Geneigter Leſer!
BEy dem Anbruch des neu - en Jahrs uͤberreiche ich dir auch einen annehmli - chen Zeit-Vertreib, in die - ſen wenigen Bogen, worinnen du theils dein Gemuͤthe beluſtigen, theils auch etwas nuͤtzliches daraus erlernen kanſt. Man findet offt Gelegenheit zu ſolchen Verrichtun - gen, dabey wir mehrere hoͤfliche Worte, als bey dem gemeinen Le - ben ſonſt, brauchen und vortragen muͤſſen. Da hoͤret man dann das allgemeine Klagen und Lamentiren: Ja was ſoll ich jetzt ſagen? ich kan nicht complimenti ren; ich ha - be nicht darauf ſtudi rt und ge - lernet. Und dergleichen Kummer liegt manchem die ganze Nacht durch in Sinn und Gemuͤthe, daß er weder ruhen noch raſten kan. Ergaͤbe[6]gaͤbe was rechtes darum, wenn ihm jemand etwas in das Ohr bließ, und eine gute Anleitung gaͤbe, mit Manier und ohne Auslachen durch - zukommen. Bey ſolcher Sorge darfſt du nur dieſe Boͤgen durch - blaͤttern, ſo wirſt du Anleitung ge - nug finden, wie du dich bey verſchie - denen Gelegenheiten auffuͤhren, und vieles Lob verdienen ſolſt. So kurz alles abgefaſſet, ſo gewiß bin ich, daß die allzugroſſe Weitlaͤufig - keit, Buͤrgerlichen Perſonen eckel - hafft und verdrießlich faͤllt, und du wirſt auch in dieſem wenigen ſo viel antreffen, daß du lange Zeit anwen - den muſt, daſſelbige gaͤnzlich zu faſ - ſen. Bediene dich alſo deſſen mit Nutzen, und bleibe ferner gewogen
Erſte[7]Dem Verfaſſer.
ES iſt heutiges Tages bey der ganzen erbarn Welt nichts angenehmers und belieb - ters, als die Hoͤflichkeit: Denn durch ſelbige machet man ſich faſt alle Menſchen zu Freun - den; dahingegen die Grobheit und die unbeſcheidene Auffuͤhrung einen Men - ſchen bey Hohen und Niedern, Gelehrten und Ungelehrten, verhaßt und ganz ver - aͤchtlich machet. Die Hoͤflichkeit fuͤhret ihren Nahmen und Urſprung vom Hof - Leben, woſelbſt man untereinander mehr Ehrerbietung und Manier im Re - den als ſonſt, unter dem gemeinen Mann, im Buͤrgerlichen Leben, gebrauchet: Und diejenige, welche offt mit Hofleuten umzu - gehen pflegen, bezeugen mehr, als zurA 4Ge -8Genuͤge, daß man auch, mit der Zeit, das unbeſcheidene Weſen ablegen, und mit der ſo beliebt-als belobten Hoͤflichkeit verwechslen koͤnne.
Auſſer dem Hofleben kan man auch vieles von der Hoͤflichkeit ſehen und hoͤren, bey den Gelehrten, wenn ſelbige, von ernſthafften Sachen, mit Vernunfft und Klugheit, reden, und ſich nicht durch Je - mands Widerſpruch, zum Zorn und ra - ſender Hitze verleiten laſſen. Denn klu - ge Leute bringen, ſo wohl Frage als Ant - wort, mit einer beſcheidenen Sanfftmut vor, und halten ſich verſichert, daß ſie auch, aus allen Beantwortungen ihres Gegen - partes, etwas gutes und nuͤtzliches lernen und profitiren koͤnnen.
Wie aber nicht alle Gelehrte eben von vornehmen Geſchlecht und Gebluͤte ent - ſproſſen, ſondern auch offt der gemeinſten Leute Kinder zu groſſer Weisheit und Hoͤflichkeit gelanget; ſo findet man auch unter vielen Perſonen, Buͤrgerlichen Standes, einen guten natuͤrlichen Ver - ſtand, der ſich, zu Begreiffung vielerſchweh -9ſchwehren Dinge, geſchickt bezeiget, und leicht von ſich mercken laͤßt, daß ihm auch die Erlernung der Hoͤflichkeit nicht un - moͤglich ſeye: Ungeachtet dargegen viele andere, mit Sorg und Muͤhe, Fleiß und Schweiß, es darinnen nicht einmahl zu einem guten Anfang bringen und erzwin - gen koͤnnen.
Das Vornehmſte darbey iſt, daß man auf die Zeit, Ort und die Perſonen, mit welchen man umgehet, fleißig Acht habe: Denn je vornehmer ſelbige gegen mir ſind, deſto hoͤflicher, ehrerbietiger und be - ſcheidener muß ich mich, gegen ſelbige, be - zeigen und auffuͤhren; und es leidet der ſchuldige Reſpect keine Entſchuldigung, zumal wenn ich ſolche mit der Unwiſſen - heit bedecken, und dadurch bey vorneh - men Leuten meine Gunſt verſchertzen wol - te. Und ich wuͤrde meine Schwachheit ſelbſt entdecken, wenn ich jemand in einer Kirche complimentirete, und darnach von weltlichen oder Liebes-Sachen, mit ſelbigem diſcurrirte. Desgleichen muß die Beſchaffenheit der Zeit manchen ſchoͤ - nen Diſcurs auf die Zunge legen, welcheA 5ein10ein kluger Menſch von ſelbſt leicht erſehen und erwehlen kan.
Bey der Hoͤflichkeit muß die allzugroſ - ſe Bloͤdigkeit den Wander-Stab neh - men und weichen: Ein kluger Menſch darf, bey ihme noch unbekandten oder vornehmen Leuten, die Augen nicht zur Erde kehren, aus Schrecken ſtammlen und erzittern; ſondern muß mit beſcheide - ner Manier und Geberden, die Leute freundlich anſchauen, und alle unanſtaͤn - dige Furcht verlaſſen; jedoch muß er dar - neben nicht auf eine allzugroſſe Freyheit gerathen, und in ſeinen Reden ſolche miß - faͤllige Affecten bezeigen, welche nach der Charletanerie ſchmecken; auch unter dem Reden nicht mit denen Haͤnden, den Leu - ten unter der Naſe, herum fahren, ſie bey den Kleidern, Ermeln, oder Knoͤpfen faſ - ſen und ſolche berum drehen, auch nicht beſtaͤndig den Fuß ſtreiffen, dem Frauen - zimmer nicht immer ins Angeſichte, und zumal mit verliebten Blicken, ſehen; die Augen nicht ſtets gegen den Himmel, und eben auch nicht immerhin zur Erden wen - den; ſondern in allen dergleichen Din -gen11gen die Mittel-Straſſe, als das erſte Kennzeichen der wohlanſtaͤndigen Hof - lichkeit gehen.
Jn den Kirchen kan ſich ein unhoͤflicher Menſch nicht eher und mehr verrathen, als wenn er wenig Achtung gegen die Predigt bezeiget, hin und her ſpatziert, ſchlaͤffet, mit andern beſtaͤndig ſchwaͤtzet, dem Frauenzimmer verliebte Blicke gie - bet, die Tobacks-Doſe und Sack-Uhr immer hervor ziehet, um dadurch ſeine Prahlerey ſehen zu laſſen; noch vor dem Schluß der Predigt und des Gottesdien - ſtes aus der Kirchen lauffet, und ſich noch darzu uͤber den Prediger hefftig mequiret, oder ſeine Redens-Arten durch die Hechel ziehet, und alſo beym Ein - und Ausgang kein Vatter Unſer betet, noch vielweniger aber die gewoͤhnliche Benediction und Ertheilung des Segens erwartet.
Jn andern aͤuſſerlichen Sachen erken - net man einen unhoͤflichen Menſchen, aus ſeiner liederlichen Kleidung, wenn er al - ler Orten damit herum fahret, Stuͤhl und Baͤncken damit abwiſchet, ſolchesA 6auch12auch ſtarck und dichte mit Bier-Thraͤnen befeuchtet, die Knoͤpfe daran ſterben und abgehen, und das ganze Gewand denen Schaben und Staube zum Raube laͤſſet. Andere tragen ſich zwar noch in beſſern Staat, und koſtbarn Tuchen, oder Zeu - chen, entdecken aber dadurch ihre Unhoͤf - lichkeit, da ſie ein jedes Stuͤck ihrer Mon - tur von einer andern und unterſchiedenen Farbe tragen, und alſo denen Papageyen gleichen, welche mit verſchiedenen bunten Federn geſchmuͤcket ſind. Wodurch ſchon viele, weil ſie ſolches zum oͤfftern veraͤn - dert, ins Verderben und an den Bettel - ſtab gerathen ſind.
Ein hoͤflicher Menſch haͤlt ſich immer ſauber in der kleinen Montur, bey reinli - cher Waͤſche, gepuderten Haaren oder Peruquen, und geputzten Schuhen; hat auf der Gaſſe einen manierlich-gleichen Gang, weder zu langſam, noch zu ge - ſchwinde, damit nichts gezwungenes dar - aus koͤnne gefolgert werden. Traͤget De - gen, Hut und Stock mit einer wolanſtaͤn - digen Manier, und nimmt ſich in derglei - chen Dingen ſo wol und fuͤrſichtig in Acht,da -13damit er keinem Urſache zum Gelaͤchter geben moͤge.
Wenn ein hoͤflicher Menſch jemand auf der Gaſſe begegnet, dem er Reſpect und Ehrerbietung ſchuldig iſt: ſo nimmt er den Hut manierlich ab, neiget denſelben gegen die Mitte ſeiner Bruſt, machet al - ſo ein anſtaͤndiges Reverence, und ſetzet denſelben allmaͤhlich wiederum auf, wenn er etliche Schritte der Perſon vorbey ge - kommen iſt, welche er mit dem Reverence beehren wollen. Bey vornehmen Leuten bezeiget er ſeine Aufwartung nicht mit Ausſireifen der Fuͤſſe, welches grob und Baͤuriſch laͤſſet, ſondern mit Beugung des Ober-Leibs, und ziehet den rechten Fuß ein wenig zuruͤcke. Welche aber, bey Abſtattung ihres Beſuchs die Zimmer al - ler Orten voll anſpuͤrzen, zu ihrer Kurz - weil und Zeitvertreib, ihre Waden, und Schuhe mit denen Spaniſchen Roͤhren klippeln, mit den Stuͤhlen in dem Zimmer hin und her ruͤcken, oder ſich mit den Ar - men, nach Art der Bauren, auf den Tiſch legen, ſich oͤffters in den Spiegeln be - ſchauen, und ſich ſolcher geſtalt in ihre ei -A 7gene14gene Perſon verlieben: Von denen wird man ſchwerlich glauben, daß ſie hoͤflich und wohl erzogen ſind; ſondern ihnen vielmehr das Zeugnuͤs ihrer groben Un - beſcheidenheit ſchrifftlich geben und ver - faſſen laſſen.
Weil ein hoͤflicher Menſch gerne etwas lernet, um ſich bey der galanten Welt mehr und mehr beliebt zu machen, ſo wird er bey Zuſammenkuͤnfften und Geſell - ſchafften, wie auch bey Beſuchung ver - trauter Freunde, fleißig zuhoͤren, was ſelbige vernuͤnfftig erzehlen und vorbrin - gen, und mit ſeinen Zwiſchen-Reden nicht plumper Dings hinein fallen; Zumahlen wenn man von Sachen redet, welche den Horizont ſeiner Vernunfft uͤberſteigen, oder wovon er eigentlich noch nicht genug informrt und berichtet iſt: Denn da kan man ſich, bey verſtaͤndigen Leuten, am allererſten zum Gelaͤchter machen, wenn man aus Zeitungen und andern Bege - benheiten etwas erzehlen will, und hat kei - nen Jnbegriff noch Kaͤnntnuͤs der Sache, oder der fremden Woͤrter, von welchen man redet. Da wird das Franzoͤſiſche,Latei -15Lateiniſche und Welſche offt ſo zerhackt und geſtuͤmmelt, daß die Faſen davon moͤchten herunter hangen. Jnſonderheit aber muß man nicht wenig lachen, wenn die jungen Purſche, oder auch das weibli - che Geſchlecht, mit ihrem campabel ſo offt angeſtochen kommt, mit welchem Wort ſich auch jene Jungfer ſo weit vergangen, daß, als ſie ein Student nach Hauſe zu be - gleiten erbote, ſie ſich dagegen, daß ſie die - ſer Ehre nicht campambel waͤre, entſchul - diget. Jn dieſem Stuck thut ein beſchei - dener, hoͤflicher Menſch beſſer, wenn er andere reden und ſich in rechter Benen - nung der fremden Woͤrter den Vorgang machen laͤſſet: Denn ſolcher geſtalt kan er nach und nach ſich in dergleichen Dingen immer beſſer informiren, und zur andern Zeit vernuͤnfftiger davon ſprechen. Je - doch, wenn er ja eine Sache gruͤndlich weiß, darf er ſchon mit Manier und Be - ſcheidenheit ſeine Meinung davon hoͤren laſſen: Denn aus einer vernuͤnfftigen Rede und Beurtheilung wird des Men - ſchen Witz und Verſtand erkennt; dahin - gegen andere, welche gar, als ſtumme Hoͤlzer, in denen Geſellſchafften ſitzen,ſich16ſich ſelbſten verrathen, daß ſie mit den groͤ - ſten Jgnoranten uͤber einen Leiſt geſchla - gen ſind.
So annehmlich nun das Reden eines hoͤflichen Menſchen in denen Geſellſchaff - ten iſt; ſo verdruͤßlich faͤllt hingegen eines Plauderers immerwaͤhrendes Geſchwaͤ - tze, wozu ihme gemeiniglich die lauſigte Prahlerey den Sporn in die Seite ſetzet. Manche ruͤhmen ſich ihrer langen und ſehr weit gethanenen Reiſen, vergeſſen aber dabey ihres armen Schnapſacks, den ſie ſo offt mit Bettel-Brod ſpicken und im Lande fechten muͤſſen. Viele prei - ſen ihre Kriegs - und Helden-Thaten, ſa - gen aber kein Wort, daß ſie ſo lange auf der Marode gelegen, oder zum oͤftern ih - ren ehrlichen Abſchied auf die Sohlen ſchreiben laſſen. Viele weiſen ihre Waf - fen noch, welche unzehlichmal mit dem Feuer-heiſſen Blut ihrer Feinde gefaͤrbet worden; da wol auf der ganzen Klinge die Figur des ewigen Friedens geſto - chen, und ſelbige zum Gefechte niemals aus der Scheide gekommen. Und wenn es bey dergleichen Prahl-Hannßen zurLetze17Letze kommt, ſo ruͤhmen ſie ſich, wie der Heroſtratus, ihrer boͤſen Thaten, oder Raubereyen, und entſchuldigen ſolche da - mit, ſie haͤtten nur gefunden, und nicht geſtohlen.
Aufgeraͤumte Gemuͤther ſind wuͤrck - lich gleichſam die Seele einer froͤlichen Compagnie und Geſellſchafft: Denn ihr ſcharfſinniger Verſtand bringet manchen artigen Scherz hervor, der erſtlich die Anweſende zum Gelaͤchter, darneben aber auch zur Bewunderung ſeiner Geſchick - lichkeit beweget. Vor allen wird ſich aber hierin ein kluger und hoͤflicher Menſch huͤ - ten, daß er GOttes, ſeines heiligen Worts, und ſeiner Diener ſchonet, und ſich nicht der zeitlich - und ewigen ſchweh - ren Straf-Gerichten ſchuldig machet, weil ehrliche und fromme Gemuͤther ſich daran aͤrgern und hertzlich daruͤber ſeuf - zen, welches wuͤrcklich einem ſolchen fre - chen Laͤſterer nicht gut iſt. Naͤchſt dieſem ſiehet ein hoͤflicher Menſch darauf, daß er manchmal nur das Laſter, nicht aber die Perſon, inſonderheit das Frauenzimmer, in ſeinem Scherz, beruͤhre, weil man ſichda -18dadurch viel Feinde, und auch mit denſel - ben ſeinen ſelbſt-eigenen Schaden und Ungluͤck, zu verurſachen pfleget. Viele vergehen ſich in Geſellſchafften ſo weit, daß ſie ganz allein reden, und keinem an - dern ein Wort laſſen und vergoͤnnen wol - len, welches ſehr verdrießlich faͤllt, und ei - nem vernuͤnfftigen Menſchen die Wahr - heit des Sprichwortes vor Augen leget: Ein Waͤſcher wolle immer dar Recht haben. Manche koͤnnen ihren Mund und Lippen nicht oͤfnen, ſie ſchuͤtten denn aus ſelbigen einen ganzen Strom voller Saͤu-Poſſen und Laͤſterungen heraus, und beweiſen vor allen anweſenden Per - ſonen, von was fuͤr einem ſchoͤnen Geiſt ihr laſterhafftes Herze belebet und bewoh - net werde.
Wenn ein hoͤflicher Menſch in Geſell - ſchafften von einer ernſthafften Sache re - det, und ſolche nach ihrem Werth und Verdienſt vertheidiget, ſo gebrauchet er ſich darinnen alles moͤglichen Glimpfs und Beſcheidenheit, hoͤret anderer Leute Einwuͤrffe und Gegenrede gelaſſen an, und benimmt ihnen ihre widrige Mei -nung19nung mit aller Manier und beliebten Sanfftmut. Die aber von dergleichen Sachen mit allzugroſſer Hefftigkeit re - den, ſich biß auf den Schaum und Gei - fer daruͤber ereifern, mit den Haͤnden auf den Tiſch ſchlagen, und ſich gegen ihren Gegen-Part gar zum Rauffen fertig ma - chen, oder doch wenigſtens zu ihrer Pro - bation Schaͤnd - und Laſter-Worte aus - ſtoſſen, die beweiſen Sonnen-klar, daß ſie grob und Baͤuriſch erzogen, und nie zu ei - ner wohl-anſtaͤndigen Hoͤflichkeit gewoͤh - net worden ſind. Vernuͤnfftige Leute fliehen ſolcher ungehobelten Menſchen Gegenwart und Geſellſchafft, und man ſiehet aller Orten ſolcher Staͤncker Ferſen lieber, als ihre Zaͤhen.
Wichtige Sachen, welche in die ge - heimſten Staats-Cabinete groſſer Her - ren gehoͤren, bringet ein hoͤflicher Menſch, nicht ſo leichte auf die Bahn; ſondern uͤberlaͤſſet deren Einſicht und Beurthei - lung, hocherfahrnen Politicis und Staats-Perſonen, welche dazu ernennet und beſtellt ſind. Viele unbeſcheidene Leute aber reden von ſelbigen ganz freyund20und ungeſcheut, auf den Bier-Baͤncken und offenen Schencken, und vermeſſen ſich manchmal ſo viel davon zu wiſſen, als ob man ſie gar dabey mit zu Rath gezogen, oder wenigſtens ihnen die groͤſten Ge - heimnuͤſſe in Vertraulichkeit eroͤffnet haͤt - te. Woruͤber ſich ſchon mancher ver - ſchnappt, und in groſſes Ungluͤck, oder ſchwehre Verantwortung, geſtuͤrzet.
Ein hoͤflicher Menſch laͤſſet andere Leu - te auch reden, und zwar ausreden; oh - ne, daß er ihnen begehret in die Rede zu fallen, und Anlaß zu einer andern Mate - rie zu geben. Viele unhoͤfliche Plaude - rer ſind aber ſo grob und unbeſcheiden, daß ſie keinem Menſchen lange zuhoͤren, ſondern an alle vernuͤnfftige Diſcourſe ih - ren geſchwaͤzigen Schnabel wetzen und reiben wollen. Kommt aber eine Mate - rie vor, welche ihren Verſtand uͤber - ſteiget, ſo ſtellen ſie ſich doch, als wenn ſie auch davon was wuͤſten, verfallen aber dabey auf ſolche laͤcherliche Streiche und Thorheiten, die ihre Unvernunfft auf das genaueſte zu erkennen geben. Sie koͤn - nen auch nicht unterlaſſen, aller Leute Re -den,21den, Fragen und Antworten zu corrigi - ren und zu meiſtern, wie jener Buͤrger in einer Compagnie gethan, als jemand ſich an den Tiſch ſezen wolte und fragte: ob dieſer Stuhl oder Sitz vacant (oder leer) waͤre? den er ſo gleich mit denen Worten corrigren und beſiraffen wolte: Er habe ſein Lebetag nicht gehoͤret, daß die Stuͤhl verdammt waͤren. Woruͤber er aber von denen anweſenden Gaͤſten nicht wenig belachet, und lange Zeit hernach damit entſetzlich geſchraubet worden. Oder ſie beſtraͤffen manche bra - ve Leute, bey ihren Erzehlungen, gleich - ſam, als wenn ſelbige der Sachen zu viel thaͤten, und ſich ſolches in der That nicht alſo verhielte; welches doch manchen Haß und Picanderie verurſachet, ſo daß man ſolchen groben und ungeſchliffenen Geſellen billig gram und feind werden muß.
Ein hoͤflicher Menſch bedencket das Sprichwort; de abſentibus & mortuis nil, niſi bene, daß man von Abweſen - den und denen Verſtorbenen nichts, als alles gute, reden ſoll, ſehr wohl:Dar -22Darum wird er von denenſelben in Geſell - ſchafften mit aller Ehre und Reputation ſprechen, weil er glaubet, daß man in an - dern Geſellſchafften, da er nicht zugegen iſt, ebenfalls von ihme, mit aller Liebe und Beſcheidenheit, reden wird. Ein ungeſcheuter Orbilius aber bedienet ſich offt der Abweſenheit gewiſſer Perſonen zu ſeinem Vortheil, deſto freyer und malhonetter von ihnen zu reden, kommt aber daruͤber offt in den groͤſten Verdruß, zumal wenn jemand in der Geſellſchafft zugegen iſt, der des Beleidigten guter Freund iſt, und entweder dem Beleidig - ten Freund ſolches wieder zutraͤget, (wel - ches dann recht und billig) oder den Ehr - abſchneider alſobald daruͤber zur Rede ſetzet, da es manchmahlen von den Wor - ten zu denen Klingen kommt, und der be - gangene Frevel mit Blut gewaſchen und vertilget wird. Die aber von denen Tod - ten uͤbel ſprechen, geben ſich als offenbahre Luͤgner zu erkennen, da ſie ſich deſto un - verſchaͤmter darinn vergehen, weil ſie wiſ - ſen, daß ſich dieſelben nicht mehr verant - worten, und ihre calumnien beſtraffen koͤnnen.
Ein23Ein hoͤflicher Menſch wird ſich immer - hin befleiſſen, in Geberden, Worten und Wercken gegen dem Frauenzimmer ſich ehrerbietig und beſcheiden aufzufuͤhren, wobey er ſich ſehr wohl in acht nimmt, daß er nicht etwann durch verliedte Re - den, zumahl gegen Ehfrauen, ſeine ver - liebte paſſionen und Neigungen verra - then moͤge. Was aber geile ungeſchlif - fene Boͤck und Huren-Hengſten ſind, de - nen wird der Mund nicht aufgehen, es fahren denn die ſchaͤndlichſte Schand - und Huren-Reden hauffenweis heraus, wodurch manches honettes Frauenzim - mer ſchamroth und biß auf den Tod geaͤr - gert wird, ſo, daß man mit dergleichen Schandflecken zur Thuͤre eilen und ſie zum Haus hinaus werffen ſolte.
Ein tugendhafftes Frauenzimmer, wel - ches mit ihren keuſchen Ohren keine gro - ben unzuͤchtige Reden anhoͤren kan, wird ſolche auch vor denen allzugroſſen Schmeichlungen und Vergoͤtterungen zuſchlieſſen, welche ihnen mancher verlieb - ter Leander vorzuſchwatzen pfleget. Einhoͤfli -24hoͤflicher Menſch wird ſich darinnen wohl beſcheiden, und ſich in ſolchen unerlaubten Praͤdicaten maͤßigen, weil er wol weiß, daß er dadurch das eine Frauenzimmer ſchamroth, die uͤbrigen Perſonen dieſes Geſchlechtes aber gegen ihn nur verbit - tert machen wuͤrde.
Vor die ſchickliche Materie, in Geſell - ſchafften zu diſcuriren, wird kein vernuͤnf - tiger Menſch viel ſorgen doͤrfen, indem ſich ſolche, von ſelbſten genug eraͤugnen werden. Nur falle man nicht auf etwas, das einen groͤſſern Verſtand, als den ſei - nigen erfordert; ſintemalen er ſich in Ver - achtung ſetzen wuͤrde, wenn er etwas vor - bringen, und hernach, wegen ſeiner Un - wiſſenheit bald einpacken muͤßte. Wer in Politiſchen Sachen wol beleſen, der wird von dem bevorſiehenden Frieden, und denen ſich etwan dabey eraͤugnenden Schwierigkeiten, genug zu reden finden; er muß es aber, wegen des vielleicht anwe - ſenden Frauenzimmers, nur nicht zu lan - ge machen, weilen ſelbiges nicht viel von dergleichen Materie verſtehet, und ſolchergeſtalt25geſtalt ſich der Gelegenheit, ihre Reden mit einzumiſchen, beraubet ſehen wuͤrde.
Man muß ſeine Reden nicht mit Ge - walt eindringen, und einen andern gleich - ſam ſeine Worte vom Mund wegneh - men. Wenn ein hoͤflicher Menſch etwas fraget, wird es allezeit mit voraus gebet - tener Erlaubnuͤs geſchehen. Und ſo er um etwas befragt wird, wird er ebenfalls mit gleicher Hoͤflichkeit antworten, oder ſich damit entſchuldigen, daß er von der Sache nicht ſo weit, als das Verlangen[d]es andern erfordere, informirt ſey. Wann die erſte Bahn zum Diſcours,[ſ]chicklich gebrochen, ſo werden ſich unter[d]er Hand Puncten genug aͤuſſern, wel -[c]he zur angenehmen Unterredung reichen Anlaß und Gelegenheit geben koͤnnen.
Es wird dabey aber ein hoͤflicher Menſch ſich wol fuͤrſehen, daß er nicht et - was vorbringe, wobey ein anderer zu[ſ]chweigen, und er nur allein zu reden habe. So wuͤrde ſich ein Soldat bey einem Handelsmann ſchlecht recommandiren,[w]enn er nur vom Kriegs-Leben, vom mas -Bſacri -26ſacriren, hauen, ſtechen, und Beute ma - chen reden, und derer Commercien, deren Flor und Fortgang, deren vielen Gattun - gen der Kauffmanns-Waaren, und der - ſelben Preiße, vergeſſen ſolte. Man muß Anlaß nehmen, von ſolchen Sachen zu re - den, womit andere, mit welchen wir zu diſcurriren die Ehre haben, umgehen; und kan man ſich bey denſelben viele Hoch - achtung erwerben, wenn man ihnen eini - ge Vortheile zeiget, deren ſie ſich in ihrem Gewerbe mit mercklichen Nutzen bedie - nen koͤnnen.
Die Hiſtorien, und deren Erzehlung, ſind bey vernuͤnfftigen Geſellſchafften der angenehmſte Zeitvertreib; Zumal wenn ein kluger Menſch ſolche vorbringt, welche etwas moraliſches in ſich halten, und an - dere daraus etwas vor ſich erlernen koͤn - nen. Man ſetzet ſich dadurch in jeder - manns Gunſt, zumal wenn man ſolche nicht etwan ſo drehet und verkuͤnſtelt, als wenn man andere dadurch ziehen und ſel - bige ihren Fehlern vergleichen wolte. Re - det ein kluger Menſch von Kriegs-Sa - chen, ſo pfleget er ſich dabey ſo aufzufuͤh -ren,27ren, daß er keine Parthey, mit allzugroſ - ſer Hefftigkeit, ergreiffen und ſich andere zu Feinden machen wird. Und wenn groſ - ſe Herren des Reiches und unſers Vatter - Landes harte Feinde ſind, ſo muß man von ſelbigen dennoch mit allem Reſpect und Ehrerbietung reden; angeſehen ſol - ches ihre hoͤchſte Wuͤrde erfordert, zu wel - cher Sie das allſehende Aug GOttes er - hoben und verordnet; andern theils kan ſich ein unbeſonnener Menſch unvermu - thet in das groͤſte Ungluͤck ſtuͤrtzen, denn wenn der Friede wieder erfolget, ſo wird faſt in den erſten und vornehmſten Pun - cten auf die Auslieferung, oder doch ſchwehre Beſtraffung, ſolcher Laͤſterer gedrungen, die ſich erfrechet haben, ihre Zungen an denen Geſalbten des HErren zu waͤtzen.
Gemeine Buͤrgers - und Land-Leute pflegen von der Beſchaffenheit ihrer taͤg - lichen Handthierung und Hausweſens zu reden: Nur ſollen ſie dahin ſehen, einan - der nicht irre zu machen, durch den Unter - ſchied ihrer Gewerbe, ſo wenn ein Toͤpfer einem Weber von ſeinem Laimen, TonB 2und28und Brenn-Zeug immer vorſchwatzen wolte, wuͤrde er nur alleine reden, und der andere ſchweigen muͤſſen. Jm Ge - gentheil wuͤrde der Weber ein gleiches er - fahren, wenn er von Lein - und Hanf, vom Weber-Stuhl und Garn-Spul, vom Unterſchied des Garns, zetteln, tretten, durchſchieſſen und ſchlagen reden wolte: Das Frauenzimmer bleibet bey ihrem ge - woͤhnlichen Diſcurs vom Flachs, guten Leg - und Brut-Hennen, zuweilen plau - dern ſie auch vieles von ihren guten Maͤus-Katzen, die ſie manchmal einander lehnen, und dieſe arme Geſchoͤpfe verfol - gen laſſen. Vornehmere Standes-Per - ſonen fuͤhren ihre Diſcurſe vom Schmuck und Putz, auch von der immerwaͤhrenden Mode der Kleider und Reif-Roͤcke, die man jetzo leider! ſo entſetzlich weit traͤget, daß ſie jener Pater groſſen Glocken verglei - chet, unter welchen ein ſchlechter beinigter Schwengel oder Coͤrper verborgen ſte - cket. Andere fuͤhren eine ganze Muſter - Rollen ihrer Galanen und Aufwaͤrter bey ſich, die ſie in vertraulichen Geſellſchaff - ten einander ſehen, dabey aber ihre un - ſchuldige Anbeter und Liebhaber ziemlichhart29hart uͤber die Zunge lauffen laſſen Andere aber reden nichts anders als von der edlen Freyheit des ledigen Standes, bey welchem man keiner ſo verhaßten Sclaverey unterworffen ſey; unerachtet man wol weiß, daß ihr einziges heimli - ches Sehnen nach der Veraͤnderung ih - res Eheloſen Lebens gehet, und das alte Sprichwort wahr bleibet:
Dieſes ſchoͤne Geſchlecht, welches mei - ſtentheils ſehr in ſich ſelbſt verliebet iſt, ſo ſie durch ihr oͤfteres Spiegel-ſchauen zu erkennen geben, kan auch wol leiden, wenn man ſie mi[t]mehrern und groͤſſern Ehren - Tituln ehret, als ihnen gehoͤrt und gebuͤh - ret: allein es laͤſſet warlich ſehr ſchlecht und miſerabel, wenn ich heute einem ſchoͤ - nen Maͤgdgen ſo viele affectirte Compli - menten und Ehrenbezeugungen mache, und ſehe ſelbiges doch des folgenden Ta -B 3ges,30ges, entweder an denen Brunnen Waſ - ſer ziehen, oder das Kehricht gar auf den Miſt tragen.
Ein hoͤflicher Menſch richtet ſein Com - pliment nach moͤglichſter Kuͤrze, darneben aber auch ſo ein, daß es natuͤrlich, und nicht affectirt noch gezwungen heraus kommt: Wer ſich der an die Hand ge - gebenen Complimenten in den Romainen gebrauchen will, der wird, wenn er ſeinen eingefaßten Pack und Sack mit Noth und Jammer ausgeleeret, bald darnach zu erkennen geben, woher er dieſe gelehrte Capriolen erlernet; ſintemal ſie hernach ſo ſtockern, daß es ſcheinet, ihre Reden flieſ - ſen ihnen vom Mund und ihren Lippen, wie Pech; und wenn ſie ſich darinn genug verrathen haben, ſo nehmen ſie entweder bald Abſchied, oder werden unvermuthet gar unſichtbar. Uberdiß wird die Weit - laͤufigkeit und die Ausſch weifungen der Complimenten aufrichtigen Perſonen ſo eckelhafft und verdrießlich, daß ſie manchmalen gar davon gehen, und ſolche Prolixiſten alleine ſtehen laſſen, ihre Com - plimenten in den Wind zu reden.
Die31Die Ehre und Wuͤrde eines vernuͤnff - tigen Menſchen erfordert nothwendig auch die billig daran hafftende Praͤdicate und Tituln, womit ſie vor andern diſtin - guiret und beehret werden ſollen. Nur waͤre zu wuͤnſchen, daß ſie bey dem Glei - chen, und der loͤblichen Ordnung blieben, und nicht hoͤhere Tituln begehreten, als ih - nen in der That gehoͤret und gebuͤhret. Wenn mancher Gaſt-Wirth vorher mit dem Erbarn zufrieden geweſen, ſo will er vorjetzo Wol-Ehrenveſt und Groß - geacht haben. Kaufleute wollen mit Wol - und Hoch-Edlen Nahmen pran - gen; Schulmeiſtere auf dem Land præ - tendiren Edel und Hoch-Wolgelahrt, anderer Staͤnde ihre Exceſſen zu ge - ſchweigen, die man ſich ſelbſten vorſtellen kan. Jn Briefen, Memorialien und ſchrifftlichen Vorſtellungen aber, denen Staͤnden der Welt Jhre gewoͤhnliche Praͤdicate zu geben, will in moͤglichſter Kuͤrze ſolche mit eingeflſoͤet haben.
I Dem Roͤmiſchen Kayſer.
Allerdurchleuchtigſter, Grosmaͤchtig - ſter und Unuͤberwindlichſter Kayſer ꝛc. B 4Aller -32Allergnaͤdigſter Herr. Auch ſonſt im Text: Ew. Kayſerl. und Koͤnigl. Cathol. Majeſtaͤt.
II Denen Koͤnigen.
Allerdurchlauchtigſter, Großmaͤchtig - ſter Koͤnig: allergnaͤdigſter Herr. Jm Text: Ew. Koͤnigl. Majeſtaͤt.
Weil aber der Zeit verſchiedene ge - croͤnte Haͤupter zugleich Churfuͤrſten des Reichs ſind; ſo ſetzet man bey Selbigen; Allergnaͤdigſter Koͤnig, Churfuͤrſt und Herr, und im Text: Ew Koͤnigl. Majeſt. und Churfuͤrſtl. Durchleucht.
III. Denen Churfuͤrſten.
Durchlauchtigſter, Großmaͤchtigſter Churfuͤrſt, gnaͤdigſter Herr. Sonſt aber Ew. Churfuͤrſtl. Durchleucht.
IV. Herzogen und Fuͤrſten.
Durchlauchtigſter Herzog, Durch - lauchtigſter Fuͤrſt, Gnaͤdigſter Fuͤrſt und Herr. Sonſten Ew. Hochfuͤrſtlichen Durchl.
V. Denen Grafen.
Hochgebohrner Graf, Gnaͤdigſter Graf und Herr. Jm Text: Ew. Hoch - graͤfliche Excellenz oder Gnaden.
VI. De -33VI. Denen Freyherren und Barons.
Hochwohlgebohrner Herr, Gnaͤdiger Herr. Jm Text: Ew. Hochfreyherrl. Gnaden.
Dieſes Praͤdicat gebuͤhret auch denen Generalen, Oberſten, Geheimden Raͤ - then, Reichs-Hof-Raͤthen, Canzlarn, Vice-Canzlarn und Abgeſandten, denen man im Text Ew. Excellenz giebt.
VII. Denen Edelleuten.
Wolgebohrner Herr, Gnaͤdiger Herr. Jm Text: Ew. Hoch-Wolgebohrn. Gn.
Koͤnigl. und Fuͤrſtl. Hof - und - Cam - mer-Raͤthe, wie auch die Profeſſo - res auf Univerſitæten und vorneh - men Gymnaſiis fuͤhren mit allem Recht den Titul Hoch-Edelgebohr - ner oder Hoch-Edler, Hochgeehrte - ſter Herr, und ſonſt im Text: Ew. Hoch-Edlen.
Doctores und Advocaten, Rectores, und beruͤhmte Kuͤnſtler, haben ge - meiniglich Wol Edler, Geſtreng und Hochgelehrt, Wol-Edel und Veſt, Edel und Großgeachter. Jm Text aber Ew. Wol-Edlen.
B 5Was34Was aber ſonſt unter Kaufleuten und Buͤrgern vor Titulaturen gebraucht wer - den, pfleget man die Erſtern ebenfalls, Edel, Wol-Ehrnveſte, Hochgeacht und Wolfuͤrnehme; die Letzere aber Erbare und Fuͤrnehme oder Wolgeachte zu titu - liren. Wiewol ſich die wenigſten hierin - nen an eine loͤbliche Ordnung binden, ſon - dern ihre Schmeichlungen durch die Ti - tuln weiter gehen laſſen, weil ſelbige, wie ſie ſagen, ihnen nichts koſten, und ſich manchmal dadurch mehr zu erhalten ge - trauen.
Gegen geiſtliche Perſonen gebraucht man ſich, wegen ihr wichtigen Wuͤrde, auch beſondere Tituln; alſo tituliret man
Den Roͤmiſchen Pabſt,
Allerheiligſter, in GOtt Hochwuͤrdig - ſter Vater, Allergnaͤdigſter Herr. Son - ſten Ew. Paͤbſtl. Heiligkeit.
Einen Cardinal,
Durchlauchtigſter und Hochwuͤrdig - ſter Vater, Gnaͤdigſter Herr. Sonſten Ew. Eminenz.
Geiſtliche Churfuͤrſten.
Durchlauchtigſter und Hochwuͤrdig -ſter35ſter Churfuͤrſt, gnaͤdigſter Herr. Sonſt Ew. Churfuͤrſtl. Durchl.
Patriarchen und Erz-Biſchoͤffe, in - gleichen Biſchoͤffe ſo Fuͤrſten ſind:
Hochwuͤrdigſter, Durchlauchtigſter Fuͤrſt, gnaͤdigſter Fuͤrſt und Herr. Son - ſten aber Ew. Hochfuͤrſtl. Durchl.
Sind ſie aber keine Fuͤrſten, ſondern aus andern vornehmen Haͤuſern, ſo bekommen Sie.
Hochwuͤrdigſter, in GOtt Vater, gnaͤdigſter Herr. Sonſt aber Ew. Fuͤrſtl. Gnaden und ſolchen Titul fuͤhren auch die gefuͤrſteten Aebte und Praͤlaten: An - dere Praͤlaten, Dom-Dechante und Dom-Herren, werden Hochwuͤrdig, Hoch-Ehrnwuͤrdiger Vater, tituliret; ſonſten aber ſezt man im Text: Ew. Hoch - wuͤrden und Gnaden.
Die Evangeliſche Herren General-Su - perintendenten, und Doctores der Heil. Schrifft.
Hochwuͤrdiger, in GOtt Andaͤchti -B 6ger,36ger, Hochachtbar und Hochgelehrter. Sonſt aber Ew. Hochwuͤrden: Andere Superintendenten, Stadt-Pfarrer und Jnſpectoren.
Hoch-Ehrwuͤrdiger und Hochgelehr - ter, Jnſonders Hochgeehrteſter Herr. Sonſt Ew. Hoch-Ehrwuͤrden.
Die andere Stadt - und Land-Geiſtli - che aber: Wohl-Ehrwuͤrdiger, Groß - achtbar und Wolgelahrter. Sonſt Ew. Wol-Ehrwuͤrden. Beym Frauenzim - mer kan man mit keinem Prædicat beſſer, als mit dem Wort Tugend-belobt zu rechte kommen, das gefaͤllet ihnen am al - lermeiſten, ſie moͤgen tugendhafft ſeyn oder nicht.
EHleute ſind, bey allem ihrem gluͤcklichen Fortgang und geſeg - neter Nahrung, nicht ſo froͤlich und vergnuͤgt; als wenn ihnen GOtt auch den erfreulichen Eh - und Kinder -Segen37Segen ſchencket, und ihr Haus mit ſchoͤ - nen Liebes-Fruͤchten zieret und fuͤllet. Zu - mal wenn ſelbige von GOtt bey Geſund - heit und langem Leben erhalten werden, daß ſie ſelbige, zu ihrem Troſt und Freu - de, groß und tugendlich erziehen koͤnnen. Nur geſchiehet offt ihre Geburt mit uner - leidlichen Schmertzen, wobey dann ein fleißiges Gebet und treuer Beyſtand gu - ter Freundinnen vonnoͤthen iſt. Daher ein ſorgſamer Haus-Vatter, der ſeine Eh - gemahlin herzlich liebet, zeitlich nach der Heb-Amm oder Kinder-Muhme ſchicket, bey ſeiner hochſchwangern Liebſten allen moͤglichen Fleiß und Beyſtand zu Erleich - terung ihrer Geburt, anzuwenden, wel - ches dieſe um ſo geneigter und williger thun wenn er ihnen was in die Haͤnde ſtoͤſ - ſet, und ihren Fleiß gleichſam zum Vor - aus wirbet und bezahlet.
Man ſchicket gemeiniglich auch bey dergleichen Zuſtand, noch zu andern gu - ten Freundinnen, welche vorhin mit der Greiſtenden vielmals umgegangen, wel - che der Haus-Vatter dienſtlich erſuchen laͤſt, weilen es an dem ſey, daß ſeine LiebſteB 7vor -38vorjetzt ſolte ihrer getragenen Buͤrde ent - bunden werden, ſo moͤchten ſie die Guͤte haben, derſelben in dieſer ſchwehren Ar - beit huͤlfliche Hand zu leiſten, unter Ver - ſicherung ſeines dancknehmigen Herzens, in allen angenehmen Gegen-Dienſten. Worauf die Frauens-Perſonen ſich we - gen des guten in ſie geſezten Vertrauens bedancken, und zugleich Verſicherung ge - ben, nichts an ihrem wenigen Vermoͤgen erwinden zu laſſen. Wann ſelbige dann perſoͤnlich gekommen, pfleget ſie der Kindes-Vater alſo zu empfangen.
Sie nehmen nicht unguͤtig, daß mein Vertrauen auf Sie geſezet, und Sie an - hero bemuͤhen laſſen. Jhre geneigte Be - reitwilligkeit troͤſtet mich ſchon, daß mei - ne Liebſte durch Dero Beyſtand und gu - ten Zuſpruch bald gluͤcklich entbunden, und mit einem froͤlichen Anblick wird er - freuet werden. Worauf ſelbige gemei - niglich antworten:
Der Herr wird nicht Urſache haben ſich dißfalls zu entſchuldigen, ſondern ich vielmehr mich zu erfreuen, Jhnen in er - wuͤnſchter Gelegenheit zu dienen. JnHoff -39Hoffnung, daß der Hoͤchſte der Frau Lieb - ſten Arbeit ſegnen, die Schmerzen erleich - tern, und durch einen froͤlichen Anblick Jhr werthes Haus vermehren werde.
Jſt denn das Kind gluͤcklich und ge - ſund zur Welt gebohren, kan dem erfreuten Vatter kuͤrzlich gra - tulirt werden:
Jch gratulire Jhnen zur ſchleunigen Vermehrung ihres wertheſten Hauſes; der Hoͤchſte ſtaͤrcke der Frau Liebſten ver - lohrne Kraͤfften, und erhalte ſelbige ſamt dem lieben Kind in beſtaͤndiger Gnade, daſſelbe zu ihrer beeden Freude groß und ſelig auferziehen zu koͤnnen.
Worauf der Kinds-Vater kuͤrzlich antwortet:
Jch dancke vor ihren wolgemeinten Wunſch, und fuͤr ihre an meiner Liebſten erwieſene gute Dienſte. Verſichere aber allezeit derſelben ſo zu gedencken, daß die Vergeſſenheit den dafuͤr ſchuldigen Danck in meinem Herzen niemal verloͤ - ſchen wird.
Gluͤck -40Gluͤckwunſch des Manns an die Kindbetterin.
Mein Schatz, ich bin von Herzen er - freut, daß ſie ſo ſchnell und gluͤcklich ent - bunden, und mit einem geſunden Soͤhn - lein erfreuet worden: GOtt erſetze dieſe 6. Wochen durch ihre entgangene Kraͤff - ten, und erhalte ſie nebſt ihrem ſchoͤnen Spitzweck bey erwuͤnſchter Geſundheit / damit wir beede das Vergnuͤgen haben / ſelbigen zu unſerer Freude gluͤcklich aufzu - ziehen.
Antwort der Kindbetterin.
Jch dancke mein Schatz vor ihren hertz - lichen Wunſch und freue mich uͤber ſein junges Ebenbild, wenn ſie beede der Hoͤchſte geſund und vergnuͤgt erhaͤlt, will ich der daruͤber ausgeſtandenen Schmer - zen gerne vergeſſen.
Notification der gluͤcklichen Geburt an gute Freunde.
Nebſt Vermeldung eines ſchoͤnen Gruſſes von meinem Herrn und Frauen, habe die Ehre Jhnen zu berichten, daß vorwenig41wenig Stunden meine Frau gluͤcklich ent - bunden, und von dem lieben GOtt mit einem jungen Sohn (Tochter) erfreuet worden iſt.
Antwort darauf.
Dieſe Nachricht iſt eine der angenehm - ſten, welche ich haͤtte vermuthen koͤnnen. Jch begleite ſelbige mit dem hertzlichen Wunſch, daß GOtt die Frau Mutter und das liebe Kindlein in unverruckten Segen und beſtaͤndigem Wolſeyn erhal - ten und ihr Vergnugen in viele andere Wege gruͤnen laſſen wolle.
Eines Freundes Compliment an den Kindes-Vater.
Jch habe die Ehre Theil an dem Ver - gnugen zu nehmen, welches Jhnen durch die gluͤckliche Geburt Jhres lieben Soͤhn - gens, anheute begegnet. GOtt erhalte daſſelbe und die Frau Mutter zu ihrem immerwaͤhrenden Troſt und Vergnuͤgen, und laß es auch, allen getreuen Freunden zur Freude, vollkoͤmmlich wachſen und zu - nehmen.
An42An die Sechswoͤchnerin oder Kind - betterin.
Madame, ich gratulire ihnen, daß ſie ihre getragene Buͤrde ſo gluͤcklich an das Licht gebohren, und ihren Schatz mit ei - nem angenehmen Erben erfreuet haben. Der Hoͤchſte gebe ihnen die verlohrne Kraͤfften, und dem lieben Kind beſtaͤndi - ge Geſundheit, daß Sie ihren Vorgang mit Vergnuͤgen vollfuͤhren moͤgen.
Wie nun nach dieſer erſtern Freude man gemeiniglich an die Heil. Taufe und die dabey noͤthige Pathen oder Gevattern dencken muß: So thun Perſonen Buͤr - gerlichen Standes am allerbeſten, wenn ſie bey ihres gleichen bleiben, und nicht zu hohen Perſonen oder vornehmen Fa - milien kommen: es ſey dann, daß eine oder andere zu hohen Ehren gekommene Per - ſon dem Kindes-Vatter nahe verwandt, da mans manchmalen gerne ſiehet, wenn man in ſolchem Stuͤck das Vertrauen zu ihnen nehmen darf. Denn ſonſt ſcheine[t]es, man habe dabey das Abſehen nur au[f]ein anſehnliches Pathen-Geſchencke: wi[e]jener Kinds-Vatter ſich gegen ſeine erbetten[-]43tene Frau Gevatter erklaͤret: Sie doͤrf - te ſich ſeinerwegen die geringſte Un - koſten nicht machen, ſondern nur ſei - nem Kind ein ſchoͤnes Andencken ge - ben.
An vielen Orten werden mehr, als ein Gevatter oder Pathe, erbetten, deren ge - meiniglich 3. oder 4. ſind. Anderer Or - ten aber nur einer oder zwey, welche denn noch etliche Chriſtliche Perſonen zur Tau - fe mit in die Kirche erbitten laſſen; wie - wol ſolches nicht von allen und jeden will gebilliget werden. Die Gevatter-Brie - fe, welche manchmal in einer ziemlichen Anzahl ausgefertiget und an weite Orte verſchicket werden, fallen vielen klugen Perſonen verdaͤchtig, daß ſie nach dem honetten Bettel riechen: Wie jener Schulmeiſter erwaͤhnet, welcher geſagt: auf ſolche Art kaͤme man, mit leichter Muͤhe, zu dem ſchoͤnen ganzen G[o]l - de und Thalern.
Ein kluger Kinds-Vatter richtet hier - inn ſein Herz auf Gottesfuͤrchtige und er - bare Perſonen, die den allgemeinen Ruffund44und Ruhm eines tugendhafften Wan - dels haben. Alldieweil, wenn die El - tern ſterben ſolten, ſolche ihre Pathen zu GOttes Ehre erziehen muͤſſen; und ſie - het alſo nicht auf gute Compagnie - und Sauff-Bruͤder, die in Geſellſchafften her - nach, des ſchuldigen Reſpects, offtmal vergeſſen, auch manchmalen denen Ge - vattern ihre wenige Unkoſten vorruͤchen. Bedenckt alſo vorher reiflich, wo ihn ſein Herze und der Trieb ſeines Gemuͤthes hintraͤgt, ſo daß ers jenem Tagloͤhner nicht nachthut, welcher ſich bey Erbittung eines vornehmen Gevatters damit ent - ſchuldiget: es haͤtte ihn eben der Weg - hingetragen.
Es laͤſſet allerdings nicht wol und loͤb - lich, Kinder, die den Begriff ihres Chri - ſtenthums noch nicht inne haben, auch noch nicht bey dem Heil. Abendmahl ge - weſen, zu Gevattern zu erwaͤhlen. Und geſchiehet es gemeiniglich aus einem eit - len Abſehen, zumal bey vornehmen Leu - ten, daß derſelben Eltern dem Kinds - Vatter, n[e]bſt dem Kinde, deſto ehender helfen und foͤrdern ſolle. So iſt auch nichtkluͤg -45kluͤglich gehandelt, wenn ich auſſer Noth Gevattern von einer wiedrigen Religion waͤhle, da ich, unter meinen eigenen Glau - bens-Genoſſen, daran keinen Mangel, ſondern einen reichen Uberfluß habe.
Mancher Orthen ſezet es unter denen verſchiedenen Gevattern Streit, weſſen Nahmen das Kind am erſten bekommen und tragen ſolte. Der Orten aber, wo nur ein Gevatter erwaͤhlet wird, iſt der Streit nicht vonnoͤthen, und geſchiehet es manchmal aus Hoͤflichkeit, daß nach des Gevatters Nahmen auch das Kind des Vatters Nahmen darzu bekommt. Wo - durch den Zaͤnckereyen vorgebeuget wird, die ſich bey denen vielen Gevattern zu er - eignen pflegen.
Bloͤden Kinds-Vaͤttern, die ihre Kin - der ſelbſten gerne uͤber Tauffe hielten, nur daß ſie niemand anreden duͤrften, iſt nichts erwuͤnſchters, als wenn ſich Perſonen ſelbſt zu Gevatterſchafften anbieten, und dadurch ihren Ehrgeitz zu erkennen geben. Sie pflegen zwar zu ſagen: Das Heil. Werck bringe lauter Segen nach ſich:aber46aber wenn ſolche Leute manchmal in die Abnahm gerathen, zehlen ſie auch ihre vie - le Gevatterſchafften unter die uner - ſchwingliche Unkoſten, welche ihnen die Schwing-Federn genommen, und gleich - ſam ins Abnehmen gebracht haben: Ver - ſchweigen aber, daß ſie ſich zum oͤfftern ſelbſt angebotten, und mancher Gevatter - ſchafft haͤtten entuͤbriget ſeyn koͤnnen.
Wenn jemand einen Gevatter-Brief empfaͤngt, ſo muß er keinen Unwillen dar - uͤber vermercken laſſen, ſondern denſel - ben gerne annehmen, und fein bald eroͤf - nen, damit es das Anſehen habe, als ob ihm dieſe Ehre zur herzlichen Freude und Vergnuͤgen gereiche. Dem Uberbrin - ger deſſelben reichet er ein kleines Tranck - Gelde, und ſchicket ihn ſo dann mit freundlicher Begruͤßung, an ſeine Ge - vatter-Leute wieder zuruck. Wo aber dergleichen Erſuchung, oder Gevatter - Gewinnung muͤndlich geſchiehet, da ge[-]hen viele Exceſſen und Grobheiten fuͤr Mancher Kinds-Vatter laufft und ren[-]net eine Gaſſe wol zehenmal durch, ehe e[r]ſich das Herz nimmet, in das Haus zu ge[-]hen47hen, wohin ihn die Kind-Betterin, (viel - leicht aus gewiſſer Urſache?) gewieſen hat. Viele bringen ihre Bitte ſo ver - wirrt und laͤcherlich vor, daß man noth - wendig daruͤber ſcherzen, und des heiligen Abſehens faſt vergeſſen muß. Andere, ha - ben ihren Vortrag mit einem ganzen Re - giſter von Bibliſchen Spruͤchen angefuͤl - let, und halten ihre Gevattern ſo lange da - mit auf, daß ſie ungedultig daruͤber wer - den, und ihn ſchweigen heiſſen muͤſſen, weil ſie ſchon wiſſen, was er haben will, und daſſelbige mit wenig Worten haͤtte ſagen koͤnnen. Es gibt auch nicht weni - ge, welche bey dem Fruͤh - und Bewill - kommungs-Trunck, ſich ſo berauſchen, daß ſie den Weg nach Hauſe kaum mehr finden, und der Kindbetterin nicht genug ruͤhmen koͤnnen, was fuͤr Ehre ſie durch dieſe Gevatterſchafft eingeleget, und wie ſcharf man ihnen, auf Geſundheit der Mutter und des lieben Kindes, zugetrun - cken habe. Andere, welche ſich uͤber ſol - chen freundlichen Empfang nicht zu freu - en haben, beſchwehren ſich im Gegentheil, daß man ſie kaum uͤber der Achſel ange - blicket, und gefraget, wer er denn ſey? Wo -48Woher er dann Bekanntſchafft habe? Warum er nicht bey ſeines gleichen blei - be? Man haͤtte der Gevatterſchafften zu - viel, und erſt verwichene Woche wieder ſchoͤne Ding gethan. Dieſe machen zu Haus dann einen ſolchen Schrecken, daß man ſich auf die Ankunfft der Gevat - tere fuͤrchtet, und der Mutter fuͤr Angſt und Bangigkeit die Milch in den Bruͤ - ſten verſauren moͤchte. Solche bittere Gevattern beweiſen, durch dergleichen Zwang, dem lieben GOtt keinen Dienſt, ſondern ihr unwilliges Liebes-Werck iſt GOtt dem HErrn ein Greuel, den er ge - wiß zu ſeiner Zeit ſcharf ahnden und be - ſtraffen wird.
Wenn mehr, als ein Gevatter erweh - let wird, und ſelbige ſodann zuſammen kommen, koͤnnen ſie einander kuͤrzlich dar - uͤber folgender Geſtalt complimentiren:
Mein Herr (meine Jungfer) ich freue mich nicht wenig, daß vorheute die Ehre haben ſolle, in dero hochwerthen Geſell - ſchafft Gevatter zu ſtehen. Sie werden mit meiner Wenigkeit zu frieden ſeyn, undmich49mich fernerhin Dero guͤtigen Wolgewo - genheit wuͤrdigen.
Wann die Gevatter-Leute ankom - men, und hoͤflich empfangen werden, koͤn - nen ſie gegen die Kindbetterin und deren Mann, vermelden:
Liebe Frau Gevatterin (Herr Gevat - ter) Jch bin ihnen verbunden, daß ſie mich, bey ihrem von GOtt beſchehrten Ehe-Segen, vor andern zu einem ordent - lichen Tauf-Zeugen erſehen und erbetten haben. Jch werde mich alles Fleißes be - ſtreben, mich dieſes guten Vertrauens wuͤrdig zu machen, und es an der Liebe gegen meinen lieben Pathen, als des ge - neigten Willens gegen ſie, in keine Wege ermangeln laſſen. GOtt gebe nur ſeine beſtaͤndige Gnade zu ihrer langen Erhal - tung.
Wenn die Heil. Tauf vollbracht, koͤn - te der Gevatter obigen Worten noch hin - zufuͤgen; daß der liebe GOtt, dem lieben Kind mit dem Wachsthum der Jahre, auch die Gnade ſchencken und verleihen wolle, ſeines Tauf-Bundes ſich fleißigCzu50zu erinnern, und vor Suͤnden zu huͤten; damit es als ein Kind GOttes groß und gluͤckſelig koͤnne erzogen werden.
Nach vollbrachter Taufe, wird das gewoͤhnliche Tauf-Mahl angeſtellet, da denn nicht allein die Gevattern, ſondern auch andere Freunde und Pathen der uͤbrigen Kinder, eingeladen und mit zu Tiſch gezogen werden. Wenn ſelbige nun erſchienen, ſchencken ſie der Kind - betterin etwas auf das Bette, nebſt nach - folgenden Compliment.
Jch gratulire von Herzen zu den Jun - gen Erben, und dancke zugleich fuͤr Dero freundliche Einladung bey gegenwaͤrti - gen Tauf-Mahl, bitte auch, meine freye Ankunfft und Erſcheinung nicht uͤbel zu nehmen, der ich Jhnen zur geringen Er - kaͤnntlichkeit ein kleines Andencken bey - fuͤgen, und mich Dero fernern Wolge - wogenheit treulich empfehlen wollen.
Die Kindbetterin kan darauf ant - worten:
Jch erkenne mich verbunden, daß ſi[e]uns die Ehre goͤnnen, und ſich bey unſern angeſtellten ſchlechten Tauf-Mahl einfin - den wollen, woraus ich ihre aufrichtigLie -51Liebe und Freundſchafft mercke; und dan - cke zugleich fuͤr Dero herzlichen Wunſch, als das beygelegte Praͤſent, welches ich alſo mit Dero Erlaubnuͤs annehmen, und zu ihrem Andencken vor mein Kind ver - wahren werde, in Hoffnung, daß ſie mir ſolches nicht zur Unhoͤflichkeit deuten werden.
Nach geendigter Mahlzeit kan der Gevatter folgendes Abſchieds - Compliment gebrauchen:
Jch bin nunmehr hoͤchſtens verbunden, vor die mir erwieſene Ehre und aufge - wandte groſſe Unkoſten, welche in alle an - dere Wege wiederum zu erſetzen befliſſen ſeyn werde: wuͤnſche anbey vom Herzen, daß der liebe GOtt die Frau Gevatter nebſt meinem lieben Pathen, die ſechs Wochen durch, ſtaͤrcken, und derſelben auch einen geſunden und vergnuͤgten Vorgang verleihen wolle, damit ich Ge - legenheit haben moͤge, mich allezeit uͤber ihr ungekraͤncktes Wolſeyn herzlich zu er - freuen.
Antwort darauf:
Der Herr (Frau) Gevatter hat nichtC 2Ur -52Urſach, vor unſere geringe Aufwartung zu dancken, ſondern wir vielmehr zu bit - ten, mit dieſer ſchlechten Bewirthung vor lieb zu nehmen. Wie denn vor Dero geneigte Bewerckſtelligung der Heil. Handlung Jhnen nochmals ſchuldigen Danck erſtatten, und ihnen alles Vergnuͤ - gen von Grund des Herzens anwuͤnſchen, auch uns ſaͤmtlich deren fernern Geneigt - heit recommendiren wollen.
Wenn Frauen die Woͤchnerin in den Wochen beſuchen und einkehren, koͤnnen ſie folgende Formul ge - brauchen:
Madame, ſie werden mir erlauben, bey Jhnen einzuſprechen und meinen Beſuch abzuſtatten, um mich dabey zu erkundi - gen, wie ſie ſich nebſt ihrem kleinen Soͤhn - lein (Toͤchterlein) befinden. Wuͤnſche, daß der liebe GOtt ſie ſaͤmtlich in Gna - den erhalten, und ihnen ins beſondere die verlohrne Kraͤfften wieder reichlich erſe - zen wolle.
Antwort der Sechswoͤchnerin.
Jch erkenne mich verbunden, fuͤr ihre Guͤte, mich in meinem ſtillen Zimmerheim -53heimzuſuchen und durch deren Zuſpruch die Zeit zu verkuͤrzen. Wie mir Dero werthe Gegenwart jedesmal ſehr lieb und angenehm geweſen, ſo verſichere, daß mich ſelbige dermalen gedoppelt erfreuet. Weswegen ſolche auch in keine Vergeſ - ſenheit ſtellen, ſondern bey erreignender Gelegenheit gefliſſenſt er wiedern werde.
Wann Dienſt-Boten ſich des Zuſtan - des einer Kindbetterin erkundigen muͤſſen, koͤnnten ſie ſich folgender Worte gebrauchen:
Jch habe die Ehr an Herrn N. und Frau N. von meiner Herrſchafft eine freundliche Begruͤßung zu vermelden, und zugleich anzufragen, wie ſich die Frau Sechswoͤchnerin mit dem lieben Kleinen befindet, mit herzlichen Wunſch, daß al - les erfreuliche Wolergehen bey denenſel - ben continuiren moͤge.
Antwort.
Vermeldet eurem Herrn und Frau, nebſt freundlichen Gegengruß, auch mei - nen ergebenſten Danck vor Dero guͤtige Sorge und Nachfrage. Wie wir nun ſaͤmtlich GOtt fuͤr ſeine reiche Gnade undC 3Erhal -54Erhaltung zu dancken haben, ſo wuͤnſchen auch wir denenſelben alles Vergnuͤgen und gedeihliche Wohlergehen von Her - zen an.
Wenn die Kindbetterin aus den Sechs-Wochen in die Kirche gehet, kan ihr Mann ſolcher geſtalt Gluͤck wuͤnſchen:
Jch gratulire meinem Schatz von Her - zen zu dem froͤlichen Vorgang. Sie er - bitte uͤber ſich, und ihr liebes Kind, in der Kirche, GOttes reichen Segen, wel - chen ich hiemit auch treulich anwuͤnſche, und euere gluͤckliche Zuruck-Kunfft mit Freuden erwarte.
Desgleichen koͤnte auch jemand an - ders derſelben folgendes Compli - ment machen:
Jch gratulire zu dem froͤlichen Kirch - gang und in die friſche Lufft, wuͤnſche daß ſolche ihnen und dem lieben Kind zur Ge - ſundheit dienen, und ſie beederſeits der Hoͤchſte in beſtaͤndiger Gnade erhalten moͤge.
Wenn55Wenn aber das Kind bereits in denen 6. Wochen verſtorben, muͤſte das Compliment ohnmaßgeblich ſo eingerichtet ſeyn:
Jch gratulire zu ihrem gluͤcklichen Vorgang, wolte zwar wuͤnſchen, daß ſelbiger durch ihres ſeligen Kindes Leben froͤlicher geſchehen koͤnnte; jedoch weil es der Hoͤchſte ſo gefuͤget, und ſie dagegen gnaͤdig erhalten; ſo wuͤnſche ihnen, daß ſie derſelbe mit Geſundheit und allem Vergnuͤgen ſegnen, und des Kindes ab - gekuͤrzte Jahre ihrer Lebens-Zeit reich - lich zuſetzen wolle.
DJe Anwerbungs-Complimenten geſchehen theils bey groſſen und vornehmen Patronen, wenn man bey denenſelben um Dienſte und Be - foͤrderung, oder andere Gnade und Wol - that anhaͤlt; da man nach uͤberreichterC 4Sup -56Supplique, dann und wann bey ihnen die unterthaͤnige Auſwartung wieder ma - chet, und ſich bey ihnen durch wiederhohl - te Bitte in gnaͤdige Erinnerung ſetzet. Theils aber geſchehen ſolche vor denen eh - lichen Verloͤbniſſen, wenn eine Manns - Perſon ſeine bißher gefuͤhrte ledige Le - bens-Art veraͤndern, und ſich in ehlichen Stand begeben will, da ſelbiger entweder ſelbſt oder ein anderer in ſeinem Nahmen, um die vorhin auserſehene Braut ordent - lich anwirbet. Wobey dann ebenfalls wiederum vieles zu erinnern vorkommt, welches man theils zu beobachten, theils aber abzuſtellen und ſich wol vorzuſehen hat.
Die Anwerbung muß mit Klugheit und Beſcheidenheit geſchehen, daß man nicht zu viel von ſeinem Stand und groſ - ſen Mitteln prahle: weil gemeiniglich ein hinckender Bote nachzukommen, und aus dergleichen Beruͤckungen boͤſe Ehen zu entſtehen pflegen: Wie jener eine wol - bemittelte Jungfrau in ſeine Heimat be - logen, unter theuerſter Verſicherung, daß er 3. Haͤuſer habe, ſelbiger hernach aber drey geflochtene Vogel-Haͤuſer auf denTiſch57Tiſch geſtellet, und den Vorwurff ſeines Betrugs biß an ſein Ende hoͤren muͤſſen. Die Warheit dringet bey dieſem Stuck am beſten durch, und hat ſchon manchen Vortheil ausgewuͤrcket, da Vatter und Mutter, als auch die Braut ſelbſt geſe - hen, daß das Herz und Gemuͤthe ihres Freyers mit Warheit und teutſcher Red - lichkeit erfuͤllet geweſen.
Bey Leibe ſoll kein Anwerber eine all - zugroſſe Bloͤdigkeit an ſich mercken und ſpuͤhren laſſen: indem man dadurch gleich verhaßt werden und durch den Korb fallen kan. Ein beherzter Freyer weichet auch auf den erſten Repuls und Abſchlag nicht gaͤnzlich zuruͤcke, ſondern ſchicket daruͤber noch mehrere gute Freunde an, die was nuͤtzliches vor ihm reden koͤnnen. Er ſoll beherzter ſeyn, als jener Junggeſell, wel - eher ſagte, er wolte gerne heurathen, wenn ihn nur eine ſchoͤne Jungfer ſelbſt anre - dete, und ſeiner Bloͤdigkeit bevor kaͤme.
Vor allem ſoll ein Freyer des Gebets fleißig pflegen und abwarten: Denn wie GOtt um alle Ding gebetten ſeyn will;C 5ſo58ſo erheiſchet er ſolches auch bey dieſem wichtigen Vorhaben; damit ihm der Hoͤchſte eine vernuͤnfftige Eh-Frau be - ſchehren moͤge, mit welcher er in Lieb und Leid, biß an ſein Ende, leben und ſter - ben koͤnne. Ehe er aber zur Anwerbung ſchreiten will, ſoll er der Perſon, welche er heyrathen will, ihre Neigung, natuͤrliche Eigenſchafften und Tugenden erforſchen, ſo er durch Perſonen erfahren kan, welche mit ſeiner Geliebten nahe verwandt, oder ſonſt oͤffters mit derſelben umgegangen ſind: Denn es iſt gar ein langer Kauff um das Heyrathen, und eine uͤbel erwaͤhlte Mariage verurſacht ein immerwaͤhren - des Seufzen und Wehklagen; ja, man hat leider Exempel, daß manche ehrliche Maͤnner daruͤber gar in Deſperation und Verzweiflung gefallen. Jedoch hat er auch die Klugheit dabey zu gebrauchen, daß er nicht alles von den Leuten annehme und glaube: Denn wie ein jeder Menſch gure und boͤſe Leute hat, von denen er theils gelobet, theils geſchaͤndet wird; ſo wird es einer ehrlichen Jungfrau, zu ſol - cher Zeit, auch nicht an Laͤſter-Maͤulern und Verleumdern fehlen, welche ihr dasGluͤck59Gluͤck mißgoͤnnen, und ſie daran hindern wollen.
Reinlichkeit und fleißige Haus-Arbeit iſt bey Verheurathung am allermeiſten zu ſuchen: Denn wer nach Reichthum heu - rathet, der waͤhlet ſich einen Dornſtrauch, an welchem ihn mancher Vorwurff em - pfindlich in die Hand ſticht. Zumal, wenn er, um des Gelds willen, ein Auge zuge - than, und entweder die Heßlichkeit des Angeſichts, oder einen andern Haupt - Fehler, uͤberſehen muͤſſen. Solche Frauen begehren nicht Hand anzulegen, ſondern laſſen ihr Geld arbeiten, und ſehen auch ſchlecht auf das Haus-Weſen, wenn ſie gleich mercken, daß es damit nothwen - dig zu Grunde gehen muͤſſe. Sie beſor - gen keine Reinlichkeit, ſondern laſſen alles im Staube und Moraſt ſincken und mo - dern, welches man beſonders in ihren Haͤuſern an den Fenſtern ſiehet, welche ſo dicke mit Staub und Koth bewachſen, daß man kaum die Nacht-Waͤchter da - durch hoͤren kan.
Nach Schoͤnheit heurathen, iſt zwarC 6die60die allergemeinſte Art des maͤnnlichen Geſchlechtes: und es iſt auch das Frauen - zimmer begieriger, nach ſchoͤnen als heßli - chen Angeſichtern. Jedoch leget ſolche dabey gemeiniglich den Kummer in das Gemuͤthe, es doͤrften auch andere Belie - ben zu dieſer Schoͤnheit tragen, welche ſie fuͤr ſich allein gewaͤhlet; und der un - ſchuldigſte Blick kan zu einer herzfreſſen - den Eiferſucht unvermuthet eine Gele - genheit geben, welche ſich mercklich ver - groͤſſert, wenn man ſehen muß, daß die Auffuͤhrung der ſchoͤnen Weiber eben ſo verdaͤchtig beſchaffen, daß ſie den gefaß - ten Argwohn und billigen Eifer ſelbſt be - ſtaͤrcken muͤſſen. Mancher heurathet nach Schoͤnheit, iſt auch ſo gluͤcklich, daß er mit derſelben auch den Fleiß und Embſig - keit verknuͤpfft gefunden; allein es man - gelt dem guten Menſchen der gute Ver - ſtand / die tumme Einfalt leuchtet aus allen Worten und Wercken hervor; greifft alles verkehrt und hinter ſich an; iſt vergeſſen, daß ſie nicht mehr weiß, was was man beſtellt oder verborgt, iſt alſo ganz blind und unbeſonnen, und verdirbt in einem Tage mehr, als der fleißige Manndie61die ganze Woche erwirbet und fuͤr ſich bringet, wodurch denn in kurzer Zeit manches ſchoͤnes Haus-Weſen verder - ben und zu Grunde gehen muͤſſen.
Ungleiches Alter bringet im Heura - then auch ſchlechtes Vergnuͤgen. Ein alter Greiß will ſich an einem jungen fri - ſchen Maͤgdlein und ihrer Hitze nicht al - lein waͤrmen, ſondern er hoffet auch, noch einen Leibes-Erben mit derſelben zu er - zeugen, wann nur die Krafft darzu in de - nen Apothecken zu bekommen waͤre. Jn - zwiſchen muß er ſich vieler Brillen-Glaͤ - ſer gebrauchen, um auf alle Blicke, Tritt und Schritt ſeines jungen Weibgens zu ſehen, und nicht in eine allzugroſſe Schwaͤgerſchafft zu gerathen. Wenn aber alte Muͤtterlein mit ihrem Geld und Guͤtern ſich junge Bettwaͤrmer kauffen, werden ſie ſich ſchlecht recommandiren, wenn ſie ihren jungen Maͤnnern, mit dem kalten Schnabel, immer um die Goſche fahren und lecken wollen.
Die Tugend iſt der allerbeſte und groͤ - ſte Schatz bey dem Heurathen. Ein tu -C 7gend -62gendhafftes Frauenzimmer uͤbertrifft, mit ihrem Glanz, alle andere dieſem ſchoͤ - nen Geſchlechte ſonſt beywohnende Voll - kommenheiten. Und derjenige iſt ſehr gluͤckſelig zu preiſen, dem der Hoͤchſte ein tugendhafftes Weib goͤnnet und beſcheh - ret. Die Tugend begreifft alles in ſich, was nur nuͤtzliches und vortheilhafftes bey Ehleuten genennet werden mag. Da - gegen hat man aber offtmalen zu klagen, daß ſich theils Jungfern, ſeit der Heu - raths-Zeit, ſo fromm und tugendlich an - geſtellet, daß man ihnen alles gutes zuge - trauet: So bald ſie aber in den Stand der Ehe getretten, haben ſie das Fell um - gewandt, und ſich ſo zornig, geil und un - keuſch, vernaſcht und verſchwenderiſch aufgefuͤhrt, daß ſie den Maͤnnern ſo aͤr - gerlich worden, daß ſie ſich der Schlaͤge gebrauchen, und ſolche Veraͤnderung wieder vertreiben muͤſſen. Anderer Um - ſtaͤnde hierbey zu geſchweigen.
Ein kluger Freyer gebraucht ſich gar kluͤglich der Beſcheidenheit. Er bringt ſeinen Vortrag und Anwerbung mit Manier und hoͤflichen Geberden vor, undſiehet63ſiehet ſich wohl fuͤr, bey Leibe nicht her - aus zu brechen, daß er nebſt der Braut auch ein anſehnliches Heurath-Gut ſuche. Derjenige thut wol, der ſich fleißig an die Mutter machet, und ſich um derſelben Beyſtand embſig bemuͤhet. Denn dieſe koͤnnen bey denen Toͤchtern und ihren Maͤnnern das beſte thun und ausrichten; zumal wann ſich der Freyer nichts in die Haͤnde brennen, ſondern ein ſchoͤnes Praͤſent, nach dem andern, an ſie erge - hen laͤſſet; angeſehen man durch Ge - ſchencke und ſchmeichlende Aufwartung von dieſem Geſchlecht alles erhalten kan.
Es iſt nicht allezeit gut jemand zu einer gewiſſen Frauens-Perſon zu rathen, die - weil manchmal ſolcherley Ehen umſchla - gen, und man ſodann nichts anders, als Teuffels Danck verdienet. Noch mehr haben aber diß zu befuͤrchten diejenige, welche in eines andern Nahmen die An - werbung gethan, wie mir, als dem Ver - faſſer, dergleichen einmal ſelbſt begegnet, da eine Ehe wie unter Hunden und Ka - tzen erfolget, und die Frau mit den Beu - len, blauen Flecken, blutigen und ausge -riſſenen64riſſenen Haare, mir etlichmal zu Hauſe gelauffen, und entſetzlich geſchmaͤhet, als wenn ich ſie an einen ſolchen boͤſen Mann und Moͤrders-Dieb gekuppelt und ver - bunden haͤtte: Da ſie doch vorhin einan - der laͤnger als Jahr und Tag gekennet, und die Neigungen gegen einander haͤt - ten unterſuchen und pruͤfen ſollen, ob ſie wol oder uͤbel zuſammen taugen, und ich die Braut vorhero, Zeit meines Lebens, mit keinem Auge geſehen, noch weniger aber geſprochen habe.
Jn dieſem Stuck iſt nicht beſſer, als wenn zwey verliebte Perſonen, ihre Nei - gungen gegen einander ſelbſt zu erkennen geben, und einige Zeit einander erkennen lernen: Es mag hernach die Ehe nun wol oder uͤbel anſchlagen, ſo doͤrfen ſie doch niemand fluchen, und die Schuld ihres Elendes zumeſſen, als ihnen-ſelbſt. Denn es pfleget gemeiniglich im Ver - ſprechen das Prahlen auf der rechten Seite zu gehen, da eines das andere mit leeren Worten betruͤget, und bey Letze nichts als Schulden und Partiten her - aus kommen, welche ſolche Leute, nochbey65bey ihren jungen Jahren, an den Bettel - Stab bringen, oder ſie gar auf andere boͤſe Dinge verleiten, daß ſie manchmal einen andern Gang gehen und eines ſchmaͤhlichen Todes ſterben muͤſſen. Tu - gendhaffte Gemuͤther aber, die bey der edlen Warheit bleiben, werden in ihrem redlichen Abſehen, lauter Segen von GOtt ſpuͤhren, und bey ihrer getroffenen Ehe gluͤcklich leben und fortkommen, ſo lange ſie der unermuͤdeten Guͤte und Fuͤr - ſorge GOttes trauen.
Die Anwerbungs-Complimenten ſol - len kurz, deutlich und nicht mit hohen Worten geziert und ausgeſchmuͤcket ſeyn, weil ſie nach der Schulfuͤchſerey ſchme - cken, und denen Leuten verdruͤßlich fallen. Der ganze Jnhalt der Anwerbung iſt, daß der Freywerber, nach abgelegter Be - gruͤßung, denen Eltern vermeldet: Er ſey von dieſem oder jenem abgeſchi - cket, ihnen zu entdecken, wie derſel - bige eine ehrliche Liebe und Hochach - tung gegen Jhre Jungfer Tochter trage: und weil ihn ſeine Geſchaͤffte dahin trieben, den ehlichen Stand zuer -66ergreiffen, ſo ſey er von ihme befehli - get, in ſeinem Nahmen um ihre Jung - fer Tochter gezi mend anzuſuchen, in der guten Hoffnung / daß Sie darein genebmigen, und ihm keine abſchlaͤg - liche Reſolution und Antwort erthei - len werden.
Weilen nun dergleichen Anwerbungen gegen Vatter und Mutter ganz geheim geſchehen; braucht man ſelten foͤrmliche Orationen und Anreden; ſondern fragt nur, nach einigen gewechſelten Diſcurſen: ob die Jungfer Tochter nicht zugegen, und ob ſie noch nicht willens, ihren ledigen Stand zu veraͤndern? indem man eine anſtaͤndige Perſon fuͤr ſelbige wuͤſte. So dann wird ſich bald das Noͤthige von ſelb - ſten ergeben, daß man mit ſeiner Anwer - bung loßbrechen, und ſeinen vorgeſezten Zweck erreichen kan. Zu beſſerer der Sa - chen Erlaͤuterung aber wollen wir einige Formuln der Anwerbungen hier bey - fuͤgen.
Anwerbung eines Freywerb[e]rs an Vatter und Mutter.
Hochwertheſte! Jch habe die EhreJhnen67Jhnen kuͤrzlich zu vermelden, daß der Er - bare N. N. Burger und Bierbraͤuer all - hier, ſich im Nahmen GOttes entſchloſ - ſen, in den Stand der Heil. Ehe zu tret - ten: und wie er bereits gegen Sie, als De - ren ganz hochwerthes Hauſe, eine lange Zeit her ſonderbahre Neigung und Hoch - achtung getragen, und nichts mehrers ge - wuͤnſchet, als durch das Band einer naͤ - hern Freundſchafft mit ihnen genauer ver - einiget zu werden: ſo hat Er ſich, nach vorhero fleißig gepflogenem andaͤchtigen Gebet, dero aͤlteſte Jungfer Tochter, als die Erbar und Ehren-Tugend-belobte Jungfer N. N. zu ſeinem kuͤnfftigen Ehe - Gemahl wohlbedaͤchtlich auserſehen, und mich befehliget, um dieſelbe, bey Jhnen, gebuͤhrliche Anſuchung zu thun, nicht zweiflend, daß bey meinem ehrlich - und billigmaͤßigen Begehren mit einer geneh - migen Antwort werde erfreuet werden. Jch verſichere aus ſeinen eigenen Wor - ten, daß er ſolche Liebe und Gunſt Lebens - lang mit allem Kindlichen Reſpect erken - nen, Dero Jungfer auch eine ſolche lieb - reiche und getreue Beywohnung erwei - ſen und leiſten werde, daß es ihnen aller -ſeits68ſeits zur Freude und unbeſchreiblichen Wolgefallen gereichen ſoll. Jn welcher guten Hoffnung ich auch meines wenigen Orts mich deren guͤtigen Wolgewogen - heit demuͤthig empfehle.
Anwerbung des Freywerbers an die Jungfer Braut ſelbſt
Erbare und Ehren-Tugend-belobte Jungfer!
Sie wollen mir hochgeneigſt erlauben, daß mir die Freyheit nehme, Jhnen dermalen beſchwehrlich zu fallen, es hat mich deswegen angegangen und erſucht der N. N. Buͤrger und Bierbraͤuer all - hier, welcher auf ihre annehmliche Per - ſon und tugendlichen Wandel eine beſon - dere Reflexion und Hochachtung geworf - fen, ſo, da er mit GOtt entſchloſſen, ſich zu verehlichen, er dißfalls einzig und allein wuͤnſchet, das Gluͤck zu haben, Sie als ſeine kuͤnfftige Ehliebſte zu kuͤſſen und zu verehren. Da es hierinn nun lediglich auf ihre hochgeneigte Entſchlieſſung an - kommt, dieſen guten Freund gluͤcklich zu machen; als hat er mich befehliget, in ſeinem Nahmen, bey Jhnen um dasjeni - ge troͤſtliche Ja-Wort gebuͤhrend anzu -ſuchen,69ſuchen, welches ſelbſt zu begehren, Jhm die Bloͤdigkeit nicht erlaubt noch zugelaſ - ſen. Jch trage die gute Hoffnung, Sie werden dieſe unftrafbare Neigung nicht mißbilligen, ſondern mit ihrer unſchaͤtz - barn Gegen-Gunſt belohnen, und mich mit ihrem erfreulichen Ja-Wort zuruͤcke ſenden. Welches meinen Principal un - beſchreiblich erfreuen, und zu unverruck - ter Treue und bruͤnſtiger Liebe gegen Sie entzuͤnden wird. Jch aber werde, fuͤr ihre hochgeneigte Reſolution Zeit Lebens zu allen Danck und gefaͤlligen Dienſten, mich bereitwilligſt finden laſſen.
Antwort des Vatters auf dem Vor - trag des Freywerbers.
Wertheſter Freund!
Jhre beſondere Hochachtung, welche Sie zu unſerm Haus tragen, verbindet uns zu allem ſchuldigen Danck; erkennen uns zugleich verpflichtet, daß ſie ſolche Muͤhwaltung wegen unſerer Tochter uͤber ſich genommen, und fuͤr den Herrn N. N. um ſelbige bey uns angeſuchet. Da uns nun die guten Qualitaͤten dieſes gu - ten Freundes ſchon lange und zur Genuͤge bekannt, ſo ſolten wir Jhnen hierauf einever -70vergnuͤgliche Antwort billigſt ertheilen. Weilen aber die Ehe-Sachen ſehr wich - tig, und ohne Beyrath guter getreuer Freunde nicht wohl zu ſchlieſſen ſind, wir auch uͤber diß ſelbſt vorher uns deswegen mit unſerer Tochter beſprechen muͤſſen; ſo werden Sie uns einige Tage zur Be - denck-Zeit goͤnnen, binnen welchen wir die Sache verabreden, und ſodann nicht ermangeln wollen, Jhnen unſere gefaßte Reſolution zu eroͤfnen. Bitte inzwiſchen wolermeldeten Herrn N. N. unſerer un - veraͤnderten Hochachtung zu verſichern, uns aber ſaͤmtlich befehlen wir ihrer fer - nern Wolgewogenheit.
Antwort der Jungfer auf die beſche - hene Anwerbung.
Mein Herr! Jch ſolte faſt waͤhnen, daß ſie durch deren gethanen Vortrag mit mir zu ſcherzen belieben, da ich mir nicht vorſtellen kan, wie Herr N. N. et - was annehmliches an mir gefunden, und mich deswegen zu ſeiner kuͤnfftigen Ehe-Liebſten ſolte auserſehen haben; Al - lein, da ich ihres redlichen Gemuͤthes ver - ſichert bin, ſo nehme ich ſolches immittel[ſ]an, und dancke gegen die mich tragendNe -71Neigung und Gewogenheit. Sie wer - den aber wol begreiffen, daß ein Frauen - zimmer, welche unter der Gewalt ihrer Eltern ſtehet, bey ſolchen Antraͤgen, ihre voͤllige Reſolution nicht ſo gleich von ſich geben kan; ſondern vorhero die Einwilli - gung derſelben ſuchen und beſorgen muß, als deren Willen und Befehl ich mich in allen Stuͤcken gedorſamſt unterwerffe. So werden Sie mir erlauben, dißfalls einige Bedenck-Zeit zu nehmen, nach de - ren Verflieſſung Sie die Entſchlieſſung entweder von meinen lieben Eltern ſelbſt, oder durch einen andern vertrauten Freund vernehmen ſollen.
Weilen aber nicht alle Anwerbungen mit dergleichen guͤnſtigen Beantwortun - gen angenommen, ſondern viele mit einem Repuls zuruck geſchicket werden. Jndem manche Eltern theils erhebliche, theils unerhebliche Urſachen vorbringen, war - um ſie ihre Toͤchter noch nicht von ſich laſ - ſen und verheurathen koͤnnen: So ſollen hernach auch einige Formuln der Ab - ſchlaͤglichen Antwort folgen, und wie ſich ein Freywerber darbey bezeigen und auf -fuͤhren72fuͤhren ſolle. Waͤren aber der Jungfer Eltern bereits verſtorben, und felbige unter der Aufſicht eines Vormundes oder Curators, und der Braͤutigam wolte bey ſelbigem ſeinen Liebes-Vortrag ſelbſten thun; ſo koͤnte er folgender Geſtalt ein - gerichtet werden.
Anwerbung des Braͤutigams an der Braut Vormund.
Hochgeehrter Herr!
Sie erlauben mir Jhnen kuͤrzlich zu vermelden, was maſſen mein dermaliger Zuſtand mich treibet, in meinem Haus - Weſen eine vernuͤnfftige Gehuͤlfin zu ſu - chen und in den Stand der Heil. Ehe zu tretten; ſo habe, nach vorher gepflogenen andaͤchtigen Gebet und reifer Uberle - gung, zu denen annehmlichen Qualitaͤten und tugendlicher Conduite der Jungfer N. N. als Dero Curandin eine ſonderliche Liebe und Neigung verſpuͤhret, ſo, daß mich recht gluͤcklich ſchaͤtzen wuͤrde, ſolche als meine liebſte Braut heimzufuͤhren. Weswegen ich mich auch erkuͤhnet, ge - genwaͤrtig bey Jhnen als deren Herrn Vormund (oder Curator) um ſelbigege -73geziemende Anſuchung zu thun, und um Jhre hochgeneigte Einwilligung zu bit - ten, wie nicht weniger Dero alles be - ſtes darbey wuͤrckende guͤtige Vorſprache zu ſuchen, mein billiges Geſuch und Bit - ten zu befoͤrdern. Jch werde ſolche Ge - neigtheit Zeit Lebens mit ſchuldigen Danck erkennen, und mich gegen Jung - fer N. N. dergeſtalt verhalten, wie es einem vernuͤnfftigen und getreuen Ehe - gatten zuſtehet, in welcher Abſicht ich mich auch einer troͤſtlichen Gewaͤhrung ver - ſichere, und mich Dero hochwertheſten Wolgewogenheit beſtens empfehle.
Beantwortung des Vormunds auf obige Anwerbung: Wertheſter Herr und Freund!
Jch gratulire von aufrichtigen Herzen zu Jhrer ruͤhmlichen Reſolution und Veraͤnderung, unter guter Hoffnung, daß ſolche von dem Hoͤchſten mit erſprieß - lichen Segen werde becroͤnet werden. Daß ſie aber dabey ihre Affection auf meine Curandin geworffen, ſchaͤtze mir fuͤr eine deſto groͤſſere Ehre, weil ich verſichert bin, daß ſie ihr beſtes Gluͤ - cke mit Jhnen treffen wird. Sie addresſi -Dren74ren ſich alſo nur ſelbſt an dieſe, weil ſie von mir hierinnen keinen Befehl, ſon - dern nur einen guten Rath anzunehmen ſchuldig iſt. Solte ich aber darinnen, oder auch anderſeits, zu ihrem Vergnuͤ - gen etwas beytragen koͤnnen, ſo werde zu ihren angenehmen Dienſten keines weges ermangeln.
Solte die Braut ſelbſten zur Hand ſeyn, und von dem Vormund geruf - fen werden, koͤnte der Braͤutigam bey ſelbiger die Anwerbung ſelbſt, und zwar folgender Geſtalt, anbringen:
Schoͤnſte Jungfer!
Jch weiß die Farbe meines Geſichts verraͤth mein Herze, welches zu bloͤde iſt, ihnen etwas zu entdecken, welches daſſelbe bißhero ſchon lange empfindlich geruͤhret. Alleine ihre angebohrne Leut - ſeligkeit und Sanfftmuth ruͤhren mich noch mehr, mit dem verborgenen Fun - cken hervorzubrechen. Jch habe mich nemlich im Nahmen des Hoͤchſten ent - ſchloſſen, meinen bißherigen freyen und ledigen Stand zu veraͤndern, und eineehliche75ehliche Gehuͤlfin zu ſuchen. Wann nun gegen Dero annehmliche und tugend - haffte Perſon eine geraume Zeit hero ei - ne beſondere Hochachtung getragen, ſo werden ſie nicht wundern, daß ſich ſol - che endlich und dermalen in eine unta - delhaffte Liebe verwandelt, welche keines hoͤhern Gluͤcks, als ihrer unſchaͤtzbaren Gegen-Liebe verlanget gewuͤrdiget zu werden. Sie verbannen demnach alle Kaltſinnigkeit und erfreuen mein ſchuͤch - ternes Herze mit ihrem troͤſtlichen Ja; ſo werde Zeit Lebens meine getreue Lie - be, mit einer ganz ausnehmenden Ehr - furcht und Veneration vergeſellſchafften.
Das Frauenzimmer kan ſolche An - werbung alſo beantworten.
Mein Herr!
Jch weiß nicht, ob ſie mit mir ſcher - zen, oder mit dieſen Worten mir eine wahrhaffte Aufrichtigkeit ihres Herzens vorſtellen wollen: Denn da ich von mir verſichert bin, daß mich die Natur eben mit keiner ſolchen Anmuth beſchencket, welche jemand zur bruͤnſtigen Liebe ge - gen mich entzuͤnden koͤnte; ſo will ich je - doch hierinnen ihrem aufrichtigen Her -D 2zen76zen mehr trauen, und ihren abgelegten Liebes-Antrag als bekannt annehmen. Mein Ja-Wort werden ſie mir noch ſo lange borgen, biß ich mit meinem Herrn Vormund und andern nahen Verwand - ten, daruͤber zu Rath gegangen, und ihre Genehmigung erhalten habe. Hat GOtt und das Gluͤk nun unſere Verbindung be - ſchloſſen, ſo werde ich keine ſtraͤfliche Reni - tenz darinn beweiſen, ſondern durch mei - ne Gegen-Gunſt ihr Vergnuͤgen befrie - digen. Sie bemuͤhen ſich demnach kuͤnf - tigen Montag die gefaßte Reſolution bey meinem Herrn Vormund abzuholen, und erhalten mich dieſe Zeit biß dorthin, in Dero fernerweiten Wolgewogenheit.
Wenn der Freywerber, eine vergnuͤg - te R[e]ſolution und Antwort erhalten, kan er dem Braͤutigam ſolche fol - gender Geſtalt hinterbringen.
Mein Herr!
Jhr Befehl und meine Verrichtung ſind von einem gluͤcklichen Geſtirn be - leuchtet und zu erwuͤnſchter Krafft ge - bracht worden. Sie koͤnnen ſich nun - mehr verſichert halten, daß ſie die Jung -fer77fer N. N. als ihren angenehmen Schatz kuͤſſen und beſitzen ſollen. Wuͤnſche da - bey von Herzen, daß dieſe ehliche Ver - bindung, durch undenckliche Jahre, von dem Hoͤchſten mit allem Segen und er - ſprießlichen Gedeyhen moͤge gecroͤnet werden. So Sie bey anderer Gele - genheit mich tuͤchtig finden ſolten; Jh - nen angenehme Dienſte zu erweiſen; ſo ſtehet meine Dienſtfertigkeit allezeit in Bereitſchafft, ihre Befehle zu vollziehen.
Wann der Braͤutigam ſeine Schwie - ger-Eltern das Erſtemal beſuchet, kan er folgendes Compliment gegen Sie ablegen:
Liebwertheſte Schwieger-Eltern! Sie entſchuldigen die Freyheit, die letzlich be - gangen, welche aber jedoch ihren er - wuͤnſchten Zweck erreichet. Jch dancke nochmal fuͤr ihre geneigte Entſchlieſſung, und verſichere anbey, daß zu keiner Zeit ermangeln werde, allen Kindlichen Re - ſpect nnd Ehrerbietung gegen ſelbige zu tragen; wie ich mich dagegen Jhrer hoch - geneigten Liebe und Gewogenheit, als einD 3gehor -78gehorſamer Sohn, demuͤthig will em - pfohlen haben.
Die Schwieger-Eltern koͤnnen daſ - ſelbe folgender geſtalt beant - wotten:
Geliebteſter Tochter-Mann! Er darf ſeinen untadelhafften Liebes-Trieb keine Freyheit nennen, und ſolchen zu entſchul - digen ſuchen. Weil derſelbe von dem Himmel beguͤnſtiget worden, haben wir es uns fuͤr ein Gluͤcke geachtet, daß ſie ein Auge auf unſer Haus werffen, und ſich eine Braut daraus erwehlen wollen. Der Hoͤchſte ſegne dieſe angefangene Verbin - dung in Zeit und Ewigkeit, und goͤnne uns das Vergnuͤgen, viele Segens - Fruͤchte von euch zu ſehen und zu kuͤſſen. Wie wir dabey ebenfalls verſichern, uns ihnen beeden, wit Huͤlf und Liebe zu kei - ner Zeit zu entziehen.
Es pfleget ſich aber nicht ſelten zu bege - ben, daß manche Freywerber fuͤr ihre Herren Principalen, in ihrem Anbringen und Geſuch, mit einer langen Naſen abziehen muͤſſen, und koͤnte mancher eine ganze Kammer mit denen Koͤrben erfuͤl - len, welche er vom erbarn Frauenzimmer erhalten, die manchmal zum voraus wiſ - ſen, was fuͤr eine ſchoͤne Lebens-Art dieſe Gern-Hochzeiter gefuͤhret, und wie viel heimliche Zeugen ihrer verbottenen Liebe ſie unter denen Findlingen in den Way - ſen-Haͤuſern herum lauffen haben. Sind ſie aber Wittwer, ſind die Repulſe in groͤſſerer Quantitaͤt zu beſorgen: Denn da ſcheuet man gemeiniglich die vielen Kinder, deren Hauffen ſich um ein merck - liches vergroͤſſern koͤnte, wenn man nur 5. biß 6. Jahr hauſete. Man ſcheuet die verhaltene viele Schulden, welche nicht eher ausbrechen, als biß einige Tage nach der Hochzeit, da denn die Liebe den Betrug entſchuldigen und die bemittelte Schwieger in einen ſauren Apfel beiſſen muß. Oder man erfaͤhret noch bey Zeiten, wie ſchlecht und faſtD 4bar -80barbariſch ſie ihren erſten Weibern be - gegnet, daß ſie denſelben niemalen ein gutes Wort gegeben, ſie Hunger und Kummer leiden, und in ihrem Elend ſeufzen und ſchmachten laſſen; ja wann ſie daruͤber geklaget, ſie in ihren Noͤthen dergeſtalt mit der Karbatſche getroͤſtet und charmiret, daß ihnen die gruͤne, braune und blaue Flecken, auf dem Rucken, wie die Sterne am Himmel, geſtanden, und manche gute Troͤpfin ſolche gar mit unter die Erden nehmen muͤſſen. Da pfleget man vor dem ze - hendſten Wittwer das Creutz zu machen, und wann man in ihrem Nahmen, eine Anwerbung thut, ſo weiß man ſo vieler - ley Ausfluͤchte zu finden, welche dem Freywerber den Abſchlag ſo klar und deutlich vor Augen ſtellen, als wenn man ſelbigen mit den bunteſten Farben entworffen und abgeſchildert haͤtte.
Weil nun der Freyer - und ihrer Wer - ber Anwerbungen bereits in verſchiede - nen Exempeln angefuͤhret worden: ſo wollen wir nun etliche Formuln derje - nigen einſchalten, wenn der Freywerbereine81eine abſchlaͤgige Antwort, oder, ſo zu reden, einen Korb, bekommt, welche gemeiniglich mit ſcheinbaren Gruͤnden und Entſchuldigungen geſchmuͤckt zu ſeyn pflegen.
Antwort des Vatters, wenn er dem Freyer ſeine Tochter nicht ge - ben will:
Lieber Herr und guter Freund!
Jch dancke demſelben fuͤr die gute Nei - gung und Gewogenheit, ſo ſie zu meinem Kind, und meinem ganzen Hauſe, tra - gen, und ſolche auch ſo aufrichtig entdecket haben. So gerne ich nun wuͤnſche, Jhnen in ihrem Geſuch eine angenehme Reſolution zu ertheilen; ſo ſehr bedaure ich ihre genommene Bemuͤhung: Denn meine Tochter iſt eines theils zum ver - nuͤnfftigen Eh-Leben noch zu jung, und beſitzet die darzu erforderliche Erfahren - heit noch nicht; andern theils brauche ich ſelbige noch einige Jahre zu meiner eigenen Haußhaltung, damit ſie der Zeit etwas mehrers lernen und begreiffen moͤ - ge, welches alſo ihnen offenherzig anzei - gen wollen, unter Verſicherung, daß von ihrer geſchehenen Werbung nichtD 5das82das Mindeſte offenbahret und bekandt werden ſolle, damit ihnen nichts zum Tort und Beſchimpfung gereichen moͤge. Bin ich aber faͤhig anderwaͤrts ihnen einen gefaͤlligen Dienſt zu erweiſen, ſo doͤrfen ſie ihr Verlangen gegen mich nur mercken laſſen, ſo werde mit allem Ver - gnuͤgen erweiſen, daß eine ſonderbahre Hochachtung gegen Dero wertheſte Per - ſon trage. Jch bin anbey verſichert, daß GOtt anderwaͤrts vor ſie getreulich ſor - gen, und ſie mit einer ſchoͤnen und tu - gendhafften Perſon berathen wird.
Antwort des Vatters auf die Anſu - chung eines Freywerbers.
Mein Herr! Jch bedauere, daß Jh - nen auf ihren beſcheidenen Vortrag kei - ne gewaͤhrige Reſolution und Antwort geben noch ertheilen kan: Denn es noͤ - thigen mich verſchiedene Umſtaͤnde, in dieſe Werbung nicht zu geheelen; weil mein Kind ziemlich ſchwach, und alſo nicht geſchickt ſey, einer ſo groſſen und ſchwehren Haushaltung gebuͤhrlich fuͤr - zuſtehen. Zudem iſt ſolche bißhero auf dem Land in lauter Einfalt erzogen, und nie zum praͤchtigen Stadt-Leben gewoͤh - net worden, dahero ſie ſchlechten Staat machen, und wol vielen Leuten zum Ge - laͤchter werden duͤrfte, und zu dem bin ich von meiner Tochter verſichert, daß ſie von dem Land-Leben Zeit ihres Le - bens, nicht tretten und weichen wird. Der Herr wird dieſe wichtige Entſchul - digung nicht mißbilligen, ſondern ſolche ſelbſt vernuͤnfftig erkennen. Jch wuͤn -D 6ſche84ſche indeſſen, daß der Hoͤchſte ander - waͤrts ihren Herrn Principal mit einer anſtaͤndigeren Parthie beſorgen, und ih - re genommene Bemuͤhung nicht frucht - loß laſſen wolle; Der ich mich zu allen andern angenehmen Dienſten bereitwil - ligſt erklaͤre, und mich derſelben beharr - lichen Wolgewogenheit freundlichſt em - pfehle.
Der Freywerber kan auf die abſchlaͤg - liche Antwort folgendes Compli - ment machen:
Mein Herr! Jch bin Jhnen verbun - den, daß ſie mich bey meinem Geſuch nicht lange, durch leere Promeſſen, auf - ziehen, ſondern mir rund aus ihre herz - liche Meinung eroͤfnen wollen. Jch tra - ge den geringſten Zweifel nicht, daß GOtt democh vor Herrn N. N. ſorgen und dem - ſelben eine anſtaͤndige Liebſte beſcheren werde. Sie behalten nur das Vorge - gangene bey ſich in Geheim: Denn wo das wenigſte davon ſolte unter die Leute kommen, muͤßte es bloß von Jhnen her - ruͤhren, welches der Herr N. N. ſehr em - pfindlich aufnehmen wuͤrde. Jch habehie -85hiemit die Ehre mich in Dero fernern Wolgewogenheit zu empfehlen.
Dem Gern-Braͤutigam koͤnte der Freywerb er ſeinen Korb folgen - der geſtalt uͤberbringen:
Mein Herr! Jch bedaure, daß ihre mir aufgetragene Heuraths-Geſchaͤfften nicht nach Wunſch und Verlangen ver - richten, und ſie mit einer genehmigen Antwort troͤſten koͤnnen; indem die El - tern ihres erſehenen Ehe-Schatzes, ver - ſchiedener Urſachen willen, Bedencken getragen, ſich mit ihrem Begehren zu conformiren. Doch faſſen Sie ſich hier - innen, und haben die gute Hoffnung, daß Jhnen von dem Hoͤchſten vielleicht ein groͤſſeres Gluͤck aufgehoben ſeye, wel - ches ſie weit mehr erfreuen doͤrfte; Wo - zu ich von Herzen allen erſprießlichen Fortgang wuͤnſche, und meine fernere Dienſte zu deren geneigten Befehlen wil - ligſt ſacrificire.
Der ungluͤckliche Braͤutigam koͤnte alſo antworten:
Wertheſter Herr und Freund! Jch dancke vor ihren geneigten Willen und angewendete viele Bemuͤhungen. UndD 7ob86ob ſie zwar in dieſem Geſchaͤffte nicht voll - koͤmmlich durchgedrungen, ſo bin ich ſchon verſichert, daß ſolches, ihrer ſeits, kei - nesweges aus einiger Saumſeligkeit, ſondern vielmehr, aus ſonderbahrem Schickſal des Himmels, alſo geſchehen, welcher bereits in andere Wege vor mich ſorget, und meiner Wenigkeit eine vor - theilhafftere Parthie vorbehalten hat. Jch erkenne mich ſchuldig, ihre Bemuͤh - ung durch alle angenehme Gegen-Dien - ſte zu erwiedern, wie ich mich dann hie - mit, zu Dero fernern Gewogenheit und getreuen Freundſchafft, angelegentlichſt empfehle.
MAnn die Anwerbungen, Ver - ſprechungen, und Verloͤbniſ - ſe, nach Wunſch und Begeh - ren, ihren gluͤcklichen Fortgang erlan - get; ſo folget darauf die Prieſterliche Trauung und das ſo genannte Hochzeit -Mahl,87Mahl, welches der beeden Verlobten groͤſter Ehren-Tag genennet wird. Die - ſe ſtellen nun kluge Braut-Leute, mit Bey-Rath ihrer Eltern, oder naͤchſten Verwandten, zu einer bequemen Zeit an, welche entweder im Fruͤhling, oder im Herbſt, einzufallen pfleget; weil man, zu ſolchen Zeiten, einen gnugſamen Vor - rath, an den ſchoͤnſten Blumen, wie auch an denen niedlichen Speiſen, findet, und die geladene Hochzeit-Gaͤſte nach Stand und Wuͤrde, zu ergoͤtzen, ſich auch ſelbſt dadurch eine Ehre zuzuziehen, be - ſonders wenn ſelbige in einen geraͤum - lichen Gaſt-Hof verleget wird, woſelbſt man ſchoͤne Zimmer hat, und die Gaͤſte insgeſamt ſich auch mit einem angeneh - men Proſpect vergnuͤgen koͤnnen.
Bey Hochzeiten hat man inſonderheit auch auf der anweſenden Gaͤſte ihr Ge - ſinde fleißig acht zu geben, daß man de - nenſelben, am Eſſen und Trincken, nichts abgehen laſſe; ſintemal ſelbige unter vie - le Leute kommen, und entweder mit allen Ehren, oder wiedrigenfalls, auch ſchimpf - lich von der Braut-Leute ihrer bezeigtenCal -88Calmaͤuſerey reden. Welches inſon - derheit bey denen[M]uſicanten oder Spiel - Leuten zu beobachten, we[l]che die Braut - Leute erbaͤrmlich ausrichten und herum trommeln koͤnnen, wenn man ſelbige nicht rechtſchaffen mit Speiſe, Bier und Wein verſiehet: Denn ſie haben manchmal ei - nen groſſen Anhang und Nachlauff von ihren Weibern und Kindern, die ſich mehr dabey begraſen, und ſich ſo ſtarck anſauffen, daß ihnen der Gropf und Binzger zerſpringen moͤchte, und ſich nicht ſchaͤmen, vom Anfang biß zum En - de dabey zu bleiben; ſo, daß ſich die an - dern Cameraden, mit Recht und Bil - ligkeit, beſchwehren, und ihren Ver - druß daruͤber mercken laſſen muͤſſen, weil ihnen gemeiniglich ihre Gebuͤhr darun - ter abgehet.
So ſchoͤn es lautet, wenn bey Hoch - zeiten alles nach Ordnung und ſattſamer Genuͤge zugehet; ſo ſoll man ſich doch wol vorſehen, daß man niemand zum Trincken mit Gewalt forcire und zwin - ge, es ſey ſolches gleich im Wein, oder aber im Bier, welches lezere Getraͤnckeman -89mancher Orten gar wolfeil im Preiß, und alſo deſto weniger geachtet und geſcho - net wird: Denn wer kein groſſer Lieb - haber vom Trincken iſt, der wird ſich durch dergleichen Zwang an ſeiner Ge - ſundheit ſehr ſchaden, und viele Zeit her - nach, mit Schmerzen, an ſolche Hoch - zeiten gedencken. Hingegen darf es de - nen verſoffenen Wein-Schlaͤuchen, an ihrem beliebten Reben-Safft, auch nicht fehlen, weil ſie ſich viele Wochen be - reits auf eine Hochzeit freuen, und ſich auf ſelbiger einen ſchoͤnen rothen Kamm ſauffen, daß ſie mit deren Milch-Baͤur - innen ihren gefegten Milch-Kruͤgen in die Wette glaͤnzen. Uberhaupts aber ſtehet doch dem Braͤutigam oder dem Ehren-Vatter wol an, wenn ſie manch - mal die Gaͤſte zum Trincken freundlich anmahnen, damit der Wein in denen Glaͤſern nicht warm werde; zumal wenn man ſie verſichern kan, daß der Wein von ſo guter Art ſey, welcher ihnen an ihrer Geſundheit keine Hindernuͤs noch Schaden bringen wuͤrde; welches man - chen Gaſt zum Beſcheid auf eine und an - dere Geſundheit veranlaſſen kan.
Theils90Theils Orten iſt der Gebrauch, daß der Braͤutigam aufwarten, und die Gaͤ - ſie bedienen muß. Welches zweyfels - ohne demſelben ziemlich kirret, und in - niglich zu ſchmerzen pfleget; zumal wenn er ſich ſo verliebt ſtellet, daß ſeine Au - gen ſcheinen auf der Braut ihren Bu - ſen angehefftet zu ſeyn. Wiewol es auch nicht ohne, daß ſich ſelber daruͤber bil - lig zu beſchwehren hat, weil es doch gleich - wol ſein Ehren-Tag, an welchem man ihn bedienen, und der uͤbel-anſtehenden Aufwartung, hin und herlauffens, ein - ſchenckens und dergleichen Billen uͤber - heben ſolte: indem man Leute genug hat, welche um die Gebuͤhr, dieſe Be - muͤhung gerne uͤber ſich nehmen, weil ſie dabey den Kragen nach Wunſch und Begehren waſchen und anfuͤllen koͤnnen.
Die Einladung geſchiehet auf zweyer - ley Weiſe, ſchrifftlich, an Entfernte, durch die ſo genannten Hochzeit-Briefe; und dann muͤndlich, durch die gewoͤhn - liche Hochzeit-Lader: Die Hochzeit - Briefe werden gemeiniglich durchSchul -91Schulmeiſter oder andere Schreiberey - Verſtaͤndige geſchrieben, indem ſich ver - ſtaͤndige Leute um dergleichen Arbeit nicht viel reiſen, weilen die meiſte fuͤr einen Hochzeit-Brief nicht mehr als einen Ba - tzen oder fuͤnff Kreutzer zahlen wollen. Bey der muͤndlichen Einladung pfleget das Braut-Paar, nebſt der Braut El - tern denen naͤchſten Freunden und Ver - wandten, wie auch denen vornehmſten Jnwohnern des Orts, Obrigkeitlichen und geiſtlichen Perſonen, Amt-Leuten und dergleichen, ſelbſt mit ihrer Auf - wartung zu beehren, und perſoͤnlich ih - re Einladung zu wiederhohlen; wiewohl es beſſer iſt, wenn man vornehmere Per - ſonen, ſchrifftlich einlaͤdet, unerachtet ſie ſich eben an dem Ort, befinden, weilen ſie eine beſondere Hochachtung daraus ſchlieſſen und abnehmen.
Die Eingeladene pflegen ſich vor die Einladung zu bedancken, und entweder ihre Erſcheinung entweder zu verſichern, oder wiedrigen falls ſich deswegen zu ent - ſchuldigen, doch aber aus Hoͤflichkeit ein Hochzeit-Geſchencke zugleich zu uͤberſen -den.92den. Die aber perſoͤnlich erſcheinen, und eine warhaffte Klugheit bezeugen wollen, vermeiden auf alle Weis und Wege die Strittigkeiten wegen des Rangs und Oben-Anſitzens. Solche ehrgeitzige Leute kan man nicht beſſer befriedigen, als wann man ſie an einer Tafel einander gegen uͤber ſetzet, da denn ein jeder mei - net, er habe die Ehre vor dem andern. Hoͤfliche Leute, ſetzen ſich gerne etwas un - ten an, damit ſie alle Beneidung vermei - den moͤgen, welche ſonſt auf ſie koͤnte ge - worffen werden. Doch muß man vor allem das Frauenzimmer in acht nehmen, und ſelbige im Rang beehren: weil es ihnen ſchon angebohren: inzwiſchen darf man ſelbiges gleichwol nicht enge ein - ſchlieſſen, weil die meiſten, des guten Trancks wegen, oͤffters aufſtehen, und zur Erleichterung ihrer eingeſchluckten Hitze, einen Abtritt und Kuͤhlung ſuchen muͤſſen.
An ſolchen hochzeitlichen Ehren-Taͤ - gen pfleget man an theils Orten einen Vorſchneider zu erwehlen; anderer Or - ten aber verrichten ſolches Amt die be -ſtell -93ſtellten Aufwaͤrter: Wiewol man auch denen Herren Geiſtlichen oder Schul - Dienern oͤfters dieſe Ehre auftraͤget. Welche dann vieles in acht zu nehmen haben, damit ſie nichts wider die Hoͤf - lichkeit begehen und von denen Anwe - ſenden durchgehechelt werden. Jns be - ſondere ſoll ſich ein Vorſchneider huͤten, daß er nicht die groͤſten und beſten Stuͤ - cke vor ſich ſelbſt liegen laſſe, nichts ver - ſchuͤtte oder von der Gabel in die Schuͤſ - ſel, oder wol gar vom Tiſch herab fallen laſſe, keine Glaͤſer umſtoſſe und der Neben - ſitzenden Kleider bemackele; die Finger nicht mehr als die Gabel gebrauche, wel - ches denen meiſten Gaͤſten eckelhafft vor - kommen wuͤrde.
Die Hochzeit-Gaͤſte haben ſich auch bey dergleichen ſolennen Mahlzeiten wol fuͤrzuſehen, daß ſie nicht wider die Hoͤf - lichkeit handeln, damit ſie nicht belacht werden. So wird ein hoͤflicher Menſch im Eſſen nicht ſo begierig ſeyn, die Schuͤſ - ſeln mit den Fingern ausſtreichen und die Teller ablecken, ja ſonſt ſich dabey ſtellen, als wenn er etliche Tage den Ma -gen94gen zuſamm geſchnuͤret und darauf ge - faſtet haͤtte. Viele eſſen aber faſt gar nichts, ſondern ſammlen die Stuͤcken der aufgetragenen Gerichten alle auf ei - nen Hauffen, und binden ſolche endlich in groſſe ungeheure Buͤndel, womit ſie auf ihrem Teller prangen, und fuͤr den - ſelben faſt nicht mehr uͤber die Tafel ſe - hen koͤnnen: Bey denen blitzet der Geitz durch die Finger, daß ſie ihr Geld nicht vergebens ausgeben, ſondern Sich und die Jhrigen, die ganze Woche durch von dem kalten Eſſen naͤhren und erhalten wollen.
Ein hoͤflicher Menſch, wenn er bey Hochzeiten im Trunck mehr, und uͤber ſeine Gewohnheit, gethan, wird ſeinen Weg bald nach Hauſe nehmen, und ſich nicht durch mehrers Trincken, oder viel - mehr Sauffen, ſo beſchwehren und uͤber - laden, daß ers, wie ein Hund, muͤſſe wieder von ſich geben: Da hingegen viele dabey ſitzen und ſchwitzen, daß ih - nen die Tropfen uͤber die Stirn in die Glaͤſer rinnen, ſchreyen und ſ. v. ſpeyen, daß ſie jederman zur Laſt und Beſchwehr -lich -95lichkeit werden. Bey dieſem lezern Schand-Laſter ſchaͤmen ſie ſich nicht, ſondern ſind froh, daß ſie den angebruͤh - ten Magen geleeret, und alſo wieder friſch aufdammen koͤnnen. Da waͤhrets denn biß in die ſpaͤte ſinckende Nacht hin - ein, daß ſie denen Braut-Leuten, dem Wirth und andern, welche ihre Ruhe wuͤnſchen, hoͤchſt-verdrießlich fallen, wie auch denen inwohnenden Nachbarn, nicht anders vorkommen, als wie die Nacht - Raben, die ſich bey Tage ſchaͤmen, nach Hauſe zu gehen, damit ihre Truucken - heit nicht jedermann kund und offenbar werde.
Haben ſich die Braut-Leute gegen die Muſicanten oder Spiel-Leute raiſonable zu bezeigen; ſo ſtehet ſolches nicht min - der auch den Hochzeit-Gaͤſten an: Denn ſolcher geſtalt werden ſie beherzt zum Auf - ſpielen, und doͤrfen nicht ſo offt auf der hohen Quint das Geld her! Geld her! kniſtern, noch ſich vor der Zeit mit ih - ren Jnſtrumenten aus dem Staube ma - chen, wie manche gethan, wenn ſie das Geld gezehlet, und gemercket, daß esnicht96nicht viel ausgeworffen habe. Ein glei - ches muß man auch bey dem Koch oder Koͤchin, und denen Aufwaͤrtern in acht nehmen, denen es wiedrigen falls am Durchziehen nicht fehlet, da ſelbige man - chen ehrlichen Mann als einen Knicker und Calmaͤuſer uͤber die Zungen ſpringen laſſen. Jedoch darf man auch nicht zu freygebiſch damit ſeyn, denn andere wuͤr - den ſolches anſehen, als muͤßten ſie es eben auch ſo nachmachen, und alſo ih - ren Beutel ohne Noth, nur durch die Einlagen und Trinck-Gelder leeren. Wie jener Metzger-Purſche gethan, der de - nen Spiel-Leuten faſt alle Reihen einen halben Gulden eingeleget, welches die andern nachgethan, und ſich nicht haben wollen ſchimpffen laſſen. Er hat aber allezeit ſeinen halben Gulden heimlich wieder bekommen, hat alſo dadurch ſei - nem Beutel, wie auch denen Spielleuten einen angenehmen Gefallen und Dienſt gethan.
Wann das Hochzeit-Mahl vorbey, ſo gehet es gemeiniglich zum Tanz, wel - ches ſonſten der jungen Leute groͤſteLuſt97Luſt und Ergoͤtzlichkeit zu ſeyn pfleget: je - doch pfleget der Wein auch betagtere Perſonen zu ermuntern, daß ſie nach dem Klang der Spiel-Jnſtrumenten mit denen Fuͤſſen unter dem Tiſch klappern, wie die Polacken mit ihren Stiefelgen. Dem Braut-Paar muß man hierinnen die Ehre laſſen, weil ſie die Haupt-Per - ſonen der ganzen Geſellſchafft an ihrem hochzeitlichen Ehren-Tag ſind. Sind vornehme Perſonen zugegen, ſo darf man ſelbigen auch nicht vortretten, denn ſolches waͤre wider den ihnen ſchuldigen Reſpect, und verrieth des andern Unver - ſtand; dabey hat man auch noch vieles zu beobachten, daß man nicht immerhin auf dem Tanz-Boden bleibe, als wenn man mit Vogel-Leim dahin geklebet wor - den. So ſoll man auch nicht mit einem Frauenzimmer die ganze Zeit uͤber alleine tanzen, welches derſelben beſchwehrlich, andern aber aͤrgerlich fiel. Man ſoll auch daſſelbige in denen teutſchen und polni - ſchen Taͤnzen nicht ſo hart ſchwencken und gleichſam an andere werffen: Denn wenn eine Jungfer etwan mit vier Fuͤſſen tanzete, koͤnte es leicht geſche -Ehen,98hen, daß ihr, vor ſtarcker Bewegung und Erſchuͤtterung, zwey kleine Fuͤſſe vor die Fuͤſſe fielen, und bey der ganzen Ge - ſellſchafft eine groſſe Beſtuͤrzung ent - ſtuͤnde.
Wenn die Kurzweil des Tanzens mit Einbruch der ſpaten Nacht ſich auch ge - endet, und man dem Frauenzimmer des - wegen das gebuͤhrende Compliment ge - macht; ſo begleitet ein hoͤflicher Menſch ein erbares Frauenzimmer entweder ſelbſt nach Hauſe; oder wenn ſie ſol - ches nicht annehmen ſolte, iſt er doch be - dacht, derſelben mit einer annehmlichen Nacht-Muſic aufzuwarten, um ihren ſanfften Schlummer, auf die gehabte Bemuͤhung, deſto vergnuͤgter zu machen.
Nach Abhandlung dieſer vorgaͤngi - gen Puncten, iſt es noͤthig, die Com - plimenten ſelbſt durchzugehen; Dieſelbe geſchehen nun durch die ſo genañten Hoch - zeit-Lader oder Hochzeit-Bitter, welche ſchon ihre alte Weid-Spruͤchlein ha - ben, ſo daß die Alten die Junge ange - nommene darinnen lehren und abrichten,und99und ſich alſo an andere angewieſene ma - nierliche Formularen wenig oder gar nichts kehren, noch vielweniger binden werden.
Einladung eines Hochzeit-Laders ge - gen einen Hochzeit-Gaſt: Nach vorgaͤngiger Begruͤßung:
Jch habe den Herrn zur hochzeitlichen Froͤlichkeit einzuladen: Beede Verlobte ſind der Erbare N. N. Burgers und Fleiſchers ehlich erzeugter Sohn; der hat ſich in ein Chriſtl. Ehe-Verloͤbnis ein - gelaſſen mit der gleichfalls Erbarn und Tugendſamen Jungfer N. N. des Er - barn und Weiſen Herrn N. N. Gericht - Schoͤpfens und Bierbraͤuers, ſel. hin - terlaſſener Jungfer Tochter: Die bee - den Herrn Ehren-Vaͤtter ſind der Erbar und Kunſtreiche N. N. beruͤhmter Gold - und Silber-Arbeiter, nebſt dem Erbarn N. N. Burger und Gaft-Wirth zum rothen Loͤwen; Der hochzeitliche Ehren - Tag iſt den N. des Monats N. veſt ge - ſtellet, und nach der Prieſterlichen Co - pulation iſt die Mahlzeit im Wirths - Haus zum guldnen Adler, auf die Per - ſon 52. Kreutzer und weilen die beed. E 2Ver -100Verlobte als auch die beeden Ehren - Vaͤtter den Herrn vor andern, bey an - geſtellter Froͤlichkeit ihres hochzeitlichen Ehren-Tages ſehen und wuͤnſchen, ſo bin befehliget, inſtaͤndigſt bey ſelbigem um einen Gaſt anzuhalten, und dißfalls keine Entſchuldigung anzunehmen.
Gemeine Antwort des Eingeladenen.
Jch dancke vom Herzen vor die guͤtige Einladung, die er an meine Wenigkeit, im Nahmen der hochwerthen Verlobten und der Herren Ehren-Vaͤtter, able - gen wollen. Wie nun die Ehre habe den HErrn Braͤutigam ſchon lange zu kennen, und ſeine Freundſchafft zu ruͤh - men, bin ich demſelben mehr als dieſe kleine Gefaͤlligkeit ſchuldig. Derowe - gen werde nicht ermangeln, ſo wohl bey derſelben Trauung, als nachfolgenden Hochzeit-Mahl, mich einzufinden, und mich nebſt andern anweſenden Gaͤſten uͤber dieſe vollzogene Ehe froͤlich zu er - zeigen. Dem Herrn aber dancke vor ſei - ne gehabte Bemuͤhung, wogegen ich demſelben wiederum zu angenehmen Dienſten verſpreche.
Ent -101Entſchuldigte ſich der Geladene, daß er unmoͤglich erſcheinen koͤnte; ſo koͤnte er ſtatt des Verſprechens nur ſagen: Er bedaure nur, daß er ſeiner vielen und wichtigen Geſchaͤffte halber ſolcher Ehre nicht theilhafftig werden koͤnne. Er wuͤn - ſche jedoch zu dieſem Ehlichen Verbind - nuͤs allen gedeyhlich - und erfreulichen Segen GOttes, und bitte gegen die hochwerthe Verlobte ſeine Dienftfreund - liche Begruͤßung zu vermeldten: ſtatte auch zugleich dem Hochzeit-Bitter ſeinen Danck ab, vor die gehabte Bemuͤhung.
Wer ſich entſchuldigen will, mag wol zuſehen, daß er ſolche Urſachen darzu vorwende, daß ſie einen Schein der pu - ren Unmoͤglichkeit haben: Dergleichen ſind wichtige Amts-Verrichtungen, ho - he Trauer, und unumgaͤngliche Reiſen, wie auch gefaͤhrliche Kranckheiten der Seinigen, welche keinen froͤlichen Ge - dancken erlauben, wenn ſie uns zumal nahe ans Herz gehen; oder auch end - lich mit ſeiner eigenen Unpaͤßlichkeit. Jener entſchuldigte ſich aufs beſte mitE 3der102der Frauen nahen Geburts-Zeit; als er aber derſelben vermeldete, wie er zur Hochzeit geladen worden, und ſie der Luſt kam, ſolcher beyzuwohnen, muſte er und ſie miteinander dabey erſcheinen, und wurd alſo aus der wichtigen Ent - ſchuldigung ein Gelaͤchter.
Einladung an einen Brautfuͤhrer.
Hochgeehrter Herr! Demſelben habe im Nahmen des Herrn N. N. nebſt deſſen verlobten Braut, Jungfer N. N. zu hin - terbringen, die Ehre, wie ſie mit GOtt entſchloſſen, kuͤnfftigen Montag ihr ge - troffenes Ehe-Verloͤbnuͤs durch Prie - ſterliche Copulation und Einſegnung zu vollziehen; zu welchem Ehren - und Kirch - gang auch Sie aufs freundlichſte von beeden Verlobten gewunſchen, ein - geladen, und inſonderheit von der Jung - ſer Braut erſucht und erbetten werden, Selbige in die Kirche zu fuͤhren. Sie werden dieſe Ehre ſich nicht allein zu beſondern Vergnuͤgen, ſondern auch zu groſſen Danck, und Bezeugung vie - ler angenehmen Gegen-Dienſten gerei - chen laſſen. Wie ich mich denn auchmei -103meines wenigen Orts dero beſtaͤndigen Gewogenheit beſtens empfehle.
Weilen nun gemeiniglich die Naͤch - ſten Freunde der Braut dazu erwaͤhlet und geladen werden; ſo hat man nicht leichtlich eine abſchlaͤgliche Antwort dar - auf zu gewarten; weil ſichs dergleichen Perſonen fuͤr eine ſonderbare Ehre ſchaͤ - zen, die Jungfer Braut mit ihren ge - puzten Degen, (oder wie die Bauern - Kerls, mit ihren breit n Huniſchen Saͤbeln) zur Kirche und Straſſe zu fuͤh - ren. Und alſo koͤnte ein ſolcher Braut - fuͤhrer auf die beſchehene Einladung der - geſtalt antworten:
Mein Herr! Jch bin verbunden f[ür]die Ehre, welche mir das hochwertheſie Braut-Paar durch die freundliche Ein - ladung zu ihrem hochzeitlichen Ehren - Tag, erweiſen laſſen. Noch mehr Ver - gnuͤgen ſchoͤpfe ich aber, daß ſie mich gar ſo viel wuͤrdigen wollen, die Jungfer Braut zur Kirche zu fuͤhren, weil ich daraus ihre beſondere Gewogenheit ge - gen meine wenige Perſon erkenne und abnehme. Und da ich alſo zu dieſer Eh - re um ſo viel begieriger, ſo werde nichtE 4erman -104ermangeln, durch goͤttliches Fuͤgen, mich ſchuldigſt einzufinden, und die aufgetra - gene Wuͤrde ruͤhmlichſt zu bekleiden. Jn - zwiſchen bitte an das hochwerthe Braut - Paar meinen ergebenſten Reſpect, und ſchuldigen Danck, zu vermelden, welchen Lezern ich auch ſo gleich, vor des Herrn gehabte Bemuͤhung abgeſtattet haben will.
Hat der Braͤutigam beſonders gute und vertrauliche Freunde, ſo koͤn - te er ſelbige perſoͤnlich alſo ſelbſt laden:
Mein Herr Bruder! Derſelbe wird den Entſchluß meiner Veraͤnderung und meine bereits getroffene Verloͤbnuͤs ver - nommen haben, zu deren Vollziehung wir den kuͤnfftigen Dienſtag geliebtes GOtt ausgeſetzet. Weil nun jederzeit bey demſelben eine aufrichtige Liebe und Freundſchafft gegen mich verſpuͤhret, ſo habe auch die ungezweifelte Hoffnung, es wird derſelbe, an meinem Ehren-Tag, durch deſſen angenehme Gegenwart, mich ſo viel vergnuͤgt - und gluͤcklicher machen; jemehr ich wuͤnſche, daß das veſte Bandunſe -105unſerer unverruͤckten Liebe und Freund - ſchafft dadurch jederman vor Augen ge - legt werde, und ich dagegen, zu deſſen angenehmen Gegen-Dienſten, all moͤg - lichſten Fleiß und Bemuͤhung anzuwen - den ſuche.
Beantwortung deſſelben.
Gluͤcklicher Herr Bruder! Deſſen Vergnuͤgen hat mich allezeit ſo ſehr, als mein eigenes, erfreuet; und da ich, bey Erforderung, mein Blut und Leben fuͤr ſelbigen gelaſſen haͤtte; warum ſolte ich nicht das Vergnuͤgen nehmen, mich bey deſſen hochzeitlichen Ehren-Mahl froͤlich zu erzeigen? Jch wuͤnſche von Herzen, daß dieſe gluͤckliche Verbindung, von dem Hoͤchſten, viele Jahre hindurch, mit reichem Segen moͤge becroͤnet und ge - ſchmuͤcket werden, und die kuͤnfftige le - bendige Zeugen ihrer reinen Liebe bewei - ſen, daß mein Wunſch und ihre Bitte nicht vergeblich geweſen.
Wenn die Jungfer dem Braͤutigam die Braut-Waͤſche bringet, kan ſie ſich folgender Worte be - dienen:
Hochwerther Herr Hochzeiter! (oder Herr Braͤutigam!) Jch