Dem Allerdurchlauchtigſten, Großmaͤchtigſten Fuͤrſten und Herꝛn, HERRN Chriſtian dem Sechsten, Souverainen Erb-Koͤnige zu Daͤnnemarck und Norwegen, der Wenden und Gothen, Hertzoge zu Schleswig, Holſtein, Stor - marn und der Ditmarſchen, Grafen zu Oldenburg und Del - menhorſt. ꝛc. ꝛc. Meinem Allergnaͤdigſten Koͤnige und HERRN. Allerdurchlauchtigſter, Großmaͤchtigſter Koͤnig, Allergnaͤdigſter Koͤnig und Herr,
JCh ſehe mit ſehr groſſer Freude, daß die goldene Jubel-Zeit des Koͤnigs in Jſrael, des Mannes nach dem Hertzen Gottes herbeykommt, indem eine Koͤ - nigliche Seele im kalten Mitternacht Lande von der Sonne der ewigen Warheit und Gerechtigkeit ſo kraͤfftig beſtrahlet und erwaͤrmet wird, daß ſie JEſum von Hertzen lieb gewonnen,ſeinerſeiner Gnade durch die ſanffte Wuͤrckung des Heil. Geiſtes in ſich Platz giebet, das glorioſeſte Joch des Seligmachers auf ſich zu nehmen, nach dem lebendigen GOTT und ſeiner innigſten Gemein - ſchafft zu duͤrſten, und ſich dahin zu beſtreben, den Herren JEſum allerdings zu vernuͤgen, mit ihrem gantzen Koͤnigreiche Chriſti eigen zu ſeyn, und auf dem Wege zu wandeln, darauf man dem Koͤnig der Ehren begegnet; der denn einen ſolchen Re - genten mit Goͤttlicher Leutſeligkeit anſpricht: Jſt dein Hertz gegen mit / gleich wie mein Hertz iſt ge - gen dir / ſo gib mir die Hand und ſteige zu mir auf meinen Wagen. 2. Reg. 10: 15.
O wie gerne goͤnne ich meinem Herren Chriſto dieſe Freude und Ewr. Koͤnigl. Majeſtaͤt dieſe unvergleichliche Herꝛlichkeit, alle vorfallen - de Reichs-Geſchaͤffte in ſo hochſeliger Geſellſchafft auszurichten! Was mag wohl eine beſſere Weiß - heit ſeyn, als taͤglich Licht und Heyl, Rath und Staͤrcke, Leben und Friede, von dem hoͤchſten Regenten der Welt empfahen, und den Gnaden - Funcken, der mehr werth iſt als tauſend irrdiſche Kronen, unter der Regierungs-Laſt nicht erſticken laſſen, ſondern zu deſſen Erhaltung und Vermeh - rung allezeit von der Tafel des groſſen Gottes aus dem himmliſchen Kelch eine Labſal nehmen, indem man dieſes allerkoͤſtlichſte Preſent aus dem Himmel in ſich wohl zu verwahren ſucht.
Die -Dieſe meine Hertzens-Freude habe dißmahlen vor aller Welt wollen darlegen, nachdem auch die Herrlichkeit des geringſten unter Chriſti Kindern nicht unbekannt iſt, wie der Koͤnig Himmels und der Erden ſo hertz-freundlich mit einem ſol - chen umgehet, es nicht nur taͤglich zu ſich laſſet, ſondern gar in ſeiner innigſten Gemeinſchafft blei - ben heiſſet, ja ſich nicht ſchaͤmet ſelbiges ſeinen lie - ben Bruder zu nennen. Derowegen habe ich un - wuͤrdiger, armer Wurm deſto weniger bedencken getragen mit dieſer Zuſchrifft vor Ewr. Koͤnigl. Majeſtaͤt zu erſcheinen. Sintemahlen das gute Geruͤcht von Dero begnadeten Gottſeligkeit auch uͤber unſere hohe Schweitzer-Gebuͤrge erſchollen.
JEſus der Koͤnig aller Koͤnigen, ſaͤttige Dero Begierden mit ſeinem heiligen, ſanfftmuͤ - thigen Liebes-Sinn, welches wohl der Goͤttliche Balſam iſt, der Geſundheit und Leben friſtet, der dem Leib und der Seele wohl thut und himm - liſch erquicket! Und weilen nach der unwandelba - ren Zuſag GOttes, das Haus Davids ſeyn ſoll, wie der Engel Jehova, ſo wird ſolche hochtheure Verheiſſung eben ſo mehr an Ewr. Majeſtaͤt erfuͤllet als an jemand anderem. Es bilde denn Gottes allmaͤchtige Gnaden-Hand in Jhneneinein ſolches Hertz, das durchaus dem Hertzen des unendlich-verklaͤrten Chriſti aͤhnlich ſeye; daß [wie die Sonne ihre Schoͤnheit, Stille, ruhige Klarheit und richtigen Lauff unverruckt behaͤlt, Trotz allen Sturm-Gewittern, Nebeln, ſchwar - tzen Wolcken und Finſternuͤſſen] alſo Dero Koͤ - nigliches Bemuͤth mitten unter allem Welt-Ge - tuͤmmel die Suͤſſigkeit der Huld und Gunſt Chriſti in tieffem Geiſtes-Frieden ſtets genieſſe, nicht al - lein zu ſelbs-eigener Befriedigung, ſondern auch zu einer ausbreitenden Wohlgewogenheit; alſo daß keiner von Dero Unterthanen ſo gering ſeye, den Ewr. Majeſtaͤt nicht ins Hertz einſchlieſſe, wer ſich nur immer dieſer Gnade faͤhig und wuͤr - dig macht, alſo daß das Koͤnigliche Blut walle vor Begierde, ſo viel ein Koͤnig vermag, jedermann gluͤckſelig zu machen; gleich wie GOtt thut, ſo viel Er als GOTT vermag, und ſo viel der Menſch faͤhig iſt.
Ein ſolcher Herr ſtehet dann gar wohl an der Seiten des Koͤnigs der Ewigkeiten. JEſus hat mehr Ehre, Reichthum, Gewalt und Herꝛlich - keit als alle Koͤnige. Wann es nun einen Koͤnig geluſtet, alles mit Jhme gemein zu haben, und in Bruͤderlicher Bekanntſchafft mit Jhme zu ſtehen und zu leben, ſo lehret Er Jhne thun, wie Er,) (3derder Herr JESUS / gethan hat, und bezeichnet Jhn mit einem herrlichen Caracter, daran, wer nur geiſtliche Augen hat, ſehen kan, daß Er war - lich aus dem Oel-Horn Chriſti mit deſſen Hohen - prieſterlicher Hand ſelbs geſalbet ſeye.
So leuchte demnach die lebendige Zuverſicht und innere Gewißheit, des Allmaͤchtigen GOttes Liebling zu ſeyn, als eine ſchoͤne glaͤntzende Krone auf Ewr. Koͤnigl. Majeſtaͤt Haupt, beſetzet mit der Schneeweiſſen Perl des unſchaͤtzbaren Glaubens an JESUM den Gekreutzigten; mit den Funcklenden Diamanten der Tapfferkeit, des getroſten und reinen Vertrauens auf den un - uͤberwindlichen GOTT, der ſeinen Bundsgenoſ - ſen eine ewige Treu bey ſeinem Leben geſchworen, der unzahlbare Kriegs-Heere, ſo ſeiner Verbuͤn - deten Ruhe ſtoͤhren wollten, zu Schanden gemacht, und das ſtuͤrtzende Blut-Urtheil uͤber die groſſe Babylon in der Heiligen Waͤchter Raht vorlaͤngſt beſchloſſen hat, der noch lebet und herrſchet in Zion. O Selig, welche nicht auf Heeres-Mach - ten trauen, nicht nach den Bergen hin; Nein, nur auf JESUM ſchauen! Mit den anmuthig - ſpielenden Rubinen der unausſprechlichen und verherrlichten Freude, das rothe Trauben-Blut der allerſuͤſſeſten Liebe, ſo aus GOttes Vatter -HertzenHertzen durch das verwundete Lamm flieſſet, offt und viel zu trincken. Mit den lieblich-ſchimmern - den Smaragden der gruͤnenden Hoffnung, die maͤchtige Herrſchafft mit Chriſto ewig einzuneh - men, und das bißweilen Muͤhe und Verdruß-ma - chende irrdiſche Reich mit dem Ruhe, Fried, Freud und Lebens-vollen Koͤnigreich der Himmlen der - mahlen eins zu vertauſchen, und ſich darauf hin zu reinigen, wie JESUS rein iſt. Mit dem Himmel-blauen Saphir des bißweiligen Vor - ſchmacks der ewigen Freude Zions. Jch ſage es ſeye Dero Krone mit dergleichen Zieraten ver - ſehen, ſo weſentlich vor GOTT und allen Heil. Engeln, als keine weltliche Krone mit vergaͤngli - chen, todten Edelſteinen pranget. Meines Her - tzens Wunſch und Schrifft gehet dahin, daß Ewr. Koͤnigl. Majeſtaͤt die Krone der Gna - den, des Lebens und Gerechtigkeit nicht verfehlen, und daß ich Unwuͤrdiger die Freude habe, Ewr. Majeſtaͤt in der Neuen Welt aus GOttes ewiger Barmhertzigkeit darmit fuͤrtrefflich geſchmuͤckt zu ſehen.
Das taͤgliche Anziehen der Hertzens-Demuth des Sohns GOttes, darinn Er ſich erniedriget hat biß zum Tod ans Creutz; Das Einhuͤllen in ſeine Gerechtigkeit, Unſchuld und Heiligkeit; DasEindringenEindringen in die Krafft ſeines Leydens, ſeines Todes und ſeiner Aufferſtehung; Das begierige Einſaugen ſeines Verſoͤhnung-Bluts, alle Suͤn - den abzuwaſchen, und die Seele mit reinem goͤtt - lichem Glantz zu bekleiden; Das liebliche Erwar - men des Hertzens von denen Worten, Wundern, Leben, Marter und darauf folgenden Herrlichkeit Chriſti; Der alle Hoͤhe der Welt billich tieff-be - ſchaͤmende Anblick des oberſten Anfuͤhrers zur Se - ligkeit in ſeiner Dornen-Cron, verſpeytem und von harten Schlaͤgen verſtelltem Angeſicht, in ſei - ner von grauſamen Geiſeln zerriſſenen Leibes-Ge - ſtalt, in ſeinem ſchlechten, nichts werthen, abge - ſchliſſenen Scharlach oder Purpur-Mantel; Die unbeſchreibliche, innige Geiſtes-Freude uͤber dieſe ſo groſſe unſterbliche Liebe JEſu und uͤber die da - ran hangende koſtbare Fruͤchten; Die inwendige Hochſchaͤtzung und unablaͤsliche Vorziehung des geringſten von Chriſti unſichtbaren ewig-bleiben - den Guͤtern gegen allem Erden-Pracht, Luſt und Hochheit; Das heimliche hungern und ſehnen nach dem gedultigen, leidſamen, niedrigen, Welt-ver - ſchmaͤhenden, GOtt allein-anhangenden, erhoͤhen - den und verklaͤrenden Hertzen des Lamms; Das geheime Seuffzen, aus eingewurtzelter Begierd und ernſtlichem Verlangen Chriſto gleichfoͤrmig zu werden, Jhme nachzufolgen, in ſeine Fußſtapffen zu tretten, [wovon der Koͤnig ſo wenig als der Prediger frey geſprochen iſt, wann er je Theilhabenhaben will am Baum des Lebens und zu den Tho - ren eingehen in die heilige Stadt] es nicht fuͤr ei - nen Raub zu achten Koͤnig zu ſeyn, mit abgeſchie - denem Gemuͤth an dem ewigen GOtt in dem ſuͤſ - ſen Chriſto ſeine Hertzens-Luſt, Troſt und Vernuͤ - gung feſt zu ſetzen, ſeinen Ancker ins Heiligthum in die durchloͤcherte Haͤnde des Hochgelobten hinein zu werffen [zumalen Ewr. Majeſtaͤt Koͤnigl. Beiſt allzu eines Edlen und Hohen Urſprungs iſt, als daß derſelbe ſein gutes in dieſem Leben in Salo - mons Eitelkeiten empfahen ſollte; eben ſo wenig als ein Fiſch auf einem viele Millionen werth geſchaͤtzten Seſſel und Kuͤſſen und unter Kaͤyſerlichen Kronen vernuͤget ſeyn kan, daß er nicht ſeine aͤuſſerſte Duͤrf - tigkeit fuͤhlen und gleichſam ſprechen ſollte:
Der gantzen Erde Zier weiß ich fuͤr nichts zu achten: Jch muß im Waſſer ſeyn ſonſt werd ich bald verſchmachten]
Dieſe hochanſtaͤndige und zu Beſitzung des ewigen Reichs der Erſtgebohrnen des Lammes unumgaͤng - lich-nothwendige Gemuͤts-Geſtalt ſeye Ewr. Koͤnigl. Majeſtaͤt ſchoͤnſt unverweslicher Koͤ - niglicher Purpur, nicht von Sammet und Sei - den, Gold und Perlen geſtickt, ſondern von Wun - der-ſchoͤnen, unverwelcklichen Kraͤfften der Gott - heit ausgezieret.
Das Auffhupffen des vor Freude jauchzenden Hertzens, daß JEſus auch Koͤnige lieb hat, und) () (SieSie um deßwillen nicht verwirfft, weilen Sie Jhme dem aͤuſſern Zuſtand nach ſo ungleich ſind, ſondern Sie in ihrer Weiſe, irrdiſchem Glantz und Auffzug auf dem Schauplatz dieſer Welt duldet, ihren Gewalt und Souveraineté mit ſeinen Heil. Ge - botten feſte gruͤndet, ehret und ſchmucket, Jhnen einen Strahl und Bildnuͤß ſeiner Allerhoͤchſten Mayeſtaͤt anhaͤnget, Sie als ſeine Statthaltere im aͤuſſern Reich der Welt tituliret, und ſeinem heiligen, eigenthuͤmlichen Volck, ſeinen geiſtli - chen Koͤnigen und Prieſtern, alle Treu, Liebe, Gehorſam, Ehrerbietung gegen Sie einſchaͤrffet; das gibt Materie zu luſtigen Gedancken. Ja, der Hoͤchſtgebietende, gute Koͤnig JESUS laſſet einen gemeſſenen Befehl ergehen an alle Un - terthanen ſeiner Herꝛſchafft, ſo weit ſich ſein Gna - denreich erſtreckt, Sie ſollen niemahls vor Jhme erſcheinen, daß Sie nicht auch der Koͤnigen zum beſten gedencken. So hoch ſind Jrrdiſche Ma - jeſtaͤten dem Heyland der Welt angelegen, ſo theuer ſind Sie geachtet in ſeinen Augen, ſo gerne will Er Sie mit ſeinem Heyl erfreuen, mit innerli - cher, ſchmackhaffter, Himmels-ſuͤſſer Erkanntnuß der Warheit beſeligen, den Geiſt ſeiner Herꝛlichkeit mit ſeinen Siebenfachen Gaaben auf Jhnen ruhen laſſen, bey ihren weit ausſehenden Verrichtungen mitſeyn, mit Hand-anlegen, ja ſelbs in allerhoͤch -ſterſter Perſon durch Sie und in Jhnen regieren, zu unbeſchreiblichem Segen ihrer Landen und Herrſchafften.
So hat auch der Heil. Geiſt herrliche Dinge vorher uͤber Sie verkuͤndiget, daß eine Zeit kom - men werde [ach nur fein bald, HErr JEſu!] da die Koͤnige am groſſen Meer die Erſte und Vor - derſte ſeyn ſollen, ihre Auffwartung zu machen dem GOtt des Himmels, der Jhnen denn einen triumphirenden Einzug in ſein Himmliſches Jeruſa - lem verſchaffen will, Jhnen anbey geſtatten, daß Sie alle ihre Herrlichkeit und Ehre mit hinein brin - gen, gegen welchem die praͤchtigſte Auffzuͤge und ſcheinbarſte Triumphs-Gepraͤnge der groͤſten Welt-Monarchen ein eiteles Kinder-Spiel ſind.
Allergnaͤdigſter Koͤnig und HERR, Die Seel-entzuckende Freude an dieſer ſo unaus - dencklichen Guͤtigkeit des HErren Zebaoth ge - gen die Goͤtter der Erden wird je Ewr. Majeſt. anmuthigſte Hof-Muſic ſeyn, davon alle Sinnen und Affecten ſaͤnfftiglich beruͤhret ſingen, klingen, ſchallen und thoͤnen vom loben, dancken, anbaͤt - ten, preiſen und erhoͤchen eines ſo unendlich-lieb - wuͤrdigen Gottes, deſſen Marck und Bein durch -) () (2dringendedringende, Hertz und Muth-erfriſchende Guͤtigkeit alle Morgen neu wird und in Ewigkeit waͤhret.
Die abermals erneuerte Freude, ſo den Heil. Engeln wiederum verurſachet wird durch Gottſe - lige Veranſtaltungen, wie JEſus allen Voͤlckern, Nationen und Heyden moͤchte bekannt und von al - lerley Zungen in allen Sprachen des Erdbodens geprieſen werden, ſey Ewr. Majeſtaͤt ſtaͤrckſte Leibwache und locke Himmliſche Heerſcharen herbey vor Dero Heyl, Geſundheit und Wohlfahrt zu wachen, und Jhre in Jeruſalem beliebte und bekannte Hohe Perſon, mit flammenden Schwertern, als eine feurige Mauer, zu umgeben.
Die getroſte, gelaſſene Zufriedenheit im lieb - ſten, billigſten, heilſamſten, heiligſten, ſuͤſſeſten, beſten Willen GOttes, in ſeiner gerechteſten Ver - haͤngnuͤs und weiſeſten Regierung; der Haß des eigenen Lebens und Wehlens; die Luſt zu Wider - wertigkeit und taͤglicher Aufnahm des Creutzes; [oder warum ſolten GOtt geheiligte Koͤnige unter Chriſti Gnaden-Volck allein ſo ungluͤcklich ſeyn, dieſes glorioſen Vorrechts der Chriſten zu entbeh - ren, nachdem wir glaubwuͤrdig berichtet ſind, daß ein Staͤubg’en Creutzes und ein Troͤpffg’en Thraͤnen-Saat in dieſem Jammerthal Abgruͤnde alles guten in der kuͤnfftigen Sommer-Welt er - oͤffne] die ungeſtoͤrte Ruhe in GOttes Allmacht,WeißheitWeißheit, Allgenugſamkeit, Gegenwart und Vaͤt - terlicher Vorſorg ſey mitten unter den hefftigſten Erſchuͤtterungen Ewr. Majeſtaͤt unbewegli - cher Thron von Jaſpis und Saphir.
Die Gemeinſchafft mit den Heil. Apoſteln, an GOTT dem Vatter und an ſeinem Sohn JEſu Chriſto, und die daraus quellende voll - kommene Freude ſey Dero herrlichſter Palaſt, da gut innenbleiben iſt, als in GOttes Saal und Schloß, da Er wohnet, da ſchon bey Leibes-Le - ben auf Erden eine Genuͤge iſt alles guten und ein liebliches Weſen zu ſeiner Rechten, Freudenreiche Wonne und liebliche Klarheit, da ſich ein magnifi - ques Zimmer der Gerechtigkeit, des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe GOttes und Chriſti, der Tu - gend, der Erkanntnus, der Enthaltung, der Bru - der-Liebe und der allgemeinen Liebe, der Mildig - keit, der Warheit, der Langmuth, der Unerſchro - ckenheit; ein Saal des Lobs und Preiſes GOttes, eine Kammer der Demuth, der ausharrenden Ge - dult, der Barmhertzigkeit, der Friedfertigkeit, der Keuſchheit und wachbaren Maͤſſigkeit, der Fuͤrſich - tigkeit, der Vernuͤglichkeit, Redlichkeit, Lauter - keit, des Friedens und der ſtoltzen Ruhe nach der andern, dem goldenen Schluͤſſel, des in mancher - ley Proben gelaͤuterten Glaubens und des ſonder - heitlich in der Verſuchungs-Stund anhaltenden) () (3GebettsGebetts auffthut. Sintemahlen ein Koͤniglicher Palaſt viele verſchiedene Zimmer haben ſoll, und wann eines von dieſen fehlet, ſo iſt Er nicht unta - denlich. Es hat aber ein jedes Himmels-Zimmer ſeine beſondere Vortheile, Ameublemens, Zierra - then und Koſtbarkeiten, und zwar ein einzeles da - von hat mehr weſentliche Fuͤrtrefflichkeiten als alle Palaͤſte Aſiens und Europens, die kaum Pferdt - Staͤlle dagegen zu rechnen ſind. O ein gluͤckſeli - ger Koͤnig nicht nur vor Menſchen, ſondern auch vor GOtt und ſeinen Engeln, der ſolchen Palaſt bewohnet, da es rathſam iſt hinein zu gehen, die Thuͤr nach ſich zuzuſchlieſſen, ſich zu verbergen ei - nen kleinen Augenblick biß der Zorn fuͤruͤber gehe!
Der lebendige Genuß des Leibs und Bluts Chriſti ſey Ewr. Majeſtaͤt Koͤnigliche Tafel! Ein jeder vergoſſener Bluts-Tropff, Peinigung, Schmertzen, Angſt, Verdammung, Hoͤllen-Mar - ter, Durſt, Hunger, Kummer, Betruͤbnuͤs des Heiligen Unſchuldigen Chriſti vor die Suͤnden der Welt ſeye Dero koͤſtliches Eſſen; Alle Gnaden - Woͤrter aus ſeinem holdſeligen Munde ſeyen Jhre angenehmſte Niedlichkeiten, Suͤſſigkeiten und Goͤttliche Vernuͤgungen, davon das Hertz Himm - liſch erquickt, erwaͤrmt und geſtaͤrckt werde; Der ſo nahe und ſich mit allen ſeinen Gaaben recht an - dringende wahre Weinſtock, Feigen - und Palmen -Baumbaum des goͤttlichen Weſens in JESU dem Ge - kreutzigten, ſchaͤrffe immer mehr Dero Appetit von Stund zu Stund ſich mit groſſen, Honig-ſuͤſ - ſen, reiffen Trauben und friſchen Paradieſiſchen Fruͤchten zu laben, und einen feinen Schluck aus dem Becher der Wunden Chriſti von der allerſelig - ſten, unveraͤnderlichen Liebe GOttes einzunehmen.
Die froͤliche, in denen unſterblichen Gnaden - Verheiſſungen gegruͤndete Hoffnung, viele tauſen - de in Oſt und Weſten von Sud und Norden her, uͤber das ungeſtuͤme Meer des alten und neuen Heydenthums ins Himmelreich zu foͤrderen, zu dem glaͤſernen Meer des zukuͤnfftigen herrlichen Reichs der Ruhe des Lamms, von allem Kampff mit dem Thier und Drachen; die ſuͤſſe Hoffnung, dieſe durch Ewr. Koͤnigl. Majeſtaͤt milten Vorſchub neu-bekehrte mit Schneeweiſſen Kleidern und Palmen-Zweigen in der Neuen Welt jubilie - rend zu ſehen, ſey Dero anmuthigſter Pro - ſpect; Jhr unvergleichliches Meer-Port, darinn die Schiffe mit den edelſten, koſtbarſten Waren aus Orient, vor den himmliſchen Salo - mon beladen, mit neuen Zeitungen von Bekeh - rungen der Heyden, bey gutem Winde und vol - len Seglen einlauffen; Jhr charmanteſter Luſtgarten, von den criſtallinen Bruͤnnlein Jſraels belebet, mit ungemeinen Gewaͤchſen aus EdensLuſt -Luſt-Revier beſetzt, dergleichen man in keinen Wuͤrtz - re ichen Jnſulen Aſiens von altem her gefunden! Ach ja, es muͤſſe nichts in Dero Koͤniglichen Schaͤtzen ſeyn, daß nicht JEſu dem allgemeinen Menſchen-Freund zu Dienſten ſtehe, zum Bau des Goͤttlichen Tempels, zur Ausfertigung Jeruſalems, welches bleibet ohne Ende; dahingegen alle Glorie der Monarchen nichts als eiteler verſchwindender, dunckeler Schatten iſt. Dann es bleibet ja wohl dabey, daß in dieſer Welt niemand recht groß und maͤchtig, ſchoͤn und reich heiſſen mag, als nur in ſo fern er Goͤttlicher Natur theilhafftig iſt, und wie ein gruͤnender fruchtbarer Zweig in GOtt dem Vatter und ſeinem Sohn JEſu Chriſto ſtehet.
Was koͤnnte aber zu einem geſegneten, gluͤck - ſeligen Regiment zutraͤglicher ſeyn, als Maͤnner ſammlen und auffſuchen, die den Geiſt Joſephs und Daniels, Joſua und Calebs (nicht aber Ahi - tofels und Machiavels) haben; Maͤnner die ſich um den Schaden Joſephs rechtſchaffen bekuͤm̃ern, auf deren Rahtſchlaͤgen das goldene Stirnblatt liege: Die Heiligkeit des HErren. Und welche die Forcht des HErren, als aller Weißheit Wurtzel und Anfang, in ſich wohnend und eingeſenckt ha - ben, und deren Raths-Leuthe Chriſti Lehren und Gebotte ſind. Hats doch ja der Gottſelige Koͤ - nig David mit ſeiner Glaubens-Freudigkeit inMeſſiaMeſſia und des Prophetiſchen Geiſtes Zeugnuͤſſen von Jhm in Zeit und Ewigkeit weiter gebracht, als Jerobeam mit aller ſeiner Staats-Klugheit.
O wie uͤberſteigend fuͤrtrefflicher iſt ein Koͤnig, der das gute Theil erwehlet, gegen einem an - dern, der Sich wegen Seines Hohen Stands von den Ketten des Abgrunds und dem kuͤnfftigen Ge - richt privilegirt glaubt! wie ſo mancher Potentat, vom Welt-Geiſt truncken, weißt nichts von al - lem, was GOtt ſeinen Liebhabern bereitet hat, leer ſeyende von Seinem inneren Reich, ohne Ge - ſchmack der Wohlthaten Chriſti, ohne Erfahrung wie ſuͤß, wie erfreulich die Gewißheit der Verge - bung der Suͤnden, des Friedens mit GOtt, der Kindſchafft, der Heiligung, der Verſieglung und Einweihung zur Beſitzung, Einwohnung und Ver - klaͤrung Chriſti ſey! Wie viele Regenten ſinds, die ihren armen Geiſt mit Huͤlſen der Hoff-Cere - monien abſpeiſen, und die es nicht vor reputirlich noch vor Jhres gleichen Groſſen der Welt verant - wortlich zu ſeyn achten, wo Sie nicht offtermah - len dem Moloch und Baal und Remfan ihre Reve - renz machen in allerhand Zeit - und Seel-verder - benden Eitelkeiten, Thorheiten, Entfremdungen von GOttes Leben, Gnad und Gegenwart! O da meinen Sie, es gehe nicht Koͤniglich zu, wann die Hoff-Teufele ihren Tribut nicht richtig krie - gen! O wie wird die Ewigkeit andere Mores lehren! ) () () (ManMan lebet alle Tage froͤlich und praͤchtig, und be - dient den Leib auffs ſtattlichſte, allweil die ſo uͤbel verſorgete, gar ſehr gering geachtete und vergeſſene Seele verdirbet, nach deren man ſich kaum ein - mahl umſiehet, wo Sie ſey, was Sie habe, wie es ihr gehe; auch nicht dannzumahl, wann man die aͤuſſerlichen GOttes-dienſtlichen Pflichten ab - ſtattet. Denn auch da wird man nicht gewar, daß die Seele arm, blind, elend, jaͤmerlich und nackend iſt, daß Sie im finſtern Gefaͤngnuͤß ſitzet, darbet, frieret und taͤglich dem ewigen Tod, Undergang und Hoͤllen-Pfuhl nahet; dahin ſie ein verlarfeter boͤſer Geiſt unter dem Namen ei - ner huͤbſchen, ruhmwuͤrdigen Paſſion im ſtarcken Eigenwillen, als an einer grauſamen Ketten ſo wohl gemaͤchlich als ſtuͤrmiſch fortſchleppet. Und was das klaͤglichſte iſt, ſo darff keiner, ob er ſchon den anfreſſenden Eiter-Schaden und die Ge - fahr der ewigen Verdamnus klar vor Augen ſie - het [wie der Heil. Mann GOttes Lutherus ſpricht] Hals und Kragen dran wagen, einem ſothanen Potentaten einreden, und die lautere Warheit ſa - gen. Mithin wird Jhme ſein Elend verſchwiegen, der Seelen-Feind ſpielet den Meiſter, faͤhret wo - hin ſein arger Muthwill geluſtet, und es GOTT aus gerechtem Gericht verhaͤngt, als der dem Un - gehorſam niemahls hold ſeyn kan.
Es ſollten wohl der Koͤnige Hertzen erzitternabab dem Spruch: Wem viel vertrauet iſt / von dem wird man viel fordern. Luc. XII: 48. Und wie du deinen Koͤnig gern haͤtteſt [ſagt man billich zu ſich ſelbs] fals du an eines verſtaͤndigen, frommen, weiſen Underthanen Stelle waͤreſt, alſo erzeige dich. Freylich wann ein Koͤnig dieſes bedencket, ſo wer - den Jhm die Schmeicheleyen nicht zu ſehr gefal - len, zumalen man es mehrentheils anders von ſich weiß und fuͤhlet. Man wird auch nicht allzugroß Belieben tragen, Koͤnig zu ſeyn, als nur im Wil - len GOttes, aus Hertz-inniger Liebe zu Chriſto, daß man vielen dienen koͤnne, wie Er, der HErꝛ aller Herrſchenden, nicht Jhm ſelbs gefallen, ſon - dern kommen iſt und noch alle Tage kommt, den ver - achteſten Menſchen zu dienen mit ſeinem Blut, Leben, Gewalt, Weißheit und Ehre, die Er hat bey dem Vatter, dann Er ſtehet noch Heut zu Tag, auch vor dem ſchlechteſten Suͤnder, mit ſeinem Spreng-Becken, ihm ſeine Fuͤſſe zu waſchen.
Ein ſo beſeligter, JEſu gleich-geſinnter, und deßwegen im Himmel hochangeſehener Koͤnig, freuet ſich deß, daß Sein unendlicher Liebhaber, JEſus Chriſtus, deſto herrlicher auf Erden ge - achtet wird, wann ein Koͤnig ſich vor Jhme beu - get, demuͤthiget und ſichs ungleich ſaͤnffter thun laſſet, zum Fuͤſſen Seines Creutzes zu ligen, Seine Wunden zu kuͤſſen und zu hertzen, als die gantze Welt unter ſeinen Fuͤſſen zu haben und zu be - herrſchen
) () () (2WieWie unbeſchreiblich mag ſolch eines Herren Majeſtaͤt und Herrlichkeit ſeyn im Ewigen Le - ben! Wann andere, die, gleich wie Er, Koͤnig - reiche inne hatten, [wie das Eiß dem Cryſtall zim̃ - lich gleichet] im Tode verſchmeltzen, vergehen und alles verliehren; ſo ſollen Die, ſo in der Glaubens - Feſtigkeit nach dem beſtaͤndigen Weſen der neuen Creatur gewircket haben, erſt recht durchlauͤchtig werden, vom allerſeligſten Licht und lieblichſter Klarheit GOttes gantz durchgoſſen, durchfloſſen und erfuͤllet, als die durch ihre Vereinigung mit JESU, dem Vatter der Ewigkeit, ihren hohen Stand auf Erden verewiget und im Land Jmma - nuels tieff genug gegruͤndet haben. Wann andere Monarchen in der finſtern Nacht des gegenwerti - gen Lebens [nach Art der Jndianiſchen gefluͤgelten Scheinwuͤrmer] in ihrem Glaſt und Schein eine Weile geſchimmert und Vermoͤg ihrer Macht und Gewalt uͤber andere Wuͤrmer hergeflogen, auch wol etwa einem from̃en Pilgrim auf ſeiner Reiſe nach dem wahren Vatterland mit ihrem Schutz als mit einem hellen Schein geleuchtet, anbey manchen Anbetter und gleißneriſchen Bewunderer gehabt; Ach da benimmt ihnen der anbrechende juͤngſte Tag allen Schimmer, und ſiehet Jedermann, daß, welche man als Goͤtter verehret, nur Wuͤrmer ge - weſen, die ſich wohl vor Angſt unter die Felſen - Berge verkriechen moͤchten vor dem Angeſicht des, der auf dem Thron ſitzet, und vor dem Zorn des Lam̃s.
JmJm Gegentheil wird JEſus erſt recht hervor ziehen einen Koͤnig, deſſen Hertz offt guter Din - gen geweſen, bey einem ſo lieben GOtt und Hey - land, an deſſen Gnade Er mehr Luſt und Freude genoſſen, als in allem, was die gantze Welt geben koͤnnte, den JEUS mit ewiger Liebe umfangen und der Jhne hinwiederum inniglich geliebet, auch Sein ſuͤſſeſtes Vernuͤgen darinn gehabt, daß Er ſaͤnfftiglich an Jhn gedachte, Jhn liebte und lob - te, ſeine Sorge und Anliegen in ſeine Schoos ausſchuͤttete und bey jedem Anlas Jhm alles erſiñ - lichſte zu Gefallen thaͤte. O wie Hertz-freundlich wird doch ein ſolcher Koͤnig dereinſten bewill - kommet werden! was fuͤr ein Gluͤck-wuͤnſchen der Engliſchen Thron-Fuͤrſten und verklaͤrten Heili - gen wird ſich da hoͤren laſſen! Wie gnaͤdig wird Jhme JEſus entgegen gehen, Jhne heiſſen zu Sich herauf-ſteigen auf Seinen Thron, Jhme geben die Herrlichkeit, ſo der Vatter Chriſto gegeben, eine Herrlichkeit davor ſich die Sonne ſchaͤmen, der Mond erbleichen, die Heil. Engele erſtaunen, die Teuffele ſamt ihrem groſſen Anhang erbeben und alle Geſchoͤpffe ſich entſetzen werden!
Alsdann wird ein ſo hoch-erhabener Koͤnig blitzen und donneren, und als ein Mitt-Richter des Hoͤchſten, Seines allerliebſten Bruders Chriſti, ein heilig, untadenlich Urtheil faͤllen uͤber alle im) () () (3Pha -Pharaoniſchen Jrrſal erſoffene Koͤnige, Fuͤrſten, Gewalthabere, Landpflegere, Richtere, Raths - Herren, Amtleuthe und alle Obrigkeiten, welche entweders nicht zeit nehmen, in die Gemeinſchafft und Converſation mit JESU Chriſto einzudringen, oder welche dieſe Chriſten-Ubungen fuͤr ſchlechtere Sachen halten, als die, ſo ſie zu handtieren ha - ben, folglich ihr Heil armſeliger und blinder weiſe verſaumen, und nicht zu Hertzen nehmen das wircken der Seligkeit mit Forcht und Zittern, das Schaͤtze-ſammlen im Himmel, den eiffrigen Lauff nach dem Kleinod, den taͤglichen Glaubens-Kampff, das erfuͤllet-werden mit aller Fuͤlle GOttes, die Haupt-Sorg fuͤr das Eine Nothwendige, den Himmliſchen Wandel im Licht, das taͤgliche erkauf - fen einicher Stunden zum Anſitzen bey dem groſſen Abendmahl der Koͤniglichen Hochzeit.
O unſelige Sterbliche Majeſtaͤten, ſo dieſes alles vor ein unnoͤthig, unmoͤglich, unhoͤfflich, unanſtaͤndig, unzeitiges Ding anſehen, ihrer Muͤ - he und Auffmerckſamkeit nicht wert ſchaͤtzen, ver - meinen, es ſchicke ſich durchaus nicht vor Jhren Stand und Staat, daß ſie ſich vieles ſollten be - kuͤmmern um die Vergeſtalltung ins Bild JEſu, um den jauchzenden Eingang in GOttes Vorhoͤfe, um die geiſtliche Trunckenheit aus dem Strom der Wolluͤſten, ſo GOttin Seinem ewigen Weſen ſelbſt genuͤſſet, zu erfahren, um das ſatt werden von denGuͤtternGuͤttern Seines Hauſes und von der Heiligkeit ſeines Tempels, um das gepflantzet werden an die Waſſer-Baͤche des Heil. Geiſtes, um bey denen unzehlichen Gelegenheiten, ſo Koͤnige haben, je - derzeit Fruͤchte zu bringen die des Himmelreichs wuͤrdig ſeyen, und einem Potentaten, der mit GOtt im Bund und vertraulicher Freundſchafft ſtehet, geziemen, ein Gnaden-Baum zu ſeyn, deſſen Blaͤtter, Befehl und Satzungen auch in jener Welt nicht verwelcken, ſondern nach dem gruͤnenden Safft der Heil. Salbungen riechen, von Chriſti reiner Liebe zeugen, und (wie wohl Sie dem Gebrauch nach auffhoͤren) dennoch als Ausbruͤche des inwendig-beſafftenden und belebenden Geiſtes der Weißheit im Paradies, krafft ihres unverwes - lichen Goͤttlichen Urſprungs ewig bluͤhen und gruͤ - nen, am Tage der Aufferſtehung den verklaͤrten Koͤniglichen Leib ſchmuͤcken und vor andern aus caracteriſiren. Sintemal alles was aus Heroiſcher großmuͤthiger Liebe zu JEſu geredt, geſchrieben und gethan worden in unvergeslichem Angeden - cken vor GOtt ſtehen wird.
O wie wenig wird es dann Ewr. Koͤnigl. Majeſtaͤt gerenen, alles, worinn ſich Koͤ - nige gemeiniglich vergehen und elendiglich verlieh - ren, um Chriſti willen verlaͤugnet zu haben; Erſt - lich zwar in Dero Gebetts-Kammer, durch ge -troffenetroffene Abrede mit dem allergetreuſten Hertzens - Abba im Himmel, man wolle im Vertrauen auf Seines geſchenckten Sohns Huͤlffe allein nur thun nach Seinem Wohlgefallen, was das beſte und angenehmſte ſey in Seinen Augen; Hernach im her - auß gehen aus der Kammer, wie ein mit dem Troſt des Evangeliums beſtrahleter Moſes und Verlobter GOttes, ſich freuende, wie ein Held zu lauffen den Weg des liebſten Willens Chriſti.
Es bleibt doch ewig wahr: Die Mich ehren die will Jch wieder ehren. Und wo JEſus iſt, da ſoll Sein Diener auch ſeyn / und Wer Jhm dienet, den wird der Vatter ehren. Ey was muß das immer - mehr ſeyn! Hieruͤber ſollten wohl Menſchen - und Engels-Zungen verſtummen! Alsdann muͤſſen alle Veraͤchter, Sie ſeyen wer Sie wollen, erfah - ren, daß GOtt auch Ehre und Herrlichkeit habe, und daß Er kein ſo armer, ſchwacher GOtt ſeye, wie Sie Jhn bey Leibes-Leben, wo nicht mit ih - rem Mund-Bekanntnuͤs, jedoch mit ihrer Auffuͤh - rung tractirt, Jndem Sie Sich um die Regierung ſeiner erleuchtenden, gerecht-heilig - und ſeligma - chenden Gnade ſchlechtlich bemuͤht, vielmehr ſein Joch abgeworffen und ohne Ehrforcht vor ſeinem Gericht leichtſinnig dahin gelebt, nicht betrachtende, daß die Citation: Gib Rechnung von deiner Hauß - haltung! dereinſt gewißlich an Sie kommen werde.
WannWann dann ſolche am Tag der Vergeltung einwenden und ſagen: Sie ſeyen Herren in der Welt geweſen, haben gern Jhren Eigen-Willen gehabt und ſich nicht alſo koͤnnen einthun laſſen, die gantze Welt wurde es ungereimt befunden ha - ben, und was die benachbarten Monarchen darzu geſprochen haͤtten? Dieſelbe wurden Sie ausgelacht haben, als ſolche die nicht wiſſen, was ein Koͤnig gelte, wie Er ſeine Autoritât zu Vollbringung Seiner Geluͤſten zu gebrauchen Macht habe. So wird Alsdann der gerechte Richter auf Ewr. Majeſtaͤt deuten und ſagen: Ware Dieſer nicht eben ſo wohl ein groſſer Herr und Koͤnig, als Jhr alle? Hats Jhme was geſchadet in der Welt, daß Er Mir Sein gantzes Hertz gegeben, Seine irrdiſche Krone ſamt allen Gaaben und Geſchencken, womit Jch Jhne begnadiget, mit williger Seele auf meinen Altar wieder hingele - get, mit feyrlichem proteſtiren Seines Lieb-ent - brannten Hertzens, all Sein Liebſtes ſolle Mein ſeyn, es freue Jhn nichts auf Erden, wann Jchs Jhme nicht zu einem Danck-Lob - und Liebes - Opffer abnemmen wolle! Jch konnte Jhm faſt nichts geben, es war gerade wie Zimmet-Holtz, die wohlriechende Liebes-Flamm in Seinem Koͤ - niglichen Hertzen zu unterhalten und heller bren - nen zu machen; wie offt hoͤrte Jch von Jhme,) () () () (ErEr habe keine Luſt an Seinem Koͤnigreiche, wann es nicht Mir zu Theil und ein Sitz-Platz, und Reſidenz meines Wohlgefallens werden moͤgte! Jch ſahe mit unabgewandten Augen, wie Sein Hertz brannte, vor Verlangen die gantze Erde mit meiner Erkanntnuͤß und Liebe gleich als mit Waſ - ſern des Meers uͤberſchwemmet zu ſehen. Er konnte nicht lange im Unfrieden mit Mir leben; Es war Jhme nicht wohl, wann ſich unſere Hertzen nicht unter einander beruͤhreten. Mithin wird dieſes Zeugnuß aus dem Munde GOTTES ſelbſten Ewr. Koͤnigl. Majeſtaͤt wie die Sonne be - kleiden, umglaͤntzen und herrlich kroͤnen, zu unaus - loͤſchlichem Anſinnen aller Creaturen im Himmel, auf Erden und unter der Erden. O wie werden doch die Regenten erſchrecken uͤber ſolcher Seligkeit, die Sie nicht geſucht haben, nach der klaren Vor - ſchrifft des Allmaͤchtigen! Darum wird Er Sie mit Schanden bekleiden. Aber uͤber Seinem Hertzens - Freund CHRISTIANO VI. ſoll bluͤ - hen die Crone Chriſti in Ewigkeit; Hier auf Er - den die Kron des Lebens und Segens, der Gna - den und Barmhertzigkeit, des Friedens und der Sicherheit; dort in der unendlichen, reinen, kla - ren Lichtes-Welt die Kron der Vollkommenheit, Weißheit, Heiligkeit, Lebens, Herrlichkeit und Seligkeit GOttes ſelbſten ohne Ende.
DißDiß iſts, Allerdurchlauchtigſter, Groß - maͤchtigſter Koͤnig und Herr! Was bey Herausgebung und demuͤthigſter Uberreichung ge - genwaͤrtiger, von ſolchen und dergleichen Warheiten handlender Schrifften in Einfalt bezeugen, wuͤn - ſchen und aus der Ferne uͤberſchreiben wollte.
Ewr. Koͤnigl. Majeſtaͤt Aller Unterthaͤnigſter Fuͤrbitter Amſoldingen / im Martio 1736. Samuel Lucius, Ein Leibeigener und doch Freywilliger Knecht des HErren JESU Chriſti und Verkuͤndiger Seiner Guͤte und Schoͤnheit auf den Bergen Iſraëls.
NJemals hat der Author durch Schrifften in der Welt bekannt zu werden gedacht. JESUS, unſer GOTT und Hochgebenedeyte Haupt ſeiner Gemein, leitete es alſo; Weilen ſeine Guͤtigkeit eine Begierd in frommen Hertzen erwecket, was gedrucktes von ihme zuhaben. Der GOtt der Herrlichkeit, der Heilige und Warhaff - tige, hat ihme durch mancherley Gerichte und wunderbare Fuͤhrun - gen zernichtet, ausgelaͤret und gelehret, wie doch alle Menſchen-Wercke ſo gar nichts ſeyen, und nichts gelten vor GOttes gerechtem Richterſtuhl; wie da nichts beſtehe als Chriſti Gerechtigkeit, in ſo weit ſelbige als das allertheuerſte Gnaden-Geſchenck ſelbs aus GOttes Hand mit begierigem Glaubens-Hunger angenommen, als ein himmliſches Kleid weſentlich angezogen und zur Schoͤpf - fung, Ernehrung und Vermehrung der neuen Creatur mit ehrerbietiger Sorg - falt angewandt wird: welches der arme Scribent nicht nur in Schulen erlernet, ſonderen aus tieffer Erfahrung erkannt hat. Daher reinigte ihn der Vater un - ſers HErren JEſu Chriſti, als eine Rebe an dieſem Goͤttlichen Weinſtock von allen unlauteren Abſichten; ja er mußte manchen ſchmertzlichen Schnitt und Be - ſchaͤmung fuͤhlen uͤber ſein eigenes Zeugniß, da er wohl offt im Vorſchmack emp - fand die ſtrenge Anforderung des nahen Richters, wofern mit den empfangenen Einſichten der Glaubens-Gehorſam nicht augenblicklich uͤbereinſtimmete; zuma - len auch der behende Anklaͤger, was man geſchrieben, zur Beunruhigung des Gewiſſens aufweiſet und die zitternde Seele gleichſam unter die ſcharffe Frage nimmt, ob man auch beſtaͤndig practiſirt und ausgeuͤbet habe, was man andern, als zum Himmelreich unumgaͤnglich noͤthig, ſo derbe angedrungen. Freylich iſt Reden und Schreiben ſuͤß und lieblich, und koſtet nicht viel; aber Thun und Lei - den iſt bitter, bringt alles ins Verlaugnen und Sterben, bleibet anbey ewig, da je - nes nach einem kleinen Glaͤntzlein wie ein Morgenthau verſchwindet. Summa: er hat wohl gepruͤfft, daß zur Zeit der Anfechtung nichts dem Hertzen Ruhe, Fried und Freude bringt, als das groſſe Werck der Erloͤſung Chriſti und die ſuͤſſe Zuverſicht in des Vaters Huld und Gunſt, durch das Goͤttliche Liebes-Blut JE - ſu, fuͤr der verlohrnen Welt Heyl am Oelberg und hernach vergoſſen: Dieſer Glaube allein weltzet den Angſt-Stein vom Hertzen, daß die durſtige Seele Waſ - ſer der Seligkeit, Erleuchtung, Gnad, Heiligung aus dem reichen, klaren, offenen) (2Frie -Vorrede. Friedens - und Lebens-Brunn mit vollen Schluͤcken trincken kan, den Mund weit aufthun, und ihn ſuͤßiglich fuͤllen laſſen. Er fuͤhlet uͤber diß gar wol, daß wann er in der neuen himmliſchen Welt eine Crone tragen will, er ſich die groſſe Freude uͤber den unausforſchlichen, ihm aus unmaͤßiger Barmhertzigkeit von GOtt ge - ſchenckten Reichthum Chriſti alle Gedancken, Leben, Begierden durchaus muͤſſe laſſen einnehmen, und dahin bringen, daß er ſich durch Chriſti Krafft und Huͤlff des H. Geiſtes mit allem, was er iſt und hat, GOtt aufopffere, ohne Abſicht auf ei - genen Genieß und Vortheil weder zeitlich noch ewig, bloß aus bruͤnſtiger Liebe zu Chriſto, dem Naͤchſten zu Nutz und Heyl; ja (welches GOtt ein angeneh - mes Heiligthum iſt) der Welt gekreutziget zu werden und hinwiederum die Welt mit aller ihrer Luſt, Gunſt, Ehre, Ruhm, Reichthum und Hoheit ſich gekreu - tzigt ſeyn laſſen.
Aus ſothanem Sinn quillet natuͤrlicher Weiſe 1. Ein lauteres / reines Ab - ſehen auf GOttes ewigen Ruhm und allerhoͤchſten Preiß und der Menſchen Heyl. Wird Chriſti Erkanntniß und der Seelen Reinigung auch nur ein wenig befoͤr - dert, waͤre es nur in einem eintzeln Menſchen, ſo haͤlt man davor, Muͤhe und Koſten ſeyen reichlich erſetzt: Man iſt ſchon voraus uͤberſchwencklich bezahlt; die Liebe JEſu macht, daß man von keiner Arbeit weißt; von JEſu ſchreiben iſt ei - ne Engliſche Wolluſt, und die angenehmſte Kurtzweil; man dencket ſo gerne an ſeinen unendlichen Gutthaͤter und liebwuͤrdigſten Goͤnner; wo man Jhm alle Tag tauſend Menſchen koͤnte zufuͤhren, das waͤre des Hertzens groͤſte Freude. 2. Eine ſtille Zufriedenheit mitten unter allen Beurtheilungen der Sterblichen, in dem man gleich einer Blume da ſtehet, ſeine Geſtalt jederman beſehen laßt, Freunden und Feinden ſeine Farben und Geruch anbietet, ſagend: Da habt ihr mich, da ſtehe ich mit Chriſti Guͤteren, was ſchoͤnes und gutes an mir iſt, iſt nicht mein, es gehet mich nichts an, es iſt uͤberall pur allein meines HErren JESU; dero - wegen handelte ich unvernuͤnfftig, wann ich mich des Lobens oder Scheltens ſon - derlich wurde annemmen; Nein! meine Begierd ſoll ſich nur ſtaͤts zu GOtt nei - gen, ſintemal ich durch des Vaters Erbarmungen, Chriſti Gnade und die unab - laͤßige Treue des H. Geiſtes allerdings untadenlich dermaleinſt zuwerden hoffe. 3. Eine zarte Liebe und Hochſchaͤtzung aller Knechten GOttes / in wel - chen man GOttes edle Gaben ehret, ſich beuget vor der groſſen Barmhertzigkeit Chriſti, dem es gefallen, ſothane Gefaͤſſe ſeiner Herrlichkeit zuſchaffen zur Freu - de ſeines gantzen Hauſes, und ſie aus ſeinen Schaͤtzen zubeſchencken; Er kuͤſſet demnach und verehret die Hand deſſen, der ſo ſchoͤne Liechter allein anzuͤndet, laſ - ſet derer Schrifften in ihrem Werth vor dem Urſprung alles Guten unangetaſtet ſtehen, ſich von allem Tadelen oder Critiſiren treulich huͤtende; hat man aber was auszuſetzen, ſo laßt man nichts als Wahrheit und Liebe mit demuͤthiger Beſchei -den -Vorrede. denheit in ſich regieren und floriren. 4. Eine kindliche Einfalt / da man ſich nicht ſchaͤmet unter ſo vielen hochbegabten, ſcharffſinnigen, Super-feinen, tieff - gruͤndigen, weltberuͤhmten Geiſtern oder auch wol hocherleuchteten GOttes - Maͤnnern in der Welt zuerſcheinen, eben wie das ſchlechte Mertzen-Bluͤmlein und geringe Erdbeer ſich wegen der praͤchtigen Lilien und herrlichen Palmen-Baͤu - men nicht verborgen haͤlt; es thut ihm auch nicht wehe, dieſer ihren ausnehmen - den Preiß mit ſeinem nidrigen, unanſehnlichen Weſen zuvermehren; es hat gnug Ehre daran, daß es GOttes Geſchoͤpff iſt und deſſen Rath in etwelchem Grad dienen kan. Es kan das Veyelein etwas, ihm ſelbs unwiſſend, haben, das der Kaͤyſers-Kron und Sonnen-Blume mangelt. Das Aug hoͤret nicht, das Ohr ſiehet nicht, und der Finger thut deren keines, gleichwol hat er ſeine noͤthige Ver - richtung, mit deren er ſich ungeſcheuet hervor thut. 5. Ein freymuͤthiges Zu - trauen zu ſeinem allerguͤtigſten HErren, ſeine weiſe Mildigkeit werde ſchon etwa eine Seele finden, die ſich daran ergoͤtze, Waͤrme davon empfahe, Suͤßigkeit ſauge und zum Lob des Allerhoͤchſten angefriſchet werde; ſintemal auch in der Na - tur ein jedes Ding, auch das, was ſonſt insgemein widerlich iſt, ſeine Liebhaber antrifft, denen es wol ſchmeckt, les gouts ſont differents. Eben in der unendlichen Verſchiedenheit der Sachen und Neigungen erkennet man das Wunder-Spiel der ewigen Weißheit. 6. Eine unbeſchaͤmre Kuͤhnheit / bißweilen etwas von dem, was erfahrne Knechte Chriſti aus gnadenreichem Geiſt geſchrieben, einzu - ſchalten; Theils weilen es mit meinem Sinn, Geſchmack und Erfahrung trefflich uͤbereinkommt, mithin wo nicht die Worte jedoch die Sache ſelbs aus dem himm - liſchen Saamen und Gnaden-Thau des H. Geiſtes in meinem Hertzens-Garten gewachſen; Wiewolen auch hier und da etwas geſchrieben, ohne Vorwiſſen, daß andere etwa faſt gleiche Gedancken gehabt, ſo mir erſt nachwaͤrts an die Augen gekommen. Theils aus hertzlicher Liebe zu denjenigen, die nicht ver - moͤgend ſind dergleichen Buͤcher zu kauffen und zu leſen; wie denn auch vieles von meinen Schrifften beynahe oder gar umſonſt weggegeben worden, allermaſſen das Abſehen nur war, Hertzen vor die ewige Schoͤnheit und Liebe zugewinnen, daher ein - faltige Land-Leute das Meiſte davon bekommen haben. 7. Eine ruhige / ſelige Abgeſchiedenheit; da man mit der Vereinigung Chriſti ſo beſchaͤfftiget iſt, daß man alles andere darob leichtlich vergißt, nicht anderſt, als haͤtte man nie kein Wort geredt oder geſchrieben; nachdem man ſein Scherfflein in GOttes-Ka - ſten, ſeinen Saamen auf des HErren Acker hingeworffen; nachdem man ſein Ho - nig-Troͤpffgen in den Bienen-Korb, ſeine Gaaben in der Mutter Spaarhafen, ſein Buͤrdelein in ihre Schoos hingeleget, ſo beluſtiget man ſich an ihrer vernuͤ - genden Liebe; alſo ſehnet ſich das Hertz allein nach der allerinnigſten Vereini - gung mit JEſu, worgegen ſie alles andere gering achtet. Hier genieſſet die Seele) (3desVorrede. des Schreibers ſo wol als des Leſers ihre Ruhe und Sattigkeit, als die Daube in den Ritzen des Heyl-Felſens; hier jauchzet das glaubige Hertz in dem lebendigen GOtt und verlanget nach ſeinem Lebens-Geruch, Schoͤnheit und Lieblichkeit, das ewige Guth zu ſehen, zu hoͤren, und in hertzgruͤndlicher Liebe zu umfahen. JESUS iſt ihme Lob und Ruhm, Reichthum und Ehre genug. O ja Himmels genug, wer JEſum liebt. JESUS der gekreutzigte iſt das nutzlichſte Buch, darinn der verliebte Glaube am gernſten ſtudirt, es ziehet ſeinen Leſer ſo gewaltig an ſich, daß er aus Zeit und Welt weggerucket, aus ſeinem eigenen hinaus - und gantz in JEſu offene Wunden hinein fahret, allwo er uͤberfluͤßig gelabet, geheilet und getroͤſtet wird, daß alles ſinget und klinget vor Freuden.
Gibt nun der gnaͤdige GOtt, ein Zeugniß vom Heyl Chriſti abzuſtatten, ſo nimmet man ſich deſſen ſo wenig in Eigenheit an, als eine Magd, die aus Befelch des Hauß-Vaters Waſſer beym Brunnen hohlet und ſelbiges zum allgemeinen Nutzen der Haußhaltung in der Kuche hinſtellet; man haͤlt ſich bey keinem Werck auf, nur diß einige erquicket Marck und Bein, wann GOtt mit einem zufrieden, in Chriſto hold und guͤnſtig iſt.
Daß aber die Materien in etwas weitlaͤufftig ausgefuͤhrt worden, iſt geſchehen. 1. Die Sachen deſto tieffer einzupraͤgen. Die Leute ſind gewohnt geiſtliche Din - ge im Schnapp wegzuleſen, ſie rauſchen im Saus druͤber her, fuͤhlen nichts da - von, leſen Poſt-Zeitungen mit mehrerer Aufmerckſamkeit; auch ſind nicht alle tuͤchtig zu vielem, tieffen Nachſinnen, Meditiren, innwendigen Schmecken, ge - nieſſen geiſtlicher, himmliſcher Speiſen ꝛc. 2. Man iſt durchgehends entſetzlich ins Eitele zerſtreut, jaͤmerlich ausgekehrt, unaufhoͤrlich vom Schwindel-Geiſt umgetrieben; Hertz und Gemuͤth ſind mit unzehlichen Welt-Bildern uͤberſchwem - met, voll Schlangen-Woͤrter, deßwegen ſie auch mit einer Menge geiſtlicher Gnaden-Woͤrteren beſchuͤttet werden muͤſſen, den Sand und Koth auszuſpuͤlen. Es koſtet eine lange Arbeit, ehe die eitele Gedancken-Geiſter ein bißgen gedaͤmpfft, eine Andacht erweckt, und die Seele ſelbs in ihrem Grund beruͤhrt werde, alſo daß etwas vom Gnaden-Liecht haffte und bekleibe. 3. Die Gaaben, Goͤttliche Dinge zu handeln, ſind auch hierinn, was den Vortrag betrifft, ſehr verſchiden: Auſſerordenlich begaabte und begnadete, heilige Zeugen der Warheit, als da vor - aus iſt der auserwehlte Ruͤſt-Zeug GOttes Luther, der ſelige Scriver und an - dere, haben eine uͤber alle Maas angenehme, Milch - und Honig-flieſſende, Gold-Perlen und Edelgeſtein-ausſchuͤttende Lieblichkeit, in dem ſie Wahrheiten von der allergroͤſten Wichtigkeit, deren ihr Hertz voll war, nicht genug wieder - hohlen und einſchaͤrffen konten, auch in die Laͤnge und Breite ausdehnen, wie ein Fiſch - und Vogel-Garn, mit ihrer Weißheit und Geſchicklichkeit die Seelen zu - fahen, nicht fuͤr ſich, ſondern mit reicher Beute den Seelen-hungrigen Men -ſchen -Vorrede. ſchen-Freund JEſum zuerfreuen. 4. Hat man fuͤrnemlich geſucht, ſich in Gleich - niſſen auszulaſſen, ebenfalls, wo moͤglich, die vornehmſte Puncten des Chriſten - thums, belangend ſonderlich den Gnaden-Gang und geiſtliche Erfahrung, in ei - ner einzelen Gleichniß zuverfaſſen; aus inniger Liebes-Begierd, den Menſchen die Geheimniſſen des Himmelreichs auf die anmuthigſte, deutlichſte, verſtaͤndlich - ſte Weiſe vorzukaͤuen. 5. Es hat ſehr weitlaͤufftige Welt-Buͤcher. Des Zeugs ſind Wagen und Laͤden voll; wer fuͤrwitzig iſt Stoppelen in Egypten zu ſammlen, der lieſet Tag und Nacht, wie denn auch wol Nomanen dieſe Ehre von vielen getauff - ten Chriſten haben: Alles was man durch die aͤuſſere Sinnen mit Hoͤren, Sehen, Leſen, Dencken ins Gedaͤchtnuß eingedruckt, darinn man Tag und Nacht, wo man ſtehet, gehet, ligt und ſitzt, unablaͤßig lieſet, immer friſch auflegt, auch Sonn - und Werck-Tag in einem fort druckt, unangeſehen man wiſſen ſolte, daß es zuletzt nichts als grobe Maculatur in der Seelen gibt, das treibt man ſo lang, biß die Gnaden-Hand des HErren dieſe unfruchtbare Welt-Bilder zum Eckel und Uberdruß beſchwaͤrlich macht, das Gemuͤths-Aug umwendet, und in ein heylſames Buch zu gucken begierig macht. Daß alſo die Leute gleich muͤde werden, geiſtliche Dinge zuleſen, ligt an der Unwiſſenheit, Unverſtand, Traͤg - heit, Unempfindlichkeit, Unerfahrenheit, und weilen man gemeinlich wenig Luſt und Guſt darinnen findt: Kaum iſt man zu einer Thuͤr ins Hauſe der Weißheit eingetretten, ſo gedenckt man gerade wider zur andern hinaus, damit die ver - giffte Natur freyen Lufft ſchoͤpffe nach angebohrner Gewohnheit im Eitelen he - rum zu raſen. 6. Viel Ubels, Untugend und Unfruchtbarkeit entſtehet daraus, daß der Leſer nicht gleichen Gout und Geſchmack hat mit dem Schreiber. Da - her verſtehen ſie einander nicht, wegen der verſchiedenen Gemuͤths-Geſtalt. Wann das bloſe Leſen alſobald den Geiſt und Sinn des Schreibers mitbraͤchte und einfloͤßte, ſo wurden alle, ſo die H. Schrifft leſen, Goͤttliche Menſchen, voll H. Geiſtes, erfuͤllet mit Chriſti Sinn, Liebe, Liecht und Leben. 7. Jſt kein ſchlimmere Weitlaͤufftigkeit als die, ſo mit Ausſchweiffung der Gedancken veruͤbt wird, da man mit dem Buch der Eitelkeit niemals zum End kommt; in - nert 40. 50. Jahren hat mans noch nicht ausgeleſen, obſchon man Tag und Nacht darob iſt, man ſitze, gehe, ſtehe, lige, ja allweil man in der Bibel lie - ſet oder bettet, ſo gucket das innere Seelen-Aug in dieſes Zauber-Buch und ſchielet immer nebenſeits hinaus. Unzehliche Repetitzen und Widerhohlungen ei - ner gleichen Sach koͤnnen den unſeligen Leſer nicht verdrießlich machen, ob - ſchon der unſterbliche Geiſt dabey keine Nahrung hat, ſonderen ſchmachten und des anderen Todes ſterben muß. Ach fuͤr das lebendig-machende Buch der Ewig - keit das die Welt nicht faſſen mag Joh. 21: 25. das unendlich weitlaͤufftig und weder von Engeln noch Menſchen ausſtudirt werden mag, davon der Geiſt) () (reich,Vorrede. reich, ſchoͤn, geſund, froͤlich, heilig, weiſe, ſelig, ewig, ſtarck, ſiegreich, unuͤberwindlich, durchlaͤuchtig, majeſtaͤtiſch, gewaltig und alles Guten ſatt wird; vor dieſes edle, herrliche Buch, ſage ich, hat der gemeine, finſtere Chri - ſten-Hauff in ſeinem Welt - und Suͤnden-Babel weder Augen, noch Ohren, noch Sinnen.
Nun zu dieſem Buch leiten die Schrifften Gottsfoͤrchtiger Chriſten, ſie ſind auch Boten und Vorlaͤuffer, der H. Schrifft, als dem HErren den Weg zu - bereiten, und zu zeigen, wie auch ein einzeler Spruch unerſchoͤpfflich ſey an Weißheit an Reichthum des Verſtands und der Krafft und der Seligkeit, alſo daß man aus einer Blumen, aus einem Wort der Schrifft, einen Garten und Wieſen voll lieblicher Blumen machen doͤrffte, und wie man etwa mit einer Ducaten einen Reuther ſamt dem Pferd fein huͤbſch vergoͤlden, und mit wenig Gran vom Weiſen-Stein einen groſſen Klumpen Bley in pur Gold verwan - deln kan; Eben alſo, wo nur ein Wort GOttes ins Hertz hinein fallt, vergoͤl - det und verwandlet daſſelbe den gantzen Menſchen, bringt ihn in die ewige Ge - meinſchafft mit GOTT in Chriſto JEſu. Die Bibel iſt wie das liebe Brod. Es macht alle Speiſen ſchmackhafft. Ohne dieſes Brod iſt auch eine fuͤrſtliche Mahlzeit, das ſchoͤnſte Buch, nicht angenehm; ja dieſes Brod allein iſt ge - nugſam der Menſchen Hertz zu ſtaͤrcken und ihn bey Leben zuerhalten. Die Raben brachten aus GOttes Befelch dem Elia Brod und Fleiſch, die Wittwe Brod und Oel, der Engel Brod allein zu ſeiner Speiſe, und dieſes Letzte neh - rete ihm am kraͤfftigſten, daß er fuͤr 40. Tag genug geeſſen.
Woher kommts aber, daß das Buch, ſo nicht nur ein heiliger Engel, ſonder der allmaͤchtige GOtt ſelbs gemacht hat, ſo wenig recht, wie es ſeyn ſoll, gebraucht, und noch weniger ins Leben verwandelt wird?
Antw. Ach die ſauere Muͤhe iſt daran ſchuld, die Leiden, Anfechtungen, Aengſten und Sterben, ſo die boͤſe Natur uͤber ſich nehmen muß, den Urheber und Aus - leger dieſes gantz heiligen Buchs ins Hertz zu empfangen. Dann, wer nicht nur an der Flaſchen von auſſen lecken, ſondern den edlen, koſtbaren Wein dar - aus trincken will, der muß 1. ſich innigſt zu GOtt wenden / um erleuchtete Augen angelegenlich bitten, ſich dem Artzt Chriſto darſtellen, damit er bey die - ſem groſſen Liecht ſein eigenes, unſaͤgliches Elend und GOttes Gnade einſehe, 2. Getreulich ausuͤben / was er GOttes Wille zu ſeyn erkennt. Jm Gehor - ſam lernt er die Haͤndel des Gnaden-Reichs verſtehen; je ernſtlicher man ſich ſelbs verlaͤugnet, an JEſum glaubt, die Welt verſchmaͤhet, GOtt liebet, je mehr werden die Decken nacheinander weggehoben; Das Goͤttlich Liecht er - waͤrmet, ſtaͤrcket, durchdringet das Hertz allzeit mit mehrerer Klarheit; man weißt immer beſſer, wer ich und wer JEſus ſey. GOtt gibt den H. Geiſt de -nen,Vorrede. nen, die Jhm horchen. 3. Das Hertz muß von Fleiſches-Luͤſten und weltli - chen Abſichten rein und heiter werden. Jn einem ungeſtuͤmmen Dreck-Waſ - ſer ſpiegelt ſich des Himmels Schoͤnheit nicht. 4. Das Gedancken-Heer muß innig zu GOtt geſammlet ſeyn in ſeine Gegenwart; eine ſtille, abgeſtor - bene Seele empfahet manchmal beym Anblick eines Spruͤchleins Salbung, Er - leuchtung und Segen. Predigten und Buͤcher ſind nur Unterlehrer, ſo dem ober - ſten Propheten in die Haͤnd arbeiten; ſie buͤrſten, butzen, waͤſchen das Gedaͤcht - niß, Verſtand und Willen des Suͤnders, ehe er ins Heiligthum, zum brennen - den Buſch, in die Kammern des Koͤnigs, das iſt, zur H. Schrifft trittet, wor - aus dennoch alle heylſame Lehren und Hand-Leitungen urſpruͤnglich flieſſen: Es ſind Erfahrungs-Lehren, wie man die Woͤrter-Schaalen aufbrechen und den Gnaden-Kern der Liebe GOttes und Chriſti heraus nemmen ſolle; es ſind Wegweiſere, wie man durch alles Geſtruͤpp und Geſtaͤude der Vorurtheilen, Jrrthuͤmmern und Verfuͤhrungen ſich hindurch zureiſſen habe, ehe man das Ufer der Goͤttlichen See erreiche, da die Laͤmmlein trincken und die Elephanten ſchwimmen; ſie offenbahren es andern, die auch Luſt haben, was ſie vor Hin - derniſſen angetroffen und wie ſie ſelbe uͤberſtritten, auch bey wem ſie den golde - nen Schluͤſſel zu dieſem Paradies-Garten, zum Verſtand der H. Schrifft nach GOttes Sinn, gefunden. Es ſind Vor-Kammeren, dadurch man zum in - nerſten Cabinet des Monarchen gelanget. Wem der H. Geiſt ſelbs einen Schrifft-Spruch aufgeſchloſſen, der darff mit Goͤttlicher Gewißheit anderen deſſen Jnnhalt anzeigen; wer aus einem Gefaͤß geſogen, der weißt, was vor kraͤfftige, liebliche, geiſtreiche Saͤffte darinnen ſeyen, und wem eine Kante voll eingeſchenckt iſt, dem wird ja erlaubt ſeyn, ein Glaͤsgen davon ſeinem Bruͤder - lein oder Schweſterlein zureichen, welches dann auch hier in gegenwaͤrtigen Schrifften geſchehen iſt; wodurch der Herrlichkeit und Ehre des Heil. Geiſtes nichts abgehet; ſinds doch ſeine eigene vorbereitende Wirckungen und gar unver - diente Mittheilungen; kommen doch alle gute Gaaben von oben herab, vom Vater aller begnadeten und geſegneten Kirchen-Liechteren: Und kan ja niemand JEſum einen HErren nennen ohne den H. Geiſt; Alſo wird der Wuͤrde Heil. Schrifft nichts entzogen, ſo wenig ein Brunn-Trog der Quellen was be - nimmt. Es iſt unbegreifflich in welch lauterer Klarheit des Allerhoͤchſten We - ſens und tieff zu GOtt gewandter reineſter Andacht die H. Schreibere damals geſtanden, wie ſie die Bibel geſchrieben, welch unvermiſchter heller Straal des H. Geiſtes ſie durchgoſſen; und gebraucht man billich ihre ſelbs eigene Worte, ſeinen Vortrag, es treffe Lehr-Saͤtze oder Lebens-Reglen an, zu beweiſen. Sonſt dunckt mich, man ſolle darinnen nichts affectiren oder kuͤnſtlen, wie einige Lehr-Juͤnger des gottſeligen Cocceji gethan, die einen Schrifft-Spruch an) () (2denVorrededen andern haͤngen, da wol wenige von ihnen etwas vom Sinn, Geiſt, Krafft und Goͤttlichen Gemuͤths-Geſtalt der H. Apoſteln und Propheten an ſich haben doͤrfften; Eben ſo machens etwelche Schuler eines bey manchem ernſthafften Chriſten ſehr beliebten Mannes, ſie bilden ſich in deſſen Red-Arten, und ſchme - cken wenig von der Seligkeit, die er bey ſeiner ſuͤſſen Ruhe in Chriſto genoſſen. Alſo ſchaͤmet man ſich der Gnaden-Gaab, ſo der Heil. Geiſt aus ſeiner milden erbarmenden Guͤtigkeit, nach ſeiner unendlichen Weißheit, beſchehret, und ſtol - tziret lieber mit fremder Zierd; wie jene thoͤrichte Atzel, die eine Zeitlang mit geborgten Federn prangete, bald aber, da jeder Vogel das ſeine wieder nahm, zum Schauſpiel nacket dargeſtellt ward, allen, die ſie ſahen, zum Hohn-Ge - laͤchter: Die danckbare Demuth iſt gar was ſchoͤnes. Der Mandelbaum trittet mit ſeinen eigenen Blaͤttern ans Liecht, obſchon ſie an ſafftig-gruͤnender Schoͤ - ne dem Maulbeerbaum nicht beykommen. Ach daß wir umkehrten und wurden wie die Kinder, ſo kaͤmen mehrere Wunder der unausforſchlichen Weißheit und Reichthums GOttes an den Tag, auch wurd der Friede ungeſtoͤhrter bluͤ - hen in ſeinen feinen und kleinen, zum alleinigen, reinen Lob der Herrlichkeit ſeiner Gnade: Es weißt je der Schoͤpffer am beſten, was vor eine Gaabe einem jeden wol anſtehet; der HErr des Paradieſes ſiehets, mit was Blaͤttern und Fruͤchten Er eine jede ſeiner Pflantzen zieren ſoll. Dancke, lobe, preiſe, liebe deinen GOtt, ſolteſtu auch das ſchlechteſte Mirten-Straͤuchlein ſeyn; iſts denn nicht Ehre genug, einem ſo guten, herrlichen GOtt anzugehoͤren? Jſt doch der geringſte Thaͤter und verachteſte Nachfolger Chriſti groͤſſer in GOttes Augen als der beruhmteſte Scribent, im Fall ſich dieſer in etwas anders ruͤhmen ſolte als im Creutz und Schmach des HErren JEſu. Wer nicht ſich ſelbs und all ſein Thun fuͤr nichts achtet, kan mit JEſu nie eins werden. Das holde Kindlein ligt im Stall und hanget am Creutz, du aber wirſt wegen deiner Gaa - ben von vielen bewundert wie der hohen Bergen Spitzen, darauf ein Acker ſte - het von etwelchen wenigen leeren Halmen oder nur glaͤntzender Schnee. Jch predigte zur Zeit in einer groſſen Welt-bekannten Stadt an einem Dienſtag, es ver - ſammlete ſich eine Menge Volcks, ſo viel nur eine gewaltige Kirch faſſen konte; es geſchahe Wirckung, eine allgemeine Ruͤhrung und Erweckung, und war viel Redens: Nachmittag fuͤhrte man mich in die Kunſt-Kammer, da ſahe ich ein Bild, wie JEſus gegeißelt ward, lebendig vorgeſtellt von dem kunſtreichen Hol - bein; welcher Anblick mein Hertz in ſo tieffe Schaam und Traurigkeit und Miß - fallen an mir ſelbs ſetzte, daß mich vor Schaam wol hundert Klaffter tieff in die Erd haͤtte moͤgen verſtecken, ja auch ſelben Tag nichts mehr redte: Dann ich dachte, wie biſtu ſchnoͤder Suͤnden-Wurm doch ſo ungleich dem Hochge - lobten GOttes Sohn! Das gehet nicht recht zu; Dein theureſter, unſchuldig -ſterVorrede. ſter JEſus ſtehet da unter den Henckers-Ruhten und Zorn-Fluthen der Mach - ten der Finſterniß; Jm Gegentheil laufft dir alle Welt nach und erhebt dein Predigen; wird dich dein GOtt nicht auf eint - oder andere Weiſe demuͤthigen, ſo ſtehets fuͤrwahr mißlich um dich, und ſchickeſt du dich nicht wohl unter das Volck eines gekreutzigten Koͤnigs, das in Faͤhnlein zertheilet hinaus ziehet fuͤr das Laͤger der Welt - und Eigenliebe Chriſto nach, und ſeine Schmach tragt! Ach, ein unbekannter, den niemand anſiehet, iſt wol weit fuͤrtrefflicher als du, vor allen heiligen Engeln! Er ſammelt ſich, in ſeinem niedrigen und verborge - nen Stand, heimlich ſo viele reiche Schaͤtze von Glaubens - und Liebe-Ubun - gen vors kuͤnfftige ewige Leben, daß es niemand als GOtt allein gewahr wird, da denn deſſen Reichthum zu ſeiner unausſprechlichen Herrlichkeit eben ſowol als deine klaͤgliche Armuth zu deiner entſetzlichen Angſt am Juͤngſten Gericht an Tag kommen wird. Jedennoch hat mich mein guͤtigſter Heyland und HErr vom Himmelreich nicht nur das Hoſianna ſondern vielfaltig mehr das Creutzige, Creu - tzige! weg, weg mit ihm! mildiglich hoͤren laſſen; wofuͤr ich Jhme nimmer genug dancken kan, und eine gar innig-ſuͤſſe Hoffnung hege; JESUS Chri - ſtus, meine einige Freude, werden mich wollen bey ſich haben ewiglich, ewig - lich, aus ewig unausloͤſchlicher Brunſt, Glut und Blut feiner ewigen Liebe, trotz meinem ſuͤndhafften, unwuͤrdigen Leben. Daher laß dir auch, mein theuer geliebter Leſer! nicht fremde vorkommen, daß ich meine Schmach und Chriſti Herrlichkeit offtmals hart nebeneinanger ſetze: Dann es thut mir innerlich ſon - derbar wol, und fuͤhle ich, bey ſothaner Selbs-Verſchmaͤhung, des Heil. Geiſtes Wohlgefallen lebendig in mir, auch halt ſich mein ſuͤſſer JEſus nur deſto naͤher zu mir: Dieſes melde ich, damit du meinen Sinn in dieſen Schrifften deſto klaͤrer und eigentlicher faſſeſt; Zumalen es bey mir eine ausgemachte Sache iſt; daß wie ich mich niemals genug hinuntermachen, ich dagegen JEſum in alle Ewigkeit nicht genugſamlich erhoͤhen und ruͤhmen koͤnne; hiebey ſoll es ſein Ver - bleiben haben.
O JEſu! Du biſt der HErr vom Himmel, du ſitzeſt auf GOttes Thron, und redeſt ſeine Worte als GOtt! du haſt den Geiſt nicht nach dem Maas! der Vater liebet dich und hat alles in deine Hand gegeben, wir aber ſtehen als ſchlechte Knechte bey dem Schaͤmel deiner Fuͤſſen; es menſchelt und erdelt was wir thun. Was iſt denn billichers, als daß du wachſeſt, wir aber kleiner, ge - ringer werden. HErr JEſu du erinnereſt dich noch wohl, daß diß mein erſtes Wort geweſen an die Vorgeſetzten meiner dißmaligen Gemeine, da ſie mich zu bewillkommen mir entgegen kamen. Jch will euer Fußtuch ſeyn / ich will gerne als ein Sternlein verſchwinden / wann nur die Sonne / JEſus von euch erkannt / geliebet und geehret wird und euch gang einnimmt) () (3Vorrede. Du weiſſeſt, daß den Text Joh. 4: 42. Zur Eintritts-Predig genommen, damit du allein alles gelteſt, ich aber, wie billich! fuͤr nichts geachtet werde.
Wie freuet es mich, daß die millionen allerheiligſter Worten, ſo du auf Er - den geredt und davon deine heilige Apoſtele ſo gar wenige aufgezeichnet; mit un - beſchreiblichem Glantz in der Ewigkeit, allwo ſie aufgefangen und in Verwah - rung gelegt worden, werden hervor bluͤhen und unendlich-ſuͤſſe, herrliche, ſe - lige Fruͤchte in allen himmliſchen und irrdiſchen Regionen tragen, zu unaus - ſprechlicher Freude und Erquickung der Verklaͤrten; Dann kein Wort von al - len, ſo du ewiges Wort ausgeſprochen, ſoll vergehen, wiewolen auch aus der tieffen Quell deiner Gottheit immer friſche Lebens-Worte und Kraͤfften aus - flieſſen und trieffen werden, da deine auserwehlte Kinder das Schneeweiſſe Pa - pier ſeyn ſollen, darauf ſie gedruckt und heller denn die Sonne glaͤntzen wer - den; Diß macht mir Freude; ſelbs ein ſo ſchoͤnes Buch der H. H. H. Drey Ei - nigkeit ewig zuſeyn. Jndeſſen bitte ich dich, O du getreuer GOtt! mein erbar - mender Hertzens-Abba, um JEſu willen; ſegne doch auch dieſe Broͤcklein, die ich armes Huͤndlein unter deinem Gnaden-Tiſch geſammlet; hilff daß auch viele andere mir helffen aufeſſen, was deine ſo milde Vatters-Hand von der Taffel der Seligen ausſchuͤttet in dieſes Jammerthal, darinn wir ſchweben im Elend und groſſer Duͤrfftigkeit. Ach mein HErr JEſu Chriſt, erzeige dich dem Her - tzen des Leſers gegenwaͤrtig, ſcheine du innwendig vom Himmel, laß deine al - lerheiligſte Bluts-Tropffen unterm Leſen hinein treufflen vom H. Geiſt, der deines Reichs Verwalter und deiner Guͤter Austheiler iſt auf Erden; damit al - ler Gedancken zu dir alleine gewandt, und mein gar vergeſſen werde, der ich nicht einmal wuͤrdig bin, daß ich dein Geſchoͤpff heiſſe. Du beweiſeſt dich in dieſen Zeiten ſehr herrlich an deinen Knechten, ſonderlich in Teutſchland; er - halte ſie wider des Teufels Mord, ſchencke ihnen langes Leben, erhoͤre ihre Ge - better, ſtehe bey allen ihren Verrichtungen hinter ihnen mit deiner unſichtbaren, Suͤnd-Tod-Hoͤll - und Welt weit uͤberwindenden Krafft, daß ſie es fuͤhlen und immer getroſter werden; Mein Hertz ergetzet ſich inniglich an deiner groſſen Lie - be, darinnen du ſie ſo uͤberſchwencklich ſegneſt, zerſtoͤhrete Oerter aufbaueſt und wo grauſame Einoͤden geweſen, himmliſche Luſt-Gaͤrten anlegeſt: Ach gnaͤdi - ger GOtt und Vatter, nimm ſie doch noch lange nicht aus deiner ſtreitenden Kirch um der Herrlichkeit willen deines Eingebohrnen, der dir gehorſam gewe - ſen iſt biß zum Tod des Creutzes! Es iſt hohe Zeit, mein GOtt! daß du das Blut JEſu verklaͤreſt und deinem Sohn den beſtimmten Lied-Lohn fuͤr ſeinen ſaueten Dienſt, blutigen Schweiß, Kampff und Arbeit entrichteſt, Jhme die Heyden zur Erbſchafft und alles, biß an die aͤuſſerſte Theile der Erden, zur ei - genthumlichen Beſitzung gebeſt. Es beweiſe ſich deine Helden-Krafft an deinen ge -treuenVorrede. treuen Dienern, und deine Majeſtaͤt erſcheine ob ihren geiſtlichen Glaubens - Kindern; wie lang ſoll dir noch die Zerruͤttung Zions nicht zuhertzen gehen und die Wuͤtherey des Drachens? Saͤttige uns doch alle Morgen fruͤh mit deiner Gnad, damit wir alle die Tage jauchzen und froͤlich ſeyen: Erfreue uns nach ſo vielen Schwaͤchungen und Bedruckungen der Jahren, darinn wir Boͤſes geſe - hen haben. Laß deine Angenehmheit, O Jehova, unſer GOtt! walten ob al - len, die deiner Zukunfft begierig ſind; bring das Werck ihrer Haͤnden in eine zierliche Ordnung! O JEſu ziehe deine Hand nicht ab, biß dein geiſtlicher Him - mel mit leuchtenden Sternen uͤberall beſetzet und deine erkauffte Erde mit Pflan - tzen der Gerechtigkeit geſchmuͤcket iſt, zu deinem Lob und Preiß. Amen! Hal - lelujah!
HJer haſt du einen Band von den erbaulichen Schriften des L. Hr. Lucii.
Das erſte, ſo darinnen vorkommt, iſt Ei - ne Vor - oder Nachrede / welche aufgeſetzt worden, als vor geraumer Zeit des ſel. Lu - theri Erklaͤrung uͤber die Pauliniſche Epiſtel an die Gala - ter neu aufgeleget ward. Jn derſelben iſt weiter keine Aen - derung geſchehen, ausgenommen, daß man ſie von etli - chen Druckfehlern geſaͤubert, in Capitel und Abſaͤtze gethei - let, wie auch mit Rand-Schriften verſehen. Welches dann auch bey allen nachfolgenden Tractaten geſchehen.
Das zweyte, dritte und vierte Stuck, Wunderge - heimnuß des Evangelii / Horn des Heils und geiſtl. Sonnenwende / ſtehen gleichfals hier, wie ſie Anno 1721. und 22. in Baſel, und hernach Anno 1731. und 34. in Bern zum Vorſchein gekommen. Nur iſt hin und wieder eini - ge geringe Verbeſſerung hinzu gekommen. Und weilen das Wunder-Geheimnuß des Evang. die erſte Schrift gewe - ſen, ſo mit des Authoris Namen im Druck erſchienen; ſo hat der damals beruͤhmte Baſeliſche Theologus, Tit. Hr. Samuel Werenfelſius, zur Approbation und Defenſion des L. Hr. Lucii (den einige uͤbel berichtete Leute fuͤr einen Jrrgeiſt) (anſehen und ausſchreyen wolten) etliche Reim-Zeilen bey - gefuͤget, welche alſo lauten:
Das fuͤnfte Stuͤck, genannt Das Haus GOttes und die Porte des Himmels / kam gleichfalls Anno 1722. zu Baſel heraus, und ward daraufhin Anno 1729. in Bern nachgedruckt. Anno 1726. aber iſt daſſelbe in die Franzoͤ - ſiſche Sprach uͤberſetzt und zu Yverdon unter die Preſſe gegeben worden. Der Author, ſo inzwiſchen nach Anſol - dingen beruffen und placiret worden, dedicirte dieſe Uber - ſetzung dem loͤbl. Magiſtrat zu Yverdon mit folgender Zu - ſchrift.
„ DA mich die Goͤttliche Vorſehung, nach einem zim - lich langen Aufenthalt in Eurer Statt, anders -„ wohin„ wohin beruffet, das Evangeliuͤm unſers Herꝛn JEſu, „ meines Goͤttlichen Meiſters, zu verkuͤndigen, und eben „ jetz dieſe Rede ſich unter der Preſſe befindet; So hab ich „ geglaubt, daß eben dieſe H. Vorſehung mir hierinn eine „ Gelegenheit anbiete, Euch offentlich meine Erkantlichkeit „ zu bezeugen, vor alle Gunſt-Bezeugungen, ſo ich von „ Euch und Euern Einwohnern empfangen. Wie aber „ koͤnnte ich Euch, Jhr Herren! meine aufrichtige Ge - „ neigtheit beſſer zu erkennen geben, als daß ich Euch ei - „ ne Rede vor Augen lege, die Euch den einigen, ſicheren „ und unbetruͤglichen Weg weiſet, ins Himmelreich hinein „ zu kommen, welcher Weg iſt die neue Geburt aus Waſ - „ ſer und Geiſt! Eine Wahrheit, ſo mit nachtrucklichen „ Betheurungen desjenigen beſtaͤtiget iſt, der die Wahr - „ heit ſelbſten heißt! Eine Wahrheit, daran unendlich vie - „ les gelegen! Ein Weg, da wir alle hindurch muͤſſen, „ die groͤſten Monarchen, die im Purpur, Glantz und „ Splendeur gebohren ſind, eben ſowohl als die aͤrmſte Hir - „ ten. Alle muͤſſen von der gantz verdorbenen, fleiſchlichen „ und von der Suͤnd angeſteckten Natur des erſten Adams „ hinuͤber gehen in die Heilige, Goͤttliche Natur des an - „ deren Adams, vermittelſt dieſer zweyten Geburt. Eine „ Wahrheit, die ſo Geheimnuß-reich iſt, daß die wenig - „ ſten ſelbige kennen und annemmen. Ja oͤfters doͤrffen die, „ ſo ſich weiſe zu ſeyn duncken, noch ſpotten oder alles nach „ ihrem fleiſchlichen Sinn deuten. GOttes Kinder allein „ erfahrens und huͤpfen vor Freuden. Jch hoffe demnach, „ meine Abſicht werde Euch nicht unangenehm ſeyn, wann „ ich, meine erkantliche Geneigtheit zu bezeugen, zu eu - „ rer Erbauung etwas beytrage, indem ich Euch dieſe neue „ Geburt ans Hertz lege, damit ihr dermaleneinſt durch „ dieſelbe ins Reich der Herrlichkeit eingehen moͤget, dahin „ uns JEſus alle einladet, und allwo alle Gehorſame der aller - „ ſeligſten Gegenwart unſers Koͤnigs in unausſprechlicher „ Freude zu genieſſen haben. Der Goͤttliche Heyland wol -) (2„ le„ le in einem jeden unter Euch und auch in Euren Ein - „ wohnern dieſe Gnade kraͤfftig wuͤrcken, und eben dadurch „ allem Wohlſeyn in Zeit und Ewigkeit den Weg bahnen. „ Diß iſt der innig aufrichtige Wunſch
Hochgeehrte Herren!
Yverdon den 24. Junii 1726. Euers geringen, bereit - willigen Dieners Samuel Lucius.
Dieſe Dedication oder Zuſchrifft ward ſo guͤnſtig auf - genommen, daß unſer L. Hr. Lucius daruͤber ein Danck - ſagungs-Schreiben und mit demſelben zugleich die Schenck - ung des Yverdoniſchen Burger-Rechts erhielte. Das Schrei - ben moͤchte in deutſcher Sprache alſo heiſſen:
„ UNſer gel. Hr. Caſtellan, der Hr. von St. Martin, „ hat uns diejenige Rede wohl zugeſtellt, welche Jhr „ uns zuzuſchreiben die Guͤtigkeit gehabt. Selbige, die un - „ ter alle unſere Raths-Glieder ausgetheilet worden, iſt ein „ neues Zeichen derjenigen Geneigtheit, die ihr gegen un - „ ſern Rath und gantze Burgerſchaft geheget, und von „ welcher wir bey vielen Anlaͤſſen ſo mancherley Proben er - „ halten haben. Wir koͤnnen auch Euch verſichern, daß „ wir dieſelbe Lebenslaͤnglich in unvergeſſenem Andencken „ behalten, und Jhr gewißlich allezeit als ein guter Ge - „ ruch in unſerer Kirche ſeyn werdet. Haͤtten wir den Tag „ Eurer Abreiſe von hier gewußt, ſo wurden wir nicht „ ermangelt haben, Euch muͤndlich zu bezeugen, wie ſehr „ uns Euer Abſcheid ſchmertze, und wie groß unſere Liebe„ und„ und Hochachtung gegen Euch ſeye, gegen Euch, der ſich „ als ein ſo redlicher Knecht JEſu Chriſti unter uns er - „ wieſen. Um Euch, mein Herꝛ! hievon thaͤtlich zu ver - „ ſicheren, ſo uͤberſenden wir Euch einen Burgerrechts-Brief, „ wodurch wir Euch und Eure Nachkoͤmmlinge (ſo es dem „ Hoͤchſten gefallen ſollte, Euch dergleichen zu beſcheren) „ mit uns noch genauer zu vereinigen trachten. Nemmet „ denſelben auf, als ein Zeichen unſrer Erkanntlichkeit, „ und glaubet, daß ihr der erſte Prediger ſeyt, den wir „ mit unſerem Burger-Recht beſchencket haben. GOtt er - „ wecke unter uns deren mehrere, welche in Eure Fußſtap - „ fen tretten und das Reich des Herꝛn JEſu auf gleiche „ Weiſe auszubreiten ſuchen. Wir fuͤgen weiter nichts „ bey, als einen innigen Wunſch, daß GOtt Euch lange „ Zeit im Segen erhalten wolle, und daß Er Euch in Eu - „ rem Amte ſtaͤrcke zum Preis ſeines Heiligen Namens. „ Mithin verbleiben wir mit vieler Hochachtung
Yverdon den 3. Sept. 1726. Euere bereitwillige Freund und Dienere, Der Venner, zuſammt dem klein und groſſen Rath der Statt Yverdon.
Der Burgerrechts-Brief mag auf deutſch alſo gegeben werden:
„ WJr der Venner klein und groſſe Raͤthe der Statt „ Yverdon, thun kund hiemit allen denjenigen, wel - „ chen es zu wiſſen noͤthig iſt, daß (nachdem wir heut „ dato verſammlet geweſen, von Sachen unſers gemeinen) (3„ Weſens„ Weſens zu handlen) wir in Betrachtung gezogen, die „ guten Qualitaͤten, Tugenden und Eigenſchaften, welche „ der anſehnliche. Gelehrte und Ehrwuͤrdige Herꝛ Samuel „ Lucius, Burger der Statt Bern und getreuer Diener „ unſers Herꝛn JEſu Chriſti und ſeines H. Evangelii, „ von ſich leuchten laſſen; wie derſelbe in einer Zeit von 20. „ Jahren in hieſiger deutſcher Kirch (welche unſere Gnaͤ - „ dige Herꝛn und Obere in dieſer Statt gegruͤndet und wo - „ rein Sie ihne zum erſten Prediger geſetzt) ſein Amt ver - „ waltet und ſeine Pflichten mit ſo groſſem Eyfer und un - „ ermuͤdeter Arbeit ausgeuͤbet habe, durch erbauliches Un - „ derweiſen, vermahnen, troͤſten, Kinderlehren und Pre - „ digen des Goͤttlichen Worts in deutſch und franzoͤſiſcher „ Sprach. Nicht weniger haben wir auch behertziget ſei - „ ne wahre Gottſeligkeit und Chriſtliche Bruderliebe, ſein „ redliches ſittſames und unſchuldiges Weſen im Handel und „ Wandel, zuſammt ſeiner ſanften und holdſeligen Art „ mit jedermann umzugehen. Welches alles uns wuͤnſchen „ machte, daß ein mit ſo vielen und ſeltenen Gaben aus - „ geruͤſteter Exemplariſcher Prediger GOtt zu Ehren und „ uns zur Freude haͤtte laͤnger bey uns verbleiben moͤgen. „ Weilen aber die Goͤttliche Vorſehung ſowohl als unſere „ fromme Obrigkeit denſelben, das Evangelium auch an - „ derwerts zu predigen, beruffen, ſo haben wir, der Ven - „ ner zuſammt dem klein und groſſen Rath, aus gutem „ freyem Willen beſchloſſen, zu einem Denckmal und offent - „ lichen Zeugnuß fuͤr die Nachkommenſchaft, unſere beſon - „ dere Hochachtung, Danckbarkeit und Erkantlichkeit ge - „ gen bemeldten anſehnlichen, gelehrten und ehrwuͤrdigen „ Herꝛn Samuel Lucius zu bezeugen ſelbigen mit gegenwaͤr - „ tigem Burger-Brief zu beſchencken, und mithin Jhne „ ſowohl als ſeine Nachkoͤmmlige auf und anzunemmen, „ nemmen Jhne hiemit auch auf und an fuͤr nun und dan „ und immerhin als einen unſerer Buͤrger, ihme Antheil „ gebende an allem unſerem gemeinen Gut, gegenwaͤrtigem„ und„ und zukuͤnftigem, und ihne, ſo wie uns ſelbſten, ein - „ ſetzende in alle und jede unſere Privilegia, Rechte und „ Freyheiten, wie die Namen haben moͤgen, ſelbige ge - „ nieſſen zu koͤnnen, ſo wie wir ſie genieſſen. Deſſen zu „ wahrem Urkund haben wir gegenwaͤrtigen Burger-Brieff „ verfertigen, underſchreiben und verſiglen laſſen. So ge - „ ſchehen in unſerem klein und groſſen Rath, den 13. Ju - „ lii Anno 1726.
Zu eben dieſer Franzoͤſiſchen Edition ließ der Herꝛ Au - tor ein erbauliches Lied ſetzen, welches man bey gegenwaͤr - tiger Auflage ins Deutſche gebracht und gleichfalls ange - haͤnget hat.
Das ſechſte Stuck, der Geiſtliche Fruͤhling / erſtlich in Baſel gedruckt Anno 1724. iſt hier zimlich verbeſſert. Ein gleiches kan auch von dem ſiebenden Stuck, genannt: Die unter dem Kelter des Zorns GOttes ligende Wein - Traube / geſagt werden. Dieſes ſo Anno 1723. und 29. aufgelegt worden, ſtehet hier mit denen neu-aufgeſetzten, ſchoͤnen und weitlaͤufftigen Gedancken von den Seelen-Aeng - ſten vermehret.
Das achte und neunte Stuck, Weynachts Gedancken und Lilien-Zweig der Liebe / ſind Anno 1725. und 26. in Schaffhauſen und St. Gallen zum Vorſchein gekommen, und in beyden iſt eine geringe Veraͤnderung vorgegangen.
Von dem 10. und 11. Stuck, Betrachtungen uͤber die Himmliſche Perl / und Jaͤmerlicher Abſcheid eines Kuͤh - Hirten / die man zu Bern und Welſch-Neuenburg ge - druckt, kan man ein gleiches melden, nur iſt hier in der Ordnung geirret worden, dann die Abhandlung von der Perl des Himmelreichs ſollte zu erſt ſtehen, und dann die Hiſtorie vom Kuͤh-Hirten nachfolgen, als eine Prob, wiedasdas Ende derer durchgehends ſeyn doͤrffte, welche ſich um ſol - che Perl entweder nicht bekuͤmmern oder doch bey deren Er - handlung nachlaͤſſig und treulos erweiſen.
Das 12. und 13. Stuck, der Sternen-Himmel und die Sonne der Gerechtigkeit / ſtehen hier allerdings (nur die vorgemeldte Abtheilungen und Randſaͤtze ausgenommen) wie ſie Anno 1728. und 29. zu Bern unter die Preſſe ge - geben worden.
Die folgende drey Stuͤcke aber, namlich das 14. 15. und 16. ſind niemalen im Druck erſchienen, ſondern hier aus geſchriebenen Aufſaͤtzen beygefuͤget.
Endlich ſoll ich auch noch melden daß unſer Herꝛ Lu - cius aus billiger und ſchuldiger Hochachtung gegen ſeinem groſſen GOtt und Ober-Hirten (von welchem freylich alles eintzig herkommt, was er gutes haben, dencken, ſagen und ſchreiben mag) und aus Geringachtung gegen ſich ſelbs, dem gantzen Wercke folgenden Titel hat geben wollen:
„ Ein kleiner Wiederſchein / von einem kothigen / „ harten / ſchwartzen und untuͤchtigen Stein / den die „ alles-erneuerende Sonne der Gerechtigkeit / JEſus „ der gekreutzigte / auf mancherley Weiſe ſo lang an - „ geſchienen / biß ſie ihn endlich (vermittelſt ihrer / „ alles verlohrene ſiebenfach wiederbringenden Wunder - „ Strahlen) gereiniget / erwaͤrmet und veraͤndert; „ alſo daß derſelbe weich / helle / ſchoͤn und etwelcher „ Maſſen glaͤntzend worden / und daher auch bey ver - „ ſchiedenen Anlaͤſſen und Umwendungen dieſen gerin - „ gen Gegenſchein von dem groſſen Gnaden-Licht in „ die finſtere Welt hinein hat blincken laſſen / ſelbige „ zu dem allerſeligſten / himmliſchen Freuden-Reich „ anzulocken. ꝛc.
WeilenWeilen es aber noch immerdar Jſinaels gibt, die ſich ſo gern an allem ungewoͤhnlichen ſtoſſen, und ihr Geſpoͤtt daruͤber haben, ſo hat man denſelbigen wenigſtens disfals das Futer benemmen, und das Titul-Blatt ſo einrichten wollen, wie es gegenwaͤrtig jedermann in die Augen faͤllt.
Geliebter Leſer! Geſchiehets nun, daß du durch ſolche Schriften erbauet wirſt, ſo ſage dem Vatter der Lichter und ſeinem Heil-Brunn, JEſu Chriſto (der nach ſeiner unendlichen Menſchen-Liebe uns unwuͤrdigen Erden-Wuͤr - men noch immer durch dergleichen Canaͤl manch Gutes zu - floͤſſet) Lob und Danck. Und trachte anbey, zu des groſ - ſen Gebers Preis und Dienſt, das geleſene und gelernete in einem feinen Hertzen zu behalten, ja gar in ſuccum & ſanguinem in Saft und Leben zu verwandlen.
Ruffe zugleich den Namen des Herren bruͤnſtig an, daß Er den lieben Authorem mehr und mehr begnadigen, erleuchten, heiligen, ſegnen und beſeligen; auch ſowohl in unſerem Land als anderwerts viele alte und junge Leute er - wecken wolle, welche dieſem redlichen Jonathan als mun - tere Waffen-Traͤgers nachkletteren und nachwuͤrcken und mithin unter dem Heer der Philiſter (ich meine ſowohl das innere als aͤuſſere Antichriſtenthum) eine groſſe Schlacht thun helffen.
Findeſt du aber, geliebter Leſer! bißweilen etwas dir unverſtaͤndliches oder auf andere Weiſe anſtoͤſſiges; ſo ge - dencke der Autor ſey ein Menſch, und gebe ſich nicht vor unfehlbar aus. Gehe es in chriſtlicher Sanft - und Demuth vorbey, und halte dich an das, was dir ſchmackhafft und erbaulich iſt. Kurtz, Si ſapis, Sis apis.
§. 1.
LJeber Leſer, damit die Gnad unſers HErrn JEſu ChriſtiLutherus weiſet den rechten Weg zum Heyl. von dir nicht mehr geſchaͤndet als verherrlichet werde, iſt noͤthig dich zu berichten, daß Lutherus in dieſem Buch er - ſcheinet als einer, der durch die kraͤfftiglich ziehende Gnad endlich das Kleinod erkaͤmpffet, und von GOtt mit der Offenbah - rung des unendlichen Reichthums der Gnad in ſeinem Sohn beſee - liget worden, da er nun von der Hoͤhe zu Zion im Uberfluß der Guͤ - tern Chriſti jauchzet, ob jemand Luſt gewinnen moͤchte, eine gleiche Seeligkeit mit ihme und den Heil. Apoſteln zu genieſſen, und alſo auch mit gleichem Muth, Begierd und Freudigkeit dieſen Berg hin - an zu ſteigen, da er dann aus brennender Liebe fuͤr Chriſti Ehr und ſeines Naͤchſten ſchleunigem Heyl den naͤchſten Weg dazu weiſet, dar - neben treulich warnet vor denen Jrr - und Abwegen, die ihne aufge - halten, damit er nun fein bald viele Mitgenoſſen ſolches gefundenen lieblichen Orts der Ruhe, Fried und Freud bekomme.
§. 2. Willt du nun zu ihnen kommen, und die Koͤnigliche Hochzeit -Wer fol - gen will, muß allem heydni - ſchen We - ſen abſa - gen. Freud mit koſten, auch von dem neuen Wein trincken, der ihne ſo beredt gemacht, ſo muſt du auch ſeinem guten Rath fleißig folgen, und allen heydniſchen und antichriſtiſchen Greueln abſagen, dann un - moͤglich iſts GOttes Herrlichkeit in Chriſti Angeſicht zu ſchauen, wo du im finſtern, ſumpfichten Thal deines alten fleiſchlichen Weſens zu bleiben noch Luſt haſt? Sagſt du: Jch bin kein Heyd noch Pa - piſt, ſondern ein Chriſt von Geburt an, halte es auch mit unſeren ſeeligen Reformatoren, begehre auch bey ihrer Lehr zu leben und zu ſterben; So wiſſe nun heute! daß der noch ein Heyd iſt vor GOTT und ſeinen Engeln, (ſollte er auch ein Lehrer des Evangeliums heiſ - ſen, vor ſeinem Fuͤrſten, Oberkeiten und Zuhoͤreren) der nicht vom Fleiſch zum Heil. Geiſt, von der Finſternuß zum Licht, und vom Gewalt des Satans zu GOtt bekehret iſt; Und damit du es beſſer(a 2)ver -4verſteheſt, will ich dir einen Heyden, wie er ausſehe, und wie er ſich in ſeinem Natur-Stand auffuͤhren koͤnne, vorſtellen.
§. 3. Ein Heyd weißt nichts rechts von der Seelen Unſterblichkeit und Koſtbarkeit, obſchon er bey ſich etwas hoͤhers und edlers findt, als er an den Thieren ſiehet, er weißt nichts eigentliches von dem kuͤnfftigen Gericht, Paradieß und Hoͤlle, ungeachtet er in grauſame Angſt und Schrecken uͤber boͤſen Wercken gerathet, ja den Richter, Anklaͤger, Zeugen und Hencker im Gewiſſen, wider ſeinen Danck und Willen fuͤhlen muß, als ein Vorhoͤll, die ihn auch viel von er - wartender Qual zu reden machet, wie aus den Verſen der Poeten zu ſehen; Darneben empfindet ein Heyd auch wohl eine ſuͤſſe Freud und Vergnuͤgen, wann er ſeinem Gewiſſen nachgehet, und handelt, und macht ihn vieles Traumen von den Eliſaͤiſchen Felderen, da er nach dieſer Zeit groſſe Luſt und Wonne haben wird, ja ſie ſagten wohl: Ipſa etenim virtus ſibimet pulcherrima merces, die Tugend ſeye ſelbſten auch ihr ſchoͤnſter Lohn, ꝛc. welches wahr iſt, wann durch Tugend die Gleichfoͤrmigkeit mit der ewigen Wahrheit, nem - lich GOtt und ſeiner Glorie verſtanden wird. Er weißt auch nichts von Adams Fall und ſeinem eigenen aͤuſſerſten Verderben und Ab - weichung von der Herrlichkeit, die er in GOttes gemeinſamen Um - gang genoſſen, obſchon er ein entſetzlich Gewalt der Laſter und des Boͤſen in ſich mercket, und ſagen muß: Video meliora proboque, deteriora ſequor, &c.
Was recht iſt, weiß ich wohl, und heiß es billich gut. Doch find ich, daß mein Hertz das Boͤſe liebt und thut.
Obſchon er etwan der Erſcheinungen der Goͤtter ſich beruͤhmet, und wann er in dieſer Welt etwas fuͤrtreffliches gethan, dardurch er ſich vor andern aus um ſein Vatterland verdient gemacht, zu ihnen zu kommen, und ein hell-leuchtend Geſtirn zu werden hoffet, ꝛc.
Er weißt nichts vom End der gegenwaͤrtigen ſichtbaren Welt, ob ſchon er ſich uͤber deren Unbeſtaͤndigkeit, Hinfaͤlligkeit und Eitelkeit offt ſehr beklagt, und zimlich ſchoͤn darvon geredt und geſchrieben, hat viel tauſend Goͤtter, denen er aufwartet, obwohlen den einten etwas mehr als den anderen, dieſer mehr den Luſt-jener mehr den Ehr - und Gelt-Goͤtzen, und meint die Goͤtter haben Gedancken und Affecten wie er, ꝛc. Aeffet den von GOtt angerichteten Dienſt nach, wie die Gelehrten klar zeigen, daß die meiſten heydniſchen Gebraͤuchnach5nach dem Modell des im Tabernackel und zu Jeruſalem angeſtellten Dienſts eingerichtet waren.
Ein Heyd gefaͤllt ſich ſelbſt dermaſſen wohl in ſeinen Tugenden, Gerechtigkeit, Redlichkeit, Treu, Keuſchheit, Ehrbarkeit, bur - gerlicher Sittſamkeit, freuet ſich in ſeiner Weißheit, Gewalt, Staͤrcke, Reichthum, Herrlichkeit, ſuchet Ruhm, menſchlich Lob und Anſehen, und haltet das Evangelium vom Creutz fuͤr eine Thor - heit, die Auferſtehung der Todten fuͤr eine laͤcherliche Sache, foͤrch - tet den Tod, unangeſehen er groſſen Muth, Reſolution und Tapf - ferkeit ſehen laßt, und ſeine Verzagtheit meiſterlich zu verbergen weißt.
§. 4. Betrachte hier, der du dich einen Chriſt ruͤhmeſt, ob duEin Chriſt ſoll ſich hiernach pruͤffen. der Seelen hohen Adel erkenneſt, ob du mehr dem nachſinneſt, wie deine Seel geſund, reich, froͤlich, ſtarck werde, geiſtliche goͤttliche Nahrung genieſſe, das himmliſche Kleid und Sitten anziehe, das Hauß das nicht mit Haͤnden gemacht iſt, ſondern ewig iſt, im H. Geiſt bewohne? Kanſt du ruͤhig ſeyn, wanns nur im zeitlichen alles nach Wunſch ſtehet und gehet, der Leib ſeine Sach und Gemaͤchlich - keit hat, gedenckende, wann nur deine Augen, Hand und Bauch gnug haben, ſo werde dir dann das Reich GOttes ſchon zufallen; Siehe ſo biſt du ein ausgemachter Heyd, nach Chriſti Ausſpruch ſelbſt. Matth. 6.
Sage nicht; Jch bekuͤmmere mich auch um meine Seel, dann das thaten auch die Heyden, wie aus ihren Buͤcheren zu erſehen; aber ihr meiſtes Leben, Wandel und Handel zielete auf des Leibs Gluͤckſeeligkeit: Du ſagſt, du glaubeſt ein ewig Gericht, eine Be - lohnung des Guten und Straff des Boͤſen, ja es dringe dir offt ein kal - ter Schrecken durch Marck und Bein, der dich bald von dieſem bald von jenem boͤſen Werck zuruck halte; Du glaubeſt ein unausſprechli - che Freud und Seeligkeit, welches dich reitze zu vielem Guten, ꝛc. Almoſen geben, ꝛc. ſiehe, eben das ware auch bey den Heyden; ja es ſind viel unter ihnen viel weiter kommen in Enthaltung der Suͤn - den, Zaͤhmung ihrer Affecten, Fleiß der Tugenden, als viel 1000. Nam-Chriſten heutigs Tags, alſo daß das dunckele Lichtlein des Gewiſſens und die Traͤum ihrer Tichteren mehr bey ihnen vermocht, als die deutliche Vorſtellung der kuͤnfftigen, ſchrecklichen Haupt - Veraͤnderungen bey uns. Biſt du alſo nicht einmahl ſo gut, als(a 3)ein6ein Heyd, wo dir die angedrohete hoͤlliſche Qual nicht alles Boͤſe, Hochmuth, Ungerechtigkeit, Geitz, Unmaͤßigkeit, fleiſchliche Luſt, Divertiſſements und Ergoͤtzung, Betrug und Schalckheit erlaidet, wo dich die verheiſſene unendliche Glorie des Paradieſes nicht zu al - lem Guten, Keuſchheit, Wahrheit, Gerechtigkeit, Maͤßigkeit, Gutthaͤtigkeit gegen den Armen, ꝛc. nicht nur unterweilen ein wenig, ſondern ſtets, aller Orten, reichlich antreibet, ſo biſt du aͤrger als ein Heyd. Gewiß werden die Heyden auftretten, am Tag des Ge - richts, und dich verdammen, dann jene hatten keinen klaren Be - richt von demjenigen, was GOTT mit dem menſchlichen Geſchlecht in der Ewigkeit vorhatte, und dannoch thaten ſie weit mehr als du.
§. 5. Man kan fuͤrwahr nicht ohne Beſchaͤmung leſen, die gantz glaubwuͤrdigen Relationen der Daͤhniſchen Koͤniglichen Miſſionaires in Oſt-Jndien von denen Malabaren; Dieſe ſetzen 4. Staffel der ewigen Seeligkeit.
1. Das Paradieß. 2. Da man gantz nahe um den hoͤchſten GOtt ſeyn kan. 3. Da man GOttes Ebenbild iſt. 4. Da man mit dem hoͤchſten Weſen gantz eins iſt; Und dieſen letzten Staffel zu erreichen ſind ſie ſehr bemuͤhet, und beſtreben ſich viele ein recht tugendſam Le - ben zu fuͤhren, ehren gantz keine Abgoͤtter, gehen nicht in ihre Pago - den, reden nichts als von Tugenden, beſitzen wenig eigens. Viele verlaͤugnen alle ihre Guͤter, Hauß, Hof, Weib und Kinder, ge - hen in die Wildnuß, fuͤhren daſelbſt ſchwere Buß, und ein ſtreng Leben; Sie halten die Chriſten fuͤr das allertummeſte Volck, das ſo gantz keine Reflexion mache, weder auf GOtt noch auf das kuͤnfftig Leben, und glaubten, die Prediger lehreten ſie ſauffen, liegen, trie - gen, neidig, geitzig, eigennuͤtzig, falſch ſeyn, ꝛc. weil ſie grad nach der Kirchen ſolche Ubelthaten ausuͤbeten. So macht der Chriſt, ſo viel an ihm iſt, Satanam uͤber Chriſtum zu triumphiren. Rom. 2, 23. 24.
§. 6. Darneben ſieheſt du hier, wie mancher ſich uͤbel betriegt, wann er meint, er ſey in einem guten Zuſtand, ein Chriſt und Kind des Himmels, wann er ſich etwan durch ſein Gewiſſen von argen Dingen zuruck halten, und zu etwelchen tugentlichen Wercken bewe -gen7gen laßt, und daruͤber etwan ein ſuͤſſe Ruͤhrung und innerliche Freud empfindet, ꝛc. Ach er iſt bey dem allem nur noch ein Heyd und nichts weiters; (ohne daß er ihm etwan wegen der heiteren Offenbahrung des Worts gar viel lieblichere Gedancken von dem luſtigen Ort des himmliſchen Paradieſes ſelbſt machen kan.) Du meinſt, du wiſſeſt wohl, wie herrlich und ſeelig der Menſch vor ſeinem Fall geweſen, und wie verderbt und elendig er nunmehr ſey; Aber ich frage dich, haſt du auch mehr Empfindung, Zerknirſchung und Beſchaͤmung dar - uͤber, als wohl ein Heyd? Manche bilden ſich ein, wie fromm ſie ſeyen, wann ſie etwan klagen, wie ſchwach und elend ſie ſeyen, wie alles ſo verderbt, wie die Welt von einer Zeit zur andern aͤrger wird, wie die Suͤnd, Hoffart, Falſchheit, Untreu, Unbarmhertzigkeit ſteige, und uͤberall uͤberhand nehme, ꝛc. ſind aber nicht beſſer als Hey - den, die faſt eben dergleichen Klagen in ihren Buͤchern gefuͤhrt, ꝛc. Aber wie fein ſie Adams Fall kennen, ſiehet man bald, wann man ihnen ſagt, ſie ſeyen unter GOttes Zorn, ſeine Feind, Hoͤllen-Kin - der, Satans Gefangene, ꝛc. und mit allen ihren Wercken zum ewi - gen Feur verdammt, ꝛc. da gruntzen ſie greulich und zeigen, daß ſie auch unter dem Evangelio Heyden ſeyen, die wohl einige Verdorben - heit und Verkehrtheit an ſich geſtehen, aber Chriſto nimmermehr die Ehr geben zu bekennen, daß ſie boͤß und unſelig ſeyen.
§. 7. Du ruͤhmeſt dich, der lebendige GOtt laſſe ſich nicht unbe -Goͤttliche Wohltha - ten, Zuͤch - tigungen, Gewiſ - ſens - Stich kei - ne Be - weiß - Gruͤnde vom Chri - ſtenthum. zeuget gegen dir, er erhoͤre dich, thue dir viel Guts an Leib und Seel; Denck aber, wie viel Guͤter GOTT uͤber die Heyden habe ausgeſchuͤttet, Act. 14. und 17. Matth. 5. Ja, ſprichſt du, aber er ſucht mich auch mit Creutz heim; Hat er nicht auch Gericht geuͤ - bet an ſo vielen Heyden, Laͤnderen, und gantzen Monarchien?
Aber ich werde, ſprichſt du, im Gewiſſen beſtrafft, wann ich Boͤ - ſes thue, hiemit hab ich den heiligen Geiſt und bin ein Chriſt. Ant - wort. Gleiches zeuget die heilige Schrifft von den Heyden, Rom. 2. Pſal. 94. Dann welchen ihr Gewiſſen mit Brandmahlen ge - zeichnet iſt, zu thun, was ſie nur geluſtet, die ſind nicht einmahl fromme ehrbare Heyden, ſondern gar eingefleiſchte Teufel; ja wohl aͤrger, weil die Teufel nicht wider Barmhertzigkeit, Gnad und Blut ſuͤndigen.
§. 8.8§. 8. Du giebſt fuͤr, du wiſſeſt gar wohl, daß alles ſichtbare ein End haben werde, und halteſt darfuͤr, daſſelbe allen Heyden er - ſchroͤckliche, allen Chriſten aber Hertz-erfreuliche End ſeye nahe kom - men; Allein warum ſchwaͤrmeſt du, phantaſiereſt du dann ſo auf Er - den herum, als wann die Ewigkeit ein Augenblick, und die Zeit ewig waͤhren ſollte? Darffſt du ſagen, daß du dein Sach darnach anſtel - leſt, daß du ein unbeweglichen Grund habeſt aufs kuͤnfftige Ewige, damit es dir ja nicht fehle, wann alles im Feur vergehet? Jſt es deine meiſte Sorg und Arbeit, daß du der Seeligkeit verſicheret ſeyeſt, und das unbetruͤglich? Wo nicht, ſo biſt du ein Chriſt mit dem Maul, und ein Heyd mit dem Hertzen und Leben.
§. 9. Sagſt du, ich glaube an einen ewigen allmaͤchtigen GOTT, und habe einen rechten Greuel ab den Goͤtzen, wie es einem Chri - ſten gebuͤhrt; So hoͤre mein lieber Menſch, die H. Schrifft, de - ren du dich beruͤhmeſt, ſagt dir; was du liebeſt, woran du mit dei - nem Hertzen am meiſten denckeſt, wornach du tichteſt und trachteſt, an deſſen Beſitzung du dich beluſtigeſt, worvon du am liebſten redeſt, worauf du baueſt und traueſt ꝛc. das ſey dein Schatz und GOTT, wie viel tauſend Abgoͤtter wirſt du hiemit bey dir finden; ſiehe doch nur ein wenig deine Gedancken und Begierden an, wornach ſie lauf - ſen; iſts nicht Geld, Ehr, Luſt, Patronen, Guͤter, Freund, Haͤu - ſer, Aecker, Geſellſchafften? will nicht ſagen, daß ſo manches La - ſter du noch hegeſt, ſo manchem Teufel dieneſt du noch! ja biſt du nicht aͤrger als die Heyden, jene dieneten ihren falſchen boͤſen Goͤtte - ren mit groſſem Eifer, ruͤhmeten dieſelbe gegen andere, folgeten ih - rem Rath gar genau und fleißig ꝛc. Du aber was thuſt du? Du dieneſt dem wahren lebendigen GOtt nicht, wie ers haben will, uͤber - gibſt dich ihm nicht, traueſt ihm nicht, ruͤhmeſt ihne nicht, ja du ſchaͤmeſt dich, nur von ihme zu ſeinem Ruhm und Verherrlichung in Geſellſchafften zu reden, damit du ja nicht fuͤr bigot. ſingulier, gleißneriſch und fuͤr laͤcherlich gehalten werdeſt; O GOtt! wie ach - tet man deiner Guͤter, Glorie, Gaben und Verheiſſungen ſo gar wenig; wie viel Ausred und Entſchuldigungen findet man nicht, ſich von dem Gehorſam deiner H. Gebotten loß zu machen und auszu - traͤyen! Wie biſt du groſſer GOTT Zebaoth ſo wenig aͤſtimirt und reſpectiert, geſchaͤtzet und geehret! wie iſt doch deine Liebes-Gemein - ſchafft der Welt ſo eckel und bitter! und dein Himmelreich ſo garverſchmaͤ -9verſchmaͤhet! Man muß ſagen, daß keine Barbaren ihren Dreck - Goͤttern ſo viel Spott, Schimpf und Unehr angethan, als unſere heutigen Nam-Chriſten der Allerheiligſten Goͤttlichen Majeſtaͤt; ja kein Volck unter dem Himmel gehet ſo um mit ſeinem Koͤnig! die Welt erſtaunete, einen Koͤnig von eignen Unterthanen enthauptet zu ſehen; Muß dann nicht Himmel und Erden und Hoͤll erſtaunen, zu ſehen wie der ewige GOtt, der Leutſeligſte, Lieb-volle, langmuͤthi - ge JEſus unter uns von Hohen und Niederen, Reichen und Armen, Geiſtlichen und Weltlichen, Burgern und Bauren, Jungen und Alten, mit Worten und Wercken vertrieben, verjagt und gecreutzi - get wird, und das ein und alle Tag, und gleichwohl leiden ſie nicht gern, daß man ſie Heyden tituliere; wie Lutherus gleichfalls in die - ſem Buch uͤber der Welt Undanck, Boßheit und greulichen Muth - willen klaget; Siehe die erſten Capitel der Weiſſagung Jeremiaͤ, die uns leyder allzuwohl treffen.
§. 10. Sagſt du? Behuͤt GOTT! ſo arg mach ich es nicht; ichJhre Heu - cheley und Bloͤſſe. glaube, hoffe, liebe, bette ꝛc. Nun wohlan, haſt du nicht gehoͤrt, daß unter den Heyden der wahre Dienſt zu Jeruſalem nachgemacht werde; ein gleiches geſchiehet hier, die getaufften Heyden hoͤren, daß die Freund und Juͤnger unſers HErrn JEſu Chriſti glauben, hoffen, lieben, betten ꝛc. das aͤffen ſie dann aus eigenen Kraͤfften und Wahl nach, machen ihnen ſelbſt gar anmuthige und erquickliche Ge - dancken; ja ſie formiren ſich einen ſchoͤneren, kommlicheren Glauben als die wahren Chriſten haben, dann der vermaſquierten Heyden ſelbſt-gemachter, erlernter, eingeſchwaͤtzter Glaub goͤnnet ihnen alle Freyheit, Fleiſches-Luſt, Augen-Luſt und hoffaͤrtiges Leben zu lieben, ſich der Welt in ihren Moden, Manieren, Reglen, Gebraͤuchen und Sitten gleich zu ſtellen, auch alle ihre Ergoͤtzlichkeiten und Kommlichkei - ten mit zu genieſſen, er kraͤncket auch ihre Jnclinationen und beliebte Gewohnheiten nicht biß aufs Blut und Tod, ſchrencket ihren Wil - len, Gedancken, Begierden auch nicht ſo gar genau ein, und ma - chet ſie zu gar witzigen und reputierlichen Leuten, daß ſie zu Stadt und Land etwas gelten, in Ruhm und Ehren bleiben, fuͤr gar ver - ſtaͤndige, weiſe, fromme, manierliche Menſchen gehalten werden ꝛc. Es mahnet mich eben an die Kaͤlber Jeroboams, der die Cherubim im Tempel nachbildete, wollte einmahl auch Cherubim und Tempel haben, hatte aber einen hertzlichen Abſcheu ab den wahren von GOtt(b)geord -10geordneten Cherubim zu Jeruſalem, aus Beyſorg, dieſelben moͤch - ten ihn von ſeinem Koͤniglichen Gewalt um Cron und Leben bringen; So machts der heydniſche Nam-Chriſt, er will einmahl nicht ohne Glauben ſeyn, dann der Himmel moͤchte ihm ſonſt zuletzt entgehen, aber er will ſich auch nicht mit unablaͤßigem Gebett zu GOtt kehren, den wahren, Goͤttlichen, im Evangelio entworffenen Glauben zu empfahen, aus Forcht ſein Eigen-Willen und Liebe moͤchte endlich gar um alle ſeine Herrſchafft kommen, und dem Sohn Davids folgen muͤſſen, damit zimmeret er ihm einen Glauben, wie es ihm fuͤr Leib und Seel, Hab und Gut, Freund und Verwandte, Welt und Gelt am vortheilhafftigſten daucht: Aber gleichwie GOttes Herr - lichkeit nichts mit Jeroboams Kaͤlbern wollte zu thun haben; Alſo bleibt auch der H. Geiſt mit ſeinen theuren Fruͤchten auſſen, da iſt keine Creutzigung des Fleiſches, kein Sieg der Welt, keine himmli - ſche Krafft noch Licht, keine Heiligung und Seel-vergnuͤgende Freud unſers HErrn JEſu Chriſti, keine neue Geburt, Salbung von dem H. Geiſt, und Verwandlung ins Bild JEſu; Sondern je mehr man ſeinen Wahn-Glauben mit Leſen, Betten, Kirchen - und Abend - mahl-Gehen, auch eingezogenem, ſtillem, Welt-gerechtem Wandel ſtaͤrckt; je feindſeliger iſt man dem Evangelio; wie Lutherus auch in dieſer Erklaͤrung zeuget, daß die gerechte, heilige, fromme und hoch - gelehrte Welt mit aller ihrer Macht, Weißheit und Tugend, die Krafft des Evangeliums unterdrucke und zerſtoͤhre ꝛc. (in der Vor - red.) So daß ſolche Menſchen mit der Wiedergeburt, Armuth des Geiſtes, Selbſt-Vernichtigung, Leyd-tragen, Hunger und aͤngſtlichem Durſt, Barmhertzigkeit gegen ſeine Widerwaͤrtigen, taͤglicher Ausfegung aller Welt-Luͤſten und Begierden, Demuth und Sanfftmuth, nur ihr Geſpoͤtt treiben, und ihnen die Schmach und Armuth Chriſti aͤrgerlich, die Auferſtehung aber ſeines Reichs und Lebens in der Seelen unglaͤublich vorkommt, als lauter Phan - taſeyen elender Tropffen, die es in der Welt nicht weit bringen koͤn - nen.
Jndeſſen gefallt man ſich und beruhet in ſeinem Thun und Weſen, Frommkeit und Tugend, hat heimlich eine groſſe Luſt daran, lebet ſo in ſeiner Weiß und anſtaͤndiger Gerechtigkeit ohne ferneren Kum - mer hin, biß das Stund-Glaß ausgeloffen, und die Trompeten des Allwiſſenden die Seel in eine andere Welt zur Abrechnung forderet,da11da wuͤrde man offt von Angſt und Jammer hoͤren, wann die Leut nur acht haben wollten, wie die Seel vor GOttes Majeſtaͤt zu er - ſcheinen geſchickt ſey, oder wann die Leut ſich nicht ſchaͤmeten zu ſa - gen wie es ihnen ums Hertz waͤre, und darmit fahret ein jeder an ſei - nen Ort.
§. 11. Aus dieſem allem aber ſieheſt du, daß einer in vielen Tu -Man kan viel Gutes thun und doch noch heydniſch ſeyn. genden einher gehen, gerecht handlen, gegen jedermann guͤtig, freundlich und dienſtlich ſeyn, ſich ums Vatterland verdient machen, vielen Leuten nutz ſeyn, Schand und Laſter meiden, an anderen be - ſtraffen, von ſeinem Gewiſſen innwendig gezuͤchtiget werden; ja von ſeinem erſchroͤcklichen Donner ſo hart erſchroͤcket, und in die Enge getrieben, gantz zahm und geſchmeidig gemacht werden kan eine Zeitlang, (daß man ſich wohl ſchmeichlet, wie harten Buß-Kampf man uͤberſtritten habe) hieneben kan man in ſeinen vermeinten Buß - Wercken auch ſuͤſſe Empfindungen haben, nach ſeinen Kraͤfften und Vermoͤgen Gottsdienſtlich leben, ſehr vieles thun, die Gottheit zu verſoͤhnen und Gunſt zu finden, (ja wohl gar Goͤttliche Traͤume, Geſichter und Offenbahrungen haben) und dannoch bey dem allem in GOttes Augen nicht beſſer ſeyn als ein Heyd; ohne daß es einem im finſteren Heydenthum Gebohrenen und Aufgewachſenen, ertraͤg - licher ergehen wird am Tag des Gerichts als demjenigen, der das Evangelium gehoͤrt, demſelbigen aber nicht gemaͤß gewandlet, noch ſeine Heiligung nach deſſelben Handleitung mit Ernſt zu vollenden getrachtet. Siehe Cocccjum uͤber Jac. 4, 17.
§. 1. Dieſe finſtere Heyden-Schaar, die den Vorhof betretten,Beſchrei - bung der Phariſaͤi - ſchen Chriſten. und ins Erbtheil des HErrn eingebrochen, machet wohl den groͤſten Hauffen, ſo Haͤuſer, Tempel, Gaſſen, Staͤdt und Doͤrffer anfuͤl - let; Allein es iſt da noch ein Art, die ſich rein duncket, wiewohl ſie von ihrem Unflat nicht gewaſchen iſt, die gleichwie jene zum Glauben untuͤchtig, an Sinn und Gewiſſen befleckte Menſchen, die wohl mercken, daß ein Welt-foͤrmig Leben unfehlbar in die Verdammnuß(b 2)fuͤhret,12fuͤhret, dannenhero gedencken ſie ſich von denſelben Wercken zu ſon - dern, fangen ein gar ſcheinbarliche Veraͤnderung ihres Wandels an, meiden der Welt-Kinder Umgang, haben ein Eckel darab, halten ſich zu frommen Leuten, machen ſich bey allen bekannt wo ſie nur koͤnnen, leſen alle gute Buͤcher, ſo ihnen nur anrecommendiert werden, faſſen alle ſchoͤne Reden, ſo ſie leſen und hoͤren, auf, und treiben Kraͤmerey damit in Brieffen und Diſcurſen, und was ſie hoͤ - ren an anderen ruͤhmen, das thun ſie doppelt, geben reichliche Al - moſen, habens auch nicht ungern wanns offenbahr wird, thut ih - nen auch gar wohl, wann ſie vernehmen, welch ein gut Zeugnuß dieſer und jener von ihnen abgelegt; ſehen ſie, wie GOtt durch an - dere wuͤrcket zur Aufweckung und Bekehrung, ſo wollen ſie es auch verſuchen, Seelen zu gewinnen, raffen zuſammen was ihnen nur be - weglich und durchdringend zu ſeyn duncket, bringens an mit ſo groſ - ſem Eifer als immer moͤglich, betten auch wohl GOtt, er ſolls ſeg - nen; ja ſie wollens erzwingen, und meinen, JEſus ſolle ihren guten Willen anſehen, wie gut ſie es mit ihme meinen; indem ſie ja ſein Reich zu erweiteren, und die Welt zur Seeligkeit zu bringen begeh - ren; bringen einen Hauffen Gruͤnd hervor, GOtt darzu zu vermoͤ - gen, und dencken bey ſich ſelbſt; wie wenig ſind deren, die ſich auch um ihres Naͤchſten Heyl bekuͤmmeren; du aber laſſeſt dirs ſo ſaur werden, und moͤchteſt jedermann zum Himmelreich helffen, wann dir nur die Leut folgen wollten; wann es nun nicht krachen will, werden ſie unwillig uͤber GOtt, oder koͤnnen ſich ſonſt nicht darein ſchicken, daß er ſolch Bekehrungs-Wunder durch ſie nicht wuͤrcken wolle, werden auch zornig uͤber ihren armen Naͤchſten, ſchlagen auf ihn zu als einen verſtockten Hoͤllen-Brand, mit Feur-Flammen, Hoͤll, Zorn, Fluch, und mahlen ihm ſeine kuͤnfftige Noth und Qual ſo grauſam vor als ſie koͤnnen; Geſchicht es aber, daß die Leut wei - nen, (welches auch natuͤrlich geſchehen kan, ſonderlich wanns ihnen etwan fremd und neu iſt) ſo haben ſie zimlichen Gefallen und Luſt dar - an, gedenckend, da ſey wieder eine Seel gewonnen, mit deren ſie an jenem Tag prangen koͤnnen; Sind ſie aber durch vieler Ruckfall uͤber - zeuget, daß dergleichen ſinnlichen Bewegungen nicht allemahl zu trau - en, ſo ſchweben ſie in ſtetem Unmuth und Unglauben daher; verſte - he dieſes alles nicht nur von denen, die im Lehrſtand ſind, ſondern von allen vom Geſetz Erweckten, ſo eben nicht im Predig-Amt ſte -hen,13hen, an welchen dann dieſe elendige Bekehrſucht deſto ſtraͤfflicher iſt. Koͤnnen ſie aber das erhalten und behalten, daß ſie im Rodel recht - ſchaffener frommer Chriſten bleiben, vergnuͤgen ſie ſich damit, gleiſ - ſet aber ihre Untugend unter dem angenommenen Mantel der From - keit hervor, ſo betten ſie wohl mit Thraͤnen um Vergebung und Heiligung, greiffen aber die Sach niemahls rechtſchaffen an, er - ſchrecken auch nicht ab dem verwimmerten vermiſchten und verdrack - ten Weſen in ihrem Hertzen, da alles von Neid, geiſtlichem Hof - fart, Heucheley, Haͤrtigkeit, Eigen-Liebe, Menſchen-Forcht und Gefaͤlligkeit und andern unzaͤhlichen Greueln durch einander gefloch - ten iſt, ihr Gebett und Kampf darwider geſchicht nur jucksweiß, wanns gar zu grob hervor kommt, nicht anhaltend und beſtaͤndig, ſie unterdruckens nur, daß es nicht ausbreche und Aergernuß anrich - te, oder ſie einsmahls um alle ihre Reputation und Ehr bringe, daran ſie ſo lang aufgebauet, aber das Ausgraben, Ausrotten kom̃t ſie zu ſauer an; Jndeſſen liebkoſen ſie ſich mit den Fehlern rechtſchaf - fener Chriſten, die ſie in ihrem Umgang an ihnen mercken, und mit Adlers-Augen darauf ſtarren und dencken, habe ich dieſen Gebre - chen, ſo hat ein anderer einen anderen; und weil ſie ſich ſelbſt mehr lieben als GOtt, ſo kommt ihnen auch die Beſtraffung von den Men - ſchen ſchmertzlicher vor, als die allergetreuſte, ſanffte, liebreiche, in - wendige Zuͤchtigung des H. Geiſtes, ſo ein offenbar Zeichen, daß ſie nicht die Herrlichkeit aus GOtt, ſondern aus den Menſchen ſuchen, darum ſie, wie geſagt, zum Glauben untuͤchtig; Dann wann ſie ſich ſchon vornehmen ihr Boͤſes abzuthun, ſo geſchichts meiſt darum, da - mit ſie nicht mehr zu ſchanden werden, ſondern zu ihrem eignen Ver - gnuͤgen als untadenliche, unſtraͤffliche GOttes Kinder vor Menſchen und Englen erſcheinen koͤnnen, und GOtt, der ſolche Argheit ſiehet, laſſet ſie viele Jahr in ihrem Elend raͤblen und zablen.
Sie fuͤhlen zwar ihr innwendig Hertzleyd, waͤren auch gern davon ledig, weil es ihnen ſtets Angſt und Verdammung verurſachet, ſie auch befoͤrchten muͤſſen, ſie werden entweder hier in der Zeit offen - bar, wer ſie ſeyen, oder doch in jener Welt mit ewiger Schmach und Schand; Sie ſehen gar wohl, (ſintemahl GOttes Treu ſo groß iſt gegen uns, daß ers einem jeden bald zeiget, der nur ein we - nig einkehrt in ſein eigen Hertz, und ſeinem guten Geiſt loſen und horchen will) daß es mißlich um ſie ſtehe, und ihr Sach gantz nicht(b 3)rich -14richtig, aber die Seelen-Flecken ſind ſo tieff eingebacken, die Suͤn - den-Wunden ſo gifftig, vermodert und unzaͤhlich, und der gantze Acker des Hertzens mit ſo vielem Gſtruͤpp und Unkraut uͤberwachſen, daß ſie nicht wiſſen wo anfangen?
§. 2. Der gnaͤdige und holdſelige JEſus laßt ſie zwar viel Gu - tes von ſich und ſeiner erworbenen Erloͤſung hoͤren, gibt ihnen auch recht Seel-zerſchmeltzende Freuden-Blicke zu genieſſen, daß ſie ſo froͤlich darab werden, daß ſie dunckt, ſie wollten wohl mit Freuden ſterben, an ihrer Seeligkeit keines wegs zweifflende; ſie werden auch zu Zeiten durch dieſe und jene Verheiſſung der Heil. Schrifft inner - lich ſo ſehr bewegt, daß ſie wohl mit heiſſen Thraͤnen und Seufftzen um deren Erfuͤllung anhalten, auch einige Ruhe daruͤber in ſich em - pfinden, die ihnen erfreulich und erwuͤnſcht iſt.
§. 3. Moͤchteſt du, lieber Leſer, gedencken, ey das ſeyen ja bekehr - te Chriſten, denen es alſo gehet; Ach nein, nein! Dann wiewohlen nicht zu laugnen, daß dieſes nicht Vorbotten ſeyn koͤnnen im ſeeligen Gnaden-Stand, ſintemal gleichwie ein Glaͤubiger wohl einen Vor - ſchmack unterweilen genieſſen kan der ewigen Herrlichkeit, ſo mag auch ein Menſch in ſeinem Natur-Stand bereits etwas zum Vor - ſchein kriegen von der Offenbahrung der Gnad, als zwitzerende Stern - lein vor der Sonnen. Oder wie Joſephs heimliche Geſchenck der vollen Entdeckung ſeines Bruder-Hertzens. Daß aber darauf nicht allemahl zu fuſſen ſeye, lehret Paulus, anzeigende, daß ein Menſch koͤnne die Kraͤfften der kuͤnfftigen Welt ſchmecken ꝛc. und dannoch als ein verfluchter Heuchler endlich von GOTT verſtoſſen und verworf - fen werden, da ihm dann eben ſolche Gnaden-Blicke die Hoͤll uner - traͤglicher und heiſſer machen werden, wann er dieſem ſo freundlich anklopffenden Braͤutigam nicht aufgethan, und ihne nicht mit ſeinem gantzen Creutz aufgenommen haben wird; gewiß wird ſich der weniger verantworten koͤnnen, der die Stimm der allergroͤſten Liebe, der un - ergruͤndlichen Barmhertzigkeit, die Stimm des Lamms, der Gluck - Hennen, die Stimm des verſoͤhnenden Bluts, der allerfruchtbar - ſten Wunden mit Honig-ſuͤſſer Empfindung begleitet, ſich nicht hat ziehen laſſen in alle Verlaͤugnung, Aufopfferung und Nachfolg ſeines ſo lieblich lockenden Seeligmachers, als derjenige, den entweders nur die Stimm des Richters, und der Donner-Schall des Geſetz - gebers, als eines bruͤllenden Loͤwens erſchrecket, oder die Stimmder15der Guͤte, Langmuth und Gedult des Schoͤpffers, Erhalters und Regierers der Welt zur Buß hat leiten ſollen; daß du aber geſtehen muͤſſeſt, daß ſolche wunderbarliche, Hertz-ruͤhrende Bewegungen keine Zeichen zu GOTT umgekehrter Seelen ſeyen, ſo mercke darauf, daß ſie, ſo bald ſolch lieblich anwehender Wind vorbey, ſich ent - weder hernach haͤrter im Hertzen zu ſeyn erfahren, als zuvor, und nach ſo waͤrmendem Sonnen-Schein nach und nach wieder erkalten, und ihre Gedancken nach den Creaturen ausſchweiffen laſſen, auch bey entſtehenden Verſuchungen groͤber fehlen als zuvor, und alſo nur deſto deutlicher ihren zu ſich ſelbſt und der Welt gekehrten Sinn of - fenbaren; Es kan hiemit einer wohl biß an den Himmel erhaben wer - den, die Engliſchen Geſaͤng hoͤren, mit den zehen Kundſchafftern den Augenſchein von Canaan einnehmen, und gleichwohl hernach von ſeinem eigenen Geiſt betrogen und in die unterſte Hoͤll geſtuͤrtzet wer - den; GOtt iſt unendlich gut, und wann jemand nur aus Wunder zu wiſſen begehrt, was doch das verborgene Manna und das geiſtli - che Abendmahl des Sohns GOttes ſey, ein wenig, auch nur etliche Stunden an einander ſich mit ſeinen Begierden dagegen wendet, und GOTT darum erſucht, ſo laßt er ihn unausſprechliche Ding ſchmecken, aber wehe dem der es mißbrauchet.
§. 4. Es kan aber der Menſch, ſo lang er in ſeiner PhariſaͤiſchenAuch ihr Leiden uͤber der Wahrheit gilt nichts. Heucheley ſtecket, unmoͤglich anders als ſolche Himmels-Eroͤffnung mißbrauchen; ruͤhmts anderen an, damit man ja etwas von ihm hal - te, was fuͤr ein begnadeter Guͤnſtling GOttes er ſeyn muͤſſe, (wie hoch aber ſolch Verhalten GOtt mißfalle, und ihme ſelbſt ſchade, koͤnnte er daraus abnehmen, daß, wann er kaum das Maul davon gegen anderen aufthut, es ihm im Augenblick entzogen wird, und verſchwin - det; Ein heiter Zeugniß, daß er wohl weit und fern ſey, von der unausſprechlichen, verherrlichten und vollkommenen Freude, aus dem nimmer verſiegenden Quell-Bruͤnnlein JEſu des GOtt-Men - ſchen, wovon die H. Maͤnner GOttes mit ſo groſſer Gewißheit ge - redt und geſchrieben, und ach! wie gehets, wann ein ſo armer, blin - der Menſch, wegen ſeiner Scheinheiligkeit, von der boͤſen Welt ge - haſſet und verfolget und unterdrucket wird, da nimmet er es gern an, daß ihm alle die herrliche Spruͤche, fuͤr die wahren Creutz-Traͤ - ger JEſu aufgezeichnet, appliciert und beygelegt werden, will er aber nach der aufhupffenden Freud greiffen, die jene erfuͤllet undtruncken16truncken gemacht, ſo findet er nichts als Anklagen, Huͤlſch und Spreuer der Worten ohne Goͤttliche Krafft und Leben, weiß aber ſelbſt ſchier nicht wo es fehlt, alldieweil ihne dunckt, er leide ja um Chriſti und der Wahrheit willen, worinn ihne auch anderer Lob - Spruͤche ſteiffen, und gleichwohl bekommt er weder Blaͤtter noch Fruͤchte vom Baum des Lebens, der im Paradieß GOttes ſtehet; Er horchet wohl, ob der Heil. Geiſt nicht applaudiren und ja darzu ſagen wolle, aber da iſt weder Stimm noch Antwort; und wann ihme ſchon der werthe, langmuͤthige Geiſt JEſu in ſein innwendiges hinein ſtrahlen und das abſcheuliche Suͤnden-Geniſt und Geheimniß der Gottloſigkeit zeigen will, ſo wird er ſo unruhig in ſeinem Gemuͤth, daß er nicht umkehren und ſtill ſeyn kan, ſondern ſo bald ihn eine Angſt ankommt, ergreiffet und erwuͤtſcht er etwan ein troͤſtlich Buch oder bettet, nur damit er der Bangigkeit bald loß werde, und ſeine vorige falſche Ruhe wieder finde, ja er ſchirmet ſich wider die treue gute Lehr des H. Geiſtes, mit ſeinen ſtarcken Einbildungen, er mei - ne es gleichwohl aufrichtig, haſſe das Boͤſe, liebe das Welt-We - ſen nicht, ſondern fliehe die eitele Geſellſchafften, liebe die Frommen, ſey gern um ſie herum, werde von ihnen hinwieder geliebet, er bette gern, rede immer von erbaulichen geiſtlichen Sachen, treibe und er - mahne andere zur Buß, nicht nur wie etwan die Pfarrer auf der Cantzel es wohl thun muͤſſen, weil ſie Beſoldung dafuͤr haben, ſon - dern wo er nur Gelegenheit habe, das ſey ſeine Freud ꝛc. Ob dann diß alles nicht gelten ſollte, ſagt er, wo man dann wohl klaren Be - weißthum des Antheils an Chriſti Reich und Gerechtigkeit herholen koͤnnte? Es muͤſſen je die ſchmertzliche Beaͤngſtigungen nothwendig Anfechtungen vom Teufel ſeyn, der ſeinen Glauben ſuche auszureiſſen. Er gibt ſich zwar vor einen Suͤnder dar, will aber nicht ſo gar uͤber - all Unrecht haben, ein Heuchler, Unglaubiger, Gottloſer, Phari - ſaͤer heiſſen und ſich mit ſeinem Wahn-Glauben und daraus flieſſen - den fleiſchlichen Gerechtigkeit und gifftigen Heiligkeit zur Hoͤll ver - weiſen und verdammen laſſen ꝛc.
§. 5. Uber ſolche iſt der liebe ſeelige Lutherus in dieſem ſeinem Buch ſehr zornig, und wirfft mit lauter Donner-Strahlen um ſich, ob er ſolche falſche Frommkeit umſchlagen und zerſchmettern koͤnne; der - gleichen Leute aber, oder vielmehr dich ſelbſt, ſo du noch ein ſolcher biſt, muſt du verſtehen an denen Orten, da er mit Moͤnch, Pfaf -fen,17fen, Orden, Secten, Reglen, Menſchen, Heiligkeit und dem gan -Pfaff, Nonne ꝛc. tzen Kram der eigenen Gerechtigkeit zu thun hat; Da muſt du nicht dencken; O behuͤt mich mein GOtt! daß ich kein Papiſt, Moͤnch, Pfaff, Nonne, Einſidler oder Cartheuſer werd, das ſind wohl boͤ - ſe, unſelige Leut ꝛc. ſondern mache deine Rechnung vielmehr alſo: Juſt ich bin ſo ein Papiſt, vertraut jener ſeine Seel dem Pabſt, und nimmet Ablaß von ihm, ſo laſſe ich mich ſegnen, abſolvieren, das Himmelreich zuſprechen von meinem Pfarrer, den ich auch mei - nen Seelſorger nenne: bettet er die Hoſtien an, ſo mache ich auch ei - nen Abgott aus dem Sacrament und baue meine Seeligkeit darauf, verrichten jene Wallfahrten, ich bin zu faul dazu, ſo weit meines Heyls wegen zu wallen, und ſollte ich einen lebendigen Propheten und Heiligen in einem Land wiſſen, vergnuͤge mich mit der Wahl - fart in die Kirchen und wieder nach Hauß. Haben jene Bilder, ich mache mir auch Vernunffts-Bilder aus Schrifften und Buchſta - ben von der H. Dreyeinigkeit, Chriſto und allen Geheimniſſen, oh - ne dero Krafft, Weſen und lebendige Wuͤrckung in mir zu beſitzen, ohne was ich ſonſt ſamt meinen Religions-Genoſſen mit Babylon ge - mein habe, nemlich: 1. Unerkanntniß GOttes und Blindheit; 2. Aberglaube. 3. Silberne, guͤldene, porcellinene Goͤtzen. Jer. 50, 35. 4. Sicherheit und Stoltz. Eſa. 47, 8. 10. 5. Vertrauen auf eigene Gerechtigkeit. 6. Geitz und Gewinnſucht. Jerem. 51, 13. 7. Koſtbarkeit und Luſtſucht. Jeſ. 47, 1. 8. Zauberwerck. Jeſ. 47, 9-13. Jer. 50, 36. 9. Huriſch, unkeuſch, uͤbermuͤthig Leben. Jer. 50, 38. 10. Confuſion, wie iſt alles in der Confuſion und Verwir - rung? 11. Unheilbarkeit. 12. Weißheit und Kunſt. 13. Feind - ſeeligkeit und Geringachtung der Kindern Zion. 14. Sonderlich aber Menſchen-Name und Authoritaͤt ohne Erfahrung und Erleuch - tung des Heiligen Geiſtes ꝛc. Jch bin ſo ein Moͤnch, ein unreiner ſchaͤndlicher Zweiffler, ein Glaub - und Gnaden-loſer Werckler, ein Laͤſterer der erſchienenen Gnade, ein Feind der lebendigen und ewig lebendig-machenden Gnad und Wahrheit; hier kan ich meinen Sen - tentz leſen, und erkennen, daß ich eine abſcheuliche Krotte, und daß meine glaͤntzende fleiſchliche Gerechtigkeiten, die ich fuͤr ſchoͤne Edel - ſteine und Perlen anſehe, nichts als haͤßliche, gelbe, blaue, weiſſe, gruͤne Krotten-Flecken ſeyn; Die geiſtliche Reden, ſo ich gefuͤhret,(c)ſind18ſind nicht Cryſtall-lauteres ſtets flieſſendes Strom-Waſſer aus der unſichtbaren, unerſchoͤpflichen, tieff-verborgenen und unter GOttes reineſtem Thron hochliegenden Brunnquell, ſondern nur ein gifftig, in meinem Krotten-Gehirn, durch hoͤren, leſen, ſpeculiren geſamm - letes und zum Maul heraus gelaſſenes Geſpey.
Dißmahlen genug von denen zweyen Orden, wider welche diß Buch als eine gewaltige Carthaunen gerichtet ſtehet, nemlich Hey - den und Heuchler. Folget nun zu reden von denen, zu deren Gun - ſten es gemacht iſt und das ſind wieder zwey Orden; Erſtlich unter das Geſetz eingeſpannete, und dann durch den Glauben frey gemach - te; Mit den erſten gehet es zu wie folget:
§. 1. Wann der Menſch vom Heuchel-Geiſt lange genug irr gefuͤh - ret worden, und beſorget, es werde endlich einen uͤblen Ausgang ge - winnen, da bittet er aͤngſtiglich, GOTT ſolle ihn doch pruͤffen, zu recht bringen nach ſeiner unendlichen Erbarmung, er ſey ſo verhuͤr - ſchet und verwickelt in der Einoͤde ſeines unfruchtbaren und falſchen Scheins, daß er keinen Ausgang nirgend wiſſe ꝛc. Nun derjenige, GOtt der Liebe, der geſchwohren hat, er begehre nicht den Tod des Suͤnders, ſondern daß er ſich bekehre und lebe, der verzeucht nicht lang, ſondern greifft ſein Geſchoͤpf an, der Suͤnder aber, der ſich gar nichts auf GOttes Wege verſtehet, wehret ſich anfangs, weil er nicht weißt, daß es GOTT iſt, der ſein klaͤglich Gebett erhoͤret habe, ſondern meynet, es ſey etwas anders, wohl gar ein Geſpenſt, aber GOTT, deſſen Gedult ſehr groß, und ſeine Langmuth unend - lich iſt, laſſet ſich des armen Suͤnders Unverſtand nicht abwendig machen, ſondern macht die Sach in ſeiner brennenden Liebe ſo ſcharff und uͤberzeugend, daß die Seel daruͤber fallen muß, GOtt ſey da im Geiſt, woruͤber ſie dann von Hertzen erſchrickt, ſtille wird und zuhoͤret, was der Allmaͤchtige mit ihr habe, da werden ihr dann ihreSuͤn -19Suͤnden als eine Schlacht-Ordnung vor Augen geſtellt, ins Licht ſei - nes H. Angeſichts, und wird ihr vorgehalten, wie ſie GOttes Bund in Mund genommen, geſchwaͤtzt und geheuchlet, ſeines Geiſtes Zucht aber gehaſſet und zuruck geworffen habe, viel leere Wort ausgeſtreut, wenig aber, ja gar nichts in wahrer That, Werck und goͤttlichem Leben bewieſen, zu GOtt nahen wollen, ohne Heiligung, und ver - meinet, GOtt ſey gleich wie ſie, das Chriſtenthum fuͤhren wollen ohne Uberſchlagung der Koͤſten, auch niemahlen rechtſchaffen in Chri - ſti gehorſame Nachfolge und Evangeliſches Leben zu tretten geſucht, die himmliſche Lehr JEſu ſeines Sohns, wie es ſeyn muͤſſe, mit Gedancken, Worten und Wercken zu erfuͤllen; GOtt zeigt ihr als wie mit erſchuͤtterendem Donner und mit innerſtem durchpfeilendem Blitzen, wie ſie ihre ſo vielmahls gethane Geluͤbde und gemachte Vorſaͤtze ſo meyneydig gebrochen, ſtets wider ihr eigen Gebett und ſchoͤne Wort gehandlet, im Eigenwillen dahin gezaudert, andere zur Hochzeit des Lamms genoͤthiget, zur Heyls-Quelle eingeladen, und ſelbſt nicht die Hindernuſſen der Suͤnden uͤberſtreiten wollen, dahin zu kommen, anderen die Suͤßigkeit und Leutſeligkeit JEſu an - geruͤhmet und ſelbſt nicht genoſſen, viel von anderen geforderet und ſelbſt gar wenig gehalten, und wie er ſo in allem ſeinem Thun nicht GOttes Reich und Ehr, ſondern ſeinen eigenen Nutzen, Ruhm und Vergnuͤgen geſucht, auch dem Naͤchſten die Seeligkeit nicht redlich gegoͤnnet, ſondern uͤber deſſen hoͤhere, herrlichere Gaben neidiſch worden, und denſelben nur gern immer unter ſich gehalten, auf eine gantz teufliſche Art, ihne auch verlaͤumdet, verkleineret, heimlich affterredet aus verdecktem Groll ꝛc. ja wie ſie GOttes Herrlichkeit und aller ſeiner Creaturen Vermoͤgen nur gerne zu ihrer eigenen Er - hoͤhung und Großmachung angewendet haͤtte, eben wie Satanas ꝛc. Summa, wie es ein jeder in ſeiner Verdorbenheit mag getrieben ha - ben, das wird ihme hier keines wegs verſchwiegen; GOttes heiliger Geiſt ſchmeichelt niemand, da verwelckets wie ein Blum, deren Blaͤtter abgewehet worden.
§. 2. Hier ſtehet der Menſch am Rand der Hoͤllen, und haltetNeu und Veꝛzagen, ſich vor den Allergottloſeſten, glaubt auch, alle Menſchen koͤnnen leichter zu Gnaden kommen, als er, ſiehet ſich als in einem tieffen(c 2)Abgrund20Abgrund verſuncken, alle Menſchen aber die noch leben, als wie im Sonnenſchein wandlen, weil ihnen die Gnaden-Thuͤr noch offen ſtehe, er habe es verſaumet, und werde am juͤngſten Gericht allen Heiligen, ſonderlich die ihne gekannt, und viel auf ihne gehalten, zum Fingerzeig und ſtinckenden Scheuſal werden, uͤber den ſie aus - fahren werden, ſagende: Jſt das der, den wir etwan fuͤr einen eif - rigen Bekenner und bekehrten Mit-Chriſten hielten? Wie iſt er nun gerechnet unter die Kinder des Teufels, und ſein Erb iſt unter den Heuchlern und Verdammten! O wie theur und auserwaͤhlt iſt ihme da JEſus und ſeine Gemeinſchafft, aber da denckt er, was waͤre der Verluſt von zehen tauſend Welten und aller ihrer Herrlichkeit, Schoͤnheit und Guͤtern, gegen dem was du hie verſchertzet; O mich elendeſten Narren! JEſum, deſſen heiligen Namen ich ſo offt im Munde gefuͤhrt, und ſo vieles von ihme gehoͤrt, geleſen und geredet, deſſen lebendige Einwohnung und innere Erkanntnuß habe ich ver - wahrloſet durch meine Hinlaͤßigkeit, und den Schatten fuͤr das We - ſen, Heuchelſchein an ſtatt des lebendigen Chriſti ergriffen; Ach! wer will mir den Schaden erſetzen? Wehe mir in Ewigkeit! Hier glaͤntzet der geringſte Chriſt heller in ſeinen Augen als tauſend Son - nen, ja ſchoͤner als Cherubim und Seraphim, wie brennen ihn da die liebloſe Nachreden uͤber ſie, da gedenckt er, wie er ſich werde ſchaͤmen und zittern muͤſſen vor ihrer ſchnee-weiſſen Majeſtaͤt, da ih - nen dann alle ſeine Tuͤcke und Falſchheit bekannt ſeyn, und gleichſam an ſeiner Stirn geleſen werden.
§. 3. Hier wendet ſich der Menſch allenthalben hin, und verſteck - te ſich gern vor GOttes Heiligkeit, nicht nur unter Felſen und Ber - gen, ſondern gar in den tieffſten Abgrund der Hoͤllen vor Scham und Zittern, wann er nur koͤnnte, aber da iſt kein Ort noch Staͤtte, weder auf Erden, noch in der Hoͤllen, dahin er ſich verkriechen und aus GOttes Augen wegſchleichen koͤnnte. Da gedenckt er wieder an den, ſo in die Welt kommen, die Suͤnder ſeelig zu machen, und haltet dafuͤr, es waͤre das ſicherſte, wann er zu denen entlauffen und ent - rinnen koͤnnte; Ach! ſpricht er bey ſich ſelbſt, waͤre der Mann, ſo JESUS heiſſet, noch auf Erden anzutreffen, ich wollte (ſo es nicht anders ſeyn koͤnnte) eher auf Nadel-Spitzen zu ihm hinkriechen,und21und ihne ſelbſt fragen, er ſolle mir doch gnaͤdiglich antworten, und doch ſagen; Ob es gar nicht mehr zu machen waͤre, daß ein Menſch, der ſich ſo und ſo fein zum ſchandlichſten gehalten, wie er alles wiſſe, noch koͤnnte Vergebung erlangen, und mit dem erzuͤrnten und ſo greulich beleydigten GOTT verſoͤhnet werden, da ſiehet er die ge - meinſten Spruͤch des heiligen Geiſtes, und was zuvor ſeinem hoffaͤr - tigen Phariſaͤiſchen Sinn viel zu niedrig, gemein und verachtet vor - kame, weit mit andern Augen an.
§. 4. Und da wird man erſt rechten Schmack finden in LutheriLutheri und der - gleichen Schriften ſind da ſchmack - hafft. Schrifften, dann die meiſte Urſach, warum ſie ſo lang unter dem Banck gelegen, und von Studierenden ſo gering geſchaͤtzt werden, iſt, weil ſich gar grund-wenig bearbeiten um die Erhaltung ihrer Seelen, und hiemit nicht hungeren nach kraͤfftiger Speiß, ſon - dern nur nach Gelehrtheit zierlicher Worten, die ſie eben darinn nicht finden, wie ſie gern wollen, und anſehenlicher Wiſſenſchafft ſchnappen, und Schau-Eſſen ſuchen; Weit anderſt urtheilet von der Sach, ein erleuchteter und im Kampf mit Suͤnd und Satan wohl geuͤbter, Welt-beruͤhmter Lehrer in Engelland; welcher die - ſe Auslegung Martini Lutheri uͤber die Epiſtel an die Galater, uͤber alle Buͤcher (nach der H. Schrifft) ſetzet, weilen es ſo herr - lich und bequem ſey fuͤr ein verwundetes Gewiſſen.
§. 5. Wie ſeelig und herrlich kommen ihm da die Seelen vor,Man darffs ſichs aber nicht zu - eignen, biß man JEſum am Creutz erblickt. die ſich ſolche gute Worte zueignen koͤnnen; Er ergriff und erwuͤtſch - te auch wohl gern etwas, ſich zu erhalten, er probierts bald mit die - ſem, bald mit jenem Spruch, ob er etwan hafften und einige Troſt - Troͤpflein der Hoffnung einflieſſen laſſen wolle, aber wo er ſich her - bey machen will, da findet er alles vor ihm verſperret, er fraget nach, ob es ſich mit ſo einem ſchweren, boßhafftigen Suͤnder erge - ben moͤchte, ſeelig zu werden; Er meinet wohl, die Leute ſehen es ihm an, daß er verdammt ſey, aber ſie moͤgen es ihm nur ſonſt nicht ſagen, weil ſie ihm doch nicht daraus helffen koͤnnen, und auch kein zulaͤnglich Mittel fuͤr ihne wiſſen. An GOTT darff er nicht ſinnen, dann der iſt ihm ein verzehrend Feuer, mit dem Bet - ten iſts alſo aus und aus; JESUM zwar ſucht er an allen Orten,(c 3)aber22aber ſeine Herrlichkeit, die er nicht geſcheuet, iſt ihm unertraͤglich, ſein heiliges Leben, dem er gantz zuwider gehandlet, macht ihm Feur - heiß, ſeine holdſelige Lehr, deren er nicht gefolget, beſchaͤmet und verdammt ihn; da gehet er JEſu nach, biß er ihn am Creutz han - gend erblickt, allwo er ihn auch nach ſeines Hertzens Wunſch findet, wie er ihn am liebſten haͤtte, da bleibet er unter dem Creutz ſtehen, beſchauet ihn wohl, und da fangets ihm an leichter zu werden ums Hertz, die ſchwartze Wolcken verziehen ſich, die Hoͤllen-Angſt laßt nach, und die Seel erlanget Muth und Luſt mit Chriſto zu reden, und diß iſt das Senff-Koͤrnlein des Glaubens, welches die hoͤchſten Berge der Suͤnden-Schuld in das unergruͤndliche Gnaden-Meer des Verdienſtes JESU hinein wirfft. Woraus im Vorbeygang zu ſehen iſt, daß der Glaube, oder ein gut zuverſichtlich Hertz zu CHRJSTO, ſchon in den erſten Anfaͤngen der Buß, das Beſte thun muß, und alſo der Anfang, Fortgang und End der Seeligkeit iſt.
§. 6. Hier iſt das vergoſſene Blut des Oſter-Lamms der See - len angeſprengt, wordurch ſie zwar vom Schwerdt des Wuͤrg-En - gels befreyet, und von der Forcht ewiger Verdammnuß erlediget, auch Recht und Freyheit erlanget, ſich auf die Reiß nach dem Land des Reichs GOttes zu begeben, allwo Ruhe, Freud und Friede im heiligen Geiſt regieret, da der Geiſt unter dem himmliſchen Feigenbaum und Weinſtock ſitzet, und ſeiner Fruͤchten nicht in fal - ſchen Traum-Bildern, ſondern in Gewißheit, Krafft und Erfah - rung taͤglich genieſſet, von welchem Glaubens-Reich und Leben Lu - therus hier zeuget; Aber da hat ſie den nachjagenden Pharao, das roth Meer, eine heulende Wuͤſte durchzuwandern, ehe ſie dahin kommt, in welchem allem aber der Glaube an GOttes Treu, Guͤ - te, Wahrheit, Barmhertzigkeit und Weißheit das Hertz ſtaͤr - cken muß.
§. 7. Ach! da waͤre es gut, daß ein jeder mit dem empfangenen Gnaden-Talent wucherte, aber da finden ſich viel, die gar uͤbel hauſen, und kaum in viertzig Jahren erreichen, was ſie in ſo viel Wochen erlanget haͤtten, wann ihr Geiſt treulich an GOTT ge -halten23halten haͤtte; Hieher gehoͤren alle die bittere Klaͤgten in den Pſal -oͤffters ſchlecht. men und Propheten, ſo der Lieb-volle GOTT uͤber ſein unge - ſchlachtes Jſrael fuͤhret; ſiehe Pſalm 81. Wie viel koͤſtlichen Saa - mens, wohl gemeinter Goͤttlicher Raͤthen wird da verzitteret und verſchwendt? Viel wird von Voͤglen unnuͤtzer, eiteler Gedancken aufge - freſſen, vieles verdorret in der Hitz der Anfechtungen, wegen des ſteinigen Eigenſinns, da man in ſich ſelbſt wandlet, und GOTT nicht folgen will; wie vieles wird von Dornen der irrdiſchen Sorgen und ungetoͤdteten Luͤſten erſtickt?
§. 8. Man muß ſagen, daß hier erſt unzaͤhliche Unarten des menſch -Es regen ſich man - cherley neue Un - arten und Gebre - chen. lichen Hertzens hervor kommen, da iſt Unzufriedenheit mit GOttes Fuͤhrungen, Murren, Ungedult, Untreu in den Proben, da hat das leichtſinnige Hertz kein Bleiben an der Hand JEſu, weichet im - mer wieder mit ſeinen Gedancken und Begierden von ihme ab in die Creatur, es mag nicht warten oder auf GOTT harren und ſtarren, vergnuͤgt ſich mit einem geringen Schein von der Morgenroͤthe, oh - ne in ſich zu erfahren, den Aufgang der Sonnen der Gerechtigkeit, welches ein ſehr groß Gut iſt; Laſſet ſich mit wenig Troͤpflein ab - ſpeiſen, wo ſie ſich nicht gar aufs rauben legen, wie muͤßige Land - ſtreicher zu thun pflegen, die nicht recht an die Arbeit moͤgen, noch in dem inneren Weinberg ihres Hertzens ſchwitzen, die Stoͤck der eingewurtzelten Gebrechen ausgraben, mit vielem Wachen, Flehen und Gewalt anthun, worinn ſich Luther tapffer angegriffen, und eben dadurch zu groſſem Hunger nach dem Fleiſch und Blut Chriſti und Vergebung der Suͤnden gereitzet worden, weßwegen er auch nicht gnug klagen konnte, uͤber das Libertiniſche Leben der Reformir - ten, die ſich nur die Gnad und Verſoͤhnung eintrucken, des Kampfs aber mit der Suͤnd und Welt vergeſſen wollten, dann er mit ſeiner Glaubens-Lehr nicht des Fleiſches Creutzigung aufheben, ſondern den eitelen Wahn des Verdienſts benehmen wollte) dieſe Arbeit wird ihnen zu ſaur, moͤgen nicht lang dabey ausharren, gehen lieber zu anderen fruchtbaren Weingaͤrten, getreuen, aus GOTT gebohre - nen, und mit beſtem Gewuͤrtz und Paradieſiſchen Gnaden-Gewaͤch - ſen angefuͤllten Seelen, ob ſie ſelbigen etwas abſtehlen koͤnnen, durch ihre Verſtellung, ſind eine kleine Weil luſtig in einem fremden Lichtund24und bey fremden Fruͤchten, biß ſie ſelbe verzehret, und wieder friſch holen muͤſſen, ſo daß ſie fuͤr ſich ſelbſt immer arm und elend bleiben, und kein ausdaurend Gnaden-Oel nicht haben, und das zwar aus lauter Traͤgheit, weil man nicht bettlen mag, und im Gebett uner - muͤdet anhalten will, viel weniger tieff graben, alle unheilige, irr - diſche, und dann alle eigene gut-ſcheinende Gedancken immer aus - werffen, biß man zu der Quelle des Lebens und Heyls kommt, ſo in GOTT dem Vatter und ſeinem Sohn iſt; Jſt der Welt-Geiſt hinter uns her, und ſtuͤrmet auf uns zu, ſo iſt da eitel Verzagen; Muß man GOttes augenſcheinliche Huͤlff gleich als mit Haͤnden greiffen, ſo iſt man wohl auf und ſingt etwan einen geiſtlichen Lob - Geſang. Wird aber einem bitteres eingeſchenckt, ſo iſt die vorige Guͤte JESU und aller Danck vergeſſen. Werden der Seelen ru - hige und liebliche Erquickungen mit getheilt, als ein Lab-Trunck deſto muthiger den Berg Zion hinauf zu ſteigen, und in Chriſti ſtaͤte Gemein - ſchafft einzudringen, ſo will man nur Panquet halten, und bey den Waſſer-Bruͤnnen und Palmen-Baͤumen niederſitzen, ja wann das wuͤnſchen und ſtotzen, reiſen und wandlen waͤre, ſo waͤre mancher ſchon weiter als er iſt, zu allen Pruͤffungen und Laͤuterungen iſt man gantz ungeſchickt, und ob man ſchon den Schaden ſiehet ſeines Unge - horſams und Widerſetzlichkeit, und ſich ſteiff vorſetzt, es zunaͤchſt beſſer zu machen, ſo man wieder auf die Prob ſollte geſetzt werden, ſo iſts immer das alte, wo nicht aͤrger, und indeme ſie an das ge - dencken, was ihnen GOTT als im Wirbel-Wind vorgehalten, nehmen ſie das Evangelium vor ſich, ihr Leben darnach anzuſtellen, ſagende mit Jſrael: Alles was der HERR geredt hat, das wol - len wir thun; Aber es gerathet ſchlecht, hat wenig Beſtand, und kommt allzeit etwas Hindernuß darzwiſchen, daß ihr Vorhaben un - terbrochen wird, die Luͤſte nach Egypten regen ſich offt mit Macht; die Siege uͤber die Feind ſind rar, und haben keinen groſſen Nach - druck, ja offt gibt mans gar auf, die verheiſſene und erworbene herrliche Guͤter des Gnaden-Reichs zu erkaͤmpffen, weil es einen unmoͤglich zu ſeyn dunckt, ſo immer vor, mit und in GOTT zu leben, und ſeinen Wandel im Himmel zu haben, in Goͤttlicher Be - ſchaulichkeit, weil man nicht recht dran will, und GOTT nicht ſo viel zutraut. Die rohe, grobe Welt verachtet das lieblicheLand25Land, und haltet alles fuͤr Phantaſeyen; dieſe aber glauben denen, die es geſehen und eingenommen, und weil auch etwas davon im Vorgeſchmack genoſſen, koͤnnen ſie nicht daran zweifflen, meinen aber, das ſey ein allzu hoher Staffel, ſo nicht alle Chriſten in die - ſem Leben erreichen, bleiben alſo aus Unglauben zuruck, und gehen nicht ein in dieſe Ruhe, es ſey dann, daß ſie erwachen aus ihrem Schlummer und nuͤchtern werden von ihren bezauberenden Einbil - dungen, auch wohl betrachten, daß das Manna des Worts nur gegeben ſey, ſie zu JEſu ſelbſt zu fuͤhren, das Leben ewig aus ihme zu nehmen, und eine Evangeliſche Verheiſſung nach der anderen an ſich wahrhafftig erfuͤllen zu laſſen.
§. 9. Man muß ſagen, daß Jſrael nicht ſo elendig in der WuͤſtenSolche ſind wie das wi - derſpenſti - ge Jſrael. herum geirret, bald vor ſich bald hinter ſich, und ſo lang zwiſchen Canaan und Egypten geſchwebet, als viel in dieſen Zeiten zwiſchen GOTT und der Welt, Chriſto und dem Eigen-Wuͤrcken, der Gnad und der Suͤnd, der Vernunfft und dem Licht des Heiligen Geiſtes behangen, wie viele ſind noch thoͤrichte Jungfrauen, die ſich mit dem Oel des wahren Glaubens verſehen zu haben vermei - nen, und endlich, wann das boͤſe Stuͤndlein kommt, in grauſame Noth gerathen werden.
§. 10. Wer aber die erſchienene heilwaͤrtige Gnad GOttes nichtRecht - ſchaffene Seelen aber laſſen ſich er - muntern und fe - gen. vergeblich empfangen haben will, der wendet ſich gantz zu JESU CHRJSTO, ſchertzet nicht mit Goͤttlichen Wundern, ſondern laſſet der Goͤttlichen Gnad ihren voͤlligen Lauff, kehrt ein in ſein Hertz, und merckt wohl, was ihm ſein Erloͤſer anrathe, damit er ſeines Elends eheſt loß, und der Goͤttlichen Natur theilhafftig werd; Wo aber ſolch ein rechtſchaffener Ernſt erwachet, daß es heißt; was zaudere ich ſo lang, mein Hertz, Seel und Geiſt GOtt voͤllig zu uͤbergeben; auf! auf! die Waͤchter ruffen laut; wer hin - ein will, der lauffe, bleibe nicht dahinten, Hebr. 4. Das Klei - nod die Seeligkeit, einer aus dem Glauben an den Sohn GOT - TES lebenden Seel iſt unendlich, es wuͤrde dich ewig gereuen, wo du nicht Leib und Leben daran ſtreckteſt; das Himmelreich will mit gewaltigem Lieben und Sehnen eroberet ſeyn, dein GOTT(d)wird26wird dir ſeine ſchoͤne, unvergleichliche Perle nicht wohlfeiler und in ringerem Preiß hingeben, als anderen; er wird dich aber auch nicht haͤrter halten als andere, dann bey ihm iſt kein Anſehen der Perſon, die Menſchen zu beſeligen iſt ſeine hoͤchſte Freud und Luſt auſſer ſich, du biſt ja auch ein Menſch, ey ſo goͤnne dann deinem ſo freundlichen GOTT das Vergnuͤgen, daß er auch mit und in dir ſein allerheiligſtes liebes Wunder-Spiel haben koͤnne, bleibe an dieſer Sonnen, damit offenbar werd, was fuͤr herrliche Fruͤchte ſie hervor bringen koͤnne in den Seelen ꝛc.
Ach da laßt man ſich ſcharff zuͤchtigen und aufs lauterſte fegen, da gehets dem Fleiſch ſchmertzlich uͤbel, dann da macht der Heil. Geiſt die Wort GOttes brennend und feurig, und wird dem Menſchen eine harte Lection nach der anderen vorgeſchrieben und gegeben, und kurtzum Gehorſam geforderet, kein weltliche Begierd kan da durch - ſchleuffen, alles das Liebſte wird angegriffen, auch biß aufs Hemd ausgezogen, wenigſtens der Luſt und Begierde nach, ſo daß, was dir ehemals wie die Haut an der Seel anklebte, als Ehr, Wol - luſt, Menſchen-Gunſt, Gelt, ꝛc. das muß dir da zum Hemd wer - den, daß du es eben ſo leicht koͤnneſt laſſen fahren, als man einen Handſchuh abzeucht. Hingegen Gottesforcht, Liebe und Gehor - ſam, ſo du vorhin um eines ſchlechten Profits willen konnteſt dahin - ten laſſen, muß dir wie die Haut anwachſen, welches nicht wohl ohne brennende Schmertzen zugehen mag, wie wann man einen le - bendig ſchindet, daß die alte Haut zum Hemd, und das Hemd zur Haut werden muß ꝛc. Und wann der Menſch ſchon hierinn oder darinn folget, und denckt GOTT ſolle mit ihm zufrieden ſeyn, und nichts weiters von ihm begehren, ſo gibts immer haͤrtere Auf - gaben, die aber meiſt dahin zihlen, daß der Menſch in das arme, niedrige, ſelbſt - und Welt-verſchmaͤhende und ſterbende Leben ſei - nes Heylands gezogen wird, und da gilt kein Ausred noch Ent - ſchuldigung, dann zieheſt du hier zuruck, ſo ziehet GOTT auch zu - ruck, und halteſt ſein Werck und deine eigene Seeligmachung nur auf, wageſt du es aber mit Luſt und Freuden, ſo biſt du deſto eher hindurch in das luſtige Land der Freyheit des Sohns GOTTES; Lerneſt du munter, und ſagſt eine vorgeſchriebene Lection nach deranderen27anderen fein ordenlich deinem Lehrmeiſter JESU auf, ſo erfreueſt du ihn, und reitzeſt ſeine Liebe, dir immer mehr Geheimnuſſen zu offenbahren, biſt ihm auch vor dem Vatter dem ewigen Koͤnig, der allein Unſterblichkeit hat, eine Ehr, und kommſt deſto geſchwin - der unter der Ruthen weg, und wirſt von Monat zu Monat pro - moviert und befuͤrderet, da andere viel Jahr lang die Alten bleiben.
§. 11. Es wirds auch der freudige HERR ſeiner Seits an kei -Dieſe kommen bald zum rechten Weſen und Ver - einigung mit Chri - ſto. nem Fleiß, Treu, Jnſpection und Aufſicht ermanglen laſſen, bey allen Kaͤmpffen, Verlaͤugnungen, Abſterbungen, innwendig ſein Antlitz immer und immer freundlicher leuchten laſſen, dich muthig zu machen, fein hurtig fortzuſchreitten, biß du unter ſeiner Anfuͤh - rung gelernet alle weltliche Begierd zu verachten, das zeitliche Le - ben nicht mehr zu lieben, und alſo das ſuͤndlich, natuͤrlich und ei - gen Leben ihm zu uͤberlaſſen, Gerechtigkeit und alle Billigkeit gegen jedermann zu beobachten, und dem Naͤchſten zu thun, wie du wollteſt, daß man dir thaͤte, die Creaturen nicht mehr in irrdi - ſcher Luſt zu mißbrauchen zu einigem Uberfluß, auch nicht mehr zu thun, was dich gut dunckt in eigenem Geiſt, ſondern dich von eige - nen Gedancken, Worten und Wercken zu huͤten, und nur GOTT in dir wuͤrcken, walten und regieren laſſen, und ſo warten auf die ſeelige Hoffnung und Erſcheinung des groſſen GOTTES und Heylands JESU CHRJSTJ in deiner Seel, da der Tag des Neuen Teſtaments anbricht, der Morgen-Stern aufgehet, und das Kind JESUS im finſtern Stall gebohren wird, und die Feinde hinaus ſchmeiſſet, und die Seel in ſein Freu - den-Reich hinein bringt, da kommt nun der Glaub in ſeine Zeiti - gung und Frucht, der ehemals im Hertzens-Acker geſaͤet, und un - ter dem Winter des geſetzlichen Jochs unter allen Stuͤrmen erhal - ten und aufgewachſen, und zeigt ſich, wie er in der Schrifft be - ſchrieben wird. Wie hell und klar wird da alles, da fuͤhlet ſie wahrlich Engliſche, ja Goͤttliche Freyheit, und die ausgegoſſene Liebe GOTTES im heiligen Geiſt, ſo alle Forcht austreibt, daß ſie wie eine Lerch im reinen Lufft vor Wohlmuth ſchwebet und ſinget, da theilet Chriſti Fried ſeine Kleynodien aus, und erſchei -(d 2)net28net innwendig denen, die ſeine Gebott bewahret haben, aus Lie - bes-Begierd den Koͤnig Zions bey ſich zu haben, das iſt der ſchoͤ - ne Tag, welchen zu ſehen Abraham vor Freuden aufgeſprungen, hier gehen die Wort der Propheten und Apoſteln in ihre Erfuͤllung, ſonderbar die guldene Wort Pauli: Jch lebe, aber nicht mehr ich, ſondern CHRJSTUS lebt in mir. Nun iſt einmahl ins Hertz kommen, daſelbſt zu bleiben und zu regieren ewiglich, der ſo lang erwartete groſſe GOTT und Seeligmacher JESUS CHRJ - STUS, der ſich ſelbſt fuͤr uns gegeben hat, auf daß er uns erloͤ - ſete von aller Ungerechtigkeit, und ihm ſelbſt heiligte ein eigenthum - lich Volck, eiferig in guten Wercken; da iſt〈…〉〈…〉 Jehovah ein Richter, denen, die ohne Geſetz ſind, und von Heydniſchen Af - fecten getrieben werden, ein Geſetz-Geber, und continuirlicher Zurecht-Weiſer denen, die unter dem Geſetz ſeufftzen, nunmehr ein glorieuſer Koͤnig der Chriſten worden, die er durch den Glauben ſchmuͤcket, erfuͤllet und neu machet.
§. 12. Ach! wer ſollte nicht alles wegſchmeiſſen, nur dieſes bald zu erfahren? wem ſollte nicht der ſtinckende magere Glaub der un - goͤttlichen Heuchler recht ecklen? Hier iſt Jſrael in ſeine Ruh ein - gangen, in das gelobte Canaan, und weißt, daß es drinn iſt, kennet und ſiehet ſeinen Joſua, der es hinein gebracht, da iſt ein herrlicher Sieg nach dem anderen, der Himmel ſtreitet ſelbſt fuͤr ſie, und erfahret der Glaub, daß er alles Vermoͤgen durch den, der ihn geſchaffen hat, nemlich, CHRJSTUM, gegen welchen er alles fuͤr Koth achtet. Und wie koͤnnte es anders ſeyn, als daß ein Menſch, in deſſen Hertz der Heilige Geiſt durchs Evangelium den Glauben gewuͤrcket, nicht ſollte an Muth, Sinn und allen Kraͤfften verwandlet werden; Ach! wer unwanckelbar glauben kan, daß der Ewige, Majeſtaͤtiſche GOTT ſeinen Sohn fuͤr ihne, in Fluch, Tod und Hoͤlle hingegeben, daß JESUS, ein ſo uner - meſſene Perſon aus lauter freyer, ewiger Liebe an ſeine Stell ge - tretten, ſeine Suͤnde getragen, und ihne vom ewigen Galgen er - loͤßt, und da er ſchon auf der Leiter ſtund, perſoͤhnlich mit dem Pardon-Brief in ſeiner Hand, und Gnad und Leben in ſeinemMund29Mund ihme nachgeeilet, an ſtatt wohl-verdienter hoͤlliſcher Pein ewige Freud erworben, an ſtatt der Suͤnd, Gerechtigkeit geſchen - cket, aus der Hoͤll ins Paradieß, und von den Teufeln unter die Heilige Engel gefuͤhret, und das durch die allertieffſte Erniedrigung, unausſprechliche Marter und ſchmaͤhlichſte Hinrichtung ſein ſelbſt, und ihne deſſen zu verſicheren, ſeinen eigenen Heiligen Geiſt uͤber ihn ausgegoſſen; Ach ſollte ein ſolcher laͤnger der Suͤnd, Welt und ſich ſelbſt leben koͤnnen? Vielmehr iſt gewiß, daß alle Fehler aus Mangel des Glaubens herkommen.
§. 13. Eines Chriſten ſeeligſter Streit und Sieg iſt, in CHRJ -Die Ge - meinſchaft JEſu ſi - cheret und ſtaͤrcket. STO bleiben, wie ein Kind in der Mutter Schooß, ein Soldat in der Veſtung; Mit verliebter Seel JESUM anſchauen, hei - let und wehret den Schlangen-Biſſen; wann die Jſraeliten ſich aus ihren Felß-Loͤchern heraus begaben, wurden ſie von den Phi - liſtern erſchlagen. Das Kind wird geraufft, verfuͤhrt und hunge - rig auf der Gaſſen, macht wuͤſte Kleider ꝛc. So die Seel, wann ſie von JESU ſich entfernet, ſo ertappet ſie Satan auf ſeinem Grund und Boden, und thut ihr zu leyd, was er kan; Wo iſt den Armen beſſer als bey den mildthaͤtigen Reichen, den Krancken, als bey dem Artzt, dem Schaaf, als auf den Schultern ſeines Hirten; Ohne ſolch glaubig Jnnen-Bleiben bey JESU, iſt alles Sorghaben vergebens und umſonſt; Zum Exempel, daß man doch nicht mehr hoͤhn oder zornig werde, unnuͤtze Wort rede und hoͤre, und ſo ſich zerſtreue, und hernach genug zu thun habe der eitelen Gedancken loß zu werden, nicht mehr der Luſt nachhaͤnge im Eſſen ꝛc. den Menſchen zu gefallen rede, ſchweige ꝛc. Alle dieſe und andere Strauchlungen kommen her aus dem Mangel der ſteten U - bung des Glaubens oder Aufſchauens, und liebreichen Andenckens, an den ſtets gegenwaͤrtig, uns ſtets zuſchauenden, und uns unend - lich liebenden, fuͤr uns gecreutzigten Jmmanuel; und hingegen wuͤrden alle Gnaden aus CHRJSTJ Wunden durch den Glau - ben eingeſogen; als zum Exempel: Gelaſſenheit in allen geiſtli - chen und leiblichen Schickungen, Vergnuͤgung an GOTTES Vergnuͤgung und Austheilung ſeiner Gaben, unintereßirte Liebe zu CHRJSTO, ſeinen Gliedern und allen Menſchen, voͤllige(d 3)Uber -30Ubergab in Zeit und Ewigkeit, zu thun, zu wollen, zu lieben und zu leiden, nur was GOTT will, und ſich das gefallen laſſen, was ihm gefaͤllt, und ſich darob freuen, was und wie es ihn freuet, ꝛc. Solche Gottreiche Gnaden flieſſen natuͤrlich, ungezwungen und ungeheuchlet aus dem lauteren Glauben; dann wann mir GOTT ſich ſelbſt ewige Gerechtigkeit und einen Himmel voll Seeligkeit in und mit CHRJSTO meinem Erloͤſer umſonſt geſchencket hat, ſamt ewiger Herrlichkeit und Freud, kan ich nicht daran ewig genug haben, was ſoll ich weiter begehren, als daß mein unendlicher Gut - thaͤter von mir und allen den Seinigen ewig Lob, Freud, Gehor - ſam, Liebe, taͤglich und momentlich einerndte? ja was will ſich der um Werck bekuͤmmeren, der CHRJSTJ Werck in ihm zu eigen hat, deſſen Hertz ein weiter Himmel worden, darinnen nichts, nichts erſcheinet, herrſchet, lebet und leuchtet, als CHRJSTUS, kein Geſetz, kein Werck;
§. 14. Seelig hiemit! wer ſo als ein Schaͤfflein im einfaͤltigſten, kindlichſten Glauben dem himmliſchen Jacob folget, der ſanffte trei - bet, und die Bloͤden nicht uͤbereilet; Seine Gnade wuͤrcket und gebieret ſtets etwas Gutes und Wahres in denen gelaſſenen Hertzen, aber langmuͤthiglich und ſaͤnfftiglich: Werden wir unter und mit der Gnade reiſen, ſo werden wir noch wohl zum Ziel kommen; Wollen wir aber eilen und treiben im Unglauben, ſo werden wir unterwegs zerbrechen; Das menſchliche Hertz trachtet immer nach hohen Dingen, es bildet ſich in alle Bilder, und luͤſteret nach al - lem, was es an anderen ſiehet, nicht aus Liebe zu GOTT, ſondern aus geiſtlichem Stoltz; Mercket aber nicht, daß wer alſo in die Hoͤhe faͤhret, nur immer miſerabler und elender dabey wird; das Reich GOTTES iſt eine wunderſame Braut, die ſich nur in dieAr -31Armen der demuͤthigen Seelen ergibet; Koͤnnen wir doch ohne GOTTES Gnaden-Zug und Tritt nicht avancieren und fortru - cken, muͤſſen wir alſo im Glauben, Gedult und Sanfftmuth ler - nen, und der Gnad nicht vorlauffen, ſondern dem Glauben, der geſagt hat; Jch will dich nicht verlaſſen noch verſaumen, er iſt ge - treu genug, diß ſein Wort auch an uns zu halten, und uns nicht zu negligieren noch dahinten zu laſſen, ſondern zum Ziel zu brin - gen zu rechter Zeit; Thue ein jeder was er kan, nach ſeinem Gnaden-Pfund, und erkenne alle ſeine Maͤngel und Gebrechen gantz einfaͤltiglich vor ſeinem JESU, und befehle ſich ſeiner theuren Gna - de an, zu fernerem Wachsthum: GOTT wird immer mehr Le - ben und Gnade geben, doch nicht allezeit wie wirs wollen, ſondern ſo wie er will; Gehet der geiſtliche Stoltz und Eigen-Wille nicht unter, ſo kan keine wahre innerliche Heiligkeit ſeyn, auch kein inner - licher Friede, ſondern Verzehrung ſeiner ſelbſt in eigenem Bemuͤ - hen ohne GOTTES Gnad; der lautere, kindliche Glaube laſ - ſet und goͤnnet gar gern einem jeden den Vorzug, den GOTT ihm giebet; hat ein anderer was eminentes und fuͤrtreffliches, ſo dancket er GOTT darfuͤr, als waͤre es ſein eigenes; ſintemahl er uns ja auch zum Glied machet am Leibe CHRJSTJ; Es ſtelle nur ein jedweder Glaubiger ſein Hertz dar dem getreuen GOTT, daß er ihn ferners heilige, reinige und demuͤthige, daß er ſeinem GOTT gefalle, wann er ſchon fuͤr nichts ſonderliches paßiert und giltet in der Menſchen Augen, wann er nur wachſet im Glauben, Hoffnung, Liebe, und den acht Seeligkeiten, und das in aller Stil - le ohne was ſinnliches zu verlangen.
§. 15. Der lieb Luther lehret dich hier, daß auf Erden haupt -Nach Lu - theri An - leitung einherge - hen und dulden und Liebe uͤben ꝛc. ſaͤchlich das Leben des Glaubens und Leydens ſey, noch nicht aber des Schauens und erwuͤnſchten Genieſſens, CHRJSTO im Glauben ankleben, mitten unter denen Schwachheiten des Flei - ſches, und es im Glauben, Gedult, und Bruder-Liebe beweiſen, ſey hauptſaͤchlich GOTTES Wille, hier auf dieſem Kampf-Platz: Es iſt wohl zu faſſen, daß die Erquickungen der Gnad (wornach zu ſchnappen der Lauterkeit des Glaubens zuwider laufft) undwas32was ſie fuͤr erwuͤntſcht und ſuͤſſe Wuͤrckungen etwan hat, nicht ei - gentlich GOTTES Gebott ſeyen, ſondern vielmehr Belohnungen, und freywillige Gaben.
Laſſet uns nur fortfahren im anklebenden Glaubens-Gebett an CHRJSTUM, und an die Barmhertzigkeit des Vatters; ſo wird GOTT nicht unterlaſſen, unſere Hertzen durch den Glauben zu reinigen, und alle noͤthige Demuͤthigungen, Creutzigungen und Toͤdtungen der alten Natur in uns zu verrichten; Sonderlich laſ - ſet uns im Glauben an die Gnad, und in Erkanntnuß unſers Elends den Naͤchſten hertzlich lieben, dann diß iſt der aller angenehmeſte Dienſt, der uns zur wahren vor GOTT guͤltigen Vollkommen - heit bringet. 2 Petr. 1, 7. Matth. 5, 48. wie es der luſtige, in CHRJSTO hoch-erfreute Luther ſchoͤn ausdrucket; dem Naͤchſten thun, wie dir dein GOTT gethan hat, ꝛc. Worbey er die eigennuͤtzige Werck verwirfft, und niemahl keine vor wahre Fruͤch - te des Chriſtlichen Glaubens haltet, als die, ſo dem Naͤchſten zu nutz und frommen geſchehen.
§. 16. Bey dieſem allem aber iſt noͤthig, den Rathſchluß GOt - tes in Chriſto zu erkennen, und anzubetten; dann in ſolchem iſt eines jeden Auserwaͤhlten eigene Glaubens - und Gnaden-Maß be - ſtimmet und verordnet, auch die Maß aller Erquickungen beſchei - den, ja wie viel gute Werck ihme zu verrichten ſollen gegeben wer - den, diß alles iſt in GOttes heiligem Rathſchluß vorher erkannt. Rom. 12, 3. Epheſ. 2, 10. Krafft ſolches allweiſen Rathſchluſ - ſes in CHRJSTO theilet GOTT ſeine Gnaden-Gaben, Kraͤfften und Erquickungen mannigfaltig aus, und fuͤhrt ein jeglich Glied wie er will, mit unendlicher Verſcheidenheit, das Haupt - Gut aber CHRJSTUS fuͤr uns und in uns im Glauben, und die Verheiſſung des ewigen Lebens iſt allen gemein. Rom. 12, 4. 5. 6. Die Wurtzel iſt einig, nemlich CHRJSTUS durch den Glauben und Liebe in uns, aber dieſe einige Wurtzel bringet doch tauſenderley Arten von Baͤumen und Fruͤchten hervor, die einten groͤſſer, reicher und bluͤhender als die anderen, doch iſt allen genug gegeben, und alles nach GOTTES Wohlgefallen, und hat ſichnie -33niemand was zu ruͤhmen, auch niemand Urſach zu murren und zu klagen, dieſe alſo in denen Vorhoͤfen des HERRN mannigfal - tig-bluͤhende Baͤum werden alle zur Ehr GOTTES und des Lamms, ins himmliſche Paradieß verſetzet werden, da dann GOtt an einem jeden nach ſeiner Art und Grad wird ein Wohlgefallen haben, auch daruͤber wird gelobt werden; O unendliche Mannig - faltigkeit der Wegen GOTTES verknuͤpffet mit lieblichſter Ei - nigkeit.
§. 17. Uber diß hat man ſich bey der Begierd CHRJSTJ Ge -Scrupu - loſitaͤt uͤber Klei - nigkeiten meiden. meinſchafft zu haben, zu huͤtten vor Scrupuloſitaͤt, da man nem - lich das Leben CHRJSTJ bey allen Kleinigkeiten (als diß und jenes anzuruͤhren, zu eſſen und zu trincken, und aus - oder einzuge - hen) empfindlich ſpuͤhren will, oder wohl gar beſondere Erleuch - tung und Offenbahrung uͤber jede kleine Sach begehrt, wie ſich offt fromme Leut damit ſehr quaͤlen; dann ſolch Werck nicht mannlich, ſondern gantz kindiſch iſt; Uns ſoll genug ſeyn im aͤuſſeren Leben, den Glauben an CHRJSTUM JESUM zu behalten, und in der Liebe zu wandlen. Was ich lebe im Fleiſch, das lebe ich im Glauben des Sohns GOTTES, Galat. 2. Glauben und Liebe koͤnnen wir wohl unverruckt behalten, andere Ding aber und ſon - derbare Arten der Gemeinſchafft mit GOTT ſind nicht beſtaͤndig noch unverruckt in dieſem Leben zu haben, welches wohl zu mer - cken.
§. 18. Damit wir aber deſto ungehinderter fortwachſen in derHeyls - Hinder - nuͤſſen mercken und flie - hen. Gnad CHRJSTJ, ſo laſſet uns denen Urſachen nachforſchen, die uns hierinn oͤffters Schaden thun und hinderen, deren ſind fuͤr - nemlich drey.
(1.) So man nicht fleißig acht hat auf die Gnad, wie ſie uns leiten und treiben will, ſo iſt das ſehr nachtheilig im Goͤtt - lichen Wachsthum; O darum laſſet uns dem Geiſt der Gnaden zuwillen werden, wie er uns haben will, ꝛc.
(e)(2.) So34(2.) So man ſich ſchaͤmet andere zum Gebett mit ſich einzula - den, welches ein grober Fehler iſt, und wegen unterlauffenen Miß - brauchs, oder vielmehr dem herrſchenden, ſchandbaren Unglauben zu lieb; da man denckt, o es muͤſſen andere Leut ſeyn als du, die erhoͤrlich betten wollen, du biſt deß nicht wuͤrdig ꝛc. Oder aus ſchalckhaffter Traͤgheit, da man denckt: Ja, ſo ich fuͤr an - dere eiferig bette, ſo muß ich dann auch eiferig leben, und das genirte mich, O du Schlange! dir zu folg ſollte ja ein ſo noͤthig Ding nicht (CHRJSTJ und der Apoſtel Gebott und Ubung zuwider) unterlaſſen werden, ſonderlich wann der Geiſt zermal - met iſt, und nach Gnad demuͤthiglich ſehnet; Einſamkeit hat zwar auch ihren Segen, dieſes aber uͤberaus; Kan mans nicht thun mit jedermann, ſo leſe man ſich Gebetts-Freunde ſonderlich aus, mit denſelbigen ſich zu uͤben, im Bitten und Fuͤrbitten, fuͤr uns und fuͤr alle. „ Hier muß ich des theuren Manns „ Wort beyſetzen; da er an einem Ort alſo ſchreibet: O „ wollt GOTT! daß irgend ein Hauffen funden wuͤrd, der mit „ Ernſt und Glauben bettete zu GOTT, wie unmaͤßlich „ Tugend und Huͤlff ſollte aus dem Gebett folgen, was moͤcht „ ſchroͤcklichers allen boͤſen Geiſtern begegnen, was moͤch - „ ten fuͤr groͤſſere Werck auf Erden geſchehen, dardurch „ ſo viel Fromme erhalten, ſo viel Suͤnder bekehrt wuͤr - „ den, ꝛc. Und wiederum: Wo der Teufel gewahr wuͤrde, daß wir diß Gebett wollten uͤben, wann es gleich waͤre unter einem Stroh-Dach oder Sau-Stall, wuͤrde er es fuͤrwahr nicht laſſen gehen, ſondern ſich weit mehr vor demſelben Saͤu - Stall foͤrchten, dann vor allen hohen, groſſen, ſchoͤnen Kir - chen, Thuͤrnen und Glocken ꝛc. die irgend ſeyn moͤ - gen.
(3.) So man ſich in ſeiner Jmagination ein Bild und Form bildet, nach welchem man gebildet ſeyn will, oder ſich ſelbſt gar darein erzwingen und geſtalten will; und jetzt dieſen, jetzt einen anderen Heiligen affectieren und abcopieren will, dann ſolches ge -het35het nicht an, und bringet lauter Unruhe dem armen Gemuͤth; Das beſte iſt, alles der Goͤttlichen Gnad und Weißheit lediglich uͤberlaſſen, was fuͤr Gaben, Gnaden, Kraͤfften, und ſonderbare Eigenſchafften ſie uns mittheilen ſolle, und uns alſo ihrer Formie - rung gantz Bild-loß uͤberlaſſen; Doch bleibet die Haupt-Sum - ma in einem jeden Glauben und Liebe, oder CHRJSTUS in uns, und das unablaͤßige Gebett muß dannoch von ſtatten gehen, daß wir wachſen:
§. 19. Jch ſchlieſſe dieſe lange Vorred mit den kraͤfftigen Wor -Beſchluß. ten eines lieben Freunds JESU, welcher, nachdem er den zu Stadt und Land alles in Unbußfertigkeit aufhaltenden, und in die Verdammnuß wegſchwemmenden, fleiſchlichen Schein-Glauben, denen ſo ſchandlich ſich betriegenden Chriſten auszureden getrach - tet, mit dieſen beweglichen Worten endet: Hier pruͤffe und erfor - ſche dich nun wohl, ob auch du nur ſolche Buß und Glauben in dir findeſt, wie das rohe Fleiſch hat; Haſt du nur einen ſolchen Glau - ben, ſolche Buß, ſolch Chriſtenthum, ach ſo trage Leyd, trage Leyd, heule und weine uͤber dein Elend, und ſchreye Tag und Nacht ſo lang zu JESU, biß GOTT den Glauben in dir wuͤr - cket, und du alſo zerſchlagen und muͤd wirſt, daß du dich pur lauter ergiebſt an die Gnad GOTTES, und anfangeſt glauben an den, der da kommen iſt, die Suͤnder ſeelig zu machen, de - ren du der groͤſte biſt; Alſo kommeſt du zum wahren, ſeeligma - chenden Glauben und Liebe GOTTES, und der daraus folgen - den wahren Reu, daß du aus Liebe zu dem verſoͤhnten GOTT und getreuen Heyland gern alles meideſt und laſſeſt, was ihme zuwider iſt, es ſey groſſes oder kleines; Siehe dann nur zu, daß du in dieſem Glauben fortgeheſt, aus dem Glauben in den Glauben, Rom. 1. oder von Krafft zu Krafft, und daß du in dieſer angefangenen, neuen Evangeliſchen Buß fortfahreſt, taͤg - lich und immer mehr und mehr nach der Vollkommenheit ſtrebeſt, nach Pauli Vermahnung, Hebr. 6, 1. damit, wo du etwan ſtill ſtehen und ſicher werden wollteſt, dein Letzteres nicht aͤrger werde als das Erſte, wie ſo vielen widerfahret! Wache ſtets und bette. Der HERR JESUS CHRJSTUS aber leite dich(e 2)ſelbſten36ſelbſten in ſeine Wahrheit, durch ſeinen Geiſt, deſſen ſtaͤtiger Leitung, wie auch Segen und Gedeyen in Leſung dieſes Buchs ich dich hiemit uͤberlaſſe.
§. 1.
DJeſe Predigt iſt aus Befelch Einer GnaͤdigenAnlaß zu dieſer Pre - digt. Hohen Obrigkeit den 28. Hornung Anno 1721. abgelegt worden. Deren Text mir nach Ge - wohnheit durchs Loos zugefallen, welcher aber wegen ſeines unerſchoͤpfflich-reichen Verſtands, nur ein wenig hat koͤnnen beruͤhret werden, daher auch in dem Vortrag ſelbs vieles, ſonderlich in der Erklaͤrung, theils ausgelaſſen, theils kurtz zuſammen gezogen worden.
§. 2. Der Leſer mag ſich wohl mit einem Stuck davonAnerbie - ten mit hertzlichem Wunſchan die Leſere. auf einmal vernuͤgen laſſen. Kan etwas darinn von je - mand nicht wohl gefaßt und verſtanden werden, ſo iſt man allezeit bereit eine fernere Erlaͤuterung, und ſanfftmuͤthige Verantwortung, in der Gnade GOttes jedermaͤnniglich mitzutheilen; nichts mehrers wuͤnſchende, als daß in un - zehlichen Menſchen ein rechter Hertzens-Ernſt und Trieb des Geiſtes auffgehen moͤchte, zu erfahren, was JEſus, der liebe JEſus, ſey und vermoͤge, auch, was unendlich Gutes uns in Jhm von GOTT beſcheeret ſeye! Ach ja, daß doch ein mehrers und bruͤnſtigeres Verlangen uͤberall entſtuͤhnde, den Gnaden-Brunnen JESU CHriſti und die Heyls-Quell der ewigen Liebe des Vatters fleiſſig zu beſuchen, ſo ſolten wir bald beſſere Zeiten erleben, die ſtrengen Gerichte GOttes ausbleiben, ja in lauter Wohl - thun verwandelt, und Jeruſalem gefertiget werden zum Lob auf Erden. Wird es dein Heil. Geiſt gefallen, dieſe Predigt zum alleinigen Preiß GOttes zu ſegnen, und ein und andern zu groͤſſerm Eyfer in ſeinem ChriſtenthumA 2anzu -4Wunder-Geheimnuß desanzutreiben, und zu erwecken, ſo wird Jhm meine Seele, an dem Tage, da alles Verborgene offenbar wird, wie fuͤr alle an - dere, alſo auch fuͤr dieſe Frucht ſeiner unbegreifflichen Erbar - mung gegen mich dancken und loben ewiglich. Gehab dich wohl mein theurgeliebter Leſer! GOTT ſegne dich aus Zion, daß du ſeheſt, und nach Hertzens-Luſt genieſſeſt die Guͤter JESU deines Seligmachers in ſeinem Reich, Amen.
Seuffzer.
Jm Nahmen JESU. Text.
Johann 6. v. 65.
WJrcker euere Seeligkeit mit Forcht und Zit - tern / dann GOTT iſts / der in euch wir - cket beyde das Wollen / und das Vollbrin - gen / nach ſeinem Wohlgefallen. a.Philipp. II. 12. 13.Jſt ein rechter Wunder-Spruch und groß Geheimnuß der GOttſeligkeit, die eintzige Grund-Regul des thaͤ - tigen Chriſtenthums, aller Heiligen im Alten undNeuen5Evangelii JESU. Neuen Teſtament, daß GOtt alles Gute wircken, und wir hiemit unſere Hertzen GOtt darbieten ſollen / wie ein Laͤim, daß er uns ver - arbeite, bilde, und geſtalte zu Gefaͤſſen ſeiner Barmhertzigkeit; un - ſere Seele Jhm uͤbergeben, wie einen kalten Zundel, daß er die Fun - cken ſeiner Liebe darein ſchlage, und ſelbs alles Boͤſe in uns uͤberwinde.
§. 2. Die Vermahnung, ſo Paulus daraus zeucht, iſt: Wircket eue -Was es heiſſe ſeine Seligkeit wircken. re Seligkeit: Jſt eben eine Redensart, deren ſich JEſus gebraucht bey dem Evangeliſten Johanne, ſprechende: Wircket nicht die Speiß / die da vergehet / ſondern die da bleibet ins ewige Leben;a.Joh. VI. 27. Will ſagen: Verachtet nicht die angebottene Seligkeit, ver - langet hefftig darnach, raumet alles aus dem Weg, was euch daran hinderlich iſt, wendet allen Fleiß und Ernſt an, dieſelbe zu erlangen.
§. 3. Die Wegweiſung, wie diß geſchehen ſolle, iſt: Mit ForchtWie dieſes wircken ge - ſchehen muͤſſe. und Zittern: Das iſt: 1. Mit einer heiligen Wachtbarkeit, wegen unſern Feinden: 2. Mit einem Mißtrauen an uns ſelbs, und Ver - laͤugnung alles eigenen Vermoͤgens: 3. Mit glaͤubiger Zuflucht zu GOtt im Gebaͤtt: 4. Mit heiliger Sorgfalt und fleiſſigem Gebrauch der Mitteln des Heils.
§. 4. Dieſe goͤttliche Grund-Wahrheit hat Paulus in der Schul ſeinesWird zum Text uͤber - gebracht. himmliſchen Lehrmeiſters gelehrnet, und an ſich ſelbſt erfahren, welches nun auch eben dasjenige iſt, was JEſus lehret; Sintemal, Selig - keit wircken / nichts anders iſt, als, zu JEſu kommen. Mit Forcht und Zitteren erklaͤrt die Worte; es kan Niemand. GOtt iſts / der in euch wircket: iſt eben ſo viel, als: Es ſeye ihm dann vom Vatter gegeben. Welche Wort wir jetzt zu ver - handeln geſinnet ſeynd.
§. 5. Ach! daß dieſes goͤttliche Liebe-Meer uͤberlauffen, und beſtaͤndigWunſch. in uns einflieſſen moͤchte zum ewigen Leben! daß doch dieſe lebendig - machende Heils-Krafft des Vatters in vielen geoffenbahret wurde! O daß wir nicht muͤde wurden, im Kommen zu JEſu! nirgends ſtille ſtuhnden, biß wir in JEſu Gnaden-Reich angelanget, in ihme recht - ſchaffen gelehrnet bleiben, und alſo nimmer durch Betrug der Suͤn - den, von Jhm abirreten: Amen.
§. 6. [Als JEſus ein herꝛlich Wunderwerck gethan, indeme ErVerknuͤpf - fung der vorherge - mit wenigen Brodten viel tauſend Seelen geſpeiſet, und dardurch einen hellklaͤntzenden Straal ſeiner Goͤttlichen Herꝛlichkeit, durch die dunckeleA 3Wolcken6Wunder-Geheimnuß deshenden Worten mit dem Text.Wolcken ſeiner menſchlichen Natur, hinſcheinen laſſen, da wurden die Juden bewegt, Jhme mit noch groͤſſerm Gedraͤng nachzulauffen: Wei - len aber JEſus, der demuͤthige Heyland, auf dieſer Erden keinen fleiſchlichen, noch weltlichen Anhang ſuchte, ſondern in die Welt kom - men war, daß er den Nahmen ſeines Vatters verklaͤrete, und die Menſchen zu GOtt fuͤhrete; ſo eroͤffnete Er ihnen das Teſtament des Vatters, mit dieſen Worten, daß Jhn der Vatter / als das wahre Manna und Brod des Lebens / vom Himmel ge - ſandt / daß Er der Welt das Leben gebe / und daß keiner verlohren werde von denen / die Jhm der Vatter gegeben. a.Joh. VI. 33. 34.Beyneben zeigte Er ihnen in allen Treuen, welches diejenigen ſeyen, die ſolches ſuͤſſen Himmelbrodts ſollten zu genieſſen haben, nemlich die, ſo zu Jhme kommen. Allein dieſen neuen Moſt der himmliſchen Lehr, konnten die alten fleiſchlichen Hertzen der Juden nicht faſſen, theils weilen ſie auch, an ihrem Verſtand verfinſtert / und entfrem - det waren von dem Leben / das aus GOtt iſt / von we - gen der Unwiſſenheit / die in ihnen war / durch die Verhaͤr - tung ihres Hertzens;b.Eph. IV. 18. theils, weil ſie dergleichen von ihren or - dinari Lehrern, die dieſen Schluͤſſel der Erkanntnuß verborgen hatten, niemal nichts gehoͤret hatten: darum murreten ſie: und davon mahnet ſie der freundlich - und friedliebende JESUS ab: Murret nicht unter einander. c.Joh. VI. 43.Eben wie auch Paulus, der obangezogener Vermahnung beyfuͤget: Thut alles ohne Murren und Gezaͤnck. Die Meynung JEſu, und ſeines Apoſtels gehet dahin: Sie ſollten nicht lang zancken, ſondern eilend zum Thun ſchreiten, ſo bald ge - horchen, und dieſen einigen Weg zur Seligkeit fein hurtig antretten, welchen Weg JEſus den Juden in verſchiedenen Redens-Arten an - zeiget, als: Von GOtt gelehrt ſeyn: Vom Vatter hoͤren / und lehrnen: Chriſto übergeben werden: und hier im Text: Es ſeye ihm dann vom Vatter gegeben.]
§. 1. Allhier haben wir drey Stuck zu betrachten:
I. Das tieffe Verderben der Menſchen.
II. Die Huͤlffe in GOTT.
III. JEſus Treue / uns ſolches anzuzeigen.
Was7Evangelii JESU.§. 2. Was den erſten Puncten betrifft, ſo haben wir vier StuckEinthei - lung des 1. Puncten. dabey zu betrachten.
1. Welcher der Mann ſey, der Vermoͤgen genug habe, uns aus allem unſerem Ubel und Jammer auszuhelffen, auch alles gute deſſen wir beduͤrfftig ſeynd zu ſchencken; Der iſt JESUS / welches Er eben damit anzeiget, indem Er uns klar genug zu erkennen gibt, wir ſollen vollends zu Jhm kommen, als zu dem vollkommenen Seligmacher. 2. Welches das einige Mittel ſeye, Theil zu haben an der Seligkeit GOttes: Es iſt der Glaub ausgetrucket in der Redens-Art zu Jhm kommen. 3. Das gaͤntzliche Unvermoͤgen zu JEſu zu nahen ohne den Gnaden-Zug und Ruff GOttes des Vatters, welches deutlich erhaͤllet aus den Worten kan nicht. 4. Daß alle Menſchen ohne Ausnahm Narren und Weiſe, Reiche und Arme, Gelehrte und Layen, Burgerlich-Sittſame und Laſterhaffte, einer wie der andere in dieſem Elend ſtecken, maſſen JEſus ſagt, Niemand.
§. 3. Das tieffe Verderben der Menſchen iſt groß, und wird gar graͤß -Nicht zu JESU kommen iſt das groͤſte Elend. lich vorgeſtellet in dem dritten Cap. an die Roͤmer, folgender maſſen: Da iſt nicht der gerecht ſey / auch nicht einer; da iſt nicht der verſtaͤndig ſey, da iſt nicht der nach GOtt frage. a.Rom. III. 10.Allein dieſes iſt noch bey weitem nicht das groͤſte Ungluͤck; ſondern dieſes: daß man nicht zu JEſu kommt; woruͤber der GOtt Jſrael ſo ernſtlich klaget: Den gantzen Tag hab ich meine Haͤn - de ausgeſtrecket zu dem Volck / das ihme nichts ſagen laͤßt / und widerſpricht. b.Eſai. LXV. 2.Der tieffſte Pfuͤht des menſchlichen Elends ſte - het eigentlich und hauptſaͤchlich nicht darinn, daß die Seele blind, kranck, arm, ſuͤndig und der ewigen Pein ſchuldig ſeye, ſondern da - rinn, daß ein JEſus iſt, und ihne niemand brauchet; ein Gnaden - Bruͤnnlein, und darinn ſich niemand waͤſchet, niemand darnach mit einem heiſſen Durſt duͤrſtet, niemand mit unzehlichen Begierden, als ſo vielen Schritten herbeyſpringet und trincket; daß ein Erloͤſer iſt, und man lieber ein Sclav bleibt; ein Abendmahl, dabey goͤttliche, koͤnig - liche Speiſen, Engel-Brodt, Manna auffgetragen werden, und man mehr Luſt hat in den Trebern der Eitelkeit und Wolluſt; mehr Luſt am Dornſtrauch, als am Weinſtock; mehr Luſt am Welt - Geiſt, als am Geiſt JEſu.
§. 4. JEſus iſt ein Prophet, eine Sonne; weil aber die Seele ihreUrſachen deſſen.klare8Wunder-Geheimnuß desklare Augen verlohren, und aus einem Adler eine Nachteule, und aus einer Daube eine Fledermauß, ja ſtockblind worden, indeme ſie ihre finſtere Gedancken, Vorurtheil, falſche Außlegungen der Schrifft und alte hergeholte Erklaͤrungen liebet, in der hochmuͤthig und auffgebla - ſenen Meynung, die Sache gar wohl zu verſtehen; ſo kommt der Menſch nicht zum Licht, ſondern flattert ſo in der Finſternuß hin und her, ja erfreuet ſich in derſelbigen wacker herum zu fliegen, weilen ſie ſei - nem Fleiſches-Sinn gar guͤnſtig und eintraͤglich iſt, und kan den hellen Sonnen-Glantz, der einigen, ewigen, goͤttlichen Wahrheit, als etwas, ſeiner Finſternuß-liebenden Natur unertraͤgliches, nicht lei - den; darum verſchantzet er ſich in ſeiner Hartnaͤckigkeit, und will JE - ſum und alle ſeine Apoſtel meiſtern, und zur Schule fuͤhren, die muͤſ - ſen ihm das geſprochen haben, was ihn gut duncket, und zwar in der Meynung, Sinn und Geiſt, wie ers mit ſeiner krancken, finſtern und von den hellen Strahlen des himmliſchen Lichts Chriſti noch nicht durchbrochener Vernunfft, gefaſſet, JEſum den Propheten hoͤret er nicht gern, aus Beyſorg, er moͤchte ihne Sachen lehren, die ihme entweder unangenehm und unanſtaͤndig waͤren zu uͤben: oder, die ſich zum heutigen Welt-Lauff gar nicht reimten, maſſen ſeine Welt - Freud, Ehr, Luſt dadurch ſehr gekraͤncket, alle Adamiſche Suͤſſigkeit vergallet, und ihme wenig Guts fuͤr das kuͤnfftige Leben vorgeſagt werden moͤchte; darum vernimmet er die Sach nur halb, und laßt es zu einem Ohr ein - und zum andern wieder ausgehen; Gleichwie man einem Fuͤr - ſten, dem man nicht trauet, bloß den Durchzug durch die Stadt er - laubt, von einem Thor biß zum andern; ſo trauet der arme Menſch JEſu, dem Fuͤrſten des Lebens, der in ſeinem Hertzen einkehren wol - te, gar nicht. Er grauet und es wird ihm wind und wehe, wann er von der Einkehr JEſu etwas hoͤren muß; doch weil er hoͤret, daß etwas an JEſu gelegen, und er es ihne moͤchte entgelten laſſen, laſſet er Jhn zwar ein, aber wenn er nur nicht lang bleibet, und nicht zu nahe trit - tet, damit er ja bey Leibe nicht von dem lieben JEſu ſo unvermuh - tet eingenommen werde, und daher kehrt er niemahls recht in die Stil - le, daß er die innere Seelen-Geſtalt im Licht JEſu beſchaue, und er ſo von Jhme, als der Gnaden-Sonnen, wie die ſtillen Waſſer von der lieblichen Sonnen, erwaͤrmet wurde: ſondern rauſchet ſo, wie ein wildes Waſſer dahin, und entgehet der waͤrmenden Sonnen JEſu.
§. 5. Er gehet zur Kirche, dieſem und jenem Prediger zu lieb, auchzum9Evangelii JESU. zum Prediger ſelbſt, aber niemal zu JEſu, weilen jenes leich ter, und dem alten Adam nicht ſo eine Laſt iſt; dann ein ſauber Kleid, gute, geſunde Fuͤß tragen den Leib ſchon hin; Und wann es dem Prediger eben nicht recht Ernſt iſt, in den Fußſtapffen JEſu zu wandeln, ſo iſt es der boͤſen Natur nicht verdrießlich anzuhoͤren; dann der Menſchen Schalckheit findet bald eine Ausflucht, und braucht des Lehrers Verhalten zu einem Commentario und Er - klaͤrung, wie ſeine Predigten zu verſtehen, und gedencket: wanu er in ſeinem Siechbett nur ein gut Wort, oder einen guten Troſt, aus des Lehrers Mund kriege, ſo ſeye die Sach ſchon richtig, der Himmel ſeye ihm gewiß genug; Aber mit was Zittern der Menſch, auf ſeinem Todbett, auf Chriſti Ausſpruch warten muͤſ - ſe, erfahren die abgeſchiedenen Seelen, die nie von JEſu haben lernen wollen, ſein Wort nie geglaubet, ſeinem Heil. GOttes - Geiſt und deſſen Anklopffungen Lebenslang widerſtrebet, und ſich immer nach der Finſternuß ins Eitele gewendet.
§. 6. Allein, ſo kommt dann der arme Menſch nie zu JESU,Warum man JEſu ſo wenig Gehoͤr gebe. dem Lehrer von GOTT geſandt, er begehret nicht zu Jhme; Zwar, ja wann er dieſer himmliſche Lehrer, nur curieuſe Dinge von der andern Welt erzehlte, und nichts in der Seele zu refor - miren verlangte, ſo gebe der Menſch ihme noch Gehoͤr, die Zeit zu vertreiben, und wie Herodes allerhand wunderliche Sachen zu vernehmena.Luc. XIII. 8. Allein ſeine Reden ſeynd hart / und der ver - blendeten Vernunfft gar aͤrgerlichb.Joh. VI. 60. 61. Ja, was dem eigenwilligen, von des Teuffels Auffruhr angeſteckten Menſchen das verdrießlich - ſte, iſt, daß er, dieſer JEſus, Koͤnig ſeyn will uͤber den Men - ſchen, und alles was er hat; das kan aber weder Jud noch Heyd leiden, und zwar daher, weilen die ſo ſehr beliebten Buſen-Suͤn - den unter ſeiner Herrſchafft nichts anders, als ihren Untergang und gaͤntzliche Zerſtoͤrung finden wuͤrden; Und ſo bleibt der Menſch noch immer von JEſu; Mit ſeiner Einbildung zwar, gehet er zu Jhme, aber gewiß ſeine Seele iſt in der That noch weit dar - von; Dann, wer JEſum, das ewige Liecht Jeruſalems ſchauen und ſein Juͤnger ſeyn will / der muß abſagen allem was er hatcLuc. XIII. 14. / ſeine Gedancken zu GOTT zwingen, und in der Begierde nach dem Aufgang der Sonne der Gerechtigkeit, ſo lang verharren,Bbiß10Wunder-Geheimnuß desbiß man derſelben hellen Schein, in Entdeckung aller Schoͤnhei - ten ſeines Reichs empfindet.
§. 7. Einmalen, es gehoͤret mehr darzu, wann man zu JEſu kommen will, welches wir deutlich aus den Worten JESU im Text ſehen, dann JEſus ſagt: Es koͤnne niemand zu Jhm kom - men; Er muß gewiß etwas anders meynen, als nur zur Kirche, Predigt, und heiligen Abendmahl kommen, dann das kan jeder - maͤnniglich; Es muß, wie hernach ſolle gezeigt werden, ein, dem fleiſchlich und in Suͤnden erſoffenen Hertzen gantz frembde und un - bekannte, ja gaͤntzlich unmoͤgliche Sache ſeyn, darzu er auch, mit allen angewendten Kraͤfften nicht gelangen koͤnne, weilen JEſus ſo deutlich ſagt: Niemand kan zu mir kommen.
§. 8. Und dieſe Unvermoͤgenheit zu JESU zu kommen, kommt her, von dem Fall Adams, dann durch denſelben iſt der Ver - ſtand verfinſtert, daß man den Weg zu Jhme nicht findet; der Geſchmack iſt verdorben, der Wille verkehret, daß man lieber ſei - nen eigenen Weg wandelt, und ſeinen Gedancken nachgehet; die Empfindung verwuͤſtet, daß man weder ſein Elend, noch JEſu Glory und Herrlichkeit, weder ſeine heßliche Geſtalt, noch JEſu durchtringende Schoͤnheit, weder den gifftig - und Seelen-verwun - denden Stachel der Suͤnden, noch die ſuͤſſe und hertz-erquickende Gnade JEſu empfinden, ſehen, noch koſten, ja, ſein ſo ſeliges Leben nicht lieben, ſeine Seligkeit nicht genieſſen will; Ach! da findet er, der arme blinde Menſch nichts, ach ja! gar nichts ſuͤſ - ſes in JEſu; Und was Wunders? was macht ein Todter im Pa - radieß? ein Blinder in einem, mit zierlichen und koſtbahren Ge - maͤhlden gezierten Gemach? welches wohl der heutige Zuſtand der Reformirten Kirchen ſeyn mag.
§. 9. Aber, es ſchlaͤgt noch darzu Satanas, welcher mit ſeinen Einblaſungen der Seele naͤher iſt, als ſie meinet, alſo, daß wann das ewige Licht, einige ſanfft ſcheinende Strahlen in den finſtern Kercker, darinn der arme Geiſt an des Teuffels Ketten gefangen ligt, hinein wirfft, daß entweder ein heimlich tieff verborgen Seh - nen und Verlangen nach GOTT und ſeiner ſuͤſſen Gemeinſchafft auffgehet, oder auch etwann ein Zorn-Blitz in das Hertz hinein blitzet, wodurch die Sicherheit in etwas angegriffen und erſchuͤt -tert11Evangelii JESU. tert wird, daß es heißt: Du haſt hier keine bleibende Statt, und weiſt nicht, ob du in Jeruſalem, die Stadt GOttes eingehen wirſt, es iſt keine rechtſchaffene Buß, kein wahrer von GOtt gewuͤrckter Glaube, keine wahre, von dem heiligen Geiſt flieſſende und gewuͤrck - te Heiligung bey dir; du lauffeſt mit den boͤſen Geiſtern auf dem breiten Welt-Weg; du kenneſt JEſum nicht, und haſt noch nichts weſentliches von Jhm genoſſen, zwar ſeine Liebe viel von den Predi - gern ruͤhmen gehoͤret, aber in der That noch nicht geſehen, noch nicht geſchmecket wie freundlich der liebe Heyland ſelbſten ſeye; Er kan unmoͤglich mit dir zu frieden ſeyn, noch viel weniger dein Leben gut heiſſen, maſſen es gantz anderſt als ſein heiliges und unſtraͤffliches Leben, ja demſelben gantz zuwider iſt. Jch habe zwar JEſum biß - her, wie andere Maul-Chriſten mit dem Munde bekannt, aber die - ſe Bekanntnuͤß wird mich gewiß wenig nutzen, ſondern nur den Zorn GOttes gegen mich anzuͤnden, der Richter wird mirs verweiſen und ſagen: Warum haſt du Mich immer HErr HErr geheiſſen, als ob es dir ſehr angelegen waͤre, Mir, als deinem Meiſter und HErrn zu gehorchenaLuc. VI. 46., und nach Meinem Willen zu leben, und haſt dannoch nicht gethan, was Jch befohlen.
Darum, du haſt hohe Zeit, kehre eilends um, ehe dir der Le - bens-Faden, ſammt der Gnaden-Zeit, abgeſchnitten wird. Was hilfft dir an dem Tag JEſu alles ſichtbare, alle Welt-Freud, Luſt und Ergoͤtzlichkeit? Dieſes machet dir endlich nichts als Angſt und groſſe Quaal; Ach O meine arme Seele! ſo eile dann und erret - te dich, GOTT, der freundliche GOTT wird dir auch noch gnaͤdig ſeyn, ja, er begehret deiner; Heute, heute kanſt du noch zu JESU kommen. Ach! derowegen, auff, auff, Seele auff, und verſchlaffe eine ſo groſſe Seligkeit nicht, es moͤchte dich gewiß ewig gereuen. Mercke auf die Stimme der Trompeten des Allmaͤch - tigen, und wende dich zu deinem GOtt, der zu deinem Heil zu dir auf Erden kommen iſt, der dir ſo freundlich zurufft, dich ſo liebreich locket.
§. 10. Wann, ſage ich, das Hertz des Menſchen ſo ein wenigDurch fal - ſche Vor - ſtellungen als da iſt der Vor - theil den die Welt. von der Gnaden-Sonne angeſchienen wird, ach! da ſehnet ſich der Geiſt nach der Einſamkeit, da er genug betten koͤnne, und wolte gern aus der unleidenlich - und erſchrecklichen Tyranney des hoͤlliſchen Pharaons von dem ſo unfruchtbaren Krafft - und Geiſt, aus ſaugendemB 2Welt -12Wunder-Geheimnuß desGuͤter veꝛ - ſchaffen und dannWelt-Getuͤmmel darunter er faſt gar verſchmachtet, und alle Krafft verzehret, befreyet ſeyn. Aber, da kommt der tauſend-Kuͤnſtler Satanas, und ſtreuet hand kehr um etwas anders ins Gemuͤht, ſtellet viel Affaires und Geſchaͤffte vor, zeiget was fuͤr Vortheil und Avantages man aus denſelben zu genieſſen habe; modelt dieſelbe als gar wichtige und noͤthige Sachen, bey deren Verabſaumung uns ein groſſer Schaden und Nachtheil erwachſen koͤnne; Mithin gibt er ſtaͤts ſo viel Nahrung von Luſt, Geld und Ehrſucht daß das Hertz niemahl nuͤchtern oder ſeines Elendes gewahr wird. Er haͤlt es in ſtaͤter Erſoffenheit in weltlichen Dingen und ſrechen leichtſinnigen Gedancken auch in der gantz thoͤrichten Einbildung: Es fehle nur an der Quantitaͤt oder Menge, nicht aber an der Qualitaͤt oder Natur der Guͤtern, daß ſie mit ſolchem Mißvergnuͤgen immer aufs neue ge - plaget werden, daher ſeynd nur ſtaͤts aufs Vermehren erpicht und begierig.
§. 11. Beyneben mahlet er dem Menſchen vor, wann er ſo ſolte fortfahren, wuͤrde das gute Fleiſch in groſſen Drang und Zwang kommen, es moͤchte eine ſchwehre Kranckheit daraus entſpringen, an deren ſein ſo ſchoͤner Leib lang wuͤrde zu daͤuen haben; was er doch allein ſo ſich martern wolle, es ſeyen ja ſo viel ehrliche Leute, die auch in Himmel wollen, welche eben nicht ſo leben, wie er leben wolle, man muͤſſe ſich in die Zeiten ſchicken, in denen wir heute leben, die laſſens nicht zu; Es ſeye eine Vermeſſenheit, daß man ſich einbilde, man wolle noch auf Erden zu JESU kommen. Er ſeye gar zu weit von uns, dieſer Himmel ſey in die andere Welt aufgeſparret, ein Privilegium und Vorrecht fuͤr die Heiligen, als Enoch, Jacob, Moſen, Eliam, fuͤr die heiligen Apoſtel und erſte Chriſten; Jm uͤbrigen kanſt du dich ſchon bekehren, wann du etwann eine gelegene - re Zeit haſt.
§. 12. Und ſo glaubet dann der arme Menſch dieſer Teuffels - Stimme, gehorchet dieſer Schlangen, und ſparet ſeine Buß im - mer. Jm Sommer, da ihn gar viel Geſchaͤffte uͤberfallen, verſchie - bet er ſie auf den Winter, da habe er nicht ſo viel zu thun, dann werde es ſich beſſer ſchicken, daß er koͤnne Buß thun. Kommet der Winter, ach! da will es ſich aber nicht ſchicken, es fallen wiederum allerhand ohnauffſchuͤbliche noͤthige Geſchaͤffte vor. Da verſchiebet er es auf den Fruͤhling, alsdann wolle man ſich erſt ein rechter Ernſtſeyn13Evangelii JESU. ſeyn laſſen mit ſeinem Chriſtenthum. Jndeſſen nimmt man ſich die Freyheit, auf dem Bette der fleiſchlichen Sicherheit, in Faulkeit noch ein wenig zu ſchlummernaProv. VI. 9-11.; Und dieſes, noch ein wenig, waͤh - ret ſo lang, biß die Nacht einbricht, da niemand mehr wuͤrcken lan. Man laͤßt ſich traumen, wie man doch zu der und der Zeit, ſo eiferig, ſeyn wolle, und die vorhandene Zeit verſchlendert man ſo immer fort. Jnzwiſchen phantaſiret der Menſch, wann man ſichs nur feſt einbilde, daß JEſus uns erloͤſet, und hiemit ſelig machen werde, ſo werde dieſer dem Namen nach wohl, aber dem Weſen und Krafft nach unbekannte Chriſtus, die aus dem Leibe fahrende Seele, eben um dieſer falſchen Einbildung willen, in ſein Himmel - reich einnehmen, und ſelig machen; Und ſolte einer kommen, der ihme dieſe falſche und von dem Satan eingeblaſene Einbildung aus Liebe und Erbaͤrmde gegen ſeine ſo arme verblendete Seele wolte aus dem Wort GOttes zerſtreuen, und uͤber einen Hauffen werffen, wuͤrde er kein angenehmer Gaſt ſeyn, ſondern als ein Verfuͤhrer fortgewieſen werden, und zur Antwort bekommen, was der ſeinem JESU nachfolgende Petrus; Und du biſt einer von denen die es mit JESU halten, dann deine Sprach verraͤht dich.
§. 13. Sehet! mit dergleichen argen Raͤncken haltet der Seelen -Sonder - lich junge Leut. Moͤrder die Menſchen von dem Kommen zu JESU ab. Dann wer wolte ernſtlich kaͤmpffen und ringen, dem Himmelreich Gewalt anthun, ſich durch alle Hindernuſſen hindurch reiſſen, wann es mit einem todten Maul-Glaube ausgerichtet waͤre? Sonderlich bey jun - gen Leuten erwecket Satanas gar wunderliche Gedancken, weilen der liſtige Fuchs wohl weißt, was fuͤr eine unausſprechliche Klar - heit, Weißheit, Heiligkeit, Reichthum, Seligkeit, Engels-Kro - nen ſie von JESU zu empfahen haͤtten, darum verboͤſert er ihnen JESUM, bildet Jhnen ein, es ſeye weder Ehr noch Gut, noch Luſt, noch einiges Vergnuͤgen bey JESU anzutreffen, ſie ſeyen noch junge Leute, warum ſie ſo geſchwind wolten melancholiſiren, es ſeye doch gar zu luſtig, auf dem Schau-Platz und Narren-Pruͤge der Welt mitzumachen, warum ſie ſich vor der Zeit ſelbſt quaͤlen wolten, ſie koͤnnten wohl von dem Leben JESU und des Heiligen Geiſtes kranck werden, in Verachtung kommen, ja doͤrfften ſich wohl ſelb - ſten auf dieſe Weiſe an einem kommlichen und anſehnlichen HeyrathB 3hinderlich14Wunder-Geheimnuß deshinderlich ſeyn; wie es alſo Auguſtino vorkommen; und da zeigt er ihnen die eitele Suͤßigkeiten der Erden, und putzet und ſchmuͤcket das garſtig und abſcheuliche Welt-Bild aufs ſchoͤnſte; dann dieſes vermoderte und mit Tod und Hoͤll angefuͤllte Sceleton und Geruͤf - fel, hat ſolches teuffliſchen Schmucks und Verſtellung in der Phantaſey gar wohl noͤthig, dann ohne dieſe Larven wurden alle Menſchen davor fliehen, und ihre Angeſicht verhuͤllen, wie es an dem Juͤngſten Tag geſchehen wird, da die Seel gern ihr Geſicht davon abwenden wolte; aber ſie muß da mit Schrecken und Grau - ſen ewig ſehen, was ſie an ſtatt des herrlichſten, reichſten, ſeligſten und heiligſten JESU erwehlet, nemlich ewige Schand, Armuth und Betteley, Hoͤlle und immerwaͤhrendes Zettergeſchrey, Heulen und Bruͤllen.
§. 14. Jn Summa: Satanas ſchaffet jedem Alter fein Diver - tiſſement und Erquickungen an die Hand, ja, er greifft hinein, in eines jeden Temperament, Affect und Neigungen, wohl wiſſend, womit ein jedes Voͤgelein zum erſten gefangen, und von GOttes Stimm und Willen abgekehrt werde; Er iſt ſchon 6000. Jahr alt, und weißt jeden mit ſeinen alten, gewohnten Luſtbarkeiten, nach ei - nes jeden Lands-Art und Gebrauch, zu amuſiren und zu bethoͤren. Zwar, der Ertz-Schalck ſchwaͤtzt den Leuten nicht vor, ſie ſollen gar nicht zu JESU kommen; dann, das waͤre zu grob, ſintemal die liebe Kinder gar viel Gutes von JESU in Schulen und Kir - chen gehoͤret; aber er ſucht nur Auffſchub, es thue eben ſo noth nicht; was ſie gelernet, ſeye im Alter gut zu gebrauchen, wann ih - re Sinnen erſchwachen, und der Welt-Baum ihnen verdorret.
§. 15. Und welches noch das allerelendeſte iſt, da wiſſen die arme Hertzen nicht, daß ihr Leben ein Hingehen iſt: Entweder nach JE - SU, und allem dem was Er hat in der neuen Gnaden-Welt, auch was Er ſeinen Lieblingen in den kuͤnfftigen Ewigkeiten unendlich of - fenbahren wird: Oder aber nach der ewigen Pein, Quaal und Fin - ſternuß, die da allen denen zu gewarten ſtehet, welche nicht jetz ſchon zu ihme kommen: Und daß ſie entwederem taͤglich, ja ſtuͤndlich naͤ - her kommen, je nachdem ſie einen Reiß-Gefehrden haben, dem ſie gehorchen, dem Heiligen Geiſt in Chriſti Krafft, oder aber dem Fleiſch, in der Welt verfuͤhriſchem Zauber-Spiel:aRom. VIII. Sie merckenauch15Evangelii JESU. auch nicht, daß ſie der hoͤlliſchen Schlange mit dem Zucker der Welt - Freude und Ehre beſtreutes Gifft, in fleiſchlicher Begierde in ſich ſchlucken, und daß ihre Jugend-Luͤſte des Teuffels-Ketten ſeynd, in welche ſie zu ſeinem hoͤlliſchen Kurtzweil und Affenſpiel als ein Wild in das Garn lauffena2 Tim. II. ; Weilen ſie nun der Gott dieſer Welt mit ſeinem Luſt-Magnet immer tieffer in die Welt, als die rechte Vor - hoͤlle hinein zeucht, ſo kommt ihnen dieſelbe immer groͤſſer, majeſtaͤ - tiſcher, luſtiger und herrlicher, hingegen JESUS, ſammt der Frucht des Heiligen Geiſtes immer abgeſchmackter vor;
§. 16. Deſſen aber werden ſie nicht gewahr, weilen ihnen Sata -Urſachen warum man deſſen nicht ge - wahr wird. nas Jahr aus Jahr ein ein todt Bild von JESU und ſeiner Er - loͤſung, als eine gewaltige Stuͤtzen ſeines Reichs im Gehirn laͤſſet, mit welchem ſie ſich gegen allen, auch die allerentſetzlichſten Drohun - gen wehren und verthaͤdigen. Wann dann GOTT vom Himmel donnert, und mit einem Eyd bezeuget, es ſolle keiner ſein Angeſicht ſchauen ohne Heiligung, ſo, daß das Gewiſſen anfangt zu zittern und zu zweifflen, wie es vor GOttes majeſtaͤtiſchem Richters-Thron ablauffen moͤchte. Alsdann fliehen die elende Thoren zu dieſem Bild, das troͤſtet ſie dann; es habe keine Gefahr, ſie glauben an ChriſtumbJoh. II. 1 Joh. V. Jac. II. . Ey ein ſauberer und herrlicher Glaub, davon weder JEſus, noch ſeine Apoſtel, noch unſere ſelige Reformatoren nicht das geringſte gewußt haben; und hiemit bleibt die Seele ins Teuf - fels-Klauen, entfremdet von JESU Leben und Gemeinſchafft, in vollkommenem Ungehorſam gegen ſeinem Evangelio, ja, noch in der unverantwortlichen Gottslaͤſterung, als ob JEſus, der Heilige, in die Welt kommen waͤre, die Forcht und Liebe ſeines himmliſchen Vatters auszutilgen, daß, obſchon der Menſch weltlich lebe, fleiſch - lich geſinnet ſey, und alſo GOttes allerheiligſten nnd ſeligſten Wil - len hindanſetze, er dennoch kein Straff zu befahren habe. Welche Meynung von niemand anders, als von den aͤrgſten Rebellen und Feinden der Herrlichkeit GOttes, ſeines Sohns JESU, und un - ſers Heils, ihren Urſprung haben kan.
§. 17. Sehet dann! ob dieſes nicht das allertieffſte Elend und Ver -Jſt das al - lertieffſte Verder - ben. derben ſey, daß ein Paradeiß, ein uͤberſchwenglicher Uberfluß aller goͤttlichen Herrlichkeiten und Vergnuͤgungen, und der Menſch ſel - biges nicht einmal begehren, will geſchweigen ſuchen will; daß einHoͤlle,16Wunder-Geheimnuß desHoͤlle, ein ewige Nacht, ein unausloͤſchlich Feuer, und der Menſch demſelben nicht zu entrinnen begehrt, ſondern, trotz allen Wahr - nungen, mit Gedancken, Worten und Wercken ſich da hinein ſtuͤr - tzet; Ja woruͤber der Himmel erſtaunen, und die Sonne ſchwartz werden moͤchte; daß ein JEſus, ein Heyland iſt, und man nicht nur nicht zu ihm kommt, ſondern auch wegen groſſer Verderbnuß, darinnen man biß uͤber die Ohren ſtecket, und taͤglich mehr ſich darein vertieffet, nicht zu Jhme kommen kan, wie JEſus ſagt; ja auch nicht einmahl gern an Jhn gedencket.
Fr. Ach ſollte nicht unſer Hertz zerſchmeltzen, und ins Zagen ver - ſincken?
Antw. Jn dieſem finſtern Traur-Gewoͤck erſcheint ein Regenbo - gen: Es lebt der noch der helffen kan: Und dieſer iſt der Vatter, wie JEſus als fuͤr das andere ſagt:
Dieſes aber gehet alſo zu:
§. 2. Nachdeme der ewige Vatter ſeinem Sohn Seelen zu er - kauffen gegeben, in welchen JEſus ewig / herrlich und wunder -bar17Evangelii JESU. bar erſchienea2 Theſſ. I. 10. / welchen er, als ihr Haupt, ſein Leben mittheile,JEſu in der Seele, und zwar hier im Kampff-Reich, durchs Wort und gnadenvolle Beywohnung und Regierung des Heil. Geiſtes, im Glauben, dort aber im Triumph-Reich, durchs Schauen, als dem von GOtt in der Glory geſetzten Mittel der Mittheilung und Vereinigung mit Jhme, in uͤberflieſſendem ununterbrochenem innigſtem Genuß des Lebens, Heiligkeit, Seligkeit und Glory GOttes, womit der gan - tze Chriſtus erfuͤllet ſeyn wird, zu eben einer Freude und Wonne, wovon Paulus der ſelige Apoſtel ſehr nachdencklich redet: Darnach wird das Ende ſeyn / wann Er das Reich GOtt / nehmlich dem Vatter / uͤberantworten wird / auf daß GOtt alles in allem ſeyeb1 Cor. XV. 24-28.: Und David im 36. Pſalm: Sie werden truncken von der Fettig - keit deines Hauſes / und du traͤnckeſt ſie mit dem Bach deiner Wol - luͤſtencPſalm. XXXVI. 9.. Eben eine, und dieſelbige Freud ſollen ſie genieſſen, die GOtt hat und genieſſet, es ſoll ihnen eben ſo wohl ſeyn, als der hei - ligen Menſchheit JEſu; dann ihr GOtt wird ſich hertzlich uͤber ſie erfreuen / und beruhen in ſeiner Liebe / und froͤhlich ſeyn uͤber ih - nen / mit Freuden-GeſangdZeph. III. 17.. O wunder-himmels-ſuͤſſe Muſic, da GOtt ſelbſt ſingen wird!
§. 3. So nimmt ihme JEſus nicht ſelbſt dieſe Herrlichkeit, daßWird von GOtt aufgerich - tet. Er in der Seele zum Koͤnig gecroͤnet werde uͤber alle ihre Affecten, ſondern der zu Jhme geſagt hat: Setze dich zu meiner Rechten, biß ich deine Feinde zum Schemel deiner Fuͤſſen legeePſalm. CX. 1.. Eben dar - zu ſendet GOtt ſein Scepter aus Zion, Er laͤßt ſein Evangelium predigen, ſtoßt aller Menſchen Frommkeit, Heiligkeit, Gerechtig - keit zu Boden, welches die Juden nicht leiden konnten, die auch eben deßwegen alle ihre Propheten erwuͤrget haben: Zeiget uͤber dem der Natur, Vernunfft und Heucheley gar verborgene Dinge an: Nehmlich, wie aller Menſchen Wercke in ſeinem Gericht verdammt werden: Wie der Menſch vom Teufel uͤberwunden, in Suͤnde, Tod und Hoͤlle gefangen ſitze, ja vom Satan ſo verzaubert werde, daß er ſeine des Satans Band gern habe, ihn als ſeinen Feind und Noth liebe; hingegen ſeine Freyheit, ſeinen allergetreueſten Freund, Segen und Leben, aufs aͤuſſerſte haſſe, und ſeines GOttes Liebes -CBand18Wunder-Geheimnuß desBand zerreiſſe, ſein Joch von ſich werffe, und ſo lang er koͤnne, meyde und fliehe; deſſen die damahligen Juden ein erſchroͤcklich Exem - pel, indem ſie JEſum und die Apoſtel umgebracht, in der ver - dammten Meynung, ſie haben es gar wohl getroffen, und GOTT den groͤſten Dienſt gethana1 Theſſ. II. 15. 16.. Wer ſollte nicht darob erſchrecken, und ſeinem eigenen Duͤnckel mißtrauen? Hernach zeuget GOtt von JEſu, daß er nicht von ſich ſelbſt kommen ſeye, ſondern daß Er ih - ne aus unausſprechlicher Gunſt uns zu Huͤlffe und Troſt geſandt ha - be, und nichts dem armen Suͤnder zumuthe, als daß er ſich von ſich ſelbſt und der Welt abkehre, auf JEſum ſchaue, ihme allein traue, und ſich uͤber ihne hoch erfreuebPſalm. II. .
§. 4. Und damit dieſe Predigt nicht umſonſt ſeye, ſchaffet GOtt dem Menſchen ein neu Hertz, Augen und Ohren, dadurch er ſich ſelbſt, GOtt, Welt, Satan, Suͤnde und JEſum erkennen ler - netcDeut. XXIX. Ezech. XXXVI. Pſalm Li. 2 Cor. IV. ; der heilige Geiſt uͤberzeuget ihne der Suͤnde / wie uͤbel er ge - than habe, indeme er ſo reiche Heils-Mittel ſo uͤbel angewendet, und ſo wenig davon profitiret: Der Gerechtigkeit: wie billich und gerecht es waͤre, daß ihne JEſus in ſeinem Elend ſitzend verſchmach - ten und verreblen lieſſe, und alle ſeine Liebes-Lockungen in ſeine Ewig - keit zuruck ziehen, ja, davon gehen, und ihn keiner Einladung mehr wuͤrdigen thaͤte: Und des Gerichts: Wiewohl er verdienet, daß er mit dem Teufel verdammt, und in alle Ewigkeit verſtoſſen wuͤrde, weilen er deſſen betruͤgliches Lock-Aaß der allerſuͤſſeſten Liebe JEſu auf eine dem lieben Heyland gantz ſchmaͤhliche Weiſe vorgezogendJoh. XVI. 8-11..
§. 5. Hier wuͤrcket GOtt den Glauben, welcher abſagt aller ei - genen ſelbſt gemachten und erkuͤnſtleten Frommkeit, Gerechtigkeit und Heiligkeit, und dahin gehet, wohin der Vatter die arme ver - kruͤppelte und zermalmelte Seele hinweiſet, nehmlich blos allein zu ſeiner durch das Blut JEſu erworbenen Gnade und ErbaͤrmdnußeEph. I. 19.. Welches Werck Jehovah des HErrn ein groͤſſer Wunder iſt, als die Schoͤpffung Himmels und Erden. Dieſes Geben des Vatters / und das daraus flieſſende Kommen zu JEſu / fangt an in der Be - kehrung, und waͤhret hernach immerfort, durch Wahrnungen und Ermahnungen, Drohungen und Verheiſſungen, Gerichte und Wohl -thaten,19Evangelii JESU. thaten, Bangigkeiten und Erquickungen, und dem darein gegoſſe - nen Segen des heiligen Geiſtes; So, daß jeder Haß und Ver - ſchmaͤhung ſeiner ſelbſt, jede Ubergab an JEſum, jedes Verlangen nach ſeiner innigen Vereinigung und Verwandlung ja Vorgeſtal - tung in ſein edles Bild, jede Aufopfferung und Verbindung mit ſei - nem Sinn, Begierden und Willen, ein Kommen iſt zu JEſu. Summa, alles, was uns von der Welt, Fleiſch und eigenem Ver - moͤgen entfernet, und JEſu naͤher bringet, das iſt nichts anders, als ein continuirendes Geben des himmliſchen Vatters.
§. 6. Merckwuͤrdig iſt, daß JEſus im Text ſagt: Aus meinemDeſſen Fuͤrtreff - lichkeit be - ſchrieben wird. Vatter / weilen der H. Geiſt, als der Schoͤpffer der neuen Geburt, der Chriſti Reichthum, Sinn und Leben der Seelen mittheilt, von dem Vatter, als der Bach aus der Quellen, ausgehetaGeneſ. 1. Joh. III. ; So, daß es hiemit kein ſo liederlich Ding um den Glauben, ſondern etwas Goͤtt - liches, ewigbleibendes ſey, dadurch die Seel aus GOtt gebohren, goͤttlicher Natur theilhafftig wird; ein himmliſches Weſen, eine neue Creatur, durch Uberſchattung des H. Geiſtes, aus der Krafft des Allerhoͤchſten gezeuget, auf eben die Weiß, wie JEſusbLuc. I. , mit welchem ſie auch die gantze Erbſchafft, Majeſtaͤt, Freud und Him - melreich gemein hatcJoh. XX. , und eben darum ein Erb GOttes und Chri - ſti Mit-Erb heiſſetdRom. VIII. . Kurtz, alle Glaͤubige und Neugebohrne ſind in GOtt ihrem Vattere1 Theſſ. I. 1., und dem HErrn JEſu Chriſto, als ſchoͤ - ne Zweige, die auf ihrem Stamm JEſu ſtehen, und durch JEſum, aus der ewigen Gottheit, als der Wurtzel, ihr neugruͤnendes Leben ziehen; dahin ziehlet der Name Schaddai, da der ewige Vatter ſeinen Sohn und H. Geiſt, dem Glauben, als zwey Bruͤſte darbie - tet, aus denen alles, was zum Leben und Seligkeit in GOtt, die - net, geſogen und gezogen werden kan.
O voll vergnuͤgte Seel, die nur zu GOtt ſich kehret!
§. 7. JEſus ſagt droben im 45. v. aus Eſaja dem 54. Cap. VonErklaͤ - rung des Spruchs Eſaj. LIV. 13. GOtt werden alle Kinder des neuen himmliſchen Jeruſalems geleh - ret ſeyn: Jndem ein jeder Chriſt ſelbs ein Zion iſt, da GOtt woh - net. Sein Tempel, welchen die H. Dreyeinigkeit mit heiligen Tu - gend-Zierden ausſchmuͤcket. Sein Lehr-StuhlfPſalm. CXIX. , da GOtt unsC 2innwen -20Wunder-Geheimnuß desinnwendig von dem Meßia, von deſſen Heil, allen ſeinen Wegen und Tritten, zu ſeinem herrlichen Reich lehret. Er entdecket uns nach und nach die heimlichen Anſchlaͤg der alten Schlang. Er gibt erleuchtete Augen des Verſtands, daß wir ſehen moͤgen die Lebens - QuelleaGen. XXI. ; Er zeigt uns den Hochmuth des Fleiſches, wie es doch ſo ungern darhinder komme, als ein armer Bettler, nur allein aus pur lauterer Gnad und Erbaͤrmd GOttes, ſelig zu werden, und gar nichts darbey helffen noch machen zu koͤnnen, ſondern allen eigenen Ruhm aufzugebenbRom. III. : Und darzu kommt ein Chriſt durch vieles inn - wendiges Creutz, darinn ihme GOtt viel verborgene Ding offenbah - ret. Ein ſolcher auf ſolche Weiß von GOtt Unterwieſener, im Wort, Geiſt und Creutz geuͤbter Menſch, iſt ein Theologus, (GOtts - Gelehrter) und ſollte er gleich hinter dem Pflug hergehen. Ja, er lauffet allen Schrifft-Gelehrten vor, und gehet zehen mahl ehender ins Feuer, ehe ſich jene nur reſolviren koͤnnen, ihre Reputation, um der Lehr und Ehre JEſu willen, in die Schantz zu ſchlagen; Das hat Auguſtino Anlaß gegeben zu ſagen: Indocti cœlum rapiunt, & nos docti in infernum detrudimur: Deus eſt abſconditus in judiciis.
Welches eben das iſt, was JEſus ſelbſten bey dem Evangeliſten Matth. cap. 11. v. 25. ſagt: Jch dancke dir Vatter / der zu HErr biſt des Himmels und der Erden / daß Du dieſe Sachen fuͤr den Weiſen und Klugen verborgen / und haſt ſie den Unmuͤndigen ge - offenbahret.
§. 8. Allein dieſen herrlichen Spruch Eſajaͤ erlaͤutert JEſus ſelb - ſten, und zeiget bald darauf, was da ſeye, von GOtt gelehret ſeyn: nehmlich, es ſey: vom Vatter hoͤren und lehren / iſt eben das, was Er im Text nennet: aus dem Vatter gegeben. Weilen nun eine Red-Art die andere erklaͤret, wollen wir zu beſſerem Verſtand un - ſers Texts auch etwas ſagen uͤber die Wort: Vom Vatter hoͤren und lernen / und dabey zeigen, was daſſelbe ſeye, wie es zugehe, und wie das Kommen zu JEſu daraus nothwendig flieſſe.
§. 9. Die -21Evangelii JESU.§. 9. Dieſe Welt iſt gleich einem ſtinckenden Kercker, darinn alleGOTT uͤberzeu - get den Suͤnder durchs Geſaͤtz. Menſchen als Verdammnuß-wuͤrdige Ubelthaͤter ligen, die alle we - gen der Suͤnde GOtt in der Straffe ligen, daher ſie auch alle vor GOttes Richter-Stuhl erſcheinen muͤſſen, es ſeye in dieſer oder in jener Welt. Und diß ſein Elend und obſchwebendes Ge - richt weißt der Menſch nicht, ja achtet daſſelbe nicht, es ſey dann, daß er es vom Vatter hoͤre und lerne. Der Vatter nun, als die erſte Perſon der heiligen Dreyeinigkeit, thut den erſten Zug und Streich, erſcheinet dem Menſchen in ſeiner ſtrengen Gerech - tigkeit und Heiligkeit, als ein ſtrenger Richter, uud laͤßt Moſen auftretten in der Seele des Suͤnders, mit Donnern, Blitzen, mit Schrecken, Finſternuß und Gewiſſens-Angſt, und zeiget ihme ſeine Thorheit, ſammt der Unreinigkeit; hernach laͤßt er ihn hoͤ - ren das Zeugnuß, welches GOtt gezeuget hat von ſeinem Sohn, daß uns GOtt das ewige Leben habe gegeben, welches in ihme ſeinem Sohn iſt.
§. 10. Dieſe Handlung des Vatters mit dem Suͤnder machtWelcher dardurch gebracht wird zum Hoͤren. ihne aufmerckſam und andaͤchtig, daß er hoͤret, was der HErr redt: Hoͤren / heißt hiemit hier nichts anders, als aufmercken, Ach - tung geben, ohne Geraͤuſch, mit Andacht, in der Stille horchen, eben wie man Achtung gibt auf den Glocken-Schlag damit man wiſſe welche Stund es ſeye, in dem Tag oder in der Nacht. Al - ſo ſoll man Achtung geben auf die Gerichte GOttes, und alle ſei - ne Wercke, damit man wiſſe, was noch zu erwarten, und wie weit der Tag des Neuen Teſtaments zu Ende geloffen, ob es die zehende oder eilffte Stund ſeye: Ein ſolch hoͤrend Ohr hat der HErr gemachtaProv. XX. 12..
§. 11. Ein ander Hoͤren geſchiehet mit den Ohren des Glaubens,Welches innerlich geſchicht. ins Geheim, da Chriſti Geiſt dem Menſchen pflegt zuzuſprechen, in ihme ruffet, AbbabGal. IV. , Vatter, JEſu, mein Schatz, Freund und Bruder, und iſt eine hohe Staffel der geheimen Freundſchafft mit GOtt, wie Job, der theure Glaubens-Held erfahren hat: Jch habe dich mit meinen eigenen Ohren gehoͤret / ja was noch mehr iſt, mein Aug hat dich geſehen / darum verwirff ich alle mei - ne Reden / und habe Reu im Staub / und in der AſchencHiob XLII. .
C 3§. 12. Sol -22Wunder-Geheimnuß des§. 12. Solche neue Ohren einer aufmerckſamen Seele hat der na - tuͤrliche Menſch nicht, wie Moſes klagtaDeut. XXIX. 4.. Sondern er ſchnarchet ſicher dahin in ſeinem Suͤnden-Schlaff. Nun hoͤret ein Schlaffen - der den Donner nicht, noch viel weniger ein Todter, auch nicht die allerſchoͤnſte Muſic, ja er vernimmet auch nicht die Stimme der Creaturen, die ihne zum Schoͤpffer einladenbPſalm. XIX. 2. Rom. I. 20. VIII. 22., wider ihne ſeuffzen, und zu GOtt um Rache ſchreyen, haue ihn abcLuc. XIII. ; Wie ſollte er dann auch nur verſtehen, was das ſeye: Den Vatter hoͤren.
§. 13. Dieſes verſtehet niemand, als der es ſelbſten erfahren, und wer es erfahren, kan es nicht genugſam mit Worten ausdrucken, was das fuͤr eine kraͤfftige Stimme ſeye des Allmaͤchtigen, die in der See - len geſchiehet, dann da wird das Wort GOttes ſo lebendig im Her - tzen / daß es Marck und Bein durchdringet / Leib und Seele zer - ſchneidetdHebt. IV. 12.. Da gehet in dieſem dunckelen Kercker ein heller Mor - gen-Stern aufe2 Petr. I. 19., der mit ſeinem Glantz alle zuvor verborgene und unbekannte Greuel des Hertzens entdecket, daß der zuvor ſichere und ſorgloſe Suͤnder ſihet, wie er mitten im Reich der Suͤnden, der Fin - ſternuß und des Unglaubens ſeye verſtricket und verknuͤttelt in den Banden der fleiſchlichen Luͤſten, die ihne nach dem Abgrund ſchlep - pen.
§. 14. Er ſihet GOtt gantz lebendig ob ihm als einen erzoͤrnten Richter, der den Blut-Stab ſchon laͤngſten uͤber ihne haͤtte brechen koͤnnen. Da wachet das bißher tieff ſchlaffende Gewiſſen auff, und zeigt ihm ein ſchwartzes Regiſter von allerhand Suͤnden, Verdor - benheiten und Unarten, die ihme nicht anderſt vorkommen als unge - heure unerſteigliche Berge. Es ſchweben ihme vor allerhand ſuͤſſe Einladungen des Vatters, welche er aber allezeit ſo ſchaͤndlich ver - achtet, ja mit Fuͤſſen von ſich geſtoſſen, die Traͤber ſeiner Luͤſten Chri - ſto der ſafftigſten Seelen-Speiſe vorgezogen, wider alle Guͤte des liebreichſten Vatters mit lauter Bosheit geſtritten, ihm gleichſam die Hoͤlle abgezwungen, und den Himmel aus eigenem Willen ver - ſchertzet. Da hoͤret der Suͤnder die Stimme aller Geſchoͤpffen, wie ſie ihme den Tod und Untergang drohen, maſſen es heiſſet: Ach! alle Creaturen, ſie ſeyen wie ſie wollen, gehorchen ihrem Schoͤpffer, die kleinen Jmmen tragen ihren Honig ein, die Spinnenweben bauenſich23Evangelii JESU. ſich ein Hauß, die Baͤume tragen ihre ſchoͤne Fruͤchte alljaͤhrlich, die Voͤgel loben ihren GOtt mit ihrem Geſang, die Schwalben wiſſen ihre Zeit, ſie wiſſen wann der Sommer kommt: Die Ameiſen ſamm - len bey ſchoͤnem warmen Wetter auf den Tag der Noth, ein dummer Ochs kennet ſeinen Herrn, und ein Hund lauffet durch dick und duͤnn ſeinem Meiſter nach. Ach! und ich elender Menſch, was mach ich doch? Jch bin allein GOtt ungehorſam und widerſpenſtig, thue ihm alles zuwider: derowegen muß ich mich fuͤr allen Creaturen ſchaͤmen, ſie klagen mich als einen undanckbaren und Verdammnuß-wuͤrdigen Menſchen an. Jch darff nicht um mich ſehen, ſondern muß meine Augen, wie ein armer, ausgefuͤhrter Miſſethaͤter, nidſich ſchlagen, weilen mich alles zu ſchanden macht, wo ich mich umſehe.
§. 15. Jn dieſem Zuſtand will ſich alsdann der Menſch ſelber helf -Und wei - len der Menſch ſich ſelb - ſten aus dieſem E - lend nicht helffen kan. fen, und macht tauſend Vorſaͤtz ein ander Leben zu fuͤhren, greiffet zu dieſem und jenem aͤuſſerlichen Mittel, probirt dieſes und jenes, und meynet, er wolle es erzwingen; aber alles vergebens, je mehr er ſich aus eigenen Kraͤfften bearbeitet, aus dieſer ſchlammichten Gruben hinaus zu wuͤrcken, je tieffer ſinckt er hinein. Je eyfferiger er ſeine boͤſe Natur aus Eigenheit bezwingen will, je grimmiger und wilder ſie wird. Je ſtaͤrcker Moſes aus Befehl GOttes bey einem in dem geiſtlichen Egypten ſitzenden Menſchen anſetzet, ihn in das himmliſche Canaan zu fuͤhren, je mehr der hoͤlliſche Pharao auf ihn zuſtuͤrmet, und das Joch ihm nur deſto unertraͤglicher machet, biß er endlich ſeine Suͤnden als ein hoͤlliſch Heer-Lager, in voller Schlacht-Ordnung vor ſich ſtehen ſihet; da dann aller Muth verſinckt, und er an allen ſeinen eigenen Kraͤfften verzaget. Da, da lernet er aus eigener Erfahrung, daß das Zeugnuß GOttes wahrhafftig ſey, da er zeuget, daß alles Fleiſch in Suͤnden verfaulet, verdorret, vermoderet, und daß keine gute, heilige, Seel-erquickende Gedancken von dem natuͤrlichen Men - ſchen kommen koͤnnen. Das hat er auf dieſe Weiſe vom Vatter ge - hoͤrt und gelernet; darauf ſagt er Ja und Amen: Ja es iſt wahr, O HErr, es iſt wahr; Jch ſihe von meiner Jugend auf nichts als Suͤnd und Greuel in meinem gantzen Leben, welches ich, nur dich zu entun - ehren, angewendet, ich haͤtte wohl verdienet ein Gedenck-Saͤule dei - ner Rach zu werden. Wo ſoll ich mich dann hinwenden?
§. 16. Wann dann auf ſolche Weiſe der Suͤnder ſeine Augen al -So wen - det er ſich zu JEſu. lenthalben hinwendet, ſo ſihet er endlich einen aus tauſenden, ſeinenGoel24Wunder-Geheimnuß desGoel und Bluts-Freund, JEſum, mit flammender Liebe und einem brauſenden Eingeweid der Erbarmungen, ihme beyde Haͤnde darſtre - cken, ſagend: Wendet euch zu Mir / und werdet ſelig aller Welt EndeaJeſ. XLV. 22.. Kommet her zu mir alle die ihr muͤhſelig und beladen ſeyd / Jch will euch erquickenbMatth. XI. 28.. Wie wird er dann mit einer feurig-gluͤ - enden Begierde entzuͤndet, dieſes JESU maͤchtig zu werden! wie ſchwimmt er nicht gleichſam in Glaubens - und Liebes-Thraͤnen zu Jh - me, wie fallt er nicht mit einem brennenden Hunger und Durſt nach der Gerechtigkeit in ſeines JEſu Armen, und weltzet ſich in ſeinen Schoos, darnach trachtend, wie er doch ſeinen JEſum genugſam lie - ben und umhalſen, eintzig in ihme erfunden, als Chriſti Schatz zu ſei - ner Ehre glaͤntzen, und die Krafft des Verdienſts JEſu in einem ſtar - cken Glauben und Verſchmaͤhung der Welt an ihme geſpuͤhret wer - den moͤge.
§. 17. Die Frucht nun der Unterweiſung des himmliſchen Vatters, und der Zweck aller ſeiner Wercken iſt: Daß der in den Abgrund der Hoͤllen verſunckene Menſch, das durch des Teuffels Liſt zu Grund ge - richtete Geſchoͤpff, uͤber aller Himmeln Himmel, Cherubinen und Seraphinen zu der Rechten Chriſti erhoͤhet, und hiemit dieſe Tieffe, Hoͤhe und Breite der Liebe GOttes aller Welt bekannt gemacht wuͤr - de. Und eben deßwegen hat der himmliſche Vatter JEſum zu einem auserwaͤhlten koͤſtlichen Eckſtein in Zion gelegt, daß wer an Jhne glaubet, auf Jhne als ein Fundament bauet, nicht zu ſchanden wer - dec1 Petr. II. 6.. Ja damit die Augen aller Glaͤubigen in allen ſieben Zeiten des Neuen Teſtaments auf dieſen Stein gerichtet ſeyendZach. IX. 12..
§. 18. Darauf dann verlaſſet der Menſch den vorigen Ort der ko - thigen traurigen Welt. Er gehet aus von ſich ſelbſt, von ſeiner ei - genen Gerechtigkeit, Heiligkeit, Weisheit und Kraͤfften, und na - het ſich im Glauben zu Chriſto JEſu, als ein Wandersmann an ein Ort, da er fuͤr dem Winde bewahret, und fuͤr dem Platz-Regen ſi - cher ſeye, als ein Schaaf zum Hirten, daß es von ihme gefuͤhret und geleitet wird zur fetten Wayde und lebendigem Waſſer-Brunnen.
So fuͤhret und treibet der Vatter die Menſchen zu JEſu ſeinem Sohn, der ihme gehorſam geweſen biß zum Tod, ja zum Tod des CreutzesePhilip. II. 8., daß ſie erfahren, was das ſeye, mit GOttes Blut er -kaufft25Evangelii JESU. kaufft ſeyn zur unſtraͤfflichen Heiligung und unbefleckten Unſterblich - keitaApoc. V. 9-10.; und warum dem HErrn JEſu von den heiligen Engeln und al - len ſeligen Seelen Lob - und Danck-Lieder zugeſungen werden, mit ſtarckem Halleluja, vom Ende der ErdenbApoc. V. 12. 13.. Und wer es ſo vom Vatter gehoͤret und gelernet, dem wird alles ſo lebendig, als wann er mit Moſe auf dem Berge geweſen waͤre, die prophetiſchen Ge - ſichter ſelber geſehen, ja, als ob er zu den Fuͤſſen JESU geſeſſen, alles mit eigenen Ohren angehoͤret, und mit eigenen Augen geſehen haͤtte.
§. 19. Nun, was erhellet anders aus dieſem gruͤndlichen Unter -Ubergang. richt vom naͤchſten Weg zum Leben, den JEſus durch ſeinen Schoos - Juͤnger Johannem hat auffzeichnen laſſen, damit derſelbe nicht nur den Juden, ſondern auch uns im Schweitzerland ſolte bekannt wer - den, was erhellet, ſag ich, anders daraus? Als die unvergleichli - che Liebes-Treue unſers Jmmanuels; welcher beyfuͤgt, Darum / da - mit ihr wiſſet, woher ihr Krafft zu glauben nemmen koͤnnet und ſol - let, nemlich aus meinem Vatter; Darum habe Jchs euch geſagt.
§. 1. O unverdroſſene Leutſeligkeit unſers Seligmachers! daß erLobes Er - hebung der Lie - bens Tre Jmma - nuels. ſich auch von denen aͤrgſten Zaͤnckern nicht abtreiben laſſet, ihnen die verborgenſten Dinge des Himmelreichs, den naͤchſten einigen Weg dazu zu entdecken, und gleiche Wahrheit zu oͤfftermalen, zu mehre - rer Verſicherung zu widerholen, damit ſie und wir eigentlich wiſſen, wo wir uns anmelden muͤßten, wann wir wahre Erkanntnuß Chri - ſti, und Gemeinſchafft mit ihme und allen ſeinen Guͤtern haben wol - len, nemlich bey dem Vatter, welches JEſus auch ſonſten deutlich lehret, als bey dem Evangeliſten Luca, So dann ihr / die ihr boͤß ſeyd / koͤnnet eueren Kindern gute Gaaben geben / wie vielmehr wird euer Vatter aus dem Himmel den Heiligen Geiſt geben de - nen / die Jhne darum bittencLuc. XI. 13.. Der Heilige Geiſt’aber, den der Vatter ſendet und ſchencket, verklaͤret JEſum, dann derſelbige / ſagt JEſus, wird mich verklaͤren / dieweil Ers von dem Meinen nem - men wird / und euch daſſelbige verkuͤndendJoh. XVI. 14..
D§. 2. Die26Wunder-Geheimnuß des§. 2. Die Haupt-Lehr, die wir hier abfaſſen, iſt dieſe: Daß GOtt der Vatter allein Chriſtum offenbahre, dann niemand kan zu Jh - me kommen / es ſey ihm dann vom Vatter gegeben / welches auch Paulus der Heilige Apoſtel in der Schule des Heiligen Geiſtes ge - lernet, und ſolches theils insgemein ſeinen Corinthern zu wiſſen thut: Von Jhm / nemlich dem Vatter, ſeyd ihr in Chriſto JE - ſu / welcher uns von GOtt gemacht iſt zur Weißheit / zur Ge - rechtigkeit und zur Heiligung und Erloͤſunga1 Cor. I. 30., theils auch mit ſei - nem eigenen Exempel beſtaͤtiget, wie er zu JESU kommen ſeye, wann er zu den Galatern von ſich ſelbſt ſchreibet: Da es GOTT wohl gefiel / der mich von meiner Mutter Leib hat ausgeſondert / und beruffen durch ſeine Gnade / daß Er ſeinen Sohn offenbah - rete in mir / daß ich Jhne durchs Evangelium verkuͤndigen ſol - te unter den Heyden / alſobald fuhr ich zu / und beſprach mich nicht daruͤber mit Fleiſch und BlutbGal. I. 15. 16.. Welche Wayrheit JE - ſus Petrum ſelbſten lehret, wann Er zu ihme foricht: Selig biſt du Simon Barjona / dann Fleiſch und Blut hat dir das nicht geoffenbahret / ſondern mein Vatter / der im Himmel iſtcMatth. XVI. 17.. Alſo ruͤhmet er ſelbſt auch die Gnade GOttes, ſo ihm neben andern wie - derfahren, in ſeiner andern Epiſtel am 1. Cap. ſagende: Wir ha - ben nicht den klugen Fablen gefolget / da wir euch kund gethan haben die Krafft und Zukunfft unſers HErrn JEſu Chriſti / ſon - dern als diejenigen / die ſeine Majeſtaͤt mit Augen geſehen haben / dann Er hat von GOtt dem Vatter empfangen Ehre und Herr - lichkeit / indem eine ſolche Stimme zu Jhm geſchah / von der herrlichen Majeſtaͤt: Dieſer iſt mein Sohn / der Geliebte / an dem Jch Wohlgefallen hab. Und dieſe Stimme haben wir gehoͤret vom Himmel bracht / da wir mit Jhm waren auf dem heiligen Berged2 Petr. I. 16-18..
§. 3. Und dieſes Geben des Vatters und Kommen zu Chriſto geſchihet noch taͤglich, und zwar nach den alten Weiſſagungen, als: Wann GOtt der Vatter zu ſeinem Sohn ſpricht in dem zweyten Pſalmen: Heiſche von mir / ſo will Jch dir die Heyden zum Erbe geben / und die Ende des Erdbodens zum EigenthumePſalm II. 8.; Und abermal ſpricht GOTT der Vatter zu ſeinem Sohn, Duhaſt27Evangelii JESU. haſt geſagt zu dem HErrn: Du biſt ja der HErraPſalm XVI. 9., alle deine Ge - muͤths-Neigungen giengen in einem hoͤchſt-vollkommenſten Gehor - ſam gegen mir, alle deine Gedancken waren lauter Stimmen, Je - hovah iſt mein HErr; derowegen liget dir nicht mehr ob, meine Gutthaͤtigkeit zu verdienen, fuͤr die Heiligen die auf Erden ſeynd / und fuͤr die Herrlichen / an denen Jch all mein Gefallen habt Unter deinen herrlichen Weibern ſeynd der Koͤnigen Toͤchter / die Braut ſtehet zu deiner Rechten in koͤſtlichem Gold aus O - phir; Hoͤre Tochter / und betrachte es / und neige dein Ohr: Vergiß deines Volcks und deines Vatters Hauſe / ſo wird den Koͤnig deiner Schoͤne geluſten: Dieweil Er’dein HERR iſt / ſo baͤtte Jhn an; An ſtatt deiner Vaͤtter werden deine Kinder ſeyn / die wirſt du zu Fuͤrſten ſetzen auf dem gantzen ErdbodenbPſalm XLV. 10-17.. Eben mit dieſem Geben des Vatters, ſo in kuͤnfftigen Zeiten mit unge - meiner Krafft fertgehen, und ſich ſehr weit ausbreiten ſolte, troͤ - ſtet ſich der uͤber Jeruſalem der groſſen Stadt Untergang wei - nende, und uͤber Jſraels groſſer Verſtockung winslende JEſus, wann Er bey Eſaja ausbricht: Jch ſprach: Jch habe ver - geblich gearbeitet, ich habe meine Krafft umſonſt und unnuͤtzlich zugebracht: Aber doch mein Amt iſt beym HErrn, und meine Arbeit iſt bey meinem GOTT, und nun, der HERR, der mich von Mutterleib an zu ſeinem Knecht formiret hat, hat geſagt / daß ich ſoll Jacob zu Jhme bekehren: Aber Jſrael will ſich nicht verſammlen laſſen; gleichwol bin ich fuͤr den Augen des HErrn herrlich geachtet, und mein GOtt iſt meine Staͤrcke worden. So ſpricht Er nun: Biſt du zu gering darzu geachtet, daß du mein Knecht ſeyeſt, die Staͤmme Jacobs auffzurichten, und die Verwahrloſeten Jſraels wieder zu bringen: Wohlan, ſo ſetze dich zum Licht der Heiden, daß du ſeyeſt mein Heil biß ans Ende der Erden. Soſpricht der HErr, der Erloͤſer Jſraels, ſein Heiliger, zu dem den jeder -D 2man28Wunder-Geheimnuß desman verachtet, zu dem, an welchem das Volck einen Greuel hat, zu dem, der ein Knecht iſt deren die da herrſchen: Koͤnige werden dich ſehen, und Fuͤrſten werden dich anbaͤtten, um des HErrn willen, der getreu iſt, um des Heiligen in Jſrael willen, der dich erwehlet hat. So ſpricht der HErr: Jch habe dich zur Zeit des Wohlgefallens erhoͤret, und habe dir am Tag des Heils geholffen, und Jch will dich be - huͤten, und will dich zum Bund des Volcks ſtellen, daß du die Erde auffrichteſt, und die verſtoͤrten Erbe zu beſitzen gebeſt, indeme du ſagen wirſt zu den Ge - fangenen, gehet heraus, und zu denen die in Finſter - nuß ſeynd, entdecket euch; ſie werden ſich auf den Wegen weyden, und auf allen Huͤglen ihre Weyde haben, es wird ſie weder hungern noch duͤrſten, es wird ſie keine Hitz noch Sonne ſtechen, dann ihr Erbarmer wird ſie ſanfft fuͤhren, und wird ſie an die Waſſer-Quellen leiten. Jch will alle meine Berg zum Wege machen, und meine Bahn werden hoch ſeyn; Sihe, dieſe werden von ferne kommen, und ſihe, jene von Mitternacht und vom Meer, jene aber vom Lande der Siniter; Jauchtzet ihr Himmel, huͤpffe fuͤr Freuden du Erde, ruffet laut ihr Berge mit Jauch - tzen, dann der HErr hat ſein Volck getroͤſtet, und erbarmet ſich ſeiner Elenden, ſeines DuͤrfftigenaEſaj. XLIX. 4-13., ohnmaͤchtigen, unterdruckten, unter dem Sardiſchen todten We - ſen ſchmachtenden Philadelphiaͤ, das mit ſeiner kleinen Krafft nicht durchbrechen konnte, ſondern mit ſeinem Licht gehemmet, immer unter den Scheffel geſtoſſen, daruͤber mit Angſt gepreſſet und ge - klemmet wird; O liebes Philadelphia! es ſoll nicht alſo bleiben, die Sach muß anderſt gehen, dein JEſus wird dich troͤſten, ſagende: Stehe auf, meine Freundin, meine Schoͤne, und kom -me29Evangelii JESU. me her, dann ſihe! der Winter iſt vergangen, der Regen iſt weg und dahin, die Blumen ſeynd hervor kommen im Lande, der Lentz iſt herbey kommen, und die Turteltaube laͤßt ſich hoͤren in unſerm Lande; der Feigenbaum hat Knotten gewonnen, die Weinſtoͤcke haben Augen gewonnen, und geben ihren Geruch. Stehe auf, meine Freundin, und komme, meine Schoͤ - ne komme heraCantic. II. 10. 13..
§. 4. Aus dem biß dahin angehoͤrten lernen wir zu unſerer Un -Lehr; wie die Per - ſonen der Gottheit in dieſem Werck ein - ander die Haͤnde bieten. terweiſung:
1. Das erſtaunliche Geheimnuß der Handlungen der Heil. Drey - einigkeit, in Wiederbringung des Suͤnders, wie ſie beſchaͤfftiget ſeye in des Menſchen Bekehrung, und wie die Perſonen der Gott - heit einander ſo zu reden in die Hand arbeiten. Der Vatter greifft das Werck zuerſt an, und bringet die Seele dem Sohn, aber verdorben, verlohren und elend, wie ſie ſich zu ſeyn empfindet. Der Sohn reiniget und waſchet ſie mit ſeinem Blut, und gibt ih - ro das Recht zum Vatter zu tretten. Der Heilige Geiſt kroͤnet endlich das Werck, und gibt ihro die GOtt geziemende Zierde und Schoͤnheit, indeme Er die Seele heiliget, und zu ſeinem Tem - pel einweihet. O welch eine Tieffe des Reichthums / beydes der Weißheit und der Erkanntnuß GOttes! wie unerforſchlich ſeynd ſeine Gericht / und unausſprechlich ſeine WegbRom. XI. 33..
§. 5. Dieſen Proceß lehret uns der weiſe Mann Elihu wunderſchoͤn,Wird bey Hiob er - laͤutert. ſagende: Er oͤffnet das Ohr der Leuten, und ſchrecket und zuͤchtiget ſie, daß er den Menſchen von ſeinem Fuͤrnehmen wende, und beſchirmet ihn vor Hoffart, und verſchonet ſeiner Seele vor dem Verderben, und ſeines Lebens, daß nicht ins Schwerdt falle, Er ſtrafft ihn mit Schmertzen auf ſeinem Bette, und al - le ſeine Gebeine hefftig, und richtet ihm ſein Leben ſo zu, daß ihme vor der Speiſe eckelt, und ſeine Seele,D 3daß30Wunder-Geheimnuß desdaß ſie nicht Luſt zu eſſen hat; ſein Fleiſch verſchwin - det, daß er nicht wohl ſehen mag, und ſeine Beine werden zerſchlagen, daß man ſie nicht gern ſihet, daß ſeine Seele nahet zum Verderben, und ſein Leben zu den Todten. So dann ein Engel einer aus tauſend, mit Jhme redet, zu verkuͤndigen dem Menſchen, wie er ſolle recht thun, ſo wird Er Jhme gnaͤdig ſeyn, und ſagen: Er ſoll erloͤſet werden, daß er nicht hin - unter fahre ins Verderben, dann ich habe eine Ver - ſoͤhnung gefunden, ſein Fleiſch gruͤne wieder wie in der Jugend, und laſſe ihn wieder jung werden; oder: Er wird GOtt bitten, der wird ihm Gnade erzei - gen, und wird ſein Antlitz ſehen laſſen mit Freuden, und wird dem Menſchen nach ſeiner Gerechtigkeit ver - gelten; Er wird vor den Leuten bekennen und ſagen: Jch wolte geſuͤndiget und das Recht verkehret haben, aber es haͤtte mir nichts genutzet; Er hat meine See - le erloͤſet, daß ſie nicht fuͤhre ins Verderben, ſondern mein Leben das Licht ſehe; Siehe, das alles thut GOTT zwey oder dreymal mit einem jeglichen, daß er ſeine Seele herum hole aus dem Verderben, und erleuchte ihn mit dem Licht der LebendigenaHiob XXXIII. 16-30..
§. 6. Weilen es nun in Bekehrung des Menſchen ſolcher Arbeit vonnoͤthen, ſo erweckte GOtt in der Schoͤpffuͤng deſſelben gleichſam die allertieffſten Kraͤfften ſeiner Weißheit, Guͤte und Heiligkeit, und ermahnet der ewige Vatter ſeinen ewigen Sohn und Heil. Geiſt, ſprechende: Laßt uns Menſchen machen / ein Bild das uns gleich ſeyebGen. I. 26. / oder nach unſerer Gleichnuß. O Menſch! O Menſch! wie biſt du doch aus einem ſo ſchoͤnen Spiegel der Schoͤnheit GOttes eine ſo hoͤlliſche Finſternuß, und aus einem Engel ein ſchnoͤder, heß - licher Wurm worden? wie wenig kenneſt du deinen erſten, uhr-alten Adel! und was noch heute aus dir werden koͤnnte, wann du der Stimme GOttes folgen wolteſt.
§. 7. Zwey -31Evangelii JESU.§. 7. Zweytens ſehen wir, welches der Zweck ſeye aller WegenZweyte Lehr, die Mitthei - lung der Seeligkeit der Zweck aller We - gen GOt - tes. GOttes: Nemlich, daß Chriſtus ein Reich habe, daß Jhme Kin - der gebohren werden, wie der Thau aus der MorgenroͤtheaPſalm. XC. 3. / welche hiemit zu Jhme als der Mutter kommen muͤſſen. Und das iſt die gantze Summa unſerer Seligkeit, nemlich; daß uns der Vat - ter Chriſto ſeinem Sohn im ewigen Friedens-Rath geſchencket hat, daß wir zu Jhme dem Sohn kommen, und Er uns alsdann das ewige Leben gebe; dann ſo muͤſſen endlich alle widerwaͤrtige Reich gaͤntzlich zerſtoͤret und Chriſto ſammt ſeiner Braut alles unterworf - fen werden. Das iſt der Welt und deren Schoͤpffung Haupt - Zweck den GOTT von Ewigkeit gefaßt, und zu dem Er alles biß dahin geleitet, nemlich die Offenbahrung der Herrlichkeit und Ma - jeſtaͤt GOttes, ſamt ſeinen heiligen Eigenſchafften in dem Sohn. Und in dieſem Kommen zu JESU beſtehet alle wahre Frommkeit. Alle Frommkeit, welche von dem Menſchen geſagt wird, iſt eigent - lich eine Widerkehrung zu nennen, ſintemalen der Menſch ſo ge - artet, daß er vor ſeinem Schoͤpffer fliehe.
§. 8. Sehen wir hieraus, welches der groͤſte Fehler in unſermDritte Lehr, das Nichtkom - men zu JEſu, iſt der groͤſte Fehler im Chriſten - thum. Chriſtenthum ſeye, daß man bey ſo vielen Predigten, bey immer - waͤhrendem Lernen nimmer zur Erkanntnuß der Wahrheit kommet. Weil man zufrieden iſt, wann man etwas gutes von den Menſchen gehoͤret, oder in Buͤchern geleſen, aber noch nicht einmal weißt, was das ſeye: Den Heiligen Geiſt vom Vatter empfangen. Da - rum kommen ſo wunderwenig zu Chriſto, dieweil es wenigen vom Vatter gegeben iſt, indeme ſehr wenig mit dem Hertzen zu Jhme nahen, noch viel weniger das, was GOTT zur Seligkeit gibet, beſtaͤndig und gruͤndlich verlangen. Wann ein Koͤnig ſeinem Un - terthan ein koſtbar Geſchenck verehren will, ſo muß ſich der Unter - than gegen ſeinem Koͤnig umwenden, allen vorigen Dingen den Ruͤcken kehren, ſich herbey machen, und dasjenige, was angebot - ten worden, gantz begierig annemmen, ob es ſchon in harten Creutz - Schalen eingewickelt. Der Vatter, der Koͤnig der Ehren, gibet uns ſeinen Sohn, das allerkoſtbarſte Geſchenck, und mit Jhme al - les, was dieſer ſein Sohn hat. Allein dieſer JEſus iſt an dem Creutz anzutreffen, mit Dornen gecroͤnet, und an Haͤnden und Fuͤſ - ſen mit Naͤgeln hart angehefftet, unter einem Hauffen roher Sol - daten.
§. 9. Wann32Wunder-Geheimnuß des§. 9. Wann man nun dieſes Geſchenck haben will, ſo muß man ſich gantz umkehren, die luſtige Welt verlaſſen, ſeine Augen nur auf dieſen JEſum wenden, Jhme zulauffen, kein Creutz, kein Leyden, ſo zu befahren waͤre, ſcheuen, nur wacker durch alles, was uns von JEſu abhalten wolte, durchdringen, durchbrechen; welches aber ohne vieles Kaͤmpffen und Ringen nicht geſchehen mag.
§. 10. Allein dieſe innere Arbeit und Kampf des Geiſtes iſt den faulen, fleiſchlich - und in die luſtige Welt gantz verliebten Chriſten allzu langweilig, ſie habens ehender geleſen und gehoͤret, als durch viel Flehen und Anhalten vom Himmel erbetten. Es gehen mehr Koͤſten, Muͤhe und Gefahr darauf, die Laͤnder ſelbſt zu durchwan - dern, und einigen Reichthum davon heim oder nacher Haus zu tra - gen, als nur etwan eine Reiß-Beſchreibung davon zu leſen. Und wolte GOTT! daß wir, die wir andere lehren ſollen, nichts an - ders redten, als was Chriſtus in uns gewuͤrcket, und GOTT durch ſeinen Geiſt in uns verſiglet hat. Allein man uͤbet im Stu - diren gemeiniglich mehr die Gedaͤchtnuß und den Verſtand, als aber den Glauben, Gebet und Liebe. Viele treibt auch Geld - und Ruhm - Begierde zum Studiren, die es aber wohl wuͤrden bleiben laſſen, wann ſie kein ander Einkommen als die Apoſtel, nemlich Band, Schlaͤge, Armuth, Gefaͤngnuß, Verjagung und dergleichen zu hof - fen haͤtten. Das mag ſo wohl hingehen vor den Menſchen, wie es aber von dem gerechten Richter werde auffgenommen werden, wird jener Tag lehren.
Wir koͤnnten noch viel andere Unterweiſungen und Lehren aus un - ſerm Text ziehen. Wir haͤtten auch hier ein weitlaͤufftiges Wort verſchiedene Jrrthuͤmer zu widerlegen. Allein ich hoffe, ihr werdet die klare Wahrheit genugſam ſehen. Laſſet uns dieſe Wort zu un - ſerm Nutzen anwenden, und zwar
Erſtlich zur Erforſchung.
§. 1. Wie ſtehts jetzt mit uns? Kommen wir zu Chiſto? Jſt uns nichts theurers, nichts erwuͤnſchters als ſeine Lehren? Seynd ſie uns zuckerſuͤß, ja ſuͤſſer dann Honig und Honig-Seim? Erfreuenwir33Evangelii JESU. wir uns im Glantz ſeines Evangelii? Jauchtzen und ſingen wir uͤbernichts theurers ſeye als die Lehr JEſu? den Auffgang deſſelben, wie die Wald-Voͤgelein uͤber den Auffgang der Sonne, oder wie die Weiſen aus Morgenland uͤber den Stern? Heißts bey uns: Lobe Jeruſalem den HErrn, preiſe O Zion dei - nen GOtt, dann JEſus iſt kommen, und haͤts uns geſagt, wie wir ſein Eigenthum worden, und wie wir in ſeinem Himmelreich unter ihme in aller Gluͤckſeligkeit leben koͤnnen. Das iſt mir lieber als tauſend Stuͤck Goldes, ach daß ich doch ſtets bey dieſer ewigen Weißheit wohnen, und Tag und Nacht mit ihro umgehen koͤnnteaSap. VII. ! Es iſt kein Verdruß bey ihr zu ſeyn, dann es iſt beſſer um ſie hand - thieren als um Silber / und ihr Einkommen iſt beſſer dann gegra - ben Gold / ſie iſt edler dann Perlen / und alles was du wuͤnſchen magſt, iſt ihr nicht zu vergleichen; Langes Leben iſt zu ihrer rech - ten Hand, zu ihrer Lincken iſt Reichthum und Ehre / ihre Wege ſeynd liebliche Weg / und alle ihre Steige ſeynd Friede; ſie iſt ein Baum des Lebens allen denen die ſie ergreiffen / und ſeelig ſeynd alle die ſie haltenbProv. III. 14-18. / dann JEſus hat Wort des ewigen Lebens; Ach wie freundlich iſt Jehovah der HERR, denen die ſeine Gnaden - Milch gekoſtet habenc1 Petr. II. .
§. 2. Wiſſet ihr! wie es einer muͤhſeligen, gejagten und geplag -Ob wir die Freud gekoſtet, welche ei - ne muͤhſe - lige Seele empfindet, wann ſie Jhr Heil in JESU gefun - den. ten Seele zu Muth ſeye, wann ſie aus JEſu Hand den Kelch der Seligkeit empfangen, und das Erloͤſungs-Blut, den waͤrmenden, hertz-ſtaͤrckenden Wein Canaan daraus getruncken, ihre Kleider ſchnee-weiß gewaſchen in des Lammes BlutdApoc. VII. 14. Jeſ. I. 18. Pſalm LI. 9. / daß ſie alſo ver - ſoͤhnet ins Heiligthum gehen, mit Freudigkeit und zerſchmoltzenen Liebes - und Freuden-Thraͤnen Abba ſagen, und das Forderungs - Recht gebrauchen kan? Wird Pauli Ermahnungs-Wort taͤglich an euch und durch euch erfuͤllet, wann er ſagt: So laßt uns nun hinzu tretten mit Freudigkeit zu dem Gnaden-Stuhl / auf daß wir Barmhertzigkeit empfahen / und Gnade finden / auf die Zeit / wann uns Huͤlffe noth ſeyn wirdeHebr. IV. 16..
§. 3. Wiſſet ihr! wie es zugehe, wann JEſus in dem Hertzen dasOb wir wiſſen, wie es zugehe, wann JE - ſus ſein Reich in einem auf - richtet? Reich einnimmt, ſein Gnaden-Scepter der Seelen darſtrecket, und als ein maͤchtiger, triumphirender Koͤnig einen Feind nach demEandern34Wunder-Geheimnuß desandern zu ſeinen Fuͤſſen leget, die arme gefangene Seele von Ban - den und Kercker, vom Zorn, Unreinigkeit, Geld - und Ehrſucht, ꝛc. befreyet und ſie dargegen mit heiligmachenden Gaben ſeines Heili - gen Geiſtes bereichert? Wiſſet ihr! was JEſus fuͤr Gedancken und Begierden habe? Wann ihr zu JESU kommen ſeyd, ſo wer - det ihr Jhne kennen, und als mit ſeinem Geiſt Geſalbte gleichen Sinn, Willen, Freud und Verlangen mit Jhme haben.
§. 4. Habt ihr erfahren! wie ſeine liebreiche Gegenwart das Hertz in allen Zufaͤllen ſo ſeliglich beſaͤnfftiget, die bitterſte Bitterkeiten verſuͤſſet, ſo daß euere Seele in der Schoos eines liebhabenden GOttes und Seligmachers ruhet, einen Vor-Himmel auf Erden hat, und ſo in ruhiger Gleichmuͤthigkeit oder Gelaſſenheit Trauben und Roſen von den Dornen, und Feigen von den Diſtlen abliſet, das iſt, in allem, wie ſchmertzlich es euch auch vorkommt, lauter ewig Leben, Friede, Freude, Heilig - und Seligmachung findet, und ſo bereits im Glauben am Geiſt verklaͤret, euch freuet mit einer unausſprechlichen und verherrlichten Freude / wiewol ihr den noch nicht geſehen / welchen ihr lieb habta1 Petr. I. 8..
§. 5. Habt ihr erfahren! wie eng die Pforte, wie beklemmend der Weg in das Paradeiß der Gemeinſchafft JESU ſeye? Habt ihr erfahren? daß ihr unmoͤglich durch eigene Kraͤfften, ohne Huͤlffe des Allmaͤchtigen Vatters alle Hindernuſſen uͤberwinden, alle krumme Abwege, die euch vorkommen, vermeiden, durch ſo viel Schaaren liſtiger unverdroſſener Feinden hindurch kommen koͤnnet? Habt ihr dann alle uͤbrige Zeit zu ſehnlichem Flehen angewendet und geſchryen, daß euch doch GOTT ſelbſt auf dieſen Felſen erhoͤhen, in den Le - bens-Baum einpfropffen, und euer Hertz kraͤfftig neigen wolle, JE - ſu den Handklapff zu geben, alles mit dem Rucken anzuſehen, da - hin zu geben und zu ſpendiren, nur Jhne zu gewinnen und zu genieſ - ſen? Habt ihr euch mit Paulo entſchloſſen, alles fuͤr Schaden zu achten gegen der uͤberſchwenglichen Erkanntnuß JESU ChriſtibPhil. III. 8.? Habt ihr euch declarirt und anerbotten, GOTT ſolle euch alles ab - ſchlagen, JEſus ſolle euch nur den rechten Glauben ſchencken? Habt ihr als hungerige Kinder bey euerm Abba um das Brodt des Lebensſo35Evangelii JESU. ſo unermuͤdet angehalten, biß Er euch zu willen worden, und zuge - ruffen: Jch bin der HErr dein GOtt / der dich aus Egyptenland gefuͤhret hat / thue deinen Mund nur weit auf / ſo will Jch ihne fuͤllenaPſalm LXXXI. 11..
§. 6. Sehet! dieſes alles iſt im Kommen zu JESU begriffen. GOTT allein kan uns alle dieſe Se - ligkeiten zu koſten geben.Ach! es hats noch keine Zunge jemals koͤnnen ausſprechen, was das ſeye; JEſum finden; woraus dann leicht zu erachten, daß niemand als GOTT allein uns in einen ſo ſeligen Zuſtand verſetzen koͤnne, dann er iſt viel zu glorios und herrlich.
§. 1. Aber! ach wie wenig begehret man JEſum zu finden! wieNutz zur Beſtraf - fung de - ren welche JEſum nicht ken - nen, und ihme nichts nachfra - gen. ſchaͤmet man ſich nur davor angeſehen zu ſeyn, daß man JEſum ſu - che! Dort laͤugnete Petrus, daß er JEſum kenne, und loge: Aber! O wie viel koͤnnten mit Wahrheit ſagen; ſie kennen JEſum nicht, ſie ſeyen nie bey Jhm geweſen, ſie kennen Jhn nicht einmal nach dem Fleiſch und aͤuſſern Lebens-Wandel, nicht in ſeiner Niedrigkeit, will geſchweigen nach dem Geiſt, oder Fuͤlle der Gottheit. Und das da - her, weilen ſie den Weg nie unter die Fuͤß genommen, und wann ſie JEſus fragen ſolte: Haſt du mich lieb, ſagen und bekennen muͤß - ten: HErr, du weiſſeſt alle Ding, du weißſt, daß ich dir wenig nachfrage. Welt, Gelt, luſtige Geſellſchafft iſt der heutigen Chri - ſten Wolleben; Jhre Freude iſt an denen Orten, da alles von Ei - telkeit ſchaumet, da GOtt verachtet, der Heilige Geiſt betruͤbet, ſein Koͤnigreich verworffen, ſeine Liebe, und ſein aus groſſer Er - barmung vergoſſenes Blut mit Fuͤſſen getretten wird. Dann ohne Ehrerbietung von GOTT reden, handeln, wandeln, Tod, Gericht und Ewigkeit aus dem Sinn ſchlagen, das Gewiſſen mit unauff - hoͤrlichen Welt-Haͤndlen aneinander uͤbertaͤuben, damit man nie wiſ - ſe oder ſehe woran man ſeye, und was es endlich aus einem werden wolle; Seine Seele in ſtaͤter Sicherheit unterhalten; durch ſo man - cherley falſche Stuͤtzen und eitele Beredungen, jeder weltlicher Zeit - Vertreib ſeye erlaubt und unſchuldig, wo man nur darneben einige Gottes-dienſtliche Pflichten abſtatte, wiewohl ohne inwendige Ge -E 2mein -36Wunder-Geheimnuß desmeinſchafft des Hertzens mit GOTT: Alle Forcht des ſtrengen Ur - theils und der ſchwaͤren Verantwortung ausloͤſchen, mit einer biß in das hohe Alter bezauberenden Hoffnung einer gewiß dermahlen - einſt Sinnes - und Lebens-Aenderung ſich inzwiſchen immerfort in ein und anderer heimlichen Schooß-Suͤnde auffhalten, dieſelbe nicht groß achten, ſondern ſich ſelbſt unzaͤhlich viel Fehler und Ungerechtigkeiten uͤberſehen, dazu blintzeln, als waͤren es nur Schwachheiten, die mit dem Gnaden-Stand gar wohl beſtehen koͤnnten; Anbey in blin - dem Eigenſinn, Muthwillens nicht mercken wollen, daß man immer weiter von GOtt nicht aber naͤher zu Jhm komme; mithin vom hoͤchſten Gut im Willen getrennet, und durch die Luſt geſchieden bleibe: Schließlich iſt dieſes der jetzigen Chriſten-Welt ihr Element, ſich ſelbſt mit allerhand ſcheinbahren Vernuͤnffteleyen oder Vernunfft - Schluͤſſen um das Himmelreich bringen, ja recht betruͤgen und von aller dero Seeligkeit die in JESU iſt, Tag und Nacht abhalten, ja alle innwendige Warnung unterdrucken, alle Goͤttliche Wuͤrckun - gen des Vatters, ſo die arme duͤrfftige Seele zu JESU leiten ſolten, aus dem Hertzen banniſiren, das, das iſt der heutigen Chri - ſten ihr ordinari Tagwerck.
§. 2. Wie kan man bey ſolcher innwendigen Gemuͤths-Geſtalt was Chriſto geziemendes im aͤuſſerlichen Wandel hoffen; oder wie moͤgen rechtſchaffene Fruͤchte des Heiligen Geiſtes aus ſo graͤulicher Moͤrder-Grube des Satans als der Chriſten Hertz iſt, herkommen! Man ſpottet alles Guten, nicht anderſt, als ob man in der Tauffe der heiligen Gottheit voͤllig abgeſagt, und ſich dem Satan fuͤr Leben - lang verbunden haͤtte. So treu, ſo feſt hanget man an ihm, und laſſet ſich weder durch Drohungen noch Verheiſſungen vom Suͤn - den-Dienſt abwendig machen. Alle angedrohete entſetzliche Quaa - len des Abgrunds, alle verſprochene unzehliche Lieblichkeiten des ewigen Freuden-Reichs vermoͤgen nichts, den Menſchen den Dienſt unter dieſem hoͤlliſchen Meiſter und deſſen Vice-Koͤnigen, Fleiſch und Welt zu erlaͤiden. Wie leicht laͤßt man ſich hingegen bereden, den Rath GOttes von der Seligkeit zu verwerffen, die allerboß - hafftigſten Buben finden eher Gehoͤr, als der ewige Sohn GOt - tes. Man laͤſſet ſich vom Satan gebrauchen, wann, wo und wo - rinnen er will, iſt willig und bereit, andere, die etwann einen Luſt zu JESU haͤtten, und gern kommen wolten, von Jhme abzufuͤhren,ihnen37Evangeli JESU. ihnen ſeine Lehre und Wege zu verleiten, auszuſchwaͤtzen, ja gar ver - daͤchtig zu machen.
§. 3. Einwurff. Sie ſagen: Sie kommen ja zu Chriſto, ſie bet -Entſchul - digung mit der Abſtat - tung der aͤuſſerli - chen Pflich - ten des Gottes - dienſtes, widerle - get. So wohl uͤber - haupt, als auch ten ja Morgens und Abends; ſie gehen zur Kirche und Heil. Abend - mahl, halten Buß - und Bett-Tage; ob dann das nicht heiſſe zu JE - ſu kommen?
§. 4. Antwort: Wie iſt das Gebett beſchaffen? Jſts nicht meh - rentheils ein hertzloſes Lippen-Geſchwaͤtz, davon das Hertz nichts weißt; ja es waͤre ihnen gewißlich ſehr leyd, wann ſie GOtt in ih - rem Gebett erhoͤrete, ſie beym Wort nehme, und der Welt ſammt den Wolluͤſten derſelben entriſſe. Und wie kommen ſie zur Kirche? Gewißlich nicht anderſt, als dorten die Juden zu den Zeiten Eze - chiel, welcher Kirchengehen GOTT ſelbſten ſeinem Knecht alſo be - ſchreibet: Du Menſchen-Kind / deine Lands-Leute unterreden ſich von dir an den Waͤnden / und unter den Hausthuͤren / und ſpricht ſe einer zum andern: Lieber komme / und laßt uns hoͤren / was der HErr ſagt: Und ſie kommen zu dir in die Verſamm - lung / und ſitzen vor dir als mein Volck / und hoͤren deine Wort / aber ſie richten dieſelbe nicht ins Werck / und ob ſie dir ſchon mit ihrem Mund liebkoſen / ſo wandelt doch ihr Hertz nach ihrem Geitz; Und ſiehe! du biſt ihnen wie einer / der ein Buhlen-Lied ſingt / der eine ſchoͤne Stimme hat / und wohl auf den Saͤiten ſchlaͤgt: Darum hoͤren ſie deine Wort / aber ſie richten dieſelbe gar nicht ins Werck; Wann es aber kommen wird / was kommen ſoll / ſo werden ſie erfahren, daß ein Prophet unter ihnen gewe - ſen ſeyeaEzech. XXXIII. 30-33..
§. 5. Jns beſondere, und etwas nachdruͤcklicher von dieſer SachJnsbeſon - dere, und gezeiget, daß wohl niemand ſpoͤttiſcher mit GOtt als die Refor - mirten umgehen. zu reden, ſo iſt gewiß kein Volck, noch Sect noch Religion unter dem Himmel, das mit ſeinem GOtt ſpoͤttiſcher und affrontirlicher umgehe, als eben die Reformirten mit dem wahren GOTT Him - mels und der Erden. Der Paͤpſten Befelch werden in Obacht ge - nommen. Die Juden leiden ehender allen Spott und Hohn, als daß ſie ihre Ceremonien verlaſſen ſolten. Die Tuͤrcken reſpectiren ihren Alkoran, ſo ſie von Muhamed haben, und richten ihr Leben darnach ein. Die wildeſten Heiden halten ſehr genau ob der Vor -E 3ſchrifft38Wunder-Geheimnuß desſchrifft ihrer Prieſtern, und uͤben ſich in den allerſtrengſten Buß-Pflich - ten. Und ſiehe! die Reformirten allein nemmen ſich die Freyheit, nach ihres Hertzens Gutduncken zu wandeln, wann ſie nur den Wil - len GOttes hoͤren oder leſen, ſo laſſen ſie es bey dieſem Hoͤren und Leſen verbleiben. Will man weiters gehen, und ihnen von einer Sinnes - und Lebens-Aenderung, vom Gehorſam des Evangelii JE - ſu Chriſti, von Verlaͤugnung ſeiner ſelbſten, Verſchmaͤhung der Welt ꝛc. reden, ſo ſetzen ſie entweder den Kopff auf, oder entſchul - digen ſich hoͤfflich. Darum ein eifferiger Hollaͤndiſcher Prediger in einer Predigt uͤber Ezech. 37. ſehr wohl geſprochen: Ein Reformir - ter, der den Heiligen Geiſt nicht hat, der iſt ein Atheiſt. Und das iſt gewiß wahr; Dann ſehet doch nur, wie ſie es machen!
§. 6. Wann zum Exempel eine gnaͤdige Obrigkeit oder ein Koͤ - nig jemand, er ſeye Juncker oder Bauer, zu ſich beſcheidet, den - ſelben mit Freyheiten und Gaben zu beſchencken, wie laufft nicht alles herbey, und wann es ſchon waͤre, Streich einzunemmen und auszugeben, in Rauch, Feuer und Dampf ſich hinein zu wagen, und alſo Gut und Blut aufzuopffern, wie geſchwind hat man ein gantz Heer-Lager beyſammen, von Edlen und Gemeinen? Nun ſe - het! Es wincket uns der groſſe, der herrliche GOTT in ſeinem Wort, wir ſollen die Staͤdte des Verderbens verlaſſen, uns zu Jhme nahen, ſeiner liebſeeligen Wuͤrckung ſtill halten, und uns an ſeiner Gnaden-Hand fuͤhren laſſen; wohin? zu ſeinem Chriſto, und unſerm JESU; Aber ach! da drehen ſich Hohe und Niedere davon, und ſchiebets immer einer auf den andernaJeſ. XXX. Hoſe. XI. Act. II. .
§. 7. Der Hohe und Reiche meinet, er ſeye in allweg entſchul - diget und ſpricht: Jch habe hochwichtige Staats-Geſchaͤffte, die Stadt und Land angehen, wann ich das wohl verrichte, ſo iſt allen Leuten geholffen, auch bucket ſich alle Welt vor mir, und wann ich von hinnen muß, ſo fahre ich dannoch mit allen meinen Ehren ins Koͤnigreich der Himmeln. Jch ſetze Pfarrer ein und Pfarrer ab, trotz dem, der mir meinen inneren Seelen-Zuſtand vorhalten doͤrff - te. Jch habe nicht der Zeit dem armen einfaͤltigen JEſu Gehoͤr zu geben, und abzuwarten. Moſes, David und Daniel, ob ſie ſchon groſſe Koͤnigreich und Voͤlcker zu regieren hatten, ſo hattenſie39Evangelii JESU. ſie doch nicht ſo viel zu thun, wie ich, ſie konnten wohl zu JESU gehen, Jhme ſich ergeben, gantze Stunden in Lobpreiſung und Anbettung GOttes zubringen; aber das iſt jetzt in Abgang kommen. Es waͤre meinen Ehren nachtheilig, und meinem Stand nicht ge - maͤß, daß ich vor JESU ſo lang auf den Knyen als ein armer Bettler ligen, ihn mit aͤngſtlich-bekuͤmmertem Gemuͤth um ſeine ohn - verdiente Gnade anſchreyen, und mit vielen Hertzens-Thraͤnen um ſeinen Heiligen Geiſt, den Geiſt des Glaubens und der Liebe erſu - chen ſolte.
§. 8. Und zu dem, was ſoll ich doch bey JEſu machen? Alles wasMit dem / daß er nichts bey JEſu fin - de was ihn ver - gnuͤge. er hat, und was er denen, ſo zu ihme kommen, gibet, iſt mir gar nicht dienlich und erfreulich, dann er ware ja ein armer Zimmer - mann, hatte kein Geld, und dazu wenig Gunſt bey Fuͤrſten und Gewaltigen, und ſtarb endlich am Creutz zwiſchen zweyen Moͤrdern; ich hingegen ſchwebe in Reichthum und Anſehen. JEſus gibet zwar den Himmel, darab erſchrecke ich recht von Hertzen, ſo offt ich da - ran gedencke, daß ich auch darein muͤſſe, dann ich mache mich lie - ber auf der Welt luſtig, das iſt mir Himmels genug, daß ich in allen Freuden nach meines Hertzens Wunſch lebe, zuͤrne es gar nicht, wann ich ſchon eben nicht in den Himmel muß, wann ich nur deſto laͤnger auf der Welt ſeyn kan, muß ich aber darein, ach ſo iſt mir bang und angſt, wann ich daran gedencke; Ach des boͤſen Stuͤnd - leins! ach der traurigen Zeit! da ich einsmalen alles verlaſſen, von meinem ſchoͤnen Haus und Hof, luſtiger Geſellſchafft ſcheiden, und ins finſtere, kalte Grab geſencket werden muß!
§. 9. JEſus gibt den H. Geiſt; davor huͤte ich mich wohl, dannMit dem / daß der Heil. Geiſt ihren Luͤ - ſten, in der Vollbrin - gung ſie ihr Gluͤck ſetzen, Ein - halt thun wuͤrde. er wurde mich hindern allerhand Briguen und Practiquen anzu - ſpinnen, Er wurde nicht zugeben, daß ich noch ſo begierig nach groſſem zeitlichen Gut ſtreben, Uberfluß und Pracht treiben, und in der Welt mit Luſt und Freude hoch aufſteigen ſollte. Ehe ich aber dieſes laſſen muͤßte, wollte ich lieber, daß ich nie gebohren waͤ - re, dann ich habe eben darzu einen guten Talent empfangen, und werden mir in dieſem allem wenig beykommen. Uber das, ſo wur - de der heilige Geiſt mein Hertz in Chriſti Sanfftmuth und De - muth hinein ziehen, allein da gienge es mir gar uͤbel, dann ich waͤre niemand mehr foͤrchterlich, verloͤhre mein Authoritaͤt und An - ſehen, welches erfordert, daß ich die Leute anſchnarchen und an -fahren40Wunder-Geheimnuß desfahren muͤſſe, damit ſie vor mir, wann ſie mich nur anſehen, oder reden hoͤren, erzittern und erſchrecken; Mit einem Wort: Der heilige Geiſt wurde einen himmliſchen, der Welt abgeſtorbenen, und JEſum innbruͤnſtig liebenden Menſchen aus mir machen, und eben das mag ich auch nicht, dann da muͤßte ich aller Welt Narr, Spott und Fingerzeig ſeyn, welches mir gar nicht anſtaͤndig.
§. 10. JEſus vergiebet Suͤnden; weil ich aber im Sinn habe noch ſo lang zu ſuͤndigen, ſo lang es mir Luſt und Vortheil brin - get, ſo dringe ich eben nicht ſo ſehr auf deren Vergebung, ſo bald es aber mißlich um mich ſtehen ſollte, wollte ich flugs das gantze Pack meiner Suͤnden dem gedultigen und barmhertzigen Chri - ſto auf den Hals werffen, da gieng es eben mit mir in einem hin, aller Suͤnden, die ich von Anfang biß zu Ende meines Lebens begangen, Vergebung zu erlangen. Und was ſoll ich viel Wort machen, ſpricht der HErr in der Welt:
§. 11. Wann ich zu JEſu kaͤme, ſo wurde er wollen HErr ſeyn uͤber mich, und was nutzte mich da meine Meiſterſchafft, Verſtand und Kunſt, ſo ich ſie nicht nach meiner Willkuͤhr brauchen koͤnnte, ſondern muͤßte erſt mit David bitten, von JEſu ſelbs geleitet zu werden: O nein! ich will Jhne der Muͤhe entheben, und kan oh - ne Jhn meine Sach gar wohl und dazu mit groſſem Ruhm aus - richten.
Alſo, und noch viel ſchlimmer machens die Reichen und Vor - nehmen, daß ſie auch offt ihre laͤſterliche Gedancken uͤber ein und andere Lehren des Heil. Evangelii nicht doͤrffen an Tag geben, ſie ſeyen dann bey ihres gleichen. Und auf dieſe Weiß bleiben die Ho - hen von JEſu weit weit zuruck, nach dem Ausſpruch des Apoſtels, Nicht viel Weiſe nach dem Fleiſch / nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle ſeynd beruffena1 Cor. I. 26..
§. 12. Aber ach! wie gluͤckſelig, wie ewig reich und herrlich waͤ - ren ſie, wann ſie erkennten, wie die Hochheit dieſer Erden, und al - le irrdiſche Cronen und Reichthuͤmmer erſt dann zumahlen unver - welcklich ſeyen, wann die Seel mit dem hohen GOtt vereiniget, und mit Chriſti Demuth durchwuͤrtzet iſt. Wie hingegen, wo die - ſes verſaumt werde, der Sturtzfall gar klaͤglich und erbaͤrmlich ſeynwer -41Evangelii JESU. werdeaJcſ. I. 31.. Sintemahlen man in jener Welt mit eben deren Fuͤſſen getretten wird, von denen man hier als ein Gott verehret und an - gebetten worden. Die Gottſeligkeit hat noch niemanden ſeine Au - thoritaͤt vermindert, vielmehr blitzt aus ſolchen theuren Regenten, die ſich derſelben ernſtlich befleiſſen, ein Strahl der richterlichen Majeſtaͤt Chriſti. Die Freundſchafft eines ſo groſſen Monarchen, wie JEſus unſer ſouveraine hoͤchſtgebietende Koͤnig iſt, macht nie - mand bey jemand verkleinerlich, es ſeye dann bey des Teuffels Welt - vernarrten Leuten. Wer groſſe Natur-Gaben, Credit und Gewalt, ſchoͤne Talent, Adel und Reichthum hat, bringt dieſes alles zu Chri - ſto, und wirfft es Jhme als ein Opffer mit vielem Gebett und Seuff - zen zu ſeinen Fuͤſſen, o was hat dieſer fuͤr eine reiche Ernd der Gna - den hier auf Erden und der Herrlichkeiten dort im ewigen Leben zu gewarten! Jm uͤbrigen ſollte freylich mancher groſſer Herr ſuͤſſere Gemuͤths-Ruh im Leben und ſeligere Gewißheit im Tode empfinden, wenn er JEſum fuͤr ſeine einige Freude hielte, oͤffters zu ſeiner Au - dienz kaͤme, und nach verrichteten ſchwehren Amts-Geſchaͤfften ſei - ne angenehmſte Ergoͤtzung in GOttes Gemeinſchafft ſuchte; dann ſonſten wurde ihr ewiger, von GOtt ſeinen Urſprung habender Geiſt ſo wenig Ruhe haben noch finden koͤnnen, als wenig ein Fiſch zwi - ſchen Sammet und Edelgeſteinen ſein Ruh und Wohlſeyn finden kan, weilen GOttes Liebes-See des Geiſtes Element und Leben iſt.
§. 13. Ach laſſe es ſich doch niemand verdrießlich fallen, dieſesVermah - nung alles obige wohl zu Hertzen zu ziehen. wohl zu behertzigen, ſondern dancke GOtt, wann ſein von vielen Muͤhſeligkeiten abgematteter Glaub noch die Gnaden-Kammer offen findet, daß er zu GOtt dem Vatter eingehen kan, eine Kammer vom Heil. Geiſt erbauet, mit dem Holtz des Lebens, das nicht ver - faulet, getaͤffelt, im Hertzen GOttes ſelbs verwahret, und auf ſei - ne Weisheit und Wahrheit gegruͤndet; da mag man ſich wohl er - friſchen, dann da werden alle Affecten, Begierden und Bewegun - gen ſanſſt, rein und ruhig, auch uͤber alles Jrrdiſche in deß Vat - ters Reich erhaben, ohngeachtet der aͤuſſerliche Beruff, Ammt und Stand zur Laſt und taͤglichen Ubung der Sanfftmuth, Liebe und Ge - dult beybehalten wird.
§. 14. Wie machens aber Untergebene? Nicht anderſt als dieWie ſich der arme und gemei - ne Mann ausrede. Fuͤrgeſetzten, dann meldet ſich das ewige Liebes-Weſen weiters an bey Buͤrgern und Gemeinen, und will ſie durch die enge Pfort inFdas42Wunder-Geheimnuß desdas weite Reich der Freyheit, des Lebens und Seligkeit, unter Chri - ſti Regierung bringen, ſo ſchleichen ſie gleichfalls davon, vermei - nend, ſie koͤnnen dieſes Gebens vom Vatter, und dieſes Kom - mens zu JEſu lebenslang entrathen, und ohne einiges Bedencken biß ins Sterb-Bette aufſpahren; Ja, meinen ſie, wann Chriſtus Ducaten, Korn, Wein und Aemmter austheilte, ſo waͤre es wohl noch zu Jhme zu nahen; Aber Er prediget nur von ſeiner Selbs - und Welt-Verlaͤugnung, von Creutz und Gedult in demſelben, von Schaͤtzen ſammlen im Himmel; von Wachen und Betten. Er preiſet nur Arme am Geiſt, Leydtragende, Sanfftmuͤthige, Hun - gerige, Barmhertzige, Verachtete und Verfolgte ſelig. Wer koͤnnte doch mit einem ſolchen Leben in der Welt durchkommen? Wir muͤſſen ſehen, wo wir Brod ins Haus bekommen, damit wir Weib und Kinder erhalten moͤgen; Da heißts etwann, wann man ihnen von dem Himmel und dem Weg zu demſelben redet. Ey Him - mel, Himmel, haͤtte ich hie Meel. Wir wollen unſern geiſtlichen und weltlichen Vorgeſetzten die Ehre laſſen, ſie gehen billich voran.
§. 15. Aber ach bedaͤchten ſie doch ein wenig, wie JEſus ſo eines liebreichen und freundlichen Hertzens ſeye, daß Er keinen unverſor - get hingehen laſſe, der uͤber der ſehnlichen Begierd mit Jhme recht - ſchaffen und allezeit vereiniget zu werden, ſeiner eigenen Sachen ver - giſſet. Gewißlich ſolche verſiehet der liebe JEſus mit himmliſcher und irrdiſcher Nahrung. Ja ach! ſie koͤnnen nicht glauben, wie hoch geehret eine ſolche auch ſchlechte Huͤtten ſey, in welche JEſus der HERR aller Herren einkehret, ja nicht nur einkehret, ſondern gar darinnen als der Haus-Vatter wohnet; Da Kind und Geſind als in JEſu Gegenwart leben, in allen Treuen arbeiten, und GOtt mit wackerem Glauben und froͤlichem Vertrauen anruffen. O ein ſolches Haus iſt gewiß ein recht luſtig Paradis, darinnen GOtt der Vatter, Sohn und H. Geiſt mit Wohlthun und Benedeyen woh - nen. Und alſo koͤnnten ſie auch wohl im kuͤnfftigen Leben groſſe, rei - che und maͤchtige Herren ſeyn und bleiben, und zwar nicht nur fuͤr eine kurtze Zeit, ſondern in die ewige Ewigkeit.
§. 16. Wer haltet dann die armen Leut von ſolchem Gut und Se - gen zuruck? Nur ſie ſelbſten und ihr UnglaubaJeſ. VII. 9.. Ach daß ſie doch be -daͤchten!43Evangelii JESU. daͤchten! wie es ein gar zu erbaͤrmliche Sach ſey hier den Leib mitder ſie in das Ver - derben ſtuͤrtzet, eine Urſach dazu ſeye, und alles was ſie vorwen - den ihnen nichts helffe. ſtaͤtem Arbeiten abmerckeln, kuͤmmerlich ſich durchbringen, und Tag und Nacht ſich fretten und nagen, und doch zuletzt, weilen man kein viertel Stund an JEſum wenden mag, verdammt werden. Ge - wiß, es waͤre ein und anderer Burger und Bauer niemahlen verdor - ben und an Bettel-Staab gerathen, wann er nicht lieber zu boͤſen verfuͤhriſchen Leuten gegangen, und ihrem Rath mit freſſen, ſauf - fen und faullentzen gefolget, als aber zu JEſu kommen und Seinem heiligen Willen im Evangelio nachgelebet haͤtte. Einmahlen es bleibt darbey; Wer viel betten, viel an Chriſti Leiden und Sterben ge - dencken, allen ſeinen Zeit-Vertreib und Erquick-Stunden bey dem einigen und hoͤchſten Gut ſuchen, die theuren Verheiſſungen deß Gnaden-Bunds Tag und Nacht betrachtenaPſ. I. Jel. V. 24. VIII. 20., wer dieſes, ſag ich, fuͤr uͤberfluͤßig, ſchaͤdlich, und als eine Sach haltet, die nichts ein - trage, ja gar die Zeit verderbe, der muß nothwendig entweder an Leib oder Seel, oder auch an beyden crepiren und zu Grund gehenbMal. III. Hag. I. , und hats dabey niemand als ſich ſelbſt zu verdancken, aus Urſach, weilen er nicht hat zu Chriſto kommen, noch den Vatter um die Huͤlff ſeines H. Geiſtes mit beſtaͤndigem Verlangen anflehen wollen, um zu JEſu hinuͤber gebracht zu werden.
§. 17. Und auf dieſe Weiſe vercomplimentiret die arge, blindeDann mit allem ih - rem Kir - chen-Ge - hen ma - chen ſie ſich dan - noch nicht zu JEſu. Welt ihr eigen Heyl, indem bey nahe niemand GOtt folget, ſich unter den Blut-Fahnen und Anfuͤhrung JEſu zu begeben. Wie doͤrffet ihr dann, o ihr arme, betrogene Chriſten eueren Kirchgang vorſchuͤtzen, nach welchem ihr doch kein einigen Schritt naͤher zu JEſu gekommen, ja aus derſelben gantz ledig und leer von himmli - ſchen Gaaben weggehet. Ja! wie doͤrffet ihr glauben, daß der Vatter unſers HErrn JEſu Chriſti die Kleinodien ſeines Himmel - reichs in euere Hertzen, als garſtige Geſchirr voll Unflats werde hin - ein legen, alldieweilen ihr dieſelbe nicht wollet ausleeren, noch viel - weniger durch JEſum von tauſenderley unruhigen Affecten und de - ren Unordnungen reinigen laſſen?
§. 18. Was das heilige Abendmahl betrifft, ſo trettet ihr zu dem -Sie kom - men zum H. Abend - mahl wie ſelben wie Judas, und gebt JEſu den Verraͤther-Kuß. Dann Judas der Unſelige folgete JEſu immer nach, wo JEſus war, da befand ſich Judas auch, er kam zu Jhm an den Oelberg, ſtellete ſichF 2ſehr44Wunder-Geheimnuß desJndas Jſcariot.ſehr liebreich gegen Jhme, botte Jhm ſeine Hand, gruͤſſete Jhn freundlich, umfienge und kuͤſſete Jhnl Aber es war ih - me doch nicht darum zu thun, ſondern er hatte bey ſich eine Schaar Kriegs-Knecht mit Spieſſen, Stangen und Stricken den HErrn gefaͤnglich einzuholen und zu creutzigen, damit er ſeinen verſprochenen Lohn erlangte. Derowegen ohnangeſehen ſeines aͤuſſerlichen Scheins, den er waͤhrender ſeiner Nachfolge mit JEſu gefuͤhret, nennete ihne der HErr lang zuvor einen eingefleiſchten Teufel. So machet ihrs; Jhr habt den Schein, als wann ihr es mit JEſu hieltet, kommet zu ſeinem Tiſch, gebet ihm die Hand, ſtellet euch gantz familiar, demuͤthig, als ſeine beſte Freunde gegen Jhme, als wann ihr euer Lebtag nicht mehr von Jhme zu weichen geſinnet waͤret. Aber ſihe! es iſt lauter Falſchheit, ihr gedencket an nichts wenigers, dann ihr bringet mit eine Schaar allerhand ver - borgener Greueln und Suͤnden, als ſo viel Spieß, Stangen und Stricke den HErrn aufs neu zu fangen, zu binden, in euer von Suͤnden-Koth angefuͤlltes Hertz zu ſchleppen, und mit dieſem hei - ligen JEſu nach euerm Belieben zu handeln. Ja ihr machts wie die Kriegs - und Henckers-Knecht, die zogen dem HErrn JEſu auch nach hinaus an die Schaͤdel-Statt, aber mit Naͤgeln und Haͤm - meren den HErren an das Creutz anzuhefften, ja ſie waren bey und um Jhn, da Er an dem Creutz gehangen, aber nur Jhne zu hoͤh - nen und zu ſpotten: So kommt ihr auch zu dem gecreutzigten JEſu zu ſeiner Tafel, aber mit vielen herrſchenden Suͤnden, als mit ſpi - tzigen und gifftigen Naͤgeln, und groſſen Haͤmmern den unſchuldi - gen JEſum noch haͤrter an das Creutz zu ſchlagen. Kommt Jhne zu ſpotten. Dann da kommt ein liſtiger Fuchs, dorten ein nach Gold und Geld heißhungeriger Wolff, hier kommt ein unver - ſoͤhnlich Tyger-Thier, dort trittet ein ſtoltzer mit ſeinen ſchoͤnen zwitze - renden bunten Federn ſtutzender Pfau daher, darauf folget ein nei - diſcher Hund, ein wolluͤſtig Schwein, und endlich eine ſachtſchlei - chende, argliſtige, verlaͤumderiſche, gleißneriſche Schlang. So kommet ihr als rechte Ungeheuer zu dem aufrichtigen, mildthaͤti - gen, gedultigen, leutſeligen, niedertraͤchtigen, alles mittheilenden, mit Dornen gecroͤnten, in Schmach und lauter Schmertzen leben - den, fuͤr die Suͤnder bittenden JEſum, ohne einige Begierd, die Krafft ſeines Todes in Creutzigung des alten Menſchen zu erfahren,ſon -45Evangelii JESU. ſondern nur euern garſtigen Suͤnden-Koth JEſu dem unbefleckten GOttes-Lamm anzuwerffen, und darauf ein friſches Kerb-Holtz zu machen. Das, das iſt euer Abendmahl Gehen.
§. 19. Die Bett-Tage betreffend, ſo laufft eben ſo ein falſches Heu -Mit ihren Bett-Ta - gen iſt es lauter Heu - cheley. chel-Weſen mit unter wie in dem Kirchen - und Abendmahl-Gehen. Ja der Zweck derſelben iſt nicht, wie es ſeyn ſollte, die Beſſerung deß Lebens, ſondern nur in unzerſtoͤrter Ruhe und Wohlſtand zu le - ben, die wohlverdiente Gerichte und Straffen GOttes abzubitten, und alſo, teutſch zu ſagen, bey GOtt um mehrere Zeit, ohnge - ſcheut, ohne Forcht der Straffe zu ſuͤndigen anzuhalten. So und nicht anderſt haltet ihr euere Bett-Tage, ihr gedencket an keine Veraͤnderung, ja man geſpuͤhret auch nicht das geringſte darvon, ſondern wann er nur gehalten und vorbey geſtrichen iſt, ſo meynet ihr, was ihr GOtt fuͤr einen herrlichen Gefallen erwieſen. Und ſe - het alſo, was euer Kommen zu JEſu ſeye, lauter nichts.
§. 20. Ja ihr habt einen rechten Eckel ab JEſu; euere WaͤndJhre Haus-Ge - maͤhlde zeigen wie wenig ſie JESUM achten. uͤberzeugen euch deſſen, maſſen man ja mehr unzuͤchtige Fabeln aus Ovidio, und andern Heidniſchen Buͤchern, als Hiſtorien Alten und Neuen Teſtaments, mehr Bildnuſſen allerhand weltlicher Fuͤrſten und Herren, als JEſu, Seiner Apoſteln und Maͤrtyrern an den - ſelben finden wird, welches einen Catholiquen veranlaſſet zu ſagen: Die Reformirten haben die Crucifix abgeſchafft, weil ihr libertiniſch Leben durch deren Anſchauung ſtaͤts beſtrafft werde. Womit wir zwar dem Papiſtiſchen Aberglauben nicht das Wort reden wollen, ſondern nur anzeigen, wie unſere Untugend und Abſcheu an dem wahrhafften lebendigmachenden Umgang mit Chriſto allen Nationen in die Augen zwitzeret. Ein gottſeliger reiſender Prediger hat mir erzeh - let, daß in Moſcau Leute ſeyen, die ihre Zeit in drey Theile abmeſſen: Acht Stunde geben ſie der Nothdurfft des Leibes, acht der Arbeit, und acht heiligen ſie gantz GOtt und dem Himmel; Wo will man aber ſolche bey uns Reformirten finden? Wie viele Naͤchte werden zugebracht in Wolluͤſten und Dienſt des Fleiſches? auch das einige Schaaf, der Sonntag, wird JEſu geraubet, und den boͤſen Geiſtern ge - ſchlachteta2 Sam. XII. , indem man denſelben zubringet in Ubermuth, Muͤßig -F 3gang,46Wunder-Geheimnuß desgang, faulem Schertz-Gelaͤchter und Welt-Geſchwaͤtz, wenigſtens in eitelen und unheiligen Gedancken.
§. 21. Aber nicht nur die Unwiedergebohrene und Gottloſe kom - men nicht zu JEſu, ſondern auch die Frommen ſelbſten ſtolpern und ſchlenderen auf dem Weg zu Jhme, daß es eine Schand iſt vor GOtt und allen heiligen Engeln, deren lauer Wandel JEſu viel unertraͤglicher, als der blinden Welt Boßheit; Sie thun zwar ei - nen Schritt JEſu entgegen, und dann wieder zehen zur Eitelkeit, ſo daß ihnen JEſus Seine Herrlichkeit nicht offenbahren, ſie auch gegen Satans Reich nicht anfuͤhren kan, ſondern ſich noch zur Zeit ihrer ſchaͤmen muß, daß es wohl heiſſen mag: Seynd dieſe bey JEſu an ſeinem Hof, und kommen ſo zerriſſen und verhudelt daher, begehren noch dieſes und jenes; Aber woher kommts? Sie bitten den Vatter nicht unablaͤßig, daß Er JEſum in ihnen verklaͤ - ren wolle; wer nun wenig bittet, empfanget wenigaJoh. XVII. 10., und iſt ſeinem JEſu eine ſchlechte Ehre. Kurtz! man laſſet JEſum gantz allein.
§. 1. Wie viel unſchaͤtzbare Zuſpruͤche des Vatters uͤberhoͤren wir als etwas unnuͤtzes, verdrießliches und ſchaͤdliches ſonderlich, wann Er uns einige Dornen von der Crone Chriſti, Seines Sohns, als eine allerheil - ſamſte, und am allereilfertigſten zu JEſu fuͤhrende Sach, geben will; da werden wir gantz unwuͤrſch und ungedultig, und wird uns dasje - nige, was uns durch Demuͤthigung unter GOttes Vatters-Hand ein Spohren ſeyn wuͤrde, in Chriſti, uͤber die maſſen ſanfftes Lie - bes-Reich hinein zu dringen, das wird durch unſere unleidentliche Eigenliebe uns ein Dorn im Fuß, der uns offt hindert, zum Gna - den-Thron zu nahen. Wir machens wie die Kinder, welche ein je - des Bluͤmlein, Sommer-Voͤgelein, Schnecken-Haͤußlein vom Weg abfuͤhren kan; Ein jedes ehrenruͤhriges Woͤrtlein, ein jeder kleiner Verluſt, ein jedes Gluͤſtlein kan uns ſchon aufhalten, in die Gedult, Demuth und uͤberhimmliſches Weſen JEſu einzudringen, da uns doch alles zugeſchickt wird, uns da hinein zu treiben. Welches ei - gentlich geſchehen wuͤrde, wann wir nur GOTT den Vatter hoͤrenund47Evangelii JESU. und von Jhm allein alles, und von der Schlangen Gifft und Gallen nichts nehmen wollten.
§. 2. Ach! wo will Sich doch der theure JEſus in dieſen ver -Uber die geringe Zahl de - ren die JESU nachlauf - fen; wirrten Zeiten hinwenden? Wo wird Er Seelen finden, die aus Goͤttlichem, eiferigem Trieb, ohne Neben-Abſichten, in ihrem ei - teln Sinn ſtille ſtehen, und hingegen nach ihme allein, beſtaͤndig, und ohnermuͤdet durch vieles Leiden fortlauffen, und mit aufgedeck - tem Angeſicht Seine Herrlichkeit unverruckt anſchauen / um in Sein Bild von einer Klarheit zur andern vorgeſtaltet zu werdena2 Cor. III. 18.? welches gewißlich einer Seelen, die zu JEſu kommen will, hoͤchſt - noͤthig waͤre. Dann Adam ware im Paradieß wie ein von der Weiß - heit und Heiligkeit des Sohns GOttes klar durchſcheinender Cry - ſtall. Nach dem Fall aber ward er mit einer dicken Haut uͤberzogen, welche aber nicht anderſt, als durch vieles unermuͤdetes Leiden, als ſo viel Schritt auf dem Weg nach JEſu, in der Gnaden-Zeit kan zerſchellet, abgerieben und abgeſchirffet werden. Wo dieſes bey ei - ner Seelen nicht geſchiehet, ſo kommt ſie in Satans Haͤnde, der ſie mit ſolchem Hoͤllen-Koth uͤberſchmeiſſet, und beſchmieret, daß nicht der geringſte Stral von GOttes Freuden-Licht Sie mehr be - ruͤhren kan.
§. 3. Aber! wo ſeynd jetzund die Seelen, welche alles dem FleiſchUnd ſein Ereutz mit Freuden auf ſich nehmen. bittere mit Freuden umarmen? als wordurch die Seele von ihr ſelbſt und der Welt mehr ausgeleeret, die Gaabe des Vatters zu empfan - gen bequemer, zum Hingehen nach JEſu tuͤchtiger, und nach ſeinen himmliſchen Schaͤtzen begieriger gemacht wird.
§. 4. Ein Menſch, der unter des Vatters Zucht ſich getreulichÜber die Unbeſtaͤn - digkeit und Fluͤch tigkeit der Gemuͤ - thern. beuget, wird alles Anhangs an der Creatur und ſuͤndlicher Luſt loß, und hingegen durch das Anſchauen JEſu, von eigener Weißheit Duͤnckel, eigenem Recht, koͤnnen und haben befreyet, ſo, daß ſich JEſu Schoͤnheit in ſolchen Seelen, als in einem Spiegel, wun - derbarlich ſpieglen kanbEſa. IV. 1.. Aber! ach wo ſeynd dieſe Spiegel, die durch den Glauben in des Vatters Hand ſich gegen die Sonne der Gerechtigkeit umwenden laſſen, Seines Gnaden-Scheins ungehindert und ununterbrochen theilhafftig zu werden; Ach! wie unſtaͤt ſeynd auch fromme Gemuͤther in dieſen Tagen der Sicherheit, wie geſchwindſchnellen48Wunder-Geheimnuß desſchnellen ſie um nach der Finſternuß der Ve gaͤnglichkeit! wie viel Staub irrdiſchen Sinnes laſſen ſie auf ſich ſammlen? wie dick laſ - ſen ſie werden den Schmutz der Eigenliebe, ſo, daß ihr innwendi - ger Hertzens-Grund gar wenig vom Glantz der Ewigkeit empfangen, und gar ſchlechten Widerſchein auf den Naͤchſten geben kan.
§. 5. Man ſollte je taͤglich Morgens und Abends alle fremde, und der Goͤttlichen Mittheilung hinderliche Dinge fleißig hinweg raumen laſſen. Aber darinn iſt man gar ſaumſelig, und hat dabey vieler - ley ſuͤſſe Traͤume, der rechte Ernſt werde wohl noch ein mahl kom - men, ohngeacht der getreue Vatter den frommen Menſchen im Ge - wiſſen genug warnet, dieſe und jene Gebrechen und Unlauterkeiten abzulegen, und damit dem Leben ſeines Sohns Platz zu machen. Aber meiſt umſonſt; Man will ſich zwar in etwas von der groben Welt auf allerhand Weiſe von auſſen unterſcheiden, aber Chriſti Bild in allen deſſen Lineamenten auszudrucken, will man ſich nie recht - ſchaffen vor GOttes Angeſicht entſchlieſſen; da iſt kein rechtes Auf - mercken auf GOttes Winck, kein rechtes kommen zu Chriſto, ſon - dern alles nur ſo ſchlecht oben hin.
§. 6. Will dieſe theure edle Perle, man ſolle alles an ſie wagen, ſich und alle eigene Ehre, Luſt und Gut voͤllig um Sie hingeben, o wie draͤhet man ſich wie die faulen Kinder, die nicht gern in die Schu - le gehen, davon! JEſus ſihet vom Himmel, wie mancher ſein Vat - terland und alle deſſen Anmuthigkeiten verlaſſet, ſich in fremde Land unter raͤuberiſche Voͤlcker begibt; in Durſt und Hunger, Kaͤlte und Hitz, Waͤlder, Moͤrder, Wuͤſteneyen der Schlangen, Loͤwen und Panther-Thieren durchwandert; Ja wie einige ſich nackend in des bittern Meers Tieffe hinunterlaſſen, eine ſchoͤne Perle zu finden; hingegen muß der liebe JEſus darneben ſehen, wie ſchlaͤfferig Jhne auch diejenigen ſuchen, welche in Seine himmliſche Schoͤnheit, und unendliche Fuͤrtrefflichkeit, bereits einen Blick gethan haben, und in ſo ſicherm, herrlichem Begleit des Vatters und des H. Geiſtes zu Jhme kommen koͤnnten:
§. 7. Was Schand und Verachtung muß JEſus nicht in dieſen unſern Tagen von ſeinem eigenen Volck leiden! Wir ſeynd ſchuld daran, daß Satanas unſern theurſten Heiland wohl trotzen moͤchte, ſagende: Jch gebe den meinen nichts als Blendwerck, und zuletzt ewig hoͤlliſch Feuer, bin ihnen auch moͤrdlich feind, tribuliere ſie,und49Evangelii JESU. und bin nach ihren Seelen ſo hungerig wie ein Wolff, und dennoch ſiheſt du, welch ein Zappeln und Jagen iſt nach meinem Traͤndel - und Hudel-Waaren, und wie ſie mir kein Ruh laſſen; Du hingegen gibſt ihnen das allerhoͤchſte und beſte in deinem Reich, und endlich ewige Freud und Herrlichkeit; du geheſt fuͤr ſie in die Hoͤlle, laſſeſt dich aus lauter Liebe gegen ſie aufreiben und verzehren. Und gleichwohl ſeynd es wenig, wenig die dir recht anhangen, dann ſie gehen ja ſo ſachte, ſo traͤg und unachtſam zu Dir und deinen Guͤtern, als ob ſie Dir nicht wohl trauten, und ſich auf den Weg eines anderen be - dacht haͤtten; Wie wenig ſind der Deinen, die recht reſolvirt ſeyen, auf ewig mir nichts mehr abzunehmen! Wie viel Dienſtlein habe ich noch von ihnen? Wie vieles kan ich ihnen noch anhencken? Wie ge - faͤllt ihnen mein Affen-Spiel, in Hoffart, Menſchen-Ruhm, po - litiſchen Argliſtig - und Welt-Manierlichkeiten noch ſo wohl? Ja! ſi - he, wann du ihnen ſchon ruffeſt, ſie freundlich zu Dir einladeſt, ih - nen gar auf dieſem Welt-Meer entgegen geheſt, ſo wollen ſie Dich doch nicht recht hoͤren, noch Dir trauen, ſondern ſehen dich, wie Petrus, fuͤr ein Geſpenſt an, und foͤrchten ſich.
§. 8. Ach du liebes Berneriſches Zion! wie jaͤmmerlich ſiheſt duUber des Berneri - ſchen Zions Verderb - nuß. noch aus in den Augen deines GOttes und Seligmachers! Dein Eiſen iſt mit dem Roſt des Unglaubens, der Faulheit und irrdiſchen Sinnes ſo gar durchfreſſen, daß der himmliſche Magnet dich nicht an Sich ziehen, noch ſich mit dir vereinbaren kan; Ach! wann willt du dich dermaleins deinem allergetreuſten und wahrhafftigſten GOtt vollkommlich, und ohne Ausnahm, mit Leib und Seel, in Zeit und Ewigkeit uͤberlaſſen, daß Er mit dir nach allem Seinem lauterſten Wohlgefallen handeln koͤnne, und durch deinen bittern Eigenſinn und Widerwillen in dem edlen Werck der Offenbahrung Seines Sohnes nicht mehr verhindert werde? Wann wilt du dich zu einem ſchoͤnen Pallaſt und wohlgebauten Luſt-Garten des himmliſchen Koͤ - nigs zubereiten laſſen, der niemand offen ſtehe als der unbefleckten Heiligkeit des Heiligen und Warhafftigen, der den Schluͤſſel Da - vids auf Seinen Schultern hat? Wie lang wilt du dich nicht in Seiner Liebe bewahren laſſen, damit Sein Werck in dir nimmer - mehr geſtoͤret und geſtuͤmmlet werde?
§. 9. Ach! ihr theure Seelen, ihr habt ſehr unreine und zerſtreue -Uber die Aus - ſchweif - fungen te Hertzen, und an ſtatt daß ihr nach euerem Gnaden-Zug euresGWegs50Wunder-Geheimnuß desund Zer - ſtreuun - gen des Hertzens.Wegs gerade hin auf JEſum fortgehen ſolltet, iſt des neben ſich gehens, ſehens, und umkehrens, des beurtheilens, und zurecht le - gens anderer ihrer Wegen und Fuͤhrungen, bey euch kein En - de, da heißts immer bey euch, wie bey Petro: Was ſoll aber die - ſer? Was ſoll jener? Gewißlich zu Chriſti groͤſtem Verdruß, und derjenigen, denen (wie gar leicht geſchiehet) dergleichen offt gantz liebloſe und unchriſtliche Urtheil wieder geſagt werden, mercklichen Schaden und Nachtheil, voraus, wann ihr Hertz noch etwas an - ders als dem Liebes-Safft der ſuͤſſen Wurtzel Jeſſe offen ſtehet. Es duncket ein jedes ſein eigener Weg der richtigſte, und da verdraͤngt und drucket je eines das andere hinunter, als ob Chriſti Schooß nicht weit genug waͤre, alles zu faſſen. Niemand ſiehet recht gruͤnd - lich gern, daß alle andere von Chriſto zaͤrtlicher und gelinder trac - tirt, hoͤher geſetzt, mit mehr Weißheit, Heiligkeit, Freude und Troſt begnadet werden, als aber er: Niemand iſt, der da nichts ſeyn, nichts gelten, ſondern gern alle Ehre von ſich ablehnen, und nach der Vermahnung und Exempel JEſu nur anderer Diener, ja der geringſte ſeyn wollteaMarc X. 43-45.; Niemand, oder doch ſehr wenig, die an nichts anders gedaͤchten, als an die Liebe ihres Vatters und JEſu, von nichts anders redten, als von Sachen, dardurch der Naͤchſte erbauet, zu JESU gelocket, und die Liebe gegen Jhme moͤchte angeblaſen werden; Welche herrliche Tugenden als rechte hertzberuhigende Gnaden doch gantz natuͤrlich in ein Hertz flieſſen wuͤrden, welches ſtaͤts in denen Gedancken ſtunde, es habe nichts auf der Erden zu thun als nur vom Vatter zu nehmen, und zu JE - ſu zu kommen. Und O wie ſelig und ruhig! wie eines froͤlich - und ohne Anklag vor GOtt und Menſchen ſtehenden Gewiſſens waͤre ein Hertz, daß nichts anders, als aus ſo Chriſtlichen Gedancken flieſ - ſendes redte und thaͤte; daß, wo nur das geringſte im Gemuͤth ſich regete, das zum Unglauben, Hochmuth, Ungedult, Bitterkeit und Entfrembdung gegen dem Naͤchſten reitzete, ſelbiges flugs, wie eine Funcke Feuers auf dem Kleid ausgefchuͤttelt wuͤrde, mit denen Worten: Gehe hin du Gedancke an deinen Ort, woher du kommſt, dann du kommſt nicht vom Vatter, und foͤrdereſt mich nicht zu meinem HErrn JESU Chriſto. Wo ſeynd aber ſolche Leute? Ach!51Evangelii JESU. Ach! ſie haben ſich unter die Krippen zu Bethlehem verborgen, und in den finſterſten Winckeln des Grabs Chriſti verkrochen, der kan lange ſuchen, der ſie finden will. Und doch will Jſrael deren keines mercken, und Jeruſalem will nicht zu Hertzen faſſen, was zu ſeinem Frieden dienet. Daher kommt dann das viele Ungezieffer von al - lerhand Verſuchungen, Befleckungen, Abirrungen, Ausſchweifun - gen von JEſu, Treuloſigkeiten gegen Jhme, Fehlern und Suͤnden wider Jhne, die dann alles Gute auffreſſen, und wenig vor die ſee - lige Ewigkeit uͤbrig laſſen. Es gehet den Frommen eben wie den Kindern von zehen Jahren, ſie ſeynd nicht ſtets beym Vatter, ſie halten Jhn nicht bey Seiner rechten Hand, wie Er ſie halten will; ſie folgen nicht Seinem Rath, es iſt noch gar zu vieles im Himmel und auf Erden, dazu ſie noch neben Chriſto Luſt haben, darum doͤrffen ſie Chriſto nicht froͤhlich unter die Augen, ihre Hoffnung in GOttes Herrlichkeit aufgenommen zu werden, hat ſchlechten Grund, und dahero haben ſie auch keine Freudigkeit uͤber Seiner Offenbah - rung und Erſcheinunga1 Joh. II. 28.. Ja ſie muͤſſen vor Jhm in Seiner Zu - kunfft zu ſchanden werden. Paulus ſagt: Es ſeye keine Verdam - mung an denen, die in Chriſto JESU ſeyndbRom. VIII. 1.. Dargegen iſt gar viel Verdammung und Anklag in manchem gar frommſcheinenden Menſchen, nemlich, weil ſie wenig in Chriſto JESU ſeynd, und ihr Leben nicht in GOtt, ſondern in ihnen ſelbs iſt, vieles auffs Fleiſch, und ſehr wenig auf den Geiſt ſaͤen; darum doͤrffen ſie auch nicht mit der Braut den Koͤnig einladen, ſagende: Mein Freund komme zu ſeinem Garten / und eſſe die Frucht ſeiner NiedlichkeitcCant. IV. 17.. Dann es ſiehet gar erbaͤrmlich aus: Die Seelen bleiben nicht an der wahren Lebens-Sonn, ſondern ſetzen ſich an den Schatten der Selbsgefaͤlligkeit, verbergen ſich vor den Sudwinden. Darum ſeynd ihre Fruͤchte wurmſtichigdJeſ. V. 4., vom Wuͤrmlein des eigenen Willens zer - naget, untuͤchtig den Safft des Gnaden-Lebens in ſich zu ziehen, und ſchmurren ein, daß man ſie bald nicht mehr kennet.
§. 10. Ja, eine allgemeine Schlaffſucht hat das Chriſten-VolckUber die Schlaff - ſucht und Sicher - heit. erſchlicheneJeſ. V. 19.; Und darum iſt die Suͤndflut nicht mehr weit, wiewohl man ſich noch immer mit den ſchlaffenden Juden ſchmeichlet:G 2Das52Wunder-Geheimnuß desDas Geſicht, das dieſer ſiehet, da iſt noch lange hin, und weiſſaget auf die Zeit, ſo noch ferne iſtaEzech. XII. 22., Mein HERR verzeucht zu kommen; Aber wie ein Dieb wird der unpartheyiſche Richter ploͤtzlich und unverſehens kommenbMatth. XXV. 50. 51., zum groͤſten Schaden deren die es nicht glauben, dann wann ſie werden ſagen: Es iſt Frie - de und alles ſicher, dann wird ſie ein ſchnell Ver - derben uͤberfallen, gleichwie die Kindswehe ein ſchwanger Weib, und werden nicht entfliehenc1 Theſ. V. 3., Derowegen wolt ihr nicht heute noch mit zerbrochenem Geiſt zu JEſu kommen; Dann ſiehe! der Tag kommet, der brennen wird wie ein Ofen, da werden alle Veraͤchter und Gottloſen Stroh ſeyn, und der kuͤnfftige Tag wird ſie anzuͤnden, ſpricht der HErr Zebaoth, und wird ihnen weder Wurtzel noch Zweig laſſendMal. IV. 1.. Wie ein Fallſtrick wird JEſus kommen, uͤber alle die auf Erden wohneneLuc, XXI. 35.. Dann ſiehe! der HErr wird kom - men mit Feuer, und Seine Wagen wie ein Wirbel - Wind, daß Er Seinen Zorn mit Grimm herwen - de, und Sein Schelten mit Feuerflammen; dann der HERR wird durchs Feuer richten, und durch Sein Schwerdt alles Fleiſch, und der Getoͤdteten vom HErrn wird viel ſeynfJeſ. LXVI. 15. 16.. Der Koͤnig der Ewigkei - ten wird gar bald auffbrechen, dann man hoͤret ſchon die Poſau - nen weit und breit erſchallen; JESUS ſchreyet laut: Sihe! Jch komme bald, und mein Lohn iſt bey mir, daß Jch einem jeglichen vergelte, wie ſeine Wercke ſeyn werdengApoc. XXII. 12..
§. 11. Ach darum dann, hoͤret all ihr Geſchlechter, Reich und Arm, Vornehme und Gemeine! Betrachtet des HErrn Wort an euch, ſo Er heute redet; Laßt euch aufwecken, hoͤret wie Er ſo ernſt -lich53Evangelii JESU. lich euch zurufft, und ſchreyet: Bin ich dann dem Jſrael eine Wuͤ - ſte / oder oͤde Land? warum ſpricht dann mein Volck: Wir ſeynd Herren / und muͤſſen dir nicht nachlauffen? Vergiſſet doch auch eine Jungfrau ihres Schmucks nicht / noch eine Braut ihres Schleyers; Aber mein Volck hat meiner vergeſſen / nun unzehlich viel Tage heraJer. II. 31. 32.. Alſo ſpricht der HErr: Trettet auf die Weg und ſchauet und fraget nach den vorigen Wegen / welches der gute Weg ſey / und wandelt drinnen / ſo werdet ihr Ruhe finden fuͤr euere Seele: Aber ſie ſprechen: Wir wollens nicht thun; Jch ha - be Waͤchter uͤber euch geſetzt / mercket derowegen auf die Stimm der Poſaunen. Aber ſie ſprechen: Wir wollens nicht thun; Da - rum ſo hoͤret ihr Heyden / und mercket ſammt euern Leuten; du Erde hoͤre zu: Sihe / ich will ein Ungluͤck uͤber diß Volck brin - gen / nehmlich ihren verdienten Lohn / daß ſie auf meine Wort nicht achten / und mein Geſaͤtz verwerffenbJer. VI. 16-19.. Darum ſprich zu ihnen: diß iſt das Volck das den HERRN ſeinen GOTT nicht hoͤren / noch ſich beſſern will / der Glaub iſt untergangen / und ausgerottet von ihrem MundcJer. VII. 28..
§. 12. Ach! bedencket doch ſelbſt, was darauf erfolgen kan! Wann man an - derſt nicht jaͤmmer - lich zu Grund gehen will.Wann vor Zeiten einer ſeinem irrdiſchen Vatter nicht gehorchen wollte, ſo mußte ers mit dem Leben bezahlen: Was meynet ihr dann, was wird uns widerfahren? Was wird uns begegnen? Wann wir ſo fortfahren wider unſeren himmliſchen Vatter zu rebelliren; Sei - ner Gaabe nichts wollen; Seine unſchaͤtzbare Geſchenck, Seine innwendige Erinnerung und Handleitungen zum Sohn Seiner Lie - be verſchmaͤhen; Wie gerecht wird unſere Verdammnuß? Wie heiß unſere Hoͤlle ſeyn? Ach es iſt gewiß ſchroͤcklich / in die Haͤnde des lebendigen GOttes zu fallendHebr. X. 31. / ſo gedencke nun / wovon du ge - fallen biſt und thue Buß, und thue die erſten Wercke; wo nicht / ſo werde ich bald wider dich kommen / und deinen Leuchter weg - ſtoſſen von ſeinem Ort / wo du nicht Buſſe thuſteApoc. II. 15.. Welches an - gedrohete Gericht auch nach langer Gedult an den ſo ſchoͤn bluͤhenden Kirchen in Orient ausgefuͤhret worden, die ſchon uͤber die eilff hundert Jahr unter Tuͤrckiſchem Aberglauben ſchmachten. Dann ſo lang - muͤthig, ſo gedultig der gute GOtt iſt, ſo erſchroͤcklich und zornigG 3kan54Wunder-Geheimnuß deskan Er auch gegen Seinem Volck werden, wie bey Hoſea. Jch bin Ephraim wie ein grimmiger Loͤw / und dem Haus Juda wie ein junger Loͤw: Jch / Jch zerreiſſe ſie / und gehe davon / Jch fuͤhre ſie weg, und niemand kan ſie errettenaHoſ. V. 14.. Und ob ſie ihre Kinder gleich erzugen, will Jch ſie doch ohne Kinder machen / daß ſie nicht Leute ſeyn ſollen / auch wehe ihnen / wann Jch von ihnen gewichen binbHoſ. IX. 12..
§. 1. III. Zur Aufmunterung. Ach! ach! daß dann doch end - lich Junge und Alte, Reiche und Arme, Hohe und Niedere ein - hellig ausrufften: Sihe! wir kommen zu Dir, dann du Jehovah biſt unſer GOttcJer. III. 22.: Ach ja ich bitte euch, ihr abtruͤnnige Kinder, ach kehret doch um zu euerm GOtt! warum wollt ihr verſchmach - ten in euern Suͤnden, alldieweil noch ein Balſam vorhanden, der von dem geritzten Balſam-Baͤumlein JEſu dem Gecreutzigten herab tropffet? Ach ja thut es doch eueren Seelen, ja ſelbſten euerem GOtt zu Lieb. Ach ſehet! Er rufft euch ja; Ja er kommt zu euch, Er will euch ſo gern von euerem Unfall heilen, wann ihr euch doch nur wolltet heilen laſſen, und Jhme als euerem Artzt ſtille halten; Und was brauchts vieler Beweg-Gruͤnden.
§. 2. 1. Es iſt ja nichts herrlichers und vortheilhaffters als bey JEſu ſeyn; Er iſt uͤber alle Thronen erhaben; JEſus iſt die Herr - lichkeit des Himmels und der Erden, der Engeln und Menſchen, unſerer Leiber und Seelen, und der gantzen Natur; Ja Er iſt die Herrlichkeit des VattersdJoh. XII. 28., und des heiligen Geiſtes. Ach koͤnnteſt du JEſum durch den blauen Umhang des Himmels ſehen, Seinen Majeſtaͤtiſchen Glantz, ſeine unausſprechliche Schoͤnheit und Glory, wie Er von allen Seraphim in Seiner Wunder-vollen Crone ange - bettet wird, und wie hoch Er bey GOtt aͤſtimiret ſeye, ob Er ſchon bey vielen hienieden in Bern und anderen Orten und Staͤdten eben wenig giltet. Ach! wie wurdeſt du in dieſer dunckelen, finſteren Er - den nichts mehr angenehmes finden, dein Gemuͤth wuͤrde von JEſu gantz eingenommen, und du wuͤrdeſt es fuͤr eine groͤſſere Wuͤrde hal -ten55Evangelii JESU. ten, der gerinſte Seiner Aufwaͤrteren, als der maͤchtigſte Monarch des Erdbodens zu ſeyn. Oder, meyneſt du, der Creaturen Gunſt koͤnne dir dein Gluͤcke machen? Aber der HErr aller Herren ver - moͤge nichts, die Geſchoͤpffe koͤnnen dich erfreuen und vergnuͤgen, aber der Schoͤpffer aller Dingen habe nichts erfreuliches? Seynd dann einige verwelckte Blaͤtter mehr werth, als das gantze Para - deiß? Jſt in etlichen mit Gallen vermiſchten Tropffen mehr Suͤßig - keit, als im unergruͤndlichen Cryſtall-lautern, von ewig Goͤttlicher Wolluſt aufwallendem Freuden-Meer? Gibt ein gebrochener Strahl mehr Liebes-Schein, als die volle Gnaden-Sonne?
§. 3. Wer JEſum hat, iſt ſehr reich, ob er ſchon auf einem Miſt -Wer ihn hat der iſt der Reichſte, und wer Jhn nicht hat der iſt der Aerm - ſte. hauffen laͤge; Wer JEſum nicht hat, iſt gar arm, ob er ſchon gul - dene Berg beſaͤſſe. Weme JEſus wohl an iſt, der iſt ſelig, ob er ſchon keinen Freund auf der Welt haͤtte. Weme JEſus nicht gnaͤ - dig iſt, was nutzet einen ſolchen aller Menſchen Gunſt? Welches Land, Koͤnigreich, welcher Potentat wird ihn beſchirmen gegen die Ungnad eines ſo groſſen HErrn? Wo will er ſicher ſeyn? Und wann er ſich gleich in die Hoͤlle vergrube, ſo wird ihn doch Seine Hand von dannen holen, und wann er gen Himmel fuhre, will Er ihn doch herunter ſtoſſen; Und wann er ſich gleich oben auf dem Berge Carmel verſteckte, wird Er ihn doch daſelbſt ſuchen und her - abholen, und wann er ſich vor Seinen Augen verbuͤr - ge im Grunde des Meers, ſo wird er doch den Schlan - gen befehlen, die ihn daſelbſt ſtechen ſollenaAmos IX. 2. 3. Pſal. CXXXIX. . Ja kein Berg mag ihn verbergen vor dem Zorn des LammsbApoc. VI. 16..
§. 4. Ach! was fuͤr Aeſtime und Hochachtung haben doch alle H.Und ſeine Glieder haben an jenem Tag die groͤſte Gluͤckſe - ligkeit zu erwarten. Engel fuͤr einen Freund JEſu! obſchon ſein Leben hienieden unbe - kannt und verborgen iſt in Chriſto. Ach! was fuͤr Glory, Ehre und Herrlichkeit hat ein Glied JEſu an dem juͤngſten Tag zu erwar - ten! ach betrachte man nur die ſieben herrliche Verheiſſungen im Buch der Offenbahrung am 2 und 3ten Capitel: Wer uͤber win - det, dem will Jch zu eſſen geben von dem Holtz desLebens,56Wunder-Geheimnuß desLebens, das im Paradieß GOttes iſt; Jhm ſoll kein Leyd geſchehen vom anderen Tod. Jch will ihme zu eſſen geben vom verborgenen Manna, und will ihme geben ein gut Zeugnuß, und mit dem Zeugnuß einen neuen Namen geſchrieben, welchen niemand kennet, dann der ihne empfanget. Jch will ihm Macht ge - ben uͤber die Heyden, und er ſoll ſie mit einer eiſernen Ruthen waiden, und wie eines Toͤpffers Gefaͤß ſoll er ſie zerſchmeiſſen, wie Jch von meinem Vatter empfangen habe, und will ihme geben den Morgen - ſtern. Ja, wer uͤberwindet, ſoll mit weiſſen Klei - dern angelegt werden, und Jch werde ſeinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will ſeinen Namen bekennen vor Meinem Vatter und Seinen Engeln. Jch will ihn machen zum Pfeiler in dem Tempel GOttes, und ſoll nicht mehr hinaus ge - hen, und will auf ihne ſchreiben den Namen meines GOttes, und den Namen des neuen Jeruſalems, der Stadt meines GOttes, die vom Himmel hernieder kommt, von meinem GOtt, und meinen Namen, den neuen. Wer uͤberwindet, dem will ich geben mit mir auf meinem Stuhl zu ſitzen, wie ich uͤberwunden ha - be, und bin geſeſſen mit meinem Vatter auf Seinem StuhlaApoc. II. III. . O ungemeine, o recht koͤnigliche, ja mehr als koͤnig - liche Ehre, darinn die Glieder Chriſti ewig herrlich ſich befinden wer - den! Ey wer ſollte dann nicht mit Tauben - und Adlers-Fluͤgeln ei - lends zu JESU hin fliegen!
§. 5. 2. Und es iſt ja hoͤchſt noͤthig, wie dein JEſus ſelbſten ſagtbLuc. X. 42.: Du kanſt aller Dingen ohne ſonderlich Nachtheil wohl entrathen, aber JEſu kanſt du nimmermehr entbehren; Es iſt gar nicht noͤ - thig, daß du in Ehren ſchwebeſt, gluͤckſelig und praͤchtig ſeyeſt. Es iſt eben auch kein noͤthige Sach, daß du mit andern zuſammenſitzeſt,57Evangelii JESU. ſitzeſt, mit ihnen iſſeſt, trinckeſt, und ſpieleſt, du kanſt dannoch ſe - lig werden, wann du ſchon ſolche Wercke der Finſternuß unterwe - gen laſſeſt. Ja, es iſt eben nicht abſolut nothwendig, daß du ge - ſund ſeyeſt, fleißig und treu Geſind habeſt, daß deine eigene Haus - genoſſen dich lieben, und ruͤhmen, dir nach deinem Sinn aufwar - ten; daß deine Patronen dir forthelffen, kurtz; daß dir eben alles nach Wunſch und Willen gehe; ohne dem kanſt du dannoch voller Gnaden GOttes, voll Licht und Krafft von JEſu Chriſto ſeyn, dann nahe beym Creutz, nahe bey GOtt, ſagt Jgnatius: Dieu donne la Croix, & la Croix donne Dieu. GOtt gibt das Creutz, und das Creutz gibt GOtt, ſagt eine andere in GOtt verliebte Seele;
Aber JEſum das Licht, den Hirten, die Wahrheit und Leben muſt du haben, ohne dene biſt du ewig verdammt und verlohren.
§. 6. 3. Es iſt auch hohe Zeit: Der Auſſaͤtzige eilete, ehe JEſusEs iſt ho - he Zeit daß man zu JEſu ei - le: dann in Capernaum eingienge, damit er noch zu Jhme kommen, und al - ſo geſund werden moͤchteaMatth. VIII. . JEſus bricht auf vom Berge Zion, und will bald in Jeruſalem einkehren; Darum eile, lauffe ſchnell, verſchertze doch dein ſo theures Heyl nicht; verſaume nicht die gul - dene Gelegenheit deiner Reinigung; heute, heute, gehet JEſus noch vorbey. Falle dann zu Haus auf deine Knye vor deinen GOtt, be - weine deine bißherige Leichtſinnigkeit, bitte Jhn innbruͤnſtiglich um Gnad, Jhme forthin zu gefallen. Ach ja thue es doch heute noch, dann es iſt Zeit, und wer weißt, wie lang die Gnaden-Zeit noch waͤhren wird; Fort, fort, eile und errette deine Seele.
§. 8. Dann der Feuer-Eifer des HErrn Zebaoth iſt erwachet,der Feuer - Eifer des HErren iſt erwa - chet. alle Anbetter des groſſen ungeheuren Welt-Goͤtzen Mammons wer - den eine unvermeidentliche Banqueroute ſpielen. Gold und Silber hat ſich wieder in das Eingeweid der Erden verſchloſſen; die Kauff - leute Babylons ſtehen erſtaunet, weinen und klagen: Wehe! wehe! wie iſt unſer Reichthum in einer Stunde verwuͤſtet! Was bedeutet die heutige allgemeine Verwirrung in Europa, ſonderlich, in An - ſehen des Geldhandels? Als daß GOtt denen unſinnigen ChriſtenHden58Wunder-Geheimnuß desden gelben und weiſſen Herd aus den Handen ſchlagen, und ſie gleich - ſam zwingen will, ſich nach dem Himmels-glaͤntzenden Perle Chriſto zu ſtreckenaMatth. XIII. 46., und eine beſſere und bleibende Haab in dem Himmel zu ſuchenbHebr. IX. , und mit Maria das einige nothwendige gute Theil zu erwehlen, das nicht mehr von ihro ſollte genommen werdencLuc. X. 42., ja ſich - ſelbſten von GOtt zu einer ſchoͤnen beſtaͤndigen, und in der himmli - ſchen Stadt gangbaren Muͤntze mit dem Bild der gantzen H. Drey - faltigkeit praͤgen zu laſſen.
§. 8. Alle Element ſchreyen uns mit vollem Hals zu: Gehet zu JEſu. Die Sonne, die alles endlich erwaͤrmet und ſchmaͤltzet, ladet unſere Seelen ein unter die Sonne der GerechtigkeitdMal. IV. , Ach gehet doch zu JEſu! Er will euch mit ſeinem hellen Licht erleuch - ten, mit Seiner brennenden Liebe erwaͤrmen. Ach ſehet ihr nicht, wie ſeine Liebes-Strahlen auf euch zu ſchieſſen. Ja, Himmel und Erden ruffen laut: Ach hanget nicht an uns, wir muͤſſen zergehen, die Erden muß zerfallen und zerſcheitern, der Himmel muß zerſchmel - tzen; Gehet, gehet zu JEſu. Die Wolcken-ZeugeneHebr. XII. 1. ſehen auf uns, ſie warten, ſie ruͤhmen uns den geſegneten Tauſch, den ſie getroffen, und mit Verlaͤugnung eines Linſen-Muſes das Recht der Erſtgeburt an ſich gebracht, die himmliſche Kundſchaffter preiſen uns an die fuͤrtreffliche Guͤter des gelobten Landes, und noͤthigen uns zu Chri - ſto dem wahren Joſua uns zu begeben, als der es allein vermag uns hinein zu bringen. Die Waͤchter unter den Thoren des himmliſchen Jeruſalems ruffen uͤberlaut: Wer hinein will, der lauffe. So laſ - ſet uns nun foͤrchten, daß wir die Verheiſſung / einzukommen in Seine Ruhe / nicht verſaumen / und unſer keiner dahinden bleibefHebr. IV. 10.. Ein jedes Ungemach und Schwachheit unſerer baufaͤlligen Huͤtten ſtupffet unſeren traͤgen Geiſt, ſich beyzeiten mit deme bekannt zu ma - chen, der geſagt hat: Jch bin die Auferſtehung und das Leben, wer an Mich glaubet, der wird leben / ob er gleich ſtürbe. Und ein jeglicher der da lebet und glaubet an Mich / der wird in Ewigkeit nicht ſterbengJoh. XI. 25-26.. Die Hoͤlle, das Krachen und Spratzlen der Flam - men, das Heulen der Verdammten, das Bruͤllen der Teuflen treibet uns: Wollet ihr nicht zu uns kommen, ſo muͤſſet ihr zu JEſu gehen.
§. 9. GOtt ſchertzet nicht, wie Loths Tochter-Maͤnner, und vie -le59Evangelii JESU. le mit ihnen ſich traͤumend einbilden; Es iſt ihm gewiß ſehr ernſt. Dasbenach - bartes Koͤ - nigreich hat erge - hen laſſen. Geſchrey der Suͤnden ſteiget gen Himmel; Der Schwefel-Regen des Grimms GOttes breitet ſich aus uͤber der Chriſten Welt; GOtt kan nicht mehr ſchweigen, ſeine Macht wird donneren. Wann die Lufft erſchwartzet, und es anfaͤngt brummen, ſo lauffen die Huͤnlein unter die Fluͤgel der Gluck-Hennen, und die Kinder in ihrer Mut - ter Schooß. Gehe dann auch hin mein Volck / und ſchleuß die Thuͤre nach dir zu / verbirge dich einen kleinen Augenblick / biß der Zorn voruͤber gehe. Dann ſihe / der HERR wird ausgehen von Seinem Ort / heimzuſuchen die Boßheit der Einwohner des Lands uͤber ſieaJeſ. XXVI. 20. 21.. Ja iſt der HErr nicht ſchon ausgegangen? Jch meyne, ein benachbartes Koͤnigreich empfindets; Schicket uns nicht das Winſeln der Sterbenden, und das Stillſchweigen, der von Ein - wohnern ausgeleerten Haͤuſern eine klaͤgliche Warnungs-Stimme zu: Gehet, gehet doch zu JEſu? Seynd nicht auch die aufgehaͤuff - te Todten-Coͤrper traurige Gedenck-Saͤulen der Gerechtigkeit GOt - tes, daß wir ſagen muͤſſen: Ja HErr, du biſt gerecht, und alle dei - ne Gerichte ſeynd gerecht! Dann dem geiſtlichen Gifft-Geſtanck wird mit Peſtilenzialiſchen Suͤnden-Geſtanck abgelohnet und bezahlet. Doch, wo ihr euch nicht beſſert / werdet ihr alle auch gleicher Wei - ſe umkommenbLuc. XIII. 3..
§. 10. Jſt es jemahlen Zeit geweſen, daß man JEſu vonnoͤthen,Fuͤrnehm - lich aber die geiſtli - chen Ge - richte die uns ſchon betroffen haben. und ſich an Jhne halten ſollte, ſo iſt es jetzt: Die guldene Zeit des alten Chriſtenthums iſt verſchwunden; Das alte Evangelium iſt zur Thorheit worden; Es wimſelt uͤberall von Feinden des Creutzes Chri - ſti; Die geiſtliche allergreulichſte Gerichte ſeynd kommen; Der Him - mel iſt allenthalben mit Zorn-Wolcken umhenckt; Der Weg zur Se - ligkeit und Ruhe in GOtt iſt gar verwachſen; Menſchen ſetzen ſich an JEſu Statt; Der Welt-Sinn hat alles uͤberſchwemmet; Es weißt faſt niemand mehr was Glauben ſeye; Es ſeynd ſo dicke Ne - bel, daß man JEſu Schoͤnheit nicht mehr ſihet; Er der liebe JE - ſus iſt gar ſehr verachtet, weilen ſich alles von dem GOtt dieſer Welt bezauberen laſſet. Der Drach wuͤtet, und macht die Gottſeligkeit ſammt der Heiligung und Nachfolge JEſu Chriſti uͤberall verdaͤch - tig, weil er weißt, daß er wenig Zeit mehr hat, daher beſtuͤrmet erH 2mit60Wunder-Geheimnuß desmit allem Gewalt die Hertzen der Menſchen. Der Antichriſt lauret auf unſeren Untergang, ja es ſeynd ſchon viel kleine Antichriſten un - ter uns kommen. Die Sonne der Warheit iſt mit allerley Jrrthum verfinſtert; Die Goͤttliche, Apoſtoliſche Lehre iſt in ihrem wahren Sinn unbekannt; Die allerdeutlichſten und klaren Warheiten des Evangelii werden mit allerhand verkehrten Menſchen-Gloſſen ver - duncklet, und nach des toͤdtlichen Fleiſches Sinn herumgedraͤhet; dahero iſt der ehemahlige Garten Eden, der mit ſo vielen edlen pa - radiſiſchen Gewaͤchſen, mit der Sonne bekleideter, und den Mond unter ihren Fuͤſſen habender Chriſten Anfangs beſetzet war, zu einer ungeheuren Wildnuß und ewigem Schnee-Gebuͤrg worden. Der MondaJeſ. III. 8., d. i. die Kirche, gibt keinen Schein mehr der uhralten Un - ſchuld und Heiligkeit, dann die grobe Erden iſt darzwiſchen kommen, und ſtiehlet alle brennende Strahlen JEſu Chriſti von ihr hinweg; Die Sternen, d. i. die Lehrer, haben wenig reines unbetriegliches Licht mehr; ſie ſeynd keine himmliſche Fuͤrbilder mehr; ſie ſeynd un - ter die Welt-Leute vermengt, und iſt kein Unterſcheid mehr zwiſchen dieſer und jener Wandel, als nur im Habit und Cantzel-Stuhl; die Stund der groſſen Verſuchung iſt bereits vorhanden, und der Fuͤrſt dieſes Welt-Lauffs verfuͤhret den gantzen Erdkreiß; das nie - drige, Welt-verſchmaͤhende, GOtt dem HErrn unzertheilt und ei - nig anhangende Leben JEſu iſt kaum anzutreffen, dann die Fuͤſſe der Chriſten eilen in ein fleiſchliches, weltfoͤrmiges Leben hinein; Alles Fleiſch hat ſeinen Weg verderbt; Es iſt nichts da als eine Welt - Moden-Frommkeit, die nur Jſmaelitiſche Spoͤtterey gebieret, uͤber den an Chriſti Liebes-Joch angefeßleten Jſaac, der es mit dem An - tichriſten Trintran nicht wagen darff; Kurtz: Es will Abend wer - den, und der Tag hat ſich geneiget.
§. 11. Was hierinnen nun zu thun? Da hilffts gewiß nichts, da und dort hin zu lauffen, eine Trennung anzurichten, oder zu heulen und zu jammern, daß man in dieſen Zeiten lebet; dann man iſt ein - mahl auf der Welt, im Meer gibts groß und klein Gewuͤrm ſo in der Welt allerley Anfechtungen, und wo man hingehet, kommt man in die Welt, und auf der Welt muß man leben, ſo lang es der lie - be GOtt will; ſondern man muß ſich rathen laſſen; Nun iſt nichts beſſers, als ſich von der Suͤnd, von der Welt, und ihrem eiteln, wol -luͤſti -61Evangelii JESU. luͤſtigen Leben, ja von allem Boͤſen trennen, zu JESU gehen, in aller Noth, von was Art ſie auch ſeyn mag zu Chriſto lauffen, nach ſeiner Gnade hungern und ſchreyen. Ach HErr Chriſte! Siehe da ſicht mich Geitz, Neid, Hoffart und Wolluſt an, ſeye mir doch ein hilffreicher JEſus, Jhne in das Hertz auffnehmen, Jhme deſ - ſelben Thuͤr und Thor angelweit auffſperren, uns als denſelben Koͤ - nig der Ehren, den HErrn Zebaoth darinn logiren, Jhme daſſel - be gantz, alle ſeine Bewegungen und Begierden einraumen, alles daraus ausmuſtern, was Jhme zuwider, und Jhne nimmer gehen zu laſſen, Jhne darinn Lebenslang, als eine koͤſtliche Perlen, bey deren Verluſt alle unſere Seeligkeit dahin gehet, behalten. Wer JEſum ſo hat, und keine vûe, recherche oder frembde Abſichten unter JESU Liebe menget, der errettet ſeine Seel, und gehen bey Jhm alle Drohungen vorbey, und gehet ihne nichts an als Le - ben und Guͤte, dann der HERR kennet die Seinen auch unter dem verderbten und gottloſen Hauffen. Allein wir muͤſſen wohl zu - ſehen, daß wir bald, bald zu JEſu kommen, und ſolches kein vier - tel Stund mehr verſaumen, dann der Hahn kraͤhet ſchon.
§. 12. Jhr nun meine Lieben / ſo vermahne ich euch mit Petro,Vermah - nung. weil ihr das zuvor wiſſet, ſo verwahret euch / daß ihr nicht durch Jrrthum der ruchloſen Leuten ſammt ihnen verfuͤhret werdet / und entfallet aus eurer eigenen VeſtungaPetr. III. 7.. Und mit Johanne: Habt nicht lieb die Welt / noch was in der Welt iſt; ſo jemand die Welt lieb hat / in dem iſt nicht die Liebe des Vatters / dann alles / was in der Welt iſt / nemlich Fleiſches-Luſt / und der Augen-Luſt / und hoffaͤrtiges Leben / iſt nicht vom Vatter / ſondern von der Welt / und die Welt vergeht mit ihrer Luſt / wer aber den Willen GOt - tes thut / der bleibet ewigb1 Joh. II. 15-17.. Und rathe euch mit Paulo: Die da weinen / ſeyen als weineten ſie nicht / und die ſich freuen, als freueten ſie ſich nicht, und die da kauffen, als beſaͤſſen ſie es nicht / und die dieſer Welt gebrauchen / als mißbrauch - ten ſie derſelben nicht; dann die Geſtalt dieſer Welt geht voruͤberc1 Cor. VII. 31.. Ach daß doch die Chriſten dieſe letzte Wort Pauli bedaͤchten; Er vergleicht die Welt einem Theatro, und will ſagen: Wann ihr auf dem Theatro und Schau-Platz dieſer Welt den Rollen geſpielet, ſo muͤßt ihr abtretten, die Welt-Larven ausziehen; Ein einiger Augen -H 3bilck62Wunder-Geheimnuß desblick macht eurem gantzen Spiel ein Ende, und trittet euer Geiſt, wie er iſt, nackend, voll Suͤnden-Schlamm und Gewiſſens-Wun - den ins Licht der Ewigkeit: Und ſo gehet einer nach dem andern von euch hin, ſchleicht und macht ſich heimlich davon, biß endlich die gantze Welt-Comoͤdie aus iſt. Und danu wohin? Ach darum iſt nichts ſicherers, als bey Zeiten zu JEſu zu gehen.
§. 1. IV. Zur Unterweiſung. Fr. Denckeſt du: Ja es waͤre mir eine groſſe Freude, wann ich von GOtt dem Vatter zu JEſu ge - fuͤhret werden, und alſo ſeiner Gegenwart und Unterweiſung alle - zeit genieſſen ſollte; aber ich foͤrchte, Er werde mich nicht annehmen; neben dem, ſo ſeynd meine Begierden zu maͤchtig; meine boͤſe Un - art uͤberwaͤltigen mich; Satan haltet mich im Fleiſch und Suͤnden gefangen, daß ich alſo nicht zu JEſu kommen kan?
§. 2. Antw. Sollte JEſus die Gab Seines Vatters verſchmaͤ - hen, Sein Erbtheil, Sein Eigenthum, das Jhn Sein eigen Le - ben gekoſtet, Sein Schaaf, das Er mit ſeinem Blut erkaufft, fah - ren laſſen? Sollte Er Seinen Liedlohn, um welchen Seine Seele biß in den Tod gearbeitet, dahinten laſſen? Nein! Wer zu JEſu kommt / den will Er nicht hinaus ſtoſſenaJoh. VI. 37..
§. 3. Fr. Sagſt du: Ey! wie kan ich aber zu Jhme kommen?
Antw. 1. Bedencke, wie unverantwortlich es ſeye, daß du GOttes des Vatters Liebe, und Seines Sohnes Gnade ſo lange Zeit alſo ſchnoͤd verachtet, und wiewohl du verdienet haͤtteſt, daß dich JEſus ausſtoſſe, und kein Gnaden-Blick mehr goͤnne; Ver - wundere dich uͤber Seine Langmuth, daß alldieweil du Jhne auf das allerempfindlichſte affrontiert und beſchimpffet, und dem Satan, GOttes und deinem abgeſagten Feind mehr Gehoͤr gegeben, als JEſu dem lieben Kind GOttes, und deinem allergetreueſten Erloͤ - ſer, Er dennoch das beſte fuͤr dich geredt, und Seinen Vatter fuͤr dich gebettenbLuc. XIII. 8., Er ſolle dich noch diß Jahr ſtehen laſſen, und er - kenne, daß du die groͤſte Urſache habeſt, GOtt zu dancken, daß du noch nicht von der Hoͤlle verſchlungen worden.
§. 4. Ver -63Evangelii JESU.§. 4. 2. Verlaſſe die Welt und ihre Maximen, alle dem Reich JE -Daß man die Welt und ihren Maximen abſage, und die Lehr des Evangelii anneh - me ſu hinderliche, und Sein Leben ſchwaͤchende Menſchen-Gefaͤlligkei - ten; Vergiſſe das theure Wort des HErrn JEſu niemalen, wann Er bey Johanne ſagt: Mein Reich iſt nicht von dieſer WeltaJoh. XVIII. 36.. Noch was Sein Schoos-Juͤnger in ſchon angezogenen Worten uns einſchaͤrffet: Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt iſt. So jemand die Welt lieb hat / in deme iſt nicht die Liebe des Vat - ters / ꝛc .b1 Joh. II. 15-17.. Jtem, wornach Jacobus vermahnet: Jhr Ehebrecher und Ehebrecherin / wiſſet ihr nicht / daß der Welt Freundfchafft GOttes Feindſchafft iſt? Wer nun der Welt Freund ſeyn will / der wird GOttes Feind ſeyncJac. IV. 4.. Und Paulus: Wer dem HErrn an - hanget / der iſt ein Geiſt mit Jhme. Fliehet die Hurerey. Wiſ - ſet ihr nicht / daß euer Leib ein Tempel des H. Geiſtes iſt / der in euch iſt / welchen ihr habt von GOtt / und ſeyd nicht euer ſelbſt’d1 Cor. VI. 17-19.. Einmal es iſt gewiß; Wer GOtt in Zion ſchauen will, kan nicht in Egypten bleiben, er muß eines von beyden aufgeben; Nun beſinne du dich, welches ſicherer ſeye?
§. 5. Ob nicht ſicherer ſeye, JESU dieſe Freude zu goͤnnen, daßMaſſen das letzte viel ſiche - rer iſt. du Seiner Lehre eintzig nachzuleben begehreſt; daß dein Hertz von der Seele zerſchmeltzenden Glut Seiner Liebe angeflammet, und in der Betrachtung Seiner verzuckenden Schoͤnheit verſchlungen werde; Daß du, wo du immer geheſt und ſteheſt, es ſey im Hauß oder unter dem freyen Himmel, bey anderen, oder allein, ſtaͤts, wie ein klein Schul-Kind, an der Hand deines ſuͤſſen Lehrmeiſters JEſu hangeſt; daß du allezeit, als eine mit Chriſti Blut beſprengte rothe Roſen be - gierig ſeyeſt nach Seinem Licht und Krafft, als demſelben Himmels - Thau, der am reichlichſten in der Morgen-Roͤthe der Jugend fallet. Daß du nichts redeſt, nichts ſchaffeſt, ehe du einen Blick der An - dacht auf JEſum gethan, denckende: Ob es Jhm angenehm ſeyn werde, oder aber nicht? Du haſt ja wohl ſo viel Verſtand, daß du ſehen koͤnneſt, ob dieſes nicht ſicherer ſeye, als aber die Wahrheiten des Evangelii verſpotten; Diejenigen, welche von GOtt mit Chriſti Erkaͤnntnuß begnadiget, und mit Seiner huldreichen Liebe beſeeliget werden, auslachen, wegen ihres einfaͤltigen Weſens gering ſchaͤtzen, und ſich vom Fuͤrſten der Finſterniß in eiteler Welt-Freude, uͤppiger Boß - heit und kurtzer Suͤnden-Luſt herum weltzen laſſen, und zuletzt im ewi - gen Pfuhl mit Leib und Seele verderben.
§. 6.64Wunder-Geheimnuß des§. 6. 3. Erkenne gruͤndlich, daß du ohne Gottes Gnaden-Zug nicht ein Tritt naͤher zu JEſu kommen koͤnneſt; bitte alſo um ſeine Wuͤr - ckung und Einfluß Seines Geiſtes; hindert dich dein Fleiſch in dem Kommen zu JEſu, ſo ſtrecke deine Haͤnde aus zu GOTT, aus dem Abgrund deines Elends; brauche fleißig die Mittel des Heyls, warte an der Pfoſten Seiner Thuͤren, biß es ihm gefaͤllt dich hinein zu laſ - ſen und aufzunemmen, hebe deine Augen auf zum Vatter im Him - mel, und halte bey ihm an im Glauben und Vertrauen der unge - zweiffelten Erhoͤrung, wie dich dein JEſus ſelbſten in Seinem Ge - bett, ſo Er uns gelehret, geheiſſen hat, dann alle Bitten deſſelben ſeynd im Kommen zu JEſu begriffen; Dann in JEſu wird des Vatters Name verklaͤret, durch Jhn regieret der Vatter im Men - ſchen, ſo iſt auch diß Sein Wille / daß / wer den Sohn ſihet / und glaubet an Jhne / habe das ewige LebenaJoh. VI. 40.. Wer gern unbekuͤm - mert lebt um das taͤglich Brod, der bewerbe ſich den Sohn zu ha - ben, ſo wird ihm GOtt mit ihm alles ſchenckenbRom. VIII. . Tilgung der Schuld und Herrſchafft uͤber die Suͤnde, ſamt beharrlichem Sieg uͤber alles Boͤſe biß ans Ende, findet der kommende Suͤnder in Chri - ſto; da wird auch das Niemand kan / angedeutet in den Worten: Dein iſt die Krafft.
§. 7. Aus eben dieſem Grund huͤte dich, daß du, ſo lieb dir deine Seeligkeit iſt, keine gute Bewegung erſteckeſt, ſondern dencke alſo - bald: Ach! die unendliche Majeſtaͤt des Vatters wuͤrdiget mich ar - men Wurm, in mir zu wuͤrcken, um mich an ein uͤberaus ſeelig Ort zu bringen, nemlich zu Seinem Sohn, da es mir nicht anderſt als gar wohl ſeyn kan, ſintemahlen es ja nichts gefaͤhrliches und foͤrchter - liches um die Umhalſungen und Geſellſchafft JEſu iſt; Und da ach - te es vor weit hoͤher, ein Schritt naͤher bey JEſu zu ſeyn, als wann du aller Welt Schaͤtze und Wolluͤſt genieſſen thaͤteſt, und das um ſo viel mehr, weilen dieſer groſſe HErr ſolches dir ſelbs, und das zu oͤfftern mahlen geſagt, welche hohe Gnade vielen Voͤlckern und unzehlichen Menſchen nicht widerfahren; Darum ſie wohl wider dich, wann du in einer ſo traͤfen Sach laͤßig und ſchlaͤfferig waͤreſt, am Tag des Gerichts auftretten moͤchten; Hoͤre, was dein Heiland da - von ſagt: Die Leute von Ninive werden auftretten amJuͤng -65Evangelii JESU. Juͤngſten Gericht, mit dieſem Geſchlecht, und wer - den es verdammen; dann ſie bekehrten ſich nach der Predigt Jonaͤ: Und ſihe, hie iſt etwas fuͤrtrefflichers dann Jonas war. Die Koͤmgin von Mittag wird auftretten am Juͤngſten Gericht mit dieſem Geſchlecht, und wird es verdammen, dann ſie kam von den En - den der Erden, Salomonis Weisheit zu hoͤren: Und ſihe, hie iſt etwas fuͤrtrefflichers als Salomon waraMatth. XII. 41. 42.. Und wiederum ſagt dein JEſus: Wann Jch nicht kommen waͤre, und haͤtte mit ihnen geredt, ſo haͤtten ſie kei - ne Suͤnde: Nun aber koͤnnen ſie nichts fuͤrwenden ihre Suͤnde zu entſchuldigenbJoh. XV. 22.. Darum bedencke und erken - ne dieſe ſo theure Gnade, die dir dein GOtt thut. O wie wird dir dann GOtt der Vatter entgegen gehen, und dich kuͤſſen, ehren und lieben: Ehren; dann er ſagt: So mir jemand dienen will / ſo folge er mir nach / und wo ich ſeyn werde / da wird mein Diener auch ſeyn, und ſo mit jemand dienen wird / ſo wird ihn mein Vatter ehrencJoh. XII. 26.. Lieben: Wer meine Gebott hat / und haͤlt ſie / der iſts der mich liebet; Wer mich aber liebet / der wird von meinem Vatter geliebet werden / und ich wer - de ihn lieben / und mich ihme offenbaren; Wer mich liebet / der wird mein Wort halten / und mein Vatter wird ihn lieben / und wir werden zu ihme kommen / und Wohnung bey ihme machendJoh. XIV. 23.. Da wird der un - endlich ſuͤſſe GOtt und Vatter zu dir ſagen: Siehe, mein Kind! was Jch dir thue, Jch ſende nicht nur meinen Sohn dir zum Heil und Leben in die Welt, ſondern Jch ſchencke dir Denſelben mit allem Gut in dein Hertz; Jch tractire dich als meinen lieblichen Liebling; Jch ſetze dich an Meine Taſel, und theile dir mein Hertz mit, ja be - reite dir noch nausſprechliche Guͤter in meinem Paradieß; Wie koͤn - nteſt du dann ſo ein Tyger-Hertz haben, und Mich ferners beleidi - gen; Liebe doch deinen GOtt; Du ſollt ja deine Feinde lieben, warum dann nicht deinen unermuͤdeten Wohlthaͤter? Du ſieheſt ja deiner See - ligkeit kein Ende, du ſollt es ewig ſo gut haben als dein JESUS. JFoͤrchte66Wunder-Geheimnuß desFoͤrchte dich nicht fuͤr den Dingen die du leiden wirſt, dann ſiehe! der Teuffel wird etliche von euch ins Gefaͤngnuß werffen, auf daß ihr verſuchet werdet, und werdet Truͤbſal haben zehen Tag. Sey getreu biß in den Tod, ſo will ich dir die Trone des Lebens geben. Dann Jch regiere die Welt; Krieg, Theurung, Peſtilentz kommt nicht ohne Meinen Rath; darum uͤbergib dich Mir kecklich, Jch habe dir den Weg, und eine jegliche groß und kleine Prob, durch welche Jch dich zu Mir und deinem JEſu, Meinem Chriſto, in unſere ewige Herrlichkeit hinein fuͤhren will, ſchon abgezirckelt; Jch will ſtets bey dir bleiben, und dich mit Meiner rechten Hand halten, und dich durch Meinen Rath leiten, und hernach zu Ehren annehmen. Wen haſt du ſonſt im Himmel? Ja auch auf Erden iſt niemand, der dir ſo wohl thue, als Jch; Wann dir ſchon Fleiſch und Hertz verſchmachtet, ſo bin Jch doch GOtt, deines Hertzens Felß, und dein Theil in EwigkeitaPſal. LXXIII. . Dann ſiehe! die ſich von Mir fernen, werden umkommen; Jch rotte aus alle die durch Hurerey von mir abweichen; Es iſt dir gut, daß du zu Mir naheſt, ſetze dei - ne Zuverſicht nur auf Mich, daß du erzehleſt alle Meine Wercke, biß dich die unverwelckliche Himmels-Cron umſtrahle, uͤber Meinem Tiſch in meinem Reich, allwo du Mir und deinem JEſu ein Jubel - Geſchrey nach dem andern wirſt erthoͤnen laſſen als ein Saitenſpiel des H. Geiſtes.
§. 8. 5. Halte endlich in unendlich unvergeßlichem Angedencken, daß JEſus zu dir kommen, und als der Aufgang aus der Hoͤhe dich beſucht, da du wohl noch nicht daran gedachteſt, daß du noch der - maleins ſo gut Freund mit Jhme werden, und ein ſo vergnuͤglich Freuden-Leben mit JEſu halten ſollteſt; vergiß dann nicht, wie Er biß auf den letzten Bluts-Tropffen und Athemzug bey dir ausgehal - ten, und das allerſchmaͤchlichſte Tractament Sich nicht von dir hat abwendig machen laſſen.
§. 9. Sage dann: Ach Gnad! ach was? ſollte mein JEſus zu mir gekommen ſeyn, in Noth, Suͤnd, Tod, Fluch, Hoͤlle und allem Ungluͤck, und noch jetzt mit Seinem Evangelio und himmliſchen Segen, mir mitbringend voͤlligen Glauben und reine Liebe, welchenicht67Evangelii JESU. nicht nur in etwas, ſondern durch und durch in der tieffſten Armuth des Geiſtes, gelaͤutert, ſo, daß Glaube und Liebe alle Feuer-Proben durchgangen, und wie die Rede des HErrn ſiebenmal durchlaͤutert, von allem Eigengeſuch und Eigenwuͤrcken gantz in der allerinnigſten Heiligkeit, Guͤte und Liebes-Weſen GOttes zerfloſſen, daß alle Schlacken verbrannt, und die Scheidung des Lichts und der Fin - ſternuß gruͤndlich geſchehen, ſo, daß kein eigener Sinn noch Wille mehr uͤbrig ſeye, ſondern es ſtets in der Seelen heiſſe: Dein liebſter Wille, O mein GOtt! gehe allezeit allein und allenthalben fort, mit voller Zuverſicht, daß das, was alle Augenblick mit mir vorgehe, weit das heilſamſte ſeye: Sehet! mein JEſus kommt zu mir, mir ſo koſt - bare Gnaden, ſolch ewig Leben zu ſchencken.
§. 10. JEſus kommt zu mir, und bringt mir weiſſe Kleider,Heiligkeit und Un - ſchuld, Sein vollkommenes Heil, Seine weſentliche Sanfftmuth, Nie - drigkeit, Geſtalt, kindliche Einfalt, Suͤßigkeit, Gedult, Gelaſ - ſenheit, ſo, daß lauter JEſus in und an mir ſeye und hervor ſcheine, ich ein Geiſt mit Jhme werde, Er in mir leuchte, lebe, wandle, ich in, mit, durch JEſum zu GOtt komme, und niemals bloß er - funden werde von geiſtlicher Krafft und Leben; Solche herrlich-ſchoͤ - ne Schoͤnheiten empfahe ich von JEſu.
§. 11. JEſus ſchencket mir Augen-Salbe den heiligen Geiſt, denWeisheit und Er - kanntnuß wordurch man dahin gerechtfeꝛ - tiget, daß man ſich entſchlieſ - ſet zu JE - ſu zu kom - men Geiſt der Weißheit und Offenbahrung zu Sein ſelbſt Erkanntnuß, daß ich erkenne, was JEſus erkennet; Daß ich erkenne meine Bloͤſ - ſe und Armuth, und hingegen GOttes Reichthum; Er mein JE - ſus iſt gantz nahe, Et kommt an meine Thuͤre und klopffet anaApoc. III. 20.; Und ich ſollte nicht aus meinem Stall, Pfuhl und Finſternuß zu JEſu in Seinen Pallaſt gehen, da Er mein JEſus aus dem Himmel zu mir in die Hoͤllen-Noth kommen; Ey, ey wie naͤrriſch handelte ich? Nein HErr JEſu! Dein Vatter wills haben, daß ich zu Dir komme, darum will ich bey dir bleiben ewiglichbJoh. VI. 40.; Jch habe mir Dich meine Sonne, Freude und Wonne ſtetig fuͤrgeſetzetcPſal. XVI. 8., ja fuͤrgeſe - tzet, ja mein Geiſt jubilieret im Triumph-Geſang mit Paulo: Wer will uns ſcheiden von der Liebe Chriſti? Drang - ſal? oder Angſt? oder Verfolgung? oder Hunger? oder Bloͤſſe? oder Faͤhrlichkeit? oder Schwerdt? wieJ 2geſchrie -68Wunder-Geheimnuß desgeſchrieben ſtehet: Um deinet willen werden wir ge - toͤdtet den gantzen Tag: Wir ſind geachtet fuͤr Schlacht-Schaafe; Aber in dem allem uͤberwinden wir weit, durch den der uns geliebet hat; dann ich bin gewiß beredt, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fuͤrſtenthum, noch Gewalt, weder Gegen - waͤrtiges noch Zukuͤnfftiges, weder Hoͤhe noch Tieffe, noch keine andere Creatur wird uns ſcheiden von der Liebe GOttes, die iſt in Chriſto JEſu unſerem HErrnaRom. VIII. 35-39..
§. 12. Und wann mein getreueſter Heyland ſelbſt ſich ſtellte, als wollte Er mich von Sich wegſchicken, ſagende: Siehe, deine Mit - burger, deine Freunde und Verwandte bringen der Vergaͤnglich - keit eine Morgen-Gabe; kehre du auch um, ihnen nach; So wollte ich antworten, wie Ruth der Naemi: Sey mir nicht zuwi - der, daß ich dich verlaſſen ſollt, und von dir umkeh - ren; Dann wo du hingeheſt, da will ich auch hinge - hen, und wo du deine Herberg haben wirſt, da will ich auch meine Herberg haben, dein Volck iſt mein Volck, und dein GOTT iſt mein GOTT, wo du bleibeſt, da will ich auch bleiben, und will daſelbſt verborgen und begraben werden. Der HErr thue mir diß und das, der Tod muß uns O JESU nicht ſcheidenbRut. I. 15-17.. Und ſollte auf dem gantzen Erdboden niemand wollen bey Dir bleibencPſal. XII. , wie es mehrmahlen das Anſehen gehabt, als wollte es mit dem Chri - ſtenthum ein Ende nehmen, wie es vormals viel Deiner Juͤngern ge - macht, deren viel hinter ſich gegangen / und nicht mehr mit Dir wandelten, und du mich wie Petrum fragen ſollteſt, willt du auch weggehen? Wollte ich mit ihme Dir antwor - ten: HERR! zu wem ſollte ich gehen? Du haſt Worte des ewigen Lebens / und ich habe geglaubet und erkannt / daß du biſt Chriſtus der Sohn des lebendigen GOttesdJoh. VI. 60. 70. / wer von dir weg gehet der iſt vom Teuffel beſeſſen. O Du unendlich verklaͤrter und erhoͤ - heter GOtt-Menſch! Warum ſollt ich von nun an etwas mehr weh -len69Evangelii JESU. len als nur Dir gantz unterworffen zu ſeyn? Dir als meinem wah - ren, ſtets gegenwaͤrtigen Koͤnig am allergefaͤlligſten aufzuwarten. Lehre mich, mein guter JEſu, auf Deines Vatters Aufweckung, Bewegung, gar genau Acht zu haben, damit du deine zufaͤllige Freude und Vergnuͤgung an mir haben koͤnnteſt, und zwar je eher je lieber.
§. 13. Und bey dieſem Jnnenbleiben im Gehorſam des Vatters,Schluß - Vermah - nung. und in der taͤglichen Bearbeitung, des Heiligen Geiſtes Por - trait und ausgegoſſener Glantz der Herrlichkeit JEſu zu ſeyn und zu werden, wartet und eilet mit ausgeſtrecktem Halß des Tages GOt - tesa2 Petr. III. 12., da JEſus perſoͤnlich Sich zeigen wird; Und in dieſem Warten wachet, daß ihr keinem Werck, Geſpraͤch, Compagnie oder nur in keinen Gedancken erfunden werdet, daß euch das Mitternacht-Ge - ſchrey und der Poſaunen Schall einen Schrecken einjagen, und JEſus unter die Augen ſchelten muͤſſe.
§. 14. Darum nun / liebe Kindlein / bleibet in Jhm / auf daß /Unver - gleichli - cher Nutz wann man in JEſu bleibet. wann Er wird geoffenbahret werden, wir alsdann Freudigkeit haben / und nicht zu ſchanden werden fuͤr Jhm in ſeiner Zukunfftb1 Joh. II. 28. / ſo wird JEſus, den ihr Tag und Nacht, fruͤh und ſpat geſuchtcJeſ. XXVI. 9., von Seinem Sonnen-glaͤntzenden Wolcken-Thron herab ruffen: Kom - met ihr Geſegneten meines Vatters / die Mein und euer GOtt, Mein und euer Vatter Mir zu ſeeligen uͤbergeben hat, und erbet mit Mir das Reich: O Meine traute Hertzens-Kinder, welche Mir der HErr Zebaoth uͤbergeben hat, der auf dem Berg Zion wohnet, die ihr lang genug zu Zeichen und Wundern in Jſrael, ein Schau - ſpiel der Engeln, und ein Eckel der Welt geweſen ſeyd, jetzt ſollt ihr ewig meine Zierath und Crone ſeyn, den Himmel als praͤchtige Lich - ter auszieren, und als ſo viel Millionen heller Sonnen leuchten in euers Vatters Reich: Zu der Zeit wird unſer Jeſus in vollem Nachdruck ſagen: Jch hab dich verklaͤret auf Erden / Jch hab vollendet das Werck / das Du Mir gegeben haſt / daß ichs thun ſollt: Und nun verklaͤre Mich Du Vatter bey Dir ſelbſt, mit der Klarheit die ich bey Dir hatte / ehe die Welt ware; Vatter! Jch begehr, daß wo Jch bin / auch die bey Mir ſeyen / die Du Mir gegeben haſt / auf daß ſie meine Herrlichkeit ſehen / die Du Mir gegeben haſt / dieweilJ 3du70Wunder-Geheimnuß des Evangelii JESU. du Mich geliebet haſt ehe dann die Welt gegruͤndet wareaJoh. XVII. 4. 5., O was wird das ſeyn? wann wir tauſend, tauſend Ewigkeiten mit ei - nem ſolchen lieben Vatter und Majeſtaͤtiſchen und darneben freund - lichen JEſu zubringen werden! Hoſeanna.
GUter GOtt und Vatter! Segne Dein Volck; Segne die liebe gnaͤdige Obrig - keit, bereite und mache ihre Hertzen zu Deiner Weißheit Thron, daß JE - ſus, Deme die Reiche der Welt und dero Herrlichkeit urſpruͤnglich angehoͤren, und durch Dene allein die Herren und Fuͤrſten gluͤckſeelig regieren, ſie beſitze und beherrſche; gib ihnen, daß ſie nicht auf ihre Weißheit, Staats-Klugheit, Macht und Reichthum, ſondern auf Deine Gnade allein bauen, und all ihr Sache Deinem Sohn JEſu Chriſto zu den Fuͤſſen Seines Creutzes niederlegen; damit ſie eben dadurch ihre Hochheit und Gewalt verewigen, und die maͤchtige Herrſchafft mit Chriſto einnehmen, daß, nachdem ſie ihre Macht und Regi - ment, ſo ſie vom Hoͤchſten empfangen, hier auf Erden alſo gefuͤhret, ſie als Fuͤrſten GOttes mit und in Chriſto das ewige Koͤnigreich, die Thronen der unzehlichen Ewigkeiten beziehen moͤgen. Segne auch, mein GOtt, das liebe Predig-Amt, daß des Seeligmachers Reich und Ehre deſſelben einiger Zweck ſeye; Mache die Fenſter des Heiligthums aus Cryſtall hell, lauter und rein, daß das himmliſche Licht frey und ohngehindert durch ſie hinſcheinen, und viele zum ewi - gen Leben und ewiger Freude erleuchten moͤge. Erbarme Dich auch uͤber die ſtudierende Jugend, die in unſern Tagen faſt heydniſch worden, indeme ſie Dir nichts, oder gar wenig zutrauet, nichts von Dir bittet und empfahet, JEſum den Brunn aller Weißheit in allen Engeln und Menſchen nicht ſuchet, als ob ſie nichts bey Jhme profitiren koͤnnte; dem Heil. Geiſt nichts zuſchreibet: O GOtt Vatter, gib ihnen einen beſſern Sinn, und fuͤhre ſie aus den Zellen ſo vieler thorechten Einbildungen und Geluͤſten zu der ewigen Weißheit Tempel, da die Patriarchen, Propheten, Apoſtel und alle Deine Heiligen all ihr Weißheit ge - lernet, und die bey Dir, bey dem Thron des wahren himmliſchen Salomons, jetzt einen ewigen Nutzen, Freude und Wohnung haben. O du alles vermoͤgen - de GOttes-Krafft, baͤndige doch die wilden, ungebrochenen Gemuͤther, daß ſie doch einmal zu JEſu Fuͤſſen lernen ſtill ſitzen hleiben. Segne die Einwoh - ner dieſer Stadt und Landſchafft, daß ſie nach JEſu fragen, gehe kein Hauß vorbey, ohne bey ihme zuzuſprechen, und alles Volck ſage: Amen, Hallelujah. Ja komme bald HErr JEſu, Amen.
Vorgeſtellet in einer Betrachtung, Uber 1 Cor. I. 30.
ES haͤtten uͤber dieſen Text unzehliche Spruͤche, Weiſ - ſagungen und Vorbilder aus Moſe, denen Hiſtorien der alten Hebraͤiſchen Kirch, Pſalmen und Propheten koͤnnen angezogen, auch das gantze N. T. beygebracht wer - den; Weilen er den Kern und die Summ in ſich haltet vom Lied Moſis und des Lamms; das Centrum und Mittel-Punct, dahin alle Lehren aller Knechten GOttes im Alt und Neuen Teſtament einflieſſen, allein es ſoll uns genug ſeyn, alle Men - ſchen aus dieſem einigen Text an ihren Gewiſſen zu uͤberzeu - gen, daß JEſus der Hirt ſeye, bey dem gar kein Mangel ſeye an irgend einem Gut, und Er hiemit gar wohl werth ſeye, daß man ohne Unterlaß ſein begehre, und alles uͤbrige als ſchlechte Neben-Haͤndel anſehe: GOTT gebe daß bald, baldin72JESUS das Horn des Heylsin der gantzen Welt, unter allen Voͤlckeren, in aller Men - ſchen Hertzen uͤberall nichts gelte, als dieſer herrliche JEſus, Amen: Hallelujah.
Bedencken uͤber folgende Text-Wort aus 1 Cor. I. 30.
§. 1.
JM Anfang der Schoͤpffung pflantzte GOTT einen Gar - ten voll Anmuth und Fruchtbarkeit mit lieblichen Gebuͤ - ſchen, Pflantzen und Blumen, aus welchem das ſegnen - de Krafft Wort als ein lieblicher Balſam ausgruͤnete, dieſen Garten waͤſſerte nun ein Strohm, der ſich in vier Fluͤſſe zer - theilete. Das Paradieß zwar iſt vergangen, aber GOtt hat ei - nen unvergleichlich edleren Garten angelegt, nemlich die heilige Kirch, welche auch befeuchtet wird mit dem Cryſtalliniſchen Strohm, ſo vom Stuhl GOttes und des Lamms ausflieſſet, welcher ſich gleich - falls in vier Baͤche zertheilet, 1 Weißheit.
§. 2. Dieſe Welt iſt gleich einer Narrenzell oder Haus, darinn die Menſchen verirret und verwirret, offt thun was ihnen hoͤchſt ſchaͤdlich iſt, ohne daß ſie das hoͤlliſche Schlangen-Gifft darunter mercken, die Suͤnd dunckt ſie luſtig ſeyn, ſie laſſen ihre Einbil - dungs-Kraͤfften ſich erregen vom Teuffel, und wiſſen nicht, daß ein ſo greulicher abſcheulicher Angel darhinder ſteckt, der ihnen nach - werts entſetzliche Noth, Schmach und Schmertzen verurſachet, daß ſie vor ein Troͤpflein Gifft-Honigs, wohl einen Weyher voll bitterer Gallen hernach ſchlucken muͤſſen, ja obſchon ſie wiſſen, daß es ſchaͤd - liche und hoͤchſt gefaͤhrliche Verſuchungen der Schlangen ſind, ſokan73und Seeligkeit. kan ſie doch die taͤgliche Erfahrung nicht klug machen, daß ſie auf ihrer Hut waͤren, und die Gefahr vermeydeten; Satanas kan ſie immer uͤberdoͤlplen und ihre Affecten in Unordnung bringen, daß ſie die Suͤnd an ſtatt GOttes, die Luſt des Fleiſches an ſtatt der Freud im Heil. Geiſt erwehlen, und alſo die Hoͤll vor den Himmel, und den Fluch fuͤr den Segen nehmen, ja ein ſtinckendes Raaben-Aas vor die himmliſche Lieblichkeit JEſu Chriſti und ſein theures Manna.
§. 3. Und ob ſie ſchon tauſendfaͤltig gewarnet werden, daß ſie anDaß ſie aus eige - nem Scha - den nicht wollen klug wer - den, ihrem eigenen und unzehlich anderer Schaden haͤtten ſollen witzig werden, ſo wagen ſie es doch immer auf ein friſches, und naſchen von der verbottenen Frucht, ſich thorecht einbildend, weil ſie nicht am erſten Biſſen erworget und erſticket, ſo habe es ferners nichts zu bedeuten, ja ſie laſſen ſich nichts Boͤſes traͤumen, obſchon ſie an ſich und anderen ſehen, wie ſich offt eine begangene Suͤnd erſt in vielen Jahren hernach ſo gewaltig regen und rumoren oder wuͤthen kan, daß dem Menſchen die Welt zu enge wird, und ihm ein Stich uͤber den anderen ins Hertz gehet, daß auch ſeine Geſtalt veraltetaHiob XXXIII. . Deſſen ungeachtet meint der unſinnige Menſch der Schatz und das Kleinod werde ihm dennoch bleiben, und obſchon er auf das Fleiſch geſaͤet, werde er dennoch ewiges Leben und Frie - den in GOtt erndten. Von ſolcher ſtaͤter Raſerey den Menſchen zu curieren, iſt JEſus Chriſtus ſelbſt ſeine Weißheit worden, und das aͤuſſerlich durch ſein heilig Evangelium, darinn ſo viele unſchaͤtz - bare Handleitungen anzutreffen, und auch ſo viel theure Raͤthe, wie der Menſch dem ewigen Verderben entgehen, und ein unendliches Heyl finden koͤnne.
§. 4. Aber der thorechte Menſch duncket ſich weiſer zu ſeyn alsſich wei - ſer duͤn - cken als GOtt, und alſo deſſen Rath zur Seeligkeit verwerf - fen. GOtt, ſo daß er bey jeder Verſuchung den Rath GOttes wider ſeine eigene Seel verwirfft, ſonderlich wo die Macht der Suͤnde hart anſetzet, und ein altes ungetoͤdetes Laſter wieder erwachet, da dann der Teufel ſo hefftig zuſcheuret, und drein blaſſet, daß ſich der arme Menſch der grimmigen Anfaͤllen nicht erwehren kan, und alſo bey dem hellen Liecht des Evangelii eins uͤbers ander oder ſtaͤts ſtolpere, und aus einem Strick in den andern gerathet, weilen er die liſtigen Anſchlaͤg der Schlangen nicht kennt, und ihme die TieffenKdes74JESUS das Horn des Heylsdes Satans unbewußt ſind, was er bey jeden Anreitzungen im Sinn hat, und wie er lange hernach des armen Menſchen unvorſichtigen Fall zu ſeinem unerſetzlichen Verluſt, Schmach und Schaden an - zuwenden weißt, derowegen wann der Menſch recht klug werden ſoll, ſo muß JEſus auch von innen ſeine Weisheit und ſeiner See - le Sonne werden, durch die Strahlen des Heil. Geiſtes ihn er - leuchten, daß er den Suͤnden-Greuel und unwiderbringlichen Nachtheil, und des Satans Boßheit heilſamlich erkenne, auch wie in einen tieffen und unuͤberwindlichen Seelen-Jammer und Suͤn - den-Noth er gerathen: Anderſeyts entdecket ihme JESUS die groſſe Seligkeit in ihme, wie er alles in ihme uͤberſchwencklich fin - de, was ihme noͤthig ſeinem entſetzlichen Ubel abzuhelffen, und alles erwuͤnſchte Gute zu erlangen, da dann der Suͤnder begierig wird, aus ſeinem tieffen Elend in das ſelige Gnaden-Reich JEſu hinuͤber zugehen, aber des Suͤnders Weisheit konnte JEſus nicht werden, er wurde dann zu erſt ſeine Gerechtigkeit.
§. 5. Dieſe Welt iſt gleich einem finſteren Kercker, darinnen die Menſchen als arme zum Tod verurtheilte Ubelthaͤter liegen, die GOTT wegen der Suͤnd zur Straff verpflichtet ſind, und ihme auf tauſend nicht eins koͤnnen antworten, ſie manglen allzumal des Ruhms, den ſie an GOtt haben ſollen, und muͤſſen verſtummen im Gericht;
§. 6. Nun iſt JEſus des Suͤnders Gerechtigkeit, indem Er er - ſchienen iſt wegzunehmen vieler Suͤnden als das Lamm GOttes, welches ſein Goͤttliches Liebes-Blut vergieſſen wolte zur Vergebung der Suͤnden fuͤr viele, damit ſie durch ſeine Erloͤſung gerecht, Er - ben wuͤrden des ewigen Lebens nach der Hoffnung, ſo daß JEſus durch ſeinen vollkommenen Gehorſam biß zum Tod am Creutz, ihnen das Recht zu allen weſentlichen Guͤteren des unvergaͤnglichen Reichs GOttes, erworben hat; Dieſes Recht wird dem Suͤnder, der da glaubet, zu eigen hingeſchencket, wie, wann man ein angetragenes Gut annimmet, und das Beding eingehet, worunter die Gab weg - geſchencket wird, ſo hat mans voͤllig und kans brauchen als das ſeine.
§. 7. Weilen nun der kommende Suͤnder in ſeiner Verdamnuß - Wuͤrdigkeit Chriſti Blut zum Leben ergreiffet, ſo iſt auch alles ſein, was JEſus durch ſeinen Tod erworben hat, und was ihme alſo durchſein75und Seeligkeit. ſein bitter Leyden und Sterben zukommen iſt, und durch ſeine aller - heiligſte Gnugthuung, das bringet er vor GOtt und iſt ewig gerecht durch Jehovah / der ſeine Gerechtigkeit worden iſt.
§. 8. Darmit aber iſt JEſus kein Suͤnden-Diener, ſonder iſtZur Hei - ligung in ihrer Un - reinigkeit. des Gerechtfertigten auch ſeine Heiligung: Dieſe Welt iſt gleich ei - nem Siechen-Hauß, da alles muß ausruffen: Unrein / unrein, da der Suͤnden-Ausſatz den Menſchen vom Heiligthum abhaltet, daß er vor GOtt weder erſcheinen kan noch darff, darum in dem GOtt den Glauben wuͤrcket, dadurch der Suͤnder das Heil in Chriſto er - greiffet, ſo gieſſet Er auch zugleich ſeine Liebe aus in das Hertz durch den Heil. Geiſt, dardurch der Menſch entbrannt wird in Gegen-Lie - be zu Chriſto, und ihne gern mit vielen Fruͤchten der Gerechtigkeit verklaͤren, auch durch ein Exemplariſch Leben andere Ehriſto gewin - nen moͤchte.
§. 9. Endlich ſo wird Chriſtus auch des Suͤnders Erloͤſung / derZur Erloͤ - ſung aus ihrem Elend als gerechtfertigte Menſch der auch bereits Anfange der Heiligung hat, iſt noch mit vielen Feinden umblaͤgeret, Suͤnden von innen, Welt und Teuffel von auſſen, die Suͤnd auf keiner Seiten gut, greiffet den Menſchen an mit Luſt und Forcht, darum iſt auch der durch die Krafft von JEſus Blut und Geiſt in taͤglicher Reinigung ſtehender Menſch mit der kuͤnfftigen ſeligen Ewigkeit zu vergleichen, gleich als in einem Schellen-Werck, oder auf den Galeeren, wovon er erloͤßt zu werden verhoffet; Dieſe Erloͤſung hat drey Staffel.
§. 10. Der erſte in dieſem Leben in denen unzehlichen Anfechtun -aus allen Anfech - tungen und Truͤb - ſalen gen, Trangſalen und Beklemmungen, da Glauben, Hoffnung und Liebe, Gedult und Demuth, wie Gold im Feur bewaͤhrt und ge - laͤuteret, der Menſch auch aus mancher Angſt wunderbarlich erret - tet wird.
§. 11. Der zweyte Staffel iſt im Tod, da die Seel als ein Voͤ -aus dem Tod gelein aus der Kraͤtzen oder Keffich entfliehet, in die ſelige Ewigkeit.
§. 12. Die dritte und letſte Staffel iſt am Juͤngſten Tag, daan dem Juͤngſten Gerichts - Tag. Leib und Seel miteinander verklaͤret in die ewige ſelige Freyheit / Freud und Wonne eingehet.
§. 1. Nun iſt zu ſehen wie JESUS darzu von GOTT ge -Wie und auf was Weiß unsK 2macht76JESUS das Horn des HeylsJEſus zu dieſem al - lem iſt ge - macht wordenmacht werde, wir wollen hier nicht reden von dem ewigen Friedens - Rath, zwiſchen dem Vatter und dem Sohn, auch nicht von dem groſſen Werck der Erloͤſung, welches Chriſtus in der Fuͤlle der Zeit vollbracht, da Er gebohren, das allerheiligſte Leben gefuͤhrt, gelit - ten Suͤnd, Tod, Teuffel und Hoͤll uͤberwunden, und nach ſeiner ſiegreichen Aufferſtaͤndnuß in die Rechte der Majeſtaͤt GOttes ge - ſetzt worden, ſonder nur wie dieſes erworbene Gut allen bußfertigen Suͤndern in der Gnaden-Zeit ausgeſpendieret, und von GOTT mitgetheilet werde.
§. 2. Und zwar vom erſten die Weißheit, indem der Suͤnder nach vielen Faͤhlen und Strauchlungen lernet was Fleiſch, Suͤnd und Welt ſey, auch wie heilig und gerecht, gnaͤdig und barmhertzig GOTT ſey, wie koͤſtlich alle Artzney-Mittel in JESU ſeyen, wie ſo gar ein huͤlffreich Hertz Er habe, und wie ſo maͤchtig Er ſey zu helf - fen, daß keine Noth ſo tieff, keine Bangigkeit ſo unertraͤglich, kei - ne Gefahr ſo groß, daß Er nicht daraus zu helffen wiſſe, und end - lich denen die Jhm trauen, in allem zu rathen; das lernet der Suͤnder in der ſteten Zuflucht-Nehmung zu JESU, er lernet auch bey denen vielfaͤltigen Ubereylungen, die Suͤnd, ſeines Fleiſches Bloͤdigkeit und menſchlicher Natur Gefangenſchafft, Ohnmacht und unſaͤgliche Tummheit, die er nie von ſich geglaubt haͤtte, bey denen Hinder - ſchleichungen der Schlangen, lernet er des Teuffels Art erkennen, deſſen unergruͤndliche Argliſt und Schalckheit, und unverdroſſene Raͤncke. Und ſo lernet die Seel in der Schul Chriſti, ſo wohl das Geheimnuß der Boßheit, als der Gottſeeligkeit, und je nach dem der Menſch durch Goͤttliche Gnad ſeine Gedancken gefangen neh - men kan, unter den Gehorſam des Glaubens (Chriſti) und die Boll - werck ſeiner Vernunfft der Erkanntnuß GOttes unterwerffen laſſet, je nach dem ſcheinet auch Chriſtus das Liecht der Gnaden-Welt heller und herrlicher, und entdecket die Verborgenheiten ſeines Reichs, denen die Jhn foͤrchten, und ſeiner Stimm gehorchen, ſo daß bey ihnen aus jeder Nacht und Finſternuß ein neuer Tag und ein neues Liecht erwaͤchſet, und ſo die Seel ſelbſt ein Liecht in dem HErren wird, deſſen ſind Geiſt und Leben, Er lehrt mit dem Heil. Geiſt, und mit Krafft, und gibt die Sachen ſelbſt, von welchen Er redet, ſo daß Jhne kennen, die hoͤchſte Weißheit des Menſchen iſt, Er erfuͤllet ſeine Verheiſſungen treulich, ich will die Finſternuß vor Jh -nen77und Seeligkeit. nen her zum Liecht machen, und das Hoͤgericht oder Ungleiche zur Ebne, ſolches will ich ihnen thun, und will ſie nicht verlaſſenaJeſ. XLII. .
§. 3. Und dieſe Goͤttliche Weisheit ſcheinet ſonderlich den zu -Wann wir anderſt aus unſe - rem eige - nen Wiſ - ſen aus - gehen. mahlen in die Seel, wann ſie ihr Gemuͤth von ſich ſelbſt und der Welt abkehret, an allem eigenen Wiſſen verzaget, ſelbiges als ei - nen todten Schatten achtet, ſich auch offt in den aͤuſſerſten Dunckelheiten befindet, daß ſie nicht weißt wo aus noch an, woran ſie ſich halten ſolle, GOTT ſelbſt ihr zuwider iſt, ihr in der Heil. Schrifft und den Buͤcheren geiſtreicher Maͤnneren alles verſchloſſen und abgeſchmackt vorkommt, alsdann bricht herfuͤr JE - ſus als ein heller Morgenſtern, und wird alles immer deutlicher, wann das Lamm ſelbſt die Siegel eroͤffnet, und ſo macht JEſus die Seel recht goͤttlich weiſe, in JEſu hat ſie wahre Weisheit, das iſt eine Erkanntnuß der edleſten koͤſtlichſten WahrheitbProv. VIII. Matth. XI. 1 Cor. II. . Alle Welt - Weißheit iſt Narrheit vor GOTT, alſo wird JEſus Weißheit durch den Glauben, und man kan den Vatter in ſeinen Wercken nicht verſtehen ohn in Chriſto JEſu, in der Rechtfertigung, in JE - ſu Chriſto ſiehet man, daß alle Wege GOttes lauter Weißheit, die GOTT ſchenckt den Glaͤubigen. Welche kein Aug geſehen, der Vatter aber offenbahrets in der verborgenen Kammer und innigſten Vereinigung, das iſt das rechte Auditorium.
§. 4. Alſo daß wie keine Gerechtigkeit iſt auſſer Chriſto, alſo auchDann alle Weißheit die nicht ein Strahl des Glan - tzes Chri - ſti iſt, iſt Ei - telkeit. keine Weißheit; Alle Weißheit iſt Eitelkeit, die nicht ein Strahl des Glantzes Chriſti; Alle Schaͤtze Hebraͤiſcher / Roͤmiſcher / Grie - chiſcher Weißheit muͤſſen verſtaͤuben; JEſum im Glauben kennen und anſchauen bringt ewige Freude, alles jagt nach eitelem Wiſſen, und will von dem Baum der Erkanntnuß eſſen; Ach des Betrugs!
§. 5. Hier iſt das Elend der armen ſtudierenden Jugend mit Bluts-Thraͤnen nicht genugſam zu beweinen; Sie wollen ſich, eheBittere Klag uͤber das Elend der ſtudie - renden Jugend. ſie zu Chriſto kommen, die Sachen ſeines Koͤnigsreichs zu ſtudieren mit aufblaͤhendem Stoppel-Wiſſen (wie Hieronymus die Treber des verlohrnen Sohns von ſolchen leeren Huͤlſen und Pralerey der Ge - lehrten verſtehet, ja er nennts der Teuffeln Speiß, dabey die See - len der Studenten vor Hunger der Wahrheit, und vor Mangel an Tugenden verreblen und verſchmachten) vorbereiten! O des unſeeli - gen Jammers, als der meiſten Urſach des Verderbens der gantzenK 3Chriſten -78JESUS das Horn des HeylsChriſtenheit. Kan dann Chriſtus der Seelen Schoͤpffer und Son - ne nicht in die Seele hinein leuchten, es ſey dann Sanct Carteſius habe ſie zuvor uͤberhoblet! Heiſſet das nicht Wachs-Kertzlein bey den Menſchen anzuͤnden, damit man die Sonne ſehen koͤnne, und nimmts dich wunder wer Pauli Spruch 1 Cor. 9. und Phil. 3. beſſer ver - ſtehe? Einer der in gleichem Kampff und Lauff begriffen, oder der alle Umſtaͤnd in den Olympiſchen Spielen haar klein daher erzehlen, und aller Curioſitaͤt uͤberfluͤßig zu vergnuͤgen weißt. Philoſophia iſt im rechten Sinn nichts als Liebe Chriſti, dann JEſus iſt die weſent - liche Sophia nach Salamons und Pauli Auſſag.
§. 6. Der geringſte Strahl von dieſer erklaͤrten Sophia macht auch den niedrigſten Engel in einem Augenblick weiſer als alle Do - ctores und Profeſſores; Jn dieſer Schul iſt David gelehrter worden als alle LehreraPſal. CXIX. 99. 100.. Alle Propheten und Apoſtel und Maͤrtyrer haben ihre hohe Weißheit aus dieſer Quellen getruncken: Ey hievon waͤre ein groß Buch zu ſchreiben, diß wenige ſeye nur geſagt aus hertz - brennender Liebe zu unſeren jungen Herren Studioſis; Ach JEſus locke noch manch elendes Hertz an ſich, daß ſie durch rechtſchaffenen Ernſt im Gebett zu ihme eingehen, und von GOtt, der ein Licht iſt, beſtrahlet werden, ſo koͤnnten ſie hernach die Werck GOttes in Na - tur und Welt beſſer und unſchuldiger einſehen, wann einmahl der guldene Grund der Forcht und Liebe JEſu ſein wohl gelegt waͤre, als aller Weißheit Anfang und Haupt-Summ. Wir fahren aber fort zum anderen Artickel des Gnaden-Wercks GOttes in Mitthei - lung ſeines Sohnes.
§. 7. GOTT ſchencket JEſum zur Gerechtigkeit.
So offt die Seel in aͤuſſerſter Armuth und Hunger an der Thuͤ - ren der Goͤttlichen Barmhertzigkeit anklopffet, als ein armer zer - lumpter Saͤuhirt, der alles Recht zur Liebe und Goͤttlichen Seelig - keit verlohren, und nicht das geringſte mehr von GOttes Guͤteren zu praͤtendiren hat, ſondern mit ſeinem ſchlechten Verhalten, al - les insgeſamt verſchuͤttet, dann laßt GOtt die Seel ſchmecken die Krafft der Verſoͤhnung Chriſti, welche ſie auch ſehr begierig an - nimmt, und ſich hoͤchlich verwunderet uͤber den Reichthum der Gna - den JEſu, daß einem ſo ſchandlichen Miſſethaͤter noch ſoll ſo hoheGunſt,79und Seeligkeit. Gunſt, und groſſe Wohlthat wiederfahren, und dieſe Empfindung der Erloͤſung JEſu durch ſein Blut wird ſo offt erfriſchet, als die Seel nach Suͤnden-Faͤhlen mit zerbrochenem Hertzen zu GOtt wie - der kommt, da lernet der Menſch was es ſey, ſeine Kleider wa - ſchen im Blut des Lamms, und aus Gnaden ſeelig werden, und wie gantz und gar nichts in ihme ſey, darauf er fuſſen und gruͤnden koͤnne, ſondern Chriſtus allein das Kleid ſey, ſeine Schand vor GOTT zu bedecken, worinn er ſich auch mit zitterender Freud einhuͤllet, Summa ſo offt die Gewiſſens-Angſt gemilderet, der Fluch des Geſetzes, der die Seel jaget und plaget, in Segen verwandlet, und der Menſch an ſtatt des Zorns, Liebe und Gnade in GOTT fuͤhlet, ſo iſts eine Frucht von dem gecreutzigten JEſu, die durch glaͤubiges Gebett abgebrochen, und von GOTT der Seelen zu ih - rer groſſen Erquickung zu genieſſen gegeben wird, muß alſo die Suͤnd ſelber zur Demuͤthigung dienen, und zu deſto ſtaͤrckerer Ergreiffung der Gerechtigkeit JEſu, biß es dem Menſchen endlich gantz leicht, und faſt natuͤrlich wird, ſich ſeines Rechtes zu gebrauchen, ſo er hat am heiligen Geiſt und allen Guͤteren, ſo daß er auch des Gericht - Tags mit Freuden wartet, indem er luſtig ſagen kan, da iſt kein Gut in GOtt, zu dem ich nicht Recht habe, weil Jehovah mein iſt, mit deſſen Sach es wohl abgeloffenaJeſ. XLX. 23-25. Jeſ. L. 7-9.. Alle andere Gerechtigkeit gehet im Rauch auf.
§. 8. GOTT ſchencket JEſum zur Heiligung.
So offt der Suͤnden-Trieb gehemmet, ein oder anderer Schlan -Zur Heili - gung iſt er aber uns gemacht, alsdann wann die Suͤnde zerſtoͤret gen-Biß beheilet wird, alldieweil die Blaͤtter vom Baum des Le - bens dienen zur Geſundheit der Heyden, ſo offt der Willen gelencket wird, daß er ſich auf die gute Seiten ſchlaͤgt, und die Suͤnd uͤber - windet, ſo hats JEſus allein gethan, und ausgerichtet. Sintemal Er alles Guten ein ewiger Urſprung iſt; ſo offt der alte tieff einge - freſſene Suͤnden-Roſt unter feurigen Aengſten und Bedraͤngnuſſen ausgebrannt wird, iſt es eine Wuͤrckung der Liebes-Flamme JE - ſus, darbey das eigene Leben unglaͤublich leidet, daß auch Leib und Seel daruͤber vergehen moͤchte; die Suͤnd ſtehet ſtets vor Augen, und kan die Wurtzel, daraus ſie erwachſen, nicht ohne ſchmertzliche Zerruͤttung des gantzen Menſchen ausgeriſſen werden. Da iſt JE -ſus80JESUS das Horn des Heylsſus als das Feuer des Goldſchmiedts, und die Seiffe der Walck - muͤller, da die Flecken des Seelen-Kleids nicht ohne ſcharffe Laugen, und hefftig anhaltendes Reiben mag ausgetrieben werden, welches alles kein menſchliche Arbeit nimmermehr vollbringen kan; Die Nei - gung zur Suͤnd toͤdten, iſt ein Werck der Krafft Chriſti und ſeiner nahen Gegenwart; auch GOTT lieben um ſein ſelbſt willen, Jhn allein ſuchen in allen Dingen Jhme zu gefallen, und ſich voͤllig Jhme aufopfferen, iſt nichts anders als der Sinn und das Leben Chriſti in uns, wordurch der Menſch heilig wird, wie GOTT heilig iſt; Und dieſes alles ſchencket GOtt aus erbarmender Liebe, indem Er das Wort JEſu ſchneidend in der Seelen macht, wie ein ſcharff Schwerdt, und brennend wie ein ſiedend Waſſer, oder ſuͤſſer dann der Honig Jonathans, dardurch das Hertz ſehr zum geiſtlichen Streit und Lauff ermunteret wird, und zum rechten Hertzens-Ernſt im Chriſtenthum, und wann GOTT ſein Leiden tieff ins Hertz ſchencket, daß aller Anhang der Creatur, Luſt und Suͤnd und Ge - ſuch der Natur in uns erſtirbet, dann zumal iſt der Leidende JE - ſus unſre Heiligung wie zuvor der Lehrende; Wann Satan, Welt und Suͤnd unter unſere Fuͤſſe getretten wird, daß wir Herrn wer - den uͤber die Hoͤll und alles Boͤſe, ſo iſt der Auferſtandene JEſus unſere Heiligung, und wann unſere Gedancken und Begierden von der Erden entfernet, im Himmel eine bleibende Staͤtte ſuchen, ſo iſt der Verklaͤrte JEſus unſere Heiligung, Buß, Glauben, Ge - dult, Hoffnung, Gelaſſenheit, Selbſt-Verlaͤugnung, reine Liebe GOttes und des Naͤchſten; Summa ſummarum, alles Gute, Hei - lige, Wahrhaffte, flieſſet aus JEſu in uns, als aus dem Haupt in ſeine Glieder, und dieſes wuͤrcket GOtt in allen, die Chriſto an - hangen.
§. 9. Hiemit iſt das die wahrhafftige ungezwungene Heiligkeit, Chriſtum herrſchen laſſen im HertzenaPſal. CX. , nicht moraliter mit etlich tau - ſend Reglen; Chriſti Bild eraͤugnet ſich in den Glaͤubigen, das iſt alle ihre Heiligkeit, daß ſie ſo nahe bey Chriſto ſind, ſo daß des ei - nen Gedancken, Begierden, ſind des anderen Begierden; Ja ei - nes Glaͤubigen Gedancken, Begierden, Sinn und Leben werden er - weckt von den Gedancken, Begierden, Sinn und Leben Chriſti,O un -81und Seeligkeit. O unausſprechlich tieff und der Welt wohl gar verborgene Geheim - nußaJoh. VI. 57. 1 Cor. VI. 17. Coloſſ. 1.!
§. 10. Eben auch hierinn ſchencket uns GOTT JEſum zur Er -Zur Erloͤ - ſung iſt er uns ge - macht, wann wir aus der Gewalt der Fein - den unſers Heyls: loͤſung.
Wann die arme Seel ſich aus ihrer Veſtung hinaus begiebet, und durch ſolche Unachtſamkeit den Feinden in die Haͤnde gerathet, daß ſie ſich des geiſtlichen Gnaden-Lebens gantz verwegen muß, und nicht anders meinet, als daß alle Teufel den Meiſter ſpielen uͤber ſie, indem ſie ihr eine toͤdtliche Wunde uͤber die an - dere verſetzen, daß ſie iſt wie eine Huͤndin von den hoͤlliſchen Jacht - Hunden umgeben, und um und um mit Netzen umſchloſſen, daß ſie keinen Ausgang ſiehet, ſo eroͤffnet ſich der Himmel, und JEſus ſtre - cket ſeine Hand aus, und reiſſet ſie mit Macht heraus, und ſtellet ſie auf ſeine Glaubens-Hoͤhe, daß ſie wieder ein wenig verſchnauffen kanbPſal. LXXI. 20.. Ja wann ſie von ihren Feinden bedraͤnget und umlaͤgeret iſt, und die feurige Pfeile des Boͤßwichts hinein ſchneyen, und auch die Waſſer-Roͤhren des H. Geiſtes und ſeiner Goͤttlichen Troͤſtung, ihr gleichſam abgeſchnitten werden, um ſie zur Ubergab zu bringen, durch eine ſo ſcharffe Blocade oder Einſchlieſſung, daß ſie ſich als verloh - ren achten muß, ſo erhoͤret ſie der HErr am Tag der Noth, und der Name des GOttes Jacobs ſetzet ſie an ein hohes Ort, er ſen - det ihr Huͤlff aus dem Heiligthum, und unterſtuͤtzet ſie aus Zion, daß ſie jauchtzet von wegen ihres JEſu, und im Nahmen ihres GOt - tes Panier aufwerffen kan, nachdem er ihren Tritten Raum ge - macht hat, und ſie mit Tapferkeit umguͤrtet, daß ſie durch die hoͤl - liſche Rott hindurch lauffet, und uͤber alle Mauren der Aengſtigkei - ten hinuͤber ſpringen kan, ja ſelbſt ihren Feinden nachjagen, welche ihr den Ruͤcken kehren muͤſſen: Auch dannzumahl ſchencket GOTT JESUM der Seelen zu ihrer Erloͤſung.
§. 11. Wann Er ihr alle Menſchen-Forcht benimmt, alle Bey -Aus leibli - chen und geiſtlichen Truͤbſa - len, ſorg vor Schmach, Schaden und leiblichem Untergang, alle Angſt wegen der Verdammung und Verſtoſſung von GOtt, wegen ihres unheilbaren Ausſatzes, und wegen ihrer unuͤberwindlich ſcheinenden Verdorbenheit. Sehet da erſchallet die Stimm: Jauchze du Toch - ter Zion! Ruffe laut Jſrael! freue dich und huͤpffe froͤlich von gan -Ltzem82JESUS das Horn des Heylstzem Hertzen du Tochter Jeruſalem! Der HErr hat deine Straf - fen weggenommen / Er hat deine Feind aus dem Weg geraumet / der HErr der Koͤnig Jſrael iſt in dir / du darffſt dich vor keinem Ungluͤck mehr foͤrchten / Jeruſalem foͤrchte dich nicht / Zion laß deine Haͤnd nicht laß werden / der HErr dein GOtt iſt in dir / Er wird Heyl ſchaffen als ein maͤchtiger Held.
§. 12. Wann dann nach vielen Kaͤmpffen der letzte Feind der Tod heran trittet, und der zitterende Geiſt die Huͤtten ſeines Leibs kra - chen fuͤhlet, und zum Fall ſich neigen, und die kuͤnfftige hohen Sa - chen als ſchroͤckliche Fluthen ob ihr ſtehen, und ſie zu uͤberſchwem - men draͤuen, nachdem das Zeitliche alles dahin gefloſſen und zerron - nen, und ſie nunmehr in die dunckele Ewigkeit hinein gehen muß, da alles Sinnen vergehet, und einem das gantze Werck der Heiligung und Goͤttlichen Fuͤhrung als ein Traum und Schatten vorkommt, als ob niemahlen kein JEſus und kein Evangelium in der Welt ge - weſen, und man nie das wenigſte darvon genoſſen haͤtte, daß die Seel anfangt ſincken, und ſelbſt nicht weißt wohin, da Teuffel, Tod, Gewiſſen, Suͤnd, Hoͤll, ihre letzte Macht ausuͤben, und ſich die aͤngſtigliche Seel auf Gnad und Ungnad hin GOtt ergeben muß, wann ein GOTT ein JEſus ſeye, ſo ſolle er ſich erbarmen, dann ſchencket GOtt am allerkraͤfftigſten und ſeeligſten ſeinen Sohn zur Erloͤſung, daß ihr auf dem ungeſtuͤmmen Meer bey der ſtockfinſteren Nacht, da ſie unter den erſchrecklichſten Wellen und Sturm-Win - den, bald gen Himmel fuͤr das unertraͤgliche Gericht GOttes, bald in den Abgrund hinein fuͤr ewig verlohren zu ſeyn, zu fahren ſchiene, daß die Seel Tag und Nacht fuͤr Jammer zerſchmoltze, und alle ih - re Weißheit und Frommkeit verſchlungen war, und ſie in ihrer aͤuſ - ſerſten Noth und Angſt zu GOtt ſchreyen, ſo laßt Er ihren JEſum aufgehen als den helleuchtenden Morgenſtern / der ſie an das Ufer der Seeligen bringet nach ihrem Wunſch, daß ſie preiſen bey dem Vatter ſeine Guͤte, und ſeine Wunder bey den vier und zwantzig Aelteſten, und bey allen Engeln und Ertz-Engeln, Heiligen und Maͤrtyrer, die Huͤlff ſeiner Herrlichkeit.
§. 13. So bald ſie nun JEſum zu empfinden anfahet, daß GOtt ihne der Seelen wieder offenbahren und ſchencken will als ihre Erloͤ - ſung / ſo fahet ſie an zu ſingen: Jch will auf den HErrn ſchauen / ich will des GOttes meines Heils erwarten / mein GOtt wird michhoͤren;83und Seeligkeit. hoͤren; freue dich nicht meine Feindin uͤber mir / ob ich ſchon falle, ſo werde ich doch wieder aufſtehen / und ob ich ſchon im Finſtern ſitze / wird doch JEſus mein Licht ſeyn.
§. 14. Woraus erhellet, daß Chriſtus ein vollkommener Mittlerbeweiſet daß JEſus ein voll - kommener Seelig - macher ſeye. und Seeligmacher ſey, in welchem wir alles haben, was uns zum Leben und Seeligkeit in GOtt noͤthig ſeyn kan, indem wir aus ſei - ner Fuͤlle Gnad um Gnad ſchoͤpffen koͤnnen, und Er uns wird ein GOtt alles HeylsaPſal. LXVIII. 21..
Und was uͤber alle maſſen merckwuͤrdig, daß JESUS das alles ſelbſt iſt, nicht wie ein irrdiſcher Koͤnig, dann der iſt nicht Pallaſt, Cron, Reich, Glori, Sieg, Fried. Schenckt er Reichthum und Ehre, (dann Weißheit kan kein Koͤnig oder Herr ſchencken, ſonſt haͤtte Salomon wenigſtens ſeinem Sohn Rehabeam ein gut Stuck davon vergabet,) ſo iſt die Gab was anders als der Geber, hinge - gen iſt JEſus alles, und was das kommlichſte und uns das hoͤchſt - ſeeligſte iſt, iſt daß JEſus weggeſchenckt werden kan: ein ſtarcker Grund ſeiner Gottheit, dann kein Menſch dem anderen ſich ſchen - cken kan, daß er von allen ſeinen Qualitaͤten alſo durchdrungen werd, daß er eben das werde, was ſein Liebhaber, das vermag niemand als der goͤttliche Liebhaber, unſer leutſeelige JEſus Jmmanuel, GOtt Menſch.
§. 1. Wir wollen uns hier nicht lang aufhalten in WiderlegungNutz zur Pruͤffung. aller derjenigen Jrrgeiſter, die, was zum Heyl gehoͤret, anderſtwo als in JEſu ſuchen, der Text ſelbſt widerlegt ſie deutlich genug, indem er uns vorhaltet den unerſchoͤpfflichen Reichthum aller Glaͤubi - gen in Chriſto, daß JEſus ihnen das ſchon alles wuͤrcklich worden ſeye, viel tauſend genieſſen ſchon in der That in Chriſto lauter Rea - litaͤt und Weſen, er fuͤllt die Schaͤtze ſeiner Liebhaber an mit lauter Gut, und das werden ſie erfahren in Ewigkeit.
§. 2. Es iſt nur darum zu thun, ob wir die Seeligkeit auch wuͤrck -Viel bil - den ſich faͤlſchlich ein, ſie ha - ben Theil an JEſu lich genieſſen, welche der H. Paulus hier ſeinen Corinthiern zuſchrei - bet, wie gern moͤchten wir ſolches einem jeglichen Menſchen goͤnnen,L 2glaubten84JESUS das Horn des Heylsderohal - ben muß man ſich pruͤfen:glaubten es jedem auch gern; wer ſich ruͤhmet ſeiner Zuverſicht auf Chriſto, und der daraus flieſſenden allhier beſchriebenen unausſprech - lichen Herrlichkeit, wanns nur dem alſo waͤre, weilen aber ſolches den meiſten fehlet, was wuͤrde euch unſere gute Meynung von euch helffen, als daß ihr mit eurem Sandbau ewig zu Grund gienget, der Menſch wird nicht in das herrliche Gnaden-Reich hinein geboh - ren, ſondern erſt durch einen ernſten Proceß der Buß darzu tuͤchtig gemacht, welches weder ihm noch andern verborgen bleiben kan, dann ein Menſch vom H. Geiſt erweckt, gerathet in groſſen Kum - mer wegen der Erhaltung ſeiner Seel, ſuchet Rath, Huͤlff und Troſt wo er kan: Allein viele ſuchen den Heyland nicht, weilen ſie ſich traͤumeriſch einbilden, ſie haben ihn ſchon, ſonderlich ſolche, die ein ehrbar Leben fuͤhren, nicht gar zu fromm, und darneben auch nicht gar zu boͤſe ſind, und folglich in ihrer burgerlichen Sittſamkeit elen - diglich zur Hoͤllen fahren. Fragt man die Leute Haupt fuͤr Haupt, ſo ſind die Wort noch zimlich gut, man waͤre wohl elend, wann man keinen Glauben an JEſum, und keine Anſprach an ſeine Gerechtig - keit haͤtte. Allein die Zung ſchwaͤtzt und luͤgt viel des Tages, und wann gute Wort dem Menſchen ſollten Seeligkeit und ewige Freude geben, ſo wuͤrde manch tauſend nicht in der Hoͤllen braten;
§. 3. Der Menſch muß aus der Suͤnd nuͤchtern werden, ſich wuͤrck - lich Chriſto ergeben, und ſich darbey wohl pruͤffen, ob JEſus ſeine Weißheit worden ſey, daß er vom H. Geiſt das Aug des Glaubens empfangen, JEſum die Gnaden-Sonne im Evangelio ſcheinend zu ſehen, und zu erkennen wie thorecht er gehandelt, daß er die Welt an ſtatt GOttes, Suͤnd und Natur an ſtatt der Gnad und Heilig - keit und das Gegenwaͤrtige vor das Zuͤkuͤnfftige, das Augenblickli - che vor das Ewige erwehlet, und vor das ewige Heyl ſich niemahl rechtſchaffen bekuͤmmeret, GOtt auch niemahl ernſtlich zu gefallen getrachtet, im eitelen Welt-Traum hinſchnarchende. O! in weſſen Seel das uͤbernatuͤrliche Gnaden-Licht eingeleuchtet, der erſtaunet recht daruͤber, wie er ſich doch habe koͤnnen einbilden, er ſey in ei - nem guten Zuſtand, und alſo verwirfft er ſein vorig Leben, und lauf - fet zu Chriſto, bekennet ſeine Blindheit, und bittet demuͤthig um wahre Weißheit.
Nun frag ich dich lieber Menſch, hat der H. Geiſt das an dir ausgerichtet, daß dir JEſus-Liebe recht tieff zu Hertzen gehet, daßer dir85und Seeligkeit. er dir Todtem das wahre Leben, dir Suͤnder ſeine eigene Gerech - tigkeit ſchencken will. Sieheſt du alſo den Weg zum Paradieß wie - der vor dir? Jch rede nicht von hoher Gelehrtheit, ſon - dern nur von einer einfaͤltigen Erkanntnuß, was Guts und ſee - liges GOTT in Chriſto hingelegt, doch daß ſie nicht nur im Gehirn ſchwebe, ſondern im Hertzen lebe, ſelbiges erwaͤrme und anzuͤnde.
§. 4. Jſt JEſus auf dieſe Weiſe auch deine Gerechtigkeit worden,Ob man ſeine Ge - rechtigkeit einig und allein in JESU ſuche? daß du dich durchaus Verdamnuß-wuͤrdig erkenneſt, daß in deinem Leben nichts als Suͤnd, du die Hoͤll wohl verdienet, hat dir das angſt gemacht, und Durſt nach der Gerechtigkeit in dir erwecket, ſieheſt du die Koſtbarkeit von Chriſti Blut, und wie abſolut noth - wendig du ſolches zum Leben trincken muͤſſeſt? Magſt du dich der Zeit erinneren, daß deine Begierd JEſum zu haben ſo bruͤnſtig und beſtaͤndig geweſen, daß ſie dich getrieben mit Sorg und Schrecken zu ihme zu fliehen? Haſt du dem Heiligen Geiſt keine Ruh ge - laſſen, biß du durch ſeine allmaͤchtige Huͤlff die Gerechtigkeit JEſu dir zueignen koͤnnen? Ruhet nunmehro deine Seel darinnen uͤber - all, daß du auf dich ſelbſt gar nicht baueſt? Jſt JEſus auch worden deine Heiligung?
§. 5. Viele meynen ſie haben Chriſtum als den Heilbrunn, aberOb man den Greuel der Suͤn - de recht eingeſe - hen? weil ſie ihn nicht haben als die Heiligung, ſo haben ſie gantz und gar nichts von ihme, weil ſich ſein Heyl nicht laͤßt verſtuͤcklen oder theilen, man muß JEſum annehmen uͤberall, wie Er uns von GOtt gemacht iſt, oder man genieſſet ledig uͤberall nichts von Jhm. Haſt du nun den Greuel deiner Suͤnden geſehen, ſo wider die hoͤchſte Schoͤnheit und Liebe, und wider den allerheiligſten Willen deines GOttes begangen? Sieheſt du wie deine gantze Seel biß uͤber die Ohren im Suͤnden-Unflat ſtecket, und wie dein gantzes Seelen-Kleid uͤberall mit dieſem Hoͤllen-Koth uͤberſpruͤtzet iſt? Erwecket dieſes in dir tieffe und unablaͤßige Seuffzer, daß doch GOtt alle Neigung zur Suͤnde in dir toͤdte, und einen ewigen Eckel und Abſcheu an allem Boͤſen, in dir wuͤrcken wolle, wie Er der Heilige GOtt ſelbſten hat? Haſt du erfahren wie ſo gar kein Vermoͤgen in dir ſey dich zu heiligen? und geb wie groß deine Betruͤbnuß waͤre, ſie doch mit der Abſcheulichkeit deiner Suͤnden keines Wegs verglichen werden koͤnn - te? Haſt du wenigſtens empfunden deines Hertzens Haͤrtigkeit, undL 3gebet -86JESUS das Horn des Heylsgebettet: O GOtt nimm weg das ſteinerne Hertz / und gieb ein beugſames weiches fleiſchernes Hertz?
§. 6. Jſt dir dein GOtt auch recht lieb worden. Begehreſt du ſtets bey ihme zu ſeyn, mit und vor GOtt zu wandlen wie Enoch / ihme in allen Dingen zu gefallen wie David / und in ſeiner Liebe zu brennen wie Paulus und Johannes / ihme nichts zu leyd, ſondern alles zu lieb thun, daß keine Buſen-Suͤnde, die du nicht fuͤr deine aͤrgſte Tod-Feinde achteſt, kein Gebott welches du nicht vollkomm - lich zu erfuͤllen verlangeſt? Jſt es dir frey? O daß ich meinem See - ligmacher fuͤr eine ſo unſchaͤtzbare Gnad danckbar ſeyn, und ihme zur Ehr leben koͤnnte, einen ſo exemplariſchen Wandel fuͤhren, das waͤ - re mir uͤber alles, haltet dich dieſe Begierd an zum Wachen, daß du dich huͤteſt JEſum zu beleydigen, gegen alle deine Suͤnden ſtrei - teſt und GOttes Huͤlff anfleheſt, daß er dich gantz und gar heilige durch und durch?
§. 7. Hieraus kan ein jeder ſeinen Zuſtand wohl mercken, dann waͤre jemand ſchon von Jugend auf bekehrt geweſen, welches doch in dieſen Zeiten gar rar iſt, ſo haͤtte er doch das letzt beſchriebene, nemlich JE - ſum als ſeine Heiligung in einem weit fuͤrtrefflicheren Grad. Es iſt zwar wahr, daß die Wege GOttes ungleich ſind, und daß er eben nicht eine Seel fuͤhret wie die andere, ſtehet hiemit jemand in Sor - gen, wie ſein Chriſtenthum vor GOtt ausſehe, und ob es die Prob halten werde vor GOttes Richterſtuhl, der gehe ehe noch die Mit - ternacht einbricht, und der Braͤutigam bereits da iſt, zu GOTT ſelbſt, der ihms ja am beſten offenbahren kan, ob er ihm JEſum ſeinen Sohn zum vollkommenen Heyl und Leben geſchencket habe, oder nicht, und alſo laſſe er nicht ab mit Ringen und Flehen, biß er davon richtige Gewißheit im Hertzen hat, und JEſus es ihm in eige - ner hoher Perſon zeigt, wie ſeine Waar beſchaffen, ob gut oder falſch, wie David gethanaPſal. CXXXIX. 23. 24.
§. 8. Oder weil ſolcher innwendige Gebetts-Kampff aus Mangel rechten Ernſts zu ſaur ankommt, Heyls-Begierige den mehrentheil darinn ſehr ungeuͤbt, daß ſie es nirgends recht anzugreiffen wiſſen, ſo gehe er zu einem erfahrnen und geuͤbten Chriſten oder Prediger, der JEſum liebet, und in ſolcher Liebe ſeine Schaafe weydet, eswird87und Seeligkeit. wird einem ſolchen eine hertzliche Freud ſeyn, einer Heyls-begierigen Seel ihre Zweiffels-Knoten nach dargerichteter Gnad aufzuloͤſen; Unterdeſſen ſind und bleiben dieſe gegebene Kennzeichen unfehlbar, weil ſie aus GOttes Wort ſelbſt hergenommen, und aus unſerem Text ſelbſt natuͤrlich flieſſen.
§. 9. Du nun, der du uͤberzeuget biſt, daß du noch nicht mit JE -Die Be - trachtung der Liebe des Vat - ters, ſu vereiniget, ja auch alle die noch im Zweiffel ſtehen, da wecke doch einer den anderen auf, daß doch keiner nachlaſſe JEſum mit Flehen und Betten ſo lange an einander zu ſuchen, biß er einem jeden das worden ſey, worzu er von GOtt je und je durch wahren Glauben ge - ſchenckt worden? Dann was waͤre das? Sollt ein ſo groſſes Gut vorhanden ſeyn, und wir keinen Theil daran haben? Siehe o Menſch! GOtt der himmliſche Vatter, der dir zu deiner verlohrnen Gluͤck - ſeeligkeit und Herrlichkeit wieder helffen wollte, gibt ſeinen einge - bohrnen Sohn in einen verfluchten Tod fuͤr dich Unwuͤrdigen, und laͤßt alle Zorn-Ruthen und Fluthen uͤber ihn hinrauſchen. O wo iſt doch ein leiblicher Vatter, der ſein liebſtes Kind fuͤr boͤſe ungehorſa - me Buben und rebelliſche Verraͤther zum Tod uͤberlieffere? Dieſes iſt Liebe und Guͤte ohne Exempel, und wir wollens jetzt den guten GOtt nichts ſchaͤtzen; Wenn ihr Eltern mit vieler Muͤh und Koſten den Kindern etwas erwerbet, und ſie euch daſſelbe verſchmaͤhen, ſeyd ihr dann zufrieden? Ach was ſollte dann der himmliſche Vatter darzu ſagen! wann wir ein ſo koſtbares Geſchenck verleichtſinnigten, welches er in ſeinem ewigen Liebes-Rath in denen Ewigkeiten uns zu beſtimmen ge - ſchaͤfftiget geweſen?
§. 10. JESUS die hoͤchſte Weißheit des Vatters Pfleg-Sohnals auch der Liebe des Sohns, ſollte ſeine Luſt geſucht haben bey uns Menſchen-Kinderen, und uns ein ſolcher uͤberlauffender Brunn der Seeligkeit worden ſeyn, und wir ſollten uns nicht freundlich zu ihme halten, da er uns ſo holdſee - lig einladet: wohlan alle die ihr durſtig ſeydt / kommet her zum Waſſer, Wein und Milch; Ja die Weisheit ruffet laut in allen Gaſſen: Wie lang wollet ihr Thoren die Thorheit lieb haben; Hoͤrer mir zu, ich will euch Fuͤrſtl. Ding lehren / und euch meinen Geiſt als ein Brunnquell herfuͤr bringen. O! JEſus hoͤret uns arme Wuͤrm, und wir ſollten Jhn nicht hoͤren; Hoͤre Suͤnder! JEſus ſtehet vor dir, Er bittet dich und flehet, du ſolleſt Jhn zu deinem einigen Lehrer erwehlen, Er iſt der Strahl der allmaͤchtigenHerr -88JESUS das Horn des HeylsHerrlichkeit, und alles Gold iſt gegen Jhm wie ſchlechter Sand.
§. 11. O theur-geliebte Seel, von GOtt geſuchter Suͤnder, was genoſſeſt du doch taͤglich vor tauſend Gutes in der Geſellſchafft dieſer Himmliſchen Weißheit, ſie machte dich zu GOttes Freund und Kind; Liebeſt du was lobliches und luſtiges? Jhre Arbeit iſt rei - ne Tugend, und aus ihrem Umgang flieſſet lauter Wolluſt, und himmliſcher Reichthum ihre Geſpraͤch bringen Klugheit, und in ihrer Schul lerneſt du wie du aus der ewigen Pein zum ewigen Freu - den-Leben kommen koͤnneſt, da wird dein Gemuͤth eingenommen vom Goͤttlichen Glantz der unendlichen Vollkom̃enheit. O ſo laſſet uns denn dieſe Weißheit unſeren HErren JEſum ſuchen, und ſie im gantzen Le - ben zur Geſpielen nehmen, es iſt kein Verdruß noch lange Weil um ſie zu ſeyn, ſondern lauter Luſt und Freud, ſie iſt eine Rathge - berin in der Traurigkeit, und ihre Liebe bringet ſtaͤtes Wolleben.
§. 12. Ach was hat es doch JEſum gekoſtet, ehe er ſich ſo hold - ſeelig und ſo nahe zu uns thun koͤnnte, zu uns abſcheulichen Miſſe - thaͤtern? Er mußte ſelbſt vor aller Welt ein Greuel, Fluch und Feg - Opfer werden, und durch das heiſſe Liebes-Feuer in lauter Blut zer - ſchmeltzen, zu Jeruſalem und auf der Schaͤdelſtaͤtt, welch Zitteren und Beben iſt ihn am Oelberg uͤberfallen, welche Zorn-Pfeilen in unſer Suͤnden-Gifft geduncket, und vom Geſaͤtz geſchaͤrpfft ſind vom Bogen des Allmaͤchtigen in das innerſte ſeiner Seele hinein gefah - ren, und wir ſollten uns nicht um dieſe Gerechtigkeit bewerben, wel - che JEſum ſo viel Arbeit und Leiden gekoſtet?
§. 13. Bedencke Menſch! wie ungern du es haſt, wann du viel fuͤr jemand thuſt und anwendeſt, und er dir ſchlechten Danck darfuͤr weißt? Druckten dich nur deine Suͤnden wie den lieben David; O wie froh wurdeſt du ſeyn uͤber Chriſti Verdienſt, wie ſeelig wurdeſt du wohl den Menſchen preiſen, dem ſeine Suͤnden zugedeckt wer - den? Wann ein Ubelthaͤter, uͤber welchem die Sturm-Glocken ge - leutet, noch ein Mittel wuͤßte des Scharff-Richters Haͤnden zu ent - gehen, wie wurd ers nicht mit beyden Haͤnden ergreiffen; Wie kanſt du dann ſo lau ſeyn das zu bekommen, dardurch du dem ewigen Ur - theil entgehen koͤnnteſt? Wie rechtet und fechtet man offt um eine ſchlechte Freyheit und ein armuthiges bettelhafftes Burgerrecht! wie kanſt du doch ſo faullentzen, und dir ſo wenig angelegen ſeyn laſ - ſen das Recht zu ewigen Guͤteren und dem himmliſchen Jeruſalemzu89und Seeligkeit. zu erlangen? Ach iſts moͤglich, daß du dieſes alles ſo muthwillig ver - achten koͤnneſt, als wanns dich nichts angieng, wie biſt du ſo grau - ſam gegen deiner eigenen Seel, wann dich jemand lebendig verbrenn - te, und um dein Hab und Gut braͤchte, du hielteſt ihn fuͤr deinen groͤſten Feind, und du ſtuͤrtzeſt dich ins ewige Feur, und beraubeſt dich der ewigen Schaͤtzen, indem du JEſum dein Heyl nicht an - nimmſt.
§. 14. Einwurff: Jch waͤre wohl elend daß ich JEſum verachte -Schandli - cher Be - trug deren welche an JESU Theil ha - ben wollen ohne in der Heili - gung und Liebe zu ſtehen. te, ich vertroͤſte mich auf Sein theures Blut, und gedencke durch Jhn in Himmel hinein zu wuͤtſchen?
Antw. Ja freylich waͤr es dir lieb, du fleiſchlich geſinnter Welt - ling, und du zertheilter Heuchler, daß dich Chriſtus rechtfertigte, wann er dich nur in deinen Suͤnden bleiben lieſſe, und alſo willt du ihne nicht zur Heiligung; Es iſt zwar niemand ſo unverſchamt, der dieſes leichtlich einwenden doͤrffte; Allein die That ſelber bezeuget es, daß dieſes die Meynung ſeye des groͤſten Hauffens ins gemein durch das gantze Land, dann rufft und ſchreyt nicht alle Welt: Chriſtus iſt foͤr uns geſtorben / und fahren darbey in Suͤnden fort, und verwerffen mit der Weiſe Chriſtum gar. Sollt du Suͤnder deinen GOtt darum verachten, weilen Er von dir begehret, du ſol - leſt dich danckbar erzeigen fuͤr ſeine unſchaͤtzbare Gab; Jſt dieſes ein hartes Beding, die ewige Liebe wieder lieben, wie waͤre es, wann eine Mutter ihrem Kind ein ſchoͤn neu Kleid, welches Kinder zu lie - ben pflegen, verehren wollte, mit dem Beding, das Kind ſollte ſie hertzen, lieben und umfahren, und das Kind lieber das Kleid fahren lieſſe, als einer ſo lieblichen Bitt genug thun, und JEſus will dir den Schnee-weiſſen Rock ſeiner Gerechtigkeit, der ihn ſein theures Blut und ſein edles Leben gekoſtet, anerbieten, mit dem Beding, daß du ihme den Kuß der aufrichtigen Liebe und des freywilligen Ge - horſams gebeſt, und du willt nicht. Wer im Blut Chriſti gerecht - fertiget iſt, der bekommt den Heiligen Geiſt, welcher dann den Sinn Chriſti dem Menſchen einfloͤſſet, wer unter der Regierung des H. Geiſtes nicht ernſtlich folget, der beraubet ſich auch der Ver - ſoͤhnung in Chriſti Blut, ſoll dann dieſe Betrachtung dich nicht trei - ben der Heiligung nachzujagen?
§. 15. Was bringt endlich JEſu Geſellſchafft fuͤr Troſt und Ru -Gluͤckſee - ligkeit de - ren denen JEſus zur he in allem Elend, in Todes-gefahr, in Kranckheiten und Land-Pla -Mgen90JESUS das Horn desWeisheit ꝛc. gema - chet iſt.gen, wann man gewiß iſt, daß alles zum Beſten muͤſſe mitwuͤrcken, man ſeye ſein Eigenthum, man gehoͤr ihm an, und mit ſeinem Blut ſeye man gezeichnet, daß wann Teufel und Welt das Wappen des himmliſchen Koͤnigs an uns ſehen, ſie uns nicht beſchaͤdigen koͤnnen: Gleichwie wann man das Koͤnigliche Petſchafft an einer Sach ſiehet, man ſelbige unangetaſtet laſſet. O wie theur iſt deine Guͤte GOtt, daß unſere Seel ihre Zuflucht nehmen kan unter den Schatten dei - ner Fluͤglen, und daß ſie ein Ort weißt, da ſie Rettung findet in aller Noth: Wie froͤhlich kan ſie da jubilieren, weil ſie unter dem Schutz des Allerhoͤchſten ſitzet, und gegen alle Anfaͤll beſchirmet wird, und was erwecket das vor eine Freud in der Seel, wann ſie die Goͤttliche Huͤlff ein und andermahl erfahret, ſie bekommt einen un - uͤberwindlichen Muth, daß ſie ſich nicht foͤrchtet, wann auch die gantze Welt einfiel, verſicheret es werde ſie nichts von JEſu Liebe ſcheiden, und ach welch eine Freude iſts im Tod, JEſum zu ſeinem Erloͤſer haben, wie froh ſind die Sclaven auf den Galeeren, wann ſie das Land ſehen, da ſie erloͤßt werden ſollen, wie jauchzen ſie nicht ihren am Ufer ſtehenden Freunden entgegen, und klopffen in die Haͤnd. O meine Liebſten wie froh werden wir ſeyn, wann unſer Er - loͤſer kommt, uns von Banden des ſuͤndlichen Fleiſches zu befreyen, und ab dieſem ungeſtuͤmmen Welt-Meer, da wir ſo genug gearbei - tet, ſo viele Gefahren ausgeſtanden zu ſich in ſeinen himmliſchen Pal - laſt hinein zu nehmen, ſagende: Kommt ihr habt genug gewercket und gearbeitet, ich hab die Ranzion fuͤr euch bezahlet, ihr muͤſſet nicht immer von eurem Heimat weg ſeyn in der Fremde, ich will euch Ruhe verſchaffen in meiner Schooß von aller Arbeit, ich will euch zeigen wie lieb ihr mir ſeyd: O wie wird dann die Seel ihre Arme nach dem am Ufer ſtehenden JEſu ausſtrecken, und wird ihr ſeyn ſie moͤge nicht erwarten, biß ſie dieſen theuren Liebhaber und Retter aus aller Noth bruͤnſtig genug umfahen koͤnne.
§. 16. Da hingegen alle die, ſo dieſes Erloͤſers manglen, bey ihrem Abſcheid das weite Meer der Ewigkeit offen ſehen, die Teu - fel ihre Hoͤllen-Geiſel ruͤſtende, daß ſie als Sclaven auf ihren Ga - leeren ewig zerpeitſchen. O welch ein Grauſen wird dann die Seel uͤberfallen. Und wann dann der Erloͤſer kommt uns im letzten Ge - richt als ſein Eigenthum voͤllig zu ſich zu nehmen, wie werden wir da vor gutem Muth jauchzen, da jene fuͤr Angſt des Geiſtes heulenwerden.91und Seeligkeit. werden. Mit was fuͤr einem Pracht wird dann der Koͤnig uns ſein Reich dem Vatter uͤberantworten, und voͤllig unſere Weißheit wer - den, uns mit himmliſchen Glantz umleuchtende, da wir als ſo viele Sonnen-Glaͤntzen, und unſere Augen an dieſem ſo lieblichen JEſu waiden werden, wie werden wir uns genug koͤnnen erluſtigen an die - ſer ewigen Liebe, welche uns gerechtfertiget, wie voll werden wir ſeyn von Goͤttlicher Heiligkeit, da wir nicht mehr werden ſuͤndi - gen koͤnnen, da alles Elend und Schmertzen wegfliegen, und wir in alle Ewigkeit nichts anders werden zu thun haben, als mit den Seraphinen zu ruffen! Heilig, Heilig, Heilig, iſt der da iſt, und der da war, und der da kommt der Allmaͤchtige.
§. 1. Einwurff: Ja ſagt eine heilsbegierige Seel, das ſind mirEin und anderer Zweiffel der Glau - bigeu be - antwortet als ob JEſus ihnen we - gen vielen boͤſen auf - ſteigenden Gedan - ckeu zur Weisheit? wohl die erwuͤnſchteſten Seeligkeiten, ach wann ich nur auch Theil daran haͤtte! aber ach! Wann JEſus meine Weißheit waͤre, ſo haͤtte ich ja nicht ſo viel aufſteigende thorechte Gedancken, welche meine Seel zerſtreuen und verunreinigen.
§. 2. Antw. 1. Das wird nicht erkennt, dieſe Finſternuſſen wer - den nicht entdeckt ohne das Liecht des Geiſtes der ewigen Weißheit, die iſts, die dich der Suͤnd und Thorheit und Unachtſamkeit will und ſoll uͤberweiſen.
2. Aber du muſt dich auch erforſchen, ob du dieſen eitelen Bil - deren und Gedancken nachhaͤngeſt, Luſt daran habeſt, Anlaß gebeſt, und ſie unterhalteſt mit Buͤcher leſen, Geſchwaͤtz anhoͤren? dann ſo das iſt, ſo haſt du dich freylich JEſu wenig zu ruͤhmen, einmahl wirſt du nicht viel koͤnnen profitieren und zunehmen in ſeiner Schul, du muſt mehr Scheu vor GOtt haben, deine Zeit erkauffen, das Geraͤuſch der Welt meiden, und dich huͤten vor allem das den Um - gang dieſer himmliſchen Weißheit unterbrechen und ſeine Stimm dir unvernehmlich machen kan.
3. Gibt dir aber dein Gewiſſen Zeugnuß, daß es dein Himmel auf Erden waͤre, nichts als von deinem JEſu dencken, und daß dir dieſe fremde Bilder ſehr beſchwaͤrlich ſind, und wider deinenM 2Willen92JESUS das Horn des HeylsWillen dir einfallen, ſo troͤſte dich, Chriſtus wird deine Weißheit ſeyn vor dem Vatter, damit du nicht als ein Thor gerichtet und ver - dammt werdeſt, ſonderen ſein hoher geheiligter Verſtand, und wird dein ſeyn, dann Chriſti Weißheit wird eben ſo wohl dem Suͤnder zugerechnet, als die uͤbrigen Tugenden und unbeflecktes Leben.
4. Habe Gedult, er wird dich immer hoͤhere Lectionen lehren in ſeiner Goͤttlichen Schul, ſeine himmliſche GOtts-Gelehrtheit, und ſeine reiche Schaͤtze und Geheimnuſſen eroͤffnen, lieſe fleißig die H. Schrifft, baͤtte mit unablaͤßiger Sehnſucht nach JEſu innerlicher Erleuchtung, Leitung und Regierung, beſuche die Geſellſchafft ge - uͤbter Chriſten; Dieſes alles ſind Mittel die naͤrriſchen Bilder zu vertreiben, als wie Abraham thaͤt gegen dem wilden Gevoͤgel. Gen. 15. 11. Mercke auf die Zucht des Heil. Geiſtes, welches wohl das groͤſte und unentbaͤhrlichſte Gut der Seelen in dieſer Welt iſt. Seine Creutz-Schul wird dir die Thorheit die ſo veſt ans Hertz ge - bunden nach und nach wegnehmen; Schola crucis, Schola lucis. Die Schul des Creutzes iſt auch die Schul des Liechts und Erleuch - tung.
§. 3. Einwurff: Aber wann JEſus meine Gerechtigkeit iſt, wa - rum ſchroͤckt mich dann die Suͤnd, mein Gewiſſen aͤngſtiget mich, Satan plagt mich, und ich foͤrchte den Tod.
Antw. Meditire die Glaubens-Lehr 2 Cor. 5. ſo wird alles ver - ſchwinden, hoͤre Joh. in der 1 Joh. 4. Die Liebe wird alle Forcht austreiben.
Seuffze ſo lang, ſchaue JEſum deinen Heyland am Creutz und in der Herrlichkeit ſo lange und ſteiff an, biß daß du dir JEſum und ſeine Gerechtigkeit, L[ie]be und Gunſt, die Er bey GOtt hat / als dein eigen Gut, zuverſichtlich zueignen kanſt.
Brauche dieſes Schwerdt des Geiſtes und Schild des Glaubens, laß ſie nicht verroſten, halte dich an dem, und laß dich von niemand irr machen; Wer will die Auserwehlten GOttes beſchuldigen? GOtt iſt der da gerecht ſpricht; Wer will verdammen? Chriſtus iſt der geſtorben iſt. Rom. 8. 33. 34. Tod wo iſt dein Stachel. Hoͤl. 93und Seeligkeit. Hoͤll wo iſt dein Sieg? GOTT ſey Danck der uns den Sieg gibt / durch unſeren HErrn JEſum Chriſtum. 1 Cor. 15. 57. JEſus iſt die Anferſtehung und das Leben. Joh. 11. 15. Der Tod wird dir ein Thuͤrhuͤter ſeyn, die Weſpe hat ſeinen Angel verlohren an JEſu dem Felſen des Heils, ſie kan dich nicht mehr ſtechen, der Loͤw iſt zerriſſen, und ſeine Zaͤhne zerbrochen, je groͤſſer dein Glaube iſt, je ſchwaͤcher iſt Teufel, Tod, Geſaͤtz und Suͤnd; Jndeſſen meide die Buͤcher, die dich einen Umweg zu Chriſto lehren wollen, und in den Holtzweg fuͤhren; Gerade zu JEſu in aller deiner Noth. Liſe nicht viel geſetzliche Buͤcher, die dir nur von Schrecken, Zorn und Geſatz-Pflichten predigen, und den einigen wahren Grund Chri - ſtum, daraus das Goͤttliche Leben fließt, verſchweigen, die kind - liche Forcht in dem Geiſt der Freyheit daͤmpffen, welche alle mit Vorſichtigkeit zu rathen und zu leſen.
§. 4. Einwurff: Ja es waͤre wohl gut glauben, wann nur nichtOb er ih - nen we - gen den noch viel ankleben - den Suͤnd zur Heili - gung. die ſuͤndlichen Begierden noch ſo ſtarck in mir waͤren, und den Graͤu - el der Boßheit. Aber wie ſoll ich glauben, daß JEſus meine Ge - rechtigkeit ſey, ſo lang Er nicht auch meine Heiligung worden iſt?
Antw. 1. Eben das iſt ein Zeichen der Gegenwart des Heil. Geiſtes, deſſen Werck iſt die Welt ſtraffen, und der Suͤnd uͤberzeu - gen. Joh. 16. Welches die Welt weder achtet noch fuͤhlet, ſon - dern in Suͤnden tobt, uͤppig und ſicher iſt. 2. Willt du in der Heiligung wachſen, ſo bleibe unter der Himmel-breiten Gnad GOt - tes durch Chriſtum; JEſus rottet die Feind nicht in einem Huy aus, das Werck GOttes gehet allgemach zu ſeiner Vollendung von Grad zu Grad, es gibt verſchiedene Alter und Zuſtaͤnd: Durch die Wie - dergeburt wird in dieſem Leben der Suͤnd nur ihre Herrſchafft ge - brochen, offt muß der Menſch blos aus dem Glauben leben lernen, aber GOtt wird das angefangene gute Werck auch vollenden, Phil. 1. 6. und die theure Beylag bewahren. 2 Tim. 1. 12. Du wirſt endlich mit Freuden ſehen, was GOtt thun wird, aus deſſen Krafft du zubereitet wirſt zur Herrlichkeit. 3. GOtt wird dich ſeiner Hei - ligkeit theilhafftig machen, nach ſeiner gewiſſen Maas der Gnaden, die jedwederem Glaͤubigen beſtimmet ſind, dann wir ſind ſein Ge - ſchoͤpff, erſchaffen in Chriſto JEſu zu guten Wercken, welche GOtt zuvor bereitet hat, auf daß wir in denſelben wandleten, ja eben da -M 3rum94JESUS das Horn des Heylsrum wegen der anklebenden Suͤnd, muß der Leib des Todes ſter - ben, du um die Heiligung bekuͤmmerte Seel.
§. 5. Einwurff: Wie iſt aber JEſus Chriſtus meine Erloͤſung worden, ſintemahl Er mich ſtehen laͤßt und huͤlfflos untergehen?
Antw. 1. 2 Cor. 4. 8. 9. Uns iſt bang, aber wir verzagen nicht, wir werden verfolgt, aber doch nicht verlaſſen, wir werden darnie - der geworffen, aber wir kommen nicht um. 2. Er verzeucht, damit ſeine Huͤlff deſto glorioͤſer herfuͤr ſcheine. Joh. 11. 4. 40. 3. Er will dich im Gebett uͤben, Paulus hat dreymahl gebetten. 2 Cor. 12. Zu Zeiten er - zeigt ſich JEſus als ein Feind, in den Klagl. 3. So daß auch ſeine Au - gen funcklen wie Hiob klaget. Wie lang hats verzogen mit dem Cananaͤiſchen Weib, und mit was uͤberſchwenglichem Troſt iſt ihr anhaltender Glaub gecroͤnet worden, Matth. 15. Darum haſt du der Gedult vonnoͤthen den Willen GOttes zu thun, und die Ver - heiſſung davon zu bringen, es wird bald kommen der da kommen ſoll, und nicht verziehen, Er uͤbet dich durch Widerwaͤrtigkeit, damit Er dich erſtlich pruͤffe und bewaͤhre, zum andern zuͤchtige, zum dritten lehre und erleuchte, endlich wird Er erſcheinen auf eine ungemeine Weiß, aus denen ſchwartzen Trauer-Wolcken, als wie Jſrael beym rothen Meer, es wird dich freuen die fliegende Fahnen deines Koͤ - nigs von weitem zu ſehen, und ſeines glaͤntzenden Heerlagers, der im Anzug iſt, dich als eine belaͤgerte Stadt zu entſetzen; Endlich wird die Erloͤſung ausnehmend und vollkommen herrlicher ſeyn, ſihe alle Creaturen ſeuffzen darnach und warten. Rom. 8. Wir ſind wohl bereits ſeelig, aber doch nur als durch die Hoffnung, Jeho - vah iſt zwar auf einmahl und auf einen Tag unſere Gerechtigkeit worden, da Er die Miſſethat der Erden weggenommen, durch das Blut am Creutz vergoſſen. Zach. 3. 9. Aber dieſes groſſe Heyl wird nur nach und nach bewieſen, erzeiget und geoffenbaret, der Schlan - gen Kopff iſt zwar vertretten, welche Zertrettung bereits im Para - dieß ihren Anfang genommen, aber o wie manchen Verſen-Stich werden noch du und ich und alle unſere Freunde fuͤhlen muͤſſen, ehe daß wir JEſu letzte Stimme hoͤren: Ey du frommer und getreuer Knecht, du biſt in wenigem getreu geweſen, komme gehe ein zu dei - nes HERRN Freude, AMEN. So ſeye es.
Gebett95und Seeligkeit.OGOTT, wie biſt du ſo gut, daß du ſo herrlich uns wieder aufhilffeſt aus un - ſerem tieffen Fallen, du ſchenckeſt uns deinen eingebohrnen Sohn zu un - ſerm vollkommenen Seeligmacher! Ach! treibe uns ſtets in unſern Hertzen, daß wir zu ihme gehen, uns auf die theure Verheiſſung verlaſſen, und alles Gu - te von Jhm erwarten: O JEſu alle Schaͤtze der Weißheit ſind verborgen in dir! Leuchte und leite uns ſtets in deinem heiligen Weg der Wahrheit, dann ohne deine ſtete Zurechtweiſung, koͤnnen wir nichts als eine Thorheit uͤber die ande - re begehen, und erwehlen allzeit eher das letzte als das recht Seelige, weilen wir die viele Zugaͤnge, ſo Suͤnd, Tod und Welt zu uns haben, noch nicht ken - nen, auch den groſſen Schaden und Gefahr davon nicht gruͤndlich mercken, noch die Koſtbarkeit des Heils erwaͤgen wie es ſeyn ſoll: O JEſu verſchaffe doch, daß wir immer vor deinem Thron ſtehen, und deine Weißheit anhoͤren.
Und wie offt und ſchwehr haben wir dich belaydiget, daß wann du uns auf - gebeſt, du recht daran thaͤteſt; Aber o JEſu, was vor Gewinn haͤtteſt du an unſerem Blut! Jn der Hoͤll preiſet man dich nicht, du biſt viel zu reich an Er - barmung, wir verhaͤhlen dir unſere Suͤnden nicht, Hoſianna! wir ergreiffen das Recht ſo du mit deinem Blut erworben, und verlaſſen uns darauf.
Aber o JEſu! geb wie verdorben wir ſind, ſo wollen wir dennoch nicht ſo bleiben, mache uns gantz anderſt, daß wir nicht mehr ſuͤndigen, ſchaffe uns neu und rein, wie du uns wuͤnſcheſt zu haben, gieſſe deinen H. Geiſt der Liebe in uns, der uns treibe alles zu meiden, was dir zuwider, und alles zu thun was dir angenehm, daß wir ſeyen Pflantzen deiner Hand, deren du dich ruͤhmeſt.
O JEſu du kanſt uͤberſchwenglich thun uͤber alles was wir bitten und verſte - hen: mach daß wir dich erfahren, was du biſt und vermagſt, und dich in Zeit und Ewigkeit loben: dann du biſt das erwuͤrgte Lamm, und wuͤrdig zu nehmen Krafft, Weißheit, Ehre und Lob, Staͤrcke und Herr - lichkeit in Ewigkeit, Amen.
Text. Aus Eſajaͤ Capitel 45. vers 22. Wendet euch zu mir, ſo werdet ihr ſelig, aller Welt End.
§. 1.
WJr ſind von Natur in einem recht erbaͤrmlichen Zuſtand, weilen wir ohne GOttes Gnad nichts Gutes an uns ha - bena1 Cor. IV. 7., und hiemit auch ohne deſſen allmaͤchtiges Mitwuͤr - cken nichts wahrhafftig Gutes thun koͤnnenbEpheſ. I. 10., und daher in Ewig - keit zu Grund gehen und verſchmachten muͤßten; Allein der unend - lich guͤtige GOtt hat aus groſſer und uͤberſchwenglicher Liebe ſeinen Sohn in dieſe Welt geſendetcJoh. III. 16., daß er uns aus dieſem erbaͤrmlichen Zuſtand heraus riſſe, aus dem Rachen der Hoͤllen heraus zoͤgedHol. XIII. 14., denZorn97Geiſtliche Sonnen-Wende einer glaubigen ꝛc. Zorn GOttes im Gewiſſen daͤmpfftea1 Theſſ. I. 10., alle Anklagen der Suͤnd und des Satans vor Gericht verfaͤllte und vernichtigtebZach. III. 2., unſere ver - derbte und fleiſchliche Natur mit ſeinem Geiſt reinigte, zum Guten luſtig, willig und tuͤchtig, und alſo ewig gluͤckſelig machte.
§. 2. Dieſes aber hat er uns nicht wollen verborgen ſeyncJeſ. XLV. 19., ſon -Und dieſes laut unſe - rem Text ſchon im Alten Te - ſtament, geoffen - bahret. dern dieſe ſeine groſſe Liebe gegen uns verkuͤndigen und predigen laſ - ſendJeſ. LII. 7.; und das zwar nicht nur in dem Neuen Teſtament durch die Apoſtel, als ſeine Bottſchafftere2 Cor. V. 20., ſondern auch in dem Alten Te - ſtament durch ſeine Propheten, da es bey ihnen geheiſſen, und GOtt, und ſein Sohn JEſus ſich durch ſie vernehmen laſſen: Wendet euch zu mir / ſo werdet ihr ſelig, aller Welt End.
Es iſt diß ein Spruch, welcher unſerer taͤglichen Ubung, und hie - mit auch dißmahliger Betrachtung wohl werth iſt.
ACh guter JEſu! ich bitte dich! regiere unſere Hertzen, daß alle unſere Gedancken, Begier - den, Wort, Werck und alle Kraͤfften auf dich al - lein gerichtet ſeyenfMarc. XII. 29-40. Pſalm XVI. , damit wir alſo an denſelben geaͤnderet werden, daß du, o guter JESU! eine Geſtalt in uns gewinnengGal. IV. 19., und deine Liebe unſe - ren Seelen geoffenbaret werden moͤgehJoh. XIV, 1., damit wir ewig ſcheinen und glaͤntzen moͤgen vor dem Angeſicht GOttes unſers VattersiMatth. XIII. 43., in die unend - liche Ewigkeit, Amen.
Wendet euch zu mir, ſo werdet ihr ſelig, aller Welt End.
§. 3. Dieſe Worte halten in ſich:
§. 4. Der Befehl beſteht in dieſen Worten: Wendet euch zuDer Be - fehl iſt mir; Allwo zu betrachten vorkommt:
Na Das98Geiſtliche Sonnen-Wende§. 5. a Das Meer aller Seeligkeiten, Schoͤnheiten und Vergnuͤ - gungen, daraus alles Gute im Himmel und auf Erden ſeinen Ur - ſprung hat, als wie alle Brunnen-Quellen und Waſſer-Baͤch aus dem Meer, und wieder mit vielem Jubel-Gethoͤn, Danck-Lob und Anbettung ſich da hinein eingieſſen, in einem ſtaͤts waͤhrenden aller - ſeligſten Circkel und Umlauff: Das iſt eben der hier redet, zu mir.
§. 6. b Das vorgekegte erwuͤnſchte Beding, mit dieſem hoͤchſten Gut Gemeinſchafft zu habenaJoh. V. 40., iſt, wendet euch; eigentlich ſchauet auf mich: womit die natuͤrliche Abkehr und Unluſt zu GOTT und ſeinem Reich angezeigt wird, der Eckel, ſo jederman von Natur hat an geiſtlichen, goͤttlichen Dingen, ſonderlich an dem ſo ſeegenrei - chen, heiligen Creutz, Leiden, Schmach, Armuth, Verachtung, Elend, Kranckheit, darinn man JESU am naͤchſten kommtbJeſ. LII. 14., ſin - temahl Creutz-Bruͤder JESU die liebſten ſindc1 Cor. IV. 8-13..
§. 7. Heißt alſo das Wort, ſo im Grund-Text ſtehet, ſo viel als etwas lieben, begehren, nachahmen, auf etwas voͤllig vertrauen, ei - nem in allem demuͤthigſt, ohne murren, gehorchen; daß alſo JEſus dieſes will: Daß wir ihn einig und allein, als unſeren holdſeligſten Braͤutigam, Bruder und Erloͤſer, lieben: daß wir als in aͤuſſerſte Gefahr vom Hoͤllen-Wolff gejagte, und eines allergetreuſten Hir - ten-Schutzes, Weyde und Leitung unumgaͤnglich benoͤthigte Schaa - fe, unſer Hertz nur an ihne haͤngen; Jhne allein, als den rechten Schatz, Speis, Kleid, das wahre Gold, Perlen, Freud, Gaſt - und Freuden-Mahl begehren; Jhm allein, als unſerem unbetruͤgli - chen Fuͤhrer, unzertrennlichen Geleitsmann, abſoluten und unbe - ſchrancktem Eigenthums-Herren, allzeit ſiegreichen und gewiß zuletzt uͤber alles triumphierenden Hertzogen, nachfolgen, ja ihme, als dem allein weiſen, allein guten, allein wahrhafften, und allein ſeligen, der ſein gantz Himmel-Reich uns mit ſeinem eigenen Blut verſchrieben, und ſeine allmaͤchtige, unwanckelbare Treu eydlich zuſagt, vertrauen, und ſeinen ſo troͤſtlichen Lehren, und allerheiligſten, gerechteſten und billichſten Gebotten, ohne Verzug und Widerred, ohne Ausnahm, in einem wie dem anderen Gehorſam leiſten ſollen, alldieweilen die ewige Weisheit des Vatters nicht ein Woͤrtlein ausgeſprochen, das nicht ſeinen allertieffſten Grund der Herrlichkeit GOttes, und ſelbsin99einer glaubigen Seele nach JESU. in unſer Seligkeit haben ſolte: Dahin gehet der Befehl JEſu.
§. 8. Und dieſer Befehl iſt gar nicht boͤß gemeynt, ſondern mit derDieſer Befehl kommet aus der allerreine - ſten Liebe GOttes her. allerlauterſten, reineſten und unintereſſirteſten Liebe angefuͤllt; dann wann ein groſſer Koͤnig, der es hertzlich gut mit ſeinen Unterthanen meynet, und nicht ſeinen eigenen Nutzen, ſondern ſeiner Unterthanen Beſtes mit allem Ernſt zu beſuͤrderen ſuchet, und zu dieſem End beſiehlt: Daß ein armer Bettler ſeines geheimen und gemeinſamen Umgangs genieſſen, in ſeinem Pallaſt beſtaͤndig wohnen, alles mit ihme gemein haben, und er dem Koͤnig nichts geben, ſondern nur nehmen und empfahen ſolte, durch ſuͤſſe Geſpraͤch mit ihme; und der Koͤnig zum Genuß aller dieſer herr - lichen Vorrechten und Freyheiten nichts erforderte, als daß man mit liebreichen Gedancken, ſein Gemuͤth mit ihme beſchaͤfftige und erluſtige; das muß ja aus genereuſer großmuͤtiger Liebe herkommen. Weil dann GOTT, die Liebe ſelbſten, uns die Liebe gegen ihne be - fihlet, was iſt dieſes anders als Liebe GOttes gegen uns? Und wann GOTT unſerer Liebe nicht wolte, von deren er doch keinen Nutzen hat, ſo waͤren wir die allerungluͤckſeligſten Creaturen: Aber ſehet ſeine Liebe wallet zu ſeinem Hertzen aus, er ladet uns ſelbſten aufs freundlichſte zu ſeiner allerſeligſten Liebe ein. Wer bin ich? Sagt daher Auguſtinus, daß du Jehovah, von mir wilt geliebet ſeyn, und mir mit der Hoͤll droheſt, wann ich dich nicht liebe.
Wendet euch zu mir; womit auch die Apoſtel uͤbereinſtimmen, als Paulus: Sehet auf JEſum / den Anfaͤnger und Vollender des GlaubensaHebr. XII. 2..
§. 9. Wendet euch zu ihm als euerem beſten Freund, der es hertz -Und wei - len JEſus der aller - reichſte, bey wel - chem man alle Gluͤck - ſeeligkeit antriffet; lich gut mit euch meynt; wendet euch zu JEſu, der euch wahrhaff - tig geliebet, der euch vom ewigen Tod, von der in Ewigkeit bren - nenden und rauchenden Hoͤll erloͤſetbHoſ. XIII. 14.; Wendet euch zu JESU, der euer Bruder, der euch rathet, und in unzertheilte Mitgnoß - ſchafft ſeines himmliſchen Erbs, und aller Guͤter der kuͤnfftigen neuen Welt hinein bringen, und einetzen will; Wendet euch zu JESU, der euer Sonn, ſo euch erleuchtet; Wie dann die Naturkuͤndiger darfuͤr halten, die Erde wende ſich um, die Sonne aber bleibe in ihrem Wuͤrbel, mit unpartheyiſchem Ausſpendieren ihrer Straalen, und alſo mache ſich die Erde ſelbſt, mit ihrem Ab - und Zuwenden,N 2Winter100Geiſtliche Sonnen-WendeWinter und Sommer. Wendet euch zu JESU, der euer Jm - manuel, der euch zu GOTT, und GOTT zu euch neiget: Der um euert willen ſeine unausſprechliche Herrlichkeit verlaſſen, auf dieſe nie - dere Erden kommen, ſich verachten, verſpotten, geißlen, creutzigen, ja gar toͤdten laſſen, alles nur aus Liebe gegen euch, euch wieder auffzuthun die Thuͤr zu ſeinem ſchoͤnen Himmelreich, und euch zu ſich locken; Jhr habt von dieſem JESU alles zu empfangen, alle Treu und Guͤte zu genieſſenaPſal. XXV. 10-13., aus ſeiner Fuͤlle koͤnnet ihr nehmen Gnad um GnadbJoh. I. 16., er will und kan euch helffen, ſo daß ihr keine Urſach habt euch vor den Menſchen zu foͤrchtencPſal. CXVIII. 6. 7..
§. 10. So wendet euch dann zu JESU, liebet ihne, verlaſſet euch doch nicht auf betriegliche DingdJer. VII. 8., die euch nichts nutzen, laſ - ſet euer Verlangen, euere Begierden nicht ſo in der Welt und Ei - telkeit herum ſchwaͤrmeneJer. XVI. 19., ſondern laſſet dieſelbe gaͤntzlich auf JE - ſum gerichtet ſeynfPſal. XXV. 15.; Jhr muͤßt ja dennoch etwas lieben und begeh - ren, davon ihr doch keinen beſtaͤndigen Nutzen haben koͤnnet; Liebet ihr Geld oder Ehr, was iſts? Es vergehet beydes, und fahret da - hin, daß ihr endlich werdet heulen und we[yn]en d[a]ß e[uer]Reich - thum verfaulet, euere Kleider Motten f[r]aͤß[ig]wor[den][eu]er Hold und Silber verroſtetgJac. V. 1-4.; Aber ſehet! JEſus bleibt in Ewigkeit.
Liebet ihr Freund und Patronen, die euch Gutes thun? Ach die ſterben, und dann hat die Freundſchafft und Gutthaͤtigkeit ein End, oder ſie werden etwan, wann ihr ihnen recht nach ihrem Willen redet, euere Feind, wie einer ſehr wohl geſagt: Fiducia humanæ benevolentiæ, & potentiæ, eſt fiducia in torrente, qui, ubi nil neceſſe eſt, pollicetur perennem abundantiam, in æſtu eva - neſcit; Das iſt; Wer ſich auf Menſchen-Gunſt, Wohlgewogenheit und Macht verlaſſet, der verlaſſet ſich im Sommer auf einen ſtarck angelofſenen, ſehr brauſenden und alles uͤberſchwemmenden Regen - Bach, der aber, wann man in der Noth ſeiner am meiſten benoͤthi - get vertrocknet.
Aber JEſus ſtirbet nicht, er lebet von Ewigkeit zu EwigkeitaOffenb. Joh. I. 18. / und die er liebet, die liebet er biß ans EndbJoh. XIII. 1.; Seine Gnaden - Waſſer lauffen immerhin; So wendet euch dann zu JESU, thut den Mund weit auf, daß er ihn füllecPſalm. LXXXI. 11.; Hungert nach Himmli - ſchen Trachten, duͤrſtet nach der Quell des Lebens, ſchnappet nicht nach Rauch, dann warum zehlet ihr Geld dar? da kein Brod iſt / und euer Arbeit um dasjenige / da ihr nicht ſatt davon werden koͤnnet? Hoͤret doch eurem JEſu zu / und eſſet das Gute / ſo wird euere Seele in Wolluſt fett werden; Gehet zu ihm / zum lebendi - gen Waſſer, und die ihr nicht Geld habt / gehet / kauffet und eſſet ohne Geld und umſonſt Freuden-Wein und Gnaden-MilchdEſaj - IV. 2..
§. 11. Diß iſt der herrlich wohlmeynende und Liebes-volle Be -Derohal - ben ſolle man ſich zu ihme wenden. felch des groſſen GOttes unſers JESU: Wendet euch zu mir / dann ich kan euch ewig gluͤckſelig, und ewig herrlich machen; ſchauet auf mich, als euern Vorgaͤnger, zu deſſen Conterfait ihr ſollt ge - bildet und geſtaltet werdene2 Cor. III. 18., ſchauet auf meine Sanfſtmuth, De - muth, Liebe, Gedult und Heiligkeit, ſehet auf mich, der ich ein ſolch Widerſprechen von den Suͤndern wider mich erduldet, auf daß ihr nicht matt werdet, und den Muth fallen laſſetfHebr. XII. 13.. Vertrauet mir in allem, wie es euch auch gehet, und glaubet nur, daß ich euer Beſtes ſuchegJeſ. VII. 9.; Das, ſage ich, iſt der Befehl GOttes.
§. 1. (II.) Deme haͤnget er, als fuͤr das andere, eine herrlicheDie Ver - heiſſung heiſſet: Seyd ſee - lig. Nach - druck die - ſer Re - dens-Art. Verheiſſung an, ſo wegen des unendlich ernſtlichen Verlangens JESU ſelbige zu erfuͤllen, im Jmperativo, Befehls-weiſe vorge - ſtellt wird. Seyd ſelig; Jſt eben das allmaͤchtige Krafft-Wort, Fiat, es werde; durch welches der Sohn die Welt erſchaffen, nach der Vorſchrifft und dem Model, ſo ihme GOTT der Vatter ge - zeiget, es werde Liecht, ſo heißt es auch in der Erſchaffung des neuen Menſchenh2 Cor. IV. 6.: Es gehe auf Ruhe, Friede, Freude im Heil. Geiſt, es gehe auf in dieſer nach mir fragenden Seel, Gedult, Ge - laſſenheit, Guͤtigkeit, Wahrheit, Keuſchheit, Gerechtigkeit und alle die edle Paradyſiſche Fruͤchte und Blumen, ſo in die neue Welt ge - hoͤren; Seyd ſelig / aller Welt End.
N 3§. 2. Die -102Geiſtliche Sonnen-Wende§. 2. Dieſe Seligkeit gehet an in dieſem Leben, allein gar heim - lich und verborgen, wegen des alten Adams, der in taͤglichem Truck, Leiden / Angſt, in Abgang alles Futters / als der Ehr / Ruhm, durch allerhand Nachred und Laͤſterung; des Haab und Guts, durch Ungerechtigkeit / Betrug / Ubervortheilung der ar - gen Welt; der Luſt und Fleiſches-Kuͤtzel, durch Kranckheit, Leibes - Schmertzen, und allerhand Ungemach nothwendig gecreutziget und getoͤdtet werden mußa1 Cor. XV. 31. 2 Cor VII. 12. Pſal. XLIV. 23. Luc. VI. Hebr. X. 34. 1 Petr. IV. 1. 1 Cor. V. 5. Rom. VI. 6. 1 Petr. IV. 14.; Darunter die Seligkeit, wie ein ſuͤſſer Kern unter harten Schaalen und bittern Huͤlſen verdeckt liget; zu ge - ſchweigen des greulichen Ungewitters der hoͤlliſchen Anfechtungen und Verſuchungen des Satans, ſo er uͤber dieſes fremde, und ih - me gar verdrießliche Gewaͤchs, erreget; nichts zu ſagen, von denen wunderbarlichen und unausforſchlichen Gerichten, welche GOttes Weisheit, Gerechtigkeit, Jalouſie, Eyfer und Barmhertzigkeit offt uͤber ſein eigen Haus und liebſte Kinder ergehen laſſet, zur Vertil - gung des alten Adams, der in ihnen eben ſo arg iſt, als in den Unbekehrten; Ja der die Augen der Majeſtaͤt wohl mehr erbitteret; ſo daß Paulus wohl ſagen mag: Hoffen wir allein in dieſem Le - ben auf Chriſtum / alſo daß wir in unſerm vielfaͤltigen Jammer kei - ne Zuſpruͤche, Aufmunterungen und Troſt-Baͤchlein von JESU, als einem ſchon hier auf Erde innigſt nahen, ja mitſtreitenden mit - leidenden Heyland genieſſen ſollten, keine Broſamen ob dem Tiſch der Seeligen empfangen, ſondern gantz und gar alles erſt nach die - ſem zeitlichen Leben erwarten und hoffen, ſo ſind wir die Elende - ſten unter allen Menſchenb1 Cor. XV. 19.; und es freylich der armen Natur und krancken Vernunfft nicht zu verdencken, daß ihro dieſe Geheinmuß - reiche Wahrheit, als die groͤſten Lugen und Albernheit vorkommt, daß nehmlich in einer mit JESU ſich verbindenden Seele, Seelig - keit ſeyn ſollte; worzu unzehliche Schwachheiten und Strauchlun - gen ſchlagen, welches der rechtſchaffenen und mit Ernſt ſich zu JEſu wendender Chriſten, ſchmertzhaffteſtes Creutz iſt; Es braucht ge - wißlich ein erleuchtetes und ſcharffſehendes Aug, ſolche Menſchen ſe - lig zu erkennen; Und wo ſich GOtt nicht durch ſeine Verheiſſun - gen verbindlich gemacht haͤtte, das angefangene Werck zu vollenden,ſo103einer glaubigen Seele nach JESU. ſo koͤnnte keine Blum hervor kommen, viel weniger mit ihrem Him - mel-hoch-anwachſenden Stengel beſtehen: Der muß GOTT ſeyn, der es ausfuͤhren will, daß es trotz Teuffel, Suͤnd, Fleiſch, Hoͤll, Welt, endlich zu ſeiner Vollendung, Aufſchlieſſung und Offenbah - rung komme im andern Leben, dahin die Heil. Schrifft den unge - ſtoͤhrten, unbetruͤbten und vollkommenen Genuß des Lebens, Hei - ligkeit, Seeligkeit und Herrlichkeit GOttes verſchiebet, da dann der lebendige, heilige, herrliche GOTT aufs lauterſte empfunden und genoſſen wird.
Jedennoch preiſet der Heilige Geiſt an vielen Orten der Schrifft, die nach GOTT Sehnende bereits auf Erden ſelig.
§. 3. Dieſe angehende, und mit dem Aufſchauen auf JEſum un -Theils of - fentlich und zeiget ſich zertrennlich verknuͤpffte Seeligkeit beſtehet:
1. Jn drey Gnaden-Gaben, als Glaub / Liebe / Hoffnung; 2. Jn drey Gnaden-Wercken, als Vergebung der Suͤnden-Kind - ſchafft / Salbung und Verſiglung des Heiligen Geiſtes. 3. Jn drey Gnaden-Fruͤchten / als Freymuͤthigkeit zu GOtt / Wandel vor und mit GOtt, und Freud in GOtt.
§. 4. (I.) Erſtlich ſag ich, in den drey Gnaden-Gaben, alsin dreyen Gnaden - Gaben, Glaub, Liebe, Hoffnung. Einwurff beantwor - tet und ge - zeigt. Glaub, Liebe und Hoffnunga1 Cor. XIII. 13., dann wann dieſe drey Stuck der Seelen mitgetheilt werden, ſo fangt ſie an ein himmliſches Wohl - ſeyn in ſich zu geſpuͤhrenbMatth. V. 3. &c. .
§. 5. Einwurff: Sagteſt du aber nicht, daß durch das Aufſe - hen auf JEſum, Glauben, Lieben, Hoffen angedeutet werde, als eben das Beding des Gnaden-Bunds: wie macheſt du jetzt aber ein Stuck der Seeligkeit daraus, ſo denen verheiſſen ſeye, welche die - ſes Beding erfuͤllen?
§. 6. Antwort: Dieſes alles hat ſeine Grad und Staffeln: DerDaß dieſe drey Ga - ben ſo lang man JEſum noch ſu - chet, zwar nur das Beding ſeye. Glaub ins gemein haltet dafuͤr, es ſeye ſo unvergleichlich viel Gu - tes in JESU, daß wer JEſum habe, wohl zufrieden ſeyn koͤnne, und alles dagegen fuͤr Koth und Schaden achten; aber es iſt ein aͤngſtlicher, ſuchender, hungerender Glaube, der ſehr wuͤnſcht, daß es mit ihm alſo wohl ſtunde, daß er ſagen koͤnnte: Mein JEſus iſt gantz mein, und ich bin auch gantz ſein: wann er aber nur vor dem Geraͤuſch ſeiner Feinden und dem Geſchrey ſeiner Suͤnden darzukommen104Geiſtliche Sonnen-Wendekommen koͤnnte; Ein ſolcher nun iſt ja nicht ſelig, dann es iſt ihm ſein Lebtag niemalen ſo uͤbel zu muth geweſen: Er ſtehet da wie ein verklagter Ubelthaͤter vor GOttes Gericht, und heißt immer: Du haſt das und das gethan, du kanſts nicht laͤugnen, hinunter mit dir in die Hoͤlle, JEſus will deiner nichts, du haſt es zu grob gemacht, er wird ſein heilig Blut nicht an dich wenden; Da iſt er wie ein armer krancker, ſtinckender Bettler vor eines reichen Herrn Thuͤr, dem er viel Zeit und Gaben verderbt, und darzu noch nicht weißt, wie der HERR ſolche Beleidigung aufnehmen werde; Er ſtehet da zitterend, wie die Bruͤder Joſephs, und weißt noch zur Zeit nicht, wie er mit JESU daran iſt, dann ſein Gewiſſen haltet ihm vor viel boͤſer Stuͤck, welche er wider ihn begangen, wie untreu er an ihm geweſen, und ihne nicht nur einmahl, ſondern unzehlich vie - le tauſend mahl, verkaufft habe um die wuͤſte Suͤnd, und iſt es al - ſo am Gerathwohl, und ſtehet ein ſolcher in der groͤſten Ungewiß - heit, wie es endlich mit ihm werde ablauffen.
Dieſes recht zu verſtehen, ſo halte entgegen die Wort bey Jere - mia: Kehret um ihr abtruͤnnige Kinder / ſo will ich euch heylen von euerm AbfallaJer. III. 22.; Da iſt eben das Beding, wendet euch zu mir, und eben die Verheiſſung, und werdet ſelig; Das erſte iſt Bekeh - rung, das andere Heiligung; der Unterſcheid zwiſchen dieſen bey - den iſt dieſer: daß einer, der noch nur in der Bekehrung ſtehet, ſich arm, kranck, verdorben, verlohren, tod, boßhafft, unkeuſch, unrein, betruͤbt, unfriedſam, hoffaͤrtig, ſtoltz, veraͤchtig, ſtoͤr - riſch, hartmuͤthig, unbarmhertzig, ungedultig, unleidig, bitter, unfreundlich, karg, und aller Suͤnden voll, ja vermaledeyet erken - net, dann es iſt keine Leibes-Frucht von Natur gebenedeyet, als das Jungfrauen-Kind JESUS, der den Suͤnderen zu helffen kommen iſt, und ein Fluch worden um unſert willen, auf daß GOt - tes Verheiſſung wahr wuͤrde an uns.
Nun ein ſolcher elender Wurm hoͤret dann aus dem Evangelio, daß ein ſolcher Helffer zu finden ſeye; dieſen ſuchet er immer ernſt - licher, wohl ſehende, daß er aller Dingen auf der Welt ehender entrathen koͤnnte, als dieſes Helffers. Findet er ihn, ſo wirfft er ſich zu ſeinen Fuͤſſen; ja wann der Glaube geſtaͤrcket iſt, gar in ſei - ne Schooß und Armen, und heißt bey ihm:
Mein105einer glaubigen Seele nach JESU.Und dann laſſet er ſich von dem gecreutzigten JEſu, dem freund - lichen Lamm beſeeligen.
§. 7. Und das iſt die Heiligung / da der Menſch in GOtt, und am Glauben und Gerechtigkeit reich, geſund, ſtarck, froͤlich, le - bendig, guͤtig, keuſch, heilig, fried - und gnaden-reich, demuͤthig, Welt-verſchmaͤhend, holdſelig, hertzlich, mitleidig, allem Willen GOttes ergeben und gleichfoͤrmig, ſanfft, lieblich, mild und voll al - les Guten wird, wie dann das Wort〈…〉〈…〉 nicht unfein uͤberſetzet wird, werdet voll JEſus /〈…〉〈…〉 wie Epheſ. werdet voll GeiſtesaEpheſ. V. 18.; da erwarmet Chriſti Blut bey dem Menſchen, und GOtt der ewi - ge Vatter gieſſet in ihnen ein die Krafft und Suͤßigkeit ſeiner Lie - be, nehmlich in den neuen Liebes-Sinn, von JEſu erwecket und be - wohnet; da wird die unreine, vergifftete, hoͤll-wuͤrdige alte Natur ſtets untergedruckt, und wird der Menſch mit himmliſch-ſuͤſſer Gewalt der Gnaden von aller Untugend hinweg, zu aller Tugend hinuͤber gezogen, in ein ander hoͤher Weſen, als Teufels Kinder haben.
Hier verſchmeltzen alle Werck, ſie duncken uns ſo gut als ſie wol - len, und zergehet alle Begierd der Creatur, und Geſuch der Natur, weil der gemarterte JEſus allein aller Troſt, Hoffnung und Seelig - keit der Seelen iſt: Fahret der Menſch fort in dieſer Umwendung, ſo kommt er GOtt immer naͤher, und entfernet ſich von ſich ſelbſt im - mer weiter und weiter; JEſus wird ſtets groͤſſer, und er ſelbſt immer kleiner in ſeinen Augen, biß er gar nichts wird.
OWo106Geiſtliche Sonnen-WendeWo nun die Seel alſo gar von ſich abgekehret, und in JEſum Chriſtum hineingeſchloffen, da geths wohl, und weißt ſie alsdann, was die in Heiliger Schrifft ſo hochberuͤhmte Seeligkeit und ewi - ges Leben ſeye, ſie empfindet auch die Freude Chriſti, und aller ſei - ner himmliſchen Hausgenoſſen uͤber ihrer Bekehrung, als dem recht eigentlichen Werck Goͤttlicher Barmhertzigkeit.
Es moͤgen ſich weder Chriſtus noch die heiligen Engel in unſeren Wercken freuen, ja auch wir ſelbſt nicht recht, es iſt nur ein Kuͤtzel in der Haut, der weder Geiſt noch Leben ins Hertz bringt, und am boͤſen Tag nur bange macht; Aber wo man ſeine Hoffnung auf GOtt ſetzt, ſein Hertz gar zu ihm wendet, und ihme freye Hand laſſet, da kommt die ewige Seeligkeit mit groſſen Schritten daher.
JEſus iſt unſer GOtt, der uns geſchaffen hat, zu dem ſollen wir flehen, daß er uns von neuem ſchaffe, auf daß ſich der Herr freue im Werck ſeiner, und nicht unſerer HaͤndenaJeſ. XXIX. 16..
Es iſt zwar wahr, JEſus hat uns viel heylſamer Gebotten gege - ben, und viel koͤſtliche Verheiſſungen gethan, aber, ohne ſeine ſtets anſcheinende Gnaden-Huͤlff, mag von allem nicht eines erfuͤllet wer - den: Hoͤret hievon ſeine eigene Wort: Sie werden mein Volck ſeyn, ich aber will ihr GOtt ſeyn und ich will ihnen ein Hertz und einen Weg geben, daß ſie mich foͤrchten ihr Lebenlang, auf daß es ihnen, und ihren Kindern nach ihnen wohl gehe; Und ich will einen ewigen Bund mit ihnen machen, daß ich mich nicht hinter ihnen will abwenden, ihnen Gutes zu thun; und will mei - ne Forcht in ihr Hertz geben, daß ſie nicht von mir welchen: Und ich will mich uͤber ihnen erfreuen ih - nen Guts zu thun, und will ſie in dieſem Lande pflan - tzen treulich von meinem gantzen Hertzen, und von meiner gantzen SeelenbJer. XXXII. 38. 41.; Ohne mich koͤnnnet ihr nichts thuncJoh. XV. 5.; Alle ſeeligende, GOtt-reiche Gedancken, Be - gierden und Wercke, wachſen auf dem Weinſtock Chriſto, deſſen Einaͤugung von rechtſchaffen Bekehrten mit Ernſt geſucht wird, weilſie107einer glaubigen Seele nach JESU. ſie erkennen, was ein Suͤnder an ihm habe, und was er fuͤr uns ge - than und gelitten; Man ſucht wohl in vielen Dingen Ruhe, find et ſie aber nirgends, als in dem das pur lauter GOtt iſt; darum heißt es: Kehret euer Angeſicht mir zu / und werdet durch und durch beſeeliget.
Wird alſo hier der Glaub gemeynt, der in die Ruhe einkehret, findet, iſſet, den Rock des Heyls anziehet, und eingehet in den Hoch - zeit-Saal, und mit allen Auserwehlten, Veruffenen und Gerecht - fertigten anſitzet an Chriſti Tiſch in ſeinem Gnaden-Reich, unter dem himmliſchen Weinſtock und Feigenbaum, damit er ein ewiges Leben ergreiffe, in ſich hinein ziehe, und ſeiner Heiligkeit theilhafftig wer - de; Hier empfahet der Bittende, und der Suchende findet / und dem wird aufgethan / der mit Zittern hatte angeklopfftaMatth. VII. 8..
§. 8. (a) Dieſer Glaube nun macht den Menſchen gantz muthigDer Glau - be machet einen mu - thig und ſtarck. und ſtarck in GOtt, daß er voll Freuden mit David uͤber alle Mau - ren der Anfechtung und Hindernuſſen, die ihne von GOtt abhalten wollen, hinuͤber ſpringen, und ſich nicht mehr zu tod foͤrchten willbPſalm. XVIII. 30. Jeſ. VII. 4., wann ſchon der Satan ſammt ſeiner moͤrderiſchen und raſenden Rott hinter ihm ſtuͤndencEph. VI. 10-18., dann der HErr verwahret ihn / in ſeiner Huͤt - ten zur boͤſen Zeit, er verbirget ihn heimlich in ſein Gezellt / er er - hoͤhet ihn auf einen FelſendPſalm. XXVI. 3. 5..
§. 9. (b) Die Liebe iſt auch nicht mehr ſo ſorgſam und forchtſam;Die Liebe ruhig und zu - frieden, Dann man kan oͤffters etwas hefftig lieben, davor man doch nicht verſicheret iſt, ob es einem jemahls werde zu Theil werden, wobey die Pein groͤſſer iſt, je hoͤher man ein Ding ſchaͤtzet: Allein die Liebe zu Creatuͤrlichen Dingen, nimmt offt ab bey deren Beſitz, ſo daß die Natur allezeit dasjenige mehr liebet, was ſie nicht hat, als das ſo ſie hat, weilen ſie in dieſem ſo viel unvollkommenes und gebrechliches findet, welches ſie in dem ſo ſie verlanget, nicht zu ſeyn vermeynet: Hin - gegen nim̃t die Liebe zu GOtt im̃er zu, von einer Ewigkeit zur anderen, und macht die Seel ſchon in dieſem Leben gantz ruhig und zufrieden, dann ſie nimmt alles, auch die allerſchmertzhaffteſte Ruthen, auch den al - lerbitterſten Wermuth an, als ein Liebes-Zeichen vom Vatter, welche er gebraucht ihre Verderbnuß auszujageneHebr. XII. 5. 11., und ſie von dem Koth der Suͤn - den, und inſonderheit von dem Hochmuth zu reinigenfPſalm. CXIX. 75.; Ja dancketO 2GOtt,108Geiſtliche Sonnen-WendeGOtt, daß er zornig geweſen uͤber ihn, und ſein Zorn ſich gewendet, und ihne troͤſtetaJeſ. XII. 1., ſie freuet und ruͤh - met ſich der TrangſalenbRom. V. 3. Jac. I. 2-12.; Sie bricht aus: Jch will diß zu Hertzen fuͤhren, und darum will ich hoffen, nehmlich daß es die vielfaͤltige Guͤte des HErrn iſt, daß ich nicht gar aufgerieben bin, daß ſeine Barm - hertzigkeit noch kein Ende hat, ſondern ſie iſt alle Morgen neu, und deine Treu iſt groß; Der HErr iſt mein Theil, darum will ich auf ihn hoffen, der HErr iſt freundlich denen die auf ihn harren, und der Seelen die nach ihm fraget ꝛc .cKlag. Jer. III. 21-25..
§. 10. (c) Dann die Hoffnung / als ein veſter AnckerdHebr. VI. 19., verſuͤſ - ſet ihro alles, ſie ſtellet ihro vor die uͤber alle maſſen wichtige Herr - lichkeit, die ſie zu erwarteneRom. VIII. 18., durch die ſiehet ſie, als durch ein Perſpectiv, das himmliſche Canaanf5 B. Moſ. XXXIV. v. 1., die Stadt GOttes, von weitemgOffenb. XXI. v. 10., die zwitzeret ihro in die Augen.
§. 11. Und dieſe drey Gnaden-Gaben machen den neuen Men - ſchen aus, der nunmehro faͤhig iſt, das, durch JEſum ſein Haupt, als den neuen Adam, vom Himmel wiedergebrachte Paradieß wie - der zu genieſſen in ſeinen Anfaͤngen und Vorſchmaͤcken, welches ſind die drey Gnaden-Werck und Gnaden-Fruͤcht, ſo ſich in der Seelen ausbreiten und offenbahren, nach dem Maas der drey Gnaden-Gaa - ben; Eben wie ein Natur-Menſch mehr Nahrung und Kleidung gebraucht, ſo er groß, ſtarck iſt, und guten Appetit hat; So auch, je ſtaͤrcker der Glaub, je reiner die Liebe / je lebendiger die Hoff - nung, je uͤberſchwenglicher erzeigen ſich folgende Seeligkeiten im Menſchen.
§. 12. (2.) α Vergebung der Suͤnden; dann wo dieſe verſpuͤh - ret wird, da iſt gewiß das Leben, da iſt SeeligkeithPſalm. XXXII. 1. 2.; wie im Ge - gentheil eine rechte Hoͤllen-Pein, wann man von den Suͤnden ge - aͤngſtiget und gequaͤlet wirdiPſalm. XXXVIII. , ohne Troſt und Chriſto, wie einer der unter die Moͤrder gefallen, gantz nackend und halb tod ligetkLuc. X. v. 30.;Wo109einer glaubigen Seele nach JESU. Wo aber die Suͤnden durch das Blut JEſu, nach dem Keich - thum ſeiner Gnad weggenommenaEph. I. v. 7. / und die Handſchrifft derſel - ben durchgeſtrichenbCol. II. v. 14. / ja gar in die Tieffe des Meers verſencket ſind, daß man an ſtatt der Aſchen, Schmuck, an ſtatt Angſt und Suͤnden, Freud, und das ſchoͤne Kleid der Gerechtigkeit JEſu empfindetcEſaj. LXI. v. 3. Phil. III. v. 9., da, da iſt der Himmel bey ſolcher Seelen; da heißt es!
§. 13. β Worauf erfolget die Kindſchafft GOttes, nach wel -Gottes Kind - ſchafft. cher ſich der gute GOtt und Vatter nahe zu ſolcher Seelen thut, ihro entgegen laufft, ſie mit dem fuͤrnehmſten Kleid, nehmlich dem Kleid ſeines Sohns bekleidet, ſie hertzet und kuͤſſetdLuc. XV. v. 20. 22., mit ſeinem Fleiſche ſpeiſet, und mit ſeinem Blut traͤncketeJoh. VI. v. 54., ſie aufnimmt in ſeine Gezellte, und unter ſeine FittichfPſal. LXV. v. 5., und ſich ihrer erbarmet / wie ſich ein Vatter erbarmt uͤber ſeine Kinder / dann er weißt / was fuͤr ein Gemaͤcht wir ſind / er gedencket daran / daß wir Staub ſindgPſ. CIII. 13. 14..
§. 14. γ. Und in dieſer Erbarmung gibt er dem begnadeten KindMitthei - lung des Heil. Gei - ſtes. die unausſprechliche Gaab / den H. Geiſt / der das Werck der neu - en Geburt taͤglich fortſetzet, und ſeinen Tempel recht fuͤllet mit Herr - lichkeith1 Cor. VI. 19., und den Freuden-Himmel GOttes in ſeiner Wohnung aufbauet, zum gewiſſeſten Pfand ihrer kuͤnfftigen ſeeligſten Verklaͤ - rungiEph. IV. 30.; und dis iſt das Siegel des lebendigen GOtteskEph. I. 13., nehm - lich deren, die durch Buß GOtt nahe worden ſind, daß ſie ihn nicht als entfernt anruffen, wie die auſſere Nam-Chriſten, ſondern in ge - heimer lebendiger Bekandtſchafft, wie Kinder mit ihrem Vatter reden.
§. 15. (3.) Und ſo kommen wir zu den drey Gnaden-Fruͤchten:Dieſe Gnaden - Wercke ziehen nach ſich drey Gna - den-Fruͤch - ten als: Die Gaaben machen den Grund der Seeligkeit aus; die Gnaden - Werck derſelben Weſen und Genuß, und die drey Fruͤchte dieſer ge - ſchenckten Seeligkeit, Offenbahrung, Ubung, Bewahrung und Ver - mehrung; es ſeye nun
O 3§. 16110Geiſtliche Sonnen-Wende§. 16. (a.) Eine rechte Freymuͤthigkeit gegen GOtt / und ſeinem Sohn JEſu, unſerm HeylandaHebr. X. 19-23., daß ſie gantz frey, wie Kinder mit den Eltern reden, wie wir ſolches unter anderm im Leben der Patriarchen ſehen; Jhme offenhertzig alles klaget, ihr Hertz fuͤr ih - me ausſchuͤttetbPſ. VI. 9., in allem, was ihro zuſtoſſet, von ihme alles be - gehret und erwartet, bey ihme ſich Raths erholet, in allem was ſie vor hat, nach ſeinem Wort: Jch will dich unterweiſen / und dir den Weg zeigen / den du wandlen ſollt, ich will dich mit mei - nen Augen leitencPſal. XXXII. 8.. Der Menſch gehet gantz vertraulich mit GOtt um, und fanget erſt hier das Gebett an einem Geſpraͤch zu gleichen, da er zuvor nur als wie von weitem um Huͤlff ruffte, nun iſt ſolche Seel uͤber die Klufft hinuͤber gehoben, empfahet Antwort, und hat groſſe Gewißheit der Erhoͤrung, und lehret ſie der Heil. Geiſt weiß - lich und demuͤthiglich mit GOtt converſiren und umgehen: Daraus dann
§. 17. (b.) Natuͤrlich ein heilig Leben flieſſet; dann ein jeder, der der Gemeinſchafft mit GOtt gewuͤrdiget wird, wandlet im Liecht, wie Enoch, fanget an die Tugenden in Krafft und Weſen zu be - ſitzen, und thut nicht mehr nur natuͤrliche und vermiſchte Wercke, die offt wohl einen groſſen Schein haben vor den LeutendMatth. IX. , aber vor GOtt, als untauglich, verworffen werden; ſondern er wuͤrckt in GOtt, und will nur ihm uͤberall gefallen; die Gedancken und Be - gierden ſind Chriſto unterthan, und GOtt heilig, und von weltli - chen Abſichten gereiniget; das Verlangen nach himmliſchen Schaͤtzen und Gaaben, die ernſtliche Begierd von allen Staͤublenen der Suͤnd erloͤßt, und mit JEſu und ſeinem Geiſt durch und durch erfuͤllet zu werden, wird bald unerſaͤttlich, und ob das Gemuͤth verduͤſtert wird durch die Beſtuͤrmung der Suͤnde im Fleiſch, ſo bricht dennoch der heitere Glantz der Gnaden-Sonn immer wieder hervor, und behal - tet die Liebe Chriſti immer den Sieg, und erinnert der Heil. Geiſt das Hertz in der Verſuchung zu rechter Zeit der Gegenwart GOt - tes, und laſſet ſeinen Beſeeligten nicht viel ausſchweiffen zu ſinnli - chen Phantaſeyen, und unnuͤtzen Andencken irrdiſcher Dingen, da - mit er nicht ſein Kraͤntzlein verliere wie Dina: Aus ſolchem genau - en Wandel in der Forcht GOttes entſpringet
§. 17. c. Geiſt -111einer glaubigen Seele nach JESU.§. 17. c. Geiſtliche Freud und zu Zeiten ein triumphirend Jauchtzen,Geiſtliche Freude. in GOttaPhil. IV 7., wiewohl dis ſelten und ſparſamlich geſchiehet, rara ho - ra, brevis mora; Doch herrſchet da ein tieffer Fried uͤber alle VernufſtbCol. III. 15., und theilet Kleinodien aus; dann der durch Leiden vollkommen gemachte Hoheprie - ſter iſt allen, die ihme gehorſam ſind, ein Urſach ewi - ger SeeligkeitcHeb. V. 10.. Dann der HErr Zebaoth wird ſie ſchuͤtzen, und ſie werden eſſen, nachdem ſie werden unter ſich gebracht haben die Schleuderſteine: Sie werden auch trincken, und ein Geraͤuſch machen, als vom Wein, und werden fuͤllen beyde das Becken, und die Ecke des Altars. Und der HERR ihr GOtt wird ſie zur ſelbigen Zeit erretten, als eine Heerd ſei - nes Volcks, dann es werden in ſeinem Lande Steine mit Kraͤntzen, als ein Panier, aufgerichtet werden; Dann o wie groß wird ſeine Seeligkeit ſeyn, und wie groß wird ſeine Schoͤne ſeyn, Korn wird die Juͤng - ling / und Moſt die Jungfrauen beredt machendZach. IX. 17.. Da - rum jauchtze du Tochter Zion: Ruffe laut Jſrael, und hupffe froͤhlich von gantzem Hertzen, du Tochter Je - ruſalem; dann der HErr hat deine Straffen wegge - nommen, er hat deine Feinde aus dem Weg gerau - met. Der HErr, der Koͤnig Jſrael iſt in dir, daß du dich fuͤr keinem Ungluͤck mehr foͤrchten darffſteZeph. III. 14. 15.. Dann ſihe! Sie werden kommen, und auf der Hoͤhe des Bergs Zion jauchtzen, und werden ſich zu den Guͤ - tern des HErrn haͤuffen, nehmlich zum Getraide, und zum Moſt, und zum Oel, und zu jungen Schaa - fen und Ochſen, und ihre Seele wird ſeyn wie ein waſſerreicher Garten, und ſie werden nicht mehr trau -rig112Geiſtliche Sonnen-Wenderig ſeyn; Alsdann werden die Jungfrauen froͤlich ſeyn am Reigen, darzu die Juͤnglinge und die Alten mit einander. Dann will ich ihr Leydweſen in Freud verkehren, und will ſie troͤſten, und will ſie erfreuen nach ihrer Betruͤbnuß; Und will der Prieſtern Hertz mit Feißte truncken machen, und mein Volck wird mit meinen Guͤtern geſaͤttiget werden, ſpricht der HERRaJer. XXXI. 12. 14.. Heißt dann das nicht redlich? ſeelig ſeyn: wie noch zu dem allem Jeſajas in ſeiner Weiſſagung, David in ſeinen Pſal - men, Salomon in ſeinen Spruͤchen und Hohenlied viel herrliche Ding zeugen von dieſer Freud in Chriſti Reich.
§. 18. Frag. Wer ſollte nicht bekuͤmmert ſeyn, ob JEſus ihne auch meyne mit dieſem Zuruff; Ob dieſe Einladung GOttes zu ſolcher groſſen Seeligkeit ihn auch angehe? Ey ja, wann einer ja ſchon vie - le hundert Stund weit auf Nadelſpitzen hin kriechen muͤßte, ſo ſoll - te es niemand dauren, wann er nur zuletzt zu JEſu kaͤme.
§. 19. Antw. Hier iſt gute Bottſchafft; Dieſe Him̃els-ſuͤſſe Einladung gehet an aller welt End. Dann gleichwie die Sonne den gantzen Erdboden beſtrahletbPſalm. XIX. 7., ſo ſoll auch unſer JEſus die gantze Erden, und nicht das Land Canaan allein, als dieſelbe Sonne der Gerech - tigkeit beleuchtencMal. IV. 2.; Alle, ſie moͤgen ſich auch finden, wo ſie wollen; ſie ſeyen wer ſie wollen, Juden oder Heyden, Reiche oder Arme, Knecht oder MaͤgddJoel II. 28. 29.; wer ſich nach JEſu, der Sonnen der Ge - rechtigkeit wendet, um von ihro erwaͤrmet, geſtaͤrcket und erquicket zu werden, die alle werden ſeelig ſeyn; Drachen und Stein-Eulen, die wildeſten Barbaren ſollen JEſum preiſen; Dann ſo ſpricht der HERR: Foͤrchte dich nicht, dann ich bin bey dir, ich will vom Aufgang deinen Saamen herein bringen, und will dich vom Niedergang ſammlen; ich will ſa - gen zur Mitternacht, gib her, und zum Mittag, ver - ſperre nicht; bringe meine Soͤhn von ferne her, und meine Toͤchter vom Ende der Erde; Dann ſihe! ich will ein neues machen, jetzt ſoll es herfuͤr wachſen: iſtihm113einer glaubigen Seele nach JESU. ihm nicht alſo, daß ihrs erfahren werdet? Jch will auch in der Wuͤſten einen Weg machen, und Waſſer - Stroͤhme in der Einoͤde; Die Thier des Feldes wer - den mich preiſen; Jtem, die Drachen und Stein-Eu - len, wann ich werde Waſſer in der Wuͤſten gemacht haben, und Stroͤhm in der Einoͤde, zu traͤncken mein Volck, mein auserwehlt VolckaJeſ. XLIII 5. 6. 19. 20.; Weiters ſpricht der HErr: Sihe, ich will meine Hand zu den Heyden auf - heben, und zu den Voͤlckern will ich mein Panier auf - werffen, ſo werden ſie deine Soͤhne in den Armen herzu bringen, und deine Toͤchter werden auf den Achslen hergetragen werdenbEſai. XLIX. 22.; dann der HErr hat ſeinen heiligen Arm entbloͤßt fuͤr den Augen aller Hey - den, auf daß alle Ende der Erden das Heyl unſers GOttes ſehencCap. LII. 10.; dann ich bin geſucht worden von de - nen, die nicht nach mir fragen; ich bin gefunden wor - den von denen, die mich nicht ſuchten; Jch hab zu dem Volck, das nicht nach meinem Namen genennet war, geſagt: Hie bin ich, hie bin ichdCap. LXV. 1.; welches der HERR eben auch durch die vier Zipffel an dem groſſen leinenen Tuch, ſo dem Apoſtel Petro vorkommeneGeſchichtb. X. 11., nemlich die vier Theil der Welt andeuten wollen; ingleichem durch das Web-Opfferf2 B. Moſ. XXIX. 26..
Und dieſe Herrlichkeit der ausbreitenden Guͤte GOttes uͤber alle Land ward aufgeſpahret, biß nach dem Eingang des ewigen Ho - henprieſters in das Heiligthum, und die Salbung des Koͤnigs uͤber Zion am Pfingſt-Feſt, und dann ſprach GOTT zu ſeinem Sohn: Heiſche von mir, ſo will ich dir die Heyden zum Er - be geben, und die Ende des Erdbodens zum Eigen - thumgPſ. II. 8.; oder biſt du zu gering darzu geacht, daß du mein Knecht ſeyeſt, die Staͤmme Jacobs aufzurich - ten, und die verwahrten Jſraels wieder zu brin - gen? Wolan, ſo ſetze ich dich zum Liecht der Hey -Pden /114Geiſtliche Sonnen-Wendeden, daß du ſeyeſt mein Heyl biß ans Ende der ErdenaJeſ. XLIX 6.. Daher ſingen die vier Thier, und die vier und zwantzig Aelteſten vor dem Lamm: Du biſt wuͤrdig zu empfahen das Buch, und aufzuthun ſeine Siegel, dann du biſt erwuͤrget, und haſt uns unſerm GOtt erkaufft mit deinem Blut, aus allen Staͤmmen und Sprachen, und Voͤlckern und HeydenbGeſchichtb. V. 9.. Und deswegen wird er der Erloͤſer, der HERR in Jſrael, ein GOTT der gantzen Erden genennt werdencEſai. XLV. 5.; und daran werden gedencken, und ſich zum HErrn bekehren alle Ende der Erden, und es werden fuͤr ihm anbetten alle Geſchlechte der HeydendPſal. XXII. 28..
Diß iſt die einfaͤltige Erklaͤrung dieſes ſo herrlichen Spruchs.
§. 1. Woraus wir zu unſerer Haupt-Lehr abfaſſen, daß der Menſch aus lauter Gnaden ſelig werde, ohne Werck; weilen JE - ſus hier zur Seeligkeit ledig nichts erfordert, als ein glaͤubiges Um - wenden, eine Zukehr, ein Aufſehen, wie dortene4 B. Moſ. XXI. 8. 9. der Glaub auch abgebildet wird, durch eine Abkehr von ſich ſelbſt, und den feuri - gen Schlangen, zu dem ehernen Schlaͤnglein, durch ſteiffes, un - verrucktes Umwenden des Angeſichts auf daſſelbe, von welchem An - ſchauen, krafft der Goͤttlichen Verheiſſung, das Gifft alle Krafft verlohre, die Schlangen abfielen, und voͤllige Geſundheit erfolgte.
§. 2. Wer nicht pur aus dem Glauben leben, ſondern ſich mit Wercken zur Gnad bereiten, auf ſein Frommkeit und ehrbar Leben bauen, und daraufhin Vergebung ſeiner Suͤnden, Leben und See - ligkeit hoffen will, der handelt eben ſo naͤrriſch, als wann ein Be - ſudleter ſich von erſt in kothigen Pfuͤtzen obenhin das groͤbſte abwaͤ - ſchen wollte, ehe er zum Brunnen kaͤme; Nein, der offene Brun -nen115einer glaubigen Seele nach JESU. nenaZach. XIII. 1. laufft mit ſeinen Baͤchlein dem entgegen, der gern von Suͤn - den loß und ledig waͤre, und zwar ſo weit, daß auch GOtt einen ſolchen, der im Schlamm ſeiner Unreinigkeit winſelt, ſchon rein er - klaͤret; Dann GOtt hat Luſt zur Wahrheit, die im Hertzen ligtbPſalm. LI. 8.: Ein ſolcher heuchelt nicht mehr, ſondern ſagt frey rund heraus, wie es um ihn ſtehe, und findet Gnad, und will nicht mehr ſein ſtinckend Waſſer eigner Gerechtigkeit, mit dem cryſtalliniſchen Waſſer der allein ſeeligmachenden Gnad JEſu vermengen; das waͤre noch ſchlim - mer, als einfaͤltig Waſſer zum Brunnen tragen.
§. 3. Ach! alle unſere Unſeeligkeit kommt nur daher, daß wir unsDann die - ſes hieſſe ſich von JESU wenden und ſich ungluͤck - lich ma - chen. offt ſo ploͤtzlich, oder auch unterweilen durch der Schlangen-Liſt, und unſers Hertzens Faulheit und Unbeſtaͤndigkeit abwenden und abkeh - ren laſſen von JEſu, ſeiner Gegenwart, ſeiner Lehr und Leben, und Leitung ſeines Geiſtes, auf uns ſelbſt, unſern Unfall und Wider - waͤrtigkeit, oder der Welt Boßheit und Schalckheit, nemlich ſo fern wir einig Ungemach davon haben; Dann da hoͤret alle Seelig - keit, Ruhe und Fried alſobald auf, und regen ſich die alte quaͤlende Paßionen im Gemuͤth; Sintemalen unſere Seele aͤhnlich iſt einem Spiegel; ſo lange man ihn gegen der Sonnen haͤlt, ſo iſt er voll Licht und Klarheit, wann er je ſauber iſt, ſo bald man ihn aber um - wendt, ſo iſt er finſter, und erſcheinet das darinn, wornach er ge - kehret iſt, ſollte es auch eine Krott oder ander wuͤſt Thier ſeyn.
§. 4. Der Glaub thut ſein Amt nicht, wann er nicht beſtaͤndig dieVielmehr ſolle er al - les von JESU Gnaden - Einfluͤſſen erwarten. him̃liſche ſeelige Einfluͤſſe Chriſti empfahet, und denen Jmpreſſionen, Eindruͤcken der Creaturen in ſich Platz laͤſſet, zu Beunruhigung und Verfinſterung der Seelen; Ein Chriſt ſoll keine Jmpreßion empfahen, als von der H. Dreyeinigkeit, entweder unmittelbar, oder durch geheiligte Werckzeuge. Und das alles umſonſt / und aus groſſer Gnad; alldieweilen alle Geſetze und Handleitungen Moſis und der Propheten, Chriſti und der Apoſteln in dieſem einigen Wort begrif - fen ſind: Schauet auf mich / wendet euch zu mir: Alles Ver - langen GOttes an uns arme Suͤnder iſt hierinn begriffen; Alle Zeugniſſen, ſo uns den Willen GOttes vorlegen, ſind nur ein Com - mentarius und Erklaͤrung uͤber dieſe Wort.
§. 5. Ja das Reich der Natur lehret uns eben das; dann ſiehe!Welches ihn die Na - tur ſelb - ſten lehret. eine Quell verlangt nichts anders, als daß man ihr ſuͤſſes WaſſerP 2nicht116Geiſtliche Sonnen-Wendenicht vergebens lauffen laſſe, ſondern duͤrſtend zu ihr komme und trin - cke; Einem Baum, der beladen mit reiffen Fruͤchten, kan ein laͤch - tzender Wanders-Mann keinen groͤſſeren Dienſt thun, als wann er fein abricht und iſſet; Es iſt niemand ſo naͤrriſch, daß er ver - meynte, er muͤſſe zuvor etwelche Holtz-Aepffel ſammlen, und zum Baum herbey bringen, damit er wuͤrdig werde von deſſen edlen Fruͤchten zu eſſen; Wie die thun, die immer auf ihre ſaure Wer - cke ſehen, wie viel oder wenig ſie deren haben, ehe ſie zu JEſu ge - hen, und von ihm nehmen. Gleichfalls wuͤrde der die Sonnen be - ſchimpffen, der ſich mit einem angezuͤndeten Schweffel-Hoͤltzlein ih - res Glantzes und Waͤrme wuͤrdig machen wollte; Nein, nein, heißt es, kommet zu mir, wie ihr ſeyd, ich kenne euch wohl vorhin, beſſer als ihr euch ſelbſt kennet, was wollet ihr euch lang verbergen und ſchmucken, ihr ſeyd Geiſt - und Gnaden-loſe, finſtere, unreine, un - ter Fluch, Tod, Suͤnd, Hoͤll, ligende Suͤnder; was wollet ihr mir euerm GOtt doch Gutes geben? Nehmen ſollt ihr von mir al - les Gute, und mir uͤbergeben all euer Boͤſes; Jch, ich, tilge eure Suͤnden; Jch, ich, nehme all eure Noth und Elend; Jch ſtirbe vor euch, und gehe vor euch zum Vatter; Sehet auf mich, und tau - ſchet mit mir, gebt mir eure Miſſethaten mit allen ihren leidigen Fruͤchten, dann das habt ihr, und ſonſt nichts, und ich will euch meine Gerechtigkeit, Liebe, Heiligkeit und Freude daran geben.
§. 6. Einwurff. Sagſt du aber: Jſt das nicht ein groß Werck, ſo GOTT von uns fordert, ehe er uns ſeine Guͤte ſchencke, ſich ab - kehren von allem, das einem das Liebſte iſt auf Erden?
Antw. Ach du Erbarmens-wuͤrdige Seel! Was ſind alle ſicht -daß alle Natur - Wercke nichts ge - gen den Gnaden - Wercken gelten moͤ - gen. bare Ding, wo ſie nicht GOtt geheiliget, und mit JEſu Liebe durchſuͤſſet ſind? Nichts als Stopplen, Knochen, daran die Welt - Kinder nagen; Was ſind alle gut ſcheinende Natur-Werck? Nichts als Laͤuſe der Hoffart, die aus deinem Schweiß gewachſenaEzech. XLIV. 18.; Wuͤr - de ein Koͤnig, der einem armen Bettler ein Fuͤrſtenthum verehrte, ſich nicht im hoͤchſten Grad affrontirt befinden, wann ihme der Bett - ler eine Lauß anbotte, und hernach meinte, der Koͤnig habe das an - geſehen? Was iſt Suͤnd, von deren du dich abwenden muſt? Als das abſcheulichſte Raben-Aaß? Verdieneſt du dann damit etwas? Jſt nicht ſchon in der Gnad der Selbſt - und Welt-Verlaͤugnungunaus -117einer glaubigen Seele nach JESU. unausſprechliche Seeligkeit? Verdiente der verlohrne Sohn des Vatters koͤſtliche Tractamenten, darum, daß er den Schwein-Trog verlaſſenaLuc. XV. ? Verdiente Martha die Erweckung ihres Bruders da - mit, daß ſie den Stein abwaͤltzen laſſenbJoh. XI. ? Meyneſt du dann, du thuſt ein groſſes, und ſeye nicht lauter Gnad, wann du dir das be - nehmen und aus dem Weg raumen laſſeſt, was dich zum hoͤchſten ungluͤckhafftig machet, und die Mittheilung Chriſti aufhaͤlt und hin - dert? Jſts ein groſſes, wann einer Koth und Kiſelſtein aus der Hand wirfft, damit er koſtbare Kleinodien darein empfahen moͤge? Was thut der vortrefflichers, der ſeine Bettler-Lumpen auf den Miſt hinlegt, damit er den Koͤniglichen Purpur der Gerechtigkeit JEſu, und das ſchnee-weiſſe Gewand ſeiner Heiligkeit anziehe? Aber, ach leyder! die Eitelkeit iſt dem Menſchen ſo ſehr im Kopff, daß ihn noch immer unterweilen das Zuruckſehen ankommt, indem er meynt, der Miſt ſeye noch gut zu brauchen. Sollte einer aus dem Schaͤl - len-Werck ſich groſſe Verdienſte daraus machen, daß er ſich die Ei - ſen am Hals, Haͤnden und Fuͤſſen willig abnehmen laſſen, welches ſind die boͤſen Paßionen, damit ihme die fuͤrſtliche Zierden der Tu - genden Chriſti, und die guldene Ketten Goͤttlicher Gebotten ange - legt werden.
§. 8. Es iſt zwar freylich eine gemeine Sag unter uns, wir wer -Seelig werden iſt eine ſchwe - re Sach. den ohne Verdienſt gerecht, und ſeelig aus lauter Gnaden, durch die Erloͤſung im Blut Chriſti: Allein wie ſchwerlich dieſe Lehr in der Anfechtung eingehe, und wie viel wunderliche Wege uud Schmel - tzungen GOtt mit manchem Menſchen muͤſſe vornehmen, daß er ihn von aller eigener Gerechtigkeit auslaͤre, und bloß auf JEſum ſchau - en lehre, das wiſſen die, ſo es erfahren; Ungeuͤbte und Unerfahrne leben ſicher, und meynen, ſie habens ergriffen, weil ſie die Worte herzuſagen wiſſen: Wir werden ohne Verdienſt gerecht ꝛc. Sie foͤrchten nicht die heimliche Tuͤcke des alten Adams; Aber wann das Gewiſſen in der letzten Noth erwachet, dann verzagen ſie elendiglich: Das thue das / ſo wirſt du leben, wachet in aller Menſchen Her - tzen, aber das, glaube an den HErrn JEſum / wende dich zu mir / ſo biſt du ſeelig / das muß in der Schul der Gnaden vom H. Geiſt gelernet werden, unter mancherley Anfechtungen, Noͤthen und Ban - gigkeiten, Kaͤmpffen und Gebett, und mag der groͤſſe Doctor hierP 3wohl118Geiſtliche Sonnen-Wendewohl ſein Lebenlang ein Schuler bleiben; dann ich habe noch niemand geſehen, der es, was die Ubung betrifft, ausgelernet habe; Die Todes-Stund entdecket manchem noch vieles, das man bey froͤlicher ruhiger Zeit nimmer von ſich ſelbſt geglaubet haͤtte. Wir uͤberlaſſen es aber der unendlichen Erbarmung des Vatters, wie er einen jed - weden nach ſeinen Umſtaͤnden reinigen, laͤutern, und mit Chriſti Heyl erfuͤllen und erfreuen mag, und wollen nun dieſen Goͤttlichen Ausſpruch naͤher an eure Seelen binden.
§. 1. Jch bitte euch dann, daß ihr aufmercket, dann es ſind nicht meine Reden, ſondern Wort Jehovah des groſſen GOttes, und Richters des gantzen Erdbodens, vor deme wir alle an dem Juͤngſten Tag werden ſtehen muͤſſena2 Cor. V. 10., der eben dieſe Wort euch wird vorhal - ten, und derentwegen ihr auch muͤßt Rechenſchafft geben, wie ihr die angenommen und denſelben gefolgetbJoh. XII. 48.; Ach ſo faſſet dann eure Hertzen in Andacht, haltet eure Gedancken und Sinnen beyſammen, und laſſet die boͤſen Geiſter nicht um dieſelben herum ſchwaͤrmen, daß ſie den guten Saamen von euren Hertzen hinweg reiſſencLuc. VIII. 12., und euch der ſo unendlichen Gluͤckſeeligkeit, als des Saamens Frucht, berauben, dann es iſt ein theurer Schatz, ein koͤſtliches KleinoddMatth. XIII. 4[0]; dann was hilffts dem Menſchen, daß er ein Menſch waͤre, wann er der ewigen Seeligkeit entbaͤhren muͤßte?
§. 2. Pruͤffen wir uns, ob wir uns auch zu JEſu wenden: Wie ſtehets um dich, lieber Menſch! haſt du dich zu deinem JEſu ge - wendet? Jſt JEſus deine Freud und Wonne? Jſts dein erquick - lichſtes Wolleben, wann du fein ruhig an deinen ſo nahen JEſum gedencken kanſt? Jſt JEſus dein Reichthum, dein edelſtes Kleinod? Jſt JEſus dir lieber, als ein Mann oder Weib, lieber als deine Kinder, Bruͤder und Schweſtern, oder ſonſt ein guter Freund? nach dem ausdrucklichen Ausſpruch Chriſti: Wer Vatter und Mut - ter mehr liebet dann mich, der iſt mein nicht werth. Und werSohn119einer glaubigen Seele nach JESU. Sohn oder Tochter mehr liebet dann mich, der iſt mein nicht werthaMatth. X. 37. Luc. XIV. 26. Deut. XXXIII. 9.. Haſt du dich von JEſu allein leiten und fuͤhren laſſen? Empfindeſt du die Strahlen ſeiner brennenden Liebe? Haſt du er - fahren, daß es deiner Seelen allein wohl ſeye, in ſeiner allerſuͤſſeſten Gegenwart? Haſſeſt, foͤrchteſt, flieheſt du das Fleiſch, Satan, Suͤnd, als wie Schlangen die dich wollen beiſſen? Geheſt du nun wacker nach Zion der vollkommenen Schoͤne, als ein Beſeeligter, und Begnadeter; Geſpuͤhreſt du, daß eine wunderbarliche Veraͤn - derung bey dir vorgegangen ſeye, aus dem geiſtlichen Anſchauen, des dir im Evangelio als gecreutziget vorgemahlten JEſu? Weiſt du was fuͤr Ketten nun in dir zerſprengt, welche Suͤnden erwuͤr - get, welche Wunden geheilet, welche Tugenden des neuen Goͤttli - chen Lebens in dir gewuͤrcket? Worinn erzeigen ſich die Gaben, Werck und Fruͤchte der Gnad unſers HErrn JEſu Chriſti in und an dir?
§. 3. Aber ach! wann wir in dieſe Welt hinein ſehen, ſo findenOb der meiſten Hertzen nicht an der Welt hangen? wir, daß die Liebe zu irrdiſchen Dingen / die Hertzen der Menſchen gaͤntzlich eingenommenbPhil. III. 19.; wie ſind die Menſchen ſo duͤrr an ihrer See - len, wie ein verdorrte RebencJoh. XV. 6., dann ſie ſorgen nur fuͤr den Bauch, was ſie ihm zu eſſen und zu trincken geben wollendMatth. VI. 25., und zwar ge - nug; Ja Pferd, Schwein, Kuͤh im Stall, vergeſſen ſie nicht ein Tag zu fuͤtteren; aber die arme Seel vergeſſen ſie immerhin, ſo daß ſie vor GOTT gantz ſcheußlich ausſieheteJeſ. I. 5. 6.; Sie goͤnnen ihro ihre Speiſen nicht, welche iſt JEſus, ſein Geiſt, Gerechtigkeit, De - muth, Liebe und Heiligkeit; Ja ſiehe! ſie verſchmaͤhen ihren GOtt und JEſum, er iſt ihnen eine Wuͤſte worden / darinnen niemand wohnetfJer. II. 31.; Sie wenden ſich zu dem eitelen, ſie verlaſſen den Schoͤpf - fer, und lieben die CreaturengRom. I. 25., ſie lauffen zur Suͤnd und Welt, und JEſum wollen ſie nicht.
§. 4. O ſollte ſich nicht der Himmel entſetzen, und die Erde erzit -Woruͤber eine bitte - re Klag gefuͤhret wird, und ſie von ih - rer Thor - heit uͤber - fuͤhret werden. teren? Dann GOTT hat Kinder auferzogen / und ſie ſind von ihm abgefallenhJeſ. I. 2. / ihne als die lebendige Quell verlaſſen ſie, und machen ſich hier und da ausgehauene Brunnen, die kein Waſſer halteniJer. II. 12. 13.. O wie flatteren die Hertzen der Menſchender120Geiſtliche Sonnen-Wendeder Eitelkeit herum wie eine verlockte Tauben / die nichts mercken willaHoſ. VII. 11.; Sie haben gar keinen Durſt nach GOTT, keinen Appetit zu JESU, ſeine Heiligkeit gefallt ihnen nicht, ſondern es heißt viel - mehr: Es iſt umſonſt / daß man GOtt diene / und was nutzet es / daß wir halten / was er uns zu halten befohlen hat / und daß wir ſchwartz gekleidet einher gehen / von wegen des HErrn Zebaoth; darum preiſen wir die Stoltzen ſeelig / ſintemahl diejenigen gebauet werden / die da Gottloſigkeit uͤbenbMal. III. 14. 15.; Und daher bekuͤmmern ſie ſich wenig um die Liebe und Gunſt GOttes, ſondern ſprechen zu ihm: Weich von uns / dann wir begehren deine Weg nicht zu wiſſen. Wer iſt er / daß wir ihm dienen ſollen / oder was ſind wirs gebeſ - ſeret, ſo wir ihn anruffencJob. XXI. 14. 15.; Deswegen wollen ſie von der Ein - wohnung und Erleuchtung des Heil. Geiſtes gar nichts hoͤren, ſon - dern ſie kommt ihnen als etwas gar uͤber alle maſſen verdaͤchtiges, wo nicht gar als etwas teufeliſches vor, und ſcheuen ſich nicht mit jenen Juden einen von dem Geiſt Chriſti getriebenendRom. VIII. 14., anzufahren: Du haſt den TeuffeleJoh. VIII. 48.. Sie tappen lieber nach der Wand wie die Blinden, in der Finſternuß der Suͤnden und Laſtern, darinn ruhen ſie, darinn iſt ihnen wohlfJeſ. LIX. 10..
§. 5. Aber, O Thorheit! dann alle Creaturen, mit denen wir uns erfreuen, weiſen uns einen ſchlechten Danck darfuͤr, ja ſie ſind gar nicht damit zufrieden, ſondern wollten lieber, daß wir durch ſie zu JEſu geleitet wuͤrden: Sie ſeuffzen unter dem Dienſt der Suͤn - dengRom. VIII. 22.. Dann ſehet, alle Baͤum, alle Pflantzen ruffen uns gleich - ſam zu: Wendet euch nicht zu uns, dann wir vergehen, wir koͤn - nen euch in dem Tod nicht helffen, vor dem groſſen Gerichts-Tag nicht rechtſprechen; Wendet euch vielmehr zu GOtt unſerm Schoͤpf - fer, der ewig lebet, der uns unſer Weſen, Safft und Krafft, und vom Himmel Regen giebethGeſchichth. XIV. 17.. Habt ihr ein Verlangen nach Gut, Geld, Ehr, Schoͤnheit, Geruch, Geſchmack und Farben, nach Gemaͤchlichkeit, ſchoͤnen Haͤuſern, dieſe Ding alle ruffen euch zu: Wir koͤnnen der armen Seelen keinen dauerhafften Troſt geben, dann der Wind kan alles wegwehen, das Waſſer verſchwemmen, das Feur verzehren; darum ſo kehret euch von dieſem allem ab, esiſt121einer glaubigen Seele nach JESU. iſt nichts mit uns, wendet euch zu GOtt, der allein kan eure Seele ſaͤttigen und erlaben. Aber wie wenig Gehoͤr finden ſie!
§. 6. Der GOTT Jſraels iſt aus dem Allerheiligſten hervor ge -Theils durch das ernſtliche Einladen GOttes ſelbſten. tretten, und laſſet ſich offentlich ſehen und hoͤren vor der gantzen Welt er ruffet uns zu, und ladet uns auf das allerfreundlichſte ein, zur Ge - nieſſung ſeiner holdſeeligen Liebe: Wer iſt alber / der mache ſich hie - her, und zum Unweiſen; Rommet, zehret von meinem Brod / und trincket des Weins / den ich eingeſchencket hab; Verlaſſet das al - ber Weſen / ſo werdet ihr leben, und gebet auf dem Weg des VerſtandsaSpruͤchw. Sal. IX. 1-9.. Die Heil. Engel ſind in groͤſter Verwunderungb1 Pet. I. 12., daß uns armen Erden-Wuͤrmen von dem groſſen GOtt ſein gantz Himmelreich gleichſam aufgedrungen wird mit allen Zuruͤſtungen dar - zucMatth. XXII. 1-10., und doch dieſes niemand achtet, ſo wenig nach JEſu fragen, ſo wenig ihme nachgehen, ſondern ſich umwenden dem Satan nachd1 Tim. V. 15., nur ſuchen, lieben und verlangen, was er, der abgeſagte GOt - tes - und Menſchen-Feind, will, nemlich Geitz, Wolluſt, ꝛc. daß ſie dieſes weit hoͤher als ihren HErrn und Schoͤpffer ſchaͤtzen, darein koͤnnen ſich die H. Engel nicht finden.
Gedencke doch, o Menſch! was du thuſt, fuͤhre es zu Hertzen; JEſus will du ſolleſt dich zu ſeinen Fuͤſſen niederſetzeneLuc. X. 39., ein wenig einkehren, damit er dich von den finſtern Kraͤfften des Abgrunds be - freye, verwahre, und dein Gewiſſen frey erleuchtet, freudig, won - neſam, unbeſchaͤmt und unbeſcholten mache vor GOTT, Engeln und Menſchen; Er ladet dich mit ſo holdſeeligen Worten ein zu ſeiner Freundſchafft: Wende dich zu mir / und werde ſeelig.
§. 7. Aber ſiehe, O Menſch! wie du dich gegen deinem JEſu ver -Die Unver - nunfft de - ren welche mit Hind - anſetzung Chriſti ihr Hertz zu der Welt wenden, da gezei - get wird; halteſt; Du flieheſt vor ihme, ſetzeſt dich zu den Fuͤſſen des Teufels und der Welt, als ſeiner Kuplerin, dein Hertz iſt in die Suͤnd, in die Welt und Wolluſt verſenckt; du ſchlieſſeſt deine Augen vor dem Licht JEſu zu, und erwehleſt die Finſternuß; willt von keiner Hei - ligung hoͤren, ja ſie iſt dir eine loſe Speiß, und deiner Seelen ecklet darab; Du laſſeſt deinen JEſum den gantzen Tag ruffen, aber du hoͤreſt ihne nicht, als wann er nicht ſo viel werth waͤre, daß du ihm deine Augen und Ohren goͤnneſt, und dich umwendeſt; Aber ſo bald die Welt-Geiſter, eitele, eigengefaͤllige, kummerhaffte, ſorgſameQGedan -122Geiſtliche Sonnen-WendeGedancken, als Dornen, Koth, Neßlen, dich abziehen, o ſo biſt du fluchs fertig; Aber ſiehe JEſum laſſeſt du ſtehenaOffenbah. III, 20., er muß ver - ſchmaͤhet weggehen, du achteſt ihn nicht ſo vieler Ehren wuͤrdig, daß du das unaufhoͤrliche Gewaͤſch, deiner in der Phantaſey herumfah - renden Traum-Bilder ſchweigen heiſſeſt: Es geht in deinem Hertzen zu, wie bey einer Comoͤdi, da ein Arlequin nach dem andern hinter dem Umhang hervor trittet, alles was du geſehen, gehoͤret, geleſen, praͤſentiret ſich dir im Geiſt, ja auch endlich ein Miſchmaſch aus al - lem zuſammen, ſteiget wie ein Dampff in dir auf, und ſtiehlt dir dein geiſtlich Geſicht und Gehoͤr hinweg, daß du keintweders oder keines von beyden ſteiff nach GOtt wenden kanſt; Ach wann wirſt du die Seeligkeit einmahl errungen und erkaͤmpfft haben, da es heiſſe: Jch will hoͤren / was GOtt der HErr reden wird / dann er wird vom Frieden reden zu ſeinem Volck / und zu ſeinen gutthaͤtigen, auf daß ſie nicht wieder zur Thorheit kehrenbZach. II. 13. Pſalm. LXXXV. 9..
§. 8. O Menſch, o Menſch! wie wirds doch endlich gehen, wann du aus dieſer Zeit in die Ewigkeit wirſt gerucket werden; Ach daß du doch weiſe waͤreſt / und vernehmeſt dieſes / daß du verſtuͤndeſt / was dir begegnen werdc5 B. Moſ. XXXII. 29.! Was wird dir helffen dein Lachen? Was helffen dein Muthwillen und verdeckte finſtere Wege, Abſich - ten und Anſchlaͤg? Ach wie theur, wie bitter wird dich dieſes alles ankommen; Wie meyneſt du? wie wird es dir dorten ſo weh thun? wann du muſt JEſum verſchertzen, und in den brennenden und rau - chenden Pfuhl geworffen werden; dann wirſt du ſchreyen: Ach JE - ſu hilff! Ach GOtt hilff! Ach haͤtte ich mich doch durch ſo viele Zeit verderbende, und von JEſu entfernende Einfaͤlle hindurch geriſſen, und mich wie ein Ritter mit dem Schwerd des Geiſtes hindurch ge - ſchlagen, meine innwendige Sinnen davon abgewendt und verſchloſ - ſen, und wie ein Schwimmer die Waſſer der Eitelkeit unermuͤdet von mir geſtoſſen, ſo haͤtte ich vielleicht bald am Land der Lebendi - gen ausſteigen, und viele Jahre meiner Wahlfahrt auf Erden in Chriſti Sabbath-Ruhe zubringen koͤnnen; Aber ach! kaum hatte ich einen Zug gethan, ein ernſten Seuffzen nach GOtt gehen laſſen, ſo lieſſe ichs wieder gehen, und fuhre den Strom hinunter; beſtraffteich123einer glaubigen Seele nach JESU. ich mich ſelbſten, und bedaurete jeden Abend meine Leichtſinnigkeit, und erfolgte doch wenig Beſſerung; bey dem naͤchſten eitelen Gedan - cken, der mir begegnete, lieſſe ich mich wieder aufhalten; Nun fin - de ich wegen meines vielen Stoltzierens, Zauderens, Aufſchiebens, aus gerechtem Gericht GOttes, die himmliſche Stadt noch gar zu weit von mir entlegen, und wegen einbrechender Nacht, nicht mehr zu erreichen.
Ach haͤtte ich doch JEſu beſſer Gehoͤr gegeben, da er mir zuruff - te: Rede kein gifftig Wort, das dem Naͤchſten nachtheilig und ver - kleinerlich iſt, beluſtige dich an keiner ſchaͤndlichen Vorſtellung, ſo die Suͤnde dir im Fleiſch ausbrutet; Siehe ſtets auf das allerheiligſte, unbefleckteſte Weſen, werde nicht uͤberdruͤßig im Gebett, wirff den Schild nicht von dir, gieb dem Feind nicht den Sieg und Triumph uͤber dich in die Haͤnde; GOtt und alle heilige Cherubim und Sera - phim ſehen deinem Kampff zu, willt du ſie nicht vielmehr erfreuen durch gedultiges Aushalten biß ans Ende, als den Satan durch Laͤſ - ſigkeit? Jene lieben dich, und freuen ſich uͤber deine Gluͤckſeeligkeit, dieſer aber kan nicht ein Fuͤncklein Liebe in ſich leiden, und wird dich nur grimmig auslachen; imaginiere und ſencke du dich in die lauter - ſte Liebe, Sanfftmuth, Gedult, Keuſchheit, Redlichkeit; Wende dich ſtets von der Suͤnd ab in alle Eigenſchafften JEſu hinein deines wahren Freunds; Ach haͤtt ich dann mehr Zeit an Jhne gewen - det! haͤtte ich dann meine Freud bey und in ihme geſucht! O Wun - der! was Vergnuͤgen und Wonne haͤtte ich nicht bereits auf Erden genieſſen koͤnnen, in der vollen Gewißheit, daß mir JESUS ſo ſehr nahe in der Liebe beygethan und verwandt, und mich von der Macht der Finſternuß errettet, und in das Reich ſeines wunderbah - ren Lichts verſetzt habe! O wie grauſam habe ich gegen meiner ar - men Seelen gehandlet, daß ich die Einladung zur Gemeinſchafft des Vatters und ſeines Sohns JEſu Chriſti mit aͤuſſeren Ohren angehoͤrt, und doch nicht gefolget; Ach haͤtte ich doch alles ſtehen und ligen laſſen, damit ich eilends zu GOtt kaͤme, und den Hey - land der Welt in mir wohnend und regierend haben koͤnnte?
§. 9. Allein es iſt geſchehen, Seel verlohren, alles verlohren,aber zu ſpath be - klagen werden. einmahl hin iſt ewig verſaumt, wer hier JEſum nicht ſchauet im Glauben und H. Geiſt, wird ihn dort auch nicht ſchauen in himm - liſcher Freud, ſondern wird in ſeinem Suͤnden-Gifft einſchmurrenQ 2oder124Geiſtliche Sonnen-Wendeoder ausdoͤrren, und ohne Huͤlff verreblen und verſchmachten; dann GOtt drohet ausdrucklich: Weil ich dann ruffe, und ihr waͤgert euch; weil ich meine Hand ausſtrecke, und niemand auf mich achtet, und fahren laſſet allen mei - nen Rath, und wollet meiner Straffe nicht, ſo will ich alsdann auch lachen in euerm Unfall, und eurer ſpotten, wann da kommt, das ihr foͤrchtet; wann uͤber euch kommt Angſt und NothaSpruͤchw. I. 24. 26.; Ja er bittet euch: Werffet alle eure Ubertrettung, mit welchen ihr uͤber - tretten habt, von euch, und machet euch ein neu Hertz, und einen neuen Geiſt; dann warum wollt ihr ſterben, ihr vom Hauß Jſrael? dann ich habe kein Gefallen am Tode des Sterbenden, ſpricht der HErr, HErr, darum bekehret euchbEzech. XVIII. 31. 32..
§. 10. Welch eine Unſinnigkeit! lieber in Suͤnden verſchmurren, und ewig ſterben wollen, als den H. Geiſt ſo lange anflehen, biß er das Glaubens-Aug ſchencke, daß man koͤnne GOTT anſehen; das hat kein Jſraelit gethan, daß er lieber haͤtte wollen an dem bren - nenden Schlangen-Gifft crepiren, als das erhoͤchte eherne Schlaͤng - lein anſehen, davon er mit allen andern Goͤttlichen Befelch und Ver - heiſſung empfangen hatte der Geſundheit und des Lebens.
Ey was koͤnnte doch fuͤr ein lieblicher Beding ſeyn deines Heyls, als JEſum anſchauen? wann dir GOtt ja die groͤſte Marter aufer - legt haͤtte, du ſollteſt dir ſie ja belieben laſſen, um von der gifftigen und ewig ſtechenden Schlangen befreyet, in JEſu Gnaden-Reich einzugehen. O wie wird mancher am Juͤngſten Tag die Augen auf - ſperren, ſich in alle Winckel drehen, zu ſehen, ob kein JEſus, kein Helffer und Erloͤſer vorhanden; Aber da hat Chriſtus ſein gnaͤdig Angeſicht, wie du bald hoͤren wirſt, fuͤr ewig abgewendt; Dann es bleibt einmal gantz gewiß und ſicher dabey: Wer kein Theil haben will an dem Blut des Lamms, durch Buß und Glauben zur Ver - herrlichung, der muß Theil haben am Zorn des Lamms zur Ver - damnuß.
Darum125einer glaubigen Seele nach JESU.Darum beſinne dich wohl, was du macheſt, der du GOttes Sohn mit Fuͤſſen tritteſt, und ihme nichts nachfrageſt, du wirſt wohl an - ders Sinnes werden; aber, aber! dort iſts zu ſpath, dort iſts zu ſpath; Menſch! ich ſage diß zur Warnung, dort iſts zu ſpath; dann, wann GOttes Gerechtigkeit und Geſatz hier verdammt, ſo kommt noch das Evangelium GOttes und ſeine Barmhertzigkeit in JEſu Chriſto zu Huͤlff; Aber / wer hier dem Evangelio unge - horſam iſt, und noch immer muthwillig ſuͤndiget / fuͤr den iſt nichts / als ein erſchroͤcklich Warten des Gerichts, und des Feuer-Eifers / der die Widerwaͤrtigen verzehren wirdaHebr. X. 26. 27.; Und das glaubeſt du doch nicht.
§. 11. O wehe! es iſt kein gemeinere, aber auch keine greulicherewie un - verant - wortlich dieſer Un - glaub ſeye. Suͤnde, als der Unglaub; Es gehet mir gewiß ein Schauer durch Marck und Bein, wann ich gedencke, wie hoch ſich die Menſchen taͤglich an der ewigen Liebe vergreiffen, ohne daß ſie es wiſſen, oder im geringſten wahrnehmen.
Daß in Jſrael viele verdorben, ehe das eherne Schlaͤnglein auf - gehenckt ward, iſt kein Wunder; Aber wann ſich hernach Leute ge - funden haͤtten von ſo verzweiffelter Halſtarrigkeit, daß ſie ehender haͤtten wollen zu Grund gehen, als die zum Heyl aufgeſteckte Schlang anſehen; Ey! das waͤre nicht zu entſchuldigen geweſen: Alſo wird es denen wildeſten Barbaren ertraͤglicher ergehen am Tage des Ge - richts, als uns, in deren Mitte JEſus getretten, und ſein Heyl ſo viele hundert mal angetragen.
§. 1. Einwurff. Ey! ſagſt du, es iſt ja hoffentlich niemand,Einwurff beantwor - tet und gezeiget, der JEſum verwerffe, der nicht an ihne glaube, wir glauben ja alle?
§. 2. Antw. Heißt diß nicht JEſum verwerffen, und ihme den Rucken kehren? wann man ſeine Gemeinſchafft nicht der Muͤhe werthdaß nur gar zu viel ſeyen, welche Je - ſum ver - werffen. achtet, daß man ſeine Worte und Werck pruͤffe, ob der Geiſt und Sinn Chriſti, und folglich ſeine Seeligkeit darinn ſey; da man die Muͤhe nicht nehmen will, ſich ſelbſt und ſeine Schooß-Suͤnden, dieQ 3man126Geiſtliche Sonnen-Wendeman heget, wie die Schlang im Buſen, mit wahrem Ernſt anzu - gr eiffen, dem Himmelreich Gewalt anzuthunaMatth. II. 12., und ſo lange mit GOtt im Gebett zu ringen, biß uns GOtt ſeinen Sohn offenbahrebGal. I. 16.; Ja du biſt noch wohl gemuth, ungeachtet dich alles uͤberzeugen koͤnnte, daß Gottes Sohn mit ſeiner Gerechtigkeit, Heiligung und Staͤrcke, nicht in dir wohne und lebe; Deine Begierden ſind kalt, deine Vorſaͤtz ver - ſchwinden bald; Und wiſſe, arme Seele! daß, o! wie viel tauſend in der Hoͤlle ſind, die weit mehr angewendet haben, ſeelig zu werden, als aber du; und es wird auch bald an dir ſeyn, ja baͤlder, als du dir einbilden wirſt; dann O Menſch, O Menſch! der Richter iſt nahe.
§. 3. Aber bedencke doch, was es dann ſeye, ohne JEſu in Tod, in eine gantz unbekannte Welt der Geiſter hinzureiſen, und dann am Juͤngſten Tag JEſum, das Lamm, zu einem erzoͤrnten Richter zu haben, und zu hoͤren den erſchroͤcklich donnerenden Ausſpruch des ſonſt ſanfftmuͤthigen JEſu: Gehet von mir / ihr Verfluchte, ins ewige Feuer, das den Teufflen und ſeinen Engeln bereitet iſt; Ja bedencke was es ſey, JEſu in dieſer Welt die Augen mißgoͤnnt, und die Ohren vor ihm geſtopfft zu haben; Bedencke was es ſey, lieber die Welt angeſehen, der Suͤnd lieber Gehoͤr gegeben, lieber dem garſtigen Hund, dem Teuffel, als dem liebreichen, und auf eine ſo freundliche Weiß dich einladenden JEſu, dem Richter der Welt, gefolgt zu haben.
§. 4. Gedencke! was dorten fuͤr eine entſetzliche Angſt, was fuͤr ein Zittern und Schrecken in dir entſtehen werde, wann du vor dem Richterſtuhl desjenigen ſtehen wirſt, den du hier wenig, ja fuͤr nichts geachtet; Ach wie wirſt du erblaſſen und dich ſchaͤmen! wie wirſt du dich entſetzen, wann dich der ſonſt liebliche JEſus wird anfahren: O Menſch! weilen du meine Stimm nicht haſt hoͤren wollen, da ich dir ſo lang lieblich zugeruffen: Wende dich zu mir, es wird dich nicht gereuen, du wirſt den groͤſten Nutzen davon haben; Aber, da wird dein JEſus in deinem Gewiſſen dich anklagen: Weiſt du nicht, wie du nichts mit Mir haſt zu thun haben wollen? weiſt du nicht, wie du von Mir abgewichen, ja Mich gar verachtet? Beſinneſt du dich nicht, wie du deine Gedancken, deine Begierden nur auf die Welt gerichtet, deine Ohren nur ihro eroͤffnet, hingegen Meinen Reden von auſſen und innen nicht lang nachgedacht? derowegenwirds127einer glaubigen Seele nach JESU. wirds dann heiſſen: Muſt du jetzt auch, zu deiner ewigen Schand und Schrecken, das Todes-Urtheil vernehmen: Weilen du meiner nichts wollen, ſo mag ich jetzt deiner auch nichts, nur fort, fort, gehe von mir, du Unſeeliger, ins hoͤlliſche Feuer, du ſollt mein Angeſicht nicht mehr ſehen.
§. 5. Ach, bedencke dieſes mein Menſch, bedencke, wie du zittern undWie und was ihnen Satan als der Hencker; beben wirſt, wann die Teufel dich mit vielen tauſend andern in die Hoͤlle ſchleppen, und dir zuruffen werden: Hoͤre du verdammter Sclav! weilen du dich nicht haſt wollen zu dem liebreichen JEſu wenden, ſondern uns geehret; ihne zum Schein und mit Eckel, auch wenige Augenblicke, die Welt aber von Hertzen, begierlich, ungezwungen, und beſtaͤndig angeſehen; Seine Heiligkeit mit deinem ungeheiligten Leben entunehret, und uns in allem gedienet, was wir dir einge - blaſen, wiewohl unwiſſend, daß uns dein Thun ſo groß Gefallen machte; Jhne, deinen Freund, haſt du gehaſſet, und deinen Feind geliebet, ſeine Liebes-Band, in denen er dich wollte gehen laſſen, zerriſſen, und von dir geworffenaPſ. II. 3. Hoſ. II. 4.; hingegen dich von uns, nach Belieben, an dem Narren-Seil, wie ein Vieh herum fuͤhren laſ - ſenb2 Tim. II. 26.; Weilen du dich ſeinem ſanfften Joch entzogen, nicht wollen, daß er uͤber dich herrſchen ſolle, hingegen unter unſer Joch geſchlof - fen, ja dich eingedrungen, nach allem meinem Wunſch; Du haſt alle Geiſter gern zu dir gelaſſen, die Geiſter der Unreinigkeit, des Geitzes, der Lugen, des Zorns, Neids und Rachgier, der Falſch - heit und Heucheley, der Unmaͤßigkeit und Luſtſucht, der Faulheit und Laͤßigkeit, der Menſchen-Forcht und Welt-Gefaͤlligkeit, dieſen allen haſt du aufgewartet, und ihren Handel und Geſchaͤffte in dir ausrichten laſſen; Nun dann, ſo muſt du jetzt auch mit uns kommen, muſt dich jetzt ewig mit den Ketten der Finſternuß binden laſſen, muſt jetzt ewig der Teuffeln Sclav und Kurtzweil ſeyn und bleiben; Wei - len du das ewige Leben nicht wollen, ſo komm, du muſt jetzt mit uns in die ewige Pein; weilen du die ewige Freude verſchertzet, ſo muſt du jetzt in das ewige Heulen und Bruͤllen, in das unendliche Mord - und Zetter-Geſchrey.
§. 6. Ach, wie wirſt du dann erbittern uͤber dich ſelbſt und denWie und was ihnen das Ge - wiſſen, als der Zeug zuruffen werde. Satan, und ausbrechen: Ach, wie uͤbel bin ich von dir angefuͤhrt, du ſchnoͤder Lugen-Geiſt! ich vermeynte, es werde mir nicht fehlenkoͤnnen,128Geiſtliche Sonnen-Wendekoͤnnen, der Himmel ſeye mir gewiß genug, ungeacht ich deinen ſuͤſſen Eingebungen folgen thaͤte; Aber du garſtiger Lugen-Geiſt! wie haſt du mich betrogen, und hinter das Licht gefuͤhrt; Ach, warum bin ich doch ſo thorecht geweſen, daß ich einem ſo falſchen Geiſt gefolget! warum hab ich mein Heyl ſo tauber Weiſe verachtet, den Rath GOttes wider mich ſelbſt verworffen, und mich unwerth geachtet des ewigen LebensaGeſchichtb. XIII. 46.; Jetzt ſchreyt das von mir mißbrauch - te Blut JEſu Rach, und da es mir ein Balſam haͤtte ſeyn koͤnnen fuͤr die Seelen-Wunden, iſts jetzt ein Oel das ewig Feuer heiſſer zu machen; dann wirſt du wuͤnſchen erhangen und niemahlen gebohren zu ſeynbJoh. XX. 5. 17.; Aber dann iſts aus, du muſt einmahlen von JEſu dich ab, und zu den Teuffeln wenden, du magſt ſchreyen wie du willt.
Wachet doch auf ihr Menſchen, alldieweilen es noch Zeit iſtcEph. V. 14.; ach koͤnntet ihr doch nur einen Blick thun auf die entſetzliche Gefahr, darinnen ihr ſtehet, ich weiß es wuͤrde euch gantz angſt und bang werden, ihr wuͤrdet um Huͤlff ſchreyen.
§. 7. Aber ach! es iſt faſt alles vergebens! man mag die Sach aus dem Wort GOttes ſo ernſtlich vorſtellen wie man will, ſo will es doch bald niemand glauben, ſondern es muß nur ein Geſchwaͤtz heiſſen fuͤr die lange Weil; Es fehlt uͤberall an voͤlliger Umkehrung, daß ſie ihr Hertz von allem ab, und eintzig auf JEſum wenden, da - rum iſt allenthalben wenig Aenderung und Seeligkeit zu ſpuͤhren, ſondern alles iſt in groͤſter Sicherheit, es heißt immer: Es iſt Fried, es hat keine Gefahrd1 Theſſ. V. 3.; GOtt kan bald nichts mehr mit den Men - ſchen ausrichten, weder mit Guͤte noch mit StrengeeMatth. XI. 16. 19..
§. 8. Dann ſehet! GOtt thut uns ungemein viel Gutes; Die Baͤum ſtehen voll Fruͤchten, ja ſie ſchieben uns dieſelbe gleichſam in den Mund; die andere Gewaͤchs wachſen haͤuffig, die Reben han - gen voll Trauben; Aber was macht der Menſch? Er genieſſet das alles, er ſchwitzet unter der Einſammlung der Erd-Fruͤchten, aber er bleibet immer wer er iſt, gedencket nicht woher es alles komme, meynet es komme nur ſo von ungefaͤhr, er wendet ſich nicht einmal zu ſeinem GOtt; Aber wann es ſchon der Menſch nicht achtet, ſonoch ande - re Mittel die er an - wendet, findet Ein - gang. achtet es der gerechte GOTT, und gedencket daran.
§. 9. Er erwecket Hertzen, welche die obſchwebende Gericht ver -kuͤnden;129einer glaubigen Seele nach JESU. kuͤnden; Er zeiget die Gefahr, in deren wir ſchweben, damit wir uns bey Zeiten bekehren, und nicht ſo unverſehens uͤberfallen werden; Er ſuchet uns durch allerhand Mittel aus dem Schlaff der Sicher - heit aufzuwecken, und von dem Wandel der Welt abzuleiten.
§. 10. Aber, an ſtatt daß wir ſollten aus dem Faulbett der Suͤn -Weilen man an ſtatt ſich zu beſſeren nur ſchlimmer wird. den aufſtehen, an ſtatt daß ſich die Menſchen ſollten zu JEſu wen - den, um mit ihme vereiniget zu werden, und ſich zu ihme verſamm - len laſſen als eine zerſtreute Heerd Schaaf, ſo ſiehet ein jeder auf ſeinen eigenen WegaJeſ. LIII. 6., nach ſeinem Temperament, Neigung, Auf - erziehung, Verfuͤhrung, und ſtuͤrtzt ſich eins dem andern hinnach uͤber den Felß des Verderbens herunter; lauffen eines Lauffens dem Wolff in Rachen, und laſſen ſich einige aus ihnen ſo weit blenden, daß ſie rechte Agenten und Fuͤrſprech des Teuffels werden, indeme ſie nur das Geſpoͤtt mit der Buß, Glauben und Evangeliſchem Le - ben haben, und diejenige die ſie zu JEſu fuͤhren, und ihnen denſel - ben beliebt machen wollen, hoͤhnen und verlachen, dann er hat kei - ne Geſtalt noch Schoͤne, er hat keine Geſtalt / die ihnen gefallen koͤnntebJeſ. LIII. 2..
§. 11. O Menſch! o Menſch! wie willt du es doch dermahlenWie theuer den Suͤn - der dieſer Spott vor GOtt dem Rich - ter werde zuſtehen kommen, eins verantworten, wann du deine Seel, an welche GOtt ſo unend - lich viel, ſeinen eingebohrnen Sohn gewandt, alſo muthwillig ver - wahrloſeſt? Wie lang willt du GOttes, des heiligen GOttes, ſpot - ten? Meynſt du dann es werde immer ſo bleiben? Meynſt du, du werdeſt immer und ewig koͤnnen eſſen und trincken, bauen, pflantzen, lachen, ſchertzen, auf deine Mayer-Hoͤfe ſpatzieren, ſaͤen, maͤen, ernden, herbſten, zuͤrnen, haſſen, liegen, triegen, handthieren, gewinnen? Meynſt du; es werde dir allezeit ſo hingehen, und du habeſt keinen groͤſſeren Herrn ob dir, der es ahnden, und deines Thuns und Laſſens Rechenſchafft forderen werde? Nein, nein, o Menſch! GOtt laßt ſeiner nicht ſpotten / dann was der Menſch ſaͤet / das wird er ernden / wer auf ſein Fleiſch ſaͤhet / der wird vom Fleiſch das Verderben erndencGal. VI. 7. 8..
§. 12. GOtt wird zeugen an dem juͤngſten Gericht, daß er ein gerech -gibt das ſeinem Sohn JE - ſu aufer - legte ſchwere Leiden zu erkennen. ter Richter ſey; Ja er hats ja ſchon genug bezeuget in ſeinem Sohn, daß er ſich mit der Suͤnd nicht ſpotten laſſe, dann ſehet doch! wie die Suͤnden den liebſten JEſum ſo hoch und theuer ankommen! ORwie130Geiſtliche Sonnen-Wendewie windete er ſich am Oelberge, wie ein armes Wuͤrmlein! wie hat ſie ihme den blutigen Schweiß aus ſeinem Leib herausgetrieben! wie iſt ſie ihme eine Centner-Laſt auf ſeinem Hertzen gelegen? Wie hat ſie ihn auf die Erden darnieder geworffen? wie angſt und bang hat ſie ihme gemacht? Wende dich, und ſiehe, wie der HErr der Herrlich - keit mit Ruthen geſtrichen, das Lamm GOttes durch die Geißlung gleichſam lebendig geſchunden, am Feuer des Zorns GOttes in hoͤl - liſchen Angſt-Flammen, und an der heiſſen Glut ſeiner brennenden Liebe gebraten; Siehe wie bitter ſie ihm an dem Creutz worden, dar - an er ſo klaͤglich, ſo erbaͤrmlich, nackend, an Haͤnden und Fuͤſſen hart angehefftet, hat hangen muͤſſen.
§. 13. Und jetzt bittet er dich bey ſeinen Wunden, bey ſeinem zerfleiſchten Leichnam, bey ſeiner unausſprechlichen Hoͤllen-Angſt, ſo ſeine brauſende Liebe etwas an dir vermoͤge, daß du dich ſelbſt ver - laugneſt, die Suͤnd haſſeſt, deinen Willen mit ſeiner Krafft und Geiſt vermaͤhleſt, und nach ſeiner Liebes-Quell duͤrſteſt, alldieweil die Gnaden-Zeit noch waͤhret; Die himmliſche Gluck-Henne locket dichaMatth. XXIII. 37., ihr huͤlff - und rathloſes Huͤnlein mit jaͤmmeriger Stimm: Kehre wieder du abtruͤnnige Jſrael, ſpricht der HERR, ſo will ich mein Antlitz gegen euch nicht verſtellen, dann ich bin barmhertzig, ſpricht der HERR, und will nicht ewiglich zoͤrnenbJer. III. 12.; Jch will rein Waſſer uͤber euch ſprengen, daß ihr rein wer - det von aller euerer UnreinigkeitcEzech. XXXVI. 25.; Ja es iſt ſeine Luſt dir Gutes zu thun; Suche ihn nur weil er zu finden, ruffe ihn an weil er nahe iſtdJeſ. LV. 6.. Ergreiffe JEſum im Heiligen Geiſt, im Glauben und in der Wahrheit, ehe es um dich ge - ſchehen ſey, dann wer jetzt noch kommet, den wird er nicht hinaus ſtoſſeneJoh. VI. 37..
§. 14. Aber ſiehe o Menſch! das achteſt du alles nichts, du fin - deſt dannoch deine Luſt noch allezeit im ſuͤndigen; aber ich ſage dir noch einmahl zu deiner Uberzeugung, daß es ſich mit GOTT, der Suͤnd und Hoͤll, nicht ſchimpffen noch ſchertzen laſſe; Du wirſt erfah -ren,131einer glaubigen Seele nach JESU. ren, daß er ein verzehrend Feur, welches den Suͤnden-Pech und Schwe -einen uͤbe - len Aus - gang neh - men wer - de. fel, den du ohne Streit und Kampf, ohne Sorg und Nachden - cken ſo haͤuffig alle Tag, Wochen und Jahre, in dein Gewiſſen hinein ſammleſt, anzuͤnden, und deine Seel zu einem lebendigen Pfuhl machen wird, der von Feur und Schwefel brennt; Aber ſo lang die Langmuth waͤhret, und der Zorn noch nicht angegangen, ſo biſt du ſicher, und weiſt nicht, was es endlich daraus geben wird, und was fuͤr ein unausloͤſchlicher Brand ein einiger Zorn-Funcken in dir anſtecken werde.
§. 15. Ach GOtt! ach GOtt! wann wollen uns die Augen rechtMit Ver - mahnung ſich eines beſſern zu bedencken, aufgehen, daß wir bedencken, was uns zuletzt begegnen werde.
Diejenigen, welche bißher einen Gnaden-Schein in ihrem Her - tzen empfunden, die wollen dieſes ja tieff zu Hertzen ziehen, und wohl erwegen; Es iſt ja keiner der nicht begehre, daß ihm allezeit, ja ewig wohl ſeye, daß er in Freud, Frieden uud in groͤſtem Vergnuͤ - gen leben koͤnne; Nun unſer GOtt hat uns dieſes mit ſo freundli - chen Worten gezeiget, wann er rufft: Wendet euch zu mir / ſo werdet ihr ſelig / aller Welt End.
§. 16. Hiemit willt du lieber Menſch; daß dir ewig wohl ſeye, ound ſich mit Hind - anſetzung alles an - dern zu JESU zu wenden. ſo laß JEſum niemals aus deinen Gedancken kommen, ſchaue ihne allein an, in ihm ergoͤtze dich; Und wann du die Welt innwendig im Gemuͤth mit Begierlichkeit und Uberlegung vieler Haͤndeln, die dich nichts angehen, ſonderlich etwan zu Nachts auf deinem Lager anſi - heſt, ſo laſſe dir nicht anderſt ſeyn, als du ſeheſt einen Baſilisken an, der dich innerlich an deiner Seelen vergiffte, dir die unwider - bringliche Zeit wegſtehle, und dich um dein ewiges Heyl bringe; dann iſts nicht ſo? Wann du die Welt und ihre heutige Verderb - nuß, ihre Religion, Weiſe zu handlen, und mit GOTT und Men - ſchen umzugehen anſchaueſt, ſo wird deine Seel nur verfinſteret, dein Gemuͤth verſtoͤhret, daß du deinen JEſum, als deine ewige Freud nicht anſehen kanſt; Alſo iſt nichts beſſers als du ſchaueſt JE - ſum an.
§. 1. Einwurff. Sagſt du: Wie ſoll ich es aber machen, daß ich ihne an - ſchauen moͤge? Mich dunckt ich habe ein Fuͤncklein des Verlangens nach JESU, aber ich kan ihn doch nirgends ſehen, gehe ich ſtracks vor mich, ſo iſt er nicht da / gehe ich zuruck / ſo ſpuͤre ich ihne nicht; Jſt er zur Lincken / ſo ergreiff ich ihn nicht / verbirget er ſich zur Rechten / ſo ſehe ich ihne nichtaJob. XXIII. 7. 8..
§. 2. Antwort: Lieber Menſch! du muſt GOTT demuͤthig bit - ten, daß er dir den Heil. Geiſt gebe, der dir deine Gemuͤths-Augen eroͤffne, daß er dir gebe erleuchtete Augen des Verſtands; du muſt GOtt bitten, daß er deine Sinnen alſo aͤnderen, deine Gedancken alſo leiten wolle, daß JESUS niemalen moͤge aus deiner Ge - daͤchtnuß kommen, daß du immer aus dieſem Brunnen trincken moͤ - geſt: ſiehe! er buhlet um dein Hertz, als dein Braͤutigam, ſich mit dir zu vermaͤhlen, und ſich recht mit dir bekannt zu machen; Hoͤre ihn den Braͤutigam ſelber: Jch will mich mit dir verloben in E - wigkeit / ich will mich mit dir vertrauen in Gerechtigkeit und Ge - richt / in Gnad und Barmhertzigkeit / ja im Glauben will ich mich mit dir verloben / und du wirſt den HErrn kennenbHoſ. II. 19. 20. 2 Cor. XI. 2.. Er iſt vor dir als eine ſtarck lauffende und rauſchende Brunnroͤhren, um zu ſtillen deinen Durſt, ſo du haſt nach mehrer Erkanntnuß GOttes und dein ſelbſt, nach mehrerer Erfahrung der Krafft ſeines Todes und Auferſte - hung, nach ſtaͤrckeren und beſtaͤndigern Wuͤrckungen des H. Geiſtes, nach einem lebendigeren Eindruck von denen Schoͤnheiten und Herrlich - keiten ſeines unſichtbaren Reichs; Es belanget ihne, biß du ihme dein laͤres, erlaͤchet, verwelcket und duͤrres Hertz daſtelleſt, daß er es fuͤllen koͤnne; Aber ach! wie klein iſt dein Geſchirr! wie ein engen Hals hat es! wie zittereſt du mit den Haͤnden? ich will ſagen, wie ſchwach iſt dein Glaub, wie eigenſuͤchtig dein Sinn, wie unandaͤch - tig und ausſchweiffend dein Hertz! daß der gnadenreiche BalſamMit was uͤberzeu - genden Wor - ten JE - ſus die Suͤnder zu ſich ruffet. kaum Tropffen-weiſe in dich einflieſſen kan.
§. 3. Er meldet ſich ſtets an der Thuͤren deines Willens, ob du ihm dieſelbe eroͤffnen wolleſt: Er rufft dir zu: O Menſch, o Menſch! wo iſt deine Seel mit ihren Gedancken? wie flattert ſie hin und her? ſie findet ja nirgends keine Ruhe: ach du von eigenem Fliegen abge -matte -133einer glaubigen Seele nach JESU. mattetes Taͤublein! ſiheſt du nicht, wie die gantze Welt mit Angſt - Waſſern uͤberſchwemmet iſt? komme doch nur zu mir, deinem Noah uud Ruhbringer, ich will dich ſpeiſen und traͤncken, ich bin das Brodt des Lebens, ich bin der lebendige Brunn, der nicht verſieget, komm, trincke aus mir! komm, iſſe meine Speiſe, biß du ſatt wirſt; Jch bin bey dir, foͤrchte dich nicht; Jch will alle Ketten des Todes zer - brechen, alle Suͤnden in dir verjagen; Jch will den harten Suͤn - den-Felſen, der dir auf deinem Hertzen ligt, wie ein ſchwehrer Cent - ner-Stein, abweltzen und zermalmen, daß du frey ſeyeſt; Jch will das Waſſer meines Geiſtes in dein Hertz quillen laſſen, daß dir ſoll hertzlich und ewig wohl werden; Jch will dir alles Waſſer der Truͤb - ſalen in lauter Freuden-Wein verwandlenaJoh. II. . Jch will dir Schmuck fuͤr Aſchen, und Freuden-Oehl fuͤr Trau - rigkeit, und ſchoͤne Kleider fuͤr einen betruͤbten Geiſt geben, daß du genennet werdeſt ein Baum der Gerech - tigkeit, und eine Pflantze des HERRN zum PreißbEſai. LXI. 3..
§. 4. Wer ſolte nun nicht dieſem JESU entſprechen: Ja, HErr JESU! ich bitte dich, du wolleſt die Suͤnden in mir verjagen, alle weltliche Gedancken verſtaͤuben, du wolleſt den Suͤnden-Stein von meinem Hertzen wegnehmen, du wolleſt die herrliche Gluͤckſelig - keit, die du verkuͤndet, mir mittheilen; Ach ja, o JESU! laß doch den Regen deines Geiſtes in mein duͤrres Hertz fallencPſal. LXXII. 6., damit es doch nicht mehr ſo oͤd, ſo verdorben ſeye, ſondern weich und frucht - bar werde; JESU! ich bitte dich, du wolleſt doch auch mein JE - ſus ſeyn, und deine Verheiſſung auch an mir wahr und Amen machend2 Cor. I. 20.; o JEſu! meine Seele duͤrſtet nach dir, eins bitte ich von dir, meinem JEſu, das haͤtte ich gern, daß ich bey dir ſeyn koͤnnte mein LebenlangePſ. XXVII. 4..
§. 5. Einwurff. Ja, ſagſt du weiters! Jch wollte dieſes gernEinwurff beantwor - tet und gezeiget. thun, aber wie ſoll ich es anſtellen? ich foͤrchte, wann ich ſchon ſo gilfe und bette, ſo nehme ſich JEſus meiner nichts an, dann mein Hertz iſt gar voller Suͤnden, die Welt, die Welt ligt mir noch gar ſtarck in dem Sinn, meine Gedancken ſind allzutieff in den vergaͤng - lichen Grund der alten Erden eingewurtzlet: Zu deme, ſo iſts nochR 3gar134Geiſtliche Sonnen-Wendegar ſchlimm mit mir, dann hab ich ſchon etwan ein Verlangen nach JEſu, o ſo iſts gar bald wieder ausgeloͤſcht, ich ſtecke in der Welt und Suͤnd, wie in einem Nebel, daß ich JEſum, die Sonne der Gerechtigkeit, nicht ſehen kan: Siehe ich an die unzehliche Menge der Einwohnern des Erdbodens, ſo finde ich wenige Fußſtapffen der Schaafen Chriſti, die redliche Kaͤmpffer, um das edle Ritter Kraͤntz - lein ſind gar duͤnn geſaͤet, und man ſiehet leyder an allen Orten bey Geiſtlich - und Weltlichen wenig anders, als leydige Fruͤcht des Suͤn - denfalls. Die frommen Leuth ſind weg in dieſem Land / und die Gerechten ſind nicht mehr unter den Leuthen / ſie lauren alle aufs Blut / ein jeglicher jagt den andern / daß er ihn verderbeaMich. VII. 1-4, Ezech. VIII. . Jch ſehe nirgend keinen lebendigen und das Boͤſe uͤberwindenden JE - ſum, ſiehe vielmehr, daß man ihne verachtet, denen, ſo ihne ſuchen, iſt man aufſaͤtzig; dann, will ja einer nur nicht mehr mit der Welt mitmachen, ſondern ein ander Leben anfangen, und ſein Angeſicht wenden nach dem wahren Vatterland, davon Adam ausgegangen iſt, ſo muß er ein Heuchler, ein Phariſaͤer, ein Pietiſt und derglei - chen, genennet werden, wie ſoll ich es dann machen?
Antw. Lieber Menſch! du muſt auf dieſe drey Stuͤck Achtung ge - ben, und ſie wohl erwaͤgen.
§. 6. 1. Erſtlich muſt du deine Augen abwenden von der Welt / von weltlichem Lob, Ehr, Geld, Gut, Luſt, Freud und Welt - Freundſchafft; dann mit einem Aug den Himmel, JEſum, mit dem andern die Erde, den Mammon, anſehen, das laſſet ſich nicht thun; du muſt alles das, worinn die Welt ihre Freud-Vergnuͤgung hat, nicht anſchauen, dahin deine Begierden nicht gehen laſſen, nicht darauf hoffen noch vertrauen, noch viel weniger deine Laͤgerſtatt da - rinnen ſuchen; Du muſt dich abkehren von den boͤſen Exemplen der Welt, nicht darauf ſehen, wie dieſer und jener lebt, dann es gibt gar viel, welche zwar JEſum begehren, eben wie auch die Kinder Jſrael auf dem Weg nach Canaan uͤber allerhand Sachen luͤſtern worden, denen es aber nicht um JEſum allein, ſondern nur um ſich ſelber zu thun, ſie foͤrchten ſich vor dem Tod, der macht ſie an ihne zu gedencken, aber wann dieſer nicht waͤre, der ſie endlich aus der Welt wandern machte, ſo wuͤrden ſie in tauſend Jahren nicht ein -mahl135einer glaubigen Seele nach JESU. mahl JEſum begehren, dann ſie meynen, die Seligkeit ſeye der Muͤ - he nicht werth, ja es ſeye kein Ding auf Erden leichter, als in den Himmel zu kommen; Sie ſehen den hoͤlliſchen Drachen nicht neben ſich mit aufgeſpertem Rachen, ſie zu verſchlingen, darum verlangen ſie auch nicht JEſum zu ſchauen, der ſie allein davon erloͤſen kan.
§. 7. Dieſe ſag ich, und andere muſt du nicht anſchauen, dannWeilen es ſonſten boͤſen Ein - druck in das Hertz machet. es macht ſo bald eine Jmpreſſion und Eindruck in dein Gemuͤth, da - durch deine Seele unluſtig und verdrießlich gemacht wird zu JEſu zu gehen, ja was noch mehr iſt, du wirſt nur von JESU ab, und zu der Welt gezogen; dann ſiehe, alſobald entſtehen in dir derglei - chen Gedancken: Niemand lebt ſo wie ich, es iſt alles luſtig, ich mag mich allein nicht ſo quaͤlen, die andern werden doch auch ſelig wer - den wollen; Da vergiſſeſt du alſobald des Ewigen, haͤltſt es gering; ja es kan dir leicht dazu kommen, daß du deinen JEſum anfangeſt zu verachten; dann du wirſt ſehen, daß die Welt und ihre Kinder heutigs Tags den HErrn JEſum nicht anderſt tractiert, als vor - mahls die Juden, die haben ihn verſpottet, gehoͤhnet, fuͤr einen Sec - tierer und Verfuͤhrer gehalten, ihne gecreutziget und getoͤdtet.
§. 8. Aber gewiß, die heutige Welt iſt nicht froͤmmer worden,Klag daß man es aus der Acht laſ - ſet. dann die alte Schlang, der leidige Satan hat ſeine alte Griff und alte Kunſt noch nicht vergeſſen, er verfuͤhret noch ſehr viele Hertzen, daß ſie JEſum und ſein Wort haſſen, als eine fremde und gefaͤhrliche LehraHoſ. VIII. 12. verwerffen, indeme man derſelben allerhand Namen zuleget, um ſie verdaͤchtig zu machen; Ja, wie meyneſt du? wann JEſus heut zu Tag in ſo geringer Geſtalt, wie vormahls, ſolte herum ge - hen, und auf eine ſo ernſtliche Weiß predigen und lehren, wie mey - neſt du? wie wuͤrde es ihme ergehen? man wuͤrde gewiß nicht ru - hen, biß er ab den Augen waͤre; Einmahl JEſus muͤßte auch fort: Dieſes hat der Apoſtel im Geiſt vorgeſehen, darum ſagt er nicht um - ſonſt, daß man den HErren JEſum noch von neuem creutzige; Dieſes thut die heutige Welt, wie gehet ſie nicht mit ihme, und ſeinen Nachfolgern um, Barrabas, der Moͤrder, bleibt ſicher und bey Leben, aber JEſus muß herhalten, und ans Creutz angenaglet ſeyn.
§. 9. Darum, o liebe Seele! ſiehe nicht auf die Welt und ihreDa doch alles in der Welt ſo eytel iſt,Manie -136Geiſtliche Sonnen-WendeManieren, dann ſie vergeht mit ihrer Luſt; Wo ſind die, welche ſich in der Welt ſo erluſtieret? Wo ſind die Gewaltigen? Wo die, wel - che ſo viel Koͤnigreich beſtritten und bezwungen? Wo die, welche auf Erden geraſet, gewuͤtet, getobet? Wo ſind ſie alleaJeſ. XXXIII. 18. Ezech. XXXII. Dan. II. 35.? Sind ſie nicht alle insgeſamt in dem ewigen Pfuhl? Naget ſie nicht der Wurm? Jſt nicht ihr Pracht hinunter in die Hoͤlle gefahren? bJeſ. XIV. 11.Sind ſie jetzt nicht in dem Abgrund der Hoͤllen, von aller Seeligkeit ausgeſchloſſen? Muͤſſen ſie jetzt nicht ihre Zeit zubringen in ewigem Heulen, AchcJoh. XXII. 5. 6. und Wehe? Willt du dann, o lieber Menſch! ihnen nach? Meinſt du, es ſeye ſo luſtig bey ihnen zu ſeyn? Jſt dann dieſe Gemaͤchlichkeit, die du genieſſeſt, wohl ſo viel werth, o Menſch! daß du um derſel - ben willen, die ſo bald dahin iſt, dich von JEſu, dem Hertzogen des Lebens, dem Brunnen aller Gluͤckſeligkeiten trennen wilt? Sie - he, Moſes verließ den Hof des Koͤnigs Pharaons, ſamt allen Schaͤ - tzen und zeitlicher Ergoͤtzung, die er in Egypten haben koͤnnen, und erwehlete viel lieber mit dem Volck GOttes Ungemach zu leydendHebr. XI. 24-26., eine beſchwerliche und viertzig-jaͤhrige Reiß durch die Wuͤſte anzu - tretten; Und du wilt um deines JEſu willen, bey dem du alles fin - deſt, was dir noͤthig, bey deme du in Ewigkeit an ſeinem Koͤnigli - chen Hof, in unverruckter Freud und Herrlichkeit leben kanſt, nicht fahren laſſen die eitele und kurtze Welt-Luſt und Ergoͤtzlichkeit; Jſts aber wohl der Muͤhe werth, daß du um eine ſo kleine Wolluſt der Welt, als ein geringes Linſen-Muß oder GeruͤchteeHebr. XII. 16. 17., der Heil. Englen, der himmeliſchen Cherubinen muͤſſig gehen wollteſt? Was mag es dir wohl eintragen, daß du um den zeitlichen Gewinn den ewigen magſt hindan ſetzen.
§. 10. Ja gewiß, wann einer ſchon ſechs tauſend Jahr in aller Wolluſt und Freud lebte, ſo wuͤrde doch ſolches alles nicht einen einigen Verluſt eines einigen Gnadenblicks erſetzen; Sollteſt du in der Welt gleich alles haben, was du wollteſt, ein einiger Zornblick GOttes wuͤrde dir gewißlich alles erleyden und verbittern; dann was halffs dem reichen Mann, daß er taͤglich herrlich und in Freu - den gelebt? was halffs ihm, da er in der Hoͤllen ſaß, und nicht hatte ein Troͤpfflein Waſſers, ſeine entzuͤndete Zungen zu kuͤhlen?
§. 11.137einer glaubigen Seele nach JESU.§. 11. Darum dann, liebe Seele! dein JEſus rufft dir zu etwasAls in welchem alle See - ligkeit ſich befindet. beſſers, welches unendlich mehr werth iſt als die gantze Welt; Ach koͤnnteſt du nur einen rechten Blick thun in die Seeligkeit, du wur - deſt alles auf Erden anſpeyen, keine weltliche Ehre, Freud, Wol - luſt ꝛc. waͤre ſo groß und herrlich, die du nicht fuͤr Unflath achteteſt gegen der Gemeinſchafft Chriſti, darum ſo gehe du zu JESU, er trittet noch heute fuͤr dich, mit dem Kleid ſeiner Gerechtigkeit deine nackende Seele zu bekleiden, und ſie mit der Cron der Gerechtig - keit zu zieren; Er bricht dir an mit ſeinem Evangelio, wie die liebli - che Morgenroͤthe; Er gehet uͤber dir auf, als die Sonnen, die Nacht der Unwiſſenheit mit ſeinem Glantz zu verjagenaRom. XIII. 11. 12., und die unzahlbare Geſpenſter deiner Einbildungen und Verfuͤhrungen deines eigenen Geiſtes zu vertreiben, daß du dermalen eins zu Erkanntnuß wahrer weſentlicher Guͤteren und zu etwas Goͤttlich gewiſſes kommeſt; Die ſanfftwuͤrckende Gnaden-Strahlen ſeines guten Geiſtes ſcheinen dich auch offt wider deinen Willen an, dein lieblos, unfruchtbar, eiß - kalt Hertz zu erwaͤrmen mit ſeinem durchdringenden Liebes-Feur; Er ſteht vor dir als dein Koͤnig, mit dem Pardon-Brief, und mit allen Huͤlff-Leiſtungen ſeines guten Geiſtes, in der einten Hand, und wann du ſie annimmſt und braucheſt zum Sieg uͤber deine Feind, ſo bietet er an Cronen und Palmen-Zweige in der andern HandbOffenb. II. 10.; Der HErr der Herrſchaaren will ſeyn dein SchildcPſalm. LXXXIV. 12. und dein ſehr groſſer Lohn, und dich endlich triumphierend in ſeinen Pallaſt ein - fuͤhrendPſal. XLVI. 16., und an ſeine Koͤnigliche Tafel ſetzen. Er thut die Schoos ſeiner Erbarmung auf, und ſtreckt aus gegen dir die Armen ſeiner Treu und Allmacht, als deine Mutter, dich mit ſeiner ſuͤſſen Liebe - Milch zu ſaͤugen: Es iſt kein GOtt, als der GOtt des Gerechten, der im Himmel ſitzt, der iſt dein Huͤlffe, und deß Herrlichkeit in den Wolcken iſt, das iſt die Wohnung GOttes von Anfang, und unter den Ar - men ewiglich: Und er wird vor dir her deinen Feind austreiben, und ſagen: Sey vertilgete5 B. Moſ. XXXIII. 26. 27.; Er kan dei - ner ſo wenig vergeſſen, als ein Weib ihres KindsSver -138Geiſtliche Sonnen-Wendevergeſſen kan, daß ſie ſich nicht erbarme uͤber den Sohn ihres Leibs, und ob ſie denſelbigen vergeſſe, ſo will er doch deiner nicht vergeſſen, dann ſihe, in ſeine Haͤnd hat er dich gezeichnetaJeſ. XL. 15. 16..
§. 12. Alſo wende dich zu deinem JEſu, und ſage zur Welt: Ade du Welt, Ade Welt-Freud! ich kehre zu meinem JEſu, als meinem Braͤutigam, daß er mich erquicke, meine Suͤnden tilge, mich heilige; O JESU meine Sonne! meine einige Wonne, und rechtes Leben! Packe dich Satan, ich habe lang genug dir gedie - net, von nun an dinge ich zu JESU, dann es iſt genug daß ich die vergangene Zeit des Lebens zubracht nach heyd - niſchen Willen, da ich wandlete in Unzucht, Luͤſten, Trunckenheit, Freſſerey, Saufferey, und greulichen Abgoͤttereyenb1 Petr. IV. 3.; Von nun an, ſoll nichts in und bey mir ſeyn, als lauter JESUS, ich lebe, aber doch nun nicht mehr ich, ſondern Chriſtus ſoll hinfort in mir leben, das was ich jetz lebe im Fleiſch, das lebe ich im Glau - ben des Sohns GOttes, der mich geliebet hat, und ſich ſelbſt fuͤr mich dargegebencGal. II. 20.. O wie wird mir mein JEſus ſo wohl thun, und zwar alsdann erſt recht, wann die, ſo jetz meiner ſpotten, in finſteren Oerteren ihre dißmahlige Narrheit bereuen werden, wann die, ſo in jetziger Welt-Verwirrung nach ihrem und der ihrigen Sinn dahin fahren, dorten in der Hoͤll erſt nuͤchtern werden von ihren tauſenderley Affaires; und zu ihnen ſelbſt kommen.
§. 13. Bringe dann, o lieber Menſch! deine Zeit in der Liebe JEſu zu! Laß dich nicht ſo ſehr kraͤncken was andere ſagen von dir und deines gleichen halten, wende dich nur zu JEſu; o wann du es wußteſt, wie er dir ſo nah waͤre, o wie wurdeſt du alles gehen und reden laſſen, dich eilends nach ihme umwenden, und allem andern den Rucken kehrendLuc. XIV. 33., ſagend: Du Welt, ſage was du wilt, ſpotte und hoͤhne ſo lang es dir gefaͤllt, du kanſt nichts anders, du haſtsmeinem139einer glaubigen Seele nach JESU. meinem JEſu auch ſo gemacht, er iſt mir Freund und Freud genug, wann er mich nur dorten ſein Kind und Bruder nennet, ſo ligt mir nichts daran, wie du Welt mich titulierſt, meiner ſpotteſt, und von mir ſingeſtaPſalm LXIX. 12. 13.; Einmalen ich wende mich zu JESU, ſollte es dich noch ſo verdrieſſen. Darum ſo wende dich ab von der Welt.
§. 14. Allein diß iſt noch gar ein leichtes vor Kinder und ſchwa -Kan ohne Uberwin - dung vieleꝛ Schwuͤ - rigkeit nicht ge - ſchehen. che Anfaͤnger; aͤuſſere Abgeſcheidenheit von dem Welt-Getuͤmmel haben auch die Heyden vor Zeiten redlich geuͤbt, und noch heut zu Tag viele Malabaren; Ach es iſt noch uͤber diß ein blutiger Kampff anzutretten mit unſichtbaren Banden, ſo die Seel auch in der ent - fernteſten Einſamkeit halten, und nicht wollen zu GOtt kommen laſ - ſen, ſonderen mit ihrem Getuͤmmel und Gedraͤng die innere Sinnen einnehmen, und ſolcher Geſtalten verwirren, daß wann die Seel meynt ſie koͤnne in der Einſamkeit mit JEſu umgehen, ſo wird ſie im Augenblick tauſend Meilweges von ihrer Staͤtte weggerucket, und findet ſich auf dem Rathhauß, Marckt, im Kramladen, wo nicht gar zu Paris, in Moſcau, Conſtantinopel; da gilts ringen, durch - brechen wo man aller geſchaffenen Dingen vergeſſen, und mit dem ewigen Gut freundlich und gemeinſam umgehen will, daß nichts mehr darzwiſchen komme, und eine Schiedwand mache zwiſchen JESU und der Seelen.
§. 15. Und hierinn ligt der groͤſte Fehler der Frommen, daß ſieDerhal - ben muß man ſorg - faͤltig uͤber ſeine Ge - dancken wachen, GOTT nicht erlangen, weilen ſie ſo untreu und laͤſſig ſind die ein - fallende fremde Gedancken zu daͤmpffen; darum klagt GOtt auch uͤber ſein heutig Jſrael: Jmmerdar irren ſie mit dem Hertzen / aber ſie wiſſen meine Wege nicht / daß ich ſchwoͤre in meinem Zorn / ſie ſollen in meine Ruh nicht kommenbHebr. III. 10. 11.; Mein Volck gehorchet nicht meiner Stimm / und Jſrael will mein nicht / ſo habe ich ſie ge - laſſen in ihres Hertzens Duͤnckel / daß ſie wandlen nach ihrem Rath; wolte mein Volck mir nicht gehorſam ſeyn, und Jſrael auf meinem Wege gehen / ſo wolte ich ihre Feind bald daͤmpffen / und meine Hand uͤber ihre Widerwertigen wenden, und die den HEr - ren haſſen, muͤßten an ihm fehlen / ihre Zeit aber wurde ewiglich waͤhren / und ich wuͤrde ſie mit dem beſten Waitzen ſpeiſen / und mit dem Honig aus den Felſen ſaͤttigencPſalm. LXXXI. 12-17..
S 2§. 16.140Geiſtliche Sonnen-Wende§. 16. Wann ein Gold-Minen hundert Klaffter tief ligt, ſo ſoll man nicht meynen, wann man etwan einen halben Schuh tief Herd ausgeworffen, man ſey nun dabey, und hiemit koͤnne man von em - ſiger Arbeit ablaſſen, und das um ſo viel weniger, weilen neidiſche Geiſter um den Weg ſeynd, Satan, Welt, und unſer eigen Fleiſch, welche alles ſo bald wieder mit Jrrdiſchem zufuͤllen; Und wo iſt ein Bergknapp, wann er nur ein Haar kleines Gold-Aederlin antrifft: der dann ſo bald dabey ſtille ſitze, und nicht deſto hurtiger fort arbei - te; Und du haſt GOtt noch nicht, dein Freuden-Blicklein iſt nur ein Liechtlein, ſo du von ferne erblicket; So muß nun dieſes: Wender euch zu mir, und werdet ſelig / ſtets aneinander practicirt werden; Dann wie dein Hinzuwenden zu GOTT in Chriſto iſt, alſo wird auch deine Seeligkeit ſeyn, ſtuͤcklich, jucks-weiß, kranck, matt, oder gantz beſtaͤndig, ſtarck und uͤberflieſſend an Troſt, Heyl, ewi - gem Frieden; deine Seeligkeit miſſet dir nach der Maas, wie du ih - ro miſſeſt.
§. 17. Jndeſſen bleibts doch wahr, daß wer nicht Mund, Augen und Ohren zuſchließt, nicht weit wanderen, ſondern bald nach E - gypten ſ