Gegenwaͤrtiger Tractat iſt in der Form eines Sendſchreibens ſchon vor vielen Jahren aufgeſetzet worden. Die Gelegenheit hiezu war nicht ungewoͤhnlich, und doch unvermu - thet. Es wurde einsmals eine zahl - reiche Verſammlung von jungen Leu - ten flehendlich, wie es wol noͤthig iſt, vor der Gefahr der heimlichen Unzucht und aller Fleiſches Luſt gewarnet. Man fuͤhrte viele Ueberzeugungs - und Bewegungs-Gruͤnde an, den Seelen einen Abſcheu davor einzupflantzen, und ſie zur Zucht und Keuſchheit zu vermoͤ - gen. Man berief ſich darauf, daß esa 2jaVorbericht. ja auch einem Heiden aus den anato - miſchen und mediciniſchen Gruͤnden ſonnenklar koͤnte erwieſen werden, der - jenige, der ein Sclave ſeiner Fleiſches - Luͤſte iſt, muͤſſe ſich nothwendig nach Seel und Leib ſelbſt ruiniren, und be - gehe einen unverantwortlichen ob wol langſamen Selbſtmord.
Eine Zeitlang darauf wurde bey andringender Gewalt und Noth der Suͤnde dieſer Erweis von jemanden mit vielem Bitten und Wehmuth wircklich begehret. Der Verfaſſer er - wiederte dem, der die Anforderung that, daß er als ein Chriſt zwar an den ſo klaren und Hertzruͤhrenden Zeugniſ - ſen Gottes aus der Schrift genug haͤt - te; es koͤnne die Sache auch niemand beſſer verſtehen, noch jemand redlicher und liebreicher gegen ihn geſinnet ſeyn, als Gott ſelber, wie er in ſeinem Wor - te redet: Jmmittelſt wolle er dennoch ſeiner Declaration und dem darin be - griffenen Verſprechen durch Gottes Gnade ſobald als moͤglich Genuͤge thun.
WeilVorbericht.Weil es in Form eines Briefes (vermuthlich um es auch andern, die gleiche Patienten waren, deſto beque - mer communiciren zu koͤnnen) iſt be - gehret worden: ſo ward der Verfaſſer ſchluͤßig, es ſo, und mithin kurtz einzu - richten; zumal er ohnehin bey uͤberhaͤuf - ter Arbeit wenige Zeit uͤbrig hatte. Es wuchs ihm aber der anatomiſche Er - weis unter der Hand dergeſtalt, daß er am Ende das Maß eines Sendſchrei - bens weit uͤberſchritten ſahe, und alſo willens ward, lieber noch den theolo - giſchen Erweis dazu zu thun, und dann auch die armen Patienten nicht gantz troſtlos und ohne allen Rath zu verlaſ - ſen. Jmmittelſt bliebs bey dem einmal gemachten Plan eines Sendſchreibens, ohne beſondre Abtheilung in Capitel und Abſaͤtze.
Jn dem Ablauff einiger Jahre haben es verſchiedene Theologi und Medici geleſen, und bezeuget, daß die gantze Sache, ohnerachtet ſie ſo puͤnctlich und umſtaͤndlich aus der Anatomie vora 3dieVorbericht. die Augen gelegt wird, dennoch mit groſſer Vorſichtigkeit und aller dem Schoͤpfer ſchuldigen Veneration und unter Menſchen noͤthigen Ehrbarkeit abgefaſſet ſey. Jns beſondere hat ſich ein groſſer Nuͤrnbergiſcher Medicus (deſſen leutſelige Beſcheidenheit aber dem Editori nicht erlaubet, dermalen ohne vorhero ausgebetene Genehmhal - tung ſeinen Namen kund zu thun) uͤberaus viele Muͤhe gegeben, den er - ſten Theil aus freyer Liebe und um des gemeinen Beſtens willen gantz genau durchzugehen, und dem Verfaſſer eine groſſe Anzahl disfaͤlliger Anmerckun - gen guͤtig zu communiciren, die bey ge - ſchehener Reviſion alle in billige Erwe - gung und Gebrauch ſind gezogen wor - den. Es koͤnte alſo (war die Meinung verſchiedener Freunde ferner) das alſo verfaſte Sendſchreiben in die Form eines Tractats gebracht, und der ge - ſam̃ten ſtudirenden Jugend zum noͤthi - gen Unterricht u. uͤberzeugenden War - nung, hoffentlich zu vielem Segen ans Licht gegeben werden.
DasVorbericht.Das andre geſchiehet hiemit im Na - men Gottes: das erſte aber lieſſe ſich nicht wohl thun. Nemlich man hat, um die Gedancken und Schreib-Art des Verfaſſers nicht zu zerreiſſen, die Form eines Sendſchreibens, ſamt dem darnach eingerichteten Stilo unveraͤn - dert gelaſſen, aber gleichwol in der gan - tzen Abhandlung, die drey Haupttheile und deren groͤſſere Abſchnitte mercklich gemacht, und am Rande die Margina - lien dazu geſetzt, hierunten aber eine Tabelle angehengt, welche den gantzen Jnhalt dieſes langen Sendſchreibens deutlich vor Augen leget. Die aus andern Schriften im Tractat ſelbſt an - gefuͤhrten Stellen hat man mehren - theils ins Teutſche uͤberſetzt, um deſto mehrerer Jugend dienen zu koͤnnen; obgleich ſie im Manuſcript nach Be - ſchaffenheit der Perſon, an die es abge - fertiget worden, Lateiniſch und mehren - theils mit allegirten Stellen ausge - ſchrieben waren. Uber dieſes hat man einem jeden Haupttheile ins beſonderea 4garVorbericht. gar wichtige Zeugniſſe aus andern be - waͤhrten Scribenten beygefuͤget u. die darin enthaltene Materien beſtaͤttiget.
Gott, der ewige Liebhaber der Menſchen, laſſe ihm dieſe Arbeit in Gna - den wohlgefallen, und laſſe ſie zur U - berzeugung und Rettung der in dieſem Stuͤck ſo hoch verſchuldeten und in Ge - fahr geſtuͤrtzten Seelen geſegnet ſeyn, um Jeſu Chriſti willen.
Du aber, mein Leſer, wer du auch biſt, lis alles mit billigem Bedacht und ſchuldiger Unterſuchung der Wahrheit; und ſchone deiner Leibes und Lebens - Kraͤfte mit gewiſſenhafter Redlichkeit, daß du ſie durch keinen Suͤndendienſt ruinireſt, damit ſie Jeſus dein Herr deſto beſſer zu ſeiner und deiner Freude brauchen koͤnne; und das darum, weil der ewige Gott deiner ſo ſehr geſchonet hat und Jeſus deinen Leib und Seele ſo theuer erloͤſet. Lebe wohl!
Des gantzen Werckleins, ſo auch ſtatt des Regiſters dienen kann.
Jm erſten Theil wird aus der Anatomie erwieſen, Daß wer in der Luſtſeuche ſtecket, ſeine Seelen-Leibes-und Lebenskraͤfte ſchlech - terdings ruinirt, und alſo ein verruchter Selbſtmoͤrder iſt. Dis geſchiehet in folgen - der Ordnung.
Jm andern Theil Wird aus dem heiligen Worte Gottes ſelber dargethan, daß wer in der Luſtſeuche ſtecket, ein unter Gottes Zorn und Fluch liegen - der, mithin im goͤttlichen Gericht verhaf - teter und hoch verſchuldeter, folglich hoͤchſt ungluͤckſeliger und geplagter Menſch ſey. Solches iſt klar
1. AusJnhalt.Jm dritten Theil Werden endlich die Mittel angewieſen, wie man aus dieſer unſeligen Mordgrube un - ter goͤttlicher Gnadenpflege gewiß gerettet werden koͤnne. Es wird aber gehandelt
Wenn man nun im Stand der Gottſe - ligkeit und der Gnade iſt, ſo iſts dann nicht ſchwer, vor der Herrſchaft dieſer und aller Suͤnden verwahret zu bleiben. p. 421. Es werden hierzu drey Ubungen vorgeſchlagen:
* Um dis zu erleichtern, werden hier zwey wichtige Fragen um - ſtaͤndlich beantwortet.
* Ein Starcker mag auch wol ohne Flucht kaͤmpfen. Wovon die Anweiſung p. 480-494.
WAs fuͤr einen entſetzlichen ZornSatans ſchreckli - cher Zorn wieder die Menſchen zeigt ſich ſonderlich in der Wolluſt. der Satan gegen das arme menſchliche Geſchlecht hege, und recht gewaltſam ausuͤbe, kann man mit groſſer Bekuͤm - merniß ſonderlich an deſſen Reitzungen und Verfuͤhrungen zur Unreinigkeit wahrnehmen; wenn man erſt aus dem Worte GOttes, ja auch nur aus der geſunden Ver - nunft begriffen hat, was ſie eigentlich auf ſich habe. Gewiß, man moͤchte bitterlich druͤber wei - nen, und alle Welt zu Rath und Rettung aufbie - ten, wenn man erweget, daß diß eine ſo allgemei - ne und allenthalben wuͤtende Verderbniß iſt, und dazu noch eine der allergroͤſten Schwie - rigkeiten der Bekehrung, die eine Seele ſchlechterdings zu uͤberwinden hat, wo ſie der Gnade des Allerhoͤchſten theilhaf - tig werden will. Die allermeiſten MenſchenI. Th. Betr. der Unreinigk. Alo -2Eingang. locket der Satan in ihren beſten Jahren in die - ſe erſchreckliche Ketten hinein, damit ſie ſich ja auf ihre uͤbrige Lebenszeit Schulden und Gerichte gnug erwerben, auch noch dazu ihre Seelen - und Leibeskraͤfte aufs jaͤmmerlichſte verderben moͤchten. Er weiß wohl, daß es am allerſchwereſten iſt, einen aus dieſem von der Hoͤlle entbrannten Feuer zu erretten; und daß, da ſonſten andere Laſter durch allerley philoſophiſche Mittel, und oft durch entgegenſtehende Suͤnden uͤberwunden werden, hier alle menſchliche Macht und Kunſt nichts vermag: wo nicht der Patient ſich der Cur JEſu Chriſti ſelbſten unterwirft, und ſich von Hertzen mit groſſem Ernſt zu ihm bekehret. Da - von aber weiß dieſer Feind aus langer Erfah - rung gar wohl, daß der Menſch wol eher al - les andere verſuchet, ehe er ihm dis ge - fallen laͤßt, wenn ihm gleich deſſen unumgaͤng - liche Nothwendigkeit aufs allerhoͤchſte erwieſen waͤre. Daher ſagt Chryſoſtomus: „ Es iſt „ der Jugend nichts ſo entſetzlich ſchwer, als die „ ſchaͤdlichen und den Tod gewiß bringenden „ Wolluͤſte zu beſiegen. Keine Geldbegierde, „ kein Ehrgeitz, und keine eintzige andere Luſt „ macht dieſes Alter ſo untuͤchtig und verwor - „ ren, als die unſinnige Fleiſchesluſt.
Weil nun Satan den groͤſten Theil der Menſchen in ihrer Bluͤte auf dieſes ſchwartze Todtenbette hinwirft; was iſts wunder, daß er auch die meiſten derſelben dem geiſtlichen, na - tuͤrlichen und ewigen Tode fruͤhzeitig gnug uͤber -lie -3Eingang. liefert: da die fleiſchliche Luſt, wenn ſie bis in die Luſtſeuche hinan gekommen iſt, eine ſo verzweifelte und unheilbare Kranck - heit iſt, daß die wenigſten Patienten wie - der davon aufgekommen, wenn man auch ſchon mit allen Huͤlfsmitteln ihre Rettung moͤg - lichſten Fleiſſes verſuchet?
Und es wuͤrde leider die taͤgliche Erfahrung Zeugniſſe gnug davon geben koͤnnen, wenn ſie nicht Schande halber muͤſten verborgen blei - ben, wie wahr der ſelige Arnd geſaget: „ Die „ fleiſchliche Luſt ſey der Seelen ihr Todtenbet - „ te, darauf ſie kranck lieget, und allgemach ih - „ rer geiſtlichen und natuͤrlichen Kraͤfte beraubet „ wird, bis ſie des ewigen Todes ſtirbet.
Da ich nun mit groͤſter Beſtuͤrtzung erfah -Veran - laſſung dieſes Schrei - bens. ren habe, daß Sie, mein theurer Freund, in dieſes ungluͤckſelige Labyrinth auch gerathen ſind, (durch einen, der hierdurch ein unſeliger Moͤrder ihrer Seelen worden iſt, und aus deſſen Haͤnden unſer allerhoͤchſte Richter ihr Blut, Seele und Leben der - einſten fordern wird): So habe mir an Jhnen dieſen Zorn des Satans um deſto be - kuͤmmerter vorgeſtellet, ie mehr ich weiß, in welch eine Gefahr Sie dadurch ſind geſtuͤrtzet worden. Da ich aber gleichwol beſorgen muß, daß Sie von dieſer Sache, darin Jhr Gewiſſen, Geſund - heit, Leben und Seligkeit in der hoͤchſten Ge - fahr ſtehet, keinen gnugſamen Unterricht haben werden: ſo habe mich von GOttes wegen hier - zu gaͤntzlich verpflichtet zu ſeyn geachtet, Jh -A 2nen4Eingang. nen in gegenwaͤrtigem Schreiben aus unum - ſtoͤßlichen Gruͤnden ſo wol der Medicin, als dem Aufnehmenswuͤrdigen Worte GOttes zu zei - gen, und auch darzuthun, daß dieſes ein Laſter ſey, ſo den Coͤrper und die Ge - ſundheit ruiniret; den Verſtand, das Ge - daͤchtniß, die Phantaſie und alle Kraͤfte der Seelen jaͤmmerlich verwuͤſtet; ein boͤſes und gebrandmahltes Gewiſſen ma - chet; die Anbetungswuͤrdige Majeſtaͤt und Heiligkeit GOttes auf eine ausneh - mende Weiſe beleidiget; und den, der darin, auf welcherley Art es wolle, mit Wiſſen und Willen ſtecket, ewig ungluͤckſelig machet. Alsdenn aber habe Jhnen einige, theils geiſtliche, theils natuͤrliche Mittel und Cautelen mitzutheilen, durch deren treuen und ernſten Gebrauch Sie allein gantz gewiß, ohne ſie aber unmoͤglich aus dieſer tieffen Grube erloͤſet werden koͤnnen.
Eines aber bedinge mir zuvor bey Jhnen aus, und verpflichte Sie dazu bey aller der ver - traulichen Liebe und Freundſchaft, die unter uns iſt, daß ſie mir ſolches unweigerlich zuge - ſtehen. Nehmen ſie ſich um ihres eigenen Wohlſeyns willen die Zeit, dieſe vernuͤnftige Vorſtellung oͤfters mit ſtillem Gemuͤthe und al - lem Bedacht |zu erwegen, und geben Jhrem Er - loͤſer doch gleichwol allezeit dabey ein gut Wort darum, daß Er es Jhrer Seelen ſelbſt zu wiſ - ſen thue, was die Sache auf ſich habe. Denn der HErr HErr hat geſchworen bey ſeinerHei -5Eingang. Heiligkeit, Amos 4, 2. Daß er ſolches nicht vergeblich zu Jhnen will geſaget, Jeſ. 45, 19. und ſo gar uͤberſchrieben haben. Die - ſer Brief ſelber muͤſſe ein Zeuge ſeyn zwiſchen mir und Jhnen, daß ich Sie deßwegen treulich gewarnet habe; Hoſ. 5, 9. wie er denn unter vielfaͤltigem Gebet und Flehen iſt aufgeſetzet worden. Ach daß er gegen nieman - den, der ihn leſen oder hoͤren moͤchte, und da - durch, aber gleichwol vergeblich, gewarnet wuͤrde, duͤrfte produciret werden! vornemlich an dem Tage der herrlichen Offenbarung JEſu Chriſti, an welchem inſonderheit dieſe Geſchaͤf - te der Finſterniß, (welche unter allen andern in der Welt am meiſten und ſorgfaͤltigſten ver - berget werden) gewißlich am meiſten werden hervor treten muͤſſen.
Jch werde um ſchuldiger Ehrbarkeit willen nicht alle und iede Arten der Unzucht in ihrer abſcheulichen Geſtalt vorſtellen duͤrfen: ſondern ich rede von allen miteinander zugleich, ſie moͤ - gen in der Seele allein, oder in der Seele und am Leibe zugleich, oder auf andere Weiſe ge - ſchehen, und thue das bedaͤchtig. Dazu beſor - ge ich mit Recht, daß Jhnen die Gedult bey deſſen Durchleſung hundert mal eher vergehen wuͤrde, als wenn ich Jhnen eine luſtige Hiſto - rie, oder ſeltſame Avanturen vorlegen moͤchte. Aber mein liebſter Freund, laſſen Sie ſich die Zeit daruͤber nicht zu lang werden: die Goͤttliche Ungnade und allerley Gerichte von ſeiner Heiligkeit auch ſelbſt ihr eigner Tod kanA 3Jh -6Eingang. Jhnen noch fruͤhe gnug ins Haus kom - men.
Daß ich mich in ſolchen Sachen, davon man ſonſten vor ehrbaren Leuten gerne ſchweiget, ſo teutſch und deutlich ausdruͤcken muß, werden Sie der redlichen und hertzlichen Liebe, deren Sie von mir ohndem vollkommen verſichert ſind, zuſchreiben. Dieſer redlichen Liebe ihr Eifer muß mich in einer ſo hoͤchſt bekuͤmmerli - chen Sache billig zu einer ſolchen Vertraulich - keit vermoͤgen. Da mir aber nun Jhre Ge - fahr ſo was groſſes abgedrungen: ſo bitte ich Sie dagegen wiederum, ſo ſehr ich bitten kan, daß Sie keinen periodum weiter leſen wollen, bis Sie erſt Jhren Erloͤſer desfalls demuͤthig - lich angeruffen haben, daß er Jhnen erlaube, dieſe heilig hoch zu achtenden und Verwunde - rungswuͤrdigen arcana naturæ mit einem ſo praͤ - parirten Verſtand und Hertzen zu begreiffen und zu bewundern, daß Sie durch deren Betrach - tung zur demuͤthigſten Anbetung der unvergleich - lichen Weißheit und groſſen Freundlichkeit GOt - tes mit Macht gereitzet werden, und ihm das - jenige deſto gutwilliger eingehen, was er hierdurch bey Verluſt Jhres Lebens und Seligkeit von Jhnen fordert, jemehr ſie aus ſeinen heiligen Abſichten auch in dieſer Sache mercken und greiffen koͤn - nen, wie lieb er ſie haben muͤſſe.
Er -WOllen wir nun, mein Hertzens Freund, die Sache in ihrem rechten Grunde einſehen: ſo muͤſſen wir bis in das Paradis und den Stand unſrer Un - ſchuld zuruͤckgehen, und daſelbſt den Rath GOt - tes in dieſem Puncte mit Ehrerbietung be - trachten. Sie haben es um deſto mehr noͤthig, ihre Gedancken mit mir bis dahin zu richten, weil ich wohl weiß, daß Satan Sie in Jhrem verunruhigten Gewiſſen zu Zeiten mit dieſem Grundfalſchen Wahn wird zu ſtillen und ein - zuſchlaͤffern ſuchen, dieſe Luſt ſey ja natuͤrlich, warum habe ſie denn, GOtt dem Menſchen ein - gepflantzet, und ihn alſo gemacht? zudem ſey es doch mit dem Viehe auch alſo?
Was endlich die letzte Vergleichung betrift,1 Einwurf und| Ant - wort. ſo traue ich es Jhnen zwar nimmermehr zu, daß Sie ſich mit dem Viehe in einen Rang und Claſſe ſetzen werden: ſage es Jhnen aber doch1) auch mit groͤſter Gewißheit und ohne Scheu, daß das Vieh in dieſem und dergleichen Din - gen dem Menſchen weit vorgehe; und daß auch2) hierin des Menſchen ſein Jammer und Verder - ben viel weiter in ſeine Seelen und Leibes -A 4kraͤf -8Anatomiſch-Mediciniſchekraͤfte durchgedrungen, als man begreiffen kann. Gewiß iſts an manchem Sclaven der Unzucht offenbar genug, das er ſich weit unter den vie - hiſchen Naturſtand herabgeſtuͤrtzet hat, und nicht viel Rechts uͤbrig habe, dem Vieh etwas vorzuruͤcken, als welches der Unterthaͤnig - keit und Dienſtbarkeit wegen von des Menſchen ſeinem Fluch Theil nehmen muͤſ - ſen.
Jch ſelber halte es einem vernuͤnftigen3) Menſchen, der das Ebenbild des allerheiligſten GOttes tragen ſoll, fuͤr allzu unanſtaͤndig, daß er ſich auf die thieriſche Art des Viehes beruffe, ſeine Schande damit zu decken.
Was aber das erſtere anbetrift, da ein2) Ein - wurf, und Antwort Menſch den Muth und Hertzhaftigkeit hat, mit ſeinem Schoͤpfer zu expoſtuliren, und ihm vor -1) zuwerfen, warum er ihm denn dieſe Luſt beyge - leget, ſich auch ſo anzuſtellen, als koͤnte man da - her praͤtendiren, den Luͤſten frey und ungeſtraftA 5nach -10Anatomiſch-Mediciniſchenachzugehen: ſo iſt das viel was wichtigeres, und greiffet bis an die Beleidigung der hoͤchſten Majeſtaͤt GOttes hinan, um deſto mehr, weils durchaus unbillig, unvernuͤnftig und unge - reimt iſt.
Jch wils Jhnen handgreiflich darthun: aber mercken Sie erſt mit Ernſt darauf, und laſſens Jhre Seele wohl bedencken, was der Allerhoͤch - ſte zu ſolchen Gedancken ſaget: Wehe dem, der mit ſeinem Schoͤpfer hadert, nem - lich der Scherben mit dem Toͤpfer des Thons. Spricht auch der Thon zu ſei - nem Toͤpfer: was macheſt du? du bewei - ſeſt deine Haͤnde nicht an deinem Werck. Wehe dem, der zum Vater ſaget: war - um haſt du mich gezeuget? und zum Weibe, warum gebiereſt du? Jeſ. 45, 9. 10. Jch achte, diß einige Wehe ruffen waͤ - re gnug, eine ſolche unnatuͤrliche Grobheit ge - gen Jhren GOtt aus Jhrem Hertzen zu ver - bannen und zu vertilgen, wenns die bloſſe na - tuͤrliche Billigkeit nicht mehr vermoͤchte. Und weil es doch ſo laͤßt, als wenn Sie mit den Worten (warum hat mich GOtt alſo ge - macht? und warum hat er denn die Men - ſchen durch den Fall ſo verderben laſ - ſen?) dem allerheiligſten GOtt ſelber uͤberhaupt die Schuld ihres Verderbens beymeſſen wolten:2) ſo uͤberlegen Sie zuerſt ſelber, obs billig ſey, ei - nem ſo guͤtigen GOtt und Schoͤpfer dergeſtalt zu begegnen, und Jhm die Schuld einer Sache beyzumeſſen, daran Er nicht den geringſten Theil hat?
Jſts11(I. Th.) Betracht. der Unreinigkeit.Jſts denn nicht Liebe geweſen, daß der dreyeinige GOtt gleichſam nach geſchehener Ueberlegung 1 B. Moſ. 1, 26. ſich entſchloſſen, den Menſchen ihm ſelber aͤhnlich und nach ſeiner Geſtalt gebildet zu formiren? wenn er ihn nun nach ſeinem Ebenbilde machen wolte, muſte er ihm denn nicht Verſtand und Willen geben, und in den Willen vor - nehmlich eine voͤllige Freyheit legen, zu wehlen und zu thun, was er wolte? Wenn der Menſch nicht eine ſolche Freyheit im Wollen haͤtte erlanget; ſondern nur wie ein Klotz aus natuͤrlichen Eigenſchaften, oder wie ein Viehe aus natuͤrlichem Triebe (und gleich - wol ſchon mit einiger Art der Freyheit) dieſes oder jenes nothwendiger Weiſe haͤtte thun muͤſ - ſen: ſagen Sie mir, ob er nach dem Eben - bilde GOttes waͤre formiret geweſen? Da nun der Allerhoͤchſte ſobald angefangen hat, ſich mit uns gleichſam gemein zu machen, und wolte uns Jhm ſelber gleichfoͤrmig haben; wir aber haben dieſen Vorzug ſo ſchaͤndlich wieder ihn gebrauchet, folglich uns ſelbſt in den tiefſten Jammer geſtuͤrtzet: ey handeln wir bil - lig, wenn wir noch ſo ſcheel dazu ſehen, daß er ſo guͤtig war; iſt auch ohnerach - tet unſers abtruͤnnigen Abfalls doch noch ſo erbarmend mitleidig, und will uns wieder in alle Ewigkeit gnaͤdig ſeyn? hat er nicht ſein liebſtes und hoͤch - ſtes drauf gewendet, uns wieder zu re - ſtituiren?
So12Anatomiſch-MediciniſcheSo iſts auch in dieſer Sache. Dencken Sie, ob GOtt Schuld haben ſolle? Er hat nach unbegreifflichem Rath nicht alle Menſchen auf einmal erſchaffen; ſondern ihrer nur zwey: und3) hats ſo reguliret, daß von derſelben einem Blu - te aller Menſchen Geſchlechte auf dem gantzen Erdboden wohnen ſolten: und hat Ziel geſetzet, und zuvor verſehen, wie lange und weit ſie woh - nen ſollen, daß ſie den HErrn ſuchen ſolten, ob ſie doch ihn fuͤhlen und finden moͤchten. Ap. Geſch. 17, 26. 27. Darum ſchuff er ſie ein Maͤnnlein und ein Fraͤulein. Weil er nun die Erde nicht gemacht hat, daß ſie leer ſeyn ſol - te; Jeſ. 45, 18. 19. ſondern daß ſie von den Menſchen beherrſchet und regieret wuͤrde heilig - lich und mit Gerechtigkeit Weish. 9, 2. 3. ſo muſte das menſchliche Geſchlecht ja fort - gepflantzet werden. Denn dieſes hatte er ſich zugerichtet, es ſolte im Nahmen und an ſtatt der gantzen Creatur ſeinen Ruhm erzehlen. Jeſ. 43, 21. Jch frage Sie, obs nicht nach dieſem Rath ſchlech - terdings noͤthig war, daß GOtt auch in dem Menſchen, und zwar beyderley Geſchlechts das Feuer einer heiligen Liebe und Begierde zu ſeines gleichen entzuͤnden moͤchte, welche ſich nur in heiliger Ordnung und Abſicht, aus reinem Verlangen GOtt zu verherr - lichen, und nur allein in dem damahls ehrwuͤrdigen Wercke der Fortpflantzung ſeines Geſchlechts aͤuſſern ſolte; damit aus Mangel und Unterlaſſung deſſen der Erd -bo -13(I. Th.) Betracht. der Unreinigkeit. boden nicht verwuͤſtet, und ſeiner Regenten, als der allerliebſten Geſchoͤpfe GOttes, beraubet wuͤrde? Denn es faſſete dieſer unausforſchliche Rath zugleich dieſes mit in ſich: Kein Menſch ſolte ewig in eben dieſem Zuſtand auf der Erden leben bleiben; ſondern jedermann ſolte nach ei - ner gewiſſen Zeit, und nach vollbrachter Haus - haltung, aus ſeinem gewiſſer maſſen doch zeitlichen Weſen und Leben verwandelt, und in ein ewi - ges Leben verſetzet werden. Dis war der Herr - lichkeit GOttes durchaus gemaͤß; Jhme gebuͤh - rets allein, ewig zu ſeyn, und auſſer allem Zeit - Wechſel und dergleichen Veraͤnderungen zu ſte - hen.
Naͤchſtdem hat der liebesvolle GOtt eine ſolche heilige Luſt und Liebe zu ſeines Gleichen den erſchaffenen Menſchen auch zur Vermeh - rung ihrer Gluͤckſeligkeit aus uͤberflieſ - ſender Freundlichkeit beygeleget, daß ſie freundlich, holdſelig und lieblich wuͤrden, und einer bey dem andern mit Luſt wohnen moͤchte. So ſolte auch dieſe Liebe unter den Menſchen einiger Abdruck ſeyn der goͤttlichen unbegreifli - chen Liebe, die er theils in ſeinem unendlichen Weſen der hochgelobten Dreyeinigkeit ſelbſt, theils auch gegen den Menſchen hat. Dieſes von GOtt entzuͤndte Feuer war nun vollkom - men lieblich, und dem Allerhoͤchſten angenehm. Es war darin nichts ſuͤndliches noch ſchaͤndli - ches, gehoͤrte mit zu dem heiligen Eben - bilde GOttes, wodurch ſo wohl die Seele als der Leib mit vollkommener Reinigkeit und Hold -ſe -14Anatomiſch-Mediciniſcheſeligkeit dermaſſen ausgezieret war, daß ſie nicht anders als wie ſichtbare und be - lebte Engel waren, und durften, (konten auch nicht) wegen der heiligen Neigung und Kraft, die zur Fortpflantzung ihres Geſchlechts diente, und ihnen als ein theures Kleinod und groſſe Zierde gegeben war, nie auf einige Wei - ſe ſchamroth werden, ob ſie gleich nackend gin - gen; ja es konten bey einer ſolchen Unſchuld nicht einmal einige Gedancken oder Vorſtellun - gen davon in ihr Gemuͤth kommen, was das eigentlich heiſſe: ſich vor GOtt oder auch vor ſeines gleichen ſchaͤmen. 1 Moſ. 2, 25.
Nun ſagen Sie mir, geliebter Freund, ob mein allerliebſter GOtt darum zu urthei - len ſey, daß er auch hierinfalls ſo aus - nehmende Proben ſeiner Freundlichkeit4) am Menſchen gewieſen hat? Wenn Sie mir zum Exempel ein koͤſtliches Waſſer oder ei - ne andere Artzney zur Erquickung und Belu - ſtigung verehret haͤtten, und mir noch dazu ernſt - lich anbefohlen, ich moͤchte es ſorgfaͤltig bewah - ren, daß nicht etwas giftiges hineinkomme, ſon - ſten wuͤrde es voͤllig verderbet werden, und mich ſelbſt leichtlich zu Grunde richten; ich haͤtte aber aus eigner Schuld bemeldte Artzney wircklich vergiften laſſen, mir auch ſchon manchmal da - mit geſchadet: ſagen Sie mir, ob es Jhnen gefallen wuͤrde, wenn ich Jhnen die Schuld beymeſſen, oder Sie wol gar ſchelten und Jhnen irgend eine Treuloſigkeit und Bos - heit anrechnen moͤchte? Wenn ich nun vollendsſpraͤ -15(I. Th.) Betracht. der Unreinigkeit. ſpraͤche, ich wolte dis vergiftete Waſſer austrin - cken; muͤſte ich daran ſterben, ſo ſolten und muͤſten Sie es verantworten: ich frage Sie, ob Sie mich denn nicht fuͤr hoͤchſt un - billig und unſinnig halten koͤnten? Darf ich Jhnen nun bis nicht thun, in einer unver - gleichlich geringeren Sache: ach! mein Hertzensfreund! wie? daß ſie das Hertz ha - ben bey Jhrer allerhoͤchſten Obrigkeit und kuͤnftigen Richter dergleichen was zu wagen, und ihrem guͤtigen und hei - ligen Schoͤpfer ſo etwas vorzuwerfen? Ey! ſind Sie denn ſeines gleichen, daß Sie Jhm auf eine ſo leichtſinnige, unbeſcheidene, und trotzige Weiſe begegnen? Erſchrecken Sie nicht mit demuͤthiger Beſchaͤmung und Abbitte vor GOtt, wenn Jhnen dergleichen Gedancken nur einfallen? Oder wenn Sie denn darauf beſtehen wolten, daß Sie ihm dergleichen mit Recht vorruͤcken koͤnten, ſo frage ich ſie: was muß Jhnen GOtt fuͤr ein geringſchaͤtzig Ding und verachteter GOtt ſeyn, dem Sie Sachen zumuthen und aufbuͤrden duͤrfen, dergleichen Sie ſich ſelber nimmermehr von ihres gleichen wolten aufbuͤrden laſſen?
Sehen ſie denn nicht, daß auch andere ſonſt unumgaͤnglich noͤthige und natuͤrliche Be - gierden zum Exempel nach Eſſen und Trin -5) cken, Schlaff und Ruhe, Bewegung und Luſt ꝛc. bey dem Menſchen ebener maſſen in eine ſo ſchreckliche Confuſion und Heftigkeit gerathen ſind, daß ſie im Uebermaß undGe -16Anatomiſch-MediciniſcheGebrauch derſelben weit, weit unter alles unvernuͤnftige Vieh zu ſetzen ſind? Denn das Vieh wird ja nicht leichte zu ſei - nem Schaden etwas zu viel thun; und Sie duͤrften ſich doch wol ſchon mancher Exempel erinnern, da Sie ſich eine Maladie, Traͤgheit, Kopfweh, Grimmen, Schwindel, Ungeſchick - lichkeit zum Gottesdienſt und Arbeit ꝛc. an den Hals gegeſſen und getruncken haben. Wun - der, daß Sie diß nicht dem allerhei - ligſten GOtt auch anſchreiben wollen, und mit ihm rechten, warum er Jh - nen den Appetit gegeben, ohne wel - chen Sie doch Hungers ſterben koͤnten, und durch den Sie die Suͤßigkeit GOttes in ſeinen Creaturen zu ſchmecken, und ihm deſto - mehr fuͤr alles danckbar zu ſeyn, ſolten erwe - cket werden! Daher ſo gar der Heide Cice - „ ro ſagt: die Wolluſt ſey allerdings etwas, „ ſo mit Ueberlegung und Einwilligung, nicht „ aber aus unumgaͤnglichen Triebe geſchiehet: „ Denn waͤre ſie natuͤrlich oder nothwen - „ dig, ſo wuͤrden ihr alle nachgeben muͤſ - „ ſen, alle auf gleiche Weiſe, und alle zu „ jederzeit, (wie man zum Exempel des Eſſens, „ Trinckens, Athemholens, Schlaffens allezeit „ unumgaͤnglich bedarf) und Niemand wuͤr - „ de von derſelben durch Schande oder „ Ehrbarkeit, durch Uberlegung oder „ Erfahrung unſers Schadens koͤnnen „ zuruͤck gehalten werden. ‟ Nun aber ja die taͤgliche Erfahrung lehret, daß nicht alle,ſon -17Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)ſondern nur einige Menſchen ſolche ſchaͤndliche Sclaven der Unzucht ſind: ſo ſehen Sie ja, daß dis ein unverantwortliches und wahnſinniges Jmportuniren des allerheiligſten GOttes iſt, ihm die disfaͤllige Schuld zuwerfen zu wollen. Koͤnte nicht ein Dieb, ein Moͤrder, oder ſonſten ein Scelerat eben alſo raiſonniren? und wird um deßwillen die Obrigkeit befugt ſeyn, Galgen und Rad abzubrechen, weils der Miſſethaͤter nicht begreiffen will, daß die Schuld ſeine ſey?
Da nun die armen Menſchen in allen ih - ren Begierden ſo zugerichtet ſind: ſo hat es der heilige GOtt fuͤr unumgaͤnglich noͤthig befun - den, nicht nur uͤberhaupt allen ſolchen Luͤſten in der heil. Schrift Grentzen zu ſetzen, und ih - nen Zaum und Zuͤgel anzulegen, ſondern auch ſo gar den Stand der Ehe, als das Semina - rium des menſchlichen Geſchlechts ſelbſt in allerhoͤchſter Perſon einzurichten, und mit gewiſſen Geſetzen einzuſchrencken, damit er nicht dem bloſſen Directorio der Ver - nunft uͤberlaſſen wuͤrde. Einige ſolcher Geſetze ſind bereits vor dem Fall in der erſten Eheſtiftung feſtgeſtellet worden; andere aber hat der heilige GOtt erſt nach dem Fall aus Noth uns zu gute hinzugethan, welche Geſetze denn alle Menſchen in der Welt verbinden. Es iſt aber ein gewaltiger Unterſcheid zwiſchen dem Zuſtand des Menſchen vor dem Falle, und zwi - ſchen dem, den wir nun nach dem Falle erfah - ren muͤſſen. Vor dem Falle haͤtten zwar die Menſchen bey dem Wercke der Fortpflan -I. Th. Betracht. der Unreinigk. Btzung18Anatomiſch-Mediciniſchetzung eine natuͤrliche Beliebung eben al - ſo empfunden, als ſie beym Genuß der Speiſen durch den Geſchmack, oder durch den Geruch empfunden haben; aber kei - ne eigentlich moraliſche Luſt, das iſt: keine ſuͤndhafte und ungeordnete Be - gierde, nach dieſer Luſt, dieſelbe ohne die Abſicht, wozu ſie GOtt gegeben, und mit Hintanſetzung der goͤttlichen Befeh - le zu empfinden. Denn gleichwie ſie niemals zur Wolluſt oder aus bloſſer unordentlicher Be - gierde geeſſen und getruncken haben: ſo haͤtten ſie auch nie ſolcher Wercke zur bloſſen Luſt und aus einem unordentlichen Trie - be gepflogen, weil ſie ſolche bey dem Ebenbilde GOttes nicht hatten. *Auctor hat hier kurtz abbrechen, und dieſe wich - tige Sache dem Zweck gemaͤß nur zur Noth be - ruͤhren muͤſſen. Wer in dergleichen Scrupeln mehr uͤberzeugt und geſtillet werden will, der bitte GOtt drum. Es kan auch nuͤtzlich nachge - leſen werden, was in G. Sarganecks Zeugniſſe fuͤr die goͤttliche Herrlichkeit und Wahrheit ge - gen einige dunkle Zweifel, (welches J. J. Schmidts bibliſchen Geographo angehenget iſt) in des dritten Stuͤckes 1. Grundſatz davon aus - gefuͤhret iſt.
Nun iſt aber alles umgekehrt: Weil die Menſchen zur Schwelgerey und Unmaͤßigkeit nicht nur ſo geneigt ſind, ſondern ſich derſelben groͤſtentheils auch ergeben: ſo muß eine Wol - luſt die andere hervorbringen, und iſt nun natuͤrlicher Weiſe unmoͤglich, daß die Unmaßigkeit nicht eine Geilheit er -re -19(I. Th.) Betracht. der Unreinigkeit. regen ſolte. Da nun im Stande der Un -8) ſchuld keine Unmaͤßigkeit, mithin auch keine unreine Luſt und unordentliche Zucht war; ſondern beydes erſt durch den Fall eingefuͤhret iſt: ſo kan es un - moͤglich anders ſeyn, als daß nun eine iede Ausuͤbung ſolcher Luſt und Geil - heit, auch ſo gar im Eheſtande, die nur der bloſſen Wolluſt wegen geſchiehet, ſuͤndlich und verdammlich ſey. Wie die Urſach, ſo die Wirkung. Sind die Quellen giftig, ſo koͤnnen die Baͤche nicht rein und geſund ſeyn: Es iſt ein gantzer Leib der Suͤnden, und hengt durch Glieder zuſammen. Die Suͤndenluſt zum Tode bringt Fruͤchte zum Tode; und durch die unzehlichen Arten der Wolluſt wird ia eben die inwohnende Suͤnde, die durch den Fall in die Seele gedrungen, ins Werck geſetzet.
Nun moͤchten Sie weiter ſagen: warum3. Ein - wurf. Ant - wort. hat denn aber GOtt dem Menſchen einen ſo heftigen Trieb nach dem Fall gelaſſen? ich ant - worte: 1) Er war mit all nicht ſchuldig ihn[α]) wegzunehmen: denn er hatte uns ihn nicht ge - geben. Wer haͤtte es von ihm fordern koͤnnen, daß er ihm die Schmach und die Ketten vom Halſe naͤhme, in die er ſich doch ſelbſt frevent - lich, und mit Beſchimpfung und Verwerfung ſeiner goͤttlichen Majeſtaͤt hinein geſtuͤrtzet? was waͤre ihm an ſeiner Herrlichkeit abgegan - gen, oder was haͤtte er an uns verloren, wennB 2er20Anatomiſch-Mediciniſcheer uns nun ewig haͤtte verſchmaͤhet, und in des Satans Gefangenſchaft ſtecken laſſen, da wir ihm ſeine Freyheit und Gnade ſo verachtet und verworfen? Er war uns nicht einmal die wei - tere Offenbarung ſeiner Befehle ſchuldig, ge - ſchweige ſeinen ewigen Sohn, und das herrli - che Evangelium von unſrer Wiedererrettung. [β])Jedoch 2) GOtt hat den Trieb ſo heftig nicht in uns gelaſſen, als ihn manche Menſchen ha - ben: ſondern nur ſo viel, als ieder um der Noth und Suͤnde willen brauchte. Wenn wir aber dieſe natuͤrliche Luſt durch viel Eſſen und Trinken, durch allerley Delicateſſen, durch Muͤßiggang, oder gar durch deſſelben wirckliche Reitzung und Ausuͤbung ſo vermeh - ren, und oft aufs hoͤchſte bringen: ey! ſind wir nicht grobe Leute, daß wir unſer eigen hoͤchſtar - ges Werck, und das Bild des Satans dem allerheiligſten GOtt anrechnen und beymeſſen[γ]) wollen? 3) GOtt hat um der Noth wil - len dieſe Luſt in uns laſſen muͤſſen, und ſie, wie ers aus erbarmender Liebe mit andern ſolchen malis inhærentibus und Verderbungen unſrer ſelbſt thut, nur noch auf etwas gutes, nemlich einem andern Uebel und Ungehorſam vorzubeugen, einzurichten geſuchet. Die bloſſe Vernunft und Ueberzeugung des Gewiſſens haͤt - te doch die wenigſten Menſchen, die GOtt im Glauben nicht unterthaͤnig ſind, dahin vermoͤ - gen koͤnnen, ihr Geſchlecht nach Goͤttlichem Be - fehl fortzupflanzen, wo nicht noch ein ſolcher ge - maͤßigter Trieb der Natur dazu gekommen waͤ -re.21Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)re. Der Unglaube haͤtte ja nur die groſſen Schmertzen der Geburt, die Beſchwerlichkeit der Erziehung, die Laſt der Verſorgung, und alle mit und ohne den allgemeinen Landplagen da - zu ſchlagende Ungluͤcksfaͤlle, Nahrungsſorgen, Verfolgungen und Bedraͤngniſſe, Kranckheiten und hertzfreſſenden Kummer, der ſich in allen Familien (von den hoͤchſten Fuͤrſten an bis auf die geringſten und verachteſten Leute hingerech - net) einfinden kan, in einer Reihe nach einan - der her vorſtellen und großmachen duͤrfen: ſo waͤre ihnen die Luſt zur Fortpflantzung ihrer ſelbſt ſchon vergangen. Mit dem Viehe iſts alſo bewandt, daß es fuͤr die Ernaͤhrung ſeiner Jungen hoͤchſtens nur auf wenige Tage ſorgen muß. Aber die Menſchen pflegen vielmehr zu bedencken, was fuͤr Schwierigkeiten bey der Kinderzucht in dem buͤrgerlichen Leben, wegen Ruhe und Unruhe, Gluͤcks - oder Ungluͤcksfaͤlle, theurer oder wohlfeiler Zeiten ꝛc. zu beſorgen ſte - hen; und wuͤrde um ihres Sorgens willen, wo diß nicht entgegen waͤre, der Erd - boden gar bald wuͤſter und leerer wer - den, ſo doch wieder die erſte Abſicht GOttes iſt, die er bey der Schoͤpfung hatte.
Da nun dieſes vorausgeſetzet iſt, ſo hoͤren Sie weiter, in welche Ordnung GOtt die Na - tur in dieſem Stuͤcke geſetzet, daß er einen ſo billigen und fuͤr uns heilſamen Zweck erreichen moͤchte.
Wir muͤſſen aber noch viel deutlicher mit einander reden. Jch will Jhnen, ſo kurtz ichB 3im -22Anatomiſch-Mediciniſcheimmer kann, und ſo viel nur zum jetzigen Zweck zu wiſſen noͤthig iſt, erzehlen, wie das gantze Werk von der Zubereitung des Samens, und andere hieher gehoͤrende Dinge bey dem Men - ſchen, ſo ferne man es nach der Phyſic und Me - dicin betrachtet, nun nach dem Falle beſchaf - fen iſt. Solches wird ſich denn am ordentlich - ſten in einigen Lehrſaͤtzen abfaſſen laſſen.
Der Same wird in unſerm Leibe aus dem allerbeſten und auserleſenſten Theil des reineſten Gebluͤts zuberei - tet; aus einem eben ſo edlen, ſubti - liſirten und gereinigten Gebluͤte, als dasjenige iſt, welches ſonſten zur Erzeugung der ſpirituum ani - malium und zur Erhaltung un - ſeres vornehmſten vigueurs und Lebhaftigkeit angewendet wird.
WJe nemlich in den Pflantzen der Sa - me aus dem ſubtilſten und beſten Theil ihres Nahrungsſaftes entſprieſ - ſet; (welches die vortreffliche Schoͤnheit und der anmuthige ſtarcke Geruch der Blumen, in deren ſubtilſten Gaͤngen er erſtlich zur Reiffe gebracht werden muß, handgreiflich darthun,) eben alſo hat es der Allerhoͤchſte in den Thieren, am meiſten aber in dem Menſchen geordnet, und laͤßt ſich ſchonvon23(I. Th.) Betracht. der Unreinigkeit. von ſelbſt a priori, durch vorlaͤuffige Ueberle - gung, und ohne es erſt in Exempeln zu ſehen: leichtlich ſchlieſſen, daß, ſo viel edler ein Menſch iſt, denn eine Blume, ſo viel mehr muß auch die Erzeugung ſeines Samens iener ihre an der Materie, Ge - faͤſſen, Art und Weiſe uͤbertreffen. Wir koͤnnens aber auch a poſteriori und aus der Er - fahrung mit vollkommener Gewißheit daher ſe - hen, daß zum Samen der edelſte nahrhafte Theil des Gebluͤtes angewendet werden muͤſſe, weil er vor dem vierzehnten oder funfzehntenb) Jahre ordentlicher Weiſe nicht elaboriret wird: immaſſen bis zu dieſen Jahren aller der Theil, der ſonſt zur Elaborirung des Samens wuͤrde gefuͤhret werden, zum Wachsthum, und ſon - derlich zur Geſundheit des Leibes verbrauchet wird; es waͤre denn, daß einige in dieſen Jah - ren allzu niedlich und uͤbermaͤßig in der Nah - rung, Ruhe und Ergetzlichkeit gehalten wuͤr - den: bey welchen Umſtaͤnden freylich eine Por - tion dieſes edelſten Nahrungsſaftes kann ent - behret, und in die dazu beſtimmten Gefaͤſſe verfuͤhret werden, daß ſich der Same allgemach in langer Zeit daraus generiret. Ordentli - cher Weiſe aber iſt dis die Zeit, darin, wie die andern Theile des Leibes, alſo auch das Gebluͤt allererſt anfaͤnget eine merckliche Kraft zu erlangen. Woraus man eben mercken ſolte, daß nun erſt in dieſen Jahren eine gewiſſe balſamiſche Kraft, nemlich der eben erſt friſch elaborirte edelſte Same, ins Gebluͤ -B 4te24Anatomiſch-Mediciniſchete und den gantzen Leib hinein dringe, und ihn ſo vigoreux mache. Und ſo hat der guͤ - tige und weiſeſte Schoͤpfer mit dieſer ordent - lichen Einrichtung ohnfehlbar dahin geſehen, und deutlich genug hingewieſen, wie er es wolle gehalten wiſſen: immaſſen die Berei - tung des Samens nicht eher geſchiehet, als bis der Menſch mit anwachſendem Verſtandec) ſolchen rechtmaͤßig anzuwenden weiß. Man kann ſolches auch daher wiſſen, weil die ca - ſtrirten Thiere einen ſo groſſen Theil ihrer Munterkeit, Muths, Staͤrke und Lebhaftig - keit verlieren, zum theil auch fetter werden muͤſſen. Dis alles erfolget gantz natuͤrlich und nothwendig, weil bey ihnen kein Same zu - bereitet werden, mithin auch keiner in das uͤbrige Gebluͤte dringen kann. Daraus entſte - het denn eine ſo groſſe Schwaͤchung und Man - gel der innern Hitze und Bewegung, daß der kleine Reſt derſelben, ſo noch uͤbrig bleibet, nicht mehr zureichet, das uͤberfluͤßige aus dem Leibe heraus zu ſchaffen. Woraus denn eine unnatuͤrliche Fettigkeit und Beſchwerde des uͤbrigen Leibes von ſelbſt erfolget, zumal wenn zu wenig aͤuſſere Bewegung dazu kommt. Siehe unten den 6ten Lehrſatz.
Die Gefaͤſſe, darin dis edelſte Theil unter allen unſern humoribus praͤ - pariret und verwahret wird, hatGOtt25Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)GOtt ſo ſubtil und kuͤnſtlich, dazu ſo mancherley und vielfaͤltig, end - lich auch ſo verborgen gemacht, und ſie gleichſam hinter ſo viele Schloͤſſer auf beyden Seiten des Leibes ver - ſtecket, daß man handgreiflich mer - cken kann, es muͤſſe ein theures depoſitum darin ſeyn, welches bis zu der von GOtt geſetzten Zeit und Abſicht zu bewahren iſt.
SEchſerley Gefaͤſſe hat der heilige undErweis. weiſe Schoͤpfer dazu verordnet, in welchen dieſer Lebensbalſam zube - reitet wuͤrde; und ſechſerley andere, die die Zubereitung foͤrdern. Zur Ver - wahrung und feſten Verſchlieſſung deſ - ſelben aber, bis ſein Gebrauch noͤthig iſt, hat er viererley Gefaͤſſe gemacht. Zur Zuberei - tung dienen:
Die Zubereitung foͤrdern
Zur Verwahrung aber des bereits verfertigten, nur noch nicht genug ma - turirten Samens, dienen
Die Erzeugung des Samens im Men - ſchen iſt uͤberaus admirable und wunderbar, folglich auch der Ver - nunft wegen mit einem GOtt fuͤrch - tenden und ehrliebenden Hertzen zu bewundern.
DEr HErr hats ſo geordnet, daß, nach - dem der Leib ſchon eine ziemliche Groͤſſe und Vollkommenheit erreichet hat, um das funfzehnte Jahr herum, eine viel mehrere portion vom ſanguine arterioſo limpidiori, (welcher mit den edelſten aus dem Nahrungs - ſaft hinzugeſetzten humoribus noch impraͤgniret iſt,) aus der groͤſten Pulsader bald unter den Nieren, hinten am Ruͤckgrad, zu beyden Seiten dieſer Ader, in die arterias ſpermaticas gefuͤh - ret wird; welche, da ſie im Anfange uͤber die maſſen enge ſind, keine andern als die ſubtil - ſten und beſten Theile ſolches Gebluͤtes hindurch - laſſen. Dieſes auserleſene, hellere und fluͤßi - gere Gebluͤt wird einen ziemlich weiten Weg bis in die teſticulos hinunter gefuͤhret: darin es durch die unvergleichlich ſubtilen Roͤhr - lein, woraus die teſtes beſtehen, (die aberwun -31(I. Th.) Betracht. der Unreinigkeit. wunderbar in - uͤber - und durch einander verwickelt zu ſeyn ſcheinen) ſehr langſam, mithin in ſehr langer Zeit hindurch ge - hen muß.
Unter dieſem Durchgange nun muß zu deſſelben Erzeugung noch viererley geſchehen.
Wenn dieſer liquor ſeminalis bereits durch dieſe Reinigung paßiret iſt, ſammlet er ſich in den teſticulis in das ſo genante antrum High - mori, und hat noch keine gnugſame Conſi - ſtentz, Spirituoſitaͤt und Farbe, daher er durch 5. oder 6. ſubtile Gefaͤßchen in die pa - raſtatas, (oder kleine uͤber den teſtibus liegende Coͤrper, die aus einer Zuſammenhaͤuffung und Verwickelung der Samengefaͤſſe beſtehen,) hin - eingehet, und in eben ſo ſubtilen Canaͤlchen ei - ne lange Zeit durchgetrieben wird. Bey die - ſem Umlauf wird ihm von ſeiner Waͤſſerigkeit noch ein merkliches durch die hinlauffende vaſalym -33Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)lymphatica benommen, und von den durch die Nerven hinkommenden Lebensgeiſtern eine meh - rere Activitaͤt verſchaffet, bis er einen odo - rem bene fragrantem, und colorem candi - diorem erlanget; und bis hieher gehet ſeine Præparation. Wobey eines theils ja wol zu bewundern iſt, wie das zugehe, daß er in ſo engen Paſſagen nicht ſtocke und verhalten werde; andern theils aber offenbar erhellet, GOtt muͤſſe beſondere und wichtige Urſachen gehabt haben, dieſen liquorem ſo ungemein ſubtiliſiren zu laſſen, daß er ſich endlich in einen Hauch oder fluͤchtigen Geiſt reſolviren koͤnne, damit er nemlich in die intimiores meatus ovi, und die lineamenta des da - rin enthaltenen corporis organici pene - triren, und ſie nach und nach extendi - ren koͤnne.
Weil er durch ſo viel lange Wege und en - ge Umkruͤmmungen gehet, ehe er zu den Sa - menblaͤslein kommt; ſo kan man leicht dencken, wie ein ſubtiler und weniger Saft das ſeyn muͤſſe, indem uͤber dieſe benennten Werckzeuge nichts kuͤnſtlichers kann erdacht und erfunden werden.
Es kann auch bemeldter liquor vor dem funfzehnten Jahre nicht leicht anfangen praͤpa - rirt zu werden: weil nicht nur durch das ge - ſchwinde Wachſen der flos ſanguinis, oder der be - ſte und nahrhafteſte Theil vom Gebluͤte haͤuffi - ger conſumiret wird; ſondern auch, weil die Werckzeuge alle noch zu weich und zu enge ſind,I. Th. Betracht. der Unreinigk. Cmehr34Anatomiſch-Mediciniſchemehr als was zu ihrem Wachsthum gehoͤret zu empfangen; zudem auch der circulus des Blu - tes noch nicht ſo heftig iſt, daß er die Samen - theilchen durch ſo enge und lange Umkruͤmmun - gen fortſtoſſen koͤnte. Naͤchſtdem ſind Kinder weit mehr phlegmatiſch als die Erwachſenen, und alſo kann ſich ihr allzuwaͤſſeriges Gebluͤte zur Secretion eines ſo edlen und ſpirituoſen liquo - ris allerdings noch nicht ſchicken.
Die Veranſtaltung, die GOtt zur excretion dieſes edelſten liquoris ge - machet hat, iſt nicht weniger ver - wunderungswuͤrdig.
UNter der Blaſe umgiebet den Anfang der Harnroͤhre eine hertzfoͤrmige Druͤ - ſe, welche aus zwey Theilen beſtehet, da - mit jedes Blaͤschen ihren eignen Theil habe. Sie werden daher Proſtatæ genennet. Jn die - ſer Druͤſe wird aus den haͤuffig hineingehenden Arteriis ein liquor albicans (weißliche Feuch - tigkeit) abgeſondert, und durch 10. bis 12. Gaͤn - ge in die Harnroͤhre, zu der Zeit, wenn der Same excerniret werden ſoll, hervorgebracht, damit er jenem hoͤchſtſpirituoͤſen fluido zum vehiculo diene, daß es nicht verderbe, noch ſich verliere, oder verrauche. Ueber dis alles muß bey der excretion ſelber entweder ein Theil des fluidi neruei mit excerniret werden, oder dochſonſt35Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)ſonſt auf einige andere uns unbekante Weiſe dazu concurriren; weil eben bey der gewaltſamen Herausſtoſſung des Samens ein ungemein ſtar - kes und allgemeines Zuſammenziehen und Er - ſchuͤttern des ſyſtematis nervoſi im gantzen Leibe erreget wird: ſo daß es einer gewiſſen convul - ſion des gantzen Coͤrpers aͤhnlich ſiehet. Mit einer ſolchen Gewaltthaͤtigkeit und Angreiffen des gantzen Leibes und aller ſeiner Gliedmaſſen muß die excretion geſchehen! Wie veſt verſchloſ - ſen und gleichſam verſiegelt muß der ewige Schoͤpfer dis edle fluidum nicht haben wollen! Das Glied ſelber beſtehet vornemlich aus zwey ſchwaͤmmichten Theilen, darein gar ſehr viel Pulsadern gehen, und das erhitzte Blut haͤuffig zufuͤhren, damit daſſelbe erſtarre, und der Sa - me, da er mit groſſer Gewalt auf die Weiſe hervor geſtoſſen wird, nur an den Ort, wozu er beſtimmet iſt, gelangen koͤnne. Nun iſt aus der taͤglichen Erfahrung bey allen Medicis aus - gemacht, daß durch einen ſtarcken Zufluß der humorum die Roͤrchen und Adern, darein ſie ge - trieben werden, ſehr auseinander geſpannt, aus - gedehnet und ſchlapp werden muͤſſen; und daß ein ſo ſtarcker und fortdaurender Zufluß derſel - ben nothwendig an diejenigen Oerter geſchehen muͤſſe, wo man ihnen den Weg gewieſen und ſie hingewoͤhnet. Daher koͤnnen Sie, mein Freund, von weitem ſchon ſchlieſſen, wie die, ſo ſich der Wolluſt ergeben, dieſe ſonſt wunder - bare Werckzeuge und Verrichtungen gaͤntz - lich ruiniren, und der Natur einen ſolchen ha -C 2bi -36Anatomiſch-Mediciniſchebitum angewoͤhnen, oder aufdringen, davon ſie kuͤnftighin ſchwerlich wieder wird abſtehen wollen.
Eins muß ich Jhnen noch ſagen: Jch habe nur eine gantz ſchlechte und nur obenhin angeſtellte Beſchreibung dieſes Wundergebaͤu - des (ich meine der zur Fortpflantzung dienenden Werckzeuge und ihres Zuſammenhanges) gege - ben; aber gewiß nicht den tauſendſten Theil der hier befindlichen wunderbaren, kuͤnſtlichen und hoͤchſtweiſen Structur und Einrichtung ange - zeigt. O es iſt alles darinn admirable, alles unbegreiflich ſubtil, alles im hoͤchſten Grad weiſe, maͤchtig und guͤtig angeordnet, alles ſchlechterdings inimitable. Ja es iſt faſt ſchwer nachzukommen, ſichs vorzuſtellen und zu be - greiffen, wenn es von einem der geuͤbteſten Ana - tomicorum erzehlet und beſchrieben wird. Und wie vieles iſt noch verborgen, und kann durch die ſubtilſten anatomiſchen Meſſer, Kunſtgriffe und Vergroͤſſerungsglaͤſer nicht entdecket und vom menſchlichen Verſtande begriffen werden. Wie viele, viele Fragen, die man hier machen kann, muͤſſen auch die groͤſten Anatomici noch unbeantwortet laſſen! Wollen Sie davon eini - ge Proben haben, ſo ſchlagen Sie nur zum klei - nen Exempel nach Commercii litterarii An. 1731. pag. 295. 299. ſeqq.
Der Same iſt das allergewaltigſte, hoͤchſt ſpirituoͤſe, und edelſte flui -dum37Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)dum im menſchlichen Coͤrper, wel - ches aus einerley oder aͤhnlichen Ma - terie mit dem fluido nerveo gezeu - get wird, auch in der Art und Be - ſchaffenheit mit demſelben die aller - meiſte Aehnlichkeit hat. Dis er - weiſet a priori die Aehnlichkeit mit der Bluͤte und Samen der Pflan - tzen; vielmehr aber die Structur und Beſchaffenheit der zur Erzeu - gung des Samens beſtellten Werck - zeuge.
WAs das erſte betrift, ſo muß in allenErweis. a) Pflantzen der Nahrungsſaft erſt durch die Wurtzeln aus der impraͤgnirten Erde empfangen, und darin praͤparirt werden. Von dar kommt er in den Stamm oder Sten - gel; dann in die Aeſte, hernach in die Blaͤtter, in deren ſehr zarten, aber doch noch zum Theil ſichtbaren Zaͤſerchen er mehr ſubtiliſiret, und vom groͤbern Safte befreyet wird. Alsdann wird er erſt zur Blume hingeſchicket, als wel - che die vornehmſte Wohnung des ſubtileſten Gei - ſtes in der Pflantze iſt, darin er bewahret, und in den ungemein zarten Roͤhrlein der Blumen - blaͤtter noch verduͤnnet und gereiniget wird, daß ſich endlich aus der Mitte der Blume der Sa - me anſetzen und fortwachſen koͤnne; iedoch un - ter ſteter Beſchuͤtzung der Blumenblaͤtter, die ihn alle Abend vor der Kaͤlte bedecken, wennC 3ſich38Anatomiſch-Mediciniſcheſich auf die Nacht die Blume ſchlieſſet; und de - ren er ſo ſehr bedarf, daß, wo man einer ſol - chen anfangenden Frucht die Blumenblaͤtter abrupfen wuͤrde, ſie verderben muͤſte. Ach wie? mein theureſter Freund! daß Sie nicht bey ie - dem Anblick der Blumen den ſo vernuͤnftigen Schluß machen: Hat der Schoͤpfer die Erzeu - gung des Samens in den Pflantzen ſo vorſich - tig eingerichtet, und das allerbeſte aus der gantzen Pflantze dazu deſtiniret, davon mich die ſubtile textur der Blumenblaͤt - ter, der anmuthige Geruch der Blumen, und das liebliche Spiel ihrer unzehli - chen Farben vollkommen uͤberfuͤhret; wie wird es erſt in mir beſchaffen ſeyn, der ich ia unvergleichlich edler bin, als eine Pflantze, und zu einem gantz andernb) Endzweck in der Welt lebe? Betreffend das andere, ſo iſt aus der Anatomie weltkuͤndig und unleugbar, daß die Fabrique der teſtium mit der Structur des Gehirns und der medullæ ſpina - lis in der Subtilitaͤt und Art allzuſehr uͤberein oder ihr nahe koͤmmt. Nun es GOtt in der gantzen Natur ſo eingerichtet, daß wo aͤhnliche organa, daſelbſt auch aͤhnliche Verrichtungen und aͤhnliche producta ſind: ſo koͤnnen wir hie auch ſagen, daß die teſtes ſo wohl als das Gehirn ein unter den fluidis im menſch - lichen Leibe im hoͤchſten Grad kraͤftiges fluidum, ein fluidum actiuisſimum et moven - di potens zubereiten.
A poſteriori aber erweiſet ſolches ſchon derur -39Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)uralte Medicus und Heide Hippocrates deut - lich genug, da er ſagt: „ Der Same muß das „ allerkraͤftigſte fluidum in unſerm gantzen Coͤr - „ per ſeyn, weil man davon ſo ſehr ſchwach wird, „ wenn deſſelben gleich ſo wenig auf einmal ent - „ gehet. ‟ Muß denn dis nicht edel ſeyn, durch deſſen Abgang ein Menſch ſo entkraͤftet wird? Als der weiſe Pythagoras einſt befragt wurde: welche Zeit doch wol zur Beywohnung im Ehe - ſtande koͤnte am erſten erwehlet werden? ſo gab er, (nach des Laertii Zeugniß in vita Pythag.) zur Antwort: tunc, quando te ipſo vis infir - mior fieri. Alsdenn, meint er, wenns einem kann erlaubt ſeyn, ſich ſelber zu ſchwaͤchen und matt zu machen, mithin, wenn man eine gute Zeit nach einander nichts wichtiges vor - und auf hat, wozu eine voͤllige Munterkeit und ſtar - cke Gemuͤths - und Leibeskraͤfte erfordert wer - den. Darum auch die Medici den ſchwachen, abgematteten und abgelebten Eheleuten die Bey - wohnung allerdings wiederrathen; und die Er - fahrung beſtaͤttigt es nur allzuſehr, daß wenn einige nach einer harten Kranckheit, nach groſ - ſen Fatiguen, nach vielem Kummer und Abmat - tungen des Gemuͤths, nach vielem Wachen ꝛc. an die excretionem ſeminis kommen, ſie ihren Leib und alle Kraͤfte (nach dem Ausdruck des Herrn geheimen Rath D. Hoffmanns in Me - dic. Syſtem. Tom. I. p. 576.) in eine gantz aus - nehmende Schwachheit und Entkraͤftung hinein ſtuͤrtzen. Dis iſt auch die Urſach, warum de - nen, welche ſich durch ſolche unmenſchliche LuſtC 4gantz40Anatomiſch-Mediciniſchegantz geſchwaͤcht und ruiniret haben, von Me - dicis dergleichen remedia vorgeſchrieben werden, welche das Gehirn und die ſpiritus vitales auf - wecken und ſtaͤrcken, dergleichen zum Exempel iſt: gallinæ ſatis coctæ juſculum, cum guttu - lis optimi vini, et floribus moſchatulæ pau - latim propinandum, et idem vinum odoran - dum; ultra quod confortatiuum omnino opus eſt, venere abſtinere, ventriculum roborare, pedes et totum corpus calidis linteis fricare. O eine miſerable Beſchaͤftigung, wenn ein ver - nuͤnftiger (ich will nicht ſagen chriſtlicher) Menſch ſeinem ruinirten Coͤrper mit ſolchen Rettungs - Mitteln zu Huͤlfe kommen muß! Auch iſt merck -d) wuͤrdig, was der alte Avicenna ſagt: natus ſi - milis erit illi, (in lineamentis corporis, inge - nio et inclinationibus) cuius imago intenta co - gitatione tempore congresſus fuit repræſen - tata; welches ia nicht undeutlich weiſet, dis fluidum nobilisſimum et ſimplicisſimum, ſo auch ſub excretione vornehmlich mit den ſpiri - tibus animalibus impraͤgniret wird, ſey mit ih - nen von gleicher Art, wo nicht noch viel edler. e)Auch ſiehet man es daher, weil in den ieni - gen, die ſehr viel lucubriren, und mit ih - rem Gemuͤth zu ſtarck arbeiten, ſehr we - niger Same praͤpariret wird: wovon die Urſach iſt, daß ſie von dem fluido nerueo da - bey zu viel conſumiren, und alſo daſſelbe ſo wohl, als auch dasjenige Gebluͤte, daraus der Same erzeuget wuͤrde, anderwerts anwenden und nu - tzen.
Man41Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)Man kann es aber inſonderheit daher hand -f) greiflich wiſſen, weil in den Juͤnglingsjahren, wenn der Same anfaͤngt generirt zu werden, und ſich wieder mit dem Gebluͤte zu vermengen, ſolche ſtupende Veraͤnderungen im Leibe und Gemuͤthe vorgehen. Zum Exempel: von der Zeit an wird der gantze Leib recht ſtarck, der Muth getroſt, behertzt und tapfer. Der gan - tze Umlauff des Bluts iſt ſtaͤrcker, macht alſo mehr Staͤrcke, Hertzhaftigkeit und Triebe. Al - le functiones des Leibes gehen beſſer von ſtat - ten; alle Werckzeuge werden haͤrter und feſter; alle Glieder robuſter, alle Verrichtungen mun - terer, alles Unternehmen und Ueberlegen weit verſtaͤndiger. Die Stimme und Sprache wird laut, grob und rauh, und der Leib an ſehr vie - len Orten mit Haaren bewachſen.
Da hingegen, wenn, zum Exempel, bey den Caſtraten die teſtes weggenommen, und alſo die Erzeugung des Samens auf - gehoben wird: ſo werden ſie dadurch gewaltig entkraͤftet; weil ihr Gebluͤte durch dieſen Balſam nicht mehr geſtaͤrckt und kraͤftig gemacht werden kann. Jh - re Stimme bleibt kindiſch, hell und hoch,*Daher die Jtaliaͤner Knaben, die ſie zu galanten Saͤngern machen wollen, auszuſchneiden pflegen, davon ein merckwuͤrdiger Brief von dem beruͤhm - ten Jtaliaͤniſchen Medico zu Padua, D. Ant. Va - liſnieri in dem Commercio litterario A. 1731. p. 236. ſqq. zu leſen iſt. die Glieder ſchlapp, weichlich und ſchwach, der Muth weibiſch, der gantze Leib traͤge, ſchwaͤch - lich, hinfaͤllig, und zu vielen Verrichtungen, wo - zu ſonderlich eine reſolute Munterkeit erfordert wird, gantz ungeſchickt. Der Bart, wenn er nicht vor der Caſtrirung da geweſen, bleibt ihr Lebe - lang aus, und ihre Haare wachſen ſonſt auchC 5nur42Anatomiſch-Mediciniſchenur in die Laͤnge, wie bey dem Weibsvolck; ſie bleiben uͤberdis mehrentheils kalt, und koͤnnen ſich nicht gnug erwaͤrmen. Diß alles daher, weil der Same in ihnen nicht mehr erzeuget wird, folglich auch nicht ins Gebluͤt zuruͤcke tre - ten, und daſſelbe mit der balſamiſchen Lebens - kraft und Staͤrcke impraͤgniren kan. So weiß der gemeine Mann und ein jeder Hirte aus derg) taͤglichen Erfahrung gar wohl, daß es bey dem Viehe eben alſo iſt, indem z. E. die Bremer oder Stiere bey der Heerde weit mehrere Staͤrcke haben, als die verſchnittenen Joch-Ochſen, und jener ihr Fleiſch ſchmecket auch gantz anders, als dieſer. Die Haͤhne ſind gleicher Weiſe denen Ca - paunen weit uͤberlegen.
Der Same wird aus den 4. Gefaͤſſen, darin er ordentlich aufbehalten wird, wenn er da zur vollkomme - nen Spirituoſitæt und Kraft gedie - hen, durch unzehliche vaſa lympha - tica, (die ſo ſubtil und enge ſind und ſeyn muͤſſen, daß ihre Oefnungen unmoͤglich mit bloſſen Augen koͤn -nen43Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)nen erblicket werden,) wieder in das Gebluͤt zuruͤck gefuͤhret. Dieſes ei - nige giebt unſerm Coͤrper die beſte Activitaͤt, Staͤrcke, Elaterem, Waͤr - me und Spirituoſitaͤt, und iſt das allervortreflichſte Medicamentum confortans, oder der beſte Balſam und Staͤrckung unſerer Leiber.
DJs iſt a priori theils aus der AnalogieErweis. 1) mit allen andern humoribus nobilio - ribus unſers Leibes zu ſchlieſſen, die al - le insgeſamt circuliren, und durch den gantzen Leib diſtribuiret werden; theils aus GOt - tes allweiſer Anordnung der Abſichten und ihrer Mittel; theils aus der offenbaren com - munication der vaſorum lymphaticorum mit den vaſis deferentibus und veſiculis ſemi - nalibus ſehr offenbar. Nemlich es iſt bey ver - nuͤnftiger Ueberlegung von dem weiſen, heiligen2) und guten GOtt unmoͤglich zu gedencken, daß er einen ſolchen regreſſum nicht ſolte veranſtal - tet haben. Denn als ein weiſer GOtt kann er unmoͤglich mehrere und ſtaͤrckere Mittel ſchaffen, als zur Erlangung des Zweckes noͤthig ſind; ſonſt thaͤte er etwas umſonſt. Die Mittel und Endzwecke muͤſſen mit einander proportioniret ſeyn. Nun iſt die Abſicht da, nemlich die Fort - pflantzung. Das Mittel iſt die Erzeugung des Samens. Es wird aber des Samens mehr generiret, als zu dieſer Abſicht noͤthig iſt: dem -nach44Anatomiſch-Mediciniſchenach muß nothwendig noch eine andere Abſicht da ſeyn. Die wolluͤſtige excretio kann unmoͤg - lich eine Abſicht ſeyn. Denn warum haͤtte GOtt einen ſo edlen liquorem mit einem ſo ad - mirablen apparatu zum Verderb gemacht? GOtt kann unmoͤglich was fuͤr die lange Weile und unnuͤtz machen, geſchweige denn zum Verderben. Als ein heiliger GOtt kann er den Ueberfluß des Samens unmoͤglich zur wolluͤſtigen Verſchwen - dung veranſtaltet haben, auch nicht den Men - ſchen ohne Mittel, durch welche der Same ins Gebluͤt wieder zuruͤck flieſſe, gelaſſen haben: ſonſt haͤtte er ihm eine necesfitatem peccandi aufgeleget. Als ein guͤtiger GOtt kann er un - moͤglich den ſo admirable generirten liquorem, darin entweder die corpuſcula organica des Menſchen ſchon verborgen ſind, oder doch ſo ei - ne gewaltige Kraft ſtecket, daß die in ovulis ma - ternis verborgenen ſtamina corporis belebet und evolviret werden, zum Verderb gemacht, oder auch nur in dem Zuſtande gelaſſen haben, daß man ihn verderben muͤſte: ſonſt wuͤrde er wie - der ſein eigen Werck, das ihm kuͤnftig dienen kann, unbarmhertzig ſeyn. Da nun excretio voluptuoſa unmoͤglich die andere Abſicht ſeyn kann: ſo muß es dieſe ſeyn, daß der Same wie - der ins Gebluͤt zuruͤck gebracht werde. Jſt nun die Abſicht ausgemacht, ſo muͤſſen auch Mittel dazu da ſeyn: denn GOtt thut keine Wunder ohne Noth. Folglich iſt a priori ſonnenklar, daß ſo eine hier behauptete communication muͤſſe vorhanden ſeyn. Und ſie iſt auch da. Denn45Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)Denn wenn man ein vas deferens ſtarck auf -3) blaͤſet: ſo werden nicht nur veſiculæ allein, ſon - dern das gantze Syſtema vaſorum lymphatico - rum und der ductus thoracicus mit aufgebla - ſen. Wenn der Same dadurch nicht wieder zuruͤck ginge, wozu waͤre dieſe communication, da offenbar iſt, daß da kein anderer liquor hin - einkommen kann? Da ſie nun aber augen - ſcheinlich da iſt, und beſagte vaſa lymphatica, wie ſubtil ſie auch ſind, doch wohl, und ſonder - lich bey noch lebenden groſſen Thieren, geſehen werden koͤnnen: wie waͤre es moͤglich, daß dis fluidum ſubtilisſimum, ſo doch beſtaͤndig in motu inteſtino et progresſivo ſtehet, nicht hin - ein dringen ſolte, da es einen offenen Weg vor ſich findet? Wer dis verneinen wolte, wuͤrde wieder alle Gruͤnde und Erfahrungen der Hy - droſtatic reden muͤſſen.
A poſteriori aber iſts daher offenbar:
a) Weil es eine weltbekante Sache iſt, daß der Same in langwierigen Kranckhei - ten, vielem Faſten und Bekuͤmmerniſſen wiederum verzehret, und ſehr mercklich verringert wird, nemlich: Wie das Fett des Menſchen in gleichen Umſtaͤnden ſich reſolviret, und ins Gebluͤte ergieſſet, damit es dem Men - ſchen bey ermangelnder anderer Speiſe Nah - rung gebe: alſo gehet auch der Same ins Ge - bluͤte zuruͤck, ihm die gehoͤrige Staͤrcke zu ge - ben; da ſonſt mancher ohne Zweifel viel eher auf ſeinem Kranckenbette bis zum Tode abge - mattet wuͤrde. Denn daß der Same ſehr ver -rin -46Anatomiſch-Mediciniſcheringert wird, kann kein Menſch leugnen, der es obſerviren will oder kann. Nun kann er nirgends anders weggehen, als wo er einen Durchgang findet; kein anderer Weg aber iſt vorhanden, als daß er entweder gar excerniret, oder durch die vor erwieſene vaſa lymphatica ins Gebluͤt zuruͤck gefuͤhret wird. Aeuſſerlich wird er nicht excernirt, (es muͤſte denn in der pollutione nocturna oder Gonorrhœa ſeyn,) denn das muͤſte man ſehen. Alſo iſt nichts mehr uͤbrig, als daß er ins Gebluͤt zuruͤck trete; Eben dis iſt auch von viel tauſend Menſchen zu ge - dencken, die viele Jahre bey dem beſten Alter und guten Nahrung gantz geſund hin leben, und gleichwol keine excretionem ſeminis haben, zum Theil auch nichts davon wiſſen. Jch ſchaͤme mich, das Exempel ſo vieler Millionen Thiere zum gleichen Zweck und in gleicher Beſchaffen - heit hier anzufuͤhren.
b) So iſts nicht weniger notoriſch, und iſt ſchon (im 5ten Lehrſatz) weiter ausgefuͤhret wor - den, daß, ſo bald der Same anfaͤngt erzeuget, und alſo auf beſagte Weiſe ins Gebluͤte gefuͤhret zu werden, eine uͤberaus notable Veraͤnderung in des Menſchen Leibe und Gemuͤthe vorgehet; da hingegen, wenn dem Menſchen oder auch dem Viehe die teſtes, als die officina ſpermatis weggenommen werden, dadurch denn deſſelben Erzeugung, folg - lich auch der Einfluß ins Gebluͤte nothwendig auf - hoͤren muß, alle ſolche effectus, die abſolut der Gegenwart und Kraft des Sameus muͤſſen zu -ge -47Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)geſchrieben werden, nicht allein wegbleiben, ſon - dern auch gantz contraire Wirckungen im Leibe entſtehen. Da man nun als ein vernuͤnftiger Menſch von einem effect auf ſeine Urſache noth - wendig ſo ſchlieſſen muß: illud, quo poſito ſem - per ponitur, quo remoto ſemper removetur effectus, necesſario effectus illius eſt cauſſa, (dasjenige, bey deſſen Gegenwart der effect al - lezeit da iſt, bey deſſen Wegbleiben aber der effect allezeit wegbleibt, muß nothwendig der Grund und Urſach dieſes effects ſeyn;) und hier keine andere Urſachen ſolcher admirablen Veraͤn - derungen angefuͤhret werden koͤnnen: ſo muß ja folgen, daß der Same aller ſolcher effectuum Urſach ſey; indem er, wenn er zu ſeiner balſa - miſchen Kraft gelanget, ins Gebluͤte weiter fort - gefuͤhret wird, und es damit impraͤgniret.
c) Wenn bey den ſchaͤndlichen Leuten, die6) durch continuirliche Wolluſt ihren Samen nicht nur gantz verderbt, und wie mit einem Gift an - geſtecket, ſondern ſich auch die Gonorrhoeam virulentam zugezogen haben, dieſer giftige Fluß durch adſtringentia ſiſtiret, und alſo ins Gebluͤt hineingetrieben wird: ſo ver - derbet er die gantze lympham, und machet ſie dermaſſen zaͤhe, ſcharf, beiſſend und brennend, daß, wenn ſie an den druͤſichten und haͤutigen Theilen des Leibes irgendwo ſto - cken bleibt, ſie unertraͤglichen Schmertzen, Blat - tern im Geſicht, Geſchwuͤre und Beulen an ſehr vielen Orten, und im gantzen Leibe eine gantz ungemeine Mattigkeit und Schwaͤche verurſa -chet.48Anatomiſch-Mediciniſchechet. Der Effect iſt da, und hat deſſen Gewiß - heit mancher mit einem peinlichen und darzu ewigen Tode beſtaͤttiget. Nun woher ſolte in ſolchem Falle eine ſo ſchreckliche und durchgaͤn - gige Corruption aller lymphæ im Coͤrper ent - ſtehen, wenn nicht jenes Gift, (nehmlich ſo ſonſt per Gonorrhœam virulentam wegging, und das Fleiſch des Patienten anfraß, wo es nur aufkam) ſich mit derſelben vermiſchet, und ſie gaͤntzlich angeſtecket haͤtte? Wie kan aber der giftige liquor ſeminalis gonorrhœantium die masſam humorum inficiren, wo er nicht hinein kaͤme? Weil er nun aber keine andere Wege hat, als die bemeldten vaſa lymphatica: ſo iſt daraus abermal klar, daß wie der vergiftete, alſo auch der natuͤrliche und vollkommene Same durch dieſe Wege ſich in das Gebluͤte wieder er - gieſſen koͤnne und muͤſſe.
* Es iſt aus allen Umſtaͤnden offenbar, daß der Verfaſſer den Tractat Onania, oder die erſchreck - liche Suͤnde der Selbſtbefleckung, mit allen ih - ren entſetzlichen Folgen ꝛc. noch nicht gehabt, als welcher ohnedis erſt nach der 15ten Edition aus dem Engliſchen ins teutſche uͤberſetzt, und 1736. zu Leipzig 8. herausgekommen iſt. Es wird ſehr dienlich ſeyn, zu dieſem Lehrſatz noch einige An - merckungen daraus anzufuͤhren, weil durch ſelbige der Zuruͤckfluß des Samens ins Gebluͤt mit noch mehr Gruͤnden beſtaͤttigt wird. Jm Anhang wird p. 327. ſqq. aus den Actis Erud. Lipſ. Tom. V. Suppl. A. 1713. p. 408. Schmiederi obſeruatio de ſeminis regreſſu ad maſſam ſan - guineam ins teutſche uͤberſetzt angefuͤhret: woraus folgende Pasſage ſonderlich hieher gehoͤret: „ Wenn „ Tauvry von dem Nutzen des Saamens, in An -„ ſe -49Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)„ ſehung des Leibes, in welchem er zubereitet „ wird, redet, und ſolchen in Anſehung der ſicht - „ baren Wirckungen, die er uͤber den Leib hat, be - „ trachtet; ſo koͤmmt er ohne Zweifel auf die „ Meinung von deſſen umlauffenden Bewegung. „ Jch will deſſen Worte gantz hieher ſetzen, denn „ ſie ſind werth, geleſen zu werden. Niemand zweifelt daran, daß wir unſern Urſprung dem Saamen zu dancken haben, und daß, indem er uns in andre Weſen verwandelt die uns ſehr gleich ſind, er uns gleichſam unſterblich machet. Allein, es iſt viel ſchwerer, den Nutzen auszuſpuͤren und zu wiſſen, den er bey dem Coͤrper ſelbſt hat, in welchem er hervor gebracht wird. Und dennoch ſehen wir, daß er uns einen gewiſ - ſen Grad der Vollkommenheit, Staͤrcke und Munterkeit giebet; weil Verſchnittene, Wei - besperſonen, und diejenigen, welche durch uͤbermaͤßige Venusluſt entkraͤfftet ſind, wie Kinder gantz feige und unvollkommen zu ſeyn pflegen. Aus eben dieſer Urſache brin - get derſelbe einen Bart herfuͤr, und verur - ſachet eine groͤbere und maͤnnliche Stimme. Gleichwie nun zwiſchen einem Verſchnitte - nen und einem andern Manne ſich kein an - derer Unterſcheid befindet, als der ſich auf die Hervorbringung dieſer Feuchtigkeit be -1) ziehet: ſo iſt ſehr wahrſcheinlich, daß eben dieſe in die Maſſa des Gebluͤts zuruͤckkehren - de Feuchtigkeit die Urſache ſolcher merck - wuͤrdigen Wirckungen iſt.
„ Dieſes ſind die Worte und Beweisthuͤmer „ dieſes Autoris, welchen ich zu Bekraͤftigung die - „ ſer Meinung meine eignen Urſachen beyfuͤgen „ will. Die erſte und wichtigſte iſt die Kleinig -2) „ keit der Saamenſaͤckgen (heiſſen ſonſt veſiculæ „ ſeminales), und der unaufhoͤrliche und taͤglicheI. Th. Betracht. der Unreinigk. D„ zu -50Anatomiſch-Mediciniſche„ Zufluß zu denſelben. Daß ſolche klein ſind, deſ - „ ſen werden wir durch unſre eigne Augen uͤber - „ zeugt. Denn ſie ſind nicht drey Zoll lang und „ kaum einen Zoll breit und dicke, ob ſie ſchon auf „ einer Seite gemeiniglich etwas groͤſſer ſind als „ auf der andern. Nun laſſe man einen jeglichen „ die Kleinigkeit dieſer Gefaͤſſe und den taͤglichen „ Zufluß des Saamens in dieſelben wohl erwe - „ gen; welchen kein Menſch leugnen kann, der „ nicht zugleich auch aller Vernunft und Erfah - „ rung zuwieder den Umlauf des Bluts, als die „ ungezweifelte Urſache der Abſonderung aller „ Feuchtigkeiten im Leibe, ſo wohl der guten als „ boͤſen, leugnen will. Nun laſſe man, ſage ich, „ einen ieglichen den unaufhoͤrlichen Trieb des „ Saamens und die Kleinigkeit dieſer Samenſaͤck - „ lein bedencken, die keinesweges faͤhig ſind, nur „ eine ſolche Menge Saamen einzunehmen und zu „ enthalten, als in ſieben oder acht Wochen, (will „ nicht ſagen vielen Jahren und ſo lange bis ei - „ ner einem Weibe rechtmaͤßig beywohnet,) ge - „ macht wird. Da nun dieſe Dinge nicht bey ein - „ ander ſtehen koͤnnen: ſo iſt noͤthig, daß der Sa - „ me wiederum in die Maſſa des Bluts oder in „ den Leib zuruͤcke gehet; und zwar aus den von „ Tauvry bereits gedachten Urſachen und andern, „ die wir erſt noch anfuͤhren werden. Die Ver -3) „ aͤnderung, welche nach der Verſchneidung in der „ Vermiſchung und natuͤrlichen Beſchaffenheit des „ Leibes angemercket wird, hilft dieſe fortgehende „ Bewegung des Samens gleichfalls beſtaͤrcken. „ Denn es iſt offenbar, daß alle Thiere, nachdem „ ihnen ihre Teſticuln genommen ſind, fetter, aber „ auch dabey verdroßner und verzagter zu werden „ pflegen. Unter andern iſt gleichfalls zu betrach - „ ten, daß bey Verſchnittenen die Haare und der „ Bart vor der Verſchneidung nicht abfallen; und „ wenn ſie noch nicht hervor gekommen ſind, ſo„ wer -51Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)„ werden ſie auch hernach nimmermehr heraus „ kommen, wie doch bey denen geſchicht, die nicht „ verſchnitten ſind. Die Beraubung der Mannheit „ veraͤndert gleichfalls die Stimme, die hernach klaͤ - „ rer und ſcharfer wird. Es wird von den Hir - „ ſchen erzehlet, daß, wenn ſie nach Abwerfung „ ihrer Hoͤrner, welches alle Jahr geſchiehet, ihrer „ Fruchtbarkeit beraubet werden, Jhnen nimmer - „ mehr keine Hoͤrner wieder wachſen. Dieſe4) „ Bewegung des Samens wird ferner bewieſen „ aus dem bockichten Geruche und Geſchmacke ei - „ niger Thiere und deren Fleiſches; wie auch der ge - „ wiſſen Zeit, zu welcher das Verlangen ihrer Ver - „ miſchung wieder koͤmmt. Wo kommt immit - „ telſt der Samen alle hin? Wo liegt er verbor - „ gen, wenn ſich ſolche Thiere nicht mit ihren „ Weiblein vermiſchen? Will man ſagen, daß als - „ denn keine Abſonderung des Samens vor ſich „ gehet, ſo laͤufft ſolches der Vernunft und Er - „ fahrung zuwieder. Es ſind gewiſſe beſondere „ Werckzeuge vor ſolche Abſcheidung beſtimmet, „ welche nach den Geſetzen der Natur allezeit in „ ihrem Amte beſchaͤfftiget ſind. Es findet ſich „ die Materie, nehmlich das Gebluͤt in den Blut - „ adern, von welchen der Same abgeſondert wird. „ Die Erfahrung lehret uns gleichfalls, daß der „ Same in den Thieren allezeit angetroffen wird. „ Man zergliedere nur ein Thier, ſo wird man „ befinden, daß die Samenbaͤlglein allezeit mit „ friſchem Samen aufgeſchwollen ſind. Uber die -5) „ ſes glaube ich, daß, wenn der Same im Leibe „ nicht umlieffe, es unverehlichten Mannsperſo - „ nen, wegen der beſtaͤndig zunehmenden Menge „ des Samens und der unaufhoͤrlichen Reitzun - „ gen, wodurch es ſie zur abſcheulichen Wolluſt an - „ treiben wuͤrde, faſt unmoͤglich fiele, ſich von der „ Hurerey zu enthalten: der mancherley und ge - „ faͤhrlichen Kranckheiten zu geſchweigen, die einD 2ſol -52Anatomiſch-Mediciniſche„ ſolcher Ueberfluß des Samens hervor bringen „ wuͤrde, wenn deſſen Menge auf keine andere „ Weiſe, als durch den Eheſtand verringert wer - „ den koͤnnte. Nun hat aber GOtt, der einen „ Greuel uͤber die Unreinigkeit bezeuget, die Hure - „ rey in ſeinem Wort ernſtlich verboten: Wel - „ ches er nicht gethan haben wuͤrde, wenn der „ Menſch aller Mittel entbloͤſſet waͤre, ſolche zu „ vermeiden. Wenn wir anders ſagen wollen, ſo „ muͤſſen wir GOtt zum Urheber der Suͤnde ma - „ chen, welches laͤſterlich iſt. Und was will man „ von der Keuſchheit der Ertzvaͤter und anderer „ heiligen Leute ſagen? War bey ihnen nicht „ gleichfalls ein Umlauf des Samens zu verſpuͤ - „ ren? Vermuthlich hat ſich dergleichen bey ih - „ nen gefunden. Es war in ihren Leibern ein be - „ ſtaͤndiger Umlauf des Gebluͤts, und eine unauf - „ hoͤrliche Abſonderung des Samens. Sie hat - „ ten eben dieſelben Theile und Werckzeuge, und „ fuͤhlten doch deßwegen keine unordentlichen Be - „ gierden. Sie fuͤhrten ein heiliges Leben und „ lieſſen ſich an einer ſparſamen und ſchlechten „ Lebensart begnuͤgen, wie die heilige Schrift viel -6) „ faͤltig von ihnen bezeuget. Auf eben ſolche Wei - „ ſe koͤnnten die Menſchen noch keuſch leben, „ wenn ſie nur ihre Schuldigkeit in Acht nehmen „ und dasjenige thun wollten, was ihnen GOt - „ tes Wort befiehlet. Der Same kan nach denen „ ihm vorgeſchriebenen Geſetzen die Menſchen „ nicht zur Begehung ſolcher Suͤnden anreitzen. „ Eben diejenige Menge des Samens, ſo aus dem „ Blut in die Samengefaͤſſe gehet, kehret auch „ wiederum von dannen in das Gebluͤt zuruͤcke. „ Jmmittelſt iſt gewiß, daß der Menſch dieſe Be - „ wegung des Samens durch uͤbermaͤßiges Eſ - „ ſen und Trincken und mancherley Leckerbißlein „ und ſtarcke Getraͤncke, (die entweder die Menge „ des Samens zu ſehr vermehren, oder ſolchen zuſcharf53Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)„ ſcharf machen, oder ſonſt die Gefaͤſſe verſtopffen, „ und alſo eine Stockung und Verderbniß des „ Samens verurſachen,) verderben und zerſtoͤren „ kan; ſo daß hernach kein Wunder iſt, wenn un - „ ordentliche Bewegungen, boͤſe Begierden, und „ aus dieſen wiederum mancherley Kranckheiten „ hervor gebracht werden. ‟
„ Aus dem, was bishero geſaget worden, iſt mei - „ nes Erachtens offenbar, daß der Same von ſei - „ nen Gefaͤſſen in das Gebluͤt und von dieſen „ wiederum in jene zuruͤcke gehet. Allein, wo iſt „ der Weg, durch welchen er gefuͤhret wird? Von „ dieſem, ich muß es geſtehen, wiſſen wir ſehr „ wenig, aber aus Mangel ſolcher Wiſſenſchaft „ findet ſich kein Grund einen ſolchen Weg gaͤntz - „ lich zu leugnen. Unſere Unwiſſenheit und Miß - „ trauen kann die Wahrheit und Wircklichkeit ei - „ ner Sache nicht aufheben. Jch bitte, man ſa - „ ge mir, welches der Weg iſt, durch welchen oͤf - „ ters von einem Empyemate in dem Thorace, ei - „ nem in dem Abdomine verborgenen Geſchwaͤr, oder „ einer Entzuͤndung der Pleuritis, der Lungen ꝛc. „ die eyteriche Materie zu den Harngaͤngen, zu „ den Gedaͤrmen und zu dem Munde gefuͤhret „ wird? Wir ſehen, daß in einer Pleuriſi die Ma - „ terie gemeiniglich durch den Mund ausgeleeret „ wird. Zu andern Zeiten aber wird ſie auch „ durch den Urin und Stuhl abgefuͤhret. Ja „ was noch mehr zu bewundern iſt, es ſind unter - „ ſchiedene harte Dinge, die hinunter geſchlucket „ worden, als Nadeln und dergleichen durch die „ Harngaͤnge mit dem Urin abgefuͤhret worden; „ wie wir unterſchiedene Exempel haben, die von „ beruͤhmten und glaubwuͤrdigen Maͤnnern bezeu - „ get werden. Miſcell. N. C. 4. 11. D. 10. 111. „ p. m. 4. und Acta Eruditorum Menſ. Auguſt. „ Anni MDCCXII. p. m. 347. Welchen Weg „ konnten dieſe Dinge zu den Harngefaͤſſen gelan -D 3gen?54Anatomiſch-Mediciniſche„ gen? Daß ſie das Gebluͤt mit ſich durch die „ Blutadern, Adern und zaͤſerichten Gefaͤſſe ge - „ fuͤhret habe, iſt ſich ſehr ſchwerlich einzubilden. „ Es erwege und betrachte nur ein jeglicher, der „ die Zergliederungskunſt verſtehet, die wunder - „ baren Gaͤnge und krummen Windungen, wel - „ che der Nahrungsſaft von dem Magen aus zu - „ nehmen gezwungen iſt, ehe er in das Blut gelan - „ gen kan. Es betrachte ein ſolcher ferner die man - „ cherley Wendungen und zaͤſrigten Gefaͤſſe, durch „ welche das Gebluͤt umlaͤuft, und vergleiche die - „ ſe harten Dinge damit: alsdenn vertheidige er, „ ob ſie ſo leichtlich zu den abſondernden Werck - „ zeugen des Urins gefuͤhret, und mit gleicher Leich - „ tigkeit von dem Gebluͤt ohne Verwundung der „ Gefaͤſſe abgefuͤhret werden koͤnnen, wie der Urin. „ Der obgedachte Tauvry iſt der Meynung, daß „ der Same durch die Schweißloͤcher der Adern „ zuruͤck in die Maſſa des Gebluͤts gehet, welcher „ Zuruͤckgang, ſeiner Einbildung nach, auf folgen - „ de Weiſe geſchiehet. Wenn der Samen, ſpricht „ er, in ſeine Gefaͤſſe eingeſchloſſen iſt, ſo fermentirt „ er; und wenn er lange darinnen verharret, ſo „ uͤberkoͤmmt er eine Eigenſchaft, mit welcher er „ vorher nicht begabet war, nehmlich er erlanget „ ſtaͤrckere Bewegung und wird mehr verduͤnnet: „ ſo daß, wenn er in die Blutmaſſa zuruͤcke keh - „ ret, er daſelbſt ſolche Veraͤnderungen herfuͤr „ bringet, welche er nicht haͤtte herfuͤr bringen koͤn - „ nen wenn er nicht in den Samengefaͤſſen waͤre „ rectificiret und erhoͤhet worden Wenn dieſe Ge - „ faͤſſe einmal angefuͤllet ſind, und noch mehr „ Samenmaterie hinzukoͤmmt: ſo wird ſie nach „ und nach gezwungen, in die Schweißloͤcher der „ Adern hinein zu treten und wenn ſie mit dem Ge - „ bluͤt umlauft, ſo vereiniget ſie ſich durch ihre „ klebrichte Eigenſchaft gewiſſer maſſen mit den „ Lebensgeiſtern, haͤlt ſolche zuruͤck, und verhindert„ de -55Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)„ deren Ausbreitung. Dieſes iſt die Urſache, daß „ wenn in dem veneriſchen Actu eine groſſe Men - „ ge dieſer oͤhlichten Subſtanz bey oft wiederhol - „ ten malen erſchoͤpffet wird, die Lebensgeiſter „ verſchwinden: und daher nimmt die Schwach - „ heit dererjenigen ihren Urſprung, welche dieſes Li - „ quidi beraubet ſind. Monſieur Bayle, den ich ſchon „ ſonſt angefuͤhret, iſt eben dieſer Meinung. Was „ mich ſelbſt anbelanget, ſo halte ich dafuͤr, daß, „ wenn der Samen in den Teſticuln und Semi - „ nalgefaͤſſen verduͤnnet und ſubtiler gemacht iſt: „ ſo kehret er durch die lymphatiſchen Gefaͤſſe wie - „ der zuruͤcke, welche nebſt den Vaſis deferentibus „ in den Abdomen hinauf ſteigen, und daſelbſt „ ihre Lympham in die Gefaͤſſe, ſo den Nahrungs - „ ſafft fuͤhren, ausleeren, und auf dieſe Weiſe wird „ er zum groſſen Nutzen des gantzen Leibes wie - „ derum in den Chylum und das Blut zuruͤcke ge - „ fuͤhret. ‟ Man kann davon auch nachſchlagen, was der groſſe Medicus, der Herr geheime Rath Hoffmann in ſeiner Medicina rationali ſyſtema - tica Tom. l. p. 235. ſqq. ausgefuͤhret.
Sehen Sie, mein theurer Freund! eine ſol - che Univerſalmedicin, die wol die alleredelſte und kraͤftigſte iſt unter allen, die man unter der Son - nen finden kan, hat der liebhaber Jhres Lebens in Jhren Leib ſelber gelegt und verborgen. Alſo hat er die allerſtaͤrkſte Stuͤtze ihrer Geſundheit, Jhnen ſelbſt unwiſſend, und ohne erſt vielen Danck von Jhnen zu erwarten, Jhnen auf be - ſtaͤndig und allgemein, ſo gut als das taͤgliche Licht der Sonnen mit gegeben. Alſo lieb iſt Jhm Jhre Geſundheit, Munterkeit und Leben! Solten Sie es nicht auch theuer achten, und mit Freuden zu ſeinem muntern und froͤlichenD 4Dienſt56Anatomiſch-MediciniſcheDienſt unverſehrt zu conſerviren beflieſſen ſeyn? Oder ſolten Sie ſich unterſtehen, dieſe Grund - anſtalt GOttes zu Jhrer Erhaltung und Leb - haftigkeit alſo undanckbar und alſo feindſelig ge - gen GOtt und ſich ſelbſt umzuſtuͤrtzen? Sollen Sie GOttes wunderbarſte und ſchoͤnſte Wer - cke ſo verderben?
Jn einem jeglichen vollkommen ausge - arbeiteten Samen (der NB. weder unreiff und unvollkommen, noch et - wa ſchon verderbet iſt, auch nicht etwa nur zum Zuruͤckfluß ins Ge - bluͤte, und zur Staͤrckung des gan - tzen Menſchen, ſondern zur Fort - pflantzung ſeines gleichen beſtim - met iſt, und in den veſiculis ſemi - nalibus zu dieſem Zweck aufgehoben wird,) in einem jeglichen ſolchen Sa - men, ſage ich, und in einem jeglichen Theile deſſelben, iſt entweder der gantze organiſche, das iſt, mit allen ſeinen Gliederchen und Gefaͤſſen be - reits verſehene menſchliche Leib nach ſeinen erſten Lineamenten, in unbe - greiflich kleiner Geſtalt und voͤl - ligen Structur ſchon entworfen und verborgen; oder aber, (welches nochglaub -57Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)glaublicher iſt) ein ſpiritus plaſticus und ſehr gewaltige Kraft, welche bey der Empfaͤngniß ins ovulum maternum penetriren und die darin befindlichen ſtamina corpuſculi hu - mani beleben und aus einander wi - ckeln, mithin zum Urſprung, Leben und Wachsthum bringen muß.
DJs laͤßt ſich theils aus der AnalogieErweis. mit dem Samen der Pflantzen, (von welchen Malpighius, Grew und andere erwieſen, daß in dem fruchtbaren Koͤrnlein das gantze Kraut oder Baum in ſeinen erſten ſtaminibus ſchon enthalten iſt, und nachhero durch Zufluß des Nahrungsſaftes nur ausein - ander gewickelt und extendiret wird) ſchlieſſen; theils aus allerley durch gute Micro - ſcopia bey den groͤſten Thieren ge - machten Obſervationen nehmen. Die Alten ſagten in der Abſicht: ſemen ex omni - bus corporis partibus decidere, weil es alle Gliederchen und Gefaͤßchen des Leibes in ſich halte; und wie alle corpora organica der Pflan - tzen und Thiere eine vim ſui multiplicativam in ſich haͤtten; alſo ſey dieſes vor allen andern im Menſchen, als dem edelſten: und zu dem GOtt einige mal geſaget hat: Seyd fruchtbar und mehret euch, eben ſo feſt geſtellet. Die Art und Weiſe, wie ein Kind empfangen und erzeuget wird, ob ſie gleich bis auf dieſe StundeD 5un -58Anatomiſch-Mediciniſcheunter die groͤßten Geheimniſſe der Natur muß gerechnet werden, (ohnerachtet ſich die gelehr - teſten Medici und Naturkuͤndiger den Kopf ſo viele hundert und tauſend Jahr druͤber zerbro - chen) uͤberzeuget uns deſſen gantz vollkommen; wir moͤgen nun zu deren Erklaͤrung eine hypo - theſin annehmen, welche wir immer wollen. Denn da penetriret der maͤnnliche Same we - gen ſeiner ausnehmenden Spirituoſitaͤt ins ovulum femellæ, mit oder zu den erſten Ideen und Entwuͤrfen des Corpuſculi, ſo darin verbor - gen iſt. Hiedurch werden auf eine uns unbe - kante Weiſe dieſe erſten rudimenta zuerſt belebet und in eine Activitaͤt geſetzt: alsdenn durch die in ovulo enthaltene naͤhrende Feuchtigkeit, her - nach aber durch die zuflieſſende lympham evol - viret, genaͤhret und extendiret, daß ſie nun mehr Conſiſtentz, Groͤſſe und Connexion anfangen zu gewinnen. Man nehme nun hierinfalls eine Meinung an, welche man will oder kann: ſo folget doch bey beyden hypotheſibus unwieder - ſprechlich, daß das, was im vollkommen reiffen Samen enthalten iſt, der einige Grund und Ur - ſach zum Empfangen, Urſprung und Leben ei - nes Menſchen ſey, und nothwendig ſeyn muͤſſe; inmaſſen ohne daſſelbe nie keine Empfaͤngniß natuͤrlicher Weiſe moͤglich iſt. Jſt nun dem Menſchenmoͤrder Onan Gen. 38, 9. 10. zu viel geſchehen, da ihn der HErr toͤdtete, weil er ei - nen Menſchen in ſeinem erſten Urſprung umge - bracht hatte? Wahrlich, die bloſſe vernuͤnf - tige Erwegung dieſer wunderbaren Sa -che59Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)che ſolte vermoͤgend ſeyn, einem Men - ſchen, der nur noch nicht uͤber ſein na - tuͤrlich Verderben in der Bosheit wei - ter gegangen iſt, mit vollkommener Con - viction beyzubringen, welch ein genaues Aufſehen GOtt auf die Fortpflantzung des menſchlichen Geſchlechts habe, und auf alle Umſtaͤnde, die dabey oder dage - gen nur vorfallen koͤnnen; und welch ein heiliges und mit tiefſter Veneration und Bewunderung der Weisheit GOttes zu verknuͤpfendes Werck ſie ſeyn ſolte.
Die alten Juͤdiſchen Lehrer haben an dieſes Geheimniß zuweilen mit groſſer Ehrerbietung gedacht. Sie ſprechen in dem Targum Hieroſol. uͤber Moſ. 30, 32. Vier Schluͤſſel ſind in der „ Hand desjenigen, der aller Welt Herrſcher heiſ - „ ſet, und die weder den Engeln noch den Sera - „ phinen anvertrauet werden: nemlich der Schluͤſ - „ ſel des Regens, 5 Moſ. 28, 12. der Saͤttigung „ und Verſorgung aller Creatur, Pſ. 145, 16. „ der Graͤber zur Auferſtehung der Todten, Ezech. „ 37, 12. und der Fruchtbarkeit und Unfrucht - „ barkeit der Leiber, 1 Moſ. 30, 32. ‟ Sie wollen in ihrer Weiſe zu reden ſo viel ſagen: Dieſe 4. Stuͤcke habe ſich der ewige GOtt ſchlechterdings allein zu ſeiner oberherrlichen Macht und Re - gierung vorbehalten, und laſſe ſich von keinem Engel und keinem Potentaten etwas drein re - den, oder etwas darin einrichten; hierinnen muͤſſe ihn alle Welt ungemeiſtert, ungehindert und ungefoͤrdert laſſen; keiner koͤnne etwas aͤn -dern,60Anatomiſch-Mediciniſchedern, mindern, mehren, beſchleunigen, verzoͤ - gern, hie und dahin lencken ꝛc. wer da meinte, groſſe Macht und Vermoͤgen zu beſitzen: der moͤchte nur hieher gehen, und ſeine Macht hier erweiſen; hier Ehre einlegen; hier in Proben kund thun, wie viel er vermoͤge. Und aller - dings iſt auch der 4te Schluͤſſel lediglich nur in des Allmaͤchtigen Hand, ſo wol nach der Einſicht als nach der Anordnung. Denn welcher Sterb - licher iſt im Stande, das gantze Geheimniß der Fortpflantzung unſers Geſchlechts ſo wol im kleinen als im groſſen und allgemeinen auszu - kundſchaften, durchzugruͤbeln und zu uͤberſehen? Wer kann erklaͤren, wie darin alles von Anbe - gin bis zu Ende durch ſo viele Grade und Ver - aͤnderungen zugehe, bis ein ſo vortrefliches und wunderreiches Syſtema des menſchlichen Coͤr - pers an das Tageslicht kommet? Kann man nicht in dem eintzigen verwunderungswuͤrdigen Wer - cke GOttes viele hundert Fragen aufgeben, die alle Weltweiſen unbeantwortet laſſen muͤſſen? Wer kann befehlen, wenn und wie die Empfaͤng - niß, die erſte Belebung, der Anfang dieſes Wundergebaͤudes, deſſelben Zunahm, Ab - meſſung und Vollendung geſchehen ſolle und muͤſ - ſe? Wer kann in der Groͤſſe, Proportion, Stru - ctur, Connexion, Staͤrcke, und allen andern Eigenſchaften der Gliedmaſſen und Gebeine bey der Erzeugung etwas vermehren, vermindern, verſetzen, beſchleunigen, hindern, oder es ſonſt ſo oder anders nach ſeinem Kopf und Sinn ein - richten laſſen? Wer kann den Unterſcheid desGe -61Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)Geſchlechts wehlen, fordern, beſtimmen? Jſts nicht der Jehovah alleine, aus deſſen Haͤnden dis alle Welt, von dem hoͤchſten Kayſer an bis zum geringſten Bettler erwarten muß? Kanns ihm jemand vorſchreiben, oder das gegebene mit Trotz verwerfen, oder mit Undanck unange - nommen laſſen? alſo majeſtaͤtiſch und ſouverain handelt GOtt in dieſem Werck. Solte das nicht alle Menſchen bedachtſam machen? Solte uns dis nicht uͤberfuͤhren, daß dis gantze Werk mit Ehrfurcht vor GOtt bedacht und tractiret wer - den muͤſte? Soll dis Hauptgeſchaͤfte der heili - gen Regierung GOttes den unreinen Luͤſten gottloſer Menſchen aufgeopfert, und durch ſie gewiſſer maſſen in den Dienſt und die Gewalt der Teufel hingeliefert werden? Soll dis noch der vornehmſte Tummelplatz der luͤſternen Trie - be und ſchaͤndlichſten Unflaͤtereyen ſeyn?
Je mehr der Same zur Vollkommen - heit, Reiffe und Subtilitaͤt gedie - hen: deſto ſtaͤrckere und geſuͤndere Kinder werden erzeuget. Hingegen je unreiffer, waͤſſeriger und groͤber derſelbe iſt: ie ſchwaͤcher wird das Kind, und dazu ſtets allerley Kranck - heiten unterworfen, eines gar kur - tzen Lebens auch mehrentheils ſe - xus ſequioris.
Was62Anatomiſch-MediciniſcheWAs in der gantzen Welt obſerviret wer - den kann, und durch ſtetswaͤhrende Erfahrung beſtaͤttiget wird, darf man nicht erſt weitlaͤuftig erweiſen. Jſt es doch ina) den Pflantzen auch alſo. Je ſchoͤnere, voͤllere, beſſer colorirte und lebhaftere Nelcken, Primuln, Auriculn oder andere Blumen man haben will: je laͤnger muͤſſen ihre Samentaͤſchchen, jede nach ihrer Art und Zeit, ſtehen bleiben, und an der Sonnen zur voͤlligen Reiffe kommen. Wem iſt unbekant, daß, wenn man die Blumen zu ſtarck zum Wachsthum treibet, ſie zwar voll werden: aber keine Frucht noch fruchtbaren Samen mehr geben, wenigſtens ihn nicht zur Reiffe bringen? Zum Exempel: eine volle Gra - natbluͤte wird nie keine Aepffel; Roſen nie keine Haynbutten geben, die doch aus einfachen Blu - men allerdings werden. Wer weiß nicht, daßb) die Kinder, ſo von Eheleuten, die nicht ihr voͤlliges Alter haben, oder in hohem Alter, oder bey zu oͤfterer Verſchwen - dung des Samens, oder in Truncken - heit, oder bey kraͤncklichem und ge - ſchwaͤchten Leibe erzeuget werden, gantz weichlich, allezeit kraͤncklich, miſerabel und in continuirlicher Gefahr des To - des ſind? Der Same muß aber unreiff, waͤſſe - rig und nicht legitim ſeyn, wo er verſchwendet wird, immaſſen er ja nicht Zeit bekommt zu ſei - ner rechten Kraft und Reiffe zu gelangen; und muß noch dazu oͤfters aus den Hefen des ſchon befleckten Gebluͤtes elaboriret werden. Ueber -dis63Betracht. der Unreinigkeit. (I. Th.)dis, wenn die ovula, darin die rudimenta femel -c) læ ſeyn, einer zaͤrteren und ſchwaͤcheren, die ovula zum ſexui maſculino aber einer zaͤheren und ſtaͤr - ckeren Art ſind: ſo muß folgen, daß der unkraͤf - tige und geſchwaͤchte Same etwa noch wol die ſchwaͤchern ovula penetrire, aber die ſtaͤrckeren nicht wol mehr durchdringen kann; weil er da - zu nicht geiſtreich und kraͤftig genug iſt: mithin laͤßt ſich auch von vorne her und ohne habende Exempel begreiffen, daß bey ſo geſchwaͤchten Naturen eher ein ſexus ſequior produciret wer - den muͤſſe.
MEin Hertzensfreund! Aus dieſen 8. Lehrſaͤtzen allein koͤnnen Sie vernunft - maͤßig, wenn ſie auch nur ein Heide waͤren, und ihren allerhoͤchſten HErrn und Fuͤr - ſten, den heiligen GOtt nicht kenneten, gnugſam erachten: wie alle Unreinigkeit uͤberhaupt, und namentlich auch die Schaͤndung ſeines eigenen Leibes anzuſehen ſey. Weil die Sache aber all - zuviel zu ſagen hat, und bey Gemuͤthern, die ſchon in der Wolluſt verſuncken ſind, eine ſolche hoͤchſt raiſonnable Vorſtellung mehrentheils wenig ver - mag auszurichten: ſo will Jhnen aus denſelben einige Schlußfolgen anweiſen, (wiewol ſie ſelbſt mehrere finden koͤnnen,) darin ich Jhnen, Kraft der hertzlichen Liebe, die mich Jhnen ſo hoch ver -bun -64Anatomiſch-Mediciniſchebunden hat, noch greiflicher weiſen will, in wel - chen Jammer und Ungluͤckſeligkeit Sie ſich ſtuͤr - tzen, wenn Sie ferner ein elender Sclave von dieſer Luſtſeuche bleiben wolten.
Sie ruiniren Jhr Gedaͤchtniß (kraft des 4ten und 5ten Lehrſatzes). Denn weil li - quor ſeminalis mit dem fluido nerveo von faſt gleicher Art, aus aͤhnlicher Materie, und auf ei - nerley Weiſe praͤpariret wird; uͤber dem vom fluido nerveo zu deſſen Bereitung und Excre - tion eine merckliche portion hinzukommt; aber unleugbar iſt, daß die Kraͤfte des Gedaͤchtniſ - ſes nach der Qualitaͤt und Quantitaͤt des fluidi nervei im Gehirn proportioniret und abgemeſ - ſen ſind: ſo muß ja nothwendig auf die Ver - ſchwendung des Samens, folgends der Lebens - geiſter, auch eine groſſe Abnahme des Gedaͤcht - niſſes, und anderer davon dependirenden Ver - richtungen der Seele folgen. Daher auch viele von den alten Philoſophen nicht einmal heira - then wolten, um ihres Gehirns und Verſtandes Kraͤfte nicht zu ſchwaͤchen. Oder haben ſie es nicht irgend auch ſchon (ach daß Sie doch dar - auf gemercket haͤtten!) obſerviret, was ſonſt ſol - che Weichlinge zu ſpaͤte vor den Medicis bekannt haben, ſie haͤtten oͤfters nach der Befleckung ei - ne groſſe Mattigkeit, Traͤgheit, Unordnung und Schwaͤche im Kopfe, und den gantzen Ruͤckgrad hinunter Schmertzen empfunden; daß ſie auch manchmal gedacht haben, der Same muͤſſe aus dem Haupt durch den Ruͤckgrad hinunter kom - men, wo ſich das Gehirn durch die medullamob -65Betrachtung der Unreinigkeit. oblongatam endlich hinein erſtrecket und endi - get. Haben Sie etwa vor der Luſt oder vor der Gewiſſensangſt nicht drauf mercken koͤnnen: harren Sie, es wird gewißlich kommen, und nicht ausbleiben, wo Sie ſich nicht zu rechter Zeit wollen rathen laſſen.
Jch frage Sie aber, (bedencken Sie es um der Liebe GOttes willen!) ob Sie ſich denn den unglaublichen Schaden, der auf alle ihre Lebetage daher entſpringen muß, gar niemals vorſtellen, und ihn nie zu Hertzen nehmen? Was wirds Jhnen nicht fuͤr ein jaͤmmerlich Her - tzeleid und ſpaͤtes Klagen verurſachen: wenn Sie ihrer Worte gleichſam im Munde vergeſ - ſen, anderer Reden nicht behalten, das Gelerne - te und Geleſene ſtets wieder vergebens lernen und leſen, und wenn etwa drey oder viererley Ver - richtungen auf einmal vorkommen werden, ſich lange erſt beſinnen muͤſſen, was Sie vorzuneh - men haben, und bey alle dem doch des nothwen - digſten vergeſſen, oͤfters zum groͤſten Nachtheil und Schande? Doch, wie kann ich Jhnen die betruͤbten Folgen und den unſchaͤtzbaren Scha - den des geſchwaͤchten und verworrenen Gedaͤcht - niſſes genugſam vorſtellen, welche Sie alle Ta - ge und Stunden ihrer gantzen kuͤnftigen Lebens - zeit erbaͤrmlich werden plagen muͤſſen? Jch muͤ - ſte alle ihre kuͤnftige Lebensarten und deren un - zehliche Beſchaͤftigungen, Abwechſelungen, Con - nexion und Umgang mit andern, und alle uͤbrige Umſtaͤnde durchgehen, wenn ichs Jhnen nur ei - niger maſſen begreiflich berechnen ſolte.
Sie verderben ihre Phantaſie. Denn daß wir uns geſehene oder gehoͤrte, oder auf an - dere Weiſe empfundene Dinge durch die Einbil - dungskraft wieder lebhaft vorſtellen koͤnnen, dependirt vom fluido nerveo im Gehirn, und iſt nach deſſen Qualitaͤt und Menge proportio - niret; folglich gilt hier wieder alles, was erſt an - gefuͤhret iſt. Ueberdem aber: o was fuͤr greuliche und ſchaͤndliche Bilder werden durch die Luſt - ſeuche in Jhre Einbildungskraͤfte unausloͤſchlich eingepreget, und ihr gleichſam zu eigen gemacht: daß wenn ſie es kuͤnftig auch noch ſo ernſtlich vermeiden wolten, dennoch ſolche Ebenbilder des Teufels immer wieder kommen, und ſie vor GOtt recht verunehren, und zum Greuel machen wer - den, auch mit Jhrem eignen groͤſten Schmer - tzen! Oder glauben Sie, daß es Jhnen nicht eben ſo gehen koͤnne, wie jenem, der, als Jhn GOttes gewaltige Gnade aus ſeinem Luder her - ausgezogen und bekehret, oͤffentlich bekannt hat: „ Es kam mit mir endlich dahin, daß ich zuletzt „ keine Creatur mehr anſehen konte, ohne fleiſch - „ liche Jdeen in den Gedancken, unzuͤchtige Bil - „ der im Gemuͤthe, und greuliche Begierden im „ Hertzen zu haben. ‟ Ach wollen Sie denn die edlen Kraͤfte Jhrer Phantaſie, darin die Herr - lichkeit GOttes verklaͤret ſeyn ſolte, zu einer ſol - chen ſcheußlichen Cloac des Satans machen? Soll der Tempel GOttes ſo zu einem Tummel - platz und ſcheußlichen Werckſtaͤtte der unreinen Geiſter gemacht werden? Wollen Sie ſich eine ſolche unvermeidliche Nothwendigkeit des ſchaͤnd -lich -67Betrachtung der Unreinigkeit. lichſten Suͤndigens in Jhrem Geiſte und der un - reineſten Vorſtellungen auf den Hals ziehen? Folgen Jhnen denn die vor jedermann verbor - gen und unſichtbar gebliebenen Wercke ihrer See - le nicht in die Ewigkeit nach? werden ſie Sie vor dem heiligſten Richterſtuhl JEſu Chriſti nicht hoͤchſt abominable machen?
Und wie? Sind Sie denn im Stande, das Verderben der Phantaſie zu hemmen oder auf - zuheben? Koͤnnen Sie es halten, daß es nur bey einerley Grad der Verwuͤſtung bleibe, und nicht taͤglich, ja, welches entſetzlich, bey Tag und Nacht weiter gehe? Koͤnnen Sie umkehren, wenn ſie wollen? Muͤſſen Sie nicht oft eine viertel, ja wol halbe Stunde nach einander den allerliederlich - ſten und unverſchaͤmteſten Gedancken nachgeben und nachgehen? Und merckens wol dazu nicht einmal, was fuͤr ein ſchaͤndlicher Unflat in ihrer Seele und Leibe tobet und waltet. Koͤnnen Sie die Menge ſolcher unreinen Vorſtellungen zehlen? oder ihren Grad, ihre Staͤrcke, ihre Dauer, ihre Schuld und Abſcheulichkeit vor GOtt ſchaͤtzen? Die groͤſten Miſſethaͤter hoͤren wenigſtens ſchlaffend einigermaſſen von ihren Uebelthaten auf: aber Jhre ſtarck erregte, ver - woͤhnte und gefangene Phantaſie zwinget Sie, daß Sie dieſe Art der ſchaͤndlichſten Uebelthaten nicht einmal bey Nacht laſſen koͤnnen: iſt das vernuͤnftig, ſich in dieſe Sclaverey wiſſentlich zu ſtuͤrtzen? Sollen Sie GOttes edles Werck ſo verderben?
Sie verwirren und vernichten al -3) Schluß - folge.E 2les68(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheles Vermoͤgen ihres Verſtandes und Nachdenckens. Sie koͤnnen leicht erachten, da das Nachdencken mit denienigen Dingen zu thun hat, die ihm das Gedaͤchtniß und die Phantaſie an Hand geben; die beyden aber al - les nur confus, fluͤchtig und verwirret, auch meh - rentheils uͤberhaͤuft vorſtellen: ſo kans ja nichts davon recht ordentlich auseinander ſetzen, oder wieder verbinden und vergleichen; ſondern alles muß verwirret ſeyn und nur uͤberhin angeſehen werden.
Es kommt dazu, (daß Sie gleichwol nicht werden leugnen koͤnnen, Sie muͤſten denn un - ter goͤttlichem Gerichte ſeyn,) daß bey einer ieden ſolchen Schandthat ihr Gewiſſen ungemein rege wird, und verrichtet ſein Amt ſo gewaltig in Be - ſtraffung ihrer Greuel, daß Jhnen die Lenden und Knie ſchuͤttern, das Hertz klopfet, die Haͤn - de zittern, die Zunge ſtammlet, aller Muth und Kraft dahin faͤllt, und Sie was groſſes drum geben wolten, daß Sie nur nicht muͤſten dran dencken. Verunruhiget denn das Jhr Gemuͤ - the nicht auf das heftigſte? Macht Sie das nicht zu allem Studiren ungeſchickt, zu allem freudigen und einem ehrlichen Menſchen anſtaͤn - digen Umgang mit andern untuͤchtig, ja wol zu den allergeringſten und leichteſten Verrichtun - gen gantz unfaͤhig? Und waͤhret dieſe ſchreckli - che Qual und Verſtoͤrung ihres Gemuͤthes nicht etliche Stunden, oͤfters auch wol etliche Tage lang? Was ſind Sie alsdenn zu uͤberle - gen, zu reden oder zu ſchreiben aufgeleget? Wuͤnſch -69Betrachtung der Unreinigkeit. Wuͤnſchten Sie ſich nicht vor allen Menſchen irgend in einem wuͤſten Ort verſtecket zu ſeyn?
Wenn dis nun ſo lange continuiret, und kommt ſo ofte wieder, was meinen Sie: muͤſſen nicht alle Kraͤfte Jhres Verſtandes und Nach - denckens, wenn ſie auch eiſern waͤren, endlich in ſo einer Conſternation unterliegen, und in ein - ander verzehret und verſtricket werden? muß es nicht bald genug darzu kommen, daß Sie kuͤnf - tighin nicht halb ſo gut, oder nicht den vierten Theil ſo ordentlich und ſcharf nachſinnen oder etwas uͤberdencken koͤnnen, als wol ehedeſſen? Muͤſſen nicht alle Jhre Gedancken endlich in eine ſo jaͤmmerliche Verſtoͤrung und Fluͤchtigkeit hinein gerathen, daß ſie immer fluͤchtig und un - ſtaͤt ſeyn, und Sie ſie auf keinerley Art bey ei - ner Sache werden feſt binden und gefangen nehmen koͤnnen? *Triverius, ehemaliger Profesſ. Med. in Loͤven ſagt: Sicuti ſerpens nequam in congresſu interſecat caput maſculi: ita caput totius intellectus, h. e. ipſa ratio exſcinditur iis, qui nimium indul - gent veneri. Und der Ritter Carol. Paſchal. der vor bald anderthalb hundert Jahren die wichtigſten Staatsgeſchaͤfte am Frantzoͤſiſchen Hofe und viel - mal als Ambasſadeur auch an andern Hoͤfen gluͤcklich verwaltete, ſaget an einem Orte: „ Als - „ denn behaͤlt ein ſolcher geiler Menſch in ſeinen „ Sinnen und Gemuͤthskraͤften keine lebhafte „ Munterkeit. Wer ſich durch Wohlluͤſte ſchwaͤcht „ und ausmergelt, wird zu allem verdroſſen, unge - „ ſchickt und unbrauchbar bey einem ſolchen hoͤret „ das Amt der Seele (nemlich den Leib zu regie - „ ren und zu zaͤhmen) auf und das Erinnern und „ Regiment der Vernunft iſt am Ende. Das „ letzte Uebel, ſo noch dazu kommt, iſt Schmach „ und Schande. Denn wie die Geilheit mit ei - „ ner unverſchaͤmten Unzucht verknuͤpfet iſt: ſo wird „ die Ausuͤbung der Fleiſchesluſt mit allerley „ Schimpf und Spott begleitet; worauf endlich „ allerley Pein und Plagen erfolgen. ‟Nothwendig muß in die edle und wichtige Kraft des Nachdenckens, die Jhnen GOtt zu treuem Gebrauch und kuͤnftig gewiſſer Berechnung uͤberlaſſen, eine gantz ha - bituelle und endlich unheilbare Verwuͤſtung ein - gefuͤhret werden. Sie werden nicht halb ſo weit, nicht halb ſo tieff, nicht halb ſo gewiß und freudig, nicht halb ſo behend und munter auf etwas dencken koͤnnen. Sie gewoͤhnen ſich nicht nur an, ſondern Sie ſuͤndigen ſich an den Hals ein aͤngſtlich irreſolutes Weſen, eine Bloͤdigkeit des Verſtandes, eine oͤftere Conſternation und ungemeine Verworrenheit im Dencken, und eine oftmalige voͤllige Ohnmacht des Verſtandes. Sie ſollen oft uͤber einen jeden Zufall ſo perplexE 3wer -70(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchewerden, daß Sie gantz beſtuͤrtzt da ſtehen, und ſich nicht werden beſinnen koͤnnen. Was Jh - nen ſonſt auch von ſchwerern Dingen licht und leicht zu begreiffen war, da wird Jhr ſtets un - gewiſſer und gleichſam zitternder Verſtand nicht nachkommen noch eindringen koͤnnen ꝛc. Sum - ma Sie werden ein ungerechter und grauſamer: Verwuͤſter ihres Verſtandes.
Jch frage Sie auf Jhre Ehre und Redlich - keit, ob Sie davon nicht ſchon gar manche Pro - ben gehabt haben? Ach! warum wollen Sie denn gegen Jhren edlen Verſtand alſo wuͤten,den71Betrachtung der Unreinigkeit. den Sie doch Jhrem Schoͤpfer zu Ehren auf alle Weiſe in Ordnung und beſſere Geſchicklich - keit zu ſetzen aͤuſſerſt ſolten bemuͤhet ſeyn: da er ſchon ohne das von Natur ſo zugerichtet iſt, daß Sie es ſelbſt wohl mercken koͤnnen, welch eine Finſterniß und greuliche Ungeſchicklichkeit darin reſidire!
Sie verwunden Jhr Gewiſſen,4) Schluß - folge. und machen ſichs ſelbſten zum Klaͤger, der Sie unaufhoͤrlich beſchuldiget; zum Zeugen, der ungeſcheuet wieder Sie zeu - get; zum Notario, der alles, was Sie wie - der die Warnung und Beſtraffung des heiligen Geiſtes, ſo durchs Gewiſſen ge - ſchieht, vornehmen, haarklein aufzeich - net, und Jhnen vorliſet, wenns Jhnen am ungelegenſten iſt, oft in der Finſter - niß der Nacht, unter vielem Schrecken und Grauſen; Sie ſetzen es zum Rich - ter, der Sie mit groſſem Ernſt und mit einer nicht zu erbittenden Gerechtigkeit verurtheilet; zum Hencker, der Sie fol - tert und peiniget, und Jhnen die hoͤlli - ſchen Ketten und Bande auf dem Fuß nachtraͤget; endlich auch zum Beklag - ten und Maleficanten ſelbſt, weil Jhr ar - mes Hertz und Gewiſſen gleichwol ei - ne recht preſſende Angſt und klemmen - de Bedrengniß ſelber druͤber ausſtehen muß, und ſich in ſo einem ſtetswaͤhren - den und unausgeſetzten Streit undE 4Ueber -72(I. Th.) Anatomiſch-MediciniſcheUeberwerfen wieder Sie und wieder ſich ſelber jaͤmmerlich verzehret und abmat - tet. Ach! mein Hertzensfreund, iſt Jhnen denn wohl dabey? oder meinen Sie, daß dis noch nicht Qual gnug iſt fuͤr Jhre verfluchte und mit der Luſtſeuche vergiftete Seele? Wol - len Sie vollends das Uebermaß aller Pein, das ewige Gerichte noch dazu kommen laſſen? Sol - len Sie ihren edlen Geiſt, den der allerheiligſte GOtt durch Chriſtum ſeiner Anverwandtſchaft gewuͤrdiget hat, alſo durch die Suͤnde quaͤlen und martern laſſen? Sie koͤnnen ſelig ſeyn, weil GOtt ſelig iſt; Sie koͤnnen in GOtt recht froͤ - lich und ſeren vergnuͤgt und voller Zuverſicht ſeyn, weil er Sie ſo mit Freuden lieben will; (Jerem. 32, 41. 40.) Sie koͤnnen in tieffer Stille und Zufriedenheit und in heiliger Freude an GOtt leben, weil GOtt ſein Wohlgefallen an Jhnen haben will: Mein liebſter Freund! wie koͤnnen Sie ſich doch in ſo eine jaͤmmerliche Unſeligkeit hinein ſtuͤrtzen, die der teufliſchen vielleicht gantz nahe kommt? Soll ſich ein Menſch GOttes, ein Erloͤſeter JEſu Chriſti, ein Anverwandter des Koͤniges der Herrlichkeit alſo vom Satan hudeln laſſen? Jſt denn kein Rath in der Chriſtenheit? Jſt denn das Chriſtenvolck ſo gar ohne Erbarmer und Noth - helfer? Jſt denn kein Mitleiden in Jhrer See - le uͤber ſich ſelbſt zu erregen? Sollen denn alle Syſtemata der Seelenkraͤfte, die in Jhnen noch uͤbrig ſind, uͤber der viehiſchen Fleiſchesluſt noch gar zu truͤmmern gehen?
Aber73Betrachtung der Unreinigkeit.Aber wie? begreiffen Sie daraus nicht, daß Jhr Gewiſſen, ſo doch das allerno - tableſte und klaͤreſte Ueberbleibſel des gehabten goͤttlichen Ebenbildes, und uͤber alles Gold zu bewahren iſt, durch ſolche Kaͤmpfe und Verſtoͤrungen auch verſtoͤret wird? Ach! es kann leicht dazu kommen, daß wenn Jhnen nun das Nagen des ſo uͤbel tractirten Gewiſſens, als das Bellen ei - nes Kettenhundes unertraͤglich wird, Sie end - lich alles Gefuͤhl deſſelben werden wegwerfen wollen, und es ſo ſtumpf machen, uͤbertaͤuben und einſchlaͤffern, daß es im geiſtlichen Tode gantz vergraben wird; und hat weiter keine Em - pfindung des Zornes des Allerhoͤchſten, oder ſei - ner eigenen Qual mehr in ſich. Aber ach! iſt denn das eine Gluͤckſeligkeit, nicht mehr von GOtt, nicht mehr von ſeinem Wort, nicht mehr vom Verſtande, nicht mehr vom Gewiſſen, nicht mehr von den beſten Freunden erinnert und ge - warnet zu werden? da man gleichwol mit zuge - bundenen Augen dem ewigen Verderben heftig entgegen eilet!
Gewiß iſt es mit einem Menſchen aufs hoͤchſte gekommen, wenn ihn GOttes beſtraffen - de Gnade nun ſchon verlaͤſſet, und GOtt ſo gar auch den Stab Wehe uͤber ihn brechen muß: indem er ſein ewiges Verderben nun hinfuͤhro ohne die geringſten Schmertzen anſiehet; ihn ſeiner eigenen Luſt uͤberlaͤſſet, und zu der aller - ſchwereſten Reſolution uͤber ihn ſchreitet: Er wolle weiter nicht mit ihm diſputiren, es hel -E 5fe74(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchefe doch nichts; er wolle auch niemandes Jnter - ceßion fuͤr ihn anhoͤren; ſtirbt er, ſo ſterbe er, denn er ſey des Erbarmens weiter nicht faͤhig, Jer. 15, 1. 2. Ach! mein Hertzensfreund, ſo bald der heilige GOtt 50. Jahr nach Chriſti Geburt den Stab Wehe uͤber ſein eigen Volck zer - brochen, Zach. 11, 14. iſt die ſchrecklichſte Blind - heit gerichtlich uͤber daſſelbe gekommen, und hat nun ſchon uͤber 18. hundert Jahr unausgeſetzt fortgewaͤhret. Machen Sie denn ſo viele Millio - nen Seelen nicht bedencklich, die unter den Juͤ - den verloren gehen, ſo viel nemlich nicht an den HErrn JEſum glauben? Was meinen Sie: wenn GOtt Sie aus ſeiner Diſciplin auch ſo gantz verſtoſſen wolte, und lieſſe es zu, daß Jhr Gewiſſen fuͤhllos wuͤrde; ach! was fuͤr ein betruͤbtes Ende wuͤrde Jhr jammervolles Leben nehmen muͤſſen! Ey wie? wollen Sie denn nicht lieber als ein Kind von GOtt dem Aller - hoͤchſten dependiren? Wollen Sie denn nicht gerne unter ſeiner lieblichen und freundlichen Zucht bleiben, die Jhnen ja lauter Proben ſei - ner Gewogenheit darleget?
Sie verderben Jhren Willen und alle Jhre Begierden in den Grund: daß ſie nicht nur viehiſch und beſtialiſch werden, ſondern weit, weit unter die Niedertraͤchtigkeit der viehiſchen Na - tur hinab geſtuͤrtzet liegen muͤſſen; im - maſſen ſchon vor angemercket, daß kein Vieh in dergleichen Stuͤcken, wofern es nicht von gott -lo -75Betrachtung der Unreinigkeit. loſen Menſchen verderbet wuͤrde, ſich ſelber ſchade, oder die Zeit und Ordnung der Natur uͤbertrete. Meinen Sie etwa: die Jugend muͤſſe ausraſen; wenn die Hitze vorbey iſt, denn wuͤrde ſichs von ſelbſten legen? Jch betheure es Jhnen, bey der allgemeinen betruͤbten Erfah - rung, die man in der Welt davon hat, und da - von ich ſelber an manchen alten Leuten Exempel geſehen habe, daß es nicht beſſer, ſondern weit heftiger und ſchlimmer werden wird, bis ins groͤſte Alter. Wer in der Brunſt ſtecket, der iſt wie ein brennend Feuer, und hoͤ - ret nicht auf, bis er ſich ſelbſt verbrennet. Ein un - keuſcher Menſch hat keine Ruhe an ſeinem Lei - be, bis er ein Feuer anzuͤnde, Sir. 23, 23. 24. Wie viele werden vom Satan in dieſem Greuel ſo weit gefuͤhret und getrieben, wie ein Ochſe zur Schlachtbanck gefuͤhret wird, daß ſie endlich ihres Weſens kein Hehl mehr haben, und ruͤh - men ihre Suͤnde, wie die zu Sodom, und ver - bergen ſie nicht. Wehe ihrer Seelen! denn damit bringen ſie ſich ſelbſt in alles Ungluͤck, Jeſ. 3, 9. „ O importunum libidinis ignicu - „ lum, ſpricht jener erfahrne Mann, quem non „ maturitas ſenectutis, non verecundia ſenio - „ ris ſexus, non flos adoleſcentiæ, non ullius „ ordinis honeſtas, nulla dignitas, nulla inte - „ rior erubeſcentia, nullus hominum reſpectus „ conſopire poteſt! quid dico? nullum tam „ malum facinus eſt, quod non libido ſuadeat, „ imperet, cogat. ‟ Welches zu teutſch heiſſen kann: „ O der gewaltſamen Brunſt der Fleiſches -luſt,76(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſche„ luſt, welche weder das voͤllige und betagte Alter, „ noch das Erroͤthen vor den grauen Haͤuptern „ und dem Geſchlechte, noch die bluͤhende Mun - „ terkeit der Jugend, noch das Anſehen irgend ei - „ nes Standes: ja keine Wuͤrde, keine innere „ Schamhaftigkeit, keine Scheu und Reſpect vor „ Leuten zwingen und baͤndigen kann! Ja, ich ſage „ zu wenig: Es iſt keine Schandthat ſo gottlos, „ daß die Geilheit nicht ſolte dazu reitzen, noͤthi - „ gen und vermoͤgen koͤnnen. ‟
Cicero*Lateiniſch heißt es ſo: Accipite, optimi adoleſcentes, veterem orationem Archytæ Tarentini, magni in primis et præclari viri, quæ mihi tradita eſt, cum esſem adoleſcens Tarenti cum Q. Maximo. Nul - lam capitaliorem peſtem, quam corporis volupta - tem hominibus dicebat a natura datam, cujusvo - in ſeinem Buch de Senectute hat c. 12. einen um deſto merckwuͤrdigern Ort davon, weil er ihn als ein Heide geſchrieben, und man - chem, der ihn vergebens geleſen, zur Verantwor - tung hinterlaſſen. „ Nim doch nur, ſpricht er, „ du edle Jugend! eines vortreflichen und be - „ ruͤhmten Mannes, des Archytas von Tarento „ ſeine alten Lehren und Vorſtellungen zu Hertzen, „ die man mir, als ich mit dem Q. Maximo zu „ Tarento ſtudirete, beygebracht und mitgegeben „ hat. Die Natur (ſprach er, ſolte fagen das „ natuͤrliche und angeerbte Verderben) hat den „ Menſchen kein toͤdtlicheres Gift und Uebel ein - „ gepflantzt, als die Luſt des Fleiſches, durch de - „ ren geilen Triebe ſie auf die verwegenſte und „ unbaͤndigſte Weiſe zur Ausuͤbung ihrer bren - „ nenden Begierde gereitzet und getrieben wer - „ den. Hieraus entſtehen Verraͤthereyen von „ Land und Leuten, Umſtuͤrtzungen gantzer Re - „ publiquen und Staaten, geheime Verſtaͤndniſ - „ ſe und Briefwechſel mit den Feinden: ja, es „ iſt keine Uebelthat oder irgend ein Laſter zu fin -„ den,77Betrachtung der Unreinigkeit. „ den, zu deſſen Unternehmung die geile Luſt des „ Fleiſches nicht gewaltſam reitzen ſolte. Hure - „ rey und Ehebruch, und alle Schandthaten von „ dieſer Art werden durch keine andere Reitzun - „ gen entflammet und geſtiftet, als von dieſer boͤ - „ ſen Luſt. Und da dem Menſchen von der „ Natur oder von irgend einem Gott (der arme Heide weiß es nicht beſſer zu ſagen, und verabſcheuet doch dieſe Suͤnde: O derſchwe - ren Verantwortung der Chriſten, die nun von GOtt ſo maͤchtig viel hoͤren und wiſſen ohne Gewiſſen!) „ nichts vortreflicheres uͤber die Ver - „ nunft iſt beygelegt worden: ſo iſt dieſer goͤtt - „ lichen Gabe, dieſem ſo hohen Geſchencke, nichts „ ſo feindſelig zuwieder, als die Fleiſchesluſt. „ Denn wo die Geilheit uͤberhand genommen, „ da kann die Maͤßigung und Enthaltung durch - „ aus nicht ſtatt haben. Unter der Wohlluſt ih - „ rem Regiment kann die Tugend unmoͤglich be - „ ſtehen. Daher iſt nichts ſo abſcheulich und ſo „ verzweifelt ſchaͤdlich als die Wohlluſt: ſintemal „ dieſe, wenn ſie hoch gekommen und alt worden, „ alles Licht der Vernunft ſchlechtweg vertilget. „ Die Wohlluſt, die der Vernunft ſo ſehr ſchaͤd - „ lich und zuwieder iſt, hemmet alle Ueberlegun - „ gen, und benebelt die Augen der Vernunft; „ kann auch mit der Tugend kurtzum keine Ge - „ meinſchaft haben. ‟
78(I. Th.) Anatomiſch-MediciniſcheIo. Manlius fuͤhrt in ſeinen Collectaneis Theol. Tom. II. p. 187. ein merckwuͤrdiges Exempel davon an, wie ein ſonſt gelehrter Mann, Namens Helzer, in die Sclaverey dieſer Greuel ſo tieff verfallen war, daß er endlich wegen ver - uͤbter Schandthaten zu Conſtantz dem Hencker in die Haͤnde gefallen. Als dieſer Ungluͤckſelige bereits auf dem Richtplatz war, und eben ſolte abgethan werden; bezeugte er unter andern vor allen Anweſenden, daß er ſich oͤfters entſchloſſen habe, von dieſen Greueln abzuſtehen, und ſich zu GOtt zu wenden: aber er ſey von ihnen, als von ſtarcken Ketten, ſo hart gefangen gehal - ten und verſtrickt worden, daß er nicht habe koͤn - nen los werden, ſondern ſey immer wieder zu -ruͤck79Betrachtung der Unreinigkeit. ruͤck gefallen. Er wolle nun auch willig ſterben, und dem gerechten Gerichte GOttes anheim fallen.
Daß es vermoͤge der gantzen Structur des Coͤrpers natuͤrlich alſo folge, will ich Jhnen bald unten deutlicher weiſen: ietzt aber will Jh - nen nur eine ehrliche Bekentniß eines Men - ſchen, den GOttes Erbarmen draus gerettet hat, zu dem Zweck anfuͤhren.
Derſelbe ſagt: „ Je weiter und oͤfter ich in „ dieſer Schandthat fortging, je mehr wurde ich „ dazu getrieben, und das mit ſolcher Gewalt und „ Heftigkeit, daß wenn mich nicht die Furcht vor „ der Obrigkeitlichen Straffe, nemlich Feuer und „ Schwerdt, davon abgezogen haͤtte, ich in Hu - „ rerey, Ehebruch, Blutſchande, Sodomiterey, „ Beſtialitaͤt und andere entſetzliche Schandtha - „ ten hinein gerathen waͤre. Um der Furcht willen „ aber, daß man mich gleichwol drum lebendig „ verbrennen oder mit dem Schwerdt hinrichten „ wuͤrde, wenn es GOtt aus gerechtem Gerichte „ lieſſe offenbar werden, hoͤrete das ſchreckliche „ Treiben der bereits ruinirten Natur nicht auf: „ ſondern bey allem Graͤmen und Verſuchen „ mancherley Mittel blieb ich ein Sclave des „ ſchaͤndlichen Geiſtes, bis mich der GOtt von „ unbegreiflich langmuͤthiger Barmhertzigkeit zu „ ſich bekehret, und von meiner gantzen Seele „ und gantzem Leibe posſeſſion genommen hat. ‟ So erfuhrs dieſer gerettete arme Suͤnder, den ich aber ſonſt nicht kenne, und es nur in einem gewiſſen Buch, welches ich wegen anderer Din - ge nicht gerne nennen mag, von ihm geleſen habe.
So76(I. Th.) Anatomiſch-MediciniſcheSo erzehlt Geyer in den Betrachtungen von der Allgegenwart GOttes C. 14. p. 239. von einem ſolchen Sclaven des Teufels, Nah - mens Theothymo: welcher, da ihm, nachdem al - les andere vergeblich war, mit vielem Fleiſſe vor - geſtellet wurde, er werde ja bey der greulichen Unzucht nothwendig um ſein Geſichte kommen muͤſſen, dadurch nicht konte beweget werden; ſondern ſich vielmehr ſo fort entſchloß, darin fortzufahren, und eher des erfreulichen Lichtes zu entbehren, ſagte auch dabey: Vale amicum lumen! Adieu du angenehmes Licht der Augen! ſo ihm denn auch wircklich hat Abſchied gegeben. O des Jammers bey einem vernuͤnftigen Menſchen! Ein ſolcher muß ja gewiß in des Satans Ban - den recht gewaltig verſtricket und noch dazu toll und truncken ſeyn, der auch die edelſten Werck - zeuge, die ihm zur Noth und Vergnuͤgung ſo unvergleichlich dienen, mit einer ſo deſperaten Rede von ſich wirft, um doch nur ſeine Luͤſte zu buͤſſen. Das heiſſet recht: Hurerey, Wein und Moſt machen toll. Denn der Hurerey - geiſt verfuͤhret ſie, raubt ihnen das Hertz, den Verſtand, menſchlichen Sinn, Augen und alles Gefuͤhl, das ſie ſonſt noch haͤtten, ſich vor dem Verderben zu huͤten. Hoſ. 4, 11. 12.
Ach mein Freund! iſt denn das vernuͤnftig, oder iſts einem Menſchen, dem allerliebſten Geſchoͤpfe GOttes, anſtaͤndig, oder verantwort - lich, mit offenen Augen, zuſehens, und mit har - tem Wiederſpruch und Schlaͤgen des Gewiſſens in eine immer haͤrtere Gefangenſchaft und Ty -ran -81Betrachtung der Unreinigkeit. ranney des Satans hinein zu gehen? Kann ich doch darauf provociren, daß es Jhnen in dieſer jaͤmmerlichen Dienſtbarkeit wahrlich nicht wohl iſt! Wollen Sie es denn noch ſchlimmer haben? Ach! wie? kann Sie das nicht bewegen, ſich zu dem zu entſchlieſſen, was Jhnen aus treuer Freund - ſchaft in dieſer hoͤchſten Noth gerathen werden wird?
Sie entkraͤften ihren elenden6) Schluß - folge. Leichnam gewaltſam, und berauben ihn ſeiner beſten Kraft und gehoͤrigen maͤnn - lichen Staͤrcke, ſeiner Nahrung und ge - ziemender Fettigkeit, und auch ſeiner Waͤrme: kraft des 1. 5. und 6. Lehrſatzes. Dis erhellet ſo gar aus der Aehnlichkeit mit den Pflantzen, als welche, ſobald nur ihr Same hervorgekommen, und reiff worden, folglich die Materie, woraus ihr Same erzeuget wird, ver - loren gangen, verdorren und abnehmen, wenn ſie gleich vor aller Kaͤlte verwahret wuͤrden. Man ſiehets bey der Einſammlung des Samens. Der meiſten ihre Blaͤtter werden welck und blaß, fallen endlich nach verlorner Kraft und Ge - ſtalt herab. Eben ſo iſts gantz bekant, daß auch die Wurtzeln der Kraͤuter in ihren mediciniſchen Wirckungen bey weitem nicht mehr ſo kraͤftig ſind, wenn der Same bereits hervorgekommen und reiff worden, als vor dieſem, ehe ihnen die - ſe zum Samen concurrirende Materie entzogen war.
Sie koͤnnen leicht erachten, daß, wenn SieI. Th. Betr. der Unreinigk. Fdie82(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchedie beſte balſamiſche Lebenskraft (die aus der - jenigen Materie, ſo am vollkommenſten nehret, erzeuget wird, und die durch ihren Zuruͤckfluß ins Gebluͤt den gantzen Leib munter, behertzt, friſch, ſehr ſtarck und warm machet,) verſchwen - den, daß Sie hiemit auch bemeldte 3. Stuͤcke, die Jhnen doch ſo lieb, und an denen Jhnen doch ſo viel gelegen, an ihrem eigenen Coͤrper ruiniren; beſonders wenn noch uͤber dieſes eine ſchwere Arbeit des Gemuͤthes, Sorgen, Graͤ - men, Schlaffloſigkeit, Unruhe des Gemuͤthes und des Leibes und dergleichen mit dabey ver - knuͤpfet iſt. Clemens Alexandrinus ſpricht: „ diejenigen, welche wie die Boͤcke auf die ſchaͤnd - „ lichen Wohlluͤſte verfallen ſind, ſchaͤnden ihren „ Leib, und machen ihn gleichſam infam und ent - „ ehret. Sie genieſſen einer kurtzen (viehiſchen) „ Luſt: aber ſie bedencken nicht, daß ihr Coͤrper, „ der ſo ſchon von Natur hinfaͤllig iſt, ausgemer - „ gelt, entkraͤftet und hingerichtet wird. Jhre „ Seele aber iſt in dem Koth der Suͤnden gantz „ verſchlemmt und vergraben, als ſolcher Leute, „ die nur den Trieben und harten Tyranney ih - „ res eigenen Willens folgen. ‒ ‒ ‒ Denn dieſe „ Feinde (meinet die Luͤſte des Fleiſches) ſind gar „ grob und heftiger als die Weſpen; ſie ſtechen „ und beiſſen nicht allein am Tage: ſondern ſie „ lauren auch des Nachts, und paſſen ihren Scla - „ ven durch Traͤume und allerley Blendwercke „ auf, um ſie durch ihre Lockſpeiſen zu beruͤcken. ‟
Und dis iſt eine ſo weltkuͤndige Sache, daß ſo gar durch oͤffentliche Geſetze unter gantzenNa -83Betrachtung der Unreinigkeit. Nationen ausgemacht und verhuͤtet iſt: es muͤ - ſten junge Leute nicht eher zuſammen gegeben werden, bis der Leib gantz ausgewachſen und ſeine voͤllige Kraͤfte erreichet hat. So hat man auch Exempel, daß Hunde durch uͤbermaͤßige Geilheit dermaſſen ſind ausgemergelt und hin - gerichtet, grindig und hager, jaͤmmerlich und greulich worden, daß ſie zuletzt nicht mehr auf den Fuͤſſen ſtehen konten. Daher heiſſet die geile Luſt bey den Medicis medulliſorba, die Marck - und Saftverzehrerin. Denn wie Feuer am Holtz und Stroh, ſo friſſet Sie am Coͤrper, und richtet den Menſchen ſo zu, daß er Kraft und Staͤrcke, Geſtalt und Schoͤnheit verlieret. Man kann es manchem Menſchen an ſeinem Geſicht, Ruͤcken, Lenden und Waden augen - ſcheinlich anſehen, und an den Haͤnden anfuͤh - len, wenn er in derſelben ſtecket. Denn ſie macht ſeinen Leib weichlich und ungeſund, ver - zehret dazu das Fett und Fleiſch, macht ihn un - ſcheinbar, geſchlang, hager, wanckend und unge - ſtalt an Waden und Lenden. Sie iſt um deſto gefaͤhrlicher mit ihrem Schaden, weil ſie im An - fang ſo wohl dem Patienten als dem Medico verborgen und unmercklich bleibet. Jnsgemein und anfaͤnglich haͤlt man die Zufaͤlle, die ſie zu - ziehet, nur fuͤr eine Zaͤrtlichkeit der Natur: aber nachhero weiſet ſichs anders, wenn das Ab - nehmen und Verfallen des Leibes eine Weile angehalten. Der Puls gehet geſchwind, und doch ſchwach. Der Leib iſt manchmal heiß, ſon - derlich in Haͤnden; und die fliegende Hitze machtF 2oͤf -84(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheoͤfters, ſonderlich nach der Mahlzeit, rothe Ba - cken, einen Schweiß in der flachen Hand, und trocknen Mund ꝛc. Dis ſind doch gleichwol greifli - che Proben, wie gewaltig der arme Coͤrper muͤſſe mitgenommen und geſchwaͤchet worden ſeyn, wenn er in einer ſolchen Mattigkeit und durch - gaͤngigen Jrregularitaͤt angetroffen wird. Vom Carolo II. mit dem Zunahmen und in der That malo, Koͤnige in Navarra, wird erzehlet, er ha - be ſeinen Leib durch die geile Luſt und Unreinig - keit ſo ruiniret, daß er ſich endlich nicht mehr erwaͤrmen konte: ſondern ſich mit warmen Tuͤ - chern, ſo mit ſtarckem Brandtwein benetzet wa - ren, umlegen laſſen muſte. Welchem elenden Behelf denn der gerechte GOtt nicht lange zu - geſehen hat; immaſſen er a. 1387. in ſolchen Tuͤchern mit jaͤmmerlichem Geſchrey und Pein, da der Brandtewein aus Unvorſichtigkeit ent - zuͤndet worden, eine gute Weile brennen und braten, ſieben Tage darauf aber ſeinen unſeli - gen Geiſt aufgeben muſte. Siehe der allgemeinen Chronic V. Theil. fol. 559.
Was meinen Sie, mein Freund, ob Jhnen dergleichen Fruͤchte der Unkeuſchheit, wenn Sie nun auch gleich noch im niedrigſten Grad uͤber Sie kommen moͤchten, gefallen wuͤrden? Wie wuͤrde Sie das ſchmertzen, und vor jederman, der es nur verſtehet, und von Jhnen alſo ur - theilen kann, allemal ſchamroth machen: wenn Sie ſo kraftlos, hager und abgefallen, blaßgelb und ungeſtalt vor andern erſcheinen, und ſich ſelbſten ſo anfuͤhlen muͤſten? Denn Sie muͤſſendoch85Betrachtung der Unreinigkeit. doch gedencken, daß es Jhnen andere Leute an - ſehen, und an Jhrem aͤuſſern Anblick, fluͤchti - gen und unbeſtaͤndigen Augen, entſetzlicher Fladderhaftigkeit, zuweilen auch wegen Gewiſ - ſenspein in eignen Gedancken vertieften We - ſen, oͤfterer Conſternation und verzagter Ver - wirrung des Gemuͤths, oder im Gegentheil an einer unertraͤglichen Unverſchaͤmtheit, an einem gantz wunderlichen und uͤberaus wiedrigen Ge - ruch, und andern ſolchen unausbleiblichen Um - ſtaͤnden und Folgen gantz eigentlich mercken koͤn - nen: Sie muͤſten von Jhrem Gewiſſen in einer Schandthat entweder jetzo gleich ergriffen wor - den ſeyn, oder doch unter der abſcheulichen Sclaverey der Wohlluͤſte ſtecken!
Dis kann Sie ja vor allen ehrbaren Men - ſchen ſo veraͤchtlich, ſo unleidlich, und ſo abomi - nable machen: daß wenn Sie einer auch zum er - ſtenmal ſein Lebenlang ſiehet, er bald aus dieſen Umſtaͤnden, und dem unſichtbarer Weiſe uͤber Jhnen ſchwebenden hoͤchſten Mißfallen und Fluch GOttes, Sie verabſcheuen und fliehen muß, ohne zu wiſſen warum? Wenn Sie ſich nun auch bey ſolchen Faͤllen gerne verbergen, und verſtaͤndigen Leuten nicht viel vor Augen kommen wolten, daß man es Jhnen nicht etwa anſehe: ſo behalten Sie doch Jhren Wurm in ſich, der am Gewiſſen ſo wohl als an Jhrem Leibe naget, und die edelſten Kraͤfte Jhres Le - bens unvermerckt verzehret.
Jch muß es Jhnen nur deutlich herausſa - gen: Wenn Sie bey Jhrem bisherigen ſchand -F 3ba -86(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchebaren Weſen nicht durch uͤberfluͤßige und delica - te Nahrung, Muͤßiggang, oder doch wenige Ar - beit, und vielen Schlaff waͤren unterſtuͤtzet, und das verſchwendete mit einem andern, obgleich weit ſchlimmern und unedlern liquore immer waͤre erſetzet worden: ſo wuͤrde man es an Jh - rem aͤuſſerlichen Anblick und Geſtalt noch wol weit mercklicher wahrnehmen koͤnnen, was lei - der vorgegangen, als es etwa ietzo noch man - cher, der es nicht weiß, nicht ſo obſerviren kann. Daß aber erzehlte Dinge natuͤrlicher Weiſe nothwendig auf die Geilheit und ſchaͤndliche Brunſt folgen muͤſſen, koͤnnen Sie aus den Gruͤnden der Anatomie und Hydroſtatic mit vollkommener Gewißheit begreiffen, und wird auch aus dem folgenden noch mehr offenbar; nemlich
Sie thun allen vaſis ſpermaticis und denjenigen Werkzeugen, ſo Jhnen der Allerhoͤchſte zur Fortpflantzung ih - res Geſchlechts wunderbarlich gebildet und verliehen, die groͤſte Gewalt an; und ruiniren dieſelben dermaſſen, daß der Schade Zeit Lebens nicht mehr wird zu erſetzen ſeyn. Die ſubtilſten Gaͤnge in den teſtibus ſind nichts anders als fortgehende Aeſte und Zweiglein von den Pulsadern; nur wunderbar in - und durch einander gewunden. Wenn nun durch die geile Brunſt, oder andere Hitze, (beſonders durch viel Speiſe, und oͤfters ſtarckes Getraͤncke,) das Gebluͤte ins Wallenge -87Betrachtung der Unreinigkeit. gebracht wird: ſo wird es durch die arterias ſpermaticas gewaltig in die teſticulos hineinge - preſſet und getrieben; (kraft des 2. und 4ten Lehrſatzes) und dadurch muͤſſen derſelben zarte Canaͤlchen
Mein Freund! wie iſt Jhnen doch dabey zu muthe? Wie? wenn Sie nun ſchon ſo zugerich - tet waͤren? O ſolten Sie nicht alſofort den Augenblick und an der Stelle auf ihre Knie fal - len, und dem allerhoͤchſten GOtt ehrerbietig da - fuͤr dancken, daß er ſolche Straffen bis ietzo noch aus erbarmender Liebe aufgehalten; und laͤſſet Sie nun noch ſo treulich warnen, daß Sie nicht endlich doch hinein verfallen! Sie ſinds aber noch lange nicht alle; denn bleiben Sie hinfort noch in ihrer Luſtſeuche, ſo
8) thun Sie Jhren Augen und Jhrem Hertzen, zweyen ſo vortreflichen Theilen Jhres Coͤrpers, ſo wie zuvor von allen vaſis ſpermaticis erwieſen, die groͤſte Ge - walt an. Von den Augen zeigt es leider ſo wohl die Erfahrung mancher jungen Leute, (welche, ob ſie gleich weder durch die Verwoͤhnung, noch durch viel naͤchtliches Leſen, und Schreiben einer kleinen Schrift, noch auf andere ſehr merckliche Weiſe dazu einigen Anlaß gegeben, kleine und weit entfernte Sachen lange nicht ſo gut ſehen und unterſcheiden koͤnnen, als ſie vor - her konten) als auch die vor angefuͤhrte Raſe -rey91Betrachtung der Unreinigkeit. rey Theothymi. Es laͤßt ſich aber a priori, wenn gleich noch keine Erfahrung davon in der Welt vorhanden waͤre, leicht begreiffen. Weil die Officin der Lebensgeiſter und des Samens einen unmittelbaren conſenſum mit einander haben; beyde liquores aus einerley Materie er - zeuget werden; und zu des Samens Erzeugung und Excretion eine ſehr merckliche Portion der Lebensgeiſter angewendet wird: (kraft des 1. und 4ten Lehrſatzes) ſo muß ein groſſer Theil der Le - bensgeiſter dem gantzen Coͤrper, und ſonderlich deſſen vornehmſten Theilen, dem Gehirn und al - len Sinnen, entgehen. Da nun aber die Schaͤr - fe und Schwaͤche des Geſichtes von der Quan - titaͤt und Qualitaͤt der Lebensgeiſter mit depen - diret, eben ſo wohl wie die Schaͤrfe des Ver - ſtandes: ſo iſt je unleugbar, daß bey deren Ver - minderung und Corruption auch die Augen ver - derbt werden muͤſſen.
Das Hertz muß in Jhrem Leibe den Umlauf des Gebluͤtes, folglich die vornehmſte Verrich - tung, ſo in einem lebendigen Leibe geſchiehet, treiben und reguliren. Es hat und beweiſet un - ausgeſetzt eine ſo erſtaunenswuͤrdige Kraft, die allen Begrif uͤberſteiget. Es iſt die allerſtaͤrckſte Wunderpreſſe, die die groͤſten Laſten forciret und forttreibet, und kehret niemals um, hoͤret auch Zeit Lebens nicht auf. Soll die groſſe Menge Bluts, die in Jhrem Leibe iſt, alle Aederchen hindurch bey jedem Pulsſchlag weiter fortgetrie - ben werden, und alſo ihr Leben vermittelſt die - ſes Kreislauffs ſtehen bleiben: ſo muß das Hertzſich92(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheſich ſo gewaltſam zuſammen ziehen und das in beyden Hertzenskammern befindliche Blut fort - preſſen, als wenn achtzehen hundert Centner drauf druͤckten. Weil nun der Kreislauff nicht aufhoͤret, und der Puls immer ſchlaͤgt: ſo muß Jhr Hertz innerhalb 24. Stunden 32400000. oder uͤber zwey und dreyßig Millionen Centner forciren und fortpreſſen koͤnnen; und ſo viel alle Tage Jhres Lebens hindurch. Haben Sie Luſt und Nachdenckens genug zu einer ſolchen Un - terſuchung und Berechnung: (Sie ſollens aber ha - ben, ſofern Sie an dem Ueberſchlag mit Recht zweifeln wollen) ſo leſen Sie mit Nachſinnen, was Borellus in ſeinem wichtigen Buch de motu animalium, oder im kurtzen Begriff M. Silveſter Henr. Schmidt, geweſter wohlverdienter Rector bey der ehemaligen Fuͤrſtenſchule zu Heilsbrunn, in ſeinem Buch von der wunderſamen Macht der Muſculn 1706. fol. davon geſchrieben; und verehren die daraus hervorſtrahlende Herr - lichkeit GOttes mit heiliger Bewunderung und Anbetung. Eben dieſe Wundermachine, ich meine das Hertz, iſt das allererſte geweſen, ſo ſich in Jhnen angefangen hat zu regen, da Jhr gantzer Leib in ſeinem runden Haͤuslein noch nicht wie eine Ameiſe groß war, und nur als kleine Faͤſerchen in ſeinem Schleim und garſti - gen Unflat herumgeſchwommen; es wird auch unter allen zuletzt aufhoͤren.
Nun ſehen Sie und hoͤren Sie! Eben dis wunderbare Meiſterſtuͤck Jhres GOttes, die Grundſtuͤtze und das Triebwerk Jhres Lebens,un -93Betrachtung der Unreinigkeit. unterminiren Sie, und machens einer bloß vie - hiſchen Luſt zu liebe baufaͤllig, zu Jhrem eignen groͤſten Schaden. Koͤnnen Sie es noch nicht be - greifen, wie? wolan! mercken ſie wohl auf. Es hengt Jhr Hertz in ſeiner Haut, dem pericardio, gantz ſchlapp und frey, und wird von der weni - gen aqua pericardii genetzet, daß es ſich deſto leichter bewegen koͤnne, und ſich nicht reiben duͤr - fe. Wie aber in der groſſen Welt auf viele Hi - tze endlich eine Doͤrre und Vertrocknung noth - wendig folget: ſo iſts auch im Leibe. Der li - quor pericardii wird, wie andere humores (als der Nahrungsſaft, das Fett ꝛc. ) durch die geile Brunſt und Hitze verzehret, viele ſubtile Ca - naͤlchen verſchrumpft, und alle Bewegungen wegen ermangelnder Feuchtigkeit und aneinan - der Reibens ſehr verhindert und ſchmertzlich ge - macht; da denn inſonderheit das Hertz, die Re - ſidentz des menſchlichen Lebens, bey ſeiner entſetz - lich ſtarcken Arbeit ſehr viel ausſtehen muß.
Naͤchſt dem iſt vorhin ſchon ausgemacht worden, daß bey ieder eiaculatione ſeminis theils ſehr viele Lebensgeiſter verloren gehen; theils das gantze Syſtema nervorum im gantzen Leibe gewaltig muͤſſe geſpannt und erſchuͤttert werden, daß es faſt eine Art von einer Convul - ſion abgibt. Da nun die regulaire und gleich - foͤrmige Bewegung des Hertzens von dem re - gulairen und gleichfoͤrmigen Einfluß der Lebens - geiſter nothwendig dependiren muß, und alle ge - waltſame und ungleiche Spannung und Zucken der Nerven in dieſer Bewegung des Hertzensauch94(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheauch nothwendig allerley Ungleichheiten und Forcirung verurſachet: ſo iſt leicht zu erachten, was nach und nach aus dieſer violenta, ſpaſtica et convulſiva partium nervearum ſtrictura, (juſt da, wo die meiſten Nerven beyſammen ſeyn muͤſſen,) und aus den crebrioribus ſtimulis, ir - regulares et præternaturales motus provo - cantibus, endlich erfolgen muͤſſe. Ueber dieſes ſchlaͤgt manchen das Gewiſſen ſeiner Greuel we - gen, und beſtraffet ihn, ſo hart daß er verzweifeln moͤchte; ia auch ſeine Traͤume hal - ten ihn in Furcht, Bangigkeit und Schrecken feſte: da es ihm zum Exempel vorkommt, die Teufel jagten oder griffen ihn, er werde zum Gal - gen hinaus gefuͤhret, um gerichtet zu werden, oder er werde vor das Juͤngſte Gericht gefor - dert, und anders mehr. Da nun aber eine gantz notoriſche Sache iſt, daß alles, was das Hertz aͤngſtet, und inſonderheit eine ſo continuirliche und oft wiederkommende Unruhe und Schre - cken im Gemuͤth verurſacht, einen motum cor - dis ſubſultorium und convulſivum nach ſich zie - het: ſo muß denn nothwendig ein Zittern des Hertzens erfolgen, und dabey oft ein ſo ſtarckes Hertzklopfen, daß man es bey manchem wol an der Seite hoͤren kann, und die Ribben in die Hoͤhe treten; naͤchſt dem auch eine Ermattung des Hertzens, folglich des gantzen Umlauffs des Gebluͤts und anderes mehr, unfehlbar daraus entſtehen. Kommt denn durch abermalige Brunſt und drauf folgende ſchreckliche Gewiſ - ſenspein (wenn ſonderlich auch ſchon das Ge -bluͤt95Betrachtung der Unreinigkeit. bluͤt zu ſcharf und ſcorbutiſch worden iſt, und vor ſich ſelbſt das Hertze beiſſet und brennet,) ein abermaliger heftiger Anfall von Furcht und Unruhe: ſo kann die Syſtole und Diaſtole des Hertzens, die kurtz vorher gantz matt gegangen, nun bald allzuheftig werden; ſonderlich, wenn irgend noch Zorn oder andere ſtarcke Affecten dazu ſchlagen: und das iſt ein dermaſſen ge - faͤhrlicher Stand, daß ein ſolcher armer Suͤnder beſtaͤndig der Gefahr eines ſchnellen Todes, der Schlagfluͤſſe, der ſchweren Noth und gaͤntzlichen Verderbens unterworfen ſeyn muß. Summa, es iſt keine Suͤnde in der Welt, die ihren Nachrichter ſo augenſcheinlich mit ſich fuͤhret, als die geile Brunſt.
Lieber Freund! ach wollen Sie ſich denn die Suͤnde und alles Ungluͤck, Jhr eigen Verder - ben und den gerechteſten Todesſententz ſo theuer erkauffen? Wie? wollen Sie denn Jhre edlen Leibes - und Lebenskraͤfte, die dem ewigen GOtt geheiliget ſeyn ſollen, um eines ſo liederlichen, ſtinckenden und abſcheulichen Dinges willen hin - geben; welches, ſo bald es begangen, nichts als eine jaͤmmerliche Empfindung der Schuld, der Schande und des Schadens nach ſich ziehen kann? Nun iſts Zeit, daß Sie ſich bedencken, wozu ſie ſich reſolviren wollen. „ Da die Wohl - „ luſt, ſaget Iſidorus Peluſiota, ein Kirchenlehrer „ im 5. Seculo Lib. I. Ep. 135. et 433. ſo ge - „ wiß die Leibes-als die Seelenkraͤfte verdirbt „ und zu Grunde richtet; da ſie ihre Sclaven „ jedermann zum Spott und Hohn (oft auchzum96(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſche„ zum klaͤglichſten Spectacul) darſtellet, wie es „ der blind gemachte Simſon, der groſſe Alexan - „ der, Hannibal, Iul. Cæſar und viele hundert „ andere weltberuͤhmte Helden mit ihren Exem - „ peln beſtaͤttigen: Mein! warum ladeſt du dir „ doch eine ſolche Sclaverey muthwillig auf den „ Hals, und bewahreſt die muntern Kraͤfte der „ Natur nicht lieber unverſehrt und vollkommen? „ Warum gibſt du dich doch den laſterhaften Paſ - „ ſionen ſo freywillig zum Unterthanen hin, daß „ ſie dich ruiniren koͤnnen? Warum betruͤbeſt du „ deinen GOtt und Heiland, der dir zu Liebe in „ ſeinem Leben nicht hatte, wo er ſein Haupt hin - „ legen moͤchte? Warum machſt du uns, die wir „ fuͤr dein Heil und Leben ſo beten und ringen, „ unſer Amt und Leben ſo ſchwer, und thuſt dir „ ſelber das groͤſte Unrecht und einen unvermeid - „ lichen Schaden an? Ey lieber! wenn die Luſt „ des Fleiſches wieder dich aufſtehet, dich zu be - „ ſtreiten, und du haſt ſie etwa durch deine Faul - „ heit ſelber gereitzt und angeflammt: ſo ſtelle ihr „ nur das Angedencken jener ewigen Flammen „ ernſtlich vor, daß ihr Feuer wieder verloͤſche: „ denn die geile Brunſt dieſes Lebens fuͤhret „ ſchnurſtracks zu jener ewigen Glut hin. ‟ Aber des Elendes iſt noch kein Ende. Wollen Sie ſich dieſe verdammliche Luſt ferner gefallen laſ - ſen, ſo
legen ſie hiemit einen unumſtoͤß - lichen Grund zu einer elenden Sclave - rey, und Zeit Lebens fortwaͤhrendenVer -97Betrachtung der Unreinigkeit. Verunreinigung, machen ſich auch hier - mit ſchuldig fuͤr alle aus der Luſtſeuche, vermoͤge der natuͤrlichen Nothwendig - keit folgende Dinge zu ſtehen; ja alle daher kommende Suͤnden, und alles taͤg - lich zunehmende Verderben auf ſich zu nehmen. Ach! wie wuͤnſchte ich, daß Sie das vor allen andern Motiven zu Hertzen nehmen wolten! Aus dem 4ten und 6ten Lehrſatze und der 7ten Schlußfolge, (welche beyde Sie doch in moͤglichſter Schaͤrfe uͤberlegen ſolten,) koͤn - nen Sie es augenſcheinlich ſehen, welch eine Gewaltthaͤtigkeit Sie uͤber ihren armen Coͤrper und gantze Natur ſo eigenmaͤchtig ausuͤben. Sie ſetzen ſie in ſo ein verwoͤhntes und unabweisliches Verderben, daß der ein - mal dergeſtalt aufgebrachte und in voͤl - lige Herrſchaft geſetzte Trieb der Natur in ſeiner Gewaltſamkeit und heftigen Un - ordnung allerdings wird bleiben wol - len. Wie Sie anfangs die Natur forciret ha - ben, ſo wird ſie Sie wieder forciren, und Jhnen ſo viel Gewalt anthun, daß Sie vor heftigen Trieben und Reitzungen dieſer Luſtſeuche nicht wiſſen werden, wie ſich zu rathen; zumal, wenn Sie dabey nebſt einer uͤbermaͤßigen Traͤgheit, viel Spannens und Schmertzen an den Nerven und in den Lenden werden zu empfinden haben.
Aus ſolchen Zufaͤllen und Jrregulari - taͤten werden Sie denn leicht auf den an ſich grundfalſchen und hoͤchſtverderbli - chen, auch in der That unvernuͤnftigenI. Th. Betr. der Unreinigk. GWahn98(I. Th.) Anatomiſch-MediciniſcheWahn koͤnnen koͤmmen: es muͤſſe wol der Geſundheit zutraͤglich ſeyn, wenn man ſich auf mo - derate Weiſe von dem Ueberfluß des Samens und deſſen gewaltſamen Trieben entlediget. Zu - erſt wirds nur ein kleiner Gedancke, eine furcht - ſame Muthmaſſung, eine Verſuchung ſeyn: weiterhin machts der Satan ſeinen gehorſamen Dienern zum principio, daß ſie es halb und halb glauben, um vor der Gewiſſenspein hinter dieſem Schilde ſicherer zu ſeyn. Suͤndigen ſie dann doch wieder das aͤngſtliche und mit Furcht zeugende Gewiſſen weiter fort: ſo nehmen ſie es zuletzt fuͤr gantz allgemein und ausgemacht an, und ſuchen Gruͤnde zum Erweis zuſammen, ſo viel als moͤglich. Denn ſo wird das Gewiſſen nach und nach vom Thron geſtuͤrtzet, und der Verſtand in geiſtlichen Dingen wahnſinnig und verkehrt, wie GOtt bezeuget Roͤm. 1, 28 ‒ 32. Man denckt weiter nicht groß an die Folgen; er - klaͤrt ſich nicht, wie man das Ding eigentlich meine, und verſtanden wiſſen wolle; zeigt nicht an, in welchen Faͤllen etwa dis monſtreuſe prin - cipium, desgleichen unter allen lebendigen Ge - ſchoͤpfen in vita animali aus keiner Obſervation oder Erfahrung zu erzwingen iſt, koͤnte entſchul - digt werden. Nein! dergleichen iſt nirgends nichts zu finden; man ſoll eine allgemeine Un - wahrheit und Verfuͤhrung (aber ach wie theuer! mit was fuͤr einem groſſen Aufwand und Ver - luſt! zu was fuͤr einer groſſen Proſtitution des gantzen menſchlichen Geſchlechts!) nur ſo hin unerwieſen annehmen: Luͤgen, welche die gan -tze99Betrachtung der Unreinigkeit. tze Welt verderben koͤnnen, ſoll man fuͤr Grund - ſaͤtze und ausgemachte Sachen, die keines Er - weiſes mehr beduͤrfen, paßiren laſſen: und da - gegen die erſten Grundwahrheiten der chriſtli - chen Religion, die allerdeutlichſten und hoͤchſten Befehle des ſeligſten GOttes, die ieder ins Hertz geſchrieben zur Welt zum Theil mit bringt, ſoll man erſt durch gehaͤuffte ſyſtemata ſyllogiſmo - rum erweiſen! Man ſoll dem Verſtande durch weitlaͤuftige und abſtracte Erweiſe die groͤſte Muͤhe machen, und ihn erſt gantz abmatten, ehe ers gantz begreiffet: damit die Kraft der Wahrheit um deſto weniger in den Willen drin - gen, und ihn ja nicht leichtlich zum Gehorſam der Wahrheit bringen koͤnne: Grundverderbli - che Lehren aber ſollen nur ſo hin geſagt und nicht einmal erklaͤrt, geſchweige denn erwieſen ſeyn; und alle Welt glaubt ſie ungefragt: Jſt das nicht des Satans ſeine Billigkeit? *Der Auctor hat nicht gantz unrecht, daß er den Exceß und die libidinem demonſtrandi in leicht faßlichen und ohnehin unleugbaren Sachen, be - ſonders in goͤttlichen Wahrheiten, bey der Gele - genheit fuͤr unbillig erklaͤret. Man thut ſo wol im Fordern als im Bemuͤhen, dergleichen gekuͤn - ſtelte Erweiſe zu geben, der Sache zu viel. Bey den Forderern iſt die raiſonnableſte Gegenforde - rung, Joh. 7, 17. Thue nur erſt das, was du ſchon erkenneſt und annimmſt: GOtt kann ſei - ne Forderungen auch wol unerwieſen an dich thun. Bey den disfaͤlligen oft ſehr unzeitigen Bemuͤ - hungen iſt ein miſerabler und ſchaͤdlicher Zeitver - derb. Denn auſſer dem, daß dis gantz gewiß iſt: ſo viel laͤnger und gewaltſamer der fluͤchtige Ver - ſtand forciret wird abſtracte Demonſtrationen und in langen Reihen kettenweiſe an einander han - gende Schluͤſſe zu begreiffen, ſo viel wird das gantze Gemuͤth geſchwaͤchet, unluſtig, verdrieß - lich und matter, die Kraft der Wahrheit im Wil - len zu empfinden, und ſtarck davon beweget zu werden, es betreffe welcherley Wahrheiten es wolle: ſo iſt dieſe Folge in goͤttlichen Wahrhei - ten noch am allernothwendigſten. Dem natuͤrlichen Menſchen iſt es am wenigſten gelegen, in goͤttli - chen Dingen ſich viel Gewalt anzuthun, etwas abſtract zu begreiffen und in groſſen Reihen von Schluͤſſen einzuſehen. Und wie viel Tuͤchtigkeit hat er denn dazu? wie ſtehet ihm denn ſein Sinn zu geiſtlichen und goͤttlichen Dingen? 1 Cor. 1. und 2, 14. ſqq. und Roͤm. 1, 28. ſeqq. ſaget esklar heraus.Und was fuͤr eine Noth treibet denn die Welt, der - gleichen Lehren oͤffentlich zu treiben? Jſt es erſt noͤthig, ſich viel Muͤhe zu geben, wie man einen Dieb ſtehlen, oder einen tuͤckiſchen Luͤgner Luͤgen lehre? Gerade als wenn es noch ſo ſehr noͤthig waͤre, Gottloſigkeiten und Laſter erſt durch irri - ge Lehren und principia auszubreiten; die ver - derbte Natur waͤre nicht ſchon vorhin und ohne principia aufgelegt genug dazu. O wehe der Welt der Aergerniß halben! Es hat der Satan in dieſem unrichtigen und noch unrichtiger ver - ſtandenen Wahn einige ſeiner groͤſten Kuͤnſte und Gewaltthaͤtigkeiten gegen das Reich GOt -G 2tes100(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchetes unter einem gewiſſen Schein ausgeſonnen und verborgen. Damit Sie dieſes handgreif - lich und mit rechter Gewißheit einſehen koͤnnen: ſo muß ichs etwas umſtaͤndlicher ausfuͤhren, und ſo dann koͤnnen Sie dißfalls keine Ent - ſchuldigung haben.
(† Hiel -101Betrachtung der Unreinigkeit.(† Hielte man es z. E. nicht fuͤr unbillig, ja einfaͤltig, wenn ein wilder Americaner, der erſt nach Teutſchland herkommt, und ſein Tage nichts von Regierungs - formen gehoͤret und geſehen, oder wol gar ſich nicht einmal einen Begriff davon zu machen capable iſt, ſich erſt ausnehmen wolte, uͤber die Staatsverfaſ - ſung des Teutſchen Reichs viel zu critiſiren oder ſich gar druͤber aufzuhalten? Woher kann ihm denn das Vermoͤgen folglich auch das Recht zu dieſer Cri - tic kommen? Ja fiele es einem erfahrnen Statiſten wol ertraͤglich, dieſes Jgnoranten ſeine Americaniſchen ſtumpfen, duncklen, verworrnen und ſeltſamen Ge - danken davon nur zu hoͤren und zu dulden? Ein Blinder von der Farbe! Juſt ſo gemahnet mich das vermeinte Recht und Vermoͤgen, in den Reichsſa - chen GOttes zu wiſſen und zu critiſiren, derer, die ſichs unbillig anmaſſen, und haben davon ihr Tage nichts gehoͤret noch geſehen, das iſt, in ihrem eignen Hertzen nichts erfahren oder empfunden, Joh. 3, 3. 6. nur daß der letztern ihre Einfalt und Unbilligkeit ſo viel hoͤher ſeyn muß, als des Americaners ſeine unverſtaͤndige Arrogantz, als viel hoͤher goͤttliche Dinge ſeyn muͤſſen, denn der kleinen Menſchen klein Gemaͤchte.)
Warum will man alſo einen Menſchen mit zehen - fach ſchwereren Dingen plagen, und ihn von der Anhoͤrung und Annehmung der Sache ſelbſt durch den Vortrag derſelben abhalten, da ihm das einfa - che ſchon zu viel und zu ſchwer iſt? Warum den Ver - ſtand unnoͤthig abmatten, damit der Wille deſto un - faͤhiger werde, ſich reſolut zu etwas zu neigen, und Ernſt mit Eile zu brauchen? Wozu die Zeit verder - ben? Zu was Zweck ſich und andern die Muͤhe ma - chen, Dinge zu erweiſen, die kein Menſch leugnet, und um deßwillen nicht nur gantze Reihen von Syl - logismis, ſondern gantze Gebaͤude von neuen, erwei - terterten, abſtrackten, unfaßlichen Abhandlungen, Be - griffen und daraus hergeleiteten Schluͤſſen, auffuͤh -G 3ren?102(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheren? Wozu ſoll man ein Ding auf etlichen Bogen hingeben, das man eben ſo gruͤndlich und vollſtaͤn - dig, aber viel deutlicher und beweglicher, mithin zehenmal nuͤtzlicher, mit etlichen wenigen Periodis haͤt - te ſagen koͤnnen; ſo man ſich nicht haͤtte mit dem ſyllogiſtiſchen Kunſtgewebe entweder ſelbſt gefallen, oder Ehre einlegen, oder andern uͤber die Gebuͤhr gefallen wollen? Oder iſts denn irgend eine ſo groſ - ſe Kunſt, ſolche ſyllogiſtiſche Dunſtgebaͤude aufzufuͤh - ren? Kann man nicht auf die Weiſe die nichtswuͤr - digſten Saͤtze, die weltbekanteſten Theſes oder Er - fahrungen, und die unnuͤtzeſten Grillen ſo weitlaͤuf - tig und in einem Mathematiſch-demonſtrativen nexu, wenns noth und nuͤtze waͤre, auch in gantzen Folianten ausfuͤhren, wenn man nur weitſchichtige Erklaͤrungen macht; Dinge, daruͤber alle Kinder lachen muͤſſen, daß man ſie erſt lehren will, unter gewiſſe praͤchtige Titel und in geſetzmaͤßige Stellen bringt; Saͤtze mit Saͤtzen verbindet; Schluß auf Schluß (wenns auch ſchon oft die lahmeſten Para - logiſmos und Gedankenſpruͤnge oder Hiatus geben ſolte) ſetzet; und mit einem Worte, eine groſſe Menge unnuͤtzer und ſchrecklich muͤhſam zuſammenge - klaubter Gedanken nur in den praͤchtig ſcheinenden mathematiſchen Kittel einkleidet? Wunder, daß nicht ſchon laͤngſt jemand muͤßiges die gerechten Klagen der armen Mathematique uͤber den ungerechten und einfaͤltigen Mißbrauch ihrer ſonſt ſo fuͤrtreflichen Lehrart in einem ſatyriſchen Gedichte oder einer Tra - goͤdie aufgefuͤhret hat.
Man denckt etwa: Je ſchaͤrfer eine Sache erwie - ſen wird, je mehr wird man davon uͤberzeugt; und je ſtaͤrcker die Ueberzeugung, je gewiſſer und noth - wendiger iſt der Gehorſam. Aber iſt denn das wahr? Sind denn nicht alle Lande, Staͤdte, Doͤrfer, Schulen, Univerſitaͤten, Lebensarten, Collegia und Societaͤten, ja alle Haͤuſer und Seelen in der Welt voll juſt entgegen geſetzter Erfahrungen? Weiß ein Diebnicht,103Betrachtung der Unreinigkeit. nicht, ſtehlen ſey Suͤnde? Todtſchlagen koſte den Kopf? er laſſe ſich ja ſelber nicht gerne was ſteh - len? oder ſich umbringen? der Raub koͤnne ihm doch nicht ſo viel betragen, als der Galgen importi - ret? die ewige Verdamniß koͤnne mit aller Welt Diebſtaͤhlen nicht abgekauft, oder mit aller Welt Guͤtern nicht in Vergleich geſtellet werden? Weiß der Gottloſe nicht, daß ihn GOtt allenthalben ſie - het? daß er ihm nicht entgehet? glaubt ers etwa nicht gaͤntzlich? nicht ſtark genug? zittert ein Gottlo - ſer nicht oͤfters vor GOtt? weint er nicht wol zu - weilen gar, wenn er den Schaden uͤberſieht? War - um ſagt er denn; ich kanns unmoͤglich laſſen? Fehlt ihm denn an der Ueberzeugung oder Demonſtration irgend noch etwas? Und was iſts denn nun? Noch mehr: Jſt denn ein Menſch, der gern fuͤr einen Philoſophen will angeſehen ſeyn, nicht uͤberzeugt, der ewige GOtt allein ſey das hoͤchſte Gut? Wird ers nicht fuͤr einen Schimpf achten, wenn man ihm dieſe Ueberzeugung abſpraͤche? Aber was wirckt denn nun dieſe gantz complete Ueberzeugung, ſie mag nun philoſophiſch oder mathematiſch ſeyn, oder wie ſie immer ſeyn kann? Hat er ſich denn dadurch zwingen laſſen, dis hochſte Gut zu ſuchen und zu er - langen? Jſt denn GOtt nun wirklich ſeine Freude? ſein eintzig hoͤchſtes Vergnuͤgen? ſeine Ehre, ſeine Hofnung, und das alles, was er dem David war? Pſalm 18 und Pſalm 73, 3 25-28. Hat er ſein hoͤchſtes Gut nicht dennoch mit den Gottloſen in ei - nem Winckel? Pſam 49, 12. 13. Luc. 16, 25. Jſt denn das nun ehrlich, wieder ſein eigen Haupttheo - rema nicht nur handeln, ſondern beſtaͤndig leben? Doch vielleicht ſolls nur in Abſicht auf andere gel - ten! Allein: wenn der Wille der Ueberzeugung des Verſtandes folgen muß: warum machen denn die groſſen philoſophiſchen Moraliſten aus den ihrigen oder andern wie ſie lehren, nicht eitel tugendhafte Leute? Sinds denn etwa ſolche dumme Koͤpfe, dieG 4ih -104(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheihre Erweiſe nicht bis zur Ueberfuͤhrung faſſen koͤn - nen? oder fuͤhren ſie ihre Erweiſe ſo ſchlecht und ſchwach, daß ſie zum Beyfall nicht noͤthigen koͤnnen: warum lernen ſie denn nicht buͤndiger demonſtriren? Wendet man ein: ſo lange kein Gehorſam da iſt, ſo lange ſeys keine voͤllige Ueberzeugung; ſo kommt ein ſpielhaftes Wortgefechte heraus. Denn was ſoll endlich eine voͤllige Ueberzeugung heiſſen? Der Ge - horſam ſelber? So iſts juſt ſo ſpitzfuͤndig geſagt, als wenn ich ſpraͤche: ſo lange jemand gutem Rath nicht folget (das iſt, voͤllig uͤberzeugt iſt) ſo lange folgt er ihm nicht. Wozu ſollen doch dieſe Logo - machien? haben wir etwa nichts noͤthigeres zu thun, als einander mit ſolchen Spielwerken zu divertiren oder abzumatten? Die alten Heiden redten deut - licher und aufrichtiger. Denn ſie ſagten zum Exem - pel, der Zorn macht blind. Das iſt: Jede Paßion benebelt den Verſtand, und macht zum Theil unver - nuͤnftig. Je ſtarcker die Paßion, je ſchwaͤcher der Verſtand. Je groͤſſer die Suͤndenluſt, je kleiner das Nachdencken oder die Kraft, etwas dagegen zu faſſen und zu uͤberlegen. Muß aber juſt dor arme Verſtand ſchuld haben? Jſt nicht ein Wohlluͤſtiger von der Unbilligkeit und ſchaͤdlichen Folgen ſeiner Luͤſte oft ſo ſtarck uͤberzeugt, daß er das Leben drauf ſetzen wuͤrde? aber wenn der Anfall kommt: halt dieſe Ueberzeugung den Trieb zuruͤck? Sie iſts nicht im Stande zu thun, und wenn ſie auch viel tauſend - mal im Gemuͤth in vollem Lichte da geſtanden waͤre. Soll man nun mit dieſem weitſchichtigen Lehrſatz ſo prahlen? Soll man nicht eben ſo viel Reflexion auf die Neigung des Willens machen, als auf die Ueber - zeugung des Verſtandes? ꝛc. Doch, wieder zum Auctor!
Der liebreiche und unvergleichlich weiſe Schoͤpfer hat dem Menſchen in beyderley Ge - ſchlecht den Samen und deſſen Officin nicht al - lein darum beygeleget, daß er zu Erzeugung ſei -nes105Betrachtung der Unreinigkeit. nes gleichen diene: ſondern auch, daß er ihm als das allerſtaͤrckſte, allgemeine und immer ge - genwaͤrtige Artzneymittel und Balſam des Le - bens zur Staͤrckung und Munterkeit diene; in - dem er durch die vaſa lymphatica in das gantze Gebluͤt wieder zuruͤck flieſſet, und daſſelbe im - praͤgniret, wie ſolches im 5. und 6ten Lehrſatz weitlaͤuftig ausgefuͤhret und erwieſen iſt. Und dieſes iſt eines der vornehmſten Mittel, ſo wohl bey den Altvaͤtern geweſen, als bey einigen heut zu Tage noch, mit unverletzten Kraͤften und fri - ſcher Geſundheit zu einem grauen Alter zu gelan - gen, wie dis auch Hippocrates angemerckt, wenn er ſaget. „ Die allerbeſten und ſtaͤrckſten Mittel „ zur Erhaltung der Geſundheit und Verlaͤnge - „ rung des Lebens ſind: Daß man gerne arbeite „ (wenigſtens der Arbeit nicht leichtlich ausweiche), „ daß man ſich nicht allemal ſatt eſſe, und den „ Samen wohl behalte und bewahre. ‟ Daher hat der heilige GOtt dieſe gantze Sache vor dem luͤſternen Menſchen ſo verborgen, daß ſeiner Jntention nach vor dem mannbaren Alter nie - mand davon etwas erfahren ſolte, von dem es nicht ausdruͤcklich gefordert wird, daß ers wiſſe; und mit reinem Hertzen die hiebey vorkommen - den Wunder GOttes heiliglich bedencke; auch in dem Stande ſey, der boͤſen Luſt nicht zu ge - horchen. So wuͤrde er vor unzehlichen Suͤn - den, erſchrecklicher Gefahr, und unausſprechli - chem Elend verwahret, nicht wiſſende auf was Weiſe. Und wie ſelig ſind diejenigen Eltern, die ihre Kinder auf alle nur erſinnliche Art ſelbſtG 5vor106(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchevor dem Erkentniß dieſer Dinge verwahren, ſo lange ſie immer koͤnnen! O wohl den Kindern, wenn ſie dieſe Geheimniſſe der Natur erſt bey ihrem Verheirathen von den Eltern ſelbſt unter einer heiligen Zucht, Anbetung GOttes, und noͤthiger Jnſtruction erfahren koͤnnen! Ach aber, wie jaͤmmerlich ſiehts desfalls unter den Men - ſchenkindern aus, und vielleicht am jaͤmmerlich - ſten unter den Chriſtenkindern!
Es ſolte indeß dieſer edle Lebens - und Fort - pflantzungsſaft ordentlich zubereitet, in die uͤbri - gen humores des Leibes verfuͤhret, und auch da - ſelbſt zu des Lebens Friſtung und Munterkeit an - gewendet werden. So bliebe die Communica - tion der Gefaͤſſe, worin der Same praͤpariret wird, mit dem andern Gebluͤte immer offen, und dieſer Zuruͤckfluß des Samens ins Gebluͤt wuͤr - de Zeit Lebens fortwaͤhren. Fuͤhrete denn der Allerhoͤchſte einen in den Stand der Ehe, ſo kaͤ - me der andere Gebrauch des Samens auf eine heilige und GOtt gefaͤllige Weiſe dazu; nemlich nicht anders, noch oͤfters, als zur Fortpflantzung des Geſchlechts erfordert wird: welches ja ſo gar beym Viehe in dieſer unzerbruͤchlichen Ordnung ſtehet. So ſaget auch Athenagoras in Apo - logia pro Chriſtianis p. 36. im Namen aller er - ſten Chriſten dis Bekentniß gantz frey und deut - lich heraus: „ Gleichwie ein Ackersmann, wenn „ er einmal geſaͤet hat, die Zeit der Ernte erwar - „ tet, und nichts anders ausſtreuet: alſo ſetzen „ wir Chriſten unſerer Luſt das Ziel nur mit dem „ Kinder zeugen, und die Eheleute leiſten einan -„ der107Betrachtung der Unreinigkeit. „ der die ſchuldige Pflicht nur in Anſehung der „ Nothwendigkeit, als vor den Augen GOttes, „ mit groſſer Beſcheidenheit und Maͤßigkeit. Der „ Heide Epictetus aber ſagt: C. 2, 47. Vor der „ Ausuͤbung der natuͤrlichen Luſt des Fleiſches „ halte dich bis zum Eheſtande aufs allermoͤglich - „ ſte rein und unbefleckt: wenn du aber in den „ Stand der Ehe tritteſt, ſo muſt du dich der „ ehelichen Wercke nicht anders als rechtmaͤßig „ in rechter Maſſe) gebrauchen. ‟ Dieſes nun wuͤrde ohne heftige Anfaͤlle und Reitzungen, ohne gewaltſame Triebe und ohne einige Beſchwe - rungen in der natuͤrlichſten Ordnung ſo fortge - hen koͤnnen: weil der Same ſeinen ſonſt gewohn - ten Weg durch die vaſa lymphatica zum ductu thoracico noch offen hat und frey behaͤlt. Da - her wuͤrde kein einiger Menſch Urſach haben, ſich uͤber den Ueberfluß des Samens zu beſchwe - ren, oder denſelben gar zum Deckmantel ſeiner Schande und Bosheit mit allerhoͤchſter Beſchim - pfung ſeines Schoͤpffers zu machen. (Siehe oben pag. 8. und 14. ſqq. desgleichen p. 43. ſqq.) Zu - malen man bis auf den heutigen Tag keine ei - nige Obſervation aufbringen kann, daß die Ver - wahrung und gaͤntzliche Zuruͤckhaltung des Sa - mens jemanden (der NB. in vollkommener Keuſchheit geblieben, und ſeine Natur nicht zu - erſt gantz violirt und verderbet hat; denn von ver - hurten oder vormals verfuͤhrten und ruinirten Menſchen iſt ſchlechterdins hier nicht die Rede) natuͤrlicher Weiſe die geringſte Beſchwerung haͤtte verurſachet: ja nicht einmal bey den un -ver -108(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchevernuͤnftigen Thieren, bey welchen doch ſo wohl die Zuruͤckhaltung des Samens, als die ſtete Ge - ſundheit weltkuͤndig und bekant iſt.
Wenn aber einer in der Jugend ſeinen Leib und Seele mit der Luſtſeuche verderbet, dieſe wunderbare Officin zernichtet, einen violenten impetum venereum in ſeine ohndem verderbte Natur eingefuͤhret und habituell gemacht, und, was das vornehmſte, die Communication des ſchon praͤparirten Samens mit dem Gebluͤte, und den Einfluß in daſſelbe aufgehaben und ver - ſtopfet hat: wie iſts denn anders moͤglich, als daß durch das verfluchte Feuer der Wohlluͤſte der Trieb des Gebluͤtes an die Orte, wo man ihm die Thuͤr auf eine gewaltſame Weiſe eroͤffnet hat, immer continuire; folglich der Same im Ueberfluß, aber ſehr uͤber elaboriret und unreif, herunter getrieben werde und unleidlich viele rei - tzende Anfaͤlle verurſache; mithin, da kein an - derer Weg mehr uͤbrig, durch pollutiones no - cturnas, Gonorrhœam, oder auf andere Weiſe hervorflieſſe? Da nun die verſchrumpften und verfallenen Gaͤnge der vaſorum lymphaticorum ſchwerlich mehr eroͤffnet werden koͤnnen, wenns zu lange gewaͤhret hat: ſo ſehen Sie, daß dar - aus Schaͤden und Folgen entſtehen muͤſſen, de - nen nicht mehr abzuhelfen ſeyn wird. Fuͤr eine jede Befleckung, fuͤr alle und jede Anfaͤlle der Luſtſeuche und ihre Ausbruͤche, die Sie zu allem ungeſchickt machen, fuͤr alle Beſchwerungen, ſo daher kommen koͤnnen, auch fuͤr alle kuͤnftige noch zu beſorgende Befleckungen des Ehebettes,und109Betrachtung der Unreinigkeit. und Verletzungen der Liebe GOttes und Jhrer Seele, durch vermeinte eheliche Liebe, muͤſſen Sie ſtehen! Und wenn Sie zu den Exceſſen der Un - zucht ſo gewaltſam werden getrieben werden, als andere, (die ſich, zum Exempel, durch unmaͤßige Beywohnung in der Ehe dergeſtalt entkraͤftet und zu ſchanden gerichtet, daß ſie nicht nur in kurtzer Zeit ihre lebhafte Munterkeit, Roͤthe und freudiges Anſehen verloren, und ſcheußlich aus - geſehen, ſondern auch um allen ehelichen Segen gekommen, uͤberdis ihre gantze Natur geaͤndert, und in ſchwere Kranckheiten, die ſich insgemein mit einem Fieber angefangen, verfallen ſind:) ſo wird | dieſe Jhre Violirung der ehelichen Keuſchheit, die Gewaltthaͤtigkeit, ſo ſie Jhren Kraͤften anthun, ja auch nur der gewaltſame Trieb, den ſie im Coͤrper und Gemuͤthe zur Aus - uͤbung der Luſtſeuche werden empfinden muͤſſen, Sie vor dem allerhoͤchſten GOtt mit groſſem Ernſt und unabweislicher Forderung beſchuldi - gen. Ach! bedencken Sie, was fuͤr ungluͤckli - che und bekuͤmmernde Zufaͤlle hieraus auf alle Jhre Lebtage, und noch auf Jhre Nachkommen, natuͤrlicher Weiſe, ohne noch im geringſten auf die Gerichte GOttes zu ſehen, entſtehen koͤn - nen!
Weil nun bey einigen ſolchen Patienten der Same gar nicht mehr wieder ins Ge - bluͤte einflieſſen kann, bey andern aber (die zu bald an die ſchreckliche Pein in der Gonorr - hœa virulenta kommen) zwar noch wol durch die halb verfallenen und verderbtenAeder -110(I. Th.) Anatomiſch-MediciniſcheAederchen durchdringet, wenn man ihn durch heftige adſtringentia von auſſen ſtopft und nicht heraus laͤßt; allein gleichwol, weil er ſo ſcharfbeiſſend und giftig worden iſt, im Gebluͤte nichts als einen voͤlligen Ruin und Anſteckung an - richtet: ſo haben ſich Medici genoͤthi - get geſehen, aus zwey ungeheuren Uebeln das kleinere zu wehlen, und ſolchen Pa - tienten lieber zuzulaſſen, daß ſie eher der verwoͤhnten und ſo forcirten Natur nachgeben, als auf einmal bey ihren hef - tigen Anfaͤllen und Jrregularitaͤten un - terliegen, oder das gantze Gebluͤte anſte - cken laſſen moͤchten. Und dis iſt denn juſt ſo ein Rath, als wenn man zu einem ſagte, er moͤchte ſich lieber die Hand oder den Fuß abloͤ - ſen laſſen, damit der kalte Brand nicht endlich den gantzen Leib einnehme, und ihn ums Leben bringe; oder zu einem Handelsmann, der zur See in augenblicklicher Gefahr des Schifbruchs ſtehet: er moͤchte lieber alle ſeine Waare uͤber Bord werfen laſſen, als daß ſein und ſeiner Mitgefaͤhrten ihr Leben und das Schif ſelbſt eingebuͤſſet werde. Der Rath iſt gut und an - nehmens werth: denn was iſt uͤber das Leben? Aber wem wird er gegeben? Wirds denn auch ein Geſunder, einer der nicht in Lebensgefahr ſte - het, einer den nichts brennt ꝛc. auch ſo machen duͤrfen oder wollen? Wuͤrde er nicht von jeder - man fuͤr wahnſinnig angeſehen werden, ſo er ſich dergleichen nur einfallen lieſſe?
Eben111Betrachtung der Unreinigkeit.Eben ſo iſts nun auch anzuſehen, wenn from - me Theologi und Paulus ſelber die Ehe nun aus Noth, und bey ſo beſtellten Sachen der Men - ſchen fuͤr ein Mittel wider die Unkeuſchheit an - ſehen, nach den Worten: Es iſt beſſer freyen, denn Brunſt leiden. Jch ſage, nunmehro aus Noth: denn nach der heiligen Jntention GOt - tes hat die Ehe niemals dazu geordnet werden koͤnnen, ſondern nur zur Fortflantzung des Ge - ſchlechts, und lieblicher Gemeinſchaft unter den Menſchen, damit GOtt geliebet wuͤrde. Und iſt dieſes bey nahe ſo anzuſehen, als wenn einem Hypochondriaco gleichfalls aus Noth der Muͤſ - ſiggang, Weglegung der Buͤcher, oͤfters Ausge - hen, Fahren, Reiten, Huͤpfen und Springen ꝛc. recommendiret wird, ſo ihm ja ohne Suͤnde auf alle Tage und ſo gar viele Zeit ohnmoͤglich koͤnte verſtattet werden, wofern es dismal ſeine Um - ſtaͤnde, denen ſonſt nicht wohl anders zu helfen ſtehet, nicht kurtzum alſo erforderten. Lutherus ſpricht um deswillen: „ Der eheliche Stand iſt „ nun hinfort gleich einem Spital der Siechen, „ und iſt nicht mehr rein und ohne Suͤnde, wie „ er vor dem Fall geweſen waͤre, nachdem die „ fleiſchlichen Anfechtungen ſo groß und wuͤtend „ worden. Es wird mit abgenoͤthigter Jndul - „ gentz GOttes die eheliche Beywohnung aus „ Noth manchmal geleiſtet, daß ſie nicht in ſchwe - „ re Suͤnden fallen. Wer ſie braucht, der Un - „ keuſchheit zu wehren, der hat, halte ich, Pau - „ lum zum Fuͤrſprecher und Schutzherrn; aber „ von Rechts wegen ſolte man ſich nur zur Frucht„ zu -112(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſche„ zuſammen finden. ‟ Daher ſagt auch Clemens Alexandrinus: „ Die wohlluͤſtige Empfindung, „ und der Trieb zu derſelben iſt gewißlich nicht „ fuͤr unumgaͤnglich nothwendig zu achten. Die „ natuͤrliche Begierde, ſein Geſchlecht im Stand „ einer heiligen Ehe fortzupflantzen, iſt nur noth - „ wendig. Wenns demnach moͤglich waͤre, Kin - „ der ohne dieſelbe zu erzeugen, ſo koͤnte man „ ſonſt durchaus keinen andern Zweck oder Nu - „ tzen von ihr anzeigen. ‟
Weil aber doch die Sache allzuwichtig, und ſonderlich im Eheſtande gar ungerecht und unver - antwortlich, von denen, die GOtt nicht lieben, der angefuͤhrte Ort 1 Cor. 7, 1-9. |gemißbrau - chet wird: ſo achte fuͤr noͤthig, noch etwas hie - bey ſtehen zu bleiben. Jſts nicht wahr, mein Freund, nach dem man gefragt wird, nach dem muß man antworten? Und je nach dem der Pa - tient iſt, nach dem muß man ihm rathen? Ein anderer aber darf ſich durchaus nicht nach dieſem Rath einrichten, es ſey denn, daß er juſt in eben dieſen Umſtaͤnden und Zufaͤllen waͤre, wie jener. Nun hatten die Corinthiſchen Chriſten, wie es denn gewiß noͤthig war, einige Fragen deßfalls an den Apoſtel Paulum ergehen laſſen; die hat er ih - nen muͤſſen beantworten; und zwar nicht anders, als wie es ihre Umſtaͤnde des Ortes, der Zeit, der Gemeinſchaft mit den Heiden ꝛc. erforderten, um das Uebel nicht aͤrger zu machen. Hoͤren Sie nun aber an, was Corinthus fuͤr ein Plaͤtz - chen in der Welt war. Jch will ihre gantze Hi - ſtorie, in ſo weit ſie hieher gehoͤrt, kurtz herſetzen.
Co -113Betrachtung der Unreinigkeit.Corinth ſoll ſchon A. M. 2726. unter dem Namen Ephyra bekant geweſen ſeyn. Sie lag auf der Erdenge, womit Morea an dem feſten Land von Griechenland henget, und zwar unten an einem hohen Felſen, worauf ein feſtes Schloß erbauet war; und hatte demnach nicht nur die Paſſage zwiſchen Griechenland und Morea in ihren Haͤnden und Gewalt, ſondern auch die beyden wichtigen Meerbuſen, den Corinthiſchen gegen Weſten, und den Saroniſchen gegen Oſten. Sie hatte uͤber dis die ſchoͤnſte Gele - genheit, ihre Handlung auf dem Aegeiſchen und Joniſchen Meere zu treiben. Es ging ihr, wie insgemein den uralten Staͤdten, die aus ihrem Alterthum einen groſſen Ruhm und Ehre ma - chen, auch wol Pflicht und Recht drauf zu ha - ben meinen, ſtoltz und groß zu thun: ohne zu gedencken, daß dieſe Ehre GOtt gebuͤhre, dem es eben beliebte, ſie ſo lange ſtehen zu laſſen. Sie ſuchte ſich ſehr empor zu ſchwingen, das iſt, ſo beruͤhmt als moͤglich, und ſo maͤchtig als moͤg - lich in der Welt zu werden. Hierzu gehoͤrt viel Geld. Geld zu kriegen ſucht man ſehr viele Mittel auf. Corinth gebrauchte ſich aller zuſammen, deren ſie nur habhaft werden konte. Sie breitete die Handlungen zu Waſſer und zu Lande ſo weit und vortheilhaftig aus, als ſie nur konte; ſie ſuchte eine groſſe Menge der beſten Kuͤnſtler von Mahlern, Bildhauern, Ertzarbeitern ꝛc. inner - halb ihrer Ringmauren zu erhalten; ſie be - muͤhete ſich, den Ruhm einer ſehr cultivirten, ga - lanten und gelehrten Stadt zu behaupten, umI. Th. Betr. der Unreinigk. Heine114(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheeine Menge auswaͤrtiger Leute hinzulocken, die ihr Vermoͤgen bey ihr verzehreten: deßhalb kon - te ſie ihre weiſen Leute, oder die unter dem ſo ge - liebten Namen der Philoſophen bekante Ge - lehrte bey viel hunderten aufweiſen. Dis nicht genug: Schande und Greuel muſten auch fuͤr die wichtigſten Mittel reich zu werden geachtet ſeyn. Man unterhielt in allen Winckeln der Stadt viele hundert galante Huren, von denen groſſe Hauffen gleichgeſinnter Leute nach Corinth gelocket wurden, die ihr Geld da verthaͤten. Dis war des Teufels ſeiner Staatsklugheit gantz ge - maͤß, und fuͤr eine Politique geachtet. Weils aber doch einer gottloſen und ſordiden Geld - ſchneiderey aͤhnlich ſahe, und die ſtaatsklugen Leute vor dem gemeinen Mann nicht gerne wol - ten gar zu bald bloß geſtellt und infam gemacht werden: ſo muſte die Religion zum Deckmantel der Schalckheit herhalten. Venus, die weltbe - ruͤhmte Goͤttin der Liebe, muſte einen der praͤch - tigſten Tempel kriegen, in welchem uͤber tauſend ſolcher ſolenniſirten und canoniſirten Huren er - halten wurden, die mit ihrer viehiſchen Geilheit und Buͤberey dieſer Veneri dienen, und unter dieſer Schalckskutte, (auſſer den andern privi - legirten Huren) der Stadt unſaͤgliche Reich - thuͤmer zuziehen ſolten. Damit gleichwol der Greuel nicht allzu beſtialiſch ausſehen moͤchte: ſo muſte ſich alles auf allerley Galanteriekuͤnſte und artige Manieren legen, damit es heiſſen koͤnte: Fremde junge Herren reiſeten hin, artig, galant, honnet und politiſch zu werden. Dishat115Betrachtung der Unreinigkeit. hat unter dem vermeinten Schutz der groſſen Huren-Patronin, der Veneris, einige hundert Jahre fortgewaͤhret.
Es gelung! Gottloſigkeit ſuchte man; man erlangte ſie auch, und dazu des Reichthums, der Schwelgerey und der vermeinten guten Tage auf eine Weile die Fuͤlle. Die Renommée ward ſehr groß. Corinth muſte bey den meiſten Scribenten, die nicht weit hinaus ſahen, das Licht und die Zierde des gantzen Griechenlandes heiſſen; und man ſchaͤtzte ſich weit und breit recht gluͤcklich, nur einmal hinkommen zu koͤn - nen. Was konte daraus erfolgen? weil die Bosheit, Schalckheit, Pracht und Uebermuth, Schwelgerey, Ungerechtigkeit und die ſchaͤnd - lichſten Greuel unter dem ſchoͤnen Titel der ſtan - desmaͤßigen, oder klugen, oder galanten Auf - fuͤhrung paßireten, und man doch dabey den Ruf einer moraliſirten und recht philoſophiſchen Stadt erſchlichen hatte: ſo muſte alle Gottloſig - keit ſo gut, als mit Recht uͤberhand nehmen. Die aͤrgerlichſten Laſter verloren ihre Namen, und bekamen dafuͤr ſchoͤne Schmincktitel. Alles muſte, ſo weit als immer moͤglich, fuͤr natuͤrlich, und nicht unrecht, philoſophiſch ausdiſputiret ſeyn. Die ſchaͤndlichſte Hurerey wurde nach ge - rade nicht mehr fuͤr unehrbar, geſchweige fuͤr Suͤnde, ſondern wol eher fuͤr eine galante, an - ſtaͤndige und dem Staat nuͤtzliche Lebensart an - geſehen. Alles hielt ſich fuͤr ſehr klug; alles hat - te das groͤſte Gefallen an ſich ſelber; bildete ſich auf ſeine Vernunft wundergroſſe Dinge ein; ließH 2ſich116(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheſich von andern nicht gerne was ſagen; wolte bey Diſputen und allen Gelegenheiten durchaus nicht nachgeben und ſeinem Eigenſinn wehe thun. Mit einem Wort: die gantze vernuͤnfti - ge Moralitaͤt wurde umgeſtuͤrtzt und verkehret, und zwar, welches das ſchlimmſte, alles per principia, unter dem Deckmantel der Philoſo - phie. Kluͤgere Leute hatten dis zwar zeitlich genug eingeſehen, aber konten den ausgetrete - nen Strom nicht mehr aufhalten.
Allein: alles waͤhret nur eine Weile. Nach gerade wurde es auch unter den andern benach - barten Heiden offenbar, daß es Dunſt und Schande war. Ja, welches merckwuͤrdig: ſo viel Ruhms und Ehre Corinth geſucht, auch an - fangs zum Schein erhalten; ſo viel Schmach und uͤblen Rufs hat es endlich davon getragen. Dieſe Stadt ward endlich ein in gantz Orient ver - ruffener Hurenſtall; dergeſtalt, daß die Heiden ſelbſt, wenn ſie einen unflaͤtigen Buhler und Ve - nusknecht mit aller ſeiner uͤbrigen Laſterhaftig - keit auf einmal beſchreiben wolten, ſprichworts - weiſe nur zu ſagen pflegten:〈…〉〈…〉, das iſt: Er lebet auf gut Corinthiſch. Der gerechte GOtt kann zuſehen und warten, denn es ent - laͤuft ihm niemand. Er ließ dis Unweſen des Corinthiſchen Volckes einige hundert Jahre ſo fortgehen; ließ es uͤbrigens an ſcharfen Zuchtru - then, Erinnerungen und Zurechtweiſungen nicht fehlen. Aber wie koͤnnen ſuperkluge Leute hoͤ - ren? Nach vielerley Revolutionen kam ihr gaͤntzliches Ende. Sie kontens nicht laſſen, je -der -117Betrachtung der Unreinigkeit. dermann ſtoltz und uͤbermuͤthig zu begegnen. Hie - durch hetzten ſie ſich die Roͤmer auf den Hals. Noch 142. Jahr vor Chriſti Geburt wurden ſie ſamt ihren Alliirten gantz uͤber den Hauffen ge - worfen, Corinth ſelbſt von dem Roͤmiſchen Feld - obriſten L. Mummio eingenommen, alles Mannsvolck niedergemacht, die Weiber und Kinder verkauffet, die Stadt aber unter Trom - petenſchalle gepluͤndert, und endlich verbrannt. Weil nun eine entſetzliche Menge Goldes, Sil - bers und Ertzes drinnen geweſen: (Denn es mu - ſten ja alle Haͤuſer voll koſtbarer Gefaͤſſe ſeyn!) ſo ſchmoltzen in dem entſetzlichen Feuer dieſe drey - erley Metalle hie und da in groſſe Klumpen zuſammen, und gaben dem ſo beruͤhmt worde - nen Corinthiſchen Ertz ſeinen erſten Urſprung, woraus, und aus dem nachgemachten viele hun - dert Jahre lang Gefaͤſſe gemacht wurden, die dem Golde ſelbſt gleich geſchaͤtzt zu werden pfleg - ten. Alſo muſte auch hie die ſchaͤndliche Leiber - brunſt mit einer entſetzlichen Feuersbrunſt ad interim vor der Welt abgethan werden! Alſo muſten die Ueberbleibſel und Zeugen davon, ich meine die aus Corinthiſchem Ertz gemachten Gefaͤſſe, das ſchreckliche Angedencken dieſer uͤbermuͤthigen Stadt in der Welt herumtragen, und juſt in diejenigen Staͤdte und Haͤuſer brin - gen, da es am billigſten und noͤthigſten waͤre, dieſer Rache GOttes nicht zu vergeſſen.
Jn dieſen Ruinen blieb die arme Stadt faſt hundert Jahre liegen. Julius Caͤſar ließ ſie wieder erbauen, klaubte das alte uͤberbliebeneH 3grie -118(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchegriechiſche Volck zuſammen, that eine neue Co - lonie von Roͤmiſchen Libertinis (welches insge - mein geweſte Sclaven, nunmehr aber freygelaſſe - ne und ſammt ihren Kindern ausgelaſſene muth - willige Leute waren, die ſich auf ihre vorige Dienſtbarkeit nun gerne etwas zu gute thaten) dazu. Und da ſich denn allerley andere Land - laͤuffer und unſtete Menſchen dazu funden, man ſich auch der alten Herrlichkeit gar zu gerne er - innerte, und davon dasjenige, was ſich am er - ſten und leichteſten wieder retabliren laͤßt, (Suͤn - den und Laſter) gar zeitig wieder herſtellete: ſo iſt leicht zu erachten, daß in kurtzer Zeit die Hauptlaſter nach wie vor in Schwang und Re - putation wieder gekommen ſind; zumal ſich das mehreſte zuſammen geloffene Geſindel das zum Schertz und Spiel gebrauchte Wort〈…〉〈…〉 nicht ungerne fuͤr eine Ehre achtete. Mit eins, der alte philoſophiſche Dunſt, die galante Le - bensart und die Schandthaten und Laſter wur - den von den Alten geerbet, und nach wie vor Wucher damit getrieben und Ehre gefiſcht.
Ein ſolches Volck war es, darunter das Evangelium von Chriſto kam. Einige habens angenommen, die andern blieben Heiden, und haͤmiſche Spoͤtter der chriſtlichen Religion. An ſolche Chriſten hat Paulus ſeinen erſten Brief, als eine Antwort an die geſchehenen Anfragen, vermuthlich im neun und funfzigſten Jahre nach Chriſti Geburt geſchrieben.
Doch wie ſtehets jetzt um Corinth? Sie iſt, nach ſehr vielen noch drauf erfolgten Eroberun -gen119Betrachtung der Unreinigkeit. gen und Verwuͤſtungen, anjetzo in Tuͤrckiſchen Haͤnden, heiſſet Coranto, und bey den Tuͤrcken Geréme, und beſtund, da ſie letzthin noch an die Tuͤrcken uͤberging, aus einer Anzahl zerſtreue - ter Haͤuſer, und einem alten ſchlechten Schloſſe.
Dieſen Zuſtand der Corinthiſchen Gemeine muß man ſich nun wohl vorſtellen, wenn man die angefuͤhrten Worte Pauli richtig verſtehen, nicht uͤber die Gebuͤhr extendiren, und unter ei - nem obwol zitternden und furchtſamen Provoci - ren auf dieſelben, gleichſam auf Pauli Rechnung unrecht handeln will. Daß die Corinthier ein ſolches in ihre eigene hochgetriebene Weisheit und Galanterien verliebtes Volck geweſen; daß unter ihnen Schande und Unflaͤtereyen, nach der alten heidniſchen Religion der Veneris, wo nicht gar fuͤr wohlanſtaͤndige und nuͤtzliche Din - ge, doch wenigſtens nicht groß geachtet wur - den ꝛc. zeigen beyde Briefe ſehr genau. Wie ſetzt Paulus den ſchon gewordenen Chriſten ihre ſpitzfuͤndige Philoſophie und hochmuͤthigen Ver - ſtand ſo herunter! c. 1. 2. Wie eifert er nicht uͤber den Blutſchaͤnder, und die gantze Gemeine, daß ſie dieſe oͤffentliche Schaͤndung der chriſtli - chen Religion ſo gemach und furchtſam tractire - ten! c. 5. Wie muß er ſich nicht mit ihrem Ueber - witz, Eigenſinn, Zanckſucht, Partheylichkeit, Buh - lerey, Menſchengefaͤlligkeit ꝛc. ſo ofte uͤberwer - fen! Sehen ſie da, mein Freund, ein ſolcher un - flaͤtiger Stall iſt Corinth geweſen, da das Evan - gelium JEſu Chriſti hinein kam. Wunder! daß dieſe einfaͤltig ſcheinende Predigt nur einmalH 4iſt120(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheiſt angenommen worden; da die zwey maͤchtig - ſten Hinderniſſe, im Gemuͤth die Superklugheit, der ſtaͤrckſte Riegel, und in Leib und Seele die Fleiſchesluſt, die ſtaͤrckſte Paßion) im Wege ſtun - den. Was meinen ſie nun, wie moͤgen dieſe arme Menſchen durch dieſe uͤberhand genom - mene Laſter von Jugend auf zugerichtet geweſen ſeyn, ehe ſie die chriſtliche Religion angenommen haben? Wie mags um die Kinderzucht ausge - ſehen haben: da dergleichen Art Laſter allbe - reit ihre Namen und Schande verloren hatten, und fuͤr halbe Tugenden paßireten? Wie ver - bittert muͤſſen die Heiden nicht geweſen ſeyn, da ihnen die Chriſten ihre hochgeſpannte Philoſo - phie ſo verachteten, und ihre per principia aus - diſputirten Galanterien und Politiquen fuͤr un - flaͤtige Schandthaten und betruͤgliche Raͤncke anrechneten? Wie erpicht muͤſſen ſie nicht ge - weſen ſeyn, dergleichen GOtt und JEſum ſu - chende Gemuͤther zu verfuͤhren, und in Suͤnde und Schande zu ſtuͤrtzen, damit ſie was zu ver - hoͤhnen, Chriſti und ſeines Evangelii zu ſpotten, und nach ihrer Art zu prahlen Gelegenheit haͤt - ten! Zu dem allen kamen manche redliche See - len von ſelbſt und ungefragt darauf, es ſey nach Beſchaffenheit der damaligen groſſen Truͤbſalen und Gefaͤhrlichkeiten nicht nur bequemer, ledig zu bleiben (denn allein laͤßt ſichs ja wol leichter mit dem Bettelſtab aus Stadt und Land gehen, als mit Weib und Kindern); ſondern es gebe auch einen Vortheil im Chriſtenthum, in der Heiligung, im Dienſte GOttes und der Ge -mei -121Betrachtung der Unreinigkeit. meine ꝛc. und ſey dem lieben GOtt etwa ange - nehmer. Es ſey auch heilſam, daß die, ſo be - reits in der Ehe lebten, ſich der ehelichen Wer - cke auf gewiſſe Zeiten enthalten moͤchten: damit ſie nicht mit einem ſchuͤchternen und bloͤden Ge - wiſſen, mithin in vielfaͤltiger Hertzensangſt und Unruhe vor GOtt dem HErrn wandeln muͤ - ſten ꝛc. Dieſen gutgemeinten Rath gaben ſie wol andern aus; geriethen aber mit ihrem Rath an unbefeſtigte, oder falſche, oder von den Hei - den beſtochene oder verfuͤhrte, oder ſchon vor - hin in der Jugend durch die Luſtſeuche in der Natur ruinirte Leute, die dieſes Raths unfaͤhig waren. Dieſe geriethen druͤber in Hurerey und Unzucht, machten unter den Heiden ein Hohn - gelaͤchter, unter den Chriſten Jammer und Ver - folgungen, die Chriſtenreligion ſtinckend, ver - daͤchtig und verhaßt. Wenn denn die gefallene Perſonen etwa bey ſtrenger Diſciplin wol gar wieder Heiden wurden, ſo veranlaßte dis die aͤrg - ſten Laͤſterungen und Verleumdungen; vielleicht auch wol Jnquiſitionen, Beſchuldigungen, Angſt, Plagen, und unzehliches Verderben. Wer im Hauſe GOttes mit treuem Ernſt arbeitet, und alſo ſelbſt erfaͤhret, was es in dieſem groſſen Ho - ſpital der geiſtlich Krancken fuͤr Patienten, und aͤngſtende Zufaͤlle gebe: der kan ſich dis deutli - cher vorſtellen.
Dieſe und dergleichen Caſus haͤuffte nun das arme kleine, beſchimpfte, verhaßte, verbrann - te und ſchuͤchterne Haͤuflein der Corinthiſchen Chriſten zuſammen, und ſchickten ſie dem Apo -H 5ſtel122(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheſtel Paulo, als ihrem geiſtlichen Vater (1 Cor. 4, 14. 15. ) auf den Hals; der ſolte nun rathen und helfen. Sehen Sie nun, mein Freund! in ſolch einer Cloac war Rath und Rettung noͤ - thig! So waren die Anfragen beſtellt! ſo ſahen die Patienten aus! War es hier moͤglich etwas anders zu antworten? Hier muſte der Grund - ſatz gelten v. 9. Ehe jemand (dem nun nicht mehr anders zu helfen iſt, weil er ſich viele Jahre hin - durch ſo verwoͤhnet, oder wol gar verderbet hat, daß ſeine forcirte und ruinirte Natur nicht mehr in ihren gehoͤrigen Naturſtand und Ordnung wird zu bringen ſeyn) mit immerwaͤhrenden und unhintertreiblichen Verſuchungen ſolte geplaget, jaͤmmerlich verunruhiget, und zu allen Verrich - tungen im geiſtlichen und natuͤrlichen Leben un - tuͤchtig gemacht, oder wol gar vom Teufel in Hurerey und Unzucht geſtuͤrtzet werden; ehe er in oͤffentliche Schandthaten verfallen, die chriſt - liche Religion proſtituiren, und alsdenn doch als ein allgemeines Aergerniß der Kirche wenigſtens auf eine Zeitlang verſtoſſen werden ſolte (wie c. 5, 4. 5. ): ſo iſts fuͤr alle Umſtaͤnde ertraͤglicher, zu freyen und ehelich beyzuwohnen, und dieſe gantz miſerable Sache, weil ihr nun unter und durch Menſchen nimmer zu helfen ſtehet, der unergruͤndlichen Barmhertzigkeit GOttes zu uͤberlaſſen; als einen ſo allgemeinen Schaden und weitlaͤuftigen Jammer unter Heiden und Chriſten anzurichten. Denn warum ſolte der Name GOttes uͤber Leuten, die doch nun an - ders nicht mehr als durch Wunderwercke zurrech -123Betrachtung der Unreinigkeit. rechten Naturordnung zu bringen waͤren, ver - laͤſtert werden?
Begreiffen Sie nun nicht, daß ſich dieſer Rathſchlaͤge keine andere, als eben ſo ruinirte Leute anzumaſſen Fug und Macht haben? Soll denn aber alle Welt zu einem ſolchen Stall, zu einem ſolchen Lazareth, zu einem ſo allgemein inficirten Orte worden ſeyn? Thun diejenigen dem Apoſtel Paulo nicht zu viel, (der ſich doch ohnehin in dieſen Angſtumſtaͤnden gantz kuͤmmer - lich ausdruckt, und v. 6. 7. 8. 10. allem Miß - verſtand und Mißbrauch moͤglichſt vorbeuget) und treten ſie der Heiligkeit GOttes nicht zu na - he; ja achten ſie ihre koſtbare Erloͤſung nicht zu gering, und treten ſie den Adel ihrer Seele und ih - res Leibes nicht mit Fuͤſſen, die eben dieſe Curen deſperater Patienten an ſich reiſſen wollen; und ſind doch ihr Tage nicht ſo kranck geweſen, wa - ren in keinem ſolchen Hurenneſt als Corinth war, ſind nicht von Jugend auf verfuͤhrt und verderbet worden, als jene; nur daß ſie zu faul ſind, wieder ihre Luͤſte in der Kraft JEſu Chri - ſti ernſtlich zu ſtreiten?
Wird es auch der ewige GOtt genehm hal - ten, wenn diejenigen, die ſeine Knechte ſeyn ſollen, ohne Ueberlegung aller Umſtaͤnde, bey ge - ſchehenen Anfragen ſo expedit ſeyn, dem alten Adam auszuweichen, den ungezaͤhmten Luͤſten ſo gut als Privilegia zu ertheilen, und den ehr - wuͤrdigen Eheſtand zu einer Officin und Tum - melplatz der unreinen Geiſter zu machen? Jch halte, es ſey eben darum in dem gantzen Wor -te124(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchete GOttes, auch ſo gar von dergleichen deſpera - ten und incurablen Zufaͤllen nichts zu genau de - terminiret: damit ein jeder Menſch bey ſeinen eigenen Umſtaͤnden nur zu GOtt ſelber gehen muͤſſe, und fuͤr ſeine Perſon Gnade und Unter - richt auf alle und jede Zeiten begehre, und ſich andere Muthwillige dieſes nur einem allein ge - gebenen Raths und Anweiſung nicht mißbrau - chen moͤchten. Oder ſchickt ſichs nicht fuͤr goͤtt - liche Majeſtaͤt, uns dergeſtalt in ſeiner Hand und Dependentz zu behalten? Muß er juſt aller Welt alles ſagen? Solten nicht allerley reſer - virte Faͤlle zuruͤck bleiben koͤnnen, deshalb nur den Supplicanten Reſolution gegeben wird? Das trotzige Hertz ſpricht: wo kein Geſetz, da iſt auch kein Verbrechen! Aber ich meine, du haſt desfalls Geſetzes genug, und uͤber dis das groſſe Privilegium, daß du mit einer jeden Noth, wenn ſie auch die unſauberſte waͤre, zu deinem GOtt allezeit gehen, und Rath und Huͤlfe bit - ten darfſt. Er will dich allzeit hoͤren. Wenn du nun gleichwol nicht kommen magſt, iſt dir denn zu helfen? Und ſoll GOtt noch ſchuld tragen? Soll er deinem luͤſternen Hertzen und deinen unreinen Haͤnden alles erſt auf dem Zettel ge - ben? War er dir doch nicht ein einiges Gna - denwort ſchuldig. Wie geheſt du aber mit dem allgemeinen Gnadenworte um? Wie kanſt du nun praͤtendiren, daß dir alle Specialfaͤlle erſt weit zum voraus eroͤrtert werden? Biſt du doch zu nachlaͤßig oder zu trotzig, GOtt den Mund drum zu vergoͤnnen! ꝛc. Doch genug davon!
Se -125Betrachtung der Unreinigkeit.Sehen Sie nun nicht, allerliebſter Freund, wie tuͤckiſch und ehrlos der Satan handele, und mit ihm alle, die als ſeine Alliirten und Sclaven lieb haben und thun die Luͤgen, daß er unter ei - nem ſchoͤnen Praͤtext eine ſo greuliche Luͤge in der Welt hat ausgeſtreuet? Er hat einige Special - caſus der geiſtlich und leiblich Krancken, einige Cautelen der Medicorum, und einige Vor - ſchlaͤge und Einrichtungen, die nur bey deſpe - raten Faͤllen muſten und konten gemacht werden, zuſammengeklaubt, und bald allgemeine Saͤtze daraus gemacht: gerade als koͤnnten alle und iede Menſchen ihren Zuſtand darnach eſtimiren, und waͤren durchgehends fuͤr ſolche verhuntzte und uͤber das Naturverderben ruinirte Leute anzuſe - hen. Ja, daruͤber man billig erſtaunet, ſo wer - den ſolche ſaubere Lehren von jedermann als Axio - mata angenommen, ohne daß ein einiger Menſch Erweis davon forderte!
Jndeß iſt es gewiß, und der Richter der gan - tzen Welt wirds einmal ſchon erweiſen, daß die - jenigen, die dergleichen principia, und die un - zuͤchtigen Buͤcher, Romainen, Lieder, Poeſien, Bilder und andere Inventiones des Satans, die Seelen der Unwiſſenden damit zu fangen, ausbruͤten, und unter die Leute bringen, gleich denen ſind, welche die oͤffentlichen Brunnen ver - giften, und ihrem Naͤchſten, den ihnen doch GOtt aufs beſte recommendiret hat, (Sir. 17, 12.) dadurch ein gewiſſes Verderben zubereiten. Dieſe ungluͤckſeligen Geſchoͤpfe haben ſchuld an unzehlicher Leute Ruin und Verdammniß,und126(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheund verfuͤhren beſonders die unbedachtſamen Gemuͤther der Jugend, auch noch alsdenn, wenn ſie ſelbſt ſchon lange vermodert ſind. Solten die nicht vor vielen andern, als die Lehrer der Gottloſigkeit und Grundverderber der Welt, ei - nen ausnehmenden Lohn zu erwarten haben in des ewigen Feuers Pein? Jud. v. 7. Solches wird ihnen von der Hand des HErrn (Jer. 2, 19. Jeſ. 50, 11.) mit hoͤchſter Billigkeit wiederfahren: weil ſie wieder den in der heiligen Tauffe GOtte geſchwornen Eid die Gottloſigkeit auf eine ſo ausnehmende Weiſe befoͤrdert, und wieder ihre geleiſtete Pflicht die Gottſeligkeit auf - gehalten und gehindert haben. Das werden ſie zu Lohn haben fuͤr ihr Weſen und ihr Thun. Dann wird ihr Hertz fuͤhlen, wie ihre Bosheit ſo groß war; welches ſie jetzt weder wiſſen noch begreiffen wolten. Jerem. 4, 18. Ach! wie iſts denn moͤglich, daß ſolche Menſchen der ſchreck - lichen Worte ihres kuͤnftigen Richters vergeſſen? Matth. 18, 6. 7. ſqq. C. 13, 41. fordert GOtt Leben um Leben, Seele um Seele: ach wehe! womit werden ſie ſo viele Seelen bezahlen koͤn - nen!
Jm uͤbrigen kann ich Jhnen nicht gnug be - zeugen, mein theureſter Freund, wie ſehr ich wuͤnſchte, daß ſie das Gewichte, den Nachdruck, und die unausbleibliche Gewißheit dieſer 9ten Schlußfolge auf einmal, und zum voraus recht begreiffen moͤchten, ehe Jhnen der Glaube all - zuſpaͤte in die Hand kommt. Sie werden es weiter unten aus vielen Umſtaͤnden noch vieldeut -127Betrachtung der Unreinigkeit. deutlicher ermeſſen koͤnnen. Jch frage Sie aber: Ob ſie denn vernuͤnftig darin handeln wuͤr - den, wenn ſie ſich eine ſo unvermeidliche Noth, und die gleichwol jedesmal ihre Schulden und Straffen haͤuffen wuͤrde, mit Wiſſen und Wil - len auf den Hals laden, ſich zum Sclaven der Schande machen, und eine ſo erſchreckliche Ver - antwortung auf ſich nehmen wolten! Ach neh - men ſie es, um ihres Lebens willen, doch zu Her - tzen! Dieſer Art Suͤnden zu treiben, iſt ſehr leicht: aber ſie und alle ihre Folgen zu verant - worten, das iſt wahrlich ſchwer, vor einem ſolchen Richter, der ſich ausdruͤcklich vor jeder - mann ein verzehrend Feuer nennet, und ſeinen ſchrecklichen Zorn (Nah. 1, 2. 3. 4. 5. 6. 2 Moſ. 20, 5. 5 Moſ. 4, 24. Ebr. 10, 31.) auf eine majeſtaͤtiſche Weiſe bezeuget hat, dergleichen un - ter Menſchen keine gleiche noch aͤhnliche je er - hoͤret worden.
Sie werden damit ein Moͤrder,10) Schluß - folge. der nach gerechtem Ausſpruch GOttes, 1 Moſ. 9, 6. des Todes wuͤrdig iſt. Des Selbſtmordes, den ſie an Jhrem Leib und See - le begehen, habe ich Sie in den bisherigen Con - ſectariis beſchuldiget, und es Jhnen auch erwie - ſen. Jch kann und muß Sie aber auch noch einer andern Mordthat wegen gerichtlich belan - gen: Denn Sie verderben dasjenige, worein GOtt ſelber entweder die erſten lineamenta ei - nes Menſchen bereits wunderbarlich formiret, oder doch eine ſolche Wunderkraft hineingelegt,die128(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchedie einem menſchlichen Coͤrperlein den erſten Hauch, Urſprung und Lebensanfang gibt; ohne welchen er unmoͤglich entſtehen und geboren wer - den koͤnte. Sie verderben (kraft des 7ten Lehr - ſatzes) ein wundernswuͤrdiges und koſtbares Werck GOttes, worauf er ſo ein genaues Aufſe - hen hat; einen Menſchen der zu ſeinem Ruhm dereinſt ſolte zur Welt geboren werden, und als ein Vaſall des allerhoͤchſten Koͤniges Jhm die - nen; einen Menſchen, der zu ſeinem Bilde wie - der geboren werden, und Jhm alsdenn in der freudigſten Unterthaͤnigkeit zu eigen leben, ihn uͤber alles lieben und ihm zur Luſt ſeines Her - tzens werden ſolte. Sie verhindern und ver - derben dasjenige, was GOttes Haͤnde ſchon im Verborgenen zu zubereiten und wunderbarlich zu wircken angefangen haben. Hiob 10, 8. 10. 11. 12.
Ach! mein theureſter Freund, wenn Sie das nur uͤberhin anſehen, und nicht behertzigen wolten: ſo wird ſie ein Heide, der nun ſchon uͤber 1600. Jahre ohnfehlbar in den Ketten der Fin - ſterniß lieget, damit er dereinſt der endlichen Execution uͤber ſeinen greulichen Schandſchrif - ten uͤberliefert werde, am Tage des Gerichts ins Angeſicht deshalb beſchuldigen muͤſſen: ich mei - ne den ſonſt ſo unverſchaͤmten Martialem. Denn der ſaget gleichwol zu Pontico: „ Daß du nicht „ hureſt, nicht die Ehe brichſt ꝛc. ſondern mit „ deiner Hand deinem eigenen Leibe Schande „ und Gewalt anthuſt, das haͤlſt du fuͤr ſo ge - „ ring? Glaube mir, es iſt eine Uebelthat: und„ ſie129Betrachtung der Unreinigkeit. „ ſie iſt ſo groß, daß du es kaum begreiffen kanſt. „ Pontice! merckſt du es denn nicht? die Natur „ ſelber ſagt dirs ja, daß dis, was du mit dei - „ ner Hand verdirbſt, ein Menſch ſey! Wobey ein anderer die paraphraſin machet: Es iſt ei - „ ne eben ſo groſſe Uebelthat, als wenn du die „ Frucht aus Mutterleibe herausreiſſen und um - „ bringen wuͤrdeſt. Clemens Alexand inus, der Sec. 2. gelebet, fuͤhret in ſeinem Pædagogo einen heidniſchen Philoſophen dißfalls an, So - phiſtam Abderitem, der die Luſtſeuche fuͤr einen morbum immedicabilem (eine unheilbare Kranckheit) gehalten. Er erzehlt deſſelben Mei - nung mit folgenden Worten: Entſtehen daraus „ nicht Verderbungen und Schaͤden des Leibes, „ welche theils aus der Niedertraͤchtigkeit der „ Schaͤndung ſein ſelbſt, theils aus der Wich - „ tigkeit deſſen, was vom Menſchen gehet, zu „ ermeſſen und zu ſchaͤtzen ſind? Denn es wird „ ja ein Menſch aus dem Menſchen erzeuget und „ geboren, hier aber hinausgethan und vertilget! „ Erwege doch den entſetzlich groſſen Schaden: „ Ein gantzer Menſch wird durch dieſe viehiſche „ Proſtitution ſein ſelbſt ausgerottet Denn „ hier mags wol heiſſen: Dis iſt Fleiſch von mei - „ nem Fleiſch, und Bein von meinem Gebein. „ Es wird demnach ein juſt ſolcher Menſch durch „ den verderbten Samen verderbet, als er leib - „ haftig ausſiehet. Denn das, was abgehet, „ iſt gleichwol der Grund und Anfang der Er - „ zeugung. Ueber dieſes ſetzt die Heftigkeit der „ erregten Ausſtoſſung des Samens den gantzenI. Th. Betr. der Unreinigk. JLeib130(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſche„ Leib ſamt ſeinen Gelencken in eine groſſe Er - „ ſchuͤtterung und Schwachheit. ‟
Unter dem Viehe und den wilden Thieren ſelbſt kann man kein Exempel aufbringen, daß ſie ihre Leibesfrucht oder den Samen verderbe - ten und verſchuͤtteten: ſondern wenn er auf irgend einige Weiſe hervorkaͤme, und ſie es leiden muͤſten, ſo lecken ſie ihn allerdings auf, und laſſen ihn durchaus nicht verderben. Ey! wer hat ſie das gelehret? und woher haben ſie doch den Trieb, das zu verhuͤten, daß er nicht umkomme?
Ach, ich bitte Sie, kommt Jhnen denn des Onans ſeine Suͤnde 1 Moſ. 38, 9. 10. nicht ins Gewiſſen, (davon Lutherus Tom. XI. Witteb. part. 4. fol. 55. ſpricht: es ſey eine viel greuli - chere Suͤnde geweſen, als Blutſchande und Ehe - bruch,) und wie ihm der HErr aus groͤſter Un - gnade, daß er ſeinen Samen auf die Erde fal - len ließ, und ihn verderbete, alſo fort, und ſo viel uns bewuſt, ohne ihm einigen Termin zur Buſſe zu ſetzen, ſo er doch ſonſt gewohnt iſt, ge - toͤdtet hat? Kann Sie das nicht uͤberfuͤhren, mit welcher Ungnade und Verabſcheuung das der Allerhoͤchſte anſehen muͤſſe? Sollen Sie nicht billig und vernuͤnftig den Schluß machen: Hat GOtt bey einem ſolchen Seculo rudi & inculto dieſe Suͤnde ſo ſchleunig und ſo ſchrecklich geſtraffet: ach was wird nun geſchehen muͤſſen, wenn nun dereinſt die Zeit der Langmuth wird vorbey ſeyn, da wir in einem ſolchen Lichte des Evangelii leben? Wie, wenn nun auch einmal ſo viele Seelen der Erſchlagenen zu GOtt ſchreyenſol -131Betrachtung der Unreinigkeit. ſolten, und auf ſeine Heiligkeit und Wahrheit provociren, daß er ihr Blut an ihnen raͤchen muͤſſe?
Machen Sie ſich entweder un -11) Schluß - folge. faͤhig den Hauptzweck GOttes, den er bey der Eheſtiftung intendirethat, nem - lich die Fortpflantzung ihres Geſchlechts zu erreichen: (indem Sie ja ihre maͤnnliche Staͤrcke, und die gehoͤrige Kraft und Spirituo - ſitaͤt des Samens verlieren; allermaſſen derſel - be unrein, grob, geronnen, ſtinckend und garſtig, folglich voͤllig unfruchtbar werden muß:) oder, wenn es ja dem HErrn gefallen moͤchte, Jhnen dereinſt einen ehelichen Segen zu geben, ſo haben Sie doch hiermit den Grund geleget zu deſſelben groſſen Elend, continuirlicher Schwachheit, kraͤncklichen, ungeſtalten Weſen, und al - lerhand gefaͤhrlichen Zufaͤllen auf die gantze Zeit ſeines Lebens; wie ſolches aus halbweger Einſicht in den 3. 〈…〉〈…〉. und 8. Lehrſatz uͤberzeugend erhellet. Bedencken Sie es ſel - ber, ob eine recht geſunde und vollkommene Lei - besfrucht zur Welt kommen koͤnne, wenn Sie nicht nur ſich ſelber durch Wohlluͤſte gaͤntzlich rui - niret, und allen Kranckheiten Preiß gegeben; ſondern auch den Samen auf eine ſo unverant - wortliche Weiſe vernichtet und verderbet haͤtten? Es iſt zwar an dem, daß hierinfalls vieles durch die vollkommene Geſundheit und gute Conſti - tution des andern Ehegatten verbeſſert, undJ 2alſo132(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchealſo auch gantz natuͤrlich dahin diſponiret wird, daß ſich die Frucht nach dem ſexu, indole, viri - bus, ingenio und andern Qualitaͤten deſſelben richtet: aber woher ſind Sie dieſer vollkommenen Geſundheit ſo gewiß? und laͤſt ſich auch noch wohl alles verbeſſern? Jſts Jhnen denn nicht bekant, daß ſich die natuͤrliche Beſchaffenheit der Kinder nach der Eltern ihrer richtet? Wo ha - ben Eltern, die beyderſeits, oder auch nur eines theils einige Kranckheiten an ſich hatten, jemals geſunde Kinder zur Welt gebracht? Schwind - ſuͤchtige erzeugen ein ſchwindſuͤchtiges Kind, das mehrentheils bald von Jugend auf wieder an - faͤnget zu verdorren und verzehret zu werden. Sind Eltern mit der ſchweren Noth behafftet, ſo iſt die Frucht der Epilepſie auf Zeit Lebens unterworfen. Haben ſich Eltern auf einige Weiſe die erſchreckliche Kranckheit der Fran - tzoſen zugezogen, ſo werden ihre Kinder bald mit derſelben in die Welt geboren. Die, ſo mit Steinſchmertzen geplaget werden, gebens ihren Kindern auch auf das gantze Leben zum Erb - theil. Von Melancholiſchen, Podagriſchen oder an andern Kranckheiten laborirenden Eltern hat man nie kein recht freudiges und aufgewecktes Kind geſehen. Sie erben die Leibesnoth mit der Suͤnde zugleich; und ſolche Erbſchaͤden und Kranckheiten koͤnnen mit aller angewandten Kunſt, Sorge und Geſchicklichkeit der Medico - rum nicht gehoben werden. Was meinen Sie, wuͤrde das Jhnen nicht ein blutend Hertz und verzweifelt boͤſes Gewiſſen verurſachen wennSie133Betrachtung der Unreinigkeit. Sie die goͤttliche Straffgerechtigkeit alſo an Jhren eigenen Nachkommen alle Tage und Stunden vor ſich ſehen, und noch unablaͤßliche Vorwuͤrfe des Gewiſſens hoͤren muͤſten: Sie haͤtten ſie ſelber in ſo ein unheilbares Elend hin - eingefuͤhret? Wuͤrden Sie nicht ihre Thraͤnen, Schreyen und Klagen, ihre jaͤmmerliche Geſtalt, ihre bey andern verhaßte Art und Weſen, ihre Unvermoͤgenheit, was tuͤchtiges zu erlernen, ihr muͤrriſches, boshaftes, tuͤckiſches Weſen, ſo ins - gemein damit in hohem Grad verknuͤpft iſt, oder durch die ſtete und unleidliche Beſchwerlichkeit und allerſeitiges Mißvergnuͤgen angenommen wird ꝛc. nicht bis an den Tod betruͤben und aͤng - ſtigen? Und wie? wenn Sie den Hauptaffect, die ſchaͤndliche Luſtſeuche von Jhnen auch erben wuͤrden, und dann in eben ſo viel Schande und Laſter, folglich in unabtraͤgliche Schulden und Straffgerichte GOttes, fuͤr ſich und ihre Nach - kommen gerathen moͤchten? Bey den Alten iſt es eine ausgemachte Sache geweſen; (und GOtt hat es ſelbſten feſt geſtellet, 2 Moſ. 20, 5. daß es die Nachkommen mit entgelten muͤſſen, wenn ihre Eltern gottloſe Thoren geweſen ſind,) da ſie pflegten zu ſagen: vitia ſeminis puniuntur in ſe - mine: das iſt, Laſter, die am Samen begangen werden, werden auch am Samen, oder an den Nachkommen und durch die Nachkommen abge - ſtrafft. Aber nun, wenns gleich anders werden koͤnte: ſo vergeſſen wir billig gleichwol das nicht, was GOtt geſaget hat Hoſ. 9, 12. und ob ſie ihre Kinder gleich erzoͤgen, will ich ſie doch ohneJ 3Kin -134(I. Th.) Anatomiſch-MediciniſcheKinder machen, daß ſie nicht Leute ſeyn ſollen: auch wehe ihnen! wenn ich von ihnen gewichen bin! Ach! mein Freund! kann Sie die Vor - ſtellung dieſer Dinge nicht bewegen, zu einer andern Reſolution zu greiffen: ſo muͤſte die Luſt - ſeuche nun wol auf den hoͤchſten Grad geſtiegen, und unheilbar worden ſeyn. Darum hoͤren Sie nur noch ein einiges, wie es Jhnen dabey ergehen koͤnne und werde, wenn ſie der HErr nicht mit maͤchtiger Hand daraus reiſſet.
Weil ſie die vaſa ſpermatica, deren ſehr zaͤrtliche Structur Jhnen nun ſchon bekant iſt, ſo gewaltthaͤtig ruiniren daß Sie durch allzuvielen und heftigen Zu - fluß des nahrhaften Blutes zu ſehr aus einander gedehnet, mithin ſchlapp ge - macht werden: ſo iſt zu beſorgen, daß Sie nun, wenn Sie es gleich wer weiß wie ſehr ſcheuen und hindern wolten, der elenden Beſchwerlichkeit werden muͤſſenPollutio noctur - na. unterworfen ſeyn, welche man pollutiones nocturnas nennet; da nemlich ohne Jhren Willen im Schlaff der Same hervorbricht, Sie und alles verunreiniget und ſchaͤndet, oͤfters auch zum folgenden Tage gantz ungeſchickt, furcht - ſam, verworren und zu allem verdroſſen macht. Und dieſes zwar nach Verſchiedenheit der Um - ſtaͤnde, bald oͤfters, bald auch ſeltener, zuweilen in einigen Wochen einmal: iſts aber ſehr hoch kommen, in einigen Tagen einmal, ia wol die mehreſten Naͤchte. Es kann auch dahin kom -men,135Betrachtung der Unreinigkeit. men, daß Sie dann und wann, vor oder nach dem Laſſen des Waſſers, oder unter Entledi - gung des Leibes, wenn es mit vielem Druͤcken und Zwange zugehet, wider Willen den Samen hervorſtoſſen werden: oder Sie werden zuwei - len um die Vorhaut eine garſtige ſchleimige Feuchtigkeit finden, davon Sie nicht einmal wiſ - ſen, wenn oder wo ſie herkommen.
Weil nun dieſes ohne Wiſſen und Willen, oͤfters auch wieder Willen geſchiehet; zu dem noch kein Anfreſſen und Brennen der Harnroͤh - re dazu kommt, daß die Menſchen einen gar mercklichen Schmertzen und Schaden disfalls noch nicht empfinden muͤſſen: ſo achten Sie das nicht viel; und dencken, weil ohndem die Welt nun nicht viel draus machet, ſo werde es damit auch im Himmel nicht ſonderlich viel zu ſagen haben. Allein Sie ſolten gleichwol uͤber - legen, daß
Jndeſſen iſts aufs hoͤchſte zu bewundern, daß ein vernuͤnftiger Menſch, der aus goͤttlicher Barmhertzigkeit die empfindliche Ueberzeugung in ſich hat, von dem, was billig und unbillig,ehr -140(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheehrbar und unehrbar, nuͤtzlich oder ſchaͤdlich, folglich klug oder unvernuͤnftig iſt, (Roͤm. 1, 19. 20. 32. C. 2, 14. 15. Weish. 17. 10. ) ſich dennoch ſo leichte kann in Zweifel bringen laſ - ſen, ob eine ſolche Verunreinigung wol ſuͤnd - lich ſeye? und noch dazu durch Leute, denen er in andern Stuͤcken eben nicht gerne viel trauet. Ey! warum beſtraft ſie denn ihr Gewiſſen noch zum voraus? und wenn ſie es gethan haben, warum ſcheuen Sie denn das Licht ſo ſehr, daß Sie wer weiß wie wuͤnſchten, es moͤchte es doch nur niemand erfahren, daß ſie dergleichen Greuel getrieben haben: geſchweige, daß Sie den Anblick eines ehrlichen Menſchen bey der Schandthat ſelbſt ertragen ſolten? Daher ſagt ſo gar der Heide Plutarchus davon: „ Wirſt denn „ du deine Geilheit vor jedermann treiben? Jch „ ſage noch vielmehr: Muſt du doch vor dir ſelbſt „ ſcheu tragen, und flieheſt deinen eigenen An - „ blick. Nacht und Finſterniß muͤſſen deine „ Schande und Unzucht verſtecken, wo keine „ Zeugen koͤnnen zugegen ſeyn. Dieſer allein „ darfft du deine ſauberen Dinge vertrauen. Kein „ ehrlicher Menſch wird mit billigen und ehrba - „ ren Handlungen ins Dunckle kriechen, und das „ Licht ſcheuen, welches doch der allgemeine Zeu - „ ge unſerer Wercke in der gantzen Welt ſeyn „ muß: ſondern er moͤchte lieber wuͤnſchen, daß „ die gantze Welt licht waͤre, zum Vortheil deſ - „ ſen, was von ihm recht geſchiehet. Man „ thue nur das Dunckle weg, und ſehe die Wohl - „ luͤſte ohne Decke gantz nackend an. ‟ Jſtsnicht141Betrachtung der Unreinigkeit. nicht wahr: Die Gegenwart anderer, ja der bloſſe Argwohn und Furcht geſehen zu werden, vermag Sie auf der Stelle zuruͤck zu halten, und ihre Begierden zu zaͤhmen, wenn Sie auch ſchon ſtarck entflammet waͤren?
Es gibt Menſchen in der Welt, welche, wenn man alles, was ſie aus Trieb ihrer viehiſchen Luͤſte begangen, wuͤſte, und alle ihre garſtige und unflaͤtige Gedancken und Begierden mit Augen ſehen koͤnnte, ſolches mit allem ihrem Gut gerne, wo moͤglich, erkauften. Ja ſie koͤnten nicht laͤnger unter den Leuten herum gehen; ſie erkuͤhnten ſich nicht, ſich ſehen zu laſſen; und wuͤrden vor Scham in ein ander Land ziehen, worinn ihre Schandthat unbekant, und die Gaͤnge und Wege ihrer Gedancken nicht koͤnten geſehen werden. Vermag die Furcht vor Men - ſchen ſo viel: wie, kann denn die Furcht GOttes ſolche Unmenſchen von dieſer Suͤnde nicht ab - ſchrecken? Thut man es nicht vor Menſchen: wie unterſtehet man ſich denn, ſie vor den Au - gen GOttes des Allerhoͤchſten und Gerechteſten zu begehen, der alles ſiehet, was wir thun und dencken, und dem die Unreinigkeit unendlich mehr verhaßt ſeyn muß, als allen Menſchen zu - ſammen? Jſt dieſes nicht eine erſchreckliche Be - leidigung der hoͤchſten Majeſtaͤt GOttes, daß man ſich weniger ſcheuet vor ihm, als vor ei - nem Menſchen, ja vor einem Kinde? Stehet das einem vernuͤnftigen Menſchen wohl an, daß er eine Scham und Scheu noch wol vor Men - ſchen traͤget: aber wenn ihn die nicht mehr ſe -hen,142(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchehen, ſondern er ſtehet bloß vor GOtt da, ſo ver - ſchwindet dieſe Scham? Jſt dis eine billige Aeſti - mirung des allerhoͤchſten und allerſeligſten GOt - tes? Sollen ſchlechte und armſelige Menſchen noch mehr reſpectiret werden, als der ewige GOtt? Jſt dis nicht um deſto unverantwortli - cher, da der, ſo aller Welt Richter iſt, uns Men - ſchen ſeine Allgegenwart und Allwiſſenheit gnaͤ - diglich kund gethan, (2 Chron. 7, 16.) ja der - maſſen eingeſchaͤrfet hat, daß wirs wiſſen muͤſ - ſen, er ſey uns, wo wir uns auch befinden, weit naͤher als die Luft, oder des Tages Licht, und um - gebe uns allenthalben aufs innigſte? Er, der Allmaͤchtige und Allſehende, der in aller Welt zu - gleich wohnet, und aller Himmel Himmel erfuͤl - let, gibt ſo genau acht auf unſer Jnwendiges, als ob allenthalben, wo wir nur hinſehen, lauter Augen waͤren, die uns obſerviren.
Darum koͤnnens auch ſolche ſchaͤndliche Leu - te mit aller ihrer Bemuͤhung nicht hindern, daß ſie ihr Gewiſſen uͤber ihren auch verborgenſten Unflaͤtereyen nicht gantz erſchrecklich quaͤlen ſol - te. Ein Wohlluͤſtiger, „ wenn er eben glaubte, „ in allen Arten der Freuden nach allen Kraͤften „ vergnuͤgt zu ſeyn, bekommt ploͤtzlich tauſend „ Urſachen, ſichs reuen zu laſſen; und eben ſo viel, „ ſich ſchmertzlich zu kuͤmmern und zu betruͤben. „ Das fluͤchtige und falſche Vergnuͤgen fliegt da - „ von; die kuͤmmerlichen Sorgen aber bleiben zu - „ ruͤck: und eben dieſe muͤſſen ihm ſeine Unflaͤ - „ tereyen hart und unabweislich vorruͤcken; die - „ ſe muͤſſen ihn nagen, oft auch, wie erbittert, mit„ hi -143Betrachtung der Unreinigkeit. „ hitzigem Sturm anfallen; dieſer ihr freſſend „ Feuer kan durch keine Abkuͤhlung gemindert werden ‟ ſpricht der bekante Frantzoͤſiſche Edel - mann Carol. Paſchalius.
Wenns nun zur wircklichen Gonorr -Gonorr - hœa. hœa kommt, ſo hoͤren Sie weiter, wie es den Unzuͤchtigen und Schaͤndern ihres eigenen Lei - bes dabey ergehet. Jch erroͤthe zwar oͤfters, dergleichen ſchandbare Dinge an Sie zu uͤber - ſchreiben: allein man kan ſolche mal-honnete Sachen unmoͤglich auf eine gaͤntzlich ſchamhaf - tige Weiſe ausdrucken. Zu dem darf die Feder nicht erroͤthen; und die zu beſorgende Gefahr erfordert endlich, es lieber teutſch herauszuſagen. So bald die innerlichen Geburtsglieder (kraft des 2. und 4. Lehrſatzes) allzuſehr relariret worden; der Same, wie auch der liquor proſtatarum ei - nige Schaͤrfe concipiret hat; oder noch dazu der Unzuͤchtige, bey welchem es am leichteſten faͤngt, von einem Veneriſchen fermento etwa iſt ange - ſtecket worden: ſo werden die Samengefaͤſſe, ab - ſonderlich aber die Druͤſen, von ſolcher Schaͤrfe angegriffen und angefreſſen; demnach muß die lympha, ſo darin enthalten iſt, in ihrem Um - lauf gehemmet, folglich auch zaͤhe und ſchlei - mig werden, endlich aber in Faͤulniß gera - then. Daher zuvoͤrderſt eine Inflammation in den proſtatis, und andern hie befindlichen Druͤ - ſichten Theilen, in welchen ſie ohndem allenthal - ben am gefaͤhrlichſten iſt, dazu ſchlaͤget; bis ſie endlich anfangen zu eitern. Und weil der Sa - me aus den reſtibus per vaſa deferentia zuhaͤuf -144(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchehaͤuffig und allzuwaͤßerig nachflieſſet: ſo wird er in eben ſo eine eiternde Faͤulniß geſetzt; daher endlich ein unablaͤßiges Hervordringen des Sa - mens erfolget. Dieſer ſiehet anfangs etwas duͤnner und waͤßriger, aber mit der Zeit immer dicker, zaͤher und eiteriger aus; iſt von einer gar - ſtigen, braungruͤnlichen Farbe und abſcheuli - chem faulen Geſtanck: wobey der Patiente Hoͤl - lenſchmertzen ausſtehen muß, weil es ihn in der Harnroͤhre wie Feuer brennet, und wie der ſchaͤrfſte Eßig am rohen Fleiſche friſſet und bei - tzet. Und weil durch den Geſtanck und giftige Schaͤrfe der hervorflieſſenden Materie alles rings herum angefreſſen wird: ſo geſchwellen, entzuͤn - den ſich, und geſchwaͤren die bedeckten Oerter insgeſamt. Jn der Vorhaut und dem Scroto iſt eine Geſchwulſt und ſtarckes Brennen; das Scrotum zerfaͤllt alsdenn, und kriegt viele Ritzen, daraus ein ſcharfes Waſſer hervordringet, und die Schmertzen durch unablaͤßiges Beiſſen tref - lich vermehret. Das Glied wird ſo inflammirt und aufgetrieben, daß es eine entſetzliche Dicke bekommt, zerſpringt auch wol an einigen Orten. Und daraus kommen ferner im glande gantz be - ſondere peinlich ſchmertzende Geſchwuͤre; ſo daß die Patienten oftmals wie wilde Thiere bruͤllen, und lieber dem Hencker in die Haͤnde fallen wol - ten, als dieſe Pein laͤnger ausſtehen. Sie muͤſ - ſen mit Hoͤllenzwang zu Stuhle gehen, daß der Schweiß das Geſicht herunterlaͤuft. Das Maul zittert; das Angeſicht wird blaßtodt; ſie koͤnnen weder ſitzen noch gehen; noch ohne diegroͤ -145Betrachtung der Unreinigkeit. groͤſten Schmertzen liegen. Ach! daß nur ſol - che, die ſich ihre Luſt ſo ſuͤſſe einbilden, ein eini - ges mal dieſer jaͤmmerlichen Leute ihr Geſchrey und Heulen anhoͤren koͤnten: damit ſie es ſehen moͤchten, welch eine Gluͤckſeligkeit ſie ſich geweh - let haben, und was ſie fuͤr einen Ausgang neh - men kann!
Doch das iſt erſt der Noth Anfang. Sie beſchweren ſich bey alle dem, wenn auch gleich die Schmertzen manchmal ausbleiben, uͤber den voͤlligen Verluſt ihrer Staͤrcke und Kraft; ſind in allen Gliedern ſo ſchwach und laß, daß ſie ſich kaum halten koͤnnen. Jn den Inguinibus oder Weichen entſtehen harte Knoten und Beu - len, ſo bey den Medicis bubones venerei heiſ - ſen. Das Geſicht iſt ſcheußlich, und um die Augen eine noch viel duncklere ſchwartzblaſſe Farbe. Was das greulichſte iſt, ſo hat die ei - ternde Materie, ſo von ihnen flieſſet, eine an - ſteckende fermentirende Kraft, welche ſich an - fangs darin aͤuſſert, daß die uͤbrigen herzuflieſ - ſenden humores in gleiche Gaͤhrung und Faͤul - niß geſetzet werden. Daher um ſolche Leute ein uͤberaus widerwaͤrtiger und ſchaͤdlicher Geſtanck iſt, welcher alles, wo ſie ſich legen oder ſetzen, zum Exempel, die Betten, Kleider, Seſſel, Sat - tel, Trinckgeſchirr, Schermeſſer ꝛc. ja zu theureſt die Waͤſche inficiret: ſo, daß auch andere un - ſchuldige Perſonen, wenn ſie an dergleichen Or - te, vornehmlich ſo lange ſie noch warm ſind, kommen, in groſſes Ungluͤck geſtuͤrtzet werden koͤnnen. Auch ſo gar ihr Athem ſteckt andereI. Th. Betr. der Unreinigk. KLeu -146(I. Th.) Anatomiſch-MediciniſcheLeute an: und wer ihnen zu nahe kommt, und aus Unvorſichtigkeit durch ihre Lumpen oder Athem inficiret wird, kann in eine greuliche Pla - ge gerathen: indem er daher eine heftige Kraͤ - tze, Geſchwuͤre, ausfahrende, brennende und ei - ternde Blattern, davon endlich die Haut abge - hen muß, an den geheimen Orten und um die Lenden kriegen kann; wenn er gleich fuͤr ſich nicht im geringſten dazu diſponiret geweſen waͤre. Ach! was kann dis fuͤr Seufzen, Verwuͤnſchen, Thraͤnen und andere jaͤmmerliche Folgen nach ſich ziehen: wenns auch ſchon die ehrlichſten Leute waͤren, die etwa durch Anſteckung derglei - chen Noth betraͤffe!
Kommt denn vollends eine ungeſchickte Cur dazu, dergleichen die elenden Leute, aus Schan - de es herauszuſagen, am eheſten antreffen; und ſie werden ſo bald mit allzuhitzigen Dingen, zum Exempel der eſſentia cantharidum &c. ange - griffen: ſo werden die Schmertzen unglaublich geſchaͤrfet, auch wol gar die Nieren inflammiret und ſo angegriffen, daß die Patienten mit der entſetzlichſten Pein Blut harnen muͤſſen. Wird aber dieſer ſtinckende Fluß durch adſtringirende Mittel geſtopft und gehemmet: ſo druͤcket, aͤtzet und beiſſet er ſo lange, bis er den vorher ver - ſtopften Weg durch die vaſa lymphatica ins Ge - bluͤte hinein wieder eroͤffnet; ergieſſet ſich als - denn continuirlich in alle humores des Leibes, und ſtecket ſie alle zugleich an; ſetzet die Lebens - geiſter in die groͤſte Verderbniß und Unordnung, inſonderheit aber die lympham, das ſerum, unddas147Betrachtung der Unreinigkeit. das Blut in eine groſſe Unreinigkeit und Faͤu - lung, daß ſie zaͤhe, ſchleimig und ſcharf bren - nend werden; folglich alsdenn theils unter der Haut, theils aber an allen druͤſichten Theilen des Leibes ſtocken muͤſſen, und alſo ein heftiges Beitzen und Anfreſſen, am meiſten aber in der Nacht die grauſamſten Schmertzen machen, bis es endlich gar zu dem dritten Grade der gerech - ten Plage, nemlich der lue venerea hinaus - koͤmmt. Eben dis geſchiehet, wenn die Patien - ten zu fruͤhzeitig ſchwitzen muͤſſen: weil hier - durch dis Gift auf gleiche Weiſe in alle humores durch den gantzen Leib hinein getrieben wird, und dieſelben in ihrer innerſten Temperatur und natuͤrlichen Vermiſchung voͤllig ruiniret. Alle dieſe unſelige Folgen ergeben ſich auch bey de - nen, deren ihre vaſa lymphatica, und alſo der Einfluß des Samens ins Gebluͤte eben noch nicht verſtopfet und gehindert iſt: deren ihr Same aber gleichwol durch eine Anſteckung iſt in eine giftige Verderbniß hinein geſetzet wor - den.
Bey alle dem hoͤret der viehiſche Trieb der Unzucht gar nicht auf, ſondern wird oft bey der greulichſten Tortur verdoppelt; und kann unter allen dieſen hoͤchſtbilligen Folterungen ſolcher mehr als beſtialiſchen Leute, die ſich ſolchen Lohn ſelber mit Willen erarbeitet haben, billig oben an ſtehen. Wenn es aber nun auch geriethe, (welches aber in einem veralteten und tieff ge - wurtzelten Fluß, wenn die proſtatæ bereits Fi - ſteln bekommen haben, nicht wol moͤglich iſt,) K 2daß148(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchedaß durch Huͤlfe eines klugen Medici und ge - hoͤrige Diaͤt, die gonorrhœa endlich ohne au - genſcheinliche Lebensgefahr koͤnte geſtillet wer - den: (nachdem nemlich erſt alle humores, ſo viel als moͤglich, corrigirt und gereiniget worden ſind) ſo behalten ſie doch neben der voͤllig rui - nirten Geſundheit ein ſolches Ueberbleibſel da - von in ſich, daß ſie auch nach Verflieſſung vieler Jahre viele Noth deswegen aufs neue ausſtehen muͤſſen; und pflegen, wenn ſie ſich nachhero in den Stand der Ehe begeben ſolten, insgemein ihren Ehegatten mit gleichem Ungluͤck anzuſtecken: wo - bey doch gleichwol billig zu erwegen iſt, was dar - aus fuͤr eine Ehe und Kinderzucht werden muͤſſe.
Jſts alſo, wie geſagt, bis auf den dritten Grad der Gerichte, nemlich die FrantzoſenLues ve - nerea. gekommen, welches gewiß die allergrauſamſte unter allen Kranckheiten iſt; ſo hoͤren Sie doch nur mit einigem Bedacht, was ſolche Patien - ten innerlich und aͤuſſerlich fuͤr Plagen erdulden, und was ſie fuͤr Curen, wo es nur noch zu wa - gen iſt, ausſtehen muͤſſen.
[α]) Jnnerlich iſt die groͤſte Corruption in alle ihre humores, ſonderlich die lym - pham, den Speichel und das Gebluͤte ein - gefuͤhret: ſo daß jene beyde zaͤhe und ſchleimig werden, folglich ſtocken, und die ſpannadrigen, nervoͤſen und mit wenigem Blut verſehenen Theile, wie auch alle Druͤſen des Leibes anfreſ - ſen muͤſſen; dieſes aber (das Gebluͤte) wird mit einem giftigen ſale volatili gantz angefuͤllet, und gleichſam verbrennet, daß ſelbiges, wenns ih -nen149Betrachtung der Unreinigkeit. nen aus der Ader gelaſſen wird, ſehr unnatuͤr - lich und ſchwartz ausſiehet, mehrentheils aber weißlichen zuſammen geronnenen Schleim in ſich haͤlt. Ja man kann in der veneriſchen Kraͤtze eine Menge laͤnglicher Wuͤrmchen fin - den, an welchen man durch gute Microſcopia eine ſolche Fruchtbarkeit obſerviret hat, daß ei - nes in einer halben Stunde bis 50. andere ihm aͤhnliche hervorgebracht hat: welches von der giftigen Faͤulniß aller der humorum dependi - ret; und hat ſchon Kircher in ſeinem Scrutinio medico-phyſico de peſte laͤngſt gemuthmaſſet, daß in ſolchen Kranckheiten die gantze Maſſa des Coͤrpers in ſolche unſichtbar kleine Wuͤrmchen nach und nach reſolviret wird, welche durch unaus - geſetztes Anfreſſen und Beitzen das anliegende lebendige Fleiſch zur Faͤulniß bringen. So lange nun alſo dis ungeheure Uebel nur bey den Schamgliedern bleibet, oder auch zwar ſchon weiter gangen, aber die andern humores nur erſt gleichſam privatim eingenommen, und ſich darin verſtecket hat: ſo kann es einige Zeit noch verberget werden, wenn keine Gonorrhœa darzu gekommen iſt; und verurſachet nur aller - ley ziehende und ſpannende Schmertzen, Druͤ - cken, Brennen, beiſſendes Juͤcken und Stechen, am meiſten an den blutloſen Gliedern und Ge - lencken (wo wenig Fleiſch, dagegen aber viel Spannadern und Haͤute befindlich ſind), folg - lich auch an allen druͤſichten Theilen, und ſo gar an den Gebeinen. Die Patienten klagen uͤber groſſe Mattigkeit, Schwere aller Glieder, undK 3ſol -150(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheſolche Schmertzen, die gleichſam in der Mitte der Beine am meiſten gefuͤhlet werden; haben ſehr heiſſe Haͤnde, und einen unruhigen Schlaff; ihr Anblick wird auch ſchon viel heßlicher und oft recht ſcheußlich.
[β]) Gehet aber der Schade weiter, daß nun auch die feſten Theile des Coͤr - pers ſelbſt angegriffen werden, ſo wer - den auch alle vorige Zufaͤlle gewaltig verſtaͤrcket. Es fahren nun ſcharfe, beiſſende und brennende Blattern heraus; die glandulæ inguinales (die Druͤſen zwiſchen den Beinen) geſchwellen, werden groß und hart; hie und da wachſen ſchwammige Beulen hervor, wie wil - des Fleiſch; es entſtehen Fiſteln neben, an, und unter der Blaſe, und vielerley eiternde Geſchwuͤ - re, welche ſonderlich bey naͤchtlicher Zeit heftig brennen; die Gebeine werden angefreſſen und vermodern; und die gleichſam ſaltzigen, ziehen - den und bohrenden Schmertzen machen dem Patienten, vornehmlich des Nachts, in der Hirn - ſchale, Nacken, Huͤfte, Beinen, Lenden und heimlichen Orten ſo viel zu ſchaffen, daß er ſich lieber den Tod wuͤnſchte. Welches alles aus dem 2. 4. 5. und 6. Lehrſatz ſo wohl, als aus der 1. 2. 3. Schlußfolge bey halbweger Ueber - legung konnte vorhergeſehen und geſaget werden.
Darauf folgt eine wirckliche eroſion, und zuerſt ein inneres Abſchwaͤren gewiſſer Theile, als im Halſe, am Gaumen, des Zaͤpfchens, der Naſe ꝛc. davon eine continuirende Heiſerkeit, rothe Flecken an der Stirn und Naſe, und einebren -151Betrachtung der Unreinigkeit. brennende Hitze noch die Vorboten ſind. Die Blattern und Geſchwuͤre flieſſen hie und da zu - ſammen, und haben bald eine ſpeckfoͤrmige, bald eine Brey - oder auch honigaͤhnliche Ma - terie in ſich, die oft einer Haſelnuß groß wach - ſen, und in eine eigene Haut gleichſam einge - huͤllet ſind. Es entſtehen ſolche Geſchwuͤre am meiſten an den der Scham wegen bedeckten Or - ten; am Gaumen, in der Naſe, in den Druͤſen, unter den Achſeln und Kinnbacken; und ihr Ge - ſtanck iſt ſehr eckelhaft, wie eine ſchimmelichte Faͤulung, wenn ſie an trocknen oder blutloſen Orten ſind. Finden ſie ſich an Theilen, da viel Blutes darzu kommen kann, zum Exempel am glande des Gliedes: ſo geht die Faͤulniß hurti - ger fort, und ſie ſtoſſen den entſetzlichſten Ge - ſtanck von ſich, ſo gar, daß auch die Beſtien ei - nen ſolchen Menſchen fliehen und meiden; wie denn ihr Athem uͤberaus giftig iſt, und bald an - ſtecket. Der Umkreis aber ſolcher Geſchwuͤre iſt gantz hart, und zerſpringt zuweilen in etliche Ritzen, daraus ander wild Fleiſch hervor waͤchſt, mit erſchrecklichem Jucken und alles entzuͤnden - der Hitze. Jhr Urin iſt ohne Farbe, aber doch truͤbe und ſchleimig, darin ſich eine garſtige Un - reinigkeit zu Boden ſetzt. Oftmals ſchlagen auch die hæmorrhoides verrucoſæ dazu, welche Fiſteln verurſachen, die unausgeſetzt flieſſen und ſchwaͤren. Und wenn der Scorbut mit dazu ſchlaͤgt, iſt die Cur vollends nur aufs Gerathe wohl zu verſuchen, weil derſelbige etliche Artzeneyen er - fordert, die juſt das Gegentheil vom vorigenK 4wir -152(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchewircken. Jſt aber ohnedem ein Schade an der Bruſt und Lunge: ſo iſt es mit einem ſolchen Patienten ſchechterdings geſchehen; gleichwie auch wenn die Gebeine bereits zu tief angefreſ - ſen und vermodert ſind.
Und ſo muß denn der elende Menſch, wenn man ihm nicht zu rechter Zeit und in richtiger Methode zu Huͤlfe eilet, endlich ausdorren oder contract werden, und wird mit den entſetzlichſten Schmertzen und Geſtanck, wo ihn nicht die Er - barmung GOttes maͤchtiglich herausreiſſet, der ewigen Pein uͤberliefert. Was bey ſolchen Umſtaͤnden in ſeinem Verſtand, Gedaͤchtniß, Gewiſſen, Willen und Affecten vorgehen mag, koͤnnen Sie ſich leicht vorſtellen. Nun will nur noch mit wenigem zeigen, was er ſich fuͤr Curen muͤſſe gefallen laſſen.
[γ]) Was das aͤuſſerliche betrift: ſo muͤſſen die Beine, ſo bereits angefreſſen ſind, wo ſie nicht marckig ſind, oder vie - le Faſern und Blutgefaͤſſe um ſich haben, und man mit der Hand dazu kommen kann, oͤfters geſchabet oder geraſpelt werden: ſonſt aber werden ſie ge - brennet, weil dis der Faͤulniß und dem Ver - modern leichter wehret. Wenn die Haare be - reits vom Kopfe alle ausgehen, und man ſiehet auf der Haut Knoten, (ob ſie gleich noch nicht durchloͤchert iſt) ſo iſts mehrentheils gethan. Doch um alles zu verſuchen, muß die Haut creutzweiſe durchſchnitten, und von einander ge - zogen werden, damit man mit der Artzney aͤuſ - ſerlich ankommen koͤnne. Und dabey ſieht manoͤf -153Betrachtung der Unreinigkeit. oͤfters, wie der Hirnſchaͤdel hart angefreſſen, ſtin - ckend, und hie und da wie zuſammen gefloſſen iſt.
So verfaͤhret man mit aͤuſſerlichen | Curen. Nun zu den innern. Die Medici haben ſon - derlich zweyerley, aber langwierige Methoden, wo ſie dieſes Uebel im Grunde angreiffen wol - len, nemlich die Schwitz-und Salivationscu - ren. Jene, wenn die Kranckheit noch nicht zu Kraͤften kommen dieſe aber, wenn ſie be - reits aͤuſſerlich ausbricht.
Mit den Schwitzcuren iſts eine ge - faͤhrliche Sache, weil durch ſolche der Veneriſche Jaͤſcht und Gift, wenn er etwa zuerſt nur an ei - nem Orte reſidiret, oder ſich nur durch die Go - norrhœam hervor gethan, vollends in den gan - tzen Leib und alle ſeine Saͤfte und feſten Theile hinein gejaget wird; wofern die Materie nicht erſt gnugſam corrigiret iſt. Es muß demnach der Patient erſt einige mal purgiren, darauf ge - linde Alexipharmaca und Catharralia kriegen. Endlich aber wird das Schwitzen durch ſtaͤrcke - re reſolventia, Schweiß-und Urin-treibende Dinge zu wege gebracht: da denn der Krancke 2. bis 4. Wochen lang alle Tage fruͤhe ſolche Decocta trincken, und 2. bis 3. Stunden ſchwi - tzen muß; nicht im Bette, weil dieſes die Schmertzen heftig vermehret, und die Aus - daͤmpfung hindert, ſondern entweder in Schwitz - ſtuben, oder auf einem freyen Bette mit Sprie - geln, durch Huͤlfe des angezuͤndeten Brandte - weins. Jm uͤbrigen laͤſt ſichs hie nicht uͤber -K 5eilt154(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheeilt und unbedachtſam drauf los curiren: ſon - dern, wo man ſich nicht zu allem rechte Zeit nimt, ſo bringt man die Kranckheit erſt nur noch mehr zur deſperaten Art. Nach der Cur muͤſſen wieder gelinde laxantia folgen.
Die Salivation - oder Speichelcur aber iſt eine ſo heftige Arbeit, daß ſie insge - mein bey den Medicis eine heroiſche oder Heldencur genennet wird. Denn Leute von ſchwacher Conſtitution, und die, ſo in der Bruſt und den Eingeweiden einigen Schaden haben, und daher leicht zu einer Diarrhœa ſanguino - lenta koͤnnen gebracht werden, ſtehen es nimmer aus: indem die mercurialiſchen Curen erſchreck - liche Zufaͤlle, als Aufſchwellen des Halſes und Gaumens, Wackeln, Anfreſſen und Ausfallen der Zaͤhne, ſchaͤbiges und juckendes Brennen, continuirlichs Kopfwehe, Schlaffloſigkeit, unge - meine Mattigkeit, Unruhe, Zittern, ſchweres Athemholen, ſchneidende Schmertzen in den Gelencken ꝛc. erregen. Alles iſt hierbey ſo heftig, daß wenn, zum Exempel, in einem Lazareth die Salivationscur mehrere brauchen, auch diejeni - gen, ſo ſchon lange voruͤber, und die Cur wol zwey - mal paßiret ſind, noch gewaltig zu ſaliviren an - getrieben werden. Will ſich nun der Patient einer ſolchen Tortur unterwerfen: ſo wird er erſt dazu praͤpariret durch Purgiren, Aderlaſſen, (wo es noͤthig), und einige Tage lang waͤhrendes Trin - cken gewiſſer Decoctorum, ſo die Transſpira - tion foͤrdern. Nachhero ſtehet es dem Patien - ten frey, ob er die Mercurialia, oder aus Queck -ſilber155Betrachtung der Unreinigkeit. ſilber praͤparirte Artzneyen innerlich oder aͤuſſer - lich brauchen wolle. Weil es nun aͤuſſerlich viel ſicherer iſt: ſo wird ihm zweymal des Tages in einem warmen Ort etwas weniges von einer mercurialiſchen Salbe (davon auch bey den al - lerſtaͤrckſten nicht uͤber 2. Drachmæ oder 2. Quentlein muͤſſen gebraucht werden,) auf ſpannadrige und blutloſe Orte aufgeſchmie - ret; und zwar den erſten Tag nur die Vorder - fuͤſſe (tarſi); den andern nebſt den tarſis auch die carpi oder Vorderhaͤnde, wo man den Puls fuͤhlet; den dritten Tag jene, und noch dazu die Kniebuͤgen, ferner die Waden und ſo fort, taͤg - lich mehr Gelencke dazu genommen: und das ſo lange, bis die Druͤſen im Munde, das Zahn - fleiſch, und die Zunge geſchwellen, und die Zaͤh - ne wackelnd werden, welches eine Anzeige iſt, die Salivation werde bald anfangen. Dieſe nun gehet bey einigen nach zwey bis dreymali - gen Schmieren, bey andern erſt nach ſechsfachen Einſalben an; und wofern der Auswurf des Speichels ſich hie noch nicht einfinden wolte: ſo iſt es viel beſſer, wo man ſie nicht in die groͤ - ſte Quaal ſtuͤrtzen will, inne zu halten. Hat aber die Salivation nun angefangen: ſo wird ſie in guter Ordnung 2. 3. bis 4. Wochen lang er - halten, und dis zwar durch ſteten Gebrauch der - jenigen decoctorum, welche die ſtarcke Ausduͤn - ſtung foͤrdern. Wuͤrde ſie zu ſchwach, ſo muß der Patient wieder geſchmieret werden, oder den Mer - curium dulcem innerlich brauchen, ſofern es das Bauchgrimmen, Erbrechen, Spaſmi, Diarrhœa,Her -156(I. Th.) Anatomiſch-MediciniſcheHertzensangſt, Erſtarrung und dergleichen nicht hindern. Wuͤrde ſie aber allzugroß oder zu lang - wierig, ſo muß er purgiren. Es muß aber dis alles ſo lange fortgeſetzet werden, bis der Pa - tient nach einem duͤnnern und fluͤßigen, einen ſehr zaͤhen, dicken und ſtinckenden Speichel auswirft, und dabey mercket, daß die Schmer - tzen etwas nachlaſſen, und die Geſchwuͤre ver - trocknen. Wuͤrde es aber nach einer hoͤchſtens woͤchentlichen Salivation nicht dazu kommen: ſo muß die gantze Cur, wenn es der Patient aus - halten kann, in eben ſolchen Circkeln nochmals wieder vorgenommen werden. Neben dem muͤſſen ſolche Krancken in ſteter Waͤrme bleiben, und ſich nach einem jeglichen Schmieren ins Bette legen. Jhre Speiſe muß, weil ſie nicht kaͤuen koͤnnen, ſehr duͤnne ſeyn, und nur in Ha - ber - oder Gerſtenbruͤhe, Fleiſchſuppen, weich - gekochten Eyern und Brey ꝛc. beſtehen; vor al - lem ſaltzigen, gewuͤrtzten und ſauern muͤſſen ſie ſich aufs ſorgfaͤltigſte huͤten. Der angefreſſe - ne Mund und Hals muß durch allerley Gurgel - waſſer und die Pimpinelleſſenz, (die bey dieſen ſchwuͤrigen Umſtaͤnden nicht wenig beiſſet,) de - fendiret, die Geſchwuͤre, Beulen, Fiſteln, wach - ſendes wildes Fleiſch, Kraͤtze ꝛc. auch jedes a par - te tractiret werden. Die gantze Cur, wenn ſie wohl gerathen, beſchlieſſet eine oͤftere Laxirung.
Von dieſer heroiſchen Cur aber bleibet mei - ſtentheils immer ſo viel zuruͤck, daß die Geneſe - nen theils contract werden, theils vieljaͤhrige Kopf-und Gliederſchmertzen ausſtehen muͤſſen;im -157Betrachtung der Unreinigkeit. inmaſſen die Mercurialia alle Nerven im gan - tzen Leib, desgleichen das Gehirn, die Zaͤhne, die Baͤnder, das Fleiſch ꝛc. gewaltſam angreiffen. Geſchicht es aber, daß dieſes Gift, ſo ſchon von den humoribus abgeſondert worden, und noch unter der Haut ſtecket, durch Erkaͤlten, heftiges Purgiren, Erſchrecken oder adſtringirende Dinge zuruͤck getrieben wird: ſo bringt es faſt ſolche ſymptomata, als eingenommenes Gift, nemlich inflammation an den nervoſen Theilen, con - vulſiones, wie in der ſchweren Noth, groſſe Angſt, Unruhe, Ohnmachten, Raſerey, manch - mal einen tieffen Schlaff, und einen ploͤtzlichen Tod. Sind aber die mercurialiſchen Artzneyen nicht wohl praͤpariret: ſo entſtehet ſtatt der Sa - livation eine ſchreckliche Hertzensangſt, grauſa - mes Ziehen, Grimmen, inflammationes, ſtar - ckes Erbrechen, und Durchlaͤuffe. Das Zahn - fleiſch, Gaumen und der Hals werden ploͤtzlich durch ſtockendes Gebluͤt aufgetrieben, entzuͤndet, zerſprenget und zerritzt, daß ſie uͤber und uͤber ſchwaͤren. Der Patient muß in ſteter Angſt zu erſticken ſchweben; der Hals und der gantze Kopf ſchwellen auf; das Gehoͤr und Geſicht leidet Schaden; und die Glieder werden entweder wie vom Schlage geruͤhret, und gelaͤhmet, oder behalten ein beſtaͤndiges Zittern ꝛc. Nun, wer die geile Brunſt zaͤhmen will, der beſehe die - ſe ihre Fruͤchte und klaͤgliches Ende.
JCh meine endlich, mein theurer Freund, Jhnen aus Mediciniſchen Gruͤnden hie - mit gnugſam erwieſen zu haben, daß die heimliche Unzucht dem gantzen Weſen des Men - ſchen natuͤrlicher und nothwendiger Weiſe hoͤchſt - ſchaͤdlich und verderblich ſey. Jch koͤnte noch gar viele andere Gruͤnde aus der bloſ - ſen geſunden Vernunft, und dem Recht der Natur anfuͤhren; beſorge aber billig Jhnen zu beſchwerlich zu fallen. Sie koͤnnen, wenn es Jhnen dereinſt gefallen wird, in Oſter - walds treugemeinter Warnung vor der Unrei - nigkeit p. 2-17. ſqq. derſelben 6. gantz andere Gruͤnde, und die nur bloß auf dem allgemeinen Licht der Natur beruhen, mit gnugſamer Gruͤnd - lichkeit ausgefuͤhret leſen. Koͤnnen Sie doch ſo gar auch unter dem Leſen einiger heidniſchen Auctorum mercken, wie die kluͤgſten unter ih - nen ſolche Greuel verabſcheuet; die Schamhaf - tigkeit, Ehrbarkeit und Keuſchheit hingegen ge - ruͤhmet, und beſtens recommendiret haben. So trift man gewißlich in ihren Hiſtorien auch viele ſchoͤne Exempel von der Keuſchheit und Enthal - tung an, und kann zum Theil aus ihrer Mei - nung, die ſie von unkeuſchen Perſonen geheget, zum Theil aus der Sorgfalt, welche die unzuͤch - tigen Unflaͤter unter den Heiden zur Verhelung ihres begangenen Laſters angewandt, endlich ſo gar auch aus den allzu unvorſichtigen, ſatyriſchen und expreſſen Beſtraffungen aller Unzucht, wel -che159Betrachtung der Unreinigkeit. che mancher heidniſchen Scribenten ihre Schreib - art recht obſcœn gemacht, gnugſam erſehen: es werde uns Chriſten kein Unrecht geſchehen, wenn an jenem erſchrecklichen Gerichtstage die Heiden wieder uns auftreten, und ihr ſo incultivirtes Jus naturæ gegen unſere hoch und tief ausſtu - dierte Geſetze der Natur und oͤffentliche Lehren der Religion werden produciren muͤſſen. Vor - jetzo iſts gnug, daß Jhnen die betruͤbten Fol - gen der Geilheit nur aus bloſſen Gruͤnden der Medicin habe vor Augen geſtellet. Wolten Sie derſelben in Abſicht auf das Geiſtliche noch viel mehrere wiſſen, und die auch noch vielmehr zu ſagen haben: ſo wuͤnſche ich, daß Sie dieſel - ben, wie ſie aus dem heiligen Worte GOttes in bemeldten Oſterwalds Traité de l’ impurité part. I. Sect. II. c. 1. 2. 3. p. 89-118. vorge - ſtellt werden, mit gutem Bedacht uͤberleſen moͤchten.
Nun mein Hertzensfreund! was darf ich noch wol mehr ſagen, da ich ohndem weiß, daß Jhr Gewiſſen ſelbſt noch genug uͤbrig hat, Jh - nen deßwegen vorzuhalten? Jch bitte nur, Sie wollen doch die ſehr bedenckliche Frage des Allerhoͤchſten beantworten, die Er hiermit an Sie thut, aus Jerem. 44. v. 7. Warum thut ihr doch ſo groß Uebel wider euer eigen Leben? und Ezech. 8, 31. Warum wilſt du alſo ſterben, du Haus Jſrael? Einmal muß ſie beantwortet werden. Denn wo iſt ein Geſchoͤpfe in der Welt, das ſein Schoͤpfer in einer Capitalſachebe -160(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchebefraget, und das ihm keine Antwort geben wolte und muͤſte? Ja bey der Herrlichkeit des Allmaͤchtigen! Sie muͤſſen ſie beantworten, um ſo vielmehr, weils ihr Leben betrift. Halten Sie ſich denn ietzt zu jung dazu, oder zu friſch und geſund, oder zu gut und vornehm: wolan! ſo ſchi - cken Sie ſich drauf, daß Sie es alsdenn thun koͤn - nen, wenns Jhnen am aller ungelegenſten, oder unverhofteſten, oder ſchwereſten fallen wird, und wenn Sie vor die Pforten der Ewigkeiten ge - ſtellet werden. Jch frage Sie anjetzo, mein Freund, nur fuͤr mich, und in meinem eignen Namen: (denn GOtt wird ſeinen Proceß ſchon ſelber fuͤhren, wenn ſeine Zeit komt,) warum thun Sie doch ein ſolches? Warum? Da man ſonſt vernuͤnftiger Weiſe die Art einer That, (wie fer - ne ſie nemlich gut oder nicht gut, zu entſchuldigen oder zu beſchuldigen, vernuͤnftig oder unver - nuͤnftig zu achten ſey,) aus dem daraus gehoften Vergnuͤgen oder Nutzen zu ſchaͤtzen pfleget: ſo bitte ich Sie, durch die Liebe, damit Sie mir verbunden ſind, erzehlen Sie mir doch ihre bona voluptatis. Sagen Sie mir doch die Vortheile und den Nutzen dieſer ſchnoͤden Dienſtbarkeit! Was hat Jhr Leib, was Jhre Sinnen, was Jhr Verſtand, Jhr Wille, Jhr Gewiſſen gutes und ſchoͤnes daher zu genieſſen? Meinen Sie, die Luſt? „ Gleichwie diejenigen, die etwas ins Waſſer „ ſchreiben wollen: ſo ſind auch diejenigen, die der „ Wohlluſt froh werden wollen. So bald die „ That ſelber vorbey, iſt auch die Empfindung„ der161Betrachtung der Unreinigkeit. „ der Luſt voruͤber. Es bleibt auch nicht das „ mindeſte davon uͤbrig, und etwa zuruͤck und „ verborgen. Nein! die ſich damit gekitzelt „ haben, behalten auch nicht einmal eine „ Spur davon fuͤr ſich aufs kuͤnftige. Spricht Gregor. Nyſſenus in fin. hom. 4. in Eccl. Simplicius ad cap. 56. Epict. aber ſaget: die „ Luſt des Fleiſches iſt der Seele uͤber die Maſ - „ ſen ſchaͤdlich. Eine jede Art derſelben zerreiſ - „ ſet und durchwuͤhlet das Gemuͤth wie mit Naͤ - „ geln; und darum hat ſie GOtt auch ſo gar „ ungemein kurtz werden laſſen. Sie wehret „ durchaus nur ſo lang, als |lang ſie empfunden „ wird; (folglich als die That ſelber waͤhret: Denn nach derſelben iſt nicht ein Schatten da - von uͤbrig, geſchweige eine deutliche und vergnuͤ - gende Erinnerung) „ Jſt nun die Empfindung „ vorbey, ſo iſts gerade, als waͤre ſie nicht da ge - „ weſen. Dagegen aber folgt ein entſetzlich hef - „ tiges Graͤmen an deren Stelle, welches viel „ dauerhafter iſt, und (ach! wie vielmahl!) laͤn - „ ger waͤhret. ‟ Und Chryſoſt. hom. 22. ad „ 1. Cor. „ die Luſt des fleiſchlichen Kitzels iſt „ traun ſehr kurtz: aber der daraus entſpringen - „ de Gram | und Schmertz haͤlt ſehr lange an. „ Denn der Anklaͤger folget fruͤh und ſpat, Tag „ und Nacht, in der Einſamkeit und in der Stadt „ allenthalten auf dem Fuſſe nach, zeiget das „ gezuͤkte Schwert dar, und die darauf folgende „ unertraͤgliche Pein, und frißt ihm durch ſtete „ Furcht und Angſt Hertz und Leben ab. Ha - ben Sie denn das nicht erfahren? ach! ich darfI. Th. Betr. der Unreinigk. Lja162(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheja hierin nur auf Jhre eigene Empfindung und Erfahrung provociren, und habe nicht noͤthig, es erſt mit vielen Gruͤnden, noch mit Zeugniſ - ſen anderer darzuthun. Jch fuͤhre aber doch die Atteſtata anderer mit allem Bedacht gegen Sie an: damit Sie ſehen moͤgen, wie viele Stimmen unter Heiden und Chriſten bereits wieder ſie votiret haben, die zu Jhrer Verurthei - lung concurriren werden und muͤſſen. Jch weiß ſonſt in Wahrheit nichts auszufinden, daß Sie bis zu einem ſolchen Unternehmen vermoͤgen koͤnte; wann es nicht die einige thieriſche Em - pfindung einer Luſt iſt, die das Fleiſch zugleich kitzelt und verdirbet. Ob aber die ſo wichtig, und derſelben kurtze Empfindung ſo gar einneh - mend ſeyn koͤnne, daß Sie um ihrentwillen eine ſolche Uebelthat, gegen den Allerhoͤchſten GOtt, gegen Jhr eigen Leben, und gegen Jhre Selig - keit zu begehen wagen duͤrften, urtheilen Sie ſelber. Wenn ich nicht beſorgete, daß Sie mirs uͤbel nehmen moͤchten: ſo wolte ichs Jhnen weitlaͤuftig darthun, und mit Zeugniſſen vieler Heidniſchen Philoſophen beſtaͤttigen, daß es einem vernuͤnftigen Menſchen ſchlechterdings ſchimpflich und unanſtaͤndig ſey, einer ſolchen thieriſchen Empfindung nachzugehen, viel weni - ger ſich ihr zum Sclaven zu machen: indem dis ja nicht einmal eine Eigenſchaft des unver - nuͤnftigen Viehes iſt. Allein, Sie werden das ohne dem ſelbſten ſchon oͤfters uͤberleget haben.
Sie werden zwar ohne Zweifel gedencken, Sie haͤtten von den erzehlten Folgen der heim -li -163Betrachtung der Unreinigkeit. lichen Unzucht noch nicht viel erfahren, wuͤſten alſo nicht, ob ſie alle zugleich, und alle in dem Grade, oder auch bey allen Perſonen eintreffen werden. Jch antworte aber: Ach! ſehen Sie ja zu, daß Jhnen der Glaube nicht in die Haͤnde, oder gar in Leib und Seele, Hertz und Gewiſſen kommen duͤrfe! Jſts Jhnen denn Unrecht, daß Jhnen der guͤtige Schoͤpfer eine ſolche Conſti - tution des Leibes gegeben, welche eine ſolche brutale Feindſeligkeit, die Sie gegen dieſelbe ausuͤben, eine kleine Zeit ertragen kann? Neh - men Sie das ſo auf, daß der HErr den Ueber - fluß niedlicher und ſehr naͤhrender Speiſe und Trancks, den Sie bishieher genoſſen, gleichwol nicht verfluchet, ſondern Jhnen ſelbige zur Wie - dererſetzung der verſchleuderten Lebenskraͤfte hat gedeyen laſſen? Wie, wenn er Jhnen keinen ſo guten Tiſch gedecket, oder doch Jhrer Koſt die naͤhrende Kraft benommen, und Sie dafuͤr mit vieler Arbeit, Sorgen und Graͤmen geſaͤttiget haͤtte: ich moͤchte wiſſen, wie Sie bey der Aus - uͤbung dieſer Fleiſches Luſt wuͤrden beſtanden ſeyn, und wie Jhr Angeſicht und gantzer Leich - nam wuͤrde ausſehen muͤſſen? O Suͤnder! verachteſt du alſo den Reichthum der Guͤte, Gedult und Langmuͤthigkeit des lebendigen GOttes? Weiſſeſt du nicht, daß dich ſeine Guͤte zur Buſſe leitet? Du aber nach deinem verſtockten und un - bußfertigen Hertzen haͤuffeſt dir ſelbſt den Zorn auf den Tag des Zorns, und der Offenbarung des gerechten GerichtesL 2GOt -164(I. Th.) Anatomiſch-MediciniſcheGOttes, welcher geben wird einem ieg - lichen nach ſeinen Wercken. Nemlich ‒ ‒ ‒ denen die da zaͤnckiſch ſind, und der Wahrheit nicht gehorchen, gehorchen aber dem Ungerechten, Ungnade und Zorn, Truͤbſal und Angſt uͤber alle See - len der Menſchen, die da boͤſes thun. Roͤm. 2, 4. 11. Wiſſen Sie denn nicht, daß der Allerhoͤchſte warten kann? Der ewige GOtt kann lange warten, und darf mit ſeinem Straffen nicht ſo eilen, wie wir Menſchen thun, denn es entlaͤuft ihm ja niemand. Das iſt aber keine geringe Unart, daß Sie dieſe Anbetungswuͤrdige Langmuth GOttes ſo ſchlecht erkennen, oder wol gar ihm ſolche mit einem ſo undanckbaren Trotz vorruͤ - cken, und Jhre Suͤnde eben damit erhaͤrten und gleichſam rechtfertigen und unſuͤndlich machen wollen, weil ſie nicht ſo fort geſtraffet wird.
Jch wuͤnſchte ja wol von gantzem Hertzen, daß Sie kurtzum von Jhren Greueln abſtehen, den ſtarcken Wiederſtand der bereits forcirten Natur, den ſie Jhnen thun wird, durch die Kraft GOttes uͤberwinden, und alſo nichts da - von erfahren moͤchten! Wer waͤre gluͤcklicher, als Sie, der ſo wie ein Brand aus dem Feuer durch die allmaͤchtige Hand GOttes geriſſen wuͤrde? So haͤtten Sie die ſicherſte Gewaͤh - rung, daß dergleichen nicht geſchehen werde; und daß Sie die etwa uͤberbleibenden betruͤbten Folgen der vorigen Gewaltthaͤtigkeit nicht an - ders als unter GOttes erbarmenden Pflege,Di -165Betrachtung der Unreinigkeit. Direction und Maͤßigung wuͤrden zu tragen haben. Aber nun laſſen Sie uns was ſetzen, ſo doch in dieſer Welt unmoͤglich iſt. Geſetzt, ſage ich, es wiederfuͤhre Jhnen gantz und gar nichts von den erzehlten Dingen: waͤre das gleichwol nicht ſchon erſchrecklich, und ewig zu beklagen, daß Sie dennoch des allerhoͤchſten Na - turrechtes, ſo ein ſterblicher Menſch in der Welt haben kann und ſoll, ich meine, der ehrwuͤrdi - gen Anverwandtſchaft mit JEſu Chriſto nach der Natur, und aller daher flieſſenden Vorrechte und Seligkeiten groͤſter maſſen verluſtig, und im Gerichte GOttes und Jhres Gewiſſens deſ - ſelben fuͤr unfaͤhig erklaͤrt ſeyn muͤſſen? Darf ſich denn einer, der mit ſeinem eigenen Leibe ſo unmenſchlich grauſam, ſo viehiſch dumm, und ſo abſcheulich unflaͤtig umgehet, unterſtehen, ſich zu der glorieuſen Anverwandtſchaft mit dem ewigen Sohne GOttes auch nur nach dem Fleiſch in voͤlliger Maſſe zu bekennen?
Doch uͤber dis alles hat der allmaͤchtige GOtt tauſend andere Ruthen, womit er ſolche Weichlinge zuͤchtigen kann, wenn ſie gleich nicht juſt in die hoͤchſten und ſchimpflichſten Grade der vorerzehlten Plagen verfallen ſolten. Jch will nur eines gedencken. Waͤre es denn nicht Pein und Straffe genug, wenn Sie ſich auch nur in die ſeltſamen Grillen und abentheuerliche Nar - retheyen derer jenigen die man verliebte Haſen nennet, hineinſtuͤrtzen moͤchten? Und gleichwol ſind Sie, ſo lange Sie die Luſt auch nur im Her - tzen naͤhren und hegen, der Zunder, welcher von dieſem peinlichen Feuer am erſten entzuͤndet,L 3und166(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheund in Rauch und Flammen geſetzet wird. Jch kann und mag Jhnen die verzweifelte Verwir - rung, darein ſolche Leute gerathen, nicht beſchrei - ben; will nur Zenonis Worte aus ſeinem Buch de fide, ſpe & charitate anfuͤhren, dar - aus Sie einiger maſſen abnehmen koͤnnen, was das fuͤr eine gewaltthaͤtige Verwuͤſtung der Seelenkraͤfte ſeyn muͤſſe. „ Das unzuͤchtige „ Liebesfeuer ſpricht er, iſt unſrer Wohlfahrt aufs „ hoͤchſte zuwieder. Es iſt gantz blind. Denn „ wenn es entflammet iſt, ſo hat es vor keinem „ Alter, vor keiner Geſtalt, keinem Geſchlecht, „ keiner Wuͤrde, ja nicht einmal vor der heiligen „ Religion und wahren Gottſeligkeit einige Con - „ ſideration. Ein verliebter iſt allerwegen un - „ ruhig und auſſer ſich; allerwegen ſiehet man ihn „ als nicht voͤllig bey Sinnen. Er laͤſſet geſchehen, „ er gibt, er nimmt, (ſtiehlt auch wol, damit er was zu verſchencken und groß zu thun kriege. ) ‟ Bald iſt „ er traurig, bald luſtig; bald demuͤthig, (ſordi - de und niedertraͤchtig wie ein Sclave, ſpringt ſei - ner Buhlerin zu Liebe wol in den tiefſten Dreck und in die heiſſeſte Hoͤlle hinein,) „ bald ſchwuͤl - „ ſtig und großthuiſch; bald truncken, bald ſehr „ nuͤchtern; bald iſt er ein Klaͤger, bald ein ver - „ klagter. Er ſchertzet, ſpielet (die Grillen zu vertreiben und mit ſeinem Gelde groß zu thun), „ er iſt blaß, kommt vom Leibe, holet tieffe Seuf - „ tzer, thut mit ſeinen Saͤchlein ſehr geheim, „ thut ſclaviſch was man ihm zumuthet; iſt „ entweder ein Wagehals, oder ein Betrieger, „ und kann faſt noch mehr ſchmeicheln und ſich „ verſtellen, als raſend und wild thun. Bey„ alle167Betrachtung der Unreinigkeit. „ alle dem und in allen dieſen verworrenen Paßio - „ nen und ihren Wirckungen iſt er ſich ſelber „ feind. Dieſe Art der Liebe hat viele zum „ Strick der Verzweifelung, oder auch an den „ Galgen gebracht, in die aͤuſſerſte Gefahr ge - „ ſtuͤrtzet, in die alten Wunden der ohnehin ſchon „ todtkrancken Seele neue Pein und aͤngſtende „ Schmertzen eingefloͤſſet. Unter allen (hoͤchſtun - „ anſtaͤndigen) Dingen aber, mit welchen der arme „ und ſinnloſe Liebhaber auf eine Verwunderungs - „ wuͤrdige weiſe gequaͤlet wird, iſt dis wohl das „ grauſamſte, ſo er leiden muß, daß er niemals „ begehret von ſeinem klaͤglichen Jammerſtand „ wieder befreyet zu werden. ‟
Man kann warlich auch daraus ſehen, wie dieſer Zuſtand eines Menſchen ſein Gemuͤthe ſo gar jaͤmmerlich martern muͤſſe, weil bereits die alten heidniſchen Philoſophen und andere ſich ſo viele Muͤhe gegeben, die Huͤlfsmittel wi - der ſolche quaͤlende Thorheiten aufzuſuchen. Was Cicero davon aufgeſetzt, iſt oben ange - fuͤhret. Nun will nur einen merckwuͤrdigen Ort aus Franc. Petrarchæ dialog. 69. anfuͤhren, der ſaget unter andern: O armer Thor! du wirſt durch die Fallen und Nachſtellungen der wolluͤ - „ ſtigen Liebe ſo gut als umgebracht, und es iſt „ dir noch dazu angenehm! Denn die geile Lie - „ be iſt ein ſehr tuͤckiſches und betruͤgliches Feuer, „ eine angenehme Wunde, ein wohlſchmeckendes „ Gift, eine ſuͤſſe Bitterkeit, eine ergetzende Kranck - „ heit, eine geliebte und vergnuͤgende Leib - und „ Lebensſtraffe, ein ſchmeichelnder Tod! Allein „ gewißlich, das Uebel iſt juſt alsdenn am aller -L 4ge -168(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſche„ gefaͤhrlichſten, wenn es ſo wohl eingehet und er - „ getzet. Der muß traun gantz Sinnen - und „ fuͤhllos worden ſeyn, der nicht mehr empfindet, „ wie uͤbel er daran ſey!
Unter den Rettungsmitteln wieder dieſes Feuer „ ſind zum hoͤchſten dieſe wenige, die ich als auser - „ leſen ſehr vielen andern vorziehe: Aendere „ den Ort; dis iſt ſo wohl dem Leibe als dem kran - „ cken Gemuͤthe gantz heilſam. Vermeide und „ fliehe alles mit groſſem Fleiß und Treue, wo - „ durch dir das Angedencken oder das Bild des „ Geliebten ins Gemuͤthe gebracht wird. Mach „ dir allezeit was zu thun. Ziehe dein Ge - „ muͤth auf andere Beſchaͤftigungen u. neue „ Sorgen hin, welche das Andencken und die Spu - „ ren der alten Kranckheit ausloͤſchen und vertil - „ gen koͤnnen. Ueberlege ſehr oft, und nimms „ ſehr zu Hertzen, wie ſchaͤndlich, wie klaͤglich, und „ wie voll Jammer und Unruhe ein ſolcher Ge - „ muͤthsſtand ſey. Endlich erwege auch, wie „ kurtz, wie nichtig und vergaͤnglich, wie ſo gar „ zu nichts nuͤtze und kaum einem Schatten gleich „ dasjenige ſey, was du mit ſo groſſer Beſchwer - „ lichkeit und Plage ſucheſt. ‒ ‒ ‒ Viele ſind durch „ ihre eigne Schmach und Schande wie - „ der klug worden: da ſie wahrgenommen, wie „ ſie ſich infam und zum Hohngelaͤchter ge - „ macht; wie jedermann mit Fingern auf ſie ge - „ wieſen; und wie ſie zu einer Stadt - und Land-kuͤn - „ digen Hiſtorie worden ſind. Dis ſchmertzte „ ſie; dis brachte ihnen endlich vor Augen, „ wie hochſtrafbar und gleichwol gantz voll - „ kommen unnuͤtz dieſe Sache; wie ſie aber„ da -169Betrachtung der Unreinigkeit. „ dagegen voll Schmach, voll Gefahr, voll „ Schmertzen, und voll klaͤglicher Umſtaͤnde und „ Zufaͤlle ſeyn muͤſſe, die alle mit einander „ tauſend Urſachen zur Reue geben. Zuletzt „ wird dieſem Uebel der Seele ſowohl als des „ Leibes am meiſten und bequemſten durch „ das Gegentheil abgeholfen. Sorgen und „ Gram, ein ungeſtalter Leib, Armuth „ und Duͤrftigkeit, ſchwere Arbeit, und „ das Alter, als der vortreflichſte und „ ſchaͤrfſte Zuchtmeiſter und Beſtraffer „ aller Jugendſuͤnden: dis, dis ſind, meines „ Erachtens, die allerletzten Rettungsmittel; „ die zwar ſehr hart, aber nach der Groͤſſe des „ Schadens und Verderbens maͤchtig genug „ und erwuͤnſcht ſind ‟ Doch hat Crates Thebanus teſte Laert. L. 6. noch haͤrtere angewieſen. Er ſaget: „ der Wolluſtliebe „ hilft der Hunger ab; wo nicht, ſo thut es „ die Zeit (und deren Veraͤnderungen und „ Umſtaͤnde.) Wenn dieſe Mittel nichts „ helfen, ſo iſt der Strang uͤbrig, damit das „ Uebel durchs erhencken endlich den Hals breche. ‟
Nun GOtt im Himmel bewahre einen jeden getauften Chriſten vor ſolchen Mit - teln, die hier ein Heide vorſchlaͤgt! Jch darf von dieſer Schwachheit weiter nichts an - fuͤhren: Denn ſie iſt an ſich ſelber ſo beſchaffen, daß ſich ein ehrliches Gemuͤthe derſelben ſchaͤmet, und in Gegenwart ehrbarer Perſonen dißfalls nicht gerne Verweis leiden mag. Leſen ſie dafuͤr lieber nach in Scrivers Seelenſchatz P. III. die 21 Pre - digt von der Keuſchheit p. 1699 ſqq.
L 5Noch170(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſche ꝛc.Noch einer einigen Sache muß ich Sie erinnern, ehe ich dieſe Mediciniſche und aus dem natuͤrlichen Zu - ſtand unſeres Leibes und Gemuͤths hergenommene Be - trachtung ſchlieſſe. Eben dieſer ihr Leib, den Sie ſo un - verantwortlich mißhandeln, iſt von dem ewigen Liebha - ber ihres Lebens im verborgenen wunderbarlich formi - ret worden. Des allmaͤchtigen GOttes ſeine Haͤnde haben ihn gebildet, und gemacht, was er um und um iſt; GOtt hat Jhnen Jhre Haut und Fleiſch angezogen; GOtt ſelbſt hat Sie mit Beinen und Adern zuſammen gefuͤget, und hat ſchon im Mutterleibe ſeine Aufſicht und Wache uͤber ſie gehalten, damit ſie kein Unfall beruͤhren moͤchte. Hiob 10, 8. ſqq. Eben dieſer ihr Leib iſt von Mutterleibe an durch die allernaͤchſten Bedienten GOt - tes ſelber, die Seraphinen (ihre Schutzengel,) bewahret, bedienet und in Acht genommen worden, damit er nicht zu Schaden kaͤme. Eben dieſer ihr Leib iſt auf goͤttliche Ordre von der Wiegen an, theils durch ihre Eltern, theils durch ſo viele andere Perſonen, die Jhnen der HErr zum Dienſt beſtimmet hatte, mit groͤſter Sorgfalt, Muͤhe und vielen Koſten gepfleget, getragen, gewartet und treulich in acht genommen worden damit er ja nicht be - ſchaͤdiget wuͤrde. Eben dieſen Leib hat Jhnen der HErr, der ewige GOtt, ſchon ſo viele Jahre geſund erhalten, mit aller Nothdurft verſorget, mit ſo vielem Aufwand groß gezogen und brauchbar gemacht ꝛc. weil er die goͤttli - che Herrlichkeit nach dem Exempel JEſu Chriſti auf eine annehmliche Weiſe an ſich tragen ſolte. Eben dieſer ihr Leib wird nun auch zur geſetzten Zeit ins Grab nieder - ſincken, verfaulen, und den Wuͤrmern zur Speiſe werden: Aber eben dieſer Jhr Leib wird auch aus dem Grabe her - vor und vor das Angeſicht des groſſen Richters aller Welt, ja in die Gegenwart aller Creatur treten muͤſſen; da denn an ihm ſichtbar genug ſeyn wird, wie er von ihnen mißhandelt worden ſey. Sagen Sie mir wie es moͤglich ſey, daß jemand bey redlicher Ueberlegung aller dieſer und vieler andern dergleichen Vorrechte und Umſtaͤnde ſeines Leibes ein ſich ſelbſt ſchimpfender Scla - ve der Fleiſchesluͤſte bleiben koͤnne?
ES iſt dieſes Tractats bereits oben p. 48 in der Note wie billig gedacht. Man kann aber nicht umhin, allhier, wo der Verfaſ - ſer ſeinen erſten Theil ſchließt, noch ei - ne Weile bey der Materie ſtehen zu blei - ben; und das, was erſt nach der Vollen - dung dieſer Schrift in unſerm Teutſchland davon bekant worden, aus demſelben und andern, Anhangs - und Erlaͤuterungs weiſe beyzufuͤgen. Viel - leicht waͤre zwar das Buch Onania nuͤtzlicher geweſen, wenn es nach den erſten Engliſchen Editionen waͤre uͤberſetzet wor -den:172(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheden: zumalen, (ohnerachtet in den letzteren Editionen eine groſſe Menge Briefe und andere nicht allemal fuͤr die Jugend gehoͤrige Dinge hineingeſchaltet und beygefuͤget worden, die das Buch ohne Noth weitlaͤuftig, und wegen zu oͤfterer Wie - derholungen einerley Sachen in etwas beſchwerlich machen) doch noch viele ſehr noͤthige Dinge darin zu fehlen ſcheinen. Jmmittelſt iſt bey gaͤntzlicher und wohlbedaͤchtiger Durchle - ſung deſſelben verſchiedenes wahrgenommen worden, welches der Verfaſſer an ſeinen gehoͤrigen Orten zu vielem Nutzen wuͤrde haben anfuͤhren koͤnnen. Wir wollen einiges an - zeigen.
Von der Schaͤndlichkeit und GOtt verhaßten Ab - ſcheulichkeit dieſer Suͤnde ſelbſt, ſind billig die Worte an - zumercken p. 7 ſqq. „ Dieſe garſtige Suͤnde laͤuft ſehr wieder „ die Natur, welches ſie deſto ſchlimmer macht: Denn je un - „ natuͤrlicher die Suͤnde iſt, deſto groͤſſer iſt auch die Schuld „ in ſolcher Betrachtung. ‒ ‒ ‒ Jch behaupte mit Beſtand, „ daß dis das groͤſte Unrecht iſt, welches ſich ein Menſch ſelbſt „ anthut. Und gleich wie ſich der Molckendieb in dem Licht „ verbrennet: alſo verfaulen und ſchwaͤchen dieſe Selbſtbefle - „ cker ihren Leib durch einen dieſer Suͤnde anklebenden Fluch „ GOttes uͤber die Maſſen. Ueber dieſes findet ſich, wie bey „ allen dergleichen unordentlichen Thaten, eine geheime Art „ der Ermordung; wo ja nicht in dem Vorſatz des Thaͤters, „ doch zum wenigſten in der Beſchaffenheit der Sache ſelbſt. ‒ ‒ „ Die Selbſtbefleckung iſt nicht nur eine Suͤnde wieder die „ Natur, ſondern auch eine ſolche Suͤnde, ſo die Natur um - „ kehret, und gleichſam ausrottet: und wer ſich deren ſchul - „ dig machet, der bemuͤhet ſich um den Untergang ſeines Ge - „ ſchlechts, und ſuchet gleichſam der Schoͤpfung ſelbſt Scha - „ den zuzufuͤgen. ‟
Von der Verſteckung ſolcher Suͤnden vor Men - ſchen, die man doch vor GOtt nicht bergen kann, ſpricht er p. 12. „ Es iſt nicht leicht zu entſcheiden, ob es „ etwas ungeheureres oder unverantwortlicheres iſt, daß die „ Menſchen, ehe ſie eine Suͤnde in Gegenwart anderer, oder „ mit andern begehen wollen, lieber erwehlen ſolten, ſich einer „ noch groͤſſeren vor GOtt ſchuldig zu machen, welcher doch „ betheuret hat, ſolche nicht ungerochen zu laſſen. Wolte „ man ſagen, daß ſolches von der Atheiſterey und vom Un - „ glauben herruͤhre: ſo laͤuft ſolches wieder die Erfahrung. „ Denn laſſet uns tauſend zur Rede ſetzen, die ſich einer oder „ der andern von dieſen ſchrecklichen Suͤnden ſchuldig gema - „ chet haben: ſo wird man vielleicht keinen darunter finden, „ der nicht nur einen GOtt erkennet, ſondern auch bezeugenwird173Betrachtung der Unreinigkeit. „ wird, was maſſen er von ſeiner Allgegenwart und Allwiſ - „ ſenheit, ſeiner Weisheit, Gerechtigkeit und Allmacht uͤber - „ zeuget, und bereit ſey, alle Artickel unſers Chriſtlichen Glau - „ bens zu unterſchreiben. Was kann von dieſen anders geſa - „ get werden, als daß der Menſch ſich ſelbſt wiederſpricht, und „ wieder ſeine eigene Grundſaͤtze handelt? Was koͤnte wol in „ menſchlichen Geſchaͤften ungereimteres ſeyn, als wenn ein „ Dieb ſich vorgeſetzet haͤtte, ein Pferd zu ſtehlen, und aller „ Welt augen, bis auf des Beſitzers ſeine, zu vermeiden ſuch - „ te; zumal wenn er voͤllig uͤberzeuget waͤre, daß ihn dieſer „ Beſitzer fangen koͤnnte, wenn es ihm beliebte, und mit ei - „ ner Straffe belegen, die ihm nur gefiele? Was fuͤr eine „ geiſtliche Finſterniß muͤſte einen Menſchen umgeben, der in „ wichtigen Dingen, daran ihm doch ſo viel gelegen, ſo ſtarr - „ blind, und hingegen bey den groͤſten Kleinigkeiten ſo ſcharf - „ ſichtig ſeyn ſolte? Wenn ein Menſch Schamhaftigkeit „ und die aͤuſerſte Zaghaftigkeit gegen die veraͤchtlichſte Per - „ ſon ſeines gleichen von ſich blicken laͤſſet: muß derſelbe „ nicht, ſo zu ſagen, mit einer recht rieſenhaften Kuͤhnheit „ und Unſchamhaftigkeit eingenommen ſeyn, wenn er den all - „ maͤchtigen Schoͤpfer Himmels und der Erden zu beleidigen „ kein Bedencken traͤgt? Ja was noch mehr iſt, und den groͤ - „ ſten Wiederſpruch in ſich haͤlt, will er zu gleicher Zeit fuͤr „ einen, der nach den vernuͤnftigen Grundſaͤtzen handelt, ge - „ halten, und fuͤr einen gar guten Chriſten angeſehen ſeyn!
Jm andern Capitel erzehlt der Verfaſſer die erſchreck - lichen Folgen der Selbſtbefleckung, nemlich die Plagen, die durch alle Arten der Unkeuſchheit auf Leib und Seele fal - len. Er faͤnget an von denen, die am wenigſten auf ſich ha - ben, nemlich die den Leib angehen. Erſtlich, ſpricht er, ver - hindert es das Wachsthum. Wenige, ſo dieſe Suͤnde in ihrer Jugend eine ziemliche Zeit ſehr ſtarck begangen, ge - langen jemals zu derjenigen Groͤſſe und Staͤrcke des Leibes, zu welcher ſie ſonſt gelanget ſeyn wuͤrden. Dann erzehlt er allerley ſchaͤndliche und verborgene Kranckheiten, wor - ein ſich ſolche Unflaͤter ſtuͤrtzen; und weil ſie ſich im boͤſen Gewiſſen ihrer Schuld bewuſt ſind, und es keinem recht - ſchaffenen Mann zu entdecken das Hertz haben, noch insge - mein in das Ungluͤck mit, daß ſie unerfahrnen Chirurgis &c. in die Haͤnde fallen, die ſie mit unrichtigen Curen vollends zu Grunde richten: Ferner nennet er die Ohnmachten, die hin - fallende Sucht, die Schwindſucht ꝛc.
P. 19. ſtehet. „ Mit was fuͤr Aufmunterung zur Tugend „ koͤnnen nicht junge Leute einen Mann von 80. Jahren„ mit174(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſche„ mit einer Frau |von gleicher Antiquitaͤt anſehen, welche „ beyde mit einer geſunden und ſtarcken Leibesbeſchaffen - „ heit, friſchen und muntern Antlitz, geſetztem Gemuͤth, „ vollkommenen Verſtand u. Sinnen, hurtigen Gliedern, „ und froͤlichem Hertzen begabet ſind, und einem gan - „ tzen geſunden Geſchlecht, vielleicht bis ins dritte und „ vierte Glied mit Ruhm vorſtehen; und allen dieſen „ Segen ihrer Klugheit, ihrer Maͤßigkeit und Enthal - „ tung zu dancken haben! da wir hingegen, wenn wir „ unſere Augen auf die ungezaͤhmte Weichlinge werfen, „ befinden werden, daß ſolche mit gantz eingefallenen und „ bleichen Angeſichtern, matten Augen, ſchwachen Schen - „ ckeln, und duͤrren Beinen ohne Waden einherziehen, „ weil ſie ihre facultatem generativam in ihren erſten Jah - „ ren alsbald geſchwaͤchet und faſt gaͤntzlich zerſtoͤret „ haben: ſo daß ſie andern ein Schertz und Gelaͤchter, „ und ſich ſelbſt eine rechte Marter zu ſeyn pflegen.
Unter den erſchrecklichen Folgen dieſer ſchaͤndlichen Un - art fuͤhrt der Auctor dieſe beſonders aus: daß, wer darin ſtecket, und ſie ungeſcheut treibet, nothwendig ein un - verſchaͤmter Menſch, und recht verzweifelt und abſurd Gottlos werden muͤſſe. GOtt ſelbſt laͤſſts deutlich ſagen: Wem der HErr ungnaͤdig iſt, der faͤllt drein. Und Roͤm. 1, 28. ſqq. zeigt handgreiflich, daß ſolchen Leuten die groͤſten Schand - und Uebelthaten endlich als geringe, und angeneh - me Dinge vorkommen muͤſſen. Luͤgen, Stehlen, Schwoͤren, Mord und Todtſchlag und dergleichen, ſind Laſter, die gantze Staͤdte und Laͤnder verwuͤſten, Societaͤten ruiniren, dem menſchlichen Geſchlecht mit dem Untergang drohen, und mit Galgen und Rad muͤſſen abgehalten werden. Sie ſcheinen mit der Unreinigkeit gar keine Verbindung zu haben; aber in der That niſteln ſie mehrentheils in ſolchen Seelen ein, und nehmen gewaltſam uͤberhand, die Sclaven der Unflaͤte - rey worden ſind. Wo man unverſchaͤmte und ungezaͤhmte junge Leute findet: von dieſen darf man bekuͤmmert muthmaſſen, daß ſie die Unreinigkeit ſo frech und unverſchaͤmt gemacht ha - be. Es iſt nicht zu ſagen, und kann nicht genug beklaget werden, wie dis Laſter, als eine gewaltſame Peſtilentz den Verſtand verkehret, und zu allen moraliſchen Dingen gleich - ſam wahnſinnig machet. Es iſt nicht zu ermeſſen, wie die Begierden ſo viehiſch und heftig, ſo gar ungezaͤhmt, ſo gar aus der menſchlichen Art geſchlagen, und auf alles nur moͤg - liche Boͤſe hingezogen werden; wenn ſie dieſer Seuche einige Zeiten nach einander ohne allen Wiederſtand haben herhalten muͤſſen. Hurerey und andere an das obrigkeitliche Schwerdt verwieſene Laſter ſind ſchon zu gering; ſie Vergnuͤgen nicht mehr genug; ſie ſaͤttigen dieſe neronianiſche Unmenſchen nicht mehr. Nein! allerley andere Arten der Sodomitereyund175Betrachtung der Unreinigkeit. und Beſtialitaͤt muͤſſen hervor geſucht werden: ſo daß ein ſolches Menſchen-Geſchlecht nicht nur vor GOtt, ſondern auch vor dem unvernuͤnftigen Viehe und vor den Teufeln ſelbſt ſtinckend und deteſtable werden muß. Jn billiger Er - wegung der erſchrecklich ſchweren und vielen Folgen, die auf dieſe unmenſchliche Schandthaten, (ſonderlich, wenn ſie ſchon in groͤſſeren Hauffen ausgebrochen, und gemeinſchaftlich wor - den ſind,) unausbleiblich folgen muͤſſen, haben vor etlichen Jahren die Herren Generalſtaaten noͤthig befunden, da ſich etwas dergleichen an theils Orten ihrer Republique hatte blicken laſſen, eine ſehr genaue Unterſuchung bey Hohen und Niedrigen, die in Verdacht kommen waren, anzuſtellen, und einen ſolchen Fluch und Unflath des menſchlichen Geſchlechts auch nach Gebuͤhr ſtraffen zu laſſen. Wie denn Leute, die damals in den Niederlanden geweſen, bezeuget haben, daß bey dieſer Jnquiſition und Landbeſtraffung viel 1000. Menſchen, vornehmen und geringen Standes auf allerley Weiſe hinge - richtet, meiſtentheils aber in die See geſtuͤrtzt worden ſind, um das Schandfeuer, ſo durch kein Gewiſſen noch Religion geloͤſchet werden konte, in |der See zu vertilgen.
Doch der Auctor beſtaͤttiget ſeine behaupteten Lehren mit einer groſſen Menge Zeugen. Er fuͤhret ihre Briefe die ſie an ihn abgelaſſen, und die darin enthaltene Klagen und Be - kenntniſſe in groſſer Anzahl an. Und wer weiß, ob nicht je - des derſelben fuͤr tauſend andre ſtehen kann? Es iſt der Muͤ - he werth einige Stuͤcklein aus ſolchen Briefen hier anzu - fuͤhren.
P. 33. Heiſſts: „ Mein Herr. Ob ich ſchon die Ehre nicht habe mit Jhnen bekant zu ſeyn, ſo hoffe ich doch, Sie werden ſich durch den traurigen Zuſtand, worin ich mich befinde, zum Mitleiden bewegen laſſen, und mir denjenigen vortreflichen Rath nicht verſagen, den ſie mir allein zu geben vermoͤgend ſind.
Die oͤftere Begehung derjenigen abſcheulichen Unart, die ſie in ihrem vernuͤnftigen Buche beſtraffen, hat mir eine rech - te Complicationem morborum uͤber den Hals gezogen. Erſt - lich bin ich mit einer beſtaͤndigen Gonorrhœa ſeit Anfang des verwichnen Ianuarii beſchweret. Als denn bin ich mit hefti - gen Duͤnſten eingenommen worden, welche mich waͤhrenden paroxysmi faſt aller Vernunft berauben. Und nun da ſolches voruͤber iſt, befinde ich mich ſo ſehr ſchwach, daß ich zwey bis drey Tage an einander nicht aus dem Bette ſteigen kann. Jch bin nun wieder bey meinem rechten Verſtande, und bitte Sie inſtaͤndigſt, mir Huͤlfe zu verſchaffen. Wenn ſich die Kraft der Artzeneykunſt ſo weit erſtrecket: ſo zweifle ich keinesweges, daß Sie ſolches thun werden, und hierdurch werden Sie ſich jederzeit verbinden. Dero ꝛc. ‟
P. 35. Wertheſter Herr. Jch hoffe in Demuth, Sie werden ſichnicht176(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchenicht entgegen ſeyn laſſen, daß dieſes vor Jhren Augen erſcheinet, und daß der allmaͤchtige GOtt Jhr Hertz regieren werde, mit einem armen betrogenen und ſuͤndlichen Juͤngling in einem traurigen Zuſtand Mitleiden zu haben. Wertheſter Herr! ich bin einer, deſſen Gemuͤth, wegen der abſcheulichen Suͤnde der Selbſtbefleckung, gar ſehr niedergeſchlagen iſt. Die Kauf - fung und Durchleſung ihres vortreflichen Buchs wieder die Selbſtbefleckung, und die chriſtliche Art, in welcher ſolches abgefaſſet, hat mir eine geheime Hofnung Jhres zarten Mit - leidens in dieſem erbaͤrmlichen Zuſtande eingefloͤſſet. Jch glaube, mein Herr, daß es ohngefaͤhr fuͤnf Jahr iſt, als ich mich das erſte mal zu dieſer Bosheit verleiten ließ; und ich folgte dieſer Leichtfertigkeit anfangs des Tages wol zwey mal, alsdenn des Tages einmal, und hernach zwey bis dreymal in einer Woche; und wenn ich ſie einen Monath unterließ, ſo gerieth ich doch wieder in dieſe gefaͤhrliche Verſuchungen zum wenigſten in 14. Tagen 2. oder 3. mal, welches mich ſo ſchwach machte, daß ich bisweilen kaum gehen konte. Und dieſes verurſachte mir groſſe Kopf - und Ruͤckenſchmertzen, inſonder - heit aber im Haupte, nebſt einer groſſen Hitze in den Teſticu - lis. Jch bat den allmaͤchtigen GOtt, daß er mir meine Suͤn - den, inſonderheit aber dieſe erſchreckliche, weswegen ich ſo ge - demuͤthiget wurde, vergeben wolte. Jch habe dieſe gottloſe Gewohnheit nicht uͤber 3. Monat gelaſſen; und ehe ich da - von abließ, ſo pflegte ich faſt alle Nacht| pollutio - nes nocturnas zu haben. Und nun pflege ich ſol - che die Woche 2. bis 3. mal zu haben. Jch leide itzt heftige Kopfſchmertzen, und meine Naſe iſt voller rothen Flecken, die mir bisweilen recht wehe thun. Es iſt mir gleichfalls ein rechter Knopf vom Fleiſch an der Stirne aufgefahren. Und itzt, da ich dieſes ſchreibe, fuͤhle ich empfindliche Schmertzen in meiner Bruſt und in meinen Armen, welches mich ſo nieder - ſchlaͤget, daß ich faſt zu aller Arbeit untuͤchtig bin. Wenn man mich des Ausbruchs in meinem Angeſichte erinnert, wie oͤf - ters geſchiehet, ſo finde ich mich genoͤthiget vorzugeben, es ruͤhre von der Hitze des Feuers her. Wie wol einige daruͤber zu lachen pflegen, und ſprechen, ich haͤtte die garſtige Kranck - heit, welches zwar ihr Schertz ſeyn ſoll, aber GOtt weiß, ob ſie nicht die Wahrheit ſagen.
P. 37. Die demuͤthige Bitte eines geplagten Onans giebet gehorſamſt zu erkennen, daß Supplicant ein armer ungluͤckſeli - her Juͤngling (von ohngefehr 19. Jahren) iſt, daß er auf eine leichtfertige obſchon unwiſſende Weiſe ſeinen Leib mit der ab - ſcheulichen Suͤnde der Maſturbation beflecket hat, welches ſei - ne Kraͤfte der Geſtalt entkraͤftet, und ihn an allen Gliedern dermaſſen geſchwaͤchet hat, das er gaͤntzlich beſorget, es werde ihn in ſeinen urſpruͤnglichen Staub verſetzen, wenn ſolchem nicht durch kraͤftige Artzney vorgebeuget wird.
P. 39.177Betrachtung der Unreinigkeit.P. 39. wird in einem Briefe von einem ſonſt wohlgear - teten Juͤngling erzehlt: „ Man habe jederzeit von ihm an - „ gemercket; daß er ein gewiſſenhafter Juͤngling geweſen, ſich „ beſtaͤndig und andaͤchtig bey dem Gebet eingefunden, an der „ Trunckenheit und Ueppigkeit einen rechten Abſcheu bezeiget, „ ja ſich ſo ungemein ſchamhaft angeſtellet, daß er kaum ein „ Frauenzimmer anſehen koͤnnen. Nichts deſtoweniger geſte - „ het er mir, daß er ſich die Schuld dieſer Suͤnde ſehr leicht „ eingebildet, daher darein verfallen, und ſolche ohne Betrach - „ tung ſehr oft begangen. Durch die oftmalige Practicirung „ dieſer Suͤnde nun hat er ſeine natuͤrliche Faͤhigkeit des „ Verſtandes, die ehemals ſehr vortrefflich und lebhaft war, „ ungemein geſchwaͤchet und verderbet, ja ſeiner gantzen Lei - „ bes Beſchaffenheit uͤberhaupt groſſen Schaden zugefuͤget. „ Er hat nach Leſung ihres Buchs den Schluß gefaßt, gaͤntz - „ lich von dieſer Unart abzulaſſen, und um Beyſtand goͤttli - „ cher Gnade zu bitten, daß er aufrichtige Buſſe thun, und „ ins kuͤnftige von ſolcher verfluchten Gewohnheit gaͤntzlich „ abſtehen moͤge. Und ich hoffe, daß er durch eine gaͤntzliche „ Enthaltung und durch Beobachtung einiger Strengigkei - „ ten, die ich ihm zur Ertoͤdtung ſeines Fleiſches gerathen „ habe, und durch eine maͤßige Lebens-Art ſeinen Leib im „ Zaum halten, und ſolchen den Bewegungen des Heiligen „ Geiſtes gehorſam machen werde. Es waͤre zu wuͤnſchen, „ daß alle vernuͤnftige Juͤnglinge. zum wenigſten in dieſer Na - „ tion, die erſchreckliche Schuld dieſes unnatuͤrlichen Laſters, „ das ſie in ihrem Buche ſo vortrefflich vor Augen geſtellet, „ ernſtlich betrachten, und Scheu tragen moͤchten, dasjenige vor „ den Augen GOttes zu thun, deſſen ſie ſich in Gegenwart ei - „ nes Kindes ſchaͤmen wuͤrden. Oder, wenn ſie die Liebe zur „ Tugend und Keuſchheit ja nicht bewegen kann: ſo moͤchten „ ſie doch zum wenigſten die erſchrecklichen Folgen dieſer „ Suͤnde davon abſchrecken: die Schwaͤchung und Zerſtoͤrung „ aller Leibes - und Gemuͤthskraͤfte, und die Schmertzen und „ Plagen, die ſolche hier in dieſer Welt begleiten, und die „ ewigen unausloͤſchlichen Flammen, ſo hernach ihre Straffe „ ſeyn wird, wenn GOtt Leib und Seele verderbet in der „ Hoͤlle.
Zuletzt pag. 50. ſchließt er: „ Jch will dis Capitel beſchlieſ - „ ſen, wenn ich vorhero nur noch ein Exempel angefuͤhret „ habe, welches mir, indem ich dieſes ſchreibe, ein junger „ Menſch giebet, welcher durch Nachhaͤngung ſeiner Luͤſte ſich „ in ſolche erſchreckliche Verſuchungen und Abzehrungen ſei - „ nes elenden Leibes geſtuͤrtzet hat, daß er wie ein Schatten „ einher ziehet, und zum Mitleiden und Betruͤbniß aller de - „ rer, die ihn anſehen, unter den boshaften Einfluͤſſen ſeiner „ Ueppigkeit gleichſam abnimmt und vergehet.
I. Th. Betr. der Unreinigk. MP. 63.178(I. Th.) Anatomiſch-MediciniſcheP. 63. ſteht folgender Brief:
Ein armer elender Juͤngling unter den vielen Ungluͤckſeli - gen, ach ja leider! nur allzuungluͤckſeligen Knechten der Venus, oder vielmehr der Hoͤllen und ihres eigenen Verder - bens, erkuͤhnet ſich, Jhnen mit etlichen Zeilen aufzuwarten. Es war mein trauriges, und, wie ich befuͤrchte, mein unwie - derbringliches Ungluͤck, daß, ob ich wol von gottſeligen El - tern entſproſſen, ich dennoch in die Geſellſchaft eines garſti - gen Unzuͤchters, der mein Schulgeſell war, gerieth, der ſich nicht ſcheuete, das abſcheuliche und ſchaͤdliche, unnatuͤrliche, verfluchte Spiel der Selbſtbefleckung vor mir zu treiben; und, weil dieſes ungluͤckſelige Exempel das Feuer meiner Jugend und angebornen Verderbnis rege machte, ſo wagte ich es durch ungeſtuͤme Verſuchung des liſtigen Teufels, meiner tadelhaften Neugierigkeit in dieſem Stuͤck ein Gnuͤ - ge zu thun, und verſchertzte alſo meine Unſchuld auf einmal, verwundete mein Gewiſſen, und entkraͤftete meine Staͤrcke. Was aber mein Elend und Schuld noch groͤſſer machte, war dieſes, daß nach Betrachtung und Hegung meiner vergange - genen thoͤrichten Wohlluſt, die ich in dieſer Suͤnde empfun - den, (ach eine Suͤnde, deren traurige Folgen ich nicht ge - glaubet haͤtte, weil ich durch eine halsſtarrige Leidenſchaft mit Gewalt dazu angetrieben wurde!) ich dieſelbe einmal uͤber das andre beging, und ob mich ſchon das Gewiſſen bey jedem Zuruͤckfall, wie ein grimmiger Loͤwe anfiel, ſo behielt doch das Laſter die Oberhand. Nun aber habe ich ſchon 2. Jahr, unter einer gonorrhæa laboriret, die ich mich jemanden zu entdecken ſchaͤmte. Da ich aber uͤber ihr Buch gerieth, floͤſte mir ſolches einen Muth ein, Jhnen meinen Zuſtand zu ent - decken, in der Hoffnung, Sie werden einem armen geplag - ten Menſchen einige Huͤlfe wiederfahren laſſen.
P. 208. erzehlet ein Schulmann eine Hiſtorie von einem ſeiner Schuͤler alſo: Jch hatte einen unter meinen Schuͤlern, welcher unterſchiedene Jahre, vom 15. Jahr an ſich der grau - ſamen und ſuͤndlichen Gewohnheit mit der Maſturbation ſehr ſtarck ergeben hatte; uͤber dieſes lief er auch noch, wenn er Zeit dazu finden konnte, dem Huren und Sauffen nach. Da er denn, ehe er noch das 20ſte Jahr erreichte, den Trip - per dreymal und die Franzoſen zweymal hatte. Dieſes zog ihm allerhand Beſchwerlichkeiten, abſonderlich an heimli - chen Orten zu. Ob er nun gleich ungemein ſchwach daran war, und eine harte und ſchmertzhafte Geſchwulſt an einem ſeiner teſticulorum hatte, und das andere hingegen gantz zu - ſammen ſchrumpfte, und die ſpermatiſchen Gefaͤſſe, welche da hin gehen, wie Stricke zuſammen gedrehet und verwirret wa - ren; ſo hatte er dennoch ſolche beſtaͤndige und ſtarcke ere -ctiones,179Betrachtung der Unreinigkeit. ctiones, daß er oͤfters wieder ſeinen Willen Blut durch die Urethram ausleerete. Welches der Chirurgus, den ich nebſt meinen andern Freunden bey ihm zu Rathe gezogen, eine Satyriaſin oder Priapismum nennete. Es verurſachte ihm dis zwar mehr Vergnuͤgen als Schmertzen: er hatte aber dabey zu - gleich eine groſſe Unordnung in ſeinem Urin, die ihm zu - weilen ſehr ſchmertzlich fiele. Unter dieſen Umſtaͤnden em - pfand er die Wirckungen ſeiner groben Laſter etliche Monate mehr als zu nachdruͤcklich, da er zwey Salivationes, und un - terſchiedene andere ſcharfe Curen unter unterſchiedenen Me - dicis und Chirurgis ausſtehen muſte. Aber aller angewen - deten Muͤhe ungeachtet brach die gantze garſtige Materie end - lich mit einem ſehr tiefen ſtinckenden Geſchwaͤre in ſeiner Blaſe auf: wodurch er nach und nach bis auf ein Tod - tengerippe abgezehret wurde, bis er an der Duͤrrſucht den Geiſt aufgab. Da er denn etliche Monate vorher, ehe er ſtarb, ſo unertraͤglich ſtuncke, daß kein Menſch uͤber eine Vier - telſtunde in der Stube bleiben konnte, wenn er nicht ein ſtar - ckes volatiliſches oder aromatiſches Buͤchschen vor die Naſe halten wolte. Die Urſach dieſer ſeiner gantzen Entkraͤftung ruͤhrte, wie die Doctores einhellig bekraͤftigten, erſtlich mehr von der Selbſtbefleckung her, als von ſeinem andern Huren und Sauffen: ob ſie ſchon durch beydes gar ſehr vermehret und aͤrger gemacht worden.
p. 240. Euſebius meldet, daß Maximianus, einer von den Roͤmiſchen Kayſern, ſeinen Leib zu Befriedigung ſeiner Luͤſte dergeſtalt gemißbrauchet, daß derjenige Theil, den er am mei - ſten gemißbrauchet, mit einem ſolchen ſtinckenden Ge - ſchwaͤr angegriffen worden, daß ſeine Medici lieber erwehlten, ſich ermorden zu laſſen, als ihm zu nahe zu kommen.
p. 277. Ein junger Menſch, da er von einem meiner Freun - de genau bewachet worden, pflegte faſt alle Nacht der Ma - ſturbation beſtaͤndig zu folgen. So bald ich davon hoͤrte, ſo prognoſticirte ich alſobald dem Buben ſein Ungluͤck vorher, welches ſich innerhalb 18. Monaten hernach auch ereignete. Denn er ſtarb an einer heftigen Schwindſucht, da er mehr einem Schatten und Todtengerippe, als lebendigen Men - ſchen gleich geſchienen.
Noch einen habe ich gekannt, welcher kurtz vor ſeinem To - de bekannt, daß er dieſe Unart ſo lange getrieben, bis ſein Same ohne einige Provocation und faſt ohne alle Erection hinweg gegangen, wodurch er in eine Hectica verfallen, und bald davon aufgerieben worden -.
P. 344. ſtehet folgender Brief:
Jch habe Jhre letzte Edition von der Onania empfangen, und leſe in den unterſchiedenen Jhnen zugeſandtenM 2Brie -180(I. Th.) Anatomiſch-MediciniſcheBriefen etwas von meinem eigenen elenden und jaͤmmerli - chen Zuſtande. Viele tauſend werden meines Erachtens, Urſach haben, GOtt fuͤr ein ſo loͤbliches und noͤthiges Unternehmen Danck zu ſagen, daß Sie eine der ſchaͤndlich - ſten und abſcheulichſten Gewohnheiten nach Verdienſt zu be - ſtraffen ſuchen. Was meinen eignen Zuſtand anbelanget, ſo glaube ich, daß er alle Exempel, deren in Jhrem Buche ge - dacht wird, ſo weit uͤbertrifft, daß, wenn er beytragen koͤnnte, iemand von der erſchrecklichen und ſchaͤndlichen Suͤnde der Selbſtbefleckung abzuhalten, es mir in Betrachtung deſſen lieb ſeyn ſolte. Wiewol, was mich ſelbſten anbetrifft, ich meinen Zuſtand fuͤr huͤlflos halte. Denn meine zeitlichen Umſtaͤnde, worein mich meine Suͤnde in der Welt verſetzet hat, ſind ſo ſchlecht, daß ich keine Huͤlfe erwarten kann, und das Schrecken meines Gewiſſens iſt, wenn ich an mein ſchaͤndliches Leben gedencke, unausſprechlich, und ſonder Zweifel ein Anfang von dem Wurm, der niemals ſtirbet, und dem Feuer, das niemals verloͤſchet. Meinen Zuſtand ſo kurtz und doch auch ſo klar, als ich kann, vorzuſtellen, ſo verhaͤlt ſich derſelbe folgender maſſen. Als ich ohngefehr 14. Jahr und eben damals zur Schule war, pflegte ich mit groſſer Aufmerckſamkeit auf alle garſtige und unreine Dis - curſe Achtung zu geben, die ich etwa von meinen Schulge - ſellen vorbringen hoͤrte. Dieſe unreinen Gedancken ernehrte und hegte ich. Und ob ich mich ſchon keines Exempels von einigen Knaben erinnere, der ſich der Begehung dieſer That ſchuldig gemacht haͤtte: ſo nahm ich doch nach kurtzer Zeit dieſe Suͤnde vor, und es iſt faſt ſo unglaublich fuͤr andre, als erſchrecklich fuͤr mich, zu beſchreiben, wie oft ich mich des Ta - ges dieſer Leichtfertigkeit ſchuldig machte. Zu dieſer Zeit, ich muß es geſtehen, hatte ich wenig oder keinen Begriff davon, daß dieſe Gewohnheit ſuͤndlich ſey. Mein vornehmſter Kum - mer war, Sorge zu tragen, daß ich zur Zeit, wenn ich die That beging, von niemanden geſehen werden moͤchte. Und ob ich ſchon eine ſehr gute Auferziehung genoß, und alſo vor allen andern Laſtern bewahret wurde: ſo ſahe ich doch, we - der ſie noch andre, von dieſem Laſter, zum wenigſten nach ſei - nen eigentlichen und beſondern Namen, reden hoͤren. Jn dieſer oͤftern Gewohnheit fuhr ich fort, weil ich zu Haus war, und ohngefehr anderthalb Jahr, nachdem ich nach Lon - den gekommen, und zu einem Leinwandhaͤndler in die Lehre gethan war, wo ich von den andern Lehrjungen, meinen Cammeraden, Beyſtand in dieſer leichtfertigen Gewohnheit bekam. Weil eine und andere Dinge vorfielen, wurde ich von dannen gethan, und empfand noch immer ſtarcke Neigung zu dieſer gottloſen Suͤnde, da ich mir nichts ſuͤnd - liches oder boͤſes dabey einbildete, indem ich niemals von desOnans181Betrachtung der Unreinigkeit. Onans Suͤnde geleſen oder gehoͤret hatte, bis ich ohngefehr vor 8. oder 9. Jahren, als ich noch in der Lehre war, Jhr Buch ſahe.
Nachdem ich ſolches geleſen hatte, gerieth ich in groſſe Gemuͤths-Beſtuͤrtzung, und bedurfte Huͤlfe an Seel und Lei - be; wuſte aber nicht, wie ich meinen Zuſtand iemanden vor - ſtellen ſolte. Jch war immittelſt einem grauſamen Huſten und andern Uebligkeiten unterworfen, und wurde gantz klein von Statur. Jch hatte Jhr Buch nicht lange gehabt, ſo fand es iemand aus der Familie. Jch habe aber niemals erfahren, wer es geweſen iſt, durfte auch nicht darnach fra - gen. Eine Zeitlang ſtritte ich ſcharf wieder dieſe Unart. Jch verſprach und gelobte an, ich wolte mich deren nicht mehr ſchuldig machen, und gebrauchte alle Mittel, die ich erden - cken konnte, dieſe Suͤnde zu verhuͤten; aber meine Neigung dazu war ſo ſtarck und gewaltig, daß es mir ſchwer fiel, mich nur eine Woche davon zu enthalten. Und ich hatte hernach das Ungluͤck, etliche anzutreffen, welche eine natuͤrliche Noth - wendigkeit dieſer Unart behaupteten; aber deſſen ungeachtet konnte ich nicht dahin gebracht werden, ſolches fuͤr keine Suͤnde zu halten. Jch habe unterſchiedene Verſuche gethan, meinen Zuſtand zu veraͤndern, und mich in den Eheſtand zu begeben; bin aber allemal daran verhindert worden. Jch ſchreibe nun in groͤſter Bedraͤngniß an Sie, mein Herr! Mein Leib iſt durch dieſe leichtfertige Gewohnheit gantz auf die Neige gekommen. Jch habe lange Zeit einen heftigen Huſten gehabt, und will mich oͤfters erbrechen, kan aber we - nig heraus bringen. Jch habe oͤfters Kopf - und Ruͤcken - ſchmertzen, und groſſe Schwachheit in meinen Gliedern. Der Kopf iſt mir voller Duͤnſte, und die Augen ſind gantz ſchwach und dunckel. Jch habe mich ſeither dieſer garſtigen Gewohnheit lange nicht ſchuldig gemacht; welches ich aber nicht ſowol fuͤr eine Wirckung der Tugend als des Unver - moͤgens anſehe. Mein Herr, Sie wuͤrden ein Werck der Chriſtlichen Liebe erweiſen, wenn Sie ſo gut ſeyn, und mir Jhren Rath ſo wol am Leibe als Gemuͤth ertheilen wolten. Meine Umſtaͤnde ſind ſehr gering; dafern ich aber iemals vermoͤgend werden ſolte, Jhnen Vergeltung zu thun, ſo wuͤr - de ich mich nicht undanckbar finden laſſen. Jch muß ohne einigen Beyſtand verderben, und ich weiß nicht, zu wem ich mich in dieſen traurigen und betruͤbten Umſtaͤnden wenden ſoll, wenn Sie mir Jhre Huͤlfe verſagen. Jch bitte Sie demnach um einer armen Seele willen, Sie wollen mir ei - nigen Rath ertheilen, damit ich nicht in den verzweifelten Zuſtand gerathen und ſchlieſſen muß, daß keine Huͤlfe fuͤr mich uͤbrig ſey, und ich alſo verderben muͤſſe. Sie verzeihen meiner Ungeſtuͤmigkeit. Sie ruͤhret von der EmpfindungM 3mei -182(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchemeines elenden Zuſtandes her, und von Jhrer Bereitwillig - keit, die Sie Nothleidenden jederzeit erwieſen haben. Wenn Sie dieſe Nachricht meines Zuſtandes von einigem Nutzen halten: ſo haben Sie meine voͤllige Einwilligung, ſolches oͤffentlich heraus zu geben. Jch bin Jhr ꝛc.
P. 369. ein anderer Brief.
Jch habe Jhr Buch mit vielem Vergnuͤgen und groſſer Zu - friedenheit, obſchon nicht ohne die groͤſte Betruͤbniß uͤber den ungluͤcklichen Zuſtand der Menſchen geleſen. Viele darunter erkennen weder die Suͤnde, noch die traurigen Fol - gen derſelben, welche die Gottloſigkeit begleiten, wovon Sie handeln. Eine Gottloſigkeit, welche vor den Augen GOt - tes ein Greuel iſt, ihnen ſelbſt zum Schaden und der gan - tzen Nachwelt zum Verderben gereichet. Was das erſte an - betrifft, ſo iſt wohl kaum ein Laſter iemals auf eine exem - plariſchere Weiſe geſtraffet worden, indem der erſte, der ſich deſſelben ſchuldig gemacht, auf der Stelle getoͤdtet worden. Und ob ſich ſchon einige beſondere Umſtaͤnde bey dieſem Fall befunden, ſo denſelben ſchwerer gemacht; ſo iſt er doch, wenn man ihn ins beſondere betrachtet, zulaͤnglich genug, uns des Allmaͤchtigen Abſcheu an der That ſelbſt, und demnach die aͤuſſerſte Gefahr, ſolche iemals zu begehen, vor Augen zu ſtel - len. Was das andre anlanget, ſo bezeugen die vielen Ex - empel, die Sie angefuͤhret, und deren noch viele tauſend moͤch - ten beygebracht werden, die Wahrheit deſſelben zur Gnuͤge. Und das dritte folget nothwendig aus dem vorhergehenden. Denn wenn wir unſer eigen Weſen zu einer Zeit, da wir ver - moͤgend ſind, es andern mitzutheilen, zernichten; oder, wel - ches eben ſo viel iſt, wenn wir uns zu Fortpflantzung unſers Geſchlechts ſelbſt untuͤchtig machen; ſo iſt gantz gewiß der Untergang der Nachkommenſchaft und das Ende der kuͤnftigen Erziehung der Menſchen zu befahren. Was kann aber wol von einer ungeheurern Art ſeyn? Jn was fuͤr ei - ner Abſicht wir es nur betrachten, entweder nach der Schrift, nach der Erfahrung oder der Vernunft: ſo iſt es allenthalben anſtoͤßig, und ſchlieſſet ſo viel Schuld in ſich, als man nur erdencken kan. ꝛc.
p. 384. Mein Herr ‒ ‒ ‒ Dafern vielen jungen Leuten unter uns die erſchrecklichen Folgen bekannt geweſen waͤren, welche ihnen ihre Weichlichkeit an Seel und Leib zuziehet: wenn ſie gewuſt haͤtten, wie ſehr es die Leibes - und Gemuͤths - kraͤfte ſchwaͤchet, ja das gantze kuͤnſtliche Gebaͤude des Coͤr - pers in Unordnung bringet und zerruͤttet: ſo wuͤrden ſie der - ſelben nimmermehr Raum gegeben haben. Die meiſten, mit welchen ich Umgang gepflogen, geſtehen, und ſagen: wenn ſie gewuſt haͤtten, daß es eine Suͤnde waͤre, ſo haͤtten ſie es nichtthun183Betrachtung der Unreinigkeit. thun wollen. Jch wuſte ſelbſt nicht, daß es unrecht ſey, bis ich den Schaden erſt lange hernach innen wurde, wie ich zei - gen werde. Und die vornehmſte Urſach, warum ich es fuͤr keine Suͤnde hielte, war dieſe, weilen es ein ſo gemeines La - ſter iſt. Es fragte mich einer von meinen Bekannten um meine Meinung, der dieſer Unart uͤberaus ergeben war: ob ich es fuͤr Suͤnde hielte? Jch gab ihm zur Antwort, ich wuͤ - ſte es nicht, welches nun uͤber vier Jahr iſt. Ohngefehr drey Jahr hernach erfuhr ich, daß es Suͤnde ſey. Da ſchrieb ich einen Brief an denſelben, und berichtete ihm ſolches. Geſtalt ich ſolches fuͤr meine Schuldigkeit hielt. Jch hatte uͤber zwey Jahr von Dero Buch gehoͤret, ehe ich es bekommen konnte. Nun aber habe ich es ſchon uͤber ein halbes Jahr, und von Anfang bis zu Ende durchgeleſen; da ich denn viele Stellen darinn antreffe, welche meinem Zuſtand gantz gleich kommen. Welche folgende ſind: Jch bin von Chriſtlichen und frommen Eltern entſproſſen, die mich zu allem Guten auferzogen haben. Es wurde mir aber dieſe Suͤnde von einem aͤltern Bruder angelernet. ‒ ‒ Allein, wenn ich es gleich von ihm nicht gelernet haͤtte, ſo wuͤrde ich dennoch bald dahinter gekommen ſeyn. Denn ich habe es in der Schule, und zwar mitten unter der Lection practiciren geſehen. Daher trieb ich dieſe ſchaͤndliche Unart ſo lange, bis ich mir leider eine unheilbare Wunde zugezogen hatte, welches zwiſchen meinem 16. und 17. Jahr geſchahe. Ohngefehr einen Monat vorher, ehe ich in mein 17. Jahr trat, wurde ich an der untern Sei - te meines penis am præputio einen rothen Flecken gewahr, wie ein Maſerflecken, welches ſich in kurtzer Zeit gantz herum zog, und immer breiter wurde, als ob ich eine rothe Schnur rund herum gebunden gehabt, und verurſachte mir ſolche un - ertraͤgliche Schmertzen, daß ich mich kaum zu laſſen wuſte. Jch gebrauchte einige Dinge, mir Linderung zu ſchaffen, aber mit ſchlechtem Erfolg. Dieſes zog mir eine beſtaͤndige Un - ruhe zu. Jch wolte mein Waſſer laſſen, konnte aber nicht. Bisweilen gedachte ich, als ob es von mir gienge. Und wenn ich hinein ſahe, wurde ich allemal eine kleine Schleimigkeit, oder ſehr klare Materie darin gewahr, welches mir eine ſol - che beſtaͤndige Ungedult verurſachte, daß ich weder ſitzen noch ſtille ſtehen konnte. Es war mir aber allemal am beſten, wenn ich herum gieng; welches mir Stechen, Schieſſen und Jucken an der Eichel und Vorhaut verurſachte. Das erſte, ſo mir einige Linderung gab, war dieſes, wenn ich die Theile oͤfters mit Bley-Zucker und Krebs-Augen wuſch: welches zwey Jahre hernach war, da ich damit behafftet worden. Und ohngefehr ein Jahr darnach befreyete mich ein andrer Doctor von dem ſchmertzlichen und unaufhoͤrlichen Trieb das Waſſer zu laſſen. Endlich fuhr ich an meinen SchenckelnM 4voller184(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchevoller Maſer-Flecken aus; dachte aber nicht, daß dieſe ſchaͤnd - liche Gewohnheit, die ich noch immerfortſetzte, Urſach dar - an waͤre. Und wenn ich ſolche im Bette veruͤbete, ſo ver - urſachte es mir ein Feuer-heiſſes Stechen auf der gantzen Seite und Schenckel, auf welchem ich lag. Dieſes hat mich in einen traurigen Zuſtand verſetzet. Denn ich kann weder recht ruhig ſitzen noch liegen, ich mag mich legen auf welche Seite ich will. Es verurſachet nach der Hitze eine ſtarcke Erſtarrung an dieſen Theilen, als ob ſie todt waͤren; wie bey dem jungen Menſchen, deſſen Exempel in ihrem Buche vor - kommt. Deſſen ungeachtet wuſte ich dieſe gantze Zeit uͤber nicht, was die rechte Urſach meiner Plage ſey, bis ich uͤber drey Jahr damit behafftet geweſen. Jch gerieth zwar bis - weilen auf die Gedancken, es muͤſte von dieſer thoͤrichten Action herruͤhren: (denn fuͤr was kluges konnte ich ſie auch nicht halten). Wenn ich aber bedachte, wie viele ſich deren ſchuldig machten, und doch keine ſolche uͤblen Wirckungen verſpuͤrten: ſo hielte ich meinen Zuſtand fuͤr was beſonders. Als ich aber einige von Jhrem Buche und von der Suͤnde der Selbſtbefleckung reden hoͤrte: ſo wandte ich allen Fleiß an zu unterſuchen, was ein oder der andere Autor davon ſagte. Jch konnte aber gar wenige antreffen, die recht deutlich und ausdruͤcklich davon geredet haͤtten. Jmmittelſt konnte ich mir doch ſo viel daraus nehmen, daß es eine Suͤnde ſey. Unter andern fand ich in einem gelehrten Autore, der von der Traurigkeit handelte, daß dieſes eine Urſach davon ſey. Die Selbſtbefleckung, und andere dergleichen heimliche Suͤnden, ſtuͤrtzen die Leute oͤfters in eine tieffe Melancholie, weil ſie wiſſen, daß es eine Suͤnde iſt, und dennoch in muthwilliger Begehung derſelben leben. Dieſes verurſachte mir ein tief - fes Nachdencken; ob mir ſchon der Doctor, der mich unter Haͤnden hatte, nichts dergleichen zu verſtehen gab. Er ſagte, ich haͤtte mir entweder wehe gethan, oder mich erkaͤltet, daß mir die Feuchtigkeit herab in den Schoos gefallen waͤre, un - geachtet er mich eine geraume Zeit unter Haͤnden hatte. Der andere Doctor aber, dem ich in die Haͤnde gerieth, tractirte mich, als ob ich die veneriſche Kranckheit haͤtte; und dieſes hielt er mir alſobald vor, als ich zu ihm kam. Allein ich leugnete es beſtaͤndig, und ſagte, ich haͤtte nie mit einem Weibſen etwas zu thun gehabt. Jmmittelſt hatte mir das elende Mittel, ſo er gebrauchte, groſſen Schaden gethan, wie mich andere Doctores ſeit dem berichtet haben. Sie moͤgen nun ſonſt von meinem Zuſtande gehalten haben, was ſie wol - len: denn ich habe nie keinem, auſſer einem eintzigen, ge - ſtanden, daß ich mich durch dieſe Gottloſigkeit verletzet haͤtte. Aber auf meine Kranckheit zu kommen: Als ich mich eine Zeitlang unter dieſes Doctors Haͤnden befunden, verſpuͤrteich185Betrachtung der Unreinigkeit. ich eine ſeltſame Geſchwulſt an der einen Seite meines Scro - ti, welches ich ihm zeigte. Er wuſte aber faſt nicht recht, was er daraus machen ſolte; ſondern ſagte, es wuͤrde ſich wol wieder ſetzen, und gebrauchte keine Mittel. Es wurde aber nach der Zeit immer groͤſſer, und iſt dasjenige, was meines Erachtens einige die ſpermatiſchen Gefaͤſſe nennen. Bis - weilen iſt es gantz vergangen und hinein gefallen. Aber eine geringe Urſach machet, daß es wieder geſchwillet. Wenn ich nur eine Weile ſitze, ſo geſchwillet es wieder. Vom Reiten, oder wenn mir nur die Hoſen ein wenig enge ſind, daß ſie mich drucken, oder alles, was nur ein wenig hart drucket, da - von geſchwillet es wieder, und zwar bisweilen ſo groß als ein Ey, und in Knoten, wie eine Weintraube, welches ein Her - abfallen des Seroti verurſachet, das ſehr lang herab haͤn - get, aber eben keine beſondere Schmertzen verurſachet, auſſer bisweilen einiges Stechen und Drucken, ein Herumlauffen der Feuchtigkeiten, und ein ſchreckliches Jucken des Geſchroͤtes, wie auch des Obertheils meiner Schenckel, und von dar zu der Glandul und Praͤputio, mit einer Feuchtigkeit an der aus - wendigen Seite, | welches eine dicke Unreinigkeit verurſachet. Wenn ich aber den Leib ein wenig bewege durch einige Uebung, ſo pflegt es wieder zu vergehen. Und alſo iſt es uͤber drey Jahre mit mir geweſen, und verhaͤlt ſich dieſe Stunde noch nicht anders. Jch habe eine groſſe Schwachheit in mei - nen Kniekehlen; iedoch nicht ſo arg mehr, als wie ich dieſer Gottloſigkeit noch ergeben war. Nichts deſto weniger thun mir meine Knie ſehr wehe, daß ich faſt gar nicht knien kann. Und nun bin ich anderthalb Jahr mit grauſamen Kopf - ſchmertzen geplagt geweſen, woruͤber ſich, wie aus Jhrem Buche erſehe, faſt alle ſolche Patienten beklagen. Wobey ich gantz tumm und daͤmiſch bin, daß ich manchmal dencke, ich werde gar um den Gebrauch meiner Sinnen kommen. Der Kopf iſt mir oft ſo ſchwer, als ob er mit Bley ausge - fuͤllet waͤre. Jch kan mich bisweilen kaum beſinnen: ſo ſehr iſt mir der Kopf voller Feuchtigkeiten, davon mir im Geſicht Finnen und Blaͤtterchen ausſchlagen. Die uͤble Beſchaffen - heit meines Haupts verurſachet eine groſſe Schwachheit mei - ner Augen, Verſtopffung des Gehoͤrs und Sauſen und Brau - ſen im Haupte. Jch bin bisweilen mit Schmertzen und Stechen in der Uretra geplagt. Bisweilen, wenn ich viel ſitze oder lange ſchreibe, ſo ſpuͤre ich, daß mir die Feuchtigkei - ten gar ſehr auf die Glandulas in der Uretra, und hernach auf Glandem und das Præputium fallen, mit groſſer Entzuͤn - dung dieſer Theile, Jucken des Scroti und derjenigen Ge - ſchwulſt und Beſchwerung des Geſchroͤtes, woruͤber ich zuvor geklaget habe, nebſt der Hitze und dem Jucken meiner Schen - ckel. Eins haͤtte ich beynahe vergeſſen, nemlich dieſes: meinM 5Præ -186(I. Th.) Anatomiſch-MediciniſchePræputium wird zwiſchen der Eichel und der Vorhaut mit einem ſolchen Peltz oder dicken Haut uͤberzogen, daß, wenn ich es nicht beſtaͤndig reinigte, ich die Vorhaut in acht Tagen nicht wieder ſuper Glandem wuͤrde zuruͤck bringen koͤnnen. Jch habe etwas, womit ich es waſche, welches ich mit Fleiß vermiſche. Dieſe Unreinigkeit hat einen heftigen Geruch, und ma - chet die Eichel gantz rohe, wenn ich ſie nicht rein halte. Und ſeit der Zeit habe ich von dieſer gottloſen Gewohnheit nachgelaſ - ſen, (davon ich ſchon einige Zeit vorher abgelaſſen hatte, ehe ich Jhr Buch zu ſehen bekam) ſo, daß ich ſeit der Zeit der wil - ligen Selbſtbefleckung nicht ſchuldig geweſen bin. Allein ich bin ſeit der Zeit mit naͤchtlichen pollutionibus in meinem Schlaf geplaget worden. Welches mir, wie ich befinde, auch Schaden thut, indem es die Feuchtigkeiten herunter zu die - ſen Theilen bringet, deſſen ich nicht gerne ſchuldig ſeyn wolte, wenn ich es verhindern koͤnnte. Bisweilen habe ich auch Emiſſiones ſeminis auf dem Stuhl, iedoch nicht gar oft. Jch kann aber nicht| dencken, daß mein Unvermoͤgen vom Mangel des Samens herruͤhre. Jch habe niemals einige fleiſchliche Kenntniß eines Weibes gehabt, wovon ich dem groſſen all - wiſſenden GOtt Rechenſchaft geben will; welches wichtige Worte ſind, wenn man ſie recht bedencket. Und koͤnnte der - jenige vortreffliche Rath ſtatt finden, den ein Rabbin ſeinem Schuͤler gab: Erinnere dich, ſpricht er, eines Auges, das alles ſiehet, eines Ohrs, das alles hoͤret, und einer Hand, die alles aufzeichnet, was du thuſt! O was fuͤr gluͤckliche Menſchen wuͤrden wir ſeyn! Denn weil wir das allſehende Auge GOttes nicht genug betrachten, ſo leben wir dergeſtalt in den Tag hinein. Sonſt wuͤrde uns dieſes in Furcht halten, wenn wir GOtt vor Augen haͤtten. Jch habe oft bey mir uͤberleget, was fuͤr eine Gnade es iſt, wenn GOtt einen Menſchen in ſeiner Jugend vor Suͤnden behuͤtet. Denn man pfleget in der Jugend ſolche Suͤnden zu begehen, die einem hernach Zeit Lebens als ein Pfeil im Gewiſſen ſte - cken. Daher es bloß der zuruͤckhaltenden Gnade GOttes zu - zuſchreiben, daß ein Menſch nicht in eben die groben Suͤn - den hinein rennet, worein andere fallen, und zu welchen die Jugend ſo gar geneigt zu ſeyn pfleget. Aus Ermangelung dieſer Gnade habe ich nun genug zu leiden. Doch habe ich noch Urſache, GOtt fuͤr ſeine zuruͤckhaltenden Gnade zu dan - cken, die mich noch von viel tauſenden unterſchieden, und vor offenbaren und ruchloſen Suͤnden bewahret, auſſer daß ich ihr durch mein wohlluͤſtiges und geitziges Temperament widerſtrebet habe. Jch gedencke oͤfters an Hiobs Worte: Denn du ſchreibeſt bittere Dinge wider mich, und laͤſ - ſeſt mich beſitzen die Suͤnden meiner Jugend, Hiob 12, 25. Aller Troſt aber, den ich finde, wenn ich mich dieſer Suͤndehalber187Betrachtung der Unreinigkeit. halber unterſuche, beſtehet darin, daß ich ſolche unwiſſend be - gangen habe. Denn ich wuſte niemals, daß es eine Suͤnde ſey, bis ich die Wunde davon ſchon lange Zeit gefuͤhlet hatte. Jch habe hernach tauſendmal gewuͤnſchet, daß ich mich der - ſelben niemals moͤchte ſchuldig gemachet haben. So aber muß ich mich unter die Zahl derjenigen Ungluͤckſeligen rech - nen, die ihr Gewiſſen und ihren Leib durch dieſe Suͤnde ſo heftig verwundet haben. Jch kann Jhnen aber nicht verhal - ten, daß meine Schwachheit nicht allein von dieſer gottloſen Gewohnheit herruͤhret; ſondern das viele und mancherley Zeug von Artzeney, ſo ich zu mir genommen, hat nicht wenig darzu beygetragen. Ob ich wol geſtehe, was die erſte Urſach meiner Unpaͤßlichkeit war: welches ich zwar nicht er - kannte, und ſolches nicht eher unterließ, bis ich die vorge - gedachte Beſchwerung an meinem præputio hatte. Denn ich dachte bisweilen, daß dieſes die Urſach ſeyn muͤſte, und die - ſes haͤtte mich allerdings auf andere Gedancken bringen ſol - len. Jch hoffe, Sie werden mir zugeſtehen, mein Herr, daß Suͤnden der Unwiſſenheit (ich meine keine Suͤnden muth - williger Unwiſſenheit) nicht ſo erſchrecklich ſind, als wenn man weiß, das etwas eine Suͤnde iſt, und ſolches doch bege - het. Paulus ſagte von ſich ſelbſt: Jch war ein Laͤſterer und Verfolger, und ein ſchaͤdlicher Mann, und den - noch iſt mir Barmhertzigkeit wiederfahren. Warum wiederfuhr ihm aber denn Barmhertzigkeit? Weil ich es un - wiſſend gethan hatte, ſetzet er hinzu. Zu meiner Betruͤb - niß und Schande aber beging ich dieſe Leichtfertigkeit, nach - dem ich bereits einige Wiſſenſchaft darum hatte, daß es Suͤn - de waͤre, welches um das 19. Jahr meines Alters war, als ich mich deren ſchuldig machte. Jch hatte eine Furcht in mir, daß es Suͤnde ſey, daher forſchete ich, wie oben gedacht, fleiſ - ſig nach, und befand, daß es allerdings Suͤnde ſey; allein ich erkannte die Erſchrecklichkeit derſelben noch nicht. Ueber eines muß ich mich nur verwundern. Wenn es eine ſolche Suͤn - de iſt, wie koͤmmt es denn, daß die Prediger eine ſo wichtige Pflicht mit Stillſchweigen uͤbergehen, und nicht ſowol da - vor warnen, als vor andern Suͤnden? Jch habe demnach, ſeitdem ich Jhr Buch geleſen, dafuͤr gehalten, daß ſie es wuͤr - den zu verantworten haben, daß ſie junge Leute nicht davor gewarnet, da ſie gewuſt, daß es eine ſo gemeine Suͤnde ſey, und dennoch ſo viele arme Seelen dahin leben und dahin ſterben laſſen, indem ſie dieſelben niemals davor gewarnet, zum wenigſten nicht auf eine ſo deutliche Weiſe, daß man ſie verſtehen kann. Jch habe durch Jhr vortreffliches Buch (denn dafuͤr halte ich es) viele in Beſtuͤrtzung geſetzt. Denn ich habe dieſes Buch, ſeitdem ich es beſitze, unterſchiedenen von meinen Bekannten gewieſen, woruͤber ſie recht erſchra -cken,188(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchecken, und zu mir ſagten, ſie haͤtten nicht gewuſt, daß es Suͤn - de ſey. Und ob ich ſchon wuſte, daß es Suͤnde waͤre, ſo war ich doch, wie geſagt, von der Schrecklichkeit derſelben noch nicht uͤberzeuget. Daher beging ich es aus Wohlluſt meines Fleiſches immer noch. Welches einen groſſen Schrecken in meinem Gemuͤthe verurſachte, ob ich ſchon wiederſtrebte, und einen friſchen Vorſatz nach dem andern faſſete. Jch ſchrieb einen erſchrecklichen Spruch auf ein Papier, und trug es an dem Hals, daß wenn ich zu Begehung dieſer Suͤnde verſucht wuͤrde, mich das Papier der Suͤnde erinnern, und alſo davon abſchrecken moͤchte ꝛc. Joſephs Worte kamen mir oͤfters in die Gedancken: Wie kann ich ein ſo groſſes Uebel thun, und wieder den HErrn meinen GOtt ſuͤndigen? 1 Moſ. 39, 9. Jch habe oft bey mir beſchloſſen, es niemals mehr zu begehen. Wenn ich aber ſicher wurde, und dieſen Verſuchungen nur im geringſten Raum gab: ſo ſahe ich mich uͤberwunden, welches mir alsdenn groſſe Ueberzeugung verurſachte. Denn dieſer Suͤnde wegen ſind wir iederzeit in Gefahr, wenn wir nicht auf unſerer Hut ſtehen. Alſo wurde endlich meine Suͤnde deſto groͤſſer; ob ich ſie ſchon ſelten beging, als etwa in drey oder vier Monaten einmal: aber ſo oft ich die That wieder - holte, ie groͤſſer war meine Suͤnde, und folglich auch mein Schrecken. Denn wenn ich ſie beging, konnte ich es, meiner Meinung nach, kaum willig nennen: weil es mir durch die heftige Uebereilung der Verſuchung meines hitzigen Tempe - raments, und wegen Ueberfluß des Saamens begegnete, wann ich am wenigſten geſonnen war, ſolches zu verſtatten. So ha - be ich auch kein Vergnuͤgen in dem Actu gehabt. Denn ſo bald ich befand, daß es kommen wolte, o was fuͤr Stacheln em - pfand ich in meinem Gewiſſen. Was fuͤr ſchreckliche Gedan - cken uͤberfielen mein Gemuͤth! daß ich oft bey mir ſelbſt ge - dachte: o was fuͤr Schrecken empfinde ich! Daher ich mir vor - ſetzte, mich deſſen nimmermehr wieder ſchuldig zu machen. Ja ich bin hinaus auf das Feld| gegangen, und vielmals recht betruͤbt geweſen, daß ich meinen Schoͤpfer auf dieſe Weiſe beleidiget hatte. O Thorheit! gedachte ich bey mir ſelbſt, alſo wieder dei - nen GOtt, wieder dich ſelbſt, wieder dein Gewiſſen und deine Ge - ſundheit zu ſuͤndigen! Jch habe heute dasjenige begangen, wel - ches ich nicht wieder verbuͤſſen kann, wenn gleich gantze Stroͤ - me aus meinen Augen floͤſſen. Es fielen mir die Worte des Propheten Jeremiaͤ ein: Deine eigene Gottloſigkeit ſoll dich zuͤchtigen, und dein Abweichen ſoll dich beſtraffen, Jerem. 2, 19. Wiſſe demnach und ſiehe, daß es ein boͤfes und bitteres Ding um die Suͤnde iſt. Allein, wenn ich noch ſo guten Vor - ſatz gefaſſet; ſo ſtund ich doch noch unter der Verſuchung: und wenn ich den Verſucher nur im geringſten verſuchte, oder dieſe Theile nur ein wenig beruͤhrte; ſo machte ich mich deſſen wie -der189Betrachtung der Unreinigkeit. der ſchuldig. Jch wuͤrde mich auch ſolcher Suͤnde bis dieſe Stunde ſchuldig gemacht haben, wenn ich nicht alle Gattun - gen derſelben geſehen haͤtte. Allein ich hatte meine Luſt durch die Gnade GOttes ſchon eine geraume Zeit beſieget, als ich Jhr Buch zu ſehen bekam, ſo, daß ich mich Pollutionis voluntariæ ſeitdem nicht ſchuldig gemacht habe. Jch gehe nun in das 21. Jahr meines Alters, und bitte GOtt, er wolle mich hinfuͤro vor dieſer und allen andern Suͤnden aus Gnaden bewahren. Und wenn es ſein Wille iſt, mir mein Leben zu friſten: ſo bin ich ent - ſchloſſen, mich der Selbſtverleugnung und einem heiligen Leben gaͤntzlich zu uͤbergeben, und ihm zu Ehren zu leben, wie einer elenden Creatur gegen ihren Schoͤpfer zu thun oblieget. Denn ich erkenne meine Miſſethat, und verlange, daß meine Suͤnde immer vor mir ſey. Drum ſeuftze ich mit David: HErr, gedencke nicht der Suͤnde meiner Jugend, noch meiner (vorigen) Uebertretung! Jch wuͤrde Sie nicht mit einer ſo weitlaͤuftigen Beſchreibung meines Zuſtandes beſchwe - ret haben, wenn ich gewuſt, wie ich Jhnen meine mancherley Schwachheiten muͤndlich entdecken moͤchte. Jch bitte, mein Herr, Sie betrachten meinen Zuſtand, und ſehen zu, ob Sie mir einige Huͤlfe verſchaffen koͤnnen. Jch bin Dero verbunde - ner, obſchon unbekannter geplagter Diener incognito.
P. 396. an den Buchhaͤndler, der das Buch Onania verkauft.
Mein Herr, da ich den Autorem nicht kenne, aber verneh - me, daß Sie das Buch Onania verlegt haben, welches von der Selbſtbefleckung handelt, und ich derſelben auch mit ſchuldig bin, und itzt ſchmertzlich fuͤr meine Thorheit leiden muß: ſo habe ich meiner Schuldigkeit gemaͤß zu ſeyn erachtet, die Erſchreck - lichkeit ſolcher Suͤnde zu entdecken, und Jhnen zu berichten, wie nachdruͤcklich ich den Zorn und das Mißfallen, ſo GOtt daran hat, an meiner eigenen Perſon erfahren habe: damit alle Kinder, ſo noch nicht geboren ſind, ſich moͤgen warnen laſ - ſen, ſolche Suͤnde und die ſie begleitende Straffe zu vermeiden. Erſtlich aber wird es nicht undienlich ſeyn, wenn ich den man - cherley Segen anzeige, deſſen ich mich zu erfreuen hatte, ehe ich die abſcheuliche Suͤnde begieng. Jch war von Natur eines ſtarcken geſunden Leibes, und von allen Beſchwerlichkeiten be - freyet, ſo daß ich mich uͤber nichts zu beklagen Urſach hatte, ja nicht einmal wuſte, was Kranckheit waͤre. Jch hatte einen ſo ordentlichen Appetit zu eſſen, daß es mir gantz leicht fiele, maͤßig zu leben, anderer herrlichen Leibes - und Gemuͤthsga - ben allhier zu geſchweigen. Dieſe alle verſchwanden alsbald wie ein Rauch, nachdem mich der Teufel zu Begehung ſolcher Suͤnde verleitet hatte. Eine Suͤnde, die ſo unnatuͤrlich iſt, daß ſie ein Menſch nimmermehr eingehen koͤnte, wenn er nicht von dem Teufel dazu verſuchet wuͤrde. Denn als ich 15. Jahr alt war, ſo ſtund ich unter groſſer Verſuchung, dieſe Suͤnde zu bege -hen.190(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchehen. Es konnte aber bey dieſem Alter noch nicht werckſtellig ge - macht werden. Alſo verließ mich dieſe Verſuchung, bis ich das 18. Jahr erreichet hatte. Alsdenn ſetzte ſie mir ſo ſtarck zu als vorhin. Kam aber auch da noch nicht zum Ausbruch. Alſo verließ ſie mich wieder, bis ich mich im zwanzigſten Jahr mei - nes Alters befand, und da wurde ich von derſelben uͤberwunden. Auf was fuͤr Art ich von derſelben uͤberwunden worden, will ich hier nicht beſchreiben. Es iſt dieſelbe ſo verhaßt, daß ich einen rechten Abſcheu deswegen an mir ſelbſt habe. So viel iſt gewiß, daß es eine Suͤnde iſt, die der Teufel ſelbſt erfunden hat. Denn, wenn ſie nur allein von der Fleiſchesluſt herruͤhrte, warum ſolte ein Menſch nicht Luſt haben, ſolche zu einer Zeit ſowol als zur andern zu begehen! Zumal wenn er einmal ſo geſund und ſtarck iſt, als das andere. Nachdem ich alſo gelernet hatte, ſol - che zu begehen: practicirte ich ſolche taͤglich daſſelbe gantze Jahr, bis ich das 21. Jahr meines Alters erreichet hatte; und da ſuchte mich der HErr mit einer ſchweren Kranckheit heim. Als ich aber wieder zu meiner Geſundheit gelangete: folgte ich meiner alten Gewohnheit daſſelbe Jahr aufs neue nach. Ge - gen das Ende deſſelben wurde ich mit einer Geſchwulſt an mei - nen heimlichen Gliedern geplagt. Weil ich aber wieder davon befreyet wurde: ſetzte ich meinen vorigen Lebenswandel immer weiter fort. Und weil mein Appetit ſo unordentlich worden war, daß ich bey der Mahlzeit mehr aß, als mir gut war: ſo ver - urſachte dieſe ſchaͤndliche Gewohnheit, daß ich gantz mager wur - de, und ſehr duͤrre ausſahe; da ich doch gern ſtarck und fett aus - geſehen haͤtte. Ehe ich dieſe Suͤnde begieng, hegte ich keine ſol - che Gedancken; aber durch dieſe zwey Contraria wurde ich deſto mehr gefoltert. Als ich in das zwey und zwanzigſte Jahr ging, und noch immer keine Warnung annehmen wolte: plagte mich GOtt mit einem Fieber, und brachte mich vor die Thuͤr des Grabes, und zeigte mir den hoͤlliſchen Abgrund. Denn ich war ſo gefaͤhrlich kranck, daß ich vermeinte, ich wuͤrde keine Nacht uͤberleben; ſondern gedachte alle Augenblick, nun wuͤrde ich zum Teufel fahren. Welches mich in ein ſolches Schrecken ſetzte, daß ich die Angſt nicht ausſprechen kann, in welcher ich mich be - fand. Da fing ich an, GOtt um Gnade und Barmhertzigkeit anzuflehen, und verſprach ein gottſeliges Leben zu fuͤhren, wenn er mir wieder zu meiner Geſundheit verhelfen wolte: da denn mein Fieber in kurtzer Zeit abnahm, bis ich gaͤntzlich davon be - freyet wurde. Alſo enthielt ich mich der vorigen Leichtfertigkeit eine Weile. Es waͤhrete aber nicht lange, ſo verleitete mich der Teufel, daß ich ſie wieder beging. Und mich meiner Suͤn - de eingedenck zu machen, ließ mich GOtt in wenig Stunden nach deren Begehung wieder in meine vorige Kranckheit fallen, ſo, daß ich augenſcheinlich ſahe, daß die Hand des HErrn dieſer Suͤnde wegen wieder mich war. Als ich aber meine Geſundheitwie -191Betrachtung der Unreinigkeit. wieder bekam: ſo gedachte ich von dieſer gottloſen Unart ab - zulaſſen. Allein die Gnade GOttes hatte dergeſtalt abgenom - men in meiner Seelen, und der Teufel hingegen eine ſolche Ge - walt uͤber mich erlanget, daß ich ſeinen Anfaͤllen nicht widerſte - hen konte. Mein Hertz war mir gantz ſchwer und traurig, wel - ches allein genug ſchien, mich von der garſtigen Unart abzuhal - ten. Aber endlich machte der Feind dieſe Schwermuth und Traurigkeit zu einem Mittel, mich aufs neue zu dieſer Suͤnde zu verleiten. Denn als ich gantz betruͤbt und ſchwermuͤthig beym Feuer ſaß: gab mir der Teufel ein, dieſe Suͤnde zu bege - hen. Hiermit ſtund ich auf, und ging in eine Scheune, wo ich dieſe Suͤnde beging. Als ich aber in die Scheune hinein trat, ſo kam mir ploͤtzlich in die Gedancken, ob auch vielleicht Geſpen - ſter darin ſeyn moͤchten, ſo daß ich dieſe Suͤnde ſicher begehen koͤnte. Aber der Teufel, welcher immer groſſe Sicherheit ver - ſpricht, wo ſich die groͤſte Gefahr findet, betrog mich: denn eben den Augenblick, da ich dieſe Suͤnde beging, kam mir vor, als ob von oben etwas herunter auf mich fiele. Es war weder ſchwer noch derb: denn es ſchwebte mir nur vor meinen Augen, wel - che von der Zeit an gantz ſchwach und dunckel wurden; da ſie doch mit 60. Jahren haͤtten ſchaͤrfer ſeyn koͤnnen, wenn ich ein tu - gendhaftes Leben gefuͤhret. Aber dieſes war meine Straffe noch nicht alle. Denn ich bekam eine ſo heftige Erkaͤltung, daß mich kein Doctor davon befreyen konte; ſondern dieſelbe fiel mir herunter auf die Lunge, davon ich wie ein Schatten verging. Dieſes geſchahe 1715. Was ich von der Zeit an ausgeſtanden ha - be, weiß kein Menſch als ich, auch bin ich nicht vermoͤgend, ſol - ches auszudrucken. Denn mein gantzer Leib war in Unord - nung gerathen. Jch hatte heftige Schmertzen im Haupt und auf der Bruſt, und war ſo verſtopft im Leibe, daß ich kaum mei - ne Nothdurft verrichten konnte; und dennoch hatte ich einen ſol - chen unerſaͤttlichen Appetit, daß mich nicht zu maͤßigen wuſte, wenn ich gleich uͤberzeuget war, daß es zu meiner Linderung diente. Was aber alle Schmertzen meines Leibes uͤbertraff, war die Pein, ſo ich in meinem Gemuͤth empfand ꝛc. Denn ich gedachte nun nicht anders, als daß ich eines langſamen To - des an der Schwindſucht ſterben wuͤrde. Und wenn ich mich der vorigen Staͤrcke, Geſundheit und Vermoͤglichkeit meines Leibes erinnerte, und zugleich bedachte, daß ich die Urſach meines Elendes ſelbſt waͤre, und ſahe, daß alles Vergnuͤgen und aller Troſt meines Lebens dahin ſey: ſo rieth mir die Ver - nunft ein beſſer Leben zu ſuchen, wenn dieſes geendet waͤre. Allein dieſes vermehrte mein Elend noch mehr. Denn wenn ich mich nach GOttes Wort unterſuchte: ſo erblickte ich ſo viel Suͤnde und Unreinigkeit an mir, die ich mir durch mein vergan - genes Leben zugezogen, daß es mich zur Verzweifelung trieb. Maſſen der Teufel nun eben ſo geſchaͤftig war, mich in Ver -zweif -192(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchezweiflung zu ſtuͤrtzen, als er vorhin geweſen war, mich zur Suͤn - de zu reitzen. Und da ich meinen Tod vor Augen ſahe, ſo konn - te ich nicht mehr ſicher ſeyn: daher beſtrebte ich mich mit allem Vermoͤgen, meine vorige Gottloſigkeit zu bereuen. Aber ach was kann ein Menſch thun, wenn ihn der Geiſt des HErrn verlaſſen hat? Denn ich mochte es angreiffen, wie ich wolte, ſo konte ich mich unter der Laſt meiner Suͤnden nicht aufrichten. Denn ich hatte keinen Glauben, der mich verſichern moͤgen, daß mir mei - ne Suͤnden ſolten vergeben werden. Und weil ich das wahre Weſen der Religion nicht verſtund: ſo vermeinte ich, die aͤuſſer - liche Uebungen derſelben wuͤrden mir eine Befoͤrderung zur Se - ligkeit ſeyn. Alſo ging ich fleißig zur Kirchen, und hoͤrte die Predigten mit Vergnuͤgen an, inſonderheit diejenigen, welche bußfertigen Suͤndern Vergebung verhieſſen. Daher war ich nun ſo ehrbar als iemand, und ſchien ſo fromm und andaͤchtig, als die meiſten. Allein meine Buſſe entſprang aus keinem lau - tern und aufrichtigen Hertzen; ſondern nur aus Furcht vor der Straffe. Und die Welt, welche einem Menſchen nicht ins Hertz ſehen kann, betrog ſich an mir. Denn ich wurde von etlichen Perſonen angemercket, welche wol recht fromm ſeyn mochten. Dieſe beredeten mich das heilige Abendmahl zu empfahen. Aber ach! wie ungeſchickt war ich fuͤr ein ſo heiliges Gaſtmahl: weil es mir an den noͤthigen Eigenſchaften fehlte, die mich zu einem wuͤrdigen Gaſt machen ſollen. Deſſen ungeachtet unterwand ich mich von Zeit zu Zeit zum Tiſch des HErrn zu gehen, bis mich im Jahr 1718. ein ſolch ſchreckliches Gericht betraf, wel - ches mich gaͤntzlich von GOtt und ſeinem Dienſt abzog. Wor - in dieſes goͤttliche Gericht beſtanden, will ich unterſchiedener Urſachen halber nicht hieher ſetzen. Denn wenn ich es gleich thaͤte, ſo wuͤrden es doch die wenigſten glauben, weil es dem ſinnlichen Auge verborgen iſt. Und gleichwie meine Suͤnden wieder den allmaͤchtigen GOtt begangen worden, daß ſie der Welt verborgen geblieben: alſo ſtraffet mich der Allmaͤchtige auch, daß die Welt meine Straffe nicht gewahr wird. Mein Wunſch iſt nur, daß alle diejenigen, welchen dieſer Brief zu Ge - ſichte kommen ſolte, ein Exempel an mir nehmen, und ſich durch dieſen meinen Fall warnen laſſen moͤgen; daß ſie ſich nicht unterſtehen, ohne gebuͤhrende Vorbereitung zum Tiſch des HErrn zu nahen. Um die Zeit, da mich dieſes goͤttliche Gericht betraf, hoͤrte ich eine Predigt, deren Text aus Luc. 19. v. 41. 42. genommen war. Und als er (JEſus) nahe hin - zu kam, ſahe er die Stadt an, und weinete uͤber ſie, und ſprach: Wenn du es wuͤſteſt, ſo wuͤrdeſt du auch be - dencken zu dieſer deiner Zeit, was zu deinem Frieden dienet. Aber nun iſt es vor deinen Augen verborgen. Woraus der Prediger vorſtellete, 1) daß ein Tag der Gnaden waͤre, woran ſich ein ieder Menſch gluͤckſelig machen koͤnnte,wenn193Betrachtung der Unreinigkeit. wenn er wolte. 2) Daß dieſer Tag nicht nach unſerm eige - nen Gefallen verlaͤngert werden koͤnnte. 3) Daß wir ſolchen verſchertzen moͤchten, und hernach waͤre keine Hoffnung der Barmhertzigkeit mehr uͤbrig. 4) Daß GOtt keinen Gefal - len am Verderben der Suͤnder haͤtte, ſondern auch diejeni - gen ſelbſt bejammere, die ſich ſeiner Gnade unwuͤrdig gemacht haben. 5) Fuͤhrte er eine gantze Reihe ſolcher Suͤnden an, welche den Menſchen ſolche ſchwere Gerichte GOttes uͤber den Hals zoͤgen. Wenn dieſe Predigt auf mich ins beſonde - re gerichtet, und niemand als mir allein gehalten worden waͤre, ſo haͤtte ſie dem Zuſtande meiner Seelen nicht naͤher kommen koͤnnen; und ich erkannte die Wege GOttes dar - aus, deren er ſich bedienet, ehe er die Menſchen in ihren ver - kehrten Sinn dahin giebet. Wobey ich mich ſehr wohl erin - nerte, wie gnaͤdig und langmuͤthig mein guͤtiger GOtt ge - gen mich geweſen war, und wie oft er mich vor denjenigen Gerichten gewarnet, die nun wieder mich herein zu brechen begunten. O wie kraͤnckte michs in der Seelen, wenn ich be - dachte, daß ich durch meine Gottloſigkeit die Gnade desjeni - gen verſchertzet, der doch mich gerne ſelig haben wolte, und mich im Gegentheil zu einem Sclaven des Satans gema - chet, der gegen das gantze menſchliche Geſchlecht einen unver - ſoͤhnlichen Haß traͤget, und ſich angelegen ſeyn laͤſſet, daſſelbe ins Verderben zu ſtuͤrtzen. Es duͤrften ſich vielleicht einige junge und unerfahrne Leute daruͤber wundern; wie doch der Teufel dieſes thun koͤnnte? Denn ich muß geſtehen, ich habe mich manchmal ſelbſt daruͤber verwundert; weil ich mir nicht einbilden konnte, wie es moͤglich ſey, daß die boͤſen Geiſter die Menſchen verſuchen und zur Suͤnde reitzen koͤnnten, da ſie mit Ketten zur Hoͤllen verſtoſſen waͤren. Nun aber weiß ich mehr als zu gewiß, daß ſie in der Luft ſchweben, und ſich dem Menſchen nahen koͤnnten, ihm boͤſe Gedancken einzugeben. Wo aber die Gnade GOttes herrſchet, da vermoͤgen ſie nichts auszurichten. Denn es iſt keine Suͤnde, verſucht zu wer - den, dafern ſich ein Menſch der Verſuchung nur nicht er - giebet. Und der eintzige Weg ſolcher zu entgehen iſt, daß man GOtt um ſeine Gnade bitte. Denn ich glaube ge - wiß, haͤtte ich mich ſo oft vor GOtt im Gebet und Flehen finden laſſen, als mir obgelegen waͤre, der Teufel wuͤrde nimmermehr ſo viel Mittel und Wege gefunden haben, mich zu vor erzehlten Suͤnden zu verleiten. Allein ſo iſt mehr als zu gewiß, was die Gottesgelehrten ſagen, daß ein Menſch, der nicht betet, gar bald von aller Gnade entbloͤſet wird. Ohne Gebet, ohne Gnade GOttes. Nun iſt aber keine Suͤnde der Gnade GOttes verhinderlicher, als die Selbſtbefleckung, als welche zum Himmel um Rache ſchreyet uͤber den Thaͤ - ter: weil es eine Art des Mordes iſt, und man durch dieſeI. Th. Betr. der Unreinigk. NSuͤn -194(I. Th.) Anatomiſch-MediciniſcheSuͤnde die Fortpflantzung vernichtet. Denn es koͤnnte eben ein ſolcher Menſch daraus werden und leben wie wir ſind. Es iſt eine Suͤnde, die man nicht abſcheulich ge - nug vorſtellen kann. Und der Verfaſſer iſt zu loben, daß er ein ſolches Buch, wie das Avertiſſement zu erkennen giebet, heraus gegeben hat. Denn ich habe das Buch ſelbſt noch nicht geſehen, ſondern nur gehoͤret, daß ein ſolches heraus ſeyn ſoll. Jch halte aber dafuͤr, wenn es wohlfeiler waͤre, ſo wuͤrde es von dem gemeinen Hauffen, unter welchem die - ſe Suͤnde gar ſehr im Schwange gehet, eher geſucht und an - genommen werden. Jch verlange, daß dasjenige, was ich hier geſchrieben habe, von dem Autore zu Ende ſeines Buchs einen Platz finden moͤge. Und wenn nicht alles ſo wohl an einander haͤnget, wie es ſeyn ſolte, ſo mag es eine geſchicktere Feder nach Gefallen aͤndern. Jedoch wuͤnſche ich, daß der Verſtand und Jnhalt behalten werde: weil es der Wahrheit gemaͤß iſt, und ich alles aus eigener Erfahrung alſo befun - den habe. Wobey mein demuͤthiges Bitten iſt, daß alle fromme und rechtſchaffene Chriſten Mitleiden mit meinem Zuſtande haben, und mich in ihr andaͤchtiges Gebet mit ein - ſchlieſſen, und GOtt anrufen moͤgen, ſich meiner zu erbar - men, und mich von dem erſchrecklichem Gerichte, worunter ich ſeufze, zu erloͤſen.
Begegnet der Autor den leichtſinnigen Zweifeln derer, die da gedencken: Sie haͤtten dergleichen Schaden an Seele und Leib noch nicht an ſich wahrgenommen; vielleicht komme es nicht bey allen ſo ꝛc. an ſehr verſchie - denen Orten des Buchs. Er ſpricht zum Exempel p. 27. Es giebt viele erſchreckliche Miſſethaͤter, die recht in der Suͤnde erhaͤrtet ſind, und ohne alle Buſſe und Reue immer in ihren weltlichen Ergetzlichkeiten fortfahren, Allein die wenigſten gehen endlich ſo ruhig zu Grabe. Die meiſten groben Suͤnder fuͤhlen, ehe ſie ſterben, eine bittre Reue, und werden mit ſcharfen Gewiſſensſtichen gequaͤlet, die ihnen ihre Schuld vorruͤcken, und ſolche in ihren eigentlichen Far - ben und erſchrecklichſten Geſtalten vor Augen ſtellen. Wie muß einem Menſchen zu Muthe ſeyn, wenn er an die ver - gangenen Thaten ſeines Lebens gedencket, und kaum zu der Helfte des Alters gelanget, wozu er gar vernuͤnftig haͤtte ge - langen koͤnnen? Nun aber findet er ſich durch die Gewohn - heit der Selbſtbefleckung gantz entkraͤftet, ſeine Geiſter nie - dergeſchlagen, ſeinen Leib abgezehret, und ſeine Staͤrcke ver - fallen. Wobey er inunaufhoͤrlicher Gefahr ſtehet, ſich gezwun - gen zu ſehen, ſeinen unreinen Odem bey der geringſten Stren -gig -195Betrachtung der Unreinigkeit. gigkeit der Jahrszeit oder einem andern ſchlechten Zufall auf - zugeben. Wie muß einem ſolchen Menſchen zu Muthe ſeyn, ſage ich, wenn ſich ihm ſein Laſter in ſeiner allergraͤßlichſten Geſtalt darſtellet? Wenn ihm ſein Gewiſſen vorruͤcket, daß er durch ſo viel wiederholte Mordthaten ſich endlich ſelbſt, noch wohl vor ſeinem dreyßigſten Jahre (davon mir unter - ſchiedliche Exempel aus eigener Erfahrung bekannt ſind) ins Grab ſtuͤrtzet? Wenn ſich dieſes groſſe Ungluͤck nur ſo gar ſelten zutraͤgt, ſo giebt es viel andere Schwachheiten, die ſehr kuͤmmerliche Gedancken verurſachen koͤnnen. Wenn ſich Leute von anſehnlichen Vermoͤgen, in der beſten Bluͤte ihres Alters ihrer Mannheit beraubet finden, und aus Ueberzeugung ihres Unvermoͤgens und der verfluchten Urſache deſſelben ſich gezwungen ſehen, die vortheilhafteſten Heyrathen auszuſchla - gen, und ohne die geringſte Hoffnung einiger Erben andern zur Verachtung und ſich ſelbſt zur Laſt herum gehen, wel - chem Ungluͤck vielleicht noch dieſe Mortification beygefuͤget wird, daß der Name und die Ehre eines alten Geſchlechts mit ihnen verloͤſchet, und in eine ewige Vergeſſenheit ver - graben wird, da immittelſt die praͤchtigen Gebaͤude und ſchoͤ - nen Landſitze ihrer tugendhaften Vorfahren von Fremden be - ſeſſen, oder wohl gar niedergeriſſen werden. Andere, denen es eben nicht an Erben nach ihrem Tode fehlet, bekommen doch kleine verbuttete Kinder, die mehr durch Artzeney, als Kuͤchenſpeiſen aufgezogen werden, welche ſie mit 14. oder 15. Jahren, oder vielleicht noch juͤnger wieder verlaſſen muͤſſen, ohne einige Wahrſcheinlichkeit zu einem rechten Alter zu ge - langen. Wenn nun Leute von groſſem Vermoͤgen nicht wei - ter als auf dieſe ſehen koͤnnen, und zugleich Urſach haben ſich ſelbſt alle Schuld beyzumeſſen, weil ſie ſich in ihrer Ju - gend durch die ſchaͤndliche Selbſtbefleckung ſo ſehr geſchwaͤchet haben: ſo muß ſolches allerdings ein ſehr trauriger Zuſtand ſeyn.
P. 29. ‒ ‒ ‒ ‒ Wie muß nicht die Schuld die Perſonen beyderley Geſchlechts beſtuͤrtzt und verwirret machen, wenn ſie von der Ueberzeugung ihrer vielfaͤltigen Laſter und er - ſchrecklichen Beleidigungen GOttes geruͤhret werden. O wie muͤſſen ſie mit Schmertzen an die vergangenen Haͤndel zuruͤck gedencken! wie groß werden ſie ſich nicht alsdenn dieſe Laſter in ihrer eigenen Einbildung vorſtellen! Und es bilde ſich nur niemand ein, daß die Folgen dieſer Suͤnde und aller Wercke der Unreinigkeit bey denen nicht ſo traurig ſeyn werden, die entweder dergleichen leiblichen Plagen und Schwachheiten nicht treffen, und uͤber welche kein zeitliches Elend einigen Eindruck machen oder ſie zur Buſſe bewegen kann. Dieje - nigen, die niemals einige Bekuͤmmerniß uͤber ihre Suͤnden fuͤhlen, ſind oft auch eben ſo unempfindlich wegen der Stra -N 2fe196(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchefe derſelben; ich meyne ſolche Strafen, die ſie auch noch in dieſem Leben zu treffen pflegen. Man kann die Gerichte GOttes bisweilen uͤber den Haͤuptern der Unzuͤchtigen haͤn - gen ſehen, wie ſie ihnen drohen herein zu brechen, wie ſie die - ſelben recht augenſcheinlich entweder an ihrer eigenen Per - ſon, oder an ihren Anverwandten, oder bey ihren Angelegen - heiten in der Welt gleichſam uͤberall verfolgen, daß ſie un - ter dem Elend, Sorgen und mancherley Ungluͤcksfaͤllen, die ſie ſich uͤber den Hals gezogen haben, ſeufzen und klagen muͤſſen. Und dennoch wird man ſehen, wie wenig Empfin - dung ſie von der Urſache haben, warum ihnen dieſe traurige Plagen auferleget werden. Da werden ſie die Urſach bald dieſem bald jenem beymeſſen, an ſtatt, daß ſie ſich ſolche ſelbſt zuſchreiben ſolten. Ja einige fahren in ihrer Sicherheit ſo lange fort, bis ſie die Gerichte GOttes ergreiffen, und ſie in ihrer Unbußfertigkeit wegraffen, welches der allerjaͤmmer - lichſte und gefaͤhrlichſte Zuſtand iſt, worein ein Menſch nur fallen kann. Denn ſo lange der Suͤnder ſeine Schuld und die derſelben gebuͤhrende Strafe noch erkennet, ſo lange iſt noch einige Hoffnung. Wenn er aber einen ſolchen Grad der Verſtockung erreichet hat, daß er nichts mehr davon fuͤh - let, alsdenn iſt ſich wenig Hoffnung mehr von ihm zu ma - chen. Denn da ſtehet er gleichſam auf dem Rande des ewi - gen Verderbens, und fehlet nicht mehr als ein Schritt, ihn vollends hinein zu ſtuͤrtzen. Aus dieſem letzt beſagten dem - nach iſt offenbar, daß weder die Entgehung des leiblichen Leidens, welches ſo oft auf dieſes Laſter folget, noch auch die Unempfindlichkeit der Suͤnde oder zeitlichen Strafen derſel - ben, eine Aenderung und Beſſerung nach ſich ziehen. Jm Gegentheil erhellet eben ſo klar, daß die Folgen dieſes La - ſters die Betrachtung ſeiner Urſache den Suͤndern auf man - cherley Weiſe hoͤchſt erſchrecklich vorſtellen, und eine ſolche unbegreifliche Feindſchaft gegen ſich ſelbſt erwecken, die ſich ohne GOttes ſonderbare Barmhertzigkeit in nichts anders als der gaͤntzlichen Verzweifelung endigen kann. Der Autor thut dar, daß in einem natuͤrlich geſunden Leibe nie kein Ueber - fluß des Samens, die Kranckheiten |verurſachen koͤnne, moͤg - lich ſey, ſo er maͤßig und arbeitſam iſt; und daß eine ſolche Beſchuldigung der Natur und ihrer Nothwendigkeit nie mit keinem Exempel der unvernuͤnftigen Thiere, oder auch der geſunden Menſchen koͤnne erwieſen werden.
p. 410. Und hin und wieder, kan man z. E. folgende Atteſtata leſen: Einer ſpricht: Jch bin mit oͤftern und hefftigen Schmer - tzen, mit Schwindel, Sauſen und Brauſen in meinem Haupte geplaget, das letztere iſt ſelten ſo mercklich, als wenn ich mich nieder gelegt habe. Wenn ich noch ſo groſſe Luſt zu leſen oder ſchreiben empfinde, ſo werde ich gleich muͤde und ſchwach im Haupt, und wenn ich eine Weile laut leſe,ſo197Betrachtung der Unreinigkeit. ſo wird mir der Mund gantz trocken, und die Gedancken ver - gehen mir. Bisweilen habe ich innerliches Zittern und Hertzklopfen. Zu anderer Zeit uͤberfaͤllt mich ein kalter Schauer, und gehet mir durch alle Theile meines Leibes; und wenn ich mich eine Weile wo auflehne, ſo erſtarren mir alsbald meine Arme, daß es ſcheinet, als ob ich gar keine na - tuͤrliche Waͤrme mehr uͤbrig haͤtte. Was aber meinen Kum - mer noch heftiger vermehret iſt dieſes, daß ich ſolches vor ein Zeichen halte, ſo vor der Schwindſucht hergehet. Jch ha - be ein heßliches Aufſteigen in meinem Halſe, und wenn ich mich reuſpere, ſo koͤmmet dicker Speichel zum Vorſchein. Die oft wiederholte Begehung dieſer abſcheulichen Gewohnheit hat gantz gewiß mein Wachsthum verhindert, und nicht nur dieſes, ſondern es hat auch ſehr viel zu Verringerung der ſpermatiſchen Theile beygetragen.
Ein anderer ſpricht: Jch habe oͤfters einen Schmertzen im Creutz. Mein Gehirn iſt wie gantz betaͤubet und ich habe nicht einen heitern Gedancken. Mein Gedaͤchtniß iſt uͤber - aus boͤs, da es doch ſonſt nicht ſo zu ſeyn pflegte. Und es hat oftmals des Nachts ſolche Seminal-Emiſſiones hervor gebracht, die zwar eben nicht uͤbermaͤßig groß geweſen ſind, nebſt einer Schwachheit in dem Penis und der Verluſt der Erection; und die Roͤhre, ſo das Waſſer treibet, iſt nicht ſo ſtarck als ſie zu ſeyn pfleget. Jch bin beydes am Leibe und am Gemuͤthe geplaget und verlange einigen Rath bey Jhnen.
Ein anderer: Wenn ich ihr Buch nicht geleſen haͤtte, ſo wuͤrde ich eher geſtorben ſeyn, als daß ich meinen Zuſtand ei - nem lebendigen Menſchen wuͤrde entdecket haben. Jch habe nun veraͤnderliche Schmertzen, die mir bald in den Ruͤcken, bald auf die Bruſt, bald wiederum und zwar am gemeinſten in die Schenckel und Beine kommen, welche gantz hitzig aus - ſehen, auch mich ſehr unruhig, ungeſchickt zur Arbeit, und ſo verdruͤßlich und traͤge machen, daß ich oft ſtehend einſchlafen moͤchte. Dieſe Veraͤnderung hat ſich nur ſeit dieſem Monat gefunden, ausgenommen das Flieſſen, welches bisweilen als - bald nach Laſſung des Urins koͤmmt.
Ein anderer: Es wird mir nicht viel helfen, wenn ich Jh - nen ſage, daß ich von frommen Eltern geboren und gar gott - ſelig auferzogen worden. Deſſen ungeachtet lernte ich zwi - ſchen meinem funfzehenden und ſechzehenden Jahre durch boͤſe Geſellſchaft die laſterhafte Gewohnheit der Selbſtbefleckung, und trieb endlich ſolche Unart ſehr oft, (o abſcheuliche Suͤn - de wieder GOtt und erſchrecklicher Misbrauch meines armen Leibes!) Daher wurde ich endlich einer von denjenigen, deren Augen voll Ehebruch ſind, und konnte von dieſer Suͤn - de nicht mehr ablaſſen. Jch habe weder an Staͤrcke noch Statur zugenommen, ſeit dem ich 17. Jahr geweſen bin. JchN 3glau -198(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſcheglaube, daß ich durch die an mir ſelbſt veruͤbte Grauſamkeit meine vorher bluͤhende Natur verderbet habe. Jch wurde meines Fehlers uͤberzeuget, und demuͤthigte mich zwiſchen meinen 17. und 18ten Jahre vor GOtt. Es fiel mir aber ſchwer, meine ſtarcken Luͤſte zu uͤberwinden, daher ich ſtatt eines Mittels dazu in einem halben Jahre nichts, als Waſ - ſer, oder Milch und Waſſer tranck. Mein Fluß iſt nun gantz klein, die Theile ſchwach, wie auch der ſchmale Ruͤ - cken, werde auch immer ſchwaͤcher und ſchwaͤcher an dieſen Theilen ſeit 2. Jahren her. Ja meine Gottloſigkeit iſt ſo groß geweſen, daß wenn ich nur ein verliebtes Bild ge - ſehen, oder nur mit einem Kinde geſpielet, ſolches meinen Fluß vermehret und mich mit einer continuir - lichen Begierde den Urin zu laſſen, geplaget. Meine Le - bensgeiſter ſind gar ſehr abgemattet, und meine Lenden ſchwach. Und da mein Geſchaͤft das Studiren iſt, ſo ſcheinet mein Gehirn zu mancher Jahrszeit gantz erſtarrt und betaͤu - bet zu ſeyn, daß ich nicht einen heitern Gedancken haben kann.
Ein anderer: Um das 15. Jahr meines Alters war ich ſo ungluͤcklich, einen Schlafgeſellen zu bekommen, der mir (zu meiner gegenwaͤrtigen Betruͤbniß) die verdammte und ver - fluchte Gewohnheit, oder vielmehr teufliſche Unart der Selbſtbefleckung beybrachte, welche ich von der Zeit an, ohne ſonderliche Unterlaſſung getrieben habe. Jch bin bis - weilen ſo ſchwindlicht, daß ich kaum weiß, was die Leute in Geſellſchaft reden. Mein Gedaͤchtniß hat mich gaͤntzlich ver - laſſen, daß ich mich einer Sache kaum drey Tage erinnern kann. Jch bin gantz traͤge, ſchlaͤfrig und traurig, daß ich mich vielmals des Seufzens nicht enthalten kann, ohne zu wiſſen, was die Urſache iſt. Meine Leibeskraͤfte ſind auch ſehr geſchwaͤchet, denn ich mercke oͤfters an, wenn ich eine hohe Treppe hinauf ſteige, daß ſich meine Knie unter mir beugen. So kann ich auch nicht mehr mit ſolcher Gemaͤch - lichkeit und Leichtigkeit gehen, wie ſonſten. Jch fuͤhle zu - weilen einen fliegenden Schmertzen in meinen Armen, Ruͤ - cken und Lenden, wie auch in meinen Fingern, deren Gelen - cke dergeſtalt geſchwaͤchet ſind, daß ich beſorge, meine Nerven muͤſſen angegriffen ſeyn. Jch finde meinen Leib bisweilen, wenn ich zu Bette gehe, voller ausgefahrnen Blaͤttergen, nebſt einem erſchrecklichen Jucken an meinen Armen, Bei - nen und Schenckeln inſonderheit. Jch kratze manchmal in meine Beine hinein, bis das Blut nachgehet. Wenn ich meinen Arm auflege, indem ich ſchreibe, oder leſe, ſo iſt er mir gantz eingeſchlaffen und erſtarret.
Ein anderer: Jch bin einer von den ungluͤckſeligen jungenLeu -199Betrachtung der Unreinigkeit. Leuten, der ich mich dergeſtalt durch die abſcheuliche Unart der Selbſtbefleckung verderbet habe, daß ich beſorge, alle Mittel, die ich gebrauchen kann, werden mir nicht wieder zu meiner natuͤrlichen Staͤrcke verhelffen. Jch lernte dieſe ſchaͤndliche Leichtfertigkeit erſtlich durch das Exempel eines Schulgeſellen, als ich ohngefehr 12. Jahr alt war und folgte ihr faſt bis ins 15te Jahr nach. Jn welcher Zeit ich mich ſo daran gewoͤhnet hatte, daß ich mich auch unter der Schu - le deſſen bisweilen nicht enthalten konnte, ungeachtet ſolches mir oͤfters von meinen Schulgeſellen verwieſen wurde. Weil ſich aber einige darunter auch nicht gerecht wuſten, ſo kam es nicht vor den Lehrmeiſter, der ſonſt gewiß ein Exempel wuͤrde ſtatuiret haben. Jch ließ alsdenn ein Viertel Jahr lang davon ab, in welcher Zeit ich oͤfters Pollutiones no - cturnas zu haben pflegte und lange Zeit einen Schmertzen in meinem Ruͤcken, daß, wenn ich des Morgens aufſtunde, ich kaum vermoͤgend war meine Strumpfbaͤnder zuzubinden. Jch gehe nun ins 22te Jahr und habe nun dieſe letzten drey Jahre her meine vorige abſcheuliche Gewohnheit uͤber dreyſ - ſigmal wiederholet; aber ſeit Leſung Jhres Buchs, ſo ich nur letzlich gekaufet, habe ich den Schluß gefaſſet, dergleichen Laſter nimmermehr wieder zu begehen, und hoffe, GOtt wer - de mir auf meine aufrichtige Bekehrung meine vorige Miſ - ſethaten vergeben.
Wiederum: Jch habe viele Jahre ſehr ſchwache Nerven und ſehr ſtarcke Fluͤſſe gehabt. Wenn ich mich auf meinen Ellnbogen ſteure oder einige Gewalt mit meinen Haͤnden brauche, ſo erſtarren ſie gleich, und meine Finger ziehen ſich zuſammen als ob ich den Krampf haͤtte. Mein Magen ſcheint auswendig geſchwollen zu ſeyn, und ich habe einen hef - tigen Schmertzen darinnen, daß ich oͤfters dencke, ich muß er - ſticken, und es koͤmmt mir vor, als ob mir inwendig von Halſe bis zum Nabel alles rohe waͤre. Jch habe auch Reiſ - ſen in meinem Ruͤcken, zwiſchen meinen Lenden und unter meinen Schultern. Wenn ich mich ausdehnen will, ſo pfle - gen alle meine Gebeine zu knacken, daß mans hoͤren kann, wenn man neben mir ſtehet. Wenn ich manchesmal mei - nen Kopf auf eine Seite wende oder viel reden will, ſo faͤllt mirs grauſam beſchwerlich. Der hohle Raum meines Ma - gens und unter meinen Schultern ſcheinet inwendig geſchwol - len und voller Schmertzen zu ſeyn, Meine Haͤnde ſind mir ſelten warm, und meine Fußknoͤchel ſcheinen mir des Nachts gantz geſchwollen und ſchmertzhaft zu ſeyn. Wenn ich vom Schlaf erwache, ſo ſind mir meine Arme gantz erſtarrt, und wenn ich auf dem Ruͤcken gelegen bin, empfinde ich groſſen Schmertzen in meinen Ferſen. Wenn ich mich auf meine Ellnbogen lehne, ſo ſind ſie mir gantz erſtarret, es ſticht michN 4in200(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchein der Seiten, daß ich kaum aufrecht ſitzen kann. Wenn ich gehen will, moͤchte ich vor Erſtarrung in meinen Lenden und Schmertzen im Magen und Ruͤcken in Ohnmacht ſincken. Es iſt als wenn bisweilen Nadeln in meinen Schultern ſtaͤ - cken. Es ſticht mich, wenn ich mit der Hand auf den Kopf greiffen will, ſo daß ich mir einbilde, ich muß mir inwendig was zerſprengt oder verrenckt haben. Nachdem ich den gan - tzen Tag die Schmertzen ausgeſtanden, ſo ſteigt mir gegen Abend eine ploͤtzliche Hitze ins Geſicht, daß mir der Kopf da - von ſummet und brummet und die Augen ſo dunckel wer - den, daß ich faſt nicht ſehen kann. Des Morgens erwache ich ſehr durſtig, und meine Zunge iſt gantz weiß, habe groſſe innerliche Hitze und Neigung mich zu erbrechen; bin gantz ſchwindlicht und ſtets kraͤncklichen Zufaͤllen unterworfen; aber die Schmertzen an meinem Leibe ſind ſo groß, daß ich mich hieruͤber nicht wundere.
Ein anderer: Jch gedachte aber damals nicht daran, daß es ſolche ſchaͤdliche Folgen nach ſich ziehen wuͤrde, wie ich nun an Seel und Leib empfunden habe. Denn die letzte hat wohl, ſo lang einer dieſer Suͤnde nachhaͤnget, wenig Gemein - ſchaft mit goͤttlichen Dingen. Sintemal der Apoſtel Pau - lus ſpricht, daß der Heil. Geiſt in keiner befleckten Seele wohne. Und was den erſten anbetrifft, ſo hat derſelbe bereits mehr, als zu viel, erlitten. Und ich bitte GOtt, daß dieſes ſeine eintzige Strafe ſeyn moͤge, maſſen meine Leibesbeſchaf - fenheit gaͤntzlich erſchoͤpft und meine Gelencke entkraͤftet ſind. Denn erſtlich bin ich mit einem erſchrecklichen Zittern am gantzen Leibe geplagt, inſonderheit an meinen Haͤnden und Armen, nebſt Schmertzen im Haupt, Lenden und Ruͤcken, als auch um diejenigen Theile, welche am meiſten zu dieſer abſcheulichen Gottloſigkeit beygetragen haben, der faſt un - aufhoͤrlichen Laſſung des Urins, womit ich dieſe verwichnen neun Monate geplagt bin, ob ſchon nur ein klein wenig auf einmal hinweg gehet, zu geſchweigen. Wenn Sie es vor gut befinden, ſo bin ichs zufrieden, daß dieſer Brief oder ein Theil deſſelben ihrer naͤchſten Herausgabe der Onania beyge - fuͤget werde, damit durch mein Exempel andre von derglei - chen abſcheulichen Suͤnde abgeſchrecket werden moͤgen, welche mich vielleicht, wenn ich nicht das Gluͤck gehabt, Jhr Buch anzutreffen, ploͤtzlich moͤchte ins Grab geſtuͤrtzet haben, wel - ches eine traurige Sache vor einen Juͤngling meines Alters wuͤrde geweſen ſeyn, da ich kaum das achtzehende Jahr er - reichet habe.
Ein anderer: Jch befinde mich gantz ſchwach und matt und habe eine Schwachheit in meinen heimlichen Theilen, ſo daß, wenn ich das Waſſer laſſe, ſolches nicht mit ſo groſ -ſer201Betrachtung der Unreinigkeit. ſer Leichtigkeit hinweg gehet, als es zu thun pflegte. Jch habe Stechen im Ruͤcken, welches von einem Ort zum andern herum ziehet, und fuͤhle auch bisweilen dieſen Schmertzen in meinen Schenckeln und Ruͤcken. Meine Gemuͤthskraͤfte ſind gar ſehr geſchwaͤchet. Mein Gedaͤchtniß iſt ſehr ſchlimm, und meine Nerven ſind ſchwach und mit oͤftern Zittern be - laden. Der Kopf wird mir gantz tumm und ſchwindlich, daß ich gantz verdroſſen und niedergeſchlagen werde. Meine Stimme iſt nicht ſo ſtarck, als ſie zu ſeyn pflegte. Jch bin, GOtt ſey Danck, zu einer voͤlligen Ueberzeugung meiner Suͤnde gebracht, welches ich vornemlich der Leſung Jhres Buchs zu dancken habe.
Ein anderer: Jch bin einer von den vielen ungluͤckſeligen jungen Leuten, welche ſich ohne Betrachtung ihres Gewiſſens, ihrer Geſundheit und Ehre gar ſehr durch die abſcheuliche Unart, die Sie mit Recht ſo ſcharf beſtrafet, hoͤchlich be - nachtheiligt haben. Es iſt nun mehr als fuͤnf Jahr ſeit dem ich mich zuerſt damit befleckte, zu welcher Zeit ich es ſehr oft practicirte, und dieſe ſchaͤndliche Arbeit mit geringer Unter - laſſung eine geraume Zeit forttrieb. Weil ich aber von Na - tur von einer ſehr guten Conſtitution war, ſo wurde ich den Nachtheil, den ich mir zugefuͤget, nicht ſo gleich gewahr. Jch kann es ſo genau nicht ſagen, wenn ich zuerſt gewahr wor - den, daß ich mir einigen Schaden zugefuͤget. Aber ich glaube, es iſt ſchon uͤber drey Jahr, als nur nach einem gemaͤßigten Spatziergang es ſich durch eine Schwach - heit in meinem ſchmalen Ruͤcken und meinen Knien und Zaͤ - hen entdeckte. Ueber dieſes hatte ich wieder meinen Willen Pollutiones nocturnas, ſehr unreinen Urin, der bald wie Mol - cken, bald gantz braun und zu andern Zeiten wiederum gantz blutig ausſahe. Jch bin nun bey nahe 23. Jahr alt, und ha - be das letzte Jahr oder laͤnger dieſe unreine Befleckung un - terlaſſen, aber ach! daß die traurigen Wirckungen derſelben gleichfalls nachgelaſſen haͤtten. Allein dieſe werden leider! immer ſtaͤrcker. Mein Urin iſt gemeiniglich bleich oder un - rein; mein Kopf ſehr unordentlich und verworren, welches mir eine groſſe Hinderniß am Studieren iſt, und mich bis - weilen gaͤntzlich untuͤchtig dazu macht. Mein Gedaͤchtniß wird ins beſondere angegriffen, und ich bin gemeiniglich mit ungemeiner Schwermuͤthigkeit beladen, welches mir (etliche wenige Intervalla ausgenommen) mein Leben gantz verdruͤß - lich machet. Jch kann Jhnen auch nicht verſchweigen, mein Herr, daß meine Teſticuln eine lange Zeit her bald in einem groͤſſern bald in einem geringern Grade, mehrentheils gantz ſchlaff und kalt anzufuͤhlen geweſen, und der lincke inſonder - heit ſcheinet wie geſchwunden und eingeſchrumpffelt zu ſeyn.
N 5Ein202(I. Th.) Anatomiſch-MediciniſcheEin anderer: Jch bin auch aus der Zahl derjenigen un - gluͤckſeligen jungen Leute, welche ſich, wiewol aus Unwiſ - ſenheit durch die abſcheuliche Gewohnheit der Selbſtbefle - ckung groſſen Schaden zugefuͤget haben. Jch habe durch dieſe Suͤnde eine entſetzliche Schuld auf mich geladen. Als ich aber Jhr vortreffliches Buch gekaufet und darinnen gele - ſen, ſo wurde ich die ungluͤckliche Klippe gewahr, an welcher ich ſo oft geſcheitert war. Denn gewiß, haͤtte ich das Gluͤck gehabt Jhr Buch vor 5. Jahren anzutreffen, ich haͤtte mich dieſes Laſters nicht ſchuldig gemacht, welches ich ſchon in mei - nem 15ten Jahre auszuuͤben anfing, und uͤber 2. Jahr dar - innen fortfuhr, ſo daß ichs zum wenigſten die Woche einmal oder oͤfter beging. Aber GOtt hat an mir eine groſſe Barm - hertzigkeit erwieſen, daß er mich mit einem Bruche beſtraffet und mir alſo hierin einen Einhalt gethan, ob ich gleich deſſen ohngeachtet unterſchiedne mal wieder in dieſe Suͤnde gefallen. Allein als ich nach dieſem uͤber Jhr Buch gerieth, ſo hatte ich den erſten Theil deſſelben noch nicht ſo bald durch - geblaͤttert, als ich mit gewaltigem Schrecken und Entſetzen befallen wurde. Und gewiß, es iſt unmoͤglich die Unruhe meines Gemuͤths allhier auszudrucken, unter welcher ich mich gemartert, ſeit dem ich dieſe ſchaͤndliche Lebensart angefan - gen und wenn irgend wo auf der Erden eine Hoͤlle zu finden iſt, ſo glaube ich, ich bin damals drinnen geweſen, ob ich ſchon nicht ſagen konnte, wovon ſolche Angſt herruͤhrte. Aber nun bin ich gaͤntzlich uͤberzeugt, daß dieſes die Urſache geweſen, die GOttes Zorn gereitzet, mich auf ſolche erſchreck - liche Weiſe zu beſtrafen. Jch habe es nunmehro in die zwey Jahre her und druͤber unterlaſſen, und bin itzo neunzehen Jahr alt. Doch habe ich unterdeſſen faſt immer Emiſſiones nocturnas, zum wenigſten jede Woche einmal gehabt, und bin bis itzo noch mit dieſem Uebel behafftet, welches mich un - gemein beunruhiget. Jch habe derohalben meine Zuflucht zu Jhnen genommen, in der Hoffnung, Sie werden mit mir eden, wie mit andern, die ſich in dergleichen Umſtaͤnden be - funden, einiges Mitleiden haben, und mich nicht unter mei - ner Kranckheit erliegen laſſen, die mich gewiß in mein gaͤntz - liches Verderben ſtuͤrtzet, wenn mich nicht jemand aus chriſt - licher Liebe davon befreyet. Das Uebel, ſo ich mir durch dieſe verfluchte Gewohnheit zugezogen, iſt mancherley. Das vornehmſte iſt die Bloͤdigkeit meiner Augen, der ich ſchon uͤber vier bis fuͤnf Monat unterworfen geweſen. Meine Gemuͤthskraͤfte ſind durch dieſe Gewohnheit ſehr geſchwaͤ - chet, und mein Gedaͤchtniß welches ſonſt ſehr gut war, taugt im Grunde nichts mehr. Mein Gehirn iſt zuweilen hefftig ſtumpf und wie erſtorben. Und dieſes machet mich ſehr un - geſchickt zu meinen Verrichtungen.
DEr gruͤndliche Englaͤnder Salmon hat in ſeinen zwey Schriften, der rechte Gebrauch und Miß - brauch des Ehebettes; und: die Wichtigkeit des Eheſtandes, die neulich zu Leipzig ins Teuſche uͤberſetzt heraus gekommen, ſehr viel hierher gehoͤriges, ſo ſich oben zu dem achten Lehrſatz ſonderlich ſchicket, und zu deſſen Beſtaͤtigung dienet. Er ſpricht zum Exempel im erſten pag. 85. Jch habe nicht noͤthig mich deut - licher zu erklaͤren. Die Natur ſelbſt uͤberhebt mich ſolcher Muͤhe und gibt mir voͤllige Freyheit dieſen kuͤtzlichen Punct mit der ſchaͤrfſten Anmerckung zu beruͤhren. Sintemal ſie es ſo oͤffentlich beſtraffet hat, daß man das Laſter der unzuͤchtigen Eltern an dem Leibe ihrer Kinder erkennen kann. Derglei - chen Kinder gereichen ihren Eltern zur Beſchaͤmung, ſo oft ſie die ſcorbutiſchen Feuchtigkeiten durch die Carfunckel und Blattern an den Geſichtern der armen unſchuldigen Laͤm - mer ausbrechen ſehen, welche die Schmach auf eine recht ungluͤckſelige Weiſe tragen muͤſſen.
Und pag. 440. ſeqq. Unſere Vorfahren haben viel genauer uͤber dem Geſetz der Natur gehalten als wir. Maſſen ſie vor denjenigen Befleckungen, woruͤber ich klage, einen Ab - ſcheu bezeuget, und aus eben dieſer Urſache viel geſuͤndere Nachkommen hinter ſich gelaſſen, als wir uns vielleicht von denen, die auf uns folgen werden, verſprechen koͤnnen. Es iſt ein groſſes Ungluͤck, daß dieſe Unart den Nachkommen ſo viel ſchadet; wir moͤgen es bedencken oder nicht. Es kann nicht anders ſeyn, unſere Kinder muͤſſen durch die verderbten Ge - wohnheiten der ietzigen leichtfertigen Zeit an ihrer Geſund - heit und Leibesbeſchaffenheit angegriffen werden. Was wir uns ſelbſt uͤber den Hals ziehen, das betrifft nur unſere Per - ſon; und wir moͤgen nur allein dafuͤr leiden: und es waͤre gut, wenn nichts weiters daraus entſtuͤnde. Aber Dinge verwircken, ſo unſere Nachkommen treffen; allerhand Kranck - heiten auf das Gebluͤt unſerer Kinder fortpflantzen; dieſel - ben mit grindigten Koͤpffen, gichtbruͤchtigen Gliedern, ange - erbten Kranckheiten, entzuͤndetem Gebluͤt und ſchwachen Nerven, erſtlich weinend in die Welt, und hernach ſeufzend wieder heraus ſenden: dieſes ſolte einem bedachtſamen Ge - muͤth einen ſtarcken Gewiſſensſtich geben, und uns bewegen, dem Elend unſerer Kinder ein wenig zuvor zu kommen, und bisweilen an ſtatt ihrer zu ſeufzen, ehe ſie zur Welt geborenwer -204(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchewerden. Das menſchliche Leben bringet von ſich ſelbſt Jam - mer genug mit ſich: und wir duͤrfen uns nicht leid ſeyn laſ - ſen, daß es unſern Kindern an ihrem beſcheidenen Theil feh - len werde. Sie werden ſich ſelbſt mehr als zu viel, (und mehr als zu bald) dergleichen Kranckheiten zuziehen; ohne daß wir noͤthig haben, dieſelben mit angeerbten Glieder - ſchmertzen, kruͤpplichten Gelencken und ſchwachen Beinen ans Licht der Welt zu bringen, und ihnen Urſache zu geben, Va - ter und Mutter, wie taͤglich von vielen geſchiehet, zu verflu - chen. Es iſt kein Zweifel, daß die Unmaͤßigkeit und Aus - ſchweifungen, davon ich in dieſem Capitel geredet habe, bis - weilen von einer Linie auf die andere, bis ins dritte und vier - te Geſchlecht fortgepflantzt werden; und manches Elend des Lebens dem angeſteckten Gebluͤt der Vorfahren zuzuſchreiben ſey. Wenn doch nur ſolche Leute einen ernſtlichen Blick auf die groſſe Anzahl Kinder thun wolten, welche zu dieſer wohl - luͤſtigen, unmaͤßigen und laſterhaften Zeit, abſonderlich in dieſer Stadt, zur Welt geboren werden, und in ihrer erſten Kindheit wieder dahin ſterben: die mit Kranckheiten, als den Wirckungen von ihrer Eltern Unmaͤßigkeit und unna - tuͤrlichen Laſtern behafftet in die Welt kommen, und etliche wenige Tage mit dem unertraͤglichen Leben kaͤmpfen, bis ſie unter der Laſt deſſelben den Geiſt wieder aufgeben: es iſt nur etliche wenige Tage, daß ich in Familien, die man nicht weit zu ſuchen hat, dergleichen Exempel geſehen habe. Jch darf mich hierbey nicht deutlicher heraus laſſen, ſondern will nur denenjenigen, die ſich ſchuldig finden, zu Gemuͤthe fuͤh - ren, daß die wilden Thiere im Walde, welche ihrem ordent - lichen Triebe folgen, in dieſem Stuͤck ſich viel ehrbarer bezei - gen. Der wilde Eſel, den die Schrift als das allerlaſter - hafteſte und unkeuſcheſte Thier beſchreibet, hat ſeine gewiſſe Zeit. Denn es ſtehet: in ihren Monaten werde man ſie finden. Alſo haben auch alle uͤbrigen Thiere ihre gewiſſe Jahrszeiten, die ſie nach dem Geſetz der Natur genau beob - achten. Nur der Menſch allein pflegt ſich hiervon auszu - ſchlieſſen ꝛc.
Und p. 392. Der Urheber des Lebens iſt der Regierer und Erhalter des Lebens: uud dat die Geſetze deſſelben als ein Hauptſtuͤck der unterſchiedenen Leibesbeſchaffenheiten beſtim - met; wodurch alle Creaturen regieret werden, und auch den - ſelben, insgemein betrachtet, (weil ſie mit ſolcher Beſchaffen - heit oder Ordnung zufrieden ſind) freywillig und gerne ge - horchen. Die unvernuͤnftigen Thiere folgen dem Geſetz der Natur. Und dieſes iſt keine Unterwuͤrfigkeit und kein Ge - harſam; ſondern eine bloſſe Folge ihres Lebens. Es iſt die Art und Weiſe, auf welche ihre natuͤrlichen Kraͤfte regieret werden. Es iſt gleichſam der Canal, worin ſie flieſſen. Siewiſſen205Betrachtung der Unreinigkeit. wiſſen ihre Jahrszeiten, und folgen der Natur, wie ſie die - ſelbe leitet. Sie ſind keuſch und eingezogen, wenn der na - tuͤrliche Trieb aufhoͤret: hitzig und grimmig, wenn die ani - maliſchen Geiſter wieder rege werden. Mit einem Wort ſie ſtellen ſich dar, wenn es die Natur befihlet, und eher nicht. Der Menſch aber, der ungezaͤhmte Menſch, den we - der die Geſetze GOttes, noch die Geſetze der Natur baͤndigen koͤnnen, laͤſſet ſeinen verderbten Neigungen den Zuͤgel ſchieſ - ſen, und unterwirft die Natur, die Vernunft, ja die Re - ligion ſelbſt, einer unordentlichen und ungeſtuͤmen Reitzung. Sein Verſtand wird von ſeinem Willen, und ſein Wille von ſeinem Laſter regieret. Die viehiſche Begierde tyranniſiret uͤber den Menſchen, und ſeine Vernunft wird von ſeinen aͤuſ - lichen Sinnen beherrſchet. ‒ ‒ ‒ ‒ Wenn die Wuth ſeiner Neigung durch die muntern Geiſter ſeiner Jugend rege gemacht wird: ſo ſteiget dieſelbe zu einem ungemein hohen Grad, und iſt kein Aufhoͤren. Sie wird durch die na - tuͤrliche Ausleerung nicht geloͤſchet: ſondern er bleibet immer bey ſeiner Unſinnigkeit, und weiß weder Maaß noch Ziel. Es iſt umſonſt, daß ihn GOtt mit Vernunft begabet hat, um ſich derſelben zum Leitſtern ſeines Lebens, zur Regiererin ſei - ner Neigungen, und zur Beherrſcherin ſeiner Leidenſchaften zu bedienen. Wenn ſeine verderbte Neigung einmal die Herrſchaft behaͤlt: ſo iſt ſie einem hartmaͤuligen Pferde gleich, das kein Gebiß fuͤhlet, keine Zucht annimmt, und ſich von nichts als ſeinem eigenen tollen Kopf regieren laͤſſet.
Ferner p. 520. Diejenige Gerechtigkeit, die an das Licht bringet, was im Finſtern verborgen iſt, kann das Laſter durch die Straffe offenbar machen. Und da mag es von iederman, der es anſiehet, mit Schrecken geleſen werden, weil zarte Oh - ren mit der Beſchreibung nicht geaͤrgert ſeyn wollen. Und dieſes iſt keine ungewoͤhnliche Zuͤchtigung. Die goͤttliche Vorſehung befindet oͤfters fuͤr gut, ſich deren zu bedienen. Die Trunckenheit, ob ſie ſchon noch ſo verborgen iſt, wird durch die Kennzeichen, die Salomo giebet, kund gemachet, wenn er ſaget: Wo ſind rothe Augen? Wo ſind Wunden ohne Urſache? Nemlich, wo man beym Wein liegt, nnd koͤmmt auszuſauffen, was eingeſchenckt iſt, Spruͤchw. 23, 29. Alſo mag man gleichfals ſprechen: Wo ſind magere Geſichter? Wo ſind verfaulte Gebeine? Wo ſind garſtige Kranckheiten? Wo man ſeinen unordentlichen Begierden weder Ziel noch Maaß vorzuſchreiben weiß. Sind dieſes nicht die Leute, von wel - chen ich rede? Sie moͤgen ſich dieſes zu ihrer Warnung die - nen laſſen. ‒ ‒ ‒ Jch koͤnnte auch einige lebendige Exempel der gedachten Unmaͤßigkeit| anfuͤhren, welche die aͤuſſerſte Schande erlebet haben, denen ihre krancken Leiber, ſchmer -tzende206(I. Th.) Anatomiſch-Mediciniſchetzende Koͤpffe, zitternden Glieder und ſchwache Gelencke, nebſt vielen und unzehlichen garſtigen Kranckheiten mehr, die ih - nen anhangen, zur immerwaͤhrenden Straffe gereichen; und ſie ſchleppen die Schmach ihrer Thorheit mit ſich herum, wo ſie hingehen, daß niemand gerne in ihre Geſellſchaft kom - met, und ſie ſich recht vor ſich ſelbſt ſchaͤmen muͤſſen.
Und p. 524. ſqq. Gewißlich, der allmaͤchtige GOtt, wel - cher den Menſchen erſchaffen, und ihm die Herrſchaft guten Theils uͤber ſich ſelbſt anvertrauet hat, hat ihm keine allge - meine Erlaubniß gegeben, nach ſeinem eigenen Gefallen zu le - ben. Er hat ihm den Trieb ſeiner Neigung keinesweges uͤber - laſſen, ohne ihm durch ſeine Vernunft die geringſten Grentzen zu beſtimmen: ſondern gleichwie er ihm hoͤhere Kraͤfte ver - liehen, und ſolche uͤber die andern geſetzt hat; alſo iſt ſein Abſehen geweſen, daß ſie dieſe in ihren beſondern Wirckungen und Bewegungen im Zaum, und alſo das gantze Kunſtgebaͤu - de in Ordnung erhalten moͤchten. Wenn nun der Menſch die - ſe Ordnung uͤbertrit; wenn er die Natur umkehret; wenn er ſich Freyheiten heraus nimmt, die ihm GOtt und die Natur nicht zugedacht haben, und welche mit der auserleſenen Ord - nung des Kunſtgeruͤſtes nicht beſtehen koͤnnen; ſo wird er das gantze Werck in Verwirrung ſetzen, daß auch die uͤbrigen Be - wegungen ihre Pflicht nicht vollziehen koͤnnen, wie ſie ſonſt thun wuͤrden. Wenn die Feder in einer Uhr allzuſtarck an - geſtrenget wird, ſo hoͤret ſie auf zu ziehen. Wenn die Wag - ſchale uͤberladen wird, ſtehet die Bewegung ſtille. Auf glei - che Weiſe verhaͤlt ſichs mit allen andern natuͤrlichen Bewe - gungen, und mit des Menſchen ſeinen gleichfals. Wer die Natur aus ihrem gewoͤhnlichen Lauf bringet, und ſie zu Din - gen zwingen will, wozu ihre Kraͤfte nicht zureichen, der hem - met diejenigen Kraͤfte, die ſie beſitzet; und wirft das gantze Gebaͤude uͤber einen Haufen. Dafern der Menſch bey ſich ſelbſt iſt: wenn er Meiſter ſeiner Vernunft iſt, und tuͤchtige Gruͤnde einen gebuͤhrenden Eindruck in ihm machen koͤnnen: ſo wird er dieſes um ſein ſelbſt willen bedencken, wenn es auch gleich keine Suͤnde wieder ſeinen Schoͤpfer und den Er - halter ſeines Lebens waͤre, welchem er deswegen Rechenſchaft geben muß. Dafern er, ſage ich, nur ſich ſelbſt bedencken, und als eine vernuͤnftige Creatur handeln wolte: ſo muͤſte ihn dieſes bewegen, ſein eigen Beſtes zu beobachten, und ſich kluͤglich aufzufuͤhren. Es iſt mir nichts, ja nicht ein eintzi - ges Exempel im menſchlichen Leben bekannt, worin die Tu - gend mit beſſern Grund ihre eigene Belohnung koͤnne ge - nennet werden, als eben dieſes. Denn laßt uns das obige umkehren. Wo iſt langes Leben? Wo iſt eine geſunde Na - tur? Wo iſt vollkommene Leibesſtaͤrcke? Wo ſind hurtige Glieder? Wo verſpuͤret man eine unverruͤckte Geſundheit? Nem -207Betrachtung der Unreinigkeit. Nemlich bey denenjenigen, die ſich der Maͤßigkeit, Zucht und Tugend befleißigen. Jhre Lebensgeiſter werden nicht er - ſchoͤpft: die Natur wird nicht unterdruͤcket; die Munterkeit ihres Gemuͤths nicht verſchwendet, und das Marck in ihren Beinen nicht verwuͤſtet. Jhre Jugend hat ihr Alter nicht beraubet. Jhre fruͤhzeitigen Laſter haben die Natur nicht ausgetrocknet, und das Waſſer gleichſam von der Muͤhle ab - geleitet. Da hingegen das Laſter die Jugend vor der Zeit unter Kopfſchmertzen, Steckfluͤſſen, und Waſſerſucht aͤchtzen und lechtzen laͤſſet. Die Gelencke zittern, und koͤnnen den Leib nicht unterſtuͤtzen; die Nerven ſind enerviret und ent - kraͤftet; die Spannadern eingekrumpfen. Das Gebluͤt iſt vergiftet; der Lebensgeiſt erſchoͤpffet, und die gantze Maſſe verderbet. Alſo muß das Gebaͤude, wie eine reiche Stadt, die durch ein Erdbeben verſchlungen wird, zu Grunde ſin - cken, daß nichts als ein trauriges Denckmahl des verderbli - chen Laſters, und ein Opfer der Schwelgerey uͤbrig blei - bet. ‒ ‒ ‒ ‒ Wie viele fi[n]den wir nicht faſt in je - dem woͤchentlichen Todtenzettel, die ſich zu todt geſoffen, zu todt erboſet, einander im Duell umgebracht, oder ihr Leben auf eine andere ungluͤckſelige Weiſe, einer durch dieſen, und der andre durch einen andern groben Exceß geendet haben? Wolte wol jemand vorgeben, dieſe haͤtten ihr Leben nicht ſelbſt verkuͤrtzet? Soll man nicht vielmehr mit David ſagen, daß ſie ihr Leben nicht zur Helfte gebracht haben? Pſ. 56, 24. Man wuͤrde die Gerechtigkeit der goͤttlichen Vorſehung be - leidigen, wenn man ſprechen wolte, ſie waͤren nicht durch ihre eigene Laſter umkommen, und mit den Gottloſen, deren Da - vid erwehnet, aus dem Lande der Lebendigen hingeriſſen wor - den, ehe ſie ihre Jahre noch zur Helfte gebracht haben. Da - mit wir uns aber nicht bey Dingen aufhalten, die zu weit von unſerm Zweck entfernet ſind, ſo iſt gewiß, daß, wenn ja das Leben durch unſere Unmaͤßigkeit und Laſter nicht verkuͤrtzt werden koͤnnte, dennoch daſſelbe viel unvergnuͤgter, beſchwer - licher und verdruͤßlicher gemacht werde, wenn man daſſelbe mit Kranckheiten und Sorgen beladet, und ſich an ſtatt der Geſundheit, Staͤrcke und Munterkeit, tauſenderley Elend uͤber den Hals ziehet. Ein heiteres Antlitz, muntere und lebhafte Augen, ein beſtaͤndiges Laͤcheln, ein hurtiger und behender Leib, ein klarer Verſtand, ein ſtarckes Gedaͤchtniß, und reine Gliedmaſſen, ſind die natuͤrlichen Zierrathen eines Menſchen von einem unbefleckten Geſchlechte. Allein wie oft muͤſſen dieſe urſpruͤnglichen Schoͤnheiten, als angebor - ne Kennzeichen der Jugend und einer guten Leibesbe - ſchaffenheit, verwelcken und hinfallen; da hingegen Bleich - ſucht und Magerkeit das Geſicht, Schwermuth das Hertz,und208(I. Th.) Anatom. Medic. Betr. ꝛc. und Dummheit den Kopf einnehmen? Wie wird das fun - ckelnde Augenlicht verfinſtert: der Verſtand erſticket, das Ge - daͤchtniß geſchwaͤchet, und das gantze mit der Luſtſeuche durch und durch angeſteckte Leibesgemiſche veraͤndert. Die Laſter haben eine ungemeine fruchtbare Eigenſchaft an ſich. Sie nehmen immer ſtaͤrcker zu. Sie greiffen immer weiter um ſich. Wenn ein Mannsalter Ketzerey heget, ſo heget das andere Gotteslaͤſterung. Wenn eins Rottirung heget, ſo heget das andere Verraͤtherey. Wenn eins naͤrriſch iſt, ſo wird das andere folgends gar unſinnig. Alſo auch in dem vor uns habenden Fall. Wenn ein Geſchlecht unmaͤßig iſt, ſo iſt das naͤchſte noch unordentlicher. Wenn eins in erlaubten Dingen Uebermaß begehet, ſo ſetzet das naͤchſte dergleichen Uebermaß in unerlaubten Dingen fort, oder machet dieſe erlaubten Dinge durch ſolche Uebermaß zu Laſtern. Wenn die Leute in einem Jahrhundert Beſtien ſind, ſo ſind ſie in dem andern gar Teufel. Heute eheliche Hurerey, Mor - gen ungebundene Hurerey. Wie das Laſter leitet, ſo fol - gen die Narren. Und wo kann ſich dieſes anders enden, als im Verderben und Untergang? Gleiche Bewandtniß hat es auch mit der Anſteckung des Gebluͤts. Die traurigen Wirckungen zeigen ſich ſowol daſelbſt, als in andern Thei - len des Leibes. Uebermaͤßige Liebeswercke ſchwaͤchen die Kraͤfte, zerſtoͤren die Natur, verderben die Schoͤnheit, und pflegen das Gehirn mit truͤben Nebeln der Dummheit zu uͤberziehen. Heute erreichen ſie den Leib, morgen die Seele, und in der folgenden Zeit das Geſchlecht. Die erlaubten Dinge der jetzigen Zeit werden die kuͤnftigen Zei - ten unerlaubt machen. Jhre Vaͤter haben Blut fortge - flantzt, und ſie pflantzen Gift fort. Unſere Eltern Geſund - heit, und wir Kranckheiten. Unſere Kinder werden in Pallaͤſten geboren, und muͤſſen vielleicht in Spitaͤlern ſter - ben. Unkeuſchheit iſt eine Mutter vieler Kranckheiten; Feuer im Gebluͤt verurſacht Froſt im Gehirn. Und es moͤgen die Ergoͤtzlichkeiten erlaubt oder unerlaubt ſeyn, ſo iſt dieſes die Wirckung der Thorheit, daß ſie ein Ge - ſchlecht der Narren hinter ſich laͤſſet.
Ende des Erſten Theils.
NUn iſt es Zeit, daß ich Jhnen auch weiſe, wie alle heimliche Un - zucht und fleiſchliche Luſt vor dem Allerheiligſten und Allerhoͤchſten angeſehen wer - de. Jch meine aber, Sie haben aufs hoͤchſte Urſach, darauf zu reflectiren: denn Sie wer - den ſich doch vor deſſen Gerichte ſtellen muͤſſen, von dem es heiſſet Dan. 7, 9. 10 : Sein Stuhl war eitel Flammen, und deſſelbi - gen Raͤder brannten mit Feuer, und von demſelbigen ging aus ein langer feuri - ger Strahl, tauſendmal tauſend dienten ihm, und zehen tauſendmal zehen tau - ſend ſtunden vor ihm; das Gericht ward gehalten, und die Buͤcher wurden aufge - than. Sehen ſie dabey mit nach v. 13. 14. 15. 28. Cap. 8, 17. 18. 27. Cap. 10, 8. 9. 10. 11. 15. 16. 17. Jeſ. 6, 1. 2. 3. 4. 5. Zu dem wird es auch bey Jhnen nicht ſte - hen, das Urtheil zu ſprechen, wie fern es ſuͤnd - lich oder nicht, gering oder wichtig anzuſehen ſey. Denn wo laͤſt irgend ein Magiſtrat die Male - fitzperſon uͤber ihren Uebelthaten das Recht ſprechen? Jch will es Jhnen aber nur mit we -II. Th. Betr. der Unreinigk. Oni -210(II. Th.) Theologiſche Betrachtungnigem anzeigen und mich ſo kurtz als moͤglich faſſen. Dis darf ich um deſto mehr thun, weil Jhnen gebuͤhret, das Wort des Allerhoͤchſten ſelbſt zu wiſſen. So hat auch Oſterwald im angefuͤhrten Tractat von der Unreinigkeit P. 1. Sect. 1. c. 2. 3. 4. 5. ſqq. die Oerter der heiligen Schrift altes und neues Teſtaments ordentlich angefuͤhret und unterſuchet, die GOtt zum Zeugniß wieder alle Unreinen hat aufſchrei - ben, und aller Welt vor Augen legen laſſen. Jch bitte nur folgende Puncte mit ſtillem Gemuͤthe und Ehrerbietung vor GOtt zu erwegen.
Es iſt ſehr bedencklich, daß GOtt im 3. Moſ. 12. den Sechswoͤchnerinnen ſolche Geſetze der Reinigung auferleget hat, als ob ſie gantz abominable Perſonen waͤren. Zum Exempel: hatte eine ein Knaͤblein geboren, ſo muſte ſie 7. Tage unrein ſeyn, und 33. Tage lang im Hauſe bleiben ohne, ſo zu ſa - gen, unter den freyen Himmel, geſchweige in die Gemeine GOttes und das Haus des HErrn zu kommen. Wo aber ein Maͤgdlein, ſo muſte ſie 2. Wochen unrein ſeyn, auch 66. Tage nicht aus dem Hauſe gehen; kein Heiliges durfte ſie anruͤhren, und zum Heiligthum gar nicht kom - men. Alsdenn erſt waren die Sechswoͤchne - rinnen ſchuldig ein Suͤnd-und Brandopfer zu bringen, und der Prieſter muſte ſie mit dem HErrn erſt wieder ausſoͤhnen, gerade als wenn ſie eine Uebelthat begangen haͤtten. Dieſe For - derung war auch ſo genau und unausbleiblich,daß211der Unreinigkeit. daß ſie ſo gar bis an den Sohn des Hoͤchſten, den ohne Suͤnde gebornen Heiland reichte, Luc. 2, 22. ſq. | welches gewiß was verwunderungs - wuͤrdiges iſt. Was muß doch die Empfaͤngniß und Geburt eines Menſchenkindes immermehr verſchuldet haben, daß ihn GOtt ſo unrein und greulich macht, und hiemit das gantze menſchli - che Geſchlecht mit allem ihrem Adel und hoher Geburt aufs hoͤchſte proſtituiret? Auguſtinus er - klaͤret es, da er ſpricht: „ Die eheliche Beywoh - „ nung der Eltern geſchiehet nicht ohne eine un - „ ordentliche Luſt: daher kann das aus ihrem „ Fleiſch und Blut empfangene Kind unmoͤglich „ ohne Suͤnde erzeuget und geboren werden. ‟ Und wir ſchlieſſen ja billig dabey: Jſt dieſe ſonſt unter den Menſchen gewiß ehrliche und durch oͤffentliche Geſetze, ja ſelbſt durch den von GOtt ſelbſt eingeſetzten Eheſtand beſtaͤttigte und legi - timirte Sache, ich meine, die Fortpflantzung ſei - nes Geſchlechts, mit allen ihren Umſtaͤnden, nun nach dem Falle, vor GOtt ſo unheilig, daß er ihr nebſt ſo vieler und langer Reinigung die Ver - ſoͤhnung durch Opfer auferleget: Ach! was muß erſt andere Wolluſt und Unflaͤterey, wo nicht dieſer von GOtt ſelbſt befohlene Endzweck in rechter Ordnung intendiret wird, fuͤr ein abſcheu - liches und verfluchtes Laſter ſeyn, vor dem GOtt, deſſen Heiligkeit ſo gar die heiligen Engel mit dreyfachem Zeugniſſe und bedecktem Angeſicht (Jeſ. 6, 1. ſq. ) ohne Aufhoͤren anbeten muͤſſen?
O 2II. So210(II. Th.) Theologiſche BetrachtungSo iſt auch ſehr bedencklich, daß GOtt 3 Moſ. 15. und 5 Moſ. 23, 10. 11. 14. wegen derer, welche in pollutionem no - cturnam, oder gar eine Gonorrhœam ver - fallen, ſcharfe Geſetze von ihrer Abſon - derung und Reinigung geſtellet; wie auch, daß er ſich hiermit, den Menſchen zu Liebe, ſo gar in die niedertraͤchtigſten Umſtaͤnde ihrer Noth und Schande her - abgelaſſen, ſelbige durchgeſucht, und bloß ge - macht, und ſich ſolches Unflaths und Wuſts al - lerdings ſo ſpeciell angenommen, als wie etwa eine Mutter mit ihrem verunreinigten Kinde thun moͤchte, ohne ſich deſſen zu ſchaͤmen. Zum Exempel: wer auch nur ein einig mal im Schlaf - fe ohne und wieder Willen, und ohne was dafuͤr zu koͤnnen, eine Befleckung erlitten haͤtte: der muſte alſobald hinaus vor das Lager gehen; ſein gantzes Fleiſch mit Waſſer baden; alles Kleid und Fell, und alles, was damit beflecket war, muſte er mit Waſſer waſchen; und ſelbſt unrein ſeyn bis an den Abend; auch nicht eher wieder ins Lager gehen, bis er ſolche Reinigung gethan, und alsdenn doch noch erſt nach der Sonnen Un - tergang wieder hineinkommen. Denn (die Ur - ſach davon gibt GOtt ſelber, damit es keinem zu fremde oder hart vorkomme) der HErr dein GOtt wandelt unter deinem Lager, daß er dich errette: darum ſoll dein La - ger heilig ſeyn, daß keine Schande un - ter dir geſehen werde, und er ſich vondir213der Unreinigkeit. dir wende. Waͤre aber einer von der Go - norrhœa gar behaftet geweſen, ſo muſte er, wie alle andere Unreinen, alſobald aus dem Lager hinausgehen. Alles Lager, darauf er lag oder ſaß, alle ſeine Kleidung, ſein gantzer Leib, ſein Speichel, ja alles, was er nur beruͤhrete, ward unrein. Wer ſein Lager, oder Seſſel, oder ſei - nen Leib, oder Kleider anruͤhrete; wer etwas von ſeinen Sachen getragen haͤtte; oder etwa von ihm mit Speichel waͤre beflecket worden: derſelbe muſte ſeine Kleider waſchen, ſich mit Waſſer baden und unrein ſeyn bis an den Abend. Ja ſo gar, wenn einer ſeine Sachen getragen, und iemand andern beruͤhret, ehe er die Haͤnde gewaſchen haͤtte: ſo iſt der beruͤhrte ſo gar durch die dritte Perſon eben alſo unrein worden bis an den Abend, und muſte ſich reinigen. Wenn denn der unſaubere Patient war heil wor - den: ſo durfte er gleichwol nicht bald wieder ins Lager, vielweniger zum Heiligthum GOt - tes kommen; ſondern er muſte noch inzwiſchen 7. Tage vorbey gehen laſſen, ſich in flieſſendem Waſſer baden, und dann durch ein Suͤnd-und Brandopfer verſoͤhnet werden. Und dis iſt al - les mit ſolchem Ernſt geboten geweſen, daß GOtt 4 Moſ. 19, 20. geſaget hat: Welcher aber unrein ſeyn wird, und ſich nicht entſuͤndi - gen will; deß Seele ſoll ausgerottet werden aus der Gemeine: denn er hat das Heiligthum des Herrn (1 Cor. 3, 17.) verunreiniget. Und den Prieſtern hat er oͤffentlich und ausdruͤcklich ge -O 3bo -214(II. Th.) Theologiſche Betrachtungboten: (3 Moſ. 15, 31.) Sie ſolten die Kinder Jſrael warnen vor ihrer Unreinigkeit, daß ſie in derſelben nicht ſtuͤrben. Wir ſchlieſſen hier wiederum billig, ſonderlich von dem vorigen: Hat die bloſſe, ohne und wieder Willen geſchehe - ne, und zwar naͤchtliche Befleckung, (die endlich doch aus andern Urſachen und Kranckheiten, ſonderlich bey den Vollbluͤtigen, wenn die hiezu gehoͤrigen Theile und Gliedmaſſen irgend wo - durch relaxiret (erweitert) worden ſind,) den Menſchen vor GOtt ſo unrein gemacht: was wird erſt eine Befleckung, wenn ſie auch im Schlaff gantz ohne Willen geſchaͤhe, (die aber der Menſch ſelbſt durch gewaltſames Verderben ſei - ner Natur veranlaſſet und ihr gleichſam abge - noͤthiget hat,) vor GOtt im Himmel zu ſagen haben? Man ſehe davon die 12te Schlußfolge, oben pag. 134. an. Und noch vielmehr: Jſt die Befleckung, welche durch erregten und einge - fuͤhrten heftigen Naturtrieb wider Wiſſen und Willen des Menſchen, ſo greulich; weil ſie eine nothwendige Folge der vorigen muthwilligen, ob auch gleich laͤngſt bereueten Bosheit iſt: mein! welches Todes wird denn die Schaͤndung ſeines Leibes wuͤrdig ſeyn, die vorſetzlich und mit Bedacht, obgleich bey dem heftigſten Proteſtiren und De - preciren des Gewiſſens, geſchiehet?
Jch begehre nicht zu leugnen; daß viele Ge - ſetze, welche die aͤuſſerliche Reinigkeit betroffen haben, zum Levitiſchen Gottesdienſt der Juͤdenge -215der Unreinigkeit. gehoͤreten: aber eben darum, weil ſie dazu gehoͤr - ten, haben ſie denn nicht (ſage ich abermal) eben darum auf das Opferblut JEſu Chriſti gezie - let? Schlaͤgt denn das eines Chriſten ſein Hertz nicht, ſo oft er dergleichen Vorbilder und Rei - nigungen uͤberleget, daß es gleichwol im Wor - te des Allerhoͤchſten ſtehet: Es ſey keine Ver - gebung der Suͤnden moͤglich ohne Blut vergieſ - ſen? Ebr. 9, 22. und alle ſolche Reinigungen haͤt - ten die Schuld und den Unflath doch nicht abge - than, wie ſcharf u. genau ſie auch geweſen waͤren; ſondern ſeyen nur ad interim auf eine Zeitlang angeordnet geweſen, bis die voͤllige Abwaſchung durch das allertheureſte Blut geſchehen koͤnte; damit ſie inzwiſchen zum Zeugniß dienten, wie noͤthig aller ſolcher Dinge vollkommene Ausſoͤh - nung waͤre. Ebr. 8, 7. Cap. 9, 8. 9. Cap. 10, 1. 2. 3. 4. Muſten ſie ſo gar durch aͤuſſerliche und zwar blutige Opfer mit GOtt ausgeſoͤhnet werden: ey, folgt daraus nicht unwiederſprech - lich: daß dieſe Schulden vielmehr dem Sohne GOttes auf den Ruͤcken gefallen ſind, und durch ſein Blut muſten abgethan werden? Zu dem, ſo ſind das ja nicht ſo particuliere Sachen, ſo nur die Juͤden betroffen und graviret haͤtten: ſondern wir muͤſſen das alle zugeſtehen, daß al - le Welt disfalls bey GOtt in Schulden iſt. Hat ers nun bey einer Nation ſo angerechnet, ſo wird er ja nicht partheyiſch handeln, und bey andern ſeine Heiligkeit verleugnen, daß ers bey ihnen nicht eben ſo hoch nehmen ſolte; ob er gleich die - ſer ſeiner Nation ſeine Rechte und Gebote insO 4be -216(II. Th.) Theologiſche Betrachtungbeſondere, und vor allen andern hat wiſſen laſ - ſen, folglich ſie durch dis alles mehr, als irgend ein anders Volck, auf ſeinen Sohn gewieſen, der doch aber aller anderer Voͤlcker Heiland zugleich ſeyn ſolte. Pſalm 147, 19. 20.
So hat der heilige GOtt ſeine hoͤchſte Deteſtation (Abſcheu) gegen alle Schande und fleiſchliche Luſt, ſie mag geſchehen, wie ſie will, auf viel andere hoͤchſt bedenckliche Weiſe klar gnug dar - gethan, zum Exempel
[α]) Er hat 5 Moſ. 23, 2. geboten, Hu - renkinder (und alſo alle, die in gleicher Claſſe ſtehen koͤnnen), ſolten nie in das Haus des HErrn kommen, oder zu oͤffentlichen Aemtern beym Gottesdienſt und Regiment gezogen wer - den: auch nicht nach dem zehnten Glied, das iſt, ſchlechterdings niemals. Hat GOtt ſelber die Baſtarte, die doch zur Uebelthat ihrer El - tern nichts beygetragen, noch einige Schuld dar - an gehabt haben, fuͤr ſo verachtet und ausge - ſchloſſen erklaͤret: mein, wie werden die einſtens muͤſſen angeſehen werden, die ſich in den Greueln ſelbſt herumgeweltzet; und in welche Claſſe der unreinen Teufel wird der eiferige GOtt einmal ſolche Schandſclaven ſetzen muͤſſen?
[β]) 5 Moſ. 22, 21. 22. hat er geordnet, ei - ne Hure muͤſte vor ihres Vaters Hauſe von al - lem Volck zu Tode geſteiniget werden. Ehebre - cher muſten beyde des Todes ſterben; wenn aber eines Prieſters Tochter gehuret haͤtte, diemuͤ -217der Unreinigkeit. muͤſte man mit Feuer verbrennen. 3 Moſ. 21, 9.
[γ]) Er hat den geiſtlichen Abfall von ihm, und die Abgoͤtterey, folglich Suͤn - den, die offenbarlich des Todes wuͤrdig ſind, insgemein die Hurerey benennet: um ihre abominable (abſcheuliche) Art damit de - ſto mehr auszudruͤcken: und beſchreibt dieſen ih - ren Abfall zuweilen mit ſolchen Umſtaͤnden, die von der fleiſchlichen Luſt und Schande herge - nommen ſind; nennet ſolche Abtruͤnnige oͤfters Huren, ihre Suͤnden Hurerey, ihr Gluͤck, ſo ſie beym gottloſen Weſen meinen zu haben, nennet er Hurenlohn, und ſagt wol oͤfters zu ihnen, er wolle ſich ihrer nicht mehr erbarmen: denn ſie ſeyen Hurenkinder. So gar ſpricht er: Jch will deines Unflaths ein Ende machen, daß du bey den Heiden muſt verflucht geachtet werden, und erfahren, daß ich der HErr ſey, Ezech. 22, 26. Jch koͤnte Jhnen ſolcher Oerter 65. anweiſen, wo derglei - chen Vorſtellungen und Vergleichungen mit groſſem Ernſt geſchehen: ich habe aber doch zu beſorgen, daß Sie ſie nicht nachſchlagen moͤch - ten, und ſo mag ich Jhnen mit dem Worte des Allerhoͤchſten nicht beſchwerlich fallen. Le - ſen ſie aber nur den Propheten Jeremiam, Ezechiel und Hoſeam, Sie werden ihrer ſelbſt noch mehr antreffen.
[δ]) Daß der gerechte GOtt, der alles recht nach ſeinem Weſen und der Wahrheit ſchaͤtzet und anrechnet, die Unzucht und derſelben Luſt -O 5ſeu -218(II. Th.) Theologiſche Betrachtungſeuche nicht fuͤr was geringes anſiehet: koͤnnen ſie auch klar daraus ſehen, weil er dieſen Greuel mit unter die groͤſten geiſtlichen Gerichte rechnet, darein er die, ſo ſich verſtocken, fallen laͤſſet. Ach! ich meine doch, mein geliebter Freund, daß Jhnen die Worte billig ſehr bedencklich vorkommen ſolten: wem der HErr ungnaͤdig iſt, der faͤllet drein, Spruͤchw. 22, 14. Wie weit iſt es aber denn noch von dem Falle? Den Jſraeliten hat GOtt (Hoſ. 4, 12. 13. 14. Amos 7, 17.) mit groſſem Ernſt gedrohet: weil ſie ihn ſo ver - laſſen, und wider ihn gehuret haͤtten; ſo ſolten ſie auch die ihrigen dafuͤr in dergleichen Schande und Greueln ſehen muͤſſen. Und er hats ihnen auch redlich gehalten, 2 Macc. 6, 4. um eben hiemit auf eine wunderbare Weiſe ſeine Heilig - keit zu legitimiren, und ſeinen Abſcheu vor allen Suͤnden darzuthun, indem er ſo gar diejenigen Suͤnden, die wegen Bosheit der Menſchen oh - nedem geſchehen wuͤrden, nicht zwar gewalt - thaͤtig hindert, weil der Menſch kein Vieh noch Klotz iſt: (und er muͤſte manchen druͤber ehe todt ſchlagen, ehe er ſie ungethan lieſſe,) aber doch ſo dirigiret und determiniret, daß ſie zur Execution ſeiner Gerichte, folglich einer hoͤchſt heiligen Handlung contribuiren muͤſſen. Mithin wird durch das Boͤſe, ſo ſonſten bloß vor ſich, als durchaus boͤſe geſchehen waͤre, doch durch GOt - tes gerechte und heilige Regierung etwas gutes zugleich ausgefuͤhret. Wie? Erzittern Sie denn nicht, bey Erwegung der Gerichte GOttes,die219der Unreinigkeit. die er an den Heiden ausgeuͤbet: indem er ſie ihrer unvernuͤnftigen Abgoͤtterey halber vor - nemlich in die Luſtſeuche der ſchaͤndlichſten Un - zucht hat hineingerathen laſſen; da er ihnen ſonſt den Weg zu dieſem Verderben auch noch wol haͤtte verzaͤunen moͤgen, wo es etwas an ihnen gefruchtet haͤtte. Ey! wie iſt Jhnen denn zu muthe, wenn Sie Roͤm. 1, 28. ſqq. leſen, daß ſie GOtt hat dahin gegeben in ihres Hertzens Ge - luͤſte, in Unreinigkeit, zu ſchaͤnden ihre eigene Leiber, an ihnen ſelbſt; in ſchaͤndliche Luͤſte; in einen verkehrten Sinn, daraus ſo entſetzliche Bosheiten entſpringen, die v. 29-32. erzehlet werden? Jch meine doch, daß dasjenige un - moͤglich was gutes ſeyn koͤnne, damit der gerech - te GOtt gantze Nationen, als mit einer uͤber - ſchwemmenden Fluth geſtraffet hat! O! um ih - rer Unreinigkeit willen muͤſſen ſie (auch in ihren innerſten ohne dem ſchon elenden Seelenkraͤf - ten) unſanft verſtoͤret werden, Mich. 2, 10. 11.
[ε]) Wenn die Apoſtel die Suͤnden beſtraffen, und dieſelben in gantzen Re - giſtern erzehlen muͤſſen: ſo gedencken ſie der Unreinigkeit am allermeiſten, und gewiß keiner einigen Suͤnde ſo oft, als dieſer. Sie ſetzen ſie auch mehrentheils oben an, und iſt, als ob dieſe Suͤnde das gantz eigen haͤtte, in den Catalogis der Gottloſigkeiten immer mit unter den er - ſten zu ſtehen. Zum Exempel Marc. 7, 21. Roͤm. 1, 26. 1 Cor. 5, 11. Cap. 6, 10. Gal. 5, 29. Col. 3, 5.
Wel -220(II. Th.) Theologiſche BetrachtungWelches denn ihre Abſcheulichkeit und Straf - barkeit ja greiflich gnug vorſtellet; zugleich aber zeiget, daß ſie eine derjenigen Haupt-Suͤnden ſey, dadurch andere Greuel ins Hertz und in gan - tze Haͤuſer, Familien und Laͤnder pflegen einge - fuͤhret zu werden; wie das bey den Kindern Jſ - rael in der Wuͤſten, 4 Moſ. 25. beym Koͤnige Salomo, Rehabeam ꝛc. offenbar gnug worden iſt. Die Apoſtel ſetzen ſie allezeit mit in die Rol - le derjenigen Suͤnden, die den Menſchen ſchlech - terdings vom Himmelreich ausſchlieſſen, und zeigen auf goͤttlichen Befehl deutlich und ernſt - lich gnug davon, daß wo irgend eine Suͤnde den Menſchen verdammet, ſo ſey es die Unreinigkeit. Sie unterwerfen alle Unzuͤchtige eben derjeni - gen Verdamniß, in welche diejenigen, ſo die groͤbſten Laſter veruͤben, beſchieden und verur - theilet ſind. Ja der Apoſtel Paulus, welcher dieſe Materie in 3. Capiteln nacheinander ab - handelt, 1 Cor. 5. 6. und 7. vermahnet und bittet, man ſolte ſolche greuliche Menſchen hin - aus thun, und nicht einmal mit ihnen eſſen, ge - ſchweige einigen Umgang mit ihnen haben. Denn hinaus gehoͤren ſie. JEſus ſelber ſpricht, wenn er die endliche Scheidung, die an jenem Tage geſchehen wird, vorſtellet: Offenb. 22, 15. Hauſ - ſen ſind die Hunde, (oder die in unverſchaͤm - ter hundiſchen Unzucht und Unflaͤterey geſtecket) und die Zauberer, und die Hurer ꝛc. und alle, die da lieb haben und thun die Luͤgen. Ja, welches gleichwol ſehr bedencklich und Ueberle - gens wuͤrdig iſt, da unſer Heiland, der unsrich -221der Unreinigkeit. richten wird, eines mals Marc. 7, 21. ſqq. die Materie de adiaphoris (von Mitteldingen) ex profeſſo abgehandelt, und daſelbſt die Sachen, ſo ihrer Natur nach ſchlechterdings boͤſe ſind, von denen, ſo da bey manchem gut, bey man - chem boͤſe ſeyn koͤnnen, aus einander geſetzet, und ſie genau unterſchieden: ſo ſetzet er alle Arten der Unreinigkeit auch mit unter die ſchlechterdings boͤſen und verdammlichen Dinge; in gleichen Rang mit Morden, Stehlen, Gotteslaͤſterung und dergleichen; und behauptet von allen, daß ſie den Menſchen ſchlechterdings vor GOtt ver - haßt und abſcheulich machen. Jch will aber doch hoffen, daß niemand das Hertz haben wird, demjenigen das Gericht und die Abfaſ - ſung der Sententz abzuſprechen, oder ihn zu leh - ren, wie hart und wie gelind er von einem Laſter urtheilen werde, dem der Vater ſelber das hoͤch - ſte Gerichte hat uͤbergeben, darum, weil er fuͤr die Gottloſen und Suͤnder geſtorben iſt, und es alſo wohl meritiret.
Die Chriſtliche Religion, und die4) An - merckung. Natur des wahren Chriſtenthums ver - binden den Menſchen zu einer ſolchen Reinigkeit und Heiligkeit, daß man ſich hoͤchſtens daruͤber wundern muß, wie es unter den Chriſten Leute geben koͤn - ne, die ſich zu ihren Lehrſaͤtzen bekennen, auch darauf leben und ſterben muͤſſen, und doch wol Erweis davon fordern, daß alle Unreinigkeit, ſo vorſetzlich undmuth -222(II. Th.) Theologiſche Betrachtungmuthwillig geſchiehet, ſchlechterdings eine Todſuͤnde ſey. Was brauchts denn viel weitlaͤuftigen Nachforſchens dabey, wenn man nur ein wenig gedencket, daß GOtt zu ie - dem Chriſten ſaget: ihr ſollet heilig ſeyn; denn ich bin heilig, der HErr euer GOtt? Wenn man die Chriſtliche Religion annimt, ſo iſt das die erſte Condition, die man ohne zu capituliren, oder was zu excipiren eingehen muß: Verleugne dich ſelbſt, und nimm dein Creutz auf dich taͤglich, und folge mir nach. Creutzige dein Fleiſch ſamt den Luͤſten und Begierden; wider - ſtehe den allererſten Bewegungen der unordent - lichen Luſt, auch ſo gar in erlaubten und gleich - geltenden Dingen; und reinige dein Hertz zur Wohnung des heiligen Geiſtes: denn ſo gar in Chriſto ſelbſt gilt nichts, denn eine neue Crea - tur; du muſt nun der goͤttlichen Natur theil - haftig werden. Wo nicht, ſo haſt du Chriſti Geiſt nicht, biſt alſo unmoͤglich ein Chriſt. Gewißlich, ein ieder boͤſer Gedancke, iede unor - dentliche Begierde, ieder mit boͤſem Verlangen verknuͤpfter Blick verunreiniget dich vor GOtt. Du muſt bis aufs Blut wiederſtehen, und deine Seele immer in Haͤnden tragen: du muſt dei - ne Seligkeit ſchaffen mit Furcht und Zittern; du muſt darnach ringen, daß du dich durch die enge Pforte und den ſchmalen Weg durchbeteſt und durchkaͤmpfeſt: Denn es koſtet Gewalt thun, wo man in den Himmel will. Alle Liebe der Welt (darunter Fleiſchesluſt, als die heftig - ſte, die erſte iſt) 1 Joh. 2, 6. laͤſt die Liebe GOttes, und das geiſtliche Vergnuͤgen undVer -223der Unreinigkeit. Verlangen nach himmliſchen Dingen durchaus nicht aufkommen; ja ſo gar, wenn du auch ſchon zum Kinde GOttes wiedergeboren biſt, und laͤſſeſt nur in etwas der Liebe der Welt und Eitelkeit Raum in deinem Hertzen: ſo ſtuͤrtzeſt du dich in die hoͤchſte Gefahr. Denn du kannſt dabey unmoͤglich GOtt bedie - nen, noch Liebe zu ihm tragen: ſondern ſo viel du jener nachgiebeſt, ſo viel er - ſtirbet dieſe in dir, und du kannſt kein Hertz zu GOtt, auch wahrlich keine Luſt an ihm haben.
Mein Hertzensfreund! Wenn Sie nur daran dencken: muͤſſen Sie denn nicht ohne einigen Anſtand mit dem Urtheil herausbrechen, und bey ſich ausmachen, was fuͤr eine ſaubere Sa - che es um die Unreinigkeit ſey? Wenn Sie ih - ren Taufbund ſtehen und guͤltig ſeyn laſſen: ſo wer - den Sie ja unmoͤglich dran zweifeln koͤnnen, daß alle innerliche und aͤuſſerliche Keuſchheit und Reinigkeit, der Seelen ſo wohl als des Lei - bes, von unumgaͤnglicher und unleugbarer Noth - wendigkeit ſey. Denn ich frage Sie: Jſts denn moͤglich, rechtſchaffene Tugenden auszuuͤben, oh - ne ſeine Luͤſte der Sinnen und des Fleiſches zu toͤdten und zu maͤßigen? Dieſen unumſtoͤßlichen Grund wahrer Tugenden haben ja alle heidniſche Moraliſten, ohne einigen Erweis davon zu for - dern oder zu geben, als einen Grundſatz feſt ge - ſtellet. Jſts nicht wahr, daß das Fleiſch alle - zeit wieder den Geiſt, und der Geiſt allezeit wie - der das Fleiſch iſt, und dieſe zwey allezeit gegenein -224(II. Th.) Theologiſche Betrachtungeinander ſind? Nun, ſo muß ja nothwen - dig eines dem andern weichen! Herrſcht denn das Fleiſch, ſo ſind alle Tugenden, weil ſie Fruͤchte des Geiſtes ſind, verbannet, nemlich Liebe, Freude, Friede, Geduld, Guͤtigkeit, Glau - be, Sanftmuth, Keuſchheit ꝛc. Regieret aber der Geiſt, ſo koͤnnen unmoͤglich die Fruͤchte des Fleiſches bleiben, nemlich Ehebruch, Hurerey, Unzucht, Gal. 5, 19. ſq.
Jſts Jhnen moͤglich, (ich frage Sie auf ihre Redlichkeit und gut Gewiſſen,) bey der heimli - chen Unzucht, GOtt zu dienen, ihn anzuruffen, ſeinen heiligen Namen zu veneriren, ihn uͤber alles hochzuhalten, alles in ſeinem Namen zu thun, damit er in allem und durch alles ver - herrlichet werde; und diß alles mit Andacht, Lie - be und Bruͤnſtigkeit, mit Aufrichtigkeit und mit Luſt? Nun aber muͤſſen Sie ja die unumgangba - re Nothwendigkeit dieſer Stuͤcke geſtehen: denn, kan denn iemand recht froͤlich, ſeren und in GOtt ſelig und heilig ſeyn, der dieſe Vorrechte und Begnadigungen nicht in ſeinem Hertzen eigen hat?
Haben Sie das Hertz zu behaupten, daß Sie in den fleiſchlichen Luͤſten und Begierden Jhrem allerhoͤchſten Liebhaber und allerbeſten Freunde JEſu Chriſto nachfolgen? welcher in den Tagen ſeines Fleiſches Gebet und Flehen oft mit ſtarckem Geſchrey und Thraͤnen geopfert hat, zu dem, der ihm von unſerm Tode konnte aushelfen, Ebr. 5, 7. Haben Sie ſich denn bey dieſen Greueln jemals darauf beſonnen, daßSie225der Unreinigkeit. Sie erſt nachgefragt haͤtten, ob Sie ihm denn das zu Liebe thun koͤnnen, um irgend eine gerin - ge Probe der Danckbarkeit und Ergebenheit fuͤr die ſo hohe Liebe und koſtbare Erloͤſung dran zu geben; und ob ihm denn das auch gefallen werde? Ey! mein liebſter Freund! wiſſen Sie denn nicht, daß dis das guͤldene arcanum und koͤſtlicher Vortheil wahrer Chriſten iſt: bey al - len ihrem Unternehmen, ſo gar auch bey den zweifelhaften Umſtaͤnden und Handlungen, nur lediglich zu fragen, obs denn JEſu Chriſto auch gefallen werde? Solts Jhnen denn unbewuſt ſeyn, daß ſich die Chriſten mit dieſer leichten Methode vor unzehlichen Suͤnden verwahren, und aus viel zweifelhaften Umſtaͤnden, ja den verworrenſten Schwierigkeiten aushelfen? Jch ſage Jhnen bey der Herrlichkeit des Allmaͤchti - gen: Die Chriſten muͤſſen ihrem GOtt und Hei - land ſchlechterdings aͤhnlich werden, und ihn mit ſolchen unflaͤtigen Dingen, die das Ebenbild des unreinen Geiſtes recht ausdruͤcken, nicht proſti - tuiren. Denn der feſte Grund GOttes beſtehet, und hat dieſes Siegel: der HErr kennet die Seinen; und, es trete ab von der Ungerechtigkeit wer den Na - men Chriſti nennet, oder er laſſe dieſen ehr - wuͤrdigen Namen ungeſchaͤndet, und wehle ſich welchen er will. Denn GOtt wird ja ſolche Unflaͤter unmoͤglich fuͤr die Seinen erklaͤren moͤ - gen, 2 Tim. 2, 19.
Jch ſage noch mehr: Muͤſſen wir Chriſten uns nicht hauptſaͤchlich durch die Reinigkeit derII. Th. Betr. der Unreinigk. PSee -226(II. Th.) Theologiſche BetrachtungSeelen und des Leibes von den Heiden unter - ſcheiden? 1 Cor. 6, 10-21. Dieſe ſind ruch - los oder fuͤhllos worden, und ergeben ſich der Unzucht und allerley Unreinigkeit, Eph. 4, 17. 18. 19. ſq. Wir aber muͤſſen es eben mit dem Gegentheil beweiſen, daß wir keine Heiden mehr ſind: ſondern in einer intimen Bekantſchaft und Vertraulichkeit mit dem Allerhoͤchſten ſtehen, weil wir im Lichte und in der Wahrheit wan - deln, wie er im Lichte iſt. Haben wir doch Chriſtum alſo gelernet; und ſo haben wirs von ihm gehoͤret, daß in ihm ein rechtſchaffen Weſen iſt. Solls denn umſonſt ſeyn, daß er uns den Beruff hat zugeſtellet, ihm zu folgen? Jeſ. 45, 19. Darum ſolten ſolche Greuel und Suͤnden von Rechts wegen nicht einmal unter uns ge - ſagt, oder ausgeſprochen werden, wie den Hei - ligen zuſtehet. Wenn nun aber wir uns doch als Chriſten ſchreiben, und den hochheiligen Namen JESU uͤber uns fuͤhren; werden aber nicht mit ihm einerley Sinnes und einerley Mei - nung: was meinen Sie werden wir fuͤr Ver - antwortung haben, daß wir den glorwuͤrdigen Namen zu ſeiner groͤſten Verunehrung und Beſchimpfung getragen haben; darauf ſo gar der Satan im Gerichte GOttes gegen uns pro - vociren, und uns zum haͤrteſten Proceß auffor - dern kann?
Der Allerhoͤchſte hat es dem Men - ſchen mit hoͤchſtem Ernſt und verwun - derungswuͤrdigen Fleiß ie und ie in ſei - nem Worte eingeſchaͤrfet, wie rein undun -227der Unreinigkeit. unbefleckt er ihn haben wolle, und wie ſehr er alle Unkeuſchheit und Unzucht verabſcheuen muͤſſe, wo er ſich zu ihm bekennen will. Gewiß, es ſind der Oerter, darin GOtt die fleiſchliche Luſt und allerley Ar - ten der Unreinigkeit aufs ſchaͤrfſte verbietet, und den Unreinen Straffen androhet, hingegen den Gehorſamen allerley Gutes verheiſſet, unglaub - lich viel. Jch koͤnnte ihnen etliche und ſieben - zig Oerter in der heiligen Schrift beyderley Bundes anweiſen, darin es der heilige GOtt, als durch ſo oft wiederholte und publicirte Pa - tente den Menſchen, ſeinen Unterthanen, hat zu wiſſen gethan, und alle dieſe Suͤnden bey ho - her Straffe unterſaget: allein ich beſorge wie - derum, dieſe Arbeit wuͤrde ihnen zu verdrießlich werden, ſie alle nachzuſchlagen. Denn was iſt uns wol verdrießlicher, wo wir dem heiligen GOtt nicht mit ſubmiſſeſter Ergebenheit und Liebe zu - gethan ſind, als in ſeinem Wort zu forſchen? Aber ach! ſoll nicht ein Volck ſeinen GOtt fra - gen? Jeſ. 8, 19. und ſich darnach erkundigen, woran ſein Wille und Meinung geſchiehet? wo nicht: ſo werden ſie die Morgenroͤthe nicht ha - ben! Jch will mich begnuͤgen, weiter unten Jh - nen nur einige davon anzufuͤhren, und auszu - ſchreiben, damit Sie ſie nicht nachſchlagen muͤſſen.
Duͤrfen Sie doch nur die vor angezeigten Propheten leſen: ſo werden Sie ſehen, woruͤber GOtt am meiſten eifert; oder auch die Paral - leloͤrter aufſchlagen, von denen, ſo hie und da an - gefuͤhret ſind: ſo ſollen Sie ſich wundern, undP 2nicht228(II. Th.) Theologiſche Betrachtungnicht wiſſen, wie es moͤglich ſey, daß der aller - hoͤchſte GOtt dem nichtswuͤrdigen Menſchen dieſen ſeinen ernſtgemeſſenen Willen ſo oft hat koͤnnen ſagen, und gar an ihn uͤberſchreiben laſ - ſen; und wie er nach alle dem, bey deſſelben be - harrlicher Hartnaͤckigkeit und Wiederſpenſtig - keit noch ſolche Geduld mit ihm tragen kann. Sirach ſpricht C. 23, 22. da er die oͤftern Zu - ruͤckfaͤlle in ein Laſter bey ſich uͤberleget: Das andermal ſuͤndigen, das iſt zu viel; das dritte - mal bringt die Straffe mit ſich. Und ſo iſts auch unter den Menſchen Mode. Ja, wenn die gegen ihres gleichen ſo viel thun: ſo dencken ſie noch, Wunder was groſſes ſie praͤſtiret ha - ben. Was wuͤrden Sie wol thun, mein ge - liebter Freund, wenn Sie einem, dem Sie was zu ſagen haͤtten, wenn er auch nur einen eini - gen Grad niedriger waͤre, denn Sie, eine und eben dieſelbe Sache etliche und 70 mal verbo - ten haͤtten; ja ihm noch dazu derſelben unver - meidlichen Schaden angezeigt; ihn mit Straf - fen bedrohet; mit vielen Verſprechungen gerei - tzet; voͤllig uͤberfuͤhret, und durch Liebe alles moͤgliche an ihm verſucht, ihn dazu zu vermoͤ - gen: er aber wolte es nur ſo uͤberhin anſehen, gerade als waͤre ihm um Sie und Jhre Gewo - genheit nicht viel zu thun; oder als duͤrfte er nach Jhrem Bedrohen und Verſprechen, nach einem ſo wenig als nach dem andern fragen? Wie, Wenn er es wol gar kurtzum verwerfen moͤchte? was, frage ich Sie, wuͤrden Sie den - cken, oder mit Jhm vornehmen? Hielten Sieſich229der Unreinigkeit. ſich nicht mit ungezweifeltem Rechte befugt, ihn nach allem uͤber ihn habenden Vermoͤgen zu ſtraffen; und wenn Sie auch nur das erſte der erzehlten Stuͤcke an ihm gethan, und es ihm 70. mal verboten haͤtten? das glaube ich gantz gewiß, und Sie werden mirs auch ohne Zweifel zugeſtehen. Nun, ſagen Sie mir: was bilden Sie ſich von Jhrem GOtt ein? Jſt er nicht der allerhoͤchſte Beherrſcher der gantzen Welt, und um unzehlich ja unbegreiflich viel Grade hoͤher denn Sie? Hat er nicht eine unumſchrenck - te Macht und Gewalt uͤber ihr Leben und Tod? Koͤnnen Sie ihm ohne die hoͤchſte Ungerech - tigkeit auch ein einiges mal den Gehorſam ver - ſagen? Jſt er nicht berechtiget von uns zu for - dern, was er will, wenns auch das ſchwereſte, oder das liebſte, ja das Leben ſelber waͤre? Oder hat er etwa nicht Gewalt und Auctoritaͤt gnug, unſern Ungehorſam zu ſtraffen? Nun gebietet er allen Menſchen ſo gar unablaͤßlich, und ohne einiges Ausſetzen und Aufhoͤren (denn Wort und Gewiſſen iſt immer da,) die Reinigkeit und Keuſchheit. Er verbietet gleichfals alle Befle - ckung und Unzucht gantz beharrlich; weil es nun aufgeſchrieben und aller Orten publiciret; er auch ſelbſten allenthalben zugegen iſt, und Auf - ſicht druͤber hat, wie man ſeinen Befehlen Ge - horſam leiſte: welches ja kein Potentat in der gantzen Welt nachthun kann, ſondern ſiehet und reichet nur ſo weit als er durch Menſchen reichen kann. Wenn er Jhnen denn nun ſo ernſtlich, ſo oft und ſo continuirlich bey hoͤchſter Ungnade, jaP 3beym230(II. Th.) Theologiſche Betrachtungbeym Verluſt der ewigen Seligkeit befiehlet, Sie moͤchten ſich enthalten von den fleiſchlichen Luͤſten, welche wieder ihre eigene Seele ſtreiten; 1 Petr. 2, 11. Sie aber wagens, und bleiben ihm muthwillig ungehorſam: was wird doch dieſer Richter der gantzen Welt, (o helfe dencken, wer dencken kann!) mit einem ſolchen monſtroͤſen Unmenſchen thun?
Oder koͤnnen Sie etwa praͤtendiren, er ſol - le und muͤſſe, weil er GOtt iſt, mehr Geduld be - weiſen, mehr uͤberſehen und ertragen von ſei - nem eignen Geſchoͤpfe, als Sie ſelbſt nicht ein - mal von ihres gleichen thun wollen? Ey! ich glaube nicht, daß der duͤmmeſte Heide gegen ſei - nen Block und Klotz ſo einen ſeltſamen Glau - ben und eine ſolche Grobheit im Hertzen hegen kann. Wir wiſſen es ja, daß die Eigenſchaften GOttes alle zugleich und auf gleiche Weiſe mit einander unendlich ſind, eine ſo wohl ohne Gren - tzen wie die andere. Wie nun GOtt unend - lich allwiſſend, unendlich ſeliger, unendlich maͤch - tiger, unendlich herrlicher und glorioͤſer iſt, als wir verachtenswuͤrdige Menſchen alle auf einem Hauffen zuſammen: ſo iſt er eben ſo ſehr unend - lich gerechter und heiliger denn wir; folglich ge - buͤhret ihm unendlich mehr uͤber alle Suͤnde zu eifern, und ſie unendlich mehr zu beſtraffen als einem Menſchen; welcher ohne dem nie kein Geſetzgeber, ſondern allezeit ein Uebelthaͤter iſt.
Zu dem ſind wir auch um deßwillen unaus - bleiblich verpflichtet, den Willen des Allerhoͤch - ſten zu reſpectiren und ihm zu folgen, weil er ſogut,231der Unreinigkeit. gut, ſo heilig und ſo gnaͤdig iſt. Alles, was er befiehlet, das befiehlet er zu unſerm beſten; und iſt kein einiges unter allen ſeinen Geboten zu finden, die er den Chriſten als ſeinem ietzigen Volck vorgeſchrieben hat, das nicht aus Erbar - mung und Liebe gegeben waͤre: weil die unum - gaͤngliche Nothwendigkeit ſelbiges auszuuͤben, ſeinen unleugbaren Grund in der verderbten Natur und ietzigen Noth der Menſchen hat. Dis iſt ſo gewiß und ſo genau, daß man von ie - dem Befehl GOttes ſagen muß: alle, die da - wieder ſuͤndigen, verletzen (natuͤrlich und mit nothwendiger Folge) ihre Seele; alle, die ihren GOtt haſſen, lieben den Tod, Spr. 8, 36. das iſt: Ein Menſch kann unmoͤglich gluͤckſelig leben, wo er nicht nach dieſen Liebesgeboten lebet. Ey! finde ich mich verpflichtet, mit Danck anzunehmen, was mir zu meinem Beſten gerathen wird, und wenns mir auch mein aͤrgſter und abgeſagter Feind riethe: mein! womit haͤtte es doch mein allerliebſter GOtt um mich verſchuldet, daß ich ſein Warnen, Erinnern, Bedeuten, Vorſtellen, und Vermah - nen mir nicht wolte zu Hertzen gehen laſſen? Haͤtte er nicht eben Urſach, die hoͤchſt bedenckli - chen Worte gegen mich zu brauchen: Mich. 6, 3. Was hab ich dir gethan, mein Volck, und womit hab ich dich beleidiget? das ſage mir! Ach! was beweget dich ewig dazu, daß du nicht einmal das von mir annehmen wilſt, was ich dir zu deinem Beſten, aus deiner eigenen unumgaͤnglichen Nothwendigkeit vor - geſchrieben habe?
P 4Jch232(II. Th.) Theologiſche BetrachtungJch finde in dem annehmungswuͤrdigen Worte GOttes auſſer den vielen ernſtlichen Ver - boten der Unzucht, auſſer den Geboten der Keuſchheit, und auſſer ſehr vielen Exempeln ver - uͤbter Straffgerichte GOttes uͤber die Unzuͤchti - gen, noch wol zwanzigerley Oerter, darin dieſer Liebhaber der Menſchen Sie vor allen ſolchen Greueln, und allem was dazu verleiten kann, aufs buͤndigſte und fleißigſte gewarnet hat: oft mit ſo umſtaͤndlichen und deutlichen Ausdruͤcken, daß ſich ein ehrliebendes Hertz recht ſchaͤmen muß, wenn ſie ihm ſo vorgeruͤckt werden, und wenn ihm hiemit gewieſen wird, welch ein Wuſt in ihm ſtecken muͤſſe. Wenn Sie die Spruͤch - woͤrter Salomonis, (der es endlich auch erfah - ren, was auf Wohlluͤſte er folge,) mit geneigtem u. demuͤthigen Hertzen durchleſen, und das Buch Sirachs mit dabey nachſchlagen: ſo werden ſie ſolcher vaͤterlichen Warnungen und Vorſtellun - gen ſelbſt noch mehr als zwanzigerley antreffen. Wenn nun ein Menſch von ſeinem Schoͤpfer vor einer ſolchen Gefahr und Noth ſo vaͤterlich, ſo oft und ſo treulich gewarnet wird; er aber achtet der Warnung nicht: ach! wer will ſich denn ſein erbarmen, wenn er derſelben Ausgang auch mit groͤſter Pein erfahren muß?
Wenn dieſe Gruͤnde alle noch nicht hin - laͤnglich waͤren, Sie zu uͤberzeugen, daß GOtt alle heimliche Unzucht und Schande aufs hoͤchſte verabſcheue und haſſe: ſo ſage Jhnen noch dazu nach der Wahrheit, es ſey kein einiges La -ſter233der Unreinigkeit. ſter in der Welt, welches GOtt noch in dieſer Zeit mit ſo erſtaunenswuͤrdigen Gerichten heimgeſuchet, und auch deren Exempel aufſchreiben laſſen, als dieſes; und es ſey kein Laſter in der Welt, wel - ches ſo oft und mit ſo gar beſonderem Nachdruck zum ewigen Feuer laͤngſt ver - urtheilet worden iſt, als eben dieſes.
[α]) Wie der eifrige GOtt dieſe Suͤndeα) Jn dieſer Zeit ver - uͤbte Ge - richte. noch in dieſer Zeit aufs haͤrteſte beſtraf - fet habe, davon finde ich in ſeinem heili - gen Worte uͤber funfzig Exempel, deren ei - nige viele tauſend andere in ſich faſſen. Jch will aber ihrer nur vier erzehlen.
Es iſt weltkuͤndig, und wird ſo gar von vie -1) Sodom. len heidniſchen Auctoribus, als Iuſtino, Pauſa - nia, Plinio, Tacito erwehnet, was A. M. 2047. und alſo noch uͤber 1900. Jahr vor Chriſti Ge - burt in dem gelobten Lande und der Gegend der 5. Staͤdte, Sodom, Gomorrha, Adama und Zeboim, wie auch der kleinen Zoar ge - ſchehen ſey. Dieſes war nach Moſis umſtaͤnd - lichen Bericht, 1 Moſ. c. 18. und 19, die aller - anmuthigſte und fruchtbarſte Gegend im gan - tzen Lande: ſo daß auch Loth ſelber, da er ſich von ſeinem Bruder Abraham getrennet, vor al - len dieſe zu ſeiner Haushaltung erwehlete. C. 13, 10-13. Aber die Leute bemeldter 5. Staͤdte waren gottlos, lieſſen alles in Hoffart und Si - cherheit vollauf ſeyn, (Ezech. 16, 49.) und wa - ren ſonderlich in die Greuel der fleiſchlichen Luͤ - ſte dermaſſen verſtricket, daß ſie es ſchon ohn -P 5ge -234(II. Th.) Theologiſche Betrachtunggeſcheut in gantzen Comploten hauffenweiſe trie - ben. Als nun die zwey Engel, die GOtt aus - druͤcklich zu dem Loth abgeordnet hatte, ihn von da herauszufuͤhren, gekommen waren: ſo kamen ſie in groſſer Anzahl an ſeine Thuͤre heran, und forderten, er moͤchte die zwey Engel, (die ohne Zweifel, als Abgeſandte des allerſchoͤnſten GOt - tes, in ſehr anſehnlicher und lieblicher Geſtalt erſchienen waren,) herausgeben, damit ſie ſie er - kennen, oder Schande mit ihnen treiben moͤch - ten. Wie es dieſen Boͤſewichtern gegangen, das wollen Sie ja ſelbſten mit guter Ueberle - gung in angezeigten 2. Capiteln leſen; woſelbſt ſie vielerley Wunderproben, beydes von goͤttli - chem Erbarmen, als auch von ſeinem feuerbren - nenden Zorn antreffen werden. Der HErr, der hochgelobte Sohn GOttes, ließ Schweffel, Saltz und Feuer regnen, von dem Jehovah, ſeinem ewigen Vater, auf dieſe Staͤdte, und kehrete ſie um: dis gantze Revier und alle Einwohner der Staͤdte, und was auf dem Lande gewachſen war; dergeſtalt, daß die gantze Gegend, bey die 8. teutſche Meilen lang und 2. Meilen breit, in die Erde verſuncken und mit den Gewaͤſſern des Jordans bedeckt worden, damit ſie von dem An - geſicht des HErrn weggethan, und in die Tieffe verſchlungen wuͤrde.
Dieſes Monument oder Denckmahl geſtraf - ter Wohlluͤſte iſt ſo wichtig, merckwuͤrdig, und vor aller Welt Augen ſo offenbar, daß man er - ſtaunen muß. Sie ſind entſetzlich untergangen, und ihr Name und Gedaͤchtniß iſt noch ietzo un -ter235der Unreinigkeit. ter ewigem Fluch. Bis auf den heutigen Tag iſt dieſe groſſe und ſtinckende See da, unter dem Namen des Saltz-oder todten Meers, insge - mein bey den Geographis Lacus Asphaltites, das iſt, das Pechmeer genennt, 7. Meilen von dem itzigen Jeruſalem weg entlegen; und ſo voller aus Schwefel und Pech vermiſchten Unflaths, daß das Waſſer davon gantz dicke und ſchwartz iſt. Es kann vom Winde nicht rege gemacht, noch herumgetrieben werden; kein Fiſch iſt darin anzutreffen; und kein einiger Vogel ma - chet ſich da hinzu, ſein Neſt auf dem Waſſer, oder am Ufer, wie ſie ſonſt pflegen, zu machen; und wenn irgend was Lebendiges hinein fiele, wenns auch Cameele, Ochſen, und dergleichen waͤren, ſo ſinckt es nicht unter; ſondern nach - dem es erſt von dem ſchweren Dampf erſticket, mithin von dieſem ſtinckenden Wuſt und Waſ - ſer angefuͤllet worden: ſo ſinckt es erſt alsdenn zu Boden, welches in andern Gewaͤſſern juſt um - gekehrt geſchiehet. Tacitus Hiſt. V, 6. num. 5. ſa - get „ Es iſt eine entſetzlich groſſe See, nach Art „ eines Meeres, aber von einem ſtinckend faulen „ Geſchmack; deſſen ſchwerdaͤmpfender Geruch „ den nahe herumwohnenden ſchaͤdlich und an - „ ſteckend iſt. Sie wird durch keinen Wind in „ Wellen und Bewegung geſetzt, leidet auch kei - „ ne Fiſche, noch auf Waſſern niſtende Voͤgel ‟ und c. 7. erzehlet er, wie auch ſo gar das Land rings herum gantz verſenget ſey und alle Frucht - barkeit verloren habe: was auch rings herum aufwaͤchſt, ſey ungeſchmack, ungerathen, undzer -236(II. Th.) Theologiſche Betrachtungzerfalle endlich zu lauter Aſchen; davon die be - kanten Sodomsaͤpfel Zeugniß geben, die von auſſen zwar ſehr anmuthig und lieblich ausſe - hen, aber inwendig nur herbe und ſchaͤdliche Koͤrner tragen; welche, ſo bald der Apfel reiff worden, zu Aſche werden, und bey deſſelben Er - oͤffnung wie ein ſchwartzer Staub herausfahren. Es iſt dis um deſto mehr zu bewundern, weil die See rings herum mit Bergen umgeben iſt, und etliche groſſe Fluͤſſe, als der Jordan, Arnon, Di - bon, Jared und andere in denſelben beſtaͤndig hineinfallen, und doch nicht vermoͤgend ſind, ſein Waſſer, welches des Tages uͤber, nach verſchie - denem Stand der Sonne, ſeine Farbe dreymal veraͤndert, zu verbeſſern, oder dieſes oͤffentliche Atteſtat der Gerechtigkeit und Heiligkeit GOt - tes zu vernichten.
Ach! ſolte das nicht ein menſchliches Hertz, wenn es nicht auch ſchon, wie der Heiden ihres, Roͤm. 1. fuͤhllos worden waͤre, bewegen koͤnnen, ſich vor dieſem erſchrecklichen GOtt zu fuͤrchten? Jſts uns doch ſo gar in der Epiſt. Judaͤ v. 7. 8. ſqq. ſchriftlich gegeben, daß dieſe Gottloſen noch ietzo in der hoͤlliſchen Glut brennen: da es, (wie ichs Jhnen mit Fleiß nach dem Griechiſchen herſetzen will,) unter andern heiſſet: Denn eben alſo, wie Sodoma und Gomorrha, und die umliegende Staͤdte, (die gleicher - weiſe wie dieſe ietzigen Unflaͤter v. 12. aus - gehuret haben, und nach einem andern Fleiſch gegangen ſind,) zum Exempel ge - ſetzet ſind, und leiden noch ietzo (nun ſchonuͤber237der Unreinigkeit. uͤber 3600. Jahre) des ewigen Feuers Pein: eben alſo ſind auch dieſe Traͤumer und Eingeſchlaffene, die das Fleiſch beflecken, die Herrlichkeit des allerhoͤchſten GOt - tes nichts achten, und ſeine Majeſtaͤten oder unendliche und anbetungswuͤrdi - ge Eigenſchaften laͤſtern ꝛc. Laͤſtern da ſie nichts von wiſſen; was ſie aber na - tuͤrlich erkennen, (wenigſtens erkennen koͤn - ten,) wie die unvernuͤnftigen Thiere (es doch noch eꝛkennen), darin verderben ſie. We - he ihnen! denn ſie fallen in den Jrrthum des Balaams (davon bald ein mehrers): die - ſe Unflaͤther ſind Wolcken ohne Waſſer, (haben oft einen Schein des Chriſtenthums, wie - wol ordentlich das allerſchlimmſte davon, nem - lich eine ſtetswaͤhrende Gewiſſensangſt, ſo bey ei - nem wahren Chriſtenthum nimmermehr ſeyn ſoll noch kann), von den Winden herum - getrieben (und von den Luͤſten bald hie bald dorthin geworfen), ſind Baͤume, ſo eine ſpaͤ - te Frucht bringen wollen, (welche wegen hereinbrechender Kaͤlte nicht zur Reiffe kommen kann, ſondern erſterben muß; Baͤume) die gantz ohne Frucht zweymal erſtorben, und mit den Wurtzeln herausgeriſſen ſind, aus dem Weinſtock JEſu Chriſto und ſeiner Ge - meinſchaft. Sie ſind wilde Wellen des Meeres (Jeſ. 57, 20. 21. ) die ihre eigene Schande ausſchaͤumen; irrende Sterne, (die doch gleichwol was wichtiges wiſſen, gelten und bedeuten wollen,) fuͤr welche die aller -dun -238(II. Th.) Theologiſche Betrachtungdunckelſte Finſterniß aufbehalten iſt in Ewigkeit. Siehe! der HErr kommt mit viel tauſenden ſeiner Heiligen; das Gericht zu exequiren uͤber alle, und vol - lends zu beſtraffen alle Gottloſen, um ihres gottloſen Wandels willen, damit ſie gottlos geweſen ſind; und um aller der harten Dinge willen (der Praͤtenſionen, der Beſchuldigungen, der Grobheit wegen), wel - che ſie wider ihn geredet haben, (die gott - loſen Suͤnder). Das ſind die rechten Mur - renden, (Muckers) haben immerdar zu klagen, bald uͤber ihrem Verhaͤngniß, bald uͤber die, ſo ihnen GOtt zu Hirten und Lehrern vor - geſetzt, bald uͤber die genaue Strenge des Chri - ſtenthums, bald uͤber die allzugroſſe Haͤrte der Gerechtigkeit GOttes, und deſſelben ungleich ge - hende Providentz; Leute, denen es niemand, auch GOtt ſelber nicht nach Willen machen kann, welche nach ihren Luͤſten wandeln ꝛc. die Spoͤtter, von denen die Apoſtel un - ſers HErrn JEſu Chriſti geſagt haben, daß ſie zu der letzten Zeit kommen wuͤr - den, die nach ihren eigenen Luͤſten des gottloſen Weſens wandeln. Dieſe ſind es, die da Rotten machen, Fleiſchliche, die da keinen Geiſt haben ꝛc. Ach! lieb - ſter Freund! ob man denn etwas deutlicher und eigentlicher beſchreiben koͤnnte, als ſolcher Boͤſe - wichter ihren Zuſtand, die den Greueln der So - domiten nachgehen, und mit ihnen in gleiche hoͤlliſche Gluth geworfen werden muͤſſen? Ach! be -239der Unreinigkeit. beſinnen Sie ſich doch der Worte des Allerhoͤch - ſten, die er einſt Amos 4, 11. 12. zu ſeinem Jſ - rael geſaget hat; da er ihnen vorruͤcken muſte, ſie haͤtten ſich ſo gar nicht einmal durch das Ex - empel der Sodomiten, und durch gleiche Straf - fen zu andern Gedancken bringen laſſen wollen. Daher er endlich ſprach: Darum will ich dir weiter alſo thun Jſrael! (ich will noch eine andere Proceßordnung und Methode mit dir verſuchen.) Weil ich denn dir alſo thun will, ſo ſchicke dich Jſrael, und begegne deinem GOtt.
Es kann Jhnen auch nicht unbekant ſeyn,2) Jſrael. (um deſtomehr, weil im alten und neuen Teſta - ment ſo oft darauf gewieſen wird, und es auch Moſes, 4 Moſ. 22. bis 26. und Cap. 31. weit - laͤuftig beſchrieben,) was ums Jahr der Welt 2584. als die Jſraeliten die 41te oder letzte Station in der Wuͤſten nun bereits nahe am Jordan auf den Moa - bitiſchen Feldern gehalten, unter ihnen vorgegangen. Als nemlich Balak, der Moa - biter Koͤnig, uͤber der Ankunft des Volckes Jſrael erſchrocken war, und es auch nicht wagen wolte, ſie mit gewaffneter Hand zuruͤck zu treiben: ſo hat er den Bileam, der wol damals ein wahrer Prophet und Knecht GOttes ſeyn mochte, mit ſehr anſehnlichen Praͤſenten, und oft wiederhol - ter Geſandtſchaft dazu zu bereden geſucht, er moͤchte ihm dis Volck im Namen des HErrn verfluchen. Da aber der HErr dem Bileam auf keinerley Weiſe ſolches zu thun erlaubenwol -240(II. Th.) Theologiſche Betrachtungwolte; dieſer aber bereits ſein Hertz an die koͤſt - liche Geſchencke gehenget hatte: ſo wolte er nicht gerne gantz und gar ohne Recompens vom Ba - lack wieder zuruͤck kehren; gab ihm alſo den Rath, C. 31, 16. er moͤchte nur Gelegenheit machen, daß die Midianiter-und Moabiterwei - ber in das Lager der Jſraeliten kommen duͤrften. Dis wuͤrde ſie zur Unzucht, Hurerey, und als - denn auch zur Abgoͤtterey reitzen, und alſo den Grimm des HErrn uͤber ſie bringen. Der Rath ging leider gar wohl an; aber der Zorn des HErrn ergrimmete dermaſſen uͤber Jſrael, daß er nicht nur alſofort Moſi Ordre gab, alle Fuͤrſten und Oberſten des Vol - ckes, die ſich zu ſolcher Schande haben verfuͤhren laſſen, aufzuhengen, und auf andere Weiſe eilfertig hinzurichten: ſon - dern er ließ auch alsbald ein ſo ploͤtzliches Ster - ben unter das Volck kommen, daß ihrer flugs 23000. hinfielen; und wuͤrde die Plage ohne Zweifel noch viel heftiger und weiter ge - gangen ſeyn, wofern Moſes mit der Execution und Lebensſtraffe der Schuldigen nicht ſo geei - let haͤtte. Ueber dieſes hat GOtt noch alſobald Moſi geboten, er ſolte dieſe Bosheit und Liſt der Midianiter an ihnen raͤchen, welches er nach etlichen Tagen nochmals wiederholet, und ihm ausdruͤcklich damit zu eilen befohlen, damit er gleich darauf, weil der Termin ſeines eigenen To - desurtheils ohndem ſchon ankam, ſterben koͤnte. Sie koͤnnen es im 4 B. Moſ. 31. ſelbſt leſen, mit welcher Zuruͤſtung und gerichtlichen Um -ſtaͤn -241der Unreinigkeit. ſtaͤnden dieſer Befehl des Allerhoͤchſten ausge - fuͤhret worden. Hoffentlich werden Sie daraus handgreiflich ſehen, daß Unzucht und fleiſchliche Luͤſte nicht nur zu allen andern Suͤnden Thuͤr und Thor oͤfnen; ſondern auch vor GOttes Au - gen hoͤchſt verhaßt ſeyn muͤſſen: denn der guͤti - ge GOtt wird ja warlich um geringer Dinge willen nicht 24000. Menſchen in ſolcher Eil, und ohne ihnen eine Zeitlang zur Zubereitung zum Tode zu verſtatten, hinrichten laſſen.
[γ]) Eine ſolche erſchreckliche Schand -3) Gibea. that geſchahe auch noch zur Zeit der Richter im Stamme Benjamin, daſelbſt in der Stadt Gibea, (wo eine hohe Schule geweſen, und nachgehends Saul ſeine Reſidentz hin verlegt,) die mit der Sodomiter ihren Greueln gleiches Werthes war. Es rei - ſete ein Levite mit ſeinem Weibe da vorbey; und weil es Abend worden war, iſt er daſelbſt ein - gekehret, und von einem ehrlichen und guten Mann ins Haus genommen worden. Da ka - men aber die Leute dieſer Stadt, boͤſe Buben, die ſich in den Schandthaten der Sodomiter auch ſchon gantz verſtricket hatten; umgaben das Haus, pochten an die Thuͤr, und forderten von dem alten Manne, er moͤchte ihnen den Fremdling, der bey ihm eingekehret war, flugs ausliefern, daß ſie ihn erkenneten ꝛc. Sie wer - den aus dem Buch der Richter im 19, 20. 21. mit Erſtaunen ſehen, was darauf erfolget, und was dis fuͤr eine erſchreckliche Macht der Luſt - ſeuche ſeyn muͤſſe, wo ſie einmal eingewurtzelt. II. Th. Betr. der Unreinigk. QWie242(II. Th.) Theologiſche BetrachtungWie viel ſie vor dem heiligen GOtt gelte, er - meſſen Sie daraus, daß um deswillen in der dar - aus entſtandenen Unruhe, die GOtt gerichtlich, und mit ſehr ſonderlichen Umſtaͤnden zugelaſſen, von Jſrael bis funfzig tauſend Mann gefallen ſind; von Benjamin aber bey die fuͤnf und zwan - zig tauſend und ein hundert Mann, immaſſen der gantze Stamm bis auf 600. Mann voͤllig iſt ausgerottet worden. Jn Wahrheit, Sie muͤ - ſten dencken, daß es bey dem lieben GOtt eben ſo wenig zu ſagen hat, wenn er uͤber die fuͤnf und ſiebenzig tauſend Menſchen, groͤſten theils in Unbußfertigkeit verderben und auf ewig hin - richten laͤſſet: als wenig wir uns daraus ma - chen, wenn wir etliche tauſend Fliegen oder an - der ſchaͤdliches Geſchmeiſſe umbringen: wofern Sie daraus nicht ſchlieſſen wolten, die Schande und alle Unzucht muͤſſe gleichwol vor dem aller - heiligſten GOtt ein gantz unertraͤgliches Laſter ſeyn. GOtt iſt ja kein Tyrann, wie es der Menſch iſt; ſondern er erbarmet ſich aller ſeiner Wer - cke. O ja! du ſchoneſt aller, denn ſie ſind dein, HErr! du Liebhaber des Lebens. Weish. 2, 27.
[δ]) Endlich iſt wol kein Exempel in der heiligen Schrift, das ſo gar erſtau - nenswerth waͤre, als das Exempel Sa - lomonis: man mag nun entweder die ſchreckliche Gewalt der Fleiſchesluͤſte, oder auch den Zorn des lebendigen GOt - tes uͤber dieſelben betrachten. Sie leſen nur zu allererſt 1 B. der Koͤn. 3. und C. 4, 20. ſqq. und ſonderlich Cap. 8. ſo auch 1 Chron. 29.243der Unreinigkeit. 29. 2 Chron. 1. ſonderlich Cap. 6. und 7. da - mit ſie daraus erſehen, mit welcher zaͤrtlichen Liebe der Allerhoͤchſte dieſem jungen Koͤnige zu - gethan war! ſo gar, daß er ihn Jedidjah, den Geliebten oder Favoriten GOttes durch den Propheten Nathan hat nennen laſſen; Sie werden mercken, daß nie kein Menſch in der Welt von ſo einer tieffen Weisheit und weitlaͤuf - tigen Gelehrſamkeit, beſonders in der Natur - wiſſenſchaft geweſen, als er. Seine Herrlichkeit und unſaͤgliche Reichthuͤmer hatten ihres glei - chen nicht; und GOtt hatte ihm an Natur - und Gnadenguͤtern ſolche Vorzuͤge gegeben, als ſonſt nie keinem, weil er in ehrerbietiger Devotion vor allem andern nur um die Weisheit und um ein gehorſames Hertz gebeten, damit er koͤnne GOtt gehorchen, und ſein Volck regieren.
Allein im 10. und 11. Cap. des erſten Buchs der Koͤnige werden Sie wahrnehmen, in welch eine unbegreifliche Veraͤnderung ſein Ge - muͤth, ſeine Weißheit, ſeine Ergebenheit gegen GOtt, und alſo auch ſeine Hofſtatt und gantze Lebensart durch die Wohlluͤſte gerathen iſt. Weil ſeine Weisheit und Magnificentz durch die da - mals von ihm in groſſen Flor gebrachte Hand - lung und Commercia weit und breit bekant wor - den, und alle auswaͤrtige Fuͤrſten um deſto mehr in Verwunderung ſetzte, da er noch ſo ein junger Herr war: ſo ſind ſehr viele Standesperſonen, beſonders auch viel auslaͤndiſches Frauenzim - mer hingereiſet, ſeine Bekantſchaft zu ſuchen, und den Pracht anzuſehen. Da nun die mei -Q 2ſten244(II. Th.) Theologiſche Betrachtungſten durch ſeine ausnehmende Schoͤnheit, groſſe Herrlichkeit, ungemeine Weisheit, und den ſo ordentlich eingerichteten Juͤdiſchen Gottesdienſt eingenommen worden: ſo ſuchten ſie ſeine Ge - wogenheit anfangs nur in ſo weit zu gewinnen, daß er ſie um der Converſation willen bey Ho - fe bleiben ließ. Hierdurch kam alſo in kurtzer Zeit ein ſehr zahlreiches Gynæceum von Hof - und Staatsdamen zuſammen. Er hatte hat 6. auswaͤrtige Printzeßinnen; nemlich eine Egypti - ſche, eine Moabitiſche, eine Ammonitiſche, eine aus Edom, eine aus Sidon, und eine Hitthaͤe - rin, wiewol zu verſchiedener Zeit, und nicht oh - ne groſſes Mißfallen GOttes, zu ſeinen Gemah - linnen genommen, nachdem er von ſeinem recht - ſchaffenen Weſen bereits war abgegangen. Die - ſe bekanten ſich Zweifels ohne anfangs alle zur Jſraelitiſchen Religion: aber nachhero haben ſie den Salomo durch vielfaͤltiges Bitten und Vor - ſtellen endlich zu einer der groͤſten Thorheiten beredet, daß er einer ieden zu gefallen eine Ca - pelle auf gewiſſen Hoͤhen bauen ließ, damit ſie neben der Juͤdiſchen Religion ihren Gottesdienſt darin verrichten koͤnten. Sie konten es nun leichte dahin bringen, weil der arme Koͤnig ſo wohl durch ihre Liebe, als durch den taͤglichen Umgang mit ſeinen uͤbrigen Hofdames gantz ge - fangen war, und dabey der Liebe des Al - lerhoͤchſten nothwendig vergeſſen muſte.
So hat ein exemplariſch frommer Koͤnig, dem ſonſten an Weisheit und Verſtande nie - mand gleich gekommen, ſich durch fleiſchliche Luͤ -ſte,245der Unreinigkeit. ſte, und die thoͤrichte Weiberliebe auf das ſo un - verſtaͤndige als unbillige principium verleiten laſſen: der wahre Gottesdienſt koͤnne endlich mit ſolchen Nebencapellen des Teufels beſtehen. Sein Exempel hat hiemit dargethan, es koͤnne niemand ſo klug, ſo gelehrt, ſo großmuͤ - thig und ſo vornehm werden, daß er nicht durch Wohlluͤſte, wenn er ſich ih - nen ergiebt, blind werden koͤnne u. muͤſſe.
Er iſt aber in ſeinen fleiſchlichen Begierden und einer recht oͤffentlichen Liebe der Ei - telkeit durch GOttes gerechte Zulaſſung, (nachdem er ihn einmal verlaſſen und von ihm wieder verlaſſen worden, Hoſ. 9, 12.) ſo weit gegangen, daß ſich auch die blin - den Heiden, die es vernahmen, druͤber wundern muſten. Denn er hatte bey ſeiner Hofſtatt Frauenzimmer von zweyerley Range, nemlich 700. vornehme Hofdames, (darunter wol viele von ſeinen Schwaͤgerinnen und Verwandten wer - den geweſen ſeyn,) die er, an ſtatt ihnen andere Gnaden - oder Taffelgelder zu geben, lieber ſelbſt bey ſich verſorgete; und 300. anderes geringeres Frauenzimmer, welches etwa zur Bedienung ſeiner 6. Gemahlinnen ꝛc. mag beſtellet geweſen ſeyn. 1 Koͤn. 2, 1. 2. 3. 4. ſqq. Gewiß, ein ſo zahlreiches Gynæceum, dergleichen auch von den wohlluͤſtigſten Koͤnigen in der Welt nie er - hoͤret worden iſt.
Was meinen Sie, mein geliebter Freund, wie ſchrecklich muß der Grimm des Hoͤchſten uͤber dieſem Koͤnige entbrennet worden ſeyn, daß erQ 3ihn246(II. Th.) Theologiſche Betrachtungihn in ſeinen Sinn ſo dahin gegeben hat, durch Trieb und Veranlaſſung ſeiner Wohlluͤſte ſo gar weibiſch zu werden, und ſein gefange - nes und verwirrtes Gemuͤth vor aller Welt ſo oͤffentlich bloß zu geben, daß es auch bey allen Heiden zum Hohn und Spott gediehen iſt? Denn wer nur davon hoͤrete, muſte ſich entſetzen; weil es nicht zu be - greiffen iſt, wie ein ſo weltberuͤhmter Monarch durch die Luͤſte ſo gar hat uͤbermocht werden, und ſeine gantze Hoheit, Weisheit, erlangten Ruhm und alles aufs hoͤchſte proſtituiren koͤn - nen; durch Dinge, die vor einen vernuͤnftigen Menſchen, wenn er auch ein gemeiner Mann waͤre, durchaus disreputirlich ſind.
Nun dis war Gerichts und Straffe genug: Aber GOtt hat die Gerichte auch vor andern Menſchen greiflicher machen muͤſſen; um deſto mehr, weil er ihm zweymal erſchienen war, und ihn alſo ſeines vertraulicheren Umgangs und Gemeinſchaft gewuͤrdiget hatte, wie ers ihm v. 9. vor Augen ſtellet. Er hat nicht nur 3. Rebel - len auf einmal wider ihn erreget, die ſeinen Na - men Salomo oder Friederich, (auf welchen doch GOtt in ſeiner Verheiſſung ſonderlich mit geſe - hen hatte,) zu ſchanden machen muſten; ſondern kuͤndigte ihm auch bald an, das Reich ſolte von ihm genommen werden: wiewol erſt nach ſeinem Tode, um ſeines Vaters Davids willen, welcher es von gantzem Hertzen mit GOtt gehalten hat - te. Ohne Zweifel wuͤrde GOtt auch in den aͤuſſerlichen Gerichten viel ploͤtzlicher und vielwei -247der Unreinigkeit. weiter gegangen ſeyn, (wie er es gleichwol her - nach mit deſſelben Sohn Rehabeam machte,) wo nicht der vaͤterliche Segen Davids nach 2 Moſ. 20, 6. im Wege geſtanden waͤre; und noch da - zu die theure Verheiſſung, die er ſelbigem gethan hatte; (conf. 2 Sam. 7, 12. 16. ) wie imglei - chen dieſes, daß Salomo ein Vorbild unſers HErrn JEſu ſeyn ſolte, auch noch zugleich die Familie durch ihn muſte fortgepflantzet werden, aus welcher Chriſtus wolte geboren werden. Si - rach redet dieſen Koͤnig C. 47, 21-25. alſo an: Dein Hertz hing ſich an die Weiber, und lieſſeſt dich ſie bethoͤren, und hingeſt dei - ner Ehre einen Schandfleck an: und machteſt, daß deine Kinder verworfen ſeyn muſten, und der Zorn uͤber deine Nachkommen ging, zur Straffe deiner Thorheit. Da das Koͤnigreich zerthei - let ward, und in Ephraim ein abgoͤttiſch Koͤnigreich entſtund. Aber der HErr wendete ſich nicht von ſeiner Barmher - tzigkeit, und aͤnderte nicht ſein verheiſſen Werck, und vertilgete nicht gar ſeines Auserwehlten (Davids) Nachkommen, und thaͤt nicht weg den Samen ſeines Liebhabers; ſondern behielt noch etwas uͤber, aus dem Volck Jacob, und eine Wurzel von David. Daher hat ihn die erbarmende Liebe GOttes, die ihm durch viele Truͤbſalen und Gewiſſensſchlaͤge ſo lange nach - gegangen, doch endlich wieder gefunden: daß er ſich im Alter von Hertzensgrunde zu GOtt be -Q 4keh -248(II. Th.) Theologiſche Betrachtungkehret, und die Sprichwoͤrter, wie auch den Prediger aufgeſetzet, darin er ſonderlich C. 2, 4. 5. 7, 8. ſeine vorige Thorheit wieder vor allen Menſchen erzehlet, und v. 11. den Schluß macht, dis alles ſey eitel Jammer und Eitelkeit geweſen.
Stehet nun die Sache der wohlluͤſtigen Men - ſchen in Anſehung der zeitlichen Gerichte ſo: ge - wiß, ſo wird es nicht unnoͤthig ſeyn zu fragen: wie es denn am juͤngſten Gerichte damit gehen werde? Jch ſolte nicht dencken, daß iemand unter den unzuͤchtigen Menſchen meinen koͤnn - te, er werde bey dieſer allerhoͤchſten Jnquiſition nicht vortreten duͤrfen: denn er iſt ja laͤngſt da - hin citiret. Wird GOtt die Hurer und Ehe - brecher richten: Hebr. 13, 4. Vor weſſen Gerichte wird er denn erſcheinen wollen? denn er gehoͤret ja in dieſe Bande.
Es iſt ſo gar von den Heiden oͤffentlich an - geſagt, daß alle, die unter ihnen gewandelt ha - ben nach heidniſchen Willen, in Unzucht, Luͤſten, Trunckenheit, Freſſerey, Saufferey und greuli - chen Abgoͤttereyen, werden muͤſſen Rechenſchaft geben, dem, der ſchon bereit iſt zu richten die Lebendigen und die Todten, nach ſeinen Rechten, 1 Petr. 4, 3. 4. 5. Sollen nun die Heiden, die auſſer dem dunckeln Schimmerlichte der Natur nichts hatten, woran ſie ſich hielten, (und des - wegen nur durchs Geſetz der Natur werden ver - urtheilt werden, Rom. 2, 12.) von der Unzucht Rechenſchaft geben: ich bitte! weſſen habenſich249der Unreinigkeit. ſich denn die Chriſten zu verſehen, die beyderley Geſetze, der Natur und des Evangelii uͤbertreten; und mit Verach - tung ſo groſſen Lichts, ſo vieler Beweg - urſachen, ſo ofte wiederholter Bitten und Vermahnungen, und ſo vieler Huͤlfs - mittel, die ſie zur Reinigung hatten, den Luͤſten nachgegangen?
Es iſt uns allen ſehr deutlich geſagt, daß wir alle offenbar werden muͤſſen vor dem Richterſtuhl Chriſti, auf daß ein ieglicher empfahe an ſeinem Leibe (oder dasjenige, was ſeinem Leibe zukommen wird, nemlich die Straffe, die er ſich erarbeitet hat durch Suͤnden an ſeinem Leibe,) was er gearbei - tet oder verdienet hat, es ſey gut oder boͤſes, 2 Cor. 5, 10. Wird hie ſo eigentlich auf den Leib geſehen: o wie wirds doch denen gehen, welche dieienige Suͤnde, ſo in beſonderem Ver - ſtande die Suͤnde des Leibes heiſſet, ge - trieben haben, wenn ſie hier mit beflecktem Leib und Seele werden erſcheinen muͤſ - ſen?
GOtt hat auch dieſes ausdruͤcklich vermel - den laſſen, Eph. 5, 11. 12. daß die unreinen Haͤndel Wercke der Finſterniß ſind, und Sachen, die nur heimlich geſchehen; er hat auch Jeſ. 29, 15. 16. das Wehe uͤber ſol - che ausgeruffen, die verborgen ſeyn wollen vor dem HErrn, und die ihr Thun im Finſtern halten; ja ſo gar hat ers ihnen daſelbſt ausdruͤcklich und handgreiflich zu allem Uberfluß erwieſen, daßQ 5ſie250(II. Th.) Theologiſche Betrachtungſie ſehr unvernuͤnftig und gegen ſich ſelbſt un - billig daran thaͤten. Jſt nun GOtt gehalten, als ein Richter der Welt, die Suͤnden zu ſtraf - fen; ſo muß er gewiß wieder die heimlichen am ſchaͤrfſten verfahren, weil ſolche erſt durch das Licht des groſſen Gerichts ans Licht kommen und bekant werden muͤſſen. GOtt muß dieſe heim - liche und den Menſchen unbekante Suͤnden viel gewiſſer und weit haͤrter ſtraffen: weil die, ſo ſie begehen, ohnerachtet ſie durchaus ſchuldig, fuͤr unſchuldig dahin gehen; und geſchiehet ihnen auf der Welt vor menſchlichen Augen und Wahn nichts dafuͤr: da hingegen andere, die ihr Ver - brechen nicht haben verbergen koͤnnen oder wol - len, ſondern es redlich geſtanden, in dieſer Welt etwa ihre Schande und Straffe erduldet haben. O wie manche wird man an jenem Tage wegen ihres aͤuſſerlich gefuͤhrten ehrbaren Wandels unter den Seligen ſuchen; aber vergebens! Denn man wird erfahren, daß ſie wegen heim - lich gehaltener Unreinigkeit vom Himmel aus - geſchloſſen ſind!
Ueberhaupt ſind alle, die da heimlich ge - ſuͤndiget, in einem weit gefaͤhrlicheren Zu - ſtande, als die, deren Fehler an den Tag kommen: weil dieſe leichter vom Fall aufſtehen, und ihres boͤſen Gewiſſens los wer - den koͤnnen, als iene, die durch Verborgenheit, oder Verhelung ihrer Suͤnden verſtocket wer - den, und ohne ſie zu erkennen, dahin ſterben. Wenn ſie nun ſo dahin fahren, an welchen Ort der Quaal werden ſie denn gerathen muͤſſen?
Wenn251der Unreinigkeit.Wenn unſer Erloͤſer Marc. 9, 43-48. von der Keuſchheit redet, ſo ſpricht er, es ſey aller - dings beſſer, ſeinen Leib zu toͤdten, und ſeine Glieder zu verlieren, folglich ſich der angenehm - ſten und nothwendigſten Dinge zu entſchlagen, als in die Hoͤlle geworfen werden, da ihr Wurm nicht ſtirbet, und ihr Feuer nicht verloͤſchet. Ach! wer ſolte nicht alles er - ſinnliche thun, dieſem Feuer zu entflie - hen?
So hat eben unſer Heiland und Richter den Verzagten, und Unglaͤubigen, und Greu - lichen, und Todtſchlaͤgern, Hurern und Zaͤuberern, und Abgoͤttiſchen, und allen Luͤgnern ihren Theil bereits zum vor - aus adjudiciret und angewieſen, Offenb. 21, 8. in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennet, welches iſt der an - dere Tod. Wie erſchrecklich, und von wel - cher peinlichen Schaͤrfe muß denn wol die Quaal der Unzuͤchtigen in der Hoͤlle ſeyn, wenn ſie der ewige Sohn der Liebe, und der wahrhaftige Zeuge mit ſo ausnehmenden Worten beſchrei - bet! Wir koͤnnen es ſchon greiflich genug aus der Heftigkeit der zeitlichen oben erzehlten Gerichte ſchlieſſen. Denn, ſind Heiden mit Flammen und Feuer verzehret, und GOtt ſoll doch richten mit Billigkeit, und nach der Groͤſſe der Laſter: was wird dann an den Chriſten ge - ſchehen muͤſſen, die durchs Evangelium erleuch - tet werden; Chriſti Lehre und Exempel vor ſich ha - ben; von der Sache unterrichtet und uͤberfuͤh -ret252(II. Th.) Theologiſche Betrachtungret ſind; und denen es an Mitteln im gering - ſten nicht fehlen darf, in heiliger Reinigkeit zu leben?
Jſt denn die Unreinigkeit nicht |viel ſtraͤfli - cher an einem Chriſten, als die Unzucht an einem in der Finſterniß der Abgoͤtterey gantz verſuncke - nen Heiden? Unreinigkeit begehen in der Gemeine Chriſti iſt was aͤrgeres, als die Greuel, die zu Sodom vorgegangen. Da - her macht auch Chriſtus den Unterſcheid ſorg - faͤltig und genau, Matth. 11, 20-24. indem er feſte ſetzet: daß die ſo ſich nicht gebeſſert, am juͤngſten Gericht viel ſchaͤrfer werden geſtraffet werden, als Sodom und Gomorrha. Jſt denn daraus nicht ſonnenklar, daß die unkeuſchen Chriſten, und die ſo aus heimlichen Wohlluͤſten ein Handwerck gemacht, eine weit ſtrengere Pein werden leiden muͤſſen, als die allerfreche - ſten und ſtraͤflichſten Heiden?
O mit welcher Verzweifelung werden Sie alsdenn ringen, und mit welcher Verbitterung werden ſie erſt alsdenn uͤber ſich ſelber entbren - net ſeyn, daß ſie die garſtigen und unflaͤtigen Wohlluͤſte hoͤher geachtet, als die ewige Selig - keit, deren ſie ſich nun auf ewig und immerdar beraubet ſehen! O wie wird ſie das nagen und freſſen, daß ihr Theil nun mit dem Teu - fel und ſeinen Engeln iſt; und daß ſie gleiche Pein leiden muͤſſen mit dem, der ausdruͤcklich der unreine Geiſt heiſſet, und dem ſie als Scla - ven in gleicher Unreinigkeit gedienet! O in welch einem ewigen Schimpf und Schande vor GOttund253der Unreinigkeit. und Menſchen muͤſſen ſie ſich quaͤlen, wenn als - denn alle ihre heimliche Dinge ans Licht kom - men werden, vor deren Offenbahrung ſie ſich hie ſo entſetzlich gefuͤrchtet! 1 Cor. 4, 5. Pred. Sal. 12, 14. wenn ſo wohl ihre Greuel und Uebelthaten, nach ihrer Zahl und Groͤſſe, als auch die Zahl, Menge und Haͤrte ihrer Straf - fen den Engeln und Menſchen kund gemacht werden wird, damit die Gerechtigkeit GOttes daruͤber verehret werde.
Was meinen Sie, mit welcher Beſtuͤrtzung werden wol die Verdammten in der Hoͤlle Leu - te um ſich ſehen, die ſie ſelber fuͤr fromm ge - halten, und ihr tugendhaftes Weſen geehret? Und wenn die Nachfrage geſchehen wird: wie ſie doch in dieſe Geſellſchaft, und an einen ſolchen Ort gekommen; ſo wird ſichs zeigen, daß ſie heimlichen und ins beſondere den viehiſchen Luͤ - ſten nachgegangen, und im Grunde unzuͤchtig geweſen. Daher ſie ietzo um deſto ſtraͤflicher ſind, weil ſie die Leute betrogen; zu ihrer Gottloſig - keit annoch Heuchler geweſen, und alſo oft viele Jahre hindurch in unausgeſetzten Luͤgen geſte - cket und gelebt, indem ſie unter dem Schein der Froͤmmigkeit ein geiles Hertz verberget, und den ſchaͤndlichen Begierden der Wohlluſt als Scla - ven gedienet.
Was werden Sie doch alsdenn von der vergifteten Anmuth dieſer Luſtbarkeit halten, wenn ſie nun den Lohn ihrer unreinen Flammen in dem ewigen Feuer empfangen werden, undmit254(II. Th.) Theologiſche Betrachtungmit was vor Augen werden Sie ſelbige doch als - denn anſehen? Schon ietzo darf ja nur eine Kranckheit, oder ein heftiger, obwol kurtzwaͤh - render Schmertz kommen: ſo werden Sie ge - gen die Wohlluͤſte dieſes Lebens gantz unempfind - lich, eckelhaft und verdrießlich; daraus ſie ja mercken koͤnten, was fuͤr ein ſchnoͤdes und bald vorbey gehendes Ding ſie ſich zur Luſt gewehlet haben. Ach! ſolten ſie denn nicht als vernuͤnf - tige Menſchen die ewige Schmach und Pein be - dencken, und jenes Foltern gegen dieſe unge - maͤchliche und nur einen Augenblick waͤhrende Ergoͤtzlichkeit halten; damit ſie doch ſehen moͤch - ten, wie viel eines das andere uͤberwiege, und was fuͤr einen ſchrecklichen und ewigen Jammer Sie fuͤr ein wenig ſchaͤndlicher und bitterwerden - der Luſt auf ſich nehmen? Wohlluſt vergehet bald; zum wenigſten wird, wenn der ge - ſchaͤndete verfluchte Leib ſchon vermo - dert, von Wuͤrmern gefreſſen wird, und in Staub und Aſche zerfaͤllt, nichts mehr davon zu genieſſen ſeyn: aber die Pein und Straffe kann nicht vergehen, ſo lange GOtt ein ewiger und wahrhaf - tiger GOtt bleibet.
Die Luſtſeuche iſt eine der aller - maͤchtigſten und hartnaͤckigſten Hin - derniſſe zur wahren Bekehrung: ſo, daß man ſagen muß, wer da zu tief hinein gerathen iſt, iſt in die allerhoͤchſte Ge - fahr der Seelen, in die gewaltſamſtenBan -255der Unreinigkeit. Bande des Satans, in die verwirrteſten Netze der Hoͤllen, und in faſt unuͤber - windliche Schwierigkeiten ſeiner Er - rettung wegen gerathen. Mit ſehr vielen iſts ſo viel, wie gethan, und alles verloren. Daß diejenigen, ſo von dieſem Greuel eingenommen ſind, ſich zu allem Boͤſen verleiten laſſen, alle Schamhaftigkeit verlieren, und in eine ſolche unbegreifliche Boßheit, Thorheit und Laſter ver - fallen koͤnnen, als ſich kein Menſch auf der Welt von der menſchlichen Natur einbilden ſolte, iſt bereits oben mit Exempeln beſtaͤtiget. Ach! daß man dergleichen ſo betruͤbte als erſchreckli - che Exempel in keiner einigen Schule, und un - ter keiner Jugend aufweiſen koͤnnte, die durch die heilige Tauffe ihrem GOtt allen Gehorſam und Treue geſchworen! GOtt ſelber leitet Hoſ. 4, 11. 12. die unvernuͤnftige und ungereimte Ab - goͤtterey ſeines Volcks von den Wohlluͤſten her, und eignet ihnen die Schuld einer ſolchen unge - heuren und boßhaften Thorheit allein zu, da er ſpricht: Mein Volck fraget ſein Holtz, und ſein Stab ſoll ihm predigen; (das ſind kluge Leute! ey woher kommt ihnen doch dieſer wahn - ſinnige Verſtand?) denn der Hurerey Geiſt verfuͤhret ſie, daß ſie endlich ſo gar auch wie - der ihren GOtt Hurerey treiben.
Unſer Heiland aber ſpricht noch viel was mehrers, da er Cap. 5, 3. 4. uͤber eben daſſel - be Volck mit dieſen hoͤchſt bedencklichen Worten Klage fuͤhret: Jch kenne Ephraim wohl, und Jſrael iſt vor mir nicht verborgen:ich256(II. Th.) Theologiſche Betrachtungich weiß es gar wohl, worin der Knoten ſteckt, und was die Bekehrung meines Volcks ſo un - glaublich ſchwer machet, nemlich, daß Ephraim nun eine Hure iſt, und Jſrael iſt unrein. Sie dencken nicht einmal drauf, daß ſie ſich bekehreten zu ihrem GOtt; oder nach dem Hebraͤiſchen: Sie werden nicht einmal ih - re Gedancken dazu hergeben, werden es nicht einmal ihrem Hertzen erlauben, daß es viel dar - an gedencke; ihre Wege, Anſchlaͤge und Auf - fuͤhrung wird es auch gar nicht zulaſſen wollen, daß ſie zu ihrem GOtt wiederkehreten. Ach! Ach! was muß ſie doch ewig zu einer ſo entſetzlich ungerechten Auffuͤhrung gegen ihren Schoͤpffer, und zu ſo einem halsbrechenden Unterfangen ver - moͤgen? Antwort: Denn ſie haben | einen Hurengeiſt in ihrem Hertzen, und kennen GOtt (meinen Vater, ſpricht der Sohn GOt - tes mit Hertzeleid,) gar nicht. Wer haͤtte das gemeinet, daß dieſe Sache ſo weit hinanreichen koͤnte, bis an die wuͤrckliche Beherrſchung des Hertzens vom Teuffel, und zwar in einem gantz ausnehmend hohen Verſtande, daß er in ſol - chen Menſchen ſeine Reſidentz aufſchlaͤgt?
Was iſts Wunder, daß man die verderbten Weichlinge mit aller angewendeter Muͤhe und Arbeit auf keinerley Weiſe dazu uͤberreden, ja nicht einmal uͤberbitten kann, daß ſie doch nur wenigſtens etliche Tage im Gebet unablaͤßig an - hielten, (wenn ſie auch ſchon einmal Luſt krieg - ten, von ihrer Sclaverey loß zu werden): ſon - dern wenn ſie auch ein oder zwey Tage bereits vielThraͤ -257der Unreinigkeit. Thraͤnen vergoſſen haͤtten, ſo ſind ſie doch in we - niger Zeit juſt ſo, wie ſie vor waren; und lie - gen in ihrem Unflath gerne, oder ſind gar noch tieffer hinein geſuncken? Ach gewiß! wer es bis dahin kommen laſſen, daß er unter dieſer Di - ſciplin des boͤſen Geiſtes, der die Gottloſen mit Wohlluͤſten plaget und verfuͤhret, ſtehen muß: uͤber deſſen Seele kann man Jammer und Wehe ausſchreyen, und das allerbetruͤbteſte conclamatum eſt ausruffen!
GOtt iſt im allerhoͤchſten, ja unendlichem Grade gerecht; und darum muß ers zulaſſen, daß derjenige, dem ſeine liebesvolle, ſanfte und vergnuͤgende Regierung ſchlechterdings nicht an - ſtehet, unter die Obrigkeit der Finſterniß ver - faͤllet: denn die wolte er ja haben, da er fuͤr ſei - ne Luͤſte und Paßionen alle vollkommene Frey - heit praͤtendirte. Daher der Satan von ſo ei - nes Menſchen Hertzen voͤlligen Beſitz nimmt, und ihn dermaſſen feſſelt, daß auch die vernuͤnf - tigſten Gruͤnde, die beweglichſten Vorſtellun - gen, das inſtaͤndigſte Bitten, das klaͤreſte Er - weiſen der darauf folgenden Gefahr und Ge - richte nicht ſtarck genug ſind, ihn auch nur auf eine kurtze Zeit in einem beſtaͤndigen Ernſt zu erhalten. Sie koͤnnen noch zum Theil leicht beweget, und zu der Reſolution gebracht wer - den, ſie wolten und muͤſten ſich nun bekehren: aber ehe man ſichs verſiehet, liegen ſie wieder; und wenns einige mal ſo gegangen, ſo deſpe - riren ſie ſelbſt, geben alles verlohren, halten es fuͤr unmoͤglich, daß ſie iemals mehr koͤnten be -II. Th. Betr. der Unreinigk. Rkeh -258(II. Th.) Theologiſche Betrachtungkehret werden, und legen ſich alſo hiemit aufs neue ſchlaffen, indem ſie die Gewiſſensangſt durch allerley Mittel wegſchaffen, und in voͤlli - ger Sicherheit ihren Luͤſten nachgehen, wie ein Ochſe zur Schlachtbanck gefuͤhret wird, ohne zu dencken, was ihm da begegnen werde. O! iſt denn in der Welt ein bejammernswuͤrdigerer Zuſtand des Menſchen, als dieſer iſt? des Menſchen, der gleichwol zum Tode eilet; der in die unaufhoͤrlichen Ewigkeiten ſtracks und unausgeſetzt hinein laͤuft; der in die unuͤber - dencklichen periodos der unumſchraͤnckten Zei - ten hineinfaͤllt, und alsdenn in einem Zuſtand, da keine Aenderung oder Beſſerung weiter moͤg - lich iſt, ewig verbleiben muß?
Doch es geht des Satans Gewalt bey dieſem Laſter noch viel weiter. Er hat oft ſo gar, welches erſtaunlich iſt, in einer gantzen Fa - milie, Stadt und Land ſein Reich mit einer ſol - chen Macht und Liſt, und zu dem Zweck ausge - breitet, daß er, wo moͤglich, auch gantze Laͤnder gerne mit Unreinigkeit anſtecken moͤchte. Und das hat GOtt alles ſelber angemercket und uns er - oͤfnet, damit wir wiſſen, wie unſere Sache in der Welt ſtehe. Mit welchem Mitleiden er das ſehe, koͤnnen wir daraus abnehmen, weil er Zach. 13, 1. 2. verheiſſen hat, daß bey den Zeiten des Meßiaͤ nebſt den falſchen Propheten auch die unreinen Geiſter aus dem Lande wuͤrden hin - ausgetrieben werden, die damals Jſrael mit allen Unflaͤthereyen angefuͤllet hatten. Jſt nun die Macht, Liſt, und Verfuͤhrungen des unrei -nen259der Unreinigkeit. nen Geiſtes bey gantzen Societaͤten ſo groß, und, obwol unter GOttes gerichtlicher Zulaſſung, wircklich ausgebreitet: ſo koͤnnen Sie leicht den - cken, wie er eine eintzele Seele damit wird quaͤ - len, wenn ſie auch ſchon angefangen haͤtte, ſich zu ihrem GOtt zu wenden; und da noch am al - lermeiſten.
Ach! wie viel Zweifel und Einwuͤrfe, wie viel Schwierigkeiten und Hinderniſſe, wie viel heftige Reitzungen der verfluchten Brunſt ſucht er ihnen in den Weg zu legen, wenn er mercket, daß ſie gern aus der Sclaverey entrinnen moͤch - ten! Wie lange haͤlt er ſie unter dem knechtiſchen und ſclaviſchen Weſen, wenn ſie ja zu einiger Scheu vor GOtt gekommen ſind; ſo, daß ſie zu keiner Freudigkeit noch zu dem Troſt eines gu - ten Gewiſſens vor GOtt gelangen koͤnnen: ſo doch gleichwol eines der beſten Guͤter und Staͤrckungsmittel im Chriſtenthum iſt! Wie viel Ruͤckfaͤlle trachtet er ihnen zu verurſachen, da - mit er alsdann, wenn ſie gefallen ſind, ihr Ge - wiſſen foltern und aufs hoͤchſte aͤngſtigen koͤnne, folglich ihnen ihre Buſſe und Chriſtenthum, wo moͤglich, ſo ſchwer und ſo blutſauer machen moͤ - ge, daß ſie es endlich ſelbſt uͤberdruͤßig werden, und ſich entſchluͤſſen, (zumal wenn ihnen das boͤ - ſe Hertz noch dazu vorwirft, daß es ihnen doch vorher niemals ſo jaͤmmerlich und ſchlimm ge - gangen,) zu dem ungluͤckſeligen Unternehmen zu ſchreiten, daß ſie nun Gebet und Kampf, und alles lieber gar wollen fahren laſſen, damit ſie nur zu der vorigen Ruhe oder Sicherheit desR 2ſchlaf -260(II. Th.) Theologiſche Betrachtungſchlaffenden Gewiſſens wieder gelangen koͤnnten. Auf die Weiſe ſind ſie denn wieder geliefert, und (wiewol mit unablaͤßiger Deprecirung und wehmuͤthigſten Flehen und Verweiſen ihres Ge - wiſſens) einen mercklichen Grad weiter in die Verſtockung und geiſtlichen Gerichte hineinge - gangen; welche denn einige nicht viel achten, weil ſie ſie nicht ſo mit Augen ſehen, noch mit Haͤnden greiffen, als wenn GOtt mit Donner und Blitz um ſie herum ſchluͤge.
O mein Hertzensfreund! Solcher Seelen gibts gewißlich gar viel, die alſo haben angefan - gen zu arbeiten: aber da ihnen der Satan die Seelenarbeit gantz unertraͤglich hat geſuchet zu machen, (und dieſe Herren nicht ſo fort von dem allerhoͤchſten und beleidigten GOtt ſind be - neventiret worden,) wieder umgeſchlagen, und ſich nach der Schwemme in den vorigen Koth hineingeſtuͤrtzet haben; zumalen, da ſie die ſchweren Umſtaͤnde ihrer arbeitenden Seele kei - nem redlichen Knechte GOttes haben entdecken wollen. Das iſt gewiß der vornehmſte und gluͤcklichſte Kunſtgriff des Satans, den er hie brauchet, daß er ſolche Menſchen mit unzeitiger Schamhaftigkeit, (das iſt, dem unſeligen Hoch - muth) ſo bindet, und ihnen Mund und Haͤnde ſchlieſſet, daß ſie die Sache nicht einmal ihrem allerbeſten Freunde zu eroͤfnen ſich getrauen: da ihnen ſonſt wol viel eher und ſicherer gehol - fen werden koͤnnte, wenn man ihnen die naͤch - ſten Wege wieſe.
Jch will ihnen noch aus einem gewiſſenBu -261der Unreinigkeit. Buche ein Exempel anfuͤhren, daraus Sie die Umſtaͤnde ſolcher mitleidenswuͤrdigen Perſonen noch etwas deutlicher werden ſehen koͤnnen; und das zwar mit der Verſicherung, daß es ein Ex - empel ſey, darunter man wol viel tauſend ande - re von gleichen Umſtaͤnden und gleicher Noth ſetzen koͤnnte. Es erzehlet aber einer ſeinen Zuſtand unter andern alſo:
„ Als ich noch ein zartes Kind war, hatte ich Ge - „ legenheit, mit unzuͤchtigen Kindern zu ſpielen; da ich „ denn allerley fleiſchlichen Luͤſten und Begierden „ nachzuhaͤngen Anlaß nahm. Jn der Schule er - „ wehlte ich einen Knaben zum beſtaͤndigen Freund, „ welcher mein Hertz mit nichts als unzuͤchtigen Re - „ den von allerhand Liebeshaͤndeln zu ergoͤtzen ſuch - „ te; und dabey die greuliche Suͤnde an ſeinem ei - „ genen Leibe beging, welchen Greuel er mich in ei - „ nem Garten, darein er mich fuͤhrte, mit anſehen „ ließ. Jch fragte ihn anfangs, wie ihm denn zu „ Muthe waͤre, wenn er ſolche Suͤnde vollbracht „ haͤtte? er antwortete: ich empfinde gar nichts in „ meinem Hertzen und Gewiſſen: daher er auch, ie „ oͤfter er allein ſeyn konnte, deſto oͤfters und mehr „ dieſe Suͤnde ausuͤbte. Da nun ſeinem Vorgeben „ nach dieſe Suͤnde dem Fleiſch und Blut uͤberaus „ angenehm war, ſo probirte ich dieſelbige auch. „ Weil ich aber noch gar jung und das 14te Jahr „ kaum erreichet, war ich noch nicht in dem Stan - „ de die Suͤnde voͤllig auszuuͤben und ließ davon ab. „ Es wurde auch der Knabe auf ein Handwerck ge - „ than; weßwegen ich die wohlluͤſtigen Gedancken, wel - „ che er oͤfters bey mir erreget, deſto mehr unterdruͤ - „ cken konnte.
„ Als nachgehends ein Jahr ohngefehr verfloſſen, „ lag ich einſt im Bette, und hatte mancherley aus - „ ſchweiffende Gedancken; da mir denn nicht nur „ dieſer Menſch, ſondern auch die Suͤnde, die er ver -R 3„ uͤbet,262II. Th.) Theologiſche Betrachtung„ uͤbet, einfiel. Weil ich nun GOtt damals nicht „ im Hertzen hatte, auch vielleicht wenig den Abend „ vorher zu GOtt geruffen; dachte ich du biſt nun „ aͤlter und vielleicht anjetzo geſchickt, dieſe Luſt zu ge - „ nieſſen, welche dein Camerad dir ſo ſuͤſſe gemacht. „ So bald dieſer teuffeliſche Gedancke in mein Hertz „ gekommen war, ſo bald ſchritte ich zum Verſuch „ und Ausuͤbung dieſer Suͤnde, und brach alſofort „ die ſchaͤndliche Luſt in wirckliche Befleckung meines „ Leibes aus.
„ Dieſes war der Anfang zu dieſem Greuel, wel - „ cher ſich dermaſſen feſte in meinem Hertzen ſetzte, „ daß ich bey Austilgung und Ausrottung dieſes Un - „ krauts ſehr groſſen Wiederſtand in der Natur ge - „ funden. Jch preiſe aber billig die groſſe Barm - „ hertzigkeit und Langmuth GOttes hierbey, welcher, „ ſo bald die Suͤnde vollbracht, mit heilſamen Ge - „ wiſſensſchlaͤgen, mit Furcht, Angſt und Quaal, mich „ dergeſtalt gnaͤdig heimgeſuchet, daß ich oft vor Un - „ ruhe meines Hertzens mich nicht zu laſſen gewuſt. „ Jch betete in ſolcher Angſt zu GOtt, klagte ihm „ dieſe Suͤndennoth mit tieffem Seuffzen, und „ ſchaͤtzte alle andere Menſchen gluͤckſeliger denn mich, „ als der ich den hoͤchſtverdammlichen und gefaͤhrli - „ chen Zuſtand meiner Seelen gar wohl empfand.
„ Als ich nun eine ziemliche Zeit in ſolchem Rin - „ gen und Beten angehalten, und beſtaͤndigen Ge - „ horſam verſprochen hatte: ließ mir der HErr ſei - „ ne Gnade wiederum ſpuͤren, und mein Hertz wur - „ de voller Liebe zu GOtt und meinem Naͤchſten; „ konte GOtt mit froͤlichem Munde loben, und mei - „ ne zuvor beſudelte Haͤnde als heilige Haͤnde auf - „ heben.
„ Dieſer gute Zuſtand daurete aber nur zwey Tage. „ Denn als ich am Abend des andern Tages uͤber „ den Buͤchern ſaß, und nicht auf meiner Hut ſtund, „ ſondern ſicher war: (weil ich die Gnade GOttes „ in meiner Seelen geſchmecket,) ſchoß der Teuffel„ von263der Unreinigkeit. „ von neuem ſeine feurigen Pfeile in mein armes „ Hertz, und reitzete mich ſo lange, bis ich die Suͤn - „ de abermals beging. So bald dieſelbe vollendet, „ legte ich meine Buͤcher hin, und hatte wiederum „ groſſe Gewiſſensangſt und Traurigkeit in meiner „ Seelen. Jch wolte die Angſt aͤuſſerlich nicht mer - „ cken laſſen, weil meine Eltern zugegen waren; ſon - „ dern klagte GOtt dem HErrn meine Noth im „ Verborgenen: die Huͤlfe aber wolte ſich ſo bald nicht „ finden; Denn es hieß: du haſt die Gnade GOt - „ tes bereits empfunden, und dennoch haſt du den „ Tempel GOttes wiederum verunreiniget, und die „ groſſe Liebe JEſu verſchmaͤhet! Als ich nun den - „ noch mir vorſetzte, nicht eher im Gebet nachzulaſ - „ ſen, bis mir GOtt ein ruhig Hertz gaͤbe, bekam „ ich nach vielen Thraͤnen wiederum Ruhe und Zu - „ friedenheit in meinem Gewiſſen.
„ Ob ich mich nun gleich nach dieſer abermaligen „ Staupe haͤtte beſſer vorſehen und in acht nehmen „ ſollen: ſo ließ ich mich doch nath zween oder dreyen „ Tagen von neuem verleiten; und als ich dieſe „ Boßheit noch einige mal fortgeſetzt hatte, entzog „ GOtt der HErr auch ſeine Gnade. Da war ich „ denn voller Angſt, ging auf dem Felde herum, „ und wuſte mit Cain nicht zu bleiben; ſuchte bald „ hie, bald da Ruhe: konte aber keine finden, und „ winſelte alſo wohl 3. Stunden lang nach einander; „ wurde der Suͤnden dabey gantz muͤde; und den - „ noch konnte ich derſelben nicht loß werden, ſondern „ wurde taͤglich damit angefochten: abſonderlich des „ Morgens und des Abends im Bette, und wenn „ ich ſonſten in der Einſamkeit, wozu ich von Na - „ tur groſſe Luſt hatte, mich befand.
„ Dieſes alles ſchadete meinem Haupte ſo ſehr, „ daß ich wenig in meinem Studieren vornehmen „ konte. Darauf geſchahe es, daß ich zu meinem „ Bruder, welcher in Jena ſtudirte, und zwar in den „ Hundstagen reiſete, um ihn daſelbſt zu beſuchen. R 4„ Bey264(II. Th.) Theologiſche Betrachtung„ Bey demſelben blieb ich auf 14. Tage, und weil „ er einen frommen Contubernalem bey ſich hatte, „ nahm ich Gelegenheit, demſelben den elenden Zu - „ ſtand meiner Seelen zu entdecken. Dieſer gab „ mir zur Antwort; Jch habe leider! dieſe Suͤnde „ in meiner Jugend auch begangen, da ich von an - „ dern greulichen Menſchen damit inficiret worden „ war. Nachdem ich nun, aus Trieb meines Ge - „ wiſſens, dieſe abſcheuliche Suͤnde unterlaſſen habe; „ ſo habe ich beſtaͤndige Kopfſchmertzen, als eine „ wohlverdiente Straffe GOttes bisher empfinden „ muͤſſen; doch will ich ihm dawieder einige remedia „ an die Hand geben:
1) Bete er fleißig zu GOtt, daß er ihn aus die - ſer Suͤnde erloͤſen wolle, und ihm dieſelbe gnaͤdig vergebe.
2) Sey er nicht viel allein.
3) Warte er ſeine Geſchaͤfte fleißig ab.
4) Des Nachts decke er ſich nicht allzu „ warm zu; oder wenn er merckt, daß die Hi - „ tze im Bette den Leib zur Wohlluſt treibt, ſo thue „ er das Deckbette beyſeit, damit ein Theil der Hi - „ tze hinausgetrieben werde. Dieſe guten monita „ nahm ich an, und danckte GOtt vor dieſelben von „ gantzem Hertzen. Mein Bruder, welcher nichts „ davon wuſte, ließ ſich dieſe meine Seelennoth ſehr „ zu Hertzen gehen, und betete fleißig fuͤr mich.
„ Von der Zeit an konte der Satan meine von „ ſeinen Stricken aufgeloͤſete Haͤnde nicht wieder bin - „ den, ſondern ich war durch goͤttliche Gnade in dem „ Stande ſeinen Reitzungen maͤchtiglich zu wiederſte - „ hen. Bin auch bis hieher (davor GOtt ewig Lob „ und Danck ſey) vor dieſer abſcheulichen Suͤnde „ bewahret worden. Jch beklage nur noch hiebey, „ daß ich die Gnade GOttes, welche mein Hertz, „ ehe ich noch in dieſe Suͤnde gefallen, geſuchet, und „ mit ungemeinen Liebesblicken zu ſich gezogen, nicht „ beſſer zu meiner Seelen Heyl gebrauchet habe! „ Doch265der Unreinigkeit. „ Doch ſey der HErr gepreiſet, daß er mich durch „ ſeine uͤberſchwengliche Barmhertzigkeit endlich da - „ von erloͤſet. Jch halte davor, wen GOtt nicht „ ſelbſt davon befreyet, der wird in dieſer Suͤnde „ wohl ſtecken bleiben. ‟
Sehen Sie nun, mein Freund, was fuͤr eine heftige Gewalt dieſe Suͤnde in ſich habe; Das kann und ſoll ja doch unmoͤglich fuͤr etwas geringes angeſehen werden, das die Seele, ſo von GOtt abhalten und gefangen nehmen kann. Und, o wie waͤre es zu wuͤnſchen, daß alle ſo bald heraus kaͤmen, wie an dieſem Beyſpiel zu ſehen iſt: aber es iſt leider zu beſorgen, daß ſich man - cher, wenn er endlich ja entrinnet, erſt 2. 3. 4. mal ſo lang in dieſer Quaal und Pein maceri - ret und uͤberwirft.
Die Keuſchheit und Reinigkeit7) An - merckung. Keuſchheit iſt der Seelen iſt nicht nur von GOtt ernſt - lich und fleißig geboten: ſondern auch als eine gantz beſondere Tugend ſehr ſchaͤtzbar und liebenswerth in ſeinem Worte vorgeſtellt.
Jedoch kann ich nicht umhin, mit ein paar Worten anzuzeigen, in welcher Hochach - tung die Keuſchheit bey den erſten Chri - ſten geweſen ſey, davon Sie, wo ſie einſt be - lieben, in Arnolds ſeiner Abbildung der erſten Chriſten. L. 4. c. 5. p. 547. ſqq. mehr leſen koͤnnen. Ueberhaupt koͤnnen Sie aus dem Minutio Felice, und des Tertulliani, Athena - goræ und Juſtini ihren Apologien fuͤr die Chri - ſten und aus allen Martyrologiis ſehen, daß ſie dis zum Hauptargument der Wahrheit und Heiligkeit ihrer Religion machen, und eben da - her die Fuͤrtreflichkeit der Lehre Chriſti erweiſen, weil ihre Liebhaber ſo goͤttlich lebten, und auch leben koͤnnten. Sie ſtellen auch aus eben dem Grunde vor, daß man ſie um deßwillen, weil ſie ſo genau und puͤnctlich keuſch zu ſeyn ſuchten, un - billig ſo hinrichte und todtſchlage: denn das ſey ja gleichwol keine ſtraffwuͤrdige Sache. Sie ſagen zum Exempel „ Es hat uns niemand in ſo „ langer Zeit erweiſen koͤnnen, daß unſere Lehre„ mit271der Unreinigkeit. „ mit Unkeuſchheit beflecket ſey: Um ſolcher Un - „ ſchuld und Keuſchheit willen aber werden wir „ verbrannt! Wir duͤrffen ſolche Schandthaten „ nicht einmal anhoͤren, (Eph. 5, 3.) die unter „ euch Heiden vorgehen; ſo gar, daß es viele un - „ ter uns fuͤr ſchaͤndlich halten, wenn ſie ſich da - „ gegen nur verantworten ſolten. Bey uns iſt „ das alles ſchon ein Ehebruch, wenn man nur „ unzuͤchtige Augen hat. Unſere Augen ha - „ ben viel andere Dinge zu thun, die wir „ bis auf die geringſten Gedancken wer - „ den Rechenſchaft geben muͤſſen. Wir „ ſind nicht allein in unſerm Geſichte „ ſchamhaftig, ſondern auch im Hertzen. „ Neulichſt als ihr eine Jungfrau verdammetet, „ daß ſie lieber einem Hurenwirth dienen ſolte, „ als den Loͤwen vorgeworfen und zerriſſen wer - „ den: muſtet ihr, da ſie dieſes weit lieber als je - „ nes erwehlet, ſelbſt geſtehen, daß bey uns der „ Schandfleck der Unzucht fuͤr ſchrecklicher ge - „ achtet werde, als alle Straffen und Arten des „ Todes ꝛc. ‟
Jene Jungfrau redete den herzutretenden Hencker unter andern alſo an: Wie freue ich mich, daß dieſer Wuͤterich mich durch das Schwerdt vom Fleiſche will befreyen ꝛc. Heran mein Freund, zerbrich und wuͤrge dieſe Glie - der! was ich verliehren kann, giebt mir mein JE - ſus wieder! Die Heiden haben es ie und ie ge - ſehen, daß die Chriſten die Schaͤndung ihrer Leiber fuͤr die allergrauſamſte Straffe gehalten, weil ſie oͤfters die Chriſten zu viel 100. herzu -fuͤhr -272(II. Th.) Theologiſche Betrachtungfuͤhrten, durch Unzucht und Schaͤndung ſie ih - rer Keuſchheit zu berauben: ſie ſturben aber lieber mit Freuden, als daß ſie dieſe Schaͤn - dung haͤtten leiden ſollen.
Bemeldte Auctores ſagen, zum Exempel, fer - ner: „ Wir ſind keuſch in unſern Reden, und „ unbefleckt an unſerm Leibe; die meiſten aber „ unter uns genieſſen einer immerwaͤhrenden „ Jungfrauſchaft in einem unverletzten Leibe, ob „ ſie ſich gleich derſelben nicht ruͤhmen. Die Be - „ gierde zur Unzucht iſt ſo ferne von uns, daß „ ſich auch einige einer ſchamhaften (ehelichen) „ Beywohnung enthalten. Sie entſchlagen ſich „ auch eines zulaͤßigen Ehebettes, und ehelichen „ Lebens, aus hertzlicher Begierde zu einer groſ - „ ſen und ungemeinen Reinigkeit, und damit ſie „ GOtt mit deſto keuſcherem Hertzen anbeten „ koͤnnen. Man wundert ſich faſt nicht mehr „ uͤber ſo viele 1000. Juͤnglinge und Jungfrauen, „ daß ſie die Hochzeit verachten und keuſch le - „ ben. Es gibt in den Gemeinen ſo viel keuſche „ und heilige Leute, die von der Liebe GOttes „ alſo entzuͤndet ſind, daß ſie in der hoͤchſten „ Enthaltung und unglaublicher Verſchmaͤhung „ dieſer Welt gerne einſam leben. ‟ Sie koͤn - nen auch C. 6. von ihrer Maͤßigkeit, ihrem Faſten, ihrem Abſcheu vor allen Ueppigkeiten, Tantzen, Spielen ꝛc. gar viel angenehmes leſen.
Sehen ſie nun daraus nicht, wie die Keuſch - heit des Hertzens und Leibes bey den erſten Chri - ſten fuͤr eine Hauptſache ihrer Religion und des Chriſtenthums iſt gehalten worden? Und iſt dashoͤchſt273der Unreinigkeit. hoͤchſt zu verwundern, daß ſie alle Unzucht mit ſolchem Ernſt und Abſcheu deteſtirt und geflo - hen haben, zu einer ſolchen Zeit, da ſie nicht nur gantz privilegiret war, ſondern da es denen, ſo ſie verachtet und vermieden, nach damaliger Art, Ehre und Reputation, Amt und Wuͤrde, Gluͤck und Wohlleben, ja mehrentheils ihr Leben ko - ſtete. Wird das die ietzigen Chriſten nicht gra - viren und beſchuldigen muͤſſen, die anietzo von der Keuſchheit ſo wenig halten, da ſie doch ſchon mit oͤffentlicher Lehre des Evangelii eingefuͤhret, und durch weltliche Geſetze in Sicherheit geſe - tzet iſt? Wenns nun mit andern Arten von Suͤnden auch einmal ſo gehen wird?
Endlich ſagen Sie mir, wo ſie ihre8) An - merckung. Seele lieben, was ſie bey folgenden Ausſpruͤ - chen des Wortes GOttes gedencken muͤſſen, die ihnen nach dem Grundtext mit einer kleinen Er - laͤuterung gantz hieher ſetzen will; und was ſie dereinſt zur Entſchuldigung oder Exception da - gegen werden aufbringen koͤnnen, wenn ſie ih - nen das allerletzte mal werden vorgehalten wer - den?
1 Cor. 6, 9. 10. 13. 14. 15. 18. 19. 20. [α]) 1) 1 Cor. 6, 9. ſqq.Cap. 7, 29. 31. Laſſet euch nicht ver - fuͤhren, weder die Hurer, noch die Ab - goͤttiſchen, noch die Ehebrecher, noch die Weichlinge, noch die Knabenſchaͤnder, noch die Diebe, noch die Geitzigen, noch die Trunckenbolde, noch die Laͤſterer noch die Raͤuber, werden das ReichII. Th. Betr. der Unreinigk. SGOt -274(II. Th.) Theologiſche BetrachtungGOttes ererben; und ſolche ſind eurer etliche geweſen: aber ihr ſeyd abgewa - ſchen, aber ihr ſeyd geheiliget, aber ihr ſeyd gerecht gemachet worden (man dencke, durch wie viel adverſativas und durch welche con - traria es erſt gehen muß,) in dem Nahmen des HErrn JEſu, und mit dem Geiſte unſers GOttes ‒ ‒ Der Leib gebuͤhret nicht (iſt nicht zu verſtatten, er ſieht ia ohndem ſchon ſcheuß - lich gnung aus, das wuͤſte Neſt der Suͤnden,) nicht der Hurerey, ſondern dem HErrn (iſt er zu uͤberantworten,) und ſo dann iſt auch der HErr dem Leibe gnaͤdig, verſorget ihn mit Luſt, nicht mit Unwillen, und laͤßt ihn ſeiner Freundlichkeit erſt recht genieſſen. GOtt aber hat nicht nur den HErrn JEſum, als einen Mann fuͤr alle Menſchen, und einen Uebelthaͤter, ſtatt aller andern, von den Tod - ten auferwecket, ſondern wird auch uns auferwecken durch ſeine Macht, daß wir dem jenigen dargeſtellet und uͤberliefert werden, der ſich ſo viel Muͤhe um uns gegeben, und ſichs ſein Leben hat koſten laſſen; der mithin auch das hoͤchſte Recht und Pflicht auf ſich hat, nachzu - ſehen, wie wir ihm mit ſeiner ſo blutigen Erloͤ - ſung umgegangen? Wiſſet ihr nicht, daß unſere Leiber Glieder Chriſti ſind? Ey werd ich denn die Glieder Chriſti neh - men und Hurenglieder daraus machen? Das muͤſſe nimmermehr geſchehen! ‒ ‒ Fliehet die Hurerey. Alle Suͤnde, welche derMenſch275der Unreinigkeit. Menſch nur irgend begehen moͤchte, iſt auſſer dem Leibe: aber wer da huret, der ſuͤndiget an ſeinem eigenen Leibe. Oder wiſſet ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel iſt des heiligen Geiſtes, der in euch iſt, welchen ihr von GOtt habet, und ſeyd nicht euer ſelbſt?
C. 3, 16. 17. 20. So jemand die Woh - nung GOttes verdirbet, verderben wird einen ſolchen der lebendige GOtt! Denn der Tempel GOttes iſt heilig, der ſeyd ihr. Dieweil ihr ſehr theuer erkauffet ſeyd, ſo preiſet doch GOtt an eurem Lei - be, und in eurem Geiſte, welche ia beyde muſten ranzionirt, und beyde von ihren zugehoͤ - rigen Straffen erloͤſet werden, und folglich nun mit vielfacherem Rechte und Pflicht GOttes ſind.
2 Cor. 6, 16. 17. 18. Jhr ſeyd der Tem -[β]) 2) 2 Cor. 6, 16. ſeqq. pel des lebendigen GOttes, wie GOtt geſaget hat: Denn ich will in ihnen wohnen, und unter ihnen wandeln, und werde ihr GOtt ſeyn, und ſie werden mir zum Volcke ſeyn; (alſo das Eigenthum des Allerheiligſten und Allerhoͤchſten) Darum gehet aus von ihnen, und werdet abge - ſondert, ſaget der HErr, und das Unrei - ne beruͤhret nicht, ſo werde ich euch ein Vater ſeyn, und ihr werdet mir Soͤhne und Toͤchter ſeyn, ſaget der HErr, der Allmaͤchtige! O Geliebte! da wir nun ei - ne ſolche Verheiſſung haben, (und ſolche Gnadenantraͤge, die ihres gleichen nicht finden:S 2Denn276(II. Th.) Theologiſche BetrachtungDenn wo iſt eine hoͤhere Luſt? wo eine groͤſſere Herrlichkeit? wo mehr Reichthums? wo mehr Weißheit? wo iſt ein inniglicheres Vergnuͤgen, als in dem Stande ſeyn kann und ſeyn muß, da man denjenigen zu ſeinem GOtt, zu ſeinem gnaͤ - digſten Fuͤrſten und verſoͤhnten Vater hat, dem das gantze Weltgebaͤude, und alle Lande und Staaten des Erdbodens, ia die Fuͤrſtenthuͤmer und Obrigkeiten unter den Seraphinen im Him - mel eigenthuͤmlich zugehoͤren! ſo laſſet uns von aller Befleckung des Fleiſches und des Geiſtes reinigen, und bis zu Ende fortfahren mit der Heiligung in der Furcht GOttes. Jch meine doch, es iſt der Muͤhe wuͤrdig; dieſes Gluͤck iſt ſo viel ſchon werth, daß man was drauf wende, GOttes Kind zu ſeyn, da es ohndem ſo rar iſt, und ſehr wenige es wircklich und recht genieſſen.
Gal. 5, 19-25. Offenbar ſind die Wercke des Fleiſches, welche ſind: Ehe - bruch, Hurerey, Unreinigkeit, Unzucht, Abgoͤtterey, Zauberey, Feindſchaft, Ha - der, Neid, Zorn, Zanck, Zwietracht, Rot - ten, Haß, Mord, Sauffen, Freſſen, und alles, was dieſem aͤhnlich iſt; von wel - chen ich euch habe zuvor geſagt, und ſa - ge noch zuvor, daß die, ſo dergleichen thun, das Koͤnigreich GOttes nicht er - erben werden. Die Frucht aber des Geiſtes (iſt nur eine. Denn Er iſt nur einer, beherrſchet das Hertz gantz allein, regierets alſo gantz und gar; die Gottſeligkeit iſt ein integrumin277der Unreinigkeit. integerrimum, ſo, daß wer eine wahre Tugend hat, der hat ſie alle; und wer eine thut, der thut ſie alle; und wer ſie nicht im Hertzen und Ver - langen alle thut, der thut gar keine. Denn weſ - ſen Hertze nicht allen Gehorſam in allen Stuͤ - cken| GOtt leiſten will, der leiſtet ihm ja gar kei - nen mit Redlichkeit und Luſt;) iſt Liebe, Freu - de, Friede, Langmuͤthigkeit Freundlich - keit, Guͤtigkeit, Glaube, Sanftmuth, Keuſchheit, oder Enthaltung der Begier - den; wider dergleichen iſt kein Geſetze in der Welt. Diejenigen aber, die Chri - ſti ſind, haben das Fleiſch ſchon gecreu - tziget und creutzigen es noch immerfort, (ſonſt koͤnten ſie nicht Chriſti ſeyn. Denn ſo ac - cordiret er ia mit einem ieden, bey dem erſten An - ſpruch: Wer mein Juͤnger ſeyn will, Luc. 9, 23. 24. 25. 26. und Cap. 14, 26. 27. 33. da iſt noch viel was hoͤhers. Cap. 17, 25. 32. 33. C. 22. 29. ) mit ſamt ihren Affecten und Luͤ - ſten. Leben wir denn im Geiſte, ſo laſ - ſet uns auch im Geiſte wandeln.
Eph. 3, 16-19. C. 4, 17-22. 23. 24.4) Eph. 16. ſeqq. 29. 30. Cap. 5, 1-14. Darum ſupplicire ich, daß euch GOtt nach dem Reichthum ſeiner Herrlichkeit, (Kraft ſeines excellenten Ebenbildes und Kraft der groſſen Majeſtaͤt un - ſers Oberherrn, des HErrn JEſu Chriſti) zu geben beliebe in der Kraft (und an dem geiſtlichen Vermoͤgen, ſo ihr bereits habet,) ge - ſtaͤrcket zu werden durch ſeinen Geiſt in dem inwendigen Menſchen, (das iſt, bis einS 3recht278(II. Th.) Theologiſche Betrachtungrecht reelles Ebenbild GOttes in euren Seelen - und Leibeskraͤften herfuͤr gebracht werde, daran man einen vollkommenen Mann und geheilig - ten Wandel ſehen koͤnne, wie Chriſtus ſagt Matth. 5, 48.) auf daß Chriſtus wohnen moͤge durch den Glauben in eurem Her - tzen, und ihr in der Liebe eingewurtzelt und feſt gegruͤndet ſeyd: damit ihr ver - moͤgend werdet, mit allen Heiligen zu be - greiffen, welch eine Breite, und Laͤnge, und Tieffe, und Hoͤhe das ſey, (was man in der Erbarmung, Herrlichkeit und Heiligkeit GOttes zu bewundern; in der Bekandtſchaft und Vereinigung mit ihm aber zu erfahren und zu genieſſen kriegt,) und ſonderlich zu erken - nen, die weit uͤber alle Erkenntniß ge - hende Liebe Chriſti, damit ihr alſo er - fuͤllet werdet bis zu jeglicher Fuͤlle GOt - tes, nemlich mit allen Gnadenkraͤften und Se - ligkeiten, ſo hoch und ſo weit ſie der Allerhoͤch - ſte bey den Seinigen noch in dieſer Zeit gehen zu laſſen beliebet.
Dis ſage ich nun und bezeuge es in dem HErrn, (bitte euch um des Herrn willen drum, als ſein Bothe an euch, und als einer, der auf den Fall eures Ungehorſams ſelbſt wieder euch zeugen muß,) daß ihr nicht mehr wan - delt, wie die uͤbrigen Heiden wandeln in der Eitelkeit ihres Sinnes: die da verfinſtert ſind am Gemuͤthe, entfrem - det von dem goͤttlichen Leben, (alien und abgeneigt gemacht worden dem Leben, das ausGOtt279der Unreinigkeit. GOtt iſt,) durch die Unwiſſenheit, ſo in ih - nen iſt, und durch die Verblendung und Verhaͤrtung ihres Hertzens. Welche, nachdem ſie alles Gefuͤhl des Gewiſſens verloren, und ſeiner zum Theil mit Freuden loß worden, ſich ſelbſten der Unzucht uͤber - geben haben, zur Ausuͤbung aller Un - reinigkeit, in unerſaͤttlicher Begierde: Jhr aber habt ia Chriſtum ſo nicht ge - lernet, wofern ihr anders von ihm ge - hoͤret habt, und in ihm gelehret wor - den ſeyd, welchergeſtalt in JEſu Wahr - heit iſt: oder auf welche Weiſe im Hertzen ein reines und rechtſchaffenes Weſen ſey, ſo bald man mit JEſu eines Willens und Hertzens worden, nemlich daß ihr, ſchnurſtracks wieder den vorigen Wandel, muͤſſet ablegen den alten Menſchen, der ſich durch Luͤ - ſte im Jrrthum verderbet: hingegen im Geiſte eures Gemuͤthes erneuert wer - den, und den neuen Menſchen anziehen, der nach GOtt (dem allerhoͤchſten Original und Muſter,) geſchaffen iſt, in wahrhafti - ger Gerechtigkeit und Heiligkeit.
Kein faul oder unnuͤtzes Wort muͤſſe aus eurem Munde herausgehen, ſon - dern wofern irgend eines gut iſt zur noth - wendigen oder nuͤtzlichen Erbauung, das duͤrfet ihr euch nicht ſcheuen zu reden, da - mit es die, ſo es hoͤren, gutwillig mache gegen GOtt und alles Gute; und betruͤ - bet nicht den heiligen Geiſt GOttes, mitS 4wel -280(II. Th.) Theologiſche Betrachtungwelchem ihr verſiegelt worden ſeyd, bis auf den Tag der Erloͤſung. Hurerey aber, und eine iede Unreinigkeit, oder Geitz, muͤſſe nicht einmal genennet werden unter euch, wie es den Heiligen gebuͤhret; ſo auch kein ſchaͤndliches We - ſen noch Narrentheidungen, (naͤrriſche Re - den) oder Schertz (luſtige und liſtige Verdre - hung und Stellung der Worte) als welches ſich nicht ſchicket, ſondern vielmehr Danckſagung. Denn ihr ſeyd euch deſ - ſen wohl bewuſt, daß ein ieder Hurer oder Unreiner, oder der unerſaͤttliche Be - gierden hat, welcher ia offenbarlich ein Goͤtzendiener iſt, kein Erbtheil hat in dem Koͤnigreiche Chriſti und GOttes. Laſſet euch niemand verfuͤhren mit ver - geblichen Worten: denn um ſolcher Dinge willen kommt der Zorn GOttes uͤber die Kinder des Unglaubens. Wer - det doch nicht ihre Mitgeſellen; (die glei - chen Antheil mit ihnen haben; denn was iſt ihr Theil und was werdet ihr mit ihnen zu ge - nieſſen haben? es ſtehet Offenb. 21, 8.) denn ihr ſeyd ehemals auch Finſterniß gewe - ſen, da habt ihrs ja koͤnnen erfahren, was hattet ihr fuͤr Gutes dabey? (Roͤm. 6, 21.) Nun aber ſeyd ihr ein Licht in dem HErrn. O wie lieb ſoll euch das ſeyn? Wandelt demnach und deswegen um deſto mehr, wie die Kinder des Lichts, habet keine Gemeinſchaft mitden281der Unreinigkeit. den unfruchtbaren Wercken der Finſter - niß, vielmehr aber beſtraffet ſie auch drum, ihr wiſſets ja, daß was heimlich von ihnen geſchiehet, iſt ſo gar auch nur zu ſagen ſchaͤndlich. Nun aber die Men - ſchen ſo unverſchaͤmt worden ſind, muß man es wol oͤffentlich in die Welt hinein ſchreyen und ſchreiben. Alles dieſes aber wird vom Lichte offenbar gemacht, wenn es be - ſtraffet wird.
Col. 3, 1. 3. 5. 6. 8. 12. 17. Wofern5) Col. 3, 1. ſqq. ihr nun mit Chriſto auferſtanden ſeyd, ſo ſuchet was droben iſt, wo Chriſtus iſt, ſitzend zur Rechten GOttes. Denn ihr ſeyd geſtorben, und euer Leben iſt verborgen mit Chriſto in GOtt: ſo toͤd - tet derowegen eure Glieder die auf Er - den ſind, (nicht nur die Ausbruͤche der boͤſen Luſt, denn das ſind ſchon die Wercke der Glie - der, ſondern die mannigfaltige Luſt ſelber, wel - che hie wegen ihrer reellen Gegenwart, Gewalt - thaͤtigkeit, und vielfaͤltigen Art, unzehliche Glieder des aͤuſſerlichen verdammlichen Menſchen, und gleichſam einen voͤlligen geruͤſteten Mann, den man umbringen muͤſſe, geiſtlicher Weiſe vorſtel - let, nemlich) Hurerey, Unreinigkeit, ſchaͤnd - liche Brunſt, boͤſe Luſt, und iede hefti - ge unerſaͤttliche Begierde, als welche eine Abgoͤtterey iſt; um welcher willen der Zorn GOttes kommt uͤber die Kin - der des Unglaubens ꝛc. Ziehet und neh - met an, als die Auserwehlten GOttes,S 5Hei -282(II. Th.) Theologiſche BetrachtungHeilige und Geliebte, hertzliches Erbar - men, Freundlichkeit, Demuth, Sanft - muth und Gedult. Alles, was ihr auch immer thut, mit Worten oder mit Wer - cken, das alles thut in dem Namen des HErrn JEſu, (ſo wird gewiß viele Arbeit und jaͤmmerliche Bemuͤhung wegfallen, vieler Ver - druß und Sorge zuruͤck bleiben, ja gewiß euer Le - ben ſoll euch unvergleichlich leichter werden, weil ihr dergeſtalt unglaublich viel weniger zu thun bekommt, die einzige Sorge, einem Einigen, dem allerſeligſten und allerliebſten GOtt allein zu ge - fallen und gleichwol iſt nur huius unius ſum - ma, vera, eminentisſima necesſitas, Luc. 10, 4.) und dancket GOtt und dem Vater durch ihn.
Tit. 2, 11-14. Es iſt erſchienen die Gnade GOttes, die da heilſam und hoͤchſt - profitable iſt, allen Menſchen. Welche uns, wie kleine Kinder unterrichtet, daß wir, nachdem wir erſt die Gottloſigkeit und die weltlichen Luͤſte verleugnet ha - ben, zuͤchtig gegen uns ſelbſt, gerecht gegen unſern Naͤchſten, der ja auch ſo wohl Mitleidens wuͤrdig iſt, als wir, und gottſelig gegen GOtt leben moͤgen in dieſer Welt; (nicht erſt in jener, denn da haben dieſe Pflichten weder im Himmel ſtatt, in eben der Art, wie im ietzigen Leben, noch vielweniger in der Hoͤlle,) wartende auf die gluͤckſelige Hof - nung, und auf die Offenbarung der Herrlichkeit des groſſen GOttes und un -ſers283der Unreinigkeit. ſers Heilandes JEſu Chriſti, welcher ſich ſelbſten ſtatt unſerer hingegeben hat, (und wir bedencken uns erſt, ob wir wol ihm zu Liebe die ſchaͤndliche Luſt, den unſeligſten Jam - mer, | der unſere Seele verdirbet, die aͤuſſerſte Sclaverey und den Schandflecken unſers Lebens verlaſſen und ihr abſagen wollen; ey das ſind erkenntliche Leute!) damit er uns ranzioni - ren moͤchte von aller Ungerechtigkeit, (und wir wollen mit Wiſſen und Willen nicht heraus, ey das iſt ein treflich hoher Verſtand!) und heilige ihm ſelbſt ein gantz eigen - thuͤmliches Volck, das recht eiferte in guten Wercken, da es einer dem andern billig ſolte ſuchen zuvor zu thun, ſich gegen einen ſolchen gnaͤdigen Koͤnig und Heiland auf alle nur er - ſinnliche Weiſe erkenntlich, geneigt und gutwil - lig zu bezeugen, der es ja endlich wohl verdienet hat.
2 Petr. 2. toto. Es werden auch un -7) 2 Pet. 2 1. ſqq. ter euch ſeyn falſche Lehrer, welche hoͤchſt verderbliche erwehlte Lehrſaͤtze neben einfuͤhren, und den Oberherrn, ih - ren Fuͤrſten, der ſie erkauffet hat, ver - leugnen, und uͤber ſich ein ſchnelles Ver - derben ziehen werden. Denn ſo GOtt der Engel, die geſuͤndiget haben, nicht verſchonet hat; ſo er die gantze erſte Welt voll Gottloſen mit der Suͤndfluth vertilget; ſo er Sodom und Gomorrha zu Aſchen gemacht, umgekehret, und ver - dammt, und damit ein Exempel ſtatuirthat,284(II. Th.) Theologiſche Betrachtunghat, denenjenigen, die hernach eben ſo ſuͤndigen wuͤrden; ſo weiß wahrlich der HErr die Ungerechten, (die inzwiſchen ietzo ſchon jaͤmmerlich und hart genug gepeiniget wer - den) zu behalten zum Tage des Gerichts; am allermeiſten aber die, ſo da wandeln ja recht gehen nach dem Fleiſche, (Pro - feßion draus machen) in der Luſt der Un - reinigkeit; und die Majeſtaͤten (alle Obere, die ihre Luͤſte mit Gewalt und harten Schlaͤgen zaͤhmen ſollen) verachten; das ſind verwe - gene, (wildfreche; dis aber ſoll denn großmuͤ - thig und genereux heiſſen) eigenſinnige, die an ſich ſelbſt das groͤſte Gefallen haben,) erzit - tern nicht, wenn ſie die Herrlichkeiten (Eigenſchaften des anbetungswuͤrdigen GOttes mit ihrem gottloſen Weſen verlaͤſtern, daß Satan ſelbſt nun als mit Fingern drauf weiſen und provociren darf und ſagen: ſo iſt nunmeh - ro das Ebenbild GOttes, und ſo treflich ſiehets um die Erloͤſeten Chriſti aus!
Dieſe ſind wie die unvernuͤnftigen Thiere, fleiſchlich und viehiſch, die dem Directorio der geſunden Vernunft, ſo fern ſie etwas fuͤr gut oder ſchaͤdlich erkennet, nicht mehr folgen, ſondern nur der Gewalt und dem Trieb ihrer viehiſchen Affecten; grade als haͤtten ſie ſich nichts mehr in der Welt zu thun fuͤrgenom - men, als zu eſſen, zu trincken, zu ſchlaffen, Luͤſte auszuuͤben, und das Aufwachen ihres Gewiſ - ſens durch viehiſche und beharrliche Ergoͤtzlich - keiten zu verhuͤten: geſchweige, daß ihre Ver -nunft285der Unreinigkeit. nunft