Jnnhalt:
§. I.
THeſſalonich war nebſt Phi - lippen die Haupt-Stadt in Macedonien, einer groſ - ſen Landſchaft in Griechen - land. Als Paulus mit Sila von Antiochia den Zug durch die Laͤnder Aſi - ens bis gen Troada, wel - cher Apoſt. Geſch. c. 15, 40. 41. c. 16, 1 -- 18. be - ſchrieben wird, gethan hatte, wurde er, wie ſchon bey dem Briefe an die Philipper erwehnet iſt, durch ein beſonders Geſicht in der Nacht von GOTT nach Macedonien berufen. Erſtlich kam er uͤber Samothraciam und Nicopolin nach Philippen, woſelbſt unter andern die Lydia und der Kerckermeiſter nebſt den Jhrigen zu Chriſto bekehret und getaufet wurden v. 11-42. Von Philippen, woſelbſt er um des Evangelii willen vieles erlitten hatte, aber auch wunderbarlich errettet worden war, zog er nach Theſſalonich; alwo die Juden eine anſehnliche Schule oder Sy - nagoge, das iſt, eine Kirche, ein Haus zum oͤf - fentlichen Gottesdienſte, hatten. Jn dieſe gieng Paulus ſeiner Gewohnheit nach, und redete mit den Juden auf drey Sabbaten aus der heiligen Schrift des alten Teſtaments, er that ſie ihnen auf, und legete es ih -nen mit gar nachdruͤcklichem Beweiſe vor, daß Chriſtus muſte leiden und auferſte - hen von den Todten, und daß der JEſus von Nazareth, den er ihnen verkůndigte, der wahre Meßias ſey. Cap. 17, 1-3. Und alſo war die Haupt-Summa aller ſeiner Pre - digten von Chriſti Tode und Auferſtehung. Da - bey er aber nichts zuruͤck gelaſſen von dem, was noch ſonſten zu dem Rathe GOttes, von dem Grunde, von der Ordnung und Vollendung, des Heils gehoͤrete. Siehe desgleichen 1 Cor. 15, 3. 4. Der Erfolg war, daß eines theils ih - rer viele in der Ordnung wahrer Bekehrung ſich zu dem Glauben an Chriſtum bringen lieſſen; ſonderlich von den Heyden; und zwar ſolchen, welche, als Proſelyten, oder Juden-Genoſſen, ſich zum wenigſten in ſo weit zur Juͤdiſchen Re - ligion gehalten hatten, daß ſie der heydniſchen Abgoͤtterey hatten abgeſaget, und mit den Juden dem wahren GOTT Jſraelis dieneten, obgleich ohne uͤbernommene Beſchneidung. Andern theils aber erhub ſich, ſonderlich von den wider - ſpenſtigen Juden, eine groſſe Verfolgung wider Paulum und die Erſtlinge der neuen Gemeine: die denn ſolcher geſtalt unter dem Leiden gepflan - tzet, und auch zugleich beveſtiget und bewaͤhret wurde. v. 4-9.
A 2§. II. 4Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli§. II. Der Ort / alwo Paulus dieſen Brief geſchrieben, war Corinthus. Welches man daraus erkennet: Paulus gieng von Theſ - ſalonich nach Berrhoen, alwo er Silam und Timotheum ließ, ſelbſt aber von dar nach Athen reiſete, und daſelbſt Timotheum und Silam er - wartete v. 15. Als ſie nun angekommen, ließ er ſichs gefallen, daß er in Athen allein gelaſſen wuͤrde, und da er ſelbſt nicht wieder nach Theſ - ſalonich kommen konte, 1 Theſſ. 2, 17. 18. ſandte er Timotheum dahin, um ſie zu ſtaͤrcken und zu ermahnen, daß nicht iemand weich wuͤrde in den uͤber ſie verhaͤngten Truͤbſalen c. 4, 1. 2. 3. Es kam Timotheus nicht lange darauf wieder zuruͤcke, und brachte dem Apoſtel von der Theſ - ſalonichiſchen Gemeine dieſe erfreuliche Nach - richt, daß es um dieſelbe recht wohl ſtehe v. 6-9. Er fand aber Paulum nicht mehr zu Athen, ſon - dern zu Corinthus; als wohin er von Athen ge - reiſet war c. 18, 1-5. worauf denn Paulus die - ſen erſten Brief zu Corinthus an ſie geſchrieben hat: ſintemal er bey Schreibung dieſes Briefes der Ankunft Timothei und der von ihm empfan - genen Nachricht, als einer kurtz vorher geſche - henen Sache, gedencket. 1 Theſſ. 3, 6. u. f. Wenn man hiebey zuſammen haͤlt, was wir 1 Theſſ. 3, 6-9. und Apoſt. Geſch. 18, 5. leſen, ſo ſehen wir daraus, daß die von den Theſſalonichern, durch Timotheum und Silam, empfangene er - freuliche Botſchaft vieles dazu beygetragen, daß ſich Paulus von der Zeit an zu Corinthus ſon - derlich erwecket gefunden Chriſtum zu verkuͤn - digen.
§. III. Die Zeit / da dieſer Brief ge - ſchrieben, faͤllt in das andere Jahr, nach - dem die Kirche zu Theſſalonich war gepflan - tzet worden, und ins ſiebenzehende Jahr des Apoſtel-Amts Pauli: welches war das 12te Jahr des Kaͤyſers Claudii, und das 52ſte nach Chriſti Geburt. Und es iſt wohl zu mer - cken, daß dieſer Brief unter allen Pauliniſchen Briefen der allererſte iſt; wie auch bereits aus der oben allen Epiſteln vorgeſetzten Chro - nologiſchen Anweiſung erhellet. Daß alſo die - ſer Brief nebſt dem andern an die Theſſaloni - cher, als der auf den erſten bald erfolget iſt, der Ordnung nach billig voran ſtehen ſolte: Daran doch aber ſo viel eben nicht gelegen iſt, nachdem ſchon von Alters her die groͤſſern Brie - fe den kleinern vorgeſetzet ſind.
§. IV. Die Veranlaſſung / welche Pau - lus in Schreibung dieſes Briefes gehabt, iſt leichtlich zu erkennen aus dem, was zuvor von dem Ort, wo er geſchrieben worden, ange - fuͤhret iſt: Nemlich Paulus hatte Timotheum von Athen nach Theſſalonich geſandt, um ſich nach ihrem Zuſtande zu erkundigen, und ſie unter vielem Leiden im Glauben zu ſtaͤrcken. Als nun Timotheus wiedergekommen war, und zwar nebſt Sila; es ſey daß dieſer mit ihm dorthin geſchicket geweſen, oder daß er unterweges, etwa zu Berrhoen, zu ihm ge - kommen, und Paulo zu Corinthen Ap. Geſ. 18, 5. eine gar erfreuliche Nachricht von der Theſſalonicenſiſchen Gemeine gebracht hatte;ſo wurde Paulus dadurch bewogen, dieſen Brief, unter beſonderm Antriebe GOttes, an ſie zu ſchreiben. Und ſo gut es auch um dieſe Gemeine, was den groͤßten Haufen betraf, im - mer ſtehen mochte; ſo fehlete es doch auch dar - innen nicht an einigen Anſtoͤſſen; und zwar wie in der Lehre, alſo auch im Leben. Denn, der Lehre nach, waren einige irre gemacht, oder noch nicht genugſam beveſtiget in dem Articul von der Auferſtehung der Todten, was die Ordnung, in welcher ſie in Anſehung der ſchon Verſtorbenen, und derer, welche Chriſtus in ſeiner Zukunſt noch lebendig finden wuͤrde, an - langete. c. 4, 13. u. f. Jm Leben ſchienen ei - nige noch manches von ihrer vorigen heidni - ſchen Unart an ſich zu haben, oder doch dage - gen noch nicht gnugſam verwahret und beve - ſtiget zu ſeyn. Da nun Paulus gleiches vom Timotheo und Sila vernommen, ſo hat ihn ſolches mit veranlaſſet, den Brief an ſie zu ſchreiben.
§. V. Der Zweck und Jnnhalt dieſes Briefes iſt aus angefuͤhrter Veranlaſſung leicht - lich zu erkennen. Denn Paulus ermuntert die Theſſalonicher, mit Bezeugung des zarteſten Affects ſeiner Liebe und ſeiner Freude uͤber ihr gegenwaͤrtig geſehenes und in Abweſenheit von Timotheo vernommenes rechtſchaffenes We - ſen, und ermahnet ſie wie zur Beſtaͤndigkeit im Glauben unter dem Creutze, mit dem Unter - richt von der Beſchaffenheit der Zukunft Chri - ſti und der Auferſtehung der Glaͤubigen; alſo auch zum heiligen Wandel, wie derſelbe in al - len Stuͤcken zu beweiſen ſey.
§. VI. Die vornehmſten Materien dieſes Briefes ſind:
§. VII. Stellen / welche vor andern ei - nen beſondern Nachdruck haben, ſind:
Es kan dieſer Brief fuͤglich in zwey Theile eingetheilet werden.
Der erſte Theil.
Dieſer haͤlt nach der Inſcription und nach dem Segens-Wunſche in ſich eine Liebes - und Lobes-volle Anfuͤhrung deſſen, was da ge - hoͤret
Der andere Theil.
Darinn der Apoſtel den Theſſalonichern viele gute Erinnerungen giebet zum fernern und immer richtigern rechtſchaffenen Wandel: als da ſind:
PAulus (der Apoſtel JEſu Chriſti) und Silvanus (oder Silas) und Timotheus (ſeine geweſe - ne getreue Gehuͤlfen in Pflan - tzung) der Gemeine zu Theſ - ſalonich) (die dergeſtalt von GOTT iſt, daß ſie auch iſt) in GOtt (in der Gemeinſchaft mit GOtt) dem Vater und dem HErrn JEſu Chriſto (folglich auch in dem Heiligen Geiſte, als dem Geiſte des Va - ters und des Sohnes.) Gnade ſey mit euch (ϖληϑυνϑέιη, werde vervielfaͤltiget 1 Pet. 1, 2.) und Friede von GOtt unſerm Vater und dem HErrn JEſu Chriſto. (in welchem der Vater uns ſegnet mit allerley geiſtlichen Segen in himmliſchen Guͤtern. Eph. 1, 3.)
1. Paulus war die Haupt-Perſon, von welcher eigentlich der Brief kam; wie man auchaus deſſelben gantzem Context ſiehet: als der auch eigentlich die Apoſtoliſche Gabe der goͤttli - chen Inſpiration hatte.
2. Silvanus, ſonſt auch mit einem kuͤr - tzern Ausdruck genannt Silas, und Timo - theus, waren ſolche Apoſtoliſche Maͤnner, welche GOtt mit recht Apoſtoliſcher Kraft aus - geruͤſtet hatte, und die Pauli Reiſe-Gefaͤhrten waren in dem groſſen Zuge von Antiochia durch Aſien und Griechenland, und von da zuruͤck nach Jeruſalem bis wieder nach Antiochiam Ap. Geſch. 15, 39-41. c. 16. 17. 18, 1-22. Da ſie nun; wie wir aus der Einleitung geſehen haben, Pau - lo ſehr getreue Dienſte in Pflantzung der Gemei - ne zu Theſſalonich gethan hatten, ſie auch bey derſelben in einem guten Anſehen ſtunden, und, da Paulus dieſen Brief zu Corinthus ſchrieb, erſt aus Macedonien, wohin er ſie geſandt hatte, zuruͤck gekommen und um ihn waren; ſo ſetzet er ihre Namen bey dem Seinigen, umA 3die6Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 1. v. 1. 2. die Einigkeit des Sinnes, in welcher er mit ih - nen ſtuͤnde, zu bezeugen, und dadurch die Theſſa - lonicher deſtomehr zu beveſtigen, wie in allem dem, was er itzo ſchrieb, alſo auch in dem, was er mit dieſen beyden Maͤnnern ihnen muͤndlich vor - getragen hatte.
3. Dieſe drey getreue Arbeiter ſind nun nach aller ihrer Arbeit, Muͤhe und Truͤbſal ſchon vorlaͤngſt in ihre Ruhe eingegangen, und genieſ - ſen der Fruͤchte ihrer Arbeit aus Gnaden in voll - kommner Seligkeit. Wohl dem, der unter den Lehrern ihnen in aller Treue nachfolget; und wer unter den Zuhoͤrern und Leſern zum See - gen annimt, was auch in dieſem Briefe von ih - nen uns hinterlaſſen iſt. Denn der wird ſie dermaleins in der Herrlichkeit zu vieler Freude auch von Perſon kennen lernen. Wie denn, wenn dieſes nicht ſeyn ſolte, im ewigen Leben ſich eine Unvollkommenheit finden muͤßte; aber ge - wiß ein Stuͤck der Seligkeit mit ſeyn wird, wenn man ſich wird in der Gemeinſchaft der in dieſem Leben nur bloß aus einiger Beſchreibung be - kannt gewordenen Patriarchen, Propheten, A - poſtel, und ſo vieler andern Glaubens-Helden und Heldinnen, ſonderlich aber JESU Chriſti ſelbſt, beſinden.
4. Die Stadt Theſſalonich iſt zwar noch vorhanden, aber nach ſo vielfaͤltiger Veraͤnde - rung in einem gantz andern Zuſtande unter der Botmaͤßigkeit des Tuͤrckiſchen Kayſers, und wird mehr von Tuͤrcken und Juden, als von Chriſten bewohnet. Wie denn die particu - lair-Kirchen auf Erden der Moſaiſchen Stifts - Huͤtte gleich ſind, die vieler Veraͤnderung un - terworfen war. GOtt laſſe in Chriſto geſegnet ſeyn, die noch itzo ſich daſelbſt von dem Namen Chriſti nennen, und laſſe Tuͤrcken und Juden auch zu ihm gebracht werden:
5. Da wir dieſen an die Theſſalonicher ge - ſchriebenen Brief noch uͤbrig haben, als eine theure Beylage; und er gewiß auch um unſert - willen durch die guͤtige Providentz GOttes auf uns gekommen iſt; ſo hat ein jeglicher Leſer zu ge - dencken, als ſey er an ihn inſonderheit mit ge - ſchrieben; damit er die Application in allen ſich auch auf ihn ſchickenden Materien ſo viel ge - wiſſer und richtiger mache. Schicket ſich denn gleich manches nicht auf ihn, ſo kan er doch dar - aus die guͤtigen Wege des HErrn an ſeiner Kirche und an ſeinen Kindern zu vieler guten Er - innerung mit zum Lobe GOttes erkennen.
6. Die Theſſalonicenſiſche Gemeine war dergeſtalt durch den Dienſt Pauli und ſeiner ge - treuen Mitarbeiter von GOtt gepflantzet und gegruͤndet, daß ſie ſich auch darauf in GOtt, das iſt, in der glaͤubigen und ſeligen Gemeinſchaft mit GOtt dem Vater und dem HErrn JEſu Chriſto befunde. Ein ſolcher Baumeiſter iſt GOTT, der nicht allein das Gebaͤude ſeiner Kirche aufrichtet, ſondern es auch ſelbſt ge - treulich in der genaueſten Vereinigung mit ſich unterhaͤlt.
7. Des Heiligen Geiſtes wird in dieſen und den folgenden Worten deswegen nicht ge - dacht, weil Pauli Vorhaben nicht war vondem Geheimniß der Heiligen Dreyeinigkeit zu handeln, davon auch die Glaͤubigen bey ihrer Bekehrung dergeſtalt waren unterrichtet wor - den, daß ſie daran gar keinen Zweifel trugen, auch wohl wuͤſten, daß ſie durch die kraͤftige Salbung und Wirckung des Heiligen Geiſtes zur ſeligen Gemeinſchaft des Vaters und des Sohnes ge - langet waren.
8. Gnade und Friede gehoͤren immer zu - ſammen, nicht anders, als ein Baum und ſeine Fruͤchte, als eine Quelle und ihre Baͤchlein. Denn die Gnade bringet den Frieden, und durch den Frieden genieſſet man der Gnade. Gnade ohne Friede iſt nur ein Werck menſch - licher Einbildung. Und Friede ohne Gnade iſt nichts, als eine fleiſchliche Sicherheit. Doch findet ſich bey angefochtenen Seelen die Gnade ohne den Frieden; ſie bleibet doch aber nicht oh - ne dieſen.
9. Es thut ein jeglicher Leſer wohl, wenn er bey dieſen Worten mit ſeinem Gemuͤthe ein wenig ſtill ſtehet, und ſie ſich glaͤubig zueignet, in der Verſicherung, daß auch ihm Gnade und Friede angetragen werde, und, was er davon ſchon hat, zur Beveſtigung und Vermehrung kommen muͤſſe. Ach wie mancher bewirbet ſich mehr, und doch dabey oft vergeblich, um die Gnade bey Menſchen, als bey GOtt. Hat hin - gegen ein gedruͤckter keine Gnade bey Men - ſchen, und keinen Frieden unter Menſchen; ſo kan er doch getroſt ſeyn und bleiben, daß er bey - des bey GOtt hat und behaͤlt.
10. Daß unſer Heyland wahrhaftiger GOtt und eines Weſens, auch gleicher Wir - ckung und Ehre, mit dem Vater ſey, das ſiehet man auch daraus, daß die Chriſtliche Kirche nicht weniger iſt von und in ihm, als von und in dem Vater; Und daß Gnade und Friede, als recht goͤttliche Gaben, welche kein Menſch er - theilen kan, nicht weniger von ihm, als vom Vater, herkommen.
Wir dancken GOtt allezeit (alſo daß es bey einer und der andern Danckſagung nicht bleibet, ſondern wir damit fortfahren) fuͤr euch alle (daß ihr zu ſeiner Gemeinſchaft euch habet bringen laſſen, und bisher unter ſo vielerley Lei - den darinn beſtaͤndig beharret ſeyd) und geden - cken euer (mit aller Liebe und vielem Seegens - Wunſche) in unſerm (theils gemeinſchaftlichen, theils beſondern) Gebete (alſo, wie euer uns wohl bekannter Zuſtand es erfordert) ohn Un - terlaß (durch den Trieb unſers Amts und un - ſerer Liebe, ja des Heiligen Geiſtes, der uns im Gebet nicht laͤſſet muͤde werden.)
1. Eines rechtſchaffen Lehrers Pflicht fuͤr ſeine Gemeine iſt, daß er fleißig fuͤr ſie betet. Wie ungeſchickt aber ein Unbekehrter - und Fleiſchlich-Geſinneter in ſo vielen Stuͤcken zum Amte des Geiſtes ſey, das ſiehet man unter an - dern auch daher, daß er nicht fuͤr ſeine Zuhoͤrer betet und beten kan, ſo lange er unbekehret blei -bet.7Cap. 1. v. 2. 3. des erſten Briefes an die Theſſalonicher. bet. Was er dißfalls thut, iſt kein rechtes und GOtt wohlgefaͤlliges Gebet. Joh. 9, 31.
2. Es haben auch Chriſtliche Zuhoͤrer ſich hiebey ihrer Pflicht zu erinnern, welche iſt, daß ſie nicht weniger auch fuͤr ihre Lehrer hertzlich zu GOtt beten; ſonderlich wenn ſie ſehen, daß ſie auch ihrentwegen mancherley Leiden uͤber ſich zu nehmen haben.
3. Das loͤblichſte aber iſt bey Chriſtlichen Zuhoͤrern. wenn ſie ſich ſo verhalten, daß das Ge - bet des Lehrers fuͤr ſie mit vieler Danckſagung geſchehen koͤnne. Wenn es hingegen mit vielem Seufzen und Klagen geſchiehet, das iſt ihnen nicht gut, auch ein Zeichen ihres gar ſchlechten Zuſtandes. Heb. 13, 17.
4. Die Worte allezeit und ohne Un - terlaß zeigen nicht ſo viel an, als wenn Pau - lus nichts anders gethan, als nur immer gebe - tet habe; welches ſein Amt nicht litte; ſon - dern ſie ſind nur der gaͤntzlichen Unterlaſſung ent - gegen geſetzet, und zeigen an, daß er oft gebetet, und daß, ſo oft er gebetet, er der Theſſalonicen - ſiſchen Gemeine allezeit, ohne es zu unterlaſſen, oder ihrer zu vergeſſen, inſonderheit mit gedacht habe.
5. Und da der Apoſtel ſpricht: Wir dan - cken GOtt in unſerm Gebet; ſo iſt kein Zwei - fel, daß ſie ihr Gebet, auſſer dem, daß ein ieder oft beſonders gebetet hat, gemeinſchaftlich mit einander verrichtet haben. Wie denn diß rechtſchaffne Lehrer alſo zu halten pflegen, daß, wenn ſie zuſammen kommen, ſie ſich gern im Gebet fuͤr ihre Gemeinen mit einander verei - nigen. Recht von GOtt erweckte Zuhoͤrer ma - chen es auch alſo.
6. Daß der Apoſtel auch gegen die andern Ge - meinen alſo geſinnet geweſen, und ſeinen, GOtt und ihnen ergebenen, Sinn alſo bewieſen habe, ſiehet man aus Roͤm. 1, 8. 9. Eph. 1, 16. c. 3, 13. 14. u. f. Col. 1, 9. 2 Theſſ. 1, 3.
Und dencken (mit vieler innigen Her - tzens-Vergnuͤgung) an euer Werck im Glau - ben (του῀ ἔργου τῆς πίςεως, der Realitaͤt, welche ihr in eurem Glauben bewieſen) und an eure Ar - beit in der Liebe (da ihr ſie dergeſtalt thaͤtig erwieſen habet, daß ihr euch viele Muͤhe gege - ben, GOtt und eurem Naͤchſten zu dienen) und an eure Gedult in der Hoffnung (an eure Be - harrung im Guten und Ausdaurung im Leiden, darinn ihr durch die lebendige Hoffnung ſehr un - terſtuͤtzet werdet) welche iſt unſer HErr JE - ſus Chriſtus (an welchen ſich die Hoffnung durch den Glauben haͤlt) vor GOtt und dem Vater (vor welchem wir euer gedencken, und vor dem ihr im Glauben, in der Liebe und in der Hoffnung, wandelt und erfunden werdet.) Siehe auch 2 Theſſ. 1, 3. 4.
1. Durch das Wort μνημονέυοντες, (wel - ches participium ſo viel iſt; als ſtuͤnde der in - dicativus da mit dem Worte weil, weil, oder da wir gedencken, oder uns erinnern) ſtehet derdritte Vers mit dem andern in dieſer Verbin - dung, daß der Apoſtel anzeiget, was ihn zu der Danckſagung in ſeinem Gebet veranlaſſet habe, nemlich das erſreuliche Andencken von dem ſo geſegneten Zuſtande der Theſſaloni - cher.
2. Glaube, Liebe, und Hoffnung ſtehen billig bey einander, als die Mutter mit ihren zwo ihr ſehr aͤhnlichen Toͤchtern. Denn der Glaube lieget zum Grunde, und gebieret aus ſich die Liebe; beyde aber werden unterſtuͤ - tzet durch die aus dem Glauben gleichfalls ge - borne Hoffnung. Denn die Hoffnung iſt eine geduldige und gewiſſe Erwartung des ver - ſprochenen voͤlligen Heils, welches man ſich im Glauben bereits zugeeignet, davon aber nur noch die Erſtlinge uͤberkommen hat. Roͤm. 8, 23.
3. Glaube ohne Liebe iſt eine bloſſe Ein - bildung: und Liebe ohne Glauben iſt nur Natur-Werck: gleichwie ohne Glauben und Liebe nichts iſt, als eine eitele und ſelbſt ge - machte Hoffnung; die da laͤßt zu Schanden werden, und von de rechten, die nicht zu Schanden werden laͤßt, gar weit unterſchieden iſt. Roͤm. 5, 5.
4. Durch das zu dem Worte Glauben geſetzte Wort Werck verſtehet der Apoſtel al - hier nicht ein ſolches Werck, welches aus dem Glauben koͤmmt, oder welches der Glaube wir - cket und verrichtet; ſintemal er dieſes gleich darauf mit den Worten: eure Arbeit in der Liebe, ausdrucket: ſondern das rechte We - ſen und die eigentliche Conſtitution, Form und Natur des Glaubens, nach ſeiner rechten Realitaͤt und Soliditaͤt, nach welcher er ei - nem ſelbſtgemachten Glauben, oder einer lee - ren Einbildung davon, entgegen geſetzet iſt. Jn welchem Verſtande, mit der Abſicht auf die Wirckung GOttes, wodurch der Glaube ent - ſtehet, unſer Heiland Joh. 6, 19. ſpricht: Das iſt τὸ ἔργον του῀ Θεου῀, ein Werck GOttes, oder GOttes Werck, daß ihr an den glaubet, den er geſandt hat. Welcher Glaube denn auch ſeiner Natur nach und in ſich ſelbſt iſt ἐργατικὴ, oder ἐνεργὴς, wirckſam; gleichwie ein Baum, wenn man ihn auch auſſer ſeinen Fruͤchten betrachtet, in ſich ſelbſt von einer wirck - ſamen Natur iſt, und ſeine rechte ſtandhafte Conſiſtentz hat. Und auf dieſes Werck des Glaubens gehet auch, dem Wachsthum und der Vollendung nach, der Wunſch Pauli 2 Theſſ. 1, 11. da er bezeuget, wie daß ſein Ge - bet auf das Werck des Glaubens in der Kraft bey ihnen gerichtet ſey.
5. Die Arbeit der Liebe iſt, nach dem im Griechiſchen beybehaltenen Hebraiſmo, ei - ne ſehr arbeitſame Liebe, welche immer in den Pflichten gegen GOtt, uns ſelbſt und den Naͤchſten, nach allen Geboten GOttes geſchaͤf - tig iſt; und zwar dergeſtalt, daß ſie es ſich recht ſauer werden und ſich keine Muͤhe verdrieſſen laͤßt, auch durch alle Hinderung hindurch bricht. Siehe auch Hebr. 6, 10.
6. Das Wort Geduld, griechiſch ὑπο -μονὴ8Erklaͤrung des erſten Briefes Cap. 1. 3. 4. μονὴ, heißt eigentlich eine beſtaͤndige Behar - rung, da man das einmal auf ſich genomme - ne ſanfte Joch Chriſti nicht abwirft, ſondern darunter und damit beſtaͤndig hingehet, und wie im Leiden aushaͤlt, alſo auch vom Boͤſen inne haͤlt, und im Guten anhaͤlt. Dazu denn die lebendige Hoffnung nicht wenig beytraͤ - get: nemlich die Hoffnung, daß das Leiden kurtz und die Errettung gewiß ſey, auch bald erfol - gen und eine uͤber alle maße wichtige Herrlichkeit nach ſich ziehen werde. 2 Cor. 4, 17. Denn die glaͤubige Hoffnung iſts, welche gleichſam wie ein Ancker hinauf (da natuͤrliche Ancker un - terwaͤrts gehn) in das Allerheiligſte gehet, dahin Chriſtus vor uns eingegangen iſt, und uns die Staͤte bereit hat. Hebr. 6, 19. 20. Wel - che auch daher ein Helm des Heils heißt, Eph. 6, 17. als die da bey einem Chriſten gleichſam das Haupt verwahret, daß es in allen Anlaͤufen der Welt und des Satans unverletzt bleibet.
7. Chriſtus iſt der Grund und das Ob - ject unſerer Hoffnung, worauf ſie gerichtet iſt. Und weil die Hoffnung auch ofte ſo viel heißt, als das gehoffete Gut, und ſie dieſes allezeit vor ſich hat, Chriſtus aber das rechte Haupt-Gut iſt, mit welchem, und in welchem, uns alle uͤbrige Heils-Guͤter geſchencket werden, Roͤm. 8, 32. ſo heißt daher Chriſtus ſelbſt die Hoffnung. Dergleichen wir auch finden Col. 1, 27. da es heißt: Chriſtus in euch, oder in uns, die Hoff - nung der Herrlichkeit. und 1 Tim. 1, 1. Paulus ein Apoſtel JEſu CHriſti, nach dem Befehl GOttes unſers Heilandes, und des HErrn JESU Chriſti, der unſere Hoffnung iſt. Denn die Glaͤubigen warten auf die ſelige Hoffnung (verſprochene und gehoffete Selig - keit) und Erſcheinung der Herrlichkeit des groſſen GOttes und unſers Heilandes JE - ſu Chriſti. Tit. 2, 13.
8. Die Worte: vor GOTT nnd un - ſerm Vater, kan man conſtruiren entweder mit dem Wort μνημονέυοντες, wir gedencken euer Werck vor GOTT: wie denn, was ſolche Maͤnner GOttes thaten, das thaten ſie als vor GOTT in ſeiner allerheiligſten Gegen - wart: oder mit den Worten von dem Glau - ben, der Liebe, und der Hoffnung; daß Paulus damit bezeugen wollen, daß ſie ſich darinnen rechtſchaffen, als vor GOtt, erwieſen: wie von Zacharia und Eliſabeth Luc. 1, 6. ſtehet, daß ſie beyde fromm vor GOtt geweſen.
9. Daß die Particula und oft nur zur Er - klaͤrung gebrauchet wird, ſiehet man auch aus dieſem Ort, da GOtt und unſer Vater ſo viel iſt, als: GOtt, der da unſer Vater iſt.
10. Jm uͤbrigen pruͤfe dich, Chriſtlicher Le - ſer, bey der Application dieſes Textes, wie es ſtehe um das Werck deines Glaubens, um die Arbeit deiner Liebe, und um die Geduld, oder Beharrung in deiner Hoffnung? Und ſonderlich ob JEſus Chriſtus deine Hoffnung ſey, alſo daß du deine Gedancken und Begier - den aufrichtig auf ihn gerichtet ſeyn und blei - ben laͤſſeſt?
Denn lieben Bruͤder, von GOTT (alſo) geliebet (daß ihr auch zu ihm gezogen worden, um die Urſach anzuzeigen, warum wir euer dergeſtalt, wie geſagt, eingedenck ſind, und warum wir euch das Werck des Glaubens, u. ſ. w. zuſchreiben; ſo iſt es dieſe:) Wir wiſ - ſen, wie ihr auserwehlet ſeyd (nemlich aus den Kennzeichen, die ihr von eurem Glau - ben und von eurer Beharrlichkeit bereits gege - ben habet.)
1. Die Worte ὑπὸ Θεου῀ kan man entwe - der mit Luthero zu dem vorhergehenden Worte ἠγαπημένοι ziehen, da es denn heißt: Geliebte von GOtt: oder zu dem folgenden Worte τὴν ἐκλογὴν; da es zu uͤberſetzen waͤre: eure Er - wehlung von GOTT, nemlich daß ſie von GOtt geſchehen. Die erſte Conſtruction iſt wol die natuͤrlichſte: und die finden wir auch 2 Theſſ. 2, 13. ἀδελφοὶ ἠγαπημένοι ὑπὸ Κυρίου, ge - liebte Bruͤver von dem HErrn.
2. Die Erwehlung iſt eine ſolche Hand - lung GOttes, da GOtt, vermoͤge deſſen, daß er von Ewigkeit vorher geſehen, daß einer werde an Chriſtum beharrlich glauben, bey ſich den Schluß gemacht hat, einen ſolchen um Chriſti willen ewig ſelig zu machen. So wenig nun ein Menſch in die Ewigkeit zuruͤck ſehen kan, ſo wenig kan er auch an ſich ſelbſt von einem darinn ſchon geſchehenen Rath-Schluß GOttes eigent - lich wiſſen. Unterdeſſen aber laͤßt ſich doch von der Erwehlung GOttes von hinten her aus dem Erfolg urtheilen. Denn da es bey der Vor - herſehung und der Erwehlung GOttes auf den Glauben an Chriſtum ankoͤmmt, und dieſer ſich durch die Liebe thaͤtig erweiſet; ſo kan man hier - aus wol ſo viel ſchlieſſen, daß das, was in der Zeit geſchiehet, GOtt von Ewigkeit vorher ge - ſehen habe; und alſo ein ſolcher im Glauben ſte - hender und beharrender Menſch von GOtt er - wehlet ſey. Und dieſes konnte Paulus ſo viel mehr von den Theſſalonicenſern urtheilen, ſo viel thaͤtiger ſich ihr Glaube bisher in der Liebe erwieſen hatte, auch mitten unter den Leiden. Daher er denn aus ſolchen Proben an ihrer Be - harrung nicht zweifelte: indeſſen aber doch mit der gantzen Epiſtel, darinn er ſie zur Beharrung ermahnet, bezeugete, wie ſolche ſeine Zuverſicht noch umſchraͤncket ſey, und die Ordnung und den wuͤrdigen Gebrauch der Gnaden-Mittel erfodere.
3. Wohl dem Lehrer, der, wie Paulus, ſelbſt aus GOTT geboren iſt, und der ſeine Zuhoͤrer, wie Paulus die Theſſalonicher, wo nicht insgemein, doch dem groͤßeſten Haufen nach, fuͤr Bruͤder in Chriſto, oder fuͤr wahre Kinder GOttes, halten kan. Und wohl ſolchen Zuhoͤ - rern, an welchen die rechtſchaffnen Lehrer ſolche Freude haben. Daß aber unter den geiſtlichen Bruͤdern auch die Schweſtern, oder Perſonen weiblichen Geſchlechts, mit zu verſtehen ſind, iſt aus der Sache ſelbſt bekannt.
4. Kan ein Lehrer von der Erwehlung ſei -ner9Cap. 1. v. 4. 5. 6. Pauli an die Theſſalonicher. ner rechtſchafnen Zuhoͤrer alſo, wie zuvor gedacht, urtheilen; ſo kan vielmehr ein glaͤubiger Zuhoͤrer ſolche Verſicherung von ſich bey ſich ſelbſt ha - ben, ſo vielmehr er von der ihn bewahrenden Treue GOttes verſichert iſt. Joh. 10, 28. 29. 1 Pet. 1, 5. und ſo viel ernſtlicher, auch bereits in manchen Verſuchungen geuͤbter, ſein Vorſatz iſt, im guten Gewiſſen bey Chriſto zu verharren. Daher denn auch ein ſolcher nicht unterlaͤßt, ſei - ne Berufung und Erwaͤhlung, der innerlichen Verſicherung nach, in der Ordnung des Heils immer veſter zu machen, nach der Ermahnung Petri. Ep. 2. c. 1, 10.
Daß (ſintemal) unſer Evangelium (un - ſere Predigt vom Evangelio Rom. 16, 25. 2 Theſ. 2, 14. 2 Tim. 2, 8.) iſt bey euch geweſen (εγενὴϑη ἐις ὑμᾶς iſt geweſen, hat ſich erwieſen gegen euch mit dem Eindringen in eure Seelen) nicht allein im Worte (daß ihr einen deutli - chen Begriff davon uͤberkommen habet,) ſon - dern beyde (ſondern auch) in der Kraft (nemlich ſolcher, welche ſich zur Anzuͤndung des Glaubens und wahrer Bekehrung bey euch her - vor gethan hat: Wie es denn eine Kraft GOt - tes iſt, ſelig zu machen Rom. 1, 16.) und im hei - ligen Geiſt (der ſolche Kraft dem Evangelio bey - geleget hat, und durch das Evangelium Chri - ſtum aufs kraͤftigſte in den Hertzen der Glaͤubi - gen verklaͤret, und ſie von der Gewißheit der Gnade GOttes, ihrer Kindſchaft und kuͤnftigen Erbſchaft der ewigen Seligkeit verſiegelt oder verſichert. Eph. 1, 13.) und in groſſer Gewiß - heit (ἐν πληροϕορίᾳ πολλῆ, in vieler Glaubens - Freudigkeit, darinn ihr es aufgenommen habet, und darinn ich es euch vorgetragen habe.) Wie ihr wiſſet, welcherley wir geweſen ſind un - ter euch (mit was fuͤr Parrheſie wir, der ſo vie - len Leiden ungeachtet, den Vortrag gethan ha - ben,) um eurentwillen (um euch zu uͤberzeugen und zum Gehorſam des Glaubens zu bringen.)
1. Der Apoſtel zeiget mit dieſen Worten den Grund an, woher er einen ſo zuverſichtlichen Schluß von ihrer Erwehlung gemachet, weil er nemlich mit dem Evangelio einen ſo gar geſegne - ten Eingang bey ihnen gefunden habe.
2. Zum rechten Vortrage des Evangelii gehoͤret ein erweckter Geiſt, der daſſelbe mit al - ler Freudigkeit den Menſchen anpreiſe. Ein leb - loſer und ſchlaͤfricher Vortrag ermangelt ſol - ches Seegens: Da denn die Schuld auf den Lehrer faͤllt. Paulus lehret mit der Beweiſung des Geiſtes und der Kraft. 1 Cor. 2, 4.
3. Wort, Kraft und der Heilige Geiſt, die gehoͤren zuſammen. Denn GOtt handelt ordentlicher weiſe mit uns durch ſein Wort: ſein Wort aber iſt voller Kraft und Leben, und dieſes hat es von dem Heiligen Geiſte, der da - durch wircket. Es verſtehet der Apoſtel alhie wol nicht die Wunder-Kraͤfte des Heiligen Gei - ſtes: ſintemal dieſelben nicht eben eine Verſiche - rung von der ewigen Erwehlung geben konten,auch nicht allen Glaͤubigen gemein waren; hie aber die Rede iſt von dem, daher von der Er - wehlung aller Glaͤubigen ein zuverſichtlicher Schluß gemachet werden konte.
Und ihr ſeyd unſere Nachfolger wor - den (in der Gedult, da ihr euch durch allerhand Truͤbſal nicht von dem erkannten Evangelio habt abwendig machen laſſen) und des HErrn (JE - ſu Chriſti ſelbſt; als von deſſen Leiden und Ge - dult wir euch geprediget haben; Wie er nemlich damit zuvorderſt uns verſoͤhnet, aber auch zu - gleich ein Exempel der Nachfolge gegeben habe) und habet das Wort aufgenommen (da, oder nach dem ihr es aufgenommen habet, (unter vielen Truͤbſalen mit Freuden im Heiligen Geiſt, (πνέυματος ἁγίου, des Heiligen Geiſtes, wel - che Freude der H. Geiſt wircket.)
1. Das Wort vom Creutze Chriſti, als ein Evangelium zur Seligkeit, glaͤubig aufneh - men iſt viel: es unter vieler Truͤbſal aufneh - men iſt noch mehr: es ſolcher ungeachtet noch dazu mit Freuden aufnehmen iſt am allermei - ſten zu verwundern.
2. Da nun dieſes alles uͤber alle menſchli - che Kraͤfte gehet; ſo gedencket der Apoſtel bey der letztern Stuffe des Heiligen Geiſtes; als der in ihnen ſolches kraͤftiglich gewircket hatte. Denn der Menſch iſt auch zu dem erſten Grad, zu der glaͤubigen Aufnahme, von Natur gantz ungeſchickt: Wie Paulus bezeuget, wenn er ſpricht: Der natuͤrliche Menſch vernimt nicht was des Geiſtes GOttes iſt, es iſt ihm eine Thorheit und kan es nicht begreifen: Denn es muß geiſtlich gerichtet ſeyn. 1 Cor. 2, 14.
3. Und eben darinnen, daß das Evangeli - um alſo aufgenommen iſt, thut ſich ein gar herr - licher Character von deſſelben goͤttlichen Wahr - heit und Vortreflichkeit hervor: ſintemal es ſchlechterdings unmoͤglich zu begreifen iſt, wie in aller Welt ſo viel tauſend Menſchen von aller - hand Nationen, Staͤnden und Alter das Evan - gelium unter vielem Leiden mit Freuden haͤtten wuͤrden aufnehmen, wo ſie nicht von der Wahr - heit deſſelben, und alſo der gantzen Chriſtlichen Religion aufs allergewiſſeſte waͤren uͤberzeuget geweſen.
4. Es ſpricht zwar unſer Heyland Matth. 13, 20. 21. auch von ſolchen, die, wenn ſie das Wort hoͤren, es mit Freuden aufnehmen: Aber ſie ſind einem ſteinichten Acker gleich, dar - innen es zu keiner Wurtzel koͤmmt: Und alſo ſind ſie wetterwendiſch, alſo daß, wenn ſich Truͤbſal und Verfolgung erhebet um des Worts willen ſo aͤrgern ſie ſich bald. Gantz anders erwieſen ſich die lieben Theſſalonicher.
5. Haben die Theſſalonicher das Wort unter vieler Truͤbſal mit Freuden aufgenommen, da es noch wie eine neue und fremde Lehre ange - ſehen wurde; wie werden die vor GOTT beſte - hen, welche ſich mitten in der Evangeliſchen Kir -Bche10Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 1. v. 6. 7. 8. che befinden, aber das Wort nicht einmal ohne Truͤbſal bey aͤuſſerlicher Ruhe aufnehmen; ja andern, die es aufnehmen und es im Leben be - weiſen, wol Truͤbſal anlegen.
6. Gleichwie der Apoſtel v. 1. und 3. des Vaters und des Sohnes gedacht hat, ohne hinzugethane Meldung des Heiligen Geiſtes: alſo gedencket er v. 5. 6. des Heiligen Geiſtes, ohne dabey des Vaters und des Sohnes zu gedencken: weil es ſein Vorhaben nicht war, vom Geheimniß der heiligen Dreyeinigkeit zu handeln. Und alſo hat man alle andere Oerter, da nur des Vaters und des Sohnes, nicht aber zugleich des Heiligen Geiſtes gedacht wird, an - zuſehen.
7. Den Lehrern muß man folgen, aber nur darinnen, worinnen ſie den HErrn JEſum zum Vorgaͤnger haben. Darum Paulus alhie bey - des zuſammen geſetzet hat: Jhr ſeyd unſere Nachfolger geworden und des HErrn. Siehe auch 1 Cor. 11, 1. da es heißt: Seyd mei - ne Nachfolger, gleichwie ich Chriſti Nach - folger bin.
Alſo daß ihr worden ſeyd ein Fuͤrbild allen Glaͤubigen in Macedonia (ſonderlich denen zu Philippen und Berrhoen Ap. Geſch. 16, 12. u. ſ. f.) und Achaia (und darinnen fuͤr - nemlich denen zu Corinthus; auch denen zu Athen in Attica: als durch welche Laͤnder Pau - lus von Theſſalonich reiſete. c. 17. 18.)
1. Jm Reiche GOttes muß ein Fuͤrbild das andere erwecken, und ſich alſo der Segen vervielfaͤltigen. Paulus war mit Timotheo und Sila ein Fuͤrbild der Theſſalonicher; und dieſe wurden wieder Fuͤrbilder anderer, da ſie ihnen zur Nachfolge ein ſo gutes und erbauliches Exempel gaben.
2. Es iſt ſehr gut, daß man ſich fleißig er - kundige um das, was in der Kirche GOttes un - ter dem ſo vielen boͤſen gutes hie und da geſchie - het, um ſich dadurch zum Lobe GOttes, auch zur Nachſolge erwecken zu laſſen. Was zu Theſſalonich geſchehen, das iſt zu vielem Seegen bald kund worden durch gantz Griechenland.
3. Es gedencket zwar Lucas Ap. Geſch. 16. 17 und 18. nicht geringer Leiden, welche Paulo und ſeinen Gehuͤlfen auch zugleich den Glaͤubi - gen ſelbſt in Macedonien und Achaja wiederfah - ren ſind: Weil er doch aber den Theſſaloni - chern bey ihrem Verhalten ein ſonderliches Lob giebet, ſo muͤſſen ihre Leiden auch noch ſchwerer geweſen ſeyn, als an den uͤbrigen Orten in Grie - chenland. Und ſolchergeſtalt wird hiedurch der Text aus der Apoſtelgeſchicht c. 17. von dem, was ſich zu Theſſalonich begeben, nicht wenig er - laͤutert.
4. Daß der Glaube die Haupt-Sache im Chriſtenthum ſey, erkennen wir auch daher, daß die Chriſten daher Glaͤubige genennet wer - den.
5. Daß aber der Glaube keine Leichtglau -bigkeit ſey, erſiehet man auch an dem Exempel der Theſſalonicher, als welche gewiß das Ev - angelium nicht wuͤrden unter ſo vieler Truͤbſal aufgenommen haben, wo ſie von deſſelben Waͤhrheit nicht aus ſattſamen Gruͤnden voͤllig waͤren uͤberzeuget geweſen.
Denn von euch iſt auserſchollen das Wort des HErrn (es iſt die Nachricht von eurer Bekehrung, von eurer Pruͤfung und von eurer Standhaftigkeit wie ein heller und ange - nehmer Poſaunen-Schall, und wie ein ſuͤſſer Geruch geweſen, und hat ſich ausgebreitet) nicht allein in Macedonica und Achaja (zur beſon - dern Starckung der ſchon Bekehrten, und zur Erweckung vieler noch Unbekehrten) ſondern an allen Orten (außer Macedonia und Achaja, auf allen Seiten; da denn die ſtarcken Com - mercia, welche von Theſſalonich aus in die Na - he und Ferne gingen, dem Reiche Chriſti zur Ausbreitung des guten Geruchs nicht wenig die - nen muͤſſen,) iſt auch euer Glaube an GOtt (durch euer Bekaͤnntniß und durch euren gantzen Wandel) ausgebrochen (gleichwie man alſo auch von der Roͤmer ihrem Glauben in der Naͤ - he und Ferne vieles hat zu ſagen gewußt, Rom. 1, 8.) alſo daß nicht Noth iſt euch etwas zuſagen, (ὡ ςε μὴ χρέιαν ἡμᾶς ἔχειν λαλει῀ν τι, daß nicht noͤthig iſt, daß wir davon andern etwas ſagen, und es ihnen erſt bekannt machen, wie ihr bekehret worden ſeyd, und wie viel ihr daruͤ - ber ausgeſtanden.)
1. Es haben zwar einige Codices ὑμᾶς euch: allein andere und die beſten haben ἡμᾶς, uns: Welche Lectio richtig iſt: ſintemal ſie nicht allein an ſich ſelbſt ſchon einen viel richti - gern Senſum giebt, als das Pronomen ὑμᾶς, euch; ſondern auch von den unmittelbar fol - genden Worten bekraͤftiget wird, da es heißt: Denn ſie ſelbſt verkuͤndigen von euch u. ſ. w. Daß wir alſo, will der Apoſtel ſagen, nicht noͤ - thig haben, ihnen es erſt kund zu machen.
2. Man ſagt mit Recht von den Apoſteln und von dem Evangelio: Wo der Apoſtel Fuß nicht hingekommen, dahin iſt doch ihr Schall gelanget. Daß demnach diejenigen, welche auf dieſen nicht achten wollen, keine Ent - ſchuldigung haben.
3. Es iſt nicht undienlich denen, welche es wehrt ſind, das Zeugniß ihres loblichen Ver - haltens zu geben, um ſie dadurch ſo vielmehr zum Wachsthum im guten aufzumuntern. Es iſt aber auch die Art ſolcher rechtſchaffenen Seelen, daß ſie ſich dadurch im geringſten nicht erheben und aufblehen, ſondern ſich ſelbſt nichts, als die Maͤngel, GOTT aber alles Gute in Demuth mit ergebenſter Danckſagung zuſchreiben. Da - hingegen es ſo wol mit den Schmeichlern als auch mit denen, welche ſie gerne hoͤren, ene gantz andere Beſchaffenheit hat.
4. Wenn man noch heutiges Tages bald von dieſem, bald von jenem Ort auch mitten inder11Cap. 1. v. 8. 9. an die Theſſalonicher. der Chriſtenheit und in der Evangeliſchen Kirche hoͤret, daß eine ſonderliche Erweckung vieler Seelen geſchehen; ſo hat man ſich ſolches ſelbſt zur Ermunterung und zum Lobe GOttes dienen zu laſſen.
5. Man wird aber gemeiniglich finden, daß ſolche Erweckung mit einiger Truͤbſal ver - knuͤpfet iſt. Koͤmmt es nicht weiter, ſo bleiben doch falſche Beſchuldigungen und Laͤſterungen nicht aus. Und was ehemals unglaͤubige Juͤ - den und abgoͤttiſche Heyden gethan, das pflegen in der Chriſtenheit die Namen-Chriſten ſelbſt zu thun, ſonderlich fleiſchlich geſinnete Lehrer: als die gemeiniglich nicht leiden koͤnnen, daß an - dern die Augen recht aufgehen, und ſie weiter kommen, als ſie ſelbſt iemals gegangen ſind, und gehen wollen.
Denn ſie ſelbſt (ἀυτοὶ, welche ſich in Ma - cedonia und Achaja, auch außer denſelben Laͤn - dern befinden) verkuͤndigen von euch (was ſie mit Freuden gehoͤret haben, ſagen ſie auch an - dern zu ihrer Erweckung) was fuͤr einen Ein - gang (bey gleichſam geoͤfneter Thuͤre eures Hertzens) wir bey euch gehabt haben, und wie ihr bekchret ſeyd (έϖεςρέψατε euch durch angenommene Bekehrungs-Gnade bekehret ha - bet,) zu GOtt von den Abgoͤttern (daran ihr als Heyden vorher gehangen habet) zu die - nen dem wahren und lebendigen GOtt (in Anſehung deſſen alle Abgoͤtter ein todtes Weſen und falſches hoͤchſt ungereimtes Geticht des ver - derbten menſchlichen Hertzens ſind.)
1. Es findet ſich auch alhie in dem Prono - mine ἡμῶν und ὑμῶν eine unterſchiedene Le - ction: Es koͤmmt aber dem Verſtande nach auf eines hinaus. Denn heißt es von euch, ſo wird Pauli und ſeiner Gehuͤlfen Dienſt davon ſo vielweniger ausgeſchloſſen, ſo viel ausdruͤcklicher in den folgenden Worten deſſelben gedacht wird. Lieſet man aber ἡμῶν, uns, ſo gehet es dergeſtalt auf Paulum und ſeine Mitarbeiter, daß das, was ſie ausgerichtet, dabey auf die Theſſaloni - cher gerichtet wird.
2. Es erlaͤutert dieſer Text die Nachricht, welche uns Lucas von Pflantzung der Theſſaloni - cenſiſchen Gemeine gegeben hat, auch darinnen, daß wir ſehen, was ſich fuͤr Leute am meiſten zu GOtt bekehren laſſen, nemlich Heyden. Wie denn Ap. Geſch. 17, 4. u. ſ. f. zwar gedacht wird, daß ſich etliche Juden bekehret; aber auch dieſes, daß der groͤſſeſte Haufen einen Aufruhr wider Paulum und ſeine Gefehrte erreget haben: ja wie auch ſo gar die Theſſalonicenſiſchen Juden, als ſie gehoͤret, wie daß die Juden zu Berrhoa das Wort des Evangelii ſo willig aufgenommen, dorthin gekommen, und daſelbſt gleichfals viele zum Tumult wider Paulum aufgebracht haben.
3. Und da v. 4. was die bekehrten Hey - den betrift, eigentlich nur dererjenigen gedacht wird, welche σεβόμενοι, das iſt bereits Juden - Genoſſen geweſen oder doch das grobe abgoͤtti -ſche Heydenthum verlaſſen hatten: ſo gedencket Paulus, zur mehrern Erlaͤuterung ſolches Textes, daß auch viele von den uͤbrigen Heyden, welche bis dahin noch am groben Goͤtzendienſt gehangen haͤtten, durch das Evangelium ſich gewinnen und zu Chriſto bringen laſſen.
4. Es ſind leider die Hertzen der Menſchen gegen das Evangelium von Natur durch die Suͤnde verſchleſſen. Denn ob es gleich noch ſo lieblich und angenehm iſt; ſo ſtehet es doch der verderbten Natur nicht an: ſintemal ſie das ewige Leben aus lauter Gnaden nehmen und da - gegen ihre groſſe Unwuͤrdigkeit erkennen ſoll. Weil ſie nun dazu viel zuſtoltz iſt; ſo lehnet ſie ſich wider das Evangelium auf, zumal da ihr das Geheimniß vom Creutzes-Tode Chriſti ſo un - glaublich vorkoͤmmt, und ſie dabey auf die Ord - nung der Verleugnung ihrer ſelbſt und der Welt gefuͤhret wird. Es gehet demnach die Beru - ſungs-Gnade zuvorderſt dahin, daß die verſchloſ - ſenen, ja verriegelten Hertzen gegen dem Evan - gelio und Chriſto ſelbſt geoͤffnet werden: Wie es denn von der Lydia zu Philippen Ap. Geſch. 16, 14. heißt, daß ihr der HErr das Hertz auf - gethan, acht zu haben, was von Paulo ge - redet ward. Und unſer Heyland ſpricht Offenb. 3, 20. Siehe! ich ſtehe vor der Thuͤre und klopfe an? ſo iemand meine Stimme hoͤ - ren wird und die Thuͤre aufthun, zu dem werde ich eingehen, und das Abendmahl mit ihm halten, und er mit mir.
5. Man wird aber ſelten finden, daß die Thuͤre zu den Seelen recht geoͤfnet wird ohne Widerſpruch derer, welche ſich gegen den Ein - gang des Evangelii noch immer veſter verſchlieſ - ſen. Denn alſo ging es zu Theſſelonich. So ging es Paulo auch zu Epheſus: Darum als er von dannen den erſten Brief an die Corinther ſchrieb, ſetzte er c. 16, 9. Mir iſt eine groſſe Thuͤre anfgethan, und ſie ſind fleißig, und ſind viel widerwaͤrtige da.
6. Ein rechtſchafner Lehrer hat keine groͤſſere Freude, als wenn er mit dem Evangelio bey ſeinen Zuhoͤrern vielen Eingang findet; als dahin der Zweck ſeines gantzen Amts gehet: dahingegen ein Mietling nur darauf bedacht iſt, wie er ſich vom Evangelio nicht allein naͤhren, ſondern auch bereichern moͤge: dabey er denn ſelbſt an geiſtlichen Guͤtern arm bleibet. So iſt auch die Pflicht eines guten Zuhoͤrers, daß er dem Worte der Wahrheit bey ſich allen Ein - gang laſſe.
7. Was man von Bekehrung mancher Seelen gutes hoͤret, erzehlet der, der ſelbſt wahr - haftig zu GOtt bekehret iſt, gern auch andern, ſich und ſie damit zu ſtaͤrcken: gleich wie wir ſehen, daß viele gottſelige Seelen, was ſie zuerſt von den Theſſalonichern gehoͤret, auch andern ver - kuͤndiget haben.
8. Der Menſch wird bekehret und bekeh - ret ſich ſelbſt. Er wird bekehret, wenn ihm GOTT das Hertz aͤndert. Er bekehret ſich auch ſelbſt; wenn er die Gnade und Kraft GOt - tes zur Bekehrung annimmt und ſich damit ernſt - lich zu GOTT wendet. Jenes zeiget an, daßB 2der12Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 1. v. 9. 10. der Menſch kein geiſtliches Vermoͤgen von ſich ſelbſt habe, zum Stande der Gnade zu gelan - gen: dieſes aber, daß er keine Machine ſey und durch die Gnade gezwungen werde; ſondern daß er einen freyen Willen habe, und denſelben mit Anwendung der geſchenckten Gnaden-Kraͤf - te recht getreulich anwende. Beydes finden wir zuſammen Jer. 31, 18. 19. Bekehre du mich, ſo werde ich bekehrt: Da ich bekehret ward, thaͤte ich Buſſe.
9. Es gedencket wol mancher, er gebrau - che keiner Bekehrung, da er ja nicht, wie die Heyden, den Abgoͤttern diene: allein ſtehet man nicht im Dienſte der groben Abgoͤtter, ſo hat man ſich zu pruͤfen, ob man nicht noch unter der Gewalt der beherrſchenden Suͤnde und des Sa - tans ſtehe: von welcher man zum Lichte und zu GOtt recht gruͤndlich bekehret ſeyn muß.
10. Wahrhaftig bekehret ſeyn und GOtt dienen gehoͤret zuſammen, alſo daß eines ohne das andere nicht beſtehen kan. Denn iſt die Bekehrung ohne den wahren Dienſt GOttes, ſo iſt ſie entweder nicht rechter Art geweſen, oder man hat die Bekehrungs-Gnade durch Untreu wieder verlohren. Jſt aber der Gottesdienſt ohne wahre Bekehrung, ſo iſt er eitel und GOtt mißfaͤllig.
11. Es gedencke aber ja niemand, wenn er vom Gottesdienſte hoͤret und lieſet, daß Pau - lus dadurch das aͤuſſerliche Kirchgehen und Pre - digt hoͤren verſtehe. Denn er redet von dem Dienſte, welcher GOtt mit dem glaͤubigen Her - tzen und gottſeligen Leben geleiſtet wurde. Wo ein ſolcher Dienſt-GOttes war, da wurde auch die aͤuſſerliche Ubung und Erweckung zur An - dacht geheiliget und geſegnet: ſonſt aber nicht. Zum wahren Dienſt des lebendigen GOttes gehoͤret ein durch das Blut Chriſti von den tod - ten Wercken gereinigtes Hertz. Hebr. 9, 4.
Und zu warten (in lebendiger Zuverſicht und Hoffnung) ſeines Sohnes vom Himmel (der da als ein Richter der Lebendigen und der Todten erſcheinen wird) welchen er (zum ge - wiſſen Zeugniß, daß er ſeinen Tod zur guͤltigen Bezahlung fuͤr unſere Suͤnde und Suͤnden - Schuld in ſeinem Gerichte angenommen hat) anferwecket hat von den Todten (da er, als wahrer GOtt, ſich auch ſelbſt erwecket hat und auferſtanden iſt aus eigner Kraft Joh. 2, 19. u. f. c. 10, 17. 18. c. 11, 25.) JEſum, der uns von dem zukuͤnftigen Zorn (welcher uͤber alle Un - glaͤubigen und Gottloſen am juͤngſten Gerichte entbrennen wird) erloͤſet hat.
1. Die Erloͤſung Chriſti iſt eigentlich durch ſeinen vollkommenen Gehorſam im Leben und im Leiden geſchehen. Und dieſe Erloͤſung ziehet diejenige voͤllige Errettung und Be - freyung von allem Ubel nach ſich, welche denGlaͤubigen bey der Zukunſt Chriſti widerfahren wird: dahingegen die Straf-Gerichte GOttes uͤber die ergehen werden, welche ſich die Erloͤ - ſung Chriſti in der rechten Heyls-Ordnung nicht zugeeignet haben. Und hievon redet der Apo - ſtel alhie. Welche letzte Befreyung, als die voͤl - lige Frucht der einmal geſchehenen Erloͤſung, auch ſelbſt eine Erloͤſung, nemlich von allem Ubel, genennet wird. Man ſehe Luc. 21, 28. Rom. 8, 23. Eph. 4, 30.
2. Die noch kuͤnftige voͤllige Befreyung wird mit dem participio præſentis temporis, ῥυόμενος, als von einer ſchon gegenwaͤrtigen Sa - che, deswegen ausgedrucket, weil ſie ſich als - denn nicht erſt anhebet, ſondern immer in be - ſtaͤndiger Wirckung fortgehet, bis ſie zu dem voͤlligen Ausbruch ſchreiten wird. Darum von derſelben Paulus ſagt. 2 Cor. 1, 10. GOtt hat uns erloͤſet, erloͤſet noch taͤglich, und wir hoffen auf ihn, er werde uns auch hinfort erloͤſen, ἐῤῥύσατο, ῥύεται, ῥύσεται.
3. Gleichergeſtalt wird das Wort kuͤnf - tig, mit dem participio præſentis temporis ἐρχομένης gegeben, weil der kuͤnftige groſſe Ge - richts-Tage ſchon im herzunahen iſt, und im - mer naͤher koͤmmt, auch ſo viele Vor-Gerichte uͤber die Gottloſen ausgeuͤbet worden.
4. Mit dem Worte Zorn wird die rich - terliche Gerechtigkeit GOttes bezeichnet, in ſofern ſie mit der wuͤrcklichen Strafe zur Execu - tion ſchreitet.
5. Und dieſe Straf-Gerechtigkeit iſt des dreyeinigen GOttes, und alſo auch des Sohnes GOtt es; der uns doch aber davon erloͤſet hat nach ſeinem uͤbernommenen Mittler-Amte. Daher er denn uͤber die, welche ſolches an ſich vergeblich ſeyn laſſen, die Straf-Gerichte in al - ler Schaͤrfe wird ergehen laſſen; wie aus ſo vielen vom juͤngſten Gericht handelnden Oer - tern, und ſonderlich aus der Offenbahrung Jo - hannis zu erſehen iſt. Darum werden wir da - vor gewarnet, unter andern, Pſ. 2, 12. Da es heißt: Kuͤſſet den Sohn, daß er nicht zuͤr - ne, und ihr umkommet auf dem Wege. Denn ſein Zorn wird bald anbrennen: aber wohl allen, die auf ihn trauen!
6. Jm uͤbrigen ſiehet man aus dem erſten Capitel dieſes Briefes, wie daß die Glaubigen zu Theſſalonich gleich vom erſten Anfange an in allen Haupt-Stuͤcken Chriſtlicher Lehre wohl unterrichtet worden, nemlich in dem von der Heiligen Dreyeinigkeit v. 3. 4. 15. von dem Mittler-Amt Chriſti v. 10. von dem im Wercke der Liebe und lebendigen Hoffnung zu beweiſenden lebendigen Glauben v. 3. vom Geheimniß des Creutzes Chriſti und der Chri - ſten v. 6. von der Gnade der Goͤttlichen Beru - fung und Bekehrung durch das Evangelium v. 5. 6. 9. von der Erwehlung v. 4. von der Zukunft des Sohnes GOttes, von der Aufer - ſtehung der Todten und vom Juͤngſten Ge - richte. v. 10.
DEnn auch ihr wiſſet, lieben Bruͤ - der, von unſerm Eingange zu euch, daß er nicht vergeblich geweſen. (wie bey vielen andern, da ihr das Wort auch ſo gar unter vieler Truͤbſal mit Freuden aufgenommen habet. Cap. 1, 5. 9. und es angeſehen, als haͤtte es euch GOTT ſelbſt verkuͤndiget c. 2, 13. dieſes wiſſet ihr ſelbſt ſo viel beſſer, als andere c. 1, 9. ſo viel mehr Erfahrung ihr in und an euch davon ha - bet.)
Was der Apoſtel, zu mehrer Erlaͤuterung deſ - ſen, was er ſchon im erſten Capitel, ſonderlich v. 5. 9. von ſeinem Eingange bey den Theſſalonichern bezeuget hatte, alhie alſo ſetzet, daß er ſich auf ihre eigene Erfahrung berufet, das fuͤhret er nun dergeſtalt aus, daß er erſtlich vom 2ten Vers bis auf den 13ten vorſtellet, wie er ſein Amt, da - mit es nicht vergeblich ſeyn moͤchte, unter ihnen gefuͤhret habe: und denn v. 13. u. f. wie es von ihnen in aller Folgſamkeit angenommen worden.
Sondern, als wir zuvor gelitten hat - ten, und geſchmaͤhet geweſen waren zu Philippen, (wie ihr wiſſet) waren wir dennoch freudig in unſerm GOtt, (der zwar aller Menſchen GOTT iſt, aber doch von einem ieden Glaͤubigen inſonderheit als ſein GOtt erkannt wird, daß man mit glaͤubiger Zu - eignung ſagen kan: mein GOtt! unſer GOtt!) bey euch zu ſagen das Evangelium GOttes (welches nach der geſchehenen theuren Beylage und anbefohlnen Amts-Verrichtung auch unſer Evangelium iſt c. 1, 5.) und groſſen kaͤmpfen. (oder vielem Kampfe, πολλῷ ἀγῶνι.)
1. Daß der Apoſtel die Vorſtellung von ſei - ner Amts-Fuͤhrung mit der particula ἀλλὰ, ſondern, anhebet, und alſo einen Gegenſatz ma - chet von dem, daß ſein Eingang bey den Theſ - ſalonichern nicht vergeblich geweſen ſey, damit zeiget er an, daß er von ſeiner Seite dazu keine Gelegenheit gegeben habe; und daß, wo der Vortrag des Evangelii ſo leer abgehet, die Schuld, auſſer den Zuhoͤrern, auch groſſen theils an dem Lehrer liege, daß der entwederſelbſt keine recht-geiſtliche Tuͤchtigkeit dazu habe, noch ſich im Amte mit einem lautern Sinn getreu erweiſe, und dabey folglich auch das Creutz ſcheue.
2. Was der Apoſtel von ſeinen Leiden zu Philippen anfuͤhret, davon kan man nachleſen Ap. Geſch. c. 16, 22. u. f. denn da wurden ſie nach abgeriſſenen Kleidern geſtaͤupet, und in das tiefſte Gefaͤngniß geleget; aber auch recht wun - derbar daraus errettet.
3. Mit der Redens-Art: Freudig ſeyn in GOtt, zeiget der Apoſtel an, daß er die innere Glaubens-Freudigkeit, und die daher entſtehen - de Freymuͤndigkeit im Reden, nicht allein habe gehabt von GOtt, ſondern auch gebraucht in GOtt, in der innigſten Vereinigung und Ge - meinſchaft mit ihm.
4. Es war doch aber dieſe glaͤubige Frey - muͤthigkeit nicht ohne vielen Kampf, welchen das aͤuſſerliche Ungewitter der Verfolgung ver - urſachte: als darinn der Apoſtel nicht allein fuͤr ſich ſelbſt geweſen, ſondern auch unter vieler Ar - beit, Sorge und Muͤhe, dahin zu ſehen hatte, daß dem Satan allewege Abbruch geſchehen, und, was er zur Verhinderung des guten ſuchte, nicht gelingen moͤchte. Darum gleichwie einer kan aͤuſſerliche Ruhe und doch dabey ein nieder - geſchlagenes Gemuͤth haben, ſo kan einer wohl in der Freudigkeit und dabey auch zugleich im Kampfe ſtehen. Kan doch ein Kriegsmann wohl mit aller Freymuͤthigkeit zum Treffen ge - hen, und darinnen einen Sieg nach dem andern erhalten, obgleich nicht ohne vielen Kampf. Siehe auch Phil. 1, 30. Col. 2, 1.
Denn unſere Ermahnung (nebſt allem uͤbrigen Vortrage des Worts) iſt nicht ge - weſen (hergekommen) zu Jrrthum, (ἐκπλά - νης, aus Jrrthum, dem Verſtande nach, als wenn wir eine falſche Lehre zum Grunde gehabt haͤtten) noch (dem Willen nach) zur Unrei - nigkeit (ἐξ ἀκαρϑαρσίας, aus Unreinigkeit, aus einem unreinen und unlautern Zweck, und aus fleiſchlichen Affecten,) noch mit Liſt. (ου῎τε ἐν ὸόλῳ, noch iſt ſie geſchehen betruͤglicher Weiſe, euch hinter das Licht zu fuͤhren.)
B 3Anmer -14Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 2. v. 3. 4. 5.1. Wo bey einem Lehrer im Verſtande Grund-Jrrthuͤmer, und im Willen herrſchen - de unreine Affecten und Abſichten ſind, ſo ent - ſtehet daher nichts anders, als ein Betrug und Verfuͤhrung der Seelen; daher der Apoſtel des doli, des Betrugs, zuletzt gedencket.
2. Er zielet aber damit ohne Zweifel auf die falſchen Lehrer ſeiner Zeit, welche ſich bereits in manchen Gemeinen geſunden hatten, und davor die Theſſalonicenſiſche auch nicht ſicher ſeyn konte.
Sondern wie wir von GOtt bewaͤh - ret (tuͤchtig erachtet) ſind, daß uns das Ev - angelium vertrauet iſt zu predigen, ſo re - den wir (ſo wie es uns anvertrauet und uͤber - geben iſt zum Vortrage, ſo tragen wir es auch vor, ohne etwas davon zu nehmen, oder dazu zu thun, oder es auf eine andere Art zu verfaͤl - ſchen: da wir es reden aus Lauterkeit, und als aus GOtt, in Chriſto 2 Cor. 2, 17.) nicht als wolten wir Menſchen gefallen, ſondern GOtt, der unſere Hertzen pruͤfet, (und aufs genaueſte durchſchauet, und alſo weiß, aus was fuͤr einem Grunde, in welcher Lauterkeit, und zu welchem Zweck wir euch das Evangelium verkuͤndiget haben. Und da wir es alſo mit GOTT dem Hertzens-Kuͤndiger zu thun gehabt haben, ſo koͤnnet ihr ſoviel mehr von aller Lauter - keit unſerer Lehre und unſers Zwecks verſichert ſeyn.)
1. Der Vortrag des Worts richtet ſich ge - meiniglich nach der Berufung. Jſt einer von GOtt ſelbſt tuͤchtig gemacht und erachtet, und alſo zum Amte beſtellt, ſo fuͤhret er auch das Amt in der Lauterkeit. Hat er ſich ſelbſt dazu ein - gedrungen, ſo zeiget ſich die Unlauterkeit des Grundes und des Zwecks auch gar haͤuffig in dem Vortrage.
2. Ein anders iſt, Menſchen gefallen; ein anders Menſchen gefallen wollen. Denn gleichwie dieſes ein Schalcks-Auge bey einem Lehrer anzeiget, und gemeiniglich den Vortrag und alle uͤbrige Amts-Verrichtungen unlauter machet: alſo kan jenes oft ſtatt finden ohne alle Affectation, auch wol bey den ſonſt unartigen Menſchen. Da es von frommen Seelen ohne das heißt, daß man wie GOtt gefaͤllig, alſo auch ihnen werth ſey. Roͤm. 14, 18. Menſchen nur gefallen wollen, iſt der eigentlichſte Cha - racter theils falſcher, theils fleiſchlich-geſinneter Lehrer, Gal. 1, 10.
3. Pruͤfet GOtt die Hertzen, wie er denn thut, 1 Chron. 30, 17. Pſ. 7, 10. Sprichw. 17, 3. Jer. 12, 3. und zwar, nach dieſem Text, der Lehrer, daß ſie ſich deshalb aller Lauterkeit zu befleißigen haben; ſo pruͤfet er gewiß auch die Hertzen der Zuhoͤrer: daher ſie verbunden ſind, das Wort alſo aufzunehmen, wie es die Theſſa - lonicher aufgenommen haben.
Denn wir nie mit Schmeichel-Wor - ten ſind umgegangen, (daß wir alſo geredet haͤtten, wie es der verderbten Natur angenehm iſt, um eure eine Gunſt zu erlangen) wie ihr wiſſet (daher ich mich gantz getroſt auf euer Ge - wiſſen berufen kan) noch dem Geitz geſtellt, (ου῎τε ἐν προϕάσει ϖλεονεξίας, noch haben wir uns des Geitzes halber, oder aus dem Antrieb des Geitzes, dieſes und jenes Vorwands bedie - net:) GOtt iſt des Zeuge, (in einer ſolchen verborgenen Sache, da es auf deſſen Allwiſ - ſenheit allein ankoͤmmt; und auf den ich mich nicht berufen wuͤrde, wofern ich deßfals nicht ein gutes Gewiſſen haͤtte.)
1. Es muß dem Apoſtel auch wol bey der Theſſalonicenſiſchen Gemeine an ſolchen Fein - den, welche den Zweck und die Fuͤhrung ſeines Amts auf alle Weiſe zu verkleinern geſuchet, nicht gefehlet haben. Sind es denn etwa keine falſche Lehrer geweſen in der Gemeine ſelbſt; ſo haben es ohne Zweifel die unbekehrten Juden und Heyden nicht unterlaſſen. Denn haben ſie ihm nach dem Leben geſtanden; wer wolte denn zweifeln, daß ſie ſeinen guten Namen auf aller - hand Art zu kraͤncken geſuchet haben werden. Und da die Glaͤubigen ſolche Leute um ſich hatten, und ſie den Schwaͤchern mit falſchen Beſchuldigun - gen zum oͤftern in den Ohren lagen; wie der Apoſtel von Timotheo und Sila wohl vernom - men haben muß: ſo ſuchet er die Theſſalonicher gegen allen Anſtoß zu verwahren.
2. Ein fleiſchlich-geſinneter Lehrer ſuchet ſich ſelbſt: und daher bedienet er ſich allerhand Liebkoſungen, um zu ſeinem Zweck zu gelangen: wobey denn ein lauterer Vortrag der Lehre un - moͤglich beſtehen kan: zum wenigſten wird das Wort GOttes in manchen Stuͤcken verfaͤlſchet, geſchiehet es nicht in der Erklaͤrung, ſo geſchie - het es doch oft in der Application, da man den noch Unbekehrten alle Heils-Guͤter in Chriſto zu - eignet, welcher ſie doch noch nicht faͤhig ſind. Paulus nennet es Roͤm. 16, 18. χρηςολογίαν καὶ ἐυλογίαν, ſuͤſſe Worte und praͤchtige Re - den, und war die ἐυλογία eigentlich ein ψευδο - μακαρισμὸς, eine falſche Seligpreiſung der Un - bekehrten und Unſeligen.
3. Das Wort Geitz ſteht bey dem Worte πρόφασις, prætext, Vorwand, als ein prin - cipium, oder eine boͤſe Qvell, woher der Vor - wand entſtehet; und zugleich auch als der Zweck, worauf er gerichtet iſt. Und der Vorwand be - ſtehet in allerhand Wegen, Mitteln und loſen Griffen, womit man den Geitz beſcheiniget und ſchmuͤcket, daß er nicht dafuͤr angeſehen werde. Denn der Welt Art iſt es, daß ſie Laſter zu ſchmuͤ - cken, ja wol gar fuͤr Tugenden zu halten; und hingegen Tugenden fuͤr Laſter auszugeben ſuchet.
4. Jn einer Sache, davon die Theſſaloni - cher ſelbſt urtheilen konten, beziehet er ſich auf ihre Erfahrung: als da war, daß er kein Schmeich -ler15C, 2. v. 5. 6. 7. 8. 9. an die Theſſalonicher. ler unter ihnen geweſen. Aber daß er von allem Affect des Geitzes ferne geweſen, das war eine Sache, die ihme ſelbſt und GOtt allein bekannt war. Daher er ſich auf GOtt beziehet.
5. Jſt der Geitz bey allen Menſchen eine Wurtzel alles Ubels, nach Pauli Ausſpruch 1 Tim. 6, 10. ſo iſt er es gewiß am allermeiſten bey einem Lehrer, als den er in vielen Stuͤcken zum Schmeichler und falſchen Propheten, und uͤber - haupt zum Mietling machet. Darum eines Leh - rers Hertz davon vor allen Dingen gereiniget ſeyn muß.
6. Man huͤte ſich ja, daß man ſich nicht auf GOttes Zeugniß berufe, da einem das Gewiſſen ein anders ſaget, oder es doch von todten Wer - cken noch nicht recht gereiniget und noch viel we - niger recht gepruͤfet iſt. Duo cum faciunt idem, non eſt idem: mag es auch alhie heiſſen. Daß es Paulus oͤfter gethan, ſiehet man Roͤm. 1, 9. 9, 1. 2 Cor. 1, 23. Gal. 1, 20. Philipp. 1, 8. 1 Tim. 2, 7.
Haben auch nicht Ehre geſucht von den Leuten, weder von euch, noch von andern: haͤtten euch auch moͤgen ſchwer ſeyn (einige Laſt mit rechtmaͤßiger Forderung des Unterhalts verurſachen v. 9. Dagegen aber Paulus mit ſeinen Gehuͤlfen in allen Stuͤcken ἀβαρής gewe - ſen 2 Cor. 11, 9.) als Chriſti Apoſtel (welche von den Gemeinen ihre Nothdurft genommen haben 1 Cor. 9, 6. u. f.)
1. Wie der Geldgeitz, alſo iſt auch der Ehrgeitz eine rechte Peſt der reinen Lehre und des Lehr-Amts; als dadurch die Lauterkeit der Lehre, und des Lehrers Verrichtung gar ſehr verkehret wird. Man ſiehet es an dem Exempel der Pha - riſaͤer, bey welchen ſich beydes funde. Von ihrem Ehr-Geitze ſpricht unſer Heyland: Wie koͤnnet ihr glauben, die ihr Ehre von einander neh - mee, und die Ehre, die von GOtt allein iſt, ſuchet ihr nicht Joh. 5, 44. Siehe auch Cap. 12, 43. von dem Geld-Geitze Matth. 23, 14.
2. Ein anders iſt Ehre haben, ein anders Ehre ſuchen. Man kan ſie alſo haben, daß ſie von ſich ſelbſt koͤmmt, und wie ein Schatten von einem Coͤrper, alſo auch von dem Amte und deſſel - ben loͤblicher Verrichtung, auch von einem exem - plariſchen Wandel faͤllt. Da man ſie denn nicht hat als ein Eigenthum, vielweniger darinnen ruhet, ſondern ſie zur Ehre GOttes richtet, ſie auch hat mit ſolcher Verleugnung, daß man bereit iſt, auch das Gegentheil, ſo einem um der Wahr - heit gar oft begegnet, uͤber ſich ergehen zu laſſen. Da hingegen ein Ehrſuͤchtiger nicht allein alles zu ſeiner eignen Ehre richtet, ſondern auch von der - ſelben Verleugnung nichts weiß, ja alles verhuͤtet, was ihn dazu veranlaſſen koͤnte.
Sondern wir ſind muͤtterlich geweſen bey euch (ἤπιοι ἐν μέσῳ ὑμῶν, freundlich, lieb - reich, gelinde, gutthaͤtig, ſo wie es der Affect ei -nes Vaters oder einer Mutter gegen zarte Kinder mit ſich bringet) wie eine Amme ihre Kin - der pfleget (τροϕός, nutrix, es ſey eine leibliche Mutter, oder an ihrer ſtatt eine Amme, welche, wenn ſie rechter Art iſt, einen rechten Mutter - Sinn in der Liebe und Treue mit an ſich nimt Siehe 4 B. Moſ. 11, 12.)
1. Nichts iſt, was einem Lehrer mehrern und leichtern Eingang bey ſeinen Zuhoͤrern mit dem Worte GOttes machet, als ein ſolcher Ev - angeliſcher Sinn und Umgang, dadurch man recht muͤtterlich in aller Liebe und Freundlichkeit mit ihnen verfaͤhret, und nach Pauli Exempel 1 Cor. 9. ſuchet allen allerley zu werden, um im - mer etliche zu gewinnen.
2. Es gehoͤret aber zu ſolchem Umgange die - ſe Vorſichtigkeit, daß das liebreiche Bezeigen nicht zu einer ſolchen Familiaritaͤt werde, wo - durch die dem Lehrer auch noͤthige Auctoritaͤt, und ſchuldige Ehrerbietung hinweg faͤllt; noch daß man dabey allen Ernſt gegen den Ausbruch der Aergerniſſe fahren laſſe.
3. Das Wort ϑάλπειν, pflegen, erwaͤrmen ſtehet auch Epheſ. 5, 29. und bey den Griechiſchen Interpretibus 3 B. Moſ. 22, 6. von den alten Voͤgeln, welche ihrer Jungen in den Neſtern pflegen.
Alſo hatten wir Hertzens-Luſt an euch, und waren willig euch mitzutheilen nicht allein das Evangelium GOttes (C. 2, 2. welches nach C. 1, 5. auch unſer Evangelium iſt) ſondern auch unſer Leben (waren bereit es fuͤr euch zu laſſen; daß alſo das Wort mitzu - theilen, eigentlich auf das Evangelium gehet, und in Anſehung des Lebens einen weiten Verſtand hat) darum daß wir euch lieb hatten ge - wonnen, (wie uͤberhaupt, da uns billig von GOttes wegen alle Menſchen lieb ſind; alſo auch inſonderheit daher, da wir an euch die ſo willige und freudige Aufnahme des Evangelii unter ſo vielem Leiden geſehen haben.)
1. Ein Lehrer hat ſonderlich dahin zu ſehen, daß ſein Hertz moͤge mit rechter vaͤterlicher und muͤtterlicher Liebe gegen ſeine Gemeine erfuͤllet werden. Denn iſt dieſe da, ſo wird ihm alle ſonſt ſchwere Arbeit und groſſe Muͤhe leicht und gar er - traͤglich. Solche Liebe aber ſetzet den Glauben und die Liebe gegen GOtt zum Grunde. Denn wo dieſe nicht iſt, da wird das Waſſer gleichſam in den Brunnen getragen, und iſt man nur ein Mietling.
2. Nicht weniger iſt es auch eines recht - ſchaffenen Zuhoͤrers Pflicht, ſich alſo gegen den Lehrer und gegen das von ihm vorgetragene Wort zu verhalten, daß er den Lehrer zur Liebe reitze, und ſeiner zarten Liebe werth ſey.
Jhr ſeyd wohl eindaͤchtig (eingedenck) lie -16Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 2. v. 9. 10. 11. lieben Bruͤder, unſerer Arbeit und unſerer Muͤhe. Denn Tag und Nacht (da zur Nacht auch einige Abend - und Morgen-Stunden gehoͤren) arbeiteten wir (nemlich mit unſern Haͤnden im Teppich machen Apoſt. Geſch. 18, 3. 20, 34. 1 Cor. 4, 12. 9, 16. 2 Cor. 11, 9. 2 Theſſ. 3, 8.) daß wir niemand unter euch beſchwerlich waͤren (2 Cor. 12, 13.) und predigten euch das Evangelium GOttes (1 Cor. 9, 18.
1. Gleichwie dieſes von Paulo nicht erfor - dert wurde; ſo iſt auch kein Lehrer ſchuldig, ſich von anderwaͤrtiger Arbeit zu nehren: ſintemal ein Arbeiter am Worte ſeines Lohnes, oder Un - terhalts, werth iſt, nach Chriſti von Paulo wi - derholten Ausſpruch 1 Cor. 9, 6. u. ſ. f. Matth. 10, 10. Luc. 10, 7. Unterdeſſen aber ſo hat doch ein Lehrer ſo viel daraus zu erkennen, daß er vom Geitze ferne ſeyn, und ſich auch mit wenigen be - gnuͤgen ſoll, zumal da der Gemeine ein mehrers darzureichen zu ſchwer werden will, es auch nicht hergebracht iſt. Da aber auch der Zuhoͤrer Pflicht iſt, ſich gegen ihre Lehrer ſo viel danckba - rer und gutthaͤtiger zu erweiſen, ſo viel treuer und arbeitſamer und vergnuͤgter ſie ſind.
2. Hat Paulus ſich in ſeinem Amte ſo gar arbeitſam erwieſen, daß er es bey der geiſtlichen Ar - beit nicht einmal gelaſſen hat; wo wollen denn diejenigen Lehrer mit ihrem Gewiſſen vor GOtt auskommen, welche auch in der geiſtlichen Arbeit ſo gar ſaͤumig ſind.
3. Hat Paulus auch zur leiblichen Arbeit auſſer der Zeit bey Tage auch einige naͤchtliche, das iſt ſpaͤte Abend - und fruͤhe Morgen-Stunden an - gewendet, wie vielmehr ſoll ein getreuer Lehrer, zumal wenn er eines geſunden Leibes iſt, ſolche Stunden theils zu ſeinem Studiren, theils zum Gebet und Fuͤrbitte fuͤr ſeine Gemeine anwenden, um in der heiligen Schrift immer maͤchtiger und am Geiſte ſtaͤrcker zu werden, und das Wort der Wahrheit mit deſto mehrern Nachdruck zu deſto mehrern Segen vortragen zu koͤnnen.
4. Jm uͤbrigen iſt zu mercken, daß, da Paulus, wenn er nicht geprediget, auch des Tages gear - beitet hat, er ohne Zweifel auch mitten unter und bey ſeiner Arbeit nicht wird unterlaſſen haben, diejenigen, welche ihn beſuchet, mit Unterricht zu erbauen: daß demnach die geiſtliche Arbeit mit der leiblichen wohl oft gar genau verknuͤpfet ge - weſen iſt. Und was kan loͤblicher und geſegneter ſeyn, als wenn Leute, die zuſammen in einer Werckſtaͤtte ſich befinden, ſich mit gottſeligen Geſpraͤchen unter einander erbauen! Denn koͤn - nen ſie Boͤſes gedencken und reden; Warum nicht viel lieber etwas Gutes? Sonderlich iſt dieſes die Pflicht der Herren und Meiſter, daß ſie disfals ihren Geſellen und Lehrlingen mit gutem Exempel vorgehen.
Deß ſeyd ihr Zeugen, und GOtt, wie heilig (gegen GOTT) und gerecht (in aller Billigkeit und Liebe gegen Menſchen) und un - ſtraͤflich (in gantzem Wandel: welches letztereaus den beyden erſten Stuͤcken entſtehet) wir bey euch, die ihr glaͤubig waret (ὑμῖντσις πιςέυου - σιν, euch eurem, der Glaͤubigen, Urtheil nach, da wir hingegen von den unglaͤubigen Juͤden aufs aͤrgſte verlaͤſtert worden) geweſen ſind.
1. Wo das Zeugniß des eignen Gewiſſens mit dem Zeugniſſe GOttes und rechtſchaffner Menſchen verknuͤpfet iſt, da zielet ſolches drey - fache Zeugniß auf die rechte Freudigkeit und Ruhe des Gewiſſens.
2. Paulus konte dieſes in Demuth nach der Wahrheit von ſich ſagen: Welches ihm niemand nachthun kan und muß, als der in eben dem Pau - liniſchen Grunde ſtehet, und daraus zeuget, auch wichtige Veranlaſſung dazu hat.
3. Was aber Paulus alhier von ſich bezeu - get, das muß ein ieglicher Lehrer an ſich haben. Denn dis ſind Gaben der Heiligung, welche ein ieglicher Glaͤubiger, und alſo noch vielmehr ein ieglicher rechtſchaffner Lehrer, mit Paulo gemein hat. Wie er denn auch daher von den Lehrern insgeſamt erfordert, daß ſie unſtraͤflich und Fuͤr - bilder der Heerde ſeyn ſollen. 1 Tim. 3, 2. 4, 12. Tit. 1, 7.
Wie ihr denn wiſſet, daß wir, als ein Vater ſeine Kinder, einen ieglichen unter euch (wie unterrichtet, alſo auch nach dem Unterricht zur rechten Application und Ausuͤ - bung der Lehre) ermahnet, (und unter dem ſchweren Leiden) getroͤſtet (und durch den Troſt zur Beſtaͤndigkeit ermuntert.)
1. Es iſt nicht genug, das Wort GOttes dem gantzen Haufen der Zuhoͤrer vortragen: ſon - dern es lieget dem Lehrer auch allerdinge ob, daß er auch bey aller, theils gegebner, theils geſuchter Gelegenheit ἕνα ἕκαςον, einen ieglichen beſonders zu erbauen ſuche. Es iſt leicht geſaget: Dic, & liberaſti animam tuam. Denn das dic, ſage es, muß bey dem oͤffentlichen Vortrage nicht al - lein bleiben. Paulus hielte es auch anderwaͤrtig alſo: Wie er ſich denn in der an die Aelteſten von Epheſus gehaltenen Abſchieds-Rede auch darauf bezog. Apoſt. Geſch. 20, 31. Da er zu ih - nen ſprach: Seyd wacker und dencket dar - an, daß ich nicht abgelaſſen habe, drey Jahr, Tag und Nacht, einen ieglichen mit Thraͤnen zu vermahnen.
2. Fuͤr eines der vornehmſten und beſten Kennzeichen eines rechtſchaffenen Lehrers, dem es um die Gewinnung und um den Wachsthum ſeiner Zuhoͤrer zu thun iſt, kan man unter andern mit Recht auch dieſes halten, daß er bey aller ge - gebenen, theils auch geſuchten Gelegenheit ſie ins beſondere zu erbauen ſuchet, und, wo er ſich bey dieſen und jenen in einer Privat-Geſellſchaft be - findet, daß er ſolche zur Erbauung anwendet: gleichwie es hingegen ein unfehlbarer Character eines Mietlings iſt, wenn er ſolches unterlaͤſſet, und ſich in Privat-Geſellſchaft der Wahrheit,davon17C. 2. v. 11. 12. 13. an die Theſſalonicher. davon er im oͤffentlichen Vortrageſo viel Redens gemachet hat, ſchaͤmet; ja andere mit ſeiner Leicht - ſinnigkeit in Worten und Geberden wol gar aͤr - gert, alſo daß man ihn unter ſeinen eitelgeſinneten Zuhoͤrern von ihnen nur bloß an der Kleidung unterſcheiden kan.
3. Nicht weniger iſt die Vaͤterliche Liebe ein rechter Haupt-Character eines rechtſchaffenen Lehrers: als nach welcher er ſuchet durch das Wort der Wahrheit geiſtliche Kinder zu zeugen. Siehe 1 Cor. 4, 15. Gal. 4, 19. Wo aber ein Lehrer noch ſelbſt unbekehret iſt, da fehlet es ihm wie an der wahren Liebe als einer Fꝛucht des Glau - bens uͤberhaupt, alſo auch inſonderheit an der be - ſondern Liebe gegen ſeine Zuhoͤrer. Was er hat, das iſt nur ein Natur-Werck, dabey er mehr ſich ſelbſt, als der Zuhoͤrer geiſtliche und ewige Wohl - farth ſuchet; folglich auch den Rath GOttes in der rechten Lauterkeit in allen Stuͤcken weder recht erkennet, noch auch vortraͤget, und alſo zum Amte des Geiſtes weder eine geiſtliche Tuͤchtig - keit, noch Treue hat: ob er wol viel wahres und gutes nach ſeiner buchſtaͤblichen Erkentniß erken - net und vortragen, auch die heilige Sacramenta in ihrer Integritaͤt, ohne Nachtheil der Zuhoͤrer adminiſtriren kan.
Und bezeuget haben, daß ihr wan - deln ſolt wuͤrdiglich vor GOtt, der euch berufen hat (καλου῀ντος, noch itzo berufet) zu ſeinem Reich und zu ſeiner Herrlich - beit.
1. Man ſiehet hieraus, wie gar genau der Apoſtel die Reinigkeit der Lehre mit der Hei - ligkeit des Lebens verbunden hat: wie denn die Heiligkeit des Lebens ohne die Rei - nigkeit der Lehre, was derſelben Haupt-Stuͤ - cke betrift, nicht ſtatt findet: und dieſe auf jene appliciret werden muß, ſonſt ſie nur gemiß - brauchet und auf Muthwillen gezogen, auch auf mancherley Art verfaͤlſchet wird.
2. GOtt wuͤrdiglich wandeln heißt nach der Erkentniß ſeines in ſeinem Worte geoffenba - reten Willens durch ſeine Kraft ſein gantzes Leben alſo fuͤhꝛen, daß es zu ſeinen Ehꝛen gereiche auch bey denen, welche ihn noch nicht kennen und ehren. Einen ſolchen Wandel forderte GOtt von Abra - ham, und funde ihn auch an ihm und am He - noch und Noah 1 Buch Moſ. 5. 17. Wie auch an allen uͤbrigen Glaͤubigen: Desgleichen an Zacharia und ſeinem Weibe Eliſabeth; als welche waren alle beyde fromm vor GOtt, und gingen in allen Geboten und Satzungen des HErrn unſtraͤflich Luc. 1, 6. Und Epheſ. 4, 1. heißt es von dieſem wuͤrdigen Wandel vor GOTT: wandeln wie ſichs gebuͤhret dem Beruf, darin man berufen iſt, mit aller Demuth und Sanftmuth u. ſ. w. und Phil. 1, 27. wuͤrdiglich wandeln dem Evangelio Chriſti. Col. 1, 10. wuͤrdig - lich wandeln dem HErrn zu allem Gefallen und fruchtbar ſeyn in allen guten Wer -cken. Tit. 2, 10. Die Lehre GOttes, unſers Heylandes, zieren in allen Stuͤcken, und alſo verhuͤten, daß der theure Schatz des Evan - gelii und GOttes Name nicht verlaͤſtert werde. Roͤm. 2, 24. 14, 16. Sonderlich gehoͤret hieher die Ermahnung Petri 1 Epiſt. Cap. 1, 15. Nachdem, der euch berufen hat, und hei - lig iſt, ſeyd auch ihr heilig in allem eurem Wandel u. ſ. f. Und daß wir hiemit ſonderlich auf die Nachfolge Chriſti gewieſen ſind, iſt an ſich ſo viel offenbarer, ſo viel vollkommner das Exempel iſt, welches er uns in ſeinem Wandel auf Erden hinterlaſſen hat. Siehe 1 Petr. 2, 21. u. ſ. w.
3. Auch die groſſe Frende der Chriſten, daß ſie zu einem Koͤnig-Reiche, welches voller Herr - lichkeit iſt, berufen ſind, und noch immer aufs neue zu viel mehrer Gemeinſchaft berufen wer - den, ſoll die Chriſten bewegen zu einem ſolches Ehrenſtandes wuͤrdigen Wandel.
Darum auch wir ohn unterlaß (wenn wir in unſerm Gebete eurer gedencken Cap. 1, 2.) GOtt dancken, daß ihr, die ihr empfinget von uns das Wort goͤttlicher Predigt (λόγον του῀ θεου῀, das Wort GOttes, als ein Wort τῆς ἀκοῆς, daß eurem Gehoͤre geprediget, oder verkuͤndiget wurde) es aufnahmet nicht als Menſchen Wort (ſo nur von Menſchen erſon - nen waͤre und bloß nach ihrem Willen vorgetra - gen wuͤrde,) ſondern, wie es denn warhaftig iſt, als GOttes Wort (welches von GOTT koͤmmt, goͤttlich iſt und zu GOtt fuͤhret, dabey GOtt uns als nur ſeiner Werckzeuge gebrauchet:) welcher (ο΅ς, welcher GOtt durch das Wort) auch wircket in euch, die ihr glaubet (alſo daß er die Geheimniſſe ſeines Willens und ſeines Reichs in euch immer mehr aufklaͤret, das in euch von der erſten Bekehrung an gewirckte Gute ver - mehret und immer mehr beveſtiget und verſiegelt; auch in denen, die noch nicht glauben, wenn ſie durch die vorlaufende Gnade nur von der Wider - ſtrebung ablaſſen, den Glauben anzuͤndet: wie denn der Glaube koͤmmt ἐξ ἀκοῆς, aus der Anhoͤ - rung des goͤttlichen Worts Roͤm. 10, 17.
1. Das ohne unterlaß zeiget nicht an, daß der Apoſtel beſtaͤndig gedancket habe, als welches ſo viel andere Verrichtungen nicht zulieſſen, ſon - dern, es iſt der Vergeſſenheit und einer gaͤntzlichen Unterlaſſung entgegen geſetzet, und gehet auf eine oͤftere Widerholung.
2. Die Menſchen werden ordentlicher Wei - ſe nicht durch unmittelbare Offenbahrung und Eingebung, ſondern durch das gehoͤrte, theils auch geleſene, und dabey recht angenommene und betrachtete Wort GOttes bekehret: Wie wir an den Theſſalonichern, und an allen uͤbrigen Apoſtoliſchen Gemeinen ſehen.
3. Man ſiehet, was die Apoſtel nach dem Grunde der Salbung und der damit verknuͤpften Wunder-Kraͤfte fuͤr ein Creditiv von GOtt anCdie18Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 2. v. 13. 14. 15. die Menſchen bey ihrem Vortrage gehabt haben, und wie ſie als wahrhaftige Boten GOttes er - kant und gehalten worden. Und alſo iſts wahr worden, was ihnen unſer Heyland vorher ſagte Matth. 10, 40. Wer euch aufnimt, der nimt mich auf: und wer mich aufnimt, der nimt den auf, der mich geſandt hat. Und Luc. 10, 16. Wer euch hoͤret, der hoͤ - ret mich, und wer euch verachtet, der verachtet mich: Wer aber mich verach - tet, der verachtet den, der mich geſandt hat. Siehe auch Joh. 13, 20. Darum ſchreibt auch Paulus 2 Cor. 5, 10. Wir ſind Bot - ſchafter an Chriſti ſtatt, denn GOtt ver - mahnet durch uns. Als die Galater dieſes erkannten, da nahmen ſie Paulum auf, als einen Engel GOttes, ja als CHriſtum JESUM Cap. 4, 16. u. ſ. w.
4. Jſt nun das muͤndliche Wort der Apoſtel als GOttes Wort anzuſehen, ſo gilt es ja auch allerdings mit beſonderm Nachdrucke von dem ge - ſchriebenen; und alſo inſonderheit von den bey - den Briefen an die Theſſalonicher, die wir alſo als GOttes Wort mit aller Folgſamkeit ehrerbietigſt anzunehmen haben.
5. Beydes, das geſchriebene und muͤndli - che Wort GOttes, iſt von goͤttlicher Auctori - taͤt. Denn qualis auctor, talis auctoritas, wie der Urheber iſt, ſo iſt auch das Anſehen des Worts.
6. Da GOttes Wort ſo kraͤftig iſt, daß es den Glauben in uns wircket, unterhaͤlt und be - veſtiget, ſo iſt es gewiß kein todter Buchſtabe, und ein bloſſes aͤuſſerliches Zeugniß, ſondern ein gar kraͤftiges Gnaden-Mittel, daher es auch heißt eine Kraft GOttes zur Seligkeit Rom, 1, 16. das uns kan weiſe und ſelig machen, das die Seele er - qvicket, ein lebendiger Same, daraus wir wieder - geboren werden u. ſ. w. Pſ. 19, 8. u. f. 2 Tim. 3, 15. Jac. 1, 18. 21. 1 Pet. 1, 23.
7. Ein ieder Leſer und Zuhoͤrer hat Urſache ſich zu pruͤfen, was fuͤr Wirckungen das an ſich ſelbſt ſo lebendige und kraͤftige Wort GOttes, dadurch der Heilige Geiſt ſein Lehr-Straf - und Troſt-Amt bey uns verrichtet, bey ihm gethan habe, und habe thun koͤnnen. Wohl dem, der ihm nach dem Exempel der Theſſalonicher Platz laͤßt.
Denn ihr ſeyd Nachfolger worden, lie - ben Bruͤder, (wie unſer und des HErrn JEſu Cap. 1, 16. alſo auch) der Gemeinen GOttes in Judaͤa, in Chriſto JEſu (und alſo der Chriſt - lichen Gemeinen, die von der Judiſchen, die ſich, im Gegenſatz auf die Chriſtliche, faͤlſchlich fuͤr ein Volck GOttes haͤlt, unterſchieden) daß ihr eben daſſelbe erlitten habet von euren Bluts - Freunden (ὑπὸ τῶν ἰδίων συμϕυλετῶν, Anver - wandten, die mit euch von einem Stamm, Volck und Buͤꝛgeꝛſchaft ſind) das jene von den Juden.
Die συμϕτλέται koͤnnen zwar wol von den Heyden verſtanden werden; ſintemal zu Theſſa -lonich faſt mehr Heyden, als Juden bekehret worden, wie aus Apoſt. Geſch. 17, 4. zu erſehen iſt: und ſo bedeutete das Wort die Mitbuͤrger. Weil es ſich doch aber beſſer auf die Juden ſchi - cket, und es dazu wol ſeyn kan, daß die Theſſalo - nicenſiſchen Juden ſich meiſtens zu einem Stam - me gerechnet haben, auch in der Apoſtel-Geſchicht gedacht wird, daß die Verfolgung wider die Chriſten daſelbſt eigentlich von den Juden erreget worden: ſo laͤſſet ſich gedachtes Wort am fuͤglich - ſten von den Juden erklaͤren. Man ſiehet aber aus dieſem Text ſo viel, daß ſich die Verfolgung mit dem Abzuge Pauli nicht geleget habe: wie denn die faſt raſenden Juden zum Theil von da nach Berrhoen kamen, und daſelbſt auch das Volck wider Paulum aufbrachten. V. 13.
Welche auch den HErrn JEſum ge - toͤdtet haben (da ſie ihn, den ſie als ihren Hey - land mit aller glaͤubigen Folgſamkeit ehrerbie - tigſt annehmen ſolten, bis in den Tod verfolget, und nicht eher geruhet, bis er durch das richter - liche Amt Pilati in den Creutzes-Tod dahin ge - geben wurde) und ihre eigne Propheten (in ihren Vorfahren, die eben alſo geſinnet waren, wie ſie) und haben uns verfolget (ἐκδιωξάν - των, aufs heftigſte und alſo, daß wir daruͤber verja - get worden) und gefallen GOtt nicht (wie ſie doch meynen, da ſie gedencken, daß ſie GOtt einen Dienſt daran thun) und ſind allen Men - ſchen (die nach Chriſto geſinnet ſind) zuwider (womit ſie denn bezeugen, daß ſie eine rechte Sa - tans-Art an ſich genommen haben.)
1. Die cauſſa moralis, da ein Menſch, was er ſelbſt nicht thut in eigner Perſon, doch be - gehret, wuͤnſchet, auch auf allerhand Art veran - laſſet, imgleichen heiſſet, billiget, lobet, verthei - diget u. ſ. w. iſt vera cauſſa efficiens, eine eigent - liche wahre Urſache, welcher der Effect, oder Er - folg mit Recht zugeſchrieben wird; ja oft noch mit mehrerm Recht, als dem, der die Handlung ſelbſt verrichtet. Das ſehen wir hier an den Ju - den; als welchen in ſolchem Verſtande die Creu - tzigung Chriſti zugeeignet wird. Man hat ſich demnach wohl in acht zu nehmen, daß man nicht zu einer boͤſen Sache ſo viel mit beytrage, daß die Schuld uͤber einen mit komme. Mit eben ſol - chem Nachdruck hielt Petrus den Juden ihre Suͤnde vor, wenn er Apoſt. Geſch. 2, 23. ſprach: Denſelben JEſum von Nazareth habet ihr genommen durch die Haͤnde der Un - gerechten, und ihn angeheftet und erwuͤr - get. Jmgleichen Cap. 3, 5. Den Fuͤrſten des Lebens habt ihr getoͤdtet; ferner Cap. 5, 30. Der GOTT unſerer Vaͤter hat JEſum auferwecket, welchen ihr erwuͤrget habt und an das Holtz gehangen. Siehe auch Cap. 10. v. 39.
2. Wenn Kinder und Nachkommen ihren Vaͤtern und Vorfahren in der Suͤnde nachfol - gen, ſo wird ihnen auch ihre Suͤnde mit zuge - rechnet: wie wir hie an den argen Juden ſehen,deren19C. 2. v. 15-20. an die Theſſalonicher. deren eben ſo arge Vorfahren ſo feindſelig mit den Propheten umgegangen, als mit dem Meßia, JEſu, und ſeinen Apoſteln. Man ſehe davon Matth. 23, 34. 37. aus welchem Orte erhellet, daß durch die getoͤdteten Propheten, davon Paulus redet, auch ſolche Zeugen der Wahrheit verſtan - den werden, welche GOtt in den letztern Zeiten zu ihnen geſandt hat. Jmgleichen Apoſt. Geſch. 7, 51. 52. Jhr halsſtarrigen und unbeſchnit - tenen an Hertzen und Ohren! Jhr wider - ſtrebet allezeit dem Heiligen Geiſt, wie eure Vaͤter, alſo auch ihr! welche Pro - pheten haben eure Vaͤter nicht verfolget und ſie getoͤdtet, die zuvor verkuͤndiget die Zukunft dieſes Gerechten, welches ihr nun Verraͤther und Moͤrder worden ſeyd?
3. Jn der heiligen Schrift wird etwas zu - weilen viel gelinder ausgedrucket, als es ſich in der That ſelbſt verhaͤlt; welches denn in einem beſondern Abſehen auf die Menſchen, davon die Rede iſt, geſchiehet. Alſo ſtehet alhie, daß die Juden, welche JEſum und die Propheten getoͤd - tet, GOTT nicht gefallen haben: da der Verſtand iſt, daß ſie, als ſolche, welche des Hoͤch - ſten Verbrechens der beleidigten goͤttlichen Ma - jeſtaͤt ſchuldig waren, ϑεοςυγει῀ς, GOttes Feinde und ein Greuel im hoͤchſten Grad geweſen ſind. Weil ſie aber dabey ſo verblendet waren, daß ſie meyneten, ſie thaͤten GOtt einen Dienſt daran Joh. 16, 2. ſo ſpricht Paulus dagegen, daß ſie GOtt nicht gefallen haben.
4. Man huͤte ſich, daß man ja keinem Men - ſchen zuwider ſey, und ihn haſſe, am wenigſten GOtt ergebne Seelen. Denn man wird da - durch recht zum Satan, und haͤufet uͤber ſich ſol - che Schuld, welche die groͤßten Straf-Gerichte GOttes nach ſich ziehet: zumal wenn dabey, wie es wol oft geſchehen mag, und man von den Ju - den weiß, die Suͤnde wider den Heiligen Geiſt mit begangen wird: gleichwie der Apoſtel mit folgenden Worten deutlich gnug anzeiget, wenn er alſo fortfaͤhret:
Wehren uns zu ſagen (das Evangeli - um zu verkuͤndigen) den Heyden, damit ſie ſe - lig wuͤrden, (wie es denn eine Kraft GOttes iſt zur Seligkeit allen Glaͤubigen Roͤm. 1, 16.) auf - daß ſie (daraus denn erfolget, daß ſie) ihre Suͤnde erfuͤllen alle wege (wie vor zeiten, alſo auch itzo) denn der Zorn (GOttes in den Straf-Gerichten) iſt ſchon endlich uͤber ſie kommen (da ihnen die gaͤntzliche Zerſtoͤrung und Aufhebung ihres Gottesdienſtes und ihrer Re - public bevorſtehet.)
1. Der hoͤchſte Grad der Suͤnde iſt, wenn man unter der falſchen Einbildung, daß man GOtt recht diene, nicht allein ſeine eigene Selig - keit nicht ſuchet, ſondern auch noch dazu andere verhindert, daß ſie ſelig werden. Welches eben die Suͤnde wider den Heiligen Geiſt iſt; als die wider das Lehr - und Straf-Amt des HeiligenGeiſtes laͤuft; zumal wenn bey der falſchen Mey - nung ſich eine beſſere Uberzeugung mit kraͤftiger Beſtrafung des Gewiſſens gefunden hat, aber nicht iſt angenommen worden.
2. Die Juden haben es den Cananitern, ih - ren Vorfahren im gelobten Lande, nach gethan. Denn gleichwie dieſe, als das Maaß ihrer Suͤn - den erfuͤllet war 1 Buch Moſ. 15, 16. guten theils ausgerottet wurden: alſo iſt es den Juden auch ergangen durch die Zerſtoͤrung Jeruſalems und die Zerſtreuung unter alle Voͤlcter: wie es ihnen unſer Heyland vorher geſaget hatte. Und darauf ſiehet alhier Paulus. Denn da iſt der Zorn, das iſt die Straf-Gerechtigkeit GOttes gegangen ἐις τέλος zum Ende, und hat es mit der Juͤdiſchen Kirche und Republic ein detruͤbtes Ende gemacht. Und weil ſolche Zeit immer naͤ - her heran ruckte, ſo ſpricht Paulus, ſie ſey ſchon gekommen Siehe auch Dan. 9, 27.
Wir aber, lieben Bruͤder, nachdem wir eurer eine weile beraubet geweſen ſind (ἀϖορϕανισϑένυες, da gleichſam der Vater von den Kindern geſchieden iſt) nach dem Ange - ſicht, nicht nach dem Hertzen, haben wir deſto mehr geeilet euer Angeſicht zu ſehen, (um uns an der innern Geſtalt eures Gemuͤths zu erqvicken) mit groſſem Verlangen. Siehe auch Roͤm. 1, 9. ſeqq. 1 Cor. 16, 7. Darum haben wir wollen zu euch kommen (ich Paulus) zweymal ([ἃ]παξ καὶ δις, ein und das andere mal, etliche mal wie Phil. 4, 16.) und Satanas hat uns (auf GOttes Zulaſſung) verhindert (indem er hie und da durch die, welche er beherrſchet, ſolche Unruhe und Gefahr bey vie - len erweckten Seelen erreget hat, um welcher willen meine Gegenwart iſt noͤthig geweſen. Siehe auch Roͤm. 1, 13. 15, 22.)
1. Daß der Apoſtel ſeiner ſelbſt namentlich gedencket, daß koͤmmt daher, weil, da das Verlan - gen in ſo weit erfuͤllet worden, daß er Timothe - um, wie wir in der Einleitung geſehen haben, und auch bey dem Anfange des dritten Capitels ſehen werden, zu ihnen ſenden koͤnnen, er fuͤr ſich hat muͤſſen zuruͤck bleiben.
2. Hat ein Apoſtel Chriſti im Wercke des HErrn koͤnnen verhindert werden; ſo duͤrfen ſich getreue Knechte GOttes daruͤber nicht verwun - dern, wenn ihnen dergleichen in manchen Stuͤ - cken ihres Amts auch widerfaͤhret, alſo daß ſie ih - ren guten Zweck nicht erreichen koͤnnen.
Denn (um den Grund unſers Verlangens nach euch zu bezeugen) wer iſt unſere Hoffnung (des im Segen mit gutem Erfolg gefuͤhrten Amts und des von GOtt zu empfangenden Gnaden - Lohns) oder Freude (die Urſache, deswegen ich mich in GOtt zu freuen habe) oder Crone des Ruhms (eine ſolche Zierde meines Amts, als eine Crone einem Koͤniglichen Haupte iſt: und daher eine Crone τῆς καυχησεως des Ruhms undC 2der20Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 3. v. 1. 2. 3. der Freudigkeit wider alle Schmach, die mir daruͤber von den Feinden des Evangelii ange - than iſt. Siehe auch Phil. 2, 16. c. 4, 1. da es auch heißt: Alſo, meine lieben und gewuͤnſch - ten Bruͤder, meine Freude und meine Kro - nc u. ſ. w. Seyd nicht (wie andere, alſo) auch ihr es vor unſerm HErrn JEſu Chriſto zu (ἐν in) ſeiner Zukunft (da ich mit euch die Kro - ne der Gerechtigkeit empfangen werde, dazu ich mich mit einer Glaubens-Freudigkeit freue. 2 Tim. 4, 8.) v. 20. Jhr ſeyd ja unſere Ehre (ἡ δόξα ἡμῶν unſere Herrlichkeit; ſinremal eure durch meinen Dienſt geſchehene Bekehrung aus Gnaden zu meiner Herrlichkeit gereichen wird,nach dem Ausſpruch GOttes bey dem Daniel c. 12, 3. Die Lehrer werden leuchten, wie des Himmels Glantz, und die, ſo viel zu der Ge - rechtigkeit weiſen, wie die Sternen immer und ewiglich) und Freude. (Welche aus der Herrlichkeit entſtehet, und damit die kurtze Schmach in den Leiden tauſendfach aus Gna - den belohnet wird.) Siehe auch Matth. 24, 21.
Ein ſchoͤner Character eines rechtſchafnen Lehrers und Zuhoͤrers, ſeine Ehre und Freude darinnen ſuchen, und damit machen, daß man viele Seelen zu GOtt bekehre, und ſich zu GOtt bekehren laſſe.
DArum haben wirs nicht weiter wollen vertragen (μηκέτι ςέ - γοντες, da wir es nicht laͤnger ha - ben ertragen koͤnnen, nemlich das Verlangen, euch wo nicht in Per - ſon, doch durch treue Gehuͤlfen zu beſuchen und zu ſtaͤrcken) und haben uns laſſen wohlgefallen, daß wir zu Athen (wohin wir von Theſſalonich uͤber Berrhoen gereiſet ſind, Ap. Geſ. 17, 10. u. ſ. w. und woſelbſt wir auch mit den Philoſophis der Epicureiſchen und Sto - iſchen Secte zu thun gehabt haben, v. 18. auch, ehe ich hieher nach Corinthus, wo ich dieſes ſchrei - be, gekommen bin. c. 18, 1. u. f.) allein gelaſſen wuͤrden.
Und haben Timotheum geſandt, un - ſern Bruder und Diener GOttes, und un - ſern Gehuͤlfen, am Evangelio Chriſti, euch zu ſtaͤrcken und zu ermahnen in eurem Glauben (ϖερὶ τῆς πίςεως ὑ μῶν, eures Glau - bens wegen, in Sachen, die euren Glauben be - treffen.)
1. Ap. Geſch. 18, 5. ſtehet, daß Silas mit Timotheo aus Macedonien wieder zuruͤck ge - kommen. Daher zu ſchlieſſen iſt, daß Silas mit ihm entweder von Paulo von Athen dorthin geſandt worden, oder daß er auf der Ruͤckreiſe, nach dem er an einen andern Ort, etwa nach Berrhoen, iſt verſendet geweſen, zu Timotheo geſtoſſen. Welches letztere daher am glaublich -ſten zu ſeyn ſcheinet, weil Paulus in dieſem Brie - fe des Timothei nur allein gedencket, und ſpricht in plurali, daß ſie, nemlich er und Silas (dazu doch auch Lucas verſtanden kan,) zu Athen al - lein geblieben.
2. Unſern Bruder und Diener GOt - tes: diß ſtehet billig zuſammen. Wie denn keiner ein wahrer Diener GOttes und getreuer Gehuͤlfe am Evangelio ſeyn kan, er ſey denn ein Kind GOttes, und nach dieſem Grunde auch ein Bruder in Chriſto. Außer dem findet ſich unter Collegen in einen Amte eine ſolche ἑτεροζῦ - γία, oder Ungleichheit, als wenn man ein Pferd und einen Eſel zuſammen ſpannet.
3. Ein rechtſchafner und ſorgfaͤltiger Leh - rer machet es wie ein Gaͤrtner, welcher der jun - gen Pflantzen und Baͤume mehr wartet, als der alten. Paulus wuſte wohl, daß die, welche ſte - hen, wieder fallen koͤnnten; daher trug er ſo groſſe Vorſorge fuͤr die Theſſalonicher, als die erſt gebohrnen Kinder.
4. Wie ſich der Apoſtel des Timothei auch bey der Philippenſiſchen Gemeine bedienen wol - len und vermuthlich bedienet habe, ſehe man un - ter andern Phil. 2, 19. 20. da er ſpricht: Jch hoffe in dem HErrn JEſu, daß ich Timo - theum bald werde zu euch ſenden, daß ich auch erquicket werde, wenn ich erfahre, wie es um euch ſtehet. Denn ich habe kei - nen, der ſo gar meines Sinnes ſey, der ſo hertzlich fuͤr euch ſorget.
Daß nicht jemand weich wuͤrde (μηδένασάινε -21Cap. 3. v. 3. 4. an die Theſſalonicher. σάινεσθαι, daß nicht iemand ſich hin und her be - wegen und irre machen laſſe) in dieſem Truͤb - ſal, (wie von mancher Art alſo auch von mehrer, als einer, Zeit: da ihr bald zur rechten, bald zur lincken angefochten, und geſichtet werdet.) Denn ihr (ἀυτοὶ ihr ſelbſt) wiſſet (es aus unſerer muͤndlichen Vorſtellung und eignen Erfahrung) daß wir dazu geſetzet ſind, (daß es unſer Be - ruf zum Reiche GOttes, und darinn die Ord - nung des Heyls, alſo mit ſich bringet, daß wir nemlich Chriſto zuvorderſt im Leiden aͤhnlich werden muͤſſen, wenn wir mit ihm, oder zu ihm in die Herrlichkeit eingehen wollen.) Siehe auch Eph. 3, 13.
1. Aeußerliche Truͤbſalen koͤnnen einem zur Staͤrckung und Beveſtigung und auch zur Schwaͤchung, ja zur Abweichung, gereichen, nach dem man ſie annimmt und anwendet. Darum man die Ungeuͤbten davon wohl zu unterrichten hat.
2. Die Worte; daß nicht jemand u. ſ. w. haben dieſen Lehr-Satz in ſich; Man muß durch Truͤbſalen bey dem Evangelio ſich nicht weich oder irre machen laſſen. Die - ſes ſiehet man daraus, das Paulus dazu dieſe Worte, als einen Beweis, hinzu ſetzet: Denn ihr wiſſet, daß wir dazu geſetzet ſind.
3. Dieſes Setzen gehet auf die Heyls-Ord - nung. Dieſe aber kan daher nicht ohne Creutz ſeyn, weil ſich die wenigſten Menſchen in dieſelbe bringen laſſen, ſondern unbekehret bleiben, und daher die wahrhaftig Bekehrten, durch deren wo nicht Worte, doch gantzen Wandel, ſie be - ſtaͤndig beſtrafet werden, haſſen und verfolgen. Da nun die Heyls-Ordnung es erfodert, daß die, welch ſich bekehren, den vorigen Welt-Sinn verleugnen, und mit den Unbekehrten es nicht mehr ſo mit machen, wie vor dem; ſo bringet ſie ſolchergeſtalt das Creutz mit ſich. Dabey denn die goͤttliche Vorſehung und Regierung ſo viel - mehr concurriret, ſo vielmehr ſolche Leiden den Glaͤubigen zum beſten dienen, und in ihnen ſon - derlich die Verleugnung ihrer ſelbſt, und die Sanftmuth und Demuth ihres Hertzens befor - dern, ſie auch dem Bilde Chriſti gleichfoͤrmig machen: wie ſie denn zu ſeiner Nachfolge im Lei - den berufen ſind. 1 Pet. 2, 21. u. ſ. w. Rom. 3, 29. Warum erwuͤrgete er ihn, der Cain den Abel, fraget Johannes Epiſt. 1, c. 3, 12. und antwortet: Daß ſeine Wercke boͤſe waren und ſeines Bruders gerecht. Und Petrus Ep. 1. c. 4. v. 4. ſchreibet: Das befremdet ſie, daß ihr nicht mit ihnen laufet in das wuͤſte unordentliche Weſen und Laͤſtern.
Und da wir bey euch waren, (und ehe die Truͤbſalen noch angingen) ſagten wirs euch zuvor, (um euch ſo vielmehr dazu zu be - reiten und euch gegen das Aergerniß am Creutze Chriſti zu verwahren) wir wůrden Truͤbſal haben muͤſſen, wie denn auch geſchehen iſt, und ihr wiſſet.
1. Man muß ja das wahre Leiden um Chriſti und um der Gottſeligkeit willen mit den gemeinen natuͤrlichen Leiden, welche den Frommen und Gottloſen ohne Unterſcheid be - gegnen, nicht confundiren: wie gemeiniglich ge - ſchiehet. Vielweniger hat man die ſelbſtgemach - ten Leiden mit dahin zu rechnen.
2. Ehe der Menſch das Geheimniß des Creutzes recht einſiehet, aͤrgert er ſich daran, und meinet, daß, wenn man recht thut, es einem auch aͤußerlich dabey und daher wohl gehen muͤß - te. Dannenhero iſt es gut, daß man Anfaͤnger im Chriſtenthum wider ſolches Aergerniß mit gutem Unterricht bey Zeiten wohl verwahre.
3. Ob man auch gleich mitten in der Chriſt - chen, ja Evangeliſchen Kirche ſich befindet, und man meinen ſolte, man wuͤrde ſolchergeſtalt von der Gemeinſchaft an den Leiden Chriſti frey ſeyn, da man ſie weder von den Heyden, noch von den Juden zu befuͤrchten hat, wie damal zu Theſſalonich und anderer Orten: ſo fehlet es doch daran niemal; ſintemal gemeiniglich faſt zu allen Zeiten und allenthalben der groͤſſeſte Haufe unbekehret iſt, und daher nach dem Sin - ne des Fleiſches, in einer groſſen Antipathie und Widrigkeit gegen die wahren Knechte und Kin - der GOttes ſtehet. Und alſo heißt es auch al - hie, was Paulus ſchreibet Gal. 4, 19. Gleich - wie zu der Zeit (Jſmaels und Jſaacs) der nach dem Fleiſch gebohren war, verfolgte den, der nach dem Geiſt gebohren war, alſo ge - het es itzt auch. Ja es haben die Rechtſchaf - nen oft mehr von den falſchen Glaubens-Genoſ - ſen auszuſtehen gehabt, und haben es noch, als jene oftmal von den Heyden und Juͤden. Die Kirchen-Hiſtorie und die taͤgliche Erfahrung leh - ret es uͤberfluͤßig. Wie es im Pabſtthum den Zeugen der Wahrheit gehe, iſt bekannt. Und o daß es daran in unſerer Evangeliſchen Kirche feh - lete! Es fange einer nur an, die Welt und ihre Kinder mit allen ihren Thorheiten und ſuͤndli - chen Gewohnheiten zu verleugnen und ſich des unnoͤthigen und dabey eitlen Umgangs mit ihnen zu begeben, und verfuche es, ob er nicht bald wird daruͤber, wo nicht ſonſt verfolget, doch gehaſſet und verlaͤſtert werden; und zwar ſonderlich von fleiſchlich geſinneten Lehrern ſelbſt: als welche nichts ungerner leiden koͤnnen, als daß einer froͤmmer iſt, als ſie ſelbſt ſind, und daher auch manche von ihren ihnen gleich geſinneten Zuhoͤ - rern zu allerhand Verſuͤndigung mit ſich pflegen auſzubringen. Paulus hat demnach groſſe Ur - ſache gehabt, die erſten und noch zarten Milch - Chriſten wider das Aergerniß am Creutze Chri - ſti zu verwahren. Wie er auch ſonſt allewege gethan hat. Man ſehe unter andern Ap. Geſch. 14, 22. da, als er die Laͤnder Aſiens durchrei - ſet, in den gepflantzten Chriſtlichen Gemeinen er dieſes eine rechte Haupt-Lehre mit ſeyn ließ: Daß wir durch viel Truͤbſal muͤßten ins Reich GOttes gehen. Welche Lehre er auchC 3in22Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 3. v. 4-8. in ſeinem letztern Briefe an den Timotheum wie - derholet hat, da er c. 4, 12. ſpricht: Alle, die gottſelig leben wollen in Chriſto JEſu, muͤſſen Verfolgung leiden.
Darum ichs auch nicht laͤnger vertra - gen (euch wider mein ſo groſſes Verlangen, da ich ſelbſt nicht zu euch kommen koͤnnen, durch Timotheum unbeſuchet zu laſſen) habe ich (Ti - motheum v. 2.) ausgeſandt, daß ich erfuͤhre euren Glauben (auf welchen es im Chriſten - thum am meiſten ankoͤmmt: ſintemal die Liebe mit allen ihren Pflichten nebſt der Beſtaͤndig - keit daraus flieſſet:) damit nicht euch viel - leicht verſuchet haͤtte (zum Abfall, oder doch Kleinmuͤthigkeit) der Verſucher (der Satan, Matth. 4, 3. 1 Cor. 7, 5. 1 Cor. 11, 3.) und un - ſere Arbeit (davon ihr wiſſet, wie ſauer ich es mir bey euch Tag und Nacht habe werden laſſen c. 1, 19.) vergeblich wuͤrde (auf eurer Seiten: wie leichtlich geſchehen kan. Siehe auch Gal. 2, 8. Phil. 2, 16.)
1. Daß ein Wiedergebohrner aus dem Stande der Gnaden wieder verfallen koͤnne, das ſiehet man klaͤrlich daraus, daß der Apoſtel in allen ſeinen Briefen ſolchen-Ruͤckfall ſorgfaͤl - tig zu verhuͤten ſuchet. Und nicht weniger erhel - let daraus, daß es allerdinge moͤglich ſey, daß ein Chriſt vom Anfange ſeiner Bekehrung durch ſein gantzes Leben im Stande der Gnaden ohne allen Ruͤckfall verharre. Denn wenn dieſes nicht moͤglich waͤre; warum ſolte denn der Apo - ſtel den Zweck aller ſeiner Briefe darauf, als auf eine unmoͤgliche Sache, gerichtet haben? Ja wir erkennen daraus, daß auch die allermeiſten in ſolchem Stande beſtehen geblieben. Denn wer wolte daran zweifeln, daß die Theſſalonicher nicht zum wenigſten groͤßten theils Pauli Er - mahnung waͤren nachgekommen, da er ihnen ein ſo vielfaches herrliches Zeugniß von ihrem rechtſchafnen Weſen giebt? Es wird ja auch zu der Beharrung im Guten nicht erfodert, daß man ohne Schwachheits-Suͤnde ſey, ſondern[nur] dieſes, daß man die Suͤnde nicht wieder uͤ - ber ſich herrſchen laſſe: welches den Wiederge - hohrnen leicht und eine Luſt iſt. 1. Joh. 5, 13. 14. 18.
2. Da auch das Chriſtenthum ſeines Ernſtes wegen eine Arbeit iſt; als darinn der Menſch das Werck des Glaubens und die Ar - beit in der Liebe, und die Geduld in der Hoff - nung beweiſet, c. 1, 3. ſo ſiehet ein Bekehrter, auſſer ſeinem Lehrer, auch ſelbſt billig dahin, daß er nicht wieder verlieren moͤge, was er einmal er - arbeitet hat. Dahin gehet die Ermahnung Jo - hannis Ep. 2, 8. Sehet euch vor, daß wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, ſondern vollen Lohn empfahen: das heißt denn die Gnade nicht vergeblich empfan - gen. 1. Cor. 15, 10. Von dem Nutzen der beſtaͤn - digen Arbeit ſpricht Paulus c. 15, 58. Meine lieben Bruͤder, ſeyd veſte, unbeweglich, neh - met zu in dem Wercke des HErrn; ſinte -mal ihr wiſſet, daß eure Arbeit nicht ver - geblich iſt in dem HErrn.
Nun aber, ſo (da) Timotheus zu uns von euch gekommen iſt (Ap. Geſch. 18, 5. und hat uns verkuͤndiget euren Glauben und Liebe (Gr. hat uns eine froͤliche Botſchaft ge - bracht von eurem Glauben und eurer Liebe) und daß ihr unſer gedencket allezeit zum beſten, und verlanget uns zu ſehen, wie denn auch uns nach euch (da es uns beyderſeits um die mit gleicher Redens-Art bezeichnete Gemein - ſchaft der Gemuͤther, welche in der Gegenwart beſſer zuſammen flieſſen, zu thun iſt. ) v. 7. Da (διὰ του῀το, deswegen) ſind wir, lieben Bruͤder getroͤſtet worden an euch, in allem unſerm Truͤbſal und Noth, durch euren Glau - ben.
1. Glaube und Liebe muß allezeit bey einander ſeyn; wie denn auch eines von dem an - dern gantz unzertrennlich iſt. Denn gleichwie der Glaube ohne die Liebe todt iſt an ſich ſelbſt Jac. 2, 17. alſo iſt auch die Liebe ohne Glauben nicht rechter Art, ſondern nur eine Frucht der bloſſen Natur.
2. Es iſt billig, daß man deſſen, welchen GOTT zum Werckzeug der Bekehrung, oder des beforderten geiſtlichen Wachsthums, bey uns gebrauchet hat, oder auch deſſen, der durch unſern Dienſt bekehret worden iſt, oͤfters im be - ſten gedencket, und ſolches Andencken ſonderlich in der Fuͤrbitte erweiſet: gleichwie der Apoſtel ſolches fuͤr die Theſſalonicher, und dieſe fuͤr ihn gethan haben.
3. Troſt und Truͤbſal war bey Paulo bey einander; wie es allemal bey einem Chriſten iſt, wo er ſich anders die Truͤbſal nur recht zu Nutze machet. Paulus hatte davon vie - le Erfahrung. Darum er 2. Cor. 1, 5. ſchreibet: Gleichwie wir des Leidens Chriſti viel ha - ben, alſo werden wir auch reichlich getꝛoͤſtet durch Chriſtum. Welches Chriſtus denn oft mittelbahrer weiſe thut durch Menſchen, und durch das Gute, welches wir an ihnen finden.
Denn nun ſind wir lebendig (recht wohlgemuht; ſtntemal die Freude in GOTT wie ein rechter geiſtlicher Lebens-Balſam iſt) dieweil ihr ſtehet in dem HErrn (in der Ge - meinſchaft Chriſti euch ſo beveſtiget erwieſen ha - bet, daß wir eures Ruckfalls wegen nun ohne Sorgen ſind.)
1. Es ſind allerhand Abwechſelungen im Gemuͤthe eines Chriſten. Denn obgleich der Stand der Gnaden veſte bleibet, ſo findet das Gemuͤth ſich doch bald etwas gebeuget und nie - dergeſchlagen, bald mehr aufgerichtet und er - wecket; nach dem es von dem, was ihm begeg - net, afficiret wird. Wie es nach dem Kum - mer durch gute Botſchaften recht lebendig wer -den23Cap. 3. v. 8. 9. 10. 11. an die Theſſalonicher. den koͤnne, ſehen wir an Jacob, da er die erfreu - liche Nachricht von ſeinem ſchon laͤngſt fuͤr ver - lohren gehaltenen Sohn Joſeph bekam. Denn da heißt es 1 B. Moſ. 45, 27. Da ſagten ſie (die uͤbrigen Bruͤder) ihm alle Worte Jo - ſephs, die er zu ihnen geſaget hatte. Und da er ſahe die Wagen, die ihm Joſeph ge - ſandt hatte ihn zu fuͤhren, ward der Geiſt Jacobs, ihres Vaters, lebendig. u. ſ. w.
2. Ein anders iſt ſtille ſtehen, ein anders ſtehen, und zwar im HErrn. Jenes ſtehet dem Wachsthum entgegen, und muß ſich im Chriſtenthum nicht finden: und wo es ſich fin - det, und dazu nicht erkannt wird, da ziehet es ge - meiniglich einen Zuruͤckgang nach ſich; und un - terwirft den Menſchen auch vieler Gefahr, wel - cher er nicht gewachſen iſt. Dieſes aber, das ſtehen im HErrn, iſt nicht allein dem fallen, ſondern auch dem Wancken entgegen geſetzet, und zeiget eine rechte Veſtigkeit an, welche eine Beſtaͤndigkeit mit ſich fuͤhret. Dazu ermahnet Paulus unter andern 1 Cor. 15, 58. Meine lie - ben Bruͤder, ſeyd veſte und unbeweglich u. ſ. w. c. 16, 13. Wachet, ſtehet im Glauben, ſeyd maͤnnlich und ſeyd ſtarck.
3. Durch den Beyſatz im HErrn, im HErrn, (dadurch Chriſtus verſtanden wird,) ſtehen, wird der veſte Grund angezeiget, darinn und darauf man unbeweglich bleibet. Denn was ein gutes ſteinernes Fundament iſt einem Gebaͤude, ein guter fruchtbarer Boden einem Baume, das iſt Chriſtus einer glaͤubigen Seele. Darum Paulus den Epheſern wuͤnſchet, daß ſie durch den Glauben und durch die Liebe moͤchten immer mehr eingewurtzelt und gegruͤndet werden in und auf Chriſtum c. 3, 17. 18. Siehe auch Col. 4, 12.
Denn was fuͤr einen Danck koͤnnen wir GOtt vergelten fuͤr alle dieſe Freude, die wir haben von euch (δὶ ὑμᾶς, eurenthalben) vor unſerm GOtt?
1. Die Eigenſchaft und Pflicht eines recht - ſchafnen Lehrers iſt, daß er von den Fruͤchten ſeines Amts ſich ſelbſt nichts, ſondern durch eine demuͤthige Danckſagung alles eintzig und allein GOtt zuſchreibet, und fuͤr ſich es genug ſeyn laſſe, daß er Freude und Erquickung davon hat.
2. Die wahre geiſtliche Freude chara - cteriſiret und unterſcheidet ſich von der irdi - ſchen durch eine dreyfache Eigenſchaft. Denn ſie entſtehet uͤber eine geiſtliche und zur Ehre Got - tes gereichende Sache: und ſie gereichet zum Lobe GOttes, wird auch vor GOtt, in deſſen Gegenwart mit gutem Gewiſſen, in aller Lau - terkeit genoſſen. Dieſes finden wir alhie an der Freude Pauli. Denn er freuete ſich uͤber den geiſtlichen Wohlſtand der Theſſalonicher vor GOtt, und zwar alſo, daß er daher GOtt danckete. Hingegen wird bey einer irdiſchen Welt-Freude GOtt aus den Augen geſetzet und ſein Name verunehret.
Wir bitten Tag und Nacht faſt ſehr (ὑπερ` ἐκ περισσου῀, uͤber die maßen ſehre) daß wir ſehen moͤgen euer Angeſicht, und erſtatten, ſo etwas mangelt an eurem Glau - ben (Gr. Die Maͤngel eures Glaubens zu er - gaͤntzen, nemlich durch unſern Unterricht, auch durch unſere Aufmunterung in allem dem, was zum Glauben und rechtſchafnen Weſen ge - hoͤret.)
1. Paulus zeiget an, daß ſeine Danckſa - gung mit der Bitte, daß GOtt doch ſeinen Weg bald wieder zu den Theſſalonicenſern richten moͤchte, ſey verknuͤpfet geweſen: wie denn Bitte und Danckſagung gemeiniglich im Gebete mit einander verbunden zu ſeyn pflegen.
2. Weil Paulus nicht allein den Tag hin - durch zum oͤftern gebetet, ſondern auch das Ge - bet in den nach der Hebraͤiſchen Mund-Art zur Nacht gerechneten Abend-und Morgen-Stun - den geuͤbet hat, auch wohl, wenn er ſchlafloſe Naͤchte, oder doch darinn manche ſchlafloſe Stunden gehabt hat, dieſelbe gleichfals guten theils im Gebete zugebracht; ſo ſpricht er mit Recht, er habe Tag und Nacht gebetet.
3. Man ſiehet hieraus, wie man nicht muͤ - de werden ſoll, um eine zur Ehre GOttes und zu vielem Heil der Seelen gereichende Sache, bey GOtt im Gebet anzuhalten. Und geſetzet auch, daß die gewuͤnſchte Sache nicht erbeten werde, oder nicht erfolge, ſo iſt das Gebet ſelbſt doch in Chriſto ein angenehmes Opfer, und wird in andern Stuͤcken nicht unerhoͤret blei - ben. So viel man aus der Hiſtorie des Lebens und der Verrichtung Pauli ſehen kan, iſt er ſei - nes Wunſches, die Theſſalonicher zu ſehen und zu ſtaͤrcken, erſt im fuͤnften Jahr darauf geweh - ret worden, nemlich im Jahr Chriſti 57. da er den Brief im Jahr 52. geſchrieben batte. Denn da iſt er nach Macedonien, und alſo wol ohne Zweifel darinn nach der Haupt-Stadt Theſſa - lonich gekommen, Ap. Geſch. 20, 2. 1 Cor. 16, 5. u. f.
4. So weit ein Chriſt im Glauben und in der Liebe auch immermehr gekommen ſeyn mag, ſo findet ſich doch noch immer ein ſolcher Man - gel, daß er noch mehr zu wachſen hat. Denn was koͤnnen wir uns wol fuͤr einen geſegnetern Zuſtand vorſtellen, als den, welchen der Apoſtel an den Theſſalonichern in Anſehung ihres Glau - bens und ihrer Liebe, auch Hoffnung und Ge - duld, ſo hoch ruͤhmet c. 1, 3. 4. 5. u. ſ. w. c. 2, 13. 14. 19. 20. c. 3, 6. 7. nichts deſtoweniger aber haͤlt er dafuͤr, daß bey ihnen noch mancher Man - gel, obgleich bey dem einen mehr, als bey dem andern, zu finden und zu ergaͤntzen ſey: wie er denn auch daher c. 4. und 5. manche gute Erin - nerung hinzu thut. Dergleichen ſchreibet er auch an die gleichfals ſonſt ſehr geruͤhmte glaͤubi - gen Roͤmer c. 1, 10. u. ſ. w. c. 15, 22. 23.
1. Er aber GOtt (ἀυτὸς δὲ ὁ Θεὸς, GOttſelbſt24Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 3. v. 11. 12. 13. C. 4. v. 1. ſelbſt aber, auf den es auſſer unſerm Wunſch al - lein ankoͤmmt) unſer Vater (καὶ Πατηρ ἡμῶν, der auch unſer Vater iſt) und unſer HErr JEſus Chriſtus (der der HErr, oder Jeho - vah, oder der groſſe GOtt iſt in der Einigkeit des Weſens mit dem Vater, und unſer HErr, der uns nicht allein erſchaffen, ſondern auch erloͤſet hat) ſchicke unſern Weg zu euch (richte durch ſeine Fuͤhrung alle Umſtaͤnde und Gelegenheit, mit Hinwegnehmung aller Hinderungen, dahin daß ich, nach ſeinem daraus erkanten gnaͤdigen Willen, zu euch kommen koͤnne. Siehe Roͤm. 1, 10.)
Euch aber vermehre der HERR, und laſſe die Liebe voͤllig werden (Gr. Euch aber laſſe der HErr uͤberſchwenglich und uͤber - fluͤßig ſeyn in der Liebe:) unter einander (in der Gemeine) und gegen iederman (auch ge - gen die, welche drauſſen ſind, unbekehrte Ju - den und Heyden,) wie denn auch wir ſind gegen euch, (nemlich in der Liebe uͤberflieſſend; wie ſchon bezeuget worden c. 2, 7. u. ſ. f. Siehe auch 1 Pet. 1, 22. cap. 4, 8. 2 Pet. 1, 7. 1 Joh. 3, 23.)
Daß eure Hertzen geſtaͤrcket und un - ſtraͤflich ſeyn, (daß er eure Hertzen ſtaͤrcke un - ſtraͤflich zu ſeyn,) in der Heiligkeit vor GOtt und unſerm Vater, auf die Zukunft (Gr. in der Zukunft) unſers HErrn JEſu Chri - ſti, (welche) ſamt allen ſeinen Heiligen (Engeln, theils auch Menſchen Matth. 25, 31. Col. 3, 4. 2 Theſſ. 1, 7. Jud. v. 15. geſchehen wird.)
1. Pauli Wunſch gieng im vorhergehen -den Vers auf die Vermehrung der Liebe, da nun in der Liebe alle zur Heiligung und wirckli - chen Heiligkeit gehoͤrige Pflichten liegen; ſo zei - get er in dieſem Verſe an, wozu in der Beveſti - gung des Hertzens ſolche Ubung der Liebe, ſeinem Wunſche nach, gereichen ſolle, nemlich zu ei - ner Unſtraͤflichkeit in der Heiligkeit, oder im hei - ligen Wandel.
2. Unſtraͤflich aber iſt die Heiligkeit des Wandels, wenn der Menſch darinn nach allem guten Gewiſſen einher gehet, und die Suͤnde dergeſtalt nicht uͤber ſich herrſchen laͤßt, daß er den alten Menſchen immermehr ausziehet, den neuen aber anziehet, und alſo von Tage zu Tage immer mehr erneuert wird.
3. Nun beſtehen wir zwar eigentlich vor GOTT mit der geſchenckten Gerechtigkeit Chri - ſti: weil doch aber dieſe weder erlanget, noch behalten wird auſſer der Ordnung det wahren Bekehrung und Erneuerung, und man den Schatz des Glaubens nebſt der Gerechtig - keit CHriſti im guten und reinen Gewiſſen zu bewahren hat, ſo gehet der Apoſtel alhier auf ſolche Ordnung.
4. Nun muß zwar der Menſch in ſeinem Glauben und Wandel ſich allezeit in der Gegen - wart GOttes befinden, und immer aufs neue in dieſelbe fallen: weil doch aber dieſe Gegenwart am kuͤnftigen Welt-Gericht viel nachdruͤcklicher ſeyn und den Ausſchlag geben wird von unſerm Glauben und Leben; ſo hat man billig alles dahin zu richten, daß man in dieſer Zukunft Chriſti mit gutem Gewiſſen beſtehen moͤge: dahin denn auch Pauli Wunſch gehet. Siehe auch 1 Cor. 1, 8. Phil. 1, 10. Col. 1, 22. 1 Theſſ. 5, 23.
WEiter, lieben Bruͤder, bitten wir euch und ermahnen in dem HErrn JESU, (in ſeinem Namen und an ſei - ner ſtatt; als der durch uns vermahnet 2 Cor. 5, 20.) nach - dem (καϑὼς, gleichwie) ihr von uns empfan - gen (gehoͤret und geſehen, auch willig ange - nommen) habt, (c. 2, 13.) wie ihr ſollet wan - deln, (innerlich mit eurem Hertzen und deſſenNeigungen vor GOTT, und aͤuſſerlich vor GOtt und Menſchen, und vermoͤge des leben - digen Glaubens die Pflichten der Liebe ausuͤben) und GOtt (wie zuvorderſt in Chriſto durch die euch geſchenckte Glaubens-Gerechtigkeit, alſo auch zum Erweis derſelben in dem ſeinem heiligen Willen gleichfoͤrmigen Leben) daß ihr immer voͤlliger werdet) ſintemal ihr nach dem alten Menſchen immer mehr abzunehmen, an dem neuen aber zuzunehmen habet.)
An -25Cap. 4. v. 1. 2. 3. 4. an die Theſſalonicher.1. Es iſt ein Beweis der uͤberaus groſſen Liebe GOttes, daß uns GOtt zu unſerm eignen Heyl noch ſo freundlich bitten und ermahnen laͤßt. Und dagegen iſt die Verantwortung ſo viel ſchwerer, wenn man ſolcher liebreichen Bitte und Ermahnung nicht Platz laͤßt.
2. Es gebrauchen auch ſchon beveſtigte Seelen noch immer mehrere Ermunterung; zu - mal wenn man es mit ihrer vielen auf einmal zu thun hat, denn was dem einen eben ſo gar noͤ - thig nicht ſeyn moͤchte, das iſt doch dem andern gewiſſer Verſuchungen wegen deſto noͤthiger; ie liebreicher aber und dem Evangelio gemaͤſſer eine Ermahnung iſt, ie eher und mehr dringet ſie ein und durch.
3. Wer in Chriſto ermahnen will, muß auch in Chriſto ſtehen, alſo daß er eine wahre Gemeinſchaft mit ihm habe: ſintemal ſonſt ſeine Ermahnungen weder die gehoͤrige Lauterkeit, noch Freudigkeit haben, und alſo auch vielwe - niger Eingang finden werden.
4. Wer zum Guten ermahnet wird, zumal von GOtt-ergebenen Perſonen, der hat allezeit fuͤrnemlich auf GOtt zu ſehen, und zu erkennen, daß die Ermahnung ſeinem Willen gemaͤß ſey, ob ſie auch gleich nicht ausdruͤcklich mit Benen - nung des Namens GOttes geſchiehet; dannen - hero man ſo vielmehr zur Folgſamkeit verbun - den iſt.
5. Ein anders iſt zu ſuchen daß man GOtt gefallen moͤge; als welches geſchiehet, wenn man in der von GOtt verordneten Heils-Ord - nung bleibet und waͤchſet: ein anders bey GOtt mit ſeinem Wandel oder guten Wercken etwas verdienen wollen: welches den wahrhaftig Glaͤu - bigen nicht in den Sinn koͤmmt.
6. Haben die Theſſalonicher, welche ſchon ſo viel Proben ihres rechtſchaffenen Weſens und des Wachsthums darinnen abgeleget hatten, noch Urſache gehabt immer voͤlliger zu werden; wie werden die mit ihrem Gewiſſen vor GOTT beſtehen und ihm gefallen koͤnnen, welche es bey ihrem Anfange noch nicht einmal zum rechten Durchbruch kommen laſſen, ja gar noch nicht einmal den Anfang gemachet haben!
Denn ihr wiſſet, welche Gebote wir euch gegeben haben durch den HERRN JESUM. (die wiſſet ihr dergeſtalt, daß ihr ſie angenommen, und auch bisher ausgeuͤbet, darinn aber auch fortzufahren habet.)
1. Es iſt das ὄιδατε, ihr wiſſet, in die - ſem Briefe wohl zu mercken; denn der Apoſtel gebrauchet es achtmal, nemlich c. 1, 5. c. 2, 1. 2. 5. 11. c. 3, 3. 4. c. 4, 2. c. 5, 2. womit er den Theſſalonichern ein ſolches loͤbliches Zeugniß gie - bet von ihrer empfangenen guten Erkaͤntniß und Uberzeugung, daß er ſie dadurch zugleich anſpor - net, ſich ferner nach derſelben getreu zu er - weiſen.
2. Paulus giebt die Gebote durch Chri -ſtum, als von dem er ſie empfangen hatte, und in deſſen Namen und deſſen kraͤftigen Mitwir - ckung er ſie vortrug. Und hin wieder giebet Chri - ſtus die Gebote, oder Lebens-Reguln, durch Paulum, als die geſegnete Mittels-Perſon. Durch wen alſo Chriſtus wircket, der wircket auch durch Chriſtum.
Denn (das Haupt-Gebot nebſt einem ſpe - cialen anzuzeigen, oder, zu deſto mehrer Ein - ſchaͤrfung zu wiederholen) das iſt der Wille GOttes, eure Heiligung (daß ihr euch bey der empfangenen Glaubens-Gerechtigkeit der Heiligung immer mehr befleißiget,) und daß ihr (alſo inſonderheit) meidet die Hurerey (es ſey auſſer oder in der Ehe, nebſt aller Unrei - nigkeit.)
1. Der Wille GOttes gehet nach dem Ge - ſetze ſo viel mehr auf die Heiligung, ſo viel weni - ger er von dem Weſen GOttes, welches lauter Heiligkeit, Reinigkeit und Gerechtigkeit iſt, unterſchieden iſt, und ſo viel deutlicher ihn GOTT in ſeinem Geſetze declariret hat, auch ſo viel mehr die von GOTT gemachte Heils - Ordnung die Heiligung erfordert, und ſie zur Wiederaufrichtung des Ebenbildes GOttes, ohne welches niemand ſelig werden kan, gehoͤret. Hebr. 13, 14.
2. Die Heiligung iſt die Ubung der Erneue - rung in Ablegung des alten und Anziehung des neuen Menſchen; woraus denn die wuͤrckliche Heiligkeit entſtehet.
3. Der Hurerey inſonderheit bey der Heili - gung zu gedencken, hat der Apoſtel ohne Zweifel ſo viel noͤthiger erachtet, ſo viel mehr die Heyden dem allen vor ihrer Bekehrung ergeben geweſen. Was nun etwa mancher Glieder wegen nicht ſo noͤthig ſeyn mochte zu erinnern, daß gebrauch - ten doch andere, und ſonderlich ſolche, welche noch nachher von Zeit zu Z〈…〉〈…〉 die Chriſtliche Re - ligion angenommen haben, oder annehmen wolten. Siehe auch Roͤm. 6, 19. 22. 1 Cor. 6. v. 13. 16.
Und daß ein ieglicher unter euch (auch eine iegliche; ſintemal was dem maͤnnlichen Ge - ſchlechte geſaget iſt, auch auf das weibliche ge - het) wiſſe (alſo, daß er ſich recht befleißige) ſein Faß (ſeinen Leib, welcher ein Gefaͤß und Werckzeug der Seele iſt,) zu behalten in Hei - ligung und Ehren. (daß man den Leib, den Chriſtus nebſt der Seele ſo theuer erloͤſet hat, viel zu gut und zu werth dazu halte, als daß man ihn ſolte durch Hurerey und Ehebruch ſchaͤnden und verunehren, und gleichſam Huren-Glieder daraus machen. 1 Cor. 6, 13. 15. 16.)
1. Es koͤmmt bey der Heiligung eines Menſchen darauf an, daß GOtt das Regi - ment uͤber die Seele, die Seele aber uͤber den Leib fuͤhre, und alſo die Seele in ſolcher Ord -Dnung26Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 4. v. 4. 5. 6. nung ſtehe, daß darinnen das Regiment GOt - tes ſtatt habe.
2. Daß die Seele die Haupt-Subſtantz der menſchlichen Natur ſey, ſiehet man auch daraus, daß Paulus alhier die Theſſalonicher der Seele nach anredet, und den Leib nur ihr Gefaͤß nennet; welches uns denn lehret, wieviel an der Seele gelegen ſey.
3. Haͤlt man ein Gefaͤß, welches man zum eſſen und trincken, auch ſonſt zu wichtigen oder reinlichen Handlungen gebraucht, gern ſauber und rein, warum ſoll denn ein Menſch ſeinen Leib, womit die Seele GOTT und dem Naͤch - ſten dienet, durch Hurerey beflecken und verun - ehren? zumal da er, wie ein irdenes Gefaͤß, ſo ſehr zerbrechlich iſt. 2 Cor. 4, 7. Man hat demnach wohl zu bedencken, was Paulus ſagt 1 Cor. 3, 16. Wiſſet ihr nicht, daß ihr Tempel GOttes ſeyd, und der Geiſt GOttes in euch wohnet, u. ſ. w. So hat man auch zu be - dencken, was fuͤr eine herrliche Verheiſſung wir auch dem Leibe nach vor uns haben, nemlich daß er in der Auferſtehung von den Todten ſoll ver - klaͤret und aͤhnlich werden dem verklaͤrten Leibe Chriſti. 1 Cor. 15. Phil. 3, 21. welche kuͤnftige Herrlichkeit ja billig erfordert, daß man den Leib durch die Heiligung in Ehren halte.
Nicht in der Luſt-Seuche (da ein Menſch ſich durch die Macht der boͤſen Luͤſte der - geſtalt beherrſchen laͤßt, daß er ſeiner ſelbſt nicht mehr maͤchtig bleibet, ſondern gehet und verfaͤh - ret wie ihn die Luſt-Sucht treibet,) wie die Hey - den, die von GOtt nichts (alſo) wiſſen. (wie er ſich in ſeinem Worte geoffenbaret hat, und was ſie noch aus dem Lichte der Natur er - kennen, in ſich erſticken, und in Ungerechtigkeit aufhalten. Roͤm. 1, 21. u. ſ. w. Eph. 2, 12. c. 4, 17. 18. 19.)
1. Die Luſt-Begierde iſt nach dem Fall durch die Suͤnde gantz verderbet, und lieget darinnen die Wurtzel und Sammlung aller Suͤnden; wenn ſie bey dem Menſchen herrſchet, ſo entſtehet daher bey ihm πάϑος, das iſt, ein ſolcher Zuſtand, daß er ſich ohne Widerſtand derſelben gantz zu eigen und zum Sclaven ergie - bet, und ſich alſo leidentlich verhaͤlt, da er nicht widerſtehet, aber auch zugleich hoͤchſt wirckſam iſt, und dadurch unter der Gewalt des Satans recht gefangen gehalten wird. 2 Tim. 2, 26.
2. Wenn nun einer, der auf Chriſtum ge - tauffet iſt, ſich auch ſonſt fuͤr einen Chriſten aus - giebet, ſich in ſolchem Stande der Luſt-Seuche befindet, der hat daran zu erkennen, daß er ſo gar nicht beſſer ſey, als ein Heyde, daß er viel - mehr ſo viel aͤrger und unverantwortlicher han - dele, ſo vielmehr er von einem Heyden unter - ſchieden ſeyn ſolte.
3. Es findet ſich aber ſolche Luſt-Seuche nicht allein in der herrſchenden Geilheit, ſondern auch in dem Ehr - und Geld-Geitze: ſintemal ein Ehr - und Geld-Geitziger von der boͤſen Begier - de Ehr und Geld und Guͤt er zu erwerbenund zu vermehren, eben ſo Sclaviſch beherr - ſchet wird.
4. Gleichwie in Anſehung des verkehr - ten Willens, der von der Luſt-Seuche beherr - ſchet wird, es leider unter den Chriſten ſehr viele heydniſch-geſinnete giebet; ſo findet ſich das heydniſche Weſen auch nicht weniger bey ſo vie - len, dem Verſtande nach, in der ſo groſſen Un - wiſſenheit von GOTT; daß man wohl ſagen kan, daß ſie von GOTT nicht wiſſen: Derglei - chen ſich auch ſchon zu Pauli Zeiten einige mit zu der Corinthiſchen Gemeine halten wolten. Daher Paulus ſpricht 1 Cor. 15, 34. Wachet recht auf, und ſuͤndiget nicht, denn etliche wiſſen nichts von GOtt: das ſage ich euch zur Schande.
Und daß niemand zu weit greife, und (aus Geitz) vervortheile ſeinen Bruder (den Naͤchſten, er ſey ein Chriſte, oder nicht) im Handel (ἐν π1άγματι in negotio quocun - que, in ſolchem Geſchaͤfte, da man es mit dem Naͤchſten in aͤuſſerlichen und buͤrgerlichen Dingen zu thun hat, es ſey kaufen und verkau - fen, miethen und vermiethen, mit umſetzen der Waare, und dergleichen:) denn der HErr iſt der Raͤcher uͤber das alles: wie wir euch zuvor geſaget und (mit mehrern, auch mit Nachdruck zur Uberzeugung eures Gewiſſens) bezeuget haben.
1. Theſſalonich war eine groſſe Handels - Stadt, da unter den Einwohnern ſelbſt, theils auch mit den Fremden, viel Verkehrens war; zumal da ſie am Meere lag. Und daher funde Paulus es fuͤr gar noͤthig, den zu Chriſto Be - kehrten Einwohnern ſolche Lehren zu geben, wel - che ſich auf ihren Zuſtand ſchickten.
2. Das Chriſtenthum hebet die aͤuſſerlichen Staͤnde und unterſchiedene Lebens-Arten nicht auf, ſondern heiliget ſie und hilft ihnen auf; denn obgleich auch ſchon das im Menſchen noch uͤbrige Licht und Recht der Natur disfals zeiget, was zu thun und zu laſſen ſey: ſo iſt ſolches Zeugniß doch nach dem Fall nicht allein zu dunckel und zu unvollkommen, wegen der groſſen Verderbniß der menſchlichen Natur; ſondern es iſt auch zu unkraͤftig, und fuͤhret aus Schuld derſelben nicht ſolche Beweis - und Bewegungs-Gruͤnde zur Uberzeugung mit ſich, als das in dem goͤttli - chrn Moral-Geſetze aufgeklaͤrte Licht und Recht der Natur; daher wir die geoffenbahrete Reli - gion auch in Anſehung des Geſetzes fuͤr eine recht goͤttliche Lehre zu halten haben.
3. Wie weit nun ein Menſch im Handel oder kaufen und verkaufen gehen koͤnne, oder ſich zu verhalten habe, daß er nicht zu weit greiffe, noch den Naͤchſten aus Geitz vervortheile, (wel - ches hie heißt πλεονεκτει῀ν,) das laͤßt ſich nicht wohl in beſondere Reguln verfaſſen. Es iſt hier hinlaͤnglich die aufrichtige Application der von Chriſto ſelbſt aus dem Rechte der Natur wieder - holten und eingeſchaͤrften Haupt-Regel: Alles, das ihr wollet, das euch die Leute thunſollen,27C. 4. v. 6-8. an die Theſſalonicher. ſollen, das thut ihr ihnen; und alſo auch: alles, was ihr wollet, das euch die Leute nicht thun ſollen, das thut ihr ihnen auch nicht; das iſt das Geſetz und die Propheten, (ſo viel nemlich darinn die Vorſchrift von der Liebe ge - gen den Naͤchſten betrift,) Matth. 7, 12.
4. Gleichwie es auf Seiten des Verkaͤu - fers eine nicht geringe Suͤnde iſt, den Naͤchſten worinnen uͤberſetzen, oder auch auf dieſe und jene Art uͤbervortheilen, und ſich mit kahlen Entſchuldigungen, wo nicht bey andern, doch bey ſich ſelbſt behelfen, da man ſagt: giebt ers doch: geben es doch andere: ich kan ſo viel be - kommen; alſo iſt es auch gewiß eine nicht gerin - gere Suͤnde, wenn mancher Kaͤufer dem Ver - kaͤufer dis und das theils ohne allen ſeinen auch rechtmaͤßigen, zur Fuͤhrung ſeines Handels und ſeiner Haushaltung gehoͤrigen Vortheil, theils auch wol gar mit ſeinem Schaden, mit dem ſo gar genauen abdingen, faſt recht abdringet: zumal da ein Verkaͤufer ſich in ſolchen Umſtaͤnden be - ſindet, daß er des Geldes hoch benoͤthiget iſt, und alſo das Seinige ſo hingeben muß mit Kum - mer ſeines Hertzens, und hinter dem Kaͤufer her ſeuſfzet. Und noch aͤrger iſts, wenn man her - nach dieſes, daß man hie und da dis und das ſo und ſo wohlfeil an ſich gebracht hat, zur Regul machet, und es allezeit und bey iedermann dafuͤr haben will; daher es denn kommt, daß man - cher bey ſeiner Profeſſion mit aller ſeiner ſauren Arbeit kaum das liebe Brodt erwirbet. Es wird den Geitzhals gewiß nicht entſchuldigen, wenn er ſaget: ich kan es dafuͤr haben. Es geſchiehet auch nicht ſelten, daß ein Armer etwas, wel - ches er ſelbſt ſehr noͤthig haͤtte, aus Noth ver - ſtoſſen, und damit er nur bald zum Geld kom - me, es weit unter ſeinem Werth ausbieten muß. Was muß es nun nicht fuͤr eine ſchwere Suͤnde ſeyn, dem Duͤrftigen noch dazu ein mehrers ab - zudingen; da es des Wohlhabenden Pflicht iſt, jenem lieber ein mehrers zu geben, als er fo - dert; ja ihm lieber mit einiger Beyſteuer zu huͤlfe zu kommen, und das Seinige zu ſeiner eigenen Nothdurft wieder zuruͤck zu geben.
5. Der HERR iſt Raͤcher uͤber alle im Handel begangene Ungerechtigkeit, und zwar um ſoviel mehr, ſoviel weniger ſie vor menſchli - chem Gerichte pfleget angebracht, unterſuchet und beſtrafet zu werden. Es wird die gerechte Rache ſich zwar mit beſonderm Nachdruck aller - erſt am Juͤngſten Gericht aͤuſſern: allein es pfle - gen doch auch wol allerhand Vorgerichte vorher zu gehen; alſo daß ſich in manchen Stuͤcken der Fluch GOttes im beſondern Unſegen, wo nicht bey den erſten ungerechten Erwerbern, doch bey den Nachkommen hervor thut.
6. Man ſiehet, wie ſorgfaͤltig Paulus zu Theſſalonich nebſt den Evangeliſchen Glau - bens-Geheimniſſen und Heyls-Schaͤtzen auch die Lebens-Pflichten, wie uͤberhaupt, alſo auch beſonderer Staͤnde eingeſchaͤrfet habe, zum Exempel und Character eines rechtſchaffenen Lehrers. Er hat demnach, wenn er des vor - getragenen Evangelii gedencket, als c. 1, 5. c. 2, 4. 9. 13. das Geſetz gar nicht bey Seite geſetzet.
Denn GOtt hat uns nicht berufen zur Unreinigkeit (ἐν ἀκαϑαρσίᾳ pro ἐις ἀκαθαρ - σίαν, die von GOtt geoffenbarete Religion fuͤh - ret nicht auf die Freyheit, oder vielmehr, Frech - heit zu ſuͤndigen; wie die Principia der Heydni - ſchen Abgoͤtterey thun,) ſondern zur Heiligung (wie uͤberhaupt, alſo inſonderheit zu derjenigen, welche der Unreinigkeit der Suͤnden wider das ſechſte und ſiebende Gebot entgegen ſtehet.)
Der himmliſche Gnaden-Beruf wird in der heiligen Schrift nach dem termino ad quem, nach der Sache, oder nach der Selig - keit, wozu wir berufen werden, auf mancherley Art benennt. Denn bald heißt es uͤberhaupt: wir werden berufen zum Reiche GOttes, zum Reiche der Gnade und der Herrlichkeit, als zur geiſtlichen Vermaͤhlung und Hochzeit des Lammes Matth. 22, 2. u. ſ. f. Offenb. 19, 7. bald werden wir mit der Berufung auf die Ordnung des Heyls gefuͤhret, z. E. Wenn es heißt zur Buſſe, zur Heiligung berufen werden Matth. 9, 13. u. f. Ferner mit Benennung der Heyls - Guͤter: berufen werden zur Gemeinſchaft Chriſti 1 Cor. 1, 9. zur geiſtlichen Erqvi - ckung. Matth. 11, 18. zum wunderbaren Lich - te GOttes 1 Pet. 2, 9. zur Freyheit Gal. 5, 13. Und da uns die Berufung auch zugleich auf unſere Pflichten weiſet, ſo heißts berufen werden zur Liebe und zum Frieden Eph. 4, 4. Col. 3, 15. auch zur Nachfolge Chriſti, ſonderlich im Leiden. 1 Pet. 2, 21. u. f.
Wer nun (derohalben, da es mit unſerer Berufung und dem kuͤnftigen Gerichte GOttes eine ſolche Beſchaffenheit hat, wer) verachtet (ja verwirft, ἀϑετῶν, die bisher gegebnen Gebote und Ermahnung) der verachtet (eigentlich und fuͤrnemlich) nicht Menſchen (als von wel - chen das Geſetz nicht herruͤhret) ſondern GOtt, der ſeinen Heiligen Geiſt gegeben hat in uns (und uns dadurch tuͤchtig gemachet, das Wort der Verſoͤhnung und Ermahnung vorzutragen: aus deſſen Eingebung und Regierung wir reden, ſchreiben und handeln: daher es einer nicht ſo wol mit uns, als mit GOTT ſelbſt zu thun hat.
1. Ob gleich der Apoſtel von der Theſſalo - nicenſiſchen Gemeine uͤberhanpt das herrlichſte Zeugniß in den erſten Capiteln abgeleget hat, ſo war er doch nicht ohne alle Beyſorge, daß ſich ei - nige entweder ſchon damals funden, oder noch kuͤnftig von der Art finden wuͤrden, daß ſie dieſer ernſtlichen Warnung noͤthig hatten. Und alſo zeiget er disfals an ſich einen rechten Character von der Oeconomiſchen Klugheit eines recht - ſchaffenen Lehrers, der auf allen Seiten die gehoͤ - rige Vorſorge fuͤr ſeine Gemeine traͤget.
2. Haben Chriſtliche Lehrer gleich von Rechts wegen ein ſolches aͤuſſerliches Anſehen nicht, alsD 2ſich28Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 4. v. 9-11. ſich der Lehr-Stand im Papſtthum ſelbſt genom - men hat: ſo iſt doch dagegen ihre geiſtliche Au - ctoritaͤt, die ſie Amts wegen tragen, ſo viel groͤſ - ſer, wenn ſie wahrhaftig von GOtt geſalbet und geſandt ſind und in GOttes Namen zeugen. Darum auch unſer Heyland Luc. 10, 16. ſpricht: Wer euch hoͤret, der hoͤret mich: und wer euch verachtet, der verachtet mich: wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich geſandt hat. Siehe auch Apoſt. Geſch. 5, 4. u. f. Da es vom Anania und ſeinem Weibe Sapphira heißt: Du haſt nicht Menſchen, ſondern GOTT gelogen.
3. Zu den Worten: der ſeinen Heiligen Geiſt gegeben hat, haben einige Codices euch fuͤr uns: da denn der Verſtand waͤre, daß, weil die Glaͤubigen den Heiligen Geiſt auch ſelbſt zum Lehrer und Leiter in ſich haͤtten, ſo wuͤrden ſie durch Hintanſetzung der gegebnen guten Lebens - Regeln den Heiligen Geiſt betruͤben Eph. 4, 30. und alſo damit nicht ſowol wider einen Menſchen, als wider GOtt ſelbſt ſuͤndigen. Doch ſchei - net die Lectio ημᾶς, uns, die beqvemeſte zu ſeyn.
Von der bruͤderlichen Liebe aber (wie ſie in beſondern Faͤllen und Umſtaͤnden, bey dieſer und jener Gelegenheit auszuuͤben ſey) iſt nicht noth euch zu ſchreiben (viele beſondere Erinnerung zu geben) denn ihr ſeyd (von eurer erſten Bekehrung an, da ihr unſer Wort, als GOttes Wort, wie es auch wahrhaftig iſt, auf - nahmet, bis hieher durch die innerliche Salbung und Erleuchtung des Heiligen Geiſtes,) ſelbſt von GOtt gelehret (alle wege zu erkennen und zu pruͤfen, was zu thun, und zu laſſen, oder das beſte und nuͤtzlichſte ſey Phil. 1, 9. 10. ) euch un - ter einander zu lieben (die Regel von der Lie - be in allerhand Begebenheiten zu appliciren und auszuuͤben.)
1. Ein herrliches Zeugniß von dem vortrefli - chen Zuſtande der Theſſalonicenſiſchen Gemeine. O welch ein groſſer Unterſcheid findet ſich zwiſchen derſelben und zwiſchen den heutigen Gemeinen faſt aller Orten! wie bald kamen die Theſſaloni - cher dazu! und wie lange waͤhret es nicht, daß es ein rechtſchaffener Knecht GOttes, der doch die Apoſtoliſche Lehre in aller Treue und Lauterkeit, oͤffentlich und beſonders vortraͤget, nur bey einigen dahin bringet. Aber was iſts wunder, daß die Bruͤderliche Liebe ſowol der Erkentniß, als auch der Ausuͤbung nach ſo unbekant bleibet, da man nicht aus GOtt geboren iſt und nicht im Grunde der Kindſchaft GOttes unter einander ſtehet? wo denn dieſe fehlet, wo kan da die wahre geiſt - liche Bruder-Liebe ſtatt finden?
2. Daß es an der Bruͤderlichen Liebe und Kindſchaft GOttes fehlet, koͤmmt daher, daß man ſich nicht von GOtt ſelbſt lehren und leiten laͤßt, und das Wort GOttes nicht alſo annimt, wie von den Theſſalonichern geſaget wird Cap. 2, 13. ſondern nur aus bloß natuͤrlichen Kraͤften bey dem Vortrage oder bey Leſung und Betrach - tung des goͤttlichen Worts ſich einen bloß buch - ſtaͤblichen und hiſtoriſchen Begrif von goͤttlichen Dingen machet. Da hingegen ſich von GOtt lehren laſſen heißt, alſo hoͤren, leſen und be - trachten, daß man das Wort GOttes durch die mitwirckende Kraft des Heiligen Geiſtes, wie zur gruͤndlichen Veraͤnderung und Heiligung des Willens, alſo auch zur wahren Erleuchtung des Verſtandes, ſich ins Hertze ſchreiben laſſe. Wer nicht alſo von GOtt gelehret iſt, der iſt wie noch unbekehrt, alſo auch noch unerleuchtet, und wenn er auch gleich noch ein ſo angeſehener Lehrer der Kirche waͤre.
3. Von der allen glaͤubigen Chriſten zukom - menden wahren GOttes-Gelahrtheit ſehe man Jeſ. 54, 13. Jer. 31, 34. Joh. 6, 45. 14, 26. 1 Joh. 2, 20. 27. da es von den glaͤubigen Chriſten ins - geſamt heißt: Jhr habt die Salbung von dem, der da heilig iſt, und wiſſet alles. Und die Salbung, die ihr von ihm em - pfangen habet, bleibet bey euch, und duͤr - fet nicht, daß euch iemand lehre, ſondern wie euch die Salbung allerley lehret, ſo iſt es wahr. u. ſ. w. Es iſt demnach keiner ein wahrer Chriſt, er ſey denn alſo geſalbet, obgleich in einem noch gantz geringen Maſſe: ſintemal ein Chriſt und geſalbet ſeyn, desgleichen ge - ſalbet und von GOtt gelehret ſeyn, ſyno - nyma oder Worte von gleicher Bedeutung ſind.
Und das (daß ihr euch nach Anweiſung der Bruder-Liebe unter einander ſelbſt liebet) thut ihr auch an allen Bruͤdern, die in gantz Macedonia ſind (bey der Gelegenheit, die euch dazu gegeben, theils auch von euch geſuchet wird.) Wir ermahnen euch aber, lieben Bruͤder, daß ihr noch voͤlliger werdet.
1. Wie ſchoͤn ſtehet Erkentniß und wirck - liche Ubung zuſammen. Jhr ſeyd von GOtt gelehret, oder wiſſet, daß und wie ihr euch unter einander lieben ſollet, und thuts auch.
2. Nichts ſchicket ſich weniger zum recht - ſchaffnen Chriſtenthum, als die Meynung, daß man ſchon ſatt und reich ſey, und in der Liebe ge - gen GOTT, uns ſelbſt und den Naͤchſten ſchon genug thue. Darum dringet Paulus immer auf das ἔτι μᾶλλον καὶ μᾶλλον und auf das περισσέυειν μᾶλλον, immer voͤlliger werden. Siehe auch 2 Corinth. 8, 7. 9, 8. Philipp. 1, 19. 1 Theſſal. 4, 1.
Und ringet darnach (daß ihr noch voͤlli - ger werdet, καί ϕιλοτιμεἵσϑαι, und ſtrebet dar - nach, wie die thun, die nach Ehren ſtreben, und ſich daruͤber in viel Dinge verwickeln, und ſehr zerſtreuen; ihr hingegen laſſet euch die Stille angelegen ſeyn) daß ihr ſtille ſeyd (euch nichtin29Cap. 4. v. 11. 12. 13. an die Theſſalonicher. in ſo viele aͤuſſerliche zerſtreuende Dinge einlaſſet noch aus Fuͤrwitz euch um das bekuͤmmert, was euch nichts angehet, vielweniger eine Uneinigkeit anrichtet und von euch eine uͤble Nachrede verur - ſachet) und das eure ſchaffet (τὰ ἴδια, Dinge, welche euch eigentlich angehen, und damit ihr umgehet, alſo daß ihr der aͤuſſerlichen Lebens-Art nach Profeſſion davon machet, recht beſorget und zum Dienſt des Naͤchſten getreulich abwar - tet) und arbeitet mit euren eignen Haͤn - den: wie wir euch geboten haben.
1. So gut es auch gleich um die Theſſaloni - cenſiſche Gemeine ſtund; ſo fehlete es dennoch auch in derſelben nicht an einigen unordentlich wandelnden, auf welche dieſe Ermahnung eigent - lich gehet, ob ſie ſchon an alle gerichtet iſt. Gleich - wie dieſes Paulus gegenwaͤrtig geſehen; alſo hat er es auch von Timotheo gehoͤret. Dahin auch der 8 Vers: wer nun verachtet u. ſ. w. gerichtet iſt. Man conferire hiebey 2 Theſſ. 3, 10. 11. 12. da wir ſehen, wie ſie Paulus alda ge - funden, und wie ſie ſich nach dem erſten Briefe nicht ſchienen voͤllig in die Ordnung gegeben zu haben.
2. Es haben auch die heydniſchen Philoſo - phi wohl erkannt, wie viel an der Stille gelegen ſey, und daher geſaget: qui bene latet, bene vivit: ie verborgner und ſtiller einer ſeyn kan, ie ruhiger und vergnuͤgter kan er leben. Es wird freylich mancher zu ſolchen aͤuſſerlichen Verrich - tungen gezogen, darinnen er ſich ſehr zerſtreuen muß: allein wenn es ohne eigene affection ge - ſchiehet, und deſto mehr dabey uͤber das Gewiſ - ſen gewachet wird; ſo kan durch die bewahrende und heiligende Gnade GOttes nicht allein alles ohne Schaden der Seele abgehen, ſondern auch zu vielem Liebes-Dienſte gegen andere gereichen. Ein anders aber iſt es, wenn man ſich ſelbſt aus irdiſchem Sinne in viel Weitlaͤuftigkeit giebet. Welches die Griechen nennen eine ϖολυπραγ - μοσύνην und ἀλλοτριοεϖισκοπίαν 1 Pet. 4, 15.
3. Wer keine Hand-Arbeit verrichtet, ſoll doch eine andere gute und nuͤtzliche Arbeit vor - nehmen, um dem Muͤßiggange keinen Raum zu geben: als wodurch man zu allerhand Suͤnden verleitet wird. Je froͤmmer Chriſt, ie fleißiger Arbeiter in allen Staͤnden!
4. Jſt gleich mancher Handwercksmann, oder Kinſtler, in dem Stande, daß er kan meh - rere Leute halten und durch deroſelben Haͤnde arbeiten laſſen, und ſich davon reichlich naͤhren: ſo entſchuldiget ihn doch dieſes nicht; noch giebt es ihm Freyheit, muͤßig zu ſeyn, geſchweige dem Truncke und der eiteln Geſellſchaft nachzuge - hen: ſondern er iſt, nebſt der Aufſicht auf ſeine Leute, auch ſchuldig, ſo viel er kan, mit ſeinen ei - gnen Haͤnden zu arbeiten.
5. Perſonen von vornehmen, ſonderlich graͤflich - und fuͤrſtlichen Stande ſind der Verſu - chung zum Muͤßigang, und zu den daher entſte - henden Suͤnden am meiſten unterworfen, ſon - derlich das weibliche Geſchlecht. Denn weil ſie eines theils es nicht noͤthig haben, mit der Handzu arbeiten, andern theils es ſich auch ihrer Mei - nung nach fuͤr ihren Stand nicht ſchicken will: ſo ſind ſie gemeiniglich dem Muͤßiggang ergeben, und fallen, um die ſo koſtbare und ſo edle Zeit un - nuͤtzlich zu vertreiben, auf allerhand Spiel und andere Eitelkeiten. Welches gewiß zu bedau - ren iſt. Fuͤrchten ſie aber GOtt von Hertzen, und bedencken ihre kurtze Lebens-Zeit, auch daß ſie ſowol zur Arbeit berufen ſind, als andere Menſchen: ſo koͤnnen ſie ſchon allerhand dem Nechſten, ſonderlich dem Duͤrftigen nuͤtzliche Arbeit finden. Wie man denn wol durch Go - tes Gnade Exempel gehabt hat von ſolchen ho - hen Perſonen, welche, was ſie an Linnen-Geraͤ - the theils mit ihrer eignen Hand verfertiget ha - ben, nackenden Gliedern Chriſti zu ihrer Decke mit aller Einfalt ihres Hertzens haben darreichen laſſen. Was koͤnte GOtt wol wohlgefaͤlliger und ihnen ſelbſt geſegneter ſeyn, als dieſes? Und wie manche Stuͤnde kan nicht auch taͤglich mit Leſung oder Vorleſung eines guten Buchs zuge - bracht werden.
Aufdaß ihr wandelt ehrbarlich (ἐυχημο - νως, Roͤm. 13, 13. 1 Cor. 14, 40. wohl anſtan - dig, wie der Wohlſtand und die Geſtalt nicht allein eines wohlgeordneten und unſtraͤflichen buͤrgerlichen Lebens, ſondern auch des recht - ſchafnen Chriſtenthums es erfodert: und zwar zuvorderſt vor den Augen des allſehenden GOt - tes und nach eurem Gewiſſen; und denn auch) gegen die, die dꝛauſſen ſind (außer eurer Chriſt - lichen Gemeine und alſo außer dem geiſtlichen Hauſe GOttes, als da ſind unglaubige Juden und abgoͤttiſche Heyden. 1 Cor. 5, 12. Coloſſ. 4, 5. 1 Pet. 2, 12.) und ihrer keines (weder ihrer Perſonen, noch ihrer Huͤlfe alſo) beduͤrfet (daß ihr ihnen nachgehen und ſie anſprechen muͤßtet: dadurch denn das Chriſtenthum bey ihnen nur veraͤchtlich und verlaͤſtert werden wuͤrde; zumal wenn ſie euch bey ſolcher Gelegenheit koͤnnten Faulheit, Muͤßiggang und Unordnung vorwer - fen.
1. Ein ieder hat in ſeinem Stande dahin zu ſehen, daß er ſeine Sachen, ſo viel es ihm moͤg - lich iſt, alſo einrichte, daß er keines andern zu deſſen Laſt, und zu ſeinem eignen Vorwurfe, be - duͤrfe. Kan man es aber nicht dahin bringen, ſo hat man ſich auch ſeiner Duͤrftigkeit nicht zu ſchaͤ - men, noch der andere dem Duͤrftigen ſich zu ent - ziehen; ſonderlich wenn ſie zuſammen Glieder an dem geiſtlichen Leibe Chriſti ſeyn wollen. Denn dazu ſtehen ja ihrer mehrere, ja ſo viele unter einander in einer buͤrgerlichen und Chriſtli - chen Societaͤt. Und dienet ein Glied dem an - dərn am natuͤrlichen Leibe; warum nicht viel - mehr am geiſtlichen?
2. Da wir Chriſten zwar keine Hey - den, aber doch hin und wieder viele Juden um und außer uns haben; ſo ſind wir gewiß auch um derſelben willen ſchuldig einen unſtraͤflichen Wandel zu fuͤhren, und das Chriſtenthum damit zu zieren.
D 3V. 13.30Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 4. v. 13.Wir wollen euch aber, lieben Bruͤ - der, nicht verhalten, (ſondern vielmehr zur Staͤrckung eures Glaubens aufs neue bezeugen) von denen die da ſchlafen (in Chriſto ſelig ver - ſtorben ſind, was es mit ihnen fuͤr eine Beſchaf - fenheit habe, daß ſie nemlich auch dem Leibe nach durch die Auferſtehung an der Herrlichkeit in der Zukunft Chriſti ſo wohl Theil haben wer - den, als dieienigen, welche bey derſelben noch auf Erden im Leben werden angetroffen wer - den,) auf daß ihr nicht traurig ſeyd (weder der Eurigen wegen, die bereits in Chriſto ent - ſchlafen ſind; noch in Anſehung euer ſelbſt, in der Betrachtung, daß ihr die Zukunft Chriſti nicht erleben moͤchtet, und euch daher etwas an der Herrlichkeit vor den Lebendig-erfundenen abge - hen wuͤrde) wie die andern ([ὺ]ι λοιποὶ, die uͤbri - gen, nemlich Heyden) die (weil ſie die von der kuͤnftigen Auferſtehung in der heiligen Schrift gegebene Verrheiſſungen nicht erkennen und glaͤubig annehmen, daher auch) keine Hoffnung (davon) haben (und alſo die elendeſten Leute anf der Welt ſind, welche ſich gegen die Furcht des Todes mit nichts zu troͤſten wiſſen.)
1. Da das μὴ ἀγνοει῀ν, einer Sache nicht unwiſſend ſeyn, ſo viel heißt, als ſie gar wohl er - kennen, das wohl und gewiß erkennen aber ſo viel iſt, als glauben, Hiob 19, 25. Jeſ. 53, 11. Joh. 17, 3. ſo fuͤhret der Apoſtel die glaͤubigen Theſſalonicher auf diejenige Glaubens-Staͤr - ckung, welcher ſie, wie er von Timotheo vernom - men haben mochte, zum wenigſten zum Theil, in Anſehung der Lehre von der Auferſtehung der Todten und der Zukunft Chriſti, noch wol benoͤ - thiget waren.
2. Daß der Tod ein Schlaf genennet werde, das iſt etwas gewoͤhnliches in der Heili - gen Schrift. Siehe unter andern 2. Sam. 7, 12. 1 Koͤn. 2, 10. Matth. 9, 24. Joh. 11, 11. Ap. Geſ. 13, 36. 1 Cor. 11, 30. c. 15, 20. Und obwol das Wort Schlaf, entſchlafen, von den Glaͤu - bigen mit beſonderm Nachdruck geſaget wird; ſo wird es doch auch vom Tode insgemein, und oft auch vom Tode der Gottloſen gebrauchet, als Dan. 12, 2. 1 Pet. 3, 4. Es ſey aber ferne, das entſchlafen alſo auf die Seele zu appliciren, daß man ſagen wolte, ſie gerathe durch den Tod, oder durch ihre Scheidung vom Leibe, in eine ſoͤlche Unempfindlichkeit, als ſie auf gewiſſe Art bey den leiblichem Schlafe des Leibes hat. Denn weil die Seele ein unſterblicher Geiſt iſt, ſo ſte - het ihr vom Leibe abgeſonderter Zuſtand der Empfindung uud ihren eigentlichen Wirckungen ſo vielweniger entgegen, ſo viel ungehinderter ſie alsdenn darinnen iſt. Das Sterben aber wird daher ein Entſchlafen genennet, weil es nach dem ordentlichen Laufe der Natur dem Menſchen nach einer ſolchen Entkraͤftung der Natur widerfaͤhret, als der Menſch nach dem Wachen, und ſonderlich nach vieler ermuͤden - der Arbeit zum Schlafe empfindet: und noch mehr daher, weil, wie auf den Schlaf das Er -wachen erfolget, alſo nach dem Tode die Aufer - ſtehung erfolgen wird.
3. Daß ein Chriſt uͤber einen ſoͤlchen Tod - ten, der ihn nahe angehet, und deſſen ſonderba - rer Freundſchaft und Liebe er genoſſen hat, eine Traurigkeit empfinde und bezeuge, iſt GOTT nicht zuwider, wenn ſie nur wohlgeordnet und gemaͤßiget iſt, und nicht nach heydniſcher Art ge - ſchiehet, als welches der Apoſtel alhie eigentlich nur mißbilliget. Denn es haben auch die heili - gen Patriarchen die ihrigen auf eine GOtt-ge - faͤllige Art betrauret, als Abraham die Sara. 1 B. Moſ. 23, 2. Joſeph den Jacob c. 50, 1. Ma - ria, ja Chriſtus ſelbſt, Lazarum, Joh. 11, 35. 36. die erſte Chriſtliche Gemeine Stephanum. Ap. Geſ. 8, 2. wie denn noch Paulus ſich uͤber den Epaphroditum betruͤbte, da er todt kranck war Phil. 2, 27. Es wird aber in der That nicht der Zuſtand eines ſelig-Verſtorbenen, ſondern nur das betrauret, oder bedauret, daß man ſeines Umgangs, oder auch des Guten, das man von ihm gehabt, beraubet worden. Daß aber das gemeine Trauren, das bloß aus Gewohnheit, und dazu oft mit vielen unnoͤthigen Koſten ange - ſtellet wird, eine bloſſe buͤrgerliche, und dabey unter vieler Eitelkeit liegende Ceremonie ſey, iſt an ſich ſelbſt ſchon bekant genug.
4. Den Heyden wolte von der Chriſtlichen Religion faſt kein Glaubens-Articul ſchwerer eingehen, als der von der Auferſtehung der Tod - ten; denn ob ſie gleich groͤßten Theils die Seele fuͤr unſterblich hielten, auch den abgeſchiedenen Seelen einen ſeligen oder unſeligen Zuſtand zu - eigneten: ſo war ihnen doch die Auferſtehung der Leiber unglaublich; und dabey wurde die Erkaͤntniß von einem noch kuͤnftigen andern Le - ben, ſo der Seel bevorſtehe, dergeſtalt geſchwaͤ - chet, daß auch davon bey ſehr vielen eine ſehr ſchlechte Hoffnung uͤbrig geblieben. Wenn ih - nen nun durch den zeitlichen Tod die vertraute - ſten Freunde entriſſen wurden, zumal unvermu - thet; ſo geriethen ſie daruͤber in eine ſolche Be - truͤbniß, darinn ſie ſich mit nichts aufzurichten wußten. Und alſo waren ſie auch dißfals recht elende Leute.
5. Wie wohl ſind demnach wir Chriſten daran, da wir unter andern Glaubens-Lehren auch dieſe von der kuͤnftigen Auferſtehung der todten Leiber in der heiligen Schrift ſo klar und herrlich geoffenbahret finden. Woran denn die Chriſtliche Religion einen beſon - dern Character hat, daß ſie wahrhaftig von GOtt herruͤhret, goͤttlich iſt, und zu GOTT fuͤhret.
6. Nun haben zwar die glaͤubigen Theſſa - lonicher an der Auferſtehung ſelbſt nicht gezwei - felt; ſintemal dieſe Lehre eine von den erſten Haupt-Stuͤcken war, welche den erſten erwach - ſenen Chriſten auch noch vor ihrer Taufe einge - ſchaͤrfet worden Hebr. 6, 2. und zwar bey Gele - genheit des Vortrages von dem Tode und von der Auferſtehung Chriſti; und wird ſie Paulus ſo vielweniger unterlaſſen haben, ſo vielmehr er ſich beziehet auf andere ihnen gegebene Lehren, ob ſie gleich nicht von gleichem Gewichte, dochaber31Cap. 4. v. 14. 15. an die Theſſalonicher. aber auch ſehr noͤthig geweſen. Es hat doch a - ber der Apoſtel noͤthig gefunden, ſie in dieſem Glaubens-Articul noch mehr zu beveſtigen, wie er auch bey den Corinthern fuͤr noͤthig erkannt hat: daher er im erſten an ſie geſchriebenen Briefe cap. 15. davon ausfuͤhrlich handelt. Und dazu mogte dieſes kommen, daß, wie Paulus aus der von Timotheo ihm uͤberbrachten Nach - richt vernommen zu haben ſcheinet, ſie wegen der Zeit der Auferſtehung in Anſehung der ſchon ſe - lig Verſtorbenen, und derer, welche Chriſtus in ſeiner Zukunft lebendig antreffen wuͤrde, in ei - nen Zweifel gerathen, und dafuͤr gehalten, als wuͤrden die Lebendigerfundenen vor den ſchon Verſtorbenen einen beſondern Vorzug haben. Wie ihnen denn auch die Verwandelung der noch lebenden und alſo mit ihren Coͤrpern noch wuͤrcklich-vorhandenen Menſchen wol ohn Zwei - fel viel begreiflicher wird geweſen ſeyn, als die Erweckung und Auferſtehung der ſchon laͤngſt verſtorbenen und der verweſeten Leiber.
Denn ſo wir glaͤuben (wie wir wahrhaf - tig thun. ) daß JEſus geſtorben und aufer - wecket iſt (davon ſo viel, und meiſtentheils noch lebendige Zeugen außer den Apoſteln und Evan - geliſten vorhanden ſind) alſo wird auch GOtt die, welche entſchlafen ſind durch Chriſtum (durch den Glauben an ihn) mit ihm (in ſeiner Zukunft,) fuͤhren (und ſie alſo zu dem Ende zu - vorderſt von den Todten auferwecken.)
1. Bey der Lehre von der Auferſtehung Chriſti hatte es theils die hiſtoriſche Nach - richt und wuͤrckliche Erfahrung, theils der Glaube zu thun. Und der Glaube zwar in ſo weit, daß man ſich, nach den von dem Tode und von der Auferſtehung Chriſti gegebnen Verheiſ - ſungen, und nach der gantzen Analogie der Chriſtlichen Religion, verſichert hielte, er ſey um unſerer Suͤnde willen geſtorben, und um unſerer Gerechtigkeit willen wieder auferwecket, Roͤm. 3, 25. Die wuͤrckliche Erfahrung aber gab durch die gantze Geſchichte von dem Tode und von der Auferſtehung Chriſti, und durch ſo viele mehren - theils noch lebende Zeugen viel Zeugniß an die Hand, und fuͤhrete eine ſolche Gewißheit zur noͤ - thigen Uberzeugung mit ſich, daß es vernuͤnfti - gen, geſchweige gottſeligen, Menſchen unmoͤg - lich war, daran zu zweifeln. Da nun zu ſolcher hiſtoriſchen Gewißheit in Anſehung des Zwecks, der Kraft und der Frucht der Auferſtehung Chri - ſti, auch der Glaube kam, und die gewiſſe Ver - ſicherung davon ſo viel groͤſſer war; ſo ſetzet Pau - lus dieſes zum Grunde unſerer Auferſtehung und ſpricht: Denn ſo wir glauben, daß JEſus geſtorben und auferſtanden iſt; alſo wird GOtt auch u. ſ. w. Auf eben dieſe Art fuͤh - ret er den Beweis von der Auferſtehung der Todten, ſonderlich der Glaͤubigen, 1 Cor. 15, 12. u. ſ. w.
2. Es findet ſich demnach die genaueſte Verbindung zwiſchen Chriſto, als dem Haupt,und den Glaubigen, als den Gliedern ſeines geiſtlichen Leibes. Denn ſo wenig ein natuͤrli - cher Leib mit ſeinen Gliedern im Grabe bleibet, wenn das Haupt auferſtehet; eben ſo wenig kan auch der geiſtliche Leib Chriſti, in Anſehung des Coͤrpers, welchen ein jegliches Glied gehabt, im Grabe und im Tode bleiben, nachdem das Haupt ſo ſiegreich auferſtanden iſt. Daher Paulus Chriſtum der Auferſtehung nach den Erſtling nennet und ihme alle, die ihm angehoͤ - ren, in derſelben zugeſellet. 1 Cor. 15, 23. Und wie koͤnnten auch die Leiber der ſchon ſelig Ver - ſtorbenen Zuruͤck bleiben, da die, welche Chri - ſtus in ſeiner Zukunft lebendig antreffen wird, ihre Leiber behalten, und nur verwandelt wer - den, alſo daß ſie die Unverweslichkeit anziehen. Daher es weder der Weisheit, noch der Guͤte, Allmacht und Gerechtigkeit GOttes gemaͤß ſeyn wuͤrde, wenn viele Glaͤubigen im Reiche der Herrlichkeit waͤren mit verklaͤrten Leibern, alle uͤbrige aber, und unter ihnen ſo viele heilige Pa - triarchen, Propheten, Apoſtel und Martyrer gar ohne Leib nur der bloßen Seele nach ſich darin - nen befinden wuͤrden.
3. Die Worte durch Chriſtum ſind mit dem vorhergehenden Worte entſchlafen ſind, zu conſtruiren: und iſt durch Chriſtum ſo viel, als in Chriſto, wie Offenb. 14, 13. nach Art des Hebraͤiſchen præfixi〈…〉〈…〉, welches in und auch durch heißt. Siehe dergleichen Roͤm. 4, 11. alwo ὀἰ〈…〉〈…〉 κροβυστίας ſo viel iſt, als ἐν ακρο - βυστία, in der Vorhaut, und 1 Tim. 2, 15. das Weib wird ſelig[δ]ιὰ τῆς τεκνογονίας durch Kin - der-Zeugen, das iſt, in dem Eheſtande; da ſie Kinder zeuget. Jm gegenwaͤrtigen Orte aber behaͤlt die particula διὰ durch auch in ſo fern die eigentliche Bedeutung, die wir durch Chri - ſtum, durch den Glauben an ihn, und durch ſeine Gnade zum ſeligen Tode gelangen.
4. Das mit Chriſto fuͤhren ſetzet die Auferweckung der Glaͤubigen zum Grunde; und wird alhie Chriſtus angeſehen in ſeiner Zukunft zum groſſen Welt-Gerichte, zu welchem ſie mit Chriſto auferwecket erſcheinen werden. Und alſo erlaͤutert der Apoſtel damit, was er vorher c. 3, v. 13. geſaget hatte, daß die Zukunft Chriſti ſeyn wuͤrde ſammt allen ſeinen Heiligen.
Denn das ſagen wir euch, als ein Wort des HErrn (ἐν λόγῳ Κυρίου, im Wort, oder nach dem Worte des HErrn, welches wir, ich Paulus, und Timotheus, auch Silvanus, durch mich mit mir, in beſonderer Offenbahrung von dem HErrn empfangen haben, zur Erlaͤuterung deſſen, was der HErr ſelbſt Matth. 24, 31. und Joh. 5, 28. u. f. davon bezeuget hat) daß wir, die wir (in unſern Nachkommen) leben und uͤberbleiben in der Zukunft des HErrn, wer - den denen nicht vorkommen (der Zeit und den Leibern nach keinen Vorzug haben bey der Hinfuͤhrung in die ewige Herrlichkeit und im Ge - nuß derſelben) die da ſchlafen.
1. Der Apoſtel redet zwar von der Zukunftdes32Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 4. v. 15. 16. des HErrn hin und wider als von einer bald in - ſtehenden, wie ſie doch einem ieden gewiß genug bevorſtuͤnde, und Chriſtus einen ieden Glaͤubi - gen durch den ſeligen Tod zu ſich nehmen wuͤrde, und ein ieglicher ſich bey Zeiten auf die Zukunft Chriſti wuͤrdig zu zubereiten haͤtte: ſiehe unter andern 1 Cor. 1, 8. allein er hat doch nicht dafuͤr gehalten, daß er mit den damaligen Glaͤubigen die Zukunft Chriſti erleben wuͤrde. Denn da er hie v. 16. und 1 Cor. 15, 52. der Poſaunen GOt - tes gedencket, und zwar der letzten; dieſe aber nach der Offenbahrung Johannis c. 10, 7. c. 11. 15. in den letztern Periodum der Zeiten des neu - en Teſtaments gehoͤret, ſo kan ſolches Paulo nicht in den Sinn gekommen ſeyn. Dazu koͤmmt, daß er in der andern Epiſtel an die Theſ - ſalonicher c. 2, 1. u. ſ. w. dieſer Meynung, als wenn der Tag des HErrn ſo gleich kommen wuͤrde, ausdruͤcklich widerſpricht, und dage - gen anzeiget, was mit dem Antichriſt noch erſt vorhergehen muͤſte. So ſpricht er auch 1 Tim. 4, 1. u. f. und 2 Tim. 3, 1. u. f. von ſolchen Din - gen, welche in den letztern Zeiten noch erſt erfol - gen ſolten. Und Ap. Geſ. 20, 29. ſaget er; Das weiß ich, daß nach meinem Abſchiede wer - den unter euch kommen greuliche Woͤlfe u. ſ. w. Es redet demnach der Apoſtel in der erſten Perſon wir von dem gantzen geiſtlichen Leibe Chriſti, daran er und die damaligen Glaͤubigen die Glieder waren, und mit denen, welche in der Zukunft Chriſti lebendig wuͤrden erfunden wer - den, nur einen eintzigen geiſtlichen Leib ausmach - ten: da denn, was einigen Gliedern widerfaͤh - ret, auch vom gantzen Leibe kan geſaget wer - den.
2. Was der Apoſtel alhier vortraͤget, als ein beſonders Wort des HErrn, wenn er ſpricht: Siehe ich ſage euch ein Geheimniß: wir werden nicht alle entſchlafen, wir wer - den aber alle (die von den entſchlafenen uͤbrig bleiben, und lebendig erfunden werden; da ſich auch die Redens-Art: wir u. ſ. w. findet) ver - wandelt werden. (Und von dieſem Worte des HErrn heißt es Offenb. 10, 7. Jn den Ta - gen der Stimme des ſiebenden Engels, wenn er poſaunen wird, ſoll vollendet werden das Geheimniß GOttes, wie er hat ver - kuͤndiget ſeinen Knechten und Prophe - ten.)
Denn er ſelbſt (außer den Engeln ſeiner Herrlichkeit) der HErr (JEſus, als wahrer GOTT, oder Jehova, und Menſch) wird zum allgemeinen Welt-Gerichte) mit einem Feld-Geſchrey (ἐν κελέυσματι, mit einem ſol - chen lauten Geſchrey, damit der Befehl gege - ben, und zugleich der Anfang, oder der mit ge - ſamter Hand zumachende Angrif im Felde zum Treffen gemachet wird,) und mit der Stim - me des Ertz-Engels (wodurch der Richter der Lebendigen und der Todten die Menſchen vor Gericht laden wird) und mit der Poſau - nen GOttes (mit einer uͤberaus majeſtaͤti - ſchen und herrlichen Intimation und Procla - mation des angehenden Gerichts) hernieder -kommen, (alſo wie es ſeinem verklaͤrten Leibe, der keiner raͤumlichen Niederkunft, nach Art der gro - ben und gemeinen Coͤꝛper bedarf, zukoͤmmt,) vom Himmel (der Herrlichkeit, dahin er aufgefah - ren Ap. Geſch. 1, 11.) und die Todten in Chri - ſto (welche in dem Glauben an Chriſtum, und alſo in der Vereinigung und Gemeinſchaft mit Chriſto ſelig geſtorben ſind) werden (mit eben denſelben, aber verklaͤrten und dem verklaͤrten Leibe Chriſti aͤhnlichen Leibern, 1 Cor. 15. Phil. 3, 21.) auferſtehen zuerſt, (und alſo keineswe - ges hintan geſetzet werden, alſo daß die Leben - digerfundenen keinen Vorzug vor ihnen der Zeit nach haͤtten.)
1. Jn dieſem ſehr wichtigen Orte hat man das, was klar und deutlich iſt, von dem dun - ckeln und verborgenen wohl zu unterſcheiden; was das klare betrift; ſo liegen darinnen fol - gende Saͤtze:
2. Was aber in dieſem Ort dunckel iſt, und aus andern Schrift-Stellen einer mehrern Erlaͤuterung gebrauchet, und dennoch wol nicht in allen Stuͤcken von unſerer Schwachheit erreichet werden kan, das beſtehet in der Ma - jeſtaͤtiſchen Art und Weiſe, in welcher Chriſtus mit ſeinen heiligen Engeln erſcheinen, und die Todten auferwecken wird; da es denn ankoͤmmt auf den eigentlichen Verſtand des dreyfachen Ausdruckes vom Feld-Geſchrey, von der Stimme des Ertz-Engels, und von der Poſaunen GOttes, mit welcher Chriſtus hernieder kommen wird.
3. Zuvorderſt aber iſt bey der Erklaͤrung dieſer Worte auf zwey Haupt-Stellen und Sa - chen des alten Teſtaments, worauf der Apo - ſtel ſein Abſehen gehabt, und woher zum Theil auch die Redens-Arten genommen ſind, zu ſe - hen. Dieſe ſind die Promulgation des Geſe - tzes auf dem Berg Sinai, nach dem Auszuge aus Egypten; und denn die Eroberung der Stadt und Veſtung Jericho, bey dem Ein - zuge in das gelobte Land.
4. Bey der Promulgation des Geſetzes offenbahrete ſich der Sohn GOttes, als welcher Moſi im feurigen Buſche, als der unerſchaffne Engel des HErrn, erſchien, und ihm die Inſtru - ction gab, unter vielen und maͤchtigen Wundern ſein Volck aus Egypten zu fuͤhren: welcher auch, als der Engel des HErrn vor dem Volcke in derWol -33Cap. 4. v. 16. an die Theſſalonicher. Wolcken - und Feuer-Saͤule vorherzog, ſich damit auf den Berg Sinai ſetzte und daſelbſt aus derſelben das Geſetz gab. Dieſe Geſetzgebung geſchahe mit groſſer Majeſtaͤt und Herrlichkeit: welche darzuſtellen, auch die heiligen Engel ge - braucht worden: die denn einen groſſen Poſau - nen-Schall erhuben, welcher immer ſtaͤrcker wurde, und dem Volcke ein groſſes Schrecken mit einer heiligen Ehrfurcht vor GOtt einjagte 2 B. Moſ. 3-19. von dem dabey gebrauchten Dienſte der heiligen Engel ſehe man 5 Buch Moſ. 33, 2. Apoſt. Geſch. 7, 53. Galat. 3, 19. Hebr. 2, 2.
5. Da nun der Legislator, Geſetzgeber, der Sohn GOttes, auch iſt Legis executor, der Richter aller Welt, welcher die Execution nach ſeinem Geſetze zur Seligkeit und Verdamm - niß vollziehen wird, ſo iſt leichtlich zu erachten, daß zwiſchen der Promulgation und Execution des Geſetzes billig eine groſſe Ubereinſtimmung ſeyn muß. Und dieſe findet ſich nun ſonderlich in der goͤttlichen Majeſtaͤt, ſo wie dieſelbe fuͤr - nemlich durch das Geſchaͤfte der heiligen Engel dem menſchlichen Geſchlecht dargeſtellet wird. Daher denn beyderſeits des Poſaunen-Schalls Meldung geſchiehet.
6. Nicht weniger offenbahrete ſich der Sohn GOttes in ſeiner Majeſtaͤt und richterli - chen Geꝛechtigkeit und Gewalt bey deꝛ Erobeꝛung der Stadt Jericho. Denn da zeigete er ſich dem Joſua als ein Krieges-Held und Fuͤrſt uͤber das Heer des HErrn, und gab ihm darauf die Inſtruction, wie es mit der Belagerung der Stadt ſolte gehalten werden. Da denn ſonder - lich die ſieben-Zahl merckwuͤrdig iſt. Denn da muſten die Krieges-Maͤnner ſieben Tage nach einander um die Stadt ziehen, am ſiebenden Ta - ge aber ſiebenmal, und zwar alſo, daß ſieben Prie - ſter ſieben Poſaunen des Halljahrs vor der Lade des Bundes hertrugen und blieſen, das gantze Volck aber unter dem Gethoͤne der Poſaunen ein Feld-Geſchrey machen muſten: davon denn die Mauren der Stadt von ſich ſelbſt dergeſtalt umfielen, daß man ſtracks vor ſich hinein fallen konte. Joh. 5, 13-15. 6.
7. Nun aber iſt nicht zu zweifeln, daß Jeri - cho die verkehrte Welt, und inſonderheit dar - innen das von GOtt abtruͤnnige Babel, und die Eroberung derſelben, die letzten Gerichte uͤber dieſe gegenwaͤrtige arge Welt, inſonderheit uͤber Babel, uͤber das antichriſtiſche Reich, vorgebil - det habe. Denn wer wolte auch nur gedencken, daß eine ſo wichtige und durch die ſo oft be - nennte Geheimniß-volle ſieben-Zahl determi - nirte Geſchicht nicht ſolte etwas abgebildet ha - ben? Gehen wir nun in die Offenbahrung Jo - hannis, ſo finden wir gleiche und unter allerhand Vorſtellungen zum oͤftern wiederholte ſieben - Zahl, ſonderlich unter der Benennung der ſieben Engel mit ihren ſieben Poſaunen. Da es ſonderlich von der letzten Poſaune C. 10, 7. heißt: Jn den Tagen des ſiebenden Engels, wenn er poſaunen wird, ſo ſoll vollendet wer - den das Geheimniß GOttes, wie er hat verkuͤndiget ſeinen Knechten den Prophe -ten: nemlich von dem Fall des durch Jericho vorgebildeten antichriſtiſchen geiſtlichen Babels und von der erweiterten und herrlichen Aufrich - tung des Reichs oder der Kirche Chriſti auf Er - den. Darum es von der Poſaune des ſiebenden Engels C. 11, 1. heißt: Und der ſiebende En - gel poſaunete, und es wurden groſſe Stim - men im Himmel, die ſprachen: Es ſind die Reiche der Welt unſers HErrn und ſeines Chriſtus worden, und er wird re - gieren von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und von dem zu der Zeit geſchehenen Fall des antichri - ſtiſchen Babels lautet es Cap. 18, 1. 2. alſo: Jch ſahe einen andern Engel niederfahren vom Himmel der hatte eine groſſe Macht, und die Erde ward erleuchtet von ſeiner Klarheit, und ſchrie aus Macht mit groſ - ſer Stimme (das iſt, machte ein Feld-Geſchrey) und ſprach: Sie iſt gefallen, ſie iſt gefal - len! Babylon, die groſſe, und eine Behau - ſung der Teufel worden u. ſ. w. Und von dieſer ſiebenden, als letzten, Poſaunen ſchreibet Paulus 1 Cor. 15, 51. 52. alſo: Siehe! ich ſage euch ein Geheimniß: wir werden nicht alle entſchlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; und daſſelbe ploͤtzlich in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Poſaune, denn es wird die Poſaune ſchallen u. ſ. w.
8. Da wir nun theils in der Promulgation des Geſetzes auf dem Berge Sinai und ſonder - lich in der Geſchicht von der Eroberung der Stadt Jericho, auch in derſelben Apocalyptiſchen Ge - genbilde leſen vom Feld-Geſchrey, von der Stimme eines groſſen Engels, ja mehrer Engel, und von vielen Poſaunen GOttes, ſonderlich der letzten oder ſiebenden: ſo haben wir daraus die beſte Erklaͤrung dieſes Orts zu nehmen, alles aber, wie es eigentlich geſchehen wird, oder wie das Feld-Geſchrey, die Stimme des Ertz-Engels und die Poſaune GOttes von einander unterſchieden iſt, und eins durch das an - dere declariret wird, das wird der Erfolg am be - ſten ausmachen ſamt der Zukunft Chriſti ſelbſt und der Auferſtehung der Todten. Es gehoͤren hieher auch die Oerter Matth. 13, 41. Des Menſchen Sohn wird ſeine Engel ſenden, und ſie werden ſammlen aus ſeinem Rei - che alle Aergerniſſe und die da unrecht thun. Jmgleichen Cap. 25, 30. Sie werden ſehen kommen des Menſchen Sohn in den Wolcken des Himmels mit groſſer Kraft und Herrlichkeit: und er wird ſenden ſei - ne Engel mit hellen Poſaunen u. ſ. w. Von der Stimme des Ertz-Engels, welche, ſonderlich in Anſehung der Auferweckung von den Todten, auch ſelbſt des Sohnes GOttes, der ſich des allen bedienet, ſeyn wird, ſehe man Joh. 5, 25. 28. da es, wo nicht den Worten, doch dem Verſtande nach, wie Hieronymus geſaget, heiſſen wird. Surgite, vos mortui, & venite ad judicium! Stehet auf ihr Todten, und kommet vor das Gericht! Und hat Chriſtus Lazarum mit lauter Stimme aus dem Grabe gerufen Joh. 11. warum ſolte er nicht vielmehr bey ſeiner ZukunftEſeine34Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 4. v. 17. 18. C. 5. v. 1. ſeine Stimme mit groſſer Majeſtaͤt und Kraft er - heben? Die Poſaune GOttes iſt eine beſonders helle und majeſtaͤtiſche Poſaune, wie die ſiebente ſeyn wird, welche GOtt ſelbſt durch die Engel wird erſchallen laſſen. Zu dem Feld Geſchrey kan mit gerechnet werden, was Matth. 25, 6. ſte - het: Zu Mitter nacht ward ein Geſchrey: ſiehe der Braͤutigam koͤmmt! gehet aus ihm entgegen. Da ſtunden dieſe (kluge) Jungfrauen alle auf, und ſchmuͤcketen ihre Lampen.
9. Wir erkennen aber aus dieſen vortrefli - chen Lehren von der Zukunft Chriſti, von der Auferſtehung der Todten, vom juͤngſten Gerichte, und vom ewigen Leben die rechte Vortreflichkeit und rechte goͤttliche Eigenſchaft der von GOtt geoffenbareten Religion, wie hoch und wichtig und wie heilſam und kraͤftig ſie ſey, die Gemuͤther zu bewegen und in eine heilige Ehrfurcht gegen GOtt und in eine getreue Wahr - nehmung ihrer ſelbſt zu ſetzen. Wohl dem, der ſich dieſelbe Betrachtung dazu dienen laͤßt, nach der Ermahnung Chriſti Luc. 21, 34-36. und 2 Ep. Pet. 3, 11.
Darnach wir, die wir (in unſern Nach - kommen) leben uud uͤberbleiben (und alſo in der Zukunft Chriſti lebendig erfunden werden) werden (nicht erſt ſterben, ſondern an ſtatt deſ - ſen in einem Augenblick alſo verwandelt werden, daß das verweßliche wird anziehen das unverweß - liche 1 Cor. 15, 51-54. und demnach) zugleich (ohne einen Vorzug der Zeit nach zu haben) mit denſelben (auferwecket in verklaͤrten Leibern Phil. 3, 21.) hingeruͤcket werden in den Wol - cken (als auf einem Triumph-Wagen Pſ. 104, 3. gleichwie alſo ehemals Elias 2 B. Koͤn. 2, 11. und nachmals Chriſtus ſelbſt aufgefahren Apoſt. Geſch. 1, 9-11. und damit zum Gerichte kommen wird Dan. 7, 13. Matth. 24, 30. Offenb. 1, 7. 10, 1.) dem HErrn (dem Richter der Lebendigen und der Todten) entgegen (als die klugen Jung - frauen ihrem Braͤutigam Matth. 25, 1. u. ſ. f.) in die Luft (welche die verklaͤrte Leiber gar leicht - lich tragen wird, da ſie ſelbſt eine duͤnne Materie iſt, und die an den auferweckten ſchon verklaͤrten, und an den lebendig erfundenen ſchon verwandel - ten Leiber von der Subtilitaͤt, Herrlichkeit und Leichtigkeit ſind, daß ſie keines veſten Bodens mehr gebrauchen:) und werden alſo (wenn die - ſes geſchehen, und darauf auch das Gericht, wo - bey ſie gleichſam Beyſitzer ſeyn werden Matth. 19, 28. 1 Cor. 6, 2. 3. wird gehalten ſeyn) bey dem HErrn ſeyn allezeit (da wir nach der Hochzeit des Lammes vor ihm in ſeines Vaters Haus, dar - innen viele Wohnungen ſind, werden eingefuͤh - ret und aller Herlichkeit vollkommen theilhaftig worden ſeyn Matth. 25, 1. u. ſ. f. Offenb. 19, 7. 8. Siehe auch Joh. 14, 2. 17, 24. Roͤm. 8, 17. 2 Tim. 2, 12. Offenb. 3, 21.
So troͤſtet euch nun mit dieſen Wor - ten (und den darinnen begriffenen ſo gar herrli - chen und troͤſtlichen Sachen) unter einander (alſo daß unter andern geiſtlichen Materien auch dieſe euch zum Chriſtlichen und Troſtvollen Ge - ſpraͤche diene, es auch ein ieder fuͤr ſich zur Staͤr - ckung ſeines Glaubens und der Lebendigen Hoff - nung, oft und wohl bey ſich ſelbſt erwege: inſon - derheit wenn auch die eurigen ſelig in Chriſto ab - ſterben und es mit euch ſelbſt zum Sterben koͤmmt: ſintemal wir an ſtatt einer ſo gar groben, verweß - lichen und ſo vieler Kranckheit und ſo manchem Ungemach unterworfenen Leibes einen verklaͤrten uͤberkommen und nach Leib und Seel zur ewigen Herrlichkeit werden erhaben werden.)
VOn den Zeiten aber (den Jahren nach) und Stunden καὶ τῶν και - ρῶν, und von der beſondern de - termination und Bezeichnung in den Jahren) lieben Bruͤder, iſt nicht noth euch zu ſchreiben, (gleichwie uns Apoſteln ſelbſt ſolches ſo gar genau vorher zu wiſſen und zu determiniren von GOTT nicht gegeben iſt.)
1. Nichts iſt gemeiners, als daß der Menſch mit einigem Fuͤrwitz darauf faͤllt, daß er die Zeit des Juͤngſten Tages gern ausrechnen, oder doch genau wiſſen wolte. Da uns doch ſol - ches bey unſerer Schwachheit weder noͤthig, noch nuͤtzlich iſt. Und eben ſo ſtehet es auch um den Tag und die Stunde unſers Todes. Laret unus dies, ut obſervemus omnes: es bleibetuns35Cap. 5. v. 1. 2. 3. an die Theſſalonicher. uns ein Tag verborgen, damit wir alle Tage wohl auf unſerer Hut ſtehen moͤgen. Als die Juͤnger Chriſti wiſſen wolten, ob er ſchon ſofort nach ſeiner Himmelfahrt, da er ihnen die beſon - dere Kraft und Gaben des Heiligen Geiſtes ver - ſprochen hatte, das dem Jſrael in den Prophe - ten verſprochene geiſtliche Reich aufrichten wol - te? antwortete ihnen der HErr: Es gebuͤh - ret euch nicht zu wiſſen Zeit oder Stunde, (χρόνους, ἤ καιροὺς) welche der Vater ſeiner Macht vorbehalten hat. Es kan uns ge - nug ſeyn, daß alles zu ſeiner Zeit gewiß genug kommen wird, und daß wir uns ſolche Ge - wißheit zur wuͤrdigen Vorbereitung dienen laſſen.
2. Das Wort χρόνοι, Zeiten, gehet wol auf die Jahre, die von der damaligen Zeit an bis auf die Zukunft Chriſti noch verflieſſen wuͤrden; und alſo inſonderheit auf das letztere und eigent - liche Jahr, in welchem ſie wuͤrde geſchehen. Καιροὶ aber, welches Lutherus Stunden uͤberſetzet hat, laͤßt ſich am fuͤglichſten von der beſondern Jahres-Zeit in Anſehung des Monats, des Tages und der Stunde, oder von der Nachts-Tags-Morgens - oder Abends-Zeit er - klaͤren. Siehe Dan. 7, 12. Matth. 24, 36. 37. und Ap. Geſch. 1, 7.
Denn ihr ſelbſt wiſſet (aus dem von uns empfangenen und glaͤubig angenommenen Un - terricht ohn allen Zweifel, wie ich aus eurer Glaubens-Freudigkeit geſehen habe) gewiß, daß der (groſſe, den Glaͤubigen erfreuliche, den Gottloſen aber erſchreckliche Gerichts -) Tag des HErrn (JEſu Chriſti, als des Richters der lebendigen und der Todten) wird kommen (Gr. koͤmmt, nach der prophetiſchen die Ge - wißheit bezeichnenden Redens-Art) wie ein Dieb in der Nacht (Sprichworts weiſe alſo davon zu reden: das iſt unangeſaget, unvermuthet, in Anſehung der Gottloſen auch unerwartet. Welches denn zur beſtaͤndigen Wahrnehmung unſer ſelbſt dienen ſoll)
1. Durch den Tag des HErrn, als den Tag des Gerichts, wird kein gemeiner Tag ver - ſtanden, denn ob ſich gleich das groſſe Welt - Gerichte in einem gemeinen Tage anheben wird; ſo wird es doch in demſelben wol nicht vollendet werden. Zwar koͤnte es GOTT nach ſeiner Allmacht ſo bald wohl vollenden: allein er wird nach der Allmacht nichts thun, was nicht auch zugleich ſeiner Weisheit, Guͤte und Ge - rechtigkeit gemaͤß iſt und zu deſto mehrer Ver - herrlichung ſeines Namens gereichen kan. Da - her zu dem groſſen Gerichts-Tage wol eine laͤnge - re Zeit von GOtt wird genommen werden. Und ob gleich der Gerichts-Proceß Matth. 25. auf menſchliche Weiſe ſchwachen Begrifs wegen vor - geſtellet wird: ſo ſiehet man doch aus ſolcher Vor - ſtellung ſoviel, daß das Gerichte nicht ſo ſchnell und ploͤtzlich, als die Zukunft Chriſti geſchiehet, wird vollbracht werden. Es iſt auch bey uns Teutſchen nichts gemeiners, als daß wir dasWort Tag von Gerichten gebrauchen, und wenn ſie auch gleich noch ſo lange anhalten: ſintemal wir ſagen, Reichs-Tag, Land-Tag u. ſ. w. daß dieſe Redens-Art in den Schriften der Pro - pheten und Apoſtel ſehr gemein ſey, weiß ein ie - der fleißiger Bibel-Leſer. Er heißt auch ἡμέρα ἐκεινη, jener Tag, nemlich den man immer vor Augen haben muß; Matth. 7, 22. c. 24, 36. c. 26, 29. Luc. 21, 34. 2 Theſſ. 1, 10. 2 Tim. 1, 18. desgleichen ἡμέρα, der Tag abſolute oder ſchlechthin, mit dem beſondern Nachdruck von dem vor allen andern wohl zu erwegenden Tage. Siehe Hebr. 10, 25. da es heißt; daß ſich der Tag nahet.
2. Aus den Worten: αυτοι ἀκρι〈…〉〈…〉 ᾶς ὄ δα - λε, ihr ſelbſt wiſſer gewiß, gar accurat, genau, ſiehet man, theils wie fleißig und treu ſich Paulus mit ſeinen Gehuͤlfen erwieſen habe, die Theſſalonicher von allen Glaubens-Puncten zu unterrichten, und theils wie begierig ſie ge - weſen, den Unterricht anzuhoͤren, und wie wohl ſie ihn gefaſſet haben: zum ſchoͤnen Exempel der Nachfolge allen rechtſchaffenen Lehrern und Zuhoͤrern; wie ſich denn der Apoſtel noch auf viele andere, auch zu den Lebens-Pflichten gehoͤ - rige, und muͤndlich gegebene Erinnerungen in dieſem Briefe beziehet.
3. Und da die Redens-Art, daß der Tag des HErrn werde kommen wie ein Dieb in der Nacht, den Apoſteln und den uͤbrigen Glaͤubigen aus den muͤndlichen Reden Chriſti wohl bekannt geweſen, Matth. 24, 42. 44. Luc. 12, 39. 2 Pet. 3, 10. Offenb. Joh. 3, 3. c. 16, 15. und daher auch Paulo bekannt worden; ſo hat er ſich derſelben auch vermuthlich bey den Theſ - ſalonichern bedienet, wie denn auch wol ſeyn kan, daß die glaͤubigen Theſſalonicher zur Zeit dieſes an ſie geſchriebenen Briefes einen und den andern von den damals ſchon geſchriebenen Ev - angeliſten bereits gehabt und geleſen haben.
Denn wenn ſie (die Gottloſen) werden ſagen (oder auch gedencken und ſich veſte einbil - den) es iſt Friede und hat keine Gefahr (iſt alles in Sicherheit) ſo wird ſie das Ver - derben (das Gericht der Verdammniß 2 Theſſ. 1, 9.) ſchnell uͤberfallen; gleich wie der Schmertz ein ſchwanger Weib, (welche ſich der Zeit der Geburt noch nicht verſehen hat - te, Jeſ. 13, 8. Jer. 13, 21. Hoſ. 13, 13.) und wer - den nicht entfliehen. (Siehe davon ein meh - rers in den Worten Chriſti Matth. 24, 38. u. ſ. f. Luc. 21, 34.)
1. Man ſiehet hier den groſſen Unterſcheid unter dem wahren Frieden der Seele in und mit GOTT, und dem falſchen, der nichts iſt, als eine fleiſchliche Sicherheit; denn da jener ſich endet mit einer groſſen Freudigkeit, in wel - cher die Glaͤubigen ihre Haͤupter aufheben, und auf ihre Erloͤſung warten, Luc. 21, 28. ſo nimmt dieſer ein Ende mit Sehrecken; und dieſes Schrecken wird gewiß verdoppelt werden bey den fleiſchlichen Lehrern, welche die Leute inE 2den36Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 5. v. 3-6. den Schlaf der Sicherheit mit ihrem falſchen Troſte eingewieget, oder darinnen erhalten ha - b[e]n; davon GOTT Jer. 6, 14. ſaget: Sie troͤ - ſten mein Volck in ihrem Ungluͤck, daß ſie es gering achten ſollen, und ſagen: Friede! Friede! und iſt doch nicht Friede. Siehe auch Jer. 8, 11.
2. Mit der Suͤnde gehet es wie mit der Empfaͤngniß: als welche ſich mit Luſt anhebet, Jac. 1, 14. 15. aber mit Schmertzen den Tod ge - bieret; und zwar eher, als man es ſich verſiehet. Darum wohl dem, der die reitzende Luſt durch Cinwilligung nicht zur Empfaͤngniß, vielweni - ger zur Geburt, kommen laͤſſet!
Jhr aber, lieben Bruͤder, ſeyd nicht in der Finſterniß, (in der Nacht der Suͤnden und der fleiſchlichen Sicherheit Eph. 5, 8.) daß euch der Tag (der Zukunft Chriſti und des Gerichts,) wie ein Dieb (gantz unvermuthet) ergreife, (und euch das Verderben uͤberfalle, wie aus der Sicherheit zu erfolgen pfleget.) V. 5. Jhr (wieviel euer durch unſern Dienſt bekehret worden ſind, oder ſich auch noch nach - her in der Ordnung wahrer Bekehrung zu der Gemeine gethan haben,) ſeyd allzumal Kin - der des Lichts (die wahrhaftig von GOTT erleuchtet ſind,) und Kinder des Tages, (wel - che die Nacht der Suͤnden verlaſſen, und, als am hellen Tage, im Lichte der Lauterkeit und Wahrheit wandeln; die auch daher an das Licht kommen, daß ihre Wercke offenbar wer - den: denn ſie ſind in GOtt gethan, Joh. 3, 21. Roͤm. 12, 36. c. 13, 12. 13. ) wir (ich und meine Gehuͤlfen mit euch) ſind nicht von der Nacht, (im Stande der verderbten Natur, und im Rei - che des Satans,) noch von der Finſterniß, (daß wir ſolchen Stand in ſeinen ihm gemaͤſſen boͤſen Wercken noch zeigeten.)
1. Wohl dem Lehrer, der alſo von ſeinen Zuhoͤrern ſagen kan; und zwar dieſes: ihr ſeyd allzumal Kinder des Lichts! wohl den Zu - hoͤrern, von welchen dieſes wahr iſt! Und o wie ſchoͤn ſtehet das ihr und wir bey einan - der! das ihr von den Zuhoͤrern; das wir von den Lehrern und Zuhoͤrern zugleich. Denn wo dieſe noch ſelbſt in der Finſterniß ſtehen und darinnen wandeln, ſo ſind ſie blinde Leiter der Blinden, die endlich mit einander in die Gru - be fallen. Matth. 15, 14. c. 23, 24. Roͤm. 2, 19.
2. Wie die erſten Chriſten zur wahren Er - leuchtung gekommen, daß ſie Kinder des Lichts worden ſind; alſo und nicht anders kommen wir noch heut zu Tage dazu. Nun aber ſind ſie dazu gelanget in der Ordnung der wahren Bekeh - rung und des angezuͤndeten wahren ſeligmachen - den Glaubens an Chriſtum: darum koͤnnen wir auch nicht anders dazu kommen; und folglich iſt kein unbekehrter und glaubloſer Menſch wahr - haftig erleuchtet.
3. Wenn an wahren Kindern GOttes ihr Gnaden-Stand gelobet wird, laſſen ſie ſich ſolches keinesweges zur Erhebung, ſondernvielmehr zur Demuth, und dabey zum Lobe GOttes, und zur getreuen Wahrnehmung ih - rer ſelbſt, dienen: denn ſie erkennen wohl, daß ſie nichts von ſich ſelbſt, ſondern alles aus Gna - den haben, und zwar als eine theure Beylage, die bewahret und wohl angeleget, und davon Rechenſchaft gegeben werden muß. Daß die Theſſalonicher das Zeugniß Pauli alſo angewen - det haben, daran iſt ſo viel weniger zu zweifeln, ſo viel deutlicher Paulus mit den folgenden Worten anzeiget, daß ſein Zweck eben dahin gehe.
So laſſet uns nun nicht ſchlafen (wie - der in Suͤnden entſchlafen, und alſo werden,) wie die andern (ὀι λοιποὶ, die uͤbrigen noch unbekehrten Juden und Heyden, c. 4, 13.) ſon - dern laſſet uns wachen und nuͤchtern ſeyn, (auf eine theils leibliche, theils geiſtliche Art nuͤchtern ſeyn, um dadurch im Stande der geiſt - lichen Wachſamkeit erfunden zu werden.)
1. Gleichwie es wohl geſchiehet, daß einem auch wol bey Tage der leibliche Schlaf ankoͤmmt; (welches aber eine an ſich ſelbſt unſuͤndliche Sa - che iſt, und nur von einiger Schwachheit der Natur zeiget, zuweilen auch der Natur eine rech - te Wohlthat iſt;) ſo kan auch leichtlich ein Kind des Lichts, der am Tage wandelt, wieder in einen geiſtlichen Schlaf, oder doch einiges Schlummern durch Nachlaͤßigkeit und Unlau - terkeit des Hertzens gerathen: daher ihnen Pau - lus billig zurufet: Laſſet uns nicht ſchlafen, oder wieder einſchlafen!
2. Es kan aber ein Lehrer dieſes zu ſeinen Zuhoͤrern weder mit der gehoͤrigen Freudigkeit, noch mit dem ſonſt zu hoffenden mehrern Se - gen ſagen, wenn er es mit Paulo und ſeinen Gehuͤlfen nicht auch von ſich ſelbſt ſagen, und alſo ſich ſelbſt mit ermuntern und ſprechen kan; laſſet uns nicht ſchlafen! denn wie wird ein Todter oder ein Schlaͤfer den andern aufwecken? zwar behaͤlt das Wort GOttes wol an ſich ſelbſt ſeine Kraft: aber ein geiſtlich Todter und ſchla - fender iſt doch nicht in dem Stande, es recht in aller Lauterkeit, nach allen zum Grund und zur Ordnung des Heyls gehoͤrigen Stuͤcken zu erken - nen und nach dem unterſchiedenen Zuſtande der Zuhoͤrer gehoͤrig zu theilen, vorzutragen und zu appliciren. Und was denn dißfals noch in ziemlicher Richtigkeit vorgetragen wird, das pfleget doch bey den Zuhoͤrern durch das Exem - pel eines ſolchen Lehrers guten Theils erſticket und entkraͤftet zu werden.
3. Es iſt zwar die leibliche Wachſam - keit, in ſo fern ſie dem uͤbermaͤßigen Schlafe, da - durch der Menſch ſo viel gutes verſaͤumet, auch wol der Geſundheit des Leibes ſelbſt ſchadet, ent - gegen geſetzet iſt, eine noͤthige Chriſten-Pflicht: es koͤmmt doch aber bey dem Chriſtenthum ei - gentlich an auf die geiſtliche Wachſamkeit, von welcher der Apoſtel alhie redet. Dieſe ſte - het der fleiſchlichen Sicherheit und Unachtſam - keit entgegen, und beſtehet in einer ſolchen ge -nauen37C. 5 v. 6. 7. 8. an die Theſſalonicher. nauen Wahrnehmung ſeiner ſelbſt, da man al - lezeit auf ſeiner Hut iſt, und Achtung giebet ſo wol auf den Zuſtand und auf die Bewegung ſei - nes Hertzens, als auch auf alles, was einem aͤuſſer - lich zur Verſuchung begegnet; und zwar alſo, daß man ſuche in allen ſich treu zu erweiſen, und die begangenen und angemerckten Fehler auszubeſ - ſern, und ſie ſich aufs kuͤnftige zu ſo viel mehrer Behutſamkeit dienen zu laſſen. Da denn zu ſolcher Wachſamkeit die aufrichtige Pruͤfung unſerer ſelbſt das meiſte mit beytraͤget.
4. Gleichwie aber die leibliche Voͤllerey, wenn einer ſich mit Eſſen und Trincken uͤberla - det, mit der leiblichen Wachſamkeit nicht beſte - hen kan, ſondern einen zum unordentlichen Schlaf bringet; hingegen aber die leibliche Nuͤchternheit auch die leibliche Wachſamkeit befordert und erleichtert: alſo iſt auch die geiſt - liche Nuͤchternheit zur geiſtlichen Wachſam - keit ſehr dienlich und hoͤchſt noͤthig. Es beſte - het aber dieſelbe in einer Ausleerung und Be - freyung des Gemuͤths von aller unordentlichen und herrſchenden Liebe gegen uns ſelbſt, gegen unſern Nechſten und gegen andere Dinge dieſer Welt: als in welcher ein Menſch von Na - tur gleichſam recht truncken iſt, daß er tau - melt, und in ſeinem gantzen Wandel recht un - weislich handelt. Unſer Heyland nennet ſolche Voͤllerey eine Beſchwerung des Hertzens mit Freſſen nnd Saufen, und mit Sorgen der Nahrung, Luc. 21 34. Und da ſolche verkehr - te Eigen - und Welt-Liebe ein vielfacher Strick iſt, ſo inſtruiret Paulus 2 Tim. 2, 25. 26. einen Lehrer, wie er ſich verhalten ſoll gegen die Wi - derſpenſtigen, daß ihnen GOtt Buſſe gebe die Wahrheit zu erkennen, und wieder nuͤchtern zu werden aus den Stricken des Teufels, von welchem ſie gefangen ſind nach ſeinem Willen.
5. Da es nun eine ſolche Beſchaffenheit hat mit der geiſtlichen Wachſamkeit und Nuͤch - ternheit, ſo koͤmmt daher dieſes, daß νήϕειν nuͤchtern ſeyn oft ſo viel heißt als wachſam ſeyn, und νηϕάλιος, ein Nuͤchterner auch heißt ein Wachſamer; oder auch daß wach - ſam und nuͤchtern ſeyn, bey einander geſetzet wird, wie hier und auch 1 Pet. 4, 7. c. 5, 8. von der geiſtlichen Wachſamkeit hat man im uͤbrigen zu conferiren. Matth. 25, 13. Luc. 21, 36. c. 12, 37. Ap. Geſ. 20, 31. 1 Cor. 16, 13. Col. 4, 2. Offenb. 3, 2. 3. c. 16, 15.
Denn die da ſchlafen, die ſchlafen, (or - dentlicher weiſe) des Nachts (wie denn die Nacht die Zeit zu ſchlafen, und der Tag die Zeit zu wachen eigentlich iſt:) und die da trun - cken ſind, die ſind (gemeiniglich) des Nachts truncken, indem ſie gegen den Abend erſt pfle - gen zuſammen zu kommen, und bis auf den ſpaͤ - ten Abend, der ſchon mit zur Nacht gehoͤret, ja bis in die finſtre Nacht ſelbſt, in der Voͤllerey an - zuhalten und bey einander zu bleiben: wiewol es auch ſolche Helden im ſaufen giebt, die auch wol ſchon des Morgens fruͤhe auf ſind, ſich desSaufens zu befleißigen, und ſitzen doch noch wol bis in die Nacht, daß ſie der Wein erhitze. Jeſ. 5, 11.)
Dieſe Worte halten eigentlich die Prota - ſin in ſich; davon die Theſſalonicher die apo - doſin, oder die Application au[f]den geiſtlichen Verſtand leichtlich machen konnten; nemlich daß diejenigen, welche im Schlafe der Suͤn - den liegen und von der Eigen - und Welt-Liebe erfuͤllet ſind, noch Kinder des Nachts und der Finſterniß ſind, und man wieder ein ſolcher Menſch werden wuͤrde, woferne man ſich wolte wieder einſchlaͤfern und von der Welt-Liebe truncken machen laſſen. Und auf dieſe apodo - ſin, oder application, fuͤhret der Apoſtel die Theſſalonicher ſelbſt ausdruͤck[l]ich, wenn er a theſi ad hypotheſin ſchreitet, und die Zuei - gnung im Gegenſatz auf ſie machet, ſich aber und ſeine Gehuͤlfen auch ſelbſt mit einſchlieſſet; wenn er alſo fort faͤhret:
Wir aber, die wir des Tages (und des Lichts) Kinder ſind, ſollen nuͤchtern ſeyn (νήϕωμεν, last uns nuͤchtern und wachſam ſeyn, und zwar dergeſtalt, daß wir uns halten, wie die Krieges-Leute, welche bey ihrer nuͤchternen Wachſamkeit auch mit gehoͤrigen Waffen ge - gen ihre Feinde genugſam verſehen ſind, um ge - gen einen Anfall beſtehen zu koͤnnen) angethan mit dem Krebs (ϑώρακα Bruſt-Wehre, oder Pantzer, womit die Bruſt, oder der obere Theil des Leibes, darinnen das Hertz und die Lunge lieget, wohl verwahret wird) des Glaubens (womit wir die Gerechtigkeit Chriſti ergreifen) und der Liebe (in deren Ausuͤbung wir das gute Gewiſſen bewahren, daß es nicht am Glau - ben Schiffbruch leide 1 Tim. 1, 19.) und mit dem Helm (der Haupt-Wehre, womit das Haupt im Sturm und allen uͤbrigen Anlaͤufen wohl verwahret gehalten wird) der Hoffnung zur Seligkeit (ἐλϖίδα σωτηρίας, welcher Helm iſt die Hoffnung des Heyls, in welcher wir gleichſam mit ausgerecktem und aufgehobenen Haupt unſer Heyl erwarten Luc. 21, 28. Roͤm. 8, 19 -- 23. Tit. 2, 13. 1 Pet. 1, 13. Siehe auch Jeſ. 59, 17.
1. Das Chriſtenthum iſt nichts anders, als ein beſtaͤndiger Streit, da man den geiſtlichen Feind in ſich und außer ſich hat. Jſt er denn gleich nach erhaltenem Siege ſtill und ruhet von neuen Angriffen eine zeitlang; ſo iſt man doch niemals recht ſicher, ſondern man hat allezeit auf ſeiner Hut zu ſtehen, und ſich mit geiſtlichen Waffen wohl zu verſehen, daß man weder ſchla - fend, noch unbewafnet und ungeruͤſtet erfunden werde.
2. Das in der Bruſt liegende Hertz iſt das aller edelſte und zarteſte innere Theil des menſch - lichen Leibes, zum natuͤrlichen Leben vor allen andern innerlichen und aͤußerlichen Gliedern des Leibes hoͤchſt-noͤthig, und daher auch wohl zu be -E 3wahren;38Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 5. v. 8-10. wahren; ſintemal, wenn es verletzet wird, der Menſch ſo fort des Todes iſt, auch keine Angſt uͤber Hertzens Angſt gehet. Nun bewohnet aber die Seele den gantzen Leib; aber gleichwie ſich doch die Kraft des Verſtandes ſonderlich im Haupte hervor thut; ſo aͤuſſert ſich die Kraft des Willens fuͤrnemlich in dem natuͤrli - chen Hertzen. Daher denn mit dem Worte Hertz ſonderlich der Wille des Menſchen ver - ſtanden wird; als in welchem das geiſtliche Le - ben aufgehet, aber auch wieder kan verlohren werden.
3. Gleichwie nun das leibliche Hertz eines ſolchen Pantzers bedarf, darauf Schuͤſſe und Stiche abgehen, und es unverſehret laſſen; alſo gebrauchet das geiſtliche Hertz, das iſt, die Willens-Kraft im Menſchen, bey dem am Glauben empfangenen geiſtlichen Leben einer ſolchen Verwahrung, wodurch es gegen alle Angriffe des Teufels ſicher ſey, und wohlbeve - ſtiget bleibe. Dieſe nun hat es in der Gerech - tigkeit Chriſti, als davon es Roͤm. 8, 30. u. ſ. f. heißt; Jſt GOtt fuͤr uns, wer mag wider uns ſeyn? Wer will die Auserwehlten GOttes beſchuldigen! GOTT iſt hie, der gerecht machet. Wer will verdammen? CHriſtus iſt hie, der geſtorben iſt. u. ſ. f. Denn dieſer iſt unſere Gerechtigkeit Luc. 23, 6. und uns von GOtt gemachet zur Gerech - tigkeit 1 Cor. 1, 30. Der Glaube aber ergreifet dieſe Gerechtigkeit und haͤlt ſie gleichſam als ei - nen Schild und Pantzer vor das Hertze: Daher dieſe Bruſt-Wehre alhie ihre Benennung vom Glauben hat. Daß es aber dabey eigentlich auf die Gerechtigkeit ankomme, das iſt nicht al - lein an ſich ſelbſt ſchon aus dem Geſchaͤfte des Glaubens bekannt, ſondern Paulus zeiget es auch damit Eph. 6, 14. deutlich genug an, wenn er den Krebs des Glaubens den Krebs der Ge - rechtigkeit nennet.
4. Daß aber dieſer Bruſt-Pantzer nebſt dem Glauben auch in der Liebe geſetzet wird, damit wird nicht allein angezeiget, daß der wah - re Glaube ſich durch die Liebe thaͤtig erweiſet, ſondern auch ſonderlich dieſes, daß durch Aus - uͤbung der Liebe die theure Beylage, welche der Glaube an der Gerechtigkeit Chriſti hat, muß bewahret werden; denn wenn einer wider die Pflichten der Liebe, welche er GOTT, ſich ſelbſt und dem Naͤchſten ſchuldig iſt, dergeſtalt handelt, daß er die ihr entgegen ſtehende Suͤn - den zur Herrſchaft kommen laͤßt, ſo verletzet er ſein Gewiſſen alſo, daß er am Glauben, und folglich auch an der Gerechtigkeit des Glaubens Schiffbruch leidet, 1 Tim. 1, 19. ſintemal das Geheimniß des Glaubens im reinen Hertzen, das iſt, im guten Gewiſſen, bewahret werden muß, 1 Tim. 3, 9.
5. Nebſt der Bruſt und darinn dem Her - tzen iſt es zur Erhaltung des Lebens am meiſten am Haupte gelegen: darum auch dieſes von den Curaßirern oder geharniſchten Soldaten mit einem Helm beſonders bewahret zu werden pfleget. Was nun das Haupt dem Leibe und naͤtuͤrlichen Leben iſt, das iſt die verheiſ -ſene und im Glauben ſchon zugeeignete und da - her in der lebendigen Hoffnung erwartete ewige Seligkeit dem geiſtlichen Leben und gantzen Chri - ſtenthum; denn da wir nur noch die Erſtlinge von dem uns durch Chriſtum erworbenen Heyl haben, und die volle Erndte davon noch erſt er - warten, und damit alle unſere Leiden und alles Ungemach des natuͤrlichen Leibes und Lebens nur verſuͤßen und erleichtern, ſo iſt dis eben die Hoffnung, wodurch wir dieſes thun; als an welcher wir mitten unter allerhand Sturm des Satans und der Welt auch unſerer Suͤnde gleichſam vor Ancker liegen, Hebr. 6, 18. 19. 20. und welche nicht zu ſchanden werden laͤßt Roͤm. 5, 5. denn weil uns GOTT errettet hat, auch noch errettet; ſo glauben und hoffen wir, er werde uns auch kuͤnftig erretten, und zu ſeinem Reiche aushelfen, 2 Cor. 1, 10. Ein mehrers von dieſer geiſtlichen Ruͤſtung findet der Leſer Eph. 6, 11. u. ſ. w.
Denn (damit wir unſerer Seligkeit bey dem Helm oder der Hoffnung des Heyls ſo viel gewiſ - ſer ſeyn koͤnnen) GOtt hat uns nicht geſetzet zum Zorn (daß wir ſollen Gevaͤſſe des Zorns ſeyn und daruͤber verdammet werden) ſondern die Seligkeit zu beſitzen durch unſern HErrn JEſum Chriſtum (durch ſeine Erloͤſung Roͤm. 3, 24. als durch welche wir zu GOTT kommen Epheſ. 2, 18. 3, 12. Hebraͤer 4, 16. 10, 19.)
Daraus, daß Paulus ſaget, GOtt habe uns nicht geſetzet zum Zorn, kan keines - weges geſchloſſen werden, als wenn GOtt doch andere dazu geſetzet, und alſo vermoͤge eines von Ewigkeit gemachten unwandelbaren Rathſchluſ - ſes dazu verordnet habe; eben ſo wenig als man aus den Worten Cap. 4, 7. GOTT hat uns nicht berufen zur Unreinigkeit, ſchlieſſen kan[,]daß GOTT andere dazu berufen habe. Weil aber doch ein Menſch im Stande der Anfechtung vom Satan mit den Gedancken, als ſey er von GOtt verworfen, geſichtet und geaͤngſtiget wer - den kan, ſo bauet Paulus dagegen vor.
Der fuͤr uns (an unſerer ſtatt und daher auch uns zu gute) geſtorben iſt (unſern Unge - horſam durch ſeinen vollkommenen Gehorſam, der bis zum Tode am Creutze ging, gebuͤſſet hat, und wie um unſerer Suͤnde willen geſtorben, alſo auch um unſerer Gerechtigkeit, oder Rechtferti - gung willen wider auferwecket iſt Roͤm. 4, 25.) aufdaß wir wachen (leben) oder ſchlafen (ſind leiblich geſtorben) zugleich mit ihm le - ben ſollen (als Glieder mit dem hochgelobten Haupte.)
1. Mit den Worten wachen und ſchlafen, ſiehet der Apoſtel alhier nicht auf das, was er v. 6. vom wachen und ſchlafen geſaget; ſondern auf das, was weiter vorhergegangen C. 4, 13. 14. da39Cap. 5. v. 10-13. an die Theſſalonicher. da ſchlafen und entſchlafen ſo viel iſt, als ſterben und geſtorben ſeyn. Denn weil er al - hier von den ſchlafenden ſaget, daß ſie mit Chriſto leben werden, ſo kan es von keinem Suͤnden - Schlaf verſtanden werden. Sind nun aber die ſchlafende alhier die verſtorbene; ſo ſind die wa - chende die noch lebende. Und alſo will Pau - lus ſo viel ſagen, daß der Zweck, die Kraft und die Frucht des Todes Chriſti dieſe ſey, daß wir von, in und mit Chriſto das geiſtliche und ewige Leben haben ſollen, alhie vor, und dort nach dem ſeligen Tode. Denn Chriſtus iſt das Leben der Glaͤu - bigen Joh. 1, 4. 10, 10. 14, 6. 1 Joh. 1, 2. 5, 11. 12. 21. Phil. 1, 21. der in ihnen lebet Gal. 2, 20. und mit dem ſie auch wieder offenbaret werden in der Herrlichkeit Col. 3, 3. 4.
2. Gleichwie aber der Tod Chriſti gedachter maſſen zu unſerm geiſtlichen und ewigen Leben ge - reichet, ſo gehoͤret zu ſolcher hohen Wohlthat auch dieſe unſere Pflicht, daß wir nicht uns ſelbſt, nach unſerm eignen Willen, ſondern Chriſto, le - ben, und unſer gantzes Leben ihme allein aufopfern Roͤm. 14, 7. 2 Cor. 5, 15. Gal. 2, 20.
Darum (weil Chriſtus fuͤr uns geſtorben iſt, und wir durch ihn leben ſollen, auch Kinder des Lichts worden ſind) ermahnet euch unter einander, und bauet einer den andern (um des gemeinen Heyls in beſtaͤndiger Wahr - nehmung eurer ſelbſt und in gemeinſchaftlichem Genuß theilhaftig zu bleiben und noch immer mehr zu werden) wie ihr denn thut (welches an euch loͤblich iſt, und darin ihr fortzufahren ha - bet. Siehe Cap. 4, 9. 10.)
1. Dieſer Ort von der Pflicht der gemein - ſchaftlichen Erbauung unter einander iſt vor allen andern wohl zu mercken, weil in dem dazu gehoͤrigen folgenden Context dieſelbe mit der Pflicht, welche die Zuhoͤrer ihren Lehrern ſchuldig ſind, aufs genaueſte verbunden wird. Denn nachdem der Apoſtel v. 11. angefangen von der allgemeinen Erbauung der Kirch-Glieder unter einander zu handeln, ſo bricht er davon ab, und thut v. 12. 13. eine Ermahnung hinzu, wie ſich die Zuhoͤrer gegen ihre Lehrer verhalten ſollen. Und darauf faͤhret er in der abgebrochnen Materie v. 14. fort, und ſpricht: Wir ermahnen euch aber, lieben Bruͤder, vermahnet die Un - gezognen u. ſ. w.
2. Aus der Ordnung dieſer Abhandelung flieſſen nun folgende noͤthige Erinnerungen:
3. Die Art und Weiſe aber, wie die Er - bauung geuͤbet werden ſoll, ſchreibet der Apoſtel nicht vor, ſondern uͤberlaͤſſet es der eignen Einrich - tung und der dazu vorkommenden Gelegenheit. Und dieſe iſt gar mannichfaltig. Denn da die Glieder von einer Gemeine auch der Buͤrgerlichen Geſchaͤfte, zum theil auch der leiblichen Anver - wandſchaft wegen oft mit einander umgehen; ſo haben ſie ſolchen Umgang dazu anzuwenden, daß ſie auſſer dem, daß ſie von haͤuslichen und buͤr - gerlichen Dingen mit einander zu reden haben, dabey ſich einander zum guten erwecken. So hat er auch den Chriſten die Freyheit gelaſſen, daß einige in weniger Anzahl ſich wol zu ſolcher Er - bauung mit einander vereinigen und zuſammen kommen, und ihren Zweck mit ſingen, beten und Betrachtung des goͤttlichen Worts zu erhalten ſuchen. Denn da in einer ieden Republic die Glieder die Freyheit haben, daß gute Freunde ſich unter einander von buͤrgerlichen Dingen mit ein - ander beſprechen, ja auch wol leider mit einander eiteler Weiſe gaſteriren, auch ſauffen und ſpielen, und zu dem Ende zuſammen kommen: warum ſolten denn wahre Chriſten nicht vielmehr die Freyheit haben, daß ſich einige zur Erbauung mit einander vereinigen? Zumal, wenn es, wie zuvor gedacht, in guter Ordnung und ohne Nach - theil des oͤffentlichen Lehr-Amts geſchiehet. Zur Ordnung gehoͤret inſonderheit dieſes, daß ie we - nigere es ſind, nemlich auf einmal und an einem Orte, ie beſſer iſt es, um der Vertraulichkeit wegen, weil ſie ſich unter wenigen eher findet, als unter vielen.
4. Und in dieſer gemeinſchaftlichen Erbauung beſtehet unter andern die Ubung des goͤttlichen Prieſterthums; ſonderlich in ſo fern dazu das Prophetiſche Amt, nach welchem man es mit GOttes Wort zu thun hat, gehoͤret. Man ſehe davon ferner Epheſ. 5, 19. Coloſſ. 3, 16 Hebr. 10, 24.
Wir bitten aber euch, lieben Bruͤder (nach dem Evangeliſchen Grunde der zarteſten Liebe gegen euch, ob es gleich eine Sache, in wel - cher wir euch von GOttes wegen zu befehlen ha - ben) daß ihr erkennet) ſie dafuͤr haltet, dafuͤr ſie ihres Amts wegen zu halten ſind, und ſie alſo lieb habet und werth achtet 1 Cor. 16, 18. ihnen auch ihren Unterhalt gebet:) die an euch arbeiten (im Wort und in der Lehre 1 Tim. 5, 17.) und euch vorſtehen in dem HErrn (JEſu Chriſto, alſo daß ſie nicht allein ihren Beruf von ihm haben, ſondern ihr Amt auch fuͤhren in ſeinem Namen und in der Gemeinſchaft mit ihm) und euch er -mah -40Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 5. v. 12. 13. 14. mahnen (in der Application des Worts, wel - ches euch bereits vorgetragen iſt, und von ihnen noch ferner vorgetragen wird. ) v. 13. Habet ſie deſto lieber um ihres Wercks (ihres Dienſtes) willen (da ihr ſie auch ſchon als Mit - Glieder an dem geiſtlichen Leibe Chriſti werth zu halten habet) und ſeyd friedſam mit ihnen (laſſet allezeit ein gutes Verſtaͤndniß unter euch ſeyn, alſo daß ihnen niemand ihres Amts wegen wenn ſie nach ihrem Gewiſſen gehen, aufſaͤtzig werde.)
1. Man hat alhie ein feines Exempel von der hermenevtiſchen Regul, daß die Worte, welche auf eine Erkentniß gehn, alſo auszulegen ſind, daß der damit verknuͤpfte Affect und Effect mit ausgedruͤcket werde. Alſo ſolten die Zuhoͤrer ihre Lehrer erkennen. Siehe auch 1 Cor. 9, 14. 16, 15. 16. 18. Gal. 6, 6. Philipp. 2, 19. 1 Tim. 5, 17. Hebr. 13, 17.
2. Da das Lehr-Amt eine Arbeit iſt, und zwar keine geringe, wo es recht gefuͤhret wird, ſo ſind diejenigen Mietlinge und truͤgliche Arbeiter, die nur ihrem Bauche dienen, und ihr Amt als einen ſonderlichen Ruhe-Stand anſehen und fuͤh - ren, 2 Cor. 11, 13. Ein getreuer Lehrer iſt ἐργάτης ἀνεϖαισχυντος, ein unverdroſſener Arbeiter 2 Tim. 2, 15.
3. Es gehoͤret viel dazu, einer Gemeine alſo vorzuſtehen, daß es geſchehe in dem HErrn. Will nun ein Lehrer dafuͤr gehalten ſeyn, daß er der Gemeine, obwol mittelbar, doch vom HErrn geſandt ſey, alſo daß es nach deſſelben nicht bloß zulaͤßigen, ſondern gnaͤdigen Willen geſchehen, ſo erweiſe er es damit, daß er ſein Amt und Leben fuͤhre in dem HErrn, wie es deſſelben Willen gemaͤß iſt, und wie es die Gnade der Salbung mit ſich bringet.
4. Das νουθετει῀ν iſt mehr, als einen er - mahnen. Denn es heißt uͤberhaupt an eines Gemuͤth, oder Seele, alſo arbeiten, daß man dieſelbe in ihren rechten Wohlſtand und rechte Geſtalt bringe, und darinnen erhalte. Und al - ſo gehoͤret nebſt der Ermahnung auch der Unter - richt dazu, und alles, was derſelbe nach dem goͤttlichen Worte in ſich haͤlt und mit ſich fuͤh - ret. Welche Pflicht von den Eltern gegen ihre Kinder erfodert wird Eph. 5, 4.
5. Gleichwie ein gottſeliger Zuhoͤrer ſeinen Lehrer, dadurch er erwecket und erbauet wor - den, billig mit ſo viel mehrer Liebe in zwiefachen Ehren haͤlt, da er ihn nicht allein als ein geiſt - lich Mit-Glied, ſondern auch als einen geiſt - lichen Vater anzuſehen hat: alſo findet ſich auch bey einem rechtſchaffnen Lehrer gegen ſeine folg - ſamen Zuhoͤrer billig eine doppelte, oder ſo viele zartere Liebe, da er ſie nicht allein als ſeine Bruͤder in Chriſto, ſondern auch als ſeine geiſtliche Kinder lieben kan. Dergleichen Liebe Paulus im gan - tzen Briefe gegen die Theſſalonicher bezeuget.
6. Bey dem Verbo ἐιρηνεὐετε haltet Friede, lebet in Frieden, ſtehet zwar in einigen codicibus ἐν ἀυτοῖς, in oder mit ihnen: wel - cher Lection auch Lutherus gefolget iſt, und esvertiret hat? ſeyd friedſam mit ihnen: allein da andere und die mehreſten haben ἐν ἑαυτ〈…〉〈…〉 ις unter einander, ſo haͤlt man dieſes billig fuͤr den eigentlichen Ausdruck Pauli: ſintemal ſich die Præpoſition ἐν dazu beſſer ſchicket, und nicht erſt durch σὺν, mit darf erklaͤret werden. So haͤlt dieſer Verſtand jenen auch in ſich. Denn ſollen die Theſſalonicher unter einander friedſam ſeyn; ſo ſollen ſie ſich inſonderheit auch gegen die Lehrer als friedſame erweiſen, und die Lehrer gegen ſie. Das Monitum: ἐιρηνεύετε ἐν ἀλλήλοις. ſeyd friedſam unter einander, finden wir auch in den Worten Chriſti Marc. 9, 50. und das Wort ἐιρηνευειν mit gleicher apoſtoliſchen Erinnerung Roͤm. 12, 18. 2 Cor. 13, 11. Siehe auch Hebr. 12, 14. da es heißt: jaget nach dem Frieden gegen ieder - mann.
Wir ermahnen euch aber, lieben Bruͤ - der, vermahnet (νουθετεῖτε, ſiehe v. 12.) die Ungezogenen, (τοὺς α᾽τὰκτους, die unordentli - chen, welche weder innerlich mit ihrem Gemuͤ - the in der rechten Heyls-Ordnung ſiehen, noch auch aͤußerlich ſich im Leben ordentlich und un - anſtoͤßig verhalten, und entweder ſchon itzo un - ter euch ſind, oder noch kommen werden: ſiehe 2 Theſſ. 3, 6-11. da es heißt: ἀτάκτως ϖεριπα - τει῀ν, ἀ τακτει῀ν) troͤſtet die Kleinmuͤthigen. (die entweder noch im erſten Buß-Kampfe ſte - hen, und in Anſehung ihrer gefundenen Unwuͤr - digkeit von den Schreckungen des Geſetzes noch nicht behertzt zu den Troͤſtungen des Evangelii ſchreiten wollen, oder koͤnnen; oder aber bey dem Laufe in den Wegen GOttes in allerhand Verſuchungen gerathen, auch wol ihres na - tuͤrlichen temperaments wegen eines nieder - geſchlagenen und aͤngſtlichen Gemuͤths ſind, und daher gebrauchen aufgerichtet zu werden:) tra - get (faſſet gleichſam bey der Hand, fuͤhret) die Schwachen (die ſolche ſind in Anſehung ihres Gnaden-Standes, darinnen ſie noch nicht ge - nug beveſtiget ſind, alſo daß ſie noch hin und her wancken, und ſolches wie am Gemuͤthe empfin - den, alſo auch in ihrem Wandel zu erkennen ge - ben; theils in ſolchen Dingen, darinn es, nach Roͤm. 14. 1 Cor. 8. auf den Gebrauch der Chriſtlichen Freyheit nach dem Evangelio an - koͤmmt:) ſeyd geduldig) (μακροϑυμει῀τε, ſeyd langmuͤthig) gegen jedermann (wenn ihr ſehet, daß weder euer Ermahnen bey den unordentlich Wandelnden, noch eure Troͤ - ſtungen bey den Kleinmuͤthigen, noch euer Ertragen bey den Schwachen ſo fort an - ſchlaͤget und Frucht ſchaffet, ſo laſſet deßwegen noch nicht ab, und werfet eure Hoffnung noch nicht weg; ſondern haltet damit an; beweiſet auch ſonſt in allen uͤbrigen Faͤllen eine Langmuͤ - thigkeit, und damit die Staͤrcke eures Gemuͤths.)
1. So gut es auch ſtunde um die Gemeine zu Theſſalonich, wie aus unterſchiedlichen Or - ten dieſes Briefes zu erſehen iſt; ſo unvoll -kom -41C. 5. v. 15-18. an die Theſſalonicher. kommen war es doch auch noch alles, alſo daß es weder an unordentlich wandelnden, noch an Kleinmuͤthigen, noch an Schwachen fehlete, theils unter den erſten Gliedern, theils unter de - nen, welche noch nach und nach zu ihnen traten. Wie es denn auch mit der Kirche auf Erden kei - ne andere Beſchaffenheit hat, als man es der Natur nach in der menſchlichen Societaͤt findet: nemlich da ſind Geſunde, Krancke und Schwa - che.
2. Da dieſe Erinnerungen nicht allein auf die Lehrer, ſondern auch auf die Zuhoͤrer gehen, und auf dieſe dem context nach fuͤrnemlich; ſo ſiehet man daraus, wie ſie mit dem Worte GOt - tes zur Erbauung anderer umzugehen haben; nemlich wie die oͤffentlichen Lehrer, nach der un - terſchiedenen Beſchaffenheit der Mit-Chriſten: nur daß das, was die Lehrer oͤffentlich und alſo auch mit mehrer auctoritaͤt thun, von ihnen privatim geſchehe. Von den ὁλιγοφύχοις, den Kleinmuͤthigen, ſehe man die Oerter, Jeſ. 54, 6. c. 57, 15. Sprichw. 18, 14. alwo im Grie - chiſchen das Wort ὀλιγόϕυχος ſtehet.
Sehet zu (ſuchet durch freundliche Erin - nerung und Warnung es zu verhuͤten,) daß nie - mand boͤſes mit boͤſem vergelte (dazu unſere boͤſe Natur ſonſt ſehr geneiget iſt) ſondern alle - zeit jaget dem Guten nach, (mit dem Vorſa - tze und mit der ernſtlichen Bemuͤhung, es zu er - reichen; jaget ihm nach, wenn es euch gleich ſchwer gemachet wird, ſonderlich durch Undanck und durch Beleidigung) beyde unter einander (die ihr Chriſten ſeyd) und gegen iedermann (auch gegen die, welche draußen und von Juden und Heyden noch unbekehret ſind. Siehe c. 3, 12. c. 5, 14.)
Gleichwie es in der menſchlichen Societaͤt Knechten und Kindern nicht zukoͤmmt, daß ſie die Beleidigung an andern raͤchen, ſondern es ihren Eltern und HErren zu uͤberlaſſen haben, wie dieſe ſie vertreten wollen; alſo haben Kinder und Knechte GOttes alle Rache vielmehr dem HErrn zu uͤberlaſſen, der da geſaget hat: Die Rache iſt mein, ich will vergelten. 5 B. Moſ. 32, 35. Siehe hievon auch 3 B. Moſ. 19, 18. Sprichw. 20, 22. c. 24, 29. Roͤm. 12, 17. Gal. 6, 10. 1 Pet. 3, 6. 9.
Seyd allezeit froͤlich, (auch mitten unter dem Leiden, da euch jemand boͤſes zufuͤget) v. 17. betet ohn unterlaß (und ſuchet euch im Gebet zu ſtaͤrcken, und zur Freude im HErrn zu erwe - cken.)
1. Wahre Chriſten haben die Materie und die Quelle zur geiſtlichen Freude allezeit in ſich: allein ſie wird in ihnen ofte alſo verdecket, daß ſie unempfindlich wird. Darum der Apoſtel die Glaͤubigen dazu erwecket, und will, daß ſie ſich ſelbſt dazu erwecken ſollen.
2. Daß die Glaͤubigen auch ſchon auf die -ſer Welt eine wahrhaftige Freude haben, das iſt ein Beweis ihrer ſchon angefangenen wuͤrcklichen Seligkeit, und der Vortreflichkeit, welche die Chriſtliche Religion in ſich hat.
3. Es iſt demnach ein anders, eine Freude haben in der Welt, und nach der Welt. Da nun wahre Chriſten auch eine Freude haben in der Welt; ſo iſt die Meinung der Gottloſen falſch, wenn ſie ſich das Chriſtenthum nur als eine verdrießliche Sache vorſtellen. Zwar iſt es ſchwer und fuͤhret viele Leiden mit ſich; al - lein es iſt doch auch durch GOttes Hand leichte und, wegen der Ruhe und der Freude in dem HErrn, anmuthig, und voller Erquickung.
4. Der Unterſcheid der irdiſchen und geiſt - lichen Freude beſtehet unter andern auch darin - nen, daß bie Welt-Freude faſt nur von auſſen durch aͤuſſerliche ſinnliche Dinge entſtehet, und daher, da dieſe ſo gar ſehr veraͤnderlich ſind, gar ofte unterbrochen wird; die Freude in GOtt aber hat ihren Grund im Hertzen oder im Glauben, und in der Beſitzung, auch ferneren Hoffnung der Heyls-Guͤter, und darum iſt ſie beſtaͤndig. Daher Paulus ſagt: Seyd al - lezeit frolich. Siehe auch Luc. 15, 10. Roͤm. 12, 12. 2 Cor. 6, 10. als die Traurigen aber allezeit froͤlich. Phil. 4, 4. Freuet euch im HErrn allewege; und abermal ſage ich euch: Freuet euch.
5. Was das Gebet betrift, ſo iſt das Wort αδιαλείπτως und πάντοτε, ohne unter - laß, allezeit, bereits erklaͤret, c. 1, 2. c. 2, 13. c. 3, 6. nemlich daß es einer Unterlaſſung entgegen geſe - tzet ſey, da man aus Traͤgheit des Hertzens ſich im Gebet gar unfleißig erweiſet, noch auch in ei - nem ſolchen Habitual Gebet bleibet, da das Hertz in ſeinen Begierden erhoben ſtehet, auch mitten unter den Geſchaͤften; da es, wenn ſich auch gleich der Mund nicht dazu reget, im Her - tzen immer heißt: Abba, lieber Vater. Auf welche Art man allezeit beten kan, auch wenn das Actual-Gebet, oder die foͤrmliche, das iſt innerliche und zugleich aͤußerliche, Ubung deſ - ſelben nicht ſtatt findet. Man erwege davon auch folgende Oerter Luc. 18, 1. Rom. 12, 12. Eph. 6, 18. Col. 4, 2. Alſo iſt das Hertz eines Glaͤubigen gleichſam ein Altar GOttes, davon es heißt: Das Feuer auf dem Altar ſoll bren - nen und nimmer verloͤſchen. 3. B. Moſ. 6, 12.
Seyd danckbar (zuvorderſt gegen GOtt im Gebet) in allen Dingen (und alſo auch bey den widrigen Zufaͤllen, in der Verſicherung, daß ſie euch zum beſten dienen muͤſſen, wenn ihr in der Liebe GOttes veſte ſtehet. Roͤm. 8, 28. So machte es Hiob c. 1, 11. 12. und was die goͤttli - chen Wohlthaten betrift, habt ihr GOtt nicht allein fuͤr die groſſen, ſondern auch fuͤr die klei - nern und geringern, wie ſie euch vorkommen, kindlich zu dancken: ſintemal oft das, was am geringſten ſcheinet, ſo wichtig iſt, daß es nach der gnaͤdigen Leitung GOttes viel anders gutes im Segen nach ſich ziehet.) Denn das (τοῦτο, alles das vorhergehende, nicht allein daß ihrFdancket42Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 5. v. 18-21. dancket und betet, ſondern auch daß ihr boͤſes mit gutem vergeltet, und euch unter einander erbauet) iſt der (gnaͤdige, gute und vollkomme - ne Roͤm. 12, 2.) Wille GOttes in Chriſto (in deſſen Anſehung und durch den er ihn geof - fenbahret, und euch zu erkennen gegeben hat; daher ihr denn auch euer Gebet und eure Danck - ſagung in Chriſto zu thun und GOtt zu bringen habt) an euch (die ihr an Chriſtum glaͤubig wor - den ſeyd, daß ihr euren Glauben durch die ſchul - dige Chriſten-Pflichten thaͤtig erweiſet. Siehe auch c. 4, 3. das iſt det Wille GOttes eure Heiligung.)
Gebet und Danckſagung gehoͤret zu - ſammen. Denn da wir der Gnade und Gaben GOttes alle Augenblick genieſſen, und uns vie - les wiederfaͤhret, das wir nicht einmal erken - nen; von dem groſſen Wercke der Schoͤpfung und Erloͤſung nicht zu gedencken; ſo hat ein Menſch, der ſolches erweget, allezeit Urſache, GOTT zu dancken. Denn gleich wie die Danckbarkeit eine Anzeige iſt, daß die empfan - genen Wohlthaten wohl erkennet und wohl an - geleget worden: ſo iſt ſie auch ein Mittel, da - durch der Menſch immer mehrer Gnade faͤhig und von GOTT gewuͤrdiget wird. Und alſo wird es ſonderlich bey GOTT wahr, was man ſonſt unter und von Menſchen ſaget: gratiarum actio eſt ad plus dandum invitatio, die Danck - ſagung iſt eine Reitzung zu einer mehrern Mittheilung. Wie denn auch GOtt durch David Pſ. 50. ſpricht: Wer Danck opfert, der preiſet mich, und das iſt der Weg, daß ich ihm zeige das Heyl GOttes. Wie die Danck - ſagung GOtt durch den Mittler Chriſtum ſoll gebracht werden, davon ſehe man Eph. 5, 20. Col. 2, 6. 7. c. 3, 17. 1 Pet. 2, 5. Hebr. 13, 15.
Den Geiſt (den Heiligen Geiſt in ſeinen Gnaden-Gaben uͤberhaupt, wie ſie ſich bey ei - nem ſelbſt und bey andern befinden, ſonderlich die auſſerordentlichen, welche nicht allen ge - mein ſind; die alſo auch nicht ein ieder ſelbſt hat, ſondern ſie an einigen andern ſiehet) daͤm - pfet nicht (daß ihr ſie wollet gering achten, und damit verurſachen, daß ſie von euch ſelbſt oder andern, welchen ſie zum Dienſte aller uͤbrigen gegeben ſind, wieder genommen werden. Daͤm - pfet ſie ſo gar nicht, daß ihr ſie vielmehr zu erlan - gen, wehrt zu achten und wuͤrdiglich zu gebrau - chen ſuchet. 1 Cor. 12, 31. c. 14, 1.)
1. Was insgemein von dem Geiſte, in Anſehung der Gaben deſſelben geſaget wird, das nimmt man auch billig in dem weiteſten Ver - ſtande, daß es mit auf die Heiligung gehe: Wie wir denn Ap. Geſch. 7, 5. Eph. 4, 30. gewarnet werden dem Heiligen Geiſt nicht zu widerſtehen und ihn nicht zu betruͤben: da doch aber in der er - ſten Kirche vielen Gliedern gantz auſſerordentliche Gaben mitgetheilet wurden, wie ſonderlich an der Corinthiſchen Gemeine Ep. 1. c. 12. und 14. mit mehrern zu ſehen iſt, und der Apoſtel von dieſer generaleren, Erinnerung v. 20. auf die ſpecialere koͤmmt von den Weiſſagungen, und dazu v. 21. auf die Pruͤfung fuͤhret: ſo erhellet daraus dieſes, daß der Apoſtell mit dem Worte Geiſt ſonderlich auf die auſſerordentlichen Gna - den-Gaben geſehen habe.
2. Von dieſen ſaget er, man ſoll ſie nicht daͤmpfen; welches Wort ſonſt eigentlich vom Feuer und vom Licht, ſo auch ein Feuer iſt, ge - brauchet wird, und ſich zur Bezeichnung der Ga - ben des Heiligen Geiſtes ſo viel beſſer ſchicket, ſo viel ausdruͤcklicher dieſelbe Ap. Geſch. 2, 3. un - ter der Feuers-Geſtalt vorgeſtellet ſind; dahin auch die Redens-Art gehoͤret, daß Timotheus die Gaben in ſich ſoll beſtaͤndig ἀναζωπυρει῀ν alſo erwecken und unterhalten, wie man ein Feuer zu unterhalten pfleget. 1 Tim. 1, 6. Siehe auch 1 Tim. 4, 14. Und was die Gaben der Hei - ligung betrift, ſo koͤmmt von dem Heiligen Geiſt her das ζέειν τῷ πνέυματι, bruͤnſtig im Geiſte ſeyn Roͤm. 12, 11.
Die Weiſſagung (es ſey die eigentlich alſo benennete, das iſt, die Gabe vorher zu ſagen, was zukuͤnftig iſt, und ſonderlich die Kirche Chriſti an - gehet, oder die Auslegung und Zueignung der al - ten Prophetiſchen Schriften,) verachtet nicht, (daher, wenn darunter ſich etwa bey dieſem und jenem eine menſchliche Schwachheit hervor thut: welches einige veranlaſſen kan, daß ſie mit Uber - nehmung und Ubereilung in ihrem Urtheil auch alles uͤbrige verachten, und ſich einbilden, als verſtuͤnden ſie alles ſchon beſſer. Siehe 1 Cor. 14, 5. 29. 31. die Weiſſagung habet ihr ſo gar nicht zu verachten, daß ihr ſie vielmehr werth halten, und an denen, die ſie haben, fuͤr eine beſondere Gabe GOttes anſehen und ſie mit ihnen zum Lobe GOttes anwenden ſollet.)
Pruͤfet alles (ſonderlich was an geiſtli - chen Gaben und an Weiſſagungen ſich unter euch findet, und darinnen, wie auch ſonſt, von euren Lehrern vorgetragen wird, das pruͤfet nach dem Probier-Stein der heiligen Schrift) und das gute (welches ihr nach dem allen aͤcht und bewaͤhret findet) das behaltet, (dergeſtalt, daß ihr es nicht allein in das Gedaͤchtniß faſſet, ſondern es auch zur Ubung wohl anwendet, und beſtaͤndig dabey bleibet.)
1. Zur geiſtlichen Pruͤfung gehoͤren un - terſchiedliche wohl zu merckende Stuͤcke; a. Der Grund und die Urſache der Pruͤfung. b. Die zu pruͤfende Sache: c. Die Richtſchnur und Vorſchrift, wornach etwas ſoll gepruͤfet wer - den: d. Derjenige, welcher eigentlich geſchickt iſt zur Pruͤfung: e. Die Pruͤfung ſelbſt: und denn f. die Anwendung deſſen, was in der Pruͤfung fuͤr wahr und recht iſt erfunden wor - den.
Meidet (nicht allein irrige Lehre und boͤſe Wercke, ſondern auch) allen boͤſen Schein, (dadurch man veranlaſſet werden kan, des boͤ - ſen euch zu beſchuldigen.)
1. Es iſt ein rechtes Haupt-Stuͤcke Chriſt - licher Vorſichtigkeit, daß man boͤſen Schein meide; und alſo iſt es dem Gewiſſen nicht alle - mal genug, daß man hierinn und darinn recht hat und unſchuldig iſt, ſondern man hat dabey auch zu erwegen, ob nicht dieſes und jenes, da - von andere die Umſtaͤnde und eigentliche Be - ſchaffenheit nicht wiſſen, koͤnne einen Anſtoß geben; und wenn man das beſorget, und die Sache doch entweder gar unterbleiben, oder auf eine andere Art, oder zu einer andern Zeit ver - richtet werden kan, ſo hat man ſie zu unterlaſſen, oder ſo zu verrichten, daß der Anſtoß dabey weg - falle, oder auch davon nicht einmal entſtehen koͤnne. Unter den erſten Chriſten ging zwiſchenF 2den44Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 5. v. 22. 23. den bekehrten Juden und Heyden manches vor, das einer an ſich zwar mit gutem Gewiſſen thun konte, aber dadurch dem andern doch ein An - ſtoß gegeben wurde, und alſo zu unterlaſſen oder zu aͤndern war. Wie man ſonderlich ſiehet aus Roͤm. 14. und 1 Cor. 8.
2. Es iſt aber auch wohl zu mercken, daß manches an ſich ſelbſt weder unrichtig und boͤſe iſt, noch auch einen boͤſen Schein giebet, ſon - dern nur von uͤbelwollenden und leichtſinnigen Gemuͤthern, die auch wol das beſte verkehren, alſo angeſehen wird: daran man ſich denn nicht zu kehren hat. So machten es die Phariſaͤer bey Chriſte; darum die Juͤnger einmal zu JEſu traten, und ſprachen: Weißt du auch, daß ſich die Phariſaͤer aͤrgerten, da ſie das Wort hoͤreten? Darauf der HErr JESUS antwortete, und ſprach: Alle Pflantzen, die mein himmliſcher Vater nicht gepflantzet hat, die werden ausgereutet. Laſſet ſie fahren, ſie ſind blind und blinde Leiter, u. ſ. w. Matth. 15, 12. 13. 14.
Er aber (ἀυτὸς δὲ, er ſelbſt aber, wolle, auſſer eurer eigenen Treue der Bewahrung, das beſte, wie ich hertzlich wuͤnſche, thun,) der GOtt des Friedes (der uns in Chriſto verſoͤhnet, und uns daher in innigſter Liebe zu allem Segen zu - gethan iſt,) heilige euch (in dem Wege der Erneuerung) durch und durch (ὁλοτελει῀ς, gantz und gar, in allen Theilen und Stuͤcken, alſo, daß ſolche Kraft der Heiligung auf alle Seelen-Kraͤfte gehe, alle Heyls-Guͤter mit ſich fuͤhre, und euch zu allen Stuͤcken und Theilen der Pflichten, in einem rechtſchaffenen Wandel, immer mehr und mehr fertig und tuͤchtig, auch getreu und beſtaͤndig mache:) und euer Geiſt, (die hoͤchſte Kraft der Seele,) ſamt der Seele (in ſo fern ſie es mit dem Regimente des Leibes ſinnlich zu thun hat) und Leib (als das Haus, oder die Huͤtte und das Gevaͤß der Seelen c. 4, 4. 1 Cor. 5, 1.) muͤſſe (in dem angefangenen guten Laufe) behalten werden, unſtraͤflich (alſo, daß daruͤber keine Suͤnde wieder zur Herrſchaft komme, und euch das Ziel verruͤcke,) auf die Zukunft unſers HErrn JESU Chri - ſti, (um dermaleins vor ihm unſtraͤflich erfun - den zu werden, obgleich nicht in der Ordnung ei - ner Verwandelung des durch den Tod unabge - legten Leibes, doch nach der Auferſtehung von den Todten c. 4, 14. u. ſ. w.)
1. Wohl dem, dem GOtt in Chriſto iſt ein GOtt des Friedens, und nicht auſſer Chriſto ein GOtt der Rache Pſ. 94, 1. und der das Zeugniß von der empfangenen Gnade der Rechtfertigung an dem innern Frieden ſeiner Seele in GOTT, und darinnen eines von den Haupt-Guͤtern des Reichs GOttes hat Roͤm. 5, 1. c. 14, 17. Von der Redens-Art, da GOtt ein GOtt des Friedens genannt wird, ſehe man auch Roͤm. 15, 33. c. 16, 20. 1 Cor. 14, 33. 2 Cor. 13, 11. Phil. 4, 9.
2. Es pflegen einige dieſen Ort in den Worten Geiſt, Seel und Leib alſo anzuſehen,als wenn Paulus der menſchlichen Natur drey weſentliche Theile zugeeignet, und die Seel von dem Geiſte, als ein beſonders geiſtliches Theil unterſchieden haͤtte; dazu denn noch einige andere Stellen der heiligen Schrift gezogen wer - den, ſonderlich der Luc. 1, 46. 47. da Maria ſagt: Meine Seele erhebet den HErrn, und mein Geiſt freuet ſich GOttes meines Heylandes. Allein dieſe Meynung hat keinen Grund, ſondern es ſind nur zwey weſentliche Theile des Menſchen; eines das ſichtbare der Leib, das andere das unſichtbare die Seele, welche ihrer Natur nach ein Geiſt iſt, und daher auch oft mit dem Namen des Geiſtes benennet wird.
3. Dieſes erhellet aus folgenden Gruͤnden, als da ſind:
4. Wenn man nun erweget, woher es denn kommen, daß gleichwol 1 Theſſ. 1, 13. und Luc. 1, 46. 47. Seele und Geiſt unterſchieden werden; ſo iſt wol die eigentliche Urſache dieſe, daß die Seele, oder der unſterbliche Geiſt des Menſchen, auf zweyerley Art kan betrachtet werden: erſtlich an ſich ſelbſt, bloß nach ſeinem geiſtlichen Weſen, nach welchem er es mit bloß geiſtlichen Dingen zu thun hat, und auch auſſer dem Leibe beſtehen kan, und alſo auch ohne ſein Geſchaͤfte, ſo er mit dem Leibe hat, betrachtet wird: und denn nach der Oeconomie, nach welcher dieſer unſterbliche Geiſt den Leib, als ſein Haus bewohnet, belebet, reget, beweget und regieret. Jn der erſten Abſicht wird er in angefuͤhrten Schrift-Stellen der Geiſt, in der andern die Seele genannt; wie denn auch daher von dieſer andern Bedeutung, weil die Seele dem Leibe das Leben giebet, das natuͤrliche Le - ben ſelbſt oft mit dem Wort ψυχὴ bezeichnet wird, dahin die Redens-Arten gehoͤren Matth. 2, 20. Sie ſind geſtorben, die dem Kind - lein nach dem Leben ſtunden, (ψυχὴν, See - le ſuchten,) c. 10, 39. wer ſein Leben (ψυχὴν, Seele) findet, der wird es verlieren, u. ſ. w.
5. Da nun die Unwidergebornen und Gott - loſen ihre Seelen nicht betrachten als einen un - ſterblichen Geiſt, alſo daß ſie ſich damit GOtt aufopferten, ihn lieſſen gleichſam neue geboren und zur Handlung mit geiſtlichen Dingen ge - ſchickt werden, ſondern nur auf ihr irdiſches Leben ſehen, und ihren unſterblichen Geiſt allein mit den Dingen dieſes Lebens beſchaͤftiget ſeyn laſſen, ſo heiſſen ſie daher ψυχικοί, 1 Cor. 2, 14. welches Lutherus uͤberſetzet hat natuͤrliche, ψυχικὸς ἄν ϑρωπος, der natuͤrliche Menſch, der dem ϖνευματικῷ, dem geiſtlichen, dem aus dem Geiſte Wiedergebornen, der ſeine Seele als einen un - ſterblichen Geiſt auf GOtt und goͤttliche Dinge gerichtet ſeyn laͤſſet, entgegen geſetzet wird, und daher Jud. v. 19. heiſſen ψυχικοὶ πνεῦμα μὴ ἔχοντες, fleiſchliche, die keinen Geiſt haben. Siehe auch 1 Cor. 15, 44. u. f. alwo σῶμα ψυ - χικὸν ein natuͤrlicher Leib ſoviel iſt, als ein ſterblicher Leib, der von der Seele in die - ſem natuͤrlichen Leben bewohnet und regieret worden.
6. Es laſſen ſich die bisherigen Anmerckun - gen gar wohl erlaͤutern mit einem feinen Ort aus dem ſeligen Luthero, als der bey Erklaͤrung des Lob-Geſanges Mariaͤ, inſonderheit der Worte: Meine Seele erhebet den HERRN, und mein Geiſt freuet ſich GOttes meines Hey - landes Tom. I. Jen. pag. 479. und Tom. I. Altenb. p. 758. alſo ſpricht: Die Schrift theilet an etlichen Orten den Menſchen in drey Theile, da St. Paulus 1 Theſſ. 5, 21. ſagt: GOtt, der ein GOtt des Friedens iſt, der mache euch heilig durch und durch, alſo daß euer gantzer Geiſt, Seel und Leib unſtraͤflich erhalten werde auf die Zukunft unſers HErrn JEſu Chriſti. ‒ ‒Das erſte Stuͤck, der Geiſt, iſt das hoͤch - ſte, edelſte, tiefſte Theil des Menſchen, damit er geſchickt iſt, unbegreifliche, un - ſichtliche, ewige Dinge zu faſſen, und iſt kuͤrtzlich das Haus, da der Glaube und GOttes Wort inne wohnet. ‒ ‒ Das an - dere, die Seele iſt eben derſelbe Geiſt nach der Natur, aber doch in einem andern Wercke, nemlich in dem, daß er den Leib lebendig machet und durch ihn wircket, und wird oft in der Schrift fuͤr das Le - ben genommen. Denn der Geiſt mag wol ohne den Leib leben, aber der Leib lebet nicht ohne den Geiſt. Dis Stuͤck ſehen wir, wie es auch im Schlaf und ohn un - terlaß lebet und wircket, und iſt ſeine Art, nicht die unbegreiflichen Dinge zu faſſen, ſondern was die Vernunft erkennen uud ermeſſen kan. Und iſt nemlich die Ver - nunft hie das Licht in dieſem Hauſe. Und wo der Geiſt nicht mit dem Glauben, als mit einem hoͤhern Licht, erleuchtet dieſes Licht der Vernunft regieret, ſo mag ſie nimmer ohn Jrrthum ſeyn. ‒ ‒ Das dritte iſt der Leib mit ſeinen Gliedern, welches Werck ſind nur Ubungen und Brauch, nachdem die Seele erkant und der Geiſt glaubet. Und daß wir davon ein Gleichniß anzeigen aus der Schrift: Mo - ſes machte ein Tabernackel mit dreyen un - terſchiedlichen Gebaͤuen. Das erſte hieß ſanctum ſanctorum, da wohnete GOtt in - nen und war kein Licht drinnen. Das andere ſanctum, darinnen ſtund ein Leuchter mit ſieben Roͤhren und Lampen. Das dritte hieß atrium, der Hof, der war un - ter dem Himmel oͤffentlich vor der Son - nen Licht. Jn derſelben Figur iſt ein Chriſten-Menſch abgemahlet. Sein Geiſt iſt ſanctum ſanctorum, GOttes Wohnung im finſtern Glauben ohne Licht (nemlich deutlicher Erkentniß, da ſonſt der Glaube an ſich ein Licht iſt) denn er glaubet, was er nicht ſtehet, nicht fuͤhlet, noch begreifet. Seine Seele iſt ſanctum, da ſind ſieben Licht, d. i. aller Verſtand, Unterſcheid, wiſ - ſen der leiblichen ſichtlichen Dinge. Sein Coͤrper iſt atrium, der iſt iederman offen - bar, daß man ſehen kan, was er thut und was er lebet.
7. Dieſes ſind feine Gedancken; ob wol die eigentliche Abbildung der Stifts-Huͤtte und des Tempels nach ſeinen drey Theilen ſonſt auf das Reich Chriſti zu richten iſt, alſo daß der Vorhof die aͤuſſerliche Kirche, das Heilige die Gemeine der wahrhaftig Glaͤubigen hie auf Erden, und das Allerheiligſte den Zuſtand der auserwehlten im Reiche der Herrlichkeit vorſtellt. Und ob es gleich das Anſehen haben moͤchte, als habe Lutherus ſelbſt drey weſentliche Theile des Menſchen ſta - tuiret: ſo iſt doch dieſes ſeine Meynung gar nicht, wenn man ſeine Wort recht erweget. Denn er ſpricht ausdruͤcklich: Die Seele iſt eben der - ſelbe Geiſt, aber doch in einem andern Werck, nemlich in dem, daß er den LeibF 3leben -46Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 5. v. 24-27. lebendig machet, und wiꝛd oft in der Schrift fuͤr das Leben genommen.
Getreu iſt Er, der euch rufet (gerufen hat, und noch rufet; gerufen hat vom Reiche der Finſterniß zum Reiche des Lichts und der Gnaden: noch rufet, nemlich vom Reiche der Gnaden zu dem Reiche der Herrlichkeit) wel - cher wirds auch thun (nemlich das, was er ſelbſt angefangen hat, bewahren und voll - enden.)
1. Der Apoſtel ſetzet in dieſem Context beydes zuſammen, die Treue des Menſchen, daß er die empfangene Gnade wohl anlege; und die Treue GOttes, daß er es an ſeiner Unter - ſtuͤtzung und kraͤftigen Mitwirckung nicht erman - geln laſſe. Fehlet es an einem Stuͤcke, ſo wird das geiſtliche und ewige Heyl nicht erlanget. Denn ohne GOtt vermag der Menſch nichts: und ohne den Menſchen thut GOTT in ſo fern nichts, daß er ihn nicht zwinget, ſondern will, daß er durch ſeine Gnade ſeinen fꝛeyen Willen erwecken laſſe, und ſich treu beweiſe, wie es die ſo weislich gemachte Heyls-Ordnung mit ſich bringet.
2. Daß GOtt iſt πιστὸς getreu, das iſt der veſte Grund, darauf wir bauen τὴν πίστιν den Glauben, und durch den Glauben GOTT alles Gute, das iſt, die Erfuͤllung aller ſeiner Verheiſ - ſungen, zu trauen und uns ihm anvertrauen und uͤberlaſſen. Paulus preiſet dieſe Treue GOttes auch anderwaͤrtig, nemlich 1 Cor. 1, 9. 10, 13. 2 Cor. 1, 18. 2 Theſſ. 3, 3.
3. Ein ieder Leſer gedencke, er ſey ein Be - rufener GOttes, und folge der Stimme GOt - tes, welche auch inſonderheit in dieſem Briefe Pauli an ihn mit ergehet.
Lieben Bruͤder, betet fuͤr uns (gleich - wie ich oben angezeiget habe, daß wir fuͤr euch be - ten Cap. 1, 2.)
1. Man ſiehet hieraus Pauli und ſeiner Ge - huͤlfen hertzliche Demuth; als nach welcher ſie ſich bey dem Reichthum der mitgetheileten Gna - de GOttes, aus der Erkentniß ihrer natuͤrlichen Unwuͤrdigkeit und deſſen, was ihnen noch fehlete, ſowol der Perſon, als dem Amte nach, in einer ſolchen Armuth des Geiſtes finden, daß ſie ſich des Gebets der Theſſalonicher benoͤthigt erachteten. Paulus thut es auch in andern Briefen, als Roͤm. 15, 30. 2 Cor. 1, 11. Eph. 6, 18. 19. Col. 4, 2. 3. 2 Theſſ. 3, 1.
2. So willig GOtt iſt, ſeine Gnade mitzu - theilen und etwas gutes zu ſeinen Ehren zu befoͤr - dern; ſo ſehr erfordert er doch das Gebet. Wo - mit er denn anzeigt, in welcher Ordnung wir den Segen von ihm empfangen ſollen und koͤnnen. Und da zu derſelben ſonderlich das Gebet gehoͤret, ſo fuͤhret er uns damit zugleich auf die ſelige Ge - meinſchaft, in welcher wir mit ihm ſtehen ſollen. Denn ob er gleich das Gute ohne das Gebet ſchen - cken koͤnte, ſo iſt doch ſolches ſeiner Weisheit undder Sache ſelbſt nicht gemaͤß: ſintemal das ge - ſchenckte Gut ohne Gebet nicht recht erkant, viel weniger GOtt daruͤber recht gelobet wird.
3. Man ſiehet hieraus inſonderheit den Character eines rechtſchaffnen Lehrers und Zu - hoͤrers; wie er ſich nemlich im Gebet oder in der Fuͤrbitte erweiſet. Was einen dazu erwecken ſoll, iſt auch dieſes, daß man durch die Fuͤrbitte fuͤr andere des ihnen erbetenen Segens zuvor - derſt ſelbſt theilhaftig wird.
Gruͤſſet alle Bruͤder mit dem heili - gen Kuß (gruͤſſet und ſegnet bey den Zuſammen - kuͤnften euch unter einander, und die, welche auch ſonſt bey Gelegenheit von andern Orten zu euch kommen, oder zu denen ihr kommet) mit dem hei - ligen Kuß (einer geheiligten Bruder-Liebe un - ter Perſonen von einerley Geſchlecht, dem maͤnn - lichen und weiblichen, zur Verbindung und Ver - einigung eurer Gemuͤther mit dem zu erneuren - den und immer mehr zu beveſtigenden Vorſatze, in bruͤderlicher Einigkeit mit einander zu leben. Siehe davon Roͤm. 16, 16. 1 Cor. 16, 20. 2 Cor. 13, 12. 1 Pet. 5, 14.)
Jch beſchwere euch (welchen dieſer Brief wird eingehaͤndiget werden, als da ſonderlich ſind die Vorſteher der Gemeine) bey dem HErrn (lege es euch heiliglich vor dem HErrn auf euer Gewiſſen, daß, woferne ihr, was ich von euch fordere, unterlaſſen ſoltet, ihr eine groſſe Schuld auf euch laden wuͤrdet: welches die allernach - druͤcklichſte Art der Ermahnung iſt: ſiehe des - gleichen Matth. 26, 63. da es aber von dem Ho - hen-Prieſter nur ein Mißbrauch des Namens GOttes war. Ferner Hohe-Lied C. 5, 7. Marc. 5, 7. Apoſt. Geſch. 19, 13.) daß ihr dieſe Epi - ſtel leſen (oder, die nicht leſen koͤnnen, hoͤren) laſſet allen heiligen Bruͤdern. (Siehe Col. 4, 16.)
1. Wenn man keinen andern Beweis von der falſchen Lehre und dem ungoͤttlichen Kirchen-Re - gimente im Pabſtthum haͤtte, als dieſen, daß uͤber - haupt den zur ſo genanten Cleriſey nicht gehoͤrigen Kirch-Gliedern die Leſung der heiligen Schrift verboten iſt, ſo haͤtte man ſchon hieran genug, das heilloſe Weſen daraus zu erkennen. Nemlich die Cleriſey hat kein gut Gewiſſen, ſondern weiß gar wohl, daß ihre Lehre und ihr Leben nebſt dem Kirchen-Regiment der Lehre und dem Leben auch der Ordnung und dem Sinne JEſu Chriſti gantz zuwider iſt. Damit nun das Geheimniß ſolcher ihrer Bosheit nicht moͤge aufgedecket werden, ſo unterſagen ſie dem Volcke die Leſung der heiligen Schrift: und in den Predigten tragen ſie demſel - ben auch nichts weniger vor, als den Rath GOt - tes von dem Grunde und von der Ordnung des Heyls: auf welche Art ſie denn in der gro - ben Unwiſſenheit und im blinden Gehorſam bleiben.
2. Wie ſchoͤn lautet es nicht noch zuletzt von den Theſſalonichern wenn es heißt: heiligenBruͤ -47C. 5. v. 28. an die Theſſalonicher. Bruͤdern. Da dieſe nun vorlaͤngſt bey dem HErrn ſind, ſo werden wir ſie unter andern auch mit in der Triumphirenden Kirche finden, ſo viel unſerer in der wahren Kindſchaft GOttes und folglich auch in dem Bande einer heiligen Bruͤ - derſchaft ſtehen.
Die Gnade unſers HErrn, JEſu Chri - ſti ſey mit euch! Amen!
1. Gnade iſt der Anfang, das Mittel und das Ende dieſes Briefes, und unſers gantzen Chri - ſtenthums, als darauf es eigentlich ankoͤmmt.
2. Wo Gnade iſt, da iſt auch Friede, ſin - temal die Gnade iſt σωτήριος, eine Heyls-volle Gnade Tit. 2, 11. Die den Frieden mit ſich brin - get Roͤm. 5, 1. c. 14, 17. Daher dieſer Wunſch ſo viel in ſich hat, als der zu Anfang geſetzte, da beydes, Gnade und Friede, ausgedrucket wird. c. 1, 1.
3. Dieſe Gnade iſt JEſu Chriſti: als der ſie uns erworben hat, und aus deſſen Fuͤlle wir nehmen Gnade um Gnade Joh. 1, 17. Ap. Geſ. 4, 12. c. 15, 11. Eph. 1, 6.
4. Dieſe Gnade iſt auch GOttes des Va - ters c. 1, 1. als der mit dem Sohn iſt eines We - ſens Joh. 10, 30. und daher ſo wohl des Va - ters, als des Sohnes Gnade geprieſen wird, Roͤm. 3, 24. nicht weniger auch des Heiligen Geiſtes; ſintemal durch deſſen Wuͤrckung und Gemeinſchaft uns die Gnade mitgetheilet wird. Tit. 3, 5. 6. 7. 1 Cor. 12, 3. 4. 5. 6. 2 Cor. 13, 13.
5. Wo die Gnade mit uns iſt, da iſt ſie auch in uns, alſo, daß ſie ihre kraͤftige Wuͤrckung zum Wachsthum und zur Beharrung im guten erweiſet.
6. Gleichwie kein Zweifel iſt, daß die Theſ - ſalonicher, wie den gantzen Brief, alſo auch die - ſen letztern Segens-Wunſch ſich glaͤubig zuge - eignet haben, und zwar ein ieder inſonderheit, und dazu ein glaubiges Amen, oder ja, ja! es ſey und geſchehe alſo, geſaget: ſo hat ihnen auch noch itzo ein ieglicher glaͤubiger Leſer darinn nach zufolgen.
7. Daß aber dieſer Brief nicht von Athen, wie einige Abſchreiber ſchon vor alters dazu geſe - tzet haben, ſondern von Corinthus geſchrieben ſey, iſt in der Einleitung gezeiget worden.
Jnnhalt:
§. I.
VOn der Stadt Theſſalonich, und wie daſelbſt durch Pauli und ſei - ner getreuen Gehuͤlfen, des Silaͤ, oder Silvani und Timothei, Dienſt eine Kirche gepflantzet worden, iſt die Einleitung in dem erſten Briefe nachzuleſen.
§. II. Der Ort, wo ſelbſt Paulus dieſen Brief geſchrieben, iſt allem Auſehen nach auch Corinthus. Denn hieſelbſt hielte er ſich an - derthalb Jahr auf Ap. Geſch. 18, 11. und kamen dahin wieder zu ihm Timotheus und Silas, wel - che er vorher von Athen dahin geſandt hatte. 1 Tim. 3, 1. 6. Ap. Geſ. 18, 5. Da nun Silas und Timotheus hieſelbſt bey Paulo geblieben, und er ihre Namen zu dem ſeinigen im Anfangedes Briefes ſetzet, man auch aus unterſchiedli - chen Stellen, ſonderlich aus der c. 2, 1. 2. wohl ſiehet, daß dieſer Brief nicht gar lange nach dem erſten geſchrieben worden; und Paulus aber nach abgelaſſenem erſten Briefe ſich noch uͤ - ber ein Jahr zu Corinthus aufgehalten hat; ſo ſie - het man daraus wohl, daß auch dieſer Brief daſelbſt geſchrieben ſey. Es iſt demnach der al - ten Abſchreiber ihre Vermuthung, da ſie gemei - net, er ſey zu Athen datiret, unrichtig. Welches bey ihnen daher entſtanden, weil ſie zwar wohl erkannt, daß beyde Briefe von einem Orte ge - kommen, aber aus Veranlaſſung der Stelle, Ap. Geſ. 17, 15. in collation des Orts 1 Tim. 3, 1-6. Athen dafuͤr angeſehen haben; da doch nach Anweiſung der Stelle Ap. Geſ. 18, 5. esCorin -48Erklaͤrung des andern Briefes PauliCorinthus geweſen, dahin Timotheus und Si - las aus Macedonien zu ihm gekommen waren. Fuͤr welchen Ort, als die Haupt-Stadt in Acha - ja, ſich auch am beſten ſchicket, was der Apoſtel 1 Theſſ. 1, 7. 8. von den Theſſ alonichern ruͤhmet, daß ſie nemlich ein Fuͤrbild worden allen Glaͤu - bigen in Macedonia und Achaja.
§. III. Die Zeit dieſes geſchriebenen Briefes laͤßt ſich nun aus dem, was von dem Or - te angemercket iſt, ziemlich errathen. : nemlich daß, da er auch zu Corinthus geſchrieben wor - den, es bald nach dem erſten Briefe geſchehen, etwa noch in demſelben, oder doch in dem nech - ſten darauf erfolgten Jahre. Und hieraus erhellet zugleich ſo viel, daß dieſer Brief der Zeit-Ordnung nach der andere ſey: wie wir denn keine Spure finden, daß einer von den uͤ - brigen Briefen dieſen beyden vorzuſetzen ſey, ſondern vielmehr das Gegentheil ſich findet, wie wir bisher in den Einleitungen uͤber dieſelbe ge - ſehen haben.
§. IV. Die Veranlaſſung zu dieſem Briefe war folgende:
§. V. Der Jnhalt dieſes Briefes iſt nun leichtlich aus dieſer unterſchiedlichen Veranlaſ -ſung zu erkennen; nemlich der Apoſtel ſuchet die glaͤubigen Theſſalonicher unter ihrem vielen Lei - den zu ſtaͤrcken, c. 1. und ſie in der Lehre von der Zukunft Chriſti, und was von der Offenbah - rung des Antichriſts vor derſelben vorherge - hen werde, mit mehrern zu unterrichten c. 2. und unter den guten Erinnerungen von einem fortzu - ſetzenden rechtſchafnẽ Chriſten Wandel die unor - dentlich lebende zu einer guten Ordnung zu brin - gen. c. 3. welcher geſtalt beyde Briefe Pauli die Nachricht Luraͤ von der Theſſalonicenſiſchen Ge - meine erlaͤutern, ſehe man in der Commentatio - ne de vita & Epiſtolis Pauli Sect. II. cap. III. §. XXIV. in 18. Stuͤcken.
§. VI. Die fuͤrnehmſten Materien dieſes Briefes ſind hieraus zu erkennen, nem - lich
§. VII. Stellen, welche vor andern einen beſondern Nachdruck haben, ſind die:
§. VIII. Die ſchwereſte Stellen in die - ſem Briefe, ſind die vom Antichriſt c. 2, 3. u. ſ. f. welche aber am allerbeſten aus der Offenbah - rung Johannis koͤnnen erlaͤutert werden. So iſt auch die Redens-Art c. 2, 11. von Sendung kraͤftiger Jrrthuͤmer nach ihrem richtigen Verſtande wohl zu mercken.
Man kan ſich zwar ſonſt gar ſelten nach der Ordnung der Capitel richten: hie aber ſchicket ſie ſich zur Eintheilung. Denn man ſetzet in die -ſem Briefe gar fuͤglich nach derſelben drey Thei - le. Da denn
Nach der Inſcripiton und dem Seegens - Wunſche c. 1, 1. 2. vorſtellet.
Haͤlt c. 2. in ſich eine Beſchreibung des Antichriſts: alwo man findet.
Faſſet c. 3. in ſich unterſchiedliche Ermah - nungen: als
Dazu koͤmmt der Beſchluß mit einem drey - fachen Segens-Wunſche, und mit einem apo - ſtoliſchen Hand-Gruſſe. v. 16-18.
PAulus und (ſeine getreue Gehuͤlſen, durch welche die Theſſalonicher zum Glauben an Chriſtum ge - bracht ſind,) Silvanus, (ſonſt Silas genannt Ap. Geſch. 15, 40. c. 16, 19-25. c. 17, 4 -- 15. c. 18, 5.) und Timotheus (davon man die Einleitung in den erſten Brief an den Timotheum ſehe) der Gemeine (τῆ ἐκκλησίᾳ, die ihren Namen hat von der angenommenen Berufung GOttes zu ſeinem Gnaden-Reiche) zu Theſſalonich (der groſſen Handels-Stadt in Macedonien) in GOtt unſerm Vater und dem HErrn JE - ſu Chriſto: (zu deſſen Gemeinſchaft ſie durch den Glauben an Chriſtum gelanget iſt; alſo daß ſie nicht mehr allein nach dem Wercke der Er - haltung in GOtt lebet, webet und iſt, nebſt dem gantzen menſchlichen Geſchlecht Ap. Geſ. 17, 28. ſondern vermoͤge des Wercks der Erloͤſung und der eingenommenen Ordnung der Heiligung mit GOtt vereiniget iſt, und in dieſem Verſtand ſich in GOtt befindet. ) v. 2. Gnade ſey mit euch und Friede, (als die rechte Frucht der Gnade und des kurtzen Begrifs aller uͤbrigen Heyls-Guͤter) von unſerm Vater und dem HErrn JEſu Chriſto (von dem man Gnade und Friede ſo viel zuverſichtlicher nehmen kan, ſoviel naͤher man ihm iſt, da man ſich ſchon durch den Glauben, wie zuvor gedacht, in ihm, und durch ihn zugleich in dem Vater befindet.)
Man ſehe von dieſen beyden Verſen ein mehrers im Anſange des erſten Briefes; als darinnen ſie mit gleichen Worten ſtehen. Daß der Brief eigentlich Pauli ſey, ob er ſich gleich Silam und Timotheum, als geweſene Lehrer der Theſſalonicher, zugeſellet, das ſiehet man ſonderlich aus dem Beſchluß dieſes Brieſes, da es heißt: Der Gruß mit meiner Hand, Pau - li: das iſt das Zeichen in allen Briefen, al - ſo ſchreibe ich.
Wir ſollen GOtt dancken allezeit um euch, lieben Bruͤder, wie es billig iſt: denn euer Glaube waͤchſet ſehr, und die Liebe ei - nes ieglichen anter euch allen nimmt zu ge - gen einander.
1. Glaube und Liebe! zwey Haupt - Stuͤcke des Chriſtenthums, die unzertrennlich bey einander ſind. Denn ohne Glauben iſt die Liebe nur bloß natuͤrlich; und ohne Liebe iſt derGGlaube50Erklaͤrung des andern Briefes Pauli Cap. 1. v. 3-5. Glaube nur eine Einbildung, oder auch ein bloſ - ſes Natur-Werck. Der Glaube nimmt, die Liebe giebt: jener die Wohlthaten, oder Heyls-Guͤter; dieſe die Pflichten. Jemehr nun der Glaube nimmt, iemehr hat die Liebe zu geben. Wodurch denn das Geſetz und das Evangelium in beſtaͤndiger Ubung iſt; das Evangelium durch das Nehmen des Glaubens; das Geſetz durch das Geben der Liebe. Und al - ſo ſtehen die beyden Eigenſchaften GOttes, die Gnade mit der Liebe und die Gerechtigkeit mit der Heiligkeit in einer beſtaͤndigen Application. Man ſehe vom Glauben und der Liebe auch 1 Theſſ. 1, 3. Gal. 5, 16. Eph. 1, 15. Jac. 2, 18.
2. Bey den erſten Chriſten fande ſich nicht allein ein rechtſchafner Anfang im thaͤtigen Chri - ſtenthum, ſondern auch ein ernſtlicher Fortgang und Wachsthum: an ſtatt deſſen, daß man es heute zu tage kaum bey einigen zum rechten An - fange bringen kan. Doch hat der HErr noch auch die Seinigen; welche in ſeinen Wegen hur - tig fortgehen und darinnen verharren.
3. Waren nun gleich auch zu Theſſalonich unter der Gemeine einige unordentlichwandeln - de, bey welchen weder rechter Anfang, noch Fort - gang war; wie wir aus dem dritten Capitel er - ſehen: ſo redet doch von denen der Apoſtel alhier nicht: wie er denn auch c. 3, 6. ſaget, daß ſich die rechtſchafnen von ſolchen entziehen ſolten. Von jenen aber lautet es gar ſchoͤn, wenn es heißt: eines ieglichen, unter euch allen gegen ein - ander.
4. Paulus gedencket zwar nur der Liebe gegen einander: weil aber dieſe nebſt dem Glauben auch die Liebe gegen GOTT und die wohlgeordnete Liebe gegen uns ſelbſt zum Grun - de hat; ſintemal wir den Nechſten lieben ſollen, als uns ſelbſt: ſo wird ſolches allerdinge darun - ter mit verſtanden.
5. Ein Kennzeichen eines rechtſchafnen Leh - rers und Zuhoͤrers iſt alhier gar deutlich zu ſehen: des Lehrers, daß er den durch ſein Amt erhaltenen Segen nicht ſich ſelbſt, ſondern GOtt danckbar - lichſt zuſchreibe; eines Zuhoͤrers, daß er ſuche dem Lehrer durch ſeine Folgſamkeit viele Gele - genheit zur Danckſagung zu geben.
Alſo daß wir uns, (ἡμᾶς ἀυτοὺς, wir ſelbſt, außer dem, was andere thun, die von euch hoͤren und wiſſen Ep. 1. c. 1, 9.) euer ruͤh - men (viele Freudigkeit bezeugen) unter den Gemeinen GOttes, von eurer Geduld und Glauben (welcher der ὑπομονῇ, der Geduld und der Beharrung das rechte Leben und We - ſen giebt,) in allen euren Verfolgungen und Truͤbſalen, die ihr duldet. (Siehe Ep. 1. c. 2, 19.)
Gleichwie ein rechtſchafner Lehrer den ſei - ner Arbeit beygelegten Segen nicht zu ſeinem ei - gnen Ruhm, ſondern zum Lobe GOttes anwen - det: alſo richtet auch ein demuͤthiger Zuhoͤrer das ihm gegebne Lob nicht zu ſeiner eignen Er - hebung, ſondern zur ſchuldigen Danckſagung gegen GOtt und laͤßt ſich dadurch anſpornen, inden Wegen GOttes deſto hurtiger und beſtaͤn - diger fortzulauffen.
Welches anzeiget, daß GOTT recht richten wird (die Gottloſen, welche euch ſo viel Truͤbſal anlegen,) und ihr (hingegen) wuͤrdig (gewuͤrdiget) werdet zum Reiche GOttes, uͤber welchem ihr auch leidet. (welches ſind die rechten Leiden um Chriſti und um der Gerechtigkeit willen.)
1. Von Rechtswegen ſolte es denen Glaͤu - bigen, die nach ihrem guten Gewiſſen vor GOtt und Menſchen einher gehen, und niemand be - leidigen, und wider ſich aufbringen, allezeit wohlgehen: den Gottloſen aber, da ſie ſich ſo viel uͤbel zuziehen, uͤbel. Allein es iſt in dieſer Welt oft umgekehret; denn obwol auch der Gottloſe oft viel ſelbſt gemachte Plage hat, Pf. 32, 10. ſo gehet es ihm doch oft eine lange Zeit nach Wunſch; hingegen thut er dem Gottſeligen viel Drangſal an. Da nun keines von beyden ſeyn ſolte, ſo iſt dieſes eine Anzeige, daß ein ſol - cher fuͤr beyderley Art Leute ſich gar nicht ſchi - ckender Zuſtand gar kurtz ſey, und demſelben ein groſſer und baldiger Wechſel bevorſtehe, den Gottloſen zu einem wohlverdienten Gerichte; den Gottſeligen aber nach ihrer Pruͤfung zu ihrer Errettung und Seligkeit.
2. Wir finden demnach alhie das Argu - mentum, das einige Unglaͤubige zur Ver - leugnung der Providentz GOttes mißbrauchen, gerade umgekehret; denn da ſie ſo ſchlieſſen: es gehet den Gottloſen wohl, den Frommen uͤbel, darum iſt keine Providentz GOttes, als welche ſolches nicht zulaſſen wuͤrde; ſo machet Paulus mit Recht dieſen Schluß: Es gehet ‒ ‒ ‒ darum iſt eine Providentz GOttes, welche ſol - ches zwar eine zeitlang zulaͤſſet, und den From - men laͤßt zum beſten gereichen; die doch aber nach dieſem alles eben und gerade machen wird durch gerechte Strafe und gnaͤdige Belohnung.
3. Nimmt ein Kaufmann und ein Soldat, ja faſt ein ieder Menſch ſoviel Ungemach uͤber ſich, um in zeitlichen Dingen dis und das, ſo oft nicht der Rede werth iſt, zu gewinnen; was ſoll denn ein Chriſt nicht uͤber ſich nehmen um des Himmelreichs willen?
4. Jn Anſehung deſſen, daß der Weg des Leidens zur Herrlichkeit fuͤhret, und man nach dem Leiden der Freude’gewuͤrdiget wird, freue - ten die Apoſtel und erſten Chriſten ſich ſchon zum voraus, und hielten die Schmach ſelbſten fuͤr ihre Ehre, und ſich unwuͤrdig, ſolcher um des Namens JESU willen gewuͤrdiget zu werden, Ap. Geſch. 5, 41.
5. Auf Seiten der Gottloſen iſt ein gerech - tes Gerichte, als welche die Strafe wohl ver - dienen: aber auf Seiten der Glaͤubigen eine Wuͤrdigung aus Gnaden; ſintemal zwiſchen ihrem Leiden und der Herrlichkeit gar keine Pro - portion iſt, Roͤm. 8, 18. daher ſie denn ſoviel weniger einige Verdienſtlichkeit haben koͤnnen. Man conferire im uͤbrigen bey dieſem Verſe ſonderlich den Ort Phil. 1, 28.
V. 6.51Cap. 1. v. 6-9. an die Theſſalonicher.Nachdem (ſintemal) es recht iſt bey GOTT (dem Richter aller Welt, der die we - ſentliche Gerechtigkeit ſelbſt iſt) zu vergelten Truͤbſal denen, die euch Truͤbſal anlegen, (alſo daß ſie dagegen keine wahre Buſſe thun, auch dabey gemeiniglich der leiblichen Strafe entgehen.) V. 7. Euch aber, die ihr (um des Reichs GOttes, um der Wahrheit, um der Gerechtigkeit, um Chriſti willen, wie die heili - ge Schrift ſonſt redet, Matth. 5, 10. Luc. 6, 20. 1 Petr. 2, 20. c. 3, 14. c. 4, 14. u. ſ. w.) Truͤb - ſal leidet, Ruhe (nachdem die aͤuſſerlichen Leiden bey dem innern Seelen-Frieden viel aͤuſ - ſerliche Unruhe mit ſich bringen; davon denn eine ſanfte Erloͤſung ſeyn wird) mit uns (Apo - ſteln, die wir vor andern ſolchen aͤuſſerlich oft verunruhigenden Leiden unterworfen ſind; aber auch dagegen die theureſten Verheiſſungen von der herrlichſten Ruhe haben Matth. 5, 10. 11. 12. c. 19, 28.) wenn nun der HErr JESUS wird offenbaret werden vom Himmel ſamt den Engeln ſeiner Kraft, (durch wel - che, als durch ſtarcke Helden Pſalm 103, 20. er die Glaubigen aus allen vier Winden, und die Gottloſen, als Aergerniſſe aus ſeinem aͤuſſerli - chen Reiche der Kirche ſamlen, die Boͤſen von den Gerechten ſcheiden und wider ſie ſeine Straf - Gerichte ausuͤben wird. Matth. 13, 4. 42. 49. c. 24, 31.) V. 8. Und mit Feuer-Flammen (mit welchen der HErr ehemals das Geſetz ge - geben 2 B. Moſ. 19, 16. 17. 18. wie er denn auch Sodom und Gomorrha nebſt der dazu gehoͤri - gen gantzen Gegend, zum Vorbilde des juͤngſten Welt-Gerichts 1 B. Moſ. 19. mit einem Rach - Feuer heimgeſuchet hat, ſiehe Jeſ. 66, 16. 18.) Rache zu geben uͤber die, die GOTT (der - geſtalt) nicht erkennen (daß ſie ihn auch nicht haben recht erkennen, und eben ſo wenig ihm vertrauen und dienen wollen,) und uͤber die, ſo nicht gehorſam ſind dem Evangelio un - ſers HErrn JESU CHriſti (alſo daß ſie daſſelbe in der Ordnung wahrer Bekehrung glaͤubig angenommen haͤtten.) V. 9. Wel - che werden (nicht allein der Seligkeit berau - bet bleiben, ſondern auch) Pein (zur gerech - ten Strafe) leiden, das ewige Verderben, (wenn ſie verſtoſſen werden) von dem (gnaͤ - digen) Angeſicht des HErrn (und hingegen das zornige Angeſicht empfinden, Offenb. 6, 16. 1 Pet. 3, 2. Jeſ. 2, 19. da es heiſſen wird: Wei - chet von mir, ihr Ubelthaͤter! Matth. 7, 23. Gehet hin von mir, ihr Verfluchten in das ewige Feuer, das bereitet iſt dem Teufel und ſeinen Engeln. c. 25, 41.) und von ſeiner herrlichen Macht, (von der Herr - lichkeit und Majeſtaͤt, damit er ſeine Glaͤubigen ſo maͤchtig erretten wird.)
1. Pœna talionis, die Strafe der Wie - dervergeltung hat vieles auf ſich und die unwan - delbare Gerechtigkeit GOttes zum Grunde. Sie aͤuſſert ſich oft ſchon in dieſer Welt mit gewiſſen Vorgerichten: am Ende aber wird ſieuͤber alle mit rechtem Nachdrucke kommen. Da man denn ſehen wird, daß GOtt nicht allein die Liebe, ſondern auch die Gerecheigkeit iſt.
2. Es iſt aber die goͤttliche Wiedervergel - tung nicht von gleicher Art bey den Gottloſen und bey den Glaͤubigen. Denn bey den Gott - loſen geſchiehet ſie nach ihrem eigenen Verdien - ſte boͤſer Wercke; bey den Glaͤubigen aber, de - ren gute Wercke ſehr unvollkommen, und, in ſo fern ſie gut ſind, mehr GOttes Wercke in ih - nen, als ihre eigene ſind, geſchiehet ſie aus Gna - den, in Anſehung eines fremden Verdienſtes, nemlich Chriſti. Und ob gleich inſonderheit dem Wercke der Geduld unter dem Creutze eine groſſe Verheiſſung gegeben iſt, ſo hat dieſelbe doch ihren Grund nicht in den Leiden ſelbſt, als welche gegen die Herrlichkeit gantz keine Propor - tion haben, Roͤm. 8, 17. 18. 2 Cor. 4, 17. ſon - dern in dem Reichthum der Gnade GOttes.
3. Die Zukunft Chriſti wird eine Offenba - rung genennet, um damit anzuzeigen, daß der HErr JESUS vorher nicht gar abweſend ſey; als der geſaget hat: Siehe, ich bin bey euch alle Tage, bis an der Welt Ende, Matth. 28, 20. Siehe auch 1 Cor. 1, 7. Col. 3, 4. 2 Theſſ. 2, 8. 1 Tim. 6, 14. 2 Tim. 4, 1. 1 Pet. 1, 7. c. 5, 4. 1 Joh. 2, 28.
4. Von welcher Beſchaffenheit das flam - mende Feuer ſeyn wird, das laͤßt ſich nicht wohl bey unſerer ſchwachen Erkenntniß ſagen. Ein wahres Feuer wird es wol ſeyn, obgleich kein bloß natuͤrliches oder gemeines: dergleichen in der Wuͤſten uͤber dem Lager der Kinder Jſrael in der Wolcken-Seule, die auch eine Feuer-Seule war, 2 B. Moſ. 13, 21. 22. ſich ſehen ließ, und ein ſichtbares Zeichen der Majeſtaͤtiſchen Gegen - wart des Sohnes GOttes war, wie es auch in ſeiner Zukunft ſeyn wird, da er wird die Execu - tion ſeines Geſetzes vornehmen, welches er auf dem Berge Sinai mit gleicher Majeſtaͤt gegeben hat, 2 B. Moſ. 19. Und gleichwie aus dem Feuer der Wolcken-Seule auch dann und wann ein verzehrendes Rach-Feuer uͤber die muthwilli - gen Ubertreter des Geſetzes GOttes ausging: ſiehe 3 Buch Moſ. 10, 2. alſo wird auch wol dieſes majeſtaͤtiſche Feuer des HERRN, zum Zeugniß, ſeiner in gerechten Gerichten von ihm ausgehend en Gerechtigkeit, wol allem Anſehen nach dieſe ſichtbare Welt anzuͤnden, und zu ih - rer Laͤuterung bringen, 2 Pet. 3, 10. 12. auf welche Art aber auch daher das unausloͤſchliche Feuer der Verdammten entſtehen und davon unterſchieden ſeyn wird, laͤßt ſich nicht ſagen: wohl dem, der es nicht dermaleins empfindet! Matth. 3, 12. cap. 5, 22. c. 8, 8. 9. c. 25, 41. u. ſ. w.
5. Die Verdammniß wird ergehen nicht allein uͤber die Verfolger der Glaͤubigen nach v. 6. ſondern auch uͤber alle uͤbrige Unglaͤubi - gen und Unbekehrten. Und dieſe benennet der Apoſtel theils von ihrer Unerkenntniß GOt - tes, theils vom Ungehorſam gegen das Evan - gelium: da ſich denn jene ſonderlich unter der ſichtbaren Chriſtlichen Kirche, dieſe aber in der -G 2ſelben52Erklaͤrung des andern Briefes Pauli C. 1. v. 9. 10. ſelben befinden, und, auſſer ihrer Unwiſſenheit in goͤttlichen Dingen, auch im Unglauben, ja in einer Widerſetzlichkeit gegen das Evangelium ſtehen.
6. Das GOTT nicht erkennen, zeiget nicht nur einen Mangel der Erkenntniß an nach dem Verſtande, ſondern, nach der Redens-Art der heiligen Schrift, daneben auch zugleich dem Willen nach eine ſolche Bosheit, durch welche man ſich der Erkenntniß widerſetzet, und was man erkannt, durch Bosheit in Ungerech - tigkeit aufhaͤlt und erſticket: wie Paulus von den Heyden ſaget Roͤm. 1, 18. 21. 28. Wird nun dergleichen boshaftige Unwiſſenheit auch gar bey den Gliedern der ſichtbaren, ja der Evangeli - ſchen Kirche erfunden, ſo wird das Gerichte GOttes uͤber ſie deſto ſchwerer ſeyn, ie naͤher ſie die Gnaden-Mittel gehabt haben.
7. Der dem Evangelio gemaͤße Gehorſam iſt eigentlich der Glaube, welcher die darinnen lie - gende Gnaden-Verheiſſungen, in der Ordnung wahrer Bekehrung zu GOtt, ergreifet und ſich zueignet, Roͤm. 1, 5. c. 6, 17. c. 10, 16. c. 16, 26. welcher Glaubens-Gehorſam denn auch den Gehorſam des Hertzens und gantzen Lebens, in Leiſtung der ſchuldigen Pflichten, aus ſich gebie - ret. Und alſo ſpricht Paulus das alhie aus, was unſer Heyland ſaget Marc. 16, 16. wer nicht glaubet, der wird verdammet wer - den. Siehe auch Joh. 3, 16. u. ſ. f.
8. Gleichwie der Glaube iſt voller guter Wercke, ſo iſt der Unglaube voller boͤſer Wer - cke: die denn bey der Seligkeit und Verdamm - niß angeſehen werden: jene mit einer Gnaden - Vergeltung, dieſe mit einer gerechten Beſtra - fung.
9. Die Beſtrafung aber, oder Verdamm - niß, wird nicht allein in damno boni, in Er - mangelung des guten, ſondern auch in ſenſu mali, in der Empfindung des boͤſen beſtehen, wie unter ſo vielen andern auch aus dieſem Orte gar klaͤrlich erhellet.
Wenn er kommen wird, (ἔλ ϑῃ, wird gekommen ſeyn,) daß er herrlich erſcheine mit ſeinen Heiligen, (ἐνδοξασϑῆναι ἐν το῀ις ἁγίοις ἁυτοῦ, um verherrlichet zu werden in ſeinen Heiligen,) und wunderbar mit al - len Glaͤubigen, (καὶ ϑαυμασθῆναι ἐν το῀ις ϖιστέυουσιν, und wunderbar, ein groſſes Wun - der, oder verwunderns-wuͤrdig zu werden, in allen ſeinen Glaͤubigen,) denn unſer Zeugniß an euch von demſelben Tage habt ihr ge - glaubet. (ἐπιστεύθη, iſt geglaubet, oder glau - big angenommen.)
1. Die Parriculæ ε᾽ν ſind alhie ohne alle Noth, und mit Verdunckelung des groſſen Nachdrucks von dem ſeligen Luthero durch mit uͤberſetzet worden. Nun iſt es zwar an dem, daß Chriſtus, wie er mit den Engeln erſcheinen wird v. 7. alſo auch nicht allein in ſeiner Perſon, ſondern auch mit ſeinen Glaͤubigen in der Zu - kunft, wird ſehr verherrlichet werden, als diean ſeiner Herrlichkeit theil nehmen werden: aber es iſt doch der Nachdruck viel groͤſſer, wenn es heißt, er wird in den Glaͤubigen verherrli - chet; denn damit wird nicht allein angezeiget, daß die Glaͤubigen ihre Herrlichkeit von Chri - ſto haben werden; ſondern es wird damit auch die Art und Weiſe angewieſen, in welcher ſie dazu gelangen werden, nemlich in der genaue - ſten Vereinigung und Gemeinſchaft mit Chriſto, alſo daß das herrliche Bild Chriſti, und alſo das Ebenbild GOttes, und Chriſtus gleichſam ſelbſt, nach dem Grunde ſolcher Vereinigung, in ihnen, aus ihnen und an ih - nen leuchte.
2. Den Nachdruck dieſes Orts, und dar - innen dieſes Redens-Art deſto beſſer zu mercken, hat man folgende Stuͤcke wohl zu mercken:
3. Durch die andere Redens-Art, ver - wunderns-wuͤrdig zu werden in allen Glaͤubigen, wird die erſte erlaͤutert; denn es wird damit angezeiget theils die Groͤſſe der Herr - lichkeit an ſich ſelbſt, theils auch wie dieſelbe mit groſſer Verwunderung wird angeſehen werden: wie von den Glaͤubigen ſelbſt zum demuͤthigſten Lobe GOttes, alſo auch von den Gottloſen zum Schrecken, als welches im Buche der Weis - heit c. 5, 1. u. ſ. f. gar nachdruͤcklich alſo vorge - ſtellet wird: Alsdenn wird der Gerechte ſtehen mit groſſer Freudigkeit wider die, ſo ihn geaͤngſtet haben, und ſo ſeine Ar - beit verworfen haben. Wenn dieſelben denn ſolches ſehen, werden ſie grauſam erſchrecken vor ſolcher Seligkeit, der ſie ſich nimmer verſehen haͤtten. Und wer - den unter einander reden mit Reue, und vor Anſt des Geiſtes ſeufzen: Das iſt der, welchen wir etwa fuͤr einen Spott hat - ten, und fuͤr ein hoͤniſch Beyſpiel. Wir Narren hielten ſein Leben fuͤr unſinnig und ſein Ende fuͤr eine Schande. Wie iſt er nun gezehlet unter die Kinder GOt - tes, und ſein Erbe iſt unter den Heiligen. u. ſ. f.
4. Mit wenigen vieles zu ſagen: ſo iſt dieſes eben die Koͤnigliche Wuͤrde der Chri - ſten, davon der Apoſtel redet; da ſie theils mit Chriſto werden in gewiſſer maſſe auf ſeinem Thron ſitzen und die Welt mit richten, gleichſam als Gerichts-Aſſeſſores: Offenb. 3, 21. 1 Cor. 6, 2. theils auch vor dem Throne GOttes, davor ſie ſtehen, mit weiſſen Kleidern angethan ſeyn, und guͤldene Cronen auf ihren Haͤuptern tragen; davor ſie auch niederfallen, und zum Zeugniß deſſen, daß ſie ihre Cronen von dem Sohne GOttes gleichſam zur Lehne haben, oder von ihm zu Koͤnigen gemachet ſind 1 Pet. 2, 9. Of -fenb. 1, 5. 5, 10. dieſelbe von ihren Haͤuptern wer - fen und ſagen: HErr, du biſt wuͤrdig zu neh - men Preis und Ehre und Kraft u. ſ. w.
5. Heilige und Glaͤubige ſtehen an dieſem Orte bey einander, alſo daß eines das andere er - laͤutert. Denn es iſt keine wahre Heiligung, wo ſie den Glauben nicht zu ihrem Grunde und da - durch die unerſchoͤpfliche Gnade GOttes zur im - mer offenſtehenden Qvelle hat. So iſt auch kein Glaube rechtſchaffen, wo er ſich nicht durch die Heiligung als einen ſolchen erweiſet.
6. Chriſtus wird ſich herrlich erweiſen in allen ſeinen Glaͤubigen und wunderbar werden in allen ſeinen Heiligen, keinen eintzigen ausge - nommen, auch die nicht, die in der Heiligung und im Glauben noch ſchwach ſind, und auch in ſol - cher Schwachheit verſterben: wenn ſowol der Glaube, als die angefangene Heiligung in ihnen nur rechtſchaffen und kein bloſſes Natur-Werck geweſen iſt.
7. Nach dem Griechiſchen Texte gehoͤren die Worte ἐν ἡμέρᾳ ἐκείνῃ an demſelbigen Tage oder an jenem zu den vorhergehenden Worten ἐν ϖᾶσι τ〈…〉〈…〉 ι῀ς πιστεύουσιν: und die Worte: denn unſer Zeugniß an euch (das an euch gekommen iſt) habt ihr geglaubet, oder iſt glaubig angenom - men worden, ſtehen in parentheſi. Da hinge - gen Lutherus die particulam ἐν durch von ge - geben und die Wort von oder an jenem Tage mit zur parentheſi gezogen hat.
8. Die parentheſis ſelbſt machet einen Ge - genſatz auf die vorhergedachten Unglaͤubigen und zeiget zugleich die Ordnung an, in welcher die Glaͤubigen zur ewigen Ruhe und Herrlichkeit ge - langen wuͤrden, nemlich in demſelbigen Glauben, mit welchem ſie dieſe theure Wahrheit hatten an - genommen und bisher behalten.
Und derohalben beten wir auch alle - zeit fuͤr euch (alſo daß wir es bey einigen malen nicht laſſen, ſondern, ſo oft wir fuͤr die Gemeinen beten, wir euer zugleich inſonderheit mit geden - cken: ſiehe V. 3. und Ep. 1. Cap. 1, 2.) daß un - ſer GOtt (den wir mit euch gemein haben durch den Glauben, und zu dem wir uns alles Gutes verſehen koͤnnen) euch wuͤrdig mache des Be - rufs (auch zu dem, was der Beruf GOttes vor - haͤlt, nemlich die gedachte kuͤnftige groſſe Herr - lichkeit, das unſchaͤtzbare Kleinod Phil. 3, 14. im - mer mehr zubereite und beveſtige; ſintemal ſol - ches keinen, als nur denen, die es in Chriſto nach der Heyls-Ordnung recht faͤhig und alſo auch werth ſind, zu theil wird) und erfuͤlle (ferner zur voͤlligen Ausfuͤhrung, wie er ſchon zu erweiſen angefangen hat) alles Wohlgefallen der Guͤte (allen in Chriſto gegen uns von Ewigkeit her getragenen gnaͤdigen Willen, uns durch ihn mit allerley Heyls-Guͤtern zu beſeligen) und das Werck des Glaubens in der Kraft (als darauf es auf unſerer Seiten eigentlich ankoͤmmt, um der Guͤte und Guͤter GOttes in Zeit und Ewigkeit theilhaftig zu werden.)
1. Ε[υ]υδοκία, das gnaͤdige WohlgefallenG 3GOt -54Erklaͤrung des andern Briefes Pauli C. 1. v. 11. 12. GOttes iſt die Liebe und Gnade, welche GOtt in Chriſto zu dem gantzen menſchlichen Geſchlech - te zur Widerbringung ihres Heyls und ihrer Seligkeit traͤget. Da Chriſtus im alten Teſta - mente durch die Opfer vorgebildet wurde, ſo iſt den Opfern in Anſehung Chriſti, als des rechten Verſoͤhn-Opfers〈…〉〈…〉, ὀσμή ἐυωὸίας, ein ſuͤſſer erqvicklicher und beruhigender Geruch zum oͤftern zugeſchrieben 3 Buch Moſ. 1, 6. 13. 17. u. ſ. f. Weil nun Chriſtus das Ge - genbild davon war; ſo ſpricht der himmliſche Vater von ihm: Dis iſt mein lieber Sohn, ἐν ῷ ἐυδόκησα, in welchem ich Wohlgefal - len habe, in welchem ich meine ε᾽υδ〈…〉〈…〉 κίαν, mein gnaͤdiges Wohlgefallen gegen das menſch - liche Geſchlecht erweiſe Matth. 3, 7. 17,〈…〉〈…〉. Siehe auch Jeſ. 42, 1. u. f. Matth. 12, 18. Eph. 1, 5. 6. 9. 11. Welches Wohlgefallen GOttes in Chri - ſto, nachdem er war geboren worden, von dem Engel proclamiret wurde Luc. 1, 14.
2. Gleichwie nun GOtt ſolches ſein gnaͤdi - ges Wohlgefallen der Application nach darin anfaͤngt zu beweiſen, wenn er den Menſchen alſo zur Widergeburt bringet, wie Jacobus davon ſpricht βουληϑεὶς α᾽πεκύησεν ἡμας, nach ſeinem gnaͤdigen Willen hat er uns widergeboren durch das Wort der Wahrheit Cap. 1, 18. uns auch die Suͤnde vergiebt und zu Kindern an - nimt, und alſo auch in ſolcher Zueignung der Verdienten allgemeinen Gnade angenehm ma - chet in dem Geliebten Eph. 1, 6. und uns ſolcher geſtalt tuͤchtig und wuͤrdig machet zum Erbtheil der Heiligen im Licht; und uns verſetzet in das Reich ſeines Geliebten Sohnes Col. 1, 12. 13. alſo ſetzet er daſſelbe fort in dem Laufe der Erneuerung, und bringet es zur Vollendung bey der Einfuͤh - rung aus dem Reiche der Gnaden in das Reich der Herrlichkeit. Dahin Pauli Wunſch gehet. Und ſiehet man aus ſolcher Erfuͤllung und Voll - endung, wie es darinnen alles auf die Mittheilung der Guͤte, oder der Heyls-Guͤter in Chriſto, an - komme.
3. Da nun von GOttes Seiten eine ſol - che Vollfuͤhrung und Vollendung des angefan - genen Heyls zu erbitten und zu erwarten iſt; ſo koͤmmt es auf Seiten des Menſchen auf den Glau - ben an, womit er ſolches groſſe Gut theils erbittet, theils auch erwartet, und ſchon nach und nach em - pfaͤnget. Dannenhero Paulus dabey des Wercks des Glaubens in der Kraft ge - dencket: und zwar dergeſtalt, daß es von GOtt, wie angefangen, alſo auch unterhalten, und hin - aus gefuͤhret werden muͤſſe. Da denn Paulus nicht zweifelte, es wuͤrden die Theſſalonicher ſich in ſolcher Ordnung halten, daß ſolche anerbo - tene goͤttliche Wirckung bey ihnen koͤnne Platz behalten. Wie denn dieſes allemal die Pflicht derer iſt, fuͤr welche zu GOtt gebetet wird, daß ſie nemlich dahin ſehen, daß der Segen und die Frucht von ſolcher Fuͤrbitte nicht moͤge verhindert werden, ſondern Eingang finden.
4. Daß der Apoſtel durch das Werck des Glaubens nicht verſtehe das Werck, welches aus dem Glauben, als eine Frucht vom Baume, koͤmmt; ſondern den Glauben ſelbſt in ſeiner rech -ten Conſtitution, nach welcher er ſeine rechte Hypoſtaſin und aller falſchen Einbildung entge - gen ſtehende Realitaͤt hat Hebr. 3, 14. 11, 1. das iſt bey den Anmerckungen, uͤber 1 Theſſ. 1, 3. al - wo er eben dieſe Redens-Art gebrauchet, ſchon erinnert. Petrus rechnet dazu τὸ ὸοκίμιον, die rechte Probe 1 Pet. 1, 7. Damit aber Paulus den ſchon an ſich nachdruͤcklichen Worten von der Erfuͤllung, oder Vollfuͤhrung des Wercks des Glaubens in der Kraft, ſo viel mehrern Nachdruck geben moͤchte, ſo ſetzet er dazu ἐν δυνάμει; damit er auch dieſes anzeiget, daß zur Vollendung ſoviel Kraft gehoͤre, als zur Anzuͤndung des Glaubens; als welchen er der Kraft GOttes mit mehrern gar nachdruͤcklichen Worten Eph. 1, 19. 20. zu - ſchreibet, wenn er ſpricht: Zu erkennen, welche da ſey die uͤberſchwengliche Groͤſſe ſeiner Kraft an uns, die wir glaͤuben nach der Wirckung ſeiner maͤchtigen Staͤrcke, wel - che er gewircket hat in Chriſto, da er ihn von den Todten auferwecket hat u. ſ. w. ſo heißt es denn nun recht nach[:]Pet. 1, 5. Wir werden aus GOttes Macht durch den Glauben bewahret zur Seligkeit. Wie denn der alſo angezuͤndete und unterſtuͤtzte, auch vermehrete Glaube der Sieg iſt, der die Welt uͤberwindet. 1 Joh. 5, 4.
Aufdaß an euch (auch in euch ἐν ὑμῖν, v. 4.) gepreiſet werde der Name unſers HErrn JEſu Chriſti (daß er heißt und ſich in der That erweiſet, als unſern HErrn oder Je - hovah, als unſern JEſum, oder Heyland, und als unſern Chriſtum, oder Meßiam den Geſalbe - ten, der nach der menſchlichen Natur zum Mitt - ler-Amte, und alſo zum Hohen-Prieſter, Koͤnige und Propheten mit aller Fuͤlle der Gottheit ohne Maaß geſalbet iſt, und das an ſich vollbrachte Werck der Erloͤſung an ſeinem gantzen geiſtlichen Leibe ſo herrlich hinaus fuͤhret) und ihr an ihm (ἐν〈…〉〈…〉 υτῷ in ihm, ſintemal die Verklaͤrung Chriſti in euch auch die Verklaͤrung eurer in Chriſto mit ſich bringet: alſo daß man wird ſagen koͤnnen: O welch eine groſſe Herrlichkeit iſt es, welche Chri - ſtus ſeiner Perſon, ſeinem Amte, ſeinem Stande der Erloͤſung, und darinnen ſeinen Wercken nach an und in ſeinen Glaͤubigen offenbaret! und welch eine Herrlichkeit und Seligkeit iſt es nicht, die die Glaͤubigen in ihm haben!) durch die Gnade unſers GOttes (als auf welche es im Wercke der Seligkeit vom Anfang bis zu Ende eigentlich ankoͤmmt) und des HErrn JEſu Chriſti (in deſſen Mittler-Amte die Gnade ihren Grund hat, und aus deſſen Fuͤlle wir nehmen Gnade um Gnade Joh. 1, 17. Siehe auch Eph. 1, 6. 13.)
Die Verherrlichung Chriſti in den Glaͤubigen, und der Glaͤubigen in Chriſto wird ſich ſonderlich im ewigen Leben mit voller Kraft und voller Freu - de hervorthun, da ſie das Heilig Heilig Hei - lig mit einem Hallelujah nach dem andern in vol - len Choͤren mit den Schaaren der heiligen Engel anſtimmen werden, wie ſonderlich in der Offen -barung55Cap. 2. v. 1. 2. an die Theſſalonicher. barung Johannis Cap. 4, 8. u. ſ. w. 5, 9. u. ſ. w. 7, 10. u. ſ. w. 11, 15. u. ſ. w. 12, 10. u. ſ. w. 14, 1. 15, 3. u. ſ. w. 19, 1. u. ſ. w. vorgeſtellet wird. Und davon machen die Glaͤubigen auch ſchon im Rei -che der Gnaden einen geſegneten Anfang, alſo daß ſie ſelbſt GOttes Namen verherrlichen, ihrent und anderer wegen, auch andern dazu mit Lehr und Leben Gelegenheit geben.
ABer der Zukunft halben un - ſers HErrn JESU CHriſti, und unſerer Verſammlung zu ihm (davon wir auch im er - ſten Briefe Cap. 4, 16. 17. 5, 1. 2. 3. geſchrieben haben, welches aber von einigen nicht recht gefaſſet, von etlichen auch wol gar verkehret worden) bitten (und ermahnen) wir euch lie - ben Bruͤder, daß ihr euch nicht bald be - wegen laſſet (wie ſich ein Schiff vom Winde hin und her treiben laͤßt) von eurem Sinn (von dem Sinn, welchen ihr unlaͤngſt aus unſerm muͤndlichen Vortrage davon eingenommen und wohl gefaſſet habet: davon habet ihr niemals ab - zugehen, viel weniger ſo bald nach meinem Abzu - ge) noch erſchrecken (oder in ſolche beunruhi - gende Ungewißheit ſetzen, daß ihr, vor Erwartung des allernaͤchſten Anbruchs der Zukunft Chriſti und des Welt-Gerichtes, nicht wiſſet, was ihr in ſolchen euren aͤuſſerlichen Geſchaͤften, welche eine vorſichtige Uberlegung und Einrichtung aufs kuͤnftige erfordern, vornehmen und anfangen ſollet) weder durch Geiſt (wenn iemand ſich disfals auf eine vom Heiligen Geiſte eingegebene unmittelbare Offenbarung berufen wolte) noch durch Worte (als waͤre dieſes irgendwo von uns muͤndlich alſo vorgetragen worden) noch durch Briefe, als von uns geſandt) als waͤre unſer im erſtern Briefe von der Zukunft Chriſti ausgedruckter Sinn dahin gegangen) daß der Tag Chriſti fuͤrhanden ſey (alſo daß man alles haͤusliche Weſen muͤſſe ſtehen und liegen laſſen, und nur auf die Zukunft Chriſti warten.)
1. Es hatte der Apoſtel die Theſſalonicher gleich anfangs unter andern Glaubens-Lehren in der Lehre von der Zukunft Chriſti und der damit verknuͤpften Auferſtehung von den Todten und dem Welt-Gerichte ſorgfaͤltig unterrichtet: wie ſie denn auch zur Gruͤndung des Glaubens oder zu den erſten Grund-Wahrheiten gehoͤren Hebr. 6, 2. Und weil ſolche Lehren noch nicht in allenStuͤcken richtig genug begriffen worden waren, ſo gab er ihnen in dem erſten an ſie geſchriebenen Briefe davon eine mehrere Information Cap. 4, 13-18. 5, 1-3. Da er ſich nun unter andern der Worte bedienet hatte, daß der Tag des HErrn kommen wuͤrde, wie ein Dieb in der Nacht, und das Verderben die Gottloſen ſchnell uͤberfallen wuͤrde; ſo erweckte dieſes bey einigen die Gedan - cken, als wenn die Zukunft Chriſti ſchon taͤglich, ja ſtuͤndlich, zu erwarten ſey. Und dis hat man - chen einen ſolchen Eindruck gegeben, daß ſie daher in eine groſſe Ungewißheit geſetzet worden, ob ſie auch ferner etwas von haͤuslichen und buͤrgerli - chen Geſchaͤften, ſonderlich ſolchen, welche ſchon beyzeiten aufs kuͤnftige in der Haushaltung und Handelung muͤſſen beſorget werden, ſolten an - greifen, oder nicht, und nicht vielmehr nur allein im Gebet und lauter geiſtlichen Ubungen verhar - ren. Ja es ſcheinen auch einige ihre Faulheit, da ſie nicht Luſt hatten zu arbeiten, damit beſchoͤniget zu haben: wie aus dem erſten Briefe Cap. 4, 11. und aus dieſem andern Cap. 3, v. 10. 11. 12. nicht undeutlich zu ſchlieſſen iſt.
2. Hierauf ſiehet der Apoſtel, wenn er ſpricht, es ſollen ſich die Theſſalonicher davon nicht bereden und erſchrecken laſſen weder durch Geiſt, noch durch Wort, noch durch Brie - fe. Da er denn durch das Wort den ehemali - gen muͤndlichen Vortrag, durch den Brief die erſte an ſie geſchriebene Epiſtel verſtehet, wie er denn auch nur des Briefes in der einzeln Zahl gedencket. Es kan aber auch wohl ſeyn, daß ſich unter der Hand einige falſche Lehrer gefunden, welche vorgegeben, daß der Apoſtel dergleichen anderwaͤrtig muͤndlich und ſchriftlich bezeuget ha - be: wie man faſt deutlich genug daraus abneh - men kan, daß er dieſen Schluß des Briefes ma - chet: der Gruß mit meiner Hand Pauli das iſt das Zeichen in allen Briefen, alſo ſchreibe ich. Die Griechiſchen Worte[ὼ]ς δ〈…〉〈…〉 ἡμῶν als durch uns, oder von uns, gehen auf bey - des, auf das Wort und auf den Brief; und kan demnach das Wort bezeuget und geſchrie - ben dazu verſtanden werden.
3. Weil56Erklaͤrung des andern Briefes Pauli C. 2. v. 3. 4.3. Weil nun unter den Theſſalonichern un - terſchiedliche, nebſt der Gabe der Auslegung der heiligen Schrift, die eigentliche Gabe der Weiſ - ſagung aus unmittelbarer Eingebung des Heili - gen Geiſtes hatten, die der Apoſtel nicht will ver - achtet, aber auch alſo gepruͤfet wiſſen, daß man das erkante wahre und gute behalte 1 Thoſſal. 5, 19-21. und alſo mit der Weiſſagung gefehlet werden konte, auch vielleicht einige damit in der Verkuͤndigung der Zukunft Chriſti gefehlet hat - ten, ſich auch wol eigentliche falſche Propheten mochten einzuſchleichen ſuchen; wie aus der dazu geſetzten Warnung vor Verfuͤhrung erhellet: ſo ſiehet man wohl, warum der Apoſtel warnet, daß ſich auch niemand durch den Geiſt, oder durch eine als vom Heiligen Geiſte eingegebene Offenba - rung ſolte irre machen laſſen. Siehe 1 Joh. 4, 1. Jer. 29, 8. Matth. 24, 4.
Laſſet euch niemand verfuͤhren (laſſet euch in aͤuſſerlicher Berufs-Arbeit nicht irre ma - chen noch dadurch in eine groſſe Verſuchung und Zweifel ſetzen des gantzen Evangelii wegen, wenn ihr ſehet, daß das, was ihr nach dem Evangelio von der Zukunft Chriſti gewiß erwartet habet, nicht ſo gleich erfolget) in keinerley Weiſe (weder durch Geiſt, oder eine vorgegebene Offen - barung, noch durch Wort und Brief, als ruͤhre es von unſerm muͤndlichen oder ſchriftlichen Vor - trag her.) Denn er koͤmmt nicht, es ſey denn, daß zuvor der Abfall komme, und offenbaret werde der Menſch der Suͤn - den, und das Kind des Verderbens (das Apocalyptiſche Thier, oder der groſſe Antichriſt und durch ihn ein ſolcher Abfall von Chriſto, daß er ſich anbeten laſſe. Offenb. 13.)
Nach den Worten laſſet euch niemand verfuͤhren in keinerley Weiſe ſind im Sinne zu ſetzen dieſe Worte: er koͤmmt nicht, nem - lich der Tag des HErrn, und alſo der HErr ſelbſt zum Gerichte: wie es der ſelige Lutherus gar wohl gegeben hat.
2. Der Menſch der Suͤnden iſt nicht al - lein[ἁ]μαρτωλος, ein grober Suͤnder, ſondern auch ein ſolcher Suͤnder, welcher andere auf eine gar entſetzliche Art ſuͤndigen machet, und zur Suͤnde, ſonderlich des Abfalls von GOtt, verfuͤh - ret und alſo ein rechter Urheber iſt des in den letz - ten Zeiten uͤberhandnehmenden gottloſen We - ſens: gleichwie vom Jerobeam ſtehet, daß er Jſrael ſuͤndigen gemachet 1 B. Koͤn. 12, 27. u. f. 14, 16. wie hernach auch der gottloſe Achab mit der abgoͤttiſchen Jſabel that Cap. 16, 29. 30. u. f.
2. Das Kind des Verderbens iſt alhie, welcher dergeſtalt aus dem Abgrunde des Ver - derbens koͤmmt, und im aͤuſſerſten Verderben lieget, daß er auch andere ins Verderben ſtuͤrtzet, ſonderlich in das geiſtliche und ewige, und daher endlich auch ſelbſt zum gerechten Gerichte ins ewi - ge Verderben faͤhret, nachdem er das Maaß der Suͤnden recht voll gemachet hat. Es wird dieſe Redens-Art ſonſt von dem Verraͤther Juda ge -brauchet; als von welchem unſer Heyland ſpricht Joh. 17, 12. Die du mir gegeben haſt, die habe ich bewahret, und iſt keiner von ihnen verlohren, ohne ἐι μὴ ὑιὸς τῆς ἀπωλε〈…〉〈…〉 ας, ohne das verlohrne Kind, das Kind des Verderbens.
3. Beydes, wie auch das folgende, wird alhie vom Antichr iſt geſaget. Und eben die - ſer iſt das zehen-hoͤrnichte apocalypti ſche Thier Off. c. 3. welcher alhie genannt wird der Menſch der Suͤnden, weil ſich in ihme alle Suͤnde und Bosheit gantz zuſammen concerniret finden in dem allergroͤßeſten und recht uͤberflieſſen - den maße: gleichwie in Chriſto, dem er ſich ent - gegen ſetzet, alle Fuͤlle der Gottheit leibhaftig wohnet. Und wie greulich er die Menſchen zur Suͤnde, ſonderlich des Abfalls von GOtt ver - fuͤhret, das wollen wir bald vernehmen. Und dieſer Antichriſt heißt auch ein Kind des Ver - derbens, weil es aus dem Verderben koͤmmt, darinnen lieget, darein fuͤhret, und ſelbſt zum endlichen Gericht ins Verderben geworfen wird. Es koͤmmt aus dem Verderben. Denn es ſteiget auf aus dem Abgrunde des Ver - derbens, da der Drache her iſt, Off. 11, 7. und nachdem es geweſen, ſo ſteiget es aus demſelben wieder hervor, und, nach dem es durch ſeine heilloſe Lehre viele ins Verderben gefuͤhret hat, ſo faͤhret es endlich ſelbſt ins Verderben und Verdammniß, ja wird in den feurigen Pfuhl geworfen c. 17, 8. 19, 20.
4. Dieſer Menſch der Suͤnden wird of - fenbahret werden. Denn nachdem er ſich vorher ſchon lange genug in ſeinen Gliedern ge - reget und geaͤuſſert hat, ſein antichriſtiſches We - ſen auch denen, welchen GOtt geoͤfnete Augen gegeben hat, nicht verborgen geblieben iſt: ſo wird er doch in der letzten Zeit mit ſonderm Nach - druck offenbahret werden: theils durch ſeine Erhebung, da er ſich an Chriſti ſtatt ſetzen und anbeten laſſen wird; theils durch das Zeugniß der Knechte GOttes, welche ſein Bild nicht al - lein nicht anbeten, ſondern ihn auch anſchreyen und vor aller Welt, als die Brut des Drachen entdecken, und daruͤber ihr Leben laſſen werden: wie wir bey der Erklaͤrung des 11. 12. und 13. Capitels der Offenbahrung Johannes mit meh - rern ſehen werden. Von dieſer Offenbahrung ſpricht Paulus hernach in dieſem Capitel v. 9. Welches Zukunft geſchiehet nach der Wuͤr - ckung des Satans mit allerhand luͤgen - haften Kraͤften und Zeichen und Wun - dern.
5. Da nun in dieſen Worten von dem letz - tern groſſen Antichriſt die Rede iſt; ſo iſt leicht - lich zu erachten, was fuͤr ein Abfall alhie ver - ſtanden werde: nemlich nicht ein gemeiner, noch auch dieſer und jener beſondere Vorfall der Kir - che, oder darinnen gewiſſer Gemeinen und Per - ſonen, davon die Oerter Luc. 8, 13. und Hebr. 3, 12. nebſt dem 1 Tim. 4, 1. handeln: ſondern der - jenige, deſſen in der Offenbahrung Johannis von den letztern Zeiten des Antichriſts gedacht wird. Davon es c. 12, 9. heißt, daß der Drache, die alte Schlange, die da heißt der Teufel undSatanas,57Cap. 2. v. 3. 4. an die Theſſalonicher. Satanas, der die gantze Welt verfuͤhret, ſey mit ſeinen Engeln auf die Erde geworf - fen: nemlich mit einem groſſen Zorn auf eine kleine Zeit v. 12. Es wird aber der auf die Erde geworfene Drache dem Thiere ſeine Kraft, ſei - nen Stuhl und ſeine groſſe Macht geben, alſo daß die von GOTT abtruͤnnige Leute das Thier anbeten und von ihm ſprechen: Wer iſt dem Thiere gleich, und wer kan mit ihm kriegen. c. 13, 2. 4. Es findet ſich dem - nach der groſſe Abfall von der Apoſtoliſchen Lehr[e]und Regierungs-Form zwar allerdinge zuvorderſt im Pabſtthum; als dem rechten Anti-Chriſtenthum: er wird ſich aber auch dabey auf eine beſondere Art durch das Apoca - lyptiſche Thiere hervor thun: davon, um dieſen gantzen Text deſto genauer einzuſehen, bey dem folgenden Verſe etwas mehrers zu erinnern ſeyn wird.
Der da iſt ein widerwaͤrtiger, (der Widerchriſt, der ſich Chriſto und ſeinem Rei - che entgegen ſetzet,) und ſich uͤberhebet uͤber alles, das GOTT, oder GOttes-Dienſt, heißt, alſo daß er ſich ſetzt in den Tempel GOttes, als ein GOTT (der die Gewiſſen, darinnen GOtt, als in ſeinem Tempel, ſeinen Sitz hat, beherrſchet) und giebet ſich fuͤr, er ſey GOtt (ein goͤttlicher Statthalter auf Erden. Dan. 11, 36-39.)
1. Daß ὁ ἀντικέιμενος, der Widerwaͤrtige, alhier ſo viel ſey, als ἀντίχριστος, der Wider - Chriſt, zeiget, nebſt der Sache ſelbſt, auch das Wort nicht undeutlich an. Durch die Worte, πάντα λεγόμενον ϑεὸν, uͤber alles, das GOtt heißt, werden die hohen Haͤupter dieſer Welt verſtanden, welche bey den Hebraͤern mit dem Namen〈…〉〈…〉 benennet werden, nach 1 Cor. 8, 6. 2 B. Moſ. 22, 9. Und der Verſtand dieſer Worte wird damit erlaͤutert, daß das Wort σέβασμ〈…〉〈…〉, welches etwas demuͤthig, doch nicht eben goͤttlich, zuverehrendes heißt, dazu geſetzet wird. Es wird demnach alhier angezeiget, daß der Widerwaͤrtige ſich einer goͤttlichen Au - ctoritaͤt und Herrſchaft, nicht allein uͤber die Kirche, als den geiſtlichen Tempel GOTTes, ſondern auch uͤber die weltlichen Regenten, an - maſſen wuͤrde.
2. Da es bey allen Interpretibus, welche von den gantz ungegruͤndeten Grotianiſchen Gloſſen, wodurch dieſer Text vom Kaͤyſer Ca - jo Caligula erklaͤret wird, abgehen, eine aus - gemachte Sache iſt, daß alhier von dem Anti - chriſt die Rede ſey, ſo iſt vor fernerer Erklaͤ - rung des gantzen Contextes zuvorderſt die Fra - ge zueroͤrtern: Was denn durch den Anti - chriſt eigentlich zu verſtehen ſey; ob nicht, auſſer der Abſicht auf das ſchon gedachte Roͤ - miſche Kirchen-Regiment, ſonderlich auch auf das ſchon erwehnte Apocalyptiſche Thier ge - ſehen werde? Dabey folgendes zu mercken iſt:
3. Ob nun gleich der Pabſt allerdinge der Antichriſt und ſein Kirchen-Regiment antichri - ſtiſch iſt; ſo iſt es doch wol der Unterſuchung werth, ob nicht das Off. 13, 1. u. f. beſchriebene Thier in einem noch ſpecialern Verſtande koͤnne der Antichriſt genennet werden? Denn wer nur in den apocalyptiſchen Sachen ein wenig geuͤbet iſt, der ſiehet gar leicht, daß ge - dachtes Thier ſich goͤttliche Ehre und Auctori - taͤt nimmt, auf eine gantz beſondere Art uͤber die Gewiſſen herrſchet, und die, welche ſich nicht beherrſchen laſſen, aufs grauſamſte bis zum ge - waltſamen Tode verfolget, und daß dieſe um des Namens JEſu willen Martyrer werden; und folglich daß es ſich in der Kirche GOttes an Chriſti ſtatt ſetzet; doch aber im hoͤchſten Grad Chriſto und ſeinem Reiche zuwider iſt, und da - her auch von ihm in den feurigen Pfuhl geworf - fen wird: darum es ſich alhier billig fraget: ob es nicht in einem gar eigentlichen und dem eng - ſten Verſtande koͤnne der Antichriſt genennet werden!
4. Es iſt aber alhier zuvorderſt wohl zu mercken, daß das apocalyptiſche Thier von der Babyloniſchen Hure unterſchieden ſey; und zwar wie in ſehr vielen andern alhier nicht anzufuͤhrenden Stuͤcken, alſo ſonderlich darin - nen, daß es von der Hure zwar anfangs ſich beherrſchen laͤßt, aber mit ſeinen Gehuͤlfen ſie endlich verwuͤſtet; und wider die glaͤubigen Glieder Chriſti eine zwar auf eine kurtze Zeit re - ſtringirte, aber dagegen noch haͤrtere Verfol - gung erreget, als das geiſtliche Babel ſchon ſo lange her veruͤbet hat. Kurtz zu ſagen: ſo wenigdie Braut Chriſti, Chriſtus ſelbſt iſt, ſo wenig iſt die Babyloniſche Hure das Thier.
5. Jſt nun aber das apocalyptiſche Thier von dem geiſtlichen Babel unrerſchieden, dieſes aber das Roͤmiſche Kirchen-Regiment, wie alle Evangeliſche einmuͤthig bekennen; ſo fraget ſich aufs neue, ob nicht das Wort antichriſt in einem beſondern Verſtande auch von dem be - ſagten Thiere koͤnne gebrauchet werden; und zwar wie nach einer ſehr genauen Harmonie mit dem Roͤmiſchen Kirchen-Regimente, alſo auch in einem mercklichen Unterſcheide von dem - ſelben?
6. Weil die Materie von dem apocaly - ptiſchen Thiere nach dem Unterſcheide, welchen es von dem Roͤmiſchen Kirchen-Regimente hat, und nach der Beſchaffenheit, nach welcher es den Namen des Antichriſts in einer beſondern Application verdienet, von vielen Interpre - tibus der Offenbarung, auch von dem gelehr - ten Herrn Vitringa ſelbſt, meiner wenigen Er - kentniß nach, nicht recht eingeſehen iſt; ich aber davon in dem bekanten Buche der Berliniſchen Hebopfer, nemlich in der darinnen an ſtatt des 16. 17. und 18. Beytrages p. 467. u. f. befind - lichen kurtzen Eroͤrterung des Haupt-Jnn - halts der heiligen Offenbarung St. Jo - annis eine viel richtigere Einſicht finde; ſo er - achte ich es nicht undienlich zu ſagen, einiges davon hieher zu ſetzen, theils auch nur zu recen - ſiren. Darauf ich denn das Urtheil dem geuͤbten Leſer uͤberlaſſen will, ob nicht Paulus, auſſer der gemeinen Abſicht auf das Papiſtiſche Kir - chen-Regiment, an dem gegenwaͤrtigen Orte ſein beſonders Abſehen auf mehrgedachtes Thier gehabt habe, und dieſes in einem beſon - dern Verſtande koͤnne und muͤſſe der Antichriſt genennet werden?
Nachdem §. 10. u. f. p. 492. u. f. unter - ſchiedliches von dem Thier in gar richtigem Ver - ſtande mit eingefloſſen iſt, ſo heißt es §. 15. Daß die Verfolgungs-Zeiten unter der Hu - ren und unter dem Thiere von einander unterſchieden ſind, kan man aus dem 17ten Capitel gantz deutlich erkennen. Denn da wird im Anfange die Hure vorgeſtellet, wie ſie das Thier mit den 7. Haͤuptern und 10. Hoͤrnern reitet, oder regieret; hernach a - ber v. 16. wie ſie von den 10. Hoͤrnern ge - haſſet und verwuͤſtet wird: welche 10 Hoͤr - ner, oder Koͤnige, ihre Macht und Gewalt nicht weiter der Huren, ſondern dem Thie - re geben, c. 17, 13. und mit demſelben wider das Lamm ſtreiten werden. Wie nun eine andere Zeit iſt, da die Hure das Thier re - gieret, und eine andere Zeit, da, nach dem die Hure verwuͤſtet worden, das Thier mit ſeinen 10. Hoͤrnern allein regieret: alſo iſt auch eine beſondere Zeit, da die Zeugen JEſu von der Huren, und eine beſondere, da ſie von dem Thiere verfolget werden. Und da das Thier mit ſeinen 10. Hoͤrnern eine Zeitlang noch allein regieret, nach dem die Hure ſchon verwuͤſtet iſt; ſo fol -get,59Cap. 2. v. 4. an die Theſſalonicher. get, daß die Verfolgung der Glaͤubigen unter der Huren wird vorhergehen, und die unter dem Thier wird darauf folgen. Ja wir ſchlieſſen daraus noch mehr, daß die Seelen unter dem Altar, welche im fuͤnften Siegel um Rache ſchreyen, unter dem Regiment der Huren ſind erwuͤrget worden: Diejenige aber, von welchen da - ſelbſt Erwehnung geſchicht, daß ſie auch noch dazu kommen ſolten, unter dem Re - giment des Thieres, deſſen Zeit wir bald ſuchen wollen, die Maͤrter-Crone em - pfangen werden. Ferner wird §. 17. nach Off. 11, 2. Die Zutretung der heiligen Stadt, welche von den Heyden geſchehen und 42. Mon - den waͤhren ſoll, in das Regiment des Thie - res geſetzet. Und §. 21. heißt es unter andern: Da nun die Vertilgung des Thieres mit dem ſechſten Siegel, der ſiebenden Poſau - ne, und den ſieben Zorn-Schalen, in wel - chen lauter Gericht und Unruhe geweſen, zu Ende lauffet, wie wir oben §. 18. 19. ge - ſehen, ſo bleibet nichts mehr uͤbrig als daß wir die 1000. Jahre zu der halbſtuͤndigen Stille im Himmel, in dem ſiebenden Sie - gel c. 8, 1. rechnen, woſelbſt wegen der Bin - dung des Satans Ruhe und Stille ſeyn wird. u. f. Die Offenb. 3, 10. verkuͤndigte Stunde der allgemeinen Verſuchung wird §. 74. auch gar recht in die noch kuͤnftige Zeit des Thieres geſetzet. Conf. §. 92. 93.
7. Sonderlich gehoͤret hieher der §. 142. da der Herr Auctor das geiſtliche Babylon nicht allein dem Regimente der Hure, ſondern auch der Herrſchaft des Thiers zuſchreibet, und daher einen gedoppelten Fall Babels ſta - tuiret, und ſpricht: Der erſte, da Babel fallen wird in dem Regiment der Huren nach c. 14, 8. und c. 18, 2. der andere, da es fallen wird in dem Regiment des Thieres, nach c. 16, 19. Und ferner §. 143. Das geiſtli - che Babylon iſt demnach eine ſolche Regi - ments-Verfaſſung, da man ſich in geiſtli - chen Dingen eine abſolute Herrſchaft uͤber die gantze Chriſtenheit anmaßet, und alle dieſelben, die ſich hier widerſetzen, verfol - get und gaͤntzlich zu verderben trachtet. Dieſe Characteres werden wir nun nicht al - lein an der Huren c. 17, 2. 3. 6. ſondern auch c. 13, 7. 8. 15. an dem Thiere gewahr: und beſtehet alſo das geiſtliche Babylon an ſich ſelbſt, ſo wohl unter dem Regiment der Hu - ren, als des Thieres: nur daß es erſt fallen wird, in ſeinem erſten Oberhaupt der Hu - ren; und hernach wird es auch fallen in dem Thier; und damit wird denn Baby - lon voͤllig ſeine Endſchaft erreichen. Jſt nun aber dem alſo, wer koͤnte denn daran zweif - feln, daß das apocalyptiſche Thier, nebſt dem Roͤmiſchen Kirchen-Regimente, der eigentlich - ſte Antichriſt ſey, und Paulus 2 Theſſ. 2. nebſt jenem ſonderlich auf das Thier geſehen habe? Man conferire ferner §. 153. auch 155. da ge - zeiget wird, daß wir das Regiment des Thie -res noch nicht haben, und es alſo noch erſt offenbaret werden muß. Jmgleichen §. 157. da der Ort 2 Theſſ. 2, 9. 10. von dem Thiere und falſchen Propheten erklaͤret wird. Und §. 158. ſind vor andern folgende Worte merckwuͤrdig: Was unter dem Pabſt zehnfach boͤſes ge - weſen iſt, das wird unter dem Regiment des Thieres hundertfach aͤrger ſeyn. Son - derlich aber ſind alhier zu erwegen die §. 159. 160. und 161. da es unter andern in Verglei - chung des Reichs Pharaonis und des Thieres heißt: Die Regierungs-Art des Thieres wird unter andern c. 11, 8. ein geiſtliches Aegypten genennet. Das Thier iſt der Pharao in dieſem Aegypten. Denn es will auch nicht wiſſen, daß es noch einen HErrn im Himmel uͤber ſich habe, ſondern fodert von den geiſtlichen Jſraeliten einen unein - geſchraͤnckten Gehorſam, nicht allein in aͤuſſerlichen Dingen, ſondern auch in Reli - gions - und Gewiſſens-Sachen. Gleichwol wird GOTT ſeine Jſraeliten aus dieſem Aegypten durch groſſe Gerichte heraus fuͤh - ren. u. ſ. w.
8. Dieſes alles, und was noch ſonſt dazu gehoͤret, halte ich fuͤr eine gar richtige Einſicht von dem apocalyptiſchen Thiere. Dabey ich nun folgende Fragen ſtelle, und ſie des in Pro - phetiſchen Schriften geuͤbten Leſers eigener Be - urtheilung uͤberlaſſe:
Gedencket ihr nicht daran, daß ich euch ſolches ſagte, da ich noch bey euch war.
Man ſiehet hieraus, daß die Apoſtel die glaͤubigen Chriſten nicht allein in denjenigen Haupt-Stuͤcken der Chriſtlichen Lehre, welche zum Grunde und zur Ordnung des Heyls gehoͤ - ren, ſondern auch in den uͤbrigen Puncten, und in allen dem, was auf die letzte Ausfuͤhrung al - ler Wercke im Reiche GOttes gehet, getreulich unterrichtet haben. Es iſt demnach kein Fuͤr - witz, wenn noch heute zu tage Lehrer, auch Zu - hoͤrer, welche von hinlaͤnglicher Faͤhigkeit ſind, ſich das ſtudium propheticum, oder die Er - kentniß deſſen, was in der Heil. Schrift auf die noch kuͤnftigen Zeiten gehet, zur fleißigen For - ſchung laſſen empfohlen ſeyn; zumal da wir den letztern Zeiten ſo nahe gekommen ſind.
Und was es noch aufhaͤlt, wiſſet ihr, daß es offenbar werde (ἐις τὸ ἀποκαλυφϑῆναι ἀυτὸν, auf daß er, der Widerwaͤrtige, offenbar werde,) zu ſeiner Zeit.
1. Dieſes τὸκατέχον iſt das Roͤmiſche Reich. Denn ſo lange, als dieſes in ſeinem rechten Stan - de bleibet, ſo lange wird der Antichriſt an demſel - ben eine Hinderung haben: Wie wir denn auch aus den vorigen Zeiten wiſſen, wie ſehr ſich die Roͤmiſchen Kayſer dem Pabſtthum entgegen ge - ſetzet haben. Daß die Vaͤter der erſten Kirche dieſen Ort, oder das, was die Offenbarung des Antichriſts aufhaͤlt, vom Roͤmiſchen Reiche ver - ſtanden, und darum, um nicht in die Zeiten des Antichriſts zukommen, GOtt um den Wohl - ſtand des Roͤmiſchen Reichs angeruffen haben, das ſehe man bey dem ſel. Calovio in ſeinen Bi - bliis illuſtratis.
2. Da nun aber das antichriſtiſche Kir - chen-Regiment ſchon von vielen Seculis her be - reits offenbar genug geworden iſt, und der Apo -ſtel von einer ſolchen Offenbarung handelt, wel - che durch das Roͤmiſche Reich aufgehalten wird; ſo hat man hiebey wieder zu erwegen, was ſchon vorher gedacht iſt: nemlich ob nicht dieſer gan - tze Text, außer dem, daß er ſich auch gar wol auf erwehntes Kirchen-Regiment ſchicket, am aller eigentlichſten von dem Danieliſchn kleinem Horn und apocalyptiſchen Thiere zu verſtehen, und alſo auch dieſes in einem beſondern Verſtande der Antichriſt ſey?
Denn es reget ſich ſchon die Bosheit heimlich, ohne das, der es aufhaͤlt, muß hin - weg gethan werden.
1. Das Wort heimlich heißt im Griechi - ſchen ein Geheimniß. Es wird der antichriſti - ſchen Bosheit ein Geheimniß zugeſchrieben, weil ſie vor der rechten Offenbarung ſehr ver - deckt und verborgen ſeyn wuͤrde: und iſt mit dem Worte Geheimniß auch ohne Zweifel zugleich auf den groſſen Schein des Rechtens, unter welchem man die abſcheulichſte Bosheit treiben wuͤrde, geſehen worden.
2. Dieſes Geheimniß der Bosheit ſte - het dem Geheimniß der Gottſeligkeit im Rei - che Chriſti entgegen 1 Tim. 3, 16. Denn gleichwie im Reiche Chriſti iſt das groſſe und vielfache Ge - heimniß der Weisheit, der Wahrheit und alles rechtſchafnen und gottſeligen Weſens: alſo iſt hingegen das Reich des Antichriſts auch recht Geheimniß-voll, weil darinnen alles heilloſe Weſen unter einem ſo groſſen Schein des Got - tesdienſtes getrieben wird, daß viele tauſend Menſchen die darunter liegende Tiefe des Sa - tans und groſſe Macht der Thorheit, des Jrr - thums und der Schalckheit nicht einſehen, und ſich daher jaͤmmerlich bethoͤren und hinter das Licht fuͤhren laſſen. Siehe Off. 2, 24.
3. Ehe aber das Antichriſtenthum auf eine recht grobe Art eingetreten iſt, hat es ſich ſchon von der Apoſtel Zeit an in manchen verfuͤhriſchen Geiſtern hervorgethan: welches Paulus nen - net, daß es ſich ſchon rege. Man ſehe davon un - ter andern 1 Joh. 2, 18. c. 4, 3. Ep. 2, 7. Ep. 3, 9.
4. Gleichwie die Worte: was es noch aufhaͤlt v. 6. vom Roͤmiſchen Reiche zu ver - ſtehen ſind: alſo gehen darauf auch die letztern Worte dieſes Verſes: muß hinweg gethan werden. Welches wie es geſchehen werde, aus unterſchiedlichen Orten Danielis c. 7. und der Offenbarung Johannis c. 17. 18. zu erklaͤren iſt, und ſich alhier nicht ſo kurtz faſſen laͤßt.
5. Dieſes iſt aber alhier, zur Erlaͤuterung des gantzen Contextes, wohl zu mercken, daß, wenn das Roͤmiſche Reich die Offenbarung des Antichriſts aufhaͤlt, noch eine beſondere Offen - bahrung deſſelben bevorſtehe, und ſie, ſo lange das Roͤmiſche Reich ſtehet, noch nicht geſchehen werde: und daß demnach in dieſem Contexte durch den Wiederwaͤrtigen, auſſer dem ſchon laͤngſt geoffenbareten Roͤmiſchen Kirchen-Regi - mente, noch etwas anders zu verſtehen ſey, nem - lich das apocalyptiſche Thier.
6. Jm61Cap. 2. v. 7-10. an die Theſſalonicher.6. Jm uͤbrigen iſt zu mercken, daß bey den letztern Worten eine ellipſis, und ſie alſo zu er - gaͤntzen iſt, wenn man den Text uͤberſetzet: allein der (ihn) itzt aufhaͤlt (wird ihn auf halten) bis er (nemlich der Aufhaltende) aus dem Wege geraͤumet werde: oder alſo: nur (hat man zu warten, oder wird es noch mit der Offenbarung dauren,) bis daß, der (ihn) auf haͤlt, hinweg gethan wird.
Und alsdenn wird der Boshaftige offen - baret werden, welchen der HErr (Chriſtus den Antichriſt) umbringen wiꝛd mit dem Geiſt ſeines Mundes, und wird ſein ein Ende ma - chen durch die Erſcheinung ſeiner Zukunft.
1. Dieſer Boshaftige, ἄνομος, wird auch ein rechter ἀντίνομος ſeyn, der ſich wider alles Geſetz GOttes auflehnet, und ſich nach Dan. 7, 25. un - terſtehen wird, Zeit und Geſetz zu aͤndern.
2. Die Offenbarung wird eben dadurch geſchehen, daß er es ſo arg treiben wird, wie Dan. 7, 8. 21. 25. c. 8, 9. 10. 17. c. 11, 36. u. f. wie auch Off. 13. beſchrieben iſt: da ſich denn auf Seiten der Gottloſen der groſſe Abfall finden wird.
3. Die Worte von Erſcheinung der Zukunft Chriſti gehen auf das Off. 6, 12. u. f. c. 19. be - ſchriebene Gericht uͤber das geiſtliche Babel.
4. Von dem Geiſte des Mundes Chri - ſti, wodurch der Boshaftige in dem itzo gedach - ten Gerichte ſoll umgebracht werden, ſehe man Jeſ. 11, 4. Off. 1, 16. c. 19, 15. 21.
5. Man ſiehet alhier aufs neue, daß dieſer gantze Text ſonderlich auf das apocalyptiſche Thier gehet: ſintemal nach den zuvor angefuͤhr - ten Orten Danielis und der Offenb. Joh. Chri - ſtus das Thier, als den Antichriſt, umbringet; und zwar alsdenn erſt, wenn die groſſe Babylo - niſche Hure von dem Thiere ſelbſt und von ſeinen Gehuͤlfen ſchon vorher wird verwuͤſtet und zu Grunde gerichtet ſeyn. Von der demſelben be - ſtimten kurtzen Zeit, worinnen es noch offenbar werden muß, und nach welcher es umkoͤmmt, ſe - he man Dan. 7, 25. Off. 13, 5.
Deß, welches Zukunft geſchiehet nach der Wirckung des Satans, mit luͤgenhaf - ten Kraͤften, und Zeichen und Wundern: und mit allerley Verfuͤhrung zur Ungerech - tigkeit, unter denen, die verloren werden, dafuͤr, daß ſie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, daß ſie ſelig wuͤrden.
1. Gleichwie die Zukunft Chriſti geſchiehet nach der Wirckung GOttes des himmliſchen Vaters, von welchem und dem Heiligen Geiſte ihme nach der menſchlichen Natur alle goͤttliche Vollkommenheit und Majeſtaͤt iſt mitgetheilet worden: alſo wird die Zukunft, oder Offenba - rung, des Antichriſts geſchehen nach der Wir - ckung des Satans. Und von dieſer haben wir den ſehr nachdruͤcklichen Ort in der Offenbarungc. 13, 2. alwo von dem Satan, oder Drachen, ge - ſaget wird, daß er dem Thiere ſeine Kraft, und ſeinen Stuhl und ſeine groſſe Macht ge - geben. Daraus man ſiehet, daß in dem An - tichriſt alle Sataniſche Bosheit recht vollkom - men zuſammen concentriret wird gefunden werden. Man erkennet aber auch aus dieſem Kennzeichen der Ankunft (welches die Offenba - rung iſt) des Widerwaͤrtigen, daß damit in dem gantzen Contexte eigentlich auf das apocalypti - ſche Thier geſehen werde.
2. Und da ſich die Wirckung des Satans mit allerley luͤgenhaften Kraͤften, und Zeichen und Wundern, hervor thun wird: ſo finden wir auch hievon eine Erlaͤuterung in der Offenba - rung, wie nemlich ſolche falſche Wunder-Kraͤf - te, dem Thiere zu Dienſte, durch den falſchen Propheten, als den Waffen-Traͤger des Thie - res, geſchehen, c. 13, 11. u. f. Jch ſahe ein ander Thier aufſteigen von der Erden, und hatte zwey Hoͤrner, gleichwie das Lamm, und re - dete wie der Drache: und es thut alle Macht des erſten Thieres vor ihm, und es machet, daß die Erde, und die darauf woh - nen, anbeten das erſte Thier: und es thut groſſe Zeichen, daß es auch machet Feuer vom Himmel fallen vor den Menſchen: und verfuͤhret die auf Erden wohnen um der Zeichen willen die ihm gegeben ſind zu thun vor dem Thier, u. ſ. w. Und in ſolchen Dingen aͤuſſern ſich δυνάμεις Kraͤfte, nemlich der Finſter - niß, da der Satan, aus GOttes Zuloſſung, al - les ſein Vermoͤgen anſtrecket. Und ſolche Kraͤfte ſind zugleich σημει῀α Zeichen, welche auſſerlich vor den Sinnen des Menſchen ausdrucken, was ſie innerlich nach dem Abgrunde des Verder - bens in ſich halten: und τέρατα, Wunderdin - ge, ſind ſolche Zeichen, in Anſehung der Ver - wunderung, welche mit Entſetzen, ja mit Erſtau - nen, bey den Kindern der Finſterniß daher entſte - het. Es ſind Kraͤfte, Zeichen und Wunder, ψένδους, der Luͤgen, das iſt, luͤgenhaft und vol - ler Blendwerck, alſo, daß ſie von den wahren Wunderwercken, welche GOtt allein thun kan, Pſ. 72, 18. 115, 3. 135, 6. u. f. gar ſehr unterſchie - den ſind, auch von den Knechten und Kindern Got - tes gar leichtlich koͤnnen unterſchieden werden.
3. Hingegen aber werden durch ſolches Blendwerck diejenigen, welche verloren gehen, verfuͤhret, alſo daß, da ſie ſchon ſelbſt boͤſer Art ſind, ſie noch immer mehr zu aller Ungerechtig - keit, und ſonderlich zu der, welche im Drucke und in der Verfolgung rechtſchaffener Knechte und Kinder GOttes beſtehet, ſich verfuͤhren und hinreiſſen laſſen: welches aber aus ihrer eigenen Schuld geſchehen wird: ſintemal ſie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, daß ſie ſelig wuͤrden. Und alſo ſind ſie nicht aus einem abſoluten Rathſchluß GOttes von der Selig - keit ausgeſchloſſen, ſondern ſie haͤtten ſollen und koͤnnen ſelig werden; werden aber der Seligkeit aus eigener Schuld verluſtig. Die Liebe der Wahrheit, oder zur Wahrheit, nicht anneh - men, iſt durch die vorgehaltene und an das Ge -H 3wiſſen62Erklaͤrung des andern Briefes Pauli. Cap. 2. v. 10-13. wiſſen gelegte Wahrheit ſich nicht uͤberzeugen laſſen, oder, ſo man ja iſt uͤberzeuget worden, ihr nicht ſo weit Platz geben, daß man ſie bey der Uberzeugung lieb gewinne, und ſie in Liebe wil - ligſt annehme; ſondern ſie hingegen haſſen, ver - laͤſtern, und die Zeugen der Wahrheit verfolgen; ſonderlich daher, weil man ſich durch die Wahr - heit innerlich beſtraft befindet, und ſolches fuͤr unertraͤglich haͤlt.
4. Da das Roͤmiſche Kirchen-Regiment, als das geiſtliche Babel, und die Off. 17. 18. re - præſentirete und mit gar merckwuͤrdigen Na - men benennete Koͤniginn, mit dem apocalypti - ſchen Thiere, auf welches ſie reitend vorgeſtellet wird, in einem Geiſte und in genaueſter Uber - einſtimmung ſtehet; ſo hat man ſich auch daruͤ - ber nicht zu verwundern, daß des Thieres falſche Wunder-Kraͤfte ſchon von ſo langen Zeiten her eines von denjenigen Griffen und Kuͤnſten des Satans ſind, wodurch ſo viel tauſend Seelen be - thoͤret worden, und noch heute zu Tage bethoͤret werden: obwol das darunter verſirende heillo - ſe und betruͤgliche Weſen der Pfaffen und Muͤn - che ſo oft handgreiflich genug iſt entdecket wor - den. Solches alles aber iſt nur noch ein Vor - ſpiel von dem, was zur Zeit des Thieres durch ſei - ne falſche Propheten geſchehen wird.
Darum wird ihnen GOTT kraͤftige Jrrthuͤmer ſenden, daß ſie glauben der Luͤgen: auf daß gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht glauben, ſondern ha - ben Luſt an der Ungerechtigkeit.
1. Wie die Suͤnde, alſo iſt die Strafe. Die Suͤnde war der Haß gegen die Wahrheit: daher fuͤhret die Strafe eine tiefere Verſen - ckung in die Jrrthuͤmer mit ſich: gleichwie hin - gegen die Liebe zur Wahrheit dieſen Segen nach ſich ziehet, daß man immer mehr in alle Wahr - heit geleitet wird, und ſie immer tiefer und gruͤndlicher einſiehet.
2. Es ſind die Unwahrheiten und Betruͤ - gereyen denen, welchen die Augen des Gemuͤths nur ein wenig geoͤffnet ſind, oft ſo handgreiflich, daß man ſich hoͤchlich verwundern muß, wie es doch immer mehr zugehe, daß Leute davon koͤn - nen eingenommen werden; aber was thut die wohlverſchuldete Verblendung des Satans nicht?
3. Wenn dem lieben GOtt die Sendung der kraͤftigen Jrrthuͤmer zugeſchrieben wird, ſo wird damit nichts mehr angezeiget, als dasjeni - ge richterliche und gerechte Verfahren GOttes, da er die muthwillige Verſtoſſung der Wahr - heit und Beliebung alles luͤgenhaften und irri - gen Weſens nicht gewaltſamer Weiſe verhin - dert, ſondern mit Entziehung ſeiner gemißbrauch - ten Gnade zulaͤßt; daher es denn geſchiehet, daß der Menſch immer weiter und aͤrger verfaͤllt. Man ſehe desgleichen 1 B. Koͤn. 22, 22. Pſ. 81, 13. Roͤm. 1, 24.
4. Bey dem Gegenſatze der Worte: die der Wahrheit nicht glauben, ſondern ha -ben Luſt an der Ungerechtigkeit; da der Wahrheit die Ungerechtigkeit, an ſtatt des Jrrthums, oder der Luͤgen, und dem Glau - ben das Luſt haben, an ſtatt des Unglaubens entgegen ſtehet, erkennen wir, daß die Wahrheit auch die Gerechtigkeit, und hingegen die Unge - rechtigkeit die Luͤgen nebſt dem Jrrthum mit ſich fuͤhre: nicht weniger auch, daß der Glaube eine Luſt bey ſich habe zur Gerechtigkeit, und daß die - ſe Luſt, oder das richtige Wohlgefallen an der Gerechtigkeit, nicht ohne Glauben ſey.
Wir aber (da wir uns ſamt euch durch GOttes Gnade im Gegenſatz gegen ſolche un - glaͤubige Verfuͤhrer und Verfuͤhrete, in einem ſo geſegneten Stande des Glaubens befinden,) ſollen GOtt dancken (als von welchem durch unſern Dienſt derſelbe herruͤhret,) allezeit (ſo oft wir euer im Gebet gedencken, 1 Theſſ. 1, 2. 2 Theſſ. 1, 3.) um euch, geliebete Bruͤder von dem HErrn, (die ihr alſo geliebet ſeyd nebſt al - len andern Menſchen, daß ihr der Zueignung nach auch der Liebe wircklich theilhaftig worden ſeyd,) daß euch GOtt erwehlet hat von An - fang (ſchon von Ewigkeit her) zur Seligkeit, in der Heiligung des Geiſtes und im Glau - ben der Wahrheit, (in der Ordnung des vor - her geſehenen Glaubens, der ſich an die Evange - liſche Wahrheit, und in derſelben an Chriſtum haͤlt, und von dem Heiligen Geiſte in der Beru - ſung und Bekehrung, damit ſich die Heiligung anhebet, angezuͤndet iſt.)
1. Es iſt dieſer Ort von der Gnaden-Wahl wohl zu mercken; und zwar nach dieſen Stuͤcken, die da ſind: a. Die bewegende Urſache: b. Die Ordnung, in welcher; und c. Die ei - gentliche Beſchaffenheit, wenn, wie und wo - zu ſie geſchehen iſt.
2. Die bewegende Urſache iſt GOttes Liebe und lautere Gnade, nach welcher der Apo - ſtel die Theſſalonicher nennet von GOtt Ge - liebte. Von ſolcher Liebe, oder Gnade, heißt die Wahl eine Gnaden-Wahl, oder Wahl aus Gnaden, im Gegenſatze auf unſere eigene verdienſtliche Wercke; als welche bey uns gantz unerfindlich ſind. Roͤm. 11, 5. 6. Es iſt aber die - ſe Gnade in dem Verſoͤhn-Opfer und Verdien - ſte Chriſti gegruͤndet; als welche durch den Glau - ben, der ſich an Chriſtum haͤlt, ergriffen wird: wie denn daher Paulus die glaͤubigen Theſſalo - nicher gleich anfangs als ſolche nennet, die ver - moͤge dieſer Gnade des Vaters und des Ver - dienſtes Chriſti, durch die kraͤftige Mitwirckung des Heiligen Geiſtes, in dem Vater und JE - ſu Chriſto waren c. 1, 1.
3. Die Ordnung, in welcher GOTT den Menſchen zum ewigen Leben erwehlet, iſt ausgedrucket mit den Worten: in der Heili - gung des Geiſtes und im Glauben der Wahrheit; mit welchen Worten zweyerley angezeiget wird: erſtlich wie GOTT auf ſeiner Seite die Heyls-Ordnung, nach welcher die Erwehlung ſich richtet, ſelbſt machet: und dennwie63Cap. 2. v. 13. an die Theſſalonicher. wie ſie von den Menſchen muß angenommen weꝛ - den, daß die Erwehlung habe geſchehen koͤnnen.
4. Was nun die eigentliche Beſchaffen - heit der Erwehlung betrifft, ſo kommt es dabey nach obigem Texte auf dieſe drey Stuͤcke an: wenn? wie? und wozu ſie geſchehen ſey?
5. Da es nun mit der ewigen Erwehlung eine ſolche Beſchaffenheit hat, ſo ſehen wir, daß der Rathſchluß GOttes, nach welchem ſie ge - ſchiehet, nicht iſt ein decretum abſolutum, gantz unbedingt und uneingeſchrencket, ſondern recte ordinatum & reſpeclivum, wohl geord - net, alſo daß er ſich nach dem Principio der Allwiſſenheit gruͤndet auf die gemachte, und, der Application nach, vorher geſehene, Heyls-Ord - nung, nach welcher der Menſch in dem Glau - ben an Chriſtum erfunden wird. Da denn auch alſo der Glaube nicht dependiret von der Vor - herſehung GOttes, ſondern dieſe vom Glau - ben: ſintemal, wenn der Menſch in der Zeit ſich zum Glauben nicht bringen laͤſſet, die goͤttliche Allwiſſenheit das, was nicht iſt, und nicht ge - ſchiehet, auch nicht vorherſehen, oder geſehen ha - ben kan.
6. Dieſes, und alſo auch die gantze Lehre von der Gnadenwahl, deſto richtiger einzuſehen, iſt wohl zu mercken, daß die Allwiſſenheit, undalſo64Erklaͤrung des andern Briefes Pauli Cap. 2. v. 14-17. alſo die Vorherſehung GOttes, an ſich ſelbſt nichts wircket. Denn alle Wirckungen GOttes kommen von ſeinem gnaͤdigen und gerechten, und bey der Gnade und Gerechtigkeit allmaͤchtigen, Willen her: der Verſtand GOttes aber wircket an ſich ſelbſt nichts, ſondern er ſiehet nur das vor - her, was in der Zeit gewircket wird und geſchie - het. Wir finden es auch bey uns zum Eben - bilde GOttes erſchaffenen Menſchen alſo, nem - lich daß alle Wirckungen nur allein vom Willen herkommen: aber, an ſtatt der gewiſſen Vor - herſehung kuͤnftiger Dinge, weil wir nicht all - wiſſend ſind, iſt nur eine wahrſcheinliche Con - jectur, oder Muthmaſſung, bey uns; zumal in ſolchen Dingen, die da geſchehen von Menſchen, welche cauſſæ liberæ, oder mit einer Freyheit begabte Geſchoͤpfe ſind, und nicht in einem ne - xu cauſſarum & effectuum neceſſario ſte - hen; dergleichen wir, auſſer dem menſchlichen Ge - ſchlechte, auf gewiſſe Art, oder im geſunden Ver - ſtande, bey dem ordentlichen Laufe der Sternen haben. So wenig die Wiſſenſchaft das gegen - waͤrtige machet, ſo wenig wircket auch die Vor - herſehung das zukuͤnftige.
Darinn (ὲις ὅ, wozu, nemlich zur Selig - keit, zur Heiligung des Geiſtes, zum Glauben der Wahrheit, oder daß wir durch die Heiligung des Geiſtes zum Glauben der Wahrheit, und durch den Glauben zur Seligkeit gelangeten,) er euch berufen hat, durch unſer (uns anver - trauete und von uns verkuͤndigte) Evangelium (froͤliche Botſchaft von der Erloͤſung Chriſti, nemlich) zum herrlichen Eigenthum (ἐις πε - ςιτοίησιν δόξης, zur Erwerbung, oder eigen - thuͤmlichen Beſitzung, der Herrlichkeit JESU Chriſti, welche er uns in ſeinem Reiche erwor - ben hat: davon er ſpricht, Joh. 17, 24. Vater, ich will, daß, wo ich bin, auch die bey mir ſeyn, die du mir gegeben haſt, daß ſie meine Herrlichkeit ſehen, die du mir gegeben haſt; nemlich nach der menſchlichen Natur. Siehe auch 1 Pet. 1, 9. c. 5, 10. imgleichen Roͤm. 8, 28. 29. 30. alwo die Gnaden-Wahl auch mit der Berufung und Rechtfertigung verknuͤpfet wird.)
So ſtehet nun, lieben Bruͤder (ſtehet unbeweglich, und alſo bleibet ſtehen, wenn ihr auch gleich noch ſo viel gereitzet werdet zum fal - len und zum abweichen,) und haltet an den Satzungen (τάς παραδόσεις, an den uͤbergebe - nen Lehren von dem Urheber, wie auch von dem Grunde, von der Ordnung, und von der Vol - lendung des Heyls) die ihr gelehret ſeyd, es ſey durch unſer Wort (muͤndlichen Vortrag) oder Epiſtel (dieſe und die vorige.)
1. Jm Chriſtenthum koͤmmt es auf die bey - den Haupt-Stuͤcke an, erſtlich auf die geiſtliche Auferweckung und Auferſtehung, dadurch man zum Stande der Gnaden gelanget; und denn auf die allem Ruͤckfall entgegen geſetzte, undmit einem gehoͤrigen Wachsthnm im guten ver - knuͤpfte, Beharrung bis an ein ſeliges Ende: als welches allein kroͤnet. Matth. 10, 22. c. 24, 13. Luc. 21, 19. Offenb. 2, 7. 1 Cor. 15, 58. c. 16, 13. Eph. 6, 10. u. f. Phil. 4, 1.
2. Jm Stande der Gnade beſtehen, und ſich an dem angenommenen Evangeliſchen Glau - bens-Grunde halten, gehoͤret zuſammen, und kan eines ohne das andere nicht ſeyn.
3. Was der Apoſtel durch muͤndlich uͤber - gebene Lehren verſtehe, das hat er zum Theil in beyden Epiſteln bezeuget; als darinnen er den fuͤrnemſten Jnnhalt ſeines muͤndlichen Vortra - ges wiederholet und erlaͤutert. Da die Evange - liſche Religion, an ſtatt der Ceremonien, auf den lebendigen und durch die Liebe zu beweiſenden Glauben an GOtt fuͤhret; ſo hat man nicht zu gedencken, als wenn der Apoſtel durch die παρα - δόσεις, Satzungen, gewiſſe ritus und in dem Worte GOttes nicht enthaltene Lehren verſtan - den habe. Und obgleich das teutſche Wort, Satzungen, ſcheinet auf gewiſſe Kirchen - Geſetze und Ceremonien zu gehen; ſo gehet doch das Griechiſche Wort, παράδοσις, darauf nicht; als welches nichts anders anzeiget, als etwas, ſo der Apoſtel vom HErrn empfangen hatte, und der Kirche uͤbergeben ſolte, das iſt, den gantzen Rath GOttes von dem Grunde und von der Ordnung des Heyls. Alſo, da der Apoſtel den Corinthiern bezeugete, wie daß er ihnen die Leh - re vom heiligen Abendmahl uͤbergeben habe, ſpricht er Ep. 1. c. 11, 23. Jch habe es von dem HErrn empfangen, ὁ καὶ παρέδωκα ὐμῖν, was ich euch uͤbergeben habe. u. ſ. w. Und c. 15. gebrauchet er das Wort uͤbergeben, davon das Wort παράδοσις herkoͤmmt, von dem Evange - lio von Chriſto, wenn er ſpricht: Jch habe euch zufoͤrderſt gegeben, (oder uͤbergeben, παρέδωκα,) welches ich auch empfangen habe, daß Chriſtus geſtoꝛben ſey fuͤr unſere Suͤnde nach der Schrift, und daß er begraben ſey, und daß er wieder auferſtanden ſey am dritten Tage, nach der Schrift. Siehe auch 1 Cor. 11, 2. 2 Theſſ. 3, 6.
Er aber unſer HErr JEſus Chriſtus (ἀυτὸς, er ſelbſt ſoll euch ſtaͤrcken; ſintemal es auf unſere Ermunterung zur Staͤrckung und zur Beſtaͤndigkeit v. 15. nicht allein ankoͤmmt,) und GOtt (nemlich der heilige Geiſt, von welchem, als dem rechten Troͤſter, aller Troſt koͤmmt, und welcher zum wenigſten alhie keinesweges ausge - ſchloſſen iſt; da er eines goͤttlichen Weſens iſt mit dem Vater und dem Sohn, als der Geiſt des Vaters und des Sohnes, der alle Heiligung in dem Menſchen verrichtet v. 13.) und unſer Vater, der uns hat geliebet, (und zwar alſo, daß er ſeine Liebe gegen uns durch die Sendung ſeines Sohnes hat thaͤtig erwieſen, Joh. 3, 16. 1 Joh. 4, 10. und uns in dem geliebten angenehm gemacht Eph. 1, 6. ſeine Liebe auch bereits durch den Heil. Geiſt in unſer Hertz ausgegoſſen, und damit eine Gegenliebe in uns angezuͤndet hat, Roͤm. 5, 5. alſo daß wir ſchmecken koͤnnen, wiefreundlich65Cap. 2. v. 1. 2. 3. an die Theſſalonicher. freundlich der HErr iſt 1 Pet. 2, 3. Pſalm 34, 9. Hebr. 6, 5.) und geben einen ewigen Troſt (nemlich eben damit, daß wir uns von ſeiner Liebe gegen uns verſichert halten; als damit wir uns gegen allen Haß und alle Verfolgung der Welt kraͤftigſt und beſtaͤndigſt aufrichten koͤn - nen; ſintemal es ein ſolcher Troſt iſt, der auf das ewige Leben gehet, und den mit dem damit verknuͤpften Frieden der Seele niemand von uns nehmen kan, und der mit der Endigung dieſes Lebens erſt zu ſeiner rechten Vollendung koͤmmt) und eine gute Hoffnung (eine Hoffnung wel - che die theureſten Verheiſſungen nebſt der Wahrheit des unveraͤnderlichen GOttes zum Grunde, die ewigen Heyls-Guͤter vor ſich, und eine goͤttliche Veſtigkeit in ſich hat, und alſo von rechter uͤbernatuͤrlichen Guͤte iſt) durch Gna - de (als von welcher ſie in uns gewircket worden,und von der ſie ihre rechte Guͤte hat, und daher nicht laͤſſet zu ſchanden werden Roͤm. 5, 5.) v. 17. der ermahne (παρακαλέσαι, troͤſte, ermunte - re, erquicke) eure Hertzen und ſtaͤrcke euch in allerley Lchre (ἐν παντί λόγω, in allem Worte, in einem ieden Stuͤcke der Chriſtli - chen Lehre, wie ihr ſolche muͤndlich und ſchrift - lich, reichlich von uns empfangen habet v. 15. 1 Cor. 1. v. 6.) und gutem Wercke (dadurch ihr die reine Evangeliſche Lehre bisher kraͤftig und thaͤtig erwieſen, und noch ferner, ja immer - mehr und mehr zu erweiſen habet: wie denn Lehr und Leben allezeit bey einander ſeyn muß: ſintemal das Leben ohne die Lehre nicht rechter Art iſt, und die Lehre ohne Leben nicht ange - wendet, auch gemeiniglich nicht in ihrer Lauter - keit bewahret wird.)
WEiter (τὸ λοιπὸν, im uͤbrigen; ſiehe dieſes Wort, als ein Zei - chen eines zum Beſchluß ſchrei - tenden Briefes 2 Cor. 13, 11. Gal. 6, 17. Eph. 6, 10. Phil. 4, 8.) lieben Bruͤder, betet fuͤr uns, daß das Wort des HErrn (das Evan - gelium, mit dem in ſeiner Weite dazu gehoͤrigen Geſetze, und alſo der gantze Rath GOttes von unſerer Seligkeit) laufe (ohne Hinderung fer - ner in aller Geſchwindigkeit zur Gewinnung vie - ler Seelen ausgebreitet werde) und gepreiſet werde, (nach ſeiner Wuͤrde und goͤttlichen Wehrte erkannt, geachtet und angenommen, und von andern, die es hoͤren, GOtt daruͤber geprie - ſen werde) wie bey euch (καὶ πρός ὑμᾶς, auch bey euch, und andern, nach 1 Theſſ. 1, 8-13.)
1. Zuhoͤrer pflegen oft der Vorbitte fuͤr ih - re Lehrer zu vergeſſen, ob ſie ſchon rechtſchaffen ſind; da ſie denn meinen, jene gebrauchten der - ſelben nicht. Da ſie doch theils ihrer Perſonen, und Familien, theils ihres Amts wegen derſel - ben gar ſehr benoͤthiget ſind; als die viel meh - ren Verſuchungen unterworfen ſind als die meiſten ihrer Zuhoͤrer. Siehe von dieſer Vor - bitte auch Roͤm. 15, 30. Cph. 6, 18. 19. Phil. 4, 8. Col. 4, 3. 1 Theſſ. 5, 25.
2. Da wir in dieſen letztern Zeiten auch von der Predigt des Evangelii unter den Hey - den in Jndien hoͤren, ſo iſt unſere Schuldigkeit, den Lauf des Evangelii unter ihnen auch mit un - ſerm Gebet zu befordern.
Und daß wir erloͤſet werden (zu wel - cher Befreyung GOtt mancherley Wege und Mittel hat) von den unartigen und argen (nach Verſtand und Willen ſehr verkehrten) Menſchen. Denn der Glaube iſt nicht je - dermanns Ding (ου᾽πάντων, iſt nicht aller, fin - det ſich bey den wenigſten. GOTT haͤlt ihn zwar, den zum Glauben gehoͤrigen Grund - Kraͤften nach, durch ſein Wort allen vor, Ap. Geſch. 17, 31. Allein er findet bey den wenigſten Eingang, ſondern an ſtatt des Einganges findet er am Worte des Evangelii Widerſpruch. Denn wie des Glaubens Eigenſchaft, iſt die Be - kenntniß des Mundes: alſo aͤuſſert ſich der Un - glaube durch den Widerſpruch ungereimter und boshaftiger Menſchen. Siehe Ap. Geſch. 2, 40.
1. Die Feinde des Evangelii und des thaͤ - thigen Chriſtenthums ſind ἄτοποι und ϖονηροὶ. ῎Αοποι, dem Verſtande nach, das iſt, recht ab - ſurde Leute, in deren Sinne, Meinungen, Wie - derſpruch und uͤbrigen Verfahren lauter Ab - ſurditaͤt, und ein ſo ungereimtes Weſen iſt, darinnen ſich lauter Unverſtand und Unvernunft hervorthut, alſo daß man ſich oft recht daruͤber verwundern muß, wie es zugehen koͤnne, daß Leu - te, welchen es doch an ſich ſelbſt am natuͤrlichen Verſtande nicht fehlet, ſo gar albern ſind und handeln. Πονηροὶ boshaftige ſind ſie dem Willen nach. Und machet es eben der hoͤchſt -Jverkehrte66Erklaͤrung des andern Briefes Pauli Cap. 3. v. 3-6. verkehrte Wille mit ſeinen unbaͤndigen mehr als thieriſchen Affecten, daß der Verſtand ſo ſehr verblendet wird, und daher ein ſo ſehr un - gereimtes und unvernuͤnftiges Verfahren ent - ſtehet.
2. Ein Leiden um Chriſti willen geduldig uͤber ſich nehmen, und doch aber GOtt bitten, daß man davon erloͤſet werde, ſtreitet nicht mit einander; ſonderlich da die Erloͤſung nicht ſo wol unſere Ruhe, als die Verherrlichung des goͤttlichen Namens zum Zweck hat. Es hat Paulus von dieſer Erloͤſung auch manche Er - fahrung gehabt: davon er ſchreibet 2 Cor. 1, 10. GOtt hat uns erloͤſet, er erloͤſet noch, und wir hoffen auf ihn, er werde uns auch hin - fort erloͤſen.
3. Da der Apoſtel dieſen Brief zu Corin - thus geſchrieben, ſo hat man bey dieſem Text zu conferirẽ, was ihm nach der Beſchreibung Lucaͤ Ap. Geſ. 18. zu Corinthus widriges begegnet iſt: als daraus man ſo viel eigentlicher erkennen kan, was er alhie von unartigen und argen Leuten ſaget; wiewol auch Lucas daſelbſt nur das aller - wenigſte aufgezeichnet hat: nemlich wie die Ju - den der Bezeugung Pauli, daß JEſus der Chriſt, oder Meßias ſey, widerſtrebet und gelaͤſtert; wie ſie ſich einmuͤthiglich wider Paulum empoͤ - ret und ihn vor den Richt-Stuhl gefuͤhret. v. 5. 6. 12.
Aber der HErr (JEſus, welcher im N. Te - ſtament ſonderlich mit dieſem Namen bezeichnet wird Eph. 4, 5. 1 Cor. 8, 6.) iſt treue (1 Cor. 1, 9. c. 10, 13. 1 Theſſ. 5, 24. 1 Pet. 5, 10. ja die Treue und Wahrheit ſelbſt Joh. 14, 6. Offenb. 1, 5. c. 3. 14. ) der wird euch ſtaͤrcken (gleichwie ich, daß er euch ſtaͤrcken wolle, gewuͤnſchet habe, und noch wuͤnſche und flehe c. 2, 17.) und bewah - ren vor dem Argen (vor dem Satan und vor allem argen Weſen, das von ihm herkoͤmmt, Matth. 6, 13. c. 13, 19. Eph. 6, 16. 1 Joh. 2, 13. 14. von welchem auch πονηροὶ die argen Men - ſchen v. 2. ſich beherrſchen laſſen. Dahin auch das Gebet unſers Heylandes ging Joh. 17, 15. und dahin unſer eignes Gebet gerichtet ſeyn ſoll. Matth. 6, 13. der wird euch bewahren; aber in der Ordnung, daß ihr die empfangene Gnade recht anleget, und euch durch dieſelbe auch ſelbſt bewahret vor dem Argen, daß er euch nicht an - taſte. 1 Joh. 5, 19.)
Nachdem der Apoſtel geſetzet hatte: ου᾽ πἀντων ἡ πίςις; ſo ſetzet er, darauf unmittelbar πιςὸς δέ ὁ κύ ιος, getreu aber und glaubwuͤr - dig iſt der HErr: und macht alſo zu ſeiner und der Theſſalonicher Staͤrckung damit einen Ge - genſatz, daß es GOTT erſetze, was ihnen bey Menſchen abgehet.
Wir verſehen uns aber zu euch in dem HErrn (JEſu Chriſto, in deſſen Gemeinſchaft wir ſtehen, von dem wir das Amt haben, und in deſſen Namen wir von dem Evangelio zeugen) daß ihr (bereits bishero gethan, auch noch itzo) thut und (noch kuͤnftig in aller Beſtaͤndigkeit aufrichtig) thun werdet, was wir euch (in dem Namen JEſu) gebieten. (Siehe faſt desgleichen Gal. 5, 10. Jmgleichen 2 Cor. 7, 16. 1 Theſſ. 4, 10. c. 5, 11.
Der HErr aber richte eure Hertzen zu der Liebe GOttes (gegen GOTT, welche aus der Liebe GOttes gegen uns entſpringet) und zu der Gedult Chriſti (daß ihr in der Liebe GOt - tes um Chriſti willen ſolche Gedult ferner be - weiſet, als ihr an dem Exempel Chriſti vor euch habet, und darauf er uns mit ſeiner Lehre von ſeinem Creutzreiche und mit ſeinem Leben gewie - ſen hat.)
Verſtehet man das Wort HErr nach dem gewoͤhnlichen Gebrauch dieſes Worts im A. und Neuen Teſtament von Chriſto, ſo ſtehet das Wort Chriſti zu Ende dieſes Verſes an ſtatt des pronominis ſeiner ſelbſt. Es laͤßt ſich aber alhie das Wort HErr gar fuͤglich von dem Heiligen Geiſte verſtehen, daß alſo hier der heiligen Dreyeinigkeit gedacht wird; gleich - wie c. 4, 16. der Heilige Geiſt auch nicht unfuͤg - lich unter dem Wort, GOTT, verſtanden wird.
Wir gebieten euch aber, lieben Bruͤ - der, in dem Namen unſers HErrn JEſu CHriſti (nach der Auctoritaͤt, weiche uns CHriſtus gegeben hat 1 Cor. 5, 4. 2 Cor 5, 19. 20. ) daß ihr euch entziehet von allem Bruder, der da unordentlich wandelt, (al - ſo daß er ſich zwar zu euer Gemeine haͤlt, und daher fuͤr einen Bruder gehalten wird, oder ge - halten ſeyn will; aber dabey nicht nach der Heyls-Ordnung, welche ein unſtraͤfliches Leben erfodert, einhergehet, ſondern wie der Chriſt - lichen Gemeine, alſo noch mehr denen, die drauſ - ſen ſind, Juden und Heyden, mit ſeinem Wan - del aͤrgerlich iſt, ſonderlich mit Muͤßiggange und mit Fuͤrwitze, und daher allen uͤbrigen einen Vorwurf, auch der Chriſtlichen Religion ſelbſt einen boͤſen Namen machet) und nicht nach der Satzung (κατὰ τὴν ϖαράδοσιν, nach der euch uͤbergebenen Lehr-Vorſchrift von einer gu - ten Lebens-Ordnung. Siehe c. 2, 15.) die er von uns (mir, Timotheo und Silvano) em - pfangen hat) und es wie GOttes Wort, als es auch wahrhaftig iſt, angenommen hat, und daher ſo viel mehr zum Gehorſam verbunden iſt. 1 Theſſ. 2, 13.)
1. So rein und heilig auch die erſten Chriſt - lichen Gemeinen, und unter ihnen die beſten geweſen; ſo hat es doch nicht an Aergernißen in Lehr und Leben gefehlet. Welches hernach bey mehrer Ausbreitung der Kirche immer mehr uͤ - berhand genommen hat.
2. Da es heut zu tage an der Kirchen-Diſ - ciplin fehlet, und die aͤrgerlich lebende an denmeiſten67Cap. 3. v. 6-10. an die Theſſalonicher. meiſten Orten leider den groͤſſeſten Haufen aus - machen; ſo hat ein rechtſchafner Chriſt ſich ſorg - faͤltig vor dem genauen Umgange mit ſolchen Leuten zu huͤten. Jſt er buͤrgerlicher Geſchaͤfte wegen nicht zu vermeiden, ſo muß es doch zu keiner Familiaritaͤt kommen, ſondern derſelbe alſo gemaͤßiget und gefuͤhret werden, daß die aͤr - gerlich lebende und unbekehrte theils mit Wor - ten, theils mit der That uͤberzeuget werden, daß es ihnen noch am Stande der Gnade fehle. Sie - he hievon ein mehrers 1 Cor. 5, 9. u. f.
Denn ihr (ἀυτοί ihr ſelbſt) wiſſet, wie ihr uns (nicht allein koͤnnet, ſondern auch) ſollet nachfolgen. Denn wir ſind nicht un - ordentlich (und im Leben aͤrgerlich) geweſen unter euch (ſondern heilig, gerecht und unſtraͤf - lich. 1 Theſſ. 2, 10.)
1. Es iſt allerdinge eines Lehrers hoͤchſte Pflicht, daß er ſeinen Zuhoͤrern mit einem gu - ten Exempel vorleuchte; ſintemal er ſonſt mit einem aͤrgerlichen Leben, bekannter maßen, mehr niederreiſſet, als mit der Lehre bauet. Welche denn auch von einem unbekehrten und aͤrgerlich wandelnden Lehrer nicht recht lebendig und rich - tig in allen Stuͤcken gefaſſet, vielweniger mit rechtem Nachdruck vorgetragen wird. Schei - net denn ſchon einiger Nachdruck darhinter zu ſeyn; ſo ſind es doch gemeiniglich nur oratori - ſche Wort-Blumen, ohne Beweiſung des Gei - ſtes und der Kraft.
2. Jſt ein Zuhoͤrer bey ſeiner Gottloſigkeit damit nicht entſchuldiget, daß er das boͤſe Exem - pel des Lehrers vor ſich hat, und ſich darauf be - rufen kan; ſondern er ſich zufoͤrderſt nach GOt - tes Wort richten muß: was fuͤr eine ſchwere Verantwortung muͤſſen denn ſolche Zuhoͤrer nicht auf ſich laden, welche an ihrem Lehrer nebſt der reinen lautern Lehre, und derſelben kraͤftigen Vortrag, auch ſein erbauliches Ex - empel vor ſich haben?
Haben auch nicht umſonſt das Brodt (und was nothduͤrftigerer weiſe von Speiſe und Tranck dazu gehoͤret: welche Redens-Art vom Brodte hergenommen iſt aus 1 B. Moſ. 3, 19. und Matth. 6, 11.) genommen von jemand; ſondern mit Arbeit und Muͤhe Tag und Nacht (das iſt, auch in den zur Nacht gerechne - ten Abend - und Fruͤheſtunden) haben wir ge - wuͤrcket, daß wir niemand unter euch be - ſchwerlich waͤren. (Siehe hievon 1 Theſſ. 2, 19. desgleichen Ap. Geſ. 20, 34. 1 Cor. 4, 12. c. 9, 6. 15. 2 Cor. 11, 8. 9.
Nicht darum, daß wir deß nicht Macht haben (den Unterhalt von euch zu nehmen, welches vorher ein beſchwerlich ſeyn, genennet worden,) ſondern daß wir uns ſelbſt zum Fuͤrbilde euch geben uns nachzufolgen (und alſo ſo viel weniger muͤßig zu ſeyn und an - dern laͤſtig zu werden.
Pauli Exempel hatte zwar etwas beſon - ders, welches zur Nachfolge nicht eben ſolte und konte gezogen werden: nemlich daß ein je - der Lehrer ſolte von ſeiner Hand-Arbeit leben: als welcher Folge er theils hier, theils und noch nachdruͤcklicher 1 Cor. 9, 4. u. ſ. w. widerſpricht, und dabey aus den Worten Chriſti deutlich be - zeuget, daß ein Arbeiter ſeines Lohnes, oder Un - terhalts, wehrt ſey. Es folgte doch aber aus Pauli Exempel ſo viel, daß man gar wohl ſchlieſ - ſen konte: Jſt Paulus bey der muͤhſamen Pre - digt des Evangelii nicht einmal muͤßig, ſondern dabey gar der Hand-Arbeit ergeben: wie viel - weniger ſoll einer, der das Evangelium nicht zu verkuͤndigen hat, muͤßig ſeyn, und damit an - dern zur Laſt werden. Auf welche Art denn Pauli Exempel gar wohl zur Nachfolge vorge - ſtellt werden und dienen konte. Von dem bil - ligen Fuͤrbilde eines Lehrers insgemein ſehe man 1 Cor. 4, 16. c. 11, 1. 1 Theſſ. 1, 6. c. 2, 7. Phil. 3, 17. 1 Tim. 5, 18.
Und da wir bey euch waren, gebo - ten wir euch ſolches, daß, ſo iemand (der geſund iſt, und Gelegenheit zur Arbeit hat) nicht will arbeiten, der ſoll auch (von Rechts wegen) nicht eſſen (als der des Brodts un - werth iſt.)
1. Paulus hat den Theſſalonichern das Ge - bot GOttes 1 B. Moſ. 3, 19. Jm Schweiß deines Angeſichts ſolt du dein Brodt eſ - ſen, damit eingeſchaͤrfet. Da nun dieſes Geſetz GOttes auch ein Geſetz der Natur iſt; ſo haben Chriſten, bey welchen die verderbte Natur durch die Gnade nach und nach wider in einen guten Stand geſetzet wird, demſelben ſo viel mehr nach zu kommen. Wie es denn wahrhaftig heiſſen muß: Je froͤmmer Chriſt, ie fleißiger Arbeiter.
2. Wo wollen doch nun immer mehr die - jenigen Menſchen mit ihrem Muͤßiggange vor GOtt in ihrem Gewiſſen auskommen, welche bey geſundem Leibe durch ein eigenwilliges Klo - ſter-Leben ſich der Arbeit der aͤuſſerlichen Lebens - Art entziehen; ja die ein ſo genanntes Melchi - ſedechiſches Prieſterthum vorgeben, deſſen Eigen - ſchaft ſeyn ſoll, daß man ſich, um dem geiſtlichen, aber gar uͤbel verſtandenen, Opfer obzuliegen, aller aͤuſſerlichen Arbeit gaͤntzlich entſchlage, und von Almoſen, welche einem GOtt durch das Gebet beſcheren wolle, lebe. Wie koͤnnen ſolche bloſſe und aberglaͤubiſche Menſchen-Satzungen immer mehr mit dieſer Pauliniſchen Lehre beſtehen?
3. Jm uͤbrigen iſt leichtlich zu erachten, daß Paulus mit obigen Worten nicht ein ſolches Ge - ſetze giebet, welches durch die Strafe des Hun - gers an den Muͤßiggaͤngern wircklich ſolle vollzo - gen werden; wie denn den Chriſten, als Chriſten, eine ſolche Execution der leiblichen Beſtrafung nicht zukame. Denn der Apoſtel will damit nur dieſes bezeugen, daß die Muͤßiggaͤnger von RechtsJ 2wegen68Erklaͤrung des andern Briefes Pauli Cap. 3. v. 11-15wegen billig auch nicht eſſen ſolten, und, wenn ſie aͤſſen, daß ſolches mit Suͤnden geſchehe.
Denn wir hoͤren, daß etliche unter euch wandeln unordentlich, (v. 6.) und arbeiten nichts, (nichts rechts, was ſie arbeiten ſolten und koͤnten) ſondern treiben Vorwitz (thun, was ihnen nicht befohlen iſt, was auch nichts nuͤtzet, ſondern vielmehr ihnen und andern ſchaͤdlich iſt.)
Der Muͤßiggang beſtehet nicht allein dar - innen, daß man gar nichts thut; wie denn ſehr wenig, oder gar keine ſolche Muͤßiggaͤnger, die gar nichts vornehmen, ſich finden werden; ſon - dern auch darinn, wenn man nichts rechts, nichts noͤthiges, und nichts nuͤtzliches, ſondern nur das thut, worauf man bey dem Muͤßiggange eigen - williger Weiſe, und nur zum ſo genannten Zeit - Vertreib (da doch nichts koſtbarer iſt, als die ſo gar kurtze Lebens-Zeit) in unordentlicher Begier - de zur eitelen Beluſtigung faͤllt. Auf welche Art denn inſonderheit, alle Spieler und Saͤufer auch alle Leſer unnuͤtzlicher Buͤcher Muͤßiggaͤnger ſind. Dazu auch in groſſen Staͤdten vor andern die eitlen Viſit en gehoͤren. Der Vorwitz beſtehet denn fuͤrnehmlich darinn, wenn der Menſch im - mer nach neuen Zeitungen gaffet, und ſich um Dinge, die ihn gar nichts angehen, alſo bekuͤm - mert, daß er daruͤber mit ſeinem unbefugten Ur - theil kluͤgelt und darinnen dis und das meiſtert. Welches denn ein ſehr zerſtreuetes und eiteles Ge - muͤth anzeiget. Wie der Apoſtel den Vorwitz an Wittwen beſtrafet, ſehe man 1 Tim. 5, 13.
Solchen aber gebieten wir (mit allem Ernſt) und ermahnen ſie (zugleich mit aller Liebe) durch unſern HErrn JEſum Chri - ſtum (in deſſen Namen und Auctoritaͤt, als der durch uns gebietet und vermahnet, daher denn auch, wer uns widerſtrebet, ihm ſelbſt widerſtrebet, und ſeinem Heiligen Geiſte, welchen er uns gege - ben hat 1 Theſſ. 4, 8. 2 Cor. 5, 20. Luc. 10, 16.) daß ſie mit ſtillem Weſen (da ſie ſonſt bey ihrem Muͤßiggange und Vorwitze ſich ſelbſt und andern viele Zerſtreuung und Unruhe machen) arbeiten und ihr eigen Brodt eſſen (wie uns denn GOtt mittelbarer Weiſe ernehren will, und man alſo ſeine Nahrung durch geziemende Arbeit ohne Geitz und ohne Bauchſorge zu ſuchen hat. Sie - he auch Eph. 4, 28. 1 Theſſ 4, 11.)
Jhr aber, lieben Bruͤder (die ihr recht - ſchaffen ſeyd und ordentlich wandelt) werdet nicht verdroſſen gutes zu thun (μὶ ἐκκακή - σητε, werdet durch das Boͤſe, ſo euch begegnet, und durch die Schwierigkeit, die ſich findet bey der Ausuͤbung des Guten, auch der Gutthaͤtigkeit ge - gen den duͤrftigen Naͤchſten, ſonderlich den, der es werth iſt, nicht laß und traͤge. Siehe auch Gal. 6, 9.)
So aber iemand nicht gehorſam iſtunſerm Wort, den zeichnet an durch einen Brief, und habt nichts mit ihm zu ſchaf - fen, auf daß er ſchamroth werde (und alſo in ſich gehe, ſich beſſere und in gute Ordnung gebe.)
1. Die Worte διὰ τῆς ἐϖιςο᾽ῆς durch den, oder dieſen Brief, ſchicken ſich beſſer zu den vorhergehenden Worten, als zu den folgenden του῀τον σημειου῀σ ϑ〈…〉〈…〉 den zeichnet. Denn wenn ſie zu dieſen folgenden gehoͤreten, ſo wuͤrde das Pro - nomen του῀τον fuͤglicher vorhergeſetzet werden ſeyn: του῀τον διά. So ſchlcket ſich auch das Verbum σημειόω nicht wohl zu der Bedeutung einer brieflichen Anzeigung. Hingegen aber ſte - het es fuͤglicher von einer ſolchen Kirchen-Zucht, wodurch ein ſolcher Widerſpenſtiger von andern als ein raͤudig Schaf unterſchieden und gleichſam gezeichnet wurde. Welchen Verſtand auch die folgende Worte geben, da es heißt: und habt nichts mit ihm zu ſchaffen, auf daß er ſcham - roth werde: als womit erlaͤutert wird, worin das Zeichnen auſſer der wortlichen Beſtrafung eigentlich beſtehen ſolle, nemlich man ſoll allen Umgang mit ihm meiden und nichts mit ihm zu ſchaffen haben, ſonderlich was die kirchliche und bruͤderliche Gemeinſchaft betraf. Darauf bey dem Ausbruch eines groſſen Aergerniſſes auch die Corinthier gefuͤhret werden 1 Cor. 5, 9. 11. Kurtz vorher nennet es der Apoſtel in dieſem Briefe an die Theſſalonicher, nemlich V. 6. daß man ſich von einem unordentlich wandelnden entziehen ſolle.
2. Wenn denn nun gedachte Worte zu den vorhergehenden gezogen werden, ſo iſt λό〈…〉〈…〉 γ ς δὶ ἐπιςολῆς ein briefliches Wort, ein durch Briefe oder ſchriftlich vorgeſtelletes Wort. Und alſo ſind die erſten Worte dieſes Verſes alſo zu uͤberſetzen: So aber iemand nicht gehorſam iſt unſerm brief - lichen, oder ſchriftlichen Worte, den bezeichnet (nemlich mit gehoͤriger Kirchen-Zucht vor andern.)
3. Man ſiehet hieraus, wie ſehr man in der erſten Kirche auf eine gute Kirchen-Diſciplin ge - halten hat, und wie die Ubung derſelben nicht et - wa nur einem und dem andern Vorſteher, ſon - dern der gantzen Gemeine obgelegen, dazu uͤber - einzuſtimmen: wie denn der Apoſtel dieſes an die gantze Gemeine ſchreibet. Wo aber in einer Kirche der Haufe der gottloſen und aͤrgerlich Lebenden viel groͤſſer iſt, als der rechtſchaffnen, da findet keine Kirchen-Diſciplin ſtatt. Denn wer ſolte ſie anordnen und ausuͤben? Gewißlich die nicht, welche ihrer ſelbſt beduͤrfen. Einige wenige aber was ſollen die bey den mehreſten, bey welchen ſie ohne das verhaßt ſind, von ihnen auch wol gar verfolget werden, ausrichten, oder ja auch nur verſuchen duͤrfen?
Doch haltet ihn nicht als einen Feind (der wider euch ſey, und vor dem ihr euch, daß er euch nicht ſchade, zu huͤten haͤttet) ſondern ver - mahnet ihn, als einen Bruder (ob wol geſal - lenen, oder unaͤchten: welche Ermahnung beyeinem69Cap. 3. v. 15. 16. an die Theſſalonicher. einem Feinde nicht ſtatt findet. Siehe Gal. 6, 1. 2.)
Wenn man dieſen Vers mit dem vorherge - henden und ſechſten zuſammen haͤlt, ſo ſiehet man, daß der Apoſtel den Umgang mit den Unordent - lich wandelnden nicht ſchlechter Dinge verboten; ſintemal ſonſt auch keine Ermahnung bey ihnen koͤnte ſtatt finden: ſondern einen ſolchen, dadurch man ſich ſeiner Suͤnden theilhaftig machet. Welches wuͤrde geſchehen ſeyn, wo man ihn oh - ne Beſtrafung und ohne Beſſerung in der kirch - lichen und geiſtlichen Gemeinſchaft bey und unter ſich haͤtte behalten wollen.
Er aber (ἀυτός δε, er aber ſelbſt) der HErr des Friedens (der Dreyeinige GOtt, und in der hochgelobten Gottheit inſonderheit der Sohn GOttes, als der Friedens-Fuͤrſt und Friedens-Erwerber Jeſ. 9, 6. Eph. 2, 16. 17. der auch ſelbſt iſt der GOtt des Friedens Roͤm. 15, 33. 16, 20. 1 Cor. 14, 33. 2 Cor. 13, 11. Philipp. 4, 9. Col. 1, 20. 1 Theſſ. 5, 23. als mit dem Vater, und dem Heiligen Geiſte, als GOtte des Frie - dens Hebr. 13, 20. eines Weſens) gebe euch Friede (wie bisher vom erſten Anfange der Be - kehrung an, da ihr durch ihn Friede in und mit GOtt uͤberkommen habet Roͤm. 5, 1. und da ihr in einen friedfertigen Sinn unter und gegen ein - ander geſetzet ſeyd, alſo auch noch ferner mit im - mer reicherm Zufluß ſolcher ſo viel uͤbrige in ſich haltenden Gnaden-Gaben des Friedens, welche er auch ſeinen Juͤngern hinterlaſſen hat Joh. 14, 27. 16, 33.) allen thalben (διὰ ϖαντὸς, ſcilicet χρό - νου. Marc. 10, 5. Luc. 24, 53. Apoſt. Geſch. 24, 16. Roͤm. 11, 10. allezeit, alſo daß er ſich ohne Auf - hoͤren in euch befinde, und unter euch hervor - thue und eure Hertzen bewahre, daß nicht unter andern auch wegen der unordentlich wandelnden ein Unfried und eine Zerruͤttung unter euch ent - ſtehe) und auf allerley Weiſe (alſo daß nie - mand weder mit Worten und Geberden, noch mit Wercken Gelegenheit zum Unfrieden gebe, ſondern ein ieglicher auf allerhand dem guten Ge - wiſſen gemaͤſſe Art dem Frieden gegen iederman nachjage Marc. 9, 50. Roͤm. 12, 18. 2 Cor. 13, 11. 1 Theſſ. 5, 13. Hebr. 12, 14) der HErr (JEſus Chriſtus, unſer Jehovah, und mit dem Sohne GOttes der Vater und der Heilige Geiſt) ſey (und bleibe) mit euch allen (wie er Matth. 28, 20. ſelbſt verſprochen hat, da er ſagt: Siehe! ich bin bey euch alle Tage, bis an der Welt Ende. Der ſey mit euch, als euer Jmmanuel, in dem GOtt mit uns iſt. Er ſey mit euch, als euer Haupt, euer Koͤnig, euer Hirte, der es euch nicht wird mangeln laſſen an irgend einem Gute, ſondern machen, daß ihr von ihm, in ihm und bey ihm Leben und volle Gnuͤge haben koͤnnet Pſ. 23. Joh. 10, 10. Welches ſich denn ein ieglicher Glaͤubiger nnd GOttergebner Leſer alſo zu appliciren hat, wie ſich es ohn Zweiſel die glaͤubigen Theſſalonicher bey Verleſung die - ſes Briefes zugeeignet haben.
Der Gruß (oder Gnaden - und Segens - Wunſch) mit meiner Hand, Pauli: das iſt das Zeichen in allen Briefen (damit ſie von denen, welche etwa faͤlſchlich fuͤr die Mei - nigen ausgegeben werden moͤchten, koͤnnen un - terſchieden werden) alſo ſchreibe ich (nemlich wie nun folget: Die Gnade unſers HErrn JEſu Chriſti ſey mit euch allen, Amen!
1. Gleichwie unter den Geſichtern der Menſchen zwar eine groſſe Aehnlichkeit, aber doch immer eines vor dem andern gar mercklich unterſchieden iſt: alſo ſtehet es auch faſt um die Schreib-Haͤnde der Menſchen, daß ſich eine von der andern gemeiniglich gar mercklich unter - ſcheiden laͤßt. Und demnach dienet eine eigen - haͤndige Unterſchrift zur deutlichen Anzeigung deſſen, von wem die Schrift herruͤhret, und der ſich dazu als Auctor bekennet. Da nun Pauli Hand denen, die mit ihm umgingen, und alſo auch den Gemeinen, worinnen er ſich aufhielte, nicht unbekannt war, ſo hat er die an dieſelbe gemeiniglich durch eines andern Feder im dicti - ren geſchriebene Briefe mit eigner Hand unter - ſchrieben, um denſelben damit ihre gehoͤrige Auctoritaͤt zu geben; welches auch deswegen noͤthig war, damit niemand Paulo faͤlſchlich ei - nen Brief, den er doch nicht geſchrieben, zueig - nen koͤnte; und, wo er es thaͤte, wie aus c. 2, 2. wol geſchehen zu ſeyn ſcheinet, der Betrug bald offenbar wuͤrde.
2. Was nun Paulus eigentlich fuͤr Wor - te unterſchrieben habe, das fraget ſich? der Name war es nicht; denn der war ſchon dem Briefe gleich im Anfange vorgeſetzet, und zwar durch den amanuenſem. Es ſind demnach die Worte des letzten Wunſches von der Gnade GOttes, welchen der Apoſtel bald mit meh - ren, bald mit wenigern Worten, auch wol mit einem Beyſatze einiger andern Woͤrter, aus - drucket, und einen Gruß nennet: wie denn ein Gruß nichts anders iſt, als ein Wunſch. Und alſo ſind es eigentlich dieſe Worte: Die Gna - de unſers HErrn JEſu CHriſti ſey mit euch allen, Amen. Alſo heißt es auch Roͤm. 16, 24. da denn die v. 25. 26. 27. hinzugeſetzte Doxologie wol ohne Zweifel auch mit Pauli eigner Hand geſchrieben iſt: alſo auch 1 Cor. 16, 23. Die Gnade unſers HErrn JEſu Chri - ſti ſey mit euch: mit dem Zuſatze; Meine Liebe ſey mit euch allen in Chriſto JEſu, Amen. 2 Cor. 13, 13. lautet es am nachdruͤck - lichſten alſo: Die Gnade unſers HErrn JE - ſu Chriſti, und die Liebe GOttes, (nem - lich des Vaters,) und die Gemeinſchaft des Heiligen Geiſtes ſey mit euch allen Amen! welcher Beſchluß die uͤbrigen gar ſchoͤn erlaͤutert. Siehe auch Gal. 6, 18. (welchen Brief zwar Paulus gantz mit eigner Hand geſchrieben v. 11.) da es heißt: Die Gnade unſers HErrn JE - ſu CHriſti ſey mit eurem Geiſte, lieben Bruͤder, Amen. Nicht weniger iſt der GrußJ 3des70Erklaͤrung des erſten Briefes Paulides Briefes an die Epheſier gar mercklich: Gna - de ſey mit allen, die da lieb haben unſern HErrn JESUM CHriſtum unverruͤckt, Amen. Dazu auch wol ohne Zweifel die vor - hergehenden Worte gehoͤren: Friede ſey den Bruͤdern u. ſ. w. Den Beſchluß-Wunſch der uͤbrigen Briefe kan der Leſer ſelbſt nachſchlagen.
3. Auſſer dem eigentlichen Gruſſe findet ſich in drey Briefen noch eine beſondere Meldung der Hand Pauli: welches denn wol nebſt dem, was darauf folget, auch ohne Zweifel mit Paulieigner Hand hinzu geſetzet iſt, nemlich hie und 1 Cor. 16, 21. und Col. 4, 18.
4. Ein ieglicher glaͤubiger Leſer mache die Application auf ſich ſelbſt von dieſem Gruſſe Pauli, und halte ſich nur in der rechten Heyls - Ordnung, ſo wird die Gnade JEſu Chriſti, die auch eine Gnade des Vaters und des Heili - gen Geiſtes iſt, mit ihm ſeyn und bleiben.
5. Daß aber im uͤbrigen dieſer Brief von Athen nicht geſchrieben ſey, iſt aus der Einlei - tung ſchon bekannt.
Jnnhalt:
§. I.
DEr Ort, wo Timotheus geboren und ſeine erſte Jugend zugebracht, iſt vermuthlich die Stadt Lyſtra, in der in klein Aſien gelegenen Landſchaft Lycaonien: woſelbſt, wie auch anderer Orten in Aſien, viele Juden wohneten; denn da Paulus nach Lyſtram kam, funde er Timotheum daſelbſt, und zwar bereits als einen Juͤnger, oder Chriſten, Ap. Geſch. 16, 1.
§. II. Was ſeine Eltern anlanget, ſo war die Mutter vom Juͤdiſchen Volcke, mit Namen Eunike, und die Juͤdiſche Großmut - ter, Lois: welche beyde den Timotheum in der Furcht des HErrn gar getreulich erzogen ha - ben; denn gleichwie ſie beyde im Judenthum an GOtt glaubig und gar rechtſchaffen waren; (wie denn GOtt ſolcher Seelen, welche dem Zachariaͤ und der Eliſabeth, dem Nathanael und andern mehr, gleich waren, darinnen nicht wenig hatte, auch unter denen, welche unter den Heyden zerſtreuet wohneten:) alſo hatten ſie auch dieſen ihren Sohn und Enckel, nachdem ſie ihm den ſchoͤnen Namen Timotheus, das iſt, eines Gottesfuͤrchtigen, gegeben, zu dem wah - ren Glauben an GOTT, und zu der Furcht des HErrn, ſorgfaͤltig angefuͤhret; wie rechtſchaf - fener Eltern ihre Pflicht iſt. Darauf ſiehet Pau -lus, wenn er in dem andern Briefe cap. 1, 5. ſchreibet: Jch erinnere mich des ungefaͤrb - ten Glaubens in dir, welcher zuvor ge - wohnet hat in deiner Großmutter Loide, und in deiner Mutter Eunike, bin aber gewiß, daß auch in dir. Jmgleichen c. 3, 15. giebt er dem Timotheo ſolcher Auferziehung we - gen das ſchoͤne Zeugniß, daß er ſchon ἀπὸ βρέ - ϕους, von zarter Kindheit auf die heilige Schrift gewußt. Der Vater war ein ge - bohrner Grieche, und zwar heydniſcher Ab - kunft, der ſich aber allem Anſehen nach in ſo weit zu der Juͤdiſchen Religion bekennet hat, daß, ob er gleich die Beſchneidung nicht ange - nommen, dennoch der heydniſchen Abgoͤtterey abgeſaget, und allein dem wahren GOTT Jſraelis gedienet hat; dergleichen Leute damals ſchon von mehrern Zeiten her unter den Heyden, darunter die Juden in der Zerſtreuung wohneten, gar viele waren, alſo daß die Juͤdiſche Zerſtreu - ung den Heiden hat zu ihrem Heil dienen muͤſ - ſen. Waͤre der Vater nicht in ſolchem Ver - ſtande ein proſelyt, oder Juden-Genoſſe ge - weſen, ſo wuͤrde es die Gottſeligkeit der Mutter nicht zugelaſſen, noch die glaͤubige Großmutter eingewilliget haben, daß ſie ſich an einen abgoͤt - tiſchen Heyden verheyrathet haͤtte. Wir fin - den auch keine Spuhr, daß der Vater ſich dergott -71an den Timotheum. gottſeligen Erziehung ſeines Sohnes widerſetzet habe; welches gleichfals ein Zeichen iſt, daß er ein Juden-Genoß geweſen. Man kan aber nicht eigentlich ſagen, wie lange der Vater ge - lebet: und iſt er wol nicht mehr am Leben geweſen, als der Sohn zu Paulo gekommen, wie aus Ap. Geſ. 16, 3. zu ſchlieſſen iſt. Und ſolche Griechen, oder Heyden, welche ſich in der Religion, ob - wol ohne Beſchneidung, zu den Juden hielten, werden genennet σεβόμενοι, gottſelige, gott - fuͤrchtende, religieuſe, Ap. Geſch. 13, 43. 50. c. 16, 14. c. 17, 4. 17. c. 18, 7.
§. III. Die Juͤngerſchaft bey Paulo, wenn ſie angegangen. Als Paulus zum andern - mal nach Lyſtra kam, und Timotheus ſchon nebſt ſeiner Mutter und Großmutter zum Glau - ben an Chriſtum gebracht worden war, und er unter den uͤbrigen Chriſten zu Lyſtra und Jconien ein gutes Zeugniß und Lob hatte von ſeinem recht - ſchaffenen Weſen, da nahm ihn Paulus zu ſei - nem Gehuͤlfen am Evangelio auf ſeinen Reiſen mit ſich; nach dem er ihn vorher um der Juden wil - len, welche zu gewinnen Paulo ſehr angelegen war, 1 Cor. 9, 20. beſchnitten hatte, Ap. Geſch. 16, 3. Wenn man den Ort 2 Tim. 3, 10. 11. er - weget, und mit dem, was wir Ap. Geſch. 13, 13. u. ſ. w. 45. u. w. cap. 14, 1. u. ſ. w. leſen, zu - ſammen haͤlt, ſo ſcheinet Timotheus ſchon in dem vorhergehenden Zuge, den Paulus durch die Laͤnder Aſiens gethan, um ihn geweſen zu ſeyn. Doch da Timotheus dasjenige, was 2 Tim. 3, 10. 11. von ihm bezeuget wird, auch gar wohl, ohne daß er Pauli Reiſe-Gefaͤhrte ge - weſen, hat erfahren und wiſſen koͤnnen; zumal da die Leiden Paulo eben zu Lyſtra, der Vater - Stadt Timothei, und in derſelben Gegend wi - derfahren waren: ſo hat wol diejenige Juͤnger - ſchaft bey Paulo, nach welcher er ſein Gefaͤhrte und Gehuͤlfe geworden, erſt ihren Anfang ge - nommen, als Paulus zum andern mal nach Ly - ſtra kam, welches geſchehen im 50ſten Jahre nach Chriſti Geburt, und im zehenden Jahre des Kaͤyſers Claudii. Wie denn daß er zu die - ſer Zeit erſt zu Paulo gekommen, Ap. Geſch. 16, 1. damit ziemlich deutlich angezeiget wird, daß es heißt: Und ſiehe, ein Juͤnger war daſelbſt, mit Namen Timotheus, u. ſ. w. und v. 3. Dieſen wolte Paulus laſſen mit ſich ziehen, u. ſ. w.
§. IV. Das Amt Timothei: Er war einer derjenigen Apoſtoliſchen Maͤnner, welche Evangeliſten genennet wurden, und vor an - dern ſonderbare Gehuͤlfen der Apoſtel waren: und wie theils aus Trieb des Heiligen Geiſtes das Evangelium hin und wieder verkuͤndigten, alſo auch theils dazu von den Apoſteln gebrau - chet, und in den Kirchen hin und her an ihrer ſtatt verſendet wurden, allerhand gute Einrich - tung zu machen. Und daß er nach vorher gegan - gener ſonderbarer oder auſſerordentlicher De - ſignation zum Amte eines ſolchen Evangeliſten von Paulo und den Aelteſten der Gemeine, mit heiliger Anrufung des Namens GOttes, und Auflegung der Haͤnde, unter vielem Segens - Wunſche, zu ſonderbarer Vermehrung derGnaden-Gaben in ihm, verordnet worden, ſie - het man aus 1 Tim. 4, 14. da es heißt: Laß nicht aus der Acht die Gabe, die dir ge - geben iſt, durch die Weiſſagung, mit Hand - auflegung der Aelteſten; davon ſiehe auch 1 Tim. 1, 18. 2 Tim. 1, 6. und 2 Tim. 4, 5. da er ausdruͤcklich ein Evangeliſte genennet wird: wie auch 1 Tim. 6, 12. da angezeiget wird, daß er zur Zeit der Ordination vor vielen Zeugen ein gut Bekenntniß des Glaubens abgeleget habe.
§. V. Die Jugend Timothei bey ſeinem Amte: daß er, als er zu Paulo gekommen, und auch noch wol als er zum Evangeliſten und Aelteſten verordnet worden, und alſo ſchon ei - nen rechten Mann in Chriſto abgegeben, dem natuͤrlichen Alter nach noch gar jung geweſen, iſt daraus zu ſchlieſſen, daß Paulus 1 Tim. 4, 12. ſchreibet: Niemand verachte deine Ju - gend. Und 2 Tim. 2, 22. Fleuch die Luͤſte der Jugend. Da nun der erſte Brief an den Timotheum etwa um das Jahr Chriſti 65. und der andere 67. geſchrieben, und Timotheus um die Zeit, da er der Gemeine zu Epheſus vor - ſtunde, noch nicht viel uͤber 30. Jahr alt geweſen ſeyn kan; ſo muß er, als ihn Paulus zu ſich ge - nommen, erſt ein Jaͤngling von 15. bis 18 Jah - ren ohngefehr geweſen ſeyn. Und alſo iſt ver - muthlich, daß die beſondere Ordination zum Amte eines Evangeliſten und Aelteſten der Kir - chen noch nicht zu Lyſtra, da ihn Paulus zu ſich genommen, ſondern anderwertig geſchehen, vielleicht hernach erſt zu Epheſus, als Paulus von dannen nach Macedonien ging, und ihn da ließ 1 Tim. 1, 3. welches kurtz vorher geſchahe, ehe er den erſten Brief aus Macedonien an ihn zuruͤck ſchrieb.
§. VI. Die Amts-Verrichtungen, und Reiſen mit Paulo:
§. VII. Das Lob Timothei. Von ſei - ner zarteſten Jugend an war er in der heiligen Schrift ſehr wohl unterrichtet 2 Tim. 3, 15. und zwar alſo, daß ein ungefaͤrbter Glaube in ihm wohnete c. 1, v. 5. Als er durch die Predigt Pau - li vom glaubigen Judenthum (dem er doch aber ohne Beſchneidung zugethan war) zum Chriſten - thum gebracht worden, hielte er ſich alſo, daß er unter den erſten Chriſten in ſeiner Vater - Stadt Lyſtra und bey denen zu Jconien ein gutes Geruͤcht und Zeugniß hatte; Ap. Geſch. 16, 2. wie er denn Paulo in der Anfuͤhrung zum Chri - ſtenthum ſo wohl gerathen war, daß er ihn nen - nete τέκνον γνήσιον ſeinen rechtſchaffenen Sohn im Glauben, 1 Tim. 1, 2. 18. 2 Tim. 1, 2. imgleichen ſeinen lieben und getreuen Sohn in dem HErrn 1 Cor. 4, 17. auch ſei - nen Bruder, einen Diener GOttes und ſeinen Gehuͤlfen am Evangelio CHriſti, 1 Theſſ. 3, 2. Roͤm. 16, 21. ſonderlich gereichet zu ſeinem beſondern Lobe der Ort Phil. 2, 20. Da Paulus bezeuget, daß er zu Rom um ſich keinen habe, der ſo gar ſeines Sinnes ſey, als Timo - theus. Ein mehrers geben die an ihn geſchriebenen Briefe, als darinnen das Muſter eines recht - ſchaffenen Lehrers, ſowol an ſeinem Exempel, als auch an der Apoſtoliſchen Inſtruction uns vor Augen lieget.
Jnnhalt:
§. I.
DEr Ort / wo dieſer Brief geſchrieben, der war uͤberhaupt in Macedonia, und darinnen eine von den Staͤdten, worin - nen der Apoſtel vor dem die Gemeinen Chriſti gepflantzet hatte, vermuthlich Philippen. Daß es Macedonien geweſen, zeiget er damitſelbſt ausdruͤcklich an, wenn er c. 1, 3. ſpricht, er habe Timotheum zu Epheſus gelaſſen, als er in Macedoniam gezogen; daß es aber darinnen vor andern die Stadt Philippis geweſen, iſt daraus zu ſchlieſſen, weil Paulus den Philippenſern von Rom aus die Hoffnung gemachet hatte, daß erſie73an den Timotheum. ſie noch einmal wieder beſuchen wolle, wel - ches er denn ohne Zweifel damals, als er von Epheſus nach Macedonien ging, wird gethan haben. Da nun dieſer Brief von dannen, al - lem Anſehen nach, nicht lange nach der Ankunft zuruͤck geſchrieben iſt, ſo iſt er vermuthlich von Philippen dahin geſandt; und hiemit iſt denn zugleich auch der Ort, wohin er geſchicket wor - den, ausgemachet, nemlich Epheſus: woſelbſt der Apoſtel vor ſeiner Abreiſe in Macedonien Timotheum zu dem Ende zuruͤck ließ, daß er an ſeiner ſtatt in daſiger Gemeine nach Lehr und Le - ben ſolte auf gute Ordnung halten c. 1, 3. 4. c. 4, 14. 15.
§. II. Die Zeit / wenn dieſer Brief ge - ſchrieben. Man haͤlt zwar gemeiniglich dafuͤr, als ſey er damals geſchrieben, da Paulus, nach - dem er ſich zu Epheſus und in daſiger Nachbar - ſchaft drey Jahre aufgehalten hatte, von dan - nen nach Macedonien gereiſet war. Ap. Geſch. 20, 1. Welche Meinung daher ruͤhret, weil man in der Ap. Geſchicht von keiner andern Ab - reiſe Pauli von Epheſus nach Macedonien lie - ſet. Allein von dieſer Zeit kan die Rede nicht ſeyn. Denn als Paulus dißmal nach Mace - donien reiſete, da ließ er Timotheum zu Ephe - ſus nicht zuruͤck, wie 1 Tim. 1, 3. ſtehet, ſondern er ſandte ihn nebſt Eraſto von Epheſus vor ſich hin nach Macedonien, da er ſelbſt nicht abkommen konte. Ap. Geſch. 19, 22. Siehe auch 1 Cor. 16, 8. 9. 10. Es iſt demnach dieſe Epiſtel in die Zeit zu ſetzen, da Paulus nach ſeiner zweyjaͤhri - gen Roͤmiſchen Gefangenſchaft wieder nach Griechenland und orient, wie er in den Briefen an die Philipper, Coloſſer, Philemonem und an die Hebraͤer von Jtalien aus nach GOttts Wil - len verſprochen hatte. Denn da iſt der Apoſtel nebſt dem Timotheo nach Epheſus kommen, und hat ihn alda zuruͤck gelaſſen, als er von da nach Macedonien gegangen, mit der Abrede, bald wieder von dannen zuruͤck nach Epheſus zu kom - men 1 Tim. 3, 14. 15. c. 4, 13. welches geſchehen iſt im Jahr Chriſti 65. nach dem er vorher im Jahr Chriſti 57 von Epheſus dahin gezogen war, und Timotheum dorthin vor ſich weg geſendet hatte. Man conferire hiebey die vorhergeſetzte Nachricht von dem Leben und den Reiſen Ti - mothei, wie auch die oben gegebene allgemeine hiſtoriſche und chronologiſche Einleitung in die Briefe Pauli. Es iſt alſo dieſer Brief ge - ſchrieben ſunzehen Jahr nach her, nachdem Pau - lus den Timotheum zu Lyſtra als einen Gefaͤhrten und Gehuͤlfen zu ſich genommen hatte. Ap. Geſ. 16, 1. 2. 3.
§. III. Der Zuſtand der Epheſiniſchen Gemeine: wie ſich derſelbe zur Zeit dieſes an Ti - motheum geſchriebenen Briefes befunden, und wie er aus dieſem Briefe zu erkennen iſt: woraus denn theils die Veranlaſſung, theils der Jnnhalt dieſes Briefes zugleich abzunehmen iſt. Davon denn nun folgende Puncte zu mercken ſind:
§. IV. Bey ſolcher Beſchaffenheit der E - pheſiniſchen Gemeine hatte der Apoſtel genug - ſame Veranlaſſung / an Timotheum dieſen Brief zu ſchreiben. Und aus derſelben iſt denn auch zugleich der Jnnhalt und Zweck deſſel - ben leichtlich zu erkennen: nemlich welcher iſt, Timotheum bey ſeinen noch juͤngern Jahren, nebſt einem ſchriftlichen Unterricht mit genugſa - mer Auctoritaͤt zu inſtruiren, wie er allen Maͤn - geln der Epheſiniſchen Gemeine, welche ſich an - gezeigter maſſen in derſelben der Lehre, dem Le - ben, und der Kirchen-Ordnung nach befunden, abhelfen moͤchte. Bey welcher Gelegenheit denn der Apoſtel eine ſolche Vorſchrift giebet, welche noch heute zu tage allen Lehrern, theils auch denen Patronis der Kirchen und den Zuhoͤ - rern, zur heilſamen Richtſchnur dienet.
§. V. Die vornehmſten Stellen von den wichtigſten Lehren dieſes Briefes ſind fol - gende:
§. VI. Die Stellen / welche vor andern einen Nachdruck in ſich halten, ſind aus den vorhergehenden zugleich mit zuerkennen: als da ſonderlich ſind
Schwere Oerter finden ſich nicht eben in die - ſer Epiſtel. Von der apodoſi des dritten Verſes im erſten Capitel wird an ſeinem Orte Meldung geſchehen.
Es koͤmmt zwar ſonſt bey der Eintheilung gar nicht auf die Ordnung der Capitel an: al - lein in dieſem Briefe kan dieſelbe fuͤglich beybe - halten und die Tractation darnach getheilet wer - den: da wir denn nach der Aufſchrift und dem Segens-Wunſche V. 1. 2. ſechs Theile haben, nach Anzahl der Capitel.
Cap. 1. Wird gehandelt von der Chriſt - lichen Lehre, wie ſie in ihrer Reinigkeit wider alle Verfaͤlſchung zu bewahren ſey: da wir haben der Lehre
Cap. 2. Von dem oͤffentlichen Gottes - dienſte: wie darinnen.
Cap. 3. Von den Eigenſchaften der Lehrer und zwar
Dazu koͤmmt die Anzeigung des Zwecks dieſes Briefes nebſt der Hauptſumme des Evangelii V. 14. 15. 16.
Cap. 4. Von den damals der Kirche bevorſtehenden argen Zeiten, und einer an Timotheum gerichteten Inſtruction.
Cap. 5. Von den Pflichten der Men - ſchen in Anſehung des Alters und der unterſchie - denen Staͤnde:
Cap. 6. Von unterſchiedlichen Erin - nerungen, welche betreffen
PAulus, ein Apoſtel (Botſchafter) JEſu Chriſti, nach dem Be - fehl GOttes, unſers Heylan - des, und des HErrn JEſu Chriſti, der unſere Hoffnung iſt (der ſie gegruͤndet hat, ſie auch in uns anzuͤndet, auch ſelbſt das Haupt-Gut iſt, worauf wir in der Hoffnung warten Col. 1, 27. 1 Theſſ. 3, 3. Fer - ner 1 Cor. 15, 19. Tit. 2, 13. Hebr. 6, 18. 19. 20. 1 Pet. 1, 3.
1. Von dem Worte Paulus ſiehe oben die Einleitung in alle Epiſteln. Von dem Woꝛte Apo - ſtel ſiehe 1 Cor. 9, 1. Von den Worten, JEſus Chriſtus, iſt gehandelt, Roͤm. 1, 1.
2. Die Berufung Pauli zum Apoſtel - Amte wird ein Befehl genannt, weil ſie ſehr ernſtlich war. Denn ob ihr gleich Paulus durch den Mißbrauch des freyen Willens haͤtte wider -K 2ſtehen76Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 1. v. 1. 2. ſtehen koͤnnen: wie ehemals Jonas: ſo wuͤr - de doch ſolcher Widerſtand, da die Berufung ſo ernſtlich und dieſe auſſerordentlich war, die ſchwerſte Veꝛantwortung nach ſich gezogen haben. Dannenhero ſie billig ein Befehl heißt. Da - her zu erkennen iſt, warum Paulus 1 Cor. 9, 16. 17. ſchreibet: daß ich das Evangelium pre - dige, darf ich mich nicht ruͤhmen: denn ich muß es thun: und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte. Thue ichs gern, ſo wird mir gelohnet: Thue ichs aber ungern, ſo iſt mir das Amt doch befohlen. Man ſehe hievon Apoſt. Geſch. 10, 3. u. f. 15. u. f. 13, 2. u. f. 22, 21. Roͤm. 16, 26. Gal. 1, 25. 26. Tit. 1, 3. Man hat hiebey zu er - kennen, was es auch bey dem ordentlichen Beru - fe zum Lehr-Amte und zum Chriſtenthum, oder zum Reiche GOttes, fuͤr eine Beſchaffenheit habe; nemlich wie ernſtlich er ſey, und als ein ſo ernſt - licher Befehl, zur rechten Verwaltung, einem auf dem Gewiſſen liege.
3. Die Worte GOttes des Heylandes koͤnnen zwar gar wohl von Chriſto verſtanden werden, obgleich die Worte von Chriſto JEſu vorher gehen und nachfolgen; da denn die Par - ticula und, wie mehrmal, Declarativa iſt, und mit den Worten: nach dem Befehl u. ſ. w. erlaͤutert wird, was vorher mit den Worten Apoſtel JEſu Chriſti, geſaget worden; doch werden ſie auch zugleich von dem Vater verſtan - den, nach dem Grunde, daß uns der Vater durch den Sohn in der Ordnung der kraͤftigen Wir - ckung des Heiligen Geiſtes das Heyl ſchaffet Hoſ. 1, 9. ſintemal die Meldung des Sohnes kurtz vor - her gehet, und gleich darauf noch einmal folget. Jn gleichem Verſtande leſen wir dis Wort auch Tit. 3. 4. 5. 6. Siehe auch Luc. 1, 47. 1 Tim. 2, 4. 4, 10. Tit. 2, 10. Jud. v. 25. wiewol doch an dieſen Orten ein ſonderliches Abſehen auf Chriſtum ſtatt findet: wie dergleichen auch an vielen Oertern des alten Teſtaments geſchiehet. Z. E. 5 B. Moſ. 32, 15. 1 Sam. 10, 19. 14, 39. 2 Sam. 22, 2. Pſ. 24, 5. Jeſ. 17, 10. Hoſ. 13, 4. u. ſ. w. Da die Schenckung des Heyls dem Dreyeinigen GOtt zugeſchrieben und derſelbe ein Heyland, und GOTT des Heyls genennet wird; iedoch mit einer beſondern Zueignung auf den Meßiam.
4. Es wird nun zwar Apoſt. Geſch. 9. Pauli Berufung Chriſto zugeſchrieben; daher er alhie ein Apoſtel JEſu Chriſti heißt: allein daß derſelbe auch zugleich nach dem Befehl des Va - ters geſchehen, daraus erkennet man die Einheit des goͤttlichen Weſens; als nach welcher in den auf die Creaturen gerichteten Wercken die Hand - lung des Sohnes auch eine Handlung des Va - ters, und nicht weniger auch des Heiligen Geiſtes iſt. Davon man ſehe Joh. 5, 17. und 14, 10. desgleichen Apoſt. Geſch. 13, 2. alwo Pauli be - ſondere Berufung, unter die Heyden zu gehen, dem Heiligen Geiſte zugeeignet wird. Siehe auch Gal. 1, 1. da Pauli Berufung von GOtt dem Vater und dem Sohne zugleich geſaget wird.
5. Es iſt aber der Nachdruck des WortsHeyland wohl zu mercken. Denn es zeiget an einen ſolchen Erretter, der uns nicht allein von allem Ubel gnaͤdiglich erloͤſet, ſondern uns auch dagegen in einen recht ſeligen und herrlichen Stand verſetzet. Und da das Wort Heyland geſetzet worden mit dem Glaubens-Worte unſer, unſer Heyland; ſo ſehe ein ieder Leſer dahin, daß er in glaͤubiger Application von ſolchem gedoppelten Heyl nach der Wahrheit ſagen moͤ - ge: mein, mein Heyland!
6. GOtt unſer Heyland. Dieſe beyde Worte ſchicken ſich auch in der Application ſehr wohl zuſammen. Denn ſie erfordern und erwe - cken Ehrfurcht und Vertrauen, die Ehr - furcht gegen GOtt in Anſehung ſeiner Maje - ſtaͤt, und das Vertrauen gegen ihn, als unſern Heyland.
7. Wie ſehr das geiſtliche Gnaden-Reich JEſu Chriſti von den Reichen dieſer Welt unter - ſchieden ſey, ſiehet man unter andern auch aus dem Apoſtel-Amte und aus der dazu geſchehe - nen Berufung, wenn man ſolche haͤlt gegen die Beſtellung und gegen das aͤuſſerliche Anſehen der weltlichen Geſandten und Botſchafter: was die - ſe nach dem Fleiſche in aͤuſſerlicher Wuͤrde fuͤhren, das haben jene nach dem Geiſte gehabt. Doch heißt es von beyderley Art der Geſandtſchaft: Wer euch hoͤret, der hoͤret mich: wer euch verachtet der verachtet mich Luc. 10, 16.
8. Daß der Namen, JEſu Chriſti, alhie in einem Verſe zweymal gedacht wird, daraus ſiehet man, wie voll Paulo das Hertz von Chriſto geweſen, alſo daß ſein Mund und ſeine Feder da - von uͤbergefloſſen. Wohl dem, dem Chriſtus al - les und in allen iſt!
9. Jſt JEſus Chriſtus unſere Hoffnung, ſo muͤſſen wir alles eigne Vertrauen, das wir na - tuͤrlicher Weiſe auf uns ſelbſt ſetzen, fahren laſ - ſen. Denn ie weniger wir uns ſelbſt zuſchreiben, oder zutrauen, ie reiner und voͤlliger iſt unſere Hoffnung im Evangeliſchen Vertrauen auf Chri - ſtum gerichtet.
10. Alsdenn aber iſt JEſus Chriſtus unſe - re Hoffnung in der Wahrheit, wenn ſolche Hoffnung durch die in unſere Hertzen von dem Heiligen Geiſte ausgegoſſene Liebe GOttes in uns recht beveſtiget iſt.
Timotheo (der ſeinen Namen von der Furcht GOttes hat) meinem rechtſchaffnen Sohn im Glauben (einen geiſtlichen Glau - bens-Sohn, nach unſer beyder Glauben Tit. 1, 3. 1 Cor. 4, 17. der da vor andern recht meines Sinnes iſt Phil. 2, 20. der mir in allem recht ge - rathen und gefolget 2 Tim. 1, 13. 3, 10. 11.) Gna - de, Barmhertzigkeit und Friede von GOtt unſerm Vater und dem HErrn JEſu Chriſto (πληϑυνϑείη, werde, nach der bereits empfangenen Beylage, vervielfaͤltiget, oder reichlich vermehret 1 Pet. 1, 2. 2 Pet. 2, 2. Jud. v. 2. wie wir denn aus der Fuͤlle JEſu zu nehmen haben Gnade um Gnade. Joh. 1, 16. Siehe die Redens-Art Dan. 3, 31. 6, 25.
Anmer -77Cap. 1. v. 2. 3. an den Timotheum.1. Ein ieder Leſer ſuche ein rechter Timothe - us zu ſeyn, und an ſich zu haben, was dieſer Na - me anzeiget, und Timotheus auch in der That erwieſen, nemlich in der Furcht GOttes, und den daher entſtehenden oder damit verknuͤpften uͤbrigen herrlichen Eigenſchaften. Wie mancher hat einen ſchoͤnen Tauf-Namen, dabey er ſich ſeines Tauf-Bundes und ſeiner Pflicht erinnern ſolte: daran ſo mancher aber gar nicht gedencket. Gluͤckſeig ſind die Eltern, welche ihren Kindern mit einem hertzlichen Wunſch recht erleſene gute Namen geben, und den Erfolg davon auch an ihnen ſehen.
2. Sonderlich haben Prediger und Studi - oſi Theologiæ dahin zu ſehen, daß ſie rechte Timothei in Lehr und Leben ſeyn moͤgen. Wenn ſie es ſind, werden ſie auch das Amt des Gei - ſtes, darinn ſie ſtehen, oder dazu ſie gelangen, alſo fuͤhren, daß ihnen dadurch geiſtliche Kinder geboren werden; welche zu haben, der rechte Character iſt eines rechtſchaffnen Lehrers: gleich - wie auch dieſes das beſte Kennzeichen eines guten Zuhoͤrers iſt, wenn er ſich durch das Wort der Wahrheit zur neuen Geburt aus GOtt bringen, oder, wenn er dieſelbe ſchon hat, wie Timotheus ſie ſchon vor dem Dienſte Pauli gehabt, duꝛch den Leh - rer doch ſich darinnen ſtaͤrcken laͤßt. Timotheus war zwar ſchon von Kindheit an glaͤubig 2 Tim. 1, 5. 3, 15. nach Juͤdiſcher Art: allein durch Pauli Dienſt iſt er erſt zur mehrern Erkentniß Chriſti und zu mehrer Glaubens-Freudigkeit gekommen. Es haben alſo auch juͤngere Maͤnner die aͤltern als ihre geiſtlichen Vaͤter anzuſehen, zumal wenn ſie ihrer guten Anfuͤhrung und ihrem Exempel viel zu dancken haben; ob auch gleich ihre erſte Be - kehrung durch ihren Dienſt nicht geſchehen waͤ - re: wie denn auch hingegen dieſe jene billig als geiſtliche Glaubens-Soͤhne aufs zarteſte lieben.
3. Gleichwie unter leiblichen Kindern, ob ſie gleich alle noch ziemlich gerathen, dennoch immer eines und das andere iſt, welches dem Vater, oder der Mutter, theils dem Leibe, und ſonderlich den Lineamenten des Geſichts nach, theils nach dem Gemuͤthe und dazu gehoͤrigen Eigenſchaften vor andern gar aͤhnlich iſt: alſo ſind auch geiſtli - che Kinder nicht von einerley Art; und hat ein Zuhoͤrer dahin zu ſehen, daß, wenn er an ſeinem Lehrer ein rechtſchaffnes Vorbild hat, wie Ti - motheus an Paulo, daß er deſſelben τέκνον γνή - σιον, recht wohl gerathener und recht aͤhnlicher Sohn ſeyn moͤge.
4. Zu dem Worte Gnade iſt das Wort Barmhertzigkeit geſetzet, zur Anzeigung deſſen, daß wir uns von Natur um die Gnade GOttes keines weges verdient machen, wie mancher Die - ner ſeinem Herrn alhie auf Erden thut; ſondern daß wir in einem ſolchen Elende liegen, darinn GOTT zum Mitleiden oder Erbarmung gegen uns in Chriſto bewogen worden.
5. Da der Apoſtel das Wort Barmher - tzigkeit nur in dem Gruße der drey Paſtoral - Briefe an den Timotheum und Titum ſetzet, iſtes eine Anzeige theils von ſeinem dringenden Affect, nach welchem er auch ſonſt gern eine Sache mit mehrern Worten ausdrucket, theils davon, daß rechtſchaffne Lehrer gemeiniglich mehrerm Elende und mehrer Noth unterworfen ſind, als die meiſten von ihren Zuhoͤrern, und daher der Erbarmung GOttes zum kraͤftigen Beyſtande ſoviel mehr benoͤthiget ſind; wie ſie es denn ſonderlich zu Pauli Zeiten waren.
6. Wofern die empfangene Gnade und Barmhertzigkeit ſich nicht durch den Frieden in der Seele aͤuſſert, ſo hat man ſie auch noch nicht empfangen, ſondern man machet ſich da - von nur eine falſche Einbildung. Es muͤſte ei - ner denn im Stande der Anfechtung ſtehen, da die wuͤrckliche Beſitzung der Gnade oft gantz un - empfindlich iſt.
7. Wo einer vermeynet den Frieden in und mit GOtt zu haben, und iſt doch nicht durch die Gnade der Bekehrung und Rechtfertigung dazu gelanget, alſo daß er deſſen gewiß iſt, der betruͤget ſich ſelbſt, und ſichet ſeine fleiſchliche Sicherheit fuͤr einen wahren Frieden an.
8. Wer Gnade und Friede ſuchet aus eig - nem Verdienſte zu erlangen, der betruͤget ſich nicht weniger ſelbſt, da er beydes von GOTT um Chriſti willen erbitten und empfangen ſolte.
9. Kommt aber Gnade und Friede von Chriſto, und zwar als von dem HErrn, Jeho - vah; ſo iſt er gewiß wahrer GOTT mit dem Vater und dem Heiligen Geiſte, als dem Geiſte der Gnaden und des Friedens.
10. Niemand empfaͤhet Gnade und Friede von GOTT, als der ihn in Chriſto glaubig an - ſiehet, als ſeinen verſoͤhnten Vater; darum beydes bey einander ſtehet: von GOTT un - ſerm Vater.
11. Ein ieglicher glaͤubiger Leſer hat ſich bey Erwegung dieſes Segens-Wunſches an die Stelle Timothei zu ſetzen, und ſich denſelben zu - zueignen; und zwar alſo, daß er GOtt fuͤr ſei - nen Vater, und Chriſtum fuͤr ſeinen HErrn erkenne und ehre.
Wie ich dich ermahnet habe, daß du zu Epheſo bliebeſt, da ich in Macedonien ging, und geboͤteſt etlichen, daß ſie nicht anders lehreten (nemlich als es meiner Apo - ſtoliſchen Vorſchrift gemaͤß iſt: alſo gebiete ih - nen mit allem Ernſt; wie ich dir denn zu dem Ende, daß du es in meinem Namen und an meiner ſtatt mit Nachdruck thun koͤnneſt, dieſe ſchriftliche Inſtruction zuſchicke.)
1. Man haͤlt zwar insgemein dafuͤr, als wenn Paulus ſaͤhe auf diejenige Abreiſe von Epheſus in Macedonien, welcher Ap. Geſch. 19, 21. 22. und c. 20, 1. gedacht wird; ſintemal Lucas keiner andern gedencket: allein dieſe kan es nicht ſeyn, weil der Apoſtel dazumal Timo - theum nicht zu Epheſus gelaſſen, ſondern vor ſich hin von dannen nach Macedonien nebſt dem Eraſto geſchicket hat; v. 22. Siehe auch 1 Cor. 16, 8. 9. 10. es iſt demnach dieſe Abreiſe in dieje -K 3nige78Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 1. v. 3. nige Zeit zu ſetzen, da Paulus nach ſeiner erſten Gefangenſchaft von Rom wider nach Orient und Griechenland gekommen iſt; wie er den Gemei - nen in Orient und Griechenland in den an ſie ge - ſchriebenen Briefen, nemlich in dem an die He - braͤer, auch an die Philipper und Coloſſer, und in dem an den Philemonem zu Coloſſen dazu ge - wiſſe Hoffnung gemachet hatte, von welcher Zeit die obige hiſtoriſche Nachricht von Timotheo und dieſem Briefe, wie auch oben die Lebens - Beſchreibung Pauli ſamt der Chronologiſchen Ordnung der Epiſteln kan nachgeleſen werden.
2. Es geben einige auch vor, als ſey Ti - motheus zum erſten Biſchoffe der Gemeine zu Epheſus geſetzet worden: allein es iſt eine gantz ausgemachte Sache, daß zu der Apoſtel Zeiten die Biſchoͤffe und Aelteſten der Kirchen, oder ihre Hirten und Lehrer, einerley Perſonen gewe - ſen ſind: wie wir auch hernach im dritten Ca - pitel ſehen werden. Da nun die Epheſiniſche Gemeine ſchon vorher ihre ordentlichen Lehrer gehabt hat; wie Ap. Geſch. 20, 17. 18. zu erſe - hen iſt; ſo iſt Timotheus darinnen weder als der erſte, noch als ein den andern ſurrogirter Biſchoff beſtellet worden, ſondern, da er ein Evangeliſte und Pauli beſonderer Gehuͤlfe war, ſo iſt er von Paulo, vermoͤge ſeiner Apoſtoliſchen Auctoritaͤt, der Epheſiniſchen Gemeine zur aufferordentlichen und beſondern Aufſicht vorge - ſetzet; da er denn zwar vor andern Lehrern eine beſondere Auctoritaͤt, doch aber nicht als Bi - ſchoff, ſondern als Pauli Vicarius, der ſeine Stelle in ſeiner Abweſenheit auf einige Zeit ver - treten muſte, gehabt hat.
3. Man ſiehet hieraus, wie bald Pauli Prophezeyung von der Epheſiniſchen Gemeine eingetroffen, da er bey ſeinem Abſchiede zu dero - ſelben nach Mileto berufenen Aelteſten Ap. Geſ. 20, 29. 30. ſagte: Das weiß ich, daß nach meinem Abſchiede werden unter euch kom - men greuliche Woͤlfe, die der Heerde nicht verſchonen, u. ſ. w.
4. Das ἐτεροδιδασκαλει῀ν, anders lehren, welches zu verhindern Timotheus zu Epheſus gelaſſen war, geſchahe theils alſo, daß gantz andere oder fremde und unrichtige Lehren vor - getragen, oder der reinen Lehre mit unterſcho - ben wurden; theils zwar eben dieſelbe von Pau - lo der Gemeine uͤbergebene Lehren, aber doch nicht in ihrer Lauterkeit, ohne allen Zuſatz oder Verkuͤrtzung, oder andere Veraͤnderung be - halten und vorgetragen wurden. Und alſo be - ſtunde die heterodidaſcalia darinnen, daß man theils alia, theils zwar eadem, aber aliter lehrete: wie denn auch die beſte und richtigſte Lehre, wenn ſie nicht in ihrer richtigen Ord - nung und Application zum Vortrage kommt, auf eine gewiſſe Art zu einer heterodidaſcalia, oder andern und unrichtigen Lehre wird; welches Lehrer wohl zu mercken haben. Wie ſehr Pau - lus auf die lautere Lehre des Evangelii gehalten, (welches einer mit von den Haupt-Characteri - bus eines rechtſchaffenen Lehrers iſt,) davon ſehe man, auſſer dieſen und noch viel andern Stellen, ſonderlich den Ort Gal. 1, 6. 7.
5. Reine Lehre und ein gottſeliges Le - ben muͤſſen von Rechtswegen immer zuſammen ſtehen, denn ohne eine in ihren Haupt-Stuͤ - cken reine Lehre findet kein gottſeliges Leben ſtatt: und ohne ein gottſeliges Leben wird die Reinig - keit der Lehre nicht alſo bewahret, daß ſie auch alle Zeit zu einem lautern und kraͤftigen Vortrag und zur gehoͤrigen Application komme.
6. Das anders lehren ſolte Timotheus verbieten, und alſo dagegen in der von Paulo ihme aufgetragenen beſondern Auctoritaͤt mit rechtem Ernſt und Nachdruck zeugen; und ob - gleich Paulus dieſes dem Timotheo, wie er hier - mit anzeiget, bereits muͤndlich aufgetragen hat - te, darinnen ihm auch mit ſeinem Exempel vor - gegangen war, wie leichtlich zu erachten iſt: ſo wiederholet er es doch ſchriftlich, um ihn da - durch gegen die irrigen Lehrer in die gehoͤrige Auctoritaͤt zu ſetzen.
7. Wie aber Timotheus das Verbieten verrichten ſolle und koͤnne, das uͤberlaͤßt er ſei - ner Weisheit nach dem Grunde der ihm bey - wohnenden Salbung; da er denn ſolches, nach unterſchiedener Beſchaffenheit der Jrriglehren - den, dieſelbe mit Anfuͤhrung wichtiger Gruͤnde zum Theil wird ermahnet und uͤberzeuget, zum Theil aber beſtrafet und widerleget, auch die Gemeine vor ihnen gewarnet haben. Man con - ferire hiebey 1 Tim. 6, 3. u. f. 2 Tim. 2, 16. u. f. v. 25. u. f. cap. 4, 2. Tit. 1, 11. 13. c. 2, 15. c. 3. v. 9. 10. 11.
8. So wohl es gleich um die Apoſtoliſche Kirche geſtanden, ſo hat es ihr doch an leinem Orte an Aergerniſſen in der Lehre und im Leben gefehlet, wie wir aus allen Apoſtoliſchen Brie - ſen ſehen. Man hat demnach in der Idee von derſelben dieſe beyden extrema zu meiden: daß man ſich dieſelbe weder ohne mancherley Maͤn - gel und Unvollkommenheit, noch auch in ſolcher Corruption, darinnen die Kirche itzo, ſonder - lich nach der Diſciplin und dem Leben, an man - chen Orten auch der Lehre nach, ſich befindet, vorſtelle.
9. Jm uͤbrigen iſt bey dieſem Verſe noch wohl zu mercken, daß darinnen dem Verſtande nach ein und das andere Wort ſuppliret, oder un Sinne des Leſers hinzugeſetzet werden muͤſſe, das da nemlich folge auf die Worte: Wie ich dich ermahnet habe, ‒ ‒ ‒ Nun kan zwar gar fuͤglich ſeyn, daß der Apoſtel, nach ſeiner aus der Fuͤlle ſeines Hertzens und ſeines Affects herruͤhrenden parenthetiſchen Schreib-Art, von den Worten dieſes Verſes, durch eine laͤn - gere Parentheſin der bis auf den 18ten Vers geſetzten Verſe abgehe, und die apodoſin, oder Ergaͤntzung des ſenſus im gedachten 18ten Vers mache; zumal da er das Wort Gebot wiederholet, und ſpricht: Dis Gebot befehl ich dir, u. ſ. w. als wolte er ſagen: gleichwie ich dich muͤndlich ermahnet habe, daß du geboͤteſt nicht anders zu lehren: alſo wiederhole und thue ich nun auch ſchriftlich ſolche Ermahnung von dem Gebot oder Verbot irriger Lehre. Man kan aber auch nicht unfuͤglich entweder im dritten Vers vor dem Woͤrtlein ἵνα, daß, die Wor -te79Cap. 1. v. 3. 4. an den Timotheum. te ου῾τως νυ῀ν πάλιν ϖάρακαλῶ, alſo ermahne ich dich abermal, im Sinne ſuppliren: oder, welches noch fuͤglicher iſt, am Ende des vierten Verſes die Worte ου῞τως παράγγελλε bey ſich ſelbſt alſo wiederholen: gleichwie ich dich er - mahnet habe, ἳνα παραγγέιλης daß du geboͤ - teſt -- alſo gebiete. Darauf ſich denn der Anfang des fuͤnften Verſes gar wohl ſchicket, da es heißt: Τὸ δέ τελος τῆς παραγγελίας, die Haupt - Summa aber des, oder ſolches Gebots iſt. u. ſ. w.
Auch nicht acht haͤtten auf (oder ſich nicht halten an) Fabeln (der mit unter die Leh - ren der Chriſtlichen Religion gemengeten juͤdi - ſchen und falſchen oder Kabbaliſtiſchen und Tal - mudiſchen Theologie,) und der Geſchlecht - Regiſter (daruͤber das Diſputiren unter der Oeconomie des neuen Bundes vergeblich und unnuͤtzlich, ja ſchaͤdlich war) die kein Ende ha - ben (theils aus Ermangelung genugſamer Ur - kunden; theils aus Zerruͤttung des Sinnes bey den Diſputanten) und bringen (vergebliche) Fragen auf, mehr denn Beſſerung (Erbau - ung) zu GOtt im Glauben (darauf es bey der Chriſtlichen Religion am meiſten ankoͤmmt, und davon auch alle gute Einrichtung des inner - lichen Lebens und aͤuſſerlichen Wandels depen - diret.)
1. Μύθοι, Fabeln, ſind Dinge und Bege - benheiten, welche ohne Grund, und alſo nur er - tichtet ſind. Da nun ſolches Tichten, die wei - ſe und Lehrreiche Apologos und Parabolas ausgenommen, uͤberhaupt ein eiteles Weſen iſt: ſo iſt es ſo viel unanſtaͤndiger und ſchaͤdlicher, wenn es in Religions-Sachen gemenget, die reine Lehre damit verfaͤlſchet, und das Gemuͤth dadurch zerruͤttet wird. Und dieſes geſchahe von einigen zu Epheſus.
2. Nun hatten zwar Juden nnd Heyden ih - re Fabeln; und die Heyden ſonderlich von ih - ren vermeinten Goͤttern und derſelben genera - tionibus und factis, auch daher entſtandenen manchen Stuͤcken ihres abgoͤttiſchen Weſens; und kan auch gar wol ſeyn, daß von denen Hey - den, welche die Chriſtliche Religion angenom - men, davon etwas in dieſelbe eingemiſchet wor - den: allein es ſiehet der Apoſtel wol eigentlich, oder doch am meiſten auf die, welche ſich aus dem Judenthum zum Chriſtenthum, aber doch nicht in rechter Lauterkeit gewendet hatten: wie man denn in den apoſtoliſchen Briefen ſo viele Spu - ren findet, daß die meiſten Jrrungen in der Leh - re zu der Apoſtel Zeiten von denen nicht recht be - kehrten Juden hergeruͤhret. Nun aber waren die Juden ſchon von etlichen Seculis vor Chriſti Geburt her durch ihr menſchliches Tichten in Re - ligions-Sachen ſehr eitel worden. Denn auſ - ſer allerhand Hiſtoͤrichen von dem Leben der Pa - triarchen gaben ſie, ſonderlich unter ihnen die Phariſaͤer, vor, es waͤren weder alle von GOtt geoffenbahrete Stuͤcke der Religion von Moſe aufgeſchrieben, noch ſey der aufgeſchriebenenStuͤcke ihr geheimer Verſtand aus den Schrif - ten zu errathen, ſondern beydes, ſo wol dieſen geheimen Verſtand, als auch die gar nicht verzeichneten Religions-Geheimniſſe waͤren von Moſe den Aelteſten muͤndlich vorgetragen, und durch dieſelbe auf die Nachkommen, auf welche endlich alles auf ſie, die Phariſaͤer, gebracht, als Lex oralis, ein muͤndliches Geſetz, oder Kab - bala, fortgepflantzet. Daher denn hernach ih - re in ſolche Schriften, die noch heute zu tage vorhanden ſind, verfaſſete pſeudomyſtiſche, kabbaliſtiſche und talmudiſche Theologie mit dem gantzen Satzungs-Kram entſtanden. Wozu auch wol manches von den thoͤrichten Saͤtzen der Aegyptier, Chaldaͤer, und Sabaͤer, auch aus der Pythagoriſchen und Platoniſchen Philoſophie mochte angenommen ſeyn. Dieſe Dinge ſind mit den Lehren der Chriſtlichen Re - ligion vermenget; und die nennet der Apoſtel Fabeln. Cap. 4, 7. heiſſen ſie ungeiſtliche und altvetteliſche Fabeln. v. 6. 7. heißen ſie un - geiſtliche loſe Geſchwaͤtz und das Gezaͤncke der falſchberuͤhmten Kunſt. 2 Tim. 4, 4. wird ſolcher juͤckenden Ohren gedacht, welche ſich von der Wahrheit zu den Fabeln wenden. Und Tit. 1, 14. gedencket er der Fabeln ausdruͤck - lich, als ſolcher, die Juͤdiſch ſind, und verknuͤ - pfet ſie mit den Menſchen Geboten. Siehe auch 2 Pet. 1, 16. Da Petrus ſpricht, er habe nicht μύθοις σεσοϕισμένοις, den klugen oder ausge - kluͤgelten Fabein gefolget.
3. Was die Geſchlecht-Regiſter betrift; ſo haben zwar auch die Heyden ihre genealo - gias in den ſo genannten generationibus Deo - rum gehabt: allein dieſe Dinge waren viel zu thoͤricht, als daß ſie von einigen bey der Chriſt - lichen Religion noch ſolten beybehalten ſeyn: wie ſie denn auch von den vernuͤnftigen Heyden ſelbſt verlachet wurden. Und alſo ſiehet der A - poſtel eigentlich auf die Juͤdiſche Genealogien; gleichwie er auch mit dem vorhergehenden Wor - te ihre Corruption in der Lehre bezeichnet. So noͤthig nun als die Unterſuchung und Be - wahrung der Geſchlecht-Regiſter unter den Ju - den war, wie in politicis und œconomicis zum Unterſcheide der Staͤmme und der Familien, und der ihnen nach ſolchem Grunde zukommen - den Rechte an zeitlichen und unbeweglichen Guͤ - tern; alſo auch in eccleſiaſticis zur Bezeich - nung der Ordnungen und Familien unter den Leviten und Prieſtern; und uͤberdas in dem Stamme Juda in der Davidiſchen Familie zur Wahrnehmung der Abſtammung des verheiſſe - nen Meßiaͤ: ſo groß war auch der Mißbrauch bey ſolchem genealogiſchen Fleiße, ſonderlich außer dem Juͤdiſchen Lande, und zu der Zeit, da man von der geſchehenen Sendung des Meßiaͤ ſchon genugſam verſichert war, und der genea - logiſchen Diſputation, zumal einer ſolchen, die auf keine Erlaͤuterung gewiſſer Stellen der heiligen Schrift A. Teſtaments ging, nicht mehr gebraucht, und darinnen bey ſo zerruͤtteten Sin - nen der Diſputanten kein Ende zu finden war. Siehe auch Tit. 3, 49.
4. Jn den Worten: bringen Fragenauf80Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 1. v. 4. 5. auf mehr, denn Beſſerung, hat die particula comparativa mehr vim negandi, und heißt ſo viel als, und nicht, wie wir ſolcher Redens - Arten mehr haben, als 2 Tim. 3, 4. mehr lie - ben Wolluſt denn GOtt. Siehe auch 1 Cor. 7, 9. Und wird mit der particula comparati - va geſehen auf die Einbildungen, welche man ſich dabey von der Erbauung gemacht hat, und ſolche damit hinweg genommen. Und geſetzet auch, es koͤnte etwas einige Erbauung bringen; wenn aber doch nur mehr Zerſtreuung, Vereite - lung und Gezaͤnck daher entſtehet, als Erbauung, ſo hat man davon abzuſtehen.
5. So nuͤtzlich, auch noͤthig, vielmal das Fragen iſt, um dadurch einen guten Unterricht zu ſuchen; ſo eitel und unnuͤtzlich, auch ſuͤndlich iſt es hingegen, wenn es im Fuͤrwitze mit ei - telem Sinne getrieben und auf ein Gezaͤncke hinaus gefuͤhret wird. Gleichwie ſich nun ein Lehrer vor ſolchen Materien, welche nur fuͤrwi - tzige Fragen erregen, zu huͤten hat: alſo hat ſich auch ein Zuhoͤrer vorzuſehen, daß er nicht dar - auf achte und falle, noch das, was er zur Er - bauung anwenden ſolte, nur auf eitele Fragen ziehe.
6. Die beſte Erbauung iſt, die da iſt ἡ ἐν πἵςει, die im Glauben geſchiehet. Denn was das Fundament einem Hauſe, und die Wur tzel mit dem geſunden Stamme einem Baume iſt, das iſt der Glaube dem Chriſtenthum. Jemehr man darinnen waͤchſet, iemehr erwachſen auch daraus die Pflichten des Chriſtenthums in Aus - uͤbung der wohlgeordneten Liebe gegen GOtt, uns ſelbſt und den Nechſten. Siehe auch 1 Cor. 3. und Ep. Jud. v. 20. Da es heißt: Jhr aber, meine Lieben, erbauet euch auf euren aller - heiligſten Glauben durch den heiligen Geiſt, und betet.
Denn (Gr. aber) die Haupt-Summa des Gebots (welches man gegen die irrige Lehre zu treiben hat,) iſt Liebe (welche alle Pflichten gegen GOTT, uns ſelbſt und den Nechſten in ſich faſſet) aus reinem Hertzen (aus einem ſol - chen Hertzen, welches durch das Blut Chriſti in der Rechtfertigung von der Schuld, und durch die Kraft des heiligen Geiſtes von der Herr - ſchaft der Suͤnden gereiniget iſt) und vom gu - ten Gewiſſen (da man ſich uͤberzeuget findet, daß man die in der Reinigung des Hertzens bey - gelegte Gnade nicht von ſich geſtoſſen hat) und von ungefaͤrbtem Glauben (Liebe, welche wie aus der Quelle eines in der Wiedergeburt und Rechtfertigung gereinigten Hertzens, alſo auch darinn aus dem Grunde eines ungeheuchelten Glaubens, der durch die Liebe thaͤtig iſt, Gal. 5, 6. flieſſet.
1. Τέλος, welches Lutherus gar recht uͤber - ſetzet hat, die Haupt-Summa, heißt ſonſt das Ende. Da nun das Ende eines jeden Dinges auf den Zweck oder auf das eigentliche Abſehen gehet, und wenn dieſer erhalten werden ſoll, die gantze Handlung darnach eingerichtet ſeyn,und ihre recht Haupt-Summa, oder ihren Haupt - Jnnhalt haben muß; ſo kan τέλος alhier gar wohl heiſſen eine ſolche Haupt-Summa, wohin alles gerichtet, und worinn alles verſaſſet ſeyn ſoll.
2. Mit dem Wort ϖαραγγελία Gebot, ſiehet der Apoſtel zuruͤck auf das vorhergehende Wort ϖαραγγείλης, geboͤteſt; und wieder - holet es v. 18. und alſo verſtehet er damit nicht das Geſetz GOttes, davon er hernach handelt, ſondern diejenige Inſtruction und Commis - ſion, die er der reinen Lehre wegen wider die irrige Lehrer Timotheo gegeben hatte.
3. Das Wort Liebe hat gar vieles in ſich. Denn es ſind dem groſſen Nachdrucke nach da - bey folgende drey Puncte wohl zu betrachten:
4. Durch das Wort Hertz wird in der heiligen Schrift, nach der Hebraͤiſchen Mund - Art, ſonderlich der Wille des Menſchen ver - ſtanden. Dieſer iſt nun mit einer gedoppelten Suͤnden-Unreinigkeit behaftet: nemlich mit der Suͤnden-Herrſchaft, welche in der unor - dentlichen und boͤſen Luſt lieget und ſich hervor - thut; und mit der Suͤnden-Schuld. Und folglich geſchiehet die Reinigung des Her - tzens in Anſehung der Suͤnden-Herrſchaft durch die Wiedergeburt; in Anſehung der Schuld aber durch die Rechtfertigung, da die Schuld hinweg genommen wird durch Zuei - gnung des Blutes oder des Verſoͤhn-Opfers Chriſti. Von welcher gedoppelten Reinigung man unter andern ſehe Pſ. 51, 9. 12. Jeſ. 1, 16. 81. Ap. Geſ. 15, 9. 1 Cor. 6, 11. Hebr. 9, 14. c. 10, 22. 23. 1 Joh. 1, 7. Offenb. 1, 7. c. 7, 14.
5. Wenn nun die Liebe aus dem reinen Hertzen hergeleitet wird, ſo wird ſie damit von der bloß natuͤrlichen Liebe gar nachdruͤcklichunter -81Cap. 1. v. 5. an den Timotheum. unterſchieden, und angezeiget, daß ſie eine ſol - che Frucht des heiligen Geiſtes ſey, welche ſich nur bey einem wiedergebornen und gerechtfer - tigten Menſchen befinde.
6. Das Gewiſſen iſt derjenige Zuſtand der Seelen, nach welchem der Menſch ſich deſ - ſen, was er nach dem Geſetze GOttes thun oder laſſen ſoll, und gethan oder gelaſſen habe, alſo bewuſt iſt, daß er daruͤber innerlich entweder be - ruhiget, oder beunruhiget wird. Dieſes Ge - wiſſen iſt boͤſe, wenn ſich der Menſchen einer wider das erkannte Geſetz GOttes gethanen boͤſen innerlichen oder aͤuſſerlichen Handelung zu ſeiner Beunruhigung bewuſt iſt: dergleichen boͤſes Gewiſſen ſich bey allen unbekehrten Leu - ten befindet. Gut aber iſt es, wenn ſich der Menſch zu ſeiner Beruhigung bewuſt iſt, daß er, ob zwar in vieler Unvollkommenheit, doch in aller Aufrichtigkeit, nach dem Geſetze GOttes gehan - delt habe.
7. Nun ſtehet ein reines Hertz und ein gutes Gewiſſen beyſammen: ſintemal ſich kein eigentlich gutes Gewiſſen findet, als nur bey denen, welche eines zuvor beſchriebenen reinen Hertzens ſind, oder deren Gewiſſen gereiniget iſt von den todten Wercken Hebr. 9, 14. Von welchem guten Gewiſſen der bloß natuͤrliche Menſch in ſeinen, in ihrer Maße guten, oder rech - ten, Handlungen nur einen Schatten hat.
8. Liebe von einem guten Gewiſſen iſt nun eine ſolche Ausuͤbung aller Pflichten gegen GOtt, uns ſelbſt und den Nechſten, bey welcher der Menſch, in der aufrichtigen Pruͤfung ſeiner ſelbſt, zu ſeiner Beruhigung und Zufriedenheit, das Zeugniß in ſich hat, daß er nach ſeiner Er - kaͤnntniß, ob gleich ſchwaͤchlich, doch getreulich gehandelt habe. Man ſehe ſonſt vom guten Gewiſſen Ap. Geſ. 23, 1. 1 Tim. 1, 19. 1 Pet. 3, 16. 21. Hebr. 10, 22.
9. Daß der Apoſtel die Liebe aus dem Glauben herleitet, damit zeiget er an, daß die wahre Liebe, ob ſie es gleich eigentlich mit den Pflichten nach dem Geſetze zu thun hat, dennoch Evangeliſcher Art ſeyn, das iſt, die Evangeli - ſchen Glaubens-Geheimniße und Glaubens - Lehren und den an GOTT darauf gerichteten wahren Glauben des Hertzens zum Grunde ha - ben muͤſſe: wie denn der Glaube iſt die rechte Quelle, die Mutter und Wurtzel der Liebe, der ſich durch die Liebe thaͤtig erweiſet, und ohne Lie - be todt an ſich ſelbſt iſt Gal. 5, 6. Jac. 2, 17.
10. Und ein ſolcher Glaube iſt denn auch ungefaͤrbt, Gr. ἀνυπόκριτος, ohne Heuehe - ley, ohne falſchen Schein und Glantz, wie angeſtrichene oder gefaͤrbte Dinge haben, die, was ihnen nicht weſentlich iſt, von der Farbe nur zum Schein haben. Da nun ein gefaͤrbter Schein-Glaͤube iſt ein ſolcher, welchem es an ſeinem wahren Urſprunge, an ſei - ner wahren Beſchaffenheit, an ſeinen wahren Handelungen und an ſeinen Fruͤchten fehlet: ſo iſt ein ungefaͤrbter Glaube nichts anders, als ein wahrer, aͤchter, lebendiger, thaͤtiger und alſo auch ſeligmachender Glaube, der da hat: a ſei - nen wahren Urſprung in der Wiedergeburt,nach welchem er iſt von GOtt gewircket Joh. 6, 29. Eph. 2, 8. b. Seine wahre Beſchaffen - heit, nach welcher er iſt ein geiſtliches Leben und geiſtliches Licht in der Seele, und alſo ei - ne rechte ὑπόςασις, ſelbſtſtaͤndige wuͤrckliche Kraft. Hebr. 11, 1. die ihr rechtes ἔργον, oder Realitaͤt hat. 1 Theſſ. 1, 3. c. Seine wahre Handlung in dem zuverſichtlichen Zutritt und Zunahen zu GOTT, da er aus der Fuͤlle JESU empfaͤhet Gnade um Gnade zur Necht - fertigung und Heiligung Joh. 1, 16. Eph. 3, 12. Hebr. 4, 16. c. 10, 22. 23. wie auch in den Fruͤch - ten, oder in Beweiſung der Pflichten gegen GOtt, uns ſelbſt und den Nechſten.
11. Gleichwie die bisher erklaͤrten Worte dieſes Textes an ſich ſelbſt von groſſem Nach - druck ſind; ſo fuͤhren ſie auch ein greſſes Ge - wicht mit ſich in ihrer Structur und Ordnung. Denn da ſehen wir erſtlich den Grund, wor - auf bey der Application des erworbenen Heyls alles ankoͤmmt, nemlich auf die Wiederge - burt und Rechtfertigung, dadurch wir zur Reinigung und Reinigkeit des Hertzens gelan - gen. Und auf dieſen Grund wird das gantze durch das Wort Liebe angezeigete, oder in der Liebe beſtehende thaͤtige Chriſtenthum gebauet. Nun aber koͤmmt es bey dieſem in dem Wercke der Erncuerung, ſonderlich auf dieſe zwey Haupt-Stuͤcke an; nemlich darauf, daß der Menſch in derſelben Ausuͤbung ſich getreu und aufrichtig erweiſe nach der empfangenen Gna - de; nicht weniger auch darauf, daß, wenn er bey ſolcher ſeiner Treue und Aufrichtigkeit ei - nes Theils ſeine geiſtliche Staͤrcke und Wer - cke, andern theils aber auch ſeine noch ankle - bende greſſe Unvollkommenheit ſiehet und er - kennet, er ſich weder durch jenes erhebe und et - was ſich ſelbſt zu ſchreibe, noch durch dieſes den Muth ſincken, und niederſchlagen laſſe, ſon - dern wie getreulich, alſo auch demuͤthig und zu - verſichtlich vor GOTT wandele, und in dem Wege der Erneuerung einher gehe. Und dazu dienet ihm das gute Gewiſſen und der unge - faͤrbte Glaube. Denn das gute Gewiſſen ſtehet mit ſeiner Bewahrung der Untreu und dem Mißbrauche des Evangelii zur fleiſchlichen Sicherheit entgegen: Und der ungefaͤrbte Glaube erhaͤlt das Hertz wie in der Niedrig - keit, da man ſich ſelbſt nichts, ſondern al - les GOTT zuſchreibet; alſo auch in der kindlichen und zuverſichtlichen Freudigkeit bey aller noch uͤbrigen Schwachheit, in der Ver - ſicherung, daß man bey derſelben an GOTT in Chriſto doch einen gnaͤdigen Vater, Ver - gebung der Suͤnden und Leben und Seligkeit habe. Es hat demnach dieſer Apoſtoliſche Text ſowol beſonders in allen und ieden Worten, als auch in derſelben Structur und Ordnung eine groſſe Fuͤlle und iſt von groſſem Nachdrucke.
12. Will nun iemand ſagen, es komme bey der Chriſtlichen Religion nur allein an auf die Liebe und dero thaͤtigen Ausuͤbung, nicht aber auf die Glaubens-Lehren; als darum es ſtehen moͤ - ge, wie es wolle; ſintemal Paulus, als er dem Timotheo eine Inſtruction gegeben, wie er ſichLder82Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 1. v. 5. 6. der unrichtigen Lehre widerſetzen ſoll, er ihn nicht auf gewiſſe Glaubens-Articul, ſondern nur auf die Liebe gewieſen habe: ſo iſt dagegen wohl zu mercken:
13. Man ſiehet aber aus dieſer vortreflichen Stelle Pauli, wie es um die wahre Morale der Chriſtlichen Religion ſtehe, und wie viel ſie vor der Moral der Heyden, oder der, welche nur al - lein aus dem bloß natuͤrlichen Lichte koͤmmt, vor - aus habe. Da ſie nemlich hat zum Grunde den ungefaͤrbten Glauben; zur Ordnung ihrer Ausuͤbung die Reinigung des Hertzens; zur Richtſchnur und Direction ein richtiges und gutes Gewiſſen, und zum Jnnhalt die Liebe mitallen ihren Pflichten gegen GOtt, uns ſelbſt und den Naͤchſten. Von welchen allen die Heydni - ſche, oder bloß natuͤrliche Sitten-Lehre dem wah - ren Verſtande nach kaum einen Schatten hat.
Welcher (Stuͤcke insgeſamt, nemlich des reinen Hertzens, des guten Gewiſſens und des ungefaͤrbten Glaubens, und der dieſen Princi - piis gemaͤſſen Liebe) haben etliche (die weder uns, noch der Gemeine unbekannt ſind, alſo) gefehlet (daß ſie, ἀςοχήσαντες, von dem rechten Wege und rechten Zwecke abgewichen, und alſo blinde und verfuͤhriſche Leiter der Blinden wor - den, welche auch die Sehende mit ſich in die Gru - be fuͤhren wollen Matth. 15, 14. Cap. 23, 16. 24. Roͤm. 2, 19. 21. Siehe auch von ſolcher ἀςοχίᾳ 1 Tim. 6, 21. 2 Tim. 2, 18.) und ſind umge - wandt (innerlich verkehret worden, und dahero auch aͤuſſerlich mit Lehr und Leben, oder ihrem Exempel auf ſchaͤdliche Abwege gerathen, nem - lich) zu unnuͤtzem Geſchwaͤtz (dazu die gantze Theologie wird, wenn der Lehre und der Ap - plication nach, die Ausuͤbung der Liebe nach dem Grunde des reinen Hertzens, des guten Ge - wiſſens, und des ungefaͤrbten Glaubens dabey nicht ſtatt findet und recht getrieben wird.
1. Ματαιότης, vanitas, Eitelkeit, wenn von der Theologie die Rede iſt, heißt alles, was der wahren, reinen und geſunden Lehre und dero - ſelben richtigen Application entgegen ſtehet, und alſo in unrichtigen Saͤtzen und Jrrthuͤmern, wie auch in derſelben Vermengung mit der Wahrheit beſtehet. Ματαιολογία, ſo Lutherus gar gut durch loſes Geſchwaͤtz uͤberſetzet hat, iſt das Geſchaͤfte, welches mit der theils an ſich ſelbſt falſchen, theils wahren, aber verfaͤlſchten und auch uͤbel applicirten, Lehre im Vortrage zur Ausbreitung mit allem Fleiſſe getrieben wird. Wozu ſich die falſchen Lehrer gemeiniglich der affectirten Wohlredenheit gebrauchet haben: daher ihnen Roͤm. 16, 18. ἐυλογία und χρηςολο - γία ſuͤſſe Worte und praͤchtige Reden, zur Verfuͤhrung der unſchuldigen Hertzen zugeſchrie - ben werden. Und 2 Pet. 2, 18. heißt es von ihnen, daß ſie ſind ὑπέρογκα ματαιότητ ος ϕϑεγγό - μενοι, die da ſtoltze Worte reden, da nichts dahinter iſt.
2. Sind aber dieſe Leute zum loſen Geſchwaͤ - tze umgewandt, ſo ſind ſie nicht allein beſſer angefuͤhret worden, ſondern ſie haben auch an - fangs was beſſers erkant und angenommen; als welches durch das umgewandt ſeyn angezeiget wird. Wie denn auch der Apoſtel V. 19. bezeu - get, daß ſie ein gutes Gewiſſen von ſich geſtoſſen, und daher am Glauben Schiffbruch gelitten. Und Cap. 6, 10. heißt es vom Glauben irre ge - gangen ſeyn, und V. 21. durch das loſe Ge - ſchwaͤtze und die falſchberuͤhmte Kunſt des Glau - bens gefehlet haben. Da man nun ſo leicht vom rechten Wege des Glaubens und des Lebens abgebracht werden kan, ſo hat man ſich davor wohl in acht zu nehmen, und die Timotheos, die einemnoch83C. 1. v. 6. 7. an den Timotheum. noch heute zu tage in Pauliniſcher Lauterkeit mit Lehr und Leben davor warnen, mit aller Folgſam - keit zu hoͤren: wie denn leider auch noch heute zu tage die Matæologie oder das loſe Geſchwaͤtze in der Theologie auf manchen Cathedern und Cantzeln, auch in manchen Schriften, ſehr ge - mein iſt, und ſich dabey mit vielem Vorgeben der Orthodoxie, oder Richtigkeit der Lehre, ſchmuͤ - cket. So iſt, oder wird auch eine iegliche The - ologie und Predigt eine Matæologie, oder loſes Geſchwaͤtz, wenn ſie die Liebe, oder Pflich - ten des Chriſtenthums nicht lauterlich treibet, nemlich in der Ordnung der durch die Widerge - burt und Rechtfertigung zu erhaltenden Reini - gung des Hertzens, des guten Gewiſſens, und des ungefaͤrbten rechtſchaffnen Glaubens.
3. Sonderlich haben ſich Studioſi Theo - logiæ zu huͤten, daß ſie nicht ματαιολόγοι, loſe Schwaͤtzer, und dabey ϕρεναπάται, Verfuͤhrer, werden, welche beyde Worte Paulus Tit. 1, 10. gar nachdruͤcklich zuſammen ſetzet.
4. Wenn Paulus gedencket, daß die, wel - che zum loſen Geſchwaͤtz umgewandt ſind, der zu - vorgedachten theuren Beylage uͤberhaupt und al - ſo in allen Stoͤcken beraubet worden, wie er denn mit dem Woͤrtlein ὡν welcher auf alle vorherge - hende Stuͤcke ſiehet: ſo zeiget er damit an, wie daß eines ohne das andere weder erlanget, noch bewahret werden koͤnne. Denn gelanget einer nicht zur Reinigung des Hertzens in der Wider - geburt und Rechtfertigung; ſo koͤmmt er auch nicht zum guten Gewiſſen und zum ungefaͤrbten Glauben. Und hat einer den Glauben nicht, oder verlieret ihn, ſo hat er auch kein gutes Gewiſ - ſen und kein reines Hertz, oder er verlieret es. Und eben ſo wenig kan ohne ein gutes Gewiſſen das reine Hertz und der Glaube nebſt der Liebe beſte - hen. Siehe V. 19. und Cap. 3, 9.
5. Wie Paulus das gute Gewiſſen mit dem ungefaͤrbten Glauben verknuͤpfet, ſo hat man im Chriſtenthum das fidenter, zuverſichtlich im Glauben, mit dem fideliter, getreulich im gu - ten Gewiſſen, im Wandel vor GOTT immer zu verbinden. Und alſo wandelt man wuͤrdiglich (obgleich noch in vieler Unvollkommenheit) nach dem Evangelio und Geſetze; wie es die Qvelle des Evangelii, GOttes Gnade, und des Geſetzes, GOttes Gerechtigkeit nebſt der Hei - ligkeit mit ſich bringet.
Wollen der Schrift Meiſter (νομοδι - δάσκαλοι, Geſetz-Lehrer) ſeyn, (ruͤhmen ſich auch groſſer Erkenntniß nach dem Geſetze Roͤm. 2, 17. 18. 19. ) und verſtehen nicht, was ſie ſagen und was ſie ſetzen, (was ſie bejahen, und das, womit ſie das bejahete beweiſen; da - von haben ſie keine wahre Erkenntniß, und den - cken der Sache auch nicht einmal recht nach, ſon - ſten ſie den Ungrund ihrer Dinge leichtlich einſe - hen wuͤrden.)
1. Es wird das Wort Geſetz zwar hin und wieder von der gantzen heiligen Schrift gebrau -chet: allein alhier weiſet es der gantze Context aus, daß es in ſeinem eigentlichen Verſtande, nach welchem es vom Evangelio unterſchieden iſt, ſtehe. Und gleichwie der Apoſtel mit den Wor - ten von den Fabeln und den Geſchlecht-Regi - ſtern vorher ſonderlich auf einige vom Juden - thum zum Chriſtenthum nicht recht bekehrete Lehrer geſehen hat: alſo ſetzet er auch dieſes von ihnen, wie ſie nemlich auf eine verkehrte und dem Evangelio ſehr nachtheilige Art (davon der Apo - ſtel ſonderlich in der Epiſtel an die Galater han - delt) das Geſetz getrieben haben; daher denn auch wol ohne Zweifel die mancherley Menſchen - Satzungen und uͤbele Geſetz-Deutungen, die von den Phariſaͤern waren fortgepflantzet wor - den, werden gekommen ſeyn.
2. Diejenigen Lehrer, die nicht wahrhaftig bekehret ſind, und Chriſtum nicht glaubig und lebendig erkennen, treiben nach dem Moral - Geſetz zwar die Liebe, aber nicht alſo, wie ſie aus einem reinen Hertzen, und guten Gewiſſen und ungefaͤrbten Glauben flieſſet. Dergleichen un - aͤchte Geſetz-Lehrer es noch heut zu Tage giebet, auch leider in der Evangeliſchen Kirche ſelbſt: und zwar auf eine doppelte Art: da man nem - lich, bey dem Mangel eigener innerlichen wah - ren Bekehrung das thaͤtige Chriſtenthum nur auf eine bloß geſetzliche Art treibet, und von den Todten ohne Leben den Wandel fordert, und ihnen nicht recht zeiget, wie ſie nach dem Evan - geliſchen Grunde der Bekehrung und zu erlan - gender Gnaden-Kraͤfte dazu kommen ſollen: oder aber das Evangelium alſo prediget, daß es nach dem unlautern Vortrage, zum groſſen Nachtheil des Geſetzes und der Heiligung kan auf Muthwillen gezogen werden.
3. Es ſtehen alhier von einem Lehrer drey Worte, νοει῀ν verſtehen, λέγειν, ſagen, et - was als einen Satz vortragen, und διαβεβαιου῀ - σϑαι, das geſetzte beveſtigen, oder es mit ſol - chen Gruͤnden erweiſen, daß man von der Wahrheit uͤberzeuget werde. Den falſchen Ge - ſetz-Lehrern hat es an allen dieſen drey Stuͤcken gefehlet: zuvorderſt an der Erkenntniß, auch des Geſetzes ſelbſt; als deſſen Zweck und geiſtlichen Verſtand, wie er auf die hoͤchſte Vollkommen - heit gehet, und wie dieſe Leiſtung uns unmoͤg - lich iſt, und wie wir daher eines Heylandes noͤthig haben, er gar nicht einſiehet, und vom Geſetze doch viel ſaget oder ſetzet, welches denn mit den dazu angefuͤhrten Gruͤnden unrichtig und irrig iſt. Bey einem rechten Geſetz-Lehrer aber, der zugleich ein guter Evangeliſt, ſtehen dieſe drey Stuͤcke, das νοει῀ν, verſtehen, λέγειν, ſa - gen, und β-βαιου῀σϑαι, beveſtigen, in ihrer Richtigkeit und rechten Kraft bey einander. Von dem letztern Stuͤcke ſiehe Tit. 3, 8. da Tito be - fohlen wird, wie er die vorher gedachte Haupt - Stuͤcke der Chriſtlichen Religion ſolle διαβεϐαι - ου῀σϑαι, veſte lehren; wie es daſelbſt Lutherus uͤberſetzet hat. Wie Stephanus und Paulus ſolches gegen die Juden gethan, ſehe man Ap. Geſch. 6, 11. und 19, 22.
L 2V. 8.84Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 1. v. 8.Wir (die wir durch GOttes Gnade beſſer verſtehen, was wir ſagen und als Wahrheit be - veſtigen) wiſſen aber (alſo daß wir ſolche un - ſere Wiſſenſchaft auch zur Ubung in rechter An - wendung des Geſetzes bringen) daß das (Mo - ral -) Geſetze (ſamt allem uͤbrigen dem Juͤdi - ſchen Volcke von GOTT gegebenen Geſetze) gut iſt (recht heilig, geiſtlich und vortreflich iſt, als ein Abdruck und Muſter des guten und heili - gen Willens GOttes, und nach ſolcher ſeiner weſentlichen Guͤte einen vielfachen herrlichen Nutzen hat) ſo ſein iemand recht gebrau - chet (wie es dem Abſehen GOttes gemaͤß iſt.)
1. Die Guͤte des Geſetzes GOttes iſt recht groß und herrlich. Denn dieſes erhellet aus des Geſetzes Urſprung, Natur, Tiefe und Weite und ewigen Dauerung.
2. Der Urſprung und das Muſter des Geſetzes iſt GOtt ſelbſt, als deſſen Wille im Geſetze ausgedrucket iſt; da nun GOtt weſent - lich gut, ja die Guͤte ſelbſt iſt, ſo iſt leichtlich zu erachten, wie gut ſein ſeinem Willen gemaͤßes Geſetz ſeyn muͤſſe.
3. Die Natur oder weſentliche Beſchaf - fenheit des Geſetzes beſtehet, dem gedachten goͤttlichen Urſprunge nach, in lauter Gerechtig - keit und Heiligkeit, welche lauter Wahrheit oder rechtſchaffenes Weſen in ſich hat: und da der menſchlichen Natur am Ebenbilde GOttes dieſes Geſetz anerſchaffen, und derſelben, da ſie nach GOtt erſchaffen, gantz gemaͤß war und noch iſt, ſo iſt es ein rechtes Natur-Geſetz; davon daher auch in der menſchlichen Natur et - was uͤbrig geblieben iſt. Und da wir dieſes Ge - ſetz dem kurtzen Begriffe nach in den zehen Gebo - ten, der voͤlligen Erlaͤuterung nach aber in der gantzen heiligen Schrift altes und neues Teſta - ments haben; ſo haben die ſo genannten Natu - raliſten, welche auſſer dem bloſſen Licht und Recht der Natur keine andere Offenbarung an - nehmen, nur einen Schatten von dem Coͤrper, welchen wir an der heiligen Schrift, als dem rech - ten corpore juris naturalis, beſitzen.
4. Des Geſetzes Tiefe, Weite und Brei - te iſt daraus zu erkennen, daß es gantz geiſtlich iſt, und von Rechts wegen fordert, daß die menſchliche Natur alſo ſeyn ſoll, wie ſie anfaͤng - lich in Adam erſchaffen worden, das iſt ohn alle Suͤnde, vollkommen rein und heilig. Roͤm. 7, 7. u. f. Und da das Geſetz dem gantzen Men - ſchen gegeben iſt, der Menſch aber aus Leib und Seele beſtehet, ſo gehet das Geſetz nicht allein uͤber die Worte und aͤuſſerlich mit den Gliedern des Leibes verrichteten Wercke, ſondern auch uͤber alle Gedancken, alle Begterden und Rath - ſchluͤſſe der Seele; alſo daß nichts ſo klein und ſo groß von aͤuſſerlichen und innerlichen willkuͤhrli - chen Handlungen gedacht werden kan, darauf das Geſetz nicht geht und es reguliret.
5. Es iſt auch kein geringer Character von der Guͤte des Geſetzes, welchen es in der beſtaͤndigen Dauerung hat; denn es kommtin demſelben alles an auf die Liebe, und in die - ſer auf die Pflichten gegen GOtt, uns ſelbſt und andere Menſchen. Da nun die Liebe mit ihrer Ubung ewig iſt, ſo iſt auch das Geſetz ewig, und alſo auch in ſofern ein Geſetz der Natur, welches ſamt der menſchlichen Natur immerwaͤhrend iſt. Siehe 1 Cor. 13, 8.
6. Da nun das Geſetz von ſolcher Guͤte iſt, ſo haben wir an demſelben ein rechtes Kennzei - chen von der goͤttlichen Wahrheit und goͤttlichen Offenbarung der heiligen Schrift; denn iſt das Geſetz der Natur, ſo wie es nach dem Fall noch uͤbrig iſt, von GOTT, wie auch die Natura - liſten ſelbſt erkennen; ſo muß gewiß deſſelben Aufklaͤrung, welche wir in der heiligen Schrift haben, und welche ſo vortreflich iſt, daß ſie kein menſchlicher Verſtand vor ſich erreichen kan, und alſo die heilige Schrift ſelbſt von GOTT ſeyn. Was die Heyden in ihren Schriften gu - tes haben, iſt entweder nur wie eine Nacht gegen dieſen hellen Mittag, oder durch die Commu - nication und Tradition daher erborget.
7. Es iſt demnach ein wahrer Ausſpruch Moſis, wenn er im 5 Buch 4, v. 6. 7. vom Geſe - tze ſaget: So behaltets nun und thuts: denn das wird eure Weisheit und Ver - ſtand ſeyn bey allen Voͤlckern, wenn ſie hoͤren werden alle dieſe Gebot, daß ſie muͤſſen ſagen: Ey welche weiſe und ver - ſtaͤnde Leute ſind das, und ein herrlich Volck! ‒ ‒ ‒ Und wo iſt ein ſo herr - lich Volck, das ſo gerechte Sitten und Ge - bote habe, als alle dis Geſetz, welches ich euch heutiges Tages vorleſe:
8. Jſt nun das Geſetz an ſich ſelbſt ſo gut, ſo iſt leichtlich zu erachten, daß es auch einen ſehr guten und recht herrlichen Gebrauch habe; die - ſer beſtehet nun im lehren, beſtrafen vom boͤ - ſen, und im Antreiben zum guten.
9. Zuvorderſt lehret uns das Geſetz, was GOttes Wille gegen uns Menſchen ſey, und was er von uns wolle gethan und gelaſſen haben. Und durch dieſe Lehre iſt das Geſetz die Richt - ſchnur aller unſerer innerlichen und aͤuſſerlichen Handlungen, welcher wir auch bey dem Evan - gelio nicht weniger gebrauchen, als einer, der eine lahme, oder gar verdorrete, Hand gehabt hat, nachdem ſie geſund worden, und er will ſchreiben lernen, eine gute Vorſchrift noͤthig hat, ſonſten er gewiß nach ſeiner eignen Phanta - ſie wunderliche Zuͤge und Figuren machen wuͤrde.
10. Weil nun aber die menſchliche Na - tur durch den Suͤnden-Fall uͤber die maſſen ſehr verderbet iſt, ſo iſt der rechtmaͤßige Gebrauch des Geſetzes ferner dieſer, daß es dem Menſchen ſolchen meiſt verborgenen Suͤnden-Greuel aufdecket, und daruͤber den gerechten Zorn GOttes offenbaret und androhet, 5 B. Moſ. 27, 26. Roͤm. 3, 20. c. 4, 15. c. 7, 7. 1 Cor. 15, 5. 6. Gal. 3, 10. auf welche Art denn das Geſetz un - ſer Zucht meiſter wird auf Chriſtum: oder ver - urſachet, daß wir, um ſelig zu werden, einen Erloͤſer ſuchen, und ihn im Evangelio anneh - Gal. 3, 24.
11. Es85Cap. 1. v. 8-10. an den Timotheum.11. Es giebt das Geſetz auch einen beſtaͤndi - gen Antrieb, dem Willen GOttes gemaͤß zu leben, welcher Trieb denn ſo viel geſegneter iſt, ſo viel mehr er von einer Evangeliſchen Kraft zur wuͤrcklichen Ausuͤbung begleitet wird. Und alſo iſt das Geſetz recht gut wie an ſich ſelbſt, alſo auch in ſeinem Gebrauche.
12. Was nun die Juͤdiſchen Geſetz-Leh - rer betrifft, ſo erkannten dieſelbe die rechte Guͤ - te des Geſetzes nicht einmal, ſonderlich diejeni - ge, welche es in ſeiner hoͤchſten Vollkommenheit hat; ſondern dagegen ſahen ſie das Geſetz nur oben hin an. Und daher entſtunde ein ſolcher Gebrauch, welchen ſie dem Evangelio entgegen ſetzten, und damit ſie Chriſtum verleugneten; denn da ſie weder des Geſetzes Tieſe und Weite noch ihre groſſe Unvollkommenheit und geiſtliche Armuth erkannten, ſo meyneten ſie, es ſtehe in ihren Kraͤften, daſſelbe zu erfuͤllen, und dadurch vor GOTT gerecht und ſelig zu werden: wo - durch denn das Evangelium und Chriſtus ſelbſt wo nicht gar verleugnet, doch verdunckelt wur - de. So wurde denn weder das Evangelium recht angenommen, noch auch das Geſetz ſelbſt dazu gebrauchet, wozu es gedachter maſſen ge - brauchet werden ſolte und konte.
Und weiß ſolches (είδὼς του῀το, da er ſolches weiß, nemlich der des Geſetzes recht ge - brauchet,) daß dem Gerechten (der ein ſolcher durch den Glauben an Chriſtum iſt,) kein Ge - ſetz gegeben, (ου᾽ κει῀ται, nicht wie ein uner - traͤgliches Joch auf dem Halſe liege, Ap. Geſch. 15, 10. Gal. 5, 1. noch ihn aͤngſtige und verdam - me) ſondern den Ungerechten (ἀνόμοις, denen, welche gantz ungebunden ſeyn, und nach ihrem boͤſen Willen leben wollen,) und Unge - horſamen, (ἀνυποτάκτοις, die ſich ſo gar nicht dem Geſetze GOttes unterwerfen, daß ſie noch dazu rechte ἀντίνομοι ſind, welche muthwillig in ihren Luͤſten und Handlungen wider das Ge - ſetz ſtreiten oder handeln,) den Gottloſen und Suͤndern, (welche, weil ſie ſich vom Geſetze GOttes alſo loßmachen, damit auch alle Furcht vor GOTT ſelbſt aus den Augen ſetzen, und daher ἁμαρτωλοὶ, recht freche und grobe Suͤn - der ſind,) den Unheiligen (ἀνοσίοις, denen die alle Religion aus den Augen ſetzen,) und Ungeiſtlichen (βεβηλοις, Frechen und Ruch - loſen, wie ſie dadurch werden,) den Vater - Moͤrdern und Mutter-Moͤrdern, (ϖα - τραλῲαις καὶ μητραλῴαις den Vaterſchlaͤgern und Mutterſchlaͤgern, welche ſich mit boͤſen Worten und Wercken an die Eltern vergreiffen, wenn es auch ſchon nicht zum Todtſchlage koͤmmt) den Todtſchlaͤgern, (es geſchehe nun der Todtſchlag mit der aͤuſſerlichen That, oder auch nur mit der Zungen und mit dem toͤdtlichen Haſſe des Hertzens 1 Joh. 3, 12. 15. ) den Hu - rern (und Ehebrechern,) den Knabenſchaͤn - dern, (Sodomitiſchen Suͤndern, dero Ab - ſcheulichkeit ſo beſchaffen iſt, daß es gut, wenn man, worinne ſie beſtehet, nicht einmal weiß und forſchet. Siehe davon und von dergleichen Suͤnden mehr 3 B. Moſ. 18, 22. 23. cap. 20, 13. Roͤm. 1, 26. 27. 1 Cor. 6, 9. Gal. 5, 18.) Men - ſchen-Dieben, (welche Menſchen, ſie moͤgen Knechte oder Freye ſeyn, andern in ihre eigne Knechtſchaft entfuhren, oder dazu an Fremde verkaufen, wider 2 B. Moſ. 21, 16. 5 B. Moſ. 24, 7.) den Luͤgnern, (und unter ihnen ſon - derlich ſolchen, welche auſſer dem an ſich ſchon ſchaͤndlichen luͤgenhaften Weſen im Umgange mit andern, auch keine Buͤndniſſe, Verſpre - chungen und Contracte halten: welche, und die uͤbrigen Luͤgner vom Eingange in das himmli - ſche Jeruſalem ausgeſchloſſen werden, Offenb. 22, 15.) den Meineidigen, (welche auſſer dem, daß ſie Menſchen luͤgen, auch GOTT mitten bey deſſen Anrufung zu teuſchen ſuchen, und in der That verleugnen, 3 B. Moſ. 6, 1. ſeqq. cap. 19, 12.) und ſo etwas mehr der heylſamen Lehre zuwider iſt, (wie es die Sache ſelbſt nebſt vielen andern Oertern der heiligen Schrift an die Hand giebet, ſonderlich Roͤm. 1, 29. u. f. und Gal. 5, 19. u. f.)
1. Das Wort ειδὼς, und weiß, laͤßt ſich gar fuͤglich conſtruiren mit den naͤchſt vorher - gehenden Worten: ſo ſein iemand recht ge - brauchet; wie denn? εἰδὰς, alſo, daß er weiß u. ſ. w. wie nemlich das Joch des Geſetzes nicht mehr den Gerechten, ſondern den Ungerechten zu ihrer Verdammniß, auf dem Halſe liege.
2. Man ſiehet demnach aus der Sache ſelbſt, daß das Wort κει῀ται, welches Lutherus durch gegeben uͤberſetzet hat, eigentlich durch lieget zu uͤberſetzen ſey; da denn angezeiget wird, es lie - ge allen denen, welche auſſer Chriſto ſind und bleiben, wie ein ſchweres Joch und wie eine uner - traͤgliche Laſt auf dem Halſe; wie es ihnen denn auch den ewigen Tod ankuͤndiget. Apoſt Geſch. 15, 10. Gal. 3, 10. 13. Und ob auch gleich die Gottloſen es nicht erkennen, ſo gar daß ſie ſagen: Laſſet uns zerreiſſen ihre Bande und von uns werfen ihre Seile! Pſ. 2, 3. ſo ruhet doch, nach dem Ausſpruche des Geſetzes, der Zorn, oder das Straf-Gerichte GOttes uͤber ihnen Joh. 3, 36. und wird fruͤhe genug an ihnen vollzo - gen werden.
3. Was alhier fuͤr ein Gerechter verſtan - den werde, das ſiehet man aus dem, daß ihm das Geſetz nicht mehr, als ein unertraͤgliches Joch auf dem Halſe lieget. Es iſt nemlich ein ſolcher Gerechter, der zwar von Natur der Suͤnden we - gen ſich muͤhſam und beladen gefunden hat Matth. 11, 18. aber deme durch die ergriffene Ge - rechtigkeit Chriſti die Laſt ſeiner Suͤnden abge - nommen, und daher auch dem Fluche des Geſetzes entgangen iſt, ſich auch durch des Geſetzes Drau - en nicht mehr zum guten (darinn es doch auch nur bey dem aͤuſſerlichen geblieben war) zwingen und treiben laͤßt, ſondern aus dem Evangeliſchen Triebe des Geiſtes GOttes dem Geſetze einen ob zwar unvollkommenen doch willigen Gehorſam leiſtet. Roͤm. 6, 14. Gal. 5, 18. 23. Dieſen Ge - rechten nennet der Apoſtel Roͤm. 1, 17. τον δίκαι - ον ἐκ ϖίςεως, einen Glaubens-Gerechten der da hat τὴν δικαιοσύνην ἐκ πίστεως, die Gerechtig - keit aus dem Glauben, davon er Cap. 3. und 4. L 3mit86Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 1. v. 10. 11. mit mehrern handelt, auch Cap. 10. anzeiget, wie daß die unglaͤubigen Juͤden wegen der aus dem Geſetze geſuchten eignen Gerechtigkeit und Selig - keit zu der Evangeliſchen Glaubens-Gerechtigkeit nicht gelangen koͤnnen.
4. Was die vielen Namen der ruchloſe - ſten Suͤnder betrift, ſo iſt davon zu mercken, daß die ſechs erſten den Stand der herrſchenden Suͤn - de uͤberhaupt vorſtellen und anzeigen, wie ungoͤtt - lich er innerlich ſey, und auch aͤuſſerlich ausbreche in grobe Schande und Laſter; darauf ſonderlich das Wort ἁμαρτωλὸς gehet. Und da ſie paar - weiſe ſtehen, ſo ſind ſie alſo geſetzet, daß in einem ieden paar das erſte Wort durch das letztere er - laͤutert wird. Denn da er erſtlich den ἄνομον, der ohne Geſetz ſeyn will genennet, ſo erklaͤret er die Beſchaffenheit eines ſolchen durch das Wort ἀνυπότακτος, welcher iſt, der ſich keiner Ordnung unterwerfen will, ſondern ſich derſelben widerſe - tzet, alſo daß er anzeiget, daß ein ἄνομος auch ein ἀντίνομος ſey; wie denn ſchon der fleiſchliche Sinn an ſich eine Feindſchaft wider GOtt iſt, Roͤm. 8, 7. Und wer da iſt ἀσεϐὴς, ohne alle Furcht GOttes, der pfleget auch wol zu werden ϑεοστυγὴς ein rechter Feind GOttes Roͤm. 1, 30. und alſo daher ἁμαρτωλὸς, ein recht frecher und verruchter Suͤnder. Welcher denn wie er inner - lich iſt ἀνόσιος, unheilig und ohne alle Religion; alſo erweiſet er ſich auch daher aͤuſſerlich als βέϐη - λὸν, einen recht leichtſinnigen frechen Menſchen, der auch ein Veraͤchter iſt alles deſſen, was goͤtt - lich iſt. Hebr. 12, 16. ſtehet es vom Eſau. Und Jud. v. 15. ſtehen die ἁμαρτωλὸι und ασεβει῀ς auch zuſammen. Von den ἁμαρτωλοῖς, oder gro - ben Suͤndern, ſehe man Matth. 9, 9. 11. 13. 11, 19. 26, 45. Luc. 15, 1. 2. 18, 13. Joh. 9, 16. 24. 25. 31. Roͤm. 3, 7. 5, 8.
5. Von den uͤbrigen 8 Gattungen grober Suͤnder iſt zu mercken, daß ſie wider das vierte fuͤnfte ſechſte ſiebente und achte Gebot der andern Tafel des Geſetzes ſtreiten: da doch aber der Meineid in Anſehung des dabey ſchaͤndlich ge - mißbrauchten Namens GOttes ſonderlich auch mit wider das andere Gebot der erſten Tafel lauft. Aus allen dieſen und dergleichen Laſtern und Verbrechen aber ſiehet man, wie gar ſehr die menſchliche Natur durch die Suͤnde verderbet iſt, und wohin der Menſch verfallen kan, wenn er das von GOtt geoffenbarte, ja auch ſelbſt das natuͤr - liche Licht mißbrauchet.
6. Unter den uͤbrigen von Paulo nicht aus - druͤcklich benannten Suͤnden iſt der Unglaube nicht zu vergeſſen, als die Haupt-Suͤnde und die Qvell aller uͤbrigen, damit man ſonderlich wider das erſte Gebot ſtreitet. Betrachtet man nun den Unglauben noch dazu nach der Oeconomie des Evangelii, ſo iſt die Schuld, die man damit vor GOtt auf ſich ladet, ſo viel groͤſſer. Man ſehe davon ſonderlich Joh. 3, 18. 36. 16, 8. 9. Marc. 16, 16. 2 Theſſ. 1, 8.
7. Wenn der Apoſtel die Lehre von der ge - offenbareten Chriſtlichen Religion heylſam nen - net, und im griechiſchen ſie eine geſunde heiſſet; ſo iſt die Redens-Art hergenommen von den Kraͤutern und Speiſen, welche man wegen ihrerguten Beſchaffenheit und wegen der Kraft und Wirckung, die ſie in dem menſchlichen Coͤrper zur Geſundheit geben, geſunde Kraͤuter und Speiſen nennet. Wie denn auch ſonſt nicht un - gewoͤhnlich iſt, daß das goͤttliche Wort, ſonder - lich des Evangelii, damit verglichen wird. Man ſehe unter andern Pſ. 19, 11. Joh. 4, 14. u. f. 6, 48. u. f. 1 Cor. 3, 2. 1 Pet. 2, 2. 3. Hebr. 5, 12. u. f. das Wort geſund findet man auch ſonſt von dem Worte GOttes 1 Tim. 6, 3. 2 Tim. 1, 13. 4, 3. Tit. 1, 9. 2, 1. Gleichwie hingegen eine irrige und ſchaͤdliche Lehre gar fuͤglich mit ungeſunden und ſchaͤdlichen Kraͤutern und uͤbrigen Speiſen kan verglichen werden; Paulus auch unten Cap. 6, 4. von der falſchen Lehre die Redens-Art ge - brauchet: νοσει῀ν περὶ ζητήσεις, ſeuchtig oder kranck ſeyn in Fragen.
Nach dem herrlichen Evangelio, des ſeligen GOttes, welches mir (als eine theure Beylage) vertrauet iſt.
1. Zuvorderſt iſt alhie der Zuſammenhang dieſes Verſes mit den vorhergehenden zu mercken. Man hat alhie entweder eine Parentheſin zu ſetzẽ, welche ſich anhebet nach dem Worte κε῀ιται v. 9. und ſich endet mit dem 10 Vers, daß die vorherge - hende und folgende Worte alſo an einander haͤn - gen: und weiß ſolches daß dem Gerechten kein Geſetz gegeben ſey (ſondern u. ſ. w.) nach dem herrlichen Evangelio GOttes, oder laut des Evangelii, als welches ſie von dem Joche des Geſetzes frey ſpricht. Oder, welches noch fuͤglicher iſt, es ſind die Worte des eilften Verſes mit den letztern Worten des 10 Verſes, alſo zu verbinden: ſo etwas mehr der heyl - ſamen Lehre zuwider iſt, nach dem herr - lichen Evangelio u. ſ. w. auf welche Art er - klaͤret wird, daß ſich die heylſame Lehre im Evan - gelio findet. Da denn das Evangelium, wie oͤfter, genommen wird vom gantzen Rathe GOttes, dazu auch das Geſetz mit gehoͤret. Setzet man, durch eine Ellipſin, den Articu - lum τῇ, daß er ſich auf das Wort διδασκαλία beziehe, im Sinne dazwiſchen, τῆ κατᾲ τὸ ὲυ - αγγέλιον, ſo iſt die Conſtruction ſo viel deutlicher.
2. Das Evangelium heißt τῆς δόξης, ein Evangelium, eine froͤliche Botſchaft der Herrlich - keit, zuvorderſt an ſich ſelbſt; und denn auch in Vergleichung mit dem Geſetze. An ſich ſelbſt iſt es eine Predigt von der Herrlichkeit; als welches uns die Herrlichkeit GOttes in Chriſto offenba - ret 2 Cor. 4, 6. in Chriſto, von welchem es Joh. 1, 14. heißt: Wir ſahen ſeine Herrlichkeit, als eine Herrlichkeit des eingebornen Soh - nes vom Vater, voller Gnade und Wahr - heit. Es iſt eine Herrlichkeit, in welche wir ſtufenweiſe verklaͤret werden von einer Klarheit und Herrlichkeit zur andern 2 Cor. 3, 18. alſo daß Chriſtus ſelbſt in uns verklaͤret und das herrliche Ebenbild GOttes, deſſen wir ermangeln Roͤm. 3, 13. in uns wider angerichtet werde. Joh. 16, 14. Da wir denn in Chriſto werden ἔνδοξοι, gar herr -lich87C. 1. v. 11. 12. an den Timotheum. lich Eph. 5, 27. und ſolcher geſtalt alles zur Ver - klaͤrung oder Ehre des Namens GOttes richten, 1 Cor. 10, 31. Eph. 1, 6. Col. 3, 17. und in dieſer Ordnung auch zur ewigen Herrlichkeit erhaben werden Roͤm. 8, 18. 30. 2 Cor. 4, 17. wenn der Sohn GOttes, als der HErr der Herrlichkeit 1 Cor. 2, 8. der in den Glaubigen ſchon alhie eine Geſtalt gewonnen Gal. 4, 19. kommen wird, ἐνδοξασϑῆναι, verherrlichet zu werden in ſeinen Heiligen 1 Theſſ. 1, 10. daß das Evange - lium eine groſſe Herrlichkeit vor dem Geſetz habe, davon ſehe man 2 Cor. 3.
3. Das Wort GOTT ſtehet in dieſem Verſe nach dem Weſen, und gehet alſo auf den Dreyeinigen GOTT; iedoch mit einer ſonder - lichen Abſicht auf den Sohn GOttes; als durch welchen der heilige Geiſt in der Evangeli - ſchen Oeconomie auch den Vater verklaͤret. Joh. 16, 14.
4. GOtt wird genennet der ſelige ſo wol an ſich ſelbſt, als in Anſehung unſerer. Denn an ſich ſelbſt iſt er hoͤchſt ſelig, das iſt, ſo vollkom - men, und in ſeiner allerhoͤchſten Vollkommen - heit alſo in ſich ſelbſt vergnuͤget, daß er zu ſei - ner Seligkeit keine Creaturen außer ſich gebrau - chet; ſondern vielmehr davon auf die Creatu - ren uͤberflieſſet, und ihnen, die ſich nemlich un - ter den Menſchen zu neuen Creaturen machen laſſen, davon mittheilet, und ſie alſo auch ſelig machet; Und da dieſes nach dem Evangelio ge - ſchiehet, ſo ſetzet Paulus die Benennung GOt - tes von ſeiner Seligkeit gar fuͤglich zu den Worten von dem Evangelio der Herrlichkeit GOttes. Siehe auch unten c. 6, 15.
5. Wenn der Apoſtel ſaget, das Evange - lium ſey ihm vertrauet, ſo zeiget er damit dreyerley an; a. auf Seiten des Evangelii, daß dieſes ein gar theurer Schatz und herrliche Beylage ſey; wie er es auch ſonſt nennet 2 Tim. 1, 12. 14. b. Auf Seiten Pauli, daß er ſich als einen getreuen Haushalter dabey beweiſe. 1 Cor. 4, 2. c. Auf Seiten GOttes, daß er Pau - lum ſelbſt treu gemacht und treu erkannt habe. 1 Cor. 7, 25. Dafuͤr er auch ſelbſt in dieſem Brie - ſe an den Timotheum gleich nach dieſen Worten v. 12. GOtt preiſet.
6. Wenn das Evangelium heißt und iſt ein Evangelium der Herrlichkeit, ſo wird bey den Glaͤubigen, welche dieſes erkennen, da - mit dem Aergerniſſe vom Creutze Chriſti, wel - ches die Unglaͤubigen am Evangelio nehmen, gar nachdruͤcklich abgeholfen.
Und ich dancke unſerm HErrn JEſu Chriſto (und in ihm dem Vater und dem heili - gen Geiſte, Gal. 1, 1. Ap. Geſ. 13, 2.) der mich (alſo geſalbet hat, daß er mich durch die Sal - bung aus dem geiſtlichen Tode, worinnen ich lag, erwecket, und in dieſer Ordnung auch) ſtarck gemachet (mit noͤthiger Kraft des Gei - ſtes ausgeruͤſtet) und treue geachtet hat und geſetzet in das Amt (des neuen Teſtaments, als einen Apoſtel 2 Cor. 3, 5. u. f.)
1. Paulus richtet die Danckſagung ſon - derlich zu Chriſto; weil dieſer ihm auf dem We - ge nach Damaſcus ſo gnaͤdiglich zu ſeiner Be - kehrung und Berufung erſchienen war. Apoſt. Geſch. 9.
2. Wenn wir GOtt fuͤr die empfangene Wohlthaten dancken, ſo bekennen wir damit, daß wir ſie von GOtt zur Lehne haben, und nicht in eigner Souverainitaͤt beſitzen, auch Urſache haben, alles getreulich anzuwenden.
3. Es iſt eine gar nachdruͤckliche Benen - nung der Bekehrung, welche mit dem Worte, der kraͤftigen innerlichen Erweckung und Staͤr - ckung geſchiehet: Da man ſich ſonſt zwar fuͤr bekehret haͤlt; aber doch immer von einer ſol - chen menſchlichen Schwachheit redet, welche aller geiſtlichen Staͤrcke entgegen ſtehet. Pau - lus zeiget damit an, wie er ſey zum Chriſten gemachet, das iſt geſalbet worden, ſintemal alle geiſtliche Staͤrckung von der Salbung her - koͤmmt.
4. Was Paulus fuͤr eine geiſtliche Staͤr - cke, als ein Chriſte und als ein Apoſtel, gehabt hat, das kan man ſonderlich aus folgenden Oer - tern ſehen Ap. Geſch. 9, 22. da es heißt; Sau - lus aber μᾶλλον ἐνεδυναμου῀το, ward iemehr kraͤftiger, und trieb die Juden ein zu Da - maſcus und bewaͤhrts, daß dieſer iſt der Chriſt. Und nachdem er Roͤm. 8, 35. 36. eine gantze Reihe der Leiden hingeſetzet hat, ſo ſpricht er darauf v. 37. Aber in dem allen ὑπερνικῶμεν, uͤberwinden wir weit um des Willen, oder durch den, der uns geliebet hat. Alſo auch Phil. 4, 13. Jch vermag alles durch den, der mich maͤchtig machet, Chriſtus. Von ſei - ner von GOtt empfangenen Staͤrckung in den Leidens-Schwachheiten ſehe man 2 Cor. 12, 9. 10.
5. Da Chriſtus Paulum alſo kraͤftig ſtaͤrck - te und damit auch tuͤchtig und treue mache - te, (wie denn keine wahre Treue ohne rechte Staͤrckung ſtatt findet,) auch dabey vorher ſahe, daß er die empfangene Gnaden-Kraͤfte wuͤrde in dem Apoſtel-Amte getreulich anwenden, ſo ach - tete er ihn denn auch fuͤr treu dazu, und ſunde es ſeiner Kirche fuͤr noͤthig und nuͤtzlich, daß er es ihm auch wuͤrcklich anvertrauete.
6. Gleichwie im Griechiſchen die Woͤr - ter πίςις der Glaube und πιςός getreu, ſo gar genau mit einander verbunden ſind; ſo iſt auch keine rechte Amts-Treue ohne Glauben, und der Glaube erweiſet ſich darinnen, daß er rechter Art iſt.
7. Ubernatuͤrliche Treue und Tuͤchtigkeit muͤſſen wie im Chriſtenthum insgemein; alſo inſonderheit im Lehr-Amte allezeit mit einander verknuͤpfet ſeyn, damit man, was dazu gehoͤret, ausrichten koͤnne und auch wolle, und wuͤrck - lich ausrichte. Gleichwie nun der Apoſtel der Treue mit einem ausdruͤcklichen Worte geden - cket: alſo zeiget er die von GOtt empfangene Tuͤchtigkeit an, mit dem vorhergehenden Wor - te; er hat mich ſtarck gemachet. Luc. 12, 42. bezeich -88Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 1. v. 12. 13. bezeichnet unſer Heyland die Tuͤchtigkeit mit dem Worte klug, Klugheit, wenn er ſpricht: Welch ein groſſes Ding iſt es, um einen treuen und klugen Haushalter! Paulus ſe - tzet auch beyde Stuͤcke, die Tuͤchtigkeit und Treue genaue zuſammen, wenn er 2 Tim. 2, 4. ſchreibet: Was du von mir gehoͤret haſt, durch viele Zeugen, das befiehl treuen Menſchen, die da tuͤchtig ſind auch ande - re zu lehren.
Der ich zuvor war ein Laͤſterer der wi - der Chriſtum und ſeine Glieder, auch wider die Chriſtliche Religion allerhand Laͤſterungen mit Worten ausſtieß,) und Verfolger, (der es bey den Worten nicht ließ, ſondern auch zu ſolchen boͤſen Wercken ſchritte, daß er die Chriſten ins Gefaͤngniß und zur Verleugnung des Namens JEſu auf die Tortur brachte, und ihnen auf allerhand Art mit allem Grimm, als ein reiſſen - der Wolf heftig zuſetzte. Ap. Geſch. 8, 3. c. 9, 5. c. 22, 4. 5. c. 26, 11. 1 Cor. 15, 9. Gal. 1, 13. Phil. 3, 6.) und ein Schmaͤher (ὑβριστὴς, der die Laͤſterungen und uͤbrigen Verfolgungen auf die aͤuſſerſte Beſchimpfung richtete) aber mir (einem ſo argen und groſſen Suͤnder) iſt Barm - hertzigkeit wiederfahren (eine ſolche Gnade, nach welcher mich Gott in meinem hoͤchſt-elenden Zuſtande an ſtatt der gerechten Strafe mit lau - ter Erbarmung angeſehen hat, 1 Cor. 4, 1. und zwar dergeſtalt, daß mir in der Ordnung wah - rer Bekehrung meine ſchweren Suͤnden ver - geben ſind, und ich aus einem reiſſenden Wolfe ein folgſames Schaf, ja ein Hirte der Schafe und ein Aufſeher der Hirten worden bin) denn ich habs unwiſſend gethan im Unglauben (habe die Erkaͤnntniß nicht gehabt, wie viele an - dere Phariſaͤer und Feinde Chriſti, von der Un - ſchuld Chriſti und ſeiner Glieder; und alſo, da jene ſolcher ihrer beſſern Uberzeugungen wegen die Suͤnde wider den heiligen Geiſt begangen, Matth. 12, 31. dabey keine Bekehrung und Ver - gebung ſtatt gefunden, ſo hat noch die Gnade zur Bekehrung bey mir Platz gehabt.)
1. Der Haß wider die Wahrheit laͤßt es gemeiniglich nicht bey bloſſen feindſeligen Wor - ten, ſondern bricht auch gemeiniglich, wo er nur nicht von auſſen gehindert wird, zu anderer wuͤrcklichen Verfolgung aus. Und da beydes auf Schmach und Beſchimpſung gehet, ſo hal - ten die verfolgete dagegen an das Evangelium τῆς δόξης, der Herrlichkeit, v. 11. wie denn auch der Geiſt der Herrlichkeit dabey auf ihnen ruhet. 1 Pet. 4, 14.
2. Wie groß der Unterſcheid ſey zwiſchen den gottſeligen und gottloſen, das ſiehet man unter andern auch daraus, daß jene ſich ihrer vor ihrer Bekehrung begangenen Suͤnden ſchaͤ - men, dieſe aber ſich derſelben zu ruͤhmen pfle - gen.
3. Die innige ſcham-volle Erkenntniß und aufrichtige Bekenntniß der Suͤnden mit ihrerwircklichen Unterlaſſung, iſt ein gewiſſes Kenn - zeichen der geſchehenen wahren Bekehrung.
4. Ob ein Gerechtfertigter ſchon weiß, daß er Vergebung der Suͤnden hat, ſo behaͤlt er deßwegen doch die Zeit ſeines Lebens davon ein beſtaͤndiges und ſcham-volles Andencken: wel - ches denn eben ein kindliches und GOtt-ergebe - nes Gemuͤth anzeiget.
5. Daß die heiligen Scribenten GOttes von der groſſen Aufrichtigkeit ſind, daß ſie ihre eigne Fehler auch in ihren Schriften bekennen, das iſt nicht ein geringes Zeichen von ihrer Glaubwuͤrdigkeitin allen ihren uͤbrigen Zeug - niſſen.
6. Den Unterſcheid der Suͤnde wider den Heiligen Geiſt von der Suͤnde wider des Men - ſchen Sohn kan man gar deutlich ſehen an dem Exempel der Phariſaͤer und Pauli, auch Petri, da er Chriſtum verleugnete. Die Phariſaͤer ſuͤndigten nach einer zur Uberzeugung empfange - nen beſſern Erkenntniß. Paulus aber verſuͤn - digte ſich aus Unwiſſenheit, ohne eine beſſere Uberzeugung zu haben; gleichwie Petrus ſich wider Chriſtum mit der Verleugnung wider ſei - nen Vorſatz aus Schwachheit ſehr verging, und alſo mit Paulo die Suͤnde wider des Menſchen Sohn beging, bey welcher noch eine Bekehrung und Vergebung ſtatt funde. Matth. 12, 32.
7. Paulus entſchuldiget keines weges ſeine grobe Unwiſſenheit, zumal da ſie mit dem Un - glauben verknuͤpffet war, ſondern er ſchaͤmet ſich derſelben vielmehr; er gedencket ihr aber deßwegen, damit er den Unterſchied zwiſchen ſich und andern Feinden Chriſti anzeige.
8. Da es recht zu verwundern iſt, daß Paulus bey dem, was zu ſeiner Zeit von Chriſto vorgieng, und ſo beſchaffen war, daß die uͤbri - gen Phariſaͤer groſſen theils zu einer Uberzeugung von der Unſchuld und guten Sache Chriſti ge - kommen ſind, Joh. 3, 2. hat in einer ſo groſſen Unwiſſenheit bleiben koͤnnen: ſo muß er ſich vom Gamaliel Ap. Geſch. 22, 3. und andern Phari - ſaͤern dergeſtalt haben einnehmen laſſen, daß er auch, aus der beygebrachten Furcht verfuͤhret zu werden, den Predigten Chriſti und ſeiner