GLeichwie die folgenden Bogen die geheime Hiſtorie von dem Le - ben und denen Liebes - Haͤndeln derer be - ruͤhmteſten Schoͤnheiten unter dem weiblichen Geſchlechte in ſich enthal - ten: welche von Koͤnigen / Fuͤrſten / Hertzogen / Grafen / Lords uñ andern Standes - oder hohen Perſonen / als Maitreſſen oder Concubinen / von der ſchoͤnen Roſamond an / biß au[f]gegenwaͤrtige Zeit / admiriret und angebethet worden; Alſo leben wir der gaͤntzlichen Hoffnung / es wer - den dieſelben bey allen ſolchen leb - hafften Gemuͤthern / ſo zur Liebe und Galanterie incliniren / eine hochge -a 2neig -Vorrede. neigte Aufnahme antreffen. Was die Materie anlanget / iſt ſolche durchgehends verliebt; Der Stylus aber / wo es erfordert wird / uͤberaus behutſam / hoͤflich / und unpaſſioni - ret; Beydes ohne die geringſte Ver - miſchung mit Obſcenité oder Uner - barkeit: Dergeſtalt / daß auch die keuſcheſte Jungfrau / wenn es gleich eine Veſtaliſche oder heilige Nonne aus einem Chriſtlichen Kloſter / oder ſonſt eine Candidatin des Himmels waͤre / alles ſicher u. ohne Gefahr ver - fuͤhret zu werden / leſen mag: Denn / da hierdurch das ploͤtzliche Steigen und entſetzliche Fallen ſolcher Weibs - Bilder / die ſich fuͤr offenbare Feindin - nen der Keuſchheit erklaͤret / darbey aber von einer miſerablen Cataſtro - phe des Elendes oͤffter / als dem be - ſtaͤndigen Glantz der Gluͤckſeligkeit / umgeben worden / vorgeſtellet wird; So erhellet zugleich klaͤrlich daraus /wel -Vorrede. welchergeſtalt die Laſter mit der Tu - gend / die allezeit ihre Belohnung auf eignem Ruͤcken mit ſich herum traͤgt / keinesweges in einerley Gleichheit ſtehen. Die Suͤnde der verbothenen Liebe hat ihren Urſprung mit der er - ſten Kindheit der Welt genommen / und wird vielleicht auch wohl eher nicht / biß zur groſſen Revolution dieſes irdiſchen Gebaͤudes / ihre End - ſchafft gewinnen: Wenn nehmlich alle Menſchen-Kinder / wie uns der groſſe Apoſtel der Heyden vermel - det / ploͤtzlich und in einem Au - genblicke verwandelt werden ſollen. Wir duͤrffen uns nicht nach fremden Exempeln umſehen / immaſ - ſen wir Vorgaͤnger genug zu Hauſe antreffen / um die uͤbeln Wuͤrckungen des Ehebruchs und der Unzuͤchterey bekannt zu machen: Angeſehen dieſe mehr als zu offt ſchreckliche Conſe -a 3quen -Vorrede. quencen von Moꝛd / Todtſchlag und Blutveꝛgieſſen / nebſt dem Untergang gantzer Familien / durch Fortpflan - tzung der Armuth und abſcheulicher Kranckheiten auf dieſelben, erbaͤrm - licher Weiſe nach ſich gezogen ha - ben. Die Weisheit in denen wei - ſen Spruͤchen des weiſeſten Koͤniges giebet recht weislich einen wahren Character von einer Hure / wenn ſie ſaget: Die Lippen eines frem - den Weibes trieffen von Ho - nigſeim / und ihr Mund iſt glaͤtter denn Oel; Aber ihr Ende iſt bitterer als Wer - muth / ſchaͤrffer als kein zwey - ſchneidigtes Schwerdt. Jhre Fuͤſſe gehen hinab zu dem To - de: Jhre Gaͤnge erlangen die Hoͤlle.
Obſchon die Maitreſſen einigerKoͤni -Vorrede. Koͤnige in ihren leichtfertigen Intri - guen gluͤcklich geweſen / und groſſes Vermoͤgen fuͤr ſich und ihre Erben uͤberkom̃en / auch unverruͤckt beſeſſen haben; So hat es doch im Gegentheil mit der ſchoͤnen Roſamond, Johan - na Shore und denen meiſten Concu - binen vieler gekroͤnter Haͤupter eben einen ſo ungluͤckſeligen Ausgang ge - wonnen. Es iſt wahr / das ſchoͤne Geſchlecht wird vielmals vom Glan - tze der Ehre und des Purpurs gantz verblendet / da zumal viele verſtellte Liebhaber ihren Maitreſſen mit an - genehmen und lieblichen Worten zu ſchmeicheln / und ſie mit der ſchein - baren Heiligkeit ihrer Perſonen gleichſam zu canoniſiren pflegen; biß dieſe betrogene Heiliginnen ſich zuletzt durch moraliſche Compli - menten / als die allerliederlichſte Weibs-Perſonen / degradiret und verachtet ſehen muͤſſen. Es moͤch -a 4tenVorrede. ten vielleicht einige / ſo dieſe Hiſto - rie durchleſen / ſagen: Der Auctor iſt etwan ſelbſt ein ‒ ‒ ‒ und betro - gener Tropff / der ſeine von einigen unguͤtigen Weibes-Bildern em - pfundene Schmach auf ſolche Wei - ſe zu revangiren / und ſein Muͤth - gen an ihnen zu kuͤhlen geſuchet; Al - lein / ſolche Bezuͤchtigungen ſind ver - ſichert im Superlativo gradu falſch: Denn / ob ich wohl eine unſterbliche Antipathie wider Huren und ihr ſchaͤndliches Bezeigen habe; ſo darff mich doch niemand fuͤr einen ſolchen Satyricum und ſtachlichten Hechel - macher anſehen / der ſeine Galle wider das gantze weibliche Geſchlecht aus - zuſchuͤtten bemuͤhet iſt / weilen ich nuꝛ ſolche / an denen wuͤrcklich nicht viel redliches geweſen / der Welt bekañt gemacht. Nebſt dieſem abgelegten aufrichtigen Bekaͤñtniſſe kan ich den geneigten Leſer verſichern / daß eineHureVorrede. Hure die Land-Straſſe und der ge - rade Weg zum Teuffel iſt: Derjeni - ge / ſo ſie anſiehet / ihr zu begehren / tritt dieſe Reiſe an: Der / welcher ſtehen bleibt / und mit ihr redet / ſe - tzet ſolche fort: Und wer ſich mit ihr vermiſchet / eylet mit ſeinem Lauff zum Ende. Jhr Leib iſt nichts an - ders / als die auf die Neige geſetzten Hefen der Wolluſt / ſo mit ein wenig Schmincke / ihnen eine Farbe zu ge - ben / angeſtrichen ſind; zuletzt aber ſchmecken ſie ſchaal / und fallen dem Gaumen hoͤchſt unangenehm. Jhr Handel iſt allem andern gerade ent - gegen geſtellet: Denn ſie treibt das Handwerck ohne Credit, und ie hoͤ - her ſie es in Schwanck bringet / de - ſto eher pfleget ſie zu banqueroti - ren. Das Geld / ſo ſie erwirbt / iſt gleich eines Verraͤthers / welches ihr zu ihrem ſelbſt eigenen Verder - ben gegeben wird; Und was ſie ge -a 5win -Vorrede. winnet / dienet weiter zu nichts / als den Artzt wegen Kranckheiten zu be - friedigen. Sie lieget ſtets mit der Suͤnde vor Ancker / findet immer zu etwas an ſich auszuflicken / und iſt uͤberhaupt des Chirurgi allerbeſter Kund-Mann. Schaam und Buſ - ſe ſind ihr zween Fremdlinge / und werden nur in einem Hoſpital mit ihr bekannt. Sie fuͤhret ein gottloß Leben / wie Cain, biß ſie gebrannt - maalet wird; und fliehet das Ange - ſicht der Gerechtigkeit / gleich einem Ubelthaͤter. Jhre Augen verglei - chen ſich denen Frey-Beuthern / ſo vom Rauben und Pluͤndern leben. Sie koͤrnet diejenigen / derer ſie theil - hafftig zu werden wuͤnſchet / mit tauſend unanſtaͤndigen Geberden und Reitzungen an: Bey Tage mer - cket ſie auf die Rede; aber im Fin - ſtern verſtehet ſie die Zeichen am be - ſten; Kurtz: Sie iſt bey des der KochundVorrede. und die Speiſe / indem ſie ſich bey Tage zurichtet / damit ſie des Nachts mit deſto beſſerm Appetit genoſſen werden moͤge. Benebſt gleichet ihr Neid des Teuffels ſeinem / weil ſie alle ſchoͤnen Weibs-Bilder dasjeni - ge zu ſeyn begehret / was ſie iſt; Und nachdem es unmoͤglich faͤllt / ſie alſo / ich meyne / alt vor der Zeit / zu ma - chen / ſo beſchleuniget ſie ihre eigene Verwelckung durch Kranckheiten.
Jch gebe zu / daß eine Thamar ei - ne Weile mit ihrem Buhler leben kan / ehe ſie alt wird / und ausgedie - net hat; Alsdañ aber muß ſie eine an - dere Profeſſion anfangen; Fragt man mich: Was fuͤr eine? So ſage ich: Sie wird genoͤthiget / eine Kupple - rin abzugeben / da man ſie denn / ſtatt eines Leib-Stuͤckgens / das troſtreiche Lied wird anſtimmen hoͤ - ren: Jhr vergnuͤgten Stunden / wo bleibet eure Luſt? ꝛc. in Wiederho -lungVorrede. lung deſſen ſie ein recht kuͤpffernes Geſichte machen / und mit allen alten Heller-Huren in die Wette heulen wird / die Hitze ihres gifftigen Brandteweins dadurch zu mindern. Nun iſt ihr Fruͤhling verſchwun - den / ihr Sommer voruͤber / ihr Herbſt vergangen / der Winter bricht herein / nun iſt die beſte Zeit vorbey: Die Mahl-Steine an der elffenbeinernen Korn-Muͤhle ſind ausgebrochen / der Thurn auf Li - banon / ich meyne ihre Naſe / (wenn ſie eine hat /) ſuchet mit dem Thurn Davids / will ſagen / dem Halſe und ihrem Kinne / gar genaue Freund - und Nachbarſchafft zu machen.
Aber / zum Schluſſe zu eylen / ſo iſt mein Abſehen / bey Beſchreibung dieſer Hiſtorie / (wie ich ſchon beruͤh - ret /) eintzig dieſes / den groſſen Un - terſcheid zwiſchen einer keuſchen Su - ſanna und einer liederlichen DelilazuVorrede. zu zeigen: Denn Hurerey iſt ein vor GOTT und civiliſirten Menſchen ſo verhaſſetes Laſter / daß / mit was fuͤr Nahmen man es auch zu beſchoͤ - nen ſtrebet / es doch allezeit mit ei - nem fatalen Ausgange begleitet worden; Und Keuſchheit und Flei - ſches-Luſt ſind ſolche abgeſagte Fein - de / daß ſie ſich nimmermehr mit ein - ander vertragen koͤnnen / ſondern die eine wird ſich allezeit als eine hell - blitzende Tugend / die andere aber als ein beſtialiſches Laſter / das ab - ſcheulicher / als die Hoͤlle ſelbſten iſt / vor Augen ſtellen. Wahre Liebe iſt die Empfindung und Correſpon - denz, ſo unſere Seele vom unſchul - digen Verlangen zu keuſchen Um - armen / auf eine ſittſame Art / bewe - get; Aber unkeuſche Brunſt iſt des Teuffels Rauch-Faß / welches uns Anfangs mit unrechtmaͤßigen Flam - men anſtecket / und ehe wir es unsver -Vorrede. verſehen / uͤber alle geheiligte Graͤn - tzen der Erbarkeit / Gerechtigkeit und Gottesfurcht / um des ſchnoͤden Ge - nuſſes eines augenblicklichen Ver - gnuͤgens willen / mit Gewalt hinuͤ - ber ſtoͤſſet.
So will ich demnach nichts mehr ſagen / ſondern einig hoffen / die ſchoͤ - ne Vorſtellung des Ehe-Standes werde die Nachahmung der Keuſch - heit viel eher an ſich ziehen / als das abſcheuliche Ungeheuer der Wolluſt iemanden zu Begehung einer Suͤnde verleiten / welche letztere die Kennzei - chen ihrer eigenen Straffe an denen unflaͤtigen Ubertretern nur allzuofft hinteꝛlaͤſſet; Jndem ſie nehmlich nicht nur in dieſer Welt ſo Mañs-als Wei - bes-Perſonen Schande und Spott uͤber den Hals ziehet; ſondern auch hernachmals dergleichen beſudelte Seelen noch weit / weit mehr un - gluͤckſelig und miſerable machet.
DerDJeſe Dame war die Tochter des Lords Clifford, und gleichwie man aus ihren Seraphiniſchen Diſcour - ſen und ſinnreichen Schertzen leicht - lich abnehmen kan, daß ſie nicht in der Schule des Platonis aufferzogen worden; alſo kunnte ſie gewißlich kein Cherubim ſeyn, angeſehen es Fleiſch und Blut war, ſo ſie bey aller Welt lie - bens - und anbethenswuͤrdig machte. Sie war das eintzige Kind wohlbeſagten Pairs, und unter ihren unzaͤhlichen Verehrern befande ſich keine ge -Aringere2Die ſchoͤne Roſamondringere Perſon, als Se. Maj. Koͤnig Heinrich der Andere, deſſen Hertz durch ihre auſſerordentliche Schoͤnheit, welcher ihr ſubtiler Verſtand nichts nachgab, dergeſtalt gefeſſelt ward, daß ihn nichts von ihrer Converſation abzuziehen vermochte. Kein Divertiſſement kunte ſeine Gedancken von der tieffſinnigen Reflexion uͤber ihr char - mantes Weſen befreyen, ja, er war nicht faͤhig ſeiner Ketten loß zu werden, biß die ſchoͤne Roſa - mond ihrem Koͤniglichen Liebhaber einige Hoff - nung von der Ubereinſtimmung ihrer Sympathie mit ſeiner Leidenſchafft, gemachet hatte. Ehe aber noch die ſehnlichen Wuͤnſche dieſes Monar - chen durch den gluͤckſeligen Genuß dieſer Dame in denen Armen der Liebe vollzogen wurden; em - pfand er in ihrer Abweſenheit das Ungemach, die Verdruͤßlichkeiten, ſo auch der gluͤckſeligſte Liebha - ber auszuſtehen hat, nebſt denen capricieuſen Humeurs derer Damen, ihre Jalouſie und Kaltſinnigkeit, auffs zaͤrtlichſre, und uͤberlegete es in ſeinen Gedancken; bedachte auch bey ſich ſelbſt, was maſſen die ungluͤckſeligen Stunden die gluͤck - ſeligen weit uͤberwaͤgen, ſagte demnach oͤffters zu ſich ſelbſten: Daß, daferne die Menſchen, wenn ſie anfangen zu lieben, die Wider - waͤrtigkeiten und andere Unluſt wuͤſten, welche unzertrennliche Gefehrten derer Liebes-Haͤndel waͤren, ſie ſolche aͤrgerals3Koͤnig Henricus II. als den Todt ſelbſten ſcheuen wuͤrden: Deſſen ungeachtet, fieng er bald wieder an, muß ich lieben, maſſen die Liebe machet, daß ein Menſch allem Ungluͤck Trotz bie - tet, und ihm edle und großmuͤthige Ge - dancken einfloͤſſet, welche eine Emulation in ihm erwecken, und ſein Hertz alle Schwierigkeiten uͤberwuͤnden laſſen. Und es iſt gewiß, der Koͤnig hatte nicht wenig Mit - Buhler, ſie muſten ſich aber iederzeit beſcheiden, ihm die Ehre des Vorzugs in denen Neigungen der un - vergleichlichen Roſamonda zu geben, welche von Natur keine ſchlechte Anmuth beſaß, und eine Da - me von ungemeiner Lebhafftigkeit war, ſo einen Liebhaber ſo leicht nicht indifferent, vielweniger ihrer uͤberdruͤßig werden lieſſe. Dieſer Koͤnig war ein genauer Kenner ihrer Meriten und bezaubern - den Weſens, iemehr er demnach an ſie gedachte, deſto mehr muſte er ſich, ſie zu lieben, entſchlieſſen. Weil aber die alte Madame Clifford einiger - maſſen jaloux war, daß Heinricus und ihre Tochter einen Liebes-Vertrag mit einander geſchloſ - ſen hatten, kam ſie nicht ſo offt nach Hofe als ſie ſon - ſten pflegte, ſondern reiſete aufs Land, allwo Roſa - monda des Anſchauens ihres Koͤnigl. Amanten beraubet leben muſte, dem ſie auf ſeine von ſich gege - bene Promeſſen, Cron und Scepter vor ihre Fuͤſſe zu legen, einige Verſicherung ihres Reſpects undA 2Hoch -4Die ſchoͤne RoſamondHochachtung vor ſeine Perſon, gethan hatte. Sie ſprach ihn oͤffters durch die Zunge der Abweſenheit, ich will ſagen, durch heimliche Liebes-Briefe, welche Se. Maj. hoͤher, als ſein Koͤnigreich ſchaͤtzte, im - maſſen ſie ſo wohl ſchriebe, als redete; und in die - ſem kunte es ihr damahls keine andere ihres Ge - ſchlechts gleich-geſchweige zuvor thun.
Jhre Leibes-Geſtalt betreffend, hatte ſie zwey hell - blitzende Stirn-Saphieren, will ſagen, ſchoͤne groſſe Himmel-blaue Augen, die dergeſtalt mit Glantz an - gefuͤllet waren, daß man ſolche, ohne Gefahr in Brand geſtecket zu werden, nicht wohl vertragen kunte: Die Zaͤhne waren ſo weiß, als Perlen: Der geballte Schnee der Bruͤſte und die gantze Leibes - Geſtalt war mit einer Incarnat-Farbe auf eine uͤberaus annehmliche Weiße untermenget: Die Statur ſchmahl und ſchlang, der gantze Leib wohl geſetzet und auf das netteſte gebildet. Auf der an - dern Seite war der Koͤnig auch nicht haͤßlich, ſon - dern ſchoͤn, belebt und jung; und was ihm ſonſten noch bey der unvergleichlichen Roſamond ange - nehm und liebenswuͤrdig machte, war eine ſonder - bahre Air de Qualité, und ſeine Mine, die was recht galantes mit ſich fuͤhrte. Ob er nun wohl einen glorieuſen Sieg uͤber das zarte Hertz dieſes jungen Frauenzimmers erhalten hatte; ſo bliebe doch die Mutter deßwegen ſo eyferſuͤchtig als Juno uͤber der lo, und verharrete noch beſtaͤndig auffmLande;5und Koͤnig Henricus II. Lande; zu der groͤſten Beunruhigung des Uberwin - ders, der in ſeinen Progreſſen eher nicht triumphi - ren kunte, biß er die Gluͤckſeligkeit, nach der er unauf - hoͤrlich ſeuffzete, in ſeinem Armen hielte: Und als er im Begriff war, alle Gottheiten der Liebe anzuruf - fen, daß ſie ihm in ſeiner Liebes-Noth befoͤrderlich ſeyn moͤchten, empfieng er dieſen Brieff von ihr.
Ew. Majeſt. erlauben, daß ich mich er - kuͤhnen darff, ihnen bekannt zu machen, wasmaſſen dero unſchaͤtzbare Neigung, ſo ſie vor meine Wenigkeit hegen, mir un - gemeine Zufriedenheit verurſachet; der - geſtalt, daß mich meine Sehnſucht nie - mahls ohne Schmertzen an dero Entfer - nung gedencken laͤſſet: Und ich wuͤrde mir es ſelbſten nimmermehr verzeihen, daferne ich fahrlaͤßig ſeyn ſollte, ein be - quemes Mittel auszuſinden, welches Morgen auf den Abend an dero Hof, mich Ew. Maj. in die Arme liefferte.
Dieſes war eine hoͤchſt-erfreuliche Poſt fuͤr den Koͤnig, der den Brieff zu tauſendmahlen kuͤſ - ſete, und alsdann in ſein Cabinet der auſſerle - ſenſten Raritaͤten verſchloſſe. Um beſtimmte Zeit langete die ſchoͤne Roſamond incognito bey Hof an; allwo ſie ingeheim vor Se. Majeſt. ge - bracht ward; Er prieſe die Stunde, welche er vor weit gluͤckſeliger als alle vorigen Tage ſeines gantzenA 3Le -6Die ſchoͤne RoſamondLebens ſchaͤtzete: Und nach vielen feuerreichen Kuͤſ - ſen und vergnuͤgten Umarmungen, begaben ſie ſich zur Ruhe-Statt der Geliebten, verſtehe, das Bette, die bißherige ohnmaͤchtige Unluſt mit einer vollkom - menen Uberſchwemmung der Vergnuͤglichkeit zu verwechſeln, da denn die vigoreuſe Hitze des jun - gen Fuͤrſten, der im letzten Zuͤgen liegenden Jungfer - ſchafft folgends das Licht ausblieſe. Als aber das Geruͤchte dieſe neue Maͤhre von ihrer Vertraulich - keit, der Koͤnigin Elianor in die Ohren wehete, ent - brannte ihr Hertz mit unausloͤſchlicher Eyfer-Gluth wider Roſamonda, die vollkommenſte Schoͤn - heit, welche in nicht geringerer Herrlichkeit, als ob ſie die Koͤnigin ſelbſten geweſen, erſchiene. Den Zorn ſeiner rechtmaͤßigen Gemahlin demnach zu beſaͤnff - tigen, ſandte er ſeine geliebte Roſamonda nach ei - nen von ſeinen Pallaͤſten auf dem Lande, welcher zu ihrer Empfahung aufs herrlichſte verſehen war. Nichts deſtoweniger verwahrete er ihr Portrait in ſeinem Schlaff-Gemach; Deſſen Erblickung E - lianor eben ſo ſehr entruͤſtete, als die unvergleichli - che Schoͤnheit, ſo es vorſtellte, ſeine Wunden ihrer Abweſenheit halber von neuem bluten machete. Jn - dem Roſamonda alſo auf dem Lande in ihrer Einſamkeit war, erkuͤhnete ſich ein Edelmann, der einer von ihren alten Liebhabern geweſen, ihr eine Viſite zu geben, erlangte auch, wiewohl mit groſſer Schwierigkeit, Erlaubniß, vor ihr Angeſicht gelaſ -ſen7und Koͤnig Henricus II. ſen zu werden. Er hatte ſie nicht ſo bald erblicket, als er in eine ſo tieffe Ohnmacht fiele, daß ſie darfuͤr hielte, er werde ewig nicht wieder zu ſich ſelbſten kom̃en. Da ſie nun uͤber einen ſo unverſehenen Zufall entſetzlich erſchrocken war, fienge ſie an um Huͤlffe zu ſchreyen, worauff er flehentlich bathe, ſie moͤchte ihm nur etliche wenige Augenblicke Audientz ver - ſtatten. Und als ſie hierauf neben ihn Platz nahm, ſahe er ſie eine geraume Zeit mit ſtarren Augen an, ehe er faͤhig war, Worte zu finden, die Hefftigkeit ſeiner Leidenſchafft fuͤglich auszudrucken.
Die Zaͤuberin ſchriebe ſein Schweigen ſeiner Schwachheit zu, denn weil ſie wuſte, daß er ein Menſch von groſſem Verſtand war, und ſonſten ſei - ne Gedancken ſo gut, als iemand in der Welt, zu Marckte bringen kunnte, ſo urtheilete ſie, daß in Be - trachtung deſſen ſonſt nichts ſeine Zunge zu laͤhmen und ihn in einen ſolchen verwirrten Zuſtand zu ſe - tzen faͤhig ſeyn koͤnnte. Alleine Hochachtung und Furcht ſind die unzertrennlichen Gefehrten der Liebe; und dieſe zweye ſind zulaͤnglich den kuͤhnſten Men - ſchen auf dem gantzen Erdboden zur feigeſten Mem - me zu machen. Als er endlich von Schmertz und Verdruß uͤberwaͤltiget ward, ſprach er: Jſt es moͤglich, Madame, daß, weil ich verdam - met bin, auf ewig ungluͤckſeelig zu ſeyn, ich dennoch fortfahren muß, ſie, ohne die geringſte Hoffnung, zu verehren? Da ichA 4ſie8Die ſchoͤne Roſamondſie das erſtemahl anſichtig wurde, ſchlug der Blitz von dero Augen ſolcheꝛgeſtalt in mein Hertz ein, daß es gleichſam in tau - ſend Stuͤcke zerſchmettert ſchiene. Aber ach! was vor Urſache ſahe ich, ihnen mit einer ſo gewaltſamen Leidenſchafft be - ſchwerlich zu fallen, die meine Quaal faſt unertaͤglich machte?
Gleich wie ſie an Schoͤnheit zunahmen, alſo wuchs meine Liebe an Hefftigkeit: Jch opfferte ihnen tauſend getreue Eyd - ſchwuͤre, wenn ich alleine war; ich ſchickte unzehlich viel Seufftzer zu den Sternen, aber dero Verachtung und Grauſamkeit ſchlug ſolches alles in den Wind. Und ungeachtet der Koͤnig die erſten Blumen von dero Jungferſchafft unrechtmaͤßig abgebrochen und geraubet hat, ſo ritzen ſie dennoch meine Wunden von neuem auf, und o, wie wollte ich froh ſeyn, wenn ſie ſolche heileten, und ſich mir durch keu - ſche Vermaͤhlung zu eigen ergaͤben. Es iſt wahr, Se. Majeſt. geht mir an Ver - moͤgen und Gebuhrt vor, allein er glei - chet mir nicht in der Liebe; denn meine gruͤndet ſich auf einen honetten Zweck, und wird dauern biß in Tod. Die ſchoͤne Roſamonda erwiederte auf eine ergrimmte Art, ſofaͤhig9und Koͤnig Henricus II. faͤhig war, ihn in Staub zu zermalmen: Wiſſet mein Herr, daß ich zornig auf mich ſelb - ſten bin, weil ich die Gedult gehabt, euch ſo lange reden zu laſſen; Nachdem mich aber die Seltſamkeit eures Anbringens in Erſtaunen geſetzet, bin ich gleichſam gaͤntzlich daruͤber verſtummet. Aber ich verlaſſe euch, und gebiethe euch ernſtlich, auf ewig kein Wort wieder mit mir zu reden! Mit dieſen Donner-Worten, ſo von einem grimmigen Augen-Blitz begleitet wurden, flohe ſie eiligſt zum Zimmer hinaus, und hinterließ ihn un - ter den allergrauſamſten Martern, die ihm Zeit Le - bens betroffen hatten. Er ſtuͤrmete und raſſete, und fluchete, biß ihn ſeine Wuth endlich verleitete, daß er gewaltſame Haͤnde an ſich ſelbſten legte, und ſich ſeinen Degen durch das Hertz rennete. O er - ſchreckliche Wuͤrckungen der Liebe! Dieſe Leiden - ſchafft herrſchet mit einer ſo unuͤberwindlichen Macht uͤber unſere Hertzen, daß uns nichts, als ſie ſelbſten, uͤbrig gelaſſen iſt, ſolche zu beſiegen: Und wir ſehen, wie die tapfferſten Helden ihre Schwach - heit in dieſer Gemuͤths-Neigung, nicht weniger, als der geringſte Bauersmann, bloß geben.
Hierauf ſtattete die Koͤnigin eine Viſite bey ihr ab, welche zu ihrer Kammer hinein getreten kam, als ſie eben im Begriff war zu Bette zu gehen: Sie hatte einen entbloͤßten Dolch in der Hand, desA 5Vor -10Die ſchoͤne RoſamondVorſatzes, ſie darmit zu durchbohren; aber ſie ent - wiſchte dem ungluͤckſeeligen Stoß durch ſchnelle Flucht, indem ſie ihrer Wuth mit nichts, als ei - nem Schlaff-Rock bedecket, in Pantoffeln und oh - ne Struͤmpffe, entflohe. Jn dieſem Zierrath ritte ſie hinter einem Cavalier gerade auf des Koͤnigs Pallaſt nach Weſtminſter zu, allwo ſie ſich mit groſſer Beſtuͤrtzung in ſein Zimmer begab. Als Se. Majeſt. uͤber den Gepolter und Lermen erwach - te, oͤffnete er die Courtinen. Niemahls war ein Mann mehr erſchrocken, als er, da er die ſchoͤne Ro - ſamonda faſt gantz nackend, und zu dieſer unge - woͤhnlichen Zeit der Nacht, indem es ſchon um 12. Uhr war, und er nicht anders vermeynte, ſie ſey auf dem Lande, in ſein Schlaff-Gemach kommen ſa - he; Er gerieth auf die Gedancken, ſie waͤre todt, und kaͤme, ihm noch etwas zu entdecken. Daferne un - ſere Seelen, ſagte er zu ſich ſelbſten, nach der Abſonderung von unſern Leibern eine vollkom̃ene Erkaͤnntniß aller Dinge be - ſitzen, ſo hat ſie das innerſte meines Her - tzens ergruͤndet, welches uͤber alle Weibs - Bilder auf deꝛ gantzen Welt ſie alleine auf ewig verehret; Sie koͤmmet demnach, de - nen unausloͤſchlichẽ Buchſtaben, wormit ſie ihren Nahmen und Bildniß ſelbſten in daſſelbe eingegraben hat, nach zuſpuͤhren, und erwehlet mich noch vor allen andern,die11und Koͤnig Henricus II. die ſie lieben, als einen, der ihr am meiſten ergeben iſt. Aber nebſt dem, daß er eben nicht gar zu viel von Geiſtern glaubte, kunnte er nicht be - greiffen, wie Roſamonda ſo annehmlich nach ih - rem Ableben erſcheinen koͤnnte; Er betrachtete die Heiterkeit ihrer holdſeligen Augen, den Glantz ih - res Antlitzes und gantzen Leibes, ihre ſchoͤnen Haa - re, darvon etliche Locken unter ihrem Nachtzeug her - unter hiengen: Er ſahe ihre Majeſtaͤtiſche Geſtalt, und hoͤrte ihre ordentliche Stimme, welche ſeine Ohren und ſein Hertz auf einmahl beruͤhrte; Alles dieſes waren ſo lebhaffte Umſtaͤnde, die bey einer entſeelten Perſon keinen Platz fanden. Dem un - geachtet blieb er im Erſtaunen, biß ſie geflohen kam und ſich in ſeine Arme warff; da ſie ihm dann die groſſe Gefahr, der ſie ſich entriſſen, erzehlete, und er ſie, dem Mißvergnuͤgen ſeiner Gemahlin zum Trotz, in ſeinen Schutz auffnahm.
Es wurde ihr ein Wohn-Platz an dem Weſtli - chen Ende der St. Jacobs-Park eingeraͤumet, ſo neben den kleinen Canal, den man den Roſa - monds-Teich nennete, gebauet war, weil ſie ſich des Abends gemeiniglich daherum zu erluſtiren pfle - gete; Es iſt aber wegen Laͤnge der Zeit anietzo kein Merckmahl mehr von dieſer Roſamondiſchen Reſidentz daſelbſt zu ſehen. Nachgehends gab er ihr den Pallaſt zu Woodſtock in Oxford - shire ein, ſo von Koͤnig Henrico dem Erſtenauff -12Die ſchoͤne Roſamondauffgefuͤhret worden, den dieſer Koͤnig, Henri - cus der Andere, mit einem Jrrgarten umgab, der mancherley irrſame Gaͤnge und Wendungen, ruͤck - werts und vorwerts, hatte. An dieſem Orte hielte ſich die ſchoͤne Roſamonda auf, weil Se. Maje - ſtaͤt denen Kriegen in Franckreich beywohnete; da denn die Koͤnigin Elianor ſich voller Zorn und Eyf - ferſucht nach der Sommer-Laube zu Woodſtock verfuͤgte, und daſelbſt ihres Herrn, des Koͤnigs Mai - treſſe, vermittelſt eines Kneuls mit Zwirn oder Seide, welches die ungluͤckſeelige Schoͤne ohnge - fehr hatte fallen laſſen, antraff, und ſie noͤthigte, daß ſie Gifft trincken muſte, worvon ſie den Geiſt aufgab, zum unausſprechlichen Hertzeleid des Koͤ - nigs, der ſeine Gemahlin hernachmals auf ewig verſtieſſe; deren Grauſamkeit, und Roſamon - dens trauriges Ende, uͤberaus wohl in folgenden Zeilen ausgedrucket iſt, welche der ſinnreiche Herr Addiſon entworffen, und in dem andern Actu ſeiner Opera, ſo er auf dieſe ungluͤckſeelige Dame gemacht hat, zu finden iſt: allwo Er die Elianor mit einem Becher in der einen Hand, und einem Dolch in der andern, herein treten und folgen - dermaſſen reden laͤſſet:
Koͤnigin.Bereite dich in einer Fluth Zu waͤltzen, von geſtroͤhmten Blut!
(Einen Dolch darbiethend:)Roſam.O ſpart mein Blut, Und ſeyd ſo gut,Daß13und Koͤnig Henricus II. Daß dieſer Becher mir den Tod an - thut!
(Nimmt den Becher in ihre Hand.)Koͤnigin.O Jammer! wie ſchwim̃t meine Seel, Jn Wehmuths-Oel!
(Seitwerts.)Roſam.Jch werffe mich zu Dero Fuͤſſen, Ach laß mich doch Genad genieſſen!
(Faͤllet auf ihre Knie.)Nimm, groſſe Koͤnigin, gleich dem erzuͤrn - ten Himmel, Die Seel in Gnaden an, ſo um Vergebung fleht. Daß, wenn du auch einmal aus dieſem Welt-Getuͤmmel Abſcheideſt, und dein Mund den letzten Othem weht, Du Gnade hoffen kanſt; wenn von des Todes Grauß Dir an dem gantzen Leib der kalte Schweiß bricht aus. Wenn, ſag ich, du alsdenn auch wilſt Ge - nad erlangen, So laß die Deinige doch ietzo mich um - fangen.
Koͤnigin.Erbarmung folget zwar auf ein gering Verbrechen; Allein das Dein’ge ſoll Gifft, Stahl und Feuer raͤchen.
(Reicht ihr den Dolch.)Roſam.Alſo will ich lieber mich dem fatalen Stoß entziehen.
(Sie trincket.)Aber14Die ſchoͤne RoſamondAber wohin, ach! wohin, liebſter Himmel ſoll ich fliehen?
KoͤniginWo du die vergangne Zeit Buͤſſen kanſt durch Reu und Leid, Und mit ſtetem Klagen ſagen: O haͤtt ich die Sũnd geſcheut!
Roſam.Tyrannin verdopple die grimmigen Streiche, Und faͤlle die ſchon halb-gebrochene Eiche! Doch brennet mein Hertze von raſender Wuth, Weil dich nichts verſoͤhnet, als ſter - bendes Blut. Denck aber nicht, du Quelle meiner Pein[!]Daß Roſamond wird ungerochen ſeyn. Zu Mitternacht, Wenn niemand wacht, Sollen dich Geſpenſter plagen, Und die aͤrgſten Traͤume nagen. Und wenn ſich die finſteren Schatten entziehn, Wird dir doch mein HEJNRJCH als Raͤcher nachfliehn. Doch, worzu leitet mich nicht meine Ra - ſerey! Verzeih, o Koͤnigin, verſchon, vergib, verzeih! Siehe, wie das kalte Blut ſtille ſteht, Und der muͤde Lebens-Quell ſchon ver - geht! Der15und Koͤnig Henricus II. Der Todes-Schlaff benimmt mir Au - gen und Gehoͤr; Es ſincken die Glieder Jn Ohnmacht darnieder, Und der erblaßte Mund ſpricht halb: Jch bin nicht mehr.
(Faͤllet auf ein Kiſſen.)
Die natuͤrlichen Soͤhne, ſo Heinrich der Ande - re mit ihr erzielet, waren William, zugenahmt der Lang-Sporn, und Jeffrey, Ertz-Biſchoff von York. Sie wurde erſtlich im Kloſter zu God - ſtow mitten im Chor, auf einer ſeidenen Tod - ten-Bahr, um und um mit Kertzen umſtecket, bey - geſetzet; und der Koͤnig ließ ihr ein ſtattliches Mo - nument oder Denckmahl mit dieſem Epitaphio aufrichten:
Hic jacet in tumba Roſa mundi, non Roſa munda; Non redolet, ſed olet, quæ redolere ſolet. Auf teutſch: Hier lieget Roſamond mit ihrem Roſen - Mund; Sie ſtinckt, und riechet nicht nach Roſen, wie geſund.
Weil aber Hugh, Biſchoff von Lincoln, ihre Reliquien vor kein geſchicktes Object fuͤr ſolche heilige Jungfrauen anſahe, ließ er ſolche auf den Kirch-Hof legen. Nichts deſto weniger gefieldieſen16Die Koͤnigin Jſabeldieſen keuſchen Schweſtern das Andencken von dieſer holdſeeligen Dame ſo wohl, daß ſie ihre Ge - beine wiederum in ihre Capelle verſetzeten.
DJe Koͤnigin Jſabel, Philippi des ſchoͤnen Koͤnigs von Franckreich Tochter, war die Gemahlin Koͤnigs Edward des Andern in England, mit welchem ſie zween Printzen und zwo Printzeßinnen gezeuget hatte, nemlich: Ed - ward von Windſor, Johannem von Eltham, Johannam, ſo dem David Bruce, und Elia - nor, ſo Reynaldo, Hertzog von Guelder vermaͤhlet ward. Und da beſagter David Bru - ce von denen Schotten zu ihrem Koͤnig oder Ge - neralisſimo erwaͤlet worden, fiel Er in England ein, und ſtifftete in Northumber-Land groſſes Unheil an. Koͤnig Edward marchirte ihm zwar entgegen, weil ihm aber bey dieſer Expedi - tion viele von den mißvergnuͤgten Lords, unter dem Vorwand, Er haͤtte ihre Freyheiten und Pri - vilegia zu ratificiren verzoͤgert, den Beyſtand abſchlugen, erlitte er dieſes Fehlers wegen bey Ban - nocksbourn eine groſſe Niederlage. Und da der Koͤnigin, welche ſich zeithero als eine Friedens -Schlichterin17und der Graf Mortimer. Schlichterin zwiſchen dem Koͤnig und ſeinen Baro - nen erwieſen, auf einem von der Baronen ihren Schloͤſſern ein Nacht-Quartier verſaget wurde, empfande ſie dieſen Affront ſo hoch, daß ſie ſtatt bißher geleiſteter Dienſtgefliſſenheit auf ernſtliche Rache bedacht war; und in dieſer Gemuͤths-Ver - faſſung bearbeitete ſie ſich bey dem Koͤnige, diejeni - gen zu ruiniren, welche ſie kurtz vorher zu beſchir - men geſuchet. Weil nun der Koͤnig leicht in Har - niſch gebracht ward, willigte er, ihr zu gefallen, bald mit ſeiner Macht ein: Denen Baronen demnach Verdruß anzuthun, ſprach er das Urtheil wider die Spencers, daß ſie ſeine Freunde und Favoriten geweſen ſeyn ſollten.
Und da ſich einige von denen ſchuldigen Lords vor dem Ungewitter, das uͤber ihrẽ Haͤuptern ſchweb - te, furchten, ſubmittirten ſie ſich vor dem Koͤnig, an - dere, als die zween Roger Mortimer, Vater und Sohn, wurden zu Gefangenen gemacht und in den Tower geleget. Als aber der junge Mortimer ſich der Gefangenſchafft aus einem Fenſter entriſſe, und uͤber den Them̃s-Fluß ſchwamme, flohe er uͤber Meer, und ſchlug ſich zu andern Fluͤchtlingen und verjagten Englaͤndern: Und da nicht lange hernach die Spencers das Koͤnigreich uͤberwaͤltigten, und den Koͤnig wider die Koͤnigin aufhetzeten, fande ſie unter dem Vorwand, ihres Herrn Vaters Hof zu Paris zu beſuchen, Mittel und Gelegenheit, ſich mitBihrem18Die Koͤnigin Iſabel,ihrem Sohn Edward, uͤber das Meer zu begeben, und als der Koͤnig nach ihr ſandte und ſie zuruͤck ruf - fen ließ, ſchlug ſie ſolches ab, biß ſie ſich mit Morti - mer, ihrem wertheſten Favoriten, und andern Lords conjungiret hatte, mit welchen ſie eine anſehnliche Macht aufrichtete, und die Corre - ſpondentz mit denen annoch mißvergnuͤgten Lords in England unterhielte, auch auf eine feind - ſelige Weiſe in England anlaͤndete und auf den Koͤnig loß marchirte, der Anſtalt, ſich ihr zu wi - derſetzen machte, indem ſie viele conſiderable Staͤdte hinweg nahm. Der Koͤnig, welcher die - ſes Verfahrens wegen in groſſe Verwirrung ge - riethe, da ſich zumalen viele von denen Lords nebſt denen Londnern wider ihn auflehneten, hier und da die Gefangenen auf freyen Fuß ſtelleten, und die Verbanneten wieder zuruͤcke berieffen, befande vor gut, zu verhuͤten, daß es zu keiner Schlacht kaͤme. Worauf die Koͤnigin mit ihren Trouppen Briſtol belagerte, es weg nahm, und Spencern, den Aeltern, darinnen gefangen bekam, den ſie, nachdem man ihn durch die Gaſſen geſchleppet, lebendig viertheiln lieſſe; dem Volcke, ſo ihn toͤdtlich haſſete, hierdurch Satisfaction zu geben. Da ſich nun der Koͤnig faſt gaͤntzlich verlaſſen ſahe, nahm er ſeine Zuflucht nach Wales, und hielte ſich daſelbſt eine Weile in Geheim in der Abtey zu Neath auf; wurde aber endlich nebſt dem jungen Spencer entdecket. DerKoͤnig19und der Graf Mortimer. Koͤnig wurde hierauf auf das Schloß zu Kenel - worth gefuͤhret, die Lords aber nach Here - ford, wo die Koͤnigin reſidirte, allwo Spencer mit einem, Reading genannt, durch den damali - gen Ober-Richter, den Lord William Truſ - ſel, zum Tode verdammet und gehangen wurde. Und weil die Confœderirten, nebſt der Koͤnigin Iſabel, den Koͤnig ſolcher Geſtalt ins Gefaͤngniß geleget, und nicht fuͤr ſicher hielten, ihn in Freyheit zu ſetzen, entſchloſſen ſie ſich unter einander, Edward, ſeinen Sohn, einen Printzen von ohngefehr 13. Jah - ren, zum Koͤnig zu machen, ſandten demnach Herrn William Truſſel auf das Schloß, dem Koͤnige ihr Vorhaben bekannt zu machen, welches ihn in eine toͤdtliche Kranckheit verſetzte, von welcher er aber wieder geneſete, und ſein hartes Schickſaal aufs erbaͤrmlichſte beklagte und betrauerte; nachdem aber deſſen ungeachtet Truſſel einmal unterrichtet war, was er thun ſollte, fuhr er fort, dem Koͤnige die Dethroniſirung in folgenden Worten anzukuͤn - digen:
Jch, William Truſſel, als Procurator, kuͤndige Dir, Edward, in dem Nahmen des gantzen Englands und aller Parla - ments-Glieder, die Huldigung auf, ſo Dir vormals abgelegt worden; und entſetze Dich hiermit hinfuͤhro aller Koͤniglichen Gewalt und Anſehens; werde Dir auchB 2mei -20Die Koͤnigin Iſabel,meines Orts ins kuͤnfftige niemals wie - der unterthan ſeyn.
Ob nun wohl Edward der Dritte, kaum von ſo reiffem Alter war, daß er verſtunde und zu unter - ſcheiden vermochte, was die Titul oder Rechte de - rer Cronen und Koͤnigreiche auf ſich haben, ſo em - pfande er nichts deſtoweniger mehr Mitleiden ge - gen ſeinen bedraͤngten Vater, als die Koͤnigin, ſeine Mutter, uͤber ihren Eh-Gemahl: Denn ſo jung als er war, ſo beklagte er doch, wenn er hoͤrte was vor - gegangen, ſein Verhaͤngniß hoͤchlich, und that eine Geluͤbde, die Regierung nimmermehr anzutreten, es muͤſte denn des Koͤnigs freyer Wille ſeyn, den Scepter ungezwungen nieder zu legen; So konnte ihn auch der Adel nicht eher darzu bringen und zwin - gen, biß ſie ihm droheten, die gantze Linie abzuſetzen, und einen Koͤnig vom groſſen Adel aus einem an - dern Geſchlechte zu erwaͤhlen. Auf dieſe Vorſtel - lungen, wurde der junge Koͤnig 8. Tage nach ſeines Hrn. Vaters Reſignation, mit gewoͤhnlichen Ce - remonien, gecroͤnet; Weil aber gleichwohl der alte Koͤnig noch am Leben war, und das Volck Mitlei - den mit ſeiner Gefangenſchafft hatte, hielten ſich die - jenigen, ſo ihn abgeſetzet, keinesweges vor ſicher, in - ſonderheit Mortimer, den man im Verdacht hat - te, daß er ein wenig zu vertraulich mit der Koͤnigin lebete, dahero fiengen ſie von der Zeit an, ſich uͤber ſeinen Tod zu berathſchlagen. Dieſen ins Werckzu21und der Graf Mortimer. zu ſetzen, brachte Mortimer bey dem jungen Koͤnig einen Befehl zuwege, ihn unter dem Prætext der Freundſchafft und Avantage, bey Seite zu ſchaf - fen; Jn der That aber war es zu keinem andern Zweck angeſehen, als daß er ihn in ſolche Haͤnde lieffern moͤchte, von denen er verſichert war, daß ſie ihm den Reſt geben wuͤrden. Hierauf ward er auf das Schloß nach Barkley zugefuͤhret, da ſie ihn denn unter Weges auf einen Maulwurffs-Hauffen niederſetzten, und ihn, zu deſto beſſerer Verſtellung ſeiner Perſon, das Haar abſcheren wollten, weil ſie befuͤrchteten, das Volck, ſo noch einige Liebe fuͤr ihn hegete, duͤrffte ihnen ſolchen entreiſſen; vermelde - ten ihm derohalben auf eine gantz hoͤhniſche und ſpoͤttiſche Weiſe, daß ſie ihn mit dem Waſſer von dem naͤchſten Graben accommodiren wollten; Worauf der bekuͤmmerte Koͤnig antwortete: Daß es warmes Waſſer ſeyn ſollte, ſie moͤchten wollen oder nicht wollen, nach welchen Worten er eine gantze Fluth heiſer Thraͤnen aus ſeinen Augen her - aus goſſe; und als er bey dem Schloß Barkley in Verwahrung Thomæ Gurney und Johannis Matravers, angelanget war, wurde er auf eine hoͤchſt barbariſche und entſetzliche Weiſe von ihnen maſſacriret. Denn, nachdem ſie ihn, mit ſeinem Angeſicht niederwarts, auf ein Bette gebunden hat - ten, ſtieſſen ſie ein holes Horn in ſeinen Hintern, (zu verhuͤten, daß an den aͤuſſerlichen Theilen nichtsB 3ver -22Die Koͤnigin Iſabel,verbrannt oder verſehret werden moͤchte) und durch dieſes dreheten ſie ein Inſtrument von gluͤhen - den Eiſen in ſeine Eingeweide hinein, biß er mit ent - ſetzlicher Pein und Marter, unter erſchrecklichen Schreyen und Weinen, den Geiſt aufgab. Nun hatte der Lord Mortimer und die Koͤnigin ins Schwartze getroffen, ich will ſagen, ihr gottloſes Ziel erreichet: Nun kunten ſie ungeſtoͤhret mit ein - ander verliebt zu Winckel kriechen; Weil ſie aber einiger maſſen eyferſuͤchtig wurde, daß Seine Gnaden mit einer Dame, die weit juͤnger als ſie war, Converſation pfloge, uͤberſandte ſie ihm, ih - re Jalouſie bekannt zu machen, folgenden Brieff:
Jch muß bekennen, wenn ſich Ew. Gnaden bey mir befinden, wiſſen ſie ihre Gedancken auf eine ſo verpflichtete Wei - ſe vorzubringen, daß es ſchwer hergehet, ihnen widerſtehen zu koͤnnen; Alleine es iſt mir hinterbracht worden, als pfleg - ten ſie mit andern Damen auf gleichen Schlag zu reden: Dieſemnach faͤllet es mir unmoͤglich, mit einem getheilten Hertzen vergnuͤget zu ſeyn; Und muß Ew. Gn. mit deutlichen Worten zu verſtehen geben, welcher Geſtalt ich entweder allein, oder gar nicht, ſeyn will
Ew. Gnaden getreuſte Iſabel.
So bald der Graf Mortimer dieſen Brieff laſe, fande er ſich aufs lebendigſte getroffen, und aus Furcht die Koͤnigin zu beleidigen, verfuͤgte er ſich alsbald in ihr Zimmer, allwo er ſich zu ihren Fuͤſ - ſen warff und ihre Knie zugleich umarmete, mit dieſen verbuͤndlichen Worten: Jch bitte de - muͤthigſt, Madame, Sie verſchmaͤhen nicht denjenigen, ſo der zaͤrtlichſte und getreuſte Liebhaber von der Welt iſt! Warlich ich muͤſte vor Schmertzen ſter - ben, daferne mir ſelbſten einen ſolchen Schand-Flecken angehaͤnget und mich unterfangen haͤtte, Ew. Maj. auf einen ſo kurtzen Augenblick zu lieben. Die Da - me, uͤber welche Sie eyferſuͤchtig ſind, hat nicht die geringſte Prætenſion an meinem Hertzen, Sie haben ſolches allein im Beſitz, und es erkennet keine vor ſeine Gebietherin, als Ew. Maj.
Obwohl dieſe Worte einen ſo tieffen Eindruck in ihrem Hertzen hatten, daß ſie ſich kaum verſtel - len kunte, ihre Liebe gegen ihn zu bezeugen, ſo er - wiederte ſie dennoch, ſeine Beſtaͤndigkeit ferner auf die Probe zu ſtellen, auf eine gantz veraͤchtliche und mit Kaltſinnigkeit vermiſchte Art: Jch wollte, ihr glaubtet mir, daß ich euch haſſe, mein eintziges Wuͤnſchen iſt, daß ihr alle Mit - tel erſinnen moͤchtet, ſo eure Gering -B 4ſchaͤ -24Die Koͤnigin Iſabel,ſchaͤtzigkeit gegen mich erwecken koͤnnte: Denn ich ziehe eure Verachtung eurer Tendreſſe, und dem Ungluͤck, euch zu ge - fallen, vor, ſeit dem ich verſichert bin, daß ihr falſch ſeyd. Als er ihr aber die Verſiche - rung gab, ſagende: Dieſe durchdringende Worte, Madame, wuͤrden mir gewißlich den augenblicklichen Tod verurſachen, daferne ich nicht noch weit haͤrteren Wi - derwaͤrtigkeiten vorbehalten ſchiene; Und ehe von Dero Gegenwart ſcheide, geruhen Sie gnaͤdigſt, mich die Erklaͤ - rung thun zu laſſen, daß ich zum Lieben gebohren bin, und mein Hertz allein an Ew. Maj. hanget, auch feſt entſchloſſen iſt, ewig keiner andern einigen Platz darinnen zu verſtatten. Sie kunte ſich nicht laͤnger bergen, ihre verſtellte Kaltſinnigkeit in eine verwundete Gewogenheit und Vertraulichkeit ge - gen ihn, die von der Zeit an immer mehr und mehr anwuchs, zu verwandeln. Als aber dieſe Ver - liebten mercketen, was maſſen Edmund, Graf von Kent, des Koͤnigs Vetter, hinter ihre Schli - che kame, ſuchten ſie Mittel, ihn aus dem Wege zu raͤumen; welches dem jungen Koͤnige die Augen, nebſt dem Geruͤchte, als ob ſeine Frau Mutter von Mortimer ſchwanger gienge, dergeſtalt oͤffnete, daß er ſich ſelbſten nicht ſicher hielte, biß er dieſenhoch -25und der Graf Mortimer. hochmuͤthigen Mann gedaͤmpffet haͤtte. Und ſolches deſto beſſer ins Werck zu richten, unternahm er ſich einer kuͤhnen Entrepriſe: Denn, weil er vermu - thete, er werde mit der Koͤnigin auf dem Schloſſe zu Nottingham ſeyn, gieng er in Begleitung etlicher weniger von ſeinen vertrauteſten Freunden zur Nacht-Zeit, ungeachtet es mit ſtarcken Wachten verſehen, hinein, und da er durch einen verborgenen Weg, nemlich ein Gewoͤlbe unter der Erden, ploͤtz - lich in ſeiner Mutter Kammer eintrate, fande er Mortimer gleich abgekleidet, und im Begriff, mit ihr zu Bette zu gehen; worauf er ihn greiffen und gefangen hinweg fuͤhren lieſſe; und nachdem man ihn im Parlament verhoͤret hatte, wurde er zu Weſtminſter, verſchiedener Articul wegen, zum Tode verurtheilt, welche darinnen beſtunden: Weil er den Koͤnig verleitet, einen disreputirli - chen Frieden mit denen Schotten zu machen, und groſſe Geſchencke auf deſſen Befoͤrderung gewen - det; Weil er den Tod Koͤnigs Eduardi des An - dern beſchleuniget, und ſich mit der Koͤnigin Iſabel ſo familiair gemachet; Weil er das Volck mit unrechtmaͤßigen Auflagen gedrucket, und endlich des Koͤnigs Schatz-Kammer erſchoͤpffet haͤtte. Und da aus dieſen und dergleichen Urſachen das Urtheil eines Verraͤthers uͤber ihn gefaͤllet ward, fuͤhrte man ihn nach Tybourn, wo er gehangen, und ſein Leichnam zwey Tage und Naͤchte am GalgenB 5ge -26Johanna, Comteſſe von Salisbury,gelaſſen wurde; Es muſten auch Sir Simon de Bedford und Johannes Devenel Ritter, als Mit-Arbeiter an des Koͤnigs Edward des Andern Tod, auf gleiche Weiſe mit ihm ſterben. Der Koͤni - gin aber wurde ihre Einkunfft abgeſchnitten, welche Schmach, nebſt dem Verluſt ihres Favoriten, ihr kurtz darauf das Hertze brach, und die Worte des klugen Poeten wahr machte:
Nach verbothnen Liebes-KertzenLeiden eure geilen Hertzen,Auf das Schertzen,Groſſe Schmertzen.
Obſchon Koͤnig Edward der Dritte die meiſte Zeit von ſeiner Regierung in denen Kriegen, ſowohl wider Schottland, als Franckreich zubrachte, und ſo gluͤcklich darinnen war, daß er den Koͤnig von Schottland und den Koͤnig von Franckreich auf einmal zu Gefangenen in England hatte; ſo ſuchte er gleichwohl mit der Honig-ſuͤſſen Liebe ſich bißweilen einige Abwechſe - lung zu machen, und, gleich dem Marti, der Venerizu27und Koͤnig Edward III. zu Zeiten ein Opffer zu bringen. Zufoͤrderſt war er in ſeinem Lieben etwas unbeſtaͤndig, wie aus den Worten, die er ſich gegen einige, ſo um ihn herum ſtunden, vernehmen ließ, abzunehmen: Jch finde, ſagte er, allezeit einerley Diſpoſition in mei - nem Hertzen, ich liebe nur den Wechſel, heute nimmet eine blonde Dame, morgen eine Brunette mein Gemuͤthe gefangen, alſo haͤlt mich eine um die andere in ih - ren Armen verſtricket. Nachdem er aber endlich von Johanna, einer Comteſſe von Sa - lisbury, ſo gantz extraordinaire Schoͤnheit beſaß, entzuͤndet wurde, bemuͤhte er ſich, Addres - ſe bey ihr zu ſuchen; Dieweil ſie aber ſein unbe - ſtaͤndiges Temperament kannte, gab ſie ihm gar ſchlechte Hoffnung, in ſeinem Lieben gluͤcklich zu ſeyn, welches ihm keine geringe Unruhe und Quaal verurſachete. Nichts deſtoweniger ſeuff - tzete er unablaͤßlich nach ihrer Converſation, und pflegte oͤffters zu denenjenigen, ſo um ſeine ge - heimen Liebes-Affairen wuſten, zu ſagen: (mit was vor Grund aber, weiß ich nicht;) Es iſt ein groſſer Streit zwiſchen der Tugend, Vernunfft und denen Neigungen ihres Hertzens, welches meine Parthey haͤlt, und mich, ihr ſelbſten zum Trotz, zuletzt noch lieben wird.
So war auch des Koͤnigs Hoffnung auf keinenSand28Johanna, Comteſſe von Salisbury,Sand gegruͤndet, denn durch oͤffteren Umgang und theuere Verſicherungen, ihr getreu zu verbleiben, opfferte ſie ihre Perſon der Koͤniglichen Umarmung endlich auf. Die Augen dieſer ſchoͤnen Comtes - ſe gleicheten zweyen Sonnen, die Zuͤge ihres hold - ſeligen Angeſichtes waren voller Anmuth, die gan - tze Auffuͤhrung galant und unvergleichlich, und die Scharffſinnig - und Lebhafftigkeit ihres Ver - ſtandes uͤbertraff alle andere Damen am Hof. Dieſe bezaubernden Reitzungen und Vollkommen - heiten fuͤlleten das Hertz Sr. Majeſtaͤt mit ſo viel Verwunderung und Vergnuͤgen an, daß es ihm unmoͤglich war, ſeine anwachſenden Neigungen zu unterdruͤcken. Er befande ſie zu maͤchtig, ihnen widerſtehen zu koͤnnen, denn die Anfaͤlle der Liebe waren ſo gefaͤhrlich, daß er nicht zu leben vermeyn - te, wenn er eine ſo angenehme Leidenſchafft ver - bannen ſollte. Er blieb ihr auch in der That ſehr be - ſtaͤndig: Denn, ungeachtet taͤglich viele hell-blitzende Geſtirne am Firmament ſeines Hofes funckelten: Geſtirne, denen es nicht an Einfluß fehlete, ſich an - genehm zu machen, noch am Vermoͤgen, ihrem Schimmer mehr Glantz beyzulegen; Dennoch bliebe dieſe Dame iederzeit die eintzige Sonne ſei - nes Hertzens, und er kunte nicht leben, wenn er ſie nicht um ſich hatte, welches zu erkennen gab, daß er von gantz anderer Meynung ſey, als ein gewiſſer Edelmann zu ſeiner Zeit, der ſich vernehmen lieſſe:Daß,29und Koͤnig Edward III. Daß, wenn ihm von ſeiner Liebſten traͤumte, er ein weit groͤſſeres Vergnuͤgen darinnen empfaͤnde, als wenn er perſoͤnlich bey ihr waͤre: Denn, ſagte er, im Traum ſind alle Kraͤffte der Seelen auf dieſes eintzige Object gerichtet, wel - che hingegen, wenn ich wache, durch vie - le andere, ſo ſich darzwiſchen einmengen, diſtrahiret oder zerſtreuet werden. Al - leine, meines Erachtens, heiſt dieſes den Schatten umfahen, die Lufft kuͤſſen, und ſeinen Hunger mit gemahlten Speiſen ſaͤttigen, welches ein Poet alſo ausgedrucket:
Der Traͤume Schattenwerck iſt eine ſchnoͤ - de SpeißDer eiteln Phantaſie, worvon der Leib nichts weiß.
Man muß es zugeſtehen, daß, wenn einer an zwey oder drey Orten liebet, das buhlen mehr Vergnuͤ - gen, als reine Liebe bey ſich fuͤhret; Nachdem aber der Koͤnig ſein Hertz dieſer Dame ergeben hatte, ſo war die groſſe Menge aller bezaubernden Schoͤn - heiten, die er taͤglich vor Augen ſahe, deren manch - faͤltige Veraͤnderung, die Wahrheit zu bekennen, das freyeſte Hertz beſtricken moͤgen, nicht faͤhig, ſei - nen Vorſatz im geringſten zu aͤndern. Seine Hochachtung gegen die Comteſſe war ſo groß, daß, als er einsmals mit ihr auf einem Ball war, und ihr im Tantzen ein Knie-Band entfiel, es derKoͤnig30Johanna, Comteſſe von Salisbury,Koͤnig aufhube; und als einige vom groſſen Adel, ſo zugegen waren, daruͤber laͤchelten, ſagte Se. Ma - jeſtaͤt: Es ſoll nicht lange anſtehen, ſo wird man dieſem Knie-Bande groſſe Ehre an - thun muͤſſen. Und hiervon entſprunge (wie einige Autores vorgeben) die erſte Aufrichtung des alten und edelſten Ritter-Ordens vom Hoſen - Bande, der in der gantzen Welt beruͤhmt iſt, und aus dem Koͤnige und 25. andern hohen Standes - Perſonen beſtehet, die man Ritter vom Hoſen - Bande nennet, weil ſie an dem lincken Beine, ein blaues mit Gold, Perlen und edelen Steinen ver - ſetztes Knie-Band, mit einer guͤldenen Schnalle tragen, worein dieſes Motto oder Wahl-Spruch gewircket iſt:
Honny ſoit, qui mal y penſe; Dem ſey es leid, Ders uͤbel deut!
Und von dieſem Orden ſind, ſeit dem er im Jahr 1350. gegruͤndet worden, acht Kaͤyſer, uͤber 20. auslaͤndiſche Koͤnige, und noch viel mehr Teutſche und andere Fuͤrſten geweſen, denen vormals der Rang nach ihrer Wahl gegeben wurde, welchen man ihnen ietzo nach ihren unterſchiedenen gehoͤri - gen Charactern anweiſet. Andere ſagen, wel - ches glaͤublicher ſcheinet, dieſer edele Orden des Ho - ſen-Bandes waͤre vom Koͤnig Edward dem Dritten eingeſetzet worden, die Tugend und wahreTapf -31und Koͤnig Edward III. Tapfferkeit in denen Hertzen ſeiner Adelſchafft auf - zumuntern; Daferne wir aber unſer Abſehen auf dieſer Dame Knie-Band richten wollen, als ob er in Betrachtung ihrer gegruͤndet worden, ſo erhellet aus ſolcher Tendreſſe gegen ein Frauenzimmer klaͤrlich, was es vor eine kuͤtzliche Sache um die Liebe ſey, und daß ſchwerlich iemand auf dem Erd - Boden zu finden, der nicht ein oder das andere mal zu einer Schwachheit verleitet worden. Jedoch muß man auch geſtehen, daß nichts abſcheuliches und erſchreckliches unter der Sonnen iſt, worzu die Liebe nicht dann und wann Gelegenheit gegeben haͤtte: Sie beraubet uns nicht ſelten unſerer Ver - nunfft, und veranlaſſet uns zu tauſenderley Abſur - ditaͤten: Sie ſchleichet ſich nach und nach bey uns ein, und es giebt wenig Objecta, ſo die Seele an - fechten, welche ihr nicht ihren Urſprung zuzuſchrei - ben haben; Nichts deſtoweniger muͤſſen wir im Gegentheil bekennen, daß Liebe das maͤchtige und angenehme Band der menſchlichen Geſellſchafft ſey, ohne welche weder eine Familie noch ein Koͤnig - reich beſtehen wuͤrde; So ruͤhmlich ſie aber iſt, wenn ſie in gehoͤrigen Schrancken bleibet, ſo ſchaͤd - lich pfleget ſie hinwiederum zu ſeyn, wenn ſie aus der Art ſchlaͤget. Alexander opfferte denen Schmeicheleyen ſeiner Geliebten eine gantze Stadt auf: Marcus Antonius ſtritte mit Julio Cæ - ſare um die Monarchie der Welt, erwaͤhlteaber32Johanna, Comteſſe von Salisbury,aber dennoch lieber von Actio uͤberwunden zu werden, als die Umarmung der ſchoͤnen Cleopa - træ auf einige Zeit zu miſſen. Und das Buch des Lebens meldet von dem Koͤnig und Propheten Da - vid, daß, (ungeachtet er ein Mann nach dem Her - tzen GOttes, und ſowohl ſeiner Tapffer-als Froͤm - migkeit wegen, beruͤhmt war) er gleichwohl dem Uriah das empfindlichſte Unrecht zufuͤgete, ſeine geliebte Bathſeba deſto ungeſtoͤhrter genieſſen zu koͤnnen. Jedoch iſt das Feuer an ſich ſelbſten rein, die Materie iſt es nur, aus welcher alle aͤrgerliche Wolcken des Rauchs in die Hoͤhe ſteigen; Und daferne die Natur nicht verderbet waͤre, wuͤrde die Liebe nicht ſolche Unordnungen anrichten, ſie wuͤrde nicht Gifft mit Wein vermiſchen, einen Mitbuhler aus dem Wege zu raͤumen, und durch eine See von Blut zu den Geliebten zu waden ſuchen. Liebe iſt der entſetzlichſte Feind, den ein Weiſer haben kan, und die eintzige Leidenſchafft, wider die er ſich nicht zu vertheidigen weiß. Wenn ihn der Zorn uͤberei - let, waͤret ſolcher doch nicht lange, und hoͤret den - ſelbigen Augenblick wieder auf, da er angefangen: Denn, wann er gleich bey einem gelinden Feuer kochet, ſo verhindert er doch, daß er nicht uͤberlauffe; Aber die Liebe ſchleichet ſich wie ein Dieb ſo heim - lich und freundlich in alle Winckel unſers Hertzens ein, daß ſie den voͤlligen Meiſter daruͤber ſpielet, ehe wir es einmal innen werden, und wenn wir ſieend -33und Koͤnig Edward III. endlich entdecken, ſind wir ſchon gantz entmannet, ſie triumphiret uͤber unſere Weisheit, nimmet un - ſere Vernunfft gefangen, und machet beyde zu ihren Sclaven, ihre Tyranney auszuuͤben. Die erſten Wunden, welche die Schoͤnheit machet, ſind faſt unempfindlich, und ob ſich ſchon der Gifft durch einen ieglichen Theil ausbreitet, ſo koͤnnen wir doch kaum gewahr werden, in was fuͤr Gefahr wir uns befinden. Anfangs ſind wir zu frieden, wenn wir die Perſon, ſo wir admiriren, nur ſehen oder ſpre - chen koͤnnen, und bezeigen eine angenehmſte Gefaͤl - ligkeit gegen alles, was ſie ſaget oder vornimmet; das bloſſe Andencken derſelben iſt bezaubernd, und wenn das Verlangen darnach rein iſt, kan, meines Erachtens, kein Philoſophus ſo rigoureus ſeyn, uns deßwegen zuverdammen; Doch die Liebe, welche gleich einer Biene ihren Nahmen verlieret, wenn ſie keinen Stachel hat, iſt zugleich ein verborgenes Feuer, das ploͤtzlich auszubrechen pfleget, und der ange - nehme Gedancke, der ſich den Augenblick vorher uns ſo ſuͤſſe und ehrerbietig vorſtellte, dringet ſich nunmehro unſerm ernſthafften Gemuͤth recht un - geſtuͤm auf, ja verraͤth uns ſo gar treuloſer Weiſe in unſerm Schlaffe, bißweilen erſcheinet er hochmuͤ - thig und veraͤchtlich, bißweilen willfaͤhrig und guͤtig, und dieſes, wenn ſonſt keine Raiſon mehr uͤbrig iſt.
Dieſe Paſſion iſt die groͤſſeſte unter allen Lei - denſchafften, denn Cupido laͤſſet nicht ſo bald eineCent -34Johanna, Comt. v. Sal. u. Koͤn. Edward III. entſpringen, da er ſie nicht alsbald wieder erſticken ſollte, Platz fuͤr eine andere zu machen, die doch ein gleiches Schickſaal empfindet, und vernichtet wird, ehe ſie noch kaum gebohren worden: Denn Hoff - nung und Verzweifflung, Freude und Traurigkeit, Grauſamkeit und Furcht folgen eins auf das an - dere. Doch ſind Koͤnige gemeiniglich gluͤcklicher in ihrem Lieben, als Leute von einer niedern Sphæra, maſſen ihre Wuͤrde, Pomp und Grandeur Ver - ſuchungen ſind, welche eine Schoͤne eher zu ihrer Umarmung, als andere, bringen koͤnnen: Denn gleichwie Hochmuth und Ehrgeitz dem weiblichen Geſchlechte zu viele eitele Einbildungen einfloͤſſen; alſo ſind ſie leicht verfuͤhrt, ihre Ehre und Tugend fuͤr die Vergaͤnglichkeit des zeitlichen Vergnuͤgens zu verſchertzen; Und wiewol dieſe Comteſſe nicht zu dem Titul einer Hertzogin gelangte, ſo war ſie doch dergeſtalt die Beherrſcherin des Koͤniglichen Hertzens, daß, was ſie auch nur von ihm verlangte, ihr niemalen abgeſchlagen wurde, ſo gar, daß es in ihrer Gewalt ſtunde, uͤber ſeine Koͤnigliche Schatz - Kammer zu gebiethen, confiſcirte Guͤter an ſich zu ziehen, und Malefiz Perſonen vom Schwerdt der Gerechtigkeit zu befreyen, ſo lange der Koͤnigliche Liebhaber am Leben war; Allein er lebte nicht lan - ge nach ſeinem geliebteſten Sohn, den man ins - gemein denn ſchwartzen Printzen nennte, wegen der vielen Heldenmuͤthigen Thaten, ſo ſeine unver -gleich -35Johanna Shore, und Koͤnig Edward IV. gleichliche Courage und Kraͤffte mit Ehre und gluͤcklichem Succeß begleiteten.
DEr Geburths-Nahme der Johannæ Shore, hieſſe Wainſtead, indem ſie das eintzige Kind des Herrn Wain - ſteads, eines Seiden-Kraͤmers von guter Figur und Reputation, auf der Cheap-Seite in London, war. Sie wurde mit aller Sorg - faͤltigkeit und einer ſolchen Verzaͤrtelung auferzo - gen, dergleichen bey allzugelinden Eltern eines ein - tzigen Kindes, deme ſie allen Willen laſſen, gewoͤhn - lich zu ſeyn pfleget. Nichts von denen galan - ten Eigenſchafften und Qualitaͤten, ſo ein junges Frauenzimmer recommendiren koͤnnen, als Muſic, Singen und Tantzen, wurde bey ihrer Auferziehung verabſaͤumet. Und da uͤber dieſes ihr Vater ſeine Handlung unter denen Hof-Da - men triebe, hatte er oͤfftere Gelegenheit, ſeiner Toch - ter die Galanterien und Luſtbarkeiten des Koͤ - niglichen Pallaſtes ſehen zu laſſen, welche in ihrer ſcharffſinnigen Phantaſie einen ſtarcken Eindruck hinterlieſſen, und ſie ſo weit brachten, daß ihr dieC 2ge -36Johanna Shore,gewoͤhnliche Schau-Spiele und Ergoͤtzlichkeiten in der Stadt viel zu ſchlecht und veraͤchtlich vorka - men. Je groͤſſer ſie wurde, deſto mehr verbeſſerte ſie alle Stuͤcke der Auferziehung, und ſpielete, we - gen ihres trefflichen Verſtandes und guten Natu - rels, bald uͤber alle uͤbrige ihres Geſchlechts die Meiſterin. Dieſes, nebſt ihrer annehmlichen Miene und trefflichen Geſtalt, zoge die Auger al - ler Menſchen nach ſich, und ſo bald ſie ſolche das erſte mal erblickten, wurden ſie von ihrem char - manten Weſen bezaubert, und ein ſo beliebtes Bildniß in ihre Seelen eingepraͤget.
Es hatten unterſchiedliche groſſe Herren ihre Hertzen auf ſie gerichtet, und giengen bey ſich zu Rath, ſie zu einer Maitreſſe zu erlangen. Als dieſes ihr Vater innen wurde, vermeynte er es Zeit zu ſeyn, ſie der Gefahr zu entreiſſen, und ehe ſie ei - nem ieden zum Raube werden moͤchte, aufs Land zu einer von ſeinen Schweſten, ſo zu Northam - pton wohnte, zu ſenden. Hier verharrete ſie in die zwoͤlff Monathe lang, welche Zeit vor zulaͤnglich erachtet wurde, das Feuer derer Liebhaber auskuͤh - len zu laſſen, und diejenigen, ſo ihr nachſtelleten, mit Manier abzuweiſen; und alſo ward ſie zu ihres Vaters Behauſung wiederum zuruͤcke beruffen. Alleine Liebe und Neid beduͤrffen ein wachſames Auge; Sie war nicht ſo bald in der Stadt ange - langet, als der Lord Haſtings, Koͤnigs Edwarddes37und Koͤnig Edward IV. des Vierdten Kammer-Herr, einen Anſchlag mach - te, ſie bey der Nacht in ſeiner Kutſche zu entfuͤhren; Und damit er ſolches werckſtellig machen moͤchte, hatte er des Herrn Wainſteads Magd mit einem Preſent von Golde beſtochen, ihm Gelegenheit an die Hand zu geben, und bey ſeinem Raube beyzuſte - hen; Aber das Menſch war ſo ehrlich, daß ihr es reuete und ſie den Anſchlag ihrem Herrn hinterbrach - te: Alſo war dieſes verdeckte Eſſen in einem loͤche - richten Hafen gekochet. Herr Wainſtead war nunmehro voͤllig uͤberzeuget, daß er ohne aͤuſſerſten Hazard und Gefaͤhrlichkeit ſeine Tochter nicht laͤn - ger in einem eintzelen oder ledigen Stande laſſen duͤrffte, als welche fuͤr das allgemeine Ziel qua - lificirter und galanter Leute paſſirte; und ob ſie demnach wohl noch ſehr jung war, entſchloſſe er ſich dennoch, ſie allen unbeſtaͤndigen Courtiſanen aus den luͤſternen Zaͤhnen zu reiſſen, und ihre Hoff - nung zu Waſſer zu machen, indem er ſie unver - zuͤglich einem Ehe-Mann in die Arme warff. Un - ter denenjenigen, ſo ſich auf eine honette Weiſe um ſie bewarben, befande ſich Herr Mattheas Shore, ein reicher Gold-Schmidt in der Lom - bard. Straſſen, und ein Mann von ſehr guter Renomé, ſowohl was die Religion, als tu - gendhaffte Auffuͤhrung anlangte. Jn Betrach - tung deſſen machte der Vater den Schluß, ihn zu ihrem Eh-Mann zu erwaͤhlen; aber Jungfer Jo -C 3hannigen38Johanna Shore,hannigen war mit dieſer Mariage nicht eben wohl zu frieden; nichts deſtoweniger brachte ſie die Au - toritaͤt eines guͤtigen Vaters, und die koſtbaren Preſente eines reichen und genereuſen Liebſten endlich ſo weit, daß ſie darein zu willigen ſchiene. Hierauf wurde die Hochzeit mit groſſem Pracht und Splendeur vollzogen, worbey ſich nicht we - nig vornehme Herren und Dames ſowohl vom Hof als aus der Stadt im koͤſtlichſten Schmuck und hoͤchſter Gala einfanden.
Der Lord Haſtings, welcher ſchon vormals darauf umgegangen, die Knoſpe von dieſer ſchoͤnen Blume abzupflicken, war keinesweges mit dieſer Veraͤnderung ihres Standes zufrieden; Deſſen ungeachtet hatte er doch ſeine Neigung gegen ſie nicht geaͤndert: Er wartete demnach die Gelegen - heit ab, ihr Gluͤcke zu wuͤnſchen, und als er hoͤfflich aufgenommen ward, wiederholte er ſeine Viſiten, und invitirte das verlobte Paar zuweilen nach Hofe, wo er ſie mit allen, was ihr Hertz verlangte, tractirete. Dieſes brachte ihm eine groſſe Con - fidence und gemeinſame Vertraulichkeit bey ih - nen zuwege, alſo, daß er Gelegenheit fande, mit Madame Shore alleine zu ſeyn, da er denn nicht unterließ, ſein leichtfertiges Vorhaben ins Werck zu richten, indem er ſie mit Geſchencken und ange - nehmen Diſcourſen verſuchte, und ihre eheliche Geluͤbde zu brechen anlockte; Alleine ſie war ſobe -39und Koͤnig Edward IV. beredt und verſchlagen, und kunte ihn mit ſo ge - ſchwinder und ſpitzfuͤndiger Gegen-Antwort abwei - ſen, daß er nichts mit ihr anfangen kunnte; Wenn er ſich ſchmeichelte, als ſey ſie nun diſponirt, ſich ſeiner Umarmung gleich ietzo zu uͤbergeben, ſo fande er ſich, zu ſeiner groͤſten Beſtuͤrtzung, am meiſten betrogen und der gaͤntzlichen Verzweiffelung uͤber - laſſen, iemaln in ſeinen Wuͤnſchen gluͤcklich zu ſeyn. Man ſaget, daß, als er eines Tages mit ihr alleine geweſen, und ſich vorgenommen gehabt, den letzten Sturm auf die Veſtung ihrer Keuſchheit zu wagen, er ſie auf ein Bette, ſo in der Stube geſtanden, nieder geworffen und ſie mit Gewalt zu ſeinem Wil - len zwingen wollen, ſie habe ſich aber von ihm loß - geriſſen, und ſey zu ihren Mann geflohen, ihm er - zehlende, was fuͤr Grobheit ihr von dem Lord Haſtings angemuthet worden: Weßwegen ſich der Herr Shore genoͤthiget funden, mit Seiner Gnaden beſcheidentlich zu expoſtuliren, und die - ſelbige zu erſuchen, hinfuͤhro alle Viſiten in ſeinem Hauſe einzuſtellen.
Hieruͤber wurde der Lord von Zorn und Scham dergeſtalt bemeiſtert, daß er ſchwuhr, ſich an allen beyden nachdruͤcklich zu raͤchen, und einen ſolchen Mit-Buhler an ſeine Stelle zu ſenden, den weder des Mannes Autoritaͤt, noch des Weibes Keuſchheit zu widerſtehen faͤhig ſeyn ſollte. Wie wir vorhero Meldung gethan, war dieſer LordC 4Koͤ -40Johanna Shore,Koͤnigs Edward des Vierdten ſein Kammer-Herr, und verſtunde demnach ſeines Herrn Neigungen zu ſchoͤnen Weibs-Bildern wunder wohl; und weil er uͤberlegte, daß er ſeine verdruͤßliche Kriege und Zwiſtigkeiten mit dem Hauſe von Lancaſter nun gluͤcklich geendiget haͤtte, und in ruhigem Be - ſitzthum der Crone ſich befaͤnde, und ihm alſo ſchon ſo viel Zeit uͤbrig waͤre, einen liſtigen und luſtigen Streich zu wagen, ſo nahm er eine bequeme Gele - genheit in acht, da Se. Majeſt. wohl aufgeraͤumet war, ihm eine Nachricht von ſeiner letzten Bewir - thung bey dem Herrn Shor zu geben, und wie weit deſſen Frau alle Weibs-Bilder, mit denen er iemals converſiret haͤtte, an Schoͤnheit, Ver - ſtand, Auferziehung und allem, was eine ihres Ge - ſchlechts liebenswuͤrdig und angenehm machte, uͤbertreffe. Dieſe Lobrede eines ſo geſchickten Red - ners von einem annehmlichen jungen und artigen Frauenzimmer ruͤhrete das Hertz dieſes jungen und wolluͤſtigen Monarchen aufs empfindlichſte, der ſich vor keinen Geſetzen fuͤrchten durffte, und durch ſeine fruͤhzeitigen Exceſſe in der laſterhaff - ten Liebe der Scham und Reputation ſchon laͤngſtens gute Nacht gegeben hatte; Er war gleichſam ungedultig, biß er dem Feuer, das ſein Hertze von weiten zu erwaͤrmen angefangen, naͤher treten kunnte; und man hat aus dem gemeinen Ruff ſo viel vernommen, daß er ſeinen Zweck durchfol -41und Koͤnig Edward IV. folgende Vermittelung erreichet. Er warff ſich in den Habit eines Kauffmanns, und begab ſich in Be - gleitung eines eintzigen Dieners heimlich vom Hofe hinweg, und kam in des Herrn Shore Behan - ſung; Und da er den guten Mann in ſeinen Ver - richtungen beſchaͤfftiget fande, ſatzte er ſich nieder, biß er Zeit hatte, alsdenn verlangte er einige Silber - Platten zu ſehen, ſo ihm gezeiget wurden, worauf er um eine ziemliche Quantitaͤt bald mit ihm einig wurde, unter dem Vorwand, ſolche mit ſich uͤber das Meer zu nehmen; Weil er aber die Sonne, derent - wegen er einig und allein dahin gekommen war, nicht ſcheinen ſahe, und unwillig war, unverrichte - ter Sache wiederum hinweg zu gehen, ließ er ſich in einen Diſcours von neuen Zeitungen, von der Handlung und allerhand luſtigen Materien ein, biß er endlich auf den Zweck, nehmlich vom Ehe - ſtande zu reden kam: Es iſt ſchade, ſagte er, daß dieſes ſchoͤne Hauß keine Wirthin hat; Jch glaube, mein Herr, ich duͤrffte ihm eine, die ſchoͤn, jung und von guten Vermoͤgen iſt, vorſchlagen koͤnnen. Mein Herr, erwiederte Shore, ich bin ihnen verbunden, maſſen ich ſchon darmit ver - ſehen. Hierauf ruffete er ſein Weib herab, wel - che liebreiche Creatur alsbald erſchiene, und nicht nur mit dem herrlichen Lob, ſo ihr der Lord Haſtings beygemeſſen, uͤberein kam, ſondern ſolches noch weit uͤberſtiege.
C 5Aus42Johanna Shore,Aus dem Character, nach welchem wir den Koͤnig bereits beſchrieben haben, iſt leichtlich abzu - nehmen, was fuͤr ſtarcke Verſuchungen eine Dame von ſo raren Eigenſchafften bey einer Perſon, die ſelbſten Eſprit und ein gutes Naturell beſaß, er - wecket haben muß. Da er nun eine gute Weile geſeſſen und der Madame Shore liebreitzendes Weſen genau betrachtet hatte, und von der Lieb - lichkeit ihrer bezaubernden Zungen gantz aus ſich ſelbſten geſetzet war, nahm er, wiewohl unwillig, ſeinen Abſchied, und beſchloſſe bey ſich ſelbſten, die - ſes unſchaͤtzbare Kleinod, es koſte auch was es wol - le, zu erkauffen und den voͤlligen und freyen Beſitz darvon zu tragen. Sich demnach bey ihr zu in - ſinuiren und ſie durch geſchickte Lock-Speiſen in ſeine Arme zu ziehen, gieng er mit dem Lord Ha - ſtings zu Rath, was am beſten zu thun ſey. Als Se. Gnaden ihres Herrn, des Koͤnigs Anliegen ver - ſpuͤhreten, vermeldeten ſie ihm mit einem liebkoſen - den Laͤcheln, ſie wollten ihm bald darzu befoͤrderlich ſeyn. Es war eine Frau, Nahmens Blague, eine Hof-Poſamentirerin, die war der Madame Shore Nachbarin und vertraute Freundin; Dieſe beſuchten einander offte, und vertrieben ſich Abends die Zeit immer mit einander. Sie war eine ſehr durchtriebene Frau, und ihr goldfarbenes Hertze ſollte des Geldes wegen nicht nur ihre beſte Freun - din, ſondern auch ihre eigene Tochter verrathen undver -43und Koͤnig Edward IV. verkaufft haben. Er præſentirte ihr demnach einen Beutel mit Gold, uñ machte ihr noch zu weit groͤſſern Schaͤtzbarkeiten Hoffnung, daferne ſie ſich ihres Printzen Affairen wohl und treulich wollte ange - legen ſeyn laſſen, und ihr die Sache mit guter Ma - nier hinterbringen; welches ſie ſich mit der hoͤch - ſten Verſchwiegenheit und kluͤgſten Conduite auszufuͤhren vornahm. Kurtz darnach wurde eine praͤchtige Masquerade zu Hof gehalten, worzu ſich das ſchoͤne Geſchlecht ungemein fleißig præ - parirte. Madame Blague war ſo willfaͤhrig, mit Herrn Shores Erlaubnis, ſeine Hauß-Ehre mit einem guten Platz zu verſehen; welches Aner - biethen Madame Shore freudigſt annahm, und ob ſie ſchon von dem heimlichen Anſchlag nichts wuſte, kleidete ſie ſich doch ſo propre aus, daß ihr Putz derer vornehmſten Hof-Damen ihrem nichts nachgabe. Nach vielen Divertiſſements und Kurtzweilen, trat eine Manns-Perſon, der eine extraordinaire Figur machte, zum Tantz her - fuͤr; Worauf Madame Shore die andern Da - men ziſcheln hoͤrte: Das iſt der Koͤnig; Er kundſchaffte ſie durch ſeine Masque geſchwind aus, denn weil er ſchon wuſte, wo er ſich nach ihr umſehen ſollte, gieng er auf ihren Sitz zu, und for - derte ſie zum Tantz auf. Nachdem ſie ihre Per - ſon mit groſſem Applauſu præſentiret hatte, fuͤhrete er ſie wieder an ihren Ort, ſchob ihr einenBrieff44Johanna Shore,Brieff in die Hand und trat zuruͤcke. Als die Luſt - barkeit geendiget war, gienge ſie mit Madame Blague nach Hauſe, und erbrach den Brieff, ſo bald ſie die erſte Gelegenheit darzu ſahe, welcher ſie unterrichtete: Was maſſen die Perſon, ſo ihr ohnlaͤngſt aufgewartet, der Koͤnig ſey, der ſich ſo weit herunter lieſſe, ſie um ihre Gegen-Liebe anzuflehen, die er uͤber alles in der Welt ſchaͤtzte, und zur Er - kaͤnntlichkeit darfuͤr ihr alles Vergnuͤ - gen und Ergoͤtzlichkeit ſeines Hofes an - erboͤthe. Uber dieſer deutlichen Erklaͤrung wur - de ſie nicht wenig beſtuͤrtzt, und blieb in ihren Ge - dancken ſtreitig, was ſie thun ſollte; Da ſie ſich aber mit ihrer vertrauten Geſpielin berathſchlagte, die ſchon heimlich beſtochen war, ſie zu vertaͤndeln, bombardirte dieſe mit ſolchen Argumenten auf ſie loß, welche ihr Luſt einfloͤßten, den Koͤnig einem Gold-Schmidt vorzuziehen. Nun war nichts mehr uͤbrig, als daß ſie ihre Station mit ſo viel Verſchlagen - und Heimlichkeit, als ihr moͤglich ſey, veraͤndern moͤchte. Madame Blague gab dem Koͤnige bald Wind von ihrer gluͤcklichen Vorſorge fuͤr Sr. Maj. Zufriedenheit, der ohnverzuͤglich eine Kutſche vor ihr Hauß ſandte, das unſchaͤtzbare Juwel abzuholen. Madame Shore ſchaffte ihr Geſchmeide und koſtbarſten Sachen dahin, in - dem ſie nicht geſonnen war, lange zuruͤck zu bleiben;Dem45und Koͤnig Edward IV. Dem ungeachtet aber ſatzte ſie ſich nieder, die Abend - Mahlzeit mit ihren Manne einzunehmen, und be - zeigte ſich ungemein complaiſant gegen ihn, als unverſehens ein Bothe mit der erdichteten Zeitung kam: Jhre Mutter waͤre ploͤtzlich kranck worden, und haͤtte alsbald etwas noth - wendiges mit ihr zu reden. Jhr Mann wollte mit ihr gehen, alleine ſie fande Urſachen, ihn zu Hauſe zu laſſen; und indem ſie ihm den letzten Kuß gab, den er von ihren Lippen iemals eingeern - det, nahm ſie, indem ihr die Thraͤnen in die Augen ſtiegen, von ihm Abſchied. Madame Blague begab ſich mit ihr in die Kutſche und lieferte die - ſen Schatz der Schoͤnheit ihrem Monarchen ohnverzuͤglich in die Arme.
Jhr verlaſſener Mann vertrieb ſich die verdruͤß - lichen Stunden biß ſehr ſpaͤt in die Nacht, und wartete auf ſeines Weibes Zuruͤckkunfft; Da ſie aber in die Laͤnge nicht wieder kommen wollte, wur - de er nicht wenig bekuͤmmert und unruhig im Ge - muͤthe, gienge demnach hin, ſie in ihrer Mutter Be - hauſung zu ſuchen; Alleine dieſe wollte ſie den gan - tzen Tag nicht geſehen haben, wuſte auch nichts darvon, daß ſie unpaß geweſen, wie vorgegeben worden. Dieſes ſetzte ihn in groſſe Beſtuͤrtzung, daß er von einem Verwandten und Bekannten zu den andern lieff, ſie auszuforſchen. Der folgende gantze Tag wurd vergeblich zugebracht, alſo, daßder46Johanna Shore,der arme Mann ihrenthalber faſt von Sinnen kam, welcher von dem, was man ſich ſchon ehemals un - terfangen, ſchloſſe, ſie wuͤrde von einem Courti - ſan entfuͤhret ſeyn; Es waͤhrete aber nicht lange, daß er die voͤllige Verſicherung erhielte, welcher ge - ſtalt ſie der Koͤnig zu ſeiner Schlaff-Geſellin erkie - ſet haͤtte. Dieſes benahm ihm alle Hoffnung, ſie iemaln wieder zu erlangen, dahero trat er ſie von der Zeit an ihrem Koͤniglichen Liebhaber ab, und hatte niemals etwas ferner mit ihr zu ſchaffen. Dieſer ungluͤckſelige Mann gerieth uͤber dieſem Ver - haͤngniß in eine tieffe Melancholie, daß er gantz unfaͤhig ward, ſeiner Profeſſion nachzufolgen. Damit er nun ſein bekuͤmmerndes Gemuͤth eini - ger maſſen heilen moͤchte, reiſete er in fremde Laͤn - der, beſuchte Flandern, Franckreich, Spanien und die Tuͤrckey, biß er alles, was er hatte, zugebuͤſſet und verzehret hatte. Und als er wieder nach Hauſe kam, der Meynung, iedermann werde ihn vergeſſen haben, lebte er in groſſer Armuth und ſtarb elen - diglich unter Regierung Henrici des Siebenden. Nun war ſie biß zur hoͤchſten Spitze des Gluͤckes geſtiegen, daß ſie ihr geliebter Fuͤrſt nicht hoͤher er - heben kunnte, als daß er ſie nun folgends fuͤr ſeine rechtmaͤßige Koͤnigin erklaͤrete, als welcher ſie ſo wohl, als allen andern Maitreſſen, eine ſchwartze Finſterniß verurſachte: Denn wer ſich nur eine Gnade am Hof auszubitten hatte, der machte Ma -dame47und Koͤnig Edward IV. dame Shore zu ſeiner Vorſprecherin bey dem Koͤ - nige, weil man mehr als zu wohl wuſte, daß dieſe Sonne den groͤſten Einfluß in ſein Gemuͤth habe, als die er ſo hefftig lieb[te], daß er ihr nichts abzu - ſchlagen vermoͤgend war.
Als aber der ungluͤckſelige Tag anbrach, da Koͤ - nig Edward Cron und Thron, Lieben und Leben zugleich aufgabe, ſtuͤrtzte auch ſeine geliebte Mai - treſſe von dem Gipfel ihrer Ehren herab; Jedoch nicht ſo ploͤtzlich, daß ſie gleich auf einmal in das - jenige Meer der Truͤbſal und Elendes verſuncke, von welchem endlich alle ihre Freude und Gluͤckſeligkeit gaͤntzlich verſchlungen wurde: Es war vorietzo nur ein gemaͤchliches Abſteigen von der Cron zum Coronet, vom Purpur zum Scharlach, von der Koͤnigl. Majeſtaͤt zu dem Adelichen Stande. Wir haben ſchon vorhero gehoͤret, welcher geſtalt der Lord Haſtings ſich in der Zahl ihrer ſehr fruͤh - zeitigen Anbether befunden, und mehr als einmal verſuchet, dasjenige, was er durch keine Careſſen erlangen kunnte, mit Gewalt zu rauben; Ob er nun wohl ſeine Rache in ſo weit befriedigte, daß er den Koͤnig anreitzte, ſie ihrem Ehe-Mann wuͤrcklich aus dem Bette zu promoviren, ſo waren doch ſeine Liebes-Wunden hierdurch noch nicht voͤllig geheilet, noch das bezaubernde Bildniß, welches ſie einmal ſo feſt in ſeine Bruſt eingepraͤget, ausge - leſchet. Er uͤberwande ſich zwar und kam ihr nichtzu48Johanna Shore,zu nahe, ſo lange der Koͤnig lebte, entweder aus Ehrerbiethigkeit gegen ſeinen Herrn, den Koͤnig, oder aus bloſſer Treue und Honneteté; Nach - dem aber Se. Majeſtaͤt dieſes Zeitliche geſegnet, erneuerte er die Verſicherungen ſeiner alten Nei - gung gegen ſie, welche guͤtiger als vormals aufge - nommen wurden, und alſo nahm er ſie mit ſich nacher Hauſe, welches ſie hernachmals mit in ſei - nen Untergang verwickelte, und in den tieffſten Ab - grund der Verachtung verſincken ließ. Denn als Edward geſtorben war, und Koͤnig Richard der Dritte, durch den Mord der Soͤhne ſeines Bru - ders, zur Crone gelangte, ſprach er auch das To - des-Urtheil uͤber Lord Haſting, als der Jo - hannæ Shore ſuͤſſeſten Hertzens Freundes; Und weil ſie der neue Koͤnig der Hurerey wegen an - klagte, wurde ſie dem Biſchoff von London uͤber - lieffert, oͤffentliche Buſſe fuͤr ihre Unkeuſchheit in der Cathedral-Kirche zu St. Pauli zu thun, wel - ches ſie auch den nechſten Sonntag fruͤhe verrich - tete, indem ſie in weiſſe klare Leinwand gekleidet in einer Proceſſion, mit dem Creutz vor ihr her, und einer Wachs-Kertze in ihrer Hand, durch eine un - ſaͤgliche Menge und Gedraͤnge des Volcks, ſo ſich, ſie zu ſehen, verſammlet hatte, von des Biſchoffen Pallaſt zu der St. Paulus Kirchen, ſo daran an - ſtieſſe, gebracht wurde, allwo ſie vor dem Pre - diger ſtehende ihre notoriſche Unzucht, in einerauf -49und Koͤnig Edward IV. aufgeſetzten Formul oͤffentlich bekannte und ihre Bußfertigkeit und Reue deßwegen bezeugte. Nun iſt dieſe geringe, verachtete und verlaſſene Weibs - Perſon von dem Koͤniglichen Pallaſt hinab ins Ge - faͤngniß gefallen, vom hoͤchſten Gipfel der Ehre zur niedrigſten Stuffe der Schande und Verachtung geſuncken; Beydes vom Ehe-Mann und Liebha - bern ſahe ſie ſich verlaſſen, derer Freunde beraubet, alles Vermoͤgens entbloͤſſet. Jhr Vater und Mut - ter ſturben fuͤr Hertzeleid, und alle ihre Anverwand - ten verlohren alles, was ſie hatten, durch den buck - ligten Richard, der eine Proclamation aus - gehen und allem Volck anbefehlen ließ, bey Todes - Straffe und Confiſcation aller Guͤter, daß ſie niemand in ſeinem Hauſe beherbergen, noch ihr mit Speiſe oder andern Lebens-Mitteln zu Huͤlffe kom - men ſollte. Man ſaget, daß ein Becker in der Stadt gehencket worden, weil er ihr fuͤr einen Stuͤber Brodt, als ſie vor ſeine Thuͤr gekommen, mitge - theilet hatte, und zwar aus Danckbarkeit, daß ſie ihm das Leben erbethen, da er unter der Regierung des letzten Koͤnigs einer Frevel-That wegen gehan - gen werden ſollen. Alſo wurde ſie gezwungen, auf und nieder zu wandern, und alles weggeworffene und unnuͤtze Zeug, ſo ſie auf denen Feldern uñ Straſ - ſen finden kunnte, zu ihres Lebens Erhaltung, aufzu - leſen. Man ſolte gemeynet haben, daß eine Dame, die in denen Tagen ihrer groſſen Gluͤckſeligkeit undDGe -50Johanna Shore,Gewalt mit ihrem Koͤnige ſo manchen guten Dienſt in der Welt gethan, und eine groſſe Menge Leute zu Reichthuͤmern und Ehren erhoͤhet hatte, zuletzt doch einen eintzigen guten Freund wuͤrde finden koͤn - nen, der ſo danckbar geweſen, ihr mit einem oder dem andern Troſt zu ſtatten zu kommen, und ſich ihr, bey ihrer aͤuſſerſten Armuth und ſchmaͤhlichſtem Mangel, anzunehmen; Alleine iedermann ſchiene gleichſam mit denen andern ein Buͤndniß gemacht zu haben, ſeine Thuͤren vor ihr zu verriegeln, und nicht das allergeringſte Mitleiden gegen ſie zu bezeugen. So bald ſie die erſte Nachricht von des Lord Haſtings ſeinem Tod erhalten hatte, und das Un - gewitter, ſo uͤber ihrem Haupte ſchwebete, vor Au - gen ſahe, vermeynte ſie, die Behauſung ihrer alten vertrauten Freundin, der Madame Blagues, werde zu ihren Dienſten ſtehen; dieſer gab ſie demnach ihr Geſchmeide und vornehmſten Sachen in Verwahrung, auf Verſprechen, es ſollte ihr al - les ſicher wieder zugeſtellet werden, wenn ſie es verlangen wuͤrde; Als ſie aber die Noth, ſich dar - nach umzuſehen, antriebe, leugnete ihr die treuloſe Frau alles, und ſtieſſe ſie mit denen leichtfertigſten Schimpff - und Droh-Worten zum Hauſe hinaus. Alſo belegte ſie ihr ungluͤckſeliges Verhaͤngniß mit dem Bettel-Stabe, biß zum Schluß ihres armſeli - gen Lebens; und die jaͤmmerlichen Tage deſſelben uͤberwogen die Zeit bey weiten, welche ſie in Uppig -keit,51und Koͤnig Edward IV. keit, Unzucht und Wolluſt verſchwendet hatte: Denn ſie lebte zwey Jahre unter der Regierung Richardi III. vier und zwantzig Jahre unter Henrico VII. und achtzehen Jahre unter Hen - rico VIII. in einem hoͤchſt bejammerns-wuͤrdigen Zuſtande, da ſie in dem 96ſten Jahr ihres Alters in einem Graben in der Vorſtadt, ſo Nordwerts von London lieget, die ungluͤckſelige Seele ausblieſſe; welcher Graben von ihrem merckwuͤrdigen Tode noch auf den heutigen Tag der Shore-Graben genennet wird.
SO lange ſich das ſchoͤne Geſchlecht noch im Jungfer-Stande befindet, kan es, wenn ihm irgends eine Manns-Perſon zu nahe koͤmmt, nicht Widerwillen genug von ſich ſpuͤren laſſen; Der continuirliche Alarm der Erbarkeit erhaͤlt ſie auf ſo genauer Wacht, daß, weil die Furcht ihr Huͤter iſt, man ſo leichte kein Un - gluͤck zu beſorgen hat; Das geringſte Anruͤhren von einer Manns-Perſon ſetzet ſie in ſolche Con - ſternation, daß man vermeynet, ihre Ehre ſey inD 2Ge -52Maria, Koͤnigin von Schottland,Gefahr, mit Feuer und Schwerdt geraubet zu wer - den; Man darff nicht auf ſie reden, ſo wirfft es ihre Sinnen in ſolche Unordnung, und laͤſſet ſie auf einmal an ſo vielerley Sachen gedencken, daß ſie einen entweder gar nicht, oder ſo verwirrt anhoͤren, daß unſere Worte gar ſchlechten Eindruck bey ih - nen finden koͤnnen. Ohne Zweiffel war dieſes auch die Urſache, warum Maria, die Koͤnigin von Schottland, weil ſie noch im Jungfer-Stande le - bete, ſo Mann-ſcheu war, welches zwar nicht lange waͤrete, maſſen ſie Franciſco, Dauphin von Franckreich, im ſiebenden Jahr ihres Alters ver - maͤhlet wurde, zu welcher Zeit ſie kaum Gutes und Boͤſes von einander zu unterſcheiden wuſte; Und nach 6. oder 7. Jahren nach dieſem war ſie auch noch ſo jung, daß, woferne ein kuͤhner Liebhaber ei - nen Sturm auf ſie gewaget, ſie ſich nach aller Moͤglichkeit vertheidiget haben wuͤrde, und wenn auch noch ſo viel innerliche Meutereyen ſich wider ſie empoͤret, ſo wuͤrde ſie ihnen doch nach ihrer Schwachheit Widerſtand gethan haben. Als aber dieſe Koͤnigin zu reiferern Jahren gelangete, und ihr erſter Ehe-Gemahl, nicht lang nach dem Beylager, dieſes Zeitliche geſegnet hatte, war ſie nicht gar zu ſehr mehr mit der Tugend fortifici - ret, die Garniſon wurde nicht mehr in ſo guter Diſciplin gehalten, daß ſie faͤhig geweſen, wider einen liſtigen Helden zu beſtehen, und ſich ſolchenan -53und Signor David. anders nicht, als mit dergleichen Bedingungen zu ergeben, welche die gantze Welt ſowohl, als ſie ſelb - ſten, billigen und gut heiſſen wuͤrde. Waͤre ſie ſo tugendhafft geweſen, als ſchoͤn und klug ſie war, ſo haͤtte ſie gar wohl fuͤr die Crone ihres Geſchlechts paſſiren koͤnnen; Weil aber ihre Geilheit die Graͤntzen des Wohlſtandes und der Erbarkeit uͤber - ſchritte, ſo verdunckelte ſie den Glantz ihrer Hoheit nicht wenig, indem ſie ſich ſo tieff hernieder ließ, daß ſie ihre Affection auf Signor David, ei - nen Jtaliaͤniſchen Fiedel-Mann, warff, mit deme ſie ſich gemeiner machte, als einer Dame von ſo hohem Stande wohl anſtunde. Nichts deſtowe - niger wurde ſie mit dem Lord Darnley, ohnge - fehr 3. Jahr nach ihrer Zuruͤckkunfft aus Franckreich, durch den Decanum von Reſtabrig, in der Capelle von Holy-rood-Hauß, in Edenburgh, vermaͤhlet; und den naͤchſten Tag darauf wurde derſelbe unter Trompeten-Schall zum Koͤnig pro - clamiret und ihr in der Regierung beygeſellet. Da nun ihr Ehe-Gemahl keinen Competenten in der Liebe ſeiner Koͤnigin mehr vertragen kunnte, wurde Anſtalt gemacht, dem Signor David vom Brodte zu helffen; zumal auch Sr. Majeſt. aller - hand zu Ohren gebracht wurde, wie negligent und veraͤchtlich er, der Koͤnig, gehalten wuͤrde, und was fuͤr groſſen Reſpect man im Gegentheil die - ſem Fremdling erwieſe, deſſen Vanitaͤt und Ar -D 3roganz54Maria, Koͤnigin von Schottland,roganz gleichfals ſo groß war, daß er nicht nur die Vornehmſten am Hoff zu uͤbertreffen, ſondern auch dem Koͤnige ſelbſten an Staat und Kleidung, an Meublen und Hauß-Geraͤthe, und an der Zahl derer Bedienten und Sorten von Pferden, ja allen andern Stuͤcken, es zuvor zu thun ſuchte, alſo, daß zu der Zeit kein Diſcours durch Schottland mehr gangbar und gebe war, als von des Davids Hoheit, von dem Credit und Ehre, worzu er ge - ſtiegen war, und in was fuͤr ſchlechtem Anſehen hingegen der Koͤnig ſich befaͤnde. Und da alſo der Koͤnig dieſes behertzigte, gedachte er mit Schmer - tzen an ſeinen Vater, der ihm den Rath gab, ſich des Adels zu verſichern, und diejenigen, ſo aus England verbannet waren, zuruͤck zu ruffen, indem, wenn ſolches geſchehen, er den Hochmuth und die ſtets zunehmende Freyheit dieſes Menſchen bald wuͤrde baͤndigen koͤnnen. Dieſemnach nahm der Koͤnig den Lord Ruthoen, der nur vor kurtzem von einem Fieber wiederum geneſen war, nebſt 4. biß 5. andern vornehmen Herren mit ſich, und trat in das Zimmer unvermuthet hinein, wo die Koͤni - gin bey der Abend-Mahlzeit ſaſſe; und als der Lord Ruthoen den David an der Taffel ſahe, (denn Jhro Maj. pflegte, wenn ſie Abends priva - tim ſpeiſete, andere neben ſich ſitzen zu laſſen, und dieſen Abend war die Graͤfin Argyle und David neben ſie rangiret) befahl er dieſem, aufzuſtehenund55und Signor David. und hervor zu kommen, weil der Platz, wo er ſaͤſſe, ihm nicht zukaͤme. Die Koͤnigin ſprang gaͤhling in die Hoͤhe, lieff eiligſt darzwiſchen, den David vor dem Ruthoen zu beſchirmen; weil aber der David ihr ſeine Haͤnde mitten um den Leib ſchloſ - ſe, bemuͤhete ſich der Koͤnig ſelbſt, ihn loß zu wickeln, indem er ſie zugleich bathe, ſie ſolte ſich nicht fuͤrch - ten, denn ſie waͤren nur eintzig und alleine gekommen, dieſen verwegenen Kerl ein wenig zu zuͤchtigen, der kein Bedencken truͤge, ſich mit Jhro Majeſtaͤt ſo familiair und gemein zu machen. Nachdem ſie ihn dann die Treppen hinab auf eine Gallerie ge - ſchleppet, allwo einer, Marton genannt, mit ſeinen Compagnons herum ſpatzirte, fielen dieſe ſo - gleich auf ihn loß, und war ein ieglicher bemuͤhet, ihm den erſten Streich zu verſetzen, biß ſie ihn mit vielen Wunden toͤdteten, worauf ſie nach England entflohen. Der Koͤnig bezeigte zwar darauf durch Trompeten-Schall bey dem Market-Croß in Edenburgh ſeine Unſchuld, und verneinete gaͤntz - lich, iemals in den Mord des Davids gewilliget zu haben; allein das Gegentheil war ſchon ieder - mann bekannt: Dahero dieſes weiter zu nichts, als nur ſeine Reputation zu verdunckeln, dienete, und verurſachte, daß er nachgehends wenig oder keine Freunde mehr fande, die ihm in ſeiner Noth beygeſtanden haͤtten. Denn weil eine genaue In - quiſition nach denen Thaͤtern angeſtellet wurde,D 4und56Maria, Koͤnigin von Schottland,und man Thomam Scot, deputirten Sheriff zu Perth, und Diener des Lords Ruthoen, nebſt Sir Henry Zair, ergriffe, wurden dieſe ge - hencket und nachmals geviertheilt, viele andere aber, deren man nicht habhafft werden kunnte, wurden fuͤr Rebellen erklaͤret; Und bey allen dieſen Pro - ceduren erwieſe ſich niemand eyfriger und emſi - ger, als ſelbſt der Koͤnig, ungeachtet die That am ſchwerſten auf ihm lage; Allein er kunnte nach dieſem die vorige Gnade bey der Koͤnigin niemals wieder finden, welche am 15den Junii 1566. darauf mit einem jungen Printzen niederkam, wel - cher nachgehends Koͤnig in England, und Jacobus der Erſte genennet wurde.
Nachdem die Koͤnigin wieder auf war, gienge ſie zu Waſſer nach Allaway, einem Hauſe, ſo dem Grafen von Marr zugehoͤrig, und hielte ſich hieſelbſt etliche Tage incognito auf. Hier aber brach ihr Mißvergnuͤgen zufoͤrderſt wider den Koͤ - nig, ihren Gemahl, aus; Und ob er ihr zwar auch dahin nachfolgte, kunnte ſie ihn doch nicht um ſich leiden, ſondern ſie gab Befehl, er ſollte ſich von ihr packen; Ja, als er zu einer gewiſſen Zeit hierauf wieder nach Hofe kam, war ihr ſeine Anweſenheit ſo verdruͤßlich, daß iedemann verſpuͤren kunnte, wie wenig ihr damit gedienet ſey: So groß war die Verbitterung, ſo ihr Gemuͤthe wegen der Schmach, die ihr durch Hinrichtung des Davids zugefuͤgetwor -57und Signor David. worden, eingenommen hatte, als den ſie mehr gelie - bet, als ihren Ehe-Gemahl; deſſen Vater, da er vernahm, wie uͤbel man mit ihm umgienge, an ihn eben damals ſchriebe, daß er ſich wieder zu ihm nach Hauſe begeben moͤchte. Der Koͤnig nahm alſo hierauf ſeinen Weg gegen Glaſcow zu; er war aber kaum eine Meile von Sterling hinweg, als das Suͤppgen, ſo ihm beygebracht worden, ſo gewaltig zu wuͤrcken anfienge, daß er an allen Theilen ſeines Leibes unbeſchreiblichen Schmertzen und Pein empfande; Und als er endlich zu Gla - ſcow angelanget, brachen die Blattern von einer blaulichen Farbe an ihm aus, woraus der Medi - cus erkannte, daß ihm eine heimliche Befoͤrderung zum Himmel gegeben worden, welche ihn auch faſt biß vor die Thuͤre der Ewigkeit brachte, daß man weiter nichts, als deren Eroͤffnung erwartete; Aber die Staͤrcke ſeiner Jugend und die Krafft der Me - dicin uͤberwande dennoch endlich. Als die Koͤ - nigin dieſes hoͤrete, daß der Koͤnig dem Tod entlauf - fen ſey, reiſete ſie nach Glaſcow, ihm eine Viſite zu geben, von wannen er mit ihr nach Edenburgh gienge, allwo ihm durch den Bothwell doch das Licht noch ausgeblaſen wurde, immaſſen das Hauß, worinnen er lag, des Nachts um zwoͤlff Uhr mit Pulver in die Lufft geſprenget, und ſein Coͤrper dar - von uͤber die Stadt-Mauer geworffen wurde; da er nur 21. Jahr alt, und nicht laͤnger, als 18. Mo -D 5nathe58Maria, Koͤnigin von Schottland,nathe Koͤnig geweſen war: Er hatte bey ſeinem Le - ben eine anſehnliche und galante Statur, alſo, daß ihm an Artigkeit und Schoͤnheit durch gantz Schottland niemand gleich kame.
Mittlerweile ſchrieb der Graf Lenox an die Koͤnigin, ſie ſollte Bothwel, wegen des Koͤnigs Ermordung, verhoͤren laſſen: Dieſemnach wurde ſolcher Bothwel zwar vor Gericht gebracht, die Sache unterſuchet, er aber dennoch endlich von de - nen zwoͤlff Geſchwohrnen loßgeſprochen; worauf, nachdem er ſich von ſeinem Eh-Weibe ſcheiden laſ - ſen, ſich die Koͤnigin ſelbſt mit ihm vermaͤhlete. Hierauf nun grieff der Adel wider ihn zum Waffen; aber Bothwel entflohe, und die Koͤnigin ergab ſich an die Lords, welche ſie gefangen nach Loch - levin ſandten. Nach dieſen wurde Bothwel durch eine Proclamation oͤffentlich fuͤr den Koͤ - nigs-Moͤrder erklaͤret, und tauſend Cronen demje - nigen verſprochen, der ihn zum Verhafft bringen wuͤrde; Allein er flohe uͤbers Meer, und weil er einen See-Raͤuber abgab, wurde er nach kurtzer Zeit an der Kuͤſte von Norwegen gefangen, und nach Daͤn - nemarck gefuͤhret; und als er daſelbſt von einigen Schottiſchen Kauff-Leuten erkannt wurde, warff man ihn in ein gemeines und abſcheuliches Ge - faͤngniß, in welchem verdruͤßlichen Behaͤltniſſe er 14. Jahre verzappeln muſte, woruͤber er in ſo ſtar - cke Raſerey verfiele, daß er ein hoͤchſt miſerables,ſchmaͤh -59und Signor David. ſchmaͤhliches und verzweiffeltes Ende nahm, indem er zu ſeinem ſelbſt eigenen Hencker wurde. Die Koͤnigin echapirte noch nach 11. monatlicher Ge - fangenſchafft aus Lochlevin: Und weil ſie ver - langte, daß die Reſignation, ſo ſie wegen ihrer Cron von ſich geſtellet, null und nichtig ſeyn ſollte, immaſſen ſie ihr nur aus Furcht abgedrungen wor - den; Als lieſſe ſie eine Proclamation ergehen, und allen ihren Unterthanen anbefehlen, gewaffnet nach Hamilton zu kommen, die Rebellen, ſo ſich der Koͤniglichen Autoritaͤt angemaſſet, zu daͤmpffen; und es nahmen auch wuͤrcklich viele vom Adel ihrer Parthey an. Dahero verſammlete der Regent von Schottland ſeine Trouppen, die ohngefehr in 4000. Mann beſtunden; Aber der Koͤnigin ihre Armee, ſo von dem Grafen von Argyle com - mandiret wurde, war weit ſtaͤrcker und zahlrei - cher; Deſſen ungeachtet verlohr ſie, als es zum Treffen kam, die Schlacht, und nahm ihre Flucht nach England, in Hoffnung, ihre Frau Schweſter, die Koͤnigin Eliſabeth, werde ihr beyſtehen. Al - leine ſie wurde auf Befehl des Engliſchen Parle - ments in dem Caſtell zu Fotheringay, in Northamptonshire, in genaue Verwahrung genommen, und, nach einer langwierigen und ver - druͤßlichen Gefangenſchafft von 19. Jahren, von ihrem Secretario, weil ſie mit einem, Babing - ton genannt, und andern mehr, heimliche Cor -reſpon -60Maria, Koͤn. von Schottl. u. Sign. David. reſpondenz ihrer Entfliehung wegen gepflogen, verrathen: Da denn das Urtheil uͤber ſie, als eine, ſo der Koͤnigin Eliſabeth nach der Cron ſtuͤnde, ge - ſprochen wurde. So bald dieſe erſchreckliche Zei - tung dieſer ungluͤckſeligen Dame zu Ohren ge - bracht wurde, zog ſie einen Demant-Ring vom Finger, und ſchrieb in ihrem Schlaff-Gemach fol - gende Worte darmit in eine Fenſter-Scheibe:
Jm Jahr 1587. am 7. Februar. wurde ſie im Schloß-Hofe, auf einer mit ſchwartzem Sammet bedeckten Schaubuͤhne, enthauptet, und in der Kir - che zu Peterborough begraben; Als aber im Jahr 1612. ihr Sohn Koͤnig in England wurde, ließ er ihren Leichnam in die Koͤnigliche Capelle nach Weſtminſter bringen, und daſelbſt praͤchtig beyſetzen. Alſo ſtarb dieſe ungluͤckſelige Printzeſ - ſin, deren Ehebruch und Ermordung ihres Ehe - Gemahls ihr ſo groſſe Truͤbſalen und lange Wi - derwaͤrtigkeiten uͤber den Halß gezogen, welche, ſie zu verfolgen, nicht eher nachlieſſen, biß ihre Perſon auf der Blut-beſpruͤtzen Buͤhne dem Schauplatze dieſes Lebens entzogen wurde.
DAß Helena Gwin von gar geringen und unbekannten Eltern, in einem Keller im Cole-Yard in Drury-Lane, ge - bohren worden, iſt faſt iedermann bekannt; Weil ſie aber unter dem Gezuͤchte derer von St. Giles in the Fields auferzogen worden, beſaſſe ſie von Natur einen groſſen Vorrath von Schamloſigkeit, welches ſie zur Profeſſion, Pomerantzen feil zu haben, unvergleichlich geſchickt machte, biß Herr Duncan, ein vornehmer Kauffmann in der Stadt London, den Narren an ihr fraß, der ſie, nicht ſowohl ihrer Schoͤnheit, die eben nicht extraor - dinair war, als ihrer guten Geſtalt, durchdrin - genden Verſtandes und netten Fuſſes wegen, und weil ſie den kleinſten Fuß unter allem Frauenzim - mer in England haben ſollte, zu ſeiner Concubine erwaͤhlte, und ihr einen ſehr anſehnlichen Unterhalt beſtimmte, daher ſie ſich zwey Jahre lang gar propre und ſtaatiſch halten kunnte. Als aber derſelbe ſich dieſer ſchweren Feſſeln, nachdem er ih - rer muͤde und uͤberdruͤßig wurde, zu entſchuͤtten ſuch - te, that er ſie ins Comœdien-Hauß, allwo ſie ihre Perſon ſo meiſterlich zu ſpielen wuſte, daß ſie garbald62Helena Gwin,bald unter denen Hoͤflingen in groſſen Ruff kam; Und da Koͤnig Carl der Andere eine Comœdie beſuchte, und Se. Maj. die ſchoͤne Helena tantzen ſahe, wurde ihre Geſchicklichkeit darinnen nicht nur von allen Zuſchauern insgemein bewundert, ſon - dern auch inſonderheit von ihrem Koͤnige admi - riret, ſo, daß er ſich gegen einige von ſeinem Adel vernehmen ließ: Er habe die Zeit ſeines Le - bens niemand mit beſſerer Grace und mehrerer Anſtaͤndigkeit tantzen geſehen.
Weil nun der Koͤnig zu gleicher Zeit eine ſolche Regung gegen ihre Perſon bey ſich empfande, wel - che die Helenam ſeiner Koͤniglichen Umfahung wuͤrdig achtete, ließ er ihr bald hierauf den glo - rieuſen Sieg, den ſie uͤber ſein Hertz erhalten, zu wiſſen thun, und ſie von dem Theatro mit Triumph auf ſein Koͤnigl. Lager ſteigen. Sie bekam deßwegen viele ſchaͤle Augen, Feindſchafft und Neider, ſo ihr den Vorzug, des Koͤnigs Mai - treſſe zu ſeyn, mißgoͤnneten, worunter Barbara Villars, Hertzogin von Cleveland, Louiſe de Querovaille, Hertzogin von Portsmouth und Madame Davis ſich inſonderheit befanden; Alleine Helena fuͤrchtete ſie nicht, und liebete ſie nicht, ſondern erhielte ſich allezeit in ihrer Station; und wiewohl ſie nicht leichtlich einer von ihren Mißgoͤnnerinnen was im Weg legte, ſo wuſte ſie doch den geringſten Affront, der ihr erwieſenwur -63und Koͤnig Carl II. wurde, aufs verſchlagenſte zu raͤchen, dahero ſich jene oͤffters bey dem Koͤnige uͤber ſie beſchwerten, aber allezeit beſchaͤmt wiederum zuruͤcke kamen. Als ſie einmals mit der Hertzogin von Portsmouth uͤber einer Raillerie, ſo zwiſchen ihnen vorfiel, un - eins wurde, ſo gar, daß ſie einander in die Haare geriethen, und Helena oben, Squintabella (oder die ſchoͤne Schielende, wie man die gnaͤdige Frau wegen einiger Verſtellung ihrer Augen nennete) aber unten zu liegen kam, hub ſie ihr den Rock auf und verbrannte ihr das Gebraͤme, ſo demjenigen Centro, das mich die Erbarkeit zu verſchweigen zwinget, zu einer be - liebten Schattirung verliehen iſt, uͤber und uͤber. Dieſer Schmach wegen beklagte ſich die Hertzogin alsbald bey dem Koͤnige, der dann ſehr unwillig uͤber der Helenæ ihre Leichtfertigkeit wurde, wel - che aber eben, als die Klaͤgerin ihre Erzehlung geen - diget hatte, ins Koͤnigliche Vorgemach getreten kam, und, ob er zwar in ungemeinem Zorn wider ſie entbrannt, denſelben ſo gleich wieder zu beſaͤnff - tigen wuſte, indem ſie ſagte: Ew. Majeſtaͤt er - lauben, daß, gleichwie eine Parlements - Acte verhanden iſt, Krafft welcher man alle verbothene Frantzoͤſiſche Waaren (Commodities, welches Wort im Engliſchen zweydeutig iſt, und nicht nur Waaren, ſondern auch dasjenige Geſtraͤuche, ſo allhier in Brand geſtecketwor -64Helena Gwin,worden, und unter uns von einigen die Froͤhligkeit genennet wird, bedeutet,) verbrennen ſoll; al - ſo hoffe, Sie werden nicht zuͤrnen, da ich mir, ſelbige ſo ſorgfaͤltig auszuuͤben, an - gelegen ſeyn laſſen.
Zu einer andern Zeit bekam Helena Gwin Lufft davon, daß Madame Davis bey dem Koͤnige in ſeinem Schlaff-Zimmer eine vergnuͤgte Nacht haben ſollte; Da invitirte ſie dieſe Dame auf eine Collation von Confect zu ſich, welcher mit Mediciniſchen Ingredientien ziemlich ſtarck zu - bereitet war, davon die Wuͤrckungen einen ſolchen Nachdruck hatten, daß, als der Hahn geſcharret, die Henne ſich gebuͤcket, ich will ſagen, der Koͤnig im groͤſten Careſſiren, ihr den Schooß voll Liebes - Zucker zu ſchuͤtten, begrieffen war, ſie eine ſo ploͤtz - liche und unumgaͤngliche Nothwendigkeit uͤberfiele, welche dieſes erbare Fraͤulein zwangen, ihre gantze Artillerie auf einmal loß zu laſſen, und ſowohl ſich ſelbſten, als auch den Koͤnig mit einer hoͤchſt er - baͤrmlichen Bruͤhe zu begieſſen. Dieſes verur - ſachte Se. Maj. daß ſie dieſen Bett-Sch-atz ab - danckten, und ihr in Betrachtung ihrer vorigen Ritter-Dienſte, in puncto puncti, jaͤhrlich eine Penſion von 1000. Pfunden beſtimmten; nach welcher Zeit ſie niemals wieder bey Hof erſchiene.
Se. Maj. und der Printz von Neuburg gien - gen einsmals in Begleitung des gantzen Hofes undeiner65und Koͤnig Carl II. einer angenehmen Muſic nach einem ſchoͤnen gruͤ - nen Kegel-Platz, allwo ſich einige auf Baͤncke, und andere auf den gruͤnen Raſen niederſetzten. Man tantzte an unterſchiedlichen Orten mit einander, und weil es eine ſchoͤne klare helle Nacht war, und der Mond ſchiene, hatte man keiner Lichter von noͤ - then; Die Flüte-Douſen und Haut-Boys antworteten vermittelſt des Echos einander aufs lieblichſte, alſo, daß nichts, was das Gemuͤth er - freuen kan, mangelte. So bald der Tag anfieng zu grauen, hatte ſich Se. Majeſtaͤt reſolvirt, nach Hampton-Court zu reiſen, und den Printzen von Neuburg mit ſich zu nehmen, um ihn daſelbſt mit einem koͤſtlichen Ball zu divertiren: Dahero alsbald geſchwinde Anſtalt gemacht wurde, den Hof zu Waſſer dahin zu bringen. Nachdem nun ein iedwedes, ſeinen gehoͤrigen Platz in den Schiffen eingenommen hatte, welche mit Perſianiſchen De - cken belegt, deren Grund von Gold, und mit ſeide - nem Brocad, von einer hellen Roſen-Farbe ge - wuͤrcket, behaͤnget waren, hoͤrte man zu gleicher Zeit die Lufft von einer angenehmen Muſic von Trompeten, Paucken, Flüte-Douſen, Violinen, ſchoͤnen Stimmen, Theorbes und Cymbeln erſchallen. Helena Gwin, die ſich auch dar - bey befande, hatte ſich allerhand Streiche ausge - ſonnen, wormit ſie denen Cavaliers und Dames ein Divertiſſement zu machen gedachte; unterEan -66Helena Gwin,andern verurſachte der folgende keine geringe Freu - de und Kurtzweil: Sie begehrte, man moͤchte auf dem Waſſer ſtille halten, um das ſchoͤne Wetter und die liebliche Harmonie der wohlklingenden Muſic deſto beſſer genieſſen zu koͤnnen. Alsdann lieſſe ſie einige Angel-Ruthen, mit ſeidenen Schnuͤ - ren und guͤldenen Haͤcken, bringen; Und der Koͤnig, nebſt unterſchiedlichen andern, fieng an, ſich mit der beliebten Kunſt des Angelns zu ergoͤtzen, kunnte aber, alles angewandten Fleiſſes ungeachtet, nicht das geringſte fangen, woruͤber die Damen von Hertzen lacheten, daß auch Se. Majeſtaͤt ſagte, er wollte dieſe Ergoͤtzlichkeit beſchlieſſen; indem er aber ſeine Schnur zuckte und zuruͤcke zog, befande er ein halb Dutzent gebratene Smelte oder Spie - ringe an ſeinen Hacken mit Seide angebunden: Woruͤber ſowohl der Koͤnig, als die andern alle, uͤberlaut zu lachen anfiengen. Madame Helena vermeldete ihm: Ein ſo groſſer Koͤnig muͤ - ſte vor andern etwas beſonders haben: Arme Fiſcher fiengen nur lebendige Fi - ſche, aber Sr. Maj. ihre waͤren ſchon zu - gerichtet; Aber der Printz von Neuburg ließ ſich vernehmen: Daß es an ſechſen unter ſo viele nicht genug waͤre, er wollte ver - ſuchen, ob er nicht noch einige zu des Koͤ - nigs ſeinen Fiſchen fangen koͤnnte; Und da er die Schnur einwarff, und fuͤhlete, daß ſieſchwer67und Koͤnig Carl II. ſchwer wurde, ſagte er: O Sire! wie wollen wir ſchmauſen! indem er aber zuruͤcke zog, fand er einen Beutel an dem Hacken, und als man den - ſelben oͤffnete, ein guͤldenes Futteral, mit Steinen beſetzt, und das Portrait einer gewiſſen Dame, die der Printz liebte, darinnen. Dieſes verurſachte eine allgemeine Freude, und der Koͤnig, der nun - mehro merckte, daß Helena dieſe Luſt angeſtellet, und die Fiſche und das Bildniß an die Haͤcken bin - den laſſen, bezeigte mehr als alle ein ungemeines Vergnuͤgen daruͤber: Cleopatra, ſagte er zu ihr, ließ dem Marco Antonio eine Sardelle an den Hacken binden; alleine ſie uͤber - treffen dieſelbe noch an ingenieuſer Scharffſinnigkeit, denn ſie verſchaffen Portraite, welche weit angenehmer ſind. Dieſes ſind Præſente, erwiederte die Dame, von der das Portrait ware, welche derjeni - gen, ſo dieſes Spiel vorſtellet, nicht hoch zu ſtehen kommen: Sie ſchickte geſtern zu mir, mich zu berichten, daß ſie geſon - nen waͤre, ſich abmahlen zu laſſen, baͤthe mich demnach, ihr mein Portrait zu ſen - den, um zu ſehen, wie ſolches getroffen ſey; Nun ſehen Ew. Maj. zu was fuͤr Gebrauch ſie es anwenden wollen. Es haͤtte mir nichts angenehmers begegnen koͤnnen, verſatzte der Printz, und indem er ſich ihrE 2naͤ -68Helena Gwin,naͤherte, ſagte er auf gar verbuͤndliche Art: Jch weiß nicht, wie ich ihnen meinen Reſpect gnugſam erwiedern ſoll. Jch wuͤrde erfreut ſeyn, fiel ihre Antwort, daferne es Dero Erkaͤntlichkeit meritirte; Alleine Ew. Durchl. dancken mir fuͤr eine Ge - faͤlligkeit, worinnen ich meine Hand nicht im Spiel gehabt. Jch glaube, daß es die Naiades und Waſſer-Nymphen in der Themms geweſen, ſo dieſe Gallante - rie ins Werck gerichtet, ſich Ew. Durchl. und dieſe Dame, die Sie, wie ich darfuͤr halte, hertzlich und mit ungeſchminckter Sincerité lieben, verpflichtet zu machen.
Der Graf von Schaftsbury gebrauchet ſich in einer Rede, die er 1680. im Hauſe derer Lords gehalten, von denen Maitreſſen Koͤnigs Caroli des Andern, folgender Worte:
„ Ein weiſer Fuͤrſt, „ wenn er ſeines Volcks noͤthig hat, wird es viel „ eher mit ſeiner Familie und Raͤthen verderben, „ als ſeine Freunde beleidigen. Meine Lords, „ dieſer Lord neben mir tadelt das Exempel, „ welches, wie er ſaget, ich Ew. Herrlichkeiten von „ denen koſtbaren Damen am Hof vorſtellig ge - „ macht habe; Alleine ich kan mich nicht erinnern, „ ſolche Dinge geſagt zu haben; Daferne ich aber „ ja meine Meynung darvon eroͤffnen ſoll, ſo will ich „ ſagen, was der Prophet zum Koͤnig Saul ſagte:„ Was69und Koͤnig Carl II. „ Was iſt denn das fuͤr ein Bloͤcken der Schaafe „ in meinen Ohren? Und ich hoffe, der Koͤnig werde „ mir zur Antwort geben: Daß er ſolche zum Opf - „ fer, und zu einem Mittel, ſein Volck zu verſoͤhnen, „ aufbehalten und verſchonet. Denn deutlich von „ der Sache zu reden, muß eine Abwechſelung ſeyn: „ Wir muͤſſen weder papiſtiſche Weiber, noch pa - „ piſtiſche Favoriten, noch papiſtiſche Maitreſ - „ ſen, noch papiſtiſche Raͤthe oder einigen Neu - „ bekehrten am Hofe haben. Was ich ſagte, war „ von einer andern Dame, die nicht nach Hofe ge - „ hoͤrte, ſondern gleich der Semproniæ in Cati - „ linæ Conſpiration, mehr Unfug, als Cethe - „ gus anſtifftete. Damit man ſich aber einen „ Entwurff oder Begriff von allen Staats-Mai - „ treſſen machen moͤge, ſo ſoll uns Helena Gwin „ in denen folgenden von Herrn Georg Ethe - „ ridge, einem Ritter, urſpruͤnglichen entworffenen „ Zeilen ein vollſtaͤndiges Muſter abgeben;
Wel - che wir, auf eine etwas behutſamere Art, teutſch alſo ausdrucken wollen:
„ Herr Georg mag ſo Pasquillantiſch von He - „ lena Gwin ſchreiben, als er will, ſo muß ich „ dennoch ihr und ihrem Andencken dieſes zu Eh - „ ren nachſagen, daß ſie mehr, als alle Koͤnigliche „ Maitreſſen, mit Liebe, die der Fehler Menge be - „ decket, bekleidet geweſen. „
Sie zeugete mit Ca - rolo dem Andern Carolum Buclair, Hertzogen von St. Albans; Und nachdem der Koͤnig dieſes Zeitliche geſegnet, lebte ſie auch nicht lange mehr, ſondern gieng den Weg aller Welt in ihrem Hau - ſe in der Pall-Mall, und wurde herrlich zur Er - den beſtattet in der Pfarr-Kirchen zu St. Martini in the Fields.
DJeſe Dame ſtammete von einer guten Familie her; Weil ſie aber von einem verſchwenderiſchen Vater gantz ohne Ver - moͤgen hinterlaſſen wurde, ſahe ſie ſich genoͤthiget vom Theatro zu leben, auf welchem ſie ſich nicht lange befunden, als eine Tragœdie, der Ibra -him75Roxolana und der Graf von Oxford. him betittelt, mit groſſem Applauſu geſpielet wurde; und unter andern agirte ſie die Perſon der Roxolanæ ſo unvergleichlich wohl, daß Aubre de Vere, Graf von Oxford, als er ſie ſahe, ſich in ſie verliebte. Von dieſem Tage an war dieſe Comœdiantin unter keinem andern Nahmen, als der Roxolanæ ihrem bekannt; Und weil ſie eine Perſon war, dergleichen man an Schoͤnheit und artigem Weſen nicht leichtlich antreffen kunn - te, entſchloſſe ſich Se. Gnaden von dieſem Augen - blick an, ſie zu lieben; Ja, weil Koͤnig Carl der Andere auch in der Comœdie war, gab Se. Majeſtaͤt Befehl, daß Roxolana nach White - hall kommen, und ihre Perſon auch daſelbſt agi - ren moͤchte. Der Graf von Oxford richtete die - ſen Befehl aufs fleißigſte aus, und erbothe ſich zu - gleich, ſie vor Se. Majeſtaͤt zu bringen; Sie be - diente ſich ſeiner uͤberſandten Kutſche, nahm eine von ihren guten Bekannten mit ſich, und ſie begaben ſich alle dreye in das Zimmer, wo der Koͤnig des Abends Tafel hielte.
Nachdem ſich nun Roxolana mit allem Splendeur einer Koͤnigin angethan hatte, die Hertzen und Neigungen derer Zuſchauer zu gewin - nen; ſtellte ſie ihre Perſon ſo naturell und wohl - anſtaͤndig vor dem Koͤnig fuͤr, daß iedermann auf die Gedancken geriethe, ſie werde ſchwerlich von noͤ - then haben, das oͤffentliche Theatrum mehr zube -76Roxolana,betreten, weil ihr kleines und geheimes Theatrum vielleicht nunmehro nicht ſelten beſtiegen werden duͤrffte. Der Graf von Oxford begleitete ſie nach Hauſe, und bath bey dieſer Gelegenheit, um Erlaubniß, daß er ſeine Aufwartung zuweilen bey ihr machen duͤrffte. Sie vermeldete ihm, welcher geſtalt ſie zwar iederzeit den groͤſten Reſpect fuͤr ihn hegen werde, allein ein junges Frauenzimmer, ihres gleichen, koͤnnte, ohne ſich denen Leuten in die Maͤuler zu bringen, die Viſiten einer Perſon von ſeinem Stande nicht wohl allzuofft annehmen. Der Graf gab zur Antwort: Wiewohl er es fuͤr ſein groͤſtes Vergnuͤgen hielte, ſie oͤffters zu ſehen, ſo wollte er es doch mit ſolcher Behutſamkeit thun, daß ſie im geringſten nicht Urſache, ſich uͤber ihn zu beſchweren, haben ſollte. Hierauf verlieſſe ſie Se. Gnaden; Er blieb aber dergeſtalt mit ſeinen Ge - dancken und Hertzen an dieſer Comœdiantin kle - ben, daß er in keiner Compagnie ein anderes Wort, als von ihr, reden kunnte. Den naͤchſten Tag darauf gieng er wieder ins Comœdien-Hauß, machte der Roxólanæ ſein Compliment, und ſtattete nachgehends eine Viſite bey ihr ab, da er zugleich mit einem koſtbaren Preſent ſeiner Liebe einen Nachdruck zu geben ſuchte. Sie ſchlug ſol - ches mit einer ſonderlichen Art und Majeſtaͤtiſchem Blick aus, dergleichen ihr manche Koͤnigin nicht nachthun koͤnnen, und ließ ſich gegen ihn verneh -men,77und der Graf von Oxford. men, daß, daferne er ſie recht gekannt haͤtte, ſo wuͤr - de er ſich die Muͤhe nicht genommen haben, den Weg zu ihrem Hertzen durch Geſchencke zu baͤhnen, angeſehen dieſes Sachen waͤren, ſo bey ihr nicht die geringſte Impreſſion machen koͤnnten. Der Graf antwortete ihr mit ſonderbarem Reſpect und Politeſſe, war aber gleichwohl nicht ein klein wenig beſtuͤrtzt, da er ſie einen ſolchen Grandeur und Großmuͤthigkeit annehmen ſahe, dergleichen, allem Vermuthen nach, den Fortgang in ſeiner Lie - be hemmen duͤrffte: Denn Damen, ſo zur Ge - gen-Liebe geneigt ſind, laſſen viel eher mit ſich uͤm - gehen, als die von einer contrairen Diſpoſition. Nichts deſtoweniger gedachte der Lord ſich fer - ner um dieſe Amour zu bewerben: Denn ſeine Paſſion war zu groß, als daß er ſich entſchlieſſen ſollen, denen entzuͤckenden Vergnuͤglichkeiten, die er ſich bey ihren Genuß vorſtellig machte, abzuſa - gen; Es hatte ihn dieſe junge Dame dermaſſen bethoͤrt, daß er kaum einen Augenblick ohne ſie blei - ben kunnte. Nachdem aber Roxolana nun - mehro weit ſproͤter gegen den Lord thate, als den erſten Tag, da er ſie geſehen, und ihm deutlich zu verſtehen gab, er duͤrffte weiter keinen Fuß in ihr Hauß ſetzen, er wollte ſich denn reſolviren, ſie zu ehlichen; So praͤgete dieſer Vortrag alle Keñzeichen eines verwirrten Gemuͤthes in ſein Angeſicht, und ſatzte ihn in aͤuſſerſte Verzweiffelung: Denn, wenner78Roxolana,er in Betrachtung zog, daß, daferne ſie dahin ge - langte, die erſte Graͤfin von England zu ſeyn, alle ſeine Verdruͤßlichkeiten, Sorgfalt und Freygebig - keit vergeblich ſeyn wuͤrde; immaſſen ihr Humeur ſo hochmuͤthig, als der Sultanin ihrer war, deren Nahmen ſie fuͤhrete; ſo faſſte er den Schluß, ſie an einem Abend, wenn ſie aus der Comœdie gien - ge, aufzufangen, und aufs Land zu entfuͤhren, ſei - nes Gefallens allda mit ihr zu verfahren.
Wann er aber erwoge, daß er beſſer thun wuͤr - de, noch eine Weile fußfaͤllig vor ihr zu ſeufftzen, und ihre Haͤrtigkeit vielmehr mit Thraͤnen zu erwei - chen, als ſie mit einer ſo unanſtaͤndigen Action zu erbittern, ließ er ſich alle Gedancken vergehen, ſein Vorhaben auszufuͤhren, und erneuerte die vo - rigen Viſiten und Complimenten. Es ver - giengen wiederum acht Monathe aufs neue, weh - render welcher Zeit der Graf nicht die geringſte Ge - faͤlligkeit in Roxolanens Gemuͤth verſpuͤhren konnte; Wiewohl ſie ſich uͤberaus luſtig bezeigte, wie denn nichts angenehmer, als ihre Converſa - tion ſeyn kunnte; Daferne ſich aber der Graf et - wa einiger maſſen familiair machen wollte, be - richtete ſie ihm: Sie wuͤrde ihn Zeit ihres Lebens nicht wieder ſehen, geſtalt ſie den Schluß gefaſſet, ſich iederzeit innerhalb denen Graͤntzen der Klugheit und Tugend zu halten, wie ſie anhero gethan, er wollte ſich denn, ſie zu heyrathen, entſchlieſſen. End -lich79und der Graf von Oxford. lich verhieſſe er dieſes mit tauſend Eyd-Schwuͤhren, bathe ſie aber, nichts davon einigen von ſeinen An - verwandten wiſſen zu laſſen. Da nun alles zur Vollziehung der Heyrath zwiſchen ihnen angeſtel - let, und niemanden, als ſolchen Leuten, ſo nothwen - dig darum wiſſen muſten, etwas darvon bekannt gemacht wurde, ſo ſtellte er ihr vor, was maſſen ſie mit ihm aufs Land reiſen ſollte; Weil ſie aber gleichſam im Geiſte voraus ſahe, was ihr nachge - hends begegnete, vermeldete ſie ihm, welcher geſtalt ſie in London mit ihm vermaͤhlt zu werden wuͤn - ſche. Nach einigen Diſputen willigte er darein, und lieſſe ſich in ſeinem eigenen Hauſe mit ihr co - puliren. Als die Ceremonie vollzogen war, vermeinte ſie nunmehro den Gipffel ihrer Wuͤnſche erreicht zu haben, ſo, daß niemahls ein Menſch auf der Welt mehr Zufriedenheit uͤber ſeinem Gluͤcke, als ſie, von ſich blicken laſſen.
Die erſte Nacht war kaum vergangen, als Roxolana, welche noch ſchlieffe, von dem Gra - fen ziemlich unſanfft an die Seite geſtoſſen wurde, mit der Anrede: Wachet auf, Roxolana, wachet auf! es iſt Zeit aufzuſtehen. Sie wendete ihre Augen auf ihn, ſahe ihn an und ſagte: Warum, mein Lord, nennen ſie mich Roxolana? Habe ich nicht die Ehre, Graͤ - fin von Oxford zu ſeyn? Nein, war ſeine Gegen-Antwort, ihr ſeyd es nicht, ihr ſeydmir80Roxolana,mir nicht vermaͤhlet, und das gantze Ge - heimniß in euren Schooß auszuſchuͤtten, ſo wiſſet, daß es mein Hof-Meiſter ge - weſen, der die Ceremonie der Copula - tion auf verſtellte Weiſe geſtern zwiſchen uns vollzogen hat. O Verraͤther! ſchrie ſie, indem ſie ihm nach den Halß griffe und ſich bemuͤhete, ihn in dieſer erſten Furie zu erwuͤrgen: O Boͤſewicht, du ſolt durch meine Haͤn - de ſterben! Als ſie der Graf ſo raſend ſahe, ſuchte er ſich von ihr loß zu reiſſen, und entflohe aus der Kammer. Sie ſprunge aus dem Bette, er - grieffe ſeinen Degen, der auf dem Nacht-Tiſche lage, verfolgte ihn darmit biß zum Speiſe-Zimmer, deſſen Thuͤr er geſchwinde nach ſich zuſchloſſe. Da Roxolana den vornehmſten Gegenſtand ihrer Wuth entweichen ſahe, kehrete ſie die Wuͤrckun - gen darvon wider ſich ſelbſten; ſie zerriſſe ihr Haar und Angeſicht, ſtieß die bitterſten Droh-Worte heraus, und ſchrie, heulte und weinte ſo jaͤmmer - lich, daß es einen Stein, geſchweige ihres Liebha - bers Hertz erweichen moͤgen; Nachdem ſie aber ſahe, daß er ſich nicht erbarmen noch erſcheinen wollte, faſſte ſie den verzweiffelten Schluß, ſich felbſten zu maſſacriren, und indem ſie die Spitze des entbloͤſten Degens wider ihre Bruſt kehrete, ſtieß ſie ſolchen mit einer ſo hefftigen Force in ihren Leib hinein, daß es ihrem Leben ein unfehlbaresEnde81und der Graf von Oxford. Ende gemacht haben wuͤrde, daferne nicht ihre zit - ternde Hand in der intendirten fatalen Execu - tion einiger maſſen gefehlet haͤtte: Denn, weil der Degen laͤngſt denen Rippen eingegangen, gab es ihr eine Wunde, die mehr groß als gefaͤhrlich geriethe; Und nun wurde der Graf, der von einem Orte, wo ihn niemand, er aber alles ſehen koͤnnen, und den gantzen Verlauff betrachtet hatte, von ſchmertz - lichem Mitleiden dergeſtalt geruͤhret, daß er hin - ſchickte, und ihr allen moͤglichſten Beyſtand leiſten lieſſe. Gegen den Abend wurde ſie nach ihrer Heimath gebracht, allwo ſie unterſchiedene Perſo - nen, vermittelſt der Treuloſigkeit eines Ungeheuers, (wie ſie ihn nennte) der nicht werth ſey, von der Sonnen beſchienen zu werden, halb entſeelt zu Bette brachten. Jndem ſie ſich alſo aufs heff - tigſte und grimmigſte uͤber des Grafen Falſchheit beklagte, warff ſie ihre Augen auf ein Portrait - das den Lord in Wachs poſirt vorſtellte, und er ihr nicht lange zuvor verehret hatte; Da wurde ſie uͤber deſſen Erblickung in eine ſolche Wuth geſetzet, daß ſie, aller ihrer Schwachheit ungeachtet, zum Bette heraus ſprange, und es in tauſend Stuͤcken zerſchmetterte. Als Roxolana wieder zurecht war, bemuͤhte ſie ſich, ihre Mariage vermittelſt der Geſetze fortgaͤngig zu machen; Alleine des Gra - fen Gewalt drunge durch, und uͤberwaͤltigte dieſer armen Comœdiantin Gerechtigkeit; JedennochFwurde82Madame Corbet,wurde ihm auferleget, ſie Zeit ihres Lebens zu ver - ſorgen, und ihr wegen eines jungen Sohnes, den ſie zur Welt brachte, gehoͤrigen Unterhalt zu ver - ſchaffen.
UNter der Regierung der Koͤnigin Eliſa - beth, bey deren geſegnetem und preiß - wuͤrdigem Gouvernement das Koͤnig - reich Engelland alle Gluͤckſeligkeiten des Friedens und Ubesfluſſes zu genieſſen hatte, machte der Graf von Lincoln noch bey fruͤhen Jahren eine groſſe Figur in der Welt; und ſintemal ſein Naturel und Politeſſe alle Cavaliers dieſer Nation zu ſeiner Zeit uͤbertraff, ſo war keine Dame am Hofe, die ſich nicht angelegen ſeyn lieſſe, den Sieg uͤber eine Perſon, die ſo viel Geſchick[l]ichkeit als dieſer Graf beſaͤſſe, darvon zu tragen. Seine erſte In - trigue hatte er mit des Grafen von Notting - hams Fraͤulein-Tochter, welche, als ſie kaum das 20ſte Jahr erreichet, von ihren intereſſirten El - tern gezwungen wurde, einen alten Baron von 70. Jahren zu ehligen, der aber ſehr reich und des Gra - fen von Lincoln vertrauter Freund war. Nunſchiene83und der Graf von Lincoln. ſchiene deſſen hohes Alter von deſto gefaͤhrlicherer Folge zu ſeyn, indem die Fraͤulein vor ihrer Ver - maͤhlung bereits eine ſonderbare Hochachtung zu dem Grafen von Lincoln getragen, welche ſie nachgehends fortſatzte; Jedoch hatte der alte Ba - ron wegen der Affaire zwiſchen ſeiner Liebſten und ſeinem Freunde nicht den geringſten Verdacht.
Und ſie wuſten auch ihre Sache ſo heimlich und ſo liſtig zu ſpielen, daß er nicht die allergeringſte Lufft darvon bekam. Als aber Madame Corbet bey der gnaͤdigen Frauen Kammer-Fraͤulein wurde, zu einer Zeit, da dieſe beyde Verliebte die Fruͤchte ih - rer Wuͤnſche, ohne den geringſten Verdruß oder Jalouſie, ſo ihre Gluͤckſeligkeit ſtoͤhren moͤgen, am haͤuffigſten einerndeten; So muſten auch ſie befin - den, daß nichts wahrhaffter ſey, als, daß man nicht allezeit gluͤckſelig ſeyn koͤnne: Denn, weil dieſe Fraͤulein, ſo der Baronin aufwartete, von fuͤrtreff - licher Schoͤnheit, ſcharffen und artigen Sinnen, und einem ſo aufgeweckten und durchdringenden Judicio war, welche ihre zarten Jahre, indem ſie kaum das 17de erreichet, weit zu uͤbertreffen ſchienen; ſo erlangte ſie einen ſo groſſen Platz in des Grafen von Lincoln ſeinen Gedancken, daß er alle Reitzungen, ſo ihm bey unterſchiedlichen Gelegenheiten von andern Weibs-Bildern gema - chet wurden, mit veraͤchtlichen Augen anfahe. Es wurde aber die Baronin, ſo den Grafen ungemeinF 2zaͤrt -84Madame Corbet,zaͤrtlich liebte, ſeines Monden-Sinnes zu einer Zeit gewahr, da er am wenigſten an ihre Eyferſucht ge - dachte. Sie lieſſe Mademoiſelle Corbet, ihr Kammer-Fraͤulein, mit dem Grafen oͤffters in ihr Appartement kommen, damit ſie die Beſtuͤr - tzung des einen, und Verwirrung des andern beobachten moͤchte, bediente ſich auch dann und wann der gefaͤhrlichen Probe, ſie alleine zu laſſen, um zu hoͤren, was ſie ſagten, und einen Augen-Zeu - gen ihrer Beſtuͤrtzung abzugeben. Nachdem ſie ſich aber entſchloſſe, endlich einmal recht gewiß hin - ter ihre Schliche zu kommen, bediente ſie ſich fol - gender Methode, ihr Gemuͤth wegen der Unbe - ſtaͤndigkeit ihres Galans zu befriedigen.
Als der alte Baron eines Tages mit unter - ſchiedlichen Cavaliers und Dames in ſeinem Hauſe ſchmauſete, ſtellte ſich die Baroneſſe kranck, und nachdem ſie ſich zu Bette begeben hatte, befahl ſie ihrem andern Frauenzimmer, ſie alleine zu laſſen, und zu ſagen, ſie waͤre nach Hof gefahren. Ma - demoiſelle Corbet und der Graf, die von der Baroneſſe ihrer Verſtellung nichts wuſtẽ, ſondern meyneten, ſie waͤre weit davon, wollten eine ſo ſchoͤ - ne Gelegenheit, einander auf etliche Minuten ge - nieſſen zu koͤnnen, nicht vorbey laſſen. Die Wuͤr - ckungen von dieſer geheimen Conference waren auch ſo kraͤfftig, daß Mademoiſelle Corbet die Fruͤchte der Keuſchheit, neun Monate darauf, durchein85und der Graf von Lincoln. ein junges Fraͤulein ablegte. Aber von jener Zeit an hatte Madame Corbet, drey Monate lang, niemals einige Gelegenheit, mit dem Grafen alleine zu ſeyn. Die Baronin, die gleichſam einen Augen - Zeugen von ihrer Vereinigung abgegeben, wollte ihrem Galan ſeine Unbeſtaͤndigkeit nicht aufruͤ - cken; maſſen ſie wohl wuſte, was fuͤr ein hitziges Temperament, eine rachgierige Entrepriſe auszufuͤhren, er beſaͤſſe; Sondern ſie maſſte ſich ei - ner ſolchen verſtellten Affection zu ihrem Kam - mer-Fraͤulein an, als ob ſie nicht einen Augenblick ohne ihre Gegenwart leben koͤnnte. Madame Corbet wuſte alle Affairen ihrer gnaͤdigen Frau, ja das innerſte deren Hertzens war ihr bekannt; und der Graf beſuchte die Baronin noch ſo offt, als zuvor, kunnte es aber niemals dahin bringen, einen Augenblick in Geſellſchafft ihres Kammer - Fraͤuleins alleine zu ſeyn.
Nachdem aber die Baroneſſin verſpuͤrte, daß ihre Eyferſucht ſo ſehr zu, als des Grafen Neigung gegen ſie abnahm, beſchloſſe ſie bey ſich ſelbſten, denen Verliebten gleiches mit gleichen zu vergelten, und auf Mittel und Wege zu dencken, beyde zu ruiniren, damit ſie ihrer Ehre, welche das eintzige, ſo ihr ſchaͤtzbar war, keinen Schand-Flecken an - haͤngen moͤchte; Jedoch binnen kurtzer Zeit wurde die gnaͤdige Frau von einer Melancholie einge - nommen, welche ſie ſo veraͤnderte, daß man ſie kaumF 3mehr86Madame Corbet,mehr kannte. Jhr Gemahl, der ſie vollkommen liebte, bemuͤhte ſich, ſeine Liebſte mit allem, was er nur erdencken kunnte, zu divertiren, und ihr die melancholiſche Gedancken aus dem Kopffe zu bringen; allein es war alles vergeblich, weder die Pickelherings-Poſſen des luſtigen Andreſen, der damals in England ſehr im Ruff war, noch die auserleſenſten Mittel derer beſten Medicorum halffen etwas. Sie wurde allen Ergoͤtzlichkeiten ein Fremdling, vergieng wie ein Schatten, und die Verwelckung dieſer ſchoͤnen Blume war recht ſichtbarlich zu verſpuͤren. Alle Bedienten im Hau - ſe lamentirten uͤber ihr, und es war kein Heiliger mehr im Paradieß, (denn ihr Eh-Gemahl war Roͤmiſch-Catholiſch) der nicht vor das Leben und Geſundheit einer ſo liebens-wuͤrdigen Perſon angeruffen wurde; Aber alle ihre Staͤr - cke verzehrte ſich, und nun verſpuͤrte ſie, daß ſie ſich ihrer Paſſion zu weit uͤberlaſſen, und es nunmehro zu ſpaͤte ſey, ſolche zu verheelen. Der Baron, un - ter deſſen weiß-beſchneytem Haupte die Liebes-Glut noch hefftig loderte, wurde uͤber den gefaͤhrlichen Zuſtand ſeines geliebten Schatzes bald unſinnig; Er kam und machte ihr die zaͤrtlichſten und ver - buͤndlichſten Verſicherungen, wie tieff ihm ihr Elend zu Hertzen gienge; Er gab ihr Freyheit zu allem, was ihr Hertz verlangte, ſie ſollte nur ihr Le - ben erhalten; Er lieſſe ſie bald auf den Haͤndentra -87und der Graf von Lincoln. tragen, und ſchwuhr hoch und theuer, gerne tauſend - mal zu ſterben, wenn er nur dadurch ihre Tage verlaͤngern koͤnnte. Die Baroneſſe hoͤrte dieſe Exaggerations mit an, befande ſich aber mehr von dem Urſprung ihres Mißvergnuͤgens, als dem Mitleiden ihres Gemahls geruͤhret; unter deſſen Schnee ſie nichts anders als einen unangenehmen Miſt-Hauffen antraff. Sie wuͤnſchete nichts, als etliche wenige Augenblicke, ehe ſie ſtuͤrbe, mit dem Grafen zu reden: Dahero ſtellte ſie ſich, als koͤnnte ſie nicht ruhen, und verlangte, man ſollte ſie mit Madame Corbet alleine laſſen, welcher ſie denn Befehl gab, dem Grafen ihren Zuſtand bekannt zu machen.
Der Graf, welcher noch nicht alle Empfind - lichkeit von ſeiner vorigen Liebe gegen die Baro - neſſe verlohren hatte, wurde durch die Poſt von ihrer Schwachheit auf das ſchmertzlichſte geruͤh - ret, und eilete, ſo viel er kunnte, ihr mit ſeiner Ge - genwart ein linderndes Labſaal zu verſchaffen. Er war nicht ſo bald bey ihr angelanget, ſo gab ihm der elende Zuſtand, worinnen ſich die Baronin be - fande, lauter angenehme und zaͤrtliche Worte in den Mund; ungeachtet Madame Corbet, die uͤber vergangene Dinge Reflexiones mach - te, anweſend war. Die Baroneſſe hoͤrte ihm eine gute Weile zu, ehe ſie ihm das geringſte ant - wortete, endlich aber ſahe ſie ihn mit ſehnlichen Au -F 4gen88Madame Corbet,gen an, und ſagte mit ſchwacher Stimme: Hoͤret auf, mein Lord, ich muß ſterben, und ihr ſeyd die Urſache meines Todes. Dieſen Augenblick kam man, der gnaͤdigen Frauen zu be - richten, welcher geſtalt ihr Herr einen von ihren An - verwandten, ſie zu beſuchen, mit ſich braͤchte: Wor - auf ſie Madame Corbet bathe, hin zu gehen, und ihren Eh-Gemahl ein wenig im Diſcours zu unterhalten, biß ſie mittlerweile einen Weg erfun - den, ihre Ehre, durch des Grafen Flucht, in Sicher - heit zu ſetzen; Alleine ſie war ſo unbedaͤchtig dar - innen, daß der unbaͤndige Affect gegen einen ver - achtenden Liebhaber ihr den gefaͤhrlichen Anſchlag einer blutigen Rache einblieſſe, und ſie den verteuf - felten Schluß faſſete, ihre Beleidigung, daferne es moͤglich, hoͤher als durch den Tod ſelbſt, zu ahnten: Sie ſtellte ſich demnach, als wollte ſie dem Gra - fen heimlich ins Ohre ſagen, wohin er ſich verber - gen ſollte, und indem ſie zu gleicher Zeit ein Feder - Meſſer in die Hand nahm, ſo ſie im Bette verbor - gen gehabt, ſtach ſie ihm darmit in die rechte Bruſt; weil aber das Inſtrument ſeitwarts eingienge, geriethe die Wunde nicht toͤdtlich. Deſſen un - geachtet wurde er vermittelſt der Madame Cor - bets klugen Anſtalt zum Hauſe hinaus partiret, daß der Baron nicht das geringſte darvon gewahr wurde; Er ſahe aber die erzuͤrnte Dame hernach niemals wieder, maſſen ſie des naͤchſten Tages,zum89und der Graf von Lincoln. zum groͤſten Leidweſen ihres Ehe-Herrn, der ſie nicht lange uͤberlebte, den Geiſt auſgab.
Als der Graf an ſeiner Wunde geheilet war, nahm er Madame Corbet in ſein Hauß auf, welche nun durch den Tod ihrer Frauen, aus der Dienſtbarkeit in die Freyheit gerathen. Nun kunnten ſie ſich ohngeſtoͤhrt an einander ergoͤtzen, und mit dem Nectar der mehr als Honig-ſuͤſſen Liebe, ſich biß zum Eckel berauſchen; Ja, der Graf war dieſer ſeiner Maitreſſe dergeſtalt ergeben, daß er ohne ſie weder eſſen, trincken, noch ruhen kunnte. Die extreme Liebe zur Madame Corbet machte Sn. Gnaden gegen alle Schoͤnheiten des Erdbodens unempfindlich; und ihre Neigung ge - gen ihn war nicht geringer. Als dem Grafen ei - nes Tages ein Cartel von einer Perſon von Qua - lité zugeſendet wurde, welches ihn den naͤchſten Morgen aufs Duel ausforderte, bekam ſie, indem der Graf ſaß und darauf antwortete, beſagtes Cartel zu leſen, worvon ſie alsbald, ehe es der Lord gewahr wurde, in Ohnmacht nieder ſanck, und nachdem ſie wieder zu ſich ſelbſten gekommen, und noch immer vor Furcht und Schrecken zitter - te, es duͤrffte ihrem geliebteſten Grafen einige Ge - fahr zuſtoſſen, ergoſſe ſich ein gantzer Strom hei - ſer Thraͤnen aus ihren Augen, und ſuchte ſie ihn zu perſvadiren, ſich vor dieſen verwegenen Ge - gener nicht zu ſtellen. Alleine ob ſie wohl von demF 5Lord90Madame Corbet,Lord vollkommen angebethet wurde; ſo bliebe er dennoch reſolvirt, demjenigen, ſo ihn heraus ge - fordet, an beſtimmtem Ort und um beſtimmte Zeit zu begegnen: Derowegen erſuchte er ſie, ſich keine Muͤhe zu geben, ſeinen Vorſatz zu unterbrechen, mit angehaͤngter Drohung, woferne ſie dieſes thun wuͤrde, wollte er ſeine Affection von ihr abwen - den, denn er waͤre entſchloſſen, zu fechten und lieber zu ſterben, als, gleich einer feigen Memme, conti - nuirlich mit Beſchimpffung gemartert zu werden; Und dieſemnach machte er des Streits ein Ende, indem er die Standes-Perſon, ſo ſich erkuͤhnet, ihre Ehre durch den Nachdruck ihres Degens zu raͤchen, verwundete und Wehr-loß machete.
Nunmehro befande ſich Madame Corbet, die eintzige Gottheit, ſo der Graf verehrete, geſegne - ten Leibes, und ziemlich dicke; weßwegen er ſie aufs Land ſande, woſelbſt ſie, wie geſagt, die Fruͤchte der Keuſchheit durch eine junge Tochter ablegte, welche aber nach einen Monat alsbald wiederum verſtar - be. Die gantze Zeit ihrer Abweſenheit war dieſe Dame das eintzige Objectum des Grafens ſei - ner Gedancken; Nachdem er aber zween Jahre mit ſeiner Maitreſſe gelebet hatte, fieng ſeine Neigung an, laulicht zu werden, und ſich nach friſchem Wild - pret umzuſehen. Sein Ehrgeitz war nicht gerin - ger als ſeine Wolluſt, dahero unterſtunde er ſich, ſeine Affection auf Jhro Majeſtaͤt die KoͤniginEli -91und der Graf von Lincoln. Eliſabeth, glorwuͤrdigſten Andenckens, zu werf - fen, und flattirte ſich mit der thoͤrichten Hoffnung, ſo weit in ſeiner Liebe zu avanciren, daß er ſeine Koͤnigliche Maitreſſe zur Gemahlin bekommen moͤchte. Ob nun wohl der Graf von Eſſex da - mals der vornehmſte Favorit am Hoff, und eine Perſon von zulaͤnglichen Verdienſten war, die Anmuthungen dieſes Pairs zu hintertreiben; ſo hienge dieſer doch ſeinen Neigungen ſo heimlich nach, daß er Madame Corbet gaͤntzlich aban - donirte und ſich ihrer Converſation voͤllig ent - zoge. Er ſchnitte ihr uͤber dieſes die Penſion von 400. Pfunden ab, die er ihr jaͤhrlich beſtimmet hatte, und uͤberlieſſe ſie ihrem ſelbſt eigenen Nach - ſinnen, ſich in der Welt hinzubringen. Sie begab ſich alſo nach Hauſe zu ihrem Vater, der ein Herr von anſehnlichem Stande und conſiderablem Vermoͤgen zu Columpton in Devonshire war; Weil ſie aber von demſelben, des Aergerniſ - ſes und Schimpffes halber, den ſie ihrer Familie, durch Verſchwendung ihrer Tugend um die lieder - lichen Umarmungen einer unrechtmaͤßigen Liebe, uͤber den Halß gezogen, vor ſein Kind verlaͤugnet wurde, entzog ſie ſich von dannen und nahm ihre Zuflucht zu einem Vetter zu Chudleigh in der - ſelbigen Grafſchafft; Und nachdem ſie daſelbſt ſich des Grafen Wanckelmuͤthigkeit und ihrer Eltern Grauſamkeit zu Gemuͤthe fuͤhrete, drang ihr ſolchesſo92Madame Coſens,ſo zu Hertzen, daß ſie die Hand an ſich ſelbſten legte und ſich in ihrer Schlaff-Kammer, ehe ſie noch das 20ſte Jahr ihres Alters erreichet, mit einem Halß-Geſchmeide, ſo die Seiler feil haben, die Gurgel zuſchnuͤrete. Da hieng nun das ſaubere Obſt, daß kein anderer als der Hencker ſchuͤtteln durffte.
DJeſes Fraͤulein, welches das eintzige Kind des Herrn Yelverton Wilmots in der Grafſchafft Northumberland war, wurde mit ihres Herrn Vaters Verwilligung ei - nem Squire oder Edelmann, Nahmens Coſens, von Stamford in Lincolnshire verheyrathet. Sie beſaß alles, was man wuͤnſchen und ſie liebens - wuͤrdig machen kunnte: Sie war ſchoͤn, tugend - hafft, klug, reich und von keiner gemeinen Extra - ction; So brauchte ihr Ehe-Mann auch nicht viel Muͤhe, ſie zu erlangen; Denn, weil er ein Ver - moͤgen von 1500. Pfunden jaͤhrlicher Einkuͤnffte hatte, ſo wurde ſie ihm von ihrem Vater, ohne ſon - derliche Bewerbung, freywillig angebothen. Viel - leicht wuͤrde dieſer Squire oder Edelmann ſehrver -93und der Hertzog von Buckingham. verbunden geweſen ſeyn, daferne ihm dieſer Sieg einige Muͤhe gekoſtet haͤtte: Vielleicht haͤtte er ſich, ſie zu erlangen, gluͤckſelig geſchaͤtzet, wenn er die Fa - tiguen der Liebe ausſtehen und ſie durch ſeine Ver - dienſte und Gefliſſenheit erwerben muͤſſen; Weil er ſie aber ohne die geringſte Verſchwendung eines Seufftzers oder Thraͤnen von ihren Eltern erhielte, ſo gereichete dasjenige, ſo zu ſeiner groͤſſeſten Gluͤck - ſeligkeit gereichen ſollen, zu ſeiner groͤſſeſten Unruhe und Ungluͤckſeligkeit. Er hatte wenig Neigung zu dem Joche das ihm Hymen auferleget, und hey - rathete bloß aus Gehorſam gegen ſeinen Vater, und aus Furcht, denſelben zu beleidigen, der ihn auſſer dem wuͤrde enterbet haben. „ Allein, Hey - „ rathen von dergleichen Gattung gerathen ſelten „ nach Wunſch.
Und weil der Squire Coſens von Natur ge - neigt war, den Wechſel zu lieben, hielte er es ſchon vor ſufficient, in gutem Verſtaͤndniſſe mit ſei - nem Weibe zu leben. Gleich wie ſie aber einen groſſen Verſtand beſaſſe, und ihres Herrn Ge - muͤths-Neigungen gar wohl zu pruͤfen wuſte; Alſo wurde ſie auch einiger maſſen kaltſinnig, und be - friedigte ſich darmit, daß ſie auf ihrer Seite thaͤte, was ſie ſchuldig ſey, wenn ſie gleich mit einer frucht - loſen Tendreſſe nicht eben gar zu verſchwende - riſch umgienge. Kurtz darauf, nachdem er ver - heyrathet war, ſtarb ſem Vater und hinterließ ihmſein94Madame Coſens,ſein Vermoͤgen zum eigenthuͤmlichen Beſitze; Und weil ihm die Schrancken des Eheſtandes als eine unertraͤgliche Laſt vorkamen, faſte er den Schluß, ſich darvon zu befreyen, und ſein Hertz der Liebe gaͤntzlich aufzuopffern. Die erſte Perſon, an der er ſich nach angetretenem Eheſtande vergaffte, war ſeines Weibes Kammer-Maͤdgen, deren Jugend und Schoͤnheit ihm beyde in die wolluͤſtigen Augen ſtachen: Denn ob ſie ſchon auf dem Lande aufer - zogen worden, ſo hatte ſie doch einen ſo lebhafften und angenehmen Humeur, daß der Squire un - willig geweſen ſeyn wuͤrde, daferne ſie einen andern Lehr-Meiſter, ihr die Kunſt zu lieben beyzubringen, als ihn, erwaͤhlen wollen. Er ließ keine Gelegen - heit vorbey, ſie zu ſehen, und geheime Conference mit ihr zu halten; Aber es geſchahe gar ſelten. Denn weil ſeine Ehe-Frau wuſte, daß er eine ge - faͤhrliche Perſon fuͤr ihr Geſchlecht ſey, unterbrach ſie ihre Luſt gemeiniglich.
Als aber Madame Coſens eines Tages ihr Kammer-Maͤdgen und Eh-Mann in einer vertrau - lichern Poſitur beyſammen antraff, als mir der Wohlſtand hier zu eroͤffnen erlaubet, machte ihre Beſtuͤrtzung uͤber dieſen Anblick, daß ihre Augen vor Zorn funckelten, welches ihr noch mehr Glantz beylegte, und ſie anreitzete, ihm zu vermelden: Sie wollte ihn, (wiewohl ſie es damals eben nicht von Hertzen meynete) mit gleicher Muͤntzebe -95und der Hertzog von Buckingham. bezahlen. Und gewißlich, ſie hatte Reitzungen genug darzu; Auch geſchicht es bißweilen, daß die Gedult, wenn ſie zu hoch geſpannet wird, zerreiſſet. Es kunnte nunmehro keine Verſoͤhnung zwiſchen ihnen gemacht werden, biß ihre Servante wegae - ſchaffet war: Sie kriegte demnach den Lauff-Zettul, will ſagen, ihren Abſchied.
Nachdem nun der Madame Coſens Herr Vater nicht lange darnach Todes verfuhr, kam ſie mit ihrem Ehe-Mann nach London, der Mey - nung, ihn von ſeinen Ausſchweiffungen in der Liebe auf dem Lande, abzuhalten; Aber an ſtatt einige Veraͤnderung bey ihm allhier zu ſchaffen, wurde er immer ſchlimmer und ſchlimmer: Denn, weil er reich und jung war, lieſſen ſich viele liederliche Weibs-Perſonen angelegen ſeyn, ſein Hertz an ſich zu ziehen. Dieſes Gluͤckes wuſte er ſich uͤberaus wohl zu bedienen; Weil er aber von einem va - riablen und unbeſtaͤndigen Humeur war, hatte er niemals einen ſo delicaten Geſchmack von der Liebe, daß er ſich bey einer en particulier allzu genau engagiret haͤtte; Es war ihm unmoͤglich, ſich an einer genuͤgen zu laſſen, geſtalt ſchwerlich ein Tag vergienge, da er nicht eine friſche Maitreſſe verſuchte; Und man verſpuͤhrte mehr affectirte Geilheit und Vanitaͤt, als Liebe oder Sincerité, bey allen ſeinen Ausſchweiffungen in der Liebe. Dieſes Handwerck triebe er nun ſtetig; DieſenLe -96Madame Coſens,Lebens-Wandel fuͤhrete er alle Tage, zur ſchmertz - lichſten Folterung ſeines biß dato redlichen Wei - bes. Dieſe nun muſte einsmals bey einer Perſon von Qualité zur Tafel bleiben, wo ihre Schoͤn - heit von einer groſſen Menge vornehmer Leute in Verwunderung gezogen wurde; Unter andern, ſo ſie admirirten, befande ſich Georg Villiers, Hertzog von Buckingham, den keine Manns - Perſon an Schoͤnheit uͤbertraff, noch in netter Bil - dung verdunckelte; Und er hatte etwas ſo liebrei - tzendes in ſeiner Converſation, welches ihn ſei - ner Perſon halber bey iedermann angenehm mach - te: Es kunte ſchwerlich etwas ſo nachdencklich ge - redet werden, welches ſeine Scharffſinnigkeit nicht errathen moͤgen: Seine Worte drungen durchs Hertze, und er ſchiene zur Galanterie und Ma - gnificenz gebohren zu ſeyn; in welchen beyden Stuͤcken er es damals allen Lords am Engliſchen Hofe zuvor thate.
Weil nun die Annehmlichkeiten der Madame Coſens dieſes groſſen Mannes Hertz zu ihrem Gefangenen gemachet hatten, ließ er, nachdem ſeine Verſchlagenheit ausgeforſchet, wo ſie wohnete, keine Gelegenheit vorbeyſtreichen, ihr, ſo offt der Mann nicht zu Hauſe war, aufzuwarten, und ſei - nen Reſpect und Ergebenheit gegen ſie zu bezeu - gen; Und da er ſie an einem Abend alleine antraff, ließ er ſich, nach einigen Complimenten, ſo ſieunter97und der Hertzog von Buckingham. unter einander wechſelten, vernehmen: Madame, ich kan mit meinem Schickſal nicht zu - frieden ſeyn, weil ſie mich nicht lieben wollen. Mein Lord, erwiederte ſie mit einer ausbrechenden Schamroͤthe, ich verſichre Ew. Gnaden, daß, woferne ich nicht vermaͤh - let, und faͤhig waͤre, einer Perſon von Jhres gleichen theilhafftig zu werden, mein Hertz in keiner andern als Dero Gewogenheit ſeine Ruhe finden wuͤrde. Was ſie mich uͤberreden wollen, Mada - me, verſatzte der Hertzog hinwiederum, wuͤrde mir zu einem Troſte gereichen, daferne ich mit einem Compliment zufrieden ſeyn koͤnnte; alleine, ich erwarte etwas réelers. Ha! ſchrie ſie, mit einer ſonderbaren Hertzhafftigkeit, was koͤnnen Ew. Gnaden mehr verlangen? Jch verlange, ſagte er mit einer ernſthafften Freundlichkeit, daß ſie mich lieben ſollen! koͤnnen ſie zu viel thun, wenn ſie eine Tendreſſe, die ſo hefftig als meine iſt, mit Gegen-Liebe vergelten? Ja, replicirte ſie, es iſt zu viel, und Ew. Gnaden ſind zu tadeln, daß ſie es ver - langen; und ich wuͤrde es noch vielmehr ſeyn, woferne in Dero unbedaͤchtiges Verlangen willigen wollte. Sie brachte dieſes mit einer ſolchen Grace, und mit ſo annehm -Glicher98Madame Coſens,licher Artigkeit vor, daß ſich der Hertzog nicht ent - halten kunnte, ihre Hand zu faſſen und ſolche mit einer ungemeinen Entzuͤckung zu kuͤſſen. Endlich muſte er ſeinen Abſchied von ihr nehmen und ſich nach Hauſe begeben, allwo er ihre ausbuͤndige Schoͤnheit und unvergleichlichen Verſtand noch genauer betrachtete, welches ſeine Liebe zu einem ſo groſſen Exceſſe verleitete, daß er ſeinen Kammer - Diener mit folgenden Zeilen an ſie abſchickte, um die Groͤſſe ſeiner Leidenſchafft deſto lebhaffter und weitlaͤufftiger auszudrucken:
Laß, Schoͤnſte! einen Blick auf dieſe Zeilen ſchieſſen:Sie lieffern dir das Hertz von dem Ge - treuſten ein,Der dich anietzo muß in den Gedancken kuͤſſen;Denn ſeine Liebe kan nicht mehr verborgen ſeyn.Weil er bey dir geſehn, was er noch nie er - blicket,Empfindet ſeine Bruſt, was er noch nie geſpuͤhrt;Sein Geiſt iſt nicht mehr ſein, denn du haſt ihn beſtricket,Seit dem dein Augen-Strahl ihn wie ein Blitz geruͤhrt.Mein Lieben iſt vorhin indifferent geweſen;Jch fande niemals nichts, was mich ge - fangen nahm;Und99und der Hertzog von Buckingham.Und wenn ich mir zur Luſt auch etwas auserleſen,Verſchwand die Treue bald, wenn ich zu andern kam.Die Schoͤnheit aller Welt muß man zuſam - men bringen;Die Schoͤnheit aller Welt gewinnt mein Hertze kaum:Mein Hertze kan die Macht der Venus ſelbſt bezwingen,Und haͤlt den loſen Schalck, Cupidinem, im Zaum.Kein himmliſch Meiſter-Stuͤck kan was an ſelbem richten;Kein heller Augen-Blitz, noch Engliſche Geſtalt;Nichts kan die kalte Bruſt zur Gegen-Gunſt verpflichten,Als wo ein edler Geiſt in Blut und Adern wallt:Wo ſich die Gratien mit Witz verſchwiſtert haben,Wo Klugheit im Verſtand als Koͤnigin regiert;Da, da kan ſich entzuͤckt Geiſt, Leib und Seele laben,Und wird in einem Huy nach Cypern hin - gefuͤhrt.Die Liebe muß das ſeyn, wofuͤr ſie ſich laͤſt halten,So hat ſie den Eſtim zu einen Felſen - Grund:G 2Ein100Madame Coſens,Ein genereuſer Geiſt wird nicht ſo leicht er - kalten,Wenn ihn das Hertze gruͤßt durch einen wahren Mund,Als wo ſich alle Liſt verſtellter Schlangen findet,Die mit dem ſuͤſſen Gifft verhaſſter SchmeicheleyDie Seele und Gemuͤth biß auf den Tod ent - zuͤndet:Denn hier folgt gantz gewiß bald eine ſchnelle Reu.Die wahre Liebe haſſt verdammte Laſter - Tuͤcken:Die Falſchheit iſt ihr Gifft; Verſtellung iſt ihr Tod;Es iſt nicht ihr Gebrauch, die Hertzen zu be - ruͤcken;Sie reiſſet ſelbige vielmehr aus aller Noth.Was ihre Zunge ſpricht, muß aus der Seele quellen;Die Wahrheit iſt ihr Kleid, Vergnuͤglich - keit die Koſt;Jhr Auge pflegt ſich nie aus Boßheit zu verſtellen;Sie traͤnckt der Fuͤrſten Mund mit Muſca - teller-Moſt.Die Liebe muß das ſeyn: Was will ich wei - ter dichten?Sie muß es ſeyn, was du, galante Seele, biſt;So101und der Hertzog von Buckingham.So kan ſie Wunder-Werck bey aller Welt verrichten:Sie ſiegt, gewinnt, beherrſcht und braucht doch keine Liſt.Drum biſt du es allein, die mir mein Hertz entriſſen;Jch bin entzuͤckt, beſtrickt, gefangen, nicht mehr frey.Jch mag nun auf der Welt von keiner an - dern wiſſen;Dir, dir bleibt meine Bruſt in Ewigkeit getreu!Doch mein Verhaͤngniß laͤſt mich faſt fůr Kummer ſterben,Wenn ich dein Goͤtter-Bild und deinen Stand betracht!O koͤnnt ich, Schoͤnſte, dich zum Eigenthum ererben,So wuͤrde meiner Quaal ein ſanfftes Grab gemacht!So aber aͤngſt ich mich, ſowohl bey Nacht als Tage;Jch ſchwinde und vergeh, gleich einem Sceleton,Und widerſtreb umſonſt der Centner-ſchwe - ren Plage:Denn dicke Finſterniß ſchwaͤrtzt meine Freuden-Sonn.Mein beſter Zeit-Vertreib beſteht in lauter Klagen;Die Schatten dunckler Nacht umnebeln meinen Sinn;G 3Das102Madame Coſens,Das eintzige, ſo ich, als lebend noch kan ſagen,Jſt, daß mit einem Fuß ich ſchon im Grabe bin.
Als der Hertzog darauf die naͤchſte Viſite bey der Madame Coſens abſtattete, war ihm der Gott und die Goͤttin der Liebe ſo gnaͤdig, daß ſie, um ſich an der Untreue ihres Mannes zu raͤchen, des Han - dels mit dem Hertzoge einig wurde; Weil aber ihr Ehe-Mann eben in derjenigen critiſchen Minute zur Kammer hinein trat, da dieſer Mars mit ſeiner Venus in einer ſolchen verliebten Conjunction begriffen war, welche ihn uͤberzeugete, daß er einer von des Actæons ſeiner Geſellſchafft ſey; ſo kan man ſich das Schrecken auf beyden Seiten gar fuͤglich vorſtellen. Nichts deſtoweniger bemeiſterte der Eſquire ſeine Affecten uͤber dieſen Affront, und ſtellte ſich, als glaube er alles, was ſein Weib zur Entſchuldigung vorbrachte: Er ſagte demnach nichts zu dem Hertzoge von Buckingham, der jedoch uͤber dieſen ungluͤcklichen Zufall in ſolche Unordnung geriethe, daß er nicht laͤnger im Ge - mach verweilen kunte, ſondern alsbald nach Hauſe gehen muſte. Die ſonderbare Moderation ih - res Ehe-Mannes bey dergleichen Affaire ſatzte ihn in ungemeine Beſtuͤrtzung, weil ihm ſolche deſto bedencklicher fiele und ihm mehrere Grillen verur - ſachte, als wenn er ſie auf die allergrimmigſte Weiſe empfunden haͤtte: Seine angemaſte Stilleim103und der Hertzog von Buckingham. im Gemuͤthe gab der Madame Coſens gleich - falls zu verſtehen, daß ein Sturm darauf folgen werde; Alleine ihr Mann ſagte mehr nicht zu ihr, als daß er ſie des naͤchſten Morgens mit nach Northumberland nehmen wollte. Die Be - ſtuͤrtzung, ſo dieſes in ihr erweckte, iſt nicht zu be - ſchreiben: Sie vermeldete ihm, was maſſen es noch zu bald und zu heiß waͤre, aufs Land zu reiſen; Er gab ihr Verſicherung, man wolle ſchon kuͤhle Apar - tements fuͤr ſie verſchaffen: Sie antwortete, ſie wuͤrde unfehlbar in Kranckheit verfallen; Wir ha - ben gute Medicos daſelbſten, erwiederte er: Sie verſatzte nochmals und beſtunde darauf, wie ſehr gefaͤhrlich dieſes ihrer Geſundheit ſeyn wuͤrde; Al - leine er bathe ſie, deßwegen unbeſorgt zu leben. Kurtz: Alle ihre Gruͤnde waren vergeblich; Er lieſſe ſie einmal fuͤr allemal wiſſen, welcher geſtalt es vergeblich ſey, ſich mit mehrern Ausfluͤchten zu bemuͤhen, es waͤre ſein Wille, mit anbrechendem Tag abzureiſen, und ihre Schuldigkeit erfordere, ihm hierinnen zu gehorchen. Mittlerweile hatte der Hertzog durch ihre Magd von ihres Mannes Reſolution Nachricht eingezogen: Deßwegen ſchickte er ihr in Geheim einen Brieff zu, worinuen er ihr berichtete, was maſſen er entſchloſſen ſey, ſie aus der Hand ihres Mannes zu erretten; Weil aber zwiſchen dieſen beyden eine Verſoͤhnung im Werck war, ſchickte ſie ihre Magd hin, dem HertzogeG 4zu104Madame Coſens,zu hinterbringen, daß ſie den Schluß gefaſſet, ihn niemals wieder vor ihre Augen zu laſſen. Dieſe unverſehene Antwort machte ihn ſo unruhig und beſtuͤrtzt, daß er Uberbringerin bathe, ſo lange zu verziehen, biß er folgende Zeilen geſchrieben, da er ihr denn theuer einband, ſolche ihrer Frauen in eigene Haͤnde zu uͤbergeben.
Der verlaſſne Strephon ſtreckte ſeine mat - ten Glieder aus,Jn der Einſamkeit des Waldes, als dem beſten Sorgen-Haus.Neben einer hohen Eiche, die ein ſtarcker Blitz gefaͤllt,Hatte ſein zerſchmettert Hertze ſeine Ruhe angeſtellt.Auf den Mooß verdeckter Wurtzeln lehnte er den Scheitel auf,Und zum Fuͤſſen hatten ſchoͤne Silber - Stroͤhme ihren Lauff;Jhr Gemurmel und Geraͤuſche ahmte ſei - nen Klagen nach,Da immittelſt auch das Echo ſeinem Seuf - tzen widerſprach.Und als der bethaute Morgen endlich hel - len Tag gemacht,War die Groͤſſe ſeiner Sorgen erſt recht lebhafft aufgewacht.Lufft und Waͤlder hoͤrten alle dem Ge - thoͤn der Klagen zu:Denn der hoͤchſt-verwirrte Strephon fande nirgends keine Ruh.Ach!105und der Hertzog von Buckingham.Ach! ſprach er, wie unausſprechlich iſt die Groͤſſe meiner Pein!Und die Schmertzen in dem Hertzen wollen nicht getroͤſtet ſeyn.Saget mir, ihr ſtillen Waͤlder, wie wird meine Noth geſtillt,Und das Wuͤnſchen meiner Seele endlich doch einmal erfuͤllt?Doch ich klage keinesweges meiner Schoͤ - nen Unrecht an,Das ſie durch viel Grauſamkeiten meiner Liebe angethan.Nicht ſie, mein Verhaͤngniß iſt es, ſo mir dieſe Quaal gebiehrt,Und mein abgezehrtes Leben vor der Zeit zu Grabe fuͤhrt.Meine Seel gibt ihrer Seele keine falſche Untreu ſchuld,Und ertraͤget alles Leiden in der Stille mit Gedult:Denn es iſt ein Erb-Gebrechen, den das weibliche GeſchlechtVon der Muͤtter Bruͤſten ſauget; alſo bin ich viel zu ſchlecht,Der Natur zu widerſtreben: Jhre Treue gaͤlte mehr,Wenn nicht dieſes aller Weiber Proprium und Fehler waͤr.Alſo ſchleppet ſich mein Leben mit dem Lieben biß ins Grab,Weil ich doch auf dieſer Erden keinen Troſt mehr uͤbrig hab.G 5Keine106Madame Coſens,Keine Schoͤnheit kan ich finden, die mich ſo empfindlich ruͤhrt,Oder fuͤr die herben Schmertzen eine Pa - nacé gebiehrt.Es wird meine krancke Seele durch den Wechſel nicht geheilt,Weil ſie der, um die mich quaͤle, biß in Tod entgegen eilt.Diamanten koͤnnen brechen; aber meine Treue nicht:Denn ſie bleibet ohne Ende auf das erſte Ziel gericht.Nun die Hoffnung iſt geſtorben, und ich leb im Witwer-Stand,Unterdeſſen geht Verzweifflung mir ſtatt einer Frau zur Hand!Alſo ſeufftzete der Schaͤfer, biß ihn ſeine MattigkeitEinem Schlummer uͤberlieſſe; Doch es wehrte kurtze Zeit,So verſchwand im Augenblicke ſuͤſſer Traͤume Schatten-Werck,Und die Hencker ſeiner Ruhe kriegten viel - mehr neue Staͤrck:Denn er gleichte einem Sclaven, den man von Galeeren nimmt,Und noch zu weit aͤrgern Schmertzen grau - ſamer Tortur beſtimmt.
Dieſe Verſe hintertrieben der Madame Coſens ihre Reiſe keinesweges; ſondern ſie begab ſich mit ihrem Manne aufs Land, der ſie daſelbſten mit ſol -cher107und der Hertzog von Buckingham. cher Grauſamkeit tractirte, daß man auf ihrer Haut die Farben eines Regenbogens iederzeit an - treffen kunnte, dergeſtalt, daß ſie genoͤthiget ward, ſeinen Maitreſſen, die er gar in ihr Hauß lo - girte, mit aller Complaiſance und Reſpect zu begegnen. Uber dieſes war er ſo ausſchweiffend in ſeinem Buhlen, Spielen und Sauffen, daß er alle ſein Vermoͤgen durchbrachte und verkauffte; Und da er zu dem noch biß uͤber die Ohren in Schulden geriethe, ſahe er ſich gezwungen, dem Gefaͤngniſſe durch die Flucht zu entgehen, indem er ſich uͤber Meer begab, worauf er aber bald in groſſer Armuth ſtarb. Weil nun ſein Weib hier - durch auch ruiniret war, kam ſie wieder nach London, und gab eine gemeine Hure ab; Nach - dem aber Jugend und Schoͤnheit vertaͤndelt war, muſte ſie das Kuppel-Handwerck vornehmen und hielte in Milford-lane, der St. Clemens-Kir - che im Strand gegen uͤber, ein Bordel. Die - ſen gottloſen Handel trieb ſie einige Jahre, biß ſie gantz auf die Neige kame, und, wegen vielerley durch die Suͤnden ihrer Jugend ſich uͤber den Halß gezogener Kranckheiten, ſo arm und armſelig ſtarb, daß man ſie auf der Kirche ihre Unkoſten unter die Erde bringen muſte.
SArah Raymond war die Tochter eines reichen Buͤrgers neben London-ſtone in der Cannon-Street wohnhafft. Sie wur - de noch ſehr jung an den Mann gebracht; Als aber ihr Hauß-Wirth eine conſiderable Por - tion, ſo er mit ihr bekommen, durch die Gurgel gejagt und verſchwendet hatte, zudem ihr ſehr uͤbel mitſpielete, begab ſie ſich nach Hauſe zu ihrem Vater, bey dem gleich damals eine Dame, Nah - mens L ‒ ‒ logirte, deren anderer Sohn, ein Advocat des Mittle-temples, hierdurch Ge - legenheit bekam, ſeine Hochachtung gegen ſie zu bezeigen, maſſen es ihr an keinen Vollkommenhei - ten fehlete, ſo bey dem weiblichen Geſchlechte er - fordert werden, eine Manns-Perſon zu ihrer Liebe zu verpflichten. Der bittere Haß, den ſie wider ihres Mannes Ausſchweiffungen geſchoͤpffet hatte, als welche ihn auch noͤthigten, ſich vor ſeinen Glaͤu - bigern unſichtbar zu machen, verleitete ſie, daß ſie dem Ritter L ‒ ‒ wiſſen lieſſe, welcher geſtalt ſie ſein Hertz ihrer Affection wuͤrdig erachtete: Da - hero er ſich dieſer Gunſt-Bezeigung aufs beſte zu bedienen wuſte; Und weil er hoͤchſt-begierigwar,109und der Graf von D ‒ ‒. war, dasjenige zu genieſſen, was er bereits auf eine gantz unmaͤßige Art liebete, ſande er den folgen - den Brief an ſie ab:
Jch kan nicht umhin, Jhnen die Groͤſ - ſe meiner Leidenſchafft und die Danck - barkeit, ſo Jhnen ſchuldig bin, hierdurch gehorſamſt zu eroͤffnen. Zwar iſt die Feder lange nicht vermoͤgend, auszu - drucken, was mein Hertz empfindet; und es iſt nichts, ſo eine Vergleichung mit demjenigen haͤtte, das ich ihrentwegen thun wollte: Gleichwie Sie aber die liebreichſte Dame in der Welt ſind; Alſo verſichere, daß ich der zaͤrtlichſte Liebha - ber unter allen Manns-Perſonen ſey. Sie laſſen mich demnach wiſſen, zu wel - cher Stunde ich kommen darff, Sie deſ - ſen muͤndlich zu verſichern; vor allen Dingen aber beſchleunigen Sie den gluͤckſeligen Augenblick: Denn der ge - ringſte Verzug machet, daß fuͤr Unge - dult ſtirbet
Dero ergebenſter Diener ꝛc.
Sie hatte dieſe Zeilen nicht ſo bald geleſen, ſo mu - ſte ſie ſo viel Guͤtigkeit fuͤr ihn hegen, daß ſie an denen Proben, die er ihr von ſeinen Neigungengab,110Madame Raymond,gab, nichts auszuſetzen hatte; Und als ſie und ihr Liebhaber kurtz darauf zuſammen kamen, geſchahe es zu einer ſolchen gluͤcklichen Stunde, welche ihre Zuſammenkunfft, nach neun Monaten, mit einer winſelnden Offenbahrung verriethe: Sie bekam, will ich ſagen, ein Affections-Kindgen, welches aber nebſt noch einem, ſo ſie mit dieſem Herrn, der ſie noch beſtaͤndig verehrte, erzeuget hatte, die Welt bey Zeiten geſegnete. Drittehalbes Jahr waren ſie ſehr gluͤcklich in ihrer Liebe, biß einer, Monſieur B ‒ ‒ ein junger Edelmann, ohngefehr in ihre Compagnie kam, und ihr liebreitzendes Weſen einen ſo ſcharffen Eindruck in denen Kraͤfften ſeiner Seele hinterlieſſe, daß er ſich gantz ſterblich in ſie verliebte: Denn es ſetzte dieſer ſeine Liebe bey ihr ſo heimlich und gluͤcklich fort, daß der Sieg, den er uͤber ihr Hertz erhielte, ſie dahin vermochte, ihrem andern Amanten den Korb zu geben, und ihm an - zudeuten, daß er nicht wieder vor ihre Augen kom - men moͤchte. Dieſe ploͤtzliche Metamorphoſis oder Unbeſtaͤndigkeit folterte den Ritter L ‒ ‒ mit unertraͤglicher Marter: Denn er liebete ſie ohne einige Verſtellung. Und nun ſahe er, wie ſchaͤnd - lich er ſich betrogen, daß er geglaubet, als ob ſie keinen als ihn zum Quartier-Meiſter ihres Hertzens machen werde. O! ſagte er, der letzte iſt allemal am gluͤcklichſten bey ihr, und wie einfaͤltig iſt ein Menſch, der auf Beſtaͤndigkeit, die Waſſer-Blaſedes111und der Graf von D ‒ ‒. des Gluͤckes, bauet. Er beſchwerte ſich uͤber das gantze weibliche Geſchlecht insgemein, und verfluch - te ſeine Maitreſſe in ſpecie wohl tauſend mal; Aber alles umſonſt: Herr B ‒ ‒ hatte ſie einmal zu ſeinem Eigenthume in Durham-yard, allwo er ſie dem Zorn ihres alten Liebhabers, der Eyfer - ſucht ihres Ehmannes, und dem Mißvergnuͤgen ih - res Vaters zum Trotz unterhielte.
Mit dieſem andern Amanten nun erzeugte ſie ein Knaͤbgen, welches in ihren ſechs Wochen der Welt gute Nacht gab; Als ſie aber aus dem Kind - Bette wiederum kam, und folglich mit dem Herrn B ‒ ‒ auf einen Ball gienge, wo der Graf von D ‒ ‒ ſich zugegen befande, machte ihre unver - gleichliche Schoͤnheit, die noch ſo vollkommen als zuvor war, den Grafen zum Sclaven. Sinte - mal ſie aber die Perſon, mit welcher ſie ietzo lebte, beſtaͤndiger als ihren vorigen Galanen liebte; Als fande der Graf anfangs gar ſchlechte Audienz, biß er vernahm, daß eine Uneinigkeit zwiſchen ihr und dem Herrn B ‒ ‒ vorgefallen, denn alsdann gieng er an einem Morgen in ihr Logis, und da er ſie erblickte, ſagte er, indem er ſie mit ungemein charmanten Augen anſahe, zu ihr: Ach! Ma - dame, ich liebe ſie wuͤrcklich: Von dem Augenblick an, da ich ſie das erſte mal geſehen, ſind ſie meinen Augen iederzeit als eine der liebreichſten Damen in derWelt112Madame Raymond,Welt vorgekommen; und daß mich nicht bemuͤhet, eher Addreſſe bey ihnen zu ſuchen, iſt nur deßwegen geſchehen, weil mir nicht unbekannt, welcher geſtalt Herr B ‒ ‒ bereits einen ſo feſten Platz in Dero Hertzen eigenommen, daß es mir unmoͤglich geſchienen, ſolchen daraus zu vertreiben; Nachdem ſie ihn aber treu - loß befunden, ſo uͤberlaſſen ſie, bitte ich, ihn ſeinem verderbten Geſchmacke, und erlauben, daß ich eine beſtaͤndige Allian - ce mit ihnen ſchlieſſen moͤge. Herr B ‒ ‒ hatte nun Madame Raymond in einem ſehr verdruͤßlichen Humeur hinterlaſſen, indem er aufs Land gereiſet war, und nicht einmal Abſchied von ihr genommen; Gleichwohl hatte ſie ein ſo gelindes Naturel, daß ſie nicht einmal zornig auf ihn war: Und weil ſie urtheilte, man duͤrffe nicht gleich alles fuͤr eine unbetruͤgliche Wahrheit an - nehmen, was vielleicht nur zufaͤlliger Weiſe vorge - bracht wuͤrde; So ſahe ſie fuͤr gut an, dasjenige, welches der Graf im Ernſt vorgebracht, in einen bloſſen Schertz zu verwandeln; Und damit ſie den Diſcours abbrechen moͤchte, ſtellte ſie ſich an, als ſey ihr nicht wohl zu Muthe, und baͤthe dem - nach den Grafen, ſo guͤtig zu ſeyn, und ſich fuͤr dieſes mal zu abſentiren.
Sich113uud der Graf von D ‒ ‒.Sich demnach gefaͤllig gegen ihr Verlangen zu erweiſen, verlieſſe ſie der Graf; Als ſie aber gleich darauf einen Brief von Herrn B ‒ ‒ erhielte, worin - nen er ihr ſeine Reſolution, ſie nimmermehr wieder zu ſehen, wiſſend machte, kam ſie uͤber dieſer unangenehmen Poſt faſt von Sinnen: Bald wollte ſie die Haͤnde an ſich ſelbſten legen, ſagende: Ach! ich kan die uͤblen Meynungen, die ich meiner Freundſchafft durch die Schande, ſo ich ihr uͤber den Halß gezogen, von mir beygebracht habe, un - moͤglich lebendig ertragen! Ach! ich muß meine ungluͤckſelige Schoͤnheit verfluchen, welche die Ur - ſache ſeiner Eiferſucht iſt, und bin entſchloſſen, mein ungluͤckſeliges Leben folgends zu enden! Alleine dieſes waren Expreſſiones, welche nur von ei - ner jaͤhen Leidenſchafft und fluͤchtigen Hitze heraus geſtoſſen wurden; in der That aber beſaß ſie mit - ten in ihrem Zorn weit mehr Vernunfft, als daß ſie ſich, vermittelſt eines Dolchs, Strickes oder Gifftes, dem Verhaͤngniß in die Haͤnde werffen ſollen. Nachdem nun zwey Monate und mehr verlauffen, ſeit dem ſie keine Nachricht von Herrn B ‒ ‒ erhalten, entſtunden grauſame Bewegungen in dem Gemuͤthe dieſer Dame, weil ſie ſehen und erfahren muſte, daß derjenige, fuͤr den ſie die groͤſ - ſeſte Zaͤrtlichkeit auf der Welt geheget, ihr einen ſolchen Poſſen ſpielete: Und da ihr auch uͤberdem von einem ſeiner Bekannten erzehlet wurde, wel -Hcher114Madame Raymond,cher geſtalt er ſie nur zum hoͤniſchen Grunde ſeiner Kurtzweil in allen Compagnien machte, fienge ſie an, folgende Klagen wider ihn anszuſtoſſen: O Treuloſer! O Undanckbarſter unter allen Menſchen! Jſt es nicht genug, daß du mich alſo verlaͤſſeſt, muſt du auch noch diejenigen Gunſt-Bezeigungen, fuͤr welche du mir verbunden ſeyn ſolleſt, zu deinem gifftigen Gelaͤchter machen? Sind dieſes die Fruͤchte deiner unzaͤhli - chen Eyd-Schwuͤhre und offt wiederhol - ten Geluͤbde? O meineydiges Unge - heuer! Jch uͤberlaſſe dich der Folter dei - nes eigenen Gewiſſens, und kan mich nicht beſſer raͤchen, als wenn ich den Schluß faſſe, dich auf ewig aus meiner Bruſt zu verbannen. Nachdem ſie ihr Hertz durch dieſe empfindliche Schmaͤh-Worte ausge - ſchuͤttet, kamen ihr tauſenderley Gedancken in den Kopff, was ſie in dieſer ihrer aͤuſſerſten Noth thun oder laſſen ſollte: Vermeynte ſie, ſich zu den Rit - ter L ‒ ‒ zu wenden, ſo fiel ihr ein, wie er ſie, ihrer letztern Undanckbarkeit halber, mit einer langen Naſen werde abziehen laſſen; Jhr Eh-Mann werde ſie mit Stachel-Beeren recompenſiren; Und ihre Eltern, wegen der Schande, ſo ſie ihrer Familie zugezogen, ſie mit dem Hinter-Geſicht an - ſehen; Herr B ‒ ‒ verſchaffte ihr nun keinen Unter -halt115und der Graf von D ‒ ‒. halt mehr; Und weil er noch darzu alle ihre koſt - barſten Sachen durch - und unter die Leute gebracht, ſo war es faſt gaͤntzlich mit ihr auf die Neige ge - kommen. Sie nahm demnach ihre letzte Zuflucht zu Feder, Dinte und Papier, und ſchriebe einen uͤberaus verbuͤndlichen Brief an den Grafen von D ‒ ‒, worinnen ſie ihr Ungluͤck auf eine ſehr be - wegliche Weiſe ausdruckte; und bey dem Schluß bereuete ſie hefftig, daß ſie ſeine Neigung nicht mit groͤſſerer Hochachtung angenommen; fuͤgte aber hinzu, daß, daferne er jedoch geruhen wollte, ſie anietzo in ſeine Gewogenheit aufzunehmen, ſie ſich noch fuͤr die gluͤckſeligſte Perſon auf der gantzen Welt ſchaͤtzen wuͤrde. Dieſer Brieff kam dem Grafen zwar ſicher zu Haͤnden; Allein, als dieſer den Jnhalt deſſen erſahe, veranlaſſete ihn die hohe Empfindung uͤber das vorige maſſive oder harte Compliment, ſo er bey ſeiner erſten Addreſſe von ihr erhalten, daß er ihr dargegen folgendes Liedgen zuſendete, wormit er denn auf ihren gegen - waͤrtigen Zuſtand zielete, bey dem es hieſſe: Wenn man keine Jungfern haben kan, muß man mit Huren tantzen.
Weil aber gleichwohl ihre bezaubernde Geſtalt zu maͤchtig war, als daß ihr der Graf widerſtehen koͤnnen, und, wie man im Sprichwort ſaget, alte Liebe nicht roſtet; So lieſſe ſich die Heff - tigkeit ſeiner Neigung nicht lange verbergen, ſon - dern er muſte ſeine vorige Liebe nur erneuern, und ſie, wie eine Dame, die einem aus der Noth hilfft, verpflegen. Alleine kurtz darauf kam Herr B ‒ ‒ in der Stadt an, der ſich nur deßwegen ſo lange auf dem Lande aufgehalten, damit er ihreBe -117und der Graf von D ‒ ‒. Beſtaͤndigkeit probiren moͤchte; und als er in Erfahrung kam, welcher geſtalt ſie ſich an einen andern gehaͤnget, ſchwuhr er, ſich, wo er ſie nur an - treffe, durch ihren Tod zu raͤchen. Weil ihr nun nicht unbekannt war, daß ſein Zorn unerloͤſchlich ſey, und ſie ihr Leben der Vergaͤnglichkeit einer augenblicklichen Wolluſt vorzoge, machte ſie ſich heimlich, und auch ohne des Grafen Wiſſen, da - von, und reiſete nach Rumſey in Hampshi - re, allwo ſie mit dem Geld und Preſenten, ſo ſie mit ihrer ſuͤſſen Arbeit bey dem Grafen ver - dienet hatte, eine gute Figur machte, und eine Schule anfieng, in welcher man Maͤgdgen logi - ret und ſpeiſet; Sie fuͤhrte ſich auch ſo wohl dar - bey auf, daß ſie die Kinder des meiſten Land - Adels weit und breit herum in die Koſt bekam; Nachdem aber zuletzt ausbrach, daß ſie ſich von dem Tantz-Meiſter, den ſie ihren Schuͤlerinnen hielte, das kleine Theatrum beſteigen lieſſe, ver - lohr ſie ſolche alle in einem Augenblick; Und weil ſie ſolcher geſtalt ihrem Gluͤcke und ihrer Ehre einen grauſamen Stoß gegeben, und bey allen denenjenigen, die ſie fuͤr keuſcher, als die Dia - nam ſelbſten, gehalten, allen Beyſtand und Cre - dit verlohren hatte, graͤmte ſie ſich in kurtzer Zeit daruͤber zu tode.
DJeſe junge Dame, ſo einem gewiſſen Lord vermaͤhlet war, der unter der Re - gierung Koͤnig Williams des Dritten zum Grafen gemacht worden, bezauberte, vermit - telſt ihrer im hoͤchſten Grad bluͤhenden Jugend und Schoͤnheit, allen, die ſie anſichtig wurden, die Hertzen; Und wie ſie von einem ſehr luſtigen Humeur war, alſo pflegte ſie ihre Liebhaber nicht leichtlich durch verdruͤßliche Sproͤtigkeit und mur - riſche Blicke abzuſchrecken. Sie kam oͤffters nach Hof; Und als der Hertzog von Monmouth ihr artiges Weſen daſelbſt betrachtete, verliebte er ſich in ſie, deſſen Schmeicheleyen ſie auch geneigtes Gehoͤr verſtattete. Angeſehen nun des Koͤnigs Faveur und des Hertzogs hohe Ehren-Stelle Dinge waren, ſo ſich fuͤr ihren Ehr-Geitz aus der - maſſen wohl ſchickten: Als wuͤnſchete ſie hertzlich, mit ihm in ein Verbuͤndniß zu treten; ſie that auch ſolches auf ihrer Seite mit ſo ſtarcker Wuͤrckung, daß ſie ihn bruͤnſtiger liebte, als mit ihrer Ruhe be - ſtehen kunnte.
Dieſes Liebes-Feuer wurde zu unterſchiedenen malen bald unterbrochen, bald wieder aufgeblaſen:Denn119und der Hertzog von Monmouth. Denn da nunmehro ihr Hertz einmal beſtricket war, ſchiene es ihr unmoͤglich zu ſeyn, ihre Neigun - gen zu dem Hertzoge zu abandoniren, als welcher ungemeine Schoͤnheit, unvergleichliche Bildung, und eine ſolche hohe Fuͤrtrefflichkeit beſaß, derglei - chen mit ſeiner Gebuhrt admirable wohl uͤberein kam. Er hatte nicht einen Fehler an ſich, und ſeine ungemeine Courage ſchiene zu des Vater - landes Dienſten gebohren zu ſeyn: Gleichwie er nun von Natur die herrlichſten Eigenſchafften an ſich hatte; alſo wurde bey ſeiner Auferziehung groſ - ſe Sorgfalt angewendet, dieſelben durch Kunſt und Ubung zur Vollkommenheit zu bringen; Er tantzte unvergleichlich wohl, und mit einer Air, ſo alle, die ihn ſahen, in Verwunderung ſatzte; Sein Her - tze war iederzeit zwiſchen Liebe und Ehre zertheilet, und alle Vollkommenheiten eines galant Hom - me ſahe man, mit einem Wort, in ſeiner Perſon concentriren; Alleine man muß bekennen, daß ſie mit zu viel Ambition vermiſchet waren, wel - che ihn antriebe, daß er den Hertzog von Graf - ton, Southampton, Northumberland, Richmond und alle Kinder des Koͤnigs verach - tete, und ſich, weit hoͤher als ſelbige zu ſeyn, duͤncken lieſſe. Dieſes war eine zulaͤngliche Motive, ſie wider ſich zu erbittern, und bey allen Gelegenhei - ten willig zu machen, ſeiner widrigen Parthey ſich anzuhaͤngen. Jmmittelſt war es nicht zu verwun -H 4dern,120Madame ‒ ‒dern, daß er der Liebe ſo ſehr ergeben, da er Ca - rolum II. zum Vater gehabt hatte. Jetzt-be - ſagter Koͤnig nehmlich hielte zwar gar viele Mai - treſſen, liebete aber keine ſo zaͤrtlich, als Mada - me Barlow, die Mutter des Hertzogs von Mon - mouth: Denn dieſe war eine ſo vollkommene Schoͤnheit, und entzuͤndete den Koͤnig, da er ſie in Wales das erſte mal ſahe, ſo ſehr, daß er mitten unter ſeinen widrigen Schickſalen, welche die er - ſten Jahre ſeines Lebens und ſeiner Regierung be - unruhigten, keine Zufriedenheit oder Vergnuͤgen, als in der Liebe und Gegen-Liebe dieſer annehmli - chen Maitreſſe, finden kunnte; Sie war ſeine erſte Liebe, und er in der Bluͤthe ſeiner Jugend, zu welcher Zeit das Hertz von der gewaltſamen Liebe durchaus eingenommen iſt, und alles, worzu es nur etwann faͤhig ſeyn mag, der geliebten Perſon zu gefallen, unternimmet; Der Staat, den er ſie fuͤhren lieſſe, die Sorgfalt die er truge, ihr alles Vergnuͤgen zu verſchaffen, und die Complaiſan - ce, ſo er gegen ſie bezeigte, war ſo exceſſiv groß, daß die gantze Welt auf die Gedancken geriethe, er habe ihr die Vermaͤhlung verſprochen. Und eben mit dieſem angenehmen Jrrthume flattirte der Hertzog von Monmouth ſeinen Hochmuth; Und wiewohl er wuſte, daß nichts an der Sache waͤre, ſo fuͤhrte er ſich dennoch alſo auf, als ob er ſeiner Koͤniglichen Hoheit voͤllig verſichert geweſen;Es121und der Hertzog von Monmouth. Es fanden ſich auch nicht wenige, die ihn in ſeiner Thorheit ſtaͤrcketen. Und dieſe Einbildung nun, ſo mit der zaͤrtlichen Neigung, die der Koͤnig gegen ihn blicken lieſſe, verknuͤpffet war, machte, wie oben be - ruͤhret, zwiſchen ihm und denen andern jungen Printzen und Herren am Engliſchen Hofe keinen ſchlechten Unterſcheid; Ja die beſondere Vortheile des Hertzoges, und die Groͤſſe der Koͤnigl. Gnade machten ein ſo groſſes Aufſehen, daß der wuͤrck - liche Cron-Printz mit nicht mehrererm Vorzug und Hochachtung tractiret werden koͤnnen, als er wurde. Die meiſte von denen Damen liebeten ihn darneben, abſonderlich obbemeldte Graͤfin, wie aus dem folgenden deren Brieffe zu erſehen iſt:
Woferne entweder Dero Vergnuͤgen oder Dero Affairen, worinnen Sie ſich iederzeit beſchaͤfftiget finden laſſen, Jh - nen etliche wenige Augenblicke, en Fa - veur meiner Wenigkeit, verſtatten, werde ich hoch erfreuet ſeyn, Sie unterhalten zu koͤnnen. Wie groß auch meine Wider - waͤrtigkeit wegen Dero Bekanntſchafft ſeyn moͤge; So muß doch ſolche uͤber alles auf der gantzen Welt ſchaͤtzen: Und wiewohl ich die geziemenden Schran - cken eines Frauenzimmers einiger maſſenH 5uͤber -122Madame ‒ ‒uͤberſchreite; So bin ich doch verſichert, mein Lord! daß ich niemals Urſache zu bereuen haben werde, geweſen zu ſeyn
Dero getreueſte ‒ ‒.
Dieſes war der erſte Brieff, den die Dame an den Hertzog abgehen lieſſe, uͤber deſſen Empfang er mit Freuden gantz uͤberſchuͤttet wurde, geſtalt ſie ihm die Permiſſion darinnen gab, ſeine Viſite bey ihr zu machen. Alleine, gleichwie ſich, dem Engliſchen Sprichwort gemaͤß, Liebe und Huſten nicht wohl bergen laſſen; Alſo kunnte die Katze ſo leiſe nicht auftreten, daß der Lord ‒ ‒ die Schelle nicht ie zuweilen hoͤren und den Braten riechen ſollen; Er wuͤrde auch uͤber den Hertzog, wegen der vertraulichen Gemeinſamkeit mit ſeiner Gemahlin geeifert haben, woferne ihn nicht ein - und die andere Erwegung davon zuruͤck gehalten: Denn ſo er uͤberlegte, was maſſen er mit einem Sohn und Favoriten des Koͤnigs zu thun haͤtte, legte er denen erſten Bewegungen ſeiner Empfind - lichkeit einen ſtarcken Kapp-Zaum an; Oder, die Wahrheit zu geſtehen, ſahe ſich dieſer Lord ver - pflichtet, ſein Horn lieber in der Stille einzuſtecken, als damit unzeitigen Lermen zu blaſen, angeſehen er wohl Courage, aber nicht Kraͤffte genug hatte, den Hertzog von Monmouth heraus zu fordern;uͤber123und der Hertzog von Monmouth. uͤber dieſes ſcheuete er ſolche hochfliegende Drachen aͤrger als den Tod ſelbſten, als welche die Vernunfft gefangen nehmen, und dem Volcke die Kleider aus - ziehen, um ſelbige ihren Huren anzuhaͤngen. Gleich - wie er aber Hertzens gnug beſaſſe, unbaͤndige Re - gungen eines unbaͤndigen Weibes zu baͤndigen; Alſo hielte er ſie in extraordinair engen Schran - cken, und bewachete ſie aͤrger, als Argus die Jo, oder ein Sultan ſeine Maitreſſen im Serail. Dieſes war dem Hertzog eine unausſprechliche Marter, der das ſo ſehnlich gewuͤnſchte Gluͤcke, ſie zu ſehen, uͤber drey Monate nicht haben koͤnnen: Er verſchloſſe ſich eines Tages, aus trauriger Melan - cholie, in ſein geheimes Cabinet, und gab ſeinem Kammer-Diener Befehl, keine Seele, ausgenom - men Madame ‒ ‒ oder einen abgeordneten von ihr, vor ihn zu laſſen. Die Schatten fiengen an, herein zu brechen, als man ihn benachrichtigte, wel - cher geſtalt der Koͤnig etwas mit ihm zu ſprechen haͤtte; Weil er ſich aber die Finſterniß ſeines Ge - muͤths bey dieſer Staats-Sonne zu verbergen nicht getraute, ließ er demſelben zur Antwort ſagen, er waͤre nicht zu Hauſe: Denn man kan ſich leicht - lich einbilden, mit was fuͤr Ungedult ein Menſch dasjenige, ſo er aufs zaͤrtlichſte liebet, zu ſehen ver - langet: Dahero ſchiene ihm ieder Augenblick ein Tag, ieder Tag eine Woche und iede Woche ein Jahr zu ſeyn. Endlich kam eine Perſon, gleicheinem124Madame ‒ ‒einem Paſſagier gekleidet, mit einer uͤber das An - geſicht gezogenen Muͤtze in Stieffeln und Sporn, und mit einer Peitſche in der Hand, zu ſeinem Ca - binet hinein getreten, und uͤberreichte dem Hertzog einen Brieff von Madame ‒ ‒ folgenden Jn - haltes:
Es ſcheinet ſich alles wider mein ſehn - liches Verlangen, Ew. Gnaden zu ſehen, verſchwohren zu haben: Jch ſchmeichel - te mir, mein Kammer-Fraͤulein wuͤrde Geſchicklichkeit genug beſitzen, mich in geheim aus meinem Hauſe zu practici - ren; Alleine ihre Verſchlagenheit kan meines eyferſuͤchtigen Mannes ſeiner bey weiten nicht beykommen; Er bewachet mich viel aufmerckſamer, als ob ich ein Staats-Gefangener waͤre, der eines Ca - pital-Verbrechens, fuͤr welches er Re - chenſchafft geben muͤſte, ſchuldig ſey. Jch berichte demnach Ew. Gnaden, daß die Verzweiffelung mein Hertze faſt voͤl - lig bemeiſtert: Jch fuͤrchte alles, und hoffe wenig; Mein eintziger Ancker auf dem Meer dieſes Ungluͤckes iſt das Ver - trauen, Sie werden Antheil daran nehmen, und nichts unterlaſſen, ſo derBe -125und der Hertzog von Monmouth. Beaͤngſtigung derjenigen ein Ende ma - chen moͤge, die biß ins Grab verharret
Ew. Gnaden treu-ergebenſte ‒ ‒
Die Durchleſung dieſes Billets erweckte dem Hertzog unbeſchreiblichen Kummer: Er ſahe ſich eines Vergnuͤgens beraubet, wormit er ſich unfehl - bar geſchmeichelt hatte, und beſorgte, daß, wenn er ſich angelegen ſeyn lieſſe, der Dame einen Dienſt wider ihren Ehmann zu thun, es einen ſolchen Ler - men am Hof anrichten duͤrffte, der ihren gaͤntzli - chen Untergang beſchleunigte. Er warff demnach die Sache ein wenig durch den Kopff, da der Uber - bringer immittelſt warten muſte: Endlich fragte er ihn, ob er auf ſich nehmen wollte, derjenigen Per - ſon, ſo ihm den Brieff anvertrauet, ſeine Antwort einzuhaͤndigen? Er ſagte: Nein! ſondern er rei - ſete ſeines Lords Geſchaͤfften halber nach Hamp - shire; Wohl, mein Freund, ſagte der Hertzog, gehet in GOttes Nahmen! worbey er ihm einige Guineas ſtatt einer Verehrung auf drunge. Der Paſſagier gieng nach der Thuͤr zu; als er aber bey dem Abſchieds-Compliment ſeine Muͤtze ab - zoge, wurde der Hertzog eines Hauptes voll Haare innen, welche von der ſchoͤnſten Farbe auf der Welt, und uͤber die Schultern biß zum Knien hin - ab ausgebreitet waren; Und indem ihn der ver -ſtellte126Madame ‒ ‒ſtellte Paſſagier auf die Seite zog, entdeckte er ihm eine Hand, weiſſer als Schnee, und ein Antlitz, auf welchen Roſen und Lilien in angenehmer Ab - wechſelung bluͤheten, woraus der Hertzog erkann - te, daß es ſeine geliebteſte Dame ſelbſten waͤre. Die Beſtuͤrtzung uͤber dieſen unverhofften Zufall gab dem Vergnuͤgen, ſie umarmen zu koͤnnen, we - nig nach. Er bezeigte ihr zwar ſeine Zufriedenheit mit ſehr verbuͤndlichen Worten, aber ſo unordent - lich, daß ihr ſeine Verwirrung den gegenwaͤrtigen Zuſtand ſeines Hertzens ſattſam entdeckte. Sie hingegen war voller Freuden, daß ſie aus denen Haͤnden ihres eyferſuͤchtigen Mannes ſo gluͤcklich entronnen zu ſeyn gedachte. Hier nun hielte ſie der Hertzog in einem geheimen Zimmer, uͤber drey Mo - nat lang, zur hoͤchſten Verwunderung des Lords, verborgen; Als aber der Hertzog bey Hof in Un - gnade verfiele, und, dieſes Mißvergnuͤgens wegen, ſich von ſelbigem entzoge, ſahe ſich Madame ‒ ‒ genoͤthiget, ſich wieder nach Hauſe zu ihrem belei - digten Eh-Gemahl zu begeben, der ihr nunmehro eine noch weit ſchaͤrffere Schaar-Wache verord - nete, als vorhero, und ſich oͤffters in ein Cabinet, ſo an das Zimmer, wo ſie ihre Suͤnde buͤſſete, angefuͤget war, zu verbergen pflegte, allwo er durch einige Loͤcher, ohne geſehen zu werden, al - les, was ſie redete und thate, hoͤren und ſehen kunnte.
Der127und der Hertzog von Monmouth.Der Hertzog aber war inzwiſchen nach Holland gegangen; Und als er darauf mit 80. Mann und einer anſehnlichen Quantitaͤt Waffen und Am - munition von dannen wiederum zuruͤcke kam, laͤndete er zu Lyme in Dorſetshire an, und gab ſeine Intention, das Koͤnigreich von der be - vorſtehenden Gefahr, wegen der prævalirenden Gewalt derer Papiſten, unter der Regierung ei - nes Koͤnigs, der ſich oͤffentlich zur Roͤmiſchen Kir - che bekennete, zu verſtehen; Doch weil er ſeine Voͤlcker in Weſten verſtaͤrckte, und ſich fuͤr den Koͤnig ausruffen lieſſe, wurden ihm nicht nur die auf den Beinen ſtehende Garden, ſondern auch noch eine groſſe Anzahl neu-aufgerichteter Troup - pen entgegen geſendet, mit welchen er manche Scharmitzel hatte, worinnen auf beyden Seiten viele umkamen. Endlich bemuͤhte ſich der Her - tzog, des Koͤnigs Jacobi Arrnee, die zu Sed - gmore bey Bridgwater campirte, bey der Nacht zu uͤberrumpeln, commandirte demnach die Infanterie in eigener Perſon, und uneinge - denck der Regul: Einem Mann, den du zum Hahnrey gemachet haſt, traue nimmermehr; gab er dem Lord ‒ ‒ Or - dre, mit der Cavallerie einen Umſchweiff zu nehmen und den Hinterhalt anzufallen; Da aber das Deſſein durch des Lords zubaldigen A - larm verrathen wurde, und des Hertzogs Reu -terey128Madame ‒ ‒ und der Hertzog von Monm. terey nicht zeitig hinzu kame, drunge des Koͤnigs Cavallerie, nach mancher tapffern Loßfeurung, zwiſchen dem Fuß-Volck in des Hertzogs Glieder ein, zertrennete ſie, ſchlug ſie in die Flucht, und er - hielte eine blutige Schlacht, worinnen mehr als 2000. Mnnn auf der Wahlſtatt blieben. Der Hertzog entflohe nebſt denen meiſten Comman - deurs aus der Campagne; und nachdem er im Parlement des Hoch-Verraths ſchuldig er - kannt, und eine Belohnung von 5000. Pfund auf ſeinen Kopff geſetzet worden, bekam man ihn bey Holtlodge gefangen; und da man ihn gluͤck - lich nach White-hall gebracht hatte, wurde er von der Verſammlung nach den Tower geſchi - cket, und den dritten Tag darauf von dannen aufs Scaffold oder die Trauer-Buͤhne am Tower - hill gebracht, allwo ihm der Hencker den unruhi - gen Kopff, durch fuͤnffmal wiederholte Streiche, von ſeinem wolluͤſtigen Leibe abſonderte, und mit einer ſo grauſamen Execution an ſeinem gluͤckſe - ligen Leben ein hoͤchſt-ungluͤckſeliges Ende machte.
WEil dieſe Dame, deren ungluͤcklicher Fall die gluͤckſelige Erhoͤhung ihrerFreund -129Madame Churchill, und Koͤnig Jacobus II. Freundſchafft war, eine unter denen Staats-Da - men der Hertzogin von York abgab, brannte der ſchoͤne Feuer-Spiegel ihrer Geſtalt ſo weit um ſich, daß er auch das Hertzogliche Schlaff-Gemach mit verbothener Brunſt entzuͤndete: Der Hertzog von York hatte ſich, mit einem Wort zu ſagen, ſterblich in ſie verliebet; Weil aber ihr Hertz an dem Hertzoge von Monmouth hienge, machte ſie Sr. Koͤnigl. Hoheit, dem Hertzog von York, gar ſchlechte Hoffnung in ſeiner Liebe gluͤcklich zu ſeyn: Und weil derſelbige von ihrem Liebes-Han - del auch ſchon Nachricht hatte, nahm er ſich eins - mals, da er Madame Churchill allein antraff, Gelegenheit, nach einem kurtzen Diſcours von in - differenten Dingen, zu ſagen: Madame, ſie koͤnnen die Liebe, ſo der Hertzog von Monmouth zu ihnen traͤget, nicht leug - nen, und man kan ohnſchwer errathen, was zwiſchen ihnen beyden paſſiret; ſo ſehr ſie ſich auch bemuͤhen, ſolches vor mir zu verbergen. Meynen ſie, Mada - me, daß ich mich ſo leichtlich betruͤgen laſſe? Dieſes, antwortete ſie, iſt mir noch nie in den Sinn gekommen, und ich ver - lange mir ihre Neigungen nicht hoͤher, als ſie ſind, zu verpflichten: Denn ich kan ihnen nicht verhalten, daß ſie mein Her - tze nicht gnugſam ruͤhren, mich faͤhig zuJma -130Madame Churchill,machen, ſie zu betruͤgen. Dieſe Antwort kam Sr. Hoheit ſo derb vor, daß er ſich ſchaͤmte, und anfangs nicht gleich wuſte, was er drauf ant - worten ſollte; Jndem aber ſeine Liebe ſeinen Zorn bald uͤberwoge, nahm er ſich einer complaiſan - ten und ſchmeichelnden Art an: Jch ſehe wohl, ſagte er, ich habe Urſache, ſie um Verge - bung zu bitten: Das ſchoͤne Geſchlecht hat ein Recht, uns zu beleidigen, und wir haben nicht eben Freyheit, uns daruͤber zu beſchweren; Alleine, fuͤgete er hinzu, ich habe mir noch eine Gunſt von ihnen auszubitten, welche ſie mir muͤſſen, zu erweiſen, verheiſſen. Jch verſpreche nichts, erwiederte Madame Churchill laͤcheln - de, ich will ſie zwiſchen Hoffnung und Furcht laſſen. Ha! Madame, fiel ihr der Hertzog in die Rede, ſie verbannen dieſen Jrrthum, der ihrem Geſchlecht ſo gemein und ſo uͤbel gegruͤndet iſt; Auf meiner Seite kan nichts meine Neigungen ver - nichten, als der Rival, der mir im Wege ſtehet. Was haben Ew. Hoheit fuͤr Ur - ſache, verſatzte ſie, an Dero Verdienſten zu zweiffeln? Meines Erachtens, ſollte eine Perſon, die ſo viel meritiret, als Ew. Hoheit, allewege uͤber ihre Competenten triumphiren, niemals aber ſie fuͤrchten. Sie131und Koͤnig Jacobus II. Sie bemuͤhen ſich vergeblich, allerwer - theſte Madame, erwiederte er, meine Ruhe durch einen ſo ſchwachen Troſt, als Flat - terie zu ſeyn pfleget, zu befoͤrdern. Gleich wie ich nun uͤberzeuget bin, daß ſie ſich nicht zu uͤbeꝛwinden wiſſen; Alſo kan wohl verſichert ſeyn, ſie werden ihren Liebhaber ſchwerlich abandoniren, und ich bin nicht Maitre genug uͤber meine Jalouſie, ſol - ches ohne Beunruhigung meiner Seele zu vertragen. Alſo gieng er aus ihrem Zim - mer und begab ſich in den Thier-Garten, allwo er beobachtete, daß der Hertzog von Monmouth auch aus ihrem Zimmer heraus kam, dem er ein wenig von ferne nachfolgte, und da er ihn ein Pap - pier fallen laſſen ſahe, hub er ſolches auf, und be - fande, daß es ein Brieff von Madame Chur - chill waͤre, worinnen folgende Worte enthalten: Das Gluͤcke erlaubet mir nicht, ſie eher zu ſprechen, biß morgen Abends; Als - denn will ich in der Gallerie, am Ende Sr. Hoheit Apartement, ihrer unfehl - bar erwarten.
Dieſe Aſſignation ſatzte den Hertzog von York gantz auſſer ſich ſelbſten. Kan ein Maͤgd - gen, ſagte er, das ich liebe, geneigt ſeyn, mich dem Hertzoge von Monmouth aufzuopffern? Und wiewohl es wahr iſt, daß er ſie erſt geliebet; ſoJ 2haͤtte132Madame Churchill,haͤtte ich mir doch geſchmeichelt, faͤhig zu ſeyn, ſie zu verpflichten, meine Perſon ihm vorzuziehen. Er fande tauſend Anſchlaͤge in ſeinem Gemuͤthe, ſich zu revangiren, und begab ſich mit dieſer Reſo - lution zu Bette; war aber nicht vermoͤgend, eini - ge Ruhe zu genieſſen: Denn die Nacht ſchiene bloß zu ſeiner Marter und Bekuͤmmerniß gewied - met zu ſeyn.
Dem Hertzoge von Monmouth hingegen la - chete das Hertz im Leibe uͤber dieſen Brieff, den er aus der Taſche fallen laſſen; er wuſte aber noch nicht, daß er ihn verlohren hatte. Jmmittelſt war der verliebte und eiferſuͤchtige Hertzog von York, nicht allein in ſeinen Gedancken, ſondern auch im Wercke beſchaͤfftiget, wle er den von Monmouth in ſeinem angenehmen Rendezvous hintergehen moͤchte: Denn, weil der Koͤnig denſelben Tag, da der Hertzog von Moumouth von der Madame Churchill beſtellet war, auf die Jagd gienge, und Se. Maj. ihn zu einen von denen, ſo Sie be - gleiten ſollten, ernennet hatte; gienge der Hertzog von York nach Hauſe, und mahlte von einigen Brieffen, die er von ihm hatte, ſeine Hand ſo gut nach, als es ihm moͤglich war, und ſchriebe die fol - gende Zeilen in Antwort auf das Billet, ſo er ge - funden hatte: Weil ich nicht auf die Galle - rie gehen kan, ohne vor Sr. Hoheit Zim - mer vorbey zu paſſiren, der mich vielleichtan -133und Koͤnig Jacobus II. anhalten und zu einem Spiel verpflich - ten duͤrfften; Als hielte es fuͤr beſſer, daß man einander im kleinen Aparte - ment der Printzeßin antreffe, wohin ſie unobſervirt kommen moͤgen, und, bey meiner Zuruͤckkunfft von der Jagd, will ich mit aller Eyle ihrer daſelbſt auf - warten.
Dieſen Brieff ließ der Hertzog von York der Madame Churchill durch einen, den ſie nicht kannte, uͤberbringen, mit Befehl, ihr ſolchen mit Manier einzuhaͤndigen, als ob er vom Hertzog von Monmouth kaͤme; und ſie empfieng den - ſelben mit einem brennenden Feuer-reichen Kuſſe. Als nun die Stunde herbey nahete, darinnen ſie ihn begluͤckt machen wollte, ſtellte ſie ſich, als waͤre ſie willens, in ihre Kammer zu gehen und daſelbſt zu ſchreiben, ſchliche ſich aber heimlich die Treppe hinunter, und begab ſich in ein ander Gemach, oh - ne daß iemand das geringſte darvon gewahr wur - de. Es war an einer heitern Nacht, da der Mon - den ſchiene und die Sterne blinckten: Dahero ſcho - be ſie die Fenſter-Laͤden zu, und ſtellte ſich in eine Ecke des Zimmers, wo ſie niemand ſehen kunnte, im Fall irgends iemand anders dieſen Weg pas - ſiren ſollte. Der Hertzog von York war viel zu begierig, ſie zu ſehen, als daß er ſie lange haͤtte ſol - len auf ſich warten laſſen, und trat demnach præ -J 3ciſe134Madame Churchill,ciſe am beſtimmten Augenblick zum Zimmer hin - ein. Weil Madame Churchill beſorgte, es duͤrffte iemand anders, als der Hertzog von Mon - mouth ſeyn, hielte ſie ſich in einem Winckel ver - borgen, der Hoffnung, daß wenn er es waͤre, er ſchon die Fenſter-Laͤden oͤffnen und ſich zu erken - nen geben wuͤrde; Alleine Se. Hoheit war nicht geſonnen, ſich ſehen zu laſſen, ſondern hielte ſich im Finſtern, und fragte nur mit einer leiſen Stimme: Sind ſie hier? So geben ſie Antwort. Madame Churchill, die nicht anders meynte, als ſey es der Hertzog von Monmouth, ant - wortete: Ja! Mon Ame. ich bins. Es iſt ſchwerlich zu glauben, was fuͤr mancherley Bewe - gungen unter einander dieſe Begebenheit in des Hertzoges von York ſeinem Hertzen erweckete: Er war uͤber einer ſo favorablen Gelegenheit, dieſe junge Dame zu entreteniren, hoͤchſt-er - freuet, aber auch gantz beſtuͤrtzet, wenn er uͤberlegte, was maſſen dieſer Termin fuͤr einen andern an - geſetzet ſey; Er hielte ſichs fuͤr einen Schimpff, ſei - nes Mitbuhlers Stelle auf ſolche Weiſe zu vertre - ten, und hatte mehr als einmal im Willen, hinweg zu gehen; Endlich aber nahete er ſich zu ihr; Da ſagte ſie zu ihm: Sehen ſie, My-Lord, was ich ihrentwegen thue, damit ich nur mit ihnen reden moͤge? Jſt dieſes nicht gnug, ſie zu uͤberzeugen, daß ſie den Vorzug inmei -135und Koͤnig Jacobus II. meinem Hertzen haben? Und ich hoffe, ſie werden mich hinfuͤhro, in Anſehung des Hertzogs von York, nicht mehr quaͤlen. Jſts moͤglich, erwiederte der Hertzog mit ver - ſtellter Stimme, daß ſie ihn meinet halben verlaſſen koͤnnen? und daß ſie keine Nei - gung zu ihn tragen? Jch will, verſatzte ſie, denſelben ihrentwegen von Hertzen ger - ne verlaſſen; Wenn ich aber auf Ehre ſehen wollte, ſo kan ich nicht in Abrede ſeyn, daß er meiner Gegen-Liebe wuͤrdig ſcheinet. Jch habe obſerviret, fiel er ihr in die Rede, daß er ſie liebet, und ſehr begie - rig iſt, ihnen ſolches zu eroͤffnen; ja man verſpuͤret eine gewiſſe Sehnſucht in ſeinen Augen, wenn er bey ihnen iſt, welche man in der Compagnie anderer Damen nicht an ihm wahrnimmet. Jch habe, fuͤgte ſie hinzu, ſolches ſelbſten angemercket, und glaube ich wohl, daß er mir eben nicht ungeneigt ſeyn moͤge. Er hat ſich be - ruͤhmt, ſagte er, als haͤtten ſie ihm einigen Platz in Dero Hertzen eingeraͤumet, und daß, wenn er ſie zu bedienen fortfahren wuͤrde, ſie von mir ablaſſen wollten. Jch bin, verſatzte ſie, erſtaunet, wie er derglei - chen Unwahrheit vorgeben darff! Und ſie, ſagte der Hertzog, indem er ſeine natuͤr -J 4liche136Madame Churchill,liche Stimme wieder annahm, ſind erſtaunet daruͤber? Sie ſind erſtaunet, undanck - bare Dame, und hieher gekommen, meine Neigung einem, der geringer, als ich, iſt, aufzuopffern.
Da erkannte Madame Churchill, daß es der Hertzog von York ſey, mit was fuͤr einer Be - ſtuͤrtzung des Gemuͤths, kan man leichtlich erach - ten; Sie ſtunde eine gute Weile, als ob ſie der Blitz geruͤhret, und der Hertzog wollte ſie ſchon verlaſſen und hinweg gehen, als ſie ihm nachfolgte und ſagte: O hoͤren ſie mich doch! Ew. Ho - heit hoͤren mich nur einen Augenblick! Jch will ihnen etwas ſagen, ſo denen - ſelben nicht unangenehm ſeyn wird: Sie ſind es alleine, die ich liebe, und ſie alleine haben allen meinen Eſtim. Ey daran iſt kein Zweiffel, Madame, antwortete er, man ſieht es ja wohl; Sie haͤtten ſich keiner beſſern Methode bedienen koͤnnen, mich deſſen zu uͤberzeugen. Was wol - len Ew. Hoheit, ſagte ſie mit Thraͤnen-vollen Augen, daß ich ihnen thun ſoll? Oder was meynen ſie, daß ich anders thun ſollen? So bald ich nach Hof gebracht wurde, ſuchte der Hertzog von Monmouth aufs zaͤrtlichſte Addreſſe bey mir, und quit - tirte Madame ‒ ‒, die ihn mit der groͤ -ſten137und Koͤnig Jacobus II. ſten Treue liebte. Da nun meine eitele Einbildung und ich ſelbſten, durch den Vorzug vor einer ſo liebens-wuͤrdigen Dame, uns ſo flattiret ſahen, nahm mein Hertz, das damals noch in ſeiner erſten Unſchuld war, die Seufftzer dieſes neuen Liebhabers mit Vergnuͤgen an, der mich, meiner Einbildung nach, wuͤrde geehli - get haben, wenn ſeine Liebſte, die Hertzo - gin, ſo eine geraume Zeit her kranck ge - legen, vielleicht dieſes Zeitliche geſegnen ſollen. Jndem ich mir nun mit dieſer und dergleichen Hoffnung flattirte, ſo wurde ich um ſo viel deſto eher verleitet, Brieffe von ihm anzunehmen, und ihm meine hinwiederum zuzuſenden. Ach! ich entdecke ihnen Sachen, ſo zu meinem groſſen Nachtheile gereichen, damit ſie mir nur zum wenigſten glauben moͤgen, daß, nachdem mich mit einer Perſon von ſo weniger Moderation, und einem ſo choleriſchen Naturel in ſo weit eingelaſ - ſen, ich mich genoͤthiget geſehen, wider meinen Willen auf dem Wege, den ich ein - mal betreten, fortzugehen. Haͤtte ich alſo, frage Ew. Hoheit gehorſamſt, mich ſeiner gottloſen Zunge zum Ziel ſtecken ſollen? Und wuͤrden ſie wohl ein Frauen -J 5zimmer,138Madame Churchill, und Koͤnig Jacobus II. zimmer, das ſeine Ehre bey der Welt verlohren, ihrer Affection werth geach - tet haben? Sie begleitete dieſe Worte mit Thraͤnen, alſo, daß der Hertzog von York, ihrer Unſchuld halber, wuͤrcklich uͤberzeuget wurde. Er hatte ſie geliebet, ſo lange ſie mit dem Hertzog von Monmouth in Bekanntſchafft gelebet; und er hatte eine viel zu gute Meynung von ſeinen eigenen Meriten, als daß er daran zweiffeln ſollen, den beſten Platz in ihrem Hertzen vor ſeinem Rival, innen zu haben. Seine eintzige Sorge war nun, wie er dieſe geneigte Diſpoſition in ihr main - teniren moͤchte, deren Wuͤrckung auch bald dar - nach ausbrach, indem ſie ſich geſegneten Leibes be - fande, und einen Sohn, nehmlich den Hertzog von Berwik, der ietzo ein Marechall von Franck - reich und Grand d’Eſpagne iſt, zur Welt ge - bahr. Nachdem aber der gantze Handel bey Hof ausgeſprenget ward, und die Hertzogin von York inſonderheit genaue Nachricht darvon eingezogen hatte, verfiel Madame Churchill in die aͤuſſerſte Ungnade bey ihr: Und gleichwie ihr ihre Auf - fuͤhrung, auch in Anſehung vieler anderer Dinge, ſchon laͤngſtens nicht allzuwohl angeſtanden; Alſo wollte ſie ſolche nicht einen Augenblick laͤnger in ih - ren Dienſten weder wiſſen noch leiden.
ALle diejenigen, ſo die Hertzogin von Ma - zarine nur einmal geſehen, muſten be - kennen, daß ſie ihre Vollkommenheiten zur Crone ihres gantzen Geſchlechts machten, und ihr Hauß in einen Sammel-Platz aller qualifi - cirten und galanten Leute, ja, gleichſam in eine Schau-Buͤhne alles deſſen, was in der gantzen Stadt von Aſſembléen, koſtbaren Ballen, und allen erſinnlichen Luſtbarkeiten vorgienge, verwan - delten: Sie hatte demnach eine groſſe Menge An - bether; unter allen groſſen Herren aber, die ihr Hertz zu beſiegen trachteten, trug keiner die Palmen ihrer Ergebenheit ſo glorieus davon, als der Hertzog von Albans, einer von denen natuͤrlichen Soͤhnen Koͤnigs Caroli des Andern.
Gleichwie nun dieſes ein Herr voller liſtiger In - triguen war, alſo machte er ſie vielmals eyſer - ſuͤchtig, abſonderlich einſtens zu Whitehall, da er ſehr verliebt mit einer jungen Dame compli - mentirte, deren Schoͤnheit die Augen vieler An - weſenden nach ſich zoge. Die Hertzogin gab ihm ein Zeichen uͤber das andere, von demjenigen, ſo ihr ein Dorn im Auge war, abzuſtehen; allein ichweiß140Die Hertzogin von Mazarine,weiß nicht, ob er es nicht merckte, oder nicht mercken wollte: Wannenhero ſie ſeine Converſation mit ihrer Liebes-Conſortin laͤnger nicht lebendig ertragen kunnte, ſondern ihn zu ſich ruffen muſte, ihm ein Braſſelet von Diamanten, welches ſie, ihrem Vorgeben nach, gekauffet haͤtte, zu zeigen. Es war dem Hertzoge hoͤchlich zuwider, die junge Dame zu verlaſſen, wuͤrde auch ſchwerlich von ihr hinweg gegangen ſeyn, woferne er ſich nicht be - fuͤrchten muͤſſen, von der Hertzogin Jalouſie pro - ſtituiret zu werden. So bald er zu ihr kam, und ſie ihm ihr Arm-Band gezeiget, ſagte ſie mit einer leiſen Stimme zu ihm: Sie werden mir es nicht vergeben, Gnaͤdiger Herr, daß ich ſie von einem Object abgezogen, woran ſie ihre Augen und Hertz ſo ſehr vergnuͤ - get. Kein Object, erwiederte der Hertzog auf eine gezwungene Art, die von einer ſo liſtigen Da - me mehr als zu wohl regardiret wurde, ver - gnuͤget mich mehr, als Ew. Gnaden, doch muß ich geſtehen, daß ich mich, dem Her - tzog von Monmouth zum Verdruß, we - gen eines Poſſens, den er mir letztens ge - ſpielet hat, zu divertiren ſuchte. Jch finde mich ſehr betrogen, ſagte ſie auf eine hoͤhniſche Art, wenn der Hertzog von Mon - mouth ſich nicht auf eure Unkoſten di - vertiret: Jch verſpuͤre ſo viele Satisfa -ction141und der Hertzog von Albans. ction in ſeinen Augen, als mich dieſe Muthmaſſung leichtlich glauben laͤſſet; Alleine, Sir, ſatzte ſie hinzu, regardiren ſie nichts in meinen? Haben ſie ihre Ge - wohnheit vergeſſen, das innerſte meiner Seele daraus zu erkennen? Und wenn ſie hinein ſehen, koͤnnen ſie auch wohl glauben, daß ich ſo viel Gleichguͤltigkeit und Untreue lebendig ertragen koͤnne? Bey welchen Worten ſie ihn ernſtlich in die Augen ſahe. Gleichwie es nun ſchwer hergehet, die Bli - cke und Verweiſe einer Perſon, die man ohne Urſa - che verlaſſen, und welche deſſen ungeachtet zu lie - ben doch nicht ablaͤſſet, zu erdulten: Alſo wurde er ſchamroth und gieng davon; Die Hertzogin aber ſchlug die Augen nieder, und ſaß eine gute Weile in Gedancken, dahero der Hertzog eilete, ſie darvon aufzumuntern.
Nachdem ſie von ihrer Beſtuͤrtzung ein wenig wieder zu ſich ſelbſt gekommen, ſagte ſie: Wo - ferne ſie mich uͤber dieſes alles, bey Dero Vergnuͤglichkeit mit einer andern, nicht fuͤr ungluͤckſelig genug achten, ſo thun ſie nur zu meiner Quaal die grauſamſte Marter, die nur erdacht werden kan, hin - zu. Sie ſchiene uͤber dieſen Worten ſo geruͤhret und conſterniret zu ſeyn, daß der Hertzog, wel - cher vorhin mehr Neigung zu dieſer annehmlichenSchoͤ -142Die Hertzogin von Mazarine,Schoͤnen truge, als er zu widerſtehen faͤhig war, es unmoͤglich uͤber ſein Hertze bringen kunnte, ihr ferner Gelegenheit zum Kummer zu geben. Der Zuſtand, worinnen ſie ſich ietzo befinden. Madame, ließ er ſich vernehmen, iſt mir eine gnugſame Revange, und ich wuͤrde zu tadeln ſeyn, daferne ihnen mehr Unruhe und Verdruß erwecken wollte; Zum wenigſten laſſen ſie mich wiſſen, wor - durch ich ſie zu Frieden ſtellen und einige Erleichterung machen ſoll? Wenn es nicht zu ſpaͤte iſt, verſatzte ſie, ſo iſt nichts, das mir Erleichterung geben koͤnnte, als dero Beſtaͤndigkeit, maſſen meine Auf - fuͤhrung gegen ſie, leider! nur allzu auf - richtig geweſen. Jch habe manchen braven Cavalier ihrentwegen verſchmaͤ - het: Jch habe ihre Beleidigung mit Ge - dult ertragen, indem ſie diejenige, mit der ſie anietzo geredet, von unſern Heim - lichkeiten wiſſen laſſen: Sie hat mich braviret, als ob ſie mir an Gebuhrt vor - gienge, und nichts als der Vortheil, den ſie, vermittelſt Dero Unbedachtſamkeit, uͤber mich erhalten, hat ſie zu dergleichen Kuͤhnheit verleiten koͤnnen. So empfind - lich auch ich von rechtswegen uͤber dieſen Affront ſeyn muſte, flattirte ich mir den -noch,143und der Hertzog von Albans. noch, ſie wuͤrden ſich bemuͤhen, mir eini - gen Troſt zu verſchaffen: Jch ſuchte ih - nen meinen Schmertz zu eroͤffnen und meine Pein bekannt zu machen; Alleine ſie ſahen mich, einer andern halber, von der verſichert bin, daß ſie nicht halb ſo zaͤrtlich liebet, auf eine veraͤchtliche und hochmuͤthige Art an, die kaum auszu - ſprechen. Dieſe Geſetz-Predigt, nebſt ihren Thraͤnen, waren dem Hertzoge unbetruͤgliche Zeu - gen, daß ſie ſich aufs empfindlichſte geruͤhret fan - de: Denn er liebte ſie noch, und dieſe andere Dame hatte ſein Hertz noch lange nicht ſo weit in Beſitz genommen, daß ſie faͤhig geweſen, ihre Rival in ſo kurtzer Zeit, als ſie bekannt geweſen, daraus zu vertreiben. Weil Dero Beſtaͤndigkeit, Ma - dame, ſagte er mit einem zaͤrtlichen und freund - lichen Blick, niemand als mir ergeben iſt, will ich ihnen ewig beſtaͤndig ſeyn. Und was er promittirte, das hielte er auch treulich: Denn er war ihr unterthaͤniger Diener, den ſie zu befehlen hatte, biß ſie faſt ſein gantzes Vermoͤgen verſchwendet; und damit ſie ihm Gelegenheit zu Buß-Pſalmen geben moͤchte, ſatzte ſie, indem ſie den Hertzog mit ihrer Landes-Kranckheit regali - rete, ſeine Geſundheit in nicht geringe Gefahr.
DEr Graf von Rocheſter, welcher we - gen ſeiner uͤppigen Gedichte und anderer unzuͤchtigen Piécen ſehr bekannt iſt, be - fande ſich einen Sommer auf ſeinem Sitz zu Woodſtock in Oxfordshire; Da ritte er einsmals mit 5. oder 6. von ſeinen Leuten einen Fuß-Steig nach eines andern anſehnlichen Herrn Behauſung, dem er die Ehre ſeiner Geſellſchafft bey der Mittags-Mahlzeit zu goͤnnen, verſprochen; und da er etwa noch einen Muſqueten-Schuß davon war, ſahe er auf einem kleinen Bey-Wege in vollem Rennen ein Pferd kommen, auf welchem eine ſehr junge Dame ſaſſe, die nicht faͤhig war, ſolches zu regieren, und ſich nach allen Vermoͤgen im Sattel zu erhalten bemuͤhete. Der Graf und diejenigen, ſo bey ihm waren, poſtirten ſich vor den Eingang des engen Weges und wollten das Pferd auf halten; es flohe aber ſeitwarts, ſatzte uͤber die Hecke, und ließ ſeine Reuterin hinter ſich. So bald man ſie ſtuͤrtzen ſahe, und ehe ſie noch den Grund erreichete, eileten zween von denen Herren, ſo geſchwind ſie kunnten, auf ſie zu, ihr beyzuſprin - gen; alleine ſie war ihnen zu behend, und kam aufihre145und der Graf von Rocheſter. ihre Fuͤſſe, ehe ſie zu ihr gelangeten. Als ſie zu Pfer - de ſaß, hatte die Furcht, worinnen ſie ſich befande, verurſachet, daß ſie ſo blaß als der Tod ausſahe; Weil ſie aber im Fallen ein Bein, wenigſtens ſo weit biß ans Knie entbloͤſſet, und, da ſie aufſahe, ſich allein unter ſo vielen Manns-Perſonen befande, wurden ihre Wangen mit einer beliebten Scham - Roͤthe uͤberzogen. Sie hatte uͤber der hefftigen Bewegung allen Schmuck von ihrem Haupte ver - lohren, daß ihr ſchoͤnes langes ſchwartzes Haar, deſſen ſie einen trefflichen Vorrath hatte, fliegend herunter hienge und Ruͤcken und Schulter faſt gaͤntzlich verhuͤllete. Kein Schnee und Alabaſter haͤtte weiſſer, als ihre Haut ſeyn koͤnnen; und ihre Augen hatten ſo was liebreitzendes und bezaubern - des in ſich, daß der Graf, der ſie in dieſer negli - genten Poſitur betrachtete, Zeit ſeines Lebens nichts ſchoͤners geſehen zu haben vermeinte. Und nachdem er ſeinem Reut-Knecht, nebſt noch einem andern von ſeinen Dienern, beſohlen hatte, ihr Pferd zu fangen, erſuchte er ſie, bey dem naͤchſten Hauſe einzukehren, und einige Erquickungen zu ſich zu nehmen: Da zog ſie ein groſſes Serviet aus ihrer Taſche heraus, bande es um ihren Kopff, und nachdem ſie ihr Haar, ſo gut als moͤglich, unter - geſtecket, nahm ſie des Grafen Anerbiethen mit Verpflichtung an. Sie vermeldete ihm, indem er zu Fuß neben ihr her gienge, was maſſen ſie ſich beyKihrer146Madame Clark,ihrer Groß-Mutter aufhielte, deren Wohnung nicht uͤber zwey Meilen von dannen ſey, und daß ſie die Tochter eines vornehmen nach Tuͤrckey han - delnden Kauffmanns, Nahmens Clark, der in der Watling-ſtreet in London wohnete, waͤre. Und obſchon dieſes Frauenzimmer nicht uͤber 15. Jahre zu ſeyn ſchiene, und ihr die Unſchuld und Annehmlichkeit dieſes Alters aus denen Augen leuch - tete; ſo lieſſe ſie doch in ihrem Diſcours und ih - rer Conduite eine ſolche Beſcheidenheit blicken, die ihre Jahre weit uͤberſtiege, hatte auch benebſt etwas ſo aimables in ihren Augen, welches die Hochachtung aller, die ſie nur auſahen, nach ſich zoge. Der Graf fande nicht das geringſte an ihr auszuſetzen, aber wohl vieles, woruͤber er unendlich ſatisfait war; Und nachdem er ihr wegen gluͤck - lich entgangener Gefahr, unter allerhand Verſiche - rungen, wie ſehr er einige Gelegenheit, ihr zu dienen, wuͤnſchete, gratuliret hatte, begaben ſie ſich in das Hauß, wo er erwartet wurde. So bald als ſie hinein gekommen, recommendirte er dieſen ſchoͤ - nen Fremdling der Frau Hauß-Mutter, welche, nachdem ihr berichtet worden, was derſelben be - gegnet, dieſe beliebte junge Dame mit hinauf in ihr Zimmer nahm, und ſie mit einem bequemen Haupt-Putz, und unterſchiedlichem kleinen Zierath, deſſen ſie benoͤthiget war, verſahe. Nachdem nun Mademoiſelle Clark von ihr erfahren hatte,daß147und der Graf von Rocheſter. daß es der Graf von Rocheſter waͤre, der ſie hin - ein gebracht haͤtte, bathe ſie, ſo bald ſie hinab kam, den Lord um Verzeihung, daß, weil ihr ſeine Per - ſon unbekannt geweſen, ſie ihm den ſeinem Stand gehoͤrigen Reſpect nicht erwieſen haͤtte. Bey ſol - cher ihrer wiederum in Ordnung gebrachter Klei - dung kam ſie dem Grafen noch weit ſchoͤner vor, als vorher, und alles was ſie redete oder thate, ver - gnuͤgete ihn dergeſtalt, daß, ehe man noch des Mit - tags zur Tafel gienge, ſie einen vollkommenen Sieg uͤber ſein Hertz erhalten hatte. Nach der Mahl - zeit gienge der Graf nebſt ſeiner Geliebten in Gar - ten ſpatzieren, und nachdem er ihr tauſend Ver - pflichtungen gemachet, kamen ſie alle beyde wieder hinein, da ſie nach ihrem Pferde fragte und Ab - ſchied nehmen wollte; Weil es aber nicht rathſam ſchiene, ſie einem Pferde anzuvertrauen, das ſie ſchon abgeworffen, ſendete man ſie in einer Kutſche nach Hauſe. Den folgenden Tag ſtattete der Graf eine Viſite bey ihr ab, und hatte mit ihrer Groß-Mut - ter eine lange Conference, welche ſich ihre Kut - ſche hielte und in allen Stuͤcken a la Mode lebte. Sie war zweymal verheyrathet geweſen, und hat - te jaͤhrlich uͤber 800. Pfund Renten, welches das Einkommen von zweyen Land-Guͤtern war, darvon nach ihrem Tod eines einer von ihren Enckeln, und das andere einer von ihres andern Mannes Be - freunden erben ſollte; Benebſt hatte ſie 5000. K 2Pfund148Madame Clark,Pfund an baarem Gelde, welches ſie dieſer jungen Mademoiſelle Clark zugedacht. Der Graf ſahe wohl, daß er bey dieſer erſten Aufwartung we - nig von dem Hertzen dieſes holdſeligen Frauenzim - mers gewonnen hatte, angeſehen ſolches ſchon allzu ſehr an einem Rechts-Gelehrten in Lincolns-Inn verpfaͤndet war: Und demnach ſaͤumte er nicht, bey dem naͤchſten Beſuch ſeine vornehmſte Ad - dreſſe an ihre Groß-Mutter zu machen. Dieſe erbare Matrone wuſte nun gar wohl, daß der Graf vermaͤhlet war, und alſo kein anderes Ziel, als die Verunehrung ihrer Enckelin, oder wenig - ſtens den Vorſatz, ſie zu ſeiner Concubine zu halten, haben kunnte; Dennoch war die Con - verſation und hoͤfliche Submiſſion, nebſt de - nen koͤſtlichen Preſenten, die er ihr brachte, ſolche gewaltſame Verſuchungen, daß ſie ſeine Anforde - rungen nicht nur gedultig anhoͤrete, ſondern ihm auch verhieſſe, ihrer Enckelin die Ehre ſeines Aner - biethens ſo nachdruͤcklich vorzutragen, daß er keine Urſache ſich uͤber ſie zu beſchweren haben ſollte. Nun wurde Mademoiſelle Clark auf beyden Seiten beſtuͤrmet; Sie blieb aber deneu Anfaͤllen des Grafen, und der Verraͤtherey des alten Wei - bes zum Trotz unbeweglich: Ob nun eine wuͤrck - liche Tugend, oder etwas unanſtaͤndiges an des Grafen Perſon, oder die Beſtaͤndigkeit gegen ihren Liebſten, Urſache daran war, kan ſo leichtlich nichtent -149und der Graf von Rocheſter. entſchieden werden. Aber der Graf fuhr mit ſei - nem Anſuchen immerfort: Denn er liebte ſie See - len-innigſt, und ihre Converſation, die ihm nie - mals abgeſchlagen wurde, bezauberte ihn ie mehr und mehr. Weil er ſie aber gleichwohl bey nahe 12. Monathe nach aller Moͤglichkeit careſſiret hatte, und doch nicht vermoͤgend war, das Ziel ſei - ner Wuͤnſche zu erreichen, fienge er an, deſſen muͤde zu werden: Er hatte ihr vielmals 2000. Pfund jaͤhrlicher Einkuͤnffte zu ihrem Unterhalte angebo - then; welches, nebſt dem Reſpect, den er ihr er - wieſe, und der Beharrlichkeit, ihr ſo lange nachzu - gehen, und doch keine Gegen-Liebe zu erhalten, un - ſehlbare Proben ſeiner hefftigen Neigung waren. Da die Alte merckte, daß der Graf ungedultig wurde, fienge ſie an, ſehr ungehalten auf ihre En - ckelin zu werden, und, an ſtatt Uberredungen zu ge - brauchen, wie ſie bißhero gethan, ſtuͤrmete ſie nun - mehro hefftig auf ſie loß, hieſſe ſie eine obſtinate Beſtie und undanckbaren Schlepp-Sack, und predigte ihr taͤglich vor, daß, woferne ſie dieſes Gluͤck ausſchluͤge, ſie nimmermehr einen Heller von ihr zu hoffen haben ſollte, ja, befahl ihr uͤberhaupt, ſie moͤchte ſich nach Hauß zu ihren Eltern packen. Als darauf Mademoiſelle Clark des naͤchſten Tages eben oben in ihrer Schlaff-Kammer war, ihre Sachen auf die Reiſe einzupacken, und der Graf kam, ihr nach Gewohnheit eine Viſite zuK 3ge -150Madame Clark,geben, wurde er ungemein beſtuͤrtzt, da ihm die Alte ſagte, daß ihre Enckelin gerades Weges nach Lon - don gehen werde, und ſanck er, wegen dieſer un - vermutheten Zeitung, bald in eine Ohnmacht; Al - leine die groſſe Verwirrung, worinnen er ſich be - fande, zu mildern, rieth ihm die alte Schlange, er ſollte die Treppen hinauf zu ihrer Enckelin in die Kammer gehen, allwo ſie gantz alleine ſey, und da - ferne Careſſen und gute Worte nicht anſchlagen wollten, moͤchte er Gewalt brauchen. Dieſem - nach citirte er Mademoiſelle Clark vors Kam - mer-Gericht, und gebrauchte alle erſinnliche Per - ſvaſiones, ſie zu ſeinem Willen zu bereden; Weil aber der gantze Kram ſeiner Beredſamkeit nicht hinlaͤnglich war, ſie ihm unterwuͤrffig zu machen, fieng er an, die Roſen ihrer Jungfrauſchafft par force hinweg zu rauben; Und indem ſie ſich ihm auf dem Bette widerſatzte, mit ihm range, und in dieſer ihrer Beaͤngſtigung um Huͤlffe ſchrie, wurde dieſer Loͤwe auf ſeinen Raub nur deſto ergrimmter, und wiederholte zu gleicher Zeit die Expreſſion aus dem andern Actu des Oedipus, Koͤnigs von Theben:
Wenn gleich alle Furien hier um dieſes Bette ſtuͤnden;Dennoch halte ich Jocaſta in die Armen ein - geſchraͤnckt;Mein Leib ſoll-mit ihrem Leib aufs genauſte ſich verbinden,Und151und der Graf von Rocheſter.Und die Flammen meiner Gluth hoͤchſt-er - wuͤnſchte Loͤſchung finden:Wenn auch gleich Blitz, Donner, Hagel Hauß und Hertz in Stuͤcken ſprengt!
So bald die alte Gelegenheit-Macherin die at - raquirte Keuſchheit ſchreyen hoͤrte, lieff ſie, ſo hur - tig, als ihr das 70jaͤhrige Alter verſtattete, die Treppe hinan, um zu ſehen, mit was fuͤr Gewehr auf ſie loßgeſtuͤrmet wuͤrde. Da ſie nun den Grafen mit der jungen Schoͤnheit in dieſem Liebes - Kampffe antraff, und eine war, die das Werck der Generation gerne vor ſich gehen ſahe, bothe ſie ihm, aus vermeynter Chriſtlicher Schuldigkeit, bey dieſem heiligen oder vielmehr teuffeliſchen Vorha - ben, gar huͤlffreiche Hand, indem ſie dem Maͤgdgen die Beine hielte, biß der Graf ſeine Sache verrich - tet, und der Ungluͤckſeligen das unerſetzliche Kleinod geraubet hatte. Der Verluſt ihrer Jungferſchafft, welcher nur durch die Treuloſigkeit ihrer Groß - Mutter erfolget, ſchmertzte dieſe Unſchuldige der - maſſen, daß einen gantzen Monath lang taͤglich ein gantzer Bach milder Thraͤnen ihre Backen herab rollete; Weil ſie aber durch die liſtigen Schmeicheleyen der alten unzuͤchtigen Kupplerin, und die extreme Civilité des Grafen endlich beweget wurde, ſeine Liebe anzunehmen, ſo hielte ſie nunmehro fuͤr das beſte, aus zweyen Ubeln das geringſte zu erwaͤhlen und ſich dem Lord als eineK 4Mai -152Mad. Clark, und der Graf von Rocheſter. Maitreſſe zu ergeben, der ihr jaͤhrlich 700. und 50. Pfund beſtimmte, und ſie von Tage zu Tage ie mehr und mehr liebete: Denn, gleichwie ihre Schoͤnheit mit ihrem Alter zunahm; alſo erhielte ſie taͤglich neue Siege, war aber dem Grafen allein vollkommen treu und beſtaͤndig. Alleine ſie hatte nicht uͤber ein Jahr mit ihm in dieſem Eh - und Ehr - loſen Stande gelebet, ſo fiel der Lord in diejeni - ge Kranckheit, die ihn aus dem ehebrecheriſchen Bette in die kalte Grufft des Grabes verſetzete; Wordurch ſowohl ihre jaͤhrliche Penſion, als die Gunſt ihrer Freunde, in den Brunnen fiel, als welche, nachdem ſie ihrer Familie eine ſolche Schande zugezogen, von ihr weder wiſſen noch hoͤren wollten: Wannenhero ſie in einem oͤffent - lichen Coffée-Hauſe, etwa drey oder vier Thuͤren vom Fleet-Kercker, welches ſchon uͤber 28. Jahr ein beruͤchtigtes Bordel geweſen, eine allgemeine Nothhelfferin in der Stadt abgeben muſte; Und was am remarquableſten iſt, ſo hurete ſie mit einer ſolchen Verſchlagenheit, daß in 8. oder 9. Jahren, ſo lange ſie dieſer ſchaͤndlichen Lebens-Art nachfolgete, ſie nicht ein eintziges mal ertappet, noch eingefuͤhret wurde. Nichts deſtoweniger war ihr Ende nicht von dem beſten: Denn, weil ſie ei - nen, Newnam genannt, der ein Procurator war, zu ihren Beſchirmer hielte, und ihm einmals eine gewiſſe Summe Geldes, die er verlangte, ab -ſchlug,153Mad. Turner, und der Graf von Warwick. ſchlug, gab ihr dieſer mit dem Schlag-Waſſer ſei - nes Spaniſchen Rohrs und Degen-Knopffes ſo nachdruͤckliche Kenn-Zeichen ſeines Schutzes an die Schlaͤffe ihres Hauptes, daß ſie von einem Loch in der Hirn-Schale, nach vier biß fuͤnff Tagen, im 28ſten Jahr ihres Alters ins Graß beiſſen muſte.
WEil dieſe Galanterie-Schweſter eben von keiner ſonderlichen Extraction war; ſo wollen wir nur ſo viel nicht verſchweigen, daß Mad. Mabellah Turner im Kirch-Spiel zu St. Giles in the Fields ge - bohren, und ſehr groſſer Fleiß auf ihre gute Aufer - ziehung gewendet worden; und weil ſie die guͤtige Natur mit admirabler Schoͤnheit begabet, be - warben ſich viele um ſie, unter denen einige ſie zu entfuͤhren ſtrebten: Weßwegen ihre Eltern ſie gleich einer Nonnen einſchraͤnckten, woruͤber ſie aber ſehr ungedultig wurde, und ihre ſonſt gewoͤhnliche Frey - heit zu erhalten eyfferigſt trachtete, indem ſie ſich gegen ihre Mutter vernehmen ließ: Es iſt un - moͤglich, daß ein Frauenzimmer, welches wuͤrcklich tugendhafft iſt und alſo ver -K 5bleibet,154Madame Mabellah Turner,bleibet, ihre Ehre verliehren koͤnnte, ſie muͤſte ihr denn mit Gewalt geraubet werden, und alsdann iſt noch die Frage, ob ſie ſolche verliehre oder nicht; Die Mutter aber verſatzte: Daran iſt kein Zweif - fel; Alleine ein Weibs-Bild, das ermor - det wird, verliehret ſein Leben ſowohl, als eines, welches an einem Fieber ſtir - bet. Gleichwie dieſe Mutter nun gar wohl wu - ſte, daß kein ſchwaches Werck-Zeug, wenn es gleich ein Sammel-Platz aller Tugenden waͤre, faͤhig ſey, denen Betruͤgereyen einiger Manns-Perſonen zu widerſtehen; Alſo gab ſie der Tochter gar wenig Freyheit auszugehen, wo ſie nicht einen gar guten Aufſeher bey ihr wuſte, biß ſie einem, Monſieur Johann Turner, einem Eiſen-Kraͤmer, mit dem ſie ein Kind zeugete, verehliget ward; Allein, nach - dem dieſe hierauf mit einem Edelmann in Bekannt - ſchafft geriethe, hielte ſie, und zwar nicht unrecht, darfuͤr, daß ſeine Perſon ihrem Manne, nicht nur am Stande, ſondern auch an extraordinairen Naturel und excolirten Eigenſchafften uͤber - treffe: Sie échapirte demnach mit dieſem Ga - lan, welcher ihrer aber in einer Zeit von 14. Ta - gen uͤberdruͤßig wurde, und ſie alſo wieder heim zu ihrem Ehmann ſchickte, denn ſonſt duͤrffte ſich der arme Hahnrey zu tode gegraͤmet haben.
Sie155und der Graf von Warwick.Sie wurde von dieſem ihren Schand-Deckel und denen Freunden mit Freuden und groſſen Complimenten empfangen; Und die Wahrheit zu bekennen, wuͤrde ſie nicht ſo bald extra gegan - gen ſeyn, waͤre er nicht von der Sorte dererjenigen Maͤnner geweſen, die nach einer zwoͤlff-monatlichen Heyrath eine ausbuͤndige Schoͤnheit und ein von Fliegen beſtuhlgaͤngeltes lebloſes Bild noch fuͤr ei - nerley halten. Er war demnach mit Recht ein guter Mann zu nennen: Denn er gab ihr, was ſie ver - langte, lieſſe ſie bitten, was ihr beliebte, und thun, was ihr ankam; Und wenn ihr eine Luſt in das lincke Schuh-Ohr gefahren, uͤberzogene Lampreten zu eſſen, ſo glaube, der Narr wuͤrde ihr ſolche ver - ſchaffet haben; Er kunnte uͤber nichts boͤſe werden, ſubmittirte ſich allzeit vor ihr, und liebte keine an - dere als ſie; Es fehlte ihm aber dennoch diejenige entzuͤckende Tendreſſe, welche die Seele im Lie - ben zu nennen iſt. Man traff ihn ſelten zu Hauſe an, als nur zur Nacht - und Eſſens-Zeit: Den Vor - mittag ſuchte er einiges Geld zu verdienen, und der Nachmittag und Abend war ſeiner Ergoͤtzlichkeit, bey guten Freunden und einem Glaß Wein, gewied - met; Des Montags war er im guͤldenen Strauß, des Dienſtags in der ſilbernen Mauß, des Mitt - wochs zum wilden Manne, Donnerstags zur gruͤnen Tanne, am Freytag zur gruͤnen Linden, ließ ſich alſo die gantze Woche beym Sauffen finden. Es156Madame Mabellah Turner,Es iſt auch gewiß, daß Mabellah nicht mehr Af - fection fuͤr ihn geheeget, da ſie ihn geehliget, als fuͤr einen Fremden, den ſie ihr Tage nie geſehen ge - habt, und liebte ihn nur eintzig und allein aus Schul - digkeit gegen ihrer Eltern Befehl. Sintemal ſie nun eine kluge Frau war, welche ihre eigene An - nehmlichkeit mehr als zu wohl kannte, und einen gar eigentlichen Geſchmack von der Liebe hatte; Als kunnte ſie ein gar ſchlechtes Loͤſch-Waſſer fuͤr ihre Flammen in ihres Mannes kaltſinnigem We - ſen antreffen, als der ſeine Zaͤrtlichkeit auf keine andere Art, als durch ſeine Umarmung ausdruͤcken kunnte; Ja wenns noch nach ihrem Sinn geſche - hen waͤre; Allein einem Appetit, wie ihrer war, kunnte der Liebes-Confect nicht ſchmecken, er haͤt - te dann mit einer verbuͤndlichen Zaͤrtlichkeit und ei - nem ſorgfaͤltigen Regard gewuͤrtzet ſeyn muͤſſen, als worinnen eben die Delicateſſe dieſer Leiden - ſchafft zu beſtehen pfleget. Sie war (biß ſie ob - beſagte Flucht nahm) ſehr retirée, und hielte ſo - wohl uͤber ihre Ehre als Tugend, erwieſe ſich uͤber - aus fuͤrſichtig in ihrer gantzen Auffuͤhrung, und wunderte ſich vielmals, wenn ihr Ehmann einen guten Freund mit nach Hauſe brachte, und, indem er immittelſt ſeinen Geſchaͤfften nachgienge, ihn viel Stunden lang mit ihr alleine lieſſe, ohne daß er ſich etwas beſorgete, oder im geringſten darum be - kuͤmmerte, ob ſie unterdeſſen ein Aufgedecktes mitein -157und der Graf von Warwick. einander geſpielet, oder die ſieben Buß-Pſalmen ge - bethet, gleich als wenn ſie ein altes 80jaͤhriges Muͤtterlein geweſen, das man, wegen ſeines Cor - duanen-Geſichtes und wackelnden Kopffes, gar ſicher, ſtatt einer Klapper-Muͤhle oder Vogel - Scheu, ins Kraut ſtecken moͤgen. Dieſes war, ih - res Erachtens, eine groſſe Unbedachtſamkeit, wo nicht tadelhaffte Gleichguͤltigkeit, eines Mannes, der ein junges, ſchoͤnes und liebreitzendes Weibgen hat, und ſie Manns-Perſonen anvertrauet, die auch nicht heßlich und einfaͤltig ſind, noch ſich allzuwohl in das Tuͤrckiſche Serail ſchicken duͤrfften.
Als dieſes verlohrne Schaaf, nach vertaͤndelter Wolle der ehlichen Keuſchheit, ſeinen unachtſamen Schaͤfer wieder gefunden hatte, ſtellte es ſich an, als ob es nie kein Waſſer getruͤbet, ſondern keuſcher als eine Veſtaliſche Jungfrau ſey, damit es ſolcher geſtalt die durch ſeine grobe Ausſchweiffung ſeiner Ehre verſetzte groſſe Scharte wieder auswetzen, und ſich bey denen Leuten in Credit ſetzen moͤchte. Nun haͤtte man meynen ſollen, daß, wenn ihren Mann ja die vielen Beyſpiele gecroͤnter Haͤupter von dem Verlangen nach deren Orden nicht wuͤrden ab - ſchrecken koͤnnen, er doch wenigſtens nunmehro, dem Sprichwort gemaͤß: Ein gebranntes Kind fuͤrchtet das Feuer, ſeine Taube beſſer vor denen Stoß-Voͤgeln wuͤrde in acht genommen haben; Alleine, weil er ſeine vorigen Hahnen-Fe -dern158Madame Mabellah Turner,dern in Vergeſſenheit ſtellte, wurde er nach kurtzem, durch ſeine Fahrlaͤßigkeit, von ihr mit einer neuen Plumage oder Hirſch-Geweyh ausſtaffieret: Denn, da der fuͤr Liebes-Brunſt gantz unſinnige Graf von Warwick von der Mabellah neuem eingezogenen Leben und verblendenden Schoͤnheit gehoͤret, vermeynte er, wenn er ſie nebſt ſeinen uͤbri - gen Amouren attaquirte, eine noble Entre - priſe zu begehen. Nachdem er nun dieſen Schluß gefaſſet, und ſich fuͤr einen Weinhaͤndler ausgab, machte er ſich mit ihrem Ehemann bekannt, nahm ſich eines luſtigen und ihm gefaͤlligen Humeurs an, und bezauberte ihn durch ſeine angenehme Converſation in kurtzer Zeit dergeſtalt, daß er nicht einen Tag ohne ihm leben kunnte. Jn Com - pagnie ſtellte ſich der Graf iederzeit als ein Fremd - ling und Unerfahrner in der Liebe an, und als einer, der das Frauenzimmer gar nicht æſtimire, ſon - dern eine Boutteille Wein der Gunſt aller Schoͤn - heiten, in der gantzen Chriſtenheit, weit vorzoͤge. Monſieur Turner, der einen gar herrlichen Tiſch hielte, invitirte ihn oͤffters zur Mahlzeit; aber der Graf ſchlug es ihm durch ein oder die an - dere Entſchuldigung allemal ab. Sie hatten ein - ander uͤber einen Monath gekannt, als der Lord, da er mit Monſieur Turner und andern aufm Wein-Keller war, ſich in der Compagnie ver - nehmen lieſſe, welcher geſtalt er Grays-Inn gantzſatt159und der Graf von Warwick. ſatt haͤtte, und entſchloſſen waͤre, auſſerhalb ein Logis zu ſuchen, wenn er eines nach ſeinem Wunſch antreffen koͤnnte. Einen oder zween Ta - ge hernach, als er mit dieſer Vorrede gekommen, fieng er wieder gar ernſthafft gegen Monſieur Turner darvon zu reden an, und bemuͤhte ſich, ihm weiß zu machen, als moͤchte er nicht zu Leuten ziehen, die ihre Zimmer vermietheten, maſſen er das Geſchnader und Getader von vielen Weiber-Ge - ſchleppe, und das Schreyen der Kinder in einem Hauſe nicht vertragen koͤnnte, ſondern wuͤnſchete, daß er ein Logement bey einer ſtillen und rein - lichen Familie, entweder bey einen Kauffmann oder erbaren Handwercks-Mann, der einen guten Tiſch fuͤhrte, und mit ſeinem Humeur uͤberein kaͤme, mit welchem er zuweilen luſtig waͤre und des Abends ein Glaß Wein traͤncke, moͤchte bekommen koͤnnen. Er nennte eine groſſe Men - ge anderer Dinge, worvon er die Particularien, die er verlange, ſo argliſtig beſchriebe, daß man, ohne zu mercken, wohin er zielete, ſchwerlich zween Haͤuſer in gantz London finden koͤnnen, wo dieſe Requiſita beſſer, als in Monſieur Turners ſeinem eingenen anzutreffen geweſen. Der Graf haͤtte nicht noͤthig gehabt, halb ſo viel behutſame Umſchweiffe zu nehmen, angeſehen Monſieur Turner den Narren dergeſtalt an ihm gefreſſen, daß er den Hacken ſchon verſchlungen, ehe deran -160Madame Mabellah Turner,andere den Koͤder kaum recht geworffen hatte; Er war voller Freuden in ſeinen Gedancken, daß er ihn ſo nahe um und bey ſich haben ſollte, und offe - rirte demnach alsbald, auf eine gar verbuͤndliche Weiſe, alle Bequemlichkeiten ſeines Hauſes zu des Grafen Dienſten.
Dieſemnach bezog der Graf von Warwick ſein neues Logis in des Monſieur Turners Hauſe, deſſen Weib, ſo bald ſie die Augen auf den Lord warffe, und ſeine hoͤfliche Conduite be - trachtete, alsbald aus ſeiner galanten Auffuͤhrung ſchloſſe, es werde nicht lange Anſtand haben, ſo wuͤrde ſie was vor ihren Schnabel bekommen: Welchemnach ſie ſich mit derjenigen Tugend be - waffnete, durch deren Hindanſetzung ſie vormals ihr Ehe-Bette beflecket, und hielte ſie ſich alſo auf ihrer Hut; Als aber 8. oder 10. Tage verlieffen, und der Graf nicht die geringſte Liebe von ſich ſpuͤ - ren lieſſe, auch Mabellah, ungeachtet ſie zu un - terſchiedenen malen allein mit ihm geweſen, den - noch nicht ein eintziges Merckmahl deſſen, was ſie muthmaſſete, weder durch Worte, noch Blicke, an ihm vermerckete, wuſte ſie nicht, was ſie aus ihm machen ſollte. Er hatte eine unvergleichliche Ge - ſchicklichkeit, eine Hiſtorie zu erzehlen, fiel iedoch in Geſellſchafft nie mit einiger verdruͤßlich, wenn es nicht recht wohl a propos kam oder gleichſam erfordert zu werden ſchiene, ob ſchon ſein Kopffuͤber -161und der Graf von Warwick. uͤberfluͤßig mit denen auserleſenſten von allen Ma - terien angefuͤllet war: Dieſes machte ihn uͤberall angenehm, und daß iedermann ſeine Perſon in Converſation gerne um ſich hatte: Alle ſeine Diſcourſe waren ſo keuſch und honnett, als ſinnreich und kurtzweilig ſie heraus kamen: Er ge - brauchte nie zweydeutige Worte, oder einige un - zuͤchtige Expreſſion, wenn er ſich auch noch ſo luſtig erwieſe: So ſtach er auch keinen Menſchen iemals mit Satyriſcher Spitzfindigkeit an, und lieſſe dergleichen bey keiner Gelegenheit von ſich mercken: Das eintzige, wormit er bißweilen ſeinen Spaß triebe, war die Liebe; er nahm ſich aber all - zeit inacht, daß ſein Eſtim und Veneration ge - gen das ſchoͤne Geſchlecht ſo groß ſchiene, als der Trotz, den er deſſen Schoͤnheit und ihrer Gewalt bothe. Uber dieſes letztere war ſich bey einer Per - ſon von ſeinem Temperament und politiſchen Auffuͤhrung gegen Mabellah am allermeiſten zu verwundern: Dieſe war noch nie in Geſellſchafft einer Manns-Perſon geweſen, da ſie nicht mehr oder weniger, entweder aus dem Angeſicht, Rede oder Thun, angemercket, daß der durchdringende Glantz von ihren Augen einigen Eindruck in die Seelen gemacht haͤtte; Nur der Graf allein ſchie - ne faͤhig, ſolche mit einer ungezwungenen Freyheit des Gemuͤthes gleichguͤltig anzuſehen. Nun er - wege man, was fuͤr ſeltſame und verkehrte Creatu -Lren162Madame Mabellah Turner,ren die Weiber zu ſeyn pflegen: Die ſproͤte Ma - bellah, die ſich ihm ſo tapffer wuͤrde widerſetzet haben, im Fall er einen Liebes-Sturm auf ſie ge - waget, ja ſie, die ſich bereits auf einen kraͤfftigen Widerſtand gefaſſt gemacht, weil ſie vermeynte, die Gefahr des Laſters koͤnnte durch wohl ſimu - lirte Tugend vermieden oder bemaͤntelt werden, und die darneben ſeine indifferente Kaltſinnig - keit beneidete, war nun dahin gebracht, daß ſie ver - meynte, ſie muͤſte ſich uͤber die Schwaͤche ihrer Reitzungen beklagen, biß folgends die Furcht und Beſorgung wegen ihres desfallſigen Unvermoͤgens ſie gaͤntzlich entwaffnete, und zwunge, faſt zu wuͤn - ſchen, daß er nicht ſo unempfindlich ſeyn moͤchte.
Nachdem aber der Graf ſechs Monathe in ih - rem Hauſe geweſen, und nicht vermoͤgend war, ſein Anliegen laͤnger zu verbergen, uͤberfiel ihn, dem Anſehen nach, ploͤtzlich eine tieffe Melancholie, dergeſtalt, daß alle ſeine Lebhafftigkeit und luſtige Bezeugung auf einmal verſchwande. Mabellah regardirte dieſes ſo genau, daß ſie nicht wenig be - kuͤmmert war, ihn in einem ſolchen Zuſtande zu ſehen: Wenn ſie nun uͤberlegte, wie er iederzeit die Liebe und verliebte Leute zu verlachen pflegte, kunnte ſie anfangs die Urſache nicht errathen, biß ſie end - lich ihm unrecht zu thun vermeinte, wenn ſie ſeiner Staͤrcke zu viel zutraute, daher ſie den Schluß faſſte, ihn auf die Probe zu ſtellen. Sie war nunmehroſo163und der Graf von Warwick. ſo familiair mit ihm, daß ſie ſich ſo vieler Frey - heit gegen ihn bediente, als wenn er ihr Bruder ge - weſen waͤre; Und als ſie eine Nacht mit einander ſchwatzten, da gleich ihr Ehmann nicht zu Hauſe war, ſtellte ſich der Graf ſehr traurig an, und doch darnebſt, als ob er ſich bemuͤhte, anders zu erſchei - nen, das iſt: Er ſtellte ſich unter der traurigen Ver - ſtellung indifferent; Mabellah wollte dieſe Ge - legenheit nicht vorbey ſtreichen laſſen, und ſagte zu ihm: My-Lord, wiſſen ſie das Sprich - wort nicht: Liebe und Huſten laſſen ſich nicht wohl verbergen? Es iſt ver - geblich, daß ſie ſolche zu verheelen ſu - chen. Sie gab auf ihn achtung, und ſahe ihn in ſo groſſer Verwirrung, daß ſie gewuͤnſchet, ſie haͤtte es nicht geſaget; Jedoch, er ſchiene ſich alsbald wieder zu recolligiren, und ſuchte mit groſſem Fleiſſe dasjenige, ſo ſie ihm vorgehalten, von ſich abzulehnen, ja, gab ſich nicht wenige Muͤhe, ihr dieſe Gedancken auszureden; er ſahe aber mittlerweile nicht anders aus, als einer, der ſein wichtigſtes Ge - heimniß verrathen ſiehet. Hieraus erkannte nun - mehro Mabellah zwar die Kranckheit; wie ſie aber die Urſache erfahren ſolte, ſolches kunnte ſie nicht wiſſen: Sie zerbrach ſich den Kopff, wer doch die wunderns-wuͤrdige Schoͤnheit ſeyn muͤſte, die uͤber das Hertz, welches ſie iederzeit fuͤr unuͤberwindlich gehalten, endlich triumphiret haͤtte. Die erſte,L 2auf164Madame Mabellah Turner,auf die ſie gedachte, war ſie ſelbſten: Und indem ihre Gedancken alſo beſchaͤfftiget waren, hinter den Urſprung des Grafen ſeiner Beunruhigung zu kom - men, beſchloſſe ſie bey ſich ſelbſten, ihn aufs ge - nauſte zu bewachen, um, woferne es moͤglich, tieffer in ſein Geheimniß einzudringen, mit der Reſolu - tion, alles, was ſie auch entdecken wuͤrde, verbor - gen zu halten; Und nunmehro wurde ſie innen, daß er die Freymuͤthigkeit ſeiner Blicke verlohren, wel - che ſo remarquable an ihm geweſen, und daß er gleichſam furchtſam zu ſeyn ſchiene, ihr recht unter Augen zu ſehen. Sie verſpuͤhrte gleichermaſſen, daß er vermeide, alleine mit ihr zu ſeyn; wenn ihn aber niemand in obacht naͤhme, oder er ſich fuͤr unobſervirt hielte, pflegte er ſie mit groͤſſerer Sehnſucht, als er iemals vorher gethan, anzu - ſchauen; und wenn, indem ſeine Augen auf ſie ge - richtet, ſie gehling in die Hoͤhe ſahe, pflegte er zu ſtutzen und ſchluge ſolche en moment zur Erden, oder wendete ſeinen Kopff gar auf die Seite; wenn er ſich bißweilen gleichſam ertappt befande, erſchrack er, wurde roth, und muſte vielmals gar fuͤr Verwirrung hinweg gehen und ſie verlaſſen. Dieſe Symptomata lieſſen ſie nicht laͤnger zweif - feln, daß ſie es ſelbſten ſey, die ihm, ohne ihr Wiſ - ſen, dieſe hitzige Kranckheit zugezogen; Und die - weil ſie des Grafens Hertz fuͤr ein unſchaͤtzbares Pfand hielte, gab ihr ihre Schwachheit ein, ſichdes165uud der Graf von Warwick. des herrlichen Vortheils dieſes maͤchtigen Sieges zu bedienen. Mittlerweile kunnte der Lord ſich ſo unvergleichlich verſtellen, und eine kaͤmpffende Paſſion ſo naturel repreſentiren, daß, ob - ſchon der Maſqueraden-Macher innerlich gantz ſtill und indifferent war, er dennoch die witzige ſcharffſuͤchtige Mabellah glaubend machte, daß nichts die Hefftigkeit ſeiner Liebe uͤbertreffen koͤnnte, wenn es nicht der Wett-Streit ſeiner Tugend waͤre, der ſolche zu unterdruͤcken ſuchte. Nachdem er dieſen Scherwentzel eine Weile geſpielet, und Ma - bellah ſo wohl mit Liebe, als Mitleiden aufs ge - faͤhrlichſte verwundet hatte, und ſie eines Tages mit ihm allein in ſeiner Kammer war, ſatzte ſie ſich vor ſein Bette, und nahm ſich Gelegenheit, den Zu - ſtand ſeiner Schwachheit durch ſittigliche Befuͤh - lung ſeines Pulſſes zu erforſchen, ihm erzehlende, was maſſen ſie verſichert waͤre, daß etwas ſeine Lebens-Geiſter hemmete, und ſie in Sorgen ſtuͤnde, er thaͤte ſich ſelbſten Marter an, indem er eine Heimlichkeit, die ihn beunruhigte, allzu aͤngſtlich zu verbergen ſuche. Seynd ſie doch nicht ſo ſcrupuleus, ſagte ſie, ein vollkommenes Vertrauen auf Dero Freunde zu ſetzen, ſondern ſchuͤtten ſie ihr Hertz aufrichtig vor ihnen aus, daß, woferne ſie ihnen ja nicht helffen koͤnnen, ſie doch das Ver - gnuͤgen, ihr Mitleiden gegen ſie zu bezei -L 3gen166Madame Mabellah Turner,gen, haben moͤgen. Meynen ſie ja nicht, Wertheſter Freund, daß mich dieſes zu ſagen eine ungereimte Curioſité beweget, die Heimlichkeiten in Dero Gedancken zu ergruͤnden; ſondern glauben mir, My - Lord, daß ich in meiner Seele eine ge - nauere Abſicht empfinde, und mit einer weit groͤſſeren Sorge fuͤr Dero Wohl - ſeyn eingenommen bin, als ſie vielleicht ſich einzubilden faͤhig ſind. Nachdem ſie ſich alſo liebreich, mit einer maͤhligen lieblichen Stimme und der Anmuth eines holdſeligen Engels, heraus gelaſſen hatte, wurde ſie ſtille, und ſchiene eine Antwort zu erwarten, welche der verzweiffelte Heuchler auf folgende Weiſe vorbrachte: Durch was fuͤr verborgene Macht ſie ein Ge - heimniß offenbahret, welches ich mit ſo ungemeiner Sorgfalt zu verbergen meynte, ſolches kan ich nicht errathen; Jch ſehe aber wohl, Madame, daß Dero Scharffſinnigkeit nicht weniger durch - dringend, als Dero Schoͤnheit ſey: Ja! Mabellah, ich liebe, und zwar Sie; und um dieſer Liebe willen werde ich ſterben, woferne ſie mich nicht wieder lieben wer - den. Dieweil nun des Lords groſſe Neigung aufs neue uͤber ihre angelobte Tugend prævalir - te, verlieſſe ſie ihren Ehmann zum andernmal, demſie167und der Graf von Warwick. ſie aber von dem Grafen, ſo bald ſeine groͤſte Liebes - Brunſt ausgebrauſet hatte, wieder zugeſendet wur - de, welches noch vor der Verflieſſung eines Mo - nathes geſchahe. Gleichwie ſie aber der Hahnrey gar kaltſinnig empfienge; alſo wehrete es auch nicht lange, als er ſie mit gleicher Muͤntze baar bezahlte: Denn, weil er mit eines andern Mannes Weib ei - nen Liebes-Vertrag aufrichtete, traff der Pfeil ſei - nes Verlangens ſo hurtig ins Schwartze, daß ſie einwilligte, mit ihm nach Marryland zu gehen, wo ſie nunmehro leben; und betreffend Mabel - lah, ſtarb ſolche, als ſie ſich von demjenigen, wel - cher das naͤheſte Recht zu ihrer Liebe hatte, verlaſ - ſen ſahe, in kurtzem fuͤr Traurigkeit gantz raſend und unſinnig; der wir wohl zur Grab-Schrifft ſetzen moͤchten:
DJe Fraͤulein Mary Mordaunt, Toch - ter des hochgebohrnen Grafen von Peter -L 4borough,168Madame Mordaunt,borough, wurde durch Vermaͤhlung mit dem letzten Hertzoge von Norfolk, Erb-Groß-Mar - ſchalle von England, zur Hertzogin; Binnen we - nig Jahren aber, nachdem ſie in den honorablen Stand der Ehe getreten war, und Monſieur Germain, ein Menſch aus Holland gebuͤhrtig, aber von gar geringer Extraction, zur Zeit der Revolution hinuͤber nach England kam, und, ich weiß nicht durch was fuͤr Vermittelung, bey Hof erſchiene, funde ſie ein - und die andere Eigenſchaff - ten, ſo zur Liebe und Galanterie geneigt ſchienen, an ihm, welche verurſachten, daß ſie, die Hertzogin, die Zaͤrtlichkeit ſeiner Conduite gar ſpecial in obacht nahm. Als ſie dieſen Belgiſchen Stutzer das erſte mal erblickte, entbrannte ſie alsbald uͤber und uͤber in unreiner Liebe gegen ihn; Und da ſie ihn folglich eines Tages in der Antichambre im St. Jacobs-Pallaſt rencontrirte, zeigte ſie ihm an, was maſſen ſie ſichs fuͤr ein Vergnuͤgen ſchaͤtzen wuͤrde, wenn er ſie in ihrem Logis beſu - chen und ihr wegen einiger Sachen, ſein Vaterland betreffende, Satisfaction geben wollte. Er kruͤm - mete ſich uͤber dieſem Anerbiethen wie eine Brat - Wurſt auf dem Roſte, und wuſte ſeinen Hochmuth uͤber einer ſo ſeltenen Gnade, durch complimen - tiriſches Neigen und Beugen, nicht ſattſam zu be - zeigen, indem er dieſem Befehle als ihr unterthaͤ - nigſter Knecht zu gehorchen verhieſſe. Weil nunſeine169und Monſieur Germain. ſeine Einbildung ohnedem ſo thoͤricht war, daß er, (wie ſehr viele andere von ſeinem Alter) in dem be - truͤglichen Wahn ſtunde, ein iedwedes Frauenzim - mer, das die Augen auf ſeine Perſon wuͤrffe, habe ſich ſtracks in ihm verliebet, machte er ihr den naͤchſten Morgen, da der Hertzog auf dem Lande war, nicht ſo bald ſeine Aufwartung, als er auf die Knie fiel, und, vor Dero Fuͤſſen liegend, ſie als eine Goͤttin anbethete. Nachdem ſie ihn nun, wegen der Ausſchweiffung ſeiner Paſſion, einen kleinen Verweiß gegeben und laͤchelnde von der Erden aufgerichtet, kunnte er ſich nicht laͤnger enthalten, ſondern muſte ſeinen Flammen den voͤlligen Aus - bruch verſtatten; ja, ſeine Vermeſſenheit war bey dieſer ſeiner erſten Viſite ſo groß, daß er ſich wie eine Klette an ſie anhienge, und ſie mit ſo bruͤnſtiger Entzuͤckung kuͤſſete, als ob ſich ſeine Liebe im ruhi - gen Hafen der Gluͤckſeligkeit, und er ſich ſelbſten mitten im Schooß der Sicherheit und des Ver - gnuͤgens befunden. Die Hertzogin hatte nicht wenig Muͤhe, ehe ſie es dahin bringen kunnte, daß ſich Germain von ſeiner Unbeſcheidenheit wie - derum erhohlte, und ſie nach einiger Schwierig - keit ihre Ehre fuͤr dieſes mal, wiewohl nur zum Schein, præſervirte, biß ſie endlich auf beyden Seiten, uͤber der Poſt von des Hertzogs gaͤhlin - ger Ankunfft in der Stadt, gantz verwirret und unvergnuͤgt von einander ſchieden. Nichts deſto -L 5we -170Madame Mordaunt,weniger war ihre Liebe ſo hitzig, daß ſie ihm des naͤchſten Tages folgenden Brieff uͤberſandte:
Jch muß den maͤchtigen Exceß der Schwachheit und Gebrechlichkeit, der ich mich geſtern ſchuldig machte, offen - hertzig bekennen; Jedoch belieben ſie zu glauben, daß die Gewalt, ſo ich mir an - thate, um mich nicht noch mehr zu ver - rathen, weit groͤſſer war. Wo mir recht iſt, ſtieſſe ich ſie einmals von mir; Allei - ne, die Wahrheit zu geſtehen, es geſchahe nur zum Schein; Jn der That gefielen mir die kraͤfftigen Anfaͤlle Dero Liebe wohl, und empfande hertzliches Vergnuͤ - gen an dem Eyfer ihrer brennenden Kuͤſ - ſe: Warum ſollte ich, allerliebſte Seele, etwas vor ihnen verborgen halten? Den Augenblick, da ſie mich verlieſſen, ſahe ich meinen Untergang vor Augen. Jch weiß nicht, wie es um meine Ehre ſtehen duͤrffte, ſollte ich ſie noch einmal in die - ſem ungemeinen und hoͤchſten Grad der Liebe ſehen? Jch bekenne es gerne, daß ich nicht Staͤrcke genug haben wuͤrde, einer ſolchen Reitzung zu widerſtehen; Alleine, es mag nun ſo wohl mit meinerEhre,171und Monſieur Germain. Ehre, als Tugend, ablauffen, wie es will, ſo kan ich ohne Dero Anweſenheit nicht leben: Dahero werde ich morgen auf dem Abend ihrer angenehmen Geſell - ſchafft im Spring-Garten bey Lambeth incognito erwarten; Jmmittelſt em - pfahen ſie dieſen Abſchieds-Kuß durch die Lufft!
Monſieur Germain unterlieſſe nicht, um beſtimmte Zeit daſelbſten zu erſcheinen, und indem ſie in beſagtem Dorffe bey Privat-Perſonen ein Logis nahmen, kamen ſie darauf noch oͤffters all - da zuſammen, ihr Vergnuͤgen zu vollziehen; Ja, ihre Vermeſſenheit wurde endlich ſo groß, daß ſie kein Bedencken trugen, ihre Ehebrecherey in des Hertzogs ſelbſt eigenem Pallaſt auszuuͤben; Und weil ſie daſelbſt von dem Hertzog einmal beyſam - men im Bette angetroffen wurden, ſahe ſich der Hollaͤndiſche Galan genoͤthiget, Faden-nackigt zum Fenſter hinunter zu ſpringen, der gerechten Rache des vornehmſten Pairs von England, dem er keinen groͤſſeren Affront erweiſen koͤnnen, als da er ihm das Tuͤrckiſche Wappen (nemlich einen halben gehoͤrneten Monden) zugeſchantzet, durch ſchleunige Flucht zu entgehen. Nach dieſem kla - ren Beweiſe, daß die Hertzogin nicht Farbe hielte, ſondern ihr ehelich Geluͤbde braͤche, klagte ſie der Hertzog des Ehebruchs halber im Parlement an,und172Madame Mordaunt,und alldieweil unterſchiedene von dem Hauſe derer Lords ihren Ausſprug wider ſie gaben, und dar - thaten, daß ſie eine, ſcilicet, erbare Dame ſey, immaſſen ſie Rem in re probiret, wurde dem Hertzoge von Norfolk, vermittelſt der Ehe - Scheidung, gebuͤhrendes Recht verſchaffet.
Weil er nun von ihr abgeſondert war, verlohre ſie den Titul einer Hertzogin, und wurde nachge - hends nicht anders genennet, als die Dame Mary Mordaunt; Deſſen ungeachtet æſtimirte ſie den Verluſt ihrer Ehre nicht ſonderlich, nachdem ſie an dem Germain eine Perſon angetroffen, der ihr in ihren fleiſchlichen Begierden die beſte Satisfaction verſchaffete: Sie hielte ſich dem - nach mit ihm in der Dake-ſtreet in Weſtmin - ſter auf, und als der Hertzog dieſes Zeitliche ge - ſegnete, ehlichte ſie ihren Buhler zum groſſen Vergnuͤgen aller beyder. Ob ſie ihm aber nicht auch bißweilen eine Hirſch-Peruque zur Meſſe eingekaufft, ſolches iſt keinesweges in Zweiffel zu ziehen; Jmmittelſt laͤſſet mich die ſchaͤndliche ih - rem erſten Gemahl erwieſene Untreue an die Unbe - ſtaͤndigkeit aller Weibs-Bilder gedencken, welche ein ſinnreicher Kopff in denen folgenden Zeilen von ihrer erſten Mutter, der Eva, herleitet, die ich, ohne groſſes Kopff-Brechen, teutſch alſo aus - drucken will:
Als173und Monſieur Germain.Als Adams Augen-Luſt ihm an der Seite ſtund,That die charmante Braut bald ihre Schoͤnheit kund,Die aus beſonderm Zweck demſelben zuge - ſendet,Weil ſelbſt des Hoͤchſten Hand dieß Meiſter - Stuͤck vollendet:Und da ſie ſeinem Aug und Hertzen wohl - gefiel,Satzt er ſie alſobald zu ſeiner Wuͤnſche Ziel,War voller Ungedult das Engels-Bild zu kuͤſſen,Und als ſein Eigenthum vollkommen zu ge - nieſſen.Sie ſtellte ihres Orts ſich auch nicht ſproͤte an;Und Adam hielte ſie fuͤr lauter Marcipan,Befand ſie aber doch (wer haͤtt es ſollen meynen?)Als Fleiſch von ſeinem Fleiſch, und Bein von ſeinen Beinen.Eins ſah das andre an, und iedes ſtund entzuͤckt,Weil es am andern fand, was es noch nie erblickt;Biß beyde, von der Macht der Liebe uͤber - wunden,Der Sehnſucht Ungeſtuͤm nicht laͤnger ber - gen kunten.Cupido174Madame Mordaunt,Cupido ſchoß den Pfeil auch ſo empfind - lich tieff,Daß Adam ihr, ſie ihm, ſchnell in die Ar - me lieff,Da ſie fuͤr heiſſer Gluth, wie zartes Wachs, zerfloſſen,Und die Vergnuͤglichkeit der Liebes-Luſt genoſſen.Sie blieb ihm iederzeit auch ſo beſtaͤndig treu,Daß nie kein ander Weib, ſie ſey auch wer ſie ſey,Sie an honneteté und Tugend uͤbertroffen,So auch ins kuͤnfftige von keiner mehr zu hoffen.Doch wenden andere hingegen dieſes ein:Vielleicht muſt ſie aus Noth ihm ſo er - geben ſeyn,Weil auf der gantzen Welt ſonſt keiner mehr zu finden,Der ſie mit ſeinem Glantz und Schoͤnheit kunnt entzünden.Muß iſt ein uͤbel Kraut, und dieß ein fal - ſcher Wahn,Daß eine Henne bleibt allein bey einem Hahn,Wenn ſie noch neben ihm kan andern Wech - ſel haben,Die Sehnſucht ihrer Bruſt nach Appetit zu laben.Drum irret man ſich weit, wenn man es recht betracht,Daß175und Monſieur Germain.Daß man von Evens Treu ſo gar viel Weſens macht:Denn, obwohl ihr Geſpons von admirablen Mienen,Von herrlicher Geſtalt und hoͤflichem Be - dienen,Von trefflichem Vigueur, Eſprit, Bered - ſamkeit,So gar, daß er darmit Trotz denen En - geln beut,Ja, dem nichts mangelte in ſeinem gantzen Leben,Jhr Satisfaction im Uberfluß zu geben;So wird ſie dennoch bald des ſchweren Joches ſatt,Das Hymen zum Verdruß ihr aufgeleget hat,Und ſehnt ſich ungemein nach friſchen Lecker - Speiſen,Obſchon ihr eigner Tiſch ihr Goͤtter-Koſt kan weiſen;Jn dieſer Luͤſternheit verlaͤſſt ſie ihren Schatz,Und macht fuͤr neue Gunſt in ihrem Her - tzen Platz,Geht hin und ſchweifft herum, durchſucht den gantzen Garten,Ob irgend etwas moͤcht’ auf ihren Schnabel warten.Nachdem ſie nun ſich ihm aus dem Ge - ſicht gemacht,Wird176Madame Mordaunt,Wird ihre Luͤſternheit gar bald zu Fall gebracht,Faͤngt ſolche Haͤndel an, aus weiblichem Ge - brechen,Die mit der Feder hier nicht gnugſam aus - zuſprechen.Denn ſie, man dencke nur! vergiſſt des Mannes gantz,Kriegt einen Appetit nach einem Schlan - gen-Schwantz,Und will dem Teuſſel ſelbſt eh’r Courteſie erweiſen,Als eine Dame ſeyn, und nicht Coquéte heiſſen.
Nachdem der Prieſter dieſe unerſaͤttliche Da - me und Monſieur Germain zu einem Fleiſch gemachet, alsdann kan ich nicht ſagen, ob ihre Umarmung ferner unerlaubt geweſen; Alleine ſie hatte die Freude und Sinnen-Weide an dieſem Manne nicht uͤber zwey oder drey Jahr zu genieſſen, ſo ſtarb ſie 1712. und wurde von keinem Menſchen, der ſie gekannt, weder betauert noch betrauert.
ES muß zugeſtanden werden, daß, obſchon die Weibs-Bilder, nebſt dem Gebrauchihrer177Madame Farmer, und Oliver Cromwel. ihrer Vernunfft, eine angebohrne Schichternkeit und Art eines Abſcheues gegen den Verluſt ihrer Jungferſchafft, mehr als die Weiblein aller andern Creaturen, haben, jedennoch unter funfzigen man kaum eine finde, ſie muͤſten denn in der erſten Bluͤ - the erbleichen, die ſich nicht, ehe ſie 40. Jahr alt wird, daruͤber beklagen ſollte; Jch ſage, ehe ſie 40. Jahr alt wird: Denn man weiß gar wohl, daß ein junges Frauenzimmer, gemeiniglich auch noch vor dem 13den Jahr, dieſer Laſt ſchon uͤberdruͤßig wird, und ſehnlich nach einem Manne ſeufftzet. Maͤnner nehmen iſt das Vergnuͤgen ihres gantzen Geſchlechtes; Hier und da ein - oder die andere ausgenommen, deren Natur kaͤlter iſt, als das aͤuſ - ſerſte Ende des Nord-Pols. Dieſes duͤrffte et - was laͤcherlich ſcheinen, immaſſen der Weibs-Bil - der ihr Hochmuth um dieſe Zeit ſo groß, als der Manns-Bilder ihre Demuth, zu ſeyn pfleget: Denn da fallen ſie einem gantz unertraͤglich, ſtellen ſich ſo verzumpen an, wie jene Braut auf der He - chel, ſehen eine Manns-Perſon kaum uͤber die Achſel an, und tractiren ſie ſo negligent und veraͤcht - lich, als ob ſie nicht werth waͤren, ihnen die Schuh - Riemen aufzuloͤſen; Allein, warum thun ſie doch dieſes alles? Gewißlich, aus keiner andern Raiſon, als, daß ihnen die Manns-Perſonen nur deſto aͤrger nachlauffen, ihnen gleich vom Anfang die Herr - ſchafft einraͤumen, und alles, was ſie im Blut undMLeben178Madame Farmer,Leben haben hingeben ſollen. Dieſe ertragen auf ihrer Seite alle dergleichen Geringſchaͤtzigkeiten mit Gedult, und ſcheinen gleichſam begierig zu ſeyn, mit ſolchen abgeſchmackten Tractamenten beehret zu werden, ja, flehen mit der tieffſten Veneration dieſe Goͤtzen-Bilder auf denen Knien an, daß ſie ihnen ein - oder die andere beſcheidentliche Bitte er - lauben moͤgen; Wenn mans aber bey Licht beſie - het, laͤuffet das gantze Abſehen endlich dahinaus, daß ſie die Perſonen, denen ſie dergleichen An - dachts-Opffer bringen, dergeſtalt verpflichten moͤ - gen, ſich ihnen auf Lebenslang entweder als Gebie - terinnen oder Selaven zu ergeben.
Doch auf Madame Farmer zu kommen, war ihr Vater aus Yorkshire gebuͤrthig und ſehr jung nach London geſendet worden, das Schu - ſter-Handwerck daſelbſt zu erlernen. Nachdem er nun ſeine Zeit ausgeſtanden und ſich auf der Wanderſchafft befande, heyrathete er eine Wittwe von eben derſelben Profeſſion. Wie lange ſie beyſammen gelebet, kan ich eigentlich nicht ſagen; aber wohl ſo viel weiß ich, daß ſie durch Spar - ſamkeit und aͤmſigen Fleiß ſo reich mit einander geworden, daß, als die Frau geſtorben, er, der Mann, ſein Schuhmacher-Handwerck an Nagel gehaͤnget, und einen Leder-Haͤndler abgegeben. Zwey oder drey Jahre nach dem Ableben ſeines Weibes, mit welchem er keine Kinder gezeugethat -179und Oliver Cromwel. hatte, heyrathete er zum andernmal das eintzige Kind eines Gerbers, der, ob er ſie ſchon gar arm gezeuget, ihr gleichwohl uͤber 1000. Pfund hin - terlieſſe, als er ſtarbe. Dieſe nun war der Mad. Farmer ihre Mutter, und der Vater alſo ein an - ſehnlicher Handels-Mann. Als dieſe Tochter, die ſie extraordinair liebten, acht biß neun Jahr alt wurde, zanckte ſich Vater und Mutter oͤffters we - gen ihrer Auferziehung; biß der Vater endlich ſa - he, daß ſolcher geſtalt nicht viel Gutes aus ihr wer - den wuͤrde, und ſie daher in eine Maͤgdgen-Schul in die Koſt thaͤte, worbey er ſich gegen die Lehrmei - ſterinnen daſelbſt vernehmen ließ, daß, ob er ſchon gar ſchlecht ansſehe, er dennoch brave Pfennige habe, und kein Geld ſparen wollte, wenn nur aus ſeiner Tochter ein recht galantes Frauenzimmer, ſo keinem andern im Lande was nachgaͤbe, gezogen wuͤrde. Alſo unterwieſe man Mademoiſelle Farmer in allen Stuͤcken, die nur in einer ſolchen Frauenzimmer-Schul anzutreffen ſind: Und weil ſie ſich hieſelbſt befande, nahm ihr Vater dermaſ - ſen an Reichthume zu, daß, ehe ſie das 16de Jahr erreichete, er ihr 8000. Pfund zum Braut-Schatz beſtimmete, daferne jhm der Freyers-Mann gefal - len wuͤrde.
Der Ruff von dem Gluͤcke eines ſolchen ga - lantten, ſchoͤnen, jungen Frauenzimmers, deſſen Vater und Mutter noch am Leben, und welche keineM 2an -180Madame Farmer,andere Kinder mehr haͤtten, auch ſchwerlich noch einige zeugen wuͤrden, kunnte nichts anders, als ei - nen Uberfluß an galanten Liebſten, die ſich um ſie bewarben, nach ſich ziehen; Weil aber der alte Geitz-Halß ſeine Tochter auf keine andere Weiſe, als durch Reichthum, gluͤckſelig zu machen ver - meynte, hatte er ſich einen, der ein ſtattliches Ver - moͤgen hatte, darnebſt aber ſehr ungeſtalt war, zum Eydam auserleſen, und verſtattete, ungeachtet des groſſen Widerwillens, den ſeine Tochter gegen ihn bezeugte, keinem eintzigen, als ihm, den geringſten Zutritt. Angeſehen nun das Maͤgdgen mittler - weile mit einem Parlements-Capitain in ei - nem heimlichen Liebes-Verſtaͤndniſſe ſtunde, und denſelben gantz wahnwitzig liebte, wollte ſie in des Vaters Wahl durchaus nicht einwilligen; Als aber dieſer, durch einen aufgefangenen Brieff, hin - ter ſeiner Tochter Neigung kam, rennete er in der groͤſten Raſerey hinauf, wo ſie war, und pruͤgelte ſie aͤrger als einen Tantz-Baͤren ab; Wenn der Abend herbey kam, ſperrete er ſie ein, und tractirte ſie etliche Monate lang ſo unbarmhertzig, daß ſie endlich daruͤber in eine Kranckheit verfiel. Da nun iedermann an ihrer Geneſung zweiffelte, gereuete es dem Vater, daß er ſo ſcharff mit ihr verfahren, und bezeigte deßwegen keinen geringen Kummer; Alleine die Mutter, die ihr ohnedem iederzeit zu viel nachgeſehen, reſolvirte ein weit kraͤfftigers Re -medium181und Oliver Cromwel. medium zu verſuchen: Denn, weil ſie wuſte, daß der Capitain die eintzige Urſache dieſes Liebes - Fiebers waͤre, lieſſe ſie ihn ſelbſt zur Tochter ho - len; und weil ſie nun anmerckte, daß dieſe von ſei - ner Gegenwart gantz belebt wurde, verſchaffte ſie ihm, ohne ihres Mannes Wiſſen, unterſchiedliche Viſiten. Ob nun die Kranckheit von ſich ſelbſten nachlieſſe oder des Capitains Gegenwart die Cur wuͤrckete, weiß ich nicht; ſo viel kan ich aber ſagen, daß es ſich augenſcheinlich mit ihr beſſerte; Allei - ne, da ſo wohl Vater als Mutter dafuͤr hielten, daß ihre Tochter wieder voͤllig geſund ſey, gieng ſie auf einmahl verlohren: Denn, als eines Morgens ſie die Magd nicht in ihrer Kammer antraff, gienge ſie und ſahe ſich in der Mutter ihrer nach ihr um; weil ſie aber auch da nicht zu finden, geriethe das Hauß bald in einen groſſen Aufruhr: Man ſuchte alles aus, es war aber von keiner Tochter weder zu hoͤren noch zu ſehen. Nach ſechs Tagen kam ein Brieff an den Alten und ſein Weib, mit der Nach - richt, daß ihre Tochter zu Briſtol Hochzeit gehabt haͤtte.
Uber dieſer Zeitung erſtaunten ſie alle beyde, und der Vater erzuͤrnete ſich ſo erſchrecklich deßwegen, daß er, ohne die Sache weiter zu unterſuchen, dem Capitain alles Ungluͤck auf den Halß fluchete, und der Tochter, daß ſie nimmermehr mit einander auf einen gruͤnen Zweig kommen moͤchten, mitM 3vielen182Madame Farmer,vielen grauſamen Vermaledeyungen anwuͤnſchete. Die Mutter ſchrie anbey jaͤmmerlich; und indem ſie alſo bitterlich ihren Verluſt beweinte, war ſie ſo unbeſonnen, daß, unter vielen Klagen, die ſie mehr laut als ordentlich vorbrachte, ſie einige Worte fallen lieſſe, woraus ihr Ehmann verſtunde, daß, wehrender ſeiner Tochter Kranckheit, ſie der Capitain vermittelſt der Mutter Einwilligung oͤffters beſuchet. Dieſes machte ihn raſender, als alles andere, und muſte die arme Frau das gantze Bad ausſauffen, indem er ſie im Hauſe wie einen Schuh-Hader mit Fuͤſſen herum ſtieſſe, und ſeinen gantzen Sack der Billingsgatiſchen Oratorie wider ſie ausſchuͤttete, ja es noch aͤrger machte, als alle alte Kupplerinnen und unverſchaͤmte Huren an dieſem Orte in London: Denn er verfluchte und verwuͤnſchte Mutter und Tochter auf ſo er - grimmte Art, als ob er aus einem Toll-Hauſe von der Kette entlauffen ſey; Biß er deſſen endlich muͤde wurde, und ein Geluͤbde thate, alle Furien der Plutoniſchen Monarchie ſollten ihn in den Luͤfften wegfuͤhren, woferne ihm eine oder die an - dere wieder vor ſeine Augen kommen ſollte. Was er ſagte, hielte er auch redlich: Denn noch dieſelbe Nacht jagte er ſeine Frau zum Hauſe hinaus; Und von der Tochter wollte er weder wiſſen noch hoͤren, wenn iemand ein gut Wort vor ſie einzu - legen bemuͤhet war. Die Mutter nahm einer vonihren183und Oliver Cromwel. ihren Anverwandten zu ſich; ſie fiel ihm aber nicht lange beſchwerlich: Denn der Ungehorſam ihrer entlauffenen Tochter, und die Brutalitaͤt ihres un - ſinnigen Mannes gieng ihr dermaſſen zu Hertzen, daß ſie alſobald von einem Fieber befallen, und, in weniger als 14. Tagen, darvon ins Grab geleget wurde. Jhr Ehmann, der, Krafft eines gemach - ten Teſtamentes, ſeine Tochter gaͤntzlich enterbete, uͤberlebte ſie nicht uͤber zween Jahre: Er kam vor ſeinem Ende gantz von Sinnen, und als er kurtz hierauf Todes verfuhr, hinterließ er einem Stein - fremden Erben uͤber 40000. Pfund.
Nun ſahe der Capitain, daß ſeine Hoffnung, eine groſſe Erbſchafft zu erlangen, zu Waſſer ge - worden: Dahero fienge es im Hauſe an, ſehr un - ruhig zu werden. Denn obwohl ſein Weibgen eine junge charmante Puppe war; Weil es ihr aber am Gelde fehlte, und er nicht nur gute Naͤch - te, ſondern auch gute Tage zu haben wuͤnſchte, hoͤ - rete er auf, ein guter Mann zu ſeyn, und verwan - delte das bißherige gelinde Laͤmmel-Futter in ein ungehobeltes Luͤmmel-Futter; Es irrete ihm eine Muͤcke an der Wand, und ſtunde im gantzen Hauſe kein Stecken gerade; Alle ihre inbruͤnſtige Liebe und Submiſſion war nicht vermoͤgend, die uͤber ſeine Leber continuirlich lauffende Lauß in ihrem Lauff aufzuhalten: Kurtz, er ſpielte ihr ſehr ungeſchlif - fen mit; und als ſie mit einem Maͤgdgen nieder -M 4kam,184Madame Farmer,kam, welches noch im 6. Wochen ſturbe, entlieff er gar von ihr, lieſſe ſie ſitzen, und gieng in Krieg, da er in der Schlacht zwiſchen Koͤnig Carl II. und denen Round-heads oder Rebellen zu Worce - ſter getoͤdtet wurde. So bald ſie aus den Wo - chen war, und ſich beydes von Freunden und Geld verlaſſen ſahe, wurde ſie genoͤthiget, ihren Leib, um des Lebens Unterhalt willen, oͤffentlich zu proſti - tuiren, ja, ein ſo allgemeines Proſtibulum ab - zugeben, daß man ſaget, ſie habe, in weniger als drey Wochen, bey mehr Manns-Perſonen geſchlaf - fen, als eine Trouppe Reuterey ausmachet. Je - doch als darauf der Ruff von ihrer Schoͤnheit dem Oliver Cromwel, als er Protector ware, zu Ohren kam, nahm und hielt er ſie zu ſeiner Mai - treſſe, und ſprach ſie in ſeiner Liebes-Noth oͤff - ters, als ſeine leibliche Gemahlin, um Troſt und Be - friedigung an. Weil ſie aber endlich das Ungluͤck hatte, ihrem Beſitzer die Frantzoſen ins Land zu ſchicken, bekam ſie die Thuͤr vors Hinter-Quartier; Und da ſich auch andere, die nur noch einen Tropf - fen raiſonnables Blut in denen Adern hatten, fuͤr dergleichen Careſſen bedanckten, gab ſie end - lich im Bordel in Milford-lane, der St. Cle - mens-Kirchen, in dem Strand, gegen uͤber, eine Kupplerin ab, allwo ſie unter den Presbyteria - nern, Anabaptiſten und dem Fried-fertigen Vol - cke, ſo man Quackers nennet, mit ihrem ſauberenGe -185und Oliver Cromwel. Gewerb ſehr gute Verrichtung hatte, und Kund - Leute genug bekam, die ihr ihre Frantzoͤſiſche Waa - ren abkaufften. Weil ſie noch eine Kuplerin ab - gab, hielte ſie ſich einen Jrrlaͤnder, des Major Pep - pers Sohn, zu ihrem Spring-Hengſt, dem ſie des Tages 10. Schillinge beſtimmte, und dieſes erbare Salarium gantzer 6. Jahre genieſſen lieſſe; nach welcher Zeit ſie aber wiederum bey denen Chirur - gis in die Baitze geriethe; jedoch, nachdem ſie die - ſen und denen Apotheckern, ihrer Geſundheit hal - ber, wiewohl vergeblich, ein ehrliches Stuͤcke Geld zugewendet, wurde ſie endlich genoͤthiget, ſich in das Hoſpital zu Kingsland in die Cur zu begeben, allwo ſie unter der Salivation, im Jahr 1680. und ihres Alters dem 49ſten, den unreinen Geiſt aufgabe.
DJeſes Frauenzimmer, Mademoiſelle Anna Robinſon, war die aͤlteſte Toch - ter eines reichen Kauffmanns in der Stadt Wincheſter in Hampshire. Sie wurde ſehr wohl auferzogen und beſaß alle Schoͤnheit; Weil aber ihr Vater nebſt ihr noch zween Soͤhne undM 5drey186Madame Robinſon,drey Toͤchter hatte, war ihr Heyraths-Guth nicht eben ſo gar groß: Denn da er ſich verbunden ſahe, auch fuͤr ſeine uͤbrigen Kinder zu ſorgen, kunnte er ihr uͤber 500. Pfund nicht beſtimmen. Nichts deſto - weniger erſatzte ihr holdſeliges Antlitz, ſchoͤne Ge - ſtalt, und gute Auferziehung dasjenige, ſo ihr am Gelde gebracht: Wannenhero eines anſehnlichen Mannes Sohn, der ein Erbe von 900. Pfund jaͤhrlicher Einkuͤnffte war, ſich in ſie verliebte; Weil aber ſeine Zuneigung ſeines Vaters Willen zuwi - der war, wurde die Liebe zwiſchen ihnen mit aller moͤglichen Heimlichkeit fortgeſetzet; Deſſen unge - achtet wurde das heimliche Verſtaͤndniß, nach wel - chem ſie ſich mit einander verplaͤmpert hatten, des jungen Menſchen ſeinem Vater durch folgenden Brieff entdecket:
Woferne ſie es nicht geſchwind hinter - treiben, ſo wird Dero Sohn bald mit des Herrn Robinſons Tochter verehliget werden. Dieſen Morgen iſt er, an ſtatt, daß er, nach ihrer Meynung, nach Dor - ſetshire reiſen ſollen, nach Guilford ge - gangen, von wannen er ſeine Liebſte mit ſich nehmen will, mit welcher er morgen zu Graveſend zu ſeyn gedencket, um von dar zu Waſſer nach Holland zu gehen;All -187und der Hertzog von Tyrconnel. Allwo er ſich, nach ſeiner Hochzeit, vor dem erſten Ausbruch ihres Zorns, in Si - cherheit zu ſetzen gedencket. Seiner Lieb - ſten Vater ſtecket darhinter, und ſtrecket ihm auf ſein eigen Conto hundert Pfund vor. Daferne ſie ſich nicht ſaͤumen, koͤn - nen ſie ſeinen Diener bald anhalten, der gleich ietzo mit ein paar Coffren zu Bil - lingsgate auf die Fluth wartet. Wenn die Wahrheit deſſen, was ich ſchreibe, of - fenbar ſeyn wird, alsdenn will ich ent - decken, wer Dero wahrhaffter, zur Zeit aber noch unbekannter
Freund.
Als der alte Herr dieſen Brieff, ohngefehr zween Stunden darauf, nachdem ſein Sohn ausgereiſet war, bekommen hatte, ſandte er, indem man ſeine Kutſche fertig machte, nach Billingsgate, und da man den Diener mit denen Coffren in Arreſt genommen hatte, reiſete er in aller moͤglichſten Eile nach Guilford, allwo er ſeinen Sohn bey einer, Nahmens Anna Clinch, (wie ſie damals hieſſe; wie ſie aber anietzo, nachdem ſie geheyrathet hat, genennet wird, kan ich nicht ſagen,) in einem Gaſt - Hofe, antraff, und ihn, ehe er von ſeiner Liebſten oder ſonſten iemand Abſchied nehmen kunnte, ge - ſchwind in eine Kutſche werffen, und entfuͤhren lieſſe. Als188Madame Robinſon,Als er nach Hauſe gekommen, ſperrete ihn ſein Va - ter in ſeine Kammer ein, und ließ ihn bewachen. Da begab ſichs, daß eben zu der Zeit eine nach Tuͤr - ckey gehende Flotte zu Portsmouth auf guten Wind wartete, von welcher der alte Herr des fol - genden Tages Nachricht erhielte; Nachdem er nun einige Kauff-Leute um Rath gefragt, reſol - virte er ſich, ſeinen Sohn nach Smyrna zu ſen - den, mit einem ſcharffen Befehl, ihn daſelbſt in Verwahrung zu halten, biß er weitere Ordre er - theilen wuͤrde. Er war ſo fuͤrſichtig, daß er ihn biß ins Schiff begleitete, und ſatzte keinen Fuß von Portsmouth fort, biß man den Ancker gehoben, und die gantze Flotte unter Seegel gienge.
Es verlieffen unterſchiedliche Tage, ehe ſie die geringſte Nachricht von ihrem Liebſten einziehen kunnte; Als ſie aber hoͤrete, wie ſein Vater mit ihm umgegangen, daß er ihn wider ſeinen Willen nach Smyrna geſendet, graͤmte ſie ſich bald zu einem Schatten. Mittlerweile ſuchte ein anderer junger Courtiſan Addreſſe bey ihr; weil er aber ſa - he, daß alle ſeine Bemuͤhungen vergeblich waren, (denn ihr gantzes Hertz hienge an dem andern;) gedachte er ſie durch Liſt zu erhalten: Er gieng des - wegen hin zu ſeines Mitbuhlers Vater, welcher, zu ſeinem groͤſſeſten Leidweſen, aus der Tuͤrckey Nach - richt erhalten, daß ſeines Sohns Liebe noch unver - aͤnderlich waͤre. Es ſtellete ſich alſo dieſer andereLieb -189und der Hertzog von Tyreonnel. Liebhaber, als naͤhme er Antheil an ſeinem Miß - vergnuͤgen; er vermeldete ihm dahero: Daß, im Fall Monſieur Robinſon ſo beſtaͤndig verhar - rete, ſie wohl einander noch zu Theil werden duͤrff - ten, woferne anders ſein Sohn am Leben bliebe und etwann einmal ſein eigener Herr wuͤrde; Das eintzige Mittel demnach, ſolches zu hintertreiben, wuͤrde ſeyn, wenn man einem von denen Verlieb - ten weiß machen koͤnnte, als ob das andere in die Eliſæiſchen Felder gereiſt waͤre. Die Conſe - quence dieſes Kunſt-Griffes, lieget am Tage. Der alte Herr danckte dieſem jungen Menſchen fuͤr ſeinen Rath, ſchriebe Brieffe in die Tuͤrckey, worin - nen er berichtete, Mademoiſelle Robinſon ſey geſtorben, ſprengete auch dergleichen erdichteten Ruff von ſeinem ſelbſt eigenen Sohn aus, welcher auch wuͤrcklich von allen, denen er zu Ohren kam, geglaubet wurde; ja, der Sache einen deſto beſſern Schein zu geben, legte er nebſt ſeiner gantzen Fa - milie die Trauer an.
Ob nun wohl Mademoiſelle Robinſon ſol - cher geſtalt wenig oder keine Hoffnung mehr hatte, ihres verbanneten Liebſten Ehe-Weib zu werden; ſo betruͤbte ſie doch die traurige Poſt von ſeinem Tod ungemein; und war es weit gefehlt, daß ſie diejenige Veraͤnderung ihres Hertzens erregen ſol - len, welche ihr gegenwaͤrtiger Liebſter erwartete, Gleichwie aber ihre Schoͤnheit taͤglich mehr zu -nahm,190Madame Robinſon,nahm, alſo hatte ſie einen Uberfluß an Liebhabern, worunter ſich einige von denen Vornehmſten be - fanden; Allein, weil ſie zweiffelte, ob deren Liebe auf einen honnetten Zweck gegruͤndet ſey, gab ſie ihnen niemals einiges Gehoͤr; unter denenjeni - gen aber, die ein ehrliches Abſehen hatten, befande ſich keiner, der ihr recht gefiele. Jhr Gemuͤth war ſo redlich und tugendhafft, daß ſie ſich oͤffters wuͤnſchte, nur mittelmaͤßig in der Welt verſorgt zu werden, damit ſie nur derer vielen Galanen, die ihr ſtets auf dem Fuſſe nachgiengen, loß werden moͤch - te; Endlich wurde ſie dieſem andern Liebſten, wel - cher die Zeitung von des erſten Tod abgefaſſet, zur Ehe gegeben. Er war der eintzige Sohn eines Land-Herrn, der jaͤhrlich von ſeinem eigenen 80. Pfund Einkommens hatte, und bezeigte ſich uͤber ſeinem neuen Weibgen ungemein vergnuͤget. Nach - dem nun mittlerweile die erdichtete Nachricht von Mademoiſellens Robinſons Tod dem jungen Monſieur in Smyrna zu Ohren gekommen, wa - ren die erſten Bewegungen ſeines Schmertzens ſehr hefftig; Jedoch, als dieſe gewaltſame Liebes-Hitze nachlieſſe, und er uͤberlegte, daß vom Tode keine Errettung ſey, wurde er nach und nach wieder ru - hig im Gemuͤthe, bemuͤhte ſich, ſeine Sorgen, ſo gut als er kunnte, zu vertreiben, und weil es ihm nicht am Gelde fehlete, divertirte er ſich mit allen Ergoͤtz - lichkeiten, welche dieſes ſchoͤne und gluͤckſelige Landver -191und der Hertzog von Tyrconnel. verſchaffet. Mit ſeinen 21. Jahren reiſete er zur See nach Neapolis, und von dannen durch Jtalien, Franckreich und Spanien, und nachdem er vier Jahr auſſen geweſen, kam er wieder in ſein Vaterland zuruͤcke. Er erſtaunte, als man ihm ſagte, die geweſene Mademoiſelle Robinſon waͤre noch am Leben und verheyrathet; Noch viel - mehr aber, da er vernahm, was maſſen der Ruff, ſowohl von ſeinem als der Robinſon Tod, von ſeinem eigenen Vater mit Fleiß ausgeſprenget wor - den. Er ſchriebe an ſeine alte Liebſte, ſie ſollte ſich nicht fuͤrchten, ſondern ihm erlauben, daß er des andern Tages mit ihr ſprechen duͤrffte. Nun war er viel laͤnger, anſehnlicher und maͤnnlicher gewor - den, als er geweſen, wie er aus England abgereiſet: Dahero die geweſene Mademoiſelle Robin - ſon, die nunmehro nach ihrem Manne Madame Wilmot genennet wurde, aller ihrer Tugend un - geachtet, ſich nicht enthalten kunnte, von ſeiner fuͤr - trefflichen Geſtalt geruͤhret zu werden; Und er, weil ſie ihm tauſendmal ſchoͤner vorkam, als er ſie ver - laſſen, ſtunde in einer continuirlichen Entzuͤckung. Bald prieſe er die Staͤrcke ihrer Annehmlichkeiten, ſo ihrer Geſtalt in ſeiner Abweſenheit beygeleget worden: Bald nahm er ſie mit allen Zeichen einer vollkommenen Admiration in ſeine Armen, und erdruckte ſie bald mit ſeinen Umarmungen: Dann fuhr er wiederum ploͤtzlich zuruͤcke, ſchalt ſeine eigneLeicht -192Madame Robinſon,Leichtglaͤubigkeit aus; beklagte die Grauſamkeit ſeines Schickſals mit erbitterten Fluchen; ſchrie uͤber den heimtuͤckiſchen Betrug, der ihnen allen beyden erwieſen worden: Bißweilen nahm er ſich einer weichmuͤthigern Art an, und beklagte, daß er ſo beſtaͤndig in ſeiner Liebe geweſen: Alsdann ſahe er ſie mit unverruͤckten Augen an, ſeufftzete, und kunnte ſich der Thraͤnen nicht enthalten, wollte ihr gleichſam darmit aufruͤcken, ſie habe ſeiner zu bald vergeſſen. Als ihm aber Madame Wilmot, als nehmlich durch die ſtumme Andeutung ſeiner Zun - gen und zugefuͤgten Unrechts bewogen, mit einem aufrichtigen Blick anzeigte, wie verdruͤßlich und unertraͤglich ihr alle Anfaͤlle, auch von denen Vor - nehmſten und Qualificirteſten gefallen, ſeit dem er von ihr weg geweſen, und ihm zu Gemuͤthe fuͤhrte, welcher geſtalt ſie aus keiner andern Urſache ihre Zuflucht zum Eheſtand genommen, als weil ſolcher das eintzige Mittel, ſie vor der continuirlichen Plage der Liebes-Addreſſen zu beſchirmen, ge - weſen waͤre: O! wie wurde ſeine Seele da ent - zuͤckt! Und weil ſie ihre Begierden nicht weniger aus ſich ſelbſten ſetzeten, brach die Vereinigung ih - rer Extaſis in einen wuͤrcklichen Actum Adul - terii aus; Worauf er ſie nach London brach - te, und in Privat-Wohnungen zwey Jahr lang daſelbſt verborgen hielte. Als aber ihr Ehmann, der dieſe gantze Zeit uͤber, wegen ſeines WeibesVer -193und der Hertzog von Tyrconnel. Verluſt, gantz wahnſinnig geweſen, ausgeforſchet, wo ſie ſich auf hielte, wollte er ſie mit Gewalt wie - der nach Hauſe haben, woraus zwiſchen dem Hahn - rey und Hahnrey-Macher eine Schlaͤgerey ent - ſtunde, worinnen jener von dieſem mit einem De - gen durchbohret wurde, weßwegen dann auch dieſer, ungeachtet groſſe Interceſſion fuͤr ſein Leben ge - ſchahe, zu Tyburn gehencket worden.
Nachdem ſie nun alſo Mann und Galan ver - lohren hatte, und der Hertzog von Tyrconnel (kurtz darnach, als Madame Grey, mit welcher er den prætendirten Printzen von Wales ge - zeuget, nacher Franckreich geſendet worden) ſie einsmals in der Comœdie ſahe, erhielte ihre aus - erleſene Schoͤnheit ſofort einen voͤlligen Sieg uͤber ſein Hertz, daß er ihr auch, als ſeiner Maitreſſe, 400. Pfund jaͤhrlich beſtimmte; Alleine dieſe Re - venue der Boßheit wehrete nicht uͤber anderthal - bes Jahr: Denn, weil dieſer Jrriſche Pair der Re - ligion halber die Flucht nehmen muſte, als der letzte Koͤnig William dahin kam, verlohr ſie auch ihre Penſion wieder, und ernaͤhrte ſich ſodann, als eine gemeine Hure, von andrer Leuten verbranntem Gebluͤthe. Das vornehmſte Hauß, wo ſie ſich aufhielte, war bey einer bekannten Kupplerin, Nahmens Chaucey, welche in Bennets-court, dem Spring-Brunnen, (fountain tavern) im Strande gegen uͤber, ein beruͤchtigtes Bordel hielte. NUnd194Betty Sands,Und ob ſie ſchon mehr alte Buͤrger zu ihren Huren - Hengſten hatte, als alle Schleppſaͤcke ihrer Zeit, weil ſie beruͤhmt war, daß ſie die Inſurrectio nem carnis mit einem Buͤndgen Ruthen ver - urſachen konnte; So pflegte ſie dennoch auch ihre eigene Geilheit auf die gemeine Weiſe des Bey - ſchlaffes zu ſtillen; biß ſie zuletzt, wegen ihrer fleiſch - lichen Vermiſchung mit allen Manns-Perſonen, die derſelben nur begehrten, (die aber unter einem Ginea, ſo nach Saͤchſiſcher Muͤntze 6. Reichs - Thaler austraͤget, nicht erhalten werden kunnte; ſintemal ſie mit ihrer Waare gar theuer war;) biß ſie, ſage ich, zuletzt ſo welck, wie eine gebackene Birn oder trockene Zwetſchke wurde, und ihr ſuͤndliches Leben im 29ſten Jahr ihres Alters, und 1696ſten der Chriſtenheit, beſchloſſe.
ELiſabeth, insgemein nur Betty Sands genennet, war von gar geringen Eltern ent - ſproſſen; Weil ſie aber eine gar artige und charmante Creatur war, und ungemeine Verſchlagenheit beſaß, verleiteten dieſe Reitzungen den Hertzog von Sommerſett, die erſten Blumenihrer195und der C ‒ ‒ von M ‒ ‒. ihrer Jungferſchafft zu brechen; und wuͤrde er ſie allzeit als eine vornehme Dame gehalten haben, da - ferne ſie diejenige unerſaͤttliche Brunſt baͤndigen koͤn - nen, welche ihr nicht verſtattete, ſich an 1. 2. 3. oder einem halben Dutzent Manns-Perſonen genuͤgen zu laſſen. Nicht lange darnach, nachdem ſie das erſte mal geſchwaͤchet worden, wurde ſie ſo gemein, als das heimliche Gemach in einem Juriſten Colle - gio, indem ſie alle liebte, keinem aber treu bliebe, wie aus dem Exempel des Herrn Richard Knights, ehmaligen Procuratoris von Cle - menst-Inn, erhellet: Denn da derſelbe eines Tages in ihrer Compagnie war, begab ſichs, daß von Hampton-court geredet wurde; Da lieſſe ſie ſich vernehmen, was maſſen ſie ſehr begierig waͤre, dieſen beruͤhmten Pallaſt zu ſehen, der ihr zur Zeit noch gantz unbekannt ſey; Er kunnte daher nicht umhin, ihr ſeine Dienſte zu offeriren und ſich zu erbiethen, ihr hierinnen zu willfahren, welches ſie annahm, und einen Tag hierzu benennete. Als derſelbe anbrach, wartete er ihr gleich des Morgens fruͤhe in ihrem Logis auf; (denn er war ſo pun - ctuel in ſeinen Liebes-Affairen, als ein Kauff - mann in Bezahlung ſeiner Wechſel;) daſelbſt nun muſte er erſt, biß ſie ſich angekleidet, laͤnger aufpaſ - ſen, als ein verdruͤßlicher Schuld-Forderer vor der Thuͤr eines vornehmen Herrn; Nachdem ſie aber alſo ihre Morgen-Arbeit verrichtet, und ihren LeibN 2ſo196Retty Sands,ſo nett eingeſchnuͤret, daß er wie ein zugeſpitzter Zu - cker-Hut, oder ein Leiceſtershirer ſteiff einge - packter Woll-Sack ausſahe, fuͤhrte er ſie an der Hand die Treppen herunter und hobe ſie hinein in die Kutſche; Hieſelbſt pflogen ſie der Liebe, biß ſie zu der Waſſer-Seite gelangeten, allwo eine raub - gierige Aſſemblée amphibiſcher Galgen-Voͤ - gel, die Theils das Maul voll Brodt, Kaͤß und Zwiebeln hatten, ich will ſagen, ein Troupp Schif - fer fertig ſtunde, ſie aus ihrem ledernen Heiligthum zu den Fenſtern heraus zu reiſſen, ehe noch der Kut - ſcher einmal Muſſe hatte, die Thuͤr an der Caroſſe zu erreichen, und dieſelben nicht Stuͤck-weiß, ſon - dern ſaͤuberlich in die Haͤnde dieſer zanckenden Bruͤ - derſchafft zu uͤberlieffern. Endlich erwaͤhlte er, der Herr Procurator, ein paar ſolcher roth-muͤ - tzigten Meer-Goͤtter, welche ſie in ihr Schiff hinein huben, und im Augenblick ſich ſo complaiſant und hoͤflich erwieſen, als ob ſie auf einer hohen Schul auferzogen worden: Denn es iſt nicht un - bekannt, daß ſich die Schiff-Leute ſo ſehr zu zan - cken pflegen, wer die Perſonen einnehmen ſoll, als die Advocaten zu Weſtminſter, wer den Proceß fuͤhren ſoll. Nachdem er nun ſeine Mai - treſſe zur rechten Hand Platz nehmen laſſen, ſatz - ten ſich die ſtarcken vier-ſchroͤtigten Kerl nieder auf ihre Baͤncke, und ſchnaubeten und blieſen bey einem ieglichen Stoß gleich einem Schwindſuͤchtigen,der197und der C ‒ ‒ von M ‒ ‒. der in einem Schweiß lieget; Sie ruderten alſo ihres Weges immerfort, da denn mittlerweile die Ohren dieſes verliebten Paares dann und wann mit einer Salve von ſtachlichten Schimpff-Wor - ten, unflaͤtigen Redens-Arten und groben Zoten dergeſtalt begruͤſſet wurden, daß die erbare De - moiſelle, aus angemaſter Modeſtie, etliche mal ſo Schaam-roth, als ihr Schamlot wurde, ihr Courtiſan aber fuͤr verwirrter Confuſion kaum wuſte, was er zu ſeiner und ihrer Vertheidigung vorbringen ſollte, biß er ſich endlich genoͤthiget ſahe, alle ſeine Kraͤffte dran zu ſtrecken, und ſeine Gegner mit der Billingsgatiſchen Beredſamkeit abzu - wuͤrtzen, indem er mit Schelmen, Huren, Hahn - reyen, Blau-Struͤmpffen, Beutel-Schneidern, Huren-Jaͤgern, Schlepp-Saͤcken, Lumpen-Ge - ſchmeiß, Putzmacherin, Boͤiſ-Weibern, Haarkaͤm - merin, Straͤuß-Maͤgdgen und was nur die Zunge von dergleichen leichtfertigen Schimpff-Schand - und Schmaͤh-Reden heraus ſtoſſen kunnte, tapffer um ſich warff: ſonſt duͤrffte ihn ſeine Amaſia fuͤr einen ungeſchickten Toͤlpel und Holtz-Bock gehal - ten haben. Die Zeit uͤber, die er zur Bezeigung ſeiner Liebe gegen ſeine ſchoͤne Gefehrtin und Zube - reitung ihres Hertzens, durch dergleichen ſchmei - chelnde Liebkoſungen und angenehmen Schertz, als die Neigungen eines Frauenzimmers entzuͤnden koͤnnen, anzuwenden beſtimmet hatte, muſte er nurN 3dar -198Betty Sands,darauf ſtudiren, was er zu dem naͤchſten Boot, ſo ihnen begegnen wuͤrde, ſagen ſollte; weil doch die erſten Worte, gleich denen erſten Hieben, ſchon ſo gut als der halbe Sieg waͤren. Auf dieſe Weiſe ſchwummen ſie auf den ſchlipfferigen Wellen der glatten Themſe hin, und hoͤrten bißweilen dem angenehmen Rauſchen des fliſpernden Schilffes und der auf aneinander ſtoſſenden Weiden zu, wel - che das luſtige Ufer ausziereten, und aus Danck - barheit gegen die kuͤhlen Luͤfftgen, die ihre gruͤnen Blaͤtter in eine ſolche muſicaliſche Bewegung verwandelten, die zarten Haͤupter ſittiglich zur Er - den beugeten. Das Wetter erwieſe ſich ſo tem - perirt und ſo ungemein favorable, und die ſtrah - lende Sonne ſchiene mit ſolchem fuͤrtrefflichen Glantz, daß niemals kein ſchoͤnerer Tag den Auf - zug eines Lord Mayors oder Buͤrge-Meiſters in London begluͤcken koͤnnen.
Endlich langeten ſie zu Mortlock an, und erholeten ſich ein wenig in der alten Hahnreyma - chenden Behauſung des Garters; Jhre vom ſte - ten Sitzen faſt gantz erſtarrete Beine aber ein we - nig wiederum zu beleben, ſpatzierten ſie zu Fuß nach Richmond; und beſtellten es bey dem Boot, wo ſie ſich daſelbſten wuͤrden antreffen laſſen: Sol - cher geſtalt vermieden ſie einen verdruͤßlichen weit - laͤufftigen Umfang, den man zu Waſſer nehmen muſte. Sie ſpatzierten, indem ſie einander ſo ver -liebt,199und der C ‒ ‒ von M ‒ ‒. liebt, als Mann und Weib, in die Arme geſchloſſen, immer gerade uͤber die Felder hinweg, und unter - hielten einander mit allerhand vermiſchten Di - ſcourſen und luſtigen Schnacken, wie ihnen ſol - che die Liebe in den Mund gab, und welche offt wunderlich genug heraus kamen, daß, haͤtten ein paar ſatyriſirende Critici hinter ihnen herſchlei - chen und ſie behorchen ſollen, ſie mehr Divertis - ſement gehabt haben wuͤrden, als wenn ſie ein Geſpraͤch in einer Comœdie zwiſchen einem Courtiſan und einer vermaſquirten Dame, oder das galanteſte Stuͤckgen in der neuen Aca - demie des Compliments, angehoͤret. Als ſie bey der letzt-gedachten Stadt ankamen, nahmen ſie ihre Plaͤtze im Boot wieder ein; und nachdem man eine Stunde wacker drauf gerudert hatte, ar - rivirten ſie bey dem beruͤhmten Hafen, den ſie ih - rer Reiſe zum Ziel geſtecket. Jndem nun hier un - ſer Galan ſeine arbeitſame Boots-Knechte abge - fertiget, und nicht uͤber 8. Stuͤber mehr an Sil - ber in ſeinem Schub-Sack fande, ſuchte er den Beutel heraus, zu ſehen, was er an Golde noch bey ſich haben moͤchte; Aber potz taufend! wie erſchrack er nicht, als er, zu ſeinem groͤſten Leidwe - ſen, auch dieſen ſo rein ausgefeget befande, als einen Hirn-Scheitel in eines Apotheckers Laborato - rio, und ſich alſobald beſanne, daß er den vorigen Abend 7. Gineas (welches etliche 40. Reichs -N 4Tha -200Betty Sands,Thaler austraͤget) heraus genommen und ſolche in ſeiner Studier-Stube aufs Fenſter geleget, und hernach vergeſſen. Dieſer ſchimpffliche Zufall machte, daß ſein Hertz fuͤr Verdruß aͤrger kochte, als ein Schoͤpfs-Kopff neben einem Kohl-Feuer: Er wuſte nicht was er thun, oder wie er mit Ma - nier davon kommen ſollte; Endlich hielte er fuͤr das beſte Mittel, dieſe unvermutheten Umſtaͤnde der Betty bekannt zu machen; und nach vielen unterbrochenen und unordentlichen Umſchweiffen, die er, gleich einem durch Uberzeugung ſeines Ge - wiſſens vor dem Richter-Stuhl beſchaͤmten Uber - treters, nahm, brach er loß, und offenbarte ihr ſei - nen beſorglichen Unfall, jedoch ſo furchtſam, als eine Weh-Mutter die Schrifft, oder ein Prieſter unflaͤ - tige Dinge vorbringet. Er verſpuͤrte aus ihrem Antlitz, daß ſie ſo ſehr erſchrocken, als er beſtuͤrtzt war; und nach einer kleinen Pauſe fienge ſie an und ſagte: Jch hoffe, mein Herr, da ſie mich ſo weit von London hinweg ge - bracht haben, ſie werden ein Mittel er - finden, mich ſicher nacher Hauſe zu gelei - ten: Denn verſichert, ich bin auſſer Sor - gen geweſen, Geld mit mir zu nehmen, weil ich darfuͤr hielte, ich wuͤrde in Ge - ſellſchafft eines ſo anſehnlichen Herrn, der mir die Verſicherungen ſeiner Freund - ſchafft in ſo verbuͤndlichen Worten ge -geben,201und der C ‒ ‒ von M ‒ ‒. gegeben, keine Gelegenheit zu Ausgaben finden. Er beantwortete dieſes ſo gut als er kunnte, bittende, ſie moͤchte alle ſcharffen Cen - ſuren und Reflexiones, die zwar eine ſo ſchaͤnd - liche Vergeſſenheit billig verdient haͤtte, bey Seite ſetzen, und nur belieben, gar ein klein Weiligen in einem Gaſt-Hofe zu verziehen, biß er zu einem gu - ten Freund, ohnweit der Stadt Hampton gegan - gen, von dem er verſichert waͤre, einigen Vorſchuß zu bekommen. Sie ſchiene mit dieſem Vorſchla - ge ſehr wohl zu frieden zu ſeyn, giengen demnach beyde zu einem nahgelegenen Hauß, wo er ſie auf ſein Conto bey einer Kanne Canarien-Sect und einer Reihe Semmeln lieſſe. Er hatte nun ſo weit zu gehen, als nach Waltham auf der Themſe, welches zum wenigſten 2. Engliſche Meilen aus - truge, wo einer von ſeinen guten Freunden aus London in die 6. Wochen ſeiner Geſundheit halber ſich aufgehalten hatte. Furcht, Liebe und Hoffnung verwandelten ſeine Fuͤſſe in Adlers-Fluͤ - gel: Denn er lieff ſchneller als ein Saͤnfften-Traͤ - ger, und ſchiene bißweilen mit einem Wind-Spiel den Wett-Streit angetreten zu haben, weßwegen er aͤrger ſchwitzte, als ein Bothen-Laͤuffer mitten im Sommer, der die Stuͤber-Poſt traͤget. Und es war doch alles vergeblich: Denn ſein Freund war Tages vorher nach London gereiſet. Dieſe Unfaͤlle, einer uͤber den andern, verurſachten ihmN 5un -202Betty Sands,unertraͤglichen Kummer, und machten, daß er ſich hinter den Ohren kratzete, wie ein Budel-Hund im Julio, oder ein Fuhrmann, dem die Pferde ge - ſtohlen worden: Jndem er nun alſo im Ruͤckweg alles die creutz und quer uͤberlegte, ſahe er kein Mittel mehr uͤbrig, als einen guten Hauß-Wirth abzugeben, und ſeinen Degen mit einem ſilbernen Gefaͤß, zum Pfande zuruͤck zu laſſen. Mit dieſer Reſolution kam er, mehr einem ſchnellen Bothen - Laͤuffer, als einem ſo anſehnlichen Herrn gleich, zuruͤcke in den Gaſt-Hof, allwo ihm die erſtau - nende Zeitung, ſeine Dame waͤre mit einem gewiſ - ſen Lord nacher London gereiſet, entgegen ſchal - lete. Uber dieſer entfremdenden Poſt machete er groͤſſere Augen, als ob er einen Haar-regenden Cometen erblicket haͤtte. Jch bitte gar ſehr, mein Herr, ſagte er zum Wirth, loͤſe er mir doch dieſes Raͤtzel und ſchwere Geheim - niß auf: Wie, weßwegen, wohin und auf was Weiſe ſich dieſer Zufall ereignet? Ja, mein Herr, antwortete der andere, ich wieſe ihnen und der Dame das beſte Zim - mer in meinem Hauſe an, worinnen der Lord, mit dem ſie gereiſet iſt, allemal zu trincken pfleget, wenn er hieher koͤmmet: Dahero vermeldete ich dieſem Lord, der mit noch einer Perſon gleich darauf an - kam, was maſſen das Zimmer ſchon ein -genom -203und der C ‒ ‒ von M ‒ ‒. genommen ſey; Er fragte mich von weme? So berichtete ihm, daß es ein eintzelnes Frauenzimmer waͤre, woruͤber ſie laͤchelten, und beyde hinein zu ihr ins Zimmer giengen; Und nachdem ſie eine Flaſche Wein getruncken hatten, bezahl - ten ſie fuͤr dieſe, und des Frauenzimmers Kanne Canarien-Sect, eine Crone, (oder anderthalben Reichs-Thaler) und fuͤhr - ten ſie bey der Hand in die Kutſche, woruͤber ſie kein Zeichen einigen Wider - willens bezeigete, aber wohl aus ihrem Blicken abnehmen lieſſe, daß ſie ſehr wohl darmit zu frieden waͤre: Und die - ſes, mein Herr, iſt es alles, ſo mir von der Sache bewuſt iſt; auſſer daß ſie mit der Kutſche nach London fuhren. Die - ſes untreue Stuͤckgen, machte ihn, gleich einem hin - tergangenen Hoͤrner-maͤßigen Hahnrey, gantz toll und raſend. O verteuffelter Streich, ſagte er, wie bin ich hinters Licht gefuͤhret, genarret und betro - gen worden! Da er ſich nun nicht weiter zu ra - then wuſte, hielte er fuͤr zulaͤnglich, es dem Philo - ſopho Zenoni oder Epicteto an Weißheit zu - vor zu thun: Er begabe ſich alſo in dieſem ver - wirrten Zuſtande hinab zur Waſſer-Seite, allwo er denſelben Abend ohngefehr eine 6. Stuͤber-Fuhre antraff, uñ hertzlich erfreuet war, zwiſchen Coffren,Kaͤſten,204Betty Sands,Kaͤſten, Koͤrben und blauen Schuͤrtzen eingeklemmet zu werden; Und um 11. Uhr des Nachts langete er gluͤcklich zu London an, woſelbſt er den Vor - ſatz faſſete, ein ſolcher abgeſagter Feind des weibli - chen Geſchlechtes zu verbleiben, als einer, der in einem Scharmuͤtzel mit lang-hoͤſigten Grana - dierern um die Naſe gekommen, und aus Ver - wahrloſung eines Weiber-Rockes ſeine Geſundheit verlohren hat. Jmmittelſt hatte er allerhand Me - ditationes und reflectirte unter andern auf die Worte des Poeten:
Oder:
Laß dich nicht das Jrrwiſch-Licht laſter - haffter Damen blenden!Denn ſie ſind ein Sammel-Platz deſſen, was nur ſchaͤdlich heiſt:Weder Gifft noch Peſtilentz kan ſo vieles Unheil ſenden,Als ihr glatter Zauber-Mund tuͤckiſchen Verdruß erweiſt.Waͤren ſie voll bittrer Gall, ſtoltz, meyneidig, frech, verwegen,Waͤr es viel; Doch alles noch zu ertragen mit Gedult:Weil205und der C ‒ ‒ von M ‒ ‒.Weil ſich aber manche weit ſchlimmer zu bezeigen pflegen,Seh ich nicht auf was fuͤr Art ſie verdie - nen unſre Huld:Denn es koͤnnen viele ja auch den Teufel ſelbſt betruͤgen,Und ein Oedipus erfaͤhrt oͤffters ihre Schlangen Liſt:Es weiß ihre falſche Zung die Sirenen zu be - ſiegen;Daß alſo ihr gantzes Thun nichts als lau - ter Schaden iſt.
Unter ſolche ſaubere Coquéten war auch er - wehnte Betty Sands mit Recht zu zaͤhlen: Denn ſie war der Untergang vieler ſonſt wackeren Leute, inſonderheit des Richard Tatnal, der ſich unter des Hertzogs von Ormond Trouppen befan - de: Jngleichen Claudii Wilts, eines Mahlers: Philippi Hornecks, eines Rechts-Gelehrten: Johannis Curſons, eines Schreibers: Tho - mæ Fuchſens, eines Kauffmanns, und vieler an - derer, davon einige bereits den Weg aller Welt ge - gangen, andere aber ihr verlohrnes Glucke wieder gefunden haben. Zuletzt hatte dieſes ſchoͤne Fruͤcht - gen im Comœdien-Hauß in Drury-Gaͤßgen Pomerantzen feil, von welcher Handthierung ſie die Pomerantzen-Betty genennet wurde; Und als der C ‒ ‒ von M ‒ ‒ mit dem letzten Koͤnig William aus Holland nach Endland kam, derin206Betty Sands, und der C ‒ ‒ von M ‒ ‒. in allen Sorten der Uppigkeit ungemein erfahren war, verſorgte er Betty Sands als ſeine Maitreſ - ſe, aus keinem andern Abſehen, als bloß in Betrach - tung ihrer Schamloſigkeit, maſſen ſie demſelben hierinnen gratificirte, indem ſie ihm mehr ver - haſſte Poſituren oder Variationes zeigete, als von dem unzuͤchtigen und uͤppigſten Venetiani - ſchen Edelmann, Petro Aretino, erfunden wor - den, als deſſen abſcheuliche und aͤrgerliche Kupffer, wo man ſie auch antrifft, werth ſind, alsbald in die Flammen geworffen zu werden, ſowohl als die Per - ſonen, welche ſo gottlos handeln, etwas von derglei - chen unflaͤtigen Bildern bey ſich zu fuͤhren, verdie - nen, mit einer ſchweren Straffe beleget zu werden. Sie machte ſich ein gutes Stuͤck Geld, weil ſich der C ‒ ‒ in dieſem Lande aufhielt; Als er aber hinweg war, und die allgemeine Proſtitution ih - res Leibes, (der einem Tauben-Hauß gleichete, in welches einer hinein der andere hinaus gienge) ſie in einen ſo miſerablen Zuſtand der Geſundheit ſe - tzete, daß ſie mehr einem Sceleton, als Menſchen aͤhnlich ſahe, und auf der Straſſen gienge, als ob ihr die Gelencke mit Bindfaden zuſammen gebunden geweſen; wurde ſie gezwungen, ſich ins Hoſpital in Kings-land zu begeben, woſelbſt ſie ihr ſchaͤnd - liches Laſter-Leben im 32ſten Jahr ihres Alters, und 1699zigſten nach des Heylands Geburth, beſchlieſ - ſen muſte.
DJeſes Frauenzimmer, Madame De Co - ſter, war zu Southampton in Hamp - ſhire von Frantzoͤſiſchen Eltern gebohren worden, von wannen ſie zwoͤlff Jahr alt in ein Nonnen-Kloſter nach Abbeville in Franckreich geſendet wurde. Sie war ein uͤberaus liebreitzendes Engels-Bild, und hatte ſich hieſelbſt nicht uͤber vier Jahr befunden, als ihre unvergleichliche Schoͤn - heit den Pater Peter, aus deſſen Exempel man ſiehet, daß die Geiſtlichen auch, ſo wohl als andere Menſchen, Fleiſch und Blut haben, mit ſchweren Feſſeln belegete. Man iſt nicht faͤhig, bey dieſer Begebenheit zu entſcheiden, ob ſeine Liebe an ſich ſelbſt, oder die Art und Weiſe derſelben, am ſel - tzamſten geweſen: Denn, obwohl Eyferſucht ge - woͤhnlicher maſſen auf Hurerey ſinnet, und ein ieglicher Hahnrey innerhalb ſeines eigenen Pre - cincts ein Ingenieur zu ſeyn pfleget; So iſt doch ſelten bekannt, daß ein Frauenzimmer mit einem Schutz-Gatter umſchraͤncket ſey, oder eine verliebte Viſite mit derjenigen Fuͤrſichtigkeit, der - gleichen ſich argwoͤhniſche Koͤnige bey einer Con - ference zu bedienen pflegen, abgehandelt werde. Nichts208Madame De Coſter,Nichts deſtoweniger war in dieſer Affaire die groͤſſeſte Heimlichkeit noͤthig: Denn haͤtte man hinter ihre Schliche kommen und ihre Liebes-Haͤn - del entdecken ſollen, wuͤrde ſolches, ſowohl an dem Muͤnch, als der Nonne, gleich einem Capital - Verbrechen geahntet worden ſeyn. Und gewiß - lich, man haͤtte die Art und Weiſe ihrer Conver - fation nicht unfuͤglich des Cupidinis Barriere nennen moͤgen, welche mehr in einer gemaͤchlichen Ubung, als einem hitzigen Gefechte beſtunde, wor - innen die ſchertzenden Kaͤmpffer einen Hinterhalt wuſten, und ſich alſo gleich auf einmal nicht ſo plat - terdings entkraͤfften wollten. Jn ſeinem geiſtli - chen Habit durffte er ſich nicht unterſtehen, die junge Dame aus ihrem bezauberten Kercker zu befreyen, welches zwar der ſchoͤnen Eingeſperrten ſo erfreu - lich, als ihm ſelbſten geweſen ſeyn wuͤrde; Und weil ſeine Ungedult, durch viele ſtarcke, unbewegliche und eiſerne Hinterniſſe, von ſeiner Hoffnung getrennet war, fuͤhlete er ohne Zweiffel, gleich einem andern auf einem gluͤhenden Roſt gebratenen St. Lau - rentio, unertraͤgliche Schmertzen. Alleine hier - aus koͤnnen wir abnehmen, was maſſen die Ge - wohnheiten in fremden Climatibus zu variren pflegen; Ja, es giebt einige Laͤnder, in welchen man einander durch Ausziehung derer Schuhe, an ſtatt der Abnehmung des Hutes, gruͤſſet: Gleicher ge - ſtalt war auch bey dieſer Liebe, ſo, wie ſie erſt ange -fangen209und der Pater Peter. fangen wurde, eine gantz unterſchiedene Art von einer Gefangenſchafft: Denn der Gefangene war frey, auſſerhalb des Gatters, und wuͤnſchete hinein; und ſie, durch deren Schoͤnheit ſeine Seele ver - arreſtiret worden, war dargegen genau verwahret und der Freyheit beraubet.
Nachdem ſich nun der Pater Peter in einen weltlichen Habit verkleidet hatte, kunnte er nicht mehr zur Seite des Gatters gelangen, wo die mit Schleyern vermummte Buhlerinnen, Platoni - cæ genannt, ihre erſte Auferziehung genoſſen: Dieſes waren nehmlich die ſaubere Schweſtern, welche ſich mit der bloſſen Einbildung, als ob ſich ihre Seelen vermiſcheten, zu tode marterten, ob ſich ſchon ihre Leiber weiter keine Muͤhe, als durch Kuͤſſung derer Haͤnde und Wechslung charman - ter Blicke, geben kunnten. Es iſt aber mehr als zu wohl bekannt, daß unſer Ehrwuͤrdiger Herr Pa - ter keinen ſolchen verderbten Magen, ſeinen Hun - ger nur damit zu ſtillen, ſondern einen Appetit nach einem gantzen Kloſter hatte: Wenn demnach die Frau Aebtin nicht genaue Sorgfalt getragen, dergleichen fleiſchliche Verſuchungen zu daͤmpffen, ſo duͤrffte er dieſes Nonnen-Kloſter, ohne den ge - ringſten Regard auf das ſolenne Geliebde ſei - ner Societaͤt, welches ſie zur Armuth, Keuſchheit und Gehorſam verpflichtet, in ein unzuͤchtiges Se - rail verwandelt haben. Dieſer einſame Ort ſatzteOſeine210Madame De Coſter,ſeine ausſchweiffende Begierden keinesweges in Furcht: Und gleich wie Fuͤrſten und Herren ihre Vermaͤhlungen mehrentheils in auswaͤrtigen Herr - ſchafften ſtifften; alſo war es ſein Ehr-Geitz, daß er ſeine Neigung, gleichſam zum Staat, an eine aus einer andern Welt verpfaͤndete. Ja ſeine Lei - denſchafften concentrirten nicht in der Schoͤn - heit ihrer Seele, ſondern dasjenige, welches ſeine Geiſter anflammete, war der Hochmuth des Un - ternehmens, welchen die thoͤrigte Begierde, die Liebe eines geheiligten Leibes zu genieſſen, unterhielte. Er verlohr manches Pater-noſter uͤber dem Buhlen; und ſeine Liturgie oder Kirchen-Buch, nach welchem er ſeine Liebes-Sache anſtellte, differirte von allen andern. Ein fleiſchlicher Menſch iſt faͤ - hig, Veſtaliſche Flammen durch ſein Maͤrterthum zu ſchaͤnden: Und andere Liebhaber, wenn ſie ihre Maitreſſen am hoͤchſten heraus ſtreichen, pflegen ſolche zu canoniſiren, weil ſie in der Meynung ſtehen, die natuͤrliche Rubric ihrer Wangen habe ſie geheiliget; Alleine unſer verliebter Pater han - delte dieſer Conſecration gaͤntzlich zuwider, in - dem er eine Heiliginne mit hoͤflichen Compli - menten degradirte. Dieweil er in ſeinem Ca - lender keinen Platz mehr fuͤr Perſonen auf Erden fande, machte er ſich ein Vergnuͤgen daraus, eine Candidatin des Himmels zu profaniren, und faſſete den Vorſatz, von dieſem fleiſchlichenSacri -211und der Pater Peter. Sacrilegio nicht abzuſtehen, wenn auch gleich die Furien aus der Hoͤlle ihm alle Adern heraus reiſſen ſollten. Er ſuchte, gleich dem Heroſtrato, durch Anſteckung des Tempels ſich einen unſterblichen Nahmen zu machen, und war bemuͤhet, indem er einen andern Fall derer Engel verurſachte, mit Lu - cifer einen Wett-Streit des Verbrechens anzu - treten. Weil aber deſſen ungeachtet die Nonne ſo begierig, als er, nach der fleiſchlichen Verknuͤpf - fung war, hatte die Intrigue nicht uͤber drey Monate Anſtand, ſo fande ſie bequeme Gelegen - heit, durchs Fenſter heraus zu échapiren, indem ſie ſich an einem Seil, welches man ihr einsmals in der Nacht hinein practiciret hatte, gluͤcklich herab lieſſe, und mit dem Pater Peter in ſchnel - ler Eyl nach England flohe, allwo dieſer andaͤch - tige Huren-Jaͤger ſie in der groſſen Wild-Straſſe in einem Privat-Hauſe, ſo lange Koͤnig Jaco - bus II. an der Regierung war, heimlich unter - hielte, und zween Kinder mit ihr zeugete, welche aber alle beyde ſturben, und auf dem Kirch-Hof zu St. Giles in the Fields begraben wurden. Alleine, da beſagter ungluͤckſeliger Printz den Thron qũittirte, und dieſer Geiſt-loſe Geiſtliche und herrſch-ſuͤchtige Pfaff genoͤthiget wurde, wieder nach Franckreich zu fliehen, muſte er ſeine geliebte Mai - treſſe hinter ſich laſſen, welche uͤber 1000. Pfund mit ihrer ſuͤſſen Arbeit verdienet hatte, und demnachO 2durch212Mad. De Coſter, und der Pater Peter. durch dieſes Geld bald einen, der ſie zur Ehe nahm, an ſich lockte.
Gleichwie aber dieſe Courteſie-Schweſter des Loͤffelns gewohnt war; Alſo kunnte ſie es nicht uͤber ihr Hertze bringen, ihrem Manne keine Hoͤr - ner aufzuſetzen und ihn von des Actæons Geſell - ſchafft befreyet zu laſſen: Wannenhero er oͤffters ſein Verhaͤngniß verfluchte, daß er eine geheyra - thet, die er nach ihrer aͤuſſerlichen Geſtalt und Auf - fuͤhrung fuͤr ſo keuſch, als die Diana, gehalten und angeſehen hatte, welches die folgenden Zeilen wahr machet:
Vergeblich bildet man ſich ein,Daß alle keuſche Nonnen ſeyn,Die ſich alſo zu ſtellen wiſſen,Und faſt fuͤr Heiligkeit zerflieſſen:Sie ſchmincken Wandel und Geruͤcht,So kuͤnſtlich als ihr Angeſicht.Wer Hencker wollte demnach trauen,Und auf ihr Hertz und Worte bauen!Sie geben holde Liebes-Blick,Und ſtecken heimlich voller Tuͤck.Wer dieſen Klippen kan entweichen,Der laſſe ja die Seegel ſtreichen!Sie ſingen zwar Syrenen-ſuͤß,Und geben dennoch Otter-Biß.
DJeſe Bona Roba, deren Jungfer-Name mir nicht bekannt iſi, wiewohlen mir habe ſagen laſſen, daß ſie in Northampton von gar honnetten Eltern gebohren worden, wur - de, als ſie zwoͤlff Jahr alt war, von einer alten Dame, die eine Wittwe in Rutlandshire, aufgenommen und unterhalten; da denn Herr Cole, ein Procurator, ſich deſperat in ſie verliebte, welcher auch dieſer jungen Metze gleich - falls nicht uͤbel anſtunde, als der mit ſeinen ver - liebten Complimenten gedienet zu ſeyn ſchiene. Als aber der Dame Sohn von der Univerſi - taͤt Cambridge, ſeine Frau Mutter zu beſuchen, nach Hauſe kam, unterbrach ſeine Anweſenheit die Progreſſen ihres erſten Liebhabers gar mercklich, denn er verliebte ſich gleich bey dem erſten Anblicke dergeſtalt in dieſes Maͤgdgen, daß er ihren Reitzun - gen nicht zu widerſtehen wuſte, ſondern ſie alsbald die Gewalt ihrer Augen und den voͤlligen Sieg, den ſie uͤber ſein bewunderndes Hertz erhalten, wiſſen lieſſe. Dieſe hochmuͤthige Schoͤnheit duͤnckte ſich nicht wenig mit ihrer neuen Victorie, und war auſſer der Maſſen erfreuet, ihren jungen Herrn, vonO 3ihren214Madame Needham,ihren liebreitzenden Annehmlichkeiten gefeſſelt, zu ihren Fuͤſſen zu ſehen, den ſie ſeinem Mit-Buhler Cole dergeſtalt vorzog, daß ſie ſich endlich ſeiner Umarmung uͤberlieſſe. Weil nun die Dame eini - gen Verdacht von des Procuratoris Neigung eingeſogen hatte, und in Sorgen ſtunde, er duͤrffte ihr Maͤgdgen hinter das Licht fuͤhren, gab ſie genau auf ihn achtung, ſo offt er in ihr Hauß kam, ließ ſichs immittelſt nicht traͤumen, daß ihr eigener Sohn dieſen Garten beraubet, und die Blume, welche ſie mit ſo groſſer Sorgfalt und Fuͤrſichtig - keit bewachet, darinnen abgeriſſen haͤtte. Jnzwi - ſchen ſetzte Herr Cole ſeine Liebe fort, und præ - ſentirte ihr einen Beutel mit Gold, den ſie an - nahm; wie ſie deñ auch allen ſeinen Eyd-Schwuͤh - ren und Verheiſſungen zu glauben ſich anſtellete, auch endlich, als von ſeinen Schmeicheleyen uͤber - wunden, in ſein Verlangen zum Schein einwil - ligte. Nichts auf der gantzen Welt war ihm er - freulicher, als dieſes Ja-Wort: Man kunnte den Jnnhalt ſeines Gemuͤths gar deutlich in ſeinen Au - gen leſen; Er kuͤſſete ſie tauſendmal, und bedanckte ſich unendlich fuͤr dasjenige, was ſie ihm zu ſchen - cken nimmermehr geſonnen war: Denn ſo er des Nachts zu ihrer Hinter-Thuͤr kam, in Hoffnung von ihr heimlich eingelaſſen zu werden, ſahe ſie zum Fenſter hinaus, und lachte ſich uͤber des verliebten Haaſen Thorheit ſatt.
Nicht215und William Penn, ein Quacker.Nicht lange darnach befande ſich der Gelb - Schnabel fruchtbaren Leibes; und ob ſie ſich zwar bemuͤhete ihre Schande und Verunehrung durch dergleichen Medicamenten, ſo einen Abortum verurſachen koͤnnen, abzulehnen, ſo war es doch ver - geblich. Jhr groſſer Leib lieſſe ſich nicht mehr ver - bergen, und fiel ihrer Frauen ſelbſten in die Augen, welche zu ſpaͤt innen wurde, was fuͤr eine Otter ſie in ihrem Buſen geheget haͤtte, das Hertz ihres Sohnes zu vergifften, und zu ſolcher Leichtfertig - keit zu verfuͤhren. Damit aber dieſe zwey naͤrri - ſche Lecker einander nicht ehligen, und alſo der junge Studente ſein Gluͤcke gaͤntzlich ruiniren moͤchte, faſſte die Mutter den Schluß, ihre Liebe durch die Entfernung zu zerſtoͤhren: Sie ſandte demnach den Sohn wiederum zuruͤck nach Cambridge, und die erbare Jungfer nach Kent, ihren fetten Bauch daſelbſt abzulegen, wo ſie auch nicht lange hernach mit einem Maͤgdlein nieder kam, und alſo eine Mutter wurde, ehe ſie eine Frau war, und ein Kind zur Welt brachte, ehe ſie einen Mann hatte. Nach - dem ſie vom Kind-Bette wiederum aufgeſtanden, wurde das Kind, auf der Dame Befehl, von ihr genommen, und einer Amme auf dem Lande an - vertrauet, ſie aber zur Thuͤr hinaus gejaget, und ge - noͤthiget, ihr Gluͤcke, mit einer gar ſchlechten Sum - ma Geldes, wo anders zu ſuchen, welches Geld kaum genug war, ſie biß nach London mit Zeh -O 4rung216Madame Needham,rung zu verſorgen, wohin ſie ein extraordinaires Verlangen trug, der Hoffnung, daſelbſt in einigen Dienſt zu kommen, oder ſich des Vortheils ihrer Schoͤnheit zu bedienen, und etwa einen Handels - Mann ins Garn der ehlichen Verſtrickung zu lo - cken. Mit dieſem Vorſatz nun begab ſie ſich nach London, und war kaum da angelanget, als ſie befande, daß ihr Geld alles verzehret, und ſie in ei - nem hoͤchſt-miſerablen und verlaſſenen Zuſtande ſey; Zu ihrem Gluͤck begab ſichs, daß ſie ein Logis in Wapping, einem ſehr beruͤchtigten und no - toriſchen Bordel, bekam, wo ſie ſich mit ſolcher Einfalt und ſcheinheiliger Unſchuld anzuſtellen, und eine ſo ſaͤuberliche Hiſtorie von ihrem Ungluͤcke zu erzehlen wuſte, daß, ungeachtet kein Wort davon der Wahrheit gemaͤß war, die Kupplerin, ihre Wirthin, doch alles glaubte, und unter dem Præ - text des Mitleidens uͤber ihren gegewaͤrtigen Man - gel, welches aber mehr aus Hoffnung, einen guten Marckt mit ihr zu halten, geſchahe, ihr uͤberaus guͤ - tig und huͤlff-begierig beyſprang. Jhre Schoͤn - heit wurde in kurtzem beruͤhmt, deren ſie ſich ſo wohl zu Nutze zu machen, und ihr Talent in dieſer boͤ - ſen Lebens Art ſo fuͤrtreſflich anzulegen wuſte, daß ſie durch Gemeinmachung ihrer laͤngſt verlohrnen Jungferſchafft mit ſieben oder acht reichen Schiff - Herren, welche alle darauf geſchwohren haͤtten, ſie waͤre noch wuͤrcklich eine reine Jungfer, und deß -wegen217und William Penn, ein Quacker. wegen raiſonable bezahleten, eine anſehnliche Summa Geldes ſammlete. Nachdem ſie ihr Gluͤck alſo in Schwang gebracht, und nicht geneigt war, ſich an einem ſo infamen Orte laͤnger zu proſtituiren, entzoge ſie ſich heimlich, und miethete ein Logement zwiſchen der neuen Boͤrſe im Strand und Charing-Croß, wo ſie ſich Charl - ton nennete, und fuͤr ein tugendhafftes junges Frauen-Bild paſſirte, deren Bruder ein Kauff - mann waͤre, den ſie alle Stunden aus Oſt-Jndien erwartete. Nicht lange hernach trug ſichs zu, daß Herr Needham, ein braver anſehnlicher und rei - cher Herr, ſich in der Comœdie, da ſie eine Masque vorhatte, mit ihr in einen kleinen Wort - Wechſel einlieſſe, und dergeſtalt von ihrer Scharff - ſinnigkeit eingenommen wurde, daß er ſie nicht eher verlaſſen wollte, er haͤtte denn ihr Angeſicht geſe - hen; Und weil er ſolches noch ſchoͤner, als er ſichs eingebildet, befande, entbrannte er mit hefftiger Lie - be gegen ſie, und fuͤhrte ſie in ſeiner eigenen Kutſche biß vor ihr Logement nach Hauſe. Sie beſaß Verſchlagenheit genug, ſich nicht gleich auf die er - ſten Offerten ſeiner Wohlgewogenheit zu ergeben, noch durch die koͤſtliche Preſente, die er ihr an - bothe, verblenden zu laſſen, woruͤber er ſich verwun - derte, und gaͤntzlich darfuͤr hielte, ihre gleißneriſche Tugend waͤre ein rechtſchaffen Original: Er that ihr demnach den Vortrag, ſie anſehnlich zu verpfle -O 5gen,218Madame Needham,gen, ihr ein ſtattliches Hauß einzugeben, eine ver - guͤldete Kutſche und koſtbare Liverey zu halten, wo - ferne ſie einwilligen und als ſeine Maitreſſe mit ihm leben wollte; welches ſie endlich, gleichſam mehr aus Neigung und Reſpect gegen ſeine Per - ſon, als ob ſolche genereuſe Offerten einige Macht uͤber ihr keuſches und unſchuldiges Gemuͤth haͤtten, eingienge. Nun faͤhret ſie in ihrer Ca - roſſe, ſitzet in denen Comœdien oben an, mit aller Bravade und Schamloſigkeit einer ſolchen Staats-Poppe, wollte ſagen, oͤffentlichen Bey - ſchlaͤfferin. Als ſie eines Tages im Dorſet-Gar - ten in der Comœdie war, kriegte ſie ihr voriger Liebſter, Herr Cole, den einige Geſchaͤffte in die Stadt gebracht hatten, zu ſehen; Dieſer kannte ſie augenblicklich, und wunderte ſich bald zu tode, dieſe Schoͤne, welche ihn ſchon ehemals mit mehr als ordentlichem Glantze geblendet, anietzo von Juwelen und allen erſinnlichem Schmucke, funckeln zu ſehen; Er muſte, aller ihm von ihrer Leichtfertigkeit vor - mals erwieſenen Tuͤcke ungeachtet, bekennen, daß, gleichwie ſie vorhero als ein hellflimmerndes Ge - ſtirne geſchienen, alſo ſie ſich nunmehro in eine herrlichſtrahlende Sonne verwandelt habe. Der Procurator machte ihr daher ſein Compli - ment, welches ſie ietzo mit mehrerern Bezeigungen geneigter Hochachtung annahm, als vorhin; ja, ſie wurden in kurtzer Zeit ſo vertraulich mit einander,daß219und William Penn, ein Quacker. daß er ſie oͤffters beſuchte, und mit derjenigen ent - zuͤckenden Vergnuͤglichkeit, nach welcher er ſo lange vergeblich geſeufftzet, von ihr beſeeliget wurde. Dieſe Converſation kam dem Herrn Needham, deſſen Nahmen ſie auf ihrem Sterbe-Bette an - nahm, endlich gar verdaͤchtig vor: Dahero er dem Cole einsmals in der Nacht unten auf der Trep - pe aufpaſſete, und, als derſelbe von ihr hinweg gehen wollte, ihn mit ſeinem bloſſen Degen durchs Hertz rennete, von welcher Wunde er alsbald todt zur Erden fiel; Hierauf ſchickte er geſchwind nach einen guten Freund, und machte ihm ſein gegen - waͤrtiges Ungluͤck bekannt, vertraute die Aufſicht ſeines Hauſes und Guͤter ſeinen Haͤnden an, nahm ſeiner falſchen Concubine allen Schmuck wie - der, jagte ſie von ſich, und nahm hierauf die Flucht; Er muſte aber auf ſeiner Reiſe von Harwich nach den Brill elendiglich erſauffen.
Weil Madame Needham noch etwas Geld davon gebracht, kleidete ſie ſich in einen ſchlechten buͤrgerlichen Habit, begab ſich an einen abgelege - nen Ort in der Stadt, wo ſie eine bequeme Stu - be miethete, und ſich fuͤr eine Heiligin ausgab, auch alle Privat-Conventicula, von denen ſie nur Nachricht einziehen kunnte, beſuchte: Da ſeufftzete ſie, verkehrte die Augen, machte Poſituren, war ſo fleißig in denen Lectionibus und Auslegun - gen, daß ſie in kurtzem anfienge bekannt zu werden,und220Madame Needham,und die Augen mancher jungen Zeloten und ver - liebter Puritaner an ſich zoge. Sie verwandelte ihren Nahmen in Hanna, und nach einiger Zeit wurde ſowohl ihre Froͤmmigkeit und Andacht, als ihre Erbarkeit und Schoͤnheit von Tito Sprag, einem jungen Bruder und Leinwand-Haͤndler in Cheap-ſide, regardiret, der den Schluß ge - faſſet, nicht aus ſeiner Zunfft zu heyrathen, und nur ein Weib bedurffte, ihn gluͤckſelig zu machen. Sie beobachtete gar wohl, daß er ſeine Augen oͤffters an ihrer Schoͤnheit kleben lieſſe: Und ob er wohl nur Zeichen gab, und in Characteribus, die ſonſt niemand verſtunde, ihr ſeine Liebe entdeckte; ſo fahe er ſie doch ſo ſteiff und mit ſolcher Attention an, als ob er ihr Bildniß abſchiltern wollen. Sei - ne Complimenten waren aus verliebten und andaͤchtigen Redens-Arten, wie ein vielfaͤrbigter Bettlers-Mantel, zuſammen geflicket; und Cupi - do, Knox und Calvinus ſtunden, als Colle - gen, in einer Reihe: Seine verliebte Diſcourſe waren mit Fragmentis aus Predigten geſpicket; worbey geiſtliche Lehren und Nutzen, nebſt Anmer - ckungen aus der Academie der Complimen - ten unter einander gebrocket: Es war ein ſolcher Miſch-Maſch aus Liebe und Religion, Heyrathen und Bethen, abgeſchmackter Froͤmmigkeit und un - zuͤchtiger Erbarkeit, daß Hanna daruͤber ins Faͤuſtgen hinein lachen muſte, ſo gravitaͤtiſch undernſt -221und William Penn, ein Quacker. ernſthafft ſie auch ausſahe. Titus gewann end - lich die voͤllige Gunſt ſeiner wertheſten Hanna, und ſie erhielte, was ſie am meiſten wuͤnſchte, nehm - lich in Geheim mit ihm verehliget zu ſeyn, und wiederum Regentin eines Hauſes zu werden. Er hatte ſie nicht lange geheyrathet, ſo fienge ſie an, ſich mit Pflaͤſtergen zu beklecken und Baͤndern zu beſtecken, ja ſo heraus zu putzen, daß Titus, zu ſeinem groͤſten Leidweſen, ſeinen Laden mit Gala - nen, an ſtatt derer Kundleute angeſuͤllet ſahe, wel - che vielmehr kamen, ſeine Frau zu feilſchen, als ihm ſeine Leinwand abzukauffen. Er beſtraffte anfangs ihre Treuloſigkeit ſelbſten; alsdann er - ſuchte er den Seel-Sorger, ſeinem Weibe wegen ihrer liederlichen Auffuͤhrung einen derben Verweiß zu geben; es gieng aber alles fruchtlos ab: Alſo ſahe er wohl, daß es um ihn geſchehen ſey, und re - ſolvirte ſich, den Laden aufzugeben und ſie ihrem Geluͤcke zu uͤberlaſſen. Hanna war ſchon ein - mal denen Frantzoſen (ſalvâ veniâ) entlauffen, dem Ruin und Verderben ſo vieler Venus-Rit - ter; Gleichwie aber manche, die in einer Schlacht verwundet worden und doch davon kommen ſind, in einem Scharmuͤtzel ſterben muͤſſen; alſo gieng es auch mit Hanna: Denn weil Titus greiff - lich ſpuͤrte, daß ſeine Hoͤrner ſo ſehr zu-als ſein Vermoͤgen abnahm, war er enſchloſſen, ſich erſtlich zu raͤchen, und ſie alsdann im Stich zu laſſen; Zudie -222Madame Needham,dieſem Ende holte er mit Fleiß die Venus-Kranck - heit, welche er der Hannæ communicirte; worauf er ſie, nachdem er alle ſeine Guͤther mit ſich nach Franckreich genommen hatte, ſitzen lieſſe. Sie lag lange kranck, und muſte, der garſtigen Kranck - heit wegen, die Salivation zweymal ausſtehen; Weil es ihr aber am Gelde gebrach, ihre Cur recht fortzuſetzen, wurde ſie gezwungen, auf eine neue Methode zu ſinnen, ihrem gegenwaͤrtigen Mangel, ehe es zu langſam ſeyn moͤchte, abzu - helffen.
Nun war Hanna abermal ihrer eigenen Vor - ſorge uͤberlaſſen; Jhre koſtbare Galanterie, die ſie am Halſe trug, hatte, nebſt denen Zetteln derer Apothecker, Chirurgorum und Medicorum, ſie von alle dem wenigen, ſo ſie etwa noch beſeſ - ſen, entbloͤſſet: Dahero ſatzte ſie ſich vor, ihr ge - ſchmincktes Bekaͤnntniß der Religion zu veraͤn - dern, und von denen Puritanern zu denen Quaͤ - ckern uͤberzutreten. Sie ſchlug demnach ihren Auffenthalt in eines Quackers Behauſung in Long-Acre auf, welcher ihren Ehmann gekannt hatte; und weil er glaubte, daß derſelbe ein ſolcher liederlicher und leichtfertiger Vogel geweſen ſey, wie ihn die verſchmitzte Canaille abmahlte, betauerte er ſie gar ſehr, und beurtheilte ſie nach ihren Di - ſcourſen, als eine gar unſchuldige und eyferige Mit-Schweſter. Jn dieſes Quackers Hauſe ver -ſamm -223und William Penn, ein Quacker. ſammleten ſich unterſchiedliche von dieſer Secte, und unter andern William Penn, der bekannte Fanatiſche Prediger; So bald dieſer Hannam ſahe, welche von ihrer unreinen Kranckheit ziemlich reſtituiret war, wieder friſche Farbe auf denen Wangen, und ihre alte unzuͤchtigen Flammen in denen Augen bekam, fieng der fleiſchliche und geiſt - liche Menſch in ihm an, einen deſperaten Streit zu haben. Wir ſind alle Fleiſch und Blut, und der kleine Baͤrenhaͤuter Cupido pfleget keine Secte anzuſehen: Er verſchonet keines Menſchen, der aus dieſen Atomis zuſammen geſetzet iſt, ſondern ſchieſ - ſet immer ins Gelag hinein. William ſuchte mit der gewoͤhnlichen Kuͤnheit, welche dieſe Art Volck begleitet, bey der Hanna Bekanntſchafft, die ihn mit gleichmaͤßiger Freymuͤthigkeit unter - hielte; Und indem er ſich bemuͤhete, ſie mit ſeinen heiligen Diſcourſen, vom innerlichen Licht, und unmittelbarer Eingebung, zu verfuͤhren, betrog ſie ihn mit ihren modeſten und ſcheinheiligen Blicken eben ſo ſehr. Sie hoͤrete ſeinem ſectiri - ſchen Geplauder uͤberaus fleißig zu, und fieng in kurtzer Zeit mit ihrem Schmuck eine Reforma - tion an, treunete alle ihre Spitzen ab, warff ihre Baͤnder hinweg, ſatzte ſchlechte Hauben auf, und legte ihren gantzen Babyloniſchen Plunder und Huren-Putz bey Seite. William war uͤber die - ſer Bekehrung voller Freuden, nahm Hannammit224Madame Needham,mit ſich in ihre Zuſammenkuͤnffte, wo ſie ihr Ge - blerr ohne Lachen erdultete, und ſie, mit groſſer Devotion und verſtelltem Eyfer, ſchwaͤrmen, laͤ - ſtern und abgeſchmacktes Zeug vorbringen hoͤrte; Es vergiengen wenig Tage, daß ſie nicht in ihren Conventiculis geweſen ſeyn ſollte; Ja, Hanna war eine ſehr eyfrige, ſtrenge und grobe Quaͤckerin geworden. William war nun verliebter als ie - mals; und nachdem er ſie von der Welt bekehret hatte, gieng ſeine naͤchſte Intention dahin, ſie auch zu ihm ſelbſten zu bekehren. Galante Leute ver - ſtellet nichts; alſo ſtunde auch der Hannæ alle Kleidung wohl an, und keine Veraͤnderung kunnte die Macht ihrer Schoͤnheit verhindern. Sie kam dem William in dem Habit einer Schweſter weit ſchoͤner vor; und er vermeynte nunmehro keine Suͤnde zu thun, ihr dasjenige zu eroͤffnen, was er die Unheiligen und Gottloſen der Welt nicht durffte wiſſen laſſen. Er informirte ſie demnach in denen Geheimniſſen ſeines Hertzens, und von was fuͤr einem Geiſt er getrieben werde; und bemuͤhete ſich, ſie zu uͤberreden, daß denen Reinen alles rein und erlaubt ſey, und daß es der Welt nicht gebuͤhre, die Handlungen derer Gerechten zu richten: Die Befleckung waͤre nur innerlich, und allein die Un - reinigkeit des Gemuͤthes koͤnnte den Leib veruneh - ren: Was ihren Mann betreffe, waͤre er ein fleiſch - licher Menſch, nun ſey es aber keine Suͤnde, einenEgy -225und William Penn, ein Quacker. Egyptier zu berauben: Wenn er zu dieſer Zeit un - ter einer Verſuchung ſtuͤnde, gebuͤhre ihre, ſeiner Schwachheit nachzugeben, angeſehen ſie ſein Hertz nach ſich gezogen haͤtte. Hanna empfande bald durch das innerliche Licht, daß es entweder der Geiſt der Liebe oder Unkeuſchheit ſey, der den fleiſch - lichen Menſchen zu bewegen anfienge; Nichts de - ſtoweniger antwortete ſie ihm, in ſeinem eigenen Fanatiſchen Stilo, ſo verſchmitzt und ſpitzfindig, daß er endlich das Pfloͤckgen traff, ihr Hertz zu ge - winnen, wenn er nehmlich ihrem Mangel zu Huͤlffe kaͤme, welches er denn uͤberfluͤßig aus ihrem oͤffent - lichen Schatz-Kaſten thate. Mit dieſem guͤlde - nen Dieterich ſchloſſe er das Hertz der Hannæ bald auf: Und William und ſie dutzten und ihrtzten ſich ſo lange mit einander, biß ſie zur letz - ten und genaueſten Vereinigung kamen, und ihre geiſtlichen Leiber auf eine fleiſchliche Weiſe ver - miſcheten. William erhielte ſeinen Zweck mit Vortheil: Denn, weil die Venus-Kranckheit nunmehro ausbrach, poͤckelte ſie ihn erbaͤrmlich ein; allein, da ſie dem Land-Frieden nicht laͤnger mehr trauen durffte, machte ſie ſich aus dem Stau - be, beraubte den heiligen Bruder alles liebreichen Corbans, ſo ihm anvertrauet war, und ſtahl ſich heimlich hinweg auf das Land; als ſie aber da - ſelbſt durch einen Artzt oder Quackſalber, der im Lande herum zog, renoviret und curiret wurde,Pbe -226Mad. Needham, und William Penn. begab ſie ſich wieder nach London. Sie miethete ſich eine Stube bey einem Grob-Schmidt, Meiſter Tauney, in der Burleigh-Straſſen, am Weſt - lichen Ende der Exeter-change in dem Strand, und machte Weiber-Roͤcke, hielte es auch darnebſt mit einem Buchbinder in Leiceſter-fields, Nahmens Cleve, biß er ruiniret war, wordurch ſie ſich ein gut Stuͤcke Geld ſam̃lete, maſſen ſolcher geſtalt immer eine Handthierung der andern die Hand bothe; und ehe ſie muͤßig ſeyn wollte, ſuchte ſie lieber eine von ihren Bekannten, ſie mochte vor - nehm oder gemein ſeyn, zu verkuppeln, ungeachtet ſie noch jung genug war, dem Handwercke ſelbſten vor - zuſtehen. Alſo erlangte ſie durch ihren aͤmſigen Fleiß ſehr gute Lebens-Mittel: Endlich fienge ſie ei - nen Wein-Schanck an, wo anietzo die blaue Po - ſten an der Ecke der Portugall-Straſſe, dem Hinter - Thor von Lincolns-Inn gegen uͤber, gehalten werden; Weil ſie aber ein wenig zu verſchwende - riſch lebte, und ihren uͤppigen Compagnons allzu groſſe Zechen borgte, wurde ihr Vorrath am Wein, ehe noch anderthalbes Jahr verlieff, ſo erſchoͤpffet, daß ſie gezwungen wurde, das Loch derer Banque - rotierer zu ſuchen, und bey Nacht und Nebel zum Thore hinaus zu marchiren. Und nachdem ſie in kurtzer Zeit folgends verzehret, was ſie mit fortge - bracht hatte, ſtarb ſie ſich 1697. im funfftzigſten Jahr ihres Alters zu tode.
UNter allen Weibs-Perſonen, welche zu - ſammen kamen, dem Daniel Burgeß auf ſeiner Plauder-Bude zuzuhoͤren, fande keine mehrere Gnade vor ſeinen Augen, als die Frau B ‒ ‒ eines Bailiffs oder Amt-Schoͤſſers andaͤchtiges Ehe-Weib. Betreffend ihre Gebuhrt, Eltern und Aufferziehung, koͤnnen wir nichts ge - wiſſes darvon ſagen, wiſſen aber doch ſo viel von ihrer Converſation, daß ſolche ſehr frey und verfuͤhriſch war, vornehmlich wenn ſie ſich mit ih - rem Herrn Beicht-Vater in Compagnie befan - de, mit welchem ſie ihre Andacht und Erbauung ins geheim weit beſſer haben kunnte, als wenn ſie ſeine oͤffentlichen Predigten beſuchte, und ihn von Verlaſſung alles deſſen, was man hat: von dem Unterſcheid des Guten und Boͤſen: und wie man ſich zur Zeit der Noth an den Zipffel ſeines Mantels anhalten ſolle, dem albern einfaͤltigen Volcke noch ſo viel vorſchwatzen hoͤrte. Dieſe zwey un - ſchuldige Laͤmmer kamen nie zuſammen, da ſie ſich nicht mit guten Vogeln und Wein erquicket haͤt - ten; und fuͤr die Muͤhwaltung, die er mit langemP 2Be -228Frau B ‒ ‒Bethen und vielfaͤltigem Seufftzen hatte, ſtunde ihm ſo wohl ihre Taſche als Perſon iederzeit zu Dienſten, welche letztere gut genug war, die Ehre, ſeine Kebs-Frau zu ſeyn, zu meritiren. Zwar hatten manche nicht gar zu viel Reſpect vor die - ſem Ehrwuͤrdigen Prediger, der das ſechſte Gebot mit einer ieglichen Hure, wenn es nur die Baby - loniſche nicht ſey, zu brechen bereit war; Und unſers Wiſſens, beſaß er ſo wenig Hochmuth in ſeinem Gemuͤthe, daß er kein Bedencken getragen, mit iedermann zu eſſen, zu trincken, und zu Bette zu gehen.
Als aber der Herr Cornuelius, der Frau B ‒ ‒ ihr Mann, innen wurde, daß dieſer gra - vitaͤtiſche Herr Paſtor mit ſeinem Kalb gepfluͤget hatte, verklagte er ihn vor Gericht; und da man die Sache zu Guild-hall in London unterſu - chete, wurden jenem 50. Pfund Unkoſten zuerkannt; worbey ſeine Congregation in keine geringere Beſtuͤrtzung daruͤber geſetzt wurde, daß ſie ihren Hirten, wegen Beſcheerung ſeines eigenen Schaa - fes; bey Weeping-croß muſten vorbey gehen, das iſt, vor ſeine Naͤſcherey buͤſſen, ſehen, als der gute Herr Tumm-Hut, wegen der Thorheit ſei - nes ungebethenen Subſtituten, als der faſt ein ſol - cher Helffer war, wie ihn der Poete beſchreibet:
Man muß geſtehen, daß dieſer Amt-Schoͤſſer ſehr ungluͤcklich war, ein ſolches liberales und mildes Weib zu haben; Jedoch iſt ſich daruͤber nicht zu verwundern, maſſen eines Weibes Ge - muͤth von Natur unbeſtaͤndig iſt, und ſo viel neue und veraͤnderliche Einfaͤlle, als ein Baum Blaͤtter, hat: Sie iſt allzeit begierig nach Wechſel, und liebet denjenigen, mit dem ſie lange umgegangen, ſelten recht hertzlich.
Doch dieſer ehrliche Mann hatte das Gluͤck, ſei - ne Frau noch zu Grabe zu ſchaffen, faſſete demnach den Schluß, ſich vor dem harten Knoten der Co - pulation hinfuͤro in acht zu nehmen, geſtalt er ein Weib fuͤr nichts anders als ein zunehmendes Ubel und wachſendes Unkraut anſahe, welches in der Bosheit immer ie mehr und mehr fortgehet, undP 3von230Frau B ‒ ‒von einer Ungerechtigkeit zur andern ſchreitet. Wannenhero jener geſaget: Wenn man allen Plagen und Straffen in der Welt einen aͤrgern Nahmen, als ſie bereits haben, geben will, darff man ſie nur ein Weib nennen. Eine neu-verheyrathete Frau iſt ein ſchwangeres Ungluͤck, welches ſich ſelbſten gebiehret. O! was fuͤr ein er - ſchreckliches Ungewitter hat ſich der ar - me Tropff uͤber den Hals gezogen, wel - cher geſtern ein Weib genommen hat!
Diejenige, welche die Beſchwerlichkeiten des Krieges niemals empfunden haben, noch einer Stuͤck-Kugel naͤher, als in den Gedancken, gekom - men ſind, meynen, wenn ſie von denen Siegen des groſſen Alexanders, den Tropheen des A - chillis und Triumphen des Cæſaris leſen, es ſey lauter Hummel-Honig um einen Soldaten; Und ſo lange junge verliebte Leute die Zeit noch mit Kuͤſſen, Spielen und Schertzen zubringen, haͤnget der Himmel uͤber und uͤber voller Geigen, ſie bilden ſich ein irdiſches Paradieß ein, und machen ſich eitel wunderliche Chimeren von denen Gluͤckſeligkeiten eines ehelichen Lebens: Sie verlieben ſich in ihre Feſſeln, und werden bald naͤrriſch, biß ſie ihre Frey - heit, will ſagen, Freudigkeit und alles, verlohren ha - ben. Denn, wie einige wollen, ſoll Matrimony ei - ne Matter of Money; Marrying Marring;und231und Daniel Burgeß, ein Presbyt. Prædicant. und Wedlock Fetlock ſeyn: Der Ehe-Stand ein Ehren-Stand; das Freyen ein Freuen, und das Trauen ein Vertrauen. Und der alte Chau - cer hat folgende Meynung vom Heyrathen:
Der Eh-Stand iſt ein Vogel-Haus:Wer drinnen iſt, wollt gerne raus;Wer hauſſen iſt, wollt gerne nein:Was Menſchen nun fuͤr Voͤgel ſeyn!
Es wolle niemand auf die Gedancken gerathen, als ob ich den Ehe-Stand an ſich ſelbſten verachte; Nein! keinesweges: Eines Menſchen Zuſtand kan ſich nicht gluͤckſeliger vorgeſtellet werden, als wenn er mit einem tugendſamen Weibe geſegnet iſt; Jch tadele nur diejenigen Weiber, welche, ehe ſie Maͤn - ner bekommen, ſtille, keuſch und fromm ſcheinen, nachdem ſie aber verheyrathet ſind, ihren Ehe-Gat - ten Hoͤrner aufſetzen, und ſo turbulent und unge - ſtuͤmm werden, als der Atlantiſche Oceanus und die Jriſche See; Daß denen Maͤnnern ſolcherge - ſtalt der Ehe-Stand als eine unertraͤgliche Sclave - rey und ein mit tauſenderley Plagen, Elend, Furcht und Verdruͤßlichkeiten beladenes Joch vorkommen muß, welches auch den Teuffel ſelbſten, als er die Gewalt hatte, dem Hiob alles zu rauben, veranlaſ - ſete, ihm nur allein ſein Weib, zur ſteten Folter und Marter, uͤbrig zu laſſen.
MAdame Dorothea Crew war eine Prieſters-Tochter, und ſtammete auf der Mutter Seite von einer ſehr guten Fa - milie ohnweit Nantwich in Cheshire her. Betreffend ihre Perſon, war ſolche lang und ge - ſchlang, hatte ungemein klare zarte Haut, ein ſchoͤ - nes Angeſicht, und ein paar brennende Schnee - Huͤgel; und ob ſie wohl ein klein wenig ſchielete, vermehrete doch ſolches ihre Schoͤnheit vielmehr, als daß es dieſelbe verringern ſollen. Sie war wohl auferzogen, ſehr klug, und von einem affablen Naturel, welches ſie denen Manns-Bildern zu rechter Zeit angenehm machte. Jhre erſte Liebe trug Andreas Cade, ein Quartier-Meiſter in des letztern Grafen von Oxfort Regiment, davon, deſſen militariſche Affairen und Veraͤnderungen neuer Schoͤnheiten, die er hier und da antraff, ihn aber in ſeinem Lieben gar negligent und kaltſin - nig machten: Dahero ſie ihm ſolches durch fol - genden Brief, den ſie an ihn in ſein Quartier in Lincoln ſendete, zu verſtehen gab:
Jch kan nicht umhin, ſie allzugroſſer Grauſamkeit und Indifference zu be -ſchul -233und Doctor Oats. ſchuldigen, weil ſie diejenige fliehen, die ſie ſo hertzinniglich liebet. Muß Daphne dem Phœbo nachfolgen? Pfuy, ſchaͤmen ſie ſich, Monſieur! Koͤnnen ſie ſo unbarm - hertzig an ſich ſelbſten handeln, und an ſo heiſſen Sommers-Tagen Froſt leiden? Gewißlich, es iſt dero Mißverſtaͤndniß, ſo dieſe Verachtung verurſachet. Bin ich gleich nicht die Schoͤnſte, ſo beſitze ich doch noch Jugend, darnebſt iſt mein Spiegel zerbrechlich, und alle, die mich tadeln, ſind bloſſe Verleumder. Jch ge - ſtehe es, daß ich allzuguͤtig bin, und gar zu viel Weibliches an mir habe; Doch kan ich auch ſauer ſehen, und die Neigun - gen anderer in der Knoſpe vernichten: Jch kan andern unter die Augen ſagen, daß ſie unſer Geſchlecht nur bedienen, biß ſie ihre gegenwaͤrtige Hitze gekuͤhlet, als - denn iſt es ihr Vergnuͤgen, uns zu verlaſ - ſen: Jch weiß an mich zu halten, und durch die chymiſche Gewalt meiner An - nehmlichkeit gantze Rieße voll Sonnetten und Madrigale aus dem Gehirne eines weinenden Liebhabers zu extrahiren. Nichts deſto weniger ſetze ich bey ihnen, mein Wertheſter, mein ander Jch, und mein Vergnuͤgen! dergleichenP 5ſproͤ -234Madame Dorothea Crew,ſproͤtes Weſen alles bey Seite, und er - kuͤhne mich, wider die Gewohnheit und geziemende Pflicht derer Weibes-Bil - der, eine Mannes-Perſon um Gegen - liebe anzuſprechen: Woferne ſie ein Menſch ſind, und Fleiſch und Blut beſi - tzen, werden ſie ſich zum Mitleiden be - wegen laſſen; Und ob ſie wohl ſo hart, als Marmor, ſeyn ſollten, ſo ſehe ich ſie doch fuͤr kein lebloſes Bildniß an. Waͤ - re es nicht zu betauren, wenn eine Statua von ſo exacter Geſtalt, die mit einer ac - curaten Symmetrie ausgearbeitet iſt, und alle Organa der Rede, ſo zu einem voll - kommenen Menſchen gehoͤren, beſitzet, die lebloſen Bewegungen einer durch Drat ſich regenden Chimére ſo natu - rel vorſtellen wollte? So hoͤren ſie dem - nach, wertheſter Monſieur! auf, dasjeni - ge zu ſeyn, was ſie bißanhero geweſen, und werden dasjenige, welches ſie GOtt und die Natur hat wollen ſeyn laſſen, nehmlich ein Menſch, der die aufrichtige Liebe nicht verſchmaͤhet, welche ihnen hierdurch zur Vermaͤhlung offenhertzig angebothen wird von
Dero Treu-ergebenſten D. C.
Dieſe ihre geſuchte Liebe kam aber zu keiner Voll - kommenheit, ſondern dieſer tapffere Sohn des Martis verachtete ſie um ſo viel deſtomehr. Doch was er an Bewunderung ihrer Perſon verabſaͤu - mete, das brachte William Leech, ein Procu - rator, der zu Lion’s-Inn auferzogen war, wieder ein; welcher ihr oͤffters in ſeiner hefftigſten Nei - gung die Verſicherung gab, was maſſen ihm deren Gegenwart ſo ſchaͤtzbar, ihre Converſation ſo tugendhafft, und ihr Humeur ſo gefaͤllig waͤre, daß er unaufhoͤrlich in ihrer angenehmen Geſell - ſchafft zu ſeyn wuͤnſche. Man kan die Hochach - tung, die er zu ihr truge, aus dem folgenden Briefe, den er, bey ihrer achttaͤgigen Abweſenheit auf dem Lande, an ſie ſchriebe, abnehmen.
Jch habe, ſeit dem Tage ihrer Abreiſe, ein ſo kuͤmmerliches Leben gefuͤhret, daß, wenn ich es der Unbarmhertzigkeit ſelb - ſten klagen wollte, ſie zum Mitleiden wuͤrde bewogen werden. Jedoch ſuche ich dieſen Affect keinesweges bey ihnen zu erwecken, der ich ſchon vergnuͤgt bin, wenn ſie nur etwas darvon wiſſen, da - mit ſie keinen Zweiffel an meiner Liebe, vielweniger Beſtaͤndigkeit, tragen moͤ - gen. So kan ihnen demnach ich nichtver -236Madame Dorothea Crew,verhalten, welcher Geſtalt ich ſo wohl al - len Appetit, als Ruhe, verlohren habe: Jch verbringe gantze Tage ohne das ge - ringſte Lachen, und gantze Naͤchte mit continuirlichem Wachen. Jch ſuche mit Fleiß Erleichterung bey guten Freunden, finde aber nirgends keine, als in der Einſamkeit, wo ſo wohl meine Freunde, als ſie ſelbſten, meine Marter aufs ſinnreichſte vermehren, wenn ſie mir nichts als Dero Grauſamkeit vor - ſtellen. So urtheilen ſie nun, ob ich nicht der ungluͤckſeligſte Liebhaber von der Welt bin? Doch beſtehet mein Troſt dar - innen, daß ich alle dieſe Quaal wegen der ſchoͤnſten Perſon unter der Sonnen lei - de, um derentwillen ich tauſendmal mein Leben verliehren wollte, als,
Mademoiſelle,
Dero unterthaͤniger Knecht und getreueſter Liebhaber, W. L.
Weil ſie ſich von dem Quartier-Meiſter verach - tet ſahe, hatte ſie einige heimliche Affection zu dieſem Procurator: Und wuͤrde ſie ihre Gunſt weiter gegen ſelbigen extendiret haben, falls erdem237und Doctor Oats. dem Schluſſe ſeines angezogenen Briefes beſſer nachzukommen bemuͤhet geweſen, welcher dieſe Rodomontaden: Um derentwillen ich tauſendmal mein Leben verliehren woll - te, in ſich faſſete; Als aber ein gewiſſer Herr ſie einſtens eine Hure ſchalte, empfande er es zwar ſo hoch, daß er ihn, wegen Satisfaction fuͤr dieſen Affront, zu Barn-Elms aufs Duell ausfor - derte; iedoch, da der Aus geforderte am beſtim - meten Orte und um beſtimmte Zeit erſchiene, die Sache durch den Degen beyzulegen, war kein An - tagoniſt weder zu hoͤren noch zu ſehen; wodurch er, ſeiner Feigheit wegen, nicht nur verurſachte, daß ih - me der andere den Kpoff toll machte, ſondern auch allen Credit und gute Neigung bey ſeiner Liebſten verlohr, welche hernachmals ſeine Converſa - tion mit allem erdencklichen Abſcheu abhorrirte. Wahr iſt es, daß die Liebe des Herrn Leechs ehr - lich war, als der geſonnen ſchiene, ſie ſein eigen zu machen; Weil aber gleichwohl dieſer Schimpff ihren ewigen Haß nach ſich zoge, gab ſie einem Chirurgo Gelegenheit, ihr Guͤnſtling zu ſeyn, deſ - ſen glatte Zunge einen ſolchen Zutritt zu ihrem Her - tzen erlangete, daß er ſie ſo weit brachte, ſich ihme, ohne die gewoͤhnliche Ceremonie des Hochzeitma - chens, als Frau zu verſchreiben.
Die Zeit uͤber, als ſie dergeſtalt wie Mann und Weib mit einander lebten, welches ohngefehr zehenMonat238Mad. Dorothea Crew,Monat lang war, unterhielte er ſie auf eine ſolche verſchwenderiſche Weiſe, daß er biß uͤber die Oh - ren in Schulden geriethe, und deßwegen genoͤthiget wurde, das Weite zu ſuchen, und uͤber Meer zu rei - ſen. Als aber kurtz darnach es ſich zutrug, daß ſie mit Sr. Ehrwuͤrden, dem Doctor Oats, in Compagnie kam, welcher der Sodomiterey zwar ſehr, iedoch nicht ſo gaͤntzlich ergeben, daß er nicht auch den Kuͤtzel der Natur mit dem weiblichen Geſchlechte zu ſtillen haͤtte ſuchen ſollen, wurde er von der annehmlichen Converſation und unwi - derſtehlichen Schoͤnheit Mad. Dorotheæ Crew gantz bezaubert: Er erwieſe ſich dahero von Stund an als dero gehorſamer Diener, erwehlte ſie zu ſei - nem Kebs-Weibe, und lebte alſo uͤber ein Jahr mit ihr. Nach deſſen Verlauff aber muſte er ins Ge - faͤngniß ſpatzieren, als woſelbſt er wegen Beſchuldi - gung eines Meineydes verhoͤret wurde, indem man ihn uͤberwieſe, daß er bey einer Berathſchlagung derer Jeſuiten im Gaſt-Hofe zum weiſſen Roß, bey Verhoͤrung des Irelands, Pickerings und Grovees, faͤlſchlich geſchworen habe; Jngleichen verklagte man ihn noch eines andern Meineyds we - gen, ſintemal man darthate, daß, da er bey Verhoͤ - rung des Irelands und der 5. Jeſuiten einen Zeu - gen abgegeben, er falſch geſchworen habe: Ireland waͤre zu einer gewiſſen Zeit in der Stadt, da er doch nicht drinnen war: Und weil er beyder Beſchuldi -gun -239und Doctor Oats. gungen ſchuldig erfunden wurde, ſprach der Herr Withyns, als Richter, am Sonnabend den 9ten Maji A. 1685. das Urtheil uͤber ihn, welches fol - gendes war: Erſtlich, daß er wegen einer ieglichen Anklage eine Geld-Straffe von 1000. Marcken erlegen ſollte; Zum andern, daß er alles ſeines geiſt - lichen Habits beraubet ſeyn ſollte; Drittens, daß er vor dem Thore der Weſtminſter-hall, am naͤchſten Montage, von 10. biß 12. Uhr, 2. gantze Stunden, am Pranger ſtehen ſollte, mit einem Pa - pier uͤber ſeinem Kopffe, ſein Verbrechen anzeigende, welches er vorhero um alle Hoͤfe in Weſtminſter - hall herum tragen muſte: Und dieſes war wegen der erſten Beſchuldigung; Viertens, daß er, fuͤr das andere Verbrechen, auf den Donnerstag bey der Koͤniglichen Boͤrſe in London, zwiſchen 12. und 2. Uhr, 2. Stunden, mit obiger Uberſchrifft, am Pranger ſtehen ſollte; Fuͤnfftens, daß er ſich auf die Mittwoche von Altgate biß nach Newgate den Laſter-Staub mit einem friſchen Beſen vom Buckel ſollte abkehren laſſen; Sechſtens, daß ihm der Hencker am Freytag mit einer birckenen Laute einen Gaſſenhauer auf dem Ruͤcken, von New - gate an biß nach Tyburn, aufſpielen ſollte; Siebendens, daß, zum jaͤhrlichen Gedaͤchtniß, alle - mal den 24ſten April, ſo lange er lebte, er zu Tyburn, dem Gaigen gegen uͤber, von 10. biß 12. Uhr, eine Stunde lang, mit einem eifernenHals -240Mad. Dorothea Crew, nnd Doctor Oats. Hals-Geſchmeide prangen ſollte; Achtens, daß er allemal am 19ten Auguſt, vor dem Thor der Weſtminſter-hall, am Pranger prangen ſollte, weil er geſchwohren, Ireland ſey zwiſchen dem 8. und 12ten Auguſti in der Stadt geweſen; Neuntens, daß er allemal am 10den Auguſti eine Stunde lang von 10. biß 12. Uhr, zu Charing - croß, das Halß-Eiſen tragen ſollte; Zehendens, dergleichen ſollte er auch an ieglichem 11ten Auguſt, dem Temple-Gate gegen uͤber thun; Eilfftens, daß er an iedem 2ten Septembr. (als einem andern notoriſchen Tag) dergleichen Zeitvertreib eine Stunde lang, von 12. biß 2. Uhr, auf ſich nehmen, und biß an ſein Ende in ewiger Gefangen - ſchafft verharren ſollte. Nachdem alſo Madame Dorothea Crew ihres geiſtlichen Galans be - raubet war, der ihr, als er die Freyheit noch genoſſe, woͤchentlich 40. Schillinge (machet mehr als 1. Reich-Thaler) zum Unterhalt beſtimmete; ſahe ſie ſich alsdenn gezwungen, die Gewogenheit Mon - ſieur Jean Davidſon, eines Capitains unter des Oberſten Fitz-Patricks Regiment, anzuneh - men, mit welchem ſie nach Flandern reiſete; ſie war aber nicht lange daſelbſt geweſen, ſo wurde ihr Courtiſan in einem Duel durch ſeinen Major getoͤdtet. Nun befande ſie ſich abermal in ſehr bedraͤngtem Zuſtande, und darzu in einem fremden Lande, wo ſie keinen bekannten Menſchen hatte:Weß -241Mad. Eliſab. Roſdel, u. ein auslaͤnd. Printz. Weßwegen ſie die Betrachtung ihrer elenden Um - ſtaͤnde zu ſolcher hefftigen Verzweifflung triebe, daß ſie ſich im 26ſten Jahr ihres Alters in der Moſel erſaͤuffte.
DJeſes Frauenzimmer war unter denen dreyen Toͤchtern des Herrn Willis die juͤngſte: Es war aber dieſer ein braver an - ſehnlicher Mann, der jaͤhrlich uͤber 400. Pfund Revenuen hatte, in der Stadt Norwich wohnte, und ihr bey ſeinem Tode allein 1000. Pfund zu ihrer Ausſtattung vermachete. Jn dem naͤchſten Hauſe neben ihrer Mutter an logirte ein alter Quackſalber; Dieſer ſahe ſolche unſchuldige Seele alle Tage aus einer Schule, wo ſie die Fran - tzoͤſiſche Sprache lernete, heraus gehen, und beob - achtete, was maſſen ſie ein ſehr artiges Dingligen ſey, darnebſt ihm aber gar melancholiſch und traurig vorkaͤme. Daß die Liebe die Urſache die - ſer vermeynten Traurigkeit ſeyn ſollen, darzu ſchie - ne ſie ihm noch ein wenig zu jung: Und es war auch wuͤrcklich eine andere Quelle, woraus ſie ſolcheQher -242Madame Eliſabeth Roſdel,herleitete. Er durffte es aber zur Zeit nicht wagen, eine Frage deßwegen an ſie abgehen zu laſſen, un - geachtet er verſpuͤrte, daß ſie ſich mit ihm zu reden ſehr begierig bezeigete. Jedoch nicht gar zu lange hernach geſchahe es, daß ſie ihm an einem Sonn - abend Abends auf der Straſſe begegnete; Da fragte er ſie, ob ihr nicht moͤglich ſey, den naͤchſten Tag, weil ihre Mutter in der Kirche waͤre, zu ihm zu kommen, und bey ſolcher Gelegenheit ihm ihr An - liegen, ſo ſie etwann druͤckete, zu entdecken; Sie vermeldete ihm, daß ſolches gar wohl angienge und ſie unfehlbar kommen wollte. Um zwey Uhr des Nachmittags ſahe er fleißig zum Fenſter hinaus, wenn ſeine Patientin kaͤme; es wehrete auch nicht lange, ſo fande ſie ſich ein, da er ſie denn in ſeine Kammer fuͤhrte, und fragte, was ihr fehlete und was ſie mit ihm reden wollte? Sie fienge an, aber mit Vergieſſung einer ſolchen Thraͤnen-Fluth, daß er ſie kaum beſaͤnfftigen, und ſie fuͤr Seufftzen und Weinen kein Wort zuwege bringen kunnte; Nach - dem er ihr aber einen Troſt eingeſprochen und ſie treuhertzig gemachet, lieſſe ſie ſich vernehmen, wel - cher geſtalt ſie ihm ein Anliegen vertrauen wollte, woruͤber ſie ſich ſchon bald zu tode gegraͤmet: Es pflege nehmlich ihre Mutter, wann ſie ihr alles auf den Halß fluche, unter andern Laͤſterungen auch zu ſagen, was maſſen ſie wohl Zeit Lebens eine ſolche Beſtie bleiben wuͤrde, wie ſie bereits zu ſeyn an -fienge:243und ein gewiſſer auslaͤndiſcher Printz. fienge: Nun, fuͤgte ſie hinzu, ſchienen dieſe boß - hafften Prognoſtica ihrer Mutter eine ſolche Wuͤrckung zu haben, daß ſie gaͤntzlich darfuͤr hielte, ſie wuͤrde ſich in der That in eine Beſtie verwan - deln, maſſen das Eſaultiſche Rauchwerck ſich um einen gewiſſen Ort, den der Wohlſtand zu ver - ſchweigen befiehlet, ſchon ziemlich ſtarck zu aͤuſſern anfienge; Bey welchen Worten ſie ihre Thraͤnen erneuerte, und jaͤmmerlich ſchrie, ſie wollte lieber tauſend mal des todes ſeyn, als wenn ihr gantzer Leib uͤber und uͤber ſo bund krauß werden ſollte. Die Unſchuld dieſes jungen einfaͤltigen Schaͤffgens machte den alten leutſeligen Wolff auf ſeinen Raub deſto begieriger; Er umarmete ſie, und verſicherte ſie, daß er ein Remedium haͤtte, welches unfehl - bar verhindern ſollte, damit die Drohungen ihrer Mutter zu keinen Effect und Ausbruch kommen koͤnnten, nur muͤſte ſie es vor allen Dingen heim - lich halten und bey keinem Menſchen ein Wort da - von gedencken, welches ſie gar willig angelobete; Ungeachtet aber ſie ſich ſo heilig anſtellte, muſte ſie ihm dennoch einen Eyd ablegen, keiner Seelen das geringſte darvon wiſſen zu laſſen. Alsdenn ver - meldete er ihr, was maſſen ſich ſeine Wiſſenſchafft zwar nicht ſo weit erſtreckte, dasjenige zu vertrei - ben, was allbereit herfuͤr geſproſſen waͤre, doch wollte er gar fuͤglich verhindern, daß es ſich nicht weiter ausbreiten moͤchte; er fuͤgte auch hinzu, daß er eineQ 2kleine244Madame Eliſabeth Roſdel,kleine Operation von drey biß vier Minuten verrichten muͤſte, welche ihr vielleicht ein wenig ſchmertzlich fallen duͤrffte; Sie antwortete mit ex - traordinairer Courage, daß, wenn es ihr auch einen Finger koſten ſollte, ſie ſich ſolchen gedultig wollte laſſen abſchneiden. Als er ſie in ſo er - wuͤnſchter Diſpoſition ſahe, brauchte er nicht viele Umſtaͤnde mehr, ſondern er nahm ſofort das Fleck - gen, woruͤber ſie ſich beklagte, in Augenſchein. O! was fuͤr ein Sammel-Platz der natuͤrlichen Ziera - then entdeckte ſich hier! Die Abweſenheit ſeines Weibes auf etliche Wochen, die Diaſatyria, Chocolate und andere Confortantia, die der alte Bock in ſolchem Uberfluß hinein gefreſſen und geſoffen hatte, daß ihm nothwendig der Kuͤtzel da - von ſtechen muſte, machten ihn ſo vigoureux, als wenn er ein junger activer Kerl von 30. Jahren geweſen waͤre: Wornebſt die Gegenwart eines ſo unſchuldigen und liebreitzenden Maͤgdleins der Staͤrcke des alten Gecken keinen geringen Nach - druck beylegte. Jedennoch empfande er, weiß nicht was fuͤr einen Gemuͤths-Streit und Abſcheu, die Leichtglaͤubigkeit des zarten Lammes, das er ſei - nen unzuͤchtigen Flammen aufzuopffern vorhatte, ſo ſchaͤndlich zu mißbrauchen; Weil er aber ein alter Suͤnder war, ließ er ſich ſeine verhurte Natur dennoch uͤberwinden; Kurtz: Er beraubte ſie ihrer Ehre; Und ſie ſtunde die Operation mit einerwun -245und ein gewiſſer auslaͤndiſcher Printz. wunderbaren Standhafftigkeit aus, indem ſie nur etliche Seufftzer heraus ſtieſſe, welche bloß dahin giengen, ihn deſto mehr anzufriſchen. Nachge - hends relagirte er ſie mit allerhand Confituren, und weil nunmehro die Leute bald aus der Kirche kommen wollten, lieſſe er ſie gehen, bande ihr aber zuvoͤrderſt ein, ihm etliche Sonntage nach einan - der zu beſuchen, damit er dieſe ſuͤſſe Operation wiederholen moͤchte, welche, wie er ſie uͤberredete, zu ihrem verlangten Zweck noͤthig waͤre. Sie ver - fehlte unter ſechs Sonntagen keinen, ihn, ſeines ge - gebenen Raths gemaͤß, zu beſuchen; Und nach Ver - flieſſung ſolcher Zeit berichtete er ihr, nun waͤre es genug; nicht, als ob er nicht von Grund der See - len gewuͤnſchet, dieſes jungen Dinges Doctor laͤn - ger zu ſeyn, ſondern, weil er ſich fuͤr denen Wuͤr - ckungen ihres groſſen Leibes furchte; und eben die - ſerwegen packte er ſeinen Triacle-Kram zuſam - men und reiſete, die Unkoſten der Kind-Tauffe zu er - ſpahren, nach Coventry.
Nach neun Monaten wurde dieſe betrogene Ein - falt mit einem artigen Knaͤblein entbunden; Zur groͤſten Beſtuͤrtzung ihrer Groß-Mutter, welche ihre Tochter, nachdem ſie wieder auf war, wegen dieſer ihrer Familie zugezogenen Schande, zur Thuͤr hinaus jagte. So bald ſie aus denen Wochen war, ſtarb das Kind wieder; da begab ſie ſich nach London, wo ihr ihre ausbuͤndige Schoͤnheit undQ 3ar -246Madame Eliſabeth Roſdel,artige Auffuͤhrung gar bald einen Mann, nehmlich Meiſter Roſdel, einen Metzger’ aufm Clare - Marckt, erfreyen halff. Weil er aber ein ſehr ey - ferſuͤchtiges Naturel hatte, tractirte er ſie ſehr unfreundlich, und ehe noch das erſte Jahr, nachdem er geheyrathet hatte, verlauffen war, verließ er ſeine Profeſſion, gieng in Krieg und ließ ſich fuͤr einen Granadier unterhalten; Als er aber kurtz her - nach mit nach Flandern gehen muſte, wurde er in der Schlacht vor Landen getoͤdtet.
Weil ſich nun ihre Mutter nicht wollte ausſoͤh - nen laſſen, trieb die unumgaͤngliche Noth unſere Frau Roſdel darzu, daß ſie ein gemeines Pro - ſtibulum abgab; Da ſie denn durch Leſung vieler fuͤr ſie erbaulichen Buͤcher, inſonderheit der Venus - Schule, der Tulliæ und Octaviæ Geſpraͤch ꝛr. eine ſehr leichtfertige Weibs-Perſon wurde, und in kurtzer Zeit ſolche Experienz in der Kunſt und Geheimniß des Hurens erlangte, daß ſie einen, Nahmens Benwel, welcher mit obigem groſſen Zahn-Operator, Goslin, die Lehr-Jahre aus - geſtanden hatte, und hernach Straſſen-Raubs we - gen zu Dublin in Jrrland gehaͤnget wurde, zu ih - rem Buhler oder Kuppler hielte, der mit ihr unten und oben lag, und gleichſam mit ihr aus auf die Werbung gienge, ich will ſagen, einen einfaͤltigen Tropff aufzuſuchen, den ſie, unter dem Vorwand, ſich nicht in einem oͤffentlichen Hur-Hauſe zu pro -ſtitui -247und ein gewiſſer auslaͤndiſcher Printz. ſtituiren, etwann in eine finſtere Allée lockete, all - wo ſie denn, indem dieſer vielleicht die Hoſen ſ. v. abziehen wollen, demſelben den Schubſack durch heimliche Griffe beſtohle, und hierauf alſobald ein gewiſſes Zeichen ihrer gluͤcklichen erlangten Beute von ſich gabe, da denn ihr Huren-Jaͤger gleich zu - lieff und den tummen Schoͤps zu Boden warff, welches der Canaille immittelſt Gelegenheit zu échappiren gab: Und mit dergleichen Spitzbuͤ - berey gienge ſie mehrentheils um, indem ſie man - chen einfaͤltigen Stuͤmper mit hinein ins Bordel zeckerte, und, nachdem ſie ihn daſelbſt mit gewiſſen kurtzen Glaͤſern, die einen Boden in der Mitte ha - ben, voll geſaͤuffet, ihme die Schubſaͤcke auspluͤn - derte, und ihn alſo den Contract ſeiner Thorheit mit einer guten Rechnung bezahlen ließ.
Dieſer miſerablen Lebens-Art folgete ſie von ihrem 17den Jahr an, bis ſie bald dreyßig alt war, nach, als um welche Zeit die Roſen ihrer Schoͤn - heit zu verwelcken anfiengen, daß ſie genoͤthiget wurde, die Mahler-Kunſt zu lernen und ihr Geſicht mit Schmincke und Schattir-Pflaͤſtergen uͤber und uͤber zu verkleiſtern. Weil ſie aber noch immer aufs laſterhaffteſte lebete, lieſſe ſich das abgeleckte Leder der verfallenen Kinn-Backen nicht allzu wohl wieder renoviren, auspoliren und repariren, und wenn ſie ſolche noch hundert mal aͤrger haͤtte wollen beſchmieren. Nichts deſtoweniger, als ein gewiſſerQ 4aus -248Madame Eliſabeth Roſdel,auslaͤndiſcher beruͤhmter Printz an den Engliſchen Hof kam, und Madame Eliſabeth Roſdel in der Comœdie ſahe, vergaffte er ſich dergeſtalt in ſie, daß er ſich ihres Logis erkundigte, mit dem Verſprechen, ihr eine Viſite zu geben. Den naͤch - ſten Morgen hielte er auch ſeine Parole: Denn er wartete ihr in ihrem Logement auf, und uͤber - rumpelte ſie gleich zu einer Zeit, da ſie ihn am we - nigſten vermuthet geweſen; Weil ſie ſich aber ſchon beſorget gehabt, er duͤrffte ihr unverſehens uͤber den Halß kommen, hatte ſie ſonderbaren Fleiß angewendet, alles in guter Bereitſchafft zu halten. Sie hatte die Butter aus ihren Augenwinckeln ſo rein ausgeputzet, als des Buͤrgermeiſters Katze den Quarck aus ihrer Naſe: Sie hatte uͤber ein hal - bes Pfund uͤberzogenen Coriander, ihren Athem angenehm zu machen, gegeſſen, ſich mit Pome - rantzen-Bluͤth-Waſſer hinter d[en]Ohren gerieben, und ihre Achſel-Gruben und gantze Haut uͤber und uͤber mit Jesmin und Puder ſo unvergleichlich auspoliret, daß er vermeinte, dergleichen delicate Creatur noch niemals geſehen zu haben: Denn er fande, als er ſie beſuchte, alles in einem ſo ange - nehmen Zuſtande, daß eine Kuͤſte voll Waͤſche mit Lavendel und andern wohlriechenden Spece - reyen nimmermehr ſo ſchoͤn und ordentlichen auf - geputzt ſeyn koͤnnen: Ja, wenn er gleich einer Zi - beth-Katze den Podex gekuͤſſet gehabt, ſo glaubenicht,249und ein gewiſſer auslaͤndiſcher Printz. nicht, daß ſeine Sinnen mit einem ſtaͤrckern Geruch wuͤrden ſeyn erquicket und beſeelet worden. Als er ſie nun in ſein Logis zu Gaſt gebethen, brachte ſie uͤber etliche Stunden zu, ehe ſie vom Kopff biß zu den Fuͤſſen, von der Fontange biß zum Abſatz, alles und iedes, nach ihrer Fantaiſie, in gehoͤrige Ordnung und zu richtiger Subjection brachte. Jmmittelſt betrachtete dieſer beruͤhmte Hero ihre Geſtalt mit groſſer Admiration, wenn vielleicht ein anderer, welcher wuſte, daß das beſte aus die - ſem Honig-Topffe heraus genaſchet ſey, nicht mehr Veraͤnderung bey ſich verſpuͤhret haben wuͤrde, als uͤber eines Moren Complexion, welcher ſein hoͤlliſches Angeſicht mit einem Pfund Seiffe, oder einer Kanne Ungeriſchen Waſſer abgeſcheuert hat. Nachdem ſie nun lange Zeit auf das unnoͤthige Ge - taͤndel ihres Schmuckes gewendet, fuͤhrte er ſie endlich in ſeiner Caroſſe nach ſeinem Logement, wo er, ſie zur Bezeigung ſeines Faveurs, mit einem koͤſtlichen Banquet tractirte und ihr einen Beu - tel mit Gold, ſtatt eines Præſents, verehrte; Worfuͤr ſie dieſem Welt-beruͤhmten Printzen zum Recompence unvergleichlich Frantzoͤſiſch (nicht reden, ſondern empfinden) lernete; Und eher, als ein halbes Jahr hierauf, ſtarb ſie, im 35ſten Jahr ihres Alters, von dieſer garſtigen und gifftigen Kranckheit halb aufgefreſſen.
MAdemoiſelle Alice Smalwood war die Tochter eines gar anſehnlichen Man - nes in Yorkshire; und weil ſie, ihrer deſto beſſern Aufferziehung wegen, hinauf nach London geſendet wurde, warff ſie ihre Neigun - gen, auf einem Ball, auf einen gewiſſen Herrn; Da aber derſelbe, ungeachtet ſie eine kluge und ſchoͤne Jungfrau war, ſolche verachtete, begab ſie ſich aus Mißvergnuͤgen zu einem Vetter in Barbados; Jedoch, als dieſer, 2. Jahre nach ihrer Ankunfft in dieſem Lande, verſtarb, kam ſie mit einem Braut - Schatze von 2000. Pfunden, welche er ihr zu ihrer eigenen Diſpoſition hinterlaſſen, zuruͤck nach Eng - land. Weil nun zu gleicher Zeit ihr Vater und Mutter ſich in London aufhielten, und ihr noch 2000. Pfund mehr zu geben entſchloſſen waren, ver - urſachte der Ruff hiervon, daß ſich unterſchiedene um ſie bewarben, unter welchen ſie Jean Try, ei - nen ſehr galanten Menſchen, welcher mehr lang als kurtz, unvergleichlich wohl gebildet, und von ſchoͤner Complexion, am beſten leiden kunnte; Und weil er uͤber dieſes ein gutes Vermoͤgen beſaß, gewann er zugleich den Æſtim ihrer Eltern, undver -251und dsr ſchoͤne Fielding. vermeynte kein Menſch anders, als daß er unter de - nen andern vielen Liebhabern den ſchoͤnen Preiß da - von tragen werde.
Als aber zu eben derſelben Zeit ein junger Doctor Medicinæ, Nahmens Herꝛ Jacob Wilſon, von Oxford kam, und ihrem Vater, mit dem er vertrau - lich bekañt war, eine Viſite gab, wurde er, bey dem erſten Anblicke, von der Madem. Alice dergeſtalt entzuͤndet, daß, obwohl ſeine Beſcheidenheit ihm, in Anſehung ihres weit beſſern Gluͤckes, oͤffentlich um ſie anzuhalten verbothe, er ſich dennoch mit der Hoffnung eines endlichen Fortganges ſchmeichelte, dafern er nur die im Werck ſeyende Heyrath zwi - ſchen ihr und Monſ. Try auf einige Weiſe hinter - treiben koͤnnte, welcher Monſ. Try kurtz vorher in einem Duel gefaͤhrlich war verwundet worden, ſo, daß wohl vier Monate vorbey giengen, ehe er wieder voͤllig geheilet wurde. Nach allerhand U - berlegungen, welche der junge Doctor deßwegen gemachet, wie er ſein Vorhaben ins Werck richten moͤchte, faſſete er endlich den Schluß, zu verſuchen, wie weit ihm die heimlich zu verſuchende Arcana ſeiner eigenen Kunſt und Profeſſion bey dieſem Vorhaben zu ſtatten kommen koͤnnten: Er berei - tete demnach ein Opiatiſches Pulver zu, welches er von ſolchen Ingredientien zuſammen ſetzete, wie er ſie fuͤr ſein Abſehen am bequemſten zu ſeyn erach - tete, und wartete darauf weiter auf nichts, als eineGe -252Mad. Alice Smalwood,Gelegenheit, da er es Madem. Alice in einem ſol - chem Vehiculo beybringen moͤchte, als den Be - trug am beſten bemaͤntelte. Nach dreyen Tagen kam dieſer Doctor Wilſon, welcher in ihres Va - ters Hauſe logirte, aus ſeiner Studier-Stube her - ab, und traff die Jungfer eben in der Kuͤchen an, da ſie eine Chocolate fuͤr einige gute Freunde in der Stube fertig machte. Sie offerirte ihm ein Schaͤlgen davon, wofuͤr er ſich bedanckte, ſagende, er wollte ſolches annehmen, iedoch mit dieſer Bedin - gung, daß ſie ein anders trincken ſollte; und als ſie hiermit zu frieden war, practicirte er heimlich das Opiatiſche Pulver, ohne den geringſten Argwohn bey ihr zu erregen, in ihr Schaͤlgen. Ohngefehr nach einer Stunde fieng das Pulver ſo kraͤfftig zu wuͤrcken an, daß, ob ſie ſchon die Schlaͤffrigkeit, die ſie ſo ſtarck uͤberfiel, durch Herumſpatzierung in dem Garten und andere Bewegungen zu vertreiben ſuchte, ſolche dennoch zuletzt die Oberhand behielte, daß ſie genoͤtiget ward, ſich in ihre Kammer zu be - geben, woſelbſt ſie ſich auf ihr Bette niederlegte, und durch die gewaltſame Wuͤrckung der Medi - cin mit einem tieffen Schlaffe befallen wurde. Doctor Wilſon gab genau auf ſie Achtung, und als er ſie in die Kammer gehen ſahe, folgte er ihr nach, und fande ſie daſelbſt auf dem Bette feſt ſchlaffend; Hierauf beobachtete er, daß das ande - re Haus-Geſinde beſchaͤfftiget war, hielte demnachdie -253und der ſchoͤne Fielding. dieſes fuͤr eine ſchoͤne Gelegenheit, ſein leichtfertiges Vorhaben auszufuͤhren, verſchloß die Kammer - Thuͤre, und beraubte die ſchlaffende Unſchuld ihrer Ehre und Jungfrauſchaſſt recht ſchelmiſcher Weiſe, welche ihre wachende Tugend wider alle Reitzun - gen des Fleiſches und der Liebe beſtaͤndig vertheidi - get hatte. Als der Doctor in ſeinem Verlangen ſo weit gluͤcklich geweſen, oͤffnete er die Thuͤr wieder, und gieng davon, wie die Katze vom Tauben-Schlage, ohne daß ihn eine Seele gewahr wurde. Die dem Gemuͤthe nach noch ſeyende Jungfer, dem Leibe nach aber nunmehro gewordene junge Frau Alice ſchlieff immittelſt unterſchiedene Stunden in einem Stuͤcke weg, biß die Schlaff-erweckende Tugend des Pulvers ihren Effect gethan; alsdenn erwach - te ſie, und wuſte nicht das geringſte von dem Betruge und Schimffe, den ihr der Doctor durch ſeine ſchelmiſche Practiquen zugefuͤget, als was ihr ein angenehmer Traum und die ſpielende Phantaiſie der ſchertzenden Einbildung auf eine ungewiſſe Wei - ſe empfinden laſſen. Zwey Tage hernach nahm Herr Doctor Wilſon ſeinen Abſchied, begab ſich wieder nach Oxford, und erwartete mit Ungedult, wie dieſes ſonſt unerhoͤrte Experiment ausſchla - gen wuͤrde. Er war nicht einen Monat hinweg, ſo befande ſich Mad. Alice gantz anders diſponi - ret, und verbarg ſich in ihrer Kammer: Sie wurde blaß und mager, ihre Augen ſahen gelbe und einge -fallen,254Mad. Alice Smalwood,fallen, und alle ihre Worte gaben ein innerliches und eingewurtzeltes Mißvergnuͤgen des Gemuͤths zu er - kennen. Herr Smalwood nebſt ſeinem Weibe war ihrentwegen nicht wenig bekuͤmmert, und frag - te unterſchiedliche derer beruͤhmteſten Medicorum um Rath, was die Urſache ihrer Kranckheit ſeyn moͤchte, und was man fuͤr die bequemſte und ge - ſchwindeſte Cur brauchen koͤnnte? Sie kamen al - le uͤberein, und ſagten, ſie waͤre ſchwanger, und ihre Kranckheit waͤre nichts anders, als die natuͤrliche Schwachheiten derer Weiber in ſolchen Faͤllen; Welches ihre Eltern mit Erſtaunen und Entſetzen anhoͤrten.
Wenn die Doctores hinweg waren, ſatzten ihr Vater und Mutter aufs hefftigſte zu, und bathen ſie mit bethraͤnten Augen, ſie ſollte die Wahrheit ſagen und offenbahren, wer der leichtfertige Vogel ſey, der ſie um ihre Ehre gebracht, und ihrer Fami - lie dieſen Schand-Flecken zugezogen haͤtte, den ſie mit allen ihren Thraͤnen hinweg zu waſchen nun - mehro nicht faͤhig waͤren? Mademoiſelle Ali - ce verneinete mit nicht geringerer Muͤhe die Schuld einer ſolchen Ehr-vergeſſenden Leichtfertigkeit, und betheuerte bey der Allwiſſenheit des gerechten Him - mels ihre Unſchuld und unbefleckte Keuſchheit. Jh - re Seufftzer, Thraͤnen und Hertz-brechendes Fle - hen uͤberredten ihre Eltern zuletzt, daß ſie dafuͤr hiel - ten, die Doctores muͤſten in ihrem Urtheilen geir -ret255und der ſchoͤne Fielding. ret haben, und die Aufſchwellung ihres Leibes, wel - che ſie als einen Beweißthum ihrer Schwanger - ſchafft betrachteten, werde vielleicht durch ein Tympanum oder einigen andern uͤbernatuͤrli - chen Tumorem, ſo die wahre Urſache dieſes Zu - ſalls ſey, verurſuchet.
Nach einiger Zeit kam der Doctor Wilſon wieder nach London, und da er bey dem Herrn Smalwood eine Viſite abſtattete, ver[m]eldete man ihm, was maſſen Jungfer Alicegen bereits zween Monat lang immer gar uͤbel aufgeweſen, und binnen ſolcher Zeit wenig oder nicht aus ihrer Kam - mer gekommen waͤre. Nachdem er nun die Frey - heit, ſie zu ſehen, erhalten, und zufoͤrderſt ſeinen Re - ſpect und Leidweſen wegen ihrer gegenwaͤrtigen Unpaͤßlichkeit bezeiget, begehrte er ihr an den Pulß zu fuͤhlen, und, nach vielen andern critiſchen, mehr zum Schein als ſonſt zu etwas angeſtellten Ob - ſervationibus, nahm er ſeinen Abſchied, und be - richtete ihrer Mutter, daß, wenn er durch alle dieſe unbetruͤgliche Symptomata, die er angemercket, nicht gewiß verſichert waͤre, daß ſie ſchwanger gien - ge, ſo wuͤrden ihm ihre ernſtliche Betheuerungen des Gegentheils uͤberreden, dasjenige zu glauben, was ſie zu ihrer Vertheidigung vorgebracht haͤtte. Worauf ihn ihre Mutter fragte, ob es auch moͤg - lich waͤre, daß ein Weibes-Bild im Schlaffe em - pfangen koͤnnte, ohne etwas von dem Genuß desVer -256Mad. Alice Smalwood,Vergnuͤgens, und der Perſon, ſo ſie caresſire, zu empfinden? Der Doctor antwortete, dieſes ſey gar wohl moͤglich, maſſen man auch ſonſt in man - chen Perſonen anmercken koͤnnte, daß ſie im Schlaff aufſtuͤnden, herum ſpatzierten, und allerhand vor - naͤhmen, worvon ſie doch hernach, wenn ſie erwa - cheten, nicht das geringſte wuͤſten. Dieſes eintzige Argument galte bey dem Herrn Smalwood und ſeiner Liebſten ſo viel, daß ſie glaͤubeten, ihre Tochter waͤre fruchtbaren Leibes, und doch darnebſt unſchuldig in der That, und unwiſſend wegen des Thaͤters; Zumal ſie ohnedem vielmals im Schlaff in ihrer Kammer herum - und bißweilen herunter in das Milch-Haus, hernach wieder alſo zu Bette ge - gangen, ohne daß ſie ſich des naͤchſten Morgens ei - nes Schrittes erinuern koͤnnen. Nach mancher - ley Rathſchlagung, was bey einer mit ſo vielen Schwierigkeiten verknuͤpfften Sache zu thun ſey, ließ ſich der Doctor vernehmen, daß, woferne ſie dafuͤr hielten, daß er ihrer Tochter werth ſey, er ſie alsbald heyrathen wollte: denn er achtete es nicht, ob ſie gleich ſchwanger, noch wer der Vater waͤre, ſintemal er wuͤſte, daß ihre Se[ele]rein und unbefleckt ſey, obſchon ihre Ehre einige Verletzung empfinden muͤſſen; angeſehen auch die Ehren-Rettung und Er - haltung des Anſehens einer ſo honetten Familie von ihm theurer geſchaͤtzet wuͤrde, als einiges Pri - vat-Intereſſe, oder Abſicht auf ſich ſelbſten. Wer257und der ſchoͤne Fielding. Wer war froher, als Herr Smalwood, als er den Doctor ſich alſo erklaͤren hoͤrte? Er bedanck - te ſich hoͤchlich fuͤr ein ſo guͤtiges Anerbieten, und vermeldete ihm, daß er die Mariage von Hertzen gerne approbirte: Dahero wurden ſie nach we - nigen Tagen copuliret, da er 4000. Pfund mit ihr bekam; und weil kurtz darauf ihre Eltern gar ſtur - ben, hinterlieſſen ſie ihr noch 2000. Pfund zur Erb - ſchafft. Jn einer kurtzen Zeit daꝛnach trug ſichs zu, daß der Doctor eines Tages nach der Mahlzeit wohl - aufgeraͤumten Humeurs war, und weil ihm die Diſcourſe der Geſellſchafft Gelegenheit darzu ga - ben, erzehlte er, durch was fuͤr einen argliſtigen Griff er ſeines Weibes theilhafftig worden; woruͤber ſie, als gegenwaͤrtig, zwar ſehr beſtuͤrtzt zu werden ſchie - ne; er aber ſein Deſſein, welches ihn mit einem ſo ſchoͤnen Ausgange gekroͤnet habe, nur mehr ruͤh - mete. Seine Liebſte biß ſich indeſſen in die Lippen, und gab durch Veraͤnderung ihrer Farbe die inner - liche Verwirrung ihrer Gedancken mehr als zu deutlich zu erkennen; ja, ſie kunnte ſich auch nicht gaͤntzlich bezwingen, ſondern ließ einige ziemlich paſſionirte Expreſſiones ihrer Empfindung daruͤber entfallen, daß ſie ſich den Unflath einer Hu - re in die Schuͤrtze gieſſen laſſen, und ihren Lieb - ſten, Monſ. Try, den ſie ſo treu geliebet, und hoͤ - her als ihr Leben geſchaͤtzet, mit dem Ruͤcken anſehen, hingegen mit einer ſolchen wider ihren Willen ange -Rſpon -258Mad. Alice Smalwood,ſponnenen Heyrath ſich ſo ſchaͤndlich betrogen ſehen ſollte. Sie ſchrieb demnach einen Brief an Monſ. Try, und gab ihm alle Umſtaͤnde haarklein zu erken - nen, welcher ungemein daruͤber betruͤbet wurde, weil er ſie von dem erſten Augenblicke an, als der Ruff von ihrer Schwangerſchafft ausgebrochen, mit keinem Auge wieder geſehen hatte. Die Entdeckung dieſer Intrigue gebahr eine noch genauere Hochachtung und Liebe zwiſchen Herrn Try und Mad. Smal - wood, daß ſie wuͤrcklich mit einander einig wur - den, ſich wegen der ihnen beyden von dem Doctor zugefuͤgten Schmach zu raͤchen, indem ſie ſein Ehe - Bette zu ihren ehebrecheriſchen Behaͤglichkeiten mißbrauchten, und ſeine Stirne mit dem Emble - mate eines Hoͤrner-Traͤgers unvergleichlich illu - minirten. Alſo ſatzten ſie ihr unerlaubtes Ver - gnuͤgen ſo lange fort, biß der Herr Doctor ſeiner Geweyhe innen wurde; Damit er aber ſich an ſei - ner Frauen revangiren moͤchte, offenbahrte er ei - nem ſeiner Freunde den Ausſpruch des Gerichts wegen einer Schuld-Verſchreibung oder Wechſel - Briefs, und indem dieſer zugriff, und ihm alles, was er hatte, hinweg nahm, jagte er zugleich auch ſein Weib von Haus und Hof. Weil ſie ſich nun in einem troſtloſen Zuſtande, und auch von Monſr. Try, welcher kurtz hernach heyrathete, verlaſſen ſa - he, wurde ſie genoͤthiget, die Gewogenheit des ſchoͤ - nen Fieldings anzunehmen, und alle Finger nachdem259und der ſchoͤne Fielding. dem Honigſeim ſeiner Affection zu lecken, als welcher ſich ſterblich in ſie verliebte, und ſie zu ſeiner Maitreſſe erwaͤhlte. Jndem ſie ihn aber, wenn er zu ſtarck getruncken hatte, vielmals careſſirte, und ihm wegen ſeiner Voͤllerey, unter dem Schein einer wohlgemeynten Vorſorge, daß er ſeine Ge - ſundheit nicht alſo ſchwaͤchen moͤchte, einigen Ver - weiß gab, ruͤhmte er ſich, in der Eitelkeit ſeines Sin - nes, deſſen, durch Wiederhohlung derer Zeilen aus des Grafens von Rocheſters uͤppiger Comœ - die von Sodom, welche ohngefehr ſo viel in ſich halten:
Jn dem Zenith meiner LuſtHerrſchet doch die frohe Bruſt:Jch ſauffe, daß ich ‒ ‒ kan,Und ‒ ‒ daß ich ſauffen kan.
Er unterhielte ſie alſo 8. Monate, darnach verließ er ſie auch; Und als ſie die Nachricht bekam, daß er die ſich in Madame Delaune verſtellte be - kannte Courteſanin, Maria Wadsworth, die einen groſſen Staat fuͤhrete, und jaͤhrlich 30000. Pfund Einkuͤnffte beſaß, gechliget haͤtte, zoge ſie ſich ſolches dergeſtalt zu Gemuͤthe, daß ſie ſich im zwan - tzigſten Jahre ihres Alters mit Gifft vergab.
MAdemoiſelle Baxter war die eintzige Tochter des William Baxters, eines wackern anſehnlichen Mannes ohnweit Cirenceſter in Gloceſtershire, der jaͤhrlich 600. Pfund Einkuͤnffte hatte. Sie war in ihrer Minderjaͤhrigkeit ſo keuſch, als ſchoͤne, und ſuchte ihr meiſtes Vergnuͤgen zu Hauſe in Betrachtung der Tugend und dem Genuſſe der Einſamkeit. Jhre vortreffliche Annehmlichkeiten machten, daß ſich unterſchiedliche Perſonen von gleichmaͤßiger Con - dition um ſie bewarben; es war aber keiner ihrem Vater anſtaͤndig, als der eines geitzigen Hu - meurs war, und daher mehr ſeinem eigenen Gut - duͤncken und Bequemlichkeit, als der Tochter Nei - gung und Belieben, zu rathen ſuchte; biß das Gluͤck und blinde Liebe einen Freyer brachte, der ſich ſo wenig fuͤr die Jugend dieſes jungen Frauenzimmers ſchickte, als ſehr er dem Geld-gierigen Gemuͤthe ih - rer Eltern lieb und angenehm war.
Als nehmlich dieſes galante Maͤgdgen ohnge - fehr in das achtzehende Jahr gienge, begab ſichs, daß D. Monkton, ein alter, aber ſehr vornehmer Medicus, zu einen Patienten auf dem Lande inder261und Carolus Reneuf, Ritter. der Gutſche fuhr; da zerbrach, als er bey des Herrn Baxters Thuͤr vorbey paſſirte, ein Rad an ſeiner Gutſche: Weil nun Herr Baxter gleich in ſeinem Hof herum gienge, invitirte er mittlerweile den Doctor in ſein Hauß, biß der Wagen wiederum zurecht gemacht waͤre. Der Doctor nahm auch ſolche Einladung geneigt an; Als er aber daſelbſt der ſchoͤnen Jungfer Baxtern anſichtig wurde, er - hielte ihre Klugheit und ſchoͤne Geſtalt ſo bezaubern - de Gewalt uͤber ihn, daß, ungeachtet des Schnees, der ſein Haupt bedeckte, und des kalten Froſtes von 60. Wintern, worvon ſein Fleiſch erſtarret war, er dennoch verſpuͤhrte, welcher geſtalt das Eiß, wel - ches die Kaͤlte des Alters um ſein Hertz congeliret hatte, zu zerſchmeltzen anfienge, und alle feurige Begierden eines jungen Liebhabers ſich in ſeiner Bruſt von neuen zu regen ſchienen. Er bemuͤhete ſich nun zwar, dieſe mit maͤchtigen Maximen und klugen Vorſtellungen zu unterdruͤcken; aber der gantze Sack ſeiner Moral und Gelehrſamkeit war zu ſchwach und ohnmaͤchtig, der gewaltſamen Artillerie ſeiner Affecten zu widerſtehen: Er be - fande, daß ſich die Hornungs - und Faſtnacht-Zeit ſeiner Gedancken iu einen neuen Fruͤhling verwan - delten, und das Bildniß der wunderſchoͤnen Ma - demoiſelle Baxter ihm continuirlich vor Au - gen ſchwebte; Dieſes verurſachte, daß er darauf ſeine Viſiten erneuerte, biß durch den taͤglichen UmgangR 3ſeine262Madame Baxter,ſeine Flammen dergeſtalt aufgeblaſen wurden, daß er ſie nicht laͤnger bergen kuñte, ſondern ſich gezwun - gen ſahe, ſeine Neigung und Verlangen, ſie auf ewig fuͤr ſein eigen zu beſitzen, ihrem Vater zu hinter - bringen. Dieſer griffe mit beyden Haͤnden in dieſe vermeynte Gluͤcks-Bude, und befahl ſeiner Tochter an, ihn als ihren Liebſten zu tractiren.
Nun iſt dieſer gravitaͤtiſche Doctor wiederum zu einem Kinde geworden, und begehet, als ein alter 60jaͤhriger Gecke, alle Thorheiten eines jungen Le - ckers, auf eine ſolche curieuſe Weiſe, daß man ſich buckligt daruͤber lachen moͤchte. Er cour - tiſiret mit dieſem jungen Maͤgdgen von 18. Jah - ren, zertrucket ihr bald die Haͤnde, ſpielet mit ihr, verkehrt die charmanten Augen wie ein verliebtes Thierigen aus Arcadien, diſcouriret mit ihr von Liebe, Feuer und Flammen, ſchertzet gleich einem minderjaͤhrigen Rehe-Boͤcklein, machet Verſe und Sonnette, und erhebet ihren Verſtand und Schoͤnheit biß an die mit Sternen beſaͤete Milch - Straſſe: Jndem er aber alſo einen Galan und verliebten Haſen ſpielet, agiret ſie gleichſam einen Stoicum und Philoſophum, wenn ſie ihm vorſtellet, was ſolche ungleiche Heyrathen fuͤr uͤble Wuͤrckungen herfuͤr zu bringen pflegten: Wie daß ſeine Flamme gleich einem Wiſchgen Werck bald verlodern werde, und ſeine Liebe nur ein Ignis fatuus, ein Jrrwiſch, und ein in der Jrre herumwan -263und Carolus Reneuf, Ritter. wanderndes Lichtlein ſey, welches ihn zuletzt ver - fuͤhren und in tauſenderley Ungelegenheiten hinein leiten, ja, in einen Abgrund der Eyferſucht ſtuͤrtzen werde; und wenn ſie ſchon ihre Handlungen noch ſo vigilant und vorſichtig anſtellte, ſo wuͤrde doch ſein Alter und ihre Jugend der Welt Gelegenheit geben, ihre Ehre, ſie moͤchte auch noch ſo rein und unſchuldig ſeyn, mit Argwohn zu beflecken: Aller - maſſen ſich eine Stirne, die aͤrger voller Runtzeln ſey, als das lederne paar Hoſen eines Heckerling - Schneiders und die Kittel der Altenburgiſchen Bauer-Weiber, zu dem blanck-polirten Brenn - Spiegel einer jungen liebreitzenden Dirne nimmer - mehr raͤume; Ja, ſie ſagte ihm rund heraus, daß ſie nicht die geringſte Neigung zu ihm tragen koͤnnte; nun ſollte er aber erwegen, ob nicht der Ehſtand ohne Liebe alsdenn ein doppeltes Joch und eine gantz unertraͤgliche Laſt ſeyn werde.
Alleine der Doctor war taub zu dieſen Reden, und lieſſe, zum groͤſten Leidweſen des ehrlichen Maͤgdgens, alles zu einem Ohr hinein, und zum andern wieder heraus gehen. Nun befande ſich unter denen vielen Siegen, welche ihre Schoͤnheit erhielte, und denenjenigen, ſo unter ihren Sclaven den naͤchſten Zutritt zu ihrem Eſtim und Gewo - genheit zu haben ſchienen, einer, Nahmens Caro - lus Reneuf, ein Eſquire oder Ritter, ein junger artiger Herr, von einer galanten Perſon, der inR 4der264Madame Baxter,der Jnſul Guernſey gebohren, und unter denen Trouppen des Grafen von Oxford Capitain war; Weil aber dieſer junge Bruder vor kurtzem erſtlich ausgeflogen war, bluͤhete ſein Gluͤcke noch nicht recht, wie es ſeyn ſollte; Jedoch in Anſehung der beſtaͤndigen und aufrichtigen Liebe, die er zu der Mademoiſelle Baxter truge, hatte er endlich das Gluͤcke, von ihr mit geneigter Gegen-Liebe be - ſeliget zu werden, und erlangte einen ſolchen Vor - zug bey ihr, daß ſie ihm verſprach, ihr Hertz mit dem ſeinigen durch das geheiligte Band der Ehe zu verknuͤpffen, ſo bald ſie ihres Vaters Confens erhalten haben wuͤrden. Alleine ſie ſollicitireten den alten Geitz-Halß umſonſt: Er wollte keines weges von der Heyrath eines elenden Soldaten hoͤren, ſondern drunge um ſo viel deſto begieriger auf die Mariage mit dem Doctor, als welcher brave Saͤcke voll Geld beſaͤſſe, die ihn bey ſeiner Liebe gluͤcklich machen koͤnnten.
Dieſes wuſte nun Mademoiſelle Baxter al - les wohl; ſo war ihr auch ihres Vaters Geld-gieri - ges Gemuͤth nicht unbekannt: Sie fienge demnach an, des Capitains Reneuf Hoffnung beſchei - dentlich zu vermindern, weil ſie beſorgte, ihre Schul - digkeit und Gehorſam werde der Liebe vorgehen muͤſſen: Denn ihr Vater hatte ihr ſchon angekuͤn - diget, was maſſen die Mariage mit dem Doctor beſchloſſen, der Braut-Schatz parat, und der Tagzur265und Carolus Reneuf, Ritter. zur Vollziehung des Hochzeit-Feſtes angeſetzet ſey, ſie ſollte demnach gehorchen und ſich zum Heyra - then fertig machen. Nichts deſtoweniger reſol - virte ſie, von ihrem geliebten Capitain Reneuf vorhero ihren Abſchied und letztes Adjeu zu neh - men, welches ſie auch den Abend vor ihrer Ver - maͤhlung thate. Was hierbey zwiſchen dieſen zweyen Verliebten vorgienge, war ſehr beweglich und zaͤrtlich: Und der arme Capitain hoͤrte ihr letztes Adjeu mit einer ſo groſſen Gemuͤths-Be - ſtuͤrtzung an, als ein verdammter Ubelthaͤter das Urtheil ſeines Todes; Jedennoch ließ er ſich bewe - gen, dasjenige Leben, welches ihr nicht unangenehm war, zu erhalten.
Nachdem die Hochzeit celebriret worden, fuͤh - rete ſie der Doctor mit in ſeine Heimath nach Gloceſter; Sie wuͤrde aber als ein groͤſſerer Schatz geprieſen worden ſeyn, woferne ſie eine wuͤrdigere Perſon, als dieſer karge Filtz darvon ge - tragen, deſſen jaͤhe Flammen viel zu hefftig war, als daß ſie lange haͤtten ſollen aushalten koͤnnen: Sein Alter erklaͤrte ihn mit der Zeit fuͤr unvermoͤ - gend; Gleichwohl war die Tugend der geweſenen Mademoiſelle Baxter, die ich nunmehro Ma - dame Monkton nennen mag, ſo groß, daß ſie ſich ein Vergnuͤgen daraus machte, wenn ſie etwas zu der Zufriedenheit und Contentement ihres Eh-Herrn beyzutragen vermochte; Sie ſagte etli -R 5che266Madame Baxter,che mal zu ihm:
„ Sie koͤnnte (nachdem ſie ein - „ mal vermaͤhlet waͤren) mehr Vergnuͤglichkeit, „ auch bey einem mittelmaͤßigen Auskommen, an „ ihm finden, als wenn ſie ſich in allem wolluͤſti - „ gen Uberfluß eines uͤppigen Serails herum waͤl - „ tzen ſollte. „
Nun begab ſichs gleich damals, daß ihr vori - ger Liebſter, der Capitain Reneuf, durch den Tod ſeines aͤlteſten Bruders Erbe uͤber ein reiches Ver - moͤgen, in der Jnſul Guerſey wurde, da er denn folglich viele reiche Heyrathen und galante Maͤgdgen ausſchluge, als deren Annehmlichkeiten nicht faͤhig waren, das in ſeine Seele von Mada - me Monkton eingepraͤgte Bildniß auszuleſchen, als die er noch fuͤr ein Juwel von weit groͤſſerem Werth, als alle ſeine Erb-Guͤther und ſtattliches Vermoͤgen ſchaͤtzete. Er ritte demnach gerade nach Gloceſter zu, nur einen Blick von dieſem wunderſchoͤnen Bildniß, welches ſich ſo offt vor ſeinen Augen præſentirte, genieſſen zu koͤnnen, und ihr ſowohl ſein gutes Gluͤcke, als die beſtaͤndige Reſolution, ſo lange auf ſie zu harren, biß der abnehmende Winter des Alters fuͤr den Fruͤhling der lebhafften Jugend Platz machen, und er endlich in ſeiner Liebe noch gluͤcklich werden moͤchte, zu hin - terbringen. Aber ſeine Reiſe war vergeblich: Denn alle ſeine Stratagemata und argliſtige Raͤncke kunnten es nicht dahin bringen, daß er mit ihr redenmoͤ -267und Carolus Reneuf, Ritter. moͤgen; Sie wollte ſich auch mit Fleiß nicht vor ihm ſehen laſſen, noch mit ihm reden, weil ſie be - ſorgte, die Funcken ihrer vorigen Neigung duͤrff - ten durch ſeine Gegenwart wieder aufs neue ent - zuͤndet werden.
Alſo muſte der Capitain Reneuf mißvergnuͤ - get wiederum nach London zuruͤcke reiſen; und Madame Monkton war mit ſeiner Abreiſe gar wohl zufrieden, weil ſie hoffete, nun werde ſie eine ungeſtoͤhrte Ruhe genieſſen koͤnnen. Aber, ach! ihre Hoffnung war vergeblich: Denn als ſie der Lord W ‒ ‒ unterſchiedlichemal in der Kirche ſahe, gaber mit weit mehrer Attention auf ihre Schoͤn - heit, als auf ſeine Andacht, Achtung: Der Glantz und die Strahlen von dieſer Sonne hatten ſeine Bruſt mit unreinen und ſchaͤndlichen Flammen an - geſtecket: Und wofern die keuſche Dame einem duͤrren Stroh-Dache ſo aͤhnlich geweſen, als ei - nem kalten Ziegel-Steine, haͤtte ſie ohne Gefahr, in Brand geſteckt zu werden, vor dieſer Feuers - Brunſt nicht vorbey gehen duͤrffen. Gleichwie aber Hoheit Reſpect gebiehret, und faſt an allen Orten freyen Zutritt hat: Alſo wurden auch dieſem Lord Thor und Thuͤre auffgemachet, welche der Doctor ſonſt vor aller Welt verſchloſſen hielte; ja, er ſchaͤtzte ſich ſeine Viſiten vor eine ſonderbare Eh - re, und gieng uͤberaus frey und vergnuͤgt mit ihm um, weil er durch die Freundſchafft dieſes vorneh -men268Madame Baxter,men Lords groſſe Befoͤrderung zu erlangen hoff - te. Es waͤhrete nicht lange, ſo machte der Lord des Doctors ſeinem Weibgen ſeine Liebe bekannt, und wartete ihr mit vielen koͤſtlichen Preſenten auf, die ſie aber ausſchlug, wohl wiſſende, daß ſein Abſehen nur ſey, ihrer Ehre und Tugend einen Ab - bruch zu thun. Er ſpeiſete demnach ihren Ehe - Mann mit mancherley Hoffnung groſſer Ehren - Stellen ab; und als der Doctor eines Tages in dieſes Lords Hauſe war, nahm ihn derſelbe mit ſich in ſein geheimes Cabinet, zeigete ihm eine Summa von 2000. Guineas, und ſagte: Wo - fern es euch beliebet, mein Herr, koͤnnet ihr, durch einen gar leichten Handel, der Beſitzer alles dieſes Goldes werden. Der Gold-ſuͤchtige Doctor war nicht ſaumſelig zu fra - gen, auf was fuͤr eine Weiſe? Worauf der Lord erwiederte: Was maſſen er ihm bekennen muͤſte, daß er ſich hefftig in ſeine Liebſte verliebet, ſie auch unterſchiedlichemal caresſiret und ſollicitiret, aber ohne den - jenigen Succeß, wormit vielleicht ein juͤn - gerer und munterer Galan, und zwar um einen wohlfeilern Vergleich, als er von ihm zu erwarten haͤtte, begluͤckt wer - de: Denn er wuͤſte doch wohl, daß eine Perſon, der das Eiß von 60. Wintern auf dem H[au]pte laͤge, und die ſo mancher -ley269und Carolus Reneuf, Ritter. ley Veraͤnderung in der Welt mit ange - ſehen, denen unerſaͤttlichen Begierden der Jugend nicht allemal Satisfaction leiſten koͤñte: Er wollte ihm alſo alle dieſes Gold (welches doch eine Summa waͤre, die ſich der Muͤhe ſchon verlohnte,) fuͤr ein ein - tziges Nacht-Lager mit ſeinem Weibe geben, das ja mehr nicht als ein vergaͤng - liches Vergnuͤgen ſey, wovon er die fol - gende Nacht nicht den geringſten Nach - theil empfaͤnde, und wollte ihm die eine Helffte ietzo gleich auszahlen, wenn er ein - willigte, und die andere Helffte, wenn die Sache verrichtet waͤre. Er ſollte ſich hieruͤber kein Bedencken machen, maſſen ja viele aus einer Quelle ſchoͤpffen, und viele Schwanen in einem Fluſſe baden koͤnnten, da doch deſſen Lauff im gering - ſten nicht gehemmet werde; Gute Freun - de haͤtten ohnedem alle Dinge gemein, und wer nicht a la Mode zu leben wuͤſte, wuͤrde fuͤr einen einfaͤltigen Stuͤmper gehalten.
Weil nun dieſe gelben Pfennige dem Doctor trefflich in die Augen ſtachen, wurd er des Handels mit ihm einig: Und als nach wenigen Tagen die - ſer alte Hoſen-Huſter in des Lords Behauſung gienge, wo alle Sachen ſchon in vorhero ausge -mach -270Madame Baxter,machter Bereitſchafft waren, bekoͤmmt Madame Monkton des Abends gar ſpaͤte ihres Mannes Ring nebſt der Bothſchafft, was maſſen ihn ein ge - faͤhrlicher Anſtoß von einer Kranckheit uͤberfallen habe, und daß ſie durch dieſes Zeichen wiſſen ſollte, welchergeſtalt es ſein Verlangen waͤre, daß ſie in des Lords Gutſche, die er nach ihr ſandte, ohnver - zuͤglich zu ihm kommen moͤchte. Die ehrliche Frau meynte nicht anders, als ob ihr Mann in letzten Zuͤ - gen laͤge, und begab ſich aus ehelicher Schuldigkeit in des Lords Gutſche. Als ſie bey ſeinem Hauſe anlangte, wurde ſie von denen Bedienten die Trep - pe hinan gefuͤhret, und in ein uͤberaus ſtattliches Zim - mer geleitet, welches herrlich ausgezieret, und aufs anmuthigſte perfumiret, auch mit vielen Wachs - Kertzen illuminiret, und in der Mitte mit einem reichlich aufgeputzten Bette verſehen war. Die Bedienten entzogen ſich; Und indem ſie aufs Bet - te zugienge, ihren Mann, den ſie kranck zu ſeyn und daſelbſt anzutreffen vermeynte, zu ſuchen, koͤmmet der Lord zum Zimmer hinein, und ſchlieſſet die Thuͤr feſt hinter ſich zu. Alsdenn wirfft er ſie nie - der auf das Bette, und entbloͤdet ſich nicht, ſie, al - les ihres Schreyens und Widerſtandes ungeachtet, gewaltſamer Weiſe zu ſchaͤnden. Madame Monkton, die dieſer verteuffelte Affront grau - ſam verdroß, reiſete, um ſich an ihrem ſelbſt gemach - ten Actæon zu revangiren, gerades Weges nachLon -271und Carolus Reneuf, Ritter. London, und da ſie den Capitain Reneuf hie -[ſ]elbſt ausforſchte, lebte ſie zur groͤſſeſten Mortifica -[t]ion des Doctors in Unzucht mit ihm: Denn, weil demſelben die Zaͤhne ſo trefflich nach Feder - Puͤſchen gewaͤſſert hatten, ſchmuͤckte ſie ihn nun zum Uberfluß damit aus; Und als er die durch dieſen uͤbel-getroffenen Handel ſeiner Ehre und Repu - tation zugezogene Schande und Beſchimpffung betrachtete, gieng es ihm dergeſtalt zu Hertzen, daß er, ehe noch zween Monate vergiengen, Todes ver - fuhr. Allein ſie uͤberlebte ihn auch nicht viel uͤber 3. Jahre, ſo ſtarb ſie an den Kinder-Bocken, im 22ſten Jahre ihres Alters Anno 1712.
MAdemoiſelle Eliſabeth Davis war ihrem Urſprunge nach nur eines ohnweit Cheſter lebenden Pachters Tochter; Weil ſie aber eine ſehr ſchoͤne Jungfer war, verliebte ſich ihres Vaters Eigenthums-Herr, ein Vorſpre - cher oder Advocat von Grays-Inn, deſſen Frau Mutter noch lebte, in ſie: Und ob ſie ſchon nur auf dem Lande gebohren war; ſo hatte doch ihr Verſtand und Perſon, auſſer ihrer ſchlechten Klei -dung,272Madame Davis,dung, nichts gemeines an ſich. Dieſer junge Herr, welcher aufs hefftigſte in der Liebe gegen dieſe Nymphe entzuͤndet war, bildete ſich ein, daß, weil ihr Vater und ſie ihm dergeſtalt verpflichtet ſeyn muͤſten, er ſie leichtlich dahin verleiten koͤnne, in ſein verliebtes Begehren einzuwilligen; Allein er ſahe ſich ſchrecklich betrogen, als er dieſe keuſche Diana auf Proponirung einiger dergleichen Din - ge gantz intractable befande. Er ſchrieb ihre Sproͤtigkeit Anfangs dem Mangel galanter Auf - erziehung zu, oder weil ſie dergleichen Addreſſen ungewohnt ſey; Er mochte ihr aber dennoch mit de - nen Augen wincken, er mochte ſingen, und ſich aller ſolcher Geberden bedienen, wodurch verliebte Leute ſonſt ihre Neigung zu entdecken pflegen, ſo gaben ihm ihre Augen, Zunge, und gantze Auffuͤhrung nicht das geringſte Encouragement zur Hoff - nung eines gluͤcklichen Fortganges: Geſtalt ſie ſich bey aller Gelegenheit ſeiner zu aͤuſſern bemuͤhete, und ſeine Liebe gantz und gar nicht zu regardiren ſchiene.
Weil ſie denn befande, daß ſie ſeiner Importu - nité nicht laͤnger entgehen koͤnnte, gab ſie ſeiner Frau Mutter von ſeinem Verfahren gegen ſie gar beſcheidentlich Nachricht. Sintemal nun dieſes eine Dame war, die ungemein eyffrig uͤber ihre Eh - re hielte, und die Reputation ihrer Familie aufs ſorgfaͤltigſte beobachtete; Als vernahm ſiedieſe273und der Lord Mohun. dieſe Neigung ihres Sohnes nicht ſo bald, als ſie ihn ſehr ernſthafft ausfiltzete, und ihm ſolche ſcharf - fe und nachdruͤckliche Reprimanden und ver - nuͤnfftige Verweiſe gab, daß, wofern er faͤhig gewe - ſen, Inſtruction anzunehmen, ſolche ſein Gemuͤ - the von dem ſtarcken Rauſch ſeiner Affecten un - fehlbar wuͤrden nuͤchtern gemachet haben. Al - lein ſeine Liebe hatte ihn dergeſtalt verblendet, daß er[i]hre nuͤtzliche Erinnerungen wenig regardirte; Er fuhr recht obſtinat fort, der annehmlichen Eliſa - beth nachzuſtreben, und beſchloſſe, daß, wenn es moͤglich waͤre, ſie auf ſeine Seite zu bringen, er ihr die Ehe verſprechen wollte. Aber Eliſabeth, un - geachtet ſie nur ein unſchuldiges Maͤgdgen auf dem Lande war, zog ihre Ehre aller Herrlichkeit und Reichthuͤmern in der Welt vor. Uber dieſes ſtun -[d]e noch ein hauptſaͤchlicher Anſtoß im Wege: Denn ſie hatte ſchon lange vorher ihre Affection[a]n einen jungen Menſchen ihres eigenen Standes[v]erpfaͤndet, den ſie ſo ſehr als ihr Leben liebete; Daß[d]emnach die Treue zu ihrer erſten Liebe, und die Furcht, der ſchlaue Rechts-Gelehrte duͤrffte ſich ir -[g]end einsmals einiges Vortheils ihrer Schwach -[h]eit bedienen, ſie noͤthigte, ſehr vorſichtig und behut -[ſ]am zu ſeyn. Denn obwohl dieſer Galan ihr mit Eyd-Schwuͤhren, Geluͤbden und Thraͤnen zuſatzte;[ſ]o merckte ſie doch gar wohl, daß ſolche, wenn ſie in[ſe]in Verlangen einwilligen ſollte, von gar ſchlechte[m]SVa -274Madame Davis,Valeur ſeyn duͤrfften. Dieſer Widerſtand mach - te ſeine Neigung noch hefftiger, ſo, daß er faſt gantz raſend und verzweiffelnd wurde: Und ob er wohl Anfangs wegen des Heyrathens nur mit ihr ſchertz - te; Weil er aber keinen andern Weg, ſeinem Ver - langen ein Genuͤgen zu leiſten, vor ſich ſahe, begehr - te er ſie im rechten Ernſt zu der Geſellin ſeines Le - bens; Und ie mehr ſeine Mutter uͤber dieſen Vor - trag lachte, und ihn mißbilligte, deſto hartnaͤckigter wurde er. Weil er auch wuſte, was maſſen ſein junger Nachbar, Robert Payne, bey dieſem Maͤgdgen beliebt waͤre, ſchwuhr er ihm den Tod, an welchem Ort er ihn antreffen wuͤrde, dahero der arme Schelm, dieſem ergrimmten Liebhaber, ſo viel moͤglich, aus dem Wege gienge.
Die Eltern der Eliſabeth ſperreten, auf der Damen Verlangen, ihre Tochter ein, daß ſie viele Tage weder Sonne noch Mond beſcheinen kunnte: Weßwegen der Advocat noch unſin - niger wurde, und einem Menſchen, der weder Ver - nunfft noch Verſtand beſitzet, gleich zu ſeyn ſchie - ne, welches ſein Gebluͤte dergeſtalt erhitzte, daß er in ein hefftiges Fieber fiel, das ſo ſehr uͤberhand nahm, daß die Medici an ſeiner Geneſung zweif - felten. Er wuͤtete und tobete continuirlich her - um, und verlangte nur immer nach der Eliſabeth, war auch mit nichts, als ihrer Gegenwart, zu frie -den275und der Lord Mohun. den zu ſtellen. Die kluge Mutter befande ſich uͤber dieſem Zufall hoͤchlich bekuͤmmert, und vermeynte, den Verluſt ihres aͤlteſten Sohnes, den ſie fuͤr den vornehmſten Pfeiler ihres Hauſes hielte, nicht le - bendig zu ertragen: Sie wuſte den Urſprung ſei - ner Kranckheit gar wohl, und weil ſie beſorgte, Widerſprechung duͤrffte uͤbel aͤrger machen, ent - ſchloſſe ſie ſich, mit ihm zu verfahren, wie man mit Mondenſuͤchtigen zu thun pfleget, deren Fantaſien, wie Extravagant ſolche auch immer ſind, man ſich nicht widerſetzen muß; Alſo lernete ſie ſich nach und nach in ſeinen Humeur ſchicken, und ver - ſprach ihm, daß er, nach wieder erlangter Geſund - heit, die Eliſabeth haben ſollte. Wenn er dem - nach melancholiſch wurde, ſandte ſie hin und ließ dieſes Maͤgdgen holen; Aber an ſtatt ſeine Ge - ſundheit zu befoͤrdern, gerieth er durch ihre Anwe - ſenheit aufs neue in einen weit gefaͤhrlichern Zu - ſtand: Denn da er ſie, auf ſeiner Mutter Inſtru - ction, freundlich auf ihn reden, und ihm zu ihrer Liebe Hoffnung machen hoͤrte, wurden ſeine Le - bens-Geiſter fuͤr Freuden in ſolche unordentliche Bewegung gebracht, daß ſein Fieber mit mehrerer Hefftigkeit und Gefahr wieder kam; Es verließ ihm aber bald hernacher gaͤntzlich, daß er merckli - che Kraͤffte empfienge und faͤhig war auszugehen. Es wurde in einer Woche immer beſſer und beſſer mit ihm; Weil er aber noch immer in ſehr aberwi -S 2tzigen276Madame Davis,tzigen Terminis von Eliſabeth redete, hohlte man ſie aufs neue zu ihm: Und indem ſie in einer Stube alleine beyſammen gelaſſen wurden, ge - wannen ſeine Betheuerungen und Geluͤbde eines ehrlichen Endzweckes, ihr Hertz in ſo weit, daß ſie aufrichtig verhieſſe, ihm nach allem Belieben zu gefallen zu leben; Jedoch mit ſolcher Fuͤrſichtig - keit, daß ſeine Frau Mutter in denen Gedancken gelaſſen wuͤrde, Eliſabeth habe nicht das gering - ſte wider ihre Neigung vorgenommen. Nach 14. Tagen war unſer Herr Advocat ſo wohl reſtituiret, daß er alles zu einer Reiſe nach Lon - don fertig machte; und als er ſolche antrat, ka - men ſie zu Coventry zuſammen, von wannen er ſie nach Grays-Inn brachte und daſelbſt ſchwaͤchete.
Holtz, das bald Feuer faͤngt, haͤlt nicht lange Kohlen; Alſo gienge die fliegende Hitze ſeiner Be - gierden auch geſchwind voruͤber, und die ſo bruͤn - ſtig geliebte Eliſabeth ſahe ſich von ihm verlaſ - ſen, welches ſie dergeſtalt verdroſſe, daß, ungeach - tet er ihr zum Unterhalt jaͤhrlich 50. Pfund ver - machet haben wuͤrde, der Hochmuth ihres Ge - muͤthes doch ſo groß war, daß ſie lieber eine ge - meine Beyſchlaͤfferin in der Stadt wurde, als ſich gegen ſeinen Humeur gefaͤllig auffuͤhrte, biß ſie durch ihre unordentliche Lebens-Art dergeſtaltins277und der Lord Mohun. ins ſchwartze Regiſter geriethe, daß man ſie in[d]en Poultry-Compter warff, von wannen ſie durch einen Haͤſcher nach Newgate gefuͤhret wurde; allwo ſie in groſſe Duͤrfftigkeit wuͤrde geſtuͤrtzet worden ſeyn, daferne ſie nicht ein ge - wiſſer Herr, welcher zu gleicher Zeit daſelbſt ge -[f]angen lag, fuͤnf Monate veralimentiret und end -[l]ich in die Freyheit geſetzet haͤtte. Als ſie wiederum[a]uf freyem Fuß, und an einem Abend in der Co -[m]œdie war, begab ſichs, daß der Lord Mo -[h]un mit ihm in Bekanntſchafft geriethe; Jndem[n]un diejenige, ſo vor kurtzem ſelbſt eine Gefan -[g]ene geweſen, ihn ſowohl durch ihre ausbuͤndige Schoͤnheit als unvergleichlichen Verſtand, zu ih -[r]em Gefangenen machte, verwandelte ſie ihre Feſ -[ſe]ln in Palmen und ſeinen Lorbeer-Krantz in ein[b]edecktes Sclaven-Haupt. Gewißlich, er war[ſo]vergnuͤgt uͤber dieſer neuen Beute, daß er ſie[d]em delicateſten Triumph, den er iemahls[u]nter dem Bannier der Veneris und des klei -[n]en Cupidinis erhalten, zu ſeyn vermeynte. Er[b]eſtimmte ihr demnach eine Liebes-Penſion, die[ſi]ch jaͤhrlich uͤber 400. Pfund belieffe, welche ſie[a]uch zwey Jahr und vier Monate ruhig zu ge -[ni]eſſen hatte; Als ihm aber das ungluͤckliche Fa -[tu]m begegnete, daß er in einem Duel im Hy -[d]e-Parck, am Sonnabend des 15den No -[v]embers 1712. von dem Hertzog HamiltonS 3recht -278Mad. Davis, und der Lord Mohun. rechtmaͤßiger Weiſe getoͤdtet wurde, verlohr ſie dadurch ihren jaͤhrlichen Unterhalt auf einmal: Und weil ſie ſodann wiederum in aͤuſſerſte Drang - ſal gerathen, wurde ſie, wegen einer Schuld von 84. Pfunden, in den Woodſtreet-Compter geworffen, woſelbſt ſie ſich nicht uͤber drey Mo - nate befunden, als ſie ſich dergeſtalt voll Wachol - der-Brandewein geſoffen, daß ſie darvon, ohn - gefehr im drey und zwantzigſten Jahr ihres Alters, die unſelige Seele aufgab.
ENDE.
DJe geneigte Aufnehmung, wo - mit der erſte Theil der ge - heimen Hiſtorie derer be - ruͤhmteſten Coquetten in England, begluͤcket worden, encouragi - ret uns, der galanten Welt mit dem an - dern auch aufzuwarten. Der Jnnhalt davon iſt ſehr curieux, und ſuchet den ſchaͤndlichen Lebens-Wandel derer merckwuͤrdigſten Concubinen und Gluͤ - ckes-Jungfern, von vielen Jahren an, biß auf dieſe gegenwaͤrtige Zeit, mit leb - hafften Farben abzuſchildern: Auf daß andere hieraus erkennen lernen, was maſſen Ehebruch und Hurerey keineswe - ges Fuͤrſtliche oder Adeliche Exercitia, ſondern ſolche vor GOTT und erbaren Menſchen verhaſſete Laſter ſeyn, daß, mit was fuͤr Nahmen man dieſelben auch be - ſchoͤnigen will, ſie doch allemal mit einem traurigen und Jammer-vollen Aus - gange begleitet werden.
Es haben einige Gelehrte die Mey - nung geheget, daß die verbothene Fruch -S 4[mit -]280Vorredemitten im Garten, welche der Groß - maͤchtige Schoͤpffer aller Dinge durch einen ſpecialen Befehl ſo ſcharff unterſa - get, und womit der Teuffel die Eva hauptſaͤchlich verſuchet, nichts anders als die Fleiſches-Luſt geweſen waͤre. Was dieſes fuͤr Einwuͤrffe leiden moͤchte, deßwegen will ich mich hier in keinen Streit einlaſſen, ſondern nur ſo viel er - wehnen, daß Keuſchheit und Unkeuſch - heit ſolche abgeſagte Feinde ſind, daß ſie nimmermehr, ſo wenig als Tag und Nacht, oder Licht und Finſterniß, ſich mit einander vereinigen koͤnnen: Denn die erſte iſt eine ſchoͤne und hell-blitzende Tu - gend, die andere aber ein abſcheuliches und hoͤlliſches Laſter. Keuſchheit ma - chet uns herrlicher als Engel; Aber Un - keuſchheit verſtellet uns aͤrger als die Teuffel. Wahre Liebe iſt das Weſen, welches die Seele vom unſchuldigen Ver - langen zu keuſcher Umarmung beweget; Unzucht hingegen iſt des Teuffels Rauch - Faß, welches uns erſt mit unerlaubten Flammen anſtecket, und alsdenn uͤber alle geheiligte Graͤntzen der Erbarkeit, Billigkeit und Religion, die gottloſen Begierden einer brennenden Luſt zu ſtil -len,281zur andern Abtheilung. len, gewaltſamer Weiſe hinuͤber ſtoͤſſet.
Gleichwie die Welt an Jahren zunim - met; alſo nehmen die Weiber an Boß - heit zu: Maſſen immer ein Seculum nach dem andern aͤrger wird, als die vo - rigen geweſen. Man mag demnach mit dem Poeten wohl von ihnen ſagen:
Sieh ein laſterhafftes Weib ja mit keinemAuge an!Weil man auf der gantzen Welt nichtsmonſtreuſers nennen kan:Waͤr ſie muͤrriſch, ſtoltz, verſtockt, oder einegeile Betze,Voller Bosheit, Trug und Liſt, ja die aller -ſchlimmſte Metze,So hieß dieſes alles nichts, und man par -donirte noch,Weil doch ein zerbrochner Hafen ſeltengaͤntzlich ohne Loch;Aber, leider! in der That kan man ſie viel aͤr -ger heiſſen,Denn ſie weiß den Teuffel ſelbſt in der Hoͤlle zubeſch-meiſſen.
Denn ſo ein Weibes-Bild ihre Tugend und Ehre denen unzuͤchtigen Umarmun - gen deßjenigen, auf den ſie ihre Affection geworffen, einmal aufgeopffert hat, pfle - get ſie ſich allen Arten derer abſcheulich - ſten Laſter zu uͤberlaſſen; ſo gar, daß ſie vielmals kein Bedencken traͤget, auch dieS 5grau -282Vorredegrauſamſten Mord-Thaten zu begehen. Doch, ſo leichtfertig die Welt auch iſt, ſo muß ich gleichwohl ſo viel zum Behuf des weiblichen Geſchlechtes ſagen, daß die Keuſchheit ſich ſo wenig, als die Wolluſt, einſchraͤncken laͤſſet, und wir ſo viel herr - liche Exempel der einen, als erſchreckliche Beyſpiele der andern antreffen. Der Ju - dith Nahme wird wegen ihrer keuſchen Auffuͤhrung mit auf der Grabſchrifft des untergehenden Welt-Gebaͤudes ſtehen, wenn Lais das Andencken ihrer Leichtfer - tigkeit bloß durch ihre Schande fort - pflantzet. Und die unerſaͤttliche Meſſalina war nicht ſo wohl ein Schand-Flecken, als die zuͤchtige Lucretia die Ehre ihres Geſchlechts, welche, wie bekannt, ihre Zu - flucht von denen heiſſen Umfahungen des bruͤnſtigen Tarquinii in die kalten Arme des Todes nahm: Weil ihre reine Seele an demjenigen Leibe, der die Befleckung des ſchaͤndlichen Ehren-Raͤubers erdul - ten muͤſſen, nunmehro einen Abſcheu em - pfande; als eroͤffnete ſie die Thuͤr zu ih - rem ſelbſt-eigenen Grabe mit unerſchro - ckenem Muthe, indem ſie die unbefleckte Bruſt mit einem toͤdtlichen Stahl durch - bohrete.
Socra -283zur andern Abtheilung.Socrates, einer von denen beruͤhmteſten Philoſophis ſeiner Zeit, ſaget, daß die Schoͤnheit in derer Huren ihrem Ange - ſicht, und die Thorheit in ihren Koͤpffen, zween Wuͤrmer waͤren, welche denen Maͤnnern das Leben abfraͤſſen, und ihre Guͤther verwuͤſteten. Euripides meldet, daß, obſchon einige Weiber keuſch zu ſeyn ſchienen, ſie doch einen heimlichen Gefal - len am Wechſel haͤtten; und ungeachtet ihre Auffuͤhrung iederman noch ſo einge - zogen vorkaͤme, nichts deſtoweniger koͤñ - ten ſie es gar wohl uͤber das Hertze brin - gen, daß ſie ihre Ehre denen Umarmun - gen einer oder der andern Manns-Per - ſon inſonderheit uͤberlieſſen. Plato be - richtet uns, was maſſen derer Huren ihre Angeſichter Lock-Speiſen, ihre Blicke Netze, und ihre Worte reitzende Bezaube -[r]ungen waͤren. Und Sophocles thut den weiſen Ausſpruch, daß einer leichten Me - tze ihr Gemuͤth ungewiß ſey, und ſo viel[n]eue Anſchlaͤge, als ein Baum Blaͤtter, habe: Denn die Zaͤhne waͤſſerten ihr al -[l]ezeit nach dem Wechſel, und ſie pflege[d]enjenigen ſelten recht hertzlich zu lieben, mit dem ſie eine Zeitlang umgegangen waͤre.
Ja,284Vorrede zur andern Abtheilung.Ja, was wollen wir uns lange nach Heydniſchen Zeugniſſen umſehen? Salo - mo, der Weiſeſte unter allen Menſchen - Kindern, warnet uns treulich fuͤr dem Umgange mit unzuͤchtigen Weibes-Per - ſonen, wenn er ſaget: So hoͤret mir demnach zu, o ihr Kinder! und gebt wohl Achtung auf die Worte meines Mundes: Laß dein Hertz ferne von ihren Wegen ſeyn, und nahe nicht zur Thuͤr ihres Hauſes! Denn ſie hat manche verwundet zur Erden geſtuͤꝛ - tzet, ja, viele Helden ſind von ihr zur Erden geſtuͤrtzet worden: Jhr Haus iſt der Weg zur Hoͤlle, welcher hinab zu den Kammern des Todes leitet. Hier hat man eine ſolche Beſchreibung von einer Hure, wie ſie der goͤttliche Pin - ſel ſelbſten abgeſchildert, daß, wenn nur ein Menſch ſeinem Untergange und Ver - derben nicht gaͤntzlich uͤbergeben iſt, ihn dieſes von ihren unreinen Umfahungen nothwendig abſchrecken muß; Und zwar um ſo viel deſtomehr, weil es von einem Koͤnige herruͤhret, der ſolches alles an ſei - ner ſelbſt eigenen hohen Perſon mit groſ - ſem und unausſprechlichen Scha - den erfahren hat.
OBwohl dieſe Mademoiſelle keine von denen Schoͤnſten, ſondern eine kurtze, dicke Weibs-Perſon, von ziem - lich brauner Farbe war, und darnebſt einen groſſen Stern in ihrem Auge hatte; So ließ ſich dennoch ein Frantzoͤſiſcher Graf dermaſſen von ihr verblenden, daß er, zur groͤſten Mortification einer andern Maitreſſe, die er zu eben derſelbigen Zeit auf der Streue hielte, mit ihr in einem Liebes - Verſtaͤndniß lebte: Denn weil dieſe, welche Sedieres hieſſe, einige Tage anhero in vielen Stuͤcken eine ungewoͤhnliche Kaltſinnigkeit an ih -rem286Koͤnig Carolus II. rem Liebhaber verſpuͤhret, und angemercket hatte, daß er oͤffters ausgienge, und laͤnger auſſen bliebe, als er ſonſt ordentlich pflegte, erregte dieſes eine ſol - che Jalouſie in ihrer Bruſt, daß ſie endlich den Schluß faſſte, ihm nachzuſchleichen und zu ſehen, wo er hin gienge. Sie ſaͤumte ſich auch nicht lang, ihrer Curioſité ein Gnuͤgen zu leiſten: Denn an eben demſelben Tage, da ſie dieſen Vorſatz genom - men, wollte der Graf hingehen und bey der Loviſe de Querovaille (denn ſo hieß die Hertzogin von Portsmouth) ſeine Viſite ablegen; Und indem Madame Sedieres auf ihn lauerte, ſahe ſie ihn in jener Hauß hinein gehen, worauf ſie ſich voller Mißvergnuͤgen, daß ſie ſich wegen einer andern der - geſtalt verachtet ſehen ſollte, von dieſem gefaͤhrlichen Ort wiederum hinweg begab. Jndem er ſich aber bey dieſer allerliebſten Perſon befande, kam ein ge - wiſſer Herr, der ſein vertrauter Freund war, darzu, und ruffte ihn auf die Seite, ihm erzehlende, was maſſen er Madame Sedieres um die Thuͤr herum auf und nieder ſpatzieren geſehen, und es demnach hohe Zeit waͤre, auf Mittel und Wege zu dencken, wie ſeine Liebe vor ihr verborgen gehalten wuͤrde. So bald er Sedieres nennen hoͤrte, wurden alle ſeine Sinne in Verwirrung geſetzet, daß auch ſeine neue Maitreſſe ſolches gewahr wurde, und ihn fragte, worvon ſolche ſchnelle Veraͤnderung her - ruͤhrete? Er berichtete ſie, die Sache waͤre nichtwerth,287und die Hertzogin von Portsmouth. werth, daß man ſie anhoͤrte, denn dieſer gute Freund erzehlte ihm nur etwas neues, welches er ſehr un - gerne vernaͤhme, daß nehmlich ein gewiſſer guter Freund von denen ſeinigen eben ietzo verſtorben ſey. Mittlerweile ſahe er ſich doch genoͤthigt, die - ſes Hauß, worinnen ihn tauſenderley erſchreckliche Gedancken beunruhigten, zu verlaſſen: Denn, weil ihn Madame Sedieres durch ihre eigene Augen ausgeſpuͤhrt, ſo hatte er allerdings Raiſon, ſich zu befuͤrchten, ſie duͤrffte ihn um ſeine neue Amour bringen. Zu dieſem Ende zog er ſeinen Freund in einen Winckel des Zimmers, und berathſchlagte ſich mit ihm, was am beſten bey der Sache zu thun waͤre, damit man ſeiner erſten Maitreſſe alle ge - faͤhrliche Eyferſucht, die ſie vielleicht moͤchte einge - ſogen haben, aus dem Kopffe braͤchte. Der Schluß ihrer kurtzen Conference beſtunde darinnen: Sie wollten mit einander hinaus gehen, und wo - ferne Sedieres noch ſollte auf der Schildwache ſtehen, (die aber ohne ihr Wiſſen ſich ſchon wie - derum nach Hauſe begeben hatte) koͤnnte ſich der Graf anſtellen, als naͤhme es ihm hoͤchlich Wun - der, ſie allda anzutreffen; Darnebſt wollten ſie vorgeben, daß das Hauß, aus welchem ſie dieſelbe heraus kommen ſaͤhe, ſein gewoͤhnlicher Spatzier - Gang waͤre, den er wegen der Converſation eines gewiſſen Moraliſten oͤffters auf ſich naͤh - me, als welcher dieſes Hauß zu beſuchen pflegte,und288Koͤnig Carolus II. und in deſſen Geſellſchafft er ſo viel Vergnuͤgen empfaͤnde, daß, wehrender ſeiner Anweſenheit, ihm viele Stunden nur kurtze Augenblicke zu ſeyn ſchie - nen. Nachdem der Anſchlag alſo abgeredet war, nahm er von der Madame Querovaille Ab - ſchied, und gieng in Begleitung ſeines Freundes zum Hauſe hinaus.
Als darauf der Graf und ſein Freund von ein - ander ſchieden, gieng jener nach Hauſe, wo er Madame Sedieres eben antraff, da ſie Cho - colate trancke; Und indem er ſich neben ihr nie - derſetzte, ſagte er laͤchelnde: Waren ſie es nicht, meine Wertheſte! die ich vor einer Stun - de ſahe? Wenn ſie es nicht geweſen, ſo iſt gantz gewiß eine Perſon in dieſer Stadt Paris, die ihnen gantz gleich ſiehet. Jch war es leibhafftig, erwiederte Madame Sedieres auf eine gar ernſtliche Weiſe, denn ich hatte mir vorgeſetzt, mit meinen eigenen Augen zu ſehen, wohin ſie alle Tage ge - hen, um die Urſache zu erfahren, warum ſie mich ſo geringſchaͤtzig halten. Jch wuͤnſche, daß mein Verdacht uͤbel ge - gruͤndet ſeyn moͤge, ſetzte ſie ſeufftzende hin - zu, aber ach! wie beſorgt bin ich, daß zu meinem, und vielleicht am Ende auch zu Dero ſelbſt eigenem Leidweſen, ich leider! nur allzuviel Urſache darzu habe. Was? ſind289und die Hertzogin von Portsmouth. ſind ſie bezaubert? fiel ihr der Graf in die Re - de, daß ſie dergleichen Dinge vorbrin - gen? Sagen ſie es im Ernſt, oder belie - ben ſie nur alſo zu ſchertzen? Woferne ſie ohne Verſtellung reden, werde ich mir ein Vergnuͤgen daraus machen, daß ſie ſich mit ihrer unzeitigen Curioſité ſelbſt quaͤlen, und durch ihren ungegruͤndeten Argwohn beſtraffen, wenn ich ſie hin an den Ort fuͤhre, wo ſie mich geſehen, und ihnen die Urſachen, weßwegen ich dahin gehe, bekannt mache. Alsdenn erzehlte er ihr alles, was er und ſein Freund mit einander ab - geredet hatten; und da ſie alle dem, was er vor - brachte, Glauben beyzumeſſen ſchiene, fiengen ſie beyde an, auf gar vergnuͤgte Weiſe mit einander zu ſchertzen, und nachdem ſie uͤberaus liebreich zu - ſammen geſpeiſet hatten, begaben ſie ſich mit ein - ander zu Bette, allwo der Graf die Nacht mit lauter Unruhe zubrachte. Denn er hatte nicht ſo bald ſeine Augen zugethan, als er von denen er - ſchrecklichſten Traͤumen beaͤngſtiget wurde: Unter andern duͤnckte ihm, Madame Querovaille habe ihre Mitbuhlerin entdecket, und ſchaͤndiere ihn deßwegen aufs grauſamſte aus; ja, es kam ihm vor, als ob ſie, ſo blaß als der Tod ausſehend, mit bethraͤnten Augen, uͤber und uͤber zitternd, ſich der Verzweifflung gaͤntzlich uͤberlaſſen und mit einemTent -290Koͤnig Carolus II. entbloͤſten Dolch in der Hand uͤber ihn herwiſchte, des Vorſatzes, tauſend Loͤcher in ſeine Haut zu ma - chen. Seine Seele wurde von dieſem greulichen Phantaſma dergeſtalt gepeiniget, daß, ſo feſt er auch ſchlieffe, er uͤberlaut ſchrie: Ach! wertheſte Querovaille, was wollen ſie machen? Alsdenn erwachte er mit groſſem Schrecken; und wiewohl er ſahe, daß es nur ein Traum geweſen, ſo brachte er nichts deſtoweniger die Nacht auf eine ſehr kuͤmmerliche Weiſe zu, und war voller Grillen, es duͤrffte einiges Abendtheuer und fatalen Zufall vorher verkuͤndigen.
Allein der Ausgang von dieſem Traum hatte keine andere Bedeutung, als daß Madame Sedieres des Morgens zu der Querovaille ins Hauß gienge, ehe ſie aufgeſtanden, und ihr zu erkennen gab, was ſie fuͤr Antheil, vor jener, an des Grafen Hertz habe. Sie verfuͤgte ſich wiederum zuruͤck nach Hauſe, ehe ihr Liebhaber noch aufgeſtanden war, welcher ſich hierauf ankleidete, und alle krummen Umwege auf der Querovaille ihre Wohnung zunahm, auch ſich immer einmal um das andere umſahe, ob ihn etwa Sedieres wieder hinterſchleichen moͤchte. Es war aber damals zu langſam, Fuͤr - ſichtigkeit zu gebrauchen: Das Pferd war ge - ſtohlen, und dahero zu ſpaͤte, den Stall zu verwahren; Doch langete er in kurtzem an dem Ort an, wo er ſeine vollkommenſte Gluͤckſeligkeitzu291und die Hertzogin von Portsmouth. zu genieſſen vermeynte; Allein er war nicht ſo bald von Querovaille erblicket worden, als ſie ihm einen dichten derben Ausputzer gab, ſagende: Habt ihr dieſe verfloſſene acht Monate euch die Freyheit nehmen koͤnnen, mich meiner Ehre zu berauben, wenn ihr ſchon eine Frau oder Maitreſſe voꝛ mir gehabt habt? Und zwar eine ſolche, deren Vermeſſen - heit ſo groß iſt, daß ſie mir dieſen Mor - gen unter Augen ſagen duͤrffen, ſie wuͤſte ſchon Mittel und Wege, wodurch ſie mich wegen meiner Kuͤhnheit zur Reue bewe - geu wollte; Mit welchen Worten ſie wie ein Blitz vom Stuhl auffuhr und wie eine Furie gantz raſend zum Hauſe hinaus lieffe. Jch bliebe meines Theils eine Zeitlang gantz Sprachloß und erzitterte, alſo, daß ich kaum vermoͤgend war mit ihr zu reden. Seit dem hat mein Schmertz durch eure Falſchheit dergeſtalt zugenom - men, daß ich kaum faͤhig bin, mein grau - ſames Verhaͤngniß lebendig zu ertragen. Dencket nur nach, ob ich nicht Urſache genug, mich zu betruͤben, und wichtige Raiſon, mich zu beklagen, habe? beſchloß Querovaille. Ja, meine Wertheſte! ant - wortete der Graf, ſie haben mehr als zu viel Raiſon, iedennoch aber laſſen ſie ſich nichtT 2von292Koͤnig Carolus II. von allem, was ihnen dieſes verzweiffelte Weib weiß gemachet, in Harniſch jagen. Und damit ich ſie deſto beſſer uͤberzeugen moͤge, fuhr er fort, was maſſen ſie ſich nichts von ihr zu befahren haben, ſo will ihnen eine glaubwuͤrdige Nachricht von allem geben, wie die Sachen zwiſchen mir und dieſem nichtswuͤrdigen Coͤrper ſtehen. Hierauf erzehlte er der bekuͤmmerten Querovaille alles, was ſich mit Sedieres, ſeit dem er ſie aus der Hertzogin von Orleans Dienſten genommen, begeben habe: Er verſicherte ſie ferner, daß er ihr keine Naſe gedrehet, ſondern ſeine Liebe redlich und von einer unumſchraͤnckten Hefftigkeit waͤre; und nichts in der Welt, ſollte ſeinen Schluß, den er ge - faſſet, ſie biß in den Tod zu lieben, unterbrechen: Betreffend Sedieres, wollte er ſich einer ſtrengen Methode, ihre Frevelhafftigkeit zu beſtraffen, be - dienen, ja, es von Stund an dahin bringen, daß ſie ihm als ſeine Magd aufwarten muͤſte, woferne ihn nicht die Befahrung des Lermens, der daraus entſtehen koͤnnte, darvon abhielte. So faſſen ſie ſich demnach einen Muth, meine werthe - ſte Querovaille, ſagte der Graf, und ver - bannen ihre verdruͤßliche Grillen von dieſem Augenblick an; Woferne es wahr iſt, daß ſie mich lieben, und ſie noch dieje - nige Meynung fuͤr mich hegen, die vonDero293und die Hertzogin von Portsmouth. Dero allerliebſten Perſon habe, ſo fuͤrch - ten ſie nichts, denn ich will Dero Gluͤck - ſeligkeit in kurtzem vollkommen machen. Dieſe Worte wurden von einem Bach voll Thraͤ - nen begleitet, wormit er ihre Haͤnde benetzete, in - dem er ſolche in ſeine einſchloſſe und alle Augenblicke mit einem demuͤthigen Kuß verehrete.
Weil ſich nun alsdenn Querovaille anſtellte, als ob ſie des Grafen Aufrichtigkeit vor bekannt an - naͤhme, gieng er mit ungemeiner Freude und Ver - gnuͤgen nach Hauſe, wo er in ſeine Kammer hinein trat, und Madame Sedieres zu ſich holen ließ. Er ſahe ſie nicht ſo bald, als er mit groͤſſeſtem Eyfer alſo loßbrach: Habt ihr vergeſſen, wer ihr ſeyd, und wer ich bin? Und muͤſſet ihr die Guͤtigkeit, die ich beſtaͤndig fuͤr euch ge - heget habe, dergeſtalt mißbrauchen? Un - danckbares Menſch! Jſt dieſes der Re - ſpect, den ihr fuͤr mich haben ſollet? Mey - net ihr, ich wiſſe von eurer unbeſonnenen Vermeſſenheit nichts? Da ihr euch um mein Thun und Laſſen bekuͤmmert, und mir mein Haus aufruͤhriſch machet? Jhr ſeyd ſo unverſchaͤmt geweſen, eine Per - ſon zu mißbrauchen, der ich, in Betrach - tung eines geliebten Freundes, welcher ſie als ſeine Liebſte bedienet, alle Ehre und Hochachtung ſchuldig bin. Geht, pa -T 3cket294Koͤnig Carolus II. cket euch, und ſcheuet meinen Zorn! Und ſeyd verſichert, daß ich euch den Poſſen, den ihr mir geſpielet, ſo lange als ich lebe, nicht vergeſſen will. Daferne ihr auch inskuͤnfftige einen Fuß, ohne meine Ver - willigung und Wiſſenſchafft, wo ihr hin - gehet, zum Hauſe hinaus ſetzen werdet, ſo glaubet nur gantz gewiß, daß ihr nimmer - mehr wieder herein kommen ſollet. Der Graf brachte dieſes auf eine Art vor, welche einen ſo groſſen Eindruck in dem Gemuͤthe ſeiner alten Maitreſſe hatte, daß ſie ſich zu ſeinen Fuͤſſen warff, ſeine Knie umarmete, und tauſendmal um Verzei - hung bath, mit Betheuerung, ſie wollte nicht eher wieder aufſtehen, biß er verſpraͤche, ihr den Fehler, welchen ſie aus Ubereilung begangen, zu vergehen, und daß er ſie nicht verſtoſſen wollte. Dieſe Sub - miſſion ruͤhrete ihn dergeſtalt, daß er ſie alsbald von ihren Knien aufrichtete, ſie umfienge, und ihr einmal fuͤr allemal zu erkennen gab, was maſſen er ihr die Aufſicht uͤber ſein gantzes Haus und alle Be - dienten uͤberlieſſe, was aber ſeine geheimen Affai - ren anlange, waͤre ſein Verlangen, daß ſie ſich nie - mals darein miſche, oder darum bekuͤmmere, er muͤ - ſte es denn ſelbſten haben wollen. Nachdem er ſich nun alſo wieder mit Madame Sedieres ver - ſoͤhnet, und hierdurch zum voͤlligen Meiſter uͤber ſie gemachet hatte, gieng er des naͤchſten Tages amAbend295und die Hertzogin von Portsmouth. Abend hin, der Madame Loviſe de Quero - vaille eine Viſite zu geben, die aber denſelbigen Morgen nach Verſailles gereiſet war, von wel - chem Hofe ſie ſich Recommendation nach dem Engliſchen Hofe verſchaffete; und ſo bald ſie allda angelanget, hatte ſie die Ehre, Koͤnigs Caroli des Andern Maitreſſe zu ſeyn, der ein gar freundli - cher Printz war, und faſt eine iedwede von ſeinen Unterthaninnen liebte, dem Character gemaͤß, nach welchen ihr Monſ. Butler in ſeinen Wer - cken, die erſt nach ſeinem Tode heraus gekommen, und zwar in folgendem beſchrieben hat:
Fahr, braver Carol, nur ſo fort!Und wann dein zarter RuͤckenNicht ſtrandet vor dem Wolluſt-Port,So wird ſichs endlich ſchicken,Daß ſich dein Hof darauf befleißt,Wie er dich mit CareſſenNicht Koͤnig, ſondern Vater heißt:Denn weil ſo viel MaitreſſenMit leeren Koͤpffen um dich ſtehn,Und deinen Thron anſtecken,Die du, o Koͤnig! gar zu ſchoͤnMit Schutz weiſt zu bedecken;So wird dein Hof in kurtzem leichtVon Baſtart-Soͤhnen wimmeln,Die Muͤtter um das Geld gezeugt,So ihre Freuden-HimmelnGenoſſen hier in dieſer Welt,Weil ſie von Schlamm und Kellern,T 4Ein296Koͤnig Carolus II.Ein Koͤnig in das Bett beſtellt:Der ſchlaͤgt (weils ihm nun ſo gefaͤllt)Ducaten aus den Hellern.
Da ſich der Frantzoͤſiſche Graf alſo betrogen fande, ſuchte er ſie auf alle Art aus dem Gedaͤcht - niſſe zu bringen; Und weil er ſeine vorige Gemuͤths - Ruhe wieder bekam, entſchloſſe er ſich, gerades Weges nach Hauſe zu gehen, und die Sache mit ſeiner getreuen Madame Sedieres im rechten Ernſt wieder gut zu machen. Als er daſelbſt an - langte, ſchiene er gegen ſeine erſte Maitreſſe weit beſſer diſponirt zu ſeyn, als er vor kurtzem gewe - ſen: Und Madame Querovaille war ohne Zweiffel mit ihrem neuen Galan auch viel beſſer zu frieden, welcher ihr alle Woche 1000. Pfund be - ſtimmte, woraus ſie gar wohl guͤldene Paſteten machen kunnte; worauf der bereits angezogene Poet alſo ſtichelt:
Ein groſſer Herr wollt gar zu gernAuf ſeine Koſten wiſſen,Wie groß, wie klein, wie nah und fern,Sich die Natur beflieſſenDes Unterſcheids bey einem Weib,So Engelland gezeuget,Und einem, deſſen zarter LeibAus Franckreichs Graͤntzen ſteiget.Beſtieg demnach ein munter Pferd,Das ſchon bey den Frantzoſen,Ein Graf von gar geringem Werth,Hatt’ zu Paris verſtoſſen.Das297und die Hertzogin von Portsmouth.Das Antlitz ſahe Apffel-rund,Die Lenden ſchlang, wie Linden,Das Hertz war keuſch, als wie ein Hund,Und ſchien doch fromm bey Blinden.Mit dieſer ſuchte der MonarchDie geile Luſt zu buͤſſen,Damit er moͤcht den gantzen QuargVon Franckreichs Waaren wiſſen,Jn was fuͤr Werth und EigenſchafftDieſelben gangbar waͤren:Drum ließ er auch mit gantzer KrafftSich eine bald bethoͤren.Madame Stinckwitz wuſte ihnDen Beutel brav zu fegen;War fleißiger als eine Bien:Wie ſolche Huren pflegen.So gar, daß ſie den vollen Quell,Woraus ſie tranck, erſchoͤpffte;Und dennoch ſah er nicht ſo hell,Wie grauſam ſie ihn ſchroͤpffte.Ja ſeine GeneroſitéGereichte ihm zur Blame:Denn iedermann, zu Land und See,Gedachte ſeiner Dame,Die guͤldenes Paſteten-WerckVollauf nach Franckreich ſandte,Und unſers Koͤnigs Krafft und StaͤrckDem Vaterland zuwandte.
Sie hatte ſich nicht lange in Engelland befun - den, ſo wurde ſie zur Graͤfin von Farnham und Hertzogin von Portsmouth gemachet; Es iſtT 5auch298Koͤnig Carolus II. auch noch ein Sohn von ihr, den ſie mit Koͤnig Ca - rolo II. gezeuget, am Leben, nehmlich der ietzige Hertzog von Richmond. Nach des Koͤnigs Tod begab ſie ſich wieder nach Franckreich, ihr Le - ben allda zuzubringen; endlich aber iſt ſie wiederum zuruͤck nach Engelland gekommen.
DJeſe Koͤnigliche Maitreſſe war dem Gra - fen von Caſtlemain noch bey ſehr jun - gen Jahren vermaͤhlet worden; eine Dame von ſo vortrefflicher Schoͤnheit, daß ſie da - mit alle andere ihres Geſchlechts, wie die Sonne die Sterne, verdunckelte. Der Ruff von ihren Seltenheiten war auch ſo groß, daß Koͤnig Caro - lus der Andere, damit er nur bloß ihre Perſon ſe - hen moͤchte, zu ihrem Mann ins Hauß gienge und ſich bey ihm zu Gaſte bath; Weil ſie ſich nun auch mit in Compagnie befand, wurde des Mo - narchen Hertz durch das bezaubernde Weſen ih - rer Klugheit und Converſation voͤllig beſieget, als welchem man ſo wenig, als der Gewalt ihres An - geſichtes und ſchoͤnen Geſtalt zu widerſtehen ver - mochte; Ja, ſie erſchiene in beyden ſo herrlich, daßSeine299und die Hertzogin von Cleaveland. Seine Majeſtaͤt alsbald zu ihrem Gefangenen und mit guͤldenen Ketten der Liebe gefeſſelt wurde.
Nach dieſer Viſite befande ſich der Koͤnig ſo unruhig, daß ihn nichts die Grillen vertreiben kunnte, biß er dieſe Dame wieder ſahe: Zu dieſem Ende bediente er ſich aller Gelegenheiten, ihre Ge - ſellſchafft in geheim zu genieſſen; Endlich erhielte er ſeinen Wunſch, und indem er ſie mit verliebten Diſcourſen unterhielte, verſpuͤhrte er bald, daß er der Graͤfin nicht weniger angenehm, als ihr Um - gang ihm, waͤre. Alſo fuhren ſie bey dieſer erſten Zuſammenkunfft eine Weile mit einander fort, da immer eins das andere mit verliebten Blicken und betruͤbten Seufftzern, als der ſtummen, aber maͤch - tigen Beredſamkeit bruͤnſtiger Liebe, zu beſtuͤrmen ſuchte, biß endlich Seine Maj. ihr ſeine Neigung mit deutlichen Worten zu erkennen gab, woruͤber ſie anfangs etwas beſtuͤrtzt zu ſeyn ſchiene; Als ſie ſich aber wiederum erholet, ließ ſie ſich vernehmen, ſie waͤre bereit Sr. Maj. Befehl zu gehorchen, und alles zu thun, wordurch ſie ihres Koͤnigs Vergnuͤgen befoͤrdern koͤnnte. Dieſe geneigte Erklaͤrung ſatzte den Koͤnig gantz auſſer ſich ſelbſten, und verleitete ihn, daß er mit groͤſter Entzuͤckung ſagte: Jch liebe, meine ſchoͤnſte Caſtlemain; Jch lie - be ſie, und keine Belohnung iſt mir ſchaͤtz - bar, als die mir ihr Hertze giebet, oder mich meines Lebens beraubet: Befiehltmir300Koͤnig Carolus II. mir nun Dero Guͤtigkeit zu leben, ſo lebe ich ihr Diener; Wo nicht, gebiethet mir ihre Ungenade, den Augenblick als Dero Maͤrtyrer zu ſterben. Die Graͤfin erroͤthete, und was ihr die Schamhafftigkeit durch Worte auszudruͤcken nicht verſtattete, das erſatzten die languiſſanten Augen und unterbrochenen Seuff - tzer; Endlich brach ſie in dieſe Worte heraus: Sie ſollen leben, Großmaͤchtigſter Koͤnig! Sie ſollen leben! und diejenige grauſa - me Weibs-Perſon, die ihren Liebhaber ſterben laͤſſet, ſey auf ewig verflucht. Dieſe Erklaͤrung ſprach dem Koͤnig einen ſolchen Muth ein, daß er ſeine Liebe mit einer ſo tapffern Attaque fortſatzte, biß die Dame freywillig die Chamade ſchlug, und verhieſſe, daß das Hertz, welches er ſo heldenmuͤthig erobert haͤtte, ein un - endliches Sieges-Zeichen von dieſer angenehmen Victorie ſeyn ſollte. Nachdem der Koͤnig dieſe Verſicherung von Madame Caſtlemain Nei - gung erhalten hatte, that er einen offt wiederhol - ten Anfall auf ihre Tugend, mit allem ſcheinbarſten Vorwand, den ihn die Liebe einzugeben vermoͤgend war; Die Graͤfin, welche ihr Hertz dem Koͤnig allbereit eingeraͤumet, trug auch kein Bedencken, das Heiligthum ihrer Ehre ſeiner Bruſt mit gleicher Aufrichtigkeit anzuvertrauen: Alſo beraubete ſie Se. Maj. mit freundlichen Careſſen und liebli -chen301und die Hertzogin von Cleaveland. chen Schertzen, ihrer Keuſchheit; und ſie verwech - ſelte, mit denen Seufftzern einer ſchmachtenden Lieb - haberin, die angebohrne Unſchuld ihrer Seele fuͤr Schande und Thorheit: worinnen ſie eine ſolche Anmuth antraffen, daß ſie durch offtmalige Wie - derholung ihres unerlaubten Vergnuͤgens, ſich ih - rer tadelhafften Liebe gleichſam zu ruͤhmen ſchienen; welches ihrem Ehe-Gemahl, dem Grafen von Caſtlemain, dergeſtalt zu Hertzen gienge, daß er, ſein Mißvergnuͤgen zu daͤmpffen, uͤber Meer reiſete und daſelbſt ſturbe.
Nicht lange nach ihres bekuͤmmerten Lords freywilligem Exilio machte ſie der Koͤnig zur Her - tzogin von Cleaveland, und zeugete drey Soͤhne mit ihr, nehmlich den Hertzog von Grafton, den Hertzog von Northhumberland, und den Her - tzog von S. Albans, welche zween letztere noch am Leben ſind, der erſtere aber wurde in der Belagerung vor Cork in Jrrland getoͤdtet. Jhre unvergleich - liche Schoͤnheit noͤthigte zwar allen, die ſie nur ſa - hen, das Bekaͤnntniß ab, daß ſie ein vollkommenes Muſter ihres Geſchlechts ſey; ſie war aber danebſt von einem ſehr geilen und wolluͤſtigen Naturel; Doch der Koͤnig wurde dieſer Unanſtaͤndigkeit nicht gewahr: Denn der Glantz ihrer Augen, und die hellen Strahlen ihrer ſchoͤnen Geſtalt hatten ihn dermaſſen verblendet, daß er ſichs nicht einbilden kunnte, moͤglich zu ſeyn, daß ſie falſch gegen ihn waͤ -re;302Koͤnig Carolus II. re; ungeachtet er den Faͤhnderich Churchill im Bette bey ihr ertappete. Und ohne Zweiffel pfloge ſie auch eine groͤſſere Familiaritaͤt, als der Wohlſtand zulaͤſſet, mit Goodman, dem Comœdianten: Denn, als die Koͤnigin Catharina einſt Abends den Schauplatz in Bridgesſtreet beſuchte, um ihn die Perſon des groſſen Alexanders agiren zu ſehen, und die Courtinen, ſo bald ſich Jhro Ma - jeſt, in Dero Loge begeben hatten, aufgezogen wurden, befahl er, ſolche wiederum niederzulaſſen, maſſen die Hertzogin von Cleaveland noch nicht kommen waͤre, und ſchwuhre, daß, wenn gleich das Comœdien-Hauß von oben biß un - ten mit Koͤniginnen angefuͤllet waͤre, er dennoch das Tkeatrum eher nicht betre - ten wollte, biß Jhre Gnaden angelanget; Und weil dieſelbe ſich alsbald einfande, wurde die Comœdie denſelben Augenblick angefangen. Wer mehrere Umſtaͤnde von demjenigen, was dieſe unerſaͤttliche Hertzogin im Schilde gefuͤhret, zu wiſſen verlanget, kan ſolches bey dem ſinnreichen Herrn Butler, in ſeinen Operibus poſthu - mis, antreffen, woraus wir folgendes entlehnen wollen.
Des Koͤnigs dritte Augen-Luſt,Weit ſchoͤner, als die andern,Gerieth zur Schlang in ſeiner Bruſt,Und war ein Weib von Flandern,Das303und die Hertzogin von Cleaveland.Das er erſt aus dem Grafen-StandZur Hertzogin erhaben,Weil es ihm ſeinen geilen BrandMit Loͤſchung kunte laben.Doch weil, nach einiger Bericht,Sie ein ſo ſtarcker KuͤtzelAnfochte, alſo, daß ſie nichtKunnt ſtillen ein Scharmuͤtzel,Ließ ihre Ehre keineswegsSich an den Scepter binden,Weil auf dem Eiß des Wolluſt-StegsSie deren mehr kunnt finden,Die ihr mit ſuͤſſem Liebes-SchertzDie geilen Luͤſte ſtillten,Biß Stanck und Dampff von dieſer KertzDen gantzen Hof anfuͤllten.Doch war der Einfluß dergeſtaltVom ſaͤmmtlichen GeſtirneDer gantzen Hof-Statt viel zu kalt,Die Brunſt bey dieſer DirneZu loͤſchen, daß ſie vielmehr giengSeil-Taͤntzer aufzutreiben,Und ſolche, die ſich von der Kling,Schauplatz und Feder ſchreiben;Die muſten ihr mit aller MachtAufs geile Leder greiffen,Wie Dreſcher, ſo die Tenn’ gepacht:Heiſt dieſes nicht ausſchweiffen?Sie trugen wohl noch gar zum Lohn,Jn einem gruͤnen Beutel,Die guͤldenen Guineas davon:Denn Geld das iſt ja eitel!Da304Koͤnig Carolus II.Da dieſes nun der Hof erfuhr,So raſ’ten viel wie Teuffel,Daß einer um den andern ſchwuhr,Er wollte ohne ZweiffelJhr ein recht ſauberes FinalBey dem Beſchirmer machen,Daß mancher ſchelmiſche RivalSelbſt ſollte druͤber lachen.Geſagt, gethan: Der Koͤnig ließJhr bald den Abſchied geben,Ob man ſie ſchon die Schoͤnſte hieß,Dergleichen nicht am Leben.
Jedoch hatte die Hertzogin von Cleaveland ihr Neſt ſehr wohl mit warmen Federn verſehen, und lebte ſie in groſſem Staat und Splendeur nach dem Tode ihres Koͤniglichen Beſchirmers (Royal Cully, wie Koͤnig Carl II. von vielen genennet wurde.) Und als der ſchoͤne Fielding einen groſſen Mangel am Gelde hatte, welches ihm, bey ſeinen Ausſchweiffungen in der Hurerey und Sauffen, zu ſtatten kommen moͤgen, verliebte er ſich biß uͤber die Ohren in die Hertzogin, oder vielmehr in ihr Geld: Man mag glauben, welches man will, ſo viel iſt gewiß, daß ſie uͤber 60. Jahr alt war; welchem aber ungeachtet er ſie unaufhoͤrlich careſ - ſirte; und weil er die Zuverſicht hatte, eine Nonne in Verſuchung fuͤhren zu koͤnnen, wenn ſeine Bruſt einmahl mit Liebe und Verlangen erhitzet ſey, ließ er ſich gegen die Hertzogin vernehmen, daß, weilihre305und die Hertzogin von Cleaveland. ihre Schoͤnheit noch allein faͤhig waͤre, ſich ein Kaͤy - ſerthum unterwuͤrffig zu machen, ſowohl als ihre Klugheit, ſolches zu regieren, der Einfluß davon ſein Hertze dergeſtalt eingenommen, daß er nichts mehr wuͤnſche, als ihr unterthaͤnigſter Diener auf ewig zu ſeyn. Er ſatzte ſeine Bedienungen alle Tage mit groſſem Ernſte fort, biß er durch ſeine freundli - che Schmeicheleyen, holdſeligen Blicke und alle erſinnliche Careſſen und Flatterien, wormit er ſich bey ihr zu inſinuiren vermeynte, endlich einen ſolchen Eindruck in ihr Gemuͤthe machte, daß ſie des Handels eins wurden, und, ehe noch ihre Ver - lobung durch gewoͤhnliche Kirchen-Ceremonien vollzogen worden, ſich voͤllig mit einander verei - nigten.
Nachdem aber der ſchoͤne Fielding und die Hertzogin eine kurtze Zeit mit einander im Eheſtan - de gelebet hatten, machte ſich ihr Gemahl zum willkuͤhrlichen Beſitzer ihres voͤlligen Vermoͤgens, und ſolgete nicht nur ſeinen alten Ausſchweiffun - gen, in Verſchwendung alles deſſen, was er hatte, bey Wein und Frauenzimmer, weiter nach, ſondern ſpielte ihr auch noch darzu ſehr ungehobelt mit: Er tractirte die Hertzogin mit Pruͤgel-Suppen, leerte ihr Kuͤſten und Kaͤſten aus, und ſperrete ſie eines Tages gar ohne Eſſen und Trincken ein, mit Bedrohung, ſie Hungers ſterben zu laſſen. Weil nun die Hertzogin hierauf ſein ungeſchliffenes We -Uſen306Koͤnig Carolus II. ſen nicht laͤnger ausſtehen kunnte, belangte ſie ihn deßwegen bey dem Lord Ober-Richter Holt, der ihn nach Newgate in Verhafft bringen ließ, biß er gelindere Saͤiten aufziehen und Beſſerung ver - ſprechen wuͤrde. Als aber hernach die Hertzogin auch erfuhr, daß ihr Ehe-Mann noch ein anderes Weib am Leben haͤtte, (nemlich Maria Wads - worth, die er ehemals, in Hoffnung, ein groſſes Vermoͤgen mit ihr zu bekommen, welches ihm aber ſehl ſchlug, weil ſie nicht dieſelbige Perſon war, die er zu ſeyn vermeynete, geheyrathet hatte) verklagte ſie ihn bey der Juſtice-Hall in Old-Baily, der Polygamie wegen; Und nachdem er hieſelbſt der Ehe mit beſagter Maria Wadsworth, und Barbara, Hertzogin von Cleaveland, ſeinen zu einer Zeit annoch lebenden zwo Weibern, uͤberzeu - get, und nach denen Rechten der Bigamie ſchul - dig befunden wurde, ſprach der Hof das Urtheil uͤber ihn, daß er ein Brand-Mahl auf die Hand bekommen ſollte; Alleine dieſe Straffe wurde durch eine Pardon der Koͤnigin Annæ, die er aus der Taſche heraus zog, und denen Richtern zeigete, aufgeſchoben; Jedennoch wurde hierdurch die Hertzogin eines tyranniſchen Ehmannes loß, indem ſie im Unterhauß bey denen Doctoribus einen Scheide-Brieff erhielte.
Der ſchoͤne Fielding geriethe hierauf bald in gar garſtiges Gefielde, will ſagen, langwierigeGe -307und die Hertzogin von Cleaveland. Gefaͤngniß im Fleet-Kercker bey der Bruͤcke, und in aͤuſerſte Duͤrfftigkeit: Endlich erlangte er zwar die Freyheit wieder; es verfloſſen aber kaum etliche Monate, ſo verließ er dieſes ſterbliche Leben, und reiſete in die Elyſæiſchen Felder. Die Hertzogin von Cleaveland uͤberlebte ihn nicht lange, ſon - dern fuhr ihm 1710. bey nahe im ſiebentzigſten Jahr ihres Alters nach; wie bußfertig, kan ich nicht ſagen; ſo viel aber iſt gewiß: Waͤre die Ehre und Keuſchheit ihrer Durchlauchtigen Perſon ihrer Scharffſinnigkeit und Schoͤnheit gleich geweſen, ſo wuͤrden ſie dieſe Eigenſchafften unſtreitig zu ei - nem Engel auf Erden, und einer Heiliginne im Himmel gemachet haben.
DJeſe bekannte Weibs-Perſon, der wir den erdichteten Nahmen Meretricia beyle - gen wollen, war die eintzige Tochter eines Edelmannes in der Stadt Norwich, welcher, nachdem er durch die Falconerie, Jagd und an - dere Ergoͤtzlichkeiten ein anſehnliches Vermoͤgen verſchwendet hatte, ſein Weib und Kind in einem gar ſchlechten Zuſtande hinterlieſſe; Nichts deſto - weniger verſchafften ihr die unvergleichliche An -U 2nehm -308Philogines und Meretricia. nehmlichkeiten ihrer Schoͤnheit, die noch mit andern Qualitaͤten mehr ausgezieret war, manchen unter - thaͤnigen Diener: Unter andern wurde ein vorneh - mer Ritter, der reicher, als die andern alle, war, durch ihre Seltenheiten und annehmliche Con - verſation dergeſtalt mit Bewunderung einge - nommen, daß er, alles Widerſtandes ungeachtet, der gewaltſamen Liebe das Feld raͤumen muſte. Er betrachtete ſie, ſo offt er ſie ſahe, mit ſonderbarer Aufmerckſamkeit, und befande ihre Schoͤnheit ſo unvergleichlich vollkommen, daß, ie mehr er ſie beobachtete, deſto mehr er ſie bewundern muſte; und ſeine Leidenſchafft wurde von Tag zu Tag im - mer groͤſſer und groͤſſer. Er entdeckte demnach ſein Anliegen einem vertrauten Freunde, auf den er ſich verlaſſen kunnte; und wurde beſchloſſen, daß derſelbe den Handel der Meretriciæ Mutter vor - tragen und ihr bekannt machen ſollte, was maſſen ſein Freund geſonnen waͤre, ihre Tochter, wenn ſie das Ja-Wort von ſich gaͤbe, zu heyrathen. Die - ſemnach begab ſich der Braut-Werber in der al - ten Matrone ihre Behauſung, wo er ſich uͤber der Mittags-Mahlzeit alſo vernehmen ließ: Mada - me, ich bin gekommen, ihr das Gluͤcke, welches beydes ihrer Tochter und ihr ſelbſten bevorſtehet, zu hinterbringen; und woferne ſie dem, was ich ihr ſage, glauben giebet, und allen Scrupel beySeite309Philogines und Meretricia. Seite leget, ſo verſichere ſie, daß ihr Wohl - ſtand befeſtiget ſey. Sie weiß, Madame, fuͤgte er hinzu, was maſſen ich iederzeit ihr Freund geweſen, und mir ein Vergnuͤ - gen daraus gemachet, wenn ihr einigen Dienſt erweiſen koͤnnen. Gleich wie ich nun darfuͤr halte, daß ſie von der Wahr - heit deſſen ſattſam uͤberzeuget ſey; alſo bitte demjenigen, was ich ihr ietzo ſagen will, ein wenig Gehoͤr zu verſtatten. Es befindet ſich ein anſehnlicher Herr in die - ſer Stadt, der ein Menſch von ſonderba - rer Aufrichtigkeit iſt, und jaͤhrlich ein Vermoͤgen von 5000. Pfunden zu ge - nieſſen hat: Sie hat ihn bereits in die - ſem Hauſe geſehen und kennet ihn ſehr wohl; Der liebet ihre Tochter aufs heff - tigſte; Und iſt nichts auf der Welt, das er ſich, ihre Gegen-Liebe zu erlangen, ſollte zu unternehmen verdruͤſſen laſſen. Kurtz, ich kan ihr die Verſicherung geben, daß ſein Abſehen honnet und unver - bruͤchlich iſt, und er in der That wuͤnſchet, die ſchoͤne Meretricia als ſeinen Schatz zu beſitzen. Jmmittelſt verlanget er nur ſo viel, daß ſie ihm erlauben moͤgen, in ihr Hauß zu kommen und ihrer Tochter die Hefftigkeit ſeiner Neigung zu entde -U 3cken. 310Philogines und Meretricia. cken. Aus dieſer Raiſon hat er mir, als ſeinem Hertzens-Freunde, dieſe Heimlich - keit anvertrauet, und mir darnebſt theuer eingebunden, ihr zu eroͤffnen, was maſſen es bloß in ihrer Gewalt ſtuͤnde, zu ent - ſcheiden, ob er gluͤcklich oder ungluͤcklich ſeyn ſollte. Dieſes habe alſo hinter brin - gen wollen; und erwarte nichts mehr, als ihre Gedancken uͤber dieſer Sache zu vernehmen? Meine Gedancken, antwor - tete die Dame, ſtimmen mit denen ihrigen hierinnen uͤberein, woferne nur dero Worte mit Aufrichtigkeit verſchwiſtert ſind. Wenn der Herr, von dem ſie re - den, nur, wie ſie mir Hoffnung machen, auf einen ehrlichen Endzweck abzielet, ſo will ich die gantze Sache der goͤttlichen Fuͤgung willig uͤberlaſſen, und mein Ver - trauen anbey auf ſie ſetzen. Und als die Tochter ſich gleichfals nicht ungeneigt bezeigte, be - ſtimmte der Confidente zwiſchen ihr und dem Ritter, auf den andern Morgen eine Zuſammen - kunfft, damit man zum Vergnuͤgen beyder Par - theyen alles gebuͤhrender maſſen moͤchte abhandeln koͤnnen.
Nachdem nun die Sache ſo weit gebracht war, und die angeſetzte Stunde herbey nahete, verfuͤgte ſich der Ritter nach ſeiner Liebſten Behauſung; Alsman311Philogines und Meretricia. man ihn daſelbſt in die Stube fuͤhrte, nahm er die - ſelbe bey der Hand und kuͤſſete ſolche; Und weil er fuͤr dieſes mal nicht vermoͤgend war, ſich mit Wor - ten gegen ſie heraus zu laſſen, gab er ihr deſto nach - druͤcklicher mit ſeinen Augen zu erkennen, wie ſehr ihn ihre Gegenwart aus ſich ſelbſten ſetzete. Die liebreitzende Meretricia ſchiene zwar Scham - roth zu werden, gab ihm aber deſſen ungeachtet augenſcheinliche Proben, wie hoch ſie die Gluͤckſe - ligkeit ſchaͤtzete, wormit ihr ſein und ihr guter Freund flattiret haͤtte. Der Liebhaber machte der Mut - ter eben daſſelbe Compliment, ſo er bey der Tochter abgeſtattet; Worauf ſie ſich nieder ſatzten und von dem Haupt-Punct zu diſcourriren an - fiengen; Mit einem Wort: Der Schluß dieſer Conference war, daß Meretricia dieſen jun - gen Herrn, ſo bald es ſeine Affairen zulaſſen wuͤr - den, heyrathen ſollte; und ferner, daß, wenn er ſie geehliget, er dieſelbe mit ſich in ſein Vaterland nach Suffolk, welche Graſſchafft an die ihrige an - ſtieſſe, nehmen und auch die Mutter nicht zuruͤcke laſſen ſollte. Aus dieſem Antrage nahm er zwar ab, daß ſie die Nacht vorher ſchon mit einander muͤſten darauf ſtudiret haben, was fuͤr Bedin - gungen ſie ihm vorlegen wollten, und daß derjenige Vortrag, den ihnen ſein vertrauter Freund Tages vorher gethan, eine allzu ſtarcke Impreſſion in ihren Gemuͤthern hinterlaſſen haͤtte; GleichwohlU 4war312Philogines und Meretricia. war er viel zu ſehr von der charmanten Mere - tricia beſtricket, als daß er ſich einen Augenblick Bedenckzeit nehmen ſollen; vielmehr gienge er, ohne ſich im geringſten zu beſinnen, alles ein, was ſie verlangten, und gab beydes der Mutter und der Tochter, auf Vollziehung der verglichenen Bedin - gungen, den Hand-Schlag. Nachdem ſie eine Weile mit einander geredet hatten, uͤberreichte er der Tochter einen koſtbaren Demant-Ring und der Mutter eine ſaubre guͤldene Taſchen-Uhr, mit der Recommendation, ſie ſollte fleißig Sorge fuͤr ſeine allerliebſte Braut tragen, welche er mittler - weile ſtets bey der Hand hielte, und der er, ehe ſie von einander ſchieden, ſeine Treue mit tauſend Kuͤſ - ſen auf ihren Lippen verſiegelte.
Weil nun der Ritter ſehr reich war, befande er ſich im Stande, ſeine Generoſité bey der ange - nehmſten Meretricia, die er alle Woche zum we - nigſten viermal beſuchte, trefflich ſehen zu laſſen. Sie geriethen bald mit einander in ein gutes Ver - ſtaͤndniß, daß, nachdem er die durch ſeinen Con - fidenten ihr gegebene Verſicherungen wiederho - let, ſie ſich ihm gaͤntzlich zu eigen uͤbergab. Es iſt unmoͤglich, alle Annehmlichkeiten, die er bey dieſer geliebten Perſon antraff, vorſtellig zu machen: Niemals hatte die Welt, nach ſeinen Gedancken, ein vollkommneres und qualificirteres Meiſter - Stuͤck geſehen; Mit einem Wort: Seine Gluͤck -ſeligkeit313Philogines und Meretricia. [ſ]eligkeit war ſo groß, daß er aller vorher genoſſenen Ergoͤtzlichkeiten leicht vergaß, welche mit dem Ver -[g]nuͤgen, ſo er aus dem Genuß ſeiner wertheſten Me -[r]etricia empfande, keinesweges in Vergleichung[z]u kommen ſchienen. Er ſatzte die ſtille Kurtzweil[m]it dieſer liebreichen Perſon in die vier Monate[f]ort, welche, an ſtatt ſeine Flammen zu loͤſchen, viel -[m]ehr einem Oel gleichte, ſo die Gluth mehr ver -[m]ehrte, als zerſtoͤhrte; Ja, es nahm ſeine Leiden -[ſ]chafft dermaſſen uͤberhand, daß er aller andern Compagnie abſagte, damit er ſich nur als einen[r]echten Sclaven des Cupidinis und deſſen Mut -[t]er, der Meretriciæ, erweiſen moͤchte. Als aber[d]er Ritter ſeinem Confidenten den Vergleich[n]icht hielte, und ihm, an ſtatt verſprochener 100. Guineas, deren nur 50. fuͤr den Kuppel-Peltz zahl -[t]e, wurde derſelbe uͤber dieſem gebrochenen Verſpre -[c]hen dergeſtalt erbittert, daß er der Alten entdeckte,[w]as maſſen jener ſchon mit einer Dame, welche auf[ſe]inem Sitze bey Ipſwich lebete, allbereit vermaͤh -[le]t waͤre. Wer war beſtuͤrtzter, als Meretricia? [U]nd als er bald hierauf bey dieſer ſeine Aufwar -[tu]ng machen wollte, entſatzte ſie ſich uͤber ſeiner[G]egenwart ſo ſehr, daß ſie uͤberlaut ſchrie, und, von[ei]ner Ohnmacht geruͤhrt, ihrer Mutter in die Armen[fi]el: Jhre anmuthige Wangen, welche vorhero[d]en Pracht der Lilien und Roſen zu verdunckeln[ſc]hienen, hatten ſich augenblicklich in eine blaſſeU 5Tod -314Philogines und Meretricia. Todten-Farbe verwandelt: Der ſchoͤne Leib glei - chete einem Eiß-Schollen, und war ohn alle Em - pfindung, Leben und Bewegung; Biß ſich endlich vermittelſt einiger erquickenden Waſſer, die man ihr zu trincken gab, die verreiſten Geiſter wieder ein - fanden. Nachdem man ihr nun die Schlaͤffe und Naſen-Loͤcher mit Ungeriſchem Waſſer gleichſam gebadet hatte, und ſie ihre Augen wiederum zu er - oͤffnen anfieng, warff ſich der Ritter, (der gar wohl merckte, wie viel es geſchlagen, und daß er nunmehro verrathen ſey) zu ihren Fuͤſſen, und ſagte: So laſſen ſie mich doch, anbethens-wuͤrdige Meretricia! zu Dero Fuͤſſen liegend, die Urſache Dero ungewoͤhnlichen Entſe - tzung vernehmen! Und woferne ich ſo ungluͤckſelig bin, etwas darzu beygetra - gen zu haben, ſo werde ich eine ſolche Art zu meiner ſelbſt eigenen Beſtraffung er - finden, welche ſie vollkommen uͤberzeu - gen ſoll, daß meinem Willen hierinnen nicht die geringſte Schuld beyzumeſſen ſey. Jch glaube es gar gerne, war ihre Gegen-Rede, daß die blinde Liebe, die ſie zu mir tragen, ihnen nicht verſtattet, zu be - dencken, in was fuͤr einen erbaͤrmlichen Zuſtand ſie mich ſtuͤrtzen wollen; Aber ich moͤchte nur wiſſen, fuhr ſie fort, ob ſie keine andere, als mich zur Kuͤhlung ihrerhoͤlli -315Philogines und Meretricia. [h]oͤlliſchen Brunſt erkieſen koͤnnen? Was[ſ]oll ich ungluͤckſeliges Menſch nunmehro[a]nfangen? Und was wird aus denen Fruͤchten ihrer ſtraffbaren Liebe entſte -[h]en, ſintemal ich ihnen nicht zu Theil[w]erden kan? Ach! ich elendes Weib! Mein Verluſt iſt unerſetzlich! Meine Wunde unheilbar! Mein Schmertz un -[a]usſprechlich! Und meine Thraͤnen und[V]erzweifflung ſind viel zu unvermoͤ - gend, die Schandflecken meiner beſudel -[t]en Tugend hinweg zu nehmen. Un -[d]anckbarer Menſch! muſtet ihr mich al -[ſ]o betruͤgen? Doch ja, ihr habt mich be -[t]rogen! und alle meine unſchuldige und[g]etreue Liebe hat nichts beſſers zu er -[w]arten, als das Verhaͤngniß einer truͤb -[ſ]eligen und Jammer-vollen Verzweiffe -[l]ung! Ja, ich ſchwehre! Befaͤnde ich mich[n]icht im gegenwaͤrtigen Zuſtande, ich wollte mich nicht geſaͤumet haben, die[U]rſache meiner ungluͤckſeligen Tage aus[d]em Wege zu raͤumen.
Dieſes waren Donner-Streiche, welche bey[d]em Ritter biß in das innerſte Cabinet ſeiner Seelen einſchlugen; Uber dieſes verurſachten die Sorgen und Traurigkeit bey der Meretricia ſo[v]iel, daß ſie noch dieſelbe Nacht, vor der Zeit, miteinem316Philogines und Meretricia. einem Knaben entbunden wurde, welcher aber nach der Geburth bald wieder verſtarb, und auch ihre Mutter, ehe ſie noch aus den Wochen war, nach - holete. Dieſe neue Zeitung ruͤhrte den Ritter aufs empfindlichſte: Er gieng deßwegen hin, ſie zu be - ſuchen; und indem er ſich der Bettſeite naͤherte, ſagte er mit Zittern und Beben: Meine wer - theſte Meretricia! faſſen ſie ſich doch, und nehmen ihren Verluſt nicht ſo ſehr zu Hertzen! Es gehet mir derſelbe ſo nahe, als ihnen, und demnach lieget uns ob, daß wir einander aufrichten! Getroſt! vielleicht ſind wir ins kuͤnfftige gluͤckli - cher. Vorietzo muͤſſen wir nur Sorge tragen, daß ſie wieder geſund werden moͤgen; Denn ihr Wohlſeyn iſt das groͤſ - ſeſte Kleinod, das ich in der Welt habe. So bald auch, als die charmante Meretricia voͤllig reſtituiret war, brachte er ſie nach Lon - don, allwo er ihr in der St. Jacobs-Straſſe eine Wohnung verſchaffte; und vergieng ſchwerlich ein Tag, da er ſie durch ſeinen Zuſpruch nicht troͤſtete. Als aber ſein rechtmaͤßiges Eheweib, welches glei - chergeſtalt eine ſehr ſchoͤne Frau war, hiervon Nach - richt erhielte, koſtete ihr ſolches zwar manchen Seufftzer und Thraͤnen; Alleine das Blaͤtgen wandte ſich nachgehends auch, und die ſuͤſſe Ver - gnuͤglichkeit ſeiner Wolluſt wurde in Gallen-bittereEm -317Philogines und Meretricia. Empfindlichkeit der Unluſt verwandelt: Denn, als der Ruff von ihrer Schoͤnheit einem, den wir Phi - logines nennen wollen, zu Ohren kam, welches ein Herr war, der dem Ritter an Vermoͤgen und Macht weit uͤberlegen, wurden die Liebes-Tra - ctaten zwiſchen ihm und Meretricia ſo heimlich und gluͤcklich abgehandelt, daß er ſie in weniger Zeit, als ſechs Wochen, voͤllig auf ſeine Seite brachte; Und da der erſte Liebhaber eines Tages hingehen und ſeine Schuldigkeit bey ſeiner Schoͤnen abſtat - ten wollte, (maſſen er in die 14. Tage uͤber Land geweſen war) uͤbergab ihm die Wirthin des Hau - ſes die Schluͤſſel, und berichtete ihm, daß ihr die Dame des Tages vorher ſolche fruͤhe Morgens eingehaͤndiget und darbey verlanget haͤtte, ihm die - ſelben, wenn er wieder in die Stadt kaͤme, in eigene Haͤnde zu geben. Ob er nun wohl uͤber dieſer Poſt ſo ſehr erſchrack, als einer den der Blitz geruͤhret, ſo deſaß er doch noch ſo viel Standhafftigkeit, daß er ſich dieſen Wetter-Streich nicht gleich auf einmal faͤllen lieſſe: Dahero eroͤffnete er die Thuͤr und gieng hinein in die Stube, woſelbſt er zwar das Neſt antraff, alleine die Voͤgel waren ausgeflo - gen; Und als er ſeine Augen ohngefehr auf den Tiſch warff, erblickte er einen Brieff, der an ihn gerichtet war, welcher ihn voͤllig uͤberzeugete, was maſſen die ſchoͤne Meretricia darvon gewiſchet und ihn verlaſſen haͤtte: Denn, als er denſel -ben318Philogines und Meretricia. ben erbrach, fande er folgende Zeilen darinnen:
Mehr als zu lange, treuloſer Veꝛfuͤhrer! Mehꝛ als zu lange habt ihr meine Redlich - keit uñ Unſchuld gemißbrauchet! Nun ha - be ich dasjenige, was ihr ſo fleißig vor mir zu verheelen geſuchet, endlich entdecket. Aber ach! zu meinem Leidweſen, nur lei - der! all zu ſpaͤte! nachdem es meiner ar - men Mutter, und eurem eigenen Sohne das Leben gekoſtet, und mich das meinige mit genauer Noth davon bringen laſſen. So iſt es demnach, nichtswuͤrdiger Menſch! nur darauf angeſehen geweſen, daß du deine ſchaͤndliche und ſtraͤffliche Begierden ſtillen moͤgen! Packe dich, grauſamer Unmenſch! tyranniſcher Moͤrder! und ſchleppe dich auf ewig mit der beiſſenden Erinnerung, daß du die ungluͤckſelige Meretricia recht ſchelmi - ſcher Weiſe betrogen haſt. Mich betref - fend, verlaſſe ich dieſen abſcheulichen Auffenthalt, und verberge mich vor dei - nen Gifft-ſpeyenden Augen. Und damit ich deine Treuloſigkeit deſto geſchwinder aus meinem Gedaͤchtniß verbannen moͤ - ge, uͤberlaſſe ich ſolche der Rache des Himmels, der wird dich nach deinen Ver - dienſten ſchon ſtraffen. Jmmittelſtwuͤn -319Philogines und Meretricia. [w]uͤnſche doch zu deiner Beruhigung die -[ſe]s, daß du mich mit eben derſelben[G]leichguͤltigkeit vergeſſen moͤgeſt, mit[w]elcher dich meine vergnuͤgte Seele ver -[l]ſſet! Fahre wohl!
Man kan ſich leichtlich einbilden, zu was fuͤr[ei]nem Grad der Unſinnigkeit, oder vielmehr, in was[f]r eine Tieffe der Verzweifflung, ihn dieſer Brieff[verf]atzte. Jndem nun tauſenderley Gedancken in[de]m tollen Grillen-Gehaͤge ſeines umgekehrten Verſtandes wie eine Wind-Muͤhle umgetrieben[w]urden, brach er endlich in dieſe Worte heraus:[A]ch! ja! ich bin ruiniret, Meretricia iſt[n]icht mehr mein, ſondern hat mich im[g]antzen Ernſt abandoniret und troſtloß[h]interlaſſen, als einen Raub meiner Ver -[zw]eiffelung. Ach! Grauſame, muſt du[a]n einem Menſchen, der dir ſo vielfaͤltige[K]ennzeichen ſeiner aufrichtigſten und[h]efftigſten Liebe gegeben, ſo unbarmher -[tzi]g handeln? Iſt dieſes die Hochachtung[al]le, die ich um dich verdienet habe? Al -[lein], ſeine Exclamationes waren alle vergeblich:[D]enn ſie wurde nunmehro in denen Umarmungen[de]s Philoginis careſſiret, der ihr des Jahrs[25]000. Pfund, aus denen confiſcirten Guͤthern Terra Sceleſta, beſtimmete, welches Geld[d]enjenigen haͤtte zugewandt werden ſollen, dieihr320Philogines und Meretricia. ihr Leben daran gewaget, die Rebellen aus dieſem ſchaͤndlichen Lande zu vertreiben; Allein ein kluger Senat zog endlich in vernuͤnfftige Betrachtung, was Meretricia fuͤr einen ſchlechten Dienſt, fuͤr eine ſo anſehnliche Penſion verwalte, und ſchnitte ihr ſolche biß auf 5000. Pfund jaͤhrlich ab, wel - ches noch Geld genug fuͤr eine ſolche gewiſſenhaffte Dame war, darvon Staat zu fuͤhren; Jedoch hatte ſie ohne Zweiffel auch ſchon mehr als zu viel zu - ſammen geſchrapelt, weil Philogines noch lebte, daß ſie ſich galant halten kunnte, ſo lang ihr das Verhaͤngniß, ihn zu uͤberleben, vergoͤnnete. Me - retricia war ſonſt von einem ſchnellen Verſtande, manierlichen Sitten uñ aufgewecktem Naturell, aber von einer geitzigen Eigenſchafft, wie aus dem folgenden abgenommen werden mag. Als ſie nehmlich einſtens, um friſche Lufft zu ſchoͤpffen, in St. Jacobs-Park ſpatzieren glenge, begab ſichs, daß ein gewiſſer Graf, der ſich nur in einen buͤr - gerlichen Habit vermaſquiret hatte, daß ſie ihn nicht kannte, auf ſie zu kam und mit ihr zu ſchertzen anfienge, indem er ihre Augen mit denen Sternen und ihr Antlitz mit dem Himmel vergliche, und ſie anbey erſuchte, ſie moͤchte ihn ſo gluͤckſelig ma - chen und die Ehre ihrer Converſation bey ei - nem Glaß Wein goͤnnen, ſo wuͤrde er folches hoͤher als alles Vergnuͤgen und Herrlichkeit der gantzen Welt ſchaͤtzen; Sie verſatzte aber auf ſolchehoch -321Philogines und Meretricia. hochmuͤthige Anrede die derbe Antwort: Wor - fuͤr ſehet ihr mich an, Monſieur Haſen -[ſ]chrot? Meynet ihr, ich ſey etwas vor[d]en Schnabel eines Marckt-Schreyers[o]der Zungen-Dreſchers, der etliche Re -[d]ens-Arten aus der Academie des Com -[p]liments erſchnappet, und ein Geplau - der machet, als wenn er ſpornſtreichs von[d]enen Juriſten Collegiis oder von White -[h]all herkaͤme; Gleichwohl fuhr der Galan[f]ort: Jch verſichere ſie, Madame, ſagte er,[d]aß ſie mir gar ſehr unrecht thun: Denn[i]ch bin ein gebohrner von Adel! So iſt mir auch die Natur, was innerliche Zier -[r]athen betrifft, nicht ungeneigt geweſen: Denn ich werde, (ohne Ruhm zu mel -[d]en) fuͤr einen derer fuͤrtrefflichſten und[n]eueſten Poëten der ietzigen galanten Welt[g]ehalten. Nein, Monſieur, auch ſo dann[ſi]nd ſie nicht fuͤr mich, ließ ſie ſich ſodann ver -[n]ehmen, denn Poëten haben insgemein[w]enig Geld, welches ich am meiſten be -[n]oͤthiget bin. Es iſt aber gleichwohl[a]uch was ſchoͤnes, Madame, war ſeine Ge -[g]enrede, wenn ich Dero Nahmen durch meine unvergaͤngliche Zeilen vergoͤttere[u]nd verewige, wenn ſie darinnen die[ſ]choͤne, galante, charmante Sylvia, Chloe,XBe -322Philogines und Meretricia. Belinda, Phyllis, Sabrina, die Goͤttin mei - nes Hertzens, mein Engel, das Licht mei - ner Augen, die Sonne meiner Zufrieden - heit, der Phœnix ihres Geſchlechts, die Crone der Welt, die Seele meiner See - len, der Adern Geiſt, der Sinnen Troſt, das Labſal der Bruſt und das Leben meines Lebens genennet werden. Ach! hoͤret auf, ſagte die Dame, ich bitte euch drum, und laſſet eure poëtiſchen Raptus, an welchen ihr ſo reich ſeyd, unterwegen. Allerwertheſte Damoiſelle! ſagte er wieder, 10000 ‒ ‒ Nicht Worte! Jch bitte euch gar ſehr, mein lieber Monſieur, gegenredete ſie, ſagt mir nicht ein Wort mehr davon: Denn, woferne ihr mich nicht verpflegen, mir Fontangen, alle Monate ein propres Kleid, iede Woche 3. Pfund Chocolate, und 2. Pfund Coffee kauffen koͤnnen, ſo kan ich eure Worte fuͤr courant Geld weder annehmen noch loß weꝛden; Wenn ihr aber glaͤntzendes Metall habt, Mon - ſieur, ſo ſchicke ich mich fuͤr euch. Liebſte Madame, rieff er hierauf, ich habe dieſes auch; Worbey er ihr einen Beutel voll Gold - Stuͤcke zeugete. Ey! Mon Cœur, ſtimmte ſie endlich um, nun gefallen ſie wir, nun ſehe ich ſie fuͤr einen Edelmann an. So iſtdoch323Philogines und Meretricia. doch noch etwas, erwiederte er, ſo dieſes Felſen-Hertz erweichen und dieſes Dia -[m]antene Schloß durchdringen kan? O[m]ein Herr! verſatzte ſie, es wird ihnen nicht[u]nbekannt ſeyn, was Dero Vorfahren[v]om Jupiter vorgegeben, wie er ſich in ei -[n]en guͤldenen Regen verwandelt, und[ſ]olcher geſtalt in der Danaes Schoß pra -[c]ticiret habe; Und ein iedweder von ſei -[n]en Unterthanen wird, wenn er ſich der -[g]leichen Dieterich bedienet, alle Schloͤſſer[b]ey unſerm ſchwachen Geſchlecht auf -[ſ]chlieſſen koͤnnen. Mein wertheſtes poë -[ti]ſches Vergnuͤgen! ſchrie die verliebte Ga -[l]anterie-Schweſter, deren Hertz nunmehro zu[w]achſen anfieng, wiewohl ſchicken ſich un -[ſe]re Gemuͤther zuſammen! Was muͤſſen[n]icht viele Poëten auszurichten vermoͤ -[g]end ſeyn, da dein angenehmer Leib allein[m]it ſo vollkommenen Eigenſchafften aus -[g]eſchmuͤcket iſt? So verliebt aber unſere Da -[m]e zuerſt den Diſcours anfienge, fuhr ſie dennoch[b]ald hernach fort: Allein, mein Herr! ich[v]erſichere, ſie werden muͤde werden, ehe[ſi]e das erwuͤnſchte Ziel ihrer Hoffnung[e]rreichen koͤnnen. Nimmermehr Ma -[d]ame! war ſeine Einrede, nachdem ſie mich[e]inmal encouragiret haben. Hieran ſollX 2es324Philogines und Meretricia. es nicht ermangeln, replicirte die Schoͤne, welche mittlerweile, da er alſo mit ihr ſchertzete, ihn unvermerckt zu ihrem Logis fuͤhrete, allwo ſie an - fienge: Solche genereuſe Anfaͤlle, derglei - chen die ihrigen ſind, mein Herr! duͤrff - ten mich uͤberwaͤltigen, woferne ich glau - ben koͤnnte, daß ſie ſich nicht ſelbſten zu einem Fremden machten, und eine, die ſie niemals, als dieſen Augenblick zu ſehen das Gluͤck gehabt, zu Verwilligung deſ - ſen, was ſie zu begehren ſcheinen, verſuch - ten. Und kan ich ihnen, wertheſter Herr, meine Beſchaͤmung wegen demjenigen, ſo ihnen bereits eingeraͤumet, nicht ber - gen, ſondern habe vielmehr Urſache, ſie deßfalls um Vergebung zu bitten, als die Rechnung, ſo ich abzutragen nim - mermehr faͤhig ſeyn werde, zu verdop - peln. Was? abzutragen? Madame! ſchrie der verwundete Amant, was bedeutet das Bagatell von wenigen Guineas? Dieſe achte ich ſo viel als nichts, und ſtehen ih - nen noch hundert zu Dienſten: Denn ſollte wohl etwas auf dem Erd-Kreiß zu finden ſeyn, zu deſſen Vergeltung Dero Gegenwart nicht ſchaͤtzbar genug waͤre? Wenn ſie ſolche ſo hoch æſtimiren, ſagte die Schoͤne, ſo koͤnnen ſie, mein Herr! damich325Philogines und Meretricia. mich unter der Sicherheit Dero Genero - ſité befinde, und verſichert bin, daß ihre Abſicht tugendhafft iſt, einige Stunden mein Gebiether ſeyn. Alleine dieſe ſchein - heilige Erbarkeit war noch kein Pflaſter auf ſeine Wunde, wenn ſie ihm nicht ihre voͤllige Gunſt einraͤumen wollte; Gleichwohl durffte er auch kei - nen Zwang gebrauchen, weil ſie ihm immer von der Unbequemlichkeit des Ortes und der Gefahr, ſie moͤchten von iemand uͤberrumpelt werden, vor - ſchwatzte: Wie wuͤrde es ihr alsdenn ergehen, ſagte ſie, wenn ſie ſich vor aller Welt proſtituirte? Weil aber nichts deſtoweniger der Galan den voͤl - ligen Raptum hatte, und fuͤr Liebe gleichſam gluͤ - hete, ſo gar, daß ihm hoͤren und ſehen daruͤber ver - gienge, brachte er ihr affables und gutes Naturel endlich ſo weit, ſie dahin zu vermoͤgen, daß ſie mit einander zur Vollziehung der letzten Gunſt ſchrit - ten; Worfuͤr ſie ſehr wohl bezahlt wurde: Angeſe - hen ſie hundert und ſieben Pfund und zehen Schil - linge mit dieſem eintzigen Nacht-Lager verdienet hatte.
DJe Liebe iſt eine ſolche herrſchende Leiden - ſchafft, daß ſie die Kinder vielmals, ohneX 3ihrer326General Foulkes,ihrer Eltern Wiſſen und Willen, zu ſehr un - bedachtſamen Dingen verleitet; Wie aus dem Beyſpiele dieſes Frauenzimmers erhellet, welche, als eine Erbin eines reichen Vermoͤgens, Monſ. Ho - ward, einen von ſehr gutem Geſchlechte herſtam - menden Edelmann heyrathete, der aber danebſt we - nig oder nichts in Vermoͤgen hatte, weil er ſeines unmaͤßigen Spielens halber keinen Stuͤber uͤber Nacht beherbergen kunnte: Wannenhero dieſe Heyrath ihrem Vater aufs hoͤchſte mißfiele, daß er ſie von ſich jagte, und nicht die geringſte Barmher - tzigkeit mit ihr hatte. Deſſen ungeachtet bemuͤhete ſich ihr Mann, ſeinem Weibe auf alle erſinnliche Weiſe gefaͤllig zu ſeyn; Er bemeiſterte ſich auch ihres Hertzens ſo voͤllig, daß alle ihre Wuͤnſche und gan - tzes Vergnuͤgen bloß in ſeiner Perſon concentrir - ten; Und weil ſie auch zur Zeit noch keinen Man - gel hatten, lebten ſie eine Weile gar vergnuͤgt mit einander. Es lieſſen ſich viele hoͤchſtangelegen ſeyn, ihres Vaters Hertz zu erweichen, und verſuchten alles, was nur moͤglich war, denſelben auf andere Gedancken zu bringen; Als aber Monſ. Ho - ward ſahe, daß nach einer zweyjaͤhrigen Beſtre - bung weder Briefe noch Freunde einigen Zutritt bey ſeinem Schwieger-Vater erhalten kunnten, und er von ſeiner Tochter weder hoͤren noch wiſſen wollte, fieng er an zu verzweiffeln, und ſeinen Han - del zu bereuen.
Sie327und Madame Howard.Sie hatten ein Kind mit einander, und die an - dere Frucht in dem Garten ihrer Ehe ſtunde bereits in der Knoſpe. Die Caſſe nahm ab, und die Aus - gaben zu. Damit er nun ſeine Extra-Ausſchweiſ - fungen unterſtuͤtzen moͤchte, gab er zu ſeines Weibes ordentlicher Verpflegung ſehr wenig, und ließ die Familie zu Hauſe Noth leiden. Er hatte aber nicht ſo bald das nachſtehende hoͤlliſche Vorhaben in den Sinn genommen, als er, ſeinen Zweck zu er - langen, gantz andere Saͤiten aufzog, und ihr nicht allein mehr beſtimmete, ſondern auch ſein Leben gantz aͤnderte, ihr neue Kleider kauffte, und wieder - um ſo hoͤfliche Careſſen, als iemals, erwieſe. Die arme Frau, uͤber dieſer Veraͤnderung gantz entzuͤ - cket, bezeigte ihre Freude und Vergnuͤgen mit allen liebreitzenden Expresſionibus, die der Liebe oder Danckbarkeit zu erfinden nur moͤglich waren. Als ſie aber darauf eines Tages, ſich gantz allein befin - dend, mit einander ſchwatzten, fieng er, nach einem kurtzweiligen Diſcours, auf ſie zu laͤcheln an, und indem er ſie gleichſam mit groͤſſeſter Auſmerckſam - keit betrachtete, und nach Art eines Liebhabers auf alle ihre Mienen und Blicke Achtung gab, kuͤſſete er ſie, und ſuͤhrte ihr (ſie in ſeinen Armen haltend,) zugleich allerhand vergangene Ergoͤtzlichkeiten zu Gemuͤthe, uͤber deren Erinnerung ihre Wangen mit einer anmuthigen Roſen-Farbe uͤberzogen wur - den. Nachdem er ſie dergeſtalt geruͤhret ſahe,X 4fieng328General Foulkes,fieng er an, ihr ein wenig auf den Zahn zu fuͤhlen, ſagende: Meine Allerliebſte! Du haſt An - nehmlichkeiten genug, die Maitreſſe eines Koͤnigs zu ſeyn; Er fieng auch an in einem O - dem die Generoſité einer gewiſſen Perſon heraus zu ſtreichen, nehmlich des Generals Foulkes, der wegen ſeiner Leichtſinnigkeit und Unbeſtaͤndig - keit bekannt iſt, und vermeldete ihr, ſein Gluͤck waͤ - re gemacht, daferne ſie ihm nicht entgegen ſeyn woll - te: Denn dieſer Herr waͤre willens ihm eine Haupt - manns-Stelle unter ſeinem Regiment zu geben, und ihn, ſo bald ſich Gelegenheit ereignete, noch hoͤ - her ans Bret zu bringen. Madame Howard, der es ihr Lebetage nicht in den Sinn gekommen, ihren Mann mit Hirſch-Cronen auszuſtaffieren, indem ſie ihn vielmehr noch ſo aufrichtig als den er - ſten Augenblick liebte, auch die Perſon, die er ihr an - prieſe, gar nicht æſtimirte, ſondern den verteuf - ſelten Anſchlag wider ihre Ehre nur verſtellt zu ſeyn glaubte, der gaͤntzlichen Meynung, es ſtaͤcke nichts, als eine guͤtige Ausforſchung tugendhaffter Liebe, unter ſeinen Worten verborgen, ließ daruͤber nicht die geringſte Veraͤnderung an ſich ſpuͤhren, ſondern ſagte mit aller Holdſeligkeit, deren ſie nur faͤhig war: Koͤnnet ihr, mein Schatz! an eurer Gluͤckſeligkeit zweiffeln, wenn es in mei - nem Vermoͤgen ſtehen ſollte, dieſelbe zu befoͤrdern? Er bath ſie, ihrem Verſprechen nach -zu -329und Madame Howard. zukommen, und nach einem fernern kurtzen Wort - Wechſel gieng er aus, und hinterließ ſie uͤberaus vergnuͤgt, daß ſie ihren Mann in einem ſo aufge - raͤumten und liebreichen Humeur geſehen hatte. Des Abends kam er wiederum zuruͤck, und fuͤhrte ſie in die Comœdie; und als er den General Foulkes, von dem er ihr geſagt hatte, daſelbſt ſa - he, redete er eine gute Weile mit ihr von nichts, als ſeiner Klugheit und andern ruͤhmlichen Eigenſchaff - ten. Er verließ ſie darauf drey oder vier Tage uͤber kaum einer Stunde lang, und gab ihr zu aller Ver - gnuͤglichkeit Anlaß, die er nur erdencken kunnte: Die Diſcourſe, wormit er ſie unterhielte, lieffen alle da - hinaus, daß er allen Arten der Laſter und Eitelkeiten das Wort redete, und das Pfaffen-Gewaͤſche, als ob Ehebruch und unzuͤchtige Liebe Suͤnden waͤren, auf eine hoͤhniſche Weiſe verlachete, ihr nichts als Zoten und Poſſen vorſchwatzte, und ſich ſolcher Argumenten bediente, als ob er ſelbſt einem an - dern einen Hahn auf das Haus geſetzt gehabt. Er berichtete ihr, wie wenig er eyfferſuͤchtig ſeyn koͤnn - te, und daß gute Freunde alle Dinge unter einander gemein haben moͤchten: Derjenige muͤſte, ſagte er, ein unhoͤflicher Knauſer und grober Neidhart ſeyn, der ſeinen Garten deßwegen verſchmaͤhen wollte, weil ein anderer darinnen geweſen, der doch nichts beſchaͤdiget, noch den geringſten Fußſtapffen zuruͤck gelaſſen haͤtte:
X 5Kein330General Foulkes,Kein Gaͤrtner wuͤrde ja den Baum genau verſchlieſſen,Der ſeine Frucht im Uberfluſſe traͤgt,Er ließ auch andere etwas davon genieſſen,Bey denen ſich ein Appetit erregt;Wie ſollte denn der ſchoͤnen Weiber Ga - benEin eintziger gantz ungetheilet haben?
Was ihn antraͤffe, fuͤgte er hinzu, koͤnnte er weiter nichts daraus machen, als wenn er mit einem an - dern aus einerley Geſchirre traͤncke.
Madame Howard war noch jung: Denn ob ſie wohl binnen dieſer Zeit zwey Kinder gebohren, hatte ſie doch das 19de Jahr noch nicht erreichet. Nachdem ſie nun von ihrem Manne mit dergleichen Vorbereitungen zu ſolchem ſchaͤndlichen Vorha - ben geſchickt gemacht worden, brachte er ſie zu dem - jenigen, dem er ſie verſprochen hatte: Er, welcher ſelbſten mit zugegen war, befahl ihr, luſtig, frey und lebhafft zu erſcheinen, und alles ſproͤte und verzagte Weſen bey Seite zu ſetzen; Und nachdem er eine kleine Weile verzogen hatte, gab er vor, er muͤſte ſich einer ſonderlichen Urſache halber hinweg bege - ben, und verließ ſie, mit dem Verſprechen, alsbald wieder da zu ſeyn; er kam aber nicht wieder, biß es ſehr ſpaͤte, und Zeit nach Hauſe zu gehen war. Die Geſellſchafft ſchiede von einander; und der Galan hatte auch nachfolglich die Converſation deꝛ Ma -dame331und Madame Howard. dame Howard, auf ihres Mannes Vermitte - lung, noch einen Monat uͤber oͤffters zu genieſſen.
Sie hatte eine gute Stimme, und kunnte uͤber - aus wohl tantzen; Und der General, dem ſie von dem erſten Augenblicke an beſſer gefiel, als alle, mit denen er ehemals bekannt geweſen, wurde von ihrer Converſation nun um ſo viel deſto mehr bezau - bert, daß er ſie wuͤrcklich zu lieben anfienge. Seine Careſſen fielen der Madame Howard ziemlich beſchwerlich: Sie bezeugte gegen ihren Mann, daß es niemals ohne ihren Widerwillen geſchaͤhe, ſo offt ſie ſich ihn zu ſehen genoͤthiget befaͤnde; Er vermel - dete ihr aber, was maſſen er nicht die gantze Welt nehmen wollte, ſich ihn zum Feinde zu machen! Sie ließ ihn nun zwar ſagen, was ihm beliebte, und hoͤr - te es mit an; Nachdem aber ſo wohl Mann als Buhler ſahen, daß ſie nicht zu gewinnen waͤre, ent - ſchloſſe ſich jener eines Tages, kraͤfftigere Mittel zu verſuchen, und verſprach dem General, ſein Ver - langen ſollte und muͤſte erfuͤllet werden, ihn erſuchen - de, den naͤchſten Morgen nur zu ihm in ſeine Behau - ſung zu kommen.
Denſelbigen Abend kam Monſ. Howard truncken nach Hauſe: Und weil er insgemein einen guten Polter-Hanßen abgab, wenn er die Naſe mit Gerſten-Safft oder Reben-Blut begoſſen hatte; als fieng er auch ietzo an, ein Loͤwe in ſei - nem Hauſe zu ſeyn, ſeinem Weibe aufruͤcken -de,332General Foulkes,de, was maſſen ſie von ihren Eltern entlauffen, und ihren Mann zum ungluͤckſeligen Menſchen gemacht haͤtte; Ja er hielt ihr eine ſo lange Predigt auf der Feder-Cantzel, biß er die tolle und volle Zunge nicht mehr regen kunnte, ſondern von dem allgemeinen Uberwinder der Glieder beſieget wurde. So bald er am folgenden Morgen ſeine Augen eroͤffnete, ſahe er ſie mit einem unverwandten Blick an, ſagende: Jch glaube, daß ich mich geſtern Abends nicht recht bey Verſtande befunden; ietzo aber will ich in allem Ernſt mit euch reden. Es iſt auch auf der gantzen Welt nichts aͤrgerlichers, als wenn man kein Geld hat! Wenn ich dencken ſollen, daß ich keins mit euch bekommen wuͤrde, ſo woll - te ich ein Creutz vor das Heyrathey ge - macht haben. Dieſes iſt mir nun zeithe - ro ein groſſer Unſtern geweſen; Jedoch habe mir keine graue Haare daruͤber wachſen laſſen, ſo lange durch eigenen Fleiß mein Auskommen haben kunnte. Es hat mich uͤber 1000. Pfund gekoſtet, ſeit dem ich euch gehabt habe: Gleichwie ihr nun ſolches auch mit genieſſen helffen; alſo koͤnnte nichts raiſonnabler ſeyn, nach - dem kein Geld auf einige andere Weiſe mehr aufzubringen, als daß ihr gleich - falls dahin bedacht ſeyn moͤchtet, etwasum333und Madame Howard. um eures Unterhalts willen zu thun, zu - mal da euch eine ſo ſichere als leichte Me - thode vorſchlage. Der General, zu dem mich alles verſehen darff, ſeuffzet nach euch, und verehret euch: Euer Mann ver - langet es ſelbſten, daß ihr euch compli - ſant und liebreich bezeugen ſollet; Und dennoch verbleibet ihr, beyder Gluͤckſelig - keit zu hemmen, eigenſinnig und hals - ſtarrig. Jch habe euch Merckmahle ge - nug gegeben, wodurch ihr mein Vergnuͤ - gen verſtehen moͤgen: Wollt ihr haben, daß ich mich noch deutlicher heraus laſſen ſoll? Jhr ſollet ihn bey euch ſchlaffen laſ - ſen, ſo werdet ihr mir einen Gefallen er - weiſen; Wo nicht, kan ich euch keines we - ges laͤnger erhalten, ſondern ihr moͤget euch mit euren Banckerten nur fortpa - cken!
Jndem er ihr dieſe verdammte Lection und durchteuffelte Moral auf dem Feder-Catheder vorlaſe, oͤffnete eine Magd die Thuͤr, und berichtete ihm, was maſſen der General Foulkes unten waͤre. Monſ. Howard befahl ihr, ſie ſollte ihn herauf ſpatzieren heiſſen, und in die Speiſe-Stube hinein fuͤhren. So bald dieſe hinweg war, druckte er ſeiner Frauen die Haͤnde, und ſprach: Jhr ſag - tet einsmals, ich ſollte nicht an meinerGluͤck -334General Foulkes,Gluͤckſeligkeit zweiffeln, wenn es in eurer Macht ſtuͤnde, ſolche zu befoͤrdern; Jetzo habt ihr Gelegenheit darzu, ergreiffet ſol - che bey den Haaren! Und indem er ſich in ſei - nen Schlaff-Rock hinein warff, ſatzte er dieſe Wor - te hinzu: Und wenn euer Gewiſſen ja ſo thoͤricht und ſcrupuleus iſt, daß es ſich ei - nigen Abſcheu vor der Suͤnde zweiffel - hafftig machen laͤſſet, ſo wiſſet, was maſ - ſen man keine begehen kan, wenn nicht der Wille und das Gemuͤthe dabey intereſſi - ret iſt: Denn, weil dieſelbe eine Wuͤrckung der Seele iſt, ſo ſtehet in eurer Gewalt, ſolche, indem ihr keine unzuͤchtigen Ge - dancken habt, zu verhuͤten: Laſſet ihn ma - chen, was er will, und dencket ihr, was euch beliebet. Mit Endigung dieſes Urtheils ſprang er zum Bette hinaus; und nachdem er den General hinein in die Kammer gefuͤhret, ſagte er, auf ſein Weib zeigend: Da liegt eine Thoͤrin, die hat ſchon eine halbe Stunde geſchry - en, ich kan nicht ſagen, wornach: Sie iſt gar kuͤtzlich unter den kurtzen Rippen; ich wollte, daß Ew. Excellenz verſuchten, ob ſie dieſelbe zum Lachen bewegen koͤnnten. Alsdann gieng er, ohne Erwartung einiger Ant - wort, zur Thuͤr, zu welcher der General hinein kommen war, ſporenſtreichs hinaus, und ſchloſſe ſolche augenblicklich hinter ſich zu.
Ma -335und Madame Howard.Madame Howard hoͤrte ihm Anfangs, als er ſie anredete, uͤberaus aufmerckſam zu, biß es da - hin kam, daß er (ſeine eigene Redens-Art zu ge - brauchen,) klaͤrer mit ihr werden wollte; Da ſahe ſie, daß ſein verdammter Vorſatz keinesweges ein Spiegel-Fechten, ſondern der voͤllige Ernſt ſeye, und wurde ſie nun uͤber der Betrachtung dieſer uner - hoͤrten Verraͤtherey ihres Mannes, den ſie ſo heff - tig liebte, dergeſtalt von Schmertzen uͤberwaͤltiget, daß ſie nicht vermoͤgend war, ein Wort hervor zu bringen, und die Thraͤnen floſſen nicht Tropffen - ſondern Stroͤme-weiſe die Wangen herunter; Ja, ſie weinte, ſeuffzete und runge ihre Haͤnde, mit allen Kennzeichen einer tieffen und wuͤrcklichen Traurig - keit, ſo bitterlich, grauſam und beſtaͤndig, daß ſich eher die Unbarmhertzigkeit ſelbſten, als ihr Ehr-ver - geſſener Ehe-Mann, uͤber ſie erbarmet haben wuͤr - de. Jndem ihr Mann die Thuͤr zugeſchloſſen, und der Galan mit bruͤnſtigem Verlangen ſich ihrem Bette naͤherte, hochbetheurende, daß er ſie ſo ſehr als ſeine eigene Seele liebte, und ihr ſo wenig, als ſich ſelbſten, das geringſte Leid zuzufuͤgen entſchloſſen ſeye, raffte ſie ſich, ſo gut es die Zeit zulieſſe, mit de - nen Bett-Tuͤchern zuſammen; Und indem er ſie mit dem einem Arm umfaſſete, und mit dem an - dern, die Hand zwiſchen das Bett-Tuch hinein zu bringen, ſich bemuͤhete, that ſie ihm einen recht topf - fern Widerſtand: Denn ob ſie ſchon keines wegesver -336General Foulkes,verhindern kunnte, daß er ihr nicht nur auf ihr An - geſicht, ſondern auch unterſchiedliche andere Theile ihres Leibes, die ſich durch ihr Straͤuben und Wei - gern entbloͤſten, einige Kuͤſſe verſetzete; ſo war er doch wegen ihrer Behaͤndigkeit, hurtigen Wendung und ſtetem Haͤnde-Ringen der ihrigen mit den ſeinen, nicht vermoͤgend, diejenige Freyheit, wornach er vornehmlich ſtrebte, zu erhalten. So machte ſie auch keinen groſſen Lermen, oder biß und kratzete, ſondern erwieſe ſich ſo reſolut, und widerſtunde ihm mit ſolcher Hertzhafftigkeit und Ernſt, daß der verliebte Held ſahe, daß nichts zu machen waͤre, woferne er nicht die Haͤnde zerbrechen und eine of - fenbahre brutale Gewaltthaͤtigkeit unternehmen wollte: Weil er denn ziemlich ermuͤdet war, ließ er ſie fahren, und verſuchte guͤtige Uberredungen zu gebrauchen; Madame Howard aber ließ dieſe Gelegenheit nicht vorbey wiſchen, warff mit der einen Hand einen Rock uͤber den Kopff, indem ſie mit der andern ihren Ober-Rock ergriffe, und ſol - chen um ſich herumſchlagende, ſich mit aller Gewalt auf die andere Seite des Bettes und von dannen auf den Boden ſchwunge. Der General, wel - cher entweder nicht Willens war, es zu einer groſſen Extremitaͤt kommen zu laſſen, oder vielleicht ſich nicht im Stande fand, die Fatiguen eines Noth - zwanges zu wagen, ſtunde endlich von ſeiner ge - waltſamen Zumuthung fuͤr dieſes mal ab; Alsaber337und Madame Howard. aber ihr Mann wiederum hinein kam, und verſtun - de, daß der General die Veſtung noch nicht er - obert hatte, gieng er mit bloſſem Degen in der Hand auf ſein Weib loß, ſie zu verwunden, und ſchwuhr bey allen ſchwartzen Geiſtern des hoͤlliſchen Plu - tonis, er wollte ſie in tauſend kleine Bißgen zer - hauen, woferne ſie ſich ſeinem Freunde nicht un - terwerffen wuͤrde: Und da nun beyde Boͤßwichter ihre Kraͤffte alſo vereinigten, bande ihr der ehrloſe Mann die Haͤnde und hielt ihre Beine, indem ihm mittlerweile der General vor ſeinen Augen zum General-Hahnrey machte.
Weil ſie nun ihrer Ehre einmal beraubet war, faſſete ſie einen ſolchen Widerwillen und Haß ge - gen ihren Mann, daß, als auf ſeine Verguͤnſtigung der General des naͤchſten Tages wieder kam, ſei - ne geheime Viſite bey ihr abzulegen, ſie ihm den Vortrag thate, was maſſen ſie willig zu ſeinen Dienſten ſeyn wollte, daferne er ihr verſpraͤche, ih - ren Mann nicht mit der geringſten Charge zu ver - ſehen: Damit ſie ſich nur wegen der Schmach, die ihr durch Beyſtand desjenigen zugefuͤget wor - den, der ihre Ehre vielmehr biß auf den letzten Bluts-Tropffen vertheidigen ſollen, auf ſolche Weiſe raͤchen moͤchte. Der General nahm dieſes Erbiethen von Hertzen gerne an; Und weil er in kurtzem einen Zug wider die Frantzoſen in Weſt - Jndien thun muſte, nahm er Madame HowardII. Theil. Ymit338General Foulkes,mit ſich. Als ihr Mann ſich alſo betrogen, und ſo wohl ſeiner verſprochenen Stelle, als auch ſeines Weibes beraubet ſahe, ſchmertzete ihn dieſer dop - pelte Verluſt dermaſſen, daß er ſich ſelbſten gar ſaͤuberlich aufknuͤpffte. Der General kunnte aber ſeinem Verhaͤngniß auch nicht gar entgehen: Denn da er auf der Ruͤck-Reiſe nach England begriffen war, ſtarb er auf dem Meer, und wurde uͤber das Schiff heraus ins Waſſer geſchmiſſen, allwo er denen hungerigen Fiſchen zur Mahlzeit, und ihre Baͤuche ihm zu einen Grab werden muſte. Ma - dame Howard, durch den Tod ihres Galans in die Klemme getrieben, ſahe ſich alſo genoͤthiget, unterſchiedlichen Officieren aus der verliebten Noth zu helffen, biß ſie wieder in England anlang - te und nach London kam. Hieſelbſt warff ſie einsmals ihre Augen auf einen Edelmann: Und weil ſie ihn aus ſeiner Auffuͤhrung fuͤr einen Ritter hielte, der ihr bequemen Unterhalt zu verſchaffen ge - ſchickt waͤre, gieng ſie quer uͤber die Gaſſe, gerade vor ihm hin; und indem ſie ſich ſtellte, als ſtolperte ſie, fiel ſie juſtement bey dem Ritter nieder, der ihr aus Hoͤfflichkeit alsbald wieder auf die Fuͤſſe halff, welchen guͤtigen Beyſtand ſie mit einer er - zwungenen Schaam-Roͤthe annahm, und ſich fuͤr ſeine geneigte Gunſt-Bezeigung aufs liebreichſte be - danckte; worauf der Ritter, der von ihrem rei - tzenden Angeſichte und modeſt-ſcheinenden We -ſen339und Madame Howard. ſen ſehr eingenommen wurde, ihr ein Gegen-Com - pliment machte, nebſt dem Erbiethen, ſie mit ih - rer Permiſſion nach Hauſe zu begleiten. Die Dame ſtellte ſich uͤber dieſem Anerbiethen nicht wild und ſproͤte, ſondern lieſſe ſich verlauten: Sie muͤſte einem Herrn, der ſie eines ſo un - verdienten Faveurs gewuͤrdiget, unend - lich verbunden ſeyn; Darbey aber ſtellete ſie ſich, als ob ſie ſolches durch die Muͤhwaltung, die er ihrenthalber auf ſich zu nehmen beliebet, von ſich abzulehnen ſuchete: Wannenhero er deſto mehr darum anhielte und ſagte: Woferne es ja nicht convenable iſt, Madame, mein Bitten in ſo weit ſtatt finden zu laſſen; ſo erlauben ſie Dero Diener zum wenigſten, daß ih - nen in einem Wein-Hauß, wo man ſie nicht kennen moͤge, ein Glaß Wein præ - ſentiren darff; Jch verſichere, daß dieſe Ehre keinen Augenblick laͤnger mißbrau - chen, noch ſie aufzuhalten ſuchen werde, als es Dero ſelbſt eigenes Belieben und Vergnuͤgen zulaͤſſet. Jch bin zu wenig, verſatzte die Dame, ſo inſtaͤndigen und ge - nereuſen Noͤthigungen zu widerſtreben. Alſo gratificirte ſie ſeinem Verlangen; und be - gaben ſie ſich alſo mit einander in das Wein-Hauß zum halben Mond in dem Strand, allwo unſer Ritter nichts als Liebe, und die Dame lauter Zu -Y 2frie -340General Foulkes,friedenheit, bezeigete; Kurtz: Sie lieſſen ſichs wohl ſchmecken, und brachten ein paar Stunden mit hoͤchſtem Vergnuͤgen zu, in welcher Zeit der Ritter vor ſie auf die Knie fiele, und ſie nicht die Sproͤteſte ihres Geſchlechts zu ſeyn befande: Denn ſie wurde endlich ſo kirre, daß ſie dem Ritter Erlaubniß ver - ſtattete, ſie zu Hauß in ihrem Logis zu beſuchen. Der mit Freuden uͤberſchuͤttete Liebhaber wieder - hohlte ſeine Danckſagungen, fuͤr eine ſo groſſe Gna - de, wohl tauſend mal, und drunge durch vieles Noͤ - thigen ſeiner Geliebten einen Diamant-Ring, zum Zeugniß ſeiner Gewogenheit auf. So bald er nun folgenden Tags in einer Kutſche bey ihrem Logis angelanget war, wurde er von der Wirthin des Hauſes empfangen; ie naͤher er aber ſeinem Ver - gnuͤgen kam, deſto groͤſſere Ungedult fienge ſich in ihm zu regen an: Denn er kunnte eher an kein Eſſen gedencken, biß er ſeiner Schoͤnen ihr Zimmer geſehen, dahero ſie ihn bald dahin fuͤhrte, allwo dieſe beyde Verliebten einander aufs liebreichſte troͤ - ſteten; Und ob ſie ſich wohl bey ſeinem Umarmen erſt ein wenig ſchuͤchtern anſtellte, ſo gab ſie ihm doch bald voͤllige Freyheit, nach Belieben mit ihr um - zugehen, welches er gar begierig vollzoge, ihre Gunſt - Bezeigungen und ſein eigenes Gluͤck, wegen einer ſo ungemeinen Zufriedenheit, ſo lange herausſtrei - chende, biß ſie zur Abend-Mahlzeit geruffen wur - den, worbey man des Weines nicht ſchonete undein -341und Madame Howard. einander alles erſinnliche Vergnuͤgen zu enweiſen bemuͤhet war. Aber nun war es Zeit, daß dieſe liſtige Schlange ihre Karten miſchete, und den be - trogenen Ritter hinter das Licht fuͤhrete, den ſie an ſtatt ihres eigenen Logis, in ein Bordel einer von ihren Bekannten gelocket hatte, allwo ſie es mit der alten Kuppel-Meiſterin ſchon abgeredet, dem Rit - ter Opium in ſeine Glaͤſer zu practiciren und ihn in einen trunckenen Schlaff zu ſtuͤrtzen; Da - mit ſie alſo ihre abgezielte Schelmerey werckſtellig machen, und ihm alles, was er bey ſich fuͤhrete, wel - ches ein anſehnliches austrug, nehmen moͤchten: Denn uͤber das gangbare Gold, das er an baaren 100. Guineas, und mehr, bey ſich hatte, fanden ſie auch eine goldene Taſchen-Uhr, Loͤffel, und an - dere Koſtbarkeiten bey ihm. Der Ritter, welcher ſich eher des Himmels Einfall, als dieſer Tuͤcke ver - ſehen, hatte ſeinen Wein gantz ausgetruncken, wel - cher ſo kraͤfftig temperirt war, daß er gar bald in einen tieffen Schlaff fiel; Worauf ſie ihn aus - ſpolirten und abkleideten, und, ſtatt ſeines Habits, einen alten rothen Rock und dergleichen Bein-Klei - der anzogen, welche Kleider einem von denen Kup - pel-Wirthen des Hauſes zuſtaͤndig waren, der, nebſt noch einem Kunſt-Verwandten von ſeiner ſauberen Handthierung, den Ritter des Nachts um 12. Uhr hinaus auf Lamb’s Conduit-Fields truge, und ihm alſo nur noch die Freyheit uͤbrigY 3lieſ -342Koͤnig Carolus II. lieſſe, ſein Verhaͤngniß, wenn er wieder zu ſich ſelbſten kaͤme, daſelbſten zu verfluchen. Nicht lange nach dieſer ſpitzbuͤbiſchen Taͤuſcherey begab ſie ſich Anno 1694. nach ihres Vaters Behauſung in Nottinghams-hire, woſelbſt ſie im vier und zwantzigſten Jahr ihres Alters ein gifftiges Fieber aufriebe.
DJeſe Dame war eigentlich des Monſ. Davis, eines Goldſchmieds in der Stadt York Ehe-Frau, in welche ſich nachge - hends ein Edelmann verliebte: Denn, weil dieſer noch ein junger Bruder war, und ſein weniges Ver - moͤgen alles verzehret hatte, bemuͤhete er ſich, vermit - telſt einer gewiſſen Handelſchafft, der er nachfolgte, ſo propre als eine Standes-Perſon zu leben; und weil nun dieſe Frau Davis jung, belebt, ſchoͤne und klug war, ſchiene ſie ihm ein bequemes Object zu ſeyn, ſeine Maitreſſe zu werden; So fehlte auch ihm keine von denjenigen Eigenſchafften, die ihn beym Frauenzimmer angenehm machen kunnten, ausgenommen dieſes eintzige, daß er nicht reich war, und kein Geld hatte. Dieſem letztern nun unge -achtet,343und Madame Davis. achtet hatte er ſich die feſte Zuverſicht gefaſſet, ſeine hoͤfliche und galante Auffuͤhrung, ſein bezaubern - des Weſen, einnehmende Beredſamkeit und andere Vollkommenheiten koͤnnten ihm ſchon ſtatt einer zulaͤnglichen Recommendation dienen. Die - ſemnach addreſſirte er ſich an eine Frau, die eine ſehr gute Freundin der Davis war; Allein, nach - dem er dieſelbe durch ein Stuͤcke Geld auf ſeine Sei - te gebracht, daß ſie ihm, in Betrachtung ſeiner Lie - bes-Geſchaͤfften, allen moͤglichen Beyſtand leiſten wollte, wurde er nicht wenig beſtuͤrtzt, als ihm das alte Weib des folgenden Tages berichtete, was maſſen ſich ſeine Geliebte hochmuͤthiger und kluͤger als Lucretia erwieſe, und ſie ihres eigenen Ortes ſeinethalben recht blind angelauffen waͤre; Sie kunnte aber dennoch hierdurch dieſem Herrn den Liebes-Wurm nicht aus dem Gehirne bringen, der vielmehr alle Gelegenheiten abpaſſete, damit er die Frau Davis nur zu ſehen bekommen moͤchte; ja er ließ nie keinen Tag vorbey paſſiren, da er ihr nicht die Verſicherungen gegeben, welchergeſtalt er fuͤr Liebe gegen ſie einen continuirlichen Tod auszu - ſtehen habe.
Nachdem nun unſer Liebhaber zwey biß drey Monathe die hefftigſte Leidenſchafft mit verwun - derns wuͤrdiger Gedult ausgeſtanden hatte, machte ihn endlich eine geſchwinde Veraͤnderung oder viel - mehr ein toller Eigenſinn gluͤckſelig. MadameY 4Da -344Koͤnig Carolus II. Davis war nehmlich gar uͤbel darauf zu ſprechen, daß alle Weiber von ihrem Stande nach der neue - ſten Mode gekleidet giengen, ſie aber, durch ihr offt wiederholtes Bitten, es bey ihrem Manne nicht dahin bringen kunnte, daß er ihr ein Kleid nach der neueſten Façon gekauffet, worinnen ſie es ihren Nachbarinnen gleich thun moͤgen: Denn, weil ihr Mann ein ſparſamer fleißiger Hauswirth war, ſtell - te er ihr, an ſtatt ihrem Verlangen zu willfahren, vor, was maſſen ſolches die Beſchwerlichkeiten ſei - nes Haus-Weſens nebſt andern Umſtaͤnden ſeiner Geſchaͤfften nicht zulaſſen wollten, ſie anbey verſi - chernde, daß, ſo bald die Kleider, deren ſie vorietzo genug haͤtte, abgetragen ſeyn wuͤrden, ſie alsdenn ſich nach Belieben heraus kleiden moͤchte; Allein dieſe Antwort gab ſeinem Weibe diejenige Satisfa - ction, die ſie erwartete, keinesweges, ſondern ſie lamentirte, heulte und ſchrye, ſchnorrte und porr - te, ſummte und brummte, und kunnte ihrem Man - ne kaum das Geſichte verſtatten; aber alles vergeb - lich: Der ehrliche Mann beſtunde auf ſeiner Sorg - falt fuͤr das Nothwendigſte, und ließ ſich weder die Thraͤnen noch Drohungen ſeines Weibes bewegen. Dem Edelmanne, der ſo ſterblich in ſie verliebet war, wurde dieſes Geheimniß durch die alte gute Freundin bald zu wiſſen gethan; Worauf er die alte Hexe beſchwuhr, dieſe ſchoͤne Gelegenheit ja nicht zu verabſaͤumen, und das Mißverſtaͤndnißzwi -345und Madame Davis. zwiſchen ſeiner Geliebten und ihrem Ehe-Manne zu vermehren, und ſein gutes Verſtaͤndniß zwiſchen ihm und ihr dadurch zu befoͤrdern; Er verſprach ihr zugleich, im Fall ſie ſich die Sache angelegen ſeyn ließ, zehen Guineas zum Recompens oder Kuppel-Peltze. Die alte Gelegenheitmacherin verſicherte ihn, was maſſen ſie keine Muͤhe noch Fleiß ſpahren wollte; Und als ſie eines Tages, da Madame Davis von ihrem Manne hoͤchlich be - leidiget worden, und in Thraͤnen faſt zerfloſſe, ihre Gelegenheit erſahe, unterließ ſie nicht, des Edel - manns Liebe, ſeine Beſtaͤndigkeit, ſeine Genero - ſité und Freygebigkeit durch alle Prædicamenta herauszuſtreichen: Mit einem Worte, ſie machte ſich ihre Zeit ſo wohl zu Nutze, und wandte alle Au - genblicke von dieſer gluͤckſeligen Stunde ſo à pro - pos an, daß, ehe ſie und Madame Davis von einander ſchieden, ihr dieſe das Verſprechen thate, den Edelmann eine Nacht, weil ihr Mann ſchlieffe, zu unterhalten.
Man wurde mit einander einig, daß der Preiß fuͤr dieſes Nacht-Lager in 50. Guineas beſtehen ſollte. Der Liebhaber wuͤrde eher das Hembde vom Leibe hingegeben haben, als der Paſſion, die ihn ſo lange genaget und geplaget, kein Genuͤgen zu leiſten: Er verſprach, den folgenden Freytag des Nachts um zwoͤlff Uhr, mit allen erforderten Eigenſchafften, ohnfehlbar am beſtimmten Orte zu ſeyn; Da ſieY 5ihn346Koͤnig Carolus II. ihn denn, auf ein gewiſſes abgeredetes Zeichen, hin - ein in eine Unter-Stube fuͤhren ſollte, biß ſeine Schoͤne im Stande waͤre, ihn daſelbſten zu em - pfangen. Am Abend, nachdem die Arbeit verrich - tet war, vermeldete der Goldſchmied ſeinem Wei - be, welchergeſtalt er ſehr muͤde waͤre, und ſich dero - halben beyzeiten zu Bette begeben wollte. Weil ſie ſich nun geſtellet, als zuͤrne ſie nicht mehr, machte ſie ſich keine Schwierigkeit, ihm hierinnen zu gehor - cheu; Sie hatten ſich aber kaum eine Stunde im Bette befunden, als ſie mit einem tieff-geholten Seuffzer unverhofft ſagte: O! mein Schatz! bin ich nicht auch ein unbeſonnenes und tummes Weib! Jch habe es ſchaͤndlich vergeſſen, daß ich ein neu-gewaſchenes Hembde fuͤr euch geplattet haͤtte, da ihr doch morgen zum Buͤrgermeiſter zu Ga - ſte gehen wollet: Jch kan nicht einſchlaf - fen, biß ich eins fertig gemacht habe: Es iſt bald geſchehen, alsdann will ich wieder zu Bette kommen. Der Mann mochte, ihr dieſe Muͤhe zu erſpahren, ſagen, was er wollte, und der Magd anbefehlen, daß ſie es verrichten ſollte, ſo halff doch alles nichts; ſie muſte nur fort, und er fande ſich genoͤthiget, dem ungeſtuͤmen Begehren ſeines Weibes, die eine Frau von ſonderbarer Re - ſolution war, zu willfahren. Sie ſtund alſo auf: Der Galan gab das Zeichen, und wurde eingelaſ -ſen;347und Madame Davis. ſen; Nachdem er aber die verglichene Zeit hieſelbſt zugebracht hatte, kam er voller Chagrin und Schwermuͤthigkeit wieder heraus, und dieſes deß - wegen, daß er fuͤr eine eintzige Nacht-Luſt ſo vieles Geld hingegeben, und haͤtte er faſt, ſo offt er daran gedachte, fuͤr Verdruß aus der Haut fahren moͤ - gen.
Es war um Johannis-Tag herum, und brach folglich der Tag ſchon an, als unſer Courtiſan ſeine verliebte Lager-Statt verlaſſen muſte; Und weil er ſich nach Hauſe zu gehen ſchaͤmete, bevor ſein Barth geputzet, und ſeine Paruque accommo - diret waͤre, verfuͤgte er ſich derohalben nach einer Barbier-Stube. Der Barbierer, welcher gleich merckte, daß ihm gar nicht recht aufgeraͤumt im O - ber-Stuͤbgen ſeyn muͤſte, bemuͤhete ſich, ſeinen Un - muth durch allerhand Schertz und luſtige Schwaͤn - cke zu vertreiben; Jedoch des Edelmanns Gleich - guͤltigkeit uͤber des Barbierers laͤcherliche Schna - cken, als welche ihn im geringſten nicht afficiren kunnten, diente zu nichts weiter, als daß ſie bey die - ſem nur mehrere Neugierigkeit erweckte, um jenes Anliegen durch inſtaͤndiges Anhalten heraus zu lo - cken; Und der unbeſonnene Liebhaber vermeynte endlich ſein Hertz hierdurch ein wenig leichter zu ma - chen, und vertrauete alſo dem Barbierer ſeine gan - tze Liebes-Avanture, iedoch mit Verſchweigung des Nahmens. Wiewohl nun der Barthputzer,um348Koͤnig Carolus II. um ihn treuhertzig zu machen, ihme verſprach, das Geheimniß gantz verſchwiegen zu halten; ſo erzehlte er doch noch ſelbigen Morgens, als ſeine Stube vol - ler Kund-Leute war, allen denenſelben, die zugegen, dieſes Abendtheuer haarklein, woruͤber ſich dieſe gar ſatt und den Bauch voll lacheten. Offt erwehnter Gold-Arbeiter, der des Barbierers Nachbar und ſehr vertrauter Freund war, kam gleichfalls, und wollte ſich den Barth abnehmen laſſen, und hoͤrte dieſe Hiſtorie ſo wohl als die andern mit an, woruͤ - ber er ein beſonderes Vergnuͤgen bezeugete; Allein er lachte ſich nur ſelbſten aus: Denn, nachdem er alle Umſtaͤnde von dieſer Intrigue angehoͤret hat - te, und bey ſeiner Heimkunfft den Beutel mit 50. Guineas bey ſeiner Frauen fande, vergieng ihm das Lachen gar bald. Er befahl daher ſeinem Wei - be, ſie ſollte augenblicklich ihre Braut-Kleider an - ziehen, worinnen er ſie auch ſofort nach Hauſe zu ihren Eltern begleitete, mit der Verſicherung: Er waͤre kommen, ihnen ihre Tochter wieder zuzuſtel - len, denn er koͤnnte keine ſolche fleißige Arbeiterin in ſeinem Hauſe leiden, die in einer eintzigen Nacht 50. Pfund mit Plattung eines Hembdes zu verdienen wuͤſte. Jhre Scheidung beſtaͤrckte kurtz hierauf die gantze Stadt in der Wahrheit dieſer Hiſtorie; und man hoͤrte gar bald in York die Jungen auf denen Gaſſen davon ſingen; Der Goldſchmied aber zoge fich dieſe ihm durch ſeines Weibes Leichtfertigkeitver -349und Madame Davis. verurſachte Verſpottung dergeſtalt zu Hertzen, daß er in kurtzer Zeit darauf der Natur die allgemeine Schuldigkeit bezahlte; Sein Weib hingegen kam nach London, woſelbſt ſie eine Comœdiantin wurde, und, weil Kupplerey und Intriguen damals die eintzigen Verdienſte waren, wodurch ſich ſo Manns - als Weibs-Perſonen zu White-Hall einigen Vorzug erwerben kunnten, fande ſie Freun - de genug am Hofe, die ſie dem wolluͤſtigen Koͤnige Carolo II. in die Armen ſpieleten, mit dem ſie eine Tochter zeugete, ſo hernach dem Grafen von Der - wentwater vermaͤhlet wurde.
Als der Koͤnig Anfangs der Madame Davis ſeine Liebe antrug, gab er ihr ſolche folgendergeſtalt zu verſtehen: Jch mache mir ein Vergnuͤ - gen daraus, euer Gluͤcke zu befoͤrdern, Madame, und wollte wuͤnſchen, mein Verlangen ſo leichte erfuͤllen zu koͤnnen, als begierig bin, taͤglich neue Proben meiner Neigung zu eurer Perſon an den Tag zu legen. Sie ſahe Seine Majeſt. mit ei - ner ſolchen Holdſeligkeit an, die vermoͤgend war, dem Verzagteſten einen Muth einzufloͤſſen, und beobachtete in ſeinen Augen extraordinaire Be - wegungen, und alle Merckmahle einer ausbrechen - den Liebe: Dahero ſie ſich in ihrer Einbildung ſchon damit flattirte, daß die gantze Sache mit dieſem Koͤnigl. Liebhaber nach Wunſch und Verlangenaus -350Koͤnig Carolus II. ausſchlagen werde; Sie beantwortete demnach des Koͤnigs Compliment folgender maſſen: Meine Hochachtung gegen Ew. Majeſt. iſt ſo groß, daß ich bereit bin, alles zu thun und einzugehen, was mir Dieſelben zu be - fehlen geruhen: Sie haben mir eine hoͤ - here Gnade erwieſen, indem Sie diejeni - ge Paſſion, ſo ich fuͤr Sie hege, gebilliget, als wenn Sie mir alle Reiche der Welt geſchencket haͤtten. Es iſt ohnſchwer zu erach - ten, was der Koͤnig uͤber dieſer Erklaͤrung, die ſie zu - mal mit einer ſonderbaren liebreitzenden Art vor - brachte, fuͤr eine ungemeine Zufriedenheit bezeigte, daß ſich auch Seine Majeſt. nochmals vernehmen lieſſen: Jch habe keine groͤſſere Leiden - ſchafft, als mich der Ehre theilhafftig zu machen, euch nach aͤuſſerſtem Vermoͤgen zu dienen! und fuͤgte mit groſſer Entzuͤckung hin - zu: Haben euch die ſtummen Redner mei - ner Augen niemals geſaget, was ſie in de - nen eurigen geſuchet? Sie antwortete: Jch bin niemals ſo vermeſſen geweſen, Ew. Majeſt. geneigte Blicke dahin zu deuten, als ob ſie ihren Urſprung der Liebe zu dancken haͤtten.
So bald Madame Davis des Koͤnigs Mai - treſſe geworden, ſahen ſie die uͤbrige Concubi - nen, als die Hertzogin von Cleaveland, die Her -tzogin351und Madame Davis. tzogin von Portsmouth, die Hertzogin von Ma - zarine, und Eleonora Gwin, welche eyffer - ſuͤchtig waren, daß ihnen dieſe neue Beyſchlaͤfferin des Koͤnigs Neigungen entfremden wollte, alle mit ſchaͤlen Augen an: Wannenhero ſie ſich eines Ta - ges, als ſie allein mit einander waren, Gelegenhet zu ſagen nahm: Nachdem ich die Ehre habe, zu verſpuͤhren, daß mich Ew. Majeſt. mit gnaͤdigen Augen anſehen, und ſich auch die Gegenwart Dero anderen Maitreſſen nicht davon abſchrecken laſſen; ſo habe keine Urſache, an Dero aufrichtigen Nei - gung gegen mich zu zweiffeln; Und alle Dero mir von Sie zeithero erwieſene Gnaden-Bezeugungen uͤberreden mich Dero wuͤrcklichen Liebe: Dahero muß ich aufrichtig bekennen, daß von dem er - ſten Augenblicke an, da Ew. Majeſt. zu ſehen das Gluͤck hatte, mein Hertz nie - mals von einem andern Gegenſtande, auſſer Jhnen, geruͤhret worden. Nichts deſto weniger erlauben mir Ew. Majeſt. daß Jhnen bekannt machen darff, wel - chergeſtalt meine Meynung von Dero Liebe gegen mich einiger Maſſen ins Ab - nehmen gerathen will, indem ich meinen Jrrthum nunmehr allzuwohl innen wer - de, wenn Mesdames Cleaveland, Ports -mouth,352Koͤnig Carolus II. mouth, Mazarine und Eleonora Gwin mich taͤglich zu affrontiren ſuchen, ohne daß es Ew. Majeſt. im geringſten ahnten ſollten. Dieſes ſchmertzet mich unge - mein, und kraͤncket mich in der Seelen, da ich Sie doch ſo wahrhafftig und treu - lich, als eine unter dieſen beſagten, liebe. Der Koͤnig verſatzte: Jſt es nicht ein Unge - luͤck, daß, da ihr ſehet, wie ſehr ich euch zugethan bin, ihr dennoch einigen Zweif - fel von meiner Liebe hegen koͤnnet: Denn, glaubet mir ſicherlich, daß ihr gar keine Urſache habt, ein Mißtrauen auf meine Treue zu ſetzen, weil ich nie keine ſo ſehr als euch geliebet. Jch verſichere gleich - falls, erwiederte Madame Davis, daß kein Monarch auf dem Erdkreiß iſt, dem Ew. Majeſt. vorziehen wollte. Um dieſer Ur - ſachen willen, war des Koͤnigs Einrede, ſoll auch keine mehr von dieſen Perſonen, uͤber die ihr euch beklaget, ſich hinfuͤro uͤber euch erheben, woferne ſie nicht meine ernſtli - che Empfindlichkeit, wegen ihres vermeſ - ſenen Unterfangens, nachdruͤcklich fuͤh - len will: Und wenn ſie alle Koͤniginnen, ich aber nur bloß deren Unterthan waͤre, und mir ihre Cronen und ihre Gnade of - ferirten, ſo wollte euch durch meine Ver -ſchmaͤ -353und Madame Davis. ſchmaͤhung derſelben ſehen laſſen, wie unendlich meine Liebe gegen euch ihre Gunſt-Bezeugungen alle uͤbertraͤffe. Gleichwie es demnach in eurer Gewalt ſtehet, mich durch eure Liebe zum Gluͤck - ſeligſten unter allen Menſchen zu ma - chen; Alſo werde dieſe Schaͤtzbarkeit, durch Ablehnung aller Gelegenheiten zu eurer Jalouſie, wegen meiner Liebe gegen euch, zu vergelten befliſſen ſeyn: Anbey kan ich euch nicht verhalten, daß ich un - terſchiedene derer ſchoͤnſten Hof-Damen, die meine Liebe auf tauſenderley Wege geſucht, euernthalben verſchmaͤhet ha - be. Dieſe freye Bekaͤnntniß des Koͤnigs beruhig - te fuͤr dieſesmal ihren Argwohn ein wenig; Als ſie aber das erſtemal wieder zuſammen kamen, mach - ten ihr Seine Majeſt. bekannt, was maſſen Sie die Hertzogin von Cleaveland und andere, die ſie nahmhafft gemacht, verwarnet haͤtten, daß ſie ſich huͤten ſollten, ſie hinfuͤro auf einigerley Weiſe zu be - leidigen; Und dieſes beruhigte endlich ihr Gemuͤthe gaͤntzlich, und ließ ſie erkennen, daß ſie nicht Urſache haͤtte, wegen des Koͤnigs Affection argwoͤhniſch zu ſeyn: Dahero Se. Majeſt. auch zu ihr ſagten: Woferne ihr mich vollkommen liebetet, wuͤrdet ihr mich beſſer kennen. Glaubt mir, Madame, ich liebe euch uͤber alles inII. Theil. Zder354Koͤnig Carolus II. der Welt! Gleichwie ich nun dasjenige, was ich bereits gethan habe, fuͤr ein ſiche - res und leichtes Mittel, euch zu befriedi - gen, halte; Alſo hoffe, ihr werdet nicht laͤnger an meiner Zuneigung zweiffeln! Madame Davis fand ſich von dieſem Diſcours aufs zaͤrtlichſte geruͤhret, und verpflichtet, dem Koͤ - nige in allen Stuͤcken voͤlligen Glauben zuzuſtellen, der noch weiter alſo fort redete: Jhr allein ſeyd die Dame, die ich liebe, zu deren Fuͤſſen ich mich legen wollte, nebſt allen Ehren - Tituln oder Gluͤcke, ſo in meiner Gewalt ſtehet, damit ich nur den Nahmen eines Liebhabers von euch erhalten moͤge, als welcher mir ſchaͤtzbarer iſt, denn aller Purpur der hohen Printzen oder fun - ckelnde Diamanten derer Morgenlaͤndi - ſchen Monarchen! Hier fiel ihm die Dame in die Rede: Großmaͤchtigſter Koͤnig, ſagte ſie, die hohe Fuͤrtrefflichkeit von Dero Zu - neigung iſt mir eine ſo groſſe Ehre, daß, weil mir meine eigene gar zu ſchlechte Verdienſte mehr als zu wohl bekannt ſind, ſolche mit ſo uͤberſchwenglicher Freude, Zufriedenheit und Vergnuͤgen aufnehmen muß, als ein Gefangener ſei - ne Freyheit, oder ein zum Tod Verur - theilter die erfreuliche Poſt erlangtenPar -355und Madame Davis. Pardons. Binnen wenigen Tagen darauf, nach - dem ſie dieſes Geſpraͤch gehalten hatten, ſuchte der Koͤnig der Madame Davis in ihrem Logis die ſtille Einſamkeit durch eine Viſite zu verſuͤſſen; weil er ihr aber zugleich vermeldete, daß er bey ietziger Jahrs-Zeit Luſt halber nach Newmarket rei - ſen wollte, ſchiene ihr dieſe Zeitung ſehr nahe zu ge - hen, ſagende: Dero Scheiden wird mir eine unausſprechliche Marter ſeyn, weil ich gleich einer Sonnenwende mein betruͤb - tes Haupt zur Erden haͤngen, und wie der weibliche Palm-Baum, in Abweſenheit des maͤnnlichen, verwelcken werde. Je - doch, als ſie der Koͤnig unterrichtete, daß er ihr eine Standes-maͤßige Equipage verordnet haͤtte, mit ihm zu reiſen, wurde ſie dieſer Gnade wegen fuͤr Freuden gantz auſſer ſich ſelbſten geſetzet. Jmmit - telſt hatte ſie ſich nicht lange zu Newmarket be - funden, ſo begieng ſie ein wunderliches Abend - theuer: Denn weil ein Cavalier, Nahmens A - bercromwey, der zu ſolcher Zeit Obriſter unter denen Infanterie-Guarden war, ſehr mal - honnet von ihr geſprochen hatte; Sie aber von einem andern vornehmen Cavalier berichtet wur - de, daß derſelbe ein ſehr feiger Officier waͤre, und ſie keine beſſere Kurtzweil anſtellen koͤnnte, als wenn ſie ihm, unter dem Nahmen eines von ihren guten Freunden, ein Cartel zuſchickte, ſintemal er nim -Z 2mer -356Koͤnig Carolus II. mermehr erſcheinen, ſondern eher alles, was ſie ver - langte, eingehen wuͤrde, ließ ſie ſich, als eine kuͤhne und behertzte Dame, dieſen Rath gefallen, ſagende: Wenn ich nur alsbald Kleider, Pferd und Gewehr haͤtte, ſo wollte ich ihm noch heu - te die Spitze biethen. Nachdem man ſie nun in ein - oder zween Tagen mit allen behoͤrigen Noth - wendigkeiten verſehen hatte, und ihr weiter nichts mangelte, als eine Gelegenheit, ihrem Feinde zu be - gegnen, und ſich an dieſem nichtswuͤrdigen Obri - ſten zu revangiren, uͤberſandte ſie ihm, durch ei - nen gemeinen Laquayen, in einer unbekannten Liverey, folgendes Cartel:
Die Beleidigung, ſo ihr der Madame Davis angethan, indem ihr auf eine un - anſtaͤndige und ſchimpffliche Art hinter ihren Ruͤcken von ihr geſprochen, ver - pflichtet mich, Satisfaction von euch zu fordern: Denn weil ich ein Edelmann und Soldat bin, verbindet mich die Eh - re, in Betrachtung beyder, darzu, be - ſchimpffte Damen zu vertheidigen: Aus dieſer und keiner andern Raiſon erwarte ich euch, gantz alleine, morgen fruͤhe um 5. Uhr, zu Pferde, mit Degen und Piſto - len, im andern Felde an der NoͤrdlichenSeite357und Madame Davis. Seite der Stadt, woſelbſt euch meine Courage und gerechte Sache ſo ſchimpff - lich in eurem Tode machen ſoll, als aͤrger - lich ihr in eurem Leben geweſen ſeyd
J. H.
Der Obriſte erhielte dieſen Brief mit Verwun - derung und Schrecken: Er erkundigte ſich zwar bey dem Laquayen, wer ſein Herr waͤre; Aber dieſer, der ſchon Inſtruction bekommen hatte, vermeldete ihm, was maſſen er keinen Befehl habe, einige Frage aufzuloͤſen, ſondern mit ſeiner Ant - wort zuruͤcke zu kommen. Dahero der Obriſte, mit ziemlichem Verdruß und Verwirrung, ihm ſol - che zu ertheilen verſprechen muſte, mit Befehl, ſei - nem Herrn zu berichten, daß er nicht fehlen wuͤrde, auf Parole eines Edelmannes, und bey der Repu - tation eines Soldaten, um beſtimmte Zeit, und am angeregten Orte, zu erſcheinen.
Alſo begegneten dieſe zween Duelliſten einan - der, und der weibliche Held loͤſete ohne viele Com - plimenten ein Piſtol, welches den Obriſten in der lincken Schulter verwundete; worauf dieſer alsbald einen Stillſtand verlangete, und, den Streit beyzu - legen, eine Zahlung von 100. Guineas verſprach, welches Madame Davis auch acceptirte, die ſolche Summe eine Stunde hernach in des Obriſten Logis empfienge, worauf ſie ſich erſt zu erkennenZ 3gab.358Koͤnig Carolus II. gab. Dieſer tapffern That wegen ward ſie bey dem Koͤnige hoͤchlich recommendiret, als der, nebſt etlichen wenigen von ſeinen Cavaliers, die - ſen Zweykampff von einem Orte, da ihn die Du - elliſten nicht gewahr werden koͤnnen, mit angeſe - hen; Aber der Obriſte wurde ſo ſchimpfflich rail - liret und aufgezogen, daß er alsbald ſein Com - mando quittirte, und ſich aufs Land begab, ein einſames Leben daſelbſt zu fuͤhren. Nachdem aber ihre Gluͤckſeligkeit den hoͤchſten Gipffel erreichet hat - te, machte ſie ſich der Gnade ihres Koͤnigl. Beſchir - mers auf eine gar ſafftige Manier ſelbſten verlu - ſtiget, welche Herr Butler in ſeinen Operibus Poſthumis in Engliſchen Verſen folgendes Ver - ſtandes entworffen.
Noch eine blancke Schweſter hatt’Der Schauplatz ausgehecket,Und an der ſchoͤnen Nelly StattZu ſeinem Schmuck erwecket;Die lieſſe ihrer Augen StrahlDurch alle Logen blitzen,Und wo auf dem Parterre-SaalGemein’ und Vornehm’ſitzen,Biß daß zuletzt zu ihrem GluͤckEin Koͤnig ward charmiret,Der nie mit einem rauhen BlickEin liebes Weib turbiret,Beſondern liebte dieſe Luſt,Aus der er war entſproſſen,Bloß359und Madame Davis.Bloß darum, weil des Vaters BruſtDieſelbe auch genoſſen.Doch, wie kein Gluͤcke ohne Neid,So wollen viele ſagen,Daß Nelly ſich zu rechter ZeitDie Eyfferſucht ließ plagen,Und præparirte einen TranckVon treibenden Purganzen,Den wollt’ ſie der von gleichem Ranck,Aus Rach-Begier zuſchantzen;Der Anſchlag gieng auch gluͤcklich an:Denn an demſelben Abend,Da der galante Spaß-Galan,Sich ſchon im Hertzen labend,Mit ſeiner neuen Concubin,Bey dunckel-ſtillem Schatten,Zum Tort der ſchoͤnen Nelly Gwin,Sich ſuchte zu begatten,Lud ſie dieſelbe auf Confect,Und wuſte ihr darnebenDas, was man ſonſt mit Grauen leckt,Manierlich einzugeben.Der Venus-Held hatt’ nicht ſo baldDas blancke Schwerdt gezucket,Und auf das Ziel im Liebes-WaldDie Ladung loßgedrucket,Als die Caldaunen in dem Feld,Cardaunen wollt ich ſagen,Der liebſten Feindin auf der WeltAuch ſuchten einzuſchlagen.Mit einem Wort: Der Koͤnig warJn voller Luſt begriffen,Z 4Als360Koͤnig Carolus II.Als Davis ihn bey einem HaarZum Bett hinaus gepfiffen:Denn weil die OperationDes Juleps ſich einſtellte,Mit einem Stanck-vermiſchten Thon,Dem ſich noch beygeſellteEin ſchrecklich Krachen in dem Bett,Das ſo ein Wetter machte,Als ob ein Bauer um die WettMit ihr ins Hoͤſgen lachte,Der Neigen-Bier auf Sauer-KrautNebſt Butter-Milch getruncken,Und bey dem fuͤrchterlichen LautNoch graͤßlicher geſtuncken;So ſtoͤhrte ſie mit ihrem WuſtUnd Liegen in dem NaſſenDes Koͤnigs Scepter in der Luſt,Daß er ſie muſt verlaſſen.Sie ſtuncke wie ein Wiedehopff,Wie gruͤn-verfaulter Hopffen,Daß er muſt Naſe, Mund und KopffVor dieſem Schatz verſtopffen:Denn ſie hatt’ nicht nur ihren SteißAbſcheulich eingepoͤckelt,Beſondern ſeinen gleicher Weiß;Doch ſtille! pfuy! mir eckelt,Sowohl als dieſem Staats-Galan,Der aus dem Bette ſprunge,Und ihr den ſaubern MarcipanAllein zur Koſt verdunge.Er pflegte zwar das Weiber-FleiſchSonſt ungemein zu lieben;Allein361und Madame Davis.Allein hier hatte dieß GeraͤuſchDen Appetit vertrieben:Er floh den Vogel wie die Peſt,Der ſich ſo ſchlecht verpflichtet,Und ihm ſein ſchoͤnes Feder-NeſtSo ſchaͤndlich zugerichtet,Auch ihn in ſeiner Luſt geſtoͤhrt,Die ſonſt ſein halbes Leben,Der, weil ihm ſolches unverwehrt,Er voͤllig war ergeben.Kurtz: Davis wurde dimittirt,Und kriegte fuͤr die Dienſte,Die ſie vorher mit Ruhm gefuͤhrt,Viel ſtattliche Gewinnſte.Und alſo ſah’ diß Goͤtzen-BildSich en Moment verlaſſenVon dem, der es zuvor ſo mildStets pflegte zu umfaſſen:Denn weil es ihre teutſche KunſtSo jaͤmmerlich verſehen,Und ihm beſtaͤnckert ſeine Gunſt,So wars um ſie geſchehen.Drum kan ein eintzger Fehler offt,Durch liederliche Sitten,Da, wo mans nimmermehr verhofft,Den gantzen Quarck verſchuͤtten:Ja ſelbſt die Groſſen in der WeltSind, hole mich der Schinder!Jn ſolchen Sachen auch beſtellt,Wie andre Menſchen-Kinder.
Alſo ſiehet man durch was fuͤr einen ſeltzamenZ 5Unfall362Der Hertzog von York,Unfall dieſe Koͤnigliche Maitreſſe in Ungaden ver - fiel. Weil ihr nun der Hof verbothen wurde, entzog ſie ſich demſelben auf ewig: Und ungeachtet ſie vormals begierig geweſen, Pracht und Herrlich - keit in der Welt durch ihr leichtſinniges Weſen zu erlangen; So ſuchte ſie doch nachgehends die Scharte ihrer verlohrnen Tugend und ſchaͤndlichen Lebens-Art durch eine ehrliche Heyrath und erba - res Leben, wiederum auszuwetzen: Welches (es ſey zu ihrem Ruhme geſagt,) noch keine Hof-Mai - treſſe vor ihr gethan hatte, ausgenommen die Hertzogin von Cleaveland, welche, O der ehrlo - ſen Herrlichkeit dergleichen elenden Damen! in ihrem hohen Alter ein ſo groſſes Verlangen nach dem Eheſtande hatte,