Wir ſollen GOTT fuͤrchten, und lieben, daß wir unſern Nechſten an ſeinen Leibe keinen Scha - den, noch Leid thun, ſondern ihn helffen, und foͤrdern in allen Leibes-Noͤthen!
AUf dem Frauen-Kirch-Hofe in Neu-Dreßden zeiget man zur lincken Hand beym Ein - gange zur Sacriſtey einen auf - gerichten alten Grabſtein, und giebt von demſelben fuͤr / daß er einer Goldſchmiedin zum Andencken geſetzet worden, mit dem ſonderba[r]en Beyfuͤgen: Man haͤtte ſie vor todt zur Erde geſchafft, als ihr aber bey Nacht der Todten-Graͤ - ber den am Finger bemerckten Ring ab - ziehen wollen, haͤtte ſie ſich wiederum er - muntert, waͤre zu ihrem Manne umge - kehret, und haͤtte mit ihm noch etliche Jahr gelebet, auch unterſchiedliche Kin - der gezeuget. Damit man nun von der Sache um ſo viel beſſer urtheilen koͤnne / ſo will ich das Epitaphium, wie es anietzo noch daſelbſt anzutreffen, und vor den Titul-Blat zu ſehen iſt, anhero ſetzen, und beſchreiben. Es wird auf demſelben eine Frau mit aufgehabe - nen Haͤnden in Lebens-Groͤſſe vorgeſtellet,zu2Beſchreibung des Epitaphii. zu deren einer Seite zwey Knaben, und zur andern zwey Maͤgdgen ſtehen. Uber der rechten Achſel in der Ecke iſt ein Schild, dar - auf zwey gegen einander ſich aufbaͤumende Geiſſen, und zwiſchen denſelbigen ein kleiner Stern, uͤber der lincken ein Schild, darinnen ein noch groͤſſerer Stern, zu ſehen. Die Um - ſchrifft um den Stein mit Romaniſchen Buchſtaben lautet alſo: AN. ‒ ‒ ‒ II. FRITAG. NACH. OCULI. IST. VERSCHIDEN. DIE. TU - GENTSA ‒ ‒ ‒ Etliche, die vor dem hievon Meldung gethan, ſetzen auf das Wort: TUGENTSAME noch hinzu: FRAU PERPETUA GEISSIN, welches letztere ſich vermuthlich auf das da - bey ſtehende Wappen, und dieſer Perſon ihren Geſchlechts-Nahmen bezieht, anietzo aber davon nichts mehr zu erkennen iſt, indem, da ſolches Epitaphium, welches vormals an dem Orte geſtanden / wo nunmehro die Thuͤre von auſſen in die Sacriſtey gehet, von dar weggenommen, und an itzigen Platz ge - ſtellet worden, wegen Enge des Raums den Rand, worauf obgemeldte Schrifftver - zeichnet geweſen, eingebuͤſſet hat. Jn der Mitten des Steins iſt auf ieder Seiten die -ſer3Die Begebenheit iſt zweifelhafftig. ſer Weibes-Perſon etwas von den Worten zu leſen: JORGE GOLDSCHMITS HAUSFRAW.
§. 2. Es iſt nichts unmoͤgliches, daß ſich dergleichen zu trage, iedoch, was dieſes Or - tes hievon erzehlet wird / eine Sache / dazu kein genungſamer Beweiß verhanden / auch aus alle dem, was dieſer Leichen-Stein in ſich haͤlt, nicht einmal Muthmaſſung zu nehmen, daß die vorgegebenen Dinge mit der darauf bedeuteten Perſon vorgegangen ſeyn ſolten, ſondern vielmehr zu vermuthen, daß / wenn ja dergleichen ſich allhier begeben haͤtte, dennoch ſolches nicht dasjenige Epitaphium waͤre, darauf ſich die beygebrachte Erzehlung bezoͤ - ge. Denn daß man ſie vor eines Gold - ſchmids Frau angiebet, deſſen hat man kei - nen andern Beweiß, als weil der Mann dem Zunahmen nach, Goldſchmid geheiſſen / muß aber nicht eben darum auch ſeiner Profeſſion nach ein Goldſchmid geweſen ſeyn. Ja, man findet bey andern, daß er gar nicht einmal die - ſen Nahmen gehabt, ſondern Matthaͤus Harniſch genennet worden, und ein Buch -A 3dru -4Und der zu Coͤlln gleich. drucker geweſen ſeyn ſolte. *Es gedencket dieſer Sache Philipp. Salmuth Ob - ſervat. Medic. N. 87. aus welchen es Nitſch - ke in ſeiner Blumen-Luſt, und aus dem - ſelbigen der Autor des Buͤchelgens vom Urſprung Alt-und Neu-Dreßdens, ſo An. 1708 in 8. heraus gekom̃en, p. 141. ſeq. erzehlet wird, auch in den An. 1714. gedruckten In - fcriptionibus, und Epitaphiis gedachter Frauen Kirche, davon p. 121, einige Nachricht gethan.Gewiß, wenn dergleichen allhie vorgegangen waͤre, haͤtte man ſich ſehr zu verwundern, daß weder in den gedruckten / noch auch zum Theil geſchriebe - nen Nachrichten von Dreßden die geringſte Meldung davon nicht gethan wuͤrde. Jſt auch bedencklich, daß die, welche deſſen er - wehnen, ſolches nur als von weiten gehoͤrt zu haben vorbringen, und ſich alleſamt auf ei - ne ungewiſſe Sage etlicher gemeinen Leute beziehen.
§. 3. Etwas dergleichen will man auch an andern Orten geſchehen zu ſeyn vorgeben. Denn in Coͤln wird bey dem Eingange der Kirche zum 12. Apoſteln ebenfalls das Epita - phium einer Weibes-Perſon gezeiget / von der man ſagt / daß ſie eines Buͤrgemeiſters allda Frau geweſen waͤre, An. 1571. geſtor -ben,5Meynung hievon. ben ſey, ſich aber auf eben die vorhin erzehlte Weiſe in ihrem Grabe wiederum erholt habe, und lebendig nach Hauſe gekehret ſey. Hinge - gen geben andere vor, daß ſich ſolches An. 1357. zugetragen, die Perſon Adelichen Standes geweſen, und mit ihrem Zunah - men Reichmuth oder wie andere ſetzen: Reichmuth Adolch, geheiſſen habe. Man iſt auch uneins uͤber der Anzahl der Todten - graͤber, ſo ihr die Ringe abziehen wollen, indem etliche derſelbigen zwey angeben / etliche aber nur bey einem bleiben. *Von dieſer Begebenheit melden Georg. Hie - ron. Velſchius in Obſerv. med. epiſag. c. 68. Gvil. Hildanus Cent. 2. Obſerv. 95. Henric. Kornmannus de mirac. mort. P. 2. c. 16. der ſolches aus Petri Merſæi Erzehlung beybringt. Maximil. Miſſon in ſeiner Reiſebeſchreibung, 6. Send-Schreiben p. 47. ſeqq.
§. 4. Dem ſey abeꝛ wie ihm wolle, ſo iſt es beydes moͤglich, und glaͤublich, daß eine ſolche Sa - che ſich zugetragen habe, ob gleich, denen hin - zugethanen Umſtaͤnden nach, eines, und das andere noch auf lauter Ungewißheiten hin - aus laͤufft. Und, es kan ſeyn, daß dieſe Geſchichte aus einem Mißverſtand zu der in Dreßden, ehemals wiederum ausA 4ih -6Ob Lebendige begraben werden? ihrem Grabe hervor gekrochenen Gold - ſchmids-Frau, Anlaß gegeben habe.
§. 5. Doch geſetzt, daß dieſe Erzehlungen an ihnen ſelber nichts anders denn ein bloſ - ſes Fabel-Werck waͤren, ſo kan man doch hierbey eine gute Gelegenheit finden in nuͤtz - liche Uberlegung zu nehmen: Ob ſichs nicht wahrhafftig ſo zutragen koͤnte, daß man einen noch nicht geſtorbenen, ſon - dern nur vor todt angeſehenen Menſchen lebendig begruͤbe, und derohalben noͤthi - ge Vorſichtigkeit zu gebrauchen waͤre, daß dergleichen nicht geſchehe?
§. 6. Die menſchlichen Zufaͤlle ſind zum Theil von einer ſolchen Art, daß ſie unſern Leib ohne Bewegung, ohne Fuͤhlen, ohne Waͤrme darſtellen / ihn auch alle Weile alſo laſſen, daß, wenn nicht der Ausgang bißweilen ein anders erwieſe, man auf die Gedancken kommen ſolte, daß kein Leben mehr in einem ſey. Wir mercken etwas dergleichen auch an einigen Fliegen, welche den Winter uͤber nicht anders, als geſtorben, ſich darſtellen, bey angehenden Sommer aber wiederum zu ih - ren vorigen Stande gelangen, und gnugſame Anzeigung geben, daß ſie das nicht geweſen, wovor man ſie angeſehen. Ehen dergleichengiebt7wird bewieſen, daß es geſchehen koͤnne. giebt man auch von einer gewiſſen Art Schwalben fuͤr. Da nun die Seelen die - ſer Wuͤrmer, und Voͤgel ſich eine ſo lange Zeit gleichſam in geheim halten, und von ihren Wuͤrckungen ruhen koͤnnen, wie ſolte von dem noch weit edlern Geiſte des Menſchen nicht zu glauben ſeyn, daß er auch ohne Merckmale ſeiner Gegenwaͤrtigkeit, den - noch gegenwaͤrtig ſeyn koͤnte?
§. 7. Es wird aber die Sache am aller - deutlichſten bewieſen ſeyn, weñ man Zeugniſ - ſe darbringen kan, daß dergleichen wuͤrck - lich geſchehen iſt. Denn es iſt bekannt, daß man etliche, wenn etwa ohngefehr ihre Graͤ - ber wieder eroͤffnet worden, in einem ſolchen Zuſtande angetroffen, woraus man uͤberzeu - get werden koͤnnen, daß, wie ſie dahin gebracht worden, ſie noch nicht muͤſten ſeyn geſtor - ben geweſen, indem daß etliche im Sarge um - gewendet gelegen, etliche ihnen ſelbſt die Haͤnde abgebiſſen, etliche aufrechts geſeſſen, oder auch gleich nach ihren Begraͤbniß durch ihr erbaͤrm - liches Gewinſele zu verſtehen gegeben, daß ſie noch lebten, indeßen wegen nicht ſo bald er - folgter Rettung endlich verderben muͤßen. Daher mag vermuthlich auch der ſo genannte ſchmaͤtzende Tod kommen. Denn manA 5hat8auch wuͤrcklich geſchehen ſey. hat in den Graͤbern / ſonderlich wo ſie nicht allzu tieff ſeyn, bald nach geſchehener Ein - ſcharrung der Leichen iezuweilen ein Bat - ſchen, als eines, der etwas mit groſſer Aengſt - ligkeit kauete, vernommen / und wenn man et - wa aus curioſitaͤt nachgeſehen, mit Verwun - dernng gefunden, daß der Begrabene das Halßtuch, oder ſonſten, was ihm am nechſten geweſen, in ſich hinein gefreſſen gehabt, wor - aus unerfahrne Leute eine ominöſe Deu - tung gemacht, andere aber zur Urſache deſſen viel wunderliche Dinge vorgegeben, und es zum theil gar vor ein teufeliſch Weſen gehal - ten haben. Es ſcheinet aber, daß dieſes gantz natuͤrlich zugegangen / und die, bey welchen dergleichen geſchehen, aus Unvorſichtigkeit lebendig begraben worden; nachdem ſie aber wiederum zu ſich ſelbſten gekommen / aus ei - ner verzweiffelten Bangigkeit dasjenige, was ſie ohngefehr ſodann erlanget / in ſich geſchlun - gen haben, wie dann auch eine nicht geringe Vermuthung eines, bey ihnen noch geweſe - nen Lebens, ſeyn mag, daß, wann die Ausſchar - rung bald nach ſolchen gehoͤrten Schmaͤtzen geſchehen, man an den ihnen aus dem Halſe gezogenen Dingen, friſch Blut wahrgenom - men, auch, wo etlicher Orten der Leiche, in derMey -9davon viele Exempel verhanden. Meynung das eingebildete Ubel dadurch ab - zuthun mit einem Grabeſcheide der Kopff ab - geſtochen worden, das Gebluͤte, als bey einem Lebendigen, hervor geſchoßen iſt, welches, weñ ſie vor einigen Tagen, und nicht gantz kurtz vor der Oeffnung des Grabs, geſtorben, nicht wuͤrde erfolget ſeyn. Jch will mich aber eben darauf nicht beziehen, denn es ſind ſowol in der alten, als neuen Hiſtorie unzehliche Exempel verhanden, daß man Leute vor todt gehalten, die doch nach einiger Zeit ſich wiederum er - mannet haben, und davon gegangen ſeyn. Es wird vor dißmahl zur Sache genung thun, wenn ich nur eine eintzige Geſchichte / die, weil ſie von der Perſon ſelber zu vielen malen er - zehlen hoͤren, mir am beſten bekannt iſt, an die - ſen Orte anfuͤhre. A. 1719. wurde hier in Alt - Dreßden Frau Eliſabeth, Heinrich Krem - baums, eines geweſenen Buͤchſenmeiſters hinterlaſſene Wittbe, ein ger Chriſtliches und fleißiges Weib, begraben, welche, als ihr ietztgedachter Ehemann in der damaligen Contagion An. 1680. nebſt noch andern 25. Perſonen aus einem Hauſe geſtorben / endlich auch von der Peſt hefftig angegriffen, und, weiln ſie vor todt gehalten, den andern Leichen zugeſellet wurde, damit man ſie nebſt denſelbi - gen ie eher ie beſſer zur Erden ſchaffte. Jndemaber10Ein beſonders hievon. ber des Abends, da ſie ſollen begraben werden, noch iemand nach derſelbigen geſehen / und et - was an ihr zu rechte legen wolte, hat ſie daruͤ - ber die Augen aufgethan, und ſich beſchweret, daß man ſie in ihrer Ruhe geſtoͤret habe, maſ - ſen ſie ihrem Vorgeben nach, nicht weit mehr von dem Himmel geweſen waͤre, iſt hiermit wiederum aufgeſtanden / und hat, nach dem ſie ſich nach und nach erholet, noch in die 39. Jahr gelebet, daß ſie Kindes-Kindes-Kinder geſehen, und in die 83. Jahr alt worden iſt. *Wer mehr dergleichen Begebenheiten zu wiſ - ſen verlangt, trifft Nachricht an beym Plinio Hi - ſtor. Nat. I. VII. c. 25. Val. Maximo l. 1. me - morab. c. 8. Zonara T. 3. hiſt. in Zenone, Pau - lo Jovio in vitis & elogiis Viror. ſeriptis illuſt. im Leben von Joh. Duns, Scoto. Lemnio de oceultis naturæ mirac. l. 2. c. 3. Joh. Schenckio l. 4. obſervat. med. Tit. de uter. ſuffoc. Paule Zacchia Qv. medico-legal. T. 3. Conſ. 79. n. 5. Reies Camp. Elyſ. qvæſt. 66. p. 892. ſq. & qvæſt. 29. p. 1053. ſeqq. ingleichen bey denen von ihm qv. 46. p. 562. angezogenen Autoribus Georg Pictorio. Alex. Benedicto, Pa - ræo, Feſto. Alberto Battone Guiliel. Fabricio &c. ferner beym Fulgoſo, l. l. de mirac. Tit de mortuis ad vitam ſuſcitatis Hildano, Cent. 2. ob -ſer.
§. 7.11Urſachen der lebendigen Begrabung.§. 8. Da nun hieraus abzunehmen iſt, wie es nicht nur geſchehen koͤnne, ſondern auch viel -mals*ſervat. 95. Horſtio l. 7. de hiſt. medic. c. 9. Cor - nario n. 15. hiſtor. Lightfooto, Hor. Talmud. in Evangel. p. 1073. Chriſtian Lehmann Hiſtoriſchen Schau-Platz P, 17. c. 10. p. 996. und vorhero p. 938. ſeq. Gottfr. Feinlern Schauplatz ſel. verſtorbener Chriſten, c. 48. p. 286. Caſp. Titio Exempel-Buch p. 1285. Stieflere in Titio contin. T. I. 2022. T. II. 2152. Grundmanns Geſchicht-Schule P. 1. 102. Erneſto Denckwuͤrdigkeiten p. 954. Brun - nern in Fato Theologico Hiſtorico, Addit. ad P. 2. p. 402. ſeq. So findet man auch Exempel hie - von in Valvaſſors Ehre des Hertzogthums Crain l. 11. pag. 715. it. 717. Miſanders, oder Adami Bibliſchen Ergetzlichkeiten VT. 1697. p. 407. ſeqq. Und, daß ich noch et - liche, derer bey denen allegirten Autoribus nicht anzutreffenden Hiſtorien hinzu ſetze, ſo wurde Anno. 1698. aus Londen vom 12. Sept. gemeldet, daß in der Grafſchafft Jorck zu Rippberg ein gewißer Geiſtlicher, Henry Weats, nachdem er 4. bis 5. Tage kranck gelegen, vor todt angeſehen, in einen Sarg gelegt, und den dritten Tag zum Begraͤbniß in die Kirche getragen worden. Als man ihm aber die Leichen-Predigt gehalten, habe er indem12Die Unwiſſenheit,mals ſich wuͤrcklich zugetragen habe, daß noch ungeſtorbene Perſonen vor todt da - hin geſchafft, und lebendig verſcharret worden; alſo wird man bey Uberlegung der Umſtaͤnde unter ſchiedliche Urſachen, woher ſolches geruͤhret? bemercken koͤnnen. Bey etlichen thut es die bloße Unwißenheit. Deñ weil ihnen dergleichen Zufall, daß ein Menſch eine zeitlang ohne Empfindung da liegen, und doch wiederum zu ſich ſelber kommen koͤnne,nicht*dem Sarge ein ſolches Gepolter gemacht, daß man ſelbigen geoͤffnet, und ihn zur Verwun - derung aller Anweſenden noch lebendig ge - funden, ſo gar, daß er dem 24. Auguſt. wiede - rum vor denenjenigen Perſonen, welche ſei - nem Begraͤbniß beygewohnt, geprediget habe. Jn eben dem Jahre wurde aus Coppenhagen vom 29. Novemb. gemeldet, daß ein gewißer Schiff-Capitain, welcher lange kranck ge - weſen, von den Umſtehenden vor todt gehal - ten worden, nachdem er aber etliche Stunden gelegen, und ihn der Tiſcher, ſo das Maaß zum Sarge nehmen wollen, etwas zu hart angeruͤhret, habe er ſich ermuntert, und jenen beym Kopffe gekriegt, welcher ſich dermaßen daruͤber entſetzet, daß er davon ploͤtzlich kranck worden, auch beyde nicht lange hernach ge - ſtorben waͤren.13Gewohnheit, Unbeqvemligkeit, Boßh. nicht bekant iſt, ſo begraben ſie ihn in der Meynung / daß er wahrhafftig dahin ſep. Bey etlichen bringt es die Gewohnheit alſo mit ſich. Denn, da es ſo eingefuͤhret iſt, daß man die welche als Todte an zuſehen ſeyn, nach Ver - lauff gewiſſer Stunden unter die Erde ſchaf - fe, achten ſie es vor eine Neuerung, wenn ſie dagegen| handeln ſolten. Bey etlichen giebt hiezu die Unbequemlichkeit eine Leiche zu halten, Anlaß. Denn, indem ſie keinen gelege - nen Platz haben, wo ſie dieſelbige, bis nach Verlauff etlicher Tage hinſtellen koͤnten, ſon - dern ſie in ihrer Kammer, oder wol gar in der Stube, behalten muͤſſen, eilen ſie derſelbigen ie eher ie beſſer loß zu werden, und begraben offt vor eine Leiche, was noch erſt zur Leiche werden ſoll. Bey etlichen moͤchte auch wol einige Boßheit mit unterlauffen. Denn, weil ſie des andern gerne waͤren loß geweſen, nehmen ſie die Gelegenheit dazu ſehr wohl in acht, und aus Beſorgniß, daß, wenn etwa noch die Seele bey ihm waͤre, derſelbige ſich in die Laͤnge wiederum erholen moͤchte, wol - len ſie ſolches durch ein geſchwindes Begraͤb - niß verhindern, und machen, daß er des Auff - ſtehens vergeſſen muͤſſe.
§. |9. Dieſes aber, ob es auch aus Unver -Bſtand14Jſt etwas recht entſetzlichesſtand geſchehe, iſt eine ſehr groſſe Suͤnde, und um ſo viel groͤſſer, ie mehr man Er - kaͤntniß von der Sache hat, oder doch nur haben koͤnte. Denn, man kan es nicht an - ders / als eine, der allergrauſamſten Art einer Ermordung anſehen, daß man mit einen vor todt gehaltenen, aber doch noch leb nden Menſchen, eben ſo, wie mit einen wahrhaff - tig verſtorbenen, umbgehet, ihn in einen Sarg verſperret, mit Erde bedecket, und alſo ohne dabey habendes Nachſinnen recht jaͤmmerlich umkommen laͤſt. Man erwege nur wie einer, den man aufgehenckt, und ihm nicht die ge - woͤhnliche Huͤlffe zu Befoͤrderung ſeines To - des gethan hat, ſich alsdann ſo elendiglich mar - tere? wie er in ſeinen Geſichte gantz ſchwartz werde? wie ihm alle Adern auflauffen? wie er einen uͤberaus klaͤglichen Thon von ſich ge - be? wie er endlich ſo erbaͤrmliche Geberden mache, daß man nothwendig daraus ein gantz unſaͤgliches Leyden abnehmen kan? Jch halte aber davor / daß ein vor todt begrabener, und in ſeinen Sarge wiederum zu ſich ſelbſt kom - mender Menſch, ein weit mehrers ausſtehen muͤſſe, wenn er, als aus einen Traum er - wachend, ſich in einen ſolchen engen, dazu gantz finſtern / und wegen E[r]mangelung der Lufftrecht15und dem gemeinen Weſen ſchaͤdlichesrecht verzweifelten Arreſt befindet, nicht weiß, waß mit ihm geſchehen ſey, und, da er ſich kei - nes Todes vorhin beſorget, doch ietzo in der groͤſten Todes-Noth befindet, Oben holen will, aber nicht zu Oden kommen kan, ſondern durch eine langweilige, und alle Augenblick ſich grauſamer erzeigende Erſtickung, jaͤmmer - lich verderben muß. Ja, es laͤſt ſich anſehen, daß, wenn man einen, der da ſonſt friſch und ge - ſund waͤre, zur Strafe auf ſolche Manier un - ter die Erde verſcharren wolte, ihn wegen der Andeutung, wie er ſterben muͤſte / ſein bevor - ſtehender Tod bey weiten nicht ſo erſchrecklich deuchten koͤnte, als er nothwendig demjeni - gen deuchten muß, der da nicht weiß, wie? und warum? er in einen ſo aͤngſtlichen Zuſtand geſetzet worden, und, indem er bemuͤhet iſt ſich noch zu retten, durch die findende Unmoͤglich - keit in die euſerſte Deſperation hingeriſſen wird. Und, o! wie vielmal mag es nicht ge - ſchehen, daß man durch dergleichen Uberei - lung denjenigen das Leben auf eine ſo greuli - che Art abkuͤrtze, denen man doch das Leben zu erhalten bemuͤhet geweſen; auch etwa ſol - che Perſonen auf obgemeldete mehr denn Henckermaͤßige Weiſe aus der Welt ſchafft, die nicht nur eintzeln Familien / ſondern wolB 2gar16Einwendungen dagegen,gar dem gemeinen Weſen ſehr nuͤtzliche, und iezuweilen faſt unentbehrliche Leute geweſen ſind? Aber es gehoͤrt dieſes mit unter die un - erkannten Suͤnden, welche zwar vor GOtt ſo wol, als andere, verdammen, a - ber bey der Welt nicht geachtet, vielweni - ger gehoͤriger maſſen beſtrafet werden.
§. 10. Und was ſoll man viel ſagen? Jch ſorge, daß einige, welche dieſes leſen, ſich ſol - cher Dinge halber wol gar zu entſchuldi - gen, unternehmen duͤrfften. Sie werden vorgeben: Was ſie nicht wuͤſten, das koͤn - te man ihnen auch nicht zu einer Miſſe - that zurechnen. Aber zugeſchweigen, daß, wenn ſie nicht gewuſt haͤtten, daß man aus Unvorſichtigkeit ungeſtorbene Leute begraben koͤnte, es nunmehr aus dem, was vorhin ge - ſagt worden, wiſſen wuͤrden; ſo haben wir ja Urſache GOtt auch um die Vergebung der verborgenen Fehler anzuruffen, und folglich zu erkennen, daß wir auch dasjenige zuverant - worten uͤber uns haͤtten, welches wir wegen der uns ſelbſt verurſachten Blindheit in leib - lichen, und geiſtlichen Dingen nicht einmal verſtehen, daß es unrecht gethan ſey. Es wird ihnen einfallen: Andere Leute begruͤben die Jhrigen auch, ohne daß ſie daruͤber ſichein17ſamt derſelbigenein Gewiſſen machten, ob dieſelbigen wahrhafftig geſtorben waͤren, oder nicht? Es wolle ſich nicht ſchicken, daß man ſich dißfalls alleine klug zu ſeyn beduͤncken lieſſe. Die mit ſolchen Gedancken einge - nommen ſind / moͤchten doch erwegen, daß, ſo wenig als ein Ubelthaͤter ſich dadurch vor dem Richter genungſam wuͤrde rechtfertigen koͤn - nen, wenn er ſich auf anderer Leute ihr Exem - pel berufft; Alſo werde bis noch viel weni - ger vor GOtt ſelbſten gelten, als der da nicht will, daß wir uns der Welt in ihren boͤſen Ge - wohnheiten gleich ſtellen, ſondern uns nach ſei - nen Befehlen ſchlechter dings achten ſollen. Sie werden vorwenden: Man haͤtte nicht Zeit, und Gelegenheit dazu, daß man ſo lange warten koͤnte, bis ſich die Merck - mahle eines wahrhafftigen Todes an ei - ner vermeynten Leiche aͤuſſerten. Allein, daß ich nicht ſage / wie dazu eben ein ſo langer Verzug nicht gehoͤre, ſo iſt das Leben eines Menſchen etwas ſo edels / und die Beleidigung deſſelben ein ſo groſſes Verbrechen, daß man ſich keine Ungelegenheit ſolte dauren laſſen zu erfahren, ob ſeine Seele noch in ihm ſey? Endlich, ſo ſind manche von einer ſo ruchloſen Art, daß ſie dencken duͤrffen: Es waͤren derB 3Leu -18Beantwortung.Leute ohne dem genung in der Welt, und wuͤrde darum dieſelbige nicht ausſterben, ob man einen, oder den andern, der ſich etwan bey gegebener Friſt wiederum haͤt - te erholen moͤgen, unter die Todten mit hinſchaffe. Das iſt eine recht leichtfertige Rede. Denn da wir nicht zu Herren uͤber unſers Nechſten ſein Leben, ſondern zu Erhal - tern deſſen / von GOtt geſetzt ſind, geziemet es uns auch nicht ſo freventlich damit umzuge - hen. Und gewiß, wer ſich eine ſolche Ein - bildung macht, dem duͤrffte man kuͤhnlich zu - trauen, daß er auch kein Bedencken tragen wuͤrde einen auf andere Weiſe hinzurichten. Man ſolte ihn aber fragen: Ober wol darum es andern zu gute halten wuͤrde, wenn er wiſſen ſolte wie ſie mit ihm dermaleins aus eben der Urſache, daß man ſeiner in der Welt nicht ſonderlich vermiſſen wuͤrde, zum Grabe eilte, ehe er noch geſtorben waͤre, und ihn alſo le - bendig verſcharrete?
§. 11. Nachdem nun dargethan worden / wie es zwar nichts neues, aber doch etwas recht ſuͤndliches / und gar nicht zu entſchuldigendes ſey daß man iezuweilen diejenigen, als Leichen, dahin trage, welche doch zur Leiche noch nicht worden ſind, ſondern bey gegebener Friſt wie -derum19Die dabey noͤthige Behutſamkeit.derum zu ſich ſelber kommen koͤnten; ſo ſoll nun Anzeigung gethan werden, auf was Maſſen man ſich dabey aller moͤglichen Behutſamkeit gebrauchen ſolle?
§. 12. Die Vernunfft ſelber giebt uns hie - bey an die Hand, daß man bey denen, einen Menſchen zu ſeinen Tode befoͤrdernden Din - gen / nicht nur unter den Zufaͤllen ſelbſt, ſon - dern auch unter dem Geſchlecht, und Alter, ſonderlich unter den ſcheinbaren, und war - hafften Kennzeichen der vom Leibe abge - ſchiedenen Seele, einen vorſichtigen Unter - ſcheid zumachen habe.
§. 13. An dem iſt es wol, daß, wo iemand an einer langweiligen, und das Leben angreif - fenden Kranckheit geſtorben, ingleichen durch einen toͤdlichen Stich, Hieb, Schuß, oder auch durch Gifft, und ſo ferner, hingerichtet worden, man ſich nicht ſonderlich zu beſorgen habe, daß man vielleicht einen Mord an ihm begehen wuͤrde, wenn man ihn begraben wol - te; Allein es ſind auſſer dem allerley Zufaͤlle, ſo den Menſchen in den Stand ſetzen koͤn - nen, daß man ihn vor todt halte, da er doch noch nicht todt iſt, ſondern die Seele durch die, ihr ſonſt gewoͤhnliche Wuͤr - ckungẽ, ſich nur auf eine gewiße Zeit nichtB 4mer -20in Anſehen der Zufaͤlle, Geſchlechts,mercken laße. Es werden aber von denje - nigen, welche in Erforſchung des natuͤrlichen Lebens, und Sterbens eines Menſchen, be - muͤhet ſind, ſonderlich viererley Dinge ange - mercket, welche denen Unwißenden Einbil - dung machen koͤnnen / daß einer geſtorben ſey, der doch noch nicht geſtorben iſt: Schlag - fluͤße, Ohnmachten, weibliche Beſchwe - rungen, und Anfall von der Peſt: Da - runter auch die fallende Sucht, die Erſti - ckung durch Rauch, ſtarcken Geruch, und Einſchluckung des Waſſers, wenn man in daſſelbige gefallen, das ſo genannte Hin - bruͤten, und dergleichen, von ihnen mit be - griffen wird. Denn ſie haben gar viel Exem - pel angemercket, auch deſſen guͤltige Urſachen beygebracht, daß bey dergleichen Ereignun - gen iezuweilen die Seele aus dem Stand ih - rer ordentlichen Bewegungen geſetzt, und ſo dann die Leiber vor Leichen angeſehen wuͤrden, da ſie es doch nicht waͤren, deswegen auch gerathen / daß man bey ſolchen Umſtaͤnden nicht zu ſehr mit dem Begraͤbniß eilen ſolte. Nebſt dem iſt auch das maͤnnliche, und weibliche Geſchlechte wohl zu unterſcheiden, indem dieſes von Natur dergleichen Zufaͤl - len weit mehr, als jenes / unterworffen, undde -21und Alters.derohalben vornemlich mit Schwangern, und Sechswoͤchnerinnen disfalls ſehr groſ - ſe Behutſamkeit zu gebrauchen, daß man nicht durch allzugeſchwinde Hinſchaffung an ihnen zum Moͤrder werde. Es giebet ſich auch ſelber, daß / weil bey Kindern, und jungen Leuten, mehr Lebens-Kraͤffte, als bey alten, und abgematteten Perſonen, verhan - den, ſolcher Urſachen halber bey dergleichen geſchwinden Faͤllen langſamer, denn ſonſten, mit dem Einſargen, und Verſcharren zu verfahren ſey.
§. 14. Nach ſo geſtalten Umſtaͤnden hat man dreyerley in Acht zu nehmen. 1.) Daß man die betruͤglichen Merckmahle von dem Tode eines Menſchen, ſich nicht ver - fuͤhren laſſe. Gemeine Leute halten davor, daß, wenn einem die Glieder verſtarren, der Giſcht vor den Mund tritt, der Odem auſſen bleibt, und weder Ruͤtteln noch Schuͤtteln mehr helffen will, auch kein aͤuſerliches Fuͤh - len mehr da | iſt, ſo muͤſte einer gewiß geſtor - ben ſeyn. Jſt aber nicht zulaͤnglich in der Sache / indem man an vielen, die dergleichen Zufaͤlle gehabt, wahrgenommen, daß ſie ſich wiederum nach einen kleinen Verzug erholet haben, auch ſolches gantz deutlich an denenB 5mit22Die betruͤgliche Merckmalemit der fallenden Sucht Beladenen zu erken - nen iſt, als bey welchen alle dieſe Eigenſchaff - ten zuſamme kommen. 2.) Daß man ſich der zweifelhafften Merckmahle eines Verſtorbenen vielmehr zu Erhaltung, als Abkuͤrtzung ſeines Lebens, wenn der - gleichen etwa noch bey ihm waͤre, ge - brauche. Denn woferne keine andere, als nur ietzt angezeigte Umſtaͤnde in einem der ob an - gefuͤhrten Faͤlle, ſich ereigneten, auch wol noch dazu kaͤme / daß die Glieder gefuͤge blie - ben, oder behielten einige Waͤrme, es zeigte, ſonderlich im Angeſichte, ſich noch eine Roͤthe, ſo ſoll man aus einer bedaͤchtigen Sorgfaͤltig - keit, daß vielleicht noch ein Leben bey ihm waͤre / alles moͤgliche thun daſſelbige wiederum her - bey zu bringen. Derowegen hat man eine ſolche vor todt gehaltene Perſon nicht flugs, ſonderlich zur Winters-Zeit / an einen kalten Ort zn bringen, als wodurch die noch uͤbrige Lebens-Krafft vollends unterdruͤcket wird, ſondern vielmehr bedacht zu ſeyn, ſie durch Waͤrme, und andere aͤußerliche Mittel / wie - derum zu erqvicken. Am wenigſten aber ſoll man ſogleich zu Grabe mit einem ſolchen Menſchen eilen, ſondern der vielleicht in ihm noch wohnenden Seele ſo viel Weile geben,daß23wohl zu unterſcheidendaß ſie wiederum zu ihren Verrichtungen ge - langen moͤge. Daher hat Churfuͤrſt Augu - ſtus gar loͤblich in hieſigen Landen verordnet, daß, da iemand von GOtt durch Kranck - heit, und toͤdlichen Abgang von dieſem Jammerthal abgefodert wuͤrde, derſel - bige nicht alſobald begraben, ſondern zum wenigſten 12. Stunden daheime im Hauſe ſolte behalten werden, in Betrach - tung, daß etliche durch geſchwinde Kranckheiten, oder Ohnmachten etwan alſo ſchwach, mattloß, und verzuckt, daß ſie vor todte Menſchen angeſehen, und doch gleichwohl uͤber etliche Stunden ſich wiederum erholeten, und lebendig wuͤr - den. *Kirchen-Ordnung General-Articul n. 15.Dieſe 12. Stunden ſind bloß, und allein dabin zu deuten, daß man nicht vor ſolcher Zeit begraben ſolle, aber keinesweges dahin, daß man bey bedencklichen Umſtaͤn - den die Leute nicht laͤnger, als ſolche Zeit, ſolte liegen laſſen. Denn die Naturkuͤndi - ger halten insgemein davor, daß man der - gleichen Perſon zum wenigſten 72. Stunden oder 3. vollkommene Tage / Anſtand zu geben haͤtte, ob ſich vielleicht das Leben indes bey ihr wolle wieder finden. Ja andere gehen aus Erfahrung, daß manche wol 6. bis 7. Tagevor24Von dem wahrhafften,vor todt gehalten worden / und doch endlich wiederum zu ſich ſelber kommen ſind, noch weiter, und vermeynen / daß bey gewißen Umſtaͤnden eine noch laͤngere Ausſetzung des Begraͤbnißes von noͤthen ſey. *Avicenna l. 3. Tr. V. c. 12. Levin. Lemnius |de occultis naturæ mirac. lib. 2. c. 3. Sennert. pract. med. l. 4. P. 2. Sect. 3. c. 4. de Suffocat. uteri. Jedoch glaube ich, daß es ſelten einer ſolchen Weit - laͤufftigkeit gebrauche / wenn man nur 3.) auf das eigentliche, und gantz unbetruͤgliche Kennzeichen eines von ſeiner Seele ver - laſſenen Leibes, nemlich auf den bey einer wahrhafften Leiche ſich ereignenden Todten - Geruch, Achtung hat. Denn es iſt eine unerkannte Wohlthat GOttes, daß, wenn wir geſtorben, unſer Leib uͤbel zu riechen anfaͤngt, indem nicht nur, wo ſol - che Veraͤnderung mit ihm nicht vorgien - ge, die meiſten Leichen unbegraben wuͤr - den liegen bleiben; ſondern man auch an denſelbigen abnehmen kan, daß man durch Einſcharrung eines ſolchen Leibes an dem Leben des Nechſten ſich nicht ver - ſuͤndige. Kurtz, die Vorſichtigkeit, welcheman25welches allen Menſchenman in ſolchen Faͤllen zu gebrauchen hat, gruͤndet ſich auf die Regel: So lange bey geſchwinden Faͤllen an einem vor todt gehaltenen Leibe ſich keine Merckmahle der anfangenden Verweſung zu erken - nen geben, hat man aus billiger Bey - ſorge, daß etwa noch die Seele bey ihm ſeyn moͤchte, mit dem Begraͤbniſſe in Ruhe zu ſtehen. Wo ſich aber die Ver - weſung durch die Unſcheinbarkeit, und den daher entſtehenden Leichen-Geruch offenbahret, hat man ferner ſich kein Be - dencken zu machen der Erde zu uͤberlie - fern, was nach der Erde zu verlangen anfaͤngt.
§. 15. Daß nun ſolcher unerkannte Suͤn - de: ungeſtorbene Leute zu begraben, ge - ziemender maſſen geſteuert werde, ſind nicht nur die bereits gemachten Obrigkeitlichen Ordnungen zu erhalten, und wo ſie noch nicht zulaͤnglich waͤren, dahin einzurichten; ſondern es haben auch die, welchen die Be - ſchickung der Leichen zukoͤmmt, alle ver - nuͤnfftige, und Chriſtliche Behutſamkeit an - zuwenden, daß ſie durch ſo ſchmaͤhliche, und grauſame Hinrichtung ihres Nechſten nicht an ihm zu verdammlichen Moͤrdern werden. Die -26zu beobachten oblieget.Dieſes abzuwenden haben etliche den Jhrigen vor ihrem Tode nicht nur muͤndlich befohlen, ſondern auch in dem hinterlaſſenen Verzeich - niß ihrer Leichen-Beſtattung beſonders ver - ordnet, daß man mit ihrem Begraͤbniſſe nicht allzuſehr eilen ſolte.
Endlich, daß ich alles noch in wenig Wor - te zuſammen faſſe: Es hat ein iedweder ohne Unterſcheid uͤber ſich, dasjenige an andern zu verwehren, was ihm ſelbſt der - maleins wiederfahren koͤnte, nemlich Daß er lebendig begraben wuͤrde.
Einer gleichmaͤſſigen Hiſtorie von einer aus ihrem Grabe wiederum zuruͤck ge - kommenen Frau, aus Valvaſſors Eh - re des Ertz-Hertzogthums Crain L. II. p. 715.
Anno 1545. hat ſich zu Leybach ein verwun - derns wehrter Zufall begeben; Als nemlich im Fruͤhling gedachten Jahres, eine Frau, Nah - mens Margaretha Siederin, vom Schlagebe -27Eine begrabene Frauberuͤhrt, und folglich nach Gebrauch mit einem Leichbegaͤngniß zu St. Peter vor der Stadt auff den Kirchhoff begleitet, der Sarg aber noch eins in der Kirchen eroͤffnet ward, erſahe einer aus den Toden-Graͤbern die an dem todten Coͤr - per blinckende Finger-Ringe, welche gewoͤhn - lich mit in den Sarg kommen. Dieſen ſtach der Glantz ſolcher Ringe in die Augen und der Geitz ins Hertz / alſo, daß er Luſt gewann, ſelbige dem Leichnam zu entwenden. Demnach machte er ſich bey ſpaͤten Abend uͤber das Grab, raͤumte die erſt daruͤber geſcharrte Erde hinweg, oͤffnete dem Sarg / und begunte die Ringe von den Fingern abzuziehen, als das Kleinod, ſo ihn zu dieſer ge - faͤhrlichen Arbeit gereitzet. Aber was geſchahe? Jndem er damit beſchaͤfftiget war, richtete die Begrabene ſich auf, und verurſachte dadurch bey dem Todten-Graͤber einen ſolchen Schrecken, daß er mit Hinterlaſſung alles Raubs / unter tau - ſend Aengſten, und Furcht, geſchwinde heim eilte / welches auch die wieder Aufgemunterte gethan, und den Weg, durch welchen man ſie als eine Leiche hinaus begleitet hatte, wieder zuruͤck ge - nommen. Als ſie zu ihrer Behauſung gelanget war, klopffte ſie an das Thor, und bath, man ſolte ſie doch einlaſſen. Als aber die Haußgenoſſen fragten, wer da klopfte? Kam von ihr die Ant - wort: Sie waͤre die Hauß-Frau / ſo man heu - te haͤtte begraben. Woruͤber alle, die in dem Hauſe ſich aufhielten, unmenſchl. erſchracken, undmit28kehret lebendig nach Hauſe.mit Erſtaunen dieſe Zeitung dem Hauß-Herrn, als vermeinten Wittber / erzehlten. Dieſer ge - rieth hieruͤber gleichfalls nicht in geringen Schre - cken, der gaͤntzlichen Meynung: Der Teuffel wolte in dem Geſpenſt ſeiner verſtorbenen Ehe - Frauen ihn aͤffen, und betruͤgen. Doch als er endlich an der Sprache, und Geberden ſie wieder erkennte, ließ er ſie ein. Sie ward deſto freund - licher, je unverhoffter, von ihrem lieben Ehewirth empfangen, hat auch nach dieſem Wunder - Fall noch viele Jahre mit ihm gehauſet, und drey Kinder, nicht ohne iedermanns Ver - wunderung annoch gebohren.
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