ES kan niemanden unbewuſt ſeyn, was die Entdeckungen der weit abgelegenen Laͤnder denen Europaͤiſchen Natio - nen vor Nutzen ſo wol ſchon geſchafft, als auch noch bis dato einbrin - gen, und muͤſte dieſes derjenige leug - nen wollen, der von allen Menſchen ab - geſondert, und in ſeiner Einſamkeit als auſſer der Welt lebte. Es iſt unglaub - lich, was das maͤchtige Spaniſche Reich aus ihren Colonien der neuen Welt vor groſſen Profit noch taͤglich genieſſet; Und duͤrfften wir eben nicht ſo weit gehen, ſon - dern nur auf die herrliche und unzehl - bare Schaͤtze ein Auge werffen, ſo die Niederlaͤndiſchen Schifffahrten aus Oſten und Weſten nach Hauſe bringen.
Der Profit, den ſo wol der eine als der andere dabey gemacht, hat unterſchiedene) (2Natio -AVERTISSEMENT. Nationen angereitzet, auch durch der - gleichen Mittel Theil an den auslaͤndi - ſchen Koſtbarkeiten zu nehmen, und ha - ben ſie, um ihren Wunſch zu erreichen, ſich auch die gefaͤhrlichſten Reiſen von ih - rem Vorhaben nicht abbringen laſſen. Jnſonderheit iſt keine Nation nach der Spaniſchen Entdeckung in ihrem Fleiß weiter, als der Hollaͤnder kommen, welches ein Volck iſt, ſo ihre Kundſchafft im See-Fahren, ihre Kriegs-Tapfferkeit und Liſtigkeit im Handel, ſo mit ihrem Gluͤck und Unternehmungen haben ver - knuͤpffen koͤnnen, daß ſie allen andern Reichen und Republiquen es zuvor ge - than.
Jhr Fleiß hat nach ſo vielen gluͤcklichen Entdeckungen niemals ruhen koͤnnen, ſon - dern continuirlich mehr Wag-Haͤlſe vor - gebracht, die mehrere Laͤnder aufgeſuchet haben.
Das unbekannte Suͤdland iſt lange das Ziel von ihren Unternehmungen ge - weſen, iedennoch fiel ihr Unterfangen, ohnangeſehen ihr angewandter und vor - ſichtiger Fleiß, ſo zu Entdeckung eines Lan - des gehoͤret, ſehr groß war, fruchtlosweg,AVERTISSEMENT. weg, und war eine verlohrne Muͤhe ge - weſen.
Vor einigen Jahren hat die Oſt-Jn - dianiſche Compagnie das Schiff den gol - denen Drachen von Batavia dahin geſandt, um die innerliche Beſchaffenheit dieſes Landes zu entdecken; Man nahm Volck von vielerley Nationen mit, auf daß man durch ihre Sprache diejenige Mund - Art, ſo in dieſem Lande florirte, kennen lernte, und fehlte auch nicht an andern Sachen, ſo zu einer Entdeckung eines Landes noͤthig waren; Allein da dieſes Schiff durch einen groſſen Sturm auf den Strand getrieben worden, hatte die - ſes Vornehmen keinen guten Ausgang. Man ſchickte ferner von Batavia das Schiff, der wackre Bote, ab, um die Truͤmmern und Uberbleibſel von dem goldnen Drachen abzuholen; als aber dieſes Schiff bey denen geſcheiterten Stuͤcken des Drachen kommen, fanden ſie keinen Menſchen dabey, und muſten die Schiffs-Capitaine nach verlohrner Arbeit in des Landes Entdeckung, un - verrichteter Sache zuruͤck kehren. Ein Matroſe, Nahmens Henrich Texel,) (3hatteAVERTISSEMENT. hatte ſich, als ſie Landwaͤrts eingangen, verirret, und war von ſeinem Volck ab - kommen, ob dieſes gleich einige Zeit den - ſelben verlohrnen geſucht, iedoch endlich wieder zu Seegel gangen war. Dieſer Matroſe hatte ſich viele Jahre in dieſer unbewohnten Wildniß kuͤmmerlich, und mit demjenigen, was er aus einem ge - ſtrandeten Schiffe zuſammen geſchlep - pet, beholffen, und lebte in ſeiner Ein - ſamkeit als ein Koͤnig ohne Untertha - nen; bis er endlich von denen wilden Strand-Einwohnern von Suͤdland ge - fangen worden, iedoch iſt er auf eine be - ſondere Weiſe dem Barbariſchen Tode entkommen, und in die Stadt Talouja -[El]zum Koͤnig gebracht worden, welcher ihn zum Hollaͤndiſchen Schulmeiſter machte, und bis in ſein hohes Alter wohl tractiren ließ.
Als der Herr von Poſos mit einem Schiff nach den Philippinen-Jnſuln zu - ſeegelte, ſo wurde er durch einen ent - ſetzlichen Sturm bis an das Suͤdland getrieben, er gieng mit 24. Mann ans Land, und wolte ſolches recognoſciren, welches ihm auch ſo wohl gluͤckte, daß erallesAVERTISSEMENT. alles fand, was die Jnſul, deren Regie - rung, Volck, Gottesdienſt und Hand - lung ꝛc. betraff. Und bey dieſer Gelegen - heit fand er auch den Henrich Texel, ſo von dem Schiff, der wackre Bote, ans Land ge - rathen, und nun bereits ein alter Mann worden war, welcher ihm die Nachricht von ſeinen ſeltſamen Avanturen zuſtellte.
Der Leſer wird in dieſer Beſchreibung viel beſondere Sachen finden, welche nicht von ſchlechten Werth ſeyn, ſo wol was die gute Policey, den Fleiß des Volcks, die Kriegs-Anſtalten, das Leben und Handelſchafft der Einwohner an der See und ſehr viel Merckwuͤrdigkeiten betrifft, die alle mit Lehren von ſolchen Sachen, ſo gelehrte Leute gegeben, und andern nuͤtzlichen Unterricht ausgefuͤhret ſeyn, und die allein den neu-begierigen Le - ſer vergnuͤgen werden, ob gleich der Koͤnig als in einem Haupt-Geſetze verboten, daß er keine Europaͤiſche Nationen in ſeinem Lande dulten wolle, als worzu dieſer Fuͤrſt ſeine beſondern Urſachen zu haben ſcheinet.
Der Autor hat uͤber diß einige Nach - richt von den Stroͤmen, Hafen und ge -) (4bau -AVERTISSEMENT. bauten Wercken wider die See ꝛc. bey dem Texel-Strom gegeben, und dabey ver - ſchiedene Lehren mitgetheilet, wie das Waſſer von fernern Einbruch in dieſe Lande abzuhalten ſey. Nicht weniger hat er eine nuͤtzliche Beſchreibung von den Scharbock auf Schiffen gemacht, und da - bey gewieſen, wie man dieſem Ubel abhelf - fen koͤnne.
Endlich wird der geneigte Leſer keinen hohen Stylum hier antreffen, weil man mehr auf die Sache ſelbſt, als auf eine zier - liche Schreib-Art geſehen. Und iſt bey denen Seefahrenden mehr braͤuchlich, Rea - lia als hohe Worte zu zeigen. Hiebey ſey es genug, und beliebe es der Leſer ſich zu Nutz zu machen.
[NB. Der Jnhalt eines ieden Capituls iſt auf vor - herſtehenden Blaͤttern zu erſehen.]
NOth hat kein Gebot. Und die Noth und Nutzen machen offt, daß ein Menſch ſeine Gedan - cken und Vorhaben aͤndert. Jndem ich in der Welt anfaͤnglich kein Geld und keinen vornehmen und anſehnlichen Freund hatte, muſte ich mein Gluͤck im 16ten Jahre ſuchen. Meine Eltern, die geringe Pacht-Leute waren, erzogen mich in der Gottesfurcht, oder beſſer zu ſagen, in allen Tugenden nach der Roͤmiſch-Catholiſchen Reli - gion. Sie hatten mich rechtſchaffen leſen, ſchreiben und rechnen lernen laſſen.
An ſtatt daß ich nun mich in einiger Bedie - nung brauchen laſſen ſollen, ſo muſte ich im Jahr 1674. mit Willen meiner Eltern als Sol - dat unter dem Regiment des Grafen von Hoorn Dienſte nehmen, und wurde ſelben Sommer auf die Flotte gebracht. Der Admi - ral de Ruyter ſeegelte damals eben nach der Jn - ſul Martinique, und der Admiral Tromp nachARoſes. 2Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. I. Cap. Roſes. Unſere Compagnie kam auf das Schiff, ſo das Wapen von Eſſen hieß, und ein ſchoͤn Gebaͤude war. Selbiges wurde durch den Ca - pitain Brouwer, von Eydam buͤrtig, comman - diret; es fuͤhrte 50. Canonen und 210. Mann Schiffs-Volck, und von unſerm Regiment drit - tehalbe Compagnie Soldaten. Unter dem Schiffs-Volck war ein Ober - und 2. Unter - Chirurgi, von welchen 2. letztern einer von Ober - Jſſel gebuͤrtig war. Als ich einſt eine Geſchwulſt auf der rechten Schulter bekam, heilte dieſer mich umſonſt, und daher wurde ich zum erſten mit ihm bekannt, ſo wie es mein damaliger Stand zu - ließ. Er ſtudirte faſt allezeit, und liehe mir verſchiedene Reiſe-Beſchreibungen, die von den erſten Reiſen der Hollaͤnder nach Oſt-Jndien handelten, und las ich ſolche zu meinem Zeit - Vertreib durch. Hierdurch bekam ich immer mehr Luſt zu ſolchen Buͤchern. Als wir aber nach Cadix kamen, (nachdem wir die Jnſuln von Belle Isle und Normantiers in dem Frantzoͤſiſchen Meeꝛ eingenommen, und wieder verlaſſen hatten) ſo kamen alle Soldaten von unſerm Regiment von unſern auf andere Schiffe.
Die gantze Flotte gieng durch die Straſſe nach Roſes. Das Wapen von Eſſen mit dem Schiff die Koͤnigin in Schweden Chriſtina, blieben vor Cadix, welche dicht an der Straſſe, und ſo weiter auf die Silber-Flotte, die man allda erwartete, kreutzeten. Alſo muſte ich zu meiner groͤſten Betruͤbniß einen Freund, der mir ſo noͤthig war, mit meinem Vergnuͤgen zu leſen,miſſen3Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. I. Cap. miſſen. Doch hatte ich von ihm gelernet, daß es ſehr nuͤtzlich und ruͤhmlich ſey, wenn man mit dem Schickſal zufrieden waͤre; o - der, man muͤſte ſich in die Zeit ſchicken; welches ich auch aus Noth zu thun gezwungen ward.
Als die Flotte durch die Straſſe zuruͤck kehrte, kam unſer Schiff mit noch einigen andern unter dem Vice-Admiral de Haan in dem Hafen vor Ca - dix wieder zu anckern, da wir das Wapen von Eſſen und die Koͤnigin Chriſtina wieder fanden. Jch hatte keine Gelegenheit, an deren Bord zu kommen, doch bat ich meinen Capitain, als die Chalouppe an Land fuhr, daß ich mit an Land ge - hen moͤchte, um die Stadt zu beſehen; welches er mir auch verwilligte. Denſelben Tag fuhr ich mit der Chalouppe nach der Stadt: Als ich darinn war, gieng ich die Stadt gantz langſam durch, und nahm ſie in Augenſchein, ohne daß ich Geld oder Bekanntſchafft gehabt hatte; als ich ſo fort gieng, kam ich auf den Marckt, da ich meinen alten Freund und ehrlichen Chirur - gum zu ſehen bekam. Die Freude gab mir Fluͤ - gel an die Beine, ich lieff ihm nach, und faſſete ihn in die Arme, die Thraͤnen floſſen mir aus den Augen, und ſagte: O GOtt Lob, mein lieber Herr, daß ich ihn geſund wieder ſehe. Als er mich anſahe, verwunderte er ſich, und fragte, was mir fehle, warum ich weinte. Jch ant - wortete: Vor Freuden, daß ich ihn geſund wieder ſehe; darauf noͤthigte er mich mit zu ge - hen, und fragte, ob ich ſchon geſſen haͤtte. Nein,A 2ſagte4Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. I. Cap. ſagte ich, nun iſt es ſchon 2. Uhr, Nachmit - tags um 4. Uhr muß ich wieder an Bord ſeyn, da ſoll ich was zu eſſen bekommen. Er fragte mich wegen unſerer Reiſe, die ich ihm im gehen erzehlte, und daß wir viel Krancke auf unſerm Schiffe haͤtten. Er fragte mich, ob ich auch kranck auf der Reiſe geweſen, oder einige Zufaͤlle gehabt haͤtte, und ob ich noch wohl mit meinem Capitain ſtuͤnde. Jch ſagte, daß ich all - zeit geſund geweſen, und daß mir mein Capitain haͤtte Urlaub gegeben, an Land zu gehen, um die Stadt Cadix zu beſehen, welches er keinem andern Soldaten erlaubet. Das gefiel ihm ſo wohl, daß er mir 2. Gr. gab, und mir ſagte, ich moͤchte zu dieſen Becker gehen, da er mich hin - wieß, und ſolte mir davor Brod holen, ſo ich ſo fort that, und es ihm behoͤrig uͤberliefern wol - te, er aber ſagte: Jhr ſolt das aufeſſen, und da iſt ein Quart (welches ein Viertel von einem Species-Thaler, oder ein Stuͤck von achten iſt) verzehrt das auf meine Geſundheit, und wenn unſre Chalouppe nach eurem Bord ge - het, will ich euch noch mehr geben.
Man kan leicht dencken, wie froh daß ich daruͤber ward, denn ich hatte kein Geld, ſo lang ich auf der See geweſen, gehabt. Jch ſeufftzte, und ſagte: Ach mein guter Herr Chi - rurgus, ich hoffe, daß alles, was er an mir thut, ihm GOtt wieder vergelten werde, ich will GOtt vor ihn anruffen, ja alles vor ihn thun, was ich kan, befehle er nur, was er von mir verlangt, ich werde allzeitdran5Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. I. Cap. dran gedencken, und wenn ich kan, es ver - gelten. Der Chirurgus ſagte: Macht doch nicht ſo viel Complimenten, geht nun eures Weges, GOtt gebe uns beyden eine gute Reiſe, wenn ich euch im Vaterland wieder antreffe, ſo will ich euch alle Freundſchafft und Liebe erzeigen, die in meinem Vermoͤ - gen iſt. Nun lebet wohl.
Er gieng von mir, und ich ſahe ihm ſo lange nach, bis er in eine Straſſe gieng. Jch ſeufftzte, und wuͤnſchte ihm in meinem Hertzen alles Guts. Jch tranck zu meinem Brod Wein vor meine 2. Gr. und fuhr gegen 4. Uhr mit unſerm Boot wieder an Bord.
Nach einigen Tagen muſten wir auf Ordre des Vice-Admiral Haans aus dem Hafen gehen; und lieſſen das Wapen von Eſſen mit 8. bis 10. Kriegs-Schiffen, wie auch die Schmyrniſche Flotte und andere Kauffardey-Schiffe da. Jch hoͤrte nach der Zeit im Vaterlande, daß ſie durch Unvorſichtigkeit in den unſichern Canal ein - gelauffen, da das Wapen von Eſſen ſeinen groſ - ſen Ancker und Seegel verlohren, und haben ſie das Schiff mit Booten regieren helffen muͤſſen.
Als ich ins Vaterland kam, wurden wir in die Stadt Gorcum in Garniſon geleget. Mein Ca - pitain machte mich zum Muſter-Schreiber un - ter ſeiner Compagnie, ſo daß ich keine Wachten mehr thun durffte. Meine Eltern hatten mich in aller Tugend auferzogen, und durch Wohl - verhalten und Demuth gewann ich die Hertzen aller meiner Officierer und Soldaten.
A 3Jch6Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. I. Cap.Jch uͤberlegte meinen itzigen Zuſtand ſehr offt, daß ich keine Freunde hatte, und ſahe, daß ich nicht durch Gunſt meines Capitains (ob ſie auch noch ſo groß waͤre) zum Sergeanten-Dienſt gelan - gen konte. Weil ich auch anitzo wenig zu thun hatte, ſo gieng ich erſt zum Zeit-Vertaeib, her - nach aus Luſt und Eyfer allzeit in die Kirche. Dis wurde ich zuletzt gewohnt, ſo daß ich keine einige Meſſe und Predigt verſaͤumte. Das ge - fiel meinem Capitain ungemein wohl, der auch deßhalb meinen Sold auf 1 ½ Rthlr. erhoͤhete. Jch konte von einem Thaler leben, ſchickte da - her meinen Eltern alle Monat 2. Rthlr. dis gefiel und belohnete GOtt und Menſchen, denn GOtt ſegnete mich auf eine beſondere Weiſe, wie es das vierdte Gebot verſpricht.
Mein Capitain, der nicht ſehr geitzig war, gab mir ſeine etwas abgetragene Kleider; Jch fuͤhrte mich nunmehr als ein Cadet auf, und bekam auch dadurch, ſo wol als durch mein fleißig Kirchen - Gehen die Bekanntſchafft mit einem Prieſter, der ein ſehr frommer, gelehrter und alter Mann war. Als er meinen Lebenslauff ange - hoͤret, bat er mich, daß ich alle Montage und Freytag des Mittags bey ihm zum Eſſen kommen ſolte, ſo ich auch annahm, worauf mir mein Capi - tain noch mehr gewogen wurde, als vor dieſem.
Jch hatte mein Quartier bey einem Boͤttcher, der ein alter ehrlicher Buͤrger war, da ich vor Zeit-Vertreib ihm halff die Reiffe ſcheelen und weiß machen. Jch machte mir aus Zeit-Vertreib ein Schurtz-Fell vor, und kriegte ſolche Luſt zumboͤtt -7Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. I. Cap. boͤttchern, daß ich nicht allein einen Reiff wohl anlegen, ſondern auch die Tauben wohl zuberei - ten, und Eimer, Gefaͤſſe und andere Sachen machen konte. Jch hatte noch mehr Luſt dazu bekommen, weil ich in Spanien erfahren, daß die Spanier ſehr jaloux ſeyn, fremde Nationen mit nach America zu nehmen, ja daß es ihnen bey hoher Straffe verboten; Jedoch naͤhmen ſie bey entſtehendem Mangel wol einen Boͤttcher o - der Trompeter von einer fremden Nation mit, und dacht ich, es wuͤrde mir auch noch einmal zu paß kommen.
Als mein Prieſter dis hoͤrte, und mich um mei - ne Meinung fragte, befahl er mir, daß ich ins kuͤnfftige 2. Tage in der Woche mit den Boͤtt - chern fortfahren, die uͤbrige Zeit aber in der Ma - theſi aufwenden ſolte. Dis nannte er die See - le der Wiſſenſchafften: Doch ſagte er mir, daß ich dieſes nicht ohne Willen meines Capitains thun ſolte. Dieſem wartete ich alle Abend auf, und fragte, ob er was zu befehlen. Der gute Capitain that mir nebſt dem Prieſter alles Guts, was ihm nur moͤglich war.
Mein Prieſter war mir ſo gewogen, daß er mich allzeit, wenn wir allein waren, ſeine Pa - the nannte, weil ich meine Eltern ſo lieb hatte, u. ihnen Gutes that. Er recommendirte mir einen guten Mathematicum, welcher ſein Beicht-Kind war, der mich mit ſolchem Eyfer und Luſt unter - richtete, daß ich die 6. erſten Buͤcher des Euclidis wohl verſtehen konte. Darnach lernte er mir die Algebra, und zuletzt die gantze SteurmannſchafftA 4des8Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. I. Cap. des Gietermachers, dieſes letztere verſtund ich ſehr leicht, weil ich die wahre Fundamente ſchon gelegt. Jch legte zu Rotterdam mein Steur - manns-Examen ab, ſo daß ſo wol der Examinirer, als auch die Zuhoͤrer ein Gnuͤgen dran hatten.
Mein Capitain gab mir auf das freundlichſte, (wiewol ungerne) wie auch der Prieſter meinen Abſchied, und halffen zu meiner Befoͤrderung ſo wol ſelbſt, als durch ihre Freunde, daß ich bey ei - nem Schiffer von Rotterdam als Unter-Steur - mann nach Spanien in Dienſte genommen wurde.
Als ich nach Cadix kam, machte ich mich mit einem reichen Kauffmann bekannt, vor dem wir Waare mitgebracht, derſelbe handelte ſtaꝛck nach America.
Als dieſem meine Auffuͤhrung gefiel, bat er mich, daß ich bey ihm wohnen moͤchte, ſo wol bey ſeinem Contoir zu ſchreiben, als auch Aufſicht auf ſeinen Handel zu haben.
Jch konte ſo gleich auf die allererſte Bitte mit der groͤſten Freundlichkeit von meinem Schiffer loß kommen, weil ſein alter Steuermann, der vor dieſem mit ihm gefahren, daſelbſt dienſtlos war, weil ſein Schiff vor einigen Tagen durch Sturm auf Laspuercas geblieben. Dieſer trat an meine Stelle, und ich in meine Dienſte bey dem Kauffmann, da ich nach ſeinem Gefallen und meinem Vermoͤgen lebte. Nach andert - halb Jahren konte ich vollkommen Spaniſch re - den, leſen und ſchreiben. Mein Patron bat mich unterſchiedene male, daß ich mit den Ga -lionen9Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. I. Cap. lionen nach America gehen ſolte, und verſprach mir deßhalb ein groſſes, ich nahm aber Bedenck - Zeit daruͤber. Jm Jahr 1678. im Martio, als ich in Cadix durch eine Straſſe gieng, um nach dem Pack-Hauſe zu gehen, ſahe ich zu meinem Gluͤck meinen alten Freund den Chirurgum. Jch eilte ihm nach, und bewillkommte ihn aufs freundlichſte. Als er mich aber anſahe, verſicher - te er mich, daß er mich nicht kennete; weil ich auf Spaniſch mich wohl heraus gekleidet hatte, in - dem ich einen Mantel, Degen und Dolch anhatte. Als ich mich endlich zu erkennen gab, war er ſehr vergnuͤgt, daß es mir ſo wohl gieng. Jch bat ihm, daß er ein Glaß Engliſch Bier mit mir trin - cken moͤchte, welches er auch annahm; Als wir in die Herberge kamen, war unſer Diſcours von unſerer erſten Reiſe im Jahr 1674. und was uns ſeit der Zeit widerfahren. Endlich fielen wir auch auf America.
Der Chirurgus war allezeit meines Wiſſens ein groſſer Liebhaber von See-Charten geweſen, wie er dann auch einen Atlas mit ſich fuͤhrte, welchen er ſelber mit Waſſer-Farbe illuminirt und unterſchieden hatte. So viel auch als er Reiſe-Beſchreibungen bekom̃en konte, die er noch nicht geſehen, las er mit groſſen Bedacht durch.
Jch ſagte ihm von allen meinen Sachen, ſo gut ich konte: Und nachdem wir alles wohl uͤberlegt, rieth er mir, daß wenn ich als Factor meines Pa - trons nach America kommen koͤnte, und honnet Tractement kriegte, ſolte ichs thun, doch ſolte ich mich auf keine lange Zeit und Jahre einlaſſen,A 5ſon -10Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. I. Cap. ſondern daß ich zum laͤngſten nach Verlauff ei - nes Jahres mit der Silber-Flotte nach Spanien zuruͤckkehren, oder nach meinem Belieben laͤnger da bleiben moͤchte. Und urtheilten wir, daß ſo ei - ne Reiſe nach America mir ſehr nutzbar ſeyn ſolte, und mir leicht viel Gut und Reichthum ein - tragen koͤnte. Jch uͤberlegte dis bey mir ſelbſt, und kam des Tags drauf an ſein Schiff: Er war auf dem Schiff, dem Printz zu Pferde, welches durch den Capitain, Johann Minne van Harlem, commandirt wurde, welcher die Flotte nach Smyrna convoyren ſolte. Als wir uns, als gu - te Freunde pflegen, beurlaubet, gieng ich mit einer Barque wieder nach der Stadt. Wir ka - men taͤglich zuſammen ſo wol zu Lande, als im Schiffe, dann die Smyrnen Flotte blieb 3. Wo - chen im Hafen liegen.
ALs ich meinen Entſchluß nach Portobello zu gehen werckſtellig machen wolte, reſolvirte ich in Dienſten meines Patrons, und nicht in Koͤnigl. Sold dahin zu gehen. Doch hatte ich dieſes auszufuͤhren Rath vonnoͤthen, weil weder fremde noch auch gebohrne Spanier dahin zu gehen zugelaſſen werden; ſondern es wird nur bey einigen Mangel ein Boͤttcher oder Trom - peter mitgenommen. Jch redete das Spani - ſche ſo gut als Hollaͤndiſch. Es konte auch kein Spanier an meiner Ausſprache hoͤren, daß ich ein Fremder waͤre, daher reiſete ich manchmal in Dienſten meines Patrons zu Lande von Cadixnach11Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap. nach Mallaga. Jch nahm meinen Weg uͤber die Oerter, dahin mein Patron handelte. Und alſo gieng ich meiſtentheils von Cadix auf Porto de St. Maria, von dar auf Xeres de la Frontera, hernach auf Medina Sidonia, von dar auf Martos, welches ein Dorff in la Tierra de Ronda iſt, ſo am naͤchſten den halben Weg zwiſchen Cadix und Mallaga liegt. Hier war ein Wirth, da ich allezeit logir - te, der Johann de Poſos hieß, wir nennten einan - der allezeit Vetter, ſo daß viel Bauern nicht an - ders wuſten, als daß wir Freunde waͤren; ſol - ches geſchah halb aus Gewohnheit, und halb aus guter Freundſchafft, hernach aber nennten wir uns in Ernſt ſo. Jch hatte einen Brief an ihn von meinem Patron, den er in meiner Ruͤck - Reiſe von Mallaga nach Cadix beantworten ſolte, wie er auch that. Denn in meiner Ruͤckreiſe gab er mir einen Brief an meinen Patron, worinn er mich ſeinen Vetter hieß, und mit eben ſeinem Nahmen Juan de Poſos titulirte, recommandir - te mich auch an meinen Patron, daß er mir alle Freundſchafft erweiſen moͤchte: Als ich nach Haus kam, uͤbergab ich dieſen Brief an meinen Patron. Nun war ich in einen Spaniſchen Bauern Sohn verwandelt. Mein Patron, der auch ſehr ſtarck auf Sevilien handelte, ſchick - te mich dahin an ſeinen Vetter, der ein ſehr rei - cher Kauffmann war, und mit ihm in Compagnie nach America handelte. Jch brachte an ihn einen Brief von meinem Principal, und einen von mei - nem neuen Span. Vetter, dem Bauren-Wirth, Juan de Poſos. Er empfieng mich mit allerLie -12Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap. Liebe und Hoͤflichkeit, und erwies mir alle Eh - re, die ich nur wuͤnſchen konte. Da ich zu Sevi - lien war, wurde indeſſen alles fertig gemacht, was ſo wol die Kauff-Guͤter, als meine Perſon be - traff. Jch gieng alſo mit den Gallionen im Jahr 1679. fort, und hatte Ordre, daß ich erſt zu Porto Bello und hernach zu Carthagena haushalten ſolte, ich kam allda geſund an, und verrichtete meine Sachen zum Vergnuͤgen meines Pa - trons. Jch blieb 2. Jahr zu Porto Bello, da ich mit den Jndianern viel handelte, und nahm auch einen Jndianer zum Knecht an. Als ich mit den Jndianern Landwaͤrts ein heimlich handelte, lern - te ich ihre Sprache, welches mir in vielen Stuͤ - cken Vortheil brachte.
Hier ſolte ich eine Beſchreibung von Porto Bel - lo und denen Landen daherum machen, und Ame - rica*Hiervon wird dem G. L. Zenners Neu-Europa, als die neueſte Beſchreibung von America, beſtens re - commendiret, welche zu Leipzig nur kuͤrtzlich heraus kommen, und bey dem Verleger dieſes Tractats, G. C. Wintzern Buchhaͤndlern daſelbſt, zu haben iſt ſo weit ich geweſen bin, abbilden. Allein es iſt dieſes mein Vorhaben nicht, weil man da - von ſo viele Beſchreibungen ſchon hat, und ich darinn nicht viel Neues an Tag bringen wuͤrde.
Jch kam alſo, nachdem ich 2. Jahr in Porto Bello gewohnt, nach Carthagena, von dar ich nach Verlauff eines Jahres wieder nach Cadix mit ei - ner guten Handlung, die meinem Patron ſehr gefiel, gluͤcklich im Jahr 1682. ankam.
Auſ -13Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap.Auſſer meiner accordirten Beſoldung gaben mir meine beyden Patronen noch eine anſehn - liche Verehrung, und boten mir an, daß wenn ich wieder dahin gehen wolte, ſie nicht allein mei - ne Cage ſehr vermehren wolten, ſondern daß ich auch auſſer dem eine gewiſſe Portion aus der Handlung haben ſolte; dis war eine nicht unebene Sache vor mich.
Nun war ich ſchon ſo weit kommen, daß ich Credit hatte, ſo wol bey meinen Patronen, als Kauffleuten; denn man ſahe mich als einen ehrlichen Menſchen an, der als Unterkauff - man, Buchhalter oder oberſter Laden-Diener in Dienſten ſtund, denn ich handelte mit vielen Gelde vor meine Patronen, und auch etwas vor mich.
Meine Patronen wurden mit mir eins, daß ich im Jahr 1684. wieder nach America reiſen ſolte, iedoch mit mehrerer Freyheit, als ich in meiner erſtern Reiſe gehabt hatte. Jch reiſete alſo im beſagten Jahre fort, und kam gluͤcklich wieder nach Porto Bello. Meine Patronen hat - ten hier ein eigen Haus, und 2. Packhaͤuſer, darinn ich wie vorhin wohnte. Jch habe er - wehnet, daß ich in meiner erſten Reiſe viel heim - liche Handlung Landwaͤrts ein hatte. Dis fieng ich nun wieder an, weil mir die Jndianiſche Sprache, die ich gruͤndlich verſtund, keinen klei - nen Vortheil brachte. Jch bekam alſo aus Ge - winnſucht Luſt, ie laͤnger ie tieffer Landwaͤrts ein zu handeln, bis daß ich endlich ſchluͤßig wurde, Panama an der Suͤder-See zu beſuchen:Und14Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap. Und wolte ſehen was ich da vor Handel treiben koͤnte. Jch wuſte wohl, daß daſelbſt alles Sil - ber aus Peru ausgeſchifft, und zu Lande nach Porto Bello gebracht wird. Dis trieb mich an, daß ich uͤber Land von Porto Bello nach Panama gieng, und wolte da ſeyn, wenn die Flotte von Peru allda anzukommen gewohnt iſt. Als ich da ankam, hatte ich guten Handel. Hier hoͤrte ich, daß von Panama auch uͤber die Suͤder-See in die Philippinen Jnſuln gehandelt wird. Jch hatte zwar Luſt dahin zu reiſen, durffte mich aber ohne Urlaub von meinen Principalen ſo ferne von ihren Guͤtern nicht wegmachen. Daher gieng ich mit meiner Kauffmannſchafft uͤber Land wieder nach Porto Bello, und dis war im Jahr 1688.
Jch ſchickte alle Jahr meine Kauff-Guͤter mit den Gallionen mit guten Gewinn uͤber, bis ich im Jahr 1694. ſelbſt mit zuruͤck kam. Jch wurde von meinen Principalen mit aller Liebe und Gewogenheit empfangen, und bekam von ih - nen, was ich verlangte. Als wir im Jahr 1695. zuſammen gerechnet, und alles uͤberſchla - gen, war noch eine groſſe Summe vor mich uͤ - brig, welches ſo wol vor meinen bedungenen Lohn, als meine gemachte Handlung war. Jch kriegte eine Begierde, uͤber Porto Bello und Pana - ma die Philippiniſchen Jnſuln zu beſuchen: Und weil ich keine Luſt zum Heyrathen hatte, wolte ich meine Eltern in meinem Vaterlande noch einſt beſuchen, mit dem Vorſatz, wenn ſie noch lebten, ſie erſt recht zu verſorgen. Jch wurdeaber15Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap. aber doch ſo lange aufgehalten daß ich erſt im Maji 1696. in Holland kam: Jch reiſte ſo fort nach meinen alten und frommen Eltern. Als ich aber dahin kam, erfuhr ich, daß meine Mutter ge - ſtorben, und mein Vater war 60. Jahr alt. Jch gieng nach ſeiner Wohnung, er kannte mich aber im geringſten nicht: Als ich mich nun ihm zu er - kennen gab, war der alte Mann ſo erfreuet, daß er mir um den Hals fiel, und gantz erſtarrete. Wir weinten beyderſeits. Nachdem wir uns wieder erholet, ließ ich eine gute Mahlzeit machen, und erzehlte ihm meine Begebniſſe und Vorha - ben, nemlich daß ich ihn Lebenslang verſor - gen wolte, als weßwegen ich meiſtentheils hier - her kommen ware. Jch kauffte ihn alſo in ein gut Hoſpital ein, gab noch 600. Rthlr. vor ihm auf Leib-Renten, und verſorgte ihn mit allem was er noͤthig hatte.
Es erfreute ihn ſehr in ſeinen alten Tagen, daß ich ihn ſo wol verſorget hatte, und es war mir eine noch groͤſſere Freude, daß GOTT mir Gelegenheit gegeben, meinen Vater alſo an die Hand gehen zu koͤnnen. Jch liebte ihn uͤberaus ſehr, wie es auch ein redlich Kind ſchuldig iſt.
Die Zeit meines Aufbruchs kam nunmehro, und ich letzte mich mit meinem alten Vater, doch nicht ohne heiſſe Thraͤnen, von beyden Sei - ten, denn er wuſte daß ich wieder nach Weſt-Jn - dien, und ſodann ferner nach die Philippinen-Jn - ſul gehen wolte. Unſer Abſchied geſchah auf bey - den Seiten mit groſſer Wehmuth, weil ich den alten Mann ſehr lieb hatte. Jch verehrte ihmnoch16Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap. noch 20. Ducaten und einige Species-Thaler, und ſchieden alſo vergnuͤgt, doch auch berruͤbt voneinander.
Jch kam in dem Monat Januar. 1696. nach Amſterdam, hier fand ich meinen alten treuen Freund vor der Thuͤre des Herrn Viſchers ſte - hen, da er nach einer neu heraus gekommenen Land-Charte ſahe. Als ich ihn mit lachenden Geſicht die Hand bot, kannte er mich ſo fort. Wir umhalſeten einander aufs freundlichſte, und giengen in eine Herberge, da wir eine Stu - be allein verlangten, und blieben von 4. bis 8. Uhr beyſammen; Es koͤnnen 2. Bruͤder einander nicht freundlicher begegnen, als wir es thaten. Wir erzehlten einander unſre Lebens-Geſchichte. Jch war ſo lange in Weſt-Jndien geweſen. Der Chirurgus hatte ſchon eine Frau mit 3. Kindern. Und hatte ſich in einer ſehr nahrhafften Stadt geſetzet, daraus er gebuͤrtig war. Wir giengen mit einander nach ſeiner Herberge, und ich ſchlieff bey ihm. Wir hatten die gantze Nacht einander ſo viel zu erzehlen, daß wir kaum Zeit zum Schlaff uͤbrig hatten. Der Chirurgus aber muſte in 2. bis 3. Tagen wieder nach Hauſe verreiſen, und hatten wir unſre ernſtlichen Diſcourſe kurtz zu ma - chen.
Jch fragte den Chirurgum, weßhalben er zu Amſterdam ſey: Er gab zur Antwort, daß er dahin kommen, um einige Medicin zu kauffen, weil er als ein halber Apothecker damit handel - te. Er waͤre aber auch eigentlich deßhalben hie - her kommen, daß er einige Puncta wegen Entde -ckung17Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap. ckung des Suͤd-Landes vorſtellen wolte, und ſol - ches hatte er einen ſehr vornehmen und beruͤhm - ten gelehrten Mann von der Regierung uͤber - geben, und gebeten, daß man es ihm demonſtri - ren laſſen moͤchte. Als dieſer vornehme Herr die Puncta geſehen, haͤtte er ſie ſehr gut befunden, und gefragt: Ob er ſolche auch darthun koͤn - te. Die Antwort des Chirurgi waͤre geweſen, daß er deshalben nach Amſterdam kommen. Worauf dieſer Herr geſagt, ihr kommt zu ſpaͤt, Vlaminck iſt ſchon darnach hin. Der Chirurgus antwortete hierauf: ich bin nicht des - halben gekommen, daß ich mitfahren, ſon - dern daß ich vor ein gewiß Stuͤck Geld die - ſe Puncta demonſtriren will. Es muß entwe - der gut ſeyn, oder ich will kein Geld haben.
Hiermit iſt er fortgangen, und da er ohngefehr eine Land-Charte vor Herr Viſchers Hauſe ange - ſehen, habe ich ihn daſelbſt ſtehend angetroffen.
Jch bat ihn des Morgens, daß ich die Puncta ſehen und abſchreiben moͤchte, welches er mir gern zuſtund, und mir ſeine Schrifften ſo gleich uͤber - lieferte.
Die Puncte beſtunden in folgenden ſieben.
Gedancken wegen der naͤhern Anlaͤn - dung in Suͤd-Land, da von einem naͤhern Reglement gehandelt wird.
Jch verwunderte mich, daß er nicht zum Exa - men zugelaſſen wurde, zumal da er ſagte, daß er ſolches zur Gnuͤge demonſtriren wolte, oder wenn es nichts nuͤtzte, er kein Geld verlange.
Den ſechſten Punct zeichnete ich beſonders auf, und meinte, daß mir ſolche Sachen ſelbſt wohl zu Nutzen kommen ſolten, es moͤchte nun ich oder meine gute Freunde betreffen.
Jch bat dieſen meinen Freund, daß er mir eine Beſchreibung von dem Scharbock auf dem Schiff geben moͤchte, und wie ich eine Er - friſchung auf dem Schiff allezeit haben koͤnte, damit ich mich in Kranckheiten erqvicken, und ſolchen zuvor kommen moͤchte, und ſolte er mir ſolches, wie ers in ſechſten Punct erklaͤrte, zur Hand ſtellen. Er willfahrte mir ſo fort darinn,und19Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap. und gab mir aus ſeinen Manuſcripten das Capi - tel von dem Schiffs-Scharbock ꝛc. Jedoch mit dem Beding, daß ich keine von ſolchen Medi - cinen offenbaren moͤchte, und koͤnte ich ſie nur an mir und an meinen guten Freunden gebrauchen.
a)Von dem Schiff-Scharbock.Meine Gedancken die ich vor dieſen in mei - nen vorigen See-Reiſen wegen des Schiffs - Scharbocks gehabt, ſo wol was deſſen Urſach, Fortgang und Geneſung betrifft, wurde hier nun mehrentheils bekraͤfftiget. Jch hatte ſehr genau wie ich noch zu Schiffe war, auf die Schiff - Kranckheiten Acht gegeben, und inſonderheit auf den Schiff-Scharbock, welcher ſich ins - gemein folgender maſſen offenbahrte: “Die „ mit Scharbock behafftete wurden erſt lahm, „ hatten wenig Appetit zum Eſſen, hatten ein trau - „ rig Geſicht, ſie waren froſtig, als wenn ſie „ manchmal innerliche Fieber haͤtten, auch wol „ recht fieberhafftig. Jhr Mund ſtanck, weil ihr „ Magen verdorben war, ihr Zahnfleiſch wurde „ roh, und ſchwoll, wurde blutig und faul, blu - „ tete auch leicht. Sie ſchwitzten viel, der Urin „ war roͤthlich, und der Athem wurde immer „ kuͤrtzer. „
Einige, deren Magen-Saͤure noch ſtaͤrcker „ war, fraſſen ſo viel als vier Leute, der Puls ſchlug „B 2nicht20Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap. „ nicht einmal wie das andere, ſondern war offt „ irrig, und ſie ſelbſt wurden mager.
„ Aus dieſen allen iſt klar zu erſehen, daß der „ Schiffs-Scharbock eine uͤble Wartung des „ iſt, wie ihn viele beſchrieben haben.
„ Die Urſach davon iſt die Dicke und Schlei - „ migkeit des Bluts, oder der Sehn-Adern, und „ aller beyder zugleich. Dieſe beſetzen und ver - „ ſtopffen die Eingeweide, Vaſa und Nerven.
„ Wenn dieſe ſchleimigte Sache ſchaͤrffer wird, „ ſo beiſſet ſolche, naget und macht Schmertzen, „ Hunger und andre Zufaͤlle.
„ Wenn ſelbige nicht davon geneſen, ſo folgt „ der Tod unfehlbar.
„ Die Fermentation, Efferveſcirung und reif - „ fen ſaltzigten, ſauren, ſchweflichten, und ſaltzigten „ ſchweflichten, wie auch ſchweflichten ſaltzigten „ Theilgen mit einer Laͤnge ꝛc. gehoͤren mehr zu „ den Chymiſchen und Philoſophiſchen Pun - „ cten, als zu der wahren Erfahrung der Cur des „ Scharbocks; ſonſt faͤnde man die beſten „ Steuer-Leute allezeit zu Lande. Die Erfah - „ rung iſt hier, wie auch in den meiſten Ver - „ richtungen die beſte Lehrmeiſterin. Unter „ den Schiffs-Leuten entſtehen, bey denen, ſo mit „ Scharbock behafftet, die dicken und ſchleimig - „ ten Saͤffte aus folgenden drey Urſachen:
Man hat Mangel an Waſſer bey ſeiner Geſundheit.
Jch halte davor, daß dieſe Betrachtung, die ſo „ vielen Theilgen unſers Lebens Saffts weniger „ beruͤhren wird, als es itzo die Mode iſt. Jch „ weiß, daß unſer Blut aus einer duͤnnen kaͤſich - „ ten Milch oder flieſſenden Feuchtigkeit mit run - „ den rothen Faͤſergen und langen duͤnnen Draͤthgen zuſammen geſetzt iſt. „
Daß in dieſer Vermiſchung Spiritus, Waſ - „ ſer, Schwefel, Saltz und Erde ſey, laͤugne ich „ nicht. Denn Galle wird aus dem Blut ſo „ wol, als viele andre Feuchtigkeiten abgeſondert. „
Allein beſehet den Chylum oder das Blut, „ wie wenig oder keine Galle darunter zu ſehen iſt, „ auch nicht zu ſpuͤren oder zu riechen, ſo lang als „ das Blut wohl gemengt iſt. „
Eben wie die Butter unter der Milch. So „ lange als ſie in der Bruſt oder Eyter iſt, ſo ſiehet „ man ſie nicht. Wenn ſie aber ausgemolcken ſo „ verurſachet ihr Stillſtehen mit Beykommung „B 3der22Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap. „ der Lufft eine Aufloͤſung ihrer Verknuͤpf - „ fung. „
b)Was eine uͤble Vermiſchung ſey.„ Hier iſt alſo die uͤble Vermiſchung. „ Wenn eine uͤble Vermiſchung da iſt, da die „ Theile unſerer Feuchtigkeiten nicht von der „ Stelle benetzt werden, da ſie in geſunden Zu - „ ſtand nach ihrer gemeinen Ordnung ſeyn muͤſ - „ ſen, ſo daß auf dem einen Ort mehr duͤnne, und „ auf dem andern mehr dicke oder andre Theil - „ gen zu viel oder zu wenig zu befinden ſeyn. „
„ Gleichwie eine Milch, die gemolcken wird, „ und ſtill ſtehet, viele Theile von der Lufft em - „ pfaͤngt, wodurch die irrdiſchen Theile von der „ kaͤſichten Materie, und der Rahm von beyden „ abgeſondert wird.
„ Dieſe Unordnung druͤckt die ſpiritueuſen oder „ feurigen Theilgen ſo ſehr, daß ſie die verdickte „ zaͤhe und ſchleimigte Feuchtigkeiten nicht ver - „ duͤnnen koͤnnen, ſondern ſuchen, wenn ſie ſtockig „ worden, einen offenen Weg, und kommen alſo „ auſſer den Coͤrper. Ein ſolcher Stillſtand kan „ in denen ſich bewegenden Feuchtigkeiten unſers „ Coͤrpers nicht ſeyn, oder es werden die Saltze „ faulen, ſtincken, erſterben, und alſo den Tod zu - „ wege bringen. „
„ Daß eines See-Manns Coͤrper uͤbel gehal - „ ten, und hernach mager wird, das will ich alſo „ beweiſen. „
„ Der Magen iſt die Kuͤche des Coͤrpers. Die - „ ſer hat allezeit ein Ferment oder Magen-Saͤurein23Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap. in ſich, welches von den uͤberbliebenen Speiſen, „ Speichel und andern Saͤfften uͤbrig bleibt, ſo „ aus den dicken Gedaͤrmen und Magen-Druͤſen „ allezeit ſich ausdruͤcken. „
Dieſer Magen-Safft iſt allezeit ſauer, und „ macht die Speiſe durch ſeine Schaͤrffe klein, „ und ziehet aus, wie Lauge oder Brandewein „ die Farbe aus dem Saffran ziehet, oder wie „ man einige Waſſer-Farben ausziehet. „
Dieſer Magen-Safft wird durch Mangel „ an Waſſer und Gebrauch alter und verdor - „ bener Speiſen noch ſaͤurer, ſchaͤrffer, dicker und „ ſchleimichter, und ſetzt ſich in den Falten des „ Magens feſte, und macht ſo einen Hunger zu „ Anfang der Kranckheit. Wenn ſich dieſer „ Schleim vermehrt, beſetzt er auch die Gedaͤr - „ me, wodurch die Speiſen in dem Magen nicht „ wohl gekocht werden, und einen ſchlimmen und „ wenigen Chylum machen, wenn ſolcher Chylus „ in die Gedaͤrme kommt, kan davon nur ein we - „ niges in die Milch vaſa gepreſſet und gezogen „ werden, weil deren Orificia mit dem beſetztem „ zaͤhen Schleim verſtopfft und verſchloſſen ſeyn. „
Alſo wird ein See-Mann hager, wenn er „ Mangel an Feuchtigkeit hat. „
Wenn nun dieſer Scharbock nicht wohl cu - „ rirt wird, entweder aus Unwiſſenheit oder weil „ man keine Mittel dawider hat, ſo muß er noch „ aͤrger werden, und viele Zufaͤlle verurſachen. „ Solches geht nun alſo zu: Der Schleim ſetzt „ ſich ie laͤnger ie feſter in die Falten des Magens „ und wird ie laͤnger ie dicker. Und bekommt „B 4durch24Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap. „ durch ſeine Feuchtigkeit und Unbeweglichkeit ei - „ ne Faͤulniß, wie man es aus dem Athem mer - „ cket. Denn alle vermiſchte Feuchtigkeiten ver - „ faulen, wenn ſie ſtill liegen.
„ Die Faͤulniß iſt eine Aufloͤſung einiger zu - „ ſammen geſetzter Theilgen, und werden ſolche in „ ihre erſte und einerley Maſſe gebracht. Oder „ ſie iſt eine allgemeine Aufloͤſung des erſten We - „ ſens der Vermiſchung, und der Verbindung „ der Theilgen.
„ Dieſe Feuchtigkeiten werden von Zeit zu Zeit „ ſchaͤrffer, und greiffen die Druͤſen des Magens „ mit einem kitzelnden Beiſſen noch ſchaͤrffer an, „ und beſchaͤdigen alſo die Orificia der Druͤſen. „ Hierauff laſſen dieſe Druͤßgen ihren Safft her - „ aus gehen, wodurch der dicke Schleim loß - „ weicht, und gehet alſo Stuͤckweiß nach den Ge - „ daͤrmen los. Nun iſt und wird das inwendige „ Magen-Fleiſch an vielen Orten ſehr entbloͤſſet. „ Solches beiſſet der ſcharffe Magen-Safft ſtarck „ an, welches einen groſſen Hunger verurſacht. „ Weil nemlich der Magen ſehr entbloͤſt, auch der „ Magen-Safft ſchaͤrffer iſt, hieraus entſtehet der „ beynahe unerſaͤttliche Hunger, weil kein Chylus „ in dem Leibe iſt. Und nachdem die Vaſa des Chyli „ ſehr oder wenig verſtopfft ſeyn.
„ Jch habe geſehen, daß ein ſolcher Menſch einen „ gantzen Schincken und noch allerhand andere „ Speiſe hinein fraß.
„ Wenn dieſer ſcharffe Magen-Safft zu uͤber - „ fluͤßig wird, ſo fuͤllt er auch die Gedaͤrme an, und „ verurſacht allerhand Durchlauff, als Zufaͤllevon25Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap. von dem Scharbock; ſolches geſchicht folgen - „ der maſſen: Es iſt ſehr wahrſcheinlich, und durch „ den Leuwen-Hoek gezeiget worden, daß der „ Schleim, der von einem die Gedaͤrme beſetzt „ hat, aus unterſchiedener Art Faͤſergen beſtehet, „ welche ſehr zaͤhe ſeyn. „
Wenn dieſer beſagte ſcharffe Magen-Safft „ nun ſich in die Gedaͤrme ergoſſen, ſo beiſſet und „ ſticht er erſt das ſehnadrigte Fleiſch an, mit den „ beſagten ſchleimigten Faͤſergen, und ſolches „ verurſacht das Bauch-Wehe. „
Wenn es fortgehet, ſo durchbeiſſet es die „ zaͤrteſten Faͤſergen der Waſſer-Gefaͤſſe, aus „ welchen ihr in ſich enthaltener Safft heraus - „ dringt, und geht auſſerdem aus den abgeſchun - „ denen Faͤſergen in die Gedaͤrme: Und wenn ſie „ ſich unter den Koth miſchen, wird ſolcher duͤnn „ und flieſſend, welches man den Durchlauff o - „ der Duͤnnleibigkeit nennet. „
Wenn die Feuchtigkeit noch ſchaͤrffer und „ ſchleimichter worden, ſo faſſet es auch die Vaſa „ zum Chylo an, wenn ſich dieſer auslauffende „ Chylus unter den Koth menget, ſo nennet man „ es den grauen Durchlauff. „
So dieſe ſchlimme Feuchtigkeit noch ſchaͤrffer „ wird, ſo muͤſſen die Blut-Vaſa Schaden davon „ leiden, und wenn dieſe auch durchbiſſen ſeyn, „ ſo flieſſet das Blut in die Gedaͤrme, und wenn „ es ſich unter den Unflath miſcht, ſo wird ihm der „ Nahme der rothen Ruhr gegeben. „
Wenn dieſer noch nicht geholffen worden, ſo „ gehet dieſe ungedaͤmpffte ſehr ſchaͤdliche ja toͤdt - „B 5liche26Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap. „ liche Feuchtigkeit auf die Gedaͤrme loß, und „ bricht derſelben Haut, ja es beiſſet gantze Stuͤ - „ cken davon, wenn hierauf die Gedaͤrme ſchwe - „ ren, ſo giebt man ihm den Nahmen von dem „ Darm-Schweren oder Tenaſmus.
„ Dis ſind nun die wahren Urſachen des „ Schiff-Scharbocks und Durchlauffs (denn „ dieſe laſſen ſich offt beym Scharbock ſehen) „ bloß und entdeckt.
„ Nun iſt eine Kunſt, ob man dieſe See-Teuf - „ fel von dem Schiffe abhalten koͤnne, und ſo zu - „ vorkommen, daß man nicht genoͤthiget wird, „ die unwilligen und unbeſcheidenen Gaͤſte ohne „ Danck aufzunehmen und zu verpflegen.
„ Da man aber es mit einer herrlichen Erfri - „ ſchung nicht voͤllig heben, und dieſe ſehr uͤble „ Kranckheiten ſo geſchwind curiren kan, und „ zwar mit wenigern Koſten, als man ſonſt ge - „ wohnt iſt. So will ich erſt die Sachen anzeigen, „ wodurch man zuvor kommen kan (und zwar ein „ groſſes Theil mehr als vor dieſen) daß ſolche „ ſchaͤdliche Feuchtigkeiten, ſo den Scharbock „ verurſachen, gar nicht oder ſehr ſelten in der „ Schiff-Leute Blut oder Feuchtigkeiten kommen „ koͤnnen. Oder wenn es ſich da einſchleicht, daß „ man die hineingekommenen Feuchtigkeiten „ leichter, als vor dieſen wieder heraus bringen „ kan, und man alſo das Schiffs-Volck auf ſo „ eine lange Reiſe geſund erhalten und verwah - „ ren kan. Nun wollen wir zur Sache ſchrei - „ ten. Jch habe geſagt, daß die erſte Urſache, ſo „ das Blut dick macht, der Mangel am Waſ - „ ſer iſt.
Damit27Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap.Damit man alſo daran keinen oder wenigen „ Mangel habe, ſo wie dieſe lange Reiſe nach „ Suͤdland iſt, ſo muͤſten unſre Patronen uns kei - „ ne gemeine Faͤſſer mitgegeben haben, daß wir „ darinn Gruͤtze, Graupen, Bohnen, Mehl und „ dergl. thun ſolten, ſondern an deren ſtatt, ſo „ man itzo braucht, muͤſte man gute Lager-Faͤſſer, „ oder ſogenannte Faicken nehmen, wenn man „ dieſe von Gruͤtze, Erbſen ꝛc. ledig gemacht, „ kan man wieder Waſſer drein fuͤllen. Dieſe „ Faͤſſer ſind deshalben nicht verdorben, ſondern „ ſind allzeit wieder ſo wol zu Waſſer-Faͤſſern, „ als zu was andern auf allen Reiſen zu gebrau - „ chen. Und ſo man mehr Raum in dem Schiff „ haben muͤſte, ſo koͤnte man nach Gutbefinden, „ ſo viel als moͤglich ſeyn wird, machen und auf - „ heben. „
Wenn man auch Diſtillir-Blaſen mitnimmt, „ ſo doppelt oder dick verzinnet ſeyn, und man „ ſolche nicht mit gar zu wenigem Waſſer oder bey „ ſtarckem Feuer zuſetzt, ſo wird das uͤberzogene „ Waſſer nicht kupfftig, und alſo auch nicht „ ungeſund. „
Auf dieſe Art kan man groͤſtentheils dem „ Mangel am Waſſer zuvor kommen. Dem Ge - „ brauch des verdorbenen, ſtinckenden und ver - „ faulten Waſſers, ſo ſchon ſchleimicht iſt, ehe „ man es trinckt, und noch mehr Schleim in dem „ Magen hervor bringt, kan man meiſtentheils „ zuvorkommen, wenn man alle Tage Waſſer auf - „ kochen laͤſſet. „
Dadurch wird das klare von dem unklaren, „oder28Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap. „ oder das faule von dem guten und ſaubern ab - „ geſondert, und es verfliegt aller Geſtanck durch „ das Kochen. Man muß, damit man das Volck „ auf ſo einer langen Reiſe geſund erhalte, keine „ Muͤh ſparen.
„ Man ſetzt auch auf das halbe Verdeck einen „ groſſen Coͤllniſchen Topff mit Waſſer, da dann, „ wenn das Waſſer, ſo darinn ſtehet, aller deſ - „ ſen Geſtanck verfliegt, und das unreine auf dem „ Boden ſinckt.
„ Die allzutrockne Koſt kan man befeuchten, „ wenn man keinen Mangel an Waſſer hat.
„ Das allzuſtarcke Schwitzen kommt durch „ die ſtarcke Arbeit, durch die heiſſe Lufft, oder „ auch von der Schwachheit.
„ Man kan die ſtarcke Arbeit moderiren, wenn „ man genug geſund Volck hat.
„ Die allzuheiſſe Lufft verhindert die Circulati - „ on, weil es die Feuchtigkeit ſo ſtarck verduͤnnet, „ als die allzu ſtarcke Arbeit, und macht dadurch „ einen See-Mann ſchwach und krafftloß, durch „ das allzuſtarcke Ausduͤſten und Schwitzen, „ wodurch die Lebens-Geiſter ſehr abnehmen, „ und alſo wird in dem Coͤrper Mangel an Feuch - „ tigkeiten.
„ Das Eſſen von alten verdorbenen ſchimm - „ lichten Speiſen macht auch dick, ſchleimicht und „ ſcharff Gebluͤte, iedoch iſt dieſes nicht anders „ auf ſo einer langen Reiſe nach Suͤdland zu pra - „ cticiren.
„ Dieſes koͤnte man etwas remediren, wenn „ man auf alle Speiſen etwas mehr Achtung ge -ben29Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap. ben ließ, ſelbige offt umruͤhren, an die Lufft „ bringen, ausſuchen, oder in Saͤcken wieder „ ſauber machen ließ, wie die Sporer ihre ver - „ zinnte Sachen alſo glatt zu machen pflegen. „
Dis waͤre eine Sache vor die Scharboͤckige, „ damit ſie ſich bewegen koͤnten. „
Die muͤßigen Gaͤſte auf dem Schiff, ſo ih - „ re Zeit mehr in den Betten als auf dem Boden „ zubringen, ſind dem Scharbock eher unter - „ worffen, als die muntern Schiffer. Durch „ Faulentzen und vieles Liegen verſchleimet der „ Magen-Safft und andre Feuchtigkeiten, weil „ der Leib ſich nicht bewegt, der Magen hat nicht „ die Bewegung von auſſen, als welche zu der „ Verdauung und Verfertigung des Chyli, der „ im Magen geſchicht, viel hilfft. „
Die auswendige Bewegung macht auch die „ Circulation unſers Gebluͤts ſtaͤrcker. „
Je mehr ſich iemand bewegt, ie mehr die Le - „ bens-Geiſter waͤrmer und duͤnner werden, auch „ geſchwinder circuliren. „
An ſolchen Leuten hat der Scharbock ſo leicht „ keine Macht. Man kan dem Volck zu aller Zeit „ und Ort allerhand zu thun geben, iedem nach ſei - „ nem Stand und Gelegenheit. „
Auf der Reiſe und unterweges ſolte man eini - „ ge an Holtz und andern Sachen arbeiten laſſen, „ ſo zum Schiff dienet. „
Auf den Galeeren laͤſſet man die Sclaven Ca - „ non-Kugeln ſcheuren, damit ſie nicht muͤßig ge - „ hen. „
Die Arbeit dient bey Gelegenheit einigen ſo „gut30Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. II. Cap. „ gut zur Motion, als das Stockfiſch-Schlagen „ bey andern.
„ Das Kratzen und Reiben wird in Jndien „ ſehr hoch geachtet, und kan es das Volck ſelbſt „ untereinander thun.
„ Nun muß ein Mittel erdacht werden, wel - „ ches ſo kraͤfftig iſt, das Blut und die Lebens - „ Geiſter in guten Stand zu erhalten; oder daß „ man keinen Mangel an dem Humido radicali „ hat, daß daſſelbe nicht erkaͤltet, verſchleimet, „ und daß es auch nicht von dem Zuſammenhang „ ablaͤſſet, daß das Blut ſeine rechte Miſchung „ behaͤlt, wie es im geſunden Stande geweſen.
„ Denn zu wenig Feuchtigkeit und zu wenig „ Waͤrme verdicket und verſchleimet alles.
„ Wenn es nicht recht zuſammen haͤlt, oder all - „ zuduͤnn iſt, ſo ſchwitzt man in den heiſſen Clima - „ tibus alles aus, und die ſtarcken Theilgen laſſen „ ſie in den Vaſis, ſo dieſelbe verſtopffen. Davon „ kommt der Scharbock, Durchlauff, Fieber, „ Waſſerſucht.
„ Es iſt zu bemercken, daß man ſehen kan, wie „ der Scharbock durch Erfriſchung und Arbeit „ beſſer und geſchwinder als durch Medicin cu - „ tiret wird.
„ Jn Norden iſſet man Salat von Loͤffel - „ Kraut-Blaͤttern, und das Volck wird davon „ curirt. Jn Suͤden ſuchen ſie friſch Waſſer, „ Limonien, Pomeranzen-Fruͤchte, gruͤne Sa - „ chen, friſch Fleiſch, und dadurch kommen „ dieſe Scharboͤckige bald zur Geſundheit.
ALs wir unſre Unterredung von dem Schar - bock geendiget, und wieder auf den Diſ - cours von Suͤdland kommen waren, ſo fragte ich meinen Freund: Was meinet er von der Reiſe des Vlamincks, wegen der Entdeckung des Suͤdlandes? Er ſagte darauf: Mich deucht, daß der Ulaminck der Hoffnung ſeiner Schiff-Patronen kein Gnuͤge thun wird, und daß die Hollaͤnder eben ſo wenig von ihm werden zu erwarten haben, als die Engel - laͤnder von ihrem Dampier.
Jch fragte ihn: Warum das? Er ſagte: Vors erſte ſeyn dieſe Reiſen, Suͤdland zu entdecken, nicht wohl nach meinem Muth - maſſen angelegt, und wenn das Fundament nicht gut iſt, ſo iſt auch das Gebaͤude nichts nutze. Zum andern haben die Engel - und Hollaͤnder gefehlt, daß ſie zu dieſer Reiſe nicht die beſten Leute genommen. Wie dañ gefehlt? fragte ich. Es ſind ſtets ſolche bra - ve See-Leute dazu genommen worden, als man nur hat haben koͤnnen. Dawider habe ich nichts zu ſagen, erwiederte mein Freund, und gleichwie ſie beßre See-Leute ſeyn, wenn ſie ihre junge Jahre und fernere Zeit auf der See mit guten Anmerckungen hingebracht haben, alſo halte ich ſie deſto unbequemer, ein Land von innen zu entdecken. Jch frag - te um die Urſach deſſen; darauf er mir begegnete:Jch32Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. III. Cap. „ Jch will euch meine Gedancken davon eroͤffnen, „ und euch vorſtellen, daß das Land innerlich zu „ entdecken, mit der Segelation gar keine Gemein - „ ſchafft habe. Betrachtet nur, wie alle Wiſſen - „ ſchafften ihre Fundamente haben, die iemand erſt „ kennen muß, ehe er ſich ruͤhmen kan, die Wlſ - „ ſenſchafften begriffen zu haben, oder ehe er ſie „ andern lehren will, und dazu wird, ſolches ins „ Werck zu richten, die Natur, Unterricht, U - „ bung und hernach auch Zeit erfodert. Erſt will „ ich euch ſagen, was ein guter Schiffer iſt, der „ ein Schiff als Capitain commandiret. Ein ſol - „ cher iſt, der mit guten Anmerckungen von Ju - „ gend auf gefahren, die Steuermannſchafft ge - „ lernet, Schiff und Volck wohl in acht genom - „ men, der nuͤchtern und ohne Zorn ſeine Sachen „ verrichtet, und hernach den Vortheil vor ſeine „ Schiff-Patronen wohl in Acht nimmt. Wann „ alle dieſe Tugenden in einem Seemann allein „ gefunden werden, ſo iſt es gut, und ſind ſolche „ die beſten Schiffer; auch habe ich die beyden „ Haupt-Requiſita vorangeſetzt. Nun muß ich „ euch noch ſagen, wozu ſolche brave See-Leute „ bequem ſeyn, und was ihres Thuns eigentlich „ iſt. Jhr muͤſſet, mein Freund, einen comman - „ direnden See-Capitain in ſeinem Schiff faſt, als „ einen guten Ingenieur in einer belagerten Stadt, „ anſehen, ſein Thun iſt, daß er allen auswaͤrtigen „ Schaden zuvor komme, und ſo viel, als ihm „ moͤglich iſt, abwehre. Offt ſoll ein alter er - „ fahrner Seemann einen Sturm vorher ſehen „ koͤnnen, oder ſo ihn dieſer zu geſchwind uͤberfaͤllt,ſo33Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. III. Cap. ſo kan er kaum zu des Schiffs Nutzen gute Ordre „ ſtellen. Er ſoll vorſichtig im Anlanden an frem - „ de Kuͤſten ſeyn, und allezeit ſowol das Loot aus - „ werffen, als auch wegen Naͤhe des Strandes „ die Flaͤche und Tieffe des Grundes genau in „ Acht nehmen. Er ſoll allzeit den vor den Wind „ vorhergehenden Schaum (Brandung) wahr - „ nehmen, und ſo wol den Himmel, als die See „ und Land-Winde obſerviren. „
Er ſoll die Bequemlichkeit des Grundes als „ auch des Strandes, die Gelegenheit der See - „ Buſen, Haafen und Fluͤſſe anmercken. Er „ ſoll nichts ſonderliches, als mit Rath ſeiner „ Schiffs-Officierer unternehmen. Er ſoll das „ Schiff an diejenige Kuͤſte bringen, dahin ihn „ ſeine Patronen beſchieden. Ferner muß er un - „ terwegs gute Ordre auf das Regiment des „ Schiffs-Volcks, und gute Aufſicht auf alle Vi - „ ctualien ſtellen, wie auch die Ammunition und „ Kauff-Gelder in Acht nehmen, und ſich als ein „ Vaͤter uͤber das Schiffs-Volck bezeigen. Hier „ habe ich nun alle oder die meiſten Tugenden „ eines guten See-Manns angefuͤhrt. „
Wenn man aber ein Land entdecken will, „ ſo hat das mit der See-Wiſſenſchafft (wie „ ich geſagt) keine Gemeinſchafft, denn jenes „ hat ein gantz ander Fundament. Das „ kan ſo ein Mann als der alte Herr von der Stell, „ Gouverneur an der Cap de bonne Eſperance beſ - „ ſer verrichten, wie er davon eine Probe abge - „ leget, als er das Land der Caffren inwendig „ entdecken wollen: „
CAls34Curieuſe Reiſee Beſchreibung. III. Cap.„ Als dieſer ſehr tieff in das Land gekommen „ war, wurde ihm durch ſeinen Dolmetſcher ge - „ ſagt, daß er ſich zum Todt bereiten muͤſte, weil „ 2. der maͤchtigſten Zauberer auf ihm zukaͤmen, „ und ihn todt zaubern wolten.
„ Er ließ die 2. ſchwartzen Zauberer zu ſich kom - „ men, und ſie durch ſeine Dolmetſcher fragen: „ Ob ſie Zauberer waͤren? Sie antworteten Ja. „ Er fragte ſie weiter: Ob ſie wohl Waſſer an - „ brennen koͤnten, und das Feuer alſo trincken: „ Und ſie antworteten: Nein. Er ließ ſich hier - „ auf gleich ein Glas Brandwein geben, ſteckte es „ mit Feuer an, und tranck es aus. Als die Herrn „ Zauberer dieſes ſahen, (und von keinem Bran - „ dewein wuſten) packten ſie ihre Sachen ein, und „ giengen davon.
„ Als um eine andre Zeit eine groſſe Menge „ Schwartzen aus Curioſitaͤt ſeiner Bagage zu na - „ he kamen, ließ er ihnen ſagen, daß er ein Gott „ waͤre, und wenn die Schwartzen nicht weg „ blieben, ſo wolte er die gantze Welt verbren - „ nen.
„ Er ließ Pulver um ſeine Bagage und Volck „ rings herum ſtreuen, und ſteckte es an. Als „ die Schwartzen das ſahen, lieffen ſie davon, „ und ſchickten ſo fort 2. anſehnliche Schwartze, „ als Abgeſandten, an den Herrn von der Stell, „ und baten ihn im Nahmen des Volcks, daß er „ die Welt verſchonen, und nicht verbrennen, „ ſondern ihr Land verlaſſen moͤchte.
„ Hier kam dem von der Stell nicht die See -Wiſſen -35Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. III. Cap. Wiſſenſchafft, ſondern Verſtand und Studia „ zu ſtatten. „
Wir haͤtten hiervon weiter geſprochen, wenn wir nicht durch eingeꝛ guten Freunde darzwiſchen - kunfft daran verhindert worden. Wir brachen unſern Diſcours ab, und giengen etwas herum. Mein Freund verreiſete nach 2. Tagen nach Am - ſterdam in ſein Haus, und ich gieng nach 12. Tagen in Spanien.
Als ich zu Sevilien ankam, war unſer beſter Kauffmanns-Diener im Contoir geſtorben, und ich muſte im Contoir ſofort ſeine Stelle einneh - men. Nach 5. Viertel-Jahren wurde meinem Patron wieder eine tuͤchtige Perſon vorgeſchlagen, ſo derſelbe mit meinem guten Willen annahm. Nun bekam ich etwas beßre Zeit, um auf meine Reiſe zu dencken. Meine beyden Patronen und ich wurden eins, daß ich im Jahr 1698. wieder mit denen Gallionen nach Porto Bello, und von da uͤber Land nach Panama reiſen ſolte, und wenn ich Luſt haͤtte, nach die Philippinen-Jnſuln zu gehen, ſolte es mir frey ſtehen.
Allein ich muſte im Fruͤh-Jahr 1698 noch erſt eine Reiſe vor meine Patronen nach Holland thun. Wie ich nach Amſterdam kam, reiſete ich ſogleich nach meinen alten Vater, allein der gute Mann war etwa vor 8. Wochen geſtorben. Als ich wieder nach Amſterdam kam, ſchrieb ich an meinen Freund (denn ich wuſte, wo er ſich auf - hielt) daß, wenn er nichts zu verſaͤumen haͤtte, er zu mir nach Amſterdam kommen moͤchte, ichC 2wur -36Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. III. Cap. wuͤrde uͤber 8. oder 12. Tagen wieder nach Spa - nien reiſen. Jch moͤchte ihn gerne wegen meiner bevorſtehenden Reiſe ſprechen, denn von Texel nach Spanien, von Spanien nach America, und von America nach die Philippinen-Jnſuln war eine ſehr ſchwere Reiſe, und hatte man wol guten Rath dabey vonnoͤthen. Er kam auf meine ſchrifftliche Bitte nach Amſterdam, und fand mich in meiner alten Herberge. Er war ſehr muͤde, weil er ſchlimm Wetter zur See gehabt: Als er aber ein wenig ausgeruhet, und etwas ge - noſſen hatte, fragte ich ihn: Was er nun von der Suͤdlaͤndiſchen Entdeckung gehoͤret, o - der vernommen haͤtte? Er ſagte, daß ſeine Prophezeyung wahr worden, daß ſie ohne was ausgerichtet zu haben, Suͤdland ver - laſſen. Jch fragte: Warum? Und er ant - wortete mir: Weil ſie gute See-Leute und weiter nichts mehr waͤren, ſie koͤnten wohl die Kuͤſten als gute See-Leute finden, aber mehr konten ſie nicht ausrichten.
Er redete ferner:
„ Dampier, der ein Mann war, ſo in der See - „ Wiſſenſchafft trefflich erfahren und aufmerck - „ ſam geweſen, vergaß ſich hierinn gewaltig. „ Hoͤrt zu: Er kam aus Suͤdland, und hatte „ Mangel an Waſſer, welches er da auch nicht „ bekommen konte: Er ſahe einen Suͤdlaͤnder, „ den wolte er da fangen; Als ihm aber das miß - „ gluͤckte, kamen gleich 8. oder 9. Suͤdlaͤnder, „ zu welchen er einen Mann mit einem Hauer ab - „ ſandte, als dieſer Noth litte, ſchoß Dampiereinen37Curieuſe Reiſe Beſchreibung. III. Cap. [einen] Suͤdlaͤnder darnieder, hierauf muſte er „ ohne Waſſer wieder aufbrechen. „
Das war nun wohl See-Manns-Manier, „ oder auf Soldaten-Art gehandelt; aber es war „ keine Manier Waſſer zu bekommen, oder das „ Land inwendig zu entdecken. An ſtatt, daß er „ den Suͤdlaͤnder fangen ſollen, haͤtte er 2. dichte „ Thee-Flaſchen mit Spaniſchen Wein fuͤllen, „ und noch dabey einige Leinwand, Schellen, „ Klingern, Korallen-Schnuren oder ein Spie - „ gelgen und dergl. beylegen ſollen. „
Man haͤtte denen von Ferne ſtehenden Suͤd - „ laͤndern ein Zeichen geben ſollen, um ſtehen zu „ bleiben, hernach muͤſte ein Mann allein austre - „ ten, und ſo eine mit Spaniſchem Wein gefuͤllte „ und forne gezierte Thee-Flaſche zwiſchen die „ Engel - und Suͤdlaͤnder als ein Geſchenck nie - „ dergeſetzet haben, und hierauf haͤtte man einen „ Suͤdlaͤnder wincken, ruffen oder weiſen ſollen, „ daß er es hohlen ſolte, wenn das geſchehen, „ und der Matroſe wieder zu ſeinem Volck gekeh - „ ret waͤre, dann haͤtte ein Suͤdlaͤnder den Thee - „ Pott immer hohlen, und ſie zu ſeinem Volck „ bringen moͤgen. „
Wenn Dampier das geſehen, haͤtte er aus ſei - „ nem Thee-Pott ihnen zutrincken muͤſſen; Und „ wenn die Suͤdlaͤnder den Spaniſchen Wein ge - „ koſtet haͤtten, wuͤrde er ihnen beſſer als ſaltzig „ See-Waſſer geſchmeckt haben. „
Ferner haͤtte Dampier wieder einen Mann „ auf halben Weg abſchicken ſollen, mit ein oder „ 2. Pfeiffen Toback, der wieder einem Suͤdlaͤn - „C 3der38Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. III. Cap. „ der zugewinckt haͤtte, und zugeſehen, ob er als „ die Nord-Americaner mit ihnen die Friedens - „ Pfeiffe rauchen und tantzen wolte ꝛc. Und „ auf hundert andre Arten haͤtte Dampier Frie - „ den und Waſſer von den Suͤdlaͤndern bekom - „ men koͤnnen. Er haͤtte denen Suͤdlaͤndern „ Gold, Silber, Edelgeſteine, Stoffen und „ dergl. ſehen laſſen koͤnnen, oder auch andre „ Sachen und Waaren. Kannten ſie dieſes, ſo „ waͤre doch von dieſen dreyen Sachen eine wahr, „ entweder ihr Land muͤſte dieſes vorbringen, oder „ ſie haͤtten auslaͤndiſchen Handel, oder es waͤre „ ein Schiff da geſtrandet: Hiernach haͤtte Dam - „ pier ſeine Sachen einrichten muͤſſen. Hieraus „ koͤnnet ihr ſehen, daß dieſe Entdeckungen nicht „ vor die See-Leute gehoͤren, ſondern ſie muͤſſen „ einen gantz andern Grund und Art haben.
„ Was den Vlaminck belangt, ſo habe ich mit „ Leuten ſelbſt geredet, die mit ihm daſelbſt ge - „ weſen.
„ Dieſe ſagten mir, welches ich aber in der ge - „ druckten Reife nicht angemercket finde, daß, „ als derſelbe kluge Seemann an die Kuͤſte des „ Suͤdlandes kom̃en, (welches auch ein ſchlechter „ Kerl koͤnte gethan haben) er ſo erfreut geweſen „ waͤre, daß er vor Freuden alle ſein Geſchuͤtz los - „ gebrannt, Raggeten in die Lufft geſchoſſen, und „ Feuerwercke machen laſſen.
„ Welches die Suͤdlaͤnder ſo erſchreckt, daß „ ſie keinen eintzigen Menſchen zu ſehen oder zu „ ſprechen kriegen koͤnnen. Doch kriegten ſie „ noch einige ſchwartze Schwanen, welche ſie demGou -39Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. III. Cap. Gouverneur von Batavia verehrten, der ſolche mit „ groſſem Plaiſir annahm. Haͤtte nun der Vla - „ minck gewuſt, was er mit ſeinem blitzenden und „ donnernden Schieß-Pulver ausrichten wuͤrde, „ er haͤtte es denen Suͤdlaͤndern ſo leicht nicht ſe - „ hen noch hoͤren laſſen. „
Dieſer Seemann hat nicht bedacht, was das „ Schieß-Pulver vor Dienſte dem Franciſco Ybar - „ ra gethan, welcher durch Kuͤnſte und Schieß - „ Pulver einen groſſen Schatz aus der Stadt Ely - „ vapary erobert, welcher ſo groß war, daß Don „ Villa Garcia meiſtens darum an beſagte Stadt „ landete, als welche in der Provinz Parca in Suͤd - „ America liegt. „
Wer ein fremd Land entdecken will, darinn „ die Menſchen als wilde Leute keine Politic wiſſen, „ der muß vor ſolchen Leuten wunderlich und groſ - „ ſe Schein-Wunder thun koͤnnen, wenn es die „ Zeit und Gelegenheit erfordert; Denn dieſe „ machen ihn ſo anſehnlich, als einer, der durch „ falſche Wunder eine neue Religion befeſtigen „ will. Die Natur von einem Loͤwen, einer „ Schlangen, einem Fuchs und Affen muß ein „ Land-Entdecker um ſich haben, ſich als Thetis „ veraͤndern koͤnnen, und ſich nach der Zeit rich - „ ten. Wenn man aber in ein fremd Land kommt, „ da die Einwohner gute Geſetze und Sitten an „, ſich haben, da muß man anders ſich auffuͤhren. „ Es kam einer von meinen Kauffleuten, und „ ſtoͤhrte uns an unſerm fernern Diſcours. „
Wir blieben noch 2. Tage beyſammen zuC 4Am -40Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. III. Cap. Amſterdam, worauf mein Freund wieder nach Hauſe verreiſen muſte. Jch verſprach ihm ein Journal von dieſer Reiſe zu ſchreiben, und wolte mich inſonderheit von den Philippinen-Jnſuln ihm etwas zu ſchicken bemuͤhen, wenn ich dahin noch gienge. Wir ſchieden alſo als Hertzens - Freunde von einander, und wuͤnſchten uns alles erſinnlichſte Wohlergehen.
Jch gieng nach 2. Tagen nach dem Texel, und am Bord eines Spanien-Fahrers, an wel - chem meine Patronen Theil hatten, ſo wol was das Schiff als die Ladung betraff.
Jm Texel lagen wir noch 23. Tage, ehe der Wind gut wurde, und wir in die See kamen. Jch nahm waͤhrender Zeit Gelegenheit den Te - xel-Strohm, deſſelben Ufer, und deſſen Waſſer-Bau (Haͤupter) anzuſehen, zumal da man mir ſagte, daß der Texel-Strohm immer groͤſſer oder weiter wuͤrde, welches nach meiner Meinung ſehr ſchaͤdlich vor Nord - und Suͤd - Holland, vor Utrecht, Gelderland, als auch O - ber-Jſſel uñ Frießland ſeyn konte. Und daß man in dieſer Sache nach Moͤglichkeit Gegen-Anſtalt machen ſolte, und beſorgt ſeyn moͤchte, daß die See-Loͤcher nicht groͤſſer, und die in der Suͤder - See gelegene Eylande Urck und Enſt nicht klei - ner werden muͤſten.
Jch redete manchmal mit einigen Boots-Leu - Leuten wegen dieſer Sache, welche dieſes insge - mein vor nicht moͤglich halten, und meinen, daß es viel ſchwerer ſey, wenn der Texel-Strohm wei - ter wuͤrde. Jch ſchrieb dieſes alles noch von Texelaus41Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. III. Cap. aus an meinen Freund, damit er daraus eini - gen Nutzen ziehen moͤchte, weil er viel Wercks mit neuen Inventionen vorhatte, die ſo wol dieſe, als andre Sachen betraffen, ſo ich von ihm ge - hoͤrt und geſehen. Er ſchickte mir gleich eine Antwort mit einem Fiſcher-Schiff zuruͤck, und dabey ein Project, ſo er ausgefunden haͤtte, er wolte es aber noch nicht bekannt machen, die er iedoch zu ſeiner Zeit, wenn ers gut befaͤnde, de - monſtriren wolte, und zwar, wenn es nicht pra - cticable waͤre, umſonſt die Probe gemacht zu ha - ben.
Sein Project war warlich gut, ſeine Demon - ſtrationes aber habe ich nicht geſehen, ſo daß ich davon nicht urtheilen kan.
Seine Puncta lauten von Wort zu Wort alſo:
Puncta, welche die Perſon ** zu demonſtriren vermeinet, und dadurch verurſachen will, daß viele und ſchwere Koſten verringert werden koͤnnen, die alle Jahr zur Erhaltung der Nord-Hol - laͤndiſchen Kuͤſten und Waſſer-Bau in dem Texel-Strohm aufgewandt werden.
Hierzu kan ich folgendes demonſtriren, mit der Condition, daß es probat ſeyn muͤſſe, oder es umſonſt aufgeſetzet haͤtte.
C 51. Wie42Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. III. Cap.Als ich dieſes geleſen, hielte ich davor, daß ſolches dem Lande ſehr nutzbar ſey, und wenn mein Freund dieſes zur Gnuͤge beweiſen koͤnte, ſo koͤnte er damit eine groſſe Summe gewinnen. Jch ſchrieb daher an ihn, daß er damit fortfah - ren ſolten; Bekam aber zur Antwort: Daß er bey der Regierung keine Freunde haͤtte, er koͤn - te aber alles nach der Mechanic demonſtriren und darthun, wolte auch kein Geld haben, wenn es nicht probat waͤre.
Jch kam endlich, nachdem mich 13. Tage in Texel aufgehalten, in See, und nach 17. Tagen war ich in dem Hafen vor Cadix, da ich von mei - nem alten Patron ſehr liebreich empfangen ward. Jch reiſete unterſchiedene mal von Cadix nach Sevilien hin und wieder, wegen meiner bevor - ſtehenden Reiſe ein und anders zu beſorgen.
Nach vielem Uberlegen beſchloſſen wir, daß ich nach Carthagena, von dar nach Porto Bello, wei - ter nach Panama, und wenn es mir beliebte, nach den Philippinen-Jnſuln mit viel Kauff-Guͤtern gehen ſolte. Jch ſolte nun in dieſer Handlung einen groſſen Theil haben, und alles nach meinem Willen thun und vornehmen, iedoch verſprach ich, daß ich auf meiner Reiſe mich nicht verheyra - then wolte. Jch beſtritte nunmehr alle Hand - lung nach America meiner beyden Principalen in ihren Contoiren gantz allein, und hatte mein Theil auch ſelbſt mit daran.
Jm Jahr 1698. war alles fertig, und unſereGuͤ -44Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. III. Cap. Guͤter waren in dem Schiff Buen Jeſus einge - ſchifft, das erſt auf Carthagena ſeegeln ſolte.
Jch hielte, nachdem ich alles zur Richtigkeit geſtellet, mit meinen beyden Principalen, deren Verwandten und noch einigen Kauffleuten die auf America handelten, ein luſtig Abſchieds - Mahl. da wir uns ſehr froͤlich bezeugten. Tags drauf nahm ich meinen Abſchied von allen meinen Bekannten, und gieng nach 3. Tagen an Bord, da ich von dem Capitain Don Rodrigues de Paita und den andern Officirern wohl empfangen wurde.
Wir kamen nach wenig Tagen in See, und gelangten gluͤcklich zu Carthagena an; hier fand ich in unſern Contoir einen ſchlechten Zuſtand, weil der Buchhalter oder Unter-Director geſtor - ben war. Daher hatte ich viele Muͤhe, alles wie - der in Ordnung zu bringen, und einige Proceſſe, die daher entſtanden waren, fortzuſetzen. Und konte ſelbige nicht eher, als in 10. Monaten wie - der abthun.
Als ich das Contoir wieder mit einem braven Mann verſehen, gieng ich nach Porto Bello, hier muſte ich auch einige Zeit bleiben, ehe ich nach Pa - nama gehen konte: Wie ich aber alles in guten Stand gebracht, fieng ich meinen Land-Handel wie vor dieſen, zwiſchen Porto Bello und Panama wieder an, da ich groſſen Gewinſt bekam, denn ich ſandte alle Jahr die ſchoͤnſten Sachen uͤber, und da ich andre Kauffmanns-Guͤter zuruͤck be - kam, ſo war ich in meinem Handel ſehr eifrig, bis ich 1702. als ich zu Panama war, ein Schiff ausder45Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. III. Cap. der Provintz Mexico fand, das nach den Philippi - nen-Jnſuln gehen wolte.
Jch hatte zu Panama ein Contoir aufgerichtet, da ich 2. Diener hielt, aus ſolbigen nahm ich 10000. Stuͤck von Achten an baren Gelde, mit, und nahm mir vor, damit nach den Philippinen - Jnſuln zu gehen, um daſelbſt Chineſiſche und Japaniſche Waaren zu erhandeln. Mein Con - toir ſandte ich mit den 2. Dienern nach Porto Bello, von daher ich Zeitung hierauf bekam, daß ſie daſelbſt wohl angekommen.
Jn meinem vorigen habe ich von meinen Be - gebniſſen kein Tag-Regiſter gehalten, und wer - de es auch in folgenden nicht thun, weil es nur mein Vorhaben iſt, daß ich meinen Freund benachrichtige, was ich (wenn ich durch Gluͤck oder Ungluͤck in Suͤd-Land komme) gehoͤrt und geſehen habe. Jch laſſe alle, die vor mir davon geſchrieben, in ihren Wuͤrden, ich laſſe auch ei - nen ieden ſeinen Glauben und Urtheil frey, dann dieſes mir einerley iſt. Wenn ich nur mei - nem Freund ſein. Verlangen erfuͤlle, und er es mit Aufrichtigkeit von mir annimmt.
Als unſer Capitain alles zu recht gemacht, gab er Befehl, daß wir des andern Tags fruͤh zu Seegel gehen ſolten. Ein ieder muſte an Bord, und kamen noch einige Freunde an Bord, die uns beſuchten, die aber, nachdem ſie in der Ca - jute wohl tractiret worden, des Abends wieder nach dem Lande fuhren, und wuͤnſchten uns al - le eine gute und vergnuͤgte Reiſe.
Den folgenden Morgen, wie es Tag war,lich -46Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. III. Cap. lichteten wir den Ancker, und giengen unter See - gel, ſtellten unſern Cours nach Weſten, ſo daß wir mit guten und etwas boͤſen Wetter ſo hin ſchifften, bis wir nach 47. Tagen das Eyland S. Pedro erreichten, welches etwa 10. Grad nach Norden von der Linie liegt; hier kriegten wir gute Erfriſchung, ſo wol von Waſſer, Vieh, Fruͤchten und einigen Fiſchen. Hier lagen wir 11. Tage, um uns zu erholen und auszuruhen.
Wir giengen von S. Pedro mit etwas widri - gen Wind unter Seegel, doch bekamen wir nach 4. Wochen Wind aus Nord-Weſten, die Lufft ward ſchwartz, und begunte ſtarck zu regnen und zu donnern.
Wir nahmen unſere Ober-Seegel ſo gleich ein. Die See gieng faſt bis an Himmel, und der Wind nahm nach und nach zu, ſo daß wir das Schiff dem Wind uͤbergeben muſten, da dann der Wind ſich in Nord verwandelte, und das Schiff fort ſtieß.
Jch brauche hier nicht zu erzehlen, wie das Bild von St. Jacob gezeiget wurde, und was unſer Prieſter damit vor Sachen machte; al - lein St. Jacob wolte hier keine Wunder thun. Der Wind wurde ie laͤnger, ie ſtaͤrcker. Nun lieffen wir bald wieder nach Suͤden, und bald nach Suͤd-Suͤd-Weſt, oder noch mehr nach We - ſten, und hatten allezeit eine dunckle Lufft. Dis Wetter behielten wir 9. Tage lang, daher kon - ten unſre Steuer-Leute nicht wiſſen, wo wir wa - ren. Die meiſte Furcht war, daß wir des Nachts im Finſtern auf dis oder jenes Land verfallenkoͤn -47Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. III. Cap. koͤnten. Jch dachte viel mal, waͤre ich doch wie - der zu Panama. Am 10ten Tage hoͤrte dieſes Wetter auf, wir ſahen am Morgen einige Ster - ne und Land von Steuer-Bord, ſechs Meilen von uns, und ſeegelten darauf zu. Die Lufft bezog ſich wieder, ſo daß wir die Polus-Hoͤhe nicht nehmen konten; iedoch erriechten wir des Nach - mittags einen ſchoͤnen Hafen, darinn ſich ein ſchoͤner Strohm ergoß, wir funden auch guten Ancker-Grund. Ein ieder war froͤlich, und ich auch nicht betruͤbt. Hier hielten wir gute Wacht, und muſte die gantze Nacht ein Mann in dem groſſen, und ein Mann in den Fock - Korbe zur Ausſicht ſitzen. Ein ieder verlangte nach den Tag. Als das Licht anbrach, kam uns eine ſehr luſtige Landſchafft ins Geſicht, wir ſahen viele Voͤgel am Lande, und Fiſche von unterſchiedener Art um unſer Schiff herum. Jn dem Schiff-Rath wurde beſchloſſen, daß man mit dem Boot 13. wohlgewaffnete Leute an Land ſetzen, und das Land entdecken ſolte, ob es feſt Land oder eine Jnſul waͤre, ob es auch bewohnt ſey, oder nicht ꝛc. Sie ſolten auf 2. Tage Proviant mitnehmen. Unterdeſſen ſolten wir mit dem Boot und Chalouppe und mit unſern kleinen Netze am Strand fiſchen, da denn 25. gewaffnete Leute die Fiſcher bede - cken ſolten.
Als wir unſre 13. Mann an Land gebracht, marchirten ſie Landwaͤrts ein, nach einen Berg zu, der ohngefehr 4. oder 5. Stunden von dem Strande war, er ließ ſich ſehr gruͤn und luſtig anſehen.
Wir48Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. III. Cap.Wir fiſchten unterdeſſen mit der Chalouppe und dem Boot, und waren allezeit auf unſerer Huth: Wie wir dann ſtets unſre Schildwach - ten ausgeſetzt. Wir fiengen in 3. Zuͤgen Fiſche vor das gantze Schiffs-Volck, da wir gnug dran zu eſſen hatten. Jch ſahe hier verſchiede - ne fremde Fiſche, die ich nicht kannte, darun - ter auch Boͤrſe, Ahle, Schnecken und Sal - men waren, womit ſich alle unſer Schiffs - Volck ſehr froͤlich machte: Den folgenden Tag ſolten wir alſo wieder fiſchen, und geſchah es auf eben die erſte Weiſe.
Jn der vierten Stunde Nachmittags kam unſer ausgeſandt Volck wieder, und holten ſolche ſo gleich am Boord. Einige ſagten, daß ſie auf dem Berg geweſen, ſie haͤtten aber keine Staͤdte, noch Haͤuſer, noch Menſchen geſehen: Jedoch meinten ſie, daß ſie hintenaus einen ſtumpffen Thurm geſehen, ſo weit als das Au - ge ihn entdecken koͤnnen, iedoch konten ſie es nicht gewiß ſagen, denn ſie hatten kein Perſpe - ctiv mitgenommen. Wir machten uns wieder luſtig hierauf mit den Fiſchen. Das Wetter klaͤrte ſich auf, und man beſchloß im Rath, daß ich des naͤchſten Morgens mit wohlgewaffneten Leuten, 24. Mann ſtarck, dieſen beſagten Thurm, wenns mir moͤglich waͤre, entdecken ſolte, al - le unſere Leute hatten in Kriege gedienet, und ſolten im Fall der Nothwehr durch einen alten erfahrnen Sergeanten commandiret werden. Mir war aber die Entdeckung und Commando dazu anvertrauet. Als des Morgens ſehr heller Son -nen -49Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. III. Cap. nenſchein war, wurde man eins, unſere Reiſe bis des Nachmittags aufzuſchieben, bis nemlich unſre Steuer-Leute die Hoͤhe abgenommen; dis geſchahe des Mittags, und beſanden, daß wir recht unter den tropicum Capricorni waren, oder 23. und einen halben Grad von der Linie, auf der Laͤnge 174. Grad, da wir den erſten me - ridianum durch den Berg Pico auf Feneritta ſetzten. Wir ſchloſſen alſo, daß wir bey oder an Suͤd-Land ſeyn muͤſten.
NAch geendigter Mahlzeit wurden alle, die zu dieſer Reiſe ausgeleſen waren, auf das Schiff oben zuſammen geruffen, und einem ie - den ein Buͤndel uñ eine Hand-Granaten-Patron - Taſche auf die Seite gehaͤngt, worinn 6. Pfund Zwieback, nebſt Kraut und Loth war; hierauf wurden einem ieden ein Schieß-Rohr und Schiffhauer mit 2. Klafftern Lunte ums Leib ge - geben, damit ſie ſtets Feuer zum Tobackrauchen haben moͤchten; mir aber wurde durch einen Sclaven meine Proviſion nachgetragen. Nach dem Rath meines alten Freundes, fuͤhrte ich vor mir ſelbſt eine kleine lederne Reiſe-Taſche mit mir, die in drey Theile getheilet war, die ich allezeit, wenn ich an Land gienge, um die Kuͤſte oder das Land zu beſehen, mit einen ledernen Riem um die rechte Schulter unter meinen Rock trug. Und hier hatte er mir gerathen, daß ich in einer kupffernen Schachtel vor 9. oder 10. gl. Deinen50Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. IV. Cap. einen Compas, Brennglas und Spiegel, in ei - ner wohl zugebundenen Blaſe haben ſolte, die ſolte ich in ein ſilbern Bechergen mit einen Deckel legen. Jn einer andern Blaſe ſolte ich eine kupfferne Schachtel haben, ſo man auf bey - den Seiten aufmachen koͤnte, an der einen Seite ſolte ſie mit Zunder gefuͤllet ſeyn, und in der an - dern Seite mit einem laͤnglichten Stahl, 3. Feuerſteine, ein Stuͤckgen Schwefel, damit man allezeit Schwefel-Faden machen koͤnte, nebſt 5. oder 6. Schwefel-Faden, wobey etwas Bind - faden mit 6. oder 7. Naͤgeln. Jn der dritten Abtheilung meiner Taſche muͤſte ich ein Perſpe - ctiv nebſt 3. oder 4. Zwiebacken, mit einem Cry - ſtallnen Flaͤſchgen voll Brandtewein haben. Auf meinen Wanderſtab hatte ich an ſtatt des Knopffs ein klein Hand-Beil, und hinten dran einen Hammer. Jedoch gieng ich mit dieſer Ta - ſche nicht an Land, da Staͤdte und Doͤrffer wa - ren, dann alsdann ließ ich ſelbige auf den Schiffe, iedoch war mein Hand-Beil allzeit mein Wan - derſtab.
Wir giengen hierauf an Land, und waren mit allen Noͤthigen wohl verſehen, 25. Mann ſtarck; und noch 3. Sclaven, ſo unſere noͤthigen Sa - chen trugen.
Wir marchirten nach Weſten, bis auf den be - ſagten Berg, der gantz mit Baͤumen von vieler - ley Art beſetzt war, wir giengen uͤber den Berg hin, immer nach Weſten, ohngefehr um 3. Uhr, bis daß er ſich nach Weſten verlohr. Damit wir aber durch das Feuer nicht verrathen werdenmoͤch -51Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. IV. Cap. moͤchten, kehrten wir wieder nach dem Wald zu, da wir ein gut Feuer machten, und ſetzten uns ringsum dabey nieder, ſetzten auch gute Schild - wachten aus. Unſer Sclave trug ein Beil mit ſich, welches uns nebſt meinem Hand-Beil und Hauer wohl zu ſtatten kam.
Nun konte ich meine kleine Reiſe-Taſche wohl brauchen, denn ich konte nun gleich Feuer anſchla - gen, und durch meinen Compas konten wir durch den Buſch wieder kommen, durch das Perſpectiv aber hofften wir noch gute Dienſte zu gewarten.
Dieſe Nacht ruhten wir auf guten Betten von gruͤnen Zacken eine gantze Stunde, wir vermerck - ten keinen Unrath, und waren bey 6. Stunden weit von unſerm Schiffe. Des Morgens gab ich Ordre, daß niemand ſchieſſen ſolte ohne mei - nen Befehl, damit wir nicht entdeckt wuͤrden. Wir ſahen den ſtumpffen Thurm, den man des Tags vorher geſehen, nun wieder nicht, wir zogen von dem Berge herunter, allwo ein ſchoͤner Buſch ſtund, nach drey Stunden kamen wir durch den - ſelben an eine groſſe mit Gras bewachſene Flaͤ - che, dadurch Fluͤſſe durchlieffen. Dieſes Thal hatte rundum hohe Berge, die alle mit Waͤldern beſetzt waren, welches ſehr ſchoͤn anzuſehen war. Wir ſetzten uns an einen Fluß, um auszuruhen, und was zu eſſen. Als wir hier eine Stunde ge - blieben, beſchloſſen wir, einen von den hoͤchſten Bergen zu beſteigen, der Nord-Weſt von uns lag. Wir kamen von dem Fuß des Berges wie - der in einen Buſch, nachdem wir 4. Stunden ge - gangen. Es war nun ſchon Mittag, wir hat -D 2ten52Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. IV. Cap. ten ſchon 7. Stunden marchirt, und begunten ſchon einige muͤde zu werden, ſo daß wir beſchloſ - ſen, dieſen Tag dar zu bleiben, und des Abends eine halbe Stunde Nord-Weſt an in den Buſch den Berg an zu marchiren, dar unſern Lager-Platz zu machen, und die kuͤnfftige Nacht daſelbſt zu bleiben. Wir ſahen in dem Wald einige Schwei - ne, Hirſche und Boͤcke, wie auch einige unbekann - te Thiere, nebſt vielen groſſen Schlangen. Wir lieſſen ſie alle lauffen, weil wir nicht ſchieſſen wolten, wodurch wir uns ſelbſt entdecken ſollen, und wuͤrden die Einwohner vor uns erſchrocken und zornig gemacht haben.
Wir ſahen auch verſchiedene Voͤgel von aller - hand Art, und unter andern 2. groſſe Reiher, die hoch in der Lufft waren, und wohl eine halbe Stunde ſich in die Hoͤhe ſchwungen, welches uns ſehr artig gefiel.
Um 5. Uhr marchirten wir eine halbe Meile nach dem Buſch gegen den Berg an, da wir bey Tage auf der Seite eines Fluſſes unſern Lager - Platz ausgeleſen hatten, wir machten Feuer und hieben Zacken zu unſerer Bedeckung. Hier wa - ren wir 7. und eine halbe Meile von unſern Schiff entfernet, wir reſolvirten, noch einmal ſo weit Landwaͤrts einzugehen, und wenn wir alsdenn nichts faͤnden, wolten wir wieder an Bord keh - ren. Jch ſetzte 3. Schildwachen aus, und ließ eine halbe Stunde weit von unſerer Lagerſtaͤtte recognoſciren. Dieſe ſagten aber nichts anders neues, als daß ſie viel bekannt und unbekannt Wild geſehen. Nachdem wir eine Pfeiffe ge -raucht,53Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. IV. Cap. raucht, ſtellte ich Ordre an die Schildwachten, daß ſie alle halbe Stunden abgeloͤſet wuͤrden, womit wir uns zur Ruhe begaben, und bis an den anbrechenden Tag ſchlieffen. Als wir das Gebet verrichtet, kriegte ein ieder einen Schluck Brandtewein, welchen unſere Sclaven mitge - bracht. Wir marchirten den Berg in 1. und einer halben Stunde an. Wir giengen durch dieſen Buſch allezeit Nord-Weſt an, und als wir auf deſſelben Hoͤhe waren, muſten wir halten, ſahen weit herum, und ſahen gegen Weſten eine ſehr weiſſe Klippe vor uns, ich nahm mein Perſpectiv, und ſahe nach meinem Urtheil einen ſtumpfen weiſſen Thurm, der entweder oben, oder hinter der Klippe ſtund, mein Perſpectiv wurde der gan - tzen Compagnie zum Schauen gegeben, und ein ieder war curieux; wir konten aber nichts eigent - lich daraus machen, weil es weit war. Wir rauchten eine Pfeiffe Toback, und beſchloſſen, in dem naͤchſten Buſch unſer Nacht-Quartier zu halten, wir giengen den Berg herunter durch den weiten gruͤnen Platz, daruͤber wir 5. Stunden zubrachten. Als wir in dem Buſch waren, ſo konten wir die weiſſe Klippe ſehr wohl ſehen.
Nach ſolchen ſtarcken Marchiren klagten einige uͤber ihre Fuͤſſe, und man reſolvirte ſich, dieſen Tag und kuͤnfftige Nacht hier auszuruhen.
Als wir hier bey einem kleinen Fluß, der aus Weſten kam, ſtill lagen, beſchloſſen wir, daß ei - ner von unſern Sclaven morgen fruͤh den Fluß hinauf gehen ſolte, wenn er koͤnte, bis an deſſen Urſprung, und wenn ihn ſolcher auſſer den WaldD 3lei -54Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. IV. Cap. leitete, und er bis an die weiſſe Klippe gehen koͤn - te, ſolte er drauf ſteigen, und ſich uͤberall umſehen, ob er Menſchen antreffen koͤnte; wenn er ja Menſchen ſaͤhe, ſolte er geſchwind dem Wald wie - der zu lauffen, und am Fluß zuruͤck hieher kom - men. Dieſer Sclave hieß Pedro Raſſo, und war ſehr munter und getreu. Jch gab ihm etwas Toback, eine Pfeiffe, ein Stuͤck brennende Lunte, auch etwas Zwieback, und verſprachen ihm auf den andern Tag wieder einen Schluck Brandtewein. Er ſagte, daß er nicht muͤde waͤ - re, er wolte ſchon fortgehen, iedoch bat er um ei - nen Schiffer-Degen, ſo ihm auch gegeben wur - de. Jch gab ihm einen Trunck Brandtewein, womit der Pedro Raſſo fortgieng. Unſere 3. Sclaven trugen ieder einen Korb mit Arack, Toback, etwas Baum-Oehl, Brodt und Saltz, der dritte hatte Pulver und Bley.
Jch hatte in meiner Reiſe-Taſche allezeit ei - ne Buͤchſe mit Faden und Fiſch-Angeln. Aus Zeitvertreib machten wir Leinen oder Faden von Bindgarn, daran thaten wir Angel mit Speck, und fingen ein brav Gericht Fiſche, konten ſie aber nicht kochen, iedoch brateten wir ſie an hoͤl - tzernen Spieſen und an Bindfaden, bis ſie gut wurden, ſo ſich hernach mit guten Appetit eſ - ſen lieſſen. Des Nachts ſchlieffen wir ruhig, und des Morgens fiengen wir wieder Fiſche. Ei - nige von unſern Leuten fiſchten, andre machten ſie zu rechte, hierauf wurden ſie gebraten, und ſo gleich aufgegeſſen. Meine Uhr ſtund auf 10. Uhr, wie Pedro als naͤrriſch zu uns gelauffenkam,55Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. IV. Cap. kam, und ruffte ſchon von ferne: Eine Stadt, eine Stadt, eine Stadt. Wir giengen alle, und ſetzten uns in einen runden Creyß, aus Cu - rioſitaͤt ihn zu hoͤren, allein er keuchte wegen ſei - nes ſtarcken Lauffens ſo ſehr, daß er nicht reden konte; ich ließ ihn ſo gleich niederſetzen, und einen Trunck Brandtewein geben, worauf er etwas zu Kraͤfften kam, und alſo zu reden anfieng: Jch gieng geſtern an dieſen Fluß hinauf, der brachte mich an die weiſſe Klippe, aus wel - cher er ſeinen Urſprung hat. Jch ſtieg die Klippe hinauf, und ſahe, wie mich deuchte, eine Stadt; es war ſchon ziemlich dunckel. Jch ſetzte mich ins Gras, und ruhete etwas aus; darauf es noch finſterer wurde, (denn der Mond war noch nicht aufgangen.) Hierauf ſahe ich viel Lichter, auch viele, die ſolche hin und her trugen, als wenn Menſchen da - mit uͤber die Straſſe giengen. Als ich dis geſehen, lieff ich wieder nach dem Buſch, da ich unter einen groſſen Baum mich ſchla - fen legte; der Mond gieng auf, und ich gieng wieder auf die Klippe, konte aber noch nichts ſehen, kehrte alſo wieder nach dem Walde zu, und verlangte ſehr nach dem Morgen, alsdann ich mit dem anbrechenden Tage wieder die Klippe auflieff, hier blieb ich ſi - tzen, bis die Sonne aufgieng, hierauf konte ich die Stadt gantz genau ſehen, da waren unterſchiedene Thuͤrme, die alle oben ſtumpf und platt waren, viel groſſe und kleine Haͤu - ſer, die auch oben platt, und alle von SteinD 4ge -56Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. IV. Cap. gebauet ſeyn. An der Oſt-Seite der Stadt ſah ich einen breiten Weg, daruͤber giengen viel Menſchen mit Ochſen; ich gieng wie - der von der Klippe, und aß meinen Zwie - back, wartete noch eine Stunde, guckte noch einmal von der Klippe. Und da ich einen Mann heran kommen ſahe, bin ich fortgelauffen, und hieher kommen. Wir be - ſchloſſen, nachdem wir lange Rath gehalten, daß wir nach der weiſſen Klippe zugehen wolten, und zuſehen, wie wirs machten. So geſagt, ſo ge - ſchehn. Wir machten unſer Gewehr fertig, giengen fort, und Pedro voran; nun war es 11. Uhr, um 2. Uhr waren wir aus dem Buſch, und halb 3. auf der Klippe. Wir waren 12. und eine halbe Meile von dem Schiff nach meiner Uhr gegangen, und 3. und einen halben Tag vom Schiffe weg geweſen. Als wir auf die Klippe kainen, fanden wir dieſelbe mit Gras bewachſen, wir ſetzten uns, und rauchten, verwunderten uns uͤber die ſchoͤne Ausſicht daherum, und waren nun noch eine halbe Stunde von der Stadt. Wir konten von hier die Stadt ſchoͤn ſehen, iedoch durch das Perſpectiv noch beſſer, und mit groſ - ſer Anmuth; wir ſahen (als Pedro uns geſagt) Thuͤrme, groſſe und kleine Haͤuſer, die alle o - ben breit, und von Steinen erbauet waren.
Als wir hier ſaſſen, hielten wir Rath, was zu thun ſey, ob wir nach der Stadt gehen, oder wieder nach dem Schiff kehren ſolten, und unſere Entdeckung am Bord bekant ma - chen.
Als57Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. IV. Cap.Als wir aber ſo nach der Stadt ſahen, und mit einander ſprachen, ſahe ſich einer von uns um, der mit einem Ruff ſchrie: Auf, auf! Den Augenblick war Jeder mit ſeinem Rohr parat, und waren ſo gleich 5. Glieder, iedes 5. Mann hoch, denn es wuſte ein Jeder ſeinen Platz, wo er ſeyn ſolte; darauf ſtunden 18. oder 20. Men - ſchen bey uns, die aber kein Gewehr hatten. Als ſie uns ſo geſchwind und erſchrocken aufſtehen ſa - hen, fingen ſie an zu lachen, und wir lieſſen uns, weil ſie kein Gewehr hatten, auch beſaͤnfftigen.
Unter meinen Leuten war ein Araber, der zu - gleich vollkommen Tuͤrckiſch, und auch Perſia - niſch ſprach, ich redte Hollaͤndiſch, Spaniſch und Jndianiſch. Jch ſagte zu unſern Araber, der Zalein hieß, daß er ſie anſprechen ſolte, und ſie fragen, in was vor Land wir waͤren, wie die Stadt hieſſe, die hier vor uns laͤge. Er fragte ſie auf Arabiſch, Perſiſch und Tuͤrckiſch, es ant - wortete aber niemand.
Dieſe Einwohner beſahen uns mit groſſer Cu - rioſitaͤt, und niemand von ihnen ſprach ein Wort. Jch, der den Troupp commandirte, hat - te eine blaue Feder auf dem Hut; einer von ihnen trat nahe zu mir, gruͤſte mich mit einer Beugung, und ſahe die Feder an, verwunderte ſich auch ſehr daruͤber. Als ich das merckte, nahm ich ſie ſo gleich vom Hut, und bot ihm ſolche freundlich an, doch wolte er ſolche nicht annehmen. Jch ſagte und ſeufftzte gegen einen Spanier, der hin - ter mir ſtund, in Spaniſcher Sprache: O koͤn - ten uns doch dieſe Leute verſtehen, es ſchei -D 5nen58Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. IV. Cap. nen ehrliche Leute zu ſeyn. Darauf umhalſete mich dieſer Mann, und fragte mich auf gut Spa - niſch: Wo wir hergekommen waͤren, von was vor Volck, und was wir in dieſen Lan - den ſuchten? Jch ſprang auf vor Freuden, und antwortete: Wir kommen aus Europa, und ſind von der Republic Genua abgeſandt, um fremde Laͤnder zu entdecken, mit den Ein - wohnern in Friede und Liebe zu handeln, und vor unſere mitgebrachte Europæiſche Waaren zu tauſchen, oder vor Geld von des Landes Kauff - manns-Guͤtern, ſo viel wir noͤthig haben, zu kauffen. Jch durffte nicht ſagen, daß wir Spa - nier waren, denn dieſes Volck iſt in vielen Orten nicht wohl angeſehen.
Der Suͤdlaͤnder ſagte, daß er ſo fort von un - ſerer Ankunfft Bericht an die Regierung geben wolte, welche denn auf alles Befehl ertheilen wuͤrde. Sie giengen weg, und wir blieben da. Nach 2. Stunden kam der Mann wieder mit ei - nem Wagen, darauf vor uns Eſſen und Trin - cken war, welches hierauf abgeladen wurde.
Waͤhrendem Abladen ſagte der Mann: Jhr Leute habt die Wahl, ob ihr zuſammen wie - der nach euer Schiff kehren, oder mit uns nach der Stadt gehen wollet, beydes ſteht euch frey, und ſoll euch gar kein Leid wi - derfahren. Jch bat um etwas Zeit, die Sa - che zu uͤberlegen, welches mir zugeſtanden wur - de. Jch ſtellte das Volck in einen Creyß um mich herum, beredeten uns daruͤber, und be - ſchloſſen, daß ich noch mit 6. Mann in die Stadtgehen
59Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. IV. Cap. gehen ſolte. Jch ſolte unſern Quartier-Meiſter zu mir nehmen, der lange mit den Engellaͤndern und Frantzoſen gefahren, und daher gut Eng - liſch und Frantzoͤſiſch ſprach; Unſer Araber ſprach Arabiſch, Tuͤrckiſch und Perſiſch; der Unter-Chirurgus ſprach Lateiniſch und Jta - liaͤniſch; und ein Matros, der lange in Jndi - en geweſen, ſprach gut Maleyiſch. Zu dieſen nahm ich noch 2. brave Soldaten zu mir, und unſer ander Volck ſolte wieder nach dem Schiffe kehren. Als wir dieſen Schluß bekannt ge - macht, wurde er vor gut angenommen. Der Suͤdlaͤnder ſagte, wir wollen euch einen Weg - weiſer mitgeben, die ſollen euch einen kuͤrtzern und beſſern Weg zeigen, als wie ihr herkommen ſeyd, ſie ſollen euch Unterhalt und Herberge ver - ſchaffen, man wird euer Schiff viſitiren, und habt ihr beyderſeits nichts zu befuͤrchten, ihr ſol - let mit Freundſchafft empfangen und begegnet werden, ſo ihr aber vom Schiffbruch kommt, muͤſſet ihr alle hier bleiben, und hier wohnen, wo aber nicht, ſollet ihr wieder fortziehen, ohne daß euch das geringſte Leid angethan werden ſoll.
Nach meiner Uhr war es 5. Uhr Nachmittags. Wir ſetzten uns und aſſen. Man ſetzte uns in hoͤltzernen Schuͤſſeln geſottenen und gebratenen Fiſch und Fleiſch, auch gekochten Reiß und ſchoͤn Waſſer zu trincken vor.
Nach der Mahlzeit ſtunden wir in Creyß, und kriegte ein Jeder einen Schluck Arrak. Hierauf wurde alles weggenommen, und kamen 3. Maͤn - ner, davon ein Jeder einen langen weiſſen Stockin60Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. IV. Cap. in der Hand hatte, dieſe ſtellten unſre 18. Mann in 6. Glieder, die Sclaven ſtunden bey an, und giengen hierauf ſo gleich mit ihnen fort, und kon - ten ihnen kaum ſo viel ſagen, daß ſie die Leute gut halten ſolten. Hinterher ritten 2. Maͤnner, davon ein Jeder ein Kaͤſtgen auf der Seite hatte, welches an einem Riemen hinge: Wir vermuthe - ten, daß es Schreiber waren. Wir wurden auch gleich nach der Stadt gebracht, da wir viel Anſchauer kriegten, und war ein Jeder begierig, uns zu ſehen: Jedoch wurde gleich Platz zum ge - hen gemacht. Wir wurden in ein brav Haus gebracht, da wir zu unſerer groſſen Verwunde - rung eine Tafel mit Stuͤhlen auf der Europæer Art antraffen. Jn der Kammer ſtund ein hoͤl - tzern Bett, mit Betten, Decken und Vorhaͤn - gen wohl verſehen, an der Wand einen Spiegel und noch viel Gemaͤhlde.
Unſer Geleitsmann hieß uns willkommen, und ſagte, wir ſolten gutes Muths ſeyn, es ſolte uns kein Leid widerfahren, er wolte nun weggehen, und Ordre ſtellen wegen unſers Jnhalts, und was ſonſt zu thun waͤre. Nach Verlauff 2. Stun - den kam er mit 3. Sclaven zuruͤck, die an mein Volck einem Jeden eine dicke Decke austheilten, mit einem hoͤltzernen Block zum Haupt-Kuͤſſen, (wie die Japaner pflegen) dis war eines Jeden ſein Bette; ich wurde zuletzt auf das Bette zur Ruhe gewieſen.
Es wurde Feder, Dinte und Pappier auf den Tiſch geſetzt, und geſagt, daß, wenn wir was begehrten, moͤchten wirs aufſchreiben, und eseinem61Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. IV. Cap. einem Sclaven uͤbergeben, ſo es dahin bringen ſolten, wo es hin gehoͤrte, der Geleitsmann a - ber wuͤrde uns morgen froͤlich ſehen und ſprechen.
Wir ſetzten uns nieder, rauchten, und hatten unterſchiedene Diſcourſe zuſammen; Wir foder - ten Waſſer zu trincken. Man brachte uns aber kochend Waſſer, und einige Wurtzeln, wel - ches als Thee getruncken wird; dieſer Tranck erfriſchte uns ungemein.
Wir hatten nun 3. Naͤchte unter dem bloſſen Himmel geſchlaffen, daher verlangte Jeder nach ſeiner Ruhe; wir beteten, begaben uns zur Ru - he, und ſchlieffen alle recht wohl, bis wir des Morgens durch einen Sclaven aufgeweckt wur - den, der uns wieder dieſen warmen Tranck vor - ſetzte, und darauf einem Jeden etwas Arrak gab.
Mich verlangte unſern Wegweiſer zu ſehen, „ damit ich von ihm hoͤren koͤnte, was des Lan - „ des Gelegenheit und der Nahme des Lan - „ des ſey. Jch wolte auch wiſſen, was ſie vor „ Geſetze haͤtten, und wie die Natur, Sitten und „ Handel der Einwohner beſchaffen ſey. ꝛc. “ Eine Stunde nach der Sonnen Aufgang kam unſer Geleitsmann an, und fragte: Wie wir ge - ſchlaffen? Wir antworteten: Wohl. Er fragte: Ob wir ſchon Akalou getruncken? wir ſagten: Uns waͤre warm Wurtzel-Waſſer mit Arrak gegeben worden. Das iſt gut, ſagte er, ſolche Wurtzeln nennen wir hier Akalou.
Jch fragte hierauf: Ob es mir erlaubt waͤre, „ ihn nach der Gelegenheit des Landes, nach die - „ſer62Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. IV. Cap. „ ſer Stadt, ſeinen Nahmen, und einige Ge - „ braͤuche, auch Handel der Einwohner zu fragen „ ꝛc. Ja, ja, ſagte der Mann, fragt nach al - „ len, was ihr wollet, ich will von allem, „ was ich weiß, euch Antwort geben. Mein Herr, ſagte ich, ich wolte dann wiſ - ſen, ob dieſes ein feſt Land oder eine Jnſul waͤre, und was es vor einen Nahmen habe, wie dieſe Stadt genennet wird, wie ihr heiſ - ſet, und was ihr bedienet.
Dis Land das wir bewohnen, ſagte er, iſt eine groſſe Jnſul, wir nennen es in unſerer Spra - che Krinke Kesmes. Die Stadt, darinn wir ſeyn, heiſt Talouja-El. Mein Nahme iſt Kaſcha. Mein Dienſt iſt Garbon. Das Wort Garbon iſt ſo viel als ein Inſpector. Meine Verrichtung iſt, daß ich alle Straſſen, Stege, Wege, Bruͤ - cken, Brunnen, Fluͤſſe, ꝛc. ſo wol in dieſer Stadt, als eine halbe Stunde auſſer derſelben in Obacht haben muß, und was dran fehlet, muß ich gleich repariren laſſen. Wenn auch Fremde hier ankommen, denen muß ich zu Gebot ſtehen, davon Bericht an die Obrigkeit geben, und deren Befehle verrichten.
Jch ſagte, daß ich mich verwunderte, hier ſo ein Zimmer anzutreffen, das auf Europæiſch meublirt waͤre, deñ ich hatte in einem wol ver - ſehenen Himmel-Bett geſchlaffen, welches mit Europæiſchen Betten verſehen; und ſahe Tafel, Stuͤhle, Spiegel und Bilder. Wie, ſagte Garbon, ihr ſollet euch noch mehr verwun - dern, daß hier alle Europæiſche und AſiatiſcheSpra -63Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. IV. Cap. Sprachen geredet werden; man wird euch Buͤ - cher in Portugieſiſchen, Spaniſchen, Fran - tzoͤſiſchen, Jtaliaͤniſchen Hoch - und Nieder - Teutſchen, Engliſchen und dergl. ja Per - ſiſche, Maleyiſche, Sineſiſche, Japaniſche ꝛc. weiſen.
Und gleichwol iſt bey Todes-Straffe verbo - then, daß niemand auſſer Land reiſen darff. Wir ſchicken niemand mit Perſianiſche Kleider aus, daß wir erfahren, was in Europa oder Aſia vorgehe. Wir haben vollkommne Nachricht von ihrem Gottesdienſt und Sitten, darauf ſie ſo ſehr ſich verlaſſen; als die Geſetze Moſis, die Geburt Chriſti, die Wunder Mahomets ſind bey uns alle bekannt. Jch wunderte mich hier - uͤber, und ſagte, wie es moͤglich waͤre, weil keiner von eurer Nation auſſer Land reiſen darff, daß ihr doch Wiſſenſchafft von ſo viel Sachen habt, und von ſo fern gelegenen Landen haben koͤnnet. Jch will euchs ſagen, ſagte Garbon, aber ihr muͤſt mir euren Nahmen erſt ſagen. Jch heiſſe, ſagte ich, Juan de Po - ſos, mein Vater war aus dem Dorff Martos, in der Herrſchafft de Ronda, in der Proviutz Andaluſien, jedoch bin ich in Holland geboh - ren und auferzogen, ich treibe meinen eige - nen Kauff-Handel. So ſprecht ihr dann auch Hollaͤndiſch, fragte er mich. O ja, antwor - tete ich, das iſt meine Mutter-Sprache. So will ich euch bey einen Mann bringen, der mit euch ſo gut Hollaͤndiſch, als ich mit euch Spa - niſch, ſprechen ſoll. Er fragte mich, was mei -ne64Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. ne Profeſſion waͤre? Jch bin ein Kauffmann, der ſeinen eigenen Handel hat, ich bezahle meine Fracht und Koſt dem Schiffer. Darauf ſagte er: Mich deucht, ihr ſeyd ein ehrlicher und curieuſer Mann, ich will euch ſo viel Bericht ge - ben, als ich kan. Hier ſtehet Feder, Dinte, und Pappier, ſchreibet alles auf, was ihr hoͤret und ſehet, ja auch unſere Reden, die ihr zu Schiffe wieder in beßre Ordnung bringen koͤn - net. Die meiſten Reiſe-Beſchreibungen wer - den aus kurtzen Puncten gemacht, und auch ſo viel aus dem Gedaͤchtniß; iedoch ſind die letzten nicht die beſten.
DAmit ich der mir gegebenen Erlaubniß nach - kommen moͤchte, ſo nahm ich Feder und Dinte, und fieng an aufzuſchreiben alles, was bisher vorgangen war, und fragte den Garbon, wovon wir unſern Diſcours anfangen wol - ten. Er antwortete: „ Unſer Gottesdienſt und „ Weisheit beſtehen alle in Lehren, die wir aus „ Europæiſchen und Aſiatiſchen Buͤchern ausgezo - „ gen haben: Von dieſen will ich euch einige an „ die Hand geben, wie auch eine Beſchreibung „ von dieſen unſern Landen, nebſt ſeinen kleinen „ Jnſuln ꝛc. Doch will ich eurer Curioſitaͤt zuerſt „ ein Gnuͤge thun, und euch ſagen, wie dieſe „ Sachen zu uns in dis Land uͤberbracht, und „ wie wir an unſern Gottesdienſt kommen ſeyn.
„ Dieſe Jnſul KrinkeKesmes mit ſeinen zubehoͤ -rigen65Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. rigen Eylanden iſt ſehr maͤchtig, Krinke Kesmes „ iſt in allen 400. Stunden zu gehen in ſeinem „ Umkreiß, denn ſie ohngefehr viereckig, und iede „ Seite hundert Stunden lang zu gehen. “ Es iſt ſelbige ſo lange als Sina bewohnt geweſen, denn wir rechnen unſre Koͤnige von 20000. Jahren her, laut unſern Chronicken. Wir glauben nicht wie die Europæer, daß die Welt vor 5. o - der 6000. Jahren geſchaffen ſeyn ſolte, als wor - uͤber ſie ſich noch zancken. Dieſe Nation hat vor dieſen die Sonne angebetet nebſt dem Baloka und ihren Koͤnig, ohne daß ſie von andern Goͤttern das geringſte gewuſt. Bis nach eurer Rech - nung von der Geburt Chriſti 1030. ein Perſia - niſch Schiff allhier ſtrandete, welches Schiff von Bender Abaſſi oder Cambron noch Mecca zu ge - hen, mit vielen Koſtbarkeiten befrachtet war. Es waren unter andern viele Buͤcher von verſchie - denen Sprachen und Wiſſenſchafften drauf, als in der Perſianiſchen, Tuͤrckiſchen, Lateiniſchen, Jtaliaͤniſchen und vielen andern.
Auch fand man darunter Hebraͤiſche Bibeln, Griechiſche Teſtamenter, und Arabiſche Alco - rans. Und, gleichwie ſich jaͤhrlich viele Leu - te einige aus Gottesfurcht, und andre aus Ge - winſt nach Mecca begeben, ſo befanden ſich auch auf dieſem Schiff mehr als 300. Menſchen, ſo wol Perſianer, Jndianer, Tuͤꝛcken und Ara - ber, und darunter auch viele Chriſten-Scla - ven, als Griechen, Jtaliaͤner und Hollaͤnder. Das Volck mit der gantzen Schiff-Ladung wurde ſalvirt, und war alles an unſern damalsEregie -66Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. regierenden Koͤnig, der Cham-Hatzi hieß, ver - fallen. Dis war das erſte Schiff, ſo in unſerm Lande iemahlen geſehen worden. Das Volck und Gut wurde zum Koͤnig in unſere Haupt - Stadt Kesmes gebracht, der Koͤnig behielt ſie alle beyſammen, und verſchaffte ihnen Unterhalt. Er ließ ſeine kluge Leute aus allen Provincien zu - ſammen beruffen, und berathſchlagte ſich mit ſel - bigen, was er mit dieſen Leuten thun ſolte.
Es wurde beſchloſſen, daß alle, die eine Spra - che verſtunden, beyſammen bleiben ſolten. Der Koͤnig aber und ſeine klugen Raͤthe konten von den Sprachen keine eintzige verſtehen. Hierauf nahm man die Buͤcher hervor, und ließ Mann vor Mann drin leſen; Unter dieſem Volck wa - ren viel geſcheute Araber, die dieſes merckten, und ſuchten einige Arabiſche Buͤcher und Alco - rans aus, klopfften auf ihre Bruſt, zeigten nach den Himmel, und gaben dadurch zu er - kennen, daß dieſes ihr Geſetz-Buch waͤre. Man gab denen Arabern alle ihre Arabiſche Buͤ - cher, und ſo geſchah auch denen Perſianern und Maleyen ꝛc. Hierauf muſte Mann vor Mann wieder leſen und auch ſchreiben, die dieſes fertig konten, wurden mit einem Rock von rothen Auf - ſchlaͤgen bekleidet, und mit einer rothen Muͤtze beſchencket. Alle aber, die nicht leſen noch ſchrei - ben konten, kriegten einen Rock mit blauen Auf - ſchlaͤgen, und einer blauen Muͤtze.
Hierauf beſchloß der Koͤnig und ſein geheimer Rath, daß man denen Arabern 12. aufgeweckte Juͤnglinge zugeben ſolte, die unſre Landes -Sprache67Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. Sprache wohl leſen und ſchreiben koͤnten, dieſe ſolten in einem beſchloſſenen Hauſe die Arabiſche Sprache lernen reden, leſen und ſchreiben. Dieſe kluge Araber wurden mit ihren Arabiſchen Buͤchern nach der Stadt Araſo geſandt, da ihnen 12. junge Burſche anbefohlen wurden. So ſol - ten auch die Perſianer 6. Juͤnglinge in der Stadt Tenbar die Perſiſche Sprache lehren, und die Tuͤrcken hatten eben daſſelbe in der Stadt San - nuſa zu verrichten. Vier Juͤdiſche Rabbinen be - kamen zuletzt auch 6. junge Leute in der Stadt Jitdu, daß ſie ihnen das Hebraͤiſche beybringen ſolten. Den Jndianern wurden nicht weniger 6. Juͤnglinge, das Maleyiſche verſtehen zu ler - nen, in der Stadt Ruinia zugeordnet. Unter den Sclaven fanden wir 5. Gelehrte Griechen, 4. geſcheute Jtaliaͤner, und 3. kluge Hollaͤnder. Von dieſen kriegten Jede auch 6. junge Purſche, die Griechen in der Stadt Paloſata, die Jtaliaͤner in der Stadt Valdapa, und die Hollaͤnder in A - minaſta. Was geſchah aber? nach 2. Jahren, als der Koͤnig ſeinen Reichs-Rath wieder ver - ſammlete, befahl er, daß man die Juͤnglinge examiniren ſolte, und ſehen, wie weit ſie in den Sprachen gekommen. Die Arabiſche, Per - ſianiſche und Tuͤrckiſche kamen erſt hervor, und man befand, daß ſie alle ihre Sprachen ver - ſtunden, und wohl ſprechen, leſen und ſchrei - ben konten. Denn ſie hatten den Alcoran in un - ſere Sprache uͤberſetzt; Allein die Perſianiſche, Tuͤrckiſche und Arabiſche Studenten fiengen ſo gleich wegen des Glaubens zu diſputiren an:E 2Sie68Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. Sie hatten mit der Sprache auch des Mahomets Glauben angenommen, und dergleichen hatten auch die Juͤdiſchen und Chriſtlichen Lehrlinge ge - than. Der Koͤnig ließ alle die uͤberſetzten Buͤ - cher examiniren, und genau durchſehen, und was ihm am beſten unter allen gefiel, war der Chriſten Neues Teſtament. Allein, es wurde beſchloſſen, ſolches allein in ſeinen Landen nicht einzufuͤhren, weil er kein ſo groß Aufſe - hen machen wolte, nachdemmalen die Griechen, Jtaliaͤner und Hollaͤnder auch daruͤber nicht eins werden konten. Als der Koͤnig nun Rath hielte, was man thun ſolte, ſo ſtund der alte Philoſo - phus Sarabuſa auf, der in dem Lande eben in ſol - chem Anſehen, als in Sina Confucius war; und ſagte vor den Koͤnig nach erlangter Erlaubniß:
Jch habe hier in dieſem Chriſten-Buch 2. goͤttliche Spruͤche gefunden. Der eine Spruch iſt: Gebt GOtt, was GOttes iſt, und dem Kayſer, was des Kayſers iſt. Hierinn iſt alles begriffen, was zur Gluͤck - ſeligkeit des Koͤnigs, des Volcks, und eines Landes gereichen kan.
Das nimmt man zu deliberiren, und wird be - ſchloſſen, daß man eine groſſe allgemeine Kirche bauen ſoll, und darinn ſo viele Cantzeln ſetzen, als neue Secten waͤren, darinn ſolte nun gepre - digt und diſputirt werden, was vor ein Glaube der beſte vor den Koͤnig und ſeine Nation ſey.
Allein an ſtatt des Diſputirens und daß ſie ein - ander unterrichten ſolten, kam es allzeit aufein
69Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. ein Keiffen und Schelten hinaus. „ Ein ie - „ der ſagte, daß er ſein Geſetz-Buch von GOtt „ haͤtte. Ein ieder gab vor, daß er vor ſeine Se - „ ligkeit Sorge truͤge. Solchergeſtalt konten „ ſie ſich einander nicht bekehren; ſondern verun - „ einigten ſich auch uͤber Kleinigkeiten, ja ſie gien - „ gen niemahls ohne Keiffen und Zancken von „ einander, und waren ſo voll Affecten, als wenn „ ſie ſchon lange geiſtliche Perſonen geweſen. “
Damit wir nun dieſem Keifen und Schelten vorkommen moͤchten, ſo wurde bey jeder Cantzel eine Glocke gehangen, welche der Prediger oder Diſputirer anziehen ſolte, wenn er Gehoͤr ver - langte, oder daß, wenn man ſich zanckte, oder veruneinigte, man ſtill ſchweigen ſolte.
Gegen Morgen war die Arabiſche Cantzel, zwiſchen der Perſianiſchen und Tuͤrckiſchen, damit ſelbiger dieſe alle beyde beſprechen koͤnte.
Gegen uͤber nach dem Abend war die Hol - laͤndiſche Reformirte Evangeliſche, zwiſchen der Roͤmiſch-Catholiſchen und Griechiſchen.
Nach Mitternacht zu waren die 3. Cantzeln der Juͤdiſchen Kirchen, als der Phariſaͤer, Eſſaͤer und Sadducaͤer.
Gegen uͤber denſelben an der Mittags-Seite waren der Mohren ihre Cantzeln. Der Koͤnig Cham-Hazi hatte befohlen, daß iede Secte von ieder Haupt-Religion ſich erſt untereinander ver - tragen ſolten, hernach ſolten auch die Haupt - Religionen mit einander diſputiren.
Dieſe Glocken, die zu einem Zeichen dahin gehangen worden, machten die Sache noch aͤr -E 3ger;70Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. ger; Denn als einer zu lange redete oder kieff, ſchalt oder fluchte, und ſeine Gegen-Parthie ſei - ne Glocke zog, um auch gehoͤret zu werden, ſo wolte ſolches eine andere Parthie nicht zugeben, ſondern fiengen alle an zu laͤuten, und machten damit ein ſolch Gethoͤne, daß man weder hoͤren noch verſtehen konte. Unter dem Laͤuten machten ſie einander ſolche abſcheuliche Geſichter, als die Kinder, wenn ſie ein gewiß Spiel vorhaben, ſtampfften mit den Fuͤſſen, daß ihnen der Schaum vor dem Maule ſtund, als welches die Tuͤrcken, Mohren und Juden ſehr artig vorzu - ſtellen wuſten; aber dieſes wolte ſich vor die Chri - ſten nicht ſchicken.
Man nahm ihnen alle Glocken wieder, damit man alles fernere Ungemach verhuͤten moͤchte, und verbot ihnen zu dem Ende das Diſputiren.
Hierauf fiengen ſie an wider einander zu ſchrei - ben, darauf wurden ihnen alle geſchriebene Buͤ - cher genommen, und ihnen das Buͤcher-Schrei - ben in Glaubens-Puncten verboten.
Weil man ſehr klar ſehen konte, daß das Schreiben dieſer Geiſtlichen nicht aus Liebe zur Wahrheit, um einander zu bekehren, ge - ſchehen, ſondern ein ieder ſeinen Haß und Neid an Tag legte. Der eine ſuchte nur den andern unter dem Schein von geiſtlicher Liebe zu verder - ben. Unſre Suͤdlaͤndiſche Pfaffen kamen auch mit ins Spiel, ſie ſchienen noch aͤrger als die an - dern zu ſeyn, und ſolten lieber dieſes Weſen um - kehren, als das geringſte nachgeben. Ja dieje - nigen nennten ſie Helden, welche uͤber geringeSachen71Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. Sachen am beſten zancken, und ſich verantwor - ten konten. Jngleichen benahmten ſie die als Helden, die die Sachen aus einander dehnen, und einen Schluß aus dem andern ziehen konten, und ſolches Weſen aus den Sachen machen, die doch die Gemeine nicht verſtund, noch verſtehen konte, auch keine Glaubens-Puncte waren.
Die Hollaͤnder waren am friedſamſten, weil ihr Glaube der bedachtſamſte ſchien zu ſeyn.
Die Juͤnglinge, ſo die fremden Sprachen ge - lernet hatten, wurden vertheilet, und in das Land geſchickt, damit ſie der andern Jugend die Sprachen beybringen moͤchten. Jedoch wurde ihnen bey Lebens-Straffe verbothen, daß ſie nichts von den fremden Religionen erwehnen ſolten.
Die Fremden wurden auſſer den Hollaͤndern in ein groß verwahrt Haus gebracht, damit ſie darinn friedſam Leben moͤchten, ſo als ſie auf dem Schiffe gethan; als ſie aber in dieſes ver - ſchloßne Haus kamen, lebten ſie noch ſchlimmer, als zuvor. Es blieb nunmehr nicht bey dem zan - cken und beiſſen, ſondern es kam auch zur Thaͤt - lichkeit, und ſchlugen einander des Tags und Nachts ſo greulich, daß man allzeit ein heßlich Geheul und Geſchrey von ihnen hoͤrte. Als die Bauren davor nicht ſchlaffen konten, kamen ſie, und klagten deßhalb; daher ſie alle in abgelegene See-Oerter verbannet wurden, allda ſie mit an - dern verwieſenen Perſonen ſich mit Fiſch-fangen ernaͤhren muſten, durfften kein ander Gewehr als hoͤltzerne Spieſſe fuͤhren, und wurden uͤberE 4dis72Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. dis ſehr von den Fliegen geplagt. Und da ſich ihre Nachkommen ſo vermehret, daß ſie Land - waͤrts ein kommen, da das Land voll Staͤdte und Doͤrffer iſt, ſo wurde eine wohlverſehene Armée wider ſie ausgeſandt, welche 10. bis 12000. ſo wol Maͤnner, Weiber, als Kinder davon todt ſchlugen. Es ſind noch itzt von ihren Nachkoͤm̃lin - gen etliche da, welche ſehr aͤrmlich und erbaͤrmlich leben, und nur den unfruchtbaren und duͤrren Strand bewohnen, und haben offt groſſen Man - gel an ſuͤſſem Waſſer. Sie reden eine Spra - che, ſo von vielen zuſammen vermiſcht iſt, die weder wir noch iemand anders verſtehen kan.
Als dieſes Volck weggeſchaffet war, ſo ver - langte der Koͤnig von ſeinen gelehrten Leuten, daß ſie einen Gottesdienſt aufrichten ſolten, wodurch er ſein Volck wohl regieren koͤnte.
Der verſammlete Rath ſtellte dem Koͤnig nach reiffer Uberlegung folgende Gebote vor, die nur an der Zahl 5. waren.
Und nachdem alle geſchwinde Veraͤnderungen in einem Staat oder Coͤrper leicht groſſe Ubel verurſachen, ſo ſoll dem Volck, das die Sonne anbetet, dis folgende 5. Gebot anbefohlen wer - den.
Dis letzte Gebot ward deshalben gegeben, da - mit die Prieſter ihr Intereſſe und Ehre erhalten ſolten. Denn die meiſten Prieſter hier in Suͤd - land ſind ſehr geitzig und hoffaͤrtig, und wenn man ihnen das nicht zulieſſe, ſo wuͤrden ſie leicht rebelliren, und ſolten ſie auch in Staat das un - terſte zu oberſt kehren.
Dieſe Gebote haben wir nun noch in unſern Landen, ohne andere Ceremonien. Und iſt das Diſputiren und Schreiben uͤber den Glauben bey Todes-Strafe verboten. Das iſt es, was ich euch von unſern Gottesdienſt ſagen kan, das iſt unſer gantzes Geſetz. Auſſer dieſem aber ha - ben wir noch viel Lehren, die wir ſo wol aus Eu - ropaͤiſchen als Aſiatiſchen Buͤchern genommen; allein dieſes ſind keine Geſetze, ſondern wir leſen ſolche nur zur Luſt und zum Zeitvertreib. “Die - „ ſe Lehren handeln von dem Gottesdienſt, „E 5Weis -74Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. „ Weisheit, Liebe, Freundſchafft und Eheſtand, „ und von vielen andern Sachen, ich will euch ei - „ nige davon mittheilen, die ihr abſchreiben koͤn - „ net.
Jch antwortete den Garbon, daß ich die Lehren wol abſchreiben moͤchte, in Europa aber redete man von ſolchen Sachen als von der nackenden Kraͤhe Æſopi, als welche von ieden Vogel eine Feder geliehen, und ſich ſelbſt damit ausgezieret. Da ſie alſo viel bunter als alle andere Voͤgel wurde, fieng ſie aus Hoffart an alle andere Voͤgel zu verachten, die aber daruͤber boͤſe wur - den, und holte ein ieder ſeine Feder wieder zuruͤck, worauf die hoffaͤrtige ’Kraͤhe wieder nackend und beſchaͤmt wurde.
Wohl, Johann de Poſos, wendete er drauf ein, wenn ſolche Sachen iemand bey uns in Suͤd - land ſagte, ſo ſolte man dencken, daß derjenige, ſo dieſes vorbraͤchte, uns weiß machen wolte, daß ein ſolcher Autor ſeine Schrifften von ſich ſelber ohne Huͤlffe anderer Buͤcher haͤtte, welches aber hier vor unmoͤglich gehalten wird, weil nichts neues unter der Sonne geſchicht. Hier in Suͤd - land wird dieſes vor ein maͤnnlich Werck gehal - ten, wenn man aus vielen Buͤchern das Beſte heraus nimmt, und ſolches wohl zu brauchen weiß.
Nicht anders als ein beruͤhmter Mahler ſeine Bilder von dem Alterthum entlehnet, als wel - che eine gute Geſchicklichkeit, nebſt einer guten Invention, und natuͤrlichen Farben in einen or - dentlichen Perſpectiv præſentiren, da alles unge -zwun -75Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. zwungen und kuͤnſtlich geſetzt iſt, ſo wird ſo ein Gemaͤhlde gelobet, und ein ſolch Gemaͤhlde haͤlt man hier in Suͤdland vors Beſte.
Wenn alle unſere Suͤdlaͤndiſche Gelehrten ei - nem ieden Autori dasjenige, was ſie gelernet und geleſen haͤtten, wieder geben ſolten, und ſolches nicht gebrauchen, was ſolten ſie wol vorbringen? offt wol ſchlechte Sachen. Da ſolte des Hol - laͤnders van Vondel Vers, welchen ihr geſtern ſagtet wohl eintreffen:
Und hier in Suͤdland beſteht die Gelehrſam - keit bey vielen Menſchen nur in der Einbildung und Hoffart. Dergleichen Leute laſſen ſelbſt offt von ſich hoͤren, daß ſie gelehrt ſeyn wollen, und wenn es zur Sache kommt, ſo iſt nichts we - niger als eine Gelehrſamkeit vorhanden. Das meiſte aber, woruͤber hier die Suͤdlaͤnder la - chen, iſt dieſes, daß die Geiſtlichen allhier al - len andern Glauben verachten, verdammen und verwerffen, und ſtreiten doch allezeit ſelbſt unter einander, ſie predigen uns allezeit von dem Frieden, und verwerffen ſolchen doch ſelbſt, und haben allezeit Krieg unter ſich ſelbſt. Sie76Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. Sie haben die Gewohnheit, auf der Heyden ih - ren Glauben ſo ſehr zu keifen und zu ſchelten, daß wenn ſie iemand ſchmaͤhen wollen, ſo ſprechen ſie, dieſer oder jener iſt ſo boͤſe und gottlos als die Heyden, da doch die Heyden beſſer leben als un - ſere Suͤdlaͤnder, und mir deucht, daß wir von den Heyden unſere Suͤdlaͤndiſche Weisheit herha - ben: Denn wir Suͤdlaͤnder haben wenig Ver - ſtand von uns ſelber, wir haben auch keine ande - re Buͤcher, als die wir durch den Schiff bruch an unſer Ufer bekommen, daher hat der Koͤnig Cham-Hazi befohlen, daß man die Heydniſchen Autoren der Jugend nicht allein lehren ſoll (die aber beſſer geſchrieben, als man wohl itzo was lernen kan) ſondern auch wenn ſie zu maͤnnlichen Jahren gekommen: Wenn auch ſie als Profeſ - ſores in ihren Schulen ſo verſtaͤndig gehalten worden, daß ſie ferner ihren Studenten lehren koͤnten, ſo ſolten ſie ihnen auch durch die Heydni - ſchen Schrifften den Weg zur Weisheit zeigen. O ſagte ich, ihr unweiſen Suͤdlaͤnder, in Euro - pa geht es viel anders zu, da leben wir als Chri - ſten gebuͤhret, zu leben, in Liebe, Friede und Ei - nigkeit. Das iſt gut, ſagte Garbon, ich wuͤnſchte daß es hier in Suͤdland auch ſo waͤre. Allein es iſt hier leider nichts als Intereſſe, und wer ſich nicht wohl in Acht nimmt, der wird vor einen Narren gehalten. Ein ieder ſucht ſeinen Vor - theil, ſo gut als er kan.
Die offentliche Luͤgen iſt wieder die Geſetze und alſo ſtraffbar, allein die Falſchheit und Luͤgen werden mit dem Schein der Wahrheit bemaͤn -telt77Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. telt, und der Einfaͤltige dadurch betrogen, und dieſes gehet ſo durch wie es kommt.
Jch fragte ihm, ob hier auch Kloͤſter ſeyn, ſo wol vor das maͤnnlich als weibliche Geſchlecht, die ein geiſtlich Leben fuͤhren, als in Europa. Nein ſagte Garbon. Es ſind aber 2. Jnſuln, eine vor das maͤnnliche Geſchlecht, die heiſt man Poele Nemnan, und eine vor das weibliche Geſchlecht, ſo Poele Wonvure benennet wird. Auf die erſte darff keine Frau, und auf die andere kein Mannsbild kommen, und zwar bey Lebens-Straffe.
Dieſe ſind 2. groſſe fruchtbare und herrliche Jnſuln, ſo reich von Volck ſind, auch wohl be - bauet und regieret werden. Wollet ihr die Be - ſchreibung davon in Spaniſcher Sprache haben, ſo kan ich euch damit dienen. Jch bedanckte mich gegen den Garbon, und moͤchte ſolche abſchreiben, welches er mir vergoͤnnete, und zwar beſtund ſie in folgenden:
Die Jnſul darauf ſich die ledigen Manns - Perſonen aufhalten, wird bey uns Poele Nemnan genannt, ſie liegt an der Weſt-Seite dieſes un - ſers Haupt Eylandes, Poele Krinke Kesmes, und wird durch einen Arm von der See eine Stunde Weges breit abgeſondert. Sie iſt 20. Stun - den lang und 9. Stunden breit, hat 11. Staͤdte, und uͤber 200. Doͤrffer. Die Hauptſtadt heiſt als die Jnſul Nemnan. Auf dieſe Jnſul kom - men und werden auch hingeſandt ledige Manns - Perſonen und Juͤnglinge, ſo wol da zu leben, alsauch78Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. auch zu ſtudiren. Wenn ein Vater 8. Kinder hat, und kan ſolche nicht erziehen, ſo kan er 6. da - von auf Poele Nemnan ſchicken: Oder wenn ein ander Freyer oder Wittber nicht wohl fortkom - men kan, und fleißig in Studiren ſeyn will, oder eine gute Kunſt zu leꝛnen, ſo gehet er auf Nemnan, da er durch die Ubung und Unterweiſung ſein Vorhaben erlanget. Hier kleidet man die Ar - men, und wird ein ieder ſo fort zum Studiren, Kuͤnſten, Handwercken und Ackerbau angehal - ten, wozu ein ieder bequem iſt, oder wozu es die Regierung vor noͤthig erachtet, es muß ein ieder da thun, was ihm unter guter Aufſicht befohlen iſt. Auf dieſe Art kan ein ieder ſeinen Unterhalt finden. Niemand darff aus dieſer Jnſul ohne Erlaubnis weggehen, und kan ſolche nicht ehe be - kommen, er muͤſſe dann 8. Jahr daſelbſt gewohnt haben, er muß auch eine Probe von demjenigen thun, wozu er ſich begeben gehabt.
Alle die aus Nemnan weggehen, muͤſſen ſich in unſerer Hauptſtadt Kesmes angeben, und Siegel und Brief von dem Gouverneur von Nemnan vorzeigen. Vor dieſes wird ihnen ei - ne guͤldne und ſilberne Platte gegeben, worauf des Koͤnigs Wappen ſtehet, (welches die Son - ne iſt, darinn der Engel Baloka ſitzt) Dieſe Plat - te iſt groß und klein, nach eines ieden Staat. Wenn iemand eine ſolche Platte bekommt, kan er das gantze Land durchreiſen, und wird uͤber - all mit Reſpect empfangen. Er mag ſeine Wiſ - ſenſchafft, ſo er gelernet, ohne Hinderniß durch -ge -79Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. gehends ausuͤben, er mag auch nach Belieben mit derjenigen, ſo ihn haben will, ſich verheyrathen.
Jn der Hauptſtadt Nemnan iſt eine ſehr groſ - ſe Univerſitaͤt, darinn man in allen Facultæten ſtu - diret, ſolche wird durch eine ſtarcke Anzahl Pro - feſſoren unterhalten, und macht daher viel herrli - che und geſchickte Koͤpffe. Hier hat auch unſer mehrbeſagter groſſer Philoſophus Sarabuſa ſtudirt. Er ſchrieb, da er die Antiquitæten unterſuchte, daß dieſe Univerſitaͤt vor 12754. Jahren durch den damals regierenden Koͤnig Ram Ram geſtifftet worden ſey, und nach deſſen Geſetz darff keine Weibs-Perſon ihren Fuß auf dieſe Jnſul ſetzen, wenn ſie nicht gleich das Leben verlieren will. Aus dieſer Jnſul bekommen wir jaͤhrlich trefliche Gelehrte und brave Kuͤnſtler in allen Wiſſen - ſchafften, Kuͤnſten und Erfindungen.
Man hat in dieſer Academie das lang geſuchte perpetuum mobile, oder das ſtets ſich bewegende Ding gefunden, wie auch die wahre Breite und Laͤnge. Die Sternſeher gebrauchen daſelbſt einen ſehr herrlich inventirten Tubum, dadurch ſie gleich erſehen koͤnnen, was die Sterne, Sonne oder Mond ſeyn, und koͤnnen ſie dadurch auch ihre Groͤſſe und Ferne erkennen, beſſer als wie ſich die Sonnen-Hoͤhe auf einen Grad-Bogen fin - den laͤſt. Dadurch ſieht man, was in unſern Mond paſſirt. Man ſiehet die Monden des Ju - piters und Saturni ſo klar darinnen, als wie die Uhrweiſer an unſern Thurm, ich ſage auch, daß man deren Finſterniſſe mit ihren Ab - und Zuneh - men, ſo nett als die in unſern Mond ſehen kan.
Die -80Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap.Dieſes Perſpectiv iſt wie ein Trichter gemacht. Alle dieſe und noch andere herrliche Sachen darff von niemand bey Lebens-Strafe geſehen oder nachgemacht werden, als von denen allein, die in der Academie ſeyn und bleiben wollen, damit dieſe herrliche Sachen nicht auſſer unſern Lande bekañt werden moͤchten.
Man hat hier ſehr ehrwuͤrdige Geiſtlichen, tieffſinnige Philoſophos, und erfahrne Medicos ꝛc. Hier hat man die feſte Meinung, daß kein vacuum ſey. Wenn die Philoſophi hiervon diſputiren, ſagen ſie mit einer maͤnnlichen Ausſprache und mit aufgeblaſenen Backen: Non datur vacuum.
Sie behaupten auch daß alle Bewegung durch Preſſung der Lufft (motum preſſionis) ge - ſchicht.
Als ich dieſes ſo weit ausgeſchrieben, fragte mich Garbon, ob ich eine Beſchreibung von der Weiber Jnſul abſchreiben wolte. Jch bat ihn inſtaͤndig darum. Als er mir ſolches uͤbergab, fragte er mich, ob ich auch einige Spaniſche o - der Europaͤiſche Buͤcher im Schiff haͤtte. Jch ſagte ja, ich haͤtte unterſchiedliche Spaniſche und Hollaͤndiſche, und noch einen Theil von Carteſii Philoſophie in Spaniſcher Sprache, um ſolche letztere ſprach er mich an, und ich ver - ehrte ſie ihn gutwillig, daruͤber er ſich ſehr ver - gnuͤgt bezeugte.
Die Jnſul Wonvure iſt durch einen Arm vonder81Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. der See eine halbe Stunde breit von unſerer Suͤder-Seite abgeſondert, ihre Geſtalt iſt oval, oder laͤnglicht, iſt in der Laͤnge 18. und in der Breite 12. Stunden breit. Es ſind 9. Staͤdte, 210. Doͤrffer darauf, die alle ſehr wohl gebauet, ſie ſind fruchtbar, iedoch iſt es ein etwas bergicht Eyland. Jn den Waͤldern giebt es viel Wild, und die Fluͤſſe haben viel Fiſche bey ſich. Dieſes Eyland bringt alles hervor, was zu des Menſchen Unterhalt und Luſt dienen kan.
Es darff keine Manns-Perſon hier Fuß an Land ſetzen, bey Todes-Strafe.
Vor 12756. Jahren hat der Koͤnig Ram Ram dieſes Geſetz gegeben. Er war der 20te Koͤnig, der damals aus dem Kitalta regierte.
Das dieſes wahr ſey, erhellet aus den Schriff - ten unſers groſſen und klugen Sarabuſa, und wird hier geglaubt.
Auf dieſe Jnſul kommen ſolche Wittwen und Jungfern, die in 10. Jahren nicht heyrathen wol - len, ſondern durch Fleiß ſo weit avanciren, und ſich ſo wol in Studiren, Wiſſenſchafften und Kuͤn - ſten perfectioniren, bis ſie nach der Zeit von 10. Jahren wieder weggehen und damit beſtehen koͤnnen.
Es werden dahin viele junge Maͤdgen geſchickt, die ſo wol arm als reich ſind. Die Reichen ler - nen vors Geld, eben ſo als in den Europaͤiſchen Cloͤſtern, alles was nemlich ein honnet Frauen - zimmer wiſſen muß. Man lernet den Armen ſo wol als den Reichen erſt leſen, ſchreiben und rechnen, wenn ſie hernach groͤſſer werden, lernenFſie82Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. ſie eine Handthierung zu des Landes Beſten. Alſo lernt man ſie Schlachten, Zimmern, Schmieden, Backen, Brauen, Schuhmachen, Weben und dergleichen, wie auch viele Kuͤnſte, als Mahlen, Gold und Silber ſchmieden.
Und wenn auch iemalen ein Land der Amozo - nen iſt, ſo iſt es gewiß die Jnſul Wonvure. Denn hier werden die Maͤdgens in allerhand Waffen und Kriegs-Wiſſenſchafften geuͤbet. Sie ler - nen Reiten, Wagen fuͤhren, auf Hieb und Stich fechten, ſo wol mit hoͤltzernen als eiſernen Rap - pieren. Sie ſchieſſen nach der Scheibe mit Buͤch - ſen, Bogen und Wurfflantzen. Hier lernen ſie alle Gebraͤuche, die man im Kriege ſiehet, und die in Europa nicht bekannt ſeyn, als auch mit den Schlaͤudern auf ein Haar zu werffen und dergl. Jn der Hauptſtadt Wonvure, iſt eine ſehr herrli - che Academie, da ſeyn ſehr gelehrte Profeſſorinnen, die ihre weiblichen Studenten in allen Sprachen und Facultæten unterweiſen, wie auf der Jnſul Nemnan. Ja es zeigen allhier die Weibs-Per - ſonen, daß ihr Verſtand eben ſo geſchickt als der Maͤnner ihrer ſey, wenn ſie nur durch Unterricht zum Studiren, Wiſſenſchafften, Kuͤnſten und Handwercken angewieſen werden.
Hier ſind die Frauenzimmer in der Theologie, Poeſie und Muſic erfahren. Hier ſtudiren ſie eine gruͤndliche Philoſophie, iedoch iſt ſie der zu Nemnan zuwider, denn ſie behaupten mit guten und ſtarcken Gruͤnden, daß es ein vacuum gebe, und daher iſt ihre theſis: Datur vacuum.
Jngleichen behaupten ſie wieder die Philoſo -phos83Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. phos zu Nemnan, daß alle Bewegung nicht nur allein durch die Preſſung der Lufft geſchehe, ſon - dern daß auch einige Bewegung durch das an ſich ſaugen, eine andre durch die an ſich Ziehung, und eine andre durch die Fortſtoſſung, wie auch einige durch die Nachziehung, welches auch eine Art ei - ner Anziehung ſey, geſchehe. Sie glauben, daß das Weſen die Lufft, ſo alle Preſſung machen ſol - le (wie man auf Nemnan glaubt) noch nicht ſo klaͤrlich entdeckt ſey.
Sie ſagen, daß ein lediger Magen, von einen ſaugenden Kinde oder Thiere, mit der Milch ſei - ner Mutter Bruͤſte durch das Saugen des Klei - nen gefuͤllet werde.
Sie beweiſen mit feſten Gruͤnden, daß Men - ſchen und Thiere, ſo geſund ſeyn, ihre Gliemaſ - ſen durch die Ziehung ihrer Nerven und Sehn - Adern zu ihren Willen bewegen.
Die Fortſtoſſung geſchicht, gleichwie ein Wurm das vorderſte ſeines Coͤrpers erſt fort ſtoͤſt, oder ausſtreckt, und ſein Hintertheil durch die Sehn-Adern nach ſich ziehet, und ſich dadurch von einem Platz zum andern bewegt; und dieſe Frauenzimmer, ſo hier ſtudiren, ſind meiſtens jung. Daher ſind auch einige, die die Wahl und Gelegenheit bey vielen Sachen nicht wohl tref - fen. Sie ſagen von vielen geiſtlichen, philoſo - phiſchen und mediciniſchen Sachen, daß ſolche wie die Oracula des Apollinis beſchaffen waͤren, als die allezeit zweifelhafft ſeyn, und auf zweyer - ley Art verſtanden werden koͤnten.
Dieſe weiblichen Profeſſores haben auch gantzF 2andre84Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. andre Gruͤnde der Philoſophie als die zu Nemnan. Auf Nemnan wird denen Manns - Perſonen aus den Fundamenten des Euclidis ei - nes alten Heydniſchen Autoris die Welt-Weis - heit gelernet, der ein Heyde war, und aus allen guten und verſtaͤndigen Buͤchern, die ſo wol vor als zu ſeiner Zeit uͤber dieſe Materie geſchrieben, einen kurtzen und gelehrten Auszug machte.
Auf Wonvure aber lehrt man noch mit viel wichtigern Gruͤnden, daß die Philoſophie nicht ſo wol in Figuren und Linien auf den Pap - pier (man muͤſte denn die Figuren die Zahlen nennen) und die allein auf dem Pappier den Platz einzunehmen (einzeln aufgezeichnet) ſon - dern in der Mechanic beſtehen. Und da demon - ſtriren ſie genugſam alles nicht mit Linien auf dem Pappier, ſondern mit corporibus von allerhand Sachen ꝛc. Auf der Jnſul Nemnan weiß man nicht gewiß, ob man das Weſen der menſchli - chen Seele durch die Theologos oder Philoſo - phos beſchreiben laſſen ſoll. Die erſten ſa - gen aus ihren geiſtlichen Buch: Ein Geiſt hat weder Fleiſch noch Bein, und die Seele iſt ein Geiſt. Und die Philoſophi ſagen: Die Seele iſt ein unumgraͤntzt denckend Weſen, ſo dencket. Und weil das Dencken zur Seele gehoͤret, ſo gehoͤret auch das Em - pfinden dazu. Sie haben daher die feſte Mei - nung, daß nichts als die menſchliche Seele em - pfinden koͤnne, und daher waͤren aller Menſchen und Thiere Leiber ohne Empfindung, ja ſo ſehr, als wie man einen Stein oder Holtz anſiehet.
Auf85Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap.Auf Wonvure aber ſtrandete vor 2. Jahren ein Schiff, darauf waren viel Hollaͤndiſche und andre Buͤcher, die wurden ſo gleich alle in die Academie zu Wonvure gebracht, weil ſie ſolcher heimgefallen. Unter ſolchen waren viel Philoſo - phiſche Anatomiſche und Mediciniſche Buͤcher. Worauf gleich alle weibliche Profeſſores im Streit geriethen. Sie ſtudirten viele Naͤchte durch hieruͤber, und konten noch nicht begreif - fen, daß ein menſchlicher oder thiericher Coͤrper nicht empfinden koͤnte. Es ſind alle Diſputen und Streitſchrifften verboten, iedoch mag ein ie - der ſeinen Begriff beſchreiben, ohne daß er einen andern Autor nennet, oder widerleget, welches hier als ein Geſetz iſt. Sie ſchrieben aus einem Hollaͤndiſchen Buche folgendes, und ſandten es nach Nemnan, damit es jene beantworten moͤchten:
Zwey Dinge machen einen Menſchen aus, „ und dieſe Goͤttliche Sache iſt ſehr groß und „ wunderbar, nemlich Leib und Seele. Dieſe „ ſind beyde zuſammen, ohne daß die Seele in dem „ Leibe iſt, oder mit demſelben vermiſcht, oder ver - „ einigt ſey, weil die Seele in dem Leibe nicht ſeyn „ kan, denn ſie muͤſte kleiner als der Leib ſeyn, weil „ dasjenige was eingeſchloſſen wuͤrde, (es muͤſte „ denn kleiner ſeyn) nicht kan eingeſchloſſen wer - „ den. Wenn aber etwas kleiner iſt, es mag nun „ ſo klein ſeyn als es will, ſo iſt es Coͤrperlich. Man „ ſagt aber, daß die Seele mit dem Coͤrper verei - „ nigt ſey, wenn dieſes nun an dem waͤre, ſo waͤre „F 3eines86Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. „ eins mit dem andern vermiſcht, zwiſchen wel - „ chen Dingen doch keine Vereinigung kan be - „ griffen werden. Und hernach ſolte eine Seele „ vereinigt ſeyn, ohne daß ſie ſolches wuͤſte. Und „ gleichwol, damit wir dieſen Streit nicht ent - „ ſcheiden moͤchten, weil er von groſſer Wichtig - „ keit iſt, es mag nun die Seele mit dem Leibe ver - „ einigt ſeyn oder nicht, ſo beſtehet ein Menſch aus Leib und Seele.
Als ſie hierauf keine Antwort bekommen, ſchrieben ſie folgendes wieder an die Profeſſores zu Nemnan.
Hochweiſe und Hochgelahrte ꝛc.
„ Wir weiblichen Profeſſores auf Wonvure, „ haben das Gluͤck gehabt, daß unterſchiedene „ Europaͤiſche Buͤcher in unſere Haͤnde kommen „ ſeyn, aus deren einen wir an Ew. Edlen ge - „ ſchrieben, damit es dieſelben, wenn es Ew. „ Edlen thunlich waͤre, beantworten moͤchten: „ Da wir aber keinen Beſcheid bekommen, ſo be - „ lieben Ew. Edlen zu wiſſen, daß auch an uns „ das Buch von der Haupt-Parthey der Phi - „ loſophen gekommen; die mit Ew. Edlen einer - „ ley Meinung hat. Nemlich, daß die Seele „ der Menſchen allein denckt und empfindet. „ Denn er ſagt, weil das Dencken zur Seele „ gehoͤret, ſo gehoͤrt auch das Empfinden zu „ ſelbiger. Er beweiſt nicht, daß Dencken und „ Empfinden eine Sache ſey, und beweiſt auch „ nicht, warum das Empfinden zum Dencken ge - „ hoͤre. Wir wuͤnſchten wohl von Ew. Edlenhierinn87Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. hierinn unterrichtet zu werden; Hiebey ſenden „ wir auch was unſre Gegen-Meinung iſt. „
So die Seele ein denckend Weſen iſt, ſo „ hat ſie nichts Coͤrperliches. Daraus folgt, „ daß ſie auch untheilbar ſey, daher kan ſie auch nur „ durch das Dencken etwas leiden. Denn ein „ uncoͤrperlichs Weſen das kan auſſer den Den - „ cken nichts thun noch leiden. Hieraus folgt, „ daß es unverſtaͤndlich und unbegreifflich iſt, das „ ein uncoͤrperliches und untheilbares vor ſich „ ſelbſt beſtehendes Weſen, als die Seele iſt, et - „ was thun, empfinden oder Schmertz leiden „ koͤnne. „
Man kan begreiffen, daß das Dencken und „ Leiden oder Empfinden beſondre und abgeſon - „ derte Sachen, thun oder leiden ſeyn, und hat ein „ iedes einen beſondern Anfang, und unterſchie - „ denes Subjectum. „
Die Seele denckt, der Leib empfindet und „ leidet, ſo lange als ſie beyſammen ſeyn. „
Einige ſagen, daß die Seele urtheilen koͤnne, „ wo und auf welcher Stelle der Leib empfindet „ oder Schmertz fuͤhlet, wie man aber in ſeinen „ Urtheil betrogen werde, das iſt klar genug. „
Daher gehoͤrt das Dencken vor die See - „ le, und das Empfinden, Leiden oder „ Schmertz vor den Leib; wie dieſes beruͤhm - „ te Medici und Chirurgi begreiffen. „
Denn der Leib hat nichts von der Seele an „ ſich, daher kan er auch nicht dencken. Das „ Thun und Leiden iſt ſein Proprium, ſo lange er „ mit der Seele oder mit dem Leibe vereinigt iſt; „F 4denn88Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. „ denn ein unbeſeelter Coͤrper iſt todt, und kan „ nichts thun, oder er muß beſeelt oder lebendig „ ſeyn.
„ So kan auch ein uncoͤrperlich Weſen nichts „ thun, es ſey denn mit einen Leibe vereinigt.
„ Aber ſie koͤnnen beyde leiden, ſo wol vereinigt „ als geſchieden. Jedoch mit dieſem Unterſcheid, „ daß der Leib ohne Seele oder Leben keinen „ Schmertz, wol aber Veraͤnderung auf vieler - „ ley Weiſe leidet. Wenn er aber mit einer „ Seele oder Leben vereinigt iſt, ſo leidet er alles, „ was wir von Schmertz empfinden.
„ Alſo leidet der beſeelte und lebende Leib, wenn „ er thut, oder ſelbſt leidet. Man kan leicht be - „ greiffen, wie ein Coͤrper auf den andern wuͤrckt. „ Wie aber eine Seele ohne Leib auf unſern Coͤr - „ per, oder die Coͤrper, in die Geiſter ohne Coͤrper „ wuͤrcken, iſt ſo leicht nicht ſich zu concipiren, und „ iſt ſehr dunckel ſich ſolches vorzuſtellen.
„ So lang als die Seele mit dem Leibe verei - „ nigt iſt, fuͤhlt ſie keinen Schmertz, ſondern der „ Leib leidet. Alſo kan auch die Seele ohne ge - „ ſetzte coͤrperliche Organa nicht wohl dencken, wie „ man es bey denen Kindern, Narren und alten „ Leuten ſiehet.
„ Ja wenn eine gute Seele mit guten Organis „ zuſammen geſetzt iſt, und wohl dencken kan, ſo „ koͤnnen die Organa, durch deren Huͤlffe die „ Seele denckt, und dencken muß, mit einen „ wenig coͤrperlichs Wein oder ſtarcken Wein, „ unordentlich werden, daß die uncoͤrperliche „ Seele (deren Weſen allein das Dencken iſt) nicht89Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. nicht wohl dencken kan, und dieſes ſiehet man bey „ einem truncknen Menſchen Sonnen-klar. „
Hieraus ſiehet man, daß der Schmertz „ nicht in einer betruͤbten Gedancke der Seele „ beſtehet, ſondern es iſt der Schmertz eine „ verdruͤßliche und uͤble Empfindung des „ Leibes, die durch den Zug der Sehn-Adern „ entſtehet. „
Hierbey lieſſen ſie es vor diß mahl bewenden, damit die Maͤnnlichen Philoſophi auf Nemnan nicht verdrießlich werden moͤchten, und auch, weil ſie davor hielten, daß ihr Beruff ihnen et - was anders zu thun gaͤbe, und ſie mit ihren ge - lehrten Sachen ſich uͤben, und ihre uͤberkomme - ne Buͤcher nachſehen muͤſten.
Als einsmahls alle Weibliche Profeſſorinnen verſammlet waren, da ſie die erhaltenen Buͤcher durchblaͤttern wolten, wurde ihnen durch die Gouvernantin von Wonvure befohlen, alle die Titul-Blaͤtter aus den Buͤchern zu reiſſen, und zu verbrennen.
Nicht daß ſie die Autores verachteten, denn ſie geſtehen, daß ſie alle ihre Wiſſenſchafft aus Buͤchern und von braven Maͤnnern haͤtten, ſondern ſie thun es deßhalben, daß ſie denen Au - toribus nicht Muͤhe mit dem allegiren machen wol - len, oder wenn etwas aus ſelbigen ausgeſchrieben worden, und da man nicht accurat bey ihren Wor - ten und Meinungen geblieben. Sie gebrauchen die Buͤcher, ſo viel ihnen in ihrem Kram dient,F 5ſie90Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. ſie nehmen davon, und ſetzen nach ihrem Gefal - len dazu.
Da nun alle Titul von den Buͤchern weg wa - ren, ſo fieng eine alte anſehnliche Profeſſorin in der Medicin, die viel Erfahrung und Æſtim hatte, aufzuſtehen, und in Lachen zu ſa - gen:
„ Sehr wertheſte Mit-Arbeiterinnen in der „ Medicin, die von Nemnan, (wie ihr wiſſet) ha - „ ben allezeit ſehr behauptet, daß das Saure in „ dem menſchlichen Coͤrper ſo was ſchlimmes ſey, „ daß alle Kranckheiten aus der Saͤure beſtuͤnden, „ oder daß die Saͤure die urſpruͤngliche Urſache „ von allen Kranckheiten ſey; ja daß es als ein „ toͤdtlicher Gifft angeſehen, und ieden verboten „ ſey; da ſie doch die Menſchen nicht geſchwinder „ und hurtiger als wir curiren koͤnnen. Jedoch „ die Welt begehret allezeit was neues, was ſo „ war, das iſt noch ſo, und wird ſo bleiben. Die „ Welt will betrogen ſeyn.
„ Jch habe hier ein Buch, das ein Mann ge - „ ſchrieben, der unvergleichliche Microſcopia hat. „ Wodurch er faſt die kleinſte Sachen als vor ſei - „ nen Augen ſiehet. Dieſe Entdeckungen hat er „ durch Briefe an die vornehmſten Societaͤten und „ gelehrte Maͤnner geſchrieben, und beſtehet die - „ ſes Buch aus lauter ſolchen Briefen.
„ Hoͤrt zu: Daß eine Saͤure in unſerm Ma - „ gen und Gedaͤrmen iſt, das habe ich koͤnnen be - „ greiffen; aber das habe ich nicht zuſtehen wol -len91Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. „ len, daß eine Saͤure unter unſerm Gebluͤ - „ te iſt.
„ Wir wollen erſt ſehen, was ſeine Briefe da - „ von in ſich halten, und wollen hernach ſolche „ mit unſeꝛn Urtheilen nach Nemnan ſenden, damit „ wir der Maͤnner ihr Gegentheil daruͤber einzie - „ hen koͤnnen.
Wie ſie das Buch aufſchluge, fieng ſie einen Brief zu leſen an, der den 4. Nov. 1681. aus Holland geſchrieben war, und alſo lautete:
Jch ſehe Thiergen in dem Microſcopio, da ein iedes 100. mahl kleiner als ein Globulus von unſerm Blut iſt, und euch, die ſo groß waren, als ein grobes Sand-Korn, und mehr als tauſend lebendige Thiergen von 3. bis 4. Sorten. Wenn einige das hoͤren, ſo ſolten ſie ſich wohl einbilden koͤnnen, daß dieſe Thiergen wegen ihrer ſo ſubtilen Klei - nigkeit wohl in unſer Blut mit hinein kom - men. Aber ich bilde mir ein, daß die Vaſa (darinn die Materie, woraus das Blut, Fert ꝛc. gemacht wird, und die ſolches uͤbernehmen) ſo klein ſeyn, oder durch ſolche genaue Paſſa - gen paſſiren muͤſſen, daß ſolche Thiergen nicht durch paſſiren koͤnnen, es muͤſſe dann ſo ein klein Thiergen in mehr denn tauſend Stuͤcke zertheilet werden.
Hier iſt der andre Brief, ſo 1684 den 15. Jul geſchrieben worden. Er lautet alſo:
Aus92Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap.Aus dieſer Obſervation bin ich nun in mei - nem Concept geſtaͤrckt, ſo ich ſeit einiger Zeit gefaſſet habe. Nemlich, daß die ſehr vielen ſubtilen ſcharffen Saltz-Theilgen, die aus unterſchiedenen Arten beſtehen, wenn ſie in unſern Magen kommen, ſo ſehr ſich darinn widrig bezeigen, daß davon gantz keine oder ſehr wenig ins Gebluͤte oder andere Theile unſers Coͤrpers uͤbergehen.
Denn ſo es an dem iſt, daß einige Saltz - Theilgen, ſo in dem Wein oder Wein-Eßig ſeyn, in dem Magen nicht wider ſich ſetzten, oder ihre Figur veraͤnderten, ſo bilde ich mir gewiß ein, daß diejenigen, ſo in unſerm Blut oder andern Vaſis ſeyn, eine unleidli - Kitzelung, Stechung, oder gar den Todt verurſachen ſolten, und daß ich ſelbiger ein oder ander mahl wohl in dem Schweiß, Blut oder Urin geſehen haben ſolte.
Ferner war in ſelbigem Briefe:
Und gleichwie ich vorhin geſagt habe, daß ich Saltz-Theilgen von unſerm gemei - nen Saltz geſehen, die mehr als 100. mahl kleiner ſeyn, als ein Sand-Korn, und auch eine artige viereckte Figur haben, ſo, daß dieſe ſehr kleine Saltz-Theilgen aus un - ſerm Magen oder Gedaͤrmen in unſer Blut und andere Theile unſers Leibes nicht uͤber - gehen koͤnnen, es muͤſte dann ſo ein klein Theilgen Saltz in eine unbegreiffliche An -zahl93Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. zahl von kleinern Theilgen dividiret worden ſeyn.
Noch ein Brief, der 1685. den 12. Octob. ge - ſchrieben worden:
Jch ſehe dann faſt voraus, daß die Sub - ſtanz, ſo in dem Magen und Gedaͤrme iſt, ſo ſehr unterſchieden von der Subſtanz iſt, die in den Milch-Vaſis ſich befindet, als wie Waſſer und Wein; oder gleichwie wir kei - ne Milch nennen koͤnnen, als ein wenig Waſſer mit Mehl gemenget, dadurch ſie weiß ausſiehet, alſo koͤnnen wir eben ſo we - nig die weiſſe Subſtanz, ſo in dem Magen und Gedaͤrmen iſt, Milch nennen. Denn ſo unmoͤglich es iſt, daß ein Coͤrper, der ſo groß als ein Tauben-Ey iſt, durch ein ſehr klares Sieb gehen kan, es muͤſte dann vor - her in ſehr viel Theile getheilet worden ſeyn - eben ſo unmoͤglich iſt es auch, daß ein durch - ſcheinendes Theilgen und Globulus, ſo ein Theil von der beſagten weiſſen Materie aus - macht, zu den Milch-Blut - oder Waſſer - Vaſis durchgehen kan, weil dieſe Globuli ſo groß gegen die Vergleichung der Membrana der beſagten Vaſorum ſeyn, dieſe Materie uͤber - nehmen muͤſten, gleichwie ein Tauben-Ey gegen die Loͤchergen von einem kleinen Sie - be, ſo, daß ein ſothaner einfacher Globulus, ehe derſelbe in die Vaſa uͤbergehen kan, nach Proportion des Eyes, gegen die kleinen Loͤ -cher94Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. cher des Siebes erſt ſehr offt getheilet wer - den muͤſte ꝛc.
Nach dieſen Gruͤnden will ich bey Gelegenheit „ einen Brief an die von Nemnan ſenden, darinn „ ich meinen Concept von der Saͤure und ſeiner „ Wuͤrckung ihnen bekannt machen will, nemlich, „ daß ich nach ſehr feſten Gruͤnden glaube, daß „ unter unſerm Blute kein ſauer kan angetroffen „ werden. Wie auch, daß das Saure, das „ wir hinunter ſchlucken, nicht in unſer Blut „ kommen kan; und daß das Suͤſſe in unſerm „ Coͤrper das Saure ſo nicht in ſich ſaugt oder in „ ſich faſſet, als die von Nemnan meinen. Die - „ ſes alles und wie der Leib empfindet, will ich „ ihnen bey Gelegenheit als etwas Neues zuſen - „ den, und ihnen hierinn meine Gedancken er - „ oͤffnen. „
Dieſes gab mir der Garbon von der Jnſul Wonvure.
Wie ich dieſes ſo weit abgeſchrieben, bat ich ihn um einige Lehr-Spruͤche, ſo er mir verſpro - chen, es giengen ſolche ihren Gottesdienſt an, welche ich auch abcopiren wolte. Er hatte die Gutheit, und gab mir folgende, und ſagte: Hier habt ihr einen Theil davon, ich will euch bey Gelegenheit mehr davon mitthei - len. Dieſe ſind von unſern Prieſtern aus verſchiedenen Buͤchern gezogen, jedoch nach Suͤdlaͤndiſchen Stylo:
Der Gottesdienſt iſt als eine gewiſſe Art eines Regiments,*Es verſtehen die Suͤdlaͤnder hoffentlich dieſe Worte in gutem Verſtande, und nicht, als ob die Religion nur ein politiſcher Kapzaum, und die Hoͤlle ein er - dichteter Popantz vor die zur Rebellion geneigten Buͤrgerlichen Glieder eines Staats waͤre. es iſt derſelbe dazu verordnet, daß die Sitten der Menſchen dadurch gebeſſert werden, oder, daß der Gehorſam der Buͤrger befoͤrdert, und ſie recht gegen einander handeln ſollen. Die Erziehung giebt einem ieden Men - ſchen ſeinen Gottesdienſt, eben wie die unter - ſchiedenen Sprachen. Die Noth und die Furcht machte in den vorigen alten Zeiten unterſchiedene Goͤtter und Gottesdienſte, und Numa Pompi - lius war einer mit von den Anfaͤngern. Der Anfang des Eigenthums war der erſte Grund - Stein, daß die Menſchen einen Bund zwiſchen ſich wider Menſchen, Thiere und Widerwaͤr - tigkeiten ꝛc. machten. Das Geſetz iſt nothwen - dig, daß man nach der Vernunfft lebe. Viele Geiſtlichen verachten alle Sachen, die mit ihrer Meinung nicht uͤberein kommen, alles was ih - nen widerſpricht, heiſſen ſie Abwege oder Ketze -rey -96Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. reyen, und alſo werden die meiſten Gottesdienſte oder Glaubens-Erkaͤnntniſſe durch Vorurtheile oder aus Intereſſe beurtheilet.
Die Welt iſt bey dem Gottesdienſt in Parthi - en getheilet, daraus kommen Laͤſterungen, Ver - folgungen, Mord ꝛc. weil ſie in der Meinung nicht uͤberein kommen, ſo verſpottet ein Gottes - dienſt den andern, als eine laͤcherliche und wahre Sache. Es berufft ſich ein ieder auf ſein Geſetz - Buch, davon doch ein andrer meint, daß es voll Jrrthuͤmer ſtecke, ſo ſind die Concepte und Be - urtheilungen der Menſchen, welche ſie ſich durch die Auferziehung zu wege gebracht, unterſchie - den.
Denn es halten alle Nationen ihren Gottes - dienſt mit groſſem Eyfer, ſie loben denſelben gegen andre, und verſchmaͤhen anderer ihren ne - ben den ihrigen.
Man findet an allen Orten Menſchen, die an einen oder andern Gottesdienſt ihren Gefallen haben, und einem oder mehr goͤttlichen Weſen goͤttliche Ehre anthun, wornach ſie auferzogen und unterwieſen worden. Daher iſt der Gottes - dienſt ein Effect der Auferziehung und Unterwei - ſung, dadurch ſind ſo viel Neben-Sachen unter die goͤttlichen Wahrheiten vermiſcht. Denn die Politic hat ſo viel Arten von Gottesdienſten erſonnen, da ein iedes Volck ein Modell vor - ſchreibt, welches am beſten mit ihrer Neigung (damit ſie die geſuchte Abſicht errichten) uͤberein kam, daher haben faſt alle Nationen auf Erdenbey97Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. bey ihrem Gottesdienſt einige Pflichten zum Ge - ſetz gemacht. Die meiſten Menſchen aber nah - men mit den Jahren am Verſtande zu, ausge - nommen die Religion, darinn blieben ſie wegen ihrer in der Auferziehung eingeſogenen Vorur - theile, wie ſie waren.
Die Wiſſenſchafft von GOTT iſt in vielen Menſchen ſehr dunckel, und GOttes Offenbah - rungen ſind Raͤtzel, die ein ieder nicht verſtehen kan; denn die Ausleger der Religion, vornem - lich von den Propheten, die ſegeln nicht allzeit auf einer Hoͤhe, eine iede Secte, wenn ſie noch ſo ſtreitig wider einander iſt, ſo kan ſie doch die Schrifft ſo auslegen, daß ſie ſich nach ieder Mei - nung ſchicken muß, daher beweiſt die Schriſft an Unpartheyiſche nichts ſichers. *Dieſes iſt an ſich ein falſches Principium: Denn die Schrifft iſt keine waͤchſerne Naſe, noch Regula Les - bia; und wenn die Schrifft-Stellen von ieder fal - ſchen Secte anders ausgelegt werden, ſo geſchiehet es entweder aus deren Malice und Elgenſinn, oder Sophiſterey, ihre Meinung zu behaupten, woran aber die Schrifft keine Schuld hat.
Die Religion iſt in unzehlbare Secten einge - theilet, ein ieder ruͤhmt, daß er die einigen wah - ren Geſetze von GOtt habe; hingegen iſt wenig aufrichtige Gottesfurcht, viel Menſchen verder - ben einander, und dancken GOtt, wenns ge - ſchehen iſt, wegen des von ihnen geſtiffteten Schadens. So eine Religion iſt die beſte, wor - inn man die wenigſte Gefahr hat, zu einer Un -Gord -98Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. ordnung zu verfallen, diejenigen aber, die einen inwendigen Geſetz-Geber gehorſamen, thun am allerbeſten, denn ſolcher lehret Guts zu thun, und in Liebe mit allen Menſchen zu leben.
Das Vornehmſte in der Religion will ſo viel haben, daß man GOtt fuͤrchtet, der Obrigkeit dienet, ſeine Eltern ehret und gehorſam iſt, ſeine Freunde und Feinde liebet, und allen Menſchen Aecht thut.
Ein Menſch muß nach den Gaben ſeiner Ver - nunfft nach der Reinigkeit ſeines Gewiſſens und Aufrichtigkeit ſeines Gemuͤths leben, er muß GOtt nach ſeinem gantzen Vermoͤgen lieben, und jeden Tag ſeines Lebens als den letzten anſe - hen; Ein ſolcher ſtirbt als ein Frommer, und ein jeder, der wohl ſtirbt, der kan der Gluͤckſeligkeit nicht beraubet werden.
Wer durch Nachſinnen wiſſen will, was uns nach unſerm Tode widerfahren ſoll, der befin - det ſich gleichſam in einer groſſen wuͤſten Wild - niß, da ihm verſchiedene Wegweiſer begegnen, von welchen ihnen einer ſagt, dis iſt der Weg, derandre, iener, und der dritte wieder ein anderer. Da man alſo einen ſo verſchiedenen Bericht fin - det, ſo weiß man nicht, welchem man folgen ſoll. Was kan doch iemand von der Hoͤlle ſa - gen, da er noch nicht geweſen iſt.
Die Theologi machen wunderliche erſchreckli - che Beſchreibungen von der Hoͤlle, da ſie doch und wir nicht wiſſen, was und wo die Hoͤlle iſt, oder auf welche Art die Gottloſen daſelbſt ge -ſtrafft99Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. ſtrafft werden ſollen. Denn der Zuſtand der ausgefahrnen Seelen iſt uns Sterblichen ver - borgen, weil das Clima, da die Seligen oder Verdammten Haus halten, uns unbekannt iſt. Wie auch auf was Art und an welchem Ort man hingewieſen worden. Und ſo iſt es auch mit dem Himmel, davon die Theologi unaus - ſprechliche Freude und Vergnuͤgen erzehlen, in - deſſen ſie doch eben wie das gemeine Volck die Reiſe dahin noch aufzuſchieben gedencken. Jn der Religion iſt eine groſſe Heucheley in der Wahr - heit; Jedoch gruͤndet ſie ſich ſehr auf der Men - ſchen Sitten: Daher kan man durch die ſanffte Religion alles auf das geringſte durchbringen, und iſt daher offt ein Deckmantel von vielen Be - truͤgereyen und Schelmſtuͤcken.
Sehet euch fuͤr vor die Werck-Heiligen in der Religion, ſie moͤgen ſeyn, wer ſie wollen. Es ge - hen viele zur Kirchen, und wollen die Menſchen durch die Schein-Heiligkeit in der Religion be - truͤgen, das ſind rechte Goͤtzen-Diener, denn die Abgoͤtterey hat kein beſſer Fundament als die Luͤgen und Kunſt-Griffe, ſolches ſind Betruͤger in der Religion, und unverſtaͤndige Leute, die mit den Weibern viel auf Fabeln halten. Vie - le verſtellen ihr Gemuͤth auch mit Narrens - Poſſen.
Eine andre Art ſtrauchelt ihre gantze Lebens - Zeit auf unbekannten Wegen, und ſuchen den Weg nach dem Hinmel, und finden nichts an - ders als ein Paradieß voll Narren.
G 2Die100Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap.Die Religion iſt der letzte Ancker, der offt in dem Alter ausgeworffen wird, wenn die Luſt - barkeiten der Jugend vorbey ſeyn, und das Un - gluͤck da iſt. Da hat man mehr vollkommne Suͤnder, als vollkommne Heiligen.
Seyd ohne Heucheley in euren Glaubens - Ubungen, iedoch ſeyd nicht zu eyfrig in Religi - ons-Sachen.
Jn der Religion huͤtet euch vor Worte, die euch ſelbſt kein Intereſſe und andern keinen Dienſt thun koͤnnen.
Es haben alle Nationen einen Eyfer vor ihre Religion. Es iſt nicht klug noch Politiſch ver - fahren, daß man den Gottesdienſt in einem andern Lande, da man wohnt, ausſpotte. Denn Moſes ſagt: Jhr ſollet die Goͤtter der Voͤlcker, da ihr wohnet, nicht laͤſtern. Wie - wol ein ieder in Religions - und Philoſophiſchen eine freye Wahl haben ſolte.
Die Phyſiognomie des Glaubens iſt unend - lich, weil nicht die Kunſt einen GOtt macht, ſondern der ihn anbetet. Bittet GOtt nur um ſo viel Verſtand, daß ihr euch ſelbſt wohl regieren koͤnnet, ſo thut ihr wohl.
Thut euren Gottesdienſt in der Stille, ohne viel Ruͤhmen: Denn bey GOtt geben ſtillſchweigende Reden und heimliche Worte ſo ein Gelaͤute, als die ſtaͤrckſte Stimme. Denn wie kan der Gnade bey GOtt empfangen, der es mit lauter kunſtlichen Sprachen vorbringen will.
Viele Narren ſagen, ſie kennen GOtt, alleinwie101Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. wie koͤnnen wir die Natur von GOttes Weſen, ſo uͤber unſern Verſtand und Begriff iſt, ermeſ - ſen, und andern bekannt machen. Daher ſoll man von GOtt nicht ſprechen, viel weniger von ihm diſputiren, ſondern ihn allein anbeten. Denn wir Menſchen koͤnnen von einer unbe - greifflichen Sache nicht ſprechen, oder wir feh - len gewaltig, und haben einen ungewiſſen Con - cept davon, weil wir nur aus Muthmaſſung davon urtheilen koͤnnen; und alſo kan ich wohl der Curioſitaͤt, aber nicht mit Beweis-Gruͤnden gnug thun; daher iſt das ein Narr, der von der unbegreifflichen Vollkommenheit GOttes mit menſchlichen Vernunfft-Schluͤſſen urthei - len will.
GOtt iſt ein vollkommen Weſen; Je vollkommner ein Weſen iſt, deſto weniger hat es in ſeinen Wercken fremde Huͤlffe vonnoͤthen. Ein allgemeines Weſen muß auf eine allgemeine Weiſe wuͤrcken; und wenn man will zu GOtt kommen, ſo muß man dencken, daß man nicht ſeyn kan, man muß dann einen Anfang ge - habt haben.
Alsdann muß man zu dem erſten Weſen ſich erheben, welches keinen Anfang gehabt, ſolches iſt GOtt, ſolcher iſt der Urſprung von mir und meines gleichen.
Eine aufrichtige Religion lehret, daß man den hoͤchſten GOtt anbeten ſoll, daß man ei - ne Unſterblichkeit der Seele und Auferſte - hung glaube, auch gute Wercke thue.
Es iſt Anmerckens-wuͤrdig, daß die ReligionG 3ſelten102Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. ſelten in eine alte durch vernuͤnfftige Urſachen ver - aͤndert wird, ſondern mehrentheils durch Schaͤrffe des Gewehrs, oder gewaltigen Zwang von Dragounern, welches an Tag gie - bet, daß die Religion in dem Regiment, und nicht das Regiment in der Religion ſey; Die aber von GOtt ſich ruͤhmen, und ihm nicht ge - horſamen, die machen ihren Glauben zur Luͤ - gen. GOtt hat nichts von dem Menſchen ver - langt, da er vorher geſehen, daß er es unmoͤg - lich vollbringen koͤnnen.
Der Nahme der Religion bleibt unter lauter ſtreitigen Concepten, die einander verdammen, und ſind nach dem Begriff der Geiſtlichen eben wie in den Ohren der Zuhoͤrer anzunehmen oder zu verwerffen; allein es ſind weder die erſten noch die letzten allzeit recht klug.
Jn der Religion iſt es eben wie in der Politic im Gebrauch, daß man den einen mit den Po - pantz zu fuͤrchten macht, uud dem andern eine Puppe in die Hand giebt, damit zu ſpielen.
Dieſes thun verſtaͤndige Regenten manchma - len auch wohl bey einerley Perſonen. Sie ver - meiden aber und ſteuren allen Zwietracht in der Religion, weil es offt den Politiſchen Mantel ziemlich kahl macht. Denn die aͤuſſerliche Re - ligion wird gut und boͤſe nach dem Intereſſe und Paſſion der Menſchen angeſehen. Daher iſt es beſſer, in der Stille an verborgenen Sa - chen zu zweifeln, als uͤber ungewiſſen Sachen zu ſtreiten.
Die Erziehung iſt bey dem Menſchen meiſt Urſach an dem, was gut oder boͤſe, loͤblich oder unloͤblich iſt. Ein Jeder iſt gegen die - ſelbe verpflichtet, der Glaube und die Ver - nunfft. Sie macht uns wuͤſte und wild, als ein wildes Thier, und auch einfaͤltig, als eine Taube. Sie giebt einem ſolche kraͤfftige Ein - druͤckungen, daß man ſich der Vorurtheile un - moͤglich entſchlagen kan; oder von dem Aber - glauben, ſo man in der Kindheit gelernet, und mit unſerm Wachsthum eingeſogen haben.
Wir ſaugen unſre meiſte Meinungen mit der Mutter-Milch ein, und dieſes macht offt durch die Erziehung unveraͤnderliche Wur - tzeln.
Da iſt faſt nichts ſo kraͤfftig, welches die Eindruͤckungen in unſern jungen Jahren veraͤn - dern ſolte, oder die Maniren zu verwandeln, in welchen wir von unſerer Kindheit an auferzogen worden. Ja man iſt der Erziehung die Krafft des Glaubens und der Religion ſchuldig.
Die Erziehung macht alle Menſchen par - theyiſch, und die Glaubens-Puncta muß man an ſelbige binden.
Wir gebrauchen die Vorurtheile unſererG 4Erzie -104Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. Erziehung durch Gewohnheit, und die in der Jugend empfangene Ideen werden von uns mit einer partheyiſchen Hartnaͤckigkeit verthei - diget.
Die meiſten Menſchen ſtehen in ihren Vor - urtheilen, weil ſie ſo erzogen.
Denn ſie leben nach ihren Præjudiciis, Nei - gungen, Affecten und Trieben der Natur.
Es ſind Leute, denen die Vorurtheile ſolche Einbildungen machen, daß ſie einen Autorem, wegen einer Urſach in einen Punct, dawider ſie anderer Meinung ſeyn, nicht allein ſein gantz Buch verdammen, ſondern auch den Autorem vor Verdruß zum Narren machen werden.
Wir folgen faſt allezeit der Vorſchrifft in unſerer Erziehung, weil wir die meiſten Mei - nungen in unſern Jahren unwiſſend bekom - men, und wir bleiben faſt alle daran bis an unſerm Tode kleben, daher iſt es ſehr ſchwer, ja faſt unmoͤglich, daß wir ohne Vorurtheile urtheilen koͤnnen, wie ſehr auch einer ſich ver - miſſet und ſchweret.
Durch die Erziehung wurtzelt die Gewohn - heit bey uns ſo wunderlich ein, daß ſie viel durch Gedancken, den Mund und Feder zu unzehlbahren Jrrthuͤmern verfuͤhret. Es ſind gleichſam kuͤnſtlich gemachte Fluͤgel, die die El - tern durch Erziehung, Gewohnheit und Pra - xin denen Kindern geben.
De105Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap.Diejenigen, ſo vor das Sammlen vieler Schaͤtze Sorge tragen, und nicht vor die Erziehung ihrer Kinder, die dieſe Schaͤtze erben muͤſſen, die ſind Narren.
Boͤſe Eltern ſind denen Kindern boͤſe Raths - Leute, und Vorgaͤnger zur Boßheit. Da - gegen ſind fromme Eltern ihren Kindern Spie - gel, da ſie in allen Tugenden nachfolgen.
Boͤſe Auferziehung iſt zu allem Boͤſen die Bahn gebrochen; aber gute Auferziehung und ein artig gewohntes Leben, wie auch ei - nen herrlichen Eſprit, bekommt man offt durch gute Unterweiſung und Ausuͤbung. Man kan durch die Erziehung und guten Unterricht machen, daß ein klein Kind groſſe Spitzen verfertigen kan, welches ein gelehrter Philo - ſophus nicht thun kan; er kan zwar daruͤber wohl raiſonniren, welches aber das KindG 5nicht106Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. nicht verſteht, ob es gleich die Sache ge - macht.
Eltern muͤſſen ihre Kinder ſolchen Lehrmei - ſtern uͤbergeben, die verſtaͤndig, tugend - hafft, fleißig und erfahren ſeyn; und macht den Lehrmeiſter und Diſcipul unverdroſſen, wenn die Unterweiſung wohl begriffen wird.
Eine gute Auferziehung der Kinder iſt die Grund-Feſte des gemeinen Weſens und des Wohlſeyns von Stadt und Lande.
Der Menſch iſt von Natur als ein ander Thier, denn er wird als ein Narr gebohren, er iſt ſo wild als ein Thier, und er wuͤrde wie todt ſeyn, wenn er ſeiner Freyheit beraubt waͤre, und wenn er es durch die Auferziehung nicht verbeſſerte.
Denn die Natur ſpornet uns zur Freyheit an; die Erziehung aber haͤlt uns in unſerer Pflicht, weil die Lehrmeiſter der Jugend eine gewiſſe Macht uͤber die Sternen ihrer Geburth haben.
Der erſte Anfang von dem menſchlichen Verſtand iſt gantz falſch, weil er die weiſen Menſchen verblendet, und faſſet durch die Erziehung ſeine Wurtzeln. Dadurch ma -chen107Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. chen die Menſchen tauſenderley Sachen, und wiſſen nicht, was ſie thun. Die meiſten fol - gen ihres Vaters Fußſtapffen, und unterſu - chen nicht, ob ſie wohl oder uͤbel thun. Die Gewohnheit und Erziehung haben die Ver - nunfft faſt von der Erde verbannet.
Damit man die Wahrheit entdecke, muß man die uͤbergebene Vaͤterliche Meinung in Zweifel ziehen. Hernach muͤſſen wir den Anfang, worinn wir auferzogen ſeyn, unter - ſuchen, und alſo die eingewurtzelte Jrrthuͤmer unſerer Erziehung durch vernuͤnfftige Schluͤſſe in unſerm Alter auskratzen.
Denn es iſt eben ſo preißwuͤrdig, die gu - ten Gewohnheiten anzunehmen, und ihnen zu folgen, als die Boͤſen zu verwerffen. Allein die Gewohnheiten verurſachen boͤſe Arten bey den Hartnaͤckigen.
Die Auferziehung uͤbertrifft die Natur. Die Correction giebt in der Erziehung den beſten Eindruck, wenn ſie mit Gelaſſenheit und Manier geſchicht, iedoch muß ſie auf keinen falſchen Grund gebauet ſeyn.
Die Jugend iſt zu dem Studiren und Arbeit am bequemſten, zumahl wenn man ihr bey -brin -108Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. bringen kan, daß der Fruͤhling und Sommer unſers Lebens meiſt in Eitelkeit, Unwiſſenheit und unnuͤtzen Sachen zugebracht wird, und daß man daher vor dem Winter des Alters ei - nen Vorrath von Verſtand und Tugend ſamm - len muͤſſe.
Vor die Anfaͤnger ſind die wuͤrcklichen Vor - bilder beſſer, als die beſten Unterweiſungen: Denn ein exemplariſch Leben gehet denen ver - nuͤnfftigen Reden, Predigen und Schreyen vor. Der Umgang mit braven Leuten iſt der Othem der Seele. Die Auferziehung kan die Ga - ben der Natur zu ihrer hoͤchſten Vollkommen - heit bringen.
DRey Tage muſte ich zu meiner Ruhe wieder haben, um das vorige zu beſchreiben.
Als ich den Garbon erſuchte, daß ich die Stadt und das umliegende Land beſehen moͤchte, ſo ant - wortete er, daß es nicht eher geſchehen koͤnte, als bis ſie wieder Zeitung aus unſerm Schiff haͤtten, und ſein Volck wieder zuruͤck gekommen waͤre. Doch wolte er gern mit dem Gouverneur daraus ſprechen, als nach welchen er ſo fort zueilte. Ohn - gefehr nach 2. Stunden brachte er mir den ſehrange -109Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. angenehmen Bericht, daß ich durch die Stadt gehen koͤnte, wie ich wolte; und weil er ander - waͤrts zu thun, ſo wolte er mir einen Mann zu - ſchicken, welcher ſo gut Hollaͤndiſch, als er Spa - niſch redete, der mir Geſellſchafft leiſten ſolte. Doch will ich nicht laͤnger als zwey Tage verrei - ſen, ſo will ich euch wieder ſehen. Jch bedanckte mich gegen ihn, mit einem guten Vertrauen, und bat ihn, daß er nach ſeiner Zuruͤckkunfft mir die Ehre ſeines Beſuchs wieder goͤnnen moͤchte. Er ſagte hierauf, daß er dieſes zu thun ſchuldig ſey. Er bedanckte ſich nochmals gegen mich vor das von mir ihm geſchenckte Buch, Carteſium, und gieng nach einem hoͤflichen Abſchied fort.
Nun war es um 11. Uhr zu Mittage. Um 12. Uhr ſpeiſten wir nach unſerer gewohnten Art. Nebſt denen, ſo die Speiſe brachten, kam ein al - ter Mann, der honett gekleidet war, und gruͤſte mich auf die Suͤdlaͤndiſche Manier, er leg - te ſeine rechte Hand auf ſeinen Mund, die lincke auf ſeine Bruſt, und hierauf brachte er die rechte auf die Bruſt, und die lincke auf den Mund, hier - auf legte er ſeine Arme uͤber der Bruſt Creutz-weiß uͤber einander, ſo wie man es in den Oſtlanden in Gewohnheit hat, und als er ſich beugte, ſprach er auf gut Hollaͤndiſch: GOtt gruͤſſe euch alle, ſeyd willkommen hier.
Mein Hertz ſprang vor Freuden, als ich Hol - laͤndiſch ſprechen hoͤrte. Jch antwortete, GOtt gruͤſſe euch auch, ſeyd auch willkommen. Wie hab ich das Gluͤck, an dieſen Ort Hol -laͤndl -110Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. laͤndiſch zu hoͤren. Er antwortete, ich bin ein Hollaͤnder. Wie ſeyd ihr denn hieher kom - men, fragte ich. Er antwortete: Der Garbon hat mich gebeten, daß ich euch meine Lebens - Hiſtorie und deren unterſchiedene Begeb - niſſe ſchrifftlich uͤberliefern ſolte, damit ihr ſolche abſchreiben koͤnner. Hier iſt nun ſel - bige, ſo wie ich ſie in meiner Einſamkeit und als ich hier erſt in die Stadt kom̃en war, und noch alles friſch in Gedaͤchtnis behalten hatte, aufgezeichnet. Hiermit nahm er ein Manuſcript aus ſeinem Buſen, und uͤbergab mir ſolches, daß ichs abſchreiben konte, welches ich mit Danck annahm, und ihn verſicherte, daß ich es geſchwind verrichten, und es ihm ohne Schaden wieder zu Handen ſtellen wolte.
Jch ſolte, wie ich gebeten, nach dem Eſſen mit ihm die Stadt beſehen; ich war aber ſo curieux, dieſes abzuſchreiben: (Denn ich meinte, es wer - de ihm wieder gereuen.) Daß ich ihn bat, er moͤchte mich itzo damit verſchonen, bis ich den Theil von ſeiner Lebens-Beſchreibung und Begebenheiten in Suͤdland abgeſchrieben haͤt - te; welches er mir auch zuließ, und verſprach den folgenden Morgen wieder zu kommen. Als der ehrliche Mann nach beyderſeitigen Com - plimenten weggegangen, hatte ich Zeit ſolches ab - zuſchreiben, und beſtund in folgenden:
[Hier folget das Leben Henrich Texels.]
JCh war ein Junge von 12. Jahren, und konte Leſen und Schreiben, als ich auf Batavia vor Schiff-Junge in Compagnie Dienſte kam, welches im Jahr 1655. war. Als ich 3. Monat darinn geweſen, wur - de mir befohlen, mich folgenden Morgen mit meiner Kiſte auf das Schiff, den wackern Bo - ren zu verfuͤgen, welches nach Suͤdland ſee - geln ſolte, und die Uberbliebene von dem Schiff, der goldne Drache, ſo daſelbſt geſtrandet, ab - zuholen, und ſie nach Batavia zu bringen.
Als wir dahin kamen, fanden wir das Holtz - werck von dem Schiff, und ſchoſſen 3. Stuͤck - Schuͤſſe zum Zeichen, daß wir daſelbſt ankom - men: Es ließ ſich aber niemand am Strand ſe - hen. Als wir niemand anſichtig wurden, fuhren wir mit dem Boot oder Chalouppe an Land, undwol -112Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. wolten das daſelbſt gebliebene Volck von dem goldnen Drachen aufſuchen. Es war aber alles vergebens, wir fanden keine lebendige See - le oder Thier, ſondern ein trocken Land, bloſſes Ufer, und viel niedrig Buſchwerck.
Als wir eine Nacht vergebens geſucht, ſeegel - ten wir den andern Tag an dem Ufer einige Mei - len hin, und ſchoſſen bey ieder Stunde eine Cano - ne los, wir ſetzten wieder Volck an Land, und ſuchten, fanden aber niemand, iedoch ſahen wir einige Fußſtapffen von bloſſen Fuͤſſen im Sande.
Den dritten Tag ſeegelten wir wieder bey das zerſcheiterte Schiff. Als wir uns hier vor Ancker legten, wurde befohlen, daß das Boot dem Strand laͤngſt hin entdecken ſolte, in der Hoff - nung, das Volck von dem goldnen Drachen zu finden. Das Boot war auf einige Tage mit Waſſer, Eſſen und Trincken verſehen, und gieng ſelbiger alſo an dem Ufer hin. Von deſſen Wie - derkunfft weiß ich aber nichts, auch nicht, ob ſie das Volck gefunden, oder nicht.
Nach Abgang des Boots wird die Chalouppe nach dem Lande geſchickt, damit 12. Mann wie - der ſuchen moͤchten; ich kam als ein Junge mit in die Chalouppe, und wolte auch gerne an Land, in der Hoffnung, daſelbſt einige Erfriſchung zu ha - ben, denn ich war im Schiff ſchon einige Zeit aller Erfriſchung beraubet geweſen; bey welcher Gele -gen -113Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. genheit ſich dann ein ieder nach einem Labſal umſiehet.
Jch war wie die Jugend iſt, erfreuet, daß ich mit ans Land kam, und dachte wenig um das Volck von den guͤldnen Drachen zu ſuchen, ſon - dern ich wolte mich nur erfriſchen. Als wir an Land traten, und Landwaͤrts ein gangen, kamen wir nach 3. Stunden Gehens an einen Buſch, hier meinte ich einige Fruͤchte zu finden. Jch ſonderte mich als ein unverſtaͤndiger Junge von dem Volck ab, und dachte nicht dran, wie ich aus dem Buſch, darinn ich war, wieder heraus kom - men ſolte. Jch gieng immer hinten an, und ver - ſteckte mich hinter einige Straͤucher, und kam al - ſo tieffer in den Buſch hinein, war auch erfreuet, daß ich meinem Volck aus dem Geſicht kom̃en, ich ſteckte eine Pfeiffe Toback an, und gieng damit Buſchwaͤrts ein.
Nachdem ich aber ohngefehr eine Stunde Fruͤchte geſucht, und keine von ſelben noch die ge - ringſte Labſal gefunden, wolte ich wieder umkeh - ren, und unſer Volck am Strand ſuchen, ich gieng wohl 2. Stunden, und wolte aus dem Buſch kommen, verirrete mich aber ie laͤnger, ie mehr. Jch rieff, ich heulte, ich ſchrie bis ich heiſch wurde. Jch war voll Furcht und Schre - cken, meine Bangigkeit war unausſprechlich. Nun ſahe ich erſt, daß ich ein einfaͤltiger Junge war, und als ein Junge etwas angefangen, wel - ches ich aber auf das allerempfindlichſte bereute. Was ſolte ich thun? Jch hatte mich muͤde gelauf - fen, hatte mich heiſch geſchriehen, war kleinmuͤ -Hthig,114Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. thig, ja gantz verzweifelt. Jch warff mich un - ter einen Baum zur Erden nieder, ſeufftzete, gluck - ſete und bat GOtt um Huͤlffe. Der Abend brach ein, und ich kam aus Muͤdigkeit in Schlaff. Als ich erwachte, hatte ich mich gantz erkaͤltet, und die Finſterniß machte bey mir eine ſolche Furcht und Schrecken, daß mir die Haare zu Berge ſtunden, ich zitterte als ein Blat, ſo wol das Ge - raͤuſch der Baͤume, als der ſauſende Wind er - ſchreckte mich alle Augenblick, meinem beaͤngſte - ten Gemuͤth war toͤdtlich zu Muthe, ſo daß nie - mand, als der in der erſchroͤcklichſten Todes-Ge - fahr geweſen, dieſes dencken, wiſſen und begreif - fen kan. Jch ſeufftzete bey mir ſelbſt zu GOtt um Huͤlffe, bis der Tag anzubrechen begunte, welches meine Furcht etwas erleichterte. Jch ſtund auf, und wuſte nicht, wo ich hingehen ſolte, ich gieng, um wieder warm zu werden, hin und her, ſteckte die Haͤnde wegen der Kaͤlte in die Taſche, darinn fand ich mein Meſſer, Toback - Doſe, Feuerzeug, Zunder-Buͤchſe und einen Zwieback, dis erfreute mich nicht wenig. Als ich tieffer zufuͤhlte, fand ich ein Knaui Bindfa - den, und einige Angel, welches mir ein Matroſe in Verwahrung gegeben, damit ich wenn ich auf den Strand kaͤme, fiſchen koͤnte. Dieſes war nun alles mein Reichthum, meine Schiffer-Klei - der waren nicht viel werth, gleichwie ein ieder Seefahrender weiß, was ein Schiffer-Junge anhat.
Jch verſuchte auf den Weg zu komnen, der aus dem Buſch fuͤhrte, und ruffte allezeit: AchGOtt
115Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. GOtr hilff mir. Jch wuͤnſchte tauſend mal, daß ich einen Berg antreffen moͤchte, davon ich in die See ſehen koͤnte, oder einen Fluß, der mich zur See leiten ſolte; Je mehr ich aber mich dar - nach bemuͤhete, deſto mehr verirrete ich mich im - mer weiter, und dachte weder an Eſſen noch an Trincken. Jch beſchloß nunmehr, gerades We - ges, vor mich zu gehen, es moͤchte mich nun GOTT hinfuͤhren, wo er wolte. Als ich dis that, kam ich gegen Abend kurtz vor der Sonnen Untergang bey eine moraſtige See: Als ich Waſſer ſah, wolte ich davon trincken. Wie ich es aber koſtete, befand ich daß ſolches etwas faul ſchmeckte. Jch grub ein wenig abwaͤrts mit mei - nen Haͤnden ein Loch, darinn friſch Waſſer her - vor kam. Jch tranck davon, und erquickte mich uͤberaus daran.
Das Waſſer in der See war truͤbe, braun und roͤthlich, als ſolche ſumpffigte Waſſer, da verfaulte Blaͤtter in liegen, ſeyn. Hier fieng ich ſchon wieder zu ſeufftzen und heulen an. Mein elendes Weinen hatte kein Ende. Jch ſeufftzete ſtets, und ſagte zu mir ſelbſt:
Jch armer Junge, was ſoll ich machen? Wo ſoll ich hin? Ach GOtt hilff mir doch. Jch aß meinen halben Zwieback auf, rauchte ei - ne halbe Pfeiffe Toback, und tranck aus meiner Grube; das erfriſchte mich uͤberaus. Jch be - dachte nun, was ich in ſolcher aͤuſſerſten Noth thun ſolte. Menſchen konten mir nicht helffen, daher gieng ich aus Noth zu GOTT. Jch machte meine Struͤmpffe loß, und fiel auf meineH 2bloſſe116Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. bloſſe Knie nieder, rieff zu GOtt, daß er mir helf - fen ſolte, betete mein Abend-Gebet, und das Vater Unſer. Jch wurde unter dem Beten ſo bewogen, daß ich als ohnmaͤchtig danieder fiel, und gantz auſſer mir ſelbſt war. Dis waͤhrte ſo lange bis es finſter ward. Als ich aber muͤde worden, legte ich mich nieder, und kam unter lau - ter Heulen in Schlaff. Jch ſchlieff die gantze Nacht durch, und wachte wieder bey der Sonnen Aufgang auf, welches mir ſehr froͤlich anzuſehen war.
Nun muſte ich auf meine Erhaltung dencken, ich ſaß bey meiner Waſſer-Grube, erfriſchte mich mit ſuͤſſen Waſſer, und hielt davor, daß dis noch beſſer, als das ſtinckende Waſſer auf dem Schiff waͤre. Mittlerweile daͤuchte mir, daß an mir ie - mand ſtieß, als ich mich nun umſahe, ſahe ich nie - mand, ich wandte die Augen nach dem Walde, da ich einen dicken hohen Baum erblickte, der ſehr kaͤnntlich wegen ſeiner Dicke war. Jch gieng ſo gleich nach ſelbigen zu. Als ich zu denſelben kam, gab mir GOTT ein, daß ich gewiſſe Baͤu - me zeichnen ſolte, damit ich mein Waſſer nicht verlieren moͤchte. Jch zoge mein Meſſer aus der Scheide, und ſchaͤlte die Rinde etwas ab. Jch machte mit dem Meſſer ein hoͤltzern Beil, um die Baͤume zu ſchaͤlen, daß ich mein Meſſer etwas ſchonen moͤchte. Jch machte mir auch eine kleine hoͤltzerne Schauffel, und nahm einen groſſen Za - cken, den ich forne ſcharff ſchnitt, welcher hinten einen groſſen dicken Aſt hatte, dieſes war mein Gewehr; ich wurde ie laͤnger ie geruhiger, undfieng117Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. fieng an unter dieſem Baum, da es etwas hoch war, eine Huͤtte von Zweigen aufzurichten. Un - ter dem Arbeiten kam es mir wieder vor, als ob ich geſtoſſen wuͤrde. Da ich mich aber umſahe, ſahe ich wieder keinen Menſchen, doch etwas weit von mir wieder einen ſolchen dicken Baum. Jch ließ die angefangene Huͤtte ſtehen, lieff nach die - ſem Baum zu, und hackte rings um die Rinde ab, that auch ſolches ferner bey andern, die wei - ter ſtunden; als ich fortfuhr, kam ich wohl eine Stunde oder anderthalbe von den Moraſt ab. Jch verſuchte ſtets mit einer geraden Linie aus dem einſamen Buſch zu kommen, und im Gehen fand ich einen Apffel, ach GOtt! was war das vor eine Freude. Jch ſahe in die Hoͤhe, und be - fand mich unter einem wilden Apffel-Baum. Jch warff meinen hoͤltzernen Spieß und Schauffel von mir, und ſtieg mit groſſer Freude den Baum hinan, ich aß den Bauch voll, und pfluͤckte viel davon ab, welche ich unter dem Baum ins Gras ſchmiß, daß als ich herunter kam, den Hut und beyde Taſchen fuͤllte, und noch einige liegen ließ.
Jch gieng wieder zuruͤck, als ich einen Baum nach dem andern gezeichnet, u. da ich bey meinem erſten dicken Baum kam, der gleich als auf einer Hoͤhe ſtund, grub ich ein Loch, das ich unten mir Blaͤttern belegte, und legte meine Aepffel hinein, deckte ſie wieder mit Blaͤttern, bedeckte ſie oben mit Sand, und hatte alſo eine Obſt-Cammer.
Jch ſteckte einige Zacken in die Erde, die es etwas bedeckten, und dachte dabey, daß dasjeni - ge was die Zweige nicht bedeckten, moͤchte derH 3Him -118Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. Himmel bedecken; ich gieng nun nach meinen Waſſer, hernach nach meiner Huͤtte, und dachte im Gehen nach, was ich thun muͤſte. Meine Angſt und Betruͤbniß nahm nun allmaͤhlich ab.
Als ich in meiner Huͤtte ſaß, und einen Apffel ſchaͤlete, dachte ich: O du groſſer GOtt, was iſt doch das menſchliche Leben, wie ſchwermt man doch um Geld und Gut aus einem Land ins andre. Jch habe nur Waſſer und Aepffel, und bin ſo wohl zufrieden, wenn ich ſolche nur haben kan; und wenn ich dieſe Aepffel vor Geld vertauſchen koͤnte, wolte ich ſolches nicht thun. Als der Abend einfiel, betete ich zu GOTT, und legte mich in meiner Huͤtte auf Zweige und Blaͤtter nieder, und ſchlieff viel ruhiger als zuvor. Wie ich des Morgens aufwachte, fieng ich emſig an, auf meine Erhal - tung zu dencken, als wenn ich in dem Wald mein Lebelang bleiben muͤſte, welches ich doch vorher aus allzu groſſer Angſt und Betruͤbniß nicht thun koͤnnen.
Jch dachte daß ich erſt eins trincken, hernach nach meinen Apffel-Baum gehen, die da - ſelbſt noch liegende Aepffel holen, und die Baͤu - me ſo weit ich angefangen hatte, weiter fort zeich - nen, und zwar in gerader Lienie abſchaͤlen ſolte, ſo daß ich endlich aus dem Buſch gelangen, und auf alle fruchtbare Baͤume Acht haben moͤchte. Wie gedacht, ſo gethan.
Jch gieng nach meinem Apffel-Baum mit meinem hoͤltzernen Spieß gewaffnet; als ich da - hin kam, fuͤllte ich meine Taſchen mit denen untenliegen -119Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. liegenden Aepffeln. Und indem ich gerade vor mich weg gieng, ſchaͤlte ich die Baͤume auf eine ſolche Art, daß ich ſie wohl erkennen konte, fand auch dann und wann einige fruchtbare Baͤume, ſolche zeichnete ich auf eine beſondere Weiſe, bis ich nach einiger Zeit ſo weit kam, daß ich einen kleinen ſuͤſſen Fluͤß fand, da ich auch unterſchiede - ne andere fruchttragende Baͤume antraff, welche ich nicht kennte, ich aß aber immer in GOttes Nahmen davon, und bekamen mir gantz wohl.
Nun vergaß ich meine erſte Obſt-Cammer, die Waſſer-Grube und den Apffel-Baum. Jch folgte dem Fluß nach, welcher mich nach einiger Zeit aus dem Wald fuͤhrte bis an einen Berg, an deſſen Fuß eine groſſe See von faulen Waſſer war, da ſich dieſer Fluß hinein ergoß; und dieſe See floß wieder durch einen kleinen Canal in das Meer, wie ich hernach befunden.
Jch ruhete bey dieſer See aus, und ſahe einen Fiſch ſpringen; ich nahm einen Faden mit der Angel, und ſchmiß ihn mit meinen hoͤltzernen Spieß ins Waſſer, da ich vorher an den Angel ein ſtuͤckgen Apffel gethan, und fieng ſo gleich ei - nen guten Boͤrs, welchen ich reine machte, und von deſſen Kaldaunen neue Koͤder an die Angel machte; ich fieng noch 5. bis 6. ſchoͤne Boͤrſe. Nachdem ich ſolche zu recht gemacht, bratete[i]ch ſie an hoͤltzernen Spießgen, und ſchmeckten mir herrlich und gut. Mein Zunder war aufgangen, daher riß ich ein Stuͤck von dem Ermel meines Hemds, brannte es an, und loͤſchte es zwiſchen meinen beyden Schuhen aus. Nun war meineH 4Zun -120Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. Zunder-Buͤchſe wieder voll, und ich wieder wohl verſehen. Als ich wohl gegeſſen und getruncken, ſtieg auf den Berg von deſſen Hoͤhe ich in die See ſehen konte, ohngefehr eine Stunde weit von demſelben, der Berg war nur ein hoher Huͤgel, und ſtunde in dem flachen Lande.
Jch hatte mich wohl geſaͤttiget, wie ich auch ſchon erwehnet, und gieng nach der See zu, in der Hoffnung, ob ich unſer Schiff oder Volck daſelbſt antreffen koͤnte; ich fand aber niemanden. Als ich hin den Strand ſo lang gieng, kam ich in die Runde herum, doch daß ich den Berg nicht aus dem Geſicht verlohr; wie ich ſo fort gieng, daͤuchte mir, daß ich hin - ter den Sand-Huͤgeln einen Maſt ſaͤhe, und daß er mit ſeinen Gipffel daruͤber ragte, es wol - te auch mir vorkommen, daß ich Fußſtapffen antraͤffe, iedoch verlohr ich ſolche wieder.
Als ich auf die Sand-Huͤgel kam, ſahe ich einen aufgerichteten Stock, daran eine zinner - ne Platte genagelt war, und ſtund der Nahme des Schiffers - und Schiffs drauf, mit welchen ich kommen war. Dis ſetzt mich in eine Ver - wunderung, und nunmehr war dieſer Stock meine Geſellſchafft. Jch war ein Junge, und daher kuͤſſete ich dieſen Stock ſehr offt mit den bitterſten Thraͤnen.
Jch ſatzte mich mit dem Ruͤcken gegen dieſen Pfahl, legte den Kopff auf den Arm, und ſah die See mit betruͤbtrn Augen an. Hier auf ſtund ich wieder auf, gieng neben dem Stock hin und her, und las zu Zeiten die Schrifft, be -ſchloß121Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. ſchloß auch endlich, den Pfahl mit den Haͤnden los zu graben, denn er ſtund tieff im Sande, und wolte aus ſelbigen die Naͤgel ausziehen; als ich dis bey mir bedachte, trat ich hinter den Stock, und wolte nach ſelbigen ſehen, und in - dem ich nach die Naͤgel und den Pfahl von hin - ten ſahe, wurde ich eines Briefgens und einer zinnern Platte gewahr, welche daran genagelt waren; und ſtund auf der Platte: Henrich, gra - be hinter dieſen Stock. Dis ſetzte mich noch mehr als der erſtgefundene Stock in Verwun - derung, und es lieff mir ein rechter Schauer uͤber den Leib, meine Haare kraͤuſten ſich, ich wurde halb ohnmaͤchtig, und furchte mich ſehr, ich bebte, und wuſte nicht warum.
Jch ſatzte mich wieder nieder gegen den Pfahl, bis ich wieder zu mir ſelbſt kam. Hierauf nahm ich meinen hoͤltzernen Spieß, fieng an in dem Sand zu graben, und fand etwa eine Klaffter hinter den Stock etwas hartes. Jch fieng mit meinen Haͤnden an zu graben, bis ich auf ein Brett gekommen; wie ich dergeſtalt fortarbeitete, ſahe ich, daß es meine Schiff - Kiſte war.
Jch rieff laut auf: Ach du groſſer GOtt, ich dancke dir, mein GOtt, hilff mir doch auch ferner. Jch heulte vor Freuden, und mit lauter Weinen grub ich meine Kiſte vollends heraus. Auf dem Deckel war eine Matte ge - legt, und um den Schluͤſſel, ſo in dem Schloß ſtack, war ein Tuch gebunden, damit der Sand das Schloß nicht beſchaͤdigen ſolte.
H 5Jch122Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap.Jch ſchloß mit der groſten Freude meine Kiſte auf, und fand folgenden Brief drinne: Henrich, nachdem wir in 9. Tagen weder Volck von dem guͤldnen Drachen, noch dich haben finden koͤnnen, ohngeachter alles Suchens und Wartens, ſo haben wir beſchloſſen wieder weg zu gehen, (weil auf dieſen U - fern ſchlechter Auffenthalt iſt) und haben deine Kiſte und Gut hier begraben, damit, wenn du hier kommſt, dich deſſen bedienen kanſt. Recht oben auf dieſem Huͤgel iſt ein Pfahl eingeſchlagen, darunter ſind noch einige Sachen zu deiner Nothdurfft begra - ben. Lebe wohl.
Jch fiel auf meine Knie, danckte GOTT vor ſeine Gnade, und bat vor mein Schiff und des Schiffers gluͤckliche Reiſe. Wie ich wieder aufſtund, ſtopffte ich eine Pfeiffe, weil ich wie - der aufrecht ſtehen konte. Als ich meine Kiſte hierauf durchſahe, fand ich folgende Sachen drinn:
Jch trunck auf meine gerauchte Pfeiffe einen Schluck Brandtewein, als ſichs gebuͤhret. Nun wurde ich wieder froͤlich und gutes Muths. Jch beſchloß bey mir, die folgende Nacht bey dieſem Stock zu bleiben, damit ich mein Gut verwah - ren koͤnte, da doch weder Menſchen noch Thie - re waren, die mich berauben konten; Jedoch war dis ein Beginnen eines Jungen. Jch gieng hierauf auf den Huͤgel, und ſahe den kleinen Pfahl an, ich ſtieß mit meinem Spieß in die Erde, und 2. Fuß tieff fuͤhlte ich was hartes. Jch fieng an zu graben, doch war ich kaum ei - nen Fnß tieff in die Erde, ſo fand ich eine Schauf - fel, was war ich daruͤber erfreuet. Jch grub weiter, und konte ich itzt weiter als mit den Haͤn - den kommen. Jch entdeckte hierauf ein Brett, und darunter meinen kleinen Kaſten, dieſer war brav mit Matten umſchlagen: Als ich dieſes alles weggenommen, fand ich darinn folgenden Brieff:
Hoͤre Henrich, nachdem du vielleicht dein Leben hier beſchlieſſen ſolſt, ſo iſt man ſchluͤßig worden, dir dieſe Sachen zu ver - ehren. Der Chirurgus giebt dir ſein Brenn - Glaß, damit du bey Mangel von Zunder Feuer machen kanſt; und ein Stuͤck Schwe - fel, daraus Schwefel-Faden zu machen.
Jch124Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap.Jch war begierig alles durchzuſehen, und fand folgende Sachen: 1. Brett. 1. brave Matte. Meine Haͤnge Matte. Einen aus - geſtopfften Sack. Eine Decke und Haupt - Kuͤſſen. 1. Beyl. 1. Saͤge. 1. kurtz Schieß - Rohr. 2. Patron-Taſchen voll Pulver. 100. Kugeln. 1. Stuͤck platt Bley. 1. Schiff De - gen mit ſeinem Gehencke. 1. Faͤßgen Brand - wein. 2. verwahrte Bouteillen Spaniſchen Wein. 100. Zwieback. 1. kupfferne Pfanne von einem Maaß. 1. Topff mit Toback. Noch eine Rolle Toback von 3. Pfund. 1. Blaſe mit Pulver. Noch eine Patron-Taſche mit Kugeln. 2. Leinene Angel-Garn 1. Buͤch - ſe mit Angeln. 12. Feuerſteine. 1. Buͤſchel Schwefelſtoͤckgen. 1. Bund Federn. 1. Fe - der-Meſſer. 2. Buch Pappier. 1. bleyern Dintenfaß, und ein Maaß Dinte. Das neue Teſtament. Die Reiſe W. Y. Bontekoes und P. van den Broeke. Noch ein rund Spiegel - gen in einer blechern Doſe.
Nun veraͤnderte ich meinen Vorſatz, um bey dem Stock zu bleiben. Jch hatte den Weg von dem Berg oder Huͤgel bis hieher als einen Drey - Angel gegangen, welches aber nunmehr gleich zu viel naͤher war. Nun wolte ich alſo meinen Weg ſo nehmen. Jch machte meine Kiſte ledig, und fuͤllte ſelbige mit dem Zwieback, Pulver, Toback, Pappier, Buͤchern, und dergl. Jch zog 3. Hembden an, hieng den Hauer an die Seite, und das Beil nebſt der Saͤge auf denBu -125Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. Buckel, und 2. Bouteillen mit einem Faden um den Hals. Mit ſolchem Aufzug gieng ich nach meinem Fluß zu, und weil es warm war, ſchwitz - te ich nicht wenig, welches ich aber mit einem friſchen Trunck wieder gut machte. Jndem ich etwas wieder ausruhete, uͤberlegte ich, was ich weiter anfangen ſolte. Jch grub ein groß Loch auf einer Hoͤhe, das beſtreute ich unten mit Blaͤttern, und legte oben Zweige druͤber, hier - inn legte ich meine Sachen, und deckte es mit Za - cken und Raſen wieder zu. Des Nachmittags hohlte ich meinen Kaſten, nebſt dem Schieß-Ge - wehr, und die Blaſe mit dem Pulver, Kugeln und Zwieback ſteckte ich in den Schub-Sack. Als ich bey dem Fluß kam, ſchlug ich auf der Hoͤhe bey meinem Keller 4. Pfaͤle in den Grund, daran ich meine Hange-Matte feſt machen wol - te. Jch that noch einen Gang, und holte die Matten, die Bouteille mit Brandtewein, das Fiſch-Garn und die Angel, nebſt einigen Bley - Kugeln; als ich bey meine Sachen wieder kam, ſchlieff ich gantz gemaͤchlich ein, bis der Tag wie - der anbrach.
Dieſen Tag kamen alle meine Sachen bey dem Fluß zuſammen. Nun war ich ein ſehr rei - cher Mann. Jch nahm Feder, Pappier und Dinte, und ſchrieb alles, was vorgegan - gen war, auf. Jch betete, ſang einen Pſalm, ſo gut als ich konte.
Nun muſte ich einen guten Platz vor meine Huͤtte ausſuchen. Jch ſahe mich rund um, und ſahe nicht ferne von mir einen ſchoͤnen hohen undgruͤ -126Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. gruͤnen Huͤgel, dicht an den Fluß. Jch gieng auf ſelbigen hin, und als ich ihn genau ſahe, ge - fiel er mir uͤberaus wohl. Als ich meine Saͤge und Beil gehohlet, hackte ich ſo viel groß und kleine Zweige ab, als ich noͤthig hatte. Wie ich ſie in den Grund gegraben und geſtecket, und oben und rings um durchgeflochten, ſo dicht als es mir moͤglich war, ſo machte ich mir in kurtzer Zeit eine dichte Huͤtte.
Wie ich es ſo weit gebracht, hub ich meine An - gel-Garne in die Hoͤhe, welche ich in den ſuͤſſen See geſetzet, daran verſchiedene Baͤrſe waren; von ſelbigen kochte ich mir etliche in der Pfanne. Jch hatte eine gute Mahlzeit gethan, und einen friſchen Trunck drauf zu mir genommen, ich hol - te meine Hang-Matte in meine Huͤtte, hieng ſel - bige wohl und feſt auf, und brachte auch meinen Kaſten drein, nebſt den meiſten Sachen. Nun wolte ich die See auch an der andern Seite um - gehen, und ſehen, was da zu thun waͤre. Da der Fluß in das Meer faͤllt, iſt das Waſſer ſehr roth, wie auch das Ufer, da ich gegraben hatte, und war als Leim klebrig und fett.
Jch ſchmiß eine Schauffel voll auf, und ſa - he, was es vor Land war. Wie ich eine Vier - thel-Stunde gegangen, fand ich ein roth felſich Ufer mit vielen kleinen Bergen. Dis waͤhrte eine ziemliche Weile; und als ich wieder zuruͤck gieng, den rothen Leim unterſuchen wolte, und etwas von einander ſchlug, kam ich wieder nach meiner Huͤtte. Jch holte hierauf etliche Fruͤch - te. Mir fiel ein, daß, wenn der Leim gut waͤre,ich127Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. ich eine ſchoͤne Huͤtte draus machen koͤnte. Wie ich nach den Leim wieder gieng, befand ich, daß er trocken, hart und feſt war, welches mir eine ſonderliche Freude zu ſehen.
Wie ich bey meine Huͤtte kam, ſann ich bey einer Pfeiffe Toback nach, was ich thun ſolte. Jch hieb ein Theil dicke und ſtarcke Zacken herun - ter, machte ſie von den kleinen Zweigen reine, und grub ſie ſehr tieff und bey einander in den Grund wie einen Creyß. Wie dieſer Circul 18. Maͤnner-Fuͤſſe groß war, fieng ich an, von unten auf es durchzuflechten, wie einen Bauren-Zaun; und wie ich daran ſtets arbeitete, hatte in wenig Tagen es ſo hoch gemacht, als ich es erlangen konte Wie ich nicht hoͤher kommen konte, muſte ich eine Leiter machen, und nahm 2. brave lange Zacken dazu, ein jede 9. Fuß lang. Wie ich aber keinen Bohrer noch Meiſſel hatte, muſte ich mit meinem Meſſer die Loͤcher machen, welches mir ſehr ſauer wurde, ſo daß ich Blattern in die Haͤnde bekam; ich muſte meine Arbeit alſo ſtehen laſſen, und entweder leichtere Sachen vor - nehmen oder ſtill ſitzen.
Die Thuͤr und den Eingang in meine Huͤtte hatte ich 5. Schuh hoch, und 2. und einen hal - ben breit gemacht. Hierzu wolte ich nun eine Thuͤr flechten; und als ich damit umgieng, fiel mir ein, daß ich in dem Vaterlande viereckigte Vogelbauer von Schiff gemacht. Jch ließ die Thuͤr ſtehen, und fieng an einem Boden anzu - arbeiten, der anderthalb Fuß ins gevierte groß war: Als ich dieſen auch anderthalb Fuß in dieHoͤhe128Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. Hoͤhe arbeitete, hatte ich einen Kaſten; und wenn ich ihn umkehrte, einen Stuhl, das war ein koͤſtlicher Haus-Gerath. Jch gieng damit nach dem leimichten Ufer, und beſchmierte mei - nen Kaſten von auſſen mit dem Leim, der in der Sonne trocknete, ich beſprengte ſolchen durch ei - nen groſſen Zacken mit Waſſer, und ſtrich die Ritzen mit der Hand zu, wodurch mein Kaſten ſo dicht und feſt wurde, als wenn er mit rothen Steinen belegt waͤre, welches mich nicht wenig erfreuete. Nun konte ich Kiſten zu meinen Sa - chen machen, und was ich ſonſt noͤthig hatte.
Jch bedachte hierauf, daß ich ſo fort noch 2. ſolche Koͤrbe flechten ſolte. Wie ich dieſe fertig hatte, hackte ich ein ſtarck Stuͤck Holtz einer Klaffter lang ab, machte an jeden Ende einen Strick, und band den Korb dran; dis machte ich als ein Achſel-Joch. Hiemit holte ich Leim nach der Huͤtte. Als ich in die Huͤtte einige Fen - ſter-Loͤcher geſchnitten, fieng ich an zu ſchmieren, beſprengte es mit Waſſer, beſtrich es von neuen, und verfertigte meine Huͤtte in 3. Tagen 5. Fuß hoch, welche ſehr glatt und trocken wurde, und war ſo feſt und hart, als wenn ſie von rothen Steinen gebauet waͤre.
Wie meine Haͤnde wieder gut waren, faſte ich meine Leiter wieder an; ich wickelte Leinwand um das Meſſer, und da ich etwas langſam damit arbeitete, kriegte ich 5. Sproſſen darein.
Durch dieſer ihre Huͤlffe konte ich meine Huͤt - te oben zu machen, und ließ oben ein Loch eines Fuſſes groß darinnen, ſo wol der Lufft, als desRauchs129Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. Rauchs halber, ſo daß ich es mit einem Deckel konte zu decken und aufmachen.
Als ich alſo mein Dach beſtrichen, und es tro - cken geworden, ſo meinte ich, daß ich ein Caſtell beſaͤſſe. Jch machte hierauf unterſchiedene Koͤr - be, die ich als meine Huͤtte mit rothen Leim beklei - bete, welche ich ſo wol vor meine Sachen, als zur Winter-Proviſion brauchte.
Jch bauete auch eine ſchoͤne viereckigte Huͤtte bey meiner itzigen an; die 15. Fuß an ieder Seite lang war. Welche ſchoͤn und ſtarck gebauet, oben ein Loch wie meine andere Huͤtte, und unten mit Fenſter-Loͤchern verſehen war. Nun war ich ſchon ein Herr von 2. Schloͤſſern, des Tags uͤber ſchrieb ich meine Dinge auf, und weil ich es ſo offt las, ſo konte ich es gantz auswendig.
Als ich auf eine gewiſſe Zeit Fruͤchte holen wol - te, ſahe ich einen hohen Huͤgel, der gleichſam mit Haͤnden gemacht war, dieſer war rund herum mit Baͤumen dicht an einander beſetzt, und ein Baum ſtund in der Mitten. Jch konte dieſen Berg aus meiner Huͤtte ſehen, ich hatte aber da nicht ſo dran gedacht, denn es war bey 400. Schritte von meinen Hauſe abgelegen. Jch uͤ - berlegte die Sache, holte endlich mein Beil, und hackte 3. Baͤume zwey Fuß uͤber der Erden ab. Wie ich hinein trat, konte ich nicht anders abneh - men, als daß dieſes ſo gepflantzt waͤre. Jch hol - te meine Leiter, und hackte dieſe Baͤume rings herum ab, und ließ die Staͤmme 10. Fuß hoch ſtehen, den mittelſten Stamm ließ ich 20. FußJhoch,130Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. hoch, nahm ihm alle ſeine Zweige, und ſchaͤlte den uͤbrigen allen ihre Rinden ab.
Dieſe Baͤume waren in der Runde 18. und in der Dicke 20. Daum groß. Hier wolte ich eine Feſtung bauen, und fieng des Tags uͤber aus Zeit-vertreib an einen Zaum zu flechten mit den dickſten Zweigen, die ich mit einen Stock zuſam - men ſchlug. Dieſes Caſtell wurde endlich bis auf das Dach fertig, welches auch nach einiger Zeit drauf geſetzt wurde. Meine Thuͤre war 2. und einen halben Fuß und viereckigt, 2. Fuß von der Erden hoch. Hier holte ich mein Faͤßgen Brandtewein und eine Blaſe voll Schieß-Pul - ver, die Zwiebacke halb, und etwas Kugeln. Zu - letzt gieng ich dahin mit meinen Kaſten, wohn - te mit dem meiſten Gut da, und begrub das uͤbrige in meinem andern Hauſe, da es wohl auf - gehoben war. Jch hatte auch einen gantzen ſtei - nern Korb voll Saltz, in denen Gruben von den rothen Leim gewonnen, an der Seite, da die ſuͤſſe See lag.
Auch hatte ich ſchon ein ſchoͤn Theil gedreugte Fiſche zugerichtet; ich hatte viel Koͤrbe, die von auſſen und von innen mit rothen Leim bekleiſtert waren, die alle ihre Deckel hatten, daneben wa - ren geflochtene Tiſche, Stuͤhle u. Bettſtellen da.
Nun lebte ich recht geruhig; ich wuſte nicht, wie die Tage, Wochen, Monden oder Jahre lief - fen, auch nicht, wie lange ich daſelbſt geweſen.
Nach einer langen Zeit, wie ich geruhlich ſchlief, hoͤrte ich mitten in einer ſinſtern Nacht ein fuͤrch - terlich Gebruͤll, welches gantz unter einander ſchal -lete131Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. lete, wovon ich aufwachte. Jch blieb aber ruhig, weil mich niemand in meiner Feſtung, es moͤchten Menſchen oder Thiere ſeyn, beſchaͤdigen koͤnten. Hinten machte ich Feuer an, welches gleich geſche - hen war, weil ich allezeit ein gut Theil trockene Zacken und geſpalten Holtz hatte. Meine Thuͤr war zu, und meine Fenſter zugeſtopfft.
Wie ich mein Gewehr zu recht gemacht, legte ich etwas Holtz an, und gieng wieder zu meinem Bette. Als der Tag anbrach, war ich begierig zu wiſſen, was es wol geweſen; ich machte meine Fenſter auf, und da ſahe ich 7. ſchwartze Stiere, die kamen mir vor, als wenn ſie mit einander ge - ſtritten, denn 2. oder 3. von ſelbigen ſehr bluteten. Einer kam nach meinem Caſtell, und trat auf 12. oder 14. Fuß bey mir; er ſtund ſtill und ſahe mei - ne Feſtung an. Jch legte mein Gewehr zum Fenſter hinaus, und ſchoß ihn recht in die Stirne, daß er zur Erden fiel, ich lud gleich wieder, und machte mich fertig, wenn dergleichen mehr kaͤme, allein die[andern] lieffen wieder nach dem Wald zu. Dis war das erſte Wild das ich zu ſehen kriegte; ich gieng nach ſelbigen mit der Schaufel, Schwerd und Meſſer zu. Er lag auf der Seite, und konte ihn unmoͤglich auf den Ruͤcken legen, ſo grub ich endlich ſo ſtarck hinter ihn, daß er ſich auf den Ruͤcken weltzte. Jch hieb ihm mit dem Beil den Kopff ab, darnach er ſehr blutete; als ich ihn aufſchnitt war er ſehr fett. Jch holte aus meinem andern Haus einen ſteinern Tiſch, darauf ich das Fett legte, welches viel und mehr als 200. Pfund ausmachte. Jch gieng gleich hin, und fieng esJ 2an,132Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. an in meiner kupffernen Pfanne auszuſchmeltzen, und kriegte 2. groſſe geleimte Kaͤſten voll Fett, und drey Koͤrbe des beſten Fleiſches, welches ich einpoͤckelte, die Blaſe bließ ich auf, und die Kal - daunen machte ich an der See reine, einige trock - nete ich, und andere fuͤllte ich mit geſaltzenen Fleiſch und Fette, trocknete einige im Rauche, und einige in der Lufft. Jch ſchlug ihm ſeine Hoͤr - ner ab, dieſe trocknete ich, und ſchabte ſie zu Trinck - Bechern zu rechte.
Jch kochte und bratte von dieſen Ochſen, bis es anfieng zu ſtincken, darauf machte ich eine tieffe groſſe Grube, und ließ ihn hinein ſincken als ich ihn vorher mit Hebe-Baͤumen nachgeholffen, bedeckte ihn mit Erde, und danckte GOtt, vor ſeine Vorſorge. Jch ſahe des Tages offt nach meinen Lebens-Mitteln mit dem groͤſten Ver - gnuͤgen. Jch hatte meinen Brandtewein und Wein noch nicht angeruͤhret, und bewaͤhrte ſelbi - gen nur, wenn ich ihn etwa in einer Kranckheit brauchte, iedoch kriegte ich einmal Luſt dazu, und nahm des Morgens etwas Brandtewein. Als ich des Mittags etwas Fleiſch aß, nahm ich mei - nen halben zinnern Napff voll Spaniſchen Wein dazu. Mir war nicht anders zu Muthe, als wenn ich mit den Goͤttern zur Hochzeit waͤ - re, hiermit ſtopffte ich die Flaſche auf eine lan - ge Zeit wieder zu.
Nun war Saltz machen, Fiſche fangen, und dieſelbe kochen, braten und trocknen meine taͤgli - che Arbeit. Jch machte Kiſten und Koͤrbe von vielerley Art, die von innen und auſſen dichtemit133Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. mit Leim bekleibet waren, trocknete dieſelbe, hau - te Holtz und doͤrrete ſolches, von welchen ich alle - zeit eine Huͤtte voll in Vorrath hatte, und noch einen groſſen Hauffen lange Pfaͤhle. Jch hatte auch einen groſſen Korb voll trockne Holtz-Spaͤ - ne, welche durch ein Brenn-Glas gleich Feuer faſſeten.
Dis war nun alles gut, und ich lebte luſtig und froͤlich in meiner Einſamkeit. Jch hatte auch an der See auf dem Leim-Grunde eine gute Huͤtte gebauet, worinn ich fiſchen, ſchlafen und kochen konte. Dis war mir ſehr bequem. Jch hatte auch auf dem Berge eine Huͤtte gebauet, beſtriche ſie aber wegen der groſſen Muͤhe nicht mit Leim. Doch machte ich in meiner Feſtung einen Grund von Leim, welcher glatt und ſauber trocknete, es war aber zu kalt vor meine bloſſe Fuͤſſe. Jch hatte bloſſe Fuͤſſe, und wolte meine Schuhe und Struͤmpfe ſparen, war auch faſt na - ckend, damit ich meine Sachen aufheben moͤchte; meine Hemder und Kleider wurden alt, und mir auch zu klein; wenn ich ein Halshemde anzog, zog ich das Unterhemde aus, und konte niemand ſeine Kleider beſſer aufheben als ich. Hierauf muſte ich mich von meiner Hangmatte, und her - nach von meinen Bett-Sack kleiden, und ſchlief auf trocknen Blaͤttern in einer geflochtenen Bett - Stelle, welches ich gar wohl zufrieden war.
Die See ſchaffte mir ſo viel Fiſche als ich ver - langte, die getrockneten Fiſche waren mein Brod, die aß ich geſotten und gebraten, und bekamen mir ſehr wohl. Dann und wann ſchoß ich einen wil -J 3den134Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. den Ochſen. Jch baute aus Zeitvertreib unter - ſchiedene Huͤtten, und hatte nun ſchon 13. ohne den Gang an der See. Mein Bart begunte groß zu wachſen, und konte ich daraus abnehmen, daß ich hier ſchon lange gewohnt; iedoch war ich allezeit froͤlich und geſund.
Als ich einsmals ſehen wolte, wo der Fluß her - kaͤme, und mein Rohr und Schwerd mit nahm, ſahe ich nach einer Stunde Gehens einen Mo - raſt an den Fluß voll Binſen ſtehen, und ſtunden davon viele an der Seite her. Dis war mir eine beſondere Luſt, ich ſchnitt eine groſſe Menge davon ab, und legte ſie von einander, daß ſie tro - cken konten, ſchnitt ſo gleich das Marck he - raus, nahm es mit nach Hauſe, und wolte ein Dacht in der Lampe davon machen, weil ich ſo viel Fett in Vorrath hatte, indem ich dann und wann einen guten Stier geſchoſſen.
Da ich Lampen-Dacht hatte, machte ich eine Lampe zu rechte, als die Matroſen zu Schiffe ha - ben. Nun brennte ich des Nachts Licht, welches mich nicht wenig vergnuͤgte. Nach einigen Ta - gen holte ich unterſchiedliche mal trockne Binſen, ich ſchnitte wieder friſche zum trocknen, die tro - cknen legte ich in den Kaſten, und ſammlete eine gantze Huͤtte voll. Hiervon machte ich Matten, die ich auf meine Blaͤtter legte, welches ſich uͤber - aus wohl ſchickte. Jch machte auch Decken, da - mit ich mich nach Belieben bedecken koͤnte; end - lich kleidete ich mich in dieſe Binſen, denn was kan die Armuth nicht erſinnen? Und nun - mehr that ich faſt nichts anders, als Matten ma -chen135Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. chen von Binſen, die ſo wol groß als klein von allerhand Art waren.
Auf ſolche Weiſe lebte ich eine geraume Zeit in guter Zufriedenheit. Den Grund von mei - ner Feſtung hatte ich nun mit dieſen Matten be - legt. Jch hatte auch wol 8. bis 10. Ochſen-Fel - le getrocknet, ſo groß als ich ſolche abſtoſſen koͤn - nen, dieſe brauchte ich zu Schuh, Struͤmpfen und dergleichen.
Nun war ich im Buſch gantz gewohnt, und wu - ſte wo die Sonne auf und nieder gieng, aufs ge - naueſte. Nach der Soñen Aufgang war die See, dem Fluß gegen uͤber war der Mittag, und ge - gen Abend war der Wald und das Land. Es fieng einsmals aus der See ſtarck an zu brauſen, und dieſes nahm ie mehr und mehr zu mit Don - ner und Blitzen, ſo daß es ſchien, als wolte der Wind den Wald umwerffen, es ſtuͤrmte ſo er - ſchroͤcklich, mit Regen und Donnerſchlaͤgen ver - miſcht, daß ich ſelbſt, ob ich gleich in meinem Ca - ſtell war, ſehr beaͤngſtiget wurde, und vor Schre - cken mich nicht zu bergen wuſte. Es wurden Baͤume umgeriſſen, der Wind ſchlug zuweilen, als wenn es Donnerſchlaͤge waͤren, dis hielte wohl 2. Tage und Naͤchte an, da es dann wieder ſtill wurde. Jch ſahe, daß der Himmel ſich noch ſtarck bewegte, ich gieng auf den Berg, und guck - te zum Fenſter heraus, ſahe aber, daß die See noch ſehr hohl war, wie ich wieder herunter kam, wolte ich Fiſche fangen, unter den Fi - ſchen aber begunte der Wind wieder nach und nach anzuhalten.
J 4Wie136Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap.Wie ich mit meinem Korb Fiſchen nach der Feſtung gieng, begunte es als vorhin ie laͤnger ie mehr zu ſtuͤrmen. Nunmehr war der volle Mond, und die Wolcken kamen wie vor, als wenn ſie uͤber den Mond hinfloͤhen. Jch ſaß in meinem Caſtell, weil es ſo ſchlimm Wetter war. Der Mond wurde nach und nach dunckel, als wenn es eine Monden-Finſternis waͤre, welches mich ſo erſchroͤckte, daß ich in mein Haus gieng. Mei - ne Lampe brannte, und ich gieng, nachdem ich was Feuer angelegt hatte, nach der Schlafſtelle, konte aber nicht ſchlafen, ſondern war voll Furcht und Schrecken.
Als es Tag war, ſahe ich das Waſſer in der See ſehr hoch und einher ſchlagen, der Wind legte ſich endlich. Jch gieng nach den Berg, und wolte die ungeſtuͤme See wieder beſehen, ich fand aber meine zweyte Huͤtte nicht mehr, denn dieſel - be war von Grunde aus weggebrochen, und es waren alle meine Zaͤune und geflochtene Stoͤcke weg, habe ſie auch nicht wieder zu Geſichte be - kommen, ſo daß ich mir hernach eine andere bauen muſte.
Jch fiſchte wieder, und kochte ſolche bey der See. Als ich die Mahlzeit gehalten, wolte ich die Stuͤcken von meiner Huͤtte durch die Fenſter vom Berae herunter ſuchen, als ich aber oben hin - auf kam, ſahe ich einige ſchwartze Sachen in der See, konte ſie aber nicht recht erkennen. Jch hatte eine halbe Schwachheit von dem vorigen Sturm gehabt, und fuͤhlte, daß mir nicht wohl war, nahm daher etwas Brandtewein zu meinemLabſal137Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. Labſal, den ich aus meiner Feſtung holte; ich trunck ſolchen allda, und ſtaͤrckte mich dadurch uͤberaus. Hierauf gieng ich nach dem Strand, der Wind war noch ſtarck in der See, und trieb das Waſſer noch ſehr hoch.
Jch ſahe, daß eine Chalouppe recht nach dem Ufer zutrieb, ich holte ſogleich mein Angel-Garn, zog meinen Binſen-Rock aus, und nahm die erſte wahr. Hier war ein flacher Strand, und alſo kein ſchaͤumendes Waſſer. Jch band die Cha - louppe feſt, und ſchleppte ſolche nach und nach in den Canal von der ſtehenden See, wol eine halbe Stunde von dem Meere ab. Die Cha - louppe hatte keine Ruder bey ſich, jedoch lag vorn ein kurtzes Holtz mit einem Strickgen, welches ich am Lande feſt machte. Jch war ſehr muͤde, da ich die Chalouppe vom Lande muſte abhalten, nun - mehr aber hatte ich ſie verwahret.
Jch gieng nach meiner Feſtung, machte ein Feuer, waͤrmte mich, und nahm eine halbe Taſſe Spaniſchen Wein, welches mich wieder zu Kraͤfften brachte. Wie ich wieder an Strand kam, ſah ich viel Faͤſſer, Kiſten und Packe an - treiben, davon ſchon einige feſt auf dem Strand waren. Dis war ein Zeichen, daß um dieſe Gegend ein Schiff in vorigem Sturm ge - blieben ſeyn muͤſte. Jch hatte mein Beyl geho - let, ſchlug einige Kiſten auf, und fand Hemb - den, Toback und dergl. drinnen, ſo wie die Matroſen und Soldaten es pflegen mit - zunehmen. Das meiſte war inwendig noch tro - cken. Jch pluͤnderte ſo viel ich konte, und brachteJ 5wol138Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. wol 4. Trachten nach meiner Feſtung. Was naß war, trocknete ich wieder. Jch kan meine Freude nicht beſchreiben, und es kans auch nie - mand ſich einbilden, als der in ſolcher aͤuſſerſten Armuth geweſen. Jn einigen Kiſten war kein oder ſehr wenig Waſſer hineinkommen, aus ſol - chen zog ich ſo gleich ein Hembde und leinen Zeug an, und meinte darinn ſo reich zu ſeyn als ein groſſer Koͤnig. Jch fand auch einige Zwieback, dieſe tunckte ich in Spaniſchen Wein, und er - friſchte mich vortrefflich. Wie ich nach den Strand gieng, und mehr holen wolte, ſahe ich, daß ein gantz Hinter-Theil vom Schiffe ankam, und ſo hertrieb, nebſt noch vielen Tonnen, Ki - ſten, Faͤſſern, Stockfiſchen und Brettern ꝛc. Nun ward ich voll Freuden, und hoffte, daß darinn noch ein lebendiger Menſch ſeyn ſolte zu meiner Geſellſchafft. Selbiges trieb ſo lange ans Ufer, bis daß es feſte zu ſitzen kam. Der Wind legte ſich, und das Waſſer ward ſtille, das halbe Schiff ſtund ſo hoch und weit, daß ich nicht hinein kommen konte, ich lieff aber rings herum, rieff und heulte, ob etwa Volck drinn waͤre: Es antwortete mir aber niemand.
Jch beſahe es rings umher mit beſonderm Fleiß, und ſahe, daß das gantze Steuer-Bord in Stuͤcken war, der Beſaans-Maſt lag queer uͤbers Schiff, und das Seegel davon lag uͤber das Hinter-Theil hinaus, da das gantze Stuͤck vom Schiff hinhieng. Jch hielte mich an einem Strick, und kletterte gegen das zerbrochne Schiff in die Hoͤhe; da fand ich niemanden, ich ſuchteunten139Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. unten und oben, ich gieng in die Kammern, und fand ſechs Kiſten und 3. Keller, wie auch eine groſſe Engliſche Dogge, dieſer, da er mich ſa - he, that ſehr freundlich gegen mir, und leckte mich an die Hand. Auf dem Ober-Boden war ein groſſer Topff mit Waſſer. An dem hinter - ſten Theil unter dem halben Boden waren 2. Stuͤcken, die aus ihren Loͤchern hervor ragten, ein Stuͤck aber war mit ſeiner Lavette umgefallen, und an das Steur-Bord angerollt, die Cajute hatte 4. Fenſter, die Glaͤſer waren nicht ſehr be - ſchaͤdigt, und die Kuͤche des Capitains noch in voͤlligem Stande.
Als ich dieſes beſehen, wuſte ich nicht was ich thun ſolte. Da ich mich nun reſolvirte, holte ich ein Stuͤck von den Beſaan-Maſt-Stricken, und haute ferner die Haupt-Stricke deſſelben unter dem March-Seegel ab, als dieſe uͤber Bord fie - len, blieben ſie faſt alle auf dem Grunde liegen. Jch konte mit meiner gemachten Leiter hier ge - maͤchlich herauf ſteigen. Jch ſtieg bald hinunter, bald hinauf, und rieff, ob keine Menſchen drauf waͤren, es kam aber und hoͤrte niemand.
Als ich unter dem halben Boden herum ſuchte, ſah ich, daß die Zimmermanns-Lade aufſtund, da war eine Saͤge, Hammer, Beyle, Bohrer, Axte und Meiſſel ꝛc, drinn. Jch gieng mit dem Beyl, Hammer, Brech-Eiſen wieder nach dem Schiff inwendig zu, da 10. Kammern drinn waren, und bey den Cammern waren noch 2. Behaͤltniſſe vors Trinck-Gefaͤſſe. Jch ſchmiß 2. Bett-Saͤcke, 2. Decken, und 4. Haupt -Kuͤſſen140Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. Kuͤſſen uͤber Bord, daß ich ſie nach der Feſtung braͤchte, ich oͤffnete des Steuermanns Kiſte, und fand 12. gute Hembden drinn, die mit H. G. gezeichnet waren, nebſt 3. Unter-Kleidern und einem Land-Rock, einen Kaͤſe, Toback, Pfeif - fen, See-Charte ꝛc. Jch ſchmiß die Hemb - den und leinen Gut auch uͤber Bord, und ließ mich an den Beſaans-Stricken wieder herun - ter, daß ich es alles bergen koͤnte.
Der groſſe Engliſche Hundſchrie mir nach, und wolte herunter ſpringen. Dis bewog mich, daß ich wieder in die Hoͤhe kam. Jch band ihm das Maul zu, und ließ ihn mit dem Beſaans - Strick herunter, da ich denn hinter ihm her kam. Dis war ein groſſer ſtarcker Hund, und ge - brauchte ich ihn zu meinen Laſt-Traͤger. Wie ich zu ihm kam, nahm ich ſo viel als er tragen konte, und giengen nach der Feſtung zu. Wir ruheten hier was, und da ich dem Hund einige gekochte Fiſche mit einigem Waſſer gab, bezeug - te mir dieſes Thier je laͤnger[j]e mehr Treue.
Der Abend kam, und ich war muͤde, ich gieng aber doch mit meinem Traͤger, (ſo nennte ich den Hund) nach dem Fluß zu, und ließ ihn ſauffen. Jch hatte daſelbſt ein Theil gekochte Fiſche, die fraß er auf. Wir giengen wieder nach der Fe - ſtung, und wie wir dahin kamen, ſchnitt ich von der trocknen Ochſen-Haut ein Fell uͤber den Leib zu rechte. Jch nahm 2. ungeleimte Koͤrbe von anderthalb Fuß, und 1. Fuß hoch mit, die ich mit 2. Stricken anhaͤngte, dis waren ſeine Dinge, die er tragen muſte.
Jch141Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap.Jch machte Feuer, kochte und bratete Fiſche, aß mit meinem Traͤger den Bauch voll, und ſchlieffen geruhig.
Des Morgens als es Tag worden, gieng ich mit Traͤgern nach dem Schiff zu, und machte ihm ſeine Koͤrbe und Fell ab; als ich oben hinauf kam, ſchlug ich die Kiſten alle nach einander auf, und fand Kleider, Waͤſche, Toback, Kauff - manns-Guͤter, Zwieback, Kaͤſe ꝛc und dergl. Jn einer Keller-Thuͤr ſtack ein Schluͤſſel, damit ich 4. andre Thuͤren aufmachte, die alle voll Brandtewein waren. Jch warff wieder das Leinen, woͤllne Gut, und was mir diente, uͤber Bord, und trugen den gantzen Tag, aſſen und truncken dabey recht wohl. Es ſchien, als waͤre das Schiff hinterwaͤrts, und in dem Grunde et - was voll Waſſer. Jch bracht zu Lande, was ich konte, es gefiel mir alles, und ich ſchleppte alle meine Huͤtten voll.
Jch machte noch 2. lange Koͤrbe vor Traͤgern. Jch ließ das im Keller gefundene Gut mit den Stricken herunteꝛ, tꝛug Waͤſche und woͤllene Sa - chen weg, und Traͤger muſte in jedem Korbe 6. Flaſchen tragen, auf dieſe Art hatte ich alle 6. Keller ausſpoliiret.
Jch konte auch die ledigen Kiſten wie die Faͤſſer bewegen, konte ſolche aber nicht fortbringen, bis mir einfiel, daß ich eine Saͤge hatte, ich ſaͤg - te 4. Stuͤck von einem runden Baum, und mach - te davon 4. Raͤder, die ich unter ein vierecktes Bret feſt machte, alſo hatte ich einen Wagen. Jch machte vor Traͤgern das Geſehirr, welcherden142Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. den Wagen mit einer Kiſte gar wohl ziehen kon - te, wenn ich zumahl etwas hinten nach ſchob. Auf dieſe Art kriegte ich in wenig Tagen viel groſſe und kleine Kiſten, und einige Buͤndel Stockfiſche, nebſt allerley Sachen, nach Hauſe.
Jch viſitirte hierauf des Schiffers Stube, und fand 4 kleine Faͤßgen mit ſchoͤnen Zwieback, jedes Faͤßgen war ſo groß als eine Bier-Tonne, wie auch Kannen, Glaͤſer, 2. ſilberne Becher, Bouteillen mit Wein, Bier, Wein-Eßig, Oehl, das Bette mit Vorhaͤngen, Stuͤhle, Baͤncke, Lampen, Leuchter, und eine Kiſte mit Lich - tern.
Das war noch nicht gnug, ich wurde je laͤn - ger je reicher. Jch hatte die Conſtabels-Kammer noch nicht viſitirt, darinn fand ich viel Betten und Kiſten, viele Patronen in ihren Taſchen, 2. Laternen von Horn, und 2. Keller voll Bran - tewein.
Jn die Pulver-Kammer durffte ich nicht gehen, aus Furcht, es moͤchte Waſſer drein ſeyn. Als ich die beyden Keller und Bouteillerien ausgela - den, brachte ich die Sachen nach der Feſtung. Hierauf reſolvirte ich in die Conſtabel-Kammer ein Loch zu hauen, damit das Waſſer dadurch lauffen ſolte. Jch nahm einen groſſen Creutz - Bohrer, und bohrte durch; es kam aber kein Waſſer heraus, welches mich ſehr verwunder - te. Jch bohrte kurtz vor der Pulver-Kammer durch, da kam ſo gleich Waſſer. Jch ſtieg wieder in das Schiff hinauf, ſteckte eine Laterne an, und gieng hinunter in die Pulver-Kammer;als143Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. als ich ſolche gantz trocken und unbeſchaͤdigt be - fand, fand ich das ſchoͤnſte Pulver und Pap - pier zu Patronen darinn,
An der andern Seite war die Brod-Kammer, welche ebenfalls gantz trocken geblieben. Hier fand ich vor mich und Traͤgern mehr Vorrath, als wir in 10. Jahren noͤthig hatten; wie auch viel Texler - und Eydammer-Kaͤſe, 24. kleine Kammern, da jede ihren Schluͤſſel anſteckend hatte, 2. zugemachte Tonnen ohne Spund-Loͤ - cher, da war Butter drinn.
Als ich dis alles beſehen, bracht ich etwas Zwieback und Kaͤſe auf den Boden. Jch brachte ſolches vom Schiff nach meinem Caſtel zu. Und wie Traͤger was gegeſſen, giengen wir wieder nach dem Schiffe. Als das Waſſer ſich zuruͤck begeben, ſahe ich 40. runde Toͤpffe, die oben mit Kalck zugemacht, liegen. Jch wuſte nicht was drinn war; als ich aber einen aufmachte, war er voll Baum-Oehl; von dieſen muſten ſo fort einige nach meiner Feſtung. Da hat - te ich nun Brodt, Kaͤſe, Oehl, Brandtewein, und alles was ich wuͤnſchen konte. Nun muſte ich die Faͤſſer viſitiren, die ans Ufer getrieben worden: Jch gieng mit meinem Bohrer und Beyle darnach zu. Hier fand ich 3. Faͤſſer Braunſchweigiſche Mumme, ein Faß Wein - Eßig, 3. Faͤſſer Frantz - und 3. Faͤſſer Rheini - ſchen Wein. Jch tranck einmahl davon, und bedachte meine fernere Arbeit. Jch konte ſie nicht fortrollen. Jch hatte nebſt den Oehl - Toͤpffen noch 6. Faͤßgen Brandtewein gefunden,die144Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. die ich weg goß, weil ich mehr Brandtewein hatte, als ich verlangte. Als ich dieſe Faͤßgen an den Fluß gebracht und ausgeſpuͤlt, zapffte ich 4. voll Mumme, und 2. voll Frantz-Wein.
Jch hatte auch 3. ledige Ancker in dem Schiff gefunden, davon fuͤllte ich 2. mit Frantz-Wein, weil ich den lieber tranck als den Rheiniſchen. Dieſe fuͤhrte ich auch nach meine Wein-Huͤtte. Eins fuͤllte ich mit Wein-Eßig, und brachte es ins Caſtel, ich goß da auch ein Faͤßgen Brandte - wein aus, und fuͤllte es mit Frantz Wein. Jch goß ſo viel Brandtewein weg, daß ich wol ein Oxhofft Frantz-Wein abzapffen konte; ſolches rollte ich vorher nach dem Fluß, ſpuͤlte es aus, und legte ſolches unter einen Baum, da es nicht drauf regnete, und keine Sonne beykommen konte. Hier brachte ich noch ein ander Faß her, und fuͤllte in ſelbiges einen Eimer, welches Traͤ - ger wol ziehen konte. Auf die Weiſe kriegte ich alle den Wein, Mumme und Eßig in meine Ge - walt bis unter die Baͤume, da ich ſie mit Zwei - gen belegte.
Jch brachte 4. Faͤßgen Brandtewein wieder aus dem Caſtel in die Brandtewein-Huͤtte, da ich ſchon 24. Faͤßgen Brandtewein liegen hatte, welche alle auf einander ſtunden. Jch hatte in der Brod-Huͤtte 16. Kiſten mit Zwieback, und 3. Vierthel-Faͤßgen mit weiſſem Zwieback. Jn der Kaͤſe-Huͤtte hatte ich 14. Texler - und 27. Eydammer - und Frießlaͤndiſche Kaͤſe. Jn der Oehl-Huͤtte hatte ich 44. runde Oehl-Toͤpffe. Jn der Pulver-Huͤtte 38. Patronen in ihrenTa -145Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. Taſchen, und 6. geleimte Kiſten voll gefuͤllte Pa - tronen. Jn 16. Buͤndeln hatte ich Pappier zu Patronen. Jn den Binſen hatte ich viel Buͤſche getrockete Binſen. Jn der Holtz-Huͤtte hatte ich trocken Reiß-Holtz, und geſpaltene Scheite, wie auch einen groſſen Hauffen daneben liegen. Jn der Saltz-Huͤtte hatte ich 6. beleimte Kiſten mit Saltz, danebſt 6. Buͤſchel Stockfiſch, die ich wie - der getrocknet. Ferner eine Huͤtte voll Betten und Waͤſche, und in meiner Feſtung eine ſchoͤne Kammer mit allen was dazu gehoͤret, 2. Faͤßgen Brandtewein, ein Faͤßgen Rheiniſchen und 1. Faͤßgen Frantz-Wein, 1. Faͤßgen Mumme, und 1. Faͤßgen Wein-Eßig; Noch einen Ancker Frantz-Wein, und ein Faͤßgen mit weiſſen Zwie - back, eine Kiſte mit Schiff-Zwieback, eine Kiſte mit Kertzen, einen Thee-Keſſel mit einem Dutzend Thee-Koͤpffgen und Schaͤlgen, Thee, Coffee - Bohnen, und einen Reſt Zucker, dis alles hatte ich aus dem Brod-Keller heraus geholet, nebſt 3. neuen Keſſeln, Waͤſche und Wollenzeug genug, Toback, Pfeiffen und was ſonſt noch mehr.
Nun fuͤhrte ich ein recht Koͤnigl. Leben, und hatte auch Geſellſchafft an meinem Hund.
Jch nahm einmal eine brave Flinte, (denn ich hatte 6. dergl. ) gieng aus Luſt in Wald, und wolte ſehen, ob ich auch einen Stier bekommen koͤnte. Nachdem ich ohngefehr eine halbe Stun - de gegangen, ſahe ich von ferne einen erſchreckli - chen groſſen Vogel, der auf einen hohen Baum ſaß. Jch belaurete ihn ſo nahe, als es moͤglich war. Jch ſchlug hinter einen dicken Baum an,Kund146Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. und da ich meinen Rock auf einen Zweig legte, ſchoß ich ihn recht in die Bruſt, daß er todt herun - ter fiel, er fiel ſo ſchwer, als ein groß Schaaf auf die Erde.
Es war ein wunderlich groſſer und ſchoͤner Vogel, ſein Coͤrper war ſo groß als ein Caſuarius, die ich zu Batavia geſehen. Zum tragen war er zu groß, daher holte ich meinen Wagen, und muſt ich Traͤgern einſpannen. Hinten an den Wagen hatte ich als an einen Schlitten eine Leh - ne gemacht, daß ich dran ſchieben konte. Da ich ein Beil und einen Strick auf den Wagen ge - legt, zogen wir zu Felde, und fanden ihn liegen. Jch legte ihn auf den Wagen, und bracht ihn nach der Feſtung, da ich ihn mit rechter Aufmerck - ſamkeit beſahe. Sein Schnabel war ſo krum, als ein Adlers Schnabel, allein blut-roth. Sein Kopff und Bruſt war gold-gelb. Auf ſeinem Kopff hatte er eine ſehr ſchoͤne rothe Kuppe. Sein Hals bis auf den Ruͤcken war gruͤn und blau, wie einige zahme Enten im Vaterlande; ſein Ruͤcken war kohlſchwartz; ſeine Fluͤgel roth, als die beſten Papageys-Federn, und ſein Schwantz eben ſo. Seine Beine waren groß und ſchwartz, und hatte ſehr dicke und rothe krum - me Klauen. Seine Fluͤgel waren uͤberaus groß, die Federn daran waren noch einmal ſo groß als Schwans-Federn. Jch ſchnitt ihm ſeine Beine, Fluͤgel und Hals ab, und ließ ſie trocknen. Seinem Coͤrper zog ich die Haut ab, und ſahe, daß er ſehr fett war. Jch ſchnitt ihn auf, da er dann auch uͤberaus fett von innen war; wel -ches147Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. ches eben nicht hart, ſondern ſehr ſuͤſſe zu eſſen. Jch kochte und bratete von demſelben unterſchie - dene Tage, ich machte mir recht delicate Ge - richte davon, bis er aufgegeſſen war. Nach ei - niger Zeit brachte ich die Chalouppe in die Land - See, und machte einige Ruder von den Stuͤ - cken, ſo ich aus der Cajute und aus dem Schiff gebrochen, denn ich hatte alle Breter in dem Schiff und die Seiten-Waͤnde in der Schif - fer-Stube mitgenommen. Jch ruderte manch - mal zur Luſt in der Land-See und fiſchte. Jch hatte die groſſe Angel-Leine nebſt dem dran han - genden Bley aus dem Schiff mitgenommen, und wolte in dieſer kleinen See etwas damit fangen, und fand ſolche itzo wieder einen Canon-Schuß vom Lande wol 50. Klaffter tieff. Jch hatte 3. groſſe Angel mit Ketten, da man die groſſe See - Woͤlffe mit faͤngt, gefunden. Damit ich nun mit Nutzen in der See mit ſelbigen fiſchen koͤnte, band ich einen braven Pfahl an die Leine, bis an meine Chalouppe, und noch ein gut Neben-Holtz dabey. Jch ließ den Angel mit einem Stuͤck Fleiſch zu Grunde, und ſolches wurde ſo gleich dergeſtalt angefaſt, daß mein oben ſchwimmend Holtz als Bley untergieng, ich zog meine Leine, und ruderte gantz ſachte nach dem Lande zu, da - ſelbſt machte ich die Chalouppe feſte, und zog ihn gantz ſachte heran, endlich kriegte ich das Holtz zu ſehen, welches aber wieder hinunter gezogen wurde, das waͤhrte bald 4. Stunden, bald hielt ich ſtill, bald zog ich nieder, bis der Fiſch muͤde wurde, und ſich an Strand ziehen ließ.
K 2Jch148Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap.Jch hatte meine Leine uͤber einen dicken Baum, der uͤbers Waſſer ſtund, gelegt; hier zog ich ſie heruͤber, bis endlich ein groſſer Kopff hervor kam der ſehr fuͤrchterlich ausſahe, und ſperrete ſo einen ſchrecklichen Rachen auf, daß ich vor Schrecken in meine Huͤtte lieff. Wie ich wieder heraus ſa - he, zog er die Leine ſachte nach dem Grunde, und wolte wieder fort. Jch machte die Leine los, und ließ ihn ſo lauffen, und machte ihn dadurch recht muͤde, hernach aber zog ich ihn ſachte an das Ufer, bis auf 2. Fuß uͤbers Waſſer, da ich ihn beſon - ders betrachtete. Er war platt, und wol ſo groß, als ein ſehr groſſer Tiſch, ſonſt als ein Rache ge - ſtalt, war braun von Farbe, ich nahm einen De - gen und hieb die Leine bey der Kette ab. Hier - auf gieng er wieder nach dem Waſſer zu, und kam nicht wieder zum Vorſchein. Jch dachte zwar offt an ihn, iedoch habe ich weder vor noch nach dem ein ſolch Monſtrum geſehen. Als ich einsmals auf dem Berg zu meinen Fenſter-Loch heraus ſahe, ſahe ich viele ſchwartze Voͤgel an dem Canal, dadurch ſich die See ins Meer ergeuſt. Jch lude ſo gleich 2. Flinten, gieng dahin und ſchoß zu zweymalen 5. von gedachten Voͤgeln, ſo dichte lagen ſie bey einander. Wie ich einen be - kam, ſahe ich, daß es ſchwartze Schwane waren, ſie kamen mit der Fluth nach der Land-See. Jch holte meine Chalouppe, nahm die uͤbrigen todten, und brachte ſie in die Huͤtte, pfluͤckte und ver - wahrte mir die Federn. Das Fett war gut in die Lampe. Viere ſaltzte ich ein, und hieng ſie in Rauch. So lange als ich hier geweſen, habe ichkeine149Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. keine ſolche Voͤgel geſehen, ich ſchoß viele davon wegen der Federn und des Fetts halben, denn mit den erſten ſtopffte ich 4. lange Schlaf-Saͤcke aus. Nach einiger Zeit giengen ſie weg, und ka - men nicht wieder. Nun lebte ich und mein Traͤ - ger, wie wir es verlangten. Die Welt aber und alles was drauf iſt, iſt der Veraͤnderung unterworffen. Als ich eine geraume Zeit mit meinem Hund ſehr geruhig gelebt, und wenig mehr ans Vaterland und ans Schiff gedachte, war ich auf eine Zeit auf dem Berg, um mich um - zuſehen, und ſahe mit einem Perſpectiv rund um mich herum. Jch entdeckte einige Menſchen bey dem Pfahl, welches mir ſo wol Furcht als Hoff - nung ausjagte, und wuſte nicht, ob es gut oder boͤſe, gluͤcklich oder ungluͤcklich vor mich ſeyn wuͤrde.
Jch begab mich in mein Caſtell, und lude mei - ne 6. Flinten, ſtopffte meine Thuͤr und Fenſter zu, und ließ nur eins nach dem Strand offen. Jch band Traͤgern das Maul zu, daß er nicht bellen ſolte. Wie ich ausſahe, vermerckte ich daß Maͤnner, Weiber und Kinder nach dem zerſchei - terten Schiff marchirten, und dachten nicht an mein Caſtell. Sie beſahen das Schiff, und giengen nach dem Fluß zu, da fanden ſie meine Huͤtte, und machten ein erſchrecklich Geſchrey und Geberden, welches mir groſſe Angſt und Schrecken verurſachte. Sie konten mir zwar alle in meinem Caſtell nichts thun, allein ſie wa - ren doch wol ohngefehr 100. Mann ſtarck, und kontẽ mich wol aushungern. Sie holten Holtz ausK 3der150Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. der Holtz-Huͤtte, und machten ſo gleich Feuer, mein trocken Holtz muſte her halten, wie auch alle Fiſche, die ſie fanden. Jch ſahe ihnen in allen durch ein Fenſter zu, ſie ſaſſen in 5. Theile rund um das Feuer herum; unter ihren Eſſen-Waͤr - men und Thun ſah (glaub ich) einer mein Caſtell; hierauf machte er ein Geſchrey und die andern kamen alle ſchreyend nach mir zu, und lieff ein ie - der ſo geſchwind als er konte. Als ſie noch an dem Schiff waren, betete ich zu GOTT, er moͤchte mir eingeben was ich am beſten thun ſol - te. Die Helffte haͤtte ich wol koͤnnen todt ſchieſ - ſen; allein ich hatte kein Waſſer, ſie haͤtten mich leicht aushungern koͤnnen. Und ich konte auch nicht wiſſen, ob nicht noch mehr Suͤdlaͤnder an - kaͤmen. Das machte mich alles voll Furcht und Angſt. Wenn ich aber hinaus kaͤme, koͤnten ſie mich todt machen, ich wuſte daher keinen Rath. GOtt hatte mich aus ſo vieler Gefahr gerettet, und nun bate ich ihn wieder aus Hertzens-Grun - de. Endlich legte ich in GOttes Nahmen Feuer an, aß den Bauch voll Zwieback, tranck einen Becher Wein dazu, und gab Traͤgern Fiſche und Schiff-Zwieback.
Jch ſchoß einen Schuß oben hinaus, worauf ſie alle auf ihre Angeſichte fielen, ich tranck noch einen Becher Wein, und begab mich mit einem Schwerd und einem geladenen Gewehr aus mei - nem Caſtell. Sie lagen an der Seite des Caſtells in Buſch noch alle auf der Erde, als ich aber hin - ter meine Huͤtte kam, ſprach ich ſie alſo an. Jhr Leute, was iſt das vor Land, und was ſeydihr151Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. ihr vor Volck. Sie blieben alle liegen, bis ich einen bey der Hand aufhub, und ihm winckte, daß die andern auch ſolten aufſtehen, welches ſie auch thaten. Jch zeigte ihnen, daß ſie ſich ſetzen ſolten, ich that ſolches mit groſſer Freudigkeit, und winck - te ihnen, mit einem ausgeſtreckten Arm, und be - wegte den Kopff etwas dazu, worauf ſie alle nie - der zur Erden fielen wie vorhin. Sie ſahen mich etwa vor einen ihrer Goͤtter an, weil ich weiß ausſahe, und gedonnert hatte. Als ich das Rohr alſo in der Hand hatte, ſchoß ich uͤber ſie loß. Sie blieben als Hunde liegen. Jch bediente mich dieſer Zeit, holte ſo gleich ein ander geladen Gewehr, nebſt einen Korb voll Schiff-Zwieback, und nahm meinen vorigen Poſten wieder ein, ich hub zum andern mal einen Mann auf, und wieß ihm, daß ſie ſolten aufſtehen, welches ſie auch end - lich thaten. Wie ich hierauf den Zwieback he - rum theilte, wurden ſie freyer, und faſſeten ein - ander an die Haͤnde, und tantzten im Singen alle nach meinem Caſtell hinan, manchmal klopff - ten ſie auch in die Haͤnde.
Sie waren alle ſo nackend, wie ſie auf die Welt kommen, und lieſſen ohne Schaam von hinten und vorn als die Hunde von ſich, ohne daß ſie ſich auch umgewendet haͤtten. Dieſe Leute waren, wie ich ſehen konte, von zweyerley Arten, einige waren ſo ſchwartz als Pech, und hatten Wolle auf den Koͤpffen, andere waren roͤthlich, als abgefallene und getrocknete Blaͤtter, und dieſe hatten lange Haare. Die Weiber hatten di - cke Baͤuche, und lange herabhangende Bruͤ -K 4ſte,152Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. ſte, und waren recht unverſchaͤmte Men - ſchen.
Nachdem ſie nun getantzt und gejauchzet hat - ten, lieffen ſie alle nach dem Walde zu.
Jch danckte hierauf GOtt, daß er mich von dieſer Gefahr befreyet; Nun meinte ich, es waͤ - re alle Gefahr vorbey, gieng, und beſahe meine Huͤtte, und befand, daß mein Holtz und Fiſche meiſt aufgegangen; das andre aber hat - ten ſie nicht angeruͤhret.
Nunmehr deuchte es mir Zeit zu ſeyn, mein Caſtell zu verproviantiren, wenn ſie etwa wieder kaͤmen. Jch goß aus 12. Faͤßgen den Brandte - wein aus, und ſpuͤlte ſolche rein, fuͤllte ſie mit Waſſer, und brachte ſie in mein Caſtell. Jch verſah es ferner mit 4. Faͤßgen Mumme, 4. Faͤß - gen Frantz - und 3. Faͤßgen Rheiniſchen Wein, wie auch 2. Faͤßgen Wein-Eßig.
Aus der Brodt-Huͤtte brachte ich uͤber die obi - ge 3. Faͤßgen weiſſen Zwieback noch 16. Kiſten Schiff-Zwieback, und 20. Texler nebſt 20. Frie - ſiſchen Kaͤſen, 20. Toͤpffe Oel, 30 Flaſchen mit Butter, und 36. Patron-Taſchen mit gefuͤllten Patronen hinein, wie auch leinen und woͤllen Gut, ſo viel ich Raum hatte, Stricke, Keſſel, Beile, Schuͤppen ꝛc.
Mein Caſtell war eine halbe Stunde von dem alten Schiff. Jch gieng mit meinem Wagen dahin, und holte noch 12. Faͤßgen, ließ den Brandtewein aus lauffen, und brach den ober - ſten Boden heraus.
Jch153Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap.Jch brachte ſolche ledig nach meinem Caſtell, damit ich was hinein thun koͤnte.
Jch ſetzte die Kiſten und Faͤſſer uͤber einander, bis 9. a 10. Fuß hoch. Erſt fuͤllte ich die unterſte Kiſte, darnach ſetzte ich eine ledige darauf, dieſe fuͤllte ich auch, und ſo ferner. Meine Leiter, Ki - ſten und Faͤſſer waren meine Treppen, da ich die ledigen Sachen hinan brachte. Jedoch waren die Fenſter allzeit frey gelaſſen.
Als dis alles ſo in Ordnung gebracht, und uͤ - ber einander geſetzt war, hatte ich noch einen ſehr raͤumlich und groſſen Platz; denn es war 23. Fuß breit mitten durch, von einer Seite zur andern.
Jch hatte Lampen, Fett und Lunte genug, wie auch Lichter, Oel und Leuchte. Nun muſte ich mich auch mit Brenn-Holtz und Saltz verſor - gen, und dieſes holte ich alles herbey.
Jch holte ferner ſo viel ledige Kiſten aus der Conſtabel-Kammer, als ich beherbergen konte. Dieſe brachte ich mit meinem Hund in die Fe - ſtung, fuͤllte ſelbige mit Stricken, Zwieback, und was ich ſonſt hatte. Jch legte auch meinen uͤbrigen Kaͤſe und Oel hinein, und war nun Wil - lens, mein Caſtell zu beſchuͤtzen, wenn nur keine gewaffneten Leute kaͤmen.
Jch meinte, daß ich auf 10. Jahr verprovianti - ret waͤre. Als ich einsmals das alte Schiff mit Fleiß durchſuchte, fand ich noch 2. Faͤſſer voll ge - fuͤllte Hand-Granaten, die ſchon ihre Roͤhren hat - ten, von welchen letztern noch anderthalb hundert uͤbrig waren. Jch ſahe noch mehr Butter-Ton -K 5nen,154Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. nen, damit fuͤllte ich noch 3. Brandtewein-Faͤß - gen an.
Jch fand auch 4. metallne Doppelhacken, und ein Faͤßgen Buͤchſen-Kugeln, die brachte ich alle an Land.
Nun konte ich nichts mehr laſſen, und war mit allem wohl verſehen.
Jch bat GOtt hertzlich, daß er mich bewah - ren und helffen wolte, lebte hierauf recht ruhig und wohl.
Jch fieng an 2. Zaͤune anzulegen, die 8. Fuß hoch und 19. lang waren, die an jeder Seite der Thuͤre gleich ausgiengen, damit ich nicht uͤber - fallen werden koͤnte. Dieſen Gang machte ich mit einer Thuͤre zu.
Auch durffte ich nicht ſo ferne mehr von dem Hauſe weggehen, ſondern muſte den Buſch oder den Fluß erſt recognoſciren, und gieng auf den Berg mit dem Perſpectiv. Nach einiger Zeit war es voller Mond, da ich vor der Thuͤr ſaß, und rauchte, da hoͤrte ich aus dem Walde? ein entſetzlich Geſchrey und Geruffe, welches mich nicht wenig in Angſt verſetzte. Es kam mir im - mer naͤher. Jch ſchloß meine Pforte und Thuͤr ſo feſte zu, als ich konte, und ruffte GOtt um Huͤlffe an. Das Geraͤuſche gieng nach dem Fluſſe zu, da es auch ohngefehr blieb.
Da es Tag worden, ſahe ich an dem Fluß oh ngefehr wohl 1000. Menſchen, da einige hoͤl - tzerne Spieſſe, und andre groſſe Knuͤppel hatten, womit ſie meine Huͤtte einſchlugen, und hernachver -155Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. verbrannten. Jch konte hieraus abnehmen, daß Krieg vorhanden waͤre.
Jch hatte meine Doppelhacken und Flinten geladen, und ſchickte mich zum Gefechte. Jch konte durch mein Perſpectiv ſehen, daß einige ihre Geſichter mit gelber Farbe gefaͤrbet, andre hat - ten Ringel um die Augen, und einen Strich uͤber die Stirn und Naſe. Die meiſten aber hatten ſich nicht angeſtrichen.
Es ſchien, als wenn ſie Rath hielten. Dar - nach lieffen ſie mit einem Geſchrey nach dem Ca - ſtell zu, und ſchlugen mit ihren Knuͤppeln auf das Caſtell mit groſſem Getuͤmmel. Jch loͤſete einen Schuß oben hinaus, um zu ſehen, ob ſie als die er - ſten auch zur Erden fielen. Allein ſie blieben ſte - hen, und lachten, und ſchlugen eben ſo ſtarck wie - der an meine Feſtung. Hierauf ſchoß ich aus meinem Fenſter einen gemahlten Mann durch den Kopff, daß er da lag. Als ich noch einmal in den Hauffen ſchoß, ſchryen ſie erſchrecklich, lieffen nach den Buſch, und nahmen 2. bis 3. mit, die todt oder bleſſirt waren. GOtt ſey Danck, daß es ſo weit iſt, ſagte ich bey mir ſel - ber. Jch nahm ein groß Glaß Wein zur Victo - rie, und gab Traͤgern eine Schuͤſſel Fiſche.
Nach einer halben Stunde kamen ſie mit ei - nem erſchrecklichen Geſchrey zuruͤck, durfften a - ber nicht nahe kommen, ſondern zogen nach dem Ufer, da ſie wieder Rath hielten. Darauf 12. angeſtrichene mit ihren hoͤltzernen Spieſſen an meine Thuͤr traten; als dieſe aber ſolche nicht auf kriegen konten, winckten ſie einer Parthey mitdicken156Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. dicken Stoͤcken und Knuͤppeln; dieſe brachen alſo die Thuͤr mit Gewalt auf, und traten in den Gang nach meiner Thuͤr zu. Jch aber hatte gleich eine Musqueton mit Musqueten-Kugeln und Schrot geladen, und loͤſete ſolche auf ſie loß, wodurch 6. niederfielen, die andern lieffen da - von. Jch gieng mit einem Hauer aus, und hieb die nicht todt waren danieder, darunter ein Junge war, dem ich den Kopff abhieb, und warff ihnen ſolchen zu, um welchen ſie ſich her - nach rund um verſammleten. Jch gieng in mein Caſtell, und lud meine Musqueton wie vorher, und nahm 3. Hand-Granaten vor; da ich eine zwiſchen ſie warff, blieben ſie ſtehen, die Granaten ſchlugen, und wurden einige bleſſirt, gleichwol blieben ſie noch ſtehen.
Darauf kamen noch mehr herzu gelauffen, worauf ich die zweyte und dritte unter ſie warff, welche gute Wuͤrckung thaten; denn ſie ſchryen als Hunde. Sie waren nicht weit von mir, alſo nahm ich 2. Flinten, und gieng ans Ende von dem Gang, ſchoß unter ſie; einer fiel nieder, und ein anderer ſchrye ſehr. Gleich drauf loͤſete ich meine andre Buͤchſe, worauf ſie alle mit Ge - ſchrey nach den Strand lieffen. Ob ſie da ihre Todten begraben, oder in die See geworffen, weiß ich nicht.
Sie giengen nach den Fluß, da ſie viele Feuer machten; ſie fuhren damit den Tag und die gan - tze Nacht fort, und heuleten allezeit Parthien - Weiſe, bald bey dem einen, bald bey dem an - dern Feuer. Jch hatte ſchon bey Tage meineThuͤre157Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. Thuͤre wohl verſehen, daher ſchliff ich getroſt, als wenn einer betruncken iſt, und verließ mich auf die Wachſamkeit meines Hundes.
Die Sonne war wol ſchon eine Stunde auf - gegangen, ſo zogen meine Feinde wieder nach den Strand zu, iedoch ſtill und ohne Geſchrey, daſelbſt machten ſie Halte, und hielten meines Beduͤnckens Rath unter ſich. Es traten wieder 12. beſchmieꝛte an mein Caſtell, und hatten ihre Spieſſe in der Hand. Jch ſetzte meine Doppel - hacken heraus, und hielte die Lunte fertig, kam auch mit 2. geladenen Flinten vor die Thuͤr. Als ſie mich ſahen, fielen ſie auf ihre Geſichter, als ſie etwas gelegen, ſtund der eine auf, und nahm ein gruͤn bewachſen Stuͤck Erde auf, legte ſolches auf ſeinen Kopff, legte die Arme Creutz - weis auf die Bruſt, und kam mit gebogenen Leibe nach mir zu. Er ſtund ſtill, und ich winckte ihm. Er kam bis an meine Thuͤr, hierauf ſatzte er ſich auf ſeine Beine, und legte als ein Affe ſei - ne beyde Haͤnde auf den Raſen, welcher auf ſei - nem Kopff lag, er ſeufftzte offt, und durffte mich nicht anſehen noch anſprechen; der groſſe Hauf - fe ſahe das von ferne mit an, und ſeine 11. Mann blieben auf der Erde liegen. Wie ich alles mit meinem Rohr in der Hand, und das bloſſe Schwerdt, das mit einem Strick an dem Arm gebunden, recognoſcirte, trat ich an meine Pforte, (wo ein ſtarcker Zaun gemacht war) da ſaß er auf ſeinen Ferſen, auf 3. bis 4. Schritt weit davon. Jch ſagte zu ihm: Kerl, was wilſt du? Er ſahe in die Hoͤh, und ich winckteihm,158Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. ihm, daß er naͤher kommen ſolte. Als er hin - kam, fieng er an zu heulen, ſchlug an ſeine Bruſt, und wieß auf die Todten, und hierauf nach der See, daraus ſchloß ich, daß er die Todten ha - ben wolte. Hierauf machte ich ihm gewiſſe Zei - chen, daß die andern, ſo zur Erde lagen, weg - gehen ſolten.
Er kehrte ſich um, und rieff ihnen zu, worauf ſie alle aufſtunden, und zu den groſſen Hauffen an Strand lieffen. Jch zeigte ihm, daß er ſtill ſtehen ſolte, welches er auch that. Darauf hol - te ich ihm Zwieback und Spaniſchen Wein, den ich mit ihm aß und tranck, iedoch war ich inner - halb, und er auſſerhalb der Pforte. Da ich ſa - he, daß ihm dis gefiel, machte ich ihm ein Zei - chen, daß er allein die Todten holen ſolte, und etwas zuruͤck gehen, welchem er auch nachkam.
Als ich die Pforte loß gemacht, gieng ich in mein Caſtell, und ſetzte mich innerhalb der Thuͤr, hatte auch meine Doppelhacken und Gewehre fertig. Er kam in den Gang, und ſchleppte ei - nen nach den andern ein Stuͤck Wegs auſſerhalb der Pforten, und legte ſie auf einen Hauffen zu - ſammen.
Als er den letzten holte, und drauſſen war, kam ich wieder mit Wein und Zwieback, und winckte ihm, daß er ſtill ſtehen ſolte, iedoch ſchloß ich meine Pforte feſte zu. Jch that ihm ein Zeichen, daß er zu mir kommen ſolte, ſolches that er, und ich beſchenckte ihn mit 6. Zwiebacken und einer Bouteille Wein.
Er159Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap.Er nahm ſolches an, ſetzte ſich wieder auf die Ferſen, und ſchnarchte als ein ſchlaffender Menſch, ſtund auf, und gieng bey den andern Hauffen.
Jch blieb an der Pforte, damit ich alles anſe - hen koͤnte, was ſie anfiengen.
Es kamen 36. gemahlte Menſchen mit ihrem hoͤltzernen Gewehr, und heulten bey den Tod - ten, ſelbige nahmen dieſe auf, und trugen ſie zu den groſſen Hauffen. Als ſie dahin kamen, fieng ſich ein grauſam Geheul und Geſchrey an. Sie marchirten mit vollem Halſe nach dem Fluß, und das waͤhrte die gantze Nacht, welches ſie offt wie - derholten, wenn ſie 2. Stunden innen gehalten, und konte ich dieſes alles wohl ſehen und hoͤren.
Der die Todten geholet, kam des Morgens vor meine Pforte, und begunnte ſehr ſtarck zu heulen. Als ich rings herum aus meinen Fen - ſtern kein Volck vernahm, kam ich mit dem Rohr und Schwerdt heraus. Er ſaß wieder auf ſeinen Ferſen, und ſetzte ſeine beyden Haͤnde untern Kopff. Jch machte ihm Zeichen, daß er ſolte ſitzen bleiben, und wolte ihm Wein und Brod holen. Traͤger bellete, und als ich mich um - ſahe, war dieſer Vogel ſchon anf dem Zaun. Als ich dis ſahe, ſchoß ich ihn, daß er heraus - waͤrts fiel, hierauf wurde ein groß Geſchrey und Geheule bey dem Fluß.
Es kam ein Angeſtrichener aus dem Hauffen, und machte es eben wie der Todte gethan. Jch warff ihm 2. Zwieback zu, und ließ ihn den Tod - ten wegſchleppen. Unterwegens kamen ihm an -dre160Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. dre entgegen, und halffen ihm tragen. Als dieſe bey dem Todten kamen, lieffen ſie, ſo geſchwind ſie konten, und wie ſie bey ihrem Hauffen an - langten, ſchryen ſie erbaͤrmlich, als wenn ſie nun alle verderben muͤſten. Endlich zogen ſie nach dem Walde zu.
Es kan ein jeder meine Froͤlichkeit hierbey ab - nehmen. Meine Pforten-Thuͤr und Guck-Fen - ſter hatte ich zugemacht, legte daher Feuer an, kochte und bratete als ein Fuͤrſt, und machte mich mit meinem Traͤger luſtig. Jch ſetzte einen Be - cher zur Victorie auf, und legte mich geruhig ſchlaffen, ſo daß ich in den morgenden Tag ein ziemlich Loch gemacht hatte.
Jch hatte Pappier genug, daher ſchrieb ich alle Begebniſſe auf, die ich durch das viele Durchleſen hernach auswendig gelernet.
Damit ich Platz kriegte, brach ich meinen Leim-Boden auf, und ſchmiß ihn weg. Jch grub die Oel-Toͤpffe in die Erde, und ſaͤete alles ſo dichte an einander, als ich konte. Jch holte mehr Pulver, Schrot und Kugeln aus dem Schiff, wie auch viel Zwieback, und was ich noͤthig hatte und laſſen konte.
Jch machte 4. Fenſter, 2. nach dem Buſch, und an ieder Seite eins; dieſe machte ich mit Brech-Eiſen und Meiſſel, und beleimte ſie brav. Jch machte rund um meine Feſtung herum oben ſcharffe Pfaͤhle in die Erde, 2. Schritt von ein - ander: Und nun konte niemand als durch meinen Gang zur Feſtung kommen.
Traͤ -161Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap.Traͤger fieng einsmals in der Nacht gewaltig an zu bellen, iedoch hoͤrte ich ihn nicht anfaͤng - lich: Als ich aber des Morgens aufwachte, ſahe ich, daß alle meine Pfaͤhle mit Raſen bedeckt wurden. Hierdurch erſchrack ich, und meinte, wenn ſie ſtarck waͤren, koͤnten ſie meine gantze Feſtung begraben. Jch ſahe rund um mich her - um, und vermerckte niemand. Jch ließ Traͤ - gern hinaus, und der war auch ruhig. Jch ſa - he den gantzen Tag aus, vernahm aber keinen Menſchen. Des Abends ſteckte ich Licht an, und und begab mich zu Bette. Jn Mitternacht fieng Traͤger wieder an zu bellen. Jch deckte mein Licht zu, und eroͤffnete ſachte meine Fenſter, und da ich meine Doppelhacken rings um anſteckte, gab ich damit Feuer.
Hierauf erhub ſich ein ſchrecklich Geheule. Jch ſtopffte ſo gleich meine Loͤcher wieder zu, lude meine Gewehre wieder, und brachte ſie wie - der in Ordnung. Nach 2. Stunden ohngefehr fieng Traͤger wieder an zu knurren. Jch verbot ihm das Bellen, und gab wieder rings herum Feuer; hierauf erfolgte eben wieder ein ſolch Ge - ſchrey. Jch ſtopffte meine Schieß-Loͤcher zu, lude meine Doppelhacken, legte mich nieder, und ließ alles auf Traͤgers Wache ankommen.
Wie es Tag worden, und ich nebſt meinem Hund nichts vernahm, traten wir heraus, und waren Willens, nach den Berg zu gehen, ich durffte aber nicht, denn ich furchte mich vor einen Uberfall, daher blieb ich 10. Tage hinter einan - der in der Feſtung, und gab gute Acht, hielteLauch162Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. auch nebſt Traͤgern Wache. Als ich meine Pforte und Thuͤr des Abends wohl geſchloſſen, machte ich Feuer, und ſteckte Licht an. Jn der erſten Nacht-Stunde brummte Traͤger wieder. Jch ſahe zu meinen Fenſtern heraus, und ſahe viele Feuer, die ich nicht alle zehlen konte, ſowol an dem Fluß, als an dem Strand, und in dem Wald, welches mir eine groſſe Furcht beybrach - te. Jch erholte mich aber bald wieder, und dach - te: GOtt hat mich aus ſo vieler Gefahr er - rettet, er wird es auch itzt thun.
Wie ich alles fertig gemacht, was zu einer kleinen Schlacht dienen konte, und 2. Lunten - Stoͤcke aufgeſtellet hatte, gab ich Traͤgern nicht viel zu freſſen, daß er nicht ſchlaffen moͤchte. Jch nahm weiſſen Zwieback mit etwas Spaniſchen Wein, und legte mich zu Bette, ſchlieff auch ſo lange, bis Traͤger mich aufbellete.
Jch machte auf, hoͤrte viel Getuͤmmel, Ge - ſchrey und Geruff, und klang, als wenn ſie ſaͤn - gen.
Wie ich ausſahe, ſtund das Schiff in vollen Flammen, welches mir ein groß Schrecken war. Jch kroch nach meinem Bette, und wurde un - paß. Wie ich aber wieder mich erholte, und al - les uͤberlegte, betete ich zu GOtt mit Weinen, um Huͤlffe: Hierauf kam nach wenig Stunden Feuer in die Pulver-Cammer, welches einen er - ſchrecklichen Knall gab, und wurde ein grauſa - mes Schreyen gehoͤret. Das gantze Lager hatte ſich um das Schiff verſammlet, ſie tantzten, huͤpfften und ſungen.
Jch163Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap.Jch hielt mich ſtill, und wartete, was draus werden wuͤrde.
Jch ſtellte mich muthig an, und dachte, daß ich Eſſen, Trincken, Pulver und Bley hatte, auch in einer ſtarcken Feſtung ſey, darinn ſie mir nichts thun koͤnten.
Wie es Tag worden, und niemand vernahm, trat ich mit Traͤgern wohl bewaffnet aus, gieng um mein Caſtell herum, und ſahe mit einem Per - ſpectiv rings herum, ſahe aber nichts. Gegen den Mittag wolte ich einmal nach dem Schiff ge - hen, und ſehen, wie es damit ſtuͤnde.
Nachdem ich Mittags-Mahl gehalten, gieng ich nebſt Traͤgern dahin.
Jch hatte ein geladen Rohr mit einem Strick auf meiner Schulter hangen, und einen Hauer auf der Seiten. Wie ich dahin kam, ſahe ich lauter Stuͤcken und Truͤmmern davon, deren einige noch brannten. Die Thraͤnen giengen mir zum Augen heraus. Jch gieng gantz betruͤbt auf meinen Berg, und wolte ſehen, ob noch Menſchen da waͤren, ich ſahe aber niemand. Jch ſetzte mich hierauf nieder, und fiel in Schlaff, wachte auf, und ſahe Volck bey meiner Fe - ſtung.
Jch erſchrack ungemein, gieng dahin, und that langſame Schritte, und bedachte mich, was zu thun waͤre. Wie ich naͤher kam, ſahe ich wol 30. gefaͤrbte bey meinem Caſtell, wel - ches ſie eingenommen hatten. Nun kan ein ieder dencken, wie mir zu Muthe war. Jch dachte, kurtz reſolvirt iſt das beſte, und beſchloß, alſoL 2zu164Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. zu ſterben, oder meine Feſtung wieder zu gewin - nen. Mein Muth war groͤſſer, als iemalen, ich achtete ſie alle vor Hunde. Wie ich gleich auf ſie los gieng, kam einer ohne Spieß auf mich zuge - lauffen, und ſetzte ſich auf die Ferſen, wie vor - her, ich winckte ihm, daß er aufſtehen ſolte, welches er auch that. Wie wir beyſammen ſtill ſtunden, kam noch einer aus ihrem Hauffen, welcher einen Spieß hatte, auf mich zu.
Ohngefehr 10. Schritt von mir ſchmiß er ſei - nen Spieß weg, und wie er bey dem erſten kam, ſetzte er ſich auf ſeine Ferſen.
Jch winckte ihm, er ſolte aufſtehen. Als er aufſtund, wieß er nach ſeinem Volck, und ſchlug auf die Bruſt, und machte ein Zeichen, daß mir nichts Boͤſes wiederfahren ſolte.
Wie ich ſo ſtund, und bedachte, was ich thun wolte, wurde ich von hinten umarmet und ge - faſt, die 2. ſo vor mir ſtunden, lieffen auch zu, und nahmen mir ſelbſt 6. mein Gewehr, und zo - gen mir die Kleider aus. Hierauf war ich ſo na - ckend als ſie, und meinte nicht anders, als daß ſie mich todt machen wolten, zumal da die von der Feſtung mit ihren Spieſſen angelauffen ka - men; Jedoch gab einer von denen, die mich ge - fangen hatten, ein Zeichen, und hierauf warffen ſie ihre Spieſſe weg, und ſaſſen alle auf ihren Ferſen.
Sie ſtunden gleich wieder auf, und faſſeten einander bey die Haͤnde, tantzten und ſungen um mich her: Jch wieß nach meiner Feſtung, und dachte, waͤre ich da drinnen, ich wuͤrde euch an -ders
165Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. ders tantzen lernen. Die 6. ſo mich ausgezo - gen hatten, und bey mir ſtunden, faſten mich mit an, und ich muſte auch mit tantzen, worauf die andern in ihre Haͤnde klopfften, und ſo ſtarck ſchryen, als ſie konten. Jch tantzte mit trauri - gem Gemuͤth, und merckte wohl, daß ſie mich nicht umbringen wolten. Wie der Tantz aus war, wieß ich wieder nach meinem Caſtell, wor - auf einer einen Schrey that, darauf kamen wol noch 20. aus der Feſtung zum Vorſchein, wel - che ſich bis itzo darinn aufgehalten. Als dieſe bey uns kamen, hub ein ieder ſeinen hoͤltzernen Spieß wieder auf, ſtellten mich in die Mitten, und marchirten den Strand hinunter. Jch ſahe ſtets nach der Feſtung, und wie wir da vorbey giengen, fieng ich an zu heulen, welches ſie ſich aber nichts anfechten lieſſen. Wir paſſirten auch vor dem Pfahl vorbey, da ich meine Kiſte und dergl. ausgegraben; Als ich den Pfahl anſahe, wurde mein Hertz noch mehr beaͤngſtiget. Da wir ohngefehr 6. Stunden weit den Strand hin - unter marchiret, kehrten ſie ſich lincks um nach dem Buſche zu, und machten nach einer halben Stunde Halte, einige holten Fruͤchte, davon wir alle aſſen. Sie riſſen einige Zweige von den Baͤumen, dieſe nahmen ſie alle zu ihren Betten, und mir theilten ſie auch welche mit; ich legte mich unter einen groſſen Baum gantz nackend nieder, und wurde ſo kalt als ein Eiß. Sie lagen rund um mich herum, und ſchlieffen ruhig, ohne die 6. die allzeit wachten, und da immer andre 6. ſie abloͤſeten. Jch konte wegen ihres Singens undL 3der166Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. der Kalte halber nicht ſchlaffen. Als ſie das merckten, machten ſie ein Feuer; und wie ich mich dazu machte, wurde mir wieder beſſer. Jch befahl mich in GOttes Hand, und erwartete gedultig, was mir wiederfahren ſolte; dachte aber immer an meine Feſtung.
Des Morgens fiengen wir wieder an zu mar - chiren, und kamen nach einer Stunde aus dem Wald bey einem Pfuhl, da ſtunden wol tauſend Koͤrbgen von duͤnnen Reis-Holtz geflochten, von der Art, wie meine Conſtabel-Laterne. Von dieſen nahm ein ieder eins, und mir gaben ſie auch dergl. Jch beſah daſſelbe, und fand, daß es innerhalb die Helffte mit Leim oder Thon be - ſtrichen war, und lag Baum Rinde darinnen.
Jch wuſte nicht, was dieſes bedeutete, als aber nach einer Stunde Gehens die Sonne hoͤher kam, ſahe ich gantze Millionen Muͤcken und Fliegen aus dem Moraſt hervor kommen, darauf ſie ſo gleich Feuer machten, und ein ieder ſteckte ſeine Baum-Rinde in dem Korbe an.
Dieſer Rauch hatt einen angenehmen Geruch, und machte, daß alle Muͤcken und Fliegen von uns blieben. Wie wir dieſen Moraſt vorbey waren, kamen wir wieder gegen Abend in Wald, da machten ſie ſo fort Feuer, giengen und legten ſich rund um mich herum, mich zu bewachen. Wie wir des Morgens wieder fortzogen, kamen wir wieder an Strand, an einen groſen Meer - Buſen. Als wir ohngefehr 2. Stunden gan - gen, kamen wir zu einen groſſen Fluß, an dieſen giengen wir hin, und kamen wieder in Wald,da167Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. da viele Fruͤchte ſtunden; als wir des Mittags ſtill lagen, kam noch ein Hauffen zu uns, die ſetz - ten ſich alle auf die Ferſen. Darauf ſtunden ſie auf, ſungen und tantzten wie die Narren.
Sie brachten Fruͤchte mit, und dieſe theilten ſie herum, hernach gieng es wieder fort. Nach 2. Stunden fanden wir viel Holtz in dem Fluß ſchwimmen, nebſt Stricken und Baͤumen, die am Strand feſt gebunden waren, mit dieſen ſetz - ten wir uns uͤber, und giengen weiter, bis wir wieder an einen Fluß kamen, und machten es wieder mit denen daſelbſt liegenden Baͤumen wie zuvor. Nachdem wir alſo wol 6. bis 7. Fluͤſſe paſſiret, kamen wir an ſandigte Gegenden. Nun hatten wir ſchon 8. Tage marchirt. Jch war muͤde und matt; jedoch thaten ſie mir alle moͤgli - che Dienſte. Als dieſe Gegend vorbey, kamen wir wieder in Wald, da ſie alle zu ſingen anfien - gen; einige lieffen ſingend voraus, und von fer - ne ſahe ich viel Menſchen und Huͤtten. Wie wir weiter giengen, kam ich vor eine groſſe Huͤtte, darinn ſaß ein alter Mann vor der Thuͤr, vor welchem wir alle auf die Ferſen ſitzen muſten. Er beſahe mich ſehr genau, und ließ mich zu ſich kommen. Er hielt einen langen Diſcours mit de - nen, die mich gefangen hatten, ich konte ſie aber nicht verſtehen.
Als der Diſcours aus war, muſte ich in die groͤſte Huͤtte gehen, da 4. nackende Juͤnglinge, und 6. nackende junge Frauens-Perſonen wa - ren, dieſe kamen alle auf mich zu, und beſahen mich ſehr eben, befuͤhlten auch meinen Leib uͤberL 4und168Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. und uͤber. Jch wuſte nicht, was ich thun noch anfangen ſolte.
Nach einer Stunde fiengen ſie alle in der Huͤt - te an zu ſingen, und tantzten um mich herum. Da auch der Haus-Herr mitgetantzt, kam eine von den vornehmſten Weibes-Bildern vor mich, und ſetzte ſich auf die Ferſe. Sie zeigte mir, daß ich es auch ſo machen ſolte. Wie ich es that, ſo ſtund der Alte auf, und legte uns ei - nem ieden eine Hand auf dem Kopff, und be - gonnte ſo ſehr zu ſchreyen, daß ich erſchrack, worauf die auſſerhalb der Huͤtte antworteten. Sie fiengen wieder an zu ſingen und zu tantzen, und die auſſer der Huͤtte thaten deßgleichen. Wie dieſes ohngefehr eine halbe Stunde gewaͤhret, ſtund dis junge Weibs-Bild auf, faſſete mich bey der Hand, und gieng mit mir hinaus, die andern aber folgten nach; ſie brachten mich in eine daſelbſt ſtehende ledige Huͤtte, da dieſes Menſch und ich hinein giengen; die andern ſchloſ - ſen die Thuͤr zu. Wie ſie hernach im Singen weggiengen, blieben wir 2. allein in der Huͤtte. Es ware Heu, getrocknete Blaͤtter und Binſen - Matten drinnen. Jch war kalt, huſtete und keuchte, ſie legte mich ins Heu nieder, und deckte mich mit den Matten zu, kroch hernach zu mir hinunter, und wolte mich waͤrmen, welches ſie auch aufs beſte that. Dieſe Heydin hatte ein gewiſſes Zauber-Inſtrument, womit ſie mich der - geſtalt bezauberte, daß ich alle mein Elend, Fe - ſtung und alles vergaß -
Wie wir uns einander einige Stunden erwaͤr -met,169Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. met, und zuſammen geſchwitzt hatten, war ich von meiner Kaͤlte wieder befreyet. Als wir aber auf - ſtunden, fuͤhlte ich die kalte Lufft wieder, und be - fand hernach erſt, als ein anderer Adam, daß wir nackend waren. Als ich die Huͤtte uͤberall durch - ſahe, funde ich einen Korb mit gebratenen Fiſchen, die noch warm waren. Sie nahm einen Hering aus ſelbigen heraus, machte ihn auf, und bot mir ſelbigen an; ich nahm der Gelegenheit wahr, und dachte, ich will die Zeit in Acht nehmen, und mich derſelben bedienen, aß daher ſo viel ich konte.
Hierauf wurde die Thuͤr von unſerer Huͤtte geoͤffnet. Jch folgte ihr nach, und ſie brachten mich wieder in die groſſe Huͤtte, da ſie mir gebra - ten Fleiſch, Fiſche und Eyer vorlegten. Nachdem wir uns geſaͤttigt, giengen wir in den Fluß u. fiſch - ten. Als es Abend wurde, muſte ich mit meiner Heydin wieder nach unſerer Huͤtte, da wir bis morgen ſchlieffen. Mein groͤſter Verdruß war, daß ich nackend gehen muſte.
Als wir alſo 2. Monat gelebt, entſtund des Nachts einmal ein erſchroͤcklich Geſchrey, welches ſich ie laͤnger ie mehr vergroͤſſerte, und meine Ge - ſellin weinte und heulte ebenfalls. Jch erſchrack, und ſie umarmte mich in waͤhrenden Weinen. Jndem ich ſie los ließ, ſatzte ſie ſich auf ihre Ferſen, und ſchlug auf ihre Bruſt. Als ich die Thuͤr von unſerer Huͤtte aufſchloß, ſahe ich unzehlbare Feuer um mich herum, ſo weit als ich ſehen konte, und wuſte nicht, was das zu bedeuten hatte. Sie zeigte mir, daß es unſere Feinde waͤren, die uns todt machen wolten. Jch gab ihr wieder Zeichen,L 5daß170Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. daß wir die Flucht nehmen wolten; ſie wieß aber wieder, daß wir ringsum beſetzt waͤren. Wir giengen zuſammen nach der groſſen Huͤtte zu. Der Alte ſaß betruͤbt und ſeufftzete. Jch nahm einen hoͤltzernen Spieß, und wolte Leute haben den Feind aufſuchen zu koͤnnen. Der Alte aber ſchuͤttelte ſein Haupt, nahm ein Horn, und blies ſo ſtarck, als er konte. Darauf hoͤrte man den Laut wol von 100. Hoͤrnern. Jch wuſte nicht was dieſes zu bedeuten hatte, gieng daher nach meiner Huͤtte, nahm einen hoͤltzernen Spieß mit, und faſſete den Vorſatz mich zu wehren, wenn ie - mand auf mich los kaͤme. Meine Geſellin folg - te mir nach, ſchrye und heulte. Endlich ward es Tag, und ich ſahe von ferne viel Volck, welches ſo wol bekleidet als mit Gewehr verſehen war, dis nahm mich ſehr Wunder, ich hoͤrte ſchieſſen, welches mir noch mehr befremdete; ich nahm mein Frauen-Menſch bey der Hand, und wies ihr, daß ſie mit mir nach ihnen zugehen ſolte, und bildete mir ein, daß ſie mir nichts thun wuͤrden; ſie wolte es aber nicht thun. Jch gieng alſo al - lein dem Feind entgegen, und kam bey einer Par - they zu Pferde, als der Capitain mich ſahe, hielt er ſtill; ich fiel auf meine Knie, und legte meine Haͤnde zuſammen. Er winckte mir, daß ich ſolte zu ihm kommen, welches ich auch that, er ſahe mich genau an, weil er ſein Lebtage keinen weiſſen Menſchen geſehen. Er gab mir einen Rock, Ho - ſen und Muͤtze, wie auch ein Pferd, auf welches ich hinauf kletterte. Denn da ich mein Lebtage nicht viel zu Pferde geſeſſen, ſo kan man leicht wiſ -ſen,
171Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. ſen, wie es zugieng. Jch ritt in dem forderſten Gliede. Als wir ſo ſachte fortritten, kamen wir bey unſere Huͤtten. Jch wies dem Capitain mei - ne Huͤtte, da ich wohnte, und bat ihn mit gefalte - nen Haͤnden, daß er ſolche ſchonen moͤchte. Er ſetzte ſo gleich einige Reuter vor die Thuͤr, und da war ich mit drunter. Nun ſahe ich verſchiedenes Volck von allen Arten ankommen, es wurde ein Stuͤck losgebrannt, nach welchen Zeichen es an ein Morden gieng, welches ſehr betruͤbt anzuſehen war.
Es lieſſen ſich ſo wol Maͤnner, Weiber als Kinder willig todtſchlagen, ohne daß ſie ſich ge - wehret haͤtten, wie die vorigen Juden auf ihren Sabbath zu thun pflegten. Dis bewog mich ſo ſehr, daß ich an zu weinen fieng, ein Unter-Officier ſahe mich boͤſe an, und ſchlug auf ſein Schwerdt, alſo muſte ich ſchweigen, weil er vor der Huͤtte zu commandiren hatte. Jch fragte ihn, ob ich auch in die Huͤtte gehen duͤrffte, welches er mir mit ei - nem Winck zuſtunde. Wie ich vom Pferde in die Huͤtte gieng, fiengen ſie alle an zu heulen, und ſaſ - ſen auf ihren Ferſen, ich verbot es ihnen mit dem Wort: Hem hem, und ſie ſchwiegen gleich ſtill. Das hatte ich von dem Alten gelernet, welches er ſagte, wenn er wolte angehoͤret ſeyn.
Da ſie mein weiß Geſicht ſahen, und die Haͤn - de und Fuͤſſe kannten, ſo ſchoß mein Frauen - Menſch auf mich zu, umarmte mich, und fieng an zu weinen. Jch ruffte gleich hem hem. Da - rauf wurden ſie wieder ſtill. Sie gab mir ge - bratene Fiſche und Eyer, die ich an meine Geſell -ſchafft172Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. ſchafft Reuter nebſt einigen Fruͤchten austheilte, welches ſie gar gerne wegaſſen. Es war etwas beſonders, daß ſich alle dieſe Menſchen gutwillig todtſchlagen lieſſen, ohne die geringſte Gegen - wehr zu thun, als wenn ſie alle zu goͤttlichen Opf - fern verſehen waͤren.
Als das Morden aus war, ritt ich als ein Ge - fangener neuer Reuter mit meiner Parthey wie - der zuruͤck, und wuſte nicht wohin. Nachdem wir einige Tage marchiret, kamen wir an einen Arm von der See, darinn viel Schiffe lagen, ei - nige mit 2. und andre mit 4. bis 5. Seegeln. Mit dieſen wurden wir alle uͤbergeſetzt.
Unſere Compagnie war 100. Mann ſtarck, und ritte in 10. Gliedern, ein iedes Glied hatte einen Corporal oder Officierer. Jn ihrer Standarte hatten ſie auf blauen Taffet eine goldne Sonne, darinn der Engel Baloka in einem Purpur-Rock ſaß, und ſchrieb. Dieſer hatte mehr Augen, als von dem Argus erzehlet wird. Seine Kleider waren wunderlich anzuſehen, denn ſie beſtunden aus lauter Augen, Ohren und Haͤnden, welches mir ſehr fremd vorkam. Wir waren von 3000. Reutern die erſte Compagnie, die zuruͤck kam, und waren wir Huͤlffs-Voͤlcker, ſo dis Eyland Krin - ke Kesmes an ihre Nachbarn gegeben. Wie ich an Land kam, wurde ich in ein Bauer-Haus ge - legt, bis Ordre von Kesmes kam, daß ich dahin kommen ſolte. Als ich dahin kam, wurde ich in eine Schule gebracht, da 24. ſehr ehrwuͤrdige Maͤnner ſaſſen. Der erſte hieß mich an eine klei - ne Tafel nieder ſetzen, da Pappier, Feder undDin -173Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. Dinte drauf war. Man machte mir ein Zeichen daß ich ſchreiben ſolte, wie ich es that, beſahen ſie meine Schrifft rings herum, und zwar ein ieder von dieſen Herrn, bis es ein anſehnlicher Mann in ſeine Hand nahm, und es uͤberlaut las. Er ſtund auf, und fragte mich auf gut Hollaͤndiſch, wie ich zu der Nation der Kaskes (welches Wort die Strand-Einwohner bedeutet) gekommen? Jch antwortete und erzehlte ihm alles, was mir begegnet. Woruͤber ſie ſich alle ſehr verwun - derten; er befahl mir, daß ich alles aufſchreiben ſolte, und ich that es auch, weil ich ſolches ſo gut als das A B C auswendig wuſte.
Als ich es uͤbergeben, wurde es ſo gleich in die - ſe Land-Sprache uͤberſetzt.
Des Nachmittags kamen 2. Juͤnglinge, und bewillkommten mich auf Hollaͤndiſch, das ſie recht gut ſprachen, auch leſen und ſchreiben konten.
Nach 3. Tagen wurde ich aus der Hauptſtadt Kesmes nach dieſer Stadt Talouja-El geſandt, daß ich allhier Zeitlebens einigen jungen Pur - ſchen die Hollaͤndiſche Sprache lernen ſolte, welches auch noch mein Werck iſt.
Man giebt mir hier ſehr guten Unterhalt, mei - ne Schule iſt nicht ſtaͤrcker als 9. junge Purſche, die ich in der Hollaͤndiſchen Sprache unterwei - ſe, und ſie es verſtehen, ſprechen, leſen und ſchreiben lehre.
Dieſe Suͤdlaͤnder meinen, daß die Gluͤckſe - ligkeit ihres Landes, und ihre gute und ſehr kluge Regierung allein von der guten Auferziehung ih -rer174Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. rer Jugend herkomme; daher duͤrffen hier keine alten Weiber Schulmeiſterinnen, noch tru - ckene Kerls oder uͤbel-geartete Maͤnner Schulmeiſter ſeyn. Solche werden eben ſo veraͤchtlich gehalten, als die ihres natuͤrlichen Verſtandes beraubet ſeyn, wie auch alle diejeni - gen, die keine gute Ausſprache haben, und unge - ſchickt mit der Zunge ſeyn. Sie glauben, daß al - le oder die meiſten Fehler, welche alle Menſchen an ſich haben, in der Jugend von ihren Eltern oder Lehrmeiſtern herkommen, und daß ſelbige durch Gewohnheit bey ihnen bleiben. Daher muͤſſen die Schulmeiſter allhier verſtaͤndige, aufmerckſame, vorſichtige und tugendhaffte Leute ſeyn. Jch habe mich nach ihren Geſetzen ſo eingerichtet, und lebe noch darnach, ſo gut als ich kan. Dahero hat man mich mit dieſen ro - then Rock und Muͤtze beſchenckt, welches hier vor ein Ehren-Kleid gehalten wird.
Das Zeichen, ſo auf meiner Bruſt geſtickt iſt, iſt in dieſer Landes-Sprache ſo viel als El-ho, ein Frey-Mann.
(Ende der Lebens-Hiſtorie Henrich Texels.)
Jch ſchrieb dieſes alles mit groſſer Verwunde - rung ab, wegen der ſo wunderlichen und ſeltſa - men Begebenheiten.
Des landern Tages, nachdem wir geſpeiſet, kam Elho, und beſuchte uns wieder, ich gab ihm ſeine geſchriebene Hiſtorie zuruͤck, und bedanckte mich deßhalben gegen ihm: Bat ihn auch, daß er vor mich die Gutheit haben moͤchte, und mich die Stadt beſehen laſſen, wenn er Ordre von Gar -bon175Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. bon dazu haͤtte. Er ſagte, er wolte es gegen 3. Uhr thun.
Um 3. Uhr kam er, und holte mich ab, ich gieng mit ihm allein aus, weil mein ander Volck noch keine Erlaubnis bekommen, mit auszugehen, wir ſchlugen uns um die rechte Hand herum, bis nach einer Ecke, die in eine breite Gaſſe gieng, wie wir ſolche hinauf gegangen, brachte uns ſolche auf einen ſehr groſſen Platz, da in der Mitten ein groſ - ſer ſchoͤner Thurm oder Pyramide ſtund, es wa - ren lauter Stuffen von auſſen, daß man hinauf gehen konte, und hatte von unten bis oben hinauf eine gemaͤchlich aufſteigende Hoͤhe, auf den vier Ecken von dieſem Platz ſahe ich 4. Ehren-Pfor - ten, die mit ſchoͤnen Emblematibus ausgezieret waren, die waren alle oben rund gewoͤlbt. Wir ſtiegen die Treppen der Pyramide bis oben auf den Plan hinauf, von dar ich die gantze Stadt und das gantze umliegende Land uͤberſehen konte.
Die Stadt iſt beynahe gantz rund, hat 13. Bollwercke, die alle im gutem Stande. Die Kirchen waren auf die Tuͤrckiſche Weiſe alle rund. Jch ſahe einen groſſen und 2. kleinere Pal - laͤſte und andre herrliche Gebaͤude: Es flieſſen einige Fluͤſſe und Graͤben durch die Stadt; und endlich ſahe ich noch eine praͤchtige Pyramide auſſer der Stadt an der Oſt-Seite, da oben drauf der Engel Baloka ſtund, welchem, wenn die Son - ne noch nicht helle ſcheint, der Morgen-Gruß ge - than wird.
Wir ſtiegen wieder herunter, und hierauf brachte er mich in eine groſſe Bad-Stube, die ſehrartig176Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. artig gebauet, ſie hatte 5. Kammern mit Keſſeln, und 10. verſchloſſene Kammern, die alle von Marmor waren.
Hierauf brachte er mich ins Rathhaus, wel - ches uͤberaus ſchoͤn und koͤſtlich gebauet, es hatte viel und geraume Saͤle, die alle mit kuͤnſtlichen Bildern gezieret waren, und welche ihre alte Goͤt - ter, Koͤnige, Helden und Hiſtorien des Landes vorſtellten. Hier ſahe ich die Niedermachung der Kaskes, bey welchen El-ho ſelbſt. geweſen, und es geſehen. Hier war auch der Streit der Geiſt - lichen zu Zeit des Koͤnigs Cham-Hazi vorgebildet, und lauter wunderbare und artige Poſituren.
Hierauf brachte er mich in eine Kammer, die voll Bilder von Maͤñern und Weibern ſtund, ſo alle gantz nackend ohne die geringſten Kleider waren. Jch fragte, was dieſelbe bedeuteten. El-ho ſagte, das iſt das Trau-Zimmer, es darff niemand in dieſer Stadt, oder in deren Bezirck heyrathen, er muß dann vorher in dieſem Zimmer gantz nackend erſcheinen, und zwar ſo wol der Braͤutigam, als die Braut. Jch fragte ihn, wie das dann zugehe. El-ho antwortete, die Jung - fern, die ſich an eine Manns-Perſon verloben will, die wird von einer alten Frau hieher ge - bracht, die ihr am naͤchſten verwandt iſt. Und der Junggeſell, der ſich mit ihr zu verbinden ge - ſinnet, wird auch von einen alten Mann hierauf gebracht, er muß aber auch von den naͤchſten Blutsfreunden ſeyn.
Wenn ſie nun in dieſes Zimmer kommen, und die Thuͤr zugeſchloſſen iſt, ſo entkleidet ſich iedePar -177Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. Parthey, und zeigen ſich einander gantz nackend, ſie beſehen ſich hierauf hinten und forne, ſie ge - hen, ſtehen und buͤcken ſich dabey ꝛc. Ja ſie be - fuͤhlen einander von oben bis unten, und von hin - ten und forne. Wenn ſie beyderſeits einander ge - fallen, und geſund ſeyn, ſo iſt die Heyrath richtig, und muß vor ſich gehen. Wenn ſich aber der ge - ringſte Zufall bey einem odeꝛ dem andeꝛn findet, ſo ſtehet es in dem Willen beyder jungen Leute. Jch ſagte, das iſt ja ein wunderlich Geſetz, es kommt nach meinem Urtheil der Ehr und Schaam zu nahe, ein ſolch Weſen wuͤrde man in Europa ſehr verfluchen. Womit beweiſet ihr, ſagte Elho, daß die Europaͤer kluͤger ſeyn als die Aſiatiſchen Voͤlcker? Die Europaͤer haben auch viel naͤrriſche Gebraͤuche. Wenn man aber ein Pferd, Hund oder ander Thier kauffen will, ſo befuͤhlt, betaſtet und beſiehet man ſolches, damit man nicht betrogen werde, ehe man ſolches kaufft. Warum ſolte man mit einem Mann oder Frau, die man heyrathen will, und mit welchem man ſein Leben zu endigen beſchlieſt, es nicht auch ſo machen. Ein Thier kan man wieder mit einigen Schaden verkauffen, aber ei - ne die man heyrathet, muß man behalten, ſo lan - ge man beyſammen lebt.
Hierauf kamen 4. Perſonen an, die alle in Seide gekleidet waren, wir muſten deshalben weggehen, und ward die Thuͤr zugeſchloſſen. Dieſe kamen, die ehrliche Befuͤhlung zu unter - nehmen.
Jch hatte in dem Utopia des Mori dieſes auchMgele -178Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. geleſen, ich meinte aber, daß es erdichtet. Nun aber ſahe ich, daß es eine gewiſſe Wahrheit ſey, und ſetzte mich ſolches in groſſe Verwunderung. Von hier brachte er mich zu dem Pallaſt des Gou - verneurs, welcher ſehr groß und ſchoͤn war, er ſtund an dem Ende einer breiten Straſſe, und hatte rund um einen breiten Graben und dicke Mauren, mit vielen platten runden Thuͤrmen verſehen.
Als wir Erlaubnis geſucht, und bekommen, traten wir eine Corps de garde vorbey, uͤber eine wohlgebaute ſteinerne Bruͤcke, von ſechs und dreyßig Schritten lang.
An dem Gipffel des Thors war der Engel Ba - loka ſehr kuͤnſtlich ausgehauen, derſelbe wurde von allen Menſchen, die durch dieſe Pforte gien - gen gegruͤſſet.
El-ho ſagte mir, daß das Bild von Baloka uͤberall in Krinke Kesmes gegruͤſſet wuͤrde, eben auf ſolche Art als in Spanien das Creutz oder andere heili - ge Bilder, und iſt uns dieſes Bild des Baloka eben ſo heilig, als das Creutz in Europa iſt.
Wie wir durch die Pforte getreten, kamen wir auf einen geraumen Platz, der rund herum mit Zimmern und Staͤllen vor Soldaten gebauet war. Dieſe Gezimmer waren 4. Stock hoch, das unterſte waren Staͤlle, in dem zweyten mit - telſten wohnten die Officierer und Soldaten, und in dem oberſten war die junge Mannſchafft, die zum Krieg aufgezogen und unterwieſen wur - den. Mitten auf dieſem Platz ſahe ich eine Fon - taine, die ſehr praͤchtig mit vielen kuͤnſtlichen Bil -dern179Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. dern von Thieren gezieret war, und welche mir ſehr ſchoͤn vorkamen. Unter dieſen Thieren wa - ren unterſchiedene, die ich nicht kañte, und nicht ge - ſehen hatte.
Wie ich dieſes beſehen, traten wir durch das zweyte kleinere Thor, uͤber eine kleinere Bruͤcke, die 20. Schritt lang war. Wie ich zu deren En - de kam, erſchrack ich ſo ſehr, daß ich mich lange nicht erholen konte, denn an ieder Seite der Bruͤ - cke war ein hoͤltzern Haus gebauet, und wie ich vorbey gieng, ſprang aus iedem ein erſchrecklich Thier heraus.
Dieſe Thiere waren 4. und einen halben Fuß hoch, und nach Proportion lang, ihr Kopff war faſt wie eines Affens, vor ihrem Maule ſtunden 2. ſchwartze Zaͤhne von 8. Zoll lang, und hinter den - ſelben kamen noch 2. weiſſe Hauer, als eines wil - den Schweines heraus, die faſt ſo groß wie die erſten, ſie waren ſehr haͤßlich anzuſehen. Jhr Kopff war mit einem ſcharffen und ſchwartzen Horn gewaffnet, wie man die Einhoͤrner abmah - let. Jhr Leib war ſo wie eines Windhundes, iedoch mit ſo vielen Muſculn als ein Loͤwe, und ihr Schwantz war noch laͤnger als ein Loͤwen - Schwantz. El-ho ſagte, daß ſie mit ſelbigem die Thiere faſſen und erwuͤrgen koͤnten. Jhre Klauen waren ſehr fuͤrchterlich. An iedem Fuß hatten ſie 4. dergleichen, und iede Klaue war 4. und ei - nen halben Zoll lang. Sie konten ſelbige ſo wie die Finger an der Hand bewegen, hatten ſchwar - tze Hoͤrner vorn an der Spitze. Sie hatten lan - ge ſtarcke Haͤlſe, an welchen lange ſchwartze Maͤh -M 2nen180Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. nen herab giengen. Der eine war ſchneeweiß, und der andre ſo hochroth, als ob man ihn mit Carmoſin gefaͤrbet. Sie lagen an dicken eiſer - nen Ketten. Jhr Geraßle war ſo furchtſam nicht, als ihre Geſtalt, ſie konten gruntzen wie Schwei - ne, und hierauf wieherten ſie wie Pferde, manch - mal aber gaben ſie einen ſehr lauten Schrey von ſich. Sie waren vor einiger Zeit an den Gouverneur geſandt, und aus einem geſtrande - ten Schiff aufgefangen worden. Der Gou - verneur wolte dieſe fremde Thiere nach Kesmes an den Koͤnig ſenden.
Es war auch an dieſem Platz eine Fontaine, die viel herrlicher und ſchoͤner, als die auf den foͤrder - ſten Platz war, und uͤbertraffen die Gebaͤude, ſo rings um dieſen Platz ſtunden, die forderſten. Alle derſelben Gipffel waren al freſco gemahlt mit den herrlichſten Hiſtorien. Dieſes Freſco wird in Gips und Kalck gemacht, und ſo dauer - hafft, daß die Farben darinn beſtaͤndig in der Lufft aushalten.
Bey den Fontainen ſtunden 2. Ehren-Pfor - ten, die mit Hiſtorien ſo wol von der Tapfferkeit, als Siegen in herrlichen Bildern ausgezieret waren.
Wir traten durch eine kleine, doch zierliche hoͤl - tzerne Pforte (die an der rechten Seite mitten an den begipſeten Gebaͤuden ſtunde) in einen groſ - ſen und ſchoͤnen Hof, welcher ſehr annehmlich war, ſo wegen der Spalirung unterſchiedener Frucht-Baͤume, als auch der Menge der Fontai - nen und Waſſer-Canaͤle halber, die ſo ſchoͤneFi -181Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. Figuren und artige Waſſer-Faͤlle hatten, daß man ſie nicht gnug anſehen konte.
Man muſte ſie mit Luſt anſehen, und waren ſo nett in die Perſpective geſetzt, daß ich mich uͤber die Einfalt der Europaͤer ſchaͤmen muſte.
Jch hatte Roͤthel und Pappier bey mir, und zeichnete geſchwind einige ab, ſo gut als ich konte, und dachte Garbon ſolte mich davon gruͤndlicher unterrichten, wenn ich zu ihm kaͤme, und damit ich Modelle haͤtte, die ich in Europa koͤnte zeigen und nachmachen laſſen. Als wir dis alles beſe - hen, kehrten wir wieder nach Hauſe, da wir das Eſſen parat fanden. El-ho nahm ſeinen Abſchied. Und wir ſetzten uns zur Mahlzeit nieder, und nachdem wir nach der Mahlzeit eine Pfeiffe ge - raucht, giengen wir zur Ruhe. Des Morgens darauf als wir Akalou getruncken, kam El-ho zu uns, und ſagte, daß Garbon wieder kommen, und muͤſte uns ſelbiger zu Dienſten ſtehen, er nahm hierauf ſeinen Abſchied, und verſprach manchmal mich wieder zu beſuchen. Jch bedanckte mich ge - gen den El-ho vor alle Hoͤflichkeit und genoſſene Freundſchafft, wie nicht weniger vor deſſen ge - habte viele Muͤhe, und Lebens-Hiſtorie, ſo er mir communiciret.
AM 9. Uhr kam der Garbon, ich bewillkomm - te ihn mit aller erſinnlichen Hoͤflichkeit, und erzehlte, was ich mit dem El-ho beſehen; er ſagte, ich will ſo gleich nach dem Eſſen wieder kommen, und euch mehr ſehen laſſen, undM 3un -182Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. unterwerſen, als der El-ho hat thun koͤnnen, ſo wol von dem gantzen Lande als dieſer Stadt, weil ich der Aufſeher von allen Ge - baͤuden bin. Worauf er nach genommenen Abſchied wieder weggieng; um 1. Uhr als wir gegeſſen, kam er wieder, da wir eben denſelben Weg nahmen, den El ho mit mir gegangen war. Wir kamen wieder bey den vorbeſagten Thurm oder Pyramide, und beſahe ſie mit mehrer Auf - merckſamkeit als zuvor.
Der Garbon fuͤhrte mich unten in den Thurm, da ſehr viel und raͤumliche Zimmer waren, ſo un - terſchiedene Perſonen bewohnten. Er wurde von ſelbigen, weil er mit ihnen bekannt war, mit aller Ehr empfangen. Der Thuͤrſchlieſſer ſo uns entgegen kam, uͤbergab ſo fort die Schluͤſſel von allen Zimmern an den Garbon. Wir traten hie - rauf in ein ſchoͤn Zimmer, darinn 2. anſehnliche Herrn ſaſſen in roth gekleidet, dieſe kamen uns, nachdem ſie den Garbon erblicket, entgegen, und bewillkommten uns. Man brachte ſo fort Aka - lou. Unter dem Trincken hatten ſie viele Diſcour - ſe, welche ich nicht verſtehen konte, iedoch merck - ten wir, daß der Garbon vor einen ehrlichen und reichen Mann gehalten wurde. Nachdem wir dieſen Akalou gebraucht, ſo begleiteten uns dieſe Herrn bis an die Treppe mit der groͤſten Hoͤf - lichkeit.
Als wir in die Hoͤhe ſtiegen, ſagte der Garbon zu mir, daß allezeit nach 30. Stuffen unterſchie - dene Zimmer waͤren, die alle ihren beſondern Nu - tzen haͤtten, und davon er mir einige weiſen wolte,weil183Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. weil er die Schluͤſſel zu allen hatte, die uns der Aufwaͤrter nachtrug. Jch bedanckte mich gegen ihn aufs freundlichſte, und verſprach ihm ſeine Muͤhe zu belohnen. Er ſagte, daß er davor nichts verlangte, worauf ich antwortete: Mein Herr, gefaͤllt euch das Buch des Carteſii, ſo ich euch verehrt habe? O ja, ſagte Garbon, worauf ich antwortete: Mein Herr, ſie machen ſich mei - netwegen ſo viel Muͤhe, iedoch werde ich zu - letzt die Ehre haben, ihnen einige Buͤcher und Land-Charten zu præſentiren, die ich noch im Schiffe habe, und die mir ein Freund aus Liebe mit Fleiß abgezeichnet, und mit Waſſer-Farbe illuminirt. O de Poſos, ſagte er zu mir, ihr macht euch zu viel Unkoſten mei - nethalben. Jch antwortete: Gar nicht, mein Herr, denn ihr koͤnnet meiner Curioſitaͤt hin - gegen ein Gnuͤge thun, welches mir zur Ge - gen-Vergeltung gnug iſt.
Garbon ſagte, ich will eure Curioſitaͤt ver - gnuͤgen ſo viel als ich kan, und es kan nie - mand in der Stadt euch darin mehr willfah - ren als ich: Denn es ſind mir alle Schluͤſ - ſel anvertraut. Unter dieſen Reden kamen wir zu einer Thuͤre, die Garbon aufſchloß, als ich hierein trat, ſahe ich einen geraumen Saal, wel - cher weder recht licht, noch recht dunckel war, ſon - dern das nur das Licht hinein ſchimmerte, wie es in den Waͤldern zu ſeyn pfleget, und war ſehr wohl dazu gebauet, um ſchaamhaffte Jungfern da hinein zu fuͤhren. Dieſes war der Saal der Liebe, allhier ſahe ich viele Bilder, deren iedesM 4auf184Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. auf einem runden Poſtement ſtund, welches auf - geſchloſſen werden konte. Unter jedem Bilde wurden die Ausſpruͤche des Sarabuſæ aufgehoben, und ſolche Geſchichte, die aufgehoben zu werden, und zu beſchreiben wuͤrdig waren, damit die Nachkommen davon Nachricht erhalten moͤchten. Jn einem iedem Poſtement, oder unter iedem Bild lagen dieſe Beſchreibungen und Spruͤche, die das Weſen des Bildes ausdruͤckten und beſchrie - ben.
Das Bild der Liebe ſtund mitten im Saal, und war eine junge Weibs-Perſon, die hatte auf ihrem Kopff eine Feuer-Flamme. Jhr Bu - ſen hatte 10. Bruͤſte. Jn ihrem lincken Arm hat - te ſie ein Kind, welches an der einen Bruſt ſaug - te, und von ihr ſehr liebreich angedruͤckt wurde. Jn ihrer rechten Hand hatte ſie ein brennend Hertz, welches ſie auf dem Kopff eines von denen bey ihr ſtehenden und ſpielenden Kindern hielt. Jn ihrem Poſtement wurden die Spruͤche des Sarabuſa von der Liebe, nebſt einigen Geſchichten derſelben bewahrt, die ſich ſo wol iñ-als auſſeꝛhalb Taloujael begeben. Die beſagten 5. Kinder hat - ten alle ihre Merckmahle: Das eine war die Lie - be zur Tugend; das andre ſtellte die Liebe zum Vergnuͤgen; und wieder ein anders die Liebe zur Ruhe vor ꝛc.
An der rechten Seite ſtund das Bild der Na - tur, etwas hinterwaͤrts der Liebe. Dieſes war eine gantz nackende Frau, und hielte einen Fal - cken in ihrer Hand.
An der lincken Seite des Bildes der Liebe ſtunddas185Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. das Bild der Verſchwiegenheit, welches eine Frau vorbildete, deren Mund von einem Ring, ſo durch ihre Lippen gieng, geſchloſſen wurde, und legte die vorderſten Finger ihrer rechten Hand nebſt dem Ring auf ihre geſchloſſene Lip - pen; ſie hatte in ihrer lincken Hand einen Siegel - Ring, und druckte ſelbigen auf ihren Mund. Als ich das Bild der Verſchwiegenheit mit groſſer Verwunderung anſahe, trat ein Herr bey uns in den Saal, und gruͤſſete den Garbon. Nach einem kurtz gehabten Geſpraͤch kam Garbon zu mir, und ſagte: Jch muß den Gouverneur in wichtigen Sachen ſprechen, welches ich itzo nicht aͤndern kan. Er ſchloß das Poſte - ment der Verſchwiegenheit auf, und nahm einen halben Bogen Pappier daraus; Er gab mir ſolches, und ſagte: (daß ichs abſchreiben koͤn - te.) Auf dem Tiſch iſt Feder, Dinte und Pap - pier; Jch will ſo fort, als ihr es abgeſchrie - ben, wieder bey euch ſeyn. Dis ſeyn etliche von den Spruͤchen des Sarabuſa, ſo die Ver - ſchwiegenheir angehen. Jch bedanckte mich hievor, und er gieng mit dem Herrn weg, und ſchloß die Thuͤr zu. Jch hatte zwar groſſe Luſt alle Bilder zu beſehen; allein weil ich vermeinte, Garbon moͤchte in kurtzem wieder kommen, und ſich nicht lange verweilen, ſchrieb ich es erſt ab, und hernach urtheilte ich, koͤnte ich die Bilder gnugſam anſchauen.
M 5Fol -186Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap.Folgendes iſt die Copie derjenigen Tu - gend-Spruͤche, ſo er mir uͤber - lieferte:
Die Verſchwiegenheit iſt die erſte Stuffe zur Weisheit, die vertraute Mutter des Frie - dens, und die Bewahrerin der Tugend.
Jn der Kunſt zu ſchweigen, und ſich nicht zu offenbahren, beſtehen alle geheime Sachen.
Ein kluger Mann ſagt nichts wieder, weil ihm bewuſt iſt, daß er ſo vielen Menſchen von ſeiner Reputation uͤbergiebt, ſo vielen er es ge - ſagt.
Die Verſchwiegenheit iſt das Heiligthum der Weisheit, ja ſie hat vieles von den Goͤtt - lichen Weſen an ſich, denn ſie veraͤndert das Gebrechliche in ein Lobens-wuͤrdiges Geheimniß.
Die Verſchwiegenheit giebt eben ſolchen Glantz denen Reden, als der Schatten denen Farben in der Mahler-Kunſt.
Verſchwiegene Menſchen ſind bedachtſam und vorſichtig im Reden, und man rechnet ſie nicht unter die Zahl der Narren.
Wenn man ſich des Redens enthaͤlt, ſo iſt dis das Siegel der Gemaͤchlichkeit; denn vieles Reden ſchwaͤcht den Verſtand, und macht, daß die Gedancken in der Lufft verſchwinden; doch muß man zuweilen zu ſeinem Vortheil et - was ſprechen, damit man nicht ein bloſſer Zu - hoͤrer eines andern Rede iſt; Und alsdann muß man reden als ein gemeiner Menſch, iedoch den - cken als ein Kluger.
Ein187Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap.Ein guter Politicus muß Meiſter von ſeiner Zunge ſeyn. Denn die Seele eines weiſen Mannes ruhet an der Wurtzel ſeiner Zunge. Die Seele aber eines Narren tantzt auf der Spitze derſelben herum.
Ein Menſch, der geſchwind im Reden iſt, ſte - het allzeit in Gefahr, daß er verliehret, und uͤber - zeuget wird. Man kan offt mehr ſagen, als andre hoͤren wollen. Daher muß man eben ſo ſprechen, als wie bey Teſtamenten braͤuchlich iſt; das iſt; Je weniger Worte, deſto weniger Streit.
Verſchwiegenheit iſt die Seele von allen groſſen Unternehmungen, und man muß den guten Erfolg eines Dinges in wichtigen Hand - lungen ſuchen heimlich zu halten. Wenn ihr alſo wichtige Sachen vorhabt, ſo ſprecht nicht, und antwortet nicht mehr, als was ihr gefragt werdet; hoͤrt aber genau zu, und belauſcht die - jenigen, ſo gerne viel plaudern.
Wer ſich halten kan, der iſt Herr uͤber ſich ſelbſt.
Die Klugen halten ſich allezeit verſchloſſen. Und noch mehr, wenn ſie die Leute nicht kennen, mit denen ſie reden.
Wenn man redet, muß man nicht zu deutlich ſprechen; denn Geheimniſſe erwecken Ehrerbie - tigkeit, und man paſſirt vor einen geſchickten Mann, wenn man nicht verſtanden wird.
Ein Hertz ohne Geheimniß iſt als ein offener Brief, und ein geoͤffnet Schloß, ja als ein offen Karten-Spiel, ſo nicht geachtet wird.
Daher188Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap.Daher muß man ſich nicht heraus laſſen; denn man haͤlt die Gemuͤther noch in Zweifel, wenn man ſich nicht ſo fort offenbaret. So haͤlt GOtt alle Menſchen in der Hoffnung. Dieſem nachzufolgen iſt klug gehandelt.
Wer ſich nicht ſo gleich heraus laͤſt, der er - haͤlt eines andern Gedancken in der Hoffnung und Zweifel; daher laſſet euch nicht ſo klar her - aus, denn ein entdecktes Vorhaben wird nicht geachtet, weil es eben ſo viel iſt, als wenn ich mit offnen Karten ſpiele.
Wer ſeine Karten andern ſehen laͤſt, thut ſich ſelbſt und ſeinem Cameraden Schaden.
Man muß das Seine geheim halten, und ſol - ches nicht viel vertrauen, die das Jhre leicht of - fenbaren; denn die alles andern wieder vertrau - en, denen iſt nichts Heimliches zu eroͤffnen.
Man muß die Offenhertzigkeit vermeiden; denn wenn man ſeine Gedancken eroͤffnet, ſo iſt es ſo viel, als die Thuͤr zur Staͤrcke des Gemuͤths aufzuthun.
Seyd behutſam; iedoch gehet nicht uͤber die Schnur, und fehlet wider den Wohlſtand, ſon - dern gehet die Mittel-Straſſe.
Unterſucht erſt eines andern Hertz, ehe ihr eu - res offenbaret; ſprecht nicht viel, und hernach nur, was ihr gewiß wiſſet.
Damit man iemandes Hertz entdecke, ſo muß man mit iemanden an zu zancken fangen, und ſich veruneinigen.
Es werden viel durch Eyfer im Reden ſo weitge -189Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. gebracht, daß ſie offt an Tag bringen, was ſie ehe verſchweigen ſollen.
Es iſt klug gehandelt, bey andern etwas aus - zuforſchen, und das Seine geheim zu halten.
Man iſt auch offt unvorſichtig, ſich im Spie - len zu offenbaren, und unſer Gemuͤth ſteht da - rinn gantz bloß und offen.
Jn dem Wein iſt die Wahrheit, und ein trun - cken Hertz kan ſich nicht verſtellen.
Es wird auch viel durch Liebe der Weiber of - fenbaret.
Man muß vor die Spione unſerer Gedancken unſre Hertzen mit Mißtrauen und Zuruͤckhaltung bedecken.
Eure Gedancken bleiben eure, ſo lange als ihr ſie bey euch behaltet, wenn ſie aber in der Lufft zu Worten gemacht werden, ſo gehoͤren ſie an ei - nen andern, und koͤnnen ſie alsdann zu eurem Verderben gebraucht werden.
Ergruͤndet eines andern Gedancken, und ver - bergt die eurigen.
Wenn man gar zu offenhertzig iſt, ſo iſt es offt verhaſt und gefaͤhrlich. Sicherer und leichter geht es, wenn man ſeine Gedancken bey ſich be - haͤlt.
Man muß eingezogen leben, und ſich nicht mit aller Welt gemein machen; und ſeinen Namen, nachdem die Oerter und Sachen ſeyn, veraͤndern: Jedoch ſich auch wohl vorſehen, daß man nicht uͤberliſtet und betrogen wird.
Ein liſtiger Menſch muß fertig von Verſtan - de ſeyn, alles ſehen, unterſuchen und beurthei -len,190Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. len, wenig reden, ſich verſtellen, ſeine Gedan - cken und Vorhaben verbergen; Jedoch muß alles mit Freundlichkeit, ungezwungen und mit Artig - keit geſchehen.
Man muß liſtig ſeyn, ſeine Gebrechen heim - lich zu halten, und ſeines Hertzens Gedancken verſtellen, damit ein ander nicht unſer Vorha - ben wiſſen, und zwar aus Furcht, daß ſie euch nicht durch Einſpruch oder Schmeicheley moͤchten zuvor kommen.
Das Verſtellen iſt das vornehmſte in der Po - litic, man muß offt den Schein geben, als wenn man eine Sache nicht verſtuͤnde, die man doch verſteht.
Der Unverſtand weicht aus dem Tempel der Verſchwiegenheit; denn wenn der Verſtand nichts taugt, ſo werden die Worte leicht heraus geplaudert.
Lernet ſchweigen, bis ihr euch das Reden gantz abgewoͤhnet, oder ihr in einen hoͤhern Rang ſeyd.
Der ſeine Zunge wohl zu menagiren weiß, der wird geſucht, und hochgeachtet.
Wie man geheim iſt, ſo wird man ein Herr.
Offenbaret keine Fehler der Groſſen, denn ſie leiden es nicht.
Es werden viel Dinge in Lachen geſagt oder gethan, die hernachmals in Weinen beklagt werden.
Als ich dieſe letztere Regul ſchrieb, ſchloß Gar - bon die Thuͤr auf, und trat mit einem Herrnher -191Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. herein. Jch ſtund auf, und gruͤſſete ſie mit groͤ - ſter Beſcheidenheit. Garbon trat an Tiſch, nahm das Pappier, wovon ich dieſes abgeſchrieben, und ſchloß es wieder in das Poſtement der Ver - ſchwiegenheit.
Als Garbon bemuͤhet war, einen Brief zu le - ſen, beſahe ich die Statuen, welche ferner auf dem Liebes-Saal ſtunden, und waren fol - gende;
Die Freundſchafft, ſolche war eine Frau mit Myrthen und Granaten gekroͤnt, mit ihrem rechten Arm umfaſſete ſie einen duͤrren Baum, darum eine Wein-Rebe ſich geſchlungen, auf ih - rem Kleide ſtunden viel Spruͤche, die ich nicht verſtehen konte.
Die Froͤlichkeit ward vorgeſtellet durch ein jung tantzend Maͤdgen, die einen Krantz mit Blumen um den Kopff hatte, ihr Rock war mit vielerley Blumen geſtickt, in ihrer rechten Hand hatte ſie einen Wein-Roͤmer, und in der lincken eine Schaale.
Die Schoͤnheit war eine Frau, die ihren Kopff eines Theils mit Wolcken bedeckt hatte, ſonſt aber gantz nackend war; in der rechten Hand hatte ſie einen Compaß (Magnet-Nadel) und Senck-Bley, und in der lincken eine Lilie.
Die Ehe wurde durch einen jungen Mann vorgeſtellet, der ein Joch um den Hals hatte, ei - nen Trau-Ring am Finger, einen Apffel in der Hand, und Feſſel an den Beinen, womit er auf eine Schlange trat.
Hier192Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap.Hier waren noch mehr Statuen, die ich nicht alle, weil Garbon etwas eilig that, beſchauen konte, doch verſprach mir der Garbon, daß er mir alles ſchrifftlich geben wolte, und waͤre ſchon einer von ſeinen Dienern druͤber, der es in die Spaniſche Sprache uͤberſetzete.
Wie wir den Saal der Liebe verlaſſen, ka - men wir auf 30. Stuffen hoch wieder in ein ſchoͤn Zimmer, in demſelben wurden alle Geſetze von dem gantzen Poele Krinke Kesmes, wie auch von dieſer Frey-Stadt Talouja-El bewahret.
Hier war das Bild von dem ſehr klugen Ge - ſetz-Geber und Philoſopho Sarabuſa, als ein Sineſi - ſcher Abgott, auf einem Tiſche, worauf zuge - machte und offene Buͤcher, und geſiegelte Briefe lagen.
Etwas hinter ihm ſtund ein Advocat mit einer Muͤtze auf dem Kopff, und mit einem Advocaten - Mantel gezieret.
Nebſt demſelben ſtund die Gerechtigkeit, die hatte in der einen Hand 2. Wag-Schalen, in der einen Schale ſtund ein Hund, und in der andern eine Schlange; in der andern Hand hat - te ſie das bloſſe Schwerdt.
Das Leben war hier auch zu ſehen, als ein junges Maͤdgen. Es war mit Sempervivum ge - kroͤnet, hatte in der einen Hand eine bren - nende Lampe, und in der andern einen Oel-Krug, aus welchem ſie in die Lampe goß.
An der andern Seite ſtund die Kauffmann -ſchafft193Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. ſchafft oder Handlung zwiſchen dem Reich - thum, Gluͤck und Ungluͤck innen.
Die Kauffmannſchafft wurde durch einen lachenden Juͤngling vorgeſtellet. Dieſer hatte in ſeiner rechten Hand 3. Zungen; in der lincken eine Elle, Wag-Schale, Korn Maaß und einen Maaß-Stab, nebſt einem Compaß. Bey ſeinen Fuͤſſen ſtund ein voller Geld-Sack, Spie - gel und Schlange.
Auf dem Poſtement des Reichthums ſtund ein Schaaf, dabenebſt lagen Edelgeſteine, guͤld - ne Ketten, Faͤſſer, Geld, Kronen, Scepter ꝛc.
Das Gluͤck und Ungluͤck waren 2. Bilder, die gegenein ander uͤber ſtunden, hielten alle bey - de die rechte Hand hoch und offen: Das eine war praͤchtig, das andre als ein Sclave bekleidet. Uber ihnen kamen 2. Haͤnde, als aus den Wol - cken Creutz-weiſe uͤber einander; die eine gab dem Reichen einen vollen Geld-Sack, eine Crone, und ein Bild von einer Jungfer; die andre Hand gab dem Armen einen ledigen umgekehrten Geld - Sack, einen duͤrren Dorn-Zweig, und einige Scorpionen. Vor dem Poſtement des Gluͤcks und Ungluͤcks ſtund eine Pyramide.
Wie wir dieſen Saal verlieſſen, giengen wir noch 30. Stuffen in die Hoͤhe, da der Garbon wieder eine Thuͤr aufſchloß. Er trat hinein, und da ſahe ich ſchon wieder verſchiedene Statuen, die ich nicht kannte. Jch fragte, was ſolche bedeuteten? und Garbon antwortete: Dis iſt das Zimmer der Trunckenheit. Jch fieng anNzu194Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. zu lachen, und fragte ihn, wozu ſolches diene? Er antwortete: Dieſes hat in unſerm Lande einen groſſen Nutzen. Hier werden die trun - ckenen Leute hinein gebracht, und ihnen dieſe Bilder gezeiget, auch aus jedem Poſte - ment ihnen die Spruͤche des Sarabuſa vorgele - ſen, und nicht durch Geiſtliche, und in der Religion, ſondern durch eine verſtaͤndige Po - litic unterrichtet.
Jch fragte, wie dieſes geſchaͤhe? Er ſagte: Wenn in dieſer Stadt Talouja El ein Menſch durch vieles Trincken ſich ſo ſehr uͤberhaͤufft, daß er ſeinen Beruff verwahrloſet, ſeine Guͤ - teꝛ durchbringet, und daduꝛch ſeine Haushal - tung nicht verſorget, auch ſeiner eignen Ge - ſundheit Schaden thut, ſo wird ſo ein Menſch erſt durch den Schloß Wachtmei - ſter von der Stadt, darinn er wohner, ge - warnet; beſſert er ſich nicht, wird es an den Rath bekannt gemacht, der ihn hierauf ge - gerichtlich vermahnet, daß er von ſeinem vielen Trincken abſtehen ſolte. Sie laſſen ihm ſagen, daß die Trunckenheit vor ſeine Familie ſchaͤdlich, vor ihm ſelbſt ſchaͤndlich, unnuͤtze, und vor die Gemeine aͤrgerlich ſey. Will er ſich noch nicht beſſern, und von ſeinem Sauffen ablaſſen, ſo wird es dem Gouverneur kund gethan.
Dieſer laͤſt den Saͤuffer vor ſich in ſeinen Pallaſt bringen, und wenn er ſich in ſeinen Richter-Stuhl geſetzt, fragt er den Saͤuf - fer, warum er auf die erſte und andre Ver -mah -195Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. mahnung ſein ſo ſchaͤdlich und ſchaͤndlich Leben nicht fahren laſſen, und ſeine Ehre, Gluͤck und Geſundheit nicht wieder habe in Acht nehmen wollen? Die Antwort wird dem Saͤuffer nicht verſtattet, weil der Gou - verneur davor haͤlt, daß es Zeit-Verluſt ver - urſache.
Er wird ſo gleich in ein anders Behaͤltniß gebracht, da ein Geiſtlicher und 2. Raths - Herren drinn ſeyn; wenn er hierher koͤmmt, ſtellt ein Geiſtlicher ihm ſeine Suͤnden vor Augen, wie er gegen GOtt, den Koͤnig, und den Baloka geſuͤndigt. Hierauf wird er der Wacht uͤberliefert, dieſe bringen ihn des Vormittags um 10. Uhr auf die 5. Stuffe der Pyramide, da muß er 5. Stunden ſtehen blei - ben, mit dem Geſicht nach dem Platze zu, damit er von iedweden geſehen und erkannt werde.
Jedoch wird hiebey ein Unterſchied ge - braucht, und wird ein Sauffer, ſo des Mor - gens trinckt, ſchaͤrffer gehalten, als einer, der des Tags uͤber nuͤchtern, des Abends aber allein truncken iſt.
Um 3. Uhr kommen die 2. Raths-Herren mit einem Secretario, und ſteigen mit dem Saͤuffer bis in dieſes Zimmer. Wenn ſie hie - her kommen, muß er dem Bilde der Trun - ckenheit gegen uͤber ſtehen und ſolches ſtarck anſehen. Jch fragte, welches das Bild der Trunckenheit waͤre? Garbon antwortete: Hier ſeht ihr einen Baum, der mit einerN 2Win -196Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. Wein-Rebe umwunden iſt, das Bild um - armer ſolchen mit dem lincken Arm, in wel - cher Hand es eine Wein-Kanne haͤlt. Es hat eine Narren-Kappe auf dem Haupt, und aus ſeinem lachenden Munde ſiehet man ei - nen groſſen Wein-Zahn; es hat abgenuͤtzte Kleider an, und ſteht auf bloſſen Fuͤſſen, wei - ſet auch mit ſeinen rechten forderſten Finger auf einen groſſen und viel kleine Wein-Roͤ - mer, die alle eine beſondere Farbe haben, vor ihm liegteine ledige Geld-Taſche.
Wenn ſich die Herrn geſetzt, ſpricht der aͤlteſte Herr zum Saͤuffer: Hoͤrt ihr N. N. wie ſeyd ihr dahin gerathen, ihr ſuͤndiget wider GOtt, den Koͤnig, die Geſetze und wider euch ſelbſt. Jhr wiſſet, daß Balcka eure Thaten taͤglich aufſchreibt, wo will dieſes endlich mit euch hinaus. Wenn ihr ſo fortfahret, ſo werdet ihr eure andern Guͤter auch durchbringen, ihr werdet euch zu allen unbequem machen, und eure Familie in Ehren nicht auferzie - hen, ihr muͤſſet hernach auf die Jnſul Lan - keja, da muͤſſet ihr ſchwere Arbeit thun, ihr bekommet ſchlechte Speiſen, da muͤſſet ihr elende Kleider tragen, und barfuß gehen. Jhr haͤttet dieſe letzte Warnung nicht ein - mal erwarten ſollen, ſondern von eurem Sauffen abgelaſſen haben, und eure Trun - ckenheit fahren laſſen.
Man wird euch hier einige Lehren wegen der Trunckenheit vorleſen, die Sarabuſa auf - geſetzt, und euch ſolche zuſtellen, daß ihr ſiemit197Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. mit Andacht durchleſen koͤnnet. Jhr werdet gegen Abend um 8. Uhr auf der 5ten Stuffe euch wieder dem Volck zeigen muͤſſen. Und wenn ihr euch nicht beſſert, auf das erſte An - bringen des Quartier-Meiſters nach Lan - keza verwieſen werden. Da wird man euch viele Spruͤche von Sarabuſa mitgeben, daraus ihr ſehen koͤnnet, zu was ihr vor Elend durch den Trunck gebracht werdet.
Hierauf lieſet der Secretair ihm einige Spruͤche vor aus dem Buch des Sarabuſa, und aus dem Ca - pitel von der Trunckenheit. Welches nichts an - ders, als ſehr wichtige Lehren in ſich faſſet, und da - von eine iede ihren beſondern Verſtand hat.
Jch fragte ihn, ob ich einige von dieſen Lehren abſchreiben duͤrffte; er ſagte, es ſind derſelben zu viel, iedoch will ich euch ein gut Theil davon einhaͤndigen, die ihr mitneh - men ſollet, und koͤnnet ihr ſie auf eurem Schiffe abſchreiben, wormit ihr einen ſchoͤ - nen Zeit-Vertreib, darin zu ſtudiren, haben koͤnnet.
Nur vor 23. Tagen iſt ſolches hier geſchehen, und ſchlug der Secretarius das ſechſte Blat in dem Capitel von der Trunckenheit auf, und las fol - gendes dem Saͤuffer vor. Das Buch lag noch auf dem Tiſche, und er ſagte zu mir: ſchreibt die - ſe Seite und nicht mehr ab, das erſtere und das letztere will ich euch hierauf zur Hand ſtellen. Er ſetzte ſich nieder, und fieng an zu rau - chen, ich aber zu ſchreiben. Gantz oben uͤber dem Blatte ſtund:
N 3Von198Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap.„ Der Gebrauch des Weins iſt vom Himmel, „ und der Misbrauch aus der Hoͤlle kommen.
„ Der maͤßig gebrauchte Wein iſt der Geiſt „ der Engel. Der unmaͤßige Gebrauch aber iſt,; das Blut der Teufel.
„ Der Wein iſt ein Freund der Wahrheit, und „ ein Feind von der Verſtellung. Er ſchlieſſet die „ Cabineter der Hertzen auf, und entdeckt alle „ Heimlichkeiten.
„ Wenn er maͤßig getruncken wird, iſt er eine „ Artzney. Ein wenig davon macht froͤlich, viel „ aber macht unordentlich, und Uberfluß macht „ Sinnen-los.
„ Wenn der Wein maͤßig gebraucht wird, „ macht froͤlich, und die Seele munter, er hat Be - „ redtſamkeit und kuͤnſtliche Erfindung gezeuget; „ er macht die gebundenẽ Geiſter los, und kan von „ hohen Sachen beredt machen. Wenn man ihn „ aber unmaͤßig braucht, ſo macht er den Menſchen „ zum Thiere, und einen Klugen zum Narren.
„ Wer ein Glaͤsgen vor den Durſt, das ande - „ re um das Gemuͤth zu erluſtigen, das dritte ei - „ nem Freund zu Ehren trinckt, der thut nicht „ unrecht. Allein es muß ſich ein ieder vor Uber - „ maß und Verſchwendung huͤten.
„ Wein weckt die Lebens-Geiſter auf, und er - „ muntert die Seele. Wer aber zu viel braucht, „ ſo wird es nicht lange waͤhren, daß er taub und „ lahm wird.
Die199Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap.Die Wein-Spiritus kommen uns ſelbſt ſehr „ artig vor, andern aber ſcheinen ſie laͤcherlich. „
Jn dem Wein liegen alle Laſter verborgen. „
Wer ein groſſer Feind von dem Wein iſt, der „ iſt von ſich ſelbſt. „
Der Wein iſt das Blut der Erde, und ein „ Haupt-Feind der Tugend, verſtopfft die „ Scharffſinnigkeit der Sinnen, vermehrt die „ Schmertzen, erhitzt das Eingeweide, hindert die „ Einbildungs-Krafft, ſchwaͤcht das Gedaͤchtniß, „ verwuͤſtet den Verſtand, und zerruͤttet das Ge - „ hirn, und iſt alſo ein Haupt-Feind der Geſund - „ heit. „
Ein kluger Mann verliert durch die Trun - „ ckenheit dieſe drey folgende Sachen. „
Man muß nicht zu viel trincken, daß der Ver - „ ſtand auf den Fuͤſſen taumelt. Offt ſitzt Cupido „ in dem Roͤmer, und Venus ſchielt durch den „ Wein durch. „
Wenn iemand durch den Wein zu einem un - „ ordentlichen Weſen verfaͤllt, ſo thut er niemand, „ als ſich ſelbſt Schaden. „
Ein Saͤuffer ſchwaͤchet ſeinen Leib, Zeit und „ Guͤter, und opffert ſeine Ehre der Welt auf. „
Die angenehmſten Weine, die ſchmackhaff - „ teſten Speiſen und beliebteſten Luͤſte, wie auch „ die plaiſirlichſten Reitzungen haben alle ſehr „N 4ge -200Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. „ geſchwind die Reue und Misvergnuͤgen hinter „ ſich zur Folge.
„ Die Circe beym Ovidio kan ſich ſo wol auf die „ Trunckenheit als auf die Welt appliciren laſ - „ ſen; denn die Trunckenheit veraͤndert den „ Menſchen in viehiſche Luͤſte und Gedancken: „ Denn man wird als ein Loͤwe, ein Schaaf, „ Schwein, Affe, Bock, Nachtigal, Ochſe und „ dergleichen.
„ Einer der betruncken iſt, muß als ein Ver - „ ſtandloſer angeſehen werden, denn ſo lange als „ einer vorſichtig und klug iſt, ſo wird ihn die „ Trunckenheit nicht uͤberfallen.
„ Ein Trunckener ſchwaͤchet ſeine Natur, ver - „ ringert alle Gunſt und ſeine Ehre, Geld und Ge - „ ſundheit. Und was iſt es vor ein Unterſcheid, „ ob iemand ſich ſo gleich ſelber toͤdtet, oder ob er „ es langſamer Weiſe durch den Trunck thut.
„ Ein Saͤuffer kaufft die Narrheit, Ungeſund - „ heit, Armuth, Schande und einen wuͤſten Kopff „ um ſein Geld. Ein Trunckener iſt nicht Mei - „ ſter von ſeinen Gedancken, noch von ſeiner Zun - „ ge, er ſpricht von unzuͤchtigen Dingen ohne „ Schaam; aus einem Mann wird er ein Kind.
„ Durch Trunckenheit werden viel gute Sa - „ chen verhindert, ſie iſt die Mutter alles Ubels, ſie „ entbloͤſſet uns von unſerm Verſtand, ſie gebiehrt „ Suͤnde, Schaden und Schande.
Wie ihm dis vorgeleſen wurde, ward der Greuel der Trunckenheit ſehr ſcharff an ihm be - ſtrafft. Er muß hierauf wieder auf der fuͤnfftenStuf -201Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. Stuffe am Pranger ſtehen, und als die Herrn weggangen, wurde ſolches exequirt. An ſtatt aber daß er hier ſich ſchaͤmen ſollen, rieff er viel Volck zuſammen, und fieng mit einem lachenden und freyen Maule an zu ſprechen:
Der Wein iſt in der Mitten der Beſte, weil „ er oben von der Lufft ausgezogen und verdorben „ iſt, und daher nur waͤſſerig worden. Das un - „ terſte iſt modrig und haͤrtig. Jch ſage auch hier - „ mit: Ein guter Wein muß ſeyn klar, ſubtil, alt, „ von reiffen Trauben, die nicht faul ſeyn, und muß „ im Glaſe ſpringen. „
Man kan alle Weine in Flaſchen gut erhal - „ ten, wenn man Oel oben drauf gieſt. „
Das Bier muß klar ſeyn, und von guter Ger - „ ſten gebrauen, vollkommen lange ausgekocht, „ nicht ſauer, ſondern alt, klar, und von den Hee - „ fen abgeſondert. „
Wie er dieſes geſprochen, zog er ein Flaͤſchgen mit Brandtewein aus der Taſche: Ha, ſagte er, du lieber Morgenſtern, du biſt mein Vergnuͤ - gen, warum ſolt du allein des Morgens gut ſeyn? Du biſt in der That am Tage und des Abends eben ſo geſund, als des Morgens. Hierauf tranck er die Flaſche aus, und rieff: O du him̃liſche Feuchtigkeit, was vor ein Schiff ſolte nicht in ſo eine See gerne verſincken wollen. Hierauf fieng er ein Sauff-Lied an zu ſingen. Wie ſolches dem Gouverneur ange - ſaget worden, ſo ließ er ihn gleich holen, und nach der Jnſul Lankeja ſenden, da er nunmehr arbei - ten muß, und ſehr wenig Speiſe bekommt; alles,N 5was202Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. was er mehr verdient, als er verzehrt, ſolches iſt zum Unterhalt ſeiner Familie beſtimmt.
Jn dem Saal der Trunckenheit ſtunden fol - gende Bilder:
Die unverſtaͤndige Narrheit wurde durch ei - ne lachende Frau vorgebildet, die ihre Bloͤſſe zeigte, und hielt in der einen Hand eine kleine Muͤhle, und in der andern einen Schaafs-Kopff.
Die Geilheit ſtund neben der Narrheit, dieſe war eine ſehr ſchoͤne und faſt nackende Jungfer, die auf einem Gemſen ſaß, in der einen Hand hat - te ſie ein Rebhun, und in der andern einen Scor - pion, und einen Roͤmer Wein.
An der Seite ſtund die Unbeſtaͤndigkeit, ſol - ches war eine Frauens-Perſon, ſo auf der Welt ſtund, in der einen Hand hielte ſie einen halben Mond, und in der andern einen Chameleon.
Dichte dabey ſtund die Nachrede, welches eine garſtige Frau war, die eine geſpaltene Zunge aus dem Mund ſteckte. Auf ihrer einen Schul - ter ſaß eine Aelſter, und auf der andern ein Ra - be, ihr Kleid war mit Scorpionen und Otter - Zungen beſaͤet.
Der Betrug ſtund auch allhier als eine alte Frau, und hatte eine Maͤuſe-Falle auf dem Kopf, und eine Angel-Ruthe in der Hand. Jhr Kleid war voll Masquen, und neben ihr ſtund Feuer und Waſſer.
Das Bild des Laͤſter-Mauls war auch ein alt Weib, ſo mit Jgels-Fellen gekleidet war. Sie hatte einen ſchwartzen Farbe-Pinſel in der einen,und203Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. und ein artig Meſſer voll Scharten in der andern Hand.
Gleich neben der Thuͤr ſtund die Armuth, als der letzte Erfolg von der Trunckenheit. Sie ſtund als eine Heydin, und buͤckte den Hals unter ein dienſthafftes Joch, und ein Hund bepiſſete ſie.
Wie wir hier heraus giengen, brachte mich Garbon noch 30. Treppen hoͤher in das Zimmer des Koͤnigs.
Hier ſaß das Bildnis des Cham-Hazi auf einen ſchoͤnen Thron, hatte auf dem Haupt eine Maßiv - goldne Crone, und ein golden Scepter in der Hand, da oben ein Menſchen-Auge ſehr zierlich und lebhafft gemacht war. Auf dem Haupt hat - te er Strahlen wie die Sonne, und ſeine andere Hand ruhte auf einem Buch, ſo vor ihm auf dem Tiſche lag. Dis war das Buch, darinn die Weisheit mehrentheils erklaͤret worden, ſo man in Krinke Kesmes lehret. Auf dem Buch war mit goldnen Buchſtaben geſchrieben, wer ſich nicht vorſtellen kan, der kan auch nicht regieren.
Neben ihm ſaß die Statue eines Hiſtorien - Schreibers. Dieſes Bild war ein anſehnlicher Mann, vor ihm lag ſchoͤn Pappier, und neben ſolchen ſtunden unterſchiedene Farben, damit zu ſchreiben, in ſeiner Hand hatte er unterſchiedene Federn von allerhand Art, als ſcharffe, ſtum - pfe, ſteiffe, weiche, gleiche und krumme ꝛc. An der andern Seite des Cham-Hazi ſtund das wun - derliche Bild die Politic, ſolches war
Ein204Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap.Ein Fuchs, ſo auf einem Cameel ſaß, dieſes regierte er mit einem goldnen Zaum, ſein Sattel, darauf er ſaß, war eine Schild-Kroͤte, ſeine Pi - ſtohlen waren Fern-Glaͤſer, und ſeine Scabracke mit Fuchs-Peltzen beſetzt. Er hatte eine geiſtli - che Muͤtze auf dem Kopff, und um ſeinen Hals hieng eine Kette mit Brillen, ſo allerhand Farben hatten, und von allerley Arten, da unten dran ei - ne goldene Uhr hieng. Sein Mantel war voll Augen und Ohren. Unter ſeinem Geſaͤß hatte er Buͤcher, Pappier, Federn, Dinte, Pinſel und Farbe.
Jn ſeiner rechten Pfote hielte er eine Wag - Schaale, die er ſtets in der Gleiche erhalten wol - te, und blies bald in die eine, bald in die andere Schaale.
Jn der lincken Pfote hielte er einen Strick, da Eſel, Boͤcke, Schweine und Ochſen dran gebun - den waren, welche ihm den Anſehen nach gutwil - lig folgten.
Die Vorſtellung wurde hier vorgebildet durch eine hagere Frau, die mit Schaafs-Fellen gekleidet war, da eine Wolffs-Haut hervor guck - te, in der Hand hatte ſie ein Buch und Pater Noſter.
Nicht weit davon ſtund der Geitz, das war ei - ne alte, garſtige, hagere Vettel, hatte alte Klei - der an, bloß, barfuß, und knuͤpffte einen Gold - Sack mit beyden Haͤnden zu, bey derſelben ſtund ein magerer Wolff.
Der Adel war eine ſchoͤne koͤſtlich bekleideteFrau,205Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. Frau, dieſe hatte in der einen Hand eine Lantze, und in der andern Hand das Bild der Pallas.
Auf ihrem Haupt war eine Crone mit Ster - nen, vor ihr lagen auf einem Tiſch Cronen, Gold, Buͤcher und Schwerdter.
Der Krieg war ein gewaffneter Mann, er hatte in der einen Hand ein bloß Schwerdt, und in der andern eine brennende Fackel, auf dem Helm ſtund ein Tieger, und auf dem Schild ein Wolff und Crocodill, der erſchreckliche Klauen hatte; rund um war er mit Kriegs-Geraͤthe be - hangen.
Nebſt ihm ſtund der Zoll oder die Contribu - tion, als die Sehn-Ader des Krieges, und wurde durch einen Pachter vorgeſtellet, dis war ein ſtar - cker junger Mann mit bloſſen Armen und Bei - nen, ſein Kopff war mit einem Eichenen Crantz becroͤnet, und ſtunden Pfauen-Federn darauf in die Hoͤh, ſein Rock war voll Augen und Ohren, in der rechten Hand hatte er eine Pflug-Schaar, und in der lincken Hand ein ſtumpf Meſſer mit einer runden Spitze, vor ſeiner Bruſt ſind 2. Meſſer Creutz-weiſe geſteckt, an ſtatt des Degens hat er auf der lincken Seite eine Schaaf-Schee - re an einem Degen-Gehaͤncke. Bey ihm ſtehet ein Schaaf, und vor ſeinen Fuͤſſen liegen ver - ſchiedene Kneip-Zangen.
Wie wir dieſen Saal verlieſſen, giengen wir noch 30. Treppen hoͤher, und ſchloß er das Zim - mer des Gottesdienſts auf.
Hier muſte man die Schuh ausziehen, und die Fuͤſſe in einem Keſſel waſchen, der zu dem Endehin -206Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. hingeſetzt war, ehe daß man in den heiligen Saal hinein treten durffte. Hier verwunderte ich mich uͤber deſſen Aufputz und ungemeine Pracht.
Dieſer Saal war inwendig rund, das Gewoͤl - be, Mauren und Boden war uͤberaus propre mit Gold, Silber und ſo hoch-rother Farbe als Car - moſin, und mit der helleſten gruͤnen Farbe, welches alles ſo trefflich glaͤntzte, daß ich es nicht gnug an - ſehen konte.
Zehn Fuß ab von der Mauer war rund herum eine Erhoͤhung, die kuͤnſtlich ausgehauen, und mit vielen Hiſtorien und Bildern durchbrochen war, ſolches bildete einige Wunder-Wercke vor, ſo ei - nige von ihren Heiligen oder Maͤrtyrern gethan, wie Garbon ſagte. Wie ich dis ſahe, und von dem Garbon es hoͤrte, dacht ich bey mir ſelbſt, daß alle Religionen ihre Heiligen und Maͤrtyrer haben wollen.
Der Platz, da dieſer runde Creyß drauf war, war dazu, daß die Opffer darauf abgegeben wer - den, als die nach den Geſetzen auf gewiſſen Feſten oder Heiligen-Tage uͤberliefert werden. Zu dem Ende ſtehen da ſehr viele Opffer-Koͤrbe, welche rund ſeyn, oben mit einem Loch, dadurch es der Prieſter in den Korb ſteckt.
Garbon machte eine andere Thuͤr auf, und trat mit mir in die zweyte Abtheilung, die auch rund, und 10. Fuß breit war. Dieſer Platz war hei - liger, als der erſte, hier beichtete und betete man. Dieſer zweyte Abſatz war 5. Fuß hoͤher, als der erſte, und iſt mit einem blauen ſeidenen Vorhang mit Gold gewuͤrckt, bedecket, ſolchen konte manmit207Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. mit ſeidenen Schnuͤren aufziehen, daß man das Jnwendige beſehen konte. Garbon zog den Vor - hang ſo hoch auf, daß ich alles inwendig betrach - ten konte. Jch wurde auf den erſten Anblick et - was uͤber den unvergleichlichen Pracht und praͤchtigen Glantz beſtuͤrtzt, da mir ſo vollkommne Meiſter-Stuͤcke in die Augen fielen. Das in - nerſte war die Adyta, oder das Allerheiligſte, hier darff niemand als der Koͤnig hinein gehen, oder wem es derſelbe ſchrifftlich erlaubt. Mit - ten in dieſem Allerheiligen ſtund ein runder gold - ner Kaſten, der auf den Schultern von 10. gol - denen Engeln ruhete. Jn dieſer Kiſte wur - den viele Heiligthuͤmer verwahrt; oben auf dem Deckel waren 10. goldne Bilder des Baloka geſetzt.
Jn dieſem Allerheiligſten muͤſſen die Hertzoge, Feld-Oberſten und Gouverneurs ihren Eyd der Treue mit vielen Ceremonien und Eyd-Schwuͤ - ren ablegen, nemlich in der Gegenwart GOttes und des Baloka.
Und um dieſen Kaſten ſtunden die Statuen der Kindheit, Auferziehung, Gewohnheit, Weisheit, Tugend, Ehre, Gehorſams, der Hoffnung und Ewigkeit.
Die Kindheit war ein Kind von 3. Jahren, das auf ein hoͤltzernen Kirmeß-Pferd ritte, in der rechten Hand hielt es ein ſchoͤn Pappier, als wenn es ſolches iemand anboͤte, daß man darauf ſchreiben koͤnte, was man wolte.
Die Auferziehung war ein alter Mann, der ein Kind in einem Buch unterrichtete, und hattein208Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. in ſeiner andern Hand eine Ruthe, Zaum und Schlange, nebſt ihm ſtund ein kraͤhender Hahn.
Die Gewohnheit wurde durch einen alten Mann vorgeſtellet, der mit allerhand Muſic und andern Jnſtrumenten beladen war. Bey ſelbi - gen ſtund ein Schleiffſtein.
Die Weisheit wurde durch einen alten ſitzen - den Mann angezeiget, der hatte die vorderſten Finger von der lincken Hand vor der Stirne, als wenn er in Gedancken waͤre. Vor ihm auf den Tiſch ſtund eine brennende Lampe mit einem Krug, die beyde voll Oel waren. Nebſt dem - ſelben lag ein Buch, da die Bilder des Baloka darinn waren.
Die Tugend ſtund dar als ein ſchoͤner Juͤng - ling, und hatte einen Crantz von Gras und Ei - cheln-Laub mit Eicheln auf dem Haupt, oben druͤ - ber ſtund eine Sonne, auf der Bruſt ſtund ein rundes O, in demſelben war ein Viereck, und in dieſen wieder ein dergleichen Dreyangel gezeich - net, in ſeiner einen Hand hatte er eine Lantze, die mit Lorbeern umwickelt war, in der andern hatte er verſchiedene Cronen, ſein rechter Fuß ſtund auf einem viereckigten Stein.
Die Ehre wurde durch einen Juͤngling vor - gebildet, deſſen Haupt mit Lorbeer-Blaͤttern um - craͤntzt war, in der einen Hand hatte er einen Spieß, und in der andern ein Cornu Copiæ mit Fruͤchten, Blumen und Blaͤttern.
Die Hoffnung ſtund als eine Jungfer da, welche aufwarts nach dem Himmel ſahe, mit der rechten Hand reckte ſie eine Lilie in die Hoͤhe, undlehnte209Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. lehnte ſich mit der lincken Hand auf einen An - cker.
An der Thuͤr ſtund die Ewigkeit, welches ei - ne geſetzte Fran mit ungebundenen Haupt-Haa - ren war; ihr Kleid hieng um ſie herum auf bey - den Seiten, und kam uͤber den Kopff zuſammen, ſo daß ſie in einen runden Circul ſaß, welcher blau und mit Sternen beſaͤet war, in der einen Hand war eine goldne Sonne, und in der andern ein ſilberner Mond, als welche 2. Sachen alles her - vor bringen, wachſend machen und unterhalten.
Dieſe Bilder ſtunden wie alle die andern vori - gen auf ihren Poſtementern, die inwendig hohl waren, und als Kaſten konten aufgeſchloſſen werden. Jn demſelben wurden die Spruͤche des Sarabuſa aufbehalten.
Der heilige goldene Kaſten, welcher mit ſeinen Frantzen auf 10. Engeln ruhete, hatte noch gera - de unter ſich in der Mitte ein Poſtement, da des Kaſtens Boden drauf ruhete, in demſelben waren die Lehren vom Gottesdienſt gelegt.
Wir verlieſſen dis heilige Zimmer, und ſtiegen noch 30. Stuffen hoͤher, da der Garbon eine Kam - mer aufſchloß, da ich nur 3. Bett-Stellen, 3. Stuͤhle und eine Tafel ſahe, worauf Federn, Dinte und Pappier nebſt einigen Buͤchern lag. Jch fragte, was dieſes zu bedeuten haͤtte. Garbon antwortete, dieſes iſt ein Frey-Saal, ich will euch davon alles erzehlen, hier iſt nun nichts mehr zu ſehen. Er ſchloß die Thuͤr wieder auf, und wir kamen oben auf die Decke, nachdem wir 20. Stuffen hoͤher geſtiegen.
ODie -210Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap.Dieſer Altan hatte 15. Fuß in der Breite, rund herum mit einer aufgeſetzten Lehne, in der Mitten war ein hohes Poſtement, worauf der Engel Ba - loka alle Feſt-Tage zur Schau geſtellet wird, da ein ieder ihn gruͤſſen muß, und kommen ſo dann ihm zu opffern und zu beichten.
Hierbey ſtund eine verſchloſſene kupfferne Ki - ſte, dariñ ein Schluͤſſel in einem kupffernen Horn lag. Jch fragte, was dieſes bedeute, und Gar - bon antwortete: Wenn ein Fluͤchtiger auf die - ſen Platz kommt, blaͤſt er dreymal auf dem Horn, da dann der Aufſeher von dieſer Pyra - mide oben hierauf zu ihm kommen muß, wel - cher dieſem Schluͤſſel nimmt, und den Fluͤcht - ling in das Frey-Zimmer bringt, ſchlieſſet die Thuͤr zu, und gehet ſo fort zum Gouverneur, um es ihm zu vermelden, daß ein Menſch ſeine Freyheit verlange. Der Gouverneur ſchickt hierauf gleich 2. Rathsherrn, nebſt einem Secretario, und Eſſen und Trincken. Wenn dieſe oben an kommen, verhoͤren ſie den Menſchen, der die Freyheit verlangt; und wenn aus ſeinem Vorgeben erhellet, daß er aus Ungluͤck oder aus Noth einen Todt - ſchlag oder etwas anders begangen, er auch vorſtellet, daß er zum Duell heraus gefordert worden, um ſeine Ehre und Leben zu retten, ſo wird ihm Eſſen und Trincken gegeben, u. mit anderer Nothdurfft verſehen, bis daß ſein Proceß geendigt iſt, da er durch das Recht oder die Regierung frey erklaͤret, und ihmſein211Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. ſein Urtheil zugeſtellet, und von allen Unko - ſten und Schaden abſolviret wird, da er dann ſeines Weges gehen kan.
Wenn aber derjenige, ſo die Freyheit ver - langt, uͤberzeugt wird, daß er Mord - und Schand-Thaten auch des Todes wuͤrdige Sachen mit Fleiß verwuͤrcket hat, ſo wird er nicht beſchuͤtzet, wie in den Spaniſchen Cloͤ - ſtern geſchiehet, (als welche rechte Moͤrder, Schelm und Diebs-Neſter ſeyn) ſondern es wird ein ſolcher darneben in eine Kammer gebracht, da ihm weder Eſſen noch Trincken gereicht wird. Hier hat er die Wahl, ob er vor Hunger oder Durſt ſterben, oder ſich ſelbſt umbringen will, und iſt dis die Wohl - that in dieſem Freyzimmer, daß er nicht durch des Scharffrichters Hand ſtirbt, und noch ehrlich begraben wird.
Wir ſtiegen wieder herunter, und da ich unten kam, war ich uͤber die Hoͤflichkeit des Garbons ſonderlich vergnuͤgt, daß er mir alles gezeigt, was dieſe ſchoͤne Pyramide betraff.
Jch bedanckte mich gegen ihn auf das freund - lichſte, und verſprach ihm, daß wenn ich meine Sachen aus dem Schiff bekommen koͤnte, ſo wuͤrde ich ſeine Hoͤflichkeit zu vergelten wiſſen, ſo wol mit Land-Charten als Buͤchern, die ich etwa miſſen koͤnte, wovor er ſich zum voraus bedanckte.
Jch beklagte mich hierauf, daß ich ſo ungluͤcklich waͤre, und die Erklaͤrung derer Statuen, ſo in der Pyramide waͤren, nicht alle behalten koͤnnen. Er machte mir hierauf ein finſter Geſicht, und ſprachO 2halb212Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. halb verwundert: Jch habe euch ja mehr als einmal geſagt, daß ich euch alles ſchrifftlich geben will, ſolches koͤnnet ihr zu Schiffe mit Luſt abſchreibẽ u. es nach eurem Gefallen in Ordnung bringen. Hierauf rieff er einen Mañ, der unten in der Pyramide wohnte, und ſagte et - was zu ihm, ſo ich nicht verſtehen konte. Der Mann gieng wieder hinein, kam ſo gleich mit Pappier zuruͤck, und gab es dem Garbon mit einen tieffen Reverentz.
Garbon uͤberlieferte mir ſolches, und ſagte, hierinn iſt die Beſchreibung von den Zimmern und Statuen der Pyramide, die ihr geſehen habt, in Spaniſcher Sprache, dis koͤnnet ihr nun ab - ſchreiben, und euch daran ergoͤtzen; ich will euch auch eine Land-Charte von unſerm Lande reichen, ihr wiſſet, daß iemand von meinen Leuten druͤber iſt, und die Beſchreibung dieſes Landes mit allen, was darinn liegt, und dazu gehoͤret, ins Spani - ſche uͤberſetzt, dis hab ich euch mehr als einmal geſagt, und muͤſſet ihr euch damit begnuͤgen.
Jch bedanckte mich mit einem tieffen Reverentz zum andernmal, und fragte mit der groͤſten Ehr - erbietung, was die Ehren-Pforten bedeuteten, die auf dem Marckt ſtuͤnden. Er ſprach, das will ich euch ſagen. Und wie wir darnach hin giengen, ſahe ich daß dieſe Ehren-Pforte aus drey Bogen beſtund, und von oben mit einem ſtei - nernen Gewoͤlbe verdeckt war, ſolches ruhete auf 4. Pfeilern, die wunderbar gezieret waren. Der erſte Bogen war eine gelbe glaͤntzende Sonne mit Thieren und Fruͤchten untermengt. Der andreBo -213Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. Bogen war von lauter weiſſen Monden, die gantz, halbe, Viertel und neu waren, ſolches war mit vielen Blaͤttern und gruͤnen Laub vermengt, auf den Blaͤttern lagen viel weiſſe Tropffen, gleich als Thau.
Der dritte Bogen war gemacht von vielen weiſſen und gelben Sternen, die gelben ſtellten Sonnen, und die weiſſen Monden vor, ſo mit vie - len Figuren aus der Matheſi untermengt waren, etliche waren rund, etliche viereckt, dreyeckigt und dergleichen.
Jch beſahe dieſes alles ſehr genau, und durffte weiter nicht fragen. Der Garbon, der mein Ge - ſicht und Gedancken allezeit errathen konte, frag - te: Was mich dabey deuchte? Jch antwor - tete, daß nach meiner Meinung dieſe Bogen ſehr kuͤnſtlich gemacht waͤren, ich kennte aber die Materie nicht, woraus ſie gemacht wa - ren. Wie auch was die Figuren bedeute - ten. Jch erſtaunte, daß ich ſolche Sachen zu ſehen bekaͤme.
Der Garbon ſagte mit lachender Mine: Die - ſe Ehren-Pforte iſt vor 19038. Jahren ge - bauet; und erſtreckt ſich hier zu einem Zeit - Punct (epocha) tauſend Jahr, nachdem die Welt erſchaffen worden, und nach dieſem Zeit-Punct rechnen wir unſere Koͤnige, die wir nunmehr 19038. Jahr wiſſen koͤnnen, an dieſem Zeit-Punct kan nicht anders, als in der Regierung unſerer Koͤnige gerechner werden. Wir ſind ſo alt als China. Sehet dieſe Materien wohl an; es iſt kein Metall,O 3kein214Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. kein Stein oder Glas, ſondern eine itzo unbe - kannte Sache. Es wird noch hier unter den Gelehrten geſtritten, ob es gegoſſen oder ge - hauen iſt. Es ſcheint, daß dieſe Kunſt ver - lohren gangen, was iſt eure Meinung hie - von.
Jch ſagte mit halber Furcht: Mein Herr, wenn ich es ohne euch zu widerſprechen ſa - gen ſoll, ſo haͤtte ich da viel dawider einzu - wenden. Sagt es doch frey heraus, was iht wollet, antwortete Garbon. Hoͤrt dann zu, ſagte ich: Mein Herr in Europa wird unter den Gelehrten vor gewiß gehalten, daß 4000. Jahr nach Erſchaffung der Welt Chriſtus gebohren ſey, und dieſe Geburth iſt der Zeit - Punct in Europa, und nunmehr zehlt man von der Geburth Chriſti 1702. Wenn dieſe mit den vorigen 4000. zuſammen gebracht werden, ſo macht es 5702. Jahr aus, da die Welt von GOtt geſchaffen worden, wie kan alſo dieſe Ehren-Pforte ſo alt ſeyn? Zum andern kan ich nicht dencken, daß ein Werck, ſo durch Menſchen-Haͤnden gemacht wor - den, 19000. Jahr und laͤnger das Wetter aushalten koͤnte.
Garbon antwortete, auf das erſte iſt dieſes zu repliciren, daß Europa ſeine Kuͤnſte, Wiſſen - ſchafften, Geſetze und Gottesdienſte meiſt aus Aſia empfangen, und uͤbernommen hat, und durch Veraͤnderung der Zeit haben dieſe Sachen viele Veraͤnderung gelitten. Sagt mir, warum ſolten wir Aſiaten nicht ſo wol,als215Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. als die Europaͤer rechnen koͤnnen? Zumal weil wir auch hier alle Juͤdiſche, Chriſtliche, Tuͤrckiſche und viel Heidniſche Geſetzgeber leſen und unterſuchen. Unter vielen braven Europaͤiſchen Autoren ſpricht ein ſehr ge - lehrter Mann alſo:
Man kan bey allen Zeit-Rechnungen die nicht „ wegen des Jahrs der Schoͤpffung, und wenn „ der Meßias gebohren iſt, uͤberein kommen, an - „ mercken, daß unter allen ſolchen keine zu finden „ iſt, die mehr als 7000. und keine die weniger als „ 3300. Jahr in ſich haͤlt. „
Der Unterſchied des Alters der Welt iſt 3300. Jahr, ſo der eine mehr als der andere rechnet. Kan alſo in Europa einer von den andern 3300. Jahr fehlen, warum ſolten wir nicht nach unſern Buͤchern 14336. Jahr dazu thun? Haben die Chineſer mehr Recht als wir? Unſere Geſchichte ſind ſo glaubwuͤr - dig als der Chineſer ihre.
Seht doch zu, was eure Europaͤiſche Au - tores davon ſchreiben, Chriſtus ſolte nach der Welt Schoͤpffung nach der Meinung
gebohren ſeyn.
Dieſe erſtere und letzten ſind 3043. Jahr von einander.
O 4Der216Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap.Der Vallemont aber ſetzt 4000. Jahr, und die 1702. ſo ihr nun rechnet, dazu gethan; ſo hat die Welt nach der Rechnung von Euro - pa 5702. Jahr, und nach unſerer Rechnung 20038. Jahr geſtanden. Jhr duͤrfft das aber nicht glauben. Hier iſt das eine Wahrheit, in Europa aber nicht. Eben wie eure Meſſe, das Fege-Feuer ꝛc. in Spanien eine Wahr - heit iſt, hier aber nicht.
Was die Dauer betrifſt, wie lange hat wol das Pantheon oder S. Maria Rotunda zu Rom geſtanden? und kan noch lange ſtehen. Warum kan keine Subſtantz ſeyn, die 20. mal feſter iſt. Jn dieſer Zeit war die praͤchtige Sonne ihr Koͤnig.
Hierauf ſchwieg er ſtill, und ich wolte ihm nicht widerſprechen, ſondern ſahe nach einer andern Ehren-Pforte. Er ſagte, kommt, wir wollen die drey andern Ehren-Pforten auch beſe - hen.
Wir giengen drauf zur andern, dis war ein artig Gebaͤude, und beſtund auch aus 3. Bogen, ſo aus einem ſchwartzen glaͤntzenden und ſehr harten Steine gemacht war. Der erſte war von greu - lichen Drachen kuͤnſtlich durchwunden, und mit vielen Buͤchern durchmengt. Der andere war als von Felſen, da oben drauf ein Chines ſaß, der in einem Buch ſchriebe, bey ihm ſtunden unter - ſchiedliche Geiſtlichen, als wenn ſie ihm zuge - hoͤrten. Der dritte Bogen war wieder eine Bildung von Drachen mit vermiſchten Buͤ - chern.
Gar -217Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap.Garbon ſahe mich an, und ſagte: Dieſe Eh - ren-Pforte iſt vor 2250. Jahren, zu Ehren des guten Philoſophi Krakabas gebauet, dieſer war ein Liebhaber und Diſcipul des weiſen Mannes Con - fucü in China. Dieſer brave Mann gab und machte uns gute Geſetze, und verbeſſerte die alten. Zu der Zeit hatte man hier noch keinen Frembden geſehen, und er war der erſte.
Jch fragte, wie iſt denn dieſer hierher ge - kommen? Garbon ſagte, das werdet ihr noch weniger glauben, als von der erſten Ehren - Pforte.
Krakabas war ſehr gelehrt und der beſte Diſcipul des Confuclo. Als er in China auſſerhalb Nan - king in dem Wald herum gieng, kam durch Ge - ſandſchafft der Sonne der Engel Baloka zu ihm, und ſagte, daß er ſo gleich nach Krinke Keſmes ge - hen ſolte. Er erſchrack, und ſagte, daß er von dem Lande nichts wuͤſte: Aber Baloka nahm ihn in die Hoͤhe, fuͤhrte ihn in die Lufft, da er wun - derbare Sachen ſahe, und ſatzte ihn nahe bey der Stadt Kesmes nieder.
Als er da zum Thor hinein gieng, verwunder - te ſich ein iedes uͤber ihn; denn ſein Kleid war frembd, und es konte ihn niemand verſtehen. Man brachte ihn vor den Koͤnig, der ihn nach ei - nem Zimmer bringen ließ, da ihm Eſſen und Trincken vorgeſetzt wurde, und ſtund ohngefehr Dinte, Feder und Pappier auf dem Tiſche. Hier fieng er ſo gleich zu ſchreiben an, und fo - derte mehr Pappier, welches ihm auch gereichet wurde. Er machte ſo gleich ein Lexicon, undO 5fragte,218Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. fragte, was dieſes oder jenes vor einen Namen haͤtte, ſolches ſchrieb er auf, und ſetzte ſeine Chi - neſiſche Sprache daneben, lernete alſo in kurtzem dieſe Sprache. Er wurde von dem Koͤnig und allen Leuten wegen ſeiner Tugend geliebt. Er verbeſſerte viel alte Geſetze, und machte allerhand neue, die alle vom Koͤnig und ſeinem Rath con - firmiret wurden.
Dis iſt ein Termin (epoeha) in allen Rechts - Sachen, Obligationen, Kauffen und andern Handlungen, hiernach werden alle Urthel und Beſcheide datirt, wenn auch ein Contract bezeich - net wird, welches ich noch geſtern verrichtet, ſo ſchrieb ich drunter im Jahr von Krakabas 2250. den 6. Tag des 8. Monats.
Jch laͤchelte etwas, und wie er dis merckte, fieng er auch zu lachen an. Sagt mir doch eu - re Meinung, ſagte Garbon, denn ich weiß, daß ihr das nicht glauben wollet. Jch ant - wortete: Jch wolte es wohl glauben, ich kan aber nicht.
Hoͤrt de Poſos, ſagte er, warum wollt ihrs nicht glauben, welches doch hier alle honette und gelehrte glauben, warum wollt ihrs nicht thun? ſagt doch, warum nicht? Jch wundere mich, ſprach ich, und kan nicht be - greiffen, daß der Engel Baloka aus der Son - ne in China kommen ſolte, und den Krakabas da wegnehmen, auch ihn durch die Luffc nach Keſmes fuͤhren. Ach mein lieber Mann, ſagte er, iſt das alles, ſo hoͤrt: Das iſt zwar eine gewiſſe Sache, aber in der Marco d’An -cona219Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. cona in Jtalien nicht. Alſo iſt ſo wol falſch, daß der Engel das Haͤusgen von Loretto auf ſeine Schulter in dem gelobten Lande ge - nommen, und es durch die Lufft bis in das Anconiſche Marck bey das Staͤdtgen S. Maria Loretana getragen, und wird ſolches auch hier vor unwahr gehalten.
Kommt, laſt uns nun nach der dritten gehen, die zur Ehre des frommen Koͤnigs Cham-Hazi, und des weiſen Mannes Sarabuſa aufgerichtet worden.
Als wir hier herkamen, ſahe ich 4. Bogen, als wie ins Creutz gegen einander uͤber. Oben dar - auf gegen Oſten ſaß der Koͤnig Cham-Hazi in ſei - nen Koͤniglichen Kleidern, mit ſeiner Cron und Scepter, die Pfeiler und Bogen waren mit Kin - dern und vielen Cornu Copiæ bekleidet, die alle von rothen harten Leim waren.
Uber dieſen ſtund gegen Weſten ein weiſſer Bogen, mit allerhand geiſtlichen Zierathen ver - ſehen, darauf ſaß der weiſe Sarabuſa, und hielt ein Buch in der Hand, und wieß mit dem vorder - ſten Finger von der andern Hand auf ſein Hertze.
Der dritte Bogen gegen Suͤden war gantz blau, auf dieſem ſtund die Sonne ohne einigen Zierath, als wenn ſie zwiſchen den Wolcken ſteckte. Der Bogen gegen Norden war gruͤn, mit Buͤchern und Federn herrlich gezieret, oben drauf ſtund der Engel Baloka. Zwiſchen dieſen 4. Bogen werden alle Urthel ausgeſprochen, was die geiſtlichen Sachen angehet. Es ſind auchſolche220Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VII. Cap. ſolche eine Epocha vor alle geiſtliche Acten, und ſind von 670. Jahren gebauet, zu Ehren des Cham-Hazi und des Sarabuſa.
Wie wir von hier nach der 4. Ehren-Pforte giengen, ſahe ich, daß ſie in 3. Bogen beſtund, alle von kuͤnſtlichen Bildern, Feſtunen, Cornu Copiæ, Blumen und dergleichen.
Der Garbon ſagte: Nun kan ich nicht laͤn - ger warten, ich muß gehen, und will euch von dieſer Ehren-Pforte eine Beſchreibung geben. Damit machte er ſeinen Reverenz, und gieng fort. Jch aber wandte mich nach meinem Logir, da ich ſo gleich, was ich geſehen, auf - ſchrieb. Da wir des Abends gegeſſen, rauch - ten wir eins zuſammen, und indem wir mit ein - ander geredet, legte ich mich zu Bette, und danckte GOtt, daß ich ſo treffliche Sachen zu ſehen bekommen, und ſo herrliche Schrifften von dem Garbon erhalten, der mir auch dergleichen noch mehr verſprochen.
DEn folgenden Morgen kam der Garbon ſehr fruͤhe zu uns, und trat mit einem luſtigen Humeur in die Kammer. Wie iſts, fragte er, ihr Spanier, ſchlafft ihr noch alle? Jch bringe euch gute Zeitung. Wir ſchwiegen ſtill. Er ſprach ferner: Hier iſt ſo gleich Nach - richt von Hof und von eurem Schiff kom - men.
Der Hof hat zugelaſſen, daß euer Schiffeinen221Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. einen freyen Handel von 14. Tagen haben ſoll, und ſoll nach 3. Tagen an Strand naͤ - her kommen. Jch will euch zuſammen wie - der aufs Schiff begleiten, und nach dem Eſ - ſen wollen wir alles zur Reiſe fertig machen.
All unſer Volck war froh, ich aber traurig uͤber dieſe Nachricht. Garbon fragte mich, was mir fehlte? die Antwort war, daß ich ſo ge - ſchwind auf brechen muͤſte; ich haͤtte ſo lan - ge zu bleiben gehofft, bis ich noch eine an - dre Stadt geſehen haͤtte. Jch will euch ſo fort, ſagte er, wenn ich euch abgeholet, viele Schriff - ten mitbringen, ſo ich euch verſprochen habe. Hier wird Ordre geſtellt, daß man alle Tage Zei - tung von eurem Schiff haben kan, und es ſollen alle Tage Leute darnach zu gehen, mit ſelbigen ſolt ihr noch taͤglich Schrifften empfangen, das hab ich meinem Schreiber ſchon befohlen.
Gebt euch zufrieden, und macht euch reiſefer - tig. Um 2. Uhr muß alles parat ſeyn, da will ich kommen, und euch abholen.
Wir hatten um 12. Uhr ſchon abgeſpeiſt, und indem ich keine Bagage mehr, als meine Brief - ſchafften hatte, ſo waren wir ſchon alle zur Reiſe geſchickt.
Um 2. Uhr kam Garbon und holete uns ab, und fuͤhrte uns durch eben das Thor wieder hinaus, da wir herein kommen waren. Von dar gien - gen wir auf die lincke Hand gegen Morgen; nach - dem wir etwas fortgegangen, traffen wir 2. Wa - gen mit einer Karre an. Garbon und ich ſtiegen auf den vorderſten, und meine 6. Reiſe-Gefehr -ten222Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. ten auf den andern. Auf der Karre aber waren die Victualien, ein Zelt, und die Bagage vor der Garbon. Unterwegens ſagte mir Gar - bon, daß er vor mich ein Dutzend Manuſcr. haͤt - te, und daß deren mehr ſo wol von dem Koͤnig - reich, Landen, Einwohnern, Thieren, Statuen und Foitainen folgen ſolten, welches mir ſehr lieb war. Wir kamen nach einigen Tagen in ein Dorff, das 40. bis 50. Haͤuſer hatte, welches ſehr artig gebauet war, von dem einen Hauſe zum andern war ein Wall, von fruchtbaren Baͤumen gemacht, und ein ſchoͤner Canal gieng in der Mitten durch, und eine Vierthel-Stun - de davon war ein ſchoͤner Buſch. Hier erfriſch - ten wir uns 2. Stunden, und ließ mir Garbon die geſchriebenen Sachen ſehen. Jch ſahe unter vielen gute Lehr-Spruͤche und zierlich gemahlte Bilder, auch einen Abriß von dem Gouverneur von Taloujael, die Beſchreibung der Bad-Stu - ben ꝛc. wie auch die Beſchreibung von dem Haupt-Eyland Krinke Keſmes, der Thiere, Vo - gel, Fiſche und Ungeziefer, nebſt der Beſchrei - bung einiger dabey liegenden Jnſuln ꝛc. daruͤber ich mich ungemein beluſtigte, und ihm den groͤſten Danck von der Welt abſtattete.
Gegen Abend um 1. Uhr nach der Sonnen Un - tergang kamen wir wieder an ein Dorff, das ſehr bequem gebauet, hier wurden wir alle wohl bewirthet, und ſchlieffen bis 2. Uhr des Mor - gens. Wir reiſeten fort bis des Morgens gegen 8. Uhr, und kamen in einen kleinen Buſch; hier ließ Garbon ſein Zelt aufſchlagen, und ruheten 2. Stun -223Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. Stunden aus. Hernach reiſeten wir bis 2. Uhr nach den Mittag zu weiter, und fanden allda ein groß Haus bey einer Bruͤcke, die uͤber einen Fluß gieng; hier ruheten wir wieder 2. Stunden, und erfriſchten uns von den Fatiquen. Als wir weiter eilten, kamen wir um 10. Uhr in ein Dorff, welches ich, weil es finſter war, nicht wohl erkennen konte. Nachdem wir hier unſre Erfriſchung gehabt, ſchlieffen wir, bis daß alles um 8. Uhr wieder parat war, und wir die Reiſe wieder fortſetzten.
Wir reiſeten allezeit ſehr langſam, und kamen ohngefehr um 2. Uhr an unſer Schiff, daruͤber ich mich ſo wol als meine Cameraden und das Schiffs-Volck ſehr erfreueten.
Das Boot und Chalouppe war zum Fiſchen aus, und da ſie in kurtzen viele gefangen, und ihr Netz an Land brachten, fuhren wir mit dem Garbon an Bord, allda wir durch den Capitain und andre Officierer ſehr freudig empfangen wur - den. Nachdem die beyderſeitige Begruͤſſung, ſo auf Spaniſch und mit groſſer Gravitaͤt ge - ſchehen, voruͤber, ſo traten wir in die Cajute. Nach vielen von hier und da gefuͤhrten Diſcourſen wurden Fiſche aufgetragen. Als man ſich wohl geſaͤttiget, und ein Glas Wein darauf getrun - cken, beſah Garbon das Schiff mit der groͤſten Verwunderung, weil er noch kein ſolch Schiff geſehen; denn es war in 440. Jahren an das Reich Krinke Keſmes kein Schiff geſtrandet, bey ſeinem Leben waͤre zwar eines auf der Jnſul Won - vure an Strand gerathen, ſo er aber nichtgeſehen.
Die224Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap.Die Stuͤcken, Ruder, Degen und Stuͤck - Kugeln kannte er alle, wuſte damit umzugehen, aber von dem Schiff und Schiff-Geraͤthe wuſte er nichts, iedoch fragte er nach allen.
Nachdem er alles wohl beſehen, fuhren wir, nemlich Garbon, der Capitain und ich wieder an Land, da denn des Garbons ſein Wagen ſchon abgeladen, und ſein Zelt aufgeſchlagen war, darinn er uns wieder wohl bewirthete.
Auf dem Strand zehlten wir ſchon 33. Zelten, die aus dem Lande kommen; einige um zu ſehen, was noch niemahlen ihnen hier begegnet, und an - dre um zu handeln. Dieſe Zelten vermehrten ſich alle Tage an der Zahl.
Garbon bat mich, daß ich, ſo lange der Han - del daurete, in ſeinem Zelt bleiben moͤchte, wel - ches ich ihm mit Bewilligung des Capitains ver - ſprach. Worauf gleich mein Knecht meine Schiffer-Bagage an Land bringen, und in das Zelt ſchaffen muſte, welches ihm ſehr wohl gefiel, und ſich davor bedanckte.
Garbon war ein Mann von groſſem Verſtand und Geſchicklichkeit, er iſt in Taloujael, wie ich ſchon geſagt, Ober-Baumeiſter und Inſpector uͤber alle Gebaͤude, Feſtungs-Wercke, Bruͤcken, Bad-Stuben, Fontainen, Thuͤrme, Pallaͤſte und Fluͤſſe ꝛc. Und hier war er das commandi - rende Ober-Haupt von allen denen Suͤdlaͤndeꝛn, die an Strand ſich begaben. Er war von einem edlen Gemuͤth, guthertzig und ſehr geſpraͤchig, nicht geitzig, iedoch gab er ſehr genau auf al - les Acht.
ErEr hatte Ordre geſtellet, daß alle Tage 2. Po - ſten von Keſmes und Taloujael ankamen; mit ei - nem Wort, er hatte es alles vorher ſo angeord - net, daß alles ordentlich zugehen muſte.
Als er, der Capitain und ich uns etwas diverti - ret hatten, ſo fuhr der Capitain, wieder an Bord, damit er auf alles gute Ordre ſtellen moͤchte.
Als wir beyde etwas mit einander giengen, ſagte er zu mir: de Poſos, kommt und geht mit mir in mein Zelt, und nehmt nun mei - ne Schrifften zu euch, und ſchlieſt ſie in eure Kiſte, ihr ſolt alle Tage mehr bekom - men.
Als wir durch die Zelten giengen, ſah ich, daß der Garbon von iedem mit ſo groſſem Reſpect ver - ehret wurde, als ein General in ſeinem Lager, oder ein Buͤrgermeiſter in einer Stadt.
Als wir in das Zelt traten, wurde ſo gleich A - kalou aufgeſetzt, unter dem Trincken ließ er die Schachtel mit den Pappieren bringen, wel - che ich von ſeiner Hand nahm, ſelbige mir uͤ - bergab, und dabey ſagte: Da mein Freund, empfanget dis aus meiner Hand, welches noch niemand auſſer unſerm Lande gewuſt, gehoͤrt oder geſehen hat, nehmt dieſes als ein Geſchenck und Freundſchafft an, gebraucht es zu euren Dienſt und Vergnuͤgen, ich will euch, ehe ihr verreiſet, deren noch mehr geben.
Jch nahm die Buͤchſe, und bedanckte mich ge - gen ihn mit groſſer Freude, worauf er die Buͤchſe ſehr vergnuͤgt auf meine Kiſte ſetzte.
PAls226Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap.Als wir Akalou getruncken, bedachte ich mich etwas, und hierauf ſtund ich auf, und ſagte zu dem Garbon: Mem Herr, kan ich euch ein Vergnuͤgen mit machen, daß ich das Gut aus meiner Kiſte, die ich zu eurem Plaiſir und Nutz mitgenommen, heraus neh - me. Jch moͤchte wol wiſſen, was drinn waͤre, ſagte er.
Als ich es oben aufſchloß, lag oben eine Land - Charte, die rings um ausgeſchnitten war, an der einen Seite Europa, Aſia, Africa und Suͤdland, an der andern Seite America &c. welche auf eine runde Pappe geklebet war; die - ſes war zwiſchen einem runden Holtz, ſo man an - faſſen konte, geklemmt, welches unten lang war, und hatte die Façon, als ein runder Fecher. Dis wurde mir von meinem Freund dem Chirurgo ver - ehrt, der hatte ſie ſelbſt abgezeichnet, und bey je - dem Parallel die Laͤnge nach der Steurmanns - Kunſt des Gietermachers hinzu geſetzt, auch die Paſſade. Winde nach dem Dampier darinn ange - merckt. Dieſes gefiel ihm ſehr mohl, er nahm ſie in die Hand, und nachdem ich es ihm erklaͤret, fieng er an zu ſeuffzen; als ich das merckte, ſag - te ich zu ihm: Herr Garbon, ich habe nicht al - lein dieſes, ſondern noch ſehr vieles zu eurem Dienſte; ich bin euch alles, was ich nur ei - niger maſſen miſſen kan, ſchuldig. Jhr habt mich nicht allein durch euer gut Tractament dazu verpflichtet, da ihr zu Taloujael Sorge vor mich getragen; ſondern da ihr mir auch die Beſchreibung eures Landes, und wasdazu227Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. dazu gehoͤrt, gegeben; auch noch mehr ver - ſprochen: Welches mir dann ſo lieb iſt, daß ich nicht weiß, was ich euch dagegen ge - ben ſoll.
Nehmt dieſe ſo verfertigte Charte zu Danck an, und noch dieſe unaufgepackte 17. Land - Charten. Jch rollte ſie ihm zuſammen, und uͤ - bergab ſie ihm, er wolte ſie aber nicht annehmen, ſondern ſagte: Enre Generoſitaͤt iſt ſehr groß; denn was ich euch zu Taloujael guts erwieſen, und ohne meinen Schaden geſchehen iſt, das iſt meine Pflicht geweſen, was aber die Ma - nuſcr. belangt, die ich euch gegeben, die koſten mir auch nichts, und die Sclaven ſind vom Koͤnig bezahlt worden. Worauf ich antwortete: Herr Garbon, nehmt doch die - ſe Charten mit Danck an, ich habe ſie von meinem Freund auf dieſe Art bekommen. Jch habe noch einen Atlas von ihm, der eben ſol - che Charten in ſich haͤlt.
Auf dieſen Bericht nahm er die Charten an, und bedanckte ſich davor ſehr freundlich. Er be - zeugte ſich ſehr froͤlich, umhalſete mich, und ſagte, daß er es mit ſolchen Beſchreibungen von dieſem ſeinem Vaterlande vergelten wolte, welche noch keinem Europaͤer bekannt geweſen. Jch danckte ihm davor, und ſagte, daß er mich dadurch ihm ſehr verpflichten wuͤrde.
Als ich meine Sachen wieder in die Kiſte ge - than, giengen wir zum zweyten mal durch die Zelten, die ſich noch immer vermehrten. UndP 2nun228Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. nun kam Ordre an den Garbon, daß er noch 3. Tage ausſtellen ſolte.
Dieſe Ordre wurde durch 54. Reuter gebracht, ſo alle wohl zu Pferde ſaſſen, und mit einem lan - gen Sebel und Schieß-Gewehr, womit ſie wohl umgehen konten, montiret waren. Dieſe hatte man ausgeſchickt, daß ſie aller Unordnung vor - beugen ſolten. Jhre Bagage wurde ihnen auf 54. Pferden nachgetragen.
Uber dieſe Reuter hatte der Garbon als Com - mandeur zu befehlen wie auch uͤber alles Vock, ſo ſich daſelbſt befand, und noch kommen ſolte.
Garbon ſagte: Morgen wollen wir etwas Land-waͤrts einreiten, und ſehen, was da zu thun iſt. Jch bin hier ſelbſt unbekannt, weil ich niemahlen hier geweſen. Welches ich ihm wohl glauben koͤnte.
Des Morgens gab er Ordre, daß das Land auf 4. Stunden weit ſolte durchgekundſchafft werden. Wie dis geſchehen, ſo kam Nachricht ein, daß nach Weſten ein gut Dorff 3. Stun - den weit von hier ſey, und noch ein anders 4. Stunden Suͤd-Weſt-waͤrts, nach welchen wir mit 20. Reutern nach dem Eſſen zuritten.
Eine Stunde von der See traffen wir eine Land-See an, darinn ich wunderliche Thiere ſa - he, ſo ich nicht kannte. Es waren hier viel Flie - gen. Wie wir fortritten, kamen wir in ein Dorff, welches aus 31. Haͤuſern beſtund, und Gat hieſſe. Hier gab der Garbon Befehl, daß man Lebens-Mittel nach dem Strand bringen ſolte, und vernahmen hier, daß die Stadt Raimaandert -229Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. anderthalbe Stunde von hier waͤre. Wir vitten ſo gleich nach ſelbiger hin, und nahmen 2. Bau - ren zu Wegweiſern mit uns. Als wir in Raima kamen, wurden wir daſelbſt wohl empfangen; man gab uns Akalou, und des Abends wurden wir herrlich tractirt; ich muſte bey dem Garbon ſchlaffen. Des Morgens ſtunden wir fruͤh auf, und beſahen die Stadt; ſie war aber nicht ſon - derlich beſehens-wuͤrdig; denn ſie beſtund nur aus 600. Haͤuſern, 3. Thoren, 5. Thuͤrmen, 10. Tempeln, 2. Bad-Stuben und dem Rath - Hauſe.
Hier waren ſehr wenig Statuen, aber ſchoͤne Spring-Brunnen und Hoͤfe.
Garbon gab Ordre, daß man auch von da Le - bens-Mittel nach dem Strand bringen moͤchte.
Von Raima ritten wir nach dem Dorff Poca, darinn 150. Haͤuſer waren. Hier wurden wir mit groſſem Pomp eingeholet.
Nachdem der Garbon hier auch die noͤthige Or - dre geſtellet, beſahen wir das Dorff, da uns ohngefehr ein alter Mann entgegen kam. Als Garbon ihn ſahe, ſtieg er von ſeinem Pferde, und fielen einander um den Hals mit der groͤſten Freundlichkeit, ſie redeten ſehr lange mit einan - der, doch konte ich ſie nicht verſtehen. Garbon ließ mich auch abſteigen, und wir giengen zu Fuſſe nach ſeinem Hauſe. Wie wir ins Haus kamen, war der Akalou fertig. Unter dem Trincken frag - te der Garbon, ob er nicht eine Land-Charte von Poele Krinke Kesmes ihm leihen koͤnte, denn er keine von Taloujael mitgebracht. O ja, ſagte der Alte,P 3ſtund230Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. ſtund auf, und holte deren 2. aus ſeiner Kammer, die er dem Garbon verehrte, welcher ſich gar ſehr davor bedanckte.
Nachdem das Volck und Pferde ſatt waren, nahmen wir unſern Abſchied, und kamen des A - bends wieder an Strand. Garbon erzehlte mir unter dem Reiten, daß dieſer Alte ſein guter Freund ſey, und daß ſie auf Poele Nemnan mit - einander ſtudiret haͤtten, auch ſein Sohn bey ihm gewohnet.
Wie wir zu unſerm Zelt kamen, war unſer Schiff einen Stuͤck-Schuß weit vom Lande ab - gelegen. Jch ſahe die Chalouppe etwas davon auf der Wacht liegen. Hierauf ruffte ich unſern Quartiermeiſter, der am Lande war, und fragte, was ſolches bedeute, ob etwa Streit geweſen? Er antwortete Nein, ſondern der Capitain haͤtte es ſo angeordnet.
Jch fragte, was er am Lande machte? und er ſagte, daß er Befehl haͤtte auf mich zu warten, bis ich wieder kaͤme, und hernach ſolte ich mit dem Garbon kommen, indeſſen ſie einen delicaten Fiſch gefangen.
Jch bat den Garbon, und er verſprach ſo gleich mitzufahren. Jch ſiegelte meine Buͤchſe mit dem Manuſcr. zu, und gab ſie dem Quartiermeiſter, daß er ſie nach den Bord mitnehmen koͤnte.
Garbon gieng indeſſen mit dem Rittmeiſter der Reuter, und gab Ordre, was ſie thun ſolten. Unterdeſſen beſahe ich die ſehr verlangte Land - Charte von Poele Krinke Kesmes, iedoch aͤrgerte ich mich, wie ich weder Stadt noch Dorff kennenkon -231Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. konte, und kam mir nicht anders vor, als ein vier - eckigt Pappier, das voll Zauber-Characteren war. Als Garbon wieder kam, und ſahe, daß ich die Land-Charte in der Hand hatte, fragte er mit Lachen, was duͤncket euch de Poſos von dieſer Charte? Jch antwortete, ich bin eben ſo klug draus als ein Kind. Das glaub ich, ſagte Garbon, ich laſſe euch aber eine zeichnen, und will euch die Namen mit Spaniſchen Buch - ſtaben ſchreiben: Nehmt alſo die eine davon an, ob ihr ſie gleich nicht verſtehen koͤnnet, weil ſie euch ſo frembd vorkommet. Er roll - te ſie alſo auf, und gab mir ſolche, wovor ich mich bedanckte. Wir fuhren zuſammen nach dem Schiffe, und er nahm ſeiner Rittmeiſter mit; dieſer verwunderte ſich ſehr uͤber unſer Schiff, zumal da er[h]oͤrte, daß wir die gantze Welt damit umſchiffen koͤnten.
Als Garbon und der andre das Schiff durchge - hends beſehen, fragte ich den Capitain um die Ur - ſach, warum er ſich ſo weit von dem Ufer mit dem Schiff abgelegt? Und er antwortete, daß ein guter Schiffer nicht leicht einer frembden Nation trauen, ſondern allezeit auf ſeiner Hut ſeyn muͤſte, damit er nicht mit ſeinem Volck verrarhen wuͤrde.
Jch ſchwieg hierauf ſtill, und Garbon trat wie - der nach uns zu. Wir giengen von dem hal - ben Verdeck nach der Cajute zu, da wir uns mit einer Pfeiffe Toback erfriſchten, indeſſen wurde der Fiſch gekocht und Anſtalt zum Eſſen gemacht.
P 4Wir232Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap.Wir aſſen mit dem groͤſten Appetit. Wie wir hierauf nach der Mahlzeit noch ein Glaͤsgen getruncken, fuhren wir nach dem Lande, und rauchten in dem Zelte noch eins, giengen hier - auf zu Bette.
Dieſe Nacht plagten mich die Muͤcken gewal - tig, ſo daß ich wenig ſchlaffen konte.
Jch ſtund mit dem Tage auf, und gieng et - was herum. Nun ſahe ich Ochſen, Kuͤhe, Schaafe, und unterſchiedliche andre Thiere, die ſie herwarts trieben, damit ſie ſolche zu Vi - ctualien verkauffen moͤchten.
Es wurden ſo gleich unterſchiedene groſſe Zel - te aufgeſchlagen, und einiges von ſolchen Vie - hen geſchlachtet, dieſelben wuꝛden Stuͤckweiſe ver - kaufft und gebraten.
Garbon ſchickte 2. Kuͤhe[nebſt]nebſt 4. Schaafen ans Schiff zu einer Verehrung, wovor der Capitain dem Garbon eine Brille, Malgomſchen Wein, viel Sect, einen Topff mit Oel, und ein Per - ſpectiv ſchickte, welches dem Garbon ungemein gefiel.
Es wurden nun auch allerhand Fruͤchte und gruͤne Sachen zu Kauffe bracht, und kochte ein ieder nach ſeinem Gefallen, wie es ihm einfiel.
Bald aſſen wir im Schiff, bald wieder im Zelte, wie es uns beliebte. Als wir einsmals auf dem Schiff aſſen, ſahe der Garbon eine Wein-Probe in einem Glaſe ſtehen; er fragte, was ſolches ſey, und wurde deſſen berichtet. Er verſuchte ein friſch Glas davon, und ſolchesſtund233Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. ſtund ihm wohl an. Worauf ihm der Capitain mit einem gefuͤllten kleinen Faͤßgen davon be - ſchenckte, welches er mit Danck annahm.
Der Capitain bat, daß einige Kauffleute vom Lande ſeine Kauff-Waaren ſehen moͤchten, und daß wir auch ihre beſchauen duͤrfften. Das kan ich nicht thun, ſagte Garbon, es bleibt bey dem Wort des Koͤnigs, und da kan weder ich, noch iemand anders was dagegen ſagen, iedoch will ich ein unpartheyiſcher Richter bey allen ſeyn, wenn Streit entſtehet.
Setzet alſo alles auf, was ihr verkauffen wol - let, auf Pappier, ich will es hernach in unſre Sprache uͤberſetzen, und ſo wol an meines als al - le groſſe Zelte ankleben, damit es alle Kauffleute ſehen und leſen koͤnnen. Welches auch geſchahe.
Wie wir einmal im Zelt beyſammen waren, fieng ich eine Muͤcke, und legte ſie vor ein Ver - groͤſſerungs-Glas, und ließ es den Garbon ſehen, dieſer verwunderte ſich ſehr daruͤber, und hatte dergleichen ſein Lebtage nicht geſehen. Wir leg - ten vielerley Ungeziefer darunter, welches ihn uͤberaus ergoͤtzte.
Als ich dis ſahe, bot ich ihm das Microſcopium an, nebſt ſeinem Poſtement, welches er zwar erſt nicht annehmen wolte, iedoch ſich zuletzt dazu be - reden ließ. Er verſicherte ſolches mit aller Er - kaͤnntlichkeit gleich zu machen. Mein Freund, ſagte er, nun will ich durch das Glas entdecken, was der Knepko iſt.
Jch verſtund dieſes nicht, daher fragte ich, was es waͤre. Er antwortete, es iſt Staub, wennP 5dieſer234Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. dieſer auf unſere Haut faͤlt, ſo wird eine harte Ge - ſchwulſt (Druͤſe) draus, ſo groß als eure Erb - ſen, dieſe wird heraus genommen, und wenn es nicht wohl curirt wird, ſo wird eine wunderliche Kranckheit draus, welche offt inficiret.
Der Quartier-Meiſter kam, und bat uns im Nahmen des Capitains, an Bord zu kommen; wir traten hierauf in die Chalouppe, und unter dem Rudern dachte ich ſtets an die Knepko. Jch beſanne mich, daß ich irgends davon geleſen, wu - ſte aber nicht wo.
Als wir am Bord kamen, gieng ich ſo gleich nach meinen Buͤcher-Kaſten, dis war eine eichene Kiſte, von 2. und einen halben Fuß breit, und 1. und ein Viertel Fuß hoch, ich ſahe in meinem Ca - talogo nach, und fand die Reiſe von Adrian van Berkel nach dem Fluß de Berbice, da fiel mir gleich ein, daß dis der Mann ſey, ich ſuchte darnach und fand pag. 88. folgendes:
„ Die Mebiki, auf Teutſch iſt eine Art Staubs, „ oder etwas anders, dergleichen ſo groß als die „ Spitze einer Nadel, dieſes ſetzt ſich auf das „ Fleiſch, und wird ſo groß als eine Erbſe, ſie ſind „ bleich und hart von Schalen, wenn dieſe heraus „ gebrochen worden, ſo weiſet ſich inwendig eine „ dicke Materie; wenn ſolche ausgedruckt wird, „ ſo lautet es, als wenn man eine Lauß todt „ macht.
„ Die Loͤcher, da dieſe Mebiki heraus genom - „ men werden, ſtopfft man mit Tobacks-Aſche zu, „ und wenn ſie damit nicht curirt werden, ſo wer -den,235Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. den gerne Pocken-Loͤcher draus, da dann nach „ einiger Zeit ſich die Frantzoͤſiſchen Pocken ſchen „ laſſen. „
Dis traͤgt ſich hier offt zu, und darff man die - „ ſe Frantzoͤſiſchen Sachen nicht erſt vom Frauen - „ zimmer holen. So weit van Berkel. “
Dis laſe ich dem Garbon in Spaniſcher Spra - che vor, der ſagte, daß dieſes das Knepko ſey. Dis gieng bey einer Pfeiffe Toback vor.
Als wir gegeſſen, las ich dem Garbon meinen Catalogum vor, worauf er ſagte: Mein Herr, wie ich ſehe, habt ihr keine ſchlechten Buͤ - cher, ich wuͤnſche, daß ihr daraus viel Ver - gnuͤgen haben moͤget, auch ſolche zum Zeit - Vertreib und eurem Studiren brauchen. Worauf er mich mit einer laͤchelnden Mine anſa - he. Jch ſahe ihn wieder an, und ſagte: Herr Garbon, auf dem Lande habt ihr mir zu be - fehlen, aber hier zu Schiffe laſſe ichs nicht zu, und befehle euch mit mir nach meinen Buͤ - cher-Kaſten in die Conſtabel-Kammer zu ge - hen. Jch nahm ihn hierauf mit Manier bey der Hand, und gieng nach der Conſtabel Kam - mer, der Capitain folgte, und der Aufwaͤrter in der Cajute machte mit einer Bouteille den Schluß. Wie wir drunten waren, und ich meine Kiſte aufſchloß, die inwendig voll Faͤcher war, zog ich das Spaniſche Fach aus, ich kriegte ſo gleich den Spaniſchen Gracian, deſſen Kunſt zur Weis - heit, nebſt deſſen Criticon, oder den nicht be - trogenen Menſchen, in die Hand. Die OperaCar -236Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. Carteſii, ſo ins Spaniſche uͤberſetzt. Sechzehen Buͤcher des Euclidis, ſo Spaniſch waren. Jch verehrte ihm dieſes alles aus aufrichtigen Ge - muͤth. Er weigerte ſich zwar, ich zwang ihn aber ſolche anzunehmen, und er verſicherte mir, daß er mir alle Freundſchafft thun wolte, ſo viel er nur koͤnte. Er war ungemein vergnuͤgt daruͤ - ber, ich aber noch mehr, weil ich ihn mir aufs neue vecpflichtet hatte. Jch nahm mit Erlaubnis des Capitains dem Aufwaͤrter die Bouteille aus der Hand, weil aber wenig drinn war, ſo bat ich um Erlaubnis, daß ich von mei - nen Wein holen moͤchte, davon ich noch 2. Op - hoͤffte voll hatte. Davor, und noch vor 24. Faͤß - gen Frantz-Brandtewein ich die Fracht be - zahlen muſte. Der Capitain ſahe mich an, und ſagte mit Lachen: Hoͤrt doch Herr Kauff - mann, ſolte es vor mich und meine Schiff Leute keine Schande ſeyn, daß ich ſo einen Mann als der Garbon iſt, durch euch ttactiren laſſe, und zwar in meinem Schiffe, was duͤn - cket euch? Das iſt wahrhafftig mein beſter Wein, ey laſſet uns Freunde bleiben. Hoͤrt de Poſos, ich wette mit euch um 15. Eimer Wein, ich weiß, was ihr mir dienen ſollet.
Wir wollen wetten, und der Garbon ſoll Richter ſeyn. Wartet, ſagte der Capitain, nahm ſeinen Bley-Stifft, und ſchrieb auf einen Brief, machte es zu, und gab es dem Garbon, und ſagte: Mein Herr, macht dieſes hernach auf, wenn unſer Kauffmann geſagt, was er thun will. Gut, ſagte ich, ich noͤthige euch beyde, nebſteu -237Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. eurer beyden Freunde, mit mir an Land zu gehen, und daß ich euch in dem Zelt des Herrn Garbon mit meinem Wein tractiren will.
Garbon machte hierauf den Brief auf, und las uͤberlaut: Unſer Kauffmann will uns mit ſeinem Wein am Lande tractiren. Wir lach - ten ſo laut, daß der Rittmeiſter auch zu uns kam, und Theil an unſerer Freude nehmen wolte. Jch hatte ſchon ein Faͤßgen Brandtewein auf unſerer Reiſe verconſumirt, ſolches ließ ich ſo gleich mit Wein fuͤllen, und ſchickte es nebſt einem Faͤßgen Brandtewein an Land.
Garbon, der Rittmeiſter, der Capitain, und ich, waren alle recht vergnuͤgt. Wir machten uns bis an den Abend froͤlich, und fuhren hernach ans Land. Der Capitain verſprach morgen fruͤh bey uns zu ſeyn, und wolte ſiſchen laſſen, wie er dann auch folgenden Tages ſein Wort hielte.
Da mein Capitain ein Spanier war, ſo war er dem Trunck gantz nicht ergeben, und Garbon nebſt mir machten auch kein Werck daraus, wie wir aber beyſammen waren, und der Rittmeiſter auch bey uns, ſo ſchritten wir wol einmal uͤber die Schnur. Garbon hatte keinen Frantz-Brandte - wein weder geſehen, noch verſucht, da er ihn nun ſahe und probirte, ſagte er, daß er ſolchen Tranck in ſeinem Vaterlande niemals geſehen. Der Spaniſche Wein gefiel ihm auch ſo wohl, daß er aufſtund, und ſagte: Jhr Herrn, ich will nun in Ernſt mit euch ſprechen, der Rittmeiſter verſtehr kein Spaniſch. Jhr Leute ſollet hier am Lande keinen Tropffen von euren Ge -traͤn -238Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. traͤncke verkauffen, ich habe groſſe Flaſchen in eurem Schiffe geſehen; ich will von iedem Getraͤncke, ſo ihr habr, eine Flaſche nach dem Koͤnig in Kesmes ſchicken, und wann er dem Koͤnig ſchmeckt, ſoll er ſie euch theurer be - zahlen, als alle Kauffleute. Wir ſagten, daß wir keine Weinhaͤndler waͤren, damit wir aber dem Koͤnig einen Gefallen thaͤten, wolten wir ihm alles verkauffen, was wir entbehren koͤnten. Darauf wurden ſo gleich in einem Pack mit Heu eine Bouteille Frantz-Brandtewein, eine mit Malgomſchen, eine mit Seckt, und eine mit Alicanten-Wein gepackt. Solches wurde an 2. lange Stangen zwiſchen 2. Pferden gebun - den, die hinter einander als 2. Maul-Eſel gien - gen, und ſehr geſchwind fort lieffen. Der Gar - bon ſagte, innerhalb 4. Tagen will ich wieder Nachricht deshalben haben.
Als das Verzeichniß von unſereu Waaren an - geſchlagen war, bat der Capitain, daß ihm auch die Guͤter, welche verhandelt werden ſolten, ins Spaniſche uͤberſetzt, moͤchten aufgeſetzt werden, welches ihm der Garbon verſprach; er ſtund ſo gleich auf, und ſchrieb einen Brief, ſolchen gab er dem Ordonnantz-Reuter. Dieſer ritte damit von Zelt zu Zelt, und muſte ein ieder ſeine Waaren auf - ſchreiben. Wie dis geſchehen, wurde es uͤber - ſetzt. Der Garbon hatte 6. Schreiber hier, die Spaniſch ſprachen, auch leſen und ſchreiben konten.
Des andern Tags wurde uns eine Schrifftzur239Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. zur Hand geſtellet, von denen dahin gebrachten Guͤtern, und beſtunden ſie darinn:
Allerhand Arten Fleiſch, Fruͤchte und gruͤne Sachen, Korn, Brodt und Getraͤncke.
Pakkam und Krapakkam.
Pakkam iſt eine ſehr feine Wolle, die noch beſſer als die Spaniſche iſt, ja nach meinem Urtheil noch beſſer als die von Carman aus Perſien.
Dieſe kommt von einem Thiere Pak, welches ſo grau iſt, als ein Eſel. Und ſoll dieſes unter den Thieren des Landes beſchrieben werden.
Krapakkam iſt der Zeug, ſo daraus gearbeitet worden, faſt als der Hollaͤndiſche Perkan, iedoch kan es durch jenes nicht durchregnen, es mag auch ſo ſtarck und lange regnen, als es will, denn es nimmt kein Waſſer in ſich, es laͤufft alle Feuchtigkeit, Oel ausgenommen, wieder herunter. Es iſt ſehr weich, grau von Farbe, und kan nicht gefaͤrbt werden. Jſt beynahe anderthalb Elle breit, und iſt ein Stuͤck 36. bis 39. und eine halbe Elle lang.
Siſa Kattun. Kraſcha ausgearbeiter Kattun von vielerhand Art, fein, grob, breit, ſchmal, al - lerhand Farbe, und auch gedruckter.
Monka ſo wol zugerichtete, als rohe. Kramon - ka, gewebte Seide von vielerhand Art und Farbe.
Vielerley Arten Talok Gummi, ſo in ihrer Sprache ſpecificiret waren.
Vielerley Fika Farben, ſo wol trocken, als naß. Deren Nahmen nicht anders als roth, blau, gruͤn ꝛc. uͤberſetzt werden koͤnnen.
Bou -240Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap.Boula Honig. Boulaka Wachs. Einige runde breite Brodte. Ouwa Gold. Lowa Silber. Pouwa Kupffer. Nowa eine Art uns unbekann - ten Metalls.
Sehr kuͤnſtlich gewuͤrckte Gold - und Silber - Stuͤcken.
Akalou eine Wurtzel, welche im Lande als Thee getruncken und getrocknet wird.
Joſcham ein rother harter Stein, der iedoch nicht ſo glaͤntzet als rothe Corallen. Hievon hatten ſie Becher, Leuchter und andere ſehr kuͤnſtliche Sachen gemacht.
Fremde ſchoͤne Voͤgel, die ſprechen konten, unterſchiedene Arten.
Fremde artige Thiere. Wunderliche Mu - ſcheln.
Muſicaliſche Inſtrumenten, die bey ihnen be - kannt und im Brauch ſeyn, und noch viele an - dere Sachen, die ich vergeſſen, weil ich das Regiſter dieſer Waaren nicht abgeſchrieben.
Des Tags zuvor, ehe der Handel angehen ſolte, wurde bey dem Zelt des Garbons ein Theatrum aufgerichtet, und hatte iede Seite 90. Fuß in der Laͤnge, und rund herum Seu - len. Darauf nach Oſten ein Zelt ſtund, ſo lang als das Theatrum war, 9. Fuß hoch. Hierinn waren 9. Tiſche geſetzt, und zwar zwi - ſchen ieden 30. Fuß Spatium.
Wie dieſes fertig war, wurde man einig, daß auf einem groſſen Horn geblaſen werden ſolte. Wie wir einige mal blaſen laſſen, ver - ſammleten ſich die Leute vor dem Theatro, undwurde241Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. wurde durch einen Secretarium des Garbon alles abgeleſen, und an ieder Ecke des Theatri an - geklebet, welches alle leſen konten.
Dieſe Schrifft hielte in ſich, daß ein ieder kommenden Tages um 7. Uhr ſeine Kauff-Guͤ - ter auspacken, und auf die Schau ſtellen ſol - te, ein ieder in oder auſſer ſeinen Zelten, damit es die Spanier ſehen koͤnten.
Jch verlangte ſehr nach ſolcher Stunde, kon - te daher dieſe Nacht nicht wohl ſchlaffen, und war des Morgens mit dem Tage auf. Jch ließ eine Kiſte vom Schiff heruͤber ſchaffen, oͤffnete ſolche, und nahm das Regiſter heraus; denn in ieder Kiſte lag ein Regiſter oben auf, was in der Kiſte war, und bey iedem der Preiß des Einkauffs angezeichnet. Jn dieſer hat - te ich Nuͤrnberger Waare, als unterſchie - dene Buͤcher-Spiegel, Corallen allerhand Ar - ten groſſe und gefaͤrbte. Perſpective allerhand Sorten. Microſcopia. Kupfferne Compaſſe und Sonnen-Weiſer, darinn ein Brenn-Glas und Spiegel war. Pater Noſter. Ringe von ge - faͤrbten Horne. Geſchliffene Glaͤſer und ge - ſchliffene Corallen. Ringe von Pferde-Haa - ren, ſo zu Aachen gemacht, mit Buchſtaben und Sinnbildern von allerhand Farben. Corallen, geſchliffene Hals-Ketten. Falſche Perlen. Ge - mahlte und geſchnitzte Schnupff-Toback-Do - ſen. Allerhand Arten Brillen. Puppen, die durch Drath beweget werden koͤnnen ꝛc.
QGar -242Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap.Garbon beſahe dieſes alles, und hatte zu al - len Luſt. O de Poſos, ſagte er, ihr ſeyd gluͤck - lich, daß ihr ſolche Waaren habt. Jch bin und bleibe euer Freund; ich frage euch nicht, was euch das koſtet, ſondern ich will alle das Gut vor den Koͤnig kauffen. Und will euch und ihm einen Dienſt auſſer mei - nen Schaden thun. Hier haben wir noch nicht ſolche Sachen geſehen. Jch will euch ſo viel davor geben, als ich kan, laſt nur dieſe Kiſte an niemand ſehen.
Der Koͤnig kan und wird es euch wohl bezahlen.
Hierauf ſchrieb er ſelbſt einen Brief, gab ſolchen dem Ordonnantz-Reuter, und befahl ihm, daß er in 4. Tagen wieder hier waͤre.
Denn alle 3. Stunden waren Pferde zur Abwechslung parat, und gieng es allezeit in Galop fort.
Des Morgens kam der Capitain, Kauffmann und unterſchiedliche Paſſagiers mit dem Tage ans Land, damit ſie alles beſehen koͤnten, was ihre Waaren waren; da wurde der Preiß ge - macht, und aufs Theatrum geſtellet.
Um 7. Uhr wurde wieder auf verſchiedenẽ kupf - fernen Hoͤrnern geblaſen, und ſo gleich erſchie - nen etliche auf dem Theatro, die ihre Waaren darauf gebracht.
Der Garbon gieng an die mittelſte Tafel, ſetz - te ſich nieder, und hatte einen Secretarium an der rechten Hand ſitzen, der alles aufſchrieb.
An243Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap.An der lincken Hand ſaß ein Mann, der vor ihm auf dem Tiſche eine Waage, Gewicht, ei - ne Elle, ein Zoll-Maß, und Korn-Maß hatte.
Vor dem Tiſch war recht als ein Galgen, da war eine ſehr groſſe Waage mit ſeiner mit - telſten Stange feſte gemacht, darauf man mehr als tauſend Pfund waͤgen konte.
Hier wurde gekaufft verkaufft, und getauſcht, wie uͤberall geſchiehet, und bekuͤmmerte ich mich wenig darum.
An ſelbigen Tage kam Ordre von Hofe, daß der Garbon ſo viel Wein und Brandtewein ſol - te kauffen, als er koͤnte, in ſolchen Preiß als er es vor gut hielte, und es bekommen wuͤrde. Er las mir den Brief allein in Spaniſcher Spra - che vor.
Sehet ihr de Poſos, ſagte er, daß ich nun euch es vergelten kan, was ihr mir wieder - fahren laſſen. Mein Koͤnig kan und will bezahlen, ſagt aber niemand von unſerm Handel.
Der Garbon ließ ein ſehr groß Zelt aufſchla - gen, welches als ein Pack-Haus vor den Koͤ - nig ſeyn ſolte, damit er alles, was vor Sr. Majeſt. gekaufft wird, darein bringen koͤnte. Dieſes Zelt wurde mit Reutern beſetzt, und wohl bewachet.
Jch bemuͤhte mich mit dem taͤglichen Han - del bis dato nicht; da aber Zeitung und Ordre vom Koͤnig kam, daß der Garbon alles kauffen ſolte, was ihm vor den Koͤnig gefiel, er ſolteQ 2nur244Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. nur Gold, Silber und andere Waaren von Talouja-El holen laſſen, ſo viel er meinte von - noͤthen zu haben; ſo brachte ich auf des Gar - bons Verlangen 20. Faͤſſer mit Frantz-Brand - tewein ans Land, da uns iedes Faß zu Cadix 21. Hollaͤndiſche fl. koſtete, und ich verkauffte iedes Faß allhier vor 100. fl. Hollaͤndiſch, wel - ches ein braver Gewinſt war.
Ein Ophofft Malgomſchen Wein verkauffte ich vor 450. Hollaͤndiſche fl.
Jch will nunmehr alles auf Hollaͤndiſch Geld rechnen.
Jch hatte 2. Dutzend groſſe Buch-Spiegel in verguͤldeten Leder, ein iedes Dutzend koſte - te mir 6. fl. welches zuſammen 144. fl. waren, dieſe verkauffte ich das Stuͤck vor 3. fl. machte aus 864. fl.
Jch hatte 1000. Pfund Corallen von aller - hand Sorten und Farben, wie auch 3000. Schnuren falſche Perlen. Jch will nicht ſagen, was mir ſelbige koſteten, und wovor ich ſie ver - kauffte, ſondern will es guug ſeyn laſſen, wenn ich melde, daß ich daran allein einen groſſen Reichthum gewann.
Mit einem Wort, alle Klipperey von obbe - ſagten Gut galt ſo viel, als ich forderte, ohne daß mir was abgedungen wurde.
Da ich alles verkaufft hatte, was ich ent - behren konte, ſo muſte ich auch etwas wieder einkauffen. Mein Einkauff beſtund in 50. Pfund Pakkam, 12. Stuͤck Kra-Pakkam, 1000. Pfund245Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. Pfund Siſa, 50. Stuͤck Kra-Siſa; 1000. Stuͤck Kralmonka von allerhand Sorten, verſchiede - ne Talok, allerhand Fika und Joſcham.
Jch wurde mit lauter Gold bezahlet, und mit ſelbigen bezahlte ich meine eingekauffte Sa - chen wieder.
Jch hatte 12. Paͤckgen geſchnittene Bier - Glaͤſer, in ieden Paͤckgen waren ſechſe. Die - ſe hatte der Garbon noch nicht geſehen, ich gieng nach dem Schiffe, und brachte ein Paͤckgen da - von, ein Faͤßgen Brandtewein, ein Faͤßgen Malgomſchen Weln, nebſt einem Ancker Seckt ans Land, dieſes verehrte ich dem Garbon, wel - cher ſolches nicht annehmen wolte, doch ließ er ſichs endlich gefallen. Jch gab ihm auch was vor den El-ho, daß ers ihm zuſtellen moͤchte, als ein Glas, eine Bouteille und ein Buch-Spie - gelgen, welches der Garbon mit der Condition annahm.
Wie er den Taſchen-Spiegel mit Aufmerck - ſamkeit beſahe, fiel mir ein, daß der Garbon noch keinen Spiegel hatte, und ſagte: Herr Garbon, ich will euch ſechſe dergl. vereh - ren, ich habe noch wol 2. Kiſten von ſol - cher Waaren, iedoch wolte ich ſolche erſt in den drey letzten Tagen unſers Handels oͤff - nen.
Der Garbon alterirte ſich auf dieſe meine Re - de. Jch gieng nach ihm zu, da er ſo blaß ward, und gab ihm ein Glas Wein, da er wieder zu ſich kam. Wie er mich etwas ſtarr ange -Q 3ſehen,246Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. ſehen, rieff er zuletzt aus: Wie de Poſos, ich meinte, daß ihr ein ehrlicher Mann waͤ - ret, auf deſſen Wort man trauen duͤrffte. Jch habe euch ſo viel Manuſcr. gegeben, morgen kommt noch eine Buͤchſe voll vor euch an, ja vor eurer Wegreiſe ſolt ihr deren noch mehr haben, und zwar ſolche, die man noch nicht auſſer unſern Lande ge - ſehen hatꝛ ich habe euch alle Freundſchafft erwieſen, die in meiner Macht geweſen, warum betruͤgt ihr mich? Was habe ich euch vor Urſache dazu gegeben? Habe ich euch nicht gebeten, ſolche Guͤter allein dem Koͤnige zu verkauffen, und niemand anders? Habe ich euch den voͤlligen ver - langten Preiß nicht bezahlet. Widerſetzt ihr euch des Koͤnigs Gebot?
Wiſſet ihr wol, daß ich euch ſo gleich nach Kesmes ſenden kan, da ihr viel zu ver - antworten kriegen koͤnnet. Was habt ihr angefangen?
Jch erſchrack uͤber dieſe Reden, und wurde mehr alterirt, als Garbon vorher war, ich muſte mich auf eine Banck ſetzen, weil ich nicht laͤn - ger ſtehen konte. Garbon kam wieder zu rech - te, ſtund auf, und gab mir wieder ein Glas Wein. Als dieſe Schwachheit vorbey, erhol - te ich mich wieder, und fieng mit groſſem Ernſt zu reden an: Daß ich nemlich er - ſchrocken, daß man mich da behalten wolte. Der247Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. Der Girbon ſagte: das iſt die Meinung nicht, ſondern ihr und euer Volck muͤſſen dem Befehl des Koͤnigs ſo wol, als wir, gehor - ſamen. Geht nach eurem Schiff, und ho - let das Verzeichniß von allen euren Sa - chen, ich will ſehen, was der Koͤnig da - von haben will, das uͤbrige moͤget ihr an andere verkauffen. Jch habe allezeit zu euch geſagt, der Koͤnig kan und will euch beſſer, als andere, bezahlen. Jch bin euer guter Freund, was wollet ihr mehr?
Jch fuhr nach dem Schiff, und ſahe nach meinen Sachen, befand auch, daß ich noch 2. Kiſten mit Nuͤrnberger Waare, eben ſo viel, als ich ſchon verkaufft, hatte. Jch hatte auch noch eine Kiſte mit Venetianiſchen Glaſe, da - rinn 3. Spiegel von 4. Fuß mit Glaͤſernen Leiſten, 3. Spiegel von 2. und einen halben Fuß, viel Oval-Spiegel von 1. und einen hal - ben Fuß, und viel Cryſtallene Glaͤſer von al - lerhand Art, mit noch einem groſſen geſchliffe - nen Taſchen-Spiegel.
Hieraus nahm ich einen ovalen Spiegel, und eine Cryſtallne Coralle, welches ich dem Garbon ans Land ſchickte zur Verehrung. Jch blieb auf dem Schiff, weil mir nicht wohl war; ich hatte keinen Appetit, daher legte ich mich zur Ruhe, und war ſehr verdrießlich. Gegen den Abend kam der Garbon ſelbſt ans Schiff, na - hete ſich zu mir, und fragte nach meiner Ge -Q 4ſund -248Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. ſundheit. Jch ſagte, daß ich hier geblieben, weil ich mich nicht wohl befunden. Darauf ſagte er: Stehet auf, wenn ihr koͤnnet, und geht mit mir ans Land, da habt ihrs bequemer, ihr muͤſſet euch ſo leicht nichts annehmen, ich bin und bleibe euer Freund. Jch thue alles zu eurem Intereſſe und Plaiſir, ſo viel ich kan. Jch komme auch zu euch, und will mich vor das von euch uͤberſandte Præſent be - dancken, es iſt mir ſolches ſehr lieb gewe - ſen.
Jch vermelde euch hiermit, daß man hier zu Lande noch kein Glas geſehen, als die kuͤnſtlichen Perſpective zu Nemnan, und etwas weniges an des Koͤnigs Hofe, welches dann und wann aus einem geſtrandeten Schiff iſt auf bracht worden. Laſſet doch eure Glaͤ - ſer ſehen, ich will euch davor geben, was ihr verlanget, ſchicket eure Kiſten mit Glaͤ - ſer und eure 2. andere Kiſten ans Land, ich rathe euch alles zum Beſten.
Jch ſchickte erſt die 2. Nuͤrnberger Kiſten ans Land, und empfieng vor iede ſo viel, als das erſte mal. Wir ſchlieffen hierauf, und be - fand mich des Morgens recht wohl; es kam ſo gleich eine Buͤchſe mit Manuſcr. vor mich an, aus Talouja-El, die mir der Garbon, ehe er ſol - che oͤffnete, uͤbergab; in ſeinem Brief war ein Regiſter davon. Bey der Uberlieferung ſagte der Garbon zu mir: Da, de Poſos, habt ihr dieſe Buͤchſe mit Manuſcr. und nun habt ihr nocheine249Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. eine mit der Land-Charte zu erwarten. Alſo habt ihr eine vollſtaͤndige Beſchrei - bung von unſerm Koͤnigreich, ſo wol von dieſer, als denen umliegenden Jnſuln, in welchen von einigen Staͤdten, Doͤrffern, von deren Leuten, ihren Sitten, von Ber - gen, Buͤſchen, Thieren und Fruͤchten, von Fluͤſſen, See-Buſen, Hafen, Waſſer - Pfuͤhlen, Metallen, Fiſchen, Fahrzeugen ꝛc. gehandelt wird. Jhr ſollt eine Beſchrei - bung von Voͤgeln haben, und von anderm Ungeziefer, was ich erſinnen kan; es hat noch niemand ſolches erhalten.
Jch nahm die Buͤchſe mit Danck an, und brachte ſolche ſo fort ans Schiff, als ich mei - ne Spiegel - oder Glaß-Kiſte holte. Wie ich ſolche ausgepackt, nahm ich den Kaſten mit de - nen Spiegeln von drittehalb Fuß heraus; wie der Garbon ſolche ſahe, wurde er ſehr content, und ſagte mit groſſer Verwunderung, das ſind recht Koͤnigliche Sachen.
Man gab mir gleich ſo viel, als ich davor ver - langte, ich gewann damit allein ſo viel Geld, daß ich mich faſt deſſen ſchaͤmte. Da wir hier ſo guten Handel hatten, und nun unſre meiſten Waaren verkaufft waren, wurde in dem Schiff - Rath beſchloſſen, daß wir nicht nach den Phi - lippinen-Jnſuln, ſondern da der Handel hier geſchehen, ſo gleich nach Panama wieder ſee - geln ſolten.
Q 5Wir250Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap.Wir gaben von dieſer Reſolution dem Garbon Nachricht, der zu unſerm Plaiſir noch 3. Wochen verlangte, iedoch wenn ſolches der Koͤnig bewil - ligte. Wir lebten hier als Herren. Unterdeſ - ſen ſich unſer Capitain als ein guter Seemann und Haus-Vater uͤber unſer Schiff wegen der Victualien und Erfriſchung, ſo wir auf der Reiſe noͤthig hatten, verſorgte, und machte ſol - ches mit dem beſten Eifer und Uberlegung.
Nach einigen Tagen kam die lang gewuͤnſchte Land-Charte von dem Koͤnigreich Krinke Kesmes, nebſt denen dazu behoͤrigen Jnſuln, und was ſonſt der Garbon verſprochen hatte. Als er mir dieſes letzte uͤbergab, ſagte er: de Poſos, hier habt ihr nun alles, was ich euch verſpro - chen habe. Auſſer dem will ich euch noch ein Gedaͤchtniß mitgeben, dabey ihr alle - zeit meiner gedencken koͤnnet.
Jch kauffte noch 100. Stuͤck Krapakkam, um ſolche in America zu verhandeln, damit man ſelbige in der Regen-Zeit gebrauchen koͤnne. Wir hatten nun hier 5. Wochen gelegen, hat - ten guten Handel gehabt, und handelten noch alle Tage, doch ſo ſtarck nicht wie erſt.
Wir waren nun bis zur Reiſe gantz fertig, doch wurde noch zugegeben, daß wir mit Wil - len des Garbons noch 12. Tage bleiben moͤchten, um unſer Schiff ſauber zu machen, und uns in allen zu verproviantiren.
Als ich an einem gewiſſen Tage am Schiff ge - ſchlaffen, kam der Garbon mit einem Kiſtgen anBord251Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. Bord zu mir, und ſagte: Mein Freund, ich habe euch eine kleine Erkaͤnntligkeit mitge - bracht, nehmt ſolche mit Danck an, wie ich eure Geſchencke angenommen.
Er hatte ſolches in die Conſtabel-Kammer bringen laſſen, und als wir dahin giengen, ſchloß ers auf; er hatte 3. Stuͤck Krapakkam hinein gethan, 3. Stuͤck Kra Monka, 3. Stuͤ - cken Kra Siſa, alles von der feinſten Sorte, wie es bey Hofe gebraucht wird, 19. Pfund Akalou, mit einem Keſſel von Nowa, einen Thée-Pott, 10. Naͤpffgen, 10. Koͤpffgen von Joſchan, 5. Roͤcke, da an iedem eine Muͤtze feſt iſt, ſo wie man ſie in Regen-Zeit von Krapakkam traͤgt; und noch einen Kaſten voll frembde Sachen, als von Schilff, Koͤpffe von Voͤgeln, Fiſche, Pfoten, ꝛo. kleine getrocknete Thiere, Voͤgel, Wuͤrmer ꝛc.
Jch wolte dieſes alles nicht annehmen, da - rauff er ſagte, wenn ich dieſes nicht annaͤhme, wolte er mir die Freundſchafft aufſagen. Da ichs dann zu mir nahm. Hierauf fuͤhlte er in den Schubſack, und ſagte: Sehet, hier ha - be ich ein Regiſter von allen euren Manu - ſcr. vergeſſen, laſſet es gleich holen, ehe wir es vergeſſen, es iſt nur ein kurtzer Jn - halt von denen Beſchreibungen, ſo ich euch uͤberliefert habe.
Wie wir aſſen, befahl er ſeinem Knechte, daß er dis Briefgen nach ſeinem Zelt bringen, und das holen ſolte, was drauf ſtuͤnde. Sol -ches252Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. ches geſchah ſo fort. Unterdeſſen truncken wir ziemlich; nemlich der Garbon, der Rittmeiſter, ich und der Steuermann, aber unſer Capitain blieb allezeit nuͤchtern. Als wir ſo ſaſſen, und ſo wol von Europa, als dem Koͤnigreich Krinke Kesmes ſprachen, wurde be - ſchloſſen, daß wir auf den dritten Tag darauf aufbrechen ſolten. Nun kam die Chalouppe wieder ans Schiff, und hatte ein kurtz Ver - zeichniß in Spaniſcher Sprache, welches auf Teutſch ſo hieß:
Wie er dis Regiſter mir uͤbergab, ſo ſagte er: Hier iſt das Regiſter von den Schrifften, die ich verſprochen habe, und auch euch ſchon gegeben; gebraucht ſie zu eurer Luſt und Zeit-Vertreib auf der See, und macht damit was ihr wollet.
Jch will euch noch einen jungen Vogel geben; den ihr ſprechen lernen koͤnnet; ich werde ihn morgen bekommen.
Jch antwortete: Herr Garbon, ich dancke euch vor alle Ehre und Freundſchafft, die ich von euch genoſſen habe. Jch will euch auch noch was verehren, geht mit mir, wenn es euch beliebt, nach meinen Buͤcher - Kaſten, in die Conſtabel-Kammer; ſo er that. Jch nahm den Ovidium in SpaniſchetSpra -254Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. Sprache mit 150. Figuren heraus; die Schif - fahrten Columbi in 2. Baͤnden, und den Spa - niſchen Quichot. Er fiel mir um den Hals vor Freuden, und bedanckte ſich aufs fleißigſte.
Auf dem Strand war nun nichts mehr zu thun, es ſtund nur des Garbons Zelt mit 2. Wa - gen, einer Karre und 2. Reutern da, die neben dem andern Volck in einem groſſen Zelt waren. Jch bekam den Vogel, und will ich ſolchen un - ter denen Land-Thieren mit beſchreiben. Nun fiel nichts ſonderliches mehr vor, wir waren mit allem verſehen, und fiſchten alle Tage, hatten gut Waſſer, und war an nichts Man - gel, waren auch alle Tage froͤlich. Als wir den letzten Zug des Donnerſtags fruͤh gethan, war gleich des Nachmittags alles fertig und eingepackt; dieſen Tag machten wir uns recht luſtig, und truncken auf gluͤckliche Reiſe.
Um 5. Uhr nahm der Garbon von uns Ab - ſchied, bedanckte ſich vor alles, und zeigte uns eine Ordre vom Koͤnig, daß wir dahin nicht wie - der kommen ſolten, weil er ſein Land nicht bekannt machen wolte. Wenn wir aber wieder kaͤmen, ſolten wir mit Schiff und Guͤtern Preiß gemacht werden. Hierauf fuhr er nach dem Lande zu, und wir begruͤſten ihn noch mit 3. Canon - Schuͤſſen.
Den folgenden Morgen war alles in Arbeit mit dem Ancker-Aufwinden, und Seegel zu rech -te255Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VIII. Cap. te machen. Wir rieffen dem Garbon noch ein a Dieu zu, und gruͤſſeten ihn noch mit 7. Schuͤſ - ſen. Er bedanckte ſich mit Wincken.
Wir giengen alſo in See, und kamen gluͤck - lich nach Panama. Unterwegens hatten wir keine ſonderliche Begebenheiten, als daß wir manch - mal an ein Eyland um uns zu erfriſchen an - landeten. Von Panama gieng ich uͤber Land nach Porto bello, und von dar nach Sevilien. Da ich denn meinem Freund dieſes, als was rares zuſchickte, und erwarte mit eheſten eine gute Uberſetzung von meinen andern Manuſcri - pten, die ich dem geneigten Leſer ge - treulich uͤberliefern will. A. Dieu.
Welche Georg Chriſtoph Wintzer, Buchhaͤndler in Leipzig verleget, und bey ihm in Menge zu haben ſeynd.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
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