DJe Gerechtigkeit der goͤttlichen Gerichte und Ver - haͤngniſſe wider diejenigen, ſo das herrliche Kleinod des freyen Willens auf eine gottloſe und ſchaͤndliche Art mißbrauchen, leuchtet aus ſo unzehlichen und taͤgnchen Beyſpielen der Welt hervor, daß wohl kein Menſch ſich daruͤber einen Zweifel machen, und Niemand ſeyn, der nicht erken - nen wird, daß der groſſe GOtt ſo, wie in allen ſeinen Eigenſchafften, hoͤchſt vollenkommen, alſo auch in ſeinen Gerichten hoͤchſt gerecht ſey, und doch dabey nichts anders als das beſte ſeiner armen und durch die Suͤnde oder den Mißbrauch des freyen Willens gantz verderbten Geſchoͤpfe ſuche.
Zu Beſtaͤrckung dieſes Grundſatzes giebt uns in unſern heuti - gen Tagen in dieſer Stadt Magdeburg ein betruͤbtes Beyſpiel ab, ein lediges Frauens-Menſch nahmens Dorothea Louiſa Hoͤltznerin, ihres Alters ohngefehr 25. bis 26. Jahr, welche in Berlin von einem Vater, ſo Evangeliſcher und einer Mutter, ſo Catholiſcher Religion, beyde aber geringen Standes, gebohren worden, und ob ſie wohl nach Evangeliſcher Art getauffet worden, ſo iſt ſie doch nachher nach Roͤ - miſch Catholiſcher Art zum heil. Abendmahl gegangen, nachdem ihr Vater ſo wohl Mutter als Kind verlaſſen und davon gegangen, auch itzo Uebelthaten halber an auswertigen Orten zur Inquisition gezo - gen ſeyn ſoll.
DieDie Mutter hat ſich darauf mit dieſer ihrer Tochter alhier nach Magdeburg her begeben, ſich mit Hand-Arbeit ernehret, und die Tochter bey guten Leuten hieſelbſt vermielhet, welche aber wegen ih - rer ſchlechten Erziehung allerley Bosheit, Liederlichkeit und Untreu an ihr vermercket, daher als ſie einſtens einen Thaler Geld an einen gewiſſen Ort von ihrer Herrſchafft aufgenommen und ſolchen unter - ſchlagen wollen, daruͤber aber zur Rede geſtellet, und mit dem Zucht - hauſe gedrohet worden, hat ſie in einen Keller, wo ſie bey einen Brau - en Bier he[l]ffen ſollen, ſich hinter das Bier Lager geſetzet, dem Band aus der Muͤtzen gezogen, ſich ſolchen um den Hals feſt zu geſchleiffet, und faſt erdroſſelt gehabt, wo nicht noch Leute dazu gekommen, und als ſie das aͤngſtliche Stoͤhnen gehoͤret, ſie hervor gezogen, und den Band vom Halſe mit Gewalt loßgeriſſen, woraus GOttes wunder - bahre Barmhertzigkeit, um dieſes arme Menſch nicht ſo in Suͤnden ſterben zu laſſen, beſonders zu erſehen iſt. Doch ſie hat ſich hiedurch noch nicht zum Guten ziehen laſſen wollen, ſondern hat nachher ſich ferner liederlich und diebiſch aufgefuͤhret, und iſt deshalb auf eine kur - tze Zeit ins Zuchthauß gebracht, aber dennoch nach ihrer Loslaſſung das liederliche Huren Leben fortgeſetzet, woruͤber in einen gewiſſen Hauſe eine Schlaͤgerey entſtanden, daher ſie auf hohen Obrigkeitli - chen Befehl a. 1737. abermahl ins hieſiege Zuchlhaus gebracht, und daſelbſt auf anderthalb Jahr zur Arbeit und allen Guten angehalten worden, endlich 1738. unter Verſprechung der Beſſerung wieder los - gelaſſen worden. Allein auch die ſo gerechte und zu ihren beſten ge - meinte Zuͤchtigung war noch nicht hinlaͤnglich, das rohe wilde Gemuͤ - the zu zaͤhmen, weshalb ſie kurtz nachher in eben dem Jahre ſo wohl liederlichen Lebens als auch Dieberey Verdachts halber in Gericht - liche Verhafft von neuen gerathen, und zwar nebſt noch einen Weibs - Menſchen, nahmens Hauptin gegen welcher ſie in dieſer ihren Ver - hafft ſich ſchon verlauten laſſen, daß wenn ſie wieder auf das Zucht - haus kommen ſolte, ſie eine verzweiffelte That thun wuͤrde, und da ſie nun kurtz nach Michaelis 1738. auf das Zuchthauß auch wuͤrcklich nebſt der Hauptin gebracht worden, hat ſie den boͤſen Vorſatz gefaſ - ſet, durch eine Mordthat ſich aus demſelben zu befreyen, zu dem Ende des Zuchtmeiſters Sohn umzubringen in Willens gehabt, und derHau -Hauptin ein in ihren Haupt-Haaren unter der Muͤtze verborgenes altes Meſſer vorgewieſen, mit den Worten: Damit werde ich wohl nicht viel ausrichten, da ihr dann die Hauptin ein anderes ſchaͤrfferes Meſſer heimlich zugeſtecket, und ihr verſprochen, ſie in ih - ren Tode nicht zu verlaſſen, auch ihr ein Sterb-Hemde zu ſchencken.
Des Sonntags vorher, ehe die Hoͤltznerin die Mordthat veruͤbet, hat ſie, nachdem ſie nebſt andern Zuͤchtlingen in der Kirche der Predigt beygewohnet, ſehr tiefſinnig ausgeſehen, gewienet, auch nichts eſſen wollen, da vermuthlich das Gewiſſen ſie noch gezuͤchtiget und geaͤng - ſtet, und von der boͤſen vorhabenden That zuruͤcke halten wollen, doch ſie laͤſſet ſich von ihren grauſamen Vorſatz ferner uͤberwinden, und vermeinet ſolchen am leichteſten bey einer armen Schuſter-Wittwe, ſo wegen Bloͤdſinnigkeit auf dem Zuchthauſe geſeſſen und ernehret worden, veruͤben zu koͤnnen, zu dem Ende ſie nach deren Kammer ſich hin verfuͤget, und ſolche bey dem Eſſen antrifft da ſie denn unter dem Schein, als ob ſie ſelbiger guͤtlich thun und ihr das Eſſen zerſchnei - den und erleichtern wolle, ihr einen Schnitt in die Kehle giebet, ſie laͤuffet darauf weg, wird jedoch von der verwundeten verfolget, wel - cher ſie den in Umkehren auf der Treppe noch einen Schnitt in die Keh - le verſetzet, daß ſie zu Boden ſincket, hierauf gehet ſie in den Speiſe - Saal, wo noch andere Zuͤchtlinge verſammlet, wirſt das blutige Meſ - ſer von ſich, und ſagt: Da habt ihrs nun, nun werde ich doch wol vom Zuchthauſe los kommen. Woruͤber ſich alle Anweſen - de heftig entſetzet, und die That ſo gleich ruchtbahr gemacht, die Ver - wundete hat zwar noch bis in den 11. Tag gelebet, aber doch an dieſer Verwundung, weil eine Entzuͤndung dazu gekommen unumgaͤnglich ſterben muͤſſen, die Meuchelmoͤrderin hingegen nebſt der Mithelfferin und Hehlerin dieſer Mordthat ſind hiernechſt ſo fort zur peinlichen Verhaſſt und zur Special Inquisition gezogen, und nach theils ge - ſtandenes theils uͤberfuͤhrter That auch nach vorgeſtellten Schutz - Schriften ſind die Acta an das Koͤnigl-Preußiſche Criminal Col - legium in Berlin geſchicket worden, welches der Meuchel-Moͤrde - rin den Tod durch das Schwerdt, und Flechtung des Coͤrpers auf das Rad, der Mithelfferin und Hehlerin aber dreyjaͤhrige Zucht - haus Arbeit nebſt einer ſcharffen Zuͤchtigung zuerkandt.
EsEs iſt aber das Urtheil von Jhro Koͤnigl. Majeſt. in Preuſſen aus hoͤchſt gerechten und weiſen Urſachen, ſonderlich in Betrachtung, daß in wenig Jahren drey dergleichen Meuchel-Mordthaten an unſchuldi - gen Kindern allhier begangen worden, wegen der Meuchel-Moͤrderin dahin bekraͤfftiget und geſchaͤrffet worden, daß dieſe Dorothea Loui - ſa Hoͤltznerin andern zum Abſcheu, und ihr ſelber zur wohlverdienten Straffe, von oben herab mit dem Rade zerſtoſſen, und alſo vom Leben zum Tode gebracht, auch der Coͤrper hiernechſt aufs Rath geflochten werden ſolle. Ueber welches Urthel die Meuchel-Moͤrderin bey deſſen Eroͤffnung ſehr hefftig erſchrocken, und faſt ungeberdig ſich geſtellet, endlich aber doch GOttes Gerechtigkeit und Barmhertzigkeit erkandt hat, und ſich mit aller Gelaſſenheit und Geduld zum Tode bereiten laſ - ſen, und ihr boͤſes Gemuͤth und Verderben ſo wohl eingeſehen, daß ſie es vor eine beſondere Gnade GOttes geachtet, daß ſie der Obrigkeit bey Zeiten in ihr Straf-Schwerdt gefallen, weil ſie ſonſt noch viele groſſe Suͤnden und Ungluͤck in der Welt veruͤbet haben wuͤrde, wie ſie denn auch ihren Tod geduldig, und unter hertzlicher Bereuung ihrer Suͤnde Vormittags am 17. April 1739. nachdem vorher von E. Hoch E. Magi - strat das hochpeinliche Halsgerichte vor dem Rathhauſe uͤber ſie gehe - get worden, auf den Alten-Marckt in der Stadt, Jnhalts des Urtheils, erlitten, und der Coͤrper nachgehends vor das Thor neben dem Galgen auf das Rad geflochten worden. Woher noch dieſer Umſtand wegen ihres Seelen-Zuſtandes anzumercken, daß ſie zwar anfaͤnglich waͤhren - der die Acta zum Urtheil verſchicket worden, von den Evangeliſchen Pre - diger hieſiges Orts ſich zum Tode vorbereiten laſſen, nach aber und kurtz vor Eroͤfnung des Urthels, auf vermuthliches Zureden ihrer Mutter ſich zur Roͤmiſch-Catholiſchen Religion bekandt, und daher zuletzt von den Roͤmiſch-Catholiſchen Prediger Muͤnchen, zum Tode bereitet und gefuͤhret worden.
Der groſſe und barmhertzige GOtt, laſſe das unſchuldig vergoßne Blut durch dieſes nach ſeinen Befehl rechtmaͤßig vergoßne Blut gero - chen und von Stadt und Lande vertilget ſeyn, und da die arme Suͤnde - rin durch ihren Lebens-Wandel nicht viel erbauet, ſo laſſe er ihren Tod noch zu vieler Erbauung und Abſcheu vor dergleichen unmenſchlichen Mordthaten gereichen, daß ſolche von uns nicht ferner alhier erlebet werden moͤgen: wir wollen inzwiſchen ſo wol GOttes Gerechtigkeit als Barmhertzigkeit preiſen, und ausruffen: HErr, du biſt gerecht, und deine Gerichte ſind wahrhaftig und unerforſchlich.
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