PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Das Schweitzeriſche Von Milch und Honig flieſſende Canaan, Und hoch-erhabene Berg-Land;
Mit ſeinen himmliſchen Vorthei - len, auch irrdiſchen Segen und Be - quemlichkeiten beſchrieben; Und wie dieſe ſichtbare Sachen und leibli - che Geſchaͤffte nur Schatten-Bilder ſeyen geiſtlicher Verrichtungen / Paradiſiſcher Vorrechten und ewiger Guͤter.
BERN,Gedruckt und zu finden in der Obern Druckerey beyEmanuel Hortin,1731.
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Hochgeehrte / Wohl-Ehr - wuͤrdige, Ehrengeachte, Fuͤr - geliebte Herren Vorſtehere im Geiſt - und Weltlichen Regiment der Sanen-Landſchafft, wie auch deß Oberen und Underen Simmenthals. ES iſt billich, daß ich Euch mit dieſer Ehrerbietung als mit der Zuſchrifft dieſes Trac - taͤtleins begegne; Sintemal die mir vergangenen Som̃er von Euch erwieſene Gunſt-Gewogenheit, Freundſchaffts-Liebe und ſonder - bahre Hoͤfflichkeit, fuͤrnemlich aber das ſehnliche Anhalten etwelchera 2heils -4heilsbegieriger Hertzen unter Euch, (daß eint-und andere an ihrem Ort gehaltene Predigt zu mehrmaliger Erfriſchung deß Angehoͤrten, in Druck kom̃en moͤchte) Anlaß dar - zu gegeben hat. Wuͤnſche von GOtt dem Vatter durch unſeren HErren JEſum CHriſtum, daß Euch der Eingang ins geiſtliche Ca - naan, ſo der Suͤnd und Heucheley verſchloſſen iſt und bleibt, durch den Mittler und Heyland der Welt ge - oͤffnet werde, auf daß ihr unge - hindert zu JEſu dem wahren, him̃ - liſchen Weinſtock und Feigenbaum nahen, und der Fruͤchten ſeiner Lie - be im rechten neuen Leben, Frieden deß Gewiſſens und Freude deß Her - tzens genieſſen, mithin wiederum mit GOtt Gemeinſchafft haben moͤ - get, damit Jhr nicht von den Men - ſchen zwar hochgeehrt, angeſehen, vor GOTT aber ein Greuel ſeyet, Luc. 16: 15. Von auſſen emen ein - gebildeten Him̃el weltlicher Hoheit,Ehre5Ehre und Gluͤckſeligkeit, innwen - dig aber in der Angſt-Pein und Ver - dam̃ung deß Gewiſſens eine wahre Hoͤlle habet. Ach Chriſtus er greiffe Euch alle Morgen mit ſeiner Krafft - Hand, ſtaͤrcke, erwecke und treibe Euch durch ſeinen guten Geiſt, daß Jhr in Eueren hochwichtigen Aem - teren GOttes Ehre, den Fortgang ſeines Reichs, deren Undergebe - nen geiſt-und leibliche Wohlfahrt, anbey Euerer eigenen Seelen Er - rettung behutſamlich allenthalben ſuchet, nur mit GOtt in dem Sohn ſeiner Liebe immer lebendiger, inni - ger, wahrhafftiger durch die Heili - gung deß Geiſtes vereiniget zu wer - den, mit dem unumgaͤnglichen dar - zu noͤhtigen Ernſt, daß ihr lieber alles andere daruͤber verſchmaͤhet und vergeſſet, als daß Jhr an ſo groſſer Seligkeit zu kurtz kommen, der Porten deß Himmelreichs ver - fehlen, und vor den Augen Euerer Gerichts-und Gemeind-Angehoͤ - rigen zuſchanden werden ſoltet.

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Bey ſothanigem Sinn und heili - gen Reſolution wird es Euch nie - mals weder an Weißheit, noch Muth und Hertzhafftigkeit mang - len: Der getreue Hoheprieſter, der Koͤnig aller Koͤnigen, und hoͤch - ſte HErr aller Herrſchenden, wird Euch den Zutritt zu GOtt immer - dar offen behalten, daß Jhr mit al - ler Freymuͤhtigkeit das erforderli - che Licht, Krafft und Freudigkeit auß ſeiner reichen Fuͤlle holen koͤn - net. Sehet alſo wirds Euch leicht ſeyn eine Zierd deß Landes und der Kirchen zu ſeyn, als ſchoͤne Pal - men-Baͤume im Sieg uͤber alles Boͤſe zu ſtehen, Fleiß anzulegen die Mauren Zions und ihre Pallaͤſte zu erhoͤhen, daß Euch die vorige Jahr erſtattet werden, und Jſrael froͤlich ſeye in dem HErren ſeinem GOtt, wann Er den Spath-Re - gen als die letſte Pfingſten herab ſenden wird, Joel. 2. und das neue Volck das gebohren wird, ſeinenRuhm7Ruhm erzehlet, daß Ers ſeye, der getreue Schoͤpffer, daß Ers thue. Jn dieſem ſeligen Wandel mit GOtt iſt kein Tod, oder Unruh, oder Fluch, oder Quaal und Verdam̃niß mehr, ſondern ein Wachsthum und Uber - fluß deß Guten ins Unendliche: GOtt gibt Staͤrcke genug den Un - vermoͤgenden, und machet ſie zu unbeweglichen Pfeilern ſeiner Ge - rechtigkeit, die ſich durch kein Anſe - hen der Perſon oder Eigennutz und Ehre erſchuͤttern laſſen, ſondern ge - rade zu auf GOtt allein und ſeine unvermeidliche Gericht ſchauen, und mit hell-lautern Augen um ſich ſehen, GOtt allein zu gefallen. Ja ſolchen Regenten und Lehreren ſchencket der H. Geiſt auß ſeiner un - ermuͤdeten Treue und Begierd ih - rer Verklaͤrung in Chriſto eine ernſthaffte Vorſichtigkeit, daß ſie ihre Rechnung, ſo ſie abzulegen haben, taͤglich uͤberſchauen, durch - gehen, damit JEſus die Freud ha -a 4be8be Sie als getreue Haußhalter zu kroͤnen. Es ſeye demnach ein auß - gemachte mit GOtt verabgeredte Sachbey Euch obſchwebenden Her - ren Vorgeſetzten im weltlichen Re - giment, daß Jhr und Euer Hauß dem HErren dienen wollet, und thun was Jhme wohlgefaͤllt; Diß wird ja auch Euer heilige Schluß ſeyn, Jhr Fuͤhrer und Hirten der Seelen, daß Jhr Chriſtum mit un - ablaͤſſigem Sehnen angelegenlichſt erbetten wollet, daß Jhr nichts re - det, als was Jhr ſelbs erfahren genoſſen, gethan und geuͤbet; auch alles alſo redet, wenn, wie, wo und was Chriſtus haben will, auf daß ein jeglicher zum Volck friſch ſagen doͤrffe: Seyd meine Nach - folger, gleichwie ich Chriſti bin. Dieſes wird ein Zeichen ſeyn, daß der Geiſt der Herrlichkeit auf Euch ruhet, wie auf Joſua und Eſra, und daß Jhr Maͤnner ſeyet von GOtt beruffen, und außgeruͤſtet EuerVolck9Volck auß der Einoͤde der geſaͤtzli - chen Frommkeit und Heuchel-Chri - ſtenthums und auß dem Babel deß verworrenen und verhuͤrſcheten Seelen-Zuſtands ins wahre gelob - te Land deß Koͤnigreichs GOttes, darinn Gerechtigkeit, Fried und Freud im H. Geiſt zu haben iſt, ein - zufuͤhren. 1. Tim. 4: 16. Alsdann habt ihr die Verſicherung, daß Euer Land, Volck und Gemeinden das anmuͤhtigſte Eden und geſeg - neſte Canaan ſeyn werde, da Myr - then anſtatt der Dornen wachſen: Alſo, daß Berg und Huͤgel fuͤr Euch her laut ruffen und frolocken wer - den mit Freuden-Geſang, und alle Baͤume auf dem Felde mit den Haͤnden klappen, und es mit dem Evangelio gelingen wird, darzu es der HErr der Heerſcharen ſendet, daß JEſus Name und Seligkeit wie Strome von Milch, Honig, Oel und Wein durchs gantze Land flieſ - ſen, und alle Einwohner voll wer -a 5den10den der Herrlichkeit GOttes. Der GOTT aber der Hoffnung erfuͤlle Euch mit aller Freud und Fried im Glauben, auf daß Jhr voͤllige Hoff - nung habet durch die Krafft deß H. Geiſtes. JEſus ſpreche ſelbs ein kraͤfftiges, unwiderruffliches Amen. Wuͤnſchet auß hertzlicher Zunei - gung mit aller ſchuldigſten Erkennt - lichkeit, Hochſchaͤtzung und tieffſter Ehrerbietung Hochgeehrte, Wohl-Ehrwuͤrdige, Ehrengeachte, Fuͤrgeliebte Herren Vorſtehere im Geiſt-und Weltlichen Regi - ment der Sanen-Landſchafft und deß Obern und Undern Sim̃enthals.

Dero

Zu underthaͤnigem Gehorſam / Treu und Liebe bereitwillig - ſter Diener Samuel Lucius, Pred. deß Ev. J. C.

Vor -11

Vorrede.

Mein Werthgeehrter Leſer!

ERwarte hier nicht eine Beſchreibung deß gantzen Schweitzerlands mit ſei - nen Luſt-Gefilden, Fiſch-und Schiff - reichen Seen, weiten Korn-Feldern, luſtigen Wein-Huͤglen, Kraut-und Obs-Gaͤr - ten, klaren Bruͤnnen, lautern Waſſer-Baͤchen und kommlichen Stroͤmen, anmuhtigen Luſt-Waͤl - dern, gruͤnen Wieſen und uͤberall wohl-ange - bauten Lande, der nehrhaffteſten Speiſe an Brodt und Fleiſch, auch allerhand Geflugel und Wild - prett, alles wohl-geſchmackt und ſo voller Nah - rungs-Safft, daß mans kaum ſo gut in Euro - pa findet, von Saltz-Quellen, Berg-wercken, und andern Reichthuͤmmern nichts zu melden; Zumal diß alles einen zimlich groſſen Tractat er - forderte, wann darbey fuͤrnemlich gezeigt werden ſolte, wie alle dieſe Geſchoͤpffe ſamt allen denen Aemtern, Verrichtungen, Handthierungen der Burger in Staͤdten und der Bauren in Flecken und Doͤrffern nur Schildereyen ſeyen von denen Guͤtern, Schaͤtzen, Haͤndeln und Aemtern im unvergaͤnglichen Reich Chriſti, deſſen ſich der Re - gent in ſeinem Stand, der Burger in ſeinem Kauffladen und Werckſtatt, der Landmann beyſeinen12Vorrede. ſeinen Reben und Ackerbau, bey aller ſeiner Feld - Arbeit im Vieh-Weiden, Holtzen, Zaunen, Fiſchen, Hetzen, Jagen zu erinnern haͤtte: Nein ſo weit will mich dißmahl nicht außlaſſen, ſonder innert den Schrancken deß Sanen-Lands und Sieben-oder Simmenthals bleiben. Der An - laß darzu iſt ein Liebes-Beſuch, welchen auf freundliche und edelmuͤhtige Einladung im Heu - monat dieſes 1730. Jahrs deß Schloſſes Rou - gemont, Rothberg oder Roͤtſchmund, gethan ha - be. Da hab ich den 7. in Sanen geprediget in einer ſo volckreichen Verſammlung, dergleichen ich in keiner Stadt geſehen zu haben mich entſin - ne. Gelobet ſeyſt Du guter JEſu, daß Du die - ſes durch Deine leitende Gnaden-Hand ohne mein eigen Geſuch oder Anerbietung alſo geregiert, denn Du weiſſeſt, daß es mir eine unvergleich - liche Freude und uͤber alle koͤnigliche Hoheit, Reichthum, Ehre und Luſt iſt in groſſen Gemein - den, ſonderlich heilsbegierigen Seelen von Dei - ner liebeswuͤrdigſten Vollkommenheit, Weiß - heit, Allgenugſamkeit, Gnad, Treu und Guͤ - te zu zeugen, und unzehliche Hertzen zu deiner Liebe anzureitzen; Ja ich will Dir in der Ewigkeit dancken, daß Du mir dieſe Himmels-ſuͤſſe Erquickung gegoͤnnet haſt, Amen Hallelujah! Der Text war Joh. 15: 7. da ich geredt von dem unerſaͤttlichen Ankleben deß Glaubens und der Liebe an JEſum mit verliebtem Andencken, Anſchauen, Jnnenbleiben und allemal unverweiltem Wiederkehren, wo man außgeſchweiffet, wie eine verlockte Daube zu denen Felßritzen und Dauben -Hauß,13Vorrede. Hauß, wie eines Kinds nach ſeinem Her - umſchwaͤrmen und Beſudlen auf der Gaſ - ſen zu ſeiner Mutter, eines Huͤndleins zu ſeinem Meiſter, eines Schaͤffleins zu ſeinem Hirten, einer Braut zu ihrem Braͤutigam, und das ſo lange treiben, biß das Hertz ein Altar deß H. Geiſtes wird, allda das Feuer der Liebe Chriſti Tag und Nacht glimmet und flammet, alſo daß, nachdem man durch manchen Schaden gewitziget worden, und Lehrgelt genug gegeben; Das immer - waͤhrende Gebaͤtt, 1. Theſſ. 5: 17. und das ſtets unabgezogene, unverruckte Jnneblei - ben, 1. Cor. 6: 17. und 7: 35. in Chriſto lehrnet, wie ein Fiſch im Waſſer, der Sol - dat in der Feſtung, das Glied am Leib, Noah in der Arch, Hanna im Tempel, die Rebe am Weinſtock, und wie JEſus im Vatter, Joh. 17. ſo ihr in mir bleibet. O ein hoͤchſtſeliger Befelch! O ein uͤber - himmliſches Beding! Wo man erwigt wer die Jhr ſeyen, und wer dagegen der Mir ſeye. Wann JEſus nur einen Tag im Jahr erlaubte bey Jhm zu ſeyn, wie der Hoheprieſter ins Allerheiligſte, ſolten wir uns billich das gantze Jahr darauf freuen; Aber bleiben was iſt das? So / O ein er - wuͤnſchtes Beding! Wann JEſus nur ſeinen Mund auffthut, ſo brudelt gleich ein Strom von Liebe und Seligkeit hervor. Jſt14Vorrede. Jſt ſo viel geſagt als: So ihr die Erſtlinge deß himmliſchen Freuden-Reichs ſorgfaͤl - tig bewahret, ſo werdet ihr die volle Ernd auch haben. Und ſo meine Wort in euch bleiben. Deut. 6. Prov. 3. Pſ. 119. Jeſ. 8: 20. 59 : 21. Joh. 5: 38. Phil. 4: 8. Col. 3: 16. 1. Joh. 2: 14. Chriſti Gebott und Verheiſſungen im Verſtand und Willen, als ſchoͤne paradyſiſche Gewaͤchſe und cry - ſtalline Baͤchlein oder Spring-Brunnen im Garten, als Perlen, Goldſtuͤck und Edelgeſteine im Beutel, als die Bunds - Lade im Tempel, als wichtige Guͤlt-Brief - fe im Kaſten, als goͤttliche Handſchrifften auß dem Himmel im Hertzen, als Tape - zereyen, kunſtliche Schnitz-und Bildwerck im Pallaſt, als eine Guarniſon, Salve - garde, koͤnigliche Leibhut in der Reſidentz, womit uns JEſus ein unvergeßliches An - dencken einſchaͤrffen will an alles was Er gethan und gelehret hat, mit unablaͤſſiger Hinaußmuſterung aller Schlangen-Wor - ten, aller Einraunungen der Vernunfft und Anmuhtung der Welt, welche allzu - mal das Bleiben der Worten Chriſti in uns ſehr ſchwer machen; indem ſie feind - lich lauren, wo ſie etwa ein gut Wort Chriſti wegſtehlen und vereitlen koͤnnen, daß es weder GOtt noch uns keine Frucht bringe; Hingegen verſaumen ſie keine Ge -legen -15Vorrede. legenheit niemals, denen ſchlaͤfferigen Chri - ſten ihren verfluchten, hoͤlliſchen Saamen einzuſtreuen zu Hervorbringung friſcher Suͤnden, als der Speiſe deß Satans, dem die himmliſche Kluͤff und Saam-Koͤrner der Worten Chriſti, ſamt allem was da - rauß wachſet an Gnad und Tugenden, ſo ſehr zuwider ſind, daher er nur alles zu verwuͤſten und auß Sinn und Wille her - außzureiſſen trachtet.

Demnach es nun ſo viel Streit und muͤh - ſames Anhalten koſtet, ſo ſind auch zwey herrliche Verheiſſungen darauf geſetzet, darvon die erſte eine noͤhtige Zubereitung iſt zu der andern.

1. Das Gebaͤtt auß dem erneuerten Wil - le, ſo ein Außfluß iſt deß H. Geiſtes, ein Auffſteigen deß angezuͤndeten himmliſchen Rauchwercks, ein Odem holen und Ein - ziehen der goͤttlichen Lufft deß neuen Gna - denreichs; Ein Auffſchlieſſung der Begier - den als geiſtlich-verwelckter Blumen nach dem himmliſchen Gnaden-Thau, Regen und Sonnen-Waͤrme; Ein goldener Schluͤſſel zu denen durch den Suͤnden-Fall verſchloſſenen Schatz-Cammern der hoch - heiligen Dreyeinigkeit; Eine vertraute Hinzuwendung deß Gemuͤths zum hoͤch - ſten Gut, und Durſt nach ſeiner Gemein - ſchafft Jhm zu leben und zu ſterben nachaller16Vorrede. aller Hertzens-Luſt. So werdet ihr bit - ten was ihr wolt. O eine wunderbare Glori! dardurch ein hoͤll-wuͤrdiger Suͤn - der ein goldene Rauch-Pfann und Davi - diſches Saͤitenſpiel deß H. Geiſtes wird. 1. Joh. 3: 22. 5 : 14, 15. Apoc. 8. Job. 22: 27, 28. Pſ. 145: 19. Joh. 14: 13. Und es wird euch widerfahren / welches die

2. Seligkeit und ein Frucht und Kron der erſten iſt, nemlich der Gnade deß Ge - baͤtts〈…〉〈…〉 davon das Wort Geneſis kommt: Alſo wird das Erſte Buch Moſis genennt, weilen es von der Schoͤpffung der ſichtbaren Welt und von dem Urſprung der Gnaden-Welt handelt. Demnach leh - ret uns diß Wort〈…〉〈…〉, es wird geſche - hen / daß die gnadenreiche Gedancken, hei - liger Begierden und goͤttlicher Tugenden und Wercke, ſo auß den Worten Chriſti vermittelſt der himmliſchen durchs Gebaͤtt herbeygelockten Gnaden-Wolcken und Lie - bes-Straalen im Hertzen auffgehen, nicht nur ſo Einbildungen ſeyen, wie die tolle Welt fabelt, beſondern weſentliche, unver - gaͤngliche neue Geſchoͤpffe, die zuvor nicht geweſen, ſondern erſt auß dem eingepflantz - ten Wort, durch allmaͤchtige Wuͤrckung deß H. Geiſtes in der baͤttenden Seel her - vorgewachſen, und iſt tauſend mal mehr Realitaͤt und Weſen darinnen, als in allenleib -17Vorrede. leiblichen Dingen die Gnaden-Gaben des H. Geiſtes werden nicht nur Gleichniß-weiſe Fruͤchte genennt, Gal. 5: 22. Eph. 5: 9. ſondern es ſind in der That wuͤrckliche Fruͤch - te, die aus dem neuen Geiſt und neuen Hertz wachſen, tauſendmal weſentlicher als alle, alle Fruͤchte, ſo aus der groben, finſtern, lebloſen Erden wachſen: Dieſe eſſen die ſterb - liche Thier, jene iſſet unſer Heiland JEſus Chriſtus GOtt und die H. Engel, Cant. 5: 1. und 4: 12, 13. Das ſichtbare und leibli - che iſt nur die Schale und der Schatte, die Productionen oder Wuͤrckungen des H. Geiſtes in dem nunmehro unſterblichen neugeſchaffenen Geiſt, Pſ. 51: 12. Eph. 2: 10. Phil. 1: 11. ſind wahr, weſent - lich Gold, Blum, Frucht, Brodt, Wein, Kleid, Brunn, Stern, Sonn, Licht, Loͤw, Lamm, Daube, Adler; jenes verwel - cket und vergehet, dieſe als der Kern und das Weſen bleiben ewig in der unſichtba - ren ewigen Licht-Welt. Wie reich wird dann ein in Chriſto bleibender, ſein Wort bewahrender, glaͤubig betender, aus, mit, vor und in GOtt! wie gewaltig wird der juͤngſte Tag einen jeden beſchaͤmen, der es jetzt nicht ſehen noch mercken will. Hier gibt JEſus unſer vollkommene himmliſche Leh - rer eine goͤttliche Lection ſo vielen aufge - weckten in unſern Zeiten, welche in ihrenbKlaͤg -18Vorrede. Klaͤgten gleichſam verſchmurren; die Kin - der kommen bis an die Geburt und iſt kei - ne Krafft da zu gebaͤhren; ſie klagen immer - dar, ſie haben einen guten Willen, ſie wol - len nach GOttes Wille heilig leben, ſie koͤn - nen aber nicht recht beten um dasjenige Heil, wornach ihr Hertz ſehne, und wann ſie ſchon beten, ſo helffe es doch wenig oder gar nichts, allein ſie ſolten wol zuſehen, ob es ihnen nicht hauptſaͤchlich daran feh - le, daß ſie nicht in Chriſto bleiben und ih - rer Natur alle ungezaͤumte Freyheit laſſen und alles unnoͤthige Ausſchweifen geſtatten; Jtem, ob nicht Chriſti Wort durch Millio - nen unnuͤtze Einfaͤll und gantz fremde Wort aus dem Angedencken vertrieben werden.

Den 9. predigte wieder in Satten uͤber 1. Cor. 16: 22. da von der Natur, Ei - genſchafften, Kennzeichen, Fruͤchten, Nutz - barkeit, Nothwendigkeit, Seligkeit und Billigkeit, der Liebe JEſu handelte, auch den graͤuelichen Abgang und Erkaltung derſelben, ſamt dem entſetzlichen Schaden und unendlichen Fluch, ſo auf den Man - gel dieſer heiligen Liebe gelegt, mit beyge - fuͤgten treibenden Gruͤnden, unſere Lebens - Zeit in der ſeligen Liebe JEſu gantz zuzu - bringen, hergenommen von allen denen Lieblichkeiten, ſo in H. Schrifft Chriſtozuge -19Vorrede. zugeeignet werden. Ach daß ich tauſend Haͤnde, Federn und Zungen haͤtte, alle dieſelbige nach Wuͤrde zu beſchreiben, aber es iſt alles an JEſu unausſprechlich, un - vergleichlich, unausdencklich, gut, heilig, ſchoͤn, lieblich und ſelig: O wie iſt er ſo unendlich wehrt aller Liebe. Der Liebe / 1. Der Hochſchaͤtzung wegen ſeiner Vollkom - menheiten in ſich ſelbſt, 2. Der Erkentlich - keit wegen ſeiner Wohlthaten, 3. Der zar - teſten Zuneigung wegen ſeiner Leutſeligkeit.

Gleich darauf hielte ich noch eine Pre - digt an ſtatt der Kinder-Lehr, weil es ſich nicht anders ſchicken wolte, darinnen der Urſprung dieſer Liebe, wie man am naͤch - ſten darzu komme, was ſelbige erwecke, wie ſie zu erlangen und zu vermehren ſeye, ſamt denen manigfaltigen Hindernuͤſſen und Abfuͤhrungen, und wie dieſe alle am leichteſten und kuͤrtzeſten zu uͤberwinden ſeyen, ja wann die Liebe etwa verletzt, wie ſie geheylet werden moͤge, gezeiget worden: HErr JEſu, du biſt kommen ein Feuer an - zuzuͤnden auf Erden, und was wolten wir lieber, als daß es ſchon brennete; ach daß viele hundert Hertzen in dieſer großmaͤchti - gen Gemeind von dieſer himmliſch-ſeligen Liebe entzuͤndet, wie heilige Lichter in ſo ſuͤſſer Flamme vor Dir und dem Vatter Tag. und Nacht leuchteten! ja Amen!

b 2GOtt20Vorrede.

GOtt erhalte, ſegne und heilige den lieben Pre - diger in dieſer gewaltig groſſen Gemeind; JE - ſus vergelte ihm und ſeinem gantzen Hauſe zeit - lich und ewig alles das Gute, ſo er an mir ge - than, und die Freude, ſo er mir um des Namens Chriſti willen vergoͤnnet hat. GOtt erfuͤlle ſein Hertz mit lebendiger Glaubens-Krafft zu recht ſeliger Vergnuͤgung und zu Troſt-voller Uber - gab der lieben Seinigen, damit er die Wunder ſeiner Vorſorg erfahre bis ans Ende. Dieſer Herr Joh. Walther iſt ein unverdroſſener, arbeit - ſammer, beliebter Aufſeher; der das Beſte ſeiner Kraͤffte und die Bluͤhte ſeiner Lebens-Jahren zum Beſten dieſer ſeiner Heerd aufgeopffert; dem - nach zu erwuͤnſchen waͤre, daß er als ein wol-me - ritirter Mann von unſern Gnaͤdigen Herren vor - aus und eheſtens conſideriret werden moͤchte.

Den 10. predigte in der Lauenen, welche Pre - digt vielleicht vollſtaͤndig gedruckt wird. Habe da auch ſonderbare Freundſchafft und Gutthaͤtig - keit genoſſen. GOtt vermehre denen lieben Wohl - thaͤtern ihren Saamen und mache wachſen die Fruͤchte ihrer Gerechtigkeit. Dem damahligen Herrn Vicario daſelbſt wuͤnſchet mein Hertz, dem - nach er ſich herbey machet dem Herrn zu dienen, daß er ſeine Seele bereit halte zur Anfechtung und ſie zum Leyden ſchicke, wie eine Braut zur Hochzeit; ja daß er ſich in den ſanfften, niedri - gen, demuͤthigen, heiligen Sinn JEſu Chriſti alle Tag und Stund aufs neue einhuͤlle und ſein Hertz durch Widerwaͤrtigkeit reinigen laſſen, ſo wird er in Canaan gluͤcklich anlangen und ſehr willkommen ſeyn.

Den 11. predigte ich im Gſteig uͤber Luc. 21: 36. da gelehret

(1.) Wel -21Vorrede.

(1.) Welche allen Bekehrten und Gehei - ligten hoͤchſt erfreulich, allen traͤgen aber und im Gnaden-Werck der neuen Geburt ſaumſeligen Welt-Dienern grauſam foͤrch - terliche Umweltzung unter allen Creaturen, ſonderbahr unter denen Menſchen bey Ein - reiſſung dieſes Welt-Gebaͤudes vorgehen werde.

(2.) Die Seligkeit einiger 1. in Befreyung von allem boͤſen, entfliehen, 2. in Beſitzung alles guten, beſtehen. Entfliehen, wie Noah der Suͤnd-Fluth, Loth dem Schwefel-Feuer, die erſte Chriſten der Zerſtoͤhrung Jeruſa - lems, die Jſraeliten dem Wuͤrg-Engel, Jo - tham dem Abimelech, David dem Saul, wie Chriſtus denen Phariſaͤern, ja der Suͤnd, Satan, Tod, Hoͤll, Grab und der gantzen Welt in die hoͤchſte Herrlichkeit entrunnen. Jſt hiemit eine Gleichniß hergenommen von einigen wenigen Uberbliebenen, Rom. 11. die in ruinirenden und alles verheerenden Straff-Gerichten noch entrinnen, wie in Feuer - und Waſſers-Noth, Krieg, Hun - ger, Peſtilentz, Mord, wilden Thieren, Schiff-Bruch, Erd-Bidem, Einfall der Haͤuſern und Einſencken der Bergen, dar - von gantze Staͤdt und Doͤrffer uͤberſchuͤttet werden, und nur ſehr wenige davon kom - men. Apoc. 3: 10. Niemand aber wird dem Rach-Schwerdt des Allmaͤchtigen ent -b 3gehen,22Vorrede. gehen, als wer der Suͤnd entgehet, welche des Teufels Strick iſt, 2. Tim. 2: 26. ſo er dem Menſchen angeworffen und ihne darbey faſſen und auffhalten kan, daß er bey ihm bleiben und ihm Geſellſchafft leiſten muß im Zorn-Feuer und mit dem Suͤnden-Strick der Welt-Luſt, 1. Joh. 2: 15, 16. 2. Petr. 1: 4. Wird Satan durch den Anti-Chriſt in der letzten groſſen Verfolgung fahen alle die, welche alle die ſubtile Strick eben ſo wol als die groben nicht mit rechtſchaffenem, redlichem Ernſt von ſich geworffen und ſich nicht durch und durch haben heiligen laſſen von GOtt, 1. Theſſ. 5: 23. und mit dem Sinn und Willen Chriſti bey ruhiger Gnaden - Zeit vom H. Geiſt bewaffnen; man muß dem Feind bey Zeiten alle ſeine Wercke darwerffen, weit von ſich wegthun, damit er am Tage der Vergeltung nicht das ge - ringſte von dem ſeinen an uns finde, daran er Anſprach habe; ja daß auch kein Zun - der zum letzten Feuer in uns ſey.

Wo nun das boͤſe hinweg iſt, da kommt das gute an deſſen ſtatt: beſtehen vor dem Sohn des Menſchen. Schließlich

a. Nichts als Seligkeit, Freud, Cron und Lohn von GOtt erwarten in ſeiner Zu - kunfft und Offenbahrung ſeiner Gerechtig - keit vom Himmel, 2. Theſſ. 1. Rom. 2. Matth. 25.

b. Jm23Vorrede.

b. Jm Gericht als ein Kern-Chriſt und Kind GOttes erfunden werden, angethan mit Chriſti Unſchuld und mit dem Glantz des H. Geiſtes, alſo daß man JEſu un - beſchaͤmt in die Augen ſehen darff, 1. Joh. 2: 28. 3 : 21. 4 : 17.

(3.) Die Ausruͤſtung zu dieſer Seligkeit, würdig geachtet werden, daß man nicht zu leicht erfunden werde, Dan. 5. Das Gewicht der Gnad und des Reichs GOt - tes in ſich habe, Rom. 14: 17. Luc. 17: 21. nicht nur den Schein, 2. Tim. 3: 5. wie die Thoͤrichten, Matth. 25. Spreuer, Pſ. 1. Matth. 5. daß man mit allen de - nen Qualitaͤten ausgeruͤſtet ſeye, welche darzu erfordert werden, daß man entflie - he, worzu einem ſtarcke Dauben-Fluͤgel muͤſſen gewachſen ſeyn vom H. Geiſt, Pſ. 55: 7. daß einen das Feuer nicht beſenge, wann die gantze Welt im Brand ſtehet, weßwegen man das Welt - Bild nicht an - beten muß, Dan. 3. Ap. 14: 9. daß man beſtehe vor dem Sohn des Menſchen, mithin alſo beſchaffen ſeye, daß JEſus mit Ruhm ſeine Wahrheit, Gerechtigkeit, und Heiligkeit einem ein gut Zeugniß geben, von aller Plag uͤber die ungeheiligten frey und ledig erkennen, und alle Seligkeit zu - ſprechen koͤnne, alſo daß Teufel und Welt ſein Urtheil billigen muͤſſen, es ſeye gantzb 4recht,24Vorrede. recht, daß er denen den Himmel gebe, die aus Liebe zu Jhm die Erden verlaͤugnet und darnach getrachtet, daß ſie im Stand ſeyen GOtt zu ſchauen und mit ſeinem Hauß - Geſind der heiligen Englen und Maͤnner umzugehen, die wuͤrdiglich gewandelt ha - ben, GOtt der ſie beruffen zu ſeinem Reich und Herrlichkeit, 1. Theſſ. 2: 12. Matth. 3: 8. die ihre Sachen darnach angeſtellt, ihr Datum darauf geſetzt, und gelebt haben wie es Bruͤdern Chriſti und Erben des Himmelreichs anſtaͤndig iſt; darum ſchickt es ſich wahrlich nicht anders als daß ſie mit JEſu im Paradys wandeln und die neue Welt ererben, 1. Theſſ. 5: 8, 9. Luc. 20: 35. Col. 1: 12. 1. Joh. 3: 3. Apoc. 3: 4. 7 : 14, 15.

(4.) Die Mittel, daß man alſo moͤge aus - geruͤſtet werden, werden getreulich vom Richter ſelbſt angezeigt. So wachet nun und betet allezeit. Wachen / Marc. 13: 34, 35. Matth. 24: 42, 43. Luc. 12: 35 -- 37. Darzu iſt Buß, Glaube, Hoff - nung, Liebe, ein ernſthaffter Fleiß alles gu - ten, und grimmiger Haß alles boͤſen kurtz - um noͤthig allezeit, weilen der Feind auch alle Zeit lauret, wo er Stricken lege und Schaden zufuͤge; wir auch nicht wiſſen wann der HErr kommt, und wann dis alles ge - ſchehen wird, anbey nicht ſagen koͤn - nen, daß uns der HErr nicht habe zuvorgeſagt,25Vorrede. geſagt, daß dieſe Ding unvermuthet daher kommen und die Sichern in ihrer Sicher - heit verſchlingen werden, eben wie Sodo - ma und die erſte Welt, Luc. 17. Matth. 24. Beten um Vergebung der Suͤnden und um die Krafft des H. Geiſtes, der uns allein geſchickt macht zu einem heiligen Wandel und gottſeligen Wercken untade - lich vor GOtt im Friede erfunden zu wer - den, 2. Petr. 3. Folglich wuͤrdig zu ent - rinnen und zu beſtehen. Allezeit, weilen wir nichts ſind ohne JEſu. Glauben und Liebe muͤſſen ſtets durchs Gebet ernehret werden, wo ſie als reiffe Fruͤchte von Chri - ſto ſollen eingeſammelt werden, zumal, wann ein Frucht oder Zweig nicht ohne Unterlaß Safft aus dem Stammen ſauget, einſchmur - ren und verdorren muß, Joh. 15: 6. und wo man ausſchweifet in Welt-Begierden und vom Anhang an JEſu nachlaßt, da ſteht man in Gefahr vom Feind auf ſeinem Grund und Boden erdappet und gefangen oder toͤdtlich verwundet zu werden; Sum - ma, es iſt nicht richtig ſich im minſten von JEſu entfernen, es gehet alleweil etwas an der Erleuchtung, Freudigkeit des Gewiſ - ſens, Heiligung, Seligkeit und Schmuck auf des Lammes Hochzeit ab; wo man nicht gar drauſſen ſtehen muß mit allen Nachlaͤßigen. Wen der HErr nicht imb 5war -26Vorrede. warten, eilen, ſehnen, beten und Zuruͤſtung auf ſeine Zukunfft antrifft, der wird zu Schanden werden, und mag nicht beſtehen vor Jhm, als ein Ubertretter dieſes ſeines allerhoͤchſten Befehls, Luc. 18: 1. Rom. 12: 12. 1. Theſſ. 5: 17. Matth. 26: 41. Jndeſſen gedencken wir leider wenig an den boͤſen Tag, Eph. 6: 13. beſorgen kein Un - gluͤck, vergeſſen den Tag GOttes, als ob er nicht zum Gericht kommen, und wir vor Jhme erſcheinen muͤßten, wir leben in den Tag hinein, da iſt keine Zubereitung, Wach - barkeit, kein Glaub, Hoffnung, keine bren - nende Gebeter, ſondern Bauch-Sorg, Welt-Freud, Sicherheit, Apoc. 18: 7, 8. 1. Theſſ. 5: 2, 3. GOtt klopffet offt an mit ſeinen Drohungen und Gerichten, aber wir achtens nicht, mercken nicht auf die Feinde, ruͤſten uns nicht GOtt entgegen Jhne zu empfangen durch einen Enochi - ſchen und Noachiſchen Wandel in ſeiner Gegenwart, wie wollen wir denn beſtehen, wann uns das Ubel einmal trifft! Sage mir doch mein lieber Nachbar, was gibt dir dein Gewiſſen vor ein Zeugniß der Gunſt und Huͤlff Chriſti halben? wann der Rich - ter jetzt erſcheinen, wie wuͤrdeſt vor Forcht und Angſt erſtarren! ach! inzwiſchen den - ckeſt du nicht daran, oder nur kaltſinnig obenhin. Daher mag keine hertzliche Zu -ver -27Vorrede. verſicht zu Chriſto bey dir tieff einwurtzeln, deßwegen mache dir nur keine andere Rech - nung, als daß all dein Heulen, Verzweif - lung, Laugnen, Verbergen, Fliehen um - ſonſt ſeyn werde; du wirſt vom Ubel ſchnell verſtrickt in die Hoͤll geſchleppt, am juͤng - ſten Gericht zur Lincken geſtellt, ein Heuch - ler erfunden und verdammt werden, wann deine Seel dermaleins ausfahrt und erwa - chet, wirſt du wuͤnſchen zu entfliehen, aber all zu ſpat, du wirſt ruffen und ſchreyen, aber die Gnaden-Pforte iſt verſchloſſen.

Und was allermeiſt zu bejammern iſt, daß Bekehrte ſelbſt in einen tieffen Schlum - mer gerathen, im him̃liſchen Lauff und geiſtli - chen Kampff ſo gar faul und traͤg worden, daß ſie meiſt Lufft-Streiche thun, ſchlei - chen, ſtill ſtehen, zuruck gehen; O wie we - nige ſind ausgeruͤſtet auf den boͤſen Tag! wie wenige koͤnnen Chriſti Erſcheinung lieb haben und Jhn mit Freuden bewillkommen! wie vieles wird der Herr finden, das wir nicht gethan, wie Ers befohlen: Deßwegen wir ja hohe Urſach haben uns zu foͤrchten, und wie vielen fehlets noch an dem ſtets anhaltenden, eyfrigen Gebet, dannenher der Glaub noch ſo ſchwach iſt.

Darum wachet auf und betet allezeit; jetzt blaſen die Zions-Waͤchter hie und da Laͤrmen; die Mitternacht iſt nicht mehr weit,da28Vorrede. da das Geſchrey gehoͤret wird: Siehe der Braͤutigam kommt / gehet aus Jhm ent - gegen. Zuvor aber gehet ein ander Ge - ſchrey, nemlich, der Teufel iſt zu euch hin - ab kommen und hat einen groſſen Zorn, weil er weißt, daß er wenig Zeit hat, Apoc. 12: 12. Wann ein leiblicher Feind vor - handen, iſt gleich alles in Waffen, warum nicht hier, wer im Wahn-Glaub, Welt - Sinn und Eigen-Lieb truncken eingeſchlaf - fen, dem bleibet das ſo nahe Heyl GOttes und die grauſame Anſchlaͤg des Satans ver - borgen; darum ſag ich noch einmal:

Ach wachet, wachet auf es ſind die letz - ten Zeiten!

Es hat mich deſto mehr gefreut eine Ermah - nungs-Rede, nach der mich ſo gnaͤdig dahin fuͤh - renden Hand meines GOttes an dieſe Gemeind zu thun, weilen mein theurer Freund und von Ju - gend auf Hertz-vertraute Schul-Geſpan Herr Niclaus Macaͤ ſeligen Gedaͤchtniß nach ſeinem un - gemein fuͤrtrefflichen Talent 7. Jahr lang mit groſ - ſem Fleiß, Eyfer und GOttes-Forcht daſelbſt gearbeitet, er wird auch ſtehen in ſeinem Theil am Ende der Tagen: GOtt laſſe ſein und ſeiner Nach - fahren Arbeit in vielem Segen ſeyn, und gebe der lieben, ſchoͤnen Gemeind, daß, wie ſie ſehr fleiſ - ſige Hoͤrer ſind, alſo auch Thaͤter des Worts ſeyn moͤgen, ſo wird gewiß ihre Seligkeit ſehr groß ſeyn, Jac. 1: 25. Sonderlich wuͤnſchet dieſes ſelige Gut mein Hertz ihrem dißmaligen Pfarrherrn Herrn Sam. Zimmerli, der mich mit ſeiner anmu -thigen29Vorrede. thigen Leutſeligkeit und freudiger Aufnahm erqui - cket hat; JEſus mache ſeine Wohnung zu ſeinen Huͤtten. Er laſſe ſeine ſtete Gegenwart, ſeinen angenehmſten Zeit-Vertreib im verborgenen ſeyn, daß der Segen des Gebets ſich ingeheim mitthei - le, zu Pflantzung eines himmliſchen Luſt-Hofs an dieſem wilden Ort, welches ohnfehlbar geſchehen wird zu ſeiner ewigen Freude, wann nur ſein lu - ſtiges Gemuͤth in GOtt geſammelt bleibet und im Gebet ausharret, worzu der H. Geiſt taͤglich Krafft darreichen kan, will und wird. Anbey dancke ich auch dem daſigen frommen Herrn Obmann Chriſtian Reichenbach vor deſſen Beehrung: Die durch Chriſtum erworbene Gnade GOttes bele - be ſein Hertz und Seele.

Gegen den Mittag lenckete ich mich vom Fuß der Wallisbergen zuruck und begabe mich auf Zwei - ſimmen und predigte dort auf Anhalten Herrn Statthalters Stockers und Herm Landsvenner Murers den 12. uͤber Apoc. 22: 14. da das Volck groſſen theils ſtehend zuhoͤrte, da ihnen vorſtellte:

1. Welches die Gebote Chriſti ſeyen; Marc. 1: 15. Matth. 5: 6, 7. Luc. 6: 12. werden zuſammen gefaſſet in das Gebot der Sinnes-Aenderung, Selbſt-und Welt-Ver - laͤugnung, des Glaubens, der Liebe GOt - tes und des Naͤchſten, der taͤglichen Auf - nehmung ſeines Creutzes, des unablaͤßigen Gebets, der Demuth, Sanfftmuth, Gei - ſtes-Armuth, der Gedult, der Abſterbung, der reinen, lautern, hertzlichen Liebe, auch ge - gen Tod-Feinde, der Abgeſchiedenheit undKuͤnſch -30Vorrede. Kuͤnſchheit auch in denen geheimſten Ge - dancken. Summa das Gebot der Nach - folge Chriſti in ſeinem Sinn, Thun und Leben, und ſich in dieſer Nachfolg vom Thier, von der Hur und den falſchen Propheten unbefleckt zu bewahren, und alle ihre Ver - fuͤhrungen, Anfaͤlle, Verſuchungen und Stuͤrme zu uͤberwinden, in allen Dingen nicht ſich ſelbſt ſuchen, ſondern GOttes Eh - re und der Menſchen Nutz und Heyl, wie JEſus gethan hat; das ſind ſolche Haupt - und Kern-Gebote, ſo alleſamt, wie geſagt, in Buß, Glauben, Liebe oder alltaͤglichen Reinigung, Heiligung und Vereinigung mit GOtt beſtehen.

2. Wie ſich ein Juͤnger Chriſti gegen die - ſe Gebot verhalte? Er thut ſie. Die H. Schrifft weißt und lehret nichts anders: Entweder das iſt uns armen, ſchwachen, ſuͤn - digen Menſchen unmoͤglich, es muͤßte einer wol verzweiflen?

Antw. Schwer ja unmoͤglich iſts denen, die ſich nicht wollen bekehren, helffen, bey - len, guts thun, erloͤſen, die Suͤnden be - nem̃en und abthun laſſen, Joh. 5: 40. Act. 13: 46. unmoͤglich wirds zuletzt denen, ſo heute nicht gehorchen, die Buß aufſchieben, dem H. Geiſt widerſtreben, ihr Hertz ver - haͤrten, Hebr. 3. Pſ. 81: 11 -- 17. Jeſ. 48: 18. Prov. 1. Wann der Menſch GOt -tes31Vorrede. tes Anerbieten ausſchlagt, nicht zur rechten Stund annimmt, und die Zeit ſeiner Heim - ſuchung nicht will erkennen, ſo will GOtt hernach auch nicht, Num. 14: 40 -- 45. Luc. 14: 24. Joh. 7: 34. unmoͤglich iſts denen, die beyden ſo widerwaͤrtigen Herren, GOtt und dem Mammon dienen wollen, den Belial Chriſto an die Seite ſetzen, und gleichwie es einem Voͤgeli unmoͤglich iſt ſich uͤber die hohe Baͤum und Thuͤrne zu erſchwin - gen, wann es ſich wehret gegen dem, ſo ihm den Strick aufloͤſen will, eben ſo unmoͤglich iſts allen, die nicht alles um Chriſti willen aus Liebe zu Jhme, wollen fahren laſſen, ſeine Gebot zu thun. JEſus ſagts ſelbſt, Luc. 14: 33. weßhalben es mich nicht be - fremdet, daß einige Wein-Saͤuffer ſollen geſprochen haben, das ſeye allzuſcharff gepre - diget, wer auf dieſe Weiſe ſelig wurde. Nie - mand. Arme Seelen! wer euch ein ander Evangelium predigen wurde, der wurd ſamt euch als ein verfluchter in die Hoͤllen-Grub fallen. Erweget nur die Spruͤche und ſe - het, daß nichts ins Himmel-Reich komme, als eine neue Creatur und dero wol anſte - hende Fruͤchte. Gal. 6: 15. Matth. 7: 21, 24, 26. Rom. 2: 9, 10, 13. Joh. 5: 29. 2. Cor. 5: 10. Apoc. 22: 12. Freylich kan kein Dorn-Buſch Trauben tragen, es gibt nichts draus, bis er zum Wein-Stock wird,als -32Vorrede. alsdann gehets natuͤrlich zu, deßwegen muſt du dich von erſt um die Buß, Glauben und neue Geburt Tag und Nacht bekuͤmmern, den H. Geiſt vom Vater erbitten und JE - ſum in dein Hertz hinein zu kommen noͤ - thigen, da wirſt du ſehen, obs nicht durch ſeine allmaͤchtige Gnad moͤglich ſeye, Joh. 15: 5. Rom. 8: 3, 37. 6 : 5, 6, 22. 5 : 21. Phil. 4: 13. Wer aber nicht will, dem iſt weder zu rathen noch zu helffen, 1. Tim. 1: 19. Wem es hingegen ein Eckel von Chriſti Geboten nur zu hoͤren, zu leſen, zu ſchwaͤ - tzen, und hat hertzliche Luſt ſie fein ordent - lich zu thun, dem iſt unermaͤßliche Huͤlffe von dem allerwahrhafftigſten und allerge - treuſten GOtt zugeſagt, welches du Jhm im Glauben vorhalten und Jhne nicht laſ - ſen wirſt, bis daß Er dich ſegne, Act. 3: 26. Pſ. 18: 29, 30. 68 : 36. Jeſ. 35. und 40: 31. 42 : 16. Jer. 31: 33. 32 : 39 -- 41. 33 : 6 -- 9. Ezech. 36: 25 -- 31. Hoſea 14. Luc. 15. 1. Petr. 2: 25. Sagſt du: Es iſt aber gar ein hart verdrießlich melan - coliſch Ding um die Gebote Chriſti? Antw. nichts minders, es iſt ein ſanfft Joch, ja es iſt der rechte Freuden-Himmel GOttes auf Erden; Mercke dann

3. Wie ſich ein Thaͤter des Worts bey ſeinem wircklichen Gehorſam gegen denen Geboten Chriſti befinde? Nicht uͤbel, ey ja wol nicht, be -ſondern33Vorrede. gantz vergnuͤgt, friedſam, ruhig und froͤlich. Der H. Geiſt bezeuget uns allen durch ſei - nen Schreiber, Joh. Selig ſind die ſeine Gebote thun, welche Seligkeit auch Johan - nes in ſehr hohem Grad geſchmecket hat: ja, ja, ja es iſt Himmels gnug, wer JEſum liebt! hier koͤnte ich armer Wurm Sonnen - klar beweiſen, wie alle Worte Chriſti, Ge - bot eben ſo wol als Verheiſſungen unend - lich koſtbare, paradiſiſche Geſchencke ſeyen, deren das geringſte aller Welt Reichthum und Herrlichkeit weit uͤberwaͤge, ja daß das kleinſte Dupfu davon mehr wehrt ſeye als Himmel und Erden; es waͤre mir auch, ſo ungeſchickt als ich immer bin, gar ein leich - tes Ding zu zeigen, wie alle Worte meines HErrn JEſu auf lauter gutes, Freud, Heil und Seligkeit abziehlen, uns ſchon in die - ſem Jammerthal das allervergnuͤgteſte, gna - denreichſte, ſeligſte Leben zu verſchaffen; es kan auch unmoͤglich anders ſeyn, dann wie koͤnte doch aus JEſu Hertz als aus dem un - ergruͤndlichen Meer aller Treue und heilig - ſten Liebe anders kommen als das allerbe - ſte und erwuͤnſchteſte: Will nicht ſagen daß ein redlicher Thaͤter der Geboten Chriſti mit einer goͤttlichen Authoritaͤt bekleidet werde, welche die groͤſte Herren auf Erden etwel - cher maſſen reſpectiren muͤſſen, 1. Cor. 14: 25. Pſ. 76: 13. & 149: 8. Marc. 6: 20. cAct.34Vorrede. Act. 24: 25. alſo hat ein Thaͤter des Wil - lens Chriſti unſichtbaren Reichthum, Anſe - hen, Freuden und Herrlichkeit, welche GOtt erſt recht offenbaret, wenn alles ſichtbare vergangen ſeyn wird, 1. Joh. 2: 17. Col. 3. Demnach iſt ein Vollbringer des Geſe - tzes Chriſti ſchon zuvor ſelig, ehe es recht angeht. Und fein deutlich von der Sach zu reden, ſo kan kein Menſch Chriſti Ge - bote thun, er ſeye denn zuerſt ſelig gemacht, das iſt, er aͤndere Sinn, nahe zu Chriſto, laſſe ſich von ihme waͤſchen in ſeinem Blut zur Vergebung der Suͤnden und empfahe den H. Geiſt zu ſeinem Erneuerer und Re - gierer, Tit. 3: 4 -- 8. Der Diſtelſtrauch muß von erſt in einen Feigen-Baum verwan - delt, die Reben in den Wein-Stock einge - propffet ſeyn und ſeines Saffts theilhafftig werden, ehe ſie gute Fruͤchte tragen koͤnnen: Jſt nun derjenige nicht ſelig, der mit GOtt dem Vater verſoͤhnet, ſein Kind und Erb mit Chriſto vereiniget, alles theil und ge - mein mit ihm hat, mit dem H. Geiſt der Gnaden und des Gebets, des Glaubens, der Kindſchafft, der Heiligung und der Herr - lichkeit geſalbet und verſigelt iſt: Jch mei - ne ja Paulus habe allerdings recht, wann er lehret von erſt, wie der Menſch ſelig ge - macht werde, hernach wie er als ein ſolcher wandlen und als ein durch wunderthaͤtigeGOt -35Vorrede. GOttes Krafft verwandelter und gut ge - machter Baum im Stand guter Wercken erfunden werden ſolle: wodurch dann die Gewißheit und der Genuß dieſer Seligkeit im̃er mehr anwachſet, Joh. 13: 17. Pſ. 1: 3. 15. u. 65: 5. 119 : 1, 2. Luc. 1: 45. Matth. 5: 3 -- 12. Eph. 2: 8. Durch die thaͤti - ge Liebe bekommt dieſer Glaubens-Baum der zum voraus geſchenckten Seligkeit Raum ſich weiter im Menſchen auszubrei - ten und den alten unſeligen Suͤnden-Baum, der nur Fluch und Tod traͤget, zu unter - drucken und zu vertreiben, daß er zuletzt vollends verdorre; im Gegentheil der ge - recht, heilig und ſelig gemachte Menſch herr - lich gruͤne und voller guter Fruͤchten han - ge, Marc. 11: 20. Pſ. 52: 10. 92 : 13 -- 15. Joh. 15: 2. Phil. 1: 11.

4. Wo kommen endlich ſolche Erfuͤller der Geboten GOttes hin? was nimmt GOtt mit ihnen vor? Sie haben Macht zum Baum des Lebens und moͤgen durch die Porten eingehen in die Stadt. Wir wollen hier nicht ausſchweiffen zu reden von denen verſchiedenen Graden in der kuͤnffti - gen neuen Welt, da die meiſte Kirchen-Leh - rer das Paradis vor den erſten und nidrig - ſten Grad der Seligkeit halten; das himm - liſche Jeruſalem aber und ſonderlich den Tempel darinn vor den allerhoͤchſten; alleinc 2ich36Vorrede. ich dencke die heilige Engel lachen unſer mehrmalen, wann ſie uns ſo gar kindiſch hoͤren ſprechen von den Dingen der ewigen Seligkeit. Paulus beſtrafft einige deßwe - gen, Col. 2: 18. Er haͤtte uns den beſten Bericht koͤnnen darvon geben, wann ers noͤthig geachtet haͤtte; es ſeye dann daß et - wa andere meinen, ſie haben eine beſſere Zung und Feder als Paulus, dem es unausſprech - lich war, 2. Cor. 12. beſſer iſts ſich zur Be - ſitzung der kuͤnfftigen Welt taͤglich geſchick - ter machen laſſen vom H. Geiſt und es auf unſere ſelbs eigene Erfahrung verſparen. Mithin will ich mit meiner Erklaͤrung hie - nieden bleiben und ſehen wie und wem ſich der Himmel auf der Erden eroͤffne und in welcheſen Menſchen Hertz datz neue Jeru - ſalem von GOtt aus dem Himmel herab fahre; ſintemal wir junge Leut unter uns haben, welche bemuͤhet ſind Chriſti Gebot zu thun, denen moͤchte die Weile wol zu lang werden bis nach ihrem Tod zu war - ten, um Theil zu haben am Baum des Le - bens, und ins Heiligthum GOttes einzu - gehen.

Der Baum des Lebens iſt Chriſtus, das darf niemand widerſprechen, was aber die - ſes vor ein wunderherrliches Leben ſeye, ſo im Sohn iſt und bekehrten Suͤndern, die GOtt folgen zu Aufhebung deß Suͤnden -Tods37Vorrede. Tods mitgetheilet wird, das weiß niemand in ſeinem tiefſten Grund als GOtt ſelbs; al - les was an und in JEſu iſt, iſt gantz und gar ein weſentlich vollkommen Leben, lau - tere Unſchuld, Freud, Wahrheit, Wonne, Luſt, Friede, Vergnuͤgen, Ruh, Weisheit, und Heiligkeit. Ein Leben, darinn GOtt ſelbs unendlich ſelig iſt und ſeinem Sohn ge - geben hat zu haben in Jhm ſelber, Joh. 5: 26. Und als ein mitheilendes ewiges, hoͤch - ſtes Gut alle und jede neugeborne und ge - horſamme darmit zu uͤberſchwemmen und einzunehmen; Und eben wegen dieſer Mit - theilung wird JEſus genennt ein Brunn, Fuͤrſt und allhier ein Baum des Lebens; worinnen Er von den Baͤumen der Erden unterſcheiden iſt, zumal dieſe, ſonderlich der Wein-Stock, nichts als elend Holtz ſind, unmoͤglich das Leben zu geben und zu er - halten; JEſus aber hat in ſich ſelbs eine un - ausdenckliche Fuͤrtreflichkeit, dagegen alles ſichtbare und creatuͤrliche weniger als ein Schatten iſt, und da Er in ſich ſelbs ein un - zugaͤnglich Liecht und Leben ware, iſt Er durch ſeine Menſchwerdung, Leiden, Tod und Erhoͤhung uͤber alle Himmel ein Baum und brauchbares Leben worden, alſo daß Er ſeine Aeſte uͤber Himmel und Erden und alle ihre Heer-Schaaren, Engel und Men - ſchen ausbreitet, Matth. 28: 18. Col. 1. undc 3ſeine38Vorrede. ſeine Herrlichkeit ſehen laſſet als der einge - borne vom Vater voller Gnade und Wahr - heit als edelſter Fruͤchten, Joh. 1: 14.

Uber (〈…〉〈…〉) dieſen Baum des Lebens oder GOtt Menſch iſt im Rath der Hhh. Recht, Macht, Gewalt und Anſprach zu - erkennt worden allen denen, die ſeine Ge - bot thun, die Jhm der Vater gegeben hat um von ſeinem Obſt abzubrechen und nach aller Hertzens-Luſt ſich ſatt zu eſſen, Joh. 12: 49. eben, wie wann ein Koͤnig einem henckermaͤßigen Ubelthater Recht und Macht gebe uͤber alle Vorrechten und Glo - rien ſeines Cron-Printzens, ja was das koͤſtlichſte iſt, an ſeinem koͤniglich weiſen, edlen und hohen Geiſt Theil zu nehmen, un - ter dieſem glorioſen Beding, wer nur Luſt habe ſeiner Ordre nachzukommen. 〈…〉〈…〉Authoritet, Majeſtet, Tuͤchtigkeit, Vermoͤ - gen, Freyheit, Bottmaͤßigkeit, Luc. 23: 7. Macht nach Gefallen zu handlen, Hebr. 13: 10. Joh. 1: 12. welches alles in dem Wort Ausweſenheit; wie eigentlich das griechiſch lautet, begriffen iſt: Die Bewahrung der Geboten Chriſti iſt ein Merckmal und un - betrieglich Beweißtum dieſer Ausweſenheit und der Einzug in das neue Jeruſalem iſt die Frucht davon, eben wie man Koͤnigs Kinder, ſo aus dem Weſen des Koͤnigs ge - boren und ſeiner Natur theilhafftig ſind,mit39Vorrede. mit ſonderlichem Pracht einhohlet, zeigt demnach diß Wort an, daß ſo viel ein Menſch Chriſti habe, ſo viel neuen Weſens aus Chriſto, ſo viel und ſo weit ſeye er im Stand und befugt ſeiner Gaben zu genieſſen. Die alte Natur des erſten Adams, wird vom Schwert des Cherubs abgehalten und iſt ſchlechterdings untuͤchtig von dieſem Baum zu eſſen, der im Paradyſe GOttes gruͤnt. Es muß darzu eine Ausweſenheit oder neue Natur aus dem andern Adam Chriſto ſeyn, der Faͤhigkeit, Geſchicklichkeit, Muth und Staͤrcke habe ſich mit den Cherubin in ein Gefaͤcht einzulaſſen und durchzutringen ins Paradys: Es muͤſſen neue Fuͤſſe ſeyn, dich dahin zu tragen, Jeſ. 35. Act. 3. neue un - ſchuldige Haͤnde die Frucht abzubrechen, neue Augen ſie zu ſehen, ein neuer Mund und Gaumen ſie zu koſten und dieſes ge - ſchiehet ſo offt die Seel ein Gebot Chriſti heiliglich erfuͤllet und etwa in einem Kampff obſieget, welchen Segen und Seligkeit aus und an dem Baum des Lebens nicht nur die Apoſtel und Maͤrtirer in Flammen, Ver - folgung, Toͤden und Kerckern gefunden, erfahren und genoſſen haben, 1. Joh. 1: 1, 3. 2. Cor. 13: 3. Gal. 2: 20. Phil. 1: 21. Sondern es erkennens und gebrauchens bis auf dieſe Stund alle die ihr eigen Leben haſſen, Joh. 12: 25. und das Gebot desc 4Glau -40Vorrede. Glaubens verſtehen und wahrnehmen, Joh. 11: 25, 26. 40. 14 : 19. wie aber dieſe Ver - heiſſung in der Ewigkeit in vollem Nach - druck ſolle erfuͤllet werden, ſtehet zu gewar - ten: welche Engels Zunge kans ausreden, da gehorſame Juͤnger und wirckliche Thaͤ - ter voll GOttes ſeyn werden unſterblich von Chriſti Unſterblichkeit, froͤlich von ſeiner Freude, reich von ſeinem Reichtum, ſchoͤn von ſeiner Schoͤnheit, ſelig von ſeiner Se - ligkeit. Ach wann ſchon hier Chriſtus al - les in allem iſt, Col. 3: 11. und ein glaͤu - biger mit aller Fuͤlle GOttes erfuͤllet wird, Eph. 3: 19. was wirds dann dort ſeyn! wann wir die Geheimniſſe des Himmel - Reichs, ſo auf Erden geſchehen, nicht faſ - ſen, wie wollen wir faſſen was im Himmel geſchiehet, Joh. 3: 12.

Sie moͤgen durch die Pforten einge - hen in die Stadt: Wer durch die enge Thuͤ - re〈…〉〈…〉 im Buß-Kampf eingetrungen und ſich mit einer heiligen Gewalt hineinge - zwengt hat, der mag hernach frey als ein triumphirender Sieges-Held durch die wei - te| Stadt-Pforten〈…〉〈…〉 einziehen, folg - lich gehen die Bewahrer der Geboten Chri - ſti in GOttes heilige Reſidentz-Stadt ein als Freunde, Joh. 15: 14. als Bruͤder, Joh. 20: 17. als Kinder, Rom. 8: 17. als Braut, Cant. 1: 4. Hoſea 2: 21, 22. als41Vorrede. als gerechte, Pſ. 118: 20. Jeſ. 26: 2. als begnadete (〈…〉〈…〉eſt part. paſs. in forma chaldaica.) Pſ. 149: 9. Dieſe Stadt iſt der Hauffen der auserwehlten, beruffenen, gerechtfertigten und geheiligten. Die Pfor - ten ſind die Wunden Chriſti und die Evan - geliſche Verheiſſungen. Das eingehen iſt der Genuß aller Privilegien und Freyheiten des Gnaden-Reichs: bey der Pforten des Gnaden-Reichs empfahen die Gaͤſte das Hochzeit-Kleid zum koͤniglichen Freuden - Feſt, nachwerts bey der Pforten des Schau - Reichs das Himmels-Kleid. JEſus ſagt dem Weib:〈…〉〈…〉. Reiſe in den Frieden hinein als ins Reich und Reſidentz des groſſen Koͤnigs, Luc. 7: 50. Dieſes eingehen iſt eine ſtets anwachſende Offen - bahrung Chriſti und der unſaͤglichen Guͤ - tern ſeines Himmel-Reichs, ſo denen wi - derfahrt, die ihm gehorchen, Joh. 10: 9. 14 : 21, 23. Diß geſchiehet hier auf Erden heimlich im Glauben und Nachfolg Chri - ſti; am Ende der Welt wirds geſchehen of - fenbarlich vor dem Angeſicht aller Creatu - ren mit unbeſchreiblicher Solennitaͤt, da - gegen der Einzug des groͤſten Monarchen und alle Triumphe der Kaͤyſer ein ſchlech - tes Kinder-Spiel ſind, Matth. 25: 10. Pſ. 45: 16. Die Apoſtel und heilige Engel thun dieſe Thore allen auf, die abgewaſchen undc 5gehei -42Vorrede. geheiliget ſind durch den Namen des HErrn JEſu und durch den Geiſt unſers GOt - tes, 1. Cor. 6: 11. Pſ. 24. allen neuge - bornen, Joh. 3: 3 - Und keinen anderen, dann der allweiſeſte Schoͤpffer hat eine ſehr hohe Maur 144. Ellen dick um die Stadt gezogen, daruͤber niemand kommen kan. Und die Engel die auf den 12. Thoren Schilt-Wache ſtehen, verſtatten keinem Menſchen den Eingang, es ſeye dann daß er die Gebote GOttes halte. Selig und uͤberſelig, wer als ein Thaͤter der Geboten Chriſti dieſen Lebens-Baum ſtets innigſt umfaſſet, Prov. 3: 18. in der Gemein - ſchafft des Sohns GOttes bleibet und taͤg - lich weiter hinein gehet in das Liecht und Leben GOttes, und eine Gaſſen nach der anderen entdecket Halleluja. Beym Wort der Beſtraffung, ward der folgende 15. Vers auch erklaͤret.

An dieſem anſehnlichen Ort hat mich der kluge Herr Stadthalter Stocker beherberget mit hertz - licher Hoͤflichkeit und Wohlthun, GOtt vermeh - re aus Gnaden um JEſu willen ſeine Jahre und laſſe ihm Gnad widerfahren, auf daß er mit ge - heiligtem Gemuͤth zur Ehre Chriſti an dieſem Ort ſtehen in Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit, Weißheit, GOttes-Forcht und allen Tugenden lange an die - ſem nahmhafften Ort leuchten und ſich unter Chri - ſti Anfuͤhrung einen guten Schatz in die Ewigkeit ſammlen moͤge durch Verhinderung vieles boͤſenund43Vorrede. und Pflantzung vieles guten mit GOttes Bey - ſtand.

Es hat mich auch mein Hochgeehrter Herr Schultheiß Knecht geweſener Schultheiß zu Burg - dorff und damals regierender Caſtlan zu Zweyſim - men ins Schloß Blanckenburg zum Mittag-Mahl eingeladen, wovor ich billigen Danck und unter - thaͤnige Bezeugung alles Reſpects ſchuldig bin.

Nachmittag erhub ich mich von dannen auf Boltigen und predigte den 13. daſelbſt uͤber A - poc. 22: 16. und hat mich Herr von Bergen, ein mit ſchoͤnen Talenten begabter, munterer Pfarr-Herr mit ſonderbarer Hoͤflichkeit, Liebe und hertzlicher Aufwart recht beſchaͤmt; GOtt vergelte es ihm durch unſers heiligen JEſus Liebe und ſegne ihn und alle, die mir auf dieſer kurtzen Reiſe gutes gethan haben. Wie mir denn durch GOttes Guͤte viel Erquickung an Leib und Seel reichlich widerfahren in denen wenigen Tagen. GOtt ſey ewig Lob und Danck darfuͤr! Seine himmliſche Gnaden-Krafft eroͤffne auch dieſem trefflich begabten Mann das liebreiche Hertz JE - ſu ſeines Sohnes, daß er Schaͤtze der Sanfft - muth, der ſtillen Einkehr und Andacht und der lauteren Liebe GOttes und aller Menſchen auch der widerwaͤrtigſten daraus zu ſeiner tiefen Be - friedigung nehmen koͤnne. Hierzu ſegne ihm auch GOtt, der ſo vielmal ſich auf denen Bergen ge - offenbahret, ſein Auffenthalt im Berg-Land, daß er mit GOTT wie Moſes, und mit JEſu wie die drey Juͤnger hinauf ſteige und in geheiligtem Angedencken der Lehre und des Lebens Chriſti ſonderlich auch dieſe Wort practicire dem allerhoͤchſten Exempel nach:

Nach44Vorrede.
Nach der Stille, ohn Gewuͤhle
Hat mein Heyland ſelbſt getracht,
Und im Hauſe und nicht drauſſen
Dreyßig Jahre zugebracht,
Da er fleißig, ja das weiß ich
An GOtts Pforten hat gewacht,

Damit er allzeit ſtraalend und flammend von Liebe GOttes und einem himmliſchen Sinn zu ſei - ner anvertrauten Heerde zuruck kehre.

Kame ſelbigen Abend auf Daͤrſtetten zu mei - nem liebwehrten Herrn Gevatter, Herrn Gabriel Furer, an welchen JEſus der getreue Seligma - cher gedencket, und als ſeinen geliebten mit Creutz bezeichnet, damit Er ihne bewahre vor dem boͤſen Tag und weilen Creutz, Gnad und Liecht ſo ger - ne beyſammen hauſen; ſo kroͤnet der Vater der Erbarmungen ſeine Famillen mit geiſtlichem Se - gen in himmliſchen Guͤtern durch Chriſtum: GOtt halte ſein Hertz ſteif im Vertrauen an den heil - waͤhrtigen Namen JEſus, der unter harten Creutz - Schaalen den ewig erquickenden Kern alles Frie - dens, Heils und Lebens verbirget; Darum mein theurer Bruder im HErrn

Glaub nur veſte, daß das beſte
Uber dir beſchloſſen ſey,
Wann dein Wille nur iſt ſtille
Wirſt du von dem Kummer frey.

Habe auch zu Oberwyl auf Anhalten deß jun - gen Herrn Samuel Hortins, allwo mir eben - falls viel gutes widerfahren, geprediget, Er iſt der Gemeind, wegen ſeines gewiſſenhafften Fleiſ - ſes lieb und wehrt; GOTT erhalte ſein Hertz in Demuth und Nidrigkeit, daß er ſich gar keinesmenſch -45Vorrede. menſchlichen Lobſpruchs annehme, ſonder in al - len Dingen GOttes Urtheil foͤrchte, welches ſehr ſubtil iſt, und einen jeden genau underſuchet, ſich auch keines wegs nach der Menſchen Zungen richtet: Daß er doch nie vergeſſe, wie manchen ſauren Kampf er noch auszuſtehen habe, und wie vieles er noch erfahren muͤſſe, ehe er geuͤbte Sin - nen habe den Willen deß HErren zu pruͤffen, und alles wohl zu underſcheiden; Alſo mag dieſer ſchoͤn bluͤhende zarte Baum, wann er tieff in GOTT einzuwurtzeln ſuchet, noch wohl viele, koͤſtliche Fruͤchte in Chriſti Vereinigung bringen, deren ſich die Kirch zu erfreuen haben wird.

Es hat mir auch Herr Kocher, Pfarrer zu Er - lenbach aus rechtſchaffener Bruder-Liebe mehrma - len ſeinen Cantzel gleichſam auffgetrungen, da ich viel lieber haͤtte wollen Zuhoͤrer ſeyn ſeiner gelehrten, ſchmackhafften, evangeliſchen Predigen, alſo daß mich ſeine groſſe Demuth und Hertzlichkeit allzeit beſchaͤmt hatt: GOtt verſetze ſein gantzes Haus und noch viele von ſeiner Gemeind in das geſeg - nete Canaan der theuren Liebe Chriſti, und er - fuͤlle ſeine Seele mit ewigem Leben.

Letztlich hat auch Diemptigen in gleichem Be - zirck wohl um mich verdienet, daß ich ihrer zum beſten gedencke, zumaln ſie mich mehr als einmal genoͤhtiget haben, das Evangelium von JESU zu predigen in dortiger Kirch, und zwar aus Chriſt - licher Liebe zu heyls-begierigen Hertzen welche ſol - ches verlanget, und auch von mir ohne die ge - ringſte Verſaumniß meiner Angehoͤrigen in einer Wochen-Predigt geſchehen. Die Himmels-breite Gnaden Fluͤgel Chriſti ſammlen, bedecken, er - waͤrmen, beſchirmen, heiligen erquicken ebenfallsdort46Vorrede. dort die lieben im Pfarrhauß und der Gemeind, biß ſie den Urſprung alles Guten, aller Gnade und Herrlichkeit ſchauen im Paradys, allda ih - nen aller irrdiſche Abgang in dieſer Zeit unendlich erſetzt werden ſoll; Welche Erſatzung ſie ſchon hier im Willen GOttes genieſſen an geiſtlichen Segen durch Chriſtum dem ſie angehoͤren, und folglich nach Pauli Verſicherung alles ihr iſt. 1. Cor. 3: 22, 23. Dieſes melde auß Anlaß im Vorbeygang, nun komme ich wieder auf die in Boltigen und Daͤrſtetten gehaltene Predigten.

Will um beliebter Kuͤrtze willen dieſe beyde Text zuſammen nehmen. Jſt die allerletzte Predig JEſu Chriſti nach ſeiner Himmelfahrt: Der hier wiederum perſoͤn - lich redet, nach dem GOtt der Vatter, der H. Geiſt und die Kirch v. 14, 15. geredt haben, ſtimmet faſt mit deren uͤberein, ſo Er bey ſeiner Geburt durch den Engel hal - ten laſſen, Luc. 12: 10, 11. Alle haben ein ſuͤß Evangelium fuͤr durſtige Selen, ſo ſeufftzen nach ſeiner erſten, wie die Patriar - chen, Propheten und gerechte deß Alten Teſtaments und andern Zukunfft, wie ſei - ne betraͤngte Kirch am Ende der Tagen deß Neuen Teſtaments, alles iſt im Paradys geſchehen, Gen. 3. und hier v. 1, 2, 3. da heißts: Wer Ohren hat zu hoͤren, der hoͤ - re. JEſus redet und zeuget ſelbſt, ſein Geiſt / der Engel und die Gemein, alles vermahnt und rufft kurtz und hoͤchſt beweg -lich:47Vorrede. lich: Laſſet uns den Koͤnig und ſeine Ge - ſante hoͤren.

  • 1. Die himmliſche Commiſſion und Befelch JEſus.

JEſus befiehlt ſelbs und zeigt von wem die Verkuͤndiger guter Bottſchafft kommen. Jch JEſus habe meinen Engel geſant / Matth. 28: 19, 20. Eph. 4: 11, 12. Act. 26: 15 -- 18. Joh. 17: 18. und 20: 21. Groſſer Troſt bey der lebendigen, feurigen, ſchmackhafften Predig des Worts ſo aus eigener Erfahrung nach dem Sinn und Wil - le Chriſti in ſeinem Geiſt vorgetragen wird, daß man nicht meine, das gehe JEſum nichts an, Er ſeye nicht dabey. Nein! in dem ein GOtt ergebener Prediger auf die Cantzel ſteiget, ſo ſteiget der himmliſche Leh - rer und oberſte Prediger herab, oͤffnet und ruͤhret das Hertz mit groſſer Krafft und das ſind die beſten Prediger, da zu gleicher Zeit 2. auf der Cantzel ſtehen ein ſichtbareer, deſ - ſen Stimm in die Ohren ſchallet und ein unſichtbarer, deſſen Krafft die felſerne Hertz erſchuͤttert, meinen Engel mit der ange - nehmſten, herrlichſten Bottſchafft nicht von einer Erbſchafft von viel hundert tauſend Gulden ſondern einen unvergleichlich groͤſ - ſern Reichthum und Segen, der ewig waͤhrt, wann Himmel und Erden im Rauch auf - gehen; einen Botten mit meiner Libereyund48Vorrede. und Creditiv als meinen vertrauten Die - ner, Rom. 10: 15. geſandt mit meinem Geiſt darzu ausgeruͤſtet, brennend gemacht von meiner Liebe, 2. Cor. 5: 14. und gleich - ſam ausgeſtoſſen, Matth. 9: 38. Welches in dieſen letzten Tagen, wovon hier die Re - de iſt, GOtt auf eine bißher unerhoͤrte Wei - ſe thun wird und Prediger ſenden, die Wei - ſe, dapffer und heilig ſeyn ſollen, wie die Engele GOttes, Pſ. 68: 12. Jeſ. 66. Dan. 12: 3. Wann ein großmaͤchtiger Koͤnig ſeinen Ambaſſadoren oder Geſandten an euch ſchickte mit Anerbietung alles guten, ihr hieltets ja vor keine geringe Ehre; nun ſuchet euch der groſſe Koͤnig Himmels und der Erden in dieſem Thal heim, Er ladet euch ein: O was erfreuliche Wort hab ich an alle, die ſeine Gnad begehre! wann ein Engel oder ein gantzes Chor engliſcher Heer - Schaaren vom Himmel kaͤmen, wie wur - det ihr doch die Tag eures Lebens daran ge - dencken, die Predig kaͤme euch nie aus dem Sinn: Wann GOtt ſelbſt erſchiene, mit ei - ner ſolchen Majeſtaͤt wie auf Sinai, herab fahren, dieſen Tempel umgeben, mit einer ſtarcken Stimm aus den Wolcken ruffen und euch anreden wurde, welch ein Schre - cken und Erſtaunen wurd euch uͤberfallen! Aber nein, Er will nur ſchwache elendige Menſchen brauchen. O HErr JEſu wiebin49Vorrede. bin ich verwundert, daß du auch mich al - lerunwuͤrdigſten Suͤnden-Wurm erwehlet haſt zu einem geringen Diener, ja daß du mich von Mutter Leib an darzu ausgeſon - dert und biß auf dieſen Tag eine Mauer um mich her geweſen biſt; ach daß ich keine Ge - legenheit verſaume dich zu verherrlichen!

Jhr habt nun den ſendenden, den Geſand - ten, die Sendung ſelbſt. Folget der Zweck: worzu? zu bezeugen, iſt mehr als einfal - tig lehren, das Zeugniß und Teſtament GOttes darlegen, 1. Joh. 5: 5 -- 13. JE - ſum predigen und ſein Heil, Joh. 3. betheu - ren, als ob Chriſtus ſelbſt hier auf der Can - tzel neben mir ſtunde, und als ob er jetzt ruff - te bey mir, ach ich ſtehe neben Jhm vor eu - ren Hertzen; ja Chriſtus bittet euch: neh - met meine Gnad an in dieſen Worten deß Lebens; ach haſt du das Hertz, und du, daß du Jhm diß abſchlagen doͤrffeſt: hoͤret wie er euch zurufft: kommt zu mir alle Suͤn - der, ſehet meine Armen ſind ausgeſtrecket, mein Hertz ſtehet offen, wie billig waͤre ich euch zu empfahen, wann ihr woltet zn mir kommen, hier noͤthiget Er euch, ſchauet mich an und werdet ſelig aller Welt Ende, ſchaue ſein rothe Wunden, ſiehe wie er bluͤ - tet, wie ſeine Haͤnd und Fuͤſſe durchſtochen, wie er wimſelt, ſieheſt du wie er ſein Haupt laßt hangen, und vom Creutz herab rufft:dJch50Vorrede. Jch bitte dich ſo hoch ich kan, ſo hoch du deine Seele liebeſt, ich bitte dich um der Streichen willen, die ich deinet wegen er - duldet, ſchlag mir das nicht ab: was ſaget ihr dazu? wollet ihr von nun an euer vorig Le - ben verlaſſen, in ein neues Leben tretten, und Chriſti Freund werden oder nicht? ſa - get ja oder nein: heiſſet Jhn ſelber hinweg gehen, ich mag es nicht thun. GOtt der Vatter ſagt: Nimm doch meine Liebe an; wo wilt du ein groͤſſer Gluͤck finden, als wann du mein Kind ſeyn und den Him - mel erben kanſt, es ſoll alles verzogen ſeyn, ſaget ihr, wer wolte diß nicht annehmen: freylich, freylich: aber ach es iſt mir eben, als ob ihr nein ſagtet, wann ihrs nicht ge - rade jetzt thut. GOtt bietet dir o Suͤnder! ſeine Freundſchafft an, ſags frey heraus, wilt du nur noch dieſen Tag lieber GOttes Freund oder Feind ſeyn, Er ſucht den Frie - den, ich gehe von hinnen nicht, biß ich mei - nen Beſcheid erhalten, du, wilt du? und du, welcher iſt der ſagen will nein! der trette hervor, 2. Cor. 5: 20. Prediger ſind Zeu - gen JEſu Chriſti, mit Jhme eins und be - kannt, die aus eigener Erfahrung anderen ſagen koͤnnen, wie gut mans bey ihm habe, die das Evangelium nicht wie ein Papagey erſt andern nachſchwaͤtzen doͤrffen, Jer. 23: 22, 30. Joh. 15: 26. Act. 1: 8. 5 : 32. 10:51Vorrede. 10: 41. Luc. 24: 48. Jeſ. 43: 10. Apoc. 19: 10. Sie machen Chriſti Krafft und Er - loͤſung uͤber die Suͤnd, ſeine Gnad, Wir - ckung und Vollendung erhoͤhen und prei - ſen ſie jederman an in denen 7. Aſiatiſchen ja allen fuͤrgebildeten Gemeinden: was ich euch ſage, das ſag ich allen, wachet, hoͤret.

2. Die Engliſche Bottſchafft und Rela - tion oder Predig ſelbſt, Jch bin / Exod. 3: 14, 15. Der Jehova, Leben und Licht, Weg und Wahrheit. Wurtzel, Jeſ. 11: 1, 10. Rom. 15: 12. Apoc. 5: 5.

a Urheber deß natuͤrlichen und geiſtlichen Lebens, Joh. 1. durch die Schoͤpffung und Zurechtbringung, aus Jhm haben wir al - les gute, 1. Cor. 1: 30. 1. Chron. 29: 11 -- 14. Jhm ſind wir alles ſchuldig, Pſ. 68: 4, 19, 20, 21. Jeſ. 45: 24.

b Und alſo das Haupt ſeiner Kirch, da - von die Glieder alle ihre Nahrung und Wachsthum haben, Eph. 1: 22, 23. 4 : 15, 16. Act. 17: 28. Aus Jhm flieſſet aller Safft in die glaͤubige, Bluͤhte, Blaͤtter und Frucht, der H. Geiſt mit ſeinen Gaben, Summa alles gute, alle heilige Gedancken, Begierden, Worte, Wercke, Leiden, Tu - genden von Abel an biß auf den letzten ge - rechten zum juͤngſten Tage zu, Pſ. 1: 3. Jer. 17: 7, 8. mithin iſt JEſus das Leben, Weben, ſafftige Bluͤhen, Gruͤnen und Frucht -d 2barkeit52Vorrede. barkeit der gantzen Kirch, alle Glieder Al - ten und Neuen Teſtaments ſind in Jhm zuſammen gefaßt, Eph. 1: 10.

c. Jſt der Grund und Fundament, ſo den gantzen Kirchen-Baum tragt, in Jhme iſt der Gnaden-Bund und deſſen beyderſei - tige Erfuͤllung veſt, Rom. 11: 18. Pſ. 89: 29 -- 38. Davids Fels, Pſ. 18: 3. auf JEſu gruͤnden, bauen, ſteuren und verlaſ - ſen ſich alle Heiligen und wurtzlen in Jhm, Col. 1: 23. und 2: 7. werden durch Jhn auß aller Schande heraußgebracht, wach - ſen dem Himmel zu und werden erhoͤhet zu der erſten Ehre, darinn Adam ſtuhnd.

d Wie ſich die Wurtzel in die Erde ver - birget, gleicher maſſen hat ſich Ehriſtus allem Gewalt der Feinden entzogen und in Himmel verborgen, wie Er zuvor im Grab gelegen, und der Juden fernern Be - ſchimpffung entgangen.

e Wie die Wurtzel immer wieder friſche Zweige ſchieſſet, alſo iſt JEſus ein allmaͤch - tiger Uberwinder uͤber Welt, Suͤnd, Hoͤll, Tod, der alle Stuͤrme und Anfechtungen ſeiner Feinden gewaltig bemeiſtert, und nachdem Er ſich under alles aufs tieffeſte erniedriget, wie insgemein hohe Baͤum tieffe Wurtzen haben, iſt Er uͤber alles Ho - he und Erhabene hoch außgeſchoffen, Phil. 2: 7 -- 11. Ezech. 17: 23, 24. und hat ſeinCreutz -53Vorrede. Creutz-Panier uns zum Troſt auf dem Sieges - Plan außgehenckt, Jeſ. 66: 19. Es mag der Feind noch ſo grauſam wider die Baͤume wuͤten und gan - tze Waͤlder umhauen, ſo muß er dennoch dieſe Wurtzel laſſen bleiben, das Koͤnigreich Chriſti im Hertzen durch den H. Geiſt / wie in Egypten und under der Babyloniſchen, Perſiſchen, Griechi - ſchen und Roͤmiſchen Monarchey geſchehen, Rom. 9: 25, 29. 11 : 4, 5. und im letzten Wetter-Sturm deß Antichriſten, wird ſo viel von der Wurtzel uͤbrig bleiben, daß viele tauſende darauß auß - ſchieſſen werden, Jeſ. 60: 22. Pſ. 68: 2, 3. Pſ. 72: 7. Demnach iſt JEſus die Wurtzel Da - vids, maſſen ein jeder geiſtlicher David oder Liebling GOttes, der am Strom lebendigen Waſſers als ein Baum deß Lebens gepflantzet iſt, auß ihme herfuͤr gruͤnet, zwoͤlfferley Fruͤchte brin - get, und mit Geſundheits-Blaͤtter erfuͤllet wird.

Er iſt aber auch das Geſchlecht Davids Zweig und Wurtzel, Jeſ. 53. GOtt und der Samen, Rom. 1: 3, 4. der Erſtgebohrne GOttes und der Kirch, 2. Sam. 23. Pſ. 89: 28. 87 : 4, 5. Col. 1: 15, 18. Apoc. 1. Kinder / 1. Petr. 2. Diß iſt das Prophetiſche, Prieſterliche und recht him̃ - liſche Geſchlecht, Joh. 1: 12, 13. Pſ. 110. be - zeichnet, Apoc. 7. die Davids Glauben, Liebe, nachſchlagen, ſonderlich ſein Bild tragen, alſo heiſſet ſein Name Chriſtus in den Menſchen / Col. 1: 17. in dem Hertzen eines jeden, der ſein Mutter geworden, und ihn im Geiſt gebohren hat, Matth. 12: 50.

Der hell-leuchtende Morgen-Stern, der groſſe Lehrer der Gerechtigkeit JEſus Chriſtus, in weſſen Hertzen dieſer helle Morgen-Stern auff -d 3gegan -54Vorrede. gegangen, 2. Petr. 11: 19. der allein weißt recht wie man GOtt dienen ſolle, und darff nicht daß ihn jemand lehre, 1. Joh. 2. weilen er das Licht deß Lebens in ihm hat, ſo ihm alle Geheimniſſe Heil. Schrifft entdecket, daß er die Schoͤnheiten deß neu-auffbluͤhenden herrlichen Reichs weit und breit ſihet, wie ſich doch alles ſo ſehr veraͤnderet, und huͤpſch neu geworden, alles Unkraut außge - rottet, und die ehmalige finſtere Schlupff-Loͤcher der unreinen boͤſen Geiſter außgeraumt und geputzt ſind, Jeſ. 43: 19. 2. Petr. 3: 13. Diß iſt der Stern der Weiſen, ſo nach Bethlehem dem Brodt-Hauſe fuͤhret, Matth. 2. JEſus ſcheinet durchs Wort der Wahrheit und durch den Heil. Geiſt, Cant. 6: 10. Pſ. 112: 4. 2. Cor. 4: 6. Apoc. 2: 27.

3. Die Application deß H. Geiſtes, der Braut und aller Glaͤubigen Nachklang, v. 17. Der Geiſt und die Braut ſprechen: Komm! Und wer es hoͤret / der ſpreche: Komm! Und wen duͤrſtet / der komme / und wer da will / der nehme das Waſſer deß Lebens umſonſt. Der H. Geiſt treibet in den Zeugen JEſu ihren neugebohrnen Geiſt und die Braut deß Lam̃s, daß ſie ſich nach der Zukunfft deß Braͤutigams und nach der Bekehrung der Voͤlcker ſehnlich außſtrecken, mit bruͤnſtigem Verlangen, daß doch unzehliche Menge der Menſchen ihre Seelen keuſch machen im Gehorſam der Wahrheit durch den Geiſt, wei - len ſie einen unendlichen Vorraht ſehen von Licht, treibenden Leben und unvergleichlicher Herrlichkeit in dieſem Morgen-Stern, Wurtzel und Geſchlecht Davids; Da mangelt nichts als Kommen, Trin - cken, die Glaubens-Hand nur fein getroſt auß -ſtrecken,55Vorrede. ſtrecken, das Wort der Wahrheit in ſeiner un - verfaͤlſchten Lauterkeit annehmen, und das Waſ - ſer deß Lebens, ſo auß GOttes und deß Lamms Thron, wie ein tieffer Strom heraußfleußt, kei - ner laſſe ſich ſeine Ar muht und Duͤrfftigkeit abſchre. cken, fort mit allem Zweiffel, niemand gedencke, er wolle von erſt wuͤrdig gnug werden, ſondern komm nur getroſt, und nehme das umſonſt, was ihm GOttes Freundlichkeit anbietet und ſchencken will.

Alles rufft, der H. Geiſt und die Kirch, Jeſ. 55: 1 -- 3. JEſus heißt alle Durſtige kommen, Joh. 4. und 7: 37. Wer Frucht will tragen, muß dieſe Wurtzel ins Hertz laſſen durch den Glauben, Eph. 3: 17, 18. Phil. 1: 11. Suͤßholtz-Wurtzen loͤ - ſchenhefftig den Durſt; Wer die ſuͤſſe Liebe JEſu Chriſti im Hertzen ſchmeckt, dem verleidet die gan - tze Welt, und erſtirbet alle Fleiſches-Luſt, und bleibt nichts uͤbrig in der Seelen, als ein ſtetes Verlangen von dem Leben und Liebe JEſu ſatt zu haben und volle Genuͤge. Jn Jndien ſind Baͤu - me, auß deren Wurtzel Mehl gemacht und Brodt bereitet wird; Die Buͤrgſchafft und Vorbitt deß durch Leiden vollkommen gemachten Hohenprie - ſters nehret und vermehret die Kraͤfften deß neuen Menſchen, und ſtaͤrcket alle deſſen Glieder, wer aber dieſe paradyſiſche, ſehr fremd gewordene Koſt recht genieſſen will, der muß forthin nimmermehr an der Wurtzel der Gelt-Liebe ſaugen, 1. Tim. 6: 10. und deß Gutdunckens ſeines eigenen Hertzens, nebens einem neidigen erbitterten Gemuͤth gegen Bekehrte und von Chriſto freundlich Auffgenom - mene, Deut. 29: 18. Luc. 15: 2. Act. 13: 45. Hebr. 12: 15. dardurch der hoͤlliſche Durſt nurd 4immer -56Vorrede. immermehr entzuͤndet wird durch Gold-Raach - Ehr - und Sauff-Begierd.

Erforſche ein jeder ſein Weſen, der Morgen iſt kommen / Rom. 13. Joh. 12: 35. Tit. 2: 11. 3 : 4. und iſt doch Nacht / Eſaj. 21: 12. Secten, Zaͤnckereyen, Hochmuth, Wercke der Finſterniß, Auffhaltung der Wahrheit in Unge - rechtigkeit, 2. Theſſ. 2: 10, 12 Rom. 1: 18. Ge - wiſſens-Zwang, Abfall von GOtt, Haß Chri - ſti und ſeiner Glieder, da der groſſe Hauffe den Gerechten uͤberſchreyet: Mit wem halteſt du es nun? Jſt das auch dein Wunſch, wie der H. Geiſt, der Kirchen-Fuͤrſprech in ihr ſeuffzet? Begehreſt du erleuchtet zu werden, Eph. 5: 14. Duͤrſteſt du nach den Waſſern deß Lebens, nach GOttes Reich? Allermaſſen JEſus nicht verheiſſen dem Geitzhalß den Durſt mit Guͤtern, dem Ruhm - ſuͤchtigen mit aller Wiſſenſchafft und fleiſchlicher Weißheit, dem Rachgierigen mit Vertilgung ſei - ner Feinden, dem Tadelgern mit groſſem Beyfall, dem Wolluͤſtler mit mancherley Gemaͤchlichkeit und Fleiſches-Kitzel, dem hungerigen Rachen ſei - ne Seele zu fuͤllen? Nein, dieſe alle will er mit dem Hoͤllen-Pfuhl traͤncken, Apoc. 21: 8. 22 : 11, 18, 19, 15. Die ſagen: Komm Welt, Gelt, Fleiſch, ſchaffet mir Wolluͤſt: Weich JEſu mit deinem Wort und Geiſt, habe mein Hertz andern gegeben, die erhitzen, quaͤlen und toͤden, und die Noht der Erbſuͤnd unbeſchreiblich groͤſſer machen, ich haſſe dein Leben, Ruh und Liebe, Tod und Angſt.

Ein ewiger Troſt quillet hier vor Arme am Leib und am Geiſt, Matth. 5. Luc. 6. So gewiß ein rechter Durſt da iſt, ſo gewiß erlabet Er: JchJEſus57Vorrede. JEſus ſammle, locke euch: Ein jeder der meine Hirten-Pfeiffen hoͤret, der komme zu mir und trin - cke, Matth. 11: 28. der nur ein leer Gefaͤß hat, der ſtelle es under, einen leeren Sack, Hand, Mund, leer von aller eigenen eingebildeten Weißheit, Recht und Frommkeit, von aller eitelen Narren - Freud und Vernuͤgen, der ſirecke ſie auß und thue ſie auff nach Mir. Jch JEſus will euch geben, mehr als ihr begehret, ja biß ihr gnug habt, Pſ. 22: 27. 36 : 9. 65 : 5. Prov. 8. weſentliches Gut, ein Magazin der Guͤtern, Prov. 10: 3. habe Jch Gnade, Freude, ein Reich, ein Cron, es iſt al - les fuͤr den, der ſich von der Welt umwendet zu Mir, Jch ſtoſſe ihm alles ein, daß er wie ein ge - maͤſtetes Kaͤlblein auffſpringt, Mal. 4. Kan die Unruh nichts auf Erden ſtillen und befriedigen, als GOttes Gegenwart, Gnad und Geiſt, der oͤffne nur ſein Hertz im Gebett gegen Mir, Jch will ihm ſchoͤne Sachen drein ſteuren, mit geiſtlichen und himmliſchen Segen uͤberſchuͤtten, Geiſt, Licht, Freud und Leben darein gieſſen, wie man die Kin - derlein mit Weynacht-Gaaben erfreuet: Euere Seele ſoll in Wolluſt fett werden, ſonderlich an Meinem Hochzeit, da Jch euch uͤberſtroͤmen, mit Manna ſaͤttigen, und euern Mund mit Preiſen und Jubilieren anfuͤllen will, Jeſ. 25. 29 : 19. 30 : 29 55: 3. 61 : 10. Jer. 31: 12. Euere wegen deß Mangels deß Hochzeit-Kleids bekuͤmmerte Seele anthun mit dem goldenen hellglaͤntzenden Kleid meiner eigenen Gerechtigkeit, Heiligkeit und Herrlichkeit, daß ihr Mir euerem lieben Braͤuti - gam koͤnnet entgegen ziehen, mit Freuden und Lob-Geſaͤng in euerem Mund, mit Harffen GOt - tes und Palmen-Zweigen in euern Haͤnden.

d 5Sehet58Vorrede.

Sehet alſo: Jhr ſollt nichts bringen, nur neh - men, JEſus Chriſtus muthet nur an rechten Durſt, das iſt, Sinns-Aenderung und Glau - ben, daß Er nicht verachtet werde, und du nicht mehr nach der Welt duͤrſteſt, beſondern alles ver - ſchmaͤheſt, was dich in Seinem Dienſt und Liebe verhindern und davon abhalten will, dich ſelbs richteſt und verdammeſt, arm, ſchwach, bloß, jaͤmmerlich, unwuͤrdig, untuͤchtig und ein blin - der Thor in deinen eigenen Augen ſeyeſt.

Hier iſt der edelſte, gewuͤrtzte, koͤſtliche Lab - Tranck ab der heilſamſten Wurtzen zu trincken, das iſt die recht Engliſche Gifft - und Heil-Wurtz, wer Luſt hat und ſie etwas ſchaͤtzet: Vinum Aro - matites (gleich dem Claret oder Wein, ſo man in Puͤndten, zu Chur und Meyenfeld hat|) der Krafft gibt zu allen Chriſtlichen Tugenden: Deß - halben rufft uns JEſus zu: Jch will Mich in dich gieſſen, den Bach GOttes in dich leiten, Pſ. 23: 36, 65. Apoc. 7. Jch JEſus bin die Quell deß Heils, der offene Brunn, Jeſ. 12. Joh. 1: 16. Apoc. 1: 5. O wann duk wußteſt, Joh. 4: 10. was fuͤr Waſſer das iſt, du wurdeſts machen, wie die Helden Davids, 2. Sam. 23: 13 -- 17. 20. Diß Blut-Waſſer muͤſſen wir alle trincken; Halte nur deinen Mund an JEſu Seiten, Joh. 19: 34.

O daß du die Lieblichkeit dieſer Wurtzen gekoſtet haͤtteſt, ihre Tugenden, Hebr. 6. Wann du die Straalen und kraͤfftige Wuͤrckung dieſes goͤtt - lichen Lichts empfunden haͤtteſt! Laß dich doch auß der Finſterniß reiſſen! Ja komme du Licht deiner Außerleſenen zu allen, die Dich under uns noch nicht kennen, mithin | ein finſter Leben fuͤhren;Kom̃e59Vorrede. Komme zu deinen Geſchoͤpffen, die in der Finſter - niß deß Papſtthums und Heidenthums ſitzen, Zach. 14. Jeſ. 30: 26. Komm du Quell der Gaͤrten, Cant. 4. Loͤſche den Durſt aller, ſo nach Deiner Gemeinſchafft ſehnen; Komme mit deiner freu - denreichen Zeitung von deiner Zukunfft ins Fleiſch, und zum Gericht zu deiner Kirch, deiner betruͤbten Braut, der armen Wittwen, denen verlaſſenen Waͤyſelein, die keine geiſtliche Vaͤtter auf Erden haben, alſo ſeuffzet wahrlich dein Geiſt in allen neugebohrnen ſchon von langer Zeit her, wohne dann und wandle mitten under uns und ſtelle dich gegenwaͤrtig dar zur Verſicherung der geiſtlichen Hochzeit und Vermaͤhlung, Amen.

Hier will ich ein klein Muͤſterlein beyſetzen, um zu zeigen, wie der H. Geiſt in allen Worten H. Schrifft ſuche den Glauben in die Hertzen einzu - pflantzen, und allen Einwuͤrffen der Vernunfft zu begegnen.

Einw. O wie ſelig waren die Zeiten, da man JEſum ſelbs hoͤren koͤnnte! Da hatte man gut zu glauben, ich aber hoͤre nur Menſchen, ich kan nicht daran kommen, was ſie mir vorgeben. Antw. Jch JEſus habe ſie geſandt. Einw. Ja wanns etwa der H. Engel Gabriel waͤre oder ſonſt ein himmliſcher Thron-Fuͤrſt. Antw. Mei - nen Engel. Einw. Wann JEſus mir ſolte Buͤrg darſuͤr ſeyn, daß Er ſelbs darzu ſtehen wolle, was ſie mir Seinethalben anzeigen, daß ich mich dran laſſen koͤnnte. Antw. Zu bezeugen. Einw. Jch will wohl glauben, es ſeye ſein groſſer Ernſt, ja wenn Er mich meynte, daß ich gewiß wuͤßte, es gehe mich auch an. Antw. Euch an den Gemeinden. Einw. Es ſind aber gar zuhohe60Vorrede. hohe Gnaden und zu ſchwaͤre Pflichten, davon JEſus im Buch ſeiner Offenbahrung mit mir re - den laſſet, wie mag ich jemals darzu gelangen. Antw. Jch bin die Wurtzel. Einw. Ja wol freylich iſt aller Engel Schoͤnheit, aller Patriar - chen Gottſeligkeit, aller Propheten Erleuchtung, aller Apoſteln Heiligkeit, aller Blut-Zeugen Be - ſtaͤndigkeit, aller Glaͤubigen Gehorſam und Uber - windung aus, durch und zu GOttes Sohn; aber wie darff ich elender Suͤnden-Wurm gemeinſam mit einem ſo herrlichen GOtt umgehen, Jhm all mein Anligen im Vertrauen in ſeine Schoos werf - fen, ja wenn Er meines gleichen waͤre, ein Menſch wie ich, ſo doͤrfft ich ſchon freymuͤhtiger und offen - hertziger gegen Jhm ſeyn. Antw. Das Ge - ſchlecht Davids. Einw. Jch bin aber die Fin - ſterniß ſelbſt, es iſt Nacht bey mir, ſtoſſe an Steinen meiner Hertzens-Haͤrtigkeit, zerreiſſe al - le meine Vorſaͤtz an denen Dorn-Hecken deß miß - trauiſchen Zweiffelmuths und mancherley Sorgen, gerathe in Pfuͤtzen der Welt-Begierden und Flei - ſches-Luͤſten, wenn ich nur eine Latern haͤtte, die mir vorleuchtete und zuͤndete, oder daß der Tag einmal anbreche, damit ich den Weg fein deutlich ſehen koͤnnte zu ſo gutem Seligmacher und ſo leut - ſeligem Menſchen-Freund. Antw. Jch bin der helleuchtende Morgen-Stern. Einw. Wann ich den innern Gnaden-Zug fuͤhlete, und mir die goͤttliche Krafft angebotten wurde dem Licht nachzuſpuͤren. Antw. Der Geiſt ſpricht kom̃. Einw. Ja wann aber auch die Braut deſſen zufrie - den waͤre, mirs goͤnnete, mich nicht ſchaͤmete; Wie koͤnnten doch die Apoſtel und alle Heiligen ein ſo heßlichen abſchenlichen Suͤnder, als ich bin zueinen61Vorrede. einem Mit-Burger und Mitgenoſſen ihrer Freud und Glory immermehr annehmen. Antw. Und die Braut ſpricht komm. Einw. Jch habe noch Bruͤder, Freund und Verwandte, es iſt die Frag, ob ich ſie auch doͤrffte mitbringen. Antw. Wer es hoͤret, der ſpreche auch zu andern komm. Einw. Und wenn ſie ihre Luſt nur im Fleiſch und Welt haben, dieſem hohen Gut nichts nachfragen, ja wenn meine eigene Kinder ſelbs dahinden bleiben, darff ich denn in einen Weg al - lein kommen? Antw. Wen da duͤrſtet / der komme. Einw. Wird mir aber meine lange Verharrung in Suͤnden, abtruͤnnige Ubertret - tung, Groͤſſe und Menge meiner Miſſethaten nicht den Rigel ſtoſſen und ein Hinderniß machen? ſon - derlich wann ich durch meine uͤbele Gewohnheiten allerdings entwoͤhnt worden von allen goͤttlichen und geiſtlichen Guͤtern, ſo gar, daß meine Begierd darnach kein Durſt heiſſen kan, und mir nichts als ſchwaches Wollen uͤbrig geblieben. Antw. Wer da will / der nehme. Einw. Wie aber? wann ich unrein, duͤrr, unfruchtbar, verwelcket, ja gantz todt in Suͤnden bin. Antw. Waſſer deß Lebens. Einw. Wie waͤrs aber, ſo ich fein nichts Gutes in mir haͤtte, nicht ein eintzig recht heilig Werck, das Hertz und Leben davon leer, im Gegentheil voll Elends, Traͤgheit, Zerſtreuung, Unachtſamkeit waͤre, wie doͤrffte ichs wagen, und mir ſo unermeſſene Seligkeiten zueignen und ſo un - verſchamt zugreiffen, der ich mein Lebtag GOtt keinen lautern Dienſt gethan ohne das Meine zu ſu - chen, und mich dabey zu meynen, der ich JEſum nie geliebet, vielmehr nach deß Satans Willen ge - lebt; Ja nachdem mich unzehliche Wohlthaten,War -62Vorrede. Warnungen und Zuſpruͤche meines GOttes end - lich dahin gebracht, daß ich mich eines beſſern be - dacht, diene ich GOtt ſo gar ſchlecht, beleidige Jhn immer wieder, kan das Suͤndigen nicht laſ - ſen bleiben, und was das ſchlimmeſte iſt an mir, iſt das, daß ich GOtt nicht ehre mit rechtſchaffe - nem Glauben und Trauen, mache ihn, ſo viel an mir iſt, O Greuel! Zum Lugner; Bin noch uͤber diß gar unaͤrtig und liebloß bald gegen diß bald ge - gen jenem; Summa, Summarum: Es iſt fein durchauß keine Tugend an mir. Antw. Umſonſt.

Eins muß ich noch zum Lob deß hoͤchſten GOttes Himmels und der Erden erinnern / daß meiſtens der Himmel ſelbs zur Kirch geleutet / dann es ware eben im Heuet; Wann nun eini - che das abgemaͤyete und bey nahe duͤrre Graß einzufuͤhren ge - dachten / ſo kamen alsdann die Wolcken und netzten es wiede - rum / daß ſie es muͤßten ligen laſſen / zur Kirch gehen und Predigt anhoͤren. Erinnere abermalen / daß wann meine Predigten / ſonderbar diejenigen / ſo an fremden Orten gehal - ten worden / genau ſolten zu Papier gebracht werden / ſo muͤßte ein uͤberauß fertiger Excipient zugegen ſeyn / wie der ſel. Hr. Strom / ein junger / eiffriger Prediger zu der Son - nen-Wende geweſen / allermaſſen meine meiſte Sorg iſt / daß mein Hertz / ehe ich auf die Cantzel ſteige / von GOttes Liebe flamme / und mein Geiſt von der Klarheit deß H. Geiſtes um - geben werde / da dann tauſend Gedancken und Einfaͤlle wie ein Blitz ſich entzuͤnden / und wiederum friſchen Platz zu ma - chen verſchwinden; Alſo daß ich ſie eben ſo wenig als den Glantz deß Blitzes oder den Schein der Sonnen eigentlich be - halten koͤnnte; ja auch dasjenige / was in der Meditation uͤber die vorhabende Matery vorgekommen / bleibet gar ſu - perficiellement nur obenhin in der Gedaͤchtnuß / welches hier zu meiner Eutſchuldigung anzuſuͤhren noͤhtig befunden / wei - len immer angeklagt werde / meine geſchriebene oder gedruckte Predigten ſeyen anders als ſie auf der Cantzel vorgetragen worden.

Neben dem wird mirs ja niemand verargen / daß ich alles Jrrdiſche auf das Himmliſche ziehe / diß iſt eine Gaabe / die ich elender Tropff nicht von mir ſelber habe / ſondern meinGOtt63Vorrede. GOtt hat ſie mir gegeben / darum brauche ich ſie zu Seinem Lob und wende ſie in Einfalt meines Hertzens zu Vermehrung Seines Reichs an / daß JEſus hochberuͤhmt werde / zu dem End probiere ich aller Orten in Gefilden und auf Gebuͤrgen / in Staͤdten und Flecken auf alle erſinnliche Weiſe mit und oh - ne Gleichniſſe / wie ich nur meinem Koͤnig eine Seele ins Garn ſeiner Goͤttlichen Liebe hinein jagen koͤnne / und nehme der Menſchen Geſchaͤffte / wormit ſie taͤglich umgehen / zu Gehuͤlf - fen / nach Art der weiſen Morgenlaͤndern / wie Job. 12: 7. 8. ſagt: Frage doch das Vieh / das wird dichs lehren / und die Voͤgel under dem Himmel / die werden dirs ſagen: Oder re - de mit der Erden / die wird dichs lehren / und die Fiſche wer - den dirs erzehlen. Ja es konnten die Juden ſolche unbefuͤgte Tadel-Sucht beſchaͤmen / zumalen bey ihren Gelehrten die - ſer Lehrſatz giltet:〈…〉〈…〉 Alle Geſchoͤpffe von unden ſind geſtaͤmpffelt| mit dem Staͤmpf - fel von oben. Das iſt: GOtt hat allen ſichtbaren Dingen das Gepraͤg von geiſtlichen und himmliſchen Dingen auffge - truckt / und wer doͤrffte ſich erfrechen ſolches zu verneinen un - der uns Chriſten, die wir das Muſter unſers HErren der we - ſentlichen Weisheit deß Vatters im Evangelio zur Nachfolg vor uns haben / ſonderlich wo einem dieſe Gaabe vom Vatter der Lichtern mitgetheilet worden; Wann alle Gleichniſſen / (die mir entweder in Kinderlehren vaſt uͤber jede Frag / oder in denen Underweiſungen die Geheimniſſen und Pflichten deß Chriſtenthums klar und verſtaͤndlicher zu machen / oder ſonſt im Spatzierengehen und andern Begebenheiten deß menſchli - chen Lebens beyg efallen ſind) haͤtte auffzeichnen wollen / ſo waͤre wol ein zimlich groſſes Buch darauß worden / da auch wol in mancherley Gleichniß der gantze Lauff deß Chriſten - thums von Anfang biß zum End vollſtaͤndig haͤtte koͤnnen vor - geſtellet werden; Hoffe aber GOtt werde Maͤnner erwecken / welche zu ſonderdarer Beluſtigung der Wahrheits-Begierigen viele Ubereinkuͤnfften deß Jrrdiſchen mit denen Sachen deß Himmelreichs ans Licht bringen werden: Der ſelige Scriver ein Mann voll Erkaͤnntniß und Liebe JEſu hatte eine in ſeinen Zeiten außbundig ſchoͤne Gaabe darzu; GOtt aber wird weit ein mehrers thun in unſern kuͤnfftigen Zeiten um die Abend-Zeit wirds liecht ſeyn / Zach. 14: 7. Wie ich mercke / ſo erwachet dieſe edle Gaabe auch under uns Land-Leuten; Zum Exempel: Eben jetzt kommt einer auß meinen eigenen Zuhoͤre - ren zu mir / und bringt mir 4. Vohnen. 1. Eine ſchwartze;Dieſe64Vorrede. Dieſe / ſagt er: bildet mir ab meinen Suͤnden-ſtand / da meine Seele Hoͤllen-ſchwartz vor GOtt außſahe voller Finſterniß der Unwiſſen - heit meines Wegs / und der inneren ſchwartzen Geſtalt meiner See - len / voll Eigenlieb / Unglaub / Verachtung Chriſti / Fleiſches-luſt und Welt-ſinn / ſcheutzlich und abſcheulich. 2. Eine gelbe / friſch nach meiner Erweckung / da ich in der erſten Liebe ſtuhnd / flammete und brannte ich von Begierd JEſum zu verherrlichen / ware ſo hitzig und eifferig / meynte die Suͤnd uͤberwunden zu haben / ware allen wohl auff / wolte die gantze Welt bekehren / und gienge ein hertzliche Freu - de in mir auff ſehr lieblich. 3. Eine geſprengelte gelbe mit ſchwartzen Flecklein. Sagend / diß bildet mir meinen gegen - wertigen Zuſtand vor / ich bin in eine bedaurliche Lauigkeit und Un - empfindlichkeit Goͤttlicher Dingen gerahten / erſt jetzt fahe ich an mein innwendig Elend und Hertzenleyd zu fuͤhlen / meine Verderb - niſſen regen ſich haͤuffig / und wann ich leicht angeruͤhrt werde / ſo bricht der ſtinckende Eyter meiner Eigen-Liebe hervor; Ehe deſſen war ich reich / erleuchtet / froͤlich / bluͤhend / jetzt aber bin ich arm / blind / voll Angſt / Zweiffel und verdorret / wiewol der gelbe Grund deß Verlangens nach der Erloͤſung Chriſti und nach ſeiner reineſten Liebe im Hertzen bleibt. 4. Eine gantz Schnee-weiſſe / das iſt / ſagt er / was meine Seele ſuchet mit ſehnender Begierde Tag und Nacht / nemlich unſtraͤfflich zu ſeyn in der Heiligkeit fuͤr GOtt unſ. Vatter / und untadelich vor Chriſto im Frieden erfunden zu werden.

Schlieſſe mit nochmaliger Anwuͤnſchung alles Guten von GOtt an meine theur-geliebte Bruͤder / die Herren Prediger / welche mich ſo liebreich mit ihren Cantzlen regalirt / ohne daß mir ein Woͤrtlein deßwegen entfallen waͤre ſolches zu begehren / oder durch jemand anders begehren zu laſſen / mich dißfals in Empfindung meiner Un - tuͤchtigkeit goͤttlicher Regierung gaͤntzlich anheim gebende / wo es ihme immer belieben moͤchte mich zu brauchen. Nun ſeye GOtt gelobt in Ewigkeit / der ihnen ſolches ins Hertz gegeben hat / der H. Geiſt ziehe ſie kraͤfftiglich in die Gemeinſchafft GOttes und Chriſti / als in das wahre Hetligthum und unergruͤndliche Meer alles Gu - ten. Er lehre ſie / wie ſie pfiantzen und begieſſen ſollen / ſo wird auch das goͤttliche Gedeyen nicht außbleiben / alſo daß viele Hertzen von Welt und Suͤnd abgewendt und zu GOtt bekehret werden / welche von Eyffer / Andacht / Demuht / Glauben / Keuſchheit und beſtaͤndiger Außſtreckung nach dem Kleynod / dem Leben JEſu im Geiſt bluͤhen und gruͤnen werden / welche denn ihre Freude und Crone ſeyn wer - den am Tage Chriſti. Ach Bruͤder / welch eine Herrlichkeit! welch ein unendlicher Gewinn! ſintemal eine Seele mehr werth iſt / als die gantze Welt. Nun ſchmuͤcke euch JEſus mit viel Heil und Sieg / Er bedecke euch mit dem Schatten ſeiner Hand / und lege ſein Wort in euern Mund / auf daß der Himmel gepflantze und Zion gegruͤndet werde; GOtt regiere / den Fall Adams heile / und der Leuten viel ſchaffe / von denen es heiſſen moͤge: Chriſtus in uns / die Hoff - nung der Herrlichkeit. Ja komme bald / HErr JEſu / Amen. Hallelujah.

CAP. I.
1

CAPUT I.

§. 1.

Herrlicher Vorzug unſers Schweitzeriſchen Canaans vor dem gelobten Land; Anbey ei - ne ernſthaffte Wahrnung gleichem Straff-Ge - richt durch unverweilte Hertzens - und Lebens - Beſſerung zu entlauffen, ſich an anderer Scha - den zu ſpiegeln, und die Gnad beſſer zu ge - brauchen.

Wertheſte Freunde.

GOTT hat euer Land in etwelchen Stucken Canaan gleich gemacht, dieſes ware bergicht, hatte Waſ - ſer-baͤche, und lautere Brunn - quellen, ſo alles erfriſcheten, hochgruͤne, fette Weiden, es floſſe von Milch und Ho - nig; Diß alles hat euch der allmaͤchtige Schoͤpffer zugetheilt, ja noch wohl etwas mehrers, nemlich die Sonne der Evange - liſchen Bottſchafft von Chriſto hat ihr gol - denes Haupt uͤber euere ſo hohe GebirgeAerha -2Das Schweitzeriſche Canaan. erhaben, und euere Thaͤler heimgeſucht, alſo daß unſer verklaͤrter und vollkom̃en gemach - ter Hoheprieſter euch mit him̃liſchem Waſ - ſer, Honig und Milch erquickt; Da jenes Canaan ſchon ſo viele hundert Jahr ver - bannet iſt, under dem Fluch ligt, und Tuͤr - ckiſcher Tyranney und Aberglauben das allerungebauteſte mithin unfruchtbarſte Land, ungeſchlacht, oͤd, unbewohnt, und uͤberall verwuͤſtet, voll alter, zerbrochener Mauren und Gebaͤuen, von denen ſtreif - fenden Rotten der Araber jaͤhrlich abgefreſ - ſen und außgepluͤnderet, und wo vorzeiten huͤpſche gewaltige Staͤdte und Flecken ge - ſtanden ſind, da nach Joſephi Bericht ein Flecken im volckreichen Galilea 15000. Bauren hatte, daſelbs ſtehen jetzt etwa zwey oder drey ſchlechte Haͤußlin, und ſitzet al - les zumal in Finſterniß und Schatten deß Todes, nachdem ſie das helle Licht deß Evangeliums ſo lang mißbraucht haben. Sehet deßhalben wohl zu, daß euch nicht widerfahre, was Chriſtus ſeiner eigenen Wohnſtatt angedrohet: Wehe dir Caper - naum, die du biſt in den Himmel erhaben, du wirſt biß in die underſte Hoͤll hinunder geſtoſſen werden; Ey ſo mercket dann auf die von innen im Gewiſſen, und von auſ - ſen durch die Creaturen und das Evange - lium euch zuruffende Stimm Chriſti, derTag3Das Schweitzeriſche Canaan. Tag deß Heils umleuchtet euch, GOTT ruffet euch zu ſeinem Sohn, JEſus ſchreyet allen zu: Die Zeit iſt erfuͤllt, das Reich GOttes iſt nahe herbey kommen; Aende - ret Sinn, und glaubet dem Evangelio, das Paradys der allein ſeligmachenden Ge - meinſchafft Chriſti ſtehet euch offen, ſo ge - het dann da hinein, ehe es euch ewig ver - ſchloſſen wird; Waͤſchet euch, reiniget euch von allen eueren Suͤnden, ehe der Bach der unaußſprechlichen Wohlthaten Chriſti ſich verlaufft, und in ſeiner Krafft und Wuͤrckung gegen euch vertrocknet: JEſus reckt ſeine Hand auß, ach ergreiffet ſie oh - ne Verzug, und laßt euch herauß reiſſen auß dem Schlamm deß Verderbens im Fleiſch, auß dem Unglauben, Geitz, Hoch - muht, Faulheit und Wolluſt. JEſus breitet die Fluͤgel ſeines Evangeliums und Heiligen Geiſtes auß gegen euch; O laſſet euch doch eyligſt ſammlen von eueren auß - ſchweiffenden, zerſtreuten Sinnen in das einige Nohtwendige, daß ihr ſeinen Na - men foͤrchtet. Himmel und Erden leuten zuſammen, gehet doch ein in GOtt, als den Tempel deß neuen Jeruſalems, und ſaumet euch nirgends, damit ihr nicht zu ſpath kommet, wann die Predigt vorbey, JEſus nicht mehr auf der Cantzel der Ge - dult und Langmuht GOttes ſteht euch denA 2Weg4Das Schweitzeriſche Canaan. Weg zur Seligkeit zu lehren, und ſein Licht und Leben mitzutheilen, ſonder ſich auf den Richterſtuhl ſetzt, das wohl-verdiente Blut - Urtheil uͤber euch zu faͤllen: Laſſet die lieb - lich grunenden fetten Weyden auf den Ber - gen Jſraels nicht vergebens vor euern Au - gen ſtehen, die Evangeliſchen Verheiſſun - gen, Lehren und Gebotte, die Liebe und Erkanntniß GOttes, die unermuͤdete, goͤtt - liche Treu Chriſti, und ſein ewiges Leben.

§. 2.

Naͤhere Zueignung auf die Bergleute kei - ne Muͤhe zu ſparen allen den Nutzen auß H. Schrifft zu ziehen, worzu ſie gegeben iſt, und Ermahnung zur Himmliſch-geſinntheit, da reine Seligkeit und goͤttliche Ruhe zu finden, dahin uns JEſus ſo gerne fuͤhret.

BRauchet doch wenigſtens ſo viel Ver - ſtand und Barmhertzigkeit vor euere ewig-daurende Seelen, als ihr thut fuͤr euer Vieh, ihr ſperrets ja nicht in euere Staͤll ein, und laſſets da verderben, wann ihr gleich - wol ein ſafftige, ſchmackhaffte und geſunde Weyde in der Naͤhe wiſſet, warum wol - tet ihr dann euere armſeligen Seelen in dem Suͤnden-Stall deß Wahnglaubens der Jrrdiſch-geſinntheit, der Heucheley, deß Maul-Chriſtenthums, und der geiſtlichen Faullentzerey eingeſperrt halten, da ihr eine ſo ſelige Aue der Gnaden JEſum ſo nahe bey euch habt.

O ſo5Das Schweitzeriſche Canaan.

O ſo ſchreyet doch zu JEſu, wie das hungerige Vieh bloͤcket, damit er euch auß - treibe in die Frey-Lufft der Segen-reichen Regierung deß heiligen Geiſtes, der uns anfuͤhret und lehret, wie wir Chriſti Wort reichlich in uns moͤgen wohnen laſſen mit aller Weißheit, mithin ihr erfuͤllet und ge - ſaͤttiget werdet mit allem Willen GOttes; Kein gruͤnes Plaͤtzlein ligt euch zu hoch, zu gefaͤhrlich und mißlich, daß ihr nicht trachten ſoltet dahin zu kommen und das Graß abzuetzen, wanns je immer zu ma - chen iſt, warum woltet ihr dann ſo viele gute Worte H. Schrifft unbeſucht, uner - kannt und ungenoſſen ſtehen laſſen, und nicht trachten nach dem Reich GOttes und ſeiner Gerechtigkeit, nach der Erfuͤllung der Verheiſſungen GOttes in und an euch, geiſtliche Auffarth halten mit allen eueren Seelen-Kraͤfften, ſuchende was droben iſt, da Chriſtus iſt, ſitzend zur Rechten GOttes, urtheilende, es ſeye nichts vergebens in der heiligen Schrifft, darauß man nicht Troſt, Lehre, Underweiſung, Beſtraffung, Zuͤch - tigung in der Gerechtigkeit herholen koͤnne, mithin ſich alles darauß zu nutz machen; ſintemal auch die reinſte, ſauberſte Nah - rung der Schaͤfflein Chriſti in der himm - liſch-geſinnten abgeſchiedenen Erhabenheit uͤber alles ſichtbare erreichet wird, da manA 3alles6Das Schweitzeriſche Canaan. alles was under der Sonne iſt de haut en bas, von oben herunder, mit Geringſchaͤ - tzung anſihet.

O ja ein Schaͤffelein begehrt nicht hin - under, ſo lang es droben ſo koͤſtliche Wey - de findet; Je weiter ſich ein Chriſt im Geiſt und Gemuͤth von allem Menſchen-Getuͤm - mel entfernet, je tuͤchtiger iſt er himmliſche Dinge zu ſchauen und zu genieſſen, je ver - borgenere Niedlichkeiten deß Paradyſes werden ihme zum Gebrauch beygelegt. Wie ruhig weydet doch ein Lamm auf den ho - hen Gebuͤrgen, die Menſchen moͤgen in der Tieffe under einander ſpielen, ſauffen, freſ - ſen, zancken, geitzen, ſchreyen, und von allen boͤſen Geiſtern ſich rumpauſen laſſen, das Lamm geht derweilen ſeinen ſafftigen nehrhafften Kraͤutlein und Bluͤmlein nach in ſanfft-vernuͤgter Stille, lecket den mil - ten Honig-Thau, labet ſich mit Anmuht auß den daher rauſchenden friſchen Baͤch - lein; Wie vielmehr eine Seel, die nach manchem ſauren Tritt den fruchtbaren Huͤ - gel deß bloſſen Glaubens und den wonnig - lichen Berg der reinen Liebe erſtiegen, ſie laſſet der Welt ihren Schimmer in ihren dunckeln, neblichten Tieffenen, und ergoͤ - tzet ſich an der Guͤte ihres GOttes.

§. 3. Die7Das Schweitzeriſche Canaan.

§. 3.

Die erſtaunliche Anſtalten der Gottheit in JEſu Chriſto zur neuen Schoͤpffung und zu allen denen unendlichen Seligkeiten, ſo der neuen Creatur zubereitet ſind, und von der Theilhafftigkeit der Goͤttlichen Natur abhan - gen, ſollen uns noͤthigen, ein ſo groſſes Heil weniger als das Zeitliche zu verſaumen.

OJhr Lieben, ihr ſeyd Laͤm̃er der Hoch - heiligen Dreyeinigkeit, GOtt Vatter, Sohn, und H. Geiſt ſchauen auf euch und goͤnnen euch das Allerbeſte, kehret um, fol - get eurem getreuen allgenugſamen Hirten, und laſſet euch verſorgen von ihme: JEſus hat durch ſein Blut und Todt graßreiche Wieſen und ſehr weite und gute Weyd - Bergen an ſich gebracht, und ſucht jetzt al - lenthalben groß und klein Vieh ſothane Auen ſeiner Lieblichkeit abzuetzen; Strenget euer Hertz an Tag und Nacht JEſu ohne Auff - ſchub nachzugehen, und ſein Gutes in Licht, Gnad, Staͤrcke, Wahrheit und himmli - ſchem Weſen, in Vernuͤgen, Ruhe und Freud zu genieſſen; JEſus muß elendige Menſchen haben, an denen Er die erwor - bene Fruͤchte ſeines Bluts und heiligen Geiſtes anlege; Eben ſo mehr ſeyd ihr ſol - che hoch-weiſe Geſchoͤpffe, die ſich in ſolche goldene Gnaden-Zeit zu ſchicken wiſſen, als daß ihr dieſe in alle Ewigkeiten unbe - ſchreibliche Seligkeit andern uͤberlaſſet. A 4Wann8Das Schweitzeriſche Canaan. Wann in einem groſſen Flecken oder Land ein jeder Einwohner zwar ein Schaaff haͤtte von hoch - edelm Werth, haͤtte aber kein Graͤßlein ſelbiges zu erhalten; Es waͤre aber ein groſſer Koͤnig, der ſeinen Kron-Erb außgeſandt haͤtte, mit vieler Gefahr, Muͤhe, Schweiß und Arbeit, auch Ver - gieſſung ſehr vielen ſeines ſelbs eigenen koͤniglichen Bluts, ein weit, ſtaͤts gruͤnend, unverwelcklich Reich einzunemmen, und lieſſe durch ſeine He - rolden in bedeutetem Flecken außtrompeten, daß wer ein Schaaff hergeben wurde, das herrliche Reich zu beſetzen, deſſen Schaaff ſolte nicht nur geſund, ſtarck, Schnee-weiß werden, und von Silber und Gold durch einander glaͤntzende Wol - len kriegen, ja gar von deß Koͤnigs Biſſen eſſen, auß ſeinem Becher trincken, und in ſeiner Schoos ſchlaffen, ſonder ein jeder Land-Mann, der dem Koͤnig ein ſolche Luſt gemacht, der ſolle eine Graffſchafft oder Hertzogthum zur Vergeltung bekommen, wormit der Koͤnig ſein hohes Ver - nuͤgen gegen ſothane Willfahrung zu bezeugen, gleich Anfangs ſeiner Regierung bey ſich beſchloſ - ſen habe: Es waͤren aber die meiſte Einwohner doll-kuͤhne und dumm-fuͤrſichtige Leute, die dem Koͤnig nicht gar zu wohl traueten, lieſſen lieber ihre Schaaff crepiren, verdaͤrben; wurden an - bey aller der hohen Gunſt und darauß flieſſenden groſſen Beſchenckungen verluͤrſtig, und noch dar - zu als ungehorſame Verraͤchter der koͤniglichen Gnad in eine gar abſcheuliche Gefaͤngniß geworf - fen, darinnen verwahret zu verbleiben, biß auf den Tag der offenbahren Vergeltung. GOtt iſt der Koͤnig, deſſen Kron-Erb unſer HErrChri -9Das Schweitzeriſche Canaan. Chriſtus iſt, das Reich, welches Er ero - bert, iſt das himmliſch Reich der Gnaden, die Einwohner deß Fleckens ſeyd ihr, das Schaaff iſt euer unendlich empfindlicher ewig-bleibender Geiſt, vor den ihr weder in euch ſelbs noch in einicher Creatur kein ewiges Leben und Krafft, kein wahre Nah - rung und Heil findet, deſſen Ubergab und Einlifferung an den Koͤnig iſt die Sinnes - Aenderung und der Glaub an GOtt durch JEſum Chriſtum, die Weyde ſamt der darauß entſpringenden muntern Schoͤnheit iſt die Heiligung durch das Wort der Wahrheit mit der daran hangenden Freud im Gewiſſen und Frieden im H. Geiſt, worauf erfolget die ewige Erbſchafft und Koͤnigreich, welches GOtt bereitet hat de - nen, die Jhm folgen; Die Mißtraͤuiſchen ſind diejenigen under euch, (ach HErr JE - ſu! daß es keine ſeyen oder doch ſehr wenig,) ſo nicht bekehrt, nicht erleuchtet, nicht ge - rechtfertiget und geheiliget werden, oder die bey nahe bekehrt, bey nahe gerechtiget, bey nahe gereiniget werden, die ſchier Ver - gebung der Suͤnden erlangt haͤtten, daß es wenig mehr fehlet, welche folglich beynahe Chriſten ſind, deren Seelen in ihren Suͤn - den ſterben, und in der Hoͤllen verſchloſſen bleiben biß auf den Tag deß Gerichts. Ey ſo nemmet dann euern Vortheil in acht inA 5dieſer10Das Schweitzeriſche Canaan. dieſer hoͤchſtwichtigen Sach, ehe der Wurm der ſpathen Nach-Reu euch zu nagen an - faͤngt; Trauet GOtt, alle deſſen Verheiſ - ſungen ſind Ja und Amen in Chriſto JE - ſu, verſencket euern Willen und euer alles bey allen und jeden Gelegenheiten in ſeinen ewigen Liebes-Willen, kehret nicht auß, ſonder ein in euer Hertz, biß ihr Chriſti gewahr werdet, Er wird als GOtt gute Auffſicht haben auf euch, ihr werdet mehr Gutes erfahren bey Jhm, als euch Engli - ſche Zungen außſprechen koͤnnen, gehor - chet Jhme, ſo wird Er euch nichts manglen laſſen an irgend einem Gut, leibliche Noht - durfft wird euch auch nicht außbleiben; Wer der Sonnen entgegen wandelt, dem folget der Schatten der vergaͤnglichen Welt hinden nach, Matth. 6: 33. Wer im Ge - gentheil GOTT den Rucken kehret, dem ſchwebt der Schatten deß Jrrdiſchen allezeit zu erſt vor Augen und im Kopff.

Jhr Menſchen laßt euch uͤber bitten /
Verlaßt was arg / liebt gute Sitten /
Erwehlt das beſte / weil ihr ſeyt /
Nehmt Rath an / es iſt hohe Zeit.

§. 4.

Wie nohtwendig die Selbs-Pruͤffung ſey, ob man unter der allergetreueſten Vorſorg und Auffſicht Chriſti ſey, der alles erſinnliche an - ſchaffet, mehr als Apoſtoliſche Menſchen bit -ten11Das Schweitzeriſche Canaan. ten und verſtehen koͤnnen, was zur Heiligung und Verherrlichung Leibs und der Seelen noͤh - tig: Oder ob man noch im Suͤnden-Stand unter deß Satans Verfuͤhrung ſtehe, der die Menſchen mit der Suͤnd fahet, und nachwerts ſamt der Suͤnd in ewigen Tod wirfft, anbey denen Thoren und Unwiſſenden eingibt, die Nachfolge Chriſti ſeye waͤhrender Gnaden-Zeit unnoͤhtig, unmoͤglich, wo nicht gar zu allen Dingen ſchaͤdlich und am Welt-Gluͤck hinder - lich; Welches alles weiſſe Zaͤhne oder er - leuchtete Augen entdecken.

WAnn du eine einige Kuhe haͤtteſt, ſo dich und die Deinen allein ernehren koͤnnte, ver - moͤchteſt inzwiſchen nichts zu ihrem Underhalt: Du haͤtteſt aber zwey Nachbaren, welche ſich beyder - ſeits die Kuhe zu weyden anerboten; Der einte waͤre bettel-arm, ein ſchelmiſcher Betrieger, der ſelbſt nicht haͤtte weder zu beiſſen noch zu brechen, es waͤre auch kein wohlſchmeckend, geſund Graͤß - lein auf ſeiner Matten, ſondern eitele, oͤde, duͤr - re, verbrannte, auch ſumpffichte, ſtinckende, gifftige Daͤmpffe, außduͤnſtende Staͤtte, zu dem waͤre er verſchreyt, daß er das ihme Anvertraute naͤchtlicher Weile verzehre, ja alle Heerden, ſo unter diß Unthier zu Weyde gehen, geben das gantze lange Jahr nicht ein Troͤpfflein Milch, ſondern nur unflaͤtig, ſchwartz-blau, wurmicht Waſſer; Der ander Nachbar waͤre dargegen hortreich, dem es unmoͤglich ſeye jemanden zu betruͤgen, der an denen allerkoͤſtlichſten Dingen ein uͤberſchwenglichen Uberfluß haͤtte, und ſichs ein ſonderliche Freude machte umſonſt miltthaͤtigzu12Das Schweitzeriſche Canaan. zu ſeyn gegen allen, ſo nur ein Zutrauen zu ihme haͤtten, der ehender ſein Leben wage, als daß er etwas ihme anvertrautes lieſſe umkommen; Ja alles, was ſo gluͤckſelig ſeye, nichts anders zu genieſſen und einzuſchlucken, als von ſeiner Weyd, das gebe ins geſamt die herrlichſte Milch, da - rauß ſo gar koͤſtliche Kaͤße und Butter zubereitet werden, daß ſie auch mit unſchaͤtzbaren Kleinodien außbezahlt werden, und auf der Koͤnigen Tiſche kommen: Sage mir nur, wurdeſt du dich nicht auß allen Kraͤfften zur Wehre ſtellen, wann et - wa boͤſe Buben deine arme Kuh jenem Ertz-Schel - men zutreiben wolten. Alſo haſt du nur eine Seel, wird dieſe wohl verſorget durch den Glauben an Chriſtum, ſo wirſt du und die Deinen ſelig, ſonſt vermagſt weder du noch einige Creatur ihr das Leben zu er - halten, allermaſſen der Suͤnden Sold der Tod iſt: Sie hat aber GOtt, das ewige Gut und den feindſeligen Satan ſehr nahe bey und um ſich, die ſich beyderſeits um ſie bewerben. Satan iſt ein Luͤgner und Moͤr - der, hat nicht ein Staͤublein Gutes, Hei - liges und Seliges, der Grund und Boden ſeiner Bottmaͤſſigkeit iſt ein heulende Wuͤ - ſteney, gebiehret nichts anders als endliche Angſt, Noht und Verzweifflung, auch ewigen hoͤlliſchen Geſtanck, duͤnſtet einen ſehr boͤſen peſtilentzialiſchen Lufft irrdiſcher, ſuͤndlicher, gifftiger, zorniger, geitziger, neidiſcher, unkeuſcher, hochmuͤhtiger Fan -taſeyen13Das Schweitzeriſche Canaan. taſeyen von ſich, und iſt ein ſehr boͤſes Ge - ruͤcht von ihm durch das gantze Himmel - reich von einem Ende deſſelben biß zum an - dern Ende, kein Engel noch heiliger Menſch hat ihme ſeint etlich tauſend Jahren ein gu - tes Zeugniß geben koͤnnen anders, als daß er allen Verfuͤhrten heimlich und unver - merckt Safft, Marck und Krafft auß Leib und Seel allgemach hinweg ſauge, alle Zeit, Vermoͤgen, gute Trieben und Ruͤh - rungen auß dem edeln Leib und dem zur Unſterblichkeit beruffenen Geiſt herauß zie - he bey Nacht und bey Nebel der unachtſa - men Unwiſſenheit als ein hoͤlliſcher Blind - ſchleich und Nacht-Wolff, alſo daß alle und jede, ſo im Suͤnden-Stand, mithin unter deß Satans Gewalt bleiben, Lebens - lang kein GOtt-gefaͤllig, heilig und unta - delich Werck thun koͤnnen, kein Werck, ſagt nicht ich, ſondern der HErr der Heer - ſchaaren, das nicht von Eigen-Liebe durch - gifftet, vom Hoͤllen-Rauch geſchwaͤrtzet ſeye, auch von haͤßlichen Wuͤrmen der na - genden Gewiſſens-Peinigungen wimme - le. Jm Gegentheil iſt JEſus der wahr - hafftige groſſen Vermoͤgens, ſintemahl Er GOtt iſt, der nicht liegen kan, noch jemanden betriegen; Alle die Jhm trauen, haben erfahren, daß Er der HErr ſeye, an welchem niemand zuſchanden worden,zumal14Das Schweitzeriſche Canaan. zumal Er in ſich ſelbſt der Brunn aller Weißheit, Wahrheit, Gerechtigkeit, Glau - ben, Liebe, Gedult, Hoffnung, Kuͤnſch - heit, Demuht, Gelaſſenheit, Selbs-Ver - ſchmaͤhung und gaͤntzlicher Auffopfferung alles eigenen Vortheils, Ehre, Nutzens und Begehrens an GOtt; Solcher geiſt - lichen unvergleichlichen Schaͤtzen hat JE - ſus einen unendlichen Vorraht fuͤr alle Begierige, wo Er deren weißt, da bezeuget Er eine unbeſchreibliche Luſt mitzutheilen, nach der Maaß der Begierden eines jegli - chen, nachdem auch das Gefaͤß deß Glau - bens eng oder weit iſt; Seine Hirten-Treu zu denen Jhme Anvertraueten iſt ſo groß und ſtarck in dem Lieb-volleſten JEſus - Hertzen, daß als Er von der Hoͤhe deß Bergs Zion die aͤuſſerſte Gefahr und grauer - liche Noht ſeiner Schaaffen erblicket, Er zu ihnen ins verfinſterte Jammerthal hin - unter geſprungen, mit Loͤwen, Baͤren und Drachen geſtritten, ſelbe, wiewol nicht oh - ne Vergieſſung vielen Bluts und Zerreiſ - ſung ſeines Hirten-Kleides erlegt, und under Seine Fuͤſſe geworffen, und Seine Schaaffe auß ihrem Rachen errettet, ohn - angeſehen ſie ſolche Treue nicht um Jhne verdient, ſintemahl ſie Jhme untreu wor - den, ſich eigenwillig von Jhme getrennet und verlauffen, mithin ſich durch ihrenſtetti -15Das Schweitzeriſche Canaan. ſtettigen Ungehorſam ſelbſt in ſothanen Jammer geſtuͤrtzet. Wie groß nun die Liebe und Gedult JEſus gegen gefallenen Suͤndern ſeye, davon erzehlt Dionyſius in ſeinem achten Send-Brieff ein merck - wuͤrdige Geſchicht: Carpus Pauli Juͤnger 2. Tim. 4: 13. erfuhre, daß ein Heyd einen Chri - ſten zum Heydenthum verfuͤhret hatte, und bate daher auß Eyffer GOtt, Er moͤchte dieſe beyde durch den Donner erſchlagen, weil ſie nicht laͤn - ger zu leben wuͤrdig waͤren. Hierauf ſahe er Chriſtum mit vielen tauſend Englen erſcheinen; Auf der Erden aber thate ſich ein Abgrund auff, an deſſen Enden die zwey Maͤnner zitterend ſtuhn - den, als ob ſie fallen ſolten. Diß ſahe Carpus froͤlich an, und wurde ihm zu lang biß ſie hin - ab fielen, er erblickte aber den HErrn Chriſtum uͤber ſich, daß Er den Leuten die Hand both, und durch Seine Engel helffen ließ. Da Er denn zu Carpo ſprach: Nun ſchlage mich mit deiner Hand, dann Jch bin bereit noch einmal um der Menſchen Seligkeit willen zu leiden, da - mit nur andere Menſchen nicht ſuͤndigen; Be - dencke aber, ob es beſſer dieſen greulichen Ab - grund der Wohnung GOttes und der heiligen Engeln Geſellſchafft vorzuziehen. Was mag denn das wohl vor ein unaußtrucklich heil - ſame Seelen-Weyde ſeyn, die ein ſo herr - licher allgenugſamer GOtt, gegen deſſen Liebe alle andere allerzaͤrtlichſte Creaturen - Liebe wie der Mond gegen die Sonne er - bleichen muß, einer ſo hoch-beliebten See -len16Das Schweitzeriſche Canaan. len bereitet ſie wieder in die allerreineſte Geſundheit zu erheben, gewiß es muß was unaußſprechliches ſeyn; Demnach, wo ein Menſch ſo klug iſt, nichts in ſich einzulaſ - ſen als das Gute, Reine und Heilige, ſo von JEſu kommet, auf dem Oel-Berg gewachſen iſt, ſo mit ſeinem Blut als dem Balſam ſeiner Gottheit bethauet worden; Ein ſolcher vorſichtiger, wohl-weiſer Menſch wird endlich nach langem unvermiſchtem Genuß der reinen Gaaben Chriſti ein Na - ſireer, Schnee-weiß von Unſchuld, un - ſtraͤfflich vor GOtt, in deſſen Mund kein Betrug mehr erfunden wird; Berg-Leu - te / die allermeiſt mit der Vieh-Zucht um - gehen, haben insgemein ſchoͤne weiſſe Zaͤh - ne; Gleichfals haben Chriſti Schaaff (die den Berg Gilead abſcheeren, alle Kraͤuter, Bluͤmlein, Straͤuchlein, ja alles Graß und was ſie nur gruͤnes finden rein abetzen, das iſt in GOttes Wort und Schrifften nichts uͤberhuͤpffen, ſondern ſich auß allen Zeugniſſen, Weiſſagungen, Gebotten, Verbotten, Lehren, Verheiſſungen und Exemplen, ſo in Heil. Schrifft befindlich ſind, erbauen,) ſehr ſchoͤne glaͤntzende Zaͤh - ne, gleich einer Heerde, ſo auß der Schwem - me auffgeſtiegen iſt. Cant. 6: 6. Weiſſe Zaͤhne von Milch, Gen. 49: 12. ſo zwar durch ihre ernſthaffte Beſtraffungen, Wahr -nungen,17Das Schweitzeriſche Canaan. nungen und Vorſtellungen deß greulichen Verfahls den Menſchen im Gewiſſen beiſſen und wehe thun, aber eben dardurch vom Tod helffen und heilen, und denen nach GOttes Gnade hungerig gewordenen ſchwachen Kindern die Schalen deß Buch - ſtabens der Heil. Schrifft auffbeiſſen, und den ſafftigen Kern Chriſtum und die neue Geburt auß GOtt darinn zeigen und zu eſſen darreichen, ja vorkaͤuen, zu ſtaͤrcken - der Nahrung der Seelen, dardurch GOt - tes Reich vermehret wird, und ewige Schaͤ - tze dir zu Hauſe kommen; Wie ſolteſt du dann nicht eyffern mit goͤttlichem Eyffer, daß ja keine verfuͤhreriſche Geiſter, Men - ſchen oder Kraͤffte durch ihre Verſuchun - gen die Seele von der Weyde GOttes ab, dem Teuffel zutrieben! wie leyder taͤglich geſchihet, allermaſſen es der Seelen-Moͤr - der ſehr ungern hat, wann etwa ein Menſch die Weyde Chriſti nur von weitem ſchme - cket, oder wann einem bißweilen ein Kraͤut - lein davon zu theil wird durch die Lockung deß guten Hirten, ſo iſt der boͤß-gifftige, neidige Hoͤllen-Hund gleich hinder ihm her, ihn flugs davon zu ſtaͤupen mit ſeinem Gebell, da es heißet, man koͤnne nicht er - leuchtet, gerecht und heilig leben in dieſer Welt, man muͤſſe es nicht ſo genau nem - men, man moͤchte wohl drob zum NarrenBwer -18Das Schweitzeriſche Canaan. werden, wie es ſchon dieſem und jenem er - gangen ſeye, niemand koͤnne in dieſer Zeit ſeelig ſeyn, und bey Leibes Leben das Him - melreich haben, das ſeye ins andere Leben auffgeſpart: Trifft aber Satan jemand an, der eines beſſern berichtet, und auß Son - nen-klaren Schrifft-Spruͤchen deß Wider - ſpiels vergwiſſert iſt, ſo greifft es der boͤſe Widerſaͤcher ſo liſtiglich weit hindenum an, nemlich, wo man dergleichen ſcharffe Ge - dancken lieſſe obhand nemmen, ſo gienge alles im Hauß-Weſen zuruck, man ſeye gleichwol ſchuldig die Seinen zu verſorgen, und ſeinem Beruff abzuwarten, es muͤſſe ein jeder ſeinen eigenen Sachen nachden - cken, es werde es kein anderer fuͤr ihn thun, und ob man lang nach dem Reich GOttes trachte, und nach ſeiner Gerechtigkeit, ſo werde einem deßtwegen kein gebratene Dau - be ins Maul fliegen, man verſaume mit dergleichen Grillen vieles noͤhtige, und kom - me mit der Manier zu Spott und Scha - den; Wer nun ſothanen ſtemperiſchen Ein - blaſungen den Willen einraumt und nach - haͤngt, der gibet dem Teuffel gewonnen, und verliert die Kron mehr als zu gewiß, deſſen der hoͤlliſche Schadenfroh in die Fauſt lachet, zumal ein ſolcher armer einfaͤltiger Geck ihm in ſeinem Dienſt bleibt als ein Unglaͤubiger, der GOtt nicht trauet, folg -lich19Das Schweitzeriſche Canaan. lich auſſert Canaan und Jeruſalem bleiben, und an Leib und Seel verreblen muß.

§. 5.

Die Einbildung, das Himmelreich ſey nicht ſo nahe und durch Chriſti Huͤlff ſo leicht zu haben, zu dem werde jedweder zuletzt mit ſeinem Wahn-Glaub ungepruͤfft im huy in Himmel kommen, macht die meiſten Predig - ten unnuͤtz und ſtuͤrtzt Unzehliche ins ewige Ver - derben.

JNsgemein iſts mit denen Predigten und derſelben Anhoͤrung alſo beſchaf - fen, als wann ein Hirt ſeinen Heerden von groß und klein Vieh eine Erzehlung mach - te von einem frembden Land, allda uͤber alle maſſen anmuhtige, wohlgeſchmackte ſehr herrliche Weyden waͤren, dieſe aber hoͤrten ein Stuͤndlein zu, und kehrte her - nach ein jedes Stuͤck wieder in ſein toͤdtli - che Weyde, deren es gewohnt, in der Mey - nung, jene wohl-riechende koͤſtliche und ſo ſehr muͤhſam angeprieſene Weyde ſeye gar zu weit entlegen auf einem ſehr hohen, rei - chen Frucht-Gebuͤrge, welches deß Lan - des Einwohner Zion nennen, es bezahle aber die Arbeit, Kampff, Leiden, Unge - witter und Gefaͤhrlichkeit nicht, ſo man außzuſtehen habe, bevor man daſelbſt an - gelanget; Zu dem werden wir zuletſt alle - ſamt Haupt fuͤr Haupt dorthin promo -B 2virt20Das Schweitzeriſche Canaan. virt werden, ſeye alſo nichts beſſers als ge - dultiglich in aller Demuht mit dem Suͤn - den-Stand vorlieb nem̃en, biß alle Schaaf - fe Fluͤgel bekommen, auß der Suͤnde flugs uͤber den Gnaden-Stand hinuͤber zu flie - gen in den Stand der Herrlichkeit, damit erſpahre man zimlich viel Beſchwerniſſen, ſo ſchon vor altem Jſrael in ihrer Reiſe durch die Wuͤſte als den Stand der Gna - den habe muͤſſen beſtreiten, wo man ſo im Flug auß Egypten uͤber die Wuͤſte hinuͤ - ber in Canaan fahren koͤnne, allein es iſt zu beſorgen, daß ehe ſolche Fluͤgel den Schaaffen gewachſen ſeyen, der liſtige Wolff wohl das meiſte auffgezehret haben werde, die Hoffnung von kuͤnfftigen Fluͤgeln auf die Reiſe und ſchleunige Uberfahrt auß der Suͤnd in GOttes ewig-heilige und ſeelige Herrlichkeit durch den Tod, iſt wahrlich nicht minder ungereimt, als wann ihr mit euern Kuͤhen nicht allgemach, Schritt fuͤr Schritt denen Weyd-Bergen zufahren woltet, beſonders warten biß ihnen Fluͤgel angewachſen, darmit gienge deinem Vieh nicht gewiſſer die Weyde dahin zu groſſem Jammer im Winter, als deiner Seel die ewige Seligkeit zu ſcheutzlichem Geheul in der aͤuſſerſten Finſterniß; Darum biß klug, nimm die Gnaden-Zeit in acht, treibe immerfort am Werck der Heiligung, legetaͤglich21Das Schweitzeriſche Canaan. taͤglich ein gut Stuͤck Wegs zuruck nach Canaan, und laß es bey Leib und Seel nicht auf ein Sprung ankommen, dann das iſt vielen Millionen mißlungen, wel - che geſtuͤrtzt im hoͤlliſchen Abgrund zapplen; Treibe die Seele ſanfftmuͤhtiglich zu JEſu, daß ſie ſich unablaͤſſig weyde daſelbſt auf der Aue ſeiner ſuͤſſen, fruchtbaren, ewig - gruͤnenden Liebe.

§. 6.

Menſchen ſind aͤrger gegen GOtt als das thumme Vieh gegen ſeinem Meiſter, weilen der Schoͤpffer das Vieh gemacht, der Menſch aber ſich vom Teuffel hat laſſen verderben, da - har gehet das Vieh dem nach, was ihm heil - ſam iſt, der Suͤnder hingegen, der nicht in ſeiner Ordnung geblieben, haſſet das Gute und luͤſtert nach Boͤſem, fliehet ſein Heyl, und lauffet nach ſeinem Untergang.

SO bald der Schnee auf denen Gebuͤrgen vergangen, ſo fuͤhlet das Vieh einen ein - gepflantzten Natur-Trieb, ſich ungeſaumt dahin zu verfuͤgen, nicht nur um das koſtbare edle Graß abzufreſſen, ſondern in der Sommer-Hitz deß kuͤhlen Berg-Luffts in der Hoͤhe zu genieſſen, und zwar nachdem es ſich ein bißgen in den Fruͤh - lings-Weyden am gruͤnen Graß ergoͤtzt, daran es wiederum ein Freude hat nach lang außge - ſtandenem und uͤberſtrittenem Winter in denen Staͤllen; dahin es ſich doch bey herannahendem Winter luſtig wieder hinein begibt, das gedor - rete Heu zu freſſen, nachdem es zu guter LetzteB 3fuͤr22Das Schweitzeriſche Canaan. fuͤr das Jahr die Herbſt-Weyde genoſſen. Heißt das nicht: Ein Storck under dem Himmel weißt ſeine Zeit, ein Turtel-Dau - be, Kranich und Schwalbe mercken ihre Zeit, wann ſie wieder kommen ſollen, aber mein Volck will das Recht deß HErren nicht wiſſen, Jerem. 8: 7. Ja ein Kuhe weißt ihre Zeit, wann ſie außgehen und wann ſie wieder heimkehren ſoll; Die Chri - ſten aber irren immerdar in ihrem Hertzen, und haben GOttes Wege nicht erkannt, Hebr. 3: 10. Die Chriſten, ſo GOttes Volck heiſſen wollen, hangen veſt an der Abkehrung von GOTT, und ruffet man ihnen gleich aufs hoͤchſte zu, ſo richten ſie ſich nicht einmal auff. Hoſ. 11: 7. Sie kehren Chriſto den Rucken zu, und verſto - cken ihre Ohren, daß ſie nicht hoͤren, und ſtellen ihr Hertz wie ein Demant, daß ſie nicht hoͤren das Geſaͤtz und die Worte, welche der HErr der Heerſchaaren ſendet und ſein Geiſt, Zach. 7: 11, 12. Ein Ochs kennet ſeinen Herren, und ein Eſel die Krippe ſeines Meiſters, aber mein Volck kennt mich nicht, und Jſrael verſtehet nichts, Jeſ. 1: 3. Eine Kuh kennt den Stall, da ſie ihr Futer, ihren Schirm und Schatten hat, ihre Wieſen und Weyd-Bergen, all - wo ſie ihre Beluſtigung hat; Die Chriſten aber haben weniger Verſtand, und wollenihr23Das Schweitzeriſche Canaan. ihr Beſtes Muhtwillens nicht kennen, nicht annemmen, nicht gebrauchen, geb wie ſie darzu genoͤhtiget werden. Sie fliehen tauber Weis die graß-reiche Gebuͤrge und Luſt - Auen von Gariſim, Baſan und Carmel, von GOttes Sohn und ſeinem geſegneten Gnaden-Reich hinweg, und ſtuͤrmen ge - gen Ebal gegen das todte Meer und die ſandechte Wuͤſteneyen Arabiens zum Fluch, ſuͤndlichem Fleiſch und unfruchtbaren Welt-Hauffen. Du lieber Hauß-Vatter, wie waͤre es dir zu Muth, wann du all dein Gelt und Muͤhe daran gewendet, ja Leib und Leben dran gewagt haͤtteſt dein Vieh wohl zu verſorgen, und haͤtteſt nach unſaͤglichem Koſten und Arbeit es endlich dahin gebracht, dein Vieh waͤre aber mit keinem Lieb dahin zu bringen, das ſo theur Erarnete zu genieſſen, wurdeſt du nicht geden - cken, es waͤre verhexet: Biſt du inndeſſen nicht tauſend mal aͤrger, JEſus Chriſtus dein wahrhafftiger GOtt und ewiges Leben hat dir ſo gut Sach erworben mit ſeinem Blut und Tod, und du ſchaͤtzeſt Jhms nichts, frageſt allem was zur Hertzens - Reinigung, Schmuck und Saͤttigung dient ſo wenig nach, erfreueſt dich nicht ab dem Reich der Gnaden und Horn deß Heils, laſſeſt dich nicht vom H. Geiſt trei - ben, noch von dem guten Hirten auf gruͤ - nen Auen weyden und zu ſanfftem Waſſer fuͤhren, haſt kein Appetit nach dem LebenB 4und24Das Schweitzeriſche Canaan. und voller Genuͤge und Seligkeit in GOt - tes heiligen Willen, ſo der getreue Heiland dir bereitet hat: Darff man dann nicht ſa - gen, daß der Satanas in dich gefahren, wie in die Gadareniſche Schwein, und in Judas Jſcariot, ja wann du eine ſo un - ſinnige Kuh haͤtteſt, die dir alle deine Guͤte und Vorſorg verſchmaͤhete, du wurdeſt nicht lang verweilen, und ſie dem Schlach - ter uͤbergeben; Erſtaune denn uͤber der Wunder-Langmuht GOttes, du haſt die groͤſte Urſach darzu, daß Er dich nicht dem Tod und ewigen Gericht hat uͤbergeben zur Schlachtung und Vertilgung durch die Axt deß Wuͤrgers.

§. 7.

Fruͤhlings - und Sommer-Weyden bilden ab den Anbruch deß Evangeliums und die da - rauf erfolgete Apoſtoliſche und under den Heyd - niſchen Verfolgungen in der heiſſen Liebes-Hitz zur Erſtaunung angewachſene erſte Kirch. Die Herbſt-Weyd bildet ab die bey der Uberhand - nemmung der Ungerechtigkeit und Erkaltung der Liebe ins beſondere hie und da im Verbor - genen nahe zu GOtt und dem Hauß ſeiner Heiligkeit ſich haltende Chriſten. Der Win - ter bildet ab die Finſterniß und boßhafften Ge - wiſſens-Zwang unter dem Antichriſt: Der Vorſchein deß Fruͤhlings darauf ſtellt uns die felige Reformation vor; Der Nach-winter, dero Verfall und erſtorbenen Eyffer; Der da - rauf mit Krafft einbrechende andere Fruͤhlingiſt25Das Schweitzeriſche Canaan. iſt ein Bild der Philadelphiſchen Gemeind; Die Nach-kaͤlte und greuliche Sturm-Wet - ter bilden ab die Laodiceiſche Lauigkeit und die Stund der Verſuchung, nachdem dieſes alles vorbey, wird ſich der vollkommene Sommer deß herrlichen Reichs ſchnell zeigen: Wie JEſus, nachdem Er zwey Naͤchte im Grab gelegen, am dritten Tag im Erdbidem auff - erſtanden, Hoſ. 6: 2. Dieſes iſt die Prophe - tiſche Bedeutung; Was aber einer jeder See - len in Anſehen ihrer geiſtlichen Fuͤhrung vor - geſtellet wird, iſt folgendes:

Erſtlich iſt die Seel unter der Suͤnd als in der Wildniß den reiſſenden Thieren zum Raub; Darnach wird ſie under das Geſaͤtz gethan, da ihr zwar nicht ſo wohl iſt, aber ſie iſt ſi - cherer, obſchon ſie hart gehalten wird, und von denen Schaͤtzen deß Evangeliums noch zur Zeit nichts genießt: Nachdem ſie nun rechtſchaffen gebeugt und muͤrbe gemacht wor - den, fuͤhret ſie Chriſtus unter die Gnade / da ihr das Himmelreich allererſt bekannt ge - macht und mitgetheilet wird, davon ſie nicht hoffaͤrtig, ſondern immer niedriger und eben dadurch zu noch herrlichern Gnaden und ge - nauerer Bekanntſchafft mit GOTT erhoͤhet wird, worauf ein ungemeiner Segen folget, aber auch mancherley Proben und Abwechs - lungen dabey.

SOnſten ware die Kirch erſtlich under dem Geſatz in den engen Graͤntzen deß Landes Canaan als in einem StallB 5ein -26Das Schweitzeriſche Canaan. eingepfrengt; Da aber JEſus die Lebens - Sonne den Fruͤhling zu bringen anfieng, durch ſeinen Auffgang, Himmelfahrt und Außgieſſung deß H. Geiſtes, da gruͤnete es in den naͤchſten Wieſen, als in Sama - ria, daran ſich Chriſti Heerde recht wey - dete und labete mit groſſer Freud. Act. 8. Biß das hohe Alp-Gebuͤrg deß Roͤmiſchen Reichs die heiſſe Straalen dieſer Fruͤhlings - Sonnen dermaſſen kraͤfftig empfunden, daß auch daſelbs viele hundert tauſend zu Weyde gehen koͤnnten, welche allzumal der tapffere Hirten-Knab Paulus mit ſei - nen Geſellen regierte, und under Chriſto dem groſſen Ertz-Hirten zu behalten trach - tete. Biß es wiederum nach dem ehmaligen Winter deß Heydenthums und darauf er - folgetem gnadenreichen Sommer gegen den Antichriſtiſchen Winter gienge, da der Schnee der erkalteten Liebe deß uͤber alle Wolcken erhabenen Hochmuths und Ge - wiſſens-Tyraney, und die ſauren Nord - Winden der Undertruckungen Goͤttlicher Wahrheit Chriſti Heerd von dem Berg der Roͤmiſchen Kirchen herunter getrieben, daß ſie ſich hie und da in kleinen Gemein - den, in Waͤldern, Hoͤhlen und Kluͤfften der Erden als in engen Staͤllen vor der einbrechenden Kaͤlte und wilden Thieren haben muͤſſen verſtecken; biß in der Refor -mation27Das Schweitzeriſche Canaan. mation ein warmer Sonnen-Blick den Schnee deß Aberglaubens, Verfuͤhrung und Abgoͤtterey von einigen nahe gelege - nen Wieſen und Huͤgeln geſchmeltzt, daß ſich das Vieh abermal weyden koͤnnte auf einer weiten Aue: Und die Ochſen und Fuͤllen, ſo die Acker bauen, gemengt Futer aſſen, welches geworffelt ware mit der Worff-Schauffel, und mit der Wanne, Jeſ. 30: 23, 24. Sinther iſt ein Nach-win - ter eingebrochen, der zwar durch den Phi - ladelphiſchen Fruͤhling in etwas wird ge - miltert und unterbrochen werden, ehe aber der Sommer kommt, muͤſſen die hohe Ber - gen der Koͤnigreichen der Welt mit einem ſtuͤrmiſchen Schnee - und Hagel-Wetter uͤberzogen werden, und der Antichriſt ſeine letzte Wuth außblaſen, das wird ſeyn ein finſterer, dunckeler, wolckichter, neblich - ter Tag, der ſich außbreiten wird uͤber die Bergen, wie die Morgenroͤthe, Joel 2. alſo daß ſich Chriſti Heerd in den Stall retiriren, und der Hirt wird die Thuͤr hin - ter ihr zuthun, daß ſie ſich verberge einen kleinen Augenblick, biß der Zorn fuͤruͤber gehe, Jeſ. 26. Wovon ſonderlich der 91. Pſalm lautet, worauf dem Winter ſein voͤlliger und letzter Abſchied gegeben werden ſoll, damit die gantze Erde zum fetten Weyd-Berg werde, und alle Reiche derWelt28Das Schweitzeriſche Canaan. Welt GOttes und ſeines Geſalbeten ſeyen; Alsdenn ſollen die Glaͤubigen erſt recht auß - und eingehen, und zunemmen wie die Maſt-Kaͤlber, Mal. 4: 2. die Berge mit ſuͤſſem Wein trieffen, und die Huͤgel mit Milch flieſſen, Joel. 3: 18. Wann JEſus ſeine Schaaff ſuchen und ſie erret - ten wird von allen Oertern, da ſie zerſtreuet waren zur Zeit, da es truͤb und finſter wa - re, und ſie von den Voͤlckern außfuͤhren und auß den Laͤndern verſammeln, und ſie ins rechte Land fuͤhren, und weyden auf den Bergen Jſrael, bey den Baͤchen, und auf allen Angern deß Lands. Ja, ja, JEſus will ſie auf die beſte Weyde fuͤhren, und ihre Huͤrde werden auf den hohen Ber - gen Jſrael ſtehen, daſelbſt werden ſie in ſanfften Pferchen ligen und fette Weyden haben auf den Bergen Jſrael; JEſus will das Verlohrne wieder ſuchen, und das Verſtoſſene wieder bringen, und das Ver - wundete verbinden, und das Schwache ſtaͤrcken, Ezech. 34. Alſo gehet es mit ei - ner jeden Seele in der geheimen, inneren Fuͤhrung, wann einmal ihre wilde Frech - heit gebrochen, da ſie in deß Satans Thier - Garten ſich an Fleiſches-Luſt, Augen-Luſt und hoffaͤrtigem Leben gemaͤſtet, und die Bande der Zucht zerriſſen, nunmehro un - der die Feſſel der zuͤchtigenden Gnad GOt -tes29Das Schweitzeriſche Canaan. tes gebracht iſt, da wird ſie under das Ge - ſaͤtz als in ein Stall eingeſperrt, das Ge - wiſſen, ſo in ſein Zuchtmeiſter-Am̃t wie - der eingeſetzt iſt, geiſſelt und beſtrafft ſie hart uͤber allen ihren Abweichungen, da muß ſie auch ihren eigenen Miſt riechen, und alle Tag deß Schlacht-Biels gewaͤr - tig ſeyn, daß ſie ſterbe, und vors Gericht komme in ihrem Suͤnden-Unraht, ſie hat auch keine Freyheit, ſich an denen Evange - liſchen Verheiſſungen, als an ihrem Eigen - thum zu ergoͤtzen, eben darum, weil ſie angebunden iſt, es wird ihr zwar das noͤh - tige Futer dargereicht, aber nicht das ſaff - tige, ſchmackhaffte Evangelium der Gnad, ſondern das duͤrre Heu der geſaͤtzlichen Be - ſtraffungen, Ermahnungen, Lehren, Ge - botten und Verbotten; Das Gewiſſen iſt ihr ſtrenger Treiber, iſt ſie nun gedultig darunter, reiſſet ſich nicht loß, ſondern wartet auf den HErrn, der ſie im Netz ſeiner Erbarmnuß-vollen Uberzeugung ge - fangen halt, und nehret ſich inzwiſchen von ſeiner Speiß, ſinnet ihrem Elend und dem Willen GOttes nach, und entwehnet ſich eben dardurch nach und nach von ihrem vorigen Wandel in der Eitelkeit, ſo kom̃t der HErr zur rechten Zeit, welche Er in Seinem weiſen Rath zuvor erſehen und beſtimmt hat, und fuͤhret ſie auß dieſer Ge -faͤng -30Das Schweitzeriſche Canaan. faͤngniß hinauß unter den weiten freyen heitern Himmel ſeiner Gnaden in den zar - ten Vorſchmack ſeines Himmelreichs in ſuͤſſe Empfindungen der erſten Liebe, da alles gruͤnet und bluͤhet von Lieb-erfreuli - chen Gedancken deß groſſen Heils, ſo ei - nem in Chriſto JEſu bekannt wird, alſo daß es einem nicht anderſt vorkommt, als waͤre man in einer neuen Welt, und wie das Vieh, auß den Staͤllen herauß gelaſſen, huͤpffet, alſo gehets einem Menſchen, der vom Geſaͤtz frey gemacht, und under die ſelige Gnad GOttes in Chriſto gebracht, ſchließlich in die Herrlichkeit der Freyheit den Kindern GOttes verſetzt iſt;

Er erdichter Liebes-Pſalmen /
Singet / ſpringet / jubilirt /
Seine Haͤnde ſind voll Palmen
Seine Zunge triumphirt /
Sein verliebter Freuden-Stand
Muß ſeyn aller Welt bekandt.

Wachſet aber und vermehret ſich GOttes Gnade, als die Hitz der goͤttlichen Son - ne, alſo daß alle Selbſt-Gefaͤlligkeit, Ei - gen-Dunckel, eigenes Recht und Froͤm - migkeit, als der glaͤntzende Schnee auf ho - her Bergen Spitzen zergangen, und der Menſch recht einfaͤltig, demuͤhtig und gar zu nichts worden iſt, alſo daß er in der Gnade JEſu Chriſti deß Sohns GOttesſteht.31Das Schweitzeriſche Canaan. ſteht. O da gelanget er erſt in die ſubtile Lufft der Gemeinſchafft deß Heil. Geiſtes, wo allererſt die zaͤrteſte, kraͤfftigſte Mit - theilungen der Gottheit geſchehen; Als - dann wird erfuͤllt, was geſchrieben ſteht: der HErr wird Jſrael huͤten, wie ein Hirt ſeine Heerde, und ſie werden auß dem Land der Mitternacht kommen, und auf der Hoͤhe zu Zion jauchtzen, Und werden ſich zu den Gaaben deß HErren haͤuffen, nem - lich zum Getraͤyde, Moſt, Oele, und jun - gen Schaaffen und Ochſen, daß ihre Seele wird ſeyn wie ein Waſſer-reicher Garten, und nicht mehr bekuͤmmert ſeyn ſollen, Je - rem. 31: 8-14. Da ſingt man:

Nun herrſche mein JEſu mit Frieden
und Freuden /
Da irrdiſche Sinnen weit weichen und
ſcheiden /
Drauff ſteht nur mein Sinn und mein
gantzes Begehren;
Jch weiß auch mein Heyland / du wirſt
mirs gewehren:
Jnndeſſen / weil du noch beym Vatter
verbleibeſt /
Und deine Regierung unſichtbarlich trei -
beſt /
So iſt auch mein Hertz auß mir ſelber
gezogen /
Und dorten dir nach biß gen Himmel
geflogen.
Je32Das Schweitzeriſche Canaan.

Je hoͤher alſo ein Hertz ins himmliſche goͤttliche Weſen auffſteigt, je kleiner der Menſch in den Augen der Welt, und dieſe hinwiederum in ſeinen Augen wird, und wie das Graß in der Hoͤhe kleiner iſt, und die Kuͤh nicht ſo viel Milch geben, ſo gibt doch dieſe Milch mehr Butter und Kaͤſe, als die Milch von dem groͤſſern Graß, ſo tieffer ligt; Gleichfals haben die einfaltig - ſchlecht-ſcheinende Zeugnuſſen himmliſcher abgeſchiedener Seelen unvergleichlich groͤſ - ſern und dauerhafftern Segen, obſchon ſie nicht ſo viel Anſehens haben als diejenige, ſo naͤher bey der Welt ſind, und nicht ſo hoch in GOtt eindringen: Dennoch haben auch ſolche in Chriſto erhabene Seelen un - derweilen ihre betruͤbte Winter-Tagen, da ſie ſich verbergen, ſchweigen, im Stall ver - ſchlieſſen, ſtill halten, und ſich mit Heu be - helffen muͤſſen, ſo lang ſie der friſchen Ein - fluͤſſen und außgruͤnenden himmliſch-ſaff - tigen Mittheilungen der heiligen Salbung entbehren; Das Heu iſt nun das Zeugniß der Propheten und heiliger Apoſteln von GOttes Liebe in dem Sohn und dem ewi - gen Leben, in Jhm, und durch Jhn, und auß Jhm, ſo in Heil. Schrifft als einer Scheuren auffbehalten wird biß auf den vollen Sommer der Ewigkeit, es iſt ſehr gut Heu, das im Paradys gewachſen undunver -33Das Schweitzeriſche Canaan. unverderblich iſt, daß die Heerde Chriſti vaſt nichts geſunders eſſen kan, es iſt wohl außgedoͤrrt, ſieben mal gelaͤutert, und iſt nichts ungeſundes darinn, ja es wird eben dieſes Heu zu friſchem gruͤnem Graß, wann es mit empfindlichem Geſchmack begleitet, und die Seele mit dem H. Geiſt bethauet wird; Heu iſt es aber zur Zeit der Anfech - tung, wann die Seele ihre natuͤrliche Duͤr - re, Verdorbenheit, Elend fuͤhlen muß, ihre Traͤgheit, Unluſt zum Guten, ihre Hartigkeit und Unempfindlichkeit, wie auch Paulus bißweilen erfahren, daß er hat muͤſſen außruffen: O ich elender Menſch, wer wird mich erloͤſen vom Leibe dieſes Todes; Da ihr das Honig-ſuͤſſe Wort nicht mehr ein bluͤhender Geiſt und gruͤ - nendes Leben ſeyn will: Gleichwol muß ſie in ſolcher Pruͤff-Zeit mit vorlieb nem - men, und nicht auß Verdruß, Eckel und Kleinmuth nach fremden Dingen weltli - cher Curioſitaͤt ſich umſehen, ſondern dem Hirten Treu halten, und ſich deſſen ſo koͤſt - liches Futer nicht verleiden laſſen: Nicht nur aber muß ſich das Schaaff Chriſti im Thun und Laſſen, Leyden, Meyden, Glau - ben und Leben am bloſſen Wort deß H. Geiſtes, ſo die heiligen Maͤnner GOttes auffgezeichnet, halten, und in den Winter - Tagen der Verlaſſung und VerbergungCder34Das Schweitzeriſche Canaan. der lieblichen Sommer-Sonne davon neh - ren, ſondern auch von denen empfangenen Gnaden-Gaaben, ungeacht dieſe jetzt wie durr Heu, ohngeſchmackt, verwelckt, oh - ne Safft und Krafft zu ſeyn ſcheinen, mit - hin die ehemals genoſſene Guͤte GOttes wiederkaͤuen.

CAPUT II. Der Einwohnern deß ſo hoch-li - genden Sanen-Lands und Siebenthals Begangenſchafft und faſt taͤgliche Be - ruffs-Arbeit.

§. 1.

Wie dieſer Handel von gelehrten Natur - kuͤndigern durch ihre Kunſt-Woͤrter erklaͤrt werde. Es iſt aber dieſer hier beſchriebene Proceß nur zu verſtehen von denen Orten, da man nicht viel Vieh hat, als wie im Aergoͤw, denn in Berg-Landen, allwo groſſe Vieh - Zucht iſt, haltet man alles ſaure fuͤr verdor - ben, oder wenigſtens fuͤr preſthafft.

EIn taͤgliches Wunder der Guͤte GOttes als deß einigen Urſprungs alles Guten iſt die Zubereitung der Milch in dem Leib der Kuͤhen, denn wel - cher Kuͤnſtler koͤnnte auß Graß ein ſo ſchoͤ - nen, weiſſen, nehrhafften balſamiſchen Safft hervorziehen, und das in ſo kurtzer Zeit,Wel -35Das Schweitzeriſche Canaan. welches nach der Gelehrten Urtheil al - ſo zugeht: Auf Speiß und Tranck wird der Chylus oder Milch-Safft erzeugt, welcher durch viel Kreiß-Bewegungen verduͤnneret, end - lich die Blut-rothe Farb annimmt, und denn auß dem Blut wird die angenehme Milch auß - gezogen und zubereitet, iſt alſo die Milch ein Extract auß Speiß und Tranck, bey dem Vieh zwar auß vielen tauſend Kraͤutern und Bluͤmlein erpreſſet, nicht mit Gewalt, ſondern gantz lieblich mit ſonderlicher Luſt durch wunderbahre Kunſt und Weißheit deß Schoͤpffers, und kan keines Menſchen Hand ſie zuwegen bringen oder nach - machen; Das Gefaͤß, darinn ſie zubereitet wird, ſind die Mammæ bey den Weibern; oder Ubera, Uter, beym Vieh; Dieſe ſind ein fleiſch - und druͤ - ſechtes Weſen mit Fett, vielen Adern und Ner - ven durchgewachſen, alſo daß in der Mitte gegen der Wartze eine groſſe Druͤſe, umher aber viel kleine ſich befinden, denen der Schoͤpffer dieſe Krafft ertheilt, daß ſie auß dem Gebluͤt und Fet - te die Chyloſiſche Subſtantz ziehen, und in Milch verwandeln, welche alsdann in die Tubulos La - cteos, Milch-Roͤhrlein, ſich begibt, und durch die empfindlichen Waͤrtzlein, darinn die Tubali ſich enden, mit ſonderlicher Kitzlung von der Lei - bes-Frucht außgeſogen wird; Die Milch beſte - het auß einer Menge Waſſer und Fettigkeit, und ein wenig zaͤher oder ſchleimichter Materie, als einer ſubtilen Erden, darinn auch ein ſubtiles Sal alcali, welches die Fettigkeit mit dem waͤſſe - rigen und irrdiſchen Theil verreiniget haͤlt, aber die Saͤure gar leicht an ſich zieht, da ſie ſich dannC 2coa -36Das Schweitzeriſche Canaan. coagulirt, verdickeret, und von ſelbſt in Waſſer und uͤbrige ihre Theil ſich begibt. Nachdem man nun der Milch ihre Textur oder Geweb verſtan - den, iſt leicht zu faſſen, wie auß derſelben But - ter, Kaͤß und Zieger koͤnne gemacht werden, wann ſie in einem Gefaͤß unverruckt eine Zeitlang ſteht, ſo verurſacht die warme Lufft, die ſich inſinuirt, und nach und nach eine Saͤure einfuͤhrt, daß die kleine Theilgen Salis alcali, ſo den Schweffel oder Fettigkeit ſolvirt hat, und mit dem Waſ - ſer vermiſcht, geſchwaͤchet werden, daher dann der ſolvirte Sulphur oder Fettigkeit loß wird, und ſich vom waͤſſerigen Theil ſcheidet, welche dann geſammlet, und in einem Gefaͤß geſchwungen, oder geſtampffet, ſich vollend von der uͤbrigen Waͤſſerigkeit ſcheidet, dann durch die ſtarcke Be - wegung wird die warme Lufft ſtaͤrcker und haͤuf - figer eingefuͤhrt, das ſuͤſſe Saltz gebrochen, und in Saͤure verwandelt, die ſich dann in den waſ - ſerrichten Theil ſam̃t dem Mucoſiſchen Theil be - gibt, und alſo auß einer Subſtantz zwey wird, nemlich ſuͤße Butter, und ſauerlechte Butter-Milch. Mit dem Kaͤß-Machen hat es ein gleiche Be - wandniß, und hat eben den Grund, die ſuͤſſe fette Milch wird in einem Keſſel wohl warm ge - macht, und dann das Kasleb, welches zuvor in Waſſer muß eingeweicht und diluirt werden, darunder geruͤhrt, welches denn mit ſeiner Saͤure das ſuͤſſe Saltz in der warmen Milch auf einmahl bricht, und die gantze Maſſam im Keſſel gleich - ſam im Augenblicke durchſaͤuret; da ſich dann nohtwendig die Fettigkeit, ſambt der viſcoſiſchen oder klebrichten zarten Erden ſich ſcheiden muß, und zuſammen in ein Klumpen begibt. (Danndie37Das Schweitzeriſche Canaan. die Fettigkeit fliehet das Saure, und vermiſcht ſich gar nicht damit, wie zu ſehen, wann man Eſſig und Oel zuſammen geußt, und under ein - ander ruͤttelt, ſo ſcheidet ſich das Oel, doch als - bald und ſchwimmet oben:) Das Waſſer aber wird lauter und ſauer; Daher wann ſie wollen Zieger machen, muͤſſen ſie nachdem der Kaͤß darauß genommen, ſuͤſſe Milch hinach in die ſaure Schot - ten gieſſen, da dann abermal von der Saͤure das Suͤſſe in der Milch gebrochen, hergegen auch die Saͤure im Waſſer geſchwaͤchet, und der fet - teſte Theil der Milch ſamt der Mucilagine im Auffkochen ſich zuſammen begibt, aber nicht gantz in einen Klumpen, ſondern in Grumos oder Schol - len, und das Waſſer wird weißlicher und an - nehmlich ſauer, ꝛc. Wann dann das geſchiedene darauß genommen, mit Saltz eingeknettet, und ſeine Zeit gejaͤſet hat, gibet es den Stinck-Zieger, ſo den Kaͤßmarckt zu Bern ſo lieblich parfumirt. Das Kaßleb, ſo dieſe kunſtliche Scheidung macht, iſt eine coagulirte ſaure Milch in den Maͤgen der ſaugenden Kaͤlber und Gitzlin, ſie wird alterirt von dem ſpirituoſen ſaueren Safft, welchen die Magen-Druͤßlein von ſich geben, um die Spei - ſe in einen dicklachten Cremorem auffzuloͤſen. Noch eines muß man wiſſen, was nemlich ein Sal alcali ſeye, und iſt nichts anders als ein Laugen-Saltz, wie man auß jeder Aeſche ein Saltz kan außlaugen, welches der Saͤuere ent - gegen, und ſolvirt die Fettigkeit und die Erde, da hingegen die Saͤuere coagulirt: Dieſes Alcali iſt entweder fix wie das Saltz auß der Aſche, oder fluͤchtig, wie in allen animaliſchen Theilen gefunden wird, als in Klauen, Hoͤrnern, Haa -C 3ren,38Das Schweitzeriſche Canaan. ren, ſ. h. Urin, in der Galle und Blut inſon - derheit, worauß auch die Milch-Druſen ſo viel auß den Adern ſamt dem Chylo an ſich ziehen, als zur Auffloͤſung deß Sulphuris oder Fette noͤh - tig iſt, ꝛc. Aber ein fixes Alcali haben die Ani - malia keines, ob ſie ſchon zu Aſche verbrannt werden, wie ingleichem auch der gemeine Kram - Schweffel nicht hat und alle Pinguedines.

§. 2.

Wunder-Guͤte GOttes in Zubereitung ſo wohl der leiblichen als der geiſtlichen Milch.

DErowegen bedencke O Menſch! die Liebes-Treu dieſes deines unendli - chen Gutthaͤters, der dir ſo miltiglich al - les Gute goͤnnet, und zu deiner Nohtdurfft einſchoppen moͤchte, ſihe, du wohneſt in ei - nem Land, da beynahe nichts als Graß wachſet, das kanſt du nicht eſſen, darum ſchaffet dir der gute GOtt ein Vieh, ein Schaaff, Ziegen oder Kuh, damit dir al - les zu Nutz komme, und was eines uͤber - laßt, das andere zu deinem Gebrauch ver - zehre, dieſe muͤſſen nun den gantzen Tag Graß, Laub und Kraut abetzen, kaͤuen und wiederkaͤuen, alles zu deiner Erqui - ckung und Freude, und damit du die zu - bereitete Milch deſto komlicher haben koͤn - neſt, ſo muß ſie ins Uter geſammelt wer - den, und kan von dem Vieh nicht wegge - laſſen werden, wie etwa der Harn, daßdu39Das Schweitzeriſche Canaan. du den gantzen Tag darauf paſſen muͤßteſt, ſondern das Vieh muß es beyſammen be - halten, und auf deine Gelegenheit warten biß an dem Morgen oder Abend, da es dir noch nachgehen, und es vor ein angeneh - men Dienſt erkennen muß, wann du kom̃ſt und laſſeſt den Milch-Weyer auß, ja ob du ihm ſchon die Frucht ſeiner Arbeit auf einmal wegnimmſt, ihme nicht mit einem Wort darfuͤr danckeſt, ſondern wol nun und dann mit Streichen lohneſt, wann es ſich dir nicht flugs nach deiner Komm - lichkeit ſtehet; Sihe, ſo gehets denn noch unverdroſſen wieder an ſein Tagwerck, auß allen ſeinen Kraͤfften ſo viele und ſo gute Milch dir aufs neue zuzubereiten, als es vermag, und dieſe Liebes-Dienſte wider - holet dein Vieh taͤglich ohne einiche Ruhe oder Abſetzen weder Sonn-noch Wercktag, biß es endlich uͤberall außgenutzet, und ſei - ne Gefaͤſſe zum Milch-Machen nichts mehr taugen, alsdann faſſeſt du ein Biel in dei - ne Hand, und zum Danck ſchlageſt du es zu todt, zieheſt ihme die Haut ab und klei - deſt dich damit, haueſt ſein Fleiſch in Stuͤck, und iſſeſt es auff, welches alles dir von der Goͤttlichen Guͤte erlaubt worden, alſo daß du vor keinen Moͤrder gehalten wirſt, obſchon du alſo mit den Thieren umgeheſt, denen du gleichwol das Leben nicht gege -C 4ben,40Das Schweitzeriſche Canaan. ben, und obſchon die Jungen ſolches ſehen, wie es ihnen zuletzt auch ergehen werde, ſo fahren die dennoch da fort, wo die Alten geblieben mit Graß-Eſſen, das du nicht magſt, und mit Milch-Geben, davon du ihnen ſehr wenig zu theil werden laſſeſt. Melde im Vorbeygang, daß bey denen Oſt-Jndianiſchen Heyden die Kuh das reineſte und heiligſte Thier iſt, derſelben Miſt brauchen ſie bey allen heiligen Handlungen, als bey Trauungen und dergleichen, die Milch trincken ſie, und pflegen ſie wohl zu ſprechen: Jhr weiſe Europaͤer eſſet die Huͤl - ſe von der Kuh, nemlich das Fleiſch, wir aber den Kern, das iſt, Butter und Milch, ſie ſtraffen auch denjenigen am Leben, der eine Kuh ſchlachtet. Jch geſtehe hierbey, daß es heydniſch iſt, ſolche Abgoͤtterey mit dem Geſchoͤpff treiben, und daran mit dem Hertzen hangen, ohngeacht deß Schoͤpf - fers, der da zu loben|iſt in Ewigkeit, Amen. Weit beſſern Nutzen ziehen die Chriſten auß der Betrachtung leiblicher Wohltha - ten, indem ſie nicht nur ihres GOttes Guͤ - te darinn preiſen, und dardurch als durch Liebes-Band mit GOtt deſto genauer ver - bunden werden, ſondern auch als durch ei - ne Leiter ins Gnaden-Reich hinauff ſtei - gen, und ſich im Geiſt in ſo ſchoͤner Ab - ſchilderung himmliſcher Geheimniſſen er -luſti -41Das Schweitzeriſche Canaan. luſtigen, worzu uns das Exempel JEſu als bey der Hand leitet, es iſt demnach ein ungleich groͤſſer der Natur unbegreifflich Wunder, daß die Seel mit Goͤttlichen Gaaben, Weißheit, Verſtand, Liebe, Hei - ligkeit, Frieden und Ruhe erfuͤllet wird, wann ſie nichts anders thut, als nur bloß allein denen Wahrheiten deß Evangeliums im Glauben nachdenckt, ſelbige uͤberleget, kaͤuet und wiederkaͤuet, und eben darum, weil ſolches die menſchliche Vernunfft uͤber - ſteiget, daß durch das bloſſe Einziehen und Einſaugen der Worten Chriſti die Seel mit ſo edler Seligkeit und himmliſchem Gut ſoll durchfloſſen werden, das macht, daß es die wenigſten Menſchen wahrnemmen und uͤben; obſchon eine jede Kuh mit ihrem taͤglichen Exempel ihnen zuſchreyt, ſie ſol - len die ihnen von GOtt zubereitete Gna - den-Weyde in H. Schrifft gebrauchen, ſo werde taͤglich ein Gnaden-Wunder in ih - nen geſchehen, daß der Friede GOttes, ſo hoͤher iſt als alle Vernunfft, ihr Gewiſſen als ein Balſam einnehmen, und Hertz und Sinn bewahren werde in Chriſto JEſu. Alſo diſtillirt gleichſam der H. Geiſt die Gebott, Lehren, Wahrnungen und Ver - heiſſungen Chriſti in denen Hertzen der Heils-begierigen ſehr wunderbahrlich durch die Waͤrme ſeiner Liebe, daß GOttes ReichC 5durch42Das Schweitzeriſche Canaan. dardurch darinn außgebohren wird in Milch-weiſſer Unſchuld zum Nutzen der Chriſtenheit als der Haußhaltung GOttes.

§. 3.

Die zarte Liebe Chriſti, daß Er uns zum beſten durch ſtetes Gebaͤtt und Betrachtung des Raths GOttes in H. Schrifft alle Schaͤ - tze der Weißheit und der Erkaͤnntniß in ſeine heilige Menſchheit hinein geſammelt, damit wir die Quint-Eſſentz von allem Guten in Jhm fein bey einander finden. Welches wir Jhm nachthun ſollen, und unſere Mit - Menſchen lieben, wie JEſus uns geliebet hat, das Geſammelte nach ſeinem und nicht nach unſerm Willen außſpendiren, und uns auß Liebe zu unſerm Naͤchſten treulich huͤ - ten vor allem, was die Gnaden-Krafft ihne zu erbauen in uns ſchwaͤchen kan, GOtt und ſeinem Wort ſtets ankleben, und trotz dem ſchnoͤdeſten Undanck nicht muͤde werden jeder - mann an Leib und Seel Gutes zu thun.

JA weilen wir allen Appetit nach dieſer Paradyſiſchen Koſt verlohren, alſo daß uns alle Anſtalten und Zubereitung GOttes unbrauchbar worden, ſo hat JE - ſus das Lamm GOttes und nach Jhme die heiligen Apoſtel uns ſelbſt auß der Goͤtt - lichen Weyde ein Milch bereitet, Cant. 4: 11. 5 : 1, 12. 1. Cor. 3: 1, 2. Hebr. 5: 12, 13. 1. Petr. 2: 2. Jeſ. 55.

Mein43Das Schweitzeriſche Canaan.
Mein Hertz heißt dich ein Lilium /
Dein ſuͤſſes Evangelium /
Jſt lauter Milch und Honig.

Alſo iſt alles Gute in Chriſto JEſu ge - ſammelt und zuſammen gefaſſet, alle Fuͤl - le der Gottheit wohnet in Jhme, auß Jhm koͤnnet ihr alles nemmen, Joh. 15: 7. Sei - ne Erbarmungs-volle Liebe rufft uns al - lenthalben zu: Thue deinen Mund weit auff, ſo wil Jch ihne fuͤllen, Pſalm. 81: 11. Bringet nur leere Gefaͤſſe her, Jch habe uͤberflieſſend genug fuͤr alle, kommet doch: Hierinnen beſtehet auch der eigentliche wah - re Gottesdienſt, daß wir Chriſti Liebe, Gnad und Geiſt im Glauben annehmen, und zu unſerm Heil gebrauchen, eben wie ein Saͤugling der Mutter keinen angeneh - mern Dienſt thun kan, als wann er mit munterm Saugen dero Bruͤſte erleichteret, nachdem ſie die allergeſuͤndeſten Speiſen zu ſich genommen, auß Liebe zum Saͤug - ling, auf daß ihme darauß die allerkoͤſtlich - ſte Milch zubereitet werde; Und das hat JEſus gethan durch die Erfuͤllung der Schrifften Moſis und der Propheten, wel - che Er allzumal in die ſeligendeſte Milch deß Evangeliums auß heiſſer Liebe zu uns verwandelt, und verwahret ſie ſo wohl in den Gefaͤſſen deß Alt - und Neuen Teſta - ments, als auch ſeiner allmaͤchtigen Barm -hertzig -44Das Schweitzeriſche Canaan. hertzigkeit und unverenderlichen Wahrheit, damit Er ſelbe durch die Roͤhren ſeiner al - lerheiligſten Wunden einfloͤſſe, in den Mund aller derjenigen, ſo ihren geiſtlichen See - len-Tod empfinden, und ſo gern ewiges Leben in ſich trincken moͤchten; Damit ihr aber dieſes Gut in ewiger Vollkommenheit ohn Ende genieſſet, ſo iſt das GOttes un - veraͤnderlicher Wille, daß ein jeder ſeinem Naͤchſten thue, wie ihm Chriſtus gethan hat; Werdet deßtwegen auch rein in Chri - ſti Augen, und klein in euern eigenen Au - gen, wie die Laͤmmer, ſo koͤnnet ihr die hohen Weyd-Bergen der Liebe GOttes und der Gnade Chriſti und der Gemein - ſchafft deß heiligen Geiſtes deſto leichter be - ſteigen, und deſto reinlicher abetzen; Und was ihr von Gnad geſammelt, das verlieret nicht wieder, ſondern behaltets in Demuht und Andacht, als in zweyen Utern, biß JEſus der Hauß-HErr ſelbſt kom̃t, und durch die Regierung ſeiner Goͤttlichen Weiß - heit, Gelegenheit verſchaffet euer Gutes andern mitzutheilen, und an andern Glie - dern euere Gaaben anzulegen, Cant. 4: 12. Jnzwiſchen muſt du dich im Gebaͤtt und Glauben fleiſſiglich uͤben, auch in dem Ab - ziehen deiner Gedancken von der Welt und ihren Geſchichten und in der Einkehr zu dem lebendigen GOtt, Joh. 5: 38. indemihr45Das Schweitzeriſche Canaan. ihr ſein Wort wohnend in euch habt, da - mit euer Uter nicht leer ſeye, wann deß Abends euere Haußgenoſſen oder Nachba - ren die nehrhaffte Milch goͤttlicher Lehren und Underweiſungen auch geiſtreicher Him - mels-tringender Gebaͤtten von euch erwar - ten. Hanget aber allezeit an JEſu Winck und Trieb, und laſſet euere ſuͤſſe mit Muͤhe geſammelte Milch der heiligen Salbung nicht unnuͤtzlich zur Unzeit wegflieſſen. Matth. 7: 6. 2. Joh. 8. Und wie gehen nicht offt die Zeugen JEſu mit der Ver - kuͤndigung der Gnade GOttes in Chriſto JEſu, gleich als mit der nehrhaffteſten Milch denen armen Menſchen nach ihre außgemerckelte Seelen zu laben, und zum ewigen Leben zu bringen; Deren Zeugen looß bißweilen betruͤbter iſt, als wann eine Kuh mit einem vollen Uter Kind und Ge - ſind erquicken wolte, aber anſtatt mit Freu - den auffgenommen zu werden mit Steinen fortgejagt wurde, indeſſen lehrt dich die Kuh allen Undanck verſchmertzen, und in allem deinem Thun ſtaͤts pur GOttes Ehr, Reich und Will, deß Naͤchſten Nutz, Beſ - ſerung, Erleuchtung und Seligkeit zu ſu - chen, und zu dem End den Appetit nach GOtt nie um etwas anders, was es auch immer ſeye, zu vertauſchen, und wann auch GOTT ſelbſt dich von allem Troſt,Licht46Das Schweitzeriſche Canaan. Licht, Freud und Krafft entbloͤſſete, dich dennoch nicht abtreiben laſſen von der ſchmackhafften Segen-reichen Weyde der Liebe JEſu und ſeines Worts; Und wann dich etwa ein Geluſt ankommt nach einer fremden Weyd, diß oder das zu haben, zu wiſſen, zu ſeyn oder zu gelten, du den Ge - luſt flugs underdruckeſt; Weil du auß der Erfahrung weiſſeſt, wie dir die Milch ſo bald abſtehe, wann du dergleichen Eigen - ſucht Platz gibeſt, und dadurch der Erin - nerung deß H. Geiſtes untreu und unge - horſam wirſt, da Er dann in dir zu wuͤr - cken auffhoͤrt, dich dir ſelbſt uͤberlaßt, arm und ohnmaͤchtig, alſo daß du kein erbauli - che, Geiſt - und Lebens-volle Rede hervor - bringen kanſt, welche da Gnad gebe denen die zuhoͤren, Eph. 4: 29. Niemand iſſet vergebens und ohne Frucht das Gute Chri - ſti, und niemand verlaſſet ſeines HErren Willen ohne mercklichen Schaden, darum laſſe alle deine Luſt an Jehovah ſeyn, und weiche nicht von Jhme, ſo wird dein Mund mit der Milch Chriſtlicher Weißheit viele traͤncken, die dich dafuͤr lieben werden in Ewigkeit. Eine Kuhe iſſet den gantzen Tag, ſo ſchaue du JEſum an, und betrachte Jh - ne Tag und Nacht, werde um GOttes wil - len nicht muͤde noch matt. Pſalm. 1.

§. 4.47Das Schweitzeriſche Canaan.

§. 4.

Die voͤllige Uberlaſſung unſers gantzen Al - les an den vollkommenen Willen GOttes und ernſthaffte Zuruͤſtung zu einem Chriſto ruhm - lichen und uns ſeligen End iſt uns ſehr noͤhtig.

BIſt du endlich außgebraucht an Leibs - und Lebens-Kraͤfften, alſo daß du nicht mehr wuͤrcken kanſt in Chriſti Wein - berg, ſo ſey zufrieden, daß du nicht dir ſelbſt, ſondern Chriſto und ſeiner Kirch ge - lebt, wie ein Baum nicht fuͤr ſich, ſondern fuͤr andere Fruͤcht traͤgt, eine Biene Honig macht, ein Schaaff Wolle traͤgt, eine Kuhe Milch, ein Ochs den Pflug zieht, ja alle Thiere, Fiſch, Voͤgel nicht vor ſich, ſon - dern dem Menſchen zu Dienſten ſich neh - ren und mehren, wachſen und druͤhen; Derowegen opffere dein zeitlich Leben wil - liglich auff, und lege dich auf den Schlacht - Banck dem Wuͤrger dem Tod dar, und dancke GOtt mit Freuden, wann dasjeni - ge, was du gethan, geredt, geſchrieben oder ſonſt in GOtt gewuͤrcket haſt, noch dahin gedeyet, andere in der Liebe GOttes zu er - waͤrmen, wie ſich dein JEſus zum Opffer hergegeben, daß nachdem Er dich mit der Milch ſeiner Weißheit als der Prophet und Hertzens-Lehrer genehrt, Er dich als dein Hoheprieſter mit der Wolle ſeiner Unſchuld und Gerechtigkeit kleide, mit ſeinem Fleiſchſpeiſe48Das Schweitzeriſche Canaan. ſpeiſe als mit ſeinem Liebe-Leben, ſaͤttige mit ſeinem H. Geiſt und Safft ſeiner Gott - heit, als mit ſeinem Blut traͤncke zum ewi - gen Leben, darinn iſt Er ſeinem Vatter ge - horſam geweſen biß zum Tod am Creutz; Ebenmaͤſſig iſts gut und noͤhtig, daß du eben denſelbigen heiligen Sterbens-Sinn und Auffopfferungs-Willen auß Chriſto anzieheſt; Allermaſſen du dein Vieh, wel - ches du gleichwol nicht geſchaffen, nicht frageſt, wann du auß - oder eintreiben, oder ſchlachten ſolleſt, benenneſt ihme auch we - der Stund noch Tag darzu, ſondern du wilt kurtzum haben, daß es zu aller deiner Willkuhr bereit ſtehe, ohnangeſehen du mit aller menſchlicher Kunſt ihme nicht ein Graͤßlein zu ſeinem Underhalt zuwegen bringen kanſt. Wie viel weniger ſolt du GOtt vorſchreiben, oder einicherley Weiſe Ziel und Schrancken ſetzen, wie Er dich re - gieren, und was Er auß oder mit dir ma - chen ſoll, ſintemal Er dir Leben, Odem und alles gibt, mithin das Schoͤpffungs - und Erloͤſungs-Recht zu dir hat, welches Recht du zu keinem Thierlein haſt, iſſe deß - halben nur munter fort, damit du derma - len einſt nicht ein mager, ſondern ein fett Schlacht-Schaaff deines GOttes ſeyeſt auf die Hochzeit Chriſti allen ſeligen Menſchen und heiligen Engeln zur Erquickung: Wieſich49CAP. II. §. 5.ſich Polycarpus in ſeinem letſten Gebet auf dem Scheiterhauffen, GOtt als ein fetten Wider zum Opfer angetragen; ein Thier das nicht frißt crepirt zu letſt, und man wirfft es mit Haut und Haar in die Schind-Gruben, ſo wird ein fauler Chriſt, der das Evangelium nicht ernſtlich und fleiſſig zu ſeiner Heiligung anwendet, mit Worten und Wercken verdammt, und nimmt ein End mit Grauſen; Darum mache deinen ewigen Nutzen, alldieweil die Sommer-Weyde der Goͤttlichen Gnad und Langmuht waͤhrt, die Zeit iſt ſchnell vorbey, und fallt darauf ein tieffer Schnee der Verſtockung und ewigen Gerichts, da du nach einem gruͤnen Graͤßlein bloͤcken wirſt, und wirſt keins finden: Ey ſo frage das Vieh, das wird dichs lehren, was du zu thun haſt. Job. 12: 7, 8.

§. 5.

Der Ungehorſam gegen der Zucht deß H. Geiſtes in ſeinen Erinnerungen iſt die Haupt - Urſach, daß der Menſch zu keiner GOtt-ge - ziemenden Reinigkeit gelanget, und am Ende mit allem ſeinem Thun elendiglich verworffen wird: Weßhalben auch die Feinde als Werck - zeuge unſerer Reinigung reſpectirt werden muͤſ - ſen, weilen doch ihnen zuletzt das ſchlimmeſte von allem uͤbrig bleibt.

FOlget nun wie ihr die Milch handthie - ret. Jhr richtet ſelbige durch ein Vol -Dlen,50Das Schweitzeriſche Canaan. len, darinn ſauber Tannkriß, in ein Gepſen. Die volle mit dem ſtachlechten Tannkriß iſt die zuͤchtigende Gnade mit ihren ernſt - hafften, ſcharffen Beſtraffungen, dardurch alles unſaubere, ſo ſich in Falſchheit, und unachtſamen Leichtſinn under das Gute menget, ſorgfaͤltiglich abgeſchieden, gerich - tet und verworffen wird, maſſen unſre Na - tur ſehr geneigt iſt alles Goͤttliche und Hei - lige mit Eigen-Liebe, Welt-Sinn, Zanck, bitteren Streit, Behauptung deß eigenen Rechts, Freyheit oder Ruffs und Ruhms, ja unflaͤtiger Fleiſches-Luſt zu verwuͤſten. Wer nun das Tannkriß heiliger Erinne - rungen im Ungehorſam und Eigenſinn ver - wirfft, die zuͤchtigende Stimm GOttes uͤberhoͤrt, das Gewiſſen uͤbertaͤubet, und dem Zuruffen deß zurecht-weiſenden heili - gen Geiſtes nicht ungeſaumt gehorcht, der wird Schaden und Hertzenleyd haben, in - dem er mit allen ſeinen Gaaben und Talen - ten zu kurtz kommt, und nichts außrichtet, das da tauglich ſeye ins Himmelreich, ja es geht noch wohl, wann es nicht am End alles dem hoͤlliſchen Unzeiffer mit ewigem Hertznagen zu theil wird. Dieſes Kriß wird zwar von der Welt veraͤchtlich gehalten, aber bey den Weiſen iſt daſſelbe in hohen Werth, dann es kommt von demjenigen, der zu Jſrael und Ephraim geſagt hat: Jchwill51CAP. II. §. 6.will dir ein gruͤnende Tanne ſeyn, Hoſea 12: 9. wer es in gebuͤhrenden Ehren haͤlt, von dem nimmt es weg, verzehret und ver - tilget alle Unſauberkeit und Wuſt der Boß - heit, daß ſie nirgend an behangend erfun - den wird, als an denen gehaͤßigen Verfol - geren und ſtechenden Verleumdern, welche JEſus auch zur Reinmachung und Behal - tung der ſeinigen gebraucht, auf daß die ſanfft einflieſſende ſibenmal gelaͤuterte und gereinigte Milch deß Worts ihre Seelen ſelig mache. Jac. 1: 21.

§. 6.

Ein Prediger, der andere in der Heiligung anfuͤhren will, muß ſelbs rein, ernſthafft und denen Heuchlern unleydentlich ſeyn; Die Zu - hoͤrer muͤſſen nicht weniger in der Sinnes-Aen - derung ſtehen und von der herrſchenden Boß - heit und Falſchheit allerdings erlediget ſeyn.

DIe volle mit dem Tannkriß iſt inſon - derheit ein Bild eines Predigers, der dem zuͤchtigenden Geiſt GOttes Platz in ſich geben, und ſelbſt wohl außgefegt ſeyn muß von allem Ehr - und Gelt-Geitz, Neyd, Unglaub, Menſchen-Forcht und Gefaͤllig - keit, von der Liebe deß zeitlichen Lebens, und von allen verunreinigenden Affecten; damit ſein Wort reinlich durch ſein Mund - Loch hinrinne, und er durch den in ihm wohnenden und regierenden Geiſt deß Ge -D 2richts52Das Schweitzeriſche Canaan. richts und der Underſcheidung das Koͤſtliche vom Schnoͤden ſcheide, ſoͤndere, außziehe, Jer. 15: 19. alles richte. 1. Cor. 2: 15. an - dere ſtraffe mit eben der Straffe, wormit ihne der H. Geiſt beſtrafft; Wie denn die Rede eines under GOttes Zucht ſtehenden Predigers oder Chriſten, ernſthafft, und wanns noth iſt, raͤß ſeyn wird; Daher die Welt beynahe alle Zeugen der Wahrheit nennt deß Teuffels Kraͤutlin, Neſſel, Di - ſtel, Dorn-Reiſer, als die nur brennen, beiſſen, um ſich ſtechen, und kurtz nicht zu leiden ſind: Denn ſie will und kans nicht lei - den, daß man es nicht mit ihr haͤlt, und ihr Ding antaſtet und ſtrafft, ſo doch nicht ſie, ſondern GOttes Wort ſolches thut, welches ſie predigen jedermann zur Buß und Selig - keit, Luc. 23: 18. Act. 22: 22. Wie koͤnn - te aber auß einem unreinen Willen etwas Reines, will geſchweigen andere Reinigen - des kommen? Tit. 1: 15. Hagg. 2: 13, 14. Es muß anbey die Gepſen / darein die Milch auffgefaſſet wird, leer und ſauber ſeyn, ſonſt wurde die Milch eckelhafft, verſaͤurt und verdorben. Ebenmaͤſſig muß das Hertz deß Leſers und Zuhoͤrers von weltlichen Gedan - cken, Luͤſten und Begierden entlediget, auß - geleert, und von allen Vorurtheilen, Wi - derlichkeit und Eckel ab der Wahrheit, allen Haß, Argwohn, Frevel-Gericht uͤber diePer -53CAP. II. §. 7.Perſon deß Ermahners, oder Verachtung der Weiſe deß Vortrags geſaͤubert ſeyn, ſonſt hat der Leſer oder Zuhoͤrer weder Nah - rung noch Wachsthum, noch einige daur - haffte und bleibende Staͤrckung in GOtt da - von; zumal das gehegte Boͤſe alles Gute unfruchtbar macht, zernichtet und verſchlin - get, wie jener Gelehrter von Arnds Wah - rem Chriſtenthum bezeugt: Jſt der Leſer gut, ſo iſt das Buch gut. Pſ. 18: 26, 27.

§. 7.

Das ſtille, andaͤchtige Warten auf GOtt erfuͤllet das Hertz mit Troſt und Krafft deß H. Geiſtes, wiewol der aͤuſſere Menſch biß - weilen ſchlechter dabey wird.

DIe Milch laſſet man in Gepſen 12. oder 24. Stund ſtehen / nimmt die Neidel oben ab in den Ancken-Kuͤbel, darinn wird ſie herum getrieben, biß es Butter gibt, den ſchlagt man zuſammen entweder zu einer Ballen zum Hauß - Brauch, oder in einen Stock zu verkauffen. Die ſtillſtehende Milch iſt ein Bild, eines von aller Quaal, Sorg, Angſt beruhigten, und mit der Gnad der Erloͤſung erquickten Hertzens, welches in ſtiller Erwegung was ihme von GOtt geſchencket worden ſey, der Salbung und Verſiglung des H. Geiſtes verſicheret wird. Eben wie die Neidel, als die nehrhaffteſte Fettigkeit von der Milch em - por dringt, und wie ein weiſſes Balſam - Oel oben ſchwimmt, gleicher maſſen wannD 3ſich54Das Schweitzeriſche Canaan. ſich ein begnadetes Hertz im Glauben an JEſum zur Ruhe begibt, ſich nicht nur al - les Angedenckens der Welt entſchlagt, ſon - dern aller geſaͤtzlichen Aengſten loß wird, und ein Zeitlang vor dem GOtt der Liebe, und dem ewigen Vatter der Erbarmung ſtill iſt, ſo erzeigt ſich in ihren oberſten Geiſtes - Kraͤfften das ſo ſanfft wohlthuͤende Zeugniß deß H. Geiſtes, daß ſie GOttes Kind und Erbe ſeyen, welches der niedrige ſinnliche Theil eben nicht alle mal empfinden muß, vielmehr muß dem auſſern irrdiſch-ſinnli - chen Menſchen entzogen werden, was dem reinen Geiſt auf die Ewigkeit beygelegt wer - den ſoll; Jnzwiſchen wird in ſtiller Andacht offenbahr, wie durch das glaͤubige Eineſſen und Wiederkaͤuen der Gnaden-Verheiſſun - gen der H. Geiſt ins Hertz komme, Joh. 7: 37. Gal. 3: 2. Wie auß dem verdaueten Graß und ſtehenden Milch die Neidel zum Vorſchein kommet; die auß denen Reden Chriſti gezogene Milch iſt in denen Apoſteln zehen Tag lang geſtanden in Jeruſalem in Frieden-vollem, ſtillem, ruhigem Gebaͤtt und Andacht, (da wir in unſern muͤhſeligen Zeiten kaum ein halb Viertelſtund ſtill blei - ben koͤnnen ohne außſchweiffendes Sinnen und Dencken.) Und O wie dick und reichlich hat ſich die heilwertige Krafft deß H. Geiſtes ob ihnen erzeigt, und ihre von Chriſti Wor -ten55CAP. II. §. 8.ten ſich weidende und zum Vatter| auffſtei - gende Leibs - und Seelen-Kraͤfften umge - ben, bedeckt, und als ein von weiſſer Un - ſchuld glaͤntzendes Balſam-Oel Lebens-lang ob ihnen geſchwebt, alſo daß ihnen ihr ſtilles Warten zu Jeruſalem wohl zu ſtatten kom - men iſt, und gewißlich auch uns wohl bekaͤ - me, ſo wir ihrem Exempel und Vorſchrifft folgeten. JEſus bringe doch unſere unbe - ſtaͤndigen, fladerhaffte Seelen in ſeine ſtille Sabbaths-Ruh.

§. 8.

Deß Geiſtes Armuth muß durchauß ſtets beybehalten werden, alſo daß man ſich keiner Gaab oder Gnad eigenthuͤmlich anmaſſe, deß lautern Glaubens an Chriſtum gelebende.

DAs Abnehmen der Neidel lehret uns in Demuht und Armuth deß Geiſtes bleiben, daß wir uns keiner Goͤttlichen Wuͤrckungen, als Predigen, Lehren, Schreiben, Leiden, anmaſſen als deß un - ſern, dann wann es ſchon durch und in uns geſchihet, ſo gehoͤrts dennoch uns nicht zu, noch unendlich weniger als die Neidel der Kuh angehoͤrt, welche auch ſelbige nicht lang anſchaut, noch davon hoffaͤrtig wird, ſondern goͤnnets ohne Widerred oder Umſe - hen dem, der ihr die gute Weide gegoͤnnet, und iſt gleich auf friſches bedacht, vergeſſen - de was dahinden iſt, und ſich ſtreckende nach dem was davornen iſt, worinnen ſie klugerD 4iſt,56Das Schweitzeriſche Canaan. iſt, als wir Menſchen, die wir gleichwol uͤberall GOttes Geſchoͤpffe ſind, Eph. 2: 10. und uns keiner Gaabe in Eigenheit anneh - men ſollen, und uns nicht auff halten an dem vergangenen, uns nirgend in als in JEſu unſerer ewigen Seelen-Weid erluſtigen, und uns nur nach mehrerm Genuß GOttes ohne Underlaß ausſtrecken, uns auch den empfindlich-ſuͤſſen Troſt deß H. Geiſtes gern oben abnehmen laſſen, wohl verſichert ſeyen - de, daß wir dabey nichts verlieren, ſondern zu etwas veſters und daurhaffters kommen; ja du bekommſt zwar ein ſchlechters Anſehen in der Menſchen Augen, wirſt inndeſſen et - was blau mithin dem Himmel aͤhnlicher, und GOtt in der Geiſtes-Armuth nichts de - ſto minder angenehm und gefaͤllig, der das abgenommene zu deinem Nutzen anzuwen - den weißt, und das uͤbergebliebene wohl zu Ehren zieht.

§. 9.

Das Reich GOttes kom̃t auß dem Leiden und wird durch das Leiden bewaͤhrt, wovon das Verſchmachten Leibes und der Seelen und die Entbloͤſſung aller Stuͤtzen in uns zwar wol das ſchwerſte, aber uns und andern das nutzlichſte iſt.

DAs Nerumtreiben im Kuͤbel biß es Butter gibt / zeigt uns, wie alle von GOtt mitgetheilte Gaaben und Wuͤr - ckungen deß Heil. Geiſtes durch die Prob mancherley Anfechtungen gehen muͤſſen,wie57CAP. II. §. 9.wie faſt an allen Heiligen zu ſehen, welchen ihre herrliche vom H. Geiſt geſchenckte Tu - genden von dem hoͤlliſchen Neidhart dem Teuffel durch greuliche Laͤſterungen der Welt abgenommen worden, alles durch GOttes liebreichſtes Verhaͤngniß; Aber wie Chriſto das Schnee-weiſſe, Sonnen - helle Kleid, der Ruhm ſeiner Heiligkeit ab - gezogen worden, alſo daß nicht nur ſein Leib und Angeſicht Himmel-blau von Schlaͤgen und Backen-Streichen außſahe, ſondern auch ſeine Seele als deß groͤſten Suͤnders, auf welchem die Suͤnden der Welt lagen, alles Goͤttlichen Troſts von der unendlichen auf ihm ruhenden himmliſchen Salbung entbloͤſſet, in Hoͤllen-Angſt ſchweben muͤßte: Alſo gehets ſeinen Gliedern einem jeden in ſeiner Maaß, ſie werden nicht nur als laſter - hafft außgeſchrauen, ſondern ihre Tugen - den muͤſſen durch deß Geſaͤtzes harte Ankla - gen, deß Fleiſches Reitzung, deß Teuffels Beſchuldigung gepruͤffet, geuͤbt, umge - trieben werden, ſo lang biß ſie zu einiger Ve - ſtigkeit kommen. Und wie der Butter, ſo das Oel von den Thieren iſt, zu ſehr vielen Dingen im menſchlichen Leben nutz iſt zur Nahrung und Artzney; Ein unvergleichlich groͤſſern Nutzen bringt ein wohl-verſuchter und lang genug umgetriebener Chriſt under der ſegnenden Hand GOttes in der Welt,D 5wann58Das Schweitzeriſche Canaan. wann er nunmehro der heiligen und reinen Liebes-Natur Chriſti theilhafftig gemacht, ſeine Tugenden in der Krafft und im Weſen bey ſich hat, es ſeye nun zum taͤglichen Ge - brauch der naͤheſten Seinigen, der Nachba - ren, Verwandten und ſeiner eigenen Hauß - Genoſſen, oder wann er im Predigt-Am̃t iſt, gantzer Gemeinden, durch Wort und Schrifften, dardurch er als ein geiſtlicher Kraͤmer ſein Oel und Butter verkaufft. Matth. 25: 9. meiſt umſonſt. Matth. 10: 8.

CAPUT III.

Vom Kaͤſe und Zieger.

§. 1.

Wie der Kaͤß in dieſen Gegenden gemacht werde.

DIe uͤbrige Milch wird zuſammen in ein Keſſel uͤber Feuer gethan biß zu einer ge - linden Waͤrme, nur wohl laͤu, daß man an der Lippen der Waͤrme innen werde, alsdann wird der Keſſel vom Feuer abgezogen, und ein Loͤffel-voll Kasleb (iſt Waſſer oder Scheid-Milch, darein ein Kalber-Magen ein - gelegt worden, iſt eigentlich nicht ſauer, wol aber ſcharff, kan deßhalben komlich mit dem Glau - ben verglichen werden, der von Chriſto mit dem kleinen, doch ſcharffen Senff-Korn wegen ſeiner Tugend verglichen wird) darein geſchuͤttet, da - von ſich die Milch im gantzen Keſſel um und umverdi -59CAP. III. §. 1.verdickert: Hernach wirds mit einem hoͤltzernen Kaͤß-Degen durchſchnitten um und um / und mit der Kellen herumgezogen ein wenig durch einander, damit das Unreine, ſo ſonſt im Grund ligt, empor ſteigen, und heraußgenommen wer - den koͤnne; Darauf wird das dicke mit dem Kaͤß - Brecher eine kleine Weil gemaͤchlich geruͤhrt, wordurch der Kaͤß von der Milch geſcheiden wird; Alsdann faͤhrt man mit uͤber das Feuer, und macht es etwas waͤrmer als zum Kasleb; Fer - ners wird der Keſſel wieder ab dem Feuer gezo - gen, noch etwa ein halb Viertelſtund geruͤhrt, ſo man troͤcknen heißt, davon der Kaͤß keck wird, da laßt man ihn ohngefehr 3. oder 4. Minuten zuſammen ſitzen, zuletzt zieht man den Kaͤß her - auß, und thut ihn auf den Preſſel, in ein Jerb oder Napff, und Kaͤß-Tuch, da ein Brett auff - gelegt, und mit Steinen oder andern Jnſtru - menten gepreßt wird, ſo lang biß der Kaͤß auß - getropffet, und von der Sierbenen außgeladen iſt, die Molchen abgelauffen iſt, endlich wird er heraußgenommen, auf den Kaͤß-Banck gelegt, in Speicher oder Kaͤß-Gehalt gethan, fleiſſig umgewendt, daſelbs bey 10. Wochen nach ein - ander, magere Kaͤſen aber nur 7. Wochen alle Tag geſaltzen, biß er zur annehmlichen Speiſe und unverderblich wird. Ach HErr JEſu Chriſte, lehre mich nach deiner groſſen Barmhertzigkeit, wie ich auch dieſes zu Dei - ner Ehr und der Menſchen Underricht zur Seligkeit auf das Gejſtliche und einige Nohtwendige ziehen koͤnne, dann ich bin ein Thor, und verſtehe nichts ohne Dich, erbarme Dich mein! Amen.

60Das Schweitzeriſche Canaan.

§. 2.

Der H. Geiſt richtet das gantze Koͤnigreich GOttes in der Menſchen Seele im Anfang und Ende auff, ohne Jhne kan nichts Goͤtt - liches geſchehen, (Feuer) Das erſte ſo Er in Bekehrten wuͤrckt, iſt der Glaub, (Kaßleb) dieſer formirt die unbewegliche, veſte, unuͤber - windliche und ewigbleibende Liebe GOttes. (Kaͤſe) wobey aber noch vieles Unſaubere ins Hertzens Grund verborgenlich ſitzen bliebe, wann es nicht durch das ſcharffſchneidende und alles zertheilende Wort GOttes rege und offenbahr gemacht wurde. (Kaͤß-Degen.) Ja das Gute ſelbs muß noch von denen ankle - benden und ſich einmiſchenden Eigenheiten ge - reiniget werden, damit nichts bleibe, als was pur Goͤttlich, und nicht nur der gute, ſon - dern gar der beſte und vollkommene Wille GOttes iſt. (Kaͤß-Brecher.) Welches alles weiters gepruͤfft und bewaͤhrt werden muß. (Das zweyte Feuer.)

DAs Feuer iſt ein Sinnbild der Erleuch - tung und Reinigung, ſo der heilige Geiſt wuͤrcket durch die Hitz der innern und aͤuſſern Leiden, Seelen-Aengſten und auch Verfolgungen von Menſchen und boͤſen Geiſtern, ſonderlich aber durch die heiß - und bang-machende Uberzeugungs-Krafft deß Worts GOttes. Jerem. 23: 29. Welches alles zumal beſeelet und belebet wird von der Krafft deß Tods, und von der Krafft der Aufferſtehung unſers HErrn JEſu Chriſti, welche Feuers-Hitz der H. Geiſt nach ſeinerunauß -61CAP. III. §. 2.forſchlichen Weißheit und Guͤte dermaſſen weiß zu maͤſſigen, daß nichts verderbt, und dennoch das rechte Ziel erreicht werde, und in dieſen Keſſel oder Tigel uͤber dieſes Feuer muß eine jede Seel, die zum Reich der Ewig - keit tauglich zu ſeyn verlangt, 1. Cor. 3: 13. Jeſ. 48: 10. Die Seele muß von Chri - ſti Wort und Liebes-Blut erwarmen, ſich von der ewigen, holdeſten Liebes-Flamm durchwandeln und durchhitzen laſſen, alſo daß auch die Lippen ſolche Waͤrme empfin - den, und nicht kalte, todte, ſchlaͤfferige Geſpraͤch hervorbringen, ſondern ſolche, daran man mercke, daß das Hertz ob dem Feuer geweſen, und von der himmliſchen Flamme beruͤhrt worden; Jn ſothaner er - waͤrmten Seele wuͤrcket denn der Kaßleb / geb wie wenig es iſt, und gibt dem Kaͤß die Subſtantz, das Weſen und Leben; Diß iſt das voͤlljge Vertrauen, der Ruhm der Hoff - nung, Hebr. 3: 6. Der Glaub als eine Grundveſt der Dingen, die man hoffet, und eine Darſtellung deſſen, das man nicht ſi - het, Hebr. 11: 1. Wo dieſer Glaube nur iſt als ein Senff-Koͤrnlein, da thut er Wun - der. Matth. 17: 20. Marc. 11: 21. Luc. 17: 6. Glaube iſt der rechte Daͤuungs - Safft / der Cherubim, ſo durch Kaͤlber abgebildet wurden, die Gedancken unſers Hertzens muͤſſen davon durchdrungen undeinge -62Das Schweitzeriſche Canaan. eingebeitzt, und das Evangelium ſelbs mit Glauben vermengt werden, Hebr. 4: 2. Durch den Glauben empfahen wir den H. Geiſt, der die Liebe GOttes in unſere Her - tzen außgeußt, welche Liebe eben die neue Creatur iſt, das veſte ewig-bleibende We - ſen, der neue Geiſt, das reine neu-geſchaf - fene Hertz, welches der HErr zuſammen haͤlt, befeſtiget, ſtaͤrcket, gruͤndet und voͤl - lig zurichtet, 1. Petr. 5: 10. Pſal. 86: 11. Der verborgene Menſch deß Hertzens in der Unzerſtoͤrlichkeit deß ſanfftmuͤthigen und ſtillen Geiſtes, der fuͤr GOtt koͤſtlich iſt, 1. Petr. 3: 4. Die durch den Glauben wun - derbarlich erlangte Veſtigkeit hindert, daß die Sinnen und Gedancken nicht mehr alſo wie zuvor leicht außſchweiffen oder verlauf - fen, auf der Erden zerflieſſen und ſich darin - nen verlieren, beſondern Chriſto anhangen, ein Geiſt mit ihme werden. 1. Cor. 6: 17. nicht mehr ſo zerſtreuet ſind, ſondern mit JEſu ſammlen. Luc. 11: 23. veſt wie Thuͤr - ne, Cant. 10: 8. alſo veſt gemacht durch den helffenbeinern Thurn Libanon in eine heilige Hartnaͤckigkeit und Beſtaͤndigkeit ge - ſetzet, geheiliget und neugebohren durch das Wort deß Dreyeinigen GOttes, Cant. 7: 5. da ein neues ſtarckes Weſen wider den Teuffel und ſein Reich in der Seelen ver - ſpuͤhrt wird, ja gegen alles, was widerChri -63CAP. III. §. 2.ſtum ſtreitet, und zur Hoͤllen abwerts leitet, das zuvor nicht erſchiene, ehe der Kaͤßlab deß lebendigmachenden Glaubens vom ewigen Schoͤpffer der neuen Welt, JEſu Chriſto hineingegoſſen ward; Ach wie Sorg ſolten wir darzu haben! zumalen alles Men - ſchen Werck und Wiſſen zerrinnet und ver - geht, GOttes Werck und Weißheit bleibet allein in Ewigkeit. Wer ſolte aber hiebey gedencken, daß nach ſolchem Wunderzei - chen noch Unreinigkeit in deß Hertzens Grund verborgen ſeyn ſolte, woruͤber gleich - wol alle Heiligen erbaͤrmlich klagen, damit es ihnen nun auch ſelbſt zu ihrer Demuͤhti - gung offenbar werde, wie alles vor denen Feuer-flammenden Augen bloß und ent - deckt iſt; Zu dem End wird das zweyſchnei - dig Schwerdt / (ſo vom Creutz Chriſti, als dem wohl-riechenden Baum deß Lebens ge - ſchnitzelt, in Buß-Thraͤnen gehaͤrtet an dem Heils-Felſen, und deſſen Jalouſie uͤber ſein Zion geſchaͤrfft iſt) dardurch gezogen, Seel und Geiſt, Gelenck und Marck von dem lebendigen und kraͤfftigen Wort GOttes zer - theilt, und die ſubtilſten Sinnen und Ge - dancken deß Hertzens gerichtet, und im Straff-Urtheil der Heiligkeit GOttes her - genommen, Hebr. 4: 12. da ſich denn noch ſo viel Unſauberes hervor thut, als Neid, Hoffarth, Unmuth, Luſt und Gefallen deßzeit -64Das Schweitzeriſche Canaan. zeitlichen Lebens, der Menſchen Gunſt, mancherley Anhang der Creaturen, fleiſch - liche Neigungen, Forcht und Unluſt der ſe - ligen Ewigkeit, eitele Begierden nach Din - gen, ſo man verlaugnet, die wieder under - weilen ſtarck auffſteigen, und dem Hertzen viel zu ſchaffen geben, eigene Gerechtigkeit, heimlicher Selbſt-Geſuch, Untreu und Verdammnuß-wuͤrdige Verſaumniß man - cher treuen Pflicht gegen GOtt und Men - ſchen, ſchandliche Leichtſinnigkeit, Vergeſ - ſenheit der Gegenwart GOttes, uͤbereilen - des Richten, Nachreden und Verkleinern anderer, und was dergleichen greulichen Gumpiſts mehr iſt, heimliches Vertrauen auf Wercke deß Geſaͤtzes, ſuͤſſe Empfindun - gen und ſonſt gute Ubungen, welche unzeh - liche Unreinigkeiten und Befleckungen deß Fleiſches und deß Geiſtes, ohne ſothane zer - ſchneidende Glaubens-Pruͤffung nicht ans Licht kommen, mithin nicht abgethan und weggeraumt worden waͤren.

Mit dieſem allem iſt der Handel noch nicht fertig, es muͤſſen noch tieffere Zerbre - chungen und Scheidungen vorgehen, auch von ſolchen Dingen, die wahrhafftig gut ſind, aber nicht als das beſte zu dieſem Haupt-Weſen und vollkommenen Willen GOttes gehoͤren, ſchließlich hierzu außge - dient haben, obſchon ſie in ihrem Grad gutſind65CAP. III. §. 2.ſind und bleiben, auch noch anderwertig wohl dienen koͤnnen: Wie klein, rein, frey von allem was nicht lauter GOtt iſt, abge - ſchieden, macht GOtt die Erſtlinge ſeiner Creaturen, ja nach ſeinem beſten Bilde ge - bildet, daran es ihm hauptſaͤchlich gelegen iſt.

Eine Probe iſt vorbey, die andere kom̃t ſchnell, das Hertz muß wiederum uͤber das Zubereitungs-Feuer, welches aber von Ehriſti Liebe allezeit gemaͤſſiget, leidenlich und angenehm gemacht wird. O wie iſt al - les ſo heilſam und erfreulich under der ſeli - genden guten Hand GOttes, wer ſich nur in ſeine Wege ſchicken, und ſeinem Thun gelaſſenlich nachgehen und nachſehen kan; zumal alles Leiden ein gar ſehr kleine Zeit waͤhrt, ja augenblicklich iſt, 2. Cor. 4: 17. nur ein halb Viertelſtund! Ey nicht ein Augenblick gegen dem ewigen Freuden - Triumph, daß man under ſo kurtzen, ge - ringen Leiden und vorbey rauſchenden Roͤ - then eine neue Creatur in GOtt worden iſt zu ewiger Beſitzung ſeines Reichs, ja kaͤck wie ein Pfeiler in ſeinem Tempel, Apoc. 3. welche Seligkeit man nicht gehoffet, noch ſich einicher maſſen haͤtte einbilden koͤnnen, ſo lang man ob dem Feuer der Anfechtung geſchwebt, allerwenigſt in der Stund der groſſen Verſuchung, da alles durch einan -Eder66Das Schweitzeriſche Canaan. der jaͤſet und brauſet, Fleiſch und Geiſt ſich mit einander uͤberwerffen, daß man bißwei - len nicht weißt, welches von beyden obſie - gen werde, gleichwie, wann einer nie nichts von der Sach gehoͤrt haͤtte, es ſchwerlich glauben wurde, daß auß der Milch ein ſo veſter daurhaffter Kaͤß ſolte werden, ſo we - nig als die in Oſt-Jndien begreiffen koͤnnen wie das Waſſer zu Eiß werden koͤnne: Hoͤ - rens doch ſo viele Jahr auß Jahr ein, daß GOtt auß dem Suͤnder einen Heiligen und Gerechten bey Leibes Leben auf Erden koͤn - ne und wolle machen, und glaubens den - noch die wenigſte leyder! Hat aber das ar - me gefallene Geſchoͤpff ſolche Geſchicklichkeit auß ſeinen Mit-Geſchoͤpffen ſo nutzliche Sa - chen hervor zu bringen, wer will denn GOt - tes Weißheit einſchrancken, was Er auß ſeinen Geſchoͤpffen machen koͤnne oder nicht, da Er Sich ſolches zu thun ſo manigfaltig erklaͤrt, und die erſtaunlichſten Anſtalten von Anbegin der Welt, ſonderlich durch Seine Zukunfft darzu gemacht hat; Pfuy dich dann du arme, zaͤnckiſche, unglaͤubi - ge Vernunfft, die GOtt immer ſeine Ehre und ſich dieſe Seligkeit abſpricht.

§. 3.

Die Apoſtoliſche Kirch hat den ſtaͤrckſten, reineſten Außguß deß H. Geiſtes von unſerm vollkommen gemachten Hohenprieſter empfan - gen. (Butter) Die grauſam beaͤngſtigte undſo67CAP. III. §. 3.ſo ſehr getruckte Kirch hat in ihrer zuſammen - haltenden Liebe und alles uͤberſtreitenden Ge - dult die meiſte Veſtigkeit bewieſen. (Kaͤſe) Die auß dem Feuer-Ofen Babel und Egyp - ten außgefuͤhrte proteſtirende Kirch bewahret nicht was ſie empfangen und gehoͤret hat, ver - laſſet beyde Lehre und Leben der ſeligen Refor - matoren, iſt ſehr uneinig, wo nicht in Wor - ten, doch im Hertzen; iſt kein guter Geruch Chriſti, 2. Cor. 2. denn um ihretwillen wird Sein Name gelaͤſtert unter allen Voͤlckern; Auß ihrem unergruͤndlich tieff verdorbenen Hertzen ſteigt ein bitterer, heßlich ſtinckender Rauch hervor, Apoc. 9: 2. deß Welt-Prachts, der Atheiſterey, deß Mißbrauchs der heiligen Lehre von der Rechtfertigung, davon die Son - ne der himmliſchen Wahrheit ſchwartz und fin - ſter wird und die Hertzen hart, duͤrr und grim - mig boͤß. (raͤſſer Ziger.)

ES iſt aber auch hierinn ein Bild der Kirchen-Zeiten; Der Butter iſt ein Bild der Apoſtoliſchen Kirch, da die edelſte, reineſte, herrlichſte Salbung als das Koͤſt - lichſte von dem Lamm GOttes, das Freu - den-Oel (der Butter iſt das Oel vom Vieh, und das Oel iſt der Butter von den Baͤu - men) dem menſchlichen Geſchlecht mitge - theilt worden in ſehr reichem Maaß, nach - dem die Milch deß Evangeliums ſo durch die Propheten gefloſſen, ſo viele hundert Jahr geſtanden, Joh. 4: 36-38. Und wie der Butter zur Speiſe und Artzney dienet,E 2alſo68Das Schweitzeriſche Canaan. alſo hat die heilige Salbung die wilden, har - ten Heiden GOtt ſuͤß, milt und wohlge - ſchmackt gemacht; auch ihre innwendige Hoͤlle abgekuͤhlet und außgeloͤſchet. Das Kaͤſen ſtellt vor das Feuer und den Truck, darunder die Kirchen lage, under den Heyd - niſchen, Arianiſchen, Antichriſtiſchen Ver - folgungen: Je mehr nun ein Kaͤſe von der Neidel hat, je fetter, angenehmer und koͤſt - licher er iſt, je weniger er davon hat, je ſchlechter iſt er; Gleicher maſſen je mehr ein Maͤrtyrer von der himmliſchen Salbung hat, je theurer iſt er, wann aber einer ſchon ſeinen Leib dargebe, daß er gebrennt wurde, und haͤtte die Liebe nicht durch die Salbung deß H. Geiſtes, der waͤre ein ſehr dummer, magerer Kaͤſe, den man keinem Fuͤrſten praͤſentiren doͤrffte; Darff ich dann die pro - teſtirende Kirch dem Ziger vergleichen? ſin - temal der Ziger ſich nicht lang auffbehalten laͤßt, alſo iſt die proteſtirende Kirch bald von ihrem erſten Eyffer abgegangen. 2. Han - get der Ziger nicht ſteiff an einander, glei - cher maſſen iſt die proteſtantiſche Kirch ſchon Anfangs under ſich zerfallen in zwey groſſe Stuͤcker, die Lutheriſche und Reformirte Gemeind, und dieſe wieder under einander zertheilt in viele tauſend Broſamen, da iſt vaſt nirgends eine lebendige Verbindung anzutreffen zu dem einigen Nothwendigen:Will69CAP. III. §. 3.Will mich aber, Weitlaͤuffigkeit zu vermey - den, auch nicht lang auffhalten, ſonderlich weil der ſelige Abend herbey ruckt, da die Apoſtoliſchen Zeiten wieder kommen, und noch weit groͤſſern geiſtlichen Uberfluß brin - gen ſollen nach Art der langen Sommer-Ta - gen: Hier koͤnnten wir auch die Erſtgebohr - nen in Jſrael und Jacob ſamt ihren Schaa - ren zeigen.

§. 4.

Der Glaube macht eine Scheidung in der Welt, Act. 14: 4. und 19: 9. und im Her - tzen, Hebr. 4. beurtheilt alle Lehre und Wer - cke, 1. Cor. 2: 15. Joh. 7: 24. bringt einen vollkommenen Tugend-Leib hervor, 2. Petr. 1: 5 -- 11. (Kaͤßlab) der mancherley Anfech - tung, Trangſal und Hertzens-Beklemmung außſtehen muß, 2. Tim. 3: 12. ſo aber zur Seligkeit mitwuͤrcket, Rom. 8: 28. Hebr. 12: 10, 11. 1. Petr. 4. Jac. 5: 11. Apoc. 7: 14. Gal. 6: 2. Neh. 1: 4. Dan. 9: 3. (Preſſe)

HIerinn erzeigt der Goͤttliche Glaube ſei - ne Krafft, daß er alles genau ſcheidet und zuſammen fuͤget, was zuſammen ge - hoͤrt, und einer jeden Sach den rechten Preiß und Werth gibt, auch jedwede Wuͤr - ckung in ihre Ordnung ſetzet, die ihr anſteht, dasjenige nicht Goͤttlich heiſſet, was pur menſchlich iſt, nicht lauter, was vermiſcht, nicht veſt und unzerſtoͤrlich, was fluͤſſig, vergaͤnglich, und dem Wechſel underworf - fen; Gleichs und gleichs geſellt ſich gern. E 3GOt -70Das Schweitzeriſche Canaan. GOttes Geiſt und Natur vereinigt das Hertz mit GOtt, und macht auß Chriſto und dem Menſchen einen Kuchen oder Kaͤß, wie Lutherus zu reden pflegt; Dargegen vereinbahren ſich falſche und unlautere Gei - ſter auch gar gern in ihren Sinn under ein - ander, der Glaub aber fellt von allen Sa - chen und Perſonen ein ſolch Urtheil, das nicht getadelt werden darff. Wann nun die neue Creatur hervor gebracht, und in allen Stucken zum Stand kommen iſt, alſo daß eine Tugend, Geiſtes-Krafft zur andern gefuͤgt iſt, die Seel in allen Stucken reich gemacht, das Zeugnuß von Chriſto inn - wendig befeſtigt, und kein Mangel mehr iſt an irgend einer Gaab oder Gnad, alßdann kommt der Menſch erſt recht under die Preſ - ſe, under den Muͤhlſtein Babylon, da lehr - net er allererſt fremden Laſt tragen, als ſei - nen eigenen, ſolche mit Chriſti mitleidigem Sinn beſeligte und under ſeinem Liebes - Joch eng eingethane Seelen empfinden recht lebendig die Noth der Chriſtenheit, ihr hoͤch - ſtes Anligen iſt der traurige Verfall Zions, ſo ihnen wie ein Stein auf dem Hertzen ligt, neben andern unzehlichen Bedruckungen, ein jeder Tag hat ſeine eigene Plag, ja es ge - het ſchwerlich ein Stund ohne heimlichen Truck vorbey, alles aber zu groͤſtem Nutz und Vortheil auf die Ewigkeit, ſo weit, daßeinem71CAP. III. §. 4.einem eingejochten neu-geſchaffenen Chri - ſten kein Finger wehe thun, kein Leiden be - ſtuͤrmen kan, darauß ihme nicht ein Zuſatz und Befeſtigung erwachſe zur Beſtaͤtigung, Bewahrung und Vollendung deß herrlichen Lebens JEſu in ihm, welches eben durch dieſes Mittel verewiget wird, zumalen die außharrende Gedult ein vollkommen Werck biß ans Ende hat, und den Lebens-Krantz nach der Bewaͤhrung empfahet; Eine heili - ge Seel hat mir einmal geſagt, ſie ſeye in ſo harter Preſſe, als ob ſie in einem Nuß - Klemmer waͤre, Jac. 1. Pſ. 71: 20. O ja GOttes ſchwere Hand, deß Teuffels Arg - liſt, der Welt Feindſeligkeit und deß Her - tzens Neigung auf die ſchlimme Seite ſetzen einen bekehrten Menſchen in manches heiſ - ſes Schweiß-Bad, dardurch er aber nur von ſubtiler Eigenheit und Erhebung uͤber andere (wie der Kaͤß von der Sirbenen) entlaſtet und allezeit um ſo viel leichter wird; Allerdings, gleichwie die waͤſſerige Feuch - tigkeit, wo ſie nicht wohl außtropffete, dem Kaͤſe ein Faͤulniß verurſachete, und vor der Zeit verderben wurde, daß er zu nichts nutz und alle Muͤh verlohren waͤre; Alſo muß der neu-gebohren Geiſt innig genug gereini - get werden, von allem heimlichen Neyd und Rachgier, eigenen Recht, Weißheit und Frommkeit, welches alles ohne denE 4Lei -72Das Schweitzeriſche Canaan. Leidens-Truck verborgen geblieben waͤre, alles Gute allgemaͤchlich angeſtecket, und in die Verweſung gebracht haͤtte, alſo daß der nicht tieff genug gelaͤuterte Menſch in GOttes gerechten Gericht mit allem ſeinem Thun zuſchanden worden waͤre, dagegen in der Angſt manches Unſaubere und Frem - de hervor kommt, das man niemals in ſich geſucht haͤtte, als zum Exempel: hohe Ein - bildung auf ſeine Verdienſte, Neid gegen andere, auch nachdem man deß Tages Laſt und Hitze getragen, Matth. 20: 11, 12. Wie mancher bildet ſich in der Freyheit und geiſtlichen Wohlfahrt hohe Dinge ein, wie rein ſeine Liebe zu GOtt ſeye, ohne einige Abſicht auf Vergeltung, aber in der Anfech - tung, wann GOtt auf Prob ſetzet, da entdeckt ſichs, wie uͤbel man zufrieden ſeye, als ein nichtswerther Suͤnder von GOTT tractirt zu werden, und von allen heimlich gemachten Pretenſionen gaͤntzlich abzuſte - hen; will geſchweigen anderer ungetoͤdeter im Grund ſchleichender Neigungen, die ſich zur Prob-Zeit blicken laſſen; Worinnen die Treu und Guͤte GOttes unendlich iſt, daß Er Laſten aufflegt, auf daß Er die Ei - genheit offenbar mache, außpreſſe, und den Menſchen zum unvergaͤnglichen, unbefleck - ten und unverwelcklichen Erbe und zur rein - ſten Mittheilung deß H. Geiſtes im Him -mel -73CAP. III. §. 5.melreich tuͤchtig mache: Auf dieſem untude - lichen Liebes-Wege GOttes verweſet der aͤuſſerliche Menſch und verneuert ſich der in - nere von Tag zu Tag. 2. Cor. 4: 16.

§. 5.

Das Leiden iſt bald vorbey, 2. Cor. 4: 17. Pſ. 30: 6. Die darunter außgewuͤrckte Herr - lichkeit beſtehet fuͤrnemlich in dem wiederge - ſchenckten Bilde GOttes, wodurch ein Menſch denen vollkommen gemachten Geiſtern der Pro - pheten, Patriarchen und Apoſteln zugeſellet wird. (Der außgepreßte, in rechte Form ge - brachte Kaͤß in Speicher gethan zu denen an - dern Kaͤſen) 1. Joh. 1: 3. Jn welcher Ge - meinſchafft der ſo hoch begnadete Menſch den Ernſt GOttes wider alles Boͤſe erfahren muß, ſo lange biß er gereiniget iſt, wie JEſus rein iſt und das gantze Geſaͤtz, alle Gebotte GOt - tes in die Taffeln ſeines Hertzens eingeſchrie - ben ſind, ſo eine langwierige, ſchmertzliche Arbeit iſt, da der vom Wort der Wahrheit gantz eingenommene Menſch allererſt dem Hauß-HErrn nutzlich und zu allen guten Wer - cken bereitet iſt. (Der 10. oder 7. Wochen lang geſaltzene Kaͤſe.) Lev. 10: 3. 1. Koͤn. 13: 26. 1. Joh. 3: 3. Jer. 31: 33. und 32: 39, 40. 2. Cor. 3: 3. Matth. 11: 12. Luc. 13: 24. Marc. 9: 42. Act. 14: 22. 2. Tim. 2: 21.

AUf ſothane Demuͤhtigung under die gewaltige Hand GOttes folget die Erhoͤhung, 1. Petr. 5. die Seel wird nicht ein Minuten laͤnger under der truckenden Angſt und Kampff gelaſſen, als es ihr nutzE 5und74Das Schweitzeriſche Canaan. und noth iſt; Sihe das Lied: Meine Sor - gen, Angſt und Plagen, ꝛc. eben wie der Kaͤß zur rechten Zeit auß der Lade genom̃en, und in Speicher gethan wird, alſo wird die Seele auß aller Bedraͤngniß der Anfechtun - gen, und auß aller Gefaͤngniß der Suͤnden und deß Todes erhoben, in eine naͤhere Ge - meinſchafft mit dem hoͤheſten Gut hineinge - zogen, mit dem Wandel im Licht gecroͤnet, zum heiligen Ebenbild GOttes erhoͤhet, wel - ches ein Hoheit iſt unbeſchreiblich weit uͤber alle koͤnigliche Thronen, ſie wird hinzu ge - than zu dem Hauffen der ſeligen Seelen, und in eine Summ zuſammen gerechnet mit der Gemeind der Erſtgebohrnen, Hebr. 12. Epheſ. 1: 10. O ſelige Seele, an deren JEſus ſein taͤgliche Freude und Erquickung hat, und welche Er als der Maͤchtige bey - geleget hat zu Seinem uͤbrigen Eigenthum, ſie zu bewahren biß an jenen Tag, 2. Tim. 1: 12. Hier iſt der Menſch GOttes Hauß - Genoß worden, und ein Mit-Burger der Heiligen. Eph. 2. Hier wird er taͤglich be - ſucht, und wird nach ihm geſehen, er wird auch von ſeinem Eigenthums-HErren der ewigen Weißheit deß Vatters mit dem Saltz Seiner heiligen, reinen Natur beſtreuet zur Unverweßlichkeit 10. Wochen lang biß zur vollkommenen Einreibung und Einſchrei - bung deß gantzen Liebes-Geſaͤtzes und allerGebot -75CAP. III. §. 5.Gebotten Chriſti; Allerdings iſt das die endliche Frucht aller von der Suͤnd frey Ge - machter und GOttes Eigenthum Gewor - dener, gantz und gar durch und durch gehei - liget zu werden, damit ihr gantzer Geiſt ſamt der Seel und dem Leib unſtraͤfflich bewahrt werde auf die Zukunfft unſers HErrn JEſu Chriſti, 1. Theſſ. 5: 23. Hier halten aber - malen wenige auß, meiſt iſt man mit einem Koͤrnlein Saltzes zufrieden; weilen es beißt, taͤgliche Abſterbung macht Schmertzen, im Kampff der Suͤnd biß aufs Blut widerſte - hen, Hebr. 12. So offt ſich ein Suͤnden - Wuͤrmlein regt, das Saltz flugs einreiben, iſt der leichtſinnigen Natur ſehr ſchwer. Ein nicht genug geſaltzener und dannenher ver - dorbener Kaͤß, der ſtinckend und voll Wuͤr - me, iſt nicht wieder zurecht zu bringen, da - rum iſts gut allezeit Saltz bey ſich haben. Marc. 9: 49. dardurch werdet ihr zu kraͤff - tigen, ſchmackhafften Speiſen, und ma - chet euch mit Offenbahrung der Wahrheit angenehm bey allen Gewiſſen der Menſchen fuͤr GOttes Angeſicht, 2. Cor. 4: 2. alſo werden euere Reden und Geſpraͤche nicht kalt und leer abgehen, ohne nehrende Gna - de zu geben denen, die da zuhoͤren, ſondern wie das Saltz durchdringt, alſo werden eue - re Worte als die Stimm der in euch woh - nenden und durch euern Mund ſchallendenund76Das Schweitzeriſche Canaan. und hellenden himmliſchen Weißheit den Leuten zu Hertzen gehen und die Seel durch - dringen. Ein Chriſt iſt zwar nicht verſal - tzen, allzuraͤß, hefftig, hitzig, partheyiſch, ſchaͤdlich, aber doch ein in rechter Maas ge - ſaltzener Kaͤß, der nicht nur Milch in ſich hat vor die Laͤmmerlein, ſondern Wein und Saltz eines Goͤttlichen Eyffers und Ernſt - hafftigkeit andern zur Erquickung im Tod JEſu Chriſti, und zur Heiligung durch ſei - nen Geiſt, auf daß ſie geſtaͤrcket und kraͤff - tig gemacht werden allen Schaden, Schmer - tzen und Schmach zu verdaͤuen, wie ein gu - ter, geſunder Kaͤß zur Daͤuung hilfft.

Wie der Ziger gemacht wird.

Die uͤbergebliebene Kaͤß-Milch wird wieder uͤbers Feuer geſtoſſen, und laͤßt man ſie erwallen, hierauf ſchuͤttet man kalte Kaͤß-Milch under die heiſſe; Hernach gießt man Milch-Eſſig ſo viel noͤthig, hinein, davon ſich die Milch zum zwey - ten mal ſcheidet in Ziger und lautere Schotten, Jener wird herauß gezogen, in ein Jerb gethan; wie der Kaͤß, auch mit einer Gewicht, doch nicht ſo ſtarck, wie der Kaͤß beladen, und nachdem er auß der Lag genommen, geſaltzen, an den Rauch geſtellt, biß er eßbar wird. Dieſe nemlich Schot - ten wird außgeſchoͤpfft, alles Geſchirr mit geſaͤu - bert, gewaͤſchen, zuletzt den Schweinen zu ſauf - fen geben.

Hier bin ich abermal ſehr alber und voll -kom -77CAP. III. §. 5.kommen unverſtaͤndig, wie ichs auf dein Gnaden-Werck HErr mein GOtt verglei - chen ſoll, dann wie ſolte ich groſſer Thor et - was wiſſen! Drum gib mir mein HErr JEſu Chriſte! was ich ſchreiben ſoll zu Ver - herrlichung deiner Guͤte, und zu deß Leſers wahrem Frieden und Seligkeit.

§. 6.

Der H. Geiſt formiret durch den Glauben die Liebe GOttes im Hertzen. (Kaͤſe) Er gibt aber auch noch andere Evangeliſche Gebot von der Liebe deß Naͤchſten, wodurch dieſe gleich darauf gewuͤrckt wird in denen Bekehrten und Gerechtfertigten (Ziger) welche Naͤchſten Lieb nicht anders als durch taͤgliche Buß vor Alte - rirung, Verſtuͤmmelung und allem Unreinen verwahret werden mag; Zu welcher ſteten Buß der Menſchen Widerwertigkeit und das eigene Elend nicht wenig antreibet (Truck-Stein) allermeiſt dienet zu Erhaltung der reinen Naͤch - ſten-Liebe die unermuͤdete, Seel-durchdrin - gende Zucht deß H. Geiſtes (Saltz) ebenfals das Gebett und der Leuten Unverſtand (Rauch) nicht wenig beytragt: Endlich dienet eines Chriſten Thun und Laſſen ſelbs in Welt-Haͤn - deln zu einicher Erbauung, alſo daß die fre - cheſte Leute durch oͤfftern gemeinen Umgang mit ihnen, zaͤmer, geſchmeidiger und von gro - ben Laſtern etwelcher maſſen gereiniget werden, und ſonſt ihnen viel Gutes durch ſie wieder - fahret. Pſ. 105: 22. und 149: 8. 1. Sam. 19: 23, 24. (Ziger-Schotten).

HIermit wird uͤberhaupt gezeigt, daß an einem Chriſten, der auß dem Evan -gelio78Das Schweitzeriſche Canaan. gelio gezeuget worden nichts Untaugliches ſeye; Die neue Creatur, das Goͤttliche Bild, der Sinn Chriſti als ein Nachwerck und Nachfrucht der himmliſchen Salbung deß Geiſtes iſt zwar das vornehmſte; dahin die Abſicht meiſt gehet, eben wie der Kaͤß auf den Butter folgt, alſo iſt das Leben Chriſti und die Grund-Feſte der Hoffnung, die erſte und koͤſtlichſte Frucht deß Glaubens, die Liebe GOttes / ſo in allen Ewigkeiten unverſehrt und veſt bleiben ſoll, iſt das er - ſte, ſo der Glaub vermittelſt ſeiner ſcheiden - den und außgebaͤhrenden Krafft auß der Milch der Erkanntnuß der Evangeliſchen Wahrheiten hernimmt, bildet und formirt zu einer Subſtantz und Weſen, ſo zuvor nicht erſchienen, nunmehr eine Geſtalt ge - winnt zu einer ſeligen, unwanckelbaren Neigung nach GOtt. Auß denen uͤbrigen Evangeliſchen Wahrheiten wird die Liebe deß Naͤchſten zubereitet, und gleichſam auß verſchiedenen Tugenden, als Gerech - tigkeit, Guͤtigkeit, Wahrheit, Freund - lichkeit, Sanfftmuth, Gedult, Keuſch - heit zuſammen gepackt durch die Liebe als das Band der Vollkommenheit, ohne wel - ches alles in Stuͤcker zerfiele, in Eigennutz, Ubervortheilung, Argwohn, heimliche Nachreden, Partheylichkeiten, Rotten, Sectierereyen und Spaltungen; DieſeWahr -79CAP. III. §. 6.Wahrheiten von einem unſtraͤfflichen, un - anſtoͤſſigen, liebreichen, friedfertigen und erbaulichen Umgang mit jedermann muͤſſen durch die feurigen Wuͤrckungen deß H. Gei - ſtes im Hertzen erwarmen biß zum Auffwal - len und brauſenden Verlangen nach deß Raͤchſten zeitlichem und ewigem Wohlſeyn, doch damit die fleiſchliche Natur ſich nicht darunder menge mit unreiner Liebe und un - geziemendem, ſchmeichleriſchen oder abgoͤt - tiſchem Ankleben, ſo muß dieſe neben auß - lauffende Hitz in Schrancken behalten und gedaͤmpffet werden, durch unverweilte Vor - ſtellung deß kalten Todes-Schweiſſes und kuͤhlen Grabs, dann ſo bald man ſeinen und deß Naͤheſten Leib ſich als ein Geruͤffel vor - ſtellt, und beyderſeits nackenden Geiſt vor GOttes Richterſtuhl ſihet, O da wird einem alle Fleiſches-Liebe zum greßlichſten Eckel, und bleibet die vom Heil. Geiſt entzuͤndete bruͤnſtige Liebe rein, Goͤttlich, Engliſch und durchauß heilig, ſo weit, daß einem ein kalter Schauer durch die Seel gehet, wo man nur daran gedencket, daß man ſo un - verſchamt und unſinnig ſeyn ſolte, ſolche ſe - lige, himmliſche Gaab der Liebe mit Flei - ſches-Sinn zu beflecken, welchem Ubel grundlich zu wehren nichts richtigers als der ſtuͤndliche Buß-Kampff, ſo das Wort ſtiff - tet, welcher zwar den Menſchen ſo ſauer an -kommt80Das Schweitzeriſche Canaan. kommt als Eſſich; hat aber dieſen Nutzen, daß er das Zeitliche vom Ewigen ſcheidet, zeitlichen Luſt, Vergnuͤgungen, Plaiſirs, Menſchen-Gefaͤlligkeiten von der in Ewig - keit bleibenden, und auf ewiges wohl abzie - lenden Goͤttlich reinen Liebe deß Naͤchſten, welche der Hauß-Vatter zum Gebrauch der Haußhaltung wohl herauß zu ziehen weißt, und damit ſie nicht nur etwas ſtuͤcklich ſich da befinden, in einen Tugend-Leib zuſam - men zu packen, anbey auch alles, was zur Naͤchſten-Lieb gehoͤret durch heilige Umzaͤu - nung und wachtbare Auffſicht bey einander zu behalten under dem Geſaͤtz Chriſti, daß nicht hie ein Stuͤck, dort ein Stuͤck, hie die Sanfftmuth, dort die Guͤtigkeit davon wegfalle, und der Tugend-Leib geſtuͤm̃elt werde, und nicht einerſeits der ernſthaffte Eyffer wider das Boͤſe, anderſeits die ver - tragſame Gedult und Verſchwiegenheit feh - le. Damit aber alles zu heiliger, untadeli - cher Auffuͤhrung gegen dem Naͤchſten ins Werck komme und die Prob wohl halte, ſo muß die Empfindung deß ſelbſt eigenen Ver - derbens und die Forcht der dardurch wohl - verdienten Urtheilen GOttes als ein gutes Gewicht den ſchwuͤlſtigen, unleidſamen Sinn niedertrucken, und aller Auffblaͤhung wehren; auch der Laſt mancherley Reitzun - gen zum Zorn, Unmuth, Eckel, Aberwil -len81CAP. III. §. 6.len oder auch zu außgelaſſener Uppigkeit deß Fleiſches das Hertz im Kampff fein muͤrbe machen biß der Truck auffhoͤrt, die widerwaͤrtige Geiſter und Humoren in ſich gehen, und mit ſchmertzlicher Reu erken - nen, daß man dieſen und jenen Frommen doch genug geplagt habe, und man ſie nach - werts eben ſo hertzlich lieb gewinnet, als bitter man ſie ehemals angefeindet; Dabey dennoch das beiſſende, waͤrmende und ſtaͤrckende Saltz deß beſtraffenden, ermun - terenden und ohne Underlaß zur Beſſerung arbeitenden heiligen Geiſtes nicht außbleibt, ſo lang noch Kaltſinnigkeit, Abkehr, Em - pfindlichkeit oder fleiſchliche Neigung und ſonſt was unrechtes uͤbrig iſt, dardurch der Tugend-Leib der Menſchen-Liebe ge - ſchaͤndet und verwerfflich gemacht werden koͤnnte. Auch muß der Rauch das beſte hiebey thun, nemlich das immerwaͤhren - de Gebaͤtt, welches von der Gluth der Liebe GOttes zur Stund der Anfechtung als ein koͤſtlich Rauchwerck auffſteigt und die verderbliche Feuchtigkeit der ſuͤndlichen Eigenliebe außtroͤcknet; Jndeſſen entſtehet der Rauch auch von Außduͤnſtung deß Hol - tzes, ſo durchs Feuer erregt wird, und iſt ein Bild ſtrenger, beiſſender und außzeh - render Verfolgungen, ſo vom hoͤlliſchen Zorn-Feuer in hoͤltzernen mit der Welt -FLiebe82Das Schweitzeriſche Canaan. Liebe angefeuchteten Menſchen, wider die ſo gottſelig leben wollen in Chriſto JEſu, erreget wird, wordurch rechtſchaffene Chri - ſten gegen alle Proben zur ewigen Daur - hafftigkeit gehaͤrtet werden; Alles under der eingefloͤßten Krafft der Leiden Chriſti, demnach zum Dienſt deß Naͤheſten geheili - get, dem Hauß-HErrn nutzlich, und zu allen guten Sachen bereitet. 2. Tim. 2: 21. hier dem gantzen Geſind der ſtreiten - den Kirchen zu Dienſten, dort der trium - phirenden Kirch zur Freud und Wonne. Die zuletzt uͤbergebliebene Schotten kan ein Bild ſeyn der aͤuſſerlichen Beruffs-Ge - ſchaͤfften, Lehren, Ermahnen, Helffen, Regieren, Arbeiten und aller aͤuſſerlichen Verrichtung zum Nutzen der menſchlichen Geſellſchafft, dardurch die Ruhe deß ge - meinen Weſens erhalten, und wenigſtens von groben Außbruͤchen geſaͤubert wird, daß es ſchoͤn und reinlich im Hauß-Weſen und auch zu Stadt und Land außſehe: ja gar auch rohe Thier Menſchen haben der Weißheit, wohlthaͤtigen Liebe und arbeit - ſamen Dienſtfertigkeit der Chriſten in allen Staͤnden zu genieſſen.

CAPUT83CAP. IV.

CAPUT IV. Von der Nahrung, Handthierung, auch geiſtlichen und leiblichen Vorthei - len dieſer beyden Landſchafften.

DIe Nahrung iſt wie es die heiligen Pa - triarchen vor altem und das geliebte Volck Jſrael im Land Canaan hatten; ſie ſehen Stroͤme, Fluͤſſe und Baͤche von Ho - nig und Butter: Job. 20: 17. ſie koͤnnen ihre Gaͤnge im Butter waͤſchen, Job. 29: 6. ſie koͤnnen ihren Gaͤſten auf den Tiſch ſtellen, was der groſſe Ertz-Vatter Abra - ham dem lebendigen GOtt. Gen. 18: 8. ihre Kinder habens eben ſo gut, als Jm - manuel, GOtt im Fleiſch geoffenbahret. Jeſ. 7: 14, 15. der Segen deß Meſſiaͤ tropffet uͤber ſie, indem ihre Zaͤhne weiß ſind von Milch. Gen. 49: 12. und was Jael dem Feld-Herren zu trincken gege - ben, das haben ſie haͤuffig, Jud. 4: 19. und Ziegen-Milch habt ihr genug zu eue - rer Speiſe, Prov. 27: 27. Syr. 39: 30. worzu JEſus ſeine Braut einladet, und wormit er ſeine Augen waͤſchet, Cant. 5: 1-12. Das iſt reichlich bey euch zu fin - den: Butter und Kaͤß, ſo in Jſrael ein koͤniglich Geſchenck ware, 2. Sam. 17: 29. ſo auch David dem Oberſten im Heer -F 2Laͤger,84Das Schweitzeriſche Canaan. Laͤger Sauls gebracht: 1. Sam. 17: 18. das iſt euer groͤſter Reichthum. Als ein - mal Margraff Spinola Printz Moritzen von Uranien die Pomerantzen und Citronen zeigte, ſagend, er ſollte ſehen, was Spannien fuͤr ein Land waͤre, denn ſolche Fruͤchte koͤnnten ſie alle Jahre zwey mal haben, ſetzete der kluͤge Herr ih - me einen Hollaͤndiſchen Kaͤß auff, und ſagte, er ſolle ſehen, was Holland vor ein Land waͤre, dann ſolcher Fruͤchte koͤnnen ſie deß Tags zwey mal haben. Was ſagt ihr hie zu meine Freun - de, iſt euch dieſes Gluͤck nicht auch beſcheert vom Geber alles Guten; O daß ihr auch alſo euern Geiſt und Seel taͤglich GOtt uͤbergebet zu bear - beiten, inſonderheit deß Morgens und deß Abends, welchen Reichthum wurdet ihr nicht ſammlen vor die Ewigkeit. Wormit ihr Euch auch zugleich nicht nur Schaͤtze auf Erden, ſondern im Himmel ſelbs ſammlen koͤnn - tet, wann ihr das darauß geloͤßte Gelt wohl anlegtet zu ſorgfaͤltiger Erziehung der Jugend, ſonderbar der Waͤyſen in der Erkanntnuß der Wahrheit zur Gottſelig - keit, und worzu ſie etwan Gaaben von GOtt moͤchten empfangen haben, zur Eh - re GOttes, zum Nutzen der Kirchen und deß Vatterlands. Das Gelt koͤnnte fer - ners Chriſto geheiliget werden in Verſor - gung anderer Leib - und ſonderlich geiſtli - cher Angelegenheiten und Beduͤrffniſſen in denen ſo ſchoͤnen Volck-reichen Gemein - den, biß ſie eine Fried - und Freuden-rei -ches85CAP. IV. ches Luſt-volles Eden GOttes wurden voll geiſtlicher Wein-Stoͤcken, Myrthen, Feigen-Granat-Apffel-Baͤumen himm - liſch-gearteter Chriſten, unter welchen die hochheilige Dreyeinigkeit ihre Zelten auff - zuſchlagen geluſtete als in dem erwuͤnſchte - ſten Paradys; Alſo wurde das einkom - mende Gelt wie das reineſte Jeruſalems - Gold und Silber-helle blincken, ſchim̃ern und glaͤntzen in der ewigen Licht-Welt; da es ſonſt, wann es zur Luſt-Sucht und Unmaͤſſigkeit verſchwendet, oder auß Geitz in Kaſten, ja ins Hertz verſchloſſen wird, mit dem albern Beſitzer ins Verderben kommt, und wann die Erde, als die Mut - ter aller irrdiſchen Schaͤtzen verbrennet, auch deß ewigen Feuers Pein leiden muß. O wie ſelig koͤnnte das Land werden, wann JEſus der HErr Himmels und der Er - den, darinnen allein geliebet und mit voll - kommenem Hertzen bedienet wurde, auch alles erworbene Gelt zu den Fuͤſſen ſeines Throns geleget wurde: Der Gelt-Ver - liebte mercke nur, daß in der Hiſtorie der ſeligen Ertz-Vaͤttern keine Meldung ge - ſchiehet von ſo vielen tauſend oder hundert tauſend Pfunden, die ſie beſeſſen, weilen ſie in jener goldenen Zeit ihre Vieh-Zucht hoͤher hielten als alles Gold und Silber. Der liederliche Schwelger aber mercke,F 3daß86Das Schweitzeriſche Canaan. daß die Patriarchen ſelten Wein getrun - cken und daß der reiche Abraham ſeinen ſo vornehmen Gaͤſten keine Wein-Kan - nen dargeſtellt, Gen. 18. und wegen die - ſes ihres ſo nuͤchtern Lebens ſind ſie wie Daniel und Joſeph zur Goͤttlichen Weis - heit kommen, und haben ein ſehr hohes Alter bey ſtarcken geſunden Leibs-Kraͤff - ten erreichet, und ſind voll Heil. Geiſtes worden, Eph. 5: 18. Prov. 20: 1. 21 : 17. 23 : 19-21, 29-35. ſie brauchten ihn als eine Artzney vor alte, ſchwache, betruͤb - te, Gen. 27: 25. Prov: 31: 6, 7. 2. Sam. 16. GOtt drohet den Wein-Saͤuffern ſchroͤckliche Gerichte an, Jeſ. 5: 11, 12, 22. und 22: 13. Amos 2: 8. und 6: 6, 7. Jhr treibet groſſen Gewerb mit Wein, wie Da - maſcus mit Tyro, Ezech, 27: 18. Da ihr bey wenigerm Wein geſuͤnder und gluͤck - ſeliger waͤret; Haben doch die Kinder Jſ - rael 40. Jahr lang keinen Wein getrun - cken, und ſind deßwegen nicht erkrancket, Deut. 29: 6. Habe einsmal mit Erſtau - nen gehoͤrt, vor wie viel tauſend Thaler Kaͤſen eintzele Gemeinden in dieſer Land - ſchafft verkauffen, und daß vaſt alles wie - der um Wein weggegeben werde, welches ich auß Liebe zu dieſem ſchoͤnen, geſegneten Land hertzlich bedaurete. O wie hochge - benedeyet waͤret ihr taͤglich, wann ihr un -erſaͤtt -87CAP. IV. erſaͤttlich begieriger waͤret nach dem Wein der Gnad, der Liebe, deß Lebens, der Freude im H. Geiſt, vom neuen Gewaͤchs deß Weinſtocks, den JEſus mit den Sei - nigen trincket in ſeines Vatters Reich, und euch alle Tag anbietet, Prov. 9: 5. Cant. 1: 2. und 5: 1. Jeſ. 25: 6. und 55: 1.

Worinnen ſonderlich euer groſſer geiſt - licher Vortheil beſtehet vor ſo vielen Koͤnigreichen und Voͤlckern under dem Himmel auß, die nicht ſo lieblich durchs Evangelium zur koͤniglichen Hochzeit ein - geladen werden; Fuͤrnemlich aber habt ihr Berg-Leute einen unvergleichlichen Vor - theil uͤber diejenigen, ſo Aecker und Wein - Reben zu bauen haben, zumalen ihr nicht mit ſo harter Arbeit und Bekuͤmmerniß belaſtet ſeyd; Jch halte nicht, daß Adam im Stand der Unſchuld, beſtellt das Para - dys zu verwahren, weniger zu thun gehabt als eben ihr; Auf ſolchen Weyd-Bergen ſind die herrlichſte Offenbahrungen GOt - tes geſchehen; Alſo daß auch nur dero bloſſes Angedencken euch bey euern Pfer - chen einen heiligen Schauer einjagen ſolte; Wovon etwas in einer Zuſchrifft an die Toggenburger in einem Tractaͤtlein, deſ - ſen Titul Weynachts-Gedancken vom 84. biß 94. Blatt nachzuſehen waͤre: Und kan ich nicht begreiffen, wie die HeydniſcheF 4Greuel,88Das Schweitzeriſche Canaan. Greuel, allermeiſt mit denen ſo genannten Berg-Doͤrffen unter dem heitern Licht deß Evangeliums haben koͤnnen entſtehen; Ach was wird der allgemeine Richter da - von urtheilen am juͤngſten Tag; Es iſt im - mer und ewig ſchad, daß ihr den goldenen Vortheil euerer ſtillen, ruhigen Lebens - Art nicht beſſer anzuwenden wiſſet, um in GOTT recht verliebt zu werden, und den Stand ſeiner geheimen Hertzens - Freundſchafft zu erlangen, der euch eben ſo wol offen ſtuhnde als denen heiligen Propheten und ſeligen Patriarchen; da - zu ihr auch mit einem feinern und ſubti - lern Verſtand und geſchickterer Beredtſam - keit begabet ſeyd, als die Einwohnere der andern Gegenden.

Die leibliche Vortheile ſind gleicher maſſen nicht gering, denn von denen ungemein groſſen und edlen Freyheiten nichts zu ſagen, da ſie von Aufflagen, Zins und Zehnden nichts wiſſen, und faſt lau - ter Freyherren ſind, ſo koͤnnen ſie alle Noht - wendigkeiten ja Niedlichkeiten auß denen gantz nahe gelegenen warmen und frucht - baren Revieren durch wochentliche Zufuhr gemaͤchlich und wohlfeil haben; Alſo daß ſie hierinnen mit Holland eins ſind, nicht nur in dem, daß ſie ihre Kaͤſe und Butter haͤuffig verfuͤhren und verkauffen, ſondernauch89CAP. IV. auch indem faſt nichts als Graß bey ihnen waͤchst, und gleichwol haben ſie alles im Uberfluß, Trauben und allerley koͤſtliche Fruͤcht und Sachen. Habe eine Weile zu - vor Kirſchen dort gegeſſen, ehe ſie um Bern herum reif geworden. Sie haben zwar auch einiche Kirſch-Baͤume in ihrem Land, ſo dieſes Jahr reichlich getragen, aber erſt ſpath hinauß im Sommer zeitig werden, und eben deßwegen deſto ſeltſamer und koͤſtlicher gehalten werden, weilen man zu der Zeit nirgends keine friſche mehr hat. Ja ſie uͤbertreffen das Welt-beruͤhmte Hol - land in einichen Stucken einmal wegen denen ſchoͤnen friſchen Waſſer-Bruͤnnen, die auß denen Huͤgeln mit lieblichem Ge - raͤuſch hervor quillen; ja auch wol etwel - che Waſſer-Baͤche, die auß hohen Felſen mit einem Silber-hellen Fluth-Sturtz aufs anmuhtigſte ſich ergieſſen, und die ſchmackhaffteſten Fiſche denen Einwohnern anbiethen; Dagegen ein Hollaͤnder, der nie auſſert Lands geweſen, nicht begreif - fen kan, wie Brunnen ſeyn koͤnnen, die ſtets ohne Auffhoͤren Tag und Nacht friſch, lauter Waſſer außgeben und einſchencken. Weiters gehet euere Landſchafft Holland vor, wegen der Menge deß Bau - und Brenn - Holtzes, das euch nicht nur vor die Thuͤr gefuͤhret wird, ſondern unweit von euernF 5Woh -90Das Schweitzeriſche Canaan. Wohnungen wachst, welches euch zum Kochen, Backen, Heitzen, Kaͤſen und uͤberall ſo dienlich iſt; Was das Holtz vor eine koͤſtliche Gaabe GOttes ſeye, erken - nen die Voͤlcker, die um ein Pfund Holtz einen Groſchen bezahlen muͤſſen, und da es eine ſo theure Waare iſt, daß einer faſt mehr ums Holtz als ums liebe Brodt zu ſorgen hat, ſonderlich zur Winter-Zeit: Die allerfuͤrnehmſte Fuͤrtrefflichkeit aber uͤber Holland iſt das ruhige, ſtille, ſanff - te Weſen, der Berg-Lufft inſpirirt gleich was uͤberauß angenehmes, und ziehet gar ſuͤſſiglich zur Einkehr in GOtt und in die Ewigkeit, wo nur ein anfaͤnglich ſchwa - ches Sehnen nach dem Himmel der Ge - meinſchafft GOttes ſich im Hertzen ruͤhret. Als mir das erſte mal die hoch-gruͤne Wie - ſen euers offenligenden weiten Sanen - Thals ins Geſicht kamen, fuͤhlete ich in mir ein unvergleichlich Wohl, und wunſch, daß alles darinnen mit denen Fruͤchten deß Evangeliums Chriſti erfuͤllet werden moͤchte. Hallelujah. Jſt ein entſetzlich zerſtreuendes Welt-Getuͤmmel auf Erden ſo iſts in Holland. Jſt ein Berg Carmel, Libanon, ja ein Berg Chriſti, da edles Graß iſt, Joh. 6: 10. Sind an einem Ort in der Welt die Stille, abgelegene Oerter der ſeligen einſamen eines Antonii, Baſilii,Maca -91CAP. IV. Macarii, Hilarionis, Arſenii, Hierony - mi zu finden, ſo iſts in denen Milch - und Honig-flieſſenden Gebuͤrgen euer Land - ſchafft: Der Unterſcheyd iſt, daß hier groͤſ - ſere Sicherheit iſt vor Raͤubern und wil - den Thieren, daß man auch theils Orten wie berichtet bin, im Afflentſchen herum die Schaaffe biß in Winter hinein ohne Sorgen in Waͤldern lauffen und ihre Nah - rung under denen Tannen und andern Baͤumen ſuchen laſſet.

CAPUT V. Anrede an diejenigen, ſo ſich noch nicht von der Sclaverey der Suͤnd und deß Satans durch Chriſtum frey machen, und zu der Seligkeit in GOtt haben bringen laſſen.

IHr theure und zur Ewigkeit erſchaffe - ne Seelen, gedencket ihr auch, was ihr thut, ihr wendet euch ab von GOtt, von ſeinem wunderbaren Licht und aller - heiligſtem Schoͤnheits-Bild zur Welt, zur Suͤnd, zum Satan und der Hoͤllen; wie lang ſoll Chriſti freundliche Lock-Stimm vergebens an euch erthoͤnen, wie lang ſoll euch die wuͤſte Suͤnd lieber ſeyn, als das holde JEſus-Hertz? Kans euch wohl ſeynin92Das Schweitzeriſche Canaan. in denen dunckeln Gaͤngen deß ewigen To - des? Jſts verdrießlich JEſum das ſuͤſſe Heil mit lebendigem Glauben zu umfan - gen, und das herrliche Muſter ſeines goͤtt - lichen Wandels auf Erden ſtets vor Augen zu haben, um ihme gleichfoͤrmig zu wer - den? Ach probiret doch nur etwa eine Wo - chen oder Monat im Liebes-Dienſt JEſu eher koͤnnet ihr je nicht wiſſen, welches beſ - ſer und ſeliger ſeye, nach dem Fleiſch wan - deln oder nach dem H. Geiſt. Wer nur Schlechen, Erbſelen und Hecken-Beeren iſſet, weißt nicht wie anmuhtig Honig - ſuͤſſe Trauben und Granat-Aepffel ſchme - cken: Und was gewinnet ihr bey der Suͤnd? Nichts als den ewigen Tod. Wo fuͤhret euch der Welt-Lauff hin? Jn ewige Ver - zweifflung. Die Suͤnden-Wolcken, wann ſie nicht durch wahre Buß in der Gnaden - Zeit getilget werden, verfinſtern euch nicht nur den klaren Himmel deß Freuden-Reichs GOttes, ſo lang ihr auf Erden hauſet, und verſchlieſſen euch alle Seligkeit; ſon - dern ſchmettern euch mit Zorn-Pfeilen und Wetter-Straalen unvermuhtet in den auffgeſperrten Rachen deß Hoͤllen-Pfuls, davon euch keine Creatur, am allerwenig - ſten die eitele Ehre, Gelt und Wein nicht erretten kan; Ach koͤnnte ich dich beym Arm faſſen, wie die Engel den Loth, ſagend:Eile93CAP. V. Eile und errette deine Seele, damit du dem ob deinem Haupt dick und ſchwartz - gelb genug allbereit geſammelten Schwef - fel-Regen entrinneſt.

Sehet der holdſelige Heyland ſtehet je - tzund vor euch, und redet euch an: Ob ihr ſchon Suͤnd und Welt gefolget, mir alles zu Leid gethan, meine Einladungen ver - achtet, ſo kehret dennoch jetzt wiederum zu mir, ich will nicht mit euch handeln nach euern Suͤnden, ich will mich euer erbar - men, euch annemmen, euere Abweichun - gen heilen, freywilliglich will ich euch lie - ben, euere Ubertrettungen in die Tieffe deß Meers werffen, und euch mit meiner Liebe, mit meinem Geiſt, mit Fried und Freud erfuͤllen, einen freyen Zutritt zum Vatter ſchencken, ich bin fuͤr euch geſtorben, habe Suͤnd und Fluch fuͤr euch getragen, Tod und Teuffel uͤberwunden, dem Geſaͤtz und der Gerechtigkeit genug gethan, und euch mir zum Eigenthum erkaufft; Ach daß ihr meine Gnad nicht verachtet! O kommet her zu mir, ſo wird euere Seele leben, nemmet an von mir die gewiſſen Gnaden Davids; Kommet alle mit Suͤn - den Beladene, ich gibe euern Seelen Ruhe, Heil, Segen und ewige Seligkeit. O mei - ne Lieben! ihr ſeyd ſo hoͤffliche Leute, wie koͤnnet ihr dem leutſeligen GOtt dieſes ſeinBegeh -94Das Schweitzeriſche Canaan. Begehren abſchlagen? Wie! das Ge - ſchenck ſeiner Erloͤſung, ſo Er euch als ei - ne liebreiche Mutter auff dringet, verſchmaͤ - hen? Saget ihr nicht mit Mund und Her - tzen: Sihe, wir kommen zu Dir, denn Du biſt unſer GOtt. O JEſu ziehe uns, ſo lauffen wir.

Wo iſt ein im Kercker gefangen ligender Schuldner, der es nicht gern habe, ruͤh - me, dancke, ſo ein anderer fuͤr ihn bezahlt! Wo iſt ein Sclav auf den Galeeren, der ſich nicht von Hertzen uͤber das Rantzion - Gelt erfreue? und ihr wollet lieber im Schuld-Thurn verreblen, und an den Suͤnden als Ketten deß hoͤlliſchen Meer - Raͤubers noch laͤnger angeſchmidet bleiben, und ſo genug dem todtnen Schweffel-Meer deß feurigen Pfuls zurudern, als Chriſto von nun an leben: Wann ihr eine Weyd um eine groſſe Summ Gelds kaufftet, waͤ - ret ihr deſſen zufrieden, daß ein anderer ſein Vieh darauf triebe, und ihr in vielen, ja nur in einem Jahr kein Einkommen da - von haͤttet? Wie doͤrffet ihr denn dem Teuffel geſtatten, daß er ſein Hoͤllen-Thie - re Zorn, Geitz, Hochmuth, Unkeuſch - heit, Heucheley, Falſchheit, Fuͤllerey, Neyd, Verleumbdung in euerm Hertzen weide, daß ſie alles verwuͤſten, Graas und Laub abfreſſen, alle Gedancken und Be -gier -95CAP. V. gierden einnemmen, Leibs-und Seelen - Kraͤfften auffbrauchen, Zeit und Gaaben verzehren, ohne daß JEſu Chriſto von 24. Stunden eine eintzige recht zu theil werde, der doch ſein Leben fuͤr dein Leben, Seinen Leib fuͤr deinen Leib, Sein Blut fuͤr dein Blut, und Seine Seel fuͤr deine Seel gege - geben, und du trageſt ihm ſo wenig ein, der Welt-Geiſt raffet alles hin, da ſiehet man ſelten Glauben, Hoffnung, Liebe, Keuſch - heit, Gerechtigkeit Chriſti, Wahrheit ſamt allen andern Geſchoͤpffen des H. Geiſtes in deinem Hertzen zur Weide gehen und die Ge - dancken einnemmen, damit Chriſtus ſeine Verklaͤrung als ſein rechtmaͤßiges Einkom - men davon habe.

So bald du eine boͤſe Kuh deines aͤrgſten Feinds auf der Weid erblickeſt, jageſt du ſie eilends fort und vermacheſt den Ort mit Fleiß, da ſie hineingeſprungen. Hingegen laſſeſt du die boͤſen Gedancken, ſo der Teuf - fel in dein Hertz ſchicket, alles verwuͤſten ohne ein Glaubens-Geſchrey daruͤber gen Himmel zu erheben, ohne den Stecken eines heiligen Eyffers und ernſten Vorſatzes zu ergreiffen, und mit thaͤtiger Buß allen See - len-Schaden von dir abzutreiben und fer - nerm Einbruch zu wehren; da wirfft man wol keinen Stein eines bruͤnſtigen Stoß - Gebets dargegen, wie David, Paulus undandere96Das Schweitzeriſche Canaan. andere Heilige gethan, welche vor das Jn - tereſſe, Nutzen und Vortheil Chriſti, wie billich, geeiffert haben. O wie ſind die Zaͤu - ne der faulen Chriſten ſo zerriſſen, Prov. 24. die Forcht GOttes verwahret die Her - tzen nicht, darum ſihets allenthalben ſehr wuͤſt und wild auß, Jer. 48: 10. Jeſ. 5.

Du ſiheſt deine Kuhe taͤglich gern mit vollem Uter zu Hauſe kommen; Sage mir aber, vermeineſt du nicht, daß man - cher Menſch ſchlimmer iſt als ſeine Kuhe? Die Kuhe genießt im Sommer der Wei - de, und im Winter deß Futters; nicht aber umſonſt, ſondern ſie bezahlet es mit ihrem Kalb, Milch und Butter; Sie be - hilfft ſich mit Graß, Spreu und Stroh, und fuͤllet davor den Napff mit ſuͤſſer Milch: Aber ach wie mancher Menſch iſt, der taͤglich in GOttes Gaaben und Guͤ - tern gehet, wie die Kuhe biß an den Bauch im Graſe, und weißt dem guten GOtt nichts davor zu Willen, da Er doch mit einem danckbaren, auffgeopfferten Hertzen gern vorlieb nehmen wolte; Ach wie be - ſchaͤmet dich das tumme Vieh! Proverb. 17: 13.

Ja dein Undanck iſt aͤrger als teuffeliſch, ſintemal GOtt dieſen armen, gefallenen Geiſtern nicht ſo ſehnlich nachgehet, wie Er um deine Freundſchafft ſo lange Jahreall -97CAP. V. allbereit gebuhlet: Ach was findeſt du denn grauerlichs, verkehrtes und mißfaͤlliges an JEſu, was hat Er dir zu Leid gethan, daß du Jhm die Augen nicht goͤnnen und die Zeit nicht mit Jhm zubringen magſt, ja daß du ſein nichts wilt, geb wie Er dir rufft, nachdem Er deinetwegen geweinet und ge - blutet, und nun dich aus unendlicher Liebe bittet, du ſolleſt dich vom Hoͤllen-Feuer erloͤ - ſen laſſen, und ſein erworbenes Heil annem - men. Um welcher Wohlthat willen ſteiniget ihr Jhn denn? ſagets rund heraus, was habt ihr an Jhm zu klagen, ich will ſeine Partey nemmen und Jhn vertheidigen; ſchauet Jhn nur an, je laͤnger und andaͤchti - ger ihrs thun werdet, je heller ſeine Leutſe - ligkeit, Gnad, Liebe, Reinigkeit, ſein redlich Hertz ohne Falſch euch anſcheinen wird; ein Glaͤubiger findet fein gar nichts zu tadeln an JEſu, er kans nicht ausſprechen, wie ih - ne doch JEſus vernuͤge, und ſchaͤtzet ſich hoͤchſt ſelig in ſeiner Gemeinſchafft: Was macht euch denn JEſum ſo verhaßt? Jſts nicht die Heiligkeit? Ob ihr euch ſchon ſchaͤmet das zu geſtehen; das iſts, weil Er euch gantz uͤberall haben will, und daß ihr Jhn allein liebet: Wañ euch GOtt den Him - mel ſchenckte, anbey aber die Suͤnden lieſ - ſe, ſo waͤret ihr laͤngſt uͤberein kom̃en! Nein lieber Freund! es gibt ſchlechterdings nichtsGdar -98Das Schweitzeriſche Canaan. daraus, entwedres muſt du laſſen fahren die Seligkeit oder die Suͤnd; Denn ſo we - nig die Seligkeit und die Verdammniß ſich zuſammen ſchicken, noch tauſendmal weni - ger ſchickt ſich ein unheiliger Menſch in Got - tes Herrlichkeit, es muß alles um die koſt - bare Perl hergegeben und vertauſchet ſeyn, oder du wirſt ſie nimmermehr haben: Wer von euch behalt ſeine Kaͤſe und das davor angebotene Gelt beyſammen? muß nicht jederman entweders laſſen fahren? ſo bald du das ſchimmernde Gold und Silber erbli - ckeſt, ſo vergiſſeſt du Kaͤſe, Ziger und Butter darob, und kehreſt ohne Beſchwerd und Be - dauren vergnuͤgt, reich und froͤlich nach Hauſe: Ey warum weigerſt du dich ſo lang die haͤßliche, gifftige Suͤnd an den hoͤchſt ſeli - gen Chriſtum zu vertauſchen? die Kaͤſe ſchaden dir nichts daheim, ſo nutzt dich auch das Geld nicht viel, und dennoch, wo du deſ - ſen viel loͤſen kanſt, ſo gibſt du jene unge - ſaumt hinweg; Die Suͤnd hingegen iſt dir am wachſenden Schaden und JEſus zu ſo groſſem Nutzen, der in Ewigkeit nicht auszu - rechnen, und dennoch verweileſt du ſo lang mit den Handklapff, damit der Kauff richtig werde.

Ach, wann du vor vielen Jahren Welt und Suͤnd aufgeben haͤtteſt, was haͤtteſt du jetzt deſtoweniger als ſo viel minder An -klag,99CAP. V. klag, Finſterniß, Schuld und Fluch auf dir: Was haſt du von den Geluͤſten, wann du ſie vollbringeſt, als ein boͤß Gewiſſen? Was ſind deine Begierden anders als Sturm-Winde, ſo das Hertz ungeſtuͤmer und unruhiger machen als das wilde Meer, daß ſeine eigene Schande ausſchaumet? da - gegen alle Neugeborne in denen guten Crea - turen mit ſuͤſſer Lieblichkeit die Freundlich - keit des Schoͤpffers ſchmecken. Was helf - fen dich die aͤngſtlichen Sorgen, da GOTT den Seinen Nahrung und Decke zuwirfft zum Uberſchuß, was wollen ſie mehr? und das haben ſie beſt, daß ſie Chriſto alle ihre Wege anbefehlen, verſichert ſeyende, Er wer - de es wohl machen, verrichten fleißig ihre Sach, im uͤbrigen gantz Sorgen frey wie die Voͤgel des Himmels und die Lilien des Feldes unter GOttes Obhut lebende Matt. 6. im Gegentheil macht Unglaub, Zaͤncke - reyen, Falſchheit, Uberladung des Magens mit Speiß und Tranck, Unzucht, Verleum - dung das Leben ſehr bitter, es leidet je nim̃er - mehr kein Menſch Schaden, der von allen dieſen Greueln abſtehet; der Teuffel verboͤ - ſeret ſonſt ſo unſern HErrn Jeſum Chriſtum bey den Leuten, daß ſich alle Welt ſcheuet Jhme zu dienen, als ob ein heilig Leben das verdrießlichſte Ding auf Erden ſeye.

Jſts aber moͤglich, daß jemand in dieG 2Ge -100Das Schweitzeriſche Canaan. Gedancken gerathen koͤnne, es ſeye ein har - tes, als ein armer Bettler lauter Gutes von Chriſto empfahen, Erleuchtung, Heiligung und Erloͤſung, Wein und Milch, alles um - ſonſt; demnach ſich die ewige Guͤter zueig - nen, JEſum den Allerſchoͤnſten unter den Menſchen-Kindern anſchauen, die ewige Liebe umfangen, ſich in ſeiner Guͤte erluſti - gen, alles Anliegen mit Gebet und Flehen in ſeinen Schoos ausſchuͤtten, den getreuen Seligmacher des Tags wol ſiebenmal loben und einhergehen in der vielfaltigen Krafft des HErren HErren Pſ. 71. und aus rei - ner Liebe ſein ſanfftes Joch tragen! Jſts ei - nem Kind beſchwerlich die Mutter und ei - ner Braut den Braͤutigam anzuſchauen und aller Orten bey ihme zu bleiben? was koͤnte fuͤr ein ſuͤſſer, anmuthiger Leben ſeyn als ewige Seligkeit hoffen und deßwegen die eitele Welt mit ihren Stempeneyen ver - ſchmaͤhen? Oder meynet ihr, ihr wurdet uͤbele Zeit dabey haben, wann ihr es nach Chriſti Gebotten aufrichtig miteinandern meintet, alſo, daß eines dem andern trauen doͤrffte, anziehende hertzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demuth, Sanfftmuth, Langmuth je einer gegen den andern Col. 3: 12. mit Rath und That, mit Gut und Blut einandern luſtig, willig, beyſtehend, helffend, troͤſtend, ermunternd, alſo, daß all -zeit101CAP. V. zeit einer den andern Chriſto zuzufuͤhren trachtete; waͤre das nicht ein Himmel auf Erden! Nun iſt das der Kern des Chriſtli - chen Lebens und gleichwol komt euch eben das ſo gar bitter vor, daß ihr meiſt deßwe - gen Chriſtum gar aus der Acht laſſet.

Einw. Ja, ſagt mir einer; es iſt ja ſauer genug, immer ſo mit der Suͤnd im Streit liegen, und kei - ne Ruh haben vor allerley Verſuchungen; zu dem daß ſo mancher Creutzes-Dorn das Hertz durch - ſticht.

Antw. Es iſt ein heimlich ſuͤſſes Wohl im Kampff mit der Suͤnd, ein einiger recht - ſchaffener Sieg uͤbers Boͤſe macht mehr Freud als alle Triumphe der Roͤmiſchen Feld-Herren, weil die Daͤmpffung der Suͤnd ein Werck der Gnad GOttes iſt; Liegſt du dem unverdroſſenen Feinde eint-und ander - mal unten, ſo wirſt du demuͤthiger, und GOtt wird dir demnach weit ſuͤſſer, wann du dich in dir ſo ſchwach und unrein befin - deſt; ja in der Traurigkeit ſelbs nach GOtt, iſt eine verborgene Lieblichkeit, maſſen dieſe eine Anzeigung iſt der ausgegoſſenen Liebe GOttes ins Hertz.

Schließlich weiß ich nicht, wie dir das in deinem Sinn kan aufſteigen, daß GOtt die ewige Weißheit des Vatters haͤtte ſo ſchreck - liche Leiden wurden uͤber ſich nemmen, uns dadurch ein armmuͤthig, elend und betruͤbtG 3Leben102Das Schweitzeriſche Canaan. Leben zu erwerben: O nein! GOtt iſt kein unweiſer Handelsmann, daß Er uns nit die allerbeſten Waaren haͤtte ſollen einkauffen; ſo kan auch der H. Geiſt kein unſelig Leben mittheilen. Ach ſiehe doch mein lieber Nach - bar, welche Schmach thuſt du Chriſto und ſeinem Geiſt nicht an! Er ſolte es ſo gut ge - meint haben und Jhm niemand Danck wiſ - ſen! Er die Heiligkeit mit ſeinem Blut er - arnet haben, und du das eingekauffte un - ſchaͤtzbare Gut als ein nichtswuͤrdig Ding verwerffen! Er den Schatz des H. Geiſtes und das verlohrne Ebenbild GOTTes ſo theuer erworben haben, und du ſeine Ver - dienſte gering ſchaͤtzen! wie gerecht wurde die Verdammniß ſeyn! wie billich du zur Hoͤllen verwieſen werden!

Lieber Leſer! gedenckeſt du aber nicht auch etwa bißweilen an das End, an den bittern Todes-Schweiß, da die Seele vor Bangig - keit nicht weißt, wo ſich hinwenden; wie wohl es dir da bekaͤme, wann dir dann zu - mal GOtt der Warhafftige das Zeugniß ge - ben koͤnte; ſagend: du biſt jetzt mein, du haſt dich Tag und Nacht zu mir gehalten, und mein Wort, Gnad und Geiſt in dich ge - ſogen, und gezogen meiner heiligen Natur theilhafftig zu werden, du haſt mich viel an - geruffen, Beten ware dein angenehmſter Zeitvertreib, ſo habe ich auch viel an dich ge -wandt,103CAP. V. wandt, und meine Wunder mannigfaltig an dir erwieſen, dich bey meiner Hand ge - leitet, mit meinem Creutz bezeichnet, mit meinem Blut gewaͤſchen, mit meinem Geiſt verſiglet, jetzt will ich dich aufnemmen in meine Herrlichkeit zu mir. Wie ſelig und ruhig doͤrffteſt du dich alsdañ zu deinem Er - loͤſer wenden und antworten: O JEſu! dich alleine, ich nur meine, dein erkaufftes Erb ich bin, ich weiß ſonſt niemand im Himmel und auf Erden zu dem ich Luſt haͤtte, nach - dem du mich erwehlet haſt, ſo habe auch ich dich erwehlet als das beſte Theil, und dich vor meinen Schatz und Erloͤſer auserleſen; Jetzt bin ich zufrieden, nicht nur von allen Dingen, ſondern auch von meinem Leib ſelbs zu ſcheiden, damit ich dich perſoͤnlich ſchauen koͤnne, und du mich voͤllig in Beſitz nemmeſt; in deine Haͤnd, O leutſeligſter Jmmanuel! befehle ich meinen Geiſt, der dich ſo viel gekoſtet hat: GOTT ſey ewig Danck, Lob und Preiß, daß noch eine ſolche Ruh vorhanden iſt.

Und weiſt du nicht, daß ein allgemeines letztes End-Urtheil uͤber alle Menſchen ge - hen wird, und nahe vor der Thuͤr iſt? wuͤn - ſcheſt du nicht von Hertzen, daß du alsdann mit ſicherem Muth und aufgerichtetem Haupt JEſu Chriſti als deines Bluts - Freundes warten doͤrffeſt? ſey ſo gib deinG 4gantz104Das Schweitzeriſche Canaan. gantz Hertz von jetzt an, da du das lieſeſt, Jh - me uͤber, daß dein Geiſt in ſeinen Wunden zerflieſſe, und du deine matte Seel taͤglich aus ſeiner Liebes-Quell erlabeſt; wie rich - tig wird deine Rechnung ſeyn am Juͤngſten Tag, zumalen der Richter ſelbs alle deine Suͤnden-Schulden durchgeſtrichen, wie wird nicht alles in dir aufhupffen, wann dich JEſus als ſein Schaaf, ſo Er mit ſeinem Blut und Tod an ſich gebracht, zu ſich nem - men, mit Leib und Seel in ſein Paradys einfuͤhren, mit ſeiner Herrlichkeit erfuͤllen, und ſeine Himmels-Luſt ewig an dir haben wird. O ſelige Seel! die ewig alſo ihrem GOtt eine Freude und Krone ſeyn wird; welch eine Sattigkeit der Freuden wird ſie ſelbs dabey empfinden!

Was hindert dich denn, lieber Leſer! daß du nicht in der Anbetung des Majeſtaͤtiſchen Heilandes gar zerſchmeltzeſt? warum im - merzu fortfahren in dem unfruchtbaren Wandel auſſert GOtt ohne Chriſto und ohne den H. Geiſt, in Geringſchaͤtzung der neuen Geburt und der Hertzens-Reinigung vom irrdiſchen Sinn und aller Suͤnden - ſucht? ſintemal ihr keine Urſach habt alſo zu handeln. Jhr liebe Hertzen, ich bitte und flehe euch, wann ihr je noch zu erbetten ſeyd, begebet euch nur ein Bißgen zur Einkehr in euer Hertz, ſetzet einmalen etwelche Stun -den105CAP. V. den aus, nemmet Muß und Weile dazu, die - ſen hoͤchſtwichtigen Sachen des Koͤnigreichs Chriſti nachzuſinnen, Zeit, Welt und alle Creatur zu vergeſſen, und euere Gedancken zu GOtt in die Ewigkeit hinein zu wenden, mit hefftigem Begehren ſeiner Gnad. Jhr nemmet zwar eine ſchwere und der ſuͤndli - chen Natur unmoͤgliche Sache vor; denn wie ſchwerlich laͤſſet ſich Fleiſch und Blut, zwingen zu dem ewigen Gut; Wann aber der H. Geiſt euern Ernſt ſtehet, ſo wird Er euch bald zu Huͤlff kom̃en, und tieffe Seuff - zer in euch erwecken, biß Er euch den leben - digen Glauben an GOtt ſchencket, ein Goͤtt - lich neu Leben, in ungefaͤlſchter Treue an GOtt zu kleben, ſich in Widerſtand gegen den Feind getroſt einzulaſſen, und ſich von der Suͤnde auf ewig zu trennen.

Gedencket nur nicht, daß ihr ohne ſothane ſtille Einkehr und Abziehung der Gedancken von der gantzen Welt zu was rechtſchaffenes in eurem Chriſtenthum gelangen werdet, denn wie koͤnnet ihr ohne tieffes Rachſinnen wiſſen, wie ihr vor GOtt ausſehet, worinn ibr am meiſten fehlet, wie greulich, O Seele! du vom Feind zugericht, wie ungeſchickt du zu Umgang mit GOtt ſeyeſt, wie deine Thorheit und Eigenſinn ſeiner Weißheit und Heiligkeit ſo gar entgegen ſeye, und dei - ne Heucheley ſeiner Wahrheit; Wilt du dirG 5aber106Das Schweitzeriſche Canaan. aber nicht eher als erſt in der Feuer-Prob des Goͤttlichen Examens ſelbs bekannt wer - den, ſo wirſt dem kuͤnfftigen Zorn nicht ent - fliehen, noch beſtehen vor des Menſchen Sohn; derowegen bemuͤhe dich recht von heut an, daß du dahinter kommeſt, was Satan mit dir im Sinn habe, und was vor Stricken er dir hie und da, Tags und Nachts lege|, durch allerhand Verleitungen deiner Gedancken von dem einigen nothwendigen, durch Verfinſterung der Sinnen vom Auf - mercken auf der Weißheit Zucht und Re - gierung, auch von der Ubung des Glaubens an GOtt und der Liebe des Nechſten; wo du das verſaumeſt, ſo iſt die Gefahr erſchreck - lich, die ſcheutzliche Geſtalt der Seelen vor GOtt bleibt dir verborgen, das Hertz wird nicht zerknirſcht, beſchaͤmt, gedemuͤthiget, zu wahrer Reue gebracht, und kein Hunger oder unablaͤßige Begierd nach Chriſto er - weckt, mithin das zeitliche und ewige Wohl verlohren.

Laß dich nicht irr machen, obgleich der erſte Anblick deß Greuels der Verwuͤſtung in dir in etwas verdrießlich iſt, die Hoff - nung der von GOTT allen Bußfertigen eydlich verſchriebenen Beſſerung wird dir alles verſuͤſſen, und die daruͤber entſtehen - de Angſt traͤglich machen; Ja die Uber - denckung von denen Liebes-AnſtaltenGOt -107CAP. V. GOttes ſein verlohrnes und verdorbenes Geſchoͤpff zu noch groͤſſerer Herrlichkeit neu zu ſchaffen, werden dir uͤberauß ſuͤß und angenehm ſeyn: Denn was koͤnnte doch auf Erden luſtigers ſeyn, als der Leutſe - ligkeit JEſu nachdencken? O ich weiß die - ſe Eingeweyde der Erbarmungen werden dich durch das Wort der Wahrheit als ſtarcke Liebes-Seile an ſich ziehen, daß du gleichwol auch einmal wirſt Chriſtum wol - len betrachten, was mit Jhm ſeye, und wann du Jhn nur einmal recht geſchaueſt, ſo wirſt du ſolch ein liebwuͤrdig Weſen an Jhm finden, daß du Jhn weiters wurdeſt ſtudieren, und Er dir von Tag zu Tag beſſer wurde gefallen, biß du der Welt und Suͤnd uͤberdruͤſſig, dich gantz Jhme zu Dienſten ergebeſt, und da wurdeſt du wohl ſehen, obs wahr ſeye, was Moſes, Da - vid und alle H. Propheten und Glaͤubige in ihren Lob-Geſaͤngen ſo ſehr von JEſu ruͤhmen. Jch weiß, du wirſt ſagen, wie ſtarr-blind du geweſen ſeyeſt, daß du biß dahin nichts gutes und vernuͤgliches an Chriſto gefunden, wie taub, daß du ſei - ner Lock-Stimm nicht Gehoͤr gegeben, es wird dich reuen, daß du dieſen deinen Erloͤſer nicht eher geliebet. O gewiß wirſt du mir alsdann Beyfall geben und ſagen, es ſeye tauſend mal mehr wahr als du le -ſeſt108Das Schweitzeriſche Canaan. ſeſt und hoͤreſt, ſintemal es mit Worten nicht außzutrucken ſeye; O wo du nur ei - nen Tropffen der Liebe JEſu koſteteſt, es waͤre gantz nicht mehr noͤthig dich zu mah - nen JEſum zu umfangen; So wenig als ein Kind, das Butter und Honig geko - ſtet, angeſtrengt werden muß zu eſſen; Vielmehr will es den Honig-ſuͤſſen Trau - ben gantz hinhaben, wann es nur ein Beer davon verſucht hat.

Die taͤgliche hohe Gefahr / da Tod und Teuffel dir aller Orten und Zeiten mit ih - ren Mord-Pfeilen und Stricken auffpaſ - ſen, ſoll dich zu ſchleuniger Buß und Um - kehrung in die Liebe GOttes antreiben: Der Jaͤger trucket auf das in aller Sicher - heit weidende Wild und Berg-Voͤgel un - vermuhtet loß, daß es von hohen Felſen herunter ſtuͤrtzt und in ſeinem Blut ver - zappelt; Wie liſtig aber und unverdroſſen ſchleicht der hoͤlliſche Jaͤger den armen See - len nach, GOtt hat ihm manchen Anſchlag wider dich laſſen verſagen, wo du aber dei - nen Sinn nicht gruͤndlich aͤndern laſſeſt vom H. Geiſt, wird dich der Feind auß gerechtem Gericht ploͤtzlich faͤllen und in ewiges Verderben ſtuͤrtzen, ſolteſt du auch noch ſo langſam wegſterben, und noch ſo fein dir etwa vorbaͤten laſſen, ſo erſchlei - chet dich der arge, und du kommſt nicht zuGOtt,109CAP. V. GOtt, wo Sein Geiſt dich nicht bey Lei - bes-Leben bewohnet, beſeelet und zur neuen Creatur geſchaffen hat: Menſchen ſehen den Leib wohl ins Grab legen; Jnzwiſchen ſihet niemand die Seele in Abgrund ſin - cken, der ungeheiliget Abgeſtorbene erfah - rets aber nur deſto grauſamer, wie tieff ihn die Kugel der Suͤnden-Straff getrof - fen, und wohin ſie ihn geworffen.

Du ſiheſt in deinem Revier, wie ein Baum nach dem andern umgehauen wird, meiſt zum brennen, weilen ſie unfruchtbar ſind, derowegen gedencke an Matth. 3: 10.

Setze deines Lebens-Ziel nicht weit hin - auß, der Holtzhauer der Tod hauet alle Tag etwas an dir ab, und wartet nur auf GOt - tes Wincke, daß er dich Zu Boden richte: darum wache und bette, damit du allezeit erfuͤllet ſeyeſt mit Fruͤchten Jeruſalems durch Jeſum Chriſtum zu GOttes Lob und Ehre, Phil. 1: 11. Bleibe in JEſu, da - mit du nicht hinauß geworffen werdeſt, und muͤſſeſt brennen, Joh. 15: 6.

Vergiß die Warnungen deines Hey - lands nimmermehr, in Anſehen der truͤb - ſeligen Zeit, deßgleichen nicht geweſen iſt, ſint daß Menſchen auf Erden ſind, und der Stund der groſſen Verſuchung, ſo uͤber den gantzen Erdkreiß kommen wird; Laß dich deinen aͤuſſern Wohlſtand nicht ein -ſchlaͤf -110Das Schweitzeriſche Canaan. ſchlaͤffern, das Spiel kan ſich bey einem geringen Anlaß unvermuthlich anheben, eben wie ein Schnee-Kloͤßlein von einem Vogel oder ſonſt durch einen Zufall erre - get, im Herunter-Rollen von dem hohen Gebuͤrge dermaſſen wachſet und auffklum - pet, daß es alles eindrucket, Menſchen und Vieh erſtecket und verderbet, ſolche Faͤlle nenneſt du Schnee-Loͤwinnen, weilen ſie denen Reiſenden und andern offt mehr Schaden zufuͤget, als eine erzuͤrnte Loͤwin thun koͤnnte, mit ſchroͤcklichem Gebruͤll anfallt, und kaum zu entrinnen iſt. Man verachtet offt dieſen und jenen Feind und drohendes Gericht, als waͤre gar nichts zu befoͤrchten; Aber wie groſſe Unheil koͤn - nen auß klein ſcheinenden Urſachen entſte - hen! Der Schnee iſt ein leicht Ding, aber GOttes Zorn kan denſelben wichtig genug machen, wie man erſt dieſen Herbſt um Bern herum mit grauerlichem Schaden er - fahren. Darum ſey nicht uͤbermuͤthig, ſon - dern foͤrchte dich, denn deß HErren Tag wird kommen wie ein Fallſtrick, und wie ei - ne Schnee-Loͤwin uͤber alle, die auf der gan - tzen Erden wohnen, Luc. 21: 34. davon die Himmel und alle Elemente zuſammen brauſen werden, 2. Pet. 3: 10. und an die Bruſt ſchlagen alle Geſchlechte der Erden, indem alle Wercke der Menſchen, aller Ge -winn111CAP. V. winn und Hoffnung der Welt-Kinder zer - nichtet und zerſchmettert, auch alle Woh - nungen der Suͤnder umgekehrt werden, als mit einem Donnerſchlag, und daſſelbe ploͤtz - lich, in einem Augenblick, 1. Cor. 15: 52. die ſchnee-weiſſe Heiligkeit GOttes kan dem unſaubern, kothigen, ſchmutzigen, Gelt-Luſt und ehrſuͤchtigen Weſen des Welt-Geiſtes nicht laͤnger zuſehen, es fahet ſchon an rol - len von dem hohen Gebirg der Ewigkeit, wer geoͤffnete Ohren hat, hoͤret ſeinen Don - ner von weitem: ey ſo fliehe, ehe es dich trifft, und wie ein Sturm-Wind hinreiſſet, alſo daß du nicht mehr ſeheſt das Land der Lebendigen, ſondern unter der Laſt lebendig vergraben bleiben muͤſſeſt ewiglich. Ach verſchlaffe das Heil nicht, du wuͤrdeſt ja kei - ne Straſſe gehen, da du von weiſen Maͤn - nern gewarnet wurdeſt, es ſeyen ſchon un - zehliche tauſend darauf umkommen; Apo - ſtel und Propheten GOttes ſelbs warnen dich: Tritte nicht auf den Weg der Suͤn - der, darauf keiner entrunnen, mithin der Untergang unfehlbar, weiche zuruck zum Vatter durch wahre Buß, ehe ſein Zorn an - brennet, Pſ. 2: 11. Fuͤrwahr der Zorn des Lamms wird dir unertraͤglicher ſeyn als wann die hohe Bergen und Felſen-Schrof - fen dich bedeckten, und ſchrecklicher als keine Schnee-Loͤwin, maſſen dieſer Schrecken au -gen -112Das Schweitzeriſche Canaan. genblicklich uͤberhin iſt, und nur den Leib toͤ - det, dagegen die Truͤbſal und Angſt unter GOttes Zorn und Chriſti Ungnad ewig waͤhret, und Leib und Seel verderbet in der Hoͤlle, da man weder Leib noch Seel nim - mermehr hervor ſcharren kan. Welch ein traurig Spectacul iſts, ein gantz Dorff von einer Schnee-Loͤwin bedecket, und alle Ein - wohner darunter erſtickt zu ſehen! wie viel trauriger iſts, ſo manchen Hauß-Vatter mit Weib und Kind, mit Eltern und Vor-El - tern am juͤngſten Gericht verſtoſſen zu ſehen vom Angeſicht des HErren und von der Krafft ſeiner Herrlichkeit, 2. Theſſ. 1. aller - maſſen ſehr, ſehr wenige ſind in denen Dorff - ſchafften, Staͤdten und Laͤndern, die da ge - horſam ſeyen dem Evangelio GOttes, und die ſich auf Chriſtum zu Behauſungen Got - tes im H. Geiſt auferbauen laſſen; darum werd en ſie geſtrafft werden mit ewigen Ver - derben, und der Stein wird auf ſie alle fal - len, ſie zermalmen und zerſchmettern, Matt. 21: 44. Ja einem jeden Maul-Chriſten, der Chriſti Willen weiß und nicht thut, wird, ſo wahr GOtt lebt, eine ſolche Schnee - Loͤwin, das iſt, ein unverſehen, unerwar - ten, unvermeidenlich, unhintertreiblich, all - gewaltig, donnernd Straff-Gericht den Garaus machen. Dann der HErr hat es geredt Matth. 7: 27. es kommt vom Him -mel,113CAP. V. mel, und kans kein Nachbar erwehren, Pſ. 50. Nahum. 1. wann man es am wenig - ſten befoͤrchtet, 1. Theſſ. 5.

O HErr du biſt gerecht, und gerecht ſind deine Gericht! wer ſolte dich nicht foͤrchten, O du Koͤnig der Heiligen! Ein Mann kommt um und wird auf dem Weg, da er Amts-und Beruffs-halben gehen muß, vom Schnee uͤberwaͤltzet, und du ſolteſt unge - ſtrafft hingehen auf einer Straß, dafuͤr dich dein GOtt aus unbeſchreiblicher Treue ſo gnaͤdiglich gewarnet, dir ſelbige bey ſeiner hohen, ewigen Ungnad verbotten, dich dein Lebtag auf mancherley Weiſe ſo holdſelig - lich davon ab-und zuruck geruffen, und du dennoch nicht gehorchet, ſondern auf dem Weg des alten, faulen Sinns, der Achtloſig - keit, der ungoͤttlichen Worten und Wercken, aller Menſchen Gefaͤlligkeit und eigenen Geſuchs fortgewandert: Warlich, ſo manch gutes Wort, das du gehoͤrt und ge - leſen, wird dir zu einem Hammer im Ge - wiſſen, zu einem unausloͤſchlichen Feuer und unſterblichen Wurm in der Seelen werden, und die lange genug gereitzte Gnad und Langmuth in rachuͤbenden Grimm ver - wandelt werden.

Einw. Jch wolte gern den breiten Welt-Weg verlaſſen, und den ſchmalen Himmels-Pfad wan - deln, wenn ich nur koͤnnte?

HAntw.114Das Schweitzeriſche Canaan.

Antw. Luſt zu einem Ding, macht alle Muͤhe und Arbeit ring: Wie mancher Jaͤ - ger fallt zu tod, und deſſen ungeacht finden ſich immer andere, die hohe, ſteile Berge hin - an klettern, uͤber Gletſcher und Eißſchram - men mit allerhand Gefahr. Paulus er - mahnet dich nachzujagen der Heiligung, dem Frieden, Hebr. 12. der Gerechtigkeit, der Gottſeligkeit, Friede, der Liebe, der Ge - dult, der Sanfftmuth; uͤber welchem Nach - jagen nie keiner zu tod gefallen, ſondern al - leſamt haben ſie, die ſolchen guten Glaubens - Kampff gekaͤmpffet, das ewige Leben er - griffen, 1. Tim. 6: 11, 12. Achteſt du nun die Engliſche Schoͤnheiten, die rareſte Klei - nodien und Schaͤtze nur ſo hoch als der Jaͤ - ger ein Rehe oder Steinbock, ſo wird deine Begierd ſo ſehr darnach erhitzet werden, daß du alle Beſchwerniſſen weit uͤberwinden wirſt, hurtiger und muthiger als kein Jaͤger thut, der es nicht lange beym Wuͤnſchen zu Hauſe beruhen laßt, ſagend: Jch ſolte da ein Rehe oder Gems jagen, mein gnaͤdig - ſter Fuͤrſt hat mirs befohlen, und ſehr koſt - bare Belohnung verſprochen, wann ichs er - haſche, anbey einen grauſamen Tod ange - drohet, wo ich nicht allen Fleiß ankehre; ich moͤchte wol gern dem Fuͤꝛſten zu Willen wer - den, zumalen er ein ſehr frommer, maͤchti - ger, miltreicher und warhafftiger Herr iſt;Allein115CAP. V. Allein wie iſt ihm zu thun, das Wetter iſt zu ſtraub oder zu ſchoͤn, der Himmel zu finſter oder zu heiter, die Lufft zu kalt oder zu heiß, der Wind zu ſtarck oder zu gelind, das Ge - wild zu hoch oder zu tieff; nein, auf ſothane Weiſe ſchlendert und zaudert der Jaͤger nicht, ſondern die Liebe zu ſeinem Herren, die Hoffnung der Vergeltung, die Begierd nach dem Gewild treibt ihn von Hauß, er nimmt die Flinten und was dazu gehoͤrt, vergiſſet Hunger und Durſt, Hitz und Kaͤlte, Muͤh und Gefahr, eilet durch Geſtrupp und Mo - raſt, durch Dick und Duͤnne, durch Hoch und Tieff den Spuren des Gewildes nach. Ein ſothaner Jaͤger ware Paulus, Timo - theus, und unzehliche tauſend andere, aber wer folget ihrem Exempel nach? jene haben eher den hoͤchſten Berg uͤberſtiegen, als wir in unſerm todnen Heuchel-Weſen den Fuß uͤber die Thuͤrſchwelle gehoben. Ey lieber! folge du jenen nach, wo du je nicht lieber mit denen heutigen Traͤgen, Plagen und Ru - then, als mit jenen Eyffrigen Kronen und Palmen haben wilt.

Sage mir iſts nicht ſo? ſint dem es be - kannt worden, daß in der Nachbarſchafft koͤſtlicher Wein, Obs, Trauben, Getreidig, ſchoͤne Tuͤcher und allerhand Specereyen und gute Sachen zu haben ſeyen; da haben die Saͤumer gleich alle Ausfluͤcht und Ent -H 2ſchul -116Das Schweitzeriſche Canaan. ſchuldigung wegen der beſchwerlichen und gefaͤhrlichen Reiſe dahin weggeworffen, und weilen ſie Verſtand hatten, zu erken - nen, daß ein Pferd mehr wegtragen koͤnne als ſie, haben ſie ſich um dergleichen Thierer umgeſehen, und ſind hingezogen, und nach - dem ſie es eint-und andersmal gewagt, iſt es ihnen gelungen, und ſind die Straſſen dahin gangbarer worden, ſint der Zeit gehets an ein Reiſen dorthin, Jahr aus Jahr ein, im - merfort, alſo daß man alles Gute, was nur dort zufinden iſt, um ein wohlfeilen Preiß bey euch haben kan.

Lehret dich das nicht, daß alles moͤglich ſeye, dem, der da glaubet und etwas auf GOtt hinwagen darff: auf Erden, in unſe - rer eigenen, ſuͤndigen Natur wachſet nichts Heiliges und Goͤttliches; aber JEſus iſt kommen aus dem warmen, fruchtbaren Pa - radys, und hat uns erfreuliche Bottſchafft gebracht, daß in dem Himmel der Liebe Got - tes alles Gute fuͤr uns aufgehoben ſeye:, und daß Er uns den Eingang dazu gebahnet habe.

D’rum ſey GOET Lob / der Weg iſt
g’macht
Uns ſteht der Himmel offen /
Chriſtus ſchleußt auf mit groſſem
Pracht:
Vorhin wars alls verſchloſſen.
Wers glaubt / deß Hertz iſt Freuden -
voll /
Da -117CAP. V.
Dabey er ſich doch ruͤſten ſoll
Dem HErren nachzufolgen.

Soll es dich dann nicht geluͤſten nach de - nen Dingen der ſeligen Ewigkeit, die du ſchon bey Leibes-Leben haben kanſt, Dinge, die kein Aug geſehen, kein Ohr gehoͤrt, 1. Cor. 2. Ach daß doch nur einmal der Schluß bey dir uͤberall richtig waͤre: Jch will mich aufmachen, und zu meinem Vatter gehen, Luc. 15. Warlich, wo du nicht haͤtteſt ver - zogen, ſo waͤreſt du gewiß ſchon jetzt das zweyte, ja das hunderſtemal wieder gekom - men, Gen. 43: 10. Mache dich auf, gehe hin im Frieden, der Weg iſt vor dem HEr - ren, darauf du zieheſt; alle, die das Land be - ſehen haben, ſagen davon; ſiehe, es iſt ſehr gut, du aber ſitzeſt ſtill, biß nicht faul hin - zuziehen, GOtt hats in deine Hand gege - ben, ein Ort, woſelbſt kein Mangel iſt an ei - nigem das auf Erden und auch im Him - mel iſt, Jud. 18. Lencke den Fuß deiner Begierde immer nach Zion, kehre dich an nichts, ob du ſchon Anfangs viele rauhe Beſchwerniſſen antriffſt: dein eiteler Welt - Sinn dich beym Kleid der fleiſchlichen Nei - gung faſſet, und dich nicht will tretten laſ - ſen auf den engen Weg deß ernſten Buß - Kampffs, der dich dorthin fuͤhrete, auch Vatter, Mutter, Bruder, Schweſter, Weib und Kind dich zurucke halten, ausH 3laͤp -118Das Schweitzeriſche Canaan. laͤppiſcher Beyſorg, ſie verliehren dich un - ter Wegs, und du ſeyeſt ihnen alſo nicht mehr nutz vor dieſes zeitliche Leben, dir auch der Satan deine begangene Suͤnden und gegenwaͤrtige Ungeſchicklichkeit in Weg wirfft dich zu hintern, daß du nicht zu GOtt kommen ſolſt, dir anbey vorſtellt, wie mancher auf der Reiſe erlegen, zuruck gelof - fen und froh geweſen, mit andern die Welt wieder lieb zu gewinnen, auch wie viel Un - gemach, ſaure Tritte, Ungewitter und Ge - fahr in Anfechtungen, Trangſalen, iñern u. aͤuſſern Leiden, Aengſten und Noͤthen die - jenigen haben ausſtehen muͤſſen, die hart - naͤckig biß ans Ende ausgeharret, und mit keiner Lieb ſich eines andern haben wollen bereden laſſen. Verpfuye du alle dieſe See - len-verfuͤhriſche Einblaſungen mit einem Loͤwen-Muth: erzittere ab dem End deß Faulen, der da ſpricht: Es iſt ein Thier / ein Panther, der groſſe Hauff auf der Gaß, die werden mein ſpotten, und ich werde muͤſ - ſen jedermanns Narr ſeyn, und ein Loͤw, Wolff, Drach, der Teuffel iſt auf dem Marckt, der wird mich mit allerley boͤſen, ſuͤndlichen Einfaͤllen beunruhigen, mit un - reinen, laͤſterlichen Gedancken biß auf den Tod martern und plagen, allen Wuſt und Grund der Erb-Suͤnd in mir aufruͤhren, und mir ſo bang machen, daß mir der Him -mel119CAP. V. mel zu eng werden moͤchte; ich will mir vor Ungelegenheit ſeyn und bey fleiſchlichen Frieden und der Welt Freundſchafft blei - ben, bey meinem Kirchengehen, Singen, Beten, Leſen; man muß nicht zuweit ge - hen und die Sach ſo genau nemmen, koͤn - nen wir doch nicht vollkommen ſeyn, die Engel ſind im Himmel, wir ſolten freylich anderſt ſeyn und leben, aber, aber ꝛc. und was der Ausreden mehr ſind, darinn ſich der Faule wendet und drehet wie eine Thuͤr im Angel, und bleibt immer auf einem Ort, in der alten Geburt, und wird unwirſch, wann er von ſeinem Nachbar zu rechtem Ernſt im Chriſtenthum ermahnt wird, zum aͤngſtlichen Ringen biß aufs Sterben und Eintringen durch die enge Port nach Ehri - ſti Befelch, Luc. 13. dabey meinet er doch, ſeine Reden ſeyen ſo weiſe, daß ſieben Apoſtel ſelbe nicht koͤnten widerlegen, Prov. 26: 12 -- 16.

Ach Bruder! die Himmels-Reiſe muß angetretten ſeyn: Jn Vivis, Wallis und Bern kans ein anderer vor dich verrichten, dieſen Weg aber muſt du ſelbs gehen, wilt du anders errettet ſeyn; GOtt ſchertzt nicht, es iſt um ein ewig Wohl oder Wehe zu thun, erwehle dir heute, ob du Chriſti Creutz wol - leſt auf dich nemmen, Jhme nachfolgen ins gelobte Land, mit Gedult beym guten WerckH 4aus -120Das Schweitzeriſche Canaan. ausdauren, der Welt Hohn mit Liebe und Gehorſam gegen den HErren leiden, anbey ein gut Gewiſſen, freudigen Muth und tief - fen Frieden, und GOtt zum Helffer und Beſchirmer haben: oder ob du wolleſt der Suͤnden Joch tragen, unter des Teuffels Tyranney mit unficherm Gewiſſen bey fal - ſcher Hoffnung, Wahn-Glaub und endli - chen Murren, Verzweiflung und Verdam̃ - niß, nach ſtets abwechslendem Unmuth und Verdruß deines irrdiſch-geſinnten Wan - dels; bedencke fein wohl, was dir am beſten und leichteſten ſeyn werde.

Wer in GOttes Namen nicht will /
Der muß zuletzt deß Teuffels Ziel
Mit ſchwerem Gewiſſen leiden.

Laſſe dich denn deine Gedancken von der kuͤnfftigen, ewigen Licht-Welt tieff einnem - men, beſtelle dein Hauß, richte deine Sa - chen darnach ein, daß dich der Welt-Plun - der an der taͤglichen Reiſe dahin nicht hinte - re; wers nur im Glauben an den Namen JEſu wagen darff, kommt alleweil hin - durch und gewinnts. Geſetzt es ſeye ein we - nig muͤhſam alles in GOttes Gegenwart thun, ſeiner Heiligkeit immer naͤher tretten, ſich von allem Boͤſen trennen, der Suͤnd ih - re Begierd unverdroſſen abſchlagen, alle ſei - ne Abſichten unter die ſcharffe Frage nem - men, mit gantzer Seelen die Speiſe wircken,ſo121CAP. V. ſo da bleibet ins ewige Leben, aus dem Hauß und Land des alten Adams ausgehen, und nur in ſteten Flehen und Gebettern nach der innigen, geheimen Gemeinſchafft Chriſti ſehnen, daß man doch bald dort ſeye. Ge - ſetzt die Straß ſeye was foͤrchterlich, und man muͤſſe ſich rechts und lincks wehren, ſo hat man dennoch unvergleichlich mehr Freud und Wonne auf der Reiſe nach dem herrlichen Jeruſalem, als auf den Welt-Gaſ - ſen nach der Hoͤlle; Auf jener Reiſe hat man JEſum zum Hertzogen und Wegweiſer, der mit ſeinen troſtreichen, Hertz-erquickenden Geſpraͤchen den Weg verkuͤrtzt, Schild und Sonn, Wolcken-und Feuer-Seul iſt; auf dem beklemmten Weg der Gnaden quillet der Lebens-Brunn, der den Pilgrim in ſei - ner Mattigkeit erfriſchet, da wehet das ſanff - te Luͤfftlein deß H. Geiſtes, und kuͤhlet ab, da findet man das wahre himmliſche Manna, ſo den Seelen-Hunger ſtillet, mit Empfin - dung Goͤttlicher Gnade ſpeiſet und den Muͤ - den Krafft gibt. Hier begegnet die Hoff - nung und zeiget die glaͤntzenden Spitzen von weitem, was vor eine Glori und ewig - reine Wolluſt daſelbs auf uns warte, Pſal. 84. Wie magſt du dieſe die allerbeſchwer - lichſte Reiſe nennen, da du walleſt ans Feſt der Feſten, zur Hochzeit mit den Freuden - Gaͤſten.

H 5O122Das Schweitzeriſche Canaan.

O wie kurtz wird dich dieſe Reiſe duncken, O welch eine Seelen-Vergnuͤgung! wann du das End der Wallfahrt wirſt erreicht ha - ben, wann du JEſum umfaſſen kanſt, und alle Verklaͤrte dir von ferne zujauchzen, und dich aufs freundlichſte bewillkommen, und dir ruͤhmen, wie gut es daſelbs ſeye; da auch du alle Wunder, ſo GOtt an dir Lebenslang gethan, erzehlen und in den Lichtes-Glantz Jeruſalems hinein tretten wirſt. Wolte GOTT! daß du O liebes Sanenland und Siebenthal eine gantze Wanders-Geſell - ſchafft machteſt! einer den andern die Hand gebe, ſagend: Jch will auch zu GOtt gehen. Wann ihr ſo Schaaren-weiſe gienget, ſo waͤ - re die Reiſe kurtzweiliger und ſicherer, und koͤnte einer dem andern forthelffen; Aber ach! viele gehen den letzen Weg, und ob ih - nen ſchon JEſus nachlaufft und nach - ſchreyet, ſo laſſen ſie es zu einem Ohr ein und zum andern wieder aus.

Biſt du hingegen zu dieſer ſeligen Reiſe re - ſolviret und haſt es mit JEſu abgeredt, ſo ſaume dich nicht laͤnger, ſchreite weiter fort in denen mit Chriſti Blut eingeweiheten, lieblichen Pfaden Jeruſalems, bedecke dich mit dem Schirm-Hut, der Hoffnung ei - nes ſeligen Lebens, ziehe an das Reiß-Kleid der Verdienſten Chriſti, da kein Zorn-Wet - ter hindurch mag, umguͤrte dich mit der Er -kannt -123CAP. V. kanntniß der himmliſchen Wahrheit; Bin - de ſteiff an, die Schuh der Maͤßigkeit, der Ge - dult und des friedſeligen Evangeliums, daß dich die Steine der Welt-Aergerniſſen, die Dornen der Sorgen, das Schlagen der hoͤl - liſchen Verſuchungen, die Pfuͤtzen der fleiſch - lichen Luͤſte nicht verletzen und beflecken; Be - halte einen unuͤberwindlichen Muth, GOtt und ſeine Ehre ſeye dein einiges Ziel; Laſſe dich die ſchimpflichen Hohn-Reden der Maul-Chriſten nicht aufhalten; ſie ſind bellende Hunde, ſo ſelbs nichts fragen nach der Vergeſtaltung ins Bild JEſu, und nur die darnach Ausgehende angautzen; Er - greiffe den Stab Goͤttlicher Verheiſſungen, darauf du dich lehnende uͤber alle Mauren und Graͤben ſpringen und durch des Todes - Thal ohne Forcht wandeln kanſt. Gehets dir widerlich, ſo gedencke, man koͤnne in der Fremde nicht alles ſo geſchliffen haben, wie man wolle. Lieſe fleißig im Reiß-Buch, in der H. Schrifft, und tritte nicht vom Weg neben aus, ſolten die Porten der Hoͤllen vor dir ſtehen, und Satanas dir mit der gan - tzen Welt Feindſchafft und Verlurſt aller Dingen den Weg wollen abſchneiden, und gleich mit gezucktem Schwerdt entgegen ſtehen; Der Weg iſt gar zu ſchmal, wer ei - nen Fußbreit davon abweicht, tritt in Fluch und Hoͤlle; Sagt die Welt, du ſolleſt nurein124Das Schweitzeriſche Canaan. ein Bißgen mitmachen, den Mantel nach dem Wind hencken, es ſeye nur ein wenig um, du kommeſt gleich wieder in die rechte Straß, du koͤnneſt ja alleweil Buß thun, ein Vatter Unſer macht alles wieder gut; ſo traue du nicht, allermaſſen ſehr viele in der Verfuͤhrung Bileams umkommen. An - faͤnglich iſt die Verſuchung klein wie ein Haar, nach und nach verdoppelt ſie der Wi - derſaͤcher, machet Knopff auf Knopff, biß zuletzt ein Wagenſeil daraus wird; Schaue du ohne Unterlaß auf JEſum, und ringe mit einfaltigem Hertzen nach den ewigblei - benden Dingen, damit du mit vollen Se - geln ins Port der Ewigkeit hineinfahreſt, 2. Pet. 1. O wann werden unſere Fuͤſſe ſtehen in den Thoren Jeruſalem, O du Stadt deß groſſen Koͤnigs! O daß einer den andern in einem exemplariſchen Leben ſuchte vorzu - kommen! Trage allezeit Sorg zum Paß - port, dem Zeugniß deß H. Geiſtes: laß dich die Sonnen zeitlicher Wohlfahrt nicht traͤg machen, daß du deßwegen aufhoͤren wolleſt himmliſch zu leben, ſonſt koͤnte es dir erge - hen, wie einem Wandersmann, der am Schatten einſchlafft, und hernach wegen ein - brechender Nacht, oder entſtandenen Unge - witters ſich gleich Athem-loß lauffen muß; Ruhe nirgends in der Truͤbſals-Hitz als un - term Schatten deß himmliſchen Apffel -Baums125CAP. V. Baums Chriſto, huͤte dich vor den Ertz - Dieben, den eiteln Gedancken, ſo dir allezeit nachſchleichen und viel Gutes wegſtehlen. So offt dich eine Noth anſtoßt, ſo heiſche bey der Himmels-Porte einen Zehrpfennig fuͤr einen hungrigen Pilgrim: Brauche die Wechſel-Brieffe, ſo der himmliſche Vatter dir auf die Reiſe mitgegeben, ſeine theure Verheiſſungen, mache ſie zu Gelten, 2. Petr. 1. halte ſie Chriſto vor, er wird ſie erfuͤllen: Verkuͤrtze dir den Weg mit oͤffterm Betten und mit liebreichem Angedencken an JEſum und den ewigen dir beygelegten Sieges - Preiß; Pruͤſſe dich, ob die Welt dir verge - he und die Ewigkeit dir taͤglich naͤher und groͤſſer werde. Gleichwie, wann man von einer Stadt zur andern reiſet, diejenige, ſo man verlaſſet, immer kleiner wird, biß man ſie endlich gantz aus den Augen verliehret; diejenige aber, nach der man reiſet, immer groͤſſer und ſcheinbarer. Waſche deine Fuͤſ - ſe alle Abend im Fuß-Waſſer, im Blut Chri - ſti vom Suͤnden-Staub, ſo dir duꝛch den Tag hindurch im Umgang mit der Welt ange - klebt: die ſelige Engele und Menſchen win - cken dir und warten mit Verlangen, biß du zu ihnen kommſt.

Jnzwiſchen, da du taͤglich nicht nur wo - chentlich mit den glaͤubigen Gebettern, eben wie dort die Kinder Jſrael in das fruchtrei -che126Das Schweitzeriſche Canaan. che Egypten hinab reiſen muſt, die Seele beym Gnaden-Leben zu erhalten, ſo nimm an ſtatt eines Pferds oder Maulthiers die glaͤubige Gelaſſenheit mit dir, die demuͤthi - ge Selbs-Vernichtung und die gedultige Vertragſamkeit, denn dieſe iſt geſchickt him̃ - liſche Guͤter zu tragen und heimzubringen in das Hertz; Haſt du ſie aber noch nicht, ſo melde dich darum bey JEſu Chriſto an, ſage Jhm offenhertzig, wie du aus Befelch deß ewigen GOttes und preſſender Noth der Seelen willig ſeyeſt taͤglich eine Reiſe ins Gnaden-Reich zu thun, weilen du aber ſehr ungeſchickt ſeyeſt etwas Weſentliches dar - aus zu hohlen, ſo ſolle Er dir aus ſeiner groſ - ſen unverdienten Barmhertzigkeit obiges Laſt-Thier zugeben, damit du nicht allemal leer zuruck kommeſt, ſintemahl GOtt nur denen Demuͤthigen Gnad gebe und miltig - lich auflade, weilen die Demuth das Koͤſt - lichſte tragen kan, ohne ſelbiges zu verderben, Demuth bleibet in ſtiller Zufriedenheit in allen Schickſalen; Eben wie ein Laſt-Thier von koͤſtlichen Waaren nicht hoffaͤrtig und von ſchlechten nicht mißmuͤthig wird, ja ſich gerne wiederum abnemmen laſſet ohne Ver - druß.

O wie reich wurde ein Chriſt mit ſolchem Hin-und Herfahren (wie die Engel auf der Himmels-Leiter, und Jſraels Kinder zuJo -127CAP. V. Joſeph, u. die Schiffe Salomons in Ophir) und das in kurtzen Jahren; zumalen du auf der Weide, im Stafel, in der Stuben, im Bett ſolch Him̃elfahrt im Geiſt und Glau - ben thun kanſt: Mithin ſind die Gruͤnde ſo dich zu dieſem geiſtlichen Ausreiſen bewegen ſollen.

1. Weilen es, wie geſagt, gar kommlich geſchehen kan ohne einige Ungelegenheit und Verſaumniß im Haußweſen.

2. GOtt uns einladet, noͤthiget, einen Boten uͤber den andern ſchickt, und aus un - ausſprechlicher Guͤte und Treue ſo hochtheu - re Gnaden anbietet.

3. Wann ein Heiligungs-begieriger Menſch ſo manche Stund im Gebet zu - braͤchte als ein Saͤumer auf der Straß iſt nach Bern, Sitten, Vivis, ſo koͤnte er wohl einen Blick ins himmliſche Jeruſalem thun, und etwas von denen Kraͤfften der kuͤnffti - gen Welt ſchmecken. Mit was verwunderli - cher Lieblichkeit kan nicht ein junger Knab eingenommen werden, wann er ſeine erſte Reiſe auf Vivis thut, und von dem Gebirg hinunter, deß anmuthigen Sees und der da - ran liegenden Luſt-vollen Revier, Staͤdten und Doͤrffern einsmals anſichtig wird; wie vielmehr wird ein Jeruſalems-Burger gleich entzuckt, wann ſich ihme das Meer Goͤttlicher Liebe in ſeiner hoͤchſterfreulichenWeite128Das Schweitzeriſche Canaan. Weite und wallenden Tieffe eroͤffnet, und er das erſtemal ſein geſchencktes, neues, wun - derſeliges Heimat erblickt.

4. Und was noch mehr iſt, nicht nur eine Gnad, nicht nur eine Guͤt allein, ſondern fein gar alle Heils-Mittel fuͤr dein allen Creaturen unuͤberwindliches Elend. JEſus tragt dir an alle Guͤter, ſo deine Begierden vermoͤgen zu ſaͤttigen in der Gemeinſchafft des lebendigen, ſeligen und herrlichen GOt - tes der Liebe.

5. Weilen dieſes der grauſamſte Undanck iſt, die Anſtaltẽ, ſo Gott gemacht, dich aus den tieffeſten Suͤnden-Fall wieder aufzurichten, zu einer groͤſſern Glori als Adams im Pa - radys, aus der Acht laſſen, GOtt hat ſeinen Sohn laſſen Wenſch werden, und alles in Jhne geleget, uns den Zutritt und Mitthei - lung ſeiner Natur leicht zu machen; alſo, daß dieſer Ausflucht nicht mehr Platz hat; man ſeye ein armer, ſchwacher Suͤnder, man koͤnne und doͤrffe nicht zu GOtt. Dein GOtt iſt verſoͤhnt, in JEſu Chriſto iſt Er dein Vatter, Er hat dir ſeinen Sohn zum Mitt - ler gegeben, in welchen alle Fuͤlle zu finden, der Gnaden-Thron iſt offen, Hebr. 4: 16. mithin haſt du keine Ausred, du koͤnneſt GOtt nicht genieſſen und haben, geb wie gerne du wolteſt.

6. Weilen GOTT zum Beding ſeinesBunds129CAP. V. Bunds die Armuth des Geiſtes, das ſelige Umſonſt erwehlt hat, du ſolleſt Waſſer deß Heils, Wein und Milch umſonſt kauffen und ohne Gelt, Jeſ. 55: 1, 2. du ſolleſt nur die Duͤrfftigkeit und Unvermoͤgen erkennen, nach JEſu einzig duͤrſten, alſo, daß du keine andere Huͤter haben wolleſt, als die, wo von GOtt kommen in Chriſto JEſu. Demnach nun GOtt den Weg ſo kommlich und gerad gemacht hat ſich zu bereichern, ſo fern man nur in ſich ſelbs arm, ſchwach, nacket und blind ſeye, ſo muͤſte der Hochmuth ſelbs und der Teuffel mit der Undanckbarkeit zuſam - men ſtehen, um zu hintern, daß die Liebe GOttes einem nicht zu Hertzen gehe. Man - cher koͤnte ſich die Rechnung machen; was will ich in Vivis thun? der ich weder Gelt noch Waaren habe dahin zu bringen; Schließlich haͤtte ich von dem Anſchauen al - ler der koͤſtlichen dort befindlichen Sachen nur Pein, zumalen ich nichts haͤtte ſelbe an mich zu kauffen. Wo du aber eigentlichen Nachricht haͤtteſt, es ſeye daſelbs ein uner - gruͤndlicher reicher, uͤberaus miltthaͤtiger HErr, der gebe die koͤſtlichſte Ding umſonſt, verlange weiter nichts als daß man ein ſehn - lich Verlangen darnach haben, und weißlich nach ſeiner Vorſchrifft, wie billich, mit ſei - nen herrlichen Gaben umgehe: O wie lu - ſtig wurde mancher Armer den Weg unterJdie130Das Schweitzeriſche Canaan. die Fuͤß nemmen! O wol eine heilige, gluͤckſelige Reiſe! dabey man 1. nichts verſaumt, 2. Dazu man eingeladen wird, eben wie, wann der Biſchoff in Wallis oder Landvogt in Vivis dein freundlicher Bruder waͤre, der ſich deiner nicht ſchaͤm - te, und dich gerne bey ſich haͤtte, dir deſto mehr Guts zu thun, und Ehre zu erzeigen. 3. Eine Reiſe, deren Ende dermaſſen ver - nuͤglich iſt, daß man deß Augenblicks alles außgeſtandenen Ungemachs vergiſſet. 4. Fuͤhret an einen Ort, da nichts Gutes und Noͤhtiges zu erdencken, das nicht im Uber - fluß, gantz friſch und von der erſten Hand daſelbs zu haben ſeye. 5. Eine Reiſe, da - rauf der Herr deß guten Landes unendliche Muͤhe und Koͤſten gewandt, Berge ſchleif - fen, und Thaͤler außfuͤllen laſſen, Jeſ. 40: 4. und 60: 10. ſie dir moͤglich zu machen, Rom. 8: 3. 6. und darzu, daß es dir ge - linge, nur dein Hertz und ernſten Willen fordert. Proverb. 23: 26. Apoc. 22: 17. 7. Weilen man ſo viel Muͤhe nimmt das zeitliche Leben zu erhalten; Ach was iſt das, um deßwillen die Menſchen-Schaar den ewigen Schatz verwahrloſet; Es iſt nicht Brodt, davon man ſatt werden koͤn - ne, Jeſ. 55: 2. Jerem. 2: 5-13, 15-33. Offt haſt du die Ruhe zur Weyde getrie - ben / und deine Seele, das arme Schaaffin131CAP. V. in der Wuͤſteney der alten Geburt ſchon ſo viele Jahre reblen laſſen, ohne ſelbe un - der die Auffſicht deß guten Hirten in ſeine ſeligſte Gnaden-Au, zu ſeinen ſanfften Heils-Waſſern durch grundliche Sinnes - Aenderung hinzutreiben, Pſ. 23. Du laſſeſt nicht einen Tag die Wilch der Kuͤhen und Ziegen zuſchanden gehen / daß du dein Vieh vergebens ſolteſt laſſen die Uter fuͤllen, und ihnen die Milch nicht abnemmeſt, wann ſie auf dich warten; Und JEſum laſſeſt du dir Jahr und Tag nachgehen, dich anſchreyen und dir die Milch ſeiner holden Liebe, ohne welche die Seele deß ewigen Todes wird ſterben muͤſ - ſen, gleichſam auffdringen, ohne nur ei - nen Tropffen davon zu verſuchen; Geb wie Er dich bittet, Thue deinen Wund weit auff / ſo will ich ihne fuͤllen. So ſehr verachteſt du Seinen himmliſchen Wein und Milch, daß du ihn nicht einmal ko - ſten wilt, zu erfahren, wie wohl es der Seelen thue, und das Hertz in ein ander Leben verwandle; nicht anders, als ob das Verdammniß-Urtheil allbereit uͤber dich ergangen, du ſolleſt von dem himmli - ſchen Abendmahl nicht ſchmecken, Luc. 14: 24. Verliereſt du ein Stuck groß oder klein Vieh / ſo macht es dich unruhig, bricht dir den Schlaff, und ſucheſt es mitJ 2Aeng -132Das Schweitzeriſche Canaan. Aengſten, frageſt jederman, wer dir nur einichen Bericht ertheilen kan, und laſſeſt nicht nach, biß du weiſt, wo es hinkom - men, und deinen ewigen Geiſt, der von der Heerde Chriſti, der Gemeind der Erſt - gebohrnen, die im Himmel angeſchrieben ſind, Hebr. 12: 23. ſo weit verirret, und ſich taͤglich mehr im Gſtruͤpp der Welt - Bildern verhuͤrrſchet, den laſſeſt du gantz unbekuͤmmert hinfahren, ohne nachzuſe - hen, ob er unter der hoͤchſt ſeligen und noͤhtigen Regierung deß H. Geiſtes ſtehe, wuͤrcke und lebe; ohne von erleuchteten und wieder gefundenen Chriſten, 1. Pet. 2: 25. Luc. 15. Bericht einzuholen, wie deiner Seelen moͤge geholffen werden, daß ſie nicht in deß hoͤlliſchen Wolffes Rachen gerahte, ſondern eigentlich zu GOtt ihrem hoͤchſten Gut und Leben komme; Wie ru - hig kanſt du deßhalben ſchlaffen und ſchnar - chen in deinem Wahn-Glaub und ehrba - ren, Phariſeiſchen Wandel! Wann dein Vieh einen Gebreſten hat / ſo verzieheſt du nicht lange ſelbiges zu artznen; Und die Gebrechen der Seelen laſſeſt du Jahr und Tag ungeheilet, biß zuletzt keine himmliſche Artzney mehr anſchlagt, der kalte Brand die Gewiſſens-Wunden unheilbar macht, und du ſterben muſt in deinen Suͤnden, wann der ſo lang verachtete Seelen-Artztend -133CAP. V. endlich mit ſeinem Gnaden-Zug hinweg gehet, Joh. 8: 21. welches der allerſchroͤck - lichſte Spruch H. Schrifft iſt. Du rech - neſt fleiſſig nach / wie viel Pfund Kaͤ - ſe / Zieger und Butter du jaͤhrlich ma - cheſt / und ob das Einkommen richtig von ſtatten gehe; Sinneſt aber wenig an die ſtrenge Rechnung, die GOtt von dir for - dern wird, Luc. 19. ob du dem Tod Frucht getragen, oder ob du GOtt gedienet im neuen Weſen deß Geiſtes, und nicht im alten Weſen deß Buchſtabens, Rom. 7: 5, 6. was ſo viele theure Heils-Mittel an dir gefruchtet, und ob du ein Baum oder eine leichte Spreue ohne das Kenn-Gewicht deß innern Reichs GOttes geweſen, Pſ. 1. Du leideſts nicht, daß das Waſſer / ſo dein Vieh trincker / truͤb gemacht wer - de / und vor deine arme Seele wacheſt du nicht, damit ſie das Wort der Wahrheit auß dem Brunnen H. Schrifft klar und lauter trincke, laſſeſts durch allerley Land - uͤbliche Gloſſen und Verdrehungen ſo ſehr truͤb machen, daß deine Seel von Jahr zu Jahr kraͤncker davon wird, biß ſie den an - dern und ewigen Tod am Hals hat, und die himmliſche Geſundheit der Heiligkeit GOttes nimmer erreichet, wozu ſonſt der an ſich ſelbs klare und helle Quell-Brunn Goͤttlichen Worts gegeben iſt dir und mir. J 3Du134Das Schweitzeriſche Canaan. Du verſorgeſt dein Vieh auf den Win - ter / legeſt ſo viel Heu auf einander als du kanſt, denckſt nie, es ſeye zu viel, al - les auß Beyſorg eines gar zu langen Win - ters, hielteſt den vor einen Thoren, der keinen Vorrath von Futer einmachen wol - te, als bloß vor einen Tag: Nun iſt nicht dein Leben alſo beſchaffen, als ob der lan - ge Winter der Ewigkeit nur einen eintzelen Tag waͤhren ſolte, ſo wenig ſammelſt du fuͤr die ewige Welt an Guͤtern, Fruͤchten und Gaaben deß H. Geiſtes in dein Hertz, da du unzehliche Goͤttliche Gedancken und heilige Begierden zuſammen haͤuffen wur - deſt, wo du weiſe waͤreſt und merckteſt, was vor eine klaͤgliche Zeit deß Darbens uͤber einen laͤſſigen Menſchen nach dieſem Leben kommen werde: Wie lang wurde dir die Zeit werden, wann du den gantzen Winter durch dein armes Vieh neben dei - nen Ohren muͤßteſt Tag und Nacht hoͤren blecken und ſchreyen, und haͤtteſt ihnen nichts zu geben! Aber, O wie lang wirds der Seelen werden, in der aͤuſſerſten Fin - ſterniß heulen und zaͤhnklappen, Matth. 25: 30. Weilen du von allen denen theu - ren Verheiſſungen deß neuen Bunds und von der Gemeinſchafft deß Leidens JEſu Chriſti nichts wahrhafftiges, innig-ver - nuͤgendes in dem Buſen der Ewigkeit bey -gelegt,135CAP. V. gelegt, damit deine Seele etwas faͤnde, wann ſie von hinnen gefordert wurde, ſon - dern dein Talent in die Erde vergraben; das iſt, deine Gedancken nur meiſt ins Jrrdiſche eingefuͤhrt. Du achteſts nicht / obſchon dein Vieh auf der Berg-Reiſe nicht viel iſſet / du denckſt das edle Berg - Futer werde dieſen eintzelen Tag ſchon wie - der gut machen den gantzen Sommer durch und reichlich erſetzen, was ihm auf der Reiſe etwa abgangen ſeye. Sihe nun, dein irrdiſch Leben iſt nicht eine Minute zu rechnen gegen der Ewigkeit, will geſchwei - gen ein gantzer Tag gegen einem kurtzen Sommer, und du wolteſt die augenblick - liche Reiſe der Nachfolge Chriſti nicht in GOttes Namen antretten, auß Beyſorg, du muͤſſeſt dich, ſo lang die Reiſe waͤhret, aller Suͤnden enthalten, noch deinem ei - genen Leben deß alten Adams einig Futer laſſen, auch alle fremde Wieſen, darauf Satan ſein Vieh maͤſtet, auf den groſſen Schlacht-Tag vorbey gehen, dich nicht ein - mal darnach umſehen, geb wie deß Fuͤrſten der Finſterniß ſeine Thiere ſich in Welt, Gelt, Ehre, eitelem Geſchwaͤtz und aller - hand Begierden deß Fleiſches rings herum luſtig machen; Dieſen Abgang der Natur kanſt du nicht verſchmertzen, es thut dir wehe, das falſch-gruͤne Zauber-Graß in de -J 4nen136Das Schweitzeriſche Canaan. nen abwerts hangenden Matten locket dich, dieſe Reitzung kanſt du nicht uͤberwinden, bleibeſt diſſeits auf dem Berg Ebal und um einich Mundvoll gifftigen Krauts verleicht - ſinnigeſt du die ewig-gruͤnende Luſt-Wey - den Zion, welche du die gantze lange Ewig - keit haͤtteſt koͤnnen genieſſen, Hebr. 12: 16, 17. Ey darum enthalte dich, 1. Cor. 9: 25. Gen. 2: 17. Rom. 8: 13. und 13: 12, 13, 14. Dencke ohne Unterlaß hinauff, allda du ewig genug haben wirſt, Pſ. 23. Jeſ. 35: 10. Luc. 16: 25. Laß dich nicht dauren, ob dir von dieſer vergaͤnglichen Welt eben nicht ſo vieles zutheil wird als an - dern und dir nur etwas als im Vorbeygang abzupflucken geſtattet wird, 1. Tim. 6: 6-8. Der Himmel wirds alles bezahlen und un - endlich erſetzen alle Beſchwerden dieſer ſo kurtzen Tag-Reiſe, Deut. 33: 28. Ja, je eilfertiger ein Pilgrim mit ſeinem Sinn ob - ſich zielen wird, je niedlicher und herrlicher wird der Ort ſeyn, da er ſein Nachtlaͤger be - ziehen, und in Ewigkeit mit unaußſprech - lichem Vernuͤgen wohnen wird, da ihne wol kein Schritt gereuen ſoll.

Einwurff. Sagſt du, ich weiß ſchon laͤngſt, daß ich davon muß, ich gedencke auch bißwei - len an einander Leben, baͤtte auch wol Morgens und Abends; Gehe zur Kirch und hoͤre die Pre - digt fleiſſig an; Was fehlet mir noch?

Antw.137CAP. V.

Antw. Sehr viel: Oder waͤreſt du mit deiner Kuhe zufrieden, wann ſie etwa drey oder vier Stund in der Wochen im Graß grupete / wurde aber nichts wiederkaͤuen, und gebe folglich keine Milch; Alſo muſt du nicht nur etwa Predigten hoͤren, ſondern die Seele mit dem Evangelio Tag und Nacht nehren, alſo daß Chriſti Reden in dir blei - ben, und ſein Wort reichlich in dir wohne, und gleichſam in dein Fleiſch und Blut als ins Leben verwandelt werde, mithin eine erleuchtende, Hertz-erquickende, Heil-brin - gende Milch von dir flieſſe, Cant. 4: 11. Eph. 4: 29. Act. 11: 20, 21. 1. Theſſal. 5: 11, 14. dadurch viele in GOttes Liebe ent - zuͤndet, zur neuen Geburt befoͤrdert, und zum Erbtheil der Heiligen im Licht tuͤchtig gemacht werden, alſo daß durch dein Wort der neue Menſch auch in andern allezeit ei - nen Zuſatz bekomme zum geiſtlichen Wachs - thum in GOtt. Eben ſo wenig waͤreſt du vernuͤgt, wann deine Kuhe Morgens und Abends ein Brieſch außlaſſen wurde ohne an der Milch zuzunemmen; Eben ſo we - nig kan dein Gebett GOtt gefallen, wann du nicht alle deine Ding in ſeiner Gegen - wart thuſt, Jhm alle deine Sinnen heilig - lich widmeſt, und Jhme allein dieneſt in Heiligkeit und Gerechtigkeit alle die Tag deines Lebens; Alſo daß das Baͤtten einJ 5Eſſen138Das Schweitzeriſche Canaan. Eſſen ſeye dadurch du in GOtt erſtarckeſt, in allen Stuͤcken reich werdeſt und wach - ſeſt in der Gnad und Erkanntniß JEſu Chriſti unſers Heilands, Gen. 17: Matth. 5: 29, 30. Luc. 1: 74. 1. Cor. 1: 5. Die Kuhe brieſcher / wann ihr die ſafftige / ſchmackhaffte Weide verſperrt iſt. Ach! daß es mit dem Gebett gleiche Bewandt - niß haͤtte, daß du auch unablaͤſſig zu GOtt ſchreyeſt, ſo offt du etwelche Entfernung vom innigen Genuß der Liebe GOttes, deß Lebens Chriſti und deß Friedens im H. Geiſt, in dir verſpuͤreſt, ſo lang biß dir wuͤrcklich von GOtt auffgethan wurde das Thor der Gerechtigkeit, und du hineingeheſt dein Heil ferners in ſtillem Vernuͤgenzu ge - nieſſen. Pſ. 42: und 63. und 102. Luc. 11: 8.

Daß aber alles, was bißher geſagt, in GOttes Krafft auß der neuen Creatur moͤg - lich ſeye, nutzlich und noͤhtig, das ſiheſt du in dieſem taͤglichen Geſchaͤfft; Ein Unwiſ - ſender, der Milch in ihr weiſſen Farb ſehe, koͤnnte nicht wohl glauben, daß ſie auß gruͤ - nem Graß zubereitet worden; Alſo, wann er fluͤſſige Milch und ſo veſten Kaͤß neben einandern ſehe, waͤre er nicht leicht zu bere - den, daß dieſes auß jener gemacht ſeye; Wann nun in der Natur ſelbs viele unmoͤg - lich ſcheinende Dinge dennoch taͤglich ge - ſchehen, wie ſolte es denn GOtt unmoͤglichſeyn139CAP. VI. ſeyn auß einem Suͤnder einen Heiligen zu machen, wo man Jhme nur ſolches auf ſei - ne theure Zuſage hin zutrauet.

CAPUT VI. Unterricht fuͤr ſolche, deren Hertz vom Evangelio geruͤhrt, der Ordinari - Frommkeit uͤberdruͤſſig, nach dem wahren We - ſen der neuen Geburt auß GOtt nach der Einwoh - nung Chriſti und der Erneuerung deß H. Geiſtes begierig worden.

§. 1.

Wer der anfaͤnglichen Gnad redlich getreu iſt, und ſich im Gebett uͤbet, wird wohl fortkom̃en.

EInwurff. Sagſt du: Ach ich moͤchte wohl von Hertzen gern alle dieſe herrli - che Dinge in mir erfahren, und meine uͤbrige Lebens-Zeit biß ans End darinnen ver - harren und fleiſſigſt practiſiren, wann nur ge - wiß wuͤßte, daß JEſus geneigt ſeye ſeine hohe allmaͤchtigſte Kunſt an mir zu beweiſen, mich unter ſeine allerheiligſte Bewurckung zu nehmen, mein Erloͤſer zu ſeyn, und mir die Krafft ſeines Todes und ſiegreichen Aufferſtehung allergnadigſt zu ſchencken. Ach! daß Er auch mich zu Sich ruffte, und Sich mein annaͤhme!

Antw. Thue doch deinem Heiland nicht das groſſe Unrecht an, als ob du wolteſt, Er aber nicht wolte, dieſe Einbildung iſt ein lauterer Teuffels-Trug und deines hoch - muͤhtigen Hertzens Schalckheit, das ſo gern die Schuld deiner verdammlichen Faulheitauf140Das Schweitzeriſche Canaan. auf Chriſtum werffen wolte. Wem es Ernſt iſt um die neue Geburt! wer eine red - liche, ſehnliche Begierd nach der Freund - ſchafft GOttes hat; Der dancke und lobe GOtt, denn Chriſtus hat ihn angeſchauet, zu dieſem richte er ſich lediglich in allen Din - gen in hertzlicher Zuverſicht, und wende ſich in Chriſti Krafft von Welt und Fleiſch voͤllig ab zu GOtt, der das Wollen gege - ben, wird auch das Vollbringen geben, Phil. 2. Pſ. 68: 36. Gnad und Wahr - heit iſt dir erworben durch JEſum Chri - ſtum, die muſt du durch Glauben und Ge - bett von Jhm ſuchen; Laß nur dein Haupt - Werck ſeyn, daß du in Chriſto und ſeinem Sinn allezeit wuͤrcklich erfunden werdeſt, alsdann wird dir GOtt, der dein Hertz ſi - het und wie ein Blitz durchleuchtet, Zeug - niß geben, daß du es treulich mit Jhme meyneſt, wann du Seinem Wort folgeſt, es ſeye der Welt lieb oder leid, und du alſo bey JEſu in ſauer und ſuͤß mit heiligem Vorſatz beharreſt; Findeſt du dich aber un - beſtaͤndig und laulicht, ſo iſts hohe Zeit, daß du deine Falſchheit, Unvermoͤgen und Elend GOtt wehemuͤthig klageſt, ſo wird Er dir Gnad geben, Sein Aug wird ſcharff Acht auf dich haben, und die genaue Zucht ſeiner guten Geiſter wird dich als eine ge - waltige Poſaunen in Wachen und Baͤtten beſtaͤndig underhalten.

Sagſt141CAP. VI.

Sagſt du aber, du wolleſt Chriſtum, richteſt inndeſſen deinen Fuß nicht auf die Bahn, da Er der Seelen pflegt zu begegnen, braucheſt die Heils-Mittel nicht mit Ernſt, und laſſeſt es im alten dahergehen, ſo biſt du ein Heuchler, und wirſt dein Theil be - kommen mit den Lugnern: Dieſem unend - lichen Straff-Gericht zu entgehen, laſſe dich GOttes Stimm recht auffwecken, Er ruffet Mann und Weib, Jung und Alt, Reich und Arm, groſſen und kleinen Suͤn - dern; Er iſt reich an Barmhertzigkeit, da - rum laſſe dich dein unglaͤubig, lugenhafft Hertz und den Teuffel nicht bereden, JE - ſus meyne dich nicht; Der Boͤßwicht will nur dein Heil dadurch hindern, daß die Lie - be Chriſti nicht in dir anglimmen ſoll, und du kein Hertz zu Jhme faſſeſt, gehe du viel - mehr getroſt zu dem, der da auch noch heu - te zu dir ſagt, Joh. 6: 37. Jer. 3: 12-19. Sein Eingeweyd brauſet, wie Joſephs ge - gen Benjamin, daß Er ſich dein inniglich erbarmen muß: JEſus, der das zarte Mutter-Hertz und die Gluck-Heñe geſchaf - fen, wird deine auß dem Abgrund nach Jh - me ſehnende Seele nicht vor ſeinen Augen verderben laſſen, und dich als ein unvor - ſichtiges, ſchwaches, von Suͤnd, Teuffel und Tod als Blut-begierigen Raub-Voͤ - geln verfolgtes Huͤnlein unter ſeine Gna -den -142Das Schweitzeriſche Canaan. den-Fluͤgel verbergen; Ja wol! dich nicht annemmen! O JEſus iſt weit barmhertzi - ger, als ein Menſch glauben und begreiffen kan; Die Erfahrung wird dich in Erſtau - nung ſetzen, daß du ſagen wirſt: Du haͤt - teſt nie vermeynt, daß du einen ſo guten JEſum habeſt.

Bedencklich iſts, daß JEſus wegen Hei - lung der Krancken am Sabbath-Tag ſo viel - malen ſich gegen die Anklag der Phariſeer und Schrifftgelehrten zu vertheydigen, Seinen Grund hernimmt von der Men - ſchen Sorge vor ihr Vieh auch am Sab - bath-Tag ſelbs; Als ob Er ſagen wolte: Was und warum zuͤrnet ihr mit Mir, daß ich den Menſchen helffe, ihr ſollet wiſſen, daß ſie Mir tauſend malen lieber ſind, als euch euer Vieh: Noch vielmehr haͤtte JE - ſus wurden eyffern mit Goͤttlichem Eyf - fer, wann die Heuchler Jhme verwieſen haͤtten, warum Er die Seelen begnadigte und heiligte, wie Er auch gethan, Luc. 15. Derowegen nimm in allweg eine Probe der zart-innigſten Vorſorg Chriſti vor dein Heil, an deiner Sorg vor dein unvernuͤnfftig Vieh.

Alſo haſt du keine Ausflucht mehr, dich deß Glaubens an JEſum zu erwehren, du, der du ſo uͤberaus gern dein Gewiſſen mit ſeinem Verſoͤhnungs-Blut geſtillet, und dei -ne143CAP. VI. ne Seel von ſeinem Geiſt geheiliget und ein - genommen ſeheſt, mithin Chriſti Eigen - thum ewig zu ſeyn wuͤnſcheſt; Ergib dich nur Jhme gantz ſo gut, ja vielmehr ſo ſchlim̃ als du biſt, Er kan, will und wird dich ſchon GOtt und allen heiligen Engeln und ſeli - gen Menſchen angenehm machen; uͤber - laſſe den Unglauben denenjenigen, die ihr groß Elend nicht empfinden, und daher JE - ſum nicht hoͤher achten als aller Welt Gunſt, Ehr, Luſt und Gut; Laſſe diejeni - gen ſich mit Zweiffels-Gedancken quaͤlen, die zugleich GOtt und auch der Welt gefal - len, JEſum und die Suͤnd, Chriſtum und Belial beyſammen haben wollen, und auf beyden Seiten hincken, alſo, daß ſie nie zu keinem veſten Schluß kommen; Du aber, der du JEſum zu deinem Antheil in Zeit und Ewigkeit auserleſen, ſchreite ungeſaumt zum Glauben ans Evangelium, ſo empfa - heſtu den H. Geiſt, der die Liebe GOttes in dein Hertz ausgieſſet und die neue Creatur in dir ſchaffet.

Einw. Jch wolte wol glauben und die theure Verheiſſungen mir zueignen, wann nur meine Begierd nach JEſu Chriſto nicht ſo laͤu waͤre, ich mein Elend ſchmertzlicher empfunde, und mir mei - ne Suͤnden recht leid waͤren, und ich ſie grundlich haſſete und in Ernſt flohe.

Antw. 1.) Hier iſt kein anderer Rathals144Das Schweitzeriſche Canaan. als gehe zu JEſu / den GOtt erhoͤhet hat zu ſeiner Rechten, zum Fuͤrſten und Hey - land, zu geben dem Jſrael Bekehrung und Vergebung der Suͤnden, Act. 5: 31. 2.) Wiſſe, daß dieſes alles erſt aus den Glauben recht grundlich flieſſet. 3.) Mache einen Unterſcheid zwiſchen der geſetzlichen Buß oder Reue, welche dem Glauben vorgehet, und meiſt aus Eigen-Liebe kommt, da der Menſch durch Gnaden-volle Aufweckung aus dem Schlaff der Sicherheit ſeinen See - len-Schaden merckt, ſich vor Tod, Hoͤll und kuͤnfftigen Gericht foͤrchtet, dem er allem gern durch ein heilig Leben entfliehen moͤch - te, kan aber die Suͤnd nicht von Hertzen haſ - ſen und laſſen, weilen die Hertz-erquickende Glaubens-Krafft zur Evangeliſchen Buß und wircklichen Abſterbung der Suͤnd noch in ihm iſt: Daher unſer Catechiſmus die Reue weißlich dem Glauben und Rechtferti - gung nachſetzt unter die Stuͤck der Danck - barkeit. Urſach iſt dieſe: Weilen die Evan - geliſche, kindliche Reue aus Liebe flieſſet, zu einem ſo guten GOtt, der mir meine Suͤn - den vergeben, mich zum Kind und Erben deß Himmelreichs angenommen, mir die Gerechtigkeit JEſu und den Heil. Geiſt ge - ſchenckt; Aus dieſem Glauben entbrennt die Liebe GOttes mit Begierd alles Guten und Haß alles Boͤſen; Da iſts dem Men -ſchen145CAP. VI. ſchen allererſt von Hertzen leid, daß er einen ſo guten GOtt und Vatter beleidiget hat, und nach einer ſo unausſprechlichen Liebe, noch nicht ſo bruͤnſtig| wieder lieben und rechtſchaffen dienen kan. Damit du aber die Sach noch deutlicher verſteheſt, will ich dirs mit einem Gleichniß erlaͤutern: Ein Unterthan nimmt ihm boͤſe Ding fuͤr wider den Koͤnig, darnach gehet er in ſich ſelbs, es reuet ihn, entſchließt ſich davon abzuſtehen, aus Forcht der Straff, ſo uͤber dergleichen ſchlimme Haͤndel ergehet: das iſt die geſetz - liche Reue. Die Sach kommt aus, der Koͤ - nig, an ſtatt ihn nach Verdienen zu ſtraffen, vergibt ihms, und beſchenckt ihn dazu mit Koͤniglichen Gnaden-Zeichen. Da verpfuy - et er ſich ſelbs, daß er wider einen ſo from - men Herren nur was Unrechtes hat doͤrf - fen dencken, moͤchte gern, aus Liebe zu ihm, Gut und Blut aufopffern, und das iſt die Evangeliſche Reue.

Biſt du nun dermaleneins reſolvirt das Zeugniß deß Vatters von ſeinem Sohn, daß Er auch dir, dir in Jhme ewiges Leben gege - ben habe, 1. Joh. 5. anzunemmen und mit dem Glauben zu verſigeln, daß GOtt war - hafftig ſeye, Joh. 3: 33. Gib GOtt die Eh - re, daß ſeine Allgenugſamkeit auch fuͤr dich ſeye, wage es zu glauben, ich weiß, es wird dich nicht gereuen, du wirſt bald eine unge -Kwohn -146Das Schweitzeriſche Canaan. wohnte Aenderung bey dir verſpuͤren: O es ſage einer zum andern getroſt, kommt, laſſet uns wieder zum HErren kehren, Hoſ. 6: 1. Nemmet euch untereinander bey der Hand, wie Kinder, und umgebet den Gnaden - Thron, leget unſerm ſuͤſſeſten JEſu euer An - liegen in Geheim, vertraulich vor, und ſchoͤpffet mit Freuden aus dieſem Brunnen deß Heils; O wie wohl wirds euch werden.

Dieſes iſt eben eine ungemeine Gnad deß H. Geiſtes, wann es einem Menſchen uͤber ſein natuͤrlich Verderben recht bang wird, Joh. 16: 8. dadurch meint er nicht dich zu ſchrecken und in die Flucht zu jagen oder zu verderben, ſondern erſt jetzt fahet deine Seligkeit an, und du wirſt bereitet zu der uͤberſchwencklichen, herrlichen GOttes - Gnad; die eben auf dergleichen geaͤngſtete Leute wartet, und wo wolte JEſus ſonſt mit ſeinem Heil hin, die H. Engel bedoͤrffens nit, die Welt lebt und ſtirbt im Wahn-Glaub ſicher hin, hat ihre Luſt und Liebe anders - wo, und trittet den Sohn GOttes mit Fuͤſ - ſen, Hebr. 10. freuet ſich mehr uͤber einen huͤpſchen Kaͤß oder Kalb, als uͤber die theu - reſte Verheiſſung, ja ſelbs uͤber Chriſti Menſchwerdung: jedennoch muß GOTT nothwendig Leute haben, die ſeines Chriſti froh werden, und eben darzu richtet dich derH. Geiſt147CAP. VI. H. Geiſt zu durch ſolche Uberzeugung dei - nes Elends.

Solten nun die Heerden dir folgen, da ſie nicht wiſſen, wo du ſie hinfuͤhrſt, ob in einen duͤſter gruͤnen Wald und ſchoͤne Wieſen oder auf den Marckt und zum Schlacht - Banck, und du ſolteſt deinem JEſu nicht folgen, von dem du eigentlich weiſſeſt, daß Er dich ins Paradys fuͤhret. Ach HErr JEſus Chriſt! gib mir auch jetzo Gnad et - was zuſchreiben, dadurch der Glaub in al - len zu dir ſich Umkehrenden erweckt werde; denn ich bin unnuͤtzer als eine Sonnen-Zeit wann die Sonne nicht daran ſcheint, ach es ſind nichts in mir als finſtere Zahlen und Bilder ohne Dich: O JEſu! mache haͤiter in meinem Hertzen, denn ſo wenig ein Fen - ſter das Zimmer erleuchten kan ohne das Tage-Licht, noch tauſendmal ungeſchickter bin ich, was Taugenliches zu ſchreiben; ich wills dann, O mein GOtt! auf deine gnaͤ - digſte Huͤlffe hin im Namen JEſu wagen.

Siehe alſo, du unglaͤubiges Hertz! dein groß und klein Vieh trauet dir, verſiehet ſich keines Argen zu dir, der du es gleichwol nur ausſaugeſt, und bloß deinen Nutzen dar - aus zieheſt, und du wilt Chriſto nicht trauen, deſſen Hertz ohne Falſch, und in deſſen Mund kein Betrug nie erfunden worden, der nicht ſeinen Nutzen ſondern nur deinK 2Beſtes148Das Schweitzeriſche Canaan. Beſtes ſuchet. Du haſts gern, wann dein Schaaf dir nachlaufft und ein gut Hertz zu dir hat, du freueſt dich deſſen, ſtreichelſt daſ - ſelbe und gibſt ihm liebliche Namen, wirſt auch ſehr zornig uͤber boͤſe Thier, die es ſchre - cken oder beiſſen, ſchlagſt mit dem Ste - cken drauff, und du wilt nicht glauben, daß du dem GOtt der Liebe einen groſſen Gefal - len thuſt, wann du dich alles Guten zu Jhm verſieheſt, dich nahe hinzu macheſt als ein Schaaf zu ſeinem Herren, nicht vor Jhme flieheſt, ſondern gern um Jhn biſt, du kanſt nicht dencken, daß ſich JEſus deiner ſo hart annemme, Jeſ. 40: 11. Luc. 15. Ezech. 34. uͤber deine Beleidiger, Teuffel, Suͤnd und Welt ergrimme, und ſich deßwegen gegen denen heiligen Engeln ruͤhme, daß er ein ſo fein, zahm Schaaf habe, das nirgends ru - hen koͤnne, es ſeye dann nahe bey Jhm, und daß es gleich gegen Jhn herein ſpringe, wann es Seiner nur von weitem anſichtig werde.

Du haſt deiner Kuhe nichts verſprochen, kein Blut fuͤr ſie vergoſſen, ſie nicht erſchaf - fen, ſie kan dich auch nicht mit Verſtand lie - ben, noch du ihr das Leben verlaͤngeren, und dennoch nimmet ſie Zuflucht zu dir, ja wann ſie aus eigener Schuld, weilen ſie ſich etwa zu weit entfernet, vom Wolff gebiſſen wird, ſo fliehet ſie wegen der wuͤſten Wun - den nicht von dir hinweg, indem ſie dirtrauet,149CAP. VI. trauet, du werdeſt ſie heilen, und du wolteſt nicht ein zuverſichtlich Hertz in aller Noth zu deinem getreueſten GOtt und Seligma - cher faſſen, da du gleichwol ſein Geſchoͤpff biſt, fuͤr welches Er ſein gantzes Leben auf - geopfferet; Sonſt frage Paulum, Petrum und Johannem, obs nicht wahr ſeye, was du da lieſeſt, grad dir hat Er die hertz-er - wuͤnſchteſten Verheiſſungen gethan, und hat dir einen Geiſt gegeben, der faͤhig iſt Jhn als dein hoͤchſtes Gut mit Erkaͤnntniß und Weißheit zu lieben, und innigſt zu genieſ - ſen, und das in alle unendliche Ewigkeit, und darffſt Jhm nach ſo erſchrecklichen Lie - bes-Bezeugungen nicht trauen, dich an Jhn nicht laſſen, noch glauben, daß du Jhme an - gelegen ſeyeſt: Koͤnteſt du dich auch groͤbli - cher an einem ſo liebreichen JEſus-Hertzen verſuͤndigen? darffſt nicht zu Jhm lauffen wann der Teuffel deine Seel durch deinen ſelbs eigenen muthwilligen Ungehorſam verletzt, du kanſt nicht glauben, daß Er die Lebens-Krafft ſeines Bluts und den Troſt - Balſam ſeines H. Geiſtes an dich wenden werde, deine von den gifftigen Wolffs-Biß brennende Gewiſſens-Wunden zu | heilen; Meineſt du denn, du ſeyeſt nicht ſo theuer geachtet in Chriſti Augen als die Kuh in deinen Augen?

K 3Einw.150Das Schweitzeriſche Canaan.

Einw. Es iſt kein Wunder, daß ich nicht ein ſo gut Zutrauen zu JEſu haben kan als die Kuh zu mir; dieſes braucht die Weide zum allerbeſten, und macht mir taͤglich ſo viel Milch als ſie vermag; ich aber habe meinen GOtt ſehr groͤblich beleidiget auf unzehliche Weiſe, und alle ſeine geiſtliche und leibliche Guͤter vergeudet: wie kan ich mich noch Gutes verſehen zu einem ſo gerechten und heiligen Gott, wider den ich ſo manichfaltig und ſo ſchwer - lich geſuͤndiget, und kan noch jetzt nicht aufhoͤren.

Antw. 1. Du machſt, als wann du nie nichts davon gehoͤrt haͤtteſt, daß GOtt Suͤn - den vergebe allen, die da ſind aus dem Glau - ben an JEſum, da du es doch taͤglich im Unſer Vatter und in denen Glaubens-Ar - tickeln herſageſt laut heiliger Schrifft: Gen. 8: 21. Jer. 33: 8. Pſ. 32: 51. 103. 130. Jeſ. 1: 18. 43 : 25. 44 : 22. Mich. 7: 18, 19. Joh. 5: 24. Act. 10: 43. 2. Cor. 5: 21.

2. Quaͤlt dich die Suͤnd und ſchreckt die Hoͤll, ſo eile zu der Lebens-Quell; Dru - cken dich deine Suͤnden ſchwerer als andere, ſo haſt du deſtomehr Recht und Anſprach an JEſum, Matth. 1: 21. 9 : 12, 13. 1. Tim. 1: 15. 1. Cor. 6: 11. 1. Joh. 2: 1, 2. Joh. 1: 29.

3. Das Suͤnden-Gifft hat ſich uͤber alle Creaturen durch die Wuth des hoͤlliſchen Drachen ausgebreitet, alſo, daß der ſichtba - re Himmel mit ſeinem Geſtirn, ja alle Ge - ſchoͤpffe, die in denen Elementen ſchweben,ſamt151CAP. VI. ſamt ihnen und allen Glaͤubigen ſeuffzen, in Geburts-Wehen liegen, und mit ausge - ſtrecktem Haupt warten auf die Erloͤſung vom Dienſt deß vergaͤnglichen Weſens zur Freyheit der Herrlichkeit der Kindern Got - tes, Rom. 8: 21, 22. Damit endlich ein - mal alles wieder in ſeinen erſten, reinen, pa - radyſiſchen Stand gelange durch den an - dern Adam, der von den Todten auferſtan - den, damit Er alles neu mache, unver - gleichlich, ſchoͤner, heiliger und herrlicher, als er unter dem erſten Adam geweſen iſt, 2. Petr. 3. Alles ſchreyet mit dir zu GOTT um Befreyung der Suͤnden-Laſt, der H. Geiſt ſelbs ſeuffzet in dir, und arbeitet mit dir zur Rettung vom Suͤnden-Leib und zur neuen Geburt durch die Auferſtehung JE - ſu Chriſti, als den Haupt-Grund der Er - neuerung aller Dingen: Alſo, daß das Luͤen der Ochſen, das Brieſchen der Kuͤhen, das Blecken der Schaafen, Summa das Win - ſeln und Klagen aller Thieren, das Rau - ſchen der Waſſern, das Brauſen der Win - den, und das aͤngſtliche Thoͤnen aller Ge - ſchoͤpffen ein allgemein Geſchrey um dich her iſt, daß dir zucuffet: Verlohrner Suͤn - der, glaube an GOtt, gehe zu JEſu, der dich ſelig machen kan und will: Dein allerge - treuſter Schoͤpffer wird als deine allmaͤchti - ge Liebe alles an dir und um dich her unend -K 4lich152Das Schweitzeriſche Canaan. lich wieder gut machen, was der Teuffel durch den Fall boͤß gemacht und verkehrt hat.

4. Die Baͤche, darinnen du dich waſcheſt und dein Geſchirr reinigeſt, lehren dich taͤg - lich die Abwaͤſchung deiner Suͤnden durch Chriſti Blut und H. Geiſt; Der Bach ver - ſchwemmet alle Unſauberkeit daß ſie nicht mehr zufinden iſt, wie vielmehr die Hertz - erquickende Paradys-Stroͤme der Gnade GOttes in Chriſto JEſu, Zach. 13: 1. Jer. 50: 20. JEſu Blut-Stroͤmlein fuͤhren al - le deine Suͤnden hinweg in die Tieffe deß Meers, daß ihrer in Ewigkeit nit mehr ſoll gedacht werden: Ja was kein leiblich Waſ - ſer zu thun vermag, nemlich natuͤrliche Schwaͤrtze als deß Mohren, oder von Kranckheiten entſtandene heßliche Farb und Unreinigkeiten wegzunemmen, das thut Chriſti Blut, allermaſſen es der allerdurch - tringenſte Liebes-Balſam iſt aus der ewigen Gottheit, und tilget deine Erb. Suͤnd ſelbs ſamt allen Befleckungen des Fleiſches und deß Geiſtes. Wilt du dich deines JESU noch nicht hertzlich erfreuen?

Einw. Wann nur eigentlich wuͤßte, daß JE - ſus ins Sanenland und Siebenthal kaͤme, wie er vor 1730. Jahren ins Land Canaan kommen iſt: ſonderlich, wann Er auch bey ſchlechten Huͤt -ten153CAP. VI. ten einkehren wolte, ſo wolte ich Jhn frey Selbs fragen, ob Er Neigung zu mir haͤtte!

Antw. JEſus kommt durchs Evange - lium 1. ins Land: ſintemal die H, Schrifft iſt der Canal und Brunn - Roͤhre dadurch dieſe lautere Waſſer deß H. Geiſtes ſich er - gieſſen, und in den begierigen Leſer mit Goͤttlichen Troſt und Labſal einflieſſen, ſie iſt der Koͤnigliche Wagen, darauf der Koͤnig der Ehren durch die hocherhabenen Tho - re der Begierden in die Seel hinein fahret, ſie iſt ein heller Spiegel deß ſonſt unſicht - baren GOttes, darinnen uns JEſus die eigentliche Geſtalt deß vaͤtterlichen Hertzens gegen uns zeiget und deutlich vorhaͤlt, ſeine in alle Ewigkeit unausdenckliche Menſchen - Liebe, wie Er gegen dein-und meinesglei - chen verdorbenen Suͤndern geſinnet ſey, und was er vorhabe aus dir und mir zuletzt zu machen; was Unbegreiffliches und Jhm fein im hoͤchſten Grad Selbs Anſtaͤndiges: Die H. Schrifften Alten und Neuen Teſta - ments ſind die Glaß-Fenſter aus Cryſtall, durch welche du die Gaͤnge des Koͤnigs in ſeinem Heiligthum ſehen kanſt, fuͤrnemlich wann der Tag deß herrlichen Reichs Chriſti in dir anbricht, Petr. 1: 19. ſie iſt das Band der Vereinigung mit GOtt, Pſ. 19. die Gold-Ader der Weißheit, Prov. 3: 19. ein Brief der Hochheiligen Drey-Einigkeit,K 5das154Das Schweitzeriſche Canaan. das lebhaffteſte Conterfait Chriſti, durch deſſen andaͤchtiges Anſchauen unſer Geiſt GOTT gleichfoͤrmig wird; ein Mittel da - durch Chriſti Reich auch zu deinen Nachba - ren kom̃t, biß die gantze Gegend uͤberall eine Huͤtte GOttes iſt bey den Menſchen, biß al - le Haͤuſer Zelten der Gerechten ſind, allda man mit Freuden ſinget vom Sieg, Pſal. 118. allda JEſus nicht nur etwa das Mit - tag-Mahl oder ſeine Nacht-Herberg nim̃t, ſondern da biß in Ewigkeit ruhet und woh - net als in ſeiner Hofſtatt.

JEſus kommt 2. ins Hertz ſelbs, durch den Glauben, den der Heil. Geiſt wircket durchs Evangelium, in dieſem finſtren, un - foͤrmigen Stall wird er gebohren, nicht nur fuͤr ein Paar Tag da zu bleiben, wie zu Beth - lehem, ſondern wie ein Baum in ſeiner Staͤtte einwurtzelt und da ſtehen bleibt, ſo lang er lebt; Alſo kommt JEſus warlich nicht nur in dein Hauß, ſondern gar ins in - nerſte deiner Seel hinein, und das nicht nur durch die Porten der heiligen Schrifft und Glauben, ſondern auch

3. Durch die Porten der Sinnen in de - nen ſichtbaren Geſchoͤpffen, wie ſolches viele Heiligen erfahren und bezeuget haben, und das iſt wahr, oder es muͤßte kein Wort GOttes in der Welt ſeyn, welches unmoͤg - lich iſt.

Einw.155CAP. VI.

Einw. GOtt offenbahrte ſich vor alten Zeiten durch Wort und Zeichen, und Wunder, und da ware es gut zu glauben, es iſt aber die Frag, ob GOtt auch noch heutiges Tages mit den Leuten wolle zu ſchaffen haben, wie damals, ſonderlich da ſie von Zeit zu Zeit boͤſer werden?

Antw. Der Menſchen Untreue hebt GOttes Treue nicht auf, Rom. 3: 3. das ſieheſt du in der Natur die um deß Gnaden - Reichs willen als deß weit Vornem̃eren er - halten wird: Die Felſen und Bergen ſchen - cken Tag und Nacht ohne Aufhoͤren ſchoͤn, friſches Waſſer ein, daß die Baͤchlein mit ihren Waͤſſerlein hin und her flieſſen, waͤ - ſchet, traͤncket und befeuchtet den Boden noch heutiges Tages, ſo gut als vor vielen hundert Jahren; und wo es ein geoͤffnetes Graͤblein findet, da laͤuffet es ohne Verzug in die Matten nach allem Begehren deß Landmanns: Ey wie ſolte denn der uner - gruͤndliche tieffe dreyfache Strom der Liebe und Guͤte deß Vatters, der Gnad deß Sohns, und der Gemeinſchafft deß H. Gei - ſtes verſiegen, und ſich nicht mehr durch Chriſti geoͤffnete Seiten als deß Felſen deß Heils ergieſſen, und unreine, duͤrre, todne Seelen waſchen, waͤſſern und mit Fruͤchten der Liebe anfuͤllen wie vor alten Zeiten, wo nur Herd und Steinen, das iſt, Liebe irrdi - ſcher Dingen und Haͤrtigkeit deß Hertzensein156Das Schweitzeriſche Canaan. ein Bißgen aus dem Weg geraumet wird, wers glaubt, wirds ſuchen, finden und er - fahren. Aber ach! du machſt es eben, wie wann dir ein guͤnſtiger Nachbar ein Graͤb - lein machte, den Bach hinein zu leiten, du aber giengeſt hin und legteſt groſſe, maͤchtige Steinen bey dem Eingang der Matten: gleicher Weiſe machet dich der gute Geiſt GOttes durch Offenbahrung deines Elends arm, leidtragend, demuͤthig, Heils-begie - rig, damit Er die erleuchtende, gerecht-hei - lig-und ſeligmachende Gnaden-Waſſer in dich hinein leite, du aber legſt den großmaͤch - tigen Unglauben beym Eingang hinein.

Geben deine Wieſen nicht jaͤhrlich wiede - rum friſch Graß aus dem Reichthum der Guͤte, Gedult und Langmuth GOttes, und wie ſolte die Krafft deß H. Geiſtes erſchoͤpfft werden, nicht eben ſo lebendige, heilige Be - wegungen und Wirckungen in dir hervor zu bringen wie in denen alten GOttes-Freun - den: Wann deine Kuh Verſtand haͤtte und baͤte dich, du wolleſt doch verſchaffen, daß ſie dir taͤglich die koͤſtlichſte, fetteſte Milch braͤchte in groſſer Menge, wurdeſtu ihr ihre Bitte nicht willfahren, wann es in deinem Vermoͤgen ſtunde; ey ſo biß doch nicht ſo hartkoͤpffig und eigenſinnig, daß du nicht wolteſt das Zutrauen zu GOtt haben, daß Er dein ernſtes Anhalten um Glauben, Hei -ligung,157CAP. VI. ligung, Keuſchheit und alle Goͤttliche Tu - genden nicht werde erhoͤren, da es ſeiner Eh - re ſo vieles daran gelegen, damit ſein Name nicht von Feinden geſchmaͤhet werde den gantzen Tag.

Deine Kuhe, Ziege und Schaaf koͤnte dir nicht Milch geben, wann es der allerheilig - ſte Schoͤpffer nicht alſo ordnete und taͤglich alſo haben wolte; mache nun dieſen Glau - bens-Schluß: Hat mir der gute GOTT ſchon ſo viel Jahre nacheinander gute fette Milch gegeben vermittelſt der Thieren, auch Weißheit daneben ſie zuzubereiten und But - ter u. Kaͤſe daraus zu machen, da ich Jhn nit achtete noch ſeinen Willen thate; wie viel - mehr wird Er mir jetzund den Heil. Geiſt und himmliſche Gaben geben, da ich nun Luſt habe zu ſeinem Dienſt und Gemein - ſchafft, ſtets in ſeiner Gegenwart zu leben zu allem ſeinem Gefallen, Liebe und Lob; Zumalen GOTT die Welt nur um ſeines Reichs willen erhalt, und es Jhme haupt - ſaͤchlich darum zu thun iſt, daß Er durch leibliche Gaben, die nur bloß allein aus ſei - nem Krafft-Wort geſchaffen ſind, locke zu geiſtlichen Guͤtern, die nicht anders als durch die ſchmaͤhlichſte Hinrichtung ſeines allerliebſten Sohnes haben koͤnnen zuwe - gen gebracht werden, und es der letzte Zweck GOttes iſt, daß wir davon angefuͤllt wer -den,158Das Schweitzeriſche Canaan. den, Eph. 3: 19. Wo bittet aber unter euch ein Sohn den Vatter um Milch, der ihm verdorbenes Waſſer darbiete? ſo dann ihr, die ihr boͤß ſeyd, koͤnnet euern Kindern gu - te Gaben geben: wie vielmehr wird euer Vatter aus dem Himmel den H. Geiſt ge - ben, denen, die Jhn darum bitten? Luc. 11: 13. Schließlich ſchreyet dir JEſus zu, ſo offt du deinem Kind Milch darreicheſt, was zweiffelſt du, O du Kleinglaͤubiger an GOt - tes Vatter-Hertzen, als ob Er dir nicht ger - ne ſeinen Sohn und Heil. Geiſt ins Hertz ſchencke, und alles wahre Gute und Selig - keit darmit in Zeit und Ewigkeit? ſchaͤme dich doch dereinſt deines Unglaubens vor deiner Kuh und vor deinem Kind. Ja GOtt erhaltet ſeinen aͤrgſten Feinden und Ver - aͤchtern ſeiner Gnad ihr Vieh mit ſafftigem Futter, und du, der du nunmehr von Suͤn - den abſtehen und gern Goͤttlich leben wol - teſt, auch ſeine Gnade hoͤher ſchaͤtzeſt als tauſend Welt, du traueſt Jhm nicht ſo viel zu, daß Er deine Seele, vor welche gleich - wol Chriſtus geſtorben iſt, werde erhalten, mit Lebens-Brodt ſpeiſen, mit der Milch ſei - ner Liebe traͤncken, und mit dem Rock des Heils bekleiden, da Er doch dein Kalb mit einer ſo guten, warmen Haut anthut, pfuy deines gar zu groben, zu unverſtaͤndigen und ſchaͤndlichen Mißtrauens | Glaube,glau -159CAP. VI. glaube, ſo wirſt du die Herrlichkeit deines GOttes ſehen.

Einw. Ach wie ſelig waͤre ich, wann nur glau - ben koͤnte; aber ich kan mir der Evangeliſchen Verheiſſungen Chriſti, der Propheten und Apo - ſteln keine recht zueignen, es will nicht bekleiben, ach wann nur JEſus ſein Antlitz leuchten lieſſe uͤber mich, und ich nicht ſchon ſo lang im Finſtern ſitzen muͤßte!

Antw. Es ſind auch wol hier einige Ge - genden, da wegen der nahe gelegenen hohen Gebirgen die Sonne etliche Wochen lang nicht hinſcheinet; aber wie kein Berg ſo hoch iſt, daruͤber die Sonne nicht endlich ihr goͤl - denes Haupt empor hebe, und das finſtere Thal mit Licht, Glantz und Waͤrme heim - ſuche, wo man nur der rechten Zeit erwarten mag, alſo kein Verderben ſo tieff, kein Un - glaub ſo hoch, JEſus uͤberwindet alles. Mit Aechzen und Graͤmen befoͤrderſt nichts, Ge - dult und Hoffnung iſt hier das beſte Mittel, und daß man inzwiſchen die Tages-Haͤitere brauche zu ſeinen Geſchaͤfften, ſo lang man den angenemmen Sonnenſchein nicht ha - ben kan. Gleichfalls wirſt du wohl thun, wann du deiner Seel zuſprichſt, Pſ. 42: 11. und 62: 2. die Anfuͤhrung des H. Geiſtes durchs Evangelium braucheſt, ſo gut du kanſt, nicht wider das Licht deines Gewiſ - ſens handelſt, noch von GOtt weglauffſt, nicht verdrießlich werdeſt, ob du noch ſo langdes160Das Schweitzeriſche Canaan. des Seel-erquickenden Gnaden-Scheins und Freude ob ſeinem Heil entbehren muͤſ - ſeſt, murren thut unmaͤßlichen Schaden, und hat ſich mancher darmit jaͤmmerlich ſelbs verderbet; Dancke du GOtt allezeit, du haſt ſchon viel Gutes in dir, das viel tau - ſend andere nicht haben und du nicht weiſt; brauche die gegebene Gnad ſtillechen zum Gehorſam und Leiden; meide allen Zeit - Verderb, unterhalte dich ſtets mit GOTT oder mit der Heil. Schrifft und Hlaubens - Kindern, ſtreite mit deinen eigenen Schreck - und Plag-Gedancken, aber nicht anders als durch Aufſehen auf JEſum, den Anfaͤnger und Vollender des Glaubens, eben wie die Jſraeliten mit denen feurigen Schlangen ſtritten; Laß dichs nicht anfechten, ob du JEſum ſeheſt, fuͤhleſt, oder nicht, ob die Suͤnd nachlaſſe dich zu plagen oder nicht, es wird ſich zur Stund alles finden; Bilde dir die Berge deiner Verderbniſſen nicht all - zu hoch ein, du wirſt erfahren, daß die Son - ne Goͤttlicher Barmhertzigkeit alles unend - lich uͤberſteigt; Werde deßwegen mit nich - ten kleinmuͤthig und zaghafft, daß andere eher und meher getroͤſtet werden; Mache es wie das Voͤgelein, das im Ungewitter auf ſeiner Brut bleibet.

Bleib nur getreu im Sturm /
GOtt hat das Ey gegeben;
Er161CAP. VI.
Er ſchickt / obs gleich nicht ſcheint /
Zu ſeiner Zeit das Leben.

GOtt kan und wird allen Abgang an em - pfindlichen Suͤßigkeiten u. geiſtlichen Nied - lichkeiten gar herrlich erſetzen: praͤtendiere kein Recht bey GOtt, faſſe den Sinn Jobs u. des verlohrnen Sohns, Job. 13: 15. Luc. 15. du wirſt hernach befinden, daß du nit zu - ruck geblieben, und daß dir deine Zeit keines - wegs verlohren gangen, noch dein Warten vergebens geweſen, Hebr. 10: 36, 37. Mich. 7: 7-10. Du haſt einmal das Ey, die anfaͤng - liche zubereitende Gnad, den Eckel an den bißherigen Wandel, das Mißfallen an dei - nem Zuſtand, eine aͤngſtliche Forcht vor GOttes Gericht, eine ſehnliche Begierd dem - ſelben durch den Gehorſam des Glaubens zu entfliehen, ein tieff Gefuͤhl der Kraͤfften der Finſterniß, des Unglaubens, der Traͤg - heit, Unluſt zum Buß-Kampff, der Hertzens - Haͤrtigkeit und Unachtſamkeit des ewigen Heils: Summa, du erkenneſt und geſte - heſt den tieffen Abgrund deines Verderbens und deine jaͤmmerliche Ungeſchicklichkeit zum Himmelreich, welches eine ſeltene Gnade iſt in dieſen Zeiten der allgemeinen groſſen Sicherheit, wie vor der Suͤndfluth, da ein jeder den Wahn behalt, er habe einen guten Glauben, er muͤſſe ja bey Leib nicht zweiffeln an ſeiner Seligkeit, und alle guteLHoff -162Das Schweitzeriſche Canaan. Hoffnung haben, er werde ſo gewiß in Him - mel kommen als immer einer: Jm Gegen - theil zweiffelſt du nit nur, ſondern ſchlieſ - ſeſt aus GOttes unfehlbarem Wort, daß du unmoͤglich ins Himmelreich eingehen koͤn - neſt, du werdeſt denn gantz anders, von Grund und Boden erneuert, empfaheſt aus Chriſto einen neuen Sinn, Muth und Hertz, neue Gedancken, Willen und Leben, und thuſt den Willen des Vatters im Him - mel, und wandelſt, wie JEſus gewandelt, 1. Joh. 2: 6. 2. Cor. 5: 17. Joh. 3: 5. laſ - ſeſt es auch bey dieſer Uberzeugung nicht bleiben, ſondern das iſt dannenhero deine Haupt-Sorg, daß du von deiner vorigen Finſterniß zum neuen Gnaden-Licht, und von der Gewalt des Satans zu GOtt kom - men moͤgeſt in das ſelige Gnaden-Reich des Sohns ſeiner Liebe, Act. 26: 18. Col. 1: 13. Derowegen biſt du nicht mehr unter der Suͤnd, ſondern al[lb]ereit unter dem Geſetz, ſteheſt in geſetzlicher B[u]ß, Rom. 7: 14-23. biſt unter der Beſatzung verſchloſſen, und wirſt verwahret biß auf den Glauben; in welcher Gefaͤngniß es den Menſchen offt ſo angſt wird, daß, wie Luther hieruͤber ſagt, wann Himmel und Erden ſchon noch zehn - mal groͤſſer und weiter waͤren, dunckts doch die Seel in ſolcher Bangigkeit ſie ſeyen ſo eng als ein Maͤuſenloch: Hier iſt nichtsbeſſers163CAP. VI. beſſers als wiſſen u. glauben, es waͤhre nicht ewig, ſondern geſchehe nur darum, daß einem Chriſtus als die weſentliche Barmhertzigkeit GOttes ſuͤß werde, zumalen keine als Buß - fertige des Glaubens faͤhig ſind, Marc. 1: 15. welche des fleiſchlichen Sinnes uͤberdruͤſ - ſig ſind und ſich nach GOttes Freundſchafft ſehnen, wartende auf das Blut des Bun - des, Zach. 9: 9, 11. und auf den Geſalbe - ten, der des HErren Geiſt hat, Jeſ. 61: 1, 2, 3. dann ob Er ſchon zu vielen Millionen Menſchen kommen iſt, und ihnen als ein GOtt geholffen, ſo haſt du doch nichts da - von, es ſeye denn, daß Er auch zu dir kom - me.

Demnach haſt du mehr Urſach froͤlich zu ſeyn in der Hoffnung, als dich mit aͤngſtli - chen Gedancken zu plagen, auf deinen arbeit - ſeligen Zuſtand ſind viel ſchoͤne Lieder ge - macht worden, als: Nun freuet euch liebe Chriſten g’mein. Jtem, Biſt du Ephraim betruͤbet. Jtem, Wo ſoll ich fliehen hin. J - tem, Schwing dich auf zu deinem GOTT. Jtem, O Durchbrecher aller Banden. Jtem, Der Gnaden-Brunn fleußt noch. Die zuͤch - tigende Gnad hat dich einmal eingeſperrt, daß du ihr lieber Gefangener und nicht mehr mit der Welt lauffen darffſt wegen der See - len-Plag, ſo daraus erfolget; Da haſt nun das Ey, darinnen das Reich GOttes alsL 2im164Das Schweitzeriſche Canaan. im Saamen verborgen iſt: ja du biſt ſelbs das Ey, welches GOTT der Vatter der himmliſchen Bruͤt-Henne dem H. Geiſt hat untergelegt, daß Er dich ausbrute und Chriſto zubereite, daß du Jhm als ſein Huͤn - lein nachlauffen und ſein genieſſen koͤnneſt in ſeinem Reich, Joh. 6: 37, 39. 10 : 28. 17 : 2, 6, 9, 24. Zach. 12: 10.

Fr. Wobey mercke ich dieſe gute Ding, daß ei - ne ſo groſſe Seligkeit bey mir anfahe?

Antw. Dabey, daß du einen ſteten Trieb innerlich fuͤhleſt nicht zu bleiben in der Ab - kehr von GOTT, und dich dazu eines all - maͤchtigen Erretters benoͤthiget befindeſt, in - zwiſchen es nicht mehr, wie zuvor geſchehen, verlohren geben darffſt an Beſſerung zu ge - dencken, auch dich nicht weiter auf dein eigen fromm werden verlaſſen, ſondern dich der Regierung des H. Geiſtes ſehnlichſt an - vertraueſt, und begierigſt den Weg, den Er dich fuͤhret, zu gehen verlangeſt, wann nur JEſus in dir verklaͤret werde, welches der H. Geiſt als ſein Amt und Werck allein zu thun vermag.

Hier aͤuſſert ſich ſeine unendliche Treue gegen allen, die ſich Jhm unterziehen, Er ver - laßt ſie nicht leicht, bewirckt ſie ohne Auf - hoͤren, eben wie eine Bruͤt-Henne einen Mo - nat lang aneinander nicht von den Eyern weggehet, faſt nichts iſſeſt, ſie unermuͤdet inglei -165CAP. VI. gleicher Waͤrme erhalt; gleicher Weiſe laßt die bruͤnſtige Begierd ſie neu zu gebaͤhren dem H. Geiſt nicht zu, ſich von der Seele zu entfernen, da indeſſen die Seele auch mit der Gnad mitwircken und unter denen be - deckenden und erwaͤrmenden Gnaden-Fluͤ - geln redlich bleiben muß, wann ſie nicht will, daß eine hoͤlliſche Fledermauß unver - muthet uͤber ſie komme, ſie folglich eine Mißgeburt werde, und elendiglich verderbe, 2. Cor. 6: 1. wo ſie aber folget mit Jnne - bleiben und unermuͤdetem Sehnen nach der Kindſchafft, da durchweichet der H. Geiſt das Hertz, durchtringet das Jnnerſte mit Gnaden-Blicken und angenemmen Lo - ckungen, legt einen ewigen Grund einer vollkommenen Gluͤckſeligkeit, bezeuget ſich ſehr freundlich, und ſchaffet durch ſeine Uberſchattung eine ruhige Hoffnung einer baldigen Erloͤſung.

Fr. Wie gehets einem der unter der Bruͤt-Henne liget, und noch iſt wie ein Huͤnlein in der Schalen?

Antw. 1. Er wolte gern durchbrechen in die neue Gnaden-Welt, findet ſich in - zwiſchen umfangen von Suͤnd, Satan, Tod und Geſetz, alſo, daß ihm der Sieg biß - weilen unmoͤglich vorkommt.

2. Was aber die Hoffnung unterhaltet, iſt der Nam, die Perſon und das Fuͤrnem - men JEſu, das Wort der Verheiſſung, ſoL 3vieler166Das Schweitzeriſche Canaan. vieler Heiligen hocherwuͤnſchte Erfahrung, wobey das Angedencken der Erbarmun - gen JEſu unausſprechlich ſuͤß und heilſam iſt, daß der Menſch offt nicht weißt, wie ihm geſchiht, bald erwaͤrmt ihn eine kraͤff - tige Erinnerung der Schrifft, eine ſuͤſſe Verheiſſung, bald eine Luſt zu beten, bald ſeuffzet er, nicht wiſſend warum: Dieſes iſt die Hertz-ruͤhrende Gewalt des H. Geiſtes, Pſ. 19: 10, 11. Tit. 3: 4, 5. Cant. 5: 10 - 15. Num. 13: 24. Pſal. 78: 14, 15, 24, 25, 27.

Fr. Wie muß ich mich aber in dieſen Zuſtand unterm Geſetz verhalten?

Antw. Eben wie Huͤnlein, die zwar an der Schalen bicken und unruhig ſind, biß ſie durchgebrochen, warten aber dennoch der rechten Zeit und Stund, ſonſt wo ſie vor der Zeit loßgeriſſen wurden, verdurben ſie wie eine unzeitige Geburt, demnach richteſt du nichts aus, ob du arbeiteteſt, daß dir das Hertz brechen moͤchte. Lauffe nur nicht etwa im Unwillen vom H. Geiſt hin - weg, ſprich deiner Seelen ein bißgen zu, daß ſie warte, biß der Geburts-Tag kommt, und der gute GOTT Licht und Muth ein - floͤßt durchzubrechen ins Leben des Glau - bens, ehe dieſe Stund der Verklaͤrung JE - ſu gekommen, Joh. 17: 2. Zappelt die Seel und kan doch nicht in die Ruhe GOt -tes167CAP. VI. tes eingehen, ſie kan die Verheiſſungen ſo wenig ergreiffen, als ein gebundener Vo - gel uͤber die Wolcken hinauf fliegen: indeſ - ſen iſts Seelen-gefaͤhrlich und wird ſchlim - mer als zuvor nie, wo man ſich nur ge - ſchwind der Angſt und des Kampffs erledi - gen will, wie viele thun offt durch ſatani - ſche Raͤthe unwiſſender Leuten; JEſus weißt alleine die rechte Weiſe und hilfft ge - meinlich, wann die Noth am allergroͤſten iſt, Joh. 8: 36. Luc. 4: 18. Rom. 7: 4, 6. Gal. 4: 4, 5. Pſ. 107: 16. Rom. 6: 14. Hebr. 2: 15. Luc. 1: 74, 75.

Fr. Wann aber das Geſetz des lebendigma - chenden Geiſtes in Chriſto JEſu einen Menſchen frey gemacht hat vom Geſetz der Suͤnden und des Todes, Rom. 8: 2. Gal 2: 19. was hats denn zumal vor eine Bewandtniß mit ihm?

Antw. Wie mit einem Huͤnlein, das aus der Schalen ans Licht der Welt gekro - chen; es ſiehet ſeine Gluck-Henn Chri - ſtum, halt ſich zu Jhm und weißt wozu Er gut zu gebrauchen, iſt gluͤckſelig im Um - gang und Genuß GOttes, legt Jhm ſein Verlangen im Gebet vertraulich vor, wie die Kuͤchlein immer um die Henne her ſind, klaͤglich ruffen, ſich nicht darauf verlaſſen, daß ſie aus den Schalen ſind, lauffen koͤn - nen |und leben, ſondern laſſen der Hennen Leib und Fluͤgel ihren Schutz und SchirmL 4ſeyn;168Das Schweitzeriſche Canaan. ſeyn; ebenmaͤßig genieſſet der zum Glau - ben gebrachte JEſum uͤberſchwencklich wi - der des Geſetzes Verdammung, der Suͤn - den Anklag, des Todes Schrecken, der Welt und aller Teuffel Tyranney, indem er ſich unter Chriſti Gehorſam, Gerechtigkeit, Le - ben, Troſt, Freyheit und Seligkeit ver - birgt, Pſal. 91. und 111. und 112. Mal. 4. Rom. 3. 1. Petr. 2: 25. Die Henne hat eine jammerige Stimm; alſo flieſſen alle Handlungen, Muͤh und Sorg Chri - ſti aus ſeiner allertieffeſten Erbarmung, Jerem. 2: 5. 3 : 12, 13. 8 : 7. Hoſ. 11: 8, 9. Luc. 19. Joh. 14. Scharret in heiliger Schrifft, und iſt nichts ſo vergnuͤglich, ſelig und koͤſtlich, daß JEſus einem neugebornen Geiſt nicht offenbahre, welches denn dieſer zum Wachsthum anwendet, Pſal. 25: 14. Da verbindet einerſeits der Seelen Noth - duͤrfftigkeit, anderſeits Chriſti unerſaͤttliche Liebe beyde aufs genaueſte zuſam̃en, alſo, daß eins nicht wohl ohne das andere ſeyn kan, JEſus muß ſie bey ſich haben, damit Er die Reichthuͤmer ſeines Evangeliums ihr ohne Aufhoͤren mittheilen koͤnne; Sie muß auch nicht fern ſeyn, damit ſie die gezeigten Gnaden-Koͤrner eineſſen, und dadurch in aller Heiligkeit und Unſchuld zunemmen moͤge nach ſeinem Bild; biß das Huͤnlein durchaus gleicher Art, Natur, Stimm,Nah -169CAP. VI. Nahrung mit der Gluck-Hennen iſt. Fuͤr ſolche ſtreitet Chriſtus immer, und wer ſie beſchaͤdigen will, ſo lang ſie iñ, mit, bey und unter Chriſto ſtill bleiben, der muß von erſt die Henne umbringen; ſo lang JESUS lebt, hats keine Gefahr: Er hat ſich in die - ſem Streit von denen Weihen, Tod, Suͤnd, Teuffel und Hoͤll toͤdten laſſen, dadurch die arme Huͤnlein erſchreckt und zerſtreut wor - den; da ſie ſich aber mit Chriſti Tod nicht vernuͤgen, ſondern auch die Huͤnlein wol - ten angreiffen, iſt Er wiederum aufgewachet, und hat die feindſelige, foͤrchterliche Weihen allzumal verſtaͤupet. O ewige Vorſorg des Vatters, der JEſum zu unſerer Gluck - Henne verordnet hat! O unbewegliche Lie - be des Sohns, der Jmmanuel und Gluck - Henn hat ſeyn wollen! O unermuͤdete Treue des H. Geiſtes, der uns zur Gemein - ſchafft des Vatters und des Sohns bereiten, ausbruten und neugebaͤhren will, zu Kuͤch - lein, Taͤublein und Adler, als die Taube Matth. 3. Bruͤt-Henn, ſchnee-weiſſe, himm - liſche Adler.

Einw. Ach waͤre ich nur ein Huͤnlein! aber nein, ich bin ein faul, ſtinckend Ey, bin voll Jrr - thum, Schalckheit und Heuchel-Schein, kenne GOtt nicht, kan keine guten Gedancken bey mir behalten, alles Gute fliehet von mir hinweg, mei - ne geiſtliche Ubungen ſind eine bloſſe Gewonheit, thue meinem GOtt nicht das geringſte recht treu -L 5lich170Das Schweitzeriſche Canaan. lich zu Gefallen, tauge zu nichts als weggeworf - fen zu werden.

Antw. Biß nur ſtill und habe Gedult, der Monat iſt noch nicht fuͤruͤber, Chriſti Stund iſt noch nicht kommen, JEſus er - waͤrmet die Seel offt mit einem Wort, macht ſie ſtarck und hitzig, daß die Schale bricht und ſie hervor kommt in die ſelige Gnaden-Welt, Luc. 24: 32. Apoc. 1: 17. Hebr. 10: 37. 1. Sam. 2: 6.

Einw. Bin gefangen, kan nicht auskommen, muß erſticken!

Antw. Hoſ. 13: 13, 14. Phil. 1: 6. 2 : 12, 13. Rom. 8: 2. Jeſ. 42: 3, 16. Pſal. 124.

Einw. Kan nicht unter der Henne bleiben, Gluͤck und Ungluͤck reiſſet mich davon, werde noch zuletzt vom Weih zerriſſen, der Teuffel iſt liſtig, hat meine Vor-Eltern uͤberliſtet, da ihre Weißheit am hoͤchſten ware!

Antw. Der Vatter hat dich JESU uͤbergeben, und der hat gnugſame Weiß - heit, Jeſ. 52: 13. 1. Cor. 1: 30. Col. 2: 3. Er iſt weiſer als alle Engele, wendet alle Suͤnd, Anfechtung, Verfolgungen, Feh - ler, ſeinem Volck zum beſten.

Einw. Ja, aber JEſus muß ſelbs mein muͤd werden!

Antw. O Kleinglaͤubiger! wo haſt du jemals eine Henne geſehen ihre Huͤnlein zerreiſſen oder nur von ſich wegjagen, Jeſ. 49: 15. Pſ. 27: 10.

Einw.171CAP. VI.

Einw. Es iſt kein Raum mehr da fuͤr mich, mei - ne Gnaden-Zeit iſt aus, die ſind ſchon bekehrt, welche GOtt in dieſem Land hat wollen ſelig ma - chen, die haben den Segen hinweg, ich komme zu ſpat.

Antw. Bitte von JEſu nur dieſe Gnade aus, daß Er dich nur mit dem aͤuſſerſten Theil ſeiner Fluͤgeln bedecken wolle, nach - dem du einen beſſern Ort verſaumt habeſt, ſchiebe es nicht einen Tag laͤnger auf, viel - leicht erlangeſt du die Bitt und wird dir ge - holffen, ſonſt iſt dein Verderben vor der Thuͤr, und wirſt nicht einen andern Weg entfliehen, eile, denn es kommen ſchwartze Wolcken, und Ungewitter trohen einzu - ſtuͤrmen, beharre im Sehnen nach Chriſto, biß der ſterbliche Leib als eine Schale zer - bricht, und du unter dem Begleit der heili - gen Engeln ohne Hinderniß in die neue Welt und Paradys entfliegeſt, Amen.

Siehe, du verliehreſt ungern ein Huͤn - lein, und ſolte JEſus nicht unendlich mehr Sorge tragen zu deiner Seligkeit: Du zehleſt deine Schaafe mit Fleiß, und biſt voll Betruͤbniß und Sorgen wann eins feh - ler; Jſt aber deine Seele JEſu nicht weit mehr angelegen als dir deine Schaaf? Er iſt ja dein Hirt, Er vermiſſet dich gar nicht gern, du koſteſt Jhn zu viel, Er hat ſein Blut und Leben vor dich gegeben, Joh. 10: 28. Pſ. 119: 176.

Mei -172Das Schweitzeriſche Canaan.

Meineſt du, du koͤnneſt niemals ein guter Geruch Chriſti werden, 2. Cor. 2. Laſſe dich doch von den Bluͤh - Bohnen uͤberzeugen, und deinen Unglauben beſchaͤmen, welche einen ſo gar angenehmen und lieblichen Ge - ruch von ſich geben, den einem die Lufft, ehe man noch dabey iſt (wie aus der Gewuͤrtz - reichen Jnſul Ceilan) entgegen fuͤhret, daß man ſie offt eher riechen als ſehen kan: Solte nun GOtt einer ſo kurtzwaͤhrenden Bluͤthe oder Blumen ſolche Anmuthigkeit ſchen - cken, und ſolte Er die Seele, daran Er ſein liebſeligſtes Luſt-Spiel haben will, nicht mit einem himmliſchen Geruch des Lebens be - gaben zum ewigen Leben, und mit ſeinem goͤttlichen Gnaden-Wind durchwehen, Cant. 4: 16. Und obſchon die Ausduͤfftung dieſes Gnaden-vollen Geruchs entweders durch die ſo nahe anklebende Verderbniß oder mancherley Verleumdung und Laͤ - ſterung boͤſer Leuten gehem̃et wird, daß er ſich nicht zu vielen ausdehnen kan, ſo ent - ſchuldiget dich deñoch die Geſtalt und dein nach dem Himmel gerichteter, ſanffter, ein - faltiger, leidſamer Sinn (habe an der Straß ein kleines Plaͤtzlein von Bluͤh-Boh - nen geſehen, deren Hertz-erquickenden Ge - ruch vor dem Geſtanck eines dabey liegen - den Secrets und Saͤu-Stalls nicht aufkom - men konte) dort wird ſcheiden, GOTT diebey -173CAP. VI. beyden, wann die Hochzeit wird angehen, was biſt du denn ſo unruhig, harre doch auf GOtt, du wirſt Jhm noch dancken, daß Er deines Angeſichts gewaltige Huͤlffe und dein GOtt iſt.

Kurtz, ein jedes Troͤpffgen Milch, ein je - des Graͤßgen, ein jeder Biſſen, den du iſſeſt, ein jeder Sonnenblick, der uͤber die hohe Gebirg hinein dich beſucht, iſt dir ein Zeu - ge, daß GOtt deiner nicht vergeſſen und tauſendmal mehr geneigt iſt deiner Seelen, die Jhm ſo nahe verwandt, Guts zu thun, Act. 17: 28. Jerem. 32: 41. Finden ſich auf den hohen Bergen keine Saat-reiche Aecker, Weinſtoͤcke, Oel-Baͤume, vielweni - ger Weihrauch und Mirrhen, wie die Ca - naaniſchen Bergen deßwegen beruͤhmt ſind in H. Schrifft, Cant. 4: 6. Sieheſt du vor dir Berg-hohe Felſen, die von Erden und Gewaͤchſen gantz entbloͤſſet, beſtaͤndige Schnee-und Eiß-Klumpen ſind; ſo haſt du gleichwol auch vor dir koͤſtliche Berg - Weiden, welche eine unglaͤubliche Menge wilden und zahmen Viehs, auch Hoch-E - deln Geſluͤgels ernehren, ſo daß, wann ſie nicht von Moſt, ſie doch von Milch trieffen, und das Niedlichſte auf groſſer Herren Ta - feln anſchaffen; Anbey ſind ſie reiche Waſ - ſer-gehalter oder vielmehr ewige Brunnſtoͤ - cke, daraus unzahlbare Fluß-Baͤche undBrun -174Das Schweitzeriſche Canaan. Brunnen entſpringen, Deut. 8: 7. Wie luſtig ſind von hohen Felſen abſchieſſende Waſſer-Faͤlle anzuſehen; wie Majeſtaͤtiſch dieſe ihre Spitzen uͤber die Wolcken erheben - de Eiß-und Schnee-Berge, da offt auf ei - nen Tag alle vier Jahrs-Zeiten und deroſel - ben Fruͤchte, Eiß-Schollen, Erdbeeren, Kirſchen, Getraͤidig und Trauben zu ha - ben.

Alle dieſe Wunder ſtellet dir dein GOtt in der Natur vor Augen, dich aufzumun - tern, daß du ein gut Hertz zu Jhme habeſt, und das Vertrauen zu Jhme niemals fah - ren laſſeſt, dich in alle Fuͤhrungen ſeiner unausforſchlichen Weißheit und uner - gruͤndlichen Treue in allen Zeiten wohl zu - ſchicken. Haſt du nicht alle die geiſtliche Suͤßigkeiten, Niedlichkeiten, Koſtbarkeiten, ſo andere etwa haben, als hohe Offenbah - rungen, Geſichter, Traͤume, fuͤrtreffliche Gaben, Aemter, Verrichtungen, Erkaͤnnt - niſſen, groſſe Schein-Wercke und was den Menſchen in der Chriſtenheit zierlich und beruͤhmt machen kan; ſo haſt du doch das einige nothwendige, GOttes Gnad, die Liebe JEſu, und die Regierung des H. Gei - ſtes: Die lautere Milch des Worts der Wahrheit, und das klare Waſſer des erleuch - tenden, reinigenden, fruchtbarmachenden H. Geiſtes kan dich ſtarck genug in GOTTmachen,175CAP. VI. machen, im Gehorſam und Leiden, (wie denn die Bergleute an Geſundheit und Lei - bes-Staͤrcke andere Erd-Bewohner gemein - lich uͤbertreffen.) Was wilt du mehr? gleich - wie ein geſunder, ſtarcker Schweitzer bey ſei - ner Milch-Speiſe gluͤckſeliger zu achten iſt, und es beſſer hat, als der kranckne Mogol, der von den mannigfaltigen Tractamenten mehr Plag und Ungemach als Staͤrcke und Erquickung hat, alſo iſt ein Chriſt viel woͤh - ler, der von nichts weißt als vom Glauben an Chriſtum, von dienſtfertiger reiner Liebe gegen ſeinen Naͤchſten, und von einfaͤltigem, kindlichem Gehorſam der Gebotten Chriſti, als ein Meiſter-loſer Chriſt, der tauſender - ley Geluͤſte hat nach allerhand Seltenheiten und Anzuͤglichkeiten, die er hoͤret, das ande - re Heiligen in unſern oder in vorigen Zei - ten genoſſen, mithin unzufrieden mit der gegenwaͤrtigen Gnade GOttes, die er je nicht zur Luͤſternheit, ſondern zur Staͤr - ckung des neuen Menſchen anſetzen ſolte, daneben andern das Jhrige von Hertzen goͤnnen; ſo gewiß Koͤnige an langen, ſtar - cken Schweitzern ihre Augen-Weide haben, vielmehr Hertzens-Luſt hat Chriſtus an ſo - thanen fiarcken Seelen, die ſich das gantze Jahr aus mit dem puren Willen GOttes koͤnnen durchbringen, und dabey vernuͤgt ſind: Jſt doch manche Seele, die wenig vongeiſt -176Das Schweitzeriſche Canaan. lichen Leckereyen weißt, und viel Hartes ausſtehen muß, auf denen Gebuͤrgen des einſamen Hungers nach GOtt verborgen, und kommt gleichwol zuletzt als ein ſtattlich Wildprett auf die Hochzeit-Tafel des Sohnes GOttes, wie ein Faſan und Stein - Hun auf der Fuͤrſten Tiſch.

Derowegen muſt du, liebes Hertz, ein bißgen mannlich ſeyn, und GOtt allezeit dancken fuͤr alles, findeſt du noch ſo vieles unfruchtbare, harte, kalte, unluſtige in deiner Seelen, wie jaͤhe, nackete Stein-Fel - ſen und Eiß-Bergen, ſo dencke 1. das ſchlech - te diene wenigſtens darzu, daß es das Gu - te anpreiſe, deſto herrlicher und angeneh - mer mache, wie man im Luſt-Garten zu Heidelberg eine groſſe Tanne hat ſtehen laſ - ſen, den Anmuth der kuͤnſtlichen Gebuͤ - ſchen, Blumen, Spring-Brunnen darmit zu vermehren, alſo muß die Herbigkeit der Natur GOttes Gnad, die Suͤnd, Chriſti Unſchuld, die Armuth ſeinen Reichthum, die Schwachheit ſeine Krafft, die Thorheit ſeine Weißheit, die Unſchuld ſeinen Ver - dienſt, die Unreinigkeit ſein Blut, der Un - fried ſeine Freud, das Elend ſeine Seligkeit, die Hartigkeit ſeine Saͤnfftigkeit erhoͤhen und verklaͤren; Der Diſtel-Kopff die Lilien, der Dorn die Roſe, der alte Menſch den neuen, der rauhe Felß die grune Luſt-Weid,das177CAP. VI. das alte Weſen des Buchſtabens, das neue Weſen des Geiſtes: Weiß und ſchwartz, ſuͤß und bitter neben einander, damit du nicht ſo bald vergeſſeſt was du ſeyeſt in deiner al - ten Geburt, und was du durch Chriſtum worden ſeyeſt. Dencke auch 2. daß wie du wegen des wilden Geſtraͤuchs und Felſen die Berg nicht verſchmaͤheſt, daß du ihrent - wegen die Graß-reichen Gegenden darauf nicht ſolteſt zu Nutz ziehen, tauſendmal we - niger wird dich dein JEſus verwerffen von wegen Gebrechen und Unarten, vielmehr wird Er dich beſuchen, und das Gute, ſo ſei - ne heilige Liebe in dir gewircket, zu Ehren ziehen, daß du deſſen groſſe Freude und Wonne haben wirſt. Dencke 3. daß wie das Feuer GOttes am Juͤngſten Tag die grauſamſte Felſen wie Ararat, und die er - habneſten Gletſcher zerſchmeltzen und ver - treiben wird, alſo werde die Tauff des Hei - ligen Geiſtes durch Krafft des Todes JEſu endlich alles Untuͤchtige ſo in dir, voͤllig weg - raumen. Und wie Krafft der Auferſtehung Chriſti eine neue Welt erſcheinen wird, dar - inn nichts als lautere Wunder-Schoͤnhei - ten ſeyn werden, alſo wird, ſo wahr GOtt lebt, und ſo wahrhafftig JEſus auferſtanden iſt, in kurtzem nichts mehr in-und an dir ſeyn nach Leib und Seel als GOTT und Chriſtus ſamt der Heiligkeit, Ruhe, Klar -Mheit178Das Schweitzeriſche Canaan. heit und unausſprechlichen Freud und Se - ligkeit des Heil. Geiſtes. Biß dahin kanſt du alles aus dem Paradys haben, was dir zu ſothaner Herrlichkeit zu gelangen noͤhtig iſt: O du Kleinglaͤubiger! ſiehe von nun an nicht weiters auf andere, was ſie ſeyen oder haben, ſondern beluſtige dich in Ein - falt und Demuht, wie ein Kindlein nur al - lein am HErren; der wird dir geben, was dein Hertz wuͤnſcht, Pſ. 37: 4.

Kommt dir JEſus trocken vor, wie ein Felß, ſo wird dieſer Heil-Felß, der ſeine Majeſtaͤt nicht nur in die Wolcken, ſondern uͤber die hoͤheſte Himmele geſetzt, dich mit Liebe, Fried, Gnad und Segen traͤncken wie mit einem Strom, ſo offte du mit dem Stab des Gebets im Glauben daran ſchla - geſt: ja zu den Fuͤſſen Seines Creutzes, ſo bey der Welt verachteter iſt als kein Glet - ſcher, wirſt du Eiß finden alle Zorns-Hitze in dir abzukuͤhlen und alle Sundenbrunſt auszuloͤſchen, und zugleich Erdbeere, die nie - drige Demuht des unzerſtoͤrlichen, ſanfftmuͤ - thigen und ſtillen Geiſtes als eine Anzei - gung des lieblichen Fruͤhlings, daß es anfa - he zu hilben; auch Sommer-Fruͤchte, Kir - ſchen und Korn, Fruͤchte der Gerechtigkeit und des Heil. Geiſtes, darzu Brot aus dem Weitzenkoͤrnlein Chriſto gebacken, item, Trauben, Herbſt-Fruͤchte als einen Vor -ſchmack179CAP. VII. §. 1.ſchmack Canaans und der ſehr nahen kuͤnff - tigen Welt; da du, wills GOtt! nicht mehr ſo ſauer ausſehen wirſt, ſondern auf deinen Weiden und in deinen Staͤllen mit voller Kehlen ſingen:

Frolocket ihr Berge und jauchzet ihr Huͤ -
gel /
Dieweil ihr den Goͤttlichen Saamen ge -
neußt;
Dann das iſt Jehova / ſein Goͤttliches
Siegel /
Zum Zeugniß / daß Er dir noch Segen ver -
heißt;
Du ſolt noch mit ihnen aufs praͤchtigſte
gruͤnen /
Wann erſt ihr verborgenes Leben erſchei -
net /
Wornach ſich dein Seuffzen mit ihnen
vereinet.

CAP. VII. Erinnerung an diejenigen, ſo nun - mehr unter der Gnad ſind und nicht mehr unter dem Geſetz, vielweniger unter der Suͤnd; welche hier ermahnet werden zum geiſtlichen Fort - gang und Aufſteigen biß zum Herrſchaffts - Trohn Chriſti uͤber alles.

§. 1.

Hier ſtehet die Himmels-Leiter von ach! Stuffen, daran die erſte iſt von einem Achat und Rubin, ſchwartz und roht, Buß / Trau - rigkeit nach GOtt, Armuht des Geiſtes und Leidtragen neben dem Hunger und Durſt desM 2Glau -180Das Schweitzeriſche Canaan. Glaubens an das ewige Verſoͤhnungs-Blut Chriſti. 2. Ein ſchneeweiſſer Seigel von ſie - benmal gelaͤutertem Silber, beſtehend in der Aehnlichkeit des Lebens und Wandels Chri - ſti. 3. Ein goldener Seigel von lauterſtem, feineſten Gold der Mirg’noßſchafft an Chri - ſti Trangſalen / Leiden und Tod. 4. Ein hellfunckelnder Jaſpis, da der von GOtt einge - goſſene Glaub und Liebe, und gewuͤrckte Lam - mes-Sinn zu GOttes Ehre und des Naͤchſten Heil ausflieſſet in Bekanntniß / und von denen verhaßteſten Wahrheiten zeuget ohne Scheu, nicht ohne reiche Segens-Frucht. 5. Eine Sproſſe von Demant, die Gedult / ſo unzer - bruͤchlich, aus Krafft aber der Salbung von dem, der heilig iſt, alles durchbricht. 6. Jſt eine Stuffe von einem ſchimmernden Carfun - ckel der hochweiſen Gelaſſenheit und Gleich - foͤrmigkeit mit allem Willen GOttes. 7. Von einem immergrunenden Smaragd einer unend - lichen, paradyſiſchen Fruchtbarkeit. 8. Der letzte und hoͤchſte Grad oder Seigel iſt von einem himmel-blauen Sapphir der Beſchauung des lieblichen Landes, JEſu und ſeiner Glori, biß man trittet auf die Thuͤrſchwelle des Orts der Herrlichkeit, ſo wie die Sonne glantzet.

HJerzu dienet uns das 13. und 14. Ge - ſetz aus Moſis Schwanen-Geſang, welche zwey Geſetze im ihrem geheimniß - reichen Verſtand uns eine Himmels-Leiter vorſtellen, ſo von der allerhoͤchſten Maje - ſtaͤt herabgelaſſen, auf der Erden ſtehet, und von der Hand der ewigen Allmacht gehal -ten181CAP. VII. §. 1.ten wird. Wir wollen in ſeinem H. Namen bey dem unterſten Seigel anfahen.

I. Vom Trauben-Blut trinckeſt du reinen Wein. Jn Canaan ware koͤſtlicher Weinwachs, meiſtens rohter, ſonderbar ſtarck und anmuhtig, ſonderlich in Engeddi, Num. 13: 24. Jeſ. 63: 2.

Das erſte, ſo im Gnaden-Reich genoſ - ſen wird, iſt der Glaube an das vergoſſene Blut JEſu, wie auch Paulus in ſeiner Himmels-Leiter Hebr. 12: 22, 23, 24. das Blut der Beſprengung als die erſte und niedrigſte Erhoͤhung auß deß Geſaͤtzes und der Suͤnden Reich vorſtellet; Diß iſt der Wein, den Moſes auf dem Berg und Da - vid in der Wuͤſten in ſeinem Kummer und Elend getruncken hat, Pſ. 4: 8. und die Braut Cant. 2: 4. Der gecreutzigte JE - ſus als die gekelterte allmaͤchtig-groſſe Traube Canaans und die in Jhm angetra - gene Verſoͤhnung mit GOtt ware das erſte, davon die Apoſtel redeten, 1. Cor. 11: 25. Luc. 24: 47. Act. 10: 43. Auch iſt diß Chriſti erſtes Wunderwerck das Thraͤnen - Waſſer der geſaͤtzlichen Buß und beſchwaͤr - ter Gewiſſen aͤngſtliches Weinen in Wein verwandeln, Joh. 2. Ja, ſolte ein Menſch deſſen ſo unwuͤrdig ſeyn als ein dummer Eſel, vor den von Rechts wegen Neſſeln und Diſteln gehoͤren, iſt, koͤſtliche, reiffeM 3Muſ -182Das Schweitzeriſche Canaan. Muſcateller-Trauben zu eſſen, ſo wird ihm dennoch auß groſſer Guͤte Chriſti die Suͤnden-Burde und aller Sorgen-Laſt abgenommen, und er an den edeln Reben JEſum angebunden, Gen. 49: 11. Damit der uͤbel genug geplagte und getruckte Eſel, den der Teuffel lang mit Unrath, Holtz und Stein, Suͤnden und Plagen beſchweret, auch einmal gut Sach habe, deß neuen Re - giments Chriſti genieſſe, etwas niedliches eſſe, und einen heiligen, himmliſchen Rauſch trincke, dazu Paulus die ſcheuen Hertzen anſtrengt, Epheſ. 5: 18. worinnen ihm die erſte Chriſten treulich gehorchet; Alſo daß ſie vor Freud uͤber der Liebe GOttes, der Erloͤſung durch Chriſtum, der Vergebung der Suͤnden und ewigem Leben vaſt nicht wußten, was ſie machten, wie es truncke - nen Leuten zu gehen pflegt, je mehr die Welt zuͤrnete, je weniger gaben ſie darauf, den Tod hielten ſie vor eine Kurtzweil, Suͤnd und Hoͤll vor nichts: Von dieſem Wein voll und vor aller menſchlichen Vernunfft toll ware: Vincentz (welchem die groſſe Kirch zu Bern iſt zur Ehren-Gedaͤchtniß er - bauet worden, und hieſſe St. Vincentzen - Muͤnſter) ein rechtſchaffener Vincens oder Uberwinder deß Fleiſches und deß Teuffels; Die Arme wurden ihm hinderwerts auffge - zogen, alle ſeine Gleiche auß einander ver -ren -183CAP. VII. §. 1.rencket, da wurd er gegeiſſelt ſo grauſam, daß man ihm ſein Eingeweyd ſahe: Da ſprach er: Alle Marter ſind uns Chriſten nur Kurtzweil, ja er beſtraffte die Hen - ckers-Buben der Traͤgheit, weil ſie muͤde wurden; Er mußte mit bloſſen Fuͤſſen auf gluͤenden Kohlen gehen, deren rother Schein ihm vorkame, als wandelte Er auf Roſen; Der allergrauſamſten Marter lachete er nur und ſagte: Grabet und kratzet beſſer in meinen Leib hinein, ihr peiniget mich nicht; dann da iſt ein innwendiger Menſch, wel - cher loß u. unangetaſtet verbleibet. Da wurd ſein Fleiſch auf ein neues zerfetzet: Er ward auf einem kupffernen Blech gebraten, und mit ſeinem eigenen Fett und mit Saltz be - trieffet; Jn aller dieſer Marter war er froͤ - lich und wohl zu Muth. Da legte man ihn wiederum ins Gefaͤngniß, die Fuͤſſe in ei - nen Stock, den Rucken aber auf eiſerne Spitzen und Scherben, und alſo ſtarb er. O daß doch Bern ſamt allen ſeinen Landen und Gebiethen einen Luſt bekaͤme dieſes ſuͤſ - ſen Moſts ein Troͤpff lein zu koſten, es ſolte ihnen woͤhler thun, als alle ihre Weine, Welt-Guͤter, Ehren und Luſtbarkeiten. Luther hat auch ſo als ein heiliger Eſel an dieſem Raͤb-Stock einen zimlichen Trunck von dieſem Trauben-Blut bekommen; Da er ſchriebe: Er lache deß Bapſts und ſeinerM 4Car -184Das Schweitzeriſche Canaan. Cardinaͤlen, wiſſende, daß er Keyſer und Koͤnig, auch die Engel und uͤbrige boͤſe Wuͤrm ſamt allen Fuͤrſten richten werde. Dieſen goͤttlichen Wein der Ewigkeit em - pfahen die Geiſt-Arme, Leid-Tragende, Sanfftmuͤhtige am reichlichſten, ohne Gelt und umſonſt; ſonſt waͤren ſie uͤbel daran, wenn ſie ihn kauffen muͤßten, ſintemal aller Welt Reichthum nicht zulaͤnglich iſt einen Tropffen daran zu bezahlen, und die luſtige Welt-Kinder andern Wein zum Uberfluß haben.

Laß mir aber die armen, verachteten Glaͤubigen recht groſſe Herren ſeyn, daß ſie auch ihre Kleider in dieſem rothen Wein der innigſten Liebe Chriſti waͤſchen und von al - lem Suͤnden-Schlamm reinigen, daß ſie helle ſcheinen, Apoc. 7. und weiſſer werden dann der Schnee, Pſ. 51: 9. Jeſ. 1. Vom Schnee hat der Berg Libanon ſeinen Na - men; Mithin kan euch der Schnee erin - nern, daß Chriſti Blut ein ſolcher waͤrmen - der, deckender, fruchtbar-machender und die ſchwartze Erde euers Hertzens mit En - gel-reiner Unſchuld bekleidender Schnee ſeye, dadurch ihr verſichert werdet, daß GOtt alſo mit euch handeln wolle, als kleb - te euch keine Suͤnd an, euer Vatter ſeyn und ihr ſeine Kinder, die Er mit ewigem Leben kroͤnen und unendlich in Sich Selbsver -185CAP. VII. §. 1.verklaͤren wolle um des Rebſtocks willen, daran Er gebunden. Demnach iſts un - laugbar, daß welcher bußfertige Menſch JEſu Goͤttliches Trauben-Blut getrun - cken, und in Jhme einen gnaͤdigen GOTT durch den Glauben gefunden; der habe den erſten Seigel an der Himmels-Leiter erſtie - gen, und habe das Recht zu allen folgen - den Guͤtern; Die Freude iſt in dieſem Zu - ſtand offt empfindlicher, als ſie hernach im - mermehr gefuͤhlt wird.

II. Der andere Grad iſt das beſte Weitzen - Brot eſſen. Canaan truge biß hundeꝛtfaͤltig, Matt. 13. daher die Ernd-Freudegroß ware, Jeſ. 9: 3. Pſ. 147: 12, 14. Das bildet ab die ſtaͤrckere Speiſe, daran ſich der begnadete Glaͤubige gleich gewohnen muß, denn, ob - ſchon das Brot den Menſchen nicht in ſol - che trunckene Freude ſetzt, ſo iſts doch nehr - hafft mithin zum geiſtlichen Wachsthum noͤhtig und nuͤtzlich, daß iſt das unverderb - liche Wort / die ewigbleibende, Hertz-ſtaͤr - ckende Reden / Verheiſſungen / Wunder - wercke / Evempel und Leben JEſu Chri - ſti des im Ofen des Zorns GOttes geroͤſte - ten Weitzen-Koͤrnleins, und am Feuer ſei - ner unuͤberwindlichen Liebe gebackenen Le - bens-Brots, welches ein jeder Gerechtfer - tigter eſſen muß, das iſt, mit JEſu an ſei - ner Demuht, an ſeinem ſanfften Geiſt undM 5gan -186Das Schweitzeriſche Canaan. gantzen heiligen Leben Gemeinſchafft ha - ben, und Krafft dieſer Speiſung oder Be - trachtung und Nachfolg in ein uͤbernatuͤr - lich Leben der Gnad verſetzt und darinnen geſtaͤrckt werden, Joh. 6: 35. Dabey iſt nicht ſo viel aufhupffender, jubilierender Wonne als beym erſten, wol aber ein un - vermercktes Zunemmen unter denen geiſt - lichen Kampff-Ubungen, da der Chriſt biß - weilen in heiligem Gewalt-anthun ſeinem widerſpenſtigen Hertzen und Zwang zu al - lem Guten, auch anhaltenden Gebettern zu GOtt um Beyſtand erſt ſchwitzen muß, ehe er dieſes Brot haben kan, Gen. 3: 19.

III. Der dritte Seigel iſt das Fleiſch von feiſten Laͤm̃ern / Widdern und Boͤcken in Baſan. Jn Baſan jenſeits dem Jordan, ware ſo viel und hohes Graß, daß man die fetten Maſt-Ochſen nicht darinnen ſtehen ſahe, in dem Land ware eine geſegnete Vieh - Zucht, ſonderlich an Schaafen, Jeſ. 22: 13. Amos 6: 4. und beſtunde darinn ihr mei - ſter Reichthum, 1. Sam. 25: 3. Pſ. 65: 14. Pſ. 104: 14. 144 : 13, 14. Diß iſt das fet - te, ſafftige Fleiſch des Lamms GOttes, ſo nicht ohne bittere Kraͤuter, viele Verdrieß - lichkeiten und gemeinſchafftliches Leiden ge - noſſen werden mag, da gehet die Seele mit JESU ihrem Braͤutigam an den Oelberg und auf Golgota in Angſt, Verlaſſung undgroſſe187CAP. VII. §. 1.groſſe Dunckelheit; Da fahet ſie an zu wer - den Fleiſch von ſeinem Fleiſch, welches Pau - lus ein groſſes Geheimniß nennet, Eph. 5. wodurch ſie mit Chriſto tauſendmal inniger vereiniget wird, als wann ſie ſein verklaͤrtes Fleiſch leiblich eſſe, nachdem ſie nun JEſu nicht nur im Leben, ſondern uͤber diß auch im Leiden aͤhnlich worden, und bey Jhm in aller Trangſals-Hitz, Verſuchung, Anfech - tung und Vernichtigung ausgeharret, ſo iſſet und trincket ſie mit Jhm in ſeinem Reich; ja ſie trittet durch ſo innig-geheimen Genuß Chriſti und Mitgnoßſchafft ſeiner Leiden in die Gemeinſchafft aller Blut - Zeugen, die wie fette Widder von der Herd geſchlachtet worden, Rom. 8: 36. damit ſich ihre Nachfolgere an ihrer Gedult in denen ausgehaltenen Glaubens-Proben als an niedlichen Fettigkeiten des Hauſes GOttes in der allerkoͤſtlichſten Liebe Chriſti maͤſten koͤnten von lauter Glaubens-Troſt, Gnade, Seligkeit und Staͤrcke: Demnach findet ein ins Leiden JEſu und ſeiner Kirch ſich wagender Chriſt eine tieff-verborgene, wun - derbare Vereinigung des Geiſtes und der Liebe mit denen ab dem Kampff-Platz be - reits abgeforderten und zu GOtt im Opf - fer aufgefahrenen Streitern, und moͤchte ſelbige vor Liebe eſſen, allein dieſes verſtehet niemand, als wen der Vatter tuͤchtig ge -macht188Das Schweitzeriſche Canaan. macht hat zum Erbtheil der Heiligen im Licht, Col. 1: 12.

IV. Der vierte Staffel iſt Butter von den Kuͤhen und Milch von den Schafen / Gen. 46: 34. Pſal. 23. und 100: 3. Ein alſo im Leben und Leiden Chriſto gleichfoͤr - mig gemachter Chriſt wird alsdann ſelbs zur graſechten Weide, von dem in ihm auf - quillenden Bruͤnnelein GOttes und ſeinem gnadenreichen Thau befeuchtet, bey ſotha - nen Maͤnnern GOttes finden geiſtliche Schaͤflein Speiſe, Futter, Troſt, Unterricht genugſam zum Wachsthum und erſtar - cken; Da es allermaſſen billich iſt, daß ſie der Milch genieſſen, heilige Freude, Ver - nuͤgen, ſuͤſſen Danck und reine Liebe reich - lich haben fuͤr ihre Muͤhe, Joh. 21: 15-17. 1. Cor. 9: 7. Cant. 1: 8. Alſo ware es Paulo, der ſich ſelbs ausbrauchte die Schafe zu weiden, eine Freude, wann ſie die Blu - men-volle Lilien-Weide des Evangeliums widerkaͤueten, Act. 17: 11. und in die That verwandelten: Eben wie es einem Hirten nicht geringe Freude iſt, wann ſeine Heerde Milch und Butter die Menge gibt, Groſſe, Alte und Junge, Kleine mit einander gute Weide nicht ohne Segen abetzen. Und ſol - chen Menſchen, die Weide und Hirten-Kna - ben zugleich ſeyn koͤnnen, vertrauet JEſus ſeine theure Laͤmmerlein gar gern, dannſolche189CAP. VII. §. 1.ſolche Knechte Chriſti ſind Leute, die GOtt allein alle Ehre geben, alſo, daß Chriſtus ſein Einkommen richtig hat, wobey jene auch keinen Schaden leiden, ſondern die ſuͤſſe Milch des hertzlichen Dancks und den alle Angſt-Hitz abkuͤhlenden, beſaͤnfftigen - den Butter der innigen Liebe von denenje - nigen, die ſie zu GOtt gebracht, in Zeit und Ewigkeit mit ſeligem Vernuͤgen einnem - men. Ja, was ihre Zufriedenheit unge - mein groß macht, iſt daß ſie GOtt Selbs tractieren koͤnnen wie Abraham, Gen. 18: 5-8. und daß GOtt ihre Milch, Butter, Fleiſch und Semmelkuchen nicht verſchmaͤ - het, ſondern ſein Hertz mit labet; Ach was kan doch einem Liebhaber Chriſti im̃ermehr herrlichers begegnen, als wann er ſeinem Seelen-Freund eine beyfaͤllige (acceſſoire) Freud machen kan, welches in der letzten gewaltig heranruckenden Zeit ſonderbar miltiglich geſchehen ſoll, Jeſ. 60: 16. Es hat aber der Chriſt ſich bey der Milch hinwiede - rum zu erinnern, daß, wo ſie ſtille iſt, und nicht entweder ob dem Feuer oder ſonſt in Bewegung ſich die Neidel gleich davon ab - ſcheidet; Alſo giengs Adam und Eva, da ſie nachlieſſen ſich mit GOtt zu beſchaͤfftigen, ſiehe da wiche der Heilige Geiſt von ihnen, darum heiſſets 1. Theſſ. 5: 17. Hebr. 6: 12. Derowegen die Stille der Sammlung undAndacht190Das Schweitzeriſche Canaan. Andacht von der Stille der Traͤgheit wohl zu unterſcheiden, jene iſt gut, dieſe ſehr boͤß.

V. Oel aus den harten Steinen / daß auch die Steinklippen, deren es mehrere im Land hatte, mithin an denen Orten, welche die unfruchtbarſte zu ſeyn ſchienen, edle Cedern-Baͤume, Oel-Baͤume aber haͤuffig waren, ſo nicht allein die kuͤſtigſte Frucht trugen, ſondern anbey das beſte, lauterſte Oel gaben, zum kochen und brennen ſehr gut, Pſal. 23. Es ware durch Apothecker - Kunſt ſo lauter und rein gemacht, daß die Kleider nicht davon beſchmuzt wurden, und ſo gemein, daß die Aermſten es haben kon - ten, wie von dem Apoſtel Petro, Clemens meldet, daß ſeine ordinari Speiſe geweſen ſeye, Brot in Oel getunckt, Mich. 6: 7. Von einem ſolchen Luſt-Wald von Oelbaͤumen hat der Oelberg ſeinen Namen.

Hiermit zeiget der H. Geiſt an, wie ſich GOtt beliebe durch die Seelen, ſo dieſen Grad erreichet haben, erſtaunliche Wunder - Bekehrungen zu wircken, und die roheſten, ſteinharten Hertzen mit dem Balſam ihrer von himmliſcher Salbung trieffenden Re - den zu durchtringen, und in die von Luſt, Zorn, Angſt und Verdruß toͤdtlich Ver - wundete und Erhitzte ein ſolch Krafft-Oel einzugieſſen, daß ihr Schmertz gelindert, das freſſende Todes-Feuer gedaͤmpffet, dieUnruhe191CAP. VII. §. 1.Unruhe geſtillet, und die Angſt-Qual ver - mindert wird; Wovon wir ein merckwuͤr - dig Exempel leſen, geſchehen in Lyon, an ei - nem verzweiffelten Moͤrder, der durch ge - fangene Studenten (ſo aus Calvini Schul friſch ankamen, und um des Evangeliums willen lebendig verbrannt worden,) bekehrt worden. Es kommt aber die Zeit, daß ſich GOtt Arbeiter ausruͤſte, durch deren Dienſt Er unter denen wildeſten Barbaren, da nie - mand nichts hoffete, viele bekehren wird, die als gruͤne Oelbaͤume voll Glaubens und Gnad in GOttes Vorhoͤfen ſtehen werden, Pſ. 52: 10. Der Oelbaum ware in Canaan ſehr hoch geachtet, als ein heiliger Baum, und ſind die Cherubim aus deſſen Holtz (ſo weder veraltet noch wurmſtichig wird,) ge - macht worden; Das ſind die Heilige und Herrliche auf Erden, an denen GOTT der Vatter um JEſu willen allen ſeinen Gefal - len hat, Pſ. 16: 3. Kinder Abrahams, ſo Jhme GOtt der Allmaͤchtige durch die zwey Olbaͤum Zach. 4. Apoc. 11. aus den Stei - nen erweckt hat, Matth. 3. die voll Glaubens und H. Geiſtes dem Braͤutigam als kluge Jungfrauen entgegen gehen, welche die Blaͤtter ihrer freudigen Bekanntniß im Winter der Anfechtung nicht laſſen fallen, deren Daurhafftigkeit ohne End iſt, in ſtetem Flor, die niemals ohne Fruͤchte ſind, ſo mitdem192Das Schweitzeriſche Canaan. dem Freuden-Oel Pſ. 45. Jeſ. 61. balſa - mirt, von aller Bitterkeit befreyt, GOtt an - genehm und ſchmackhafft gemacht ſind, alſo, daß ſie im Heiligthum der unverweßlichen Ewigkeit gleich ſind den Engeln GOttes, Matth. 22: 30. Heilige, der verklaͤrten Menſchheit JEſus aͤhnliche, mit dem gelaͤu - terten Gold ſeiner Gerechtigkeit und Hei - ligkeit uͤberzogene Cherubim; Dieſe er - fahren die Wahrheit des Spruchs, Rom. 4: 17. Wie machen ſothane Oelſafftige, geiſt - reiche Chriſten das wildeſte Land zu einem Eden vor GOTT, da man der irrdiſchen Oelbaͤumen wol entbehren kan, wann him̃ - liſche vorhanden ſind; Gleichwie vor Chri - ſti Zukunfft die recht edle Purpur-Farb und der theurwertheſte Balſam, davon Jericho wegen des lieblichen Geruchs ſeinen Namen hatte aufgehoͤrt; weil die Zeit da ware, daß der rechte Koͤnig mit dem Purpur ſeines Goͤttlichen Bluts, und mit dem un - ſchaͤtzbaren Balſam des H. Geiſtes auf Er - den bekannt werden ſolte. Das Oel ver - miſchete Jſrael mit vortrefflichen Spece - reyen, deren Krafft es an ſich zoge, von deſ - ſen Geruch und eintringendem Safft die Geſalbete ungemein geſtaͤrcket, erfriſchet und ermunteret wurden, Pſ. 133: 2. Eccl. 9: 8. Cant. 1: 3. Joh. 12: 3. Jn der Phi - laͤdelphiſchen Gemeind werden ſich die Ga -ben193CAP. VII. §. 1.ben des H. Geiſtes durch reichern Ausguß des Namens JEſu in ſeinen Gliedern ſehr herrlich zeigen, wodurch dieſe zubereitet werden, die letzte unerhoͤrte Trangſal und geiſtliche Sonnenfinſterniß tapffer zu uͤber - ſtreiten, als harte Kieſelſteinen alle Schlaͤ - ge und Streichen des Antichriſtiſchen Gei - ſtes zu uͤberwinden, und an ſtatt ſcharffe Stein-Funcken des Verfluchens, eigen - maͤchtigen Verdammens und Gerichtfor - derns ins Geſicht zu ſpruͤtzen, ſo laſſen ſie vielmehr das Oel des ſanfftmuͤthigen Mit - leidens und der erbarmenden liebreicheſten Vorbitt, Lehre, Unterricht, Huͤlff und Ver - tragſamkeit von ſich flieſſen, 1. Cor. 4: 12, 13. Damit die Feinde zuletzt innen werden, ſie haben auf einen veſt zuſammengepackten Oelbeer Hauffen geſchlagen, da ſie vermein - ten einen eigenſinnigen, hartnaͤckigen, wi - derſpenſtigen, phantaſtiſchen Plag-Stein zu treffen, 1. Petr. 2: 12. Das Evangelium meldet, JEſus ſeye am Haupt und an den Fuͤſſen geſalbet worden. Nun HErr JE - ſu! iſt das erſte geſchehen in den Zeiten dei - ner heiligen Apoſteln; ach doͤrffen wir hof - fen das andere in dieſen letzten Zeiten zu er - leben!

VI. GOtt hat Jſrael machen Honig ſaugen aus dem Felſen. Jn Canaan wa - re eine unglaͤubliche Menge Bienen, ſo vonNden194Das Schweitzeriſche Canaan. den ſafftigen Kraͤutern, Blumen und Bluͤ - ten aus dem anhangenden Thau einen ſo ausbuͤndigen Nectar zogen und kuͤnſtlich zubereiteten, der bey den Alten ſo hoch ge - ſchaͤtzt ward, daß auch der Ertz-Vatter Ja - cob ſeinem Sohn Joſeph als Schalt-Koͤnig in Egypten davon ſandte; Honig ware der edelſte Confect und Nach-Tiſch an den Ta - felen der Kaͤyſern und Koͤnigen, wovon das Land ſo reichlich verſehen ware, daß es aus den Hoͤlenen der Baͤumen und der Felſen herab ranne wie Baͤchlein, 1. Sam. 14: 27. Die Felſen dieneten dem Volck GOttes zu Veſtungen, ſonderlich in gefaͤhrlichen Kriegs-Laͤufften.

Ein Chriſt, der zu dieſem hohen Grad ge - langet, daß er in GOtt eingegangen, und ſein Leben mit Chriſto in GOtt verborgen hat, iſt ſicher vorm Feind, anbey den Natur - Menſchen unbekannt, gegen alle Lockun - gen und Stuͤrme der Suͤnd und des Flei - ſches unbeweglich, daher auch denen Laͤſter - Pfeilen unverletzlich, zumalen ihn GOttes Schutz, Vorſorg, Treu und Allmacht als ein Felß umgiebet, in Chriſti Seiten ruhen und ſingen macht:

Schieß Satan / ſchieß / O Welt;
Zerquetſche deine Spitzen:
Das Hertz in GOttes Lieb
Bleibt doch im Frieden ſitzen.
Wer195CAP. VII. §. 1.

Wer in dieſer Ubergab, Einkehr und Ver - einigung mit GOtt ſtehet, der kan aus de - nen harteſten Zufaͤllen, der alleraͤuſſerſten Verlaſſenheit u. Duͤrre, Suͤßigkeit ſaugen. Der Bienenkorb iſt die durchloͤcherte, mit Dornen, Geiſſeln, Speer und Naͤgeln durchbohrete und verwundete Menſchheit JEſu, da ſie ihren Honig der Liebe, Gelaſ - ſenheir, geiſtlichen, himmliſchen, unaus - ſprechlichen und verherrlichten Freude hin - legen, ſich davon Winters-Zeit zu nehren: Die Propheten aber und heilige Apoſtel haben ihren durch lange Betrachtung Goͤtt - licher Geheimniſſen geſammelten Honig in die Buchſtaben H. Schrifft als in Waben zu unſerm beſten eingefaſſet, damit ein jeder Begieriger ſelben daſelbs gemaͤchlich finde, und weilen JEſus durch die Lehre der Apo - ſteln geoffenbahret, eben die vom Gnaden - Thau des H. Geiſtes trieffende Roſe zu Sa - ron iſt, ſo ſollen wir ſie nicht unbeſucht laſ - ſen, zumalen wir in der Gemeinſchafft ſei - nes Leidens und Sterbens viel himmliſchen Honigs finden werden in Theilhafftigkeit an der Heiligkeit GOttes. Nirgends wach - ſen die ſafftige Paradys-Blumen und Kraͤu - ter, ich meine die Liebes-Bezeugungen der Gottheit, Verheiſſungen und Kraͤfften des ewigen Lebens, haͤuffiger als am Oelberg und auf Golgota, welche Seele emſig da -N 2ſelbs196Das Schweitzeriſche Canaan. ſelbs iſt, die wird ſo uͤberfluͤßig Honig ſam - meln, daß er herausrinnet, und andere da - bey profitiren und guten Nutzen ſchaffen koͤnnen.

Deßwegen ſoll es unvergeſſen und als in einem Felſen bey uns eingegraben bleiben, daß aller der Honig, auch der, ſo aus der Apoſteln Mund gefloſſen, aus JEſu ſeinen Urſprung habe, der zwar bey der Welt we - niger giltet als ein duͤrrer Stein-Felß, deſſen Er ſich Selbs gegen uns beklagt, Jerem. 2: 31. Seiner Braut aber iſt Er eine Honig - Quell, dahin GOtt alle ſeine Guͤte, Gnad und Liebe hingelegt, Act. 4: 12. Col. 1. alle Fuͤlle des belebenden und neugebaͤhrenden Heil. Geiſtes, als des beſafftenden Honig - Thaus aller Himmels-Blumen, trieffet aus dieſem von GOtt ohne Maß geſalbeten Heils-Felſen, da ein ſeinen Feinden nachja - gender Jonathan nemmen, wacker werden, ja lautere Augen bekommen kan, die Tieffe - nen des Satans zu erkennen, nicht Lufft - ſtreiche zu thun, ſondern alle Machten der Finſterniß zu zerſtreuen, und dem alten Menſchen den Garaus zu machen, 1. Sam. 14: 27. Was iſt indeſſen billichers, als daß JEſus der Erſte davon eſſe ehe Er ſeinen Freunden davon gebe, Luc. 24: 42, 43. Cant. 5: 1. Apoc. 3: 20. ſintemal Jhme einzig in allen Dingen der Vorzug im Him -melreich197CAP. VII. § 1.melreich gebuͤhret, als dem Erben uͤber alles: Jn ſeiner Nachfolg aber und durch ſeine im Glauben genoſſene Krafft kommt ein er - wachſener und durch viel Leiden geuͤbter Chriſt dahin, daß er in denen raͤſſeſten, bit - terſten, trockneſten Sachen (welche der Na - tur ſo unverdaulich ſonſt waͤren als ein har - ter Felß) Honigſaͤim finden und eintragen kan, aus allem Erquickung, Beſſerung, Lehre und Weißheit empfahen; Summa, ein GOtt-ergebener Chriſt erfahret wie an - muhtig, wie liebreich, erwaͤrmend, ſtaͤrckend, von Himmels-ſuͤſſer Sanfftmuht ſtroͤmend JEſus unſer Heils-Felß ſeye, obſchon bey ſeinem gantzen aufgeopfferten Leben ſo we - nig Honig himmliſcher oder irrdiſcher Suͤßigkeiten und Erquickungen vor Jhne Selbs (indem Er ſonderlich bey der Vol - lendung ſeines Opffers innerlich mit hoͤlli - ſcher Angſt und Bitterkeit aͤuſſerlich mit Gallen und Eßig uͤbergoſſen ward) als Sauerteig einiger Heucheley und Falſch - heit ware, Lev. 2: 11. Das Honig ſparete ſeine ewige Liebe fuͤr uns. Schlieſſe hieraus 1. was wir an unſerem Heils-Felſen haben, nemlich einen GOtt, der ſeiner allerheilig - ſten Menſchheit alle Suͤßigkeit und Erqui - ckung ſo lang entzogen, biß Er durch ſeinen Opffer-Tod vollendet, u. zum Urſaͤcher unſe - rer ewigen Seligkeit gemacht worden, da ErN 3denn198Das Schweitzeriſche Canaan. denn den Honig der Auferſtehungs-Freude als vollkommen gemachter Hohenprieſter der erſte genoſſen. Sonſt hat Er im Stand ſeiner Erniedrigung nicht ſo viel fuͤr Sich behalten, da Er ſein Haupt haͤtte koͤnnen hinlegen, dagegen hat Er die Honigſtroͤme ſeiner Menſchen-Liebe, Weißheit, Guͤtigkeit, Wahrheit, Troſtes und hertzerquickender Huͤlffwilligkeit in Lehren, Wunderwercken, Umherreiſen und allerley Gutes thun, aufs milteſte durch das gantze Land flieſſen laſſen, anfahende von Galilea, da auch der gravi - taͤtiſche Fluß Jordan herkommt; Von die - ſem Honig bekamen die Apoſtel die Erſtlin - ge als Prieſter, die ſich zu JESU naheten und ſtets um Jhn waren, Lev. 2: 12. Joh. 1: 40, 42. Luc. 4: 39, 40. 2. Wie nutz - lich ein in GOTT beveſtigter Apoſtoliſcher Menſch ſeye, er iſt ein Jmmenſtock, alle ſeine Gedancken und Begierden ſind in den Kraut - und Blum-Garten des Worts GOttes ausfliegende, und auf deſſelben ſchoͤn bluͤhenden Baͤumen der Weiſſagun - gen, Gebotten, Exempeln, Lehren und Verheiſſungen ſaugende, ſammelnde und eintragende Jmmen; Ja ein ſolche mann - liche Seele iſt in Canaan unter denen Ein - wohneren des Himmelreichs angeſehen als ein Honig-trieffender Felß und Zierde des Landes; welche aber dieſen Honig nichtkoſten199CAP. VII. §. 1.koſten wollen, halten ſelbigen fuͤr ſchaͤdlich, und warnen die Leute davor. 3. Wie gut es ein Chriſt habe.

Einmal a) genieſſet er ſeines HERRN JEſu Chriſti ſo reichlich, daß er die Stroͤme von himmliſchem Honig ſiehet, und ſeine Fuͤſſe in Butter und Oel baden kan, Job. 20: 17. 29 : 6. wie Rabbi Jacob, Daſitei Sohn vorgegeben, er ſeye fruͤh Morgens von Lidda aus ein gut Stuck Wegs biß an die Knoten im Honig gegangen, ſo von de - nen Feigenbaͤumen herab getropffet. Aber ein Chriſt ſauget aus GOtt ſelbs ſeine ſuͤſſe Liebe und wandelt darinnen, als auf Roſen - und Lilienblaͤttern, auf Sammet und Sei - den, dagegen ein Welt-Kind auf Dornen, Steinen, Netzen und Fuß-Eiſen im Koht ſtampffet.

b) Hat er durch lange Erfahrung geler - net aus allen Wunderfuͤhrungen GOttes uͤber alle Maſſen guten Nutzen zu ziehen: Suͤnd, Tod und Satan ſelbs, davon nim - mer nichts Gutes zu kommen ſcheinet, muͤſ - ſen einem ſolchen Chriſten das Honig einer triumphirenden Freude geben, ſo allen Un - geuͤbten ein Raͤhtſel iſt und bleibt, biß ſie ſich zur himmliſchen Weißheit halten, dem wah - ren Simſon und Seelen-Sonne, und mit vielem Bitten und Flehen deſſen Erklaͤrung erhalten, Jud. 14. Rom. 8: 28.

N 4Der200Das Schweitzeriſche Canaan.

Der Baͤr klettert nach dem Honig, ob er ſchon von den Bienen geſtochen wird, ſo ſpricht er:

Stecht / wie ihr immer koͤnnt;
Jch laß michs nicht verdruͤſſen:
Des Honigs ſuͤſſe Luſt
Wird mirs genug verſuͤſſen.

O daß doch dermaleins das Berner-Land auch einen ſo ſtarcken Appetit bekaͤme nach dieſem Goͤttlichen Honig der Gnade GOt - tes in Chriſto durch das Evangelium geof - fenbahret, und ſich weder Muͤhe noch Angſt, noch Schmertzen davon abhalten lieſſe, weder die ſo unumgaͤnglich noͤthige Selbs - und Welt-Verlaͤugnung, noch die taͤgliche Creutzigung des Fleiſches, noch die unzaͤh - liche Anfaͤlle der Suͤnd, noch die gifftige Stiche der boͤſen Geiſter und aller falſchen Chriſten.

VII. Jſrael die Gewaͤchſe oder Fruͤchte des Feldes. Canaan hatte einen unbegreiflichen Uberfluß an denen alleredel - ſten Baum-Fruͤchten, da waren Gebuͤſche und Waͤlder von niedlichen Fruͤchten und Leckereyen, mehr als die Einwohner aufeſ - ſen konten. Oelbaͤume mit groſſen und fet - ten Beeren, Feigenbaͤume / der auch im Garten Eden ware, Gen. 3: 7. deren ga - ben es mancherley Arten, es waren〈…〉〈…〉 genennet, die nie ohne Frucht und Blaͤtterwaren,201CAP. VII. §. 1.waren, die ihre Feigen biß ins dritte Jahr nehreten und auskochen lieſſen, ehe ſie ihre vollkommene Zeitigung erreichet; Von welcher Art, meynen die Gelehrten, ſeye derjenige geweſen, den JEſus verflucht, wei - len er ſo Blaͤtter-reich, auch Fruͤchte zeigen ſolte, welches denen anderen da herum ſte - henden Feigenbaͤumen nicht anzumuhten ware, welche um dieſelbe Fruͤhlings-Zeit ihre Fruͤchte und Blaͤtter erſt herfuͤr ſtieſ - ſen; Sonſt kan man wohl ſagen, es ſeye da - mals kein Feigen-Jahr geweſen, ſie ſeyen nicht wohl gerathen; weilen Marcus nicht ſagt〈…〉〈…〉 ſondern〈…〉〈…〉, Marc. 11: 13. Aus Feigen-Baͤumen tropffete ein Honig - ſuͤſſer Safft. Granat-Baͤume / ſo einen groſſen, runden, gekroͤnten Apffel tragen, welcher voll iſt, von vielen in ſchoͤnen rothem Safft liegenden Koͤrner, ſind verſchiedenen Geſchmacks, theils ſuͤß, theils ſauer, theils bitzelecht, taugen zum Eſſen und Trincken, zumalen ein lieblicher, ſehr angenemmer Moſt daraus gepreſſet worden. Apffel - baͤume / ſo unſere Bauren zum Koͤnig un - ter den Baͤumen machen. Mandelbaͤu - me / der mit ſeiner weißlichten Bluͤhte und fruͤhzeitigen Fruͤchten eilet, und anderen Baͤumen weit vorkommt. Palmenbaum / iſt die ſchoͤnſte Zierd des Erdbodens, davon man ſo viele beſondere Nutzbarkeiten erzeh -N 5let,202Das Schweitzeriſche Canaan. let, als Tage im Jahr ſind, ziehet ſeine Nah - rung mehr aus der Lufft an ſich, als aus der Erden, ſeine Zweige ſind Freuden-Siegs - u. Triumph-Zeichen, einer gewiſſen Palmen - Art Fruͤchte ſind die ausbuͤndige Datteln, es treuffet auch ein angenehmer Honig - ſafft haͤuffig ſonderbar in der Gegend Je - richo, von dieſem Baum, dannenher ſie die Palmen-Stadt heiſſet. Caſtanien - Baͤume / Gen. 30: 37. Nußbaͤum / Maul - beerbaͤum / Pſ. 84: 7. Weinſtoͤck. Daneben Specereyen, Gewuͤrtz, Biſem / Gen. 43: 11. Mirren / Zimmet / Kalmes / Caſia / Aloe / Galban / Weyrauch / Cypern / Narden / Balſam / Gen. 37: 25. Jſop / Hiatzinten / Saffran / noch waren andere Baͤume und Gewaͤchſe als Citronen / Pommerantzen / mit denen ſie ihre Zelten am Laubhuͤtten-Feſt ziereten. Und wer koͤnte allen Reichthum und Schoͤnheit des von GOtt ſelbs gelobten Lands erzehlen! da es nach Herodis des Groſſen Ausſag, mit ſeinen Einkuͤnfften et - liche Koͤnige haͤtte vermoͤgen zu erhalten.

Hier kommt der Chriſt in den paradyſi - ſchen Stand, weilen er JEſu Bild traͤgt, und ſeine Gebotte bewahret, ſo hat er freye Macht ſeine Hand auszuſtrecken, und vom Baum des Lebens zu eſſen: JEſus iſt ihm ein Paradys, und er iſt hinwiederum ſeinem JEſu, und aus Liebe zu Jhm auch ſeinemNech -203CAP. VII. §. 1.Nechſten ein Koͤniglicher Luſt-Garten, voll allerhand edler Gewaͤchſen. Wer die Sal - bung hat von dem, der heilig iſt, 1. Joh. 2. der hat Theil an dem wahren Oelbaum Chriſto, und wer ſeinen Nechſten zum er - quickenden Gnaden-Licht, und Beſaͤnffti - gung in GOttes Liebe bringt, der iſt Jhm auch ein Oelbaum, Cant. 1: 3. Pſ. 133: 2. Wer JEſum nahe bey ſich hat, ſeinen Schat - ten, Aufſicht und Suͤßigkeit empfindet, der ſitzet unter dem rechten Feigenbaum Ca - naans, Zach. 3: 10. wann er ſeinem Nech - ſten gleichfalls ſuͤſſe Liebe und Vorbitt er - weiſet, ſo iſt er demſelben auch ein koͤſtlicher Feigenbaum, Matth. 24: 32. Cant. 2: 13. Wann der Chriſt ſich demuͤhtiglich ſchaͤmt, wegen ſeiner Unvollkommenheit und das Mißfallen Chriſti foͤrchtet, bald ſeine ſaue - re Beſtraffung, bald ſeinen ſuͤſſen Troſt, bald ſeine mit heiliger Forcht und Zittern vermiſchte Freude Pſal. 2: 11. erfahret, und dann mit ſeinem Nechſten auf eben die Weiſe umgehet, wie Chriſtus mit ihm, anbey alle Heils-begierige, als ſo viele im Blut JEſu ligende Koͤrner in heiliger Lie - be umfaſſet, mit dem Hertz-erquickenden Moſt der aus denen Marck-reichen Kernen des herrlichen Evangeliums unter vielen Aengſten und Leiden ausgepreßten Goͤttli - chen Troͤſtungen traͤncket, erfriſchet, derge -204Das Schweitzeriſche Canaan. genieſſet Chriſti als des Granatbaums / und iſt ſeinem Nechſten auch ein ſolcher, weilen er die Tieffe und Hoͤhe, Laͤnge und Breite der Liebe Chriſti begreifft, ein ſotha - ner Granatbaum ware Stephanus, aller - maſſen in ſeinem Hertzen die boͤſte Feind Platz hatten, er umarmete in Liebe die, ſo ihn ſteinigten, zumalen er voll ware des ſauren, ſuſſen und bitzelechten rohten Goͤtt - lichen Saffts der Liebe; Sonſt vergleicht der Heilige Geiſt der Maͤrtyrer Blut dem Granataͤpffel-Moſt, Cant. 8: 2. Wie viel tauſendmal ſeliger, herrlicher, angenemmer iſt ein ſolcher geiſtlicher Granatbaum, ſolte er auch in dem kaͤlteſten, rauheſten Erdſtrich ſtehen, als die Granatbaͤum auf dem gan - tzen Erdboden alleſamt.

So offt ein Chriſt die Sanfftmuht, Leut - ſeligkeit, Anmuhtigkeit, Saͤttigung und Bewahruͤng GOttes empfindet, ſo genieſſet er Chriſti als des Apffelbaums / Cant. 2: 3. Er iſſet die goldgelben Fruͤchte ſeiner Aufer - ſtehung und ſeiner Herrlichkeit, und die Blut-rohten Aepffel ſeines Lebens, Leidens und Sterbens; So offt er ſanfftmuͤhtig iſt gegen ſeine Beleidiger, praͤſentirt er gleich - falls einen ſehr anmuhtigen Aepffelbaum, ungeacht mancher nur boͤß darab wird, wie es Menſchen gibt, ſo die Aepffel nicht moͤgen riechen: Selig denn, wem JEſus Namewohl205CAP. VII. §. 1.wohl ſchmeckt, daß er Jhn nicht zum Nach - Tiſch oder Deſſert haben will, wann er erſt der Welt ſatt iſt, ſondern eiligſt, von nun an, wiſſende, wie viel an Jhm gelegen, wel - che Erkuͤhlung der Schatten ſeines Ver - dienſtes und Vorbitt in der Angſt-Hitz ge - be, und welch Heil man in JEſu finde, wie weit ſeine Freude die Traͤber und Eicheln der ſinnlichen Vergnuͤgungen uͤbertreffe: Wie greulich es ſeye im Tod-Bett Chriſti entbehren, und in der Hoͤlle von ferne er - baͤrmlich anſehen die ſelige Schaar unter dem ſchoͤnen Baum JEſu ein unausſprech - liches Wohlleben haben; Wer nun ins Pa - radys hinein will, da ſich dieſer Apffelbaum zu genieſſen gibt, der muß ſein Elend und JESU Fuͤrtrefflichkeit nicht nur obenhin kennen, unruhig ſein auſſert ſeiner Gemein - ſchafft, in der Welt und in ſich ſelbs nichts finden als ein taͤglich Creutz, eine wuͤſte Einoͤde von Diſteln und Dornen, aus dem Suͤnden-Land ausgehen, fortſchreiten, ſeine Begierd immer zu GOTT lencken, und zu dieſem Paradys ausſtrecken, ein ſolcher Pilgrim trifft auf ſeiner Reiſe nach Canaan dieſen Baum an, den GOtt zu Gunſten den armen Reiſenden jenſeits dem rohten Meer gepflantzt hat: Wem ſich JEſus in dieſer Geſtalt eines Apffelbaums offenbah - ret, der hat wol das angenehmſte Geſicht,ſo206Das Schweigeriſche Canaan. ſo das Aug eines geiſtlichen Wandersmañs ihme wuͤnſchen moͤchte: Der Chriſt ſitzet mit Luſt da, und wartet der Gnaden GOt - tes, biß ihm der Vatter ein Aeſtlein ſchuͤttle, und was juſt vor ihne reiff geworden, mit - theile. Es denckt indeſſen mancher, es waͤ - re Schad um ſo koͤſtliche JEſus-Fruͤchte, wann er ſie eſſe, er ſeye ſo groſſer Seligkeit nicht werht, allein, wer du immer biſt, du und du wirſt zu dieſer Reiſe eingeladen, ja genoͤhtiget, Jeſ. 45: 22. 2. Cor. 6: 1. Luc. 14: 23. JEſus bietet ſich dir an, Er laßt ſeine Fruͤchte auch den Kinderlein ins Maul hangen, wer ſie gut und ſchmackhafft findt, der ſpare ſie nicht, wer munter iſſeſt, thut JEſu den groͤſten Dienſt. JEſus ſetzt ſei - ne Gnaden in einem niedrigen Preiß, ver - langt nichts, als daß du Jhne umhalſeſt, Syr. 24: 18-31. Was forchteſt du dich vor dieſem zarten Apffelbaum dem mittlei - digen JEſu, Marc. 3: 10, 20. der mit ſei - nen Aeſten an Boden reichet in die demuͤh - tigſten, niedrigſten Hertzen, Glauben und Liebe in ihnen zu ſpeiſen, mit Fruͤchten (die auf eine wunder-angenehme Weiſe ſaͤttigen, und ſich lange behalten laſſen, wo nur der Wurm der Selbs-Gefaͤlligkeit und Ver - nunfft nicht drein ſchleicht, und die Seele ſich von dem verbottenen Verſuch-Baum, der reitzenden Suͤnd, im Fleiſch enthalt) Prov.207CAP. VII. §. 1.Prov. 8: 19. und ihnen mit dem Schat - ten ſeiner allmaͤchtigen Treue in Hitz, Sturm und Donner-Wetter Ruhe und Frieden zu geben. NB. Hieher gehoͤrt das Lied:

Mir iſt GOtt Lob bewuſt / ꝛc.

So offt ein Chriſt eilet nach der bluͤhen - den, ſchnee-weiſſen, kern-ſafftigen Unſchuld des immerdar lebenden Hohenprieſters, ſo iſt ihm JEſus ein Mandelbaum / der nicht auf diß und das wartet, ſondern andern vorzukommen gedenckt. So offt ein Chriſt Luſt gewinnt und bekuͤmmert iſt alle Tag im Jahr nutzlich zu ſeyn, mehr die himm - liſche Lufft des H. Geiſtes in ſich zu ziehen, als ſich lange mit irrdiſchen Abſichten zu ſchleppen, ſich in Chriſto hoch zu erfreuen, in hundert Proben nicht ein einzigmal un - terzuligen, und dem Fleiſch zu folgen, ſon - dern allezeit zu ſiegen, und ſich dadurch zum ewigen Triumph zuzubereiten, und von lauter Guͤtigkeit gegen jederman zu tropf - fen, und mit denen kuͤſtigſten Fruͤchten, Wercken, Dienſten zu laben, der hat JEſum als den Palmenbaum gefunden, der ihn hinwiederum fuͤr ſich und andere zu einem ſo edlen Baum macht, Pſ. 92: 13.

Gleichwie ein Palmbaum herrlich gruͤnt /
So gruͤnen die / die ich verſuͤhnt
Und neu gepflantzet habe /
Sie ſind erfuͤllt mit GOttes Krafft /
Mit mir / dem wahren Lebens-Safft /
Und mit des Geiſtes Gabe.
Auf208Das Schweitzeriſche Canaan.

Auf ſolche will JEſus ſteigen, ſich mit ih - nen innigſt vereinigen, Cant. 7: 9. damit ſie, wie Jgnatius ſagt,〈…〉〈…〉, Chriſtus - Traͤger in der Welt ſeyen des Gecreutzig - ten, und unter dem ſchweren Creutz-Laſt ſich nur durſtiger gen Himmel erheben, wie die Palmen, alſo thut ſich JEſus zu den Seinen liebreich nahen, und des Glaubens Frucht empfahen: O was herrliche Wun - der geſchehen nicht auf der neuen Erden des Reichs Chriſti! ſo offt dem Chriſten ſein Hertz aus Liebe zu GOtt wie geſchmol - tzener Zucker zerflieſſet, ſo iſſet er von dem him̃liſchen Feigenbaum Chriſto, und wann er ſich nicht lange mit Begierden und Vor - ſaͤtzen verweilet, ſondern flugs zur That ſchreitet, ſo iſt er ſelber ein Feigenbaum, der nicht bluͤhet, ſondern gleich die Frucht herfuͤrſtoſſet aus den Aeſten, und wird ihm in der kuͤnfftigen Welt Macht, Herrſchafft und Gewalt geben uͤber andere Baͤume, Apoc. 2. Jud. 9.

Wer die erſte Huͤlſen erbricht, ſo an Nuſ - ſen und Mandeln lind, an Caſtanien aber ſtachlecht iſt, durch wahre Sinnes-Aende - rung und Verlaugnung des Gnaden-loſen natuͤrlichen Zuſtands nach dem Lauff der Welt; es ſeye nun derſelbe fein erbar, dienſtlich, ſittſam, gerecht, burgerlich und tugendſam geweſen oder boßhafft, unge -recht,209CAP. VII. §. 1.recht, falſch in Betrug, Haß, Unflaͤterey, Neid, Verleumdung, und darauf die Scha - len / ſie ſeye hart wie an Mandeln, oder ge - linder wie an Caſtanien, Nuͤſſen; Die Schale iſt Unglauben, Hartigkeit des Her - tzens, Unempfindlichkeit, Eigenwill, Ver - ſchlieſſung der Seelen-Kraͤfften gegen Chri - ſti Zukunſſt, und Eingang ins Jnnerſte der Seelen, Unluſt zum Gebett, unſelige Zer - ſtreuͤung der Sinnen, und Untuͤchtigkeit zur Einkehr oder wahren Hertzens-An - dacht; Wer, ſage ich, dieſe zweyte Hinter - niß durchbricht (welche erſt dem Menſchen bekannt wird, wann die erſte Huͤlſen als das grobe Suͤnden-Leben und Welt-Sinn; Jtem, das Vertrauen auf Ceremonien, aͤuſ - ſerliche, GOttesdienſtliche Ubungen, Wer - cke; Jtem, auf das buchſtaͤbliche Wiſſen, weg iſt) und dieſe Schale oͤffnet, entweder mit den Zaͤhnen / daß er das Himmelreich mit Gewalt zu ſich reiſſet, mit der Suͤnd kaͤmpffet biß aufs Blut, ſich tapffer an - greifft, wehe thut und zwingt zum ewigen Gut, und zur Ubung des Gebetts und aller Tugenden; Wie man Nuͤſſe mit den Zaͤh - nen aufbeiſſet; oder mit einem Meſſer / wie die Caſtanien / daß man alles Unnuͤ - tze in Wercken, Worten und Gedancken, be - ſchneide, abhaue, und im Feuer eines Goͤtt - lichen Eyffers zerſprenge; Oder, daß manOſein210Das Schweitzeriſche Canaan. ſein verſtockt hart Hertz auf den Eckſtein Chriſtum lege und zu GOtt ſchreye, daß Er alle Widerſpenſtigkeit, Untreu, Doppelher - tzigkeit, Unglauben, Ungehorſam und Faul - heit mit der uͤberſchwencklichen Groͤſſe ſei - ner Krafft zerſchlage, nach der Wirckung ſeiner maͤchtigen Staͤrcke; welche Gna - den-reiche Liebes-Schlaͤge GOtt nach ſeiner anbetenswuͤrdigen Weißheit alſo weißt zu regieren, daß der Kern keinen Schaden da - von hat, wie wir alſo die Mandeln zerknit - ſchen. Wer endlich die letzte bittere Haut der anklebenden Eigenheit abſchaͤllt / wel - ches friſch und ohne Aufſchub geſchehen muß, wo man ſich nicht ſelbs hernach tau - ſend Thraͤnen der Reue und Angſt verurſa - chen will, eben wie die Mandeln im war - men Waſſer geweicht werden muͤſſen, wann die alt-angebackene Haut abgehen ſoll. Zu - letzt aber nach aller Muͤhe, Kampff und Ar - beit wird er ergetzt mit dem Anblick des ſchoͤ - nen weiſſen Kernens, und findet ſich die Lie - be GOttes des Vatters, die Gnad des HEr - ren JEſu, und die Gemeinſchafft des Heili - gen Geiſtes, Glauben, Hoffnung, Liebe, Krafft, Licht und ewiges Leben.

Thu weg die bittre Schal /
So kriegſt du einen Kern;
Schau durch das Creutz und Qual /
So findeſt du den HErrn.
Ein211CAP. VII. §. 1.

Ein ſolcher hat den Caſtanien-Nuß-und Mandelbaum auf der Erden des Gnaden - Reichs Chriſti gefunden, und den ſuͤſſen, hei - ligen, ſeligmachenden Kern davon in ſich empfangen; Damit aber dieſer Kern ſchoͤn, rein und ſafftig erhalten werde, auf die Hoch - zeit des Lamms, ſo muß er mit einer andern neuen uͤberzogen werden, welche iſt der Glaube an das Evangelium, ſo nichts be - halt als JEſum, ſich recht in ſeine pure Gna - de einhuͤllet, und all eigen Gefallen, Ver - moͤgen, all eigen Recht, Werck und Ver - nunfft beſtaͤndig verwirfft. Die neue Scha - le iſt das froͤliche Vertrauen und Hoffnung in GOttes getreue Obhut und Verwah - rung, eine Forcht ſeines heiligen Namens, ein unzerbruͤchlicher Vorſatz ob dem ge - machten Bund zu halten biß in den Tod, und das beygelegte Gute durch die kraͤfftige Beywohnung des werthen H. Geiſtes auf - zubehalten biß auf die Erſcheinung JEſu Chriſti. Ein Stuck von dieſer Schalen iſt denn auch, daß man ſeye von denen Verbor - genen im Land, Pſal. 83: 4. mit der Froͤm - migkeit kein Aufſehen, Parade mache, kein Schwaͤtzer ſeye, die herrlichſten Gnaden, Gunſt-Bezeugungen und Wercke vor der Menſchen Augen verberge, verſchweige: Beliebt es dann der ewigen Goͤttlichen Ma - jeſtaͤt einen ſolchen theuren Kern noch uͤberO 2diß212Das Schweitzeriſche Canaan. diß mit der herben, ſtachlechten Creutz - Huͤlſen zu uͤberziehen, mit mancherley Lei - den, Anfechtung von auſſen und innen, mit Verleumdungen und Verfolgungen unkennbar zu machen, ſo laſſe ſichs nie - mand verdrieſſen, denn es geſchiehet zum Beſten, zu Abhaltung vieler Wolluſt-und Hoffarts-Wuͤrmen, auch zu Offenbah - rung einer deſto groͤſſern Herrlichkeit, da nicht nur dieſe heßliche Huͤlſen wird weg - gehoben werden, ſondern der Glaube ins Schauen, das Hoffen ins Haben, und alle Gefahr deß Abfahls in ewige Sicher - heit verwandelt werden, und der ſchoͤne, Safft-volle, wohlgebildete, ſauber ver - wahrete Kern, die Hochzeit Chriſti zu zie - ren in einer goldenen Schale himmliſcher Wonne und Seligkeit gantz ſaͤuberlich ligen. Es waͤre noch unerhoͤrt vieles zu bemer - cken bey dieſen dreyen Baͤumen, ſetze nur dieſes hinzu, daß dieſe Gattung Baͤume ihre Frucht nicht geben, ſie werden denn wacker geſchlagen: Alſo gibt es einiche ar - me Chriſten, welche JEſus mit harten Schlaͤgen vom Boͤſen entwoͤhnen und zum Guten treiben muß.

Wer nicht außſchlagt biß keine Kaͤlte mehr zu beſorgen, nicht ins Lehr-Ammt trittet, biß er von der Liebes-Waͤrme Chriſti ſo ge - waltig durchdrungen und eingenommen,daß213CAP. VII. §. 1.daß nicht mehr zu befahren, daß er die er - ſte Liebe verlaſſe; Wer anbey gern an duͤr - ren, hitzigen Orten ſtehet, Pſ. 84: 7. Luſt hat an Noͤhten, Aengſten, Schmach und Trangſalen, 2. Cor. 12. der iſt ein zum Gebrauch wohl-dienlicher Maulbeer - Baum in dieſem geiſtlichen Paradys; Wann nun das Rauſchen auf denen Wipf - len ſolcher Baͤumen gehoͤrt wird, ein ſtar - ckes Weben und Treiben deß H. Geiſtes zu feurigen Gebaͤttern, alsdann iſt die Stund nahe, daß unſer himmliſche David nach deß Vatters Willen außziehe und ſchlage Jſraels Feinde, 2. Sam. 5: 24.

Summa Summarum. Wer von nichts als von reiner, heiliger Liebe weißt; Wer Chriſti Erloͤſung begierigſt faſſet, und ſich in taͤglicher wahrer Hertzens-Buß ſtuͤnd - lich zu nutz machet. 2. Wer von Hoffart rein iſt, und gegen allen Menſchen in rechtſchaffener Hertzeus-Demuth wandelt nach JEſu Vorbild, Matth. 11: 29. 3. Wer mit ſeiner Sanfftmuth Zorn, Zanck und Rachgier ſtillet. 4. Wer auch ſeinen Feinden freundlich und guͤtig iſt. 5. Wer die Verheiſſung von Heiligung und Be - freyung von Suͤnden eben ſo hitzig ergreifft als die Verheiſſung von Vergebung der Suͤnden und ewigem Leben, auch in die - ſem Glauben und Trauen viele GebaͤtterO 3ſtets214Das Schweitzeriſche Canaan. ſtets in GOtt hineinſchickt. 6. Wem GOtt die Welt durch manigfaltige Creu - tzigung verbittert. 7. Damit er ſein Fleiſch ſtets toͤde, und auch die geheimſten Ge - dancken von aller Unkeuſchheit rein behal - te. 8. Der hat wahrhafftig 1. Frucht der Niedlichkeiten. 2. Cypreſſen. 3. Narden. 4. Saffran. 5. Calmus und Zimmet. 6. Alle Baͤume deß Weyhrauchs. 7. Myrrhen. 8. Aloe, und iſt ſeinem HEr - ren Chriſto ein herrliches Paradys, da - rinnen Er als der andere Adam ſpatzieret zu ſeiner Beluſtigung und groſſen Gefal - len an denen Pflantzungen ſeines himmli - ſchen Vatters in dieſem Kampff-Reich und Luſt-Garten auf Erden, an welchen er vaſt mehr Belieben tragt, als an denen im Himmel, Pſ. 16: 3. Wie iſt aber unſer Chriſt zu einem ſo vortrefflichen, wunder - lieblichen Paradys worden? Nicht anders als durch ſtetes Jnnebleiben im Hertzen JEſu, und durch ſteten Gebrauch alles deß Guten, ſo darinnen iſt, mit ſorgfaͤltiger Vermeydung alles fremden Gumpiſts, ſo nicht darinnen gewachſen, mithin nicht der vollkommene Wille GOttes iſt. Wie noͤh - tig iſt hierbey die Reinigung von aller Be - fleckung deß Fleiſches und deß Geiſtes; Damit JEſus, dem der Chriſt durchauß angehoͤret, bey jedweder Prob und Anlaßdie215CAP. VII. §. 1.die erforderliche Frucht oder Spezerey fin - de, und zwar in ſolchem Stand, wie es GOtt dem Vatter, ſeinem Sohn JEſu Chriſto, und dem H. Geiſt gezimt. Mir iſt leid, daß nicht Zeit habe alle dieſe koſt - bare, Krafft-reiche Gewuͤrtze außzulegen aufs Geiſtliche.

VIII. Der achte und hoͤheſte Grad an dieſer Himmels-Leiter iſt einher〈…〉〈…〉 retten auf den Hoͤhen der Erden. Canaan, welches GOtt dem Jſrael eingegeben, vor ſie ſtreitende, ware nicht nur angefuͤllet mit edeln Sachen, ſondern auch heiliger als andere Laͤnder als GOttes Erbſchafft, all - wo Er ſeine Refidentz und Hoffſtatt hatte zu Jeruſalem, ja es ware denen Glaͤubi - gen ein Pfand deß himmliſchen Canaans, da ſolte GOttes Sohn im Fleiſch geoffen - bahret werden, und das Land mit ſeinen allerheiligſten Fuͤſſen durchwandeln, Jeſ. 40: 10. Auf dieſen Bergen ſolten die Evan - geliſten zuerſt daher kommen, Jeſ. 52: 7. Daher Jſrael verdrießlich ward in einem fremden Land, Pſ. 137. Es lage auch hoͤher als Chaldaͤa, Egypten, Perſien und andere Koͤnigreiche mehr, da maͤchtig viele, ſehr fruchtbare, herrliche Bergen, darauf ſie GOtt hat laſſen herein reiten: Nicht nur in deſſen Einnemmung, ſonder am Durchlaͤuchtigſten unter David undO 4Salo -216Das Schweitzeriſche Canaan. Salomon, und nach der Babyloniſchen Gefaͤngniß unter den Maccabeerern, da Canaan denen benachbarten Voͤlckern ein Taumel-Kelch worden um und um.

Hier iſt das hoͤchſte Ziel der Erſtgebohr - nen, jetzt ſtehet die Braut zur Rechten des Braͤutigams, und ſitzet mit JEſu auf ſei - nem Thron, Pſ. 45: 10. Apoc. 3. 21. Sie hat ſich der allein getreuen Zucht und Regie - rung des Heil. Geiſtes gantz anvertrauet, der hat ſie geſtaͤrcket, gefuͤhret, gezogen und angetrieben, daß ſie von Staffel zu Staffel iſt aufgeſtiegen, biß ſie dahin gelanget, wo ſie iſt; Er hat ſie nachund nach ſo herr - lich zubereitet, daß ſie ſich ohne Scheue neben JESUM ſetzen darff: Sie hat uͤberwunden, und hat alles ererbet: Jetzt iſt ſie erhaben uͤber alle Cherubim, Se - raphim, Thronen, Herrſchafften, Fuͤrſten - thuͤmer und Obrigkeiten, alles iſt unter ih - ren Fuͤſſen, die Voͤlcker preiſen ſie ſelig, und alle Geſchlechter der Erden bewundern ihre Schoͤnheit, und ſo gar groſſe Herrlichkeit; Alle hohe Berg-Veſtungen des Drachens, und alle ſtoltze Bollwerck des Antichriſten ſind vor ihr her geſchleifft, und ligen allzu - mal im Staub; Nunmehr trittet ihr HErr der Koͤnig auf dem Welt-Meer und allen deſſen Hoͤhenen, Job. 9: 8. Matth. 14: 25. mit GOtt-anſtaͤndiger Gravitaͤt einher, undbewei -217CAP. VII. §. 1.beweiſet ſeine Meiſterſchafft uͤber die faͤul - ſten Machten der Finſterniß, ſeine Jeruſa - lems-Braut kennet Jhn wohl an ſeinem Schritt, darum gehet ſie Jhme getroſt mit Petro auf dem Meer ſelbs entgegen, wan - delnde wie JEſus wandelt, 1. Joh. 2: 6. in ſeiner Krafft trittet ſie auf jungen und alten Loͤwen, Schlangen, Drachen und Baſi - lisken, Pſal. 91: 13. ja ſie fahret hoch da - her wie ein Adler zu ihrem Seelen-Freund, und obſchon der letzte Sturm ihr ein bißgen angſt macht, ſo ſchadets ihr dennoch nicht, ſintemal ſie alſo nahe bey JEſu iſt, daß Er ſie mit der Hand erreichen, hatten, und ohne End ſegnen kan.

Wann man Jebova genennet
Wird nichts hoͤhers mehr erkennet
Als die Herrlichkeit der Braut:
Sie iſt mit dem hoͤchſten Weſen
Das ſie ſich zur Luſt erleſen
Gar zu einem Geiſt vertraut.

Ach das Hertz ſolte einem von dieſen Dingen erwarmen, ob gleich einer auf dem hoͤheſten, wildeſten Gletſcher waͤre; Die Anmuht und Luſtbarkeit des irrdiſchen Canaans iſt befleckt, verwelckt und vergan - gen, dieſes behalt eine in alle unendliche Ewigkeiten anwachſende und zunemmende Schoͤnheit und Uberfluß alles Guten; Je - nes kanſt du nicht ſehen ohne groſſe Unko -O 5ſten,218Das Schweitzeriſche Canaan. ſten, Gefahren und Ungemach auszuſtehen, dieſes eroͤffnet ſich in deinem innern Her - tzens-Grund, ſo bald du den ſiebenden Grad der Himmels-Leiter erſtiegen, und bietet al - le ſeine Koſtbarkeiten ſehr nahe an, ſelbs vor deinem Mund und Hertz, Rom. 10. Luc. 17: 21. Wann du gleich zu Salomons Zeiten gelebt, und in Jericho oder Galilea als Burger gewohnet haͤtteſt, ſo haͤtteſt du doch die Niedlichkeiten des Lands nicht das gantze Jahr durch, noch aller Orten friſch haben koͤnnen; Biſt du aber zu dieſem Grad der neuen Geburt und Vereinigung mit GOtt gelanget, ſo haſt du die paradyſiſche Fruͤchte und Staͤrckungen, davon jene in Canaan nur geringe Schatten waren, ſtets zu deinem Genuß und Staͤrckung am innwendigen Menſchen parat, zu Mit - ternacht vor deinem Bett, im Winter, da du kein Graͤßlein ſieheſt auf weiter Heid, und alles Stein und Bein gefroren, in Gruͤnden ſowol als auf denen Gebuͤrgen; Eben zu der Zeit und Stund kan dein neu - geborner Geiſt im Sanenland und Sieben - thal weſentlich, geiſtlich und innigſt alles dasjenige haben, was Canaan nur in der Figur, im Schatten-Bild und im Spiegel praͤſentirte, Guͤter die auf dem Erdboden weit ſeltſamer als Datteln, Feigen und Gra - nataͤpffel in denen Nordiſchen Berg Landenſind,219CAP. VII. §. 1.ſind, ſintemal das geiſtliche Canaan ſeinen Einwohnern, welche durch den Glauben ins Gnaden-Reich eingegangen ſind, ſolche Sachen gibt, die kein Aug geſehen, kein Ohr gehoͤret hat, 1. Cor. 2. Ein Glaͤubiger, der aus dem Glauben an JEſum den H. Geiſt vom Vatter empfangen hat, tragt das edle Canaan in und mit ſich, wo er ſtehet und gehet, allermaſſen Arme am Geiſt das Him - melreich haben, und Sanfftmuͤhtige das Erdreich beſitzen, ſolten ſie gleich im finſtern Kercker, oder in einem Staafel und ſchlech - ten Huͤtten, etwa auf einem hohen Weidberg ſeyn; wie das Hertz beſchaffen iſt, alſo wird auch der Geiſt bewirthet; Der Menſch hat entweder Himmel oder Hoͤll, Canaan oder die Wuͤſte in ſich, nicht auſſert ſich: Jacob, Gen. 28. Moſes, Elias und Johannes der Taͤuffer, ſo wol als der Apoſtel in der Jnſul Patmos, hatten den geoͤffneten Himmel in der Wildniß; Saul, Ahab, Herodes hat - ten die Hoͤlle mitten in allen Wolluͤſten des irrdiſchen Canaans; GOttes Gegenwart iſt der Seelen Paradys, ſeine Abweſenheit iſt ein nagendes Angſt-Feuer oder wilder Gletſcher: Auch haben die zum End ſich neigende Sinnen eines alten Manns keine Anmuht mehr an aller Ergoͤtzlichkeit der Welt, welche ihnen in der bluͤhenden Jugend ſo ſehr beliebte, wie an Barſillai zu ſehen;Dage -220Das Schweitzeriſche Canaan. Dagegen die geiſtliche Sinnen des innwen - digen Menſchen je laͤnger und ſubtiler wer - den fuͤr das Canaan der ſeligen Ewigkeit, deſſen Guͤter ſind von ſolcher balſamiſchen Heils-Krafft, daß Leibs - und Seelen-Kraͤff - ten von dero Gebrauch nicht ſtumpff ge - macht, ſondern immermehr geſchaͤrfft wer - den; Jn der jetzigen, alten Welt aber, nu - tzet eines das andere aus, und konte ſich kein Koͤnig in Jſrael anderwertig erhohlen, als im Glauben an JEſum dem einigen Eden der Seelen; Die groͤſte Gluͤckſeligkeit der Erden iſt ohne JEſu eine ungeheure Einoͤ - de, das aͤuſſerſte Elend bey und mit JEſu iſt ein Goͤttlicher Luſt-Hof: Bricht Tod, Hunger, Krieg, Peſtilentz ſamt aller Hoͤl - len-Wut herein, ſo kan ein jeder, der da iſt aus dem Glauben an JEſum, ſagen: Jch trette auf dich du Teuffel. Die Juden dichten, daß die Trauben ſint dem dritten Tag der Schoͤpffung im Paradys auf behal - ten worden, zu dem Wein, den der Meßias ſeinen Reichsgenoſſen auftiſchen werde; Wer vom Wein des Heil. Geiſtes truncken iſt, der redt mit neuer Zungen, dem trieffen die Schnee-Bergen von ſuͤſſem Moſt, und die Steinfelſen flieſſen ihm von edlem Re - benſafft; Ey welch ein koͤſtlich Regiment iſt in dem Koͤnigreich des Glaubens! Wer ge - wiß glaͤubt, daß er an GOtt einen gnaͤdigenVat -221CAP. VII. §. 2.Vatter habe, daß JEſus GOttes Sohn Suͤnde, Tod und Hoͤll vertilget, auch viele Himmel voll alles Guten wieder geoͤffnet und bereitet habe, ſolte der nicht froͤlich ſeyn, ſingen und ſpringen, alles Ungluͤcks lachen, und mit unerſchrockenem, unuͤberwindli - chem Muht durch eiſerne Berge dringen, und veſt davor halten, es lauffe alles allent - halben von Milch, Wein und Honig, Amos 9: 13. Wer JEſum alſo gefunden, kan ſei - nem GOtt nicht gnug dancken, loben, prei - ſen; denn er iſt nicht mehr ſterblich, ſondern in ein unvergaͤnglich Leben verſetzt; Alſo fuͤllt Chriſti Reich zwar den Beutel nicht mit Gold und Silber, wol aber das Hertz mit Fried, Ruhe und froͤlicher Gewißheit des ewigen Lebens, ſo weit, daß wenn ſchon Herodes, Pilatus, Nero und Caiphas alle - zuſammen ſauer ſehen, zuͤrnen und drohen, ein Chriſt es doch eben ſo wenig achtet, als die Engel im Himmel ſich vor ihnen foͤrch - ten.

§. 2.

Ernſthaffte Klage uͤber die mehr als viehiſche Tummheit und Unachtſamkeit der heutigen Nam-Chriſten.

ES iſt immer und ewig Schad, daß die Straſſe in dieſes Lebens - und Selig - keits-volle, heilige Canaan ſo wuͤſt ligen, in dem ſo wenige dieſen Weg finden; Ach! wann JEſus das bey ſeinen Lebzeiten kla -gen222Das Schweitzeriſche Canaan. gen mußte, da doch ſo viele der Kinder Jſrael dazumal zum HErren ihrem GOtt bekehret worden ſind, Luc. 1: 16. Matth. 11: 12. ach! muͤßte Er nicht jetz uͤber die Reformir - te Schweitz Thraͤnen-Baͤche aus ſeinen Augen flieſſen laſſen, und weheklagen, da die Bekehrung der Leuten ſo gar ſeltſam iſt, daß es ein Meer-Wunder iſt, und tauſender - ley verkehrte widerliche Urtheile uͤber einen ernſthafften Pilgrim nach Zion, und ſeinen Weg dahin ergehen; Solche Straß und Reiſe, weilen ſie ungewohnt, kommt ſie auch faſt jederman deſto wunderlicher vor, aller - meiſt von wegen der allgemeinen Verwir - rung, daß alle Nam-Chriſten benebelt und verblendet in der Meynung ſtehen, ihr Weg fuͤhre ſie gerade zu gen Himmel, wann dann jemand durch Erleuchtung des H. Geiſtes, den im Evangelio gezeichneten Weg GOt - tes zur Seligkeit findet, und wircklich dar - auf wandelt, das kommt alsdann jenen fremd und Spaniſch vor, ſintemal der rechte Weg, ihrer groſſen, anſehnlichen Jrr-Bahn ſchnur ſtracks entgegen iſt, was wills denn zuletzt daraus werden, ſoll noch eine zweyte Suͤndfluht kommen, dieſen Unglauben und Verachtung der Gnaden GOttes von der Erden abzuſpuͤlen?

Ach! es iſt kein Gebuͤrg ſo unwegſam, daß man nicht endlich dardurch komme, wo nurein223CAP. VII. §. 2.ein geringer irrdiſcher Vortheil zu erhaſchen iſt: Aelen, Vivis und Sitten ſind deſſen Zeugen; aber um des Himmelreichs wil - len ſtirbet man nicht der geringſien Luſt ab, creutziget nicht ein einig Glied des alten Menſchen, verlaugnet weder Gewinn noch eigene Ehre, uͤberſteiget nicht den kleinſten Huͤgel der Anfechtung oder Hinderniß, und wird demnach zu denen ſtrengſten Straff - Gerichten allgemach reiff, mitten unter allen denen leiblichen Segen, dem Lands-Frie - den, der Wohlfeile an allem, und mitten un - ter denen hohen geiſtlichen Wohlthaten, Jeſ. 59: 10. Pſal. 147: 19, 20. Rom. 10: 15, 21. Solte nur in unſerer Nachbarſchafft, der Roͤmiſch-geſinnten, GOtt ſeinen Sohn, ſeine Liebe, Gerechtigkeit, Seelen-Schaͤtze, ſeinen Heiligen Geiſt, und alles was Er hat, ſo genau auftragen: O wie froh waͤren ſie! Jch habe ſelbs geſehen, als an einem de - nen Papiſten benachbarten Ort predigte, und etwelche von dieſen auch zuhoͤreten, ſa - he ich bey ihnen eine weit groͤſſere Aufmerck - ſamkeit, Andacht und Lehrbegierigkeit als bey den unſern, eben wie zu Chriſti Zeiten die Samariter in zweyen Tagen aus ſeiner Predigt mehr Nutzen ſchoͤpffeten, als zu Ca - pernaum und Nazareth in vielen Jahren.

GOtt will uns ſein Himmelreich und alle Vernunfft uͤberſteigenden Seelen-Friedengleich -224Das Schweitzeriſche Canaan. gleichſam aufdringen; Wie verhalten wir uns aber gegen Jhm? brennet unſer Hertz vor Liebe? iſt unſer Mund voll himmli - ſcher Erbauung, und unſer Leben zu Chriſti Ehre gerichtet?! Ach wie wenig Liebes - Flammen zu GOtt ſiehet man nicht in de - nen Geſpraͤchen! wie ſo gar nichts verſpuͤ - ret man in denen Zuſammenkuͤnfften, daß die Leute in einigem vertrauten Umgang mit GOtt oder Wandel vor ſeinem Ange - ſicht ſtehen, oder daß ſie Jhme im Geiſt und Wahrheit dienen, und dieſem Koͤnig auf - warten; Jſt nicht alles Fiſcht-Stum̃ ſeine Majeſtaͤt aus innwendiger, lebendiger Er - fahrung ſeiner Krafft, Weißheit, Liebe und Suͤßigkeit zu preiſen, wie die Koͤnigin von Mittag vieles ihren Landsleuten von Sa - lomon erzehlt haben wird; Wer und wo thut man uſſert denen Kirchen (allda ſol - ches aus Hoch-Oberkeitlichem Befelch wohl geſchehen muß) einige Meldung von Chri - ſti Reich, wie etwa diejenige, ſo fremde, von allerhand Seltenheiten angefuͤllte Laͤnder geſehen haben, bey Geſellſchafften thun? ey wol nicht. Ja, was das alleraͤrgſte iſt, ſo ſind dergleichen Unterredungen verdaͤchtig, ver - haßt und unertraͤglich. Ach das Reformir - te Jeſchurum laſſet GOtt aus ſeinem Ange - dencken fahren, der ihm Leben und Athem, und alles giebet, und verwirfft den Felſendes225CAP. VII. §. 2.des Heils aus ſeinen Zuſammenkuͤnfften und Kiltabenden; Es reitzet Jhn das gantze Jahr hindurch zum Eyffer und Zorn, durch Welt-Liebe, Menſchen-Forcht, Gefaͤlligkeit und andere Greuel, als Wolluſt, Geitz, Hochmuht. Das aus dem Egypten des Pabſtthums ausgefuͤhrte Jeſchurun opf - fert den Feld-Teuffeln und nicht GOtt, al - lermaſſen der groͤſte Hauff kein ander Hertz in die Kirchen bringt, als die Heiden in ihre Goͤtzen-Tempel, und bauet ſeine Seligkeit auf die aͤuſſern, ſichtbaren Zeichen in denen heiligen Sacramenten; Mithin gehets darmit nicht anders um, als der Antichriſt mit ſeinem Brot-Gott Mauſim; und O wie iſt der Vergſtaltung ins Bild JESU vergeſſen! wie wenig wird die neue Geburt aus dem Heiligen Geiſt geachtet! Wolte GOtt! daß die Drohungen uͤber das alte Jeſchurun nicht unſer Laud, unſer Volck und Kirch dermaleneins treffen wurde, Deut. 32: 19-26. zumalen aller Leichtfer - tigkeit Thuͤr und Fenſter aufgethan, hinge - gen alle Tugend, aller Eyffer zur Seligkeit in GOtt, ausgejagt wird, aus Staͤdten und Doͤrffern, man achtet der Forcht und Er - kanntniß GOttes faſt nirgends mehr.

O du hertzgeliebtes Jeſchurun kehre um, und erkenne deine Unerkaͤnntlichkeit: Fahe in Chriſti JESU Namen ein gantz neuesPWeſen226Das Schweitzeriſche ꝛc. CAP. VII. §. 2.Weſen an; Uberlege, wie viel Gutes dir dein GOTT gethan, was Heiliges und Koͤſtliches Er durch ſeinen Sohn und Hei - ligen Geiſt in dir thun will, wann du Jh - me anhangeſt, Jhme traueſt, und dich gantz ſeiner Treue uͤberlaſſeſt, auch was Herrli - ches und Seliges Er an dir thun werde in alle Ewigkeit, dir unwuͤrdigſten Hoͤllen - brand auf ſo ſchwere und unzehliche Belei - digungen hin, thue das ſo lang aneinander, biß durch das Uderdencken der mehr als vaͤt - terlichen Guͤtigkeit deines Gottes ein Quell - Bruͤnnlein in deinem Jnnerſten entſprin - get, daraus ein unablaͤßiges Dancken, Lie - ben, Loben und Preiſen hervor quille, Pſ. 9: 2, 3. 33 : 1. 34 : 2, 4. 87 : 7. 92 : 2. Boͤ - ſes mit Gutem vergelten iſt Chriſtlich, Gu - tes mit Gutem iſt menſchlich, aber Gutes mit Boͤſem iſt aͤrger als viehiſch, ja teuffliſch. Solte demnach nicht dein Hertz uͤber dieſes unbegreiffliche Wunder erſtaunen, daß der groſſe GOtt dein noch nicht muͤde worden biß auf dieſen Tag.

Gebett.

OAllein guter GOtt, mein allezeit barmher - tziger Vatter, ich dancke dir vor deine groſſe Langmuht und wunderbare Milt - thaͤtigkeit deiner ſo unendlich freygebigen Vatter - Hand gegen mir alles Guten und Heiligen, ſooͤden,227Gebett. oͤden, leeren und aller Gnaden euſſerſt Beduͤrffti - gen, der ich als ein Schlangen-Same alles Boͤ - ſen voll, ſchon von vielen Jahren her verdienet ha - be von dir zertretten zu werden; O Hertzens Abba, deine Gnad reichet biß an den Himmel, deine Treue biß an die oberſten Wolcken, deine Gerechtigkeit biß an die Berge GOttes, deine Gerichte uͤber Suͤnd, Tod, Teuffel und unſer boͤſes Fleiſch ſind ein groſſer Abgrund: HErr du hilffeſt Menſchen und Vieh: Wie koͤſtlich, theuer und herrlich iſt dei - ne Gutthaͤtigkeit, O GOtt! daß Menſchen-Kin - der unter dem Schatten deiner Fluͤgel Zuflucht nemmen, und ſich bey dir ſicher verbergen koͤnnen! Sie werden truncken und ſatt von den reichen Guͤ - tern deines Hauſes, und du traͤnckeſt ſie mit dem Bach deiner heiligen Wolluͤſten; Bey dir iſt JE - ſus die Lebens-Quelle, die uns aus ſich Selbſten erquicket, und indem du uns deinen Geiſt der Of - fenbahrung und himmliſchen Weißheit ſchenckeſt, ſo ſehen wir in dem hellen Schein deines Evange - liums das wahrhafftige Licht, Jeſum. O mein GOtt! wie groß iſt deine Liebe, die du ſo wunder - bar macheſt an mir; Dir O JEſu Chriſte iſt nichts gleich, ſo weiſe, gut, fromm und ſchoͤn es auch ſcheine; Dich will ich allen Leuten anruͤhmen, und von deiner Heiligkeit ſagen; Du ſolt mein GOtt ſeyn und ſonſt niemand, an dir will ich mich halten, denn du allein biſt ſtets willig und maͤchtig mir zu helffen; Du holeſt mich vom Rand der Hoͤllen zuruck, und reiſſeſt mich dem Loͤwen aus ſei - nem boͤſen Rachen; Das Thun deiner Liebe-vollen Regierung vermag keine Creatur zu erkennen und zu beſchreiben. O wie biſt du ſo gut, ſonderbar gegen uns in unſerm Land, du erhalteſt uns imP 2leib -228Gebett. leiblichen Frieden, und macheſt uns ſchon lange, lange Zeit zu einer beſtaͤndigen Gedenck-Seulen deiner Guͤtigkeit; Dein O HErr! iſt die Ho - heit, Macht, Herrlichkeit, Sieg und Majeſtaͤt, ja alles, was im Himmel und auf Erden iſt, das iſt dein! Du thuſt uns Guts wie dem alten Jſrael, du gibſt uns Honig, Milch, Butter, Fleiſch, Korn und Wein, und biſt eine feurige Mauer um uns her und das Unſrige; Nun unſer GOtt! wir dan - cken Dir und preiſen den Namen deiner Herrlich - keit.

Unſere Seelen naͤhreſt Du mit der ſuͤſſen Milch deines Evangeliſchen Worts, das koͤſtliche Wei - tzen-Brot deinen Sohn, und das von dieſem him̃ - liſchen Weinſtock herabflieſſende Trauben-Blut der Goͤttlichen Freude gibſt Du uns Nacht und Tag zu genieſſen; Die Stroͤme vom Honig dei - ner ſtaͤrckenden, alles Bittere verſuͤſſenden, auch allezeit wohlſchmeckenden Liebe; Die Baͤche von Butter deiner linderenden, heilenden, alle Noth und Angſt-Hitz abkuͤhlenden Gnade koͤnnen wir ſo offt haben, als wir uns von gantzem Hertzen zu dir be - kehren, ſo bald nimmeſt Du uns alle Unruh und Sorgen Laſt ab, und beſeligeſt uns mit deinem Frieden, Gerechtigkeit und Erloͤſung, das Oel des H. Geiſtes laſſeſt Du uns aus Chriſto dem Felſen unſers Heils ſaugen ſo viel wir wollen und noͤhtig haben zu dem Werck, daß du vor uns beſtimmet haſt, du ſaͤttigeſt uns mit deiner lauterſten Guͤte und Suͤßigkeit, welche beſſer iſt, dann das Leben, darum preiſen wir Dich mit froͤlich-ſingenden Leff - zen: O ewig unermuͤdete Liebe! Ach daß dein rei - nes Lob aus unſerem Hertzen aufquillete, und wie Berg und Thaͤler, wie himmliſche Lerchen undNach -229Gebett. Nachtigall Sommer und Winter von Deinem Lob erklingen machten! Wo nicht mit leiblichem Thon und aͤuſſerlichem Schall, welches in die - ſem ſterblichen Leben unmoͤglich, doch mit inner - lichem, unhoͤrbarem, geiſtlichem Jubel-Klang deß Vertrauens und innigſten Zufriedenheit, ſo in GOttes Ohren und der heiligen Engeln uͤber - auß lieblich thoͤnet: O daß unſer gantzes Leben ein beſtaͤndiger Prediger ſeye deiner Herrlichkeit!

Wunſch und Vorbitte.

OHERR hilff deinem Volck, ſegne dein Erb, weyde ſie und erhoͤhe ſie biß in Ewigkeit: O du GOtt der Hoffnung, ſegne deine Bekehrten, und erfuͤlle ſie mit aller Freud und Fried im Glauben, auf daß ſie voͤl - lige Hoffnung haben durch die Krafft deß H. Geiſtes; Troͤſte die, ſo auf dem Aeſchen-Hauf - fen ihres tieffen Suͤnden-Verderbens ſitzen und weinen in ihren Wincklen, darum weilen ſie zu keinem Sieg kommen koͤnnen, das Boͤſe, da - von ſie ſo gerne loß waͤren, nicht uͤberwinden, noch das Gute, dazu ſie ſo hertzliche Luſt haben, nicht nach ihrem Wunſch ins Werck ſetzen koͤn - nen, ſo wie ſie es gerne thaͤten: Schaffe, daß die Lieblichkeit JEſus uͤber ihnen walte, und beveſtige das Werck ihrer Haͤnden bey uns, ja das Werck unſerer Haͤnden wolleſt du beveſtigen. Ach Vatter! mache deinen Geſalbeten hie und dort recht angenehm, ziehe noch viel Leute zu JEſu deinem Sohn, daß ſie ſich von gantzem Hertzen zu Jhm bekehren, und keine StundeP 3laͤnger230Gebett. laͤnger auſſert ſeiner Gemeinſchafft leben koͤnnen. O wie billich iſts, daß ein ſolcher JEſus unzeh - liche Millionen Hertzen habe, denen Er innigſt lieb und werth ſeye, das iſt die einhaͤllige Begierd deiner Kinder von je Welt an, um dieſe Ver - klaͤrung Chriſti haltet deine Braut an und in ihr der H. Geiſt, die himmliſchen Heerſchaaren der heiligen Engel und aller Seligen warten da - rauf. Ach! erfuͤlle deine Verheiſſungen bald, O du ſtarcker GOtt Zebaoth! und ſetze dein Je - ruſalem zum Lob auf Erden; Halte inn mit dei - nen Gerichten, habe Gedult und beduͤnge noch reichlicher den unfruchtbaren Feigen-Baum un - ſers Vatterlands; O Gnaden-Sonne unſers Hertzens einige Freude und ſchoͤne Wonne, ſchieſ - ſe deine Lichtes-Straalen heiterer, kraͤfftiger und waͤrmer in unſere dunckele Schweitzer-Thaͤler; Wer weißt, ob Dir nicht noch viele heilige Pflan - tzen, Roſen und Lilien wachſen werden dein Pa - radys zu zieren. Du ſtarcker Held! Du verſte - heſt Dich unendlich wohl auf das Zertretten der Schlangen-Koͤpffen, ſo uͤberwinde denn den Drachen und vertreibe ihn auß ſeinem Neſt in ſo vielen Hertzen, die er Dir und uns zum Ver - druß noch inne hat: Es iſt ja deine Huͤlffe nahe bey denen, ſo deine Majeſtaͤt anbetten, deine Freundlichkeit genieſſen, die ſo gerne deine Ehre außbreiten und deiner Underthanen Zahl vermeh - ren wolten. O unſer Erbarmer, JEſu Chriſte! tritte doch dermalen eins ins Mittel, es iſt hohe Zeit, daß nicht die Schande deß Abfalls unſer Land immerdar bedecke; Ach daß deine Herr - lichkeit dereinſt obſiege! daß von Morgen die Guͤte und von Abend die Wahrheit einander be -gegnen,231Gebett. gegnen, daß Gerechtigkeit und Friede einander umarmend kuͤſſen, daß kein falſcher Gedancke deß Unglaubens, der Verzagtheit oder eitelen Luſt, das Hertz deiner Kinder weiters unruhig ma - che, ſondern wir die Fruͤchte deiner Erloͤſung im Himmelreich deines und unſers Vatters haben, ſo viel uns zu unſerer Vollendung und deiner Liebe Offenbahrung, deine Weißheit uns zu ge - ben gut befindet; Alſo werden ſich ſo viele reine Liebhabere deiner Gemeinſchafft und ernſte Su - cher deiner edlen Perle hervor thun als Graß, Kraut, Fruͤchte und Blumen zur Sommers - Zeit auß der Erden herfuͤrwachſen, mache dein Recht, ſo du, O JEſu! zu uns haſt, zu gelten beym Vatter, auf daß Er vom Himmel herab drein ſchaue, und ſich uͤber Dein verwuͤſtetes Zion erbarme: Es wird ja unſer Vatter im Him - mel um Deinetwillen uns das Gute geben, den H. Geiſt, damit Dein Erbtheil ſein gerechtes Gewaͤchs gebe und nicht duͤrre bleibe; Chriſte, er - neue uns durch Deine Erkanntnuß und Liebe von innen; Setze nur Deine Fuͤſſe auf den rechten Weg, Du haſt Fug und Recht dem Wuͤterich, dem Satan zu widerſtehen, dein verblichen Bild in uns noch herrlicher auffzurichten, GOttes Bund mit Dir wird Deinem Reich Bahn ma - chen, daß es Dir gelinge. Hallelujah!

Segne unſer hohe Obrigkeit, daß ſie ſich vor Dir demuͤhtige, Deinem Willen nachfrage und allezeit ſuche zu thun, was Dir wohlgefallt, daß ſie Dir die Pforten ihrer Landen weit auffthuͤe, und nicht nur in die Kirchen, ſondern auch in alle Haͤuſer und Hertzen einziehen laſſe: Gib, daß ſie der Rechenſchafft nie vergeſſen, ſo ſie vorP 4Dir232Gebett. Dir dem HErrn Himmels und der Erden abzu - legen haben werden; Die ewige Weißheit, ſo vor Deinem Thron iſt, regiere all ihr Fuͤrnem - men, und erfuͤlle ihre Anſchlaͤge: Gib allen Re - genten ein frommes Vatter-Hertz vor ihre Un - derthanen, daß ſie deren zeitliche, allermeiſt aber ewige Wohlfahrt heiliglich und getreulich ſuchen: Mache ſie ſtarck, freudig und muhtig in allen Angelegenheiten und Verdrießlichkeiten, ſo die Regierungs-Laſt nach ſich ziehet: Hilff ihnen alle Reitzungen und Verſuchungen uͤberwinden, damit deine Gnad ihnen ein ewiges Reich und Kron geben koͤnne. Amen Du gerechter Rich - ter, der Du jedwedem vergilteſt nach ſeinem Thun. Laſſe auch uns Lehrer nicht ohne Deine Forcht ſo hinleben, Deine allerheiligſte Zucht, O HErr! halte uns ſtets in denen genauen Schrancken dei - nes Gehorſams, daß wir nichts thun, reden oder dencken doͤrffen ohne Gewißheit deines gnaͤdigen Wohlgefallens; Schaff, daß es uns nie, auch nicht bey einicher Reitzung oder Verſuchung auß dem Sinn komme, daß du wolleſt geheiliget werden an denen, die zu Dir nahen. Ach daß unſer Sinn und Leben alſo beſchaffen ſeye, daß wir im Heiligthum unter deiner Wolcken bleiben koͤnnen: Behuͤte uns ſonderlich, daß wir nicht etwa durch leichtſinnige Verſaumniß einer eintzi - gen Seelen Blut auf uns laden, daß keine wi - der uns ſchreyen muͤſſe, daß wir ſie nicht allezeit mit Worten und Wercken zum Himmelreich er - baut haben. Gib, daß wir nicht unterlaſſen zu bitten vor diejenigen Regenten inſonderheit, die Chriſtum Deinen Sohn und ſein Reich lieb ha - ben, daß Du ſie lang erhalteſt, ihnen groſſeFrey -233Gebett. Freymuͤhtigkeit und unerſchrockenen Glaubens - Muth ſchenckeſt in deinen heiligen Namen, Jhnen beyſteheſt, auch ihren Raͤthen geſegneten Nach - druck verlieheſt, damit ſie dein Heil weſentlich ſchauen und haben, auch nachdem ſie deinem Rath gedienet haben, ſie in hohem Frieden ewig - lich wohnen im Erbtheil Deiner Knechten, Da - vids deß Koͤnigs in Jſrael und Joſephs von Ari - mathea. O Heiliger GOtt und Vatter! Wir reden wol viel von Chriſti Reich, Gaben und Gemeinſchafft, aber es ſind meiſt nur Wort, die Sach ſelber mangelt uns; Ach fuͤhre uns vom Schein zum Seyn, und vom Wiſſen zum Weſen, das uns ſo hoch noth iſt, ehe wir vom Wind deß Todes wie leere Spreu weggefuͤhrt werden, und ehe uns die Rechenſchafft vor Dei - nem Gericht ewige Schmach und Angſt bringe. Ach lange genug hat uns der Schatten beſeſſen; Ach daß wir doch Dich, O guter GOtt! derma - len eins recht und nahe kennen, mithin die Se - ligkeit der Kindſchafft erfahren, damit das Volck innen werde, daß Du in uns lebeſt. Amen.

Ach HErr Chriſt! Erbarme Dich aller El - tern, daß ſie doch ihre Kinder nicht laſſen ins Wilde wachſen, der Hoͤllen zu, mithin an ihren armen Seelen unwiſſend Moͤrder werden; O daß ſie vorauß einen ewigen Bund mit Dir ma - chen, und Dich mit ſolcher Hertzens-Freude auff - nemmen, wie Zacheus gethan, in ihre Haͤuſer und Hertzen, auf daß wer ihre Kinder ſihet, be - kennen muͤſſe, ſie ſeyen ein Saame, den Du HErr geſegnet habeſt: O JEſu! gib uns das Gute, den H. Geiſt, ſchencke uns ein den wah - ren Himmels-Wein, das Blut deiner unendli -P 5chen234Gebett. chen Liebe mit allen darauß erwachſenden Fruͤch - ten, davon das Hertz rein und froͤlich werd. Laſ - ſe alle unter der Suͤnd ſchmachtende und darben - de Seelen auß Dir ſelbs dem ewigen Felſen der Seligkeit ſaugen das Honig deiner Gnaden, dadurch ſie geſtaͤrcket hindurch kommen moͤgen, den Weg Deiner Gebotten zu lauffen wie eine Hindin, und nicht nur ſo jucksweiſe denſelben anzutretten; Suͤſſer JEſu! Mache uns alle ſtets begierig nach der lautern Milch deines Evange - liums: O holdſeliges Lamm GOttes vor uns erwuͤrget und getoͤdet, gib Dich ſelbs und die Fettigkeit Deiner him̃liſchen Salbung und aller Deiner Wohlthaten ſo zu koſten, daß wir in GOtt ſtarck werden von Goͤttlicher Staͤrcke, und weiſe von Goͤttlicher Weißheit; Auf daß ja unſer Chriſtenthum nicht nur ſo ein Wort - Spiel ſeye, ſondern ein innigſter Genuß Deiner ſo theuer erarneten Guͤter im Reich GOttes.

Floͤſſe denen Betruͤbten dein himmliſches Oel deß H. Geiſtes ein, daß ſie darmit uͤbergoſſen, in GOttes Augen hell glaͤntzen und vor Freuden uͤber deiner Gegenwart jauchtzen moͤgen.

Junge Hertzen traͤncke JEſus mit auffhuͤpffen - dem Genuß und jubilirendem Geſchmack wie gut und wie hertz-freundlich du ſeyeſt. Laſſe ſie ſe - hen dein Paradys, das ſo herrlich iſt, und dei - ne Geſtalt, die ſo ſchoͤn iſt; Gib ihnen die Guͤ - ter deiner Außerwehlten zu koſten, damit ſie nicht nur andern glauben, beſondern auß eigener Erfahrung eigentlich wiſſen, wie gut und ange - nehm es ſeye, nahe bey dir zu ſeyn, und ſie de - ſto gerner bey dir bleiben, mithin das abgeſchmackt - fuͤſſe Gifft der Welt-Wolluſt ihnen Gallen-bit -ter235Gebett. ter werde, ſtincke und eckle, auf daß ſie alſo von den Bruͤſten der Suͤnd und deß Satans ent - wehnt, nicht mehr daran ſaugen, ſondern auf die Engliſch-ſuͤſſe Milch deiner Liebe erpicht ſeyen, und nach deiner Gemeinſchafft einzig duͤrſten. All - maͤchtiger Heyland, mache die auf denen Bergen, in den Thaͤlern und Gefilden, zu Stadt und Land wohnende Jugend zu einem ſchoͤnen Pflantz-Gar - ten deiner Kirch in allen Staͤnden, daß ſie doch ja nicht durch Verzaͤrtelung und Verſaumniß ins Krumme wachſen, ſondern daß Andacht, Gehor - ſam, Gebet-Luſt, Arbeitſamkeit, Demuht, Ver - trauen auf GOtt und Freude an ſeinem Wort ih - nen zur Natur werde; daß Erkanntniß, Glauben und Heiligkeit mit ihnen aufwachſe, wie mit dem jungen JEſulein, Luc. 2. ſie mithin deinem Ebenbild beyzeiten gleichfoͤrmig werden: Schencke ihnen durch die Krafft deines Heiligen Geiſtes ein ſolch Hertz, daß ſie eine Suͤnde begehen, ſchmertzlicher empfinden als den Verlurſt tauſend Thalern, ja ih - res Lebens; damit doch unſere Gemeinden Vor - hoͤfe ſeyen deines Him̃elreichs: Ach! daß doch kei - ne Hoͤllenbraͤnd mehr auferzogen werden, ſondern die gantze Jugend in deiner heiligen Forcht und theuren Gnad bluͤhe zur Seligkeit, Amen.

Alle armen Waͤiſen und Wittwen bewahre vor Abgoͤtterey, daß ſie nicht an Dir verzagen, und anderswo Troſt, Beyſtand und Erquickung ſu - chen, mithin Dir durch ihren Unglauben die Haͤn - de binden, daß du dein Wort nicht an ihnen er - fuͤllen koͤnneſt, und ſie ſich alſo deß hoͤchſt-ſeligen herrlichen Troſts elendiglich berauben / den ſie im Vertrauen auf Dich und im Gehorſam Deines Willens finden konten, da du Dich ſo gnaͤdiglichher -236Gebett. herausgelaſſen und verſprochen haſt: Du wolleſt der Wittwen Ehemann und der Waͤyſen Vat - ter ſeyn; Trucke ihnen diß Dein gegebenes Wort tieff in ihr Hertz hinein, damit ſie durch ihren Glauben deine Treue und Wahrheit hoch ehren, und Du dann, O wahrhaffter HErr! nicht umhin koͤnneſt ſie erfahren zu laſſen, daß Du der ſeyeſt, wofuͤr ſie Dich gehalten haben, nemlich ein GOtt, an welchem nicht zuſchanden wird ein einicher, der auf Jhn harret, alſo wirſt Du ihr Schildt ſeyn, und Dein Aug wird Tag und Nacht uͤber ihnen offen ſeyn zum Guten.

Denen Reichen gib, O HErr! der du Him̃el und Erden beſitzeſt, daß ſie nuͤchtern, gottsfoͤrch - tig, gutthaͤtig ſeyen, freundlich und demuͤhtig, nirgend inn keinen Uberfluß treiben, vielmehr reich werden an guten Wercken, damit es ihnen nicht auß Deinem gerechten Urtheil endlich erge - he wie dem unſeligen Reichen, zumalen es ſehr ungewohnt thaͤte, hier alles in Ubermaß mit Un - barmhertzigkeit verbrauchen, und hernach ewig nicht ein Tropffen friſch Waſſer bekom̃en die bren - nende Zungen zu kuͤhlen. Ach HErr! bewahre ſie vor ſo klaͤglichem Außgang: Gieſſe dagegen dei - ne heilige Liebe und Demuth in ihr Hertz, damit ſie ihre Haußhaltung auf eine Weiſe fuͤhren, daß ſie im Stand bleiben vielen Duͤrfftigen Guts zu thun, und Dir, O GOtt! mit froͤlichem Hertzen dancken, nicht nur dafuͤr, daß Du ihnen Haabe und Reich - thum gegeben, ſondern fuͤrnemlich, daß Du ih - nen auß dem uͤberſchwenglichen Reichthum Deiner Gnaden einen ſolchen abgeſchiedenen Sinn und liebreich Hertz gegeben ihrem Naͤchſten Gutes zu thun, allermeiſt denen Mit-Erben der Gnad oh -ne237Gebett. ne Bedauren oder unzeitiger Beyſorg deß Ab - gangs; Solche mitleidige und dem lebendigen GOtt trauende Reiche machen ihnen wahrlich viele Freunde mit dem ungerechten Mammon; Und Du HErr JEſu weiſt am beſten, wie es ge - hen wird, daß die Reichen koͤnnen ins Darben gerathen an der Seel, und wann ſie ſich Deine vertraute Freunde durch Wohlthun zu ihren Freun - den gemacht haben, dieſe alsdann durch ihre Vor - bitte, die ſo vieles bey Dir gilt, ſie auffnemmen in die ewigen Huͤtten. O allgenugſamer GOtt! Verleihe ihnen Gnad, das Wort JEſu nie zu ver - geſſen, daß Geben ſeliger ſeye als Nemmen, daß ſie eben dardurch Dir dem reichen und milten Ge - ber alles Guten aͤhnlich werden / und daß an jenem Tag alle Deine von ihnen erquickte Freunde um JEſu herſtehen werden, und das ihnen erzeigte Gute anruͤhmen, eben wie vor Zeiten die fromme Wittwen um Petrum hergeſtanden und die Klei - der der Dorcas weinende gezeigt haben.

Ach GOtt! thue denn auch denen Armen Augen und Hertzen auff, bewahre ſie gnaͤdiglich vor Neid, Diebſtahl, Verſtockung, Gebettloſigkeit, Ver - ſaumniß der Erkenntniß und Heiligung, daß ſie doch nicht doppelt elend ſeyen hier zeitlich und dort ewig in der Hoͤllen. HErr JEſu! erbarme Dich ihrer und benimme ihnen den argen Sinn, das falſche Vertrauen auf ihre Armuth, da ſie mey - nen, ſie werden deßwegen in Himmel kommen, wann ſie ſchon nicht erleuchtet, nicht bekehrt und neugebohren ſeyen. HErr JEſu! du weiſt, wie wol unzehliche Arme durch dieſen Betrug zur Hoͤl - len gefahren und tragen deß ewigen Feuers Pein! Ach HErr! gib ihnen doch einen rechten Sinn, daßſie238Gebett. ſie die Erſatzung ihres leiblichen Mangels in Dei - nem allerheiligſten Willen und Liebes-Gemein - ſchafft ſuchen und finden, Dir allein trauen, nie - mand heucheln, beliegen und affterreden, unab - laͤſſig um ein neu Hertz und um das Gnaden-Brodt bey deiner Gnaden-Pforten anhalten; ihr geiſtlich Elend mehr fuͤhlen als das leibliche, und durch kein Abſchlagen von dem Hauß Deiner Barmher - tzigkeit wegzubringen ſeyen, biß ſie Dich ſelbs als JEſum den gecreutzigten in ihre Hertzen bekom̃en: Behuͤte ſie O HErr! vor der leiblichen Faulheit und noch mehr vor der geiſtlichen Traͤgheit! Da - mit, wie ſie Dir, O Heyland aller Welt! in der aͤuſſern Armuth aͤhnlich ſind, ſich ſelbs deß unauß - ſprechlichen Segens nicht berauben, ſo ſie in ihrem aͤrmlichen Stand genieſſen koͤnnten, wann Er mit der heiligen Geiſtes-Armuth Lazari gepaaret gienge. Ach HErr JEſu! wie koͤnnten doch die Arme deine allerliebſte Freund und Bruͤder werden, wann ſie es nur verſtehen wolten; Sie koͤnnten auß dem unerſchoͤpfflichen Meer deiner Treue Reichthums genug|, Fleiſch, Honig, Waͤitzen-Brodt, Wein genug, wo nicht irrdiſch doch geiſtlich und himmliſch haben.

O GOtt! bekehre viel Leute / Reiche / Arme / Junge / Alte im Sanen-Land und im Sibenthal / ja uͤberall / daß ſie ſeyen deine Begnadete und Geſegnete: O ja freundlicher JEſu! Dem Angeſicht erquicke uns / Dein Fried herrſche in uns / daß / wer nur unſere Sach kennet / uns ſelig prei - ſe. Hertzens Abba! Du weiſt am beſten / was uns heil - ſam ſeye. Saͤttige uns mit Dir ſelbs / ſo werden wir Dir alle die uͤbrige Tage unſers Lebens mit Pſalmen und Lob-Liedern vor Deine ſo erſtaunliche Guͤte dancken / biß die gantze Erde voll iſt Deiner herrlichkeit / und keine Staͤt - te vor die Suͤnde mehr iſt in uns / Amen / Hallelujah / Amen.

Regi -

Regiſter.

  • pag.
  • ANſtalten der Gottheit zu unſerer Seligkeit. 7
  • Baͤume aller Arten, Natur und Abbildung aufs Geiſtliche .200. 36
  • Buß Geſetzliche und Evangeliſche. 144
  • Buttermachen .56.
  • Bildet ab die Apoſtoliſche Kirch. 67
  • Canaans des himmliſchen, Vorzug vor allen irrdi - ſchen. 217
  • Chriſten Leben das lieblichſte, vernuͤglichſte.99 -103
  • iſt moͤglich und leicht. 114
  • Chriſtus kommt noch ins Land,153. ins Hertz,154. durch Wohlthaten. 155
  • Geſetz dem Stall-Futter, Evangelium dem Berg - Graß verglichen. 29
  • Glaubens Erweckung.147,159,170
  • Kennzeichen. 164
  • Henne iſt JEſus und ſeine geiſtliche Huͤnlein die Seelen. 164
  • Honig von dem, gottſelige Betrachtungen. 193
  • Himmels-Leiter von 8. Seigeln. 180
  • Kaͤß wie er gemacht werde und deſſen Bedeu - tung. 85
  • Lauenen von den, ſchoͤne Gedancken. 110
  • Milch wie ſie bereitet werde in denen Kuͤhen. 35
  • wie in den Seelen .41.
  • Von den Zeugen Chriſti den Menſchen anerbotten. 45
  • Menſchen aͤrger gegen GOtt als tummes Vieh gegen ſeinen Meiſter .21 .96,221
  • Neidel wie ſie formiret werde .53.
  • Abnehmen derſelben lehret Geiſtes Armuht, Demuht. 55
  • Predigten, warum die meiſten unnuͤtz. 19
  • Reiſe aus der Welt, Suͤnd zu GOtt iſt noͤhtig undkurtz -Regiſter. kurtzweilig .114.221.
  • Beweg-Gruͤnd darzu. 127
  • Saltzes Bild und Brauch.75,81
  • Sanenlands und Simmenthals Nahrung .83.
  • Kauffmannſchafft.84,86,98.
  • Geiſtlicher Vortheil .87.
  • Leiblicher Vortheil. 88
  • Schweitzerlands Vorzug vor Canaan. 1
  • Sterbens Luſt.47,103
  • Truck, Leiden macht guten, dauerhafften Kaͤß. 70
  • Vermahnung an die Suͤnden Knechten. 91
  • Volle mit dem Tannkriß bedeut die zuͤchtigende Gnade. 50
  • Weiden-Sommer - und Fruͤhlings, Prophetiſche Bedeutung. 24
  • Ziger ein Abbildung der proteſtirenden Kirch .68.
  • Der Liebe des Naͤchſten. 78

Regiſter der Spruͤchen H. Schrifft die in dieſem Schweitzeriſchen Canaan erklaͤrt werden.

  • 1. B. Moſis 18: 5, 8 189.
  • 49: 11 182.
  • 5. B. Moſis 32: 13, 14 181.
  • Pſalm 52: 10, 191.
  • Marci 11: 13 201.
  • Lucas 21: 36 20 28.
  • Joh. 15: 7. 12 18.
  • 1. Cor. 16: 22 18.
  • Epheſ. 5: 18 182.
  • Apoc. 22: 14 29 42.
ENDE.

About this transcription

TextDas Schweitzerische Von Milch und Honig fliessende Canaan
Author Samuel Lucius
Extent313 images; 58939 tokens; 11343 types; 403739 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDas Schweitzerische Von Milch und Honig fliessende Canaan Und hoch-erhabene Berg-Land; Mit seinen himmlischen Vortheilen, auch irrdischen Segen und Bequemlichkeiten beschrieben; Und wie diese sichtbare Sachen und leibliche Geschäffte nur Schatten-Bilder seyen geistlicher Verrichtungen/ Paradisischer Vorrechten und ewiger Güter Samuel Lucius. . 64, 238 S., [1] Bl. HortinBern1731.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Berlin SBB-PK, Dp 5730

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Erbauungsliteratur; Gebrauchsliteratur; Erbauungsliteratur; core; ready; china

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:32:53Z
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Holding LibraryStaatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
ShelfmarkBerlin SBB-PK, Dp 5730
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