer waͤrmt ihr nun das bette?
M. Warum? als wann ich nicht die ſchweſter bey mir haͤtte.
F. Diß iſt ein ſchlechter troſt / die ſchweſter iſt zu kalt.
M. Viel lieber kalt und ſchoͤn / als warm und ungeſtalt.
F. Es iſt doch brod zu brod / das fleiſch muß ſie vermiſſen.
M. Viel beſſer brod zu brod / als kaͤſe zugebiſſen.
F. Mein kind / ſie lege ſich nur etwas rechtes zu
M. Es iſt gefahr dabey / man laſſe mich zur ruh.
F. Sie darff nicht furchtſam ſeyn: wer wagt d kan gewinnen.
M. Wer wagt / dem kan das ſpiel auch in der hand zerrinnen.
F. Jſt dann die jungferſchafft von allem creutze frey?
M. Die jungfern haben eins / die armen weiber zwey.
F. Der weiber creutze ſind mit zucker uͤberzogen
M. Ja wohl / der zucker hat manch liebes kind betrogen.
F. Weßwegen laufft dann nun die gantze welt darnach?
M. Wer nur verſtaͤndig iſt / der thut fuͤrwar gemach.
F. Hat ſie ſo viel verſtand / ſo mag ſie was verkauffen.
M. Jch158Uberfluͤſſiger gedancken
M. Jch ſorge nur fuͤr mich / die andern moͤgen lauffen.
F. Wer weiß / wer noch zu erſt die tantz ſchuh machen laͤſt.
M. Wenn ich geſtorben bin / da iſt mein hochzeit-feſt.
F. Wie bitter iſt der tod / wie lieblich iſt das leben!
M. Jch liebe meinen tod / dem hab ich mich ergeben.
F. Wie heiſt der liebe tod / hat er nicht hoſen an?
M. Jch dachte was mir waͤr / faͤngt er nicht haͤndel an.
F. Doch ſol der liebe tod / bey ihr im ſarge liegen.
M. Jch werde die geſtalt des todes ſelber kriegen.
F. So nimmt ſie ihn in arm / und wird mit ihm ein leib.
M. Jch bin ſein ehgemal / ſein ſchatz / ſein liebes weib.
F. Mich deucht / es gucken ſchon die augen aus der bahre.
M. Jtzund verſteh ichs erſt / iſt er nicht loſer haare?
F. Nun ſol ich loſe ſeyn / und ſie iſt ſchuld daran.
M. Er warte biß ich auch zut antwort kommen kan.
F. Ach / ſie verliebe ſich / die antwort iſt die beſte.
M. Jch hab ein eignes haus / das herbergt keine gaͤſte.
F. Vor einen guten freund kan leicht ein plaͤtzgen ſeyn.
M. Das plaͤtzgen nimt darnach die gantze wohnung ein.
F. Die jungfer will alſo mit ihrem diener ſchertzen.
M. So war ich ehrlich bin / das geht mir recht von hertzen.

XII. Die endliche Erklaͤrung.

JCh bin betruͤbt /
Weil mich mein kind nicht wieder liebt /
Denn dieſes feuer meiner pein
Muß noch zur zeit verborgen ſeyn.
Und die mir gefaͤllet / die weiß es noch nicht /
Und wenn ſie es wuͤſte / ſo glaubte ſie es nicht /
Und wenn ſie es glaubte / ſo ſagte ſie es nicht /
Und wenn ſie es ſagte / ſo traut ich ihr nicht /
Und wenn ich ihr traute / ſo huͤlffe michs nicht;
Drum lieget mein hertze gefangen / und ſpricht:
Es iſt um mich geſchehn /
Jch bin zu lauter qual verſehn.
2. Jch159Achtes dutzent.
2. Jch mache zwar
Mein hertz bißweilen offenbahr /
Und ſinge manch betruͤbtes lied /
Das blos auf ihre ſchoͤnheit ſieht:
Doch / wann ich es ſinge / ſo hoͤrt ſie es nicht /
Und wenn ſie es hoͤrte / ſo merckte ſies nicht /
Und wenn ſie es merckte / ſo wolte ſie nicht /
Und wenn ſie auch wolte / ſo duͤrffte ſie nicht /
Und wann ſie auch duͤrffte / ſo ſchickte ſichs nicht /
Jndeſſen ſo bin ich dem maͤdgen verpicht /
Und denck in meiner noth /
Jſt doch die hoffnung noch nicht todt.
3. Jch ſeh es wohl /
Wer im gedancken wuchern ſol /
Biß ihm das gute gluͤcke rufft /
Der baut nur ſchloͤſſer in die lufft;
Doch / hilfft es mich wenig / ſo ſchad mir es nicht /
Und wann es mir ſchade / ſo ſchmertzte michs nicht /
Und wann es mich ſchmertzte / ſo kraͤnckte michs nicht /
Und wann es mich kraͤnckte / ſo ſtuͤrb ich doch nicht /
Und wann ich auch ſtuͤrbe / ſo ließ ich es nicht
Sie bliebe mein leben / ſie bliebe mein liecht
Derhalben bleibts darbey /
Jch bin ihr gut und ewig treu.
4. Doch itzo bin
Jch ungewiß in meinen ſinn /
Und was ich nicht erlangen kan /
Seh ich mit ſchwacher hoffnung an /
Sie kennet mich endlich / und kennet mich nicht.
Jch brenne vor liebe / ſie liebet mich nicht /
Doch / weil ſie nicht liebet / ſo haſſt ſie auch nicht.
Und weil ſie nicht haſſet / ſo fuͤrcht ich mich nicht /
Und160Uberfluͤſſiger gedancken
Und wo ich mich fuͤrchte / verzweiffel ich nicht
Drum troͤſtet mein hertze ſich ſelber und ſpricht:
Es iſt noch nicht geſchehn /
Jch bin noch wohl darzu verſehn.

Uberfluͤſſiger Gedancken Neuntes Dutzent.

I. Er iſt ein Narr.

JHr leute gebt mir doch geſchrieben /
Daß ich ein ertz-fantaſte bin /
Und ſolte mir es nicht belieben /
So bringt mich mit gewalt dahin /
D ich die thorheit zum beſchluß
Vor aller welt bekennen muß.
2. Jch hoͤre nichts mit meinem ohren -
Jch bin mit ſehnden augen blind /
Der mund hat allen ſchmack verlohren /
Die faͤuſte ſind nicht / wo ſie ſind /
Die naſe reucht / und hat gleich wohl
Den ſchnuppen / wann ſie riechen ſoll -
3. Dem ſcheddel fehlt ein groſſer ſparren /
Das haubt iſt wie ein tauben-haus
Da fliegen mir die jungen narren
Bald fornen ein / bald hinten naus;
Doch auf den abend ziehn ſie hier
Zuſammen wieder ins quartier.
4. Wolt ihr kein claͤußgen bauen laſſen /
Darein ich mich verſperren kan /
So hetzt die kinder auf der ſtraſſen
Mit hund und katzen auf mich an /
Und161Neundtes dutzent.
Und legt mir alle nahmen zu /
Biß ich nicht mehr ſo naͤrriſch thu.
5. Verbremt mir nur den kopf mit ſchellen /
Und ſetzt mir einen fuchsſchwantz auf /
Wollt ihr mir einen hut beſtellen /
So flickt mir auch ein kuͤhhorn drauf /
Und gebt mir an des ſebels ſtatt
Ein holtz das keine ſcheide hat.
6. Beſetzt mein kleid mit bunten flecken
Und macht mirs band von bohnenſtroh /
Und ſchreibt mir an auf allen ecken /
Diß iſt ein narr in folio;
Wofern ich bey dem narren-ſpiel
Nicht zum erkaͤntniß kommen will.
7. Doch nein / ich wil nun anders werden /
Jch mag kein pickelhaͤring ſeyn
Jch ſtelle mich nur an geberden /
Bißweilen naͤrriſch auf den ſchein;
Drum lieber / was verlacht ihr mich?
Ein jeder iſt ein narr vor ſich.

II. Ein Muſter von alten Ertz-Complimenten.

MAedgen / hat ſie ſich geſchminckt /
Weil die roſen-rothen ſtraalen
Den beliebten ſchein bemahlen /
Der aus ihren wangen blinckt?
Jſt ſie von natur ſo ſchoͤne?
Nein / ach nein / wie mich beduͤnckt /
Dieſes iſt ihr bloß gehoͤne /
Maͤdgen / hat ſie ſich geſchminckt.
2. Maͤdgen hat ſie ſich geſchminckt?
Mein herr nachbar der muß eben
LDieſe162Uberfluͤſſiger gedancken
Dieſe meynung von ſich geben /
Sieht ſie nicht / wie er mir winckt?
Sol ich die gedancken ſagen /
Die er heimlich an mich bringt?
Gelt / ich ſol noch einmahl fragen /
Maͤdgen / hat ſie ſich geſchminckt?
3. Maͤdgen hat ſie ſich geſchminckt?
Halt / ich wil denſelben hoͤren /
Welcher ihr zu lieb und ehren
Eines auf geſundheit trinckt /
Der wird ſich ſo viel entbrechen /
Und ſo fern es ihn beduͤnckt /
Eben dieſes urtheil ſprechen:
Maͤdgen ſie hat ſich geſchminckt.
4. Maͤdgen hat ſie ſich geſchminckt?
Ach / ſie ſey doch nicht ſo ſchoͤne /
Weil uns arme buͤrger ſoͤhne
Sonſt die liebe gar umringt:
Und wo ihr die ſchoͤne frage
Jrgend in die naſe ſtinckt /
So verzeih ſie / daß ich ſage /
Maͤdgen / ſie hat ſich geſchminckt.

III. Jungfer / es iſt mir nicht um den wetzſtein / es iſt mir nur um euch.

UM den wetzſtein iſt mirs nicht /
Es iſt mir nur um euch /
Goͤnnt mir euer angeſicht /
Sonſt gilt mir alles gleich:
Mein creutz / mein blut /
Seyd ihr mir gut /
So hab ich warlich viel /
Der163Neuntes dutzent.
Der arme ſtein
Mag immer ſeyn
Und bleiben / wo er wil.
2. Nun hab ich die hoͤfflichkeit
Zu ehren angebracht /
Denn ich habe lange zeit
Den ſachen nachgedacht /
Nun ſchickt ſichs ſo /
Und ich bin froh /
Daß itzt der gute ſtein
Zum erſten mahl
Jn meiner quaal
Muß mein vertretter ſeyn.
3. Drum / mein hertz / vergoͤnnt mir auch /
Daß ich euch lieben darff /
Euer alle-tags gebrauch
Der iſt ein bißgen ſcharff /
Was heiſt es denn /
Ach ſagt mir wenn /
Jſt meine noth geſchlicht /
Ach / gebt mir platz /
Jhr ſeyd mein ſchatz /
Den wetzſtein mag ich nicht.

IV. Ein ander mahl ſchwaͤrtze mehr die Banck.

DAs heiſt die banck geſchwaͤrtzt / wann man die pruͤ -
Zum macher-lohne kriegt / (gel-ſuppe
Daß man zu boden liegt /
Und ſich nicht wohl beſinnt / was einen in der juppe
So ſchrecklich und abſcheulich ſchmertzt.
Das heiſt die banck geſchwaͤrtzt.
L 22. Das164Uberfluͤſſiger gedancken
2. Das heiſt die banck geſchwaͤrtzt zur ungluͤckſeel -
Das kleid iſt gantz verderbt / (gen ſtunde /
Und hat ſich ſchwartz gefaͤrbt /
Zweyhundert thaler gehn auf einmal vor die hunde;
Drum iſt die gnade gantz verſchertzt /
Das heiſt die banck geſchwaͤrtzt.
3. Das heiſt die banck geſchwaͤrtzt / der herr hats ſo
Nun muß der junge dran / (geheiſſen /
Der hat nun all’s gethan /
Und laͤſt ſich unverdient biß auf den tod zerſchmeiſſen /
Es iſt ein bißgen grob geſchertzt /
Das heiſt die banck geſchwaͤrtzt.
4. Das heiſt die banck geſchwaͤrtzt / ſo kom̃t ein Mah -
Zum ſchlaͤgen gar zu fruͤh / (ler-junge
Und weiß fuͤrwahr nicht wie /
Der herr begehrt ihn nicht / er ſtehet auff dem ſprunge
Und wird bey allen ausgemertzt /
Das heiſt die banck geſchwaͤrtzt.
5. Das heiſt die banck geſchwaͤrtzt / das heiſt ein ſchoͤn
Wo iemand dieſes ſpiel (geſchencke /
Noch einmahl ſehen wil
So geh und ſchwaͤrtz er nur den leuten ihre baͤncke /
So wird er auch ſo huͤbſch gehertzt /
Das heiſt die banck geſchwaͤrtzt.

V. Ein Geſpraͤch / welches der trunckene Coridon mit der hoͤniſchen Roſilis getrieben.

Roſ.
SJeh da / mein Coridon / wil er ein hoͤltzgen haben.
C. Aus welchen ich vielleicht ein weibgen ſchnitzen kan.
R. Er geh und laſſe ſich dafuͤr die zunge ſchaben.
C. Sie putze ſich nur ab / ich hab es ſchon gethan.
R. Jch weiß nicht / was es heiſt / er macht ſich trefflich gruͤne.
C. Die165Neuntes dutzent.
C. Die ziege koͤmmt noch nicht / die mich verſchlingen wil.
R. Vor deſſen waren ja die kerlen nicht ſo kuͤhne.
C. Vordeſſen ſchwatzten auch die maͤdgen nicht ſo viel.
R. Monſieur / es iſt mir leid / er ſtolpert im proceſſe /
C. Wolan / ſo muß ſie mir ihr Corpus Juris leihn.
R. Ja / hoͤrt nur wieder her / die letzte Leipzger meſſe.
C. Jndeſſen muß ſie auch mit mir zu frieden ſeyn.
R. Ey / ey / wie muͤſſen doch die bauerflegel zuͤrnen.
C. Vielleicht / die weil ſie nicht ein buͤfgen wordeniſt.
R. Ach nein / ihr haſen-kopff / ich eſſe keine birnen.
C. Jedoch ſie ſey mein gaſt / wo ihr darnach geluͤſt.
R. Nein / ich bedancke mich / er ſol den quarck behalten.
C. Und gleichwohl nimmt ſie ihn ſo hurtig in den mund.
R. Er ſtreiche ſich damit die zwickeln in die falten.
C. Sie brauch es nur vor ſich / ihr maͤulgen iſt fein rund.
R. Ach / ſteckt die zung ins loch / und ſchwatzt ein bißgen beſſer.
C. Mein kind / ſpatziert voran / die thuͤr iſt aufgemacht.
R. Vor meiner liegen auch in warheit keine ſchloͤſſer.
C. Jſt ſie ſo ſchlecht verwahrt / das haͤtt ich nicht gedacht.
R. Das haͤtt ich nicht gedacht / mit ſeinen narren-poſſen.
C. Jch rede / daß ſie mich fein bald verſtehen kan.
R. Jſt diß nicht eine noth / er iſt ja wohl geſchoſſen?
C. Wie anders? denn der pfeil haͤngt mir noch jetzund an.
R. Was will er dann bey mir / er geh mir nur vom leibe.
C. Warum? ich bin ein hirt / ich ſuche meine ſau.
R. Geht / eh ich euch den kopff mit kammerlauge reibe.
C. Auf einen wiedergelt / ich nehm es nicht genau.
R. Der hencker hat mich doch mit bauern gar beſeſſen.
C. Drum ſieht der baueꝛ wohl ihr zu den augen rauß.
R. Gewiß ich wil den ſchimpff mein tage nicht vergeſſen.
C. Sie komm zu mir zur kirms auff einen lerchen-ſchmauß.

VI. Ein ander troͤſtlich Geſpraͤch / zwiſchen Monſieur Flori - an und Monſieur Baldrian / wegen der Jrene.

Flor.

WAnn ich mein leben ſoll beſchreiben / So ſag ich nur / ich bin verliebt.

L 3B. Doch166Uberfluͤſſiger gedancken
B.

Doch ſoll Jrene mein verbleiben / Die ſich in meine gunſt ergibt.

F.

Es leugt ſich viel / das kan wohl ſeyn.

B.

Allzeit trifft mir es beſſer ein.

2.

F.

Wer kan ſo ſchoͤne minen machen / Wer kan ſo appetitlich thun?

B.

So bald ich morgen werd erwachen Wil ich in ihren armen ruhn.

F.

Monſieur / er ſteche ſich nicht drein.

B.

Er wolle doch nicht hoͤhniſch ſeyn.

3.

F.

Jch werde zu den albern choſen Jn warheit auch nicht ſauer ſehn.

B.

So laß ich mir bey meinen roſen Auch die bravade nicht geſchehn.

F.

Nun ſo behalt er ſeinen preiß.

B.

Er ſage mir was ich nicht weiß.

4.

F.

Mein ſcheel / es kommt ein bißgen duͤrre / Wer in gedancken wuchern ſol

B.

Monſieur / geht er gleich in der irre / So gehts doch einem andern wohl.

F.

Die juͤngſte poſt haͤlt nichts darvon

B.

Ach geht ihr armer coridon.

5.

F.

Er faͤllt warhafftig von der huͤtſche / Wo er das maͤdgen mehr begehrt.

B.

Mein freund / er koſte nur die tuͤtſche / Er iſt des fleiſches doch nicht werth.

F.

Nein groſſen danck / ich thu ihm nichts /

B.

Wann ers begehret / ſo geſchichts.

6. F. Jſt167Neuntes dutzent.

6.

F.

Jſt mancher nicht in ſeinem ſinne So ein perfecter cortiſan /

B.

Ja wohl und mancher wird nicht inne D er nicht courtoiſiren kan.

F.

Du abgott der zufriedenheit!

B.

Du wunderwerck der hoͤfflichkeit.

7.

F.

Es iſt mir endlich unverboten / Wo ich in Franckreich reiſen wil.

B.

Er zieh aufs dorff und huͤte ſchoten / Die ſtadt-luſt iſt vor ihn zu viel.

F.

Ey nicht doch / meynt er dann alſo.

B.

Er geh / und frag auch anderswo.

8.

F.

Monſieur / will er mir nicht verkauffen Vor einen dreyer hoͤfflichkeit?

B.

Nein / iſt er aus der ſchul entlauffen; Nun iſts zu langſam an der zeit.

F.

Jedennoch langſam naͤhrt ſich auch.

B.

Bey uns iſt gar ein ander brauch.

9.

F.

Jch hab es gleichwohl vorgenommen / Mein feuer ſcheut noch keinen froſt.

B.

Er ſol ſie gar gewiß bekommen / Schiers kuͤnfftig auf den neuen moſt

F.

Mit ihm hats warlich keine noth.

B.

Und ſeine krebſe ſind nicht roth.

10.

F.

Mich deucht / ich ſehe ſeinen nahmen Jm buche der verſchonung ſtehn:

B.

Und ich ſeh ihn mit wuͤrmer-ſamenL 4Faſt168Uberfluͤſſiger gedanckenFaſt allezeit zum marckte gehn.

F.

Er traͤgt ein trefflich ſchieferdach.

B.

Das ſagt mir wohl ein ander nach.

11.

Irene.

Holla / was ſoll der ſturm bedeuten / Halt mit dergleichen haͤndel ein / Und laſſt ihr euch den hencker reiten / So ſoll diß euer loſung ſeyn: Wer bey der liebſten haͤndel ſucht / Der jagt ſich ſelbſten in die flucht.

VII. Auf einen Wittwer / der ſich mit der andern Frau in der Badeſchuͤrtze trauen ließ.

KOmmt / liebſte kommt heran /
Und knuͤpffet mir die ſchuͤrtze /
Daß ich euch hertzen kan /
Es iſt ein fetner alter brauch /
Und meine frau die hat mirs auch
Vor dieſer zeit gethan.
2. Es iſt nun hohe zeit /
Wir haben nun genug geſchlaffen /
Der morgen iſt nicht weit /
Jch als ein wittwer / muß verſtehn /
Und weiß mit euch ſo umzugehn /
Daß ihr zu frieden ſeyd.
3. Die hexen ſollen mir /
Nun keinen knoten knuͤpffen /
Denn dieſer knoten hier /
Hilfft wieder allen huͤtterauch /
Und meine ſchuͤrtze vor dem bauch
Jſt trefflich gut dafuͤr.
4. Die leute moͤgen nun
Durch169Neuntes dutzent.
Durch unſern trau-ring pinckeln /
So wollen wir doch ruhn /
Und alle die quackſalberey
Soll uns bey unſer loͤffeley /
Doch keinen ſchaden thun.
5. Und wann mir einer will
Ein dutzent ſchloͤſſer ſchlieſſen /
So irrt er mich nicht viel /
Kein kuͤnſtler und kein kluger manu /
Der ſonſt caninchen machen kan /
Verderbet unſer ſpiel.
6. Drumb gebt euch immer drein /
Greifft an das werck mit freuden /
Es muß doch endlich ſeyn /
Macht fort und knuͤpfft den knoten auf /
Denn ſonſten trifft der rechte kauf
Uns gar zu langſam ein.
7. Jhr ſeyd mir doch nicht huld /
Jch will auf euch nicht warten /
Jch habe die gedult /
Jn meinem wittwer-hertzen nicht:
Doch wo mir was zu leid geſchicht /
So geb ich euch die ſchuld.
8. Und alſo geht es loß /
Hie liegt die bade-ſchuͤrtze /
Der braͤutgam ſteht nun bloß /
Und fodert ſeine liebe braut /
Mit fleiſch und bein / mit haar und haut
Auffn hieb und auf dem ſtoß.
L 5VIII. Der170Uberfluͤſſiger gedancken

VIII. Der betruͤbte Abſchied.

SO werd ich nun von dir getrieben /
Du allerliebſte Marilis!
Und ſoll ich dich vergebens lieben?
Denn dieſes iſt nun mehr gewiß /
Nach dem ich meinen ſchluß geleſen /
Jch bin am laͤngſten hier geweſen.
2. Nun werd ich dich geſegnen muͤſſen /
Mein kind! ich haͤtte zwar vermeint /
Jch wolte deiner noch genieſſen:
Doch mein verhaͤngniß iſt mir feind /
Und ruͤcket mir in einer ſtunde /
Das liebſte bißgen auß dem munde
3. Fuͤrwar ich wolte gerne leiden /
Was immer zu erleiden ſteht /
Und ſolt ich alle luſt vermeiden /
Die mir doch ſonſt zu hertzen geht /
Wenn mir das gluͤcke nur verguͤnnte /
Daß ich bey dir verbleiben koͤnnte.
4. Doch haſt du irgend meine ſchmertzen
Mit kalten augen angeſchaut /
Und haſt du meinem frommen hertzen
Die redlichkeit nicht zugetraut /
So gieb mir doch auff ſolche weiſe /
Ein freundlich anſehn auff die reiſe.
5. Dein leben hat mir wohl gefallen /
Dein ſchoͤner wandel war mein liecht:
Wie wol du weiſt von dieſen allen /
Gleich wie es ſcheint / die helffte nicht /
Denn ich behielt die ſtillen ſorgen
Jn meiner engen bruſt verborgen.
6. Nun171Neuntes dutzent.
6. Nun muß ich mir den zuͤgel laſſen /
Weil doch nicht mehr zu hoffen iſt:
Jch trete ſchon auff meine ſtraſſen /
Wer weiß wem du beſcheret biſt /
Jedoch ruͤhm ich des gluͤckes gabe /
D ich dich nur geſehen habe.
7. Und wirſt du dich mit dem verbinden
Der dein und meine freundſchafft kennt /
So wirſt du doch kein hertze ſinden
Das in dergleichen flamme brennt /
Jetzt muß ich mich von hinnen lencken /
Doch wirſt du wohl an mich gedencken.

IX. Der H. Chriſt wil nichts beſcheren

JEtzt freuen ſich die kinder
Auff ihren heilgen chriſt /
Und ſuchen ihn geſchwinder /
Als er vorhanden iſt /
Jch aber darff nicht froͤlich ſeyn /
Mein heilger chriſt der ſaget nein.
2. Jch hab in allen dingen
Vergebne zuverſicht /
Mein beten und mein ſingen
Hilfft im geringſten nicht /
Je mehr ich nur wil froͤmmer ſeyn.
Je mehr und oͤffters ſagt er nein.
3. Sanct Niclaus will nicht bitten /
Als wie er ſonſt gethan /
Sanct Peter hilfts verſchuͤtten /
Wo er nur weiß und kan /
Und alſo kans nicht anders ſeyn /
Mein H. chriſt der ſaget nein.
4. Kein172Uberfluͤſſiger gedancken
4. Kein menſch wil buͤrge werden
Vor mich verlaſſnes kind /
Weil niemand die beſchwerden
So ſehr als ich empfind /
Sanet Ruppert zwickt mich an das bein /
Der H. chriſt der ſaget nein.
5. Die leute / ſo ihn kennen /
Die wiſſen / wer er iſt /
Jch weiß ihn nicht zu nennen /
Als nur den H. chriſt /
Jch hoff / und denck auff ihn allein /
Und gleichwohl ſagt er immer nein.
6. Ach laß dich doch behandeln /
Du lieber H. chriſt /
Du kanſt dich leicht verwandeln /
Weil du barmhertzig biſt /
Ach ſtelle dich geneigter ein /
Und ſage nur nicht allzeit nein
7. Jch wil nicht viel begehren /
Dein wille ſoll geſchehn /
Laß du mir nur beſcheren /
Jch wil es gerne ſehn /
Und ſolt es nur ein roͤßgen ſeyn /
Nur ſage nicht beſtaͤndig nein.
8. Jnzwiſchen ſol ich leiden /
Was du mir unrecht thuſt /
Soll ich die gaben meyden
Und alle kinder-luſt /
So geb ich mich gedultig drein /
Sag jetzo doch nicht ewig nein.
X. Der173Neuntes dutzent.

X. Der Jungfern Andrees-Gebet.

ACh Sanet Andrees! erbarme dich /
Und gib mir einen mann /
Und weil ich ihn ſo eigentlich
Jetzund nicht nennen kan /
So komm / und bring ihn dieſe nacht /
D er vor meinen bette lacht
So bin ich wohl daran.
2. Jſt er nicht groß und lang genung /
So mag er kleine ſeyn /
Jſt er nicht mehr an jahren jung /
So mag er aͤltlich ſeyn.
Jſt er nicht ſitſam auf der freyth /
Und hat zu wenig froͤmmigkeit /
So mag er boͤſe ſeyn.
3. Weiß und verſteht er nicht gar viel /
So mag er albern ſeyn /
Wo er nicht hunger leiden wil /
So mag er freſſig ſeyn.
Und wo er ja von morgen an
Den durſt nicht wohl vertragen kan /
Mag er verſoffen ſeyn.
4. Jſt er des ſchweigens nicht gewohnt /
So mag er keiffig ſeyn /
Wo er das liebe geld nicht ſchont /
Mag er vertuhnlich ſeyn.
Und wenn es ſich ſo wohl nicht fuͤgt /
Daß er im bette trocken liegt /
So mag er garſtig ſeyn.
5. Jſt er am leibe nicht geſund /
So mag er unpaß ſeyn.
Hat er nicht einen glatten mund /
So174Uberfluͤſſiger gedancken
So mag er runtzlich ſeyn.
Und zeiget ſich ſein angeſicht
Jn unbefleckten farben nicht /
So mag er kuͤpffern ſeyn.
6. Jſt es kein feiner edelmann /
So mags ein bauer ſeyn /
Giebt ſich kein groſſer doctor an /
So mags ein ſchuſter ſeyn /
Haͤlt mich kein kauffmann nicht ſo werth /
D er mich zu der frau begehrt /
So mags ein maͤckler ſeyn.
7. Jſt es kein Superintendent /
So mags ein kuͤſter ſeyn /
Und iſt kein ſchoͤſſer der mich kennt /
So mags ein ſchreiber ſeyn.
Und wo der buͤrgermeiſter nicht
Mir in der zeit die eh verſpricht /
So mags der thuͤrknecht ſeyn.
8. Wo er nicht tauſend thaler ſchafft /
So moͤgens zwantzig ſeyn /
Hat er kein kleid von doppeldafft /
So mags wohl leinwand ſeyn /
Und wenn er in und aus der ſtadt
Auch nicht ein eignes haͤußgen hat /
So mags ein mietmann ſeyn.
9. Wo ſich kein junggeſelle findt /
So mags ein wittwer ſeyn.
Jſt es kein ehrlich mutterkind /
So mags ein banck art ſeyn.
Und iſt es kein bewehrter mann
Der neunmahl neune zehlen kan /
So mags ein ſeyn.
10. Ach175Neuntes dutzent.
10. Ach Sanct Andreas / ich trage doch
Die keuſchheit mit verdruß /
Drum komm / mein troſt / und gib mir noch
Was gutes zum beſchluß /
Damit ich nicht in kurtzer zeit
Vor uͤbermachter bangigkeit
Zur hu werden muß.

X. Es hungert ihn nach Fleiſche.

ACh weh! wie hungert mich / wo krieg ich neue krafft
Wo find ich einen koch / der mir zu eſſen ſchafft?
Der fleiſch kram iſt zwar offen /
Jch aber weiß nicht wohl /
Wo ich was gutes hoffen
Und mich vergnuͤgen ſoll.
2. Putt-huͤngen fleiſch iſt weich / und gehet niedlich ein /
Es mag auch gut genung vor ſchwache maͤdgen ſeyn /
Doch wann die liebe ſpeiſe
So zart und ſchlappricht ſieht /
Verliert man auf die weiſe
Gar leicht den appetit.
3. Das kalb-fleiſch iſt noch jung / u. beiſt ſich lieblich an
Wenn man die eutergen mit unterſchneiden kan /
Doch wen es an der mutter
Nicht lang geweſen iſt /
So iſt es auch ein futter /
Darnach mich nicht geluͤſt.
4. Das ꝛind-fleiſch iſt gemein / und wiꝛd ſehꝛ hoch beliebt /
Dieweil es guten Safft / und volle nahrung giebt:
Es haͤlt vortreflich wieder /
Doch dieſes gute lob
Jſt nicht vor ſchwache glieder /
Was176Uberfluͤſſiger gedancken
Was ſtarck iſt / das iſt grob.
5. Das ſchoͤpſenfleiſch iſt nett / doch wañ mans eſſen wil /
So machts im leibe nicht die geiſter gar ſubtil /
Der ſchmack iſt auserleſen /
Jndeſſen iſt es doch /
Ein tummes ſchaaf geweſen /
Und hat den ſchaafs-kopff noch.
6. Das ſchweinen-fleiſch iſt ſuͤß / jedoch mir graut dafuͤr /
Es iſt um eine ſau gar zu ein garſtig thier /
Drum will mirs nicht zu ſinne /
Da klebt ein bißgen koth /
Da ſitzet eine finne.
Da iſt es ſonſten roth.
7. Das wilpert iſt nicht ſchlim / ich haͤtt es laͤnſt beſtellt
Doch es bedarff viel ſpeck und koſt ein haufen geld /
Das iſt mein groͤſter tadel /
Drum denck ich nicht dahin /
Dieweil ich nicht von adel
Noch groß von mitteln bin.
8. Wiewohl ich tadle nicht das eſſen gar zu ſcharff /
Wer nur nicht eſel fleiſch aus noth gebrauchen darff /
Der wird noch nicht verderben:
Es weiſt ſich manchmahl aus /
Eh man wil hunger ſterben /
So faͤngt man eine mauß /
9. Jetzt geh ich in den kram / und ſuche guten rath /
Wer weiß / wer ſchon dasfleiſch zuvor beſchnuppeꝛt hat /
Man muß ſich doch begnuͤgen /
Es wird doch alls bezahlt /
Und haͤtten es die fliegen
Gantz ſprenglich ausgemahlt.
10. Jch halte / mancher kriegt ein olle putterie /
Sie177Neuntes dutzent.
Sie ſchmeckt nach allerley / und gleichwohl lobt er ſie /
Drum will ich mich beqvemen /
Und will in kurtzer friſt
Das erſte bißgen nehmen /
Das mir beſcheret iſt.

XII. Ein verliebter Abſchied.

MEines hertzens koͤnigin!
Soll ich jetzo von dir ſcheiden /
Und die lieben oͤrter meiden /
Da ich vor geweſen bin?
O / du meines lebens leben!
Jſt denn dieß der ſtrenge Schluß /
Daß ich gute nacht ſol geben?
Ja mein liebſtes kind! ich muß.
2. Du wirſt es ſchon ſelbſt verſtehn /
Hier iſt doch kein ewig bleiben /
Und wir muͤßen uns verſchreiben
Ferner in die welt zu gehn /
Unſer leben und ſtudieren
Giebet uns den guten rath /
Beſter maſſen auszufuͤhren /
Was man angefangen hat.
3. Drum ſo nimm die treue hand /
Gib ihr noch zum letzten mahle /
Hier bey dieſem roſenthale /
Ein gewiſſes freundſchaffts-pfand /
Druͤcke die betruͤbten glieder /
Denn es iſt doch nun geſchehn /
Und wer weiß / wann ich dich wieder /
Liebſte ſeele! werde ſehn.
4. Dencke mein geliebtes kind!
〈…〉〈…〉Und178Uberfluͤſſiger gedancken
Und erwege meine ſorgen /
Wann der abend und der morgen /
Meine ſeufftzer / durch den wind /
Wird zu deiner ſeele fuͤhren /
So wird mein vergnuͤgter geiſt
Dein gedaͤchtniß nicht verliehren /
Biß der lebens-faden reiſt.
5. Schoͤnſte! lebe dir und mir /
Ach! ich habe deinem leben
Alles wohlergehn ergeben /
Drum gedencke fuͤr und fuͤr /
Wilſt du mir die freude goͤnnen!
So erhalte deinen ſchein /
Biß wir endlich wieder koͤnnen
Hoͤchſt-vergnuͤgt beyſammen ſeyn.

Uberfluͤſſiger Gedancken Zehendes Dutzent.

I. Auf einen alten Tantz-Knecht.

ACh weh! wir armen junggeſellen /
Wir werden gar zu langſam klug /
Weil wir uns tumm und alber ſtellen /
So faͤhrt die zeit den ſchnellen flug /
Eh wir uns eigentlich beſinnen /
Mit aller luſtigkeit von hinnen.
2. Der anfang von den jungen jahren
Sol auch der liebe wachsthum ſeyn /
Da ſol das zarte volck zu paaren /
Die ſtillen kuͤſſe von ſich ſtreun /
Da ſol die junge ſehnſucht ſpielen /
Und179Zehendes dutzent.
Und flammen in der ſeele fuͤhlen /
3. Gleich wie ein ſchaͤfgen ſeiner weyde /
Begierig nachzugehen pflegt /
So ſucht die jugend ihre freude /
Da wird nichts uͤbels ausgelegt /
Da ſchnaͤbeln ſich die glatten maͤulgen /
Und pflicken ihre mertzen-veilgen.
4. Doch / wann man ſchon an ſeinen wangen
Den bart mit tauſend ſtacheln fuͤhlt /
Und hat es noch nicht angefangen /
So hat man mehr als halb verſpielt /
Und will man mehr auf kurtzweil harren /
So wird man mehrentheils zum narren.
5. Es heiſt die blumen ſind vergangen /
Die knoſpe ſol zuſammen ſtehn /
Und wenn man alles kan erlangen /
So muß man ins gefaͤngnis gehn /
Da ſich das elend in den decken
Der eitlen liebe ſol verſtecken.
6. Wohl dem / der ſeinen liebs-beruffe
Still und gehorſam folgen lernt /
Eh ihm der jugend letzte ſtuffe
Von der gelegenheit entfernt /
Da kriegt man ſorgen mit den jahren /
Und muß die luſt dann ewig ſpahren.
7. Wann ich mich hin und her beſinne /
So hab ich auch die zeit verſeumt /
Und finde was an meinem kinne /
Das ſich zu keiner liebe reimt /
Drum wuͤnſch ich offt in dieſem ſtuͤcke
Ach haͤtt ich noch zehn jahr zuruͤcke.
M 2II. Man180Uberfluͤſſiger gedancken

II. Man ſol maͤſſig ſeyn.

ZUviel / zuviel / zuviel / was hat euch ſo beſeſſen /
Daß ihr nichts anders ſchertzt /
Als daß ihr immer hertzt /
Wo ihr einander wolt in einer woche freſſen /
So wird ein bloſſes kinderſpiel
Zuviel / zuviel / zuviel.
2. Zuviel / zuviel / zuviel / wolt ihr euch ſo vergnuͤgen
Jhr habts zwar gute macht /
Jn deſſen ſeyd bedacht /
Wie mancher hat den wein ſelbſt in den keller liegen
Und trinck doch nicht ſo offt er wil /
Zuviel / zuviel / zuviel.
3. Zuviel / zuviel / zuviel / was wird ein gaͤrtner ſprechen /
Wann man zu keiner zeit /
Ohn allen unterſcheid
Die angenehme luſt der blumen wolte brechen.
Drum geht und trefft das rechte ziel /
Zuviel / zuviel / zuviel /
4. Zuviel / zuviel / zuviel / ein koch / der alle ſachen
Jn lauter zucker ſetzt /
Kan mehrentheils zu letzt /
So gut es erſtlich ſchmaͤckt / den groͤſten eckel machen /
Drum braucht einmahl ein ander ſpiel /
Zuviel / zuviel / zuviel.
5. Zuviel / zuviel / zuviel / ihr muͤſt euch ſelbſt verſtoͤren /
Weil ihr die finger leckt /
Und weils am beſten ſchmeckt /
So iſt es allezeit am beſten aufzuhoͤren /
Wo man die luſt erhalten wil /
Zuviel / zuviel / zuviel.
6. Zuviel181Zehendes dutzent.
6. Zuviel / zuviel / zuviel / ihr muͤſt euch etwas zecken /
Jhr muͤſſet / auff den ſchein /
Ein bißgen boͤſe ſeyn /
Da muͤſt ihr ſauer ſehn / da muͤſt ihr euch verſtecken /
So ſpiel man ſonſt das liebe-ſpiel /
Zuviel / zuviel / zuviel.
7. Zuviel / zuviel / zuviel / folgt mir und lernet ſpahren /
Denn hab ich keine frau /
So weiß ich doch genau /
Wo Barthel moſt bekoͤmmt / und habe viel erfahren.
Drum folge / wer da folgen will /
Zuviel / zuviel / zuviel.

III. Er iſt verliebt.

DU liebſtes kind! ſo wilſt du dich ergeben /
Und darf ich nicht in ungewißheit leben /
Ach! ſieh den wunſch des reinen hertzens an /
Der bloß in dir vergnuͤgung finden kan.
2. Jch bin zu ſchwach mein leiden zu verbluͤmen /
Jch muß den glantz an deiner tugend ruͤhmen /
Und wann ich dieß in meiner einfalt thu /
So nehm ich nur an angſt und ſchmertzen zu.
3. Dein ſchoͤnes haar / die augen und die wangen /
Sind ſtarck genug vor mich und mein verlangen /
Doch was dein ſinn durch zeichen von ſich giebt /
Das macht mich erſt biß auf den todt verliebt.
4. Ach laß / mein kind / mich nicht vergebens hoffen /
Und hat mich ja die ſuͤſſe laſt betroffen /
So laß dein liecht das labſal meiner pein /
Und einen blick mein liebſtes merckmahl ſeyn.
5. Schau nur auf mich / die neider moͤgen ſtechen
Und dieß und das von meiner liebe ſprechen.
M 3Jch182Uberfluͤſſiger gedancken
Jch habe mich bißher genug erklaͤrt /
Daß dich mein hertz aus reiner pflicht begehrt.
6. Du kanſt dich ſchon an meine ſeele binden /
Du wirſt an treu nicht meines gleichen finden;
Und bin ich nicht der pralerey gewohnt /
So hat mein mund der warheit nie verſchont.
7. Jch ſtelle mich in dein geneigt belieben /
Du kanſt mich jetzt eꝛfreuen und betruͤben /
Jch ehre dich und wuͤnſche deiner zier /
Jndeſſen ſteht der ausſchlag noch bey dir.
8. Nun wilſt du dich zu gleicher brunſt bekennen /
So wird uns auch kein ungewitter trennen /
Jm leben wil ich ſtets dein wiederſchein /
Jm tode ſelbſt dein treuer ſchatten ſeyn.

IV. Auf eine trauer-Hochzeit.

LJebſte braut! was ſoll ich ſagen /
Soll ich das verlohrne gut
Jhrer jungferſchafft beklagen /
Oder ſoll ich meinen muth
Mitten in den freuden ſpielen /
An dem jungen weibgen kuͤhlen.
2. Nein / ich mag ſie nicht vexieren /
Denn es iſt mir nicht zuviel /
Auch wofern ich klage fuͤhren
Und die luſt verderben will /
Werd ich doch bey ihren lachen
Schwerlich meinen anfang machen.
3. Hier bey dieſen ehren-feſte
Giebt es ſonſt gelegenheit /
Denn die angenehmen gaͤſte
Werden alſobald zerſtreut /
Weil183Zehendes dutzent.
Weil die zincken und die geigen
Auf den ſtillen platze ſchweigen.
4. Zwar man darff auffs muſiciren
Nicht ſo ſehr gebunden ſeyn /
Und den muth darumb verlieren;
Dann man ſchertze gleich ſo fein /
Als vor vielen tauſend jahren
Keine geigenmacher waren.
5. Doch ſie wollens hier nicht glaͤuben /
Und dieweil ein jederman
Will auf ſeinem ſinne bleiben /
Geht das zehnde ſpiel nicht an:
Drumb muß eines nach dem andern
Vor der zeit nach hauſe wandern.
6. Sauer ſehn und hoͤniſch lachen
Koͤnnen alle leute wohl /
Aber wer ſich luſtig machen
Und den ſpaß erhalten ſoll /
Muß ſich unverdienter maſſen
Richten und verdammen laſſen.
7. Manche kan ſich eckel ſtellen
Und veracht’t die compagnie /
Denn mit ſolchen junggeſellen
Da verlohnt ſichs nicht die muͤh;
Manche weiß an allen enden
Schon was anders einzuwenden.
8. Doch wir ſind an unſerm orte
Nicht ein wenig ſchuld daran /
Da ſind lauter leere worte
Niemand giebt ein ſpiegel an /
Und wer luſt hat anzufangen /
Kan nicht audienz erlangen.
M 49. Nun184Uberfluͤſſiger gedancken
9. Nun diß iſt / was ich beklage /
D ſo eine ſchoͤne braut /
Jetzt an ihrem ehren-tage
Keine beſſre freude ſchaut /
Und daß wir mit unſern ſachen
Eine trauer-hochzeit machen
10. Doch / ſie kan auf andre faͤlle /
Nach belieben luſtig ſeyn /
Denn der neue ſchlaff-geſelle
Koͤmmt herfuͤr und ſtellt ſich ein /
Dieſer wird ſie ſchon ergetzen
Und den mangel wohl erſetzen.

V. Er will gerne eine Frau haben.

SJnd das nicht unerhoͤrte ſtraffen?
Jch bin ſo hurtig als ein mann /
Und ſoll ſo lang alleine ſchlaffen /
Biß ich ein weib ernehren kan:
Jndeſſen hab ich keine ruh /
Und fleiſch und blut ſpricht nein darzu.
2. Wem ſol ich alſo folge leiſten?
Jch bin fuͤrwar von holtze nicht /
Und fuͤhle meine noth am meiſten
Wann mich der loſe kitzel ſticht /
Und aus den handel merck ich wohl /
Daß ich die welt vermehren ſoll.
3. Was hilfft michs? daß nun mit den jahren
Die kinder-ſchuh vertretten ſind.
Wann mir der ſchimpf ſoll wiederfahren
Daß ich muß leben als ein kind /
Und daß der zwang der einſamkeit
Mir alle freye luſt verbeut.
4. Was185Zehendes dutzent.
4. Was ſeh ich doch vor ſchoͤne leute
Bißweilen auf der gaſſen ſtehn /
Die alle wolten lieber heute
Als morgen dieſe ſtraſſe gehn /
Doch die gewonheit iſt ſo ſcharff /
Daß niemand ſich erklaͤren darff.
5. Man ſoll der ehre noch erwarten /
Doch dieſer troſt der taug nicht viel /
Die pretzeln ſchimmeln und verharten /
Wann man ſie friſch verſaͤumen will /
Und der beliebten roſen-liecht
Scheint in den ſpaͤten winter nicht.
6. Ach freylich ſind es lahme poſſen /
Weil man ſich noch ergetzen kan /
So wird man allzeit ausgeſchloſſen /
Hernachmahls geht der handel an /
Wenn unſre laͤmpgen auf das ziel
Gerathen und verleſchen will.
7. Jndem ich dieſes liedgen mache /
So blick ich auf mein dinte-faß /
Das ſchickt ſich wohl zu dieſer ſache /
Die dinte bleibt nicht immer naß /
Man ſchreib / und ſchreibe nicht daraus /
So trocknet doch der boden aus.
8. Ach! duͤrfft ich mich nur recht beklagen /
So darff ich meine liebe noth
Auch nicht dem beſten freunde ſagen /
Und das iſt aͤrger als der todt /
Jch warte / weil mein leder haͤlt /
Wo krieg ich dann mein warte-geld.
M 5VI. Die186Uberfluͤſſiger gedancken

VI. Die heimliche Falſchheit.

DU werther courtiſan /
Wie bluͤth dein gut geluͤcke /
Schau dein betruͤbnuͤß an /
Diß weicht ja nun zuruͤcke.
2. Nunmehr ſind voller freuden /
Die deine freunde ſind /
Die deine wolfahrt neiden /
Verſtieben wie der wind.
3. Es kommt vortrefflich ſchoͤn /
Was dein gemuͤthe dencket /
Worauf die feinde gehn /
Daſſelbe wird gekraͤncket.
4. Der fortgang muß ſich enden
Jn ſeiner neider luſt /
Jn deinen ſichern haͤnden
Jſt lauter troſt bewuſt.
5. Jetzt kommt zur reiffen frucht /
Was du zuvor erworben /
Was du vorlaͤngſt verflucht /
Das iſt bey dir verdorben.
6. Die liebe kehrt den ruͤcken
Auf deiner feinde ruh /
Auf dein entzuͤcktes blicken
Geht alls nach wunſche zu.
7. Du ſchmeckſt ohn unterlaß
Das honig von den kuͤſſen /
Das herbe thraͤnen-maß
Mag auf die andern flieſſen.
8. Die trauer-wolcken ſchlagen
Die wiederpart allein /
Dein187Zehendes dutzent.
Dein hertz in wenig tagen
Soll hahn in korbe ſeyn.
9. D iſt dein rechter lohn /
Du haſt was dich ergetzet /
Du haſt nur ſchimpff und hohn
Auf deinen feind geſetzet.
10. Drum will ich den umfaſſen /
Der deine gunſt begehrt /
Der deine treu wird haſſen /
Jſt kaum des lebens werth.
11. Wers mit der warheit meynt /
Der ſagt ich bin gewogen /
Der ſagt ich bin dein feind /
Der hat gewiß gelogen.
12. Jch werde nichts verrichten /
Wo ichs verderben kan /
Wo ich mich ſoll verpflichten.
Da geh ich willig dran.
NB. Man ſetze die herausgeruͤckten zeilen zuſammen / und leſe die eingeruͤckten drauff / ſo iſt die falſchheit klar.
3

VII. Eine hoͤfliche Entſchuldigung.

AChnein / ich moͤchte nicht / ich bin zur kirmß gebetẽ /
Und ich beduͤrffte faſt /
Noch ſelber einen gaſt /
Drum werd ich mir ſo weit wohl kein paar ſchuh ver -
Die leute ſind gar ſchlim bericht / (treten /
Ach nein ich moͤchte nicht!
2. Ach nein ich moͤchte nicht / ich eſſe keinen braten
Der nach der kuͤche ſchmeckt /
Wer gerne teller leckt /
Der188Uberfluͤſſiger gedancken
Der komm / und laſſe ſich auf meinem herde rathen /
Jch bin auf nichts ſo ſehr verpicht.
Ach nein ich moͤchte nicht.
3. Ach nein / ich moͤchte nicht / die kuchen ſind zu duͤnne /
Die butter iſt zu arg /
Die hefen gehn zu ſtarck /
Und die roſinen ſind gar ſparſamlich darinne /
Der rand iſt mager und zubricht /
Ach nein ich moͤchte nicht.
4. Ach nein ich moͤchte nicht / ich muß es nur bekennen /
Die ſuppe kocht zu ſcharff /
Und wer es nicht bedarff /
Der wird ſich waꝛlich nicht das maul dabey verbreñen /
Der hencker haͤlt euch doch das liecht /
Ach nein / ich moͤchte nicht.
5. Ach nein ich moͤchte nicht / ietzt leb ich in der faſte /
Da ich ſelten viel /
Doch wer nicht warten will /
Der komme nur zu mir fruͤh morgens her zu gaſte /
Die tafel iſt ſchon angericht /
Ach nein ich moͤchte nicht.

VIII. Man ſoll einander Du heiſſen.

ACh! wie geht es immer zu?
Die verliebten hertzen
Heiſſen nicht einander du /
Wann ſie freundlich ſchertzen.
Alles heiſt nur er und ſie /
Und wann ſie ſich ehren /
Kan ich kaum mit groſſer muͤh
Schatz und liebgen hoͤren.
2. Nein fuͤrwar / die reden ſind
Mehren -189Zehendes dutzent.
Mehrentheils verlohren:
Dann die liebe iſt ein kind /
Und wird erſt gebohren /
Drum / ſo muͤſt ihr dieſe zeit
Als wie kinder leben /
Und der ſuͤſſen freundlichkeit
Kinder-nahmen geben.
3. Er und ſie klingt viel zu alt /
Vor die jungen ſeelen /
Welche neuen auffenthalt
Jn der lieb erwehlen.
Du und du das ſchoͤne wort /
Muß die kuͤſſe wuͤrtzen /
Und die ſehnſucht fort und fort
Mit der hoffnung kuͤrtzen.
4. Was kan angenehmer ſeyn /
Als die zarten kinder /
Drum ſo faͤngt die liebes-pein
Tauſendmahl geſchwinder.
Wann die gunſt-geneigte bruſt
Sich darum bemuͤhet /
Was ſie bey der kinder-luſt /
Als im bilde ſiehet.
5. Und darzu ſo iſt noch nicht
Was von kindern fertig /
Wann es mit der zeit geſchicht /
Seyd ihrs kaum gewaͤrtig /
Drum / eh euch die zeit was goͤnnt /
Muͤſt ihr euch verfuͤhren /
Und die kinder / wie ihr koͤnnt /
Selbſten praͤſentiren.
6. Selig / wer ſo leben mag /
Thu190Uberfluͤſſiger gedancken
Thut mirs zu gefallen /
Und verſuchts nur einen tag /
Nun ſo wird in allen
Neue wolluſt / neue ruh /
Neues wolgedeyen /
Unter dem verliebten du
Euer lieb erfreuen.

IX. Er hat ein jung Maͤdgen.

BEht ihr groſſen jungfern fort /
Und gedencket nicht ein wort /
Daß ich mich um euch betruͤbe /
Dann mein ſinn wird offenbahr /
Und das maͤdgen das ich liebe /
Geht nunmehr ins zwoͤlffte jahr.
2. Jhre zarte freundlichkeit
Spielt in keuſcher ſicherheit /
Und beſtrahlt die ſchoͤnen wangen
Durch dergleichen uͤberfluß /
Daß ich uͤber dem verlangen
Auch zum kinde werden muß.
3. Jhre jugend iſt noch rein /
Und bewahrt den glatten ſchein
Jn der einfalt ihres hertzens /
Andre lieben in den wind /
Welche ſchon des ſtillen ſchmertzens
Aus der uͤbung kundig ſind.
4. Hofft man auf die roſen nicht /
Eh die gruͤne knoſpe bricht /
Jſt ſie aber aufgebrochen /
Wird man leicht des handels ſatt /
Dann wer weiß / wer ſie berochen /
Und191Zehendes dutzent.
Und zuvor begriffen hat.
5. Drum / ihr jungfern laſt mich gehn /
Jſt mein liebgen nicht ſo ſchoͤn
Als ein bild von ſechzehn jahren /
Nun ſo darff ich auch die liſt
Mir zum ſchimpffe nicht erfahren.
Daß ſie falſch und eckel iſt.
6. Mangelt ihr am gliedern was /
Ach wie bald erſetzt ſie das /
Jſt doch dieß die beſte freude /
Wann die jugend ſachte bluͤht /
Und man ſeiner augen-weide
Untern haͤnden wachſen ſieht.
7. Nun das iſt mein feſter ſchluß /
Und wofern ich warten muß /
Will ich lieber jetzt in zeiten
Nach der ſuͤſſen liebe gehn /
Als daß ich ſo gar von weiten
Soll mit meiner hoffnung ſtehn.

X. Hochzeit-Fragen.

WAs iſt die jungferſchafft? ein quintgen hudeley /
Das zehnmahl ſchwerer iſt / als ſonſt ein centner
Doch was iſt eine braut? ein ding / das geꝛne kuͤſt / (bley.
Und weder eine frau noch eine jungfer iſt.
Was iſt ein braͤutigam? ein mann und nicht ein mann /
Dieweil er ſich noch nicht der mannheit ruͤhmen kan.
Was mag das jawort ſeyn? es iſt das erſte ſpiel /
Wann man das leder nun mit ernſt verkauffen will.
Sagt / was verloͤbniß iſt? ein angeſtelltes feſt /
Davor man in der kirch am letzten bitten laͤſt.
Was iſt das auffgebot? es iſt ein ſpaͤter fleiß /
Darinn192Uberfluͤſſiger gedancken
Darinn erzehlet wird / was ſonſt ein jeder weiß /
Was iſt das hochzeit-feſt? es iſt ein warmes bad /
Darinnen wirth und gaſt was auszuſchwitzen hat.
Was mag die trauung ſeyn? die zeit / da man verehrt /
Was einen ſonſt mit recht und ehren zugehoͤrt.
Was iſt ein junggeſell? ein affe / der das ſpiel /
Dem herren braͤutigam flugs abſtudiren will.
Was iſt ein jungfergen? es iſt ein glaͤßgen wein /
Das niemand trincken darff / wann alle durſtig ſeyn.
Was iſt die erſte nacht? die hochzeit in der that /
Da manche mehr gehofft / als ſie zu koſten hat.
Was iſt die ander nacht? ein ſuͤſſer uͤberdruß /
Da man die alte ſchuld von geſtern zahlen muß.
Was iſt die dritte nacht? es iſt die rennebahn /
Da man aufhoͤren muß / wann mans am beſten kan.
Was iſt die jungefrau? es iſt ein loſer ſack /
Der in der compagnie auch garſtig reden mag.
Was iſt der ehſtand ſelbſt? es iſt ein vogelhauß /
Die drauſſen wollen nein / die drinnen wollen rauß.
Was iſt das erſte kind? ein ſchmertz weñs bald bekleibt.
Ein ſchimpf / wenns zeitlich kommt / ein hohn / wenns
(auſſen bleibt.
Was iſt das andre kind? es iſt ein guter rath
Vor leute / welche man gern zu gevattern hat
Was iſt das dritte kind? ein ungebetner gaſt /
Des vaters geld-verderb / der mutter uͤberlaſt.
Was iſt das vierdte kind? es iſt ein gutes ziel
Nach dieſen ſage man / zuviel / zuviel / zuviel
Was iſt das fuͤnffte kind? mit dieſen heiſt es wol /
Jch eſſe was mir ſchmeckt / und leide was ich fol.
Was ſind die ſoͤhnigen? ein volck das nichts erwirbt /
Uñ da des beutels kꝛaft / als an der ſchwindſucht ſtirbt.
Was193Zehendes dutzent.
Was ſind die toͤchtergen? die koſten wenig geld /
Biß alle peſtilentz auf ihre hochzeit faͤllt.
Was iſt die beſte luſt? wann man nicht viel begehrt /
Und wenn das wenige fein gut und lange waͤhrt.

XI. Auf eine naͤchtliche garten-muſic.

DU ſchoͤne luſt! was ſoll man dir vergleichen?
Die ſonne wuͤnſcht der erden gute nacht
Und laͤſt die glut der ſtrengen ſtralen weichen /
Jndem der Weſt diß ufer lieblich macht /
Wie ſpielen die luͤffte / wie ſauſſen die baͤume /
Wie rauſchen die wellen / und kuͤtzeln die traͤume.
2. Der heiſſe tag iſt allbereit betrogen /
Die kuͤhle nacht erfuͤllt den edlen reſt /
Weil ſie der glut ihr antheil hat entzogen /
Und uns die zeit alſo genieſſen laͤſt.
So muͤſſen die luͤſte der irrdiſchen ſchatten
Den mangel des himmliſchen liechtes erſtatten.
3. Die erde ruht und wartet ſchon auff morgen /
Wir ſehn die zier der ſtillen nacht-zeit an /
Da wollen wir ein halbes ſtuͤndgen borgen /
Wo nur der tag die nacht bezahlen kan /
So ſchlaffet ihr wieſen und laſſet uns wachen /
Der himmel befoͤrdert die luſtigen ſachen.
4. Doch duͤrffen wir uns dieſes gluͤcke nehmen /
Daß wir den klang der ſuͤſſen ſeiten ziehn /
Die jugend will ſich in den ſchlaff beqvemen /
Und unſer thon will ihren ſinn bemuͤhn:
Die niedlichen winde befehlen im kuͤhlen
Den hurtigen ſeiten was ſachter zu ſpielen.
5. Wir wollens thun / verſtummt ihr eitlen lieder /
Verſtoͤrt die ruh der edlen tugend nicht /
Legt eure luſt bey andern wieſen nieder /
Weil Venus hier ſchon durch die wolcken bricht.
Und fordert bey allen vermeidlichen ſtraffen /
Man laſſe die nachbarn in ſicherheit ſchlaffen.
NXII. An194Uberfluͤſſiger gedancken

XII. An das hochwerthe Deutſchland wegen dieſer lieder.

DU liebſtes vaterland! vergoͤnne deinem ſohne /
Daß er ſein eitles thun der welt zu ſchauen giebt /
Jch ſehne mich darbey nach keinem andern lohne /
Als wann die hohe gunſt den guten willen liebt.
Jch muß es zwar geſtehn / es ſind geringe ſachen /
Daraus ein bloſſer ſchertz / und ſonſten nichts entſpringt /
Jedoch / ein kurtzes lied kan ſich belieblich machen /
Wann nur die rechte zeit es auf die bahne bringt:
Jch bin kein Opitz nicht / der bleibt noch unſer Meiſter /
Und ſein beruͤhmter thon reiſt durch das ſternen-dach /
Hingegen fliegen ſonſt die lobens-werthen geiſter
Kaum auf den halben weg mit ſchwachen federn nach.
Wiewohl ich darff mich nicht in die geſellſchafft mengen /
Die durch den lorber-zweig das haar um ſich verbindt /
Mein gluͤcke fuͤhrt mich ſonſt auf kunſt-beliebten gaͤngen /
Da dieſes neben-werck gar wenig ſtunden findt.
Doch liebſtes Vaterland / ich werde dir gefallen /
Daß ich im ſchreiben nicht ein ſprach-tyranne bin /
Jch folge deiner zier / und richte mich in allen
Auff alte reinigkeit und neue kurtzweil hin /
Jch bin ſo eckel nicht / ich laſſe mir belieben /
Was die gewohnheit itzt in langen brauch gebracht /
Haͤtt unſer alterthum nicht ſo und ſo geſchrieben /
So haͤtt es dieſer kiel auch anders nachgemacht.
Und weil die Teutſchen viel aus andern ſprachen borgen /
So muß ich ebenfalls mich auch darzu verſtehn:
Ein ander / dens verdreuſt / mag ſich zu tode ſorgen /
Gnug / daß die Verſe gut / die Lieder lieblich gehn /
Jſt diß nicht puppenwerck / wer etwas groſſes heiſſen /
Und ſeinen lorbeer-krantz mit golde zieren will /
Der muß das ABC aus ſeiner ordnung ſchmeiſſen /
Bald hat er nicht genug / bald hat er gar zu viel /
Da iſt ein wort nicht recht / das haben die Lateiner /
Gelehnt u. nicht geſchenckt; das kom̃t aus Griechenland /
Da195Zehendes dutzent.
Da wird der thon zu lang / da wird die ſylbe kleiner /
Die ſprache die wird nur nicht gaͤntzlich umbgewandt.
Der arme Zizero iſt auch ins Z gerathen /
Der ſonſt faſt oben an / in ſeiner reihe ſteht /
Vielleicht weil ein gemuͤth / in dieſen helden-thaten /
Gar langſam auf den glantz der redens-kuͤnſtler geht[/]
Sanct Felten iſt hinauff biß an das F geſtiegen /
Und er verdient fuͤrwahr die ehr-bezeugung nicht:
Der Kwarck muß in das K aus ſeinem neſte fliegen /
Ob gleich die gantze welt den haͤndeln widerſpricht /
Der Kaͤyſer ſoll bey uns nicht weiter Kaͤyſer heiſſen /
Er ſoll dafuͤr ein Ertz - und groſſer Koͤnig ſeyn /
Wer uns diß tapffre wort will aus der zunge reiſſen /
Raubt uns der voͤlcker ruhm / mit unſers landes ſchein /
Ein ſolcher kluͤgling hat gewiß nicht viel geleſen /
Und hat ers ja gethan / ſo moͤcht er in ſich gehn /
Daß unſre Deutſchen auch nicht narren ſind geweſen /
Und daß man alles kan ohn dieſen tand verſtehn.
Ein ander mag ſich mehr mit dieſen leuten zancken /
Mein ungebundner fuß geht in der einfalt fort /
Und mein erregter ſinn verwickelt die gedancken /
Mehr in der ſachen ſelbſt / als in ein kahles wort.
Hier hab ich nur geſchertzt / doch wird man leicht gedencken /
Daß / wie ich meiner luſt allhier genug gethan /
Jch / wann ich kuͤnfftig will die augen hoͤher lencken /
Mit gleicher fertigkeit die feder richten kan.
Jch bin auch nicht ſo kuͤhn / den Momus zu verfluchen /
Weil er den hoͤhnſchen mund nur an die Goͤtter ſetzt.
Solt er diß ſchlechte werck zu ſeiner rache ſuchen?
Nein / er iſt viel zu ſtoltz / wann er die zaͤhne wetzt.
Drum bin ich auch vergnuͤgt / und lege dieſe lieder /
Halb furchtſam und darbey halb trotzig vor die welt /
Es falle wie es will / ſo komm ich doch nicht wieder /
Der himmel hat den fleiß mir ſonſt wohin beſtellt.
N 2Die196

Die triumphirende Keuſchheit /

Perſonen des Luſt-Spiels.

  • I. Carl/

    Koͤnig von Neapel

    .
  • II. Rodoman/

    Ober-Hof-Marſchall

    .
  • III. Clariſſe/

    Rodomans liebſte

    .
  • IV. Beliſſe/

    Clariſſens muhme

    .
  • V. Juſtinian/

    der Beliſſen bruder

    .
  • VI. Amyntas/

    ein Frantzoͤſiſcher Graff

    .
  • VII. Gaſton/

    ein Rath.

  • IIX. Floretto/

    Rodomans knecht / hernach Graf Heinrich

    .
  • IX. Melane/

    Clariſſens kammer-magd

    .
  • X. Sibylle/ Beliſſens alte amme.
  • XI. Pickelhering/

    Rodomans knecht

    .
  • XII. Ephialtes/

    Pickelherings vater / thorwaͤrter

    .
  • XIII. Dromo/

    ein haͤſcher

    .

Erſte Handlung.

Clariſſe / Floretto.
Clar.

MEin Floretto! ſo weiſt du nicht was liebe iſt?

Flor.

Gnaͤdigſte gebieterin / ein knecht hat in ſei - nem betruͤbten zuſtande wenig urſache an derglei - chen wolluſt zu gedencken.

Clar.

Wann ich abeꝛ deinen zuſtand gluͤckſelig mache / ſo wirſt du es alsdann ohne zweiffel wiſſen.

Flor.

Meine pflicht beſtehet in gehorſam / und auſſer dem wird mir keine andere zuneigung anſtehen.

Clar.197Erſte Abhandlung.
Clar.

So willſt du gehorſam ſeyn?

Flor.

Ein knecht darf nicht um ſeinen willen gefragt werden.

Clar.

Wann ich nun ſagte / du ſolteſt verliebt ſeyn?

Flor.

So wuͤrde meine unwiſſenheit das verbrechen des ungehorſams entſchuldigen.

Clar.

Wann ich ſagte / du ſolteſt meine magd mit ver - liebten augen anſehen.

Flor.

Die augen die meiner gnaͤdigſten herrſchafft zu gefaͤlligen dienſten gewidmet ſind / laſſen ſich nicht auf eine magd kehren.

Clar.

Wann ich aber ſagte / du ſolteſt mich lieben.

Flor.

So wolte ich hoͤchlich bitten / einen armen elen - den knecht mit dergleichen hoͤhnerey zu verſchonen.

Clar.

Wann ich dir aber zum zeichen einer wuͤrckli - chen Affection die haͤnde druͤckte.

Flor.

So wolte ich mich vor gluͤckſelig ſchaͤtzen / daß euer gnad dero kurtzweilige gedancken an mir aus - laſſen wolte.

Clar.

Wann ich dir ferner meinen mund zu beliebli - chen kuͤſſen darreichte.

Flor.

So wolte ich ſagen / es ſtuͤnde mir nicht an / die roͤſgen von meines gnaͤdigſtē herrn ſtocke zu brechen

Clar.

Wann ich dich ſelbſten kuͤſſen wolte.

Flor.

So muͤſte ich ungehorſam werden / und davon gehn.

(geht ab.)
Clar.

Elendeſte Clariſſe! iſt diß die herrſchafft / derer ſich ein freygebohrner menſch uͤber die leibeigenen ſclaven zu ruͤhmen hat? iſt Floretto mein knecht? ach nein / wer uͤber mich gebieten kan / darff ſich eines ſo veraͤchtlichen titels nicht theilhafftig machen. N 3Jch198Der triumphirenden keuſchheitJch bin ſeine gefangene / und werde mich durch die vielfaͤltigen ſtꝛicke ſeiner unvergleichlichen annehm - lichkeit / entweder in die aͤuſſerſte vergnuͤ gung / oder in die erbaͤrmlichſte verzweiffelung leiten laſſen. Du wundeꝛliches gluͤcke / kanſt du wohl zugeben / daß ſo ein albernes und einfaͤltiges gemuͤthe den aller - ſchoͤnſten und zierlichſten leib beſitzen ſoll / und daß die liebens-wuͤrdigſte perſon / alle angebotene gunſtgewogenheit ſo kaltſinnig ausſchlagen kan? warumb haſt du nicht dergleichen ſuͤſſigkeit meinem Rodoman eingepflantzet / welchem ich die ſchuldige freundlichkeit nicht anders / als unter dem gedaͤcht - niß meines wertheſten Floretto abſtatten kan? ſo muß der ſchoͤne Floretto allezeit unverſtaͤndig / die arme Clariſſe allzeit ungluͤckſelig ſeyn.

(Rodoman tritt auf.)
Rod.

Liebſte Clariſſe! wie ſo alleine?

Clar.

Welche von ihrem geliebten verlaſſen wird / muß wohl alleine ſeyn.

Rod.

Welche von ihrem geliebten in gedancken beglei - tet wird / kan niemals ohne geſellſchafft ſeyn.

Clar.

Welche ſich vor ihren eigenen gedaucken fuͤrch - tet / kan aus fremden gedancken ſchlechten troſt ſchoͤpffen.

Rod.

Und warum fuͤrcht ihr euch / liebſte Clariſſe?

Clar.

Weil ich verliebt bin / liebſter Flo Rodomã.

Rod.

So ſolte ich mich auch fuͤrchten?

Clar.

Das weiß ich nicht / meine liebe iſt furchtſam.

Rod.

Hab ich urſache darzu gegeben?

Clar.

Der mich lieben ſoll / liebet mich nicht.

Rod.

Die treu / die ſie erkennen ſoll / erkennet ſie nicht.

Clar.199Erſte Abhandlung.
Clar.

Ach mein engel! ach ſolteſt du nur den hundeꝛt - ſten theil meiner inbruͤnſtigen begierden in deinem hertzen fuͤhlen!

Rod.

Ach meine ſeele / ſolte nur der ſchatten von mei - ner vollkom̃enen leidensregung in dein heꝛtze fallen.

Clar.

Ach liebſter Flo Rodoman / verzeuchſt du noch?

Rod.

Liebſte Clariſſe! zweiffelſt du noch!

Clar.

Wo ſind die kuͤſſe / die mich vergnuͤgen ſollen?

Rod.

Hier ſind die lippen / ſo dich befriedigen wollen.

Clar.

Wo iſt das hertze / das mein ebenbild in ſich druͤ - cken ſoll?

Rod.

Schweig mein kind / hier haſtu alles / was du wuͤnſchen und begehren kanſt.

Clar.
(Schlieſt die Angen zu.)

SEyd willkommen ihr ſanfften biſſe / ergoͤtzet euch auff meinen lippen / und vergoͤnnet mir / daß ich bey der fuͤſſen zuſammenfuͤgung meine ſeele mit der euren vertauſchen moͤge.

Rod.

Meine Clariſſe! wollt ihr mich mit geſchloſſen augen lieben?

Clar.

Jch bin mit meiner blindheit ſcharffſichtig ge - nug / ach mein edelſter reichthumb / mein ſchatz / an dem mein leben haͤnget / ſo hab ich die volle freyheit / meine verliebten traͤume auszuſchuͤtten. Ja / ja / ſage und bekraͤfftige es / du biſt mein liebſter Flo

Rod.

Redet weiter / liebſte Clariſſe! Rodoman weiß vor freuden nicht / was er antworten ſol.

(Pickelhaͤring kommt.)
Clar.

JEtzt bin ich in dem paradieſſe.

Rod.

Und ich bin an der goͤtter tafel.

N 4Clar.200Der triumphirenden keuſchheit
Clar.

Der ſuͤſſe nectar macht mich truncken.

Rod.

Und mich erſaͤufft er gantz.

Cl.

Diß iſt der fruͤhling meiner bluͤhendẽ ergetzlichkeit.

Rod.

Diß iſt der herbſt meiner fruchtbringenden lie - bes-vergnuͤ gung.

Pickelh.

Aergert euch nicht / aͤrgert euch nicht / es ſind ehleuthe / die flitterwoche juckt ſie noch in der lincken knie-ſcheibe / botz tauſend / wie gehts uͤber die ar - men maͤulgen her / wer ſie nachzehlen ſolte / muͤſte neue ziffeꝛn erdencken die alten waͤꝛen viel zu wenig. Seht doch / ſeht / wie die ſchmaͤtzgen herum fliegen / es waͤr nicht gut / wann ſie ſummten wie die meyen - kefer / es wuͤrde manche complimente unbeantwor - tet bleiben. Mein herr iſt bey ſeiner liebſten ein narr / wie ich. Da ſolt ich einmal im wein-keller ein ding holen / es heiſt / es heiſt / nun wie heiſts dañ? es iſt naß / wie jungfer-waſſer / und iſt roth wie blut / und ſpringt im glaſe wie leimt-hoſen-bier / und ſchmeckt auf der zungen wie bienen-dreck / es heiſt irgend ro ro / Belſazer / oder Roſazer. Ja / das ſolt ich meinem herrn holen / ich holts / ich truͤgs / ich brachts vor unſer haus / da dacht ich: Dein vatter hat dich deßwegen unter die leute geſchickt / daß du was erfahren ſolſt / du muſt doch auch koſten / was der Belſatzer vor ein ding iſt / ich ſatzte an / ich nipp - te / aber ſanct velten / wie hieng das ding aneinan - der / ich mochte beiſſen wie ich wolte / es hatte kein ge - lencke und gieng in einem ſtuͤcke immer fort biß der bettel aus war. Jch halte immer / mein herr iſt auch in der angſt / und die maͤulgen kleben aneinan - der wie hechtſuppe / halt / ich muß ſehen / ob ich ihm das gelencke treffen kan. Herr / herr! geſchwind /geſchwind201Erſte Abhandlung.geſchwind.

Clar.

Wer iſt / der mich aus meiner freudenreichen entzuckung verſtoͤren darff?

Rod.

Er ſol es theuer genung bezahlen. Du nichts wuͤrdiger vogel / iſt dieß die manier / ſeinem herrn auffzuwarten.

Pick.

Herr / iſt diß die manier / wann man zum herr koͤnig kommen ſoll / daß man ſich bey der frauen zu tod loͤffelt?

Rod.

Schweig / du beſtie! aber / ſoll ich zu ihrer maje - ſtaͤt kommen? antworteſt du nicht / vogel! ſoll ich dir die rede mit dieſem ſtocke aus dem leibe langen?

Pick.

Schweig du beſtie! ſchweig du beſtie! ich kan nicht zugleich reden und ſchweigen.

Rod.

Du ſolſt aber zugleich reden / was ich haben will / und verſchweigen / was mir zuwieder iſt / ſieh da / du mißgeburt.

(Schlaͤgt ihn.)
Pick.

O herr! ich will gerne keine mißgeburt ſeyn / laſt mich nur mit der ungebrannten aſche zufrieden / ihr wuͤſt ja / daß ich kein feuer riechen kan.

Rod.

Was ſagſt du aber / ſoll ich zu ihrer majeſtaͤt kommen?

Pick.

Jch weiß nicht / der mann / vor dem alle den hut abnehmen / und er danckt ihnen nicht / der / ſagt er / moͤchte gern mit euch reden / ob ihr aber ſollt zu ihm kommen / das iſt eine andere frage / und da moͤgt ihr darvor ſorgen.

Rod.

So hat ers geſagt.

Pick.

Jch bin kein pfaffenkind / wolt ihrs nicht klei - ben / ſo moͤgt ihr mauren / ich habe die briefe darvon / daß ich alles zweymal ſage.

N 5Laͤufft202Der triumphirenden keuſchheit
(Laͤufft davon.)
Rod.

Es muß etwas wichtiges unter der hand ſeyn / deſſen ihre majeſtaͤt mich berichten wollen. Aber ach / du grauſammer befehl / der du mich auß den ar - men meiner hertzallerliebſten herauß zeuchſt / muß ich dann mitten in der ernndte von meinerſuͤſſen ar - beit auffhoͤren.

Clar.

Geht und verrichtet des koͤnigs befehl / dann der uͤber unſer leben zu gebieten hat / kan uns auch mit gutem recht in der lebens befꝛiedigungverſtoͤrẽ.

Rod.

So lebe dann wohl / meine ſeele!

Clar.

Jch folge dir / mein liebſter!

Rod.

Der himmel behuͤte mein liebgen.

Clar.

Und die goͤtter erfreuen mein ander ich.

(Rodoman geht ab.)
Clar.

Unverſtaͤndiger Rodoman! ſo muſt du unwiſ - ſend deines leibeigenen knechtes ſtelle vertretten / und die jenigen liebkoſungen / die ich ſeiner ge - wuͤnſchten gegenliebe zu ertheilen gedencke / jetzund an ſeiner ſtadt einnehnen? Deine hoͤflichkeit war es nicht / die mich aus mir ſelber brachte / deine worte entzuckten mich nicht. Derſelbige / den ich mit ge - ſchloſſenen augen durch das ſcharffe perſpectiv mei - ner gedancken ſahe / derſelbige war der zweck und das einige ziel meiner dunckelen und zweyfaͤltigen redens-art. Ach du wunderſchoͤner Floretto! wenn werden die brennenden ſeuftzer deiner gegen - liebe aufblaſen / und wenn wird die vielfaͤltige thraͤ - nen-fluth dein ſteinernes hertz erweichen koͤnnen. Floretto! mein allerliebſter Floretto!

geht203Erſte Abhandlung.
(geht ab.)
Floretto.

DU gerechter himmel? zuwelchem ungluͤck haſt du mich noch auf gehoben / iſt dann noch mehr / ſo ich verliere kan / auſſer meiner freyheit und ſoll ich nun einer neuen gefangenſchaft unterworffen ſeyn? was bedeuten die unordentlichen blicke / die ungewoͤhn - lichen geberden / die verwirten reden derer ſich mei - ne frau gegen mir gebraucht / will ſie mich an das narren-ſeil aller ſchimpflichen verachtung anknuͤpf - fen oder

(Melane kommt von hinten / und haͤlt ihm die augen zu)

WEr iſt da / wer haͤlt mir die augen zu / ſoll mir ins kuͤnfftige auch das geſicht verbotten werden? ich b[i]tte / man laſſe mich loß / oder ich entreiſſe mich mit gewalt.

Mel.

Mein lieber Floretto! ich wars.

Flor.

Sieh da / ſeyd ihr alle tage ſo kurtzweilig.

Mel.

Ja / aber nur bey eures gleichen.

Flor.

Meines gleichen achten ſolchen ſchertz nicht hoch.

Mel.

Es iſt kein wunder / thut ihr doch gegen unſerer frauen / als wann ſie ein hund waͤr.

Flor.

Melane! habt ihr die gedancken beym juden verſetzt / oder lebt ihr itzt im ſchweren monden?

Mel.

Wie ſo mein lieber Floretto! iſts nicht war / ſie thut ſo freundlich mit euch / ſie redt mit euch / ſie ſtꝛeu - chelt euch / ich halte / ſie rieſſe das hertz aus dem leibe / und gebe euch die helffte darvon / und ihr ſeht gegen ihr aus / als wie ein leibhafftiger holtzbock. Ach du niedliches honigtoͤpffgen / ſoll dann meine frau ei - nen eſſigkrug an dir haben?

Flor.204Der triumphirenden keuſchheit
Flor.

Wenn hat euch meine frau zum geheimen rathe gemacht? ihr meint gewiß / weil ihr den ſcheꝛbel aus - butzen muͤſt / ſo wuͤſt ihr um alle ihre heimlichkeiten: ich verſtehe ſchon / wie ich mich in dergleichen haͤndel ſchicken ſoll.

Mel.

Wann ich an euer ſtell waͤr / ich wolte mich weit beſſer darein ſchicken.

Flor.

Das moͤcht ihr thun / ich aber werde doch zu euch langſam in die ſchule kommen.

(Geht ab.)
Mel.

Da geht das einfaͤltige bauers-buͤfgen / wann es nicht ein bißgen rauch umbs maul waͤre / ſo daͤcht ich / die ſchweine haͤttens ihm in der kindheit wegge - freſſen. Sind das nicht ſchwehre zeiten / meine lie - be groſſemutter hat lang davon gepredigt: ſie ſagte / vor zeiten wolten ſie gerne / da durfften ſie nicht / nun wolten ſie gerne / und koͤnnen nicht. Es gehet mei - ner frau nicht alleine ſo / ich arme hure kan auch ein liedgen darvon ſingen. Ach Pickelhering! mein liebſter Pickelhering! wie haſtu mein jungferlich hertze eingeſaltzen! ach ſtrotze doch nicht ſo / als wie ein verdorrter pickling / oder laß dich zum wenigſten durch das roſenwaſſer meiner treue liebe erweichen.

(Pickelhaͤring kommt gelauffen.)
Pick.

JA / wer ein narr waͤre / und lieſſe ſich den ſchmutzi - gen bernheuter um den ring fiedeln / ich halte mei - nen fetzer wohl ſo hoch / als ein ander ſeine naſe: Da ſolt ich ein ding bekommen / es heiſt mit dem erſten buchſtaben ein kuͤchen-ſchilling / da iſt mein herr ſo libeꝛal mit / als wenn er ſie geſtohlen haͤtte. Er mag in der jugend viel geſammlet haben / dann da er zurClar.205Erſte Abhandlung.Clariſſe auf die freyth gieng / da konnt er kein wort reden / er muͤſte mit dem ſteiſſe hinten naus wackeln / als wann er noch uͤberbluͤcken wolte. Aber dem ſey / wie ihm ſey / mir ohne ſchaden.

Mel.

Liebſter Pickelhering / wo ſeyd ihr dann allezeit?

Pick.

Jn kleidern / wann ich nicht bade.

Mel.

Was macht ihr aber ſo manches liebes langes mahl?

Pick.

Jch ſchniebe / daß ich nicht erſticke.

Mel.

Jhr muͤſt ohne zweiffel viel zu verꝛichten haben?

Pick.

Den kammer-maͤdgen ſchmier ichs gleich auff die zaͤhne / was ich zu verrichten habe.

Mel.

Pickelhering / wie ſehet ihr doch ſo ſauer?

Pick.

Jch hab heute noch kein nonnen-fuͤrtzgen gefreſ - ſen.

Mel.

O ſeyd ihr irgend boͤſe auf mich?

Pick.

Ja / mein thele / es verlohnte ſich der muͤh mit euch.

Mel.

Jch hab euch nichts zu leide gethan.

Pick.

Jhr ſollt mir auch was zu leide thun.

Mel.

Drum koͤnnt ihr mich ja lieb haben.

Pick.

D dich mein leibgen druͤcke / lieb haben werdet ihr meynen! Ey ſagt doch recht / brennt euch der kalte gruͤtze auch ſehr auffs hertze / oder iſts nur euer hoͤflicher ſchertz?

Mel.

Mein Engel / mein hertze!

Pick.

Jch hoͤre auf dieſer ſeite nicht / geht nur fuͤrs an - der ohres-loch.

Mel.

Jch ſterbe vor liebe.

Pick.

Viel gluͤcks auf die reiſe.

Mel.

Jch erſteche mich.

Pick.

Ja / wanns nicht weh thaͤte.

Mel.206Der triumphirenden keuſchheit
Mel.

Jch erhencke mich.

Pick.

Geht nur an dorff-galgen / ſo faͤllt euch kein zie - gel auf den hals.

Mel.

Jch erſaͤuffe mich.

Pick.

Es man gelt ſonſt im waſſer an ſtockfiſchen.

Mel.

Soll ich dann verderben / liebſter Pickelhering.

Pick.

Jch kans wol leiden.

Mel.

Ach! nur ein blickgen.

Pick.
(kehrt ſich um)

da mein ſchatz / liebaͤugle dich fein ſatt.

Mel.

Ach ein freundliches ſchnipgen.

Pick.

Geld und gut hab ich nicht / wem mit freundli - chen ſchnipgen gedient iſt / dem bin ich bereit.

(Schlaͤgt ſie an hals / und laͤufft davon.)
Mel.

AEh der kauffmañ der die barmhertzigkeit aus Oſt - Jndien hat herbꝛingen ſollen iſt gewiß mit ſeinem ſchiffe untergangen / dann ſie iſt trefflich theuer. Jch halte / pickelherings mutter hat ſich an einen pflaſter - ſteine verſehen / daß er ſo hart ums hertz iſt / oder ver - ſtehet etwan der junge lecker noch nicht wo Barthel moſt holt / halt / es iſt umb ein verſuchen zu thun / ich wils ihn durch ſeinem vatter zu verſtehen geben /

(klopfft an)

hola / hola.

Eph.

Nu nu / zerbrecht mir nur die thuͤr uicht / was gibts dann hauſſen?

Mel.

Ach lieber herr thorwaͤrter! verzeihet mir doch großguͤnſtig / daß ich euch ſolche ungelegenheit ma - che / ich habe gar was nothwendiges mit euch zu reden.

Eph.

Machts nicht lange / ein beampter wie ich / kan nicht lange audienz geben

Mel.207Erſte Abhandlung.
Mel.

Da wolt ich nur an enren pickelhaͤring geden - cken / er kommt immer zu mir / heiſt mich ſein ſchaͤtz - gen / ſein laͤmgen / ſein alls mit einander / bald zwickt er mich in die aꝛm / er ſticht mich mit den finger in die ſeite / und wann er mich hertzt ſo thut er / als wann er mich freſſen wolte? neulich hube er mir den rock auff / und klitſchte mich / und rieß mir ein ſtuͤck vom hembde / das wolt er ſo lang mit zu bette nehmen / biß er mich ſelber nein kriegte: weil ich nun mit den thalpoſſen nicht auskom̃en kan / ſo wolt ich nur fra - gen / obs euer wille waͤr?

Eph.

Wie? wer? was? wen? mein ſohn? pickelhaͤring / in den arm! in die ſeite / auf den ſteiß? zu bette neh - men / geh du garſtiger miſtfincke! packe dich aus mei - nen geſichte / mit meinem willen ſolt ihr nimmer - mehr zuſammen in ein bette kommen.

Mel.

Jhr duͤrfft auff mich nicht boͤſe ſeyn / warumb habt ihr ihn nicht anders erzogen / wolt ihrs beſſer haben / ſo ſchafft mir friede vor dem vogel.

(geht ab.)
Eph.

O ich armer alter mann! hab ich nicht ein haus - creutz bey meinen ſchweren und groſſen ampts-ſor - gen. Jhr leute / gedenckt an mich / wo ich den ſchel - men in der boßheit ertappe / ſo hacke ich ihm den kopff in dreyhundertſtuͤcke / und werffe ihm den hiꝛn - ſchedel zum fenſter hinauß. Wie muß es doch im - mermehr kommen / daß vornehme leute ſolche unge - rathene boͤſe kinder haben / ich ſinge ich ſage / einen qvarck faſſt er.

(Pickelhaͤring kommt und ſingt: Da mein herr vat - ter in Franckreich zog / da hertzt er meine frau-mut - ter.
Eph.208Der triumphirenden keuſchheit
Eph.

Kommt und ſchmeiſt ihn hinters ohr.)

Pick.

Nu wieder was neues.

Eph.

Du ſau / du ſau.

Pick.

Seyd ihr doch mein tatter.

Eph.

Du ertz-ſau / du ſtern-ſau / du gifft-ſau / du ſtral-ſau / du donner-ſau.

Pick.

Jhr ertz-vatter / ihr ſtern-vatter / ihr gifft-vat - ter / ihr ſtral-vatter / ihr donner-vatter.

Eph.

Du wilde ſau du ſpeck-ſau / du comiß-ſau / du ertz-ſau.

Pick.

Wann ich werde ſo lang thorwaͤrter geweſen ſeyn / und werde ſo viel ſchweine von der thuͤre ge - pruͤgelt haben / wie ihr / ſo wil ich auch einen groſſen kuͤchen-zeddel von ſauen hermachen.

Eph.

Gib her / du ſau.

Pick.

Wolt ihr eine wurſt haben?

Eph.

Das zerriſſene hembde gieb her.

Pick.

Die alte Sibylle die flickt mirs geſtern / es iſt nicht zerriſſen.

Eph.

Das zerriſſene maͤgde-hembde gieb her.

Pick.

Haben denn die maͤgde auch hembder an?

Eph.

Gucke nur den ſchmutzigten kammer-maͤdgen an den puͤrtzel / du ſau.

Pick.

O ich werde heuer kein ſterngucker.

Eph.

Aber der Melane kanſt du wohl klitſcher geben / kanſt ihr das hembde zerreiſſen / und die zipffel mit zu bette nehmen / kanſt ſie in die arm zwicken / kanſt ſie mit dem finger in die ſeite ſtechen / kanſt ihr den geiffer vom maule lecken / kanſt ſie mein ſchaͤtzgen / mein laͤmgen heiſſen. O in ſchwein-ſtall mit einer ſolchen ſau / ich weiß alles / ſie hat mirs ſelber geſagt. Geh / geh / da haſt du einen ſchreckenberger / ſieh / wodu209Andere Handlung.du fort kommſt / ich mag dein vater nicht mehr ſeyn.

(geht ab.)
Pick.

Das iſt mir ein ſafftges kammer-maͤdgen / ein eingemachtes raben-aͤßgen / da verklagt mich das kluncker-fuͤchſgen beym vatter / und ſchreibt mir fuͤr / wie ichs machen ſoll. Ja / ich muͤſte meinen zwirn geſtohlen haben / daß ich ihn an einen ſolchen kittel vernehen wolte. Ach nein / ich bin ein wein-koſter / den kofent gieß ich auf die gaſſe. Jhr leute / wann das ſchwam̃endruͤckergen heraus kommt / ſo ſprecht / es iſt unvonnoͤthen / daß ſie ſich weiter vergebens anmelden will.

(geht ab.)

Andere Handlung.

Beliſſe.

SO offt ich mir die Clariſſe vor augen ſtelle / ſo offt muß ich mich uͤbeꝛ die unbeſtaͤndigkeit der menſch - lichen freude beklagen. Sie war eine zierde die - ſes hofes ein auszug allerluſtigen erfindungen / ein kurtzer begriff aller freymuͤtigen hoͤflichkeit. Es lachte und lebte alles an ihr / und wer das gluͤcke hat - te in ihrer belieblichen geſellſchafft zu ſeyn / durffte ſich keine betruͤbte gedancken in ſinn kommen laſſen. Jetzund aber ſchlaͤgt ſie die muntern augen nieder / und verwickelt ſich in allerhand melancholiſche ver - drießlichkeit / die ſchoͤne ſonne verkreucht ſich hinter die wolcken / und die blumen / welche ſich bey ihrer ankunfft herfuͤr thaten / werden von ihrem liechte nicht mehr erfreuet. Die gebrochenen und wieder erholten ſeufzer verſchlieſſen den worten die ſtraſſe / und wann ſie reden will / muß ſie den thꝛaͤnenden au -Ogen210Der triumphirenden keuſchheitgen die pflicht leiſten. Jch wolte ſagen / ſie waͤre verliebt / wann ſie nicht den kern von allen cavaliren in den armen haͤtte.

(Clariſſe und Floretto kommen.)
Bel.

Aber ſieh da / wann man des wolffes gedencket / ſo koͤmmt er / ich muß etwas auf die ſeite tretten / biß ſie den knecht abgefertigt hat.

Clar.

Floretto / du biſts geweſen.

Flor.

Was belieben ihrer gnaden.

Clar.

Du haſt mich gekuͤtzelt.

Flor.

Jch werde heute nicht anfangen / meiner ſchul - digen ehrerbietung zu vergeſſen.

Clar.

Du muſt es geweſen ſeyn.

Flor.

Womit hab ichs dann verſchuldet / daß ich nun - mehr in ſolchen unbilligen verdacht gezogen werde?

Clar.

Du haſt es geſtern verſchuldet.

Flor.

Geſtern / Jhre Gnaden?

Clar.

Ja geſtern / wer war es / als ich geſtern meinen Rodoman kuͤſſen muſt / der mir ſo einen ſanfften tritt auf den fuß gab / war es nicht der muthwillige Floretto?

Flor.

Jch muß endlich ſchertz verſtehn / dann was ihre gnaden mir nach eigenen belieben auf buͤrden wol - len / kan ich nicht von mir weltzen.

Clar.

Jch ſchertze nicht / Floretto.

Flor.
(kniet)

Jſt dann nicht uͤbrig / dardurch ich meine unſchuld bekraͤfftigen kan?

Clar.

Steh auff / einfaͤltiger Floretto! du haſt mir deß - wegen keinen mißfallen erwieſen: Jſt mir doch ein hurtiger und luſtiger knecht lieber / als eine unge - ſchickte hoͤltzerne liechtbutze.

Flor.

Jch bin aber nicht luſtig.

Clar.211Andere Handlung.
Clar.

Gleichwohl hab ich dieſe nacht einen luſtigen traum von dir gehabt.

Flor.

Jch bin gehorſam / und glaͤube ſachen / die ich mir nicht einbilden kan.

Clar.

Jn warheit / es traͤumte mir / als haͤtteſt du mei - nes Rodomans kleidung angezogen / und kaͤmeſt in mein cabinet / ich ſtund auf / und wolte meinen lieb - ſten umfangen / und meiner gewohnheit nach / ver - ſuchen / ob ich mit meinen kuͤſſen ſeiner hoͤfligkeit koͤnnte zuvor kommen: Sieh da / ſo wareſt du es / deſſen aber ungeacht / war ich ſo entzuͤckt / daß ich wol tauſend liebkoſungen von diꝛ einnehmen muſte. Jch habe die zeit meines lebens dergleichen bren - nende kuͤſſe nie empfunden / dergleichen gemuͤths - reitzung nie ausgeſtanden / als zu der ſtunde / da ich durch die ſcharff-ſinnige einbildung / in die feſte vee - buͤndniß deiner ſchneeweiſſen arme gelocket ward / bedencke nun ſelbſten bey dir / ob ich nicht urſach ge - nug habe / dich den muthwilligen Floretto zu neñen.

Fl.

Ein traum iſt ein traum / und ſein nichtiges ſchat - ten-werck beluſtiget ſie offtermaln in unmoͤglichen dingen.

Cl.

Wie koͤmmt es aber / daß ich dein luſtiges gemuͤthe nicht ſo wohl am tage bey wachenden augen / als in der nacht im dunckeln erkennen kan.

Fl.

Am tage bin ich mir ſelbſten aͤhnlich / in der nacht ſteht es allen luſtigen gemuͤthern frey / meine geſtalt mit frembden farben zu veraͤndern.

Cl.

Doch moͤcht ich gerne ſehen / ob es dir am tage ſo wohl anſtehen ſolte / verſuch es / mein Floretto.

Fl.

Am tage ſieht mich niemand vor den Rodoman an.

Cl.

So zeuch ſeine kleider an.

O 2Fl. Ein212Der triumphireuden keuſchheit
Fl.

Ein knechtiſcher leib ſoll kein ſolches kleid entheili - gen.

Cl.

Ein freyes gemuͤthe ſoll kein ſolches kleid ausſchla - gen.

Fl.

Es kommen viel ſachen zuſammen / die mir nicht anſtehen.

Cl.

Bey mir ſol dir alles anſtehen.

Fl.

Meine vernunfft ſagt mir was anders.

Cl.

Mein wille gebeut dir was anders.

Fl.

Jhr befehl verſucht mich.

Cl.

Deine einfalt betruͤbet mich.

Fl.

Jch halte mich hier zu lang auff ihre gnaden leben wohl.

Cl.

So wilſt du mich verlaſſen?

Fl.

Das gebott ihres geliebten / meines herrn treibt mich darzu.

(Geht ab.)
Cl.

Entweder Floretto iſt nicht klug genug / oder ich bin nicht ſchoͤn genug / ſonſt wuͤrde er ja meinen kla - ren und deutlichen anſinnen nicht ſo wiederſpenſtig begegnen / ich liebe / und laſſe mir die aͤngſtlichen be - gierden tag und nacht das hertz abfreſſen / und ein ſchlechter unanſehnlicher knecht will mir die ſchul - dige und nothduͤrfftige huͤlffe verſagen!

(Beliſſe praͤſentirt ſich.)
Cl.

Loſes kind! was machſt du hier?

Bel.

Loſes kind! was redſt du hie?

Cl.

Jch ſchertze.

Bel.

Mit ernſthafftigen gedancken?

Cl.

Es iſt ſonſt nicht mein brauch.

Bel.

Drum iſt es was neues.

Cl.

Ach! laß mich zufrieden.

Bel. Es213Andere Handlung.
Bel.

Es iſt wahr ich bin nicht Floretto.

Cl.

Das ſind vortreffliche reden.

Bel.

Und das iſt eine vortreffliche liebe.

Cl.

Sieh da naͤrrgen / wilſt du ein hoͤltzgen haben?

Bel.

Sieh da muͤhmgen / wilſt du den Floretto haben?

Cl.

Was heiſſen aber die kinderpoſſen?

Bel.

Verliebten leuten kans niemand recht machen.

Cl.

Das koͤmmt gar duͤrre.

Bel.

Wann man ſich in einem knecht verliebt.

Cl.

Und wem geht dieß an?

Bel.

Die jenige die mit dir redet.

Cl.

Jſt Rodoman ein knecht?

Bel.

Wann Floretto ſeine kleider anzeucht.

Clar.

Jch muß lachen.

Bel.

Das weinen ſtuͤnde dir beſſer an.

Clar.

Hab ich nicht ein kluges muͤhmgen?

Bel.

Wann ich die klugheit verlohren haͤtte / ſo ſuchte ich ſie ſchwerlich bey dir wieder.

Clar.

Was haſtu denn jetzund bey mir zu ſuchen?

Bel.

Die ehre will ich ſuchen welche du einem gerin - gen knecht aufopfferſt.

Clar.

So darff ich meinen knecht nicht vexieren?

Bel.

Aber nicht liebes-haͤndel mit ihm treiben.

Clar.

Das thu ich nicht.

Bel.

So lang / als Floretto nicht wil.

[ Cl. ]

Du hoͤreſt allezeit das gras wachſen.

Bel.

Ach Clariſſe / Clariſſe! es ſtehet ſchlecht genung daß du deinen ehrenſtand in abgrund der knechti - ſchen veꝛachtung erniedrigen wilſt / ſolte ſich eine ſol - che anſehnliche und beruͤhmte dame nicht eher in den finger beiſſen / als daß ſie ihrem nahmen ſo einen unertraͤglichen ſchimpff anziehen wolte?

O 3Clar.214Der triumphirenden keuſchheit
Clar.

Muͤhmgen! wann du predigen wilſt / ſo thue meiner weiſſen katze die leich-predigt / die iſt geſtern an ſechswochen geſtorben.

Bel.

Wer die warheit ſagt / der iſt nicht angenehm.

Clar.

Jch halte / du haſt den Floretto ſelber lieb.

Bel.

Es muͤſte mich geluͤſten.

Clar.

Er waͤr auch deiner ſchoͤnheit noch wol werth.

Bel.

Wann du ſeine magd biſt / koͤnnt ich ihn wol zum liebſten haben.

Clar.

Muͤhmgen / das war wohl gegeben.

Bel.

Jch kans nicht beſſer geben / als du es machſt.

Clar.

Muͤhmgen / verzeih mir / daß ich dir nicht laͤnger geſellſchafft leiſte / ich habe ſonſt zu thun.

(Geht ab.)
Bel.

Gruͤſſe den Floretto meinetwegen. Was ſoll ich thun? ſoll ich die unbeſonnenheit der leichtſin - nigen Clariſſe anklagen / oder ſoll ich mich uͤber die ſtandhafftige tugend des tapffern Floretto verwun - dern? Clariſſe hat endlich nicht unrecht / daß ſie bey dem feuer der liebreitzenden ſchoͤnheit warm wird / aber Floretto hat auch nicht unrecht / indem er die unziemlichen begierden eines ſchwachen wei - bes-bildes mit verſtaͤndiger langmuͤtigkeit zu bre - chen weiß.

(geht ab.)
Ephialtes / Sibylle.
Eph.

Du alter beſchmitzter hoͤlle-riegel / wilſt du nicht von der thuͤre weggehen?

Sib.

Ach mein freundlicher lieber Herr! ich meyn es gut mit euch / ihr koͤnnet es nicht glauben.

Eph.

Und ich meyn es ſo gut mit dir / ich moͤchte dich immer auf dem ſchiebkarn ins waſſer ſchicken.

Sib.215Andere Handlung.
Sib.

Ach liebe liebe! wie brenneſt du mich!

Eph.

Du duͤrres reißgebund / biſt du nicht lange ver - brannt?

Sib.

Jhr ſollt auch mein liebes vaͤtergen ſeyn / ich will euch lieb und werth halten / ach nehmt mich nur.

Eph.

Was ſolte ich mit einer alten zerbrochenen baß - fiedel machen?

Sib.

Jhr werdet ja das wiſſen?

Eph.

Du alter rumpel-kaſten / es waͤr gleich als wann ich den kopff zwiſchen die ſtuben-thuͤre ſteckte.

Sib.

Seyd ihr doch auch nicht jung.

Eph.

Denckt doch / das verſchimmelte Jnventarium will ſich mit mir vergleichen. Du lahme himmel - weiffe / du biſt im Trojaniſchen kriege ſchon eine marcketenner-hure geweſen / und wilſt mir itzt mei - ne jugend vorwerffen.

Sib.

Mein lieber Herr! erzuͤrnet euch nicht / ihr ſeht wohl / verliebte leute koͤnnen ihre kurtzweil nicht laſ - ſen.

Eph.

Kan ein ehrlicher mann nicht in anfechtung ge - rathen / denckt nur nach / da hat ſich das raben-aaß in mich verliebt / nun ich habe auch fleiſch und blut / und es laͤſſet ſich mit ſolchen poſſen nicht lange ſcher - tzen / fuͤrwahr / es iſt mir angſt und bange darbey.

Sib.

Mein engelgen! nun wirds bald?

Eph.

Ja / auffs neue jubel-jahr.

Sib.

Ach warum nicht heute / o mein hertzgen! mein gold-kaͤfergen! mein ſeiden-wuͤrmgen! mein may - kaͤtzgen! mein laͤmmer-ſchwaͤntzgen!

Eph.

Ach meine kohlmeiſe! meine diſtelfincke! mein ſpul-wuͤrmgen! mein miſt-haͤmmelgen! wann nichts draus wuͤrde / ſo waͤre mirs am liebſten.

O 4Sib.216Der triumphirenden keuſchheit
Sib.

Ey redet doch nicht ſo poßirlich ding / ihr werdel nicht ein kind ſeyn / und werdt mich armes weib in ſolchen ſchanden ſtecken laſſen.

Eph.

Heute gehts nicht fort / hoͤrt morgen wieder her.

(geht ab.)
Sib.

Strotzt der thorwaͤrter nicht / wie eine verroſte hellebarte / ich mag freundlich thun / ich mag gute woͤrtgen geben / es hilfft eines ſo viel als das ander / ja / wer ein jahr oder funfftzig zuruͤcke haͤtte / ſo moͤch - te ſich der ſchaͤbichte krippenſtoͤſſer wohl nicht lange bedencken / das liebe alter / das liebe alter iſt in den letzten zeiten gar zu veracht. Was fang ich nun an / einen mann muß ich haben / und ſoll ich ihn mit den fingern aus der erden kratzen.

(Pickelhaͤring kommt.)

Halt / da kommt des thorwaͤrters ſohn / vielleicht nimmt mich der zur mutter an.

Pickelh.

Mein vater hat gewiß haͤckerling im kopffe / er dacht / ich wuͤrde mit einem ſchreckenberger die gantze welt ausreiſen / und da ich auf ein viertel - ſtuͤndgen ins wirths-hanß geh / iſt er auf einmahl fort / ich halte / ich bin noch ſo viel ſchuldig. Nein / mein vater ſoll mir das nicht weiß machen / ich weiß mich in die geld-mittel beſſer zu ſchicken.

(Pickelhaͤring laͤufft / Sibylle laͤufft neben ihm / und will ihm einholen.)
Pick.

EJn ſchreckenberger macht vierthalben orts-kreu - tzer / ein halber orts-kreutzer / macht ſieben pfen - ning rheiniſch / ein halber pfennig rheiniſchen / gilt ohngefehr ein krebs-pfenning / vor einen halben krebs-pfennig krieg ich gleich ſo viel bier als mir an deꝛ kleinen finger ſpitze kleben bleibt. Haͤtt ich nurAdam217Andere Handlung.Adam Rieſens rechenbuch bey mir / ich wolts meinẽ vatter vor die naſe ſchmieren / daß er mich ſo beſch -- betrogen hat.

Sib.

Jch alte arme frau / ich kan nicht mehr / ſteht doch ſtille.

Pick.

Ja / wer die ſchreckenberger noch zu vier pfenni - gen reſolviren koͤnte / ſo meinte ich / mein vatter haͤt - te mir wollen ein huren-geld geben.

Sib.

Wann hat dann das gelaͤuffe ein ende? ach mein guͤldner Pickelhaͤring! verzieht doch.

Pick.

Jch muß ſehn / ob ich meinem vatter uͤber die ſchreckenberger mit einander kommen kan / holla / es geht drauff loß.

Sib.
(Haͤlt ihn.)

Mein liebſter Pickelhaͤring! wie wirds dann.

Pick.

Sa ſa Sibille / ſeyd ihrs?

(traͤgt ſie auf den ar - men / und wirfft ſie hernach nieder.)
Sib.

Mit euren poſſen / ich wolte ſo ſchoͤne ſachen mit euch reden.

Pick.

Schoͤne ſachen werd ihr meynen / nun ſchwatzt doch fort.

Sib.

Erſtlich muͤſt ihr wiſſen / daß ihr mein ſohn ſeyd.

Pick.

Zum andern muͤſt ihr wiſſen / daß ihr geſchoſſen ſeyd.

Sib.

Jhr duͤrfft nicht dencken / daß ich mich im bran - bewein voll geſoffen habe / ihr ſeyd gewiß mein ſohn.

Pick.

Jhr heiſt ja nicht Pickelhaͤring / und ich heiſſe ja nicht die alte Sibille / wie kan ich dann euer ſohn ſeyn?

Sib.

Euer vatter ſahe meine ſchoͤne ducaten / meine al - te thaler / meine doppelduͤtgen / meine achtzehenpfen - niger / meine margengroſchen / und all mein reich -O 5thum /218Der triumphirenden keuſchheitthum / da bat er mich / ich ſolte doch ſeine Frau wer - den. Nun wer ſchlaͤgts gern alten ehrlichen leu - ten ab / ich ſagte ja / und wir ſind bald ein paar / gelt Pickelhaͤring / ich bin deine mutter.

Pick.
(kraut ſich im kopffe)

O ich armer buͤrſten - binder-geſell! ich dachte ich waͤre der eintzige erbe zu meines vatern guͤttern / aber nun ſeh ich wohl / ich werde doch ein halb dutzent bruͤder / und ein halbe mandel ſchweſtern bekommen. Was hat doch mein vater / der alte Zebedaͤus / gefreſſen / daß er ſich auff ſeine alten tage / mir zum poſſen / will ankom - men laſſen?

Sib.

Fromm / fromm / lieber Pickelhering / ich werde ja gut genug zu euer mutter ſeyn. Gelt die war - men ſuppen ſchmaͤcken euch gut / und wann man un - terweilen ein biergeld kriegt / ſo thuts treflich ſanfft.

Pick.

Es ſind zwey fragen / erſtlich ob die warmen ſup - pen gut ſchmecken / und darnach / ob ich euch zur mutter haben will? eins iſt wahr / das ander geht auff ſteltzen.

Sib.

Laſſts immer auff ſteltzen gehen / wanns nur fort koͤmmt / ſeht / da habt ihr meine hand / alle tage 6 Pfennige zu biere / 4 Pf. zu einer ſemmel / und 2 Pf. zu nuͤſſen / und die woche 1 gr. extra / den moͤgt ihr hinthun / wo ihr wollt.

Pick.

Aber / wollt ihr mir das geld alle tage baar aus - zahlen?

Sib.

Auch wohl auf 8 tage voraus.

Pick.

Jch nehm aber kein ander geld / als lauter Fran - tzoͤſiſche wildemanns-thaler.

Sib.

Wie ihr wollt / wie ihr wollt / mein ſchatz / guten tag unter deſſen / ich muß zu meiner Beliſſe gehen.

(geht219Andere Handlung.
(geht ab.)
Pick.

Hertze ſtieff-mutter / kleckt hin / leckt wieder her: Wann ich nicht wuͤſt / daß ich klug waͤre / ſo wuͤrde ich fuͤrwahr uͤber den thoͤrichten haͤndeln zum nar - ren: mein vater / der verſtorbene Gaſconier / will mir das loͤffeln verbieten / und er thuts ſelber / ach / wann die alte Sibylle gienge / und lieſſe ein Epita - phium in eine ſpittel-ſtube aus ſich machen / und mein vater der ſchweintreiber bliebe bey ſeiner nah - rung / ich wolte doch wohl die pfennige allein ver - zehren.

(Ephialtes koͤmmt / und geht in tieffen gedancken.)
Pick.

BOtz tauſend / iſt das nicht der neue liebhaber / der ſchaͤffer Coridon / wo muͤſſen itzt ſeine fuͤnff ſinne ſeyn? er hat ſie gewiß in die neue welt nach einem verliebten lied geſchickt. Ach die ſchoͤne Galathe! kan ſie einem ehrlichen kerlen nicht die purle im bau - che machen / ſachte / ſachte /

(ſprang umb ihn herumb)

ouy ouy ouy / ouy ouy ouy.

Eph.

Du ungehangener verlauffner dieb / biſt du wie - der da?

Pick.

Ouy ouy ouy.

Eph.

Du unreiner geiſt / muſt du mich allzeit beſitzen.

Pick.

Ouy ouy ouy.

Eph.

Jch werde mit dir nicht lange ermel machen / geh / oder ich werde boͤſe.

Pick.

Ouy ouy ouy.

Eph.

Du tummes affen-geſichte / was iſt dann das vor eine ſprache?

Pick.

Ouy vater / ouy vater.

Eph.220Der triumphirenden keuſchheit
Eph.

Halts maul / oder rede was beſſers.

Pick.

Heꝛr vater / viel gluͤcks zum neuen ehſtand / aber doch ouy ouy ouy.

Eph.

Jch laſſe dich doch noch an ketten anſchlieſſen.

Pick.

So will ich euch wohl bey eurer liebſten verkla - gen / ouy ouy.

Eph.

Du ſchelm / du haſt was vor.

Pick.

Die alte Sibylle / euer jungfer braut / laͤſſt euch freundlich gruͤſſen / ouy ouy.

Eph.

Du elender donner / ſtich dich nicht in den braͤu - tigam / geh deiner wege / und ſtecke die zunge tieffer in qvarck / eh du davon reden wilſt.

Pick.

Jch werds nicht wiſſen / ſie hat es ſelber erzehlt / ihr alter ſchimmelkopff / ihr moͤcht eure groſſe ABC taffel wol beſſer in ehren halten / als auf die weiſe / es iſt eine trefliche ſache um einen verruntzelten loͤffel - knecht / ouy ouy.

(laͤufft davon.)
Eph.

Eines von euch beyden muß das leben laſſen / hats Sibylle geſagt / ſo will ich ihr mit einem ſtroh - halme ein bein ſtellen / daß ſie den hals zehnmahl druͤber brechen ſoll; hats aber mein leichtfertiger vogel Pickelhaͤring aus dem finger geſogen / ſo will ich riemen aus ihm ſchneiden / und will ihn mit zu tode peitſchen.

(geht ab.)
Flor.

Soll ich dieſen brieff behalten / oder ſol ich ihn in den winckel der vergeſſenheit werffen? Melane / die verſchmitzte dirne / hat mir den poſſen heimlich genug mit geſpielet / da ſie mir die hand bieten wil / laͤſt ſie dieſes papier zuꝛuͤcke / und wiſcht davon / doch / es ſey darum / ich wil ihn leſen.

Mein221Andere Handlung.
Mein Floretto.

DJe feder wuͤrde ſich vor meiner eꝛniedrigungſchaͤ - men / wofern ich nicht in deiner geringen perſon eine hochſchaͤtzbahre trefflichkeit verehren muͤſte / und darzu / was koͤnte mir die uͤbrige ſchamhafftig - keit nuͤtzen / wann ich ſterben ſolte. Jch habe einen fuß ſchon in dem grabe / wo mich deine gewuͤnſchte gegen-liebe nicht zuruͤcke zeucht. Doch wie geht diß zu / ich befehle meinen diener / und er iſt ungehor - ſam; ich begehre von meinem freunde / und er iſt un - dienſthafftig; ich bitte von meinem herrn / und er iſt unbeweglich. Ach! ich weine / iſt dann diß nicht genung / nun ſo wil ich ſterben / um zu erweiſen / das ich nicht anders leben kan / als wann ich heiſſen ſoll deine geliebte

Clariſſe

(Floretto zureiſt ihn.)

BEh / du nichtswuͤrdige mißgeburth aller veraͤcht - lichen ſchandſchrifften / zerreiſt euch / ihr verfluch - ten buchſtaben / und beſchweret das unſchuldige pa - pier nicht. Entweichet aus meiner unbefieckten hand / damit das verzehrende rach-feuer des zorni - gen himmels nicht eurentwegen auch uͤber mich komme. Empfanget den gebuͤhrenden lohn von einem großmuͤtigen knechte / der in ſeinem hertzen uͤber alle bottmaͤſſigkeit triumphiren kan. Aber ach! wie werde ich mich endlich vor allem unziemli - chen anlauff beſchuͤtzen / was vor waffen werd ich der heimlichen gewaltthaͤtigkeit entgegen ſetzen? ich ſchwebe ---

Bel.

Siehe da Floretto! ſeyd ihr ſo allein?

Flor.

Jhr gnaden belieben vielleicht dero geliebte frau muhme zu beſuchen?

Bel.222Der triumphirenden keuſchheit
Bel.

Jch vermeynte ſie hier anzutreffen.

Flor.

Jhre majeſt. die koͤnigin hat ihrer vor einer hal - ben ſtunde begehrt / ſolt es aber einige nothwendig - keit betreffen / wolt ich leicht gelegenheit finden / die bottſchafft auszurichten.

Bel.

Seyd ohne muͤh / ich wolte etwas kurtzweilen: aber hoͤrt Floretto / kan ich nicht erfahren / was ihr vor ein landsmann ſeyd?

Flor.

Ach / warum wollen Jhr Gnaden mich durch die erinnerung meines geliebten vaterlandes betruͤbẽ?

Bel.

Jch will euch nicht betruͤben / ich will euch viel - mehr troſt zuſprechen / antwortet mir auff meine frage.

Flor.

Gnaͤdiges Fraͤulein! ich bin ein Deutſcher / itzt aber ein elender Jtaliaͤniſcher ſclave.

Bel.

Ein Deutſcher / aber aus welcher Provintz?

Flor.

Mein itziger zuſtand hat mir den mund ver - ſchloſſen / daß ich alles / was mich angehet / verſchwei - gen muß.

Bel.

Verſichert euch / was ihr mir erzehlet / ſolt ihr zu eurem ſchaden nicht geſagt haben / eroͤffnet mir nur die begebenheiten eures lebens / dann ich weiß nicht / was ich vor eine hohe ankunfft aus euer ſtirne leſen kan.

Flor.

Allergnaͤdigſtes Fraͤulein! kan diß wohl moͤg - lich ſeyn / daß meine niedrigkeit bey dero hohen per - ſon einige erleichterung des ungluͤcks finden ſoll.

Bel.

Wie geſagt / ihr habt euch nichts boͤſes / ſondern lauter gutes zu verſehen / halt mich nur in meinem verlangen nicht auff.

Flor.

So will ich auch mein ſtillſchweigen brechen / und der jenigen meine ungluͤckliche zufaͤlle offenba -ren /223Andere Handlung.ren / zu dero gnaͤdigſten befoͤrderung ich mich gaͤntz - lich ergeben will. Jch bin ein Deutſcher / mein vaterland iſt Sachſen / und meine eltern zehlen ſich unter die vornehmſten Grafen deſſelben landes. Der krieg / welcher ſich vor langer zeit zwiſchen Con - raden / dem rechtmaͤßigen beſitzer dieſes koͤnigꝛeichs / und Carlen dem Frantzoſen / in dieſem lande herum gefreſſen / hat meinen Herꝛn Vater / den tapffern Ludwig / bekandt gnug gemacht / alſo / daß ich glei - cher geſtalt veranlaſſet worden / mich folgender zeit in Arragoniſche dienſte zubegeben / um wider die gewaltthaͤtige beſitzung dieſes Koͤnigreichs zu fechten. Doch mein unſtern war ſo groß / daß ich bey der erſten gelegenheit mein pferd und meine freyheit verlohr. Jch war meiner perſon wegen / ſo ſorgfaͤltig / daß ich mich vor einen ſchlechten ſolda - ten ausgab / in meynung / es moͤchte mir zu uneꝛtraͤg - lichen ſchimpfe ausſchlagen / wann ich durch benen - nung meines herrn vatters / den feinden die victori herrlicher machen wolte / alſo bin ich in der gefan - genſchafft blieben / habe den nahmen Heinrich mit Floretto vertauſcht / und nachdem ich die flucht offteꝛmahls vergebens vor die hand genommen / bin ich dem Rodoman geſchencket worde / da ich nichts zu klagen habe als

Bel.

Redet weiter / es traͤgt euch keine gefahr.

Flor.

Nichts / nichts / ich habe die rede beſchloſſen /

Bel.

Jch will es wiſſe / der beſchluß war noch nicht da.

Flor.

Jch wolte ſagen / ich waͤr ein knecht.

Bel.

Seht mich nicht vor ſo einfaͤltig an / ihr wolt ohn zweiffel auff mein muͤhmgen klagen.

Flor.

Jch weiß nicht / Jhr Gnaden verſchonen michmit224Der triumphirenden keuſchheitmit der frage.

Bel.

Jch wil euch nicht beſchwerlich ſeyn / habt nur ſchoͤnſten danck vor den ausfuͤhrlichen bericht eu - res lebens / und vergewiſſert euch / das alle die erzeh - lung noch zu eurem vortheil gereichen ſol.

Flor.

Jhr Gnaden bet ich an / als eine Gottheit / die mir / in der dunckeln nacht meines elendes / einen ſuͤſſen blick der belieblichſten hoffnung ſehen laͤſt.

Bel.

Jhr doͤrfft mir mit ſo hohen worte nicht ſchmei - cheln / aber ſeyd gewiß / daß ich euch gewogen bin / lebet wohl.

(Geht ab.)
Flor.

Des himmels ſeegen begleite ihr Gnaden. Ach wolte Gott! daß diß der anfang meines neuen gluͤ - ckes waͤre.

(Geht ab.)
Pickelhaͤring.

BElt / ich habs meinem vater brav geſagt / der alte ehebrecher mag wohl ſelber eine ſau ſeyn / die Me - lane iſt allzeit auf dem ruͤcken ſchoͤner / als die alte verſchrumpelte Sibylle um die naſe. Jch habe zum element meine kinder-ſchuhe vertretten / und wer mich vor einen jungen anſieht / der hat ſeine ta - ge keinen jungen geſehen. Zum ſchilling bin ich zu groß / und zu den ohrfeigen zu klein / mein vater thut mir an beyden keinen dienſt. Aber halt / wann ich meinen vater ein bißgen beſchaͤmen koͤnte / ich will mich vor die alte Sibylle anziehen / und wo er mich nothzuͤchtiget / ſo ſoll ihm der hoͤniſche dorff - teuffel das liecht halten. Adieu ihr herren / in der geſtalt ſeht ihr mich nicht wieder.

Cla -225Andere Handlung.
(Clariſſe koͤmmt und rufft:)

Pickelhaͤring wo hinaus / ſteh!

Pick.

Es iſt wohl ſchlimm / wo die weiber das regi - ment haben / nun da bin ich / was gibts junges?

Clar.

Wo lieffſt du hin?

Pick.

Nirgend hin / ich gieng nur herum.

Clar.

Jch ſehe dirs am maule an / daß du haft wollen weggehen / bekenne / oder du ſolſt dich im hundeloche auffloͤſen.

Pick.

Wann ihr mir alles am maule anſehen koͤnnet / warum fragt ihr dann? ich wolte ein bißgen auff den marckt gehen.

Clar.

Und was haſt du auf dem marckte zu ſchaffen?

Pick.

Jch wolte nur nach der uhr ſehen / welche zeit es waͤr.

Clar.

Es ſind faule fiſche / aber wo iſt Floretto?

Pick.

Er war erſt da.

Clar.

Was that er?

Pick.

Er redet mit euer jungfer muhme.

Clar.

Was hat er mit ihr zu reden?

Pick.

Sie mochte auch nicht wiſſen / wie viel die gla - cke war / ſo fragte ſie ihn.

Clar.

Jch halte / ſie haben die ſtunden an den fuͤnff fin - gern abgezehlt.

Pick.

Jch weiß nicht / es gieng ſchon auff zwoͤlfe / da ich kam / ich habe den ſeiger nicht ſehen lauffen.

Clar.

Hoͤre Pickelhaͤring / ich wil dir eine kanne wein ſpendiren / wo du ſagſt / was ſie mit einander geredt haben?

Pick.

Frau / ich lag im winckel und ſchlief / das ſah ich wohl / daß ſie das maul gegeneinander auffſperten / ob ſie mit einander geſpraͤcht haben / das weiß ich ei -Pgentlich226Der triumphirenden keuſchheitgentlich nicht.

Clar.

Schelm / wilſt du auff die hinter-fuͤſſe tretten.

Pick.

Jch wolte gern auf den gaͤnſe-fuß tretten / ich habe keinen.

Clar.

Geh du ſtocknarr / ich mag dich nicht mehr ſehen.

Pick.

Groſſen danck / vor die gute abfertigung.

(Laͤufft davon.)
Clar.

Nun mein Floretto / biſt du da zerriſſen / thut dirs auf dieſer ſeithe weh. Steht die Beliſſe im lichten / daß du an der Clariſſe die liebe nicht erken - nen kanſt. Jch habe mich lange darfuͤr gefuͤrcht / doch das iſt mir angenehm / daß ich in zeiten darhin - ter komme. Entweder mein kopff ſoll keinen an - ſchlag mehr wiſſen / oder Beliſſe ſoll Floretto ver - liehren.

(Geht ab.)

Dritte Handlung.

Pickelhering
in der Sibylle kleidern.

DA koͤmmt die verliebte ſeele! ihr herren laſt euch nicht geluͤſten / ich habe nur die kleider geborgt / den andern zierrath / ihr wuͤſt es wohl / hat ſie ſelber be - halten. Wie wird meinem vater das hertze im lei - be wackeln / wann er mich ſehen wird. Ach liebe / liebe! du warmer peltzfleck meiner gedancken / laß doch den donnerkeil deiner freundligkeit in die hole weide meiner unwuͤrdigkeit hinein ſpatzieren. Aber vor allen dingen muß ich mich in der alten weiber complimenten exerciren / laß ſehn / ein bonus dies in folio, der kommt ſo / nein / nein / das war ein kleiner / ich kan ihn kaum in octavo einbinden laſſen / ſo / der war recht / ein verliebt augen-ſchwermergen / ſo / einſpitzig227Dritte Handlung.ſpitzig maͤulgen / ſo / ein kniefix ſo / botz tauſend das war ein kniefix mit dem fetzer / noch einmahl / ſo / ſo / es wird ſich ſchon geben wie das gꝛiechiſche (Ephial - tes kommt in der Melanen kleidern) doch was will Melane das raben-aas / halt / ich wil ihr auch einen wurm ſchneiden.

Eph.

Jch muß auf meine alte tage naͤrriſche haͤndel vornehmen / da plagt mich die ſorge wegen meines leichtfertigen ſohns aͤrger / als eine purgation im leibe / die leuthe ſprechen / er loͤffelt mit der abgenuͤtz - ten kammer-magd / und ich glaube gleichwol die ſa - che nicht gerne eh ich ſie ſeh / drum hab ich mich in ih - re kleider geworffen / und halte den muff vors maul / obs angehen will / daß er mich verkennet.

Pick.

Guten morgen / mein freundliches liebes kam - mer-kaͤtzgen.

Eph.
(Neiget ſich.)

Hu / hu.

Pick.

Hu hu / habt ihr kein maul? guten morgen.

Eph.
(Neiget ſich.)

Nu nu.

Pick.

Nu nu / hu hu / guten morgen /

Eph.
(Redet kleine.)

Groſſen danck.

Pick.

Du junges rabenfell / groſſen danck / du redeſt treflich klein / du pfeiffſt gewiß durch ein eng loͤchli - chen.

Eph.
(Klein.)

Ja / ja.

Pick.

Je daß du nicht ein knecht biſt / aber hoͤrt doch / habt ihr nicht meinen liebſten geſehen / das liebe fromme hertze / mich deucht immer / wann ich ihn kriege / ſo druͤckt mich der alp / ach der gute ehrliche thorwaͤrter / habt ihr ihn nicht geſehen?

Eph.
(Grob)

Leck mich im leibe.

Pick.

Du grobe keule / wollen wir mit einander dahin /P 2vor228Der triumphirenden keuſchheitvor meinem liegt auch kein ſchloß / ich frage nach meinem liebſten.

Eph.

Daß mir nicht der liebſte wegkommt / er muß ſich darnach ſehnen.

Pick.

Du junge alraupe / was darffſt du dein maul druͤber zerreiſſen.

Eph.

Du altes brummeiſen / was darffſt du dich ſol - cher haͤndel beruͤhmen.

Pick.

Du junger klunckermutz / was gehts dich an?

Eph.

Du altes hundefell / es geht mich wol ſo viel an / als dich.

Pick.

Du junger ſchand-nickel / dir zum poſſen will ichs thun.

Eph.

Du alter ruͤffel-zahn / ſo ſoll dir der hencker an der ſtaupen-ſaͤule darvor dancken.

Pick.

Der thorwaͤrter iſt mein liebſter / und wann ſich alle junge gaͤcken die krauſe zerriſſen.

Eph.

Du alte gacke / es geht ſchon fort / ſchiers kuͤnff - tig auf den 32 Februarius / ach nein / ich lobe mei - nen Pickelhaͤring.

Pick.

Du elende hure / verbrenne dirs maul nicht - ber deinen Pickelhaͤring.

Eph.

Bin ich eine hure / ſo bin ich eine mit ehren / ich bin noch mit keinem ſchinder-knecht davon gelauf - fen.

Pick.

Ho / ho / das gilt halßbrechens.

(Sie fallen uͤber ein ander / und ſchlagen ſich / Rodoman / Clariſſe und Floretto kom̃en.)
Rod.

Jch halte der hencker hat ſich leibhafftig von der kette loß geriſſen / daß ſo ein grauſamer tumult vor meinem loſament entſteht.

Clar.

Das lumpengeſchmeiß hat mich biß auf den toder -229Dritte Handlung.erſchreckt.

Rod.

Wer ſind ſie dann?

Flor.

Jch will die geſpenſte bald wegbannen / was ſeyd ihr vor lands-leute?

(reiſt ihnen die kleider vom leibe.)
Pick.

Wer will mich nun in meiner eigenen geſtalt ſe - hen?

Flor.

O himmel! was ſeh ich / Pickelhaͤring und ſein vater / ihr alter ziegenbock / was faͤhrt euch vor eine freude in die achſel?

Rod.

Jhr ſchaum von allen leichtfertigen menſchen / gebt rechenſchafft / wer hat den tumult angefangen?

Eph.

Herr / mein ſohn

Pick.

Herr / mein vater

Eph.

Nein / mein ſohn

Pick.

Nein / mein vater

Rod.

Schweiget ihr hunde / Floretto laß ihnen das bette im hunde-loch auffſchlagen / biß ſie den rauſch ausſchlaffen / du aber bleib in deinem loſament biß auf weitern beſcheid.

Flor.
(Schlaͤgt zu.)

Fort / fort / ihr lumpen-geſinde.

(geht mit ihnen ab.)
Rod.

Allerliebſte Clariſſe! ſo kan ich nicht ſo gluͤckſe - lig ſeyn / die urſach eurer traurigkeit zu erfahren?

Clar.

Eine ſchoͤne gluͤckſeligkeit / die aus erkaͤntniß meiner traurigkeit entſpringen ſoll.

Rod.

Ein artzt iſt gluͤckſelig / wann er des patienten kranckheit verſteht.

Clar.

Ein patient iſt ungluͤckſelig / wann er ſeyn an - liegen nicht ausſprechen kan.

Rod.

Aber der patient iſt wundeꝛlich / der keinen man - gel hat.

P 3Cl. Mein230Der triumphireuden keuſchheit
Clar.

Mein Rodomann! ich bin eueres mitleidens unwuͤrdig / meine perſon iſt viel zu ſchlecht / als daß die maͤngel / ſo mir zuſetzen / einigen gegen-ſchmer - tzen in euch erwecken ſolten / ja wohl / ich bin wunder - lich / warum nicht gar naͤrriſch?

Rod.

Ach mein kind! was ſoll die unziemliche aus - legung meiner worte bedeuten?

Clar.

Es iſt nicht das erſtemahl / daß meine liebe ver - ſtoſſen wird.

Rod.

Sollen meine reden ſo angenommen werden / ſo will ich ſchweigen.

Clar.

Jmmerhin es wundert mich / daß ihr mir bißher das maul gegoͤnnet habt.

Rod.

Liebgen! ſehet mich doch an / und lachet nicht.

Clar.

Das will ich ohne diß thun.

Rod.

Haben wir bald ausgeſchertzt?

Clar.

Mein / laſt mich gehen / ihr ſehet ja / daß ich un - paß bin.

Rod.

Jch wil euch nicht beſchwerlich ſeyn / aber ſagt nur / ob euch was beliebt?

Clar.

Der ſchlaff beliebt mir / darum verlaſt mich hier allein / und wofern ihr mir einige gefaͤlligkeit zu er - weiſen bedacht ſeyd / ſo laſt mir den Floretto auff den dienſt warten.

Rod.

Es ſey alſo / ruhet wohl / mein kind.

(geht ab.)
Cl.

So gehet das aͤrgerniß meiner gedancken dahin / und befreyet mich von der plag ſeiner unzeitigen liebs-reitzung. Ach Floretto! biſt du noch nicht hier / verzeuchſt du deine halb todte Clariſſe mit neu - em leben zu beſeligen? Komm / dann ſie will ihr aͤu - ſerſtes verſuchen / und dieweil du nichts begehrenkanſt /231Dritte Handlung.kanſt / als was du ſieheſt / ſolſt du mich eher ſehen / als du mich begehret haſt / und was der unberedte mund nicht hat vollbringen koͤñen / ſoll dieſer ſchnee - weiſſe leib durch ſeine ſtumme wohlredenheit bey dir verrichten. Schickt euch ihr verliebten glied - maſſen zu aller erſinnlichen annehmligkeit / ihr ver - liebten minen / ihr entzuckten verſtellungen / ſpielt euer krafft zuſammen / und begeiſtert mein vorneh - men durch eine liebſelige empfindligkeit. Ach Flo - retto / wo verzeuchſt du?

Flor.

Jhr Gnaden haben meiner begehrt?

Cl.

Ja / und zwar aus unterſchiedenen urſachen.

Flor.

E. Gnaden unpaͤßligkeit hab ich mit betruͤbtem gemuͤthe vernommen.

Cl.

Jch weiß itzund von keiner unpaͤßligkeit / aber was macht deine liebſte Beliſſe?

Flor.

Wann jemand mehr zugegen waͤr / meynt ich nicht / daß dieſe reden mich angehen ſolten.

Clar.

Gar zu viel gehen ſie dich an / ich weiß euren heimlichen verſtand gar wohl.

Flor.

Beliſſe erkennet ihren ſtand / und ich meine nie - drigkeit / im uͤbrigen kan ich allen unbilligen ver - leumbdern das maul nicht ſtopffen.

Clar.

Doch / es muß gewaltig ſuͤſſe ſchmaͤcken / wann ihr eure liebes-haͤndel in verſtohlner liebligkeit ein - erndten koͤnnet.

Flor.

Gnaͤdigſte gebieterin / ich bin der ſachen ein kind.

Clar.

Muß dieſes nicht luſtig zugehen / wenn die ro - ſenrothen wangen ſich in ein ſubtiles gelaͤchter ein - laſſen / und die corallen-lippen mit tauſend verzu - ckerten hertzens-kuͤſſen gleichſam ſchwanger gehen / wenn alle fuͤnff finger ſich in das zarte lilien-feldP 4ver -232Der triumphirenden keuſchheitverſcharren / ach wer wolte ſo beredt ſeyn / die ver - gnuͤgung vorzuſtellen. Ein ſchertz treibet den an - dern / ein kuß verhindert den andern / ein blick ver - zehrt den andern / ein griffgen ach ich mag nicht weiter reden / ich werde ſelbſt verliebt davon. Da Floretto / nimm den fliegen-wedel / und gib ach - tung / indem ich dem ſuͤſſen ſchlaffe nachhaͤnge / daß mich keine fliege verunruhige.

Flor.

An meiner auffachtſamkeit will ich nichts er - mangeln laſſen.

(Sie legt ſich / unterdeſſen wird geſungen.)
ACh Floretto! laß dein gluͤcke
Dir nicht aus den haͤnden gehn /
Lerne doch in dieſem ſtuͤcke
Deine wolfahrt recht verſtehn /
Weil die ſchoͤnſte von der welt:
Gleichſam dir zu fuſſe faͤlt.
Schau doch her / ſie legt ſich nieder /
Brauche der gelegenheit /
Dieſe ſtunde kommt nicht wieder /
Wo man ihre gunſt verſtreut /
Jtzund haſt du noch die wahl /
Fuͤrchte dich ein ander mahl.
Brich die roſen von den wangen /
Welche dir zu ehren bluͤhn /
Welche dich und dein verlangen /
Als magneten an ſich ziehn /
Nimm das wollen-weiche pfand
Jhrer finger in die hand.
Schau die alabaſter-ballen
An der unbefleckten bruſt /
Wie233Dritte Handlung.
Wie ſie auf und nieder fallen /
Aus begierde zu der luſt /
Welche das verliebte ziel
Bloß in dir erlangen will.
Wilſt du ſie noch mehr betruͤben?
Dieſer leib und was ſie hat.
Stellt ſie gantz in dein belieben /
Drum erfahr es in der that /
Daß Clariſſe wird allein /
Dem Floretto guͤnſtig ſeyn.
Flor.

Du guͤtiger himmel / ſo haben ſich alle verfol - gungen auf meinen kopff zuſammen geſchworen / ach verleihe mir in meiner unſchuld zum wenigſten ein ſolches hertz / das unter den unvergleichlichen verſu - chungen dennoch unuͤberwindlich bleibe. Die luſt reitzet mich / aber ſie ſoll mich nicht anreitzen / ſie lo - cket mich / aber ſie ſoll mich nicht ins netze dringen. Der ſchein dieſer gegenwaͤrtigen wolluſt iſt viel zu gering / als daß er die groͤſſe des nachfolgenden un - gluͤcks vor meinen augen verbergen ſolte. Nun ertheile mir die gnade und erhalte meine ſchwach - heit in dem vorſatze / lieber zu ſterben / als in derglei - chen unreinigkeit zu willigen.

Clariſſe
(rufft ihm)

Floretto.

Fl.

Jhr Gnaden hier bin ich.

Cl.

Langet mir zu trincken.

Fl.

Von hertzen gern

(er giebt)
Cl.
(Ergreifft ihn)

geh nicht weg du kanſt wohl bey mir ſitzen.

Fl.

Jhr Gnaden halten mich nicht / ich kan nicht ſitzen.

Cl.

Aber ich bitte.

P 5Fl. Was234Der triumphirenden keuſchheit
Fl.

Was mir zu thun moͤglich iſt / kan ich ungebeten verrichten.

Cl.

Vor wem fuͤrchſtu dich / bleib hier.

Fl.

Jch kan nicht / ich mag nicht / ich will nicht.

Cl.
(Faͤllt auf die erde / und faſſet ihn bey den beinen.)

Ach du eintziger auffenthalt meines lebens / du aller - ſchoͤnſter angelſtern meiner verliebten gedancken / du lieblicher morgenſteꝛn meiner inbruͤnſtigen hoff - nũg / du troͤſtlicher abendſtern meines unausſprech - lichen ſeelen-ſchmertzens! ſiehſt du nicht / wer ſich zu deinen fuͤſſen erniedriget / ach es iſt die ungluͤckſe - lige Clariſſe / die betruͤbte / die verachte / die verlaſ - ſene Clariſſe / welche ſich aller andern luſtigkeit ent - ſchlagen hat / um dem hertzvielgeliebten Floretto auffzuwarten.

Fl.

Jhr Gnaden bemuͤhen ſich nicht / es iſt vergebens.

Cl.

Ach laß doch aus dem uͤberfluͤſſigen meer deiner vortrefflichen freundlichkeit nur den geringſten tropffen auff meine durſtige ſeele rinnen / und wo dein hertz ein harter kieſelſtein iſt / ſo laß doch etliche funcken auf meine bruſt fallen / welche ſich zu lauter zunder und aſche verzehret hat.

Fl.

Jhr Gnaden vergeben mir / ich brauche gewalt.

Cl.
(Haͤlt ihn bey dem rocke.)

Ach! beliebt diꝛ reich - thumb / ſuchſt du die freyheit? mein kind! mein en - gel! alles ſoll dir zugeſagt ſeyn / vergnuͤge mich nur durch einen gegenblick.

Fl.
(Laͤſt den rock fahren.)

Jch will mich an mei - nen Rodoman ſo nicht verſuͤndigen.

(Geht fort.)
Cl.

Du armer unſchuldiger rock / ſo darffſt du nichtmehr235Dritte Handlung.mehr den artigen leib bedecken / und muſt du meinen unwuͤrdigen haͤnden / als ein betruͤbter raub / hinter - laſſen werden? ſoll ich mich an dir ergetzen / ſolſt du meinen brennenden begierden waſſer zutragen. Ach nein! ich bin verlohren / lieben wolt ich gern / aber ich ſoll nicht / haſſen ſol ich / aber ich kan nicht: doch warum ſolte ich nicht koͤnnen? auf Clariſſe / deine hoheit iſt nicht gantz verdunckelt / und du darffſt dei - ner macht nicht ſo gar vergeſſen. Wer ſich unter dei - ne freunde nicht rechnen will / ſoll ſich mit ſchmer - tzen unter deinen feinden befinden / und wer ſich dei - ner liebe unwuͤrdig macht / ſoll deiner verfolgung biß auf den tod unterworffen ſeyn. Der verfluch - te Floretto / der undanckbare vogel / ſoll die frucht ſeiner hartnaͤckigten natur bald empfinden. Die liebe iſt ein feuer / wer es mit kuͤſſen nicht leſchen kan / muß es mit blute daͤmpffen / und was die ſehn - liche begierde bitter macht / ſoll die verzweiffelte ra - che wieder verſuͤſſen. Mich deucht ich ſehe ſchon / wie ſich die harten ketten umb ſeinen ſtoltzen leib ſchlingen / wie die geiſſeln um ſeine lenden rauſchen / wie ſich das fleiſch von ſeinen rippen abſondert / und wie das vermaledeyte hertz vor meinen fuͤſſen von hunden gefreſſen wird. Halt / du ſchandbube! nun will ich grauſam ſeyn / nun will ich mich erbit - ten laſſen / nun will ich mich an deinen thraͤnen erlu - ſtigen. O helfft / helfft / habt ihr eure Frau gantz allein gelaſſen / iſt niemand hier / der ſich meiner an - nimmt! helfft mir von dem verraͤther / von dem ertzboͤſewicht.

Rodo -236Der triumphirenden keuſchheit
Rodoman / Ephialtes / Pickelhaͤring.
Rod.

O Himmel! wer will uns im hauſe verꝛathen?

Cl.

Ach erloͤſt mich / gewalt! gewalt!

Rod.

Liebſte Clariſſe! was vor gewalt?

Cl.

Floretto / der ſchelm / der ſchandbock.

Rod.

Wie / Floretto?

Cl.

Ach Floretto / der ſtinckende wiedehopff.

Rod.

Und was

Cl.

Floretto / das ſchaͤndliche unthier.

Rod.

Warum aber

Cl.

Floretto / der unverſchaͤmte ehren-dieb.

Rod.

Erzehlt doch

Cl.

Floretto der gifftige baſiliske.

Rod.

Jſt es nicht

Clar.

Floretto / mein knecht / mein ſclave.

Rod.

Und was hat dann Floretto gethan?

Cl.

Gethan? o der ehrvergeſſene ſtraſſenraͤuber!

Rod.

Es ſey alſo / aber wodurch hat er ſolche titul verdienet?

Cl.

Solte er ſie nicht verdienet haben / ein ſchoͤn ehge - mahl / das einem nichtswuͤrdigem knechte gegen ſei - ner liebſten uͤberhelffen darff.

Rod.

Clariſſe plagt mich nicht / ich will wiſſen / was vorgehet?

Clar.

Floretto will euer ehebette beſudeln / iſt das nicht gnug?

Rod.

Floretto? aber auff was maſſe?

Clar.

Jſts auch fragens werth? ich hatte mich auff das bette geſtreckt / und verſuchte / ob ich durch die geſchloſſenen augen den verlangten ſchlaff anlocken koͤnte. Jhm aber hatte ich befehl gegeben / die un -nuͤtzen237Dritte Handlung.nuͤtzen fliegen von dem bette abzutreiben / doch der henckermaͤſſige galgenvogel vergaß ſeiner perſon ſo weit / daß er erſtlich durch heimliche griffe / hernach - mals durch allerhand liebkoſende reden / endlich durch oͤffentliche und unziemliche gewalt / meine eh - re / meine treu / und was mir auff dieſer welt am lieb - ſten iſt / beſtuͤrmen durffte. Ach! iſt niemand der rache ſucht / rache! rache!

Rod.

Jch habe genug gehoͤret / gebt euch zufrieden / liebſte Clariſſe! keine marter ſoll ſo grauſam ſeyn / die ich nicht / euch zu befriedigen / uͤber den verzweif - felten Floretto ausſchuͤtten will. Geht / und ſucht den ſclaven / und wann er da iſt / ſo verſchlieſſt ihn in das grauſamſte gefaͤngniß / alsdann erwartet un - ſern weitern befehl.

Clar.

Die boßheit muß geſtrafft werden.

Rod.

Gebt euch zufrieden / ſo lange Rodoman Rodo - man iſt / ſoll Clariſſen ehre unverletzt ſeyn.

(Gehen ab.)
Pick.

Jſt das nicht ein ſchelme / daß er ſeinem eignen Herꝛn in die meelbirnen gehen will.

Eph.

Jch weiß vor boßheit nicht / ob ich ein maͤdgen oder buͤfgen bin.

Pick.

Der huren ſohn hat uns neulich genug geplagt / wir wollen ihn wieder zahlen.

Eph.

Es hat ſich wohl bezahlt / wer ihn vor gefunden haͤtte.

Pick.

Ums finden hats gute wege. Vater geht ihr da - hin / ich wil dorthin gehen / und wer ihm am erſten findt / der ſoll kommen / und ſolls dem andern ſagen.

Eph.

Nun es bleibt darbey / ich verlaſſe mich darauff.

Pick.

Ja ja / auf mich kan ſich einer wohl verlaſſen

(gehen238Der triumphirenden keuſchheit
(gehen ab.)
Flor.

Will jemand ein ſchaaf ſehen / welches ſich den reiſſenden wolffe mitten aus den zaͤhnen entriſſen hat? wil jemand eine taube ſehen / welche ſich vor dem grimmigen habicht verbergen muß? ach der ſe - he den armen und verfolgten Floretto an! hier ſteht die wand / auf welche alle ungluͤcks pfeile zufliegen: hier iſt das zerbrechliche ziel / welches die unzehlichen ſchoͤſſe aller verfolgung auffangen ſoll. Jch bin ein elender ſchilf / welcher ſich vor dem hereinbre - chenden ſturmwinde buͤcken muß; eine ſchwache meyenblume / welche durch die vielfaͤltigen regen - guͤſſe beſchweret und zur erde gebeuget wird. Mei - ne ftirne iſt eine tafel / daran ein kurtzer auszug alles ungluͤcks vorgebildet wird / und mein hertz iſt ein verwirtes neſt / darinn eine widerwaͤrtigkeit die an - dere ausbruͤten muß. Ach zu welcher gefahr bin ich noch uͤbrig blieben?

(Pickelhaͤring kommt.)
Pick.

Luſtig der vogel iſt gefangen / harr du Courtiſan exprofeſſo, ich wil dich galaniſiren lehren / es mangelt nur an meinem vater / der wiꝛd die katzenmeſſe ſingẽ.

(Geht ab.)
Fl.

Mein haupt iſt als ein leeres faß / daraus aller rath und troſt mir einem hauffen gefloſſen iſt / ach wo ſol ich mich hinwenden?

(geht ab.)
Ephialtes / Pickelhaͤring.
Eph.

Jſt er da?

Pick.

Da ſtehet er.

Eph.

Fort doch / ich zittere gar vor freuden / daß ich den ungehangenen dieb einſtellen ſoll.

Pick.239Dritte Handlung.
Pick.

Er laͤſſt euch auch bitten / ihr ſollt geſchwinde darzu thun / es verlangt ihn ſehr nach einem ſolchen ſchoͤnen qvartier-meiſter.

Eph.

Nu / wo iſt er dann?

Pick.

Hier / hier.

Eph.

Jch ſeh ihn nicht.

Pick.

Jch ſeh ihn auch nicht.

Eph.

Du dieb / du haſt ihn gewiß lauffen laſſen.

Pick.

Er iſt von ſich ſelber weggelauffen.

Eph.

Du unnuͤtzer baͤrnhaͤuter! geh dort hin / ich will auff dieſe ſeite gehen / und wer ihn findet / der ſags dem andern.

Pick.

Jhr werdet die jungen narren ausnehmen.

(Gehen ab.)
Flor.

Jſt dann der himmel mit lauter wolcken uͤber - zogen / und will der froͤliche ſchein einiges troſtes nicht durchdringen; ich weiß nicht / ob ich an meine ordentliche verrichtung gedencke / oder / ob ich der boßhafftigen Clariſſe aus den augen gehe. Wann ich hier bleibe / ſo bin ich meines lebens nicht ſicher / wann ich entfliehe / ſtuͤrtze ich mich in den aͤrgſten verdacht /

(Ephialtes kommt.)

und darzu wo will ich hinlauffen?

Eph.

Still / ſtill / das maͤußgen tantzt wieder auff den baͤncken herum / wir wollens bald in der falle haben.

(geht ab.)
Flor.

Unter mir und neben mir find ich wenig labſal / mein gluͤcke muß von oben kommen.

(Geht ab.)
Ephialtes / Pickelhaͤring.
Eph.

Du unachtſames pfingſt-kalb! nun will ich dir weiſen / wie man die leute ausſteubern ſoll.

Pick.240Der kriumphirenden keuſchheit
Pick.

Ja ja / vater! ihr gebt einen guten ſpuͤrhund.

Eph.

Sieheſt du ihn dort gehen?

Pick.

Ja / ich ſeh ihn / ihr meinet ja den hund dort?

Eph.

Du ſchlauraffen-geſichte / den Floretto mein ich.

Pick.

Ja ja / ich ſeh ihn auch.

Eph.

Nun greiff zu.

Pick.

Vater / der dieb hat ſich[unſichtbar] gemacht / wer kein ehrlicher kerle iſt / der kan ihn nicht ſehen.

Eph.

Sieheſt du ihn dann?

Pick.

Das verſtehet ſich / da gehet er.

Eph.

So fang ihn doch.

Pick.

Nein / der vater gehet vor.

Eph.

Und wann ich mein tage kein ehrlicher kerl ſeyn ſolte / ſo ſehe ich nichts.

Flor.

Es iſt beſchloſſen / die flucht iſt beſſer als ein un - gewiſſer verzug.

Pick.

Vater / da iſt das ſchoͤne ebenbild / laſts ja nicht lauffen.

Eph.

Wo hinaus landsmann?

Flor.

Dir ſoll ich gewiß rechenſchafft geben?

Eph.

Das muſt du thun / und wann du nicht mit gu - ten wilſt / ſo hab ich und mein ſohn ein paar pruͤgel / die ſollen bald mit deinem ſchedel cameradſchafft machen.

Flor.

Vergreifft euch nicht an mir / es ſoll euch nicht ungeſtrafft hingehen.

Pick.

Je mehr man mit den leuten complimentirt / je mehr wollen ſie geleckt ſeyn / ſeht vater / ſo machts.

(Sie gehen auf ihn loß.)
Flor.

Was bedeut dieſer grauſame anfall / womit hab ich dieſen ſchimpf verſchuldet?

Pick.

Du großſprecher / biſt du nun in unſer gewalt /da /241Dritte Handlung.da / da haſt du die zinſe mit dem capital wieder.

Flor.

Verſchonet meiner / oder es ſoll euch ſauer an - kommen.

Pick.

Vater / der kerl bildt ſich noch was ein.

Eph.

Jns loch / ins loch / wann ſo ein junger geelſchna - bel gern ins ſuͤſſe loch kriechen will / muß man ihm ein ander loch weiſen / fort / fort.

Flor.

Jch geh / und laſſe die unſchuld meine gefertin ſeyn.

Pick.

Wo dir mit geferten gedient iſt / ſo will ich dir ein paar ohrfeigen zuſtellen / die kanſt du mit auf den weg nehmen.

Clariſſe
kommt und ſagt.

Habt ihr das ottergezuͤchte noch nicht bezwungen? ich halt / es geht euch ab / wie pech am ermel / reiſt ihn fort / die ſonne erblaſſt noch / wo ſie einen ſolchen un - menſchen laͤnger beſcheinen ſoll.

Flor.

Bedencke doch

Clar.

Laſſt ihr den ertz-vogel noch reden / halt ihm das maul zu / oder beſetzt ihm den heilloſen rachen mit tauſend maulſchellen / ſchafft ihn fort / und wo ihr auff der geringſten unachtſamkeit betroffen werdet / ſo ſoll der galgen nach euch ſchnappen.

Pick.

Jch wolte nicht unachtſam ſeyn / und wann ich mein tage nicht hencken ſolte.

Clar.

Es ſteht euch beyden auch zu rathen.

(geht ab.)
Pick.

Nun Monſieur Floretto / der Herr ſpatziere.

(Sie gehen ab.)
QDie242Der triumphirenden keuſchheit

Die vierdte Handlung.

Der ſchau-platz verwandelt ſich in Floretto gefaͤngnis.
Bel.

JCh bin lange gnug verſchwiegen geweſen / ich habe meinem heimlichen anliegen zeit gnug gelaſſen. Meine ſeele! nun muſt du dem munde etliche un - gewoͤhnliche worte zu gute halten: Floretto / der preiß von allen adelichen tugenden / hat den preiß meiner uͤberwundenen liebe. Seine ſtattliche an - kunfft hat die wenigſte achtbarkeit bey mir vermeh - ret. Seine großmuͤtigkeit / ſein unbeflecktes le - ben / und ſeine uͤberaus zierliche geſtalt / haben mich erſtlich in ein bloſſes gefallen / hernachmals in die hefftigſte leidens-regung gebracht / daß ich mein le - ben ohne ihn kein leben heiſſen muß. Aber wo iſt mein wertheſter Floretto / hat ihn nicht die unver - antwortliche falſchheit der geilen ehebrecherin zu dem beſchwerlichen gefaͤngnis verdammet? muß ſich der zarte leib nicht in die eiſen ſchicken / und muß die unſchuld nicht uͤber ſich triumphiren laſſen. Ungerechte muhme! Was hat Floretto verſchul - det / und wofern er einiger miſſethat ſchuldig befun - den wird / was habe dann ich gethan / daß ich mit ihm geſtrafft werde? weiſt du nicht / daß meine ſee - le in ſeinem leibe wohnet / und daß ich alles ſchmer - tzens durch ihn theilhafftig werde? halte deine grauſamkeit zuruͤcke und befoͤrdere zum wenigſten durch ſeine qvaal meinen tod nicht. Hier iſt der ſchauplatz aller verfluchten ungerechtigkeit! Hier iſt der ſchatten der rachgierigen falſchheit! Solldie -243Vierdte Handlung.dieſes edle licht dieſe drachen-hoͤle erleuchten? Soll der unſchaͤtzbare ſchatz in dieſer mordgrube ſeinen werth verbergen? und ſoll die arme Beliſſe ihren troſt in dieſer furchtſamen einoͤde ſuchen? Ach freylich! muß ich ihn hier ſuchen: Floretto!

Flor.

Ach iſt noch ein menſch uͤbrig / der meinen nah - men gedencken kan?

Bel.

So lange als Beliſſe lebt / kan Floretto nicht vergeſſen ſeyn.

Flor.

Ach Beliſſe! nun iſt mein ungluͤck vollkommen.

Bel.

Wann der mond am dunckelſten wird / muß er wieder zunehmen.

Flor.

O ich armer erdwurm!

Bel.

Jch kenne viel wuͤrme / die gegen den fruͤhling fliegen lernen.

Flor.

O ich elendes kind der finſternis!

Bel.

Die voͤlcker / ſo die laͤngſte nacht haben / koͤnnen ſich auch des laͤngſten tages getroͤſten.

Flor.

Jch bin lebendig begraben.

Bel.

Das gold verleuret in der grube die koſtbarkeit nicht.

Flor.

Jch bin ſchon todt.

Bel.

Der Phoͤnix findet ſein leben auch in der aſche wieder.

Fl.

Mein gefaͤngniß iſt allzu ſchaͤndlich.

Bel.

Deſto herrlicher wird die erloͤſung ſeyn.

Fl.

Liebſte Beliſſe! ſolt ihr Graf Heinrichen hier ſu - chen?

Bel.

Setzt doch dieſes auch hinzu / daß ich meinen liebſten und meine ſeele hier ſuchen muß.

Fl.

Beliſſe kan ohne den verdammten Floretto doch vergnuͤgt werden. Aber Floretto ſiehet ſeineQ 2freude244Der triumphirenden keuſchheitfreude und ſeine verlangte Beliſſe zum letzten mahl.

Bel.

Die ſterne gehen unter / und kommen wieder / und die tugend / wann ſie verſteckt iſt / kan nicht ewig ver - borgen bleiben.

Fl.

Jch wolte mich wol troͤſten / ich bin auch in meinem gewiſſen freudig gnug / aber indem ich ſehe / daß ich die hoffnung eurer beſitzung verlaſſen muß / ach ſo will mir das hertz zu wachs werden.

Bel.

Verlaſt euch auff den guͤtigen himmel / eure un - ſchuld wird euch noch an das licht bringen.

Flor.

Freylich muͤſſen wir das beſte hoffen! aber auff allen fall / liebſte Beliſſe / gute nacht.

Bel.

[Floretto] / gebt euch zufrieden.

Flor.

Jch wils thun / doch / wo ich ſterbe / ſo denckt / wer ich geweſen bin / wie mich das gluͤcke / als einen leich - ten ball zu lauter ungluͤcks-ſpielen herum geworffen hat / und hiermit zu tauſend gutet nacht.

Bel.

Wo Floretto ſtirbt / kan Beliſſe nicht leben blei - ben / dann es kan noch viel verſucht werden.

Flor.

Alsdann ſoll unſre zuſammenkunfft deſto froͤli - cher ſeyn; doch itzo kan ich nichts thun / als daß ich betruͤbten abſchied nehme. Allerliebſte Beliſſe! lebet wohl / und wo ich als ein unſchuldiges opffer vor der Clariſſen ſuͤnde buͤſſen muß / ſo laſſt mich doch den troſt mit in das grab nehmen / daß ich von dero jenigen beklaget werde / die in beſitzung meines hertzens die erſte und die letzte geweſen iſt. Laſſet euch mein keuſches und heiliges feuer auch in der aſche gefallen / damit ich durch das ſelige andencken eures hertzlichen mitleidens meine ſeele in der ab - ſcheulichen todes-noth beſaͤnfftige. Nun wir ſe - hen einander ſchwerlich wieder / drum ſey auchdieſes245Vierdte Handlung.dieſes die letzte gute nacht.

(Beliſſe weinet.)
(Pickelhaͤring kommt.)

Jch halte / der hencker ſchlaͤgt ſich gar mit meinem vater / da geh ich nur / und will ein zaͤhrgen brandtewein auffs hertze neh - men / ſo fuͤhret ihn das ungluͤck auch weg / ich halte / er meynt / es ſind narrenpoſſen / als wann man den bauren die ſchoten huͤtet / vater! vater! vater! wo ſteckt ihr?

Eph.

Nun ſchrey doch fein laut / man weiß ſonſt nicht daß du da biſt.

Pick.

Es iſt auch wahr / wann jemand unterdeſſen den armen ſuͤnder geſtohlen haͤtte.

Eph.

Er iſt uns gewiß gnug / er dient weder zu ſieden noch zu braten / wer wolt ihn ſtehlen?

Pick.

Vater! ich weiß wol worzu er dient / ſeht ihr nicht den jungen haͤſcher da?

Eph.

Ja / lerne du mich haͤſcher kennen / es iſt unſre Jungfer.

Pick.

Es mag unſre Jungfer oder ihre mutter ſeyn / wer in unſer gehaͤge faͤllt / der hats zu verantworten. Hoͤrt junges muͤenſch / wie lang iſts / daß ihr ein haͤ - ſcher ſeyd?

Bel.

Sieh da / grobian / redeſt du auch mit vornehmen leuten?

Pick.

Wann ich an eurer ſtelle waͤr / ich wuͤrffe mit lo - ſen worten um mich.

Bel.

Geh du bauer / und ſchuͤtte die unhoͤfligkeit bey deines gleichen aus.

Pick.

Jungfer / ſind diß die tittel alle?

Bel.

Haben dann alle dreſcher feyerabend gemacht / daß mir der flegel hier im wege liegt?

Q 3Pick.246Der triumphirenden keuſchheit
Pick.

Jungfer / ihr meynt ja mich?

Bel.

Laß mich gehen / du unflath?

Pick.

Jungfer / nun kommt das reden auch an mich / was habt ihr vor igel zu buͤrſten / daß ihr in unſer vier pfaͤle kommt / ſtehts einem ehrlichen maͤdgen zu / daß ſie im haͤſcher-loche alle winckel auskreucht?

Bel.

Jch ſehe wohl / hier iſt nichts zu erhalten / ich muß gehen.

Pick.

Ey jungfer / wart doch / biß ihr gehet / die knechte haͤtten gern ein trinckgeld.

Bel.

Pech und ſchwefel dir auf deinen kopff / du un - geſchliffner holluncke.

Eph.

Nun Pickelhaͤring / laß ſie einmahl gehen / du ſi - heſt ja / daß es unſer Jungfer iſt?

Pick.

Jungfer / nur ein ſchmaͤtzgen.

Bel.

Ach geh und ſtecke den ſauruͤſſel in ein kuͤhfenſter.

Pick.

Laſt mir doch ein kleines pfand zuruͤcke.

Bel.

Thorwaͤrter / helfft mir doch von dem ungethuͤm.

Eph.

Geht jungfer / geht /

(ſie geht ab.)

du machſts gar recht mit ihr / die jungen ſpritzen muͤſſen auch al - len qvarck beſchnopern.

Pick.

Hat ſie ein hertz in ihrem leibe / ſo komm ſie noch einmahl. Aber das ding hat / mein ſchelm / traun / ſoll mich / was zu bedeuten / wo wir nicht fleiſſig wa - chen / ſo betreugt uns das junge raben-aas mit ſe - henden augen.

Eph.

Weiber liſt hat kein ende / es iſt fuͤrwar kein kin - derſpiel; aber wie greiffen wir die ſache recht an?

Pick.

Seht / vater! wir beyde wollen alle vier ecken einnehmen / tretet dort hin / tretet gegen uͤber auch / auff beyde ecken zugleich.

Eph.

Trit du erſt / ich will dir nachtreten.

Pick.247Vierdte Handlung.
Pick.

Jch wolts wol machen / ihr koͤnnt mirs doch nicht nachthun / bleibt nur da ſtehen / ich will euch die zeit mit einem luſtigen liedgen vertreiben.

Eph.

Nun / laß dich hoͤren.

Pick. lhaͤring
ſingt:
WEr ſich wil entfernen
Weit von aller noth und pein /
Muß mein handwerck lernen
Und mit mir ein haͤſcher ſeyn.
Dieſes iſt ein koͤſtlich leben
Voller herrlichkeit /
Und die ſich darein begeben /
Hats noch nie gereut.
2. Giebt es viel zu lauffen /
Nun ſo giebt es auch dafuͤr
Wiederumb zu ſauffen
Manches liebes kaͤnngen bier.
Und ſo lang es in der woche
Was zu naſchen ſetzt /
Warten wir im haͤſcher loche
Selten auff die letzt.
3. Andre leute muͤſſen
Sehn / wo ihr geburts-brieff ſey /
Doch wir haͤſcher wiſſen
Nichts von dieſer quackeley.
Vierzehn vaͤter / keinen rechten /
Geht bey uns ſchon an /
Wer nur ſonſten wacker fechten
Und ſeyn handwerck kan.
4. Wann die albern bauren
Jn die ſtadt zu marckte gehn /
Q 4War -248Der triumphirenden keuſchheit
Warten wir und lauren /
Ob ſie auch den zoll verſtehn:
Alles iſt in unſern haͤnden /
Ochſen / kuh und kalb /
Und da geht es an ein pfaͤnden /
Alles zweimahl halb.
5. Manche leute ſchencken
Auff dem dorffe fremdes bier /
Und eh ſie es dencken /
Stellen wir uns an die thuͤr /
Und da ſchlaͤppen wir die faͤſſer
Jn die ſtadt hienein /
Weil ſie unſerm magen beſſer /
Als den bauren ſeyn.
6. Wo wir was erfahren
Huren oder maͤgde-pack /
Ziehn wir ſie zu paaren
Saͤuberlich in unſern ſack /
Und indem wir ſie verhindern /
Das kein ander kan /
Dreſſeln wir den kleinen kindern
Noch die ohren an.
7. Will ein ander preiſen
Seine groſſe ritter-that /
Sind wir ſtahl und eiſen /
Und geſegnen ihm daß bad /
Und wo er ſich noch erzuͤrnen
Und bravieren will /
Wuͤrtzen wir ihm unſre birnen
Mit den flegel-ſtiel.
8. Nun die andern moͤgen
Sich / nach ihrer guten luſt /
Auff249Vierdte Handlung.
Auff was beſſers legen /
Mir iſt gleichwohl diß bewuſt /
Daß ein haͤſcher vor neun zeugen
Bey dem Richter gilt /
Drum ſo weiß ich dem die feigen /
Der uns ſchelmen ſchilt.
Pick.

Vater / gelt das ließ ſich hoͤren?

Eph.

Mein lieber ſohn / wo haſt du den ſchoͤnen lob - geſang herkriegt?

Pick.

Jch hab ihn gedruckt.

Eph.

Weiſt du nicht / wer ihn gemacht hat?

Pick.

Es muß ein guter kerle geweſt ſeyn / ich kauffte mir vergangen ein halb pfund kaͤſe / da war er nein - gewickelt.

Eph.

Das iſt noch groß gluͤck / daß die lieben verſe wieder an ihren mann kommen ſind.

Pick.

Bey mir verdirbt nichts / ich bin ein gewaltiger liebhaber davon.

Eph.

Jch lobe dich drum / aber ſinge doch noch eins.

Pick.

Jch will ihr hundert zugleich ſingen.

(Er huſtet und intonirt lange.)
(Juſtinian und Amyntas kommen.)
Eph.

Aufſehens / aufſehens! wer kommt da?

Pick.

Vater / nehmt geſchwind den bart ins maul / und die picke auf den nacken / ſtill / ſtill / wer das erſte wort redt / ſoll 6 kannen bier und ein karpen ſtraffe geben.

Amyntas.

Hilff Gott / was vor ein elendes ſchauſpiel habt ihr an eurem koͤnig erlebt?

Juſt.

Mein freund / wer in unſerm lande bekandt iſt / dem kommen dergleichen zufaͤlle nicht ſeltzam vor.

Am.

Was hoͤr ich / iſt es moͤglich / daß dergleichen ab -Q 5ſcheu -250Der trinmphirenden keuſchheitſcheuliche gebrechen in eine gewonheit gerathen.

Juſt.

Es iſt kein ort in der welt / der nicht ſeine eigne plage habe / wir ſind mit dieſer behafftet.

Am.

Aber kan ich nicht erfahren / worinn die haupt - urſach beſtehet.

Juſt.

Es iſt eine gewiſſe art von ungeziefer / welches etliche ſpinnen / etliche von ihrer geburts-ſtadt / ſo zu reden / Tarantulen nennen / die haben ſo ein durch - dringendes ſubtiles gifft bey ſich / daß / ſo fern ein menſch von ihnen verletzet wird / keine artzney kraͤff - tig gnug iſt / dergleichen ſchaͤndliche und erbaͤrmliche wirckungen abzuhalten.

Am.

So iſt der koͤnig auch von einer ſolchen kleinen beſtie uͤberwunden worden?

Juſt.

Der ausgang bezeugts / wiewol wir auch durch einen knaben eben deſſen berichtet ſind.

Am.

Diß ſolte mich aber in ewigkeit wunder nehmen / daß in einer gemeinen kranckheit kein huͤlffs-mittel ſolte vorhanden ſeyn?

Juſt.

Es ſind mittel gnug da; mehrentheils werden die patienten durch die muſic zurecht gebracht.

Am.

Eine neue art von cliſtiren ſo man durch die oh - ren anbringt.

Juſt.

Es ſcheinet laͤcherlich / doch haͤlt es ſeine proben.

Am.

Jch geſteh es gerne / daß ich hierinnen zu einfaͤl - tig bin.

Juſt.

Kuͤrtzlich von der ſache zu reden / die muſic die wirckt ſo viel / daß die patienten aus ihr er faulen mattigkeit ſich in einen hefftigen tantz einlaſſen / da - durch die glieder erwaͤrmet / die ſchweißloͤcher geoͤff - net / und das ausgebreitete gifft an allen orten ab - gefuͤhret wird.

Am.251Vierdte Handlung.
Am.

Jch wolte diß in ſeinen wuͤrden laſſen / wenn ich ſehen ſolte / daß dergleichen cur dem koͤnige was nutzte.

Juſt.

Jhr fragt nicht unrecht / doch muͤſt ihr geden - cken / daß ein groſſer unterſcheid iſt / ſo wohl unter dem gifft der ſpinne / als unter der complexion der menſchen / derhalben wird auch ein unterſchiedlicher handgriff in muſiciren erfordert.

Am.

Haben dann alle muſicanten den handgriff ver - lernet?

Juſt.

Es iſt ein ſeltzam wildpret nm einen muſican - ten / der alle und jede affecten in ſeiner gewalt hat.

Am

Soll aber der koͤnig alſo verderben?

Juſt.

Meine ſchweſter hat mich berichtet / als ſolte ſich einer von des Ober-Hof-Marſchalcks knechten im gefaͤngnis befinden / welcher den ruhm in der muſic vor andern gehabt / dieſer kan vielleicht unſer gluͤcke wieder geſund machen.

Am.

Warum verziehen wir / wann wir rath wiſſen?

Juſt.

Jch komme gleich von dem Rodoman / aber da ich ihn anſprechen will / iſt er nicht zugegen.

Am.

Wo man vor des koͤnigs wohlfart ſorgt / laͤſt ſich alle gewaltthaͤtigkeit entſchuldigen / ſind wir nicht ſtarck gnug / den gefangnen loß zu machen.

Juſt.

Die noth muß zur tugend werden / ſehet / ſehet / dort ſteht die wache.

Am.

Wer wolte ſich vor dieſen elenden creaturen ent - ſetzen / folgt mir nach / Juſtinian. Gluͤck zu / gluͤck zu / ihr purſche.

(Pickelhaͤring weiſt auf den vater / der vater auf Pickelhaͤring / keiner wil antworten.)
Juſt.

Jch halte / die zunge iſt euch nicht geloͤſt /

(ent -
bloͤſt252Der triumphirenden keuſchheit
bloͤſt den degen.)

ich werde muͤſſen ein wurm - ſchneider werden.

Pick.

Vater / thut doch das maul auff.

Eph.

Ha / ha / ſtraffe / ſtraffe.

Pick.

Vater / antwortet ihr den leuten / es hat ſich wol geſtrafft.

Am.

An deiner antwort iſt uns nichts gelegen / wo ſind die ſchluͤſſel zum gefaͤngnis?

Pick.

Habt ihr etwan eure ſchluͤſſel verlohren / und wollt euch nach unſern andere machen laſſen?

Am.

Sieh da / fantaſte / wer laͤſt fragen?

Pick.

Jch dachte / eine frage ſtuͤnde frey?

Am.
(entbloͤſt den degen.)

mache mir nicht viel federleſens / die ſchluͤſſel will ich haben.

Pick.

Wollt ihr euch fuͤr mich hencken laſſen?

Am.

Gib mir die ſchluͤſſel / du ſolſt hencken.

Pick.

Da Vater / gebt ihr ſie.

Eph.

Nein / gib du ſie.

(Sie werffen die ſchluͤſſel einander zu.)
Juſt.
(Nimmt die ſchluͤſſel.)

Auf die maſſe ſol - ten wir den tag zubringen / der koͤnig iſts / dem wir hierinnen dienen.

(Am. und Juſt. gehen ab.)
Pick.

Vater / ſind ſie weg?

Eph.

Du magſt deinen hals mit baumoͤl einſchmierẽ.

Pick.

Wo ich hencken muß / ſo werden die todtmacher gewiß auffs rad gelegt.

(Juſtinian und Amyntas bringen den Floretto.)
Juſt.

Laſſt euch nichts anfechten / wir ſind maͤchtig gnug / euch zu beſchuͤtzen.

Flor.

Jch will gerne folgen / denn es kan mir nicht aͤr -ger253Vierdte Handlung.ger gehen / als ich bißher gelebt habe.

Am.

Zweiffelt an der guͤten belohnung nicht / ihr wer - det euch den koͤnig ſelbſt / und nebenſt ihm das gan - tze land verbunden machen.

Flor.

Dem himmel will ich dancken / wo er meinen ſei - ten einige empfindligkeit einfloͤſſen wird.

(gehen ab.)
Pick.

Vater / es iſt kein ander mittel da / ihr muͤſt hen - cken.

Eph.

Die reih koͤmmt erſt an dich / warum wehrſt du dich nicht?

Pick.

Jch werde gleich dem vater vorgreiffen.

Eph.

Jch halte / es gehet einem wie dem andern.

Pick.

O vater! wann ich doch meinen hals verſtecken koͤnte / ich bin gar zu kuͤtzlich drum / ich kans fuͤrwahr nicht leiden.

Eph.

Muß / iſt ein boͤſes kraut.

Pick.

O wie weh wirds thun / o wie weh wirds thun! o wann ich mich doch in eine mauß verwandeln koͤn - te / wie wolte ich in das erſte maͤuſeloch kriechen; va - ter / ihr ſeyd wohl wunderlich / daß ihr mir nicht zwey haͤlſe gemacht habt / wann einer vor die hunde gienge / ſo haͤtte ich ja den andern zum beſten.

Eph.

Wer dir zehen haͤnde gemacht haͤtte / daß du dich wehren koͤnteſt.

Pick.

O Venus / o Juno / ihr Goͤtter des haͤſcherlochs / o Mars / o Vulcanus / ihr Goͤtter der aͤpffel-kam̃er / o Cupido / du Patron aller finſterer laternen / o ſon - ne / mond und ſterne / o lufft / feuer / waſſer / o blitz / donner und hagel.

(Der koͤnig koͤmmt / ſtellt ſich ungeberdig / hat einen bloſſen degen in der hand / und geht bald
auff254Der triumphirenden keuſchheit
auff Pickelhaͤring / bald auff den Ephialtes loß / ſie agiren poßierlich mit einander / endlich lauffen die beyde darvon / und laſſen den koͤnig allein.)
Juſtinian / Amyntas / Floretto.
Juſt.

Nun Floretto / nun iſts zeit / itzt koͤnnt ihr eine probe ablegen / welche das gantze koͤnigreich mit hoͤchſter danckbarkeit erkennen ſoll. Sucht alle liebligkeit zuſammen / und laſſet des koͤnigs geſund - heit den mittel-punct euer ſuͤſſen erfindung ſeyn.

Am.

Jch erwarte mit hoͤchſtem verlangen / wie die ſa - che hinaus lauffen wird.

Flor.

Der heilſame klang beſtehet nicht in meiner kunſt / GOtt muß meine haͤnde leiten / zu deſſen gnaͤ - digſter regierung ich mich allerſeits befehle.

(Floretto ſpielet auff / der Koͤnig faͤngt bald darauff an zu ſpringen / und nachdem er gnug getantzt / faͤllt er vor todt auf die erde.)
Am.

O himmel / der Koͤnig ſtirbt / iſt diß die ſchoͤne cur?

Juſt.

Mein freund / urtheilet nicht vor der zeit!

Flor.

Es iſt vonnoͤthen / daß er unverzuͤglich zu bette gebracht werde.

(Der Koͤnig wird von den dienern in das bette gebracht.)
Juſt.

Liebſter Floretto! welche gnade wird maͤchtig gnug ſeyn / eure dienſte zu belohnen?

Flor.

Die bloſſe erkaͤntnuͤß meiner dienſtbaren will - faͤhrigkeit / ſoll mich vergnuͤgen.

Juſt.

Nein Floretto! ihr habt viel leuts erfreuet / eu - er lohn ſoll auch in vielen ſtuͤcken beſtehen.

Flor.

Wofern ich ſo wuͤrdig bin / etwas zu begehren / will ich mit meiner freyheit vorlieb nehmen.

Juſt.255Vierdte Handlung.
Juſt.

Die freyheit ſoll die wenigſte vergeltung ſeyn.

Flor.

Ein armer ſclave kan nicht mehr begehren.

Juſt.

Ein koͤnig kan aber mehr ſchencken. Amyntas ſoll ich bittſelig ſeyn / ſo goͤnn er mir die ehre / und be - gleite mich biß in mein loſament / vielleicht gibt uns des Floretto gegenwart mehr anlaß von dieſer mu - ſicaliſchen cur zu reden.

Am.

Jch thue es nicht gerne / meinem herrn beſchwer - lich zu ſeyn / doch in dergleichen faͤllen bin ich lieber unhoͤflich als ungehorſam.

Juſt.

Keines von den beyden.

(Sie complemen - tiren und gehen ab.)
Ephialtes / Pickelhaͤring.
Pick.

O vater! wer ſich nur ſolte zu tode ſauffen / daß man der marter loß kaͤme.

Eph.

Du lieber ſohn / du haſt ja ſonſt einen anſchlaͤ - giſchen kopff / iſt dann kein rath mehr da?

Pick.

Mein rath-hauß iſt eingefallen / ich wuͤſte itzt keinen jungen ein ſchnipgen abzugewiñen / geſchwei - ge / daß ich ſolte ſolche reichshaͤndel vornehmen.

Eph.

Pickelhaͤring / auf die ſeite / die frau iſt da.

Clar.

Jch bin in meinen rachgierigen gedancken noch nicht eins / und wann ich mir die grauſamſte marter vor augen ſtelle / ſcheint es doch / als wann ſie mei - nem gemuͤthe kaum die helffte koͤnne gnug thun. Floretto muß zwar gewiß ſterben / aber durch wel - che thuͤre ſeine vermaledeyte ſeele den ausgang fin - den wird / das ſteht noch bey meiner erfindung. Jtzt wolt ich gleichſam als zum vorgericht ſehen / wie ſich der eigenſinnige ertz-toͤlpel unter den geiſſeln ver - halten wird: das ſey ihm geſchworen / ſo lang als ein weiß plaͤtzgen an ſeinem leibe ſeyn wird / ſollendie256Der triumphirenden kenſchheitdie ſclaven nicht auffhoͤren / eine ſarabande nach der andern aufzuſpielen! hola / was ſteht ihr da? heiſt diß gewacht?

Pick.

Wann der vogel aus dem gebauer iſt / ſo hats mit der wache gute wege.

Clar.

Was ſagſt du?

Pick.

Floretto iſt weg.

Clar.

Schlaff ich oder wach ich / wer iſt weg?

Pick.

Euer ſpaßgalan / der euch liebet / wuͤſt ihr doch wohl.

Clar.

Bekenne du hund / wer iſt weg?

Pick.

Je / Floretto iſt weg / da kamen kerlen mit bloſ - ſen degen / und fochtelten / vor unſern augen her um / da dacht ich / ob ich gehenckt oder erſtochen werde / iſt mir eins ſo lieb als das ander / drum gaben wir ih - nen die ſchluͤſſel mit guten / ſie haͤtten ſie doch mit leibs - und lebens-gefahr genommen. Wo ſie aber mit den ſchelmen hingelauffen ſind / kau ich nicht wiſſen / ich hatte gleich die wache / und konte nicht abkommen / ſonſt haͤtte ich ihm nachgeſehen.

Clar.

Jſt keine furie in der hoͤlle / die zeit hat / iſt kein blitz und donner im himmel / der herabfahren kan / iſt kein drache und baſiliske / der mir zu huͤlffe kom - men will? ich zerberſte vor grimm.

(Sie faͤllt Plckelhaͤring an / und ſchlaͤgt ihn.)

Du unnuͤtzer floh / du ſtinckigte wantze / ſo will ich dir den kopff einknicken / ſo wil ich dir ein haar nach dem andern ausrauffen / in ſchwefel und bech ſolſt du ge - ſotten werden / das fell will ich dir laſſen uͤber die oh - ren ziehen / mit vier pferden will ich dich zureiſſen.

Pick.

Ach Frau / es waͤr an der helffte gnug / ich bin fuͤr - wahr unſchuldig. Mein vater

Clar.257Vierdte Handlung.
Clar.

Dein vater / wo iſt der ſchelm?

(ſie faͤllt uͤber den Ephialtes)

du verſchimmelter katzen-kopff / heiſt das gewacht / zu pulver will ich dich verbreñen laſſen / ſie ſollen dich bey den beinen aufhencken / wie einen Juden / ich will dich biß an den hals in die er - de graben / und will nach deinem kopffe die kegel ſchieben.

Eph.

O barmhertzigkeit! barmhertzigkeit! o mein ſohn Pickelhaͤring!

Clar.

Dein ſohn /

(ſie faͤllt uͤber Pick.)

ich will dich zerzerren / die ſonne ſoll durch dich ſcheinen / ich will dich in eine lampe ſetzen / und will dich zu tocht ver - brennen / o wer leiht mir naͤgel gnug / daß ich dem ſchelm das geſicht zerkratzen kan.

Pick.

Jch will euch gerne meine naͤgel leihen / kratzt nur meinen vater.

Cl.

Dein vater /

(ſie faͤllt uͤber den Eph.)

die au - gen will ich dir ausgraben / und will dir heiß bley in die gruben ſchuͤtten / die ohren will ich dir abſchnei - den / und will ſie vor die hunde werffen /

(ſie laͤſt ihn gehn.)

O du beſtie / o ich kan nicht mehr / Dromo / Dromo wo biſt du?

Drom.

Jhr Gnad. was haben ſie zu befehlen?

Clar.

Jch wolte noch lange fragen / ſieheſt du nicht das rabengeſchmeiſſe / fuͤhre mirs in das tieffſte loch / das zu finden iſt / und wo keine ſchlangen und kroͤten drinnen ſind / ſo ſiehe / daß du anderweit compagnie ſchaffſt. Verrichte meinen befehl / ſo lieb / als dir dein leben iſt.

(Geht ab.)
Drom.

Jch muß die arbeit theilen / Pickelhaͤring bleib du unterdeſſen hier /

(er bindt ihn an)

wann ichRmit258Der triumphirenden keuſchheitmit deinem vater fertig bin / ſoll deiner auch gedacht werden / fort alter.

(Fuͤhrt den Ephialtes weg.)
Pick.

Wer will einen haſen ſehen / dem das fell biß an den kopff geſtreiffelt iſt? wer will eine wilde ſau ſe - hen / die das weidemeſſer noch im leibe ſtecken hat / ach der ſehe den armen und gemarterten Pickelhaͤ - ring an. Mein kopff iſt wie ein duͤrrer kuͤhfladen / darinnen kein goldkaͤfer einiges troſtes herberge hat: mein poeten-kaſten iſt wie ein ameißhauffen / dem die eyer geſtohlen ſind; und meine invention - kammer iſt wie ein kirmes-kuchen / da die roſinen ab - geklaubt ſeyn. Ach die brandteweinflaſche mei - ner weißheit hat ein loch bekommen / und das Zerb - ſter-bier meiner erfahrenheit iſt ſauer worden. Die citronen meiner froͤligkeit haben ſich in tanznapfen verwandelt / und die pomerantzen meiner zuverſicht ſind zu pferd-aͤpffeln worden. O es iſt um mich und um alle haͤſcher geſchehen / o haͤtte ich mich er - ſtechen laſſen / ſo doͤrffte ich itzt nicht hengelbeeren freſſen / o wer itzt ein kind im leibe haͤtte / ſo muͤſten ſie mich zum wenigſten die ſechs wochen aushalten laſſen! O wann doch allen ſcharffrichtern und ſchinderknechten die haͤnde verkrummten / daß mich keiner anknuͤpffen koͤnte. O wann doch alle holtz - wuͤrme nichts anders freſſen wolten / als galgen - holtz. O tod! o tod! wie biſt du ſo bitter.

Mel.

Was hoͤr ich! hoͤr ich nicht meinen liebſten Pi - ckelhaͤring? ach Pickelhaͤring! lebſt du noch?

Pick.

Bin ich nicht gnug geplagt / wollt ihr mir auch vollends den kopff warm machen?

Mel.

Mein tauſend-ſchatz! verſtehet mich doch recht /ich259Vierdte Handlung.ich bringe gute zeitung.

Pick.

Was iſt mir mit euer guten zeitung gedienet / o

Mel.

Jhr ſollt loß kommen / ſchweigt nur ſtille.

Pick.

Soll ich loß kommen?

Mel.

Freylich / freylich / ich will euch loß bitten.

Pick.

Was wird aber draus / wañ ihr mich loß bittet?

Mel.

Jhr muͤſt mich nehmen.

Pick.

O meiſter Hans! knuͤpff auf / knuͤpff auf / ich mag mich nicht loß bitten laſſen.

Mel.

Es iſt ja beſſer / daß dir eine frau das bette waͤr - met / als wann du am galgen erfrieren ſolſt.

Pick.

Meiſter Hans knuͤpff auf / knuͤpff auf / es traͤffe mir ein / dem galgẽ entlief ich / und kaͤme ins fegfeuer.

Mel.

Jhr macht euch wunderliche einbildung.

Pick.

Laſt mich zufrieden / und macht mir das leben nicht ſo ſauer / ich hab ohn diß wenig zum beſten.

Droͤmo

Nun Monſ. Pickelhaͤring / das loſament iſt beſtellt.

Pick.
(Leget ſich nieder.)

Jch bin todt.

Dr.

Das ſterben ſoll zeitlich gnug an dich kommen / fort / oder mein ſtecken macht mit deinem buckel bruͤderſchafft

Pick.

Jch bin todt.

Dr.

So bin ich lebendig.

(Er ſchleppt ihn fort.)
Mel.

Du freundliches zuckerbildgen / nun ſeh ich dich doch nicht mehr / o was thu ich mir vor ein leid an?

(geht ab.)
R 2Die260Der triumphirenden keuſchheit

Fuͤnffte Handlung.

Amyntas / Gaſton.
Am.

SO lebt der Koͤnig?

Gaſt.

Er lebt und iſt wohl auff.

Am.

Und iſt von allen verwirrten gedancken befreyet?

Gaſt.

Er iſt nicht allein bey vollkommenem verſtand / ſondern er nimmt allbereit des reichs angelegenhei - ten wieder in acht.

Am.

Jch / als ein Auslaͤnder / kan mich nicht gnugſam verwundern.

Gaſt.

Jch / als ein einheimiſcher / kan mich nicht gnug - ſam druͤber erfreuen.

Am.

Dieſe wuͤrckung haͤtt ich in dem ſchwachen ſeiten - ſpiel nicht geſucht.

Gaſt.

Floretto iſt uns auch / als ein engel vom him̃el unverhoffter weiſe zugeſchickt worden.

Am.

Man ſiehet hieraus / wie das verhaͤngnis ſelber vor der Koͤnige wohlſtand ſorge traͤget. Jſt aber Floretto mit einiger danckbaren mildigkeit angeſe - hen worden?

Gaſt.

Jch weiß nicht / ob ich meinen augen oder ohren trauen ſoll: Er giebt ſich vor des tapffern Ludwigs aus Sachſen ſohn aus / ſein knechtiſcher habit hat ſich in fuͤrſtlichen ſchmuck verwandelt / und welcher ſich Floretto nennen ließ / wird itzt von allen Groſ - ſen / als Graf Heinrich beehret.

Am.

Alſo hat die muſic noch einige wuͤrckung gehabt?

Gaſt.

Die vernunfft-loſen macht ſie verſtaͤndig / und die knechte macht ſie zu Grafen.

Am.

Die rechte warheit zu bekennen / ich habe an Flo -retto261Fuͤnffte Handlung.retto nichts gemercket / das ſich zu der knechtiſchen niedrigkeit als von natur gereimet haͤtte.

Gaſt.

Seine tugenden ſind unvergleichlich / und ſeine verdienſte verdoppeln unſeꝛe allgemeine zuneigung.

Am.

Es ſoll mich nicht gereuen / daß ich den jenigen in knechts-geſtalt erkennet habe / welchen ich kuͤnfftig / als meinen vornehmſten freund lieben will.

Gaſt.

Wer wolte auch ſo einer perſon nicht zugethan ſeyn?

Am.

Jch halte dafuͤr / es muͤſte einer der tugend ſelbſt kampff anbieten / wann er dieſen vollkommenen auszug aller trefflichen qvalitaͤten verachten wolte.

Gaſt.

Welchen der Koͤnig ſeiner liebe wuͤrdig ſchaͤtzt / darff kein unterthan haſſen.

Am.

Jch erwarte ſein erwuͤnſchtes anſchauen mit hef - tigem verlangen.

Carl der Koͤnig / Floretto / Juſtinian / Amintas / Gaſton.
Carl.

SO hat der Koͤnig im himmel|unſer koͤnigreich auf erden beſtaͤttigt / und iſt die unzeitige freude aller widerwaͤrtigen zu ſchimpff und ſpotte worden. Ja freylich muß die herꝛliche zeitung duꝛch alle welt ausgebreitet werden / daß Carl auf ſeinem thron / in feſter und unverruͤckter gluͤckſeligkeit ſitze / und daß er ſeinen zepter / allen feinden zu trotze / durch das Neapolitaniſche Reich ſchimmern laſſe. Al - lerliebſter Floretto! verzeiht uns / daß wir euch bey dieſem nahmen nennen / welcher uns das gedaͤcht - nis eurer dienſte am beſten erhalten kan. Aller - liebſter Floretto! euch haben wir unſer leben und unſere wohlfart zu dancken / ihr ſeyd der lieblicheR 3Weſt /262Der triumphirenden keuſchheitWeſt / der unſer geſcheitertes ſchiff vor den gefaͤhrli - chen klippen abgefuͤhret hat. Jhr ſeyd der unver - gleichliche kuͤnſtler / der allen roſt von unſer koͤnigli - chen krone abgewiſcht hat. Mit einem worte / daß wir Koͤnig ſind / das habt ihr zu wege bꝛacht.

Flor.

Großmaͤchtigſter Koͤnig und herr! das anſehen E. M. iſt freylich ſo groß / daß niemand deroſelben etwas nahe kommen kan / der nicht zugleich das opf - fer aller gehorſamſten dienſtleiſtung darſtelle muß: Aber / daß ich ſolte ſo gluͤckſelig geweſen ſeyn / die ge - ringſte gefaͤlltgkeit aus eigenen vermoͤgen abzuſtat - ten / darff ich mich nicht beruͤhmen / aus beyſorge / der himmel moͤchte mich eines unbilligen raubes be - ſchuldigen. Meine fauſt hat dergleichen wuͤrckung nicht gehabt: meine ſaͤiten ſind mit ihrer wohlge - ſtimmten vereinigung ſo maͤchtig nicht geweſen: der himmel / der E. M. allezeit mit unzertrennter gewo - genheit angeſehen hat / der hat mich auch nicht an - ders / als einen geringen werckzeug gebrauchen wol - len / und mein gluͤcke beſtehet hirinne / daß ich dem guͤtigen verhengniß gleichſam als vor einen dol - metſcher gedienet habe.

Carl.

Es iſt an dem / derſelbe / der uͤber uns wohnet / und deꝛ alle ſachen duꝛch ſeine allein weiſe regierung wohl auszufuͤhren weiß / derſelbe muß die erſtlinge unſerer danckbarkeit haben / wo wir uns der kuͤnff - tigen gluͤckſeligkeit nicht unwuͤrdig machen wollen. Doch duͤꝛfft ihr allen ruhm nicht ausſchlagen. Zum wenigſten ehren wir euch / als einen himmliſchen werckzeug / und verſehen uns durch euch zukuͤnffti - ger erſprießlichkeit.

Flor.

So tieff als ich mich unter dieſe lob-erhebungſetze /263Fuͤnffte Handlung.ſetze / ſo ſehr will ich mich bemuͤhen / E. M. zu erwei - ſen / daß die teutſche treu auch in fremden grund und boden bekleiben kan.

Carl.

Wir ſind euer treu verſichert genug / nehmet nur / zu bekraͤfftigung unſerer gnaͤdigſten eꝛkaͤntniß / dieſen geringen anfang einiger belohnung und em - pfanget dieſen ſtab / als ſtadthalter von Calabrien.

Flor.

E. M. iſt wie ein geſegneter ſtern / der mit ſeinem heilſamen einfluſſe auch die geringſten klee-blaͤtt - gen nicht unerqvicket laͤſt.

Carl.

So lang / als Carl Koͤnig / ſoll Graf Heinrich keinem klee-blatte zuvergleichen ſeyn.

Flor.

Derohalben / E. M. zu gehorſamſter folge / nehm ich die aufgetragene ehre in tieffſter demuth an / und verpfaͤnde bey derſelben alles / was mein leben und meine ehre betreffen kan.

Carl.

Habt ihr noch was mehr zu fordern / ſo entdeckt nur euer gemuͤth / und ſeyd gewiß / daß wir euren vortheil auch mit unſerm ſchaden befoͤrdern wollen.

Flor.

Mein hertz wird ohne diß durch die vielfaͤltige wohlthaten / gleich als durch einen hefftigen platz - regen / zur erden gebaͤuget: doch E. M. unbegreiff - liche gnade ferner zu verſuchen / ſo bitte ich gegen - waͤrtigen Juſtinian zu vermoͤgen / daß er in die hey - rath zwiſchen mir und ſeiner geliebten fraͤulein ſchweſter willigen wolle.

Carl.

Jhr habt beyderſeits einander wohl verdient; doch Printz / eure meynung wird hier vonnoͤthen ſeyn.

Juſt.

Großmaͤchtigſter Koͤnig und Heꝛr! ich kan mei - ne ſchweſter niemahls beſſer verſorgt wiſſen / als wann ſie E. M. zur belohnung / und Graf Heinri -R 4chen264Der triumphirenden keuſchheitchen zur vergnuͤgung auserſehen wird.

Carl.

Gaſton geht demnach / und vermoͤget Beliſſen anher zu kommen.

(Er geht.)

Und ihr Gꝛaf Hein - rich ſollt ſehen / daß eure ergetzlichkeit meine wolluſt iſt.

(Gaſton bringt Beliſſen.)
Bel.

E. M. befehl anzuhoͤren / erſcheine ich allhier.

Carl.

Wertheſte Beliſſe / die getreuen dienſte / ſo euer herr vater dieſer krone erwieſen / und die er folgen - der zeit auff einen tapffern ſohn uns zum beſten fortgepflantzet hat / zwinget uns hefftig genug / euer aufnehmen zu befoͤrdern. Weil demnach unſer hof das gluͤcke hat / den kern von allen edlen gemuͤ - thern in dieſem tugendhafften Grafen zu beſitzen / ſeyd ihr / als ein ſchoͤnes band erſehen worden / wel - ches uns die erhaltung eines ſo koͤſtlichen kleinodes gewiß und beſtaͤndig machen ſoll. Liebet Graf Heinrichen / dann wo ihr ſolches thut / folget ihr dem befehl eures Koͤniges / ihr ehret den rath eures herrn bruders / und abſonderlich erfuͤllet ihr das verlangende begehren eures ungefaͤrbten liebha - bers.

Bel.

Jch bin ein ſchwaches weibesbild / und die richt - ſchnur meines lebens muß von dem jenigen heꝛkom - men / welchen ich an vaters ſtatt zu ehren verbunden bin. Und dannenhero / was von demſelben nach eigner beliebung vor gut befunden wird / kan und ſoll von mir nicht ausgeſchlagen werden. Jch neh - me das gluͤcke an / das vielleicht andere mehr begeh - ret / auch wohl beſſer verdienet haͤtten / und weil ich mein vergnuͤgen mit worten nicht ausſprechen kan / will ich meine danckbarkeit mehr mit ſtillſchweigen /als265Fuͤnffte Handlung.als mit einer unvollkommenen wohlredenheit an den tag geben.

Carl
(ſtehet auf und ſchlaͤget ihre haͤnde zu - ſammen.)

So kommet naͤher zuſammen / ihr per - len unſers hofes / verbindet euch zu einer ewigen lie - be / und wann ihr euer ſuͤſſes gluͤcke einnehmen wer - der / ſo gedenckt an euren Koͤnig / welcher der nach - welt zum beſten euch die erfreulichſte fruchtbarkeit anwuͤnſchet. Dann ihr koͤnnt doch eure verdien - ſte hoͤher nicht bringen / als wann ihr dieſe tugend in vielen zweigen der gantzen welt werdet vorſtellen.

Juſt.

Liebſte ſchweſter / euch hab ich zu dancken / daß ich durch euch mit dem tapfferſten menſchen von der welt / in genauere und beſtaͤndige verbuͤndnuͤß tret - ten kan. Erkennet meine bꝛuͤderlich-geſinnte zunei - gung / und nechſt beſtaͤtigung eueꝛ ſelbſt eigenẽ gluͤck - ſeligkeit / laſſet euch meine freundſchafft befohlen ſeyn / welche nirgend beſſer ruhen wird / als in dem jenigen / der mit dem hoͤchſt-annehmlichen ſchwa - ger nahmen mein hertz und meine liebe zu ſich ge - riſſen hat.

Am.

Wofern ich mich in dieſe freude mit einmiſchen darff / werd ich zufoͤrderſt auf beyden ſeiten inſtaͤn - dig anhalten / mir die geringſte ſtelle unter dero freunden und dienern zu ertheile / nechſt dieſen aber der ſchoͤnen vermaͤhlung alles ſelbſt-beliebten wohl - ergehens anwuͤñſchen.

Gaſt.

Jch darff nichts mehr darzu ſetzen / dann was Gott anordnet / und der Koͤnig vollzeucht / muß wohl ſeinen fortgang haben.

Carl.

Was uͤbrig iſt / verſpahren wir biß auf das bey - lager / welches durch unſere vorſorge morgendes ta -R 5ges266Der triumphirenden keuſchheitges dieſen Hof erluſtigen ſoll. Jetzund moͤgen die neuen verliebten die verborgene hertzens freude / in ihrer einſamkeit gegen einander auslaſſen.

(Sie gehen ab.)
Floretto / Beliſſe.
Bel.

WJe ſtehts mein engel! ſoll ich euch nach unſerer verknuͤpffung ſprachloß ſehen?

Fl.

Allerliebſte Beliſſe! es mangelt mir an uͤber - ſchwenglicher freude nicht / aber es mangelt mir an worten / damit ich des hertzens zufriedenheit vor - ſtellen ſoll.

Bel.

Jſt es nicht gnug / wann ich ſage / ich bin eure Beliſſe?

Fl.

Es iſt freylich gnug; doch / alſo kan ich nicht mehr ſprechen / als / ich bin euer liebſter Heinrich.

Bel.

Warum nicht / mein liebſter Floretto? dann ich weiß nicht / weßwegen ich dieſem nahmen ſo guͤnſtig bin / darunter ich die erſte ſuͤſſigkeit eurer perſon er - kennet habe.

Flor.

So will ich euer liebſter Floretto ſeyn.

Bel.

Ach verzeihet meinem vorwitz / darff ich aber euch meinen liebſten Floretto heiſſen?

Fl.

Gleich / als wann mein belieben nicht in eurem be - lieben ſtuͤnde.

Bel.

Und ich erweiſe euch keinen ungefallen daran?

Fl.

Jch bin euer diener / warum wolte ich nicht euer Floretto ſeyn?

Bel.

Ach nein / mit dieſer auslegung mag ich keinen Floretto haben.

Flor.

Liebſte Beliſſe! ſo macht die auslegung ſelber.

Bel.

Jch will einen Floretto haben / der mein liebſter /mein267Fuͤnffte Handlung.mein hertz / mein eigenthum / mein alles in allen iſt / und den ich meinen liebſten Floretto nennen kan.

Flor.

Jch laß es gern geſchehn / doch ihr habt den Flo - retto noch nicht deutlich gnug beſchrieben.

Bel.

Wer ins kuͤnfftige mein liebſter ſeyn will / muß mein verſehen zu beſſern wiſſen.

Flor.

Jhr ſolt ſagen / Floretto empfinde eine liebe / die mit nichts zu vergleichen iſt.

Bel.

Meynt ihr / daß Beliſſe ihre liebe wolle mit et - was vergleichen laſſen.

Fl.

Das weiß ich nicht / ich muß das beſte hoffen.

Bel.

Jhr muͤſt mir in eurer hoffnung mit gutem er - empel vorgehen.

Fl.

Nicht allein in der hoffnung / ſondern vielmehr in der that / ſehet / liebſte Beliſſe.

(Er kuͤſt ſie.)
Bel.

|Was heiſt das muthwill?

Fl.

Beliebet euch die waare nicht / ſo gebt mirs wieder.

Bel.

Das kan ich wohl thun / immerhin.

(ſie kuͤſſet.)
Fl.

Mein kind! es war das rechte nicht / ich begehre es auch nicht.

(er kuͤſt.)
Bel.

So will ich keines von beyden haben / da nehmt alles zugleich.

(ſie kuͤſt.)
Fl.

Liebſte Beliſſe / wer haͤtte vermeynt / daß ſich unſere unbegreifliche beſtuͤrtzung ſo bald in dergleichen kurtzweil verwandeln ſolle.

Bel.

Hab ichs nicht vermeynt / ſo hab ichs doch gehofft.

Fl.

Ach gebe GOtt! daß dieſer tag vollkommen gluͤck - ſelig heiſſe / damit der anfang meiner gemuͤths-be - friedigung zugleich das ende aller truͤbſeligkeit ſey. Jhr liebreichen armen ſchlieſſt euch zuſammen. Jn euch will ich leben / in euch will ich mich vergnuͤ - gen / in euch will ich dermaleins den lebens-ſattengeiſt268Der triumphirenden keuſchheitgeiſt vom leibe abſondern.

Bel.

Mein engel! nehmt mit mir vorlieb / und weil meine unwuͤrdigkeit euren tugenden nimmermehr die wage halten kan / ſo laſſet meine verliebte begier - de euch zugefallen denſelben mangel allerſeits erſe - tzen.

Flor.

Wir wollen uns auf beyden theilen keiner un - wuͤrdigkeit ſchuldig machen.

(Rodoman und Clariſſe kommen.)

Aber was bringen die unverhofften Gaͤſte?

Rod.

SEyd zufrieden / liebſte ſeele! ich vergebe euch den fehler eurer gedancken / und weiß / daß Floretto / als der iñhalt aller tapfferkeit / euch vor das unrecht ſelbſt dancken wird. Jn anſehung daß ſelbe gleich - ſam den grund zu ſeiner gegenwaͤrtigen herrligkeit geleget hat.

Clar.

Laſſet mich demnach bittſelig ſeyn / und wofern ich mich der vorigen zuneigung bedienen darff / ſo vermoͤget den vortrefflichen cavalier / durch einen zuſpruch / zu einer langgewuͤnſchten verſoͤhnung.

Rod.

So folget mir dann. Tapffrer cavallier! mit was vor entſchuldigungen ſollen wir unſre began - gene unhoͤfligkeit ausbuͤſſen / indem derſelbe von uns zwar unwiſſend / als ein geringer knecht gehal - ten worden / den man doch nechſt dem koͤnige / mit hoͤchſter ehre belegen ſollen. Und mit was vor thraͤ - nen werden wir das unrecht abwiſchen / welches meine unbeſonnene liebſte aus uͤbereilter ſchwach - heit ihrer jugend auf ſich geladen hat. Unſer eini - ges vertrauen gruͤndet ſich auff die großmuͤhtige tugend ſeines hertzens / welches ein demuͤhtiges er -kaͤnt -269Fuͤnffte Handlung.kaͤntnuͤß verwirckter uͤbelthat / an ſtatt gebuͤhrender rache / annehmen / und uns kuͤnfftiger gnade und wohlgewogenheit verſichern wird. Der himmel be - ſelige den ſchoͤnen wechſel / und laſſe ſeine dienſt-be - gierigen freunde niemals in vergebener hoffnung verbleiben.

Fl.

Zu viel / zu viel / groſſer Rodoman! die ehrerbie - tung iſt mir nechſt der liebwerthen ſtimme / ſo tieff eingepraͤgt / daß / ob ich zwar meine freyheit wieder gefunden / ich doch in freywilliger dienſtbarkeit deſ - ſelben verbleiben will / der aus itziger auffwartung meine vormahlige liebe preiſen und ermeſſen ſoll. Drum / was iſt unhoͤffligkeit / was iſt unrecht / worzu nutzen die entſchuldigungen / und was ſollen die thraͤnen abwaſchen? Jch weiß von nichts / und al - ſo wird es unvonnoͤthen ſeyn / um einige vergebung anzuhalten. Jch bitte vielmehr / mir zu verſtat - ten / daß ich meine offt verſaͤumte ſchuldigkeit ins kuͤnfftige mit dero guten belieben einbringen moͤge.

Cl.

Werther Floretto! und alſo darff ich meine ſuͤnd - hafftigen augen wieder auffheben.

Fl.

Werthe Clariſſe! ſie hat niemals urſache gehabt / dieſelben nieder zu ſchlagen.

Cl.

Aber liebſte Beliſſe! wie werde ich die beleidigung euer perſon ausſoͤhnen?

Bel.

Liebſte Clariſſe! was die vergeſſenheit ſchon in ihrer gewalt hat / ſoll man durch kein unzeitiges an - dencken hervor ſuchen. Wir leben vergnuͤgt / und wuͤnſchen euch dergleichen gluͤcke. Jm uͤbrigen wird uns keine zeit noch gelegenheit in unſerer pflicht nachlaͤſſig finden.

Rod.

Nun der himmel ſegne eure liebe /

Clar.270Der triumphirenden keuſchheit
Clar.

Und befoͤrdere die voͤllige vereinigung.

Rod.

Und laſſe das deutſche gebluͤte in unſern graͤn - tzen fruchtbar ſeyn.

Clar.

Und beſtaͤtige deſſen aufnehmen in ewigkeit.

Fl.

Und verbinde uns aufs neue durch dieſen hand - ſchlag.

(ſie geben einander die haͤnde.)
Sibylle / Melane.
Sib.

NUn iſts zeit / wann wir was erhalten wollen.

Mel.

Ach! mein hertz propheceyt mir nichts gu - tes.

Sib.

Die herren werden ſich ja ſchaͤmen / daß ſie ihre boßheit uͤber das liebe armuth ausſchuͤtten werden.

Mel.

Jhr ſeht wohl / wo der zaun niedrig iſt / da moͤgen alle uͤberſpringen.

Sib.

Es iſt freylich wahr / aber mit klagen wird nichts ausgericht / kommt mit / ich will das wort fuͤhren.

Mel.

Jch wuͤſte vor groſſen jammer nicht ein woͤrt - gen auffzubringen.

Sib.

O allergnaͤdigſte Herren / o / o!

(Sie weint.)
Flor.

Was ſoll dieſer auffzug?

Sib.

O allergnaͤdigſte Herren / ich bin eine ehrliche frau / und das iſt auch ein ehrliches mutter-kind / es kan uns kein menſch was leichtfertiges nachreden / wir ſind unſer lebetag ſo fromm und ſo getreu ge - weſen? daß uns kein menſch mit wiederwillen von ſich gelaſſen hat.

Rod.

Sibille / ihr machet viel worte / ihr muͤſſet eine boͤſe ſache haben.

Sib.

Freylich iſt ſie boͤſe / und kein menſch kan ſie wie - der gut machen / ausgenommen E. Gn. gnaͤdigſte Herren.

Bel.271Fuͤnffte Handlung.
Bel.

Geht / ihr altes windſpiel / und laſſet euch vor den leuten nicht ſo auslachen.

Flor.

Mein kind / wir muͤſſen doch ihr anbringen ver - nehmen.

Sib.

Jch habe keine toͤpffe in der kuͤche zerbrochen / ich habe auch keinen ſilbern teller verlohren / ich ha - be auch keine perlen-ſchnur geſtohlen / ich habe auch kein blat aus dem gebet-buche geriſſen / ich habe auch keine ſuppe auff die teppichte vergoſſen.

Clar.

Jch hoͤre viel boͤſes / das ihr unterlaſſen habt / aber wo bleibt das gute / ſo ihr gethan habt.

Sib.

O ich arme frau! nun ſoll nichts gutes an mir ſeyn / da ſtehet ja auch die gute Melane / kan ihr je - mand nachſagen / daß ſie einen froſch hat ins gruͤn - kraut gethan / oder daß ſie eine ſpinnewebe hat laſ - ſen im fenſter hencken / oder daß ſie ein feuermaur hat angeſteckt / oder daß ſie ein bret auf dem boden zutretten hat / oder / oder / oder

Bel.

Mit euren poſſen / ſagt / was ihr haben wollet / oder / oder / oder wir wollen euch beine machen.

Sib.

Gebt mir doch ein bißgen bedenckzeit / haben doch die hunde zeit / eh ſie der koch aus der kuͤche ſchlaͤgt / o wie bring ich die ſache nun an.

Flor.

Alte leute werden wieder zu kindern.

Sib.

Verzeih es Gott den jungen leuten / die ihre freu - de daran haben.

Rod.

Wollt ihr ſonſt nichts mehr?

Sib.

Nun / es muß doch einmahl ausbrechen / ach ſteckt dann der thorwaͤrter mit ſeinem lieben frommen ſohn noch im hunde-loche / die guten ehrlichen her - tzen / ſollen ſie dann noch ihr leben laſſen?

Rod.

Wer geſuͤndiget hat / muß geſtrafft werden.

Sib.272Der triumphirenden keuſchheit
Sib.

O allergnaͤdigſter Herr / ſie habens vielleicht nicht gerne gethan / und ich will keine ehrliche frau ſeyn / wo ſie es ins kuͤnfftige mehr thun werden / ich weiß / ſie werden ſo fromm ſeyn / als wie ein ſchoͤps in der ſchaaf-ſchere.

Rod.

Sie ſitzen ſchon in der armen ſuͤnder ſtube / und daraus iſt keine erloͤſung.

Sib.

Ey herr / was vexiret ihr euch viel / ich werde es irgend nicht wiſſen / daß ihr die ſchluͤſſel darzu habt.

Rod.

Was geht aber euch daran ab / ob die buben le - ben oder nicht.

Sib.

Jch wolte nicht gern / daß ihr an meiner ſtelle waͤret / und haͤttet euch in den alte herren ſo verliebt / als wie ich / mich deucht immer / es wuͤrde euch in dem leibe reiſſen / von der armen Melane mag ich nicht ſagen / man ſihts ihr ohn diß an den augen an / daß ſie Pickelhaͤringen lieb hat.

Rod.

Du elendes geſindgen / wie kan ſich ſtinckende butter und garſtiger ſpeck ſo leicht zuſammen fin - den. Aber hoͤre? iſts euer rechter ernſt / und ſoll ich die zwey uͤbelthaͤter dem kuͤnfftigen eheſtande zu ehren loß laſſen?

Sib.

Wann es nicht ſuͤnde waͤre / ſo wolte ich bey mei - ner armen ſeelen ſchweren / es iſt warhafftig wahr / und wann alles wahr waͤre.

Clar.

Melane / was ſprichſt du?

Mel.

Jch kan es auch nicht laͤugnen.

Rod.

Euch zu gefallen will ich ſie einen tag eher haͤn - cken laſſen / damit ihr den folgenden tag drauf gewiß hochzeit macht.

Sib.

O gnaͤdiger Herr! wie reimt ſich dann das zu - ſammen / es ſolte eine ſchoͤne hochzeit werden.

Rod.273Fuͤnffte Handlung.
Rod.

Sie werden an den hals gehaͤnckt / und der ge - hoͤrt ſo eigentlich nicht zu dem ehſtande / ſie freſſen kaum nicht ſo viel.

Sib.

Was waͤre uns dann mit ſolchen hungerleidern gedient / wer nicht iſſet / der kan auch nicht leben.

Rod.

So laſt euch an ihre ſtatt aufknuͤpffen.

Sib.

Das war wieder eins.

Rod.

Einer muß gleichwol zum wenigſten drau.

Sib.

Keiner / waͤr viel beſſer.

Clar.

Liebſter Rodomann! Wir haben noch ein vier - tel-ſtuͤndgen uͤbrig / das ſich auff einige kurtzweil an - wenden laͤſt. Wenn wir die gefangenen lieſſen hieher bringen / und verlobten ſie mit einander / es waͤren gleichwohl zwey ſchoͤne paͤrgen / die bey mor - gendem beylager koͤnten mit durchwiſchen.

Rod.

Wir duͤrffen hier nicht nach unſerm gefallen le - ben.

Flor.

Sie haben zu befehlen / und was mich anlangt / wolt ich die luſt ehe ſuchen / als verhindern.

Bel.

Jch bitte ſelbſt / er mißgoͤnne uns die ergoͤtzlig - keit nicht?

Rod.

Nach dero belieben. Dromo / lauff / und bringe den thorwaͤrter hieher / den ſohn laß noch ſtecken.

(Sie ſetzen ſich.)
Sib.

Nun wird mir das hertz umb 7 ſtein leichter / ja wer nun die verliebten ſachen nicht alle vergeſſen haͤtte. Ach wo bleibt der kerle / daß er nicht fortge - het / koͤmmt mir doch ein jeglicher augenblick laͤnger vor / als ſonſt tauſend.

(Dromo bringt den Ephialtes.)

O das gold-engelgen / da kommt es her / daß ich dich zur gluͤckſeligen ſtunde wieder ſehe.

Rod.

Ephialtes / du alter unnuͤtzer karngaul / dein ge -Swiſſen274Der triumphirenden keuſchheitwiſſen wird dich ſelbſt uͤbeꝛzeigen / daß du den galgen verdient haſt. Jndem aber ſo wohl dein leben / als dein tod in unſern haͤnden ſteht / ſo wollen wir von beyden dir die wahl laſſen.

Eph.

Gnaͤdiger Herr / ich bitte um nichts mehr / als umb ein reputirlich leben / oder umb einen reputir - lichen tod.

Flor.

Die reputation hat euch treflich eingenommen.

Eph.

Es muß auch ſeyn / wer wolte ſich ins kuͤnfftige ſonſt zu einem thorwaͤrter gebrauchen laſſen.

Rod.

Du ſolſt reputirlich gnug tractiret werden / ſage nur / wilſtu leben oder ſterben?

Eph.

Jch armer alter mann / ich komme bald gnug zum ſterben / wann es ſeyn koͤnte / daß ich leben duͤrf - te / ſo waͤre mir es ein groſſer dienſt.

Rod.

So wollen auch wir / daß du leben ſolſt.

Eph.
(kniet)

Ach allergnaͤdigſter Herr / mit was vor demuͤthigen worten ſoll ich meine groſſe danckbar - keit gegen ſo eine unverhoffte gnade erweiſen. Jſt die ſuͤnde vergeben / und darff ich wieder mit gutem gewiſſen an mein ampt gehen?

Rod.

Du haſt volle vergebung / und damit du ſieheſt / welcher maſſen alles nach deinem wunſche ergehe / ſo nimm deine liebſte Sibylle zum ehlichen gemahl an / und wo du morgen bey dem angeſtellten beyla - ger mit auffwarten wilſt / ſoll dir zu ehren eine ſon - derliche tafel hinter dem kachel-ofen aufgeſchlagen werden.

Eph.

Herr / das leben iſt mir lieb / aber

(er kraut ſich im kopffe.)
Rod.

Haſt du noch nicht gnug.

Eph.

Jch habe gar zu viel / mit der liebſten moͤchte esnoch275Fuͤnffte Handlung.noch wohl anſtand haben.

Rod.

Sa wilſt du vielleicht lieber hencken?

Eph.

Was mach ich / was ſprech ich / was thu ich?

Sib.

Ey mein vaͤtergen! ſagt doch immer ja.

Eph.

Jch / doͤrffte ich ſagen / was ich dencke.

Rod.

Fort / die reſolution muß ſchleunig ſeyn / wilſt du ſie haben?

Eph.
(ſachte)

leben ſterben / leben ſterben / leben ſter - ben /

(laut)

ja.

Rod.

Gebt einander die haͤnde /

(ſie geben)

kuͤſt ein - ander /

(ſie kuͤſſen)

ſtreichelt einander / ꝛc.

Sib.

Jſts doch / als wann ich jung waͤr / als ein maͤd - gen von 15 jahren.

Eph.

Mein groͤſter troſt iſt / daß ich mich noch alle ta - ge kan aufknuͤpffen laſſen / wann mir der ſchlaffgeſell nicht gefaͤllt.

Sib.

Werder ihr mich nur recht erkennen lernen / wie ichs mache / wann ich das haupt-kuͤſſen hinter dem nacken habe / ſo wird euch euer leben nicht leid ſeyn.

Eph.

Jch fuͤrchte mich allezeit davor.

Rod.

Was euren mahlſchatz beyderſeits betrifft / moͤ - get ihr morgen drauff bedacht ſeyn. Jtzt muͤſſen wir auch Pickelhaͤringen holen laſſen / Dromo fort / und bringe ihn hieher.

Cl.

Er wirds kurtzweilig gnug machen.

Bel.

Jch bin ihm noch was ſchuldig / wann er ein biß - gen vexiret wird / kan es ihm nicht ſchaden.

Flor.

Daran ſoll kein mangel ſeyn.

(Dromo bringt Pickelhaͤring.)
Pick.

JHr ehrlichen leute / ſeyd ihr noch da / ich erfreue mich euer guten geſundheit. Gehts euch nochS 2wohl276Der triumphirenden keuſchheitwohl dadrunen. O ich bin gantz entzuͤcket / als wann ich aus einer andern welt kaͤme. Fuͤrwahr / wann ich nicht ſo eben wuͤſte daß ich im hunde-loche geſtecket haͤtte / ich meynte / ich waͤr gar in nobiß-kruge gewe - ſen. Es iſt keine kroͤte und ſchlange auf dem erdbo - den / die nicht bruͤderſchafft mit mir gemacht hat. Die eydexen haben unter meiner hals-krauſe jun - ge ausgebruͤt / und die widhoffe bauten mir das neſt gar ins maul / ich habe die ſtruͤmpffe ſtets mit einer blind-ſchleiche zugebunden / und wann mir ein ho - ſen-neſtel fehlte / rieß ich nur einer groſſen ratte den ſchwantz ab. Die fleder-maͤuſe waren meine ſchu - roſen / und umb die hoſen hingen mir lauter otter - gezuͤchte herumb / als wann es frantzoͤſiſch mode - band waͤr. Das futter-hembde war mit groſſen wand-laͤuſen gefuͤttert / und die koſt-gaͤnger auf dem kopffe waren wie mey-kaͤfer groß. Mit einem wor - te / es gieng mir / als wann mir die ſchaben allenthal - ben waͤren dran kommen / ich wolte lieber 7 mahl ſterben / als 6 mahl in die moͤrder-grube kriechen. Nun ſtudire ich allmaͤhlich auf ein ſchoͤn abſchieds - liedgen / weil ich doch auf der welt am laͤngſten ge - lebt habe / und mein tod vor der thuͤre iſt.

Dromo.

Pickelhaͤring / des redens wird zu viel / wo du nicht ein ende machſt / ſo ſchneide ich dir die worte mit dem pruͤgel vor dem maul weg.

Pick.

Du groſſer lindwurm / wilſt du auch bruͤder - ſchafft mit mir machen?

Drom.

Nein / mein pruͤgel ſoll es thun.

Pick.

Laß mich gehen / du dreybeinigter eſel.

Drom.

Halt / ich will ſehen / wie viel du beine haſt / eins / zwey / drey / vier ꝛc.

(er ſchlaͤgt ihn um die beine.)
Pick.277Fuͤnffte Handlung.
Pick.

Hoͤr auff / du trampel thier! du zehlſt zu viel / zu viel / zu viel.

Drom.

Wie heiß ich nun?

Pick.

Du dieb / du kanſt uͤber drey zehlen / ſonſt wolt ich dirs wohl ſagen.

Rod.

Dromo / wie lange ſollen wir warten?

Pick.

Da bin ich / Herr!

Rod.

Weiſt du auch / was du verdient haſt?

Pick.

Da ich ein haͤſcher war / verdiente ich des tages 18 pfenning / nun hab ich im hundeloch der ſchlan - gen und kroͤten gehuͤtet / darvor weiß ich nicht / was die gebuͤhr iſt.

Rod.

Die gebuͤhr iſt leicht auszurechnen / du haſt mul - tiplicirt / wann der hencker dividirt / ſo kommt das facit an galgen.

Pick.

Von dieſer rechnung weiß Adam Rieſe nichts.

Rod.

Deſto mehr ſollſt du davon wiſſen.

Pick.

Jch weiß nicht / was das ding heiſſen ſoll.

Rod.

Mit einem worte / du ſollſt hencken.

Pick.

Jch kan aber meinen hals nicht entrathen.

Rod.

Doch wir koͤnnen einen ſolchen vogel wohl ent - rathen.

Pick.

Ach waͤr ich ein vogel / ſo wolte ich mir ein ſtorch - neſt auf die hoͤchſte linden bauen / daß mich kein menſch erreichen ſolte.

Rod.

Dein neſt ſol hoch genug werden.

Pick.

Aber zum element / wo ſteck ich dann mein freſ - ſen und ſauffen hinein / der bauch will gleichwohl das ſeinige haben?

Rod.

Da magſt du darvor ſorgen.

Pick.

Am beſten waͤr es / die poſſen blieben gar nach.

Rod.

Das urtheil iſt fertig / in zwey ſtunden biſt duS 3ſo278Der triumphirenden keuſchheitſo gut / als ein kloͤppel in einer feld-glocke.

Pick.

Herr / erſchreckt mich nicht ſo ſehr / wann ich das podogra davon kriegte / ſo hienge mirs die zeit mei - nes lebens darnach an.

Rod.

Halt das maul / und ſchicke dich zum tode.

Pick.

Jch werde ja meinen zukuͤnfftigen kindern noch duͤrffen ein teſtament machen?

Rod.

Du muſt viel zu vermachen haben / und darzu / wo haſtu deine kinder?

Pick.

Wann ich in drey jahren eine frau nehme / ſo hab ich in ſechs jahren vier kleine Pickelheringe im hau - ſe herum lauffen.

Rod.

Dieſer ſorgen wollen wir dich uͤberheben.

Pick.

Fragt doch zuvor / ob ich will?

Rod.

Dromo / geh und hole den ſcharff-richter / ſage / er ſolle einen ſtrick mit bringen / der fein lange weh thut.

Pick.

Ey bruder / bleib da / was haben wir mit dem un - ehrlichen kerln zu thun / du ſieheſt wohl / daß dich der Herr vexiret.

Rod.

Dromo / laß dich nicht aufhalten.

(er gehet.)
Pick.

Herr! Jhr werdet ja nicht aus ſchimpff ernſt machen / ey das traͤffe mir ſchlimm ein.

Rod.

Du haſt unſer gnade gnug gemißbrauchet.

Pick.

Und iſt kein ander mittel da?

Rod.

Du biſt nicht werth / daß wir dir antworten.

Pick.

Das ſoll gewiß mein letzter troſt ſeyn?

Bel.

Hoͤre Pickelhaͤring / was gibſt du mir / ich will ei - ne vorbitte vor dich einlegen?

Pick.

Ach ſchoͤne Jungfer! wann das geſchehen ſol - te / ich wolte euer ewiger ſchwammdruͤcker werden.

Bel.

O du garſtiger pengel / dazu brauch ich dich nicht.

Pick.279Fuͤnffte Handlung.
Pick.

Jch will ſonſt alles thun / was ihr haben wollt.

Bel.

Auff dieſes wort lege ich eine vorbitte ein.

Rod.

Euch die bitte nicht zu verſagen / ſoll er beym le - ben bleiben / doch mit der bedingung / daß er alles verrichte / was ihr haben wollet.

Bel.

Pickelhaͤring / weil du nunmehr durch meine un - terhandlung bey leben erhalten wirſt / ſo begehr ich nichts von dir / alsdas du dich unveꝛzuͤglich mit met - ner Melane in ein ehe-verloͤbniß einlaͤſſeſt.

Pick.

Jetzund beſinne ich mich erſt / ich will hencken.

Bel.

Heiſt dieſes alles gethan / was ich haben will?

Pick.

Jch dachte nicht an das beſchiſſene raben-aas.

Bel.

Unterdeſſen hilfft nichts davor / du haſt es einmal zugeſagt / und wann du nicht wilſt / laß ich dir einen zehnfachen ſtaub-beſen geben / und darnach ſolſt du doch hencken.

Pick.

Wie ich wohl ſehe / ſo fall ich immer tieffer in qvarck.

Bel.

Zuſage macht ſchuld.

Pick.

Endlich / wann es ja ſeinen fortgang haben ſol - te / ſo laſt mich doch die moͤhre beſehen / daß ich kei - nen blinden kauff thu.

Bel.

Melane komm her / und praͤſentire dich.

Mel.

Gar gerne / wie wills / mein gold-ſchatz?

Pick.

Nicht zum beſten / nun du ſchoͤnes m[u]ſter! laß dich nun auch betrachten. Die haare ſind ſo gold - gelb / wie ein carfunckel vor dem ofenloch / was ſind denn das vor weiſſe dinger im haren / ach es wird eine ſonderliche manier von dem Arabiſchen buder ſeyn. Botz tanſend / es iſt doch / als wann die liebe ein wenig anfienge. An der ſtirne iſt diß das beſte / daß ſie nicht geſchminckt iſt / oder wo ſie ſich batS 4ſchmin -280Der triumphirenden keuſchheitſchmincken wollen / iſt ſie gewiß uͤber die ſpuͤlich-gel - te kommen. Die brocken kleben ihr noch in den runtzeln herum. Jhr niedlichen katzen-augen / koͤnnt ihr nicht nach der ſeite ſehen / wie die gaͤnſe / wann es wetterleucht. Und was ſage ich zu der na - ſe / fuͤrwahr / wo die naſe bey einem menſchen des gantzen leibes ſcheiß-haus heiſt / ſo trifft es da ein / es iſt mir leid / daß ich nichts im vorrathe habe / ich weichte das liebe naͤſgen ſelber ein. Wann ich die backen anſeh / ſo iſt mir immer / als wan ſie das inn - wendige vom pinckel-topffe heraus gekehrt haͤtte / da ſieht man / was die rechte leib-farbe thun kan. Maͤdgen thu das maul auf / haſt du die zaͤhne noch alle / wiewohl am freſſen mag dir nichts mangeln.

Bel.

Pickelhering / du haſt genug beſichtiget / erklaͤre dich nunmehr.

Pick.

Jch kaͤme gern ein bißgen tieffer in die ſchrifft.

Bel.

Vor dißmahl nicht / ſage ja / oder nein.

Pick.

Will ſie mich dann haben?

Mel.

Ja / ich wil euch haben / und ich laß euch keinen friede / biß ihr mich nehmt.

Pick.

Nun ſo gebt ſie mir doch her / daß ich einmahl von ihr komme.

Mel.
(Giebt die Haͤnde.)

Alſo ſind wir eheleute?

Pick.

Ja / nun ſind wir ein leib mit einander.

Mel.

Und du haſt mich recht lieh?

Pick.

Jch wolte / du waͤreſt ein kuͤh-fladen / und ich ein gold-kaͤfer / ſo ſolt uns in ewigkeit nichts von einander trennen.

(Sie kuͤſſen und uͤberwerffen ſich.)
Rod.

Sacht an / ſacht an / ihr neuen liebhaber / ſpart euch etwas auf morgen / da ſolt ihr erſt recht hoch - zeit machen.

Clar. 281Fuͤnffte Handlung.
Clar.

Jch habe mich ſatt gelacht / es wird nunmehr zeit ſeyn / gegenwertige liebgen der beſchwehrung unſer anweſenheit zu befreyen.

Flor.

Die annehmligkeit dero gegenwart wird uns entzogen werden.

Clar.

Die zeit vermahnet uns zum aufbruch.

(ſie ſte - hen auff.)
Rodoman.

KOmmt ihr voͤlcker / ruͤhmt mein gluͤcke / Welches mir in dieſem ſtuͤcke Gar zu ſchoͤn und freundlich lacht / Und von Ludewigs geſchlechte Mir aus einem bloͤden knechte / Dieſen freund und Schwager macht.

Clariſſe.

Aller zierrath meiner jugend / Schoͤnheit / ehre / luſt und tugend Wolten gleich zu grunde gehn; Dannoch / weil Floretto lebet / Und der ſchande widerſtrebet / Kan ich wieder feſte ſtehn.

Floretto.

Jhr Sicilianer-graͤntzen Seht den teutſchen Lorbeer glaͤntzen / Daß ein knecht nunmehr regiert / Und in dieſem ſchoͤnen Lande / Uber hochmuth / ſchmach und ſchande / Durch die |Keuſchheit triumphirt.

Beliſſe.

Tapffre Deutſchen ſeyd zu frieden / Daß ein zweig von euch geſchiedenS 5Und282Der triumphir. keuſchheit Fuͤnffte Handlung〈…〉〈…〉Und hieher verſetzet iſt / Alldieweil er bey dem triebe Seiner pracht und meiner liebe / Alles auſſer mir vergiſt.

Rodoman.

Unſer Koͤnig Carl regiere / Und die keuſchheit triumphire Durch die ſuͤſſe liebes-macht / Jtzo bringt die luſt auff morgen / Zwiſchen hoffnung / lieb und ſorgen / Eine ſchoͤn und gute nacht.

(Sie gehen ab.)
Uber -283

Uberfluͤſſiger Gedancken Andere Gattung.

Geehrter Leſer.

ALs ich vor ſechs jahren ein ſtuͤck von meinen Uber - fluͤßigen Gedancken in die freye welt ausfliegen ließ / meinte ich / es ſolten nun die andern ſachen / welche ich zuruͤcke behalten / eher in dem winckel vermodern und zu nichte werden / als daß ich noch einmahl etlichen catonianiſchen eßig-kruͤgen wolte gelegenheit an die hand geben / mich vor ein welt-kind auszuſchreyen. Al - lein mein gluͤcke fuͤgte ſich vor wenig jahren alſo / daß ich den winter und fruͤhling auff dem lande zubringen muſte. Da ich denn in meiner einſamkeit zwar gute muſſe hatte mein ſtudiren fortzuſetzen: Nur an der compagny ſpuͤrte ich offtermahls nicht einen geringen mangel. Derohalben wenn ſich etliche uͤberfluͤßige grillen bey mir angeben wol - ten / ſo wuſte ich kein beſſer mittel dieſelben zu verjagen als durch die Uberfluͤßige Gedancken / welche mir vormahls e - ben zu ſolcher zeit eingefallen / da ich ein uͤberfluͤßiges mit dem andern vertreiben muſte. Alſo nahm ich meine alten Univerſitaͤts-acta herfuͤr / und womit ich vermeinte einen guͤnſtigen leſer zu vergnuͤgen / ſolches zeichnete ich bey vor - fallender muſſe zuſammen. Jch hatte aber bey dem erſten theil albereit angemerckt / wie dunckel und unverſtaͤndlich manch liedgen heraus kam / indem es alſo bloß / und ohne alle erklaͤrung hingeſetzt war / drumb fiel mir dieſes mittel ein / durch etliche geſpraͤche eines und das ander deutlicher und verhoffentlich etwas annehmlicher vorzuſtellen / habe alſo eine neue mode auff die bahn gebracht / die lieder gleich - ſam in einer luſtigen geſellſchafft zu uͤberliefern / daß aberaller -284Vorredeallerhand kurtzweile mit eingemiſchet werden / ſolches wird in den geſpꝛaͤchen erfordert / und iſt allzeit von den vornehm - ſten leuten / welche in dergleichen art etwas zu ſchreiben vor - genommen / ſehr wohl beobachtet worden. Ja wenn ich mich einer hohen redens-art dabey gebrauchen wollen / wie es vielleicht mancher Cenſor erfordern moͤchte / ſo haͤtte ich die hoͤchſte ungeſchickligkeit von der welt in einem lebendi - gen exempel auffgefuͤhret. Man muß die ſachen alſo vor - bringen / wie ſie naturell und ungezwungen ſind ſonſt ver - liehren ſie alle grace, ſo kuͤnſtlich als ſie abgefaſſet werden. Ein mahler waͤre nicht klug wenn er die roſen mit guͤldenen knoͤpfgen abmahlete; ob er gleich dencken moͤchte / es kaͤhme friſcher und anſehnlicher heraus: Denn die natuͤrlichen roſen waͤren dem bilde nicht aͤhnlich. Und wer weiß nicht wie jaͤmmerlich die brieff - und karten-mahler ihre ſachen illuminiren / da ſie balde die leute mit gruͤnen baͤrten / bald mit cinnoberrohten backen / bald mit Auripigment gelben haaren vorſtellen / und alſo der natur nicht eine geringe ge - walt anlegen. Jch frage auch / wie wuͤrde ein ſchuſter la - chen, wenn ſo ein ſaalbadriſcher Philologus / der ſich etwan ſchaͤmete zu ſprechen: Meiſter Hans macht mir ein paar ſchuh / mit einer ſolchen rede auffgezogen kaͤme: Herr mei - ſter unter den ſchuhmachern / an denſelben iſt mein heffti - ges und angelegenes bitten / er wolle doch meiner einge - denck ſeyn / und bey hindanſetzung ſeiner andern verrich - tungen / vornehmlich zwar ein maß zu meinem fuß / ſ. v. neh - men / hernachmahls aber das leder alſo darnach einrichten daß ich auff kuͤnfftigen ſoñtag meine neue ſeidenen ſtruͤmpf - fe durch keine zerꝛiſſene ſohlen und beſtoſſene abſatze beſchaͤ - men moͤge; auch ſo dann das frauenzimmer deſto mehr an - laß habe meinen zierlichen gang zu betrachten: Jch wer - de an meinem orte eine ſonderbahre Affection hier - aus erkennen / auch ins kuͤnfftige befliſſen ſeyn / nicht allein durch ſchleunige bezahlung / ſondern auch durch an - dere dienſtleiſtungen mein danckbaꝛes gemuͤthe darzuthun: Alldieweil ich wohl weiß / daß gleich wie ein carfunckel un - ter den edelſteinen / und das hellblitzende gold unter den metallen den vorzug hat; alſo auch die danckbarkeit unterden285an den Leſer. den andern tugenden vor eine koͤnigin muß gehalten werdē.

Jch bitte man lache nicht uͤber diß exempel. Es finden ſich im gemeinen leben tauſend und aber tauſend compli - menten / die nicht viel beſſer klappen / als dieſe ſchuſter-Ora - tion, wiewohl es mag ein iedweder ſeinem belieben nach - gehn / ich bleibe bey meiner freyheit / und habe meine luſt an der einfalt die der natur am nechſten koͤmmt. Wie ich denn in der ſchaͤfferey gleichfals keine hohe gedancken ein - geflickt habe / aus beyſorge ich moͤchte das freye und ſorgen - loſe feld-leben dadurch mehr verſtellen als ſcheinbar ma - chen. Und gewiß der Comoͤdiant waͤre ein narr / der die ſchaͤffer in die ſammet peltzen praͤſentirte: Und alſo waͤre man nicht viel kluͤger / wenn man den ſchaͤffern ſolche re - den vorſch[r]eiben wolte / die ſich nirgend beſſer als in ſam - met peltzen reden lieſſen. Jn dem letzten luſt-ſpiel habe ich nach anlaß der perſohnen die worte bald hoch bald nie - drig gefuͤhret / ob die hiſtoria wahr oder nicht / davor darff ich ſo genau nicht rechenſchafft geben: Es iſt gnug / daß ein iedweder geſtehen muß / es gehe in gemeinen leben nicht an - ders her / als daß eine Comoͤdi nach der andern von fal - ſchen freunden geſpielet wird.

Jmmittelſt bedinge ich dieſes / es flicke mir niemand et - was hinein / der es nicht gelernet hat. Jch ſah einmahl meine triumphirende keuſchheit agiren / und hoͤrte offt wie ein ander ſeine kaͤlber-lunge darzu gethan hatte / daß mir faſt uͤbel darbey ward. Wer ſo kuͤnſtlich iſt / daß er alles verbeſſern kan / der mache lieber etwas neues / es bleibt doch huͤmpeley / wenn zweyerley gedancken zuſammen geflickt werden.

Sonſten was die geſpraͤche anbelangt / ſo hab ich meine perſon unter dem nahmen Gilanes verborgen. Die zwey en guten freunde aber ſtellen eine widerwaͤrtige natur vor. Melintes iſt ernſthafftig: Fillidor hingegen kurtzweilig. Auff die weiſe habe ich gelegenheit die Uberfluͤßigen Gedan - cken bald zu erklaͤhren / bald zu entſchuldigen.

Jngleichen iſt das frauenzimmer welches in einigen zu - ſammenkuͤnfften mit eingefuͤhret wird / von wider-ſinni - ſchem gemuͤthe: Ob ich die redens-arten nach der weiber -zunge286Vorredezunge allzeit eingerichtet / moͤgen die jenigen urtheilen / wel - che mehr in ſolchen geſellſchafften begriffen ſeyn / als ich. Zum wenigſten habe ich mich keiner ſtraffe zu befuͤrchten / wofern der ſache zu wenig geſchehen iſt.

Die melodeyen habe ich etlichemahl darzu geſetzt: Meh - rentheils aber auſſen gelaſſen. Dann etliche lieder ſind mehrentheils auff gewiſſe Arien gerichtet / und dieſelben verliehren ihr halbes leben / wann ſie den rechten thon ver - liehren / doch darff man alle nicht nennen / ſonſt lernen es die gemeinen kerlen in allen bauerſchencken zu leicht / wie es den kriegeriſchen arien ergangen iſt / welche man viel hoͤ - her hielte / wann nicht alle ſack-pfeiffer und dorff-fiedler / die herrlichen melodeyen zerlaͤſterten / und gemein machten.

Jm uͤbrigen habe ich mich ſehr fleiſſig vorgeſehen / daß ich keine æqvivoca mit eingebracht / welche ſich halb erbar und halb garſtig auslegen laſſen. Und wird ein iedweder / welcher vor dieſem die lieder geſchrieben geſehen / diß be - kennen muͤſſen / daß an vielen orten etwas mit willen geen - dert habe / unangeſehen / daß unterſchiedene luſtige gedan - cken dadurch verruͤcket worden.

Zwar wann ich wuͤſte / daß ſich jemand anders des buchs annehmen wolte / wie ich hoͤren muß / daß mir unlaͤngſt bey einer andern ſchrifft dergleichen wiederfahren iſt / ſo haͤtte ich deſto weniger furcht gehabt bey etlichen leuten in unbil - ligen verdacht zu gerathen. Und gewiß ich kan auff den guten menſchen / welcher meine arbeit vorſeine ausgegeben / noch dieſe ſtunde nicht boͤſe ſeyn / dann wer etwas drucken laͤſt / ohne vorhergeſetzten nahmen / der ſtellet ſich als waͤre es res derelictui debita quæ fiat occupantis. Werde ich ein - mahl luſt haben meinen ausdruͤcklichen nahmen in dem Franckfurter und Leipziger Catalogo zu leſen / ſo wil ich ſchon etwas finden / daß mir ein ander ſoll unabdiſputiret laſſen.

Dieſes machet mehr verdruß / daß etliche buchdrucker ſo geſchwind uͤber den nachdruck her ſeyn / und ungeacht / daß hierdurch ein rechter diebſtahl begangen wird / daſſel - be zu ihren nutzen wenden / welches andern mit beſſern rech - te zukommt. Doch die kappe iſt ihnen anderweit zugeſchnit - ten; darum ſollen ſie auch hier verſchonet bleiben.

287an den Leſer.

Mehr ſage ich nicht. Es moͤchte es auch niemand leſen / wann ich es zu lang machte: doch dieſes eintzige lied / wel - ches ich ungefehr vergeſſen habe in den geſpraͤchen mit ein - zubringen / wird ſich an dieſem orte nicht unfuͤglich zur zu - gabe herbey ſetzen laſſen.

WOhl dem der noch in ſeinem leben
Ein luſtig ſtuͤndgen haben kan /
Wann andre ſich dem ſchmertz ergeben /
Und ſtecken zwiſchen furcht und wahn /
So bleibt der troſt der ihn ergetzt
Auff einen feſten grund geſetzt.
2. Jch finde keine luſt im ſauffen:
Geſetzt ich lieſſe tag und nacht
Den kalten ſafft in magen lauffen /
Der nur den ſcheidel hitzig macht.
So ſagt ich endlich morgens fruͤh /
Die luſt verlohnt ſich nicht der muͤh.
3. So frag ich auch nach keinen ſpielen /
Es macht mich reich und wieder arm /
Und ſol ich meinen ſchaden fuͤhlen /
So wird die ſtube gar zu warm /
Gleichwie man ſpricht: das ſpielen hitzt.
Und wann man in dem keller ſitzt.
4. Dem frauenzimmer nachzugehen
Giebt endlich ſchlechten uͤberdruß /
Doch weil man offt zuruͤcke ſtehen
Und in gedancken wuchern muß /
So iſt auch dieſes nicht die bahn
Darauff man ſich vergnuͤgen kan.
5. Drum lob ich allzeit meine freude
Der angenehmen Poeſi /
Die288
Die gilt mir in den hoͤchſten leide
Das beſte labſal vor die muͤh:
Da ſchick ich meine ſorgen hin
Wann ich im tiefſten kummer bin.
6. Da mag ich ungehindert ſchreiben /
Was andre mit beſchweren thun:
Jch darff in meiner ſtuben bleiben /
Ja auch wohl gar im bette ruhn /
So faͤllt mir doch in ſolcher ruh /
Das allerſchoͤnſte liedgen zu.
7. Begehrt ein Buhler meine lieder /
Jch fuͤhle keinen ſchmertz davon:
Er geht die gaſſen auff und nieder /
Und hat nur qvaal und noth zu lohn:
Hingegen ich leb unbetruͤbt /
Und bin nur ins papier verliebt.
8. Wohlan ihr zucker-ſuͤſſen ſtunden
Jhr habt mich offtermahls erqvickt:
Derhalben bin ich euch verbunden /
Und werde gleichſam gantz entzuͤckt /
So bald mein geiſt auff dieſes gut
Noch einen blick zuruͤcke thut.

Hiermit befehle ich mich dem geneigten Leſer in ſeine gunſt / und gebe einem jedweden frey zu urtheilen wie er will.

D. C.

Der289

DEr kuͤhle herbſt begunte allgemach die blaͤtter auf den baͤumen zu verfaͤrben / und kuͤndigte durch ſolche zeugen den in - ſtehenden winter an / als Gilanes von ei - nem lieben orte ſich wegmachen / und mit ſack und pack verreiſen muſte. Die|re - ſolution gieng ſo eilfertig von ſtatten / daß er ſich nicht einmahl beſinnen kunte / ob er auch die bißhero genoſ - ſene annehmligkeiten anderswo mit dergleichen maſſe wuͤrde erhalten koͤnnen. Doch meinte er / ſo fern er nur ſeyn Clavichordium koͤnnte mitnehmen / ſo ſolte es ihm an belieblicher zeit-verkuͤrtzung nicht ermangeln / wenn auch alle compagnie von ihm abſetzen moͤchte. Dan - nenhero wickelte er das Clavichordiun in ſeine betten gar ſubtil ein / befahl dem kutſcher ſolchen pack wohl zu verwahren / und nahm damit kurtzen abſchied. Er gelangete gluͤckſelig an den vorgeſetzten orth / fund auch alles begehrter maſſen in gutem zuſtande. Allein da er ſeyn loſament beziehen wolte / und der kutſcher nebenſt der reiſe-lade den gedachten pack hernach brachte / warff der ungeſchickte toͤlpel die betten auff die erde / daß ſich allen umbſtaͤnden nach das Clavi - chordium ziemlich mochte erſchuͤttert haben. Gila - nes rieß die betten von einander / und wolte nach dem ſchaden ſehen. Doch da war keine ſeite gantz / der re - ſonantz-boden hatte ſich wohl an fuͤnff orten zerriſſen / der ſtern war in drey ſtuͤcke zerſprungen / mit einemTworte /290worte / die freude war hin. Nach langen grilliſiren / dachte er endlich / beſſer das Clavichordium entzwey / als ein auge auß / kan man doch den ſchaden wieder helffen laſſen. Schickte derhalben zum inſtrument - macher / verdingte ihm den patienten / und wuſte ſich ſehr viel / daß er den kaſten / die clavir / die wirbel und das rothe tuch zum beſten hatte. Unterdeſſen verzog ſich die ſache auff etliche wochen / biß er nach vielfaͤlti - gen und ungedultigen anhalten / an einem ſonntage nach der mahlzeit ſeines wunſches gewehret wurde. Da muſte nun vor groſſen freuden eine Gique nach der andern herhalten / biß ihm folgendes lied einfiel.

NUn bin ich meiner noth entnommen /
Die trauer-zeit iſt wieder um:
Willkommen / tauſendmahl willkommen /
Du liebſtes Clavichordium /
So wilſt du nun beſtaͤndig bleiben
Und mir die muͤde zeit vertreiben.
Ach laß die ſeiten nicht zerſpringen /
Und laß den an genehmen klang
Durch einen leiſen griff erzwingen /
So wil ich dir zu groſſen danck /
Die beſten freunde zu ergetzen
Auff dir manch ſchoͤnes ſtuͤcke ſetzen.
Du darffſt dich itzo nicht befahren
Als wolt ich bald von hinnen ziehn /
Und nebenſt andern fuhrmans-wahren
Dich in den rauhen pack bemuͤhn /
Und wenn ich auch die weichſten bette
Um dich herum geſchlagen haͤtte.
Ach nein / ich weiß nicht was ich wolte /
Eh291
Eh ich dich nur ein eintzig mahl
So vor die hunde werffen ſolte:
Die kutſcher moͤgen ſtein und ſtahl
Jn ihrer groben hand verwalten /
Die koͤnnen beſſer wiederhalten.
Du aber / biſt an allen enden
Als eine jungfrau zart und fein /
Und wilſt von lauter weichen haͤnde[n]
Gantz niedlich angegriffen ſeyn /
Es kan ein kleiner griff geſchehen /
So gibt es bald ein groß verſehen.
Darum was wilſtu ferner ſchweigen /
Komm / ſtimme deine lieder an /
Jch will dir in der that bezeugen /
Daß ich die griffe richtig kan /
Und in dergleichen luſt-gewerbe
Mit greiffen leichtlich nichts verderbe.

Gilanes ſang diß lied in ſeiner vollen andacht her / und meynte nicht / daß jemand auſſer ihm ſeine freude dran haͤtte. Allein Fillidor und Melintes ſtun - den vor der thuͤr und wolten ihn nicht verſtoͤren. Letz - lich kamen ſie ihm unverſehens uͤber den hals / und ſa - gte Fillidor: bruder / greiff dich fein ſatt und verderbe auch nichts. Gilanes verwunderte ſich / wo die un - verhofften gaͤſte herkaͤmen / bat / ſie ſolten ihm zu gute halten / daß er uͤber ſeinem renovirtem Clavichordio ſo entzuͤckt worden / und ſie nicht eher in acht genommen. Sie baten ihn hingegen / er ſolte ſich nicht abhalten laſ - ſen / ſie waͤren die jenigen nicht / die ihn in dergleichen guten vorſatz verſtoͤren wolten. Abſonderlich be - gehrte Melintes / Gilanes moͤchte doch eines von ſei - nen liedern hoͤren laſſen / weil ihm wohl bekandt waͤre /T 2daß292daß er an ſolchen keinen mangel haͤtte. Dieſer ent - ſchuldigte ſich / die lieder waͤren der muͤhe nicht werth / daß man ſie anhoͤren ſolte / und darzu waͤre itzt ſonn - tag / da man der weltlichen gedancken nicht zu viel ma - chen duͤrffte. Jedoch deſſen ungeacht / hielten alle beyde nochmals an / er ſolte ihnen doch nur ein ſtuͤck - gen nicht mißgoͤnnen. Halt / dachte Gilanes / ich will euch fangen / und ſang folgendes geiſtliche junggeſellen - lied / nach der melodey: Helfft mir GOttes guͤte prei - ſen.

OGOtt du reines weſen /
Du glantz der herrligkeit /
Weil du mich haſt erleſen
Zu deiner Chriſtenheit /
So gib mir auch den ſinn
Zu aller reinen tugend /
Und lencke meine jugend
Wo ich zu ſicher bin.
2. Erhalt mich in dem ſchrancken
Vor aller boͤſen luſt /
Regiere die gedancken
Und mache mir bewuſt /
Du dreymahl heilger Fuͤrſt /
Daß wir vor unſer leben
Bald muͤſſen antwort geben /
Wenn du erſcheinen wirſt.
3. Wenn ich was boͤſes dichte /
So laß es nicht geſchehn /
Und laß ja mein geſichte
Nach keiner geilheit ſehn /
Verſucht mich fleiſch und blut
Zu unterſchiednen ſuͤnden /
Ach293
Ach HERR! ſo laß dich finden
Und brich mir meinen muth.
4. Erhalt mein faß in ehren /
Jn zucht und heiligkeit /
Und laß mich nichts verſehren
Biß auff die rechte zeit /
Und ſegne mich alsdann /
Daß ich ein liebes hertze
Jn unverbotnem ſchertze
Nach hauſe fuͤhren kan.
5. Doch lencke meine ſinnen
Zuvor auff dieſes ziel /
Wie ich mein brod gewinnen
Und ſie ernehren wil.
Nach dieſem zeuch mich hin
Zu einem frommen kinde /
Da ich mein labſal finde /
Wenn ich geſchaͤfftig bin.
6. Laß mich ein maͤdgen lieben
Das mich von hertzen meynt /
Jn Freud und in betruͤben /
Das mit mir lacht und weint /
Das ſich in alles ſchickt /
Und das an meinem ende /
Wenn ich den lauff vollende /
Mir noch die augen druͤckt.
7. Wiewohl du wirſt es machen /
Weil du mein Vater biſt /
Du weiſt was meinen ſachen
Gut und erſprießlich iſt.
Dein wille ſoll geſchehn /
Und was du meinem leben
T 3Wilſt294
Wilſt zum geſchencke geben /
Das will ich gerne ſehn.

Sieh da bruder / ſagte Melintes / wilſtu nur ein maͤd - gen haben / wie wenn ſich das gluͤcke umkehrte / daß du mit einen witweibigen muͤſteſt vorlieb nehmen. Gi - lanes verſetzte / er haͤtte zwar noch keine ohren darzu / doch auff allen fall muͤſte ſtylo Ovidiano puella ſo viel heiſſen als ein weibesbild / oder ein frauenzimmer. Fil - lidor lachte / endlich brach er in die worte herauß; Jch dachte wohl du wuͤrdeſt deinen Ovidium anfuͤhꝛen muͤſ - ſen / denn du biſt allezeit im geſchrey geweſen / als wenn du in ſeinen buͤchern bekandter waͤreſt / als in der bibel. Gilanes fragte / wer ſo unbillige gedancken von ihm ge - ſchoͤpfft? doch er muſte ſich berichten laſſen / ſeine Uber - fluͤßige Gedancken haͤtten es ſattſam ausgewieſen / daß er ein purlauter welt-kind ſeyn muͤſte. Nun kunte er nicht laͤugnen / daß er etliche dutzent weltliche lieder auf gutachtung unterſchiedener freunde in die welt außfliegen laſſen. Gleichwohl verwunderte er ſich / daß die leute von ſeinen Uberfluͤßigen Gedancken ur - theilen wolten / ehe iemand ſeine nothwendige gedan - cken geſehen haͤtte. Darum ſagte er: Ach das ſind Excrementa juventutis, und ſo wenig man an den ſchla - cken ſehen kan / ob das ſilber gut iſt / ſo wenig kan man hierauß von meiner Inclination urtheilen. Die guten gedancken behalt ich bey mir / und wer weiß / wenn ich die perlen vor die ſchweine werffe / oder daß ich recht ſage / wann ich geiſtliche lieder haͤtte herauß gegeben / õb ſich ſo viel liebhaber wuͤrden angemeldet haben. Melintes fiel ihm in die rede / bruder / ſagte er / dem ſey wie ihm wolle / es heiſt doch: Weß das hertze voll iſt / deß geht der mund uͤber. Und hiermit ſahe er denGila -295Gilanes an als waͤr er gefangen / doch dieſer ſchuͤttelte den kopff / und ſagte / bruder / weiſtu denn womit mein mund allzeit uͤbergeht? daß unterweilen dergleichen ſachen zum zeit vertreib mit unterlauffen / dannenhero iſt nicht von den gantzen leben zu urtheilen. Es iſt kein kirſchbaum ſo koͤſtlich / er hat viel taube bluͤten: Und wer iſt ſo heilig / daß er nicht unter ſeinen guten gedan - cken etliche unnoͤthige und uͤberfluͤßige entſtehen laſſe / daꝛzu wil ich nichthoffen / daß man in gedachten liedern etwas antreffen ſolte / welches GOtt und der erbarkeit zuwider lieffe. Ein ſchertz zu rechter zeit angebracht / iſt wie eine pomerantze in einer ſilbern ſchaale. Me - lintes verſetzte / gleichwohl iſt von etlichen vornehmen leuten nicht zum beſten davon judiciret worden. Gila - nes machte eine hoͤhniſche mine / und fragte / ob die len - te auch ſo vornehm waͤren / daß man ihr Judicium mit gutem gewiſſen koͤnte bey ſeite ſetzen? denn / ſagte er / ie vornehmer die leute ſind / deſto mehr ſoll man ihnen zu gefallen glauben. Und vielleicht ſchaͤmet ſich man - cher Catonianiſcher ſauertopf / daß er das exempel ſei - ner jugend allhier abgemahlet ſieht oder erzuͤrnet ſich / daß ſo viel von ſeinen ſtuͤckgen noch außgelaſſen ſind. Wer dergleichen Converſation in dieſem alter nicht ge - liebt hat / der werffe den erſten ſtein auff mich. Melin - tes ſagte dargegen / es fragte niemand / ob dergleichen gethan wuͤrde / ſondern ob es verantwortlich ſey / die unſchuldige jugend dadurch zu aͤrgern. Gilanes ſag - te nochmahls / er wuͤſte nichts aͤrgerliches darinnen / ſolte auch irgend eine æqvivocation zu finden ſeyn / wel - che ſich rechts und lincks appliciren lieſſe / ſo wolte er ſich wol verwetten / es ſolte ſie keiner verſtehen / als wel - cher auch hinter dem ſtrauche geſteckt haͤtte. Es ſey vielT 4ein296ein ander thun / ob ein alter krippenſtoͤſſer / der etliche jahr / vor einen Suſannen-bruder gedient / das raͤtzel errathen koͤnne / und ob ſolches ein junger geelſchnabel verſtehet / der noch nicht wiſſe wo Matz pfefferkuchen hohlet. Es gemahnet ihn wie mit den notis politicis damit der Tacitus geplagt und gemartert wird. Da bilde ſich mancher ſtaatsmann ein / was er auß eigner erfahrung darzu anmercke / das muͤſte alſobald ein ied - weder ſtuͤmper penetriren: Ja wohl verſtehen ſie es / daß / ie mehr dergleichen Schmirement heraus koͤmmt / ie weniger Politici gefunden werden. Melintes laͤchel - te und ſagte / ey bruder haben wir dich ein bißgen boͤſe gemacht / es iſt mein ernſt nicht / ich hatte meine belie - bung alſo zu ſchertzen. Gilanes verſetzte / ſo wil ich meine beliebung haben keinem menſchen mehr ein lied zu communiciren / doch Fillidor wandte ein / ſie waͤren deshalben zu ihm kommen / daß ſie etwas von ſeinen Reſervaten ſehen wolten / er wuͤrde ſo neidiſch nicht ſeyn / ſonſt muͤſten ſie auff die gedancken gerathen / er ſehe ſie entweder nicht vor rechtſchaffene gute freunde an / oder er wuͤſte ſich mit ſeinen ſachen gar zu viel / und wolte himmel hoch gebeten ſeyn. Gilanes blieb erſt - lich auff ſeinen gedancken: Endlich ſagte er / der tag waͤre zu ſolchen verrichtungen zu heilig / es waͤre auch die nachmittages-predigt vor der thuͤr / wolten ſie ihm ſonſt die ehre goͤnnen / und mit einem ſolchen Tracta - ment vorlieb nehmen / ſo ſolten ſie erfahren / daß ihre vergnuͤgung ſeine ergoͤtzligkeit ſeyn wuͤrde. Hier auf beſchloſſen ſie / weil ſie doch wegen des abnehmenden tages nach tiſche wenig ſpatzier-gaͤnge anſtellen koͤn - ten / alle abend in durchſuchung der alten Acten zuzu - bringen / darzu ſich Gilanes gern verſtund / und wardfolgen -297folgenden tag der anfang gemacht. Und es wird dem geneigten leſer vielleicht nicht unangenehm ſeyn / wenn alle zuſammenkunfften in einem abſonderlichen geſpraͤche vorgeſtellet werden.

Das Erſte Geſpraͤch.

Gilanes / Fillidor / Melintes.
Fill.

Nun bruder / wir ſtellen uns ein / und zwar oh - ne complimenten / du wirſt deiner zuſage ingedenck ſeyn.

Gil.

Sie ſind mir willkommen / ich hatte mich ihrer geſtern verſehen / doch mit ſchlechten ſachen hat man nicht zu eylen.

Fill.

Wer ietz luſt zu complimentiren haͤtte / dem mangelte es an deꝛ gelegenheit nicht / doch præmisfis præ - mittendis. wo haſtu deine lieder?

Gil.

Jhr herren ſo gut ich ſie habe / ſo gut ſolt ihr ſie bekommen / da iſt ein convolut alte briefe / wolt ihr mit mir ſo viel zeit darauff wenden / ſo ſtehen ſie zu eu - ren dienſten.

Mel.

Bruder / du muſt dich mit unter die gelehrten rechnen / denn es heiſt: Omnis doctus male ſcribit.

Gil.

Endlich wo es nicht mehr koſt / als ſo viel / will ich ein gelehrter mit ſeyn / doch es ſteckt ein arcanum po - liticum dahinter; ſchreibt man gut / ſo koͤmmt ein jed - weder und will es abſtehlen. Bey dieſer ſchrifft darff ich mich ſo leicht vor keinen Copiſten fuͤrchten.

Mel.

Die ſache iſt gut ausgeſonnen. Jch wolte ich koͤnte alle meine fehler ſo gut entſchuldigen.

Fill.

Ey wir wollen die fehler ſonſt entſchuldigen / ich moͤchte gern wiſſen was dieſes vor ein lied waͤr.

T 5Gil. 298Uberfluͤſſiger gedancken andere gattung
Gil.

Du biſt gleich uͤber das rechte kommen / es iſt ein verliebtes / ich habe es in nahmen eines guten freundes gemacht.

Mel.

Der gute freund ſteckt gewiß in deiner kappe.

Gil.

Nein gewiß / das moͤgen ſie mir wol zutrauen / daß ich gleich zuſage. Jch muͤſte fuͤrwahr noch ein - mahl ſo alt ſeyn / wenn alle begebenheiten / ſo in meinen liedern vorkommen / mit mir ſolten vorgefallen ſeyn.

Fill.

Nun wie heiſt denn das lied.

Gil.

Wir wollen es ſingen auf die melodey: Halber theil von meinem hertzen.

LJebſtes ſeelgen ſey zufrieden /
Bin ich gleich itzt manchen tag
Alſo weit von dir geſchieden /
Daß ich dich nicht ſehen mag /
Nun ſo glanbe ſicherlich /
Meine ſeele denckt an dich.
2. Alle ſeufftzer die ich laſſe /
Schick ich mit der botſchafft aus /
Fliegt doch in die werthe ſtraſſe /
Vor mein angenehmes haus /
Und beſchreibet meinen ſinn /
Daß ich kranck vor liebe bin.
3. Alſo / wann ein ſanfftes windgen
Unter meine wangen geht /
Denck ich daß von deinem muͤndgen
Dieſe liebes-poſt entſteht /
Weil ich mich vor jederman /
Deiner treu verſichern kan.
4. Doch / mein kind / was iſt dir bange /
Haben wir doch keine ſchuld /
Wird dir gleich die zeit was lange /
Nun299Erſtes Geſpraͤch.
Nun ſo warte mit gedult /
Denn das ende dieſer pein
Wird uns deſto lieber ſeyn.
5. Ach wie froͤlich will ich lachen /
Wenn das gute gluͤcke nun /
Wird den ſchoͤnen anfang machen /
Daß wir duͤrffen freundlich thun /
Ach wie lieblich / ach wie ſchoͤn
Wollen wir zuſammen gehn.
6. Da will ich vor liebe brennen
Gegen dich / du liebſtes kind /
Und kein unfall ſoll uns trennen /
Biß wir gantz vergnuͤget ſind /
Jch bin dein / und du biſt mein /
Das ſoll unſer Jawort ſeyn.
7. Unterdeſſen / liebſtes leben /
Sey deßwegen nicht betruͤbt /
Lerne dich darein ergeben /
Weil dich meine ſeele liebt /
Denn was ich nicht ſehen kan /
Schau ich in gedancken an.
Mel.

Es iſt unmoͤglich / du muſt verliebt geweſen ſeyn / ſonſt waͤre das lied ſo hertzbrechend nicht heraus kommen.

Gil.

Jch bekenne meine unſchuld. Doch diß kan ich nicht laͤugnen / wann ich ein lied mache / ſo ſtelle ich mir zuvor allerhand ſachen fuͤr / dadurch der affect / den ich exprimiren ſoll / angelocket wird. Alſo bin ich bald luſtig / bald traurig / bald zornig / bald barmher - tzig / nachdem ich meine invention einrichte.

Fill.

Koͤmmſtu mir doch vor / wie die betruͤbten wittwer / die auswendig weinen und inwendig lachen.

Mel.300Uberfl. gedancken andere gattung
Mel.

Dieſes gleichnis ſchickt ſich gut auff ſolche lieder / dann unter tauſenden iſt kaum eines / da es der verfaſſer ſo meynt / als er ſchreibt.

Fill.

Waͤre das frauenzimmer nur klug / und glaub - te der falſchheit nicht.

Gil.

Ach wozu man luſt hat / das glaubt man gar zu leichtlich.

Fill.

Nun weiter in den text / was iſt diß vor eins?

Gil.

Jch kan es vor lachen kaum ſagen.

Mel.

Jſt es ſo wunderlich?

Gil.

Das wunder iſt ſo groß nicht darbey. Jch ha - be es im nahmen eines ſchlechten kerlen gemacht / der ſich in eine vornehme jungfer verliebt hatte / die lieber waͤre von Adel geweſen.

Mel.

Es verlohnt ſich der muͤh mit dem ſchlechten kerlen.

Gil.

Sieh bruder er war bey einem vornehmen manne famulus, da ich mich ſo wol der Bibliothec als anderer recommendation bedienen kunte. Nun haͤt - te ich ohne diß bey dem guten menſchen muͤſſen danck - bar ſeyn / ſo kam ich ohne unkoſten loß. Und darff man eine jungfer-magd reſpectiren / ſo wird ja eines groſſen mannes famulus eben ſo gut ſeyn.

Fill.

Wie kam denn der gute ſtuͤmper zur liebe?

Gil.

Armuth hilfft vor liebe nicht. Er kam und klagte mir ſeine groſſe hertzens-angſt / er wiſſe nicht wo er ſich laſſen ſolle; nun habe er zwar etliche zeichen einer guten Affection geſpuͤhret / alſo daß ſie auch vor - nehme compagnie verſchlagen / wenn ſie nur mit ihm reden koͤnnen; ja er duͤrffte ſo kuͤhne ſeyn und ſie du heiſſen: Doch moͤchte er in einem liede ſeine liebe voͤlligerklaͤ -301Erſtes Geſpraͤch.erklaͤhren / denn mit worten ſolche auszuſprechen waͤ - re unmoͤglich.

Mel.

Du haͤtteſt den kerl ſollen klug machen / ſo haſt du ihn naͤrriſcher gemacht.

Gil.

Haͤtte ich ihm widerſprochen / ſo waͤre er nicht ſo fleißig zu meinen dienſten geweſen.

Fill.

Nun wie heiſt denn endlich das halb-vorneh - me und halb ſchlechte lied?

Gil.

So heiſts / und zwar auf ſeine eigene melodey.

ALlerliebſtes Marilißgen
Gieb mir was ich wuͤnſchen kan /
Und nim ein gehorſam gruͤßgen
Von demſelben diener an /
Welcher nichts auf dieſer welt
Uber deine freundſchafft haͤlt.
2. Zwar ich ſolte wohl bedencken
Wer ich bin und wer du biſt /
Und mein hertz nach einer lencken /
Welche meines gleichen iſt:
Doch dein ſchoͤner tugend-ſchein
Heiſt mich ohne ſorgen ſeyn.
3. Denn wer ſich verliebt will machen /
Muß auf ſeines gleichen ſehn;
Doch in bloſſen freundſchaffts ſachen
Kan es auch alſo geſchehn /
Daß ein ſchlecht und vornehm kind
Sich zu gleicher gunſt verbindt.
4. Mach es wie die ſonnenſtrahlen /
Wenn ſie auf der blumen bahn
Lilgen und narciſſen mahlen /
Schaun ſie auch ein kleeblat an:
Drum laß mich / mein ſonnenſchein /
Dein302Uberfl. gedancken andere gattung
Dein geringes kleeblat ſeyn.
5. Wilſtu mich alſo erfreuen /
Goͤnſtu mir die fuͤſſe raſt /
Ach ſo wird dichs nicht gereuen
D du mich zum diener haſt;
Mir beliebt der tugend licht /
Und die falſchheit acht ich nicht.
6. Nun wolan ſoll ich erkennen /
Daß ich mich ohn unterlaß
Duͤrffte deinen diener nennen /
Seelgen ſo befiehl mir was /
Denn ich ſchwere dir allein
Daß ich fromm und treu will ſeyn.
Mel.

Der menſch hat ſich gewiß viel gewuſt mit dem liede.

Gil.

Das verſteht ſich / er wuſte vor freuden nicht wo er ſich laſſen ſolte.

Fill.

Aber wie hat er ſeinen luͤmmel anbracht.

Gil.

Jch muß die ſonderliche invention erzehlen. Er wird von ſeiner frau eben zu dieſer jungfer ge - ſchickt / welche etliche pfund maronen begehrt hatte. Solche ſteckt dieſer in den ſchiebſack / und als er die waaren bey ſeinem Marilißgen wieder auslegt / ſtellt er ſich / als waͤre das briffgen aus groſſem verſehn mit darunter kommen. Doch ſie reiſt es ihm aus der hand / und liſet die hertzlichen gedancken.

Fill.

Wie iſt er aber beſtanden?

Gil.

Darum laß ich mich unbekuͤmmert. Jch bin wie jener General / der ritte in der ſchlacht hinter den berg und ſagte: Jch habe ihnen zuſammen geholffen / ſie moͤgen ſehen wie ſie wieder von einander kommen.

Fill. 303Erſtes Geſpraͤch.
Fill.

Man wird ja an dem ausgange etwas geſpuͤ - ret haben.

Gil.

Er verderbte es hernach bey ſeinem Herrn / daß er fort muſte. Damit war es bey mir auch ver - derbt / daß ich mich ſeiner nicht mehr annahm.

Mel.

Du haſt es gemacht wie die mahler / die hal - ten die pinſel in ehren / ſo lange ſie zu gebrauchen ſind; wann ſie ſtumpff werden / werffen ſie ſolche zum fenſter hinaus.

Gil.

Man ſiehet wie es geht.

Fill.

Aber wer iſt dann das Marilißgen?

Gil.

Sie iſt Gleichviels tochter / Monſ. Toutuns ſtieff-ſchweſter.

Fill.

Jch kenne die ehrlichen leute nicht.

Mel.

Verſtehſt du den poſſen nicht? ſo fraget man die bauren aus. Laß dir es gleichviel ſeyn wer ſie iſt.

Fill.

Jch muß geſtehen ich war gefangen. Doch den ſchimpff laß ich mit einen feinen liedgen wieder gut machen.

Gil.

Biſtu ſo leicht zu der guͤte zu behandeln / ſo will ich ein feines ſuchen. Hier hab ich eines da ein braͤu - tigam von ſeiner liebſten ſcheiden muſte. Es iſt nach einer Frantzoͤſchen melodey geſetzt / und wer ſolche nicht weiß / dem koͤmmt es nicht halb ſo annehmlichen vor.

Fill.

Laß nur hoͤren / vielleicht iſt ſie mir bekant.

Gil.

Das Frantzoͤſche faͤngt ſich alſo an:

Vous m avez pris Divine par vos charmes.

AStraͤa biſtu wol mit mir zu frieden
Daß ich zuruͤcke reiſen kan /
Nachdem ich dir mein hertz allhier beſchieden
Und die verſicherung gethan /
Daß304Uberfl. gedancken andere gattung
Daß ich aus allen
Dir zu gefallen /
Keine will lieben als eben dich.
2. Aſtraͤa ſchaue nur auf mein geluͤcke
Dem ich noch immer folgen muß /
Daſſelbe locket mich ſo weit zuruͤcke
Und hemt den zuckerſuͤſſen ſchluß
Jch bleib indeſſen
Dein unvergeſſen
Edelſtes ſeelgen und denck an dich.
3. Die winde koͤnnen zwar den leib verjagen /
Doch die gedancken bleiben hier /
Die werden dir allzeit ins ohre ſagen:
Ach dein Adonis lebt in dir /
Der ungebrochen
Sich ſelbſt verſprochen /
Liebſte derhalben beſinne dich.
4. Wird ja der neid und haß mit wort und wercken
Uns mitler zeit entgegen gehn /
So wollen wir uns doch in hoffnung ſtaͤrcken
Und der verfolgung widerſtehn /
Biß unſre Sonne
Mit luſt und wonne
Scheinet vollkommen auff mich und dich.
5. Der himmel wird es ſchon mit ehſten fuͤgen /
Wofern du nur zufrieden biſt /
D wir uns beyderſeits alſo vergnuͤgen /
Gleichwie der wunſch geweſen iſt:
Jtzt hilfft kein klagen /
Nur laß mich ſagen:
Liebe mich Schoͤnſte / ſo lieb ich dich.
6. Das305Erſtes Geſpraͤch,
6. Das ſoll die loſung ſeyn / indem ich ſcheide
Ein uͤbrigs trauren hilfft nicht viel /
Weil ich in kurtzen dich mit groſſer freude
Geſund und froh umbfangen wil.
Du biſt mein leben
Bleib mir ergeben
Liebſte ſo leb ich vor mich und dich.
Fill.

Wo es der braͤutgam recht gemeint hat / ſo iſt es gut gnug gegeben.

Gil.

Da laß ich ihn darvor ſorgen.

Fill.

Aber er gehoͤrt auch in Gleichviels freund - ſchafft?

Gil.

Wie anders? und wem waͤre mitgedient / wenn ich die leuthe verrathen wolte / die ihre liebes-gedan - cken auff mein gewiſſen gebunden haben.

Mel.

Wir ſind mit der bloſſen auslegung zu frie - den. Nur diß befinde ich / der braͤutigam hat ſeine lieb - ſte an einen fremden orte geſucht / da er nach gehalte - nem verloͤbniß wieder fort gemuſt.

Gil.

Ja freylich geht es wunderlich zu / wenn eine jungfrau viel freyer hat / und ein fremder ſoll ſich un - ter den einheimiſchen herumb beiſſen.

Mel.

Es gehoͤrt ein bißgen courage / und denn ein bißgen patientia darzu.

Gil.

Du redeſt davon nicht anders als ein alter Practicus.

Fill.

Mich duͤnckt es judicirt ein Practicus von dem andern.

Gil.

Ey wir wollen nicht hoͤhniſch ſeyn. Hier hab ich ein ſchoͤn ſtuͤckgen auff einen braͤutigam / der an - derswo was liebers hatte / und doch gunſt und befoͤr - derung halben ſich mit einer unannehmlichen perſonUver -306Uberfl. gedancken andere gattungverſprechen muſte / das wird ſchoͤn auff das vorherge - hende kommen.

ACh du unverhoffte ſtunde!
Bringſtu nun den herben ſchluß /
Daß ich auſſen mit dem munde
Mich zu was verſprechen muß /
Da mein hertz in furcht und liſt
Weit davon entfernet iſt.
2. Steht es oben angeſchrieben?
Und befihlt der himmel wol /
Daß man ein gemuͤthe lieben
Und ein anders haſſen ſoll?
Oder iſt der ſuͤſſe ſtand
Nur ein bloſſer menſchen-tand?
3. Ach ich zweiffle daß von oben
Solcher zwang entſpringen kan.
Wenn die ſterne was verloben
Locken ſie die ſehnſucht an /
D die lieb in rath und that
Einen gleichen willen hat.
4. Aber hier wil man verbinden
Was ſich nicht zuſammen ſchickt /
Jch ſol eine luſt empfinden /
Welche mich im hertzen druͤckt:
Und das abſehn meiner treu
Jſt umſonſt und geht vorbey.
5. Was ich liebe ſol ich haſſen.
Was ich haſſe faͤllt mir zu /
Was ich halte ſol ich laſſen /
Mein verdruß ſoll meine ruh
Meine gunſt ſoll meine pein
Und mein todt mein leben ſeyn.
6. Doch307Erſtes Geſpraͤch
6. Doch was wil ich weiter ſagen
Nun es nicht zu aͤndern ſteht /
Und was ſol ich ferner klagen
Denn es geht ſchon wie es geht:
Hab ich ſelbſten keine ſchuld
Nun ſo leid ichs mit gedult.
7. Zwar wenn ich die luſt zu buͤſſen
Werde zu derſelben gehn /
Will ich mir die augen ſchlieſſen
Und in den gedancken ſtehn /
Daß dieſelbe / die mich kuͤſt /
Mein erwuͤnſchtes liebgen iſt.
Mel.

Wer die reſolution faſſen kan / der muß auch in gedancken wuchern koͤnnen / vor mich waͤr es nicht.

Gil.

Ach waͤreſtu an der ſtelle / du wuͤrdeſt dich troͤ - ſten muͤſſen / ſo gut als du koͤnteſt.

Fill.

Ja wohl muß es eine trfliche noth ſeyn / wenn man ſich wider willen / und wider alle inclination ver - lieben muß.

Gil.

Gleichwol iſt die gantze welt ſolcher exempel voll.

Mel.

Drum iſt es ſchade / daß ein ſolch troſt-lied nicht unter die leute koͤmmt.

Fill.

Wohl dem / der das vorgeſtrige junggeſellen - lied mit andacht ſinget / ſo wird er vielleicht dieſes tro - ſtes nicht beduͤrffen.

Mel.

Jch geſtehe es / ich haͤtte dem Gilanes die geiſtlichen gedancken nicht zugetraut.

Gil.

Bey den geiſtlichen bin ich geiſtlich / bey den weltlichen muß ich mich wider willen weltlich ſtellen.

Mel.

Jch habe davon gehoͤrt / es ſoll dir ſehr zuwi - der ſeyn.

U 2Fill.308Uberfl. gedancken andere gattung
Fill.

Die zeit iſt koͤſtlich / wollen wir nicht weiter an die lieder.

Gil.

Du muſt nicht zu geitzig ſeyn / ſonſt werden wir in einem abend fertig.

Fill.

Was frag ich nach deiner entſchuldigung / ich will ein lied haben.

Gil.

Wilſtu ein lied haben ſo ſolſtu auch eines habẽ.

Mel.

Die antwort iſt beſſer als des Wallenſtei - ners / da einer mit aller gewalt hencken wolte / ſagte er / man ſolte der beſtie nicht ſeinen willen thun / er ſolte leben.

Gil.

Wer weiß was ich thaͤte / wenn ich ein Gene - ral waͤre / doch da ich hab das lied. Es klagte mir ein guter freund / er habe ſich aus mangel der befoͤrderung mit einer alten wittfrau verlobet / darbey er nun zwar ein leidlich auskommen / doch groſſe beſchwerung und verdruͤßligkeit darneben haben werde. Da gedacht ich bey mir ſelbſt / was wirſtu wohl einmahl vor eine liebſte bekommen / und in ſolchen grillen ſchrieb ich fol - gendes auff:

ACh wenn ich doch mein kuͤnfftig weib
Jm ſpiegel ſehen ſolte /
Ob mir das gluͤcke vor dem leib
Was gutes goͤnnen wolte /
Und ob ich eine leichte buͤrde
Jn meiner heyrath finden wuͤrde.
2. Es kan wohl ſeyn in kurtzer friſt /
Daß ich ein kind erwiſche /
Das in dem bett ein taͤubgen iſt /
Ein engel an dem tiſche /
Und das mit ihren zarten lachen
Sich allzeit kan belieblich machen.
3. Drumb309Erſtes Geſpraͤch.
3. Drumb ſchau ich ſtets die jugend an /
Da ſuch ich mein ergetzen:
Jedoch die ſchlaue boßheit kan
Das alter offt erſetzen /
Daß wir ein kind an leibes-gaben /
An ſitten alte weiber haben.
4. Zwar dieſes iſt wohl eh geſchehn /
Daß wir zu unſerm frommen /
Die maͤnner gerne ſterben ſehn /
Daß wir die frau bekommen /
Und ob ſie gleich im kalten bette /
Nichts mehr als haut und knochen haͤtte.
5. Wo wir nur halbicht unterhalt
Und gute mittel finden /
Da laſſen wir uns alſobald
Mit ſehnden augen binden /
Und machen guter tage wegen /
Uns einen ſauren abendſegen.
6. Da gehn wir um die mutter rumm
Und klopffen ſie in nacken /
Und wolten gern ihr eigenthum
Bald hier / bald dort bezwacken /
Da ſoll ſie uns die beſten ſachen
Jm teſtament allein vermachen.
7. Und alſo faͤllt ein junger mann
Allmaͤhlich ins verderben /
Er blickt zwar manches maͤdgen an /
Doch dieſe will nicht ſterben /
Und ſtirbt ſie gleich in zwantzig jahren /
So iſt die zeit auch weggefahren.
8. Wer weiß wie mir mein gluͤcke bluͤht /
Jtzt hilfft mich doch kein ſorgen /
U 3Jch310Uberfl. gedancken andere gattung
Jch will dem himmel / der es ſieht /
Mein theil ſo lange borgen.
Jch mag mich gut und boͤſe paaren /
So werd ichs zeit genung erfahren.
Mel.

Der letzte vers iſt gut. Wol dem der ſeines gluͤckes erwarten kan. Da wil mancher auß der hand oder aus der naſe wahrſagen laſſen / wie es ihm kuͤnftig gehen werde. Und doch ſteht ihm was gutes vor / ſo ſchmeckt es unverhofft am beſten: Hat er aber was uͤbels zubeſorgen / ſo iſt es zeit genung / daß man es fuͤhlt / wenn es wuͤrcklich da iſt / man darf ſich nicht vor - her betruͤben.

Gil.

Es iſt gar recht / man verderbt mit ſolchen grillen nur ſein leben / und das ſchlimſte iſt / daß die meiſten gaͤnſe-prophezeyungen / Plattdeutſch zu reden / erlogen ſind.

Fill.

Es iſt alles wahr. Doch bruder du zielſt ge - wiß auff eine bekandte perſon.

Gil.

Jch wolte nicht viel geld nehmen / und wolte das thun.

Fill.

Du biſt ſonſt einer von den furchtſamen.

Gil.

Hier muß ich furchtſam ſeyn.

Fill.

Jch ſehe keine urſache.

Gil.

Dencke bruder / wie viel dergleichen leute in der welt leben. Wenn ich nun einen allein meinte / wie wuͤrde ich gegen den andern beſtehen / daß ich ſie - bergangen haͤtte. Sie nehmen es vor eine hauptſaͤch - liche verachtung an.

Mel.

Deſſentwegen wolte ich mich keines injurien - proceſſes beſorgen.

Gil.

Jch kan es auch in meinem gewiſſen nicht ver - antworten / es iſt einer ſo gut als der andre.

Fill.311Erſtes Gefpraͤch.
Fill.

Was wollen wir thun / ich ſehe wol es ſind alle lieder auff Gleichvieln gemacht.

Gil.

Bruder / es ſind generalia, ſieht einer ein exem - pel / ſo nehme er die kleine muͤh auff ſich und mache die application.

Fill.

Jch bedancke mich vor die gute erinnerung.

Mel.

Wir halten den bruder zu lange auf / es wird zeit ſeyn / daß wir gehen.

Gil.

Es wird zeit ſeyn / daß ſie noch ein bißgen hier bleiben. Monſ. Melintes / er beliebe eins zu trincken.

Mel.

Wenn er ſich dergleichen ungelegenheit un - ſertwegen zuziehen will / werden wir uns ſchaͤmen / un - ſere lieder-geſpraͤche fortzuſetzen.

Gil.

Sie fuͤrchten ſich nicht / der wein ſteht nur zum bloſſen anſehen hier / unterdeſſen habe ich ſie mit wor - ten gefuͤllt.

Mel.

Die ſind uns gleich ſo angenehm. Monſ. Fillidor / einen angenehmen trunck auff Gleichviels ge - ſundheit.

Fill.

Jch bedancke mich / ich will dem ehrlichen man - ne ſeine geſundheit nicht lang ſchuldig bleiben / doch noch ein liedgen oder ſonſt was feines zu guter nacht.

Gil.

Da habt ihr etliche verſe / welche zu einer a - bend-muſick gebraucht worden / eben in dem jahre / da Suſanna auf faſtnacht fiel. Da ward an einem Sußgen-verloͤbnis von einem andern guten freunde dieſes uͤbergeben.

MEin bruder / iſt dieſes die ruͤhmliche tugend /
Jſt diß die angenehme braut /
Jſt dieſes die liebe der ehrlichen jugend /
Die ſich und dich verliebet ſchaut?
So faſſen die ſtricke
U 4Der312Uberfluͤſſiger gedancken andere gattung
Der lieblichen blicke /
Durch freundliches ſchertzen /
Die munteren hertzen /
Mit ſolcher krafft und wirckung an /
Die ſchmertzen und wieder befriedigen kan.
2. Jch fuͤhre noch ferner mein einſames leben
Und weiß von keiner liebes-glut /
Dir aber wird itzo zu koſten gegeben /
Wie ſanfft das keuſche feuer thut.
Dein ſuͤſſes verlangen
Das kanſtu umbfangen
Und freundlich umbſchrencken:
Jch aber muß dencken /
Wer weiß wo die verborgen liegt /
Die kuͤnfftig auch meine gedancken vergnuͤgt.
3. Jch dachte ja neulich ein Roͤßgen zu brechen /
Ein guter freund der kam mir vor:
Jedennoch begehrt ich kein woͤrtgen zu ſprechen /
Als ich die hoffnung gantz verlohr.
Mein hertze gedachte /
Der himmel der machte
Den rathſchluß dort oben /
Den muͤſſe man loben:
Darzu es iſt ein guter freund /
Den dieſe gewuͤnſchete Sonne beſcheint.
4. Jch goͤnne den freunden das gluͤcke viel lieber
Zum minſten doch ſo lieb als mir:
Drum freuet ſich eben mein hertze daruͤber
Und wuͤnſchet gluͤcke zu der zier /
Die deine gedancken
Ohn eintziges wancken
Zur liebe bewogen
Und313Erſtes Geſpraͤch.
Und an ſich gezogen /
Dein gluͤcke ſey ſo gut es ſey /
Jch bleibe dir ferner wie ſonſten getreu.
5. Mein bruder / was haſtu nun weiter zu ſorgen /
Der anfang iſt nunmehr gemacht /
Jndeſſen erwarte gedultig den morgen /
Da deine luſt vollkommen lacht.
Jtzt bleibet beyſammen
Und nehret die flammen
Der guͤnſtigen hertzen /
Durch kuͤſſen und ſchertzen.
Hernachmahls thut was euch beliebt /
Wenn euere ſtunde gelegenheit giebt.
6. Die Sußgen die muͤſſen ſich heuer verlieben /
Jhr nahmen faͤllt an faſtnacht ein:
Drum haſtu dich billich derſelben verſchrieben /
Die gleiches nahmens ſolte ſeyn.
Der Hoͤchſte der ſchicke
Das beſte geluͤcke /
Und laſſe den ſegen
Sich uͤber euch legen:
GOtt der ſey euer auffenthalt /
So werdet in ſuͤſſer zufriedenheit alt.
Mel.

Und hieran wil ich eine freundliche gute nacht hencken.

Gil.

Beliebet ihnen nicht zu verziehen?

Mel.

Morgen / wills GOtt / iſt auch ein tag da man gerne was luſtigs hoͤrt. Unterdeſſen ſchoͤnen danck vor die communicirten Uberfluͤſſige Gedancken.

Fill.

Jch bedancke mich gleichfalls zum ſchoͤnſten.

Gil.

Es bedarff keines danckens. Sie ſprechen nach ihrem gefallen wieder ein.

u 5Fill.314Uberfl. gedancken andere gattung
Fill.

Es waͤre unhoͤfflich / dich allzeit auf der ſtube zu moleſtiren / wir wollen morgen bey mir zuſammen kommen.

Gil.

Jch bin zufrieden: nur daß die compagnie nicht weitlaͤufftiger wird. Was ich ihnen vertraue / das darff nicht ein jedweder wiſſen.

Fill.

Gar gut / und hiermit eine geruhige nacht.

Das andere Geſpraͤch.

Fill.

Sieh da / Monſ. Gilanes / woher ſo langſam?

Gil.

Und ich befuͤrchte mich / ſie wuͤrden fragen wo - her ſo zeitlich? Jch ſtelle mich gleichfalls ein ohne complimenten.

Fill.

Da thuſtu gar recht / ich dachte ſchon / du wuͤr - deſt dich an einen beſſern ort gemacht haben.

Gil.

Wo ſolte ich einen beſſern ort antreffen / da ich mit ſo einen paar guten freunden converſiren koͤnte.

Mel.

Wir nehmen es zu danck an / daß du ſo guͤtig von uns urtheileſt.

Fill.

Doch wie ſtehts / haſtu auch feine liedeꝛgen mit?

Gil.

Jch weiß nicht was in den alten briefen ſte - cken wird / wir muͤſſen darnach ſehen.

Fill.

Was iſt diß?

Gil.

Es iſt ein lied / das zwar eine ernſthafftige me - lodey / aber doch einen ſehr hoͤniſchen text hat / es iſt auf einen gericht / der in 8 wochen faſt durch die gantze welt gereiſt war / und zwar mit ſolchem nutze / daß er beyna - he ſeine frau mutter-ſprache darbey vergeſſen.

Fill.

Es wird ſo gemacht ſeyn / daß man es auf viel zugleich appliciren kan.

Gil.

Die materie iſt nicht darwider.

Jhr315Anderes Geſpraͤch.
JHr leute / die ihr auff den reiſen
Euch muͤſſet tag und nacht bemuͤhn /
Durch hitz und froſt / durch eiß und eiſen
Dem tode faſt entgegen ziehn;
Ach kommt und macht es auch ſo ſchoͤne
Gleichwie die zarten mutter-ſoͤhne.
2. Sie liegen bey der lieben mutter
Auff einer weichen baͤren-haut /
Und wachſen fort in vollem futter /
Wie haus-laub oder knaben-kraut /
Biß nur das alter will vergoͤnnen /
Daß ſie ein weib bedienen koͤnnen.
3. Jm Sommer ſind ſie wohl berathen /
So lang ein ſchatten kuͤhlen kan /
Jm Winter geht das apffel-braten
Am warmen ofen wieder an /
Da ſchwatzt die mutter bey dem lichte
Die alten fabeln und geſchichte.
4. Gedenckt ja einer an das wandern /
So reiſt er als ein ochſen-ſchwantz /
Von einem backen auff den andern /
Nach dieſem iſt die reiſe gantz /
Und muß die mutter ſich beqvemen /
Den fremden herren anzunehmen.
5. Es reiſen offtmahls ſolche bruͤder /
Wenn ihre mutter pflantzen ſaͤet /
Und kommen mit verwundern wieder /
Weil noch das kraut im felde ſteht:
Da wollen ſie die magd nicht kennen /
Und koͤnnen kaum die katze nennen.
6. Da ſagen dieſe fincken-reuter /
Sie haͤtten warlich ſtets vermeynt /
Die316Uberfl. gedancken andere gattung
Die welt die waͤre nicht viel weiter
Als wie ſie in der mappe ſcheint /
Nun blieben ſie ſo weit dahinden /
Und koͤnten nicht das ende finden.
7. Die mutter hoͤrt mit angſt und ſchmertzen
Der groſſen welt-beſchreibung zu /
Und ſaget / ach ihr lieben hertzen /
Verſtoͤret ja nicht eure ruh /
Denn / wollt ihr nicht zu hauſe ſpeiſen /
Koͤnnt ihr zu pate Micheln reiſen.
8. Der wohnet drauſſen auff dem lande /
Darzu beduͤrfft ihr einen tag /
Und hab ich allzeit was zu pfande /
Auff daß ich mit dem ſeigerſchlag
Euch voller freude / troſt und ehre /
Vor meinem fenſter kommen hoͤre.
9. Derhalben die ihr auff den reiſen
Euch muͤſſet tag und nacht bemuͤhn /
Durch hitz und froſt / durch eyß und eiſen
Dem tode faſt entgegen ziehn;
Ach kommt und macht es auch ſo ſchoͤne /
Gleichwie die zarten mutter-ſoͤhne.
Fill.

Du haſt ſie gut bedacht. Aber wenn einmahl ſo ein mutter-ſohn kaͤme / und gaͤbe dir den lohn dafuͤr.

Gil.

Habe ich ſonſt keine noth / vor dieſer will ich wol ſicher ſeyn. Denn die leute ſuchen ſelten ihre be - liebung in einem buche / und alſo iſt es nicht wol moͤg - lich / daß ſie es erfahren.

Mel.

Wem zu gefallen haſtu es aber geſchrieben?

Gil.

Denen andern die ſich noch nicht auff die baͤ - renhaut geleget haben. Und uͤber diß haben die ſtu - ben-bruͤtlinge ſonſt keine noth / wenn ſie nun nicht einwenig317Anderes Geſpraͤch.wenig durch gezogen wuͤrden / ſo haͤtte es das anſehen / als lebten ſie gar in den paradieße.

Mel.

Wol dem / der ſich allzeit entſchuldigen kan.

Fill.

Haͤtteſtu aber davor ein carmen geſchrieben / wie ſich einer auf der reyſe recht und gebuͤhrlich ver - halten ſolte.

Gil.

Jch werde dergleichen hier haben / wo ich es nur finden kan. Doch wird es etwas kurtz gegeben ſeyn:

Mel.

Wer fragt nach der kuͤrtze / weñ es nur gut iſt.

Gil.

Hier hab ichs.

DJe lufft veraͤndert nichts / die klugheit muß in reiſen
Compaß und ruder ſeyn / ſie muß den anfurt weiſen /
Sie muß die rechnung thun / und welcher das vergiſt /
Der koͤmmet wieder heim wie er geweſen iſt.
Es iſt ein ſchlechtes werck ſich etwas tieffer buͤcken /
Der alten ſprache brauch mit neuen woͤrtern ſticken /
Jn fremb der kleidung gehn: und wer ſich in der welt
Um ſonſten nichs bemuͤht / verſpielet zeit und geld.
Wem iſt damit gedient / und wenn man haar-klein wuͤſte /
Wie ſcharff ein ander trinckt / wie mancher ſeine luͤſte /
Mit boͤſem waſſer loͤſcht / wie einer ſchertzt und ſpielt /
Wie jener ſpringt und tantzt / wie dieſer raubt und ſtielt.
Es iſt nur eitelkeit / man hoͤrt von ſolchen dingen /
Und lernt ſie endlich ſelbſt in die gewohnheit bringen
So daß ein ſolcher menſch viel groͤſſer unheil ſtifft
Als welcher einen brunn verderbet und vergifft.
Ein kluges kauffmans-ſchiff koͤmmt nimmermehr gefahren /
Und ſucht Arabien um liederliche waaren:
Das gold wird außgeſucht / der weirauch zugericht /
Die myrrhen eingepackt: den ſand begehrt man nicht.
Wolan du junges volck! weil ihr von eurem leben
Dem hohen alter ſollt einmahl die zinſe geben.
So reiſet mit vernunfft / und nehmet diß in acht /
Was von der klugheit kom̃t / uñ euch zu menſchen macht.
Mel. 318Uberfl. gedancken andere gattung
Mel.

Es koͤnte nicht ſchaden wenn es etwas weiter waͤre außgefuͤhrt worden.

Gil.

Jch bin deiner meinung. Aber dazu ichs ge - braucht habe / da duͤnckt mich iſt es lang genung geweſẽ.

Fill.

Es iſt aber die klare warheit / daß mancher aus Jtalien nichts mit bringt / als etliche Gotteslaͤſter - liche fluͤche / und aus Franckreich etliche liederliche ge - berden.

Mel.

Wenn ſie nur an ihꝛem geſundem leibe nichts einbuͤſſen.

Fill.

Ein jedweder iſt der ſchmidt ſeines politiſchen gluͤckes. Doch das verdreuſt mich / daß / wenn die Spanier mit ihrem ſtehlen / die Jtaliaͤner mit ihrer rachgier / die Frantzoſen mit ihrer unzucht / andere mit etwas anders auffgezogen werden / wir Deutſchen al - lezeit mit unſerm ſauffen herhalten muͤſſen / gleich als ob die andern voͤlcker den wein verſchoneten.

Mel.

Es iſt gnung / daß wir nichts ermangeln laſ - ſen / was zu erhaltung unſers ruhms dient.

Fill.

Die andern ſind in gleicher verdamnis.

Gil.

Verzieht ein wenig / ich beſinne mich auff ein Sonnet / welches ich vor etlicher zeit auf eben dieſe ma - terie geſetzt / ich will es bald finden.

Sonnet.
WO iſt daſſelbe land / das gar kein laſter kennt /
Der Deutſche ſaͤuft zuviel / und laͤſt ſich leicht betꝛuͤgen /
Der ſtoltze Spanier muß ſtehlen oder luͤgen /
Der Welſche kennt ſich nicht wenn er vor eifer brennt /
Der leichte Frantzman iſt durch eitelkeit verblendt /
Der Pohle liebt die pracht und muß wohl ſelber pfluͤgen /
Der rauhe Tuͤrck iſt falſch und grauſam in den kriegen /
Jn Engelland iſt leicht der gottes-dienſt getrennt.
Derhalben ziehe ſich ein ieder bey der naſe /
Jndem319Anderes Geſpraͤch.
Jndem er an ein volck die laͤſter-zunge ſetzt /
Wer weiß wer ſeinen zahn hingegen wieder wetzt
Der ihn bezahlen kan. Jn unſerm Teutſchen glaſe
Steht nicht nur bier und wein / es quillt der tapffre muth
Der andre ſchamroth macht / und rechte thaten thut.
Fill.

Das iſt ſtattlich gemacht / es ſolte dir ein jed - weder Deutſcher in ſpecie zur danckbarkeit einen be - cher wein zutrincken.

Gil.

Eh ich allen beſcheid thaͤte / eh wolt ich revocirẽ.

Fill.

Das waͤre eine ſchande.

Gil.

Nun ſo muͤſten ſie mir zeit laſſen / alle mahlzei - ten etliche becher nach meiner nothdurfft.

Mel.

Ach was vor vergnuͤgliche leute waͤren wir / wann wir allen uͤberfluß ſo einzutheilen wuͤſten.

Fill.

Jhr Herren / der diſcurs wird uns zu ernſthaf - tig / ich hoͤrte lieber etwas luſtiges.

Gil.

Wann mir kein luſtiges papier in die haͤnde koͤmmt / ſo bin ich entſchuldigt.

Fill.

Da ſeh ich etwas / das wird ſich brave ſchicken.

Gil.

Jch muß aber viel umſtaͤnde dabey erzehlen. Jch war vor etlichen jahren mit einer ſtattlichen com - pagnie auf einer fruͤhlings-luſt / da ward allerhand kurtzweil vorgenommen. Doch als wir abends in dem kuͤhlen in das angelegene luſtwaͤldgen ſpatzieren wolten / traffen wir einen aus unſern mittel hinter ei - nem ſtrauche an / der vor zorn und boßheit außſah / als ein erſtochner bock. Wir wolten wiſſen / wer ihm zu - wider gelebt / oder wer ihm in der compagnie mißfal - len / doch er wolte nicht mit heraus. Endlich vertrau - te er mir den gantzen handel / ein maͤdgen waͤre auff ihn zugelauffen / und haͤtte ihm die baruͤcke von dem kopffe geriſſen. Nun waͤre er deſſentwegen nicht heraus ge -zogen /320Uberfl. gedancken andere gattungzogen / daß er ſich in ſeinem kahlen kopff wolte laſſen außlachen / und das maͤdgen ſolte es ihm nicht umſonſt gethan haben. Jch beguͤtigte ihn ſo gut ich kunte / daß er ſich nur wieder in die geſellſchafft begab / und daß ich ihn ja recht beſaͤnfftigen moͤchte / ſatzte ich ihm zugefallen folgendes.

HAt der nicht ein ſchoͤnes gluͤcke
Dem ein maͤdgen die baruͤcke
Unverſehns vom kopffe raubt:
Denn ſie zeigt in dieſem ſchertze /
Daß ihr luſt-begierig hertze
Jhm ingleichen was erlaubt.
2. Jungfern / welche furchtſam leben /
Und in ſcham und hoffnung ſchweben /
Wollen nur geraubet ſeyn /
Und indem ſie was vergoͤnnen /
Wenn ſie ſich nicht wehren koͤnnen /
Zuͤrnen ſie nur auff den ſchein.
3. Drum / ſo bald ſie inne werden /
Daß ein ander in geberden
Will zu ſtill und bloͤde gehn /
Geben dieſe ſpiel-genoſſen
Unter ſolchen kinder-poſſen
Jhre meynung zu verſtehn.
4. Ach fuͤrwahr die bloſſen haare
Sind nicht eine ſolche waare
Die ſo groſſe luſt erweckt /
Und ich will mich hoch verwetten /
Die verliebten kinder haͤtten
Lieber was darunter ſteckt.
5. Nun wolan / man muß ſich raͤchen /
Weil ſie ſelbſt die bahne brechen /
Die321Anderes Geſpraͤch.
Die der liebe wohl gefaͤlt:
Laſt die ſinnen ungekraͤncket /
Schertzt hingegen und gedencket
Auf den ſchoͤnſten wiedergelt.
Mel.

Dadurch wird ſich der liebe menſch wieder beguͤtiget haben.

Gil.

Ja wohl ich hatte ihm noch mehr verdruß da - mit gemacht.

Mel.

So muß er den frauenzimmer gar mit ein - ander nicht ſonderlich nachgangen ſeyn.

Gil.

Nein er pflegt dergleichen Converſation nicht ſonderlich zu achten.

Fill.

Aber wie ließ er ſich endlich verſoͤhnen.

Gil.

Jch dachte auff allerhand mittel. Denn da war ein ſpieltiſchgen hingeſetzt / und wer ſich den frau - enzimmer obligiren wolte / der ſatzte mit an / und ver - ſpielte. Jch war meinem gelde ſo feind nicht / daß ich es mit ſo ſchlechter raiſon verſchleudern ſolte / drum gab ich mit meinem verdruͤßlichen compagnion einen zuſeher. Nun ſpielte das frauenzimmer ziemlich falſch. Ja die courtiſane ſteckten ihnen wol das beſte blat zu / daß ich alſo in meine kammer ging und folgen - des aufſetzte:

SPielt / ſpielt ihr liebgen ſpielt / legt eure thaler ein
Und laſt die liebe nur des ſpieles richter ſeyn.
Seht auff das gluͤcke nicht / das offters ſteigt und faͤllt /
Daß mancher mit verdruß die oberhand erhaͤlt.
Die briefe moͤgen falſch und durch einander gehn /
So laͤſt der widerpart doch alls zu dienſte ſtehn.
Seht keine farben an / verwerfft das hoͤchſte blat /
Ob eure liebgen gleich kaum eine ſieben hat:
Wagt alles geld daran / und denckt wenn ihr verſpielt /
Daß eure hertzen-aͤß nach ihrem hertzen ziehlt.
Jhr thut es nicht umſonſt: Habt ihr was eingebuͤſt /
XSo322Uberfl. gedancken andere gattung
So trefft ihr einen tauſch der wohl zu wuͤnſchen iſt.
Die Nymphen ſind was ſtoltz / die meiſten zweiffeln nicht /
Als waͤr ihm alles geld und alles gut verpflicht:
Wer ihrer einfalt nun ſo viel zu willen thut /
Demſelben ſind ſie auch von gantzem hertzen gut.
Wohl dem der ſolch ein gluͤck in ſeinem ſpiel empfindt /
Daß wenn er gleich verſpielt noch was dazu gewinnt.
Fill.

Es iſt wohl wahr / daß man bey dem frauen - zimmer nicht gewinns wegen ſpielen darff. Doch habe ich mich offt verwundert / warum etliche perſo - nen ſo gewinnſuͤchtig ſind / und ſich uͤber dem verſpie - len ſo hauptſaͤchlich erzuͤrnen koͤnnen / die doch keinen mangel am gelde haben.

Gil.

Es iſt / wie vor gedacht / die angebohrne ehr - ſucht / daß eine jedwede gerne die oberhand behalten und ihrer gegen-part obſiegen will / drum achten ſie offt das geld nicht / nur der ſchimpff thut ihnen weh / daß ſie einem andern weichen ſollen.

Mel.

Jch halte der liebe geitz koͤmmt auch bißwei - len darzu.

Gil.

Jch will nicht darwider ſtreiten. Doch zweiffle ich / ob alle das geld lieber als die ehre zu ge - winnen haben.

Fill.

Was ſagte aber dein compagnion darzu.

Gil.

Er bate mich / ich ſolte ihn mit ſolchen haͤndeln zufrieden laſſen. Er wolt er waͤre zu hauſe blieben / und wann ſie auch auff den kuͤnfftigen tag ſechs pferde anlegten / ſolten ſie ihn nicht zuruͤcke behalten / drum ſagte ich auch: du biſt wunderlich / daß du nicht ein wenig kanſt an dich halten. Mir iſt es eben ſo zu wi - der / daß ich mit lauter tahlpoſſen die zeit paſſiren muß. Aber wie ſteht es |zu aͤndern? Wer in der eitlen welt leben will / kan ſich der eitelkeit allerdings nicht ent -ſchla -323Anderes Geſpraͤch.ſchlagen. Und damit du ſiehſt was ich vor gedancken habe / ſo will ich ſie ſchrifftlich von mir geben. Setzte hiermit folgendes auff:

MEin geiſt verzeihe mir / daß ich dem ſchweren leibe
Gehorſam leiſten muß / der mich gefangen haͤlt
An einem ſolchen ort / da ich gezwungen bleibe /
Und da mir faſt kein menſch und keine luſt gefaͤllt.
Jch wolte lieber ſeyn wo meine buͤcher liegen /
Doch leide die gewalt die ich vertragen muß /
Was heute nicht geſchicht das kan ſich morgen fuͤgen /
Du fuͤhleſt dieſe nacht den letzten uͤberdruß.
Was ſoll ein eitles wort ein unvernuͤnfftig lachen /
Ein winck / ein leichter blick / ein halbes kinderſpiel /
Ein ungereimter tantz mir doch vor freude machen /
Wenn ich verdrießlich bin und mich entreiſſen wil.
Ja freylich hilfft es nicht; wiewohl von guten freunden
Nim̃t man dergleichen zwang aus guter meinung an:
Doch wolt ich lieber ſeyn bey meinen aͤrgſten feinden /
Da man doch oͤffentlich den zwang verſchlagen kan.
Wolan der abendſtern iſt itzo mein Prophete /
Der rufft mir gleichſam zu: Geh fort und ſchlaffe wohl /
Und dencke daß das liecht der ſuͤſſen morgenroͤhte /
Dich von der ſchnoͤden luſt gewiß erloͤſen ſoll.
Mel.

Dieſe verſe haſtu gewiß mehr deinen guten freunden zu gefallen / als aus deiner meynung geſchrie - ben.

Gil.

So hin / es war doch halb und halb mein ernſt.

Fill.

Ja / wer dich nicht kennte / wie gern du waͤreſt bey der compagnie geweſen.

Gil.

Jch habe ſie fuͤrwahr ſo ſonderlich nicht ge - liebt: Allein diß geſtehe ich / den nahmen moͤchte ich nicht gerne haben / als wenn ich eine compagnie ver - derbte.

Mel.

Sage ich doch allezeit / du haſt allezeit eine entſchuldigung im vorrath.

X 2Gil.324Uberfl. gedancken andere gattung
Gil.

Jn waꝛheit / wenn ich mein gantz gewiſſen aus - ſchuͤtten ſoll / ſo bekenne ich / daß mir auff meiner ſtu - dierſtube allzeit am beſten geweſen. Geſetzt auch daß fleiſch und blut einen ſtꝛeit wider den geiſt anfaͤngt / daß man ſich nach guten freunden in langen hoſen ſehnt / ſo iſt doch unter viertzig / funfftzig jungfern nicht eine / welche nicht mehr luſt zu kinder poſſen als zu ernſthaff - ten ſachen haͤtte. Da ſoll man des koͤnigs ſpielen / da die blintze kuh / da des haberſaͤens / da wollen ſie nach roſen gehn / da gehn andere ſchwachheiten vor / davor ſich einer ins hertze ſchaͤmen muß. Was kan man nun vor freude haben / wenn man zu hauſe in ſeinen Studi - is mit lauter klugen und ſinnreichen ſachen umbgeht.

Fill.

Bruder das ſind ſachen / daduꝛch man ſich wie - der ergetzt / wenn man ſich muͤde ſtudiret hat.

Gil.

Es wird ſo bemaͤntelt. Aber wie kan mich diß ergetzen / das mir abgeſchmackt und ungereimt vor - kommt.

Mel.

Jch bin deiner meinung. Drumb ſieht man auch auff univerſitaͤten / daß die jenigen die am wenig - ſten ſtudiren / ſich am allerbeſten in die maͤdgen-poſſen ſchicken koͤnnen. Denn weil ſie nichts kluͤgers ſehen oder hoͤren / oder wenn ſie es ſehen / doch nicht achtung drauff geben / ſo bleiben ſie in den gedancken / als waͤren ihre ſachen gar ſchoͤne und vernuͤnfftig eingericht.

Fill.

Doch wieder auff die gedachte fruͤhlings-luſt zu kommen / gieng nichts luſtiges ſonſt vor?

Gil.

Eine frau brachte den alten ſaalbader mit den leber-reimen auff die bahn / und da muſte ich vor viel auslegen / alſo daß ich auch gezwungen ward / ſol - che auff ein blat zuſammen zuſchreiben.

Mel.

Es muß gar troͤſtlich heraus kommen.

Fill.325Anderes Geſpraͤch.
Fill.

Aber ich moͤchte es gerne ſehn.

Gil.

Mich duͤnckt ich habe ſie bey mir / ſieh da / nun hab ich ſie.

Die leber iſt vom hecht und nicht von einem lamm
Ach haͤtt ich armes kind doch einen braͤutigam.
2. und nicht von einer fohren /
Dem kuͤſſen bin ich feind / doch hab ichs nicht verſchworẽ.
3. und nicht von einer endte /
Wenn ichs ja leiden ſol / ſo thu mirs ein ſtudente.
4. und nicht von einem biber /
Ein wittwer waͤr mir lieb / ein junggeſelle lieber.
5. und nicht von einer wachtel /
Jch finde keinen troſt an einer leeren ſchachtel.
6. und nicht von einem baͤren /
Wir haͤttens alle gern und ſollens nicht begehren.
7. und nicht von einer grille /
Bey manchẽ ſchrey ich laut / bey manchẽ ſchweig ich ſtille.
8. und nicht von einem raben /
Wie koͤſtlich muͤſſens doch die lieben buͤfgen haben.
9. und nicht von einem aal /
Das iſt die beſte luſt zwey liebgen auff einmahl.
10. und nicht von einer ſau /
Ach haͤtt ich armer dieb bald eine jungefrau.
11. und nicht von einem ſchwein /
Die jungfern wollen nur fein hoch gebeten ſeyn.
12. und nicht von einer mauß /
Die mich verachten will die lach ich wider aus.
Fill.

Die reimen ſind noch nicht alle.

Gil.

Jch weiß wohl. Doch die andern ſind zu gar - ſtig geſchrieben.

Mel.

Du meyneſt gewiß / ſie ſind zu garſtig gegeben.

Gil.

Jſt das nicht ein verdruß / wenn man ſo hoͤni - ſche leute um ſich hat.

Mel.

Es iſt mir lieb / daß ich dich einmahl ohne ent - ſchuldigung finde.

X 3Gil. 326Uberfl. gedancken andere gattung
Gil.

Was ich leſe / das will ich entſchuldigen.

Fill.

Nun wer fragt darnach / bringe mir einmahl ein lied auf die bahn / da man ſingen kan / dieſes waren nur pritſchmeiſter verſe / die weder halb noch gantz ſeyn.

Gil.

Du muſt die pritſchmeiſter-verſe verſtehen.

Mel.

Jch hoͤrte den pritſchmeiſter auf der pfingſt - wieſe einmahl ſo reimen: Die Sonne gehet ſchon un - ter / der vogel muß hohl mich dieſer und jener noch die - ſen abend herunter. Nun bruder / mache du eine ver - gleichung.

Fill.

Ey mit euren poſſen / wenn ihr mirs diſputir - lich machet / ſo will ichs nicht geſagt haben. Jch wol - te ich hoͤrte ein lied.

Gil.

So ſolt du auch ein lied haben / das ein guter freund bey mir auff ein ſchwartz-braun maͤdgen hat machen laſſen.

Fill.

Das iſt vor mich / ich bin ſelbſt der farbe zuge - than.

Gil.

So muſtu den baß dazu ſingen / auf die melo - dey: Was ſind das vor groſſe ſchloͤſſer.

SChwartzes maͤdgen / meine freude /
Giebſtu deinen willen drein /
Daß wir kuͤnfftig alle beyde
Wollen ohne ſorgen ſeyn /
Nun ſo laß mich deine wangen
Jn der ſchwartzen zier umfangen.
2. Zwar du traueſt meinem hertzen
Keine ſolche freundſchafft zu /
Und es heiſt / ich will nur ſchertzen /
Wenn ich noch ſo freundlich thu;
So hab ich mein gut gewiſſen
Nur mit hoffnung ſpeiſen muͤſſen.
3. Doch327Anderes Geſpraͤch.
3. Doch mein liebgen werde munter /
Und erfreue meinen muth /
Biſtu gleich was ſchwartz mit unter:
Schwartze kirſchen ſchmecken gut /
Und nach ihren ſchwartzen zweigen
Pflegt man treflich hoch zu ſteigen.
4. Mir belieben die roſinen /
Welche ſchwartz und kleine ſind /
Heidelbeeren weil ſie gruͤnen /
Sucht und pfluͤckt man nicht geſchwind:
Aber wenn ſie ſich verfaͤrben /
Hohlt man ſie zu gantzen koͤrben.
5. Schwartze dinte ſchreibt am beſten /
Schwartzes ehrt man allezeit /
An den allerhoͤchſten Feſten
Traͤgt man nur ein ſchwartzes kleid.
Wer auch will ein Raths-herr heiſſen /
Muß ſich nur auf ſchwartz befleiſſen.
6. Schwartze farbe wird uns nuͤtze /
Wo man leid und freude ſtifft:
Das iſt auch der beſte ſchuͤtze /
Welcher in das ſchwartze trifft /
Und ich weiß nicht was ich wolte /
Wenn ichs hier auch treffen ſolte.
7. Nun mein angenehmes Schwaͤrtzgen /
Jch verbleibe dir getreu.
Bleib du nur mein liebſtes hertzgen /
Und laß mich hinfort dabey /
Daß ich in der ſchwartzen erde
Fortgepflantzt und fruchtbar werde.
X 4Mel. 328Uberfl. gedancken andere gattung
Mel.

Nun bruder du haſt dich umb die ſchwartzen leute wohl verdient / es iſt ſchade daß du keinen recom - pens forderſt.

Gil.

Ein genereur gemuͤthe begehret keinen re - compens.

Fill.

Aber was heiſt das von dem ſchuͤtzen / der in das ſchwartze treffen ſoll?

Gil.

Haſtu keinmahl nach der ſcheibe ſchieſſen ſehẽ?

Fill.

Und wann ich nun diß geſehen habe?

Gil.

Haſtu nicht in acht genommen / daß das mit - telſte plaͤtzgen allzeit ſchwartz iſt?

Mel.

Aber ich rathe dir / laß das lied nicht in die Spaniſche oder Jtaliaͤniſche ſprache uͤberſetzen.

Gil.

Das wird ohn diß wol nachbleiben. Doch ge - ſetzt / ich wolte es thun / was ſolte mich verhindern?

Mel.

Jn denſelben laͤndern machen ſie das inwen - dige plaͤtzgen weiß und nicht ſchwartz.

Gil.

Laͤndlich ſittlich. Doch wer den zuſtand des Deutſchen und Jtaliaͤniſchen frauenzimmers weiß / der wird leicht eine alluſion machen.

Mel.

Bruder es ſteht dir frey / mache etwas.

Gil.

Jch habe es verſchworen / ich mag nicht garſtig veden.

Mel.

So hab ich es verſchworen und mag es nicht hoͤren.

Fill.

Unterdeſſen weiß ich wohl wohin es zielt / es iſt gar ſchoͤn gegeben. Doch wieder auf die ſchwartzen maͤdgen zu kommen / iſt es denn auch rathſam / daß man alle uͤber einen hauffen loben wil. Die raben und die dohlen ſind auch ſchwartz / aber ich ſehe nicht daß ſie deſſentwegen viel hoͤher reſpectirt werden.

Gil. 329Anderes Geſpraͤch.
Gil.

Das war ein ſchoͤn gleichnuͤß vom blinden ſaͤemann.

Fill.

Gleichwohl iſt diß wahr / daß alle ſchwartze leute nicht huͤbſch ſind.

Gil.

Jch bin es wol zufrieden: Es iſt auch dreyer - ley ſchwartz / jungfer-ſchwartz / maͤgde-ſchwartz / und bauer-ſchwartz.

Fill.

Das ſolſtu in einem liede erklaͤren.

Gil.

Jch habe es gethan. Doch es kommen zu viel Perſonalia mit ein / ſo habe ich es caſſiret. Der inhalt iſt diß / welche von der ſonne verbrand iſt / als wenn ſie auß den ſchwartzen Reuſſen entlauffen waͤre / die ſteht bauer-ſchwartz: Welche mit lauter ſom̃er-ſproſ - ſen handelt und uͤber diß den nacken und die haͤnde ſo dick beworffen hat / daß man koͤnte ruͤben darauff ſaͤen; die ſieht maͤgde-ſchwartz. Welche aber nur ſchwartze milch-haͤrgen in dem geſichte hat / dadurch die weiſſe und rothe haut durch ſpielt / und zu dem mit den ſchwartzen augen darzu accordirt / die iſt jungfer - ſchwartz.

Mel.

Das heiſt ein formarum ſpectator ex proveſſo.

Gil.

Jch bin ein Theoreticus / ihr ſeyd Practici.

Fill.

Und uͤber dem parlamentiren koͤmmt kein lied heraus.

Gil.

Jſt doch der diſcurs annehmlicher als ein lied.

Fill.

Gleichwol muß man diß thun / warum man zuſammen kommen iſt.

Gil.

Er verziehe / hier find ich ein andaͤchtiges. Es klagte mir einer ſeine noth / wie daß er lange zeit mit ei - nem maͤdgen umgegangen / und nicht anders vermeynt als waͤre er der leibhafftige Affection Galan: Endlich haͤtte er doch mit einem hoͤflichen korbe abziehen muͤſ -X 5ſen.330Uberfl. gedancken andere gattungſen. Nun wolte er ſich gern ſtellen / als ſey es ihm auch kein rechter ernſt geweſen / und bat mich derowegen / ihn mit einem anſtaͤndigen liede zu ſecundiren.

Fill.

Du haſt alles in anderer leute nahmen gethan / doch laß hoͤren / wie du einen betruͤbten liebhaber troͤ - ſten kanſt.

Gil.

Du muſt den baß mit ſingen / nach der melo - dey: Wenn ich mein liebgen ſoll beſchreiben.

SO muß ich deiner noch vergeſſen /
Du vormahls hochgeliebtes kind /
Nachdem ich offt bey dir geſeſſen /
Und an begier und liebe blind /
Gemeynt / daß deine gunſt und treu /
Von lauter ſtahl und eiſen ſey.
2. Jch ließ mir nichts gefaͤhrlichs traͤumen /
Und dacht / es koͤnte luſt und liſt
Sich nimmermehr zuſammen reimen /
Doch nun befind ich was du biſt /
Jndem ich mein verlangtes ziel
Jn deiner liebe treffen will.
3. Denn ſolt ich nicht die ſache glauben?
Die worte die verrathen dich /
Die ſtehn zu ſehr auf falſchen ſchrauben /
Dadurch erweiſtu ſicherlich /
Daß du mich nur als einen gaſt
Zum zeit-vertreib gebrauchet haſt.
4. Wiewohl es laͤſt ſich endlich hoͤren /
Wie ſcheinbar alle worte ſind:
Die tochter will die eltern ehren /
Und ſie beziehn ſich auff ihr kind.
Doch duͤrffte man ſich nicht bemuͤhn /
Mich bey der naſe rumm zu ziehn.
Jch331Anderes Geſpraͤch.
5. Jch bin an eine nicht gebunden /
Jch haͤtte laͤngſt in dieſer ſtadt
Ein angenehmes kind gefunden /
Das eben ihre ſchoͤnheit hat /
Man haͤtte ſich nur bald erklaͤrt /
So haͤtt ich warlich nichts begehrt.
6. Nun die courage zu bezeugen /
So ſag ich froͤlich gute nacht /
Jch will von aller liebe ſchweigen /
Als haͤtt ich nie daran gedacht.
Jch will nunmehr zum bloſſen ſchein /
Dein guter freund geweſen ſeyn.
7. Nur lache nicht in deinem hertzen /
Daß ich ſo treu geweſen bin:
Jch fuͤhlte zwar ein wenig ſchmertzen /
Doch nun iſt alles uͤberhin /
Wer weiß / wer endlich mit der zeit /
Am erſten dieſen ſchluß bereut.
Mel.

Wann ich den gleichviel keñte / in deſſen nah - men es gemacht iſt / ſo wolt ich ein urtheil hoͤren laſſen.

Gil.

Sage nur / wie dir das lied gefaͤllt.

Mel.

Das kan ich nicht ſagen / ehe ich die perſon kenne. Denn iſt es einer geweſen / der eine frau be - durfft hat / ſo laͤſt ſich die ſache entſchuldigen: Jſt es aber ſonſt ein geelſchnabel / der ſich eher paaren will / als er ein neſt darzu hat / ſo bedarff er keines mittlei - dens / man hat ihm vielmehr zu gratuliren / daß ihm die liebes-gedancken nicht von ſtatten gegangen.

Fill.

Ja wol / die menſchen haben es nicht ſo gut als die ſperlinge. Wenn dieſe luſt haben ſich mit einan - der zu paaren / und koͤnnen doch kein neſt fertig kriegen / ſo ſtuͤrmen ſie ein ſchwalben-neſt / und beiſſen den al -ten332Uberfl. gedancken andere gattungten wirth heraus: Aber mit unſer einem heiſt es nicht ſo / die pfarr muß vor da ſeyn / ehe an die quarr gedacht wird.

Mel.

Wer auch ſeine ſachen umgekehrt anfaͤngt / der darff ſich nicht wundern / wenn ſeyn gluͤcke verkehrt heraus koͤmmt.

Fill.

Da ſchickte ſich ein liedgen drauff.

Gil.

Halt / halt da wird eines ſeyn. Doch mit der bedingung wil ich es communiciren / daß ihr reinen mund haltet. Jhr koͤnnet den lieben menſchen faſt mit der hand ergreiffen / auff welchen es gemuͤntzt iſt.

Fill.

Und wann es nun erfahren wuͤrde / warum machen es die kerlen ſo naͤrriſch / daß ſie ſolcher lehren vonnoͤthen haben.

Gil.

Nun allo ſo geht es.

STrephon gieng vor wenig tagen
Durch das ſchoͤne Meißner-land /
Und erwog mit tauſend klagen
Seines gluͤckes wechſelſtand /
Gleich als waͤr er gantz verlohren
Und zu lauter angſt gebohren.
2. Alle reden die er fuͤhrte
Kamen gar entzuͤckt heraus /
Und je weiter er ſpatzierte
Deſto truͤber ſah er aus /
Endlich warff er ſeine glieder
Gleichſam in der ohnmacht nieder.
3. Jch befragte mich bey allen
Was dem guten menſchen ſey /
Ob ihm etwas vorgefallen /
D er kuͤnfftig nicht ſo frey
Und ſo gluͤcklich ſeyn ſtudieren
Koͤnte333Anderes Geſpraͤch.
Koͤnte biß zum ende fuͤhren.
4. Denn fuͤrwar ſeyn gutes gluͤcke
Schien in vollem flor zu ſeyn /
Drum fiel mir in dieſem ſtuͤcke
Eintzig das betruͤbniß ein /
Ob der vater irgend wolte
D er nicht ſtudieren ſolte.
5. Endlich hab ich nun vernommen /
Strephon ſey in todt verliebt /
Und weil er den korb bekommen /
Hab er ſich ſo hoch betruͤbt /
D er als ein arm gemaͤchte
Nur an ſeinen tod gedaͤchte.
6. Ach du narr du ſolſt dich freueu
D man dich ſo weit verſchont /
Und die jungen fantaſeyen
Nicht mit einer frau belohnt /
Welche durch die naͤrrſche liebe
Deine wohlfart hintertriebe.
7. Lerne vor aus deinen buͤchern
D du auch die kluge welt
Deiner dienſte kanſt verſichern /
Unn wo dir alsdann gefaͤlt
Deine freyheit zu verbinden /
Wirſtu leicht ein maͤdgen finden.
8. Mein wie wilſtu ſie ernehren
Wilſtu als ein fauler gaſt /
Deines vaters gut verzehren
Das du nicht in haͤnden haſt /
Ja der vater kan auch ſterben /
Und wo wilſtu mehr erwerben.
9. Drumb entſchlage dich der grillen /
Wilſtu334Uberfl. gedancken andere gattung
Wilſtu melancholiſch ſeyn
Nur umb eines maͤdgens willen?
Ach das unkraut iſt gemein /
Und du wirſt auff dein vergnuͤgen /
Zehne wol fuͤr eine kriegen.
Mel.

Das lied iſt gut gegeben / doch darff man es keiner jungfer vorleſen / ſie moͤchte es ſonſt mit ungnaͤ - digen augen anſehen.

Gil.

Wer ſich davor fuͤrchten wolte / der muͤſte man - che artige invention zuruͤcke halten.

Fill.

Haſtu noch mehr im vorrath / die aͤrger ſeyn?

Gil.

Ach daran iſt kein mangel. Die kerln in lan - gen hoſen verhindern manchen ehrlichen menſchen an ſeiner wohlfarth: ſie verdienen es wohl / daß ſie dar - umb auch etwas ausſtehen.

Mel.

Was kan aber manche jungfer davor / daß ein narr verliebt wird / und vor dem hauſe voruͤber laͤufft / bald ein brieffgen ſchreibt / bald ein liedgen macht / bald ſonſt andere ſchwachheiten vornimmt.

Gil.

Jch will nicht alle beſchuldigen. Aber warumb ſchniegelt und ſtriegelt ſich manche ſo zierlich und ſo appetitlich / wenn ſie nicht diß im ſinne haͤtte / daß ſie ei - nen guten ſtuͤmper fangen wolte.

Mel.

Aber bißweilen giebt ſich einer an / dem zu ge - fallen ſich kein maͤdgen putzen wuͤrde.

Gil.

Es geht wie mit den fiſchern / die ſchuͤtten ihr netz aus / und meynen wunder / was ſie wollen vor hech - te auffleſen / und wann ſie alles durchſuchen / ſo haben ſie kaum ein paar froͤſche / und irgend einen duͤrren dreck-perſchken erwiſcht.

Fill.

Uber diß meynet manche / ſie habe einen dop - pelten Doctor verdient / die doch kaum vor einen feu -ermau -335Anderes Geſpraͤch.ermauer-kehrer gut gnung iſt. Drum wann ſich ein ſchwartzer ripel anmeldet / der ihres gleichen iſt / hat ſie nicht urſach mit dem gluͤck viel zu zuͤrnen.

Gil.

Ja dieſes laͤſt ſich auch hoͤren.

Fill.

Doch weil wir auf dieſen diſcurs gerathen / ſo ſchaffe ein liedgen das ſich drauff ſchickt.

Gil.

Jch habe ſie beſſer / doch dieſes mag vor diß mahl gut ſeyn.

MArindgen / was ſoll diß bedeuten /
Was nimmt dich vor ein irꝛthum ein /
Daß du von lauter ſchoͤnen leuten
Wilſt nach der kunſt bedienet ſeyn /
Und deine wangen ſehen aus
Wie ein verdorrter nelcken-ſtrauß.
2. Du richteſt gar zu frey von allen /
Da iſt kein kerle gut genung /
Dem ſind die backen eingefallen /
Der iſt zu alt und der zu jung.
Hingegen ſchauſtu diß nicht an
Was man von dir gedencken kan.
3. Es hat ſich wol / die feinen dinger
Die warten gar gewiß auff dich:
Ach nein / du nimmſt es wol geringer /
Wo nicht / ſo biſtu wunderlich.
Denn weiſtu nicht daß in der welt
Sich allzeit gleich und gleich geſellt.
4. Derhalben dencke nach du ſtoltze /
Du haſt unmuͤglich ding begehrt:
Das weiß ich wol ein bock von holtze /
Jſt einer guͤldnen ziege wehrt /
Ein degen ohne glantz und ſchein
Kan336Uberfl. gedancken andere gattung
Kan in der ſchoͤnſten ſcheide ſeyn.
5. Hingegen gibt es ſchlechte gnuͤge
Und wird ein bloſſes narrenſpiel /
Wann etwa eine duͤrre ziege
Den beſten bock erwiſchen will /
Und wenn ein unvergleichlich ſchwerdt
Jn eine kahle ſcheide faͤhrt.
6. Jch nehme ſtets vor lieb / und richte
Das ſchlimmſte maͤdgen nicht zu ſcharff /
Jndem ich doch mein angeſichte
Von keiner ſchoͤnheit ruͤhmen darff /
Drum ſchrieb ich dir / du naͤrrgen du /
Auch eine ſolche demuth zu.
7. Wenn alle ſo gedencken ſolten /
Und wenn die ſchlechten buͤfgen hier
Nur auff die ſchoͤnſte warten wolten /
Wer kaͤme dann hernach zu dir?
Denn niemand als ein blinder mann
Siht dich der ſchoͤnheit halben an.
8. Marindgen nun du haſt die fluͤgel
Ein bißgen hoch hinauff gethan /
Ein ander mahl trit vor den ſpiegel /
Und ſchaue mich darneben an.
Alsdann ſo frage deinen ſinn /
Ob ich dir zu geringe bin.
Fill.

Jch wolte einen halben guͤlden drum ſchuldig ſeyn / wann ich diß ſtuͤckgen haͤtte vor 14 tagen gehabt.

Gil.

Vielleicht waͤr es dem maͤdgen nicht lieb / das damit waͤre auffgezogen worden.

Fill.

Ja wohl haͤtte ich ſie ſtattlich damit bezahlen wollen.

Mel.

Es verlohnt ſich wol der muͤh / daß man denjung -337Anderes Gefpraͤch.jungfern eine ſache 14 tage gedencken will. Mir waͤ - re es leid / daß ich eine ſtunde daran gedencken ſolte.

Fill.

Was hilffts / man muß etliche ſachen zu ſeinem bloſſen ſpaß vornehmen.

Mel.

Ja / darnach heiſts / man thut es zum ſpaß. Doch die zeit vergeht / drum daß unſer ſpaß vor diß - mahl nicht zu lang wird / ſo ſey hiermit feyer abend / mit dem bedinge / daß ſie moꝛgen bey mir zuſammen kom̃en.

Fill.

Wir koͤnnen doch bey dir zuſammen kommen / wenn wir itzt gleich ein bißgen verziehen.

Gil.

Wenn es am beſten ſchmeckt / ſo ſoll man auff - hoͤren / damit morgen auch ein appetit uͤbrig bleibt.

Fill.

Endlich / nach ihrem belieben. Doch noch ein liedgen / und noch einmahl getruncken.

Gil.

Wir muͤſſen |die zeit ſchonen. Doch deinem willen nachzuleben / da hab ich ein ſauff-lied / das hab ich aus dem Lateiniſchen uͤberſetzen muͤſſen. Solches wird ſich eben auff dein begehren ſchicken.

WAs hat man ſonſt davon / als daß man luſtig iſt /
Und bey der compagnie der andern noth vergiſt /
Mit ſauer ſehn und ſorgen
Wird ſelten was gethan /
Wohl dem / der ſie auff morgen
Getroſt verweiſen kan.
2. Ein angenehmer trunck / ein ungefaͤrbter freund /
Der zwar den becher wein / doch mich viel beſſer meynt /
Das ſind dieſelben gaben /
Die ſchleichen lieblich ein /
Biß wir die ladung haben
Und heute fertig ſeyn.
3. So geht den andern tag die freude wieder an /
So bleibt die traurigkeit auch morgen ausgethan /
YSo338Uberfl. gedancken andere gattung
So wird der ſafft von reben
Durch lieb und treu verſuͤſſt /
So fuͤhren wir ein leben /
Das uͤberirrdiſch iſt.
4. Wolan / was ſaͤumen wir? da ſteht der blancke wein /
Da muß der liebe trunck undiſputirlich ſeyn /
Sonſt kan es nicht ergetzen /
Da muß man ſich bemuͤhn
Auff einmahl anzuſetzen /
Auff einmahl abzuziehn.
Mel.

Die verſe ſind gut / doch der verſtand iſt nicht zum beſten. Vielleicht giebt es morgen / wills GOtt / gelegenheit davon zu reden: Jtzt bleibt es darbey / oh - ne complimenten / gute nacht.

Das dritte Geſpraͤch.

Mel.

Das iſt mir lieb / daß ſie ihr wort halten / und mein weniges loſament ihrer gegenwart wuͤrdigen.

Fill.

Spare die worte / es iſt uns ſchon bekandt / daß wir nicht unangenehm ſeyn.

Gil.

Und in ſolcher hoffnung habe ich Monſ. Filli - dor das geleite gegeben.

Mel.

Es iſt gar gut / aber wie ſteht es um das ge - ſtrige ſauff-lied / mich duͤnckt / das welt-kind guckte tref - lich weit hervor.

Gil.

Man ſiht wie es geht: Es iſt drum meine mey - nung nicht. Und wer iſt ſo eingezogen / daß er nicht einmahl in compagnie gerathen / da man dem lieben weingen etwas auf den kamm beiſt / und da ſchicken ſich ſolche liedergen am beſten.

Mel.

Sie ſchicken ſich / aber wer wil es verantwoꝛtẽ?

Gil.339Drittes Geſpraͤch.
Gil.

Man muß einen unterſcheid unter dem ſauf - fen machen. Es wird nur der zulaͤßliche freuden-be - cher / nicht aber der beſtialiſche ſchwein - und narren-be - cher darinn beſungen.

Mel.

Ja ja / wann es undiſputirlich eingeſchenckt wird / ſo geht es auff die letzt gar vernuͤnfftig her.

Gil.

Gnung daß der vernuͤnfftig iſt / der das lied macht / die andern moͤgen zuſehen / daß ſie den guten verſtand nicht mißbrauchen.

Fill.

Ey wer alles mit diſputiren erhalten ſoll / der wird in der welt wenig vornehmen. Ein ſauff-lied - gen geht wol hin / wenn es nicht zu grob oder zu offt koͤmmt.

Gil.

Man wird auch von ſolchen perſonen ange - ſprochen / denen man nichts verſagen darff. Zum er - empel / vor etlichen jahren ſprach mich ein groſſer Pa - tron an / ich ſolte ihm ein huͤbſch ſauff-madrigal auffſe - tzen / das ſich fein in die muſic ſchickte / und da hinten mit einem huͤbſchen runda beſchloſſen wuͤrde. Was ſolte ich thun / ich ſtellte mich als hielt ich ſelbſt viel davon / und machte folgendes:

Sa ſa Sa ſa Sa ſa.
Das iſt die alte welt / ſo giengs beym alten Kaͤyſer /
So gehts zu unſrer zeit:
Da muß der klare wein
Juſt ausgeſtochen ſeyn:
So waͤchſt in uns luſt und vertrauligkeit /
Denn wer fein redlich trincken kan /
Der iſt auch ſonſt ein redlich mann.
Die matten fliegen ſind zu ſchlecht vor unſre gaben /
Wer weiß ob ſie auch deutſche vaͤter haben.
Sa ſa ſa ſa ſa ſa /
Y 2So340Uberfl. gedancken andere gattung
So tꝛinckt weil noch ein glaß und weil der magen haͤlt /
Ja ja ja ja ja ja das iſt die alte welt.
Mel.

Du haͤtteſt ſollen ſagen / das iſt der alte Adam.

Gil.

Wie vorgedacht / ich ſetzt es nicht aus meiner meynung.

Mel.

Jch ſehe wol wie Cicero ſpricht: Non ſolum nobis nati ſumus, ſed partem ſibi vendicat patria, partem patroni.

Fill.

Wird man doch bey den ſchoͤnen gedancken gar durſtig. Doch vom weine iſt gnung geſchwatzt worden / ich moͤchte auch was vom biere hoͤren. Denn wo es wahr iſt / daß wir Deutſchen den edlen gerſten - ſaft erfunden haben / ſo moͤchten wir auch der inventi - on zu ehren ein uͤbrigs thun.

Gil.

Jch dencke zwar wie jener / wenn ich zu gaſte geh / ſo iſt mein erſter trunck wein / darnach trinck ich kein bier; doch hier hab ich eine muſicaliſche Concer - te / zwiſchen einem Basſiſten und einem Tenoriſten / da einer das braune bier / der andre den keiterling lobt. Wir wollen es verſuchen / die Violinen moͤgen in ge - dancken geſtrichen werden.

Ten.

DU angenehmer keiterling / Es iſt umb dich ein edel ding / Du ſchmeckſt dem maul am beſten: Wohl dem der dich verkauffen kan / Der bleibet ein gediegner mann Bey allen ſeinen gaͤſten.

Basſ.

So lob ich doch das braune bier / Das iſt ein ſafft / der ſchmecket mir Und aller welt am beſten: Wohl dem der diß bekommen kan. Der341Drittes Geſpraͤch.Der bleibet ein gediegner mann / Und kan ſich ſtattlich maͤſten.

Ten.

Das bittre ſpuͤlicht taug nicht viel / Wenn ich was bitters ſauffen wil / So kan ich mich purgieren / Da zwingt man mich / als wie bewuſt / Sonſt werd ich nimmermehr zur luſt Mein maul mit galle ſchmieren.

Basſ.

Den keiterling ſieht mancher mann Vor reformirten kofent an / Und wenn ich den wil ſauffen / So wil ich auf das dorff hinauß Auff einen duͤrren bauer-ſchmauß Vor einen dreyer lauffen.

Ten.

Ey ſieh doch was dein biergen thut / Es kan des menſchen fleiſch und blut Jm leibe recht verwandeln / Und iſt man ſonſt kein kaufmann nicht / So lernt man fein im angeſicht Mit rothem kupffer handeln.

Baſſ.

Ja wer das kneipen haben will Derſelbe darff nicht gar zu viel Von dieſem kofent nehmen / Der magen wird dadurch erkaͤlt / Darnach muß ſich ein ſolcher held Zum brandtewein beqvemen.

Ten.

Ja wer ſich nur belieben laͤſt / Und ſaͤufft ſich voll / der hat den reſt / Er kan ſich nicht beſinnen / Der kopff thut ihm fruͤh morgens weh / Er kehrt die zincken in die hoͤh / Und kan doch nicht entrinnen.

Y 3Baſſ.342Uberfl. gedancken andere gattung
Baſſ.

Mein freund / das iſt nicht wunderlich / Die matten fliegen pflegen ſich Jm waſſer todt zu ſauffen / Ein Held hingegen ſiht ſich fuͤr / Und darff vor dieſem ehſtands-bier Noch lange nicht entlauffen.

Ten. und Baſſ.
    • Ach Keiterling ich lobe
    • Braunbier ich erhebe
    dich /

Ach bleib bey mir und labe mich / Du kanſt mich wohl vergnuͤgen.

    • Deu Keiterling
    • Das braune Bier
    ſoll allezeit

Zu meiner luſt und froͤligkeit / Jn meinem keller liegen.

Fill.

Du biſt treflich ſchabernackiſch / kan doch nichts vor dir zufrieden bleiben. Da muß nun der arme keiterling herhalten / den man doch an vielen or - ten theuer gnung bezahlen muß / es wundert mich / daß du dich nicht uͤber den raſtrum auch erbarmet haſt.

Gil.

Einmahl hab ich ihn doch etwas angezwackt.

Fill.

Jch moͤchte es wohl hoͤren.

Gil.

Es ſind etliche umbſtaͤnde darbey. Es gab einmal in der compagnie gelegenheit / daß ein lied ge - ſungen ward: Engliſch bier iſt koͤſtlich gut / und das ſchoͤpſenfleiſch nicht ſchlimmer / aber Engliſch frauen - zimmer / das vergnuͤget meinen muth ꝛc. Da bat mich einer / ich ſolte doch eine parodie auf das Leipziger frau - enzimmer machen. Jch entſchuldigte mich / ich haͤtte bey denenſelben keinen ſolchen ſtein im brete / daß ich mich ſo kuͤhn gegen ſie heraus laſſen duͤrffte / es moͤchte mir eine lohnen / anders als mir lieb waͤre. Doch die -ſer343Drittes Geſpraͤch.ſer verſetzte / er haͤtte gute macht ſolches zu begehren / weil er ſelbſt eine liebſte haͤtte / und wolte ich es nicht auff alle deuten / ſo moͤchte ich es von ſeiner liebſten al - lein verſtehen. Bey ſolcher erklaͤrung ließ ich mich behandeln / und machte es ſo:

LEipzger breuhahn ſchmeckt mir nie /
Und der raſtrum iſt noch ſchlimmer /
Aber Leipzger frauenzimmer /
Das verlohnt ſich noch der muͤh:
Dieſes macht auff meinem munde /
Manch verſuͤſtes zucker-ſpiel /
D ich es in einer ſtunde /
Mehr als zehnmahl koſten will.
2. Braunſchweig darff ſich ferner nicht
Auff die mumme ſo befleiſſen /
Denn die muͤhmgen hier in Meiſſen
Sind was beſſer zugericht.
Breßlau mag ſich wohl befinden /
Und im ſchoͤpſe luſtig ſeyn /
Doch die ſchaͤfgen bey den Linden
Gehen uns viel ſuͤſſer ein.
3. Mord und todtſchlag taug hier nicht /
Denn wir ſtuͤrben ſonſten alle:
Und was taug der puff zu Halle /
Wo man liebes-puͤffe kriegt.
Wittenberg mag guggug ſauffen /
Denn der guggug findt ſich wol /
Wenn ſie uns in haber lauffen /
Daß man etwas werden ſoll.
4. Merſeburg die liebe ſtadt /
Mit den weitberuͤhmten ſpitzen /
Bleibt mit allen biere ſitzen /
Y 4Das344Uberfl. gedancken andere gattung
Das ſo ſchoͤne nahmen hat.
Heidehecker ſchmeckt zu loſe:
Kuhſchwantz / Zerbſter / Wurtzner bier /
Klatſche / Duchſtein / Garley / Goſe /
Bleiben alle weit von mir.
5. Denn diß iſt mein ſteiffer ſinn /
Daß ich itzt und kuͤnfftig immer /
Bey den Leipzger frauenzimmer
Allermeiſt vergnuͤget bin.
Hab ich diß in allen ehren /
Keiterling und Rheinſchen wein /
Wil ich alles bier verſchweren /
Solt ich noch ſo durſtig ſeyn.
Fill.

Das letzte kam gut. Denn wer eine jungfer / brod / fleiſch und bier hat / der ſtirbt weder hungers noch durſts.

Mel.

Aber wenn ſich alle bierbrauer zuſammen ſchluͤgen / und ſtrafften dich wegen der injurien.

Fill.

Am beſten waͤre es / wenn er von einem jedwe - den ein groß glaß muͤſte beſcheid thun / und muͤſte vom raſtrum und vom heidehecker anfangen.

Gil.

Jhr ſpoͤtter / ich wolte ihr haͤttet ein ſtuͤbgen mord und todtſchlag von Eißleben im leibe.

Mel.

Das war ein ſchoͤneꝛ wunſch von einem guten freunde.

Gil.

Wie ihr wuͤnſchet / ſo dancke ich.

Fill.

Nun es mag ſeyn. Vertrage dich nur mit dem frauenzimmer zu Leipzig.

Gil.

Das mag derſelbe Gleichviel verantworten / der ſolche generalia auf ſeine liebſte machen laſſen.

Mel.

Jhr Herren / halt mir etwas zu gute / ihr ſeyd zwar auf meiner ſtube / und es ſtuͤnde unhoͤflich / euchvon345Drittes Geſpraͤch.von eurer luſt zu verſtoͤhren: Doch wenn ich ſagen ſol - te was mir am beſten gefiele / ſo moͤchte ich gern die peccata juventutis auff die ſeite ſetzen / und etwas ernſt - haftes hoͤren.

Fill.

Die Uberfluͤſſigen Gedancken ſind gar ſelten ernſthaftig.

Gil.

Ja wol. Doch es wird ja auch etwas vorhan - den ſeyn / das ſo gar liederlich nicht außſieht.

Fill.

Jch wolte es nicht einmahl vorbringen / wei - ſtu nicht /

Turpe eſt difficiles habere nugas, Et ſtultus labor eſt ineptiarum.

Mel.

Es reimt ſich / gleich als koͤnte man nicht lu - ſtig ſeyn / da keine nugæ vorbracht wuͤrden.

Gil.

Nun ſo hoͤret ob diß recht iſt.

JCh weiß wol / daß ich neider habe
Die mir nach meinem gluͤcke ſtehn:
Doch alles iſt des Hoͤchſten gabe /
Daher entſpringt mein wolergehn /
Drum bleib ich allzeit unbetruͤbt
Und nehme was der himmel giebt.
2. Jch ſehe daß ich ſicher bleibe /
Ob gleich der neid ſehr grimmig thut:
Jch fuͤhle nichts an meinem leibe /
Das eſſen ſchmeckt mir gleich ſo gut /
Jm ſchlaffe bin ich unverſtoͤrt /
Und habe ſtets was mir gehoͤrt.
3. Hingegen wolt ich eh nicht leben
Als an der neider ſtelle ſeyn /
Weil ſie nach meiner wohlfarth ſtreben /
So freſſen ſie viel kummer ein /
Und kraͤncken ſich mit ihrem ſinn /
Y 5Daß346Uberfl. gedancken andere gattung
D ich ſo friſch und munter bin.
4. Ach waͤr ich nur in noth und ſchmertzen /
Jn angſt / gefahr und traurigkeit /
So kaͤmen ſie mit falſchem hertzen /
Mein Herr ſein zuſtand iſt mir leid /
Und der iſt nicht ein ehrlich mann /
Der ihm nicht dienet / wo er kan.
5. Wolan / weil auff die ſonnen-blicke
Ein ſchwartzes ſchatten-bild entſteht:
Und alſo auch bey allem gluͤcke
Der blaſſe neid darneben geht:
So gaͤb ich einen centner neid
Nicht vor ein loth barmhertzigkeit.
6. Die menſchen moͤgen mich beneiden /
GOtt wolle mir barmhertzig ſeyn /
So will ich mitten in dem leiden
Mich uͤber mein geluͤcke freun.
GOtt und die tugend iſt mein ziel /
So hab ich was ich haben wil.
Mel.

Jn warheit das lied hat mir beſſer gefallen / als die verliebten poſſen / und die andern haͤndel / die ſonſt vorkommen.

Gil.

Ja wohl ſind ſolche ſachen beſſer zu leſen und zu gebrauchen: doch man muß ſie ſelten bringen / ſo haben ſie unter den andern beſſere grace.

Mel.

Verſichert an der grace iſt nicht zu zweiffeln / bringe nur noch mehr dergleichen inventiones auff die bahn.

Gil.

So will ich noch eines hoͤren laſſen.

WJr wuͤnſchen alle reich zu werden /
Und wiſſen nicht was reichthum iſt /
D man bey ſolchen koth der erden /
Des347Drittes Geſpraͤch.
Des himmels gar zu leicht vergiſt /
Und an der ſchoͤnſten perlen ſtat /
Nur ſpreu und ſtaub in haͤnden hat.
2. GOtt hat uns ja ſo viel verſprochen
Als woll’er unſer Vater ſeyn.
Der ſegen bleibt auch ungebrochen /
Und ſtellt ſich alle ſtunden ein.
Derhalben ach aus was fuͤr noth
Bckuͤmmern wir uns um das brod.
3. Je mehr wir geld im kaſten haben /
Je mehr begehren wir darzu;
Und alſo ſtoͤren uns die gaben
Nur an der ſuͤſſen lebens-ruh:
Da ſonſt der alleraͤrmſte mann
Gar ſanfft und ſicher ſchlaffen kan.
4. Und uͤber diß / die armen leute
Sind auff den abend gleich ſo ſatt /
Da dennoch mancher kaum auff heute
Den proviant zu finden hat.
Drum liegt es nicht an geld und gut
Daß uns das leben ſanffte thut.
5. Die reichen koͤnnen mehr nicht eſſen /
Als was in ihren magen geht:
Der iſt ſchon richtig abgemeſſen /
Wenn gleich der tiſeh voll ſpeiſen ſteht /
Der appetit wird nur verfuͤhrt /
Und manche ſchuͤſſel nicht beruͤhrt.
6. Die meiſten wollen ihren kindern
Durch ihren geitz behuͤlfflich ſeyn /
Doch dieſe laſſen ſich verhindern /
Und bilden ſich viel ſachen ein /
Daß man bey ſolchem uͤbermuth
Kein348Uberfl. gedancken andere gattung
Kein geld erwirbt und viel verthut.
7. Ach ſind die kinder unſers gleichen /
So moͤgen ſie daſſelbe thun /
Wodurch wir unſer gut erreichen.
Man darff nicht auff dem polſter ruhn /
Und wer die faulheit auch begehrt /
Der iſt kaum eines dreyers werth.
8. Es bleibt darbey / das iſt das beſte:
GOtt laſſe mich vergnuͤgſam ſeyn.
Je mehr ich mich auff erden maͤſte /
Je ſchwerer geh ich himmel ein.
Und wenn ich ſterbe / koͤmmt das geld
Nicht neben mir in jene welt.
Mel.

Mein / warum haſtu nicht mehr fleiß auf ſol - che lieder gelegt?

Gil.

Wenn Melintes viel ſeines gleichen haͤtte / ſo wuͤrde ich vielleicht groͤſſere luſt haben ſolche tugend - lieder aufzuſetzen. Nun aber gar wenig liebhaber ge - funden werden / muß ich es machen wie ein kauffmann / der befleiſſet ſich auff die wahre / die am meiſten abgeht.

Mel.

Wie dem allen: Bey mir gehen ſolche wah - ren wol ab / mache mich noch ſo gluͤckſelig / daß ich mehr anhoͤren darff.

Gil.

Wenn der freund nicht ſo koͤſtlich waͤre / wuͤr - de ich mich mit meiner armuth entſchuldigen. So le - be ich in guter hoffnung du wirſt mit etlichen Sonne - ten vorlieb nehmen.

Mel.

Jch bin es wohl zu frieden.

Gil.

Da hab ich eines / das mit dem vorigen liede faſt einer meinung iſt.

D iſt mein wunſch / weil ich auff erden lebe:
Gott gebe mir nicht allzu groſſes gut:
Er349Drittes Geſpraͤch.
Er ſchaffe nur was mir vonnoͤthen thut /
Damit ich nicht nach hohen dingen ſtrebe
Und gar zu ſehr an dieſem eitlen klebe.
Verſucht mich ja mein ſchnoͤdes fleiſch und blut /
So komm er bald und breche meinen muth /
Damit das hertz im himmel offen ſchwebe.
Der falſche glantz der ſtoltzen eitelkeit
Ertheilet nicht dergleichen ſicherheit /
Als koͤnte man des todes gifft vermeiden.
Was hilfft es nun daß man die gantze welt
Mit aller luſt in ſeinen dienſten haͤlt /
Und muß die noth an ſeiner ſeele leiden.
Mel.

Siehe da habe ich dich einmahl auf der geiſt - lichen ſeite erwiſcht.

Gil.

Dieſes ſind allzeit meine gedancken. Nun koͤmmet ein weltliches.

Sonnet.
WJr armen gelehrten wir haben die ehre /
Die andern indeſſen beſitzen das geld:
Drum gibet die witzig und ſpitzige welt
Den kuͤnſten und ſprachen gar ſelten gehoͤre.
Sie ſchertzen mit dieſer veraͤchtigen lehre /
Weil ſolche nicht groſſe ducaten erhaͤlt:
Hingegen der reiche wird oͤffter beſtellt /
Als wenn er in allen viel ehrlicher waͤre.
Doch bleiben wir fleiſſig und achten es nicht /
Wenn irgend ein eſel die roſen verſpricht /
Der ſelten was anders als diſteln gefreſſen.
Wir ſuchen die ſchaͤtze die nimmer vergehn /
Und mitten in unſern gedancken beſtehn /
So koͤnnen wir leichtlich das ander vergeſſen.
Mel.

Weꝛde ich doch bey dieſen ſachen gar verliebt.

Fill.

Aber bey ſolchen verdrießlichen haͤndeln wird mir die zeit lang.

Gil.

Sagte ich es nicht / daß ich uͤbel wuͤrde ankom - men.

Mel. 350Uberfl. gedancken andere gattung
Mel.

Fillidor ſchertzt.

Fill.

Nein fuͤrwar ich habe nicht urſache zu ſcher - tzen. Bringe was luſtiges auf die bahn / oder ich gebe nicht audientz und ſinge dargegen mein eigen lied.

Gil.

Jch muß ſehen wie allebeyde befriedigt wer - den. Hier hab ich noch etwas / das ſieht eher einem Sonnete aͤhnlich / als daß es in der warheit ſo heiſſen ſolte / diß geſtehe ich / wer oft ſolche arthen machen wol - te / den hielte ich vor einen narren.

KOmm / kom̃ du junges volck / willſtu dich ferner ſcheuen /
Dein leben von der laſt der ſorgen zubefreyen /
Und deinen zarten leib gebuͤhrlich einzuweihen:
Komm weil das alter noch die kraͤffte wil verleihen.
Der himmel laͤſt ja offt den kalten winter ſchneyen /
Und laͤſt den nordenwind mit ſcharffen wetter dreuen:
Du aber darffſt dich nicht der freunde gantz verzeihen /
Und dein erhitztes blut durch ſolchen zwang kaſteyen.
Entbrich dich immer noch von dieſen fantaſeyen /
Dein hertz iſt noch geſchickt die roſen auszuſtreuen /
Nimm deine ſeiten hin und ſtimme die ſchalmeyen /
Hoͤr an den ſuͤſſen thon mit ſeinen ſchmeicheleyen /
Und laß diß ſchoͤne lied mit vollem halſe ſchreyen;
Das alter iſt betruͤbt / die jugend giebt gedeyen.
Mel.

Es iſt war. Dieſe arten von verſen ſind ſehr gezwungen.

Fill.

Drum wil ich etwas luſtiges und ungezwun - genes haben. Jſt es nicht eine ſchande / daß man ſo lange bitten ſol.

Mel.

So thu es dem weltkinde nur zu gefallen / daß er ſich auff meiner ſtube keines uͤbeln tractaments zu beklagen hat.

Gil.

Da finde ich etwas de arte amandi, wenn ich da - mit darff erſcheinen / ſo ſteht es zu ihren dienſten.

Fill.

Das wird recht vor mich ſeyn.

Gil.351Drittes Geſpraͤch.
Gil.

Urtheile nicht vor der zeit.

JHr hertzen die ihr euch der ſuͤſſen eitelkeit /
Durch liebe / gunſt und treu zu widmen willens ſeyd /
Fangt wol und gluͤcklich an / erfuͤllet das verlangen /
Und laſt euch in das garn der eiteln ſchoͤnheit fangen:
Ergebet euren ſinn an dieſen glatten ſchein /
Und ſenckt die ſeelen ſelbſt in jungfer-ſeelen ein.
Man muß ſich der natur auch in den liebes-ſachen
Als ein gehorſam kind recht unterwuͤrffig machen.
Und wer nicht lieben wil der muß ein kieſelſtem /
Ein ſtieffkind dieſer welt / ein weicher ſchneeball ſeyn.
Doch eh ihr euer thun der liebes-luſt ergebet /
Und weil das hertze noch in voller freyheit lebet /
So denckt der ſache nach / wie ſolche ſchmeicheley /
Wenn zeit und ſtunde koͤmt / wol anzuſtellen ſey.
Man muß ſich offt ein neſt im warmen ſommer bauen
Das erſt im winter dient: und itzo muß man ſchauen
Was kuͤnfftig werden kan. Wer erſt den ſamen ſucht
Jndem er erndten ſoll / der wird mit ſeiner frucht
Vortrefflich kahl beſtehn / ein ſchiffmann / wil er ſchiffen /
So hat er allbereit dieſelbe kunſt begriffen:
Wer mahlt ein zierlich bild; wer heiſt ein lauteniſt?
Der bey dem meiſter nicht zuvor ein ſchuͤler iſt?
Und alſo wird uns zwar die ſchoͤne kunſt zu lieben
Durch unſer eltern blut urſpruͤnglich eingeſchrieben?
Doch weder halb noch gantz: die flamme fuͤhlt man wohl:
Nicht aber wie man ſie mit klugheit fuͤhren ſol /
Man muß ein ſchuͤler ſeyn: man muß die edlen gaben
Der rechten hoͤfligkeit aus der erfahrung haben.
Drum die ihr lieben wolt / komt her und gebt euch an /
Hier tritt ein meiſter auff / der euch vergnuͤgen kan /
Verſichert euch gewiß ihr werdet ſolche lehren
Und ſolchen liebes-troſt zu euren vortheil hoͤren /
Mehr als ihr wuͤnſchen moͤgt. Doch wer das ſuͤſſe ziel
Jn der verfluchten luſt der ſchande ſuchen will /
Der koͤmt bey mir nicht an. Jch richte mein gemuͤthe
Auff die ergoͤtzligkeit / darneben man die bluͤte
Der jugend nicht verletzt: die vor der erbarn welt /
Ja352Uberfl. gedancken andere gattung
Ja vor dem Cato ſelbſt recht uͤberley behaͤlt.
Zum erſten ſuche was: zum andern lern es kennen:
Zum dritten laſſe dich nicht gar zu zeitlich trennen /
Jn dieſes ſchließ ich hier die gantze klugheit ein /
Und dieſes ſoll der zweck der guten lehren ſeyn.
Wer ſucht / der findet was. Der ſafft der reiffen trauben
Waͤchſt in der ſtuben nicht / und die gebratnen tauben
Die fliegen nicht ins maul: man muß ſich drum bemuͤhn /
Und die gelegenheit fein offt zu rathe ziehn /
Die maͤdgen kommen ja bald hier bald dort zuſammen /
Da muß derſelbe nach / der ſeine liebes-flammen
Nicht uͤbel hegen wil: und welcher diß nicht kan /
Bey dieſem giebt ſich auch die liebſte langſam an.
Der fiſcher ſchuͤttelt nicht die krebſe von dem baume.
Der vogelſteller fangt die lerchen in dem ſchaume
Des kalten waſſers nicht: und der iſt gar kein held /
Der allzeit warten wil biß was vom himmel faͤllt /
Es hilfft doch nichts davor: man muß ein bißgen lauffen.
Der himmel pflegt die luſt um arbeit zu verkauffen.
Das maͤdgen iſt ſchon da man ſehe ſich nur um /
Offt zeigt ein fremder ort ein ſuͤſſes eigenthum /
Man darf deßhalben nicht auf ſechs und ſieben meilen
Nach einer frembden zier mit pferd und kutſchen eilen:
Man ſetze nur deu fuß ein wenig vor das hauß /
Und leſe ſich ein kind auch in der gaſſen auß.
Wiewohl es laͤſt ſich nicht mit dieſen ſachen ſpielen:
Man kan ſo eigentlich auf nichts gewiſſes zielen /
Es koͤmmt zu unverhofft / daß ein geringer blick /
Ein wort / ein ſchoͤner fleck / uns einen leiſen ſtrick
An das gemuͤthe legt.
Fill.

Damit iſt es nicht aus.

Gil.

Es geht als wie in des Claudiani de raptu Proſer - pinæ. Cætera deſiderantur.

Fill.

Das koͤmmt aber poſſierlich / daß ich mir ſoll das maul vergebens auffſperren laſſen.

Gil.

So mache das maul vergebens wieder zu / biß ich die andern ſtuͤcke finde / die darzu gehoͤren.

Mel.353Drittes Geſpraͤch.
Mel.

Du darffſt den Ovidium de arte amandi teutſch machen.

Gil.

Es hat ſich wohl / Ovidius iſt gar ein garſtiger vogel / er unterweiſet ſeine ſchuͤler nur / wie ſie andern maͤnnern ſollen zun weibern gehn / und alſo iſt ſie kei - ne liebes-kunſt / ſondern eine ehbrechers kunſt.

Fill.

Wer fragt nach dem Ovidio / ich bin affrontirt, wo du nicht was guts im vorrath haſt / ſo wuͤrde ich - bel zu ſprechen ſeyn.

Gil.

Wer giebt mir was vor meine affronte / daß ich das beſte ſtuͤck verlohren habe.

Fill.

Da ſieh du zu / ich ſuche revange.

Gil.

Jch muß ein uͤbriges thun. Da hab ich ein angebinde auf einen guten freund / der zwey nahmen hatte / und vor einen halben jahre von mir auch war angebunden worden.

Fill.

Jch mag es nicht hoͤren wo es nicht luſtig iſt.

Gil.

Jch werde nicht ſprechen es ſey luſtig. Hoͤre drauf und ſage darnach deine meinung.

Elegie.
SO muß ich liebſter freund ihn wieder irre machen /
Daß ich ſein nahmens-feſt ſo zeitlich feyren wil?
Ja freylich wenn bey mir die geiſter ſchon erwachen /
So fodern ſie die ſchuld / das matte ſeitenſpiel.
Wiewol es iſt an dem / ich bin nicht ſo vergeſſen /
Es iſt ein halbes jahr und noch kaum gantz vorbey /
Da hab ich eben ſo bey meiner pflicht geſeſſen:
Und itzo mach ich ſchon die freude wieder neu /
Es iſt der liebe ſchuld / die wil vor aͤngſten ſterben /
Wenn ſie ein liebes haupt nicht ſtets bedienen ſol /
Und kan ſie durch den dienſt nicht was ſie wuͤnſcht erwerbẽ /
Nun ſo gefaͤllt ihr doch die muͤh und arbeit wohl.
Bey freunden kan ich nicht mein courtiſiren laſſen /
Sie haben mein gemuͤth und alles in der hand:
ZEin354Uberfl. gedancken andere gattung
Ein ander geh die ſpur der eitlen liebes-ſtraſſen /
Mein hertz iſt doch allein in einen freund entbrant.
Zwar wo ich bitten darff / ſo ſeh er nicht die worte /
Den ungeſchickten reim die ſchlechten zeilen an /
Jtz an der meſſe liegt nichts an dem rechten orte:
Kaum daß ich ſo viel zeit zum ſchreiben ſtehlen kan:
Wenn es zu ſchmeicheln komt / ſo bin ich ſonſt verdorben /
Jch fuͤhr in meiner haut den alten teutſchen ſinn /
Und waͤr die redligkeit gleich uͤberall verdorben /
So bleibt es noch darbey / daß ich noch ehrlich bin.
Doch wil er einen ſchertz von meiner feder fodern /
Jch weiß nicht ob die luſt mich gantz verlaſſen hat /
Der gruͤne myrtenſtrauch will allgemach verlodern /
Und mein betruͤbter geiſt iſt faſt des lachens ſatt /
Er frage nicht warum? er ſchaue nur die ſachen
Der jungen erden an / wie itzo wald und feld /
Fiſch / voͤgel / thier und alls mit freuden hochzeit machen /
Nur ich bekomme nichts ich arme kleine welt.
Jch ſoll mich um die frau noch gar zu tode graͤmen.
Denn wo ein guter freund zur hochzeit blaſen laͤßt /
So muß ich mich fuͤrwar vor meinem barte ſchaͤmen
Der wol ſo ſtachlicht iſt als manches ſchwalben-neſt.
Der ſchwartzdorn bluͤth nunmehr / der kuͤtzel ſticht die leute /
Das alte winterblut wil zu den adern auß /
Der kuͤhle roſenthal traͤgt ſchon die fruͤhlings-beute /
Und fuͤhret zwey hinein und dreye wieder nauß /
Jch habe nichts zu thun ich ſehe nur zu zeiten
Wie durch den gruͤnen ſtrauch ein buntes roͤckgen blickt /
Ein ander laͤſt ſich gar in das geruͤſche leiten /
Wo der das gruͤne graß in ſeiner ruh zerdruͤckt.
Jch bleibe nach wie vor ein alter junggeſelle /
Und das verſteh ich nicht was doch ein ſperling weiß.
Jch dichte zwar bey mir auff unterſchiedne faͤlle /
Wiewohl mein unſtern haßt den wol bedachten fleiß.
Mein allerliebſter freund / in allen meinen trauren /
Jſt dieſes noch mein troſt / daß er in gleicher laſt
Durch muͤh und einſamkeit kan ſteiff und tapfer tauren /
Und daß er keinen ſinn auff weiber-liebe faſt.
Drum355Drittes Geſpraͤch.
Drum weil die liebe zeit durch honig-ſuͤſſe raͤncke
Jn unſrer jungferſchafft die blume brechen wil /
So fuß er neben mir ein corpo und bedencke /
Die liebe ſey ein ſtrick und nicht ein kinderſpiel.
Jch wil an meinem ort der mutter zu gefallen
Noch gantzer 15 jahr ein alter tantzknecht ſeyn:
Das gluͤcke werffe mich als einen leichten ballen /
Jedennoch laß ich mich bey keinem maͤdgen ein.
Kan ich mir ſo viel zeit von meiner arbeit brechen /
So wil ich dieſe woch in ſeinem loſament /
Von ſeiner jungferſchafft mir noch was mehr verſprechen /
Jtz hat der fremde marck mich andrer pflicht verpfaͤndt:
Jnzwiſchen nehm er itz ſo viel beliebte freuden /
So viel als buhler itz auff ihrem wege ſind:
Wir wollen unverwandt das ſtille ſchauſpiel meiden /
Da offt die koͤnigin das gantze ſpiel gewinnt.
Doch weil mein muntres haar nach einer andern krone
Ein kurtz verlangen traͤgt / ſo hab ich laͤngſt vermeint /
Es bleibt zu jener zeit nicht nur bey einem lohne /
Die Themis iſt ja ſonſt der helden Venus-freund.
Komt zeit ſo koͤmt auch rath / itz ſind wir arme buͤfgen
Und graben angſt und pein in unſer betteſtroh /
Doch wirckt der ſchwache gruß in dieſem liebes-briefgen /
So macht der blancke wein uns ſchon in vorraht froh.
Fill.

Das itzige ſtimmt nicht mit dem vorigen. Jtzt gibſtu dich vor den einfaͤltigſten menſchen von der welt aus / und vor warſtu ſo expedit / daß du auch ſcho - laren annehmen wolteſt.

Gil.

Zehn weiſe leute koͤnnen mehr fragen / als eineꝛ kan antworten.

Fill.

Damit wird meiner frage nicht gerathen.

Gil.

Du lieber bruder / die ſtunden ſind ungleich / drum iſt auch die courage ungleich / man meynt es all - zeit nicht ſo boͤſe / als man es im zorn hinſchreibt.

Fill.

Es mag ſo ſeyn. Aber was iſt mir mit denZ 2lum -356Uberfl. gedancken andere gattunglumpen-haͤndeln gedient / die ich nicht ſingen kan. Kom̃ her / wir wollen eins mit einander muſiciren.

Gil.

Da ſinge den diſcant in der unter-octave / ich will den baß in der ober-octave fiſtuliren.

Fill.

Was iſt der inhalt?

Gil.

Es iſt auff die leute gericht / die ſich in den ge - dancken verlieben / allemahl voller melancholiſchen grillen ſeyn / und der liebſten nahmen an alle waͤnde / an alle baͤume / an alle buͤcher kratzen / ob ſchon die gute jungfer nicht einmahl nachricht hat / daß ſie ſo ein un - gluͤck geſtifftet hat.

Fill.

So wird es gar troͤſtlich kommen / nur gib mir keinen ſtich.

Gil.

Jch weiß wol daß du manchen abend auff der gaſſe herum gehſt / und die jungfer-thuͤren bloqvirt haͤl - teſt / doch du ſolſt ſelber bekennen / daß ich deiner ver - ſchont habe.

WUchert ja nicht in gedancken
Jhr verliebten ſeelen ihr:
Denn in dieſem engen ſchrancken
Uberkoͤmmt man keine zier.
Weg mit dieſem hertzeleide /
Auſſer uns beſteht die freude.
Die gedancken ſind nur wind /
Wenn ſie noch ſo koͤſtlich ſind.
2. Manche ſtunde wird zu ſchanden /
Mancher ſchoͤner tag verdirbt /
Weil man in den eitlen banden
Nichts als ſolchen rauch erwirbt.
Da gedenckt man um die wette /
Wenn ich koͤnte / wenn ich haͤtte /
Und je mehr man denckt und dicht /
Deſto357Drittes Geſpraͤch.
Deſto wen’ger wird verricht.
3. Lernt einmahl zur ſache greiffen /
Da beſteht der rechte lohn.
Welche ſich alſo verſchweiffen /
Sind fuͤrwahr noch weit davon.
Wenn die armen patienten
Nicht den ſitz der kranckheit nennten /
Wuͤrde mancher kraͤuter frucht
Durch den artzt umſonſt geſucht.
4. Gibt ein kauffmann vor die waaren
Nicht das allerbeſte geld?
Drum was wolt ihr alſo ſparen /
Wenn euch eine zier gefaͤllt.
Wuͤrcklich und gewiſſe gaben
Wollen gleiches kauff-geld haben /
Und die arbeit muß allein
Jn der that bekraͤfftigt ſeyn.
5. Ach ihr ungewiſſen grillen
Was bemuͤht ihr euren ſinn
Um der allerſchoͤnſten willen?
Geht und ſuchet den gewinn
Aus beſuchen / ſpielen / ſchertzen:
Sie vergnuͤget eure hertzen.
Wer die boltzen anders richt /
Siht das ziel und trifft doch nicht.
Fill.

Diß war noch gnaͤdig. Es iſt ſonſt nicht dei - ne mode / daß du ſehr ſchoneſt.

Gil.

Wo gute freunde intereſſirt ſeyn / da mache ich ein auge zu.

Fill.

Vielleicht wie jener einaͤugigter bettelvogt.

Gil.

Laß mich unvexirt / oder ich weiſe dir das lied nicht / das mir itzt gleich in die haͤnde koͤmmt.

Z 3Fill.358Uberfluͤſſiger gedancken andere gattung
Fill.

Jch revocire alle injurien / ich weiß nichts als liebes und gutes von dir.

Gil.

Siehe her. Da ward ein guter freund der hatte noch eine mutter / und weil er zu ihren guͤtern der eintzige erbe war / plagte ſie ihn taͤglich mit heyraths - gedancken. Endlich als er einen auffſchub nach dem andern machte / reſolvirte ſich die mutter / entweder er ſolte in dꝛey tagen eine außleſen oder ſie wolte nach der zeit ſelber eine vorſchlagen / die er alſo dann bey ver - meidung ihrer hoͤchſten ungnade nehmen ſolte. Hier - auff als er ſo ſehr genoͤthigt ward / hatte er ein heim - lich abſehn auf eine / da er doch nicht wuſte / wie er den handel zu erſt anbringen ſolte. Drum brauchte er die - ſes lied / und uͤbergab es ſeiner vermeinten liebſte.

MEin werthes kind wofern ihr ja beliebt
Zu wiſſen was mein freyes hertz betruͤbt /
So gebe ſie ein zeichen im geſicht /
Darf ich mich ihr vertrauen oder nicht?
2. Die mutter wil; drum muß es auch geſchehn /
Jch ſoll nunmehr nach einer liebſten ſehn /
Sie beut mir hauß / hof und die nahrung an
Daß ich mich ſelbſt nicht laͤnger wehren kan.
3. Drey tage ſind mein angeſetztes ziel /
D / wo ich nicht was ſelbſt erwehlen wil /
So wird es nicht nach meinem kopfe gehn /
Und alles wird bloß bey der mutter ſtehn.
4. Mein kind was giebt ſie mir vor einen rath
Wo meine luſt was guts zu hoffen hat.
Jch ſchweige zwar / und rede nicht zu viel.
Doch weiß ſie wol was ich ihr ſagen wil.
5. Sie dencke nach und pruͤfe meinen ſinn:
Wo ich zu ſtoltz in meiner hofnung bin /
So359Drittes Geſpraͤch.
So leb ich doch entſchuldigt als ein freund
Bey welchem diß und alles moͤglich ſcheint.
6. Verſteht ſie mich? ich bitte tauſendmahl
Sie rathe mir / und foͤrdre meine wahl /
Ein bloſſes ja vergnuͤgt der mutter ſchluß /
Ein hartes nein macht daß ich ſterben muß.
Fill.

Mich duͤnckt der gute menſch haͤtte des liedes nicht bedurfft.

Gil.

Das iſt eine andere frage. Doch es wird zeit ſeyn daß wir gehen.

Mel.

Jch wil hoffen es wird ihnen auff meiner ſtu - be nicht ſo bange ſeyn.

Gil.

Zeit hat ehre

Mel.

So hat viel zeit viel ehre.

Gil.

Du verſtehſt es beſſer.

Mel.

Nun ſo laß doch zu guter letzt etwas hoͤren /

Fill.

Aber es muß luſtig ſeyn / ſonſt geb ichs nicht zu.

Gil.

Jch habe kein anders als diß.

DU ſprichſt zu mir ich ſoll nicht thalen
Wenn ich ein bißgen loſe bin /
Und ſagſt zu unterſchiednen mahlen
Er geh doch weg / er ſcher ſich hin /
Er laſſe ſich doch endlich ſagen
Jch kan das thalen nicht vertragen.
2. Du naͤrrgen laß mich immer thalen /
Die thaler ſind das beſte geld /
Und welche wol damit bezahlen /
Die hat man lieb in aller welt /
Derhalben wirſtu gleicher maſſen
Bey dir die muͤntze gelten laſſen.
3. Ein thaler iſt ein ſchoͤnes ſtuͤcke
Das man zu ehren brauchen mag /
Z 4Er360Uberfl. gedancken andere gattung
Er iſt von klaren ſilber dicke /
Und fuͤhrt den allerbeſten ſchlag.
Deßwegen muß ich mich befleiſſen
Damit ich kan ein thaler heiſſen.
4. Was nutzt mir doch ein kahler dreyer /
Der nicht einmahl die farbe haͤlt?
Was taug ein vierling und ein zweyer?
Es iſt ein bloſſes huren-geld:
Vom ſchweren kupfergeld aus Schweden
Begehr ich nicht einmahl zu reden.
5. Hingegen laß die thaler kommen /
Die finden allzeit ihren platz /
Und wenn ſie werden eingenommen /
Legt man ſie heimlich in den ſchatz /
Daß nicht die leute wie ſie wollen
Das ſchoͤne geld begreiffen ſollen.
6. Jch bin kein ungewiſſer praler.
Nimm mich zu deinem thaler an /
Wer weiß wo ich noch einen thaler
Bey dir zuwege bringen kan /
Alsdenn ſo haſtu gut geluͤcke
Und den ducaten in der ſicke.
Gil.

Nun hiermit ſey eine gute nacht.

Mel.

Mein wunſch waͤre / ich koͤnte ſo guter freun - de noch laͤnger habhafft ſeyn.

Fill.

Ey man muß das ſaͤckgen nicht auf einmahl ausſchuͤtten. Doch ehe wir von einander gehen / wo ſchlagen wir eheſtes tages eine neue zuſammenkunfft auff.

Gil.

Wo anders als bey mir.

Fill.

Es darff alles nicht nach der ordnung gehen. Wenn ich etwas duͤrffte bitten / ſo wolte ich einen ortvor -361Vierdtes Geſpraͤch.vorſchlagen / da ein paar frauenzimmer darbey waͤren.

Gil.

Jch hab es im anfang ausgenommen / was ich guten freunden weiß mache / das darff ein fremder ſo genau nicht erfahren.

Mel.

Darzu muͤſte man vor wiſſen / was vor frau - enzimmer im vorſchlage waͤre.

Fill.

Wenn ihr nicht luſt darzu habt / ſo kan es wol nachbleiben. Es iſt Liſette und Roſette / die wuͤrden uns ſo uͤbel nicht anſtehn / und uͤber diß koͤnte man ſol - che ſachen vorbringen / die nicht viel zu bedeuten haͤttẽ.

Mel.

Es ſteht bey dir Monſ. Gilanes.

Gil.

Wo euer Votum richtig iſt / ſo darff ich nicht widerſtreben. Doch wir kommen noch wol zuſam - men ehe es fortgeht. Gute nacht.

Das vierdte Geſpraͤch.

Liſette / Roſette / Melintes / Fillidor / Gilanes.
Fill.

Monſ. Gilanes / du ſtellſt dich etwas langſam ein / es gefaͤllt dir gewiß wohl / wenn man auf dich war - ten muß.

Gil.

Jſt diß mein freundlicher willkomm? Jch habe ſie nicht eher verſtoͤren wollen.

Liſ.

Villeicht iſt unſere gegenwart nicht angenehm.

Gil.

Jch habe ein geluͤbde gethan / ich will keinem hoͤhniſchen frauenzimmer auf ſolche complimenten antworten.

Liſ.

War denn diß keine antwort?

Gil.

Wie ſie wol hoͤrt.

Liſ.

Er gibt heute ſeine ſachen treflich kurtz.

Z 5Gil.362Uberfl. gedancken andere gattung
Gil.

Jch kan nicht dafuͤr / daß ſie nicht laͤnger ge - rathen.

Fill.

Jhr ſpitzigen leute ſtecht euch nicht an einandeꝛ.

Liſ.

Was hat er drein zu reden?

Fill.

Nun faͤngt ſie mit mir an / ſie kan gewiß am andern orte nicht fortkommen.

Liſ.

Seinetwegen mag ich fortkommen oder nicht: hab ich doch keinen noch um eine fuhre angeſprochen.

Fill.

Wir ſind auch keine fuhrleute.

Liſ.

Ey nicht doch / ich habe immer gedacht er iſt aus dem geſchlechte.

Fill.

Es muͤſte von ihrer großmutter herkommen / die hat ihr geraͤthe immer auff meines großvaters bo - den getrocknet / und drum ſind wir weitlaͤufftig be - ſchwaͤgert.

Liſ.

Jch dachte wo die ſchwaͤgerſchafft herkaͤme / das hoͤr ich heute zum erſten mahl.

Fill.

Die ſchuld iſt ihre / daß ſie ſich um ihre freunde nicht fleiſſiger bekuͤmmert.

Liſ.

Solche freunde geben einem nicht viel.

Fill.

Ach ſo ſo / das ſind rechte freunde / die brav ſpendiren / wenn ich meinen ſpendir-atlaß von Aug - ſpurg bekomme / ſo will ich mir auch ein paar hoſen da - von machen laſſen.

Liſ.

Es iſt aber eine ſchande / daß er das groſſe wort allein hat.

Mel.

Sie thut recht dran jungfer Liſette / daß ſie ihm das gewiſſen ein wenig ruͤhrt.

Liſ.

Jch beduͤrffte einen guten beyſtand.

Mel.

Jungfer Roſette ſitzt gar ſtille / die ſolte ſich wol darzu erbitten laſſen.

Roſ. 363Vierdtes Geſpraͤch.
Roſ.

Was andere leute verderben / helff ich nicht wieder gut machen.

Mel.

Warum nicht? weñ es ohne ihre muͤhe abgeht.

Roſ.

Jch kenne die Herren / es iſt nicht gut mit ih - nen kirſchen eſſen.

Mel.

Da muͤſſen wir in der kirſchenzeit davon redẽ.

Roſ.

Da hab ich ſchon eins. O haͤtt ich mein wort wieder!

Fill.

Wie waꝛ es / gab ihr Melintes eins an das bein?

Roſ.

Jch dachte an die ferſe / er hoͤrt allzeit mit hal - ben ohren.

Fill.

Wie halbirt man die ohren / daß man gewiß weiß / wenn ſie halb ſind / nichts druͤber nichts drunter?

Roſ.

Es ſteht mir nicht an daß ichs ſage.

Fill.

So ſteht mir es nicht an daß ichs hoͤre.

Liſ.

Jhr leute ſchaͤmt euch doch der unnuͤtzen reden. Jch dachte Monſ. Fillidor wuͤrde was neues bringen. Aber er kan vor der muthwilligen klappermuͤhle nicht darzu.

Fill.

Jch wolte ich waͤre eine klappermuͤhle / und duͤrffte ſie heyrathen / ſo haͤtte ich eine muͤhle mit zwey gaͤngen.

Liſ.

Wir richten heute nichts bey ihm auß / er iſt gantz außgelaſſen.

Roſ.

Jch habe ihn neulicher zeit nicht ſo luſtig ge - ſehen.

Fill.

Jhre gegenwart ergetzt mich ſo.

Roſ.

Jch dachte wol ich wolte die urſache noch her - aus locken.

Fill.

Es iſt meine manier ich bekenne gleich zu.

Liſ.

Ja ja er geht gar gleich zu wie ein knieriemen.

Mel.

Wo keines dem andern die antwort ſchuldigbleibt /364Uberfl. gedancken andere gattungbleibt / ſo kommen ſie heute nicht von einander.

Liſ.

Wir muͤſſen ſtraffe drauf ſetzen.

Fill.

Meinetwegen eine nuß und einen kuß.

Liſ.

Jn ſeinem gaͤßgen wohnen etliche / die thun es vor diß geld / er kan nur hinhoͤren.

Fill.

Jch halte mich lieber an was rechtes.

Liſ.

Er wil was rechtes haben: ſo muß er gewiß ein lincker ſeyn.

Fill.

Freylich. Die junggeſellen ſind alle lincks / ſie muͤſſen die jungfern ehrenhalben auf die rechte ſeite laſſen.

Liſ.

Ja wer Monſ. Gilanes vor nicht erzuͤrnet haͤtte / itz koͤnte er mein Advacate ſeyn.

Gil.

Der zorn iſt ſo wichtig nicht. Doch ich mag mich unter gute freunde nicht mengen.

Roſ.

Er koͤnte es aber am beſten thun.

Gil.

Auf was maſſe?

Roſ.

Er laſſe uns etwas neues auff dem Clavi - chordium hoͤren / ſo muͤſſen die andern wol ſchweigen.

Gil.

Wenn ſie beſſers zu reden wiſſen / damit ſie die zeit vertreiben koͤnnen / ſo wil ich derjenige nicht ſeyn / der etwas unangenehmers auf die bahn bringt.

Liſ.

Nein nein / wir wollen ihn geꝛne hoͤren. Sonſt werden wir des klaͤtſchers nicht loß.

Gil.

Aber was wollen ſie nun hoͤren?

Liſ.

Wir haben ihm nichts vorzuſchreiben: Wir muͤſſen mit dem vorlieb nehmen was er uns goͤnnen wil.

Gil.

Die complimente gehoͤrt vor eine andere per - ſon / doch weil mir mein willen gelaſſen wird / ſo moͤgen ſie auch mit den geringen ſachen zu frieden ſeyn.

Jſt365Vierdtes Geſpraͤch.
JSt diß nicht wunderlich /
Das gluͤcke ſetzt an mich
Als waͤr mirs noch ſo ſehr gewogen:
Jedoch wenn ich das ziel
Mit ernſt anhalten will
So find ich mich gar weit betrogen /
Weil ihre zunge gleichſam ſpricht;
Du ſiehſt mich zwar. Doch du bekoͤmmſt mich nicht.
2. Es iſt ja wol geſchehn /
Jch habe dich geſehn
Und ſonderlich in acht genommen:
Doch was vor einen lohn
Hab ich nunmehr davon
Wo denck ich weiter fortzukommen /
Wofern ich dich du ſuͤſſer Pol
Jm hertzen und in augen haben ſoll.
3. Die Goͤtter werden zwar
Uns ſelten offenbar /
Ob ſie gleich unſre ſeufftzer hoͤren:
Und wer gleich in der that
Sie gantz zu freunden hat /
Der kan ſie niemals ſichtbar ehren.
Denn ein gemeines angeſicht
Ertraͤgt den glantz und ihre ſchoͤnheit nicht.
4. Doch haͤtt ich hier gedacht /
Jch wuͤrde deinen pracht
Jn ſchoͤner gegenwart genieſſen:
Das gluͤcke zeigte ſich /
Nun aber denckſtu mich
Nur allzeit weiter auszuſchlieſſen:
Derhalben muſtu nach dem ſchein /
Ein himmels-kind und eine Goͤttin ſeyn.
5. Aſtraͤa366Uberfl. gedancken andere gattung
5. Aſtraͤa meine zier /
Komm und verzeihe mir /
Daß ich mich dieſes unterſtanden.
Wilſtu verſoͤhnet ſeyn /
So iſt bey mir allein
Ein unverfaͤlſchtes hertz verhanden.
Wo diß die ſchuld verbuͤſſen kan /
So nimm es gantz zum gnaden-opffer an.
Fill.

Jch weiß / das lied hat unſern jungfern wohlge - fallen / denn ſie haben es gern daß man ſie vor Goͤttin - nen anbetet.

Liſ.

Es wundert mich / daß er ſo lang hat koͤnnen ſtill ſchweigen.

Fill.

Meine Goͤttin ſie erzuͤrne ſich nicht.

Liſ.

Jch bin keine Goͤttin. Aber das weiß ich auch / daß er kein Gott iſt.

Fill.

Dieſen ſtich muß ich mercken.

Roſ.

Ey mit dieſen qvackeleyen / geht es wieder von forn an. Jch hoͤrte lieber eine kleine auslegung uͤber das lied.

Fill.

Es iſt klar gnung.

Roſ.

Wer hat ihn gefragt? Monſ. Gilanes ſoll mir ſagen / auf welche perſon es gemacht iſt.

Fill.

Er hat alles auf eine perſon gemacht.

Roſ.

Jch moͤchte wol die perſon wiſſen.

Fill.

Kennet ſie die jungfer Gleichvielin?

Liſ.

Ach ſchweſtergen / ſage nur nichts / er vexirt dich.

Gil.

Der nahme iſt mir ausgefallen / ſo bald ich mich drauff beſinne ſollen ſie es erfahren.

Liſ.

Wir haben unſern beſcheid. Jch frage nicht mehr.

Fill.367Vierdtes Geſpraͤch.
Fill.

Bruder / haſtu kein betruͤbtes / da ich dir kan ſingen helffen?

Gil.

Jch bedarff gleich einen Adjuvanten. Kom̃ her und verſuche es / auf die melodey: So lieg ich min mein kind in deinen armen.

Fill.

Was iſt denn vor ein text?

Gil.

Es iſt ein abſchieds-lied / das hat einer bey mir beſtellet / und wolte mir einen halben thaler davor geben. Doch das lied konte er uͤbergeben allein weil ihm die jungfer die liebe ſchuldig blieb / ſo dachte er / er muͤſte mir den halben thaler auch ſchuldig bleiben.

Fill.

Es wird ſehr klaͤglich gehn. Denn ich weiß wie mir zu muthe iſt / wenn ich was ſoll umſonſt ma - chen / ſo geht es treflich auß dem e lami.

Gil.

Deßwegen koͤmmt es nicht trauriger. Jch pflege ohne diß meine ſachen nicht zu verkauffen. Es nam mich wunder / daß er mir was verſprach / und hielt es nicht. Doch allons.

WAs machſtu doch du ſeele meiner ſeele!
Ach weiſtu nicht wie heftig ich mich quaͤle
Nachdem ich dir den letzten abſchieds-gruß
Durch dieſes lied betruͤbt ertheilen muß.
2. Jch bin zu ſchwach den himmel anzuhalten /
Der mir das hertz im leibe wil zerſpalten.
Denn weil ich doch darzu verſehen bin /
So ſchick ich mich und zieh ins elend hin.
3. Wiewol dein geiſt der ſoll mich ſtets begleiteñ /
Und uͤber mich die liebes-fluͤgel breiten /
Biß ich einmahl die ſauer-ſuͤſſe bahn
Zu deiner zier zuruͤcke wandern kan.
4. Und ob ich ſchon von dir entfernet bleibe /
So bin ich nur abweſend mit dem leibe /
Die368Uberfl. gedancken andere gattung
Die ſeele ſetzt ſich feſt in deine bruſt /
Und nimmt den zoll von meiner ſuͤſſen luſt.
5. Nun liebſtes kind was wilſtu dich betruͤben /
Jch kan dich dort und allenthalben lieben /
Drum weine nicht / und troͤſte deinen ſinn /
Es iſt genung daß ich verlohren bin.
6. Und ſol ich dir ein feſtes merckmahl laſſen /
So will ich dort auch alle Nymfen haſſen /
Da ſoll man ſehn / daß meine liebes-treu /
Nur dir mein kind / ſonſt niemand offen ſey.
7. Zu guter nacht ich werde wieder kommen.
Doch werd ich dort von ſchmertzen eingenommen /
D ich das grab daſelbſten fuͤllen muß /
So gib mir itzt den allerletzten kuß.
Roſ.

Jch duͤrffte es bald errathen / wem das lied gemacht iſt.

Fill.

Wer die kunſt kan / der beſchaͤme den meiſter nicht.

Roſ.

Das war ein ſchoͤn ſprichwoͤrtgen / der herr iſt gewiß bey den taſchenſpielern in die ſchule gangen.

Mel.

So recht / ſo muß man dich bezahlen. Haſtu nun dein theil.

Fill.

Es wundert mich / daß ſie itzund ſo fertig mit der zahlung iſt. Sonſt weiß ich wol / daß ſie mir von einem halben jahre her ein ſchnuptuch ſchuldig iſt.

Roſ.

Bin ich ihm was ſchuldig / ſo veꝛklage er mich.

Fill.

Mit den jungfern handele ich lieber in der guͤte.

Roſ.

Er macht es nicht darnach.

Liſ.

Monſ. Fillidor iſt er nicht ein unkraut? er fange doch nicht ſolche haͤndel an.

Fill.

Sie bringe einen befehl aus / da mir das maulverbo -369Vierdtes Geſpraͤch.verboten wird / ſonſt muß ich antworten / wenn die leu - te feuer an mich ſuchen.

Liſ.

Er muß allzeit recht behalten. Aber Monſ. Gilanes / was heiſt denn alles in dem liede? Wie iſt es moͤglich / daß man dem leibe nach abweſend iſt / und doch mit der ſeele gegenwaͤrtig bleibt. Jch dachte / ſo lange man lebt / ſo wuͤrde leib und ſeele nicht getrennt.

Fill.

Die ſeele iſt wie eine fledermauß / wenn die verliebten knaben in den gedancken ſitzen / und vor aͤng - ſten das maul offen laſſen / ſo wiſcht ſie darvon / und fleugt einmahl in der welt ſpatzieren herum.

Liſ.

Daß ihm nicht eine fledermauß muß auff dem maule ſitzen.

Gil.

Es iſt eine art von complimenten.

Fill.

Auf grob deutſch heiſt es gelogen.

Liſ.

Was fangen wir doch mit dem menſchen an.

Gil.

Es heiſt nicht gelogen. Recht zu bekennen was die meynung iſt / ſo verſpricht ein ſolcher liebha - ber / er wolle ſtets an ſeine liebſte gedencken / denn auff die weiſe iſt er mit den gedancken bey ihr.

Liſ.

Aber ſie empfindet es nicht.

Gil.

O ja / weñ ſie nur ſeiner affection verſichert iſt.

Liſ.

Jch wuͤſte nicht / wie ich mir ſolche ſchwachheit einbilden ſolte.

Gil.

Sie verliebe ſich nur / ſie wird ſchwach gnung werden.

Liſ.

Gewiß nein. Man hoͤrt nicht daß die jung - fern ſolche wunderliche grillen fangen / als ſie unter einander.

Gil.

Es ſtehet den jungfern nicht an / daß ſie mit den gedancken ſo geſchwind heraus ſeyn. Sonſt wolte ich wetten / duͤrfften ſie mit der ziege auff denA amarckt /370Uberfl. gedancken andere gattungmarckt / ſie waͤren noch zehnmahl aͤrger.

Liſ.

Das ſagt er uns aus neid nach. Er kan doch nicht wiſſen was wir gedencken.

Gil.

Es iſt ſo verborgen nicht. Doch will ich ihr die ehre laſſen / daß ſie recht behaͤlt.

Mel.

Wenn jemand meine meynung hoͤren will / ſo hat es mit den abſchieds-liedern die beſchaffenheit / ſie werden mit guter andacht gemacht / aber mit ſchlechter andacht gehalten / denn wo einer von der liebſte weg - ziehn muß / ſo iſt es als haͤtte er ſich an den ellenbogen geſtoſſen. Es thut abſcheulich weh / aber es waͤhrt nicht lange / abſonderlich wann man ſiht / daß uͤber dem ber - ge auch feine leutgen ſind / ſo denckt man / ein haͤnffling in der hand / iſt beſſer als ein papagey in Oſt-Jndien.

Liſ.

Ja das ungluͤck haben die jungfern die ſich leicht verfuͤhren laſſen. Doch wer weiß ob es kuͤnff - tig ſo wol angeht als vor zeiten.

Fill.

Davor iſt mir nicht leid / aber wie ſtehts um ein neu ſtuͤckgen?

Gil.

Hier komme ich uͤber einen artigen abſchied. Es hatte ſich einer die gewiſſe rechnung gemacht / er wolte ſein maͤdgen noch haben: Allein es kam ein an - der / der machte ihm einen ſtrich durch / und verlobte ſich ordentlich mit der Jungfer. Da zog ſich der gute menſch die ſachen treflich zu gemuͤthe / und refolvirte ſich / noch eher wegzuziehn / ehe die hochzeit fortgienge. Nun waren etliche gute freunde / die beſtellten in ſei - nem nahmen diß lied. Aber ich halte nicht / daß es wird uͤbergeben ſeyn.

GEhab dich wohl mein kind / gehab dich wohl mein leben /
Wilſt du mir einen troſt mit auf die reiſe geben?
So ſchau mich guͤnſtig an / und nimm zu guter letzt
Was371Vierdtes Geſpraͤch.
Was die betruͤbte fauſt dir zu gefallen ſetzt.
2. Du haſt dein ſuͤſſes theil zwar allbereit in armen /
Drum ſuch ich keine gunſt / ich ſuche nur erbarmen.
Gieb mir den abſchieds-gruß / es ſchadt der liebe nicht
Wenn gleich dein ſchoͤner mund mir einen kuß verſpricht.
3. Gedenck an meine noth darin ich mich betruͤbe /
Jch liebte deinen glantz in keuſcher gegenliebe /
Jch war in deiner gunſt was kaum ein bruder iſt.
Nun ſoll ich fremde thun weil du verſprochen biſt.
4. Jſt unſer freundlichkeit ſo unverhofft verſchwunden[/]
Wo iſt die liebe zeit / wo ſind die ſchoͤnen ſtunden /
Da ich mit ſtiller luſt in deinen ſchoſſe ſaß /
Und alle liebligkeit von deinen lippen laß?
5. Ach freylich iſt es auß / ein ander hat das gluͤcke /
Der jagt durch nneue ſpaß den alten ſchertz zuruͤcke /
Und wenn er in der luſt ſein mandelnuͤßgen ſchmeckt /
So laͤcht er mich wol auß daß ich den rand geleckt.
6. Diß iſt mir endlich lieb / daß du dich haſt erklaͤret:
Und alſo ſind wir doch einander nicht beſcheret:
Drum reiſ ich auch von hier. Wie ſolte mir geſchehn /
Wenn ich das hertzeleid ſolt alle tage ſehn.
7. Mein kind ich bitte nur durch ihre weichen haͤnde /
Und durch den rothen mund / ſie mach ein gutes ende.
Wiewol mein abſchied ihut ihr nicht zu uͤbrig weh.
Es iſt auch ſchon genung daß ich ins elend geh.
8. Der himmel ſegne ſie mit ihren ſchoͤnen gaben /
Kein menſch hats wol gemerckt daß wir geloͤffelt haben /
Drum ſchweig ich auch davon / und ſage mit bedacht /
Gantz ſtill daß niemand hoͤrt / mein hertzgen gute nacht.
Liſ.

Monſ. Gilanes er kan zwey ſprachen / hoͤh - niſch und treuhertzig reden.

Gil.

Jch kan es nicht laͤugnen / ich habe es ſo nicht gemeint. Der liebhaber hatte es auch verdient / daß man ſeine thorheit mit einem ſolchen nachklange be - zahlte.

Fill.

Jhr jungfern merckt doch diß / wenn ſich einerA a 2an -372Uberfl. gedancken andere gattungangiebt der noch in keinem ſtande lebt / da er eine frau bedarff / der will nur mitnehmen ſo viel er kriegen kan. Darnach wiſcht er das maul / und ruͤhmt ſich des flei - ſches / ob er kaum in die ſuppe getuͤtſcht hat.

Liſ.

Es iſt gut / man weiß ins kuͤnftige wie man ſich gegen ihm zu verhalten hat.

Fill.

Davor iſt mir nicht bange / es giebt allzeit nar - ren die ſich betriegen laſſen.

Liſ.

Ein ſchoͤner ruhm / es iſt ſchade / daß er nicht ein gedꝛuckt zeugniß druͤber außbringt wie die quackſalber.

Fill.

Jch bin es zufrieden / wenn ſie endlich ſo viel unkoſten drauf ſpendiren wil.

Liſ.

Wenn ich einmahl eine guͤldene lauß finde / ſo wil ich die beine drauf wagen.

Fill.

Und wenn ich einmahl ein ſchwartz jungfer - wuͤrmgen finde das ſo viel werth iſt / als ein diamant von hundert thalern / ſo wil ich ſie der unkoſten uͤber - heben.

Liſ.

Ach daß ihm die jungferwuͤrmgen nicht weg - kommen. Jch halte wer den junggeſellen ſolte die kap - pe klopfen / der wuͤrde genung ſchwartze lufftſpringer aufruͤhriſch machen.

Fill.

Das muͤſte bey den jenigen geſchehn / die ſich bey den jungfern gar zu offt einſtellen. Denn mit was man umgeht / das haͤngt einem an.

Liſ.

So moͤchte er dißmahl auch davon geblieben ſeyn.

Fill.

Das koͤnte ich nicht uͤber mein hertze bringen / wenn ich wuͤſte daß mich die kleinen Morianen freſſen ſolten.

Roſ.

Schweſtergen es wundert mich uͤber deine gedult. Laß ihn doch reden.

Mel.373Vierdtes Geſpraͤch.
Mel.

Da muͤſſen ſie gedencken / Fillidor meynt es ſo boͤſe nicht.

Liß.

Er iſt wie die ziegen / er hat das fett ſeiner gu - ten meynung gar einwerts gekehrt.

Fill.

Und ſie iſt wie ein bock / ſie laͤſſet die hoͤrner ih - rer tapfferkeit vor allen leuten ſehn.

Gil.

Wo ſie lange mit einander diſputiren / ſo ver - kehren ſie die gantze welt.

Roſ.

Er iſt urſache dran / daß er nicht etwas dar - zwiſchen ſinget.

Gil.

Jch kan nicht ſingen wann ich keinen gehuͤlf - fen habe.

Roſ.

Er laſſe ſehn / ich will ihm helffen / aber es darf kein garſtiges ſeyn.

Gil.

Ach ein ſchoͤnes / ſchoͤn zu leſen / ſchoͤn zu hoͤren und zu riechen.

Roſ.

Er lobe es nicht zu ſehr / ſonſt ſcheint es / als waͤren ihm die nachtbarn nicht wohl gerathen.

Gil.

Was aber lobens werth iſt / das werde ich nicht tadeln.

Roſ.

Jch wolte es glauben / wann ich wuͤſte wie man ein lied riechen koͤnte.

Gil.

Es liegt an einer kleinen erzehlung. Denn ſiht ſie / es waren etliche jungfern beyſammen / und wie ſie ein ſpiel nach dem andern vornahmen / ſo ward ei - nes angefangen / das heiſt etwan: Der krug koͤmmt ꝛc. Sie verſteht es beſſer / als ich es ſagen kan. Nnn legt ein maͤdgen dem andern unter den dreyen liebſten mei - ne perſon auch vor / und fragt / was ſie mit mir thun wolte? Da ſagt ſie: ich ſolte ihr eine pomerantze und ein ſtraͤußgen verehren. Solches erfuhr ich den an - dern tag / und indem ich des angenehmen kindes eigeneA a 3erklaͤ -374Uberfl. gedancken andere gattungerklaͤrung vor mir hatte / dachte ich keinen fehler zu be - gehen / wenn ich eine pomerantze nebenſt dem ſtraͤußge[n]durch folgendes lied an ſie recommendirte.

WEil das angenehme gluͤcke
Mich zu einen ſchuldner macht /
Hab ich auch in dieſem ſtuͤcke /
Meine treue pflicht bedacht /
Welche durch den ſuͤſſen rath
Jhre ſchoͤne richtſchnur hat.
2. Hier gibt ſich die pomerantze /
Hier ein ſchlechtes ſtraͤußgen an /
Weil ich ſolches ihrem glantze
Nach belieben bringen kan /
Denn mein hertze ſagt mir zu /
Daß ich ihren willen thu.
3. Eins iſt rund das andre ſpitzig /
Eins iſt friſch das andre nicht /
Eins iſt kalt das andre hitzig.
Alſo muß auch meine pflicht /
Uber ihren zarten ſchein /
Halb erfreut / halb traurig ſeyn.
4. Bald verſprechen die gedancken
Mir die hoͤchſte freundligkeit:
Bald gerath ich in das wancken /
Weil ich die zufriedenheit
Gar zu ſelten auff der bahn
Jhrer freundſchafft finden kan.
5. Nun ſie nehme diß geſchencke /
Welches ſie erwehlet hat:
Sie belieb es / und gedencke
Meiner an deſſelben ſtatt /
Biß375Vierdtes Geſpraͤch.
Biß ihr rath-ſchluß ordre gibt /
Daß ihr etwas mehr beliebt.
Fill.

Jhr lieben kinder / weil wir gleich an die po - merantzen gedencken / ſo muß ich ein ſchoͤnes raͤtzel an - fuͤhren / welches ich eben auf die pomerantzen in einer braut-ſuppe geleſen.

EJn wunderſchoͤnes ding iſt glatt und kugelrund /
Nur mitten giebet ſich ein kleines waͤrtzgen kund.
Jm anfang iſt es hart: Doch wo mans gar zu viel
Zur kurtzweil oder ſonſt zum handſpiel brauchen wil /
So wird es ziemlich weich / und ſchlappert ungefehr /
Als wie ein ſack voll teig bald hin bald wieder her.
Man hat es groß und klein: Und wers zu kauffe traͤgt /
Der hat es vor den kram zur ſchau heraus gelegt.
Liſ.

Er iſt ein liebes hertzgen / man wird irgend nicht mercken / wie ſeine kreide ſchreibt.

Fill.

Meine kreide ſchreibt weiß / ſchreibt ihre ſchwartz / ſo weiſe ſie auf / was ſie mit beſchrieben hat.

Mel.

Jch muß ſelbſt dem Fillidor ein ſchlechtes zeugnis geben / er hat ſich mit dem raͤtzel nicht wohl ge - halten.

Roſ.

Er muß einmahl geſtrafft werden.

Fill.

Meinetwegen / ich will mich zur ſtraffe verſte - hen. Aber mit dem bedinge / daß ich mir die ſtraffe ſelbſt aufflege.

Roſ.

Es ſolte eine artige ſtraffe heraus kommen.

Fill.

Fuͤrwahr grauſam gnung. Sie geben mir den ſtaup-beſen.

Roſ.

Das koͤmmt uns nicht zu.

Fill.

Jch habe meiner nicht verſchont / und habe die ſtraffe grauſam gnung gemacht: wollen ſie nun ſo barmhertzig ſeyn / und meiner verſchonen / ſo kan ich nicht davor.

A a 4Roſ.376Uberfl. gedancken andere gattung
Roſ.

Endlich wollen wir leute verſchaffen / die es an unſerer ſtelle verrichten.

Fill.

Jch bin es auch zufrieden / nur dieſes nehm ich auß / dieſelbe jungfer die einen eyd thun kan / daß ſie vor dem 16 jahre an keinen liebſten gedacht hat / die ſol den erſten ſtreich thun.

Roſ.

Waͤre es ſonſt meine gelegenheit / ſo wolte ich auf diß wol ſchweren. Jch bin ſeit Michael in das ſie - benzehnde jahr gegangen / und kan wol ſagen / daß ich biß auff dieſe ſtunde an keinen gedacht habe.

Fill.

Es ſind zwey fragen. Ob ſie an keinen lieb - ſten gedacht hat / und darnach ob ſie in das ſiebenzehn - de jahr geht. Das erſte glaube ich nicht: Denn ſie muͤ - ſte kein menſch ſeyn / und kein fleiſch und blut haben. Das andere aber gebe ich nicht gerne zu: Denn ſie ha - ben ſchon vor drey jahren davon geredt / es wird ja ein - mahl wahr ſeyn.

Roſ.

Was heiſſen aber die narrenpoſſen / er koͤnte einen in das geſchrey bringen / als wenn man noch ſo alt waͤre.

Fill.

Meine liebſte Roſette / ſie werde doch nicht boͤ - ſe: Sie verſteh mich nur recht. Vor drey jahren gieng ſie in das vierzehnde jahr / da hat man nothwen dig muͤſſen davon reden / daß ſie uͤber drey jahr wuͤrde in das 17 gehen. Und ſind das nicht haͤndel / ich rede die - ſe ſtunde davon / daß ſie uͤber dreyzehn jahr wird in das dreißigſte gehn. Habe ich denn gelogen?

Roſ.

Jch mag mich mit ihm nicht verwirren / er redet ins gelach hinein / darnach ſoll es gnug ſeyn / daß er einen poſſen druͤber her macht.

Liſ.

Herr Filltdor iſt wie die boͤſen koͤche / wenn ſie das eſſen verderbt haben / gieſſen ſie eine ſauere zwiebel -tuͤtſche377Vierdtes Geſpraͤch.tuͤtſche daruͤber / daß man es nicht mercken ſoll.

Fill.

Jch wolte ihr antworten / aber ich darff es nicht auf allen ſeiten verderben.

Gil.

Bruder bey dir bin ich gerne / denn man hat nicht viel zu reden / du uͤberhebſt die gantze compagnie einer groſſen muͤhwaltung.

Fill.

Sieh da / wilſt du auch an mir zur jungfer werden.

Liſ.

Da ſieht mans / daß kein menſch mit ihm aus - kommen kan.

Fill.

Kan niemand mit mir außkommen / ſo moͤgen ſie alle / wie ſie da ſeyn mit mir hierinne bleiben.

Roſ.

Es iſt ſchlechte luſt darbey.

Fill.

Mein engels-Roſettgen redet ſie auch mit mir / ich dachte ſie haͤtte es verſchworen.

Roſ.

Er laſſe mich gehn.

Fill.

Sie verzeihe mir nur das eintzige / ein ander - mahl will ich ſprechen / ſie iſt nur ſieben jahr und vier - zehen wochen alt.

Liſ.

Monſ. Gilanes er fange doch an zu ſingen / ich wil ihm ſelber helffen / ſonſt ſchweigt das unkraut nicht ſtille.

Fill.

Parol ich wil ſchweigen / wenn mir Gilanes ein lied bringt das der muͤh wehrt iſt.

Gil.

Wie gefaͤllt dir diß?

Fill.

Bruder / das iſt gut geſchrieben. Gib her / ich will es alleine ſingen.

Liſ.

Wir wollen ihn lieber ſingen hoͤren als reden.

Fill.

Wer weiß? damit der unterſcheid deſto beſſer zu mercken iſt / ſo will ich allzeit was darzwiſchen reden. Am ende moͤgt ihr urtheilen / welches mir am ſchoͤn - ſten anſteht.

A a 5Liſ.378Uberfl. gedancken andere gattung
Liſ.

Jch bilde mir es ſchon ein / wie niedlich es klap - pen wird.

Fill.

Sie mache mich nicht irre.

JCh will es nur gedultig leiden /
Dieweil ichs nicht veraͤndern kan:
Denn welche mein geluͤcke neiden /
Sehn mich mit falſchen augen an /
Und ſuchen mich vor allen dingen
Jn unverdienten haß zu bringen.

Jch ſehe das iſt ein exempel einer verliebten gedult / uñ ſchicket ſich wol auf meine perſon / ich bin mit meinen loſen worten in unverdienten haß gerathen / und nun ſehen mich alle leute mit falſchen augen an. Doch bin ich gedultig.

Liſ.

Ey mit den albernen poſſen / er ſchimpffire das lied nicht.

Fill.

Das lied bleibt doch bey ſeinen wuͤrden. Sie ſehe mich nicht mit falſchen augen an.

Liſ.

Wenn ich ihn anſehe / ſo ſehe ich die falſchen au - gen mit / die er im kopffe hat.

Fill.

Jch kan nicht zugleich antworten und ſingen.

2. Wer weiß was mancher hinterm ruͤcken
Von mir und meinem leben ſagt /
Der forne zu mit ſuͤſſen blicken
Viel complimenten an mich wagt.
Weil mich nun niemand kan beſchuͤtzen /
So muß die ſchuld auff mir erſitzen.

Ja das ſind die beſten poſſen / wenn man es macht wie die katzen / die forne lecken und hinten kratzen.

Liſ.

Macht ers etwa auch ſo?

Fill.

Wenn mir die leute urſach geben. Jch will ein exempel erzehlen: Vor etlichen jahren hatte ichein379Vierdtes Geſpraͤch.ein maͤdgen lieb / und wolte mit aller gewalt ein Affe - ction-Galan heiſſen. Da kam einer / der meynte ich waͤre ein bloſſer ſpaß-galan / dꝛum bat er mich / ich moͤch - te ihn mit hinnehmen / ich koͤnte auff dem Clavichordio ſpielen / ſo wolte er auf dem ſtockgeigichen eines darzu fiedeln / er haͤtte es deſſentwegen vor 4 reichsthl. ge - kaufft. Jch lobte ihn trefflich / und bat / er ſolte ja nicht auſſen bleiben: Aber in gedancken dachte ich / ſolſtu nicht eher fiedeln / als ich den general-paß darzu ſpiele / ſo wird in dieſem jahre noch nichts daraus. Endlich ward ihm die zeit lang / drum machte er ſich mit der magd bekandt / und als er hoͤrete / der jungfer waͤre ein eichhoͤrnichen geſtorben / daruͤber ſie trefflich bekuͤmmert waͤre / ſchaffte er alſobald ein anders / ließ ein ſilbernes kettgen darzu machen / und ſchickte es der jungfer. Jch kam hin / und muſte leiden / daß die jungfer mit dem eichhoͤrnichen treflich ſchoͤn that / doch als ſie fragte / warum dieſer unbekandte menſch auff die gedancken gerathen / ihr etwas zu ſchencken? ſtellte ich mich / als wuͤſte ich wol die urſache / ich moͤcht es nur nicht ſagen / weil es leicht das anſehn haͤtte / als wolte ich einem an ſeinem gluͤcke verhinderlich ſeyn. Nach langen bitten / ſagte ich / der kerl haͤtte anderswo eine liebſte / der haͤtte er das artige thiergen ſchencken wol - len / doch ſey er zur ungluͤckſeligen ſtunde kommen / daß er die kleine beſtie muͤſſen wieder heimtragen. Und alſo waͤre ihm der ſchwur entfahren / er wolte es der er - ſten jungfer ſchencken / die ihm vorkaͤme. Hiermit erzuͤrnete ſich das gute menſch: Was / ſagte ſie / ſoll ich ein nothnagel ſeyn / und was die andern nicht haben wollen / das iſt mir gut gnung! mit einem wort / ſie ward dem kerln feind / als einer ſpinne / und ich lacht in - deſſen ins faͤuſtgen.

Liß.380Uberfl. gedancken andere gattung
Liſ.

Muß ſein maul auf den abend nicht froh ſeyn daß es zur ruhe koͤmmt.

Fill.

Ach weit gefehlt / was ich in dem tage rede / das wiederhohle ich im ſchlaff alles nach der ordnung.

Liſ.

So wolte ich nicht ſein maul ſeyn.

Fill.

Aber ich wolte / mein maul und ihr maul waͤ - ren ein ding.

Liſ.

Ey das kam ein bißgen abgeſchmackt.

Fill.

Jch weiß es ſolte gut ſchmecken.

Liſ.

Wir leben in der ſtadt / er verſchone mich mit den dorff-complimenten.

Fill.

Jch habe ſie auch erzuͤrnt / ich wil meines thuns warten und fort ſingen.

3. Jch habe zwar ein gut gewiſſen /
Das ſoll mein troſt und labſal ſeyn /
Und meine feinde ſelber muͤſſen
Mir mit der zeit noch recht verleyhn:
Doch itzund im verdacht zu bleiben /
Das kan ich ſchwerlich hintertreiben.

Das ſind wolrechte thorheiten / wenn man in den ver - liebten kinderpoſſen auf ſeyn gut gewiſſen trotzen wil. Es koͤmmt eben ſo herauß / als wenn ich um ſchnipkeu - lichen ſpielte / und ſolte mir uͤber dem falſchſpielen ein groß gewiſſen machen.

Mel.

Man ſoll aber in geringen das gewiſſen ſo wol verwahren als in den groſſen.

Fill.

Jch gebe es zu / in den ſachen die in dem gemei - nen leben vorgehn / ſol man glauben halten. Und ein kauffmann handelt ſo wol wider ſein gewiſſen / wenn er um einen pfennig unrecht thut / als wenn es ein du - caten iſt / aber im ſchertze / wie ich denn alle liebes-ſachen vor eitele narrenpoſſen halte / da iſt es keine ſuͤnde daßman381Vierdtes Geſpraͤch.man einem armen ſtuͤmper einen vortheil ablaͤufft.

Mel.

Gleichwol iſt es beſſer daß man ſein gewiſſen auch im ſchertze in acht nimmt.

Fill.

So duͤrffte man auch im ſchertze nicht lieben.

Mel.

Jch weiß vornehme leute die es widerrathen.

Fill.

Jch kan nicht ſo ein muͤckenſeiger ſeyn.

Mel.

Aber unterdeſſen verſchluckſt du doch ele - phanten.

Fill.

Was hab ich mit dir zu thuu / ich wil fingen.

4. Da folgt ein ſauer angeſichte /
Da kommt ein ungewoͤhnlich wort /
Da muß die wolluſt aus dem lichte
Zu den betruͤbten ſchatten fort.
Und da ich will im himmel leben
Muß ich noch auf der erden kleben.

Jſt das nicht jammer / daß ein kerle ſo thum iſt / und ſich bey dem armen gemaͤchte einen himmel einbilden kan.

Gil.

Der himmel wiꝛd hier nicht von dem orte ver - ſtanden / wo die ſeeligen menſchen dermaleins werden verſammlet ſeyn: Sondern der himmel bedeut die gluͤckſeligkeit / die erde hingegen muͤh und ſorgen.

Fill.

Jch wil es gelten laſſen. Aber was iſt vor eine gluͤckſeligkeit darbey wenn mich ein ſchwacher werckzeug ſauer oder ſuͤſſe anſieht.

Gil.

Jſt das nicht gluͤcke / daß ich einer jungfer ih - re ſeele bewegen und an mich locken kan?

Fill.

Jch ſehe noch kein gluͤcke.

Gil.

Des frauenzimmers tugend iſt allzeit voll - kommener als unſere / und alſo iſt es ja ein gluͤcke / mit tugendhaften ſeelen verbunden zu werden.

Fill. 382Uberfluͤſſiger gedancken andere gattung
Fill.

Daß mir nicht die uͤberiꝛrdiſche tugend nach - laͤufft.

Gil.

Wo wird ein mannsbild ſolche muͤh haben / als eine jungfer haben muß ihre ehre und keuſchheit in gutem beruff zu erhalten. Wir reden offt etwas / wir gehen an unterſchiedene oͤrter / wir nehmen diß und je - nes vor: Welches alles bey dem frauen-zimmer ein la - ſter waͤre. Sie muͤſſen ſich in worten / in wercken / in geberden / und allenthalben ſo vorſehn / daß man ihnen alſo das hoͤchſte unrecht thut / wo man ihre tugend nicht ſonderlich aͤſtimiren wil.

Fill.

Die jungfern haben doch nicht ſo viel coura - ge als die maͤnner.

Gil.

So thumkuͤhne ſind ſie nicht / das gebe ich zu. Allein ihre tapferkeit erweiſen ſie mehr als wir / indem ſie ihre Affecten und was der ehre zu wider laͤufft / mit ſonderbahren nachdruck zu uͤberwinden wiſſen.

Fill.

Sind aber alle ſo tapfer?

Gil.

Jch rede auch nicht von allen. Jch rede von denſelben / welche wuͤrdig ſind / daß man ſich bey ihrer liebe eine gluͤckſeligkeit einbildet.

Fill.

Du biſt ein ſtattlicher jungfer Procurator. Solten doch alle maͤgden im Ober - und Nieder-Saͤch - ſiſchen kreiſe 18 pfennige contribuiren / daß die muͤh - waltung nicht uͤmſonſt waͤre. Doch ſtille / ich muß wieder an mein lied:

5. Ach haͤtt ich nur an meinem hertzen /
Ein kleines fenſter offen ſtehn /
Daß treu und falſchheit / lieb und ſchmertzen
Jhr koͤnten unter augen gehn.
Die worte werden / wenn ſie kommen
Vor ſuͤndendeckel aufgenommen.
Es383Vierdtes Geſpraͤch.

Es iſt zu bethauren / daß man keinen unterſcheid im re - den brauchen kan / man mag es gut oder boͤſe meinen.

Mel.

Bruder wer weiß ob dir es leid iſt.

Fill.

Es iſt mir leid gnung. Man ſehe nur / wie ſich die lieben jungfern erzuͤꝛnet haben / daß ſie mir nicht einmahl das maul goͤnnen. Ach haͤtt ich an der hertz - grube ein kapp-fenſtergen / ſo wuͤrden ſie wol ſehen / daß kein menſch unter der Sonne von beſſer inclination iſt.

Liſ.

Ey ſiehe da / will er zum creutze kriechen.

Fill.

Jch thaͤte es gerne / wenn ich nur wuͤſte wo ſie ihr creutz haͤtte / wo es die pferde haben / weiß ich wohl. Doch ich habe zu ſingen.

6. Komm Sonne / weil das rund der erden
Das licht von deiner fackel hat /
So laß es hier auch helle werden /
Und wirſtu eine miſſethat
An mir und meiner treu erkennen /
So laß mich lebendig verbrennen.
Mel.

Ey das war zu viel. Es ſoll ſich kein menſch um liederlicher ſachen willen ſo hoch vermeſſen.

Gil.

Es iſt nicht ohne. Wann ich es in meinem nahmen machen ſolte / wuͤrde ich mit dergleichen re - dens-art wol zuruͤck halten. So begehrte es einer / der ausdruͤcklich bedingte / ich ſolte nichts unterlaſſen / was zu ſeiner entſchuldigung dienen moͤchte.

Mel.

Die liebe muß hefftig geweſen ſeyn. Doch wir halten uns zu lang auff / und wiſſen ohn diß nicht / wie wir uns bey dem frauenzimmer entſchuldigen ſol - len / denn Monſ. Fillidor / auff deſſen wort wir uns verlaſſen ſolten / hat es ſo verderbt / daß mir ſelbſt ban - ge darbey iſt.

Liß.

Es bedarff keiner entſchuldigung. Solchenleuten384Uberfl. gedancken andere gattungleuten die ſeines gleichen ſind / iſt unſer haus unverbo - ten. Wir haben uns vielmehr vor ſo viel artige lieder - gen zu bedancken. Wollen ſie noch verziehen / ſo wird es uns deſto angenehmer ſeyn.

Mel.

Es iſt ihre hoͤffligkeit alſo zu reden. Doch was die lieder belangt / davor wird ſich Gil. bedancken muͤſſen / daß ſie ſo guͤtig zugehoͤrt.

Gil.

Jch muß mich ſchaͤmen / daß keine beſſere lie - der auf die bahne kommen. Doch Fillidor hat es ver - derbt / der mag darvor buͤſſen.

Fill.

Jhr liebſten kindergen / gebt euch zufrieden / uͤbermorgen wollen wir wieder kommen / und da will ich kein woͤrtgen reden. Ja ich will ein geſetze geben / daß niemand / der nicht ſingt / das maul ſoll auffthun.

Liſ.

Er iſt wie katzen-fleiſch / das ſteigt ſelbſt in die toͤpffe / er frage doch zuvor ob wir ihn haben wollen.

Fill.

Deſſen bin ich wohl verſichert. Wer wolte ſo einen lieben menſchen nicht haben.

Liſ.

Ja gar ein lieber / ſchade daß man keine ab - ſchrifft davon haben ſoll.

Fill.

Das original ſteht ſelbſt zu ihren dienſten.

Liſ.

Das ſteht ſeiner liebſten zu / die mag ich deſſen nicht berauben.

Fill.

Was frag ich darnach? ſo wolte ich endlich die liebſte verſchertzen.

Mel.

Nun wir bleiben zu lange hier. Sie leben wohl und laſſen ſich unſere kuͤhnheit nicht uͤbel gefal - len / duͤrffen wir ſo getroſt ſeyn und wieder einſprechen / ſo wollen wir gelegenheit ſuchen / ihnen aufzuwarten.

Liſ.

Sie habens gute macht / ſie nehmen nur mit der geringen converſation vor lieb.

Mel.

Wir werden es hoͤchlich ruͤhmen.

Fill.385Vierdtes Geſpraͤch.
Fill.

Ey bruder / ruͤhm es nicht zu ſehr / es ſchiene als wolteſtu aus der ſchule ſchwatzen.

Liſ.

Er laͤſſet ſeine poſſen nicht.

Mel.

Aber liebſtes Roſettgen / iſt ſie noch nicht verſoͤhnt?

Roſ.

Bin ich doch nie boͤſe geweſen. Jch weiß wol daß ſich Fillidor vor meinem zorn nicht entſetzt / drum wolte ich es ihm nicht zu liebe thun und boͤſe werden.

Fill.

Jch will lieber ſterben / als ihre boßheit ertra - gen. Doch weil ich die gute erklaͤrung habe / ſo bin ich deſto froͤlicher.

Roſ.

Aber um einen kleinen abtrag muß ich ihn noch vexiren.

Fill.

Gar gerne / gar gerne. Sie lege mir nur nichts auf / das mir zu ſauer wird.

Roſ.

Jch ſehe / er ginge in den tod / wenn er das le - ben davon braͤchte.

Fill.

Jch wolte ihrentwegen in ein feuer ſpringen.

Roſ.

Vielleicht in ein gemahltes.

Fill.

Auch in ein rechtes / wenn es nur nicht brennte.

Roſ.

Er redet daß er beſteht. Doch dieſes fodere ich / er helffe Monſ. Gilanes erbitten / daß er bald etli - che huͤbſche liedergen mitbringt.

Fill.

Daruͤber haben wir nicht zu bitten / ſondern zu befehlen.

Gil.

Jch werde meiner ſchuldigkeit wiſſen nachzu - kommen: Jtzt befehle ich mich zum ſchoͤnſten in dero gewogenheit.

Fill.

Und ich befehle mich in dero vergeſſenheit.

Roſ.

Das kan wol geſchehn.

Fill.

Jch meyne aber nur meine fehler / die ſollen vergeſſen werden. Nun ſie leben wohl.

B bDas386Uberfl. gedancken andere gattung

Das fuͤnffte Geſpraͤch.

Liſ.

Haben ſich die ſtoltzen leute endlich ſo weit ge - demuͤthiget / daß man ihrer gegenwart genieſſen kan?

Mel.

Wir verdienen dergleichen worte nicht: es ſcheint als wolten ſie uns worte ablocken / derer wir nicht kuͤndig ſind.

Liſ.

Jch will nicht hoffen daß ſich der Herr auch auf die hoͤhniſche ſeite legen wird.

Fill.

Das geſetze iſt gemacht / es ſoll niemand unnuͤ - tze reden fuͤhren. Drum wollen wir lieber zur ſache ſchreiten. Jch weiß / Gilanes hat ſeinen gantzen kram ausgeſtoͤret.

Roſ.

Wir wollen ſehen was unſere bitte gegol - ten hat.

Gil.

Jhre bitte iſt ſo viel als ein befehl: Doch kan ſie nicht mehr gelten als mein vermoͤgē mit ſich bringt.

Roſ.

Wer wolte mehr begehren? Doch ich zweifle daß er ſein gantz vermoͤgen darbey anwenden wird.

Gil.

Geringe ſachen muͤſſen gantz angewendet weꝛ - den / ſonſt haben ſie kein anſehn.

Fill.

So wende ſie nur an / ſie moͤgen koͤſtlich oder geringe ſeyn / und rede nicht ſo lange davon.

Gil.

Wolan / da koͤmmt mir eines in die hand / das gefaͤllt mir nicht / ich weiß es wird ihnen auch nicht ge - fallen. Es begehrte ſolches einer / vorgebende / er haͤtte ſeine liebe auff eine perſon geworffen / die von ho - hen qvalitaͤten und tieffen ſinnen waͤre. Drum moͤch - te ich mit lauter tieffſinnigen worten und nachdenckli - chen reden ſeine betruͤbten gedancken beſchreiben.

Fill.

Vielleicht hat der narr ſelbſt nicht gewuſt wasihm387Fuͤnfftes Geſpraͤch.ihm gefehlt hat. So hat er obſcur geredet / und iſt da - durch bey ehren blieben.

Gil.

Jch weiß nicht / hier iſt das lied.

WAs will doch nun der himmel aus mir machen?
Mein gluͤcke ſchlaͤfft und will noch nicht erwachen /
Mein leben ſtirbt und lebt nicht wo ich bin /
Mein hertz vergeht und kan ſich ſelbſt nicht finden /
Und aller troſt den ich hier ſoll empfinden /
Der iſt dahin.
2. Es hilfft mich nicht / daß ich die ſchoͤnſte liebe /
Wenn ich mich nur biß auf den tod betruͤbe /
Jch laſſe mich zwar in gedancken ein /
Und ehre ſie mit heimlichen geberden /
Doch kan ich nicht ſo ſehr begnadigt werden /
Bey ihr zu ſeyn.
3. Sol ich mein leid den ſtummen waͤnden klagen /
Weil ſie nicht wil nach meinen ſchmertzen fragen;
Sol ich verziehn in meiner Einſamkeit?
Hier mag ich nicht; dort kan ich mich nicht laben
Hier bin ich todt; und jene lebens-gaben
Sind mir zu weit.
4. Erbarme dich du ſonne meiner ſeelen /
Was wilſtu mich in meiner unſchuld qvaͤlen?
Jch bin verliebt / iſt das die miſſethat?
So dencke nach und ſtraffe deine wangen /
Dieweil ihr Glantz mein hoffen und verlangen
Bezwungen hat.
5. Kan ich dafuͤr? indem mir unter allen
Die tugenden bey dir ſo wohl gefallen?
Dein licht iſt ſchoͤn / dein ruhm iſt lobens wehrt:
Kein hertz kan hier bey deiner glut erkalten:
Drum wirſtu auch die lieb entſchuldigt halten
Die dich begehrt.
6. Wilſtu mich auch durch dieſe noth probieren /
So laß mich nur die hoffnung nicht verlieren.
Doch gieb mir itz aus gnaden und zur luſt /
B b 2Was388Uberfl. gedancken andere gattung
Was du mir ſonſt nach abgelegten proben /
Auß billigkeit gebuͤhrlich angeloben
Und leiſten muſt.
Fill.

Jch dachte es waͤre noch ſo obſcur. Welchen die jungfer bey dieſer ſprache nicht verſteht / der mag immer darnach ſehen ob er im buche der verſchonung ſteht.

Roſ.

Allein die jungfern haben ſich uͤber das lied zu beſchweren.

Gil.

Jch wil nicht hoffen liebes Roſettgen.

Roſ.

Er giebt den jungfern ſchuld / als wenn ſie ur - ſache zur liebe gaͤben. Und als wenn ſie ſolten darum geſtrafft werden.

Gil.

Vor eines verſteht ſich eine ſtraffe darunter / die ohne muͤhe auszuſtehen iſt: Und vors andere iſt es der warheit ſo unaͤhnlich nicht / was geſagt wiꝛd. Denn waͤren die jungfern nicht ſo artig / ſo duͤrffte ſich ein ar - mer ritter nicht verſchameriren.

Roſ.

Jſt es wahr daß etliche jungfern artig ſind / ſo haben ſie es von natur / und koͤnnen nichts davor / wenn jemand ohne ihre ſchuld den narren daran freſſen wil.

Gil.

Aber ein junger menſch kan auch nichts davor / daß ihm die ſtrahlen ſo tieff in das hertze ſchlagen / daß er hernach mit ſeiner hoͤchſten ungelegenheit den poſ - ſen nachhaͤngen muß.

Roſ.

Er ſolte kluͤger ſeyn.

Gil.

Jch gebe ein gleichnuͤß. Wenn die Sonne ſcheint / kan ſie zwar nicht davor daß einer eben in ih - rem ſcheine herumb laͤufft und ſommerſproſſen kriegt: Doch ein guter kerle der in der ſonne reiſen muß kan auch nicht davor / daß er ein garſtig geſichte bekoͤmmt.

Roſ.

Das gleichnuͤß taug nicht. Wer heiſt man -chen389Fuͤnfftes Geſpraͤch.chen fantaſten in die ſonne gehen. Alſo wenn das ge - ſichte bey den jungfern ſo ſchaͤdlich iſt / wer heiſt die junggeſellen darnach ſehn.

Gil.

Das anſehn koͤmmt wohl ungefaͤhr.

Roſ.

Jch weiß ein beſſer gleichnuͤß. Wenn ich in meinem garten ſchoͤne aͤpffel haͤtte / und einer ſich deſ - ſentwegẽ zu tode graͤmen wolte / daß er ſie nicht genieſ - ſen koͤnte; Jch haͤtte ſie aber ſchon einem andern ver - kaufft: Mein / wer haͤtte ſchuld an dem tode?

Gil.

Sie ſolte den garten ſo verwahren / daß kein ander koͤnte hinein gucken.

Roſ.

Vielmehr ſolte der ander ſo klug ſeyn / und ſich an dem jenigen nicht veꝛgaffen / das ihm verbotẽ iſt.

Mel.

Was wollen ſie ſich zancken / es ſind alle beyde ſchuld / und keines kan recht davor. Die natur pflantzt ſolche heimliche reitzungen in die gemuͤther / daß ſich die jungfern gerne ſehen laſſen / und die junggeſellen ihre augen gerne hinwenden / wo man nun luſt darzu hat / da laͤſt man ſich leicht fangen.

Fill.

Es iſt eine ſache / daruͤber jungfern und jung - geſellen zu gruͤbeln haben / drum wollen wir ſie ver - ſchieben biß auf eine andere zuſammenkunfft. Jtzt moͤchte ich etwas zu ſingen haben.

Gil.

Dein wille ſoll nicht geſchehen. Hier habe ich was zu leſen / es ſchickt ſich trefflich auf die vorige ma - terie. An ſich ſelbſt iſt es ein liebes-brieff.

MEin allerliebſtes kind / wofern ſie ein belieben
An meinen ſchrifften hat / ſo nehme ſie den gruß
Den meine feder bringt / und leſe diß geſchrieben /
Was ich auß bloͤdigkeit annoch verſchweigen muß.
Wir menſchen haben doch kein fenſter an dem hertzen /
Die luſt / die uns beſchwert / muß durch die worte gehn
B b 3Wer390Uberfl. gedancken andere gattung
Wer keine reden braucht der leidet ewig ſchmertzen:
Denn wer uns helffen ſol muß uns zuvor verſtehn.
Ja wol / ich ſagt es gern / es moͤchte nicht verfangen /
Sie hat das urthel ſchon von meiner treu gefaͤllt /
Und meynt es ſey gar recht wenn jemand mein verlangen
Vor einen uͤberfluß der ſchlimſten falſchheit haͤlt.
Jch bin das boͤſe kind: was ich von hertzen rede /
Das heiſt ein bloſſer ſchertz: bin ich ein bißgen froh /
So heiſts ich ſpotte ſie: und bin ich wieder bloͤde /
So heiſts ich ſtelle mich zum bloſſen poſſen ſo.
Ach was hab ich gethan? womit bin ich ſo kuͤhne?
Was ſteht mir uͤbel an / und wo thu ich zu viel?
Daß ich verdaͤchtig bin und lauter haß verdiene /
Wenn ich das ſuͤſſe band der freundſchafft ſuchen wil!
Mein kind ſie trifft es nicht: ich ſchwere bey dem gluͤcke
Das mich in dieſer welt einmahl vergnuͤgen ſol:
Schertz ich mit ihrer gunſt durch falſche liebes-blicke /
Wolan ſo geh es mir in keinem ſtande wohl.
Sie iſt mein ſteter troſt der antrib meiner ſorgen /
Der nordpol meiner luſt / der anlaß meiner ruh:
Sie iſt mein guter tag: ſie iſt mein guter morgen:
Sie iſt die gute nacht und alles was ich thu.
Jch lebe / doch nicht ich: ſie lebt in meiner ſeele /
Sonſt hat der blaſſe tod mich ſchon in ſeiner macht.
Drum wenn ich meinen lauff und meine ſtunden zehle /
So nenn ich nur die zeit / wenn ich an ſie gedacht.
Sie dencke ſelbſten nach: hab ich ihr nicht erwieſen
Was ein verbundnes hertz der liebſte leiſten kan?
Jch habe ſie bedient / ich habe ſie geprieſen /
Und haͤtt ich mehr vermocht ſo haͤtt ich mehr gethan.
Fill.

Ließ doch weiter / der brief hat noch ſein ende nicht.

Gil.

Jch weiß wol. Doch es hat mir ein loſer hud - ler ein ſtuͤck davon geriſſen / daß ich nicht weiß wo ich es ſuppliren ſolte.

Fill.

Ja ja / ich weiß ſchon / wo du zerriſſen biſt. Mer -391Fuͤnfftes Geſpraͤch.Mercke nur die lehre / wenn du etwas haſt / das alle leu - te nicht ſehen ſollen / ſo ſprich nur / es ſey ein ſtuͤck abge - riſſen.

Mel.

Wer fragt nach dem uͤbrigen ſtuͤcke / ich hoͤrte gern etwas hoͤhniſches. Gilanes hat ja ſonſt den ruhm daß er ſpitzig iſt wie eine ſtachel-nuß.

Gil.

Jch wolte das frauenzimmer nehme ſich mei - ner an.

Liſ.

Wir wollen es thun / wann es ihm an worten mangeln wird.

Gil.

So muͤſſen ſie alſobald anfangen.

Liſ.

Es erſcheinet noch kein mangel.

Roſ.

Und uͤber diß: wenn wir ſprechen ſolten / er waͤre nicht hoͤhniſch / ſo duͤrffte er ſeine hoͤhniſche verſe nicht heraus laſſen / er laſſe es itzt darbey bleiben. Ein ander mahl wollen wir ihn vertreten.

Gil.

Eine ſchoͤne huͤlffe. Komm Fillidor / wir wol - len eines muſiciren.

MArindgen hat ein ſolches hertze /
Das allen noch belieben kan /
Sie ſtehet auch in ernſt und ſchertze
Der compagnie nicht uͤbel an /
Und wenn mich ſonſten nichts vertreibt /
So bleib ich gerne wo ſie bleibt.
2. Sie hat zwar allzeit ihres gleichen /
Und iſt die allerſchoͤnſte nicht;
Sie wird auch deinen ruhm erreichen
Durch ein beliebtes angeſicht:
Doch lieb ich ihren ſchoͤnen ſinn
Daß ich mit ihr zu frieden bin.
3. Nur dieſes will mir nicht gefallen /
Wenn ich ein bißgen hoͤfflich thu /
B b 4So392Uberfl. gedancken andere gattung
So lacht das loſe kind zu allen /
Und denckt im hertzen wohl darzu /
Ein menſch der ſolche worte giebt /
Der ſey unfehlbar recht verliebt.
4. Ach ſtich dich nicht in meine liebe /
Fuͤrwahr es iſt gefahr dabey:
Wenn mir das waſſer auſſen bliebe /
So brennte mir das hertz entzwey.
Nun kenn ich auch den rechten geiſt /
Der mich ſo ſehr im leben reiſt.
5. Ach nein es muß mir beſſer kommen /
Jch habe mich der loͤffeley
Nur aus gewonheit angenommen:
Darumb erhalt ich mich darbey /
Und leid es gerne / wenn ein kind
Mir eine freundligkeit verguͤnnt.
6. Jch nehm es leichtlich an und wandre
Mit einem durch die gantze ſtadt /
Ein menſch iſt warlich wie das andre /
Wenn man nur was zu thalen hat:
Doch kommt mir eine vors geſicht /
So laß ich meine poſſen nicht.
7. Wiewol die maͤdgen ſind im hertzen /
So viel ich ſchlieſſe / gleich alſo /
Sie ſuchen ihre luſt im ſchertzen /
Und ſind von gantzer ſeele froh
Wenn jemand ſeine pflicht erweiſt /
Er mag auch heiſſen wie er heiſt.
8. Marindgen darff ich diß bekennen /
Nun ſo gefaͤllt mir alles wohl:
Jch kan zwar nicht vor liebe brennen /
Jedoch wofern ich ſchertzen ſoll /
So393Fuͤnfftes Geſpraͤch.
So will ich ſtets in dem geruhn /
Und dirs am allerliebſten thun.
Fill.

Die erklaͤꝛung iſt gut / ſie koͤnte nicht beſſer ſeyn.

Roſ.

Nur die jungfern werden wieder geſchimpfft.

Gil.

Jch ſehe nicht an welchem orte.

Roſ.

Jſt das nicht zu nahe geredt? Die jungfern haͤtten den ſpaß lieb / es moͤchte ein kerle kommen wo - her er wolte.

Gil.

Jch verſteh es von ehrlicher converſation. Da hat eine jungfer ſo viel luſt bey einem als bey dem an - dern: oder wo ſie eine gewiſſe perſon den andern vor - zeucht / ſo iſt ſie unfehlbar verliebt.

Roſ.

Es ſind andere ſachen / dadurch einer vor dem andern angenehm wird.

Gil.

So ſind auch andere ſachen die man einwen - den koͤnte / doch ſie fallen mir nicht ein.

Liß.

Und er iſt auch zu einfaͤltig.

Gil.

Es ſchickt ſich wohl. Der iſt einfaͤltig / dem nur eines einfaͤllt / und das andere nicht.

Liſ.

Er ſoll dabey gelaſſen werden / wo er ein huͤbſch lied dagegen ſetzt.

Gil.

Das will ich thun / doch von der vorigen gat - tung.

Liſ.

Er ſage zuvor den innhalt / ſo kan man deſto andaͤchtiger zuhoͤren.

Gil.

Der jnnhalt iſt diß. Es war einer in voller weiſe etwas zutaͤppiſch geweſen / das ſolte ich auf den morgen durch ein lied entſchuldigen / gleich als haͤtte ihn die liebe / die er ſonſt in nuͤchteꝛner weiſe verborgen / darzu veranlaſſet.

Liſ.

Die außlegungen ſind allzeit gut.

Gil.

Die meinung auch. Doch ſo heiſt es.

B b 5Maͤd -394Uberfl. gedancken andere gattung
MAedgen ſie verzeihe mir /
Daß ich geſtern neben ihr
Etwas lange ſitzen bliebe /
Und indem ich abſchied nahm /
Jmmer gieng und wieder kam /
Cs geſchach aus liebe.
2. Als ich auch in ihrer hand
Ein erwuͤnſchtes lager fand /
Und mich an die finger riebe /
Straffte ſie das ding an mir /
Aber was kont ich dafuͤr?
Es geſchach aus liebe.
3. Als ich ihr ein bißgen tieff
Unter ihre wangen griff
Kriegt ich tauſend lungen-hiebe /
Gleich als waͤr ich noch ſo arg /
Doch was ich dadurch verbarg /
Das geſchah aus liebe.
4. Als ich lang im zweiffel ſtund /
Kam ich endlich auff den mund /
Nicht viel anders als die diebe:
Denn ich ſtahl ihr einen kuß /
Halb mit ihrem unverdruß /
Es geſchah aus liebe.
5. Ach mein Engel / laß mir zu /
Daß ich etwas kuͤhne thu /
Und mich in den ſchertzen uͤbe:
Scheint der handel etwas frey /
Ach ſo bleibt es doch darbey:
Es geſchieht aus liebe.
6. Mein geluͤcke ſtraffe mich /
Wenn ich ſie ja wiſſentlich /
Oder395Fuͤnfftes Geſpraͤch.
Oder mit bedacht betruͤbe:
Doch daß ich das ſuͤſſe ſpiel
Durch den ſpaß erhalten will /
Das geſchieht aus liebe.
7. Nun ſie ſchau mich freundlich an /
Jch verbleib ihr unterthan /
Weil ich lebe weil ich ſchniebe /
Und wenn ſich mein geiſt bemuͤht /
Oder was ſie ſonſten ſieht /
Das geſchieht aus liebe.
Liſ.

Es iſt zwar alles nicht zu loben: Doch das muß ich bekennen / ſeine meinung hat er deutlich gnung erklaͤrt.

Gil.

Jch lobe die leute / die fein deutſch heraus ge - hen. Das andre hat unterdeſſen doch macht zu thun und zu laſſen was es wil.

Liſ.

Freylich hat man es macht: Abſonderlich weil mancher von der liebe ſingt / dem es nicht von her - tzen geht.

Gil.

Das moͤgen dieſelben verantworten die es thun. Doch hieꝛ habe ich eine luſtige invention die kan ich nicht verbergen / es fodert nur eine kleine weitlaͤuff - tigkeit ehe ich es erzehle.

Liſ.

Wer fragt nach der weitlaͤufftigkeit / wenn es nur luſtig zu hoͤren iſt.

Gil.

Luſtig zu hoͤren und tꝛaurig zu bedencken. Deñ es war mein guter freund / der wohnte in einem hauſe da eine jungfer war. Mit dieſer wuͤnſchte er ſich be - kant zumachen / allein wie ſich das gluͤck am beſten zu einiger bekandſchafft fuͤgen wolte / auch das gute maͤd - gen ſich ſo gar ungeneigt nicht erzeigen mochte / ſiehe da / ſo bekoͤmmt der aꝛme liebhaber von hauſe ſchreiben /er396Uberfluͤſſiger gedancken andere gattunger ſolle ſich innerhalb vierzehn tagen auf die reiſe ma - cheu / und au einen andern ort reiſen: Sein vetter werde kommen und ihn abholen. Wem war uͤbler zu muthe / als dieſem ungluͤckſeelig-gluͤckſeligen? er klag - te es der liebſten / und gebrauchte ſich aller hertzbrechen - den worte / welche bey dergleichen faͤllen gaͤnge und gaͤ - be ſind. Sie hoͤrte es ungerne / doch gab ſie ihm den troſt: Ob ſie ſchon von der mutter ſo harte gehalten wuͤrde / daß ſie faſt keinmahl mit ihm reden koͤnte / ſo haͤtte ſie doch vernommen / die mutter wuͤrde in acht ta - gen uͤber land auf eine hochzeit reiſen / und alsdeñ wuͤr - de es noch gelegenheit geben / vertraulichen abſchied zunehmen / wenn ſich ja das gluͤcke nicht fuͤgen wolte in ſteter vertrauligkeit beyſammen zuleben. Dieſes war dem ehrlichen liebhaber ein gefunden freſſen / ſo daß er alle ſtunden zehlete / biß die 8 tage zu ende gien - gen; Ja in der letzten nacht hatte er ſo ſchwere gedan - cken uͤber den langſamen ſeiger / daß er faſt vor langer weile vergieng. Doch als die frau mutter auf die hoch - zeit zog / wolte ſie das toͤchtergen mit haben. Das gu - te menſch ſtellte ſich kranck / allein die mutter merckte den braten / und packte ihren ſchmuck uͤber halß uͤber kopf ein / und nam ſie mit gewalt fort. Da wolte nun der in der hofnung betrogene Corid. vor angſt ver - zweifeln. Sein gantzer troſt beſtund in dem / daß er von mir zwey lieder faſt eines innhalts erhielt / eines das ſich auf ihre wiederkunft; das andere welches ſich auf den abſchied reimete. Und dieſe lieder folgen nun auff die melodey; So haſtu liebes kind.

WJlkommen liebſtes kind / was haſtu dort gemacht?
Ach haſtu auch einmahl an deinen knecht gedacht /
Der in der einſamkeit ſeit du verreiſet biſt /
Vor397Fuͤnfftes Gefpraͤch.
Vor langer weile nur nicht gar geſtorben iſt.
2. Ohn zweifel haſtu mich ſehr weit hindan geſetzt /
Wofern die hochzeit-luſt dich etwan hat ergetzt
So haſtu wol geſagt: Jſt diß nicht gar zu fein /
Ach ſolten wir nur itz noch laͤnger auſſen ſeyn!
3. Jndeſſen hab ich mich mit muͤh und noth geplagt /
Und aller freud und luſt mit willen abgeſagt:
Und hat mich was betruͤbt / ſo gieng mir dieſes nah /
Wenn ich ins ſtuͤbgen kam / ſo wareſtu nicht da.
4. Ach freylich haͤtt ich noch zu guter letzt vermeint /
Jch wolte noch einmahl als eingetreuer freund
Alleine bey dir ſeyn: doch alſo muß ich ruhn /
Und was ich gerne wil nur in gedancken thun.
5. Nun iſt es alles aus: ich werde ſchon citirt /
Und ſo wirſtu von mir / und ich von dir entfuͤhrt.
Es iſt an meinem ort umb einen tag geſchehn /
So weiß ich nicht ob wir einander wieder ſehn.
6. Drum lache mich nicht aus wofern ich zum beſchluß
Jn deiner gegenwart vor ſchmertzen weinen muß.
Zwar du verlierſt nicht viel: Es iſt mir nur um mich /
Jch bin ſehr uͤbel dran / denn ich verliere dich.
7. Vielleicht erhalt ichs noch den allerletzten tag /
Daß ich mit dir allein vertraulich reden mag:
Doch wenn ich dieſe luſt ja nicht erhalten ſol /
So ſag ich tauſendmahl / mein kind gehab dich wohl.
Das andere lied.
GEhab dich wohl mein kind / es iſt doch nun geſchehn /
Daß wir einander nicht ſo leichtlich wieder ſehn:
Jch muß ſo ſchleinig fort da ich am beſten ſpuͤre /
Wie groß die freude ſey / die ich durch dich verliehre.
2. Die zeit iſt viel zu kurtz daß ich beſchreiben kan /
Wie weh mir allbereit die enderung gethan /
Und wie von hertzen gern ich hier verbleiben wolte /
Wenn ich des gluͤckes ſchluß zuruͤcke treiben ſolte.
3. Jch habe deine gunſt vortrefflich hochgeſchaͤtzt /
Drum gieb mir auch den troſt nunmehr zu guter letzt
Und laß mich nur gewiß verſicherung bekommen
Du habeſt alles thun am beſten aufgenommen.
4. Mein398Uberfl. gedancken andere gattung
4. Mein kind / es mag wol ſeyn daß ich zu kuͤhne bin /
Jedoch verlaß ich mich auff deinen guten ſinn /
Der hat mir allezeit die zuverſicht gelaſſen /
Als konteſtu mich nicht in meiner einfalt haſſen
5. Ach haͤtt ich nur die zeit noch beſſer angewendt /
Und haͤt ich deinen ſinn ein bißgen eh erkennt /
So wuͤrdeſtu vielleicht mit beßerm grunde wiſſen /
Daß mir die worte recht aus meinem hertzen fliſſen.
6. Jch ſehe dirs wol an / du trauſt in allen nicht / (ſpricht.
Wenn gleich mein from̃er mund von treu und freundſchafft
Das machts ich haͤtte noch ein jahr verzieyen ſollen /
So haͤtten wir gewiß bekanter werden wollen.
7. Jnzwiſchen weil die zeit mit mir ein ende macht /
So bring ich nun betruͤbt die letzte gute nacht /
Der himmel decke dich mit ſegen auß der hoͤhe
Daß alles weil du lebſt / nach deinem wunſche gehe.
8. Nur ſchaue mich mein kind abweſend guͤtig an /
Daß ich in freud und leid von dir erfahren kan /
Ob ich mich freuen ſol / ob ich mich ſol bekruͤben?
Alſo wil ich dein gluͤck mehr als mich ſelber lieben
9. Hiermit zu guter nacht / nur laß mir willig zu
Daß ich mein letztes wort in dieſem liede thu /
Die thraͤnen moͤchten ſonſt aus meinen augen brechen /
Und ſolches wuͤrde mir manch kluͤgling uͤbel ſprechen.
10. Drum ſprech ich kurtz und gut / mein kind gehab dich
Bedencke was ich nun mit dir verlaſſen ſol / (wol /
Und weil ich meine pflicht in worten nicht erweiſe /
So gieb mir liebſtes kind / ein blickgen auf die reiſe.
Liſ.

Es iſt mir leid vor den armen ſtuͤmper.

Fill.

Und ich bethaure das frauenzimmer / wo ſie bey dem ſchmertzlichen ſcheiden mit geweint hat.

Gill.

Undich beklage mich / daß ich einem bekandten freunde zu gefallen ſo viel grillen gefangen habe.

Liſ.

Jch muß mich aber wundern wo er die verlieb - ten einfaͤlle hernimmt.

Gill.

Jch wilitz ein ſtuͤckgen bekennen / das ich ſonſtmei -399Fuͤnfftes Geſpraͤch.meinem beſten bruder nicht vertrauet haͤtte. Es mein - te mancher ich waͤre aller liebhaber handlanger / weil ich ſo offt mit verſe machen beſchweret wuͤrde. Doch niemand merckte meine kunſtſtuͤcken. Kam jemand und beſtellte etwas / ſo war dis meine antwort: Mon - ſieur ich wil es gerne machen / allein ich befuͤrchte es moͤchte nicht klappen / er erzehle mir etliche umſtaͤnde / darauf ich zielen ſol. Denn wo ich es ins gemein hin - mache / ſo ſcheint es / als waͤre es aus einer alten ſchaͤf - ferey außgeſchrieben. Damit lieſſen ſie ſich behandeln / und vertrauten mir alles. Ja wenn ſie zu freygebig waren und ſich zu viel beruͤhmten / ſo bat ich / ſie moͤch - ten mir als einem vertrauten freunde gleich zu beken - nen. Es waͤre einerley verſehn / ob das lied zu viel oder zu wenig von der liebe haͤtte. Und hiedurch bin ich hinter ſo viel liebes-hiſtoͤrigen kommen / die mich mehr erfreut haben / als wenn ich alle cromenen / arianen / cle - lien / ſoſonisben / cleopatren und andere dergleichen fa - beln haͤtte mit loͤffeln gefreſſen.

Liſ.

Ach was ſollen ſich die jungfeꝛn zu ihm verſehn / wenn er ſeine gute freunde hinter das liecht gefuͤhrt hat.

Gil.

Das geht wol hin / ich hielt reinen mund dabey.

Liſ.

Jch meyne er wird reinen mund gehalten ha - ben / als wie broſe beym ſchwartz-fleiſche.

Fill.

Da bin ich ſelber zeuge / daß kein Gleichviel ei - nen beſſern geheimen rath gefunden haͤtte.

Liſ.

Nun es mag ſeyn. Wir haben was trauriges gehoͤrt / wer nun was luſtiges drauff haͤtte.

Gil.

Hier find ich eines / das iſt auff einen keꝛlen ge - macht / der ſich wider ſeiner eltern willen mit einem ge -mei -400Uberfl. gedancken andere gattungmeinen menſchen verlobte / und darnach wenig gaͤſte auff ſeine hochzeit kriegte.

Liſ.

Das wird ſich hoͤren laſſen.

Gil.

Die melodey iſt am luſtigſten.

MEine mutter wils nicht haben
D ich zeitlich freyen ſol /
Denn ſie meinet / ſolchen knaben
Thuts ein ander hoͤltzgen wol:
Aber ich denck auff die freythe
Lieber morgen waͤrſtu heute.
2. Sol ich funfzehn jahr noch warten
Und ein alter tantzknecht ſeyn?
Ach ich kan es beſſer karten /
Willigt nur das maͤdgen drein.
Drum gedenck ich an die freythe /
Lieber morgen waͤrſtu heute.
3. Hab ich doch genug zu wehren /
Nur in einer kurtzen nacht /
Daß der ehſtand meinen ehren
Keine kunckelfuſen macht.
Drum ſo denck ich an die freythe /
Lieber morgen waͤrſtu heute.
4. Jch mag nicht alleine liegen
Wenns die mutter zehnmahl ſagt /
Kan ich keine jungfer kriegen /
Nun ſo nehm ich eine magd /
Alſo denck ich an die freythe /
Lieber morgen waͤrſtu heute.
5. Jch bin witzig und gedencke
Was zu meinen ſachen frommt /
Schickt mir nur das hochzt-geſchencke /
Wenn ihr nicht zur hochzeit kommt.
Denn401Fuͤnfftes Geſpraͤch.
Denn es geht nun auf die freythe /
Lieber morgen waͤrſtu heute.
Fill.

Man hoͤrets / daß du das lied ohne allen fleiß hingeſchleudert haſt.

Gil.

Wer wolte es auch von mir begehren / daß ich ſolte groſſen fleiß darauff wenden. Ja wenn es auff eine vornehme hochzeit waͤr / ſo waͤre es der muͤhe beſ - ſer wehrt.

Liſ.

Wenn ihm dieſes zu ſchlecht iſt / ſo laß er etwas hoͤren auff eine vornehme hochzeit.

Gil.

Vielleicht iſt mirs gangen wie denſelben leu - ten / die auff den kleinen hochzeiten am luſtigſten ſeyn; weil ſie auff die groſſen nicht gebeten werden.

Liſ.

Das beliebet ihm zu ſchertzen / er ſuche nur et - was / ich war dem vorigen liede ſelber feind / daß ſo ein tummer ſchelm auf dem erdboden leben ſoll.

Gil.

Wolan da iſt eins. Und da werdet ihr wohl wiſſen / was auff den hochzeiten mode iſt / daß den an - dern tag die braut ſtattlich vexirt wird / drum hab ich hier ein lied / das man darbey ſingen kan.

Liſ.

Es iſt ſo eine ſache um das vexiren. Jch den - cke zwar noch auff kein hochzeit machen: aber wenn mirs ſo gehen ſolte / ich weiß nicht was ich thaͤte.

Fill.

Ach es lieſſe ſich manche gern 4 tage vexiren / wenn ſie nur duͤrffte mit einem liebſten zu bette gehn.

Liſ.

Ja es iſt eine ebene ſache. Und wer das gluͤ - cke hat / daß er mit dem liebſten zu bette geht / der darff ſich deßwegen nicht ſo hudeln laſſen.

Fill.

Gleichwol muß ſtraffe ſeyn.

Roſ.

Ey es gienge wol hin / wann es bey einem hoͤf - lichen ſchertze bliebe. Aber ich weiß nicht wie etliche junggeſellen ſo gar ausgelaſſen ſind / ſie meynen / wennC ces402Uberfl. gedancken andere gattunges nicht liederlich heraus koͤmmt / ſo hat es kein anſehn.

Liſ.

Schweſtergen / weiſtu nicht an der vergange - nen hochzeit / was wir an der guten braut vor einen jammer ſahen. Die flegel meynten / es waͤre nicht der andere hochzeit-tag / wenn ſie der braut was auff dem kopffe lieſſen. Und was das zierlichſte war / ſo lachten ſie daruͤber / als waͤre die ſache ſehr raiſonable abgelauffen.

Roſ.

Jch ſehne mich auff keine ſolche hochzeit / es blieb nicht bey der braut / die junggeſellen dachten / ſie muͤſten es an ihren jungfern nachthun. Mein hoͤl - tzerner Peter / den ich an der tafel neben mir hatte / der war noch am hoͤflichſten. Er liebaͤugelte immer wie eine todte ratte / und wenn die andern maul zu ga - ben / ſo legte er ſich mit ſeinem eſels-kopffe auf meine achſel / und machte mir die tour gantz zu ſchanden.

Liſ.

Ey was hat es mit der tour zu bedeuten / der kan leicht geholffen werden. Aber als mein Galan zwey glaͤſer wein auff meinen atlaß-rock goß / da haͤtte ich ihm lieber ein dutzent ſtachelnuͤſſe in leib gewuͤnſcht.

Roſ.

Jch ſolte darnach ſeine geſundheit trincken: Aber ich bedanckte mich der ehren / und ließ es meinen nachbar vor mich beſcheid thun.

Liſ.

Als die geſundheit an mich kam / goß ich das glaß ins haſenſchwartz.

Fill.

Jhr jungfern ſchaͤmt euch doch vor uns. Was ſoll unſer einer thun / wenn ihr uns mit guten exem - peln vorgeht.

Liſ.

Dadurch wird niemand rechtſchaffenes ge - meynet.

Mel.

Jch gebe ihr beyfall. Die armen ſtuͤmper moͤchten von der hochzeit bleiben / oder zum wenigſteneine403Fuͤnſſtes Geſpraͤch.eine jungfer mit ihrer nachbarſchafft unbelaͤſtiget laſ - ſen / wenn ſie die hoͤfligkeit nicht beſſer ſtudieret haͤtten.

Fill.

Aber wie ſteht mir die hoͤfligkeit?

Liſ.

Er zerreiſſet zwar keine tuor / er verderbet auch keine kleider / wenn er nur ſonſt ſeyn loſe maul zu hau - ſe lieſſe.

Fill.

Ein andermahl wil ich ihr alle baͤnder vom kopfe reiſſen / und mein loſe maul damit zuſtopfen.

Liſ.

Ach das thut er nicht.

Fill.

Jch bedancke mich vor das gute vertrauen.

Liſ.

Doch koͤnnen wir das lied nicht zu hoͤren be - kommen?

Gil.

Jch habe es hier.

Fill.

Gieb her ich wil den erſten diſcant ſingen.

VExiert die jungfer braut /
Sie hat es wol verdienet /
Denn ſie hat ſich erkuͤhnet
Bey einem junggeſellen
Sich geſtern einzuſtellen
Vexiert die jungfer braut.
2. Vexiert die jungfer braut /
Denn ſie iſt mit verlangen
Mit ihm zu bette gangen /
Und hat bey ihm geſchlaffen /
Drum muͤſſen wir ſie ſtraffen /
Vexiert die jungfer braut.
3. Vexiert die jungfer braut.
Und hoͤrt nicht auf zu fragen /
Sie muß nun alles ſagen /
Wie ſich die ſache reimet /
Und ob ihr was getraͤumet /
Vexiert die jungfer braut.
C c 24. Ve -404Uberfl. gedancken andere gattung
4. Vexiert die jungfer braut.
Ob ſie des nachbars wegen
Auch heinte wol gelegen?
Ob ſie das tuch zerriſſen?
Ob ſie ein floch gebiſſen?
Vexiert die jungfer braut.
5. Vexiert die jungfer braut.
Es habens auch die alten
Vor dieſem ſo gehalten /
Daß wir es beſter maſſen /
Beyn alten loͤchern laſſen /
Vexiert die jungfer braut.
6. Vexiert die jungfer braut.
Es werden ihre kinder
Schiers kuͤnftig viel geſuͤnder /
Wenn wir mit ſchertz und lachen
Ein wenig poſſen machen /
Vexiert die jungfer braut.
7. Vexiert die jungfer braut.
Und wenn ſie an geberden
Will etwas boͤſe werden /
So laſt ſie immer ſchertzen /
Sie meynt es nicht von hertzen.
Vexiert die jungfer braut.
8. Vexiert die jungfer braut /
Und wuͤnſchet ihr geluͤcke
Zum kuͤnfftgen meiſter-ſtuͤcke /
Und zum gevatter-kuchen /
Daß wir ſie bald beſuchen.
Vexiert die jungfer braut.
Fill.

Das lied iſt zwar aus. Doch weil eines dar - neben ſteht / welches eben von dieſem innhalt iſt / ſomag405Fuͤnfftes Geſpraͤch.mag es immer fort gehn / das maul bleibt uns kaum in geſchicke.

KOmmt ihr jungfern an der Saale /
Seht das neue weibgen an /
Wie ſie ſich zum erſten mahle
Jn den handel ſchicken kan /
Weil die nechſt verfloßne nacht
Sie der haube wuͤrdig macht.
2. Kan ſie auch das lachen laſſen
Wenn man ihr daran gedenckt /
Und numehr verdienter maſſen
Jhr ein dutzent hauben ſchenckt?
Seht doch ſeht wie ſtellt ſie ſich
Nur von auſſen wunderlich.
3. Ach die jungferlichen minen
Sind nur auff den bloſſen ſchein /
Welche zwar zu etwas dienen /
Wenn die leute bloͤde ſeyn.
Dennoch wers errathen kan /
Greifft den krantz mit willen an.
4. Fort du neu-gebacknes weibgen /
Gib den krantz mit willen hin /
Und bedancke dich vors haͤubgen /
Als in welchem der gewinn
Der verkaufften jungferſchafft
Mit gewieſſem wucher hafft.
5. Schaͤme dich nur vor den leuten /
Und vor deinen gaͤſten nicht /
Denn ſie haben auch vor zeiten
Solche poſſen angericht /
Oder wuͤnſchen daß der tag
Auch vor ſie bald kommen mag.
C c 36. Alle406Uberfl. gedancken andere gattung
6. Alle welt beſteht im lieben /
Drum ſo haſtu keine ſchuld:
Haſtu gleich die nacht vertrieben
Jn dergleichen ungedult /
Welche man verliebt und ſtill /
Lieber thun als ſagen will.
7. Seht / ſie nicket mit dem kopffe /
Gelt / die rechnung trifft uns ein /
Und der krantz wird auff dem zopffe
Nun gewiß verfallen ſeyn /
Drum ihr jungfern kommt und ſprecht
Jhr das neue weiber-recht.
Liſ.

Ja ja das lied iſt eben von der rechten gattung / wenn es ſolche unverſtaͤndige kerlen hoͤren / ſo meynen ſie man hat es ihnen geheiſſen.

Gil.

Das moͤgen ſie thun / ſo will ich meynen / es ſind ungehobelte dorff hautzen die kein maſſe wiſſen.

Fill.

Nun nun die zeit iſt koſtbahr. Hier ſtehen noch etliche Choſen die moͤchte ich gern mit nehmen.

Gil.

Hier iſt ein lied auff eine braut / die ſich dem braͤutigam gar zu gerne hertzen ließ.

Fill.

Jſt denn diß was neues oder verdroß dichs / daß dir es nicht ſo gut kam?

Gil.

Ach nein / ich muſte es einem guten freunde machen / der beſchweꝛte ſich / ihm waͤre es nie ſo gut wor - den / daß er nur ein elendes kuͤßgen haͤtte koͤnnen an - bringen. Nun aber muͤſte er ſehn / daß der liebſte die maͤulgen / ſo er bekaͤme / kaum ertragen koͤnte.

Liſ.

Das betruͤbniß in der welt iſt vielerley. Der gute menſch haͤtte das hertzeleyd ſparen moͤgen biß auff ſeiner ſtieffmutter begraͤbnuͤß.

Fill. 407Fuͤnfftes Geſpraͤch.
Fill.

Stellt ſie ſich doch als wuͤſte ſie wer gemeynet wuͤrde.

Liſ.

Freylich weiß ich etwas davon / doch das lied wird deutlich ſeyn.

Gil.

Sie hat recht / ſie gebe nur achtung.

SEht doch den jungen ſack
Dort in dem fenſter ſitzen /
Wie hurtig und wie ſtrack
Kan ſie das maͤulgen ſpitzen.
Sie war vor wenig tagen
Noch weit davon entfernt:
Doch itzo muß ich ſagen /
Sie hat ſchon ansgelernt.
2. Der liebſte ſitzt bey ihr
Und loͤffelt auf die thauer:
Sie fuͤrcht ſich nicht dafuͤr /
Und haͤlt wie eine mauer.
Wo lernens denn die kinder?
Jſt irgend ſo ein buch?
Sie kans fuͤrwar geſchwinder
Als ſonſt den ſontag-ſpruch.
3. Du loſes tauſend-kind
D dich mein leibgen druͤcke /
Wie bringſtu ſo geſchwind
Das leder ins geſchicke?
Es geht ſo fix / ich halte
Du haſt / wie ſichs gebuͤhrt /
Das maͤulgen in die falte
Mit baum-oͤl eingeſchmiert.
4. Jch hab es tauſendmahl
Vor dieſem fuͤrgenommen:
Doch bin ich allemahl
C c 4Jn408Uberfl. gedancken andere gattung
Jn das gedraͤnge kommen.
Jch armer ſtuͤmper dachte /
Sie haͤtte keine luſt:
Und ſie hat ſtill und ſachte
Die haͤndel ſchon gewuſt.
5. Bald ſtieß ſie ſich an kopff /
Da wars mit mir verlohren:
Bald fand ich armer tropff
Das maͤulgen hintern ohren:
Da hielte ſie die haͤnde
Bald gar die muͤtze fuͤr /
Und allzeit an dem ende
Da hatt ich nichts von ihr.
6. Bißweilen bat ſie mich
Um hundert Gottes willen;
Und bald erzuͤrnt ſie ſich /
Da krieg ich andre pillen:
Ja in den beſten freuden
Da hoͤrt die mutter ſchreyn /
Und halff die haͤndel ſcheiden /
Jch muſts geweſen ſeyn.
7. Je ſchrey doch itzund auch /
Der liebſte ſpitzt die lippen /
Wo iſt nun dein gebrauch?
Soll er denn immer tippen?
Das zucker-ſuͤſſe futter
Genenſt er gar zu viel /
Und ich ſeh keine mutter
Die friede nehmen will.
8. Die maͤdgen haben nu
Gar den credit verlohren /
Und dieſes ſey darzu
Jn409Fuͤnfftes Geſpraͤch.
Jn ſpecie geſchworen /
Wo ich ein maͤdgen finde /
Da will ich loſe ſeyn:
Sie fuͤrchten ſich der ſuͤnde
Nur auff den bloſſen ſchein.
Liſ.

Die mißgunſt iſt groß in der welt.

Gil.

Das koͤmmt daher / weil das gluͤck ungleich ausgetheilet iſt.

Liſ.

Es muß wol ungleich ausgetheilet werden / weil die verdienſte ungleich ſind.

Gil.

Unterdeſſen urtheilt ein jedweder uͤber ſeine meriten gar zu partheyiſch: alſo daß keiner iſt / der ſich nicht des hoͤchſten gluͤcks wuͤrdig ſchaͤtze.

Liſ.

Solche leute muͤſſen ſich laſſen in die ſchule fuͤhren.

Gil.

Vielleicht haͤtten wir nicht pferde gnug.

Fill.

Ach mit eurer grillenfaͤngerey. Wer alle ge - brechen bey den leuten will ausſpinteſiren / der muß den tod zu gevattern bitten / und ſich 100 jahr einbin - den laſſen / ſonſt wird ihm das leben zu kurtz. Gieb lieber was zu ſingen her.

Roſ.

Einmahl ſchwatzt er zu viel / und das ander mahl kan er ſich nicht ſatt ſingen.

Fill.

So gehts den leuten die keine maſſe treffen koͤnnen.

Roſ.

Monſ. Gilanes hat er nichts / wo der nichts zu ſingen kriegt / ſo koͤmmt er wieder mit ſeinen reden auffgezogen.

Gil.

Jch will etwas ſuchen.

Fill.

Hier iſt ein huͤbſches / gieb es her.

Gil.

Ach es ſind poſſen. Es brachte mir einer ei - ne huͤbſche Alemande / und bat mich / ich moͤchte dochC c 5ſehen /410Uberfl. gedancken andere gattungſehen / ob ſich ein text darauff ſchickte: Drum hab ich nur die art von verſen exprimirt / wie ſie nach der me - lodey ſeyn muſten.

Fill.

Was ſchadet diß / iſt der text nicht zu koͤſtlich / ſo muß es die melodey erſetzen.

WAs hat der unverſchaͤmte neid
Vor hertzeleid
Jn unſre freundſchafft ausgeſtreut?
Was ſoll der kalte gifft?
Der unſre treu doch nur von auſſen trifft.
Die hertzen ſind von diamant /
Und das geſchloßne liebes-band
Hegt keinen unbeſtand.
Drum / je mehr man uns betruͤbt /
Deſto mehr ſind wir verliebt.
2. Wenn gleich der wind mit ſeiner wut
Jn unſre glut
Den allerſtaͤrckſten einfall thut /
So iſt es nicht gethan /
Er blaͤſet nur die flammen beſſer an.
Drum wer das feuer nicht erkennt /
Und ſich nur an die finger brennt /
Der iſt doch gantz verblendt;
Denn er unterſcheidet nicht
Liebes-ſchein und falſches licht.
3. Jndeſſen allerliebſtes kind /
Bleib gut geſinnt /
Und achte keinen falſchen wind /
Die treu ſoll unſer ſchein /
Die keuſche pflicht des hertzens loſung ſeyn.
Vergoͤnnt uns ja der falſche neid /
Nicht411Fuͤnfftes Geſpraͤch.
Nicht uͤbrig groſſe froͤligkeit /
So warte nur die zeit.
Denn der tag koͤmmt bald heran /
Da man roſen brechen kan.
Gil.

Und dieſes wird der beſchluß ſeyn.

Liſ.

Was hat er ſo zu eylen?

Gil.

Es iſt unhoͤflich / wann man ſeine converſati - on uͤber die zeit erſtrecken will.

Liſ.

Solches geſchieht bey leuten die keine an - nehmligkeit haben.

Gil.

Jch weiß nicht unter welche ſorte ich gehoͤre.

Liſ.

Er wil ſich gewiß in das geſichte loben laſſen.

Gil.

Damit ich aus dem verdacht komme / will ich abſchied nehmen.

Liſ.

Er hoͤre doch er ſagte zuvor / das letzte liedgen waͤre nicht gut gnung gemacht / drum darff ich nicht eher gehn / biß er ein beſſers hat.

Gil.

Jch bin gefangen / ich muß mich loͤſen.

Fill.

Sieh da bruder / erfaͤhrſtu auch wie das frau - enzimmer kan in das gewiſſen reden.

Gil.

Ey laß mich unvexiert / hilff mir lieber ſingen.

Fill.

Was haſtu noch zum beſten?

Gil.

Du weiſts daß an etlichen orten der alſo ge - nannte heilige Chriſt von dem kuͤſter agirt wird. Nun wolte eine jungfer wiſſen / was ich vor eine beſcherung zu hoffen haͤtte. Drum wieß ich ihr mein gebet / das ich gethan haͤtte.

Fill.

Es wird gar troͤſtlich ſeyn.

Gil.

Wie ſolche ſachen pflegen.

ACh hertzerlieber -- Kuͤſter /
Jch kenn euch an dem barte wol /
Ach ſeht doch itzund ins regiſter /
Ob412Uberfl. gedancken andere gattung
Ob ich was guts bekommen ſoll /
Und ſolte mir was zugehoͤren /
So laſſt mirs nur fein bald beſcheren.
2. Jch eſſe keine pfefferkuchen /
Jch mag auch keine mandelkern /
Und was die kleinen kinder ſuchen
Daſſelbe nehm ich gar nicht gern:
Wenn ich nur in mein kaltes bette
So einen huͤbſchen waͤrmſtein haͤtte.
3. Jch fuͤrchte mich ſo vor der kaͤlte /
Dieweil ich armer hampelmann
Des winters boßheit ſtets entgelte /
Die ich doch nicht verbieten kan.
Drum muß ich mich im bette kraͤncken
Und an den ſuͤſſen waͤrmſtein dencken.
4. Das feuer mag im ofen brennen /
Das bette mag darneben ſtehn /
So muß ich doch allzeit bekennen
Die kaͤlte wil mir nicht vergehn:
Denn alles ſchlaͤgt mit groſſem ſchmertzen
Mir gar zu tieff zu meinem hertzen.
5. Und wo ich keinen waͤrmſtein habe /
So laßt es nur ein pfaͤnngen ſeyn /
Und leget mir zur liebſten gabe
Ein bißgen warme kohlen drein /
Damit ich nicht vergebens harre
Und als ein hartes ſcheit verſtarre.
6. Fuͤrwahr ich ſeh an meinen haͤnden
Wie ein gebackner pickling aus /
Und ſperre mich an allen enden
Wie ein verdorter neſſel-ſtrauß:
Denn alles iſt ſo trefflich theuer /
Und413Fuͤnfftes Geſpraͤch.
Und nichts ſo ſehr als fremdes feuer.
7. Drum allerliebſter -- kuͤſter /
Wo ich ja gar vergeſſen bin /
So ſetzt mich dennoch ins regieſter /
Und helfft mir alſo zum gewinn /
Daß / wenn ich in dem bette liege
Den waͤrmſtein in die arme kriege.
Liſ.

Er hat ſeyn gebete andaͤchtig abgelegt / es muß ein unhoͤflicher kuͤſter ſeyn / daß er ſeine bitte nicht beſ - ſer reſpectiret hat.

Fill.

Jch hoͤre der waͤrmſtein hat ſollen mit zwey und zwantzig ellen menſchen-caldaunen gefuͤttert wer - den / und die hat der liebe mann nicht bald zur hand gehabt.

Liſ.

Er bringt ja haͤndel auf die bahn.

Fill.

Sie ſtellt ſich als verſtuͤnde ſie nichts darvon.

Liſ.

Jch habe mein tage keinen gefuͤtterten ſtein geſehen.

Fill.

Wie ſo nicht? der wetzſtein da ich meine klei - nodien eingenaͤhet habe / iſt durchaus mit blitzblauen ſammet gefuͤttert.

Liſ.

Warum hat er die unkoſten drauff gewandt?

Fill.

Jch that es drum / daß ich ihn auf den nothfall die nath deſto leichter fuͤnde.

Liſ.

Es muß aber ein groſſer wetzſtein ſeyn. Denn man kan gedencken was er vor jubelen hat.

Fill.

Jch habe ihn bey dem ſchleiffer aus Jtalien gekaufft der ſein gewoͤlbe unter freyen himmel hat.

Liſ.

Pfuy mit dem ſpitzbuben.

Fill.

Sie laſſe mir den ſcherſchlip ungeſchimpft / wenn andere leute zu fuſſe gehn / ſo faͤhrt er.

Liſ. 414Uberfl. gedancken andere gattung
Liſ.

Er kan viel zugleich thun / gehen / ſchieben / tra - gen und fahren.

Fill.

Sie hat eins vergeſſen / er kan auch eben zu der zeit ein krumm maul machen und ſcherſchlip ruffen.

Liſ.

Wer mit den leuten umgeht der muß freylich ihre kuͤnſte beſſer wiſſen.

Fill.

Sie laſſe mich mit dem ſchlipſcher unmoleſtiꝛt / oder ich fange ein lied von meſſern anzuſingen / das ich ſelber gemacht habe.

Liſ.

Ey das wird ein kuͤnſtliches ſeyn.

Fill.

Jch wil es hoͤren laſſen. Doch ich muß den innhalt in einer langweiligen kuͤrtze erzehlen.

Gil.

So werden wir nicht gehen.

Fill.

Geh immer wenn dir mein lied nicht gut ge - nung iſt.

Liſ.

Er verzieh nur ſo lange / biß die kuͤnſte außge - ſchuͤttet ſind.

Fill.

Der innhalt iſt diß. Jch ſolte rathen wo man auff einer hochzeit meſſer kriegen wuͤrde. Dieſes that ich in folgenden verſen / auff die melodey: Haſtu mich genommen ſo muſtu mich behalten.

JCh weiß einen in der ſtadt
Der ſechs paar ſchoͤne meſſer hat
Jn unterſchiednen ſcheiden /
Dieſelben wil er kuͤnfftig leihn
Wenn jemand wil Trenchante ſeyn
Bey ihren hochzeit freuden.
2. Das erſt iſt eines gliedes lang /
Damit verdient man ehr und danck
Nur an den jungfern-tiſche /
Die leutgen eſſen ſelten viel /
Und welche was verſchlingen wil /
Die415Fuͤnfftes Geſpraͤch.
Die thut es unterm wiſche.

Jhr jungfern ihr wiſſet wohl wie ihr es macht. Da ſteckt ihr ein kleines bißgen ins maul / das eine muͤcke verſchleppen koͤnte: Aber im ſchnuptuche habt ihr ein ſtuͤcke / daran ein ſieben und zwantzig jaͤhriger muͤhl - knappe erworgen moͤchte / und ſtellt euch ſo dann als wolt ihr das maul wiſchen. Witz / damit ſteckt der biſ - ſen im halſe. Und das heiſt unter dem wiſch verkaufft / wie die bauren wenn ſie etwas in die ſtadt bringen / und wollen es nicht anſagen / ſo legen ſie einen ſtrohwiſch druͤber. Doch ich muß ſingen.

3. Das ander ſieht was laͤnger aus
Als wie ein ſchwaͤntzgen an der maus.
Ergert euch nicht an dem gleichnuͤſſe / es geſchach fuͤr -
wahr des reims wegen.
Das ſol den junggeſellen.
Denn bier und wein das fuͤllt ihr maul /
Zum eſſen pflegen ſie ſich faul
Und langſam anzuſtellen.

Daruͤber hab ich nichts zu reden. Es iſt niemand der es laͤugnet. Vom eſſen tragen ſie nicht viel nach hauſe. Aber das iſt nichts neues daß ſie etliche tonnen bier und wein durcheinander im bauche collegialiter zum hochzeithauſe hinaus ſchleppen.

4. Das dritt iſt gar ein niedlich ding
Und gleiſt als wie ein ſilberling /
Das war wieder propter tythmum. Jch gebe es latei -
niſch daß mich die jungfern nicht auslachen.
Jn ſeinen netten ſchalen /
Mit dieſen ſol zu jener zeit
Jn ſeiner groͤſten erbarkeit
Der herr brautdiener pralen.
Ja416Uberfl. gedancken andere gattung

Ja es iſt eine koͤſtliche ſache um einen brautdiener der auf der braut-taffel trenchiren darff.

Liſ.

Was macht er vor poſſen / er ſinge nach einan - der / oder laß es gar bleiben.

Fill.

Sihe da ſchoͤnſte gebieterin / haͤtte ſie mich vorm jahre zu ihrem capellknaben angenommen / ſo muͤſte ich heuer nach ihrem tacte ſingen. Doch zum poſſen ſol ſie meine ſchoͤne außlegung nicht hoͤren.

5. Wer aber ſchon das vierdte kriegt /
Das droben auf dem ſimſe liegt /
Der ſchneidet groͤßre biſſen /
Die weiber-taffel wird damit
Am fiſche-fleiſch und kuchen-ſchnitt
Sich wohl behelffen muͤſſen.
6. D fuͤnffte meſſer ſeh ich wohl
Das auf die maͤnner-tafel ſol.
Das ſchneidet etwas kuͤhner:
Denn ſind die lieben herren nicht
Auf uͤbrig freſſen abgericht
So freſſens ihre diener.
7. Das ſechſte meſſer ſeh ich bloß
Daſſelb iſt aus der weiſe groß /
Und hilfft die tuͤtſche-muͤtter /
Doch im trenchiren ſolls allein
Dort vor die muſicanten ſeyn
Und vor die hochzeit-bitter.
8. Jtzt wird das ſiebend angericht /
Das wird man bey dem ſchniedte nicht
So liederlich vergeſſen /
Und haben wir es nicht beſchaut /
So wird doch wol die jungfer braut
Mit auf der hochzeit eſſen.
9. Die417Fuͤnfftes Geſpraͤch.
9. Die meſſer ſind ſehr gut beſtalt /
Drum wird die ſpeiſe warm und kalt
Den gaͤſten niedlich ſchmecken:
Und ſonderlich die liebe braut /
Wird auff die henn und ſauerkraut
Die finger fleiſſig lecken.

Gelt ihr jungfern / das lied iſt gut gegeben?

Liſ.

Jch bin der ſachen ein kind / ich verſteh mich nicht drauff.

Roſ.

Und vor mich waren die worte zu hoch.

Fill.

Ein andermahl nehme ſie einen an / der ſich un - ter den tiſch ſetzt und ſingt / ſo kommen die worte nie - drig gnung.

Roſ.

Jch werde den rath in acht nehmen.

Gil.

Aber darbey verziehen wir uͤber die zeit.

Mel.

Und ich vergeſſe gantz / daß ich morgen ver - reiſen ſoll.

Roſ.

So wird es ihm leid ſeyn / daß er ſich in unſe - rer geringen geſellſchafft verſaͤumt hat.

Mel.

Jch wolte das gluͤcke fuͤhrte mich offt in der - gleichen verſaͤumnis.

Roſ.

Jch weiß nicht / ob er damit wuͤrde zu frieden ſeyn.

Mel.

Sehr wohl. Nun ſie leben alle wohl! GOtt helffe / daß ich alles in gutem wohlſtande antreffe / noch hundertmahl beſſer / als ich es verlaſſe.

Roſ.

Und er reiſe auch gluͤcklich / und weñ er wieder koͤmmt / ſo bring er einen Doctor und eine liebſte mit.

Mel.

Das war zu viel auf einen biſſen / es waͤre an der helffte gnung.

Fill.

Es iſt wahr / wer ein Doctor iſt / bey dem gibt ſich die liebſte ſelbſt an. Denn zu dieſer zeit ſind garD dzu418zu viel jungfern die der Doctor-kobolt beſeſſen hat.

Mel.

Jch halte mich auff / ſie leben wohl!

Gil.

Jch gebe dir das geleite. Doch zuvor recom - mendire ich mich in dero affection.

Liſ.

Und wir recommendiren uns in ſeine briefe / darauff er ſeine lieder hat.

Fill.

Ach ſie recommendiren ſich nicht dahin. Wer weiß was er mit den briefen macht.

Liſ.

Was denn irgend?

Fill.

Zucker-teuten oder dinten-ſtoͤpffel.

Liſ.

Er geh nur fort / ſonſt faͤngt er an zu backen.

Fill.

Nun Serviteur / hinten ſehn ſie mich zu letzt.

Liſ.

Und wenn er wieder koͤmmt ſo kehr er ſich um.

Roſ.

Wenn er in eine pfuͤtze faͤllt / ſo komm er zu mir / ſo will ich ihm aufhelffen.

Fill.

Und wann ſie ihr bein vertritt / ſo lauffe ſie mir nach / ich will es wieder einrichten. Doch noch einmahl Serviteur / die andern complimenten bleib ich ſchul - dig.

Geehrter Leſer.

SO weit hatte ich meine geſpraͤche gebracht / als ich mich an einen ort begeben muſte / da ich zu dergleichen ge - dancken wenig zeit habe. Darum muß ich auch die andern ſachen / derer ich noch eine gute nothdurfft zuwege bringen koͤnte / in dem winckel liegen laſſen. Jmmittelſt habe ich an deren ſtatt zwey luſt-ſpiele beygefuͤget. Solten ſie ange - nehm ſeyn / ſo wuͤrde ich veranlaſſet werden / meine ernſthaf - tige Comoͤdien und Tragoͤdien hervor zu geben: Alldieweil ſolches ohne meine ſonderbahre muͤh geſchehen koͤnte / und ich kaum etliche ſtunden mit dem uͤberleſen verderben duͤrffte. Lebe wohl!

Die419

Die betruͤbte und getroͤſtete Galathee.

Sang-Spiel.

Perſonen.

  • 1. Acis / ein junger ſchaͤfer / Galatheen liebhaber. Altus.
  • 2. Galathee / eine ſchaͤferin. Cant. 1.
  • 3. Roſette / ihre geſpielin. Cant. 2.
  • 4. Amyntas / ein ſchaͤffer. Tenor. 1.
  • 5. Jphis / ein ſchaͤffer. Tenor. 2.
  • 6. Polyphemus / ein rieſe. Baſſ.
  • 7. Mopſus / ſein naͤrriſcher diener. Baſſ.
  • 8. Telemus / ein wahrſager. Baſſ.
    • 9. Nereus / ein waſſer-gott. Baſſ.
    • 10. Doris / eine waſſer-goͤttin. Cant.
    • der Galathee eltern.

  • 11. Chor der hirten.
  • 12. Chor der Nymfen.

Jnnhalt.

ACis ein junger ſchaͤfer von ſechzehn jahren verliebt ſich in die ſchoͤne waſſer-Nymfe Galathee / wird auch mit erwuͤnſchter gegenliebe erfreuet. Jnzwiſchen gedenckt Po - lyphemus ein ungeſtallter und ungeheurer rieſe die liebe zu erwerben / ſucht auch unterſchiedliche mittel hervor ſein inn - bruͤnſtiges verlangen ins werck zu richten. Als er aber nichts erhalten kan / und darneben erfahren muß / welcher geſtalt die zwey verliebten durch ehliche vermaͤhlung ſich ewig verbunden / ſchweret er allen den tod. Dannenhero wie das vergnuͤgte paar an dem ſchattigtem ufer des vaͤter - lichen fluſſes ſich ergetzen wil / kommet der unholt daher ge - ſchwermet / die Galathee zwar wird von den eltern in das waſſer gezogen / Acis aber als er die flucht nehmen wil / wirdD d 2durch420Der betruͤbten u. getroͤſteten Galatheedurch den rieſen von einem abgebrochenen felſen-ſtuͤcke ge - worffen und uͤberdecket. Galathee beklagt hernach den ungluͤckſeligen tod / doch koͤmmt Telemus der wahrſager / und verkuͤndiget / es ſolle aus dem abgebrochenen ſtein ein brunn entſpringen / welcher ihres geweſenen liebſten nahme fuͤhren / und ſie auff vielfaͤltige maſſen troͤſten und erquicken werde.

Erſte Handlung.

Acis / Amyntas / Jphis.
Ac.

Kommt hernach ihr ſuͤſſen bruͤder Denckt auff luſt und liebes-lieder Und erregt das beſte ſpiel / Weil die ſchoͤnſte von den ſchoͤnen Sich zu neuer gunſt gewehnen Und mein hertz vergnuͤgen wil.

Am.

Wie die ſonne mit den ſtrahlen Jhren mittag pflegt zu mahlen Alſo glaͤntzet deine zier /

Jph.

Wie der mond um ſeine ſterne Alſo geht dein liebgen gerne Mehr als tauſend Nymfen fuͤr.

Am.

Wie man offters in den dunckeln Sieht die diamanten funckeln: Alſo ſcheint ihr augen-liecht.

Jph.

Wie rubinen und corallen Auf den alabaſter fallen: Alſo lacht ihr angeſicht.

Am.

Jhre blicke ſind die pfeile / Die ſich nach dem mittlern theile Deiner jungen bruſt bemuͤhn.

Jph.

Jhre worte ſind die ſtricke /Welche421Erſte Handlung.Welche dein und ihr geluͤcke Guͤnſtig in einander ziehn.

Am.

Was du wuͤnſcheſt was du denckeſt Wenn du ihr die ſeuffzer ſchenckeſt Das begehrt ſie tauſendfach.

Jph.

Alſo ſchleicht ihr ſuͤſſer wille Mitten in der keuſchen ſtille Deiner zarten hoffnung nach.

(Amyntas und Jphis zuſammen.)

Drum lebet und ſchwebet in ſolchem vergnuͤgen Bekleibet und bleibet in dieſer begier / Lockt hertzen und ſchertzen im kriegen und ſiegen Mit allen gefallen einander herfuͤr.

Ac.

Ach ſchweigt ihr freunde ſchweigt / und halt ein we - nig ein / Jch moͤchte ſonſt zu ſchwach vor dieſes gluͤcke ſeyn / Jch hoͤre gar zu viel / Wofern ich ſolche gaben Genau betrachten will / So muß ich mehr als dieſes ſtuͤndgen haben.

Am.

Drum wollen wir dir auch das ſtuͤndgen nicht Bleib in der einſamkeit / (verderben. Und haͤng in ſolcher zeit Fein langſam und gemach Den liebes - grillen nach; Wir muͤſſen doch davon / Jndem die Sonne ſchon Den him̃els-rand beruͤhrt daß ſich die wolcken faͤrben.

Ac.

Goͤnnt ihr mir etwas guts ſo bleibet noch bey mir / Denn weil ich ſie nicht ſehen kan / So ſchau ich hier Das ſinnbild meiner luſt in guten freunden an.

D d 3Jph.422Der betruͤbten u. getroͤſteten Galathee
Jph.

Vielleicht iſt ſie nicht weit / Und deine gedancken die ſpielen und wancken Am liebſten in der einſamkeit.

Acis.

Bey freunden viel lieber

Am.

Jch lache daruͤber /

Acis.

Verſpotte mich nicht

Am.

Und heuchle mir nicht /

Acis.

Am beſten wenn keines von beyden geſchicht.

Amyntas und Jphis zuſammen.

Und alſo lebe wohl / Geneuß der ſuͤſſen ſtunden / Und bleib in ihr verbunden / So deine liebes-blum zu fruͤchten bringen ſoll.

(ſie gehen ab.)
Acis.

Wie wohl iſt der daran / Der ſich der gegen-liebe Gewiß verſichern kan / Die ſeele liebt und wird geliebt: Und nimmt gedoppelt was ſie gibt Von ihrem Nordpol an.

Man darff das hertze nicht Mit ſorgen uͤberſchuͤtten / Denn alles was geſchicht / Entſpringt aus zarter freundligkeit / Und gruͤndet ſeine ſicherheit Auff die verbundne pflicht.

Jch meines theils geſteh / Wenn ich mit den gedancken Jn meine wolfahrt geh / So ſpuͤr ich manchen ſuͤſſen wahn / Doch allzeit find ich oben an Die ſchoͤnſte Galathee.

Sie423Erſte Handlung.

Sie bleibt mir nur bewuſt / Sie iſt des lebens leben / Das bildnis meiner bruſt / Der auszug meiner ſuͤſſigkeit / Der antrieb der zufriedenheit / Der innhalt meiner luſt. Ach ſolt ich in dieſen erfreulichen puͤſchen Mein liebgen erwiſchen / So wolt ich mein hertze gedoppelt erfriſchen / Vielleicht bin ich ihr nah /

(Galathee ſpringt unverſehns hervor.)

Ja wohl ich bin ſchon da.

(verſteckt ſich wieder.)
Acis.

Jhr Goͤtter ſo will mich die ſtimme bethoͤren / Und mitten im hoͤren / Die freude der ſachten gedancken verſtoͤren / Wo find ich meine zier?

(Galathee ſpringt auf einer andern ſeiten hervor.)

Mein kind ich bin ſchon hier.

(verſteckt ſich.)
Acis.

Es hat mich ein heimliches Echo betrogen / Doch werd ich bewogen Und ferner in dieſes gefilde gezogen. Komm Echo ſtell dich ein.

(Galathee koͤmmt hervor.)

Jch werd es ſelber ſeyn.

(verſteckt ſich.)
Acis.

Es ſtecket ein ſichtbares Echo dahinden / Doch werd ich es finden / So ſoll mir daſſelbe nicht weiter verſchwinden / Jch ſuche friſch und froh /

(Galathee auff einer andern ſeite.)

Und ich bin anderswo.

D d 4Acis424Der betruͤbten u. getroͤſteten Galathee
Acis.

Jſt dieſes mein betrug / willkommen meine weide /

Gal.

Jſt diß mein unverſtand / willkommen meine freude.

Acis.

Jch habe ſie geſucht mit groſſer bangigkeit /

Gal.

Was man nicht finden wil das ſucht man lange zeit.

Acis.

Wer etwas finden ſoll dem darf mans nicht verſteckẽ.

Gal.

Die keuſchheit nimt die flucht uñ wil die gunſt erweckẽ:

Ac.

Die gunſt wird zwar erweckt / uñ gleichwol auch betruͤbt /

Gal.

Das thut ein heuchler nur der nicht von hertzen liebt.

Acis.

So werd ich auch von ihr zu dieſer zahl geſchlagen /

Gal.

Hieruͤber muß ich ihn umb ſeine meinung fragen.

Acis.

Jch lieb und ehre ſie ohn allen unbeſtand /

Gal.

Die worte ſind mir ſchon vordeſſen auch bekand.

Acis.

Wenn ſie die worte weiß / ſo glaubt ſie auch der ſache /

Gal.

Wie aber wenn ich mir vergebne freude mache.

Acis.

Jch ſchwere bey der welt und bey der himmels-ſtadt /

Gal.

Er iſt der erſte nicht / der ſo geſchwohren hat.

Acis.

Die ſonne ſol unten am berge ſpatzieren / Die fluͤße ſollen auffwerts gehn / Das feuer ſol flammen uud hitze verlieren / Der himmel ſelbſt ſoll ſtille ſtehn / Wofern ich die rechte der heiligen liebe Mit einiger falſchheit im minſten betruͤbe.

Gal.

So hab ich ihn wiederum bange gemacht Und ihn umb einen ſchwur gebracht / Er geb ſich zufrieden und dencke daran D ich von ihm nicht zweiffeln kan / Jch treibe ſeyn hertze Nur gleichſam im ſchertze Zu neuer verſichrung an / Sonſt bin ich ſeyn leben und heiſſe ſeyn liecht Biß mir der lebens faden bricht.

Ac.

Galathee du preiß der erden Meiner ſeelen meiſterinn / Soll ich nun vergnuͤget werden Weil ich dir vereinigt bin / Ach gieb mir / ſchoͤnſte zierHand425Erſte Handlung.Hand umb hand / band umb band / Blick umb blick / gluͤck umb gluͤck; Gruß umb gruß / kuß umb kuß.

Gal.

Liebſter Acis meiner ſinnen. Angenehmſter auffenthalt / Kan ich deine gunſt gewinnen / Weil mein hertz vor liebe wallt / Ach ſo gieb / lieb umb lieb / Hertz umb hertz / ſchertz umb ſchertz / Gruß umb gruß / kuß umb kuß / Dich vor mich / mich vor dich.

(Acis und Galathee zuſammen.)

Erblaſſet ihr neyder / verſtummet ihr feinde Wir haben in unſern begierden geſiegt / Und haben den ſeegen des himmels zum freunde Derhalben wird alles nach wunſche gefuͤgt / Wir ſpringen und ſingen Und uͤber das lieben Wir wachen und lachen Wir ſpielen und zielen Auff eine gluth in keuſcher eh.

Gal.

Mein Acis.

Ac.

Mein Galathee.

Andre Handlung.

Polyphemus / Mopſus auf der andeꝛn ſeite.
Pol.

Allerſchoͤnſte Galathee / Weiſſer als der neue ſchnee Heller als das zarte glaß / Juͤnger als das erſte graß.

Mop.

Polyphem du tummer kopf /D d 5Weiſſer426Der betruͤbten u. getroͤſteten GalatheeWeiſſer als ein alter topf / Heller als ein ſchwartzes tuch / Juͤnger als mein erſter ſchuch /

Pol.

Schoͤner als ein blumen-ſtraus / Netter als ein neues haus Gleicher als die cedern ſind / Hoͤher als ein fuͤrſten-kind /

Mop.

Schoͤner als ein roſtig ſchwerd / Netter als ein kranckes pferd / Gleicher als ein ſchlehen-ſtock / Hoͤher als mein unter-rock /

Pol.

Suͤſſer als der zucker-ſafft / Staͤrcker als der trauben krafft Glaͤtter als der marmelſtein / Weicher als die ſchwaͤne ſeyn:

Mop.

Suͤſſer als das ſaure bier / Staͤrcker als ein lahmer ſtier / Glaͤtter als ein ſtachel-fiſch / Weicher als ein flederwiſch.

Pol.

Wer darff mir in die rede fallen / Sol ich mit blitz und donner knallen / Soll ich den Aetna halb zerreiſſen / Und dir auff deinen ſcheddel ſchmeiſſen: Sol ich den hundes-ſtern bey ſeinem ſtachel halten / Und dich damit zerſpalten. Sol ich die gantze ſee in meinen rachen ſchlingen / Und dich biß an den hals mit unter waſſer bringen: Sol ich dein fleiſch u. blut wie teig und thon zerkneten / Und dich als einen froſch biß auf den tod zertreten.

Mopſ.

Ach Herr verzieht noch einen ſprung / Es waͤr ſchon an der helfft genung.

Pol.

Mein knecht ich kenne dich /Du427Andere Handlung.Du biſt nicht wider mich / Jch dacht es wolte ſich ein erdkloß unterſtehen / Und wegen meiner Galatheen / Bey der ich wuͤnſche bald zu ruhn / Mir einen ſchwachen einſpruch thun.

Mopſ.

Ach nein / vollfuͤhrt nur eure ſachen Jch will euch nicht zum guggug machen.

Pol.

Doch wie gefall ich diꝛ / iſt die geſtalt nicht werth / D mich ein weibes-bild zu ihrer luſt begehrt.

Mopſ.

Mich deucht weñ Jupiteꝛ aus ſeinẽ him̃el kaͤme Daß er euch nicht den ruhm in liebes-ſachen naͤhme.

Pol.

Mein haar iſt ſteiff und lang /

Mopſ.

Das ſind die liebes-ſtricke /

Pol.

Die augen blitzen mir

Mopſ.

Das ſind die beſten blicke;

Pol.

Der mund iſt groß und weit

Mopſ.

Die red hat freyen lauff:

Pol.

Der bart iſt dick und ſtarck /

Mopſ.

Da ſchmeckt ein kuß darauff.

Pol.

Die backen ſind ſehr fett /

Mopſ.

So bleibt die liebe kleben /

Pol.

Die naſe dreut und ſchnaubt /

Mopſ.

Das iſt der jungfer leben.

Pol.

Die haͤnde ſind wie ſtahl /

Mopſ.

So greifft ihrs tapffer an /

Pol.

Die armen wancken nicht /

Mopſ.

Jhr ſeyd ein Courtiſan.

Pol.

Mein reichthum iſt ſehr groß /

Mopſ.

Das wird ſie leicht verblenden.

Pol.

Mein vieh das zehl ich nicht /

Mopſ.

Sie ſteht in euren haͤnden.

Pol.

Bald ſchwirnm ich in die ſee /

Mopſ.428Der betruͤbten u. getroͤſteten Galathee
Mopſ.

Gut / wenn ſie baden will.

Pol.

Bald ſteig ich auff den berg /

Mopſ.

Ein ſchoͤnes jungfer-ſpiel /

Pol.

Der gantze wald iſt mein /

Mopſ.

So jagt ihr um die wette.

Pol.

Jch ziehe baͤren auff /

Mopſ.

Die nimmt ſie mit zu bette.

Pol.

Dort geht ein wolff im thal /

Mopſ.

Das wird ihr jungfer-hund.

Pol.

Und alles ſchenck ich ihr /

Mopſ.

Jch bin faſt ſelbſt verwund. (werben /

Pol.

Es kan nicht anders ſeyn / ich muß die gunſt er -

Mopſ.

Jch weiß das gute kind wird faſt vor libe ſteꝛbẽ

Pol.

Villeicht erkeñt ſie ſchon wz mich vor hitze treibt /

Mopſ.

Herꝛ ſie veꝛwundert ſich wo ihr ſo lange bleibt.

Pol.

So wil ich itzo gehn und ihr die freude goͤnnen /

Mopſ.

Sie wird kein eintzig wort vor freude ſprechen koͤnnen /

Pol.

Doch nein es ſchickt ſich nicht daß ich ihr folgen

Mopſ.

Winckt ihr / ſo koͤmmt ſie wol / (ſol /

Pol.

Es ſey darum / Geh hin vermeld ihr meine liebe Wie daß mich ihre freundligkeit Halb qvaͤlet halb erfreut. Streich meine thaten aus Biß ſie vor liebe brennt / Und wenn ſie das bekennt So zeig ihr dieſes haus. Doch laß dich klug in dieſen handel ein / Ein neues kleid ſol die belohnung ſeyn.

(geht ab.)
Mop.

Du ſchoͤner und niedlicher ehren-galan Was hat dir das maͤdgen zu leide gethan /Daß429Andere Handlung.Daß du vor heiſſer liebe bruͤllſt Und ſie mit dir beſchweren wilſt. Es muß ſie geluͤſten nach deiner perſon Mich duͤncket ich hoͤre den lieblichen thon / Geh Mopſus mach die thuͤre zu / Dein herr iſt gleich ein narr wie du. Jndeſſen ſo lauff ich mit gutem bedacht / Als waͤr ich zu koppeln und freyen gemacht / Was ich zuſammen fuͤgen kan Das leimt nicht erſt der ſchreiner an.

(geht ab.)
Galathee / Roſette.
Roſ.

Jſt diß der ſteiffe ſinn / ſind diß die ernſtẽ ſchwuͤre / Es ſolte keine kraft Die zarte jungferſchaft Die freyheit und die ruh Dir aus den haͤnden ziehn / nun geht es anders zu / Weil du den liebſten findſt: Jch aber dich veꝛliehre.

Gal.

Biſtu nicht wunderlich es iſt die neue mode / Die maͤdgen ſchaͤmen ſich Und wollen aͤuſſerlich Vor fromm gehalten ſeyn / Doch wenn die ſtunde kommt ſo gehn ſie alles ein. Drum ſchweig und graͤme dich deßwegen nicht zu tode.

Roſ.

Bedencke nur den ſchatz der edlen jungferſchaft.

Gal.

Der iſt von ſchlechter kraft.

Roſ.

So wirſtu ja noch was nach deiner freyheit fra -

Gal.

Jch kan ſie nicht ertragen. (gen

Roſ.

Wenn ich mich aber ſelbſt in kercker ſtoſſen ſolte.

Gal.

Die bande ſind zu ſchoͤn. Wer wolte nicht in ein ſolch gefaͤngnuͤß gehn.

(Mopſus koͤmmt unvermerckt auf der andern ſeite)
Roſ.430Der betruͤbten u. getroͤſteten Galathee
Roſ.

Edle freyheit meine freude. Meiner jugend eigenthum / Hilff daß ich den eitlen ruhm Aller liebes-luſt vermeide / Wenn der maͤnner gunſt und pflicht Mir den hoͤchſten troſt verſpricht.

Mopſ.

Das glaub ich und keiner nicht.

Gal.

Edles buͤndnuͤß meiner liebe Zucker-ſuͤſſe dienſtbarkeit / Hilff daß ich mich allezeit Jn der ſchoͤnen demuth uͤbe / Und erhalt ohn unterlaß Dieſes volle freuden-maß.

Mopſ.

Jſt das nicht ein raben-aaß.

Roſ.

Meine blume laß ich prangen / Und vergoͤnne keiner hand / Daß ſie das geringſte pfand Dieſer ſchoͤnheit ſoll erlangen / Biß der tod mein zartes licht Mit der zeit vom ſtocke bricht.

Mopſ.

Nein das glaub ich wieder nicht.

Gal.

Meine roſe laß ich pfluͤcken / Denn der hochgeprießne ſchein / Wird ja nicht gewachſen ſeyn / Dieſen ſtock umſonſt zu druͤcken Biſtu nun ſo gut als ich / Schweſter ſo verliebe dich.

Mopſ.

Ach das iſt ein troſt vor mich.

(er wiederhohlt dieſe worte etliche mahl / und laufft durch die Schaͤferinnen mit groſ - ſem ungeſtuͤm durch.)
Roſ. 431Andere Handlung.
Roſ.

Wo koͤmmt das[ſcheuſal] her / du ſchaum von rech - ten leuten / Du ſtanck / du mißgeburt / du ſchande dieſer zeit / Du allgemeines hertzeleid / Du eingeſaltzner eſels-kopff / Du abgemahlter wiedehopff / Du eingemachter ochſen-fuß / Du angebrandtes apffel-muß / Du ausgeſtopffte baͤren-haut / Du ſyrup von fuͤnfffinger-kraut / Weßwegen laͤſt du dich den hencker reiten / D du dich unterſtehſt Und uns vor das geſichte gehſt.

Mopſ.
Jhr maͤdgen ſchaͤmt euch doch / daß ihr mich ſo

Kennt ihr mich nicht?

(verſpott /

Jch bin ein neuer Liebes-Gott.
Roſ.

Es trifft mir eben ein / Du magſt mir wol Ein feld-geiſt oder gar ein kobolt ſeyn.

Mop.

Daß ich nicht lachen ſol Jch bin meins herren diener / Der lieſet vor ſein haus Nicht ſchlechte kerlen aus.

Roſ.

Es giebet in der welt viel ſolche galgen-huͤhner.

Mop.

Jhr klatſche macht mirs nicht zu grob / Jch preiß euch ſonſten euer lob / Jhr pfefferkorn / ihr welcke ruͤbe / Jhr pflaſter wider luſt und liebe / Jhr entzian ihr huͤtterauch / Jhr halb verdorter neſſelſtrauch / Was habt ihr euch des handels angenommen / Jch bin hieher nicht eurentwegen kommen.

Roſ.432Der betruͤbten u. getroͤſteten Galathee
Roſ.

So moͤchten dich die raben Zuvor gefreſſen haben / Eh daß du unverſchaͤmter gaſt Uns in der ruh verſtoͤret haſt.

Mop.

Jch rede nicht mit euch / hier ſteht die rechte ſoñe Zwar kuͤnftig meine frau / itzt meines hertzen wonne / Ach ſchoͤnſte Galathee ſeyd tauſendmahl gegruͤſt Vom groſſen Polyphem der euer liebſter iſt.

Gal.

Du unflat haſtu nicht gnung uͤppigkeit gegoſſen / Wird denn das uꝛtheil nun auch uͤber mich beſchloſſen.

Mop.

Der himmel ſtraffe mich wofern ich hoͤniſch

Gal.

So geh nur immerhin.

(bin

Mop.

Mein herr befahl mir ja die botſchaft aus zu -

Gal.

Du kanſt vortreflich dichten.

(richten.

Mopſ.

So war ich ehꝛlich bin / mein heꝛr iſt ſcharf ver -

Gal.

Und ich bin hoch betruͤbt.

(liebt.

Mopſ.

Sein hertze raucht und brennt vor lauter lie -

Gal.

Gleich wie der kalte gruͤtze.

(bes-hitze

Mopſ.

Womit kuͤhlt er ſich ab wenn er das fieber hat.

Gal.

Er geht ins kalte bad.

Mopſ.

Wobey erwaͤrmt er ſich wofern er wil erfrierẽ?

Gal.

Bey ſeinen wilden thieren.

Mopſ.

Was wiſcht die augen ab wenn ſie voll thraͤnen

Gal.

Ein glatter kieſelſtein.

(ſeyn.

Mopſ.

Wenn ihr nicht helffen wollt ſo ſtirbt er noch

Gal.

Das waͤr mir deſto lieber.

(daruͤber.

Mopſ.

Warum vexiert ihr euch / ihr ſeyd ſo nicht ein

Gal.

Geh fort du grobes rind.

(kind.

Mopſ.

Kein menſch iſt ſo beruͤhmt und reich im gan -

Gal.

Mir iſt es eitel ſchande.

(tzen lande.

Mopſ.

Er raͤumt euch alles gut zu voller herrſchafft

Gal.

Vor dißmahl kans nicht ſeyn.

(ein /

Mopſ.433Andere Handlung.
Mopſ.

Wenn er zu wenig iſt / ſo thuts doch meinetwe -

Gal.

Es iſt mir ungelegen.

(gen.

Mopſ.
(ſtreichelt ſie auff die backen.)

Mein tauſend-kind / mein laͤmmer-ſchwaͤntzgen / Mein mandel-kern / mein roſen-kraͤntzgen / Mein engel-brod / mein zucker-hut / Ach ſeyd doch meinem Herrn gut.

Gal.

Sind denn die dreſcher alle muͤde / D mir der flegel da mit ſolchem uͤberdruß Jm wege liegen muß / Jhr ſchaͤfer kommt und ſchafft mir friede.

(Amyntas und Jphis ſpringen heraus.)
Am.

Wer will die ſicherheit verſtoͤren?

Gal.

Da ſteht der grobe Coridon.

Am.

Wir wollen ihn was anders lehren.

Gal.

Ach jagt ihn nur fein bald darvon.

Jphis.

Er geht als wie die lahmen enten / Sieh da du ungezognes vieh.

(er ſchlaͤgt ihn.)
Mopſ.

Sie ſparen doch die complimenten / Sie machen ſich zu groſſe muͤh.

Am.

Nim dieſes warm-bier ins genicke / Auff unſrer maͤdgen wohlergehn.

(er ſchlaͤgt ihn mit dem ſtocke.)
Mopſ.

Jhr Herren das iſt euer gluͤcke / D ich den ſchertz noch kan verſtehn.

Jph.

Sieh da ein dutzent naſenſtieber / Heiſt das nicht luſtig rumgefuͤhrt.

Mopſ.

Mein blut es waͤr mir zehnmahl lieber Jch wuͤrde nicht ſo reſpectirt.

Am.

Laß ſehn du muſt dich beſſer ſchicken / Weil etwas auf dem buckel hafft.

(er ſchlaͤgt ihn.)
Mo.

Weßwegen macht denn nun mein ruͤckenE eMit434Der betruͤbten u. getroͤſteten GalatheeMit eurem ſtocke bruͤderſchafft.

Jph.

Du haſt noch manches nachzuholen / Laß ſehn / wie ſteht dein lincker fuß.

(er ſchlaͤgt ihn um die beine.)
Mo.

Jhr macht daß ich die capriolen Abſcheulich einwerts ſchneiden muß.

Am.

Wir muͤſſen dir die zoͤpffe butzen / Wie theuer dieſes ſchelmen-haar?

(er fuͤhrt ihn bey den haaren herum.)
Mopſ.

So wahr ich leb ich mag nicht ſtutzen Verſchont nur meiner gantz und gar.

Jph.

Komm her ich geb dir einen dreyer Und zauſe deinen katzen-bart.

Mopſ.

Fuͤrwar ich geb euch einen zweyer Wenn ihr die groſſe muͤh erſpart.

Am.

Du lernſt hier lauter gute ſachen So geht das firmament herum.

(er dreht ihn in einem zirckelum)
Mopſ.

Jch mag ja nicht calender machen Kehrt mich nur nicht ſo kuͤnſtlich um.

Jph.

So laͤuft das kamm-rad in der muͤhle Und laͤſt den muͤller wenig ruhn.

(er dreht ihn auf der andern ſeite herum)
Mopſ.

Wie lange waͤhren dieſe ſpiele Hab ich noch viel darbey zu thun.

Am.

So kehrt ein ſcherſchlip in der meſſe Den ſchleifſtein her und wieder hin

Mopſ.

Ach laß mich lauffen ich vergeſſe Sonſt was ich meines zeichens bin.

(laͤuft davon)
Jph.

Spatzier ein bißgen leiſe. Viel gluͤcks auf deine reiſe.

Amyn -435Dritte Handlung.
Amyntas und Jphis zuſammen.

So werden denſelben die kurtzweil benommen Die ſich vermeßlich unterſtehn / Jn unſer geliebtes gehaͤge zukommen Da nichts als zahme thiere gehn / Und welchen wir ein kaͤſtgen ſchencken / Die ſollen an unſer gerichte gedencken.

(ſie gehen ab)
Gal.

Jch habe genũg gelacht / kom̃ Acis waꝛt auf mich.

Roſ.

Das magſtu kuͤhnlich thun / doch ich verlaſſe dich.

Dritte Handlung.

Mopſ.

Mein hertz mein kopf mein ellebogen Ach das heiſt auf die freyth gezogen / Heiſt diß die bottſchafft ausgericht / Wo lauf ich hin / Jch weiß vor ſchmertzen nicht Ob ich ein maͤdgen oder buͤfgen bin. O weh mein rechter fuß / o weh mein achſelbein / O weh mein ruͤcken / Jſt bald in ſtuͤcken / Und meine ſtirne Jſt faſt ſo weich als eine faule birne: Mein armes hinter-theil Hat lauter blaſen feil / Ach weh ich armer dieb / gleichwie ein hauffen miſt Voll guͤldner kaͤfer iſt / So ſteckt mein junges hertz auch voller angſt und pein: Wie wird mein Herr ſo boͤſe ſeyn / Wiewol ich darffs nicht ſagen / Er moͤchte ſonſt vor zorn mich unverſehns erſchlagen.

(er faͤllt darnieder.)
E e 2Poly436Der betruͤbten u. getroͤſteten Galathee
Polyphemus.

Kom̃ mein verliebter geiſt / entreiß dich aus der hoͤle Der eitlen nichtigkeit / und ſchwinge dich hinan / Damit der ſchoͤne gruß von jener ſuͤſſen ſeele / Bey dir nach wuͤrdigkeit den einzug halten kan. Laß alle grauſamkeit und alle macht dahinden Die ſonſt als eine laſt der glut im wege lag / Daß ihre liebligkeit ein ſanfftes lager finden / Und das erhaltne wort mich recht bewegen mag. Doch wo muß mein Mopſus bleiben / Solt er etwa gar auf ſchreiben Meinetwegen warten muͤſſen / Denn ich moͤcht es gerne wiſſen.

Mop.

Jtzo fuͤhl ich erſt die noth / Ach wie bitter iſt der tod.

Pol.

Wer aͤchtzt ſo jaͤmmerlich / wer ſchwatzet hier von Mein knecht holla / (ſterben / Was machſtu da? Jndem ich bey dir bin ſo darffſtu nicht verderben.

Mop.

Jch bin ſchon todt / zu guter nacht / Jch hab ein teſtament gemacht / Da hab ich euch zu guter letzt Und meiner mutter kuh zum erben eingeſetzt.

Pol.

Das zeichen iſt mir gut / Er hat ſich ſo beſoffen Weil er ſo naͤrriſch thut. Drum kan ich leichtlich hoffen Daß ſolches mir allein Zu ehren muß geſchehen ſeyn.

Mop.

Es iſt um mich geſchehn / Wer will ein armes wuͤrmgen ſehn.

Pol.

Steh auff / und komm ins haus /Da437Dritte Handlung.Da ſchlaff den tummel aus / Doch gib mir vor bericht / Darff ich was hoffen oder nicht?

Mopſ.

Ach lieber Herr ich bin nicht voll / Jch weiß wol was ich wiſſen ſoll / Jch bin ſo unerhoͤrt gefallen / Denn als ich auff dem berge ging / Da hoͤrt ich etwas knallen / Damit war knall und fall ein ding.

Pol.

Du armer Mops es iſt mir leid / Doch ſey getroſt / dein neues kleid Jſt mehr als halb ſchon zugeſchnitten / Doch ließ ſich Galathee fein leicht von dir erbitten?

Mo.

Herr legt mir nichts vor ungut aus / Es wird fuͤrwahr ein qvarck daraus.

Pol.

Sie wird ſich nim̃ermehr in dieſer ſache wehren /

Mo.

Gewißlich ſie begehrt kein wort davon zu hoͤren /

Pol.

Und haſtu ordentlich die werbung angebracht?

Mo.

Und ſie hat ordentlich mich wieder ausgelacht.

Pol.

Wer weiß was du verderbet haſt?

Mo.

Jch hatt es gut genung gefaſt.

Pol.

Geh du ſchlauraffens-kopff / du eſels ebenbild / Du ertz-narꝛ in der haut / Was hab ich dir vertraut / Und haſtu diß erfuͤllt?

Mo.

Jſt diß nicht eine ſchwere buͤrde / Herr / hab ich was gethan Das mich beſchaͤmen kan / So wolt ich daß ich flugs zum eſel wuͤrde.

Pol.

Du biſt ein tummer ſchlauch / Doch mercke dieſes wol / ich hencke dich in rauch / Und laſſe dir ſo lang nicht die geringſte raſt /E e 3Biß438Der betruͤbten u. getroͤſteten GalatheeBiß du mein ſuͤſſes kind mir uͤberliefert haſt.

Mo.

Ach ach die botſchafft wird mir theuer / Nun hab ich doch mein taͤglich fegefeuer.

Pol.

Du crocodil Was heulſtu viel / Verꝛichte meine ſachen / Sonſt will ich dir zu weinen machen.

Mo.

Herꝛ kan es dann nicht anders ſeyn / Mir faͤllt zwar itzt ein vorthel ein / Koͤnnt ihr ſo lange leiden / So will ich alſobald / Mich vor ein altes weib verkleiden / Und unter der geſtalt Will ich mich hoͤchſt bemuͤhn / Daß ich zur Galathee kan in das vorwerck ziehn / Und wo ſie euch veracht / So kan ich auff die nacht Euch vor das fenſter leicht beſtellen / Jhr habt dergeſtalt Die beſte macht zur freundſchafft und gewalt.

Pol.

Der rath iſt gut drumm eile fort Und bringe meinen wunſch an den verlangten port.

(gehn ab)
Galathee / Roſette / nebenſt ihren andern ſchaͤferinnen.
Roſ.

Viel gluͤcks mein ſchweſtergen / viel gluͤcks zum Viel gluͤcks zum neuen bande / (neuen ſtande / Viel gluͤcks zur neuen ſuͤßigkeit / Daß Acis dem du guͤnſtig biſt Nun recht mit dir verbunden iſt / Lebt in vergnuͤgter ruh Der himmel ſpreche ja darzu.

Gal.439Dritte Handlung.
Gal.

Jch nehme dieſen wunſch mit danckbarn hertzen Der himmel laß uns beyde / (an / Jn gleich getheilter freude / Und gleichgemeßnem wolergehn Nach aller luſt beyſammen ſtehn / D auch dieſelben die mirs goͤnnen / Jn kurtzem gleichfalls folgen koͤnnen / Wofern ich diß erhalten kan So hat mein wunſch genung gethan.

Roſ.

Doch ſchweſter weil die hirten Einander noch bewirthen Und auff das allerbeſte Dem ſchoͤnen hochzeit-feſte Beliebte folge leiſten / So wollen wir am meiſten An unſre ſchuld gedencken Daß uns hernach geziemt ein kraͤntzgen zu verſchenckẽ.

Gal.

Wolan ſo ſucht den ſchatten Der angenehmen matten Wo ſich die ſtillen roſen Ohn unterlaß bemuͤhn Den augen liebzukoſen Und umb die wette bluͤhn.

Roſ.

Wir wollen an den baͤchen Die feuchten blumen brechen Die noch im friſchen thaue Gleich als in perlen ſtehn Und in der gantzen aue Am letzten untergehn.

Gal.

Geht und beraubt die weidt Doch wenn ihr in der freude Und mitten in dem ſingenE e 4Die440Der betruͤbten u. getroͤſteten GalatheeDie hand mit roſen fuͤllt So denckt vor allen dingen An euer ebenbild.

(Sie gehn und pfluͤcken blumen / winden her - nachmahls kraͤntze / unterdeſſen wird ſachte muſicirt biß Mopſus als eine alte frau geklei - det heraus koͤmmt.)
Mopſ.

Als ich vor ſechzig jahren ein kleines maͤdgen war / Da giengen wir zu paaren und ſchertzten immerdar: Da konten wir fein niedlich wie junge leute thun / Und durfften unterſchiedlich im klee beyſammen ruhn; Jtzt auff die alten tage da bin ich gantz allein / Und muß wie eine plage bey andern leuten ſeyn. Jch muß mich laſſen ſchelten / ich arme fledermauß / Als ſeh ich zum ſanct Velten gar wie der hencker aus. Jch bin wie eine fliege da waͤr kein bißgen ſchmaltz / Wiewol ich arme ziege ich leckte gerne ſaltz. Doch wenn ich etwas ſuchen und mich verſorgen will / So gehn die leut und fluchen / du alter beſen-ſtiel. Jch441Dritte Handlung.Jch geh als wie ein blinder gantz furchtſam und gemach / Drum kommen alle kinder und ſchreyn mir hinten nach. Es iſt mir gar nicht eben / denn eine junge ſau Die hat ein beſſer leben als ſo ein alte frau.

Roſ.

Was koͤmmt vor ein gemurre Dort an den ſtreuchern her.

Gal.

Ey ſchweſter ſchweig doch ſtille Es iſt wohl ungefehr / Ein abriß von der heiligen Sibylle /

Roſ.

Es mag wol ein geſpenſte ſeyn / Doch mir gefaͤllt es nicht / Daß itzo dieſer ungluͤcks-ſchein Uns in die augen ſticht.

Mo.

Gluͤck zu ihr lieben muͤhmgen / Sucht ihr ein wenig bluͤmgen / Jhr habt vielleicht ein liebgen / Und ſonſt ein feines diebgen / Dem ſchenckt ihr huͤbſch ein kraͤntzgen Und thut darnach ein taͤntzgen.

Roſ.

Jhr alte gaake geht und laſt uns unverſtoͤrt / Jhr koͤnnt es leichtlich ſehn / daß ihr nicht hergehoͤrt.

Mo.

Vergeb es euch der liebe gott / Bin ich den gar der kinder ſpott.

Gal.

Wir wollen euch gar nicht Verſpotten und verfluchen / Doch gebt uns nur bericht / Was habt ihr hie zu ſuchen.

Mo.

Duͤrfft ihr eine kaͤſemutter /E e 5Oder442Der betruͤbten u. getroͤſteten GalatheeOder fehlt euch eine frau / Welche ſich wohl auff das futter Und das liebe vieh verſteht / Und mit auff die weide geht / Jch weiß alles ſehr genau / Und ihr duͤrfft mir halbicht etwas geben So wil ich in euren dienſten leben.

Roſ.

Die milch wird uns ohn diß wol ſauer / Wiewol dort druͤben wohnt ein bauer Der haͤtte gern den drachen Da koͤnnt ihr euch geſchaͤftig machen

Mo.

Was hab ich nun gethan / Seht ihr mich denn mit hexen augen an.

Roſ.

Geht packet euch geſchwinde / Wir ſind ſchon mit geſinde Mehr als zu viel verſorgt.

Mop.

Jſt niemand der mich nur auf eine woche boꝛgt[?]

Roſ.

Geht auff mein wort / Sonſt hetzen euch die hunde fort.

Mopſ.

Jch muß mich drein ergeben / Wenn euch mit meinem leben So viel gedienet iſt / ſo nehmt mirs immer hin / Jhr ſeht wol daß ich nur ein ſchwacher erd-wurm bin.

(ſetzet ſich.)
Gal.

So bleibt denn hier / Jhr ſollet mir Die ſchuͤſſeln und die teller ſcheuern / Doch dieſes will ich euch betheueru / Laſt ihr mir einen punct verroſten / So wird es euer leben koſten.

Mopſ.

Ach GOtt verlohn es euch / Jch dacht es gleich /Jhr443Dritte Handlung.Jhr wuͤrdet noch barmhertzig ſeyn / Jhr ſollt auch einen frommen Und ſchoͤnen mann bekommen / Jch will auch uͤberall Das zinn ſo fleiſſig ſchwencken / Daß alle ſollen dencken / Du liebes muͤttergen ach butz es noch einmahl.

Acis / Amyntas / Jphis / mit ihren andern hirten.
Am.

Das frauenzimmer wird nicht wiſſen Wo wir ſo lange bleiben.

Jph.

Die guten kinder muͤſſen Die zeit vor ſich allein vertreiben.

Acis.

Ach kommt und fordert eure kraͤntze / Was wollen wir ſo muͤſſig ſtehn: Gebraucht den tag daß unſre taͤntze Bey guter zeit von ſtatten gehn.

Chor der hirten.

Edelſte ſeelen / begierde der jugend / Welche der himmel mit herrlicher tugend / Allen verliebten zu troſte bekroͤnt / Habt ihr die bitte der hirten verhoͤhnt: Oder beliebet denſelben ingleichen Unſere kraͤntze mit willen zu reichen / Eilet ihr Nymfen / was dencket ihr viel / Eilet / die hochzeit erfordert das ſpiel.

Chor der Schaferinnen.

Tapffere ſeelen / verlangen der jugend / Welche das gluͤcke mit himmliſcher tugend / Allen verliebten zur freude gekroͤnt / Habt ihr die kraͤntze der Nymfen verhoͤhnt: Oder gefaͤllet den ehrlichen hertzen /Unter444Der betruͤbten u. getroͤſteten GalatheeUnter der hefftigen bitte zu ſchertzen / Nehmet die kraͤntze doch liefert dabey Stetiges lieben und ewige treu.

(hier theilen ſie die kraͤntze aus)
Beide Chor[zuſammen].

Kommet ihr leute betrachtet die kraͤntze Schauet das bildniß der ewigkeit an / Welches als eine volkommene graͤntze Unſre verknuͤpfte befridigen kan.

Gal.

Mein liebgen meine zier / Was hab ich wol verdient / denn ſchau ich habe mir Kurtz eh ihr ſeyd hieher gekommen D ſcheuermaͤdgen angenommen.

Acis.

Mein kind als koͤnte was geſchehn Das ich nicht ſolte gerne ſehn / Doch itzo muͤſſen wir die ſorgen gantz verſencken Und auff ein luſtig ſpiel gedencken / Jhr bruͤder brecht die bahn Und fangt was ſchoͤnes an.

(Sie faſſen einander an und ſchlieſſen einen kreyß / Amyntas bleibt hauſſen.)
Alle zuſammen.

So wollen wir freundlich die haͤnde verbinden Und hin und her ſpatzieren gehn / Wir ſuchen die liebſten und wollen ſie finden / Wer nichts bekoͤmmt / mag ſchertz verſtehn.

Am.

Nun ich ſuche mit verlangen Meine ſeele die mich liebt / Kan ich hier kein hertzgen fangen Das mir nur ein zeichen giebt.

Chor.

Nein / ach nein ach warlich nein / Nein / er wird betrogen ſeyn.

Am.445Dritte Handlung.
Am.

Laſt mich doch herum ſpatzieren / Denn ich glaube ſtarck und feſt Das ſich eine noch verfuͤhren Und zu was bereden laͤſt.

Chor.

Nein / ach nein ach warlich nein / Nein / er wird betrogen ſeyn.

Am.

Wenn ihr mir das hohe gluͤcke Treuer liebe nicht vergoͤnnt / Nun ſo gebt mir nur ein ſtuͤcke Welches ihr entrathen koͤnnt.

Chor.

Nein / ach nein ach warlich nein / Nein / er wird betrogen ſeyn.

Am.

So betriegt mich auf den ſchein / Doch was ſol die loſung ſeyn.

Chor.

Ach nein.

Am.

So bin ich zu kummer gebohren.

Chor.

Ach nein.

Am.

Jſt meine begierde verlohren /

Chor.

Ach nein.

Am.

Und ſol ich vor traurigkeit ſterben /

Chor.

Ach nein.

Am.

Und unter der hofnung verderben.

Chor.

Ach nein.

(Amyntas faſt mit an)
Chor.

So werden wir ſaͤmptlich am beſten geſchieden Und geben uns alle von hertzen zufrieden / Wir ſchuͤtteln die koͤpffe wir ſagen ach nein / Und dencken wol kuͤnftig verlobte zu ſeyn.

(Roſette geht aus der reyh)
Chor.

So wollen wir freundlich die haͤnde verbinden Und hin und her ſpatzieren gehn. Wir ſuchen die liebſten und wollen ſie findenWer446Der betruͤbten u. getroͤſteten GalatheeWer nichts bekoͤmmt mag ſchertz verſtehn.

Roſ.

Sagt mir doch mit einem worte / Wo der dienſt mir kan geſchehn / Habt ihr nicht an dieſem orte Meinen liebſten ſchatz geſehn.

Chor.

Nein / ach nein ach warlich nein / Nein ſie wird betrogen ſeyn.

Roſ.

Jſt mein ſchatz nicht da geweſen / Nun ſo[wil aus] dieſer zahl Jch ein liebgen auserleſen / Billigt nur die ſuͤſſe wahl.

Chor.

Nein / ach nein ach warlich nein / Nein / ſie wird betrogen ſeyn.

Roſ.

Zwar zum minſten will ich hoffen Wenn die liebe gantz vergeht / Daß mir noch ein augenblick offen Oder nicht verſchloſſen ſteht.

Chor.

Nein / ach nein ach warlich nein / Nein / ſie wird betrogen ſeyn.

Roſ.

So betruͤgt mich auff den ſchein / Doch was ſoll die loſung ſeyn?

Chor.

Ach nein.

Roſ.

So hab ich mein fuͤßgen vertreten?

Chor.

Ach nein.

Roſ.

Und hab ich vergebens gebeten?

Chor.

Ach nein.

Roſ.

Der himmel gedenckt mich zu ſtraffen /

Chor.

Ach nein.

Roſ.

Und zwingt mich / alleine zu ſchlaffen /

Chor.

Ach nein.

Chor.

So werden wir ſaͤmtlich am beſten geſchieden. Und geben uns alle von hertzen zufrieden /Wir447Dritte Handlung.Wir ſchuͤtteln die koͤpffe / wir ſagen ach nein / Und dencken wol kuͤnfftig verlobte zuſeyn.

(Acis geht aus der reyhe.)
Chor.

So wollen wir froͤlich die haͤnde verbinden Und hin und her ſpatziren gehn / Wir ſuchen die liebſten und wollen ſie finden / Wer nichts bekoͤmmt / mag ſchertz verſtehn.

Acis.

Liebſten freunde ſeyd gegruͤſſet / Jch beſchwer euch nach der reih / Sagt mir doch ſo viel ihr wiſſet / Gieng mein liebgen hier vorbey?

Chor.

Ja doch / ja doch warlich ja / Ja ſie war noch neulich da.

Acis.

Wolte ſie von mir entweichen / Oder blieb ſie auff der bahn / Daß ich ihren lauff erreichen Und ihr haupt umfaſſen kan.

Chor.

Ja doch / ja doch warlich ja / Ja ſie blieb dir ziemlich nah.

Acis.

Nun ſo darff ich mich erkuͤhnen / Und dieweil ihr alles wiſſt / Euer nachricht mich bedienen / Biß mein kind gefunden iſt.

Chor.

Ja doch / ja doch warlich ja / Ja ſie geht dir ziemlich nah.

Ac.

Doch was iſt die loſung da / Gebt ſie mir / damit holla.

Chor.

Ach ja.

Ac.

So werd ich mein liebgen umfangen?

Chor.

Ach ja.

Ac.

Mit ihrem geneigten verlangen?

Chor.

Ach ja.

Acis -448Der betruͤbten u. getroͤſteten Galathee
Ac.

Mit tauſend erfreulichen kuͤſſen /

Chor.

Ach ja.

Ac.

Und werde mein leben verſuͤſſen.

Chor.

Ach ja.

Chor.

So werden die fꝛeundlichen hertzen verbunden Jn dem ſie einander belieblich gefunden / Wir freuen uns ſaͤmptlich und wuͤnſchen allda Ein ewiges wollen ein ſtetes ach ja.

Gal.

Des ſpringens wird zu viel / beliebts der compa - So ſol die alte frau ein neues liedgen ſingen / (gnie Wer weiß ob ſie Nicht was poſſierliches wird auff die bahne bringen.

Ac.

Wolan ſo laßt euch hoͤren / Der jungen braut zu ehren Jhr ſollt von unſern knaben Ein gutes trinckgeld haben.

Mop.

So ſperrt die ohren auf und macht die maͤuler Dieweil ich ſingen ſol damit ichs gerne thu. (zu /

(Er ſteht auf und geht erſtlich gantz ſachte.)

Jſt das nicht eine ſchoͤne braut Jhr liebſter der iſt ſchlau / Weil er ſich hat mit ihr vertraut So macht er ſie zur frau. Vorm jahre war ſie treflich jung Und trug noch kinderſchuh / Doch heuer iſt ſie klug genung Und greift wol ſelber zu / Vorm jahre war ſie noch geſchlang Und hielt vom krantze viel / Doch heuer ſpricht ſie groſſen danck Wenn man ſie hauben wil: Vorm jahre war kein menſchenkindJn449Dritte Handlung.Jn ihrer compagnie /

(Hier vergiſt er allſachte daß er eine alte frau bedeuten ſol / und macht heftige ſpruͤnge)

Doch heuer heiſts wo die nicht ſind Verlohnt ſichs nicht der muͤh.

Langſam.

Vorm jahre wenn ein buͤfgen kam So ward ſie feuerroth.

Geſchwind.

Doch heuer hats mit ihrer ſcham Warhaftig keine noth.

Langſ.

Vorm jahre wars ihr uͤberdruß Wer ihr ein maͤulgen gab.

Geſchw.

Doch heuer ſtihlt ſie manchen kuß Dem liebſten ſelber ab.

Langſ.

Vorm jahre konte ſie erbar thun Und ſchwieg den gantzen tag /

Geſchw.

Doch heuer lacht ſie weil ſie nun Auch garſtig reden mag.

Am.

Was macht das weib vor krumme ſpruͤnge Wenn ſie auff alten fuͤſſen gienge / Sie wuͤrde ſich viel anders huͤten:

Jph.

Es wuͤrde ſich wohl ſelbſt verbieten / Mein freund was meineſtu Geht diß auch unrecht zu.

Am.

Komm fort Das alte wetter aufgedeckt / Wer weiß was in den kittel ſteckt.

(Sie fallen uͤber ihn und ziehen das weiber - kleid aus.)
Mop.

Nun ſetzt es wieder neue ſtoͤße / Da ſteht mein narr in lebens-groͤße.

Am.

Haſtu den himmels-lauff noch nicht begriffen / Und haben wir den rump nicht gnung geſchliffen /F fDu450Der betruͤbten u. getroͤſteten GalatheeDu meinſt fuͤrwar / Wir haben niehts zu thun / als daß wir einen knollen Und bengel / der du biſt / die ſcharte ſtriegeln ſollen.

Mop.

Jhr moͤgt mich ſieden oder braten / Das ding war gut gemeint und iſt mir nicht gerathen.

Jph.

Du klotz da ſtehſt du nun als eine laſt der erde / Nim dich in acht daß ich nicht boͤſe werde / Die hunde ſollen ſonſt vor meinen augen / Das blut aus deinen ſchelmſchen adern ſaugen.

Mopſ.

Jch will mich immerhin darzu beqvemen / Jhr koͤnt mirs leben doch nicht zweymahl nehmen.

Ac.

Der tag iſt mir zu lieb / Als daß ein ſolcher zwecken-dieb Die ſchoͤne luſt verderben ſoll. Drum liebſte Galathee nehmt den gefangnen an / Und weil er euch das groͤſte leid gethan / So moͤcht ihr auch das urtheil ſprechen / Worinnen ihr den ſchimpff begehrt zu raͤchen / Daſſelbige Gefaͤllet mir und allen wohl.

Gal.

Mir iſt am beſten bey der ſache / Wenn ich ein kurtzes urtheil mache: Geht fort und bindet ihn an einen wilden baum / Daß er ſich kaum Bewegen und erholen kan: Und habt ihr diß gethan / So mag er gleich Den erſten / andern / dritten tag verderben Und mit den woͤlffen leben oder ſterben. (nach /

Ac.

Wollt ihr den ſchluß vollziehn / ſo kommet bald heꝛ - Jch fuͤhre meinen troſt biß in mein ſchlaff-gemach.

(Acis und die Schaͤferinnen gehn ab.)
Am.451Vierdte Handlung.
Am.

Beliebt den Herꝛn zu ſpatzieren / Sonſt laſſen wir ihn fuͤhren.

Mopſ.

Nein groſſen danck / ſie bleiben nur zuruͤcke / Jch weiß die wege ſchon / Was haben ſie davon / Jch muß darnach nur hoͤflich leben Und ihnen das geleite wieder geben / Jch bitte trefflich ſchoͤn / Sie wollen doch zuruͤcke gehn.

Jph.

Geh fort du ungeſchliffnes ſtuͤcke.

Vierdte Handlung.

(Mopſus an einen baum gebunden.)
Was ſoll ich thun / da hab ich nun
Die gantze nacht umſonſt gewacht /
Und weiß noch nicht wie mir geſchicht /
Ob mir der tod in meiner noth
Fein ſanfft und ſtill
Ein gnaͤdigs ende machen will.
Bald koͤmmt ein baͤr und ſchleicht ſich her /
Bald koͤmmt ein luchs und bald ein fuchs /
Bald koͤmmt ein haſ und ſucht ſein graß
Um meine ſchuh / bald koͤmmt darzu
Ein wildes ſchwein
Und zwickt mich an das lincke bein.
Ach weh / ach weh / ich ſteh und ſteh /
Und kan nicht fort / ob mir der ort
Jn dieſem zelt gleich nicht gefaͤllt:
Ach tod komm bald und thu gewalt /
Sonſt kriech ich noch
Vor aͤngſten in ein maͤuſeloch.
F f 2Pol. 452Der betruͤbten u. getroͤſteten Galathee
Pol.

Was vor ein ſchoͤnes morgen-lied Hoͤr ich in dieſen puͤſchen / Huy daß ein ſclave kommen iſt Der |ſich mit ſtiller hinterliſt Um meine Galathee bemuͤht / Vielleicht werd ich ihm bald den ſchnabel wiſchen.

Mopſ.

Ach Herꝛ ich bin es ſelber / Darum erbarmt euch mein / Was ſoll ich wie die jungen kaͤlber Den gantzen tag gebunden ſeyn.

Pol.

Hilff himmel / erd und hoͤlle / Sag an / was machſtu hier? Denn haſtu meinen frommen Nicht wohl in acht genommen / So nehm ich dir Das ſchnoͤde leben auff der ſtelle.

Mop.

Jch hatte mich verſtellt und war ein alte frau / Da kam ein Schaͤfer-knecht der that wie eine ſau / Und wolte / ich ſchmollte / Er grief / ich lief / Er ſchmatzte / ich kratzte / Er riß / ich biß / Er druckte / ich zuckte / Er ehrte mich / ich wehrte mich / Er zerte mich / ich ſperrte mich / Da trug er mich / da ſchlug er mich / Da war kein ziel Biß mir der beltz vom leibe fiel: Jch ſtund zwar immer auf dem ſprunge Und dachte wie des goldſchmieds junge / Doch alle knechte kannten mich Und ſchrieen jaͤmmerlichFaß453Vierdte Handlung.Faß an / faß an / Sein herr der baͤrenheuter Der dieb der mauſekopff / der ſchieꝛt uns immer weiter / Drum laſt auch ſehn ob der auch ſolche kuͤnſte kan. Nun letzlich haben ſie das ſchoͤne recht erfunden. Und mich an dieſen baum gebunden.

Pol.

Bindt ihn loß: So muß ich wider meinen willen Die flamme meines zorns an ſolchen ſtaube ſtillen / Der ſchluß iſt da / ſie muͤſſen ſterben / Jch wil das gantze land mit ihrem blute faͤrben / Jch wil den wald zerſplittern Daß dieſer felß erzittern Und bloß durch meinen groll Jn tauſend ſtuͤcke ſpringen ſoll / Jch wil ſechstauſend loͤwen ſtechen Und ihnen das genicke brechen / Und wil hernach aus einen jeden Ein dutzent donnerkeile ſchmieden / Jch ſuche blut ich fodre rache / Weh dir du ſchwaches volck mit deiner ſchnoͤden ſache.

(Geht ab.)
Mopſ.

Jch moͤchte mein leben nur immer verkauffen / Dem Herꝛn iſt mein creutz mein blut Ein hoͤpperling uͤber die leber gelauffen / D er ſo gar erſchrecklich thut. Jch dencke die voͤgel die werden es kriegen / Doch haͤtten ſie mir nichts gethan / So duͤrfft ich dieſelben nicht wieder beluͤgen / Jndeſſen bleib ich wo ich kan.

(geht ab.)
F f 3Der454Der betruͤbten u. getroͤſteten Galathee
Der ſchau-platz praͤſentirt einen fluß / auf dem - ſelben erſcheinen zwey Waſſer-Goͤtter.
Nereus / Doris.

Was fehlet unſrer macht / was mangelt unſrer freude / Nachdem die werthe Galathee / Die frucht von unſer eh / Der hauptzweck unſrer luſt / Jn ihrer keuſchen bruſt / Durch des geluͤckes rath / Mit Acis ſich vermaͤhlet hat / Der himmel geb es zu / daß itzund alle beyde Sich neben unſer ufer legen Und ihrer ſuͤſſen liebe pflegen.

(ſie verſchwinden)
Acis / Galathee.
Ac.

Mein kind was wollen wir uns in der luſt verſaͤu - Befoͤrdre deinen lauff / (men / Wir halten nur die eltern auff / Als welche ſehnlich ſtehn und hinter ihren baͤumen / Den troſt im geiſte ſehn / Mit was vor minen und geberden Wir unſre freude buͤſſen werden.

Gal.

Ach freylich ſoll mir diß die groͤſte freude ſeyn / Wir werden unſre flammen fuͤhlen / Und ein verliebter wiederſchein Wird aus des vatern ufer ſpielen: Ach komm und zahle mir und jenen ihre ſchuld / Jch brenne faſt vor ungedult.

Ac.

Wir haben auch bißher die liebe ſchlecht genoſſen / Denn um das hochzeit-feſt Jſt uns der ſtille reſt Der zeit und der gewalt faſt in der hand zerfloſſen.

Gal.

Nun die gaͤſte ſind geſchieden /Wir455Vierdte Handlung.Wir ſpatziren gantz allein / Und wir koͤnnen hier mit frieden Lieben und geliebet ſeyn / Alſo ſpiele mit dem kuͤſſen / Weil der tag noch heiter iſt / D die werthen eltern wiſſen / Was ich bin und was du biſt.

Ac.

Mein kind /

Gal.

Mein honigſeim.

Ac.

Mein engel /

Gal.

Meine ſonne.

Ac.

Mein ſchatz /

Gal.

Mein augentroſt.

Ac.

Mein ſeelgen /

Gal.

Meine wonne.

Ac.

Mein hertz /

Gal.

Mein eigenthum.

Ac.

Mein troſt /

Gal.

Mein auffenthalt.

Ac.

Mein leben /

Gal.

Meine luſt.

Ac.

Ach komm /

Gal.

Jch komme bald.

(Sie ſetzen ſich.)
Ac.

Jch bins /

Gal.

Jch bin es auch.

Ac.

Dein wunſch

Gal.

Und dein verlangen.

Ac.

Jch wil /

Gal.

Jch wil /

Ac.

dich

Gal.

dich

Ac.

Bald anſehn /

Gal.

Bald umbfangen.

Ac.

Jtzt kuͤß ich dir die hand

Gal.

Dadurch ich mich verſprach /

Ac.

Jtzt druͤck ich deinen mund /

Gal.

Jch thu dir alles nach.

Gal.

Verliebtes /

Ac.

Freundliches /

Gal.

Erwuͤnſchtes /

Ac.

Wollenweiches /

Gal.

Entzuͤcktes /

Ac.

Ehrliches /

Gal.

Vertrautes /

Ac.

Freudenreiches /

Gal.

Vergnuͤgtes

Ac.

Wehrtes kind:

Gal.

So biſtu ewig mein /

Ac.

Und ich bin ewig dein:

(Gal. und Ac. zuſammen.)

Diß ſol die probe ſeyn.

F f 4(Hier456Der betruͤbten u. getroͤſteten Galathee
(Hier wird ſachte muſicirt / inzwiſchen ſitzen beyde beyſammen und exerciren ſich in veꝛlieb - ten minen.)
Gal.

Zartes Echo laß dich hoͤren Weil du berg und klippen liebſt / Und den hirten offt zu ehren Wiederred und antwort giebſt / Dringet dieſer liebes-ſchein Zu der ewigkeit hinein /

Echo

nein.

Aber wenn ich hier verbleibe Was verhindert meine liebe.

Echo

Liebe.

Liebe thut mir nicht gewalt Aber doch geſchicht es bald.

Echo

bald.

Und verliehr ich ſolches falles Freude / friede / troſt und alles.

Echo

alles.

Acis bleibet meines liechts Luſt und liecht / ſo fehlt mir nichts.

Echo

nichts.

Wie / ſoll Acis auch verderben? Soll er leben oder ſterben?

Echo

ſterben.

Nein / er giebet nichts darauff / Und vermehrt den lebens-lauff.

Echo

lauff.

Doch was treffen mich vor pfeile Wenn ich mich allhier verweile.

Echo

eile.

Weg mit deinem ungemach / Du betreugſt mich tauſendfach.

Echo

ach!

(Polyphemus koͤmmt.)

Soll ich noch immerfort blitz / donner / hagel fluchen / Und das geringe volck zu meiner rache ſuchen? Jch ſchwere bey der klufft / bey eiſen / ſtein und ſtahl / Wer mir begegnen wird / ſiht mich das letzte mahl.

Gal.

Ach vater / ach mutter / ich werde gefangen!

(Nere -457Vierdte Handlung.
(Nereus und Doris kommen unter dem waſ - ſer herfuͤr.)

Ach tochter komm eiligſt und nimm dich in acht / Wer wolte dich unter dem waſſer erlangen.

Gal.
(wird in den fluß gezogen.)

Mein Acis inzwiſchen entweiche der macht.

Acis.

Wo bin ich / wo bleib ich / wo laß ich mein leben / Wem ſoll ich / wem kan ich mich ſicher ergeben? Jch lauffe / was lauff ich / ich fliehe / wohin? Dieweil ich doch nirgend in ſicherheit bin.

Pol.

Du nichtige beſtie ſoll ich dich finden / Du muſt mir entweder vorn augen verſchwinden: Oder ich muͤſte die kraͤffte verlieren / Sonſten ſoll niemand dich weiter entfuͤhren.

(Er laͤufft ihm nach / er eilt auf einer ſeiten hinein / auf der andern wieder heraus.)
Pol.

Halt ſteh!

Acis.

Ach weh!

Pol.

Jch ſage ſteh!

Acis.

Jch klage weh!

(Polyphemus bricht ein ſtuͤcke von dẽ felſen ab und wirfft ſolches mit aller macht auff den Acis zu / daß er gantz damit bedeckt wird.)
Pol.

So will ich dem ſchwachen gefindigen Ein gleiches gerichte verkuͤndigen / Denn ihre veraͤchtliche nichtigkeit / Jſt ſchwerlich von einiger wichtigkeit. Ach lernet ihr armen verderblichen / Jhr ſchwache gebrechliche ſterblichen Euch beſſer ins kuͤnfftige bendigen / Sonſt muͤſt ihr das leben auch endigen.

(geht ab)
F f 5Fuͤnff -458Der betruͤbten u. getroͤſteten Galathee

Fuͤnffte Handlung.

Gal.

Jhr ſterblichen / wie gluͤckſelig ſeyd ihr doch / Jhr koͤnnet ſterben / So muß auch euer noth verderben: Uns Nymfen druͤckt das ewig harte joch / So fern wir einmahl fallen. Ach Acis laß dein blut An dieſem ſteine wallen / Weil dir kein feind mehr ſchaden thut. O wohl dir / daß du ſterben kanſt! Die arme Galathee Empfindet ewig weh / Denn ſterben kan ſie nicht / und gleichwol iſt der reſt Des lebens alſo ſchwer / Daß man ſie nicht zum troſte kommen laͤſſt. Kommt ihr ſchaͤfer kommt heran / Schaut mein todtes leben an / Schaut was ſich mit mir begiebt / Jch bin in den todt verliebt / Denn mein Acis iſt nun todt / Meine luſt und meine noth.

(Telemus koͤmmt.)
Tel.

Was machſtu doch du krone dieſer fluͤſſe? Hat dieſer ſtrom nicht ſeine waſſer-guͤſſe / Daß deine thraͤnen flut / Mehr waſſer nun zum waſſer thut / Halt ein der himmel iſt bereit / Und lindert deine traurigkeit /

Gal.

Mein gantzes thun iſt weinen: Wer diß verbeut / der heiſt mich muͤßig gehn.

Tel.

Dein gluͤcke wil erſcheinen:Drum459Fuͤnffte Handlung.Drum kanſtu nicht demſelben wiederſtehn.

Gal.

Jch weiß von keinem gluͤcke Das mir den troſt und hofnung geben kan.

Tel.

Dein ſchmertzen weicht zuruͤcke / Schau nur getroſt des himmels ſegen an.

Gal.

Sol Acis wieder leben? Sonſt ſtirbt das leid in meinem heꝛtzen nicht.

Tel.

Jch weiß dir rath zu geben Sieh nur auff mich / und hoͤre den bericht

Gal.

Ach Acis meine ſeele! Du biſt dahin / du bleibſt wohl ewig todt.

Tel.

Jch ſchwere bey der hoͤle Des Acherons / es hat nun keine noth. Dein Acis lieget hier durch dieſen ſtein bedeckt: Doch hat dein hertzeleid des gluͤckes-macht erweckt / D du noch manche luſt der liebe ſolſt genieſſen. Schau her / es ſol ein brunn aus ſeinem leibe flieſſen Der Acis ſelber ſeyn / und Acis helffen ſol / Diß iſt des himmels wort / und alſo lebe wohl.

(Telemus geht ab / auß dem ſtein damit Acis bedeckt worden / entſpringt ein brunn / die hir - ten und Nymfen kommen / und tantzen um den brunn.)

Addita hîc fuit Oda inter ſaltandum canenda: Sed certas ob cauſas omittitur, Scilicet in ultimâ hac cantilenâ reſpici - endum eſt ad occaſionem, cur ejuſmodi Ludus exhibea - tur? Et inde, ſi Nuptiæ ſint. Vota ferenda novis Sponſis: Si alia feſtivitas, ejus quoque honorifica facienda mentio.

Die460

Die beſchuͤtzte Unſchuld / Luſt-Spiel.

Perſonen.

  • 1. Hercules / Hertzog zu Firrar.
  • 2. Camillo / geheimer Cammer-Juncker.
  • 3. Flavio / Ober-Hofmeiſter.
  • 4. Borgia / Hoſ-Juncker.
  • 5. Poncinello / des Camillo Diener.
  • 6. Leonore / des Camillo Liebſte.
  • 7. Sophie / ihr Cammer-Maͤdgen.
  • 8. Caͤcillie / des Borgia Cammer-Maͤdgen.
  • 9. Baſtardo / ein Bandit.
  • 10. Diego / ein alter Bote.
  • 11. Filippo / des Flavio Cammerdiener /
  • 12. Simplicio / des Camillo Cammerdiener.
  • 13. Gyraldo / des Hertzogs Leib-page.
  • 14. Claudio / der Wachtmeiſter mit ſeinen andern Haͤſchern und den Scharffrichter.

Jm Zwiſchen-Spiel.

    • 1. Strephon
    • 2. Amyntas
    • Zwey Schaͤffer.

  • 3. Ein Engel in den Wolcken.
    • 4. Heraclitus
    • 5. Democritus
    • Zwey alte Philoſophi.

  • 6. Mercurius.
    • 7. Nickel
    • 8. Hanß
    • Zwey Bauren.

  • 9. Die Warheit.
    • 10. Alecto
    • 11. Thiſiphone
    • Zwey Furien.

  • 12. Venus / mit zwey Amouretien.
Geneig -461

Geneigter Leſer.

DJeſes luſt-ſpiel iſt ſo abgefaſſet / daß man es auch an orten praͤſentiren kan / wo keine ſonderliche machinen / auch kein uͤbrig koſtbahr theatrum zu finden iſt. Es hat auch gantz kurtze handlungen / alſo daß in wenig ſtunden alles kan verbracht werden. Jnzwiſchen weil etliche leute gerne commoͤdien ſehen / die fein lang ſind / uͤber diß bey der heu - tigen welt nichts mehr aͤſtimiret wird / als wo vielfaͤltige auffzuͤge und veraͤnderungen mit unterlauffen. Als habe ich etwas beygefuͤget / daß man ſo wol auſſen laſſen / als auch entweder halb oder gantz mit nehmen kan. Ein ieder kunſt - verſtaͤndiger wird ſeiner beywohnenden geſchickligkeit nach / alles fuͤglich anzubringen / oder auch zu aͤndern wiſſen. Jm uͤbrigen ſolte dieſe invention beliebt werden / wuͤrde ich deſto mehr gelegenheit haben / andere dergleichen ſachen auß den alten brieffen hervor zu ſuchen / und guten freunden zn communiciren. Lebe wohl.

Nach der erſten handlung / wenn Poncinel - lo abgehet / ſo tritt Strephon ein ſchaͤfer auff und ſinget folgendes:
JCh lobe die tugend / und haſſe das gluͤcke:
Dieweil die tugend bloß
Jn frommen hertzen wohnt /
Das gluͤck hingegen auch
Die boͤſen wohl belohnt.
Die tugend ſtehet feſt: das gluͤck iſt wie ein rauch
Der in der lufft vergeht;
Drum ſelig iſt der mann /
Welcher auff der tugend ſteht /
Und in der warheit ſprechen kan:
Jch462
Jch lobe die tugend und haſſe das gluͤcke.
Amyntas ein ander Schaͤfer koͤmmt ihm ent - gegen und ſingt dieſes:
Jch lobe das gluͤcke / was nutzet die tugend?
Dieweil das gluͤcke ſtets
Mit ſuͤſſer freude lacht;
Die tugend aber nicht
Viel gute tage macht.
Das gluͤcke macht mich groß; die tugend iſt ein licht
Das wenig glantz ertheilt;
Drum ſelig iſt der mann /
Der das gute gluͤck ereilt
Und in warheit ſprechen kan:
Jch lobe das gluͤck / was nutzet die tugend?
(Sie treten zuſammen.)
St.

Amyntas ſchaͤmſtu dich vor dieſen reden nicht?

Am.

Nein / weil die warheit ſelbſt auf meine ſeite ſpricht.

St.

So ſol die tugend nicht wie vormahls triumphiren?

Am.

Das gluͤcke ſol vielmehr den krantz im ſiege fuͤhren?

St.

Die tugend bleibet ſtehn / wenn auch der himmel faͤllt.

Am.

Der himmel bleibet wohl das gluͤcke ziert die welt.

St.

Das gluͤcke laͤſſt ſich leicht von ihrem diener ſpalten.

Am.

Wer kluͤglich leben will der kan es leicht erhalten.

St.

Was auf der kugel ſitzt / das eilet und vergeht:

Am.

Vor dem der ſeinen Nutz im leben nicht verſteht.

St.

Wo kanſtu ſicher ſeyn? wer giebt dir brief und ſiegel:

Am.

Das gluͤcke fleugt davon / und leiht mir ſeine fluͤgel.

St.

Wenn aber carus ſich nicht mehr regieren kan;

Am.

So klag er alſo denn ſein eigne thorheit an.

St.

Pompejus hatte ſich dem gluͤcke ſchoͤn ergeben!

Am.

So ſchoͤn als Socrates bey tugend kunte leben.

St.

Doch wird der Socrates von allen hochgeſchaͤtzt?

Am.

Wird denn Pompejus nicht den heiden beygeſetzt?

St.

Wie lachte Socrates auch mitten im verderben.

Am.

Geſetzt wir leben wohl wer acht es wie wir ſterben:

St. So463
St.

So iſt der kluge menſch nicht beſſer als ein thier.

Am.

Das folget nicht darauß: das gluͤcke zeucht uns fuͤr.

St.

Ein unvernuͤnfftig thier begehrt auch wol zu leben

Am.

Doch weiß es die manier der ſache nicht zu geben.

St.

Camillo wird nunmehr der tugend zeuge ſeyn.

Am.

Mich duͤncket Borgia trifft etwas kluͤger ein.

St.

Es ſey darauff gewagt / wir beyde wollen wetten.

Am.

Camillo ſol dich nicht von meiner ſchuld erretten.

(Strephon geht ab)
Am.

Es iſt nur eitelkeit / wer gar zu ehrlich iſt. Wer auf das gluͤcke ſieht / Und alles was geſchieht Zu ſeinem nutzen kehrt / Der hat was er begehrt / Die tugend wil ich jenen gerne goͤnnen / Die ſich vielleicht Nicht in das gluͤcke finden koͤnnen. Mich duͤnckt wenn ſie die wege wuͤſten / Wie ſie das gluͤcke ſuchen muͤſten / Sie wuͤrden ſich gar bald darzu verſtehn / Und aller froͤmmigkeit mit freuden muͤſſig gehn.

(Ein engel zeiget ſich in wolckẽ und ſinget diß)

Du weltkind ſchaͤme dich den geifer auszuſchuͤtten / Davor der himmel ſelbſt erſchrickt: Du haſt die tugend zwar beſtritten / Doch niemand hat dir ſchon den ſieges krantz geſchickt / Die tugend lebt: die ſterne ſind ihr hauß / Da theilen ſie den ſegen aus. Gott ſelbſt hat ſie gezeugt: Darumb wer ihren ruhm verſchweigt Muß ſeinen ſchoͤpffer ſelbſt verachten; Doch geh du welt-kind geh / Du wirſt des gluͤckes weh /So464So wenig als du meinſt mit ſpaͤter reu betrachten.

(Die Scena faͤllt geſchwind zu.)
Nach der andern handlung wenn Poncinello abgeht ſo tretten zwey alte Philoſophi in langen roͤcken und grauen baͤrten auff / einer lacht / der andre weint.
Democr.

Jhr narren die ihr euch verliebt / Was meint ihr wohl vor luſt zu finden? Jhr laſſet euch mit ſehnden augen binden / Und lernet dienſtbar ſeyn. Jhr kennt die liebe nicht / und ihre letzte frucht / Die ſie zu koſten giebt. Sie bringet keine luſt ſie bringt die eiferſucht.

Heracl.

Wo nehm ich waſſer gnung den jammer zu (beweinen? Die freude ſelbſt wird uns zu lauter traurigkeit / Es darff kein neuer ſchmertz erſcheinen / Wir fuͤhlen ach und weh in der zufriedenheit. Was ſcheint ſo niedlich als das leben? Und gleichwohl geht ein ſinn Jn ſeiner einfalt hin / Und wenn er lachen wil ſo muß er ſich betruͤben.

Democr.

Jſt niemand da? wer hilfft mir lachen? Das heiſt die hoͤchſte ſeeligkeit Daruͤber ſich die welt erfreut / Wenn ſie nur was geneuſt von eitlen liebes-ſachen. Die lieb und ihre ſchmeicheley Beſteht nur in der fantaſey. Wie mancher iſt wie pech und ſchweffel angebrannt / Und gleichwohl wenn er diß beſieht / Warum er iſt bemuͤht / So hat er wol was anders in der hand.

Heracl.465
Heracl.

Wie ſeyd ihr doch der einfalt gauckelſpiel / Habt ihr ein quintgen freude / So iſt es trefflich viel / Hingegen habt ihr mehr Als einen centner von dem leide. Jhr rennt in einen ſchmertz hinein. Wie ſeelig koͤnnt ihr heiſſen / Ach wolt ihr euch der freyheit nur befleiſſen. So muͤſſet ihr wit willen traurig ſeyn.

Democr.

Jch ſehe manchen narren gehen / Der liebt und weiß doch nicht warum: Er kan ſich muͤde ſtehen / Er wird vom wachen matt und thumm: Doch wenn er ſoll bekennen / Was er im willens hat / So weiß ers ſelbſten nicht zunennen: Geſetzt er nennt es auch: ſo iſt es e ne that / Die niemahls recht beſteht / Und eher als ſie koͤmmt verſchwindet und vergeht.

Heracl.

Das waſſer ſpielet mit den blaſen: Du biſt des waſſers ebenbild / Du wirſt mit lauter lufft erfuͤllt / Und kanſt nach eitlen dingen raſen / Ach jammer! ach du armes thier / Dein leben koͤmmt mir faſt nicht anders fuͤr Als wie ein traum der uns betreugt / Und lauter falſche ſchatten zeigt. Es waͤre deinen thaten Vermuthlich wohl zu rathen / Und alles waͤre gut beſtellt / Ach liebe nur die liebe von der welt!

G gMercu -466
Mercurius zeigt ſich unverſehens.

Jhr grillenfaͤnger ihr / was hilfft das ſpinteſiren? Wer in der eitelkeit das leben denckt zu fuͤhren / Der gebe ſich darein / Es muß von eitelkeit was untermenget ſeyn. Jhr ſeht nur auff das boͤſe / Daruͤber lacht und weinet ihr: Nehmt auch das gute fuͤr / So werdet ihr euch ſelbſt beweinen und belachen / Camillo ſol den ausſchlag machen / Ob ſeine flamme nicht das ſchoͤnſte gluͤcke giebt? Wer ſo den mißbrauch meiden kan / Der iſt ſehr wohl daran / Und hat ſehr klug geliebt.

(Die Scena geht zu.)
Nach der dritten handlung wenn Leonore abgehet tretten zwey bauren an unterſchie - denen orten auf / und ſingen oder reden fol - gendes. NB. Jch habe hier auff die Schleſi - er Mund-Art geſehn / ſo viel ich mich derſel - ben von dreyzehn jahren her beſinnen kan. Drum habe ich dem Meißniſchen leſer zuge - fallen etliche dunckele woͤrter erklaͤret.
Hanß.

Jenee jenee / du naͤrrſcha waͤlt / Es oͤß wuul thomm mit deer beſtaaͤlt / Jch maͤchte mich zer pfarde-kuttal wungarn De frimmigkeit oͤß lange tuud / De ſchelma waͤrda ſu gemeene / Waͤr frumm oͤß daͤr hat gruuſe nuth / On oͤß a narr alleene / De guude gruuße-mutter hoit / Viel johra har devoin geſoit:Es467Es giht och nerne (nirgend) naͤrrſcher zu dar loͤdga (leidigen) waͤlt.

Nickel.

Je nobber Hanß / waas hatt er (habt ihr) ſu ze brumma. Eer hatt mer haich (ihr habt mir halte ich) a boͤßel karſch (brandewein) ofd arma ſiel genumma.

Hanß.

Jaaͤa glaech der ſaiche (derſelbe) warſch / Der karſch vergiht enn wuul Jch haa mich ſu erbraͤmſt / ich bin verbuuſt (boßheit) gantz vuul (truncken)

Nickel.

Wer hot ich was gethoin?

Hanß.

Jch waͤlda feine froin?

Nickel.

De froga ſtiht ju frey.

Hanß.

Je ſaht er nech de gruußa ſchelmerey / Die aͤtzt an ſchwanga giht? Waͤr braͤve liega kain der ſaiche main beſtiht De wohrt (warheit) oͤß nech mih (iſt nicht mehr) of der arda / Jch haale wenns nech beſſer woͤrdt / Se muß ich indefort (immerfort) zum ſchelma waͤrda /

Nickel.

Er muͤſt es aͤba (eben) woͤßa / Waͤr hot ich daß ofs maul geſchoͤßa? Das luuſe volck kain wuul met onder loffa / Dach ſeyn noͤch alle ſu / De frumma de gehira nech derzu. Es koͤmmt mer foͤr wie ban (bey den) ſchoffa / De oͤß manch reudig raben ooß.

Hanß.

De boͤſt a ſchinner narr / de hoſt a quarck erro - Waͤr noͤch a reudig ſchoff mit oͤß / (tha / Mit daͤm loͤffts of a ſchoͤß / Und daͤr woͤrdt noͤch veel jonga huͤhn all brota.

Nickel.

Es waͤhrt ack (nur) noͤch gar langeG g 2Ma468Ma kain de lugner baale fanga / Jch lobe dach de wohrt.

Hanß.

Jch ſchoͤß der of de wohrt / Ond wenn ich tauſend johr de wort zer frihne (froͤhne) redte /

Nickel.

Ond ſuͤſt (ſonſt) kee gaͤld am battel (beutel) Se woͤrd ich dach kee grofe. (haͤtte /

Nickel.

Ond wenn de tauſend johr an gruußen han - Ond alle walt betreugſt / (del leugſt / Se quaͤm (kaͤm) ich doͤr dach noͤch ze hofe.

Hanß.

Jch haa ack noͤch raicht ausgelaͤrnt. Wen ichs ſu guut oͤnſa joncker kaͤndt / Mei ſiel wenn haͤ wais erdenckt. Und ſeina fratza of de bahna brengt / Si biega flugs de bohla (balcken) ond de waͤnde.

Nickel.

D waͤga hot ha nech ſei edelgutt / Du magſt wul aͤrger liega / Se bleibſte dach aͤn armer funfzahutt / Ond kriegſt noͤch eene ziega.

Hanß.

Jaͤaa / uͤnſe ſchreiber kan es ooch / Ja leugt daß emm de oga (augen) ubergihn Ond waͤrs nech wil verſtihn / Daͤr muß zum element looch. Ha oͤßa armes koͤnd gewaͤaſt De wohrt die haͤtts en noͤch gethon / Do hot en niſcht devon / De liega hoͤlfft ehmei das naͤaſt.

Nickel.

Wu oͤß der aala ſchreiber henn / Jch haal / er hot ſich ſchuun An enner ſeeler-praͤtzel tuud gefraßa / Waͤr weeß was oͤnſe hura-ſuhn Noch voͤr a ende noͤmt? Der469Der joncker werds ehm noͤch vergaſſa / Wen ack der taͤag of klee Mertine koͤmmt.

Hanß.

Wer ſchoͤrt ſich oͤmm a tag? Er hot dach etz ſu viel ha maͤag. Dernoch ſe leugt ſich oͤß zum andern / Ond hot ha gald genung / ſe kain ha laͤchtlich wandern /

Nickel.

Wenn ack der galga noͤch noch ſenner kaͤhle ſchnappt.

Ha.

Ha oͤß a kluger koop / ha werd noͤch flugs ertappt.

Nick.

Wuu laͤſten aͤder (wo laſt man aber) ſei gewoͤßa

Hanß.

Gewoͤſſa hie gewoͤſſa haar (gewiſſen) Jch lob an fetta boͤſſa.

Nickel.

Se gieht ack gleiſemaͤhr (gleich ſo wol) Daͤn tueufeln an de racha Daͤr woͤrd ich wull de fetta boͤſſa kacha. (kochen)

Hanß.

Jaͤaa doͤr aͤn haͤaͤtſchen draͤaͤck. Welſtu em pfarr hamprich (handwerck) falla Se waͤr ich noͤch de lenge mit der ſtalla / Soͤß heut ohn daͤm kee feyertaͤag

Nickel.

Se gieh ack immer hie / De wohrt beſtieht dach ih (eher) De luͤga oͤß as wie a ſchnie / Daͤr leit am woͤnter of der arda / Ond wenn de ſonn a biſſel ſtoͤcht / Se muß a flugs ze draͤcka waͤrda.

Hanß.

Du jeaͤſel halt de fraͤſſa / Waͤr of de luͤga ſchmahlt daͤr ſchimpta joncker ooch / Woͤſt och a waͤag aͤß hundelooch / De hoſt ju nehrten (nechſt) do geſaͤſſa / Jch bin / kee narr wie du. Jch bleiba beydaͤr luͤga / Ond helffa ſtaͤla und betriega /G g 3Mei470Mei joncker Borgia daͤr macht es aͤba ſu / Waͤr welde (wolte) mich nu ſtroffa / Saͤht / wie de hoͤrta ſeyn ſo ſeyn de ſchoffa /

(Die Warheit praͤſentirt ſich)

Schweig du verlogner hund / und lerne mich erkennen / Daß ich die warheit bin. Jch leb in ewigkeit / Und wann die luͤgen wiꝛd wie ſpreu u. ſtaub verbrennẽ / So freut ſich meine ſchaar und fuͤhlt kein hertzeleid. Schau die exempel an. Wer hat iemals gelogen / Und hat die ſchnoͤde that nach willen ausgefuͤhrt? Hat er ſich ſelbſten nicht verhindert und betrogen? Ja hat er nicht den lohn der ihn davor gebuͤhrt? Drum geh du falſcher hund / geh fort in deiner ſuͤnde Und tritt den Borgia mit gleichen ſchritten nach: Doch wenn ich ſeinen rauch mit ehren uͤberwinde / So theile du mit ihm geluͤck und ungemach.

(Die Scena faͤllt zu)
Jn der vierdten Handlung wenn ſich Camillo ſchlaffen legt / kan dieſe Arie geſungen wer - den.
1. Ach Camillo wilſtu ſchlaffen?
Hat dein geiſt noch nicht gefuͤhlt /
Daß man dir mit tauſend waffen
Gleichſam nach der ſeele zielt /
Und wie du noch manche laſt
Kuͤnfftig zu ertragen haſt?
2. Traumt dir auch von Leonoren?
Ach ſteh auff / und ſchaͤme dich /
Jhre blicke ſind verloren /
Und ſie ſelbſten waffnet ſich /
Mit der hoͤchſten grauſamkeit
Wider deine ſicherheit.
3. Eile471
3. Eile weg ſie koͤmmt gegangen /
Mache dich nicht offenbahr /
Denn ſo ſehr ſie dein verlangen
Noch vor wenig zeiten war /
Alſo ſehr hat ſich der ſtand
Jhrer liebe weggewandt.
4. Ach du wirſt es nicht vermeinen /
Daß dein feind ſo nahe ſteht /
Wenn die Goͤttin wird erſcheinen
Welche da ſpatzieren geht:
Doch dein gluͤcke macht den ſchluß
D die unſchuld leiden muß.
Nach der vieꝛdtẽ Handlung ſtellt der ſchau - platz eine finſtere hoͤle vor / und kommen zwey Furien Alecto und Tiſiphone mit fackeln her - auß.
Alecto und Tiſiphone zuſammen.

So ſchweben wir herum in dieſer finſternuͤß / Daß wir der menſchen ſachen Verwirt und traurig machen / Bald geht es wohl bald ungewiß / Wir weinen wenn es gluͤcklich ſteht / Und lachen wenn es uͤbel geht.

Alec.

Jch ſtreue neid und feindſchafft auß / Und ſchleiche mich duꝛch hundert tauſend raͤncke / Jn diß und jenes haus / Und da verwandel ich die freundſchafft in gezaͤncke / Die lieb in haß / die ruh in krieg / Das iſt mein angenehmer ſieg.

Tiſiph.

Jch ſtreue mord und meineyd aus / Kan niemand ſonſt die friedens luſt zerſtoͤren / So kan ich bald ein haußG g 4Jn472Jn ſeiner ſuͤßigkeit durch gall und gifft verſehren. Jch lieg und laͤſtre wo ich kan / Und haͤnge blut zum ſiegel dran.

Alec.

Mich duͤnckt Camillo fuͤhlt es ſchon / Was Borgia durch feindſchafft angerichtet: Wie aͤndert ſich ſein lohn / Wie wird er uͤberall verdammet und vernichtet / Und ſo verderb ich gar zu ſchoͤn Der menſchen luſt und wohlergehn /

Tiſiph.

Camillo muß noch beſſer dran: Er iſt zwar ſchon ſehr weit hinab gefallen; Doch weil er leben kan / So laß ich uͤber ihn noch kein triumphlied ſchallen / Derhalben muß das blut allein Das ende meines ſieges ſeyn.

Beyde zuſammen.

Wolan es geht drauf loß / die fackeln freuen ſich Jhr feuer anzuſtecken / Und ungluͤck zu erwecken / Camillo komm und ſchicke dich Die unſchuld ſoll in deiner pein Gar eine ſchlechte rettung ſeyn.

Venus koͤmmt mit zwey gefluͤgelten Amu - retten in der lufft auf einem hellen wagen ge - fahren.
Venus.

Du ſchnoͤde ſchlangenzucht / ſo haſtu in der Nicht platz genung dein gifft hervorzuthun / (hoͤlle Soll meine ſchaar in keiner liebe ruhn? Geh / ſonſt erſchlaͤget dich der donner auff der ſtelle / Du ſolſt verſtehn daß ich die Venus bin Und daß ich manchen treuen ſinn Jm gluͤcke will erhalten /Drum473Drum packe dich an jenen ort / Zu deiner ſchlangen-gattung fort / Sonſt will ich dich in tauſend ſtuͤcke ſpalten.

(Hier ſchlaͤgt ſie mit blitz und donner auf ſie loß / daß ſie verſchwinden / und alſo ſinget ſie mit ihrem Amouretten das triumph-lied.)

So kommet ihr liebes-bedienten zuſammen / Und ſetzet luſt zur froͤligkeit / Jhr lebet verſichert und fuͤhret die flammen / Jn voͤlliger zufriedenheit. Der feinde macht iſt matt und ſtumpf / Die Venus vollfuͤhret den ſchoͤnſten triumpf / Die Furie lieget Und reget ſich nicht / Die Venus vergnuͤget Und bringet das licht Der himmel der lachet darzu / Und gruͤndet die ewige ruh / Denn alle feinde werden ſtumpf / Und Venus die fuͤhret den ſchoͤnſten triumpf.

Erſte Handlung.

Hercules. Camillo. Flavio.
Her.

Liebſter Camillo ſo geht die reiſe ſo ſchleunig fort?

Cam.

E. Durchl. gnaͤdigſten verordnung iſt allerdin - ges nachgelebet worden.

Her.

Es hat in euren belieben geſtanden. Doch je zeit - licher ihr abſchied nehmt / deſto eher haben wir uns eu - er wiederkunft zu erfreuen.

Cam.

E. Durchl. wolle dero unterthaͤnigſten diener mit dergleichen ehrbezeugungen nicht belaͤſtigen. JchG g 5wer -474Der beſchuͤtzten Unſchuldwerde in meiner gantzen reiſe keiner freude theilhaff - tig ſeyn / als biß mich das guͤnſtige gluͤcke zu dero hoͤchſt - geſchaͤtzten handkuß zuruͤck bringen wird.

Herc.

Wir lieben eure tugend / und verwundern uns uͤber euren qualitaͤten. Drum denckt unſertwegen ſo offt an Jtalien / als wir eurent wegen an Franckreich gedencken werden.

Cam.

Dero Hoch-Fuͤrſtl. Gnade uͤberſchuͤttet mich mit dergleichen liebſeligkeit / daß ich meine danck - barkeit in ſtillſchweigen verbergen muß / aus furcht / ich moͤchte dero Hoheit mit meinen niedrigen redens-ar - ten nicht erreichen. Jnzwiſchen wolle der himmel - ber dero Hochfuͤrſtl. Durchl. allergnaͤdigſt walten / und den Staat von Ferrara von tag zu tag gluͤckſeliger machen.

Merc.

Das gluͤcke begleite euch / und laſſe die tu - genden / welche allbereit unvergleichlich ſind / durch die - ſe reiſe auf die hoͤchſte ſtaffel der vollkommenheit ge - langen. Unſere gnade ſey euch hiermit voͤllig beſtaͤtigt / mit dem ausdruͤcklichen vorbehalt / daß kein fuͤrſtlicher hof die gewalt habe / euch aus unſeren dienſten zu ent - ſetzen. Was noch uͤbrig iſt / ſo hat Flavio ſchon befehl euch beym abſchied aufzuwarten.

(Geht ab.)
Flav.

Wie kan ein Cavallier gluͤckſeliger ſeyn / als wenn er einen Printzen zu dergleichen verſicherung an - reitzen kan.

Cam.

Wertheſter Flavio / ich will meine gluͤckſe - ligkeit nicht verachten. Der himmel beſtaͤtige dieſe gnade / und zufoͤrderſt des jenigen freundſchafft / wel - chen ich nicht nur als meinen bruder / ſondern als mei - ne ſeele liebe.

Flav.475Erſte Handlung.
Flav.

Jch habe noch nie an der Affection gezwei - felt / allein

Cam.

Allein / allein / wie ſoll ich diß verſtehn?

Flav.

Jch ſage nochmahls / ich zweifle nicht an der freundſchaft / allein ich fuͤrchte mich vor der auslaͤndi - ſchen lufft.

Cam.

Vielleicht daß ich daran ſterben werde?

Flav.

So unbarmhertzig wird der himmel nicht ſeyn.

Cam.

Oder daß ich meine geſundheit foꝛcirẽ werde?

Flav.

Ach nein / ich weiß wie der bruder nach der geſundheit leben kan.

Cam.

Was iſt denn ſonſt / da mir die auslaͤndiſche lufft ſolte ſchaden thun?

Flav.

Man kan auslaͤndiſche gedancken ſchoͤpfen.

Cam.

Wie geht diß zu?

Flav.

Daß man der einheimiſchen vergiſt.

Cam.

Was in das hertze gepregt iſt / wird durch kei - ne vergeſſenheit heraus geriſſen.

Flav.

Doch iſt die vergeſſenheit angenehm / wo man etwas belieblichers antrifft.

Cam.

Und hingegen iſt ſie unmoͤglich / wo man nichts belieblichers antreffen kan.

Flav.

Die frembden ſachen ſind allzeit ſchoͤner.

Cam.

Die tugend iſt am allerſchoͤnſten.

Flav.

Jn fremden orten wohnet die tugend auch.

Cam.

Doch iſt ſie nicht ſo bekandt.

Flav.

Deſto weniger maͤngel kan man ihr anſehen.

Cam.

Deſto mehr maͤngel muß man ihr zutrauen.

Flav.

Jch weiß viel / welche der alten freunde ver - geſſen haben.

Cam.476Der beſchuͤtzten Unſchuld
Cam.

Drumb ſoll unſere freundſchafft unvergleich - lich ſeyn.

Flav.

Und in ſolcher verſicherung verſpreche ich mich zu ewiger beſtaͤndigkeit.

Cam.

Wenn das Adriatiſche meer keinen ſturm - wind empfinden wird / alsdenn wil ich unbeſtaͤndig werden.

Flav.

Weñ der berg Aetna nicht mehr brennẽ wird / ſo wiꝛd meine liebe auch verleſchen.

Cam.

Wenn der Padus wird auf das Alp-gebirge zuruͤcke lauffen / ſo wiꝛd ſich mein gemuͤth verwandeln.

Flav.

Wenn die granat-aͤpffel werden auff den oͤlbaͤumen wachſen / alsdenn wird die falſchheit in meine ſeele einwurtzeln.

(Sie geben einander die haͤnde.)
Cam.

Und alſo lebt unſere freundſchafft.

Flav.

Und ſol ewig nicht ſterben.

Cam.

Der himmel ſtraffe die falſchheit!

Flav.

Und entzieh ihr allen ſegen!

Cam.

Und beſchuͤtte ſie mit betruͤbnuͤß!

Flav.

Und mache ſie vor aller welt zu ſchanden.

Leonore / Sylvie / Poncinello / treten auff.
Cam.

Mein Flavio ich habe vielfaͤltige urſachen den abſchied mit naſſen augen zu nehmen. Jndem ich von einem gnaͤdigſten fuͤrſten / und von einem unſchaͤtz - baren freunde mich entfernen ſol. Doch wenn ich dort - hin ſehe / und die ſtandhafftige tugend der hoͤchſtgelieb - ten Leonore betrachte / ſo weiß ich nicht / mit was vor worten ich zum abſchied kommen ſol.

Flav.

Sie gehen auff uns zu. Seine beywohnen - de tapfferkeit wird der ungefaͤrbten liebe die handbie - ten / theils die verliebte ungedult zu beſaͤnfftigen / theilsdie477Erſte Handlung.die gunſtgewogenheit auff ewig zu bekraͤfftigen.

Cam.

Wie ſo melancholiſch / meine ſchoͤne?

Leon.

Wie ſo unbarmhertzig mein liebſter?

Cam.

Womit verdiene ich dieſen gꝛauſamen titul?

Leon.

Jch ungluͤckſelige! wolte Gott ich duͤrffte es nicht empfinden /

Cam.

Jch ungluͤckſeliger! wolte Gott ich wuͤrde nicht mit dunckeln worten aufgehalten.

Leon.

Wer mein hertz zerſpalten wil / der iſt un - barmhertzig.

Cam.

Wer ſich mit ihrem hertzen verbinden wil / der iſt liebreich.

Leon.

Bißher hab ich ſolches glauben muͤſſen.

Cam.

Und ſolches ſol ich auch ins kuͤnfftige glaubẽ.

Leon.

Jch muß das beſte hoffen / und das aͤrgſte fuͤrchten.

Cam.

Ach welcher unſteꝛn hat mich auff die gedan - cken gebracht Franckreich zu beſehen / wofern ich da - durch zu ihrem betruͤbnuͤß urſach geben ſoll.

Leon.

Was man aus freyen willen thut / daꝛff man nicht dem unſtern zuſchreiben.

Cam.

Mein engel / ein wohlverſuchter und in der welt erfahrner liebſter wird ihr deꝛmahleins beſſer an - ſtehen / als ein elender hausbruͤtling / dergleichen ich itzo noch bin.

Leon.

Ach er iſt tugendhafft genung.

Cam.

Alle leute ſehen mich nicht mit ihꝛẽ augen an.

Leon.

Jhr Durchl. haben ſchon das urthel gefaͤl - let / daß ſeine tugend kraͤfftig genung iſt / fuͤrſten gnade zu gewinnen.

Cam.

Vielleicht wuͤrde Jhre Durchl. dero mey - nung aͤndern / wenn ſie alle meine maͤngel wuͤſte.

Leon.478Der beſchuͤtzten unſchuld
Leon.

So iſt Jtalien zu wenig / ſolche maͤngel zu erſetzen?

Cam.

Jch muß ſehen was vor klugheit uͤber den alpen-gebirge zu finden iſt.

Leon.

Das heiſt / ich muß meine Leonore verlaſſen.

Cam.

Nein das heiſt / ich muß meiner Leonore ei - nen ſolchen liebſten zuruͤcke bringen / der ſich umb ihre ſchoͤnheit deſto kuͤhner bewerben darff.

Leon.

Nein das heiſt / ich muß ſehen / ob anders - wo ſchoͤner perſonen anzutꝛeffen ſind / und ob mich auch der erſte ſchluß gereuen moͤchte.

Cam.

Nein das heiſt ich muß mich in meinem ge - muͤthe bekraͤfftigen / daß in allen benachbarten provin - tzen keine angene[hm]er ſey / als ſie meine liebſte Leonore.

Leon.

Ach[die]worte ſeyn allzeit gut.

Cam.

Was wollen wir ſchertzen? es iſt an dem / daß ich meine ſeele zu dem hoͤchſten ungluͤck zwingen muß. Sie lebe wohl / wehrteſte Leonore biß derſelbe zuruͤck koͤmmt / welcher ſie mittlerzeit in gedancken begleiten wird / das iſt / biß Camillo in der that bezeiget / daß er mit gegenwaͤrtigen verdacht unſchuldig iſt beleget worden.

Leon.
(Weinet)

Ach mein Camillo / ſol ich ja das ungluͤck haben / daß ich ſeiner holdſeligen worte zum letztenmahle gewuͤrdigt werde / ſo lache er nur bey ſeiner zukuͤnftigen liebſten nicht uͤber meiner einfalt - daß ich mir die ſtoltze hoffnung gemacht ſeine Affection zu verdienen / ſondern erbarme ſich vielmehr uͤber die - ſelbe / welche ſich / bey ſeinen beſſern gluͤcke vor ſchmer - tzen verzehren wird.

Cam.

Wozu dienen die uͤberfluͤſſigen gedancken? wil ſie mir den troſt der gegen liebe entziehen / und michauff479Erſte Handlung.auff der reyſe verſchmachten laſſen?

Leon.

Ach wer weiß ob er meines troſtes vonnoͤ - then hat.

Cam.

Dieſes ſol zeuge ſey / daß ſich Camillo von niemand will beſitzen laſſen / als von der angenehmſten Leonore.

(Er giebt ihr ſein Bildnuͤß.)
Leon.

Und dieſes ſoll zeuge ſeyn / daß ich einfaͤltig geliebt habe.

(Sie giebt ihn ihr Bildnuͤß.)
Cam.
(kuͤſt es)

Du holdreiches ebenbild / ſolſtu mir die reyſe durch dein anſchauen verkuͤrtzen.

(er giebt ihr die hand)

Nun allerſuͤſſeſte Leonore / hiermit zu guter nacht / der Hoͤchſte erhalte ſie bey derſelben bluͤte / in welcher ich ſie verlaſſen muß / und laſſe mich die wun - der-liebliche ſtunde bald erreichen / ihr muͤndlich zuer - zehlen / was ich nunmehr in ſtummen briefen berichten muß.

Leon.
(Weinet)

dieſe thraͤnen ſind beredt gnung mein betruͤbniß und meinen wunſch auszuſprechen. Drum ſag ich nichts als gute nacht. Mein verhaͤng - nuͤß ſtraffe mich nicht daß ich ſagen muͤſſe die letzte gute nacht.

Cam.

Meine briefe ſollen ſie oft genung erinnern / mit was vor gedancken ich die zeit in Franckreich paſ - ſire.

Leon.

Wenn wir in Jtalien ſo wuͤrdig ſeyn koͤn - nen / ſo bitte ich meine furcht durch ſolche mittel zu ver - mindern.

Cam.

Flavio ſol hier buͤrge ſeyn / den ich gleichfals mit beſtaͤndigem zuſchreiben mehr als zuviel belaͤſtigen werde.

Flav480Der beſchuͤtzten Unſchuld
Flav.

Nicht belaͤſtigen ſondern erfreuen / geſtalt ich die rugendbelobteſte Leonore zum ſchoͤnſten bitte / ſich der vollkommenen tugend in ihrem Camillo gewuͤnſch - ter maſſen zu verſichern.

Cam.

Und du mein treuer Poncinello bleib auch fein geſund / wenn ich briefe oder eigene botten hieher abfertige / ſo beſtelle alles fein zu rechte. Bey meiner wiederkunfft ſol es an ſtattlicher belohnung nicht er - mangeln: Hier haſtu zwey ducaten auff rechnung.

Ponc.

Ach ihr freundlicher herr / es geſchieht mir mit eurem wegreiſen kein dienſt: doch weil ihr mir zwey ducaten ſpendirt / ſo mags ſo ſeyn / kommt nur bald wieder / und nehmt keinen ſchaden / ſtolpert auch nicht uͤber Pilatus-ſee auff dem Schweitzer gebirge: macht euch auch nicht mit dem tyranniſchen blut ver - gieſſern zu gemein / es gibt euch ſonſt ein kuͤhmelcker mit ſeiner breiten plempe eins uͤber den grind / daß euch die caldaunen kꝛachen. Macht es auch nicht in Fꝛanck - reich / wie manche geelſchnaͤbel / die naſchen gehn / und darnach heimb kommen / wie meines großvaters hund / ihr ſollet eurem Lenoͤrigen einen ſchoͤnen dienſt thun.

Cam.

Nun die zeit iſt edel / haſtu mehr zu erinnern / ſo gieb mir es ſchrifftlich / oder ſchicke mir es auf Lyon nach. Sie leben nochmahls wohl.

(Sie gehen an unterſchiedenen orten ab)
Ponc.

Sa ſa wieder fꝛiſch geld / das die mutteꝛ nicht weiß. Nun wird Monſieur Poncinello brav zum frauenzimmer gehn / daß ſich die gantze ſtadt uͤber den treflichen courtiſan verwundern wird. Sa ſa / wie wil ich die elenden hungerleider abſtechen / die nicht thaͤ - ten einen blutigen heller haben / wenn man ſie thaͤte zu boden werffen. Jch halte wo ich meine ducaten zuſehr481Erſte Handlung.ſehr funckeln laſſe / ſe verblende ich die jungfern / daß ſie mir auff der gaſſen nachlauffen. Nun es muß was ſeyn / wenn man ſich in der welt als ein rechtſchaffener kerle durchbringen wil.

(Borgia tritt auff.)

Doch halt / ich muß zuvor die rechnung machen / wie weit ich mit meinem gelde auskomme. Ein neu hem - de vor 18 gr. 7 pfen. 1 hell. einen kragen vor 11 gr. 11 pf. 11 hell. ein par neue abſaͤtze auff die tantzſchuh 8 gr. 1 pf. 5 hell. ein paar Trodelgen unter die krauſe 21 gr. 16 pf. ein ſchnuptuch forn in die kappe 16 gr. 17 pf. ei - ne ſilberne krempe auf den hut 30 gr. 14 pf. eine neue degenſcheide vor 6 gr. 8 pf. 9 hell. zwey knieriemen mit ſilbernen ſchnallen vor 3 rthl. 14 gr. 8 pf. ein compli - mentir buch in tuͤrckiſch pappier gebunden vor 18 pf. ein ſpaniſch rohr mit einem biſenknopfe / daß es heiſt / jungfer riecht ihr was / es koͤmt von mir her / vor 34 gr. 9 pf. 14 hell. der jungfer magd trinckgeld auff 4 mahl dritthalb groſchen / den muſicanten wenn ſie abends ein ſtaͤndgen machen anderthalb thal. der jungf. zum angebinde 6 gr. band / 4 pf. birnen / 2 gr. einen ſilber - nen fingerhut / und 8 gr. einem der mir einen bogen ver - ſe macht: Denn ich kan zwar vor mich was machen; doch mag ich den kopf nicht zerbrechen. Nun laſt ſehen was behalt ich von meinen zwey ducaten uͤbrig.

(Er ſetzt ſich nieder / macht auf der erde mit kreide einen ſtꝛich nach dem andern / bald leſcht er eines aus / bald ſchreibt er zwey dargegẽ an / und agirt ſonſt poßierlich.)
Borg.

Wie iſt es doch ſo wunderlich umb das po - litiſche gluͤck beſchaffen. Einer von den guten qualitaͤ - ten muß ſich verachten und beſch[im]pfen laſſen; ein an -H hder482Der beſchuͤtzten Unſchuldder / der die einfalt und die unvernunfft ſelber iſt / wird hervor gezogen / und auf die hoͤchſte ehrenſtuffe geſetzt. Jch habe meinen jammer bißher an dem elenden mut - ter-ſoͤhngen dem camillo geſehen / wie ihn das blinde gluͤck zu des fuͤrſten gnade erhoben / alſo daß ein jedwe - der nicht gewuſt / wie er das guͤldene kalb genung anbe - ten ſolte. Zwar es mag den fuͤrſten wol gereuen / daß er ſich in ſeiner wahl in etwas uͤbereilet / doch groſſe herren wollen recht haben: Was einmahl beſchloſſen iſt / daß wolle ſie nicht umwerffen laſſen. Und drum muß Camillo nun in Franckreich ziehn / der fuͤrſt giebt ſelbſt die unkoſten darzu / nur das ſich der hoͤltzerne Pe - ter in etwas ſol behobeln laſſen. Da wird er nun einen gantzen ſack voll Gramantzen / complimenten und an - dere eitelkeiten mit bringen / Gott gebe / ob des fuͤrſten ſtaat durch ihn gebeſſert oder verderbet wird. Es bleibt doch darbey / er iſt ſo qvalificirt / das ſeines glei - chen nicht im lande ſind. Doch zeuch hin du eſels-kopf / daß du vom gebirge den halß brechen muͤſſeſt / oder daß du im Rhodan deinen reſt kriegeſt.

(Er ſiehet Poncinello.)

Sihe da Poucinello was machſtu hier / wie biſtu ſo ge - ſchaͤfftig?

(Poncinello rechnet immer fort / und wil keine audientz geben (hoͤrſtu Poncinello was haſtu vor eine rechnung) Poncinello wil nicht hoͤren / end - lich wirſft ihm Borgia einen thaler uͤber die rechnung / da ſieht er ſich umb.)
Borg.

Was machſtu hier?

Ponc.

Jch habe was zu rechnen /

Borg.

Was wilſtu ausrechnen?

Ponc.483Erſte Handlung.
Ponc.

Vor einen kalen thaler geb ich nicht mehr antwort.

(Er faͤngt wieder an zu rechnen.)
Borg.

Da haſtu zwey thaler / gieb mir nur ant - wort.

Ponc.

Jch zehle mein geld und rechne aus / wie hoch mich der ſtaat zu fuͤhren koͤmmt.

Borg.

Wo iſt dein herr?

Ponc.

Auff die frage habe ich noch kein geld krigt.

(Er faͤngt wieder an zu ſchreiben)
Borg.

Du biſt auch ein Poſſierlicher kautz / da haſtu noch einen ducaten.

Ponc.

Wo iſt er / gebt ihn her.

Borg.

Nein / nein du muſt auffſtehen und mir rechten beſcheid geben / ſonſt ſtecke ich den ducaten wie - der ein.

Ponc.
(ſteht auf)

herr eurentwegen wolte ich viel thun / aber daß ich itzt auffſteh / das thu ich des geldes wegen.

Borg.

Nun ſage mir auch / wo iſt dein herr?

Ponc.

Er iſt uͤber das gebirge gezogen.

Borg.

Wird er bald wieder kommen?

Ponc.

Wo ihn die liebe auff dem wege ſo im leibe reiſſet / als beym abſchiede / ſo wird er wohl auff der poſt durchreiſen / und bald wieder zu hauſe ſeyn.

Borg.

War er bey dem abſchiede verliebt.

Ponc.

Ach! jungfer Lenorgen und herr Flavio hat - ten gnung an ihm zu troͤſten.

Borg.

Wobey blieb es endlich.

Ponc.

Sie wolten einander fein fleiſſig ſchreiben / und ich ſolte poſtmeiſter ſeyn.

H h 2Borg.484Der beſchuͤtzten Unſchuld
Borg.

Hoͤre Poncinello ich wolte dir hundert du - caten geben / wenn ich dir trauen duͤrfte.

Ponc.

Herr / wo geld liegt / da wolte ich meinen va - ter erſchlagen / und wolte der groß-mutter auff das grab triumphiren.

Borg.

Aber kanſtu auch ſchweigen?

Ponc.

Wenn mir das maul mit ducaten geſtopft iſt / ſo ſchweig ich als ein kaͤtzgen vor dem mauſeloche.

Borg.

Wolan / ſo nim es in acht / wenn Camillo briefe oder boten ſchickt / und bringe ſie zu mir / ich wil alsdenn ſagen / was du weiter thun ſolſt. An gelde ſol dirs nicht mangeln / halte du nur reinen mund.

Pon.

Es iſt gut ich wil es nicht veꝛgeſſen / unterdeſ - ſen ſein diener.

(geht ab.)
Borg.

Halt du fuchsſchwaͤntzeꝛ / die falle iſt gebaut / du ſolſt bezahlet werden / oder du muſt gar ein gluͤckes - kind ſeyn.

Flavio koͤmmt / Borgia ſtellt ſich traurig.
Flav.

Wie ſo traurig Signor Borgia?

Borg.

Wie kan ich froͤlich ſeyn / da mein liebſter und vertrauteſter Camillo ohne mich in Franckreich gezogen iſt.

Flav.

Wiederkommen macht / daß man ſcheiden nicht acht.

Borg.

Auſſenbleiben macht / daß man ſcheiden gar viel acht.

Flav.

Ein cavallier hat viel mittel ſich zu troͤſten.

Borg.

Unſere freundſchafft war zu zart / die ge - ringſte entfernung geht ohne ſchmertzen nicht ab / die - ſer ring / den ich von ſeiner hand bekommen / erhaͤlt mir noch daß annehmliche andencken. Doch Signor Flav. vergebt mir / daß ich ihn verlaſſen muß.

(geht ab.)
Flav.485Erſte Handlung.
Flav.

Was denck ich? was glaub ich? wem trau ich / iſt Borgia mit dem Camillo ſo vertraulich? warumb hat ſich denn Camillo uͤber deſſen falſchheit ſo offt be - klagt? warum hat er mich ſo vielfaͤltig erinnert / ſeiner freundſchaft muͤſſig zugehen? ja wohl / es war kein ring mehr uͤbrig / den Flav. zum geſchenck und zum ge - daͤchtnuͤß nehmen kunte / drum war er gut genung / das man ihn mit leeren worten abſpeiſete. O haͤtte ich mei - ne verſprechungẽ wieder / damit ich die koͤſtliche fꝛeund - ſchaft von der welt zu verſiegeln gedachte? aber damit ſich das falſche gemuͤthe in ſeiner abweſenheit kuͤtzeln und beluſtigen wird.

(er ſtehet etwas in gedanckẽ)

zwar ſolte dem Borgia wohl zu trauen ſeyn? ſolte er wohl durch dieſes liſtige beginnen unſere liebe verſtoͤ - ren wollen? vielleicht habe ich ſchon wider die freund - ſchaft gehandelt / daß ich wider des Camillo vermah - nung / dem falſch geſinnten Borgia gehoͤr gegeben. Es ſey dahin geſtellt: Die zeit wird der unſchuld rich - ter ſeyn.

(Hercules tritt auff.)
Herc.

Wie ſtehts Flavio / iſt Camillo fort?

Flav.

Ja Jhr Durchl. er gieng geſtern mit der Meylaͤndiſchen poſt fort / und ließ ſich zum abſchied dero Hochfuͤrſtl. Gn. nochmahls unterthaͤnigſt befehlẽ.

Herc.

Mangelt es ihm an etwas?

Flav.

Es war alles recht beſtellt

Herc.

Jſt es mit dem wechſel richtig?

Flav.

Jch weiß nicht anders.

Herc.

Ach wenn er nur ſeine geſundheit in acht nehme.

Flav.

Darzu iſt Camillo klug genung.

Herc.

Vielleicht kan er des Frantzoͤſiſchen brodts nicht gewohnen.

H h 3Flav.486Der beſchuͤtzten Unſchuld
Flav.

Wer ſich maͤßig haͤlt / der kan alles brodt ver - dauen.

Herc.

Vielleicht laͤſſet er ſich in ein duell ein / und wird toͤdtlich beſchaͤdiget.

Flav.

Welchen kein menſch haſſen kan / der wird nicht beſchaͤdiget.

Herc.

So laͤſſet er ſich etwan die liebe bethoͤren.

Flav.

Camillo iſt nicht ſo leicht zu gewinnen

Herc.

Nun das gluͤcke bringe ihn zur guten ſtunde wieder in unſer Hertzogthum.

Flav.

Das iſt gleichfals mein taͤglicher wunſch.

Herc.

Wie aber wenn ihm der hof in Franckreich geſiele?

Flav.

Wenn Jhr Durchl. daſelbſt reſidirten / ſo wolt ich nicht zweiffeln.

Herc.

Der Koͤnig in Franckreich hat mehr mittel / junge gemuͤther an ſich zu ziehen / als der Hertzog von Ferrar.

Flav.

Aber Camillo hat kein hertze mehr / das er ei - nem frembden Potentaten verpfaͤnden koͤnte.

Herc.

Wird er fleiſſig zuruͤck ſchreiben / und uns ſei - nen zuſtand wiſſen laſſen / ſo haben wir deſto weniger urſach an ſeiner ſtandhafftigkeit zu zweiffeln.

Flav.

Solches hat er heilig verſprochen.

Herc.

Der ausgang wird ſeine gedancken eroͤffnen.

(Sie gehen ab.)
Ponc.

Jſt das nicht eine ſtattliche ſache / ich bin nun 6 jahr nach einander / weil ich dem Camillo auff - warte / ſo ehrlich geweſen / daß es eine ſchande iſt / und habe doch nicht mehr davon als zwey kahle ducaten: Nun ich nur anfange ein kleines bißgen zum ſchelmen zu werden / ſo ſchneyet und hagelt mir das geld zu. Sieh487Erſte Handlung.Sieh ſieh Poncinello / biſtu nicht eher klug worden / als itzund? muß man alſo zum reichthum kommen? halt / ich will die pfeiffen brav ſchneiden: denn habe ich nur geld / ſo mag es auff die letzt an den tag kommen / ich will doch wol bleiben. Jſt doch heute ein reicher ſchelm angenehmer / als ein armer mann / der ſeine ehr - ligkeit mit der Bxabantiſchen elle ausmeſſen kan:

(er beſinnet ſich)

zwar wenn der handel offenbar wuͤr - de / und kaͤme fuͤr den Fuͤrſten / was wuͤrde Signor Poncinello vor capriolen auf dem galgen ſchneiden? Doch wer will ein narr ſeyn / und das ding verrathen / und darzu habe ich geld weil ich lebe / wer fragt nach der boͤſen viertel-ſtunde. Es ſtirbt mancher an dem galgen viel ſaͤnffter / als ein ander auf dem todt-bette / der ſich etliche jahr qvaͤlen muß. Nun es geht drauff loß / je groͤſſer ſchelme / je beſſer gluͤcke / wer mir das gu - te leben nicht goͤnnet / der thue mirs nach. Jn der welt gehet es ſo zu / wer was haben will / muß was wa - gen / die karte liegt auf dem tiſche / gewinne ich / wohl gut: verſpiel ich / pacience.

Andere Handlung.

Leonore / Sophie.
(Der ſchau-platz praͤſentirt einen garten.)
Soph.

Mein gebietendes Fraͤulein / wozu dienet dieſes trauren / haben Jhr Gn. ein geluͤbde gethan / al - le freude uñ ergetzligkeit aus dero hertzen zu verbañen?

Leon.

Ach ſchweig Sophie / und laß meine gedan - cken unverſtoͤrt.

Soph.

Wie koͤmmt aber Camillo darzu / daß er ſeine Leonore nicht ſo ſchoͤn antreffen ſoll / als er ſie verlaſſen hat?

H h 4Leon.488Der beſchuͤtzten unſchuld
Leon.

Ach wer weiß / ob ſich Camillo ſeiner Leono - re noch erinnert.

Soph.

Jhr Gn. lieben nicht / ſondern ſie zweiffeln.

Leon.

Du verſteheſt die liebe nicht / je hoͤher ſie ſteigt / deſto mehr urſach hat ſie zu zweifeln.

Soph.

Doch Camillo wird durch den zweifel be - leidigt.

Leon.

Ach nein / darauß wird er meine ungefaͤrbte treu erkennen.

Soph.

Doch begehrt er nicht / daß ſeine liebſte ſich durch angſt und bekuͤmmernuͤß verzehren ſol.

Leon.

Ein ſchwaches weibs-bild kan der traurig - keit nicht widerſtehn.

Soph.

Nun wie dem allen. E. Gn. haben mir unterſchiedene mahl verſprochen / den verlauff ihrer liebe mit dem Camillo zu entdecken / koͤnte ich itzt bitt - ſelig ſeyn / die anmuthige begebenheit zu erfahren / ſo wuͤrden ſich E. Gn. vielleicht durch ſothane erzehlung ſelbſt vergnuͤgen und troͤſten koͤnnen.

Leon.

Es ſey alſo / komm ſetze dich mit auff die gruͤ - ne banck / und hoͤre an / warum ich mich betruͤben muß.

Soph.

Jch bin gehorſam und folge.

(ſie ſetzen ſich.)
Leon.

Du weiſt es meine liebſte Sophie / daß mein ſeel. eltern / neben dem hauſe ihre wohnung gehabt / wo ſich noch des Camillo fr. mutter befindet / dannenhero war die gelegenheit ſo gut / daß wir einander in der zar - ten kindheit kennen lerneten / die eltern ſchertzten ſelbſt / und theilten mir den Camillo zum liebſten zu. Wir nahmen es vor bekannt an / und begegneten einander mit ſolcher liebes-bezeugung / derer daß kindliche alter maͤchtig war. Wir wuchſen auch in dergleichen ver -traulig -489Andere Handlung.trauligkeit neben einander auff / daß ſich gleichſam ein ſinn und ein hertze in zwey leibern befand. Jch gebot ihm / er gehorchte mir: Er bat mich / ich war ihm nicht zuwider. Jn ſumma wir liebten einander / und wu - ſten nicht was liebe war. Endlich als ich in etwas zu meinem verſtande kam / ſchien es nicht rathſam? ſol - chen kinderpoſſen ferner nach zuhaͤngen /

Soph.

Was ſagte Camillo darzu?

Leon.

Jch bat ihn hoͤfflich / er moͤchte ſich der dinge enthalten / die uns kuͤnfftiger zeit uͤbel anſtehn wuͤrden / doch nahm er ſolches mit einem ſchwitzenden geſichte an / biß er ſich verlauten ließ / er ſehe wol / bißher haͤtten wir von der liebe viel geredt und wenig gedacht: Nun wollen wir viel gedencken und deſto weniger reden.

Soph.

Jhre Gn. ſind vielleicht mit dieſer Reſolu - tion wohl zufrieden geweſen.

Leon.

Was meyneſtu Sophie / ſolte ein frauen - zimmer ſo unverſchaͤmt ſeyn? Zwar ich erfreute mich heimlich uͤber ſeiner ſtandhafftigkeit / doch hatte er ſich wenig zu erfreuen / denn ich bat ihn / aus dem hauſe zu bleiben / und wofern er mir einen dienſt zu guter letzt leiſten wolte / moͤchte er mich mit ſeinen beſuchungen verſchonen / ſonſt wuͤrde ich gezwungen werden mit ihm umzugehen / als mit einem menſchen / der mir[in]allem verdrießlich ſeyn wolte.

Soph.

Das war zu grauſam.

Leon.

Ein weibesbild ſoll nicht allein das liederli - che weſen / ſondern auch deſſen verdacht meiden.

Soph.

War aber Camillo gehorſam.

Leon.

Was wolte er thun? er ſtellte ſich als waͤre ihm der befehl gar angenehm. Denn / ſagte er / meine gebieterin hat hierinn erwieſen / daß ſie die macht zu be -H h 5fehlen490Der beſchuͤtzten Unſchuldfehlen uͤber mich behalten will / und daß ich abweſend noch allezeit ihr diener ſeyn ſoll.

Soph.

Das war ſchoͤn geantwortet. Enthielt er ſich aber von der zeit an aller kundſchafft?

Leon.

Jch verwunderte mich / daß er ſo gehorſam war / doch grieff er ſich in allerhand leibes-und ge - muͤths-uͤbungen dergeſtalt an / daß ich nirgend hin - kam / da ich nicht von den ſonderbaren qvalitaͤten des Camillo hoͤren muſte: gleich als haͤtte ſich alles ver - ſchworen / demſelben bey mir ein gut wort zu verleyhẽ.

Soph.

So tugendhafft iſt Camillo / daß er ſeine Leonore auch abweſend vergnuͤgen kan?

Leon.

Jch weiß nicht / ob allzeit! doch laſſt mich fortfahren. Er kam hiedurch in des Fuͤrſten gnade / wurde bey allen zu hofe werth gehalten / alſo daß er ſich endlich erkuͤhnte / mit meiner ſeligen frau mutter in ge - ſpraͤche einzulaſſen / da erinnert er ſich der kindiſchen liebe / und brachte es ſo weit / daß er ein groſſes ſtuͤcke vom jaworte weg bekam. Jch an meinem orte ließ mir den ſchluß nicht uͤbel gefallen / weil ich an dem gan - tzen hofe keine anſtaͤndiger liebe zu finden wuſte.

Soph.

Alſo ward Camillo wieder zu frieden ge - ſtellt?

Leon.

Ach nein / es war noch nicht an dem / daß wir uns einiges vergnuͤgen einbilden duͤrfften.

Soph.

Was ſtund im wege?

Leon.

Des Camillo herꝛ vater / der nunmehr vor einem jahr die welt geſegnet / erſuchte meine frau mut - ter ſchrifftlich / ſie moͤchte ſeinen ſohn aus ihrem hauſe laſſen / er ſey geſinnet / ihn anderswo zu verheyrathen / und wolle demnach nicht haben / daß ihm eine von leu -ten491Andere Handlung.ten zugetheilet wuͤrde / die ihm an dem zugedachten gluͤ - cke verhindern koͤnte.

Soph.

Haͤtte ich doch dem ehrlichen manne die un - hoͤfligkeit nicht zugetraut[. ]

Leon.

Er iſt unſchuldig / hoͤre nur: wir empfun - den diß anmuthen hoͤchlich / wieſen auch den Camillo mit ſchlechtem reſpect zuruͤcke.

Soph.

Aber was hatte er geſuͤndiget?

Leon.

Er ſolte ſeine rechtmaͤſſige liebſte beſuchen. Nun giengen wol fuͤnf oder ſechs wochen vorbey / daß wir uns in dem haß gegen den Camillo befeſtigten / und bey unterſchiedlichen aus unſerer freundſchafft anſuchten / wie wir uns bey ſolchem ſchimpfe zuverhal - ten haͤtten: Als deꝛ alte Camillo in unſer hauß koͤmmt.

Soph.

Wolte er ſeine erinnerung auch muͤndlich thun?

Leon.

Ach viel anders. Er klagt / ſein ſohn waͤre in eine toͤdtliche kranckheit gefallen / alſo daß er an ſei - nem leben allbereit verzweiffelt haͤtte. Gleichwol waͤ - re kein doctor ſo klug geweſe / ſeine kranckheit urſpruͤng - lich zu errathen. Biß er endlich mit ſchmertzen erfah - ren muͤſſen / es habe ein leichtfertiger boͤſewicht in ſei - nem namen ein brief geſchrieben / davon er die gering - ſte wiſſenſchafft nicht haͤtte. So ward die ſache gut / wir wurden ſtracks verſprochen / doch mit dem beding / daß er noch zwey jahr mit ſeiner voͤlligen vergnuͤgung zuruͤck ſtehen moͤchte.

Soph.

Aber woher war der brief kommen?

Leon.

Das haben wir noch dieſe ſtunde nicht er - fahren.

(Borg ia kommt.)
Soph.
(ſteht auff)

Jhr Gnaden / wer iſt dort?

Leon. 492Der beſchuͤtzten Unſchuld
Leon.

Ach muß der ungluͤcks-vogel unſer geſpraͤch verſtoͤren.

Borg.

Schoͤnſte Leonore ſoll man ſie hier antreffe?

Leon.

Die perſonen meines geſchlechtes ſollen die einſamkeit lieben.

Borg.

Jch weiß mich doch zu befinnen / daß ſie vor der zeit froͤlicher ausgeſehen hat.

Leon.

Die ſtunden ſind nicht alle gleich.

Borg.

So iſt mirs hoͤchlich leid / wofern dieſelbe in ihrem melancholiſchẽ divertiſſement verſtoͤret wird.

Leon.

Und mir iſts leid / daß er an einen ort kom̃t / da keine vergnuͤgung iſt.

Borg.

Es ſcheinet / als ſey die jahreszeit den frau - enzimmer zu wider. Meine ſchweſter kan nichts thun als grillen fangen.

Leon.

Jſt ſie nicht wol auf?

Borg.

An der geſundheit ſpuͤr ich keinen mangel / ſie hat einen kleinen ſpiegel / davor uͤbt ſie ſich in veꝛlieb - ten minen / daß ihr die thraͤnen zu den augen heraus fallen.

Leon.

Daß muß ein kraͤfftiger ſpiegel ſeyn.

Borg.

Jch weiß nicht: Hier hab ich ihn entfuͤhrt / indem ſie von etlichen geſpielinnen aufgehalten wird.

Leon.

Darf ich ſo fuͤrwitzig ſeyn / und das wunder betrachten?

Borg.

Sie hat es volle macht.

(er giebt es ihr)
Leon.

Was iſt diß? Camillo bildnuͤß.

Borg.

Jch weiß nicht / meine curioſitaͤt erſtreckt ſich ſo weit nicht / ich habe es nur entfuͤhret / meine ſchweſter zu vexiren.

Leon.
(giebts wieder)

Nun wir ſind unhoͤfflich und halten denſelben zu lang auf.

(Gehen ab)
Borg.493Andere Handlung.
Borg.

So recht / ſo muß man ſie fangen. Flavio hat ſchon einen argwohn auf den Camillo gefaſt. Jtzt hab ich der Leonore eine falſche eiferſucht in das hertze geſetzt / dadurch ich zu meinen zweck deſto leichter ge - langen wil / zwar die gute Leon. tauert mich / daß ſie mit veꝛgebener ſoꝛge betruͤbt wird: Denn ſie konte faſt die thraͤnen nicht halten / und muſte zu den garten hin - aus eilen / doch was hilffts? wer den Camillo zugethan iſt / der kan den Borgia nicht zum freunde behalten.

(Geht ab.)
Der Schauplatz verwandelt ſich. Poncinello hat ſich beſoffen.

Heyſa liederlich / fein luſtig! das iſt ein leben / ſcha - de / daß es nicht tauſend jahr und vierzehen tage weh - ren ſol / heyſa! geld iſt die loſung / wer das nicht hat / der mag mit einem duͤrren maule zu bette gehn. Jch hatte nicht gedacht daß ſo viel ehrliche kerlen in der welt waͤren / als ich itzt erfahre. Da kommt einer nach dem andern / Signor Poncinello / ſein ſchuldigſter / ſein gehorſamſter / ſein untergebenſter diener / dem herrn einen freundlichen trunck / des herꝛn eigne geſundheit / nun recht ehrlich ausgetruncken. Heyſa / das ſtutzt beſſer / als da es noch hieß: Poncinello du ꝛc. butze die ſchuh / ſchmiere die ſtiefeln. Ein rechter baͤrnhaͤuter bin ich / daß ich nicht etliche jahr eher bin zum ſchelmen worden / da doch ſo ein herrlich leben dabey iſt. Nun nun laſt ſehn / kan ich auch das haus finden /

(er tau - melt und tappt herum / biß er die thuͤr findet / da laufft er hinein.)
Diego.

Nun Gott lob! daß ich einmahl Ferrar er - reichet habe / wird mir doch der weg ſo ſauer / daß ich das botſchafft lauffen verſchwoͤren moͤchte. Ja wiralten494Der beſchuͤtzten Unſchuldalten leute werden ſtumpff / die kraͤffte nehmen ab / und es laͤſſet ſich allmaͤhlich zum lieben tode an. Doch laſt ſehn / hierum ſoll das haus ſeyn / da ich die brieffe abzugeben habe.

(er klopfft an.)
Ponc.
(inwendig)

Holla / holla / wer iſt da?

Dieg.

Macht auff.

Ponc.

Macht auff / macht auff. Du baͤrnhaͤuter wer biſtu?

Dieg.

Jch bin einer der hinein will.

Ponc.

Und ich bin einer der dich nicht will hinein laſſen.

Dieg.

Jch bin aber einer / der nicht herauſſen blei - ben will.

(er klopfft ſtaͤrcker an.)
Ponc.

So bin ich einer / der die unnuͤtzen kerlen von der thuͤr wegfuͤhren kan.

Dieg.

Wilſtu mich wegfuͤhren? ich muß auch da - bey ſeyn.

(er klopfft)
Ponc.
(koͤmmt heraus gelauffen)

Wer iſt der ſchurcke / der unſern haus-frieden brechen will / wo biſt du? ich will dich in hundert tauſend ſtuͤcken zerhauen.

Dieg.

Ey hundert tauſend ſtuͤcke waͤren zu viel / wenn es noch neun und neuntzig tauſend / neun hun - dert und neun und neuntzig waͤren.

Pon.

Du alter kniſterbart wiltu noch hoͤniſch ſeyn?

Dieg.

Mit den haͤndeln! ich will in das haus / da Signor Flavio wohnet.

Ponc.
(ſtutzt ein wenig)

Botz tauſend / das iſt ein bote von meinem Herꝛn / ich muß ihn hoͤflicher tra - ctiren. Wo wollet ihr hin?

Dieg.

Zu Signor Flavlo.

Ponc.

Wo kommet ihr her?

Dieg.

Jch komme von Turin / da reiſete ein frem -der495Andere Handlung.der Herꝛ durch / der gab mir brieffe und befahl mir ei - nen groſſen hauffen muͤndlich zu berichten.

Ponc.

Ja ja ich hoͤre es wo ihr herkommt / es wird meinem Herꝛn gar lieb ſeyn / er hat lange darauff ge - wart. Aber ich halte nicht / daß eꝛ zu hauſe iſt.

Dieg.

Jſt denn die jungfer Klenure oder wie ſie heiſt / nicht da?

Ponc.

Die wohnt nicht hier / kommt mit / ich will euch zu rechte weiſen.

Dieg.

Halt mich nur nicht lange auff.

Ponc.

Nein nein / mir iſt ſelbſt daran gelegen / ſeht da iſt das haus / wartet ein bißgen an der thuͤr / ich will dort gegen uͤber hoͤren ob jemand da iſt.

(Diego geht hinein.)
Ponc.

Sieh da / dieſen ſchelm haͤtte ich bald ver - ſchlaffen / wo find ich nun meinen Herꝛn Borgia / dem ich die froͤliche zeitung bringe? Es wird ihm ein fꝛeſ - ſen ſeyn / wie wird er den armen alten mann abfer - tigen.

(Borgia koͤmmt.)
Borg.

Jch habe endlich alle ſachen klug genug an - gefangen: Nur dieſes weiß ich nicht / ob den naͤrriſchen Poncinello viel zu trauen ſey. Er hat mir verſpꝛochen alle brieffe zu verꝛathen: Allein ich ſehe noch nichts / da es doch faſt unmuͤglich ſcheint / daß Camillo ſo lang verziehen ſolte / doch ſieh da / der ehrliche mann begeg - net mir gleich. Poncinello / Poncinello / ſteh / ſteh.

Ponc.

Wenn man am nothwendigſten zu thun hat / ſo fuͤhrt der hencker die meiſten ochſenkoͤpffe in den weg / die einen verhindern muͤſſen. Jch ſtehe nicht / ich ſteh nicht.

(er laͤufft herum)
Borg. 496Der beſchuͤtzten Unſchuld
Borg.
(faſſet ihn bey dem ermel)

Poncinello ſteh / ſteh.

Ponc.

Jch ſtehe nicht

(er zeucht das wammes aus / und laͤſt den Borgia den ermel in der hand)
Borg.
(faſſet ihn beym leibe)

ſteh doch du naꝛr.

Ponc.

Weil ich meinen rechtmaͤſſigen titul kriege / ſo wil ich doch ſtehn / wer iſt denn da / der ſo viel zu be - fehlen hat?

Borg.

Wilſtu nicht ſtehn / ſo kriegſtu kein geld.

Ponc.

Ach Signor ſeyd ihrs / ich lauffe herum und ſuche euch.

Borg.

Du biſt ein ſchoͤner vogel. Jch halte / wenn ich mich am meiſten auff dich verlaſſe / ſo iſt es mit was anders verſiegelt.

Ponc.

So ein ſchlim̃er hund iſt Poncinello nicht.

Borg.

Aber du giebſt auff die boten ſo ſchoͤn ach - tung.

Ponc.

Heꝛr deßwegen lauff ich ſo / ich habe einen in der falle: Doch es iſt ſo ſchlimm / eꝛ wil mit dem Fla - vio und der Leonore ſelbſt reden.

Borg.

Was iſt es vor ein landsmann?

Ponc.

Er iſt ein unbekanter kerle / er ſagte / ſeine ſtadt hieſſe Cathrine.

Borg.

Hoͤre Poncinello / ich wil ſagen / ich ſey Fla - vio / unſere Caͤcilie ſoll die Leonore praͤſentiren / bringe ihn nur her.

Ponc.

Das iſt trefflich ausgeſonnen. Aber wenn〈…〉〈…〉 antwort begehrt:

Borg.

Da laß mich davor ſorgen.

(Geht ab.)
Ponc.
(rufft den Diego heraus)

Landsmann wo ſeyd ihr / kommt fort ich habe ſie gefunden.

Dieg.497Andere Handlung.
Dieg.

Jhr ſeyd gar zu ein huͤbſcher Herꝛ / daß ihr die leute nicht auffhalt.

Ponc.

Jch bin auch ein bote geweſen / ich weiß wol / was vor ein verdruß darbey iſt / wann man ſo langſa - me abfertigung hat.

(Borgia und Caͤcilie treten auf.)
Dieg.

Das werden gewiß die leuthe ſeyn.

Ponc.

Ja ja geht nur hin / und richtet eure ſachen wol aus / ich wil nur ein bißgen dahin gehen.

(Geht ab.)
Borg.

Jhr werdet der bote ſeyn.

Dieg.

Ja heꝛr Flavio / da iſt ein brieff an euch / und ihr werdet die jungfer Clenure ſeyn?

Caͤc.

Jch weiß nicht anders / bekom̃e ich auch was?

Dieg.

Da iſt ein gantzer pack.

Borg.

Habt ihr nichts muͤndlich zu gedencken.

Dieg.

Nicht gar viel / der fremde heꝛr reiſet bald fort / er bat mich nur / ich ſolte es keinen andern men - ſchen als euch ſelber geben / und wenn ich briefe mit zu - ruͤck braͤchte / ſo ſolte ich ſie zu Turin auff die Lyoniſche poſt geben.

Borg.

Es iſt gar gut / wie befind er ſich?

Dieg.

Es gieng ihm gar wol. Und ihr werdet es beſſer im brieffe ſehn.

Borg.

Seyd ihr bezahlet worden?

Dieg.

Ja es iſt alles richtig gemacht.

Borg.

Da habt ihr noch einen thaler trinckgeld / ich werde morgen meinen eigenen cammerdiener zu pferde dahin abfertigen / drum iſt nicht vonnoͤthen / daß ihr auff antwort verziehet.

Dieg.

Jhr werdet es am beſten wiſſen / was zu thun iſt.

J iBorg.498Der beſchuͤtzten Unſchuld
Borg.

Haltet euch nur nicht lange auf / und ſaget keinem menſchen von den briefen.

Dieg.

Bey leibe nicht / der heꝛr hat mirs ſo feſte ein - gebunden / daß ich nirgends davon reden ſoll / als bey euch.

Borg.

So gedencket auch daran.

Dieg.

Gar wol. Nun Gott befohlen / groſſen danck vor das geſchencke.

(Geht ab.)
Borg.

Caͤcilie gebt mir den brieff her.

Caͤc.

Jch werde doch einen recompens kriegen.

Borg.

Davor ſorgt nicht.

Caͤc.

Es iſt aber des heꝛrn gebrauch / daß er gerne ſchuldig bleibt.

(Geht ab.)
Borg.

Die ſache leufft gluͤcklich / doch muß ich ſehn / was ſich der liebhaber vor worte gebraucht.

Wertheſter Flavio.

Jch bin gluͤcklich uͤber Meyland auf Turin kom̃en / in willens von dar nach Lyon zu paſſiren. Was ich an beyden hoͤfen vor expedition gehabt / wird der bruder aus dem journal erſehen / welches vor Jh. Durchl. ber - geleget iſt. Er wird bemuͤht ſeyn / deroſelben mein ge - hoꝛſamſtes zuſchreiben eheſtes zu uͤbeꝛreichen Jm uͤbri - gen bitte ich der einmahl geſchloſſenen freundſchafft in gedenck zu bleiben / und mich vor meinen widerſa - chern / abſonderlich vor dem grundboͤſen Borgia

(er ſchuͤttelt den kopff)

zu beſchuͤtzen. Verbleibe ꝛc.

Sieh da du ehrlicher vogel / du haſt den grundboͤſen Borgia noch nicht kennen lernen / itzt wirſtu erſt er - fahrn / wie ſchwer es ſey / den Boꝛgia zum feinde haben / doch die beygelegten ſachen uͤberleſe ich zu anderer zeit / itzt kan ich die ſtunden beſſer anwenden

(geht ab)
Leonore / Sophie.
Soph.499Andere Handlung.
Soph.

Jch glaube es nicht.

Leon.

Die ſache iſt zu klar / ich muß es glauben.

Soph.

Camillo wird ſo falſch nicht handeln.

Leon.

Die ſache hat es ſelbſt erwieſen.

Soph.

Redet denn Borgia lauter evangelium.

Leon.

Es iſt andem / doch das bildnuͤß war gleich - wohl da.

Soph.

Dadurch wird nichts erwieſen.

Leon.

Der beweiß iſt gar zu handgreiflich.

Soph.

Borgia iſt ſein feind.

Leon.

So hat ſich Camillo geſtellt / vielleicht ſind wir betrogen.

Soph.

Jh. Gn. halten noch inne / biß briefe kom - men.

Leon.

Haͤtte der untreue menſch luſt zu ſchreiben / wir haͤtten laͤngſt briefe gehabt.

Soph.

Sie koͤnnen unterwegens auffgehalten werden.

Leon.

Ach ſchmeichle mir nicht mit einer ſolchen vergebenen hoffnung. Jch bin verlohren. Ach wa - rum habe ich mich durch die ſchmeichelnden redẽ bewe - gen laſſen? warum habe ich der falſchen ſcheinheilig - keit ſo leichtlich glauben gegeben. Du grimmiges ty - gerthier / gehe hin / und ruͤhme dich bey deinen damen in Franckreich / wie viel perſonen du in Jtalien betruͤ - bet haſt. Du moͤrder / verachte mich nach deinem ge - fallen / du wirſt die ehre bald haben / daß du mich in den tod gebracht haſt / alsdenn wil ich deiner untreu obſie - gen / und dich mit meinem ſchatten aͤngſtigen.

Soph.

Gnaͤdiges fraͤulein / wird Camillo hier - durch nicht beleidiget?

Leon.

Was beleidigẽ? der bluthund wil mich toͤdtẽ.

J i 2Soph.500Der beſchuͤtzten Unſchuld
Soph.

Wer hat es denn gewiß gemacht?

Leon.

Schweige davor / ſonſt muß ich dich vor mei - ne verraͤtherin halten.

(Sophie ſeufftzet / Flavio koͤmmt.)
Flav.

Wie wils / angenehmſte Leonore / ſind keine ſchreiben aus Franckreich kommen?

Leon.

Jch habe noch nichts geſehn.

Flav.

Es nimmt mich wunder.

Leon.

Und ich weiß nicht was ich mir einbilden ſoll.

Flav.

Solte ihm ein unfall zugeſtoſſen ſeyn.

Leon.

Meine gedancken werden am beſtẽ zutreffen.

Flav.

Was vor gedancken?

Leon.

Daß er mit dem vaterlande alle bekand - ſchafft verlaſſen werde.

Flav.

Jch hoffe noch das beſte.

Leon.

Es wird eine gattung von der hoffnung ſeyn / die zuſchanden wird.

Flav.

Die zeit wird es eroͤffnen.

Leon.

Zu unſerm ſchaden.

Flav.

GOtt verhuͤte ſolches! Camillo wuͤrde ohne ſchaden nicht davon kommen.

Leon.

Unterdeſſen muͤſſen die unſchuldigen geqvaͤ - let werden.

Flav.

Sie gebe ſich zufrieden. Man darff nicht vor der zeit verzweiffeln.

Leon.

Ach dieſe verzweiffelung hat ſich nicht vor der zeit angefangen.

Soph.

Es wundert mich / daß Poncinello nicht nach der poſt fragt.

Flav.

Jch ſehe den leichtfertigen vogel nicht / er wird nicht ruhen biß die zwey ducaten verſoffen ſind.

Soph.501Andere Handlung.
Soph.

Wer weiß wo der poſſierliche kautz was verſehen hat.

Flav.

Jch gehe / kan ich etwas erforſchen / ſo ſol Le - onore meiner freude theilhafftig ſeyn.

Leon.

Seine bemuͤhung iſt vergebens.

(Leonore und Sophie gehn ab.)
Flav.

Wem iſt zu trauen / wo Camillo falſch iſt? haͤtte ich auf dieſen freund nicht ſtarcke thuͤrme gebau - et? und nun hat es doch das anſehen / als waͤre ich / und viel andere betrogen. Der himmel ſey mein zeuge / daß ich zu keiner falſchheit urſache gegeben.

(Diego koͤmmt heraus und hat ſich beſoffen.)
Flav.

Aber ſiehe da / was muß diß vor ein alter kumpe ſeyn?

Dieg.

Jch bin ein elender menſch / ich kan nicht lauffen / ich kan nicht ſauffen / es iſt alles aus / der liebe Herꝛ ſpendirte mir einen thaler / davon legte ich etliche groſchen an naſſe waare / die iſt mir in den kopff geſtie - gen / daß ich kaum den weg vor mir ſehe. Nun ich weꝛ - de ſchoͤn zu rechte kommen.

Flav.

Guter freund / wo hinaus?

Dieg.

Lieber Herꝛ / immer da hinaus / der naſe nach / ſo gehet der ruͤcken nicht irre.

Flav.

Jhr ſeyd bey den bauren in die ſchule gangẽ.

Dieg.

Die bauren muͤſſen auch ſeyn: da Adam hackt / und Eva ſpan / wer war daſelbſt ein edelmann?

Flav.

Jch ſeh ihr ſeyd wohl beleſen.

Dieg.

Herꝛ laſſt mich gehn: mein weg iſt weiter / als euer.

Flav.

Wo geht denn euer weg hin?

Dieg.

Wenn ichs gleich ſagte / ihr gebt mir doch das geleite nicht biß auf Turin.

J i 3Flav.502Der beſchuͤtzten Unſchuld
Flav.

Seyd ihr von Turin? was habt ihr hier zu thun?

Dieg.

Es hat mich ein Herꝛ hieher geſchickt /

(hier mag der bote den Camillo in ſeinem geſicht / haaren / kleidern / ꝛc. beſchreiben / wie derſelbe ausſieht / der die perſon agirt)

aber ich darff es andern leuten nicht weiß machen / was ich ausgerich - tet habe.

Flav.

Wo ſeyd ihr denn geweſen? ihr ſeyd treflich wunderlich.

Dieg.

Was mir verboten iſt / das ſag ich nicht / gu - ten tag.

(geht ab.)
Flav.

Jſt es moͤglich / daß Camillo einen boten hieꝛ abgefertigt / und mir keinen brieff geſchickt hat. Jch muß ſelber anfangen an ſeiner treu zu zweiffeln. Pon - cinello iſt auch nirgends anzutreffen / welchen ich ſonſt dieſem boten koͤnte uͤber den hals ſchicken.

(Er rufft) Poncinello / Poncinello. Poncinello koͤmmt.
Ponc.

Was da / was da / wer rufft?

Flav.

Du ſtuͤckſchelm / wo ſteckſtu den gantzen tag? du wirſt dein geld wohl verdienen.

Ponc.

Herꝛ ich bin ſtets zu hauſe.

Flav.

Jm wein-hauſe vielleicht.

Ponc.

Jch kan keinen wein riechen.

Flav.

Drum ſaͤuffſtu ihn aus / daß du ihn nicht rie - chen darffſt.

Pon.

Jch hab ein gut gewiſſen.

Flav.

Groͤſſer als ein ſcheun-thor. Doch itzt iſt nicht die zeit / poſſen zu treiben: haſtu noch keinen bo - ten von Camillo geſehn?

Ponc.

Nein fuͤrwahr / ich lauffe alle tage auff dieland -503Andere Handlung.land-ſtraſſe und will was erwarten / aber ich ſehe nichts kommen.

Flav.

Du ſieheſt gewiß in die wein-kanne / da koͤm̃t freylich niemand.

Ponc.

Ey ich nehme mein ampt ſo in acht / es thaͤte noth / man verbeſſerte mir die beſoldung.

Flav.

Warum haſtu aber den alten graubaͤrtigen boten von Turin nicht hieher gebracht?

Ponc.

Jch weiß von keinem boten.

Flav.

So gibſtu achtung. Hoͤre Poncinello / lauff ihm nach / und ſiehe / ob du etwas aus ihm bringen kanſt / und ſage mir es wieder.

(geht ab.)
Ponc.

Jſt das nicht ein alter ſchimmel-koͤpffigter baͤrenhaͤuter / da haͤtte er leicht das gantze ſpiel ver - derbt / halt / wo ich ihn finde / ich will ihm fuͤſſe machen.

(geht ab.)
Diego
(koͤmmt)

Ja ja / wer doch allen leuten ſagte / was man zu verrichten haͤtte. O nein / ich er - ſchrecke vor keinem ſolchen kerln / ich hab ſie vornehmer vor mir geſehn: haͤtte ich nicht koͤnnen reinen mund halten / ich waͤre nicht ſo lange ein bote geweſen.

Poncinello
(koͤmmt gelauffen.)

Halt / halt / du maußkopff / du ſcheerſchlip / du ratten - pulver / du hechelmacher / du maͤußfallen-jubelirer / du bandite / du ſpitzbube / halt auff / halt auff.

Dieg.

Was iſt da? Herꝛ ſeht ihrs nicht / daß ichs bin?

Ponc.

Fort / fort / es ſind 15 haͤſcher auf der ſtraſſe / die ſollen achtung drauff geben / ob ein alter grauer bo - te von Turin koͤmmt / den ſollen ſie todt oder lebendig liefern.

Dieg.

Jch armer mann / was hab ich denn gethan?

Ponc.

Ey was gethan / ſchieꝛ dich zum lande hinaus.

J i 4Dieg.504Der beſchuͤtzten Unſchuld
Dieg.

Jch kan nicht laͤngere ſchritte thun / als mir die beine gewachſen ſind.

Ponc.

Du alter ſchelm / ſo nimm die beine auff den nacken und lauffe damit fort.

Dieg.

Auff was ſoll ich denn lauffen / gewiß auf den ſturtzeln?

Ponc.

Lauff / ſo lieb dir dein leben iſt.

Dieg.

Jch kan nicht lauffen / wenn es den leuten ei - ne ehre iſt / ſo moͤgen ſie mir die hand voll blut nehmen.

Ponc.

Du alter dieb? wilſtu nicht lauffen.

Dieg.

Da wil ich mich niederſetzen.

Ponc.

So wirſtu gewiß gehangen.

Dieg.

Jch kan nicht dafuͤr / wenn ſolche ſtꝛaſſenraͤu - ber uͤber mich kommen.

Ponc.

Du alter krippenſtoͤſſer / du biſt es nicht werth / daß ich es ſo gut mit dir meine: Sieh da / wil - ſtu oder kanſtu nicht lauffen / ſo wil ich dir einen guten rath geben / laß dir den grauen bart abſchneiden / daß dich die ſoldaten nicht kennen.

Dieg.

Ach nein / das iſt mein beſter zierath.

Ponc.

So laß dich in dieſem zierath an den galgen hencken.

Dieg.

Jch armer mann! iſt es denn ſo ſcharff?

Ponc.

So wahr ich ein ehrlicher mann bin / es iſt befehl da / der erſte der dich kriegt / ſol dich an den nech - ſten baum hencken.

Dieg.

Auff die weiſe muß der bart wol herunter.

Ponc.

Habe ichs doch lange geſagt / nun recke den tuͤntſchel her

(hier ſchneidet ihm Poncinello den baart ab / und treibet poſſierliche haͤndel mit ihm.)
Dieg. 505Andere Handlung.
Dieg.

Nun groſſen danck vor die gute vorſorge / ich wil nun ſehn wo ich fortkomme.

Ponc.

Es iſt dir auch zurathen

(Diego geht ab.)

du alter dieb geh nun in deinen vermutzten barte / ſo ni - ſtelt kein krebs drein. Das hertze zittert mir / wenn ich daran dencke / was vor ein ungluͤck daraus haͤtte entſte - hen koͤnnen: Halt / kommt noch ein ſchelm / ſo wil ich ihn beſſer in acht nehmen. Wenn es Signor Borgia wuͤſte / er zoͤge mir ſechs ducaten am wochenlohn ab. Doch ich bin ſehr gelauffen / hier iſt gleich ein wirths - haus / da werde ich dem barte ein grabelied ſingen.

(Geht ab.)
Soph.

Jch kan mich in die haͤndel nicht ſchicken. Flavio wil einen boten von Turin geſehen haben; und gleichwol ſehen wir keine brieffe. Poncinello iſt dem boten nachgelauffen / und das bleyerne voͤgelgen koͤm̃t nicht wieder: Es geht poſſierlich untereinander. Und niemand begegnet mir / den ich fragen koͤnte.

(Caͤcilie koͤmmt)

Doch ſieh da / Caͤcilie kan mich berichten / hoͤret doch / habt ihr nicht den Poncinello geſehn?

Caͤc.

Was geht mich Poncinello an?

Soph.

Er iſt den weg hingegangẽ / iſt er euch nicht begegnet?

Caͤc.

Was gehey ich mich um den naꝛren? da henckt er mir auff dem ruͤcken.

Soph.

Die jungfer iſt trefflich ſpitzfindig.

Caͤc.

So laſſet mich ein ander mahl gehn.

Soph.

Jhr gutes menſch / ihr duͤrffet euch die helff - te ſo viel nicht einbilden.

Caͤc.

Botz tauſend / ihr ſeyd gewiß die beſtalte rich - terin uͤber die einbildung: Es thut euch kaͤrꝛe / daß ihrJ i 5funff -506Der beſchuͤtzten Unſchuldfunfzehen wochen eine jungfer-magd ſeyd.

Soph.

Je du aſchenbroͤdel / ich habe ehrliche eltern gehabt / und daß ich vornehmen leuten auffwarte / das thu ich aus freyen willen.

Caͤc.

Ja es ſind der ſauren / hatte der fuchs geſagt.

Soph.

Wer biſtu denn wol? iſt dein vater nicht mit den banditen darvon gelauffen.

Caͤc.

Dein vater iſt gewiß einer von adel geweſen?

Soph.

Allzeit ehrlicher als deiner.

Caͤc.

Wie theuer gibſtu ein paar loth uͤberleye ehr - ligkeit?

Soph.

Nicht naͤher.

Caͤc.

Du moͤchteſt auff die meſſen ziehen / da kriegt eine reine jungfer vor ihre ehre 12 thaler.

Soph.

O du Nickel / ſiehſtu mich vor eine ſolche an[?]

Caͤc.

O ſchweig ſtille / oder ich ſage was.

Soph.

Was denn irgend? halt du nur das maul / weiſtu dorte?

Caͤc.

Du / weiſtu dorte / pe / a pa?

Soph.

Und weiſtu / em / i mi?

(Poncinello koͤmmt gelauffen / und rennet mit - ten durch die Cammer-moͤdgen durch.)
Soph.

Sieh da eſel / biſtu auch da?

Ponc.

Und ihr jungfern ſeyd ihr auch da / was gab es vor ein freundlich geſpraͤch?

Soph.

Wir gedachten an deine lieb.

Ponc.

Drum juckte michs in der lincken fußſohle.

Soph.

Warum in der lincken?

Ponc.

Die koͤmmt vom hertzen.

Caͤc.

Nu jungfer Fickgen / itzt gibt es die gelegen - heit nicht / heiſſt mich ein leichtfertig menſch / wo ich dirs nicht gedencke.

(geht ab.)
Soph507Andere Handlung.
Soph.

Du kanſt dich anmelden.

Ponc.

Was ſind das vor complimenten?

Soph.

Der bote von Turin hat ſie mitbracht.

Ponc.

Was vor ein bote?

Soph.

Den Poneinello ſo ſchoͤn einholen kan.

Ponc.

Die rede iſt vor mich zu hoch.

Soph.

Nimm ein kloͤtzgen auf den kopff / daß du ſie erlangen kanſt.

Ponc.

Schonte ich nicht jungfer Lenoͤrigen / ich wolte dir das kloͤtzgen auf dem kopffe geſegnen.

Soph.

Ach was wolteſt du thun? Sage lieber wo der bote iſt?

Ponc.

Jch habe keinen boten geſehen. Ein alter kerle hatte ein pferd zwiſchen den beinen / und lieff da - mit die land-ſtraſſe hin; ob es der recht-ſchuldige ge - weſen / davon kan ich nicht reden. Das iſt gewiß / ich konte ihm nicht nachlauffen.

Soph.

So gehts / wenn man narren uͤber die eyer ſetzt.

(geht ab.)
Ponc.

Du armes thier gen / ich bin kein narꝛ / ich habe ihn wol gefunden / aber ich war klug / und wolte ihn nicht verꝛathen. So geht es in der welt / wer ſich alter ſtellt / muß ein narr ſeyn / da er wol zehen kluge leute koͤnte zum April ſchicken. Nun wolan / die narꝛ - heit traͤgt mir geld ein. Jch will darbey bleiben.

(Er tritt auf die ſeite.)
Flavio / Filippo.
Flav.

So haſtu alles in acht genommen?

Fil.

Jch will nichts vergeſſen.

Flav.

Ruhe nicht / laß dich auch keinen menſchen abhalten / biß du den Camillo gefunden haſt.

Fil.

Aber ich gebe ihm den brieff nicht alſobald.

Flav.508Der beſchuͤtzten Unſchuld
Flav.

Nein / frage vor nach / ob er ſich irgend mit einer liebſten eingelaſſen / ob er andere herren-dienſte angenommen.

Fil.

Wenn es aber alſo geſchehen waͤre?

Flav.

So komm zuruͤck / und bringe mir den brieff wieder.

Fil.

Unterdeſſen lebe mein Herꝛ wohl.

Flav.

Und du reiſe geſund / Jch binde dirs auff die ſeele / wirſtu was verſehn / es ſoll von dir gefodert werden.

(Sie gehen ab.)
Ponc.

Das waͤre bald verſehn worden / beym ſanct Velten / wo der kerl fortreitet / ſo kommen meine ſtuͤck - gen an den tag / und ich gerathe an den galgen / gleich zu der zeit / da ich gantz nicht darzu geſchickt bin. Jch muß hoͤren / ob Herꝛ Borgia was zu rathen weiß. Er hat mich hineingefuͤhrt / er mag mich bey ehren erhal - ten.

(geht ab.)

Dritte Handlung.

Borgia Baſtardo.
Borg.

Jſt es verꝛichtet?

Baſt.

Was mir anvertrauet wird / das iſt ſo viel als geſchehn.

Borg.

War es auch der rechte?

Baſt.

Es war des Flavio diener Filippo. Jch kenne ihn wol.

Borg.

Gieng es leicht ab?

Baſt.

O ja / ich rennete ihm nach / und leiſtete ihm geſellſchaft / biß drey meylen von hiher / da forſchete ich wo er hin wolte. Doch war der vogel gewandt / und nannte mir eine andere ſtraſſe. Allein ich paſſete aufder509Dritte Handlung.der rechten auf / und als er angeſtochen kam / ſchenckte ich ihm eine kugel durch den kopf / daß er ſeines reitens wol vergeſſen wird.

Borg.

Aber wenn die ſache verꝛathen wuͤrde?

Baſt.

Da laſſe er mich davor ſorgen: Er iſt ſchon auf die ſeite geſchleppt / da ſind die briefe.

Borg.

Es iſt gut. Was iſt nun vor die muͤh?

Baſt.

Jch mag die leute nicht uͤberſetzen / ich neh - me von einer peꝛſon todt zu ſchlagen vier reichs thaler.

Borg.

Da iſt das geld.

Baſt.

Jch bedancke mich vor gute bezahlung / braucht er ins kuͤnftige etwas / ſo laſſe er michs nur wiſſen.

Borg.

Gar wol. Jch verlaſſe mich drauf / es moͤch - te bald etwas zu thun geben.

Baſt.

Jch ſteh allzeit zu ſeinen dienſten.

(Sie ge - hen ab.)
Hercules / Flavio.
Herc.

So iſt Camillo untreu worden?

Flav.

Sein langwieriges ſtillſchweigen macht mich zweifelhaftig.

Herc.

Das heiſt eines fuͤrſten gnade mißbraucht.

Flav.

Jſt Camillo ſchuld an dem auſſenbleibenden bericht / ſo muß ich ſagen / daß er der leichtfertigſte menſch unter der ſonnen iſt.

Herc.

Wir werden inskuͤnftige mit unſer gnade ſparſamer umgehn.

Flav.

Es ſteht drauf / was mein cammerdiener vor zeitung zuruͤck bringt.

Herc.

Wie bald kan er wieder hier ſeyn?

Flav.

Er wird ſich nicht ſaͤumen. Camillo muͤſte ihn aufhalten.

Herc.510Der beſchuͤtzten Unſchuld
Herc.

Ja Camillo / der ſchoͤne und beliebliche na - men; Aber nunmehr der ſchaͤndlichſte und verfluchte - ſte namen: Der inhalt aller undanckbarkeit der aus - zug aller verraͤtheriſchen unbeſtaͤndigkeit.

Flav.

Jch kan noch nicht ſehen / mit was vor raiſon er einen andern ſtand ergreiffen kan.

Herc.

Deſto ſtraffwuͤrdiger iſt er.

Flav.

Jch wolte ſagen / es haͤtte ihn ein ungluͤck - berfallen: Doch warum wird ſolches nicht hieher ge - ſchrieben?

Herc.

Die laſterhafftige hand ſchaͤmet ſich auch in ſchrifften vor unſere augen zu treten.

Flav.

An keinem hofe kan ſolches gebilligt werden.

Herc.

Er hat ſich mit Leonoren verbunden: Haͤlt er nicht ſein wort / ſo wird er nicht unter dem Adel ge - litten.

Flav.

Leonore bekuͤmmert ſich biß auf den tod.

Her.

Sie ſoll ſich erfreuen / daß die falſchheit an den tag koͤmmt / ehe er ihrer vollkommenen liebe genoſſen hat. Geht hin / verſichert ſie unſerer gnade / daß wir nicht ruhen wollen / ehe wir ſie vergnuͤget ſehen.

(Sie gehen ab.)
Simpl.

So lieb mir das anſchauen meines vater - landes iſt / ſo ſehr muß ich erſchrecken / wenn ich an die verꝛaͤtherey gedencke / welche meinen Herꝛn / den Ca - millo dermaſſen verhaſſt gemacht / alſo daß er / von ſei - ner abreiſe an / nicht einer zeit gewuͤrdiget worden / un - angeſehen er ſeine gelegenheit zu ſchreiben verabſaͤu - met! Er hatte einen gnaͤdigen Fuͤrſten / auserleſene freunde / und eine unvergleichlich treue liebſte. Doch nun hat ſich alles umbgewandt / daß ich faſt bedencken trage / oͤffentlich in der ſtadt herum zu gehen. Jch ſe -he511Dritte Handlung.he mich um / allein ich finde keinen / dem ich trauen doͤrf - te / Poncinello iſt noch der einfaͤltigſte / ſolte ich dieſen antreffen / der wuͤrde wol mit etwas heraus plumpen. Doch ſiehe da / zu gutem gluͤcke koͤmmt er.

Pon.

Jch dacht es waͤre gar leicht / wenn man ei - nen ſchelm agirte / doch nun befinde ichs was vor auf - merckens und kopff-brechens darzu erfordert wird. Da muß ich immer auff der ſchildwach ſtehn / daß mir kein loſer vogel poſſen macht. Jch kan keine kanne wein mit frieden ſauffen; Jch kan keine mittags-ruh halten; ſummirum ſummarum / ich habe ſo viel ſorge als der Moſcowitiſche Groß-Cantzler / daß ich offt dencke / ſind die leute nicht narꝛen / daß ſie ſich die loſen ſtuͤcke ſo ſauer werden laſſen / und koͤnten mit eben der muͤh was guts thun. Nun was hilffts / die Profeſ - ſiones ſind unterſchiedlich / wir koͤnnen nicht alle eineꝛ - ley handwerck treiben: Ein feuermaurkehrer macht keine ſchuh / ein ſchneider flickt keine keſſel / eine koͤhlerin kan keine waͤſcherin ſeyn; und alſo kan ein ſchelm kein ehrlich mann ſeyn / es muß doch alles gethan werden. Doch halt / was iſt das vor ein gaſt / iſt es nicht unſer Cammer-diener? wie werde ich den betruͤgen? lauff ich zum Borgia / ſo fuͤhrt ihn der luͤtzel zum Flavio / bleib ich bey ihm / ſo iſt die ſache auch mißlich. Nun laß ſehn Poncinello / raffe die weißheit zuſammen / der kerle muß betrogen ſeyn.

Simpl.

Sein diener Signor Poncinello.

Pon.

Je Simplicio / willkommen hier zu lande / ich erfreue mich euer guten geſundheit / wie kommt ihr ſo allein? oder iſt euer herr ſchon voran gereiſet?

Simpl.

Ach nein / ich bin nur allein abgeferti - get. Doch weiſtu nicht wie die ſachen ſtehn?

Ponc.512Der beſchuͤtzten Unſchuld
Ponc.

Wie ſollen ſie ſtehen / ſchlecht genung / wenn ich mich nicht mit betteln behuͤlffe / ſo haͤtte ich unter - weilen nichts zu freſſen.

Simpl.

Wer hat denn ſolche haͤndel gemacht?

Pon.

Jch weiß nicht. Flavio iſt ein rechter vogel / der wil die Leonore einem andern verheyrathen / drum muß Camillo vor nieder geſchlagen werden / verſteht ihr mich?

Simpl.

Man ſieht wie es geht.

Pon.

Mein rath waͤꝛe / euer herꝛ ſaͤhe ſich in Franck - reich oder anderswo nach gelegenheit umb / wo er in das land wieder koͤmmt / ſo iſt er des lebens nicht ſicher.

Simpl.

Was fang ich nun an / hier hab ich briefe an den fuͤrſten / und an andere mehr.

Ponc.

Jch wolte ſie wieder zuruͤck nehmen. Es iſt fuͤrwar kein kinderſpiel / es ſteht leib und leben darauf.

Simpl.

Es mag gerathen wie es will / ich habe ein gut gewiſſen / ſterbe ich / ſo ſterbe ich: was mir mein Herꝛ befohlen hat / das will ich thun.

Ponc.

Ey das waͤre mir gleichwol leid / wenn ich ſo einen guten Patron verlieren ſolte. Hoͤrt / kommt hier mit herein / und laſſt euch eine ehre anthun / unter - deſſen will ich ſehn wie es laͤufft.

Simpl.

Meinetwegen / ich bin ohne diß von der reiſe muͤde und durſtig.

(ſie gehen hinein.)
Poncinello koͤmmt mit Borgia heraus.
Borg.

Was iſt denn da?

Ponc.

Ey was wird da ſeyn / es iſt alles verſchoren und verlohren.

Borg.

Warumb aber?

Ponc.

Darum / daß wir verrathen ſeyn.

Borg.

Du narr halt mich nicht auff.

Ponc.513Dritte Handlung.
Ponc.

Herr / kommt mit hieher.

(er fuͤhrt ihn auff eine ecke.)
Borg.

Jch erwarte mit verlangen wo die poſſen hinaus wollen.

Ponc.

Doch nein / kommt dorthin.

(er fuͤhrt ihn an die andeꝛe ecke)
Borg.

Jch halte du haſt die bienen verkaufft / du ſchwermeſt ſelber.

Ponc.

Ach nein / ach nein / es iſt was ſchreckliches da /

(er weiſet unter die zuſchauer)

doch dort ſitzet einer der kan nicht reinen mund halten / ich muß euch weiter fuͤhren.

(Poncinello agirt poſſierlich / und fuͤhrt den Borgia hin und her)
Borg.

Du fantaſt / ich bin auch nicht deßwegen da / daß ich mit dir herumb lauffen ſol. Sage doch endlich was haſtu neues?

Ponc.

Ein bote vom Camillo.

Borg.

Jch dachte was ſonſt ſchreckliches da waͤre.

Ponc.

Ja heꝛr / ihr wiſſet noch nicht alles.

Borg.

Was iſt denn mehr? bringe den boten wie - der zu mir.

Ponc.

Es ſolte ſchoͤn heraus kommen / es iſt ſein eigner cammerdiener Simplicio.

Borg.

Was wil er denn?

Ponc.

Er hat eine laſt briefe / die Venediger koͤn - ten ein hauß darauff bauen / daruͤm beſchwert er ſich / daß er keine antwort kriegt.

Borg.

Was giebt der kerle ſonſt vor?

Ponc.

Er ſchneidet auf / daß man ſich zum butter - wecken verwundern moͤchte. Sein heꝛr hat ſo viel ge - legenheiten in Franckreich anzukommen / als er knoͤpfeK kauf514Der beſchuͤtzten Unſchuldauf den caput hat. Und doch wie er vorgiebt / hat er nicht luſt anzubeiſſen. Jch halte / ehe ſechs wochen in das land kommen / ſo haben wir ihn zu hauſe.

Borg.

Da ſchlage bley zu / wie wird das ablauffen.

Ponc.

Heꝛr auf euch beruhet es. Jhr muͤſſet wiſ - ſen was zu thun iſt.

Borg.

Weiſtu nichts wie man den ſtuͤmper beruͤ - cken kan?

Pon.

Dißmal giebt es ein recht meiſterſtuͤcke.

Borg.

Biſtu auch verſichert / daß er nicht hingeht / und die briefe abgiebt?

Pon.

Da bin ich wol verſichert / ich habe ihm ſo bange gemacht / daß er nicht weiß / ob er ein maͤdgen oder ein buͤfgen iſt.

Borg.

Wo ſteckt er aber?

Pon.

Da im wirthshauſe.

Borg.

Kanſtu ihm nicht einen rauſch beybringen?

Pon.

Davor hab ich ſchon geſorgt. Jch habe ihm brav brantewein unter den wein gemiſcht / davon iſt er ſchon ſo fertig / daß er brauſt als ein hamſter.

Borg.

Hoͤre / ſiehe daß du ihm die briefe wegkꝛiegſt: ich wil unterdeſſen andere ſchreiben / und an die ſtelle legen.

Pon.

Ey das geht nicht an. Sie werden nicht die hand kennen.

Borg.

O du elender kautz / lehre du mich anderer leute haͤnde nachmachen.

Pon.

Auf die weiſe waͤre es nicht ſchlimm. Jch ſeh wohl ihr ſeyd mein meiſter. Nun es bleibt darbey ich wil die taſche mit den briefen bald bringen.

Borg.

Jch verlaſſe mich drauf.

(geht ab)
(der innerſte platz oͤffnet ſich / da ſitzt Simpli -cio515Dritte Handlung.cio mit etlichen ſauffgeſellen / Poncinello ſetzt ſich darzu / laͤſt auf den Simpl. ſcharfzuſauf - fen. Endlich partirt er ihm die taſche weg / und als er den Borgia ſieht / koͤm̃t er herauß.)
Pon.

Heꝛr da iſt die taſche / geſchwind / geſchwind ehe die katze ein ey legt.

Borg.
(langt die briefe herauß / und ſteckt andere dargegen hinein)

Da Poncinello trage ſie wieder an ihren ort / und halt den kerlen nicht laͤnger auf / daß er die brief beſtellt: Dieſe aber nim / und wirff ſie noch dieſen augenblick ins feuer.

(Poncinello geht hinein / der platz wird zugezogen)
Borg.

Nun ſteht es mit dem Camillo auf der ſpi - tze / da ſol er ſeinen letzten ſtoß bekommen / davon er ſo bald nicht geneſen wird. Abſonderlich weil ich mich bey dem fuͤrſten in ſeine ſtelle eingeſchlichen / und die gnade weggeſiſchet habe. Was Camillo vor dieſen war / iſt itzt Borgia. Nur Camillo war zu einfaͤltig / und konte dem Borg. nicht den hals brechen. Hinge - gen Borgia iſt vorſichtiger / und hat beſſer drauf ſtu - diert / wie man die politiſche maͤuſefalle aufſtellen muß.

(geht ab.)
Poncinello / Simplicio.
Ponc.

Jch wolte euch gerne laͤnger noͤthigen / doch weil ihr zu verrichten habt / ſo nehmt mit dem wenigen vor lieb.

Simpl.

Jch bedancke mich vor diß. Aber wo werde ich den Flavio antreffen?

Pon.

Er iſt zu hofe / fragt nur oben bey den Tra - banten nach.

Simpl.

Aber bin ich auſſer gefahr?

K k 2Ponc.516Der beſchuͤtzten Unſchuld
Pon.

Jch halte wol / wer will euch was thun / ſie moͤ - gen es mit eurem Herꝛn ausfechten.

Simpl.

Nun lebt wol / wenn ich gute abfertigung habe / ſo ſprech ich wieder ein.

(geht ab.)
Pon.

Ja ſprich nur ein: aber mit dem bedinge / wo du kanſt. Jch halte das einſprechen wird dir ver - gehn. Doch ſieh da / was mache ich mit den briefen / ich ſolte ſie verbrennen. Es verlohnt ſich kaum der muͤh / daß ich deſſentwegen feuer anſchlage. Das feu - er iſt auch zu reputierlich darzu / ich will es nach und nach dahin tragen / wo man die wand mit dem bloſſen ruͤcken anſieht / biß alles dem Pontio Pilato aufgeopf - fert iſt.

(Geht ab.)
Hercules / Borgia.
Herc.

Es iſt nicht anders / die warheit iſt an einem fuͤrſtlichen hofe ſeltzam.

Borg.

Sie iſt ſeltzam: doch iſt ſie nicht gantz ver - bannt.

Herc.

Nicht verbant: doch unbekannt.

Borg.

Die zeit giebt die beſte probe.

Herc.

Offt koͤmmt die probe zu langſam.

Borg.

Der fuͤrſt der im him̃el wohnt / weiß alles zu rechter zeit anzuſtellen: Sonderlich verſaͤumet er die fuͤrſten nicht / auf welchen die gemeine wolfahrt ge - gruͤndet iſt.

Herc.

Wir an unſerm orte / ſind demſelben hohen danck ſchuldig / das wir den hoͤchſten und gefaͤhrlichſten iꝛrthum ſo gluͤcklich erkennen lernen.

Borg.

Hieriñ erweiſet Gott / daß dero Hochfuͤrſtl. ſtaat ſolle ewig waͤhren.

Herc.

Vor dieſem war Camillo mein getreueſter diener.

Borg.517Dritte Handlung.
Borg.

Nun hat der wind die falſche ſpreu vertrie - ben.

Herc.

Borgia muſte ein verꝛaͤther ſeyn.

Borg.

Wer auff ſeinen nutzen mehr als auf des fuͤrſten wolfahrt ſieht / der muß durch eines andern fall groß werden.

Herc.

Borgia war der landsverderber.

Borg.

Wer den fuͤrſten untreu iſt / wird eines pri - vat-freundes nicht ſchonen.

Herc.

Ach du ſchaͤndliche verraͤtherey!

Borg.

Gluͤckſelig bin ich / daß meine unſchuld offen - bahr wird.

Her.

Wir haben euch bißher aus rechtmaͤſſigen ver - dacht vieler wolthaten unfaͤhig gemacht. Doch ſeyd zu friden: Ein fuͤrſt kan allzeit gutes thun.

Borg.

Jhre Durchl. koͤnnen keine beſſere beloh - nung abſtatten / als das allergnaͤdigſte erkaͤntniß mei - ner unterthaͤnigſten treue.

(Flavio und Leonore treten auff.)
Herc.

Da kommen die tugendhaffteſten perſonen unſres hofes / durch derer zeugniß Camillo biß in den tod beſchaͤmet iſt.

Flav.

Eu. Durchl. faͤllet die verlaſſene Leonore zu dero fuͤſſen / und bittet demuͤtigſt um ſchutz und rettung.

Herc.

Steh auff / ſchoͤnſte Leonore / euer gluͤck ſol un - ſer ſeyn.

Leon.

Jch bin eine vater - und mutter-loſe perſon.

Herc.

Hercules ſol ihre ſtelle vertreten.

Leon.

Mein liebſter hat mich verlaſſen.

Herc.

Er war euer tugenden nicht wuͤrdig.

Leon.

Doch leb ich in vielfaͤltiger bekuͤmmerniß.

K k 3Herc. 518Der beſchuͤtzten Unſchuld
Herc.

Der ſchaͤndliche unmenſch ſol ſo maͤchtig nicht ſeyn / eine tugendbegabte ſeele zu betruͤben.

Leon.

Eine ſchlange kan auch die geſunden ver - gifften.

Herc.

Doch koͤnnen die ſchlangen auch uͤberwun - den werden.

Leon.

Wer ſchon gebiſſen iſt / hat ſchlechten troſt davon.

Herc.

Wo nicht mittel vorhanden ſind.

(Gyraldo koͤmmt gelauffen.)
Gyr.

Signor Flavio bekoͤmmt einen boten von Camillo.

Flav.

Wer dem Fuͤrſten untreu wird / mit dem ha - be ich keine brieffe zu wechſeln.

Borg.

Ohne maßgebung koͤnte Jhre Durchl. die briefe abfordern / und die endliche gewißheit erforſchẽ.

Herc.

Es ſey alſo / daß man die briefe alsbald hie - her bringe / und den boten indeſſen anhalte.

Gyr.

Der bote war etwas unhoͤflich / er wolte ſie ſelbſt uͤbergeben.

Borg.

Vielleicht ſchlaͤgt er dem Herꝛn nach.

Herc.

Wem gehoͤren ſie nun?

Borg.

Einer iſt an E. Durchl. der andere an Fla - vio / der dritte an Leonoren.

Herc.

Vorgia leſet den brieff / der an uns haͤlt / viel - leicht hat er hoͤflich abſchied genommen.

Borg.
(lieſet)

Durchlauchtigſter Fuͤrſt / gnaͤdig - ſter Herr / E. Hochfuͤrſtl. Durchl. haben dero unſchaͤtz - bare gnade ſo vielfaͤltig auf meine geringe perſon flieſ - ſen laſſen / alſo daß kein zweiffel iſt / es koͤnne von mir nichts gebeten werden / deſſen gewißheit ich mir nicht verſprechen duͤrffte. Wenn denn Jhr Durchl. derHer -519Dritte Handlung.Hertzog zu Lothringen / mit dergleichen guͤtigkeit an mich geſetzt / der ich nicht widerſtehen kan / und ich alſo bey hoͤchſtgedachtem Herꝛn vor einem Stallmeiſter auffzuwarten / gehorſamſt entſchloſſen: Als iſt an E. Hochfuͤrſtl. Durchl. mein demuͤthigſtes zuverſichtli - ches bitten / ſie wollen dero welt-bekandten ſinceritaͤt nach / mich an meinem beſſern gluͤck nicht verhindern / ſondern ſie vielmehr vergewiſſern / daß ich auch in fꝛem - den landen ſeyn werde ꝛc.

Herc.

Halt inne / halt inne / die letzte complimente mag ich nicht hoͤren. Du ſchaum von allen adelichen gemuͤthern / ſo biſtu dermaſſen kuͤhn / daß du auch ein ſchrifftlich zeugnis von deiner unartigen boßheit geben darffſt. War diß die vollkommenheit / die in Franck - reich deine augen an dich lockte? O vermaledeyet ſey die ſtunde / darinnen du unſere gnade bezaubert haſt! verflucht ſey der tag / da man ſagte: Wir haͤtten einen neuen Cammer-juncker befoͤrdert! Verdammet ſey die wohlthat / welche dich aus dem ſtaube erhoͤhet hat / daß du auch fremde Fuͤrſten betruͤgen kanſt. Nun der himmel ſchicke es / daß der Hertzog zu Lothringen eher deine laſter erkennet / als er ſich an dem aͤuſſerlichen ſchein der tugend vergafft.

Borg.

Signor Flavio / was will er mit ſeinem brie - fe machen?

Flav.

Meinetwegen mag er ihn ins feuer werffen.

Herc.

Es iſt unſer wille / leſet ihn.

Flav.
(lieſet)

Werther freund! Aus eurem lang - wierigen ſtillſchweigen darff ich mich keiner froͤlichen wiederkunfft verſichern / ſondern ich muß mich aus den Poeten troͤſten / daß Herc. auch unbeſtaͤndig geweſen / und dannenhero unſer Fuͤrſt mir das jenige mitſpielenK k 4duͤrffte /520Der beſchuͤtzten Unſchuldduͤrffte / was er bey meiner anweſenheit an andern all - bereit moͤglich gemacht. Jn deſſen betrachtung wer - de ich entſchuldigt ſeyn / daß ich mein fortun auff einen gewiſſen grund zu ſetzen gedencke. Will er der ge - ſchloſſenen freundſchafft noch eingedenck ſeyn / ſo be - guͤtige er Jhr. Durchl. oder wofern ich allbereit aus - gethan bin / ſo gratulire er der ſelben / daß ſie einer muͤh uͤberhoben ſind / mich mit manier wegzuſchaffen / ꝛc.

Her.

Was haltet ihr davon Flavio?

Flav.

Der unterthaͤnigſte reſpect Euer Durchl. haͤlt mich zuꝛuͤcke / daß ich meine gedancken nicht eroͤfne.

Her.

Wir ſind dem unbeſtaͤndigen Hercules ſchoͤn verglichen worden.

Flav.

Der undanckbare guckguck hat ſich ſelbſt ab - gebildet.

Her.

Jn dieſem trifft er die warheit / daß wir uns gratuliren / daß er unſerm hofe keinen ſchandfleck mehr anzeucht.

Flav.

Unſere gratulation waͤre vollkommen / wenn ſeine untugend Eu. Durchl. nie waͤre bekandt worden.

Her.

Aber was hat Leonore fuͤr einen abſchied?

Leon.

Jhr Durchl. wollen dero gehorſamſte die - nerin mit dem ungluͤcke verſchonen das urthel des to - des anzuhoͤren.

Herc.

Nicht das urthel des todes / das urthel eines beſſern lebens: Borgia leſet den brief laut.

Borg.
(lieſet)

Schoͤnſte Leonore / ihre tugend iſt ſo hoch / daß ich unwuͤrdig bin / dieſelbe zubeſitzen. Ab - ſonderlich entfaͤllt mir alle hofnung / indem ich auſſer meinem vaterlande dem gluͤcke folgen muß: Denn ich darff ſie doch nicht bemuͤhen / uͤber ſo viel berge / ſeen und fluͤſſe nachzureiſen. Zwar meine beſtaͤndigkeit zuerwei -521Dritte Handlung.erweiſen / habe ich die vorgeſchlagene heyrath mit einer Niederlaͤndiſchen graͤfin noch in zweifel geſtelt / um zu - vernehmen / ob Leonore meine liebe der Niederlaͤnde - rin mißgoͤnnen werde. Auff ſolchen fall erwarte ich meine ſchoͤne in Lothringen / in qvalitaͤt eines getreu - en liebhabers.

(Leonoꝛe faͤllt in ohnmacht: Sophie und Gy - raldo kommen herzu gelauffen.)
Herc.

Diß ſind die fruͤchte der untreu / daß die un - ſchuld dadurch betruͤbet wird.

Flav.

Jhre Durchl. haben es in dero guter macht / die verlaſſene Leonore anderweit zu vergnuͤgen.

Herc.

Es ſol unſere meiſte ſorge ſeyn / doch daß der wache bald befohlen wird / den boten aus der ſtadt zu jagen

(Hercules und Borgia gehn zuſammen ab / auf der andern ſeite wiꝛd Leonoꝛe hinein getragẽ)
Simplicio / Poncinello.
Simpl.

Ach liebſter freund wo laß ich mich / die wache koͤmmt mir auff den fuß nach / und wil mich auf - halten.

Ponc.

Mein ehrlicher Simplicio / es iſt mir leid / macht euch nur unſichtbar.

Simpl.

Mit den anſchlag wird mir nicht geholffẽ.

Ponc.

Halt dort iſt oben ein kaͤſekorb / da koͤnt ihr euch verſtecken.

Simpl.

Ey itzt iſt nicht zeit / daß wir poſſen treiben. Ach wer hilfft mir!

Pon.

Jch kan nicht mehr thun / als das ich euch ver - ſtecke. Kriecht hinter die thuͤre.

Simpl.

Aber wenn die wache koͤmmt?

K k 5Pon. 522Der beſchuͤtzten Unſchuld
Pon.

So wil ich ſchweren es ſteckt kein menſch da - hinten.

(Simplicio verſteckt ſich. Claudio koͤmmt mit zween dienern heraus.)
Claud.

Da lieff der verraͤther hin. Hoͤre Ponci - nello / wo kam der kerl hin.

Ponc.

Jch habe keinen menſchen geſehn.

Claud.

Jch weiß er iſt hieher kommen. Sage die warheit / oder dein kopff ſoll ſo weich werden als die naſe.

Ponc.
(weiſet mit den finger auf die thuͤre)

Jch weiß nicht was ihr wollet / ihr moͤgt mich zureiſſen oder gantz laſſen / ſo kriegt ihr keinen bericht.

Claud.

Du unterfutter von einem galgenvogel / antworte auf die frage / oder ich haue dich zu ſchanden.

Ponc.
(weiſet nochmals auf die thuͤre)

Jhr Herꝛen laſſet mich doch zufrieden / ich habe keinen kerln hier hinter die thuͤre geſteckt / nein fuͤrwahr / bey meiner armen treu / es hat ſich niemand darhinter verkrochen. Jhr moͤgt ſuchen wo ihr wollt / nur ſuchet nicht hinter der thuͤre / dann da weiß ich gewiß / daß keine lebendige ſeele da iſt.

Claud.

Mit ſolchen poſſen braͤchten wir den tag zu / ſucht ihr purſche.

(ſie finden ihn)
Simpl.

O barmhertzigkeit / barmhertzigkeit!

Ponc.

Muͤſſet ihr denn hinter der thuͤre ſuchen / ich ſagte ja / es waͤre niemand da.

Simpl.

Ach Poncinello mein ehrlicher freund / bringe dich nicht in ungluͤcke: Hie bin ich ihr Herꝛen / macht mit mir was ihr wollet / ich muß meine ſache GOtt befehlen.

Ponc.
(tritt dem Simplicio hinter dem ruͤ -cken /523Dritte Handlung.cken / und wincket den dienern / ſie ſollen brav drauff ſchlagen)

Ey ihr Herꝛen geht gemach / der gute menſch hat nichts gethan.

Claud.

Wilſtu die ſchlaͤge mit ihm theilen?

Ponc.

Ach ſo gehts / wenn man einen freund hat / der wenig helffen kan.

Claud.

Nun du hund / packe dich noch dieſe viertel - ſtunde 12 meilen von dieſer ſtadt weg.

Simpl.

Jch will gerne gehn / laſſet mich nur ver - ſchnieben.

Claud.

Du mordbrenner / nicht einen augenblick.

Simpl.

Was ſoll ich denn thun?

Claud.

Zum lande ſolſtu hinaus gehn / oder an den galgen.

Simpl.

Jch eyle ja ſo ſehr ich kan.

Claud.

Du muſt beſſer tantzen lernen.

(ſie ge - hen mit ihm ab)
Ponc.

Jhr Herꝛen / ihr ſeyd meine zeugen / ich meyn - te es mit dem menſchen ſo gut / ich haͤtte ihm mit mei - nem leben gedient; Doch es war nicht moͤglich / die ſchnaphaͤhne waren zu eyfrig auff das liebe brod / ich hatte noth daß ich nicht in das gedraͤnge kam / Herꝛ Borgia hat auff die Cauſen ausſtudirt / es geht ihm wie er ſelber will / der unſchuldige Simp licio muſte es auch entgelten / daß Borgia dem Camillo nicht gut iſt. Doch wer fragt darnach: Unterdeſſen hat Poncinello geld und gut leben / wie er nur ſelber will.

(Baſtardo koͤmmt gelauffen.)
Baſt.

Hoͤret ihr junggeſell wo iſt Signor Borgia?

Pon.

Sieh da / habe ich auch einen zeugen daß ich auch ein junggeſelle bin.

Baſt. 524Der beſchuͤtzten Unſchuld
Baſt.

Jhr moͤgt gleich ein junggeſelle oder ein & cætera ſeyn / ſagt nur wo Borgia anzutreffen iſt.

Pon.

Der herr wird gewiß nothwendig mit ihm zu ſprechen haben.

Baſt.

Jhr ſeyd ohn zweifel ſein geheimer rath.

Pon.

Was er wiſſen ſol / das muß zuvor bey mir anbracht werden!

Baſt.

Ja was er wiſchen ſol; doch was haltet ihr mich auff.

Pon.

Jch wil alle ehrliche leute zu zeugen anꝛuffen / ob ich euch auffhalte: Meinetwegen moͤgt ihꝛ wol dem hn. wachmeiſter nachlauffen.

Baſt.

Jch rathe euch gutes / mißbrauchet meiner gedult nicht. Jch habe wol ehe einen ſolchen wachol - derziemer als ihr ſeyd / auff daß hertze genommen.

Ponc.
(pfeiffet)

Sa / ſo ſeyd ihr etwan der todt - macher / der neulich 4. thaler verdient hat?

Baſt.

Und ſeyd ihr etwan Poncinello / der neulich einem boten den bart gebutzt hat?

Ponc.
(wirfft ihn mit ſeinem hute)

Daß dich das haͤhngen erhacke / kommen wir hier zuſammen / und ſollen nicht eines trincken?

Baſt.

Ey das trincken wird ſich wol geben / ſage nur wo iſt der Herꝛ? ich ſoll gar nothwendig mit ihm reden.

Ponc.

Wiſſet ihr nicht wo er iſt?

Baſt.

Nein ich weiß nicht.

Ponc.

Jch weiß es auch nicht.

Baſt.

So iſt ein narꝛ ſo klug als der ander.

(Borgia koͤmmt.)
Borg.

Baſtardo ſeyd ihr ſchon da?

Baſt.

Jch bin geſchwind wie der wind.

Borg.525Dritte Handlung.
Borg.

Es gibt wieder was zu thun.

Baſt.

Er befehle nur / ich will ihm vom brodte helf - fen / und wenn es Poncinello waͤre.

Ponc.

Ja / Herꝛ Borgia braucht mich weiter / ſchlagt nur andere leute todt / die uns ſchaͤdlicher ſeyn.

Borg.

Hoͤrt / ich beſorge mich / Camillo moͤchte auf des Cammer-dieners nachricht bald hieher eilen / und unſere poſſen zu ſchanden machen. Gebet doch auff der ſtraffe etwas achtung / ich will gerne ein uͤbriges thun / und vor ſeine perſon 10 thaler geben.

Baſt.

Es iſt ſchon gut. Er verlaſſe ſich drauff / es iſt ſo viel / als wenn Camillo ſchon todt waͤre.

Borg.

Nur geht piano!

Baſt.

Jch bin darbey geweſen / mir darff niemand eine lehre vorſchreiben.

Borg.

Seht / da habt ihr einen ducaten drauff.

Baſt.

Es waͤre unvonnoͤthen. Jch laſſe mich nicht gern bezahlen / als biß ich das geld veꝛdienet habe.

Ponc.

Herꝛ / ihr muͤſt ihm das geld alle geben / er ſagte / Camillo waͤre ſchon todt.

Baſt.

Schweigt / oder ich ſchicke euch einmahl in die piltze / daß ihr nimmermehr wieder kommt.

Ponc.

Mit ſolchen blut-hunden wolte ich nicht viel zu thun haben.

Baſt.

Nun meine dienſte.

Ponc.

Meine darneben.

Baſt.

Jch meyne euch nicht.

Borg.

Geht fort mit gutem gluͤcke / und vergeſſet es nicht / daß ihr das geld abholet.

(Sie gehen ab.)
Flavio / Leonore.
Flav.

Sind die thraͤnen noch nicht vertrocknet?

Leon. 526Der beſchuͤtzten Unſchuld
Leon.

So lange ich augen habe / ſo lange muß ich weinen.

Flav.

Aber der Fuͤrſt befiehlt / ſie ſoll lachen.

Leon.

Ein Fuͤrſt kan nicht unmoͤgliche ſachen be - fehlen.

Flav.

Sie dencke aber nach / hat ſie der Camillo als einen menſchen / oder als einen Gott geliebt.

Leon.

Ein menſch kan mit nichts als mit menſchen vermaͤhlet werden.

Flav.

Da ſie nun wuſte / daß Camillo ein menſch war / wuſte ſie denn nicht / daß er koͤnte etwas menſchli - ches begehen?

Leon.

Dieſe wiſſenſchafft war mir zu hoch. Nun hat mir die erfahrung den verſtand eroͤffnet.

Flav.

Die klugheit entſpringt aus der veꝛſuchung.

Leon.

Ach die klugheit muß ich theuer kauffen.

Flav.

Nein ſie muß vor ihre einfalt theuer buͤſſen.

Leon.

Doch hat er einen ſchlechten ruhm / der in ſeinem ſieges-zeichen nichts als meine einfalt aufffuͤh - ren kan.

Flav.

So hat ſie ſchlechte urſache / daß ſie mit ihren thraͤnen den ſieg koſtbarer macht.

Leon.

Jch weiß nicht wohin ich mich wende. Jch haſſe meine beſtaͤndigkeit: Ob mich gleich Camillo zum hoͤchſten beleidiget hat / werde ich doch von den wi - derwaͤrtigen gedancken meiner zuſage und ſeiner liebe erinnert.

Flav.

Sie gedencke an den letzten brieff.

Leon.

Ein baum wenn er tieff wurtzelt / wird zwar durch den ſturmwind umgeworffen / doch bleibt die wurtzel ſtehn.

Flav.

Es iſt die warheit / duͤrffte ich meine gedan -cken527Dritte Handlung.cken eroͤffnen / ich kan dem Camillo nicht von gantzem hertzen feind ſeyn / doch der fuͤrſt koͤmmt.

(Hercules koͤmmt.)
Her.

Wertheſte Leonore / habt ihr den verꝛaͤther voͤl - lig abgeſaget.

Leon.

Die gedult iſt meine artzney: Und die gna - de Eu. Durchl. erquicket mich.

Her.

Recht ſo / es ſind mehr perſonen / da ſich Leono - re vergnuͤgen kan.

Leon.

Ach Leonore darf an keine vergnuͤgung den - cken.

Her.

Eure tugend kan nicht ohne vergnuͤgung ge - laſſen werden.

Leon.

E. Durchl. ſchertzen mit meinem ungluͤck.

Her.

Mit nichten. Jhr ſollet wuͤrcklich ſehn / daß ihr die ſchoͤnſte rache gegen euren verꝛaͤther in den haͤn - den habt. Seht Borgia iſt bey uns an des Camillo platz erhaben; gebt ihr ihm die ſtelle in eurem hertzen / ſo erweiſet ihr / daß unſer wille euer wolgefallen iſt.

Leon.

Eu. Durchl. verſuchen dero unterthaͤnigſte dienerin.

Her.

Es iſt unſer ernſt.

Leon.

Jch kan nicht zugleich weinen und lachen.

Her.

Die thraͤnen muͤſſen verſtopffet werden.

Leon.

Jch kan nicht zugleich beſtaͤndig und unbe - ſtaͤngig ſeyn.

Her.

Dieſe worte ſind zu dunckel.

Leon.

Camillo hat durch ſeinen unbeſtand meine beſtaͤndigkeit nicht aufgehoben.

Her.

Die beſtaͤndigkeit muß zwiſchen zwey perſo - nen beruhen.

Leon.

Aber ſo weit die beſtaͤndigkeit eine tugendiſt /528Der beſchuͤtzten Unſchuldiſt / kan ſie auch mit einſamen gedancken verehret wer - den.

Her.

Dieſer einbildung ſolt Borgia bald abhelffẽ.

Leon.

Eu. Durchl. vergeben mir gnaͤdigſt / daß ich in meiner traurigkeit ſchertze. Einer witwe wird ein gantzes jahr zur trauer eingeraͤumet: Man vergoͤnne mir unverheyratheten witwe ein halbes jahr.

Her.

Einen halben monat / doch erwegt den vor - ſchlag: Unſere gnade habt ihr voͤllig.

(Sie gehn ab)
Leon.

Es ſage doch kein menſch / er ſey am allerun - gluͤckſeligſten: Alldieweil allzeit ein ſchmertz zuruͤcke bleibt / dadurch ſich das elend vermehren kan. Jch wolte vor angſt vergehn / als Camillo mir die liebe auf - kuͤndigte. Nun falle ich viel tieffer in das ungluͤck / da ich meinen aͤrgſten feind Borgia lieben ſol / wer weiß was vor eine noth auf mich wartet / wofern ich ietzund zu ungedultig bin? doch diß ſey mein ſchluß / weil mich Camillo ſeiner liebe unwuͤrdig acht / ſo wil ich im ge - gentheil ſo hoffaͤrtig ſeyn / und alle menſchen meiner liebe unwuͤrdig ſchaͤtzen.

(Geht ab)

Vierdte Handlung.

(Der Schauplatz pꝛaͤſentirt einen wald.)
Camillo / Simplicio.
Cam.

Jch hab es beſchloſſe / ich wil in den tod gehn.

Simpl.

Und mein heꝛr koͤnte in Franckreich ſo gluͤckſelig ſeyn.

Cam.

Solches thaͤte ich / wenn ich Simplicio waͤ - re: Ach haſtu zu Ferrara den Flavio nicht geſehn?

Simpl.

Weder den Flavio noch die Leonore / diß ſahe ich / daß Borgia muſte in groſſen gnaden ſeyn.

Cam.529Vierdte Handlung.
Cam.

Du haſt mich wieder erqvickt. Kan ich mich noch des Flavio und der Leonore verſichern / ſo wil ich dem Borgia leicht gewachſen ſeyn.

Simpl.

Jch kan nichts darzu ſagen.

Cam.

Meine unſchuld fol kraͤfftiger ſeyn / als ande - rer leute boßheit. O du geliebſter Flavio. O | du him̃ - liſche Leonore! wenn werde ich in euren armen die zei - tung erfahren / daß mich Borgia unſchuldig verleum - det habe. Ach wenn wird die Sonne den gluͤckſeligen tag erſcheinen laſſen / daß ich meine / ach / ja meine Leo - nore verſichern werde / daß ich in Franckreich ihres glei - chen nicht gefunden. Jch ſterbe vor warten / ich ver - gehe vor verlangen. Ein augenblick ſcheinet tauſend jahr zu ſeyn. Ach verzeihe mir / du angenehmſte Leo - nore / daß ich dich mit meiner langſamen reiſe an deiner verſicherung aufhalte. Jch eyle / ich eyle / und will meine lippen auf deinem holdſeligen munde bald ruhen laſſen.

(Baſtardo ſpringt mit zwey andern banditen hinter dem ſtrauch hervor.)
Baſt.

Gebt euch gefangen / ihr hunde.

(Baſtardo gibt feuer / und trifft den Simpli - cio / daß er faͤllt. Die andern ſchieſſen auch / doch Camillo wendet ſich / daß er unbeſchaͤ - digt bleibet. Greifft hierauf zu dem degen / und wehrt ſich gegen drey. Da er einen be - ſchaͤdigt / wollen ſie ausreiſſen: Doch Ba - ſtardo verſaͤumt ſich / daß er von dem Ca - millo zu boden geſchlagen wird / da ſetzt er ihm den degen an die bruſt.)
Cam.

Siehe da / deine verfluchte ſeele iſt in meiner gewalt.

L lBaſt.530Der beſchuͤtzten Unſchuld
Baſt.

Es iſt mein ungluͤck.

Cam.

Und was haſtu anders verdienet / als un - gluͤck?

Baſt.

Mein Herꝛ / ich hab es verdienet: doch er wird nicht mein hencker werden.

Cam.

Die gerechte rache fordert mir dein blut ab.

Baſt.

Jſt ihm mit einem todten coͤrper ſo viel ge - dient?

Cam.

Du biſt der welt todt nuͤtzlicher als lebendig.

Baſt.

Vielleicht kan mein Herꝛ ſich meines lebens bedienen.

Cam.

Jch laſſe mir keine ſchelmen aufwarten.

Baſt.

Ein ſchelm kan auch eine ehrliche that be - gehn.

Cam.

Diß geſchicht alle tauſend jahr einmahl / ſchi - cke dich / dein blut muß ſpringen.

Baſt.

Ach gnade / gnade / ich will mein leben theuer gnung loͤſen.

Cam.

Verflucht ſeyſt du mit deinem loͤſe-geld.

Baſt.

Ach gnade / gnade / ich will ſagen / warum Camillo zu Ferrara verhaſſt iſt.

Cam.

Was hoͤre ich / was wilſt du ſagen?

Baſt.

Er ſchone meines lebens. Jch will mein aͤrgſtes bubenſtuͤck bekennen / das ich jemahls im ſinne gehabt: Doch will ich mich freuen / daß der himmel mein vornehmen verhindert hat.

Cam.

Jch laſſe dich nicht auff / bekenne die that / in - dem du in meiner gewalt biſt.

Baſt.

Ach er laſſe mich loß / hier iſt mein gewehr / ich kan nicht mehr ſchaͤdlich ſeyn.

(er laͤſt ihn auf)
Cam.

So bekenne nun dein bubenſtuͤck.

Baſt.

Jch habe geſuͤndiget / doch nicht ich / ſondernder531Vierdte Handlung.der ertz-meuchelmoͤrder Borgia / der hat mich veranlaſ - ſet / daß ich den Filippo / welchen Flavio in Franckreich abfertigte / nicht weit von hier erſchoſſen habe. Und eben dieſer verraͤther hat mich erkauffet / daß ich dem tugendhafften Camillo den reſt geben ſolte.

Cam.

Du gerechter Gott / iſt es moͤglich daß ſolche bubenſtuͤck ungeſtrafft hingehen? doch dir ſey danck / daß du meine arme ſo kraͤfftig gemacht / und dieſes end - liche verderben von mir abgewendet haſt: Hilff mir auch die andern fallſtricke zerreiſſen / welche der ehr - und gewiſſensloſe Borgia meiner wolfahrt mag auf - geſtellet haben.

Baſt.

Jtzt erkenn ich erſt / was ich gethan habe.

Cam.

Und hat Filippo auch in dieſer einoͤde ſo un - ſchuldig ſterben muͤſſen?

Baſt.

Borgia hatte es befohlen.

Cam.

Wohin war er abgefertiget?

Baſt.

Ach wohin / als zu ſeinem beſten freunde Camillo.

Cam.

Du treu beſtaͤndiger Flavio verzeihe mir / daß ich von dir gezweiffelt habe / ich wil mich bald muͤndlich bey dir entſchuldigen / und das allerhoͤchſte ſchelmſtuͤck / ſo iemahls kan begangen werden / deinen augen offenbaren: Doch hoͤre du moͤrder / wo ſind die brieffe geblieben?

Baſt.

Borgia hat damit nach ſeinem gefallen ge - handelt.

Cam.

Nun die zeit ſol kommen / da deine falſchheit ſol zu ſchanden werden. Aber was macht mein armer Simplicio.

(er ſieht nach ihm / und befindet / daß er noch leben hat.)
L l 2Baſt.532Der beſchuͤtzten Unſchuld
Baſt.

Vielleicht iſt ihm zu helffen / waͤre ich nicht an meiner wunde ſchwach / ſo wolte ich meinen rath gern mittheilen. Doch nicht weit von hier iſt ein wirths - hauß / beliebt es demſelben / ſo ſol er hingeſchafft wer - den / biß ſich der ſchaden beſſert.

Cam.

Es ſey alſo / doch mit dem vorbehalt / daß du nicht von ihm weicheſt. Jch verſpreche dir landes hul - digung auszuwircken: Jm gegentheil wil ich mittel gnug finden / deine boßheit zuſtraffen.

(Geht ab)
(Baſtardo bringt etliche knechte / und ſchaffet den Simplicio hinein.)
Sophie / Poncinello.
Soph.

Mein Poncinello hilff mir doch aus dem traume / was hat denn Camillo recht gethan?

Ponc.

Jch rede nicht gerne davon.

Soph.

Ey / was unter uns geredt wird / das ſol nicht auskommen.

Ponc.

Er iſt ein ſchelm und ein verꝛaͤther worden.

Soph.

Jſt das nicht ſchrecklich / drum graͤmt ſich Leonore wol biß auff den tod.

Ponc.

Ach die gute Leonore weiß die helffte nicht.

Soph.

Es iſt nicht moͤglich.

Ponc.

Warum nicht? er hat ſchon mit einer an - dern hochzeit gehabt.

Soph.

Ey das waͤre zu leichtfertig.

Pon.

Heutiges tages geht es ſo / was nicht leicht - fertig iſt / das ſtutzt nicht.

Soph.

Auff die maſſe iſt keinem kerln mehr zu trauen.

Pon.

Jch ſage es auch. Auff der gantzen welt iſt nur ein menſch / dem zu trauen / und derſelbe menſch heiſt mit ſeinem erſten buchſtaben Poncinello.

Soph.533Vierdte Handlung.
Soph.

Je du ehrliches hertzgen / daß du mir nicht wegkoͤmmſt!

Pon.

Aber was thut denn Leonore?

Soph.

Sie macht Calender auf 10 jahr hinaus.

Pon.

Doch wird wenig gut wetter drinnen ſtehn.

Soph.

Ja freylich.

Pon.

Sie macht es ohn zweiffel wie die Buchdru - cker / die drucken in Calendern das ſchwartze zu erſt / und das rothe hernach.

Soph.

Ach Leonore wird nicht wieder luſtig.

Ponc.

Es verlohnte ſich der muͤh / mit dem ſchaͤ - bichten Camillo.

Soph.

Da hilffet nichts darvor.

Ponc.

Der Fuͤrſt hat ihr ſchon einen andern zuge - theilet.

Soph.

Jch weiß wohl. Aber Borgia wird ſich vergebens bemuͤhen.

Ponc.

Gleichwol ſcheinet Borgia noch kerlens gnung zu ſeyn.

Soph.

Daran iſt nicht gnung.

Pon.

Ey warum nicht? hoͤret Sophie / ihr koͤnnet was ehrliches verdienen / wo ihr Leonoren darzu bere - den koͤnnt: da ſchickt euch Borgia zwey dutzent tha - ler / und wenn ihr was richtet / ſollt ihr zehn dutzent kriegen.

Soph.

Jſt Borgia ſo ein lieber Herꝛ / das habe ich nicht gewuſt. Es iſt mir leid / daß ich geld nehmen muß / eh ich was verſprechen kan.

Ponc.

Thut ihr nun euer beſtes.

Soph.

Jch will ſehen. Jtzt ſoll ich mit ihr in das waͤldgen ſpatzieren / da wird es wol gelegenheit geben. Doch geh fort / daß du nicht geſehen wirſt.

L l 3(Pon -534Der beſchuͤtzten Unſchuld
(Poncinello laͤufft hinein.)
Leon.

Sophie biſtu fertig?

Soph.

Ja Jhr Gn.

Leon.

So kom̃ und folge mir.

(Sie gehen ab.)
Cam.

Jch fange wieder an zu leben / nachdem ich dieſes anmuthige luſt-waͤldgen zu ſehen bekomme / wel - ches ich zum zeugen anruffen kan / daß ich Leonoren / und Leonore mich geliebet. Dieſes ſind die holdrei - chen klippen / welche mir und meiner Leonoren gar zu bekandt waren / dieſe baͤume fuͤhren unſere nahmen noch an der rinde / und dieſes graß ſcheinet noch gebuͤckt zu ſtehn / gleich als ſolten wir darauff unſere kuͤhle ruhe nehmen. Nun der himmel vergoͤnne mir ins kuͤnffti - ge viel dergleichen ſpatzier-gaͤnge. Jetzt muß ich meine gedancken zu befriedigen / allwo die annehmlichſte Leo - nore zur gefertin habe / an dieſem baͤchlein ein lager machen.

(er legt ſich nieder und ſchlaͤft ein.)
Leonore. Sophie.
Leon.

Wilſtu mich auch betruͤben?

Soph.

Jhr Gn. wolte ich gern geholffen wiſſen.

Leon.

Jch begehre keine huͤlffe / die ſchmertzlicher iſt / als der ſchaden.

Soph.

Wo alles erſetzt wird / da iſt kein ſchaden mehr.

Leon.

Borgia kan mir den aͤuſſerlichen verluſt er - ſtatten / aber wo finde ich meine innerliche veꝛgnuͤgung.

Soph.

Wenn aber Camillo entweder nicht waͤre gebohren worden / oder haͤtte ſich anderweit bekandt gemacht / wo haͤtte Leonore ihr innerlich vergnuͤgen ge - ſucht?

Leon.

Jn meiner freyheit.

Soph. 535Vierdte Handlung.
Soph.

Camillo hat den bund gebrochen / und Leo - noren wieder frey gemacht.

Leon.

Die freyheit iſt eine roſe / die kan man nicht ſo ſchoͤn auf den ſtock ſetzen / als man ſie abgepfluͤckt hat.

Soph.

Aber Leonore iſt eine roſe / welche ſich durch beywohnenden verſtand beſſer rathen kan.

Leon.

Die liebe iſt ein meelthau / dadurch die frey - heit des glantzes beraubet wird.

Soph.

Gebietendes fꝛaͤulein / mit gleichniſſen wird nichts erwieſen.

Leon.

Mehr als zuviel.

Soph.

Wie viel perſonen ſind in Feꝛrara / welche das gluͤck nicht ausſchlagen wuͤrden.

Leon.

Dieſelben haben den Camillo nicht geliebt.

Soph.

Was Camillo war / das iſt Borgia.

Leon.

So muß er auch untreu ſeyn.

Soph.

Borgia iſt / was Camillo war / nicht was er itzund iſt.

Leon.

Weit gefehlt / Camillo war meine freude / das iſt Borgia noch nicht.

Soph.

Jhr Gn. laſſe die einbildung fahren.

Leon.

Wo ich mir nichts einbilden ſol / da kan ich auch nicht lieben.

Soph.

Sie bilde ſich diß ein / was der fuͤꝛſt befiehlt.

Leon.

Sophie laß meine gedancken unverwirt.

(ſie gehn ſtille fort / endlich ſehn ſie den Camillo ſchlaffend.)
Leon.

Ach Sophie hier liegt ein mannsbild.

Soph.

Es muß iemand vornehmes ſeyn / die klei - dung iſt zu artig.

Leon.

Komm laß uns davon eylen.

Soph.

Er ſchlaͤfft / wir wollen ſachte gehn.

L l 4(Camil -536Der beſchuͤtzten Unſchuld
(Camillo erwacht)
Cam.

Wo bin ich? wer iſt da? wer wil mir den ſchlaff verſtoͤren.

Leon.

Ach komm Sophie / es iſt Camillo / ich er - ſchrecke / daß ich kein bein foꝛtſetzen kan / ach ich ungluͤck - felige.

Soph.

Wie zum ungluͤck ſind wir hieher gebracht!

Leon.

Fuͤhre mich Sophie / ich kan nicht von der ſtelle gehn. Ach iſt im himmel kein donnerkeil uͤbrig / der dieſem ehrvergeſſenen veꝛraͤther das hertze entzwey ſchlaͤgt: Oder iſt keine wolcke mehr vorhanden / darin - nen ich unſichtbar werde.

Soph.

Jhr Gn. zittern nicht ſo ſehr; ſonſt kom - men wir nicht fort.

Leon.

Ach hilff himmel / er ſteht auff.

Cam.
(ſteht auff)

wer iſt bey mir? ſchlaffe ich oder traͤumt mir? Seh ich nicht meine Leonore / oder bethoͤrt mich ein geſichte? ach nein ſie iſt es ſelber.

(er laufft hinten nach.)
Cam.

Schoͤnſte Leonore vor wem fliehet ſie?

Leon.

Ach weh ich bin gefangen.

Cam.

Liebſte Leonore keñet ſie ihren Camillo nicht mehr?

Leon.

Ach Sophie hoͤre die verꝛaͤtheriſche ſtimme.

Cam.
(Er greiffet ſie)

Wie wils wertheſte Leo - nore / hat Camillo nicht ſo viel freyheit / daß er ſich ih - res wolergehens erfreuen kan?

Leon.
(ſtoͤſſet ihn von ſich)

Geh du verꝛaͤhter / wilſtu mir auch das leben nehmen.

Cam.

Ein verꝛaͤther? ach Leonore was ſol ich noch vor eine probe außſtehn.

Leon. 537Vierdte Handlung.
Leon.

Sophie fuͤhre mich / ich kan das tigerthier nicht anſchauen.

Cam.

Ach tugendhaffteſte Leonore / wie ſol ich diß verſtehn. Goͤnnet ſie mir die augen nicht?

Leon.

Sage ich nicht du ſolſt dich weg packen. Du meyneidiger / du gewiſſensloſer / du verfluchter / verma - ledeyter tyrann.

Cam.

Womit hat Camillo dieſen wilkommen ver - dient.

Leon.

Komm her du bluthund / | und durchbohre dieſe bruſt. Jch weiß doch wohl daß dich nach meinem blute duͤrſtet / und daß deine furien nicht eher ruhen / als biß du mein hertze verſchlungen haſt. Komm her du wolff und verrichte dein ampt / wilſtu dich vor einen bloͤden ſchaffe entſetzen. Siehe hier iſt der raub / da ſich deine grimmige und verzweiffelte natur ſaͤttigen kan.

Cam.

Ach Leonore!

Leon.

Was ſtehſtu hier / ſol ich mich mit deinem an - ſchauẽ qvaͤlen / oder wilſtu mir dieſes wieder abfodern?

(Sie wiꝛfft ihm ſein bildnuͤß voꝛ die fuͤſſe und geht ab.)
Cam.

Du haſt uͤberwunden Borgia. Du haſt den Camillo an einem orte verletzet / da er eine toͤdliche empfindlichkeit hat. Leonore hat ihm daß leben abge - ſprochen / nun begehrt er nicht zu leben. Ach iſt es nicht gnung / daß mir von Banditen nachgeſtellet wird? muß ſich auch die ſchoͤnſte von der welt gegen mich waffnen laſſen? bin ich darum von den moͤꝛdern veꝛſchonet wor - den / daß mein tod durch dieſe neue art der grauſamkeit ſchmertzlicher wuͤrde. Ach Vaſtardo wie unbarmher - tzig bin ich gegen mich ſelbſt geweſen / daß ich deine ku -L l 5gel538Der beſchuͤtzten Unſchuldgel nicht mit meiner ſtirne aufgefangen habe; ſo haͤtte ich doch das liebreiche andencken meiner in hoffnung liebſten Leonore mit in den tod genommen: Da ich nun eben ſo wol ſterbẽ / und darzu unvergnuͤgt ſterben muß.

(Er geht etwas in gedanckẽ fort / Flavio ſprin - get mit bloſſem gewehr hervor / und hat das geſichte mit einer Maſque verdeckt)
Flav.

Ha du verꝛaͤther biſtu in meiner gewalt?

Cam.

Sieh da Borgia koͤmmſtu ſelbſt? wilſtu dei - ne augen an meinem tode weiden.

Flav.

Kom̃ her und laß dich vor deine bubenſtuͤcke ſtraffen.

Cam.

Wolan ich wil meine kraͤffte zuletzt noch ver - ſammlen / und dieſen troſt mit in den tod nehmen / daß Borgia mich nicht uͤberleben ſol.

(Sie fallen einander an / endlich nach lan - gem gefechte unterlaͤufft Camillo den Flavio / reiſſet ihm den degen aus der fauſt / und zeucht ihm die Maſque vom geſichte: wie er den Fla - vio erkennet / ſpringt er zuruͤck / und laͤſſet ihn auff.)
Cam.

Ach Flavio / zu dieſer miſſethat habt ihr mich gebracht.

Flav.

O du ſchaum von allen rechtſchaffenen men - ſchen / wilſtu nun zum Banditen werden / und unſer land verrathen.

Cam.

Liebſter Flavio / die Maſque hat mich verfuͤh - ret / daß ich mich wider meinen fꝛeund verſuͤndiget ha - be: Hier iſt das bloſſe gewehr / hier iſt meine bloſſe bꝛuſt. Was meine hand geirret hat / das ſol mein blut abwa - ſchen.

Flav.

Dein blut iſt viel zu wenig alle verꝛaͤthereyabzu -539Vierdte Handlung.abzuwaſchen: Und meine hand iſt zu wenig alle untreu zu beſtraffen / deine henckermaͤſſige thaten werden ih - ren lohn finden.

Cam.

Ach Flavio bin ich nicht ungluͤcklich gnung / muͤſſet ihr noch mein feind werden.

Flav.

Wer den laſtern zugethan iſt / den halte ich vor meinen feind.

Cam.

Ach was hat Borgia geſtifftet?

Flav.

Er hat des Camillo boßheit an den tag ge - bracht.

Cam.

Flavio / ein wort / Flavio ein wort.

Flav.

Du biſt nicht werth daß du von meinen haͤn - den ſterben ſolſt / ſo wil ich auch deine falſchheit nicht anhoͤren.

(Geht ab.)
Cam.

O du grauſames verhaͤngnuͤß / warum lebe ich? warum wird meine unſchuld aus einem jammer in den andeꝛn geſtuͤrtzt? Jſt mein Flavio / mein freund / mein ander ich / meine ſeele / mein tꝛoſt und meine zuver - ſicht verwandelt worden. Jſt meine Lenore / ach die unmuthige Leonore / mir auffſetzig worden? ſo muß der berg Aetna nicht mehr brennen / die granat-aͤpfel muͤſſen auff den oͤlbaͤumen wachſen. Ach mein gemuͤth iſt zu ſchwach alle bekuͤmmernuͤß auf einmal zu erwe - gen / die uͤbermaͤſſige laſt beuget mich / daß ich zu der er - de fallen muß.

(Er legt ſich nieder.)
Poncinello / Claudio.
Claud.

Hat es der fuͤrſt befohlen?

Ponc.

Er hat es leibhafftig befohlen.

Claud.

Sol ich den Camillo im hoͤltzgen am Pa - dus auffſuchen?

Ponc.

Freylich / freylich / er muß da ſeyn / todt oder lebendig.

Claud.540Der beſchuͤtzten Unſchuld
Claud.

Was hat der vornehme mann gethan?

Ponc.

Der ſchoͤne vornehme mann / laß ihn nur ankommen / er ſol erfahren was er gefreſſen hat.

Claud.

Jſt es doch ſchade um ihn.

Ponc.

Du ſchwartzbaͤrtigter pechfreſſer / du nacht - eule / du fledermauß / du peſtilentz die im finſtern ſchlei - chet / du hurenjaͤger / du general feld-hurenwebel / du al - les mit einander / wilſtu den Fuͤrſten reformiren? ſieh dich vor / daß du nicht mit dem Camillo eine bunte rei - he macheſt.

Claud.

Du verlogner blau-ſtrumpff / was habe ich geſagt?

Ponc.

Schweig / oder Signor Borgia laͤſſet dir ein ballet mit ſpieß-ruthen auff dem buckel tantzen.

Claud.

Was ſoll ich denn verſchweigen?

Ponc.

Du ſolſt ſprechen / Camillo iſt ein ſchelm.

Claud.

Was weiß ich wer Camillo iſt.

Ponc.

O du ſchelm̃ / o du qvinta eſſentia aus der haͤ - ſcher-laterne / du lunge und leber aus dem haͤſcher-fle - gel / du extract aus der aͤpffel-kammer / du wurſt-ſuppe von verdorbenen ſtockſchillings-ruthen / du karbatſchẽ - koͤnig / du bauerblacker / du herings-dieb / wilſtu nicht ſprechen / Camillo iſt ein ſchelm?

Claud.

Du haſt einen vornehmen Patron / ich wol - te dir ſonſt deine narꝛenpoſſen geſegnen.

Ponc.

Was wilſtu mir geſegnen / du ſchweinſchnei - der-geſelle / du aller ſpitzbuben ſchwager / du aller hun - debutzer bluts-freund / du ſcharffrichters-college / du al - ler hurkinder obermeiſter / du aller ſchinder-knechte ebenbild.

Claud.

Mache mir die ſache nicht zu bund / ich lei - de auch ſo viel als mir gefaͤllt.

Ponc.541Vierdte Handlung.
Ponc.

Jch habe dem herꝛn general pflaſtertreter gewiß zu nahe geredt / hoͤrt doch herꝛ ober-vormund uͤber die eiſerne guarniſon / beiſt doch in euer ſturm - haube / ſo werdet ihr wieder gut.

(Borgia koͤmmt.)
Borg.

Was habt ihr zu thun / iſt niemand dem Ca - millo entgegen geſchickt worden?

Claud.

Gnaͤdiger heꝛr / ietzt waren wir gleich auf dem wege.

Borg.

Und ich meyne ihr ſollet wiederkommen. Geh Poncinello lauff voran / ob du ihn ausſpuͤrẽ kanſt.

(Sie gehn ab.)
Borg.

Mein verdacht war nicht vergebens. Doch es iſt wol gethan / daß ſich Camillo zu ſeinem untergan - ge ſelbſt praͤſentirt.

(Geht ab.)
Ponc.

Jſt es nicht eine ſchande / daß ein hund kluͤ - ger iſt als ein menſch / ich bin den gantzẽ weg hergelauf - fen / und habe gerochen / doch kan ich nichts ausſpuͤren / was gilts haͤtte ich einen hund bey mir / entweder Ca - millo oder ein dachs waͤꝛe ausgeſtaͤubeꝛt worden. Nun es iſt mir ſelber daran gelegen / daß Camillo umkoͤm̃t / ſonſt laͤufft es mit meiner ſchelmerey noch garſtig ab.

(Er faͤllt uͤber den Camillo.)

ſachte / ſachte / was liegt mir im wege.

Camil.
(ſteht auf)

Was vor ein fall erſchreckt mich? ſieh da ein menſch? wer ſeyd ihr? was man - gelt euch?

Ponc.

Laſt mich gehn / ihr ſeht ja / daß ich mich ſtein-todt gefallen habe.

Cam.

Die ſprache iſt noch zu ſtarck.

Ponc.

Was geht euch meine ſprache an. Laſſt es euch gnung ſeyn / daß ich todt bin.

Cam.542Der beſchuͤtzten unſchuld
Cam.

Sieh! haͤtte ich doch bald meinen Ponci - eello nicht gekandt / ſteh auff Poncinello / dein Herꝛ iſt wiederkommen / wilſtu ihn nicht willkommen heiſſen?

Ponc.

Waͤret ihr kommen da ich lebendig war.

Cam.

Stelle dich nicht ſo naͤrꝛiſch.

Ponc.

Jch weiß nicht was ihr ſagt.

Cam.
(richtet ihn auf)

Rede doch mit mir.

Ponc.
(ſtellt ſich gantz tumm / als wenn er auf kein bein treten koͤnte.)

Laſſt mich gehn / ich bin gewiß todt gefallen / ich fuͤhlte es gar eigentlich / daß mir das leben durch die caldaunen / die kehle hinauff / und zum lincken ohresloch hinaus fuhr.

(Claudio koͤmmt mit ſeiner rotte.)
Claud.

Camillo gebt euch auff des Fuͤrſten befehl gefangen.

Cam.

Jch ſoll mich gefangen geben?

Claud.

Es iſt wie ich ſage. Nun ſteht es in euer gewalt / ob ihr mit guten oder mit boͤſen wollt?

Cam.

Aber warum ſol ich gefangen ſeyn?

Claud.

Wir ſind diener / was uns befohlen wird / das moͤgen die herꝛen verantworten.

Cam.

Bin ich nun auff allen ſeiten verꝛathen?

Claud.

Gebt den degen von euch.

Cam.

Jch wil den degen Jhro Durchl. ſelbſt uͤber - liefern.

Claud.

Uns iſt es anders befohlen worden.

Cam.

Ach daß ich meine tapffeꝛkeit verbeꝛgen muß! doch ich wil dem fuͤrſtlichen befehl nicht widerſtreben. Die warheit und die unſchuld ſollen mich auch mitten im finſternuͤß erleuchten.

(Sie fuͤhren ihn davon.)
Ponc.

Jſt er weg? nun bin ich nicht tod. Daswar543Vierdte Handlung.war ein blut-kerle / ich ſolte ihm antworten / und ich hat - te keine luſt darzu / ich haͤtte es bey Borgia ſchoͤn ver - derben koͤnnen / doch iſt es gut / daß er fort iſt / nun wird er die Sonne nicht vielmal mehr ſehen aufgehen. Jch brachte vor dem apothecker ein klein brieffgen / wann ich ſchwoͤren ſolte / ſo wolte mein Herꝛ gifft haben / das wird Camillo auff ſeiner Leonoren geſundheit verzeh - ren muͤſſen. Jch bin nur froh / daß ich kuͤnfftig beſſer zeit habe zu trincken / und zu galaniſiren / nachdem der vogel im gebauer ſitzt. Borgia mag ſehen / daß er es beſſer trifft als Camillo. Jch will ſehen / wie ich mei - ne perſon einmahl ſo gut agire / als das andermahl.

(geht ab)
(Der ſchau-platz verwandelt ſich in ein finſteres gemach.)
Cam.
(geht im finſtern herum.)

Jſt diß nun der lohn vor meine treue / daß mich die Sonne nicht mehr beſcheinen darff? und haben meine verꝛaͤther das licht des himmels vollauff zu genieſſen? Ach war - um habe ich mein gluͤcke in Franckreich nicht ergriffen? da mir Jtalien wolte zur ſtieff-mutter werden? war - um habe ich mich ſo weit gefangen gegeben / daß ich nun keine rettung hoffen darff? Flavio iſt mir auffſaͤtzig / Leonore ſiht meinen untergang / Borgia iſt mein teu - fel. Wer darff ſich nun erkuͤhnen / vor dem armen Camillo ein wort zu ſprechen? Doch wolan / ich habe allzeit gehoͤret / die tugend ſey die beſte belohnung. Jch will auf mein gewiſſen trotzen / verderbe ich / ſo ſoll doch mein treues gemuͤthe nicht verderben.

(Borgia koͤmmt / Poncinello traͤgt ihm eine kleine laterne vor.)
Cam. 544Der beſchuͤtzten Unſchuld
Cam.

Ach iſt jemand der mich im finſtern troͤſten will / oder ſoll ich mir das leben abſprechen laſſen?

Borg.

Gebt euch zu frieden Signor Camillo / der jenige beſucht euch / der euch gerne wolte geholffen wiſſen.

Cam.

Wie kan jemand mein gluͤcke begehren / da mir die gantze welt zu wider iſt?

Borg.

Euer vermeynter feind / doch euer beſter hertzens-freund Borgia wuͤnſcht / euch gluͤckſelig zu ſehen.

Cam.

Ach Borgia laſſet euch gnung ſeyn / daß ich ſterben muß / nur ſpottet meiner im tode nicht.

Borg.

Wem ſpotte ich? der gantze hof weiß / daß ich dieſe ſtunde meine gnade und mein gluͤcke eurent - wegen in die ſchantze geſchlagen habe.

Cam.

Jch will an eurem verderben keine urſache ſeyn.

Borg.

Jch aber wil den Camillo lieben / ob er gleich undanckbar iſt.

Cam.

Wer meinen tod und meinen untergang wuͤnſchet / der kan mich nicht lieben.

Borg.

Der himmel ſtraffe mich / und mache mei - nen ſegen zu nichte / wofeꝛn mich Camillo einiger falſch - heit beſchuldigen kan.

Cam.

Borgia hat ſich mehr urſachen eingebildet mich zu haſſen / als mir behuͤlfflich zu ſeyn.

Borg.

Das iſt von meinen feinden verhaſt vorge - bracht worden.

Cam.

Es ſey alſo / ich will lieber ſterben / als dem Borgia vor mein leben dancken.

Borg.

Jſt denn keine verſicherung in der welt / da - mit ich meine gedancken von dem verdacht entſchuͤttenkan?545Vierdte Handlung.kan? Der blitz verbrenne mich lebendig. Die erde ſperre ihren rachen auff / und verſchlinge mich biß auff den tieffſten abgrund: Die ſpeiſe werde mir auff der zunge in gifft und galle verwandelt / und qvaͤle mich biß an den tod mit unerſinnlichen ſchmertzen / wofern ich zu gegenwaͤrtigem ungluͤck das geringſte beygetragen.

Cam.

Wer hat die abſcheulichen verſicherungen begehrt?

Borg.

Euer mißtrauen hat ſolche heraus gelocket.

Cam.

Und wenn ich euch keines meineyds beſchul - digen ſoll / wer hat mir denn das ungluͤck auff den halß geweltzet?

Borg.

Wer? als Flavio.

Cam.

Womit iſt Flavio beleidiget worden?

Borg.

Meynet ihr nicht / daß er euch die uͤbermaͤſ - ſige gnade bey dem Fuͤrſten mißgoͤnnete? Und wer hat euch mehr angetrieben Franckreich zu beſehen / als eben dieſer anfaͤnger und vollender eures elends?

Cam.

Gleichwol hab ich dem Flavio nie nachge - ſtellet.

Borg.

Die heutigen Politici koͤnnen nicht allein keinen uͤber ſich / ſondern auch keinen neben ſich leiden.

Cam.

Jch dencke mehr als ich ſage. Mein jammer mag entſpringen woher er wil: Gnung / daß ich ver - dorben bin.

Borg.

Camillo eure freundſchafft iſt blind gewe - ſen.

Cam.

Aber meine feinde ſind ſehr ſcharffſichtig.

Borg.

Sie bedienen ſich eurer einfalt.

Cam.

Deſto weniger ſollen ſie ſich ruͤhmen.

Borg.

Nun Camillo ihr wollet mir nicht trauen / doch iſt es wahr / was insgemein geglaubt wird / daßM mwir546Der beſchuͤtzten Unſchuldwir in dem allgemeinen gerichte vor unſer thun und laſſen ſollen antwort geben / ſo wil ich euch getroſt un - ter augen treten / und wegen des unrechtmaͤſſigen ver - dachts billigen abtrag fodern.

Cam.

Jch bin vor dieſem richter unerſchrocken.

Borg.

So moͤgt ihr auch vor dem hencker nicht er - ſchrecken / lebet wie ihr es wuͤrdig ſeyd / wenn ihr eure freunde verachten wollet.

(Geht ab.)
Cam.

Du groſſer Gott / hoͤre doch wie der falſche Borgia mit eyden und ſchwuͤꝛen ſpielt / ich weiß daß dir ſolches zu wider iſt. Nur ſtaͤrcke mich in meinem ver - trauen / du werdeſt mir tod und leben laſſen zum be - ſten ausſchlagen.

(Poncinello koͤmmt wieder)
Ponc.

Herꝛ / da ſchickt Herꝛ Borgia etwas von confect / weil er empfunden / daß in dieſem gemach gar feuchte und ungeſunde lufft iſt.

Cam.

O du untreuer boͤſewicht / biſtu vielleicht auch mein verraͤther worden? gehe und trage das confect wieder hin wo es herkommen iſt.

Ponc.

Jch darff es nicht wieder zuruͤck bringen.

Cam.
(wirfft es auff die erde)

ſo mag es hier verderben.

Ponc.

Das war grob gnung.

Cam.

Du ertz-ſchelm / hilſtu mich auch verfolgen?

Ponc.

Ey narrenpoſſen / was geht mich das ver - folgen an.

Cam.

Haſtu nichts mehr zu beſtellen?

Pon.

Jhr wollet meiner gewiß gerne loß ſeyn?

Cam.

Du haſt es errathen.

Ponc.

Jch will ſchon gehn / wenn es mir gelegen iſt.

Cam.

O daß dir niemand nach verdienſt lohnẽ ſol.

Ponc.547Vierdte Handlung.
Ponc.

Um meinen lohn hat ſich ſo ein maußkopff nicht zu bekuͤmmern / ſeht ihr morgen darnach / daß euch der kopf zwiſchen den achſeln fein feſt ſtehen bleibt.

(laͤufft davon.)
Cam.

Diß war noch uͤbrig / daß ich auch die narren mit gedult vertragen muß. GOtt ſtehe meiner ſache bey.

Fuͤnffte Handlung.

Poncinello / Flavio.
Flav.

So wilſtu dein gluͤck anderswo ſuchen?

Ponc.

Ein junger kerle meines gleichen / muß ſich allenthalben herum blacken.

Flav.

Warum zeuchſtu aber zum Borgia?

Ponc.

Mir iſt ein Herꝛ wie der andere.

Flav.

Es iſt ſchon gut. Doch hoͤre Poncinello / warte mir zu guter letzt noch auff.

Ponc.

Gar gern / was kan ich verrichten?

Flav.

Jch habe einen hefftigen fluß in die zaͤhne be - kommen / gehe und ſtecke mir eine taback-pfeiffe an / daß ich etwas zur geſundheit davon brauchen kan.

Ponc.

Es iſt poſſierlich / ihr klagt uͤber waſſer / und wollet mit feuer helffen.

Flav.

Geh du nur uñ bringe es mir

(er geht ab.)

Jch weiß nicht was ich von der enderung halten ſoll / daß ſich Poncinello dem Borgia ergeben will: Es ſchei - net als ſuche der ſchlaue fuchs unſer verderben. Ca - millo iſt zwar ſeiner miſſethat uͤberwieſen genung: in - dem er ſeine hand nicht leugnen kan; und alſo hat Bor - gia urſach wider ihn zu ſtreben: Doch ob Camillo kei - nen gefaͤrten in ſeinem ungluͤck haben werde / dasM m 2glaub548Der beſchuͤtzten Unſchuldglaub ich faſt nicht. Ein groſſer baum ſchlaͤgt durch ſeinen fall viel benachbarte ſtaͤmme zu boden.

(Flavio ſetzt ſich an tiſch: Poncinello bringt die pfeiffe)
Pon.

Da habt ihr den beſten toback von der welt / wo der nicht hilfft / ſo weiß ich keinen rath.

Flav.

Du kanſt ſie nicht recht anſtecken / mache mir etliche fidibus die ich gebrauchen kan.

Ponc.

Da habt ihr papier / macht die fidibus ſel - ber / ich muß julep holen / daß ihr den mund und den halß wieder abſpuͤlen koͤnnet.

(Geht ab.)
Flav.

Was gibt mir der kerl vor papier / es iſt eine ſchrifft drauff / die mir ſoll bekandt ſeyn / ich will ſie aus curioſitaͤt leſen: Werther hertzens-freund! Meine vorigen briefe werden zu recht ankommen ſeyn. Und wundert mich nicht / daß keine antwort erfolget / indem die poſten etwas unrichtig gehn / und vielleicht die brie - fe hier und da liegen bleiben. Jm uͤbrigen lebe ich der gewiſſen hoffnung / mein freund werde ſich indeſſen meine wolfarth laſſen recommendirt ſeyn. Jch habe in Franckreich unterſchiedene vorſchlaͤge / dardurch miꝛ ein groͤſſer gluͤck verſprochen wird / allein es bleibt bey meiner reſolution / wo meine Leonore und mein Flavio lebt / da will ich den reſt meines lebens vergnuͤgt be - ſchlieſſen / ꝛc. Der brieff iſt zerriſſen / ich kan nicht weiter leſen: Doch was ſteckt vor eine verꝛaͤtherey darhinter? Die hand iſt vom Camillo / die ſchrifft iſt voller freundſchafft / und derſelben gantz nicht aͤhnlich / die uns bey dem Fuͤrſten vorgeleſen ward. Solte ſich wol Poncinello zu einem ſolchen bubenſtuͤck ge - brauchen laſſen? Es iſt klar / Camillo iſt ſo ſchuldig nicht / als insgemein geglaubt wird /

(er ſteht auff)

das hertze bricht mir / wenn ich an ſeine reden gedencke /wie549Fuͤnffte Handlung.wie hoͤflich er mir im walde begegnete / und ich weiß nicht / was mir mein gemuͤthe zuvor ſaget.

(Poncinello koͤmmt wieder.)

Hoͤre Poncinello / wo haſtu das papier genommen.

Ponc.

Das papier? Ach! ich kan nicht leſen / ich weiß nicht / wo ichs krigt habe.

Flav.

Du vogel / es heiſt nicht ſo / ſage wo es her - koͤmmt / oder ich wil eine andere ſprache mit dir zu re - den anfangen.

Ponc.

Laſſet mich doch darnach ſehn / ob ich mich beſinnen kan.

Flav.

Schelm ſuche keine vergebene ausflucht.

Ponc.

Jch trage des papiers ſo viel bey mir / daß ich eines vor dem anderu nicht gar wol erkenne.

Flav.

Worzu brauchſtu das papier?

Ponc.

Herr zu ſchnuptuͤchern.

Flav.

Du garſtiger vogel. Doch wo pflegſtu den zeug zum ſchnuptuͤchern her zu bekommen.

Ponc.

Wo ich was kriegen kan / da greiffe ich zu. Es kan wol ſeyn daß ichs hier im hauſe aufgeleſen habe.

Flav.
(Hohlet den pruͤgcl)

Nein nein / in mei - nem hauſe haſtu es nicht gefunden / wilſtu es nicht ſa - gen / ſo wil ich dich pruͤgeln / daß dir das fleiſch von den knochen abfallen ſol.

Ponc.

Heꝛr ihr moͤgt zwar thun was ihr nicht laſ - ſen koͤnt / ich kan es doch nicht ſagẽ: Ohn daß ich muth - maſſe / es wird daſſelbe zettelchen ſeyn / das ich neulich auf der gaſſe vor der cantzley fand.

Flav.

War es ſo zerꝛiſſen?

Ponc.

Es kan ſeyn daß ich was davon gebraucht habe. Denn ich kans nicht leſen.

M m 3Flav.550Der beſchuͤtzten unſchuld
Flav.

Jch kenne viel geſellen / die nicht leſen koͤn - nen / und doch in der ſchelmerey perfect gnung ſind.

Ponc.

Deßwegen werde ich kein ſchelm ſeyn.

Flav.

Jch habe viel muthmaſſungen von dir / beken - ne mir die warheit / ſonſt laſſe ich dich in den keller ver - ſperꝛen / und gebe dir nichts zu freſſen / biß du mir we - gen des briefes aus dem traum hilffſt.

Ponc.

Jch habe nicht lange zu warten / ich muß zu meinem neuen heꝛrn kommen.

Flav.

Was? du hund / hat dein alter heꝛr nicht ſo viel macht uͤber dich / daß er dich etliche ſtunden auf - halten ſol /

(er beſinnet ſich)

doch laß ſehn was haſtu ſonſt vor raritaͤten in deinem ſchiebſacke.

Ponc.

Jch habe in dieſen hoſen keinen ſchiebſack.

Flav.

Wo zogſtu den vorigen brieff heraus?

Ponc.

Auß den unterhoſen.

Flav.

So laß ſehen was in den unterhoſen iſt.

Ponc.

Jch ſchaͤme mich / ich muͤſte die oberhoſen vor ausziehn.

Flav.
(pruͤgelt auf ihn loß)

Mache fort du boͤ - ſewicht.

(Hier muß Poncinello vier oder fuͤnf paar hoſen uͤbereinander haben / daß wenn er ein paar außzeucht / dennoch kein ſchiebſack da iſt / biß auff die letzten.)
Flav.

Biſtu bald zum diebſaͤcken kommen / lange herauß was drinnen iſt.

(Hier macht Poncinello allerhand poſſier - lich zeug / ſo gut als er es bekommen kan heꝛaus zu langen. Letzlich giebt er etliche zerriſſene papiergen.)
Flav.

Siehe da / ſiehe da / was iſt diß vor papier;

Ponc.551Fuͤnffte Handlung.
Ponc.

Ach wann ich ſo gelehrt waͤre / daß ich das wuͤſte.

Flav.

Laß ſehn / ich wil gelehrter ſeyn / diß iſt ein brief geweſen / da iſt noch die unterſchrift: Maſſen ich nicht leben kan als in hofnung zu heiſſen / meiner tu - gend begabteſten Leonore / eintzig und ewig verbunde - ner Camillo. Hier find ich des fuͤrſten titul / und ſo viel ich judicire / eben von des Camillo hand. O du verꝛaͤ - ther / haſtu unter deiner angemaſſeten narꝛheit ſo viel boßheit verborgen? ſage alſobald wo koͤmmſtu zu den ſachen?

Ponc.

Ey heꝛr daß ihr es auch eben wiſſet / ich bin euer diener nicht / wollet ihr mir viel uͤberlaſt anlegen / ſo ſolt ihr es mit dem Borgia auszufechten haben.

Flav.

Fein trotzig ſtocknarr / gib es nicht zu deutlich / daß Borgia dich zu unverantwortlichen dienſten ge - braucht.

Ponc.

Er laſſe mich gehn.

Flav.

Heute wird nichts draus. Und wenn ich dich ſolte in die feuermauer aufhencken / daß dir der ſpeck zum ribben heraus ſchwitzte; ſo muſt du doch be - kennen was die ſache iſt.

(Es klopffet iemand.)
Flav.

Jch muß ſehen wer da iſt.

(Geht ab.)
Ponc.

Nun hab ich mein koͤſtlich leben. O wenn doch die leute keine ſchelmerey trieben die es nicht recht gelernet haben: So wird es nicht viel fehlen / daß der wackere gutthaͤtige herꝛ Borgia mit in das ſpiel koͤm̃t. Er ſagte wol / ich ſolte die briefe verbrennen / ſo dachte ich / Pontius Pilatus waͤre auch ein ehrlicher kerle; und bringe mich daruͤber in ungluͤck. Ach meine boͤſe viertel-ſtunde wird gar zu zeitlich kommen / ehe nochM m 4der552Der beſchuͤtzten Unſchuldder hals des henckens gewohnt iſt. Und was werde ich vor marter und qval ausſtehen muͤſſen / ehe ich alles ſage. Jch elender baͤrnhaͤuter / haͤtte ich meine fidibus unterwegens gelaſſen / merckts ihr leute dort unten: Jch ſeh auch einen ſitzen / der mit der ziege allemahl zu zeitlich auff den marckt koͤmmt. Schonte ich ſeines herꝛn vaters nicht / ſo wolte ich gleich mit fingern auff ihn weiſen. Und darzu mit mir weiſet ſichs nicht mehr.

(Flavio / Simplicio und Baſtardo treten auff.)
Flav.

Vaſtardo kommt und uͤberzeuget den ver - fluchten ſchelm.

Baſt.

Jch geſtehe es / daß mich Borgia beſtellet hat den Camillo um das leben zu bringen / und daß eben dieſer Poncinello dabey geweſen.

Ponc.

Guter freund verzeiht mir / ihr werdet euch irꝛen / es ſiht unterweilen ein menſch dem andern aͤhn - lich.

Baſt.

Du ſaubers buͤbgen / du muſt viel leute ha - ben / die dir aͤhnlich ſeyn.

Ponc.

Jch hab euch aber mein tage nicht geſehen.

Baſt.

Es war auch fuͤrwahr nicht abend / als ich beym Borgia mit dir ſchwatzte.

Pon.

Jch weiß gewiß nichts davon / ihr muͤſt einen rauſch gehabt haben.

Baſt.

Jch hatte keinen rauſch: Und ſo klug du ſonſt insgemein biſt / ſo klug wareſtu dazumahl auch.

Ponc.

Jch ſehe euch an wo ich will / ſo kan ich euch nichts bekandtes anſehen.

Flav.

Deine ſchelmſtuͤcke werden offenbar. Und ihr Simplicio was habt ihr zu klagen?

Simpl.553Fuͤnffte Handlung.
Simpl.

Haſtu mir nicht im wirthshauſe die taſche viſitirt / und haſtu nicht geſagt: Flavio wolte die Leo - nore gern einem andern verheyrathet wiſſen?

Ponc.

Der kerl ſchwaͤrmt erſt gantz Haſtu nicht die taſche an der ſeite gehabt / und hat es irgend an briefen gemangelt?

Simpl.

Was ſagſtu denn zur neuen zeitung von Herꝛ Flavio.

Ponc.

Das haſtu ſelbſt erdacht / ein kind kan es greiffen / daß ich ſolche thorheiten nicht reden werde.

Simpl.

Wer iſt nun am glaubwuͤrdigſten?

Flav.

Kommt her / und aͤngſtiget den ehrvergeſſe - nen ſchelmen ſo lange biß er alles aus dem grunde her - aus gebeichtet hat.

(Simplicio und Baſtardo legen den Poncinel - lo auff den tiſch.)
Baſt.

Wir wollen den buben ſo lang kuͤtzeln / biß er ſeine leichtfertigkeit bekennet.

Pon.
(faͤngt uͤberlaut an zu lachen)

Ach qvaͤlt mich nicht ſo ſehr / daß ich in meinen hoͤchſten aͤngſten lachen muß.

Baſt.

Da hilfft nichts davor / du muſt lachen / oder die warheit ſagen.

Pon.

Jch lache mich zu tode.

Baſt.

Bekenne / was du gethan haſt.

Pon.

Jch lache mich zum butterwecken.

Simpl.

Es war dir laͤcherlich gnung da du mir die taſche wegpartirſt / nun lache eins darzu.

Pon.

Jch lache / ich kan nicht mehr.

Baſt.

Halt / wir wollen ihm die ſtruͤmpffe ausziehn / und ihn an die fuß-ſohlen buͤrſten.

Pon.

Ey hat denn die ſchererey bald ein ende?

M m 5Simpl.554Der beſchuͤtzten Unſchuld
Simpl.

Ja wenn du bekenneſt.

Pon.

Ach ich will gerne bekennen / laſſt mich nur gehn.

(ſie laſſen ihn loß)
Flav.

Nun ſo rede die warheit.

Pon.

Jch weiß nichts.

Flav.

Legt ihn wieder hin.

(ſie wollen ihn an - faſſen.)
Pon.

Ach ich wills ſagen / ich wills ſagen.

Flav.

So ſage es oder ich beſchmiere dich mit ho - nig / und haͤncke dich vor das fenſter unter die fliegen.

Ponc.

Komm ich aber um den hals / wenn ich es geſtehe?

Flav.

Sage du nur ietzt die warheit / das andere wird ſich geben.

Ponc.

Wenn ich ſterben ſolte / ſo werdet ihr mirs nicht zumuthen / daß ichs bekennen ſol: Jch wuͤrde ja ein moͤrder an meinem eigenen leibe.

Flav.

Du zauderſt viel / du muſt wieder auff den tiſch.

Ponc.

So ſey es dann / ich wils ſagen. Borgia gab mir geld / ſo verꝛieht ich ihm alle poſten. Euer Fi - lippo ward unterwegens erſchlagen / dem Simplicio wurden die briefe verwechſelt. Mit einem worte / ich hab alle verꝛaͤtherey mit ſtifften helffen. Aber ach laſ - ſet mich die ſuͤnde nicht entgelten! Borgia iſt ſchuld daran. Jch war ein narꝛ / das geld verblendet mich.

Flav.

Jch gehe nach hofe / kommet ihr bald hiñach / und du Poncinello / wo du mit geheſt / ſo wil ich vor dich bitten.

(Gehen ab.)
Leonore / Borgia.
Leon.

Jhr Durchl. haben mein begehrt.

Borg.

Sie werden balde hier ſeyn.

Leon.555Fuͤnffte Handlung.
Leon.

Es iſt meine ſchuldigkeit / daß ich verziehe.

Borg.

Und mein gluͤcke / daß ſie mir die gegenwart goͤnnen muß.

Leon.

Das gluͤck wird ſchlecht ſeyn.

Borg.

Jch hoffe ein beſſers.

Leon.

Was ſol er bey der jenigen voꝛ gluͤcke hoffen / die faſt unter dem ungluͤcke erſticken muß!

Borg.

Nach den wolcken ſcheint die ſonne.

Leon.

Aber manche tꝛaurigkeit wechſelt mit keiner freude ab.

Borg.

Die zeit veraͤndert alles.

Leon.

Mir wird der todt die aͤnderung bringen.

Borg.

Schoͤnſte Leonore / die guͤtige natur hat ſie nicht deßwegen ſo annehmlich gemacht / daß ſie ſterben ſol: Sondern daß ſie andern ſol das leben erhalten.

Leon.

Unſere erſte geburtsſtunde iſt ſchon ein theil von unſerm tode / ſo viel tage wir zuruͤck legen / ſo viel ſind wir unſerm leben gleichſam abgeſtorben. Wa - rum ſol ich nun mit andern gedancken umgehn als mit todes-betrachtungen?

Borg.

Wertheſte Leonore / in 30 oder 40 jahren werden ihr ſolche gedancken beſſer anſtehn. Jtzt lebt ſie in dem Fruͤhlinge / da hat man ſich vor dem Winter noch nicht zu fuͤrchten.

Leon.

Die bienen und ameiſſen ſorgen ſchon im Fruͤhlinge vor dem Winter; was ſoll nicht ein menſch thun / der keine verſicherung hat / daß er ſein leben wer - de in Sommer und Winter koͤnnen eintheilen.

Borg.

Will ſie aber den himmel beſchuldigen / der ſie zum lieben geſchaffen hat.

Leon.

Jch liebe freylich / doch haſſe ich die eitelkeit.

Borg. 556Der beſchuͤtzten Unſchuld
Borg.

So wird der arme Borgia in ewigkeit nicht vergnuͤgt.

Leon.

Die rede iſt mir zu hoch.

Borg.

Uñ meine perſon iſt ihr vielleicht zu niedrig.

Leon.

Er ſchertzt.

Borg.

Es iſt kein ſehertz / wo ich von Leonore nicht geliebet werde / ſo ſterbe ich.

Leon.

Und wo ich mich verlieben ſoll / ſo ſterbe ich.

Borg.

Will ſie gegen ſich ſelbſt ſo grauſam ſeyn?

Leon.

Er iſt grauſam / daß er mich zum ſterben zwingen will.

(Hercules koͤmmt)
Her.

Tugendhaffte Leonore / wir haben euer be - gehret.

Leon.

Eu. Durchl. haben zu befehlen.

Her.

Es iſt ungewiß ob alle befehle ſo kraͤfftig ſind.

Leon.

Was in meinen kraͤfften ſteht / und von der tugend beſtaͤtigt wird / da bin ich nicht nachlaͤſſig.

Her.

So erfuͤllt demnach unſer verlangen und lie - bet den Borgia.

Leon.

Diß ſteht in meiner gewalt nicht.

Her.

Wir ſehen keine verhindernis.

Leon.

Camillo lebt noch.

Her.

Was geht euch der verraͤther an?

Leon.

Jch habe ihm die treue geſchworen.

Herc.

Doch hat er die treue gebrochen.

Leon.

Die laſter ſoll man nicht nachthun.

Herc.

Wer gleiches mit gleichen vergilt / der bege - het kein laſter.

Leon.

Man ſoll aber nichts thun / wo das gewiſſen zweiffelhafftig iſt.

Herc. 557Fuͤnffte Handlung.
Herc.

Eurem aberglauben wolten wir gern gera - then wiſſen.

Borg.

Gnaͤdigſter Herꝛ / ich ſehe wol / Camillo muß durch ſeinen tod mir den weg zum leben oͤffnen: Denn wo Camillo ſtirbt / da iſt Leonore ihrer treu erlaſſen.

Leon.

Jch mag meine liebe mit keinem blute er - kauffen laſſen.

Her.

Camillo ſtirbt wegẽ ſeines verbrechens. Und die Leonore erwehlt den Borgia wegen ſeiner tugend.

Borg.

So iſt das urtheil feſte geſtellt / daß Camil - lo ſterben muß?

Her.

Es wird vonnoͤthen ſeyn / daß wir ordentliche richter ſetzen / und den verdacht der tyranney von uns abweltzen.

Borg.

Ordentliche richter ſind zwar in zweiffel - hafftigen und ungewiſſen faͤllen hoͤchſtnoͤhtig: Allein wo die ſache klar iſt / da verdammet ſich der verbrecher ſelbſt.

Her.

Die ſache iſt unſern unterthanen nicht klar: Die wuͤrden uns bluͤtduͤrſtig nennen.

Borg.

Ein fuͤrſt der ſein gewiſſen verwahrt / darff den unterthanen keine rechenſchafft geben.

Her.

Ein fuͤrſt der ein gut gewiſſen hat / ſol ſich er - freuen / wenn er ſein volck zum zeugniß bewegen kan.

Borg.

So publicire man die urſachen ſeiner ver - dammniß.

Her.

Es hieſſe doch er waͤre nicht gehoͤrt worden.

Borg.

Haben wir nicht ſeine ſchrifft in haͤnden? Hat er des fuͤrſten hoheit dadurch nicht beleidiget?

Her.

Wir wollen doch das bekaͤndniß aus ſeinem munde haben.

Borg.

Die fuͤrſtliche hoheit wird dadurch ſchlechtverſi -558Der beſchuͤtzten Unſchuldverſichert; wenn man ſie in das angeſicht ſchimpffen / und ſolches hernach laͤugnen darff.

Her.

Camillo ſol es nicht laͤugnen.

Borg.

Die ſchlangen pflegen krumme gaͤnge zu haben.

Her.

So wird er zum minſten in das geſicht beſchaͤ - met werden.

Borg.

Jch mag nicht ſagen / daß man ſich eines auffſtandes zu beſorgen hat.

Herc.

Eines auffſtandes? haben wir kein vermoͤ - gen / ſolches abzuwenden?

Borg.

Es mangelt Jhr Durchl. an zureichenden mitteln nicht: doch ein Fuͤrſt hat groͤſſern ruhm / wenn er das feuer in der aſche daͤmpfft / als wenn er die freſ - ſende flamme mit ſchaden vertilgen muß.

(Flavio koͤmmt)
Flav.

Verꝛaͤtherey! Jhr Durchl. verꝛaͤtherey!

Herc.

Wie? verꝛaͤtherey / und wer iſt ſo kuͤhn?

Flav.

Derſelbige / der die hochfuͤrſtl. gnade miß - braucht.

Herc.

Wir wollen den verfluchten nahmen wiſſen.

Flav.

Hier ſteht das ſcheuſal / die mißgeburt / der verzweiffelte / verꝛaͤtheriſche Borgia.

Borg.

Euer Durchlauchtigkeit ſchuͤtzen meine un - ſchuld.

Herc.

Wer will unſere diener im fuͤrſtl. gemach an - greiffen?

Flav.

Das hoͤchſte ſchelmſtuͤck von der welt iſt an den tag kommen.

Herc.

So ſagt / was ihr wiſſet / doch ſeyd verſichert / wer meine getreue diener ohn urſach ſtuͤrtzen will / der ſoll nach der klinge tantzen.

Flav.559Fuͤnffte Handlung.
Flav.

Jch fuͤrchte mich nicht. Camillo iſt unſchul - dig / Borgia iſt ein zehnfacher meuchel-moͤrder

Borg.

Eu. Durchl. befehlen gnaͤdigſt / daß mich deꝛ verlaͤumder verſchont.

Herc.

Wie? iſt Camillo unſchuldig / welcher den Flavio ſelbſt verdammet hat?

Flav.

Dieſes urtheil hat der meineydige Borgia uns abgezwungen.

Borg.

Der Fuͤrſt ſoll meine gerechtigkeit erkeñen.

Her.

Was hat Borgia mißgehandelt? ſind die ſchand-ſchrifften vom Camillo nicht verhanden?

Flav.

Die ſchand-ſchrifften kommen vom Borgia her.

Borg.

Jch zerberſte vor eyfer / daß mir eine frem - de ſchrifft zugeleget wird / man laſſe nach der hand ur - theilen.

Her.

Flavio nehmet euer leben in acht.

Flav.

Es ſoll durch zeugen bewieſen werden.

Herc.

Was vor zeugen?

Flav.

Auf dero befehl ſollen ſie erſcheinen.

Borg.

So wird ein fuͤrſtlicher Miniſter nicht tra - ctirt / man ſtelle ein ordentlich gerichte an / den zeugen ſoll ihre falſchheit dargethan werden.

Her.

Borgia ihr habt uns ſelbſt gelehrt / wie wir die Fuͤrſtl. hoheit handhaben ſollen: laſſet die zeugen erſcheinen!

(Baſtardo / Simplicio und Poncinello kommen.)
Borg.

Ach weh / ich bin verlohren!

Her.

Was ſollen dieſe kerlen.

Flav.

Sie ſollen erweiſen / was Borgia laͤugnen wil.

Borg.560Der beſchuͤtzten Unſchuld
Borg.

Sollen dieſe nichtswuͤrdige creaturen uͤber mein gluͤcke zeugen / ich verwerffe ſie?

Her.

Wir ſollen ſie hoͤren.

Baſtard
(kniet)

Vor E. Hochf. Durchl. erkuͤh - ne ich mich demuͤtigſt zu erſcheinen / und meine aͤrgſte boßheit oͤffentlich zu bekennen. Jch habe mich durch boͤſe geſellſchafft unter die Banditen verleiten laſſen / dadurch ich zu rauben und morden dergeſtalt veran - laſſet worden / daß ich den todt und die abſcheuliche ſtraffe vielfaͤltig verdienet habe. Unter andern be - kenne ich / und ſage es dem Borgia unter die augen / ſo war als Gott uͤber uns iſt / und ſo war mein heꝛr lebet / daß mich Borgia zu zwey unterſchiedenen mahlen mit gelde beſtochen / und zu grauſamen vornehmen veran - laſſet. Denn als Signor Flavio ſeinen diener Filip - po in Franckreich abfertigte / muſte ich ihn auff dem wege niederſchieſſen. Auch unlaͤngſt ſolte ich dem Camillo ſeinẽ reſt geben: Allein er war ſo tapffer / daß er ſich unſer bemeiſterte / und mich in einen ſtand ver - ſetzte / da ich das leben von ihm bitten muſte. Solches zeuge ich und wil drauff leben und ſterben. Jm uͤbri - gen wolle E. Hochfuͤrſtliche Durchl. dero angeborne hulde und guͤtigkeit ſtaͤrcker ſeyn laſſen / als mein ver - brechen

Borg.

Du boͤſewicht / wie lange hat dich Flavio unterꝛichten muͤſſen / ehe du ſo viel fabeln haſt ſchmie - den lernen.

Baſt.

Jch ſage was die warheit iſt. Da iſt noch der verfluchte ducat

(wirfft ihn hin)

den ich auf des Camillo leben aus euren haͤnden genommen habe.

Borg.

Ein Bandit der aus rauben und morden ein handwerck macht / wird ſich kein gewiſſen nehmeneinen561Fuͤnffte Handlung.einen ehrlichen mann mir der zungen todt zu ſchlagen.

Her.

Was haben die andern zu zeugen?

Simpl.
(kniet)

E. Hochfuͤrſtl. Durchl. muß ich wehmuͤthigſt klagen / daß dieſer Poncinello mir un - laͤngſt die briefe verwechſelt / und ich alſo an ſtatt der jenigen / ſo ich vom Camillo aus Franckreich gebracht / andere boßhaftige und verꝛaͤtheriſche ſchreiben einge - liefert habe. Uber diß habe ich mit meinem ungluͤck erfahren / daß dieſer Bandit erkaufft worden / den Ca - millo aus dem weg zu raͤumen.

Her.

Wer iſt Poncinello?

Ponc.
(legt ſich die laͤnge auff die erde hin)

Jch bin der arme erden-kloß.

Her.

Haſtu die briefe verwechſelt?

Ponc.

Wer ſich mit narꝛen verwirt / dem gehts naͤr - riſch.

Her.

So wird unſere frage nicht beantwortet.

Ponc.

Borgia hat miꝛs befohlen. Jch dachte / was ſolche groſſe leute haben wolten / das waͤre recht.

Borg.

Flavio ſolte ſich der zeugen ſchaͤmen: Jſt nun ein fuͤrſtlicher diener gut genung / das ein Bandit / ein naꝛr / und ſeines widerſachers ſtiefelſchmierer wi - der ihn auffgefuͤhret werden ſol.

Flav.

Schau Borgiaͤ / hier ſind die zeichen von den rechtmaͤſſigen briefen: Dieſe beſchuldigen dich / daß du fuͤrſtliche ſchreiben erbrochen haſt.

Herc.
(nimmt ſie)

Wo kommet diß her.

Ponc.

Heꝛr / ich habe ſie beym Borgia kriegt / der ſagte ich ſolte ſie verbrennen.

Borg.

Daß du des todes ſeyſt mit deinen luͤgen.

Ponc.

Kinder und naꝛren reden die warheit: Wiſ - ſet ihr nicht / da ihr mir ſo viel geld gabt? da ich jungferN nFickgen562Der beſchuͤtzten UnſchuldFickgen die bey der Leonore iſt / muſte zwey dutzent tha - ler bringen / daß ſie ſolte euer wort reden? da ich das gifftige confect bey dem apothecker hohlte / und dem Camillo ins gefaͤngniß bꝛachte? wiſſet ihr es nicht? he!

Borg.

Es ſtuͤrmet alles auff mich loß.

Her.

Borgia gebt Gott und eurem fuͤrſten die ehre / und bekennet die warheit. Verſaͤumet die gnaden-zeit nicht: Eh eine ſtunde vergeht / kan Hercules die gna - den-thuͤr veꝛſchlieſſen.

Borg.
(kniet)

Ach was ſol ich ſagen? Camillo iſt der tugendhaffteſte menſch auf der welt. Borgia iſt uͤberzeugt / daß er den tod verdienet hat.

Her.

O du gifftigeꝛ baſiliske / iſt es moͤglich / daß dei - ne boßheit ſo viel uͤbel ſtiften koͤnnen? Und haben wir uns ſelbſten durch dein laſterhafftes vornehmen wider die tugend reitzen laſſen? Camillo ſol richter ſeyn: Und welchen du ohne recht und urtheil verdammen wolteſt / der ſol uͤber dein leben zu gebieten haben: Daß Ca - millo alſofort hieher gebracht werde.

Leon.
(iſt immittelſt auff die ſeite getretẽ.)

Ach Camillo wird hieher gefordert; mit was vor au - gen werde ich ſeiner beſtaͤndigen tugend begegnen koͤn - nen? wie werde ich die unbilligen beſchuldigungen mir zum vortheil auslegen. Ach es iſt vergebens! er hat ſeinen ſinn laͤngſt von mir gewandt / und ich werde mich aller liebe und vergnuͤgung auf ewig verzeihen muͤſſen. Sein bildniß / darauß ich ſeine affection erkennen ſol - te / habe ich weggeworffen: Was wil ich ihm nun ab - fordern? ich thue am beſten / weil ich ſein anſchauen nicht vertragen kan / daß ich heimlich davon ſchleiche.

(Jndem der fuͤrſt mit Flavio in heimlichemge -563Fuͤnffte Handlung.geſpraͤch begriffen iſt / ſtielt ſich Leonore zum gemach hinauß.)
Cam.

Euer Fuͤrſtl. Durchl. ſehen den Camillo wieder welcher in Jtalien lieber unſchuldig ſterben / als in Franckreich herꝛlich leben wil.

Her.

Edler Camillo / verzeiht uns / daß wir eure tapfferkeit wider verdienſt beleydiget haben. Neh - met hier den urheber alles ungluͤcks in eure gewalt / und laſſet in der ſelbſt belieblichen rache das andencken alles unrechts begraben ſeyn.

Cam.

Dem himmel ſey gedanckt / daß meine gerech - te ſache aus dem finſterniß an das liecht gezogen wird: Die rache bleibe denenſelben anheim geſtellt / welchen der oberſte richter das ſtraff-ſchwerdt in die haͤnde ge - geben.

Her.

Ach wir erkennen euer gemuͤthe / wehrter Ca - millo / welches uͤber alle begierde / auch uͤber die ſuͤſſig - keit der rache obſiegen kan.

Cam.

Meine geringſte ſorge iſt auf meiner wieder - ſacher verderben gerichtet. Wolte GOtt ich koͤnte mich der vorigen gnade / der vorigen freundſchafft und liebe voͤllig verſichern!

Herc.

Der Mond kan uns die Sonne bedecken / doch leſcht er ihre ſtrahlen nicht aus; Alſo hat die ver - leumdung unſere gnade mehr verborgen / als vertilget. Camillo tritt in ſeine vorige ehren - und gnaden-beſi - tzungen ein / mit feſter verſicherung ſo hoch zu ſtetgen / als der hof von Ferrara vertragen kan.

Cam.

Die vorher gegangene nacht verſuͤſſet uns den glantz der morgenroͤthe; Und mein gefaͤngnis verdoppelt die freude Euer Durchl. in gutem wohler - gehn die hand zu kuͤſſen.

N n 2Flav.564Der beſchuͤtzten Unſchuld
Flaͤv.

Aber wie wird ſich der arme Flavio ent - ſchuldigen?

Cam.
(umfaͤngt ihn)

Liebſter hertzens-freund / es iſt keiner entſchuldigung von noͤthen / ihr ſeyd viel - mehr durch einfalt und leichtglaubigkeit verfuͤhret / als durch haß und boßheit angereitzet worden; Drum ſey unſer gnaͤdigſter Herr zeuge / daß aller widerwillen auf - gehoben / und hingegen die offt beſtaͤtigte freundſchafft auf das neue bekraͤfftiget wird.

Flav.

Jch erkenne das tugendhaffte gemuͤthe / wel - ches ich ewig ehren werde.

Herc.

Doch wo iſt Leonore? war ſie nicht zugegen?

Flav.

Sie hat ſich vielleicht in die einſamkeit reti - rirt / weil die ſchamhafftigkeit ſchwerlich zugeben wuͤr - de / ihre gemuͤths-empfindungen oͤffentlich heraus zu laſſen.

Herc.

So mag ſich Camillo allein mit ihr vertra - gen / unſer fuͤrſtliches wort ſoll ihm zur beſtaͤtigung un - verſaget ſeyn.

Cam.

Ju ſolcher gnade wird die fuͤlle meiner gluͤck - ſeligkeit beruhen.

Herc.

Doch wie werden die verbrecher abgeſtrafft?

Cam.

Meine freudens-bewegung laͤſſet mich an keine rache dencken.

Flav.

Eu. Fuͤrſtl. Durchl. ſind am hoͤchſten belei - diget / deroſelben ſteht auch der entſchluß anheim.

Her.

Wolan / hoͤret euer urtheil: Borgia / ob er gleich etwas hoͤhers verdienet haͤtte / ſoll 5 jahr lang auf die galeen geſchmiedet werden. Baſtardo ſoll 5 jahr auff derſelben galee als ein freywilliger ſoldat wider den Tuͤrcken dienen. Poncinello ſey dem Camillo zu willkuͤhrlicher ſtraffe verehret.

(Bor -565Fuͤnffte Handlung.
(Borgia wird weggefuͤhrt / Baſtardo geht auch ab.)
Cam.

So will ich dem Poncinello den kopff ab - ſchlagen laſſen / und alſobald ſoll die execution vor ſich gehen.

(Hercules / Camillo und Flavio gehn ab.)
Claudio mit ſeiner rotte nimmt den Ponci - nello an.
Ponc.

Jch will dem Poncinello laſſen den kopff abſchlagen. Das war troͤſtlich. So werde ich treflich hoͤflich werden / und den hut allezeit in haͤnden behal - ten / weil ich ihn nirgend hinſetzen kan.

Claud.

Sieh da / maußkopff! biſtu wieder mein ge - fangener? wie heiſſe ich itzund?

Ponc.

Ey ich werde ſo viel wiſſen / vergeſſe ich doch uͤber den narrenpoſſen bald meinen nahmen.

Claud.

Sonſt darffſtu deinen kopff nicht ſchonen / dencke immer weil du dencken kanſt / es moͤchte dir bald verboten werden.

Ponc.

Ey ihr bruͤder was vexirt ihr viel / ihr wer - det mir nichts thun: Eine kraͤhe hackt der andern nicht die augen aus.

Claud.

Komm du nur mit / die augen wollen wir dir nicht aushacken. Der hals / der hals wird dran muͤſſen.

Ponc.

So muß ich ſterben / und iſt kein ander mit - tel da?

Claud.

Ja / vor dißmahl ſoll Poncinello eine ſpan - ne kuͤrtzer werden.

Ponc.

Nun ſo laſſet mich doch meinen ſchwanen - geſang thun.

Claud.

Das ſol ein ſchoͤner geſang werden.

N n 3Ponc.566Der beſchuͤtzten Unſchuld
Ponc.

Jhr verſteht die ſprache nicht / ich wil zu gu - ter letzt meine todes-gedancken ausſchuͤtten.

Claud.

Nur mach es nicht zu lange.

Ponc.

Nun ade zu guter nacht / ihr alle fuͤnff ele - mente / himmel / erde / waſſer / feuer und dreck. Zu guter nacht ihr alle ſieben jahrs-zeiten fruͤhling und herbſt / ſommer und winter / faſtnacht / hundstagen und Mar - tini. Zu guter nacht ihr alle ſechs Evangeliſten / Matz / Lucks / Peter / Hermen / Pilatus und Herodes. Zu gu - ter nacht ihr neun freyen kuͤnſte / freſſen / ſauffen / huren / buben / doppeln / ſpielen / ſtehlen / liegen / todtſchlagen. Zu guter nacht ihr drey und zwantzig wunderwercke der welt / ihr fuͤnfzen planeten / ihr ſieben und dreiſſig loͤcher des menſchlichen leibes. Jhr kannen / kruͤge / bul - len / flaſchen / faͤſſer / eymer und glaͤſerbuͤrſten: Zu gu - ter nacht du liebes federvieh / endten / huͤhner / gaͤnſe / tauben / eichhoͤꝛnichen und caninichen Zu guter nacht ihr lieben garten-fruͤchte / birnen / pflaumen / kirſchen / quitten / ohrfeigen und naſenſtuͤber: Zu guter nacht ihr alle deſinentia in iſch, irꝛwiſch / ſtock fiſch / flederwiſch wiſch.

Claud.

Hat der ſchwanen-geſang bald eine ende.

Ponc.

Ach nein / ich bin noch in dem erſten geſetze. Nun kommen ihrer noch 99.

Claud.

Ey gedencke daß wir mehr zu thun haben / laß dir den kopff abſchlagen / darnach ſinge einen ge - ſang von neuntauſend verſen / es ſol dich niemand ver - hindern.

Ponc.

Ey iſt es dennoch ernſt? Jch nehme es noch immer vor einen hoͤflichen ſchertz auff.

Claud.

So wollen wir dir weiſen was ernſt iſt.

(Sie567Fuͤnffte Handlung.
(Sie greiffen ihn an / da agirt er poßierlich / bald wil er ſich ſitzend / bald ſtehend / bald liegend koͤpffen laſſen / endlich wird er von zweyen gehalten / da zeucht der ſcharffrich - ter an ſtatt des ſchwerdts einen fuchs - ſchwantz heraus / und ſchlaͤgt ihn umb den hals / da faͤllt er nieder / und macht ſeltzame gauckelpoſſen / hiermit wird die Scene zu - gemacht.)
(Leonore hat ſich verkleidet als eine Schaͤferin.)
Der ſchau-platz praͤſentirt einen wald.
Leon.

Jn dieſer einſamkeit will ich mein leben be - ſchlieſſen / welches ſich der geſellſchafft nicht mehr wuͤr - dig ſchaͤtzt. Jch habe geliebt; Und eben die hefftig - keit meiner liebe hat mich leichtglaͤubig gemacht / daß ich dem verfluchten Borgia mehr als zu viel getraut. Nun iſt Camillo zwar unſchuldig / doch deſto ſchuldiger befinde ich mich / wegen der unbedachtſamen worte / da - durch Camillo den uͤberreſt ſeiner liebe vertilget hat. Und indem ich nun ſehe / daß geſchehene ſachen ſchwer - lich zuruͤck gezogen werden / ich auch alle uͤbermaͤſſige traurigkeit nur vergebens anwenden muͤſte: So mag ſich mein geweſener liebhaber damit vergnuͤgen / daß ich mir die ſtraffe einer ewigen einſamkeit aufflegen will / und nach vollbrachten thraͤnen der jungferſchafft / welche ich an dieſem orte vergieſſen will / dem naͤchſt angelegenen kloſter lebens-lang beywohnen werde. Was nicht zu aͤndern ſteht / ertraͤgt man gedultig. Und welchen der himmel nicht will verliebt haben / der mag ſeine vergnuͤgung in dem ſuchen / daß er nebenſt dem liebes-zucker / auch derſelben bitterkeit nicht ſchmeckenN n 4darff.568Der beſchuͤtzten Unſchulddarff. Vielleicht wird mir die edle freyheit in wenig jahren an ſtatt der belohnung ſeyn.

(Sie geht etwas beyſeite)
Camillo / Sophie / Simplicio.
Soph.

Jch bekenne mein verbrechen / ſoll ich ge - ſtrafft werden / ſo kan ich mich nicht widerſetzen.

Cam.

Jhr habt aus unbedachtſamkeit geſuͤndiget / doch weil ich keinen ſchaden davon empfinde / ſo laſſet euch der ſtraffe wegen nicht leid ſeyn.

Soph.

Ach wuͤſten wir nur wo Leonore waͤre.

Cam.

Alsdann ſollet ihr mich guͤtig ſehn / wann ihr ſie finden helffet.

Soph.

Jch will keinen fleiß ſparen / wann ich ſo hoch ſoll belohnet werden.

Cam.

So ſucht und thut euer beſtes.

(Sophie und Simplicio gehn ab.)

Ach armer Camillo! wenn wird dein gluͤcke ohne betruͤbnuͤß ſeyn? was hilfft es dich / daß Borgia unter - druckt / der fuͤrſt verſoͤhnet / und Flavio in der freund - ſchafft beſtaͤtiget iſt / wofern die Leonore ihrer gunſt be - rauben wil? deine goͤttin hat ſich unſichtbar gemacht / und weil ſie ihr himmliſches angeſicht von dir wendet / wil ſie auch vor deinen augen veꝛborgen bleiben: Oder ſolſtu noch eine probe ablegen / und durch ein aͤngſtli - ches nachſuchen die beſtaͤndige liebe kundbar machen? elender Camillo! der magnet zeucht dich / und du weiſt nicht wohin; Leonore locket dich an / und du kanſt ihr nicht folgen; dein hertze eilet an einen ort / der dir ſelbſt nicht bekant iſt. Ach bleib! doch was erwarteſtu hier? geh fort / doch was wilſtu dort ſuchen? Ach Leonore / Leonore / warum kanſtu mein verlangẽ alſo aufhalten.

(Leonore koͤm̃t furchtſam gelauffen / Pon -cinel -569Fuͤnffte Handlung.cinello koͤmmt mit langſamen ſchrittẽ hinach / und hat ſich in ein weiß tuch gewickelt / als ein geſpenſt / nur die papierne Pickelherings-krau - ſe hat er noch um / daß man ihn kennet.)
Leon.

Ach hilf himmel! ich bin verlohren.

Cam.

Was iſt diß vor ein augenblick.

(geht auff den Poncinello loß.)
Ponc.

Bleib mir vom leibe / bleib mir vom leibe / mit geiſtern und geſpenſten iſt nicht zu ſchertzen.

Cam.

Du artiges geſpenſt / du ſolſt mir bald eine furcht einjagen.

(Leonore eilt indeſſen davon.)
Ponc.

Wie zum element geht diß zu / ſol ein ſo bra - ves geſpenſt nicht beſſern reſpect haben als ſo / bleib mir vom leibe.

Cam.

Jch entſetze mich aber vor keinem geiſte der einen leib hat.

(entbloͤſt den degen.)
Ponc.

So wolte ich / mein leib waͤre hundert tau - ſend meilen von hier.

Cam.

Wer biſtu?

Ponc.

Jch bin eine arme ſeele.

Cam.

Was machſtu hier?

Ponc.

Jm himmel wolten ſie mich nicht haben / und in der hoͤlle ſchlugen ſie mich auch weg / wo ſoll ich denn bleiben?

Cam.

Was biſtu aber vor eine ſeele?

Ponc.
(weinet)

Ach die ſeele von dem ehrlichen Poncinello.

Cam.

Du naͤrꝛiſcher boͤſewicht / ſchreibe es meinen andern verꝛichtungen zu / daß ich deinen lohn nicht al -N n 5ſobald570Der beſchuͤtzten unſchuldſobald abfuͤhren kan / ſolſtu meiner hertzliebſten ein ſol - ches ſchrecken verurſachen?

Ponc.

Herꝛ / wenn ihr wuͤſtet / wie einer armen ſee - le zu muthe waͤre / ihr wuͤrdet mich wol ungebruͤhet laſſen.

Cam.
(ſiehet ſich um)

Aber wo iſt Leonore / iſt ſie wieder verſchwunden? wertheſte Leonore / bin ich ih - res anſchauens wuͤrdig?

(er eylet ihr nach.)
Ponc.

Jſt das nicht elend / daß man auch nach dem tode nicht ruhen kan. Jch habe ja einmahl mein recht uͤberſtanden / nun iſt die reihe an mir / daß ich die leute qvaͤlen und aͤngſtigen ſoll. Kommen doch alle gute gewonheiten ab. Wuͤſte ich doch nicht / daß ein ge - ſpenſte ſo baͤrenhaͤuteriſch waͤre tractirt worden / wo ich ſolches leide / ſo ſtoſſen mich die andern geiſter aus der compagnie / und machen mich zum & cætera, daß keiner keine kanne bier mit mir ſauffen darff. Doch courage! wer mir begegnet / der iſt in meiner gewalt. Heyſa raſtrum! ich zerꝛeiſſe mich.

Simpl.

Jch ſuche / und finde nichts / diß habe ich zum vorthel / daß ich meinen Herꝛn ſelbſt verlohren habe.

(Poncinello faͤngt an zu gruntzen / Simplicio ſieht ſich um.)
Simpl.

Alle gute geiſter / alle gute geiſter.

Pon.

Du ſchelm komm her / ich will dir weiſen / was du die guten geiſter zu braviren haſt.

Simpl.

Ach iſt es in dem wald ſo unrichtig / ſo will ich ein andermahl in der mittags-ſtunde davon blei - ben.

(laufft davon.)
Pon.
(lachet)

So war es recht / ſo muß man einge -571Fuͤnffte Handlung.geſpenſt reſpectiren. Jch werde dem hudler den weg verbeugen / daß er nicht hinaus kan.

(laufft ihm nach.)
Camillo / Leonore wird vom Camillo bey der hand gefuͤhret.
Cam.

Jſt diß meine Leonore / die ſich vor mir ver - bergen will?

Leon.

Ein boͤſes gewiſſen ſucht in dem ſchatten ſei - nen auffenthalt.

Cam.

Und ein befriedigtes gewiſſen muß ſich laſſen an das licht fuͤhren.

Leon.

Dieſes muß Camillo bey derſelben verſuchẽ / welche er kuͤnfftig zu ſeiner liebſten erſehen wird.

Cam.

Drum verſuche ich ſolches bey meiner hoch - geſchaͤtzten Leonore / und wuͤnſche / dieſelbe aus dieſer furchtſamen dunckelheit an den hellen tag zu bringen.

Leon.

Leonore hat das gluͤck verſchertzt.

Cam.

Davon weiß Camillo nichts.

Leon.

Leonore hat die liebe ſelbſt von ſich geſtoſſen.

Cam.

Aber Camillo hat ſolches nicht beſtaͤtiget.

Leon.

Unterdeſſen thut die gerechtigkeit den aus - ſpruch / daß Leonore der liebe ewig ſoll verluſtig ſeyn.

Cam.

Die liebe hat ein ander geſetze / daß Leonore den ungluͤckſeligen Camillo ewig vergnuͤgen ſoll.

Leon.

Es ſind mehr perſonen da / welche Camillo in ſeiner unſchuld zur belohnung erwehlen kan.

Cam.

Aber Camillo ſiehet keine perſonen die er mit ſeiner Leonoren vergleichen kan.

Leon.

Die zeit wird es eroͤffnen. Jch bitte nichts mehr / als er vergoͤnne mir die finſterniß: Meine au - gen ſind nicht maͤchtig genung / denſelben anzuſchauen / den ich ſo unbeſonnen beleidigt habe.

Cam.572Der beſchuͤtzten Unſchuld
Cam.

Wo Leonore in der finſternuͤß bleibet / muß Camillo in den tod gehn.

Leon.

Ach Camillo / warum werde ich aufgehaltẽ?

Cam.

Ach Leonore / warum wird der eyd unſerer liebe ſo weit hindan geſetzt?

Leon.

Camillo iſt loß geſprochen. Leonore ſol vor den meineyd buͤſſen.

Cam.

Ja Leonore ſol vor den meineyd buͤſſen / aber in meinen armen.

Leon.

Ach betruͤbe mich nicht.

Cam.

Der himmel ſey zeuge / wer unter uns beyden urſach zum betruͤbniß giebt.

Leon.

Was ſol ich denn thun?

Cam.

Sie ſol den eyd ihrer liebe halten / und den Camillo gluͤckſelig machen.

Leon.

Ach Camillo / warum braucht er ſolche ge - walt gegen ein ſchwaches weibesbild?

Cam.

Jhre grauſamkeit giebt mir anlaß darzu.

Leon.

Jch muß gegen mich grauſam ſeyn.

Cam.

Jch aber erfordere mein recht.

Leon.

Edler Camillo / weil er mir die ſtraffe im ſchatten mißgoͤnnet / und mich viel lieber vor aller welt wil zu ſchanden machen / ſo ſey es alſo. Jch folge ge - horſam.

Cam.

Suͤſſeſte Leonore / ſie folge mir. Alle welt ſol von unſer freude und gluͤckſeligkeit ſagen.

Leon.

Jch wil mich gerne vor ſeine dienerin ge - brauchen laſſen / biß er ſeine rache erfuͤllt / und mir den weg an dieſen ort verſtatten wird.

Cam.

Camillo liebt Leonoren / wil Leonore ihre zu - ſage brechen / ſo ſol der himmel richter ſeyn / daß Bor - gia uͤber ihr gemuͤthe mehr gewalt hat als Camillo.

Leon.573Fuͤnffte Handlung.
Leon.

Ach wer kan einer ſolchen tugend wiederſte - hen. Hier iſt Leonore die ſich ihres eydes erinnert / und den Camillo nicht weiter beleidigen kan.

Cam.

Nun fang ich an zu leben! Nun danck ich erſt dem guͤtigen himmel / daß ich ſo viel verfolgung - berwunden habe: weil ich die ſuͤſſigkeit meiner Leono - ren zu lohn empfange.

Leon.

Aber Camillo hat ſo ein gutes gedaͤchtnis / kan er ſo ſtarck an meine zuſage gedencken / ſo wird er vielleicht auch meines verbrechens nicht vergeſſen.

Cam.

Das iſt kein verbrechen / dadurch die liebe be - ſtaͤtigt wird. Doch was erhebt ſich vor ein unheil.

(Poncinello bringt den Simplicio und Sophi - en vor ſich hergejagt.)
Pon.

Halt / halt / ihr ſeyd in meiner gewalt / ich will euch die haͤlſe brechen / und wenn ihr ein paar bratſpiſſe durchgeſteckt haͤttet.

Leon.

Ach wie zum ungluͤck bin ich hieheꝛ kommen?

Cam.

Schoͤnſte Leonore / ſie entſetze ſich nicht / ich will ihr bald aus dem ſchrecken helffen.

(laͤufft ihm nach.)
Ponc.

Steh / ſteh / du haſt kein theil an mir.

Cam.

Das wollen wir ſehn.

(er reiſſt ihm das tuch ab / daß man den leibhafftigen Poncinel - lo ſehen kan.)
Leon.

Je du ſtuͤck-ſchelm / was bewegt dich zu ſol - cher leichtfertigkeit.

Ponc.

Haͤtte mich euer liebſter nicht koͤpffen laſſen / ſo duͤrffte ich nicht umgehn.

Leon.

Hat dich mein liebſter koͤpffen laſſen? dein ſchelmſcher ſchedel ſteht dir ja zwiſchen den diebsohren ſo feſte / als wenn er drauff geklammert waͤre.

Ponc.574Der beſchuͤtzten Unſchuld
Ponc.

Das iſt die urſache / daß ich ein geiſt bin: drum hab ich weder fleiſch noch bein / wie ein eyer - kuchen.

Cam.

O du extract von allen buben! Kein toll - haus ſoll ſo verſchloſſen ſeyn / du ſolſt darinne ſtecken / biß du deinen leib wieder funden haſt.

Ponc.

So bratwurſtire ich im nahmen aller ge - ſpenſter dagegen / daß es nicht manier iſt / einen ehrli - chen geiſt in das tollhaus zu ſtecken.

Cam.

Simplicio / haſtu keine ſpießruthe / verſuche doch / ob der geiſt noch fuͤhlen kan -

Simpl.
(ſchlaͤgt auff ihn zu.)

Sieh da / wie ſchmeckt dir diß?

(Poncinello ſchreyet.)
Simpl.

Wirſtu bald wieder lebendig?

Pon.

Auff dieſe weiſe muͤſte wol ein ander lebendig werden / gib mir nur die ruthe / ich will dich auch leben - dig machen.

Cam.

Mache mit den poſſen ein ende. Sieh hier iſt Leonore / die noch keine ſatisfaction von dir hat: die kan dich verdammen und loßſprechen.

Ponc.

Soll ich etwan den nuͤſchel noch einmahl abhauen laſſen?

Cam.

Es wird nicht allzeit ſchertz ſeyn.

Ponc.
(Kniet vor Leonoren nieder)

Da bin ich / die leute wuſten es / das ich ein naꝛr war - Und ihr wiſſet es / daß ich nicht klug bin / habt ihr nun was zu ſuchen / und meint ihr / daß ihr ehre davon habt / wenn ihr euch mit naꝛren verwiꝛt / ſo koͤnt ihr thun was euch gefaͤllt. Sophie iſt wol ſo ein rabenaß geweſen / als ich.

Leon.

Ja wol iſt Sophie in gleichen verdamnuͤß.

Soph.
(kniet)

Gebietendes fraͤulein ich bekennemeine575Fuͤnffte Handlung.meine uͤbelthat: Doch weil Borgia einen fuͤrſten ver - fuͤhren kunte / ſo wird es ſo ungnaͤdig nicht auffgenom - men werden / daß ſich ein einfaͤltiges cammermaͤdgen hat verfuͤhren laſſen. Mein kuͤnftiges wolverhalten ſol es bezeugen / wie heftig ich dieſes verbrechen bereu - et habe.

Cam.

Liebſte Leonore / dieſes iſt ein gluͤckſeliger tag / da ſollen wir niemand ungluͤcklich machen.

Leon.

Er hat zu befehlen. Aber ſol ich Sophien im dienſte behalten?

Cam.

Kein beſſer mittel kan getroffen werden / als daß ich meinen Simplicio zum verwalter uͤber unſer kuͤchen-gut mache / und weil er eine gute wirthin bedarf / die Sophie mit ihm verſorge.

Leon.

Sie haben ſich beyderſeits zu erfreuen.

Cam.

Wie ſtehts? habt ihr beyde luſt.

Simpl.

Jch weiß nicht wie ſchoͤn ich mich gnung bedancken ſol.

Soph.

Und ich muß eine unvergleichliche gnade ruͤhmen.

Pon.

Und ich liege da wie ein unvernuͤnftiges vieh / und kriege keinen dienſt / keine liebſte / mit einem wort nichts: Das heiſt auff Jtaliaͤniſch ſo viel als einen quarck.

Leon.

Ein geiſt bedarff nichts / du biſt reicher als wir.

Ponc.

Ey poſſen / ich bin nun kein geiſt mehr: Wo liebſten ausgetheilet werden / da wil ich meinen leib gern aufweiſen.

Cam.

Du muſt noch verziehẽ: Jtzt ſolſtu ein ampt haben / und das holtz in die kuͤche tragen. Haͤlteſtu dichwol -576Der beſchuͤtzten Unſchuldwol / ſo kan ſich das gluͤcke fuͤgen / daß Simplicio eine tochter groß zeucht / die ſich zu deiner liebſten ſchickt.

Ponc.

Auff die maſſe habe ich noch ein groß kerb - holtz vor mir / ehe ich in den ſtand der geflickten hoſen trete.

Cam.

Jch weiß du achteſt die poſſen nicht.

Ponc.

Heꝛr / euer wort in ehren / das hat euch ein ſchelm geſagt.

Leon.

Du grober knoll / iſt daß deine hoͤfligkeit.

Ponc.

Sol ich mich an meinen ehren angreiffen laſſen?

Cam.

Gieb dich zufrieden / wo dir nach einer lieb - ſten ſo bange iſt / ſo wil ich dir eine ſchaffen / die hat ein ſchoͤn braun roͤckgen mit gruͤnen baͤndern ausgemacht.

Ponc.

Warum nicht mit floͤh-zungen verbremt / und mit maͤuſe-ſchwaͤntzgen eingefaſt.

Cam.

Du biſt ein garſtiger vogel: Frage in vier wochen wieder nach. Jtzt muſtu vor ſehen laſſen / ob du dich beſſern wilſt: Simplicio geh mit Sophie / und ſieh / daß alles bey unſrer ankunft beſtellt iſt: Du aber Poncinello geh und ſage dem Flavio / daß Leonore ge - funden ſey / und ihn ſehen wolle.

(Sie gehn ab.)
Camillo faſſet die Leonore bey der hand.
Cam.

Nun wolan ich muß mich freuen / Denn die eitlen fantaſeyen Sind vermuthlich uͤberhin / Und ich werde neu gebohren / Weil ich nun mit Leonoren Wiederum verbunden bin.

Leon.577Fuͤnffte Handlung.
Leon.

Jch gedachte mich der plagen Jn dem kloſter zu entſchlagen: Doch Camillo lockt mich an / Daß ich mein vergnuͤgtes leben / Aller liebes-luſt ergeben / Und mich voͤllig troͤſten kan.

Cam.

Ach wie haben meine feinde / Ja wol auch die beſten freunde / Meiner unſchuld zugeſetzt: Doch den himmel ließ ich walten / Dieſer hat mich wol erhalten / Und hier ſteh ich unverletzt.

Leon.

Jch gedenck an meine ſuͤnde / Daß der eyfer zu geſchwinde Meinen ſinn bezwungen hat / Doch mit dieſen liebes-kuͤſſen Wil ich alle tage buͤſſen / Vor die ſchnoͤde miſſethat.

Cam.

Jch gedencke nicht zuruͤcke / Selig / wer dem guten gluͤcke Gleich ſo wol im ſchoſſe ſitzt / Alle feindſchafft iſt vergangen / Jch empfinde mein verlangen / Und die Unſchuld wird beſchuͤtzt.

(Sie gehen ab.)
O oLuſt -578

Luſt-Spiel Vom dem Dreyfachen Bluͤcke.

Geehrter Leſer.

HJer bring ich das Luſt-Spiel an den tag / welches we - gen unterſchiedener urſachen nicht gerne im finſtern verderben wil. Es iſt zwar derſelbe fleiß nicht darauff ge - wendet worden / welcher die nachdenckliche Jnvention ſon - derlich zieren koͤnte: Jedennoch habe ich das gute vertrau - en / es werde ein oder der ander liebhaber ſich nicht verdruͤſ - ſen laſſen etliche ſtunden darauff zu wenden. Man mag es vor eine hiſtorie / oder vor ein gedichte halten: Ja man mag die auslegung ſo wunderlich machen als man wil / ich bin mit allem zu frieden: Es gedencke nur der geehrte leſer / es ſey kein wort umbſonſt geſetzet worden. Jſt iemand / der es nicht errathen kan / der mag entweder ſich ſelbſt / oder auch wohl mich entſchuldigen / dieſe freyheit ſol ihm zugelaſ - ſen ſeyn. Jmmittelſt vergnuͤge ich mich hierinne / daß ich ein zeichen einer danckbarkeit von vielen jahren her hie - durch abgeleget habe. Geſtalt ich mich in deroſelben gunſt-gewogenheit befehle / denen dieſes zu ehren auffgeſetzet iſt. GOtt befohlen.

Des579

Des Luſt-Spiels Perſonen:

  • 1. Aquila / Koͤnig in Mernagien.
  • 2. Leo / Reichs-Marſchall.
  • 3. Euſebie / deſſen Gemahlin.
  • 4. Philyrus / deſſen Sohn der Mercurie Liebſter.
  • 5. Heliconie / deſſen Tochter / Germani Liebſte.
  • 6. Willigis / Reichs-Cantzler.
  • 7. Colonus / deſſen Sohn / verliebt in Mercurien.
  • 8. Parthenius / Reichs-Rath.
  • 9. Salinus / deſſen Sohn / verliebt in Mercurien.
  • 10. Mercurie / des Philyri liebſte.
  • 11. Bojus / verliebt in Heliconien.
  • 12. Germanus / der Heliconien Liebſter.
  • 13. Commodus / der Mercurie Pflege-Vater.
  • 14. Aneſtus / des Philyri Hofmeiſter.
  • 15. Mechanie / der Mercurie Zofe.
  • 16. Vulgus / des Philyri Diener / der Mechanie Liebſter.
  • 17. Claudus / Aneſti Diener / verliebt in Mechanien.
  • 18. Romana / eine alte Kuplerin.
  • 19. Albinus / ein Balbier.
  • 20. Aſmus / ein Junge.
  • 21. Jrene / mit den Engeln in Wolcken.

Jnnhalt.

VHilyrus des Reichs-Marſchalls in Mernagien ſohn / hat ſich in die dorff-luſt verliebt / daß er / aller ver - mahnungen ungeacht / weder in die ſtadt / noch an den hof kommen will: Doch ungefehr reiſet eine unbekannte jung - fer Mercurie bey ihm vorbey / welche ihm alſo ſchoͤn vor - koͤmmt / daß / nachdem ſie auff dem lande nicht wohnen will / er ſich endlich reſolvirt / das bauer-leben zu verlaſſen. Ehe er ſich aber einſtellt / haben ſich Salinus und Colonus allbereit bey der Mercurie angegeben / und bemuͤhen ſich durch allerhand liſtige anſchlaͤge ihre gunſt zu gewinnen:O o 2Gleich -580Gleichwohl ſcheinet das gluͤcke dem Philyro am gewogen - ſten zu ſeyn. Doch in dem ſucht eine andere fremde jung - fer Heliconie von dem Reichs-Marſchall ſchutz / welche aus befehl ihrer mutter den erſten liebſten Germanus verlaſſen / und den Bojus lieben ſol / da ſie doch in ihrem gewiſſen ver - bunden iſt den erſten ſchwur zu halten. Es fuͤgt ſich aber unverhofft / daß ſolche Heliconie vor des Reichs-Marſchall tochter erkennet wird / indem dieſelbe in ihrer kindheit ne - benſt der mutter Euſebie von raͤubern entfuͤhret worden: Solches vertraut der Reichs-Marſchall ſeinem ſohne: Dannenhero dieſer anlaß nimmt mit ſeiner ſchweſter et - was freundlicher umbzugehen: Alſo / daß nicht allein Ger - manus gegen ſeine liebſte etwas ungedultig wird / ſondern auch abſonderlich Mercurie dem Philyrus alle lieb und ge - wogenheit aufkuͤndigen wil. Ehe aber etwas gewiſſes be - ſchloſſen wird / koͤmmt Euſebie / welche ihren gemahl laͤngſt vor todt gehalten / und wil ihre tochter ſuchen. Doch Ro - mana eine alte Kuplerin fuͤrchtet ſich / es moͤchten ihre loſe ſtuͤckgen an den tag kommen / und ſchwaͤrtzet der Euſebie das geſichte im ſchlafe / daß ſie von allen verſtoſſen wird: Endlich wiſchet ihr Albinus der balbier und Commo - dus der Mercurie Pflegevater die farbe ab / daß ſie erkennet wird. Alſo gehet Romana mit dem Bojus durch: Aber mit guter vergnuͤgung wird Leo mit der Euſebie / Germanus mit der Heliconie: Philyrus mit der Mercurie: Ja auch Vulgus / Philyri diener / mit der Mechanie voͤllig verbun - den: Alſo / daß ſie allerſeits einander verſprechen / in unver - tuͤckter freundſchafft ſtets beyſammen zu bleiben. Ge - ſtalt ſolches durch des him̃els zuruf nach allem wunſche beſtaͤtiget wird.

Ge -581

Geneigter Leſer.

ES haben etliche wiſſen wollen / was unter dieſem ge - dichte verborgen iſt / und weil die ſache von ſolcher be - ſchaffenheit / daß man ſich derſelben nicht ſchaͤmen darff - ſo iſt kuͤrtzlich zu wiſſen / daß hierinnen der ſtadt Leipzig wachsthum und auffnehmen / unter einer Liebes-Hiſtorie vorgebildet wird. Denn daß ein liebhaber gelegenheit haben mag / den ſachen aus den Hiſtorien beſſer nachzuſin - nen / ſo iſt beliebt worden / nichts als den Clavem zu den meiſten perſonen anzuziehen. Dann da iſt

  • Aquila / der Kaͤyſer.
  • Leo / der Chur-Fuͤrſt zu Sachſen.
  • Euſebie / die reine Religion.
  • Philyrus / die geſamte buͤrgerſchafft in Leipzig.
  • Heliconie / die Univerſitaͤt.
  • Willigis / Chur Maͤyntz.
  • Colonus / die ſtadt Erffurt.
  • Parthenius / Ertz-Biſchoff zu Magdeburg.
  • Salinus / die ſtadt Hall.
  • Mercurie / die kaufmannſchaft oder freye meſſen.
  • Bojus / die univerſitaͤt Prag.
  • Germanus / die Nationes der deutſchen ſtudenten.
  • Commodus / dieſes mag der Leſer errathen.
  • Aneſtus〈…〉〈…〉 Senatus / der Rath zu Leipzig.
  • Romana / die Catholiſche Religion.
  • Albinus / die univerſitaͤt Wittenberg.
  • Martia / die ſtadt Merſeburg / von der die Meſſen auff Leipzig kommen / nachdem Erffurt und Hall ſolche vergebens geſuchet.
  • Mechanie / die geſammten Handwercke.
  • Vulgus / der gemeine Poͤbel.
  • Claudius / die Haͤſcher.
O o 3Das582Des Luſt-Spiels

Das uͤbrige bleibt / wie gedacht / bey des geneigten Leſers nachſinnen. GOtt befohlen / welcher der belieb - ten Stadt das dreyfache Gluͤck noch lange zeit erhalten wolle.

Erſte Handlung.

Leo / Aneſtus.
Leo.

Jſt es moͤglich herr Hofmeiſter?

An.

Jhr Gnaden / nicht anders / als ich berichte.

Leo.

Wolte er ſich nicht gewinnen laſſen?

An.

Er widerſetzte ſich zwar nicht / gleichwol bat er inſtaͤndig / man moͤchte ihn bey ſeiner freyheit laſſen.

Leo.

Ach du widerwaͤrtiges gluͤcke / zu welcher be - truͤbnis haſtu mich noch beſtimmet? Meine hoͤchſtge - liebte gemahlin iſt mir benebenſt einem jungen fraͤu - lein vor vielen jahren entfuͤhret worden: Jch habe waͤhrender zeit die wenigſte nachricht hiervon nicht er - halten koͤnnen. Und nun muß ich erfahren / daß mein ſohn / auff welchen ich den gantzen troſt meines lebens gebauet hatte / den hof verlaſſen / und das wuͤſte und wilde feld-leben ergreiffen will. Jch weiß nicht / ob das verhaͤngnis mich hierdurch meiner vorfahren er - innern wil / welche ihre zeit in waͤldern und wuͤſteneyen zugebracht haben: Oder ob ich ein vollkommenes bey - ſpiel eines ungluͤckſeligen vaters werden ſoll. Ach was rath / herr Hofmeiſter?

An.

Jhr Gnaden / ich ſehe / was zu wuͤnſchen iſt / im - mittelſt bin ich betruͤbt / daß ich nicht ſehen kan / wie zu helffen iſt.

Leo.

So muß ich meine grauen haare vor der zeit in den tod hingeben.

An.583Erſte Handlung.
An.

Vielleicht erſcheinet noch ein mittel / welches vor unſern augen anietzo verborgen iſt.

Leo.

Mich duͤnckt / es wird verborgen bleiben!

An.

Die hoffnung laͤſſet ſich nicht in ſolche enge ſchrancken ſchlieſſen.

Leo.

Gleichwohl muß die hoffnung auff einem ge - wiſſen grunde beruhen.

An.

Solte es nicht rathſam ſeyn / daß Euer Gnaͤ - den nochmahls ſich der vaͤterlichẽ Autoritaͤt gebrauch - ten / und ſo wol durch ſtaꝛcke beweiß-gruͤnde / als abſon - derlich durch bitt - und drau-worte ihr heil verſuchten.

Leo.

Es iſt ungewiß.

An.

Doch ſol man in ungewiſſen ſachen lieber et - was thun / als muͤſſig ſitzen.

Leo.

Wohlan / ich wil an mir nichts ermangeln laſ - ſen / und niemand ſol mir dermahleines die ſchuld bey - meſſen / als waͤre an meiner ſeite etwas verſaͤumt wor - den. Jch gehe / heꝛr hofmeiſter folget mir.

(Sie gehn ab.)
(Philyrus im ſchaͤffer-habit / Vulgus.)
Phil.

Wie unrecht haben die jenigen von dem menſchlichen leben geurtheilet / welche davor gehalten / als koͤnte das hoͤchſte gut durch unſere kraͤffte nicht er - langet werden: Denn wer ſich in dem ſeligſten ſtande dieſer welt befinden wil / der darff nur dem falſchen und betruͤglichen hof - und ſtadt-leben gute nacht ſagen / uñ ſich unter dem unſchuldigen ſchatten der gruͤnenden baͤume ſo lange auff halten / biß er von der natur ſelbſt / die ſelige einfalt gelernet hat / welche in einer geruhi - gen ſelbſt-vergnuͤgung alle luſt und ergoͤtzligkeit ver - ſchloſſen haͤlt. Ach! wuͤrde ich von meinem vaterO o 4nicht584Des Luſt-Spielsnicht verunꝛuhiget / welcher mir aus unverdientem nei - de dieſes freye und ſorgen-loſe lebẽ mißgoͤñet / ich wolte allen welt-weiſen zu trotze das hoͤchſte gut von der welt beſitzen! So moͤchte ich faſt wuͤnſchen / einen ſolchen vater zu haben / der mich durch ſein eignes exempel zu dieſer feld-luſt anreitzete; Doch wie dem allen / ich bin dem vater danckbar / daß er mir nechſt GOtt das leben gegeben hat: Dennoch will ich nicht hoffen / daß ihm frey ſtehe / die beſte vergnuͤgung meines lebens / an ſtatt meiner danckbarkeit abzufodern.

Vulg.

Herꝛ / mein rath iſt auch / ihr bleibet bey euer meynung; und will euch jemand vexiren / ſo beruffet euch nur auf mich / meine perſon ſoll euch ſtattlich ver - treten.

Phil.

Mein liebſter Vulgus / ich erkenne deine ein - falt / ich weiß / du wirſt mein getreuer haushalter ver - bleiben.

Vulg.

Ach freylich! ich will bey euch aushalten wie die ſchlehen am dornſtrauche. Jch weiß / was in der ſtadt zum beſten iſt. Viel zu thun / viel zu lauffen / viel zu gedencken / viel zu vergeſſen / viel zu zancken / viel zu fuchsſchwaͤntzen / viel zu betruͤgen / mit einem worte: viel wege / die zeit uͤbel anzuwenden. Man friſſt / und iſt nicht hungrig / man trinckt / und iſt nicht durſtig / man tantzt / und iſt nicht luſtig / man ſteht fruͤh auf / und iſt nicht munter / man pralt / und hat nichts zum beſten / man gibt gute worte / und meynts nicht / man macht die augen zu / und ſchlaͤfft nicht / man ſagt viel zu / und haͤlts nicht / man ſticht einander / und es blutet nicht / man ſchmiert einander / und es macht nicht fett / man hauet einander ins ſaltz / und man fuͤhlts nicht: Ja wo ihrer zwey zuſammen kommen / da muß der drittenarr585Erſte Handlung.narr ſeyn / und er weiß es nicht / es fragt ihn auch nie - mand / ob er damit zu frieden iſt / es iſt gnug / daß ſich die leute darinn vereinigt haben. Fuͤrwahr / ich bin der ſtadt ſo feind / und wenn ich wuͤſte / daß mein alter mantel / den ich unlaͤngſt am zaune vergeſſen hatte / von einem buͤrger waͤre weggenommen worden / ich wolte ihm ehe das haus ſtuͤrmen / ehe er das meinige dariñen behalten ſolte.

Phil.

Du guter kautz / du haſt ein naͤrriſch anſehn: aber wie klug waren dieſe reden?

Vulg.

Jch bin wie die ziegen / die haben ihr fett in - wendig.

Phil.

Du thuſt wohl daran: ſonſt moͤchte einer deine klugheit holen / der dir neulich den alten mantel abgeborgt hat.

(Leo / Aneſtus und Claudius treten auf.)

doch es iſt nicht zeit zu ſchertzen / hier ſehe ich etliche kommen / welche mir meine gluͤckſeligkeit abdiſputiren wollen. Jch moͤchte in warheit wuͤnſchen / an dem en - de der welt zu ſeyn: Doch es hilfft kein klaͤglich thun / ich muß das wetter laſſen fuͤruͤber gehen.

(er laͤufft ihnen entgegen.)

Mein herꝛ Vater / wie habe ich die gnade / daß ich von demſelben in meiner vergnuͤg - ſamen wohnung beſuchet werde?

Leo.

Jch weiß nicht / ob dir mit der vaͤterlichen gna - de viel gedienet iſt.

Phil.

Jch kenne daß geſetze / welches denen kindern ernſtlich befiehlet / die eltern in ehren zu halten.

Leo.

Bißher habe ich ſolches nicht empfunden.

Phil.

Und woriñe iſt von mir wider ſolche pflicht gehandelt worden?

O o 5Leo. 586Des Luſt-Spiels
Leo.

Wer mein gehorſamer ſohn heiſſen wil / der ſoll der wildniß gute nacht geben.

Phil.

Kan aber ein vater ſo gꝛauſam ſeyn / den ſohn in ſeinem hoͤchſten gluͤcke zu verhindern?

Leo.

Deine thorheit bildet ſich ein gluͤcke ein / da kei - nes anzutreffen iſt.

Phil.

Was ich wuͤrcklich empfinde / ſolches darff durch keine thoͤrichte einbildung unterhalten werden.

Leo.

Deine ergoͤtzligkeit iſt mit allen unvernuͤnffti - gen thieren gemein.

Phil.

Doch meine vernunfft giebt mir beſſere an - leitung / daß ich dieſer freude nachſinnen kan.

Leo.

Jn der ſtadt heiſſet man ſolches faulheit und muͤſſiggang.

Phil.

Es iſt nichts neues / daß in der ſtadt feinen ſachen falſche namen auffgeleget werden.

Leo.

Dieſer nahme iſt nicht falſch / wer Gott und dem nechſten nicht dienet / der iſt ein muͤſſiggaͤnger / und eine unnuͤtze laſt des erdbodens.

Phil.

Vielleicht diene ich Gott hier unter dem frcy - en himmel beſſer / als mancher in der ſtadt / der bey ſei - nen welt-haͤndeln ſelten an Gott gedencken kan.

Leo.

Gott wil ſich aber nicht unter denen wilden thieren / ſondern vielmehr in einer groſſen gemeine eh - ren laſſen / haſt du ſo viel uͤberfluͤſſige froͤmmigkeit / ſo komm / und diene deinem nechſten.

Phil.

Jch diene dem nechſten genung / in dem ich niemand ſchaden thue / und keinem in dem wege herum gehe.

Leo.
(Entruͤſtet ſich)

Und hierinne widerſprichſt du deinem vater nicht?

Phil.

Wertheſter heꝛr vater / ich bin bereit in ſei -nem587Erſte Handlung.nen dienſten zu leben und zu ſterben / er mache mich nur dieſer bitte theilhafftig / und laſſe mich bey meiner freyheit.

Leo.

Siehe / dieſe ſeufftzer und dieſe thraͤnen ſollen zeugen ſeyn / daß ich einen boshafftigen ungerathenen ſohn habe.

Phil.

Ach heꝛr vater! ach heꝛr vater! gilt keine bit - te

Leo.

Du ſolſt nicht ſo wuͤrdig ſeyn mein angeſicht wieder zu ſehen.

Aneſt.

Jch ſage nichts als dieſes: Wehe dem / der ſeine eltern betruͤbet!

(Leo. und Aneſtus gehn ab.)
Phil.

Was thue ich? was laſſe ich? bin ich lieber gegen den vater ungehorſam / als gegen mich grauſam? oder laß ich lieber meine gluͤckſeligkeit im ſtiche / damit ich den eitlen ruhm einer unermaͤßlichen gedult davon bringe? wer mich in die ſtadt locket / der heiſt mich ſter - ben: Wer aber mein moͤrder werden wil / der kan mir keine kindliche pflicht abfordern. Jch halte auch / die eltern ſeynd denen kindern deßwegen vorgeſetzt / daß ſie vor ihr gluͤcke ſorgen ſollen: Geſetzt nun / daß die kinder ſelbſt einen vortheilhafftigen weg zu ihrer zu - friedenheit gefunden haben / ſo haben die eltern nicht urſach / viel vergebne bemuͤhungen hervor zu ſuchen; Doch deſſen ungeacht / will ich die ſache nochmahls in meiner einſamkeit uͤberlegen. Wiewol ich habe ſor - ge / der ſtadt-magnet wird muͤſſen groſſe gewalt haben / wofern er mich anziehen ſoll.

(geht ab.)
(Claudius geht in dem mantel auf und ab / welchen Vulgus verlohren hat.)
Vulg. 588Des Luſt-Spiels
Vulg.

Hoͤrt doch ihr guter freund / wo kommt ihr zu dem mantel?

Claud.

Sieh da / wer laͤſſt fragen?

Vulg.

Jch laſſe fragen / und ich frage auch ſelber / wo ihr zu dem mantel kommt?

Claud.

Wie koͤmmt der Tuͤrckiſche Kaͤyſer zu ſei - nen laͤndern?

Vulg.

Er greifft zu / wo er was kriegen kan.

Claud.

Geh hin / und laß dir an dieſer Kaͤyſerlichen antwort begnuͤgen.

Vulg.

Jch erſchrecke aber vor keinem Kaͤyſer / der ſeine gantze armee in einem hembde wegſchleppen kan.

Claud.

Geh du feld-geiſt / und laſſe einen ſtadt-ca - valier unmoleſtirt.

Vulg.

Du ſtadt-kobolt / gib mir meinen mantel wieder.

Claud.

Jch moͤchte wiſſen was dir der mantel dien - te / du wilſt ihn gewiß uͤber die groſſe ſau decken / daß ihr die elſtern die borſten nicht ausrauffen?

Vulg.

Gib du mir meinen mantel / er iſt viel zu kurtz / daß er die ſtaͤdtiſchen ſchelmſtuͤcken bedecken kan.

Claud.

Du elender feld-herr / du biſt gar muthig / es hat dir gewiß ein rohr-ſperling auf die blatte trium - phiret.

Vulg.

O nein / du haſt in der ſtadt ein halb ſchock diebs-ſperlinge gefangen / und haſt ſie vor kramts-voͤ - gel gefreſſen.

Claud.

Du ſteckeſt wol einen raben ins ſauerkraut und friſt ihn vor ein haſelhun.

Vulg.

Die ſchwartzen haſelhuͤner ſind auf dem lande nicht wol zu bekommen / ſie ſitzen alle auff den groſſen ziegel-daͤchern / und wetzen ihre ſchnaͤbel / weilſie589Erſte Handlung.ſie dencken / es muß doch einmahl gerechtigkeit ergehen / daß die unverſchaͤmten mantel-diebe in der ſtadt ge - gehencket werden.

Claud.

Du biſt gar uͤbel bericht; Der galgen iſt nur vor die bauern gebauet / ein ehrlicher buͤrger als ich bin / gehet nur hinaus / und ſiehet ſeine freude / wenn die ſchelmen ſo brave zappeln.

Vulg.

Ja gleich ſo: Jch werde nicht den unter - ſcheid zwiſchen den dorff - und ſtadt-galgen wiſſen; ich wills zugeben / daß manchmahl ein dieb aus der ſtadt entlaͤufft / und ſich unter die bauern mengt / und da muß er mit einem hoͤltzernen dorff-galgen vor lieb nehmen / daß ihm kein ziegel auff den hals faͤllt; Aber die mei - ſten ſeynd zu ſtoltz / und laſſen ſich lieber in der ſtadt an einen reputirlichen galgen hencken / der fein perſpecti - viſch mit ſteinern ſeulen aufgefuͤhrt iſt; Und dieſes ſind keine bauern: Gib mir nur den mantel wieder / oder du ſolſt das zipperle in der lufft kriegen / ehe du noch einen mantel ſtehlen kanſt.

Claud.

Komm nur / und melde dich an / du erdfloch / dir zu trotz will ich den mantel behalten.

Vulg.

Gib mir den mantel / oder ich will dir einen andern floch ins ohr ſetzen.

Claud.
(zeucht den degen aus.)

Jch habe gleichwol die briefe nicht davon / daß ich deine baͤren - haͤuterey vertragen ſoll; Hoͤre / wem iſt der mantel?

Vulg.

Nu / nu / du kanſt dich narren / daß ich ſcha - den nehme.

Claud.

Darauff iſts angeſehn / du ſolſt ſchaden nehmen.

Vulg.

So wil ich meinen mantel nicht mehr fo -dern /590Des Luſt-Spielsdern / und wenn ich mein lebtage keinen ſchaden neh - men ſolte.

Claud.

Das war dir zu rathen / ſonſt haͤtte ich dich ſchon in ſtuͤcken zerhauen / daß die raben deſto beſſer zu deinen caldaunen kommen waͤren; So mag es ſeyn: du begibſt dich des mantels ſelber; Ergo iſt er meine.

(Geht ab.)
Vulg.

Du begiebſt dich des mantels ſelber; Ergo iſt er meine: Das war ein cauſe aus der ſtadt; doch / was mach ich? unſer ſchultze ſpricht: Umb fuͤnff guͤl - den koͤnne man einen dieb hencken; nun iſt mein man - tel nur vierdtehalb guͤlden wehrt: Es dauert mich / daß ich meine guͤldene galonen nicht drauff gebremt habe / die koſten gleich anderthalb guͤlden / damit waͤre der biſchof in der feld-capelle fertig; nun was hilfts / es geht in der welt ſo zu: An die armen land-leuthe wiſcht jederman die pantoffeln.

(Geht ab.)
Mercurie. Mechanie. Commodus:
Merc.

Ach alter vater! wo fuͤhret ihr mich hin.

Com.

Gebt euch zufrieden ihr ſollet wohl verſorget ſeyn.

Merc.

Jch moͤchte aber wiſſẽ / wohin die reiſe geht?

Com.

An einen orth / da es euch beſſer gehen ſoll / als bißher.

Merc.

Wo kan eine vater - und mutterloſe perſon groß gluͤcke antreffen?

Com.

Liebſte Mercurie / ich kan euch die gantze ſa - che laͤnger nicht verhaltẽ; als eure ſelige mutter Mar - tia nunmehr mit dem tode zu ringen begunte / winckte ſie denen umbſtehenden / daß ſie etwas zuruͤcke weichen muſten / und gab mir hernach mals in hoͤchſter vertrau - ligkeit dieſen befehl / ich ſolte alle ſachen fleiſſig zuſam -men591Erſte Handlung.men packen / und wofern jemand an ſolche wolte hand anlegen / moͤchte ich nur ſehen / daß ihr / als ihre liebſte tochter in ſicherheit gebracht wuͤrdet; und ſolte ich vor allen dingen ſehen / daß der koͤnig in Mernagien / bey welchen ihr gantz geſchlechte in hoͤchſten gnaden geſtan - den / um ſchutz und beyſtand angeflehet wuͤrde; dero - halben habe ich dieſe reiſe auf mich genom̃en / bin auch nun nicht weit von der koͤniglichen reſidentz / da euch troſt genung ſol erwieſen werden / nach dem daß vater - land wenig mitleiden mit euch haben wil; ich bitte nur / verziehet an dieſem orthe / und laſſet euch die weile nicht lang ſeyn / biß ich mich in der ſtadt nach einem beqve - men loſament umgeſehen habe; denn / daß ich euch ſol - te lange auff der gaſſe gleichſam zu kauffe herum fuͤh - ren / ſolches ſcheinet mir nicht verantwortlich zu ſeyn.

Merc.

Ach die ſelige frau mutter hat mich wol mit hertzlicher liebe gemeynet / daß ich ohne thraͤnen an ſie nicht gedencken kan: Doch iſt es ihr rath / daß ich hie - her meine zuflucht nehmen ſoll / ſo will ich deſto mehr ei - nes erwuͤntſchten ausgangs erwarten.

Com.

Jch gehe: es ſoll nicht viel zeit verflieſſen / ſo werde ich mit guter poſt wieder hier ſeyn; Nehmet un - terdeſſen dieſes kaͤſtgen in acht / ſo lieb als euch eure wohlfarth iſt: Weil man ohne die warzeichen / ſo hier - inne beſchloſſen ſeyn / ſchwerlich vor den Koͤnig kom - men duͤrffte.

Merc.

Der himmel begleit euch.

(Commodus geht ab.)

Mein GOtt! wie ſauer iſt mir dieſe reiſe ankommen / und wie ſehr verlanget mich nach einer guten herbeꝛge.

Mech.

Was wollen wir thun / wir muͤſſen GOtt dancken daß wir unſere ſicherheit haben.

Merc.592Des Luſt-Spiels
Merc.

Es iſt wahr; Doch moͤcht ich gern etwas ruhen.

Mech.

Auff der reiſe darff man nicht allezeit auff gute feder-betten warten / hie iſt graß und ſchatten ge - nung / da wir unſere ruh drauff nehmen koͤnnen.

Merc.

Jch bin des lebens auf dem lande nicht ge - wohnt / ich fuͤrchte mich allzeit / wenn ich ins gruͤne ſpa - tzieren ſoll.

Mech.

Hier iſt nichts zu fuͤrchten / ſie komme nur hieher / unſer alter vater wird wol der erſte ſeyn / der uns auffwecket.

Merc.

Jch folge deinem rathe / komme ich daruͤbeꝛ in ungluͤck / ſo wirſtu viel zu verantworten haben.

(ſie legen ſich nieder.)
Philyrus. Vulgus.
Phil.

Jch mag die ſtadt mit dem lande vergleichen wie ich will / ſo finde ich den ausſchlag allzeit auff ſeiten der hoͤchſt-preißlichen feld-luſt: Alſo / daß ich ſchwer - lich in meines vaters begehren einwilligen werde; es bleibt darbey / in freyer lufft / unter freyem himmel und in freyen feldern / da wohnet die edelſte freyheit.

(Vulgus geht unterdeſſen herum und ſieht ſie ſchlaffen.)
Vulg.
(gantz ſachte)

Herꝛ / kommt doch / ich wil euch was neues weiſen.

Phil.

Ey laß mich in meinen gedancken unverſtoͤrt.

Vulg.

Es iſt was hauptſaͤchliches / kommt nur mit.

Phil.

Du haſt einen poſſen im kopffe: Aber ich rathe dirs / ſpare dergleichen haͤndel / biß mir beſſer auf - geraͤumet iſt.

Vulg.

Jch ſehe wohl / ich muß einen ſchwur darzu thun: Jch wolte / daß mir eine wagen-deichſel in denleib593Erſte Handlung.leib fuͤhre / daß mir die raͤder zwiſchen den ohren ſtecken blieben / wo ich euch nicht was rechts weiſen wil.

Phil.

Jch laſſe mich fuͤhren: Aber nim̃ deinen bu - ckel in acht / wo eine leichtfertigkeit dahinter ſteckt.

Vulg.
(ſachte)

Still / ſtill was ſeynd das vor gra - ſe-muͤcken / ſie ſind in keinem guggugs-neſte ausgebruͤ - tet worden / ſie haͤtten ſonſt den guggug ſelber gefreſſen; ich ſchwere es / ſind das voͤgel / ſo wil ich heute ein vogel - ſteller weꝛden. Sind das fiſche / ſo werde ich ein fiſcher: Sind es froͤſche / ſo werde ich ein froſch-meußler. Herr / was meynt ihr? das waͤren zwey brave ſtuben - geſellen vor uns / wenn wir ihnen gleich ſolten freyen tiſch und frey bette geben: Je was giebt es in der na - tur vor wunderwercke!

(Philyrus ſteht als ein ſtock / und betꝛachtet ſie / Vulgus laͤufft ab und zu / bald ſieht er hin / und weñ er was redet / ſo kehret er ſich ad Specta - tores.)
Vulg.

Jch kan noch nicht herauß kommen / was dieſes vor thiere ſind / das ſehe ich wohl / daß zwey ſchoͤ - ne weſen im graſe liegen: Ob es aber waſſer - oder lufft - thiere ſeynd / das weiß ich nicht; halt / ich wil ein biß - gen hexerey brauchen / daß ich heraus kom̃

(er zeucht ſein ſchnup-tuch heraus und wirfft es hin und wieder)

in der lufft? ein ſpecht: Nein / es iſt nicht wahr / ſie muͤſten um den ſchnabel ſpitziger ſeyn / damit hacken ſie keine nuß auff. Jm waſſer? ein hecht: Ey das war wieder gefehlt / die armen dingergen haben keine hecht-zaͤhne. Auf erden? ein knecht: Ey wied er darneben geſtochen / daraus wuͤſte ich keinen knecht zu machen; ich muß gantz von forne anfangen. Jn der lufft? ein klapperſtorch: nein / die dinger freſſen keineP pſchlan -594Des Luſt-Spielsſchlangen / ſie bauen auch ihr neſt auff keinen ſchorſtein. Jm waſſer? eine aalraupe; Halt / ich komme allzeit naͤher / doch um das maul ſehen ſie nicht ſo kleiſtrich und ſo ſchlipfrich aus. Auf erden? eine jungfer: Botz tauſend / das heiſt errathen / es ſind zwey jungfern / ſie ſeyn gewiß auf der wieſe gewachſen wie die biltze / denn das weiß ich / geſaͤet ſind ſie nicht.

(ſie erwachen)
Merc.

Ach hilff himmel! Wo ſeynd wir?

(ſie ſtehet auf)
Phil.

Sie entſetze ſich nicht / ſie iſt an einem gluͤckſe - ligen orte.

Merc.

Jch ſehe mein ungluͤck.

Phil.
(wil ſie bey der hand angreiffen)

Und ich will darthun / daß ſie allhier uͤber kein ungluͤck kla - gen ſoll.

Merc.

Ey laſſet mich unangeruͤhret; Jhr ſeyd ſelbſt mein ungluͤck.

Phil.

Soll ich meine gaͤſte nicht empfangen?

Merc.

Wir wollen euch die muͤh uͤberheben. Me - chanie / komm laß uns gehen.

Phil.

Jch wuͤrde es aber ſchwer zu verantworten haben / wann ich ſie aus meinem revier ohn einige ehr - bezeugung davon lieſſe.

Merc.

Laſſet uns gehen: Dieſes ſoll unſere beſte ehr-bezeugung ſeyn.

Phil.

Sie thue meiner behauſung die ehre an / und ſpreche auf eine friſche milch mit hinein.

Merc.

Es muͤſte mich geluͤſten: Jch bin in keiner bauer-huͤtte auferzogen worden / ich kan mir die fliegen nicht laſſen umb die ohren ſummen / ich kan auch keine grille hinter dem ofen ſchreyen hoͤren.

Phil. 595Erſte Handlung.
Phil.

So wollen wir eine feld-taffel im gruͤnen aufſchlagen.

Merc.

Eure muͤhe iſt vergebens / ich laſſe mich kei - nen bauer tractiren.

Phil.

Sie kennen das ſchoͤne bauer-leben nicht; Vielleicht erwecke ich ihr eine luſt allezeit in dieſer ge - gend zu wohnen.

Merc.

Hoͤre doch Mechanie / wilſtu mir nicht la - chen helffen?

Phil.

Was man nicht weiß / daruͤber lachet man am erſten.

Merc.

Jch will gern unwiſſend bleiben; Haben wir vor etliche pfennige graß zudruͤckt / ſo wollen wir es gut machen: Lebet wohl.

Phil.

So iſt es nicht gemeynt; Jch bitte / ſie ver - ziehen bey mir / ſonſt muß ich ein pfand nehmen / da - durch ſie gezwungen werden etwas zu warten.

Merc.

Jch will nicht hoffen / daß gegen 2 ſchwache weibesbilder ſoll gewalt ergehn.

Phil.

Sie thut mir die erſte gewalt an / daß ſie von mir eilen will

(er nimmt ihr kaͤſtgen)

drum muß ich mich ihrer perſon verſichern.

Merc.

Ach was raubt er mir!

Phil.

Jch raube nichts / ſie bleibe hier / ſo werde ich ihre ſachen nicht zuruͤcke halten.

(Philyrus und Vulgus gehn mit dem kaͤſtgen hinein.)
Merc.

Sieheſt du Mechanie / wie ſchoͤne wir uns in acht genommen haben; O wie fange ich nun meine ſachen am beſten an! Darvon gehen darff ich nicht / denn wo bliebe mein kaͤſtgen; und bleibe ich hier / ſo ha -P p 2be596Des Luſt-Spielsbe ich meinen tod an den armſeligen feld-complimen - ten.

Mech.

Es iſt ein unverhofft ungluͤck / wir muͤſſen warten biß unſer alter vater wieder koͤmmt.

Merc.

Ach wer weiß / wo unſer kaͤſtgen unterdeſſen in die rabuſe kaͤme; Wir muͤſſen denen leuten nach - gehn / vielleicht laſſen ſie noch ein gut wort eine gute ſtatt finden.

Mech.

Jch verſuche alles mit.

(Sie gehn ab.)
Commodus. Salinus. Colonus.
Com.

Die herꝛen erweiſen mir gar zu hohe ehr; ich bitte ſie ſpatzieren wieder zuruͤcke.

Sal.

Es iſt unſere ſchuldigkeit frembden und un - bekanten leuten an die hand zu gehn.

Com.

Jch bin aber zu geringe / ſolche vornehme dienſte zu genieſſen.

Col.

Guter freund / wir thun es gerne / drum kan er es gerne geſchehen laſſen.

Com.

So muß ich mich doch in ihrẽ willen ergeben.

Sal.

Er thut gar recht daran. Aber wo hat er ſeine pflege-tochter gelaſſen?

Com.

Es iſt nicht weit von hier / wir werden bald da ſeyn.

Sal.

Wir ſind deſto mehr veꝛbunden ein unbekan - tes frauen-zimmer auff die rechte ſtraſſe zu begleiten.

Com.

Sie wird es ihrer einfalt nach mit ſchoͤnen danck annehmen /

(er ſieht ſich um)

doch / wie geht diß zu? iſt dieſes nicht der ort / da ich meine Mercurie mit ihrer zofe verlaſſen habe? ich muß ſolches glauben / denn hier ligt noch ein ſchnuptuch / welches ſie verloh - ren haben. O was vor ein ungluͤck hat uns betroffen!

Col.

Guter freund / wir ſtehen zu ſeinen dienſten. Jch597Erſte Handlung.Jch wil hoffen das ungluͤck wiꝛd von uns noch zu uͤber - winden ſeyn.

Com.

Jch bin gantz auſſer mir. Ach liebſte Mer - curie! wo hat euch das wideꝛwaͤrtige gluͤck hingezogen?

Sal.

Wir wollen in dieſer gegend nachſehen. Es kan ſeyn / daß ſie in einem hirten-hauſe den kuͤhle ſchat - ten geſucht hat.

Com.

Jch glaub es nicht / ſie hat vor ſolchen woh - nungen einen lautern abſcheu / doch ſihe da / Mechanie koͤm̃t. Wie ſtehts / leben wir / oder ſind wir verdorben.

Mech.

Ach vater! wir leben ja noch: Aber es man - gelt nicht viel / ſo ſind wir verlohren.

Com.

Was iſt euch begegnet / ihr lieben kinder?

Mech.

Da hat ein kerle unſer kaͤſtgen zum pfande genommen / und wil es nicht eher ausantworten / als biß unſere jungfer verſprechen wil / bey ihm zu bleiben; wir haben gebeten / wir haben geflucht; es hilfft eines ſo viel als das andre. Wo ich die rechte warheit ſa - gen ſol / ſo hat er an ihr den narꝛen gefreſſen / aber er ſiehet ſie vor eine unrechte an.

Com.

Dem himmel ſey danck / daß ich ehrliche leu - te bey mir habe / welche mir beyſtand leiſten.

Sal.

An unſer huͤlffe ſoll es nicht ermangeln.

(Sie fallen hinein und bringen den Philyrus und Vulgus mit der Mercurie heꝛauß gejagt)
Phil.

Wie ſoll ich dieſes verſtehn / wird man end - lich in ſeinen vier pfaͤlen nicht ſicher ſeyn?

Com.

Wer andere leute ihre ſicherheit beraubet / der darff ſich nicht wundern / wenn ihm gleiches mit gleichem vergolten wird.

Phil.

Jch habe keinen menſchen beleidiget. Oder bin ich ſtraffwuͤrdig / indem ich dieſes ſchoͤne kind auffP p 3den598Des Luſt-Spielsden weg der hoͤchſten gluͤckſeligkeit fuͤhren will.

Sal.

Das iſt kein gluͤckſeliger weg / dahin eine wi - der ihren willen gefuͤhret wird.

Phil.

Sie ſollen in wenig tagen anders davon ur - theilen.

Com.

Aber ſo lange zeit ſoll er ſie an dieſem orte nicht haben.

Phil.

So klage ich uͤber gewalt.

Com.

Klage ſo lange du wilſt / gib uns die jungfer / ſo wollen wir dich nicht verhindern.

Phil.

Sie iſt ohne meine bitte herein kommen / drumb will ich ſie ohne ihre bitte hier behalten.

Sal.
(ſie entbloͤſſen die degen)

Das frauen - zimmer hat es wol verdient / daß ihrentwegen blut veꝛ - goſſen wird / wer iſt / der uns aufhalten will.

Vulg.

Jhr herꝛen / da habt ihr euer kaͤſtgen wieder / laſſet uns nur die jungfern.

Com.
(nimmt das kaͤſtgen)

Jch habe / was ich ſuche / nun duͤrffen wir nur auf und davon gehn.

Phil.

Ach ſchoͤne unbekannte / ſo werde ich verlaßẽ?

Mere.

Mein unfreundlicher unbekandter / es iſt mein taͤglicher gebrauch / daß ich die perſonen von ſei - ner gattung verlaſſe.

Sal.

Schweig und verunruhige uns nicht ferner / ſonſt ſolſt du der ungluͤckſeligſte menſch von der welt heiſſen.

(ſie gehen ab.)
(Vulg. ſetzet ſich auf die erde / und leget den kopff zwiſchen die armen / gleich als muͤſte er etwas wichtiges bedencken.)
Phil.

Sie iſt hin / und ich ſoll nicht nacheilen: Jch ſehe ſie nicht / und ich ſoll ihr nicht vergeſſen: Ach die feindin meines gluͤcks! hat mir alle ergoͤtzligkeit durcheinen599Erſte Handlung.einen blick zu ſchanden gemacht; das gruͤne gras / die lebhafften baͤume / die kuͤhlen cryſtallen-baͤche / die vor - mahls mein gemuͤthe erquickten / kom̃en mir nunmehr gantz todt und unſcheinbar vor / und mein hertz ſtellet ſich gar eine andere freude fuͤr / als die eitele feld-luſt geweſen iſt; ich mag hingehn / wo ich wil / ſo erblicke ich nichts / daran ich mich vergnuͤgen koͤnne: Jch ſehne mich nach etwas / und an allen habe ich einen eckel; ich hoffe / ich dencke / ich wuͤnſche / und wenn ich die warheit bekennen ſoll / ſo weiß ich nicht was? ach du ſchoͤne un - bekante! duͤrffte ich dir biß in die ſtadt nachfolgen / ſo wuͤrde ich vielleicht in meinem verlangen befriediget werden: So habe ich mich des ſtadt-weſens begeben / und habe mich zugleich aller ſtadt-freude verluſtig ge - macht. Ach waͤre mein vater mit dieſem magnet an - kommen / wie haͤtte ich ſo willig folgen wollen! doch / was kan ich thun?

(Er wirfft den ſchaͤfer-ſtock von ſich)

Da liegt der eitle ſtock / der viel zu ſchwach iſt / meine freyheit zu unterſtuͤtzen. Gute nacht ihr tod - ten baͤume / ihr ſtummen ſtraͤuche / jetzt ſehe ich / daß euch die natur nicht den menſchen / ſondern vielmehr den wilden thieren zur ergoͤtzligkeit erzeuget hat; euer aͤuſ - ſerlicher glantz hat mich betrogen: Doch nun gerathe ich gar zu ſpaͤt in ein ſolches erkaͤntnuͤß / welches mich in die ſtadt locket.

(er ſihet ſeinen Vulgus an)

Aber ſieh da Vulgus / du wirſt mein bote ſeyn muͤſſen / der mich in der ſtadt anmeldet. Hoͤrſt du nicht / du klotz / biſt du todt / oder haſt du ſonſt deine fuͤnff ſinne nicht beyſammen?

(Vulgus laͤufft an einen andern ort / und ſetzt ſich eben ſo traurig nieder / und ſo offt Phi -P p 4lyrus600Des Luſt-Spielslyrus ihn aufmuntern wil / ſo offt laͤufft er anders wohin.)
Phil.

Du gibſt mir anlaß / daß ich meinen ſtock wie - der ſuchen muß.

Vulg.

Was geht denn vor / daß ich meine gedan - cken ſoll verſtoͤren laſſen.

Phil.

Du ſolſt in die ſtadt gehn.

Vulg.

Wenn es nicht | mehr iſt als diß / ſo will ich ſtracks gehn.

(er geht)
Phil.

Du narr / wo wilſt du hin?

Vulg.

Jch will in die ſtadt gehn.

Phil.

Was wilſt du da machen?

Vulg.

Das weiß ich nicht: So viel als mir befoh - len wird / ſo viel thue ich.

Phil.

Du ſolſt den befehl zuvor gantz anhoͤren.

Vulg.

Ach ſagt es geſchwind / ſonſt ſetze ich mich wieder in meine verliebte poſitur.

Phil.

Jch will der jungfer in die ſtadt nachziehen / drum geh und hoͤre bey dem herrn vater / ob ich mich duͤrffte kuͤhnlich vor ihm ſehen laſſen.

Vulg.

Ach gluͤckſelig iſt der augenblick / da ihr ſol - che koͤſtliche gedancken zu erſt bekommen habt! Jch wil nicht gehn / ich will fliegen / und heiſſt mich einen pickel - hering / wo ich nicht gute poſt zuruͤck bringe.

Phil.

Jch rathe dirs / verderbe die ſache nicht.

Vulg.

Ach Herꝛ! ich bin in die zofe ſo ſehr verſcha - merirt / daß ich in zwey tagen darvon gelauffen waͤre / wenn ihr nicht in die ſtadt kommen waͤret. Doch le - bet unterdeſſen wohl!

(Geht ab.)

Ja / das heiſſt vexirt / wer die colica ſo ſehr im leibe fuͤhlt als ich: Jch habe das artige kammer-kaͤtzgen / welches der jungfer nachtrat / nur einmahl angeſehn /ſo601Erſte Handlung.ſo ward mir umb das hertze ſo warm / als wenn mir das gebluͤte lunge und leber abdruͤcken wolte; Nun ſteigt mirs bald in den kopff / bald faͤhrt mirs in die beine / bald fuͤhle ichs in der achſel / und ich weiß nicht recht / ob es ein fieber oder ſonſt eine art vom podagra iſt.

(Er weiſet unter die Spectatores)

Dort ſeh ich einen ſitzen / der hat in dieſem ſpittal auch kranck gelegen: Aber er iſt zu ſtoltz / ich darff mich nicht erkuͤh - nen / daß ich ihn fragte / was er vor gute wuͤrtzelgen dargegen gebraucht hat: Und alſo muß ich leiden / was ich nicht aͤndern kan. Ach meine hertzensjungfer - magd / wo hat euch der hencker hingefuͤhrt! Jch wolte / ihr haͤttet hier ein bein gebrochen / daß wir euch in der cur behalten haͤtten / ach! Wie fleiſſig haͤtte ich bey eu - rem bette wachen wollen. Nun wil ich gerne ſehn / wie ich alles zuſammen ſchaffe / was einen Jncipienten in der Courteſie vonnoͤthen iſt; keine kleider / kein bund band / keinen degen / und kein geld: Da gehoͤrt Coura - ge darzu / gewiß / der anfang iſt naͤrriſch / wo der aus - gang nicht kluͤger iſt / ſo ſterbe ich / ehe ich eine frau krie - ge: Doch mein weg iſt der weiteſte / ich habe zeit.

(laͤufft davon.)

Andere Handlung.

Colonus. Willigis.
Will.

Jch bin zu frieden mein ſohn / kanſt du bey Jhrer Majeſtaͤt eine gnaͤdige beſtaͤtigung / und bey der Mercurie eine vollkommene liebe erhalten / ſo wil ich deinem gluͤcke nicht zuwider ſeyn.

Col.

Jch bedancke mich zum ſchoͤnſten / mein heꝛ vater / vor die groſſe vaͤterliche gnade / doch wz die lieb -P p 5ſie602Des Luſt-Spielsſte betrifft / ſo wil ich keinen fleiß ſpahren ihre gegenlie - be zu gewinnen; nur diß bitte ich von meinem herꝛn vater! er wolle bey Jhrer Majeſtaͤt meiner in beſten gedencken.

Will.

Jch wil es nicht unterlaſſen: Sieh nur / daß Monſ. Salinus nicht etwas beſchlieſſen laͤſt / ehe wir anhalten; er hat ohne diß den ruhm / er koͤnne ſich unter den frauen-zimmer ſehr hoͤfflich anlaſſen.

Col.

Ey was wil Salinus gegen mir haben? ich bin ja etwas vornehmer / ich wolte ihm auch mehr geld auffweiſen.

Will.

Mein ſohn / hierauff ſteht die liebe nicht: Abſonderlich hat Mercurie dergleichen reichthum / daß ſie auch einen geringen liebhaber kan groß und an - ſehnlich machen.

Col.

Jch nehme den rath an / und wil alſo foꝛt ihren alten pfleg-vater ſuchen.

Will.

Das kanſt du thun: Jetzt wil ich gelegen - heit ſuchen / Jhrer Majeſtaͤt davon part zu geben.

(Colonus gehet ab.)
Aqvila. Leo. Willigis. Parthenius. Commodus. Mercurie.
Aquil.

Nach dem unſer koͤnigreich Mernagien ſich ſo wol vor den auswaͤrtigen feinden / als abſonder - lich vor denen unruhigen unterthanen beſter maſſen verſichert hat / wil uns zufoͤrderſt obliegen den glantz dieſes ſcepters nicht allein mit lands-vaͤterlicher guͤte gegen alle und jede einwohner / ſondern auch mit gnaͤ - digſter huͤlffe gegen alle bedraͤngte und nothleidende Außlaͤnder / ſchoͤner und angenehmer zu machen: Die tugend ſoll bey uns ſchutz und auffenthalt finden / ſie mag gleich in den weitentlegenſten Jndien entſproſſenſeyn;603Erſte Handlung.ſeyn; und wo die unſchuld uns umb beyſtand anflehen wird / da ſol ſie auch ihre ſicherheit durch unſer blut verſiegelt ſehn. Derhalben betruͤbe dich nicht / mei - ne Mercurie / du biſt verlaſſen geweſen: Allein an unſerm koͤniglichen hofe ſolſt du mehr finden / als du verlohren haſt: Wir haben die merckmahle alſo be - funden / daß wir alle vorſorge auff uns nehmen / welche deine ſelige mutter deinetwegen haͤtte tragen koͤnnen; Bitte nur kuͤhnlich / worinnen unſer koͤnigliche gnade dich am beſten erfreuen kan.

Com.

Großmaͤchtigſter Koͤnig und Herr / E. Ma - jeſtaͤt ſind von dem allgewaltigen himmel darzu verſe - hen worden / daß viel tauſend ſeelen durch den thau der koͤniglichen gnade ſollen erqvicket werden; Und dan - nenhero kan ein jedweder / ſo wenig er einen weg zur wiedervergeltung vor augen ſieht / gleichwol mit ge - troſtem gemuͤthe den uͤberfluß ſolcher guͤtigkeit auf ſich herab fallen laſſen: GOtt vergelte dieſe hohe gnade / welche meine arme und verlaſſene pfleg-tochter weder mit worten ſattſam ausſprechen / noch in der that nach wuͤrden vergelten kan.

Aqvil.

Unſer koͤnigliches amt fodert uns derglei - chen wohlthaten ab / drum laſſet eure pflege-tochter et - was begehren / ihre vergnuͤgung ſoll unſer freude ſeyn.

Com.

Euer Majeſtaͤt laſſen einen ſolchen befehl ergehn / welcher nicht anders als mit hoͤchſter freudens - empfindung kan erfuͤllet werden; Und krafft deſſen / iſt an Euer Koͤnigliche Majeſtaͤt / in nahmen meiner pflege-tochter / mein unterthaͤnigſtes / demuͤthigſtes ſu - chen / einen braͤutigam zu ernennen / welcher ſo wohl ihre ehre / als ihr weniges armuth beſchuͤtzen moͤge; Darff ich mich erkuͤhnen / einen unmaßgeblichen vor -ſchlag604Des Luſt-Spielsſchlag zu thun / ſo hat ſich Monſ. Salinus / des Herꝛn Reichs-Raths ſohn allbereit zu einer rechtſchaffenen liebe erklaͤret.

Aqvil.

Dieſes begehren kan uns nicht mißfallen.

Leo.

Es iſt nicht zu leugnen / ein unverheyrathet frauenzimmer hat in der frembde groſſe muͤh / wofern ſie allen eitlen argwohn uͤberwinden will; Die beſte zuflucht nimmt ſie zu einer anſtaͤndigen heyrath.

Will.

Jndeſſen wird mit gegenwaͤrtiger perſon nicht zu eilẽ ſeyn / alldieweil unſer hof auch die unſchuld einer jungfer beſchuͤtzen kan.

Parth.

Was heute vollendet wird / ſolches giebt uns morgen keine neue arbeit.

Will.

Was zu eilfertig beſchloſſen wird / muß offt - mals den morgenden tag mit gꝛoͤſſerer muͤhe verbeſſert werden.

Parth.

Doch dieſer vorſchlag wird ſich ſchwerlich verbeſſern laſſen.

Will.

Vielleicht ſind mehr perſonen / welche der Mercurie anſtehen moͤchten.

Aquil.

Wir verſpuͤren / daß unſer reichs-cantzler auch einen ſohn hat / welcher ſich der Mercurie begehrt theilhafftig zumachen / Mercurie / meine tochter / was ſagſt du?

Merc.

Jhre Majeſtaͤt haben zu befehlen / ich wil auch in meiner liebe gehorſam ſeyn.

Aquil.

Wir wollen aber / daß du bey der freyen wahl gelaſſen werdeſt.

Com.

Jhre Majeſtaͤt vergeben gnaͤdigſt / daß die gute tochter in ihrer bloͤdigkeit keinen gewiſſen ſchluß faſſen kan.

Aqvil. 605Erſte Handlung.
Aquil.

Es wird umb ihre gluͤckſeligkeit gehandelt / da darff ſie nicht bloͤde ſeyn.

Com.

Das frauen-zimmer iſt langſam in der er - wehlung / und furchtſam in der erklaͤrung.

Aquil.

Es ſey ihr zeit vergoͤnnet. Unteꝛdeſſen mag ein jedweder dahin trachten / wie er dieſer braut am be - ſten gefallen moͤge.

(ſie gehen ab.)
Commodus. Mercurie.
Com.

Was wollet ihr nun beſchlieſſen / liebſte toch - ter?

Merc.

Von unbekanten leuten iſt nicht viel zu ur - theilen.

Com.

Sie haben euch beyde das geleite gegeben / ihr werdet wiſſen / welcher am liebreichſten ausgeſehen hat.

Merc.

Jch war dazumahl von ſchrecken ſo einge - nommen / und uͤberdiß durffte ich mir keine ſolche lie - bes-gedancken einbilden / alſo / daß ich auf nichts weni - ger achtung gegeben / als auff meine begleiter.

Com.

Nun meine tochter / eure wohlfarth beruht darauff / es ſol ein jedweder auff ein geſpraͤch zu euch gelaſſen werden / und hierauff moͤgt ihr eure hertzens - gedancken erklaͤren.

Merc.

Jch armes kind / was werde ich ſagen koͤn - nen / indem ich aller liebs-haͤndel |gantz unerfahren bin.

Com.

Die natur pflantzt uns ſelbſt dieſe klugheit ein / daß wir von unſrer inclination gar wol reden koͤnnen.

Merc.

Jch wil meinem pfleg-vater nicht wideꝛſtre - ben. Denn geſetzt / meine ſchamhafftigkeit verhindert mich anderswo alle hertzens-gedancken auszuſchuͤtten /ſo606Des Luſt-Spielsſo werde ich doch hier die freyheit haben / daß ich ſagen darff / was ich meyne.

Com.

Gar wohl / gar wohl / gehet hinein / ich wil in - deſſen anſtalt machen / daß einer nach dem andern ſich einſtellet.

(ſie gehen ab.)
Vulg.

Jch kan nicht anders dencken / als wie ich heute bin auffgeſtanden / ſo hat die ſonne im zeichen des krebſes geſtanden / denn es geht mir alles zuruͤcke / was ich anfange. Jch gieng zum herrn reichs-mar - ſchall / der war nicht zu hauſe: Jch ſuchte ihn zu hofe / ſo war er beym koͤnige: Jch wolte hinein / ſo kam ein dicker vierſchroͤtiger kerle in einem breiten barte / und kriegte eine ſtange / die oben mit einem groſſen eiſen be - ſchlagen war / und fuhr mir damit zwiſchen die rieben hinein / daß ich immer gedachte / ich wuͤrde um meine verliebte gedancken kommen: Damit gieng ich fort / und wolte ſehn / was die frembde jungfer machte / da war niemand zu hauſe / als das artige rabenaͤßigen ihr jungfer-maͤdgen; Und da war ich erſt ein baͤrenhaͤu - ter: ich hatte ſolche ſchoͤne gelegenheit darzu / als ich haͤtte wuͤnſchen moͤgen / ſie gab mir auch das geleite biß an die thuͤre / und ich hunds ꝛc. kunte kein wort reden; Jch war ſo boͤſe auff mich ſelber / daß ich vor boßheit weinte. Nun / ein andermal muß ichs beſſer machen; Jtzt muß ich vor meinen Herꝛn ſorgen / denn wo ich nicht bald wieder komme / ſo verzwatſchelt er vor liebe.

(Aneſtus koͤmmt.)
Aneſt.

Sieh da Vulgus / wie haſt du dich hieher verirt / ich dachte / du haͤtteſt ein geluͤbde gethan / du wol - leſt nicht in die ſtadt kommen.

Vulg.

Heute zu tage waͤhren die geluͤbde nicht lange.

Aneſt.607Erſte Handlung.
Aneſt.

Was haſt du aber hier verlohren?

Vulg.

Jch habe nichts verlohren / aber gerne moͤch - te ich was finden.

An.

Vor ſolchen voͤgeln ſchlieſſt man die thuͤren zu.

Vulg.

Herꝛ / ihr verſteht mich nicht recht / ich moͤch - te was finden / das ihr mir ſollet ſuchen helffen.

Aneſt.

Siehe da / wo komme ich zu ſolcher ehre?

Vulg.

Jch ſehe keinen menſchen / der mir in dieſer ſache beſſer anſteht.

Aneſt.

Jſt diß nicht ein gluͤckſeliger tag / da ich / als eine wohl anſtaͤndige perſon geruͤhmet werde.

Vulg.

Ey / es bedeut keine vexiererey / ich wil den bettel nur herauß ſagen: Mein herꝛ Philyrus hat ſich beſonnen / er wil in die ſtadt ziehn / ich ſol nur hoͤren / ſo ihn der herr vater haben wil.

Aneſt.

O geh du ſtock-naꝛr / mit deinen fabeln; ha - ben wir mit ſolcher gewalt nichts ausgerichtet / ſo wird er ſich ſchwerlich mit gutem und ungezwungen erge - ben.

Vulg.

Jch bin gleichwohl deßwegen herein ge - ſchickt worden / ich muß wiſſen / was ich vor antwort ſoll zuruͤcke bringen.

Aneſt.

Die ſache ſcheint mir aber zu unglaublich.

Vulg.

Jch will ſie leicht glaublich machen. Seht / es kam eine huͤbſche jungfer hinaus / die hatte ſich ein bißgen ins graß gelegt / und faullentzte; die haͤtte Phi - lyrus lieber bey ſich behalten. Doch er hoͤrte gar ei - nen albern abſchied / daß ihr mit einem bauer-bengel nicht viel gedienet waͤre. Weil er nun ohne die jungfer nicht leben wil / ſo hat er zugeſagt / er wil ein ſtadt-ben - gel werden / wo er das ſchoͤne menſch haben ſoll. Ja / iſt es nicht wahr / was ich rede / ſo wolte ich / es wuͤchſemir608Des Luſt-Spielsmir ein ochſen-horn zwiſchen maul und naſe / daß ich keine jungfer hertzen koͤnte.

An.

Du machſt mir eine vergebene freude.

Vulg.

Wollet ihr mir nicht glauben / ſo glaubet doch meinem ſchwur.

An.

Dem himmel wil ich dancken / wo es wahr iſt.

Vulg.

Aber wo er die jungfer nicht kriegen ſoll / ſo laufft er wieder auff das land.

An.

Schweiget nur / ich wil die ſache ſchon vertra - gen / ſage ihm nur / er ſolle ie eher ie beſſer herein kom - men.

(Geht ab.)
Vulg.

Jch habe die ſache dem herrn hofmeiſter in den buſen geſchoben / ich wil auff das dorff hinaus ſchlendern / und meinen herrn vollends bereden / daß er bey den guten gedancken bleibt: Doch laß ſehn / mein liebgen iſt allein / ich muß noch einmahl verſuchen / ob mir die diſcurſe beſſer wollen von maule gehen?

(Geht ab.)
Willigis / Commodus.
Will.

So iſt euer pfleg-tochter noch bey ihrer Majeſtaͤt.

Com.

Sie iſt noch nicht zuruͤcke kommen.

Will.

Wenn ſie koͤmmt / ſo bitte ich meines ſohnes eingedenck zu ſeyn.

Com.

Jch habe keine vollkommene macht uͤber ſie: doch was ich durch mein zureden darbey verrichten kan / ſolches ſtehet zu dero dienſten.

Will.

Jch weiß was ihr thun koͤnnet: Verſucht nur euer beſtes / ihr ſollet mich wircklich danckbar er - finden; zum zeichen meines guten gemuͤths nehmet itzt dieſen geneigten beutel an / es iſt zwar nichts ſonder - lichs drinne / doch weil die ducaten an Jhre Majeſtaͤtgeburts -609Erſte Handlung.geburts-tage ſind gemuͤntzet worden / ſo hat es die rari - taͤt verdienet / daß man ſie in ehren haͤlt.

Com.

Mein herꝛ / ich weiß nicht / ob ich das geſchenck nehmen darff / ehe ich ſehe / ob es kan verdienet werden: Uber diß haͤtte ich gewuͤnſchet meine dienſte auß freyen gemuͤthe abzulegen / da es nun das anſehen haben wiꝛd / als waͤre ich erſt durch gegenwertiges geld darzu er - kaufft worden.

Will.

Nehmt es nur an / eure treue ſorgfalt ſol mir allzeit angenehm ſeyn.

Com.

Und alſo bedancke ich mich hoͤchlich / mit an - gehencktem verſprechen ſo viel zu verſuchen / als mir moͤglich ſeyn wird.

Will.

Nun ich verſehe mich einer gutẽ reſolution. Unterdeſſen lebet wohl.

(Geht ab.)
Com.

Jetzt wolte ich etwas darumb ſchuldig ſeyn / daß ich mit meinem vorſchlage vor Monſ. Salinus haͤtte hintern berge gehalten. Doch wo haͤtte ich den - cken ſollen / daß die gute Mercnrie ſo viel liebhaber fin - den wuͤrde / als ich in der that nun erfahrẽ habe. Woh - lan / ich habe geld auff die hand genommen: Nun muß ich die geringe muͤh nicht achten / daß der ſache ein an - der maͤntelgen umbgebe / und revocire.

(Geht ab.)
Parthenius / Mercurie.
Parth.

Jch muß geſtehn; Jhre Majeſtaͤt ſind ihr mit unvergleichlichen gnaden zugethan.

Merc.

GOtt iſt der waͤyſen vater / der hat das hertz des koͤniges in ſeiner hand / darumb darff ich mich nicht wundern / daß ich wieder verhoffen erfreuet werde.

Parth.

Und ſolche freude wird alsdenn beſtaͤtiget werden / wenn ſie einen liebſten ihrer Affection wird theilhafftig machen.

Q qMerc.610Des Luſt-Spiels
Merc.

Jch wolte wuͤnſchen / Jhre Majeſtaͤt haͤt - ten meine liebe nach dero eigenen wohlgefallen einer gewiſſen perſon zugetheilet.

Parth.

Sie erkennet die koͤnigliche gnade hieꝛauß / indem auch in dieſem ſtuͤcke ihrer freyheit nichts be - nommen wird.

Merc.

Aber wie kan ich meiner freyheit gebrau - chen!

Parth.

Sie nehme ihren alten pflege-vater zu ra - the / der wird alles nach ihrer wohlfarth zu richten wiſ - ſen.

Merc.

Freylich wird er meiner bloͤdigkeit muͤſſen zu ſtaͤtten kommen.

Parth.

Und alſo wird mein ſohn auch ein gluͤcke zu hoffen haben.

Merc.

Die zeit ſoll den außſchlag geben.

Parth.

Jndeſſen wird meine ſchoͤne mit dieſem wenigen kleinod vorlieb nehmen.

Merc.

Mein herꝛ / wo ich bitt-ſelig ſeyn kan / ſo ver - ſchone er mich mit dergleichen anmuthen.

Parth.

Jch muß geſtehn / es iſt von ſchlechter koſt - bahrkeit / doch dieſen mangel kan ſie erſetzen / wenn ſie es mit annehmlichen augen anſchauet.

Merc.

Warumb ſoll ich ein geſchenck nehmen? viel - leicht / daß ich meine freyheit verkauffen ſoll?

Parth.

Es hat kein ſolches abſehn / ſchoͤnſte Mer - curie / es ſoll nur ein zeichen ſeyn / daß die jenige perſon / welche bey ihrer Mejeſtaͤt in hoͤchſten gnaden ſteht / auch vor allen hoch gehalten wird.

Merc.

Dieſes zeichen iſt vor mich zu koͤſtlich / ich bitte er noͤthige mich nicht dazu.

Parth611Erſte Handlung.
Parth.

Jch haͤtte nicht vermeynt / daß ich alſo wuͤrde verachtet werden.

Merc.

Es iſt keine verachtung: Wenn es mir an - ſtuͤnde geſchencke zunehmen / wuͤrde mein herr der erſte ſeyn / von welchen ich etwas zu haben wuͤndſchte.

Parth.

Es iſt ihre hoͤfligkeit / daß ſie auch die ver - achtung annehmlich macht. Jmmittelſt / weil dieſes elende kleinod nicht ſo wuͤrdig iſt / als ich wuͤndſchen moͤchte / ſo wird ſie doch zulaſſen / daß ich ſolches ihren kleinen eichhoͤrnigen verehre.

Merc.

Wer hat es ihm geſagt / daß mir aus dem frauen-zimmer ein eichhoͤrnig iſt geſchenckt worden?

Parth.

Es iſt ja nichts heimliches. Doch die ver - chrung iſt gethan / ich hoffe / ſie wird dem armen thier - gen nichts vergeben / ſondern vielmehr als eine gewiſ - ſenhaffte vormuͤnderin das kleinod wohl in acht neh - men.

Merc.

Auff ſolche maſſe muß ich ihn bey ſeinem willen laſſen / ich bedancke mich im nahmen meines eichhoͤrnigens / weñ es ſo verſtaͤndig wird / daß es ſelbſt reden lernet / ſo ſoll es auch ſelber kommen / und ſeine danckbarkeit ablegen.

Parth.

Es bedarff keiner da nckbarkeit; ich bitte / ſie bleibe mir und meinem ſohn gewogen.

(Geht ab.)
Merc.

Jch muß mich hoͤchlich verwundern uͤber die zuneigung / welche mir an allen orten ſo vielfaͤltig angeboten wird; ja ſelbſt Jhre Majeſtaͤt erwieſen ei - ne ſoiche liebſeligkeit gegen mich / daß ich faſt in die ge - dancken gerathen muß / als waͤre dieſelbe mit meiner mutter Martie bekant geweſen: Jſt es nicht alſo / nun ſo erfreuet mich doch die ſtoltze einbildung einen koͤnig - lichen vater zu haben. Doch / es iſt zeit daß ich meinenQ q 2alten612Des Luſt-Spielsalten pflege-vater ſuche / ehe ſich meine zweiffelhaffti - ge liebhaber einſtellen.

Mechanie. Vulgus.
Mec.

Hoͤret doch guter freund / wollet ihr mir nicht was zu gefallen thun?

Vulg.

Gar gerne / gar gerne jungfer / ſagt nur / was es ſeyn ſoll.

Mech.

Jch habe bey dem tiſchler einen kaſten be - ſtellt / wollet ihr nicht die muͤhe auff euch nehmen / und ihn hieher bringen / es ſoll euch bezahlt werden.

Vulg.

Jſt es nicht mehr als das? ich wolte den tiſchler mit ſeiner gantzen werckſtatt hertragen.

(Geht ab.)
Mech.

Jch weiß nicht / was der kerle haben wil / er geht ſtets um unſere thuͤr herum / und wo mich die au - gen nicht betriegen / ſo iſt der loſe vogel / der uns neulich vor der ſtadt pfaͤnden wolte / entweder ſein bruder / o - der er iſt ihm ſonſt nahe befreundet / ſo gar ſehr ſehen ſie in ein geſchlechte / doch ich wolte / er eilte fort / ehe die jungfer nach hauſe kaͤme / ſonſt moͤchte ich mit ſchanden beſtehn.

Vulg.
(Bringt den kaſten.)

Da jungfer / habe ich meine dienſte wohl gethan?

Mech.

Es iſt gar gut / was wollet ihr zum trinck - gelde haben?

Vulg.

Es wird nicht viel machen.

Mech.

Da habt ihr vier pfennige.

Vulg.

Ey behalt das jungfergeld / ich brauch keins.

Mech.

Womit ſoll ich euch ſonſt bezahlen.

Vulg.

Jch weiß wohl.

Mech.

Jch moͤchte es auch wiſſen.

Vulg.

Jungfer / ihr koͤnnet es leicht dencken.

Mech.613Erſte Handlung.
Mech.

Jch bin keine ziegeunerin / welche errathen kan / was andere lente dencken.

Vulg.

Und ich ſchaͤme mich / daß ichs ſagen ſoll.

Mech.

Vielleicht ſchaͤme ich mich noch mehr / daß ichs hoͤren ſoll.

Vulg.

Fuͤrwahr es iſt nichts boͤſes / wenn ichs nur ſchon geſagt haͤtte.

Mech.

Nun halte mich nicht auf / ich habe mehr zu thun.

Vulg.

Jch ſchaͤme mich gar zu ſehr. Hoͤꝛet ich wils ſagen / aber ihr doͤrffet mich nicht anſehn.

Mech.

Jch weiß nicht wo die fantaſterey hinauß wil.

Vulg.

Jch wil in meinen hut reden / daß mich nie - mand ſieht / ſo darff ich mich nicht ſchaͤmen.

(Er haͤlt den hut vors geſichte.)

jungfer / ich wolte gerne euch haben.

(Er thut den hut weg.)

O wie wohl iſt mir / daß der ſtein vom hertzen geweltzet iſt.

Mech.

Jch verſteh es noch nicht recht / es war zu hochteutſch gegeben.

Vulg.

So wil ichs auff grobteutſch geben.

(Er haͤlt den hut wieder vor.)

jungfer ich moͤchte ger - ne in allen ehren bey euch ſchlaffen.

Mech.

Es war noch nicht deutlich genung.

Vulg.

Jſt das nicht ungluͤck / wo man einander nicht verſtehen kan.

(Haͤlt den hut vor.)

Jch wolte gerne eine comoͤdie mit euch ſpielen / ich wil Simſon ſeyn / ihr ſollet Delila ſeyn.

Mech.

Eine ſchoͤne comoͤdie / warumb nicht von Tobias und der ſchwalbe.

Vulg.

Es geht nicht an / wenn ihr Tobias waͤret / wo nehmet ihr den bart? und wenn ich die ſchwalbeQ q 3waͤre /614Des Luſt-Spielswaͤre / wo kriegt ich die kleider geborgt.

Mech.

Aber damit ſehe ich nicht / wie ich bezahlen ſoll?

Vulg.

Hoͤret ihrs nicht? Jch will euch ein gleich - nis geben: Wenn ich eine jungfer waͤre / und ihr waͤ - ret ſo ein ſtattlicher ritters-knecht / als ich bin / und kaͤ - met zu mir / ſo daͤchte ich ſtracks / ihr ſollet mein ehrlicheꝛ gemahl ſeyn; Nun kehrts umb.

Mech.

Jch wills umbkehren / ihr ſollet mein ehli - ches gemahl nicht ſeyn.

Vulg.

Ey das war nicht recht.

Mech.

Gleichwohl hab ichs umbgekehrt.

Vulg.

Nun das geht wieder nicht an / ich muß mich auff ein ander gleichnis beſinnen. Hoͤret / gleichwie eine ofen-gabel zwey ſpitzen hat / alſo ſind wir zwey per - ſonen; Gleichwie aber dieſe ſpitzen nur einen handgriff haben / alſo wollen wir zuſammen in den eheſtand treten.

Mech.

Jch kan nicht antworten / ich muß ſehn / ob jemand an der thuͤr iſt.

Vulg.

Ja / ja / nun wird der hencker jemanden hin - fuͤhren / da ich meine ſachen recht deutlich eingericht habe.

Mech.

O ich armes menſch! o ich bin verlohren! o wo ſoll ich mich laſſen!

Vulg.

Jungfer / was iſt da?

Mech.

Ey da ſchert ihr euch nicht in zeiten fort / nun koͤmmt die jungfer / wenn ſie ſiht / daß ich einen kerln bey mir habe / ſo kan ich ſchon aus dem dienſte kommen. Jhr ungluͤcks-vogel / in dieſe noth bringt ihr mich.

Vulg.

O jammer uͤber jammer / o noth uͤber noth / wo ich nicht davon lauffen kan!

Mech.615Erſte Handlung.
Mech.

Es hat ſich wol davon gelauffen / die jungfer ſteht an der thuͤre.

Vulg.

So will ich zum fenſter hinaus ſpringen / nur nehmet meinen hut in acht / daß er im fallen nicht zerdruckt wird.

Mech.

Ey das fenſter geht gleich auff die gaſſe / ich ſolte erſt in die rechte patſchke kommen.

Vulg.

Laſt mich nur hinaus gehn / ich will nach hau - ſe lauffen und einen ſtrick hohlen / daß ich mich an die - ſen nagel auf eure geſundheit hencken kan.

Mech.

Ach es iſt nicht zu ſchertzen! doch halt mein lieber hampelmann / wo es wahr iſt / daß ihr mich lieb habt / ſo thut mirs zu gefallen / und verſteckt euch in den kaſten / biß ich andere gelegenheit ſehe / daß ihr fort kommt.

Vulg.

Nun ſoll ich die liebe damit verdienen / ſo ſey es gewagt / nur macht es nicht zu lang / oder ſchafft mir etliche kannen bier hinein / ſonſt ſterbe ich durſts.

(Er kriecht in den kaſten)
Mechanie tritt auf die ſeite.
Commodus. Mercurie.
Com.

Nun liebe tochter / es iſt zeit / daß ihr eure liebhaber erſcheinen laſſet.

Merc.

Jch will ſie zwar annehmen / doch euer rath wird der beſte ſeyn.

Com.

Wie vor gedacht / Monſ. Colonus / duͤnckt mich / ſolte euch am feinſten anſtehn.

Merc.

Doch wundert michs / daß ihr ſo bald an - ders ſinnes worden ſeyd.

Com.

An unbekanten orthen laͤſt man ſich leicht im anfang bethoͤꝛen. Jtzt habe ich der ſachen beſſer nach gedacht.

Merc.

Jch wil ſehen / was die zeit giebt.

Q q 4Com.616Des Luſt-Spiels
Com.

Jch bitte / verachtet meinen rath nicht / indeſ - ſen wil ich hoͤren / was zu hofe davon geſchwatzt wird.

(Geht ab.)
Merc.

Es wil mir nicht zu ſinne / daß mein alter ſich ſo veraͤnderlich erweiſet / einmal hat er mir / Monſ. Solinus gelobt / jetzt ſoll Monſ. Colonus deꝛ beſte ſeyn. Wie wenn das kleinod / welches mir verehret worden / auff der andern ſeite dem alten ſtuͤmper waͤre an die kappe geflogen. Es ſcheint faſt / als wenn er etliche ducaten auff der zunge haͤtte. Doch dem ſey wie ihm wolle / wo von meiner wohlfarth gehandelt wird / da muß ich ſelbſt das beſte zu bedencken wiſſen.

Vulg.
(macht den kaſten auff und guckt her - aus.)

Jch bin ein braver bote / ehe ich zu meinem herꝛn komme / ſo iſt um die jungfer gehandelt. Es ſcheint / als haͤtte mich meine liebſte hieꝛein geſteckt / daß ich die rech - ten complimenten lernen ſoll; doch ſtille / daß mich nie - mand ſieht.

(Er macht zu.)
(Salinus koͤmmt.)
Salin.

Schoͤnſte Mercurie / ich bin hoͤchlich er - freuet / daß ich nochmahls das gluͤcke habe ihr auffzu - warten.

Merc.

Und ich erfreue mich / daß er mir gelegen - heit an die hand giebt / vor daß unlaͤngſt erwieſene ge - leite danck zuſagen.

Salin.

Wo man ſeine ſchuldigkeit ablegt / da iſt kein danck vonnoͤthen.

Merc.

Jch muß geſtehn / ich war dazumal ſo er - ſchrocken und beſtuͤrtzt / daß ich mich nicht einmal beſin - nen kunte / was ich vor wohlthaͤter bey mir hatte.

Salin.

Sie ſchertzt mit ihrem diener / ich bin noch zur zeit ein ſchlechter wolthaͤter geweſen.

Merc.617Erſte Handlung.
Merc.

Jch habe mehr genoſſen / als ich wiedeꝛn kan.

Salin.

Cs iſt ein uͤberfluß ihrer gewogenheit / daß ſie auch geringe auffwartungẽ hoch ſchaͤtzen kan. Doch werde ich mein gluͤck ruͤhmen / wofern ich kuͤnfftiger zeit zu belieblichern dienſt-leiſtungen moͤchte gewuͤrdi - get werden.

Merc.

Vielleicht wuͤrde er das gluͤcke nicht zu hoch ruͤhmen.

Salin.

Jn warheit / ich wuͤrde mich vor den ſelig - ſten menſchen halten.

Merc.

Es ſolte mir leyd ſeyn / wenn er keine beſſere ſeligkeit zu hoffen haͤtte.

Salin.

Auff dieſer welt kan ich mir nichts hoͤhers einbilden / als wenn der vorſchlag / welchen ihr alter pflege-vater bey Jhrer Majeſtaͤt gethan / ſolte ſeinen fortgang erreichen.

Merc.

Hierauff kan ich dißmahl noch nicht ant - worten.

Salin.

Durch ſolche worte wird mir das urtheil meines todes angekuͤndiget.

Merc.

So grauſam bin ich nicht; doch wenn ich fragen darff / was ſind denn vor worte / welche er von mir begehret?

Salin.

Jch verlange ein eintzig wort võ zwey buch - ſtaben.

Merc.

Wenn er etwas von mir fodert / darff er mich nicht mit raͤtzeln auff halten.

Salin.

Jch begehre nichts / als ein angenehmes ja.

Merc.

Das wort iſt kurtz / doch die bedeutung iſt treflich lang.

Salin.

Geſetzt / ſie ſey lang / wenn ſie nur gluͤckſe - lig iſt.

Q q 5Merc.618Des Luſt-Spiels
Merc.

Vielleicht bildet er ſich mehr ſchoͤnheit an mir ein / als er in der that hernach befinden wuͤrde.

Salin.

Jhre tugend giebt mir eine andere verſi - cherung. Und dannenhero bitte ich nochmahls mich mit einer gewuͤnſchten erklaͤrung zu erfreuen.

Merc.

Eilen bringet kein gut / doch ſage ich dieß / wer von mir begehret / daß ich ihm meine gantze lebens - zeit vergoͤnnen ſol / der wird mir ſo viel zu willen ſeyn / und mir etliche wenig tage vergoͤnnen / darin ich der freyheit meiner gedancken nachhaͤngen moͤge.

Salin.

Jch bin gehorſam und in hoffnung eheſtes tages mit einer liebreichen entſchliſſung erqvicket zu werden / nehme ich demuͤthigſten abfchied.

Merc.

Er lebe indeſſen in hoffnung / und gedenck / daß ich jetzt mehr im hertzen behalte / als ich ſagen darff.

Sal.

Der himmel wird ſolche ſuͤſſe gedancken in der zeit eroͤffnen. Jnzwiſchen werde ich gegenwaͤrtige diamant-roſe zum gedaͤchtniß zuruͤcke laſſen.

Merc.

Wofern ihm mit meiner gunſt etwas gedie - net iſt / ſo bitte ich / er verſchone mich hiemit.

Sal.

Jch haͤtte nicht vermeynt / daß ihr mein ge - daͤchtnis ſo verhaſſt waͤre.

Merc.

Jch kan auch ohne dieſem ſein gedaͤchtnis in ehren halten.

Sal.
(legt es auff die erde)

Weil ſie denn dieſe ſchlechte roſe ihrer haͤnde nicht wuͤrdig achtet / ſo will ich ſie auch weggeworffen haben.

Merc.

Er laſſe ſie nicht liegen / es moͤchte ſie einer aufheben / dem er es nicht goͤnnete.

Sal.

Jch kan ſie nirgend beſſer verwahren. Sie lebe nochmals wohl / ſchoͤnſte Mercurie.

(geht ab.)
Mer -619Erſte Handlung.
Mercurie geht in gedancken.
Vulg.
(guckt heraus)

Halt das war ein courti - ſan vor 100 thaler / der kunte die worte beſſer in die falten ruͤcken als ich: wo der meinen herrn nicht ab - ſticht / ſo iſt keiner abgeſtochen worden. Es iſt mir nur leid / daß ich keine dinte und feder bey mir habe / ich wolte die hertzbrechenden liebes-raqvetgen nach ein - ander auffmercken / ſo muß ich mich auf mein kaͤlber - gehirne verlaſſen / was ich darinn faſſe / das werde ich bey meinem gold-maͤdgen wieder anbringen. Nur der Actus mit der diamant-roſe wird auſſen bleiben / denn dieſelben reden ſind vor mich zu hoch. Doch botz tauſend / es koͤmmt ein neuer jungfer-ſtuͤrmer / ich muß unterducken.

(Colonus koͤmmt.)
Col.

Wertheſte Mercurie / ich kan nicht viel worte machen Ein wort ein wort / ein mann ein mann / es iſt ihr bekandt / was mein ſehnliches begehren iſt.

Vulg.
(guckt heraus)

Der liebhaber gibt ſeine gedancken kuͤrtzer / es iſt wahr / ein fort ein fort / ein mann ein mann.

Merc.

Monſieur hierinnen erweiſet er etwas / wel - ches meiner natur am meiſten zukoͤmmet: ich halte von keinen weitlaͤufftigkeiten viel.

Col.

Die worte thun das wenigſte / man muß auff die perſonen ſehen. Und da kan ich wol verſichern / daß an unſerm hofe keiner ſeyn wird / welcher mir an hohem ſtande und reichthum / ja auch an der ungefaͤrb - ten liebe gegen ſie / liebſte Mercurie / koͤnne verglichen werden.

Merc.

Jch geſtehe es gerne / ſeine verdienſte ſind ſohoch /620Des Luſt-Spielshoch / daß ich faſt bedencken trage / ſein hohes anſehn durch eine ſchlechte liebſte zu vermindern.

Col.

Dieſe furcht iſt vergebens / ich ſchencke ihr al - les / was ich habe / und nichts will ich beſitzen / als was ich aus ihrer hand wieder empfange.

Merc.

Jch werde das geſchencke nicht annehmen / er moͤchte mirs zu balde wieder abfodern.

(Colonus beſinnet ſich.)
Vulg.
(Guckt herauß.)

Wie gehts ſo ſtille zu? der liebe menſch gibt ſeine ſachen ſo kurtz / daß er auff die letzt nichts zu reden hat.

Col.

So unhoͤflich werde ich nicht ſeyn / ſie verſu - che es / und verſpreche mir ihre liebe / ich wil ihr nicht allein meine guͤter / ſondern auch die herrſchafft uͤber mich ſelbſt einraͤumen.

Vulg.
(Guckt herauß.)

O jungfer greifft zu / weil ihr den narren vor euch habt / ſo ein gedultiger koͤmmt nicht alle tage.

Merc.

Jch weiß mich in ſolche herrſchafft nicht zu finden: Jch verlange ſelbſt einen liebſten / der mich re - gieren moͤge.

Vulg.

Jhr weibergen dort unten / glaubet ihr / daß es war iſt? das muͤſte die erſte ſeyn / die nicht gerne herr waͤre.

Col.

Sie ſol einen liebſten haben / wie ſie ſelber wuͤnſcht.

Merc.

Vielleicht iſt es nicht ſein ernſt.

Col.

Was ich rede / das gehet mir von hertzen. Jch bitte / ſie erklaͤre ſich.

Merc.

Jch kan ihn wol verſichern / daß ich ſeine peꝛſon hoch halte / doch was die erklaͤrung belangt / ſohabe621Erſte Handlung.habe ich beſchloſſen / meine gedancken nirgend als bey Jhr Maj. zu eroͤffnen /

Col.

Und alſo lebe ſie wohl!

(indem er geht / zerreiſſet er ſeinen ſchiebſack gutwillig / daß ſein geld auf die erde verſtreuet wird.)
Merc.

Behuͤte GOtt / was verlieret er?

Col.

Es war ein bißgen geld / das achte ich nicht es mag liegen wo es liegt.

(geht ab)
Mercurie geht in gedancken.
Vulg.

Wieder eine neue manier zu ſpendiren / die ich nicht nachthun kan! ſpringen doch die bleche auff dem boden herum / als wenn er den mangel ſeiner wor - te mit gelde erſetzen wolte. Mein herr wird muͤſſen einen groſſen ſack mitbringen / wo er was gewinnen will: doch mit dem andern wird es keine noth haben / der erſte ſchien etwas wichtig.

Commodus koͤmmt.
Com.

Wie wills / liebſte tochter / habt ihr nun einen liebhaber gefunden?

Merc.

Jch weiß nicht / ob ich meine gedancken ſo bald zu etwas bringen werde.

Com.

Wie machte es Monſ. Colonus / war es nicht ein braver Herr?

Merc.

Jch gebe ihm keinen tadel; doch wolte ich Monſ. Salinus haͤtte ſein geld.

Com.

Es iſt an allen orten ein mangel: Doch wo geld iſt / da laſſen ſich die fehler am erſten bedecken.

Merc.

Jch werde es beſchlaffen / morgen habe ich vielleicht eine beſſere gewißheit.

(Geht ab.)
Com.

Sieh da das loſe kind hat ſich doch ein biß - gen an Monſ. Salinus vergafft: Und ich geſteh es / dringt der andere nicht mit ſeinem gelde durch / ſo iſt esver -622Des Luſt-Spielsvergebens. Doch wie muͤde bin ich von heꝛum lauffen / ich muß mich etwas niederſetzen.

(Er ſetzt ſich auff die lade.)
Com.

Es iſt ein poſſierlich thun / die moden aͤndern ſich alle tage / nur die liebes haͤndel bleiben / wie es im alten teſtamente geweſen iſt: Da ich ein junger kerle war / trug ich zwar andere hoſen / als die itzigen jung - fer-knechtgen: Aber ſonſt

(Hier hebt Vulgus den deckel vom kaſten auff daß der alte auff die erde faͤllt.)
Vulg.

Jch muß einmahl friſche lufft ſchoͤpffen / wenn der alte dieb von ſeinen hoſen anfaͤngt zu reden / ſo moͤchte es auf die letzt gar faul heraus kommen.

Com.
(ſteht auf)

Was war diß vor ein ungluͤck! Es bleibt wol wahr / alte leute ſtolpern auff ebenen land.

(er verſucht den kaſten)

Der kaſten muß ſehr ungewiß ſtehen / daß er ſo leicht uͤberkuͤpt.

(ſetzt ſich wieder)

Ja andere hoſen waren zu meiner zeit im gebrauch.

Vulg.
(wirfft ihn zum andern mal herab)

du alter ſchelm laß mich mit deinen hoſen unmoleſtiꝛt.

Com.

Jch ſeh wol / wer nicht hoch fallen will / der darff ſich nicht hoͤch ſetzen.

(bleibt auf der erden ſi - tzen)

Doch laß ſehn / wie viel habe ich wol ducaten in meinem beutel / habe ich wol meine reiſe bezahlt.

(er wil ſein geld zehlen / Vulgus greifft heraus und zupfft ihn bey den haaren)

Wie iſt es denn heute in dieſem hauſe / bin ich bethoͤret / oder ſchlaffe ich noch: doch ſieh da / ich bleibe mit den haaren in dem ſchloſſe hangen / ich will mich weiter davon ſetzen.

(Er faͤngt wieder an zu zehlen / Vulgus ſteigt ſach - te heraus / und ſtielt ihm einen ducaten nachdem623Erſte Handlung.dem andern weg / endlich ſchleicht er wieder in den kaſten)

Wie iſt es denn mit meinem gelde / hier hatte ich 20 ducaten auf die ſeite gelegt / nun iſt alles weg / und gleichwol iſt kein menſch bey mir: doch / doch ich werde mich verzehlet haben / alte leute ſind vergeß - lich.

(Vulgus kehrt ſich im kaſten herumb und thut einen lauten ſeufftzer darzu)

Halt was war das? Jch muß die magd ruffen: Mechanie / Mecha - nie / wo biſt du?

Mech.

Alter vater / was wollet ihr haben?

Com.

Was iſt diß vor ein kaſten?

Mech.

Der tiſchler hat ihn hergebracht.

Com.

Was iſt drinne? wenn ich ſchweren ſolte ſo lebt es.

Mech.

Ach die neuen kaſten haben die art / daß ſie knacken: Vielleicht iſt daß holtz gruͤne geweſt.

Com.

So / ſo / es kan auch ſeyn.

(Vulgus kehrt ſich noch einmahl umb)

O das knacken kommt nicht von gruͤnen holtze / ich muß darnach ſehn / Mecha - nie gib mir den ſchluͤſſel her.

Mech.

Jch habe ihn nicht / die jungfer hat ihn zu ſich geſteckt.

Com.

Geh hole ihn.

Mech.

Alter vater / ihr habt ſo nahe zu ihr als ich.

Com.

Harr du klatſche / ich will dir eins beſtellen.

(geht ab.)
Mech.
(laͤſſt ihn heraus)

Nun geht / es iſt zeit / ſonſt lauffen wir uͤbel an.

Vulg.

Ja ja mein ſchatz / unterdeſſen bleibt es rich - tig / daß ich euer hertzbengel bin.

Mech.

Jch kan noch nichts verſprechen.

Vulg.

Seht / da habt ihr 20 ducaten zum mahl -ſchatz /624Des Luſt-Spielsſchatz / das andere / das ich euch geben will / das ſollet ihr nicht |wiſſen.

Mech.

Ja groſſen danck / mein lieber herr / habe ich doch nicht gewuſt / daß ihr ſo reich ſeyd / ach verzeiht mir / daß ich euch ſo lange habe ſtecken laſſen.

Vulg.

Es iſt ein zeichen daß ich in dem kaſten ihrer freundligkeit mein lebtage ſtecken ſol. Doch hiermit ade!

(Laͤufft davon.)
Com.

Nnn wil ich doch erfahren / ob der kaſten be - ſeſſen iſt oder nicht.

Mech.

Es iſt ein lediger kaſten / der laͤſt ſein kna - cken nicht.

Com.
(Schließe ihn auf)

Es iſt doch war / ich haͤtte mir die ſache anders eingebildet. Nun / wenn nur kein dieb drinne ſteckt / ſo mag es gut ſeyn.

(Geht ab.)
Mech.

Es iſt der welt lauff / itzt betriegen wir die alten / und wenn wir alt werden / bezahlen uns die jun - gen mit gleicher muͤntze. wol dem / der ſeine zeit nicht verſaͤumet! ſol mir das gluͤcke den liebſten zufuͤhren / ſo darff ich nicht dencken / daß ich vergebens gelebt habe.

(Geht ab.)

Dritte Handlung.

Aneſtus. Philyrus.
(Jn veraͤnderter kleidung.)
Phil.

Jch erkenne mein verbrechen / und buͤſſe vor meinen unverſtand.

An.

Das verbrechen wird leicht entſchuldiget / wel - ches eine ſo ſchleunige bekehrung nach ſich zeucht.

Phil.625Dritte Handlung.
Phil.

Jch unerfahrner menſch / wolte dem herrn vater in ſeiner klugheit meiſtern!

An.

Der herr vater hat eine liebe / dadurch alle der - gleichen fehler bedeckt werden.

Phil.

Und dieſes vertrauen hat mich ſo kuͤhn ge - macht hier zuerſcheinen.

An.

Er laſſe ſich keine widrige gedancken in den ſinn kommen: Seine ankunfft iſt ſo erfreulich / daß niemand an die vormahlige widerwaͤrtigkeit geden - cken wird.

Phil.

Aber wie werde ich meines wunſches theil - hafftig

(es ſcheinet / als habe ſich Mercurie ſchõ ander weit verbunden.
An.

Der herr vater wird durch ſein anſehn bey Jhr Maj. leicht durch dringen.

Phil.

Jch geſteh es / werde ich hierinnen zuruͤcke geſetzt / ſo moͤchte meine bekehrung zu ſchlechter freude außſchlagen.

An.

Wir ſind noch in dergleichen zuſtande / da man das beſte hoffen muß.

(Leo tritt auff / Philyrus eilt ihm mit de - muͤthigſten geberden entgegen.)
Phil.

Hochgeehrteſter hr. vater / ich erſcheine hier in kindlicher demuth / und verlange zu vernehmen / was mir vor eine buſſe / wegen meines uͤber-groſſen verbre - chens / wird auffgelegt werden.

Leo.

Lieber ſohn ich haͤtte freylich urſache / deines hertzens haͤrtigkeit mit rechtmaͤſſigem zorn anzuſehen; in betrachtung du mir ſo viel tauſend ſeufftzer auß mei - nem hertzen hervor gezogen haſt. Dennoch weil du dich nunmehr zu einer freywilligen bekehrung verſte - hen wilſt / als haſtu mir hierdurch das heꝛtze gewonnen /R ralſo626Des Luſt-Spielsalſo daß ich dich aller buſſe loß ſpreche / mit dem eintzi - gen vorbehalt / du wolleſt ins kuͤnfftige / zu deiner eige - nen wohlfarth der kind lichen pflicht beſſer eingedenck ſeyn.

Phil.

Jch erkenne die hellen ſtrahlen der vaͤterli - chen liebe / und in ſchuldigſter erwegung ſolcher gluͤck - ſeligkeit / verſpreche ich ins kuͤnfftige als ein lebendiges exempel des gehorſamſten ſohns von der welt mich zu verhalten.

Leo.

Alſo werde ich ein gluͤckſeliger vater heiſſen.

Phil.

Mein herr vater in deſſen gewalt ſteht es auch / ob ich werde ein gluͤckſeliger ſohn heiſſen.

Leo.

Jch kan es nicht laͤugnen / Mercurie hat den anfang zu meiner freude gemacht: Jſt mir etwas moͤglich / ſo wird ſie auch die vollenderin deiner hoff - nung ſeyn.

Phil.

Jch bitte gehorſamſt keine zeit zu veꝛſeumen / wofern es nicht allbereit verſeumet iſt.

Leo.

Jhr. Maj. haben noch nichts beſchloſſen. Die hoffnung ſteht itzo noch auf gutem fuſſe.

Phil.

Gleichwol iſt der Mercurie die wahl anheim geſtellet worden.

Leo.

Doch alſo / daß Jhr Maj. die beſtaͤtigung vorbehalten haben.

Phil.

Hat ſie etwas erwehlet / ſo wird Jhr Maj. nicht entgegen ſeyn.

Leo.

Unſere worte wircken in dieſer einſamkeit nichts. Gehe und warte bey Jhr Majeſt. im vorge - mach auff: Jch weiß nicht andeꝛs es werden die zween liebhaber auch zugegen ſeyn / werden ſie zur Audientz gelaſſen / ſo verſicher dich / du wirſt nicht herauſſen blei - ben / unterdeſſen wil ich den alten Commodus ſuchen.

Phil.627Dritte Handlung.
Phil.

Jch bin gehorſam und gehe.

(Geht ab.)
Leo.

Ach wie gern moͤchte ich meinẽ ſohn vergnuͤgt ſehen.

An.

Solches ſind gleichfals meine eintzige gedan - cken.

Leo.

Jch haͤtte ſeinen ſinn etwas eher ſollen erken - nen.

An.

Freylich ſieht er nun / wie ſein gluͤcke durch ſei - nen vormahligen ungehorſam zweiffelhafftig gemacht wird.

Leo.

Unterdeſſen liegt mein troſt daran / daß der zweiffel auffgehoben wird.

An.

Zu gutem gluͤcke kommt hier der alte Commo - dus / der wird vielleicht den beſten rath zu ertheilen wiſſen.

(Commodus tritt auff.)
Leo.

Jch wil verſuchen was bey ihm zu thun iſt / herr hoffmeiſter unterdeſſen gehe er doch nach meinem ſohne / daß er ſich wohl wiſſe in acht zunehmen.

(Aneſtus geht ab.)
Leo.

Gluͤck zu alter vater / wo geht der weg hin.

Com.

Jhr Gn. meine reiſe wird ſich nicht weit er - ſtrecken / ich ſchleiche hier etwas herum / wie alte leute pflegen.

Leo.

Jhr habt wohl gethan / daß ihr an unſerm ho - fe gelegenheit zu bleiben ſucht: Denn alte leute wollen gern geruhig leben / und ſolches wird euch hier nach eu - rem wunſche verſtattet werden.

Com.

Jch muß mich freylich groſſer gnade ruͤh - men / welche ich allbereit genoſſen habe.

Leo.

Dieſes ſol nur ein ſchatten von eurer kuͤnffti - gen vergnuͤgung ſeyn.

R r 2Com.628Des Luſt-Spiels
Com.

Jch armer mann / woher habe ich ſolches gluͤ - cke verdienet.

Leo.

Es waͤre das hoͤchſte laſter / wenn man verlaſ - ſene leute verlaſſen wolte / damit ihr auch ſehet / daß meine gantze ſorge ſey euch zu vergnuͤgen / ſo ſey euch der groſſe meyerhoff an den Steler-fluſſe zu eurem un - terhalt geſchencket.

Com.

Die verehrung iſt ſo groß / daß ich ſelbſt bey mir anſteh / ob ich duͤꝛffte ſo kuͤhn ſeyn dieſelbe an zuneh - men.

Leo.

Jch wolte ſagen / es ſtuͤnde mir nicht an etwas wenigers zu geben. Doch ihr koͤnnet in einer gewiſſen ſache angenehme dienſte erweiſen.

Com.

Was in meinen kraͤfften ſteht / ſolches iſt hier - mit meinem groſſen wohlthaͤter auff geopffert.

Leo.

Es iſt mir lieb / daß ich kuͤhnlich bitten darff / meinen ſohn bey der Mercurie zu recommendiren.

Com.

Ach Jhr Gn. warum ſo langſam! doch wo - fern ich was vermag ſo bitte ich keinen zweiffel in mei - ne treue zu ſetzen.

Leo.

Das vermoͤgen iſt groß genung / wofern ihr keinen fleiß ſparen wollet.

Com.

Eines muß ich erinnern / in einer ſtunde iſt Mercurie vor Jhr Maj. beſchieden; mein rath waͤre / der herr ſohn beſuchte ſie / ehe ihr der koͤnig ein wort ab - fordert / welches ſie nicht koͤnte zuruͤcke ziehn.

Leo.

Wol / wol / es ſol nicht vergeſſen werden.

(Geht ab.)
Com.

Heiſt das nicht vexiert / nun muß ich meine gedancken zum drittenmahle aͤndern. Jch thaͤte auch die groͤſte ſuͤnde / wenn ich meinem beſten wolthaͤter〈…〉〈…〉 die beſten dienſte erwieſe. Zwar Mercurie wirdſich629Dritte Handlung.ſich in meine veraͤnderung nicht wohl ſchicken / wo ich nicht hinter dem berge halte / wolan Commodus faſſe deine kunſt zuſammen / und verſuche was du bey deiner pflege-tochter erhalten kanſt.

(Mercurie koͤmmt.)
Merc.

Alter vater ich habe euch geſucht.

Com.

Liebſte tochter ich bin nicht weit geweſen. A - ber was begehrt ihr?

Merc.

Koͤnnet ihr noch fragen? ich ſol vor Jhr Maj. er ſcheinen / und weiß noch nicht zu was ich mich entſchlieſſen ſol.

Com.

Jch dachte Monſ. Salinus waͤre der hoͤff - lichſte.

Merc.

Aber Monſ. Colonus iſt der reichſte.

Com.

Welches iſt nun beſſer / arme hoͤflichkeit oder unhoͤffliches reichthum?

Merc.

Dieſes iſt meine geringſte ſorge: Wolte Gott ich duͤrffte nicht einen von den groſſen herren er - zuͤrnen! Alſo wird entweder der reichs-cantzler oder der reichs-rath mein todfeind.

Com.

Ach liebe tochter dieſes geht noch hin: Jch hoͤre es hat ſich noch ein neuer liebſter angegeben.

Merc.

Jch wil es nicht hoffen: Sonſt muß ich ſa - gen daß die liebe mein ungluͤck iſt.

Com.

Und zwar ein groſſer vom hofe. Was brau - che ich viel umſchweiffe / es iſt Monſ. Philyris des herrn reichs-marſchalls ſohn.

Merc.

Die perſon iſt mir gantz unbekandt.

Com.

Mehr als zu bekandt / liebe tochter. Es iſt der jenige der uns vor der ſtadt pfaͤnden wolte.

Merc.

Ja derſelbe bauer duͤꝛffte ſich nur anmeldẽ.

Com.

Es iſt kein bauer mehr. Euer liebe hat ihnR r 3in630Des Luſt-Spielsin die ſtadt gelocket / und da ſonſt ſein herr vater viel vergebene anſuchungen bey ihm gethan / ſo hat er ſich nun ergeben / doch mit dieſer bedingung / wofern er eu - rer gegen-liebe koͤnte theilhafftig werden. Nun denckt nach / wie ſich der vornehme mann ſeines ſohns anneh - men wird.

Merc.

Wie theilt das gluͤcke alle ſachen ſo wunder - lich aus. Manche beſchweret ſich daß kein freyer koͤmmt; und ich habe derſelben ſo viel / das ich andern mit außhelffen koͤnte.

Com.

Jhr muͤſſet nun ſehn ob ihr einem andern allbeꝛeit duꝛch wort und verſprechung verbunden ſeyd. Er wird bald hier erſcheinen: Allein laſſet euch ſeine hohe perſon nicht verblenden / wo euch Monſ. Sali - nus beſſer gefaͤllt ſo bleibt darbey. Es iſt wenig gluͤck und ſeegen bey der wanckelmuth. Nun ich wil ihm platz machen / damit er nicht meynet / als wolte ich ihm im wege ſtehn. Doch folget meinem rath / und bleibet bey der erſten entſchlieſſung.

(geht ab.)
Merc.

Der alte vater hat einen haß wider meinen neuen liebhaber gefaßt / und legt eine ſchlechte vorbitte an ſeine ſtatt ein. Doch dieſes iſt wahr / er iſt der vor - nehmſte / er iſt der reichſte / ja ich geſtehe es / ſo ſchlecht als ſein hirten habit war / ſo anmuthig war ſeine ge - ſtalt / daß ich wohl haͤtte wuͤnſchen moͤgen / ſeine damah - lige anſuchung waͤre in einen beſſern kleide geſchehen. Uber diß kan ich mir leicht einbilden / wie hefftig ſeine liebes-regung ſeyn muͤſſe / weil eine ſo kraͤfftige und un - verhoffte wuͤrckung erfolget; und wie hefftig im gegen - theil ſeine feindſchafft entbrennen wuͤrde / wenn er ſol - te vergebens gehoffet haben. Geſetzt auch die andern wolten ſauer ſehn / dieſes waͤre beſtand genung allenbeyden631Dritte Handlung.beyden die ſpitze zu biethen / und darzu was hat mir der alte Commodus vorzuſchreiben? ihm zu trotze wil ichs thun / und hierdurch wil ich ihn ſehen laſſen / daß ich ins kuͤnfftige nach meinem eigenen kopffe leben wil.

(Philyrus tritt auff.)
Phil.

Schoͤnſte Mercurie / darff ſich auch der jeni - ge ihrer gegenwart erfreuen / welcher ſie vormahls ſo vielfaͤltig beleidigt hat?

Merc.

Mein herr die frage iſt vor mich zu dunckel. Meine gegenwart iſt nicht ſehr erfreulich: wo ich aber ſolte von ihm beleidigt ſeyn / darauff kan ich mich nicht beſinnen.

Phil.

Jch beſinne mich gar wohl / und bitte auch / meiner unbeſonnenheit eine willkuͤhrliche ſtraffe auff - zulegen.

Merc.

Jch weiß hier von nichts.

Phil.

Ach ich bin der ſtraffwuͤrdige ſchaͤffer / wel - cher ſie unlaͤngſt in ihrer ſuͤſſen ruh verſtoͤrete / und ſich anderer ſachen unterfieng / daran ich nimmermehr ge - dencken wolte / wenn ſie allerſeits koͤnten veꝛgeſſen ſeyn.

Merc.

Mein herr / er hat nichts geſuͤndiget: Jch habe mehr urſach umb gnade zu bitten / daß ich ſeiner vornehmen perſon nach wuͤrden nicht begegnet bin.

Phil.

Ein bauer als ich dazumahl war / verdiente keine beſſere ehrbezeigung.

Merc.

So wird mich ſein ſchlechter habit entſchul - digen.

Phil.

Aber wenn ich mich itzund erkuͤhnete / dieſel - be zu meiner ſteten gefertin zu begehren / ſolte ich auch dergleichen ſcheltworte nochmahls zubefuͤꝛchtẽ haben.

Merc.

Vielleicht begehrt er ſolches nicht; alſo iſt auch dieſe frage unnoͤthig.

R r 4Phil.632Des Luſt-Spiels
Phil.

Jch komme aber und begehre ſolches: Ja ich bekenne es / die hoffnung ihrer gunſt-gewogenheit hat meinen ſinn von der dorff-luſt abgezogen / und wo - fern ſie wil / daß ich ohne ſie leben ſoll / ſo heiſt ſie mich ſterben.

Merc.

Die ſtadt wuͤrde ſeine gegenwart auch oh - ne mich genoſſen haben.

Phil.

Mein eigner vater haͤtte es nicht ſo weit bracht. Drumb ſchoͤnſte Mercurie ſie bedencke es / ob jemahls ein liebhaber ſein rechtſchaffenes gemuͤthe durch eine dergleichen probe erklaͤret habe.

Merc.

Sein gemuͤthe koͤmmt mir zu redlich vor / daß ich mich eines betrugs befahren muͤſte: Und ſeine perſon ſcheint ſo ernſthafftig / daß ich mich keines ſcher - tzes beſorgen darff. Doch wolte ich wuͤnſchen / er kaͤme nicht ſo langſam.

Phil.

Sie hat noch nichts vergeben. Sie kan ſchaffen / daß ich nicht zu langſam komme.

Merc.

Jch ſol aber in einer halben ſtunde Jhr Maj. meinen ſchluß offenbahren.

Phil.

Alſo kan dieſelbe in einer halben ſtunde mein gluͤcke beſtaͤttigen laſſen.

Mer.

Ach wehrter Philyꝛus / es iſt ja der gebrauch / daß die liebhaber etwas auffgehalten weꝛden: Sol ich meiner bloͤden ſchamhafftigkeit ſolche gewalt anlegen.

Phil.

Dieſes geſetze laͤſſet ſich mit gutem gewiſſen brechen. Die zeit welche ich zum beſten habe / ſol durch deſto groͤſſere liebe erſetzet werden.

Phil.

Aber wie werde ich gegen meinen erſten auf - waͤrtern entſchuldigt?

Phil.

Weil es unmoͤglich iſt / drey liebhaber auff einmahl zu haben.

Merc.633Dritte Handlung.
Merc.

Ein jedweder bildet ſich den vorzug ein.

Phil.

Doch wiſſen ſie ſelbſt / daß nur einer darzu gelangen kan.

Merc.

Was halt ich mich auff / die zeit vergeht / ich muß doch meine gedancken eroͤffnen. Er iſt es / lieber Philyrus / deſſen geſellſchafft ich biß an meinen todt er - wehlen wil.

Phil.

Ach ihr gluͤckſeligen worte / ihr kuͤndigt mir das leben an! zwar liebſte Mercurie / ich wil itzo nichts ſagen / weil die ungefaͤrbte liebe keine complimenten vonnoͤthen hat: Die that ſelbſt ſol bezeugen / daß ſie in ihrer wahl nicht betrogen worden. Doch hab ich nun die gewißheit / daß Jhr Majeſt. ſolchen ſchluß verneh - men ſollen?

Merc.

Jch habe mich auff einen ranck beſonnen / dadurch ich der andern haß und verfolgung zu entge - hen gedencke. Jch wil es dem gluͤcke und dem looß an - heimſtellen / und ſollen ſich alle verbinden nicht zu zuͤr - nen / wo ſie nicht getroffen werden.

Phil.

Aber alſo iſt meine vergnuͤgung nicht gewiß?

Merc.

Gewiß genung. Jch wil ſagen / welcher denſelben baum erreichen wird / den ich am liebſten ha - be / der ſoll mein liebſter ſeyn: Und zugleich wil ich ihr Majeſt. ein verſiegeltes zettelgen darreichen / da der baum benennet wird. Jſt es nun ſein ernſt mich zuer - halten / ſo rathe er auff die linde.

Phil.

Jch werde wieder erquickt: Jhre ſcharffſin - nigkeit iſt unermaͤßlich.

Merc.

Er hat nun gewalt meiner theilhafftig und verluſtig zu ſeyn / unterdeſſen lebe er wohl.

Phil.

Sie lebe wohl meine ſchoͤnſte!

(Sie geht ab.)

So hab ich nun gewoñen und uͤberlaſſe nunmehrR r 5die634Des Luſt-Spielsdie ſtumme und vergaͤngliche dorff-luſt dem jenigen / der die wunderſchoͤne Mercurie veꝛgebens lieben muß; ach geſegnet ſey der alte Commodus / deſſen gute Re - commendation mir ohn allen zweiffel dieſen zutritt ge - macht hat. Doch wer koͤmmt hier?

(Aſinus trit auff.)
Aſm.

Hierumb ſoll ſie wohnen / wenn ich nur je - mand wuͤſte / der mich zu rechte weiſen wolte.

Phil.

Junger geſelle wo hinauß?

Aſm.

Lieber herꝛ da ſuche ich das hauß da die frem - de jungfer wohnt.

Phil.

Was habt ihr da zu beſtellen?

Aſm.

Jch ſoll ihr einen brieff geben.

Phil.

Wo kommt er her?

Aſm.

Jch daꝛffs nicht wohl ſagen: Es war ein vor - nehmer herr / der befahl mirs gar zu hoch.

Phil.

Der gute menſch wird ſich vergebens anmel - den / doch junger geſell laß mich den brieff ſehn.

Aſm.

Jch gebe den brieff keiner lebendigen ſeele / als der jungfer.

Phil.

Jch wil aber wiſſen / wo der brieff herkoͤmmt.

(er nimmt ihn mit gewalt)

halt nun wil ich dieſe heimligkeit verrathen / die uͤberſchrifft iſt poſſierlich.

(Er lieſet ihn)

Mein tauſend ſchoͤnen hertzens-ſcha - tze / derer gedaͤchtnis mir ſuͤſſer iſt als uͤberzogene hind - leufft / kraͤfftiger als zimmt-mandeln / lieblicher / als eingemachte citron-ſchalen / ſtandhafftiger als ein dat - tel-kern / werde dieſes unwuͤrdige papier zu dero wol - len-weichen alabaſtern-haͤnden uͤbergebẽ Cito Cito Cito. Der liebhaber hat ſeinen cantzeley ſtilum von jener Schwediſchen frau gelernet / die machte ein ſolch uͤber - ſchrifft: Meinem lieben mann zu eꝛfragen in Deutſch -land /635Dritte Handlung.land; doch ich leſe weiter. Meine zarte gold-ſeele iſt es nicht war / daß ihr ein leibhafftiger engel ſeyd / und daß ich ein doppelter baͤrnhaͤuter bin / weil ich mich er - kuͤhne / einen engel zu meiner liebſten zu begehren.

(er wirfft den brief weg)

Sieh da / mein Vulgus hat es an die magd geſchrieben / haͤtte ich doch bald einen ei - ferſuͤchtigen argwohn geſchoͤpffet: Nun bin ich zu frieden / wo ſich der Herꝛ in die Jungfer verliebt / koͤn - nen diener und maͤgde nicht unbekandt bleiben.

(geht ab.)
Aſm.

Diß war ein ſchoͤn ſtuͤckgen / ich will ſehen was der vornehme Herꝛ darzu ſprechen wird.

(geht ab.)
Claudius / Mechanie.
Cl.

Es iſt doch nicht mehr als ein dorff-hautze.

Mech.

Wer fragt darnach / wenn er nur geld hat.

Cl.

Cr iſt auch ein narr.

Mech.

Es kan ſeyn daß ihn etliche leute mit naͤrri - ſchen augen anſehn.

Cl.

Jch bin ein ander kerle / ich fuͤhre den degen / je - ner hat kaum eine miſtgabel.

Mech.

Eine miſtgabel macht mehr loͤcher als ein degen.

Cl.

Aber ein degen gehet durch und durch.

Mech.

Unterdeſſen bleibt jener doch mein liebſter.

Cl.

Jch bitte / ſie bedencke ſich / es moͤcht ſie hernach gereuen / wenn es zu ſpaͤt iſt.

Mech.

Man muß alles auf das gluͤcke wagen.

Cl.

Wenn ſie wuͤſte was ich weiß / ſie wuͤrde anders ſinnes werden.

Mech.

Was weiß er denn?

Cl.

Jch muß es heimlich reden.

(hier fuͤhrt er ſie auf die ſeite und redet heimlich mit ihr: in -deſſen636Des Luſt-Spielsdeſſen koͤmmt Aſmus und Vulgus / welcher ei - nen langen degen fuͤhrt / darauff ein dutzenr ſperlinge gebunden ſind.)
Vulg.

Hat er dir den brieff aufgemacht?

Aſm.

Ja wie ich ſage.

Vulg.

Und hat ihn an die erde geworffen?

Aſm.

Es iſt nicht anders.

Vulg.

Und hat ihn zuvor geleſen?

Aſm.

Es iſt mehr als gewiß.

Vulg.

Nun ſo will ich heute ein blutvergieſſen an - ſtellen / davor die gantze welt erſchrecken ſoll. Zwoͤlff koͤpffe will ich auf einen hieb zu ſchanden machen / und wenn ich hundert tauſend mahl umb mich gehauen ha - be / da will ich erſt fragen / wer meinen brief hat. Geh junge / lauff hinein / mein langer degen moͤchte dich auch treffen.

(Aſmus geht ab)

Jch fuͤhre eine rechte Paſſauer-klinge / wenn ich hinten am knopffe boͤſe wer - de / ſo gehts durch biß auff die ſpitze

(Er ſieht ſie ſtehn.)

Sieh da / iſt das nicht mein mantel-dieb / der wil mir die liebſte auch abſpenſtig machen / der kopff muß herunter / und wenn er ſieben ſchiff-naͤgel in der kehle ſtecken haͤtte

(Er zeucht am degen.)

Sacht an / ſacht an / der degen fuͤrchtet ſich ſelber vor dem todt - ſchlage / er hat ſchlechte luſt herauß. Jſt das nicht ſchande / itzt hab ich keinen bloſſen degen / und wer weiß / ob mir der zorn nicht darnach| vergangen iſt.

(Er agirt mit dem degen poſſierlich.)

Je wil der de - gen nicht ſo wil ich: Es ſind mehꝛ mittel da / wenn man einem ſolchen ſchurcken den hals brechen wil.

(Er geht und legt ſich hinter Claudio auff die erde; Als dieſer nun hinter ſich tritt und einen bickling machẽ wil / faͤllt er uͤber ihn weg)
Clau -637Dritte Handlung.
Cl.

Wer iſt der ſchelm / der mir dieſen poſſen thut?

Vulg.

Der herr verzeih mir / er ſtolperte uͤber ſei - nen mantel.

(Sie ſtehn auff.)
Cl.

Du ſchatten von einer ſau-diſtel / du geruch von einer kuh-blume / du haar auß einem eſels-ſchwantze / darffſtu ſo kuͤhne ſeyn und mich in meiner groͤſten hoͤff - ligkeit verſtoͤren.

Vulg.

Ey poſſen / was ſolte ich ihn verſtoͤren / ich habe noch keine hoͤffligkeit von ihm geſehn.

Cl.

Was? ſoltu meine hoͤff ligkeit in zweiffel ziehn / du quinta eſſentia von einem erd-flohe / du Caput mortuum von einem gold-kaͤfeꝛ / du Oleum auß einem fliegenglaſe.

Vulg.

Jhr duͤrfft mir kein latein an den halß werf - fen / ich kan mich nicht verantworten.

Cl.

Du ſolſt dich auch nicht verantworten. Sieh da / damit du noch mitten in meinem zorne einen fun - cken der barmhertzigkeit ſehen kanſt / ſo haſtu die wahl / wilſtu dich lieber in ſtuͤcken zu hauen laſſen / oder ſol ich dir lange auff dem leibe herum tretten / biß dir die ader auß der fuß-ſohle zum halſe herauß geht; oder ſol ich dir das fell uͤber die ohren ziehn / daß man deine ſchel - miſche rippen im leibe zehlen kan? je! mache fort und ſage welches dir am beſten gefaͤllt?

Vulg.

Jch ſehe wohl je mehr man nach giebt / de - ſto mehr wird man gehudelt / ich muß nur auch die rau - che ſeithe herauß kehren / hoͤrt doch ihr herr in dem kur - tzen mantel / wollet ihr mich lieber todt als lebendig ſehn / ſo wil ich drey mittel voꝛſchlagen. Erſtlich ſchlagt mir ein ey auf den kopffe entzwey / und ſaugt miꝛ ſo lan - ge an der ferſe / biß euch der dotter in das maul koͤmmt: Oder ſteigt oben auff den kiꝛchthurmb und ſpringt auffmich638Des Luſt-Spielsmich herunter: Oder kricht mir in den leib und beiſſet mir das hertze ab. Habt ihr nun zu einen luſt / hier bin ich!

Cl.

Ach ſchoͤnſte Mechanie / wie hat die liebe mein hertz eingenommen / daß der zorn nicht ſtatt finden kan! doch ſage nur du nichts wuͤrdigſte perſon unter allen creaturen / wilſtu auff die knie nieder fallen und mich umb dein leben bitten.

Vulg.

So ein Etcaͤtera bin ich noch nicht

(er holt ſeinen degen.)

ſieh da / ſol ich dich neben die ſperlinge auff die ſcheide ſetzen? oder ſoll ich dich in die ſcheide ſte - cken / nnd darnach lunge und leber / hals und bauch / fuß und kopff durch einen ſtoß zu einem dinge machen?

Cl.

Ach daß ich in gegenwart meiner liebſten den degen entbloͤſſen muß!

Vulg.

Ach daß ich in gegenwart meines feindes den degen |muß ſtecken laſſen!

Mech.

Halt / halt ihr herren / heiſſet diß die liebſte reſpectirt / ſteht im frieden / oder ich gebe allen beyden den korb.

Cl.

Jhr befehl iſt hoͤher als dieſer erdwurms be - ſchimpffung.

Vulg.

Jhre friedens handlung erhaͤlt unſer Cou - rage.

Cl.

Abeꝛ liebſte Mechanie kan ich dieſes mitbuhlers nicht loß werden?

Mech.

Es hat ein jeglicher noch keine urſach ſeine hoffnung fahren zu laſſen. Doch welcher mir auff den abend das ſchoͤnſte nacht-ſtuͤckgen vor der thuͤre muſi - ciren wird / der ſol ſich des beſten zu getroͤſten haben. Darnach mag ſich herꝛ Claudio und herr Vulgus rich - ten.

(Geht ab.)
Claud.639Dritte Handlung.
Cl.

Jch habe gewonnen / der kerle da / ſingt wie Sanct. Lucas. nachtigal.

(Geht ab.)
Vulg.

Jch habe gewonnen / der kerle ſingt wie des muͤllers capell-knaben die ſchwartze creutze auff dem ruͤcken fuͤhren.

(Geht ab.)
(Der innere ſchau-platz oͤffnet ſich.)
Aquila / Philyrus / Salinus / Colonus.
Aquil.

Jhr liebſteu ſohne / es kommt uns hoch er - freulich vor / daß / nachdem eure tugendhaffte eltern unſre und des reichs angelegenheit ruͤhmlicher maſſen befoͤrdern helffen / ihr gleichfals bemuͤht ſeyd in ſolche hochloͤbliche fußſtapffen zutretten. Seyd verſichert / es ſol keinem unbelohnt bleiben. Jmmittelſt haben wir vor gut angeſehn / eure klugheit durch eine zweiffel - hafftige frage auff die probe zu ſetzen. Saget mir dem - nach / welches iſt der groͤſte zierraht eines koͤnigreichs / iſt es die menge der kauff-leute / oder die anzahl derer gelehrten / oder ſind es die jenigen / welche der wahren und unverfaͤlſchten gottes-furcht zugethan ſind?

Sal.

Großmaͤchtigſter koͤnig allergnaͤdigſter herr / das koͤnigreich iſt gluͤcklich / wo die kauffmannſchafft im flohr ſteht.

Col.

Noch gluͤcklicher iſt ein land wo gelehrte leute das regiment fuͤhren.

Phil.

Jch ſage der iſt am gluͤckſeligſten / wer GOtt zum freunde hat.

Sal.

Ein kauffmann hat den bruñ des reichthums / ohne welches kein land beſtehen kan.

Col.

Ein gelehrter hat den brunn der klugheit / oh - ne welchen kein reichthum beſtehen kan.

Phil.

Wer GOtt fuͤrchtet / der hat uͤber das reich - thum und uͤber die klugheit zu gebieten.

Sa -640Des Luſt-Spiels
Sal.

Ein kauffmann kan auch GOTT fuͤrchten.

Col.

Viel beſſer ein gelehrter.

Phil.

Zu Tyro wohnten GOttes vergeſſene kauff - leute / und zu Athen beteten die groſſen Philoſophi ei - nen unbekandten GOtt an.

Sal.

Wo wolten die gelehrten und die geiſtlichen ihre bezahlung hernehmen / wenn der kauffmann kein geld in das land fuͤhrte?

Col.

Wo wolte der kauffmann ſein geld erhalten / wenn ihm der gelehrte mit ſeiner gerechtigkeit nicht beyſtuͤnde.

Phil.

Wo wolten alle beyde bleiben / wenn niemand GOTT umb ſeinen ſegen anruffte.

Sal.

Wer geld hat / der findet gelehrte gnung die ihm auffwarten / er kan auch fromme leute leicht in be - ſtallung nehmen / die vor ihm beten.

Col.

Das heiſt mit frembden augen geſehn.

Phil.

Und das heiſt auff fremden pferden vor dem gluͤck und vor dem himmel vorbey geritten.

Sal.

Die erfahrung ſol vor mich reden / wo wird ein land leichter erhoͤhet als durch die kauffmanſchafft.

Col.

Jch gebe es zu wenn gute ſchulen erhalten werden.

Phil.

Und weñ dem Gottesdienſte ſein freyer lauff gelaſſen wird.

Sal.

Jch rede itzund politiſcher weiſe.

Col.

Der politiſche grund beſteht auff der klugheit.

Phil.

Am meiſten auff Gottes ſeegen.

Sal.

Jch lobe die klugheit / welche nicht ſo wol aus den buͤchern als aus dem maͤnnlichen verſtand ent - ſpringt: Und wol dem der Gottes ſegen mit einfaͤlti - gen hertzen erwarten kan. Wie wenn ich ſagte alle pra -ler641Dritte Handlung.ler waͤren nicht klug / und alle heuchler waͤren nicht heilig?

Col.

So wolte ich darzu ſetzen: alle praler waͤren nicht reich.

Phil.

Jch habe noch niemals gehoͤrt / daß man des unkrauts wegen den gantzen weitzen-acker verdammen ſoll.

Sal.

Zum wenigſten muß dieſes geſtanden wer - den: Die kauff leute bringen dem Fuͤrſten geld / die ge - lehrten und die geiſtlichen nehmen es wieder weg.

Col.

Es ſind ſchlechte leute welche noch geld zu ge - ben muͤſſen / daß ſie geduldet werden.

Phil.

Und wer weiß woher ein Fuͤrſt den groͤſten profit hat.

Sal.

Ein kauffmann iſt wie ein fruchtbarer apffel - baum / die andern ſind wie die ſtoltzen linden / die koͤn - nen nichts / als daß ſie denen guten baͤumen den ſafft entziehen.

Col.

Die kauff leute bringen fruͤchte / welche nie - mand ohne die klugheit zu ſeine vortheil genieſſen kan.

Phil.

Unſre frucht iſt unſichtbar / aber deſto gewiſ - ſer: mancher freuet ſich / der es auf 50 pro cento brin - gen kan. Wer GOtt zu ehren was anlegt / der hat 1000 pro cento.

Sal.

Unterdeſſen ſo lange wir leben / iſt geld die lo - ſung.

Col.

Aber die klugheit ſucht das commando.

Phil.

Und die froͤmmigkeit macht den ausſchlag.

Aquil.

Wir haben gnung gehoͤret. Nun wollen wir unſere meynung darzu ſetzen: Ein koͤnigreich iſt nicht anders als eine perſon / welche niemals geſuͤnder iſt / als wenn das geld in denen adern / die klugheit imS ſkopffe /642Des Luſt-Spielskopffe / die froͤmmigkeit in dem hertzen feſt und unver - ruͤckt eingewurtzelt iſt.

(Leo / Willigis / Parthenius / Commodus / Mercurie.)
Com.

Jhr Maj. ſehen dero gehorſamſte Mercurie / welche bereit iſt / dero gnaͤdigſten befehl mit demuͤthi - gem hertzen anzunehmen.

Aqv.

Liebſte tochter / du haſt wohl gethan / daß du in einer ungewiſſen ſache nunmehr den außſchlag ge - ben wilſt.

Merc.

Allergnaͤdigſter herr / es waͤre zu wuͤnſchen / E. Koͤnigl. Maj. beliebte durch dero befehl meinen unverſtand zu bekraͤfftigen.

Aqv.

Nein / nein es ſol bey deiner wahl ſtehn.

Merc.

E. K. Maj. ſehen gleichwohl wie ſchwer es iſt / unter lobwuͤrdigen ſachen eine wahl zu treffen: Ja wie ſolte ich einem zum freunde erwehlen / da ich hinge - gen befuͤrchten muͤſte / zween feinde zu erlangen.

Aqv.

Unſere macht ſol dich vor aller feindſeligkeit beſchuͤtzen. Ja wir ſehen alle drey vor ſolche hoͤff liche Cavaliere an / daß / in betrachtung ſie ſaͤmbtlichen nicht koͤnnen befriediget werden / keiner an deiner erklaͤrung wird ein mißfallen haben.

Merc.

Weil es denn auff meiner erklaͤrung beruht / und gleichwohl mein verſtandt hierinnen zu wenig iſt / ſo werden Eu. K. Maj. gnaͤdigſt zufrieden ſeyn / daß ich den gantzen außſchlag dem gluͤcke uͤberlaſſe.

Aqv.

Wie ſollen wir dieſes verſtehn?

Merc.

Meine liebſte mutter Martia / als ſie noch am leben war / hatte ihre groͤſte luſt / wenn ſie mich un - ter einen gewiſſen baum fuͤhren ſolte. Wenn ich nun meinen betruͤbten gedancken nachhengen will / ſo mußich643Dritte Handlung.ich gleichfals an dieſen baum gedencken. Und dero - halben habe ich beſchloſſen / dieſen zu meinem liebſten anzunehmen / welcher den baum errathen wird. Hier haben E. Maj. ein verſiegeltes zettelgen / darauff der baum genennet iſt. Hat nun jemand luſt zu meiner liebe / ſo mag er den himmel umb eine offenbahrung ſol - ches geheimnuͤſſes anruffen / oder zum minſten darff er mir die ſchuld nicht beymeſſen / wenn er ungluͤcklich im rathen iſt.

Aqv.

Wir muͤſſen deine ſcharffſinnigkeit loben. Es ſey alſo / doch ſollen ſie biß morgen bedenck-zeit haben.

Leo.

Alſo wird man erkennen / welchen der himmel mit dieſer ſchoͤnen verſorgen will.

Wil.

Der zweiffels-knoten kan nicht beſſer aufge - loͤſet werden.

Parth.

Wenn aber niemand den baum errathen kan?

Leo.

So moͤgen ſie wieder anfangen.

Parth.

Es koͤnten ihrer zwey einer meynung ſeyn.

Wil.

Auf ſolchen fall muß Mercurie ein ander loß ſuchen.

Aqv.

Es koͤnte nicht beſſer ausgeſonnen werden. Es bleibe bey dieſer entſchlieſſung.

(ſie gehn ab)
(Der ſchau-platz wird gantz finſter / als waͤre es nacht.)
Vulg.

Nun das iſt die ſchoͤnſte ſtunde / da ich mit meiner engliſchen ſtimme eine liebſte verdienen ſoll: ich habe ein halb ſchock rohe eyer ausgeſoffen / daß mir die kehle ſo glatt iſt / wie ein froſch-maul von hinten zu / ach wie werden ſich meine mordanten hoͤren laſſen / es wird beſſer kommen / als mit jenem hausmanne / den muſteS ſ 2die644Des Luſt-Spielsdie frau allzeit in den ruͤcken ſtoſſen / wenn er tremuli - ren ſolte.

(Claudius koͤm̃t mit einem finſtern laterngen)

Doch ſieh da / mein ander ich / mein hertzens-freund / der ſo gar eines ſinnes mit mir iſt / daß er auch meine lieb - ſte haben will / der ſtellet ſich auch ein / ich muß ihn vor - an paſſiren laſſen / ſo hoͤre ich kaum / wie hoch ſich ſeine kuͤnſte erſtrecken.

(er tritt auf die ſeite.)
Claud.

Gegruͤſſet ſeyſtu / du dunckele nacht / und ge - gruͤſſet ſeyd ihr / ihr ſterne / die ihr zeugen ſeyn wollet / daß ich mit einem liede eine liebſte erwerben kan. Komm heran du goͤttin Orpheus / und ſtimme mit dei - ner trompete denſelben klang zuvor in meinen gedan - cken an / welchen ich durch den mund zu dieſen fenſtern ſoll hinein ſchicken.

(Er reuſpert ſich / endlich ſinget er nach der melodey: Jch bin verliebt.)
MEchanie du ſchoͤnes bild /
Du haſt dich allbereit verhuͤllt /
Jn deinem zarten bette:
Ach wenn ich auch dergleichen ruh /
Auff meinem lager haͤtte!
Wiewohl du loſes diebgen du /
Dein ſchlaff thut meinem wachen weh /
Mechanie.
2. Mechanie du harter ſinn /
Gedencke / daß ich krafftloß bin /
Wofern ich nicht empfange
Den ſchatz / woran ich allbereit
Mit gantzem hertzen hange.
Entferne dich nicht allzuweit /
Mein645Dritte Handlung.
Mein liebgen / oder ich vergeh /
Mechanie.
3. Mechanie / ſprich nur ein wort /
So weicht der gantze jammer fort:
Sprich nur zu meinem leben:
Du wolleſt deiner augen ſchein
Zu meiner luſt ergeben.
So will ich friſch und froͤlich ſeyn /
So will ich ruffen / wo ich ſteh /
Mechanie.
4. Mechanie / die dunckle nacht
Hat dich zwar in den ſchlaff gebracht /
Doch morgen will ich hoffen /
Daß mich das allcrſchoͤnſte loß
Hat allermeiſt betroffen /
Und ſo wird meine freude groß /
Und ſag auf dieſe nacht ade!
Mechanie.
(Als die letzte zeile geſungen wird / koͤmmt A - neſtus / und laͤſt ſich einem jungen eine fackel vortragen.)
An.

Du ſtuͤck von allen ertz-ſchelmen / heiſſt das auf - gewartet / daß ich mir frembde jungen muß laſſen nach hauſe leuchten? hoͤreſtu / was haſtu hier zu ſuchen / ant - worteſtu nicht?

(Er hebt den pruͤgel auff.)
Cl.

Mein herr / ich war gleich auf dem wege / ich wol - te hinkommen.

An.

Du haſt die rechte zeit getroffen / ich werde dir ſchlecht lohnen. Aber was ſolte diß vor ein lied ſeyn?

Cl.

Jch gieng nur in gedancken / und ſang etwas daß ich mich nicht fuͤrchte.

S ſ 3An.646Des Luſt-Spiels
An.

O du loſer vogel / ich halte der maͤgde-kobolt hat dich auch beſeſſen / ich wil dir beſſer auff den dache ſeyn: Geh fort / trage die fackel.

(Sie gehn ab.)
Vulg.

Das war ein ſtuͤckgen vor dreiſſig thaler / ſo muͤſſen die ungeſchlieffenen kerlen zu rechte gebracht werden / wenn ſie vor der zeit wollen mit einer nacht - muſic pralen. Nun bin ich allein hahn im korbe / nun wil ich ein kuͤnſtlich ſtuͤcke verſuchen / das der alte Or - landus nicht beſſer ſol gehoͤꝛet haben. Doch potz tau - ſend wo habe ich meine Violin?

(Er ſucht ſie in al - len ſchieb-ſaͤcken / endlich bringet er ſie herauß und macht allerhand poſſen damit.)

Nun geht die hertzbrechende Arie an. Zwar erſtlich ein Ritter - nello / hernach den text drauff.

DU freundliches liebgen vor zwantzig ducaten /
Jch weiß / wo dir die liebe ſitzt /
Jch habe dich warlich am ſchoͤnſten berathen /
Mein gutes geld hat dich erhitzt /
Das hat mir am beſten die bahne gebrochen /
Und alle ſtuͤmper abgeſtochen.
2. Du qvatſchlichtes taͤubgen / ich komme mit gelde /
Wer wolte mir nicht guͤnſtig ſeyn?
Jch bin zwar ein bauer und komme vom felde /
Doch ſchieß ich guͤldene kugeln drein /
Und ſuche mit meinem erwuͤnſchten behagen
Die ſtadt Galaͤne fort zujagen.
3. Jch habe die guͤldenen kugeln verſchoſſen /
Ach ſcheuß doch wieder her zu mir /
Sonſt ſterb ich gewißlich mir ſelber zum poſſen /
Und bin ich todt / wo dien ich dir?
Ach ſage / mein Vulgus komm hinter die thuͤre /
Damit ich allen ſchmertz verliehre.
(Commodus koͤmmt herauß gelauffen.)
Com.

Wer iſt der unnuͤtze geel-ſchnabel der unsnicht647Dritte Handlung.nicht mit frieden ſchlaffen laͤſt. Jch wil es moꝛgen bey Jhr. Majeſt. klagen / daß ſolche nacht-raben in der ſtadt herumb gehn / und da ſollen ſie ſehn was ihr lohn ſeyn wird. Wenn ein berenheuter auffhoͤret / ſo koͤm̃t der ander wieder / iſt es doch als geſchaͤhe es uns zum poſſen.

Vulg.

Dieſen abend regieret ein ungluͤckſeliger planet vor die muſicanten. Ach ſchade um mein ſchoͤn lied / daß dieſer alte grillenfaͤnger hat ein wort davon hoͤrẽ ſollen. Jch gehe fort ehe es ſtoͤſſe ſetzt.

(Geht ab)
Com.

Es iſt dir zu rathen / wer du biſt / daß du dich unſichtbar machſt? ich wolte dir ſonſt herberge beſtel - len / daß dirs nicht lieb waͤre. Nun der erſte der wieder koͤmmt der ſol ein mandel ſteine auff den buckel haben.

(Geht ab.)

Vierdte Handlung.

Germanus / Heliconie.
Germ.

Schoͤnſte Heliconie / iſt ſie nun zufrieden / daß ich ſie hieher gebracht habe?

Helic.

Liebſter freund ich muß geſtehn / ich habe es kuͤhne gewagt: Doch ſo weit haben wir dem gluͤcke zu dancken gehabt / daß uns nichts wiederwaͤrtiges begeg - net.

Germ.

Unſere liebe iſt der compas geweſen / alſo hat uns nichts verfuͤhren koͤnnen.

Hel.

Aber was wird meine frau mutter machen? ich weiß / ſie wird keinen fleiß ſpahren mich auszufor - ſchen. Doch warum zwang ſie mich den verdrießlichen Bojus zu heyrathen / da ich mein hertz allbereit dem an - genehmen Germanus auff geopffert hatte?

S ſ 4Germ.648Des Luſt-Spiels
Germ.

Jch weiß nicht / ob ich hierinn geſuͤndiget habe. Mein troſt iſt / daß meine feinde hiedurch betro - gen ſind / ich aber in den armen der himmliſchen Heli - conie froͤlich uͤber alles ungluͤcke triumphiren kan.

Hel.

Liebſtes hertz / ich bitte hoͤchlich umb verzeihũg / daß ich bißhero die hefftigkeit meiner gegenliebe in et - was verborgen habe. Er kennet das frauenzimmers furchtſamkeit.

Germ.

Alſo dancke ich dem widerwertigen gluͤcke / welches ihr die volle beſtaͤtigung abgezwungen hat.

Hel.

Doch darff ich mich erkuͤhnen / alle gedancken zu eroͤffnen?

Germ.

Gleich als haͤtte ſie nicht volle gewalt uͤber mich zu gebieten?

Hel.

Wie wenn ich hier in der fremde verlaſſen wuͤrde?

Germ.

Der mond ſol eher uͤber die ſonne ſteigen / ehe ich in ein ſolch ſtraffwuͤrdiges beginnen werde ein - willigen.

Hel.

Jch habe mich aller andern wohlfahrt bege - ben / nur daß ich verhoffe bey meinem wertheſten Ger - manus vergnuͤget zu ſeyn Solte ich nun in ſolcher zuverſicht betrogen werden / ſo koͤnte ich meinen todt und meine hand voll blut auf ſeine ſeele binden.

Germ.

Ach Heliconie heiſt dieſes geliebt / da ich ſol - chen unverantwortlichen verdacht ſol uͤber mich neh - men?

Hel.

Jch fuͤrchte mich einen hohen ſchatz zu verlieh - ren / darumb bin ich ſorgfaͤltig.

Germ.

Bey meiner tugend iſt keine ſorgfalt von - noͤthen. Der eyd / damit ich meine zuneigung bekraͤff -tiget649Vierdte Handlung.tiget habe / ſol allzeit in meinen gedaͤchtnuͤß eingepraͤ - get ſeyn.

Hel.

Der himmel helffe / daß mein wunſch mit gu - tem vergnuͤgen erfuͤllet werde. Doch wollen wir nicht nach dem herrn Reichs-Marſchall fragen.

Germ.

Wehrteſte Heliconie warumb hofft ſie auff den herrn Reichs-Marſchall / kan ich dieſer urſachen nicht theilhafftig werden?

Hel.

Wie koͤnte ich meinem geliebten etwas verber - gen? es iſt ungefehr ein jahr / da kehrten etliche unbe - kante bey meiner frau mutter ein / da nahm ich in acht / daß einer etliche mahl gegen die andern gedachte: Ach du gutes kind / waͤreſtu bey dem Reichs-Marſchall in Mernagien / es ſolte dir beſſer gehn. Er denckt an dich / und kennet dich nicht. Jch geſteh es / die worte gien - gen mir zu hertzen / alſo daß / ſo wenig als ich grund ha - be etwas gewiſſes hierauff zu bauen / ich gleichwohl niemahls ohne hoffnung lebe / es werde hier etwas er - ſcheinen / deſſen ich mich erfreuen koͤnne.

Germ.

Jch weiß nicht was hiervon zuhalten iſt. Doch in betrachtung / daß wir uͤberall fremde ſind / und einen gewiſſen ſchutz-engel ſuchen muͤſſen / ſo mag es auf das gluͤck gewagt ſeyn.

Hel.

Er wird die worte ſchon zu ſetzen wiſſen / da - mit wir in keinen unbilligen argwohn gezogen werden.

Germ.

Hiervon hat ſie nicht zu ſagen.

(Aneſtus und Claudius tretten auff.)
Germ.

Jch habe mich lange umbgeſehn / ob ich mich bey jemand befragen koͤnne. Mein herr vergebe meiner kuͤhnheit / iſt der herr Reichs-Marſchall nicht in dieſer gegend anzutreffen?

An.

Er hat ſein loſiment nicht weit von hier. Ha -S ſ 5ben650Des Luſt-Spielsben ſie etwas zu ſuchen / ſo bin ich bereit ihr anbringen uͤber mich zunehmen.

Germ.

Jch nehme das guͤtige anerbieten mit ge - horſamen danck an / ob ich zwar / als ein frembder nicht ſehe / welcher geſtalt ich koͤnne danckbar ſeyn.

An.

Dieſe gedancken ſind unnoͤthig: Er beliebe mir zu eroͤffnen / worinn ich ihm dienen koͤnne.

Germ.

Mein herr / er ſiehet gegenwaͤrtige jungfer / welche einen maͤchtigen ſchutz-herrn vonnoͤthen hat. Sie iſt in ihrem vaterlande ſo verfolget worden / daß ſie in frembder lufft troſt und beyſtand ſuchen muß. Nun hat ſie das feſte vertrauen / der herr Reichs-Mar - ſchall werde als ein wohlbekandter patron / aller ver - laſſenen perſonen ſeine vielguͤltige gnade gegen dieſes verlaſſene frauen-zimmer nicht verſchlieſſen. Jhr gluͤcke wird einen guten| anfang haben / wofern deſſen gute recommendation uns die thuͤre darzu oͤffnen wird.

An.

Jch hoͤre es ungern / daß ein weibes-perſon an - ders angelaſſen wird / als ihre tugend verdienet / doch will er / daß ich meine gedancken ſage?

Germ.

Er wird uns ſehr hoch obligiren / indem er uns guten rath mittheilt.

An.

Mein weniges und unvorgreiffliches beden - cken waͤre / ſie verſuchten ihr heil bey einem andern groſſen am hofe: es ſind etliche umſtaͤnde / welche an dieſem orte wenig fortgang in ihrem vorhaben ver - ſprechen.

Germ.

Wir begehren nichts mehr als ſchutz und recommendation.

An.

Der herr Reichs-Marſchall iſt gern mit ſol - then geſchaͤfften unverworren.

Germ.651Vierdte Handlung.
Germ.

Unſere noth wird ihn bewegen.

An.

Jch will ihnen nichts verſagen: doch wollen ſie meinem gutduͤncken trauen / ſo nehmen ſie keine ver - gebene muͤhe auf ſich.

Germ.

Ach Heliconie / der anſchlag iſt umſonſt!

Hel.

Es iſt beſſer / etwas vergebens verſucht / als verzweiffelt.

An.

Wollen ſie mein wort nicht anders als durch den ausgang probiren / ſo ſtehet ihnen die thuͤre offen. Doch werden ſie mich entſchuldigt halten / daß ich in ei - ner unmoͤglichen ſache keine dienſte beytragen kan.

(Geht ab.)
Germ.

Der anfang laͤſſt ſich ſchlecht an.

Hel.

Deſto froͤlicher wird das ende ſeyn.

Germ.

Hoͤret doch ihr guter freund / iſt es moͤglich / daß wir vor den herrn Reichs-Marſchall kommen?

Cl.

Ey was weiß ichs / der verlauffenen leute giebt es heute zu tage ſehr viel / man kan allen nicht flugs auf - huͤpffen: wollet ihrs wiſſen / geht und fragt darnach.

(Geht ab.)
(Leo tritt auff.)
Leo.

Was giebt es hier zu thun?

Germ.

E. Gn. belieben ein wort anzuhoͤren.

Leo.

Was iſt euer verlangen?

Germ.

Hier iſt eine arme verlaſſene jungfer / wel - che nach ſo vieler verfolgung und wiederwaͤrtigkeit / unter dero ungezweiffelten gnade und beſchirmung zu ruhen begehrt.

Leo.

Eine jungfer? und wie heiſſt ſie?

Germ.

Jhr name iſt Heliconie / ihr vaterland heiſt Vultavia.

Leo. 652Des Luſt-Spiels
Leo.

Heliconie? und was hat ſie vor verfolgung ausgeſtanden?

Germ.

Jhre frau mutter hat ſie erſtlich angehal - ten mich zum liebſten anzunehmen / doch nachdem un - ſere hochzeit ſolte herbey ruͤcken / fanden ſich andere liebhaber / welche ſie zwingen wolten / ihren eyd und ih - re theure zuſage zu brechen. Jndem ſie nun den him - mel mit einem meineyde nicht beleydigen wolte / hat ſie ihre zuflucht an einen orth nehmen wollen / biß die ge - rechtigkeit einen billigẽ außſpruch wuͤrde gethan habẽ.

Leo.

Wer iſt ihre frau mutter?

Germ.

Sie heiſſet Euſebie / und hat ſich als eine wittbe in Vultavien bißhero auffgehalten / ohne daß man recht erfahren kan / woher ſie buͤrtig iſt.

Leo.

Weiß man nicht / mit wem ſie verheyrathet geweſen?

Germ.

Sie haͤlt es gantz verborgen.

Leo.

Jungf. ſo kennet ihr euren vater nicht?

Hel.

Jhr Gn. ich weiß nichts mehr / als daß ich im vertrauen gehoͤret / er ſolle Leo geheiſſen / und in Mer - nagien groſſe guͤter beſeſſen haben. Doch gedachte ſie dabey / er waͤre nicht offt zu hofe geweſen / alſo daß man vielleicht allhier wenig von ihm wiſſen mag.

Leo.

Es iſt gut. Jch habe meine luſt / bedraͤngten leuten auffzuhelffen. Gehet hinein / ſo weit als ſich mein ſchutz erſtrecket / ſo weit ſollet ihr ſicher ſeyn.

(Sie gehn ab.)

Hilff himmel / was ſol ich gedencken! heiſt dieſe junge tochter Heliconie! iſt Euſebie ihre mutter! iſt Leo ihr vater! und ſol ſie nicht vor eben das fraͤulein halten / welches mir neben der gemahlin entfuͤhret wor - den? mein hertz wallete mir / ehe ich fꝛagte wer ſie waͤꝛe / und ſo bald ich den nahmen hoͤrete / ſchien es / als woltemein653Vierdte Handlung.mein gebluͤte auß dem leibe ſpringen / und dieſen un - verhofften ſchatz empfangen. Ach gluͤckſelig werde ich ſeyn / wenn ich von meiner gemahlin gewiſſe zeitung erhalten werde / nachdem ich ſo viel jahr vergebens nachgeforſchet. Jmmittelſt dancke ich dem guͤtigen himmel / daß die wiederſtattung meiner tochter ſolch gluͤck wol angefangen hat.

(Philyrus koͤmmt.)
Phil.

Mein herr vater / was ſollen dieſe fremden leute in unſerm hauſe?

Leo.

Ach mein ſohn / wie koͤmſtu mir zur gewuͤnd - ſchten ſtunde entgegen! Komm her / und laß die freu - de in deinen ſchoß ausſchuͤtten / welche ich in meinem gemuͤthe nicht umſchraͤncken kan.

Phil.

Worinne ſind wir ſo gluͤckſelig worden?

Leo.

Du ſolſt es hoͤren: doch unter dem geſetz eines unverruͤckten ſtillſchweigens.

Phil.

Jch werde dem herrn vater hierinn nicht zu wider leben.

Leo.

Ach kanſtu wol errathen / wer dieſe frembde jungfer iſt?

Phil.

Das kan ich nicht wiſſen: doch glaub ich / ſie muͤſſe aus einem guten geſchlechte entſproſſen ſeyn.

Leo.

Wolteſtu ſo viel auf ſie halten / und ihrentwe - gen die Mercurie verlaſſen?

Phil.

Wenn ich ſie dazumahl geſehen haͤtte / als ich frey war / ſo wuͤrde ich es empfunden haben / welche mir das hertze am beſten koͤnte einnehmen. Nun iſt mei - ne liebſte an einem andern orte gantz verpfaͤndet / alſo daß ich kein ander weibs-bild mit liebes-augen pflege anzuſchauen.

Leo. 654Des Luſt-Spiels
Leo.

Wolteſtu keine ſchweſter wuͤndſchen / die ihres gleichen waͤre?

Phil.

Jch wolte zwey dergleichen ſchweſtern wuͤn - ſchen / und den himmel darneben erſuchen / daß zum wenigſten die helffte meines wunſches erfuͤllet wuͤrde.

Leo.

Solte aber der himmel dieſe bitte nicht er - hoͤren?

Phil.

Jch habe ſolches von meiner kindheit an ge - wuͤndſchet / ſeit ich die zarte und unmuͤndige Heliconie verlohren; doch biß auf dieſe ſtunde habe ich die bloſ - ſen thraͤnen zum gewinn gehabt.

Leo.

Mein ſohn / was ſoll ich dich aufhalten / dieſe artige unbekandte iſt Heliconie ſelber / das gluͤcke hat ſie unverhofft in dieſe ſtadt gefuͤhret / und wofern mein vermoͤgen etwas vollbringen kan / ſolſtu deine frau mutter bald mit deinem kindlichen kuß empfangen.

Phil.

Ach herr vater / iſt dieſes moͤglich?

Leo.

Es iſt nicht anders / als ich ſage.

Phil.

Was verhindert mich / daß ich nicht alſobald meine hoͤchſtgeliebſte ſchweſter willkommen heiſſe?

Leo.

Bleib zuruͤcke / es iſt noch nicht zeit / daß ihr dieſes wichtige geheimnis bekandt wird. Laß deine freude noch in deinem hertzen verſchloſſen ſeyn.

Phil.

Jch bin gehorſam / doch kan ich mich nicht enthalten / mit ihr bekandtſchafft zu machen.

Leo.

Solches iſt dir unverboten / doch daß ſie nichts mercke.

(ſie gehn ab.)
Aneſtus Mercurie?
Merc.

Eine fremde jungfer?

Aneſt.

Wie ich ſage!

Merc.

Und wo kam ſie her?

Aneſt.

Jch hab ſie nicht gefragt?

Merc.655Vierdte Handlung.
Merc.

Was hatte ſie aber zu ſuchen?

Aneſt.

Was die landlaͤuffer verlohren haben / das hat ſie zu ſuchen.

Merc.

Warum wolte ſie aber zum herrn Reichs - Marſchalln?

Aneſt.

Jch weiß nicht / wer ſie alſo klug gemacht.

Merc.

Doch ſie iſt nicht vorkommen.

Aneſt.

Jch habe ſie kuͤhn genung abgewieſen: Jſt ſie davor nicht erſchrocke / ſo muß ſie unverſchaͤmt ſeyn.

Merc.

Jch moͤchte gerne wiſſen / wie ſich die ſache verhielte.

Aneſt.

Halt da koͤmmt mein Claudius / der ſol uns erzehlen was wir nicht wiſſen.

(Claudius koͤmmt.)

Wie ſtehts Claudius / was giebts neues?

Claud.

Ey was ſolte es geben / ich habe mich er - zuͤrnt / daß ich immer vor eyfer einen abſatz von dem ſchuche abtretten moͤchte. Das veꝛlauffene raben-aaß mit ihrem troͤſter hat ſich noch eingefettert.

An.

Wie ſind ſie vorkommen?

Cl.

Wie grobe unhoͤffliche leute pflegen. Sie plumpten gleich zu.

An.

Wurden ſie nicht zuruͤcke gewieſen?

Cl.

Jch haͤtte es wohl gedacht / doch da war lauter koͤſtlich ding / wir muſten ſtracks zwey loſamenter auß - raͤumen / und außputzen / eines lieff hin / das ander her. Herr Philyrus ſelber ſteht bey ihr und liebaͤugelt wie eine todte ratte / ich halte / wenn er ſich nicht verplam - pert haͤtte / ſo ſagte er ja / ehe die ſonne untergienge.

Merc.

Was hoͤre ich? wil er ſich an eine verlauffe - ne zigeuner-hure hencken? immerhin / er hat mich noch nicht.

An.

Schoͤnſte Mercurie / ein naͤrriſcher kerl iſt un -terwei -656Des Luſt-Spielsterweilen mit worten etwas freygebig / ich halte Monſ. Philyrus iſt unſchuldig.

Merc.

Jch weiß nicht was mir mein hertze prophe - zeyt. Vielleicht beklage ich meine einfalt / ehe die ſtun - de vergeht.

An.

Er wird ſich vielleicht dem herrn vater zu ge - fallen gegen dieſe gaͤſte hoͤflich ſtellen muͤſſen.

Merc.

Es mag ſeyn: Jch wolte / er entdeckte mir ſeine gedancken.

An.

Jch gehe und erforſche den gantzen grund.

Merc.

Alſo dann erwarte ich gewiſſe nachricht.

An.

Sie hat ſich darauff zu verlaſſen.

(Aneſtus und Claudius gehn ab.)
Merc.

So hab ich unter drey liebhabern de ſchlim̃ - ſten erwehlt! ach du unbegreiffliche falſchheit / habe ich ſo viel krafft gehabt / dich in die ſtadt zulocken / da du nun durch den anblick einer unbekandten und verlauf - fenen dirne mein gedaͤchtniß ſo leicht vertilgen laͤſt? wo bleibet nun der eid / damit du mir / und / o ich un - gluͤckſelige! ich mit dir verbunden bin? wo bleiben die verſicherungen / welche mich ſo weit beſtaͤttiget haben / daß ich mich nun ohne ſchertzen der liebe nicht werde entaͤuſſern koͤnnen?

(Sie geht etwas in gedancken; Phily - rus koͤmmt mit Heliconie.)

Ach himmel! iſt kein blitz / der zwiſchen dieſe laſter - hafte verbuͤndniß hinein ſchlagen kan! ſol ich dieſes er - leben / ehe unſere liebe noch zu der vollkommenen ent - ſchluͤſſung gediehen iſt / was wuͤrde ich hernachmahls vor jammer und betruͤbniß uͤber mich nehmen ſollen? doch ich muß hoͤren / was ſie vor meineydige worte ſchieſſen laſſen.

(Sie tritt auff die ſeithe.)
Hel.657Vierdte Handlung.
Hel.

Mein herr / ich weiß nicht / womit ich dergleichen ehr-bezeigung verdienet habe.

Phil.

Jhre tugend iſt ſo groß / daß alle meine dienſte viel zu wenig ſind / ihr nach wuͤrden auffzuwarten.

Hel.

Jch bin mir ſelber am beſten bekandt / und nehme alſo die worte an / als eine hoͤhniſche erinnerung meiner unvollkommenheit.

Phil.

Es iſt ihre unvergleichliche beſcheidenheit / alſo zu ſchertzen.

Hel.

Er hat allhier zu gebiehten / ich muß ihn reden laſſen.

Phil.

Hierdurch befiehlt ſie mir von den complimen - ten abzubrechen.

Hel.

Und dieſes war eine complimente / ſie koͤnte nicht groͤſſer ſeyn.

Phil.

Schoͤnſte Heliconie / wer complimentirt / der iſt falſch.

Hel.

Waͤre ich nicht an einem orte / da ich ſeiner wohl - that leben muͤſte / ſo wolte ich antworten.

Phil.

Es ſind keine Wohlthaten / es ſind auffwar - tungen / welche wir nicht umgehen koͤnnen.

Hel.

Er hat luſt mich zu beſchaͤmen.

Phil.

Damit ich aus dem verdacht komme / ſo will ich einen andern diſcurs anfangen /

(er faſſet ſie bey der hand)

ſchoͤnſte Heliconie / iſt ihr die reiſe nicht beſchwer - lich worden?

Hel.

Jch bin ſo zaͤrtlich nicht erzogen / daß ich mich eine truͤbe lufft oder ein bißgen ſtaub duͤrffte anſechten laſſen.

Phil.

Aber wie befand ſich ihre frau mutter?

Hel.

Sie befand ſich wohl genung / wolte GOtt ſie haͤtte ein muͤtterlich hertz gegen mich getragen.

T tPhil. 658Des Luſt-Spiels
Phil.

Wer iſt aber der ungluͤckſelige liebſte / vor wel - chem ſie hat aus dem lande weichen muͤſſen?

Hel.

Er heiſſet Bojus / ein ſtoltzer menſch / der da meynte / die liebe lieſſe ſich mit ſchnarchen und pochen zwingen.

Phil.

Jch verwundre mich uͤber die unhoͤfligkeit.

Hel.

Es iſt mir leid / daß ich nicht worte gnung habe / die ſache recht vorzuſtellen / nur damit ich alles ungebuͤhꝛ - lichen verdachts entſchuͤttet wuͤrde.

Phil.

Sie mache ſich keine ſolche gedancken / ihre tu - gend hatuns genung verſichert.

Hel.

Jch hoffe auch / ich werde unter ſo hohen patro - nen eines gluͤcklichen ausganges erwarten koͤnnen.

Phil.

Sie hat ſich aller guten freundſchafft zu verſe - hen. Sie befehle nur / ich will ſelber eine reiſe zu ihrer frau mutter auff mich nehmen / und verſuchen / ob meine unterhandlung etwas wircken kan.

Hel.

Dieſes waͤre zu viel / es geben ſich vielleicht leute an / welche mit geringer unhoͤfligkeit darzu koͤnnen bemuͤ - het werden.

Phil.

Jn warheit es ſolte mir eine freude ſeyn / wenn ich duꝛch ſolche dienſte meine gute affeetion erklaͤre koͤnte.

Hel.

Jch erkenne mich zu geringe. Und uͤber diß wer - de ich auff ſeiten der frau mutter wenig zu hoffen haben.

Vulgus.

Jhr frembde jungfer / wo ſteckt ihr? unſer herr will gerne mit euch reden / geht geſchwind / geſchwind / ehe die katze ein ey legt.

Phil.

Jch muß uͤber den herrn vater unwillig ſeyn / daß er mein angenehmes geſpraͤche verſtoͤren will.

Hel.

Vielleicht dancket er ihm davor / daß er von einer unangenehmen perſon erloͤſer wird.

(Sie gehn ab.)
Mer -699[659]Vierdte Handlung.
Mercurie.

Jch darff kein weiter zeugniß / meine augen haben mich nicht betrogen / verflucht ſey die zunge / welche an unterſchiedenen orten zugleich freundlich iſt.

(Sie geht ab.)
Romana.

Da ſchlage bley zu / wo die ſache ſo ablauffen will. Jch habe rath und that darzu gegeben / daß dem herrn Reichsmarſchall / als er noch auf ſeinen guͤtern ohne amt lebte / die gemahlin nebſt der jungen tochter entfuͤhret wurde. Und ſo ſehr als auff beyden ſeiten auff kund - ſchafft gelegt ward / ſo kuͤnſtlich habe ich alles vertuſchen und verbergen koͤnnen; hier ſagte ich / die gemahlin waͤre geſtorben: dort ſagte ich / er haͤtte ſich anderswo verhey - rathet. Nun aber weiß ich nicht / was der hencker vor ein maͤdgen hieher gefuͤhret hat / die mir leicht alles ungluͤck auff meinen kopff bringen koͤnte. Jch muß ſchen / ob meine kuͤnſte was helffen wollen.

(Sie zeucht ihre ober-kleider aus / und macht mit waͤſſer / welches ſie aus einem loͤcherichten topffe ſprengt einen circkel / darein ſetzt ſie ſich / und murmelt etliche un - bekandte wort. Jnzwiſchen koͤmmt Vuͤlgus / der haͤngt die ober-kleider uͤber ſich und ſetzt ſich neben ihr / da ſtellt er ſich / als wolte er ihr den hals brechen.)
Rom.

O Herodes und Pilatus / was iſt das vor ein ding! o meine arme ſeele / o mein armes leben! o koͤnig Tieffentingethal / o hilff uns aus aller qvaal.

(Sie laͤufft davon.)
Vulg.

Daß dir alle hexereyen in die caldaunen fah - ren / du altes rabenfell / ich will dich lehren ſolche naͤrti - ſche worte daher muꝛmeln / kom̃e ich uͤber dich / ſo ſolſtu dẽ topff in deinem geſichte haben / daß dir deine anderthalbT t 2zaͤh -660Des Luſt-Spielszaͤhne ſollen vor die fuͤſſe fallen. Was ſoll doch immer - mehr das naͤrriſche ding vor krafft haben.

(Er ſetzt ſich in den circkel / und murmelt poßir - liche ſachen durch einander.)
Mechanie.

Jch weiß nicht / wie mein liebſter das geſtrige tracta - ment von unſerm alten vater wird empfunden haben. Jch bin gewiß nicht ſchuld daran. Unterdeſſen moͤchte er mir viel zurechnen. Wo muß er doch ſtecken / daß ich ihn heute nicht zu ſehen kriege. Es geht mir auff allen ſeiten naͤrriſch / die jungfer iſt auch einmahl wie ſie ſeyn ſoll / ſie geht und keifft und flucht / und hagelt / als waͤre ihr ein liebſter abgeſtanden. Ja ſie moͤchte mich fluchen laſ - ſen /

(ſie ſiehet ihn)

was zum ſand-velten iſt diß vor ein anblick?

(er greiffet nach ihr)

o da iſt nicht lang zu warten

(er wirfft den rock voniſich.)
Vulg.

Mein liebes zucker-bildgen / wollet ihr von mir lauffen / kennet ihr mich nicht?

Mech.

Ach ihr loſes hertze / ich bin bald vor ſchrecken geſtorben. Was ſoll denn das bedeuten?

Vulg.

Jch wolte etliche maͤuſe fangen / die ſolten meinem guten freunde / der mich immer abſtechen wil / die pantoffeln zerbeiſſen.

Mech.

Es hat nicht noth. Hoͤre ich doch / der andere praler iſt ein hurkind / ich koͤnte mich ſchoͤn beſalben / nehmt nur das geſtrige nicht uͤbel auff: Jhr ſeht wohl / was unſer vater manchmahl vor ein grillenfaͤnger iſt.

Vulg.

Ach ich habe es lange vergeſſen. Es iſt mir lieb / daß ihr es auch wiſſet vom hurkinde. Jch haͤtte es lange geſagt / ſo moͤchte man gedacht haben / ich thaͤte es aus neid.

Mech.

Jch bin ein ehrlich menſch / mein liebſter muß auch dergleichen ſeyn.

(Ger -661Vierdte Handlung.
(Germanus bringt den Claudius heraus ge - jagt. Vulgus und Mechanie lauffen vor erſchrecken davon.)
Germ.

So will ich dir auch darthun / daß ich nicht herkommen bin / deine verfluchten laͤſterwort anzuhoͤ - ren: wo der Herr mit meiner gegenwart zufrieden iſt / da hat ſich ſo ein ſchatten von einem ſtieffelſchmierer nichts drum zu bekuͤmmern. Schweig / oder du ſolſt mehr ſtoͤſſe einfreſſen / als du verdauen kanſt.

Cl.

Was habe ich nun gethan / das mir nicht iſt befoh - len worden?

Germ.

Den hencker dir auff deinen kopff / ſiehe her / dieſes iſt dir befohlen worden.

(er ſchlaͤgt ihn.)
Cl.

Jch will es meinem herrn klagen / der ſoll mich ſchuͤtzen.

Germ.

Siehe / da haſt auch etwas auff deines herrn geſundheit.

(er ſchlaͤgt ihn.)
Cl.

Wenn es ſo hergehen ſoll / ſo wird ſich auff die letzt kein ehrlicher kerle mehr zu|einen diener brauchen laſſen.

Germ.

Solcher ſchelmen iſt das gantze land voll.

(Aneſtus koͤmmt.)
An.

Und was iſt diß vor ein auffſtand?

Cl.

Da ſoll ich mich pruͤgeln laſſen / und ich weiß nicht warum.

An.

Mein herr / wo hat er die manier gelernt / fremb - de diener alſo zu tractiren. Er hat mich ſelbſt |hierin be - leidiget.

Germ.

Es mag ſich der beleidigung theilhafftig ma - chen wer da will / es iſt genung / daß ich mich keinen ſchuh - putzer darff praviren laſſen.

An.

Hat er etwas gethan / ſo will ich richter ſeyn.

Germ.

Es verlohnte ſich der muͤh / daß man mit ei -T t 3nem662Des Luſt-Spielseinem hunde jungen vor dem richter gienge / wo man ſich ſelber helffen kan / da koͤm̃t der proceß am erſten zu ende.

An.

Der herr Reichs-marſchall ſoll uns entſcheiden.

Germ.

Wer was zu ſuchen hat / der ſuche es; ich habe meine revenge.

(Geht ab.)
An.

Das war ziemlich frech vor einen frembden.

Cl.

Und ich muß die ſtoͤſſe nun verſchlucken.

An.

Vielleicht hat dein loſe maul urſache darzu gege - ben / du muſt die ſtoͤſſe ſchon behalten / und das von rechts wegen.

(Geht ab.)
Aqvila / Leo / Willigis / Parthenius / Philyrus / Salinus / Colonus.
Aqv.

ES iſt nun zeit / daß unſere Mercurie mit ei - nem gewiſſen liebhaber verſorget werde: weil ſie nun ein ſolch mittel vorgeſchlagen / darbey das gute gluͤcke am meiſten wird helffen muͤſſen / als befehlen wir unſerm Reichs-cantzler / von dieſen dreyen zu erfor - ſchen / welchen baum ſie vor denjenigen halten / daran Mercurie ihre groͤſte vergnuͤgung ſchoͤpffe. Es ſey ei - nem iedweden vergoͤnnet drey baͤume zu nehmen / wer den rechten trifft / der ſoll die braut heimfuͤhren.

Will.

Auff gnaͤdigſten befehl Jhr. K. M. unſers al - lergnaͤdigſten Herrn / wird Monſ. Philyrus gefragt / welchen baum er ſeiner verhofften liebſte zueigne.

Phil.

So fern ich nach der inclination unſerer aller - ſeits vermeynten liebſte etwas urtheilen kan / ſo hat ſie ih - re groͤſte vergnuͤgung unter einem ſchattichten baum ge - funden. Entweder es iſt ein nuß-baum / oder eine eiche / oder / welches am glaubwuͤrdigſten ſcheinet / eine linde.

Will.

Ein nuß-baum / eine eiche und eine linde. Monſ. Salinus / was hat er vor gedancken?

Sal.

Jch halte / es wird ein feuchtbarer baum gewe -ſen663Vierdte Handlung.ſen ſeyn. Geſetzt / es ſey ein apffelbaum oder ein birn - baum / oder ein maulbeerbaum / ſo hoffe ich doch / des rech - ten nicht zu verfehlen.

Will.

Aepffel / birnen und maulbeeren. Und du mein ſohn / worauff ſtehen deine gedancken?

Col.

Jch meyne / ſie wird ſich an auslaͤndiſcher frucht ergetzt haben. Es ſey nun gleich ein citronen-baum / oder ein pomerantzen-baum / oder ein feigen-baum.

Will.

Citronen / pomerautzen und feigen. Jhr. Koͤn. Majeſt. haben nun die meynungen zu entſcheiden.

Aqv.
(Macht den zettel auff)

die ſache iſt erra - then: Einer hat die liebſte gewonnen.

Leo.

Uñ wer iſt in ſeinem rath ſo gluͤckſelig geweſen?

Parth.

Vor allen dingen wird rathſam ſeyn / daß alle dꝛey angeloben / keinen haß zu ſchoͤpffen / geſetzt ſie wuͤrden hindangeſetzt.

Aqv.

Wir ſehen ſie vor ſolche leute an / welche ſich - ber das gluͤcke nicht erzuͤrnen werden / zumahl da unſere gnade einem ſo wohl als dem andern offen ſteht / wer durch dieſe Mercurie nicht befriedigt wird / der ſoll an - derweit dergleichen und auch wohl beſſere befoͤrderung zu genieſſen haben.

Will.

Dannenhero moͤget ihr drey eure gedancken ſagen.

Phil.

Jch verſichere bey meinen ehren / ja bey verluſt der koͤnigl. gnaden / mit allen denſelben vorlieb zu neh - men / was das gluͤck entſcheiden wird.

Col.

Deßgleichen betheure ich / den gewinn und den verluſt mit gleicher großmuͤthigkeit zu ertragen.

Sal.

Gleichermaſſen ſchwere ich / einem ieglichen un - ter uns den vorzug eben ſo wohl zu goͤnnen / als waͤre es mir ſelber geſchehen.

Aqv.

Wir erkennen eure tugendhafften gemuͤther /T t 4und664Des Luſt-Spielsund ſind bedacht / ſolche erkaͤntniß in der that zu erwei - ſen / unterdeſſen iſt unſeꝛ befehl / ſo lange in ruhe zu ſtehen / biß Mercurie aus unſrem munde der neuen zeitung veꝛ - ſichert iſt.

(Sie gehen ab.)
(Aqvila bleibt allein.)
Aqv.

Wo ſind die jenigen / welche nicht glauben / daß die liebe durch einen heimlichen einfluß des himmels re - gieret werde? Sie moͤchten ſich in gegenwaͤrtigen exem - peln beſpiegeln / und betrachten / wie der eigenſinnige Philyrus erſtlich zwar durch das anſchauen eines arti - gen weibsbilds in die ſtadt gelocket worden; hernach - mals aber mitten in dem ungewiſſen gluͤck ſeinen wunſch beſtaͤtiget und befeſtiget habe / denn alſo leſen wir in dem zettel:

Der baum / darbey ich luſt empfinde /
Der iſt kein ander als die linde.

Und alſo hat Philyrus / dem ſolches gluͤck am meiſten zu goͤnnen iſt / auch den beſten preiß davon getragen / und zweiffel auch nicht / Mercurie werde ſich dieſe wahl am beſten belieben laſſen.

(Mercurie koͤmmt.)

Koͤmmſtu meine tochter / und wilſt dein endlich gluͤcke durch unſer koͤniglich wort befeſtigen laſſen?

Merc.

Jhr. K. M. haben gnaͤdigſt zu befehlen.

Aqv.

Wir befinden / daß du in dem zettel die linde benennet haſt / und ſolchen baum hat Philyrus errathen / alſo mangelt es an nichts / als an deꝛ oͤffentl. veꝛmaͤhlung.

(Mercurie ſeufftzet.)
Aqv.

Was bedeutet dieſe unverhoffte traurigkeit? Jſt die wahl nicht nach deinen gedancken ausgeſchlagen / und haͤtte dich ein ander vergnuͤgen ſollen? Es iſt dem gluͤcke anheimgeſtellt worden / nun haſtu keine gewalt et - was darwiderzu ſprechen.

Merc. 665Vierdte Handlung.
Merc.

Ach allergnaͤdigſter herr / ich befinde mich ſchuldig / meinem freywilligen verſprechen nachzukom - men / aber

(ſie weinet.)
Aqv.

Rede fort / meine tochter / unſere gnade ſoll dei - nem zweiffel zu ſtatten kommen.

Merc.

Jch kan es nicht leugnen / wenn ich meine wahl haͤtte thun ſollen / ſo wuͤrde dieſelbige keinen andern als eben den Philyrus betroffen haben. Doch was ich geſtern geſehen habe / das giebt mir ſchlechte verſicherung zu der geringſten gegen-liebe.

Aqv.

Worinn iſt Philyrus ſtraffwuͤrdig?

Merc.

Es iſt ein unbekandtes frauenzimmer bey ihm eingekehrt / ſolches hat mich dieſes liebſten beraubt.

Aqv.

Es ſind eitel einbildungen.

Merc.

Meine augen betriegen mich nicht: und was die ohren wuͤrcklich hoͤren / daſſelbe muß ſich mein hertze bereden laſſen.

Aqv.

Unſere gewalt ſoll ihn leicht auff den rechten weg bringen. (ſtigen?

Merc.

Aber wer kan ſich an gezwungener liebe belu -

Aqv.

Wir wollen den zwang abthun.

Merc.

Jch ſehe mein ungluͤck.

Aqv.

Tochter / tochter / du mißbrauchſt unſer gunſt.

Merc.

Ach allergnaͤdigſter koͤnig / iſt mein anſinnen nicht rechtmaͤßig / ſo laſſe E. Maj. die hoͤchſte ſtraffe - ber mich ergehn: habe ich aber die urſache mich unter - thaͤnigſt zu beſchweren / ach ſo bitte ich um die eintzige gnade / einer vater - und mutterloſen perſon keine fernere traurigkeit auffzubuͤrden.

Aqv.

Du ſolſt dich uͤber keine gewalt beklagen / aͤnde - re deine wahl / wir wollen alles nach deiner luſt bekraͤffti - gen / da verwechſele dieſen zettel / und ſchreib einen maul - beer-baum oder einen citronen-baum dafuͤr.

T t 5Merc. 666Des Luſt-Spiels
Merc.

Der befehl iſt ſo vaͤterlich / daß ich nicht er - mangeln werde / morgen wils GOtt meinen gehorſam abzulegen.

Aqv.

Und deſſen verſehen wir uns gewiß.

(Sie gehn ab.)
Leo / Romana.
Leo.

JCh halte / ihr ſeyd betrogen worden.

Rom.

Gnaͤdigſter herr / wo wolte ich auff ſolche zeitung gerathen / wenn ich nicht rechte gewißheit haͤtte. Euſebie iſt todt / und ihre tochter iſt vor acht jahren an den kinds-blattern geſtorben.

Leo.

Jch hoͤre aber / Heliconie ſoll noch leben.

Rom.

Ja es lebt eine / aber nicht der Euſebie tochter.

Leo.

Jch weiß es anders.

Rom.

Euſebie iſt laͤngſt geſtorben / aber weil ſie in der geſandſchafft ein kind neben ihrer Heliconie auffzie - hen muſte / ſo iſt es aus irrthum geſchehn / daß man die nahmen verwechſelt hat.

Leo.

Romana / Romana / ich warne euch / ſaget die rechte warheit.

Rom.

Mein herr / was ſolte mich vor noth darzu treiben / daß ich mit luͤgen umgienge / und was haͤtte ich davon / wenn ich mir die unwarheit gefallen lieſſe? wolte er mir gleichwohl ſolche unverantwortliche undanckbar - keit zutrauen?

Leo.

Geht nur hinein / und wartet der frembden jungfer auff / ich will hinter die ſache kommen.

(Sie gehet ab.)
Leo.

Was ſoll ich thun? ſoll ich dieſes weibesbild vor meine tochter erkennen / oder ſoll ich der Romana mehr glauben zuſtellen? Jch habe ſie bißhero nicht falſch be - funden / es ſcheint als muͤſte ſie der gantzen ſache wohl ge - wiß ſeyn / gleichwohl ſpuͤhre ich gegen dieſe neuen gaͤſte ſoeine667Vierdte Handlung.eine zuneigung / die nicht ungefehr entſpringen kan. Der himmel bringe den rechten verlauff an den tag!

(Geht ab.)
Vulgus.

Jhr herren / iſt es nicht wahr / welcheꝛ freyeꝛ die beſten partes bey der liebſten hat / der iſt am gluͤckſe - ligſten: Aber iſt es nicht auch wahr / daß Signor Vul - gus der niedlichen Mercurie das hertze geſtohlen hat? Jſt es nicht wahr / daß ich hahn im korbe bin. Eben deſſent - wegen habe ich in der apotheke zur guͤldenen bratwurſt ein Recipe Jentaculum cum tribus cantharis vini, mi - ſceatur in ventriculo, eingenommen / darauff ſoll ich ſchlaffen / und was mir ins kuͤnfftige begegnen wird / das ſoll mir alſo dann im ſchlaffe vorkommen. O wie wird ſich die Mechanie bey mir einſtellen. Doch ſachte ihr herren / dort unten / wer eine jungfrau neben ſich ſitzen hat / der rede nicht zu laut / daß ich nicht in meinem koſtba - ren ſchlaffe verſtoͤret werde.

(Er leget ſich / und faͤnget an abſcheulich zu ſchnarchen.)
Claudius.

Jſt das nicht ſchande / meine liebſte will kein hurkind zum ehlichen gemahl haben / und ich habe mein lebtage gehoͤret / dieſes waͤren die beſten leute. Ja was kan ich davor / daß mein vater iſt gefangen worden / ehe er hat meine mutter koͤnnen zur kirchen und ſtraſſen fuͤhren / ich halte die ehliche liebe iſt ſo gut da geweſen / als trotz bey dem ehelichſten paare. (er ſiehet den Vulgus) Doch was ſchlaͤfft hier vor ein ratz / iſt es nicht der hahn / der mich ausbeiſſen will? Halt ich weiß / was ich thue / ich will ſeine kleider ſtehlen / und damit ſoll mich Mecha - nie vor den rechtſchuldigen anſehn / biß ich ſie betrogen habe / darnach heiſt es / wilſtu nicht / ſo muſtu.

(Er668Des Luſt-Spiels
(Er zeucht ihn aus / und hingegen legt er ihm ſeine kleider um.)

Nun geht es drauff loß / wozu man nicht mit ehrlichen ſtuͤcken kommen kan / da muß man etliche hurkinds-griff - gen brauchen.

(Geht ab.)
Germanus.

War dieſes nicht ein verfluchter handel / daß ich mich von dem leichtfertigen ſchuhputzer ſolte vexiren laſſen / da die andern hoͤhern perſonen mir ſo guͤtig und ehrerbietig entgegen giengen? o daß ich nicht anders mit ihm um - gangen bin / daß ich dem vogel nicht den hals gebrochen habe! doch ſolte mir noch einmahl dergleichen affront zuſtoſſen / ſo wuͤrde ich ſehen laſſen / daß ich ein ſchlecht ge - wiſſen haͤtte / ſolche henckermaͤßige ſeelen aus dem leibe zu jagen.

(Vulgus ſchnarchet / und weltzet ſich ihm vor die fuͤſſe.)

Was erhebt ſich hier? iſt das nicht eben der ſchelm / der erſt die trockenen ſtoͤſſe von mir eingefreſſen hat? o du mißgeburt von allen creaturen.

(Er ſchlaͤgt auff ihn / Vulgus ſpringt auff.)
Vulg.

Schlaffe ich / oder wache ich! wo ich ſchlaffe / ſo bitte ich / man verſchone mich mit dieſem verdrießli - chen traume.

Germ.

Du magſt ſchlaffen oder wachen / ſo ſolſtu mir nicht hier im wege liegen.

(ſchlaͤgt ihn.)
Vulg.

Ey herr / ich kenne euch nicht / ich bitte / gebt mir nicht anlaß / daß ich mit euch bekant werde.

Germ.

Haſtu deine ſchlaͤge ſchon verdauet.

Vulg.

Jch weiß von keinen ſchlaͤgen / ich habe brat - wuͤrſte gefreſſen.

(ſol.

Germ.

Du zwingſt mich / daß ich dein blut vergieſſen

Vulg.

Je Monſ. Germanus ſeyd ihrs / kennet ihr mich nicht / ihr ſeyd ja in unſerm hauſe.

Germ. 669Fuͤnffte Handlung.
Germ.

Sieh da Vulgus / iſt mirs doch faſt leid / daß ich dich unbekanter weiſe angetroffen habe / wo haſtu den ſchelmiſchen habit angetroffen?

Vulg.
(Beſieht ſich.)

das hat mein hurkind ge - than / halt ich muß dem vogel nachlauffen.

(Geht ab.)
Germanus.

Jch weiß nicht / ob ich mir aus der ankunfft in dieſe ſtadt ein ſonderlich gluͤcke ſchoͤpffen ſoll? ich habe zwar gute und hohe goͤnner gefunden: doch meine lieb - ſte giebt mir anlaß / argwoͤhniſch zu ſeyn. Monſ. Phi - lyrus ſtellt ſich ſo vertraulich / daß ich faſt meiner eifer - ſucht nicht mehr gebieten kan. Jch ſchwere es / ſoll ich nachgeſetzet werden / ſo mag mein widerſacher ſein leben in acht nehmen.

(Geht ab.)

Fünffte Handlung.

Euſebie / Bojus.
Euſeb.

NUn dem Hoͤchſten ſey gedanckt / daß ich an dem ort angelanget bin / da ich meiner kundſchafft nach die ungerathene Heliconie wieder ſu - chen / und dieſelbe ihrem rechtmaͤßigen braͤutigam zuſtel - len ſoll. O was habe ich vor muͤhſeligkeit in meinem ſtande erfahren muͤſſen. Es ſind nunmehr ſechzehn jahr / als ich von boßhafftigen raͤubern nebenſt dieſer Helico - nie entfuͤhret ward. Seither iſt mein hoͤchſtgeliebter Leo geſtorben / und hat mich niemand anſehen wollen / unge - acht ich durch meine getreue Romana viel mittel vorge - ſchlagen. Ach war dieſes noch uͤbrig / daß meine tochter / mein eintziger tꝛoſt / mir noch den letztẽ dꝛuck geben ſolte!

Boj.

Jſt ſich wahr / daß berenheuter Germanus hat gemacht wie ſchelm: Hat der jungfer geſtohlen wie dieb / uñ ich kriege das kerl / will ich brechen das halß. Jſt ſcha -de670Des Luſt-Spielsſo huͤbſche frau / muß nicht haben tochter / und ſo brav kerl / muß nicht haben jungfer. O bin ich boͤſe wie wolff / oder wie beer / ſchwere ich mein ſeel / ſeh ich Germanus / kriegt ohrfeig und ſtich todt.

Euſ.

Ach liebſter ſohn / dieſe drauworte haben hier keine wirckung / wir muͤſſen uns erkundigen / ob wir recht ankommen.

Boj.

Frau mutter / du da bleibſt / ich gehn will / und ſehn / wo iſt wirthshauß / oder wo iſt unſer ſtiel jungſer.

Euſ.

Jch bitte / verziehet nicht / ich will euer an dieſem orte erwarten.

Boj.

Jſt ſchon gut / ich nicht lange bleiben will; will fliegen wie voͤgel und ſpringen wie hirſch.

(Geht ab.)
Euſ.

Ach ſolte es moͤglich ſeyn / daß mich die leute hieher gewieſen haͤt ten / und ich fuͤnde keine tochter / und muͤſte vergebens zuruͤcke gehn. Ach was muß eine mut - ter vor muͤh und wiederwaͤrtigkeit uͤber ſich nehmen / da doch auff der kinder ſeiten ſchlechter oder auch wohl gar kein danck erſtaͤttet wird. Und deſſen ungeacht breunt das muͤtterliche hertz voll lauter liebe.

(Romana koͤmmt.)

Aber wie zum gluͤck ſehe ich meine alte vertraute an dieſem orte? iſt es nicht Romana / ach ich muß gehn und ſie empfangen. Wie ſtehts meine Romana / lebt ihr noch?

Rom.

Meine liebſte Euſebie / iſt es moͤglich / daß ihr in ein Land kommt / da nichts als feinde ſind?

Euſ.

Jch traue meiner unſchuld / die ſoll mich beſchuͤ - tzen.

Rom.

Man ſieht / wie weit man heutiges tages mit der bloſſen unſchuld kommen kan.

Euſ.

GOtt iſt uͤber uns / der kan alle feinde zu ſchan - den machen. (nicht verhindern.

Rom.

Jhr koͤnnet einen verſuch thun / ich will euch

Euſ. 671Fuͤnffte Handlung.
Euſ.

Ach waͤre doch mein Bojus hier geblieben / ich weiß / ihr haͤttet uns rath gegeben / wo man am ſicherſten koͤnte unterkommen.

Rom.

Gebt euch zufrieden / da iſt ein ſchoͤner platz / wollet ihr euer ruh darauff nehmen / ſo will ich unterdeſ - ſen vor euch ſorgen.

Euſ.

Es iſt gar gut / ich bin der ruh gewiß ſehr benoͤ - tigt.

Rom.

Laſſet euch nicht verſtoͤren / ich will bald wieder hier ſeyn.

Euſ.

Jch nehme es zu danck an.

Rom.
(ad ſpectatores)

Ja / ja du ſolt mir dancken.

(Geht ab.)
(Sie legt ſich nieder und ſchlaͤfft / indeſſen koͤm̃t Romana wieder / und hat einen napp mit ſchwartzer farbe.)
Rom.

Halt! dieſes kunſt-ſtuͤck ſoll meine falſchheit bedecken. Hier habe ich eine farbe / welche durch kein waſchen aus dem geſichte gebracht wird / dieſe will ich ihr unter die augen ſtreichen / daß niemand die Euſebie ken - nen ſoll

(Sie bemahlt ihr gantz geſichte.)

Nun bin ich meiner ſorgen loß

(Sie thut den napp auff die ſeite.)
Euſ.
(erwacht)

Ach wo bin ich? Sieh da Romana ſeyd ihr ſchon wieder kommen?

Rom.

Ja ich wolte euch nicht im ſchlaff verſtoͤren.

Euſ.

Wo iſt Bojus geblieben?

Rom.

Er wartet im wirths-hauſe / wollet ihr folgen / ſo will ich euch den weg weiſen.

Euſ.

Gar wohl / ich folge.

(Sie gehn ab.)
Germanus / Heliconie.
Hel.

JCh hatte es meinem liebſten nicht zugetraut / daß er koͤnte boͤſe ſeyn.

Germ. 672Des Luſt-Spiels
Germ.

Und ich haͤtte meine liebſte davor angeſehn / daß ſie mir durch ihr leben keine widrige gedancken bey - bringen wuͤrde.

Hel.

Das hab ich nicht gethan.

Germ.

Vielleicht weiß Monſ. Philyrus mehr da - von / als ich darthun kan.

Hel.

Mein liebſter Germanus / es ſteht nicht fein / daß man alles zu boltzen dreht.

Germ.

Liebſte Heliconie / iſt es aber ruͤhmlich / daß ſie mir ſolch holtz an die hand giebt / daꝛaus ich boltzen drehen muß.

Hel.

Die eiferſucht iſt die andere peſtilentz.

Germ.

Und die leichtſinnigkeit iſt eine gattung der unehre.

Hel.

Jch frage / wenn ich einen bruder haͤtte / ſolte ich mit dieſem nicht freundlich umgehn / ohne ſchaden unſrer liebes-verbuͤndniß?

Germ.

Jch moͤchte wiſſen / wie ſich dieſe frage hieher reimte?

Hel.

Sie ſolte ſich wohl reimen / wenn ich ſagte / Mſr. Philyrus waͤre mein bruder.

Germ.

Man haͤlt von denen jungfern nicht viel / wel - che in der frembde viel bruͤderſchafft und ſchweſterſchafft machen.

Hel.

Jch ſage aber / Philyrus iſt mein bruder.

Germ.

Jch ſage aber / daß mir ſolches nicht lieb iſt.

Hel.

Mißgoͤnnet er mir das gluͤcke?

Germ.

Goͤnnet ſie mir die ſchimpffliche ſchwaͤger - ſchafft?

Hel.

Jſt das ein ſchimpff / wenn er durch mich des herrn Reichmarſchalls ſchwieger-ſohn wird?

Germ.

Ach ſie verſchone mich mit worten / welche mir im hertzen weh thun.

Hel. 673Fuͤnffte Handlung.
Hel.

Liebſter Germanus / ich will ihn nicht verge - bens auffhalten / es iſt mehr als zu gewiß / daß ich des Philyrus leibliche ſchweſter bin. Vielleicht ehe we - nig tage vergehn / wird ſolche heimligkeit vor aller welt offenbar werden.

(Euſebie koͤmmt.)
Germ.

Jch muß mich etwas bereden laſſen / das ich ſchwerlich glaube; doch was ſehe ich?

Hel.

Jch weiß nicht / was ich daraus machen ſoll.

Euſ.

Romana hat mich vexirt / meinen Bojus ha - be ich verlohren / und nun gehe ich in der irre. Allein wo mich meine augen nicht betriegen / iſt dieſes nicht meine verlauffene tochter? wiꝛd ſie nicht von ihrem raͤu - ber bey der hand gefuͤhret? Ach wo iſt Bojus / der die - ſem ehrenſchaͤnder ſeinen reſt giebt.

(Sie geht auff ſie zu.)

Sieh da du ſchoͤnes toͤchtergen / ſoll ich dich hier ſuchen?

Hel.

Was will die alte zigeuner-hure haben?

Euſ.

Du boͤſe kind / willſtu deine mutter nicht er - kennen?

Hel.

Nein / die mutter / die ich kennen ſoll / die muß anders ausſehen.

Euſ.

Heliconie / haſtu mit deiner flucht alle kindli - che liebe verſchwinden laſſen?

Hel.

Mein liebſter / iſt dieſes nicht ein poßierlich weib? hoͤret doch alte madratze / wenn ihr zuviel brand - tewein auff die alte leber gegoſſen habt / ſo geht doch und ſchlafft den rauſch aus.

Euſ.

Ach Heliconie / iſt diß der danck vor meine muͤtterliche treue / daß ich dich mit ſo groſſer gefahr von der erſten kindheit biß hieher gebracht babe?

U uHel. 674Des Luſt-Spiels
Hel.

Jhr alter narr / ſuchet iemand anders / der eure poſſen beſſer vertragen kan.

(Sie gehet mit ihrem Germanus ab.)
Euſ.

O GOtt / wo ſoll ich mich laſſen / wenn mich meine eigene tochter nicht mehr kennen will! wo ſoll ich rath finden / wenn ich bey meinem leiblichen kinde keines raths kan theilhafftig werden? koͤnte mir auch ein groͤſſer gluͤck wiederfahren / als wenn mich der tod alles elendes wolte loß machen? ach ich unſelige mutter habe ich darum eine tochter erzogen / daß ich von ihr das meiſte hertzeleid einnehmen ſolte?

(Sie gehn ab.)
Philyrus / Mercurie.
Phil.

ALſo geht unſer ſchluß zuruͤcke?

Merc.

Was er nicht halten will / das muß frey - lich zuruͤcke gehn.

Phil.

Jch habe meinen ſinn noch nicht veraͤndert.

Merc.

Aber ſein hertz hat er mit der Heliconie ge - theilet.

Phil.

Diß kan ich thun ohne ſchaden unſrer liebe.

Merc.

Jch empfinde den ſchaden allzuſehr.

Phil.

Wer alle falſche einbildungen entgelten ſoll / der muß auch bey der hoͤchſten tugend unrecht haben.

Merc.

Es waͤre zu wuͤnſchen / ich haͤtte eine fal - ſche einbildung.

Phil.

Es waͤre zu wuͤnſchen / ſie verliebte ſich in keinen irrthum.

Merc.

Und was habe ich vor einen irrthum.

Phil.

Daß ſie mich wegen Heliconien in verdacht hat.

Merc.

Soll mein liebſter andern nachlauffen?

Phil.

Soll ein bruder ſeine ſchweſter von ſich ſtoſ - ſen?

Merc. 675Fuͤnffte Handlung.
Merc.

Jſt dieſes nun die falſche farbe / darunter ſein fehler ſoll verborgen ſeyn?

Phil.

Liebſte Mercurie / ſie wird in wenig tagen wunderliche und unverhoffte zeitung erfahren. Un - terdeſſen leben ſie verſichert / was ich der Heliconie ha - be zur freundſchafft gethan / das hat mir die bruͤderli - che ſchuldigkeit abgefordert.

Merc.
(Seuffzet)

Jch ſoll etwas glauben / darzu mein hertze nein ſpricht.

(Euſebie koͤmmt.)
Euſ.

Jch dachte / es waͤre kein gluͤck auff der welt / darauff ich die geringſte zuverſicht ſtellen koͤnte. Doch nun habe ich etwas geſehen / dabey ich erqvicket werde. Mein geliebter Leo lebt noch / und zwaꝛ in einem hoͤhern ſtande / als zu meiner zeit. Romana iſt die heßliche be - triegerin / welche jemahls die ſonne beſchienen hat.

Merc.

Wer koͤmmt hier auff unszu?

Euſ.

GOtt gebe euch viel gluͤck und heyl!

Phil.

Wir wuͤnſchen euch gleich ſo viel / was iſt euer begehren?

Euſ.

Jch moͤchte wiſſen / durch was vor gelegenheit ich koͤnte vor den herrn Reichs-marſchall kommen.

Phil.

Was habt ihr dar zu verrichten?

Euſ.

Jch habe eine ſache anzubringen / daran viel gelegen iſt.

Phil.

Laſſet hoͤren / ich will den vortrag thun.

Euſ.

Jch kan es keinen andern menſchen verrichten laſſen.

Phil.

Jch bin ſein leiblicher ſohn / ich werde ver - hoffentlich dieſer ſache koͤnnen theilhafftig werden.

Euſ.

Wie? iſt es Philyrus?

Phil.

Ja / das bin ich ſelber / ſetzt in meine perſon kein mißtrauen.

U u 2Euſ. 676Des Luſt-Spiels
Euſ.
(wil ihn umfangen.)

Ach willkommen mein hoͤchſtgeliebter ſohn / habe ich die freude / meine liebes-thraͤnen auff deinen backen auszuſchuͤtten.

Phil.
(ſtoͤſſet ſie von ſich.)

Bleibt mir vom lei - be / wie hab ich dieſes verſchuldet / daß ich des henckers groſſemutter ſoll zu meiner mutter annehmen?

Euſ.

Mein ſohn / ich bin Euſebie / ich habe dich un - ter meinem hertzen getragen / ich habe dich mit dieſen bruͤſten geſaͤuget / ach! ich wolte dich auch aufferzogen haben / wenn mich das widerwaͤrtige ungluͤck nicht all - zuweit von dir geriſſen haͤtte

(ſie weinet.)
Phil.

Ach meine ſeligſte frau mutter hat dieſe welt ſchon lange verlaſſen. Jch werde wohl zu ihr kommen / aber daß ſie mich hier beſuchen ſolte / darzu habe ich ſchlechte luſt.

(Sie gehn ab.)
Euſ.

Dieſe freude iſt auch zu ſchanden! ſolte ich von meinem gemahl verſtoſſen werden / ſo iſt es mein tod. Zwar wo mich mein leiblicher ſohn nicht kennen will / ſo habe ich mich einer ſchlechten fuͤrbitte zu getroͤ - ſten.

(Leo koͤmmt.)
Leo.

Jch wolte / mein ſohn haͤtte ſich gegen der He - liconie etwas ſparſamer erzeigt: Nun hat er hierdurch eine eifer-ſucht bey ſeiner liebſten erweckt / welche ihm ſelbſt am hefftigſten ſchaden moͤchte. Die ſache beru - het hierauff / daß ich die Heliconie vor meine tochter erkenne.

Euſ.
(koͤmmt und faͤllt ihm zu fuſſe und weinet.)
Leo.

Frau / was iſt euer verlangen?

Euſ.

Mein herr / ich bitte um gnade.

Leo677Fuͤnffte Handlung.
Leo.

Wer ſeyd ihr?

Euſ.

Die elendeſte perſon von der welt.

Leo.

Worinn ſeyd ihr elend?

Euſ.

Daß ich von meinen beſten freunden verlaſſen bin?

Leo.

Wo ſind dieſelben?

Euſ.
(ſie ſteht auff.)

Der vornehmſte iſt Leo / welcher ſeine Euſebie nicht kennen will.

(Sie weinet.)
Leo.
(lachet)

Jhr gute frau ſparet eure thraͤnen / euer Leo iſt nicht hier: meine Euſebie iſt auch nicht mehr in der welt.

Euſ.

Ach mein herr / er ſehe doch dieſe lippen an / welche er mit ſo viel brennenden kuͤſſen offtmahls uͤbeꝛ - haͤuffet hat; doch welche bißher in ſolchen verfolgun - gen ihren glantz verlohren haben.

Leo.

Jch muͤſte ſonderliche freude an einem ſol - chen nachtſtuͤcke gehabt haben. Doch / was halte ich mich bey der unſinnigen auff?

(Geht ab.)
Euſ.

Mein tod iſt vor der thuͤr / wollen mich dieje - nigen nicht kennen / denen zu gefallen ich leben moͤchte / ſo will ich ihre freude im ſterben erfuͤllen.

(Bojus koͤmmt / Euſebie gehet betruͤbt herum.)
Boj.

Jch nicht weiß wo hencker hat hinfuͤhrt mein mutter / ich ſuche und nicht finde. Und ich frage alle leute nicht wiſſen / wo iſt der alt frau / ich wolte geben thaler / daß ich wuͤſte das weg. Jch nicht bin hund ich nicht kan riechen. O / boͤß frau iſt lauff weg / will mir nicht geben tochter / und hat mir ſagt / hat mir auch ge - ſchrieben / du ſolſt haben tochter: Nun ich nicht ſeh / woU u 3iſt678Des Luſt-Spiels.iſt mutter.

(er geht auff die Euſebie zu.)

Holla du nicht haſt ſehn der alt frau?

Euſ.

Ach liebſter Bojus / habe ich noch einen troſt aus euer gegenwart?

Boj.

Botz ſchlapperloth du mich kennſt / und ich ſey frembd?

Euſ.

Warum ſolte ich euch nicht kennen / ſeyd ihr nicht mein ſteter reiſe-geferte geweſen?

Boj.

Jch dencke du biſt narr / ich gereiſet bin mit das Euſebie.

Euſ.

Bin ich denn nicht dieſelbe Euſehie?

Boj.

Du garſtig ding / bey dir hat ſchlaffen kohl - brenner / oder hat dich hertzen koͤnig in Morenland / dir nicht meine Euſebie biſt.

Euſ.

Habe ich euch nicht meine tochter verſpꝛochen?

Boj.

Jch deine tochter ſeh / ich will ſtoſſen in miſt - pfuͤtzen / will ſagen / geh du thier wie floch / waſch dein naß und dein maul.

Euſ.

Hilff himmel / wo bin ich?

Boj.

Du erden biſt / du wilſt himmel kommen / ich dich todtſchlagen.

Euſ.

Mein hertzens-ſohn / was betruͤbt ihr mich?

Boj.

Nun ich gar dein ſohn bin / ich nicht bin teuf - fels bruder / du haſt ſauffen waſſer / das morgen ſauffen fuhrleut / du gantz narr biſt.

(Geht ab.)
Euſ.

Jſt es moͤglich / daß ich in einer ſtunde meine geſtalt veraͤndert habe? Oder koͤnnen alle meine be - kandten ihr gedaͤchtniß verwechſelt haben? Ach wer will einen ſpiegel alles elendes ſehen / der komme und blicke die arme und verlaſſene Euſebie an.

(Geht ab.)
Ger -679Fuͤnffte Handlung.
(Germanus und Bojus kommen mit bloſ - ſendegen.)
Germ.

Sieh da du nichts wuͤrdiger menſch / wilſtu noch deinen tod bey mir ſuchen?

Boj.

Jch dir brechen will das halß / du nur her - kommen / ich dir reiſſen will der hertz aus das leib.

Germ.

Es iſt nicht zeit viel worte zu machen.

(Sie gehn auff einander loß / und kan keiner dem andern was anbringen. Endlich reiſſet Bojus aus / und wird von Germanus hinein verfolget.)
Albinus.

Jch ſtund trefflich auff der wache / ob kein ſchaden geſchehen wolte / daraus ich einen gewinnſt gehoben haͤtte. Die zeiten ſind itzund treſtich duͤrre / es ſchlaͤgt ſich niemand / es bricht niemand ein bein / in ſumma / die patienten ſind ſo ſeltzam / daß man endlich nicht ſe - hen kan / wovon die nahrung ſoll herkommen / da fuͤhrte das gluͤck zwey zuſammen / ich haͤtte beyden etliche ſtiche gegoͤnnet / daran ich ohne lebens-gefahr drey viertel jahr haͤtte zu heilen gehabt. Doch / da es am beſten angehen ſolte / da riß einer aus / und that mir uͤber ſech - zig thaler ſchaden. Doch wer iſt diß?

(Commodus koͤmmt.)
Com.

Mein herr Albinus verzeihet mir / daß ich ſo gleich zugeh.

Alb.

Er hat nicht um verzeihung zu bitten / ich bin deßwegen da / vornehmen leuten zu dienen.

Com.

Jch muß den herrn um rath fragen. Jch ha - be mit einem vornehmen menſchen wildpret geſſen / da - von iſt mir ein beingen in den zahn zu ſtecken kommen / das macht mir lauter loſe haͤndel / will er nicht darnach ſehn / ob der ſache zu rathen iſt?

Alb. 680Des Luſt-Spiels
Alb.

Gar gerne / gar gerne / er ſetze ſich nieder / und mache den halß auff.

Com.

Aber er mache mir keine ſchmertzen?

Alb.

Ach im geringſten nicht / da hab ich ein inſtru - mentgen / damit ich dem frauenzimmer die augenbrau - nen auszieh / das ſoll ſubtil gnung darzu ſeyn.

(Er verſucht lange / endlich hat ers.)
Alb.

Hier iſt ſeine plage / nun hat es nichts zu be - deuten.

Com.

So klein als das ding ſcheint / ſo groß war mein ſchmertz / der davon herkam.

(Aſmus koͤmmt gelauffen.)
Aſm.

Ach herr Albinus / ich bitte euch um GOttes willen / kommt doch heraus / und ſeht die frembde frau an / ſie liegt vor todt / wo keine huͤlffe geſchicht / ſo iſts mit ihr verdorben.

(Albinus laͤufft mit ihm.)
Com.

Das iſt mein troſt / ich gerathe nicht allein unter des artztes haͤnde.

(Sie bringen die Euſebie / welche ſich end - lich erholt.)
Euſ.

Ach GOtt! wo fuͤhrt er mich hin?

Alb.

Meine frau / ihr ſeyd an einem guten ort / ſaget doch / was iſt euer anliegen?

Euſ.

Ach euer vorſorge iſt vergebens.

Alb.

Nein / nein / es ſollen noch mittel da ſeyn / halt ich muß zuvor das geſichte rein machen / es iſt im fallen ſehr beſudelt worden.

(Er nimmt den ſchwamm und reibet ſie / doch will die ſchwartze farbe nicht abgehn.)
Com.

Herr / das bloſſe waſſer wird den koth nichtab681Fuͤnffte Handlung.abbringen / wer weiß / wie lange es iſt / daß die gute frau ſich nicht gewaſchen hat.

Alb.

Halt / halt ich weiß ein beſſer ſtuͤckgen / hier hab ich eine raritaͤt von einer ſeiffe / die ſoll durchdringen.

Com.

Gebt her / ich will euch helffen.

(Sie waſchen ſie lang / endlich geht die Farbe ab.)
Euſ.

Ach was macht ihr mit mir?

Com.
(ſtutzet.)

Wach ich oder traͤumt mir? Seh ich meine alte bekandte Euſebie / oder iſt es ihr geiſt?

Euſ.

Dem himmel ſey danck / daß mich noch ein menſch erkennen will.

Com.

Meine frau / wo iſt ſie zu dem ungluͤck gera - then?

Euſ.

Wenn ich mein ungluͤck beſchreiben ſolte / ſo wuͤrden ſie eher muͤde werden / mir zuzuhoͤren / ehe ich an die helffte kaͤme.

Com.

Jch habe ſie vor todt gehalten.

Euſ.

Jtzt erkenne ich / was die falſche Romana im ſchilde fuͤhrt.

Com.

Aber hat ſie nicht ihre zuflucht zu dem herrn Reichs-marſchall?

Euſ.

Ach dieſelben / die mich ſolten am erſten auff - nehmen / die haben mich zum ſchimpfflichſten abgewie - ſen.

Com.

Das machts / ihr geſicht iſt mit heßlicher far - be verſtellet geweſen / will ſie das gute vertrauen in mich ſetzen / ſo wird vielleicht ihre gantze noth in die hoͤchſte freude verwandelt werden.

Euſ.

Jch folge ihm willig.

Com.

Er herr Albinus ſorge vor gute bezahlung nicht.

U u 5Alb. 682Des Luſt-Spiels
Alb.

Sein diener / es hat gute wege / ſtoͤſſet ihm et - was vor / ſo befehl er nur kuͤhnlich.

(Sie gehn ab.)
(Mechanie / Vulgus.)
Vulg.

Nun mein liebſtes lemmerſchwaͤntzgen / iſt es dein rechter ernſt / daß du wilſt mein ehlich gemahl werden / ſo ſperre deine purpurfarbene unterlippe von der roſinfarbenen oberlippe eine ſpanne weit von ein - ander / und ſage ja.

Mech.

Mein liebſter Vulgus / ob ich zwar ſo un - gedultig nicht bin / daß ihr geld habt / doch muß ich ge - ſtehn / eure liebe koͤmmt bloß von der artigen hoͤfligkeit her.

Vulg.

Ja / das iſt wahr / wer die hoͤfligkeit lernen will / der darff mich nur laſſen in kupffer ſtechen / und mag mich alle tage ſechs ſtunden anſehn / ſo wird er hoͤf - lich werden als ein jungfer-hund.

Mech.

Aber hoͤret mein hertze / bin ich auch verſi - chert / daß ich nicht verlaſſen werde?

Vulg.

Du liebes kind / lauffe du nicht von mir / ich will wohl bey dir bleiben. Wo gienge ich hin / da ich es beſſer haͤtte?

Mech.

Es iſt ſo eine ſache / die freyer ſind alle treu: aber unter zehn maͤnnern iſt kaum einer / der ſein wort haͤlt.

Vulg.

Jch ſeh wohl ich muß ſchweren.

Mech.

Ja / darum bitte ich ſelber.

Vulg.

Nun ſo gehts an ein ſchweren / daß mir die augen follen bluten.

Mech.

Ey es darff endlich nicht ſo arg ſeyn / ſchwe - ret nur / daß ich drauff trauen kan.

Vulg.

Wo ich dir nicht treu bin / du liebſtes hertz -gen /683Fuͤnffte Handlung.gen / ſo wolte ich / daß mir ein ſchirrmeiſter im leibe wuͤchſe.

Mech.

Ach das heiſt nichts.

Vulg.

So wolte ich / daß ich uͤber und uͤber rauch wuͤrde / wie ein baͤr.

Mech.

Das war wieder nichts.

Vulg.

So wolte ich / daß du in meinen armen zum drachen und baſilisken wuͤrdeſt.

Mech.

Pfuy / das war garſtig geſchworen.

Vulg.

So wolte ich / du ſtirbeſt / und ich muͤſte mich mein lebtage mit einer alten ſpittelmutter ſchleppen / die ſiebentzig jahr alt waͤre.

Mech.

Ey damit iſt mir auch nicht gedienet.

Vulg.

So wolte ich / du muͤſſeſt herr uͤber mich ſeyn / und mir alle tage einen dichten product abſtrei - chen.

Mech.

Nun darbey mag es endlich bleiben. Wenn du ſo willſt / ſo haſtu hier meine hand darauff.

Vulg.

Und hier haſtu meine hand und meinen fuß / nimm dir / was dir am liebſten iſt.

Mech.

Es iſt auch fein / wenn der herr die jungfer freyt / ſo nimmt der diener das cammermaͤdgen.

Vulg.

Ja / ja du ſolſt nun mein cam̃ermaͤdgen wer - den. Aber wie ſtehts um den mahlſchatz / ich bin zur gelben ſucht geneigt / der doctor hat mir verboten / ich ſoll weder gold noch ſilber bey mir tragen.

Mech.

Da wollen wir ſchon rath finden / hier iſt ein pfann-kuchen / da beiß du ein ſtuͤck davon / das ander will ich abbeiſſen / hiemit iſt unſre liebe ſchon beſtaͤtigt.

(Sie langt den pfann-kuchen aus dem koͤrb - gen / welches ſie am arme traͤgt:)
Vulg.

Ach du ſuͤſſer pfann-kuchen / biſtu doch auchmit684Des Luſt-Spielsmit ſchwartzem muſe gefuͤttert / wie lieblich iſt der biß!

Mech.

Nun / damit es auch heraus koͤmmt als ein verloͤoniß / ſo wil ich dieſe bratwurſt auch darzu ſpendi - ren.

Vulg.

Wie machen wir aber gleiche theile daraus?

Mech.

Sieh da / ich will ſie um deinen hals legen / wenn ſie herum koͤmmt / ſo beiß ein ſtuͤck ab / darnach wil ichs auch ſo machen / und ein ſtuͤck abbeiſſen / bleibt was uͤbrig / darum wollen wir uns vergleichen.

Vulg.

Ach mein kind / ehe ich dieſes thu / muß ich dich auff dein trenchir-meſſer kuͤſſen.

Mech.

Ey warte / biß nach der verloͤbniß.

(Hier theilen ſie die wurſt.)
Vulg.

Ach geſegnet ſey die ſau / welche ihr fleiſch zu dieſer verliebten wurſt hat anwenden muͤſſen / geſegnet ſey das hackebret / drauff der fleiſcher ſeine ſachen dar - zu fertig gemacht / geſegnet ſey das maul / welches den erſten biß gethan hat.

Mech.

Geſegnet ſey auch die feuer-mauer / da die wurſt im rauche gehangen.

Vulg.

Geſegnet ſey das holtz / welches den rauch gegeben.

Mech.

Geſegnet ſey die magd / welche das feuer angemacht.

Vulg.

Geſegnet ſey die frau / welche es der magd befohlen hat. Ja / geſegnet ſey der dieb / welcher die wurſt hat ſtehlen wollen / und hat nicht koͤnnen darzu kommen.

Mech.

Mein feines lieb / haͤtte ich doch nicht ge - dacht / daß du von ſolcher groſſen andacht waͤreſt.

Vulg.

Ach es fehlt mir nichts als ein geiſtlich kleid / ſonſt bin ich ſo heilig / als ein tempel-herr.

Mech. 685Fuͤnffte Handlung.
Mech.

Nun ich muß zu meiner jungfer / lebe unter - deſſen wohl / und gedencke / was wir beſchloſſen haben.

Vulg.

Ja / es bleibt bey dem alten credo Wenn der jungfeꝛ hochzeit iſt / da wolle wir eine ſonderliche bꝛaut - tafel in der kuchen-kammer auffſchlagen. Jetzo ſchaffe die ſchweinsfedern zuſammen / daß unſer braut-bette ein anſehn kriegt.

(Sie geht ab.)
Boj.

Weiß ich nicht / wie ietzt iſt in das welt / was zuſagen und halten nicht / hat mir Euſebie zuſagen toch - ter / nun hat luͤgenmaul / weñ Germanus die berenheu - ter will machen hochzeit / ich mich nicht ſchere drum / hab voll jungfer gantz welt / mir ſoll ſagen der alt frau / ich dir nicht geben tochter / ich will haben jungfer mehr ſchoͤn / und nicht geben gut wort. O iſt ſchand / wenn ich will ſuchen liebſte / kommen Germanus und mich wollen ſtechen todt. Jch ſage / das thut ſchelm / der mich will machen todt / eh ich habe frau.

(Vulgus koͤmmt heraus und ſinget / endlich laͤufft er wider den Bojus.)
Boj.

Du Eſel / du mich treten wilſt.

Vulg.

Sieh da herr eſeltreiber / erzuͤrne ſich nicht.

Boj.

Jch dir ſag / du flugs wegpacken.

Vulg.

Jch dir ſage / flugs will da bleiben.

Boj.

Du hund / du mir nachſpotten.

Vulg.

Jch kein hund bin / waͤr ich hund / ich dich beiſſen in der lincke bein / daß weh thun der rechte ach - ſel.

Boj.

O ich muß begehn todtſchlag.

(Zeucht den degen aus.)
Vulg.

O ich muß lauffen darvon.

(Geht ab.)
Boj. 686Des Luſt-Spiels
Boj.

Da lauffen der beſtie / und nicht ſtehn / wenn wollen ſuchen revenge / ich nicht bleiben will / wo ſind ſolch leut.

(Romana koͤmmt.)
Rom.

Wie ſtehts herr Bojus / wollen wir mit ein - ander fort?

Boj.

Jch will lauffen auff der ſturtzel / wo ich nicht habe bein.

Rom.

Jch habe es laͤngſt gedacht / ich wuͤrde dieſen danck davon haben: doch morgen iſt auch ein tag / da man ſeine rache fodern kan / kom̃t mein liebſter freund / wer fragt nach der Heliconie / ihres gleichen ſind in der welt genung / die gute Euſebie mag ſehn / ob ſie vor mir allzeit ſicher bleiben ſoll.

(Sie nimmt ihn bey der hand / und fuͤhret ihn davon.)
Aqvila / Leo / Willigis / Parthenius / Euſebie / Mercurie / Heliconie / Philyrus / Colonus / Salinus / Commodus.
Aqv.

Liebſter getreuer / wir erfreuen uns neben euch / daß die laͤngſt verlohrne Euſebie nunmehr in eu - ren armen ſo wohl ihr erlittenes ungluͤck / als auch den darauff erfolgten freuden-wechſel beſinnen kan. Der himmel gebe / daß die treuen dienſte / welche unſere cro - ne von euren haͤnden genoſſen hat / auch durch dieſe be - lohnung reichlich und nach eurem wunſche vergolten werden.

Leo.

Großmaͤchtigſter koͤnig / ich haͤtte freylich kein hoͤher gluͤcke in dieſer welt erreichen koͤnnen / als daß ich den zweck meiner liebe in der Euſebie / den grund meiner ehre in dero koͤnigl. gnade finden moͤchte. Und dannenhero werde ich deſtomehr anlaß haben / auchden687Fuͤnffte Handlung.den letzten bluts-tropffen vor die wohlfahrt dieſes wohlbekandten koͤnigreichs / und zufoͤꝛderſt vor dero Koͤn. Maj. auffzuſetzen.

Aqv.

Wir ſind eurer treue verſicheꝛt genung: geſtalt wir auch zum zeichen einer unveraͤnderten gnade / die heyrath zwiſchen eurer tochter Heliconie und den tapf - fern cavallier Germanus wollen beſtaͤtigt haben.

Germ.

Groſſer koͤnig / ich wolte dieſe unſchaͤtzbare gnade mit vielen worten danckbarlich erkennen / wenn ſich die goͤttlichen ſachen nicht mit einem ehrerbietigen ſtillſchweigen am beſten beehren lieſſen. An E. K. M. iſt nur dieſe unterthaͤnigſte bitte / mit unverruͤckter huld uns beyden gnaͤdigſt beyzuwohnen.

Aqv.

Jhr ſollet dieſes nicht vergebens gehoffet ha - ben. Aber meine Mercurie haſtu noch willens / dei - nen liebſten zu veraͤndern.

Merc.

Ach ich erkenne die weibliche ſchwachheit.

Aqv.

Durch dieſe antwort kan ſich Philyrus nicht vergnuͤgen.

Merc.

Jch habe mich in die linde verliebt; wer die - ſelbe errathen hat / der ſoll mein liebſter heiſſen.

Aqv.

So kommt demnach liebſter Philyrus / und nehmet dieſes kleinod von unſern haͤnden / welches ſo wohl durch euren wunſch / als durch die ungefaͤrbte ge - gen-liebe / ja abſonderlich durch die unerforſchliche ſchickung des gluͤckes / euer angenehmes eigenthum werden ſoll. Wachſet zuſammen / und vergeſſet eures koͤniges nicht / deſſen vaͤterliche vorſorge euer gluͤcke allzeit befoͤrdern wird.

Phil.

Nun empfinde ich / warum koͤnige und fuͤrſten von GOtt ſelbſten goͤtter genennet werden: Maſſen E. K. M. durch dero hochpreißliches exempel darthut /daß688Des Luſt-Spielsdaß dero koͤnigl. natur bloß im gnaͤdig ſeyn und im wohlthun beſtehn muͤſſe. Hat mein inbruͤnſtig gebet bey GOtt / oder meine geringſchaͤtzige muͤhwaltung in dieſem koͤnigreiche einigen nachdruck / ſo verhoffe ich zum wenigſten im willen zu erweiſen / daß ich kein laſter hoͤher vermieden haben / als die undanckbarkeit.

Aqv.

Unſern koͤniglichen ſeegen habt ihr voͤllig / der groſſe Koͤnig im himmel wolle ſolchen durch ſeinen ſpruch kraͤfftig machen. Was aber die andern betrifft / welche der Mercurie wuͤrdig genung geweſen / wofern es moͤglich waͤre / daß ein frauenzimmer mit drey lieb - ſten zugleich verſorget wuͤrde; ſo haben dieſelben nicht zu zweiffeln / daß bey eheſter gelegenheit an ſie nach - druͤcklich gnung ſolle gedacht werden.

Coll.

Was E. K. M. gefallen hat / ſolches kan nicht anders als mit erfreutem und getroſtem hertzen angenommen werden.

Sal.

Die hoffnung einer hoͤhern gnade vertilget den uͤberdruß dieſes gegenwertigen verluſts.

Aqv.

Alſo iſt der heutige tag ein rechter freuden - und belohnungs-tag / und welcher mit nichts beheffti - ger koͤnte beleidiget werden / als mit traurigkeit und melancholey.

Will.

GOtt ſegne E. K. M. mit langem leben / damit dieſelbe die fruͤchte dieſer geſchloſſenen heyra - then nicht ohne ſonderbare gemuͤths-ergetzung ſehn und genieſſen moͤge.

Parh.

Es lebe E. K. M. damit alle diejenigen ſich ihres lebens erfreuen moͤgen / welche in dero koͤnig - lichen gnade zu ruhen beſchloſſen haben.

Aqv.

Alter vater Commodus / wo werden wir euch zur ruh bringen?

Com. 689Fuͤnffte Handlung.
Com.

Allergnaͤdigſter herr / meine ruh iſt mehr als zu koͤſtlich ausgewirckt / in dem der herr Reichs-marſchall mir das ſchoͤne vorwerck am Steler-fluſſe zu immerwaͤh - render beſitzung eingeraͤumet hat. Und bedancke ich mich nochmahls zum unterthaͤnigſten oͤffentlich / GOtt bittende / daß / in ermanglung meines vermoͤgens / er alle gutthat an meiner ſtelle erſtatten wolle.

Aqv.

Dieſes iſt eine loͤbliche that / welche billig an die - ſem freuden-tage in unſerer gegenwart geruͤhmet wird / doch nun wird nichts uͤbrig ſeyn / als daß wir befehl thun / dieſen inſtehenden abend alle beyde beylager an unſerm koͤniglichen hofe zu vollziehen.

(Sie gehen ab biß auff Leo / Euſebie / Germa - nus / Heliconie / Philyrus und Mercurie.)
Leo.

Ach meine Euſebie / ſo habe ich nun das gluͤcke / euch zu umfangen / oder ſol ich vor meinen unverantwort - lichen irrthum buͤſſen?

Euſ.

Den fehler / welchen meine vermaledeyte Roma - na begangen hat / darff ich nicht von unſchuldigen haͤnden fordern. Jch vergnuͤge mich daſſelbe zu erhalten / welches ich laͤngſt verlohren geſchaͤtzt.

Leo.

Und alſo umfange ich den troſt meines lebens.

Euſ.

Und ich umfaſſe die crone meiner gluͤckſeligkeit.

Leo.

Jch gehe und heiſſe meine geliebte tochter noch - mahls willkommen.

(Er kuͤſſet ſie.)
Euſ.

Und ich eile zu meinem hoͤchſtgeliebten Phily - rus.

(Sie kuͤßt ihn.)
Hel.

Ach hochgeehrter herr vater / er wolle doch ſo guͤ - tig ſeyn / uñ mein verbrechen bey der fr. mutter ausſoͤhnẽ.

Euſ.

Liebſte tochter / das verbrechen iſt mir ſehr er - freulich / indem es ſo eine wunderſchoͤne wirckung nach ſich gezogen hat.

Phil.

Aber wie werde ich die vormahlige verachtung entſchuldigen.

X xEnſ. 690Des Luſt-Spiels
Euſ.

Liebſter ſohn / es iſt alles entſchuldiget. Dem himmel ſey gedanckt / der uns nach ſo langer entfernung mit beſſerm gluͤck zuſammen bringt.

Hel.

Aber meine ſchweſter Mercurie / wie ſtehts um die vormahlige eiferſucht? (gegeben.

Merc.

Jch muß mich ſchaͤmen / daß ich mich ſo bloß

Hel.
(Umfaͤngt ſie.)

Gleichwohl ſoll uns ins kuͤnff - tige nichts abhalten / daß wir nicht unſern Philyrus zu - gleichen theilen lieben ſolten.

Merc.

Jch werde deßwegen keinen widerwillen ſpuͤ - ren laſſen / ſie vergoͤnne mir nur / daß ich ſie mit ſchweſter - licher liebe allzeit umfaſſen moͤge.

Leo.

Jhr lieben kinder / ſparet die uͤbrigen liebes-zei - chen biß auff morgen.

Germ.

Jch muß nur bitten / meine entfuͤhrung vor ein himmliſches verhaͤngniß zu halten / dadurch unter / ſchiedene heimligkeiten offenbahr worden.

Euſ.

Wir muͤſſen euch dancken / daß ihr auch unwiſ - ſend unſer gluͤcke befoͤrdern koͤnnet.

(Ein iedweder faſſet die ſeinige bey der hand.)
Lco.

NUn der kummer iſt entwichen / Meine zier iſt nicht verblichen Und hier lebt Euſebie: GOtt wird ſie geſund verſparen / Biß ich ſatt an luſt von jahren Neben ihr in himmel geh.

Euſebie.

Jch war todt / nun leb ich wieder / Meine freude lag darnieder / Nun umfaß ich dieſes haupt / Welches mir viel gunſt erwieſen Und nunmehr als wie vor dieſen Alle liebes-treu erlaubt.

Ger -691Fuͤnffte Handlung.
Germanus.

Bojus iſt nun uberwunden / Und Germanus hat gefunden Was ſein gantzer ſinn begehrt; Alle fehler ſind vergeben / Und ſein allzu freyes leben Wird durch keinen haß beſchwert.

Heliconie.

Ach wie hefftig iſt die freude / Hier ſeh ich die liebſten beyde Kindlich und gehorſam an / Hier ſeh ich ein bruder-hertze / Und hier iſt die liebes-kertze / Welche mich vergnuͤgen kan.

Philyrus.

Gute nacht ihr ſtummen baͤume / Bringet eure falſchen traͤume Einer andern ſeele bey: Dieſe kuͤſſe / dieſe blicke Zeugen / daß mein hoͤchſtes gluͤcke Bey der keuſchen liebe ſey.

Mercurie.

Dieſe liebe / dieſe tugend Herrſchet uͤber meine jugend / Jch bin ſein und er iſt mein: Seine wohlgefuͤhrte proben Kan ich nicht als hoͤchlich loben / Und er muß vergnuͤget ſeyn.

Leo.

Ach du dreyfachſchoͤnes gluͤcke / Eile nimmermehr zuruͤcke / Sondern bleib in ſolcher ruh / Aber ihr Mernager graͤntzen692Des Luſt-Spiels beſchluß.Leget dieſen roſen-kraͤntzgen Tauſend ſchoͤne wuͤnſche zu.

(Hier zeigt ſich Jrene in den wolcken / und ſinget oder redet folgendes:)
DU dreyfach doppelt paar / der himmel iſt zu frieden /
Und rufft dir gnaͤdig zu: Es geh dir ewig wohl.
Jch bringe dir die poſt / und bin darzu beſchieden /
Daß ich in gegenwart die lieb erhalten ſoll.
Geſegnet ſey das band / geſegnet ſeyn die fruͤchte /
Geſegnet ſeyd ihr ſelbſt / und wenn ihr ferner lebt /
So lache GOttes gunſt mit unverwendtem lichte /
Damit kein finſterniß auff eurem haupte ſchwebt /
Verwundert euch nur nicht / hier bring ich andre zeugen /
Die leben ſtets bey mir und hoͤren GOttes rath /
Und alſo werden ſie den ſegen nicht verſchweigen /
Den er nunmehr auff dich ſo ſchoͤn gepflantzet hat.
(Der himmel oͤffnet ſich gantz und neben viel en - geln wird folgendes von allem chor geſungen.)
BOttes ſchluß bleibt ungebrochen /
Er hat dir einmahl verſprochen /
Gnaͤdig und bereit zu ſeyn /
Drum ſo klopffe mit den haͤnden /
Und nimm auch an allen enden
Fruͤchte von dem ſeegen ein.
Der himmel iſt froͤlich und zeiget die blicke
Mit dreyfach-ja tauſendfach ſchoͤnern geluͤcke.

ENDE.

About this transcription

TextChristian Weisens überflüßige Gedancken Der grünenden jugend
Author Christian Weise
Extent713 images; 145123 tokens; 15998 types; 939877 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationChristian Weisens überflüßige Gedancken Der grünenden jugend Christian Weise. . [6] Bl., 692 S. FritschLeipzig1701. (Die für das DTA ausgewählte Ausgabe von 1701 vereint zwei Ausgaben von Christian Weise. Diese Ausgaben sind das 1668 erschienene Buch „Der grünen Jugend Uberflüssige Gedancken“ (dieses ist in 10 Kapitel gegliedert und enthält ausschließlich Gedichte), sowie die 1673 erschienene Fortsetzung „Eine andere Gattung Von den Uberflüssigen Gedancken“ (dieses umfasst mehrere Dramen und Prosa). Die ausgewählte Ausgabe von 1701 enthält zusätzlich das Drama von 1668 „Die Triumphirende Keuschheit“. Da das Werk von Weise in einem Band vereinigt vorliegt und die gewählte Ausgabe digital verfügbar war, wurde diese Ausgabe für das DTA volltextdigitalisiert.)

Identification

SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 P GERM III, 676

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Lyrik; Drama; Prosa; Belletristik; Lyrik; Drama; Prosa; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:35:43Z
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ShelfmarkSUB Göttingen, 8 P GERM III, 676
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