PRIMS Full-text transcription (HTML)
Warnung An Die liebe Jugend, Vor der ſchrecklichen Gefahr Der mannigfaltigen Verfuͤhrung Zum Boͤſen
Vormahls von dem um die Kirche GOttes hoch-verdienten, und nun in GOtt ruhenden Herrn D. J. J. Rambach kuͤrtzlich mitgetheilet; Anjetzo aber Aus vaͤterlich-geſinntem Hertzen weitlaͤufftiger ausgefuͤhret, und naͤher an die Hertzen junger Leuten geleget
Schaffhauſen,Gedruckt und zu haben bey Benedict Hurter, im Rosmarin auf dem Platz.1747.
HERR JEſu! treuer Seelen-Hirt!
Du ſiehſt der Jugend wildes Weſen /
Und wie die Welt ſtets aͤrger wird:
Erloͤs uns doch von allem Boͤſen /
Vom Schulden-Heer und Suͤnden - Gifft.
Ach! ſegne dazu dieſe Schrifft!

Vorrede.

WEm Gnade wiederfahren, nicht nur zu erkennen, daß ihme, als einem verlohrnen Suͤnder, im Himmel und auf Erden nichts koͤſtlichers, erwuͤnſchters und unentbehrlichers, als JEſus, der Erloͤſer, ſeye; ſondern auch im Pfuhl ſeines Elendes nach dieſem Er - loͤſer angelegentlich zu ſchreyen; und es ih - me mit ſeinem unabtreiblichen Sehnen und Suchen dahin gelungen, daß er den Meſ - ſias, und in ihm alle Evangeliſche Selig - keiten, des Vaters Huld und Gunſt, die Vergebung der Suͤnden, Gerechtigkeit und das daraus flieſſende Leben, Friede, und Freude im Heil. Geiſt gefunden, und die Segnungen und Froͤlichkeiten des Him - melreichs zu genieſſen beginnet, mithin in ſeinem Hertzen die Liebe zu GOtt, mit Be - gierde alles Guten, und Haß alles Boͤſen) (2ent -Vorrede. entbrennet; er ſiehet aber zuruͤck in ſein voriges Leben und bemercket kothige, fin - ſtere Verfuͤhrungs-Oerter, darrinnen er ſich in ſeinen juͤngern Jahren unachtſamer Wei - ſe klaͤglich verirret, und beynahem gar um - kommen waͤre; erweget anbey, welch herr - lich-gutes er in der ſo erbaͤrmlich verlohrnen guͤldenen Jugend haͤtte ſammlen und ha - ben koͤnnen: So thut ihm dieſer unwieder - bringliche Schaden ſchmertzlich wehe; zu - mahlen wann er ſeines Antheils an allen Guͤtern und Wohlthaten Chriſti taͤglich mehr vergewiſſert, und innen wird, daß ihm GOtt fuͤnff hundert tauſend mahl ver - geben. ſeine unzehlige grauſame Beleidi - gungen ausgetilget, und JEſus ihn in ſei - ne Bruͤderſchafft aufgenommen und ihn hertze. O da brauſet alles in ſeinem Jn - wendigen pon Reu und Leid, daß er einem ſolch getreuen Liebhaber und unendlichen Gutthaͤter die ſchoͤne Bluͤthe ſeines Lebens entwendet, und einem ſo liebreichen maje - ſtaͤtiſchen Seligmacher ſeinen hoͤchſt ſchul - digen Liedlohn geſchmaͤlert; da er ihm dan - noch ſo groſſe Barmhertzigkeit erweiſe und ihn, der von Rechts-wegen ſchon viele Jah - re im Feuer-Ofen haͤtte ſitzen, und heulen ſollen, aus dem Miſt, und aus dem Scla - ven-Reihen unter die Fuͤrſten ſeines Volckserhoͤ -Vorrede. erhoͤhe, ſo daß er um gnaͤdige Erlaubniß und gemeſſenen Befehl, auch Muth, Luſt und Krafft bekomen habe, zur Gnaden - Quelle zu kommen, zu glauben, das hoͤchſte Gut zu lieben, zu ſingen und froͤlich zu ſeyn.

Ja einem ſolch Begnadigten moͤchte ſein Hertz vor Leidweſen in Stuͤcken zer - ſpringen, daß er ſein in guten HErrn ſo viel Nachtheil in ſeiner Haushaltung un - ſinniger Weiſe verurſachet habe; und iſt faſt uicht zutroͤſten; es ſeye dann daß ihm ſein Hertzens-Freund verſpreche: Er wol - le, laut ſeiner in den uralten Propheten von den letzten Zeiten gethanen Verheiſ - ſungen verſchaffen, daß anſtatt ſeinen nun tauſend mahl tauſend wie die wohlriechen - de Blumen und Geauaͤchſe im Fruͤhling und Sommer hervor kommen, welcheall - zumahl von der Wiegen an bis ins hohe Alter ein ſolch Chriſto anklebendes Glau - bens-Leben fuͤhren, wie er gefuͤhret zu ha - ben wuͤnſchte.

Hierum bittet und fleher er vor dem Gnaden-Thron, daß es geſchehe, mithin Chriſto der Schade, den er ſeinetwegen er - litten, erſetzet werde, ſo daß die ſtreitende Kirche, die untere Stadt Jeruſalem wim - meln moͤchte von Kindern, Knaben und Jungfraͤulein, die Paar bey PaarenjedesGe -Vorrede. Geſchlecht, Knaben beſonders, und Toͤchtern beſonders, als GOtt gewidmete, mit Bal - ſam zum Reich geſalbete, im Blut des Bun - des rein gewaſchene, in Hochzeit-Kleidern geſchmuͤckte, mit des Lammes Bild gezeich - nete, auf ihrer Bruſt und Haupt ein ſchoͤnes Craͤntzlein von himmliſchen Gaben aus dem Paradies habende, und in der Mitte die Tau - be mit dem Oel-Blat ruhende, und uͤber al - le Engliſche Choͤre ungleich anmuthiger ſin - gende, himmliſch geſinnete, von Chriſti Geiſt, Sinn und Liebe-Leben beſeelte Kna - ben, Juͤnglinge und Jungfrauen, in Schnee - weiſſem, glaͤntzendem Gewand, mit Kleino - dien und Palmen-Zweigen behaͤngt, dem Koͤnig mit klingendem Saiten-Spiel, mit Cymbeln und Poſaunen entgegen lauffen, und jubiliren: Hoſianna dem Sohn David! Gelobet ſeye, der da kom - met im Nahmen des HErrn, der Koͤ - nig Jſraels! Herrlichkeit im hoͤchſten Himmel, und Friede auf Erden! Ge - rechtigkeit ſchaue vom Himmel her - ab, und gehe vor ihm her, wann er ſein Reich anfahen will, und alle Lan - de werden ſeiner Ehren voll!

Dieſes gehet lieblich in ſeine Erfuͤllung, in einem Flecken, welchen darum nicht nen - nen will, weil es gefaͤhrlich iſt, die herrlicheDin -Vorrede. Dinge in ihren Anfaͤngen aufs Theatrum zu ſtellen. Daſelbſt erſchallet die Mitter - nacht-Stimme: Gehet aus, den Braͤu - tigam zu bewillkommen. Es iſt alles rege, und zehlet man in dem ſonſt kleinen Dorf achtzig bis neunzig nur junge Leute, ohne die Alten. Vor weniger Zeit iſt ein ſiebenzig-jaͤhriger Mann, und ein achtzig - jaͤhriges Weib, beyde erhartete Feinde wi - der das Gute, ins Geleiſe der nun hoͤher ſtei - genden und kraͤfftiger erſcheinenden Gnade tief gebeuget getreten.

Mit dieſem Gemuͤth u. Hertzens-Wunſch iſt dieſes Buͤchlein geſchrieben, und der An - laß dazu von frommen Predigern gegeben worden, welche um daſſelbe darum wehmuͤ - thig bey mir angehalten haben, weil ſie an ihren Unterweiſungs-Kindern verſpuͤret, daß, ob ſie gleich bey erſter Hinzulaſſung zum Heil. Abendmahl ſo ſehr geruͤhret geweſen, daß ſie mit Vergieſſung vieler tauſend Thraͤ - nen ſich vor dem Angeſicht ihrer Eltern und der gantzen Gemeine feyerlich verbunden, dem Teufel, Welt und Fleiſch abzuſagen, und ihrem getreuen Heiland in aller Truͤbſal und Verfolgung anzuhangen, und durch ſeine unuͤberwindliche Gnade treu zu bleiben, wie er auch ihnen bis zum Tode am Creutz treu geblieben ſeye; ſie gleichwol bey aufſteigen) (4denVorrede. den Jugend-Luͤſten und aͤrgerlichen Reitzun - gen ihres gleichen junger Leuten alles in Ver - geß geſtellet; die geſchehene Verbindungen allmaͤhlig zerriſſen, die vormahls tieff einge - drungene Worte GOttes, als was unguͤlti - ges, hinter ihren Ruͤcken geworffen; die Handſchrifft, womit ſie ſich mit Leib und Seel, auch mit ihrem gantzen Jugend-Leben Chriſto verſchrieben haben, unter die Fuͤſſe getreten; einfolglich alle Arbeit des Lehrers unnuͤtz, ſich ſelber aber dem Teufel und der Welt ſehr veraͤchtlich gemachet haben; in - dem ſie den ſo vortheilhafften Bund und Freundſchafft der Hochheiligen Dreyeinig - keit ſamt allen daraus entſpringenden Guͤ - tern, Gnaden und Wohlthaten, als etwas verdrießliches eckelhafftig verworffen. Wel - che abſcheuliche Unthaten und Ruͤckfaͤlle von einem ſo guten, reichen, milden, gnaͤdigen und herrlichen GOtt zum ſchaͤndlich boͤſen, grauſamen, aus dem Himmel verſtoſſenen und mit ewigen Banden der Finſterniß zum Gericht angeſchloſſenen Teuffel, einen treu - geſinnten Prediger billig hefftig betruͤbet, der daher allerhand erſinnliche Mittel er - greiffet, um einem ſo entſetzlich um ſich freſ - ſenden Ubel nachdruͤcklich zu wehren, und wo moͤglich gantz und gar abzuhelffen: Wozu der theure Werth der Seelen, das GewichtderVorrede. der Ewigkeit, die hohe Majeſtaͤt des Schoͤ pf - fers, das uͤberſchwengliche Loͤſe-Geld des Bluts unſers HErrn JEſu Chriſti, und die ſchuldigſ〈…〉〈…〉 Gegen-Liebe zu einem ſo vollkom - menen Heyland billig jedweden ſeiner Juͤn - gern antreiben ſolle.

Jſts doch unſerm Seelen-Freund ſo wohl zu goͤnnen, daß todt-krancke Seelen junger Leuten in Zeiten, und ehe ſie an den Rand des Todes, und in die Gefahr, Chriſto auf ewig entruͤcket zu werden, kommen, geheilet werden und leben. Je eher ſie zum Artzt ſchreyen, und durch ihne zur Geneſung ge - langen; je laͤnger ſie Chriſto in ſeinem Reich aufwarten, und einen deſto reichern Schatz der Gnaden ſammlen koͤnnen, den ihr Vor - mund JEſus ihnen in der Ewigkeit aufbe - halten und beylegen wird.

Hieran ſinnet die Jugend nur allzuwe - nig, und darum iſt es noͤthig, daß man ſie er - innere und antreibe, ob es etwa GOtt gefal - len moͤchte, das Wort dahin zu ſegnen, daß da oder dorten ein junges Hertz dem allerguͤ - tigſten Chriſto voͤllig zu Theil wuͤrde, um an - ſtatt dem hoͤlliſchen Scharfrichter in Ruhm - ſucht, und fleiſchlichen Luͤſten einen ſclavi - ſchen Dienſt zu leiſten dem himmliſchen Sa - lomon zur Ehre und Freude, und den En - geln zur luſtigen Geſellſchafft als ein friſcher,) (5geſun -Vorrede. geſunder, ſchoͤner und ſtarcker Juͤngling an ſeinem koͤniglichen Hof aus-und einzugehen.

Ey warum wolten doch junge Leute einen GOtt-Menſchen zu umfangen, mithin eine ſo groſſe Seligkeit anzunehmen, und ewiges Leben zu ergreiffen aufſchieben, und lieber Sieges-Saͤulen des Satans abgeben? Oder iſts einem jungen Knaben oder Maͤgd - lein nuͤtzlicher, durch fruͤhe Abkehr von GOt - tes Gemeinſchafft die taͤgliche Verſchlimme - rung ſeines Zuſtandes erfahren, den kalten Brand zu ſeinen Wunden ſchlagen, und das Hoͤllen-Feuer der Suͤnden-Luſt oder Ruhm - ſucht ſtuͤndlich um ſich greiffen laſſen, daß die unſchaͤtzbare Wuͤrckung der Seelen im Ver - ſtand und Willen nach einander Hoͤllen - ſchwartz werden? Ach warum ſolle der giff - tige Wurm des Erb-Schadens das ſuͤſſeſte und ſafftigſte des Leibes und jungen Lebens auffreſſen? Warum der boͤſe Baum der Ei - gen-Ehre, eigenen Willens, eigenen Froͤm - migkeit und Heucheley taͤglich tieffer einwur - tzeln, und ſolch greuliche Fruͤchte zum Tode tragen, welche entweder noch auf Erden im Alter, oder in der Hoͤlle zu unverdaͤulichen gluͤend-heiſſen Kieſſelſteinen werden? Wie dann alle Verdammte die verſaͤumte Gele - genheit ſelig zu werden ewig beklagen und jammern werden: Ach haͤtten wir gewuſt, be - dacht,Vorrede. dacht, geglaubet, was wir jetzo erfahren muͤſſen; wir wuͤrden im Sack und in der Aſche Buſſe ge - than haben.

Warum den truͤben, ſchlammichten Suͤn - den-Bach von Woche zu Woche anwachſen laſſen, ſo daß es einem hernach ſchaure, den - ſelben durchzuwaden? Wie manchen hoͤrte ich ſagen: Le plis eſt fait; Dieſe, jene Unart iſt mir angewoͤhnt, und kan mich nun nicht mehr andern.

Warum die Feinde ſich augenblicklich ver - ſtaͤrcken und einſchantzen laſſen, daß ſie mit keiner eigenen Bemuͤhung fuͤrohin auszu - treiben ſeyen? Ja wann dieſelbe ſchon durch eine hoͤhere allmaͤchtige Kraft aus ihren Ne - ſtern verjaget worden; ſo ſteiget doch offt lange ein heßlicher Geſtanck von dieſen un - weßlich-beherbergten Gaͤſten in die Naſe zur groſſen Angſt und Unruhe des Gewiſ - ſens; wie dann der ausgetriebene Teuffel ei - nen faſt unleidlichen Geſtanck hinter ſich laͤßt.

Warum eine ſolch nothwendige Reiſe ins gelobte Land nicht im anmuͤthigen Fruͤhling (NB. Jn dieſer Jahrs-Zeit zoge auch Jſrael aus Egypten) und dannzumahl antreten, da das Wetter lieblich, alles um den Wanderer her ſinget, klinget, gruͤnet, bluͤhet, und die Stimme der Turtel-Taube alle aͤuſſere und innere Sinnen ermuntert, auch der Wein -ſtockVorrede. ſtock und Feigenbaum, ſeine Suͤßigkeit zur Staͤrckung und Erquickung darreichet? Ach warum zaudern, bis diß alles verſchwunden, der Winter und die Platz-Regen wider an - gehen, rauhe Luͤffte ins Geſichte blaſſen, die Straſſen ſchlimm, verdrießlich und beſchwer - lich werden? Wie dann gemeinlich das Alter Millionen Laſten und Beſchwerden hat, Ja, welches das bedencklichſte iſt, war - um in Sodom verziehen, bis die Engel wie - der fort ſind, und der Schwefel-Regen zu troͤpfeln beginet? Warum in Egypten ver - harren, bis kein Moſes mehr am Ufer des ro - then Meers anzutreffen, und einem hindurch helffen? Warum in der Wuͤſte unter dem Geſetz in Klagen, Ohnmacht u. tauſenderley Abwechslungen bleiben, bis kein Joſua mehr vorhanden, der durch den Jordan des alles uͤberwindenden Glanbens ins gelobte Land der Gnaden hinuͤber fuͤhre, um unter dem Schatten des geereutzigten Chriſti wonnig - lich zu ruhen; nachdem in dieſen geſegneten Zeiten ſo viele tauſende allbereit ſich von dem aͤngſtlichen Treiber haben frey machen laſſen und die Gemeinſchafft des Vaters und ſei - neslieben Sohns hinuͤber gezogen ſind: Wie ich dann eine Menge ſonderlich von jungen Leuten kenne ſo die Vergebung der Suͤnden, und die eiwohnung und Ober-HerrſchafftdesVorrede. des HErrn JEſu in ihren huͤpſch-circuliren - den Gebluͤtern und ſuͤſten Jugend-Freude vergnuͤglich fuͤhlen.

Heute gehet von dem grdſſen Mo narchen Himmels und der Erden ein Befehl aus, daß Babels Gefangenſchafft ein Ende haben, der Tempel und die Stadt Jeruſalem nach der Form der Apoſtoliſchen Kirche wieder auf - gebauet werden, und auch den kleinſten Kin - dern, und Saͤuglingen erlaubt, ſeyn ſolle, das Jauchzen uͤber Zions Flor mit zugenieſſen.

O ihr Eltern! was machet ihr, daß ihr an denen Waſſerfluͤſſen und unfruchtbaren Weiden-Baͤumen der groſſen aber finſtern Stadt immerhin ſitzet, wo ihr kein Lied Zions mit gutem Muth ſingen koͤnnet? All - dieweil der GOtt Jſraels einen Serubabel, Joſua, Nehemia, Eſra, ich will ſagen, einen erfahrnen und geuͤbten Fuͤhrer nach dem an - dern erwecket; ſo laſſet ihr einen nach dem andern aufbrechen, und mit ſeinen Schaaren fortziehen. Und der groſſe Koͤnig der Ewig - keiten laͤßt es unter den Voͤlckern und Laͤn - dern verkuͤndigen: Wer vom erloͤſeten Gna - den Volck ſeye, mit dem ſeye ſein GOtt, daß rr hinauf ziehe gen Jeruſalem, und baue das Haus des HErrn, des GOttes Jſrael ins in - nere Reich der Ruhe und des in viele freudige, unbeſchaͤmte Bekaͤnntniſſe des NahmensJEſuVorrede. JEſu in groſſer Krafft ausbrechenden Glau - bens. Aber wie machet ihrs? Jhr laſſet bald dieſen, bald jenen Fuͤhrer euch aufruffen, ihr wiſſet aber an einem jeden was mißfaͤlliges auszuſetzen; oder es iſt euch ſonſt eben zu ſol - cher Zeit nicht gelegen: Jhr laſſet euch welt - liche Dinge an dieſer uͤberaus ſeligen Reiſe hindern, wartet immer auf einen andern Fuͤhrer, der euch anſtehe, und nach euerer Phantaſey ſeye; und das ſo lange, bis kein Aufruff weiters an euch ergehet, und ihr kei - nes gemeinſchafftlichen Aufbruchs mehr ge - wuͤrdiget werden: Folglich bleiben euere Kinder mit euch an gleichem Ort, und muͤſſen〈…〉〈…〉 ers Leichtſinnes entgelten: Dann wann Vater oder Mutter die Steigen hinauf ge - het, ſo ſteiget das Kind im Hauſe auch hinten nach; gehen ſie aber hinunter, ſo folget ih - nen das Kind auf dem Fuß nach, und kommt in den Suͤnden Babylons um.

Wer da wartet, bis die Kraͤmer die Maͤn - ner GOttes ins Hochzeit-Haus eingegangen, der findet ſie nicht daheim, und muß mit den thoͤrichten Jungfrauen bekennen, daß er ſich verſpaͤtet habe.

O ihr Eltern! Wollet ihr dann nicht, daß euere liebe Kinder es beſſer machen, als ihr gethan? Ey wie wuͤrdet ihr nicht dermahl - eins vor der Stimme des Richters erzittern,wannVorrede. wann es heiſſen wird: Jch kenne euch nicht, weichet von mir. Wie wuͤrdet ihr erblaſ - ſen, euch und euere Kinder drauſſen und die Pforten der Stadt verſperret zu ſehen, ſolltet ihr auch nur etliche Minuten zu ſpat daher gelauffen kommen? Wann alsdann euere liebe Kinder euch fragen werden: Warum muͤſſen wir, jetzt die gantze Nacht all das groſ - ſe u. unertraͤgliche Ungemach ausſtehen? So werdet ihr ihnen antworten muͤſſen: Um dieſes und jenes kleinen Verzugs willen, da wir uns hie und dort mit nichtigen Dingen aufgehalten und gemeynet, es waͤre noch Zeit genug, in die Stadt zu kommen, und man ſchlieſſe die Thore nicht ſo ge - ſchwind zu. Da werden ſie euch weiters fra - gen: Ob ihr dann nicht ſeyet gewarnet wor - den, und ob ihr des Koͤnigs Ordre nicht ge - wußt, daß precis auf die beſtimmte Minute das Thor zugehen ſolle, ohne Anſehen der Perſon, die etwa noch ſchreyen moͤchte: Waͤchter! Harre noch ein wenig! Da wer - det ihrs geſtehen und ſagen muͤſſen: Ja unſere wertheſte Kinder! Es iſt dem alſo: Beſſer waͤre es fuͤr uns geweſen zu fruͤhe als zu ſpat, und das gewiſſe geſpielt: Ach wie ein groſſes haben wir auf Gerathwohl hin gewaget! Wie ſchmertzet es uns jetzt, euch auſſer dem Hochzeit-Hauſe, dem neuen Jeruſalem, vom Koͤnig abgewieſen zu ſehen! Wir bemuͤheten uns, ein feines, warmes Neſt des Gluͤcks auf Erden, ein ordentliche Heimath euch zuzurichten; jetzt iſt alles im vollem Brand, was wirVorredewir euch mit unerſetzlichen Verluſt der tauſend - jaͤhrigen Hochzeit-Freude und aller der unaus - dencklichen Herrlichkeiten in der allerſeeligſten Ehe mit Chriſto geſammlet haben. Wir wiſſen des Koͤnigs Beſcheid und unveraͤnderliche Ordre wohl: Die Thier iſt und bleibt verſchloſſen, und wird nicht wieder aufgehen bis zum letzten groſſen Welt-Ge - richt, an welchem der Koͤnig dieſer Zeit und Welt ein Ende machen einen neuen Himmel und eine neue Erde ſchaffen, und ſeine Braut aus ihrer Mut - ter Haus in ſeines Vaters Wohnung in einem praͤchtigen und majeſtaͤtiſchen Aufzug, unter dem Schall vieler Millionen heiligen Englen einfuͤhren wird. Der Pfarrer hat euch und uns hiezu Hertz - freundlich eingeladen, und vor Schlendern treu - lich gewarnet; aber wir haben ihm nur halb ge - glaubet und bey weitem nicht vermeynt, daß wir mit kleinem Aufſchub eine ſo groſſe Gefahr lauf - fen: Jetzt ſind wir in des groſſen HErrn Ungnade welche ein ſtrenges Feuer-Gericht uͤber euch ihr ar - men Kinder, und, uͤber uns, euere ungehorſame und unſeelige Eltern, nach ſich ziehen wird, ſo daß wir Zetter ſchreyen; allweil andere junge Leute mit den Hochzeie-Gaͤſten hocherfreut jubiliren.

Wollen nun Eltern und Kinder einer ſolch entſetz - lichen Seelen-Gefahr entgehen; ſo mag ihnen auch dieſes Buͤchlein zur Warnung und Witzigung dien - lich ſeyn: Welches dann denenſelben eben in dieſer Abſicht in die Haͤnde gelieffert, und mit allen Leſern und Leſerinnen unſerm getreuen Kinder-Freund zur gewuͤnſchten Segnung von oben, Hertz-innigſt empfohlen wird.

Vorbe -

Vorbereitung; Beſtehende in einer Hertz-gemeynten Anſprache an die liebe Jugend.

Summarien.

  • §. 1. Wird die Seligkeit begnadigter Kindern zum Vor - aus angeprieſen.
  • §. 2. Die uͤberlauffende Kinder - Liebe JEſu geruͤhmt.
  • §. 3. Die Thorheit der tollen Jugend, die an allen Kleinigkeiten lieber als an JEſu ihre Luſt hat, beklaget.
  • §. 4. Die unverſiaͤndige Jugend daruͤber beſtraffet.
  • §. 5. Vor des Teu - fels Stricken gewarnet.
  • §. 6. Jhr Haupt-Fehler entdecket.
  • §. 7. Mit treuem Rath zum rechten Gebrauch dieſes Buͤchleins verſehen, daß man nem - lich a) beym Leſen die Gedancken ſammle von aller Zerſtreuung; Daß man b)
  • §. 8. im Glaubens-Ge - horſam beſtaͤndig; Daß man c)
  • §. 9. fleißig bete um den H. Geiſt.
  • §. 10. Wird endlich die Jugend dem HErrn JEſu zu ſeiner Gnade fuͤrbittlich anbefohlen.
Jn JEſu dem allerholdſeligſten Kinder - Freund Hertzlich-geliebte Kinder!

Es kan euch gewiß nicht wohl was ſeli - gers oder was herrlichers wiederfahren, als wann ihr ſchon in der zarten Jugend dem uten GOtt und Vater in Chriſto JEſu durchAſeine2Vorbereitung. ſeine Gnade geheiliget, und euere Hertzen theure Werckſtaͤtte des Geiſtes JEſu werden, als wor - durch ihr euch aller rechtſchaffenen Seligkeiten und goͤttlichen Freuden, die der Heyland mit ſeiner aller - heiligſten Jugend erworben hatte, in ihme genußbar machet; Da hingegen ein junges Hertz, das nicht in JEſu Gemeinſchafft lebet, alles deſſen armſelig er - mangeln muß. Und o wie goͤnnet JEſus der leutſe - lige Kinder-Freund, der nur an Heilmachen, Se - gen - und Gut-Beweiſen ſeine Luſt hat, einem jeden dieſes unvergleichliche Vorrecht ſo gern! Wie dann auch gantz junge Kinder, die an JEſu ihr Vergnuͤgen haben, Vergebung der Suͤnden, mit dem daran hangenden neuen Leben und der ſuͤſſen Freude im hei - ligen Geiſt, empfahen, ſo daß ſie hupffen, ſingen und ſpringen, und ihrem JEſu ein frohes Hoſianna zuruffen, mithin die eitele Welt-Freude daruͤber gaͤntzlich vereckeln. Gleich der junge Evter ein - mal zu ſeiner Schweſter geſprochen hat:(*)Janneway Exempel-Buͤchlein fuͤr Kinder. 3. Th. pag. 83. oder auch Rambachs Exempel-Buͤchlein. p. 144. Wann ſie die Freude / die er habe / empfinden ſol - te / ſie wuͤrde ſolche nicht / wann ihro auch alle Haͤuſer der Stadt voll Ducaten und Diamanten angeboten wuͤrden / dafuͤr hingeben.

§. 2.

Ja JEſus hat ſonderliche Ergetzlichkeiten, junge Seelen mit ſeinen Liebes-Geſchencken zu erfreuen und durch das Evangelium von ſeinem Creutzes-Tod zur Gegen-Liebe zu reitzen: Er ziehet ihnen gern das wun -der -3Vorbereitung. derſchoͤne herrliche Roͤcklein ſeiner Unſchuld an, und legt ſie Morgens und Abends dem Vater in die war - me Schoos ſeiner gnaͤdigen Obhut, als ſeine hertz - liebe Bruͤderlein und Schweſterlein, ſeine holden Taͤublein und Laͤmmlein: Dann weilen ihme ſo un - endlich-wohl iſt in ſeines Vaters Schoos, ſo kan demnach ſeine brauſende Kinder-Liebe nicht ruhen, es habe dann auch junge Leutlein bey ſich.

§. 3.

Aber wie kommts, daß dieſer hochgebenedeyte Heyland ſo ſchlechtlich geliebet wird, und die Jugend ihre Luſt und Freude mehr am Docken - (Puppen -) Werck, an Kleinigkeiten, eiteln Thorheiten und gantz unnuͤtzem Zeitverderb, als aber an dem aller - ſchoͤnſten und liebwuͤrdigſten JEſu hat, der doch aus groſſer Liebe vor ſie am Creutz geſtorben iſt? War - um huͤpffen ſie lieber am Rand der Hoͤllen daher, in aͤuſſerſter Gefahr, ihre ewige Seligkeit zu verlieren? Warum verſchleudern ſie die unwiderbringliche Zeit ihrer guͤldnen Jugend, welche durch die Gunſt GOt - tes mit dem Blut-Stroͤmlein unſers guͤtigſten JEſu und mit den Gnaden-Baͤchen ſeines Geiſtes haͤtte durchfloſſen, gewaͤſſert, und zu einem ſchoͤnen bluͤ - henden und gruͤnenden Fruͤhlings-Garten zugerichtet werden koͤnnen, von welchem die Engel am Laub - Huͤtten-Feſt viele reife, vollkommene Paradies - Fruͤchte ſammlen auf den Tiſch des Braͤutigams, und der Braut, und der unzahlbaren Schaar der Gaͤ - ſten im Hochzeit-Hauſe des Lamms, im neuen, obern Jeruſalem.

A 2§. 4. Ach4Vorbereitung.

§. 4.

Ach was machet ihr, ihr junge Knaben und Maͤgdgen? Wo gedencket ihr zuletzt auch hin? War - um macht ihr euch das theure Evangelium und alle Unterweiſungen von dem Gnaden-vollen Willen eu - res Erloͤſers zum Geruch des Todes? Jndem ihr nicht nur nicht darnach lebet; ſondern es noch ſchlim - mer machet gegen dem lebendigen GOtt, dem ewi - gen Heyland, als es Tuͤrcken - und Heyden-Kinder machen, dieſe gegen ihre todte Goͤtzen, und jene ge - gen Muhameds Satzungen, denen ſie mit groͤſſerer Ehrerbietung, Andacht und Gehorſam begegnen, als ihr thut gegen den hochtheuren, goͤttlichen Lehrer, Chriſtum, der ſichs ſo viel hat koſten laſſen, euch von eueren ſchmaͤhlichſten Seelen-Feinden zu erloͤſen, und in den herrlichen Stand der Heiligung hinein zu brin - gen. Was hat er euch dann auch zu Leyd gethan, daß ihr durch Bezauberung der Schlangen lieber mit andern Welt-Kindern an denen hoͤchſt-klaͤglichen Seel-verderblichen Suͤnden-Stricken mit Lachen, Schertzen, Spielen, Zancken, Schreyen, cour - tiſiren, hinlauffet ins Jammer-Land, als daß ihr auf die Gnaden-Stimme eures Erloͤſers, bey dem ihrs ſo gut haben koͤntet, mercken, und zu einer ſo groſſen Seligkeit, die ihme ſein Blut gekoſtet hat, locken laſſen wollet?

§. 5.

O ihr unachtſame und leichtſinnige Kinder! Jhr unverſtaͤndige Juͤnglinge und Jungfraͤulein! Die Apoſtel warnen euch vor denen Netzen und Fallſtri - cken, wormit ihr in dieſer gefaͤhrlichen Welt auf eue - rer kurtzen Reiſe nach der langen Ewigkeit umgebenſeyd.5Vorbereitung. ſeyd. Jch will euch etwas offenbaren, daran ihr wohl nicht gedencket, und welches niemand anzeigen kan, als der heilige Geiſt: Es ſind abgefallene En - gel, die ſehr liſtig, boͤſe und neidiſch ſind, und euch allenthalben auf den Dienſt lauren und bey jedem Tritt aufpaſſen, wie ſie eure Sinnen beruͤcken, euch vom ſchmalen Weg zur Herrlichkeit ableiten, und im allgemeinen Welt-Trab zum Verderben Leibs und der Seelen behalten und forttreiben, mithin in ihre Sclaverey ſtuͤrtzen, und ihren Tod, Gifft und Un - ruhe in der angenehmen Salſen des Fleiſches-Luſt, zu einem Schlaf-Trunck auf den ewigen Tod hin, beybringen moͤgen. Ein Knab oder Tochter von zwoͤlff und mehr Jahren, ſo zum heiligen Abendmahl unterwieſen worden, ſolte wenigſtens auch ſo weiſe ſeyn, als ein zweyjaͤhriges Kind, daß, wenn es ein - mal von einem Meſſer geſchnitten, oder von einem Licht gebrennt worden, hernach deſto behutſamer iſt: Allein die geiſtlichen Seelen-Wunden und Brand - Maale werden, jemehr die Seele darvon geſchaͤndet wird, immer weniger gefuͤhlet. Warum doch? Weil ſie tief eingeſchlafen, am Fieber kranck, ja gar todt ſich befindet.

§. 6.

Ach ihr Hertz-geliebte, Erbarmungs-wuͤrdige Kinder! Es fehlet euch an dem ſo heilſamen Nach - ſinnen; und den Mangel deſſen machen ſich die Teuf - fel zu Nutz, und bringen euch in einen entſetzlichen Schaden, und in den Verlurſt des Himmelreichs JE - ſu Chriſti; welches ja das traurigſte Ungluͤck iſt, und nachgehends nichts als toͤdtlichen Verdruß, Gram und Hertzeleid gebieret; wenn man ja nochA 3ein -6Vorbereitung. einmal in dieſem Leben klug wird. Doch wurde es ein unnuͤtzes Wehklagen ſeyn, wenn man nicht mit Bitten und Flehen um voͤllige Erloͤſung von ſotha - nem Ubel anhalten, und anbey wachen wurde, das - jenige noch, da man Zeit und Geſundheit hat, nach - zuholen, und zu bewerckſtelligen, was man in der Ju - gend gethan zu haben wuͤnſchet.

§. 7.

Wilt du aber aus dieſem Buͤchlein einen ſeligen, ewig-bleibenden Nutzen ziehen; wohlan, ſo nimme folgendes ſorgfaͤltig in acht:

I. Mercke fleißig, mein trautes Kind, auf all das Gute, das du lieſeſt und hoͤreſt, und laſſe dich lieber in allen Dingen, als in dem, was deine Vereini - gung mit GOtt betrifft, unachtſam finden. Seuff - tze darum zu GOtt mit kindlicher Bitte, daß er mit dem Gnaden-Licht ſeines heiligen Geiſtes in dich hin - ein leuchten, die hoͤchſt-ſchaͤdlichen Flatter-Geiſter aufdecken, und dein Hertz von denſelben erloͤſen wolle, als von ſo vielen hoͤlliſchen Voͤgeln, die um dich her - um fliegen, alles das Koͤſtlichſte dir vor der Naſen wegſtehlen und nichts als Ach und Weh uͤbrig laſſen, ſo, daß du mit Eſau, dem unbaͤndigen Buben, klaͤg - lich heulen und dich bejammern muſt: Du habeſt es gewußt, gehoͤrt, geleſen, aber nicht gethan. Ja ich bitte dich treulich, du theureſtes Hertz! gibe acht auf die unermeßliche Liebe GOttes und auf die Treue des heiligen Geiſtes, daß ſie dir nicht vergebens verkuͤndi - get worden ſeye: Halte an bey dem Heyland, daß er deine Gedancken unter die Fluͤgel ſeiner Gnade ſammle zu dieſem Einigen / daß du ſeinen Namen foͤrchteſt Pſ. 86, 11. Damit du nichtnoch7Vorbereitung. noch hinten nach im Jammer verſchmachten und kla - gen muͤſſeſt: Ach, das Kleinod, die Crone, das Perlen lage vor meinen Augen, und ich konnte es haben, eben wie Paulus und Petrus: Warum habe ichs aber nicht? wie iſt das zugegangen, daß es nicht mehr vorhanden und dis groſſe Heyl mir entruͤcket worden, mithin ich den kraͤfftigen Ruf und Zug darzu nicht mehr fuͤhle? ach, warum ha - be ichs nicht beſſer bedacht und von der mir nach - rufenden Stimme meines Hirten mich ab - und hin - gegen zu dem Seelen-Wolff zugekehret? in welch entſetzliches Elend hat mich meine Unachtſamkeit geſtuͤrtzet ꝛc. ꝛc.

§. 8.

Nimmſt du alſo wahr, was des Schoͤpffers und Seligmachers Vorhaben mit dir ſeye: ſo iſt

II. Noͤthig, daß du es nicht bey etwelcher Ruͤh - rung, guter Bewegung, Thraͤnen ꝛc. bleiben laͤſſeſt, dir vieles darauf einbildeſt und denckeſt, welch ein gottſeliges Kind du ſeyeſt, mithin glaubeſt, es ſeye nun alles richtig und geſchehen, was geſchehen ſolle. O wie manches Kind hat ſich in dergleichen ſuͤſſen Empfindungen geſpiegelt, und von der Schlangen hoffaͤrtige Gedancken ins Hertz einſpeyen laſſen, ſo, daß es dardurch ſicher, und in des Teuffels Stricken gefangen, ja gar zuletzt verhaͤrtet worden durch Be - trug der Suͤnden. Werde du denn uͤber dem un - ſaͤglichen Schaden anderer jungen Leuten witzig, da - mit du nicht ſelber eine traurige Denck-Saͤule der un - ſeligſten Thorheit werden muͤſſeſt. Heiſche deinem GOTT Beſtaͤndigkeit; ſintemalen nicht diejenige, welche nur jucks-weiſe gute Bewegungen, und bloßA 4zu -8Vorbereitung. zuweilen eine fliegende Hitze zu einem heiligen Leben haben, ſelig werden; ſondern ſolche, die den guten Sinn JEſu und den Trieb ſeines Geiſtes bewahren, und im Gehorſam des Glaubens beharren bis ans Ende.

Aus dieſer allerwichtigſten Urſach bitte anhaltend um einen erleuchteten Verſtand / daß JEſus der Gecreutzigte als ein Leuchter des Heiligthums dar - innen aufgeſtecket werde, und helle brenne; und um einen mit Chriſti Blut-Balſam geſalbeten Wil - len: Jn Summa, um ein rein Hertz, und um einen GOtt feſt-anklebenden Geiſt, Pſ. 51, 12. damit nicht die heilſame Lehren, die dir heute zimlich wohl ſchmecken, morgen zum Verdruß und Eckel werden.

Uberhaupt haben junge Leute dis entſetzliche Ubel von Adam ererbt, daß ſie nicht lang im Paradies blei - ben koͤnnen: Heute mag einem Juͤngling wohl die heilige Schrifft ſo ſuͤſſe als Honig ſeyn, und ſo lang er dieſen Geſchmack und Luſt zum Wort des HErrn behaͤlt, ſo lang kan auch ein guter Funcke in ihm glimmend ernaͤhret werden: Es kan aber auch ein Juͤngling dieſen Kuſt und Luſt zur himmliſchen Weis - heit, durch Begierde nach dieſer oder jener Wiſſen - ſchafft, morgen ſchon wieder verliehren, dem Teuffel in ſein geſpannetes Netz einſitzen, und ſchaͤndlich zu - gebutzet werden; eben wie unverſtaͤndige Kinder die theureſten Koſtbarkeiten verzuͤttern; (verſchertzen) denn weilen ſie den Preiß derſelben nicht wiſſen, und die Schalckheit des Feindes nicht mercken, auch kei - ne Hand-Leitung von auſſen haben, wordurch ſie des Weges zu Chriſto allſtets erinnert und darinnen zu wandeln angeſporret wuͤrden; ſo ſtehen ſie dem Sa - tan zur Verfuͤhrung armſelig offen, und kommenvom9Vorbereitung. vom Guten allmaͤchlig ab, ſo daß aus ſolchen Kna - ben, von denen man ſonſt Groſſes gehoffet hat, nichts rechtſchaffenes werden kan.

§. 9.

Was aber neben der Andacht und Beſtaͤndigkeit das noͤthigſte und heilſamſte iſt: iſt

III. Das Gebet um den Heil. Geiſt. Soll aber ein ſtudirender Juͤngling dahin kommen; ſo muß wohl ein auſſerordentlicher Trieb der goͤttlichen Gnade das Beſte darbey thun; denn nachdem es dem Menſchen angebohren, die Weisheit nicht min - der als die Gerechtigkeit und Heiligung ohne JEſu und ohne den heiligen Geiſt zu ſuchen; ſo haͤlt ein ſol - cher die Zeit fuͤr verlohren, die er zum Gebet anwen - det; welch teuffliſcher Jrrthum unſaͤglichen Scha - den verurſachet. Einmal ein ſolcher Juͤngling behaͤlt ſeinen kindiſchen Leichtſinn und laͤppiſche Auffuͤh - rung; trittet nie in die Lauff-Bahn nach dem Rit - ter-Craͤntzlein, und in den redlichen Kampff wider die Suͤnde; und weilen er dem heiligen Geiſt ſeiner heff - tigſten unablaͤßigen Begierden nicht wuͤrdig achtet, ſo muß er ſeiner allein weiſen heilig - und ruhig-ma - chenden Trieben und Guͤtern zu ſeiner allergroͤſſeſten Unſeligkeit ermangeln. Darum wird ein jeder, der im Kopff nicht verruͤcket iſt, unterm Leſen wohl hertz - lich ſeufftzen: Ach HErr! lehre mich doch thun nach deinem Wohlgefallen / denn du biſt mein GOTT; dein guter Geiſt fuͤhre mich auf ebner Bahn; Pſ. 143, 10. Anderſt wird er ſchlechten Nutzen darvon haben.

A 5§. 10. Ach10Vorbereitung.

§. 10.

Ach GOtt! wo ſind die ewige Verheiſſungen vom Aus guß des Geiſtes auch uͤber Kinder? ſind dir denn die Kinder nicht mehr lieb und begehreſt du ihrer Gegen-Liebe fein gar nichts? Du weiſt ja, lieber Vater, daß Kinder zu dem Himmelreich weder Verſtand noch Hertzens-Willigkeit haben, es ſeye denn daß du ſie darzu zieheſt mit deiner vorlauffenden Gnade, und laſſeſt ſie von deinem Ernſt und Gute, von deinem Zorn und Gnade etwas empfinden: Du weiſt auch, daß des Menſchen Dichten und Trachten von Jugend auf boͤſe iſt; du ſagſt es ſelber. Ach ein Kind ihm ſelbſt gelaſſen, fragt nichts nach dir du hoͤchſtes Gut, weil es dich nicht kennet, wie gut, wie ſuͤß, wie freundlich und hoͤchſt - vergnuͤglich du ſeyeſt, ſie ſind gleich ans Suͤndigen gewoͤhnt, an den Gifft vom Hoͤllen-Pfuhl. Ach! ziehe ſie doch alle mit deinen Liebes-Banden im Ver - borgenen zu dir. Kinder laſſen ſich leichtlich ſchre - cken, oder mit ſchoͤnen Fruͤchten und guten Gaben gewinnen. O mitleydiger und mittheiliger Hey - land! ſchrecke ſie doch vom gemeinen Welt-Lauff und Suͤnden-Weg ab durch einen ſtarcken Eindruck von dem kuͤnfftigen Gericht, vom Himmel und Hoͤlle; locke ſie aber auch durch deine Zucker-ſuͤſſe Liebe und mit deinen edlen Fruͤchten an dich, du himmli - ſcher Weinſtock und Apffel-Baum. Ach! ſolte der Betruͤger ſo viele Mittel zu brauchen wiſſen zum Verderben einfaͤltiger Kindern? und dir, liebreicher Schoͤpffer, ſolten die Zugaͤnge zu deinem eigenen Geſchoͤpffe verborgen ſeyn, daß du nicht wiſſen ſol - teſt, wie ihm beyzukommen waͤre, dir daſſelbe anhaͤn -gig11Vorbereitung. gig zu machen? Ach erbarme dich, du getreueſtes Vater-Hertz, wie du dich uͤber die hundert und zwan - zig tauſend Unmuͤndige zu Ninive erbarmet haſt! es iſt ja ungleich klaͤglicher, wenn die arme Seele ewig verlohren gehet, als wenn nur der Leib umkommt oder getoͤdtet wird. Du haſt ja an denen Schul - Kindern zu Jeruſalem eine Probe gegeben, was du an jungen Hertzen thun koͤnneſt, da ſie durch den Trieb des heiligen Geiſtes dir Hoſianna zugerufen, alldieweil ihre Eltern und Lehrmeiſter dich haſſeten und verfolgeten. Und was haſt du, mein GOtt, erſt zu unſern Zeiten gethan an den Kindern in Schleſien? Wie gewaltig durchwehete dein Gna - den-Wind dieſe zarte Pflantzen, daß ſie ſich in einem unuͤberwindlichen Trieb mit Anbeten, Loben und Dancken Chor-weiſe gegen dein ewiges Himmelreich beugeten und von allem unnuͤtzen Zeitvertreib mit Verecklung ſich abkehreten, wormit doch ſonſt die Kinder nur allzufruͤhe ihr unvorſichtiges Gemuͤth vereiteln? Ja wie haſt du nicht um Oſter-Zeit im Jahr 1741. auch unſer Land ſo gnaͤdig heimgeſuchet! an Orten, da des Satans Stuhl ware, und die Kinder uͤber die Maſſen unbaͤndig, wild und boͤſe waren, haſt du ſie mit deinem goͤttlichen Gnaden - Wind angeblaſen, ſo, daß ſie ſich Hauffen-weiſe nun vor dir, dem Lamm, beugen, und dich anbeten. Ach ſuͤſſer Heyland! wilt du uns mit dergleichen ſchoͤnen Exempeln nur das Maul waͤſſern machen, gleiche herrliche Gnaden auch an unſern Kindern zu ſehen, und es aber nicht thun? o mein ſuͤſſer JEſu, gu - ter Seligmacher! wir trauen dir was beſſers zu: wenn nur wir gantz die Deinen ſeyn, und zu deiner Ehre, Ruhm, Preiß, Wohlgefallen und Vernuͤgen lebenwollen;12Vorbereitung. wollen; ſo wilt du auch der Unſerige ſeyn, und Barm - hertzigkeit beweiſen in die Tauſende, an allen die dich lieben und deine Gebote bewahren. Wenn Eltern, Prediger, Schulmeiſter nur dir zu Dienſten leben, dich mit wahrem Glauben und Vertrauen verherrli - chen; ſo wirſt du nicht zugeben, daß ſie an dir zu ſchanden werden, ſondern gewiß ihrer Begierde will - fahren; allermaſſen du, du liebſter Jmmanuel, ſehr geneigt biſt, Kinder, Zuhoͤrer und Schuͤler mit dei - nen Gaben, die mehr werth ſind, als Himmel und Erden, zu ſchmuͤcken, ſie klug, froͤlich, des ewigen Lebens und deiner Gunſt verſichert, und mit dem Vor - ſchmack deiner himmliſchen Freude recht luſtig zu ma - chen, damit ſie als deine Erloͤſete, Begnadigte und Geheiligte, denen das Vorrecht, Privilegium, Eh - re, Gewalt und Krafft vom Himmel her geſchencket ſeye, Macht haben koͤniglich und goͤttlich zu leben; ſchon in ihren zarten Kinder-Jahren die Welt mit ihren Taͤndeleyen zu verachten, des Teuffels Verſu - chungen zu zertreten; die Suͤnde zu verabſcheuen, mit deinem himmliſchen Vater, und mit dir, ihrer Hertzens-Freude, vertraut und bekannt umzugehen, alſo, daß der unausforſchliche Reichthum und Se - gen deiner goͤttlichen ſchoͤnen Kindheit aus ihnen her - aus leuchte, und ſie alſo leben und wandeln, wie du in deinen Kinder-Jahren gelebet und gewan - delt haſt.

Hilff du ſtarcker GOtt aus den Himmeln, daß die in unſern Tagen lebende Jugend ein Pflantz - Garten werde, daraus du nach der Hand Baͤume neh - men koͤnneſt, dein kuͤnfftiges in denen Weiſſagun - gen der Propheten verheiſſenes herrliches Reich zu zieren, daß ſie durch die Balſam-Gnade deinesSohns,13Vorbereitung. Sohns, durch ſeinen Verdienſt und Fuͤrbitte bey dir, einen noch herrlichern Geruch von ſich dufften, als dein ehemaliges Paradies, das du im Anfang der Schoͤpffung gepflantzet haſt, und gleichwohl nur ein Schattenbild iſt gegen dieſen, ſo du am Ende dieſer Zeit verſprochen haſt zu pflantzen, zu Lob der Herrlichkeit deiner Gnaden, Amen. Es geſchehe doch bald! Amen.

Jn[14]

Jn JESU Nahmen!

Das erſte Capitel. Daß die erſte Quelle der Verfuͤh - rung der Jugend im eigenen Hertzen liege.

Jnhalt.

  • §. 1. Ein treuer Fuͤhrer iſt der Jugend hochnoͤthig. §. 2. Jhr erſier Haupt-Feind liegt im eigenen Buſen. §. 3. Wann und wie man von dieſem Feind beruͤcket werde. §. 4. 5. Auch ſchon geruͤhrte junge Hertzen erfahren es. §. 6. Bey welchen alles Gute zu Grund gehet, und das Boͤſe Ober-Hand gewinnt. §. 7. Zurechtweiſungs-Mittel uͤberhaupt. §. 8. Jnſonder - heit, und zwaren a) die Kindheits-Suͤnden zu be - reuen. §. 9. und 10. b) GOttes Langmuth zu preiſen: Wunder der Liebes-Gedult JESU an den Kindern. §. 11. c) Die Gnaden-Zeit und Zuͤge GOttes wohl anzuwenden. §. 12. d) Seine Her - tzens-Geſinntheit zu durchforſchen. §. 13. Ob man ſtatt des irrdiſchen Sinns den himmliſchen; §. 14. ſtatt des tuͤckiſchen Eigenſinns eine folgſame Willigkeit zum Guten; §. 15. und ſtatt des neidigen und zaͤnckiſchen Sinns, ſanfftmuͤthigen und friedfertigen Sinn JEſu angezogen habe? §. 16. und 17. Klage, daß ſich weder von der Tauf-Gnade bey den Kindern, noch von der Frucht des Heil. Abendmahls bey denen Er - wachſenen etwas zeige. §. 18. Gottloſe Rede ei - nes Buben, der ſchon communiciret hatte. §. 19. e) Fuͤnff -15Jnhalt. Fuͤnfftes Mittel, oder Rath, das Hertz dem Hey - land zur Heilung hinzubringen. §. 20. Wie es an - zuſtellen, muß man erfahrne Leute fragen. §. 21. Gebet junger Leute, um ein reines Hertz, und Er - rettung von allen Feinden. §. 22. 23. und 24. Kenn - zeichen, ob ein junges Hertz in der Gnade GOttes in Chriſto ſtehe? A. Die Einfalt des Hertzens zum Boͤſen, und Willigkeit zum Guten. §. 25. und 26. B. Die Gebet-Luſt iſt ein Hunger und Durſt nach Chri - ſto. §. 27. Chriſtus dem Manna verglichen. §. 28. Wird durch das Gebet geſuchet, geſammlet und ge - meſſen. §. 29. Beweg-Gruͤnde zum glaͤubigen Ge - nuß dieſes goͤttlichen Manna. §. 30. Beten iſt auch ein geiſtliches Trincken. §. 31. C. Die Liebe zu JE - ſu und ſeinem Wort. §. 32. Doch regt ſich etwa auch Unluſt: Wie dargegen zu kaͤmpffen. §. 33. Exempel Adams und anderer, die ſich nicht gewehret. §. 34. 35. Treue des Heylands, die er beweiſet bey - des durch unſere Erhaltung und anderer Verwerf - fung. §. 36. Wie ſich ein gutes Hertz dabey zu ver - halten. §. 37. Wie ſelig ſolche Kinder ſeyen; §. 38. Jn Vergleichung mit Welt-Kindern. §. 39. Gleich - niß, die Urſachen zu beleuchten, warum die einten Kinder JEſum lieb gewinnen, und die andern nicht? §. 40. Wird die Gluͤckſeligkeit eines frommen Kindes weiters beſchrieben. §. 41. Welch theure Werckzeu - gen GOttes ſie im Alter werden. §. 42. D. Vier - tes Kennzeichen begnadigter Kindern: Ein beſtaͤndig - gute Faſſung des Gemuͤths gegen JEſum. §. 43. Er - ſter Vortheil darvon. §. 44. Zweyter Vortheil. §. 45. Dritter Vortheil. §. 46. Vierter Vortheil. §. 47. Erinnerung, wovor man ſich huͤten ſolle.
§. 1. Wann16Cap. 1. Die erſte Quelle

§. 1.

Wann einmal der gute GOtt in ein junges Hertz ein Verlangen ſelig zu werden, hin - ein geſaͤet hat, ſo daß es von der Gnade JEſu ſich ergreiffen zu laſſen, beginnet; ſo wird ihm die forleitende und behuͤtende Gnade von innen, aber auch ein erleuchteter und erfahrner, mithin ein ſolcher Fuͤhrer von auſſen allerdings nothwendig ſeyn, der unter der Segens-vollen Mitwuͤrckung der Liebes-Treue GOttes in Chriſto, fortwaͤhrend ernſthaffte Aufſicht uͤbe, und bey jeder anſcheinen - den Gefahr verfuͤhret zu werden, zurufe zur Erin - nerung, wovor es ſich etwa zu huͤten, und in Acht zu nehmen habe, wann ja nicht alles auf die ſchlimme Seiten ſchlagen, oder ihm ergehen ſolle wie jenem Juͤngling / welchen der Apoſtel Johannes einem Biſchoff beſonders anbefohlen; der aber bald hernach ein Hauptmann einer Rotte von Straſſen-Raͤubern worden. Einmal dieſer hohe Apoſtel ſchreibet uͤber - haupt an die Heiligen zur Verwarnung: Sehet euch fuͤr / daß wir nicht verlieren / was wir erarbeitet haben / ſondern vollen Lohn em - pfahen: dann es ſind viel Verfuͤhrer in die Welt kommen: 2 Joh. 7, 8. Wie dann auch der ſonſt vollkommen in GOttes Licht und Glantz ſtehende Lehrer, Paulus / foͤrchtete, er moͤchte vom Satan / deſſen Anſchlaͤge ihm nicht unbewußt ſeyen, uͤbervortheilet werden; 2 Cor. 2, 11. Welcher darum auch deſtomehr be - kuͤmmert ware, daß nicht die Heiligen zu Corinthen durch die Schlange beruͤcket wuͤrden von der Einfaͤltigkeit in Chriſto; 2 Cor. 11, 3. Jnſonderheit ſind die beyde weiſe Maͤnner Salomound17der Verfuͤhrung der Jugend. und Syrach uͤberlauffend von haͤuffigen Erinne - rungen und Warnungen, welche ſie beſonders an die Jugend gerichtet hatten.

§. 2.

Wilt du dann, mein liebes Kind, auch zu meinen treu-gemeynten Warnungen die Ohren neigen; ſo mercke: Dein naͤchſter / gefaͤhrlichſter Haupt-Feind iſt dein eigen Fleiſch und Blut; dahin die Schlange ihren Saamen verſtecket hat, und da die Brut des Teuffels in einander lieget.

§. 3.

Hangeſt du nun an GOtt und laſſeſt dich von ſei - nem Wort und Geiſt beſtaͤndig regieren; ſo hat die - ſe hoͤlliſche Brut einen kalten Winter, darbey ſie allmaͤhlich erſticken und verderben muß. Verlaſ - ſeſt du aber GOttes Wort und Geiſt; ſo haͤn - get ſich dieſer unflaͤthige Saamen bald an deinen Willen, wird von deſſen Beyfall und Neigung er - waͤrmet, und von dem Widerſacher beym erſten Anlaß zu einem abſcheulichen Geheck fleiſchlicher Luͤ - ſten und Begierden ausgehecket: Wovon dann Marck und Adern angeſteckt und eingenommen, und die Seele faſt lebendig von ſolch ſcheußlichen Wuͤr - men gefreſſen, ja dem Tod in Suͤnden und Ubertre - tungen eingeliefert wird Epheſ. 2, 1. 1 Moſ. 6, 5. Es wird auch gar der arme Leib offtmalen hart mitge - nommen, ſein angebohrne Lieblichkeit zu verſchertzen und zu verliehren.

§. 4.

Es ware einmal ein Knab nach dem himmliſchenBSinn18Cap. 1. Die erſte QuelleSinn JESU recht luͤſterend worden, nachdem er deſſen Schoͤnheit, Anmuth, Herrlichkeit, Ruhm, Frieden und Licht-volles majeſtaͤtiſches Weſen et - welcher maſſen erblicket hatte. Er hat aber wohl mehrere ſeines gleichen unter den Toͤchtern / die in ihrer zarten Jugend recht gute Bewegungen haben, ihr gantzes Hertz an JEſum zu uͤbergeben, und mit ihme ſich innigſt zu verbinden: Die geiſtlichen Dinge ſind ihme recht ſchmackhafft, und ſie laſſen auch bey der Anhoͤrung und Betrachtung derſelben Andacht und Eifer blicken; fuͤrnemlich wann ſie zum Heil. Abendmal unterwieſen und das erſtemal zugelaſſen werden. Man fuͤhlet die Gegenwart der hieligen Engeln und ein inniges Wohl, alldieweil man ſotha - nem feinem Hertzen von Chriſto, vom Himmel, von der Seligkeit der Neu-Gebohrnen, u. ſ. w. ſpricht: Jhre Hertzen ſind weich wie Wachs, und nehmen den Eindruck von goͤttlichen Wahrheiten gern an, ſo daß man Wunder erwarten moͤchte, wie Chriſti ſchoͤnſte Geſtalt in ihnen auf den Thron kommen werde.

§. 5.

Aber ach! wie klaͤglich aͤndert es ſich allgemach mit den meiſten ſolcherley junger Hertzen, bey welchen nur allzubald auf dieſe ſchoͤne Morgen-Roͤthe ein gar - ſtiges Suͤnden-Gewitter folget; die ſchaͤndliche Erb-Suͤnde, die boͤſe Natur ſich offenbaret; Geitz, Neid, Hochmuth, Wolluſt, Groll, Heucheley, u. ſ. f. als ein ſchaͤdliches Unkraut den Kopff herfuͤr ſtrecket, und uͤber den guten Weitzen Oberhand ge - winnet, ihn zu erſticken, alſo daß nach einigen Jah - ren wenig mehr Gutes, ja nichts als leere Spreueranzu -19der Verfuͤhrung der Jugend. anzutreffen iſt, und es dennoch mit ihren Seelen nicht beſſer ausſiehet als bey einem zerſtoͤhrten Schloß, an deſſen Mauerwerck man noch kaum er - kennen kan, was fuͤr ein Gebaͤude vormals daſelb - ſten geſtanden ſeye; das edle Gewaͤchs ſchlaͤgt in eine wilde Art; der bezauberte Menſch ſaͤet nicht mehr auf den Geiſt, ſondern nur auf das Fleiſch; machet ſich dem Teuffel und der Suͤnde veraͤchtlich, und erndet Narrheit, Boßheit, Faulniß, Geſtanck, Ver - druß und Verderben ein. Gal. 6, 7. 8.

Bey allem dieſem will ſich die abtruͤnnige Seele noch mit ihren vorigen Empfindungen troͤſten, und aus dem, daß ihn GOtt ſeine ſuͤſſe Liebe zu ſchencken, und ſeine Gunſt zu erblicken gegeben, den Schluß ſelbſt betrogen machen, daß es unmoͤglich ſeye, daß GOtt ſie verwerffen koͤnne. Vergiſſet dabey des Spruchs Ezech. 33, 13. Wann ein Gerechter Boͤſes thut / ſo wird es ihme nichts helffen / daß er fromm geweſen ꝛc. und will alſo keinen Zweiffel mehr an ihrer Seligkeit in ſich aufkommen laſſen; da doch die Suͤnden-Hoͤlle nun und dann in ihro lodert und Flammen auswirfft, das Gewiſſen einmal um das andere unruhig zu machen.

§. 6.

So ziehen junge Knaben und Toͤchtern in ihren eigenen Buſen an bezauberten verraͤtheri - ſchen Hertzen einen ſolchen Feind auf, der allein ſchon ſie ewig ungluͤckſelig machen kan; indem Satanas daſſelbe eben braucht, ſie zu uͤberwaͤltigen und je und je in friſche Verſchuldungen hinzureiſſen; dann je mehr ſie dieſem Buſen-Feind Gehoͤr geben, je weiter weichen ſie von GOtt und ſeinem Heyl taͤg -B 2lich20Cap. 1. Die erſte Quellelich ab, je mehr wird auch aller gute Saamen wie - der verſchwemmet, ſo, daß man in wenig Jahren kein Merckmaal mehr wahrnehmen kan, daß ſie je - malen auch zu des HErrn Tiſch ſeyen unterwieſen worden, mithin einem fragenden Paulo wohl auch antworten doͤrffen: Wir haben auch nie gehoͤ - ret / ob ein heiliger Geiſt ſeye: Wir wiſ - ſen nicht, wer der JEſus, was er fuͤr ein Mann, und weſſen man ſeiner zu getroͤſten habe; ich kenne meine Ochſen, Kuͤhe, Roſſe, Huͤnde, Aecker, Baͤu - me, Schuͤſſeln, meine Spiel-Geſellen ꝛc. beſſer als dieſen fremden Mann, von dem du ſageſt; mit deme ich mich das gantze Jahr hindurch nicht ein - laſſe auch niemals frage, was er mache, und ob er noch lebe, was ſein eigentliches Geſchaͤfft ſeye: Examinire mich von jenem, ſo kan ich dir ſchon Be - ſcheid geben; unſer einer iſt nicht ſo ſpitz geſtudirt, ich muß der Nahrung abwarten. Will man nachforſchen, ob ſie die heilige Schrifft leſen; ſo wiſ - ſen ſie eben ſo wenig als die blindeſten Heyden, alſo daß ihnen der Teuffel alles beym Staͤubgen aus der Gedaͤchtniß wegraffet in kurtzer Zeit. Jm Gegen - theil wuchert und wurtzelt in ſothanen muthwilligen, ungeſchlachten, moraſtigen, dem Himmel verſchloſ - ſenen und der Hoͤlle offenen Hertzen der garſtige Schlangen-Saamen der ſuͤndlichen Geluͤſten zur gaͤntzlichen Uberhandnehmung und Beherrſchung derſelben, ſo lang bis der Heyland ſein liebes Blut in den Mund ihrer aͤngſtlich-ſchmachtenden Seelen - Begierden einfloͤßt; als wordurch, als durch ein Balſam-Oel das hoͤlliſche Ungeziefer in ihme getoͤdet; die unflaͤtige ſuͤndliche Neigung umgebracht; alle Riegel und Siegel, Ketten und Feſſeln der unſau -beren21der Verfuͤhrung der Jugend. beren Geiſteren zerſprenget werden. O daß es doch bey Zeiten geſchehe!

§. 7.

Sagſt du nun, mein theurer Juͤngling, und du ge - liebte Tochter. Ach! dis iſt eben auch mein betruͤbtes Angſt-Bild / und ich mercke wohl in etwas / daß ich in aͤuſſerſter Ge - fahr ſchwebe, ewig verlohren zu geben; wie mag ich doch auch wieder zurecht kommen?

Antw. Jſts dir Ernſt, ſo kehre um du verlock - te Taube, du erbaͤrmlich verloffenes Kind? Kehre wieder zu deinem Vatter! ſo wird er dich heilen von allen deinen Ubertretungen, und dich reinigen von allen deinen Miſſethaten.

§. 8.

I. Bereue die Suͤnden deiner Kindheit / daß du nicht gleich im vierten, fuͤnfften Jahr deines Alters dich wie ein junges Engelin an dem Heyland beluſtiget, ihne geliebet, an ihne gedacht, nach ſeinem vertrauten Umgang verlanget haſt, wie viele andere heilige Kinder gethan: Bereue es, daß du ſchon in zarter Kindheit deinem holdſeligen JEſu den Rucken gekehret, wie ein unvernuͤnfftiges Thierlein dahin ge - lebet, ſo gar nichts von der reichen Tauff-Gnaden an dir ſpuͤhren laſſen; am Spiel - und Schleckwerck, an einem neuen Roͤcklein oder Schuhen, am Her - umlauffen, Tantzen, Springen mit deines gleichen, mehr Freude gehabt, als an deinem Heyland, der aus Liebe fuͤr dich am Creutz geſtorben iſt, zu gedencken, und ſeine Blut-Gnade und Geiſtes-Tauffe von ſei - nem getreueſten Mutter-Hertzen mit ſolcher Kind -B 3Hertz -22Cap. 1. Die erſte QuelleHertzlichkeit, wie ſonſten Kinder von ihren irrdiſchen Muͤttern allerhand Kleinigkeiten heiſchen, und die - ſelbe mit ſtaͤtem Geſchrey bezwingen.

§. 9.

Erwecke ſodann dein zartes Hertz dem HErrn fuͤr ſeine Guͤte / Gedult und Lang - muth innig zu dancken und ihne hoch zu preiſen / daß er dir in deiner Kindheit ſchon und dannzumal ſo viel Gutes beſchehret hat, da du ihme alſo gering geſchaͤtzet, das Docken und Puppen, Huͤndlein und Kaͤtzlein, Gold-Kaͤfer und Meyen - Pfeiffen, eine Haſelnuß und gruͤne Bieren mehr ge - golten, und hefftiger darnach geſtrebet werden, als nach der Gunſt, Gemeinſchafft, Heiligkeit und Se - ligkeit GOttes, nach der holden Gnade, Liebe und Gegenwart des Erloͤſers. Fuͤrwahr dieſes ſind ſchon groſſe und ſchwere Suͤnden / eines wiewohl kleinen und leichten, jedoch aber auf JEſu Na - men getaufften / und unter dem Evange - lio gebohrnen Kindleins / wormit es ohne anders GOttes Zorn, und den zeitlichen und ewigen Tod verdienet. Dencke darum bey dir ſelber, o wie leicht haͤtte ich ſterben koͤnnen in meinem eiteln irrdi - ſchen Sinn! und ach, wo waͤre ich hingekommen, weil nichts unreines ins neue Jeruſalem eingehen wird, es ſeye groß, oder klein, jung oder alt? Ein Veraͤchter GOttes iſt, was er iſt, er mag dann viel oder wenig Jahre auf ſich haben: Man ſchont keiner Stimmen, darum weilen ſie klein und jung iſt; ja man zertrittet Baſilisken in der Eyer-Brut ꝛc.

§. 10.23der Verfuͤhrung der Jugend.

§. 10.

Es iſt mein liebes junges Hertz, kein Wunder, daß eine Menge der Kindern ſtirbet; das aber iſt ein Wunder der Liebe unſers Heylandes, daß ſo viele Kinder bey Leben bleiben; dann kein Menſch waͤre ſo gedultig, daß er einem jungen Wolff das Leben ſchen - cken wurde, wann er vorher wuſte, daß er ihn und ſeine Kinder nur beiſſen, auch keine andere als Wolf - fes Art und Sitten ſich wurde wollen angewehnen laſſen. Doch iſt dis noch ein weit groͤſſeres Wunder des lieb-volleſten Hertzens JEſu, daß er nicht nur dich, in deinen ſo veraͤchtlichen Betragen gegen ihne, gnaͤdig getragen, und ohngeachtet du demſelben ſein koͤſtliches Abendmahl und theure Heyls-Schaͤtze 8. bis zehen und mehr Jahre lang haſt ſtehen, und vom Geſchmeiß des Fleiſches-Sinnes die zaͤrteſte Bluͤ - the deines Lebens, deine holde Kindheit wegfreſſen laſſen, dannoch ſein angedrohetes wohl-verdientes Gericht an dir nicht ausgefuͤhret hat; da er ja dein Hertz haͤtte koͤnnen ins Ankleben der ſichtbaren Ver - gaͤnglichkeiten gantz verſincken und in des Teuffels Stricken ſo tief verwickelt werden laſſen, daß du we - der Luſt noch Kuſt mehr in denen Unterweiſungen von Chriſto, den Weg der Seligkeit, gefunden, haͤtteſt; zumalen da der groſſe reiche HErr Himmels und der Erden gedonnert und geſprochen hat: Sie ſollen von meinem Abendmal nichts ſchmecken / Luc. 14, 25. Sondern daß er auch uͤber das dein verfuͤhrtes und verſtricktes Hertz noch in ſo weit aus - wickelt, daß dir deine Seelen-Gefahr aufreucht, und das Zeugniß ſeiner Liebe dir noch ſo zu Hertzen gehet, daß auch noch etwas von dem Haͤng-Thau ſeinerB 4himm -24Cap. 1. Die erſte Quellehimmliſchen Lehre hinein treuflen kan; das ſoll ihm deine Seele kindlich dancken.

§. 11.

Jch bitte dich aber, liebes Kind, ferners was ich bitten kan: Verſchwende dergleichen Gnaden-Bezeugungen nicht / ſondern brauche ſie zu deiner gruͤndlichen Beſſe - rung. Laß die Ruͤhrungen deines Hertzens ſo leicht nicht verſchwinden, dann ſie geſchehen vom Finger GOttes; beſinne dich, wer vor deines Her - tzens Thuͤr ſtehet: Es iſt derjenige groſſe HErr, der aus Liebe zu dir fuͤnff Loͤcher an ſeinem Leibe traͤgt, und Macht hat, dir ein gantzes Koͤnigreich der Himmeln zu ſchencken, aber auch dich in die Hoͤlle hinunter zu werffen. Fuͤhleſt du nun etwas uͤbernatuͤrliches, das ſich in dir reget und meldet bey deinem Hertzen, ſo dencke nur; JEſus iſt jetzt ſelber da, er rufft mir zu ſeiner Freundſchafft; verwahrloſe dann dieſe gute Gelegenheit nicht, mit ihme einen ewigen Bund zu machen, und rechtſchaffene Fruͤchte zu tragen, die ſich der Sinnes-Aenderung geziemen.

Mercke es wohl, es mag eine ſolche Ruͤhrung ge - ſchehen wann ſie will, waͤhrender Unterweiſung, oder hernach daheim, oder auf dem Weg, in Geſellſchafft, oder in der Einſamkeit, unter leiblicher Arbeit oder bey dem Leſen, bey Tag oder bey Nacht, bey liebli - chem Sonnen-Schein, oder bey ſtarckem Donner - Wetter; ſo iſts allezeit das anklopffende Licht der Welt. Eines Menſchen Seligkeit oder Ver - dammniß hanget offt an einer einigen Minuten: Mancher waͤre jetzt ein himmliſcher Koͤnig, wann ers beſſer bedacht hatte, da er jetzt im Feuer-Ofen heulenund25der Verfuͤhrung der Jugend. und zaͤhnklappen muß. Jnsgemein iſts vor den Leuten verborgen, was ſothane Gnaden-Ruͤhrun - gen auf ſich haben; ſie meynen, ſie koͤnnen ſelber ſich ſolche erwecken, muͤſſen aber das traurige Widerſpiel erfahren und innen werden, daß dieſelben nicht ſo leicht wieder kommen, daß ihr Hertz hart und unem - pfindlich wird wie ein Kieſelſtein, und daß ſie folglich die Heyls-Monaten ohne Frucht des Gehorſams ha - ben vorbey ſtreichen laſſen, weil ſie es leyder nicht ge - wuſt. Dir aber mein theures Kind, iſt es geſagt; jetzt weiſſeſt du es, merck es wohl!

§. 12.

Damit du aber dich recht gruͤndlich kennen ler - nen, und dir von Grund aus geholffen werden moͤ - ge, ſo durchforſche deinen innern Hertzens - Sinn / und vergleiche ihn mit dem Sinn des HErrn JEſu / welchen du bey der heiligen Tauff und Nachtmahl haͤtteſt ſollen angenommen haben. Denn vielleicht weiſet dir dein betruͤgliches Hertz nur die obere Flaͤche in denen Ausbruͤchen der boͤſen Gedancken und Bewegungen, und du geſte - heſt etwa dein Verderben nur darum, weil es je und je augenſcheinlich ausbricht, und ſich nicht mehr ver - heben oder entſchuldigen laſſen will; da du hingegen bey unpartheyiſcher Pruͤfung finden wirſt, daß dein Verderben unergruͤndlich ſchlimmer ſeye, als du meyneſt, und du in immer groͤſſere Gefahr geheſt, dich ewig zu verliehren. 1 Tim. 5, 13. 15.

§. 13.

Vergleiche dann vorderſt deinen Sinn mit der himmliſch-Geſinntheit JEſu Chri -B 5ſti /26Cap. 1. Die erſte Quelleſti / und pruͤfe dich in allen deinen Eigenſchafften darnach. Des heiligen Kindes JEſu eini - ges Geſchaͤfft ware, GOtt in ſeiner liebens-wuͤr - digſten Schoͤnheit zu ſchauen, ſeine tiefe Weißheit zu hoͤren, ſeine himmliſche Krafft zu riechen, ſeine unbeſchreibliche Guͤtigkeit zu ſchmecken, ſeine nahe Gegenwart zu fuͤhlen, mithin den Willen ſeines Vatters gerne zu thun Pſ. 40, 9. Das holdſelige JE - ſulein nahme ſich auch keines Dinges an, was um ſeinetwillen von Freunden oder Feinden, ja von En - geln und Menſchen zu Bethlehem und Jeruſalem ge - ſchahe, und bliebe in der allerinnigſten Vereinigung mit ſeinem himmliſchen Vatter unverruͤckt. Luc. 2, 49. Col. 2, 9.

Haſt du nun auch deine allerſuͤſſeſte Freude, den Willen des Vatters auszurichten? Jſts dir auch eine Luſt und Kurtzweil, mit deinem Heyland dich zu erſprachen, als ob er ſichtbarlich und leibhafftig bey dir waͤre? Leckeſt du auch die Zeugniſſe des H. Gei - ſtes wie Honig und Manna und gelaͤuterten Zucker - kandel? Saugeſt du auch an des HErrn JESU Worten, Lehren, Wundern, Leben, Leyden, Wohl - thaten, Aemtern, Staͤnden, Geheimniſſen, Seg - nungen, Kraͤfften und Herrlichkeiten, wie ein Saͤug - ling an den Bruͤſten ſeiner Mutter, und wie eine Biene an denen Sonnen-reichen Thau-ſafftigen Kraͤutern ſauget? Reget ſich nun nichts dergleichen in deinem Jnwendigen, gehet hingegen dein Ver - langen, Wuͤnſchen, Trachten und Beſtreben nur nach dem, was die Sinnen kitzeln, den Bauch ver - gnuͤgen, und was dir die Erde geben kan? Ach ſo ſo haſt du fein glatt nichts vom Sinn des heiligen Kindes JEſu, und kanſt folglich auch vom Tauff -Bund27der Verfuͤhrung der Jugend. Bund nur gar nichts, und noch weniger von der ge - ſegneten Frucht des empfangenen heiligen Abend - mahls an deiner Seelen etwas aufweiſen. Du ge - hoͤreſt auch nicht in die Rolle ſo vieler geſegneter Kin - dern, die nach dem Antheil am Reich GOttes zum Voraus ſich beſtreben, und ihr Hertz dem Vatter wieder zuſtellen, daß ers vom Welt-Weſen abſoͤn - dere; deren herrlichſtes und edelſtes Geſchaͤfft iſt, im Glauben einwaͤrts zu GOTT gekehrt zu ſeyn, und gleichſam an ſeiner Bruſt hangen 1 Petr. 2, 2. 3. es mag ſauſen und brauſen, wie es will, ſich deſſen nichts annehmen. Dieſe heilige Gnaden-Kinder haben auch im Glauben der Rechtfertigung dieſe himmliſche Eigenſchafft, daß ſie Augen und Obren nicht nur von der eiteln Welt, ſondern auch vom Geſetz und von der Suͤnde gantz abkehren, und allein auf die Gnade richten Phil. 3, 7. 8. Roͤm. 3, 24. 25. Es iſt dem - nach dieſer gerechtfertigten und in den Heyland ver - liebter Kindern innere Hertzens-Arbeit, Element und Wohlleben, daß ihr inwendiger Menſch mit GOtt unverruͤckt vereiniget bleibe; ſie ringen auch immer fort dahin, daß ſie mit ihrem liebſten Schatz, dem Heyland alſo leben, als ob ſie mit ihme allein in der Welt waͤren, und alles andere, was unter der Son - nen iſt, iſt ihnen gleichſam tod, Galat. 6, 14. ſo lang ſie an Gerechtigkeit, Friede und Freude im H. Geiſt genug haben. Roͤm. 14, 17.

Du aber, indem du dieſes lieſeſt und hoͤreſt, ver - ſteheſt darvon nichts, es ſind dir Boͤhmiſche Doͤrf - fer, ein Jſraelitiſches Schibboleth, darinn du dich nicht zu ſchicken weiſt, und darum duͤrffteſt du dich nicht ruͤhmen, daß du von Gilead, und unter die mit Jehovah verbuͤndete Schaar gehoͤreſt. Oder findeſtdu28Cap. 1. Die erſte Quelledu nicht bey genauer Pruͤfung, daß deine Sinnen von GOtt ausſchweiffen, und vom Heyland weg - lauffen, der dir gleichwohl ſo nahe iſt, und dir zu - ſchauet, wie dein Geiſt hie und dahin flattert, und deine Sinnen zerſtreuet ſind in der Eitelkeit? Pred. 1, 3. Ja findeſt du nicht, wie du deiner ſelbſten, des hohen Adels deiner Seelen, des unſchaͤtzbaren Heyls des genoſſenen Abendmahls, und des dabey geſchloſſe - nen Bundes vergeſſen, und dein Hertz ein ungeſtuͤm - mes Meer ſeye, da eine Welle die andere jagt, und eine unſoͤde ſchaͤdliche Begierde nach der anderen dich ſchlaͤgt und plaget?

§. 14.

II. Pruͤfe dich, ob du auch an dir ſelber wiſſeſt und aus deiner eigenen Auffuͤhrung erkenneſt, welch ein Ungeheur, ein tuͤckiſcher Eigenſinn / ein ſtoltz, ungezogen, hartnaͤckig, trotzig, eigenwillig Koͤpffgen ſeye?

Fuͤhleſt du, du armes Kind, noch Unluſt und Uberdruß beym Gebet, wird dir bey denen Unterwei - ſungen die Weil gar zu lang, iſt dir das taͤgliche Leſen Geiſtreicher Buͤchern zu eckelhafft, haſt du an lieder - licher Geſellſchafft, muthwilliger Buben und uͤppiger Maͤgdlein mehr Vergnuͤgen als am Umgang GOtt - ſuchender Kindern, die von der Liebe des Heylands gerne ſprechen: Ach! ſo zeigt ſich wohl wenig von dem Sinn JEſu / und biſt du von deinem boͤſen Hertzen noch gaͤntzlich beherrſchet. Oder was ware dir bishero angenehmer, das Leben JEſu, der dich ins himmliſche Vatterland fuͤhret, oder der Wandel nach dem Fleiſch und der Welt, wordurch du zuletzt in die Hoͤlle geſtuͤrtzet wirſt? Wem gleichteſt dubeſ -29der Verfuͤhrung der Jugend. beſſer, dem ruchloſen Eſau / oder dem frommen Jacob / der die Speiſe der Wolluſt jenem uͤber - laſſen, und dargegen die Herrlichkeit der prieſterli - chen und koͤniglichen Wuͤrde fuͤr ſich erwaͤhlet, mit - hin in ſtiller Abgeſchiedenheit vom Welt-Getuͤmmel am Port der innern Seelen-Ruhe, dem Schatz des beſtaͤndigen Hertzens-Friedens bewahret und weſent - liche Seligkeit in ſeinem Jnwendigen genoſſen hat? Verſtelleteſt du dich nicht etwa vor deinem Lehrer, und ſaſſeſt ein bisgen ſtille, auch dem aͤuſſern Schein nach andaͤchtig, ſo lang er und andere Vorgeſetzte auf dich ſahen? Wie machteſt du es aber auf dem Heimweg, wann du ihnen ab den Augen wareſt? Wie wild, wie ungezaͤhmet redeteſt und gebaͤrdeteſt du dich da! wie zerriſſeſt du da alle Bande, und dachteſt nur darauf, daß es die Menſchen nicht erfahren! kame es aus, ſo griffeſt du dem Teuffel in ſein verma - ledeytes Handwerck, und bemaͤntelteſt deine Tuͤcke mit groben Luͤgen, wenigſtens brachteſt du die Sa - che gantz anderſt vor, als ſie in der That ſich ver - hielte.

Was kanſt du nun nach ſothaner Erforſchung beſ - ſers urtheilen, als daß du ein ſehr eigenwillig Kind und deine Seele unter der grauſamen Macht des hoͤlliſchen Wuͤterichs bishero geweſen ſeye? Ach ja, mein Hertz-geliebtes Kind! deine theure un - ſchaͤtzbare Seele, das arme Laͤmmlein, lage auf des heiß-hungerigen Wolffes Ruͤcken, der es ſanfft zu ſeiner Hoͤle hintruge, und alle obige Stuͤcke deines Verhaltens ſind allzuklare Kennzeichen, daß du nicht eine ſelige Beute deines Heylands; wohl aber ein armſeliger Raub des hoͤlliſchen Loͤwen und Dra - chen geweſen ſeyeſt. Und dieſes alles haſt du nie -mand30Cap. 1. Die erſte Quellemand anderſt zu dancken, als deinem eigenen ver - dorbenen, betruͤglichen und verfuͤhriſchen Hertzen, deſſen eigene Qualitaͤt es iſt, deine Seele, das ver - laſſene Taͤublein, ehe du dich umſieheſt, in die Klauen des Raub-Vogels zu liefern.

§. 15.

III. Pruͤfe dich endlich auch in Anſehung deines Sinnes im Umgang mit andern Kindern und mit jedermann. Es aͤuſſert ſich bey den Kindern nur gar zu bald ein neidiſcher / zaͤncki - ſcher und zorniger Sinn / daß ſie einandern nichts Gutes goͤnnen, ſich erbittern und recht kybig (eiferſuͤchtig) werden, wann ihnen das andere Kind nicht geben will, was ſie haben wollen. Ja wann auch ihre Vorgeſetzte nicht allezeit thun, was ſie ver - langen, ſo entſtehet in ihnen Widerwillen, Haß, Zorn und Verdruß, daß man auch an der Verſtellung ihres Geſichtes den boshafften Sinn des Hertzens er - kennen kan. Wie ſtehets nun mit dir auch in dieſem Stuͤck? Haſt du einen andern liebreichen / fried - fertigen und demuͤthigen Sinn / wie ihn der HERR Chriſtus ſelbſt gehabt? Hat das Verhal - ten JEſu in ſeiner geſegneten Jugend einen lebendi - gen Eindruck in deinem Hertzen? Schaffet dir das unverruckte Angedencken an das liebreiche Hertz dei - nes HErrn JEſu eine angenehme Leichtigkeit, alles um des Naͤchſten willen zu verlaͤugnen, nur damit du Liebe und Frieden unterhalten moͤchteſt? Jſt dir die - ſe Gleich-Geſinntheit mit deinem Fried-liebenden JEſu ungleich koſtbarer und erwuͤnſchter, als wann du alle Schaͤtze, Luͤſte und Ehren der gantzen Welt in Beſitz nehmen konnteſt? Wilt du lieber an allemScha -31der Verfuͤhrung der Jugend. Schaden leiden, als der Aehnlichkeit mit dem Eben - bild deines Jmmanuels dich beraubet ſehen? O mein liebſtes Hertzens-Kind! wann du etwa einen Linſen-Brey, Lebkuchen, Zucker-Brod, gemahlet Glaß, glantzenden neuen Pfennig, ein wohl-rie - chendes, Blumen-reiches, buntfaͤrbiges Craͤntzlein und dergleichen Vergaͤnglichkeiten, womit Unver - ſtaͤndige ihre kindiſche Geluͤſte buͤſſen und daruͤber ei - nen Himmel voll Seligkeiten offtmalen verſchertzen, mit inniglicher Sehnſucht verlangeſt; alles dieſes aber aus Krafft und Trieb des H. Geiſtes, und um des lieben Friedens willen gerne andern uͤberlaͤſſeſt: So ſetzeſt du zwar das Nichtige, darvon kaum etwas uͤbrig bleibet bis Morgen, hindan; darfur aber be - reiten dir die heiligen Engel ins himmliſchen Vatters Reich ewig-bluͤhende Schoͤnheiten und unausſprech - liche Suͤßigkeiten, und dein Heyland leget dir im ewigen Leben unausdenckliche Herrlichkeiten mit tau - ſendmal groͤſſerer Freude ſeines Hertzens bey, als es dich anjetzo freuet, ihme durch deine Nachahmung, Ehre, Freude, Vergnuͤgen und ein Wohlgefallen zu machen. Was haben dannzumal die laͤppiſche, Luſt - und Hoffart-ſuͤchtige Kinder davon, wann ſie ihre Taͤndeleyen wie unvernuͤnfftige Fercklein wegge - naſchet, verſchleppet, zerbrochen und verbraucht ha - ben? Es iſt leicht zu erachten, daß das, was aus dem Lebens-Baum, dem goͤttlichen Weinſtock, dem wahrhafftigen GOtt ſelber gewachſen, von ungleich - groͤſſerm Wehrt ſeyn muͤſſe, als was nur durch Men - ſchen-Fleiß und Arbeit aus der tummen, plumpen, ſchwartzen, finſtern Erden herkommt; jenes kanſt du alsdann haben, ſo lang GOtt lebt, wann dieſe mit allen Menſchen-Wercken, koͤniglichen Pallaͤſtenund32Cap. 1. Die erſte Quelleund Luſt-Gaͤrten verbrunnen, und nicht mehr iſt. Hat nun, liebes Kind, deine theure Seele, in Er - wartung eines ſolchen majeſtaͤtiſchen Erb-Koͤnig - reichs, die holdſelige, freundliche Geſtalt des Wun - der-lieben Lamms GOttes angezogen? Haſt du dem ſanfften Laͤmmlein die Schmach und Schande nicht angethan, in der graͤßlichen Figur einer zornigen, zaͤnckiſchen Hader-Katzen, eines verboßten, neidiſchen Hunds, vor GOtt und ſeinen heiligen Engeln dich mit andern zu kratzen, zu beiſſen, zu reiſſen, zu rauf - fen und herum zu ſchlagen? Einmal was dein Hertz fuͤr ein Baum ſeye, kanſt du aus denen Fruͤchten in deinen Handel und Wandel, Tichten und Begeh - ren am beſten erkennen.

§. 16.

Sieheſt du nun auf ſothane Unterſuchung, wie dein Hertz beſchaffen, und welch ein garſtiger Schlan - gen-Saame in dir aufgewachſen, und zur, Herrſchafft kommen ſeye; ſo kanſt du auch erkennen, welch einen Feind du in deinem eigenen Buſen aufgezogen habeſt, der ſchon allein im Stand iſt, dich ewig ungluͤckſelig zu machen, wann du nicht bey Zeiten dich von ſeiner Gewalt wieder los reiſſeſt, das muß und kan aber allein die Krafft JESU in dir wuͤrcken. Darum muſt du, wann dir ſolle geholffen werden, dein Hertz dem HErrn JEſu bey Zeiten in ſeine Hand lieferen, mit wehmuͤthigem Flehen, daß er das krancke, ver - gifftete, grund-verdorbene, untaugliche Hertz in dem hoch-rothen Teich ſeines warmen und von GOttes - Liebe wallenden Gnaden-Bluts hinein werffen wolle; weil doch dis ſein JEſus-Blut die Krafft hat, uns zu reinigen von allen Suͤnden. 1 Joh.33der Verfuͤhrung der Jugend. 1 Joh. 1, 7. Dieſes Spruͤchlein iſt in der Leuten Mund gantz gemein, und auch den Kindern ſchon ziemlich bekannt: wenige aber, bitten um Weißheit von dem H. Geiſt, daß er ſie, dieſe goͤttliche guldene Balſam-Buͤchſe behoͤrig zu eroͤffnen, aus lauter Guͤ - te und Treue lehren, auch ihre Glaubens-Hand zu den rechten Haupt-Wunden fuͤhren und anweiſen wolle, wie ſie ihre Hertzen mit dieſer goͤttlichen Liebes - Tinctur ſo aus JEſu Wunden triefet, rechtſchaffen beſtreichen ſollen, um fuͤr ein und allemal von Grund aus geheilet zu werden. Ach das Hertz wird nie - mals leer und ledig von der Schlangen-Brut, noch voll von Krafft und Weißheit des H. Geiſtes, ſo lang man die in den Schrifft-Spruͤchen uns ange - wieſene Artzney nicht nach Jehovah des Artztes Ab - ſicht und Vorſchrifft zu gebrauchen weißt. Wel - ches aber niemand aus ſich ſelbſt erſinnen oder erra - then kan; ſondern allein in der Schule Chriſti vom H. Geiſt ſelber erlernet werden muß.

§. 17.

Nachdem aber ein gewaltiger Ernſt, oder eine auſſerordentliche Gnade hierzu erfordert wird, die bey ſehr wenigen anzutreffen; ſo iſt das beſte, daß man Leute erfrage / die ein neu / rein Hertz ge - krieget / und gantz Chriſti und GOttes ſind; vor denen der Teufel fliehet; in denen der Friede GOt - tes ſeinen beſtaͤndigen Sitz genommen; die denen be - truͤbten Abwechslungen, Aengſten und Bangigkeiten nicht mehr unterworffen ſind; die Chriſto bis in den Tod getreu bleiben, indem ſie und Chriſtus veſt zu - ſammen halten, ſo daß wider ſie den HErrn JE - ſum, noch JEſus ſie jemals allein laͤßt, und der Ver -Cſucher34Cap. 1. Die erſte Quelleſucher ſie zu ſeinem moͤrderlichen Verdruß alleweil beyſammen antrifft. Wem nun ein ſolcher Adeptus begegnet, der hat wohl von Gluͤck und Heil zu ſagen; und wer es mit rechtem Ernſt von GOtt bittet, dem wird es gewiß auch zu theil werden. Kommſt du nun zu einem ſolchen, ſo muſt du dich emſiglich und ohnverweilt bey ihme erkundigen, wie er zu einer ſolchen Seligkeit, zu den reinen Hertzen, als den edel - ſten und den Stein der Weiſen an Koſtbarkeit un - endlich-uͤberſteigenden Kleinod, auf Erden gekommen ſeye. Adepti von dieſer Gattung ſind nicht neidiſch oder heimtuͤckiſch, daß ſie nicht das wichtigſte Ge - heimniß, ſo ſie erfahren haben, haar-klein entdecken ſolten. Geheſt du alsdann dem vorgeſchriebenen ge - nau nach, ſo haſt du es und biſt ewig ſelig: biſt du noch jung, ſo bewahret dich dieſer Schatz vor Ver - fuͤhrung, und verſorget dich bis ins hohe Alter, ja bis in Ewigkeit.

§. 18.

Jhr aber, ihr abgewichene Kinder, wie ſeyd ihr bey euern uͤbermachten herrſchenden Jugend-Graͤue - len ſo ungluͤckſelig, und wie laſſen ſich ſo gar keine Spurn bey euch mercken von der Tauff-Gnade / die ihr von Kindheit an bis hieher haͤttet bewahren, und daraus euern Antheil an Chriſti Erloͤſung erken - nen ſollen? oder woran wolt ihr ſehen, daß ihr in - wendig mit dem gnaden-reichen Waſſer dem H. Geiſt in der Wahrheit getaufft ſeyd? worbey kan mans mercken, daß ihr mit dem erbarmenden GOtt im neuen Gnaden-Bund lebet, und GOtt euer Vater; JEſus eure Sonne, Brod, Brunn, Heil, Leh - rer, Fuͤrſprecher und Koͤnig; und der H. Geiſt euerHof -35der Verfuͤhrung der Jugend. Hofmeiſter und Geleits-Herr ſeye? Richtet euer Thun nach der auserwehlten Burgerſchafft Jeruſa - lems? habt ihr ein ander Hertz und Gemuͤth, als ſonſt die Kinder von Natur haben? erkennet und ehret ihr auch GOtt als euern GOtt? lebet und ſterbet ihr ihme als Kinder, die in den Tod ſeines Sohns zu ei - nem neuen und ihme gefalligen Leben getauffet ſind? oder ſeyd ihr nicht vergebens getaufft, weil ſo gar nichts vom Himmelreich, von Hohen-prieſterlichen Hand-Auflegen und Segnen des Heilands, noch vom goͤttlichen Leben ſich an euch ereignet?

§. 19.

Und ihr jungen Leute! was hat euere Seele, das unſterbliche Weſen, vom H. Abendmal zum Be - ſten? Wiſſet ihr auch, was ein Juͤnger JEſu ſeye, und wie man in dieſer Juͤngerſchafft verſigelt und beſtaͤttiget werde? ihr begehret ja mehrentheils nicht einmal ſeine Juͤnger zu werden: ja wolte GOtt, daß ihr gegen Chriſtum nicht eben ſo geſinnet waͤret, wie der Teufel, Luc. 4, 35.! dann es ſchreyet ja das Verhalten der Jugend zu Stadt und Land: Laß ab Pfarrer, und plage mich forthin nicht mehr mit der langweiligen Lehre, von JEſu! du haſt mir lang genug gepredigt von Sinnes-Aenderung, Glaube, Liebe, Heiligung ꝛc. jetzt bin ich einmal der Marter ab: ich bin ſo voll davon, das ich weder Bibel noch Cate - chismus mehr anſehen mag, und iſt mir recht eckel - hafft, nur daran zu ſinnen; wie froh bin ich, daß ich davon loß bin! jetzt iſt mir ſo wohl, wie einem Caminfeger auf dem Dach, und wie einem Vogel auſ - ſert dem Kefig, wie einem freygelaſſenen Selaven, und wie einem ausgeflogenen Raaben auf einem C 2ſtin -36Cap. 1. Die erſte Quelleſtinckenden Aas. Jetzt darf ich ins weite Feld der fleiſchlichen Freyheit hinaus rennen, des Teufels - Thiere in mir naͤhren, und der Suͤnde und Welt nach Hertzens-Luſt dienen, trotz allem dem, was mir der Pfarrer von Himmel und Hoͤlle, Suͤnd und Gnade, Chriſto und Belial, Segen und Fluch hat vorgeprediget: es verdrieſſe GOtt und alle ſeine Heiligen immerhin, ſo thue ich, was mein Hertz geluͤſtet; Welt iſt mein Schatz, der Suͤn - den niemals ſatt.

Ach wie gleichet dieſes nur zu ſehr der Sprache des Teufels, Luc. 4, 34. Was haben wir mit dir zu ſchaffen / JEſu von Nazareth? du biſt kommen uns zu verderben / du kanſt wohl zufrieden ſeyn, wann wir mit dem Maul ſagen, wie wir gelehret ſind, du ſeyeſt der heilige GOt - tes: iſt dieß nicht genug; ſo wollen wir noch hinzu thun, du ſeyeſt Chriſtus der Sohn GOttes. Biſt du kommen uns zu quaͤlen / ehe dann es Zeit iſt? Matth. 8, 29.

Die Jugend fliehet vor JEſu als einem Wolff, der der ihro das groͤſte Leid anthue, keine Freude goͤnne, alles Spiel verderbe; und laufet hingegen, dem Teu - fel nach, als ihren Hirten, der ſie wider JEſum vertheidige und an Leib und Seel ſelig mache, und da hilfft alles nichts, man mag ſie vor dem Teufel war - nen und zu JEſu treiben, wie man will.

§. 20.

Vor wenig Wochen ſagte hier ein Bub / der auch ſchon communicirt hatte: Er gaͤbe nicht einen Kreutzer um ein gottfoͤrchtig Leben: dann er koͤnnte es doch nicht ausfuͤhren, und da haͤtte er ſeinen Kreu -tzer37der Verfuͤhrung der Jugend. tzer verlohren. Alſo hocket (ſitzet) der Satan, wie eine Hoͤll-ſchwartze gifft-feurige Gluck-Henne auf den jungen Hertzen und brutet Unwiſſenheit, Ver - achtung GOttes, und alles Arge aus. Da gilt es demnach wohl ſich zu wehren, und gegen die Verfuͤh - rung ſo gewaltig ringen, als ob es bey der Jugend allein ſtehe, das verſtrickte Hertz loszureiſſen; anbey mit ſolchem Ernſt ohne Unterlaß zu dem vom Vater uns verordneten und geſchenckten Heiland ſeufzen, beten und weinen, als um eine Sache, die an JEſu Huͤlfe, Krafft und Gnade allein gelegen ſeyn.

§. 21.

Mein guͤtigſter Seligmacher! du haſt die Fluͤgel deiner Beſchirmung in der Kindheit uͤber mir ausge - breitet, und mich auch manchen himmliſchen Gna - denzugs gewuͤrdiget; ich bin aber leider, aus Man - gel noͤthiger Aufſicht und kraͤfftigen Zuſpruchs, von deinem Wort und Willen ruͤckfaͤllig, und an deiner ſo nuͤtzlichen Liebe gantz treuloß worden, mithin aus ei - nem Suͤnden-Phul in den andern unſelig verſuncken. Ach du Liebhaber des Lebens ſiehe mich erbarmend an, und errette mich als mein Heiland! du haſt ja auch meine Suͤnden getragen, und biſt auch fuͤr mich ge - ſtorben, und darum wirſt du ja nicht Luſt haben koͤn - nen an meinem Verderben. O nein, getreueſter JEſu! ich traue dir alles Gute zu: du, du biſt mein Hertzens-JEſus, mein Heyland, mein Licht, mei - ne Wonne! ach vertreibe und verjage du die Zauber - Nebel Belials mit den warmen Strahlen deiner Wunden, und mit dem Athem deines Mundes. Dein goͤttlicher Gnaden-Wind muͤſſe alle Verblen - dung der Teuffeln um mich her wegblaſen, ſonſt weißtC 3dein38Cap. 1. Die erſte Quelledein armes uͤbel verfuͤhrtes Geſchoͤpff nicht, was es vornimmt; die unſaubere Geiſter fuͤhren mich am Narren-Seil, und haben ihr verfluchtes Affen-Spiel mit meiner unſterblichen Seelen. HErr JEſu, er - barme dich meiner! mache deine gute Bottſchafft zu meines Fuſſes Leuchte, daß ich auf dem Weg zum Vatter veſte und gewiſſe Schritte thun moͤge. Ach es iſt hohe Zeit, daß du mir hilffeſt! JEſu mein Gnaden-Stuhl, eroͤffne dich in mir mit allen deinen Benedeyungen, und wirff mein heßlich-verfaultes, ſchaͤndlich-boͤſes Hertz in dem Cryſtall-lauteren Strom, ſo von GOTT und dir dem Lamm aus - fleußt, damit es ein neues, feines, reines Hertz wer - de, und die Natur des Stroms an ſich ziehe. Rei - nige mich durch den Glauben an dein Blut durch und durch, und ſetze dieſe deine Arbeit nicht aus, bis alles unſtraͤfflich iſt in der Heiligkeit vor GOtt dem Vatter und Goͤttlich-zugeruͤſtet zu deiner kuͤnfftigen Hochzeit. Lebre mich unaͤblaͤßig wachen, beten, kaͤmpffen, bis die Feinde, wie Goliath zu Davids Fuͤſſen ausgeſtrecket liegen, und keine Staͤtte, ja keinen Winckel mehr in mir finden, da ſie ihr Hand - werck forttreiben moͤgen. Setze die Luͤſte des Flei - ſches in mir gefangen, und wann ſie auch mit ihren Ketten raßlen und ein greulich Gepolter machen, als ob ſie ihre vorige Herrſchafft wieder einnehmen und behaupten wolten wider dich, ſo zeige du, mein Blut-Koͤnig! ihnen den Meiſter, damit ſie wiſſen, daß ich dein ſeye und bleibe ewiglich; vergilte ihnen alſo, wie ſie mir gethan haben, bis du ſie gar ausrot - teſt. So lang ſie aber ſich noch in mir regen, ſo halte alle Zimmer meiner Leibs - und Seelen-Kraͤfften verſchloſſen, und entziehe allen boͤſen Neigungen ihreNah -39der Verfuͤhrung der Jugend. Nahrung, damit ihnen Muth und Staͤrcke vergehe, ſich aus ihrem faulen, finſtern Neſt herfuͤr zu ma - chen, und Unruh anzurichten. Fulle alles in mir mit Heiterkeit und Froͤlichkeit an, und mache mich ge - wiß, daß mein Hertz ein Sitz deiner Majeſtaͤt, und der Feind ausgeworffen ſeye, der ſeine Haͤndelgen und Poſſen nur noch von auſſen treibe. HErr, ich warte auf dein Heyl! Amen, Hallelujah! Eſaia 60, 20. 21.

§. 22.

Fragſt du: Wobey mag ich erkennen, daß das Blut und der Heil. Geiſt JEſu bey der Heil. Taufe wahr - hafftig auf meine zarte Seele hinein gedrungen, und et - was von der goͤttlichen Liebe JEſu an mir kleben ge - blieben; auch die Unterweiſungen von der Heils-Ord - nung in mein Jnnerſtes hinein getraͤuffelt, wie ein ſuͤſſer Himmels-Thau? und wie kan ich wiſſen, ob mein hungeriger Glaube bey der erſten Angehung des Heiligen Abendmahls ſo gluͤckſelig geweſen, den gecreutzigten Leib Chriſti wahrhafftig zu eſſen? Jt. ob mein duͤrſtende See - len-Begierde nach Chriſti Gerechtigkeit, Freude, Liebe und Krafft, den Segen von GOTT gehabt, des Hey - lands vergoſſenes Blut wahrhafftig zu trincken?

Antwort: Mercke folgende vier Kennzeichen:

(A.) Wann du noch itzt einfaͤltig biſt zum Boͤſen / wie ein Kind, und aus der Suͤnde nichts zu machen weißt; dargegen zu allem Guten ein lenckſam Hertz verſpuͤreſt. So lang du folglich an dem uͤblen Bezeigen anderer Kinderen einen hertzlichen Abſcheu haſt /C 4und40Cap. 1. Die erſte Quelleund in dir wahrnimmſt einen Haß alles deſ - ſen / was dir als ſuͤndlich beſchrieben wird / mithin eine beugſame Freuden-volle Willigkeit zu allem was du nur vernimmſt, daß es von des Hey - lands Art und ihme gefaͤllig ſeye; ſo magſt du ge - wißlich glauben / daß die Gnade JEſu in deinem Hertzen wohne: zumalen wann du noch uͤber das von innen etwas fuͤhleſt, das dich bey dem Geraͤuſch der Welt ſogleich in die Abgeſchiedenheit ziehet, ſo daß du ein verborgenes Sehnen hegeſt, dein Allerwichtigſtes in der Stille mit JEſu zu ver - abreden, weil dir ſonſten nirgends beſſer als in des Heylands ſuͤſſer Gegenwart ſeyn, und du immer den - ckeſt, du moͤchteſt wohl wenig Zeit mehr darzu ha - ben, und es ohned em dem gantzen menſchlichen Ge - ſchlecht eine blutige Schande waͤre, wann fein gar keine Kinder dem HErrn JEſu Geſellſchafft leiſteten; und du demnach deſſen von Hertzen frohe biſt, daß dich das liebliche Loos getroffen, um den Heyland zu ſeyn, und deine Zeit bey ihme im Lieben und Loben vertreiben zu koͤnnen, alldieweil faſt alle andere junge Leute, denen bey dem paradieſiſchen Weſen und Le - ben JEſu in ihrer boͤſen Natur recht bange iſt, dar - von lauffen wie aus einer heiſſen Badſtuben.

§. 23.

An ſothaner Kindern frechen und eiteln Auffuͤh - rung und complimenteuſen Verſtellungen ſiehet man, daß ſie bey dem hornichten, dornichten Klauen - Fuͤrſten der Finſterniß, bey dem fuͤchſiſchen und ſchlangiſchen Welt-Geiſt zur Schule geweſen. Hin - gegen ſiehet man dirs an deinen ſittſamen Geberden, an deiner vergnuͤgten Mine, an deinen weiſen Reden und Antworten, an deinem heitern Geſicht, und an der Freudigkeit, ſo dir aus den Augen leuchtet, an,daß41der Verfuͤhrung der Jugend. daß du bey dem Schoͤnſten aller Schoͤnen, bey dem liebſten Jmmanuel geweſen; und ein der Sachen ver - ſtaͤndiger, mercket wohl, wie der mildeſte Vatter dich beſchencket, die Gnade JEſu dich umarmet, und der H. Geiſt dich gekuͤſſet habe mit einem unaus - ſprechlichen Gefuͤhl ſeiner Goͤttlichen Lieblichkeit. Einmal wer Chriſti Blut trincket, das Blut des neuen Teſt aments / das vergoſſen iſt fuͤr viele zur Vergebung der Suͤnden / der be - kommt ein Goͤttliches Philtrum einen gantz heili - gen Liebes-Trunck, der ſeine Neigungen ſeliglich ein - nimmt und bezwinget, ſo, daß er in keiner Compagnie oder Geſellſchafft, Chriſti vergeſſen kan. Solche hei - liglich-verruͤckte, berauſchte und verliebte Leute waren die H. Maͤrtyrer, die ihr Leben und alles im hoͤchſten Grad verlaͤugneten, Natur und Creatur vergaſſen, und nur in des Heylands Liebe verzuckt lebeten, auch, weil ſie voll Freude im H. Geiſt waren, alle Schmach und Schaden, Noth und Tod, Qual und Pein weit, weit uͤberwunden um deswillen, der ſie geliebet hat. Wann du demnach auch etwas von dieſem Freuden - reichen Liebes-Sinn weiſt, und dein Jugend-Hertz ſuͤßiglich zu Chriſto geneigt iſt, ſo, daß dir ſein Gna - den-Leben beſſer, als alles, was die Welt boch ſchaͤtzt, gefallen will; ey ſo klopffe in die Haͤnde, und dancke GOtt mit Jauchtzen und Lobſingen; ſintemalen du gewiß ein Troͤpffgen aus dem Becher der heiligen, hei - ligen, heiligen Dreyeinigkeit getruncken haſt.

§. 24.

Naͤrriſch waͤre es zu gedencken, daß dieſes allzu - hohe, und der Kindern Begriff weit uͤberſteigende Sachen ſeyen. Die Exempel beweiſen es, daß JEſus kein ſolch ſtoltzes Hertz habe, daß er mit Kin -C 5dern42Cap. 1. Die erſte Quelledern und jungen Leuten ſich nicht bemuͤhen moͤge: Er iſt die Demuth, Weisheit und Liebe ſelber. Mag ein irrdiſcher Vatter ſeinem fuͤnffjaͤhrigen Kind wohl Malvaſier zu koſten geben, und das Kind ſchon ſo viel Verſtand haben, ſein Muͤndgen darzu zu gebrau - chen, und von ſolchem ſuͤſſen Wein luſtig zu werden, mithin den guten Vatter deswegen zu ruͤhmen, wann es ſchon nicht weißt, wo und wie derſelbige Wein ge - wachſen ſeye; ey warum ſolte dann der Heyland un - vermoͤgend ſeyn, auch einfaͤltigen Kindern das nied - lichſte ſeines Himmelreichs mitzutheilen, da ers gleich - wohl verſprochen hatte? Wer darff GOttes Gna - de einſchraͤncken? Und wer gibt denen Cherubim und Seraphim ihre Weisheit? Darum mein liebes Kind! laß dich durch keine Vernuͤnffteleyen irre ma - chen: Befindeſt du was ungemeines an dir, das wohl vielen, vielen Kindern fremde iſt und fremde bleibet, ſo ſtutze nicht lang, ſondern falle JEſu zu den Knien wie Petrus, Luc. 5. erkenne demuͤthiglich die Groͤſſe ſeiner Hertzens-Neigung gegen dir Allerunwuͤrdig - ſten und Untuͤchtigſten; dancke, lobe deinen GOtt, und ſage: JEſus iſt Meiſter / und kan mit dem Seinen ſchalten und walten / wie er will / ob ers einem ſtein-alten Mann / oder jungen Kind gebe / wer will ihm vorſchrei - ben? Will ſein vollmaͤchtige Majeſtaͤt was beſonders / ein Liebling / ein Schoos - Kind aus mir machen / wer will es ihm wehren? Einmal ich nicht. Trautes Kind! ſammle du die Bluͤmlein zu deinem Crantz, trage Sorge darzu, binde ſie zuſammen, ſtelle ſie ein ins Gnaden-Waſſer; dein JEſus gibt dir heute eins und morgen wider ein anders, bis ein herrlicher un -ver -43der Verfuͤhrung der Jugend. verwelcklicher Hochzeit-Crantz wird. Huͤte dich, und ſeye vorſichtig, wirff Chriſti himmliſche Gabe nicht weg, den Thoren und Albern zu Gefallen, die die vielwehrte Perlen verachten, zertreten, und die Liebhabere derſelben verlachen, dann du weiſt aus GOttes ohnfehlbarem Wort, daß das Verdamm - niß-Urtheil uͤber die Welt, und ihren Fuͤrſten im al - lerhoͤchſten Rath GOttes beſchloſſen, und in der himmliſchen Cantzley beſiegelt lieget, auch der Tag zur erſchrecklichen Execution bereits beſtimmet, und der Teuffel verblendet ſeye; 1 Cor. 11, 32. Joh. 16, 11. 2 Cor. 4, 4.

§. 25.

(B) Eine klare Anzeigung, daß du noch ein Gunſt - und Bunds-Genoß deines GOttes in Chriſto ſeyeſt, und die ſelige Krafft des mit ihm eingegangenen Heil. Bundes bey der Taufe und Abendmahl noch in dir lebe, iſt zweytens die hertzliche Luſt und Begierde, Trieb und Neigung zum Gebet. Dann dieſes hat ein Kind ſo wenig von Natur, als ein erwachſe - ner Menſch. Das Gebet iſt das kraͤfftigſte Mittel die Freundſchafft mit GOtt zu un - terhalten. Haſt du nun nicht allein Freude und Vergnuͤgen daran, ſo daß dein Hertz zu einem kind - lichen Geſpraͤch mit dem Heyland je und je innig an - getrieben, und ſuͤßiglich gezogen wird; ſondern du erfaͤhreſt auch bisweilen ein ſtarckes Wehen und We - ben des goͤttlichen Gnaden-Winds, ſo dich bewe - get, deine Seele vor dem Vater im Namen JEſu mit ſtarckem Geſchrey auszuſchuͤtten; wann demnach alles in dir wallet von brauſender Begierde, gantz Chriſti zu ſeyn, dich und alle Menſchen von ſeinerLiebe44Cap. 1. Die erſte QuelleLiebe eingenommen und durchdrungen zu ſehen, mit - hin je eher je lieber zu erleben, daß alles auf Erden, wie im Himmel, nach JESU Willen geſchehen, und er, der HErr JEſus, uͤber den gantzen Erdboden Koͤ - nig, einfolglich ihme alles unterthan, und mit den Guͤtern ſeines Reichs erfuͤllet ſeyn moͤchte; wann dein Geiſt in allen Schritten und Tritten nach des H. Geiſtes Unterweiſung, Leitung und Regierung innigſt ſeufftzet, und der H. Geiſt, der des Vatters und ſeines Chriſti Sinn am beſten kennet, ſelbſt eine Bitt-Schrifft, mit dem Gnaden-Blut JEſu ge - ſchrieben, aufſetzet, und die kraͤfftigſten Beweggruͤn - de dir in den Mund leget, an welche du wohl nicht haͤtteſt koͤnnen oder doͤrffen gedencken, von denen aber der Geiſt des Glaubens weißt, daß ſie wohl angehen und bey dem Gnaden-Thron vieles auswircken. Er - fahreſt du, ſage ich, dergleichen heilige Triebe, die du ohnmoͤglich dir ſelber erwecken koͤnnteſt, von Zeit zu Zeit in deinem Jnwendigen, ſo halte nur dieſelben fuͤr ein gewiſſes Zeichen, daß die Taube mit dem Oel - Blatt, der H. Geiſt, der uͤber deinem JEſu bey ſei - ner Tauffe geſchwebet, auch auf dir ruhe; und erken - ne daran, daß du noch taͤglich mit JESU Abendmahl halteſt; ſintemalen dein Beten nicht nur ein Betteln bey dem reichen HErrn JEſu, ſondern uͤber das ein Nehmen / Eſſen / Trin - cken / Anziehen / ein wuͤrckliches Samm - len und Zugreiffen / ein Satt-werden / von den reichen Guͤtern des Hauſes GOt - tes / und eine Trunckenheit der Liebe und Freude in GOtt unſerm Heyland iſt.

§. 26.

Einmal wann du wiſſen wilt, ob deine Seele dasewig -45der Verfuͤhrung der Jugend. ewig-bleibende Gnaden-Leben ſo wohl in ſich habe als der Leib im irrdiſchen Leben ſtehet; ſo mercke nur, ob es dich nach GOtt und ſeinem Bilde, nach dem Himmel-Brod, dem Sinn, Leben, Geiſt und Gegen - wart JEſu hungere? Ob es dich duͤrſte nach dem Becher der ewigen Liebe GOttes, der vom Trauben - Blut des himmliſchen Weinſtocks voll iſt, und voll bleibet, fuͤr alle, die nach dem Leben des Sohns GOt - tes im Glauben duͤrſten, eben wie ein unmuͤndiger Saͤugling nach der Mutter-Milch, und wie ein Knab oder Maͤgdgen unruhig iſt, bis ſein Hunger und Durſt geſtillet worden.

§. 27.

Es ſoll und wird alſo dein Gebet nichts anders ſeyn als ein Suchen und Aufleſen des Brods / das vom Himmel gekommen iſt / JESU Chriſti / darvon das Manna in der Wuͤſten nur ein Schatten-Bild ware. Dieſes himmliſch-goͤttliche Manna hat im Himmel und auf Erden nichts ſuͤſ - ſers, ſafftigers und ſchmackhaffters, und alles was JEſus hat, iſt ſuͤſſe und gantz lieblich. Hohel. 5, 16. Je reiner dann auch der Glaube iſt, je anmu - thiger muß er auch ſchmecken B. Weish. 16, 20. Es iſt rund / hat ewige und immer-daurende Vollkom - menheiten; klein / auch fuͤr kleine Kinder, daß es mit - und in ihnen als ein goͤttliches Saam-Koͤrnlein aufwachſe zur Herrlichkeit. Matt. 13, 31. 32. Das Manna in der Wuͤſte hatte den Semmel - oder Oel-Kuchen-Geſchmack / zur Bedeutung, daß Chriſti Gnade und Evangelium das Oel des H. Gei - ſtes mit ſich fuͤhre, und nach der Salbung rieche; es ſolten endlich auch die ſuͤſſe Honig-Geſchmack auf die Suͤßigkeit der Liebe und Huld GOttes in Chriſto JEſu ſeine Abſicht haben.

§. 28. JE -46Cap. 1. Die erſte Quelle

§. 28.

JEſus iſt dann das rechte Manna, das wahre Himmel-Brod, und wird nicht beſſer als im Be - ten geſucht und genoſſen. Gleichwie nemlich

  • 1) Die Jſraeliten in der Wuͤſten fruͤhe Mor - gens aus dem Lager gehen mußten, das mit dem Thau vom Himmel gefallene Manna auf - zuleſen: Alſo muß das Beten eben auch nichts anders ſeyn als ein Herausgehen am Morgen fruͤhe aus allen Suͤnden, Luͤſten, Eigenheiten, auch aus allen fremden Bekuͤmmerniſſen und Zerſtreuungen, die mit denen Angelegenheiten des Heylandes fuͤr unſere neue Geburt aus GOTT, und fuͤr ſein Reich in uns keine Ver - wandſchafft haben; da ſich dann die Seele von allen dieſem durch Beten und Flehen los reiſſet, oder (welches noch das Vortheilhaffteſte ſeyn mag,) ſogleich beym Erwachen vor all derglei - chen fremden Zeug verſchloſſen bleibet, ſich hin - gegen flugs zu Chriſto wendet, und Vorrath der Gnaden zum Gebrauch deſſelbigen Tages einſammlet. Da geſchiehet dann ein ſolches Gebet nicht im Schnapp und aus bloſſer Ge - wohnheit, ſo, wie mans etwa gelernet hat, ſondern das arme Hertz neigt ſich fein mit guter Weile und Hertzens-Andacht zum Urſprung aller Gnaden, bis ſich die Goͤttliche Gnaden - Wuͤrckungen auch regen und fuͤhlen laſſen.
  • 2. Wie Jſrael das Manna, die Geheimniß-rei - che Speiſe taͤglich ſammelte: Alſo gehet das betende Hertz allſtets mit Chriſto um, auſ -ſert47der Verfuͤhrung der Jugend. ſert welchem alles arm und jaͤmmerlich dahin ſterben wuͤrde. Dieſer JEſus pruͤft das Hertz, ob es in ſeinem Willen wandeln, das iſt, aus ſeiner Fuͤlle einen reichen Gnaden-Vorrath ſammeln wolle. Ja da gilt es eine doppelte Portion ſammeln, wie die Jſraeliten vom Manna an dem ſechſten Tage; weil wir eben auch in der VIten Kirchen-Zeit leben und ge - waͤrtig ſind der VIIten Zeit, der groſſen Ruhe GOttes, wo uns alsdann zur Stunde der Verfuchung uͤber den gantzen Welt-Crays, ein ſolcher Vorrath von Gnade ausnehmend wohl bekommen wird.

§. 29.

Einmal Hertz-geliebtes Kind! du kanſt dieſes Goͤttliche Manna nicht anderſt als im glaͤubigen und andaͤchtigem Gebet genieſſen. Wilt du nicht; wol - an ſo bedencke

  • a) Woher dis Goͤttliche Manna komme? Aus dem Himmel der Herrlichkeit GOttes, aus dem Schoos des himmliſchen Vatters. Was nun aus weit-entfernten Landen gebracht wird, darnach iſt man gemeiniglich begieriger, als nach dem, was uns vor der Haus-Thuͤre waͤchſet.
  • b) Die Zeit / da JEſus erſchienen: Jn der Nacht des Phariſaͤiſchen und Sadducaͤiſchen Juden - und Heydenthums. Dir mein Kind, ſendet der Vatter dieſes Manna in der Nacht deines Suͤnden-Elends, da dein Untergang dir vor Augen lieget, und du kanſt deſſen ge -nußbar48Cap. 1. Die erſte Quellenußbar werden, wann du vor ihme ſtille in dei - ner Seelen biſt, eben wie das Manna in der Nacht auch ſtille fiele; dann mit zerſtreueten Seelen will GOtt nicht reden noch wircken, auch iſt der Menſch in ſeiner Zerſtreuung nicht im Stand, GOttes Stimme zu hoͤren, oder ſein Werck zu uͤberlegen; neben dem daß das herrliche Erloͤſungs-Werck ohne anders eine tiefe Einkehr erfordert, wo es eine Zubereitung zum groſſen Sabbath der Ewigkeit ſeyn ſolle.
  • c) Die Liebes-Vorſorge GOttes. Das Himmel-Brod hieſſe〈…〉〈…〉, weil GOtt ſolches ſchon bereitet hatte, ehe Jſrael an einigen Hun - ger dachte; woraus dann des Menſchen Thor - heit erhellet, der um ſeine Nahrung ſorget, alldieweil GOTT die ſelbige ſchon angeſchaffet hat. Wann aber deme Zufolg die Sorgen unnuͤtz ſind, GOtt beleidigen, und das Gewiſ - ſen beflecken; wie viel ſchwerer wuͤrdeſt du dann deinen GOtt erzuͤrnen, wann er deine Seele ſo koſtbar verſorgen und dich die gute Bott - ſchafft hoͤren laſſen wolte, daß du kommen ſol - leſt, und alles bereitet ſeye; du aber dir dis nicht durch fleißiges Beten zu Nutz machen wurdeſt.
  • d) Bedencke, was es JEſum gekoſter ha - be / dir eine ſolche lebendig-gerecht - und hei - lig-machende Himmels-Speiſe, ein ſo delica - tes Seelen-Eſſen zu werden. Er iſt nemlich zwiſchen dem ſchrecklich-donnernden Gericht GOttes von oben, und dem entſetzlichſten Sturm und Wuth des Abgrundes von unten, als zwiſchen zweyen Muͤhlin-Steinen gemah -len,49der Verfuͤhrung der Jugend. len, zermalmet; ſein Blut Tropffen-weiſe ausgepreſſet, im Moͤrſer des Zorns GOt - tes und des Fluchs vom Geſetz geſtampffet; im heiſſen Ofen der unſaͤglichſten Hoͤllen-Angſt von Gifft und Hitze des ewigen Todes gebacken, und von GOttes Gerechtigkeit, von Juden und Heyden, ja von allen Teuffeln am Creutz zerhammert worden. O wie manchen harten, und grauſamen Schlag und Stoß erlitte das zaͤrteſte Liebes-Hertz deines JEſu! und du jun - ges Blut ſolteſt ihme jetzt die Schande anthun, daß du keinen Appetit nach dieſem Himmels - Manna in dir hegen, noch in ſtetem Gebet nach ſeinem Genuß wimſeln, noch viel weniger allein damit umgehen wolteſt, daß du innigſt mit ihme vereiniget, und von dieſem goͤttlichen Suͤß-Brod aus dem Ort der Herrlichkeit, zur Staͤrckung am inwendigen Menſchen, durch den Heil. Geiſt, der in Chriſto iſt, geſaͤttiget wurdeſt.
  • e) Bedencke, daß das Manna das erſtemal am Sonntag geſallen, und darum auch dem auferſtandenen JEſum bedeuten koͤnne. Jſſeſt du nun, liebes Kind, gern ſchoͤne, reiffe, rothe und gelbe Fruͤchte; ſo bringt dir das Gebet gantze Koͤrbe voll der allerkoſtbarſten vom GOttes-Baum, dem auferſtandenen JEſu.
  • f) Bedencke endlich, daß der Krug mit dem Manna im Allerheiligſten / und das Manna in demſelben viele hundert Jahre gantz friſch geblieben; auch kein Koͤnig oderDHoher -50Cap. 1. Die erſte QuelleHoherprieſter darvon was nehmen und eſſen doͤrffen. Welche eine Ehre waͤre es damals fuͤr dich geweſen, wann dir erlaubet worden waͤre, was denen groͤſſeſten und heiligſten Maͤn - nern in Jſrael bey Lebens-Straffe verbotten ware? Nun behaͤlt GOtt ſeinen Sohn in der verklaͤrten Menſchheit im Him - mel auf, zum ewigen Angedencken, daß er dir ſchon auf Erden in der ſtreitenden Kirche dei - ne geiſtliche Speiſe ſeye, und ſeyn werde in Ewig - keit. Hebr. 4, 16. 7, 25. 10, 14. 9, 4. Ja was noch mehr iſt; wann dein Glaube im Ofen der Anfechtung wohl gelaͤutert wird, 1 Petr. 1, 7. ſo nimmt GOtt das reine Hertz an, und gebrauchet es als einen guldenen Krug / um daſſelbige mit dem wahren Man - na zu fullen, Eph. 3, 17. auch andern Gnaden - Hungrigen zu ihren Dienſten; halte darum bey dem HErrn an um den Geiſt des Glaubens, und uͤbertaͤube deinen Bundes-GOtt, daß er dir dein Hertz mit Glauben erfuͤllen und darvon uͤberflieſſen laſſe; und wann du Glauben haſt, ſo ſchlieſſe ihn ins Hertz hinein, daß ihn dir nie - mand raube. Ach Glaube mangelte dem Volck Jſrael, und iſt auch wunderſelten anzutreffen. Auf, traͤge Seel! auf, auf! dein Heyl-Ma - cher, dein Himmel-Brod iſt dir nahe; das un - beſchreibliche Manna, deſſen Abgruͤnde der Krafft, des Segens und alles Guten nicht aus - zudencken ſind, lieget vor deinem Mund und Hertzen. Stehe darum auf im fruͤhen Mor - gen deiner friſchen Jugend, und ehe deine Ein - falt und Unſchuld von der Hitze der verfuͤhri -ſchen51der Verfuͤhrung der Jugend. ſchen Jugend-Suͤnden und Luͤſten des Flei - ſches ſchmeltzet; iſſe bey Zeiten im Gebet des Geiſtes von dieſem ewigen Lebens-Balſam und deſſen Suͤßigkeiten, und ſaͤume dich nicht: Heute, heute! jetzt, jetzt! komme dem Gewiſ - ſens-Wurm zuvor, ehe er dich zu nagen begin - net, nachdem der Gnaden-Zug ſich an deinem Hertzen verliehret, und deine ſchoͤne Bluͤhte armſelig verwelcket. Huͤte dich anbey, daß du nicht wieder nach dem Suͤnden-Egypten dich umſeheſt, und das irrdiſche Canaan lieb ge - winneſt, weil ſonſt das himmliſche Manna dir allmaͤhlig entzogen wurde. Einmal dis GOt - tes-Brod will nicht mit fleiſchlichen und Welt - luͤſternden, ſondern mit einem ſolchen Hertzen genoſſen werden, das im Moͤrſer der Beſtraf - fungen, Zuͤchtigungen und Beugungen unter dem Geſetz wohl zerſtoſſen, und an der Liebes - Glut des Heylandes, ſo im Evangelio leuchtet und brennet, auf der Aſche der Demuh geba - cken ſeye.

§. 30.

Und weil die theure Seele auch muß getruncken haben; ſo tritte taͤglich in deinem Hertzens-Gebet vor den Heyls-Felſen / 1 Cor. 10, 4. Pſ. 95, 1. der deinetwegen vom Fluch des Geſetzes, von den Ge - richts-Dienern in Gegenwart der Aelteſten und Prie - ſteren iſt geſchlagen worden, Matth. 26, 59-68. Gal. 3, 17. 5 Moſ. 21, 23. Aus dieſem fließt dir zu das Waſſer des allerſuͤſſeſten Troſtes, die Erloͤ - ſung vom Fluch, und der H. Geiſt, Gal. 3, 14. wie auch die Abwaſchung von der Unreinigkeit der Suͤn -D 2de.52Cap. 1. Die erſte Quellede. Zach. 13, 1. Zu dieſem Heyls - und Gnaden - Waſſer ladet dich der freundliche Heyland fruͤhe Morgens, Mittags und Abends auf das holdſeligſte ein. Jeſ. 60, 1. Joh. 7, 37. 38. Off. 21, 6. 22, 17. Und wie ſelig ſind nicht junge Leute, die in hitziger Glaubens - und Liebes-Begierde davon reichlich trin - cken! ey ſo komme dann, mein Hertz-liebes Kind, alle Tage fein offt, und mache dich recht luſtig uͤber all dem Guten, ſo dir dein JEſus, der gute Hirt und Wirth, taͤglich aufſtellet Pſ. 23. der dir ſo gern ſeine Weisheit, ſeinen gelaſſenen Sinn mit aller ſeiner heiligen Art in dein begieriges Hertz ſchencken will. Wann deine Seele nach Heilung und Erloͤſung nur recht durſtig iſt, ſo ſtehet ſeine Seiten und gantzes Hertz dir offen, und ſeine Wunden bieten ſich dir all - ſtaͤts dar, daraus zu ſaugen; dein Glaube darff zu - greiffen, wann du wilt, und aus ſolcher Fuͤlle neh - men Gnade um Gnade. Wie iſts? Muſt du nicht ſagen: Hier iſt gut ſeyn, mir iſt wohl! o des feinen Heylands! wie treu iſt er. Da wird der Heil. Geiſt ſich uͤber dich freuen, und dir Gewißheit ins Hertz geben, daß du recht getaufft / und ein guter. GOtt angenehmer Communicant, ja ſein taͤglicher lieber Koſtgaͤnger ſeyeſt. Das Gebet wird ſodann dein Element ſeyn, wie das Waſſer den Fiſchen, die Lufft dem Vogel, und das Feuer dem Salamander iſt.

Es iſt artig, was ich an manchen Saͤuglingen wahrgenommen habe, daß ſie tiefe Seufftzer geholet, wann ich ihnen etwa Gutes gewuͤnſchet, und ſie ge - ſegnet habe; als welches eine Anzeigung iſt, daß der H. Geiſt in ihnen wuͤrcke, welcher ſie zu geſegneten Laͤmmerlein JEſu und zu ſeinem lieben Schuͤlerleinmachen53der Verfuͤhrung der Jugend. machen wolle, und zu dem End hin dieſelbe bey dem Vatter vertrittet mit unausſprechlichen Seufftzern Roͤm. 8, 26. Das zarte Kindlein fuͤh - let etwas, ſo es noch nicht kennet, und wann dieſes goͤttliche Gnaden-Fuͤncklein ſorgfaͤltig unterhalten wurde, ſo wurde und bliebe ein ſothanes Geſchoͤpff - lein, Chriſti Eigenthum und Heiligthum ewiglich. Blaſe dann, mein Kind, die Gabe GOttes, die in dir iſt, mit Gebet und Flehen fleißig auf. Luc. 18, 2. Tim. 1, 6. Ein jedes Graͤslein ziehet ſeine Nahrung aus ſeinem Urſprung; und du aus deinem guten GOtt: Ein gut-artig Kind redet gern mit ſeiner Mutter; und du mit JEſu.

§. 31.

Ein Zeichen, daß du dem Heyland nicht entlauf - fen ſeyeſt zu dem abtruͤngen, finſtern Hauffen, iſt drittens dieſes: Wann du gerne was aus GOttes Wort hoͤreſt und lerneſt / und in - ſonderheit das JEſus-Kindlein ſehr lieb gewinneſt / ſo / daß du auch deine Eltern am liebſten daran erinnerſt und bitteſt, daß ſie dir auch wieder etwas von JEſus-Kind vor - ſagen: Wann dir alſo nichts ſuͤſſers und erfreulichers iſt / als der Name und die Geſchichte JEſu / und du ſo begierig dar - nach biſt / als die jetzt-gebohrnen Kin - derlein nach der Mutter-Milch.

§. 32.

Es mag dich zwar nun und dann Unluſt zu hei - ligen Ubungen und eine Widrigkeit gegen das,D 3was54Cap. 1. Die erſte Quellewas ſonſt deine angenehmſte Ergetzlichkeit ware, uͤberfallen, und aus dem Abgrund gegen dir ein boͤſer Dampff aufſteigen, der dich traͤge und ſchlaͤferig ma - chet, ſo, daß du gantz das Gegentheil deſſen fuͤhlen muſt, was dich zuvor ſo munter und freudig im Gu - ten machte. Stehe du aber deswegen auf deiner ſo wichtigen Reiſe gen Jeruſalem nicht ſtille; ſondern wehre dich wie ein Schwimmender, die eiteln Sin - nen mit Haͤnden und Fuͤſſen von dir zu ſtoſſen, daß ſie dich nicht erſaͤuffen. Nahe dich zu GOtt, trotz allem Eckel und Uberdruß, und huͤte dich, daß du der Faulheit dich nicht gefangen gebeſt, wann du je die Lebens-Crone erlangen, und nicht ewiglich in Spott und Schande bleiben wilſt. Laſſeſt du es gehen ohne Widerſtand; ſo fuͤhret dich dein verderb - tes Hertz, wie ein ſchneller Strom unvermerckt wei - ter zuruck: So du aber zu dem lieben Heyland um Huͤlffe und neue Gnade ruffeſt, mithin an der Faul - heit, als an der unbilliſchſten, ſchaͤdlichſten und ge - faͤhrlichſten Sache ein hertzliches Mißfallen haſt; ſo nahet ſich dein JEſus wiederum zu dir, und vertrei - bet mit ſeiner Gnadenreichen Zukunfft dieſe teufliſche Argheiten, ſo in deinem Fleiſch einniſteln, und in - zwiſchen den edlen, himmliſchen Geiſt hinunter ziehen wolten in die toͤdtliche Luſt.

§. 33.

Laß dich demnach witzigen durch das Exempel Adams / der, ſo bald er von dem verbottenen Verſuch-Baum genaſchet hatte, ſogleich die ſuͤſſe Luſt zu ſeinem hoͤchſten Gut verlohren. Jch kenne manchen, der eine nicht gemeine Luſt zur lebendigen Gemeinſchafft JEſu bezeiget, auch darinnen eine Zeit -lang55der Verfuͤhrung der Jugend. lang verharret; nachwerts aber nur einmal auf des Teuffels Grund und Boden ſich entweder ſelber ver - meſſentlich gewaget, oder von anderen darzu verleiten laſſen; da dann der Satan, nachdeme ſie ihme ſo huͤbſch eingeſeſſen, ſeine Vortheile in Acht genommen, und das verfluchte Suͤnden-Garn flugs uͤber ſie hin - geworffen; darinnen ſie zwar noch eine Weile ge - zappelt, aber vergebens, und ohne Frucht, und konnten ſie zur vorigen Luſt und Kuſt zum Wort, Liebe und Leben JEſu nicht wieder gelangen, weilen ſie von dem allerſchoͤnſten Braͤutigam, deme ſie, durch ihre leichtfertige Hinwerffung ihrer Neigung in den Schooß ſeines garſtigen, abſcheulichen Feindes, einen Eckel erwecket, vollends verlaſſen worden, ſo, daß ſie die Welt lieb gewonnen, und von GOTT abgewichen, und dem Satan gantz zugeloffen ſind.

§. 34.

Dieſes erſchreckliche Gericht wiederfaͤhrt zwar nicht allen und jeden Abtruͤnnigen. Viele derglei - chen verlockte Taͤublein, und verirrte, verfuͤhrte Schaͤflein bringet der erbarmende Seligmacher wie - der herum, und dieſe jammerige Gluck-Henne ſamm - let wohl viele verloffene Kuͤchlein aus der Gefahr wie - der zu ſich unter ihre Fluͤgel. Wann demnach auch dir, armes Kind, durch das Eſſen der verbottenen Frucht, der Appetit nach Chriſto und ſeinem Evan - gelio vergangen waͤre, ſo bitte deinen allergetreueſten und liebreicheſten Seelen-Artzt, daß er dich purgire, und den boͤſen Anſatz der hoͤlliſchen Feuchtigkeit aus - fuͤhre, damit du nach einer ſothanen boshafften Ver - leitung und allergnaͤdigſt-gewirckten Geneſung da - von noch hungeriger und durſtiger werdeſt nach derD 4koſt -56Cap. 1. Die erſte Quellekoſtbaren Gnade und Gerechtigkeit deines JESU, als du dein Lebtag nie geweſen biſt. Dis iſt die ge - meine Weiſe deines Heylands, daß er dich verſtoͤr - tes, unverſtaͤndiges Adams-Kind wohl tauſendmal wieder annimmt, und in ſein Paradies aufs neue verhilfft.

§. 35.

Warum indeſſen manchen die Ruͤckkehr zur Gna - de verſperret werde, das iſt ein Geheimniß. Roͤmer 9, 33. Wir Menſchen wiſſen es nicht, und ſiehet es allein der Hertzens-Kuͤndiger, was in dergleichen ſchelmiſchen Hertzen vorgehet, und wie weit und grob ſie ſich etwa mit Gedancken an ſeiner goͤttli - chen Majeſtaͤt vergriffen haben, daß ſie erfahren muͤſſen, wie GOTT ſich nicht ſpotten laſſe. Es laͤßt dann auch der gute JESUS dergleichen Exempel aus innigſter Liebe zu dir und vielen andern geſchehen, daß ſie dir Warnungs-Saͤulen ſeyen, an welchem du dich erſpiegelſt und dich huͤteſt, nicht zu geluͤſten nach boͤſen Stuͤcken, hingegen auf deiner Reiſe zur Ewigkeit Sorge trageſt, und hie und da be - denckeſt: An dieſen und jenem Ort, in dem und jenem Umſtand, oder Unluſt zum Umgang mit JESU iſt dieſer und jener in den Seelen-Tod ge - fallen, und den Hoͤllen-Raaben zur Speiſe wor - den, wie etwa ein von hohen Felſen zu todt-gefall - ner Wandersmann. Ach HErr JEſu, behuͤte du mich, und bewahre mich ſtets in deiner Forcht! HErr! erbarme dich meiner.

§. 36.

Anbey verzage nicht, und werde nicht kleinmuͤ -thig:57der Verfuͤhrung der Jugend. thig: Mache es wie die Bienen / welche beym Regen-Wetter ſich inne halten, und bleibe du auch in der Liebe GOttes, und in der gedultigen Erwar - tung Chriſti; gleichwie uͤbrigens die Bienen auch beym Regen-Wetter ihre Begierde nach den Thau - reichen kraͤfftigen Blumen und Kraͤutern beybehal - ten, mithin beym erſten Sonnen-Blick ihnen nach - fliegen, und ihr Handwerck im Honig-Sammeln forttreiben: Alſo thue du auch; haſt du einen uͤb - rigen Augenblick, ſo bete, und trinck Evangelium; bereite deinem JEſu eine Blatten voll Honigſeim, wann er dir als lebendig erſcheint, und mit dir zu Nacht ſpeiſen will; und in Betrachtung, wie offt du JEſu mit deiner Suͤnden-Galle ein bitter Maul, mithin aller Suͤßigkeit dich unwuͤrdig gemachet ha - beſt, ſpahre eben alle Suͤßigkeit und Lieblichkeit auf ihne: Wann du dich ſchon nicht auf eine fuͤhlbare, huͤpffende, jubilierende Weiſe an ihme erluſtigen kanſt, ſo verſuͤndige dich gleichwohl nicht wider den allertiefſten Reſpect, ſo du dem allerhoͤchſten HErrn, deinem Vatter und Koͤnig ſchuldig biſt, und ſeye zu frieden; ſtellet er ſich gegen dir als ein heiſſer, duͤr - rer Fels und Winter-Baum; ſo ſage ihme unverho - len, daß er dir dennoch lieber als die Welt in ihren beſten und luſtigſten Dingen ſeye; haſſe alle Murr - Geiſter, als die ſchlimmſten Ertz-Buben; dancke deinem GOTT fort und fort. Streuet dir ſeine Vatters-Liebe ſchon keinen Zucker auf deine Speiſe hin, ſo biſt du ihm gleichwohl lieb, und mag es dir wohl nutzlicher und heilſamer ſein; fuͤhleſt du beym Leſen des Evangeliums und andern deinen geiſtlichen Ubungen gleich keine ſuͤſſe Empfindungen, ſo iſt den - noch dein JEſus bey dir, und empfaheſt nichts de -D 5ſtowe -58Cap. 1. Die erſte Quelleſtoweniger Licht, Krafft, Leben, Heyl und Waͤrme zum Wachsthum alles Guten in dir; ja was deiner Seelen in troſtloſen Unempfindlichkeiten zugetheilet wird, mag dir viel dauerhaffter, ſtaͤrckender und ge - ſuͤnder ſeye, als was du etwa in den anmuͤthigſten Wallungen deines Gebluͤts zu empfangen vermey - neſt: Dieſer Zucker gebieret Wuͤrme und Faͤulniß der fleiſchlichen Luͤſten und des eigenen Gefallens, wann das Hertz nicht wohl gelaͤutert iſt: Siehe dann nur zu, daß dein Verſtand und Wille GOtt redlich zu Dienſten ſtehe, und ſeine Luſt am Geſetz des HErrn habe Tag und Nacht; hangeſt du alſo mit deiner Begierde nur an Chriſto deinem Weinſtock, ſo wird dir die Hitze der Anfechtung nicht nur nichts ſchaden, ſondern vielmehr den Gnaden-Safft, wel - chen du unter allem Brennen aus Chriſto zieheſt, auskochen zu einem groſſen und vollen Trauben.

§. 37.

Kinder riechen gern ſchoͤne Blumen, und machen Craͤntzlein darvon. Sind dir nun, mein Kind, die Zeugniſſe von JEſu eben ſo angenehm; ſo iſts ein heiter Beweißthum, daß dein Hertz und Sinn gar anders beſchaffen ſeye, als der Sinn der eiteln, muthwilligen, Gnaden-loſen Kindern, die nach GOtt nichts fra - gen, und lieber dem Kinder-Moͤrder an ſeinem Nar - ren-Seil der Hoͤllen zu tantzen: Es iſt demnach eine Anzeigung, der Heil. Geiſt gedencke ewiglich an den Bund, den er mit dir beym Tauff und Abendmahl ſo hoch-theuer gemachet, und er begieſſe dich noch alle - zeit mit der Blut-Gnade des Lammes, das Bild der Kindheit und Jugend JEſu in dir zu entwerffen; ja es iſt ein frohes Zeichen, daß er dich mit unbegreiffli -cher59der Verfuͤhrung der Jugend. cher Hofmeiſters-Treue auf die rechte Straſſe gen Zion geſtellet, und darauf noch immer fortleite, auch taͤglich mehr Weisheit u. Gnade zu richtigen Schritten ſchen - cke. Wann du nun deſſen gewahr wirſt, ſo klopffe in die Haͤnde, huͤpffe, ſpringe, ſinge, klinge, jauchtze, lobe deinen GOtt und ruͤhme: Welch einen guten GOtt habe ich! wie hertzlich und mehr als vaͤtter - lich meynt ers mit mir! welche Guͤte, Gedult und Langmuth uͤbt er gegen mir! welch einen getreuen Hofmeiſter und Geleitsmann hat er mir gegeben, der allein Weisheit, Krafft und Vermoͤgen hat, mein ausſchweiffendes Hertz im Zaum zu halten, und meine gantz verdorbene Seele neu zu ſchaffen. Lieber Vatter! muſte dann gerad ich eben ſo fertig ſeyn, einen ſolchen zum Hertzens-Lehrer, Fuͤhrer und Zuchtmeiſter zu haben, der wahrer, ewiger GOtt, und dem Vatter und Sohn an Macht und Herrlichkeit gleich iſt? Wie frohe bin ich!

§. 38.

Sieheſt du dann andere Kinder, die nicht gerne be - ten, und ſtille ſind, auch nicht gern von JEſu, ſeinen Staͤnden, Mittler-Amt, Leben, Lehre, Leyden, und was arme Suͤnder von ihm zum beſten haben, hoͤren; ſondern lange Weile darbey haben, und lieber uͤppige Schwaͤncke, Fablen, Comedien, und allerley Narren - theidungen hoͤren; hingegen unter den Unterweiſun - gen mit den Fuͤſſen ſcharren, kratzen, und hin und her gaffen, unterdeſſen die uͤbrige Zeit in ungeſtuͤmme Ver - derben, und nur auf Spielen, Lauffen, Schreyen, Zan - cken, Rauffen, Schlagen, und alles, was ihrem Maul angenehm iſt, zu verſchlingen verpicht ſind, mithineinen60Cap. 1. Die erſte Quelleeinen Eckel an dem eingezogenen, andaͤchtigen, gott - ſeligen Wandel anderer Kindern haben, ſo, daß ſie ſterben zu muͤſſen meynten, wann ſie alſo lebten; ſie - heſt du, ſage ich, dergleichen unſelige Kinder; ſo ſchmaͤhe ſie nicht, und erhebe dich nicht uͤber ſie; ſon - dern ruͤhme vielmehr GOttes erſtaunliche Barmher - tzigkeit, die er gegen dir elendeſten Suͤnden-Wurm erwieſen, und ſage mit tiefſter Beugung und Ver - wunderung: Ach! warum hat die ewige allmaͤch - tige Majeſtaͤt mich von ſo vielen, vielen andern Kin - dern unterſchieden, und mich ſo gnaͤdig angeſehen? Was habe ich ihme zuvor gegeben, daß mir wieder vergolten werde? Warum bin ich des Teuffels Stricken entgangen, alldieweil unzehlich andere um mich herum gefangen werden zum Verderben? Warum doch mein GOtt?

§. 39.

Es iſt ein unendlich-vortrefflicher Feigen - Baum / Weinſtock und Oel-Baum. (Stelle dir, mein Kind, unter dem Bild derſelben vor GOtt den Vatter, den Sohn, und den H. Geiſt, in deren Namen du getaufft, und heiliglich eingetauchet biſt.) Dieſe drey majeſtaͤtiſche Baͤume ſind voll unvergleichlicher Fruͤchten, und ſtehen auf den Plan einer ſehr groſſen Stadt, ihre Aeſte in viele Gaſſen weit auszubreiten: Es ſind auch Herolden / wel - che ihre hell-klingende Trommeten ſchallen laſſen, und gegen alle vier Ende der groſſen Stadt mit lauter Stimme ausrufen: Kommet ihr Einwohner, brechet ab, ſammelt, eſſet; mit dem Anhang, daß, wer am mei - ſten ſammle, hoch am Brett ſitze und im Koͤnigreich der naͤchſte am Koͤnig ſeyn ſolle; wer aber dieſe un -ſchaͤtzbare61der Verfuͤhrung der Jugend. ſchaͤtzbare Fruͤchte verſchmaͤhe, und andern ungleich - ſchlechtern den Vorzug gebe, die koͤnigliche Ungnade ſehraͤnachdruͤcklich erfahren werde. Es war aber auſſert der Stadt langs der Land-Straſſe ein dor - nichtes Geſtraͤuch, voll-hangender ſauren, herben, ungeſunden, und wehe-machende Schlehen und Erbſelein: Worzu ein Zauberer, der denen Ein - wohnern Spinnen-feind ware, und alles Ungluͤck goͤnnete, gekommen, und es durch ſeine verzweiffelte Kunſt-Griffe und Bubenſtuͤcke dahin gebracht hat, daß die Einwohner allzumal, als Verhexete und Unſinnige, die drey herrlich-glaͤntzende und ausneh - mend-koͤſtliche Baͤume geflohen, ſich hinter die Stauden gemachet, und von denen Schlangen - Beeren und toͤdtlichen Fruͤchten mehr als gut ware, und ſo viel gefreſſen, daß ſie auch alle nacheinander dahin geſtorben, und in ein tiefes Loch verſcharret worden; als woruͤber der verfluchte Neidhart, als ob er eben was treffliches ausgerichtet haͤtte, noch in die Fauſt gelachet. Welches dann den Koͤnig der - maſſen gejammert, daß er, um dieſem Elend nicht laͤnger zuzuſehen, ſelbſten ſeinen einigen Sohn und Cron-Erben geſendet hatte, damit durch ihne allen, die es nur an denſelben begehrten, von dieſem Teuffe - liſchen Blendwerck geholffen, und alſo die unaus - dencklich-koͤſtliche Baͤume mit ihren alle Herrlich - und Suͤßigkeit dieſer Welt uͤberſteigenden Fruͤchten bekannt und genußbar wurden, zur Erfahrung, welch hohe GOttes-Wunder ſie an armen verlohrnen Menſchen ausrichten koͤnnen. Es waren aber die Ein wohner in die Hecken-Beere der Eitelkeiten und Luͤſten der Augen, und des Fleiſches dermaſſen ver - narret, daß ſich leyder, ohngeachtet alles Bittens,Flehens62Cap. 1. Die erſte QuelleFlehens, Klagens und Weinens, nur gar wenige bey beſagten Baͤumen einfinden wolten; und obwohlen, wie mich daͤuchte, einige einen Verſuch thun wolten, vom Tod zum Leben, vom alten Weſen des Buchſta - bens zum neuen Weſen des Geiſtes hinuͤber zu gehen; ſo vermochten ſie es dannoch nicht, und lieſſen es, weil die Ketten, mit welchen ſie an die Dorn-Hecken an - gefeßlet waren, nicht anderſt als unter unſaͤglichem Schmertzen und Bemuͤhungen, und durch ernſtliches Ringen und unablaͤßiges Beten, zerſprenget werden konnten, beym Alten bewenden, und lieber alles aufs aͤuſſerſte ankommen, als daß ſie ſich vor eine kurtze Zeit in einen Gebets-Kampff begeben, und um Sin - nes-Aenderung, Glauben, Liebe ꝛc. betende gerungen haͤtten.

§. 40.

Du aber, mein trautes Kind, biſt wohl das ſeligſte unter der Sonnen, und wann du erkenneſt die Gabe GOttes, ſo wuͤrdeſt du dein Gluͤck mit keinem koͤnig - lichen Printzen tauſchen wollen. Dann die Gnade GOttes hat dich umfangen, und ſeine Liebes-Hand dich angeruͤhret; JEſus hat auf dich geſchauet, dich zum Mitgenoſſen ſeines himmliſchen Berufs erklaͤret, mit ſeinem Blut getraͤncket, und mit Gerechtigkeit be - kleidet; und der H. Geiſt hat dein Hertz gefaſſet, unter ſeine Aufſicht und in ſeine Arbeit genommen, Haß al - les Boͤſen, und Luſt zu allem Guten in daſſelbe geſaͤet: Alſo hat GOtt andern Kindern nicht gethan, und dar - um wiſſen ſie auch ſeine Rechte nicht: Nicht daß dein Hertz beſſer als anderer Kindern ſeye; ach nein! du biſt ſo boͤſe von Natur als andere geweſen; daß es aber beſſer mit dir geworden, iſt des Heylandes Gnade. Preiſe darum, du Kind Jeruſalems deinen GOtt,und63der Verfuͤhrung der Jugend. und laſſe dieſes dein Geſchaͤffte ſeyn, wie du JEſum loben moͤgeſt, nachdeme du nun weiſt, woher und von wem alle deine gute Triebe kommen. Und wann auch dieſelben abnehmen ſolten, ſo weiſt du wieder, bey wem du dich anzumelden, und daß JEſus allein dein ſterbendes Fuͤncklein wieder aufblaſen, und in Glut und Flamme ſetzen kan durch den Odem ſeines Gei - ſtes und ſeines Worts, wann nur deine Liebe klaget, weinet und etwaſchreyet: Ach JEſu! mein Hertz hat keine Luſt mehr an dir und deinem Evangelio; es liegt nur ſo oben auf, und will nicht mehr recht eindringen: JEſu, Krafft der bloͤden Hertzen! ach du lebſt und ich bin todt! wirſt du mich nicht zu dir ziehen; ach ſo muß ich von dir fliehen ꝛc.

Achte dann, mein Kind, die kleinen Anfaͤnge des Himmelreichs in dir nicht gering! einmal ich meines Orts kan nicht anderſt als dich ſelig preiſen. Selig ſind deine Augen, daß ſie mit inniglicher Luſt ſehen und leſen koͤnnen, was du lieſeſt; und ſelig ſind deine Oh - ren, denen es die ſuͤffeſte Kurtzweil iſt, vom Heyland zu hoͤren: Es iſt gewißlich nicht ein leeres Sehen und Hoͤren; ſintemal deine Augen und Ohren Thore ſind der Gerechtigkeit, durch welche der Koͤnig der Ehren einziehet. Wo hinein? in dein Hertz hinein, mit dem gantzen Geleit ſeiner Gnade. Es ſind die Triumph - Porten der Ewigkeit, die der H. Geiſt durch ſeine allmaͤchtige Krafft dem Sieges-Fuͤrſten und HErrn der Herrlichkeit aus allergnaͤdigſter Liebe zu dir auf - ſchlieſſet, damit er es, als einen Preiß ſeines Bluts, als einen Lidlohn ſeiner ſauren Arbeit, und als eine Beute ſeines Siegs uͤber die ſonſt unuͤberwindliche Tyrannen, in Beſitz nehme, und als ein weites Land zu ſeinem ewigen Koͤnigreich mache.

§. 41. O64Cap. 1. Die erſte Quelle

§. 41.

O es weiß kein Menſch, was das fuͤr eine Selig - keit ſeye, wann Kinder und junge Leute, durch die Gnade des Lammes, an goͤttlichen und himmliſchen Dingen einen Geſchmack finden, ſo, daß Chriſti zu gedencken, ihrem Hertzen das erwuͤnſchte Wolleben iſt. Wann ſie dann dieſe ſeine theure Gnade bis ins Alter bewahren, nachdem ſie entweders unter die Haͤnde eines Fuͤhrers gerathen, oder, welches noch beſſer, von dem Biſchoff unſerer Seelen unter ſeine genaue Zucht und Aufſicht genommen worden; ſo kommen ſie die fuͤrtrefflichſte Wunder-Maͤnner, brennende und hell-ſcheinende Fackeln, guͤldene Saͤulen im Tempel GOttes, Helden Davids, Reichs-Fuͤrſten, die den Morgenſtern und Gewalt uͤber die Heyden haben; die Herrlichen auf Erden, die mit Chriſto in unbefleckten ſchnee-weiſſen Kleidern wandeln, und des Koͤnigs Salomons vertraute Freunde werden, die an ſeinem Tiſche ſitzen, aus ſeinem Becher trincken, ſeine Weisheit hoͤren, ſei - nen Pracht anſchauen, und von ſeiner Norden-Sal - be lieblich riechen; die in Kriegs-Zeiten als tapffere Streiter im Heerlager des HERRN Zebaoth und Vorgaͤnger der gemeinen Soldaten zu Felde ziehen, dem Feind entgegen gehen, ein erſchreckliches Feld - Geſchrey anſtellen, und fortwaͤhrend ſingen: Uber welche die Himmel jauchtzen und die Hoͤlle zittert, und an denen der Koͤnig all ſein Wohlgefallen hat. Junge Maͤgdgen, welche des heiligen Bundes, den ſie mit der heilig-heilig-heiligen Dreyeinigkeit in ihrem Bet-Kaͤmmerlein abgeredet und verſchrieben, auch im heiligen Abendmahl durch die von der hoͤchſtenMajeſtaͤt65der Verfuͤhrung der Jugend. Majeſtaͤt ſelbſt eingeſetzte Liebes-Zeichen, Pfaͤnder und Siegel unzerbruͤchlich verſiegeln und beſtaͤtigen laſſen, nimmer vergeſſen, und daher ihre zaͤrteſte Liebes-Neigung fuͤr den Heyland aufbehalten; ſol - cherley junge Maͤgdgen ſehen das hohe Lied aufs neue an ihnen erfuͤllet; ſie ſind Jungfrauen, die dem Lamm nachfolgen, und GOttes Erſtlinge; ſie ſingen das neue Lied, und in ihrem Munde wird kein Betrug erfunden; ſie ſind unſtraͤfflich vor GOTT und dem Lamm, und haben den Na - men des Vatters an ihren Stirnen; ſie ſtehen zur Rechten des Koͤnigs in koͤſtlichem Gold, und er hat an ihrer Schoͤnheit ſeine Luſt; ſie werden in die Elfenbeinerne Pallaͤſte gefuͤhret, und erfuͤllet mit Freude und Herrlichkeit. Einmal wer JE - ſum nur ein wenig kennen gelernet, dem werden die Welt-Luſtbarkeiten zu lauter Gallen und alles eckelhafft werden gegen einer ſolchen Seligkeit, die man in ihm und ſeiner Gemeinſchafft einſammlen kan. Oder was haſt du armes Maͤgdgen, von allen eiteler-weiſe verſchlenderten Stunden, wann das Jahr vorbey iſt? Und wie wird dir zu Muthe ſeyn, wann dich der groſſe Richter aller Welt zur Rechenſchafft fordern wird? Erkenne darum dein Gluͤck, und ſeye klug; fange in dei - nen Kinder - und Jugend-Jahren an das hoͤchſte Gut, und an die Vermaͤhlung mit dem Sohn der Liebe des ewigen Koͤnigs zu dencken: Tritt mit unter die Choͤre der heiligen Engeln, und ſinge ſchon in der Bluͤhte deiner Jugend mit froͤ - lichem Muth:

EUnd66Cap. 1. Die erſte Quelle
Drum wer wolte ſonſt was lieben
Und ſich nicht beſtaͤndig uͤben,
Des Monarchen Braut zu ſeyn?
Muß man gleich allhier viel leyden
Sich von allen Dingen ſcheiden,
Bringts ein Tag doch wieder ein.

§. 42.

Eine heitere Probe, daß du unter den Augen JESU wandelſt, iſt endlich viertens dieſes: Wann ſich kein unbeſtaͤndig / falſches Weſen bey dir befindet / daß du dich heu - te ſo / und morgen anderſt ſtelleſt / vor deinen Elteren und Vorgeſetzten fromm und aufmerckſam biſt / bey deines glei - chen aber wieder frech und unbaͤndig; ſondern wann du vielmehr dir immer gleich / und in einer guten Faſſung auch mitten in einem erlaubten Kinder-Spiel bleibeſt / ſo / daß du auch gerne dich vom Spielen ſtoͤren / und was Gutes von JEſu ſagen laͤſſeſt.

Nichts iſt noͤthiger, ſeliger und vortheilhafftiger, als Beſtaͤndigkeit und Aufrichtigkeit / vermoͤg deren ein Kind allein und uͤberall zu gefallen ſuchet dem dreyeinigen GOTT, in deſſen Namen es eingetauchet iſt, und der ihme ſchon in ſeinen jungen Jahren das Hertz aufgethan, daß die ſchoͤ - ne Morgen-Sonne der evangeliſchen Wahrheit hat hinein leuchten, und das innere Ohr des un - ſterblichen Geiſtes die ruffende Stimme des Vat -〈…〉〈…〉 ers hoͤren koͤnnen, daß es zum Sohn ſeiner Liebe kommen ſolle, den er ihme, als die Quelle undWur -67der Verfuͤhrung der Jugend. Wurtzel aller Gaben in Zeit und Ewigkeit zum einigen und hoͤchſten Geſchenck verordnet, und hin - gegeben habe. Und o welch geſegnetes Kind iſt das, deſſen Begierde der liebſelige Vatter in dem Himmel fort und fort zu ſeinem Sohn hinzeucht, als ohne welchen er kein beſſer Ort und keine beſſe - re Perſon weiß, dero die Kinder anvertrauet wer - den koͤnnten. Einmal, mein liebes Kind, eine geringere Perſon, als dieſer GOtt-Menſch, waͤre nicht vermoͤgend, dir aus deinem unergruͤndlichen Elend heraus zu helffen, dich Blinden ſehend, dich Lahmen gehend, dich Tauben hoͤrend, dich Stummen redend, dich Auſſaͤtzigen rein, dich Tod - ten lebendig, dich im Glauben Armen in GOTT reich, dich Albern weiſe, dich Unwiſſenden gelehrt und erleuchtet, dich Suͤnder gerecht, froͤlich, ru - hig, von aller Anklage im Gewiſſen frey, voll Friede und Freude im heiligen Geiſt, und des kuͤnfftigen ewigen Erb-Koͤnigreichs goͤttlich verſi - chert zu machen; und darum uͤbergibt dich der Vatter ſeinem Chriſto, weil er allein dich aͤndern, ſeinen heiligen Sinn eingieſſen, und als der goͤtt - liche Weinſtock ſeine Krafft, Leben und Seligkeit mittheilen kan.

Biſt du nun durch deines JESU Gunſt und Vorſchub ein Nagel-neu Gewaͤchs des Himmel - reichs worden; ſo wirſt du ja in deinem Thun nicht wetterwendiſch und heuchleriſch ſeyn, daß du jetzt fromm und zahm, und dann wiederum wild und boͤſe ſeyeſt; ſo wenig als ein Baͤumlein (Arbre - nain) im fuͤrſtlichen Garten dieſes Jahr edle, mil - de, das andere Jahr aber ſaure, herbe Holtz - Fruͤchte traget, inſonderheit wann es noch dasE 2letzte68Cap. 1. Die erſte Quelleletzte Jahr mehr Sonne, Thau und Abwart ge - habt haben ſolte. Wie dann das einmal angefan - gene Gnaden-Werck nicht ab-vielmehr aber zu - nimmet, wie der Strom Ezechiels / und wann ein Schilf-Rohr in einen Eych-Baum der Gerechtigkeit verwandelt wird; ſo wird es nicht mehr vom Wind hin und her beweget.

§. 43.

Meynſt du nun, mein Kind, es redlich mit deinem Heyland, ſo reichet ſein getreueſtes Hertz dir die unſchaͤtzbaren Guͤter des neuen Bundes zu genieſſen dar: Wann du nun den gecreutzigten Leib Chriſti und ſein vergoſſen Blut, die engliſche Kuſt im Glauben munter iſſeſt und trinckeſt, und im Gebet und Leſung des Evangeliums mit dem Koͤnig Chriſto himmliſche Seelen-Speiſe und Seelen-Tranck, reine heilige Liebe GOt - tes, die neue goͤttliche Natur Chriſti, auch dem ſuͤſſen Moſt des heiligen Geiſtes jeden Morgen fruͤhſtuͤckeſt, mithin dich je laͤnger je inniger zu dei - nem GOTT und ſeiner Gegenwart angewoͤhneſt, ſo wirſt du folgende groſſe Vortheile darvon haben.

I. Wirſt du andaͤchtiger, geſammelter und ein - gekehrter ſeyn, wann du gantz allein biſt und dich niemand ſiehet, als wann du jemanden um dich haſt; ſintemalen dannzumal deine Gedancken nicht in mancherley Vorwuͤrffe der menſchlichen Ange - ſichter zertheilet ſind, ſondern allzumal in dem Mittel-Punct der goͤttlichen Gegenwart zuſammen flieſſen. Dann Menſchen die noch wenig vonGOTT69der Verfuͤhrung der Jugend. GOTT und Chriſto, wohl aber viel Welt in ſich haben, und voll weltlicher Abſichten ſind, zerſtreuen einem andaͤchtigen Chriſten ſeinen Sinn zehenmal mehr, als alle Handwercks-Arbeit und Geſchaͤff - te, zumalen wann er ſelbigen noch einigen Reſpect ſchuldig iſt. O wie emſig wirſt du dir dann die Einſamkeit zu Nutzen machen, und deinen Geiſt in die Anbetung, Verehrung und Bedienung dei - nes holden Seligmachers einſencken, und dir zuwei - len ſeyn laſſen, als ob dein JEſus eine gute Weile ſchon in deinem Bet-Kaͤmmerlein auf dich gewar - tet haͤtte: Da wirſt du dich wie ein muͤdes Kind in ſeine Mutter-Schooß werffen, und dich von ihme in Geheim umarmen und kuͤſſen laſſen, mit - hin mehr Heiligkeit in dich ſaugen, als da du bey Leuten wareſt. Hohel. 1, 4. 12. 13. 14. 2, 3. 6. 14. 16. 3, 11. 5, 7. 7, 6. 11. 8, 1. 2. 6. 14.

§. 44.

II. Wirſt du es nicht ſo ſehr zu Hertzen nehmen, wann du entweder von elenden und vom Satan verfuͤhrten Knaben, oder von Welt-bezauberten und vereitelten Toͤchtern wirſt muͤſſen verſpottet und ausgelachet werden; ja du wirſt vielmehr ein - gedenckt deſſen, daß boͤſe Menſchen deinen JE - ſum, der doch der ewige wahrhafftige GOtt, die Heiligkeit und Unſchuld ſelbſten ware, auch in ſei - ner allerbruͤnſtigſten Liebe, und da er das troſtlo - ſeſte Suͤnden-Bild in aͤuſſerſter Schmach und Schmertzen am Creutz hienge, und fuͤr ſie zum Vatter um Gnade bate, litte, blutete und ſtarb, verſpottet worden ſeye, in einem ſanfften, gedulti -E 3gen70Cap. 1. Die erſte Quellegen und mitleydigen Lammes-Sinn durch Chriſti Krafft noch deine Feinde ſegnen, Vorbitte vor ſie bey deinem Heyland einlegen, und ihnen thun koͤn - nen, wie dir dein JEſus gethan; zumalen da ſie eben ſo wenig wiſſen was ſie thun, als ſeine Creu - tziger. Wirſt du darum der Schmach Chriſti ge - wuͤrdiget, ſo magſt du es fuͤr eine ſonderliche Gunſt vom Himmel achten, und dich daruͤber mehr als uͤber alle Schaͤtze Egypti und der gantzen Welt freuen. Oder ſage mir, mein Kind! wann du im koͤniglichen Saal ſitzeſt, und iſſeſt die Nied - lichkeiten des Hauſes GOttes, das reine, ſchnee - weiſſe Himmel-Brod, Granat-Aepffel, Feigen und Wein-Trauben aus dem gelobten Land, goͤtt - liche Fruͤchte, die aus dem heiligen Geiſt ſelber ge - wachſen ſind, und alle Gewuͤrtze von Orient, und die ſchmackhafft-edelſten Fruͤchte, ſo aus dem ſchwartzen Heerd hervor getrieben und ausgekochet werden, an Geiſt, Krafft und Leben unendlich uͤbertreffen, als da ſind Gerechtigkeit, Wahrheit, Guͤtigkeit, Liebe, Freude, Friede, Langmuth, Mildigkeit, Glaube, Treue, Sanfftmuth, Ent - haltung u. ſ. f. ja wann es dir erlaubt iſt, nicht nur von dieſen Fruͤchten, ſondern auch von denen uͤber-himmliſchen Speiſen, von GOtt, geoffen - baret im Fleiſch, von ſeinem inwendigen, ewigen Leben, von der Krafft ſeiner Gottheit, von ſeinen Zeugniſſen, Worten, Wercken, Wundern, Leyden, Tod, Grab und Herrlichkeit dich ſatt zu eſſen, und alſo dein Geiſt an dieſen Fettigkeiten und Heiligkeiten der ſuͤſſeſten Troͤſtungen unausſprech - liche Erquickungen hat; dein Aug aber zum Fen - ſter hinaus und in die neblichte, ſchlammichte Welthinein71der Verfuͤhrung der Jugend. hinein blicket und ſiehet, wie die jungen Leute an mancherley Stricken der boͤſen Geiſtern herum ge - fuͤhret, und mit nichts als mit Eychlen, Koth und Traͤbern, mit Augen-Luſt, Fleiſches-Luſt und hoffaͤrtigem Leben abgeſpieſen werden; wolteſt du deswegen mit ihnen zuͤrnen, wann ſie deiner ſpot - ten, und dir Hoͤrner machen, daß du es nicht mit ihnen halten, und deines GOttes Tiſch und Tra - ctament dem Tiſch und Kelch der Teuffeln, wor - bey ſie ſich ſo luſtig machen, vorziehen wilt? Ach nein! ja nicht nur wirſt du nicht zuͤrnen; ſondern vielmehr Anlaß nehmen, in dich zu ſchlagen, und zu ſagen: Ein ſothaner feiger, wahnſinni - ger Tropff waͤre gewiß auch ich ohne deine Gna - de, mein GOtt. Und wie hertzlich dancke ich dir, mein JEſu, daß du deine Augen-Salbe an mir nicht geſparet, und es dahin mit mir gebracht haſt, daß ich was beſſers vor mir habe, erkenne und brauche, als zehen alte Koͤnige, welche Vaſallen des Thiers ſind, ihr Lebtag nicht genoſſen. Ach berede doch dieſe ſonſt artige, junge Leute auch eines beſſern, daß ſie nicht verlohren gehen: Wann nicht Platz genug, Speiſe genug, Ta - feln genug, Cronen, Thronen und Herrlichkei - ten genug waͤren fuͤr noch ſo viel Millionen jun - ger Leuten; ſo wolte ich meinem Stuhl gern ei - nem andern cediren aus inniger Liebe, und mich vergnuͤgen, wann ich nur in einem Winckelgen des Saals zuſchauen kan, was du, mein theu - rer Heyland thuſt, und wie reich, ſchoͤn, weiſe, heilig und ſelig du ſie macheſt zu deinem Preis!

E72Cap. 1. Die erſte Quelle

§. 45.

III. Wirſt du einen ewigen Haß uud Abſcheu faſſen ab aller Heucheley / Ver - ſtellung und Lugen / als ab der eigentlichen Teuffels-Larven und abſcheulichſten Schlangen - Brut und Greuel vor GOTT und ſeinen wahr - hafften Engeln. Menſchen-Furcht und Menſchen-Gefaͤlligkeit werden als zwey ſchmeichleriſche Seelen-Freſſer, unter deinen Fuͤſ - ſen liegen; und die Augen JEſu werden dich weit kraͤfftiger von allem Argen und Falſchen abziehen, als wann dich dein Pfarrer, Praͤceptor und alle andere Vorgeſetzte ſaͤhen; eben wie den Joſeph nur die Liebe GOttes zuruͤck hielte, daß er nicht ſuͤndigte, obgleich ſein Herr abweſend ware, und die Frau ihne wol nicht verrathen haͤtte.

Ach mein Kind! es iſt zwar die Masque (Lar - ve) der Heucheley, ſo dir der Teuffel anrathet, mit dem ſubtilſten, penetranteſten Gifft beſtreuet, und durch eine ſuperfine Hoͤllen-Kunſt der argli - ſtigſten Geiſtern zubereitet, ſo, daß die Seelen - Geſtalt gleichſam mit ſchwartzen Brand-Blattern ſcheußlich zugerichtet, und leichtlich zu einer Uber - haut wird; hievon aber reiniget und behuͤtet dich der zuͤchtigende Geiſt JESU, und treibt dich an, daß du mit GOtt allein im Hertzen vertraut und tiefer bekannt zu werden, auch das, was dir JE - ſus einmal gegeben und anvertraut hat, zu behal - ten und zu vermehren ſucheſt. Freylich wird auch dieſes von nichts ſo ſchnell weggeſtohlen, als von der Heucheley, und wer nach dem rechtſchaffenen We - ſen in Chriſto ſtrebet, wird befinden, daß keineſchaͤd -73der Verfuͤhrung der Jugeud. ſchaͤdlichere Natur als eine verſtellete Fromm - keit ſeye, da man nur vor den Leuten und ihnen zu Lieb und Gunſten fromm zu ſeyn ſich anlaͤßt, bey dieſer Abweſenheit aber alle Andacht wieder fahren und liegen laͤßt; lebt aber JEſus in dir, mein Kind, ſo iſt freylich dein Lebens-Wandel Vor - und Nachmittag, vor - und hinter den El - tern und Vorgeſetzten, an Sonn - und Werck - Tagen immer ſich gleichfoͤrmig; ſintemalen JE - ſus geſtern und heute / und eben derſelbe iſt in Ewigkeit: Und erfahreſt du alſo, wie ſuͤß ein heiliger Wandel im Licht des Angeſichts JESU Chriſti ſeye; da hingegen eine tuͤckiſche, falſche Seele von der Suͤßigkeit der Vergebung der Suͤnden, der Liebe GOttes, und der theuren Blut-Gnade nur gar nichts genieſſet, weil die unverſtellte ewige Liebe, das allertreueſte JEſus - Hertz ſich mit keinem Heuchler, dem es kein rech - ter Ernſt iſt, die Suͤnde in JESU Krafft ans Creutz zu nageln, zu toͤdten und zu begraben, ge - mein machen mag.

§. 46.

IV. Wird es dich keine ſchmertzliche Verlaͤugnung mehr koſten / ja gantz leichte ankommen / zu heiligen Unterwei - ſungen von JEſu / wann du geruffen wirſt / ohnverweilt hinzulauffen / und mit Hertzens-Luſt zuzuhoͤren / mithin auch um de - rer willen alles, was es auch immer fuͤr ein anmuthige Kurtzweil und Geſellſchafft ſeyn moͤchte, ſtehen und fahren zu laſſen; da dann die H. Engel, die ſtets umE 5dich74Cap. 1. Die erſte Quelledich her ſind, eine groſſe Ergetzlichkeit an deinem Verhalten haben, und in der triumphirenden Kir - che darvon Bericht abſtatten. Welche eine hohe Ehre iſt es dann fuͤr dich, im Himmel mit Na - men bekannt zu ſeyn, und unter den verklaͤrten Heiligen, den Fuͤrſtenthuͤmern, Thronen und Majeſtaͤten der obern Welt ein gutes Geruͤcht zu haben? Und was meyneſt du, wird der Koͤnig JESUS ſelber von dir dencken, wann er jeden Tag zehen Proben ſiehet, daß er allein alles bey dir gelte, und uͤber alle Vortheile, Neigungen und Jugend-Kurtzweile den Vorzug habe? Wie wird ſein lieb-entbranntes Hertz gereitzet werden, dich mit Gnade und Barmhertzigkeit zu croͤnen, mit den koͤſtlichſten Guͤtern ſeines Reichs zu ſeg - nen, bey ſeinem Vatter anzuruͤhmen und den ed - len Aufwaͤrteren ſeiner Majeſtaͤt an ſeinem Hof zu befehlen, daß ſie bey Tag und bey Nacht, zu Hauſe und auf dem Feld ein wachſames Aug auf dich haben, und dich auf den Haͤnden tragen, daß du deinen Fuß nicht etwa an einen Stein ſtoſſeſt, und Schaden bringeſt: Ja fuͤr einen jeden Sprung, den du von den eitelen Geſell - ſchafften und Verſchwendungen der unwieder - bringlichen Jugend-Jahren hinweg, und zur Aus - uͤbung deſſen, was GOTT dem hoͤchſten Gut gefallet, mit deinen hurtigen Fuͤſſen thuſt; fuͤr einen jeden ſothanen Freuden-Sprung von der Suͤnde zu der Gnade hinuͤber wird dir dein JESUS in der Ewigkeit ſolche Seligkeiten und Sieges-Cronen aufheben und beylegen, daruͤber du erſtaunen, und vor goͤttlicher Himmels-Freudeer -75der Verfuͤhrung der Jugend. erzittern wirſt; Zumalen wann dein Name aus dem Buch des Lebens abgeleſen, und du bey deinem neuen Character im Reich GOttes geruffen wirſt, die unausſprechliche Seligkeiten aus der Hand dei - nes mildeſten Kampff-Richters zu empfahen, mit - hin an allen denen jubilirenden Freuden-Spielen der verklaͤrten Choͤren der Engliſchen Heerſchaaren deinen unendlich-vergnuͤglichen Theil zu haben, und in eben dem lieblichen Weſen zu ſchwimmen, in welchem die allerheiligſte Menſchheit deines Er - loͤſers ruhet, da du das, worinnen dein Haupt triumphiret, wohl ewig fuͤhlen, und ſein goͤttli - ches Weſen aus deinem Leib, Seele und Geiſt heraus ſcheinen ſolle, wie die Sonne in deines Va - ters Reich.

Ach wie werden hingegen alle, die dem Evan - gelio nicht gehorchet; die Liebe des gecreutzigten Lammes nicht zu Hertzen genommen; ſeiner Hir - ten-Stimme auf ſeiner ſo heylſamen Gnaden-Wei - de nicht nur nicht gefolget, ſondern lieber in des Teuffels Stricken, nach dem Trieb ihres fleiſch - lich-verdorbenen Hertzens, und nach dem allge - meinen verkehrten Welt-Lauff von Chriſti ſeliger Gemeinſchafft weggeflohen; ſein Reich verſchmaͤ - het; alle Leyden um Chriſti willen wie Gifft ver - abſcheuet; das Sichtbare und Gegenwaͤrtige dem Unſichtbaren und Zukuͤnfftigen vorgezogen; ihr Heyl und Theil, Gluͤck und Ehre nur in dieſer Welt geſucht; an das juͤngſte Gericht und an die Ewigkeit wenig gedacht; nach dem ſchmalen Weg, darauf JEſus und ſeine Apoſtel in das Leben hin -ein76Cap. 1. Die erſte Quelleein gewandelt haben, nicht gefraget; aus Liebe zu zu JEſu nicht das geringſte Geluͤſtlein verlaͤugnet; und ſich nicht im mindeſten darum bekuͤmmert, daß ihre ſo theure Seele auch erleuchtet, begnadiget, geheiliget und ins Bild Chriſti vergeſtaltet, mithin mit denjenigen Eigenſchafften, Wohlthaten, Schoͤn - heit und Gnaden-reichen Mittheilungen geſpeiſet, getraͤncket und bekleidet, ja gar durchdrungen wer - de, worinnen die eigentliche Zubereitung auf des Lammes Hochzeit beſtehet, und in welchem Schmuck die Patriarchen, Propheten und alle Zions-Bur - ger je und je gewandelt, und nun auf den guͤldenen Gaſſen Jeruſalems vervollkommnet einher gehen; ach wie werden, ſage ich, alle unfuͤrſichtige, junge Leute vor Reu und Wehmuth die Haͤnde uͤber dem Kopff zuſammen ſchlagen, wann ihnen von allen ihrem erloffnen Welt-Gluͤck nichts uͤbrig bleibet, als ein Wurm, der nicht ſtirbet, und ein Feuer, das nicht verloͤſcht, zu der Zeit, wann der HErr einem jeden vergelten wird nach ſeinen Wercken.

§. 47.

Findeſt du alſo / theurſtes Kind / daß dir GOtt bishero den Sieg verliehen hat uͤber dein eigen verderbtes Fleiſch und Blut; o ſo preiſe deinen Heyland darvor offt mit Mund und Hertzen; werde aber ja nicht dieſerhalb hoffaͤrtig / oder kuͤnff - tighin ſaumſeliger und unachtſamer / ſonſt falleſt du ehe du dichs vetſieheſt / und dein verkehrtes Hertz nimmt dich ſo bald gefangen / ſo bald du aufhoͤreſt /deine77der Verfuͤhrung der Jugend. deine Seligkeit zu ſchaffen und bewah - ren mit Furcht und Zittern. Jnſonder - heit huͤte dich ſehr / daß du nicht boͤſen und unnuͤtzen Gedancken / die offtmals in der Seele aufſteigen / nachhaͤngeſt; ſonſt gibſt du ſelbſt deinem unbaͤndi - gen Hertzen Anlaß / dir deine Crone zu rauben.

Ach ja, liebes Kind! a) hohe Einbildung / b) Nachlaͤßigkeit / da man nemlich das Ge - bet, und die heilige Schrifft um anderer Wiſſen - ſchafften willen armſelig unterlaͤßt; c) Unacht - ſamkeit / vermoͤg deren man der einfallenden unkenſchen, luſtſuͤchtigen, hoffaͤrtigen, gehaͤßi - gen, geitzigen, neidigen Phantaſeyen nicht ach - tet, hat ſchon manchen an den Rand der Hoͤl - len geworffen, und in das aͤuſſerſte Verderben geſtuͤrtzet. Darum fleuch vor dieſen drey Stuͤ - cken als vor teufliſchen Schlangen und Scorpio - nen, als vor hoͤlliſchen Loͤwen und Drachen, daß du nicht gleich geachtet werdeſt denen Thoren, die das Licht nie geſehen haben: Behalte treu - lich, was du einmal empfangen haſt; beharre auf dem angetrettenen Lebens-Weg bis ans Ende: Sey getreu bis in den Tod; anderſt biſt du der Crone des Lebens nicht wuͤrdig. Nimmeſt du dich nun vor obigen dreyen Puͤffen ſorgfaͤl - tig in Acht; ſo entgeheſt du einem grauſamen, ewigen Jammer und Schaden, und lerneſt deinen unendlichen Liebhaber und Gutthaͤter deſto beſſer er - kennen, ſo, daß du deinen Sinn nimmermehr aͤn - dern, oder das Paradies, welches du zuvorgegen78Cap. 1. Die erſte Quellegegen die bittere, gifftige Suͤnden vertauſchet, aber durch JESU Blut-Gnade wieder erobert haſt, wiederum ſo liederlich verſchertzen wirſt. O nein! biſt du einmal in der Arche der Gnade Chriſti, ſo wird es dich forthin nicht mehr geluͤ - ſten, in die wilde Fluthen des Zorns dich hinaus zu wagen: Haſt du das Vaterland des er - ſten Adams verlaſſen, ſo wirſt du nicht begeh - ren, wieder dahin umzukehren: Biſt du einmal mit dem himmliſchen Jſaac verlobt, ſo wirſt du auch fuͤr ihn alleine dein Hertz aufbehalten: Jſt die Crone der Erſtgeburt nun in deinen Haͤn - den nach vorher gegangener vieler Verlaͤugnung, Beſtrebung und Bemuͤhung, ſo wird kein Linſen - Mus ſo huͤbſch roth und koͤſtlich gekochet ſeyn, daß du ſie daran wieder vertauſchen wuͤrdeſt: Biſt du heute, wie Joſeph / aus dem Kercker des Geſetzes der Suͤnden und des Todes erloͤſet, und erhoͤhet zur herrlichen Freyheit des Geiſtes des Le - bens, zur Verwaltung des anvertrauten innern Reichs GOttes, ſo wirſt du ſo leicht nicht wieder wollen in das vorige Geſtanck-Loch der Suͤnden hin - ein ſchluͤffen: Du ſieheſts am Volck Jſrael / als eine Raſerey an, daß es nach Egypten wieder luͤſtern worden; Ey wie ſolteſt du dann verlangen umzukehren in den Dienſt der moͤrderiſchen Suͤn - de, und in die Sclaverey des hoͤlliſchen Pharao - nis; Oder wie haͤtte der verlohrne Sohn / nachdem er vom Vater ſo freundlich aufgenommen, und ſo herrlich bewirthet worden, immer mehr be - gehren koͤnnen, abzuwechſeln, jetzt an dem koͤſtli - chen Tiſch des Vaters eſſen, und dann wieder mitdenen79der Verfuͤhrung der Jugend. denen Schweinen aus dem Saͤu-Trog zehren? Nein! ein Erloͤſeter und in Chriſti Blut von Suͤnden Gereinigter iſt froh, daß er nun fuͤrter - hin nicht laͤnger geitzig, hoffaͤrtig, unkeuſch, geil, uͤppig, ausgelaſſen, flatterhafftig, heyls-vergeſ - ſen, unbeſtaͤndig ſeyn muß; ſondern Erlaubniß hat, aus JESU Wunden allſtets Krafft zu ho - len, und wie ſein Seligmacher geſinnet und gear - tet zu ſeyn, mithin zu wandeln, gleich wie er ge - wandelt hatte, der am Creutz gehangen iſt, um allen Hochmuth, Geitz und Luſt-Begierde zu toͤdten.

Seuffzer. Ach JEſu! nimm mein Hertz zu deiner Wohnung ein, Daß ich mag Lebenslang allein dein eigen ſeyn!

Das80Cap. 2. Die zweyte Quelle

Das 2. Capitel. Die zweyte Quelle der Verfuͤhrung der Jugend aͤuſſert ſich bey unbekehrten Eltern.

Erſter Abſchnitt. Von denen Unterlaſſungs-Suͤn - den der Eltern in Anſehung ihrer Kindern.

Jnhalt.

  • §. 1. Eltern helffen hauptſaͤchlich mit zur Verfuͤhrung ih - rer Kindern; und zwaren durch Unterlaſſungs - Suͤnden.
  • §. 2. Uberhaupt ſorgen Eltern nicht fuͤr ihre eigene Seelen.
  • §. 3. Folglich eben ſo wenig fuͤr das Seelen-Heyl ihrer Kindern.
  • §. 4. Jns - beſondere halten ſie 1) ihre Kinder nicht vom Boͤ - ſen ab.
  • §. 5. 6. 2 ) Unterweiſen ſie dieſelbe nicht in dem Guten.
  • §. 7. 3 ) Locken Eltern ihre Kinder nicht zu dem Reich Chriſti an.
  • §. 8. 9. 4 ) Bezeu - gen ſie gar, ſtatt der Freude uͤber der wuͤrcklichen Be - kehrung ihres Kindes, bittern Unwillen.
  • §. 10. Exem - pel einer Mutter und ihres Briefs von dieſer Gat - tung.
  • §. 11. Drey Haupt-Urſachen eines ſolchen Betragens.
  • §. 12. 5 ) Sie erinnern ihre Kinder nicht an ihren Tauff-Bund.
  • §. 13. Zu welch elter - licher Erinnerung gehoͤret, daß man a) die Wichtig - keit der Sache wohl bedencke.
  • §. 14. b) Den Bundmit81der Verfuͤhrung der Jugend. mit GOtt fuͤr ſich ſelbſten bedaͤchtlich eingehen.
  • §. 14. c) Die Scligkeit dieſer erlangten Bundes-Gnade auch den Kindern crzehle.
  • §. 15. d) Fuͤr die auf dieſes nicht achtende Kinder bete.
  • §. 16. e) Fuͤr die - ſelben auch gegen ihre Seelen-Feinde angelegentlich wache.
  • §. 17. Fuͤnff daraus flieſſende Urtheile fuͤr Kinder.
  • §. 18. 6 ) Laſſen es die Eltern in Anſe - hung des Chriſtenthums blos bey dem auswendig Ler - nen ihrer Kinder bewenden.
  • §. 19. Das Gedaͤcht - niß mit goͤttlichen Warheiten anzufuͤllen, iſt wohl gut;
  • §. 20. Aber nicht genug, wo die Warheit nicht ins Hertz kommt.
  • §. 21. Vermahnung an die Jugend, das Erlernte ins Hertz zu druͤcken.
  • §. 22. Dahin ſehnen und dringen auch bekehrte Eltern.
  • §. 23. Gluͤckſeligkeit eines Kinds, welches inwendig in der Krafft erfaͤhret was es Gutes auswendig gelernet hat.
  • §. 24. Rath fuͤr ein Heils-bekuͤmmertes Kind bey ſeinen ſorgloſen Eltern.
  • §. 25. Wird naͤher ange - drungen. §. 26. Seine Seelen-Gefahr vor ſolchen Eltern zur Warnung vorgeſtellet.
  • §. 27. 28.

§. 1.

VErmoͤg deſſen, was im vorhergehenden erſten Capitel weitlaͤufftig ausgefuͤhret worden, lieget freylich die Haupt-Quelle, woraus alle Verfuͤhrung junger Leuten flieſſet, im eigenen alt-Adamiſch-verdorbenen Hertzen: Anſtatt aber dieſe gifftige Quelle von allen Seiten ſorgfaͤltig ſoll - te verſtopffet werden; ſo wird derſelbigen vielmehr zum weitern Ausbruch auf allerley Weiſe und von allerley Perſohnen erſt recht Lufft gemachet.

FWohin82Cap. 2. Die zweyte Quelle

Wohin dann zu allervorderſt unbekehrte Eltern moͤgen gezehlet werden; als welche wohl auch mit die groͤſte Urſach an dem Verderben ihrer Kiudern zu ſeyn pflegen; und zwar vorderſt durch Unterlaſſungs-Suͤnden.

§. 2.

Die meiſten Eltern bekuͤmmern ſich gar nicht um die wahre Seelen-Seelig - keit ihrer Kinder, ſo wenig als um ihre eigene. Sie fuͤrchten ſich vor der Hoͤllen nicht das mindeſte, und hielten es vor einen Schimpf, uͤber den zukuͤnfftigen Zorn ſich ein grau Haar wach - ſen zu laſſen, oder nur ein Stuͤndgen dem Schlaff abzubrechen, daß ſie demſelben entrinnen moͤchten: Noch vielweniger ſiehet man ſie ihre Knie vor dem HErrn beugen, die Suͤnden-Vergebung etwa auch aͤngſtlich zu ſuchen: Jn den Himmel begehren ſie ſo ſpat, als es immer ſeyn kan, eingelaſſen zu werden; da ſie ſonſten bey guten Tagen lieber ewig auf Erden blieben, als ſolche Menſchen, die weder Begriff von denen Gnaden-Guͤtern des Himmels, noch ei - nigen Geſchmack an demſelbigen haben; bey wel - chen JEſus, der ewige Sohn GOttes der Aller - verachteſte und Unwertheſte, und in ihren Augen weder Geſtalt noch Schoͤne hat; die demnach ſich ſchaͤmen an ihne nur zu gedencken, geſchweige von demſelben zu reden. Sie gehorchen weder Chriſto, noch ſeinen Abgeſandten, daß ſie auch zum Hey - land als blinde, arme, krancke, auſſaͤtzige, gicht - bruͤchige, lahme, gefangene, todte, ja als ver -damm -83der Verfuͤhrung der Jugend. dammte, verlohrne Suͤnder kaͤmen, das gantze vollkommene Heil bey ihme zu ſuchen: Sie fuͤhlen weder ihr tieffes Elend, noch wie ſuͤß, wie ſtarck, wie allmaͤchtig, wie heilig, wie gut und welch ein mittheilendes und wohlthuendes Weſen JEſus ſeye. Es iſt ihnen darum auch die Predigt des Evangeliums, nicht nur nicht ein Paradies mit denen allerkoͤſtlichſten Heils-Fruͤchten und Blumen aus dem obern Himmels-Eden beſetzet; ſondern vielmehr eine Geheul-volle Einoͤde, ein toͤdtliches Land: Anſtatt dieſer Heil-Brunnen ihnen ein ſuͤſ - ſer Himmels-Moſt ſeyn ſollte; ſo hat Satanas ihren Gaumen dermaſſen bezaubert und verderbet, daß es ſie nicht einmal geluͤſtet, etwas davon zu ko - ſten, und ſie von denen Trauben des Goͤttlichen Weinſtocks nicht eine Beere abzurupffen (abzu - pflicken) begehren.

§. 3.

Weil nun den Eltern groͤſtentheils um nichts wenigers als um JEſum und das Heil ihrer eige - nen Seelen zu thun iſt; ſo bleiben ſie folglich auch der Seelen halben ihrer Kinder gantz unbekuͤm - mert. Dann da die natuͤrliche Liebe zu Kindern, ihnen gern ein ſolches Gut goͤnnet und verſchaffet, ſo ſie ſelber kennen, lieben und hoch ſchaͤtzen; ſie die Elteru aber von keiner andern wahren Gluͤckſelig - keit wiſſen wollen, als wie ſie viel Geld haben, in hoher Ehre und Gunſt der Welt ſchweben, in al - lem Uberfluß, Pracht und Gemaͤchlichkeit des Flei - ſches ſchwimmen, alle neben ſich uͤberſteigen, durchF 2argli -84Cap. 2. Die zweyte Quelleargliſtigen Schlangen-Witz, Gelehrſamkeit und Welt-Manierlichkeit jedermanns Hertz an ſich zie - hen moͤgen, wie Abſalom; ſiehe ſo werden ſie ihren Kindern auch nicht leichtlich etwas anders und beſ - ſers beyzubringen ſich bemuͤhen; je mehr darum auch ein Knab oder Tochter in dieſe zauberiſche Welt-Art ſchlaͤgt; je beſſer iſt das Kind, nach ih - rem Urtheil, erzogen. Da hingegen GOtt und die Heiligung bey ſolcherley Eltern in gar ſchlechtem Werth iſt, die Gleichfoͤrmigkeit mit dem Erſtge - bohrnen unter vielen Bruͤdern ihnen beydes un - moͤglich und unnoͤthig, und ein Evangeliſch Leben allzualber und denen hochvernuͤnfftigen, allenthal - ben beruͤhmten und beliebten Maximen und Regeln dieſer Welt gantz entgegen lauffend vorkommt; ſo iſt es ſo ferne, daß ſie ihre Kinder zu einem ſolch heiligen und ſrommen Leben antreiben ſollten, daß ſie vielmehr dieſelbe ſorgfaͤltig darvon abzuziehen ſich beſtreben.

§. 4.

Zum theurſten eiffern ſie nicht mit Goͤttlichem Eiffer, wann ſie ſchon ſehen, wie ihre Kinder durch das Lock-Pfeiflein des Welt-Geiſtes verleitet auf dem Weg des Verderbens der Hoͤllen zulauffen; noch vielweniger berichten ſie dieſelben mit bruͤnſti - gem Ernſt in Worten und Wercken eines beſſern; am allerwenigſten nehmen ſie Himmel und Erden uͤber ſie zu Zeugen; wie jene gottſelige Mutter gegen ihren ungerathenen Sohn ſich vernehmen lieſſe, daß ſie ihne am Juͤngſten Tag vor dem zukuͤnfftigen Richter der gantzen Welt verklagenund85der Verfuͤhrung der Jugend. und offentlich bezeugen wolle: Sie habe alles an ihne gewendet, Zuſpruch, Gebet, Thraͤnen, Wohl - thaten, Gedult, Langmuth, Warnung und Verheiſſung; da aber alles nichts gefruchtet, ſo empfahe er nun billich ſeinen verdienten Lohn, und ſie wolle das Urtheil des Richters uͤber ihn gerecht preiſen. Welche ernſthaffte Drohung GOtt auch dergeſtalt geſegnet hat, daß es ſich uͤber - all mit ihme gebeſſert. Ach aber wie ſeltſam ſind nicht dergleichen Zuſpruͤche in den heutigen Tagen worden!

§. 5.

Wann Eltern etwa ihre Kinder durch jemand anders Schanden halben in der Religion un - terweiſen laſſen / damit ſie auch einen etwelchen buchſtaͤblichen Begriff darvon bekommen; ſo mey - nen ſie ihrer vaͤterlichen oder muͤtterlichen Pflicht ſchon genug gethan zu haben: daß ſie es aber ſel - ber thun ſollten, ſo, wie der HErr durch Moſen und die Propheten ausdruͤcklich befohlen, das hal - ten ſie fuͤr allzuveraͤchtlich und pedantiſch: da doch Abraham ein Fuͤrſt und Freund GOttes, und David ein groſſer Koͤnig in Jſrael, mithin wohl ein vornehmerer Herr geweſen, als ſie, und ſich gleichwohl nicht geſchaͤmet mit denen Jhrigen vom Reich GOttes zu handeln. Wann ſie indeſſen nur gemahnet wurden, denen Evangeliſchen Leh - ren nachzuleben, die ſie in der Unterweiſung ge - ſchoͤpffet; dieſes aber geſchiehet leider auch nicht; ſie machen es im Gegentheil wie jener Koͤnig, derF 3zwey86Cap. 2. Die zweyte Quellezwey Koͤnigreiche unter ſich hatte, deren das einte Proteſtantiſcher, das andere Catholiſcher Religion ware. Als er in das Zimmer trate, wo der Cron - Printz unterwieſen wurde, und ihme ſein Prace - ptor juſt in der Religion Unterweiſung gabe; zei - get er demſelben, wie ers mit dem Unterricht ſei - nes Printzen haben wollte, beym Herausgehen mit folgenden wenigen Worten: Fac ſit ad utrumque paratus, daß er nemlich ſich in dem einten Reich als ein Catholiſcher, in dem andern aber als ein Proteſtant aufzufuͤhren wiſſe. Eben alſo ſehen es die Eltern gern, daß ihre Kinder die Kunſt faſſen mit dem einten Aug gen Himmel und mit dem andern auf die Erden zu ſehen, mithin es weder bey Chriſto noch bey dem Geiſt der Welt, (Spiritu mundi) der ſonſt auch 2 Cor. 6, Belial tituliret wird, zu verſchuͤtten.

§. 6.

Ja ſie ſehen insgemein Kirchen und Schulen nicht anderſt als Spinn-Stuben, Marter - und Fol - ter-Baͤnck an, dahin ſie ihre Kinder nur aus Furcht der Straffe, und weil es die Hochobrigkeitliche Einrichtung alſo haben will, ſchicken; anderſt daͤchten ſie ſo leichtlich nicht daran; wuͤnſchen in - zwiſchen nichts ſo ſehr, als daß ihre Kinder das herbe, ſchwere Joch der Unterweiſung bald abwerf - fen doͤrfften. Zuͤrnen uͤbrigens mit dem Pfarrer, wann er ihrer Seelen ſich ſo lange annimmet, und mit der unverfaͤlſchten Milch der himmliſchen Lehre ſie traͤncket. Wann jemand ſeinem Nachbar ſeineKuͤhe87der Verfuͤhrung der Jugend. Kuͤhe oder Schaafe ein paar Stunden auf ſafftige Weyde triebe, ſo wuͤrde dieſer es gar wohl leiden moͤgen; der armen Seelen aber ſeines Kindes will man das geiſtliche Wolleben nicht goͤnnen. Auf eine ſolch unverſchamte Weiſe verachtet man das Land der Verheiſſung, ſo von Milch und Honig fleußt, und zu deſſen Lob-Erhebung ein groſſer Koͤ - nig in Jſrael nicht Worte genug hat finden koͤn - nen. Wann nun Kinder ſothane groſſe Unluſt am Evangelio bey ihren Eltern ſehen muͤſſen; wie ſollten ſie es dann fuͤr ein koͤſtlich-fuͤrſtliches Freu - den-Panquet halten koͤnnen; und wann ſie ihre Eltern niemals oder ſelten und nur obenhin und kaltſinnig genug ſehen mit der Bibel umgehen; wie iſts moͤglich, ihnen zu glauben, was man auf ſolch fetter Weyde genieſſen, und wie man ſich aus JE - ſu Wort mit Engliſchen Suͤßigkeiten ſaͤttigen und erquicken koͤnne?

§. 7.

Geht es aber bey den meiſten Eltern in dieſen Stuͤcken ſo ſchlecht her; ſo iſt es mit dem wuͤrckli - chen Anlocken zu JEſu und ſeiner Bekeh - rung noch viel uͤbler beſtellet.

Jhme iſt JEſus die Quelle aller Seligkeiten und der richtige Weg darzu, gantz verdecket, und ſie ſelber ſind noch nicht zu ihme gekommen um zu erſt fuͤr ſich ſelbſt ewiges Leben zu haben; Joh. 5, 40. darum koͤnnen ſie auch ihren Kindern keine richtige, gruͤndliche Nachricht ertheilen, was es auch mit dem Reich, Sitten, Gewohnheiten,F 4Grund -88Cap. 2. Die zweyte QuelleGrund-Regeln, Humor und Neigung des Koͤnigs aller Koͤnigen fuͤr eine Bewandniß habe, noch viel - weniger ſie zur Glaubens-Zukehr zu ihme geluͤſtig machen. Wann JEſus Gold, Pracht, irrdiſche Vortheile, Herrſchafften, Fuͤrſtenthuͤmer, Gewalt uͤber Staͤdte und Laͤndereyen austheilete, oder die Wohlverdienteſte von ſeinen Anhaͤngern damit be - ſchenckte; O wie eifrig wuͤrden junge Leute ange - halten werden, ihme den Hof zu machen, ſeinen Humor kennen und ſich in denſelben ſchicken zu ler - nen, mithin ſich von Kindheit an nach ſeinen Grund - Regeln zu bequemen, damit man der naͤchſte und angenehmſte bey ſeiner Majeſtaͤt ſeyn moͤchte: Nun aber da ſein Reich ein geiſtliches Reich und nicht von dieſer Welt, einfolglich auch die Vortheile deſſelben geiſtlich, himmliſch und Seel-erſprießlich ſind, ſo liegt die Straſſe gen Zion ziemlich wuͤſt, und zu Stadt und Land gehen Eltern auf dem Karn-Wege der irrdiſchen Sucht in die aͤuſſerſte Finſterniß, und ihre (leider GOtt erbarme ſich) blinde Kinder hinter ihnen her. Wanns noch wohl gehet, ſo haben ſie Schatten, Buchſtaben und todte Bilder, ohne Krafft, Geiſt und Leben, im Kopf, wobey ſie ſtehen bleiben und auch die Jhren ſtehen laſſen. Jm Jrrdiſchen iſt man nicht zufrie - den nur zu wiſſen, wer der Herr im Lande ſeye; ſondern man ſchmeichelt ſich gern bey ihme ein, und zeigt mit ſeiner gantzen Auffuͤhrung, daß einem an deſſelben Gunſt etwas gelegen ſeye. Und einem Armen iſt es ebenfalls nicht genug, wann er weißt, was Pallaͤſte, Acker und Weinberge ſind; blickt ihn die geringſte Hoffnung an, dieſer Sachen hab -hafft89der Verfuͤhrung der Jugend. hafft werden zu koͤnnen, ſo ſparet er weder Fleiß noch Muͤhe. Jm geiſtlichen aber ſcheuet man ſich in die Sachen ſelbſt hinein zu dringen, und laͤßt es gerne beym leeren Wiſſen bewenden. So tra - bet dann der Sohn dem Vater und die Tochter der Mutter nach, mit todten ja toͤdtenden Buchſta - ben, Woͤrter-Huͤlſen und Krafft-loſen Bildern von Chriſto, ſeinen Staͤnden und Geheimniſſen, ins Hoͤllen-Reich, und ſiehet das Licht nimmer - merr: 1 Joh. 2, 11. Matth. 15, 14. Jeſ. 59, 10. Joh. 12, 35.

§. 8.

Uber der Hiſtorien Joſephs und Davids waͤſſert etwa denen Eltern das Maul, ſo, daß ſie wuͤnſchen, daß es ihrem Sohn auch ſo gluͤck - lich ergehen moͤchte. Oder wann eine Zeitung kaͤ - me, daß ein Juͤngling aus der Verwandt - und Bekanntſchafft von einem maͤchtigen Monarchen in Europa ungemein beguͤnſtiget und mit der hoͤch - ſten Ehren-Stelle, wie vormals Daniel und Mardachai / bekleidet, oder mit dem vornehm - ſten Ritter-Orden vom Monarchen eigenhaͤndig beſchencket, auch vor denen Augen des gantzen Koͤ - niglichen Hofs umarmet und gekuͤſſet worden; ſo wuͤrde uns dieſes, als etwas herrlich-in die Augen leuchtendes, ausnehmend-groſſes und gluͤckſeliges vorkommen, und wuͤrde da nicht nur jedermann in der Naͤhe und in der Ferne dem Vater gratu - liren; ſondern auch der Vater alles gerne hoͤren und mit innigſtem Vergnuͤgen daran gedencken,F 5wie90Cap. 2. Die zweyte Quellewie ſein Sohn in jenem groſſen Kayſerthum der Hoͤchſte am Brett, und des Monarchen Liebling ſeye ꝛc.

Wann nun eine Tochter oder ein lieber Sohn von Chriſto ergriffen und in den Lauff-Bahn nach dem nnverwelcklichen Krantz der Herrlichkeit nach der Cron des Himmels geſtellet und beruffen wird: Wann der Koͤnig Chriſtus ihn lieb gewinnet; ſei - ner vertrauten Freundſchafft wuͤrdiget; in das ge - heime Cabinet ſeiner allergnaͤdigſten glorwuͤrdigſten Gemeinſchafft hinein noͤthiget; aus unbegreifflicher Liebe mit ſeinem Koͤniglichen Blut als mit einem Goͤttlichen Lebens-Balſam beſtreichet; mit ſeinem Leben beſeelet; mit ſeinen eigenen hohen Verdien - ſten beſchencket; mit ſeiner Seeligkeit beſeeliget; mit ſeiner Weisheit weiſe, mit ſeiner Gerechtig - keit gerecht: mit ſeiner Schoͤnheit ſchoͤne, und mit ſeiner Heiligkeit heilig machet: Wann GOtt der Vater innerlich zum Mitleiden beweget wird, ihne umhalſet und kuͤſſet; in das allerkoſtbarſte Kleid und praͤchtigſten: Purpur-Rock ſeines Cron-Erben, in die Gerechtigkeit ſeines eingebohrnen Sohnes einkleidet; den Finger-Ring an ſeine Hand ſtecket; mit dem Geiſt der Kindſchafft, mit dem neuen Na - men, und weiſſen Stein beſchencket; und ihme die fertigen kommlichen Schuhe eines neuen heiligen un - ſtraͤfflichen nach der ſtillen Ewigkeit immer fortruͤ - ckenden Wandels anziehet: Wann der alte Menſch das geile Kalb gekreutziget, getoͤdtet und aufgeti - ſchet wird, dem neuen Menſchen eine viel niedli - chere Tracht als kein Fuͤrſtliches Hochzeit-Mahl iſt: Wann wegen eines ſo heiligen Sohns oderToch -91der Verfuͤhrung der Jugend. Tochter eine groſſe Freude im Himmel iſt unter de - nen Engeln als himmliſchen Hof-Bedienten, die das Singen fein huͤpſch verſtehen und ihr Muſic - Spiel Chor-weiſe klingen laſſen, ſo daß alle Him - mel von Jubel-Geſaͤngen und Triumph-Liedern er - thoͤnen uͤber junge Hertzen, welche als das Eigen - thum JEſu der Suͤnde und Welt abſterben und nur Chriſto zu Ehren leben wollen. Siehe, ſo ſollten auch fuͤrnemlich hier Vater und Mutter vor Freuden nicht wiſſen ob ſie noch auf Erden oder ſchon im Himmel ſeyen: Hier ſollten ſie in eine Ohnmacht ſincken wie Jacob vor Freuden, daß Joſeph noch lebe; wo nicht gar vor Freuden ſter - ben, wie jener Vater / da ſeine drey Soͤhne ihre in denen Olympiſchen Ritter-Spielen erhaltene Kraͤntze auf ihn zugeworffen, mit kind-hertzlicher Danckſagung vor ſeine gute Erziehung: Durch dieſe ihrem Kind erwieſene Liebe GOttes und Chri - ſti ſollten ſie in eine ſolch ſuͤſſe Himmels-Wonne und Gegen-Liebe gegen den ſo hohen Wohlthaͤter gezogen und eingeſchmoltzen werden, daß ſie vor Erkaͤnntlichkeit gleichſam zerflieſſen und bald von nichts anders ſingen und ſagen moͤchten, als nur von der hohen Gnaden und dem unermaͤßlichen Gluͤck, womit der Koͤnig der Herrlichkeit ihr Haus heimgeſuchet habe: Da ſollte es immerdar heiſſen: Unſer Sohn iſt ein himmliſcher Koͤnig, unſere Tochter eine himmliſche Prinzeßin worden, uͤber alle Creaturen in Ewigkeit mit Chriſto zu herr - ſchen, und von denen Thron-Fuͤrſten der obern Licht-Welt Aufwart zu nehmen. Es iſt nahe kommen das Ende aller Dingen, da alle Goͤtzen der 92Cap. 2. Die zweyte Quelleder Welt im Rauch aufgehen werden: Alsdann wird mein Sohn, meine Tochter, mit allen Buͤr - gern und Buͤrgerinnen des Neuen Jeruſalems in unſaͤglichem Pracht und unvergaͤnglicher Herr - lichkeit erſcheinen zum Schrecken deren, die ſie jetzt verſpotten. O gluͤckſelige Kinder, denen eine ſolch groſſe Ehre von GOtt beſcheret iſt! O wie wollen wir Danck - und Lob-Pſalmen nach einan - der abſingen zu Ehren dem Majeſtaͤtiſchen GOtt, deſſen Liebes-Wunder auch die Himmel nicht faſ - ſen koͤnnen.

§. 9.

So fern iſt es aber, daß die Eltern uͤber die - ſer himmliſchen Beruffung und Begnadigung ih - res Kindes ſollten Freude haben, daß ſie vielmehr einen grauſamen Lermen anſtellen und weiß nicht was fuͤr eine Klage fuͤhren, daß der Sohn oder die Tochter eine ſolch wunderliche Weiſe an ſich nehme, indem er Chriſto nachfolgen, ſeinen gan - tzen Sinn anziehen und alſo machen wolle, daß er in ſeiner Nahrung nicht mehr fortkommen koͤnne. Diß iſt, heiſſet es bey ſolcherley Eltern, ein ſolch laͤppiſches und ungereimtes Beginnen, daruͤber alle Weiſen dieſer Welt den Kopf ſchuͤtteln. Solche Sachen kan man nicht gelten laſſen; es ſind gantz andere Zeiten; der Apoſtel Paulus und viele Millionen im Roͤmiſchen Reich haben eben auch dergleichen Haͤndel, wie jetzt mein Sohn, angefangen; ſind aber von jederman fuͤr Narren ge - halten worden und haben fein gar allen Credit ver -lohren;93der Verfuͤhrung der Jugend. lohren; ja nachdem ſie in die unvernuͤnfftige Thor - heit verfallen, unſichtbaren Reichthum, Freude, Wolluſt, Ehre und Herrlichkeit, und zwar an einem Ort, wo es keinem verſtaͤndigen Menſchen in den Sinn kaͤme, nemlich im Creutz Chriſti zu ſuchen; ſo ſind ſie bey jederman in aͤuſſerſte Ver - achtung geſetzet und nicht beſſer als einer, der am Galgen hanget, Gal. 6, 14. geachtet worden. Es haben zwar Welt-kluge, groſſe und maͤchtige Herren ſie beydes mit Drohungen und Verheiſ - ſungen ins Geleiſe zu bringen geſuchet; aber alles umſonſt, und waren es dermaſſen eigenſinnige Koͤpffe, daß kein Verluſt, Schaden, Armuth, Schmach, Schmertzen, Marter, Folter-Banck und grauſamſte Todes-Arten ihren harten Sinn zu aͤndern und auf beſſere Welt-foͤrmigere Gedan - cken zu ziehen vermoͤgend ware. Nun will ſich der elende Sohn einen ſolchen Weg auch belieben laſſen, wobey doch kein Stand noch Amt noch Profeßion in der Welt beſtehen kan, und alle gute Einrichtungen und feine Ordnungen zu truͤm - mern gehen muͤßten, wann ſich ein jeder in dieſe Taͤndeleyen und Fantaſtereyen einlaſſen wollte. Ja man kan dergleichen Leuten weder recht thun noch recht reden; ſie ſind ausgemachte Tadelgern, und duͤrffen Sachen unterfangen, davor alte und weiſe Maͤnner ſich wohl ſchaͤmen wuͤrden; ſie ſind ſo einbildiſch und vermeſſen, daß ſie ſich ſolch ho - her Dingen ruͤhmen duͤrffen, welche der gelehrte - ſte Praͤlat ſich nicht erkuͤhnete, von ſich auszuſa - gen, ſie ſeyen nemlich aus GOtt gebohren, und GOtt habe ihnen als rechten Kindern einen hel - len 94Cap. 2. Die zweyte Quellelen Schein in ihre Hertzen gegeben, und ſie einer himmliſchen Einleuchtung des Heil. Geiſtes ge - wuͤrdiget. Nur eines, ſetzet etwa der Vater Spott-weiſe hinzu, beſorge ich, mein Sohn ge - be zuletzt einen Propheten, oder wohl gar einen Apoſtel ab; er hat bereits ziemliche Anfaͤnge dar - zu, dann er will alles geradzu nach der H. Schrifft haben. ꝛc.

§. 10.

Man machet es demnach von Seiten vieler Eltern, wie jene vornehme Mutter / welche an ei - ne ihrer vertrauten Freundinnen folgenden Klag - Brief ſolle zugefertiget haben:

Allerliebſte Hertzens-Schweſter!

Es iſt wohl eine gruͤndliche Warheit, daß kleine Kin - der kleine Sorgen, und hingegen groſſe Kinder auch groſ - ſe Sorgen machen. Dieſes erfahre ich nun zu meinem hoͤchſten Betruͤbniß an meiner Tochter, welche bereits das 18te Jahr zuruͤck geleget hat. Als ſie noch ein kleines Maͤdgen ware, lernete ſie allerley luſtige Maͤhrlein, und zeigete groſſen Verſtand in der Durchziehung des Geſin - des, machte mir auch die Zeit auf tauſenderley Weiſe kurtz: Wie ſie ſich dann auch nach der Zeit in denen Ge - ſellſchafften mit Tantzen, Spielen und andern wohlanſtaͤn - digen Sitten ſo trefflich angelaſſen, daß ich mir die gewuͤnſch - te Hoffnung machen kunte, ſie werde durch ihre geſchickte Auffuͤhrung eine Ehre meines Geſchlechtes werden. Seit dem ſie aber, ich weiß nicht durch was fuͤr ein widriges Schickſal, hinter Joh. Arndts wahres Chriſtenthum und D. Speners Schrifften gerathen iſt; hat ſie ſich gantz umgekehret, ſo, daß ich ſie anjetzo fuͤr nichts anders als fuͤr ein ungerathenes und ſolches Kind halten kan, das mich, ſeine getreue Mutter, bis in den Tod betruͤbet. Wann95der Verfuͤhrung der Jugend. Wann die Viſite (der Geſellſchaffts-Beſuch) nach hieſigem Gebrauch in meinem Haufe ſeyn ſolle; ſo gewahret man ſchon den Tag vorher an ihr nichts als Aechzen und Seuf - zen: Kommt dann die Geſellſchafft wuͤrcklich bey mir zu - ſammen; ſo huͤtet ſie ſich wohl einigen Zeit-Vertreib mit - zumachen; ſuchet vielmehr Gelegenheit, wie ſie dieſe und jene Perſon unter den Gaͤſten etwan an ein Fenſter oder ſonſt an ein Ort beſonders nehmen, und von der Buſſe, Wiedergeburt, Rechtfertigung, Heiligung, Glauben und dergleichen ernſthafften Dingen mit ihnen reden moͤge. Jn einem gantzen Jahr habe ich ſie nicht ein eintzig mahl lachen geſehen, und wann ſich andere ihres gleichen mit allerhand Schertzen ergoͤtzen: ſo bezeuget ſie ſich eben als ob ſie von Holtz und Steinen zuſammen geſetzet waͤre: Sie verſchlieſſet ſich des Tages etliche mahl in ihr Zimmer, und kommt insgemein mit naſſen Augen wieder heraus: Erinnere ich ſie etwa an ihren Freyherrlichen Stand, mit der Vorſtellung, daß ſich dieſe ihre Auffuͤhrung fuͤr ein Adeliches Frauenzimmer nur gar nicht ſchicke; ſo giebet ſie mit unerſchrockenem Muth zur Antwort, wie ſie von keinem andern als dem Adel der Kinder GOttes wiſſe / gegen welchen ihr alle andere Adeliche Her - kunfft als ein Schatten an der Wand zu ſeyn ſchei - ne / und auch aller Streit wegen dem Rang und Oberſtelle; eben ſo kindiſch vorkomme / als wann die Knaben auf den Stecken reiten und die Maͤd - gen mit Puppen ſpielen / und dieſelben bald an - bald wieder ausziehen. Wann ich ihr etwa auch le beau monde, oder die manierliche Mode-Welt vorſtellen will, um ſie von ihren melancholiſchen Gedancken abzu - bringen, ſo wendet ſie alſobald ein: Sie habe noch nie in der Bibel geleſen daß die Welt ſchoͤn ſeye / wohl aber / daß ſie im Argen liege; woferne nun die Franzoſen und die ihnen nachaͤfferen / einen beſon - dern Himmel fuͤr ihren beau Monde haͤtten; ſo ver - lange ſie nicht hinein, nachdem ſie denjenigen Him - mel erwehlet habe / zu welchem man durch die en - ge Pforte und nicht durch hohe Thuͤrm eingehe ꝛc. Solche Worte muß ich von meiner ungerathenen Tochter taͤglich hoͤren; daher ich alle Gelegenheit ausweiche, mich mit ihr, weiters einzulaſſen. Ohnlaͤngſt ſchenckte ich ihr einen 96Cap. 2. Die zweyte Quelleeinen ſauber eingebundenen Roman / in Hoffnung, daß ſie ſich daraus erbauen und lernen werde, wie ſie in der Welt leben ſolle: So bald ſie aber nur den Titul er - blickte, gab ſie mir dieſes ſchoͤne Buch wieder, mit Bitte, daß ich es doch je eher je lieber verbrennen und alſo ver - huͤten moͤchte, daß niemand mehr dadurch geaͤrgert wer - de. Mit denen Bettlern kan ſie offt gantze Stunden re - den, und wird durch den Umgang mit dieſen und andern gemeinen Leuten nicht nur immer unartiger, ſondern ma - chet mir auch noch die Sorge, daß ſie zu meines vorneh - men Geſchlechts ewiger Schande ihren Stand endlich voͤl - lig verlaͤugnen werde. Waͤre ich dann, wofern dieſes Ungluͤck geſchehen ſollte, nicht weit gluͤckſeliger geweſen, wann meine ungehorſame Tochter als ein Wickel-Kind in der Wiegen geſtorben waͤre? Was ich noch am allermei - ſten beſorge, iſt dieſes: Daß ſie meine uͤbrigen Kinder auch nach und nach anſtecken und verfuͤhren moͤchte. Ver - giebe mir, allerliebſte Schweſter, daß ich ſo weitlaͤufftig bin, dir meine Noth und unertraͤgliches Haus-Creutz zu klagen, nicht zweiffelnde, du werdeſt ein hertzliches Mitlei - den mit mir in meinen betruͤbten Umſtaͤnden haben, und uͤbrigens glauben, daß ich aufrichtig verharre.

Deine ergebenſte Dienerin.

§. 11.

Alſo hoͤhniſch und veraͤchtlich urtheilet und redet man von dem ſeligſten Gnaden-Werck GOt - tes in der theuren Seelen eines Kinds. Es iſt al - ſo noch immer das alte Trauer-Spiel: JESUS wurde verachtet, verjaget, vor einen Verfuͤhrer, ja von ſeinen naͤchſten Verwandten fuͤr unſinnig gehalten Marc. 3, 21. Anjetzo iſt er auch im Himmel vor ſeinen Chriſten nicht ſicher; Er ſitzetihnen97der Verfuͤhrung der Jugend. ihnen zwar zu hoch, daß ſie ihn leiblich nicht an - taſten koͤnnen; aber, welches tauſendmal ſchlim - mer und dem Heiland deſto tieffer zu Hertzen ge - het, ſo geſchiehet es geiſtlich: Chriſten und Ju - den, wann ſie ſchon in der aͤuſſern Bekaͤnntniß wi - der einander ſind; ſo ſtehen ſie doch dißfalls in gleichem Geiſt und Sinn vor GOTT. O wie ſchwer iſts aber, Vater und Mutter zu ſeyn ohne den Heil. Geiſt! Ach, wann vor Zeiten Jſrael dem Moloch Ein Kind verbrannt; ſo werden jetzt we - nigſtens 10. gegen einem dem Fuͤrſten der Finſter - niß aufgeopffert, und werden dergleichen Eltern der ewigen Verdammniß, die ſie wegen ihrer Kinder - Verfuͤhrung vor GOttes ſtrengen Urtheil verwir - cken, kaum entgehen moͤgen. Fragt man nun nach denen Urſachen / warum doch der mehrere Theil der Eltern ſich um die Seligkeit in Chriſto ſo wenig bekuͤmmern, mithin auch ihre Kinder ſo ſchlechtlich dahinein noͤthigen? ſo moͤgen deſſen drey Haupt-Urſachen gegeben werden: Und zwaren

A) Der Unglaube / der auch den Jſrael ver - derbte und von dem wahren Canaan ausſchloſſe. Man verlaͤugnet mit der That alle Glaubens-Leh - ren, die man mit vollem Halſe bekennet, wie von Stuͤck zu Stuͤck koͤnte gezeiget werden. Man will ſeine Hertzens-Verderbniß und Gnad-Beduͤrfftig - keit nicht fuͤhlen, noch vielweniger die angeprieſene Vortheile und Seligkeiten des Himmels kennen: Man bleibet darum in der Traͤgheit ſeines Flei - ſches ohne Glauben liegen, und will weder das Ab - ſterben, Verlaͤugnen, Ringen und Kaͤmpffen rechtGangreif -98Cap. 2. Die zweyte Quelle. angreiffen, noch in der ſtillen Eingekehrtheit mit GOTT umgehen: Ja man ſpielt lieber einen hal - ben Tag, eine gantze Nacht, als daß man nur ei - ne halbe Stund an GOtt und JEſum gedencken ſollte; man traͤgt ſo gar lieber Holtz und Steine und verrichtet die allerſauerſte Arbeit gantz willig, wann man nur nicht JEſum ſuchen muß, bis man ihn findet und zu ſeinem Beherrſcher bekommen hat: Man gibt demnach dem allgemeinen Vorur - theil vollen Platz: Es ſeye zu fruͤhe; man koͤnne keinen Vorhimmel auf Erden haben; in und mit GOtt ſelig zu ſeyn, ſeye nicht Menſchen-moͤglich; GOtt wolle uns auch nicht darzu verhelffen durch das Creutz; er habe es in jene Welt aufgeſpahret, nachdem ein jeder durch den zeitlichen Tod hinter dem blauen Umhang des aͤuſſern Himmels in ein gar zierliches Freuden-Ort werde hinein gebracht ſeyn.

B) Der unreine Welt-Sinn. Sie beſor - gen, wo ſie ſich in die Haͤndel des Himmelreichs hinein wagten, ihre gefaßte irrdiſche Projecte und Vorſchlaͤge moͤchten ihnen gaͤntzlich verruͤcket wer - den: Haben ſie ein ſchlechtes Gluͤck auf Erden zu hof - fen; ſo ſchnappen ſie begierig genug nach demſelben, und dencken dabey freventlich, das Gluͤck Jeruſa - lems warte ihnen wohl aus, und werde ihnen nicht entgehen: Daher kommen ſie der Pforten des Koͤ - niglichen Hauſes nicht gern zu nahe, aus Furcht, der Heiland moͤchte ſie ergreiffen, in ſeinen goͤttli - chen Liebes-Sinn hinein ziehen, und zu einem Haus - genoſſen GOttes und Mitburger der Heiligen ma - chen; da ihnen unterdeſſen, weil ſie mit der Ewig -keit99der Verfuͤhrung der Jugend. keit zu ſchaffen haͤtten, wohl etwa ein Zuber voll Traͤbern abgehen moͤchte. Man ſiehet alſo mehr auf die Goͤtter Labans / als auf den Schre - cken Jſraels: Man haͤlt ſich nicht feſt an GOtt, als ſaͤhe man den Unſichtbaren: darum fuͤrchtet man des Koͤnigs Grimm und betet das Thier an, mit allen die auf der Erden hauſen, den Genuß aber der himmliſchen Guͤter andern, die beſſer der Weil haben, uͤberlaſſen: Die groſſe Menge der - gleichen geſinnten iſt in ihren Ohren, wie die Stim - me ſtarcker Donner, ſo ſie ſchrecket, daß ſie nicht anderſt handeln duͤrffen, und wie das Rauſchen groſſer Waſſern, ſo die Geſchlechter der Erden, auch die Patricios hinreiſſet und wegſchwemmet ins Verderben. Daher kommt es dann, daß der Welt Gefallen oder Mißfallen, das qu’en di - ra-t-on (was werden die Leute darzu ſagen) denen Kindern ernſthaffter, als das Wohlgefallen GOt - tes, Chriſti und ſeiner Heil. Engeln, eingeſchaͤrf - fet, auch der Abgang an Ehre, Befoͤrderung weltlicher Hoheit, Einkommen, Gewinn ꝛc. weit hoͤher angezogen wird, als der Mangel an himm - liſcher Weisheit, am Frieden GOttes, an der Heiligung, am Sieg und ewigen Leben. O wie geringfuͤgig kommen doch dieſe unermeßliche Vor - rechte und Herrlichkeit denen dickhaͤutigen Welt - Hertzen vor, da doch dieſe unvergaͤngliche Schaͤtze des Heils alle irrdiſche Vortheile unendlich uͤber - ſteigen!

C) Zu dieſen zweyen Haupt-Urſachen, dem Un - glauben und Welt-Sinn ſchlagt noch die dritte, das befleckte Gewiſſen. Dann der MenſchG 2iſt100Cap. 2. Die zweyte Quelleiſt abſcheulich ungehorſam, und macht ſich taͤglich zum Glauben und deſſen Fruͤchten, zu allen guten Wercken, untuͤchtiger; Tit. 1, 15. 16. 1 Tim. 1, 19. Man unterziehet ſich keinem Gebot Chriſti und ſein Joch will man nicht auf ſich nehmen: Man hat lieb die Welt, darum hat des Vaters Liebe im Hertzen keinen Platz; 1 Joh. 2, 15. und wie es gehet, daß den die Welt verwirfft, der nach dem, das GOttes iſt, trachtet; alſo iſt hin - wiederum der GOttes Feind, wer der Welt Freund ſeyn will; Jac. 4, 4. Wer alſo was un - reines nur anruͤhret und der Suͤnde Babylons ſich theilhafftig machet, der darff ſeine Augen nicht vor GOtt aufheben, Chriſto nicht ins Geſicht ſe - hen noch den Mund aufthun vor dem Thron der Gnaden: So lang er folglich ſeinen eiteln Sinn von der zuͤchtigenden Gnade nicht aͤndern laͤßt und von gantzem Hertzen zu GOtt umkehret; ſo lang ſchilt und ſtraffet ihn das unruhige Gewiſſen und ſtoſſet ſeinen Geiſt von allen Seligkeiten des Hei - lands weg: Da heiſſet es: Was gehet dich JE - ſus an? Was haſt du mit ihm und er mit dir zu ſchaffen, da du ſo falſch an ihm biſt, und das Reich der Welt mit ſeiner Herrlichkeit, ſo Satan anbietet, hoͤher achteſt als das Reich Chriſti und deſſen Seligkeit, welche der Vater in den Him - meln antraͤgt allen die redlich auf Chriſti Seiten tretten? Wann dieſem allem zufolg Welt-geſinn - te Eltern von dieſer Seligkeit fuͤr ihre Perſon ſelb - ſten nichts genieſſen; wie ſollten ſie dann ſelbige ihren Kindern wohl andringen koͤnnen?

Behalt101der Verfuͤhrung der Jugend.
  • Behalt dann nichts vom alten Sinn;
  • Sonſt hat der Satan den Gewinn:
  • Die Zeit entwiſcht als wie ein Aal;
  • Drauf kommt man in die Hoͤllen-Quaal:
  • Der Sohn dem Vater folget nach,
  • Sie ſchreyen beyde Weh und Ach,
  • Die Seligkeit ſchmeckt keiner nicht;
  • Es faßt ſie GOttes ſtreng Gericht:
  • Dann ach die Welt hat ſie bethoͤrt;
  • Daß ſie nicht JEſu Stimm gehoͤrt.
  • Die Heiligung galt wenig hier;
  • Drum gieng dort zu die Himmels-Thuͤr.
  • Wie rar iſt wahre Kinder-Lieb,
  • Weil manchem fehlt des Geiſtes Trieb!
  • Man ſuchet nicht die Seligkeit,
  • Die GOtt hie ſchenckt ſchon in der Zeit;
  • Das falſche Reich der Eitelkeit
  • Zieht vor der frohen Ewigkeit:
  • Wie uͤbel iſt das Kind verſorgt,
  • Das an dem Suͤnden-Strick erworgt!
  • Haͤtt der Vater um GOtt gekaͤmpfft,
  • So haͤtt’s das Hoͤllen-Heer gedaͤmpfft,
  • Stuͤnd ewig in der Himmels-Cron
  • Mit ſeinem Vater vor dem Thron.

§. 12.

Man ſchaͤrffet denen Kindern / wann ſie zum Verſtand kommen / nicht ein / daß ſie einen ewigen Bund mit GOtt in der Tauffe gemachet / und demſelben nun ſorgfaͤltig nachkommen muͤßten; manG 3wei -102Cap. 2. Die zweyte Quelleweiſet ſie nicht an zur Gemeinſchafft mit GOTT / zur Toͤdtung der Eigenliebe / zum eiffrigen Gebet. Der Abfall von GOtt iſt allgemein; die Treuloſigkeiten des alten Jſraels kommen haͤuffig zum Vorſchein und werden vom Welt-Geiſt noch auf alle Weiſe legitimiret: Der 59. 78. und 106. Pſalm, das 59. Capitel Jeſaiaͤ ſind Abbildungen und Weiſſagungen auf unſere Kirchen-Zeiten: Kaum laͤßt es ſich vom Himmels - Weg noch etwas ſchwaͤtzen; und jemanden daͤr - auf weiſen, haͤlt man fuͤr die groͤbſte Unhoͤflichkeit.

Sie ſchelten wohl fuͤr Ketzerey,
Daß man ſie will bereden,
Ein Chriſt muͤß heilig leben:
Daß JEſus und ſein Geiſt die Suͤnd
Durch Glauben in uns uͤberwind;
Jſt ihnen gar nicht eben.

Der ſchlechteſte Guͤlt-Brief erwecket weit mehr Aufſehen und Attention, als der Bundes - Brief des Allmaͤchtigen GOttes. Die Eltern ha - ben groͤſtentheils ſelbſten niemals einen lebendigen heiligen Bund mit dem lebendigen heiligen GOtt beſchloſſen; darum haben ſie auch die Wiſſenſchafft und geiſtliche Erfahrung nicht, ihren Kindern Handleitung zu geben, wie auch ſie einen ſo herr - lichen und vortheilhafftigen Bund mit dem ewigen GOtt eingehen und ſchlieſſen moͤgen: Was man nicht als ſein Handwerck uͤbt und treibet; davon weißt man auch andern keinen Unterricht zu ge - ben.

§. 13.103der Verfuͤhrung der Jugend.

§. 13.

Solle aber nun dieſes geſchehen; ſo muͤſſen Eltern a) dieſes hoͤchſtwichtige Geſchaͤfft wohl be - dencken und reifflich uͤberlegen, was der Bund mit GOtt in Zeit und Ewigkeit ihnen fuͤr Nutzen brin - ge; anbey die Koͤſten ſorgfaͤltig uͤberſchlagen und erwegen, was man wohl dabey in Anſehung der Welt, der Suͤnde und des Fleiſches einzubuͤſſen haͤtte: Welchenfalls dann die Gnade vom Bun - des-Blut dieſe Eitelkeiten (ohne welche die bezau - berte Welt nicht leben zu koͤnnen meynet) zum Eckel und Greuel machet, ſo, daß es ihm zuletzt faſt eine angenehme Kurtzweil wird, den alten Men - ſchen mit ſeinen Luͤſten zu creutzigen, ſo wie die Ju - den eine Freude hatten, JEſum am Creutz ſterben zu ſehen. Eine ſolch tieffe Veraͤnderung ſchaffet die Bundes-Gnade, wo ſie willkommen iſt; wie ſie es dann auch in der That bey witzigen und ſol - chen Leuten iſt, die da einer jeden Sache den rech - ten Preiß zu geben wiſſen, und als Gnad-Beduͤrff - tige und Begierige, ſich in der Zeit um das Ei - nig-Nothwendige bekuͤmmern, wornach unzehlich Millionen Thoren in ihrer unausbleiblichen Noth vergeblich gilfen und ſchreyen werden. Einmahl vorſichtige Leute von kluger Uberlegung plumpen nicht ſo tummer Weiſe in die Ewigkeit hinein, die Hoͤlle fuͤr den Himmel zu erwehlen; ſondern ſu - chen etwas, das beſſer iſt als die gantze Welt, und moͤchten gern etwas nach des Leibes Tod noch in der Seele uͤbrig bleibendes und ewig daurendes in ſich haben; Hebr. 10, 34. Auf dieſe Weiſe hatG 4es104Cap. 2. Die zweyte Quellees Paulus gegen einander abgewogen; 2 Cor. 4, 17. Roͤm. 8, 18. So machten es alle Heil. Maͤrtyrer, welche in Sachen der andern Welt gar guten Verſtand hatten. So gienge auch je - ner Jtaliaͤniſche Marggraf Caracciolus(*)Von ihm ſiehe ein mehrers in Reitzens Hiſt. der Wiedergebohrnen. II. Theil. zu Werck. Ein redlicher Vater wird nun ſothane himmliſche Einleuchtung vor ſeinem eignen Fleiſch und Blut nicht verheelen; ſondern ihnen offenhertzig ent - decken und etwa ſagen: Meine Hertzens-Kinder! Jch habe bey der Heil. Tauffe einen Bund mit GOtt aufgerichtet in eurein Nahmen, und euch dem Dreyeinigen Bundes-GOtt anvertrauet. Da ihr nun deſſen berichtet ſeyd; ſo iſt die Frage, ob ihr damit zufrieden, und ob ihr nicht vom Tode der Suͤnden und des Teuffels fuͤr das Fleiſch Nahrung ziehen, ſondern vom Leben GOttes leben, mithin euere Seele wohl bera - then wollet aufs Zukuͤnfftige? Jhr habt nun die Wahl und Bedenck-Zeit bis auf Morgen; Hoͤrt ihrs aber und verſtehet mich wohl: Stel - let ihr euch der Welt gleich; ſo habt ihr zwar etwa einen kleinen Augenblick Nutzen und Freu - de davon; hernach aber iſts aus und nichts wei - ters zu hoffen: Jhr habt euren Lohn dahin: Werffet ihr euch hingegen in die Schoos des ſo wohlthuenden, erbarmenden und liebſeligen GOt - tes und Chriſti; ſo findet ihr euerer Seligkeit kein Ende, und hat dann euer Reichthum, euere Herrlichkeit, Ehre und Freude weder Maß noch Ziel. Mein Kind! Jch ſaͤhe gern, daß es dirrecht105der Verfuͤhrung der Jugend. recht wohl gienge; thue dann eine Wahl, deren dich ewig nicht gereuen moͤge: Jch rathe dir treulich, bete, arbeite, wircke ſtets was nuͤtzli - ches, verderbe die edle unwiederbringliche Zeit nicht, fliehe der Welt Thorheiten und Eitelkeiten als einen Greuel, und als eine Peſtilentz der Seelen und deines geiſtlichen Gnaden-Lebens aus GOTT; ſorge lediglich fuͤr nichts, als wie du Chriſto gefallen und bleiben moͤgeſt in ſeiner Gunſt: Dein Bundes-GOtt wird fuͤr dich ſor - gen; lege darum all dein irrdiſches Gluͤck in ſei - ne Hand, er kan, will und wird es am beſten machen, ſo, wie du es am Ende ja in der Ewig - keit noch erkennen wirſt: Traue ihm doch, als dem, der dich wohl mehr liebet, als ich und dei - ne Mutter; Er vermag es auch, als der, der al - len Gewalt hat im Himmel und auf Erden.

O wie gienge es ſo gut, wann alle Eltern ſo - thanen Sinn haͤtten, und ihren geliebten Kindern auch beyzubringen ſucheten; wie die Patriar - chen gethan, als welche wohl keine unweiſe ſchlech - te Leute, ſondern ſchoͤne Lichter der Welt geweſen, die mit ihren guͤtigen Einfluͤſſen denen Menſchen mehr Gutes bewieſen haben, als Kayſer und Koͤ - nige! So koͤnte es dann auch geſchehen, daß El - tern ſchon hier auf Erden ſamt ihren Kindern mit Abraham, Jſaac und Jacob im Gnaden-Himmel - reich GOttes zu Tiſche ſitzen wuͤrden: Wogegen einen ja alle Ehre und Luſt dieſer Welt anſtincken ſollte. O ihr Werth-geehrte Eltern! laßt euch doch euren Bund mit GOtt zum Voraus beſtaͤndig an - gelegen ſeyn; ſo wird dann GOtt auch euch alsG 5ſeine106Cap. 2. Die zweyte Quelleſeine getreuen Freunde, gnaͤdiglich und mildſelig er - hoͤren, wann ihr ihme auch euere Hertzens-Kinder anbefehlet.

§. 14.

b) Wann nun ein vorſichtiger Haus-Vater die Wichtigkeit der Sache, ein Verbuͤndeter GOttes zu ſeyn / uͤberdacht, ſo wird er eini - ge Stunden und Tage zu dieſem Geſchaͤfft, das ſeines gleichen nicht hat, ausſetzen und ſo lang im Nahen zu GOTT in Chriſto dem holdeſten Jm - manuel fortfahren, bis er ihn innigſt nahe und ge - genwaͤrtig fuͤhlet; da er dann mit ihme uͤber der Sache ſeines Heyls ſich vertraut verabreden, Hand in Hand ſchlagen und den Bund ſchlieſſen kan, daß ſie fuͤrohin wider die allgemeine Feinde, den Drachen, das Thier, Suͤnde, Fleiſch und Welt fuͤr einen Mann ſtehen wollen. Worauf die Handſchrifften zu beyden Theilen ausgelie - fert werden; vermoͤg deren der Menſch ſich ſei - nem GOtt und Erloͤſer, dem Heiligen in Jſrael, mit Leib und Seel, mit Gut und Blut, mit Verſtand und Willen, mit Sinnen und Gedan - cken, mit Weib und Kindern, Haus und Hof, Stand und Amt, zu ſeiner eigenthuͤmlichen Beſi - tzung und Domaine mit ihme nach ſeinem aller - heiligſten und allerſeligſten Wohlgefallen zu ſchal - ten und zu walten, vorſchreibet; da hingegen GOtt auch ſeine Handſchrifft heraus gibt, und zwar in mancherley Sprachen gedruckt, mit des Lammes Blut beſiegelt, mit ſeinem Tod am Creutzbeſtaͤti -107der Verfuͤhrung der Jugend. beſtaͤtiget, und von dem groſſen Cantzler und Sie - gel-Bewahrer, dem Heil. Geiſt, im Hertzen be - kraͤfftiget mit Ja und Amen, daß Jchovah ſein GOtt, Vater, Erloͤſer, Heiligmacher ſeyn und bleiben wolle, ſo, daß er ſich ſeiner in allen Ange - legenheiten zum Heyl bedienen koͤnne, als einer, der Recht und Macht zu demſelbigen habe. Jſt nun dieſer vortheilhaffte Bund des Suͤnders mit GOtt zu beyden Theilen geſchloſſen und richtig ge - machet, ſo hat alsdann der Vater oder die Mut - ter alle Freymuͤthigkeit und Freyheit die Kinder bey dem HErrn aller Herren darzuſtellen, und nun ſei - nen eigenen Bundes-GOtt, den GOtt Jſraels, an das andere Gebot und die ebenrecht-herrliche Clauſul zu erinnern, daß er wolle Barmhertzigkeit und Gutthaͤtigkeit uͤben an viel Tauſenden, die ih - ne lieben und ſeine Gebote bewahren; als worzu nunmehr die Eltern aus dem gemachten Bund ge - nug Krafft hernehmen.

§. 15.

c) Dieſe unbeſchreiblich-hohe Gluͤck - ſeligkeit ſolle dann der Vater des Hauſes ſeinen Kindern nicht verſchweigen; ſo wenig als ers verhalten wuͤrde, wann er vom Kay - ſer einen Verſicherungs-Brief empfienge, daß er eine Grafſchafft oder Hertzogthum zum eigenthuͤm - lichen Gnaden-Geſchenck in Beſitz nehmen ſolte, als woruͤber ja ein groſſes Aufſehen und taͤgliches Freuden-Feſt, auch unverweilte Zuruͤſtung und Einrichtung des Haus-Weſens bis auf den Tagdes108Cap. 2. Die zweyte Quelledes Aufzugs entſtehen wurde. So gewiß nun der Satan zu unſerm Haupt und Heyland lugen - hafftig geſprochen: Dis alles will ich dir geben, ſo du niederfaͤlleſt und mich anbeteſt: So gewiß weiſet uns der HERR JEſus die Koͤnigreiche der Himmeln mit aller ihrer Herrlichkeit, und ſa - get in unbetruͤglicher unwanckelbarer Wahrheit zu ſeinem neuen Bunds-Genoſſen: Dis alles will ich dir geben, ſo du dich vor einen armen, ver - lornen, nichts-werthigen, untuͤchtigen Suͤnder erkenneſt; mir allein alle Ehr deiner Seligkeit zuſchreibeſt; und betende aus meiner Fuͤlle nim - meſt Gnade um Gnade. Oder wann ein Haus-Vater zu einer hoͤhern Ehren-Stelle in der Welt befoͤrdert wird, kommen nicht alle Verwand - ten und Freunde ihm darzu Gluͤck zu wuͤnſchen? Warum ſolten es dann die Kinder nicht wiſſen, zu was fuͤr einer unvergleichlichen Ehre und Herrlichkeit ihr lieber Vater, (ihre liebe Mutter) vermoͤg des mit dem allgenugſamen Bundes-GOTT getroffenen Ver - trags, befoͤrderet, und zu welch einem hohen koͤ - niglichen und prieſterlichen Amt er erhoben worden ſey? damit die Kinder ſolcher geſtalten auch lernen, einen ſo hohen Goͤnner und Wohlthaͤter ihrer theu - ren Eltern beſtaͤndig zu ehren, zu lieben und ihnen zu vertrauen. Dann wann dieſelbe durch den Lie - bes-Contract mit GOTT, dem ewigen Gut, ſo groſſe Vortheile gemachet, unſaͤgliche Reichthuͤmer gewonnen, und durch Gewalt-Anthun dem Him - melreich alle Guͤter dieſes neuen ewigen Gnaden - Bundes erobert und in Beſitz genommen; ey warum wolten die Kinder nicht mit aller Freyheitund109der Verfuͤhrung der Jugend. und Freudigkeit es wagen, in eben dieſelbe Ge - winn-bringende Handlung einzutreten, da man fuͤr einen einigen ausgelegten Heller Millionen Tonnen Golds baar beziehet? Einmal GOTT kan ſeinem Geſchoͤpff ſein Gluͤck rechtſchaffen ma - chen, und wird man es dermaleins ſehen, ja mit Haͤnden greiffen, wie reich er iſt und was er vermag.

§. 16.

d) Wolten es aber die Kinder wegen ihres na - tuͤrlichen Leichtſinnes, Unerfahrenheit, Tummheit und angebohrnen Fleiſches-Luſt nicht verſtehen, noch ein ſolch groſſes Heyl zu Hertzen nehmen; ſo iſt dis der kuͤrtzeſte und beſte Rath, daß man es mache, wie man es im Reich dieſer Welt etwa zu machen pflegt, da nemlich einer, der bey einem groſſen Monarchen, als ſein Verbuͤndeter, in ſon - derbarer Gunſt und Freundſchafft ſtehet und Kin - der hat, ſich nicht lange kuͤmmerhafftig beſinnet, wo er ſie anbringen, und wen er anſprechen ſolle, ſie geehret, reich und gluͤckhafftig zu machen, ſon - dern ſich ihrenthalben gerad zu bey ihme meldet. So machte es jener Hirt / der nicht lang vor ſeinem Abſchied ſein neunjaͤhriges Kind zu ſich genommen, und zu ihme geſprochen: Komm! du biſt das Kleineſte; du weiſt dich vor dem Boͤſen und vor denen vielen Verſuchungen zu dem Boͤſen nicht zu huͤten, dann du biſt noch ſo tumm, und kenneſt den HErrn JEſum nicht recht: Komm, wir wollen beten, daß du auch klug werdeſt, und den HErrn JEſum lieb haben lerneſt. Wor -auf110Cap. 2. Die zweyte Quelleauf er mit ihm hinter dem Buſch auf ſeine Knie gefallen, und ſeinen Heyland angelegenlich gebe - ten, daß er ſich auch uͤber dieſes Kind erbarmen, ihme ſein Verderben, ſeine Suͤnden und die Ver - ſuchungs-Gefahren aufdecken, und ſeinen Heiligen Geiſt geben wolle, daß es ihne recht liebe ꝛc. Er ſtunde ſodann vom Gebet, das er mit tauſend Thraͤnen begleitet hatte, auf, und ſtreckte ſeine Haͤnde gen Himmel, ſagende: Nun HERR JEſu! nehme ich Himmel und Erden zu Zeu - gen, daß ich dir mein Kind, als eine theure Beylage habe anvertrauet; ich werde es auch an jenem Tag bey dir ſuchen und von deiner Hand fordern. Vergib mir, mein JEſu! daß ich ſo frey rede; die Liebes-Sorge zu meinem Kind dringt mich darzu ꝛc. Welches dann einen ſolchen Eindruck auf des Kinds Hertz gewon - nen, daß ihme, ſo offt es was Boͤſes geſehen, die Augen in Thraͤnen geſtanden ſind. Einmal kein Gebet wird eher erhoͤret, als eines GOtt von Hertzen anhangenden Vaters / dem auf der gan - tzen weiten Welt nichts erwuͤnſchters iſt, als daß ſeine Kinder mit dem Siegel des lebendigen GOt - tes bezeichnet werden an ihren Stirnen, alſo daß man an ihrer gantzen Auffuͤhrung in Worten und Wercken ſehen koͤnnte, daß ſie ein Saamen ſeyen, den der HERR geſegnet; ſeine liebſte Kleinodien, die er nicht verthun noch um was es auch waͤre, weggeben, ſondern vor ſich behalten wolle ewiglich und darmit prangen an ſeinem groſſen Tag.

§. 17.111der Verfuͤhrung der Jugend.

§. 17.

e) Wollen dann die Eltern, daß ihre Kinder den Tauff-Bund nicht brechen, ſondern taͤglich er - neueren, ſo muͤſſen ſie denen gefaͤhrlichſten, ſchaͤd - lichſten, und nach dem Heyl der Kindern ſtets - nachlaurenden Seelen-Feinden wohl ins Spiel ſe - hen, und zu dem End hin das Geheimniß der Bosheit, die Tiefen des Satans, etwelcher Maaſſen kennen und aus eigener Erfahrung wahrgenommen haben, was die Gemeinſchafft mit GOtt fuͤrnem - lich ſchwaͤche, oder vollends verhindere, welch ein ſcheußliches Ungeheur die Eigen-Liebe, und wie kein Leben GOttes, keine neue Creatur aufkom - men koͤnne, wo man ſelbige nicht kraͤncke und creu - tzige; und wie man die alle Suͤßigkeiten der Suͤnd und Welt unendlich uͤberſteigende Suͤßigkeit GOt - tes und ſeines Reichs mit nichten zu genieſſen habe, ſo lang man noch mit Willen der geringſten Luſt Herberg und Nahrung gebe. Ach die arme, un - erfahrne, unweiſe Kinder wiſſen nicht, was die Schlange im Sinn hat; und darum muͤſſen ſie es erſt lernen: Wie dann bisweilen auch wohl ein gottloſer Vater, durch des HErrn heilige Vorſe - hung, ſeinem Kind eine gute Lehre geben muß. Jch kenne einen Herrn, der GOtt nicht fuͤrchtet und keinen Menſchen ſcheuet; dieſer legte ſeinem Kind einen Loͤffel voll verzuͤckerter Erdbeeren auf den Tel - ler, und ſagte darbey: Dis iſt Geſchleuder; iſ - ſeſt du darvon, ſo bekommſt du eben ſo eine bleiche Farb, als die Magd hat: Da dann das Kind auf keine Weiſe zu bereden ware, daß es nur einsdavon112Cap. 2. Die zweyte Quelledarvon koſten, oder auch andere rohe Fruͤchte, ſo ſonſten die Kinder gerne eſſen, haͤtte verſuchen moͤ - gen. Ein ſothaner Gehorſam wird die Eltern rich - ten am Tage GOttes. Jerem. 35, 14.

§. 18.

Wann nun obigem zufolg begnadigte Eltern ſolche Sorge fuͤr ihre Kinder tragen, und ſothane Geſpraͤche mit ihnen zur Ermunterung und War - nung ihrer Seelen fuͤhren; ſo kan folgendes fuͤnf - fache Gute daraus entſtehen:

1) Wird bey den Kindern die Ehrerbietung, Liebe und Hochachtung gegen ihre Eltern nicht we - nig vermehret, wann ſie mercken, daß dieſelbige bey dem hohen und allmaͤchtigen GOtt in ſonder - licher Huld und Gnade ſtehen, und im Himmel ſo wohl angeſchrieben ſind.

2) Wann Kinder aus dem Mund ihrer Eltern von GOtt in JEſu ſo viel Ehr-Lieb - und Anneh - mungs-wuͤrdiges hoͤren, ſo machet dieſes ſie neu - begierig eint und anders zu fragen, von der Weiſe, Geſetzen, Eigenſchafften ꝛc. dieſes guͤtigen HErrn, was er ſonderbar gern oder ungern habe, was ih - me gefalle oder mißfalle, und wie man etwa die Sache anſtellen muͤſſe, um ihm der Liebſte und Naͤchſte zu werden? Welcherley Kinder-Fragen denen zarten Hertzen oͤffters vom Heiligen Geiſt ſelbſten eingegeben werden, Pſalm 8, 3. um durch ſie, als durch GOttes Mund, das gantze Haus zu mehrerem Ernſt und Eifer im Chriſtenthum an - zureitzen.

Ein113der Verfuͤhrung der Jugend.

Ein Knaͤblein von vornehmen Geſchlecht hoͤ - rete, als es nur noch vier Jahr alt ware, ſagen, daß JEſus aus groſſer Liebe fuͤr uns arme Suͤn - der geſtorben ſeye; wiewol es nun dieſes Geheim - niß noch nicht verſtunde, ſo dauchte ihns doch die - ſes eine ſchoͤne Sache zu ſeyn, und ſchloſſe daraus, es muͤſſe JEſus wohl ein demuͤthig, freundlich, mohl-meynend und lieb-flammend Hertz haben uͤber alle Maaß und Ziel; ſobald es darum ſchrei - ben gelernet, gebrauchte es dieſe ſeine neue Wiſ - ſenſchafft ſeinem Heyland kleine Brieflein und Zet - tel zu ſchreiben; dieſe pflegte es dann fuͤr das Fen - ſter hinzulegen, und wannn der Wind ſie etwa weggeblaſen, oder ein anderer Zufall aufgehoben hatte, ſo huͤpffete ſein Hertzlein, in dem Wahn, daß ein Engel dieſelbe hinweg in den Himmel ge - tragen und dem Heyland uͤberbracht habe. Auf eine Zeit weinte es, da es in das Bett ſolte gethan werden, gar hefftig, und bate, daß es doch noch vorher ein paar Zeilen dem Heyland zuſchreiben moͤchte, wiewol es damals um ſeines ſtarcken Ei - genwillens willen mit Ruthen geſtrichen ward.

3) Schoͤpffen Kinder aus denen honig-ſuͤſſen Reden und Zuſpruͤchen ihrer lieben Eltern fuͤr ihr Lebenlang ein gutes zuverſichtliches Hertz zu JEſu.

4) Werden ſie mit ihren Eltern dardurch in die Mitgenoßſchafft aller Guͤtern des Himmelreichs hinein gezogen, den ſchoͤnen Stamm-Baum ihres Geſchlechts zu zieren, und aus der koͤniglichen Wurtzel Davids in die Wette zuwachſen.

5) Wann endlich die Eltern ſelbſt in der Ubung ſtehen, ſo koͤnnen ſie den Jhrigen maͤnchen vor -Htheil -114Cap. 2. Die zweyte Quelletheilhafften Handgriff zeigen, wie ſie des Vaters Willen thun, der Sunde los werden, in all den Segen Jmmanuels eindringen, erhoͤrlich beten, fruchtbarlich glauben, heiliglich leben, zuverſicht - lich hoffen und ſeliglich leiden ſollen, die herrlichſte Rathſchlaͤge zu denen kluͤgſten Unternehmungen wer - den die Jungen denen Alten abſehen und lernen koͤnnen, wie ſie Werckzeuge des Heiligen Gei - ſtes werden, das Hertz der Liebes-Hand GOttes uͤberliefern, GOTT durch ſeinen Geiſt in ihnen wuͤrcken laſſen, des Heylandes Sinn kriegen und bey allen Vorfallenheiten behalten, mit dem Ge - muͤth in der Ewigkeit wohnen, zur Stille gelangen und ſchweigen moͤgen, damit der HERR wuͤrcke und rede; welches alles Sachen, ſind die man bey weitem nicht aus Leſung der Buͤchern oder aus ge - gebenen menſchlichen Vorſchrifften ſo gruͤndlich ver - ſtehen und begreiffen kan; man lernet es daher am beſten, wo man Haus-Evempel vor ſich hat, die man taͤglich dergleichen herrliche Dinge vor ſei - nen Augen ausuͤben ſiehet, als welches beſtermaſ - ſen uns erlaͤutert wie man darzu komme, daß GOtt, vermoͤg des geſchloſſenen Bundes, ſelbſt das Wollen, ja gar jedes Wollen und Vollbrin - gen in uns wuͤrcke.

§. 19.

Kommts weit / ſo wenden die El - tern noch einige Sorge auf das Gedaͤcht - niß der Kindern / daß ſie fein viel aus - wendig lernen / den Catechismum / ei -nige115der Verfuͤhrung der Jugend. nige Gebeter und Spruͤche daher ſagen koͤnnen. Denn ſagen ſie: Das iſt ein ſchoͤnes Kind / wann es gut auswendig lernet. Aber daß ſie den Willen der Kindern zu GOtt lencken / und die Ju - gend zur Fruchtbarkeit der Tauffe an - trieben und ſpraͤchen: Siehe / du muſt den Sinn des HErrn JESU innerlich und ſein Bild aͤuſſerlich an dir haben / wann du ein getaufftes Glied am Leibe JEſu ſeyn und Theil an ihm haben wilſt; daran wird bey den wenigſten Eltern gedacht. Auf ſolche Art / liebes Kind! iſt es gar zu leicht / daß du gleich - ſam auf eine heydniſche Art verwildeſt / nur auf verkehrte Wege lauffeſt / und wie ein fauler Baum aufwachſeſt; von dem es dann kein Wunder iſt / warum er ſo uͤble Fruͤchte traͤgt.

§. 20.

Daß man das Gedaͤchtniß der Kindern mit Arten Goͤttlicher Weisheit ſchmuͤcke, und in das zarte beugſame Wachs himmliſche Bilder der Wahrheit und Gottſeligkeit, der Zorn-Gerichten uͤber alles Boͤſe, der herrlichen Gnaden-Beloh - nung des Glaubens ꝛc. hinein praͤge, iſt wohl ge - than. Dann junger Leuten Gedaͤchtniß iſt ein guͤl - denes Kiſtlein; laͤßt mans leer, ſo bedient ſich der Seelen-Schaͤnder dieſer Gelegenheit allen unnuͤ - tzen, eiteln und unflaͤtigen Zeug darein zu ſchmeiſ -H 2ſen;116Cap. 2. Die zweyte Quelleſen; es iſt demnach ja beſſer, daß man es mit Kern - Spruͤchen Heiliger Schrifft, mit Worten vom Heyland und ſeiner groſſen Erloͤſung, von der Heß - lichkeit der Suͤnde, von der unſchaͤtzbaren Herrlichkeit, Gnade GOttes, von der Suͤßigkeit der Liebe Chriſti, von der ewigen Licht-Welt, von den finſtern Quaal - Oertern u. ſ. f. anfuͤlle. Oder iſts nicht beſſer daß es mit Pſalmen, Lob-Geſaͤngen und geiſtli - chen Liedern angefuͤllet werde? Dann ob ſie die - ſelben ſchon zur Zeit noch nicht verſtehen, ſo hat dannoch 1) das bloſſe Ausſprechen Goͤttlicher Wahrheiten einen Segen in ſich; 2) hindert ſol - ches viel Boͤſes; ſintemal kein Raum mehr fuͤr den Teuffel und die Hoͤlle iſt, wann der Himmel al - len Platz eingenommen hat; 3) ligen die buchſtaͤb - lichen Erkaͤnntniſſen da wie Saamen-Koͤrnlein des innern Reichs GOttes, welche zu ſeiner Zeit aus dem Hertzens-Acker ausſchlagen und Fruͤchte ins ewige Leben tragen. 4) Goͤttliche Lehren, Ver - heiſſungen, Gebote ꝛc. ſind das paradieſiſche Zim - met-Holtz; faͤhrt die Flamme des Heiligen Geiſtes drein, ſo glimmet die rothe Glut der heiligen, rei - nen, himmliſchen Liebe allmaͤhlich an; da hinge - gen, wo kein Holtz hingelegt wird, das Feuer leichtlich und bald ausgehet; wie bey vielen Erweck - ten geſchiehet, welche wegen ihrer Unwiſſenheit ent - weder lang irre fahren oder die Ruͤhrungen faſt eben ſo geſchwind verlieren, als ſie dieſelben em - pfangen haben. Warum? Sie haben ſich nicht mit Holtz verſehen, das im Paradis gewachſen und wohl reucht; es iſt ſodann nicht auf einander gebeiget, ich will ſagen, ſie wiſſen und verſtehendie117der Verfuͤhrung der Jugend. die Heyls-Ordnung nicht. Zu dieſem Mangel des guten koͤſtlichen Holtzes kommt noch ein ander Ungluͤck, daß nemlich ſtatt deſſelben ein groſſer Hauffen ſtinckenden und ſolchen Holtzes ſich auſſert, das auf Belzebubs Grund und Boden von unhei - ligen Fleiſches - und Welt-Geluͤſten entſproſſen, und wormit deſſen Diener die Teuffel fertig ſind, das ſchnoͤde Feuer der Eigen - und Suͤnden - Liebe wiederum anzuſtecken. Und o wie viel und mancherley Quaal hat man offt lange Jahre von ſolchen argen und eiteln Dingen, die wie gifftige Wuͤrmer in die Bluͤhte der Jugend eingeſchlichen, alſo daß, wo nicht eine Goͤttliche Wunder-Gna - de der Seelen aufgeholffen haͤtte, die Frucht der neuen Geburt und der Seligkeit ewig ausgeblieben waͤre.

5) Endlich iſt es eine loͤbliche Vorſichtigkeit die Kinder fein beyzeiten geluͤſtig und begierig nach de - nen Offenbahrungen GOttes in Heil. Schrifft zu machen, deren Nutzen Cronen und Scepter dieſer Welt uͤberſteiget, auch in die Ewigkeiten der Ewig - keiten ſich erſtrecket und von einem Grade der Se - ligkeit zu dem andern immer herrlicher ſich aͤuſſert. Wann ſchon die Sonn ſcheinet, die Winde we - hen und die Regen triefen, ſo gibts gleichwol keine Erndte, wo der Acker nicht beſaͤet iſt: Alſo muͤſ - ſen die Zeugniſſe von Chriſto denen jungen Hertzen eingepflantzet und mit ſeiner Blut-Gnade beduͤn - get werden, wann die himmliſche Fruͤchte in ihnen rauſchen ſollen wie Libanon.

H 3§. 21. Sol -118Cap. 2. Die zweyte Quelle

§. 21.

Sollen aber die erlernte heilige Wahrheiten ſo - thane Seligkeiten in den zarten Seelen ausgebaͤh - ren, ſo iſts unumgaͤnglich noͤthig, daß dieſelben nicht blos auswendig im Kopff ligen, ſondern durch den lebendig-machenden Geiſt JESU innwendig im Verſtand und Willen begoſſen, er - oͤffnet und zum bluͤhen und Fruͤchte-bringen rege gemachet werden, damit alſo das Hertz von Luſt und Liebe zu JEſu recht brenne. Der Kopff iſt der Speicher / wo der Saamen erſticken, verfaulen oder vom Ungeziefer gefreſſen werden kan; das Hertz hingegen iſt der Acker / und wann der wohl gewartet wird, ſo traͤgt der Saa - me auch etwas fuͤr das Zukuͤnfftige in Zeit und Ewigkeit. Ach wo das Nachſinnen fehlet und der Hunger nach der wuͤrcklichen Beſitzung der Sache in der Krafft und im Weſen ferne bleibet, da iſt Catechismus und alles nur allzubald wieder vergeſſen und verſchwunden.

§. 22.

Aus dieſer Urſache bitte und flehe ich die liebe Jugend, daß ſie ſich doch gewoͤhnen ſollen, dem auswendig-gelernten Tag und Nacht, unter der Arbeit, wo ſie gehen und ſtehen, ligen und ſitzen, nachzudencken; anbey den Vater in dem Himmel zu bitten um den Heiligen Geiſt, daß er ſich doch um JESU willen uͤber ſie erbarmen, Hertz und Sinn eroͤffnen und ſolche Leute aus ihnen machenwolle,119der Verfuͤhrung der Jugend. wolle, wie die Heilige Schrifft und der Catechis - mus einen Chriſten beſchreibet. Einmal wann die Kinder dieſen Weg des Nachdenckens und der Uberlegung nicht einſchlagen, ſo koͤnnen ſie nie - mals ſehen, daß ſie ſonderlichen Nutzen von der Religion haben, und endlich gar dahin verfallen, daß ſie ſelbige nur fuͤr eine menſchliche Erfindung und Einrichtung halten, von welcher niemand ei - nigen Vortheil habe als nur die Prediger, denen das Evangelium Erſtling-Garben, Zinß und Ze - henden eintrage; einfolglich bleiben Junge und Al - te zu Stadt und Land vom Lamm GOttes geſchie - den, und ſind unſelige Glieder des Thiers, das aus dem Abgrund aufſteiget und wieder da hinun - ter faͤhrt ins Verderben. Wann auf die Frage: Was nuͤtzt es dich / wann du mit dem geſtorbenen / auferſtandenen / im Reich des Vaters in hoͤchſter Gewalt regieren - den Chriſto durch den Glauben innigſt vereiniget wirſt? Die Antwort auf dieſe Weiſe lautete: Darvon kriege ich jaͤhrlich hun - dert Thaler bares Geld: O das wurde man ſchon der Muͤhe, des Nachſinnes und der Bekuͤmmerniß um daſſelbe werth achten. So iſt der ſchaͤndliche Mammon der Gott ſolcher beydniſchen Chriſten; dargegen JESUS mit allen ſeinen Guͤtern und Wohlthaten nur gar nichts mehr gilt; und was Brod ins Haus bringet, wird dem, was GOtt mit ſeinem gantzen Himmelreich in die Seele bringt, weit vorgezogen. Als ich noch in Yverdon wohnete, betelten wohl mehr als fuͤnffzig Kinder aus der Nachbarſchafft, welchen ich nicht anderſtH 4als120Cap. 2. Die zweyte Quelleals mit dem Beding, daß ſie auch leſen koͤnnen, etwas geben wolte; da ſie dann um eines ſchlechten Pfennings willen alle vollkommen leſen gelernet. Welches dann eine Prob iſt, wie ein nichts-wer - thig Ding bey Thier-Menſchen ungleich mehr ver - moͤge, als alle Seligkeit des Paradiſes und als die blutenden Liebes-Wunden des Heylandes, wo man nur Schatten und todte Bilder und Buch - ſtaben darvon im Gehirn hat, die Sachen ſelber aber nicht wuͤrcklich im Hertzen und Leben genieſ - ſet; als worzu doch beydes Eltern und Lehrer das junge Blut allerdings anzuweiſen und zu noͤthigen haben.

Von der Kroͤte ſagt man, daß ſie einen koͤſt - lichen Stein im Kopff habe, da ſie uͤbrigens ein gifftig und garſtiges Thierlein iſt: Alſo kan ein Menſch Wiſſenſchafft im Kopff haben von geiſtli - chen Geheimniſſen, darneben aber voll teuffliſcher Eigenſchafften, ein greulich Ungeheur, eine Kroͤte des Geitzes, ein Schwein der Fleiſches-Luſt, ein Hund des Neids, ein Aff der heuchleriſchen Nach - ahmung anderer; ein Pfau der hoffaͤrtigen Selbſt - Beſpieglung, eine Schlange der Lugen und Falſch - heit, ein Fuchs der Argliſtigkeit zur Ubervorthei - lung des Naͤchſten, ein Loͤw des Jaͤch-Zorns ꝛc. ſeyn; welches alles der Engel des Bundes, der Goͤttliche Schmeltzer umſchmeltzen, fiuͤßig machen, alle Haͤrtigkeit und Willens-Widerſetzlichkeit be - nehmen und in einen andern Model gleichſam gieſ - ſen muß, alſo, daß das junge Hertz die Geſtalt des Kindes von Bethlehem, das iſt, ſeinen Sinn und Bild bekomme. Worzu dann gut iſt, wannEltern121der Verfuͤhrung der Jugend. Eltern aus eigener Erfahrung Handleitung geben und die Suͤßigkeit eines heiligen Lebens fuͤr ihre eigene Perſonen geſchmecket, mithin die ewige Ge - rechtigkeit Chriſti in ſich gepflantzet haben.

§. 23.

Und gewiß, wann Eltern dem Verderben der Welt entflohen und der Goͤttlichen Natur theil - hafftig worden ſind, ſo daß nicht nur Chriſti Blut ſie mit GOtt verſoͤhnet und von allen Un - tugenden gereiniget, ſondern auch ſeine Demuth, ſanfftes Weſen, keuſches Hertz, mittheilige Liebe, gedultiger Lammes-Sinn, ungefaͤlſchte Treue und offenhertziger Umgang, Leib, Seel und Geiſt eingenommen und das Leben des alten Menſchen ausgetrieben, getoͤdtet und abgethan; ſo werden ſie nicht ruhen, bis ſie ihr eigen Fleiſch und Blut in gleiches Band der ſeligen Zufriedenheit eingefuͤh - ret haben: Sintemalen ſie auch nach der Ver - nunfft wiſſen, daß der Catechismus aus der Heil. Schrifft gezogen, und von der Kindern GOttes hoch-edlen geburt, Geſchlecht und darvon abhan - genden theurſten Vorrechten, Erbſchafften, Reich - thumern und Freyheiten handelt, und daß es dem - nach ein allzuklaͤglich Ding fuͤr Kinder ſeye, wann ſie nur die Woͤrter darvon auswendig lernen, von der Sache ſelber aber nichts beſitzen, keine Prin - tzen vom koͤniglichen Gebluͤt, keine begnadigte, gerechtfertigte, geheiligte Kinder GOttes ſelber werden, keine Gewißheit haben der Vergebung der Suͤnden, mithin zu GOTT und Chriſto nie -H 5mals122Cap. 2. Die zweyte Quellemals wahrhafftig kommen, noch erfahren, wie viel tauſend Vortheile dieſe hohe Freundſchafft mit ihm nach ſich ziehe. Ja es brauſen gleichſam ſolchen Eltern ihre Eingeweide vor Erbarmung, wann ſie ihre Kinder hoͤren ſolch theure Wahrheiten wie ein Papagey ohn innigliche Freude, ja wohl gar ohne Verſtand und Hertz daher ſagen, und moͤ - gen etwa bey ſich ſeuffzend dencken: Ach du armes Kind! was ſchwaͤtzeſt du her, und haſt von allem nichts zu genieſſen? Ach haͤtteſt du JEſu Sinn und Bild, wie ſelig wuͤrdeſt du ſeyn, da du hingegen nur Buchſtaben und leere Worte baſt! Auch wallet ſolcher mit Chri - ſto verbuͤndeter Eltern Vater - und Mutter-Hertz, wie ein Meer, in Begierde, daß doch der Wille des Kindes durch den Heiligen Geiſt vom Puppen - Werck der eiteln Welt loßgeriſſen, und mit hitzi - ger Sehnſucht nach denen ewigen Schaͤtzen und geiſtlichen unſichtbaren Gnaden des Heylandes zur Einnehmung des herrlichen Erbes gezogen wuͤrde, und alſo das Kind, wann es die Fragſtuͤcklein des Catechismi, und die Spruͤche der Heil. Schrifft aufſaget, gleich einem Cron-Printzen, welcher allein durch die Geburt aus den Lenden des Mo - narchen ein rechtmaͤßiger Erb aller derſelben weit - laͤuffigen Laͤndern worden iſt, und darum darvon als von dem Seinigen großmuͤthig erzaͤhlen darff, auch als ein aus Chriſti Wunden Neugebohrner darvon als von ſeinem Eigenthum froͤlich ruͤhmen und ſagen koͤnnte: Jn dieſer Frag und Ant - wort iſt mir laut der Heiligen Schrifft dieſes Gut, in einer andern Frag jene Seligkeit, undſolche123der Verfuͤhrung der Jugend. ſolche herrliche Sachen verſchrieben, deren die ge - ringſte mehr werth iſt als die gantze Welt. Jch ſchlage meine Hand darauf, und ruͤhme trotz dem Teuffel und der Welt, Trotz dem Geſetz, ſeinem Fluch und Donner, und Trotz aller Anklage meines eigenen Gewiſſens, daß dis alles viel gewiſſer als meine Kleider, mein Leib und Leben, mein Vater, Mutter, Bruder, Schweſter ꝛc. mein eigen ſeye. Schauet hier (mit dem Finger auf das Blatt deutende) welch eine unſaͤgliche Wohlthat mir mein GOtt ohn all meinen Ver - dienſt aus unermaͤßlicher Liebe, Huld und Gunſt geſchencket, und von was fuͤr einem groſſen Gluͤck und Heyl ich nun zu ſingen habe: Mein Heyl iſt ſo groß als JEſus Chriſtus, GOttes Sohn ſelber iſt, und all mein Elend, Suͤnde und Ungluͤck dargegen nur als ein Sand-Koͤrn - lein gegen dem tieffen Meer, und als ein Son - nen-Staͤublein gegen dem weiten Himmel zu rechnen: Meine Freude am Heyland iſt unaus - ſprechlich, und ſein JEſus-Name iſt mir ange - nehmer als Zucker und Malvaſier: Meine Seele brennet im Verlangen ſein Angeſicht zu ſehen; waͤre ſie eine Daube, ſo wuͤrde ſie ſchnell in den Himmel fliegen wollen, Chriſto daſelbſt auf die Achſel zu ſitzen, und ihme tauſend Liebes-Kuͤſ - ſe zu geben: Sein Blut waſchet, waͤrmet, ſtaͤrcket mich, und floͤſſet ewiges Leben in die Adern meines Geiſtes, machet mithin einen An - fang ewiger Freude in meiner Seelen. Wohl mir! Jch bin hindurch, und entrunnen dem Strick des Voglers / und mein JEſus wird124Cap. 2. Die zweyte Quellewird mich ferners erretten von allen boͤſen Wer - cken, und hindurch helffen in des Vaters Reich, Hallelujah zu ſingen ewiglich.

§. 24.

Dergleichen Kinder nun, welche das auswen - dig-erlernte innwendig aus Cyriſti Gnaden-Hand demuͤthig empfahen, wuͤrcklich genieſſen, und ſich daran gar ſeliglich beluſtigen, ſind erſt die rechte Catechismus-Schuͤler / welche von ihrem erſtenmals nur buchſtaͤblichen Wiſſen dann auch einen augenſcheinlichen und handgrifflichen Nutzen haben. Dann nun werden ſie vom Wiſſen ins Weſen, von den Schaalen zum Kern, vom Ge - maͤhld zur Sache ſelbſt, und von dem Buchſtaben in den Geiſt gefuͤhrt; da ſie dann ihre Catechis - mus-Lehre gewiß nicht ſo leichtlich vergeſſen, als es natuͤrlich bey ſolchen Kindern geſchiehet, welche nur mit denen auſſern Huͤlſen der Buchſtaben hau - ſen, ohne den Safft und Krafft der himmliſchen Geheimniſſen im Hertzen zu ſchmecken: Nein, wann JEſus das Hertz fahet, ſo bleibet das Kind ſein, und reiſſet ſich nicht ſobald wieder von ihm loß. Jch will dieſes durch ein Gleichniß erlaͤutern: Wer einen nur gemahlten Koͤnig, Pallaſt oder Garten ſiehet, oder nur eine Erzaͤhlung darvon hoͤret, vergiſſet ja mit leichter Muͤhe wie er geſtalten geweſen ſeye; zumalen in der Kindheit, da eitel falſche Begriffe davon entſtehen; wann aber ein Kind die Gnade hat, des Monarchen Zaͤrtling zu ſeyn, im Pallaſt aus - und einzugehen, und die Annehmlichkeiten imkoͤnig -125der Verfuͤhrung der Jugend. koͤniglichen Garten mit zu genieſſen, ſo gewinnet dieſes dann auch einen unvergeßlichen Eindruck in das Hertz deſſelben. Eine gleiche Bewandtniß hat es mit dem, was die Kinder etwa Gutes hoͤ - ren, leſen und auswendig lernen; wann ſie daſ - ſelbige im Geiſt ſehen, ſchmecken, hoͤren, fuͤhlen, ſo kommt es in ſeine innere Krafft und wird deſſen Angedencken erſt recht verſtaͤndlich, deutlich, leicht, moͤglich, und unvergeßlich. Weßwegen auch die Kinder immer um die Schoͤpffung eines neuen reinen Hertzens, und um den Aufſchluß der Siegeln zu beten haben.

Es werden ſolcherley Kinder ſodann mit JEſu nahe befreundet, wie eine Rebe mit dem Weinſtock auf das genauſte vereiniget, und reichen als wohl - geartete Pflantzen, als ſafftige Oel - und Palmen - Baͤume die ſchmackhafteſte Fruͤchte des Vertrauens auf GOtt, der Freude in Chriſto, des Anhangens an ſeiner Gnade, der klugen Auffuͤhrung bey allen Anlaͤſſen, der Hoͤflichkeit gegen jedermann, der Arbeitſamkeit im aͤuſſern Beruf, der ausnehmen - den Geſchicklichkeit bey allen Verrichtungen, fuͤr - nemlich auch die Fruͤchte des Gehorſams, der Liebe, der Ehrerbietung und mancherley Erquickungen ih - ren Eltern reichlich dar. Und ſothane Fruͤchte koͤnnen gottſelige Eltern von ihren Hertzens-Kindern bey Koͤrben-voll einſammeln, ſo, daß ſie nicht nur jaͤhrlich etwa einmal, ſondern alle Tage und Stun - den ihnen alſo reif in ihren Schooß gleichſam fallen; da ſie dann GOTT nicht genug loben und preiſen koͤnnen, wegen der zahmen Oliven, Datteln und Feigen und anderer nach dem Paradies riechenderFruͤch -126Cap. 2. Die zweyte QuelleFruͤchten, die ſie aus dem Gnaden-Safft des Hei - ligen Geiſtes von ſich geben. Mithin wird das Erlernte allezeit wiederholet und aufs neue erklaͤret durch die allein ſeligmachende Erfuͤllung von oben; der Heilige Geiſt lehret ſie, wie ſie ihren Catechis - mum heilſam verſtehen koͤnnen, und machet ſie ge - lehrter als ihre Lehrer.

§. 25.

Du fragſt: Was fang ich dann an / wann ich ſolche ſorgloſe Eltern habe / die mir keine Anleitung zur rechtſchaf - fenen Gottſeligkeit geben?

Antwort: Klage zuvorderſt dein An - ligen dem himmliſchen Vater im Gebet / und flehe ihn bruͤnſtiglich an / daß er deiner Eltern Hertz regieren wolle / mehr deinetwegen beſorgt zu ſeyn / damit du nicht als eine wilde Rancke zur Schande GOttes aufſchieſſeſt. Sodann bitte auch deine Eltern mit kindlicher Einfalt / dir doch Gelegenheit zu verſchaffen / da - mit du zur Furcht GOttes und zum Trachten nach dem Reich GOttes und ſeiner Gerechtigkeit angewieſen und auf - gewecket werden koͤnnteſt. Verſaͤume daneben keine Gelegenheit / wo du hoͤ - reſt / daß man Anleitung zum Guten haben kan. Lieſe fleißig in GOttesWort /127der Verfuͤhrung der Jugend. Wort / und ſeye verſichert / daß der HERR dein Gebet erhoͤren und dir eine gewuͤnſchte Gelegenheit verſchaffen wird / wann er ſiehet / daß du dieſelbe wohl anwenden werdeſt. Laß dich aber die Leichtſinnigkeit und Traͤgheit deiner Eltern ja nicht einſchlaͤffern im Gebet und Kampff gegen die Suͤnde / ſonſt faͤhreſt du deinen Vaͤtern nach / und ſieheſt das Licht nimmermehr. Pſ. 49, 20.

§. 26.

Mein liebes Kind! GOtt will die Ehre haben, daß du wohl gerathen ſeyeſt, als welcher unzaͤhli - che Kinder durch ſein Wort und Geiſt, ohne Men - ſchen-Rath und Beyhuͤlffe zur Herrlichkeit hat eingefuͤhret. Fuͤhleſt du ein ſolch heiliges Anligen und Bekuͤmmerniß um eine wahre Gottſeligkeit in dir; ſo hat JESUS, der hell-leuchtende Mor - gen-Stern ſchon in dein Hertz hinein gezwitzert, und der Finger ſeines Geiſtes hat dich ſchon in Gnaden beruͤhret; verſchleudere nur nicht eine ſolch guͤldene Gelegenheit, deine gantze Sache in den Schooß deines liebſten Vaters hinein zu legen, und wann dieſer fuͤr dich ſorget, ſo muß es dir ohne anders gelingen: O ja! wann JESUS ſelber deinetwegen beſorget und beſchaͤfftiget iſt, ſo kans nicht fehlen; ſeine Aufſicht gibt die aller - beſte Auferziehung, wie an allen heiligen Maͤnnern GOttes zu ſehen iſt, die als herrliche Pflantzen aufgeſchoſſen zur gantzen Freude Jeruſalems. Bit -te128Cap. 2. Die zweyte Quellete JEſum den hoͤchſten und getreueſten Patronen - daß er dir gute Goͤnner, die ſich dein vaͤterlich an - nehmen, erwecken, und auch deiner Eltern Sinn und Willen lencken wolle, zu waͤhlen was zu dei - ner Seligkeit am beſten ſeyn mag. Kanſt du die - ſes thun, und haſt du dieſe Weisheit von oben empfangen ſolche Gnade mit heiſſen Thraͤnen aus - zubitten, ſo wird dein groſſes Heyl ſo gar nicht ausbleiben, daß dir eher ein Botte vom groſſen Engel des Bundes, ein Engel aus dem Himmel zugeſendet werden wurde: Emmal die ewige Vor - ſehung wird dich zu wahren Freunden GOttes wunderbarlich fuͤhren, oder nuͤtzliche und deinem Zuſtand gemaͤſſe Buͤcher dir in die Hand ſpie - len, und ſeine Geiſtes-Triebe zur andaͤchtigen Le - ſung derſelben gnaͤdig ſchencken. Ja es iſt un - moͤglich, daß die ewige Liebe einen jungen Knaben oder Maͤdgen, ſo den rechten Weg zum Leben zu wiſſen begehret, verſaͤumen koͤnne; der Heilige Geiſt wird ſich mit ſeinen Wirckungen und Trie - ben nach deiner Kindheit bequemen, und ſeine ewi - ge Weisheit zu deiner kindlichen Einfalt ſich her - unter laſſen, dich zu leiten, wie du es etwa ertra - gen magſt, allmaͤhlich, wie Jacob ſeine Laͤm - merlein; er wird das kleine Taͤfelein deines Ver - ſtands und deiner Einbildungs-Krafft darzu ge - brauchen, um das Himmelreich en mignature darinn zu entwerffen. Laß nur, mein Kind! nichts aus der Acht, wo du was Gutes lernen kanſt; ſetze dich auf die Schwelle und horche an der Thuͤr, wo du merckeſt, daß man in der Stu - ben vom Heyland ſpreche, wie ich in meiner Ju -gend129der Verfuͤhrung der Jugend. gend gethan: Laͤßt man dich aber gar hinein, und erlaubet dir, dich zu GOttes Kindern zu geſellen; ſo dancke JEſu fußfaͤllig dafuͤr, wann du heim - kommſt, in deinem Winckelgen, lobe und liebe den ſo guten GOTT, der allerley Mittel anwendet, dich auf die gerade Bahn zur hoͤchſt-ewigen Freu - de anzuweiſen: Auch wirſt du aus der Bibel-Le - ſung einen unverhofften und ungemeinen Segen ſchoͤpffen, furnemlich dannzumahl, wann dieſelbige mit der Anruffung um den Heil. Geiſt, um Oeff - nung des Verſtands, und mit unverzuͤglichem Ge - horſam begleitet iſt. Ziehe ſodann deine ſorgloſen Eltern von der Hoͤllen-Straſſe ab, und Chriſto zu mit Gebet und Flehen zu deinem GOTT: Bitte ſie in groſſer Freundlichkeit, mit dir zu JEſu zu kommen: Theile ihnen von dem Honig / ſo du in dem getoͤdteten Loͤwen aus dem Stamm Ju - da gefunden, etwas mit; und ſage ihnen ein Woͤrt - gen davon, wie uͤberaus gut man es beym Hey - land habe: Heiſche von deinem JEſu den liebrei - chen Sinn und ehrerbietige Art jenes begnadigten Kinds, das um ſeiner Eltern Seligkeit innigſt be - kuͤmmert ware. Es ware nemlich ein Kind von 5. Jahren,(*)Anna Lane hieß diß Kind, von welchem ein meh - rers, ſiehe C. D. Kleinachts gute Exempel fuͤr die zar - te Jugend. Augſp. 1743. pag. 19. D. Rambachs Chriſtl. und Bibl. Exempel-Buͤchlein fuͤr Kinder. pag. 14. ſeqq. welches ſehr ernſtlich und mit vielem Bitten anhielte bey ſeinem Vater, daß er doch der Zeit wahrnehmen und die Goͤttlichen Dinge mit Ernſt und Eiffer treiben ſolle. Wel - che Bekuͤmmerniß fuͤr des Vaters Seele bey ei -Jnem130Cap. 2. Die zweyte Quellenem noch ſo zarten Kind ein: Gelegenheit ward, daß der Vater, der bis dahin zwar ein ehrbarer Mann geweſen, aber um das Ewige ſich wenig bekuͤmmert hatte, mit Ernſt ſich zu GOTT be - kehrte, Dieſes Kind betruͤbte ſich uͤberaus, wann es ſahe, daß jemand mit ſeinem Vater unnuͤtz Ge - ſpraͤch fuͤhrte, und beklagte ſeine Eltern hertzlich, wann es an denenſelben etwas wahrnahme, wel - ches ſeinem Urtheil nach, nicht die Ehre GOttes vermehrete.

§. 27.

Diß alles nun, mein Hertzens-Kind, iſt dir allerdings noͤthig, woferne du nicht durch das boͤſe Exempel deiner Eltern geblendet, geſchwaͤchet, ja wohl gar von ihrer beydſeitigen Verderbniß er - griffen und hingeriſſen werden willſt, ſo, wie du es ſelber etwa befuͤrchteſt. Maſſen ein traͤger, leicht - ſinniger Menſch den gehabten hitzigen Eiffer bald abkuͤhlet, wie wann man ein heiſſes Getraͤncke un - ter Eiß-Schollen ſetzet; ſonderlich wann es Leute ſind, denen du natuͤrliche Ehrerbietung und Unter - thaͤnigkeit ſchuldig biſt. Man hat nur allzu viel betruͤbte Exempel ſolcher unſeligen Kindern, welche ſchon hart an der Pforte des Lebens geſtanden und der Suͤßigkeiten des Himmels in der Liebe JE - ſu wuͤrcklich genoſſen hatten, von ihren Eltern aber noch an ihren Seelen ermordet und ins ewige Ver - derben geſtuͤrtzet worden. Ach wie bald vermoͤgen die Schmeicheleyen ein ungeuͤbtes Kind in die vo - rige Sicherheit wieder einzuwiegen; zumahlen dadie131der Verfuͤhrung der Jugend. die geiſtliche, ſo wohl boͤſe als gute Dinge ſich viel unvermerckter, ſubtiler und behender einſchleichen, als die zeitlich-und leiblichen. Das weiſt und glaubſt du, hertzliebſtes Kind! nicht, und muſt du auf der bedencklichen Reiſe durch dieſe Wuͤſten, und ehe du an denen Grentzen des Reichs der Herrlichkeit biſt, noch manches lernen und noch gar vieles erfahren.

§. 28.

Traue darum denen klug-ausgeſonnenen Re - den weiſer Welt-Leuten, und wenn es auch deine naͤchſten Bluts-Freunde waͤren, nicht: Dann im Fall es dieſelben nicht geluͤſtet, JEſu nachzufol - gen, ſo redet das liſtigſte Thier auf Erden, die Schlange, durch ſie, und vergifftet dich mit ih - rem hoͤlliſchen Hauch; woferne mithin die Blut - Gnade dieſes Ungluͤck nicht maͤchtig verhuͤtet, ſo toͤdtet der Boͤswicht deine Seele. Ach liebes Kind! wann die Deinigen es wußten, von was fuͤr einer groſſen Seligkeit ſie dich abzoͤgen und welch ein ewiges Hertzeleid dir ihr verfuͤhriſcher Zu - ſpruch anrichte; ſie wuͤrden warlich eher den hal - ben Theil ihrer eilfertigen Zungen abbeiſſen, als nur mit einem Wort das Maul wider GOttes Gnaden-Werck aufthun: Und wann du weiſe waͤ - reſt, und das Ende des falſchen Wegs bedaͤchteſt; ſo wurdeſt du deinen Fuß nimmermehr auf die Pfaden des Moͤrders ſtellen, ſondern viel tauſend Meilen davon, jenſeit des groſſen Meers, fliehen, dich daſelbſt zu verſtecken. Daher haſt du dichJ 2wohl132Cap. 2. Die zweyte Quellewohl zu huͤten, daß du nicht jeglichem Geiſt leicht - lich folgeſt: Pruͤfe vielmehr zuvor die Geiſter, ob ſie aus GOtt ſeyen? Ob ſie deinen Gebets-Eifer noch mehr entzuͤnden; oder dich darinnen lau und laͤßig machen, mithin liederlich vor der Welt, und noch mehr vor GOTT und ſeinen Engeln darſtel - len? Jſts das letztere, ach ſo zweifle nicht, und glaube nur, du ſeyeſt in eine boͤſe Lufft gekommen, und das Ubel allbereit bey dir eingedrungen; es ſeye demnach hohe Zeit, dich im Blut deines Er - loͤſers von dem angeſpritzten Gifft ſaͤubern zu laſ - ſen; ehe es um ſich freſſe, Peſt-Beulen werffe, die Seele dem andern Tod einlieffere, und du ein zwey - mahl erſtorbener Baum werdeſt: Welches ſchon manchem in unſern Zeiten begegnet iſt; zumahlen da ein verfuͤhriſcher Geiſt in die Welt ausgegan - gen iſt, der das immerwaͤhrende Gebet vor verdaͤchtig und unnuͤtz angiebet, ſo dem arg-tuͤcki - ſchen Fleiſch zu hoͤren nicht unangenehm iſt; was man nun gerne hoͤret, das glaubt man auch leicht: So bald alſo der Teuffel das erhaͤlt, ſo hat er ge - wonnen Spiel. Dann er trifft ſie allein an ohne JEſu, dem ſie anjetzo nicht mehr ſo muͤhſam an - hangen will; ſie ſinckt in einen Zauber-Schlaff, und weißt nichts von dem grauſamen Schaden, ſo ihr widerfaͤhret und alle Tage gefaͤhrlicher wird; wiewohl ſie ſpuͤhret, daß es nicht mehr ſo gut um ſie ſtehet, wie geſtern und ehegeſtern. Was ſie aber hindert, nuͤchtern zu werden, und in ihr ehe - mahliges Geleiſe wieder einzulencken, iſt, daß das unvorſichtige Kind die Worte der Schlangen an - genommen und als einen Verblendungs-Biſſen inſich133der Verfuͤhrung der Jugend. ſich geſchlucket hat; als durch welche hoͤlliſche Spei - ſe eben das, was der boshafftige Teuffel gerne ſie - het, gewuͤrcket wird: Je laͤnger alſo das arme Kind verzeucht, Artzeney darwider einzunehmen, ſo, wie ſie bey dem gnaͤdigen und barmhertzigen GOTT aus den Wunden Chriſti zu holen iſt; je aͤrger wird es mit demſelben: Ja der Schlan - gen eingeſogene Worte ſind unſichtbare Hoͤllen - Feſſel, die der Seelen auf eine ſolch magiſche (be - zaubernde) Weiſe angeworffen werden, daß ſie als gebannet die Krafft allgemach verlieret, dem Teuf - fel zu widerſtehen, das Arge zu haſſen und dem Guten anzuhangen: Das ſchwache Fuͤncklein des Sehnens nach GOTT eilet nach ſeinem voͤlligen Ausloͤſchen: Der kranck gewordene, gefangene Wil - le ruͤhret ſich wohl noch ein wenig; allein die ſie - benmahl aͤrgern Geiſter hauſen dermaſſen tiran - niſch, daß ſie alle Glieder der Seelen (es ſchreibet nemlich die Heil. Schrifft der Seelen nicht weni - ger als dem Leib Glieder, Hertz, Augen, Ohren, Mund, Fuͤſſe, Haͤnde ꝛc. zu) nicht nur lahm und zum Reich GOttes untuͤchtig machen, ſondern gar toͤdten und ins Verderben richten. Woraus das traurige und entſetzliche Ubel entſtehet, daß ein ſol - ches betrogenes armes Kind am geheimen Umgang mit dem Seligmacher, der zuvor ſeine liebſte Kurtz - weil ware, einen Eckel gewinnet, mithin unter die Botmaͤßigkeit des Antichriſten verfallet: Wobey dann noch diß das betruͤbteſte iſt, daß ein ſolches Kind aus Verblendung deſſen, der ein Luͤgner und Moͤrder von Anfang iſt, ſich beredet, daß ſein Zu - ſtand ſich nicht nur nicht verſchlimmert, ſondern wohlJ 3gar134Cap. 2. Die zweyte Quelle ꝛc. gar um ein ziemliches gebeſſert habe; indem es nun - mehro der Welt beſſer gefalle und von Hohen und Niedern geliebkoſet werde: Seit deme es, den - cket es, mit dem Zeug nichts mehr zu thun ha - be, und auch mit andern Welt-foͤrmigen Ge - ſchlechtern mitmache, welche ihre Religion auch verſtehen, und an kein ſchlechter Ort als in den Himmel wollen, ſo gehe es beſſer, und mit die - ſen klugen braven Leuten begehre man zur Ge - ſellſchafft zu wandeln; man wiſſe ſonſten nicht, wo einen jene Letzkoͤpffe zuletzt hinbringen.

Alſo wandert der groſſe Hauffe die allgemeine breite Land-Straſſe, wovor doch der Heyland ſie ſo treulich warnet, in das Verderben. Wann dann der Sohn neben dem Vater, und die Toch - ter bey ihrer leiblichen Mutter im Feuer-Ofen ſi - tzen und ſchwitzen muß; ach ſo werden ſie im Glantz der Goͤttlichen Zorn-Gerichte deutlich genug, aber allzuſpat erkennen, was ſie gemacht, da ſie die Fin - ſterniß mehr geliebet als das Licht, und die Welt mit ihrem Schatten dem ewigen GOTT und ſei - nem unvergaͤnglichen Reich unſinnig vorgezogen. Ach wie viel zornige Vorruͤckungen und Verweiſe werden ſich da gegen einander hoͤren laſſen! Zum theurſten wird das ungluͤckſelige Kind ſeinen verfuͤhriſchen Eltern gewiß keinen Danck abſtatten.

Des135

Des 2. Cap. Zweyter Abſchnitt, Von denen Begehungs-Suͤnden der Eltern in Anſehung ihrer Kindern.

Jnhalt:

  • §. 1. Eltern dienen ihren Kindern zur Verfuͤhrung; durch Begehungs-Suͤnden; und zwaren A) durch ihr boͤſes Exempel.
  • §. 2. Welches eine Himmel - ſchreyende Suͤnde iſt.
  • §. 3. Und bey den Kindern alles Gute erſticket.
  • §. 4. B) Durch eine ſchlim - me Auferziehung.
  • §. 5. Da die Eltern ihre Kinder verleiten 1) zur Wolluſt / auch auf dem Land, zumalen an Sonn - und Feyer-Tagen.
  • §. 6. Auch an Tauff - und Hochzeit-Tagen.
  • §. 7. 8. Ein - wurff, als ob man die Sachen in Anſehung des Land-Volcks allzuhoch treibe, beantwortet.
  • §. 9. 2 ) Zur Hoffart.
  • §. 10. Auch auf dem Land. §. 11. Die Frage, ob man ſich nicht koͤſtlich pu - tzen doͤrffe? wird beantwortet.
  • §. 12. 13. Die Hoffart als Seel-gefaͤhrlich vorgeſtellt.
  • §. 14. 15. Was zur Ausweichung aller Verſuchungen zu derſelben, zu bedencken.
  • §. 16. 17. 3 ) Zum Geitz. §. 18. Allgemeine Warnung an ſolcherley verfuͤhriſchen Eltern.
  • §. 19. Kinder from - mer Eltern ſind wohl gluͤckſelig.
  • §. 20. 21. Doch haben auch fromme Eltern gottloſe -J 4Kin -136Cap. 2. Von Begehungs-SuͤndenKinder; worvon acht Urſachen von Seiten der Eltern.
  • §. 22. und eine von Seiten der Kindern ſelbſt gegeben.
  • §. 23. Mithin die - ſem das Gebet angerathen wird.
  • §. 24. Erweck - ten Kindern frommer Eltern ſchwaͤrtzen ihre vorige Cameraden beydes ihren Ernſt und ihre fromme El - tern heßlich an.
  • §. 25. Sieben Verwahrungs - Mittel dargegen.
  • §. 26. Ob man den Eltern, wann ſie uns zur Suͤnde veranlaſſen, nicht folgen muͤſſe? Wird mit Nein beantwortet.
  • §. 27. Die Gefahr ſolcher zum Boͤſen folgſamen Kindern vor - geſtellt.
  • §. 28. Hingegen denen Begnadigten ſechs gute Raͤthe gegeben; und zwaren erſter und zweyter Rath. §. 29. Dritter und vierter Rath. §. 30. Fuͤnffter Rath.
  • §. 31. Sechſter Rath.
  • §. 32. Endlich folgen die Waffen / ſo denen Heyls-bekuͤmmerten Kindern gegen obbe - ſchriebene elterliche Verfuͤhrungen angewieſen wer - den; und zwaren a) das Wort GOttes.
  • §. 33. Dieſes muß die Jugend behoͤrig leſen.
  • §. 34. Alle Unluſt dargegen bezwingen.
  • §. 35. Auch wann man keine Krafft vom Wort an der Seele ſpuͤret.
  • §. 36. Da dann die Frucht darvon ſich endlich auch lieblich aͤuſſert.
  • §. 37. Wann man nur das Bibel - Leſen recht anſtellet.
  • §. 38. b) Das Anden - cken an das Leyden Chriſti.
  • §. 39. Doch daß es auf die rechte Weiſe geſchehe;
  • §. 40. 41. Und zwaren in der Verſuchung 1) zur Wol - luſt:
  • §. 42. 2 ) Zum Geitz und Geld-Hunger:
  • §. 43. 3 ) Zur Ehr-Begierde.
  • §. 44. c) Ein Ernſt ſeinen heiligen Vorſatz zu vollbringen.
  • §. 45. Gute Vorſaͤtzeſind137der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. ſind gut, aber nicht genug.
  • §. 46. Sie muͤſſen ins Werck gerichtet werden.
  • §. 47. Exempel deſſen von ſieben jungen Maͤrtyrern der erſten Kirchen.
  • §. 48. 49. d) Fleißiges Gebet.
  • §. 50. Muß anhaltend ſeyn.
  • §. 51. Vier Exempel ſolch betender Kindern.
  • §. 52. e) Eine be - ſtaͤndige Treu gegen dem Heyland.
  • §. 53. Untreu an JEſu iſt ſo ſchaͤndlich als Seel - gefaͤhrlich. §. 54. Aufmunterung zur unverruͤckten Treue.
  • §. 55. Auch durch Vorhaltung vier Kin - der-Exempeln.
  • §. 56. Endlich eine Anweiſung - wie boͤſe Lock-Voͤgel abzuweiſen ſeyen.

§. 1.

LJebes Kind! bis dahin haſt du geſehen, wie dich deine Eltern ins hoͤchſte Verder - ben verleiten koͤnnen durch Unterlaſ - ſungs-Suͤnden; dann weil ſie den Glauben an JESUM, die Vergebung der Suͤnden in ſeinem Blut, die Kindſchafft GOttes und das ewige Leben nicht in ſich haben, ſo ſind ſie auch nicht im Stand, dir den Weg zu ſolchen unaus - ſprechlichen Seligkeiten voran zu gehen und zu bahnen. Anjetzo folgen die Begehungs - Suͤnden: Als welche zu deiner Verfuͤh - rung auch vieles beytragen koͤnnen. Kinder haben ohne dem vor die Hand - lungen der Eltern eine ehrerbietige Hochachtung / und halten alles was jene thun / vor etwas vollkommenes. Die Neigung zur Nahrung wird alſo deſtoJ 5eher138Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndeneher entzuͤndet / wann ſie ſehen / daß ſolches ihre Eltern thun. Wann dieſe fluchen / ſchweren / ſauffen / den Sabbath ent - heiligen / die Spruͤche der Heil. Schrifft mißbrauchen / u. ſ. w. ſo ſehen die Kinder ſolches als was Anſtaͤndiges an / und ihre Neigungen werden gewaltig eben dazu aufgebracht. Wann alſo gleich die Kinder anderswo guten Unterricht empfangen / und die Goͤttliche Gebote lieb gewonnen / ſo verderben die Eltern alles wieder durch eine ſo ſuͤndliche Auf - fuͤhrung.

Ach! es ſteckt ein heimlicher Fluch und eine hoͤlliſche Krafft in uͤbler Auffuͤhrung der Eltern, al - ſo, daß Satanas dardurch Gewalt krieget, die Kinder in gleichem Suͤnden-Schlamm der Eltern hinein zu ziehen, wie ein unbeſchnittener Aſt ſeine Zweige mit ſich in das Feuer nimmet; dann wann die Erb-Suͤnde im Menſchen unangefochten blei - bet, ſo verwandelt er alles das Heiligſte in eitel Ubertretung, wie die Spinnen Malvaſier und Zucker in helles Gifft zuverkehren pflegen.

§. 2.

GOTT will haben, daß Kinder ihre Eltern in hohen Ehren halten, damit ſie ſich die theure Pflicht der Selbſt-Verlaͤugnung, der Brechung ihres eigenen Willens und der Toͤdtung des alten Menſchen beyzeiten angewoͤhnen und lernen moͤ - gen, die Krafft des Bluts und Geiſtes JESUaus139der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. aus der Gnaden-Fuͤlle ſeiner Gottheit in ihren zar - ten Leib, Seel und Geiſt hinein ſaugen, und ihr gantzes Hertz dem Heiligen GOTT und Vater und dem allergnaͤdigſten Heyland aufopffern. Wann ihnen nun dieſer Goͤttliche Weg der ewigen Weis - heit und Liebe von denen Eltern durch Worte und Wercke eckelhafft gemachet, und die unerfahrne Kinder in die greuliche Fußſtapffen des alten, ab - truͤnnigen Adams hinein gezogen werden, der durch ſeinen Abfall von GOtt Suͤnde, Fluch und Tod in die Welt gebracht hat. So begehen El - tern eine Himmel-ſchreyende Miſſethat. Wie ſo dann? Antwort:

1) Halten ſie den Teuffel und ſeine Verfuͤh - rungs-Wercke im Paradis in hohen Ehren, in - dem ſie das Bollwerck der Rebellion wider GOtt worzu der Fuͤrſt der Finſterniß an dem traurigen Tag des Abfalls unſerer erſten Eltern den Stein geleget hatte, fortbauen, hoͤher auffuͤhren und ih - re Kinder zu unſeligen Steinen darzu gebrau - chen.

2) Begehen ſie eine entſetzliche Treuloßigkeit an dem lebendigen GOTT; vergeſſen Ehr und Eyd, und nehmen ihre Worte, ſo ſie bey dem Tauff - Stein dem hoͤchſten HERRN auf eine ſolenne Weiſe gegeben haben, wieder zuruͤck; ſie beſchimpf - fen alſo die Liebe GOttes im Angeſicht ſeines gan - tzen himmliſchen Hofs, und verwerffen die uͤber - ſchwengliche ſegnende und alles wahre gute mit ſich bringende Gunſt des Vaters und Gnade JESU Chriſti, wordurch allein die Kinder haͤtten ewig weiſe, gerecht, heilig und ſelig gemachet werdenmoͤgen,140Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndenmoͤgen, ſo, wie JEſus ſich darzu uͤberaus geneigt bezeuget. Marc. 10, 14. Matth. 23, 37.

3) Mißgoͤnnen Welt-geſinnte Eltern ihren ei - genen Kindern eine ſolch unvergleichliche Ehre und Herrlichkeit, und hauſen mit ihnen ſo uͤbel, daß kein Tuͤrck, Jud oder Heyd eine ſo barbariſche That an den Seinen begehen kan. Oder wann der großmaͤchtigſte, leutſeligſte Monarch einem Vater ſein Kind abforderte mit eigenhaͤndig - ſchrifftlichem Verſprechen, ihme ſein hohes Gluͤck zu machen; der Vater aber wolte nicht trauen, und dargegen den lieben Sohn einem Bettel-Hund (wie der Welt-Geiſt iſt) uͤbergeben, der ihn biſſe und zuletzt gar verzehrete; welch eine Grauſamkeit waͤre dieſes?

4) Was iſt die Zeit zu rechnen gegen der Ewig - keit? So lang der Erdboden betreten wird, ſo dancket etwa noch der blinde Sohn ſeinem blinden Vater, und iſt der Auferziehung halben zimlich wohl mit ihme zufrieden; aber in der finſtern Zorn - Welt gehet uͤber beydſeitige Unſinnigkeit ein ewiges Verfluchen an.

5) Ziehen ſie ein ſtrenges Urtheil GOttes uͤber ſich Matth. 18, 6. und wird der unweiſe Vater (Mutter) noch genug wehklagen: Ach mußte ich dann meinem lieben Kind durch meinen ver - kehrten Wege ein Fuͤhrer zur Verdammniß ſeyn? Ach mir Armen, daß ich mich von meiner fleiſch - lichen Vernunfft, verfinſterten Verſtand und Gutduncken meines Hertzens ſo jaͤmmerlich ver - blenden, und vom Strom des Welt-Lauffs in allen eiteln Anſchlaͤgen ſo naͤrriſch hinreiſſen laſ -ſen!141der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. ſen! Ach haͤtte ich denen Apoſteln und Prophe - ten geglaubt, ſo wurde ich meinem Kind ſanff - ter gebetet haben in Roſen - und Lilien-Blaͤttern der ewigen Freude; anſtatt es itzt auf gluͤend - ſpitzigen Kieſel-Steinen, unter Schlangen und Scorpionen in der heiſſen Hoͤllen-Glut ligen muß; da es nach meinem Exempel ſich mehr um die Welt, als um das Heyl GOttes bekuͤm - mert und bemuͤhet, und geglaubet hat, daß es, weil ihm der kindliche Gehorſam von GOTT ſelber auferleget worden, ſeine Sache nicht beſ - ſer machen koͤnne und ſolle, als ich es gemachet habe!

Hilff GOtt! wem gehet wohl dieſes zu Hertzen?

§. 3.

Nachdem alſo die Handlungen der Eltern wider GOttes Wort und Willen angehen, die Kinder aber das zu ſehen gewohnet ſind: So gibts einen ſo tiefen Eindruck in die zarten Gemuͤ - ther, daß die verfuͤhriſche Welt-Bilder, ohne har - te Umſchmeltzungen durch Creutz und Gnade nicht auszutreiben ſind; es ſeye dann Sache, daß das Kind aus auſſerordentlicher Barmhertzigkeit GOt - tes einen hoͤhern Geiſt empfahe, der in ihm einen hertzlichen Eckel an allem Plunder dieſer Welt er - wecke, ſo, daß es mit heiliger Ehrfurcht nur auf den Willen GOttes ſchaue, wie Abraham, Jo - nathan, Joſias und viele Maͤrtyrer und Beken - ner, welche ſich aus Liebe zu Chriſto von ihren El - tern haben enterben laſſen. Matth. 10, 21. Hebr. 10, 34.142Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden10, 34. Geſchiehet dieſes nicht, ſo breitet ſich das abſcheuliche Ertz-Gifft der Welt-Liebe gewaltig aus, und uͤberziehet das gantze Hertz des Sohns und der Tochter dergeſtalten, daß bald kein gut Woͤrtgen mehr aus dem Evangelio Raum findet zu einiger Fruchtbarkeit in das ewige Leben. Wird das Wort ſchon ausgeſtreuet und die Seele dardurch in etwas beruͤhret, ſo ſtehet das feindſelige zu Hand - voll taͤglich drein geſaͤete Unkraut zuſammen wider das aufſchieſſende einzele Graͤslein, und erſticket es. Kurtz, der in denen Welt-Salſen eingedauchte und ſo lang darinnen gelegene Schwamm iſt dar - von ſo voll, daß er das Oel des Heiligen Geiſtes und des Glaubens unmoͤglich anzunehmen vermag.

Hier ligt demnach der Bann und das tauſend - fach-gedoppelte Unvermoͤgen zur Sinnes-Aende - rung und Erleuchtung, nachdem ſo viele Decken nach einandern auf das ohne dem bloͤde Seelen-Aug des Kindes geworffen worden.

Einmahl Kinder empfahen Nahrung und Klei - dung von GOtt durch die Hand ihrer Eltern; und darum ſingen ſie auch gemeiniglich ihr Lied: Mit - hin liegt ihr Haus-Exempel auf dem Unterricht, der ihnen etwa von Predigern, Schulmeiſtern und andern gegeben wird, wie ein ſchwerer Laſt-Stein, daß das Saam-Koͤrnlein ohnmoͤglich zum neuen Weſen des Geiſtes aufſchieſſen kan, wo nicht ein ſonderbarer Goͤttlicher Trieb zu Huͤlffe kommt, al - le Riegel und Siegel bricht, durch Stein und Ei - ſen dringt und in herrlicher GOttes-Krafft uͤber allen Widerſtand triumphiret, ſo daß der Eltern irrdiſche Sehnſucht, eiteler Sinn, Abgeſtorbenheitan143der Eltern in Anſehung ihrer Kinder.an GOTT und ſeinem Reich, Blindheit an den himmliſchen Geheimniſſen, Abkehr vom Buß - Kampff und der neuen Geburt, Sicherheit in Suͤn - den, Wahn-Glaube, Kaltſinnigkeit gegen den Heyland ſamt ihrer falſchen Hoffnung ihnen zum Greuel wird. Wann dieſem allem zufolg die Kin - der von denen ſo gar nahen Verſuchungs-Kraͤff - ten ihrer eigenen Eltern nicht ſollen beſchaͤdiget wer - den; ſo muß Oel und Wein, Geiſt und Leben reichlich in ihren Hertzen ſeyn: Eben wie die Trau - ben in Lacoten den Reiffen widerſtehen, ſo daß ſie nicht nur keinen Schaden kriegen, ſondern nur noch milder und ſuͤſſer davon werden, weilen ſie mehr Geiſt als andere in ſich haben.

§. 4.

Nicht nur aber biſt du, liebes Kind, des boͤ - ſen Evempels halben deiner Eltern, alle Ta - ge unzehliger Gefahr unterworffen / am Heyl deiner Seelen Schiffbruch zu lei - den: Sondern auch und vornemlich dannzumah - len, wann dazu kommt / daß ſich die El - tern mit Fleiß Muͤhe geben, den boshaff - ten und uͤppigen Welt-Sinn in den Kindern zu pflantzen: Es iſt ja die heutige Art der Erziehung, ſonderlich vornehmet Kinder alſo eingerichter / daß die Nei - gungen der Eigen-Liebe bey denen Kin - dern dadurch recht aufgewaͤrmet und in Brand geſtecket werden.

§. 5. So144Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden

§. 5.

So wird von den Eltern ſelbſt an - geflammet 1) Der Wolluſt-Sinn. Wann die Kinder in Eſſen und Trin - cken zum Uberfluß und zur Delicateſſe verleitet, zu ſuͤndlichen uͤppigen Geſell - ſchafften und zu weltlichen Spiel-Gela - gen mitgenommen / zum Muͤßiggang gewoͤhnet und auf unzehliche Art ver - zaͤrtelt und verzogen werden.

Und ach, die Wolluſt-Teuffel / ſo die Luſt im Fleiſch entzuͤnden, und die Jugend Antichri - ſtiſch und Heydniſch machen, ſtuͤrmen nicht nur in denen Staͤdten auf den Gaſſen und in den Haͤu - ſern herum; ſondern durchlauffen auch die Doͤr - fer und Straſſen auf dem Land / mit ent - ſetzlichem Geraſſel; zumahlen an denen Sonn - und Feyertagen / an welchen man Dinge be - gehet, deren man ſich auch an denen Werck-Tagen ins Hertz hinein ſchaͤmen ſollte. Dann da muß man ſehen lauter Narrentheidungen treiben, lachen, kegeln, ſpielen, freſſen, ſauffen und andern unnuͤ - tzen Zeitverderb nach des Satans Wunſch und ſo, wie ers am liebſten ſiehet, begehen; eben als ob man nicht ſo faſt unſers Hochgeprieſenen Hey - lands Auferſtehungs - und Sieges-Feſt uͤber Suͤn - de, Welt und Teuffel, als aber Beelzebubs Triumphs-Feſt feyerte. Und diß iſt deſto laͤp - piſcher und unleidlicher an das Land-Volck / das ja an denen ſechs Werck-Tagen genug Leibes - Ubung haͤtte; mithin ihme beſſer anſtuͤnde, an de -nen145der Eltern in Anſehung ihrer Kinder.nen Sonntaͤgen bey der Bibel zu ſitzen und in geiſtreichen Buͤchern zu leſen. Man findet zwar an dieſem Tag noch wohl da und dorten die Bi - bel auf dem Tiſch offen liegend; aber niemand, der darinnen leſe. Ach wie ſpottet man doch ſo fre - ventlich des hohen GOttes! Ach HErr! wie lan - ge willſt du noch dieſe Schmach leiden, die dir das Land-Volck je und je am Tage des groſſen Heyls anthut? Solle dann JEſus auch in ſeiner Herr - lichkeit nicht ſicher ſeyn vor des Poͤbels Schmaͤ - hungen?

§. 6.

Und was ſind Tauff - und Hochzeit-Ta - ge auf dem Land? Freß - und Sauff-Gelage. Dann anſtatt man wohl die wichtigſten Urſachen haͤtte, ſolcherley bedenckliche Tage mit Faſten und Beten zuzubringen; ſo ſind die Andachten kurtz genug und waͤhren kaum eine Viertel Stund beym Tauff-Stein oder bey dem Trauungs-Banck: und auch da iſt meiſtens nur der Leib zugegen; das Hertz aber ſinnet an etwas gantz anders, als an das, was aus dem Cantzel-Buch vorgeleſen und gebetet wird. Ja dieſe ſo wichtige Tage werden mehr dem Seelen-Feind, als aber dem lebendigen wahren GOTT groͤſtentheils eingeweyhet. Das ſehen dann die Kinder und lernen es; auch gar die kleinſten im Hauſe werden dazu gezogen, eben als ob es ein fuͤrtrefflich Wolleben waͤre; wodurch dann der Geiſt und alles in ihnen pur fleiſchlich wird. Werden ſie dann groͤſſer und wiſſen vonKkeiner146Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndenkeiner Luſt an dem HErrn; ſo nimmt die Unluſt und Eckel an geiſtlichen und Goͤttlichen Dingen auch mit den Jahren zu: Da ſich dann die Teuf - fel nicht ſaͤumen, Finſterniß, Blindheit und Ver - ſtockung auszubruͤten, ſo daß eine vollkommene Ge - ringachtung der Ewigkeit im Hertzen aufwaͤchſet und recht erſtarcket, mithin die Sache des Himmel - reichs bey ſolcherley jungen Leuten arger wird, als unter den Groͤnlaͤndern, Hottentotten und ſchwar - tzen Selaven. Nicht nur aber dieſes, ſondern wann man ſo von Kindheit an im Haus der Eltern gelernet hat, die Woͤrter und Bilder, ſo man in Kirchen und Schulen davon gehoͤret hat, hinter den Ruͤ - cken zu werffen und mit Fuͤſſen zu zertretten; ſo kommen die Fleiſches-Luͤſte in die unordige Brunſt, und treiben junge Leute beyderley Geſchlechts Un - zucht und Geilheit, neben allerhand Muthwillen, unerſaͤttlich. Und was fallen dann Vater und Mutter davon fuͤr ein Urtheil? Sie ſagen: Was wollte das ſeyn? da wir noch jung waren, ha - ben wirs eben ſo und nicht beſſer gemacht; wohl aber noch viel ſchlimmer. Wann ſie ins Alter kommen, ſo wirds ſchon beſſer werden.

Was Wunder dann, daß ein Haus-Vater ſeine Kinder und Geſind bey ſolch bedencklichen An - laͤſſen nur auf das fleiſchliche Wolleben, nicht aber zu denen geiſtlichen Niedlichkeiten des Hauſes GOt - tes und zu dem klaren Bach ſeiner himmliſchen Wolluͤſten fuͤhret? da er ja fuͤr ſich ſelbſten nicht das mindeſte darnach fraget, und weniger ſich darum bekuͤmmert, als um Chineſiſche Aepfel und Palmen-Fruͤchte. Wie iſt es darum zu begreiffen,daß147der Eltern in Anſehung ihrer Kinder.daß ſothane Eltern ihre Kinder mit an das herr - liche Freuden-Mahl nehmen ſolten, das der Heilige Geiſt ſelber zurichtet auf den Kinds - Tauff-Tag / an welchem das neue Gnaden - Kind als ein Mit-Erb Chriſti aus GOtt geboh - ren, und mit dem Heiligen Geiſt von der aller - hoͤchſten Majeſtaͤt GOttes des Vaters in Chri - ſto getauffet wird? Und wie wolten und koͤnn - ten ſie doch ihre Kinder mit hinziehen zu der Goͤttlichen Mahlzeit der Hertz-entzuͤckenden Tracta - menten, ſo da beſtellet iſt auf den Tag der Vermaͤhlung mit dem Braͤutigam Chri - ſto, da der Heilige Geiſt vor unſaͤglicher Liebe und Freude, daß ers mit der Seelen ſo weit gebracht, ſelber des HErrn Brautigams und der begnadigten Menſchen-Seele, als neuen Jung - frau Hochzeiterin, Aufwaͤrter ſeyn und den Ehren - Wein ſchencken will.

§. 7.

Und was ſoll ich ſagen vom tummen Land - Volck? Es gibt noch wohl Herren-Leute die Menge, die ſo unbeſcheiden ſind, daß ſie dem Teuffel das Wort reden, ſeinem Blend-Werck Recht geben, und ſagen: Das ſeyen fuͤr das Bauren-Volck zu hohe Sachen / die ihren Begriff uͤberſteigen. Grad als wann 1) die Bauren-Seelen einen andern Ur - ſprung haͤtten, und nicht eben ſo wohl als an - dere Seelen von GOTT herkaͤmen. Als wann 2) die fleiſchliche Vernunfft Goͤttliche GeheimniſſeK 2offen -148Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndenoffenbahrte, und nicht der Vater in dem Him - mel; dann wann jenes waͤre, ſo haͤtten freylich Herren-Leute, die gemeiniglich eine etwas ſchaͤrf - fere Vernunfft haben, disfalls einen etwelchen Vorzug, ſonſten aber iſt es ein gemeines Spruͤch - Wort: Es ſeye nichts einfaͤltigers an dem Bauren / als ſein Kittel (Rock.) 3) Weißt man aus Erfahrung, daß Herren-Leu - te in Sachen, ſo die Ewigkeit betreffen, eben ſo tumm ſind als das Land-Volck; ſie ſchwaͤtzen und raiſonieren zwar etwas fertiger daher, aber zum Suchen, Finden, Genieſſen Goͤttlicher Suͤßigkei - ten ſind ſie noch wohl ungeſchickter als die Land - Leute; ja ſo ſauber iſt ihr hoher Begriff von Goͤttlichen Dingen, woruͤber ſie ſich alſo bruͤſten, daß viele ſie faſt gar fuͤr ein Maͤhrlein in ihrem ſtoltzen Unglauben halten. 4) Quillet ja alles Licht und Leben aus Chriſti Wunden und ſeinem Heiligen Geiſt; Beydes nun ſtehet den Bau - ren nicht weniger als den Herren offen, nur mit dieſem Unterſcheid, daß jene noch einen Vortheil vor dieſen haben; dann je weniger Schlangen - Witz, und je weniger Geſchmiers von aufble - hender Gelehrſamkeit (ich rede nicht von nuͤtzlichen heilſamen Wiſſenſchafften, die mit Hertzens-De - muth, Geiſtes-Armuth und Seelen-Begierde nach der Einleuchtung des Gnaden-Lichts von oben begleitet ſind) im Menſchen iſt, je kraͤfftiger und tiefer dringet der Wein und das Oel in die giff - tige Suͤnden-Wunden zu ihrer Geneſung. Die Sonnen-Strahlen fallen viel heller und reiner in eine Kirch, da einfaͤltige Glas-Scheiben ſind,als149der Eltern in Anſehung ihrer Kinder.als wann ſelbige mit allerhand Farben kuͤnſtlich gemahlte Fenſter hat, ſo wie ſolches in alten catholiſchen Kirchen zu ſehen, wo die Fenſter mit Bildern der Heiligen und andern Figuren von mancherley Farben gezieret ſind. Es ſchlagen auch die Artzneyen im Leiblichen bey denen Bauren insgemein eher und beſſer an, als bey Herren; warum dann nicht auch im Geiſtlichen? Zuma - len da bey weitem nicht ſo viele Hinderniſſe ſich bey ihnen zeigen; wenigſtens trifft des Lammes Blut-Gnade und der Heilige Geiſt mit ſeinen Wuͤrckungen auf dem Land nicht ſtaͤrckern Wi - derſtand, als in denen Staͤdten, an; ja ihre Geſchaͤffte ſind nicht einmal der Sammlung des Gemuͤths zu GOtt ſo ſehr entgegen, wie deren in den Staͤdten; im Gegentheil gleichwie ihre Lei - ber an Lufft und Sonne unter dem freyen Him - mel arbeiten; alſo ſtehen auch ihre Seelen dem Anwehen des Gnaden-Geiſtes und dem erleuchten - den und waͤrmenden Liebes-Schein der ewigen Sonne beſſer offen, daher auch die Botſchafftere GOttes aus dem Himmel denen Hirten auf dem Felde erſchienen ſind.

§. 8.

5) Was ſind die Patriarchen, Propheten und Apoſtel fuͤr Maͤnner geweſen? Ackerleute, Weingaͤrtner, Vieh-Hirten, Fiſcher und andere Handwercks-Leute, mithin nicht ſo faſt ſpitzfuͤndi - ge Koͤpffe, als aber von GOtt gelehrte, und mit himmliſcher Weisheit beſtrahlte, erleuchtete Gna -K 3den -150Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnbenden-Maͤnner, der einige Paulus und Moſes ausgenommen, damit die Gelehrten zu ihrem Troſt ein Zeugniß haben, daß auch ſie aus der Schule der ſelbſt-ſtaͤndigen Weisheit nicht ausge - ſchloſſen ſeyen, und das ewige Wort des Vaters und der Heilige Geiſt auch zu ihnen kommen wolle, wo ſie nur ihre Hertzen vom Ehr - und Geld-Geitz, Neid und boͤſer Eiferſucht und ſonſten von allen eigenwillig - und eigenliebigen Neigungen und ſuͤnd - lichen Luͤſten gruͤndlich ſaͤubern und reinigen laſſen.

6) Endlich iſt es bey den Stadt-Leuten / wann ſie alſo urtheilen, eine Verdammniß-wuͤr - dige Unerfahrenheit in denen Geheimniſſen des Himmelreichs und ein ſcheußlich grober Unverſtand; bey dem Bauren-Volck aber eine recht teuflli - ſche Bosheit, und die allerſchnoͤdeſte Verachtung GOttes und ſeiner Heyls-Ordnung, die ſie nicht einmal zu wiſſen begehren, zur Probe, wie wenig ihnen an der Freundſchafft des ewigen GOttes ge - legen ſeye. Wie werden aber ihre kahle Entſchul - digungen: Sie ſeyen nicht ſo ſpitzig ſtu - dirt / ſie haben nicht ſo der weil wie an - dere Leute / ſie koͤnnen nicht allezeit be - ten und uͤber dem Buch ſitzen / und was dergleichen veraͤchtliche Reden und elende Behelffe mehr ſind; wie werden ſie, ſage ich, allzumal, wie Spinn-Gewebe, ſo ſie aus ihren vergiffteten Eingeweiden geſponnen haben, verpfladdern am Tage des Gerichts, da der Richter ihnen ihre ſa - taniſche Schalckheit und die abſcheuliche Schlan - gen - und Kroten-Geſtalt ihrer Seelen, als auf ei - ner Tafel gleichſam gemahlet vor das Gewiſſen le -gen151der Eltern in Anſehung ihrer Kinder.gen wird, ſo, daß ſie ſich darob ſchrecklich entſe - tzen und ihr eigen Gewiſſen das traurige Urtheil fal - len wird: GOtt muͤßte nicht gerecht und alle ſeine Drohungen nichtig ſeyn, wann er ſie nicht mit ewi - gem Feuer ſtraffen wurde, nachdeme ſie die Heyls - Mittel, JEſum, den Sohn der Liebe, den hold - ſeligen Jmmanuel, das hoͤchſte Geſchenck, die Wolluſt der Engeln, die Freude des Himmels, die ſchoͤnſte Paradis-Blum, die Krafft und Suͤſ - ſigkeit der himmliſchen Speis und Trancks ſo leicht - ſinnig verſchmaͤhet, und ſo gar keinen Geſchmack darinn gefunden, daß es ihnen nur nie in den Sinn geſtiegen waͤre, dieſe Seligkeiten ihren Kindern an - zupreiſen, mithin ſie zu einem hoͤhern Freuden-Le - ben anzulocken.

§. 9.

II. Der Hoffart-Sinn: Wann man die Kinder unmaͤßig putzet / ſie in ihrem Staat lobet / ihnen Gedancken des Vor - zugs vor andern in den Kopff ſetzet / in ihrer Gegenwart von andern veraͤcht - lich redet / der Kindern Untugenden als etwas treffliches heraus ſtreichet / und ſie deswegen nicht ſcharff beſtraffet. Das iſt lauter Zunder der Eigenliebe.

Jnſonderheit wird der Hoffarts-Sinn bey jun - gen Leuten auch dardurch aufgewaͤrmet, wann man ihnen Anlaß gibet, auch die heiligſten Dinge als weltliche Ehren anzuſehen. Wie einbildiſch wird z. Ex. ein Knab, wann erK 4das152Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndendas erſtemal Nachtmal gehalten hat? Wie hof - faͤrtig wird ein Maͤdgen, wann es etwa von de - nen Großmuͤttern mit Feyertags-Kleidern zum Hei - ligen Abendmahl aufgeputzet wird? Da macht man das arme Kind zu einem heydniſchen Greuel vor dem gecreutzigten Heyland, an dem geiſtlichen Seelen-Schmuck aber, an heiſſe Seuffzen, Ge - bet und Thraͤnen wird wenig genug gedacht, und eben ſo wenig, ja offt kein Woͤrtgen geredet von denen groſſen Vorrechten und Herrlichkeiten der Kindern GOttes, und wie dieſes eines ſuͤndhaff - ten Menſchen groͤſſeſte Ehre ſeye, die Suͤnde mit allen ihren Verſuchungen als Schlangen und Scorpionen zu zertreten, den Sinn Chriſti anzu - ziehen, von dem Heiligen Geiſt, als ein Uberwin - der der Welt und der Hoͤllen, in den Orden der Creutz-Ritter des Heylands und ewigen Koͤnigs aufgenommen zu werden. Jtem, welch eine hohe Ehre es ſeye vor allen heiligen Engeln, Creutz, Armuth, Schaden am Zeitlichen, Schmach und Schande mit williger Seelen zu erdulden, Boͤſes mit Gutem zu vergelten, ſich zu freuen uͤber das, was die alte Natur betruͤbet, und hingegen ſich zu betruͤben uͤber das, was dieſer ſo angenehm und er - quicklich iſt: Ach ja! von dieſer Ehre in dem Himmel und in den Augen aller Glaͤubigen hoͤren Kinder wohl gar nichts von ihren Eltern.

§. 10.

Und ſo iſt auch das Land-Volck bisfalls nicht beſſer geſinnet. Ja der Bauren-Stoltz magofft153der Eltern in Anſehung ihrer Kinder.offt weniger eine Beſchimpffung ertragen, als ein groſſer Herr, und ein Bauren-Maͤdgen ſtoltziert vielmal mehr in einem neuen paar Schuhe, neuen Rock, Schurtz, Guͤrtel, oder in ſeinem rothen, gruͤnen, blauen Haar-Band als eine Koͤnigin in ihrem koͤniglichen Pracht. Gehet ein ſolches das erſtemal zu des HErrn Tiſch / ſo iſt Mutter und Groß-Mutter beſchaͤfftiget daſſelbe zu putzen, zu tuͤchlen, oder den Kopff-Schmuck nach Land-uͤblicher Kirchen-Tracht aufzuſetzen, mithin das Kind zu lehren, wie es ſich bey der Heiligen Communion zu geberden habe, nicht anderſt, als ob die Zubereitung zum Heiligen Abendmahl nur in ſolchen eiteln Aeuſſerlichkeiten beſtuͤnde. Jſt nun das Kind huͤbſch getuͤchelt, ſo bezeuget die Mutter groͤſſere Freude daruͤber als das Kind ſelber, und machet ſich weiß nicht was fuͤr ein Gluͤck und Ehre daraus. Da dann die Seele des armen Kinds durch dieſes laͤppiſche Bezeigen dergeſtalten vergiff - tet und hingeriſſen wird, daß es ſich um den Goͤtt - lichen Glauben, um die Sinnes-Aenderung und das rechtſchaffene Weſen, das in Chriſto JEſu iſt, we - niger als nichts bekuͤmmert; zumalen da es aus dem gantzen Betragen ſeiner Eltern den falſchen Wahn faſſet und behaͤlt, als ob eben das vor - nehmſte Stuͤck der Zuruͤſtung zu des HERRN Tiſch in der Land-gebraͤuchlichen aͤuſſern Tracht beſtehe, weil daran die meiſte Morgen-Stunden gewendet und nichts uͤbrig gelaſſen werde zum Be - ten und Flehen, Winslen und Schreyen um die wahre Seelen-Vereinigung mit Chriſto und Be - ſprengung mit ſeinem Blut, um die VerſieglungK 5mit154Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndenmit dem Heiligen Geiſt und um die Aufopfferung des gantzen Hertzens zum Liebes-Gehorſam gegen GOtt den Vater. Daher aͤuſſern ſich auch ſo we - nig Fruͤchte von der Begehung des Heil. Abend - mahls, ja ſtatt derſelben vielmehr aͤuſſerſtes Ver - derben, Blindheit, Verſtockung, eiteler Welt - Sinn und Heyls-Vergeſſenheit; da verwuͤſtet auch der Buhler-Geiſt alle gute Lehre, die ſie gehoͤret hatten, und die Eltern ſehen auch nicht ſauer dar - zu, indem ſie ſich noch wohl erinnern, daß ſie es in dieſem Alter anch nicht beſſer gemachet haben.

§. 11.

Du fragſt: Darff ich denn mich nicht koſtbar kleiden / von andern aufputzen laſſen und einen Staat machen / ohne dabey Chriſtum zu verlieren?

Mercke zur Antwort folgendes:

1) Verlange ja nicht nach praͤchtigen Kleidern und auserleſenem weltlichen Schmuck / damit du es andern gleich oder zuvor thun moͤgeſt / ſonſt ſtuͤrtzeſt du dich ſelbſt in viele Verſuchungen zur Suͤnde / und begeheſt an dir ſelbſt eine heßliche Ab - goͤtterey. Wiſſe vielmehr / daß du in ei - ner ſonſt reinlichen Kleidung nach Noth - durfft Chriſto viel angenehmer ſeyeſt / als in dem aͤuſſerlichen Braſt mit ſtaatlichen Kleidern / Haar-flechten / Gold-um - haͤngen. 1 Petr. 3, 4.

2) Wann dir aber deine Eltern ohnedeinen155der Eltern in Anſehung ihrer Kinder.deinen Betrieb dergleichen anlegen / ſo widerſtrebe ihnen zwar darinnen nicht / ſiehe aber ſolches als eine ſchwere Laſt an / und wie der ſel. Lutherus von ſich ſagt / da man ihm uͤberfluͤßige Ehre er wieſe: Er muͤſſe dieſerhalb des Tages etliche Va - ter Unſer mehr beten, damit er nicht durch Uberhebung ſein ſelbſt Chriſtum creutzige. So bedencke auch du / daß du nun dop - pelte Urſach habeſt / eifrig GOTT zu bit - ten / daß er dich vor dem Mißbrauch der Creaturen bewahre.

3) Siehe dich alſo beſtaͤndig an / als einen elenden Suͤnden-Wurm / achte dieſen Bettel-Schmuck des Leibes nicht werth / dich um deswillen vor andern zu erheben; ſintemalen ja die Kleider ein Zeugniß ſind unſerer Bloͤſſe und Abfalls von GOtt. 1 Moſ. 3, 7. 21. Wer alſo da - mit prangen will / mit dem hats gleiche Bewandniß / als ob ein vom Galgen entloffener Dieb mit dem Strick Pracht treiben wolte. Achte alſo das vor deine groͤſte Schoͤnheit / in dem Kleid der Un - ſchuld JESU vor GOTT und Engeln zu prangen / immer ſeuffzende: JEſu! dein Blut und Gerechtigkeit, iſt und bleibt allein mein Schmuck und Ehren-Kleid, damit will ich vor GOTT beſtehen, u. ſ. w. das laß deine Freude ſeyn. Jeſ. 61, 10.

4) Treibe ja keinen Staat nach derWelt -156Cap. 2. Von Begehungs-SuͤndenWelt-Manier / und bruͤſte dich nicht wie ein Pfau in ſeinen Federn / damit du von andern geſehen und bewundert wer - deſt / ſonſt biſt du ein Scheuſal in den Augen GOttes und ſeiner Engeln. Und da du in ſolcher aͤuſſern Schoͤnheit vor GOtt deswegen nicht angeſehener biſt / als das unedelſte und unanſehnlichſte Armen-Kind; ſo erniedrige dich deſto tieffer vor GOTT im Gebet / damit er dich einmal erhoͤhe zu ſeiner Zeit. 1 Petr. 5, 6. Wann du anziehen wirſt das Unver - wesliche. 1 Cor. 15, 54.

Laß mich JEſu allen Tand
Der ſo eiteln Welt verlaſſen;
Und den hohen Himmels-Stand
Glaͤubig als mein Erbtheil
faſſen!

§. 12.

Hoffart iſt einer von den Drachen-Koͤpffen: Wer Luſt dran hat, gehoͤrt mit zu denen Gliedern des Thieres / ſo aus dem Abgrund aufſteigt, und faͤhrt mit ihme am Ende wieder in den Ab - grund hin. Hoffart iſt ein Stuͤck von dem ab - ſcheulichen Suͤnden-Kleid, womit Satan die Menſchen-Seele uͤberzogen, und vor GOtt zum Greuel gemachet hat; welches dann zuletzt ſich verwandelt in ein Hoͤllen-Kleid, das um ſo roth - flammender in der Hoͤlle ſeyn wird, als die Luſtdaran157der Eltern in Anſehung ihrer Kinder.daran bey Leibes-Leben hefftig ware. Es gehoͤren auch die mancherley Farben-Phantaſien mit unter die Verwicklungen, womit Satan die Seelen fa - bet. Werde darum klug, mein liebes Kind! und ſitze dieſem Hoͤllen-Jaͤger nicht ſo plumper Weiſe in ſeine Garne ein. Sieheſt du einen Cameraden oder eine Geſpiel auf dieſe oder jene Weiſe geklei - det, und wirſt ſo ſtarck entzuͤndet in Begierde auf gleiche Art angethan zu werden, ſo wiſſe, daß dieſe Begierde noch eine Brut der Schlangen ſeye, da - von dein Hertz gruͤndlich geſaͤubert werden muͤſſe, wann du dem Gecreutzigten gefallen wolleſt: So lieb dir demnach die Gunſt Chriſti und der himm - liſche Braut-Schmuck ſeiner Herrlichkeit iſt, ſo ernſtlich entziehe der Luſt deinen Willen; mit ſo - thanem Abſchlag wirſt du ſie zwar erzoͤrnen und verwildet machen, ſo, daß die Luſt in dir wird meynen, es muͤſſe ihro kurtzum ein Genuͤgen geſche - hen, aber wehre du dich als ein tapfferer Held, und dencke nur nicht, daß dis nur eine Kleinigkeit, darauf der ewige GOTT kein Achtung habe. O nein! mit dergleichen Betriegereyen, worunter die Wurtzel des Abfalls immer verſteckt und verdeckt bleibet, werden immer Millionen Menſchen des Himmelreichs verlurſtig. Stelle dir desnahen den Handel gantz anderſt vor als die tolle blinde Welt thut, die allen Rath und Willen GOttes nur ver - lachet, und dencke nur, ſo offt du denen Einge - bungen und Trieben zur Hoffart Raum lieſſeſt, ſo offt wuͤrdeſt du eine greuliche Lappen (Bletz) an das fuͤrchterliche Zorn-Kleid, an den ſcheußlichen Hoͤl - len-Rock ſetzen, der ins Hertz vom todten Meerein -158Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndeneingeſtoſſen, und in welchem du von den Teuffeln eingehuͤllet vor den Richter gefuͤhret werden wirſt; wann dann das ewige Feuer um dich her Flam - men auswirfft; ſo wird eben auch dis dein har - tzichtes Kleid davon brennen, und doch nicht ver - brennen noch ausloͤſchen in alle Ewigkeit. Es iſt zwar des reichen Manns Purpur und koͤſtliche Lein - wand ſchon laͤngſten verfaulet; aber die Befleckung davon bleibt in ſeinem unſterblichen Geiſt in hoͤlliſcher Figur zu deſſen unaufhoͤrlicher Quaal.

§. 13.

Da beginnet dann der Gewiſſens-Wurm recht zu nagen und zu ſagen: Armer Geiſt! ſiehe mit welch elenden Schatten dich der Welt-Geiſt bethoͤret hat! Siehe alle dieſe Laͤpplein ſind nun dahin; die Flecken aber die du mit dergleichen Geluͤſten deiner Seelen angehaͤnget, kleben dir an zu deiner ewigen Beſchaͤhmung, daß du dich mehr in dieſelbe als aber in GOtt verliebet haſt! Ach haͤtteſt du das himmliſche Ehren-Kleid, ſo die Buͤrger Jeruſalems tragen, angezogen; ſo koͤnnteſt du anjetzo in unvergleichlicher Klarheit auf den guͤldenen Gaſſen der Stadt GOttes wandeln! Ach wer erinnert ſich jetzt mehr deiner praͤchtigen Kleidung unter allen Menſchen-Kin - dern, denen du dich in derſelben gezeiget haſt: Die Gerechten ſahen dich mit Betruͤbniß an; du aber machteſt aus ihren weiſen Reden ein Geſpoͤtt. Ach arme Seele! haͤtteſt du doch ernſtlicher da - hin getrachtet, wie du mit dem Goͤttlichen Licht -Leib159der Eltern in Anſehung ihrer Kinder.Leib aus Chriſto, mit dem neuen Menſchen moͤchteſt umgeben und in denſelben eingekleidet werden, ſo wie jetzt die Verklaͤrten darinnen heller als die liebe Sonne glaͤntzen! Aber ach du elende Seele! du wareſt fleiſchlich und im Fleiſch vergraben, und vermochteſt daher auch nichts zu lieben, als was deine fleiſchliche Augen ſahen; hingegen wareſt du an dem engliſchen Schmuck des Himmelreichs ſtock-blind. Nun iſt alles, woran du dich mehr als an der Heili - gung beluſtigteſt, dahin, auf daß die Schrifft erfuͤllet wurde: Was ſichtbar iſt / das iſt zeitlich / dauret nur eine Zeitlang; was aber unſichtbar iſt / das iſt ewig. 2 Cor. 4, 18. Ja, wer nur Pauli Augen haͤtte!

§. 14

Jſt dir nun, mein liebes Kind! ernſt, dem Hoffarts-Greuel und allen daran hangenden Gerichten zu entgehen / ſo erwaͤge folgende Gruͤnde:

1) Daß dein unſterblicher Geiſt nichts darvon hat, man mag auch dem Leib das allerkoͤſtlichſte und ein ſolches Kleid anziehen, das ein Tonnen Gold gekoſtet haͤtte.

2) Jſt die Ehre, ſo man dir deswegen beweiſet, dir mehr ſchaͤdlich als heilſam.

3) Hoffart ware die Miſſethat So - doms / Ezech. 16, 49. Sie iſt auch den Toͤchtern Zions von GOtt ſehr uͤbel aufgenommen worden, Jeſaj. 3, 24. Da ſie noch darzu damals haͤttenvor -160Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndenvorſchuͤtzen und ſagen moͤgen, daß es alles Sinn - Bilder ſeyen gleich dem von dem HERRN ſelber vorgeſchriebenen Zierrath des Hohenprieſters. Aber im Neuen Teſtament will es ſich gantz und gar nicht reimen, nachdem uns unſer Seligmacher ſo hertz-freundlich zurufft, von ihme zu lernen Sanffmuth und Hertzens-Demuth / Matthai 11, 29. und da die vornehmſten Apoſtel uns eben auch etwas gantz anders lehren, 1 Tim. 11, 9. 10. 1 Petr. 3, 1-6. 1 Johan. 2, 16. Jac. 2, 2. 3. Offenb. 18, 15-20. Achte dann die Ge - bote der heiligen Apoſteln nicht gering, GOTT wirds von dir fordern.

4) Getraueſt du dich in deinen Hoffarts-Kleidern vor dem Heyland zu erſcheinen, der um deinetwillen am verfluchten Holtz des Creutzes nackend gehan - gen? Ach ja! Doͤrne waren ſein Haupt-Schmuck, eiſerne Naͤgel ſeine guͤldene Ringe und Arm-Ge - ſchmeide, Blut worvon ſein gantzer Leib getreufet, ſein koͤniglicher Purpur, Himmel-blaue Striemen ſein Sapphir, das offene Loch an ſeiner Seiten ſein Goͤttliches Ritter-Zeichen, ſeine mit blutigen Naͤ - geln durchbohrete und blau-geſchwollene Fuͤſſe ſeine mit Gold geſtickte Schuhe, und anſtatt des Unter - und Ober-Kleids vom finſtern Leinwand, von Sammet und Seiden, hienge ſein bloſſer Leichnam in rauhem Lufft voll hoͤlliſcher Finſterniß und Schreckniſſen. Frage itzt dein eigen Gewiſſen, ob er dich in deinem ſtoltzen Aufputz fuͤr ſeinen Juͤnger oder Juͤngerin erkennen werde, die ihme in Demuth und Hertzens-Niedrigkeit nachgefolget? O ein Glaubens-Blick auf das gecreutzigte Lamm GOt -tes161der Eltern in Anſehung ihrer Kinder.tes wird warlich deinem Hertzen alle Hoffart ſtin - ckend machen.

§. 15.

5) So offt du deine Luſt an praͤchtiger ala - modiſcher Kleidung durch das Anſchauen der vor dir nackend-ſterbenden ewigen Liebe daͤmpffeſt, un - terdruckeſt und toͤdteſt, ſo offt bekommt dein ungenaͤhetes Gnaden-Kleid einen friſchen Zuſatz, bis das Kleid deiner Heiligung von Chriſti Geiſt ausgewuͤrcket und vollendet iſt. Mein Kind! wilt du ein Kleid tragen, das unverweslich ſeye, das von ſtetem tragen immer ſchoͤner und herrlicher wer - de, das aller Monarchen und Koͤnigen Pracht un - endlich uͤberſteige, das die himmliſche Choͤre erqui - cke und charmire mit ſeiner Schoͤnheit, das derma - leneins die Augen aller Voͤlcker durch ſeinen Wun - der-Schimmer zur Erſtaunung an ſich ziehe; ja wilſt du ein Kleid haben, dabey dich die heiligen Engel vor einen Buͤrger Jeruſalems, vor ein Kind des lebendigen GOttes, vor einen Koͤnig und Prie - ſter des Himmels, vor eine Braut des Lamms er - kennen, und mit tiefer Ehrerbietung ſich vor dir beugen: So hungere und duͤrſte nach Chriſti Gerechtigkeit, nach ſeinem Verdienſt und nach ſei - ner Blut-Gnade; ſeuffze, ſehne dich nach wah - rem Glauben, den GOtt allein wuͤrcken kan, ver - birge dich in JESU Wunden, tauche dein Hertz und Gewiſſen in das allerheiligſte Verſoͤhnungs - Blut, ziehe den HERRN JEſum gantz an, ſo biſt du mit der Sonne bekleidet. O mein Kind! traueLdu162Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndendu nur dem Heyland, der dir recht gut rathet. Offenbahr. 3, 18. Gibe ihme die beſten Worte, ſeuffze, weine, flehe, halte an, daß er ſich deiner nackten, geſchaͤndeten Seelen gnaͤdiglich erbarmen wolle, ſo, wie ſie in der Schand ihrer Bloͤſſe vor ihm ſtehe und begierig warte, bis er ihro aus mil - der Guͤte ein Gnaden-Kleid zuwerffe und deinem Glauben anziehe, damit du nicht in dem alt-ada - miſchen Schand-Kleid ergriffen und hingerichtet werdeſt. 2 Corinth. 5, 3. Offenb. 16, 15. Das ſeye dann dein unausſetzliches Geſchaͤfft, das Alte aus - und das Neue anzuziehen, ſo lang bis nichts mehr als JESU Sinn und Natur an dir geſehen werde. Coloſſ. 3, 9-14. Jeſaj. 61, 10. Hohel. 4. Pſ. 45, 10. 14. 15. Zach. 3. Offenb. 16, 15. Ge - heſt du darmit gerne um, und iſt dirs von Hertzen darum zu thun, ſo wirſt du nicht viel auf den ei - teln Kleider-Putz ſetzen. Ligt dir dein Eintritt in den koͤniglichen Saal, da die Patriarchen Enoch, Noa, Abraham, u. ſ. w. wohnen, nahe am Her - tzen, ſo wirſt du keine uͤbrige Zeit haben nach et - was anderm zu geluͤſten, als daß dieſe verklaͤrte heilige Chriſti Geſtalt in dir erblicken, und um derſelben willen dich freundlich bewillkommen moͤgen.

6) Trachte nicht nach einer Kleidung die deiner Seelen weder kalt noch warm gebe. Ja, was ſa - ge ich? Hoffart machet, daß deine Seele in der Liebe zum Heyland erfrieren muß. Hoffart ent - zuͤndet hingegen die Luͤſte des Fleiſches, und machet endlich heiß genug in der Hoͤllen-Glut. Der ſterb - liche Leib hat bald ſeine Decke; ſaͤuberlich und rein -lich163der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. lich mag ſie wohl ſeyn, nur nicht koſtbar und ſo gar à la mode. Trachte nach einem verklaͤrten Leib daß dir dieſer ja nicht fehle.

7) Wilt du was koſtbares, ey ſo trachte nach der Crone der Weisheit, nach dem Unter-Rock, Mantel und Talar der Gerechtigkeit und des Heyls, nach dem Ober-Kleid der Heiligung und der ewi - gen Erloͤſung; dis, dis hat JEſum ſein theures Blut gekoſtet; dis hat der eingebohrne Sohn, das ewige Wort des Vaters, mit unausdenck - lichem Leyden, mit ſaurer Arbeit und blutigem Schweiß erworben; ey wie koͤſtlich muß dann nicht daſſelbige ſeyn! Dann JESUS weißt ja den Werth einer jeden Sache am allerbeſten, da er nun ſich ſelbſt zur Erwerbung dieſes Kleids da - hin gibt, ſo muß es ja wohl koͤſtlicher als alle Himmel ſeyn.

§. 16.

III. Der Geitz-Sinn: Wann ſie den Kindern Spar-Buͤchſen geben / und ihnen von Geld und Reichthum / als ei - ner groſſen Gluͤckſeligkeit / ſo viel vor - ſchwaͤtzen / ſelbe auch nicht beſtraffen / wann ſie neidiſch werden und mehr haben wollen als andere.

Ach die meiſten Eltern ſind aufs Jrrdiſche der - maſſen verpicht, daß bald kein Raͤumlein mehr zur Sorge fuͤr die Seligkeit der theuren Seele will uͤbrig bleiben. Die Kinder ſehen und hoͤren dar - um auch den gantzen Tag, an den SonntagenL 2nicht164Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndennicht weniger als an den Wercktagen nichts an - ders von ihnen; ſie werden auch zur Arbeit arger als Ochſen und Pferdte getrieben; was ſie hinge - gen vor den Himmel thun, achten ſie ſo viel als verlohren; der Gewinn des kleinſten Hellers gilt bey ihnen mehr als alle Handleitung zur frohen Ewigkeit; die Wegweiſung des Mundes JEſu iſt ihnen wohl nicht lieber als tauſend Stuͤck Gold und Silber. Pſalm 19, 11. 119, 72. Um eines Batzens, geſchweigen Guldens willen, Sitz-Geld in der Kirchen wuͤrden ſie wohl eher in ihren Stuͤhlen erſcheinen, als wann ihnen das gantze Himmelreich auf einmal ſolte angeboten wer - den; wann ſie der Pfarrer in der Kirche lehrete, wie ſie von einem Viertel Korn hundert Viertel einerndten, fuͤr ein Kalb tauſend Gulden loͤſen konnten, was ſie muͤßten brauchen, daß ihre Huͤ - ner guͤldene Eyer legten; wie ſie koͤnnten Korn, Moſt, Oel, Butter, Schaͤtze von Gold und Sil - ber, herrliche Kleider ꝛc. auch fuͤrtreffliche Felder, Baum-Gaͤrten, Aecker, Reben und Wieſen um - ſonſt bekommen, mit welch ſtarrender Andacht wurden ſie in der Kirche ſitzen, und wol kein Wort vorbey rauſchen laſſen, das ſie nicht auffaſſen und ſorgen wurden, das etwa ein anderer im Gluͤck ih - nen zuvor kommen moͤchte.

§. 17.

Ach der Eltern Seele iſt nicht voll GOttes, voll Chriſti und des Heiligen Geiſtes, wie die Bundes-Lade voll heiliger Geheimniſſen, und derguͤldene165der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. guͤldene Krug voll Manna ware, ſondern ihre theu - re Seele iſt von GOTT abgewandt und mit Be - gierde des Jrrdiſchen, als mit Koth und Schlamm bedeckt und beſchweret, wird auch alle Tage mehr in die Unempfindlichkeit an der Luſt und Liebe zu JEſu und an Goͤttlichen und ewigen Guͤtern hinein verſencket. Sie kommen mit ſchaͤdlichen, ſtachlich - ten, verwundenden und unruhigmachenden Doͤr - nen, mit Koth und Erden angefuͤllet, in die Kir - chen, da ihr Sinn voll Kaͤlber, Schweinen, Kuͤhen, Pferden, voll Kauffens und Verkauffens, Pflantzens und Bauens, und voll argliſtiger Uber - vortheilungen iſt; weſſen nun das Hertz voll iſt, dem lauffet der Mund darvon uͤber; was ſolten darum Kinder anders als Geitzen lernen? Oder wie kanſt du, armes Kind! die Schaͤtze des Him - melreichs fuͤr liebwuͤrdig und JEſum fuͤr die un - ſchaͤtzbare Perlen halten und glauben, daß ein Tropf - fe ſeines Bluts oder ein Wort ſeines Mundes die Seele reicher mache, als alle Koͤnige der Erden ſind? Wie kanſt du glauben, daß der Glaube das koſtbarſte Gold und ein Gran darvon mehr als tauſend Centner irrdiſch Gold werth ſeye, weil der Glaube JESU Gerechtigkeit ergreiffet, und man mit dem Glauben groͤſſere Dinge im Himmel und auf Erden, als mit allen Welt-Schaͤtzen ausrich - ten kan? Ach! wie kan es dir bey ſolch verkehr - tem Verhalten deiner Eltern je zu Sinn kommen, daß die Hertzens-Luſt, Chriſto in allen Dingen al - lein zu gefallen, mehr eintrage, als alles Zeitliche auf einem Hauffen? O wie wurdeſt du, wann dieſes waͤre, wohl keine Zeit verſaͤumen zu deinerL 3Un -166Cap. 2. Von Begehungs-SuͤndenUnterweiſung, ja vielmehr alle Stunden, ſo dir etwa von der Arbeit uͤbrig bleiben, zum Leſen und beten ſorgfaͤltig anwenden um auf die kuͤnfftige Noth heimlich vieles zu ſammlen. Ach liebes Kind! deine Eltern hauſen recht auf der Erden, und nur fuͤr die Erden; ein Gulden, der ihnen hilfft den Zinß ausmachen, eine Kuh ſo ein Kalb, und ein Pferd, das ein Fuͤllen wirfft, erweckt weit mehr Freude, als das gantze Evangelium. Nach - dem nun dein Hertz etwas haben muß, ſich daran zu ergetzen, die geiſtlichen Seelen-Schaͤtze aber dir unbekannt und gleichguͤltig ſind; ſo muſt du noth - wendig in den Rachen des Geitzes fallen, als in der Hoͤllen Schlund. Jch wuͤnſche alſo, daß du moͤchteſt kennen lernen, was JEſus gibet. Wa - che dann auf, und ſeuffze zu dem Seligmacher!

§. 18.

Alles dieſes nun / o du armes Kind! wird deswegen angefuͤhret / damit du daraus einiger maſſen erkenneſt / mit was fuͤr einer Menge von geiſtlichen Fallſtricken du auch in dem Schooß dei - ner Eltern taͤglich umgeben biſt / ſo dich gar leicht von der Gemeinſchafft mit GOTT trennen / folglich zum Sclaven der Suͤnde / und ewig ungluͤckſelig ma - chen kan.

Wiſſet aber, ihr Eltern! wie viel Kinder ihr habt, ſo manches weites Stuͤck Erdreich habt ihr? Was ihr nun in der Zeit darauf ſaͤet, das werdetihr167der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. ihr erndten und einſammlen in der Ewigkeit. Han - delt demnach kluͤglich und ſaͤet das beſte, heiligſte und ſeligſte in dieſelben, damit ihr zur Zeit der Of - fenbahrung aller Dinge eure Saat in hellem Freu - den-Schein des Wohlgefallens GOttes aufwach - ſen ſehen, und mit Luſt davon eſſen moͤget. War - um woltet ihr doch allen euren Eifer und hitzigſtes Verlangen dahin kehren, daß ja die armen Kinder Chriſti Gebote nicht bewahren, und etwa den Pietiſten-Namen ſich dardurch aufſaltzen, ſondern lieber mit der Welt verdammt werden, und ewig keine Macht am Baum des Lebens haben noch zu den Thoren eingehen in die Stadt GOttes? Hieſſe dis das Gluͤck der Kindern in elterlicher Sorgfalt ſuchen?

§. 19.

Du ſprichſt: Meine Eltern thun das nicht / ſie fuͤhren mich vielmehr zum Gu - ten an.

Billich haſt du / liebes Kind! ſolcher - geſtalt Urſach dieſe unſchaͤtzbare Wohl - that GOttes / die viel tauſend Kinder nicht genieſſen / treulich und gehorſam - lich anzuwenden. Dancke GOtt davor, folge allen guten Ermahnungen willig / damit alſo die ſchoͤne Verheiſſung / wel - che frommer Eltern Gottſeligkeit hat / daß GOTT ihnen wohl thun wolle bis ins tauſende Glied / auch auf dir ruhen und an dir erfuͤllet werden moͤge.

L 4O168Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden

O ja! junge Leute wiſſen nicht, was es ſeye, begnadigte und ſolche Eltern zu haben, die in GOttes heiliger Luſt und Liebe brennen, den Va - ter im Geiſt und in der Wahrheit anbeten, den in Kirchen und Schulen empfangenen Unterricht mit ihrem gottſeligen Wandel beleben, ſo, daß ihre Kinder und Haus-Genoſſen an ihrem Thun und Laſſen am beſten lernen koͤnnen, was da heiſ - ſe: Eine Werckſtaͤtte des Heiligen Geiſtes wer - den, vor dem Angeſicht GOttes wandeln, aus dem Suͤnden-Tod ins Leben Chriſti eingehen, und von den abſcheulich tiefen Suͤnden-Wunden durch den Blut-Balſam Jmmanuels geheilet werden. Ein ſolches Haus, da man an dem Haus-Vater und an der Haus-Mutter erkennen kan, was eigent - lich ein neues, reines Hertz und der freudige Geiſt, das Freuden-Oel ſeye, womit das Haupt eines Chriſten taͤglich begoſſen wird ꝛc. iſt ein Para - dis GOttes, und ſolche Kinder ſind wohl gluͤck - ſelige Kinder, welche, wann ſie aus der Schule oder Unterweiſung kommen, von dem Vater oder Mutter einen leibhafften Bericht empfangen, wie es mit der Herausreiſſung aus der Suͤnde und Verſetzung in das Reich des Sohns der Liebe her - gehe, was die Erloͤſung durch das Blut Chriſti ſeye, und was ſeine heilige Menſchwerdung, Sanfftmuth und Demuth, Gedult und Armuth, Verſpeyung und Marter, Schweiß und Tod, Wunden und Bluts-Troͤpflein ꝛc. fuͤr Krafft, Frucht und Wuͤrckung auf die Seele habe. Eine ſolche Haushaltung, da man an dieſes groſſe Wunder-Geheimniß der Gottſeligkeit fleißig ge -dencket169der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. dencket, mag mit allem Recht ein Vor-Saal des Himmels, und die Kinder in derſelbigen himmliſche Fuͤrſten-Kinder heiſſen.

§. 20.

Doch gehet es auch oͤffters widerſinniſch und alſo zu, daß begnadigte Eltern zu ihrem bit - terſten Hertzenleid gantz gottloſe Kinder ha - ben. Und dieſes geſchiehet etwa aus folgenden Urſachen:

1) Wann die Eltern nur durchs Geſetz von ei - nem groben Laſter-Leben zuruck - und zum aͤuſſerlich-guten und guten Ubungen angehalten, aber noch nicht durch des Heylands Gnade, Blut und Geiſt von der Suͤnde frey gemachet, mithin das Evangelium ihnen noch nicht eine Krafft GOt - tes zur Seligkeit worden iſt, deren Zuſpruch folg - lich auch nicht weiter, als etwa, wann es noch wohl geraͤth, auf eine aͤuſſerlich-geſetzliche Froͤm - migkeit gerichtet iſt.

2) Wann die Eltern bey ihrem Zuſprechen nur mit ſtuͤrmendem Zorn die Sache ausrichten wollen, eben als ob ihre Worte allmaͤchtige Schoͤpffer eines neuen Weſens und fuͤr ſich ſelbſt im Stande waͤren, die Kinder zu aͤndern und zum Himmel - reich tuͤchtig zu machen, welches doch die Heilige Schrifft eine Zauberey-Suͤnde nennet, da man nemlich gewiſſen Worten eine uͤbernatuͤrliche Krafft zuſchreibet. Beſſer iſt es ſeinen Kindern alſo zu - ſprechen, daß man doch wenig darvon erwarte, und vielmehr die Bekehrung der Kindern als einL 5Goͤtt -170Cap. 2. Von Begehungs-SuͤndenGoͤttliches Allmoſen beym Gnaden-Thron aus - bitte.

3) Weil ein Theil der Eltern zwar zu dem HEren fuͤr ihre Kinder beten, daß ſie GOtt-gefaͤllig und ſelig werden moͤgen; inzwiſchen aber den heimli - chen Wunſch im Hertzen unterhalten, daß ſie dar - bey auch der Welt nicht mißfallen moͤchten, wel - ches falſche Schalcks-Aug der HERR ſiehet, und darum den Eltern nicht nach ihren ſcheinbaren Worten gibet, ſondern es nach dem verborgenen Wunſch ihres Hertzens geſchehen laßt, daß ſie wi - tzige, fertige, beliebte Welt-Kinder werden, als ſolche, die zwiſchen dem ſchmalen Weg der Nach - folge Chriſti, und dem groben breiten Laſter-Weg eine Mittel-Straß erwaͤhlen, auf welcher ſie aber eben ſowol als auf jener ins Verderben fahren, ſintemalen zum Leben kein anderer Weg iſt, als der einige: JEſus im Geiſt. Von der groſſen Zahl deren, ſo nach dem Himmel fragen und den einten Fuß dahin richten, mit dem an - dern aber ſo tief im hartzichten Schlamm ſtecken, daß ſie nicht hindurch koͤnnen, ſind etwelche die ſchier ſelig werden, die alſo auch ihre Kinder nahe hinzu bringen; da es dann zuweilen noch wol ge - ſchiehet, daß die Gnade von hinten drein kommt, und dem Kind einen Stoß gibet, ſo, daß es vol - lends durch die neue Geburt ins Reich JESU Chriſti hinein gehet, und uͤber Vater und Mut - ter hinauf erhoben wird; ja daß dieſe, wie das zaudernde Weib Loths / zuruck bleiben, und in ihrer Faulheit und Falſchheit umkommen.

§. 21. Wann171der Eltern in Anſehung ihrer Kinder.

§. 21.

4) Wann Eltern ungleichen Sinnes ſind, und das einte tiefer im Satan ſtehet, als das an - dere in Chriſto, ſo hat jenes eine ſtaͤrckere Anzuͤg - lichkeit und ziehet die Geburten ihme nach mit ſei - nen finſtern Einfluͤſſen und Hoͤllen-Kraͤfften. So hatte ein gottloſer Mann ein recht frommes Weib, und beyde zuſammen fuͤnff Kinder, darvon zwey ſehr gottlos, des Vaters Freude und der Mutter Hertzeleyd, zwey aber redeten der Mutter Spra - che und thaten wie der Vater, waren alſo beyden beſchwerlich; eins aber, als wahrhafftig bekehrt, liebte den Heyland von gantzem Hertzen, ware darum auch dem Vater ein Eckel, und hingegen der Mutter ein Aug-Apffel und Crone in ih - rem Hertzen.

5) Wann Kinder hoͤren von dem einten Theil der Eltern ruhmlich, vom andern aber ſchimpflich und veraͤchtlich reden, ſo folgen ſie gemeiniglich dem erſten, zumalen da es denen Menſchen ange - bohren iſt, nach Ruhm und Ehre zu ſtreben. Aus dieſem Grund ſind die Soͤhne einer ſehr gottſeligen Dame nach einander verdorben, und alle ihre muͤtterliche Bemuͤhung, da ſie ſelbige gerne bey den Haaren haͤtte auf den Himmels-Weg ziehen moͤgen, an ihnen verlohren gangen.

6) Wann Eltern etwa ihre Jugend ruchlos zu - gebracht, ſo muͤſſen ſie bisweilen das Boͤſe, ſo ſie begangen, an ihren eigenen Kindern buͤſſen und er - fahren, daß es ihnen an ihrem eigenen Hauſe ver - golten und eingetraͤncket wird.

7) Es172Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden

7) Es koͤnnen auch Suͤnden, welche Eltern im Gnaden-Stand begehen, an Kindern ſchroͤcklich heimgeſuchet werden, ſo wie David ſolches er - fahren hatte.

8) Zuweilen iſt auch ein verſteckter Bann, der noch nicht abgethan, oder eine Schoos-Suͤnde, die im Verborgenen ſchleichet, oder eine Berau - bung GOttes im Zehenden und Heb-Opffer, wel - ches alles die Fenſter des Himmels verſchlieſſet, und die geiſtlichen Segnungen zuruck haͤlt. Ach wann nur manchmal dis und das nicht waͤre in der Haushaltung, ſo wurde der Verderber nicht ſo viel Gewalt haben, der Glaube an JESU Blut doͤrffte ihn wol ſchelten, und der himmliſche Wein - ſtock wurde nicht ſo unfruchtbar ſeyn, hingegen wurden die heiligen Engel, und am Juͤngſten Tag alle Heyden eine ſolche Famille ſelig preiſen als ein luſtig Land. Mal. 3, 12.

§. 22.

Es mag aber auch, liebes Kind! gar leicht an dir ſelber fehlen, daß du vielleicht dieſes nicht nur nicht fuͤr eine Wohlthat erkenneſt, ernſthaffte und ſolche Eltern zu haben, ſo die Suͤnd weder an ſich noch an den Jhrigen leyden koͤnnen; ſon - dern uͤberdas gerne zuchtlos ins Wilde hinein in alle fleiſchliche Freyheit liefeſt; du murreſt wol wi - der ihre ſcharffe Aufſicht, und ſchreibeſt ſie mehr dem Haß und der Wunderlichkeit als der Liebe und Weisheit zu, und haͤtteſt mithin lieber die Erlaubniß nach dem gemeinen Welt-Lauff und ſo wandeln zukoͤnnen,173der Eltern in Anſehung ihrer Kinderkoͤnnen, wie es bey der ungebundenen Jugend zu geſchehen pfleget; du ſchaͤtzeſt dich demnach fuͤr un - gluͤckſelig, daß du in ſolch harte Haͤnde gefallen ſeyeſt. Mithin liegt die Schuld allein bey dir, wann du deinen rechtſchaffenen und wahrhafftig - frommen Eltern nicht nachſchlaͤgſt.

§. 23.

Jch will dir indeſſen ein Mittel anzeigen, wordurch dir die ſtrenge Zucht ſuͤſſer als Zucker und angenehmer als die edelſten Trauben werden ſolle, wann du dich je deſſelben fleißig bedieneſt: Ge - woͤhne dich ans Gebet. Bete hertzlich, daß GOTT ein neu rein Hertz in dir ſchaffe, deinen Verſtand erleuchte zur Erkaͤnntniß deines Elends ſo wol als des groſſen Heyls GOttes in Chriſto, daß er deinen Geſchmack (gout) alſo verbeſſere, daß dir die Luſt und Kurtzweil dieſer Welt recht ſtinckend und Gallen-bitter, und hingegen das Angedencken an JEſum Honig-ſuͤß werde. Bitte, daß der Heilige Geiſt deinen Willen neige zu aller Liebe, Hochachtung und unerſaͤttlichen Begierde nach der Verklaͤrung JEſu in dir: Flehe, halte an, daß dein Hertzens-GOtt dein Gewiſſen mit dem An - fang ewiger Seligkeit erfreue. Alsdenn werden die gottſelige Ermahungen deiner Eltern lieblicher als ein engliſches Muſie-Spiel in deinen Ohren klingen, und wie der ſuͤſſeſte Himmels-Thau in dein Jnnerſtes hinein triefen, mithin der Gehorſam des hochgebenedeyten Knaben, JESU unſers Jmma - nuels, dich ſo einnehmen, durchdringen, heiligen,daß174Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndendaß du mit aller Fertigkeit nur das wirſt wollen, was deinen Eltern beliebet: Wann dich ſodann Unwillen und Widerſpenſtigkeit anfallen wolte, ſo wirſt du darab erſchrecken, als ob Biſſen feuriger Schlangen, die niemand heilen kan als dein Hey - land, zu welchem du fiugs lauffen wirſt. O wel - che Seligkeit wirſt du alsdann genieſſen! und wie wird dein GOTT ſich freuen, daß du ihme Anlaß gibſt ſeine Verheiſſungen an dir zu erfuͤllen, und dir wohl zu thun immer und ewiglich!

§. 24.

Es wird zwar hieruͤber bey der Welt genug Redens geben, und Satan fuͤrnemlich deine vorige Cameraden oder Geſpielen zur Erleidung deines ge - faßten Ernſts gebrauchen, die etwa zu dir kommen, deinen Zuſtand beklagen und ſagen werden: Ey du elender Tropf, du arme Troͤpfin, wie jam - mert mich deiner, daß dich deine Eltern ſo ty - ranniſch einſchraͤncken. Wann ich dergleichen Eltern haͤtte, ich bliebe wohl nicht zu Hauſe: Aber meine Eltern ſind andere Leute, und haben mehrern Verſtand, die mir auch meine Freyheit laſſen und es nicht ungern ſehen, wann ich auch mit andern in Ehren luſtig bin: Sie wiſſen wohl, daß ich kein Geiſtlicher werden, ſondern das liebe Welt-Leben lernen ſolle: Muͤßte ich alſo eingeſchraͤnckt leben, wie du, ſo wolte ich lieber daß ich nicht gebohren waͤre, und ich koͤnnte es auch unmoͤglich ausſtehen. Wie magſt du doch? Streube dich ein bißgen dar -gegen,175der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. gegen, ſo wird es ihnen zuletzt ſchon erleiden. Mein Vater ſagt von deinem Vater, (meine Mutter von deiner Mutter) er (ſie) ſeye in ſeiner Jugend gar ein boͤſer Bub (eine beſonders luſtige Dirne) geweſen, und habe die Sußigkeiten der Fleiſches-Luͤſten und Welt-Ergetzlichkeiten ſich recht wohl zu Nutzen gemachet; jetzt moͤgen ſie dirs nicht goͤnnen, daß du auch eine ſo gute Sache habeſt, die ſie gehabt, und muthen dir zu, daß du itzt ſchon ſo witzig ſeyn ſolleſt als ein alter Mann, (eine alte Frau,) das thuts nicht; jung und geſund laͤßt ſich nicht in ein Bockshorn hinein zwingen; was nuͤtzt uns ſonſt die Jugend? wann wir alter werden, ſo wird ſichs ſchon ſelbſten geben, daß wir eingezogener leben koͤnnen. Zoͤrne es nicht an mir: Es iſt eine gemeine Rede unter den Leuten, dein Vater (deine Mutter) ſeye, GOtt behuͤte uns darvor! ein Pietiſt, (eine Pietiſtin) vor dieſem ſeyen ſie die luſtigſten Welt-Kinder ge - weſen, jetzt wollen ſie einsmal in den Himmel, anbey tadeln, haſſen und verachten ſie jederman, und iſt ihnen niemand mehr gut genug, ob es ſchon eben ſo ehrliche und brave Leute gibt, als ſie, und iſt mit ihnen juſt nicht alles ſo Glas - lauter. Du biſt zudem noch allzu unverſtaͤndig, als daß du von ſolch hohen und wichtigen Din - gen urtheilen koͤnnteſt. Jch kenne vornehme und weiſe Herren, die in der Welt weit herum gerei - ſet und die kluͤgſte Regenten auch Welt-Gelehr - te Maͤnner geſprochen, mithin wiſſen was der Haber gilt; welche auch glauben, daß dieſe Sa - chen nicht ſo angehen koͤnnen. Mein liebes Haͤn -176Cap. 2. Von Begehungs-SuͤndenHaͤnſelein! Chriſtelein! Grethlein! Verenalein! huͤte dich, und laſſe dich doch nicht alſo einthun, der Handel hat ein weiter Ausſehen als du etwa meyneſt, und du koͤnnteſt gar ungluͤcklich wer - den: Folge gutem Rath, ehe du voͤllig verſtri - cket und endlich gar zum Narren wirſt, du waͤreſt nicht der Erſte, dem es alſo gegangen: Komme dieſen Abend zu mir, ich will dir zeigen welch ein kurtzweilig, luſtig und vergnuͤgtes Le - ben ich mit meines gleichen habe: Wir wiſſen einandern ſchon die lange Weil zu vertreiben: Wir lauffen des Nachts bey hellem Mond - Schein hin und her, beſuchen die Maͤgdlein, (laſſen die Knaben ein,) und treiben unſere Spaͤſſe, ſo daß der Tag anbricht, ehe wir dar - an ſinnen. ꝛc.

§. 25.

Aber mein liebes Kind! mercke

1) Uberhaupt, daß in dergleichen Reden hoͤlli - ſcher Rauch des Abgrunds walte und dieſelbe nichts anders ſeyen, als ein aufſteigender Dampff aus der finſtern Grube, da Belzebub wohnet, welcher, wann er durch die Naſen-Loͤcher der noch offenen fleiſchlichen Neigungen ins Gehirn ſteiget, dir ei - nen daumelnden Schwindel verurſachet, daß du in den Rachen der Suͤnde und der Hoͤllen hinein falleſt.

2) Dencke, daß der Teuffel keine Schlange mehr brauche die Leute zu verfuͤhren, ſondern wann er einen tummen unweiſen Knaben auf Jrr-We -gen177der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. gen zu ſeinem Raub-Schloß verleiten wolle, ge - nug boͤſe Buben finde, die ſeines Theils ſind und deren Zunge er ſich bedienen kan, wie der Lock-Voͤ - geln, andere zu fangen und zu locken, daß ſie ihme, dem Satan behend einſitzen.

3) Mercke, daß das Seelen-Aug deſſen, der obige Sprache fuͤhret, gantz in den Zauber-Spie - gel des Fuͤrſten der Finſterniß hinein gewandt ſeye; zumalen da derſelbige vom Betrug der Suͤnde, von der Bosheit und Liſt der Schlangen, von dem ſchrecklichen Ausgang des Welt-Lebens, von der unausbleiblichen Rechenſchafft und Vergeltung alles Thuns und Laſſens der Menſchen, von der Koſtbar - keit des groſſen Heyls und der Gnaden-Zeit, von der Nothwendigkeit der neuen Geburt aus GOtt, von der Liebe des Vaters und JEſu Chriſti, von der unausſprechlichen Suͤßigkeit ſeiner Gemeinſchafft ſich mit keinem eintzigen Woͤrtgen vernehmen laͤßt.

4) Bedencke demnach, daß die jetzige Zeit kurtz und die Ewigkeit allzulange waͤhret; neige dar - um deine Ohren eher zu dem quackenden Geſchrey der Froſchen, und horche lieber dem Gukuk - und Raben-Geſang, oder einem feinen Hirten-Knaben, der bey ſeiner Heerde pfeifft, als dem Ziſchen ſo - thaner Natern zu; inmaſſen jenes nicht ſo gefaͤhr - lich und ſchaͤdlich als dieſes iſt.

5) Habe bey dir ſelbſt ein hertzliches Mitleyden mit ſolchen elenden Leuten, und ſeuffze bey dir heimlich fuͤr dieſelbe zu deinem GOtt: Vater! vergib ihnen, dann ſie wiſſen nicht / was ſie ſagen, noch viel weniger was ſie thun; ſie ſind noch nicht nuͤchtern worden aus des Teuffels Stri -Mcken /178Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndencken / von welchem ſie gefangen ſind zu ſeinem Willen. 2. Timoth. 2, 26. Joh. 12, 35. 36. Keiner als ein Wahnſinniger zeucht den Schwein - Trog einer koͤniglichen Tafel vor.

6) Mercke, daß der Narren Rede den Stich nicht haͤlt. Oder wann ſie itzt recht daran ſind, war - um fuͤhren ſie dann auf dem Todten-Bett eine gantz andere und mit aͤngſtlichem Zagen begleitete Sprache, wo nicht laut, weil ſie ſich ſchaͤmen, doch im Hertzen, ſo daß man es ihnen leicht an - mercken kan? Wie ich dir dann deſſen gar viele Exempel ſowol junger Knaben als Maͤgdlein aufuͤh - ren koͤnnte, die ſehr ungern geſtorben, und doch ohne anders haben an den Reihen muͤſſen, da es etwa bey ihnen geheiſſen: O hilff mir GOtt wieder auf! wie will ich glauben und Buſſe thun, nach dem Reich GOttes trachten und ein fromm, heilig und himmliſches Leben fuͤhren. Da ſie auch ihre noch lebende Geſchwiſterte betheuret, daß ſie doch auf Erden ihre Stelle vertreten und das thun ſollen, was ſie verſaͤumet, jetzt aber gerne ge - than zu haben wuͤnſchten. Jch habe hingegen noch von keinem jungen Knaben oder Maͤgdlein gehoͤret oder geleſen, daß ſie es bereuet haͤtten, JESUM fruͤhe geliebet, die Suͤnde zu hefftig gehaſſet, und ſtatt leichtfertigen Geſchwaͤtzes und Narrentheidi - gung gebetet, geſungen, geleſen und den Sachen des Himmelreichs nachgedacht zu haben. Dar - um gehe du, mein Kind! den ſicherſten Weg, und erwaͤhle das, deſſen du dich zuletzt auch er - freuen kanſt: Laſſe die Welt plaudern, bis ſie ausgeplaudert, wie ſie dann ſtarck ihrem Ende ent -gegen179der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. gegen eilet, und der Richter auf der Wolcken ſie bald ein ander Liedgen lehren, oder vielmehr ihr das Maul nachdruͤcklich geſchweigen wird.

7) Liebes Kind! du reiſeſt nach der Ewigkeit: Willſt du wiſſen, ob die Geiſter, ſo dir einen an - dern Weg weiſen, als den du hie lerneſt, von gu - ter Art ſeyen? ſo gehe in das Heiligthum, frage JESUM, ob er ſolchen Weg gut heiſſe: Sein Creutz-Tod iſt ein unbetruͤglich Buch, darinnen du alles findeſt, was vor GOtt guͤltig oder nicht guͤl - tig iſt. Dencke, es ſeye ein Zeichen der letzten Zei - ten, daß viele Antichriſten aufſteigen / wel - che / wann es moͤglich waͤre / auch die Auserwaͤhlten verfuͤhren wuͤrden; Matth. 24, 24.

§. 26.

Fr. Ein ander Kind ſpricht: Ach freylich, meine Eltern geben mir gar zu viel Anlaß zur Suͤnde; ſoll ich ihnen denn darinnen nicht folgen / nicht gehorchen?

Antw. Nein: Da muſt du GOTT mehr gehorchen. Es heißt vom HErrn JE - ſu, Luc. 2, 51. Er ſeye ſeinen Eltern un - terthan geweſen; ſo bald aber ſeine Mut - ter ihm etwas Unbilliges zumuthen wol - te; ſo folgte er der Mutter nicht / Joh. 2 / 3. 4. Luc. 2 / 49. Mache du es auch alſo! Es iſt mir ein frommes Kind von 5. Jahren bekannt, welches ſeiner Mut - ter / da ſie es durchaus in eine boͤſe Ge -M 2ſell -180Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndenſellſchafft weltlich-geſinnter Gemuͤther ſchicken wollen / dieſe beſcheidene und Hertz-dringende Antwort gegeben: Liebe Mutter! Bedencket doch, ob ihr das vor dem Richterſtuhl JEſu Chriſti ein - mahl werdet verantworten koͤnnen, was ihr jetzt mit mir thut? Dadurch ward die Mutter ſo geruͤhret / daß ſie Thraͤnen vergoß / und dem Kinde hernach nie - mahls etwas zumuthete / das wider ſein Gewiſſen lieffe. Siehe / ſo kan GOTT auch eines Kindes Einfalt ſegnen. Nie muſt du deinen Eltern mit Trotzen und Pochen begegnen; ſondern ſie mit an - haltender Liebe und Gedult zu gewinnen ſuchen.

§. 27.

Freylich ſoll denen Eltern Gehorſam geleiſtet werden, aber nicht ein blinder, da das Fleiſch ſich ki - tzelt; Ap. Geſch. 4 / 19. Luc. 14, 26. 4. Buch Moſ. 33 / 9. 1 Joh. 2 / 15-17. Will man die Kinder fleiſchlich und weltlich ziehen; ſo gehorchen ſie mit leichter Muͤhe, zumahlen wann ſie von der zuͤchtigenden Gnade nichts wohnend und bleibend in ſich haben. Ein ſolcher Gehorſam aber be - kommt beydes Eltern und Kindern ſehr uͤbel, und zwaren oͤffters ſchon in dieſem Leben, fuͤrnemlich aber und gewiß in der langen Ewigkeit. Es iſt auch dieſe fleiſchliche Unterthaͤnigkeit um ſo vielmiß -181der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. mißlicher, weilen ſie ſich noch mit GOttes Gebot zu ſchmuͤcken pfleget: da dann das Kind in aller Sicherheit und gantz getroſt der Hoͤllen zulauffet: Wird aber am Kind etwas Gutes erfunden vor dem HERRN, dem GOtt Jſrael; 1 Koͤnig. 14 / 13. ſo ſtirbt entweder das Kind, oder es ge - raͤth in ſolche Ertz-Bosheiten, daß ſie den Eltern eine blutige Geiſſel auf dem Ruͤcken mithin ein An - laß ſind zu wuͤnſchen, daß daſſelbige doch wieder im vorigen Zuſtand der Furcht und Liebe GOttes ſtuͤnde: Aber nun iſt es zu ſpat, nachdem man den Heyland ſo ſcheußlich beſchimpffet, ſein Blut mit Fuͤſſen getretten und das Kind ihme kurtzum nicht goͤnnen wollen, das Evangelium auch hoͤhniſch aus - gepfiffen und deſſen allerheilſamſten Geheimniſſen mit unverſchaͤmter Stirnen Trotz geboten: Und ach, wie wird der arme Zorn-Geiſt des verſtorbe - nen Vaters, der in der finſtern Zorn-Welt lodert, wuͤnſchen, daß doch der Sohn nicht auch dahin komme, eben wie der reiche Mann ſeine fuͤnff Bruͤ - der auch nicht gerne bey ſich wiſſen wollte, damit ſie ihm nicht fuͤr ſeinen boͤſen Rath und Anfuͤhrung einen boͤſen Lohn geben; da er ihr Fuͤhrer in das Himmelreich haͤtte ſeyn ſollen, aber ſelbige mit ſich in den Ort der Quaal hingezogen habe. Wann indeſſen Eltern ihre Kinder Goͤttlich zie - hen wollen, ſo legen ſie bey denſelben freylich oͤff - termahls Ungunſt ein, und erregen bey ihrer boͤ - ſen Natur einen Krieg, ſo daß die Murr-Gei - ſter ein wenig tumultuiren: Aber treue Eltern muͤſſen dieſe im Nahmen JESU tapffer uͤber - winden.

M 3§. 28.182Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden

§. 28.

Haſt du aber Eltern, die am Reich GOt - tes ſtockblind ſind; ſo nimme nur folgendes in Acht:

1) Erkenne die dir wiederfahrne hohe Gnade, ſo du keinem ſterblichen Menſchen, auch ſo gar nicht deinen leiblichen Eltern, ſondern allein der hoͤchſten Majeſtaͤt GOttes zu dancken haſt, mit Verwunderung und Danckſagung; und wache ge - gen alle Verſuchungen von innen und auſſen ange - legenlich, zumahlen da es zu thun iſt um ein ewi - ges Koͤnigreich; folge demnach dem himmliſchen Beruff, ſo daß nichts und niemand, nicht das Panterthier, die Welt, noch Satan, der hoͤlliſche Loͤwe, noch deine eigene, obwohl theuer-geliebte Eltern, dich davon abſchrecken oder irre machen koͤnnen. Sollten dich auch deine Eltern deswegen enterben wollen; ſo wiſſe daß dein GOtt dich zur Crone der Ewigkeit beruffen, und es mithin tau - ſendmahl beſſer fuͤr dich ſeye, von den Eltern, als aber von GOtt in dem Himmel enterbet zu wer - den.

2) Wollteſt du deinen Eltern zu gefallen in lau - fichten Bettel-Kleidern oder Faden-nackend unter vornehme Leute, ja gar vor den Koͤnig gehen; an - ſtatt geſunder Speiſe Gifft und Gallen eſſen; den Fuͤrſten zum Zorn reitzen um eines Lumpen-Hunds Gunſt zu erhalten? Wollteſt du deinen Eltern zu lieb eine gantze Nacht an der rauhen Lufft im Schnee ſtehen, da du koͤnteſt in einer warmen Stuben dich aufhalten? Oder wollteſt du um ihrentwillen dei -ne183der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. ne Finger ſo lang im Licht halten, bis ſie abgebrannt? Oder wann du ſaͤheſt, daß deine Eltern nicht bey gutem Verſtand, und von dir begehrten, daß du dir die Augen ausſtechen, Naſen, Ohren, Haͤnde und Fuͤſſe abhauen laſſen ſollteſt; wollteſt du ih - nen tummer Weiſe gehorchen? Ey ſo dencke, wie viel weniger du ihnen zu gefallen im Schand-Kleid des alten Adams, daran Fluch und Verdammniß hanget, und vom himmliſchen Hochzeit-Kleid gantz entbloͤſſet unter die verklaͤrte GOttes-Maͤnner, ja vor dem Koͤnig aller Koͤnigen ſelber gehen; ſtatt der ſo wohlthuenden Liebe, Freud und Seligkeit GOttes, Geitz, Haß, Neid, Unkeuſchheit, aufble - henden Hochmuth in dich freſſen; GOttes Gna - de um des Welt-Geiſtes Gunſt vertauſchen; lie - ber am kalten Suͤnden-Lufft erfrieren und zu al - len Wercken des Lichts ſtoͤrrig und untuͤchtig wer - den, als aber an die erleuchtende Gnaden-Sonne, an die waͤrmende Lebens-Strahlen des Heiligen Geiſtes, und in die ſo lieblich-warme Gemeinſchafft des Vaters und des Sohns JEſu Chriſti dich ſetzen; ja deinen Eltern nicht zu mißfallen dich mit Leib und Seel ins ewige Feuer ſtuͤrtzen, und dich vom Teuffel blenden laſſen wolleſt, weder die Herr - lichkeit des Evangeliums, noch den Weg zum Le - ben und Verderben, noch die Geſtalt deiner See - len, noch die Schoͤnheit GOttes und ſeines Reichs, noch die herrliche Geheimniſſe im Geſetz ꝛc. zu ſu - chen? Kurtz: willt du deinen Eltern zu lieb lieber ewig verdammt, als ewig ſelig werden? Willt du, weil deine Eltern am geiſtlichen Sinn todt ſind, dich um ihrentwillen deſſelben auch berauben laſ -M 4ſen,184Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndenſen, da dir doch GOtt dieſelben aus gantz beſon - derer Gnade goͤnnet? Wo iſt doch ein Kind auf dem Erdboden, das einen krummen, tummen, lah - men, bucklich-blinden Vater hat, und ſich darum auch von freyen Stuͤcken alſo erbaͤrmlich zurichten lieſſe, um ihme aͤhnlich zu werden.

§. 29.

3) Wann auch die, ſo dich gezeuget haben, dir zum Tode helffen wollten; ſo befremde dich nicht, mein Kind, gedencke vielmehr, daß es dir nach dem Evangelio alſo gehet; Matth. 10. 35-37. Luc. 14, 26. 21, 16. 17. Joh. 16, 2. Bewahre du nur den Lammes-Sinn in unuͤberwindlicher Ge - dult, Sanfftmuth und Hertz-kindlicher Liebe gegen den Eltern, und lege dich dar als ein Schlacht - Schaaf, wie Jſaac dem Abraham: Ja wenn dein Vater gleich kein Abraham iſt; ſo behalte den - noch alle Ehrerbietung gegen ihn, als gegen GOt - tes Werckzeug und Opffer-Meſſer.

4) Schaͤtze dich um ſolchen Widerſpruchs und Bedraͤngniſſes willen nicht alſobald ungluͤckſelig; ſinne dargegen an die groſſe Herrlichkeit und den Vorzug, ſo du hier ſchon auf Erden zu genieſſen habeſt; 5 Buch Moſ. 33, 8-10. Der HErr nimmt dich auf / Pſalm 27, 10. GOTT der Vater druͤckt dich an ſein Vater-Hertz; JE - ſus ſchließt dich als ein verfolgtes Taͤublein in ſei - ne Wunden; der Heil. Geiſt ſchenckt dir gantze Becher voll von ſeinem Himmels-Wein ein, und zeigt dir deine Heymath, Jeruſalem, deine Mut -ter -185der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. ter-Stadt und die glaͤntzende Lebens-Crone: War - um wollteſt du dann nicht deinem treuen GOtt zu lieb ein etwas hartes Tractament, etwelche rauhe Schmaͤh-Worte, auch Schlaͤge, Hunger, Bloͤſſe, Einſperrung und voͤllige Ausſchlieſſug von allem Antheil an der Erbſchafft erdulten? Schau ſteiff auf das, was dein Seligmacher dir zu lieb erlitten, und welch unſchaͤtzbare Se - ligkeiten er dir dadurch erworben habe: Je tief - fer du ſodann den Liebes-Willen JEſu einſehen wirſt; je naͤher wirſt du auf deiner Leidens - Bahn in ſeine Gemeinſchafft kommen, je mehr wird dich auch nach Leiden, Druck, Verachtung gleichſam duͤrſten, ja ohne Leiden zu leben dir ein Leiden ſeyn: Joh. 16, 20-21. Von einer gott - ſeligen Jungfrau wird erzehlet, daß ſie manch - mahl ſehr traurig geſeſſen, und ſo offt ſie nach der Urſach gefraget worden, gemeiniglich geant - wortet habe: Weil ich heute nicht die Eh - re gehabt / um JEſu / meiner Liebe wil - len / etwas zu leiden / auch nicht ein Woͤrt - lein / das iſt, nicht ein hartes Woͤrtgen, oder ein Schmaͤh-Wort. Und ach wie viele Knaben und Toͤchter ſind von ihren vornehmen, maͤchtigen und reichen Eltern zum Marter-Tode gelieffert worden, ſo ſie mit Frohlocken uͤber ſich genommen, und ſich uͤber nichts, als uͤber den Zorn ihres leiblichen Va - ters gekraͤncket haben, doch ſo, daß das ſtarcke Nachſinnen an den Zorn ihres himmliſchen Va - ters und des Lammes, und die lebendige Vorſtellung der unerdencklichen Liebe JEſu jenen ertraͤglich ge - machet. Weine dann nicht, mein Kind, ſondernM 5ruͤh -186Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndenruͤhme dich der Truͤbſalen; Roͤm. 5, 3. dann ei - ne jede Widerwaͤrtigkeit bringt dir troͤſtende, und heiligende Gnade ſchon hier im Creutz-Reich und unzehlige Seligkeiten im Triumph-Reich: Jetzt weiſt du wohl noch nicht, was dein JEſus mit dir thut; du wirſt es aber hernach erfahren: Dancke darum deinem GOtt, daß es dir alſo ergehet.

§. 30.

5) Bitte deinen treuen Vater im Himmel an - gelegenlich, daß er die Erkaͤnntniß ſeines Sohns und die Gnade des Heil. Geiſtes dir ſo reichlich vermehre, daß die Ehrerbietigkeit, die zarte Kin - des-Liebe, der willige Gehorſam in allem, ſo nicht wider des Heylands Befehl oder Verbott iſt, die Hertzens-Treu gegen den Eltern dir nie entfalle oder ausloͤſche: Jn ſolcher vom Heil. Geiſt ent - zuͤndeten Liebe und Glauben trage dann auch dei - ne Hertz-werthe Eltern vor den Gnaden-Thron, JEſum Chriſtum, daß er ihre tieffe und abſcheuli - che Suͤnden-Wunden, die weder du noch einige Creatur zu heilen vermoͤge, ſelbſten heilen wolle. Oder wuͤrdeſt du nicht den Wund-Artzt holen, wann ſie leiblich von Moͤrdern waͤren verwundet worden? Ey ſo lauffe du zum Seelen-Artzt, JEſu, bey welchem du Gnade gefunden haſt, und bitte ihn, daß doch er deine Suͤnd-verwundte Eltern aufladen und in ſeine Herberg tragen wolle; da - ſelbſt warte dann, bis ſie aus der Hoͤlle in den Himmel, aus dem ewigen Zorn in die ewige Gna - de verſetzet ſind. Sollte aber ihr Zuſtand bey alldei -187der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. deinem Beten nur noch ſchlimmer werden; ſo wer - de gleichwohl nicht muͤde: Bete gegen alle Traͤg - heit und Verzagtheit deiner Natur, und ſiehe nicht ſo faſt auf den betruͤbten Zuſtand deiner Eltern, als aber auf GOttes Weisheit / die allein zu ra - then und zu helffen weiß, und auf ſeine unumſchraͤnck - te Allmacht; er wird gewiß dein Gebet erhoͤren, wo nicht juſt an denen Eltern, jedannoch an an - dern; wenigſtens werden dir deine Gebeter als Fruͤchte des Heil. Geiſtes in Chriſti Cabinet ver - wahrlich aufbehalten werden zum unbeſchreiblichen Seegen auf die kuͤnfftige Ewigkeiten. Ja wann du darauf veſt beharreſt, du wolleſt deine Eltern, denen du dein irrdiſch Leben zu dancken habeſt, kurtz - um in GOttes Gnaden - und Triumph-Reich ſe - hen; ſo mags ein Zeichen ſeyn, daß ihnen eine ſol - che Barmhertzigkeit vom HErrn aller Herren be - ſtimmt ſeye, und daß du es mit deinem anhalten - den Seufzen durchtreiben werdeſt.

§. 31.

6) Will die hochſchaͤdliche Ungedult uͤber dei - ne unbekehrte Eltern gleichwohl bey dir ausbre - chen; ſo bedencke

a) wie du in der Erb-Verderbniß und Her - tzens-Unreinigkeit viel Fegens und Reinigens be - duͤrffeſt: Wann dann die ewige Liebe deine Eltern dazu brauchen will; ey ſo giebe dich zufrieden, ih - nen aber nicht die Schuld, daß ſie dich boͤſe ma - chen; ſintemahl ſie das Boͤſe, ſo in dir lieget, nur aufruͤhren, und wuͤrde, wo dein Hertz nicht ein ſounrei -188Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndenunreiner Sumpff waͤre, ſtatt der Rachgierig - und Unleidſamkeit, vielmehr Fuͤrbitte, Liebe, Gedult, ja das gantze ſchoͤne Bild deines Heylands ſich her - fuͤr laſſen.

b) Dencke, du ſeyeſt nicht werth, GOttes Kind zu heiſſen, und du wuͤrdeſt es alle Tage verdienen von ſeinem Angeſicht und aus ſeinem Hauſe ver - ſtoſſen zu werden; und du wollteſt dennoch die Rei - nigungs-Mittel nicht mit unterthaͤnigſtem Danck von der Hand deines JEſu empfahen, damit ſei - ne Majeſtaͤt dich bey ſich im Hauſe behalten, und du ein ewiger Mitbuͤrger der Heiligen bleiben koͤn - neſt.

c) Glaub nur veſte, daß das Beſte uͤber dir beſchloſſen ſeye: Es geſchiehet ja nichts, und faͤllt kein Haar von deinem Haupt ohne den Willen deines Vaters im Himmel; deſſen Willen laß dir dann uͤber alles aus koͤſtlich und ſuͤſſe ſeyn.

d) Jſt diß der kuͤrtzeſte Weg, einen Schatz in die Ewigkeit zu ſammlen: So offt dir eine Wi - derwaͤrtigkeit aufſtoſſet; ſo nimms als eine gute Gelegenheit an, ſo wie GOttes Weisheit und Lie - be dir dieſelbige antraͤgt, eine gute Beute zu ma - chen: Seye demnach weiſe, ſie beym Schopff zu halten, daß ſie nicht entwiſche: Ergiebe dich dann deinem GOtt aufs neue wo nicht mit vollkomme - nem, doch mit kaͤmpffendem Hertzen, in neuer Ver - laͤugnung allen Vor - oder Nachtheils, Schmach oder Ehre, zeitlichen Gewinns oder Schadens. Seuffze nach der Blutes-Krafft JEſu, und nach der voͤlligen Herrſchafft ſeines Geiſtes uͤber dich ſo lang, bis dein Geiſt zu allen Gefallen deines GOt -tes189der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. tes iſt und vor Hertzens-Freude jauchzet uͤber ſeiner gnaͤdigen Fuͤhrung.

e) Sollteſt du bey dieſem allem deine Eltern nicht innig lieb haben, welche dir durch ihren Haß und Verfolgung ein ſo ſchoͤnes Paradeiß zurichten, indem ſie ſich ſelbſten eine Hoͤlle unwiſſend bauen? Sollteſt du ihnen zu lieb nicht willig durch ein Feuer lauffen?

§. 32.

Aber ſprichſt du / womit waffne ich mich denn gegen die vorher beſchriebene allgemeine Verfuͤhrung der Auferzie - hung zur Wolluſt / zur Hoffart und zum Geitz?

Antwort: I. Mit dem Wort GOt - tes. Erinnere dich der Worten Jo - hannis 1 Epiſtel 2, 15-17. Habt nicht lieb die Welt / noch was in der Welt iſt. So jemand die Welt lieb hat / in dem iſt nicht die Liebe des Vaters / dann alles / was in der Welt iſt / nemlich Fleiſches - Luſt / Augen-Luſt und hoffaͤrtiges Leben iſt nicht vom Vater / ſondern von der Welt: Und die Welt vergehet mit ihrer Luſt: Wer aber den Willen GOttes thut, der bleibet in Ewigkeit. Gedencke an Pauli Worte; 1 Cor. 1, 28. Das Unedle vor der Welt und das Verachtete hat GOtt erwaͤhlet / und daß da nichts iſt / daß er zunichte mache / was etwas iſt. So190Cap. 2. Von Begehungs-SuͤndenSo auch 1 Petr. 5, 5. GOtt widerſtehet den Hoffaͤrtigen / aber den Demuͤthigen giebt er Gnade. 1 Tim. 6, 6. heißt es: Es iſt ein groſſer Gewinn, wer gottſelig iſt und laͤßt ihm begnuͤgen. Dann wir ha - ben nichts in die Welt gebracht; darum offenbar iſt / wir werden auch nichts mit hinaus nehmen / u. ſ. w.

§. 33.

So lieſe dann, mein Kind! fleißig in der Bibel / und zwar mit Andacht, mit Nachſin - nen und Selbſt-Pruͤfung, mit groſſer Freude und heiſſer Begierde ſie zu verſtehen, und uͤberall dar - nach zu leben, halte das vor die groͤſte Ehre, ſo dir auf Erden und im Himmel begegnen kan, daß dein GOtt mit dir redet. Wir preiſen die Pa - triarchen ſelig, und achten ſie hoch geehret, daß GOTT etwa den einten und andern Spruch mit ihnen geredet: Z. E. Fuͤrchte dich nicht / ich bin dein Schild / und dein ſehr groſſer Lohn: Der HErr aber gibt dir ein groß dick Buch voll ſolcher Spruͤchen nicht nur mundlich, ſondern wol ſchrifftlich, ja gar gedruckt, deſſen du dich dann wohl hoch zu erfreuen haſt. Solteſt du aber ſol - cher Dingen keines noch bey dir finden, ſo klage es deinem GOtt wehmuͤthiglich und mit heiſſen Thraͤ - nen, daß du ſo ungeſchickt und abgeneigt biſt ihne zu hoͤren in ſeinem Wort, und deines Vaters Brief aus dem Himmel zu leſen: Achte dieſen deinen Zuſtand fuͤr dein groͤſtes Ungluͤck, fuͤr dieaͤuſ -191der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. aͤuſſerſte Noth darein du fallen koͤnnteſt, jammere dann daruͤber vor deinem Heyland ſo lang bis er ſich deiner erbarmet, und dir das gibet, was die fruchtbare Leſung dieſes Goͤttlichen Buchs erfor - dert, damit du nicht als ein Veraͤchter dieſes un - ſchaͤtzbaren Geſchencks im ewigen Tod entſchlafeſt.

§. 34.

Jch will dir indeſſen, liebes Kind! etwas offenbaren, aus deſſen Beobachtung dir ein unbe - ſchreiblich groſſer Vortheil zuwachſen kan: Zwin - ge dich zum Leſen der Heiligen Schrifft / geb wie ſich deine boͤſe Natur darunter windet und kruͤmmet, und wann dir das Bibel-Leſen ſo gar wiederlich iſt, ſo dencke nur, die Schlange beſitze noch dein Hertz und mache dir ſo bange bey dem Leſen, dich deſto eher zu fleiſchlicher Kurtzweil zu ziehen, gibe darum ja nicht gewonnen: Ach man hat Exempel, daß Leuten, wann ſie ſich zum Bi - bel-Leſen haben zwingen wollen, der Angſt-Schweiß allenthalben ausgebrochen, aber ihnen ſogleich gantz wohl geworden, ſo bald ſie ſich wieder von der Bi - bel weg - und zum Heyls-vergeſſenen Leben des Fleiſches gewendet haben. Sieheſt du nicht die. Macht der hoͤlliſchen Finſterniß uͤber deiner Seelen ſchweben? Ach warlich es iſt kein Schertz, es gilt Himmel und Hoͤlle, dencke darum nicht: Jch kan nicht alſo ſtille ſitzen, mein junges Blut juͤckt mir, meine Camaraden ſchreyen mir zu, und ich habe ihnen das Wort gegeben, ein andermal wird es etwa beſſer gehen ꝛc. O nein! kommſt du heu -te192Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndente nicht aus Satans Feſſeln, ſo wird es morgen ſchwerlich geſchehen, und wann dich der Schlaͤch - ter an ſeinem Ort hat ſo iſt es zuſpat. Wilt du nun lieber ein tummes Kaͤlblein als ein Licht-helles Engelein ſeyn?

§. 35.

Jſt dir aber die Heilige Schrifft wie ein duͤrr Holtz / daran weder Bluͤhte noch Fruͤchte, weder Safft noch Krafft ſeye, ein trockner Fels / daraus weder Waſſer noch Wein, noch Honig fleußt, gleich der leeren Hagar-Flaſchen / eine harte Schaale / die du nicht aufbeiſſen kanſt, ein verſiegeltes Buch und ein verſchloſſener Garten; ey ſo lieſe gleichwol und ſeye verſichert, es wird nicht vergebens ſeyn.

A) Thue du nur immer den Willen GOttes / ſo gut du kanſt, und uͤberlaſſe den Ausgang und wie dir dein Bibel-Leſen gelingen werde an den, der dirs befohlen hat. JESUS befahl ſeinen Juͤngern uͤber das Meer zu fahren; da dann einer haͤtte meynen ſollen, der Wind wuͤr - de ſie flugs an das andere Ufer getrieben haben. Siehe aber was wunder-ſeltzames! Wind und Wellen ſind ihnen entgegen, und ſie leiden groſſe Noth, ſie rudern indeſſen Trotz allem Wiederſtand immer fort, und der Befehl JEſu ſchallet fort und fort in ihren Ohren, als ob es hieſſe: Der HErr hats befohlen; ach haͤtten wir nur ihne bey uns! Sie ſchlagen bey allem Angſt-Schweiß ihre Ruder ins Waſſer, daß ihnen die Arme haͤtten ſtarren moͤ -gen,193der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. gen, um die Spitze des wanckenden Schiffleins gegen das Land zu bringen, nur darum, weil der freundliche HErr es ihnen befohlen hatte, als wel - chem ſie nicht gern in etwas Verdruß machten, ſondern alles zum Gehorſam anſpanneten, es moͤch - te dann moͤglich oder nicht moͤglich ſeyn, und muß - te eben die widrige Witterung ihren Gehorſam of - fenbaren, da ſonſten dieſe Fahrt ihnen eine Luſt - Fahrt geweſen waͤre. Alſo ſuche auch du in Le - ſung der Heiligen Schrifft nicht eigenes Vergnuͤ - gen, ſondern in allem, was du thuſt, ſuche nur GOttes guten wohlgefaͤlligen und vollkommenen Willen zu vollbringen. Sprich derowegen deinen Augen zu, ſie ſollen in GOttes Wort leſen und zwaren eben jetzo, jetzt muͤſſe es ſeyn: Sage dei - nen Fuͤſſen, ſie ſollen ſich nun ſtill halten, ſo lieb ihnen ihre Haut ſeye, weil GOTT es alſo ha - ben wolle.

§. 36.

B) Glaube / wann du gedultig ausharreſt bey dieſem guten Werck des Bibel-Leſens, und nicht muͤde wirſt an der Porte des Erleuchters und Einfuͤhrers in das innere Gebaͤude dieſes Pallaſts anzuklopffen, ſo werde dir deſſen heller Schein, Schoͤnheit, Krafft und Suͤßigkeit aufgethan wer - den, und die Zeugniſſe der Heiligen Schrifft dir den Safft Goͤttlicher Liebe ohnverſehens einflieſſen laſ - ſen. Ja ſo gewiß die Wolcken Manna gaben und der duͤrre Felſen Waſſer; ſo gewiß wirſt du heute oder morgen Oel und Honig, und himmliſchesNWaſſer194Cap. 2. Von Begehungs-SuͤndenWaſſer ins ewige Leben ſaugen aus der Bibel, ſo dir vorher als ein trockner Felſen ware. Die duͤrre Ruthe des himmliſchen Aarons wird dir mit ihren Goͤttlichen Verheiſſungen zierlich gruͤnen, bluͤhen und ſchoͤne ſuͤſſe und ſafftige Mandeln tra - gen; ja der groſſe Engel des Bundes wird ploͤtz - lich vom Himmel herab fahren, und den Teich deines Hertzens truͤbe machen zur Traurigkeit nach GOTT, zu einſchmeltzenden Glaubens - und Liebes-Thraͤnen, da du dann auch ohnverweilt hinein ſteigen und alle deine Begierde in die Bewegungen des Heiligen Geiſtes eintauchen muſt, bis deine Seele zur vollen Geneſung kom - me. Wann du dann den reichen Nutzen von dei - nem Bibel-Leſen gewahren kanſt, ſo wird dir ſel - biger immer angenehmer werden; ſintemalen die Leute alſo geartet ſind, daß ſie von ihren Bemuͤ - hungen auch gerne Frucht und Nutzen ſehen wollen. Es iſt zwar die Suͤnde denen Boͤſen ſo ſuͤſſe, daß ſie bey derſelben Ausuͤbung nicht lang auf Scha - den oder Nutzen reflectiren; da hingegen der Wille GOttes den guten Engeln und Menſchen ſo Zucker - ſuͤſſe iſt, daß ſie geſchwind darnach greiffen, und nicht lang mit allerhand Fragen, ob ſie Nutzen oder Schaden darvon haben werden, ſich ſchlep - pen: Heyls-bekuͤmmerte Seelen aber, in deren Hertzen die Liebe GOttes noch nicht ausgebrochen iſt durch den Heiligen Geiſt, feine, geſetzliche Leute, erwaͤgen die Sache und uͤberſchlagen die Koͤſten wohl. Bewahre du dann die Worte des Bibel-Buchs, dann die Zeit iſt nahe, ſinne indeſſen nur noch eins. Wann dir dein Vater von jedem Spruch, den duaus -195der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. auswendig lerneteſt, eine ſchoͤne neue Ducaten ver - hieſſe, du aber, wie die Kinder gemeiniglich ſind, geldſuͤchtig waͤreſt, wurdeſt du nicht vielen Fleiß auf ſolche Spruͤche wenden? Jene Bauren thaten es wohl, da ihr Fuͤrſt eine Geld-Straffe von etlichen Groſchen darauf ſetzte, wann ſie nicht jeden Sonntag eine gewiſſe Anzahl Spruͤche fertig herſagen konnten; daher dann auch die liederlichſten Burſche einen Hauffen Schrifft-Spruͤche im Kopff hatten. O wie wirſt du dann wie Salomons Tempel ſo voll Herrlichkeit werden, wann heute ein Wort des Lebens, und morgen wieder ein anders in deine Seele gepflantzet, jetzt eine Verheiſſung und dann eine noch koͤſtlichere an dir erfuͤllet wird.

§. 37.

C) Laß dich die Gnade regieren / die dich antreiben wird, den Vater zu bitten um ſeinen guten Geiſt, Luc. 11, 13. dieſer wird dir dann zwey Augen ſchaffen, einen erleuchteten Verſtand und einen zu GOtt gewandten Willen; da du dann ſehen wirſt, was andern verdecket iſt. Dieſer Troͤſter wird dich erin - nern alles deſſen / was JEſus geredet hat. Joh. 14, 26. Pſalm 119. Er wird dich al - les lehren, was GOttes Haus-Genoſſen und die Mit-Buͤrger der Heiligen wiſſen muͤſſen. O welch eine Weisheit! welch eine Seligkeit! glaubeſt du das? O da wirſt du nicht leer bleiben, ſondern GOTT ins Hertz ſehen, und unausſprechliche Din - ge aus der Ewigkeit erfahren.

N 2D) Soll196Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden

D) Soll dir endlich bey Leſung oder Anhoͤrung des Worts die Zeit nicht lang, ſondern beſonders kurtzwei - lig ſeyn; ſo muſt du das Vornehmſte in dieſem wich - tigen Geſchaͤfft nicht aus der Acht laſſen, nemlich dahin zu trachten / daß die gantze Schrifft in deinem Hertzen und Leben verſiegelt und beſtaͤtiget werde / ſo daß alle Eigen - ſchafften der Kindern GOttes, z. Ex. der Goͤttli - che Glaubens-Wandel Enochs, Noaͤ und Abra - hams, kurtz, alles was das Alte und Neue Teſta - ment von denen Heiligen heiliges bezeuget, ſich we - ſentlich auch in dir befinde, und du folglich auch ein ſo ſelig Kind ſeyeſt, warten und dringen zu doͤrf - fen auf die Erfuͤllung aller Verheiſſungen in den Pſalmen und Propheten, und inſonderheit auf die Rechtfertigung, die Offenbahrung und Einwoh - nung Chriſti im Hertzen, alle Krafft ſeiner Blut - Gnade, die Tauffe des Heiligen Geiſtes ꝛc. Wirſt du nun, mein Hertzentz-Kind! ernſtlich darmit umgehen, ſo wirſt du auch alle Haͤnde voll darmit zu thun haben. O wie vieles wirds da zu re - den geben mit GOtt ſeinem Heyland! wie wird dir eine Wochen nach der andern ſo ſchnell zerrin - nen! wie wird dir die Zeit ſo kurtz und allzu koſt - bar werden, als daß du ſie weiter vergeuden oder verderben wuͤrdeſt; ja du wirſt vielmehr ſuchen ſie auszukauffen: Mercks! Eph. 5, 14. 16.

§. 38.

II. Mit dem fleißigen Andencken an das bittere Leyden Chriſti, der durch ſei -nen197der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. nen Durſt und Eßig-Tranck am Creutz die Suͤnden unſerer gar zu leckerhafften Zunge / durch ſeine Beduͤrffniß / da er nicht hatte / wo er ſein Haupt hinlegte / unſere Suͤnden des Uberfluſſes / durch ſeine Verſtattung unſere Erhebungen der Eigen-Liebe u. ſ. w. gebuͤſſet hat. Solches alles kan dich kraͤfftig antrei - ben zur ernſtlichen Verlaͤugnung der Thorheiten dieſer Welt.

§. 39.

Man weißt zwar freylich von vielen Kindern, welche bitterlich geweinet haben, wann ſie die Paſ - ſions-Hiſtorie geleſen oder erklaͤren gehoͤret, deren Thraͤnen aber auch wie der Morgen-Thau auf ei - nem Kieſel-Stein, und ohne Frucht waren. Dann warlich den Sinn Chriſti, ſeine himmliſche Lehre, ſein Goͤttlich Leben, ſein allerheiligſtes Leyden zur Seligkeit und Heiligung fruchtbarlich zu bedencken, will eine beſondere und ſolche Weisheit haben, die niemand ſchencken und ins Hertz hinein ſencken kan, als allein GOtt in Chriſto durch den Heiligen Geiſt. Um dieſen guten Geiſt muſt du nach dem Rath JEſu beym Vater anhalten, als deſſen Amt und perſoͤnlichen Majeſtaͤt es allein zukommet, den Hey - land im Suͤnder zu verklaͤren; da hingegen die Na - tur nicht hoͤher ſteigen mag, als in ein natuͤrliches Mitleiden und mitleidiges Weinen uͤber JEſum, als einen mildthatigen, dienſtfertigen, liebſeligen und unſchuldigen Menſchen, dene man ſtatt desN 3em -198Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndenempfangenen Guten mit dem ſchnoͤdeſten Undanck belohnet, und ohne Schuld ſo greulich beleidiget. Welche Betrachtung auch allein die Weiber zu Jeruſalem zum Weinen bewogen hat, welche darum auch von JEſu ſind abgeſtellet worden. Luc. 23, 27. 28. Gehe du darum, mein theures Kind! nicht den Holtz-Weg, wie viele uͤbel-berichtete Leu - te thun, und desnahen niemals in den herrlichen Garten Eden kommen, auch von den ungleich fuͤr - trefflichern Fruͤchten, als jene vom Baum des Le - bens im Paradis waren, nicht das mindeſte wiſ - ſen, mithin nie erfahren wie ſuͤſſe das gecreutzigte Laͤmmlein GOttes dem armen Suͤnder ſchmecke.

Willſt du dann viele und groſſe Freuden aus Chriſti Leyden ſchoͤpffen, ſo hebe es darbey an, daß du einen Blick in ſein allerfreundlichſtes Hertz hinein thueſt, zu erkennen und einzuſehen, wie ſeine unbegreiffliche Liebe zu dir die Haupt-Ur - ſach geweſen, warum er deine Suͤnden von dir weg - und auf ſich genommen, mithin ſelbige nach dem ſtrengen uͤber dich gefaͤlleten Urtheil GOttes ſo erſchrecklich gebuͤſſet, und daß er hierin auch des Vaters Wohlgefallen erfuͤllet habe, als deſſen ewi - ge Liebe es alſo geordnet, daß ſein eingebohrner Sohn dich von dem hoͤlliſchen Wuͤterich und aus allem Elend erloͤſen, und zu der allerhoͤchſten Se - ligkeit wieder verhelffen ſolle. Wird nun hierauf dein Hertz von der Liebe des Vaters und des Sohns entbrannt und in Chriſto befeſtiget; ſo mag dann die Suͤnde dich wohl anfechten, aber nimmermehr hinreiſſen, und wirſt du nicht mehr wie zuvor, gleich als von einer teuffliſchen Gewalt gezogen und be -zwungen199der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. zwungen, der Suͤnd auch wider deinen Willen fol - gen zu muͤſſen, weil des Lammes Blut und der Geiſt des Lebens dich vom Geſetz der Suͤnden und des Todes frey gemachet hat.

§. 40.

A.) Ficht dich z. E. die Wolluſt / ein armſeli - ger Fliegen-Geluſt, alles zu koſten, zu ſehen und zu betaſten, an; ſo nimme in Acht, wie aͤrmlich dein JEſus in der Welt gelebet; mit trockenem Brod und Waſſer aus einem Bach vorlieb gehabt; aus ſeines Vaters Hand alles mit ehrerbietigſtem Danck und Anbettung angenommen; keiner Nied - lichkeit im geringſten nichts nachgefraget; nach keiner Leckerey oder Zucker-Zeug niemahls luͤſtern worden; eines armen Handwerck-Manns Tiſch erwehlet habe; und zwaren dannzumahlen, da er allererſt von der allerkoͤſtlichſten Tafel kame und aller Guͤtigkeiten und Suͤßigkeiten am Ho - fe des Koͤnigs aller Koͤnigen gewohnt ware. Dencke demnach dabey: Ach wie offt hat mein Heyland Hunger und Durſt erlitten, ohne daß ein einiger murriſcher Gedancken in ihm aufgeſtiegen waͤre; und ich will gleich aus der Haut fahren, wo ich meine Eß-Luſt nicht al - ſobald ſtillen kan, und wann ich was ange - nehmes fuͤr meinen Gaumen erblicke, ſo mey - ne ich ſchon, ich muͤſſe es haben: Meines JE - ſu liebſte Speiſe ware, den Willen ſeines Va - ters zu thun; ach waͤre es doch auch alſo mit mir, hilff mir, mein JESU, darzu! JſtsN 4dir200Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndendir damit Ernſt, mein Kind! ſo wirſt du aus der Verlaugnung niedlicher Speiſe und ſuͤſſen Tranckes, aus der Liebe zu JEſu, aus dem Ge - horſam ſeiner Lehre, aus der Nachfolge ſeines Exempels ein ſchmackhaffteres Wolleben, als von allen Saͤu-maͤßigen Naſchen ſaugen; ja du wirſt ein goͤttlich, himmliſch und Jeruſalem-maͤßiges Vergnuͤgen genieſſen, beſondere Geſundheit, Weis - heit und Anſehen erlangen, wie Daniel und ſei - ne Geſellen: Ja dannzumahlen gleicheſt du dem Knaben JESU, und die ewige Weisheit, die Goͤttliche Sophia, kaͤme in deinen reinen GOtt - geheiligten Leib, und deine Seele empfienge taͤg - lich etwas von der Tafel der Seligen und〈…〉〈…〉 on ihren Paradieſiſchen Niedlichkeiten, nach der all - gemeinen Grund-Regul: Wer aus Liebe zum Heyland das Jrrdiſche verlaͤugnet / be - kommt Himmliſches dafuͤr / und ſollte es noch ein junges Knaͤblein oder Toͤch - terlein ſeyn. O ja! Wann der HErr JE - ſus ſolch ein Kind ſiehet, deme des Heylandes kuͤmmerhafftes Hunger-Leben, ſeine Enthaltung von allem, was ſonſt der Natur ſo wohl ſchme - cket, (das er doch alles ſelber als das ewige Wort alljaͤhrlich ſchaffet) ſein ſchlechtes Eſſen und Trincken, da er bey einer blauen Suppen mit ſeinem GOtt tauſend mahl beſſer, als an - dere Menſchen bey ihrem Geſottenen und Gebrate - nen zufrieden ware, recht eindruͤcklich wird, und in welchem ſein Hunger und Durſt, ſein Gal - len - und Eßig-Tranck, ſein Hoͤllen-Schmachten am Creutz eine ſolch ſtarcke Hertz-Umwendungvon201der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. von der Natur zur Gnade wuͤrcket, daß es ſich des verbottenen Verſuchs-Baums anfaͤnglich mit etwelchem Streit; nachwaͤrts und beym Anwachs der Liebe JESU mit Luſt und Freuden enthaͤlt; endlich aber von dem Heil. Geiſt einen ſolch ge - laſſenen Sinn empfaͤngt, daß wann es ſelbſt im Paradies, da Adam geſtanden, waͤre, es nichts ab - brechen wuͤrde, ohne innerliche Erlaubniß des himm - liſchen Vaters, nur um des HErrn JEſu Hun - ger - und Durſt-leidende Liebe zu verehren und zu verklaͤren in bruͤnſtiger Gegen-Liebe; Wann, ſage ich, JEſus ein ſolch begnadigtes und gutartiges Kind kennet, ſo wird er in ſeinem Reich alle An - ſtalt machen, daß ihme die gantze Fuͤlle des Ge - nuſſes hie auf Erden, und dorten in alle unendli - che Ewigkeiten zu Theil, und jede Toͤdtung der ſuͤndlichen Luͤſten, ſo durch die Gnade Chriſti und ſeines Geiſtes geſchehen, mit unausſprechlichen Freuden aus denen Erbarmungen des Vaters ver - golten werde. Wann dann andere eigenwillige, luͤſternde, mißvergnuͤgte Kinder dieſes ſehen, und von dem hochzeitlichen Abendmahl des Lammes auch mit genieſſen wollen, ſo wird der Koͤnig ih - nen antworten und ſagen: Hoͤrets ihr unartige, eigenſinnige Kinder! Jhr habt euer Gutes em - pfangen in eurem Leben; Luc. 14, 25. Jhr habt dem Trieb eures Fleiſches gefolget, und ſeyd, ohne euch eines beſſern berichten zu laſſen, in der Fleiſches-Luſt recht groß und ſtarrig worden; dahingegen dieſe geſegnete Kinder ihre einige und groͤſte Luſt an mir gehabt, und zu mir, ihrem al - lerkoͤſtlichſten Weinſtock, ohne Furcht genahet, N 5um202Cap. 2. Von Begehungs-Sundenum die ſafftigſten Trauben der Erloͤſung durch mein Blut abzupflicken, ja alle Tage und den gantzen Tag hindurch eine Beere nach der an - dern, jetzt die ſafftige Beere des Glaubens, ſo - dann die ſuͤſſe Beere der Liebe; wiederum die lautere Beere der Hoffnung, ein andermahl die ſchmackhaffte Beere der Keuſchheit, zur an - dern Stunde die Honig-trieffende Beere der Gelaſſenheit, und bald darauf die Blut-rothe Beere der Himmliſch-Geſinntheit Chriſti ꝛc. zu rupffen, zu lecken und das Jnnerſte der Seelen zu durchſuͤſſen: Durch welch ſtetes Glaubens - Eſſen meiner holden Liebe ſie durch und durch geheiliget und zum Anſchauen meiner Herr - lichkeit tuͤchtig; ihr aber durch Verſaͤumniß und Verachtung der geiſtlichen Erquickungen dazu ſehr untuͤchtig worden: Wer einmahl das Geiſtliche ausſchlaͤgt, kan das Himmliſche noch vielweniger empfahen.

§. 41.

Noch eins, mein Kind! Nachdem JEſus alſo aͤrmlich in der Welt gelebet hat, ſo wirſt du es unbillich achten, daß du es beſſer als der Sohn GOttes haben ſolleſt. Oder iſt auch wohl ein Herr ſo vornehm, wie er? Schaͤtze dich demnach nicht werth, daß dir nur ein Erd-Apffel zu Theil werde, nachdem dein Schoͤpffer und Erloͤſer mit noch geringerm zufrieden ware; und ſchaͤme dich, wann du was koͤſtliches zu eſſen haſt, vor deinem GOtt und dencke: Wie hat doch JESUSdie203der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. die Suͤnder ſo lieb! Er behaͤlt das ſchlechteſte fuͤr ſich, und ſparet das niedlichſte fuͤr die Suͤn - der auf: Jch will ihm nun auch etwas zu lieb thun und ihm von Hertzen dancken fuͤr alles, ſo bleibt er bey mir; ſonſt weicht er von mir. Ach! warum ſollte ich nach fleiſchlicher Luſt ſchnap - pen? Sind doch meine eitele Gedancken die gifftige Doͤrner, ſo ihme ſein Haupt durchſta - chen, und meine unnuͤtze Worte und ſuͤndliche Wercke die Naͤgel und Geiſſeln, die ſeinen zar - ten heiligen Leib ſo bitterlich durchſchlagen, zer - riſſen und zermartert hatten; da mich, ja eben mich, von Rechts-wegen unzehlich-hoͤlliſche Geiſ - ſel und Fauſt-Schlaͤge ewig zerpeitſchen, und ſo viele gluͤende, verfluchte Naͤgel und Doͤrner durch - ſtechen ſollten.

Fern ſeye es indeſſen, mein Kind! daß du die - ſes aus deiner eigenen Krafft zu vollbringen ge - dencken wollteſt: Ach nein! Wann dir eine gute Anweiſung etwa gegeben wird, ſo hat es nicht die Meynung, daß du ſogleich darauf falleſt, in der Einbildung, du wolleſt es flugs aus dir ſelbſt ins Werck ſetzen: Ach das waͤre ein menſchlich, un - fruchtbar Unternehmen. GOttes Gnade und die Huͤlffe ſeines Geiſtes muſt du ſuchen: der dir dann zu rechter Zeit und in einer von ihme ſelbſten aus - erkohrnen geſegneten Stunde geben und verſchaf - fen wird, daß du die Liebe deines JEſu nicht ſo faſt mit deiner Vernunfft als aber mit einem von GOtt erleuchteten Verſtand im Glauben gruͤnd - lich erwegen wirſt: Woruͤber dann die Luſt des Fleiſches vergehet, dein Erb-Feind, der alte Adamerwuͤr -204Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndenerwuͤrget, und du durch die Blut-Gnade neu ge - bohren wirſt, ſo daß du dann mit Jauchzen das wirſt ausrichten koͤnnen, was dir zuvor unmoͤglich zu ſeyn vorgekommen. Biſt du dann einmahl ent - woͤhnt und ſind die drey eigenſinnige, ſtoͤßige Far - ren, Augen-Fleiſches - und Hoffarts-Luſt, an Chri - ſtum, um abgeſchlachtet zu werden, angebunden, mithin deine ſuͤndliche Natur alſo veraͤndert, daß du nun ſo viel unſchuldige heilige Bewegungen haſt, als Mehl-Staͤubgen in einem Epha ſind; ſo bekommſt du auch eine Flaſchen voll Himmels - Moſt aus dem Keller der frohen Ewigkeit, und du darffſt zu Silo im Heiligthum vor dem HErrn erſcheinen und Lebenslang daſelbſt bleiben. 1 Sam. 1, 24.

§. 42.

B.) Ficht dich die zweyte gifftige Seuche an, welche gantze Schaaren Menſchen in den ewigen Tod ſtuͤrtzet und eine Wurtzel alles Boͤſen bey Pau - lo 1 Tim. 6, 10. heiſſet, nemlich die Geld-Liebe: So kan auch dieſe nichts ſo geſchwind und gruͤnd - lich, als deines Heylands Blut-Gnade, heilen: Dieſer greuliche Hoͤllen-Wurm muß, wann nur ein Troͤpffgen davon ihne beruͤhret, ſogleich crepi - ren, und die Betrachtung, daß JEſus, der reich - ſte GOttes Sohn, aus Liebe zu dir aͤuſſerſt arm geworden ſeye, kan dein Hertz am beſten vom ſchaͤd - lichen Geitz erloͤſen.

Schaue darum z. E. das theuerſte Kindlein an, ſo wie es in einer harten Krippen lieget. Oderlieſet205der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. lieſet man irgendwo, daß JEſus in einem ſanfften Bette gelegen habe? Ach nein! Wohl aber die - ſes, daß er gantze Naͤchte wie eine Turtel-Taube auf denen Bergen, auf der kalten, feuchten Erden, vom Thau und Regen benetzt, als einer, der nicht hatte / da er ſein Haupt hinlegen kunte; Matth. 8, 20. im Gebet, Seuffzen und Thraͤnen zugebracht: Nur ein einigmahl wird von einem Kuͤſſen gemeldet, das die Juͤnger bey ſich hat - ten und ihme, weil er wegen groſſer Mattigkeit ſehr ſchlaͤfferte, aus Hoͤflichkeit unter ſein Haupt hin - legten; Marc. 4, 38.

Schaue ſodann, wie es in ſeinem gedingten ſchlechten Haͤusgen ausgeſehen habe: So elend nemlich, daß kaum ein armer Bettelmann mit wenigerm Hausrath verſehen ſeyn kan. Die - ſer allerhoͤchſte Koͤnig truge ferner nicht einen Pfenning im Sack, vermochte auch nicht ſein Kopff-Geld zu geben, da ein Fiſch das beſte dabey thun muſte. Matth. 17, 27. Und wann man zu ihm in ſeine Herberg kame, ſo fande man wohl nichts von dem, womit etwa vermoͤgende, ja vor - nehme Leute ihre Ehren-Zimmer auszieren, noch vielweniger ließ der fromme HErr mit Silber - Geſchirr ſich bedienen. Endlich ware ſein Ster - be-Bett das unbehobelte Creutzes-Holtz, daran ſein erbaͤrmlich-zerriſſener und auf das grauſamſte zergeiſſelter Leib gehangen; wo auch eiſerne Naͤgel ſein Sammet und Seiden und ſtachlichte Doͤrner ſein Haupt-Kuͤſſen waren.

Siehe dann, mein Kind! was JEſus um dei - netwillen leidet, wie er auf Golgatha ſo blos undnacket206Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndennacket hanget, nur aus Liebe zu dir, und laß dich reitzen ihme gleichfoͤrmig zu werden. Dencke bey dir ſelbſt: Der aller engliſchen und menſchlichen Aufwart-wuͤrdige HErr hat ſo wenig geruhet; und ich Suͤnder, will gleich murriſch werden, wann ich nur ein wenig in meiner Ruhe geſtoͤret wird; ſein Heil. Jungfraͤulicher Leib triefft vom Blut, und ich trete in Luſt und Ruhe, in Geſundheit und ſchoͤnen Kleidern ſo frech daher. Ach ich Suͤnden-Koth! wie lebe ich! ich will Chriſto doch auch etwas zu Willen werden; ich will der Gnade warten und nicht aufhoͤren zu bitten, bis mir GOtt ein gutes Gebet aus Gnaden eingibt, daß die Armuth-leydende Liebe Chriſti bey mir erwarmen, mein Hertz in tiefer Reu zerflieſſen, auch aus dieſem Liebes-Sinn Chriſti gegen mir Krafft und Suͤßigkeit ſaugen moͤge. Oder ſage mir, mein liebes Kind! was hilfft dir Gold, Silber, Kleinodien, Schau-Pfenninge, Kleider auf die neueſte Mode ſamt allen Gemaͤchlichkeiten der Erden? Ein Gifft iſt es dir, und ſo fern iſt es, daß es zur Heiligung und Geſundheit deiner Seelen was taugen ſolte, daß es dich vielmehr am Hinaufſteigen gen Zion nicht wenig hindert, und dein Hertz ins Thal Tophet hinunter druͤckt. Dei - ne Natur iſt ſo tief vergifftet, daß nichts im Him - mel und auf Erden im Stand iſt dich zu heilen, es ſchicke dann GOtt ſeinen lieben Sohn dir zum Troſt und Heylmachung aus milder Liebe und Guͤ - te. Warum wolteſt du dann dein Hertz an den Reichthum haͤngen, und an dieſem Vogel-Leim ſo feſte bekleiben, daß du von den Feinden jaͤmmer -lich207der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. lich umgebracht werdeſt? Trachte du vielmehr nach denen ewigen unvergaͤnglichen Guͤtern, nach dem Reichthum der neuen Creatur, und werde ſtets be - gieriger nach dem Oel des Glaubens, und daß deine Liebe immer uͤberfluͤßiger werde in Erkaͤnntniß und Erfahrung / damit du lauter und unanſtoͤßig werdeſt auf den Tag Chriſti erfuͤllet mit Fruͤchten der Gerechtigkeit. Phil. 1, 9. 11. Laſſe dir das gelauterte Gold und die Schnee-weiſſe Kleider Tag und Nacht im Sinn liegen, und dis deine erſte und letzte Begierde ſeyn, daß du nur die Perle, JEſum beſitzeſt, da du dann nach Himmel und Erde nichts mehr fragen wolleſt: Seuffze zum himmliſchen Vater, daß er dein Hertz ſo heilig und ſeliglich entzuͤnde, daß dein Verlangen nach denen unausſprechlichen Reichthuͤmern Chriſti mit dir aufſtehe und wieder mit dir zu Bette gehe, mithin allenthalben, wo du geheſt und ſteheſt, ſchlaffend und wachend im Hertzen ſchwebe; ja daß das Ver - langen, daß JEſus HErr uͤber dein Hertz werde, dein Haupt-Werck in der Welt werden, und wann dir auch noch ſo viel fremde Dinge darzwi - ſchen kaͤmen, doch immer wieder in dir aufgehen moͤge. Es iſt dir auch wohl tauſendmal heilſa - mer, an Keuſchheit, Weisheit, Frieden und Freude im Heiligen Geiſt, als aber an allerhand Gold - und Silber-Sorten, Nettigkeiten und derglei - chen, einen Uberfluß zu haben.

§. 43.

C) Ficht dich endlich der Welt Ehre an, ſo ſchaue auf JESUM und ſeine unausſprechlicheNie -208Cap. 2. Von Begehungs-SuͤndenNiedrigkeit und Demuth, und erwaͤge, wie die Welt nicht nur ſo wenig von ihme gehalten, ſon - dern ihne noch mit Spott und Hohn, Schmach und Schande begoſſen, ja aͤrger als den Schaͤcher berurtheilet und verlaͤſtert haben. Laß dich dann, im Bedencken an JEſum und ſeine Schmach, in die er um deinetwillen geſetzet worden, nicht von der Welt ruͤhmen noch durch ſchmeichleriſches Lieb - koſen dein Hertz vergifften. Da der letztere Evan - geliſch-Lutheriſche Erb-Printz von Wuͤr - temberg in Lauſanne / wo er ſich aufhielte und ich ihne geſprochen hatte, von einem dortigen Herrn Profeſſor ſehr ſchmeichelhafftig, und ſo wie die welſche (frantzoͤſiſche) Nation meiſterlich zu fla - tiren weiß, ins Angeſicht geruͤhmet wurde; hoͤrte er ihne ſtillſchweigend an, und bewegte endlich, da er mit ſeinen Lob-Spruͤchen fertig ware, ſeine Haͤn - de weit aus einander, als wann er ein Ellen-lan - ges Ruban oder Band ausdehnete, und fragete den Schmeichler: Ob er das ſchoͤne Band auch ſehe? Nein, antworte der ſchmeichleriſche Herr Profeſſor, ich ſehe nichts: Ey, ſagte der Printz, es iſt doch ſo ſchoͤn weiß, roth, gruͤn, blau ꝛc. mit Gold geſtickt und mit Edelſteinen beſetzt. Da aber der Schmeichler abermal nichts zu ſehen be - zeugete, ſo erklaͤrte ſich der Printz folgender Maſſen gegen ihne: Was iſt das fuͤr ein Handel? Jhr wollet einem Printzen keinen Glau - ben beymeſſen / wann er euch was ſaget / weil ihr das / worvon er euch ſaget / nicht ſehet; ey warum wolt ihr dann / daß ich euern abgeſchmackten Schmeichel-Redenglaube /209der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. glaube / da ich gleichwol von derglei - chen Tugenden / derenthalben ihr mich ſo ſehr geruͤhmet habt / an mir nichts ſehe noch ſpuͤre. Wordurch der Schmeichler zimlich beſchaͤmet ward.

So fuͤrchte dann, mein Hertzens-Kind! deinen GOtt, daß ja deine arme Seele von dieſen drey hoͤlliſchen Mord-Pfeilen, dem Hochmuth, Geitz und Luſt nicht durchſtochen werde. Vergiß es zu dem End nicht, daß dein Heyland am Creutz ge - hangen habe, um dieſe drey Wuͤteriche ſamt ihren Helffers-Geſellen gefangen zu nehmen, und allen ſeinen Begnadigten offentlich zum Geſpoͤtt zu ma - chen, und im Triumph Schau zu fuͤhren. Thuſt du dis, und faſſeſt du Chriſti Blut-Gnade im Glauben, ſo bekommſt du auch Luſt und Krafft ihnen nicht allein zu entrinnen, ſondern gar ihre Haͤl - ſe zu brechen.

§. 44.

III. Waffne dich mit einem heiligen Vorſatz, die Creaturen GOttes nicht zum Jnſtrument deines Verderbens zu miß - brauchen / 1 Cor. 7, 31. dein Hertz ja nicht zu haͤngen an die vergaͤnglichen Ehren / Luͤſte und Schaͤtze dieſes Lebens: Dann dein Schatz und dein Theil iſt im Himmel; darum ſey auch dein Hertz immer himm - liſch geſinnet / Matth. 6, 21. Coloſſ. 3, 1. zu pruͤfen den wohl gefaͤlligen Willen GOt - tes / Roͤm. 12, 2. Phil. 1, 10. 11. Wann duOz. Ey. 210Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndenz. Ey. fuͤhleſt / daß es dein Hertz erfreuet und inwendig kitzelt / wann du gelobet wirſt / ſo zaudere nicht dieſes hoͤlliſche Feuer / das in deiner Seele aufſteiget / zu daͤmpffen. Bringe aber dieſen heiligen Vorſatz, dein von GOtt gewuͤrcktes Wollen zu JEſu, dem himmliſchen Gaͤrtner mit anhaltender Bitte, er wolle doch dis neue Gewachs begieſſen, beſcheinen, erwaͤrmen, damit es nicht erſticke, verwelcke und verderbe, ehe es einmal recht in die Bluͤhte geſtie - gen. Der Sinn Chriſti komme dir nie aus dem Sinn, ja dis ſeye dir ſo hoch angelegen, daß du hertzlich erſchreckeſt, ſo offt ſich etwas dieſem Sinn zuwider in deinem Jnwendigen reget.

§. 45.

Schenckt dir dein GOtt nicht einen gewalti - gen Nachſatz, ſo daß dein Wollen zum wuͤrcklichen Vollbringen kommet, ſo iſt dein Handel verloh - ren; ſintemalen der Weg zur Hoͤllen / nach dem alten Spruͤchwort, mit lauter guten Vorſaͤtzen gepflaſtert iſt. Gute Vorſaͤtze ſind Boten und Lockungen der Gnade, wordurch man ſich die Hoͤlle nur heiſſer machet, wo der Ge - horſam nicht darauf folget: Es weißt auch die Schlange dergleichen Ruͤhrungen treflich zu ihrem Vortheil zu mißbrauchen, ſo wie ſie dadurch ſchon bey viel Tauſenden in den ewigen Tod eingewieget, indem ſie ihnen ein gefaͤhrliches Bild davon in ih - rem Gemuͤth gemachet, als ob ſie zu der und der Zeit erleuchtet, bekehret, gerechtfertiget, geheiligetwor -211der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. worden; woraus dann die arme betrogene Hertzen gerne ein Goͤtzlein ſchnitzeln, auf daſſelbige bey je - dem Donner-Schlag der Gerechtigkeit GOttes ſich zu beruffen und zu verlaſſen, da ſie doch das Himmelreich darum noch nie geſehen, weil ſie die Neue Geburt von Oben Joh. 3, 3. als mit ihnen ſchon vergangen, nicht mehr noͤthig zu ſeyn geglaubt, mithin ſelbige nicht geſuchet, aber deme zufolg auch nicht erlanget haben.

Mein Kind! Die That und der wuͤrckliche Gehorſam gegen den Heiligen Geiſt legt allererſt an den Tag, ob es dir um GOttes Reich und Freund - ſchafft ein rechter Ernſt ſeye. Der jungere Sohn, welcher Ja geſagt, vermuthlich auch einen guten Vorſatz hatte, aber an der Bewerckſtellung deſſel - ben ſich durch mancherley hindern lieſſe, iſt ver - worffen worden, Matth. 21, 28-31. Oder waͤre dis nicht ein ungereimter Knecht, der, wann ſein Herr ihne oͤffters gewecket und zur Arbeit im Wein - berg aufgefordert, ſein warmes Suͤnden-Neſt nie verlaſſen, vielweniger in den innern Weinberg ſei - nes Hertzens eingegangen, am allerwenigſten Hand an das Werck geleget hat, ſich gleichwol groſſe Verdienſte daraus machen wolte, daß ihn ſein Herr dieſer ſonderbaren Ehre ihne zum oͤfftern bald ſtaͤrcker, bald ſaͤnffter aufzufordern, gewuͤrdiget, und er darum, Trotz ſeines traͤgen Ungehorſams, die Hoffnung habe, des voͤlligen Lohns mit andern theilhafftig zu werden?

§. 46.

Nein, mein liebes Kind! Vom Vorſatz muſt du zum Thun ſchreiten, ſonſt iſt kein Him -O 2mel -212Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndenmelreich, ſondern ewiges Wehe fuͤr dich bereitet. Matth. 7, 21-23. Luc. 6, 46. 12, 47. Was wuͤrde es wol einen Ackermann, Weingaͤrtner, Soldat, Kauffmann oder Studenten helffen, wann er noch ſo viele und wiederholte Vorſaͤtze, Muͤhe, Fleiß, Ernſt, Koͤſten, Reiſen ꝛc. anzu - wenden, faſſen, aber beym erſten oder andern An - griff ſchon erliegen wuͤrde. Wuͤrde er nicht zum groſſen Gelaͤchter, und dis ſein Zaudern ein gemei - nes Gaſſen-Liedlein werden? Der Faule / der ſich von Phantaſien naͤhret, ſtirbt uͤber ſeinem Wuͤnſchen / ſagt Salomon, Spruͤchw. 21, 25. Einmal es muß nach der Rede der weiſen Heyden gehen:

Qui cupit optatam curſu contingere metam, Multa tulit fecitque puer, judavit & alſit.
O es koſtet groſſen Ernſt, muͤheſames Lauffen,
Schwitzen,
Ehe man das Ziel erreicht, und mit Sieg gecroͤnt
kan ſitzen.

Was wurden ſie aber erſt gedacht und geſchrie - ben haben, wann ſie die ſroͤliche Botſchafft gewußt haͤtten von der Treue, Weisheit, Liebe und Krafft GOttes, von ſeinem himmliſchen Ruf und Zug zur Gemeinſchafft ſeines Sohns, an dem Licht, Gunſt, Leben, Freude, Ruhm, Heiligkeit und Herrlichkeit des Vaters mit JESU Chriſto Theilzu213der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. zu nehmen, und alles mit ihme gemein, ja mehr als Adam im Paradies zu haben. O wie jagt dieſe Verkuͤndigung die heutige Heyden / die das Evangelium in weit mehrerm Ernſt thun, als bey uns Chriſten zu ſpuͤren iſt! Sie wiſſen von nichts an - ders, als daß ſie alles, was ihr Heyland befiehlet, willig ausrichten; was er ſagt und lehret, glauben; was er anbeut, nehmen; und was er verbeut, un - terlaſſen. Sie verſtehen es genau, wie die Buch - ſtaben lauten, und duͤrffen ſich fuͤr keine Juͤnger JEſu halten, wo ſie es nicht alſo machen.

§. 47.

Alſo achteten es die erſten Chriſten billig zu ſeyn, daß ſie es bey einem heiligen Vorſatz, Gut und Blut bey Chriſti Fahnen aufzuſetzen, nicht be - wenden laſſen, ſondern denſelben auch in der That bewerckſtelligen: Wovon einige Exempel hier bey - fuͤge.

1)(*)Siehe hiervon Friedr. Eberh. Collins Wunder-vollen Schau-Platz der Heil. Maͤrtyrer, vornemlich der um Chriſti willen grauſam getoͤdteter Kindern. 8. Franck - furt 1729. p. 29. Jn der Zehenden Verfolgung ward Ju - litta / ein vornehmes Weib mit ihrem drey-jaͤhri - gen Soͤhnlein, Cyricus, zu Tarſes, (welches Pau - li Vaterland ware) gegriffen und vor den Richter geſtellet. Da ſie nun ſich als eine Chriſtin bekann - te; ließ er ihr das Kind von den Armen nehmen und die Mutter erbaͤrmlich geiſſeln. Das Kind aber nahme er auf ſeinen Schoos und ſuchte esO 3durch214Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndendurch allerley Liebkoſungen zu ſtillen: Allein das Kind wollte ſich durchaus nicht zufrieden geben, ſondern ſahe mit unverwandten Augen nach ſeiner Mutter und fieng gar an, als ein Turtel-Taͤublein ihr nachzugirren und zu ſagen: Jch bin ein Chriſt. Welche Worte dem unbarmhertzigen Tyrannen gantz unertraͤglich waren, ſo daß er das kleine unſchuldige Kind bey einem Bein ergriffen und an die Schaͤrffe der Stuffen ſeines Richter - ſtuhls mit ſolcher Gewalt geſchmiſſen hatte, daß das Blut und Hirn auf allen Seiten heraus ge - ſpruͤtzet.

2) Jn eben dieſer Zehenden Verfolgung unter Diocletiano wurden auch 2 Chriſtliche Bruͤderlein, die von ſehr vornehmen Eltern gebohren waren, vor den Kayſer gebracht, der ſie anfaͤnglich mit al - lerhand ſchmeichelhafften Liebkoſungen zum Abfall von Chriſto verſuchte: Da er aber mit allem die - ſem nichts ausrichtete, hieſſe er ſie grauſam ſchla - gen; ſie aber blieben unbeweglich bey ihrem guten Vorſatz. Worauf ihnen die Haare abgeſchnit - ten - eine beiſſende Salbe auf das Haupt geſtri - chen, und ſie damit in eine heiſſe Bad-Stuben getragen worden: Da ſich dann bald die auf ihre Koͤpfflein geſtrichene Materie von groſſer Hi - tze entzuͤndet hatte, ſo daß der Juͤngſte nicht lan - ge darauf unter dieſen unertraͤglichen Schmertzen todt zu Boden gefallen; der Aelteſte aber uͤber den Anblick ſeines nieder geſunckenen Bruͤder - leins, angefangen ſich ſeines Siegs zu erfreuen, und einmahl uͤber das andere daſſelbe kuͤſſende freudig ausgeruffen: Mein liebes Bruͤderlein /du215der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. du haſt uͤberwunden! Mein Bruͤderlein / du haſt geſieget! bis er endlich auch unter dieſem frohen ruffen, kuͤſſen und hertzen ſeinen Geiſt aufgegeben. (*)Collins Schau-Platz. p. 46.

4) Als im Vierten Jahrhundert nach Chriſti Geburt in Arabien und ſonderlich in der Stadt Nagran eine harte Verfolgung uͤber die Chri - ſten ergienge; ſo wurde unter andern auch eine Chriſtliche Mutter mit ihrem fuͤnff-jaͤhrigen Soͤhnlein gefangen und verurtheilet, verbrannt zu werden. Da nun die Mutter mitten in den Flammen lage; legte das liebe Kind ſeine Be - kaͤnntniß von dem HErrn JEſu mit lallender Zunge ab; ſchrie der Mutter beſtaͤndig nach, und wollte kurtzum bey ihro im Feuer ſeyn. Wie - wohl nun der Tyrann Dunaam daſſelbe ſo feſt hielte, daß es ihme ſo leicht nicht hat entlauffen moͤgen; wehrete es ſich doch ſo lange, bis er es endlich im Zorn von ſich weggeſtoſſen: Da es dann mit groſſer Geſchwindigkeit zu der Mut - ter ins Feuer geſprungen, ſie umfaſſet, und alſo mit ihr die Marter-Crone erlanget. (**)l. c. p. 64.

4) Jn der Zehenden Verfolgung im Jahr Chriſti 303 wurde auch der beruͤhmte Maͤrtyrer Romanus zu Antiochia gemartert und hingerichtet. Bey welchem Anlaß dann auch Barulas / ein kleiner Knabe / welcher noch nicht ſieben Jahre erreichet hatte / herbey gebracht wur - de: Da er dann auf Befragen, ſein Zeugniß, daß nur ein einiger GOtt ſeye / freudig abgele -O 4get.216Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndenget. Als nun hierauf der grauſame-Richter das Kind nackend ausziehen und das zarte Coͤrperlein mit Ruthen und ſchwancken Weiden grauſamlich zer - peitſchen lieſſe, ſo daß der gantze Ruͤcken mit Strie - men und Blut-flieſſenden Wunden uͤberzogen, und die Ruthen und Gerten bey jedem Streich mit Blut gefaͤrbet, mithin alles in der Stadt, ſelbſt die Barbariſchen Henckers-Knechte nicht ausge - nommen, zum Weinen bewogen ward: So rieffe endlich das liebe Kind mit ſeinem leidenden Hey - land aus: Mich duͤrſtet. Worauf dann die Mutter, die dieſes alles mit anſehen mußte, ihme beweglich zugeſprochen, daß es nun bald zum himm - liſchen Strohm der Erquickung, allwo der Durſt ewiglich ſolle geſtillet werden, gelangen ſolle, wann es fein beſtaͤndig bleiben und ausharren werde. Es wurde demnach das Kind durch den Heil. Geiſt mit ſolcher Freudigkeit erfuͤllet, daß es alle Schmer - tzen der Geiſſelungen mit tapfferm Glaubens-Muth verachtete und ſich auf Befehl des Tyrannen froͤ - lich enthaupten lieſſe. (*)Collins Schau-Platz. p. 82.

5) Es wurde auch in der Zehenden Verfolgung zu Nicomedia in Klein-Aſien ein Jungfraͤulein von neun Jahren / Nahmens Baſiliſca, oder Regina um des Nahmens Chriſti willen von den Feinden angegriffen und vor Gericht gezogen. An - faͤnglich ſetzte man ihr mit greulichen Schlaͤgen zu, in der Meynung, weil die Kinder ſonſt durch dieſes Mittel gar leicht koͤnnen erſchrecket werden, ſo wuͤrde ihnen ſolches auch bey dieſem Maͤdgen gelingen. Weil aber GOTT daſſelbe beſonders ſtaͤrckte, ſodaß217der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. daß es durch die haͤrteſten Schlaͤge nicht abtruͤn - nig gemacht werden kunte; ſo ergriffen ſie die ſchmertzliche Feuer-Pein, und lieſſen es eine gerau - me Zeit mit dieſer empfindlichen Quaal an ſeinen zarten Gliedmaſſen martern und brennen. Da aber das Kind auch hier zu ſeiner Feinden groͤſten Beſchaͤmung den Sieg der ausharrenden Gedult behielte; ſo nahmen ſie endlich den zerſchlagenen und verſengten Leib des lieben Schlacht-Laͤmmleins, und warffen ihn den grimmigen Thieren vor; un - ter deren Zaͤhnen es in beſtaͤndigem Beten und Flehen ſeinen Geiſt aufgegeben. (*)Collins Schau-Platz. p. 132.

6) Als die Chriſtliche Kirche im Zehenden Jahr - hundert ſonderlich in Spanien von den Sarace - nen viel Ungemach erdulten mußte; lieſſe der heyd - niſche Koͤnig Abderam auch einen zehen-jaͤhri - gen Knaben / mit Namen Pelagius, nach - dem er durch keinerley Verheiſſungen zum Abfall bewogen werden kunte, lebendig in die Hoͤhe ziehen und ihme mit eiſernen Zangen ein Glied nach dem andern vom Leibe reiſſen; obgleich nun ſolche Mar - ter faſt einen gantzen Tag waͤhrete; ſo bliebe dan - noch der kleine Martyrer durch die Krafft Chriſti ſtandhafft bis in den Tod. (**)l. c. p. 149.

7) Eine zwoͤlff-jaͤhrige Jungfrau, Fe - licola / ſollte entweder einen vornehmen Edelmann zu Rom ehlichen oder den Goͤttern opffern. Da ſie aber heldenmuͤthig zur Antwort gabe: Jch begehre weder dein Eheweib zu werden / weil ich Chriſto verlobt bin; noch auch deinen Goͤttern zu opffern / weil ich eineO 5Chri -218Cap. 2. Von Begehungs-SuͤndenChriſtin bin: So ließ er ſie erſtlich in eine fin - ſtere Kammer ſperren und ſieben Tage lang ohne die geringſte Speiſe bleiben; hernach mit Gewalt zu den Jungfrauen der Goͤttin Veſtaͤ hinfuͤhren, woſelbſt ſie noch ſieben Tage ohngeeſſen bleiben mußte. Weil aber alles dieſes viel zu wenig wa - re, ihren Sinn zu veraͤndern: So ward der grau - ſame Befehl gegeben, daß man ſie an der Folter ausſpannen, und ſo lang an derſelben martern ſoll - te, bis ſie uͤber den Schmertzen den Geiſt aufgeben wuͤrde; welches dann auch geſchahe. Jndeſſen wiederholete ſie oͤffters unter der Marter die Wor - te: Jch bin Chriſto geheiliget; ich bin eine Chriſtin; ich bin eine Jungfrau Chriſti. Und als die Hencker unter der grau - ſamſten Peinigung zu ihr ſagten: Verlaͤugne Chriſtum / ſo wollen wir dich gleich mit Frieden laſſen; gabe ſie ihnen zur Antwort: Jch werde meinen Liebhaber nicht per - laͤugnen / der mir zu lieb mit Gallen ge - ſpeiſt / mit Eßig getraͤnckt / mit Dornen gekroͤnt und mit Naͤgeln ans Creutz ge - hefftet worden. Und ſo ward ſie endlich zu todt gemartert, und in ein heimlich Gemach ge - worffen. (*)Collins Schau-Platz. p. 342.

§. 48.

IV. Muſt du dich waffnen mit unablaͤßi - gem Gebet um Chriſti Beyſtand und Goͤttliche Weisheit / damit du alſo in ſei -ner219der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. ner Gnade die Welt uͤberwindeſt, wie er ſie uͤberwunden hat; Joh. 5, 4. Offenb. 3, 21. O ja, du theures junges Blut! du haſt wohl Ur - ſach, zu dem HErrn JEſu zu beten, und ſeiner Lieb-vollen Begierde nach jungen Leuten die Sa - che einfaͤltig vorzutragen, mithin etwa zu ſagen: Mein lieber frommer Heyland, du treuer Kinder-Freund! Es muß dir ja viel an mir ge - legen ſeyn, daß du deine liebe Juͤnger beſchol - ten haſt, da ſie meyneten, man ſolle dir nicht Muͤhe machen, mit den armen Kinderlein: Eben darum faſſe ich auch guten Muth zu deiner Kin - der-liebenden Guͤtigkeit und Gelindigkeit, und bitte dich, du wolleſt mich doch auch gnaͤdiglich ſammlen zu deiner Heerde, und mich vollberei - ten, ſtaͤrcken, weiden, bewahren und behuͤten, wie zuvorderſt vor meinem eigenen boͤſen und unbe - ſtaͤndigen Hertzen und wanckelbaren Willen, alſo auch vor denen mancherley Gefahren, ſo meiner armen Seelen ſonderlich iin Anſehung meiner Eltern obſchweben, welche ſie leider eben ſo we - nig als ich verſtehen. Ach du weiſſeſt nicht, wie unſaͤglich viel daran gelegen iſt, daß JESUS, der großmaͤchtige Gaͤrtner dem Unkraut wehre und den leidigen Abſichten deiner von GOttes Liebe noch abgewandten Eltern widerſtehe, die dich allen Fleiſ - ſes in den Welt-Sinn einmodeln und zu einem unſeligen Burger Babylons machen wollen; wo - durch dir aber der Weg in das allergroͤſte Ungluͤck, in die Sclaverey der Suͤnden, deren Sold der ewi - ge Tod iſt, gebahnet wird. Jch bitte dich dann, ſo viel ich kan, du theuer-geliebtes Kind! Ruffe zuJEſu,220Cap. 2. Von Begehungs-SuͤndenJEſu, daß er ſich deiner kraͤfftig annehmen und dich fein bey der Hand leiten wolle; weil du des Wegs zum Himmel noch ſo gar unberichtet, und ſeiner gewiß verfehlen wuͤrdeſt, in ſo ferne er dir ſeine Liebe, ſein Licht, ſeine Krafft und Huͤlffe ver - ſagen und ſich weigern wuͤrde, dich mit ſeinem Gna - den-Blut zu beſprengen, deine Suͤnden zu daͤmpfen, dir GOttes Kindſchafft zu ſchencken durch den H. Geiſt, der dein Hertz zu allem Guten ziehe, mit der Liebe GOttes und des Naͤchſten beſeelige, dein Steuermann uͤber das Suͤnden-Meer, und dein getreuer Fuͤhrer durch die Wuͤſte dieſer Welt ſeye.

§. 49.

So laſſe dann, mein Hertzens-Kind, ſolch ein Beten ja nicht aus der Acht, und wiſſe, daß du bey deſſen Unterlaſſung das Ufer des Landes der Hei - ligkeit nimmermehr erreichen, und dein Schifflein, anſtatt in das Port der Seligkeit einzulauffen, zer - ſcheitern wuͤrde. Und wie gerne will dich dein JE - ſus hoͤren, wann du ihn um ſeiner blutigen Kin - der-Liebe willen und im Glauben an ſein Verſoͤhn - Opffer demuͤthiglich bitteſt um ein ander, reines, neues und ſolches Hertz, daß alle ſeine Luſt und Freude an ihme habe, und du ſo deine theure See - le nicht mit Wohlgefallen an allerley Docken - Werck verunreinigeſt und zum ſchaͤndlichen Goͤ - tzen-Haus macheſt, ſondern dich bekehreſt von den Goͤtzen zu dienen dem lebendigen GOtt. Wiſſe auch, daß ſo manche Kinder der Koͤnig JEſus ſei - ner ewigen Huld wuͤrdiget, die Schaͤtze ſeines Heilsihnen221der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. ihnen mitzutheilen; er denenſelbigen ihr eiteles Pup - pen-Spiel dermaſſen erleidet, daß ſie ſelbiges mit keinem Aug mehr anſehen, hingegen von nichts als ihrem JEſu hoͤren moͤgen.

§. 50.

Es muß aber dein Gebet anhaltend ſeyn, und deine Begierde ſtets duͤrſten nach deinem GOtt. Eine gewiſſe Seele wurde von ſchweren Gedancken ſehr geplagt, und konnte nicht zum Gebet kom - men; woruͤber ſie gantz erlegen ward, und ihr Seelen-Schifflein den Bach herab fahren laſſen wolte: Aber JEſus kame ihr zur Huͤlffe, und ſprach ihr im Geiſt ernſtlich zu: Weiſt du nicht, daß ich meinen Juͤngern zurufe: Rin - get darnach / daß ihr durch die enge Pforte eingehet? Darum laſſe dich das gegenwaͤrtige Gedraͤnge nicht abſchrecken, dringe durch, ſonſt entgehet dir die Crone.

O ja mein Kind! Du muſt dich aus allen Verderbniſſen, Thorheiten, Ohnmachten, Untuͤchtig - keiten, Finſterniſſen, Verfuͤhrungen und Noͤthen, auch aus dem Druck der Armuth, Kranckheit, Schmer - tzen u. ſ. w. heraus, und in den Schoos JESU, in den Frieden GOttes, in die Willens-Ruhe im Willen des liebſten Vaters und des wehrteſten Troͤſters, des Heil. Geiſtes hinein beten. Schmeich - le darum (wie es artige Kinder wohl koͤnnen, wann ſie etwas uͤberaus gern haben wollen,) dem Heili - gen Geiſt, daß er dir doch immer ein gutes und ſolches Gebet beſchehre, wodurch deine gantze See - le, als ein fuͤrſtlicher Wagen in GOttes Heilig -thum222Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndenthum hinein gefuͤhret werde. Erlangeſt du das Kleinod, JEſum im Geiſt, nicht, ſo nuͤtzt dich dein Beten wenig mehr, als einem Armen ſein Bet - teln, wann er nichts empfangt.

Es lebet, wie ich glaube, noch ein rechtſchaf - fen zu GOtt bekehrter Heyd; dieſen fragete jemand, ob er ſich an der Chriſten Leben, deren ihnen vom Himmel anvertrauten Lehre er itzo wiſſe, nicht aͤr - gere? Worauf er er mit Nein geantwortet und geſprochen: Jch ſpuͤre bey mir ſelbſt, daß mei - ne arge Natur ſogleich den Kopff aufſtreckt, und mit ihren ſuͤndlichen Neigungen ſich der Herr - ſchafft anmaſſen will, wann ich vom Gebet ab - laſſe. Es iſt eben, wie wann ein Rebmann (Weingaͤrtner) die Reb-Schoſſe im Weinberg hin und wieder liegen laſſen wolte in der Meynung, daß es ſchon genug ſeye, wann ſie nur ohnweit von den Rebſtoͤcken liegen, und nicht bedoͤrffen dem Wein - ſtock ſelbſten eingepfropffet zu ſeyn, und unausge - ſetzt ſeinen edlen Safft einzuſaugen; welchenfalls er nicht manchen ſchoͤnen Trauben bekommen und wenig genug Wein machen wuͤrde.

§. 51.

1) Ein kleines Kind / das ohngefehr im fuͤnfften Jahr ſeines Lebens geſtorben, pflegte viel - mal allein zu gehen, auf ſeine Knie vor GOtt nie - derzufallen und zu beten: Jn ſolchem Gebet re - dete es offt ſo ernſtlich mit dem lieben GOtt, und weinete ſo ſehr, daß es bisweilen auch denen Nach - barn nicht konnte verborgen bleiben. (*)Janneways Exempel-Buͤchlein, 1 Th. zweytes Exem - pel. Rambachs Ex. Buͤchlein p. 188. ſeqq.

2) Ein223der Eltern in Anſehung ihrer Kinder.

2) Ein frommer Knab, Carl Bruͤgmann / der da ſtarbe, da er ohngefehr zwoͤlff Jahr alt ware, wolte fruͤhe Morgens keinen Fuß aus dem Hauſe ſetzen, ehe er gebetet: Er gienge auch niemals oh - ne Gebet zu Bette, und wann er je ein und ander - mal ſolches vergeſſen, kame er geſchwind wieder aus ſeinem Bette, kniete nieder auf die bloſſen Knie, und bate GOTT um Vergebung dieſer Suͤnde. Wolten ſeine Bruͤder etwa eſſen, ehe ſie gebetet hatten, ſo pflegte er zum Verweiß zu ſagen: Doͤrf - fet ihr alſo handeln? Das GOTT in Gnaden verhuͤte! Dieſer Mund voll Brods koͤnnte durch GOttes Zulaſſung zur billichen Straffe, uns er - ſticken. (*)Janneway l. cit. 1 Th. fuͤnfftes Exempel, Rambachs p. 210. folg.

3) Als Johann Auguſt Schmid / ein Knaͤblein von drey Jahren im Hauſe eine Stiege hinauf ſtiege, und erinnert wurde, ſich in Acht zu nehmen, daß es nicht herunter falle, faltete es alſo - bald ſeine Haͤnde zuſammen, und betete alſo: Ach du lieber GOTT! bewahre mich / daß ich nicht falle und Schaden nehme. Amen! (**)Rambachs Exempel-Buͤchlein p. 89.

4) Chriſtlieb Lebrecht von Evter hatte in ſeiner Kindheit den Geiſt des Gebets in reicher Maaß empfangen, und ſeine Worte im Gebet wa - ren voll Glaubens und kindlichen Vertrauens. Sein juͤngerer Bruder hatte ihn einmal auf ſeinem Angeſicht vor GOtt liegend gefunden. Er nahme auch manchmal ſeine Geſchwiſterte mit ſich in einCaͤm -224Cap. 2. Von Begehungs-SuͤndenCaͤmmerlein, kuͤſſete ſie bruͤderlich, und ſagte: Kommt / wir haben Zeit und Raum zu beten / wir muͤſſen die Zeit auskauf - fen. (*)Janneway Exempel-Buͤchlein / Ex. 20. Ramb. p. 141. 142.

§. 52.

5) Waffne dich mit unverruͤckter Treue, lieber alles zu leiden / als etwas zu be - gehren / daruͤber dein Heyland betruͤbet wird. Marc. 8, 34-36. Durch welche beſtaͤn - dige Treu gegen deinen JEſum dein Wachsthum im Goͤttlichen Leben, Weisheit und Erkaͤnntniß maͤchtig befoͤrdert wird.

§. 53.

Jn der ſonſt luͤgenhafften Welt haſſet man an ſeinen Freunden nichts ſo ſehr als Falſchheit und Untreue. Ey wie ſehr verhaßt muͤſſen dann dem treuen Hertzen JEſu die krumme Wege ſeyn, und wie wehe muß es ihme thun, wann ein Kind zu ſo vielem Guten Ja ſaget, und doch mit der Suͤnd und Welt eine verſteckte Freundſchafft heget; ja wann es gar von der Gnade ſeines Creutzes-Todes und ſeiner heiligen Gegenwart erinnert wird, und dennoch von der empfangenen Luſt die Suͤnde und den Tod gebaͤhren laͤßt. Jac. 1, 15. Jn den Staa - ten dieſer Welt ſind keine verhaßtere Leute, als die Verraͤther: Ach! warum wolteſt du dann deinHertz,225der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. Hertz, das Reich und die Stadt GOttes, wohin er die Schaͤtze ſeiner zaͤrteſten Liebe zu legen bedacht iſt, dem Feind verrathen, und dich vom ewigen Gut ab - und zur Eitelkeit kehren?

Eine ſo ſchnoͤde Untreue und Abweichung von dem Goͤttlichen Sinn Chriſti ziehet auch oͤffters ei - nen entſetzlichen Sturtz-Fall nach ſich; ſetzet die ausgeſtoſſenen Teuffel wieder ins Regiment ein mit noch ſieben aͤrgern, und vertreibet den Geiſt der Herrlichkeit, die reine Daube mit dem Oel-Zweig, ſchwaͤchet auch die Wuͤrckung des Bluts Chriſti, ſo daß die Seelen-Cur zur Heylung nicht gelingen kan, alldieweil die Recidive oder Ruͤckfaͤlle in vorige Befleckungen den ſonſten ſchon mißlichen Zuſtand noch gefaͤhrlicher, wo nicht ſchlechterdings unheil - bar machen: Das Schwerdt des Geiſtes, das Wort GOttes wird durch ſolche Auffuͤhrung gegen den getreueſten Heyland dermaſſen ſtumpff, daß es das Hertz, wann es ſchon getroffen wird, doch nicht durchſchneidet:

§. 54.

Laß dir darum ſeyn, als ob der himmliſche Vater dich alſo anrede: Mein Kind! ich ver - gebe dir alle deine Suͤnden, ich nimme dich auf in mein Haus, und gebe dir das Beſte das ich habe, meinen Sohn, meinen Heiligen Geiſt und mich ſelber, ich bereite dir ein ewiges Himmel - reich, und verſorge dich mit genugſamer Zehrung auf die Reiſe, ſo du noch vor dir haſt: Foͤrchte dich nicht, ich bin bey mit und in dir, und ver - Plaſſe226Cap. 2. Von Begehungs-Suͤndenlaſſe dich nicht, bis ich in dir Alles in Allein bin. Laß dir auch ſeyn, der eingebohrne Sohn GOt - tes ſpreche dich mit folgenden Worten an: Mein Hertzens-Kind! wilſt du nicht beſtaͤndig mir an - hangen? Biſt du mir doch ſo hertz-innig lieb, daß ich deinen Fluch, Tod und Hoͤlle ſamt dei - nen Suͤnden, deren ſchon ſo viel ſind, auf mich nehme, und alles aus dem Weg ſchaffe, was deine vollkommene Seligkeit nur im geringſten mindern koͤnnte; und ich bitte den Vater fuͤr dich, daß er dich, als mein Schaͤflein in meiner Liebe bis ans Ende bewahre. Biſt du darmit noch nicht zu frieden, ſo gebe ich dir mein eigen Fleiſch und Blut zu eſſen und zu trincken, damit du auf das gewiſſeſte verſichert ſeyeſt, du habeſt mich den wahrhafftigen GOtt und das ewig - Leben, und du ſolſt es ewig wohl bey mir haben in GOttes Paradies. Wie kanſt du es dann nach allen dieſen ausnehmenden Liebes-Bezeu - gungen uͤber dein Hertz bringen, mein zaͤrteſtes JEſus-Hertz zu verwunden und zu beleidigen? Jch koͤnnte es an allen andern noch eher ertra - gen, als an dir, wann du, das ich doch als mein eigen Hertz lieb habe, treulos und bundbruͤ - chig an mir werden wolteſt.

Jn Erwaͤgung deſſen flehe deinen Heyland an - gelegentlich an, er ſolle nur alles dir begegnen laſ - ſen; dis allein aber wolleſt du von ſeiner Gnade aus - gebeten haben, daß du ihne ja niemals mehr belei - digeſt, als welches dir unertraͤglich waͤre.

§. 55.227der Eltern in Anſehung ihrer Kinder.

§. 55.

1) Dem kleinen Harwey ward von ſeinem Vater, einem Hollaͤndiſchen Kauffmann in Lon - den / zuweilen erlaubt, im Hofe hinter dem Haus zu ſpielen, weil ſeine Eltern meynten, er ſeye noch zu jung in die Schule geſchickt zu werden. Allein anſtatt zu ſpielen, fragte er ſelbſt eine Schule aus, nahe bey ſeiner Eltern Hauſe, und erſuchte die Schulmeiſterin, daß ſie ihne das Leſen lernen moͤch - te. So gienge er etliche Zeit in die Schul, ohne daß es ſeine Eltern wußten, und machte in ſeinem Lernen einen guten Fortgang. (*)Rambachs Hand-Buͤchlein fuͤr Kinder, das 13. Exem - pel.

2) Ein kleines Kind, wann es des Sonntags allein zu Hauſe gelaſſen wurde, wollte auch nicht den geringſten Theil des heiligen Tages in Muͤßig - gang oder eitelen Spiel zubringen; ſondern war mit Leſen in der Bibel, Wiederholung des Cate - chismi und mit Beten beſchaͤfftiget. (**)Ramb. Das 14. Exempel.

3) Ein kleines Kind von fuͤnff Jahren hatte ei - nen groſſen Grauen fuͤr boͤſer Geſellſchafft, und pflegte GOtt mehrmahlen zu bitten, daß er es doch dafuͤr bewahren und behuͤten wolle, ſolche Kinder nimmermehr lieb zu gewinnen, deren Luſt waͤre zu thun, was GOtt mißfiele. Ja wann es ſolche zuweilen hoͤrte gottloſe Reden fuͤhren, GOttes Na - men mißbrauchen, oder ſonſt garſtig reden, ſo zit - terte es fuͤr Abſcheu, gieng nach Hauſe und wei - nete. (***)Ramb. Das 15. Exempel.

P 24) Ein228Cap. 2. Von Begehungs-Sunden

4) Ein kleines Maͤgdlein, wann es aus der Schule nach Hauſe kam, pflegte mit Bekuͤmmer - niß zu erzehlen, wie andere Kinder durch boͤſe Wor - te ſich an GOtt verſuͤndiget, die ſo boͤſe waͤren, daß es ſolche nicht wiederholen moͤchte. (*)Rambachs l. c.

§. 56.

Reitzen dich eitel-geſinnte Kinder, oder auch groſſe Leute zu unnuͤtzen Zeitverderb, ſo laſſe ſie die - ſen Beſcheid in ernſthaffter Freundlichkeit von dir hoͤren: Jhr moͤget ſolche Dinge wohl thun, weil ihr nicht ſo groſſe Gunſt von JESU genoſſen, wie ich: Der Koͤnig des Himmels hat ſich all - zuweit mit mir eingelaſſen, und ſich endlich ver - bunden, mein Bruder, ja mein Braͤutigam zu ſeyn, und ich ſolle ſeyn ſeine Braut; mithin iſt mir nicht mehr ſo viel als andern erlaubt. Mein JEſus will gantz mein ſeyn, und alſo iſt es vor allen ehrlichen Leuten die billigſte Sache, daß ich hinwiederum gantz ſein ſeye. Jch thue es aber ſehr gern, dann der majeſtaͤtiſche, weiſe, rei - che Koͤnig hat mein Hertz mit den Flammen ſei - nes Hertzens angezuͤndet, und ich waͤre der un - danckbarſte ja der unſinnigſte Menſch, wann ich zuerſt dieſen vortheilhaffteſten Bund und kurtz - weiligſte Freundſchafft brechen wollte, der Schlange und ihrem Reich zu Gefallen. Oder machs nur kurtz und ſprich mit derben Worten: Es ſeye dir heut was nothwendigers vorgefallen, welches ſich nicht auf den morgenden Tag verſchie -ben229der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. ben laſſe. (Verſtehe, dich mit einem Hochzeit - Kleid, mit der Geſtalt Chriſti mit einer reinen See - le, mit dem Oel des Heil. Geiſtes, auch mit Wein und Brod ꝛc. zu verſehen auf die Erſcheinung und Hochzeit des Lammes, da alles Koͤniglich und Goͤttlich zugehen ſolle.) Oder ſage: Du muͤſſeſt daheim bleiben, weil du jemand erwarteſt, der dich beſuchen wolle. (Verſtehe den Koͤnig aller Koͤ - nigen, mit dem du von hochwichtigen Sachen zu reden habeſt, ja GOtt der Vater und der Heil. Geiſt, Joh. 14, 21. 23. welcher ſeine himmliſche Liebe in dein Hertz ausgieſſen will. Roͤm. 5, 5.)

Sagen ſie, du ſolleſt deine Viſite mitbringen, ſo antworte: Das ſtehe dir nicht zu, ſie wegzufuͤh - ren, wann ſie, die beſuchende Perſon, mehr Belie - ben trage, bey dir in der Stille zu ſeyn, als in ei, ne unruhige Geſellſchafft zu gehen, wo ſie wegen ih - res ernſthafften Weſens kaum angenehm ſeyn wurde; zumahlen ſie nicht gern unnuͤtze Worte hoͤre. ꝛc. Alſo fuͤhret dich JEſus in die Einſam - keit, und redet dir zum Hertzen, Hoſ. 2, 14. bekleidet, ſaͤttiget und erfreuet dich.

P 3Das230Cap. 3. Die dritte Quelle

Das 3. Capitel. Von der dritten Quelle der Ver - fuͤhrung der Kindern und jungen Leuten, Wie Sie bey den Waͤrterinnen und Haus - Geſinde lieget.

Jnhalt.

  • Uberhaupt kan auch das Haus-Geſinde denen Kindern zur Verſuͤhrung gereichen. §. 1. Jns beſondere: I. Durch aͤrgerliches Geſchwaͤtz. §. 2. Da dann der Kindern Gefahr dabey vorgeſtellet; §. 3. Naͤher angedrungen; §. 4. Aber auch einerſeits das Geſinde vor ſolcherley Aergerniſſen gewarnet. §. 5. Anderſeits den Kindern vier Verwahrungs-Mittel an - gerathen werden, und zwaren daß ſie a) die Gemein - ſchafft des liederlichen Geſinds ausweichen; §. 6. b) Neugierigkeit meiden; §. 7. c) das boͤſe Geſind be - ſtraffen; §. 8. d) Fleißig zu GOtt beten. §. 9.
  • II. Durch aͤrgerliches Evempel. §. 10. Da - vor werden Kinder gewarnet; §. 11. Auch Mittel dagegen angewieſen, nemlich 1) eine Verabſcheuung ihres Wandels; §. 12. 2 ) Das fleißige Leſen und Betrachten des Lebens JEſu und der Heiligen im Al - ten und Neuen Teſtament; §. 13. 3 ) Die willige Aufnahm der Schmach Chriſti; §. 14. 4 ) Eine lieb -reiche331der Verfuͤhrung der Jugend. reiche Auffuͤhrung zur Beſchaͤmung der Boͤſen; §. 15. Jndeſſen ſollen Eltern frommes Geſind ins Haus ſchaf - fen; §. 16. Sodann den Kindern demuͤthigen Ge - horſam gegen ſie einſchaͤrffen; §. 17. Jn Ermang - lung aber frommen Gefinds ſelbſt ſich ihrer deſto mehr annehmen; §. 18. Reim-Seuffzerlein des Kindes; §. 19.

§. 1.

FRagſt du, mein liebes Kind, wodurch du weiter zu deinem Ungluͤck ver - fuͤhret werden koͤnneſt? So gehoͤ - ren hieher: Die Waͤrterinnen oder das Haus-Geſinde.

Die Kinder werden gemeiniglich unter der aͤuſſeren Bedienung eines ſolchen Ge - ſindes erzogen, welches von GOtt wenig weiß, wie das Vieh in den Tag hinein lebt, und ein rechter Ausbund gottloſer Men - ſchen iſt, die den Kindern von der zaͤrte - ſten Jugend an alle Gottloſigkeit recht leh - ren und einfloͤſſen, daß es kein Wunder iſt, wann die Erfahrung taͤglich lehret, daß bloß durch Verfuͤhrung des uͤppigen Geſindes Kinder von zehen Jahren ſchon ſo alt-ver - ſtaͤndig in der Bosheit ſind, daß ſie wohl alte Leute von viertzig, funffzig Jahren dar - in uͤbertreffen. Wie nun ſolches ein un -P 4ver -232Cap. 3. Die dritte Quelleverantwortlicher Fehler der Eltern iſt, daß ſie nicht beſſere Aufficht auf ihre Kinder haben: Alſo iſt nach Chriſti Wort, Matth. 18, 6. das Aergerniß, ſo das Geſinde den Kindern giebet, gewiß gar eine erſchreckli - che Suͤnde. Wer da aͤrgert dieſer Ge - ringſten einen, die an mich glauben, dem waͤre beſſer, daß ein Muͤhlſtein an ſeinen Hals gehaͤnget und er er - ſaͤuffet wuͤrde im Meer, da es am tieffſten iſt.

§. 2.

Verfuͤhren kan dich das taͤglich um dich lauffende Geſinde.

I. Durch ſein faules und liederli - ches Geſchwaͤtz. Von wem lernen die Kinder ſo zeitig allerhand Narrenthei - dungen, ſaͤuiſche Zotten, das zaͤnckiſche un - geſtuͤme Widerſprechen, das heßliche Luͤ - gen und dergleichen heydniſche Zungen - Suͤnden mehr? Traͤgt nicht das leichtfin - nige Volck, darunter ſie auferzogen werden, welches ſeine Zunge nicht im Zaum halten kan, dazu das meiſte bey? Da ja offt ſo kleine Kinder, die noch kein Vater Unſer beten koͤnnen, ſchon ſolche garſtige Wuͤnſche,Fluͤ -233der Verfuͤhrung der Jugend. Fluͤche und Schwuͤre im Munde fuͤhren, daß man es ohne Entſetzen und innigſter Betruͤbniß nicht anhoͤren kan.

§. 3.

Du fragſt: Jſt dann das ſo eine ge - faͤhrliche Sache, daß man dadurch von Chriſti Gemeinſchafft getrennet wird? Al - lerdings, liebes Kind! Es iſt kein geringes, wann Chriſtus, Matth. 12, 36. ſaget: Daß die Menſchen einmahl ſollen Re - chenſchafft geben von jeglichem un - nuͤtzen Wort, das ſie geredet haben. Wie vielmehr wird ſolches geſchehen muͤſ - ſen von denen aͤrgerlichen und ſchaͤd - lichen Narren-Poſſen, dadurch der gan - tze Menſch entheiliget wird; Jac. 3, 6. und von ſolchen Worten, die den Heiligen Geiſt betruͤben, Epheſ. 4, 29. 30. vom Teuffel herſtammen, Joh. 8, 44. und im Geſetz GOttes verboten ſind, als Fluchen, Schwoͤren, u. ſ. w Beflecke dich alſo um deines Heyls willen nicht mit ſolchen Greueln, welche keinem Chriſten geziemen; uͤbe dich vielmehr im Singen, Beten, Lo - ben und Dancken. Eph. 4, 19. 20.

P 5So234Cap. 3. Die dritte Quelle

So iſt auch das ſuͤndlich, wann man den Nahmen GOttes und JEſus ſo leichtſinnig bey allen Kleinigkeiten ge - braucht, daß es immer heißt: Ey HERR JEſus, u. ſ. w. Anruffen ſollen wir den HErrn JEſum in geiſt-und leiblichen Noͤ - then; aber mit den liederlichen Welt-Kin - dern daraus kein Spruͤchwort machen. Dann ſolches wird GOtt nicht ungeſtrafft laſſen. 2 B. Moſ. 20, 7.

§. 4.

Und warum wolteſt du nicht gern unnuͤtzes Geſchwaͤtz fliehen? Jſt es doch

1) Einem Chriſten hoͤchſt unanſtaͤndig; oder ſolle nicht die Zunge eines Schuͤlers JESU Chriſti ein guͤlden Gefaͤß und Sayten-Spiel des Heiligthums zum Dienſt GOttes ſeyn? Wann du nun dieſes heilige Gefaͤß, welches dem HErrn zu ſeiner Anbetung und Lobpreiſung in der Tauffe gewidmet worden, mit den Unflaͤ - tereyen des Hoͤllen-Thiers beſudeln lieſſeſt; ſo wuͤrdeſt du eine aͤrgere Entheiligung begehen, als Belſatzar. Dan. 5, 2. 3. Neben dem, daß die Zunge, die des Menſchen Herrlichkeit ſeyn ſolte, durch loſes Geſchwaͤtz ihm zur groͤſten Schande und ewigen Unehre wird.

2) Offenbahret die Zunge, was in deinem Her - tzen wohnet, und ob Suͤnde oder Gnade, GOtt oder die Welt, Himmel oder Hoͤlle drinnen hauſe. Matth. 12, 34-37.

5) Jſt235der Verfuͤhrung der Jugend.

3) Jſt der Urſprung ungoͤttlicher und unheili - ger Reden entſetzlich, als welche aus dem Ab - grund kommen, und wieder dahin fuͤhren. Jac. 3, 5-8.

4) Wann man auf die Straffe oder Beloh - nung des boͤſen oder guten Gebrauchs der Zun - gen ſiehet, ſo iſt dieſelbe unendlich hier in Zeit und dort in Ewigkeit. Pſ. 34, 12-15. Einmal boͤſe Worte ziehen nicht nur ſchon auf Erden viele Verdrießlichkeiten und unzaͤhlichen leib-und geiſtlichen Schaden nach ſich, ſondern auch in jener Welt werden alle faule Worte in ſo viel garſtige unſterbliche Wuͤrmer verwandelt wer - den, die in der Seele des verdammten Suͤnders herum kriechen werden; da hingegen alle vom Heiligen Geiſt in einem redlich frommen Kind ge - wuͤrckte Reden unendlichen Segen und Selig - keiten in der himmliſchen Licht-Welt ausgebaͤh - ren, ſo daß ſich die Gnaden-Wuͤrckungen nach einander in ſchoͤnſtem paradieſiſchen Flor dort zeigen werden. Soll nun dieſer Himmel-weite Unterſcheid des Ausgangs und der Vergeltung dich nicht bewegen, acht zu haben auf alles, was du redeſt und hoͤreſt? Biſt du wachſam dich aus Liebe zu JESU in kein eiteles Gewaͤſche zu mengen, ſo wirſt du wuͤrdig geachtet werden mit den vier und zwantzig Aelteſten, mit den heiligen Engeln und allen verklaͤrten Geiſtern der Gerechten, ja mit dem Dreyeinigen GOtt ſel - ber Geſpraͤch zu halten. Rede viel mit deinem JEſu im Gebet und Leſung ſeines Worts, und hoͤre ihm demuͤthiglich zu. Pſ. 85, 9. Hoſ. 2, 16.

5) Sie -236Cap. 3. Die dritte Quelle

5) Siehe / der Richter iſt vor der Thuͤr. Jac. 5, 9. Er ſtehet hinter unſe - rer Wand / und ſiehet durchs Fenſter / Hohel. 2, 9. Der HERR und ſeine Diener, JEſus und ſeine Engel ſind da in unſichtbarer Gloria, und hoͤren dir zu: Dann ſiehe / es iſt kein Wort auf deiner Zunge / daß der HErr nicht alles wiſſe / Pſ. 139, 4. Er ſchreibt auch alles auf, und wird es vor ſein Gericht bringen, wo alles ein gantz anders Aus - ſehen gewinnen, und ein unnuͤtz Wort, das itzt die Leute Feder-leicht zu ſeyn daͤucht, dort dein Hertz quetſchen wird, wie ein Muͤhlen-Stein. Und ach wie viele Millionen unnuͤtze Worte ſaͤet der Menſch, darvon er auf dem Feld der Ewig - keit eine entſetzliche Erndte von Blut-reitzenden Stacheln mit hoͤlliſchem Schaur vor ſich ſehen wird, ſie in ſich zu freſſen. Da im Gegentheil derjenige, welcher aus der heiligen Salbung hier geredet hat, dort was herrlich ſchoͤnes einernd - ten wird ohne Aufhoͤren. Paulus z. Ex. wird ein Paradies vor ſich ſehen von Jeruſalem an bis an Jllyricum, und wiederum von da an bis in Spanien, alles von der Saat, ſo er bey Hand - voll ausgeworffen, da er allenthalben nichts ge - redet, als was Chriſtus in ihm gewuͤrcket, Roͤmer 15, 18. Giebe darum auch du dein Hertz dem Heiligen Geiſt, daß er ſein Geſetz darein ſchreibe, und ſammle dir einen Schatz von gu - ten Erkaͤnntniſſen.

§. 5. Da -237der Verfuͤhrung der Jugend.

§. 5.

Damit aber das Haus-Geſinde mit ſeinem liederlichen Geſchwaͤtz die Kinder im Hau - ſe nicht weiter veraͤrgere, ſo hat es zu beher - tzigen:

a) Daß die Kinder in GOttes Augen hoch theuer ſeyen, ſo daß er genau Acht auf das Ver - halten gegen dieſelbige giebet. Er will nicht das eins von denſelben verloren gehe: Wer nun eins derſelben verfuͤhret, der greifft GOttes Majeſtaͤt und Willen an, und wird den Stachel davon auf eine entſetzliche Weiſe im Gewiſſen fuͤhlen muͤſſen. Du blinder, tummer Knecht! (du thoͤrichte uͤp - pige Magd!) du haſts nicht blos mit einem ſchwa - chen Kinde, ſondern mit einem verzehrenden Feuer zu thun, der mit deinen Poſſen und Narrentheidi - gungen unmoͤglich zu frieden ſeyn kan.

b) Sind die Seelen der Kinder, ſo dir anver - trauet ſind, Chriſti Kleid / ſo er anziehen und ſich zueignen will. Er wird darum durch ſeinen richtenden Geiſt ſich erkundigen, wer den ſcheußli - chen und Hoͤllen-ſchwartzen Flecken mit dieſem oder jenem aͤrgerlichen Wort, Werck, Geberden in daſſelbe gemachet, und die Schuld habe, daß das ungluͤck - haffte Kind durch eine ſcharffe Lauge muͤſſe gezogen werden, wann der Koͤnig der Heiligen ſeine Seele als ein Kleid anziehen wolle.

c) Jſt zu erwaͤgen die erſchreckliche Straffe, ſo der hoͤchſte Richter darauf geſetzet, ſagende: We - he dem / der dieſer Kleinen einen aͤrgert / es waͤre ihm beſſer / daß ein Muͤhlſteinan238Cap. 3. Die dritte Quellean ſeinen Hals gehaͤnget / und er erſaͤuf - fet wuͤrde im Meer / da es am rieffſten iſt. Matth. 18, 6. 7. Und dieſe Straffe iſt un - ausbleiblich, es ſeye dann Sache, daß ein gantz anderer Sinn, Weſen und Leben in dir neu ge - ſchaffen, und du die Kinder hundertmal mehr zur Liebe JEſu befoͤrdern werdeſt, als du ſie zur Suͤnde verfuͤhret haſt.

d) Schaͤme und ſcheue dich vor denen Him - mels-Fuͤrſten, den heiligen Engeln! Dieſe ſehen allezeit das Angeſicht ihres Va - ters in den Himmeln / Pſalm 10. und hinter - bringen ſeiner Majeſtaͤt dein garſtiges Wort, und deine leichtfertige Schimpff-Rede.

e) Und welch eine ſelige Erndte wurdeſt du, du Kinds-Waͤrterin und Haus-Geſinde! zu hoffen haben, wann du geiſtliche und himmliſche Geheim - niſſe in die zarte Hertzen ſaͤen wurdeſt; wie mildig - lich wuͤrde dich der Himmel und die heiligen En - gel vor dem Thron GOttes und des Lamms er - getzen? Ja hier auf Erden ſchon wurde deine ernſt - haffte Gottſeligkeit allen im Hauſe eine Ehr-Furcht einpraͤgen; da hingegen du wegen deiner uͤppigen Ausgelaſſenheit und Muthwillens offt ſehr ſchnoͤde gehalten wirſt, nach dem Ausſpruch GOttes: Die mich ehren / die will ich wieder eh - ren / und die mich verachten / ſollen wie - der verachtet werden. 1 Sam. 2, 30.

§. 6.

Wie koͤnnen aber Kinder, wann ſie gleichwol unter uͤblem Geſind leben und viel ſuͤndliches hoͤrenmuͤſſen,239der Verfuͤhrung der Jugend. muͤſſen, vor der Verfuͤhrung ſicher ſeyn? Wobey dann folgendes zu mercken:

1) Haſt du dich ſchon unvermerckt von dieſem Gifft heylloſer Zungen anſtecken laſſen / und dich zu laͤppiſchen Geſchwaͤ - tzen und Narrentheidungen gewoͤhnet / ſo iſt das eine Anzeige / daß du das Bild des HErrn JEſu nicht mehr an dir tra - geſt / dann der HErr JEſus hat kein ſolch faul Geſchwaͤtz getrieben / und ſeine Juͤn - ger folgen auch darinn ſeinem Exempel nach. Du muſt alſo zuvorderſt dieſes Gifft wieder ausſpeyen / und von die - ſem Koth dich reinigen / ſolches hertzlich bereuen / und den HErrn JEſum einfaͤl - tig bitten / von den Zungen-Suͤnden / die du bisher aus Unverſtand und Uberei - lung ſo offt begangen / dich in ſeinem Blute zu waſchen.

Wandele dann, mein Kind! allezeit gleiche Straſſe mit dem Heyland und ſeinen Apoſteln. Merckeſt du, daß boͤſe Exempel und dein ſchluͤpff - rig Hertz dich verleiten will, ſo ziehe deinen Fuß flugs aus der Schlinge, und bitte den himmliſchen Vater fleißig, daß er durch ſeinen Heiligen Geiſt dich unausſetzlich warne, damit du ja niemals mit denen, die dem feurigen Pful zureiſen, Wander - Geſellſchafft macheſt. Und wann du je ins Ge - meng mit dem fleiſchlich-geſinnten Hauffen gera - then ſolteſt, ſo dencke alſobald bey dir ſelbſt: Ach wo bin ich, und was mache ich hier? Hier redt und thut man nicht, wie JEſus gethan und240Cap. 3. Die dritte Quelleund geredet hat: Hier fuͤhrt nicht Chriſti, ſon - dern der Welt-Geiſt das Regiment: Eiligſt will ich von hinnen fliehen, daß mir nicht gehe, wie jener vorher frommen Seele, die der Teuffel be - ſeſſen, weilen ſie ihrer Pflicht gegen JEſu ver - geſſen, ſich zu einer ſchlimmen Geſellſchafft bege - ben, und alſo auf des Teuffels Grund und Bo - den getreten iſt. Ach ja! ein weinig Gifft ſchafft vieles Unheyl und groſſe Noth: Laſſe es darum genug ſeyn, und ſchreye um Reinigung und Erloͤſung von dieſer befleckenden Suͤnde. Der Teuffel iſt fertig, ſein Bild in dich zu ſchmeiſſen; laſſe es alſo nicht weiter kommen, ehe du erharteſt. Der Bach der Goͤttlichen Blut-Gnade laufft noch, brauche ſie und tauche dich im Glauben darein, ehe es ſchlimmer wird.

§. 7.

2) Sodann muſt du dem Geſinde nicht mehr Gehoͤr geben / wann es von ſuͤndlichen und garſtigen Dingenſchwaͤ - tzet. Paulus ſagt: 1 Cor. 15, 33. Laß dich nicht verfuͤhren; boͤſe Geſchwaͤtze verderben gute Sitten. Die Kinder ſind insgemein neugierig / und horchen den liederlichen Leuten auch um deswil - len gerne zu / weil ohnedem wir von Na - tur immer mehr geneigt ſind was Boͤſes zu hoͤren und anzunehmen / als was Gu - tes. Huͤte dich alſo / ſo viel moͤglich / daß du ihnen bey ſolchem Geſchwaͤtz nichtzu241der Verfuͤhrung der Jugend. zu nahe kommeſt / ſonſt faͤngt der Zun - der des Boͤſen / der in dir iſt / gar zu leicht Feuer.

Nengierigkeit iſt ein merckliches Stuͤck von der Erb-Suͤnde, und ein ſehr groſſes Ubel: Sie iſt einer von denen Moͤrdern, von welchen die un - vorſichtige Menſchen-Seele iſt umgebracht worden. Eva war neugierig zu wiſſen, was es mit dem Boͤſen fuͤr eine Bewandniß, und welch einen Ge - ſchmack es habe, und aſſe darum von dem verbo - tenen Verſuch-Baum den Tod. Mein Kind! die Neugierigkeit iſt der Rachen der Seele, welcher nur nach den Guͤtern des neuen Bundes offen ſeyn muß, zu wiſſen und zu ſchmecken, wie es im Pa - radies der Gemeinſchafft Chriſti ſtehe, was das Brod, Wein, Baͤume und Brunn des Lebens fuͤr einen Geſchmack habe, was das verborgene Manna und das Abendmahl ſeye, ſo JEſus nach ſeiner Einkehr in des Glaͤubigen Hertz mit der Seele halten will. Aber neugierig ſeyn uͤber ſchaͤdliche gifftige Dinge, iſt wohl eine eitele Narrheit, und ſtuͤrtzet unzaͤhliche Leute in das groͤſſeſte Ungluͤck. Mein Kind! die Oerter und Leute, wo boͤſes oder unnuͤtzes Geſchwaͤtz getrieben wird, ſind des See - len-Feindes Lock-Heerd; wann er dann ein uner - fahrnes Kind daher kommen ſiehet, ſo weiß er ſchon, was fuͤr Koͤrner er vorſtreuen ſolle, das unweiſe Jugend-Hertz in ſeinen Strick zu fangen, und ums Leben zu bringen; dann er kennet eines jeden Nei - gung, Schwachheit, Temperament und Gebluͤt. Das iſt ſein Pulver, kan er dir beykommen, und einen Hoͤllen-Funcken drein werffen, ſo giebtsQBrand -242Cap. 3. Die dritte QuelleBrand-Maale im Gewiſſen, die offt noch im ſpa - ten Alter das Gemuͤth krancken, und ſo leicht nicht abzuthun ſind. Dein abgeſagter Feind, der Sa - tan, hat die Suͤnden-Kinder zu ſeinem Comman - do, und giebt ihnen eben das ein auszuſprechen, was er weiß, daß die Hertzen am meiſten verwunden kan.

§. 8.

3) Beſtraffe auch das Geſinde aus GOttes Wort / wann ſie alber reden / halte ihnen die oben angefuͤhrten Spruͤ - che vor / und laß dich nicht abſchrecken, wann ſie deswegen dich auslachen. Ge - he alsdann lieber fort / thue die Ohren zu / und bitte deine Eltern / daß ſie ihrem Geſinde vorſtellen / wie erſchrecklich ſie ſich damit an GOtt verſuͤndigen.

Junge Kinder fiſchen gerne, und huͤpffen vor Freuden, wann ein Fiſchlein anbeißt, daß ſie daſſelbe heraus ruͤcken koͤnnen. Siehe liebes Kind! das unartige, tumme Geſinde ſchwimmet im Waſ - ſer des Muthwillens ſicher herum, und weiß nicht, daß es dem Schwefel-Meer zueilet. Wirff du darum aus hertzlicher Erbarmung den Angel guter Lehr und Warnung bey allen Anlaͤſſen zu ihnen in das Suͤnden-Waſſer hinein, und beſtrei - che es, damit ſie deſto lieber anbeiſſen, mit dem Honig ſuͤſſer doch ernſthafftiger Freundlichkeit, auch znweilen mit kleinen Gaben: Nimm aber zuvor - derſt JESUM zu dir in das Schifflein deines Hertzens, ſeuffze im Verborgenen zu ihm, und lau -ſtere243der Verfuͤhrung der Jugend. ſtere auf ſeinen Aufſchluß in dem Jnnerſten deines Gemuͤths, damit du den Wurff auf ſein Wort hin thun moͤgeſt; Luc. 5, 5. Glaube inzwiſchen unter Hoffnung wider Hoffnung, der Heyland werde mit dir ſeyn, und laſſe dich keine von dieſen Zuruͤſtungen uͤberfluͤßig zu ſeyn duͤncken. O nein! das Werck, ſo du vorhaſt, iſt kein Kinder-Spiel; ſondern gehet in die Ewigkeit, und auf die Erret - tung einer unſterblichen Seelen los. Wolte aber das Fiſchlein deinen Fleiß und deine begierige Nach - ſtellung verlachen und an deiner Lock-Speiſe nur riechen, und geſchwind wieder hin und her ſchwim - men; ſo muſt du darum nicht voll Unmuths vom Bach hinweg lauffen, und die Fiſch-Ruthe von dir ſchmeiſſen; ſondern dencke, die Stunde zu einem erfreulichen Fang ſeye noch nicht gekommen, und wirffe den Angel einmahl nach dem andern uner - muͤdet ins Waſſer, mit hertzlichem Verlangen, eine Seel aus der Hoͤllen Abgrund heraus zu zie - hen, und in die Luſt-Weyher oder Teiche des himm - liſchen Salomons in das balſamiſche Liebes-Blut und Geiſt JEſu zu verſetzen: Seye froͤlich in Hoff - nung, daß das Fiſchlein dir ſchon getuͤpffelt, und du uͤber deſſen Fang und Errettung jauchzen wer - deſt: Solte es auch juſt das nicht ſeyn, ſo du be - zweckeſt; ſo iſts ein anders, daran du zuvor nie magſt gedacht haben. Kanſt du eintzeln nicht zum Zweck kommen; ſo bitte deine Eltern, daß ſie jen - ſeit dem Ufer ſtehen und dir helffen moͤchten, das Fiſchlein zu fahen. Auf ſolche Weiſe waͤre meh - rere Hoffnung, ein gut-artiges, Chriſtliches Geſin - de zu haben. Mit lachen und mit ſchertzen, oderQ 2einen244Cap. 3. Die dritte Quelleeinen Gefallen daran zu haben, beſſert nicht; aber auch nur poltern, und in einem geſetzlichen Geiſt zuſprechen, wuͤrcket nur Zorn; da hingegen das Evangelium allein die Hertzen fahet.

§. 9.

4) Jnſonderheit wende dich des Tages fein offt zu deinem himmliſchen Vater im Gebet, gehe in dein Kaͤmmerlein / ſchleuß die Thuͤre hinter dir zu, und tra - ge GOtt auch dieſe deine Gefahr weh - muͤthig vor. Traue es GOtt alsdann zu / daß er dich entweder gar davon befreyen / oder doch dir Weisheit und Gnade ſchencken werde, daß, wann du auch mitten durchs Feuer geheſt / dir ſolches nicht ſchade.

Junge Kinder wuͤnſchen offt Fluͤgel zu haben, um in den Luͤfften fliegen zu koͤnnen. Heiſche du, mein Kind, Tauben-Fluͤgel von deinem GOtt; Pſalm 55, 7-9. Und wann du im Geiſt ſieheſt, wie Daniel alle Tage dreymahl im Gebet uͤber die hohe Thuͤrne und Mauren Babylons gen Je - ruſalem, und Joſeph aus Egypten uͤber die fuͤrch - terliche Wuͤſten nach Canaan hinuͤber geflogen; ſo erſchwinge du deine Hertzens-Fluͤgel zu JESU, ſo offt du was arges ſieheſt, hoͤreſt, oder in deiner Seele fuͤhleſt. Verbirge dich voll glaubigen Ver - trauens im Gebet in die Ritzen unſers Heyls-Fel - ſen, in Chriſti Wunden und offene Seite, damit du die befleckende Worte und Wercke der Welt -Kin -245der Verfuͤhrung der Jugend. Kinder entweder gar vergeſſeſt, oder deine gerechte Seele nicht anders als mit Eckel und ſchmertzlicher Bekuͤmmerniß uͤber den Schaden Joſephs daran ſinne. Thue einen ſchoͤnen Adlers-Flug uͤber alle Welt-Berge hinweg auf den Berg Zion / der die rareſte Wunder-Gewaͤchſe und praͤchtigſte Ge - zelte der Patriarchen hat; zu der Stadt des lebendigen GOttes / dem himmliſchen Jeruſalem / da du im Geiſt beſchauen kanſt, was Johannes davon ſchreibet; und zu der Men - ge vieler tauſend Engeln, da du ſie hoͤren ſingen und ihre herrliche Ordnungen beſehen kanſt; und zu der Gemeine der Erſtgebohr - nen / die im Himmel angeſchrieben ſind / welche einen Goͤttlichen Wandel auf Erden gefuͤh - ret, und durch Gedult und Glauben die Verheiſ - ſungen ererbt haben; und zu GOtt dem Rich - ter uͤber alle / da du ſeine Majeſtaͤt und Allge - nugſamkeit ſehen und erfahren wirſt, wie er in ſei - nem Sohn deine Feinde gerichtet, und in ihme dir alles worden ſeye; und zu JEſu / dem Mitt - ler des Neuen Teſtaments, da du ihne als einen ſolchen brauchen und nutzen kanſt, wie er ge - ſagt hat: Jch in ihnen / und du in mir: Welche Worte eben ſo wenig koͤnnen ausgeklaubet, als das Meer ausgeſchoͤpffet werden. Fliege du, wie ein Diſtel-Voͤgelein, uͤber die guͤldene Mau - ren des Koͤniglichen Gartens Chriſti, ſetze dich auf ein wohlriechendes Myrrhen-Straͤuchlein, oder auf den lieblichen Apffel-Baum, Hohel. 2, 3. und ruͤh - re deine Kehle gewaltig zum Lobe des Koͤnigs. Haſt du ein wenig auf den Huͤgeln Jſraels imQ 3Evan -246Cap. 3. Die dritte QuelleEvangelio dich geweydet, ſo ſchwinge dich wie eine Tauch-Ente, oder wie ein Schwan, in den Goͤtt - lichen von himmliſch-flieſſenden Balſam wallenden See des Liebe-Bluts JEſu; und wann du einen Pfeil der Verſuchung ſieheſt daher fliegen, ſo tau - che dich unter, je tieffer, je beſſer; und weil der H. Geiſt auf dieſem wunderbaren See der Blut-Gna - de JEſu ſchwebet, ſo hole friſchen Lufft aus ihme: Das Waſſer des Lebens, das ſamt dem Blut aus JEſu Hertzen gefloſſen, und dieſen Freuden-See ausmachet, iſt fuͤr dergleichen junge Tauch-Entlein die heilſamſte und erquicklichſte Nahrung.

§. 10.

Es werden aber die Waͤrterinnen und das Haus-Geſinde nicht nur durch ihr faules Geſchwaͤtz, ſondern auch

II. Durch ihren GOtts-vergeſſenen und Welt-foͤrmigen Wandel denen Kindern zur ungluͤckſeligen Verfuͤhrung. Es lehret die Er - ſahrung, daß die Kinder gar leicht eben die Geſtalt annehmen, die ſie an denjenigen taͤglich vor Augen ſehen, mit welchen ſie in der Auferziehung gantz familiair (gemein - ſam) worden ſind. Da lernen ſie alles dem Geſinde ſo ſpielend und unvermerckt ab, daß ſie in kurtzer Zeit ebenfalls eine Fertig - keit zu allem Boͤſen erlangen. Und kan man daher leicht begreiffen, wie es zugehe, daß die kleineſte Kinder ſchon ſo ſehr vieleUntu -247der Verfuͤhrung der Jugend. Untugenden an ſich haben. Der Unge - horſam und die Widerſpenſtigkeit des Ge - ſindes gegen ihre Herrſchafft ſtecket die Kin - der an, und verleitet ſie eben dazu. Jhr liederliches Bezeigen gegen ihres gleichen; ſo auch die ſchaͤndliche Sicherheit, da ſie gar keine Scheu vor dem allwiſſenden und allgegenwaͤrtigen GOTT bezeigen; ihre Sorgloſigkeit, da ſie an das Schaffen ihrer Seeligkeit nicht dencken; ihre zaͤnckiſche, tuͤckiſche, unzuͤchtige Auffuͤhrung, und an - dere heßliche Gewohnheits-Laſter ſehen ja die Kinder immer vor Augen, daß es al - ſo faſt ein groß Wunder ſeyn moͤchte, wann noch ein oder das andere Kind davon un - angeſteckt bliebe.

§. 11.

Jndeſſen kan dich dieſes, mein Kind, nicht ent - ſchuldigen, daß du boͤſe und verruchte Menſchen um dich her habeſt, und dich verfuͤhren laͤſſeſt. Oder wo man deinem Leib einen ſchmertzlichen Scha - den zufuͤgen, oder Kroͤten und Schlangen dich um - fangen wollten, wuͤrdeſt du nicht ein Zetter-Ge - ſchrey anfangen und um Huͤlffe ruffen? Ey war - um ſchreyeſt du dann nicht auch mit klaͤglicher Stimme zu deinem Heyland, wann du in Gefahr ſchwebeſt, zur Suͤnde verleitet, an deiner Seele verletzet und umgebracht zu werden, und den hoͤlli -Q 4ſchen248Cap. 3. Die dritte Quelleſchen Geiſtern anheim zu fallen. Dein Loos iſt zwar ſehr betruͤbt; aber du wirſt wohl auch gehoͤ - ret haben von einem GOtt-Menſchen, mit Nah - men JESUS / der von Suͤnden helffen kan und will. Siehe an den Joſeph in Egypten, welch einer ſtarcken Verſuchung er in der Furcht des HErrn widerſtanden, und geſprochen habe? Wie? ſolte ich ein ſolch Ubel thun / und wider meinen GOTT ſuͤndigen. Schaue auf den jungen Knaben Moſes / am Koͤniglichen Hofe Pharaons, wie er die Schmach Chriſti al - ler Welt-Freude und Ehre vorgezogen. Gehe hin gen Silo, und halte ein freundlich Geſpraͤch mit dem jungen Samuel / ihne zu fragen, wie er es gemacht habe, daß er von den boͤſen Buben des Eli ſich nicht habe verfuͤhren laſſen. Thue eine Reiſe gen Babylon und ſiehe dem Daniel zu und ſeinen Geſellen / woran ſie ihren Jugend-Luſt geheget, und folge durch Chriſti Gnade ihrem Heyl-Exempel im Glauben nach. Wir haben GOtt Lob, auch in unſern Zeiten ſehr viele Exem - pel von Kindern, die mitten in der ungeſchlachten boͤſen Welt ein guter Geruch Chriſti geweſen, und noch ſind, wie Roſen und Lilien unter den Dor - nen; wie Laͤmmer unter den Hunden; wie Rubi - nen unter den Camin-Steinen; und wie funckeln - de Sternlein in der finſtern Nacht. Jch will dir nur zwey Exempel anziehen:

1) Johannes Harwey hatte ſo einen tieffen Eindruck von der hohen Wuͤrdigkeit der Seelen, daß er ſich nicht wenig betruͤbte, wann er ſahe, daß jemand etwas thate, welches der Seele gefaͤhrlich waͤre. Als einmahl jemand aus ſeiner nahen Freundſchafft in ſeines Valers Hauſe ka - me, der ſeinem Beduͤncken nach truncken ware; ſo wandteer249der Verfuͤhrung der Jugender ſich ſo geſchwind als ernſthafft zu ihm, und weinete uͤber ihn, daß er GOtt ſo beleidige und ſeine Seele in ſo groſſe Gefahr ſetze; bate ihn auch, daß er doch ſeine Zeit beſſer als zum trincken und ſpielen anwenden moͤchte. Er lage auch oͤffters ſeinen nachſten Anverwandten gar demuͤthig an, ſie moͤchten ihre Chriſten-Pflicht doch wohl wahrnehmen, und die Wohlfahrt ihrer Seelen ſamt der Ewigkeit ſorg - faͤltig bedencken.

2) Chriſtlieb Lebrecht von Exter ermahnete nicht nur ſeine Geſchwiſter fleißig zum Guten, ſondern auch das Ge - ſinde, welchem er zuweilen einen ſchoͤnen Spruch vorhielte und erklaͤrete. Jnſonderheit bat er ſie, daß ſie auch gegen das Vieh keinen unnuͤtzen Zorn oder unzeitige Hartigkeit bezeigen moͤchten. Und ob er wohl wegen ſeiner Jugend von dem Geſinde zuweilen verſpottet wurde; ſo ertruge er doch alles mit Gedult und Sanfftmuth, bis ſie es endlich gewohnten, und ſeine Worte gerne annahmen. (*)Rambachs Hand-Buͤchlein fuͤr Kinder, aus Janneway Exempel-Buch 2 Th. p. 91. 102. und 3 Th. p. 74.

§. 12.

Du ſprichſt: Was fang ich dann an? Wie rette ich mich von dieſen unartigen Leuten, daß ich nicht mit zum Boͤſen hingeriſſen werde?

Antwort: Je zaͤrter deine Jugend iſt / mein liebes Kind / je gefaͤhrlicher biſt du dran. Glaube aber auch, daß ſich der Geiſt GOttes deſto wachſamer uͤber dir, und deſto geſchaͤfftiger in dir be - weiſen werde, wann du

1) Einen hertzlichen Abſcheu haſt an den verdammlichen Greueln ſolcher un - ſchlachtigen Leute / und nicht mit ihnen lauffeſt in daſſelbige wuͤſte unordentlicheQ 5Weſen250Cap. 3. Die dritte QuelleWeſen nach heydniſchem Willen / 1 Petr. 4, 3. 4. ſondern folgeſt dem Rath Tobiaͤ / Cap. 4, 6. dein Lebenlang habe GOTT vor Augen und im Hertzen / und huͤte dich / daß du in keine Suͤnde willigeſt wider GOttes Gebot.

Wann Kinder neue Schuhe angezogen haben, ſo gefallen ſie ſich ſelber ſo wohl darinnen, daß ſie vielen Fleiß anwenden, ſelbige ſauber zu behalten, ja gar etwa mit ihrem Stoͤcklein den Koth davon abwiſchen, wann ſie es aber einmal grob verſehen haben, ſo treten ſie dann in allen Koth, und be - ſudeln ſie ohne Scheu. Alſo, mein Kind! gehet es deiner Seele; ſo lang ſie einen Abſcheu ab de - nen Befleckungen der Welt und die Luſt zu einem heiligen Wandel in ſich hegen, ſo lang ſcheuet und meidet ſie alle Unſauberkeit; ja wann etwas auf dieſer kothichten Welt-Straſſe an ſie anſpruͤtzet, ſo laſſet ſie ſich alle Abend vom Heyland ein Fuß - Bad geben und die Fuͤſſe waſchen, auch mit dem leinen Tuch ſeiner alles reinenden Menſchheit ab - wiſchen, damit die reine Unſchuld JEſu in ihrem Wandel ſich huͤbſch vor dem Vater darſtelle; hat aber die Seele ſich einmal bethoͤren laſſen vom ſuͤſ - ſen Gifft der Suͤnden-Luſt etwas einzunehmen, ſo iſt ſie hernach ihrer ſelbſt nicht mehr maͤchtig, ſon - dern iſt der Suͤnde Sclavin worden, und muß ihr dienen, wie klaͤglich ſie auch ſeuffzet und ſich weh - ret; die einmal meiſter-gewordene Suͤnde bezau - bert die betrogene Seele ſo ſehr, daß Suͤndigen endlich gar ihr Element und Himmel wird, wie man es an Hurern, Spielern und Saͤuffern ſiehet. Tritt251der Verfuͤhrung der Jugend. Tritt darum, mein Kind! dieſer Beſtien ja nicht ins Netz; huͤte dich vor dieſer Dampff-Pfuͤtze, ſonſt kanſt du des Suͤndigens hernach nicht mehr muͤßig gehen. Ach lebe du vor dem Angeſicht dei - nes GOttes, der allezeit auf dich ſchauet; dann das muͤßte ein verwegenes boͤſes Kind ſeyn, wann es vor den Augen eines frommen ernſthafften Va - ters was freches und boshafftiges zu begehen ſich erkuͤhnete. Gewoͤhneſt du dich an die Augen dei - nes GOttes, ſo wird dir Weisheit, Ruhe, Frie - de, Gerechtigkeit und Heiligkeit, ja alles Gute und Selige mit Hauffen kommen, und die Gebote Chriſti zu guͤldenen Ketten und unſchaͤtzbaren Klei - nodien werden.

§. 13.

2) Wann du fleißig in dem heiligen Lebens-Wandel JESU Chriſti lieffeſt / und dich darnach beſchaueſt: Sin - temalen uns Chriſtus ein Fuͤrbild gelaſ - ſen im Leben / Leyden und Sterben / daß wir nachfolgen ſollen ſeinen Fußſtapffen. 1 Petr. 2, 21. Und er ſelbſt / der Heyland / ſpricht: Folget mir nach. Marc. 8, 34.

Kinder leſen gerne Hiſtorien. O es iſt keine ſchoͤnere, als des GOtt-Menſchen, unſers Jmmanuels. Wann dein Hertz recht brennet uͤber allem, was JEſus geredet, gethan, gelitten und uͤberwunden hat, ſo wird dich Welt und Suͤnde wenig mehr kraͤncken; das lieb-bruͤnſtige Ange - dencken JEſu wird deine Seele als wie ein Pur -pur -252Cap. 3. Die dritte Quellepur-Mantel umgeben, und dich vor Schnee und Wind, vor Regen und Hagel, vor Pfeil und Schuß der ſo mancherley Verfubrungen, Verſu - chungen und Anfechtungen darunter verbergen. Sage du nur zu JEſu einbruͤnſtig: Ach mein Heyland! du bedeckeſt ſo viele arme Sunder auf der gantzen Welt unter dem Himmel-weiten Blut-rothen Gnaden-Mantel deiner ewigen Gerechtigkeit; du wirſt auch wol noch ein Plaͤtzlein fuͤr mich einfaͤltiges Kind uͤbrig haben: Ach laß mich, mein JEſu darunter ſchlieffen!

Kinder verbergen ſich gern zur Kurtz - weil unter einander, wann ſchon kein Gefahr ob - handen iſt. Wie vielmehr ſolſt du dich unter Chri - ſti Schutz mit deinen Sinnen und Gedancken ver - kriechen, in ſuͤſſer Zuverſicht, daß dieſes das ſicher - ſte Mittel ſeyn werde, daß die verfuͤhriſche Geiſter dich nicht verſchlingen, welche in die Welt ausge - hen und alle Kinder-Seelen freſſen, die von dem bedeckenden Schirm Chriſti weglauffen und ſich verlocken laſſen; verliere darum, wann ich dir gut zum Rath bin, deinen JEſum nicht.

Wann du wilt ſchreiben lernen, ſo nimmeſt du die ſchoͤnſte und beſte Vorſchrifft / ſo du haben kanſt; wo wirſt du nun eine ſchoͤnere und beſſere, als deines JEſu, der ewigen Weisheit, finden? Wann du dann ſieheſt, daß deine Schrifft der Vorſchrifft des HErrn JESU ſo gar nicht gleich iſt, ſo ſchaͤme dich vor ihm, weine und ſchreye zu dieſem deinem Lehrmeiſter, klage es ihm wehmuͤ - thig, wie ungeſchickt du ſeyeſt zu ſeiner Nachah -mung253der Verfuͤhrung der Jugend. mung, und bitte ihn, daß er dir doch ſelber die Hand fuͤhren wolle.

Kinder ſind zum Mahlen und Su - deln geneigt. Darum mahle du, mein Kind! den ſchoͤnſten Koͤnig, ſeine Gemahlin, ſeine Kin - der, die Printzen vom koͤniglichen Gebluͤt, und alle ſeine Groſſen des Reichs und Edle des Hofs, ab; faſſe JEſum und ſeine Braut, wie ſie Hohel. C. 4. und 5. beſchrieben ſind, tief ins Gemuͤth, und auch aller Neugebohrnen Wandel, Gedult, De - muth, Glauben, Keuſchheit, Selbſt - und Welt - Verlaͤugnung in beſtaͤndiges Angedencken, und laſſe es einen ſolch tieffen Eindruck ins Hertz geben, daß es wie mit Oel-Farben (mit dem Oel des Hei - ligen Geiſtes) darauf gemahlet ſeye, und ſo ſchoͤne als lebhafft in deinem Thun und Laſſen glaͤntze; imaginiere dich mit deinem Gemuͤth in den Sinn, Lehre und Leben der heiligen Apoſteln, als der Groſſen des Reichs, und der Maͤrtyrer, als der Edlen des Hofs: Ja probiere zu ſeyn, wie Enoch, Moſes, Jſaac, Jacob, Joſeph, Daniel, Jo - hannes, Jgnatius ꝛc. dieſe, und voraus das liebe JEſulein, ſollen dir fleißig in deinen Gedancken ſchweben.

Du ſpatziereſt ſo gern / ſonderlich in die Pallaͤſte und Luſt-Gaͤrten der Koͤnigen. Siehe, dein JEſus gehet zum Vater ins Paradies, und will dich, liebes Kind! mitnehmen; zu dem End rufft er dir gleichſam zu: Liebſtes Knaͤblein! (lieb - ſtes Toͤchterlein!) wertheſtes Kind! folge mir nach! Er ſiehet hinter ſich, ob du hurtig hinter ihm her geheſt, und ſeine Fußſtapffen warm halteſt? Eilehaſtig254Cap. 3. Die dritte Quellehaſtig Chriſto nach, damit du nicht zuruͤck blei - beſt; dann es ſind ſchon viele Kinder weit vor dir her, die grad hinter Chriſto paar bey paaren gen Zion gehen. Du lebeſt in den letzten Zeiten, hoͤrſt du nicht allbereit die Thor-Glocken laͤuten? Und gewiß der Weg, darauf JEſus und die Seinen wandeln, iſt tauſendmal gemaͤchlicher, als die Kar - ren-Straſſe der Hoͤllen zu.

§. 14.

3) Wann du auch bey dieſer gottſe - ligen Nachfolge Chriſti dein Creutz wil - lig auf dich nimmſt. An Verſpottung wird es dir nicht fehlen / wann du dich nicht der Welt gleich ſtellen wilſt. Suche du nur Chriſto zu gefallen / wann dich gleich alle Menſchen haſſen ſolten Dann wie es Chriſto ergangen / daß man ſei - nen unſchuldigen Wandel nicht vertra - gen konte, ſo wird dir es auch gehen. Es wird dir aber zu vielem Guten die - nen / wann du fein von Kindheit an lerneſt / um des Guten willen Schmach tragen.

Mein Kind! wann dir jemand ein Koͤrblein voll Caſtanien, ſo wie ſie friſch von dem Baum kommen, verehrete, ſo wuͤrdeſt du, wann dir je die Frucht bekannt waͤre, ſie wegen der ſtachlichten Huͤlſen nicht wegwerffen, ſondern wegen des nahr - hafften weiſſen Kerns darinnen gerne annehmen. Alſo wann du wegen deiner unwanckelbaren Treugegen255der Verfuͤhrung der Jugend. gegen Chriſto verhoͤhnet wirſt, ſo dencke alſobald: Abermahl eine koſtbare, ſehr geſunde Frucht vom Oelberg, aus dem Roſen-Garten Chriſti, die zwar eines bittern Geſchmacks, aber von unausſprechli - chem Nutzen iſt. Es begegnet dir nicht das min - deſte um deiner Liebe willen zu dem guthertzigen JEſu, daß nicht ein Seegen und etwas heylſames, heiligendes und ſeliges darinn verborgen liege. Was der Natur das widrigſte, das iſt dem neuen Men - ſchen das foͤrderlichſte. Mein Kind! Steige mit deinem Glauben gen Himmel, der in dem Hertzen iſt, und frage daſelbſt den HErrn JEſum ſelber, ob dir die Beſchimpfungen der Welt ſchaden, und ob ihm die Kinder, die um ſeinetwillen verſpottet werden, gleichwohl lieb ſeyen? Er wird dir einen Beſcheid geben, der dein Hertz entzuͤcken, und in eine Jubel-Freude, wenigſtens in eine ſtille Zufrie - denheit ſetzen, und deine Thraͤnen ſaͤuberlich abwi - ſchen wird, ſo daß du deine Harpfe von den Weiden nehmen und die Lieder Zions mit hel - ler Stimme wirſt abſingen koͤnnen. Was mey - neſt du? Wann du mit einem Cron-Printzen auf der Reiſe waͤreſt, und er nehme eine Abre - de mit dir und ſagte dir ins Ohr: Wir wer - den jetzt zu einer Stadt kommen, voll boͤſer Ein - wohner, die weder mich noch dich kennen; da ſollſt du dich nur mit Faͤuſten, Gerten und Ba - ckenſtreichen ſchlagen, rauffen, berauben und aus - pluͤndern laſſen, und wie ein Schlacht-Schaaf ſeyn: Wann wir im Erb-Reich ankommen, wie es in kurtzem geſchehen wird, ſo will ich dir al - les erſetzen: Vor jedweden Haar-Rupf ſollſt duein256Cap. 3. Die dritte Quelleein Schloß, einen Luſt-Hof, einen Weingarten, und hochgruͤne Wieſe, auch anmuthige Fiſch - Teiche haben: Vor jeden Verluſt und Scha - den, oder Abgang an Ehren, Reichthum, Gunſt und Freundſchafft ſollſt du die liebreichſte Geſell - ſchafft und geneigteſte Aufwart aller Fuͤrſten, Gra - fen, Printzen und Princeßinnen des gantzen groß - maͤchtigen Reichs genieſſen, Kiſten voll Gold und Silber, Schachteln voll Perlen und Demanten kriegen. Wuͤrdeſt du nicht, wann ihr wieder mit einander zur Stadt hinaus gienget und allein bey - ſammen waͤret, zu dem guͤtigſten Herrn laͤchelnde ſagen: Allerdurchleuchtigſter Printz! Jch kenne Dero Treue und weiß, wem ich mich vertrauet habe: Sie werden alles genau einregiſtriret ha - ben. Wie hertzlich frohe bin ich dann, daß ich kein Haar mehr auf meinem Haupt, kein Stuͤck mehr gantze Haut auf meinem Ruͤcken, und keinen Heller mehr in meinem Beutel habe, da alles in der Nachfolge, mein wertheſter Printz, verbrau - chet worden; dann nun wird Verſprechen Schuld machen: Wann ich aber auch fuͤr alles zuſammen nichts bekaͤme, ſo bin ich zum Voraus uͤberſchweng - lich bezahlet mit der Gnade, ſo ſie mir angethan, daß ſie mich zu Dero Reiſe-Gefaͤhrten angenommen, da ich in ſolcher Seegen-reichen Geſellſchafft in einem Tag, ja offt in einer einigen Minut mehr Gutes genoſſen, als alle Koͤnige dieſer Welt nicht zu zahlen vermoͤch - ten. Jch ſehe in dem allem nichts anders, als daß Ew. Majeſtaͤt eine ſonderliche Hertzens-Freude hat, einen Anlaß ergreiffen zu koͤnnen, da ſie aus Dero unausforſchlichem Reichthum elende Leute,deren257der Verfuͤhrung der Jugend. deren ich armes Kind das allerunwuͤrdigſte bin, reich und herrlich zu machen.

4) Sey du alſo ein Licht unter denen / ſo die Finſterniß mehr lieben / dann das Licht / und laß dir immer zur Warnung dienen / was Chriſtus ſagt / Matth. 7, 24. Die Pforte iſt enge / und der Weg iſt ſchmal, der zum Leben fuͤhret / und we - nig iſt ihr / die ihn ſinden.

Bitte den Vater der heiligen Lichtern, die von Anbeginn der Welt von Abel an auf Erden ge - leuchtet haben, daß er deine Seele, als eine ſonſt ver - aͤchtliche Kertze mit ſeinem Gnaden-Licht von oben an - zuͤnden wolle, damit das Leben Chriſti im Geiſt hel - le in dir ſcheine und im unſtraͤfflichen Wandel, in der Heiligkeit vor dem Vater auf die Zu - kunfft JEſu Chriſti lieblich hervor funckle. Und wann du fuͤhleſt, daß ſeine groſſe Barmhertzig - keit den Sohn ſeiner Liebe, als die Hoffnung der Herrlichkeit in dir aufgeſtecket; ſo bitte ihne, daß er auch deine gantze aͤuſſere Auffuͤhrung zu einer heitern und ſolchen Laternen machen wolle, welche beydes in offenhertziger Redlichkeit, und Warheit, und in ohngefaͤlſchter Liebe, Freundlich - keit, Guͤtigkeit, Demuth, Sanfftmuth, Gelindig - keit, Billigkeit, und Hoͤflichkeit lauter, und in reiner Keuſchheit, und Gedult unanſtoͤßig / und du alſo, liebſtes Kind, nicht murriſch, unwirſch, zaͤnckiſch, grob, und moros ſeyeſt, auch keine wun - derliche, ſeltzame Manieren an dich nehmeſt, oder dieſes und jenes capricieuſe oder laͤppiſche We - ſen von dir blicken laſſeſt. Dann wann du dasRLicht258Cap. 3. Die dritte QuelleLicht deiner Erkaͤnntniß nicht mit demuͤthigen, lieb-reitzenden Worten und Geberden hervor braͤch - teſt; ſo wuͤrde dieſelbe durch deine ungeſchickte Auf - fuͤhrung ein finſterer und ſtinckender Tacht werden, dabey man nichts vom Geheimniß der Gottſelig - keit klar und deutlich wahrnehmen und unterſchei - den kunte. Wann eine Speiſe ſonſten noch ſo koͤſtlich und gut iſt, ſo erreget es doch einen Eckel, wann ſie in einer heßlichen Platten aufgeſtellet wird. Habe darum, mein Kind, mehr Liebe zu deinem Naͤchſten, und verderbe mit deiner unfreund - lichen Auffuͤhrung den nicht, fuͤr welchen unſer HERR geſtorben iſt. Man fahet ja die Fliegen nicht mit ſaurem Eßig; wohl aber mit ſuͤſſem Ho - nig: Seye du derowegen in allem deinem Verhal - ten ein Hertz-anziehendes Engelein: Werde nicht entruͤſtet, wann du mit deiner guten Meynung verachtet wirſt; ſondern wirffe dich heimlich in dei - nem Hertzen vor dem Heyland nieder, mit Gebet und Flehen, daß er ihnen dieſe Suͤnde vergeben, und ſie deinetwegen ja nicht ſtraffen wolle: Erſchri - cke hertzlich uͤber allem aufſteigenden Zorn, bittern Eifer, Rach-Begierde und dergleichen teufliſchen Regungen der alten Hoͤllen-Geburt, und laſſe doch keine Abgeneigtheit wider deinen Naͤchſten, und am allerwenigſten um zeitlichen Vortheils oder Scha - dens willen in deinem Hertzen einniſteln; weil doch kein Schaden auf Erden ſo groß iſt, als wann du dir etwas von dem Lieb-volleſten Sinn JESU abbrechen lieſſeſt: Behalte darum diß zu einer ewi - gen Lebens-Regul, daß die gantze Welt nicht werth ſeye, daß man ihrentwegen dem allein guten undſeligen259der Verfuͤhrung der Jugend. ſeligen GOtt einen eintzeln Gedancken entwenden ſollte: Dencke, ein liebloſer oder leichtfertiger Ge - dancke ſeye eine Spinne oder Wantze (Waͤntelen) ſo dir den Schlaf brechen und eine unruhige Nacht verurſachen koͤnnen; wilſt du darum ſie nicht flugs zertreten? Unbekehrte ſehen ſehr darauf, ob ein Be - kehrter um eines irrdiſchen Dinges, um Ehre, Reichthum, oder Gemaͤchlichkeit willen verdrießlich werden koͤnne, und aͤrgern ſich uͤber den geringſten Ausbruch des Boͤſen gar bald.

§. 16.

Wann indeſſen heilloſes Geſind im Haus be - ſagter maſſen ſo ſehr gefaͤhrlich fuͤr die liebe Kinder ſind; ſo haben Eltern / wann ſie je an jenem Tag auch mit Freudigkeit vor Chriſto und vor ih - ren Kindern ſtehen wollen; ſich um treues und GOtt-gefaͤlliges Geſinde mit beſonderer An - gelegenheit zu bekuͤmmern, und zu dem End hin um daſſelbige eben ſo ernſtlich als um das taͤgliche Brod zu beten; da man hingegen bedauren muß, daß man nur gern ſeines gleichen und ſolche Leute, die nur den luſtigen Zuſtand der Welt-Kinder ſe - lig preiſen, ins Haus aufnimmt. Allein ich frage euch, ihr Eltern eurer Kindern! Wuͤrdet ihr auch wohl einen Hirten halten, der das Vieh ſtuͤmmlete, oder ihm Pflaum-Federn zu verſchlucken gaͤbe? Oder einen Kammer-Diener dulten, welcher Koth in das Zimmer tragen, und die Kleider, anſtatt ſie auszubuͤrſten, mit Unrath und mit naſſen Miſt beſtreuen wuͤrde? Oder eine Koͤchin im Hauſe gel -R 2ten260Cap. 3. Die dritte Quelleten laſſen, die die koͤſtliche Speiſen und edle Trau - ben den Schweinen darwuͤrffe; Haͤrlinge aber und faules Obſt auf den Tiſch ſtellete? Sind nun die Seelen eurer Kindern nicht koͤſtlicher als das Vieh? Ligt nicht mehr daran, worin ihre Seelen vor GOtt erſcheinen, als worin der arme Leib unter die Leu - te trete? Und woran iſt mehr gelegen, an einem Cedern-hoͤltzern Zimmer, oder an dem Hertzen eurer Kindern, darinnen die ewige Majeſtaͤt GOt - tes wohnen will. Sollen ihre zarte edle Geiſter nur mit ſtinckenden und wehe-thuenden Reden ab - geſpieſen werden? Oder wie lange behielteſt du ei - ne Kinds-Waͤrterin / die dem Kind ein Gold - Stuͤck, das ihm ein vornehmer Herr geſchencket, ſogleich wieder wegraubete; ſein ſchoͤnes Sonntags - Kleid mit ſchwartzer Dinte beſudelte; ſeine Haͤnd - und Fuͤßlein verdrehete; die Augen verkleiſterte; den Mund mit einem Biſſen von einem ſtinckenden Raben-Aas fuͤllete? Wuͤrdeſt du nicht eine ſolche Kinds-Verderberin bald fortjagen? Jſt nun die Ausreiſſung der Furcht GOttes und der Liebe Chriſti nicht tauſend mahl aͤrger, als die Entwen - dung der koſtbarſten Kleinodien? Sind die Suͤn - den-Flecken auf der unſterblichen Seele des Kin - des nicht ungleich ſcheußlicher, als Dinten auf ei - nem zur Vermoderung eilenden Tuch? Jſt nicht die Verkehrung des Verſtands uud Willens weit bedencklicher und ſchaͤdlicher, als die Verrenckung der leiblichen Glieder; Jſt es nicht grauſamer, das Gefuͤhl-Aug von GOttes kuͤnfftigem Gericht mit dem Leimen fleiſchlicher Luͤſten bekleiben, als aber nur des leiblichen Geſichts berauben? Und hiezulachen261der Verfuͤhrung der Jugend. lachen leider die meiſten Eltern und Geſchwiſterte; da ſie ſonſten uͤber der Beſchaͤdigung des Leibes entſetzlich poltern und lamentiren wuͤrden. Jſts darum euch Eltern ein wahrer Ernſt, daß euere Kinder, deren zarte Hertzen wie Wachs ſind, nach dem allerſchoͤnſten Bild JESU in Zeiten gebildet werden; ſo werdet ihr ohnverſaͤumt alle Anſtalten dahin machen, daß ihr die Leute, ſo Froͤmmigkeit haben, allem andern Geſinde vorziehet, und in eu - ren Dienſt nehmet.

§. 17.

Wann dann die Kinder-Waͤrterin oder das Geſinde fromm, gottsfuͤrchtig und JEſum liebha - bend iſt; ſo muͤſſen die Eltern ihren Kindern noth - wendig Demuth und Gehorſam gegen dieſelbe ein - pflantzen und angewoͤhnen, daß ſie alle heylſame Er - innerungen und Beſtraffungen, wenn ſie auch nur von den Dienſtbothen herkommen mit Folgſamkeit annehmen lernen, eben wie der Malvaſier aus ei - nem hoͤltzernen Kelch eben ſo gut, als aus einem ſil - bernen ſchmecket. Es muß demnach den Kindern kurtzum nicht geſtattet werden, daß ſie das, ſo zu ihrer Beſſerung geſaget wird, veraͤchtlich von ſich werffen; noch viel weniger, daß ſie den Dienſtbo - then mit Schmaͤh-Worten begegnen; und am al - wenigſten muͤſſen ſie die Narrheit begehen, daß ſie ihr Dienſt-Geſinde wegen einiger Beſtraffung ihrer Kinder einer baͤuriſchen Grobheit beſchuldigen, als ob es ihnen nicht gebuͤhrete, ſolch vornehme Kin - der von dem Verderbens-Weg abzuziehen; vorR 3dem262Cap. 3. Die dritte Quelledem feurigem Pfuhl zu warnen, und zu wehren, daß die armen Laͤmmerlein dem hoͤlliſchen Loͤwen ja nicht in Rachen lauffen. Diß waͤre gar zu grob genaͤrret, und ein teufliſcher Hochmuth in die See - len der Kindern hinein geſteckt; wodurch ſie zum ewigen Greuel vor GOtt gemachet und unter die ſchwereſte Zorn-Gerichte des Allerhoͤchſten hinun - ter geſtoſſen werden: Sintemahlen GOTT ſeine Heerſchaaren im Himmel, in der Lufft, auf Erden, in der Hoͤllen, ja alle Geſchoͤpffe und Elemente in Schlacht-Ordnung wider die Hochmuͤthigen ſtel - let, und allen ſeinen Eigenſchafften wider ſie, und wider alles, was hoch iſt vor den Menſchen auf bie - tet. 1 Petr. 5, 5. Jac. 4, 6. Luc. 16, 15. Ach ſolche Eltern wiſſen wohl nicht, was ſie machen, und verbinden ſich und ihren Kindern die laͤtzen Fin - ger: Dann weil Hochmuth des Teuffels Liberey iſt, ſo ſuchen ſolche Leute ihre Ehre bey dem Teu - fel; da hingegen ſanffte Demuth und Beugung unter GOttes Warheit Chriſti Bild, und die hoͤch - ſte Ehren-Stuffe iſt.

§. 18.

Jſt aber ſolch frommes Geſinde in dieſer Grund - Suppe der verderbten Welt ſo leicht nicht zu ha - ben; ſo muͤſſen Eltern ſelber deſto mehr ihnen den Weg und die Lehre Chriſti mit aller Freundlichkeit vorhalten, zum Gebet und ſtillem Weſen deſto ei - friger anmahnen, und alles, was den theuren, jun - gen Hertzen im geringſten ſchaden kan, deſto ernſt - licher verbieten; zuvorderſt aber GOtt deſto hertz -licher263der Verfuͤhrung der Jugend. licher in der Hulde zu behalten ſuchen, und ihne mit glaͤubigem Vertrauen anruffen, daß er doch ſelber allenthalben helffen, ſteuren und wehren wolle: zu - mahlen da er nicht nur nicht will, daß eines dieſer Kleinen verlohren werde; ſondern uͤber das ſein Ge - ſalbter, unſer JEſus, ein ausnehmend-liebſeliger Kinder-Freund iſt, welcher ruffet, daß doch die Kin - der zu ihm kommen, und ein ewiges Himmelreich empfahen ſollen. Sonſten wird rechtſchaffene Furcht GOttes die ſchaͤrffſte Thur-Huͤterin ſeyn, alle Argheiten abzuhalten und zuruͤck zu ſtoſſen.

§. 19.

Ubrigens ſolle dem Heyls-begierigen Kind fol - gende Reim-Seuffzer auch ſein beſtaͤndiger Seuff - zer ſeyn:

Ach bleib mit deiner Treue
Bey mir, mein HErr und GOtt;
Beſtaͤndigkeit verleihe,
Hilff mir in Seelen-Noth:
Ach bleib mit deiner Gnade
Bey mir, du ſtarcker Held,
Daß meiner Seel nicht ſchade
Die arge, boͤſe Welt!
R 4Das264Cap. 4. Die vierte Quelle

Das 4. Capitel. Von der boͤſen Geſellſchafft, als der vierten Quelle der Verfuͤhrung der Jugend.

Jnhalt.

  • Die Seelen-Gefahr der Kinder wird §. 1. vorgeſtellet;
  • §. 2. Weiter ausgefuͤhret; ſodann fuͤnff Verwah - rungs-Mittel dargegen angewieſen: Es ſollen nem - lich Kinder
  • §. 3. a) wann ſie unter boͤſen Kin - dern ſeyn muͤſſen, im Boͤſen nicht mitmachen;
  • §. 4. b) Mit moͤglicher Ausweichung boͤſer Geſellſchafft ſeine Freude im Umgang mit JEſu ſuchen; Da dann
  • §. 5. Urſachen, warum dieſe Freude ſo we - nigen Kindern gefalle, angebracht?
  • §. 6. Die Seligkeit derſelben angeprieſen.
  • §. 7. Einem Kind ſeine Ausflucht, wann es die Herrlichkeit JEſu auch ſichtbar vor ſich haͤtte / beantwortet, und endlich
  • §. 8. und 9. gezeiget wird, wie man zu ſolcher Gemeinſamkeit mit JEſu gelangen koͤnne.
  • §. 10. c) Gegen die Luſt-Rei - tzungen boͤſer Kindern kaͤmpffen. d) Die Ungluͤck - ſeligkeit Welt-uͤppiger Kinder bedencken, und zwa - ren ſo, wie ſie
  • §. 11. 1) insgemein vorgeſtellet, und
  • §. 12. 2) naͤher angedrungen wird; wobey noch
  • §. 13. 3) uͤber die Sanmſeligkeit vieler El - tern ſich eine Klage zeiget;
  • §. 14. c) Andern ein gutes Fuͤrbild ſeyn.
§. 1.265der Verfuͤhrung der Jugend.

§. 1.

FRaget man / vor weſſen Ver - fuͤhrung Kinder und junge Leute ſich ferner in acht zu nehmen ha - ben? So gehoͤret hieher:

IV. Die Geſellſchafft mit uͤbelerzoge - nen Kindern und leichtfertigen Buben.

Kinder lauffen gerne mit ihres glei - chen / wie aber eine gluende Kohle gar leicht die andern anſtecket / und wer mit Pech umgehet / davon gewiß beſudelt wird; ſo gehets auch hier / daß / wann nur ein einzig gottloſes Kind unter fuͤnf - zig wohl-erzogenen ſich einfindet / ſolches allein faͤhig iſt / die Augen aller andern auf ſich zulocken / und ſie vom Guten ab - wendig zu machen. So iſt am Tage / wann ein Kind bis ins zehende oder zwoͤlffte Jahr / auch in der ſchoͤnſten und ſeligſten Verfaſſung ſeiner Seele geſtanden / es wird aber ſodann in dieſem ſeinem aller - ſchlipffrigſten Alter auf eine Schule ge - ſchicker / da es unter einer Menge junger Teuffel und Boͤſewichter zuſitzen kommt / daß es in kurtzer Zeit ſo umgekehrt und vereitelt wird / daß es ſeiner vorigen Geſtalt gar nicht mehr aͤhnlich ſiehet. Ja wann auch die Eltern zu Hauſe nicht eine ſehr genaue Wahl anſtellen unter denjenigen Kindern / welche ſie mit den ihrigen umgehen laſſen / ſo lehret die Er -R 5fah -266Cap. 4. Die vierte Quellefahrung / daß da eben ſo wohl / als auf offentlichen Schulen / manches Kind zu ſolchen erſtaunlichen heydniſchen Suͤn - den verleitet wird / daß es ein rechtes Werckzeug der Bosheit wird. Aller - liebſtes Kind! wann du auch noch ſo ein guten Vorſatz haſt / und dein JEſus uͤber alles liebeſt; du geheſt aber viel mit ſolchen Kindern um / die weltlich und fleiſchlich auferzogen ſind: So wirſt du gewiß erfahren / daß du nach und nach viel Gutes aus der Seele verlieren wirſt. Die Luſt zum Gebet wird erkal - ten / die gute Bewegungen des Geiſtes GOttes werden erſtickt und gehindert / die Erb-Suͤnde kriegt ein erwuͤnſchtes Futter / erholet ſich alſo mehr und mehr / bis ſie dich ubermeiſtert / und zur unor - dentlichen Welt-Liebe verleitet / daß du dein Hertz an irrdiſche Luͤſte haͤngeſt / die wider die Seele ſtreiten.

§. 2.

Ach ja! es muß ein Kind entweder ſchon in Mutter-Leib, wie Samuel und Johannes mit dem Heiligen Geiſt erfuͤllet, oder mit Gewalt, Gebetern, als einer feurigen Mauer umſchloſſen, oder durch die Aufſicht des guten Hirten und ſei - ner Engeln beſonders verwahret werden, wann es vor denen Verfuͤhrungen boͤſer Geſellſchafft ſicher bleiben ſolle. Oder kanſt du, mein Kind! beyder267der Verfuͤhrung der Jugend. der Schmidten des Satans vorbey gehen, daß dir nicht ein feuriger Funcke auf deine Seele falle und ſie zum Boͤſen entzuͤnde? Kanſt du unter Baſi - liſcen ſitzen, und nicht vergifftet werden? O wie manche edle Pflantze, die den Vaum-Garten der Kirche am ſchoͤnſten gezieret haͤtte, iſt durch des Teuffels boͤſe Nachſtellungen, vermittelſt ſolcher Jungen elendiglich zu Grunde gerichtet worden, und wie mancher Juͤngling, der zu Hauſe unter der Aufſicht ernſthaffter Eltern, auch frommer und fleißiger Lehrern in Wiſſenſchafften und Tugenden zier - lich gebluͤhet, hat ſich von denen Liebkoſungen der Welt, wie die Fliege von einer Spinne faſſen und ausſaugen laſſen? Je ſorgfaͤltiger auch ein Knab oder eine Tochter zur Gottſeligkeit iſt angefuͤhret wor - den; je ſchrecklicher iſt das Gericht uͤber ihrem Ab - fall, und je tieffer ſincken ſie ins Verdammiß. Eh - mals brauchte der Teuffel eine Schlange, die Evam um ihre Herrlichkeit zu bringen; anjetzo gebraucht er ebenfalls Welt-artige junge Leute, daß du die Gefahr nicht merckeſt, und dich keines Ubels be - fahreſt.

§. 3.

Du ſprichſt: Wie ſoll ich mich dann gegen dieſe meine Verfuͤhrer verhalten?

Mercke dann:

1) Wann du unter boͤſen Kindern dich aufhalten muſt / z. E. in den gemein - ſchafftlichen Schul-Stunden / ſo kanſt du es zwaren nicht vermeiden / daß dunicht268Cap. 4. Die vierte Quellenicht viel Boͤſes mit anſehen oder hoͤren muͤſſeſt. Aber um Chriſti willen mache dich fremder Suͤnden nicht theilhafftig / welches geſchiehet / wann du uͤber ihr gottlos Werck mitlacheſt / oder hie und da mit dazu behuͤlfflich biſt / ſonſt trei - beſt du den Heiligen Geiſt aus deinem Hertzen heraus / welcher unmoͤglich in einem muthwillig-verunreinigten Her - tzen wohnen kan / weil er heilig iſt. Den - cke daran: Jhr ſolt heilig ſeyn / wie auch euer Vater im Himmel heilig iſt / 3 Moſ. 19, 2. und heiſſen wahre Chriſten ein hei - lig Volck / 1 Petr. 2, 9. das ſich abſoͤndert von den Gottloſen, und kein unreines anruͤhret. 2 Cor. 6, 17.

Dencke darum, mein Kind! an die unſchaͤtz - barkeit eines heiligen Wandels / wie ſol - ches eine majeſtaͤtiſche Herrlichkeit iſt, wodurch du dem ewigen GOTT und ſeinen Engeln nahe kom - meſt, und endlich zu einem verklaͤrten Burger Je - ruſalems gemachet wirſt. Und welch theure Gna - den-Geſchencke kanſt du nicht vom Heiligen Geiſt haben, wann du nach ſeiner Belebung und Be - herrſchung von Hertzen duͤrſteſt? Der Heil. Geiſt iſt und giebt die Weisheit, die vor GOttes Thron iſt, und ſchaffet ſolche Gedancken, die der aller - hoͤchſten Majeſtaͤt GOttes wuͤrdig ſind, und vor ſein Angeſicht kommen. Wolteſt du nun unwiſ - ſenden blinden Kindern zu lieb eine ſo unbegreiffli - che Seligkeit und Gunſt der Heiligen Gottheit fah - ren laſſen? Es waͤre eben, als wann ein koͤnigli -cher269der Verfuͤhrung der Jugend. cher Printz ſich von ſtockblinden Buben, die nichts beſſers wußten, verleiten laſſen wurde, ſeines Va - ters Pallaſt zu verlaſſen, und zu jenen ſich in einen Stal zu begeben, um ihnen im Treber-Freſſen luſtige Geſellſchafft zu leiſten. Oder ſage mir, mein Kind! wolteſt du wohl gern in einem weiſſen Kleid neben einem Buben ſitzen, welcher um und um mit Menſchen-Koth beſchmieret waͤre? Wurdeſt du, wann es je ſeyn muͤßte, nicht in beſtaͤndiger Sorge ſte - hen, daß dein reines Kleid etwa von beſagtem Un - rath an ſich bekommen moͤchte? Halte dan deinen Rock fein hart am Leibe zuſammen zu dem Einigen, daß du GOttes Namen fuͤrchteſt; Schnuͤre dich mit dem Gurt der Wahrheit, daß die ſolches thun, und der Welt ſich gleich ſtellen, das Reich GOt - tes nicht ererben werden. Sieheſt du einen Bu - ben ſchaͤndliche Pickelhaͤrings-Poſſen treiben, oder hoͤreſt du ihn die Luͤſte des Fleiſches ruͤhmen, ſo wende Aug und Ohren von dieſem Sau-Spiel ab, damit nicht durch den Ausfluß und Mitwuͤrckung der zugegen ſeyenden boͤſen Geiſtern etwa Gifft in dein unvorſichtiges Hertz zu deinem erſchroͤcklichen Unheil allmaͤhlich hinein practiciret werde, ſo daß du deine Thorheit hernach mit lauter Ach und Wehe, und mit tauſendmal tauſend Thraͤnen beweinen muͤſſeſt.

§. 4.

2) Kanſt du dich aber der aͤuſſern Geſellſchafft leichtfertiger Kinder ent - ſchlagen / ſo thue ſolches mit Freuden /wann270Cap. 4. Die vierte Quellewann du gleich deswegen von den an - dern ſpoͤttiſch verhoͤhnet wirſt. Bleibe lieber allein / und ergetze dich an der Ge - ſellſchafft der lieben Engel / die allezeit um dich ſind. Wann andere in ihren Buben-Stuͤcken luſtig ſind / ſo halte du dich zu deinem Seelen-Braͤutigam JE - ſu Chriſto / der auch aller Orten bey und in dir iſt / deſſen du dich im Glauben und Liebe von Hertzen troͤſten kanſt. Spiele alſo mit deinem Heyland im Her - tzen / rede mit ihme gantz vertraut in unablaͤßigem Gebet / dann du haſt je - derzeit einen freyen Zutritt zu ihme.

Salomon ermahnet in allem Ernſt junge Leute zur Freude / ſagende: So freue dich / Juͤngling in deiner Jugend / und laß dein Hertz guter Dinge ſeyn in deiner Jugend / mit dem Zuſatz, daß GOtt die Ver - aͤchter dieſer geiſtlichen, Goͤttlichen Freude haͤrtig - lich ſtraffen werde. Pred. 11, 9.

Jener gottſelige Knab hatte in einer Predigt gehoͤret, daß GOtt ſchon in dieſer Zeit zuweilen einen Vorſchmack ſeiner Seligkeit gebe, und fiele darum daheim gleich auf feine Knie, und bate ſeinen GOtt um den Anfang ewiger Freu - de, und empfieng was er bate, ſo daß der Geſchmack himm - liſcher Freude und Suͤßigkeit zwey Jahre lang unausſetzlich in ihme bliebe: Nach deren Verflieſſung aber fande JEſus gut, ihme ein bitter Traͤncklein aus ſeinem Leydens - Becher koſten zu laſſen, um ihme dadurch zu einer reinern mehrern und herrlichern Seligkeit zu befoͤrdern.

Mein Kind! du biſt zwar noch jung, aber doch wohl ſo verſtaͤndig zu erkennen, daß in GOtt die allerſuͤſſeſte, reineſte und vergnuͤglichſte Freudeſeye.271der Verfuͤhrung der Jugend. ſeye. Dann es ſind bald ſechs tauſend Jahre, daß die Engel in GOtt jubiliren mit unausſprech - licher Wonne: Dieſes iſt ihr Element, deſſen ſie in Ewigkeit nicht ſatt und uͤberdruͤßig werden koͤnnen. Und dieſe Freude bedarffeſt du nicht weit zu ſuchen, ſie iſt dir nahe vor deinem Mund und Hertzen, wo der allgegenwaͤrtige Heyland iſt, da iſt ſie.

§. 5.

Daß du aber, mein liebes Kind! dieſe Freu - de nicht zu allen Zeiten fuͤhleſt, daran biſt du ſel - ber ſchuld: Dann

a) Biſt du von Natur gar zu tumm und plump zum Genuß Goͤttlicher Schaͤtzen:

b) Jſt die Neigung zu den vergaͤnglichen Welt - Freuden eine abſcheuliche Scheid-Mauer, die des Teuffels Bosheit aufgerichtet, um dir den Zutritt zur paradieſiſchen Freude im Heyland zu verſperen.

c) Sieheſt du die Exempel der thoͤrichten Kin - dern, die von JEſu weglauffen, und hingegen des Satans Gauckeleyen nachhuͤpffen, und in ſein Narren-Seil ſich einflechten laſſen.

d) Jſt es eben einem Kind luſtig und leicht, dem Sichtbaren nachzulauffen; ſchwer aber, ja unmoͤglich ohne Gnaden-Huͤlffe des Heiligen Gei - ſtes, ſeine Kurtzweil in dem Unſichtbaren zu ſuchen. Wilſt du demnach

e) Des Heylands Gegenwart zu deiner ſuͤſſe - ſten Freude fuͤhlen, ſo daß er ſich dir offenbare und mittheile, ſo muſt du in dem Gemuͤth geſammletund272Cap. 4. Die vierte Quelleund ſtille werden, welches dich eben im Anfang ſauer genug ankommet; allein glaube daß nichts unter dem Himmel der Muͤhe ſo wohl werth ſeye.

§. 6.

Und o der groſſen Herrlichkeit! wann dich Chriſtus ſegnet, und mit ſeinem Himmelreich er - quicket! Gewoͤhneſt du dich einmal recht zu JE - ſu, mit ihme vertraulich handeln zu koͤnnen, ſo wird es dir ſo wohl bey ihm werden, daß es dich keine Verlaͤugnung mehr koſten wird, den Zeit - Verderb Welt-geſinnter Kinder zu verabſcheuen, vielmehr wuͤrde es dir eine Hertzens-Plage ſeyn, wann du dem unnuͤtzen Narren-Werck fernerhin beywohnen, und um das guͤldene Kalb herum tantzen muͤßteſt: Tauſendmal lieber wirſt du mit Moſe und Joſua auf dem Berge ſeyn, und dich freuen in dem lebendigen GOTT. Deine Seele wird froͤlich ſeyn in deinem Heyland, und du wirſt JEſu zu dir begehren, und zu ihm beten: Komme, du Himmels Koͤnig! in mein Hertz, daß ich mit der Tochter Zion jauchtze und froͤlich ſeye. Und liebes Kind! welch eine Ehre iſt es fuͤr dich, wann dein Seligmacher ſich uͤber dir freuet? Dann wie du dich verhaͤlt’ſt gegen ihm, ſo ver - haͤlt er ſich hinwiederum auch gegen dir; halteſt du dich zu ihme, ſo halt er ſich auch zu dir, ver - giſſeſt und verlaſſeſt du ihne nicht, ſo vergiſſet und verlaͤßt er dich noch tauſendmal weniger.

2) Ein273der Verfuͤhrung der Jugend.

2) Ein Knab von vier Jahren ſchriebe alle Abend Zet - telein an den HErrn JEſum, und legte ſie auf die Fen - ſter-Simſen: Wann ſie dann der Wind fortwehete, oder ſie ſonſt weggekommen; ſo glaubte er ſteiff und feſt, es habe ein Engel das Zettelein Chriſto uͤberbracht, wobey er tieff nachſinnete, was doch der Heyland dazu ſage. Mit - hin ware das Kind immer mit dem Erloͤſer in ſeinen Ge - dancken beſchaͤfftiget. Laß mir das ein artiges Kin - der-Spiel ſeyn. Die eitele Welt-Freude verwel - cket, wie eine Blume, und giebt dir eben ſo wenig Nutzen, als ein duͤrres Blatt, ja all dein Lachen wird endlich in ein Jammer-Geheul und Zaͤhnklap - pern verwandelt werden. Da hingegen ein GOtt - ergebenes Kind von ſeinen geiſtlichen Kurtzweilen mit JESU unendliche Vortheile hat, und kaum eine Stunde vergehet, darinnen ihm nicht unver - gleichliche Geſchencke entweder gegeben oder aufs kuͤnfftige beygeleget werden. Kurtz, mein Kind! So lang du alſo in vertraulicher Freundſchafft mit JEſu lebeſt; ſo lang ſieheſt du deiner hohen Eh - ren, Guͤtern, Schaͤtzen und Freuden kein Ende: Darum ſeye klug, und bedencke dein Beſtes.

§. 7.

Sagſt du: Ach wann ich nur JEſum und die Schoͤnheit ſeines Himmelreichs auch ſo leibhafftig und ſichtbar vor mir haͤtte / wie ich die menſchliche und der Welt Eitelkeiten vor mir ſehe, ſo haͤtte ich beſſere Hoffnung / getreu zu bleiben / und wuͤrden die Taͤndeleyen der Welt alsdann keinen ſolch tieffen Eindruck bey mir machen.

SAnt -274Cap. 4. Die vierte Quelle

Antwort: Liebes Kind! Diß ſollſt du nicht fordern: Dann 1) ſtehet geſchrieben: Wir wan - deln im Glauben, und nicht im Schauen. 2 Corinth. 5, 7. 2 ) Hat Moſes / Paulus und alle Heilige mit dem Unſichtbaren gehauſet, 2 Corinth. 4, 18. Hebr. 11, 27. 3 ) Wann GOtt und Satanas, JEſus in ſeiner Seel-ent - zuͤckenden Schoͤnheit, und Beelzebub in ſeinem graͤßlichen Geſtanck offenbarlich vor den Menſchen - Kindern erſchienen; ſo waͤre dieſes Leben keine Pro - be-Zeit mehr, ſondern dannzumahlen wuͤrden die Menſchen gezwungen, wie Pharao und Jſrael, ſo offt die Herrlichkeit GOttes erſchienen, und das Feuer aus der Wolcken-Saͤul herfuͤr funckelte. Wann GOtt, ehe Adam und Eva von der ver - botenen Frucht geeſſen, gedonnert, und dem Ver - ſucher alſobald mit Goͤttlicher Gewalt Einhalt ge - than haͤtte, ſo waͤre es der Nachwelt nie bekannt worden, daß auch die vollkommenſte Creatur im Glantz ihrer Herrlichkeit nicht beſtehen koͤnne, ohne ſtete Anhangung im Geiſt, und begieriger Einſau - gung ſeiner Krafft und ſeines Lebens. 4) Biſt du durch Adams Fall Fleiſch geworden, alſo daß du nichts als nur nach dem Fleiſch kenneſt: Jetzt muſt du aus dem Fleiſch in den Geiſt hinuͤber wan - deln, ein Anbeter des Vaters im Geiſt und in der Warheit werden, im Geiſt einher gehen, und nach Geiſtes Art mit GOTT handeln lernen, wie ein Geiſt mit dem andern redet und ſeinen Umgang hat.

§. 8.275der Verfuͤhrung der Jugend

§. 8.

Sagſt du: Wie gelange ich armes / ein - faͤltiges Kind zu ſolch groſſer Ehr und Vergnuͤgung / mit JEſu vertraut um - zugehen?

Antwort: Du muſt

a) das, was JEſu zuwider iſt, verlaͤugnen, haſ - ſen und laſſen. Dann mit der unflaͤtigen Hof - Farbe ſeiner Feindin, der Welt, wirſt du zum Hey - land nicht eingelaſſen, noch an ſeinen Tiſch geſetzet, ſo lang dir Egyptens Knoblauch noch zum Maul ausſtincket, und man es dir am Athem riechet, daß du der Teufeln Tiſches theilhafftig ge - worden / 1 Cor. 10, 21.

b) Je reiner das Hertz iſt, je geſchickter biſt du auch, GOtt zu ſchauen, Matth 5, 8. Je mehr Decken der fleiſchlichen Liebe weggehoben werden, je kraͤfftiger wird dich die Lebens-Sonne beſcheinen, erwaͤrmen, und der Heil. Geiſt deſto lebendiger in dich einleuchten, 2 Cor. 3, 16-18.

c) Weil das Gut der geheimen Freundſchafft Chriſti unausſprechlich groß iſt, ſo muſt du den himmliſchen Vater um ſeinen Geiſt unablaͤßig be - ten, daß du durch ihne aus Gnaden dahinein ge - fuͤhret werdeſt. JEſus liebet junge Leute, und hat ſein Aug ſonderbar auf Kinder gerichtet; darum nabe dich zu ihm, und glaube, er werde ſich auch zu dir nahen.

d) Gleichwie GOtt die unſterbliche Seele zu ſeinem ſelbſt eigenen Wunder-Spiel erſchaffen hat:S 2Alſo276Cap. 4. Die vierte QuelleAlſo will auch die Heilige Dreyeinigkeit darinnen wohnen und ſich dir offenbaren, wo du nur JE - ſum liebeſt, und aus Liebe ſeine Gebote bewahreſt, Joh. 14, 21. 23.

Es ware ein junges Toͤchterlein, welches zuweilen ziem - lich / lange ſtill und einſam ſaſſe, und ſich wie ein Laͤmmlein auf der Gnaden-Au der ſuͤſſen Uberdenckung von ſeinem Hirten weydete. Auf eine Zeit ward das Kind gefraget, wie es ihme zu Muth ſeye; worauf es ſagte: Wie einem Ver - liebten / ſo ſeinem Liebhaber nachſinnet.

§. 9.

Sagſt du: Wie werden mir aber geiſt - liche und ewige Dinge ſo innig, nahe und brauchbar, daß ich meine Kurtzweil daran haben koͤnne?

Antwort: Wann JEſus deine Seele mit ſei - nem theuren Blut zu ſeinem ewigen Eigenthum eingekaufft, und dich mit dem Pfand des Heiligen Geiſtes verſiegelt, ſo daß du ſagen kanſt, daß er dir zu deinem GOtt, und du ihm zum Volck des Eigenthums geworden ſeyeſt, 5 Buch Moſ. 26, 17. 18. Wann es dir demnach ein Ernſt iſt, zu ihme zu ſagen: Jch will gantz dein ſeyn, HErr JEſu! und all mein Tichten und Trachten, Sinnen und Beginnen, Schlaffen und Wa - chen, Leben und Sterben ſoll auch dein ſeyn: Schlage du nur auch deine Gnaden-Hand auf mich, als dein Eigenthum und ſage: Trotz dem Teufel / Welt und Suͤnde / diß Kind iſt mein / es iſt mein Theil meines Lied - lohns und gehoͤret zu meinem Erb - gut ꝛc. So ſollſt du mein fortdaurender Er -loͤſer277der Verfuͤhrung der Jugend. loͤſer ſeyn nach dem Willen des Vaters, und ich habe Freudigkeit dich taͤglich zu meiner Er - leuchtung, Heiligung und Erloͤſung zu brauchen. O da kan dir dein Seligmacher in ſeinem Reich alles ſo innig, lebendig und fuͤhlbar und dermaſſen vergnuͤglich und wohlthuend machen, daß es dir im Geiſt eben ſo hertzlich wohl und noch ungleich beſ - ſer ſeyn wird, als andern, die mit der luſtigſten Geſellſchafft in Gaͤrten, Waͤldern und Feldern, unter Geigen und Pfeiffen, Springen und Tan - tzen, von einer Comoͤdien und Gaſterey zur andern ſpatziereten. Ja mittlerweil da dieſe an den duͤr - ren Welt-Knochen gelecket und aus den ſtinckenden Luſt-Pfuͤtzen geſoffen; haſt du Waſſer aus Eden getruncken, das in dir zum Brunn geworden, und ins ewige Leben quillet, Joh. 4, 14. Deine See - le hat himmliſche ſafftige Speiſe genoſſen, und JE - ſus hat dir einen Tiſch, der ein engliſch Wolleben und ein Vorhimmel auf Erden iſt, gegen deine Feinde bereitet, Pſalm 23, 5. Und ach wie unſe - lig iſt, der deſſen durch der Hoͤllen eindringenden Gewalt und Zwang im Fleiſch der Natur entbeh - ren will und muß.

Bleibe du derowegen in JEſu, und bitte ſtets um einen ſtarcken Muth, daß du Chriſti Liebe und Ehre allen Creaturen vorzieheſt, und vertraue ihm, Luc. 22, 32. Hebr. 10, 23. Pfalm 27 3. 71, 16. 2 Tim. 2, 19. 1 Petr. 5, 10. 2 Tim. 4, 7. 8. Ach die Straffe der Unbeſtaͤndigen und Verzagten lautet allzuſchrecklich. Offenb. 21, 8. Hebr. 10, 38. Pſalm 125, 5.

S 3§. 10.278Cap. 4. Die vierte Quelle

§. 10.

3) Jnſonderheit widerſtehe den man - cherley verfaͤnglichen Lockungen und ſuͤſſen Schmeicheleyen weltlicher Kinder / mit unverruͤcktem Ankleben an JEſum / und laß dich ja nicht durch ihr taͤglich wiederholtes Anreitzen zum Boͤſen end - lich erweichen / daß du treulos und Eyd - bruͤchig wirſt gegen deinen ewig-treuen Heyland. Jch habe viel Kinder ge - kannt / die den feſten Entſchluß gefaſ - ſet / wie dorten Petrus / mit Chriſto lieber in den Tod zu gehen / als ſich durch die loſen Buben von ſeiner Ge - meinſchafft abwendig machen zulaſſen; aber was geſchahe? Sie hielten kaum zwey Wochen / ja etliche kaum drey Tage bey Chriſto aus, wurden nachlaͤſ - ſig im Gebet um die Krafft Chriſti / dauchten ſich ſelbſt ſtarck genug zu ſeyn / das Boͤſe zu uͤberwinden; da wurden ſie bald von der Welt-Luſt ſo einge - nommen und bethoͤret / daß ſie die groͤ - ſten Spoͤtter der wahren Gottſeligkeit geworden / und es andern in der Bos - heit zuvor gethan haben. Laß dir doch dieſes ja zur Warnung und Pruͤfung dienen.

Bekenne deinem JEſu offenhertzig, wie leicht ſich dein veraͤnderliches und wanckendes Gemuͤth von ihm entferne, und auf unnuͤtze, ja wohl ſchaͤd -liche279der Verfuͤhrung der Jugend. liche Einfaͤlle verfalle; und ſage ihm, daß du dei - ner Seits nichts beſtaͤndiges verſprechen koͤnneſt, und er ſolle dir nur nicht trauen, ſondern ſich ſelber deiner Treue verſichern, dem Abfall, auf eine Sr. Goͤttlichen Majeſtaͤt, Weisheit, Bruders-Treue und allmaͤchtigen Barmhertzigkeit gemaͤſſe Weiſe wehren, und ſich aller Zugaͤnge zu der Seele be - maͤchtigen, mithin deinen Willen zu ſeinem Scla - ven machen, und dein Hertz mit einer ſtarcken und muntern Schild-Wache verſehen, damit er, der Koͤnig, nicht wieder verliere, was er mit einem ſo blutigen Durchbruch erobert, und wovon er ſchon ſo viele Reichthuͤmer ſeiner Guͤte, Gedult, Lang - muth und Erbarmung gewendet hat.

Mein Kind! Du haſt noch von Gnade zu ſin - gen, wann du bey allem deinem Beten beſteheſt; geſchweige, wo du ſaͤumig darinnen wuͤrdeſt. Wer da ſtehet / ſehe zu, daß er nicht falle: Sey nicht uͤbermuͤthig, ſondern fuͤrchte dich. Es liegen viele tauſend mahl tauſend Kinder im Feuer-Pfuhl, die jetzt ewig in Freude und Herr - lichkeit ſchweben kunten, wann ſie nicht den Bund mit GOtt gebrochen, und Eyd und Ehre vergeſ - ſen haͤtten: Weil ihnen aber die Ehre und Gunſt ihrer Cameraden und Geſpielen lieber, als GOttes Gnade ware, ſo ſtehen ſie jetzt vor deinen Augen als feurige Brand-ſchwartze Warnungs-Saͤulen, daß du dich an ihnen ſpiegelſt, und es nicht ma - cheſt wie ſie. Oder, mein Kind! Wollteſt du dich auf einen glatten Stein hinaus wagen, davon du wuſteſt, daß ein anderer entſchlipfft, geſtuͤrtzet und in viele Stuͤcker zerfallen ſeye? Wann du gewiſſeS 4Nach -280Cap 4. Die vierte QuelleNachricht haͤtteſt, daß in einer verſchreyten Gegend unzehlig viele junge Knaben und Toͤchter von Dra - chen, Loͤwen und Baͤren zerriſſen und aufgefreſſen worden waͤren; wurdeſt du ſo raſend ſeyn, dich gleichwohl dorthin zu begeben? Davor behuͤte dich der gute GOtt! Bleibe du bey dem Brunn Jſraels, bey der offenen Seite JESU, und trin - cke: Wer beharret bis ans Ende / wird ſelig.

§. 11.

4) Bedencke darneben fein offt die groſ - ſe Ungluͤckſeligkeit / die ſich uͤppige Welt - Kinder uͤber den Hals laden / und daß die zeitliche Ergetzung der Suͤnden ſo ſchwere Gewiſſens-Biſſe zuruͤck laſſe. Es haben ja freylich die Lockungen zur Welt-Luſt offt einen groſſen Schein / als ob man ſich viele Vortheile des Ver - gnuͤgens davon verſprechen koͤnte. Aber ſeye du nicht ſo ein Narr / wie Adam und Eva / die ſich auch unter allerhand ſcheinbaren Vorſtellungen beſchwaͤtzen lieſſen, GOttes Gebot zu uͤbertreten. Was kan wohl vor eine groͤſſere Freu - de uns Menſchen auf Erden wieder - fahren / als die wir in der Peinigung mit Chriſto genieſſen / daß wir auch davon ſingen:

JEſu281der Verfuͤhrung der Jugend.

JEſu mein Freud, mein Ehr und Ruhm, Mein Hertzens Schatz, mein Eigenthum!

Jch kans doch ja nicht zeigen an,

Wie hoch dein Nahm erfreuen kan. Wer Glaub und Lieb im Hertzen hat, Der wirds erfahren in der That. u. ſ. w.

Sollte hingegen wohl das den Nah - men eiuer wahren Luſt und Gluͤckſelig - keit verdienen / was mir einen ungnaͤ - digen GOtt / einen nagenden Gewiſ - ſens-Wurm und ewige Laſt verurſa - chet? Wolteſt du dann um ein Linſen - Gerichte die Erſtgeburt / um die ver - gaͤngliche Beluſtigung des ſuͤndlichen Fleiſches und Blutes deine Kindſchafft GOttes / die Erbſchafft Chriſti, und den Beſitz ſo vieler unaufhoͤrlicher Heyls - Guͤter verkauffen und verſpielen?

§. 12.

Liebes Kind! Es iſt nichts ſchaͤdlichers und ge - faͤhrlichers, unter der Sonnen, als JEſum ver - laſſen, ſein Wort verwerffen, den Heil. Geiſt be - truͤben, und Brandmahle ins Gewiſſen machen. Was hatte die erſte Welt von ihrem uͤppigen Fleiſches-Sinn in der Suͤndfluth zum Beſten? Was hulffe es Sodom und Gomorrha am Tage, da es Feuer und Schwefel regnete? Was gewanne Jſmael mit ſeinem Geſpoͤtt? Heulet Eſau nicht noch uͤber die Verſchleuderung ſeinerS 5Erſt -282Cap. 4. Die vierte QuelleErſtgeburt? Mit was fuͤr Entſetzen wird er ſeinen Bruder Jacob, bey dem er ſo nahe in einer Ge - baͤhr-Mutter gelegen ware, anſchauen in ſeinem ho - hen Himmels-Glantz, in Prieſter - und Koͤniglicher Majeſtaͤt? Wie wird er nicht ſeine ruchloſe Geluͤ - ſte verfluchen? Es iſt auch nichts heilloſers, als die Traͤgheit / wann man des Teufels Verſuchun - gen, und der zuſetzenden Suͤnden nicht widerſtehen mag: Der heiß-hungerige Seelen-Feind treibt das arme Hertz darauf los, daß es weder Zeit noch Krafft noch Muth hat, ſich eines beſſern zu beden - cken. Es wird von den teufliſchen Geiſtern der Bosheit dergeſtalten betaͤubet, daß es nicht den Verſtand hat, an eine Gegenwehr zu gedencken; ſondern ſich willig als einen Kriegs-Gefangenen in die ſchaͤndlichſte und elendeſte Sclaverey hinſchlep - pen laͤſt, mithin vor GOTT und der Welt, vor Engeln und Teufeln und vor allen Menſchen, Se - ligen und Verdammten, veraͤchtlich wird, ſo daß es ſich vor Schaam und Gram uͤberall verſtecken moͤchte. Einmahl, liebes Kind! der Teufel bear - beitet ſich, dich noch veraͤchtlicher zu machen, als er ſelber iſt; er iſt dahero mit ſuͤndigen nicht zu er - ſaͤttigen, und wird dir niemals ſagen, du habeſt ge - nug geſuͤndiget, bis er dich in ſeinen Abgrund ſtuͤr - tzen darff. Aber ſeye doch du nicht ſo tumm, wie ein geiles Kalb, daß du dich zur Schlacht-Banck wolteſt fuͤhren laſſen.

§. 13.

Jndeſſen iſt manches Kind mit Wehmuth zu bedauren, das in ſeinem Hauſe, wie ein verlaſſe -ner283der Verfuͤhrung der Jugend. ner Wayſe iſt: Es lernet wohl etwa ſeinen Cate - chismum auswendig, er wird ihm auch wohl etwa erklaͤret; allein die klare nothwendige Zueignung auf alle die geringſten Umſtaͤnde ſeines kindiſchen Alters wird ihm nicht beygebracht, und es empfan - get keinen zulaͤnglichen Unterricht von denjenigen Suͤnden, ſo ſeiner Kindheit und Jugend den greu - lichſten Schaden zufuͤgen. Man meynet, Kinder haben den Begriff nicht dazu, und was ſie thun, habe nicht viel zu bedeuten: Man ermahnet ſie zwar uͤberhaupt: Sie ſollen fleißig beten, GOTT vor Augen haben, ſich vor Suͤnden huͤten; wie ſie aber dieſe hoch-theure Lehren, als eine heylſame Artz - ney bey dieſer und jener Gelegenheit anwenden ſol - len, berichtet man ſie ſparſam genug. Daher iſt ihnen das Erlernte beynahem unnuͤtz, indem das Nachſinnen der ewigen Dinge, unter dem Seuff - zen um den Heil. Geiſt ausbleibet, nicht minder als das puͤnctliche Vollbringen des Willens Chri - ſti nach ſeinem Exempel in ſeiner allerheiligſten und alles heiligenden Jugend, da er ſeines himmliſchen Vaters fuͤrwahr keinen Augenblick vergaß, noch ſein Mittler-Amt aus den Augen ſetzte. Ach man haͤlt Kindern die Haupt-Suͤnden, woraus alle an - dere ſich herleiten, zu gut; als da ſind, JESUM nicht lieben, GOttes und der Engeln Gegenwart nicht achten, den durchdringenden Gifft der Suͤn - den, die Verletzung der Seele, die Koſtbarkeit der Zeit, voraus der guͤldenen Kindheit und Jugend, den Tod, das Juͤngſte Gericht, die lange Ewigkeit nicht zu Hertzen faſſen, wann die Suͤnde verſuchet, nicht zu JEſu lauffen ꝛc. Ach das ſind Suͤnden,ſo284Cap. 4. Die vierte Quelleſo die Verlaſſung von GOtt und den ewigen Tod verdienen, und find eine Wurtzel des Reichs der Finſterniß. Jndeſſen nimmt man nicht einmahl die Muͤhe, dieſes als grobe Fehler vorzuruͤcken, noch ihnen die Herrlichkeit der Kindern GOttes tief einzupraͤgen, und ſie zu berichten, was vor ein Koͤnigreich in der Nach-Welt ihnen bereitet ſeye, um ihr zartes Jugend-Hertz beyzeiten von dieſer Welt ab - und in die kuͤnfftige Ewigkeit hinein zu ziehen, eben wie man etwa die Unter - weiſung eines Cron-Printzen auf die kuͤnfftige Fuͤhrung ſeines Scepters einrichtet.

§. 14.

5) Beſchaͤme alſo die boͤſen Kinder durch deinen abgeſonderten Chriſtlichen Wandel / und ſeye jederman ein hell - leuchtendes Vorbild in der Furcht GOt - tes. Auf ſolche Art kanſt du gewiß ſeyn / daß du wachſen wirſt taͤglich an Weisheit und Gnade bey GOTT und Menſchen.

O ja, mein Kind! Wann das Bild JEſu deines Seligmachers ſchon jetzo in dir leuchtet, ſo wird GOTT auch einen Strahl von der kuͤnfftigen richterlichen Majeſtaͤt auf dich legen, wie auf den jungen Daniel; aber am letzten Welt-Gericht wird dir JEſus geben zu ſitzen auf einem ſehr herrlichen Thron. Alsdann ſol - len ſich alle Kinder, die jetzt in ihres Hertzens - Sinn ſo ſtoltz und frech ſind, vor deiner ſtrah -lenden285der Verfuͤhrung der Jugend. lenden Herrlichkeit entſetzlich ſchaͤmen, und ſcham - roth ſagen: Wir waren wohl unverſtaͤndige Kin - der und bedachtens leider nicht beſſer. Da wird dann der hoͤchſte Richter es ihnen anzeigen und vorhalten: Jch ware es, der dieſes Kind mit den Heil. Ga - ben der Gottſeligkeit ſchmuͤckte und dir zum Bey - ſpiel vorſtellete; meine Gnade redete aus ihm, da es deine Abweichung vom Evangelio beſtraff - te, dich vor dem Weg des Verderbens warne - te, und zum Gehorſam des Glaubens bereden wolte; aber du triebeſt deinen Spott damit: So wiſſe nun, daß du nicht dieſen Knaben, dieſes Toͤchterlein, ſondern mich, den Schoͤpf - fer, Erloͤſer und Richter gehoͤhnet haſt.

Ach wie wenig ſinnet man an dieſes; darum ſchreye du deiner Seits gen Himmel:

JESU, mache mich getreu,
Meinen Tauf-Bund ſtets verneu,
Laß die Liebe nicht erkalten;
Laß mich dich im Glauben halten:
Vater! ſteh mir kraͤfftig bey,
Daß ich JEſu Braut ſtets ſey!
Das286Cap. 5. Die fuͤnffte Quelle

Das 5. Capitel. Von den boͤſen Exempeln in allen Staͤnden.

Jnhalt.

  • Wie die boͤſen Exempel in allen Staͤnden der Jugend zur Verfuͤhrung gereiche, wird kuͤrtzlich vor - geſtellet;
  • §. 1. Das Kind aber davor gewarnet;
  • §. 2. und 3. Mithin dem Kind ein vierfacher Rath zu ſeinem Verhalt mitgetheilet, und zwaren, daß es 1) ſich an das Wort GOttes halte;
  • §. 4 und 5. 2 ) Sich daran nicht ſtoſſe, daß Chriſtus viel Juͤnger, aber wenig Nach - folger hat;
  • §. 6. Da dann einer Seits die Verach - tung des Gnaden-Beruffs beklaget;
  • §. 7. ander Seits die Wichtigkeit deſſelben angeprieſen wird;
  • §. 3. 3 ) Sich vor Heucheley huͤte; §. 10.

§. 1.

SO folget dann die groſſe Menge der boͤſen Exempel in allen Staͤnden / als die fuͤnffte Quelle der Ver - fuͤhrung der Jugend.

Kinder machen gar leicht den Schluß: Was der groſſe Hauffe in der Welt thut / das muß ja recht und billig ſeyn / es wuͤr - de ſonſt nicht ſo viele Liebhaber finden. Nun ſehen ſie beſtaͤndig / daß die Chri -ſten -287der Verfuͤhrung der Jugend. ſtenheit mit ſolchen Leuten gleich uͤber - ſchwemmet iſt / die den Namen von Chri - ſto fuͤhren, ihn mit dem Munde beken - nen / und mit den Wercken verlaͤugnen / und die ſich gleichwohl bey ihrer beharr - licheu Unbußfertigkeit mit der Gnade GOttes zur Hoͤllen hinein troͤſten. Wie leicht gerathen alſo die Kinder auf die Meynung / es muͤſſe doch nicht ſo viel zu bedeuten haben / wann man gleich ſo lebt, wie die Welt lebt. Sie werden darinn noch mehr geſtaͤrcket / wann ſie ſehen:

1) Daß vornehme und bey manchen hoch angeſehene Perſonen allen Luͤſten dieſer Welt ergeben ſind / und gleichwol ſelig werden wollen. Da werffen ſie gar leicht auf in der Welt geehrte Perſonen die Augen, folgen dem boͤſen Vorſpiel, und meynen / ſie haben alsdann eine treff - liche Entſchuldigung.

2) Daß gelehrte und ſolche Leute / die vor andern wiſſen wollen / was recht und heylſam ſey / es nicht beſſer machen / in allen Thorheiten dieſer Welt erſoffen ſind, und in den Jrrdiſchen ihr Theil ſetzen.

3) Daß Lehrer und Prediger / die man Geiſtliche nennet / ebenfalls ſich von dem Welt-Geiſt regieren laſſen / und ſelber den Gegentheil deſſen thun / was in GOt - tes Wort erfordert wird.

4) Daß eudlich die denen Kindern ſelbſt zur Zucht und Vermahnung Vor -geſetzte,288Cap. 5. Die fuͤnffte Quellegeſetzte, grobe Heuchler ſind / die ſich zwar bisweilen ſehr Chriſtl. anſtellen / aber we - nig Gottesfurcht im Hertzen haben / und alle Laſter gern mittreiben / wann ſie es nur ohne offentl. Schande verrichten koͤn - nen; daher auch an ein ernſtlich Gebet und Bibel-Leſen wenig gedencken; viel - mehr mit unnuͤtzen Zeitvertreib und lie - derlichen Buͤchern ſich beſchaͤfftigen. Wann die Kinder nun dieſes wahrneh - men / wie hoch und niedrig / arm und reich / jung und alt dem ordentlichen Welt-Lauff nach ſich auf der breiten Suͤnden - und Hoͤllen-Bahn luſtig ma - chet; wird ſolches vielen eine Gelegen - heit zu ſchwerem Aergerniß und Ruͤckfall aus ihrer Tauff-Gnade.

§. 2.

O liebes Kind! ſo wenig dieſes alles gelaͤugnet werden kan / ſo inbruͤnſtig bitte ich dich: Beurtheile nicht nach dem Anſehen der Menſchen / was dir gut oder ſchaͤdlich iſt / ſondern nach den Worten Chriſti. Der HErr wird am juͤngſteu Tage unſer Thun und Laſſen richten nach ſeinen Worten / und bey ihm gilt kein Anſehen der Perſonen.

Die Weisheit der Welt gehet nicht weiter als die Naſe lang iſt. Was ſie ſeye, und ihr jaͤm - merlich Ende, beſchreibet der 49ſte Pſalm ſo hellund289der Verfuͤhrung der Jugend. und klar, daß einer ein Roß und Maul-Eſel, Pſ. 32, 9. ſeyn muß, der es nicht zu ſeiner Warnung annehmen will. Wer GOttes Weisheit nicht hat, der gefallet GOtt nicht: Siehe, lieſe und betrachte Cap. 7. 8. und 9. des Buchs der Weis - heit, erwege auch Cap. 1. 2. und 3. in der 1 Epiſt. an die Corinther.

Wilſt du auf die Menge / Anſehen / Ge - walt und Macht der Menſchen deine Augen werffen, ſo wirſt du gewiß des Himmelreichs ver - fehlen und ein Sturtz-Fall in die Hoͤlle thun. Wie viele maͤchtige, weiſe, gelehrte, fuͤrtreffliche Gei - ſter waren nicht vor der Suͤndfluth, die ſich alle dem Noah entgegen ſetzten, ſo daß ſie ihne fuͤr einen alten Gecken hielten, und in ihren Zechen ein Liedlein aus demſelben machten? Freylich werden etwa junge Knaben und Maͤgdlein geweſen ſeyen, die ſich vor Noah Predigt gefuͤrchtet, und an ein bußfertig Leben gedacht, aber von hoch-weiſen, angeſehenen und in groſſem Credit geſtandenen Maͤn - neren, und ihren Worten und Exempel ſichs wie - der haben ausſchwaͤtzen laſſen. Allein was hatte es ſie genutzet? Pharao ware zu ſeiner Zeit wohl der weiſeſte, reichſte und praͤchtigſte Koͤnig, aber der Knab Moſes, der am koͤniglichen Hof das groͤſte Welt-Gluͤck haͤtte machen koͤnnen, trate, wie Joſephus meldet, die koͤnigliche Crone mit Fuͤſſen, und achtete, nach dem Zeugniß Pauli, die Schmach Chriſti hoͤher / als alle Schaͤtze Egypti. Hebr. 2, 26. Es wird auch ungleich ſicherer ſeyn, auf den Propheten Eliſa / als aber auf ſeinen Herrn, den Koͤnig ſehen laſſen,Tdeſſen290Cap. 5. Die fuͤnffte Quelledeſſen ſchlimmen Exempel die boͤſe Stadt-Buben zu BethEl gefolget, und ihrer zwey und viertzig von Baͤren zerriſſen worden. Oder wilſt du lieber der Lehre und dem Leben des vornehmen, geſetzlich - frommen, gelehrten reichen Manns / oder dem Sinn des armen Lazari folgen, mithin auch lieber mit jenem an den Ort der Quaal, als mit dieſem in das Paradies kommen? Oder was haͤt - teſt du gethan zu des Heylands Zeiten, wann du geſehen haͤtteſt, wie der gantze Rath zu Jeruſalem, der Ausbund des gantzen Jſraels, die Vaͤter des Vaterlands, die kluͤgſten, gelehrteſte und ehrwuͤr - digſte Herren in feyerlicher Gravitaͤt geſeſſen, und den armen JEſum von Nazareth in klaͤglicher Ge - ſtalt als einem verſchreyten Verfuͤhrer und verdamm - ten Ketzer gebunden vor ſie geſtellet hat? Waͤreſt du wohl auf Chriſti Seiten getreten, und haͤtteſt du ihn vor den Sohn GOttes, wie die Apoſtel durch GOttes Offenbarung, erkannt? Jch mey - ne, nein! Und ſo lang man ſich von ſeiner fleiſch - lichen Vernunfft blenden laͤßt, ſo lang wird man mit dem groſſen Hauffen ſchreyen: Weg, weg mit dem evangeliſchen Leben! Darum laſſe dich doch, mein Kind! den aͤuſſern Schein nicht be - triegen; zumalen da du nicht anderſt als nach dem Exempel und Evangelio Chriſti wirſt gerichtet werden.

§. 3.

Und ach! wie werden die Gewaltige / auf welche du dich itzt verlaſſen moͤchteſt, ſo ge - waltig hergenommen werden? DannGOtt291der Verfuͤhrung der Jugend. GOtt ſcheuet keine Groͤſſe der Menſchen, darum moͤchten ſich die Koͤnige ſo gern in die Felſen-Kluͤff - te verkriechen, Offenb. Joh. 6, 15. 16. Wie ſchlimm iſt es dann, ſie mehr zu fuͤrchten, als den lieben GOTT? Solch eine Abgoͤtterey kan GOtt unmoͤglich ungeſtrafft laſſen: Wilt du des - wegen nicht mit der Welt verdammt werden, ſo meide ihren Lauff, und verlaſſe ihren Sinn, der vor dem gecreutzigten Heyland nur gar nicht beſte - hen mag, als vor welchem nichts, als ſein Sinn, Geiſt und Leben was gilt. Nebutadnezar iſt wohl ein groſſer Monarch, gegen welche die drey Geſellen Daniels ſo viel als nichts zu rechnen ſind: Alle die auf Erden wohnen, beten das Thier an und ſein Bild, der eingefleiſchte Drach iſt und ſtellet ſich als ein Gott der Erden dar, vor dieſen treten nur zwey Zeugen / als zwey Oel - Baͤume, die ihm gewaltig einreden doͤrffen. Offenb. Joh. 2, 3. 4.

Mein liebes Kind! habe wohl acht, was du macheſt, und auf welcher Parthey du ſteheſt; die Prob-Zeit iſt kurtz, und ewig waͤhret gar zu lang: Alle Witz und Kunſt, Macht und Pracht der Welt, die du itzt ſo hoch achteſt, liegt in einem Augenblick mit allen ihren Anbetern im Staub und Rauch. Laß dich dann ja nicht unter der unſeligen Zahl ihrer Verehrern finden: Frage du vielmehr wo JEſus zur Herberg ſeye? Joh. 1, 38. wo er weide / und ſeine Heerde ru - hen laſſe im Mittag? Hohel. 1, 7. Frage den, den deine Seele liebet, den Hertzogen des Heyls, wo er mit allen ſeinen Neugebohrnen hin -T 2durch292Cap. 5. Die fuͤnffte Quelledurch gezogen ſeye in des Vaters Reich, und bitte ihn, daß er ſich deiner auch erbarmen, und dich gleichen Weg lehren wolle. Erwege die Sache in heiliger Furcht GOttes, und dencke der unbegreiff - lichen Liebe und Sorge GOttes fuͤr deiner Seelen Errettung andaͤchtig nach, vermoͤg deren er dir ver - loffnem Kind die erſtaunliche Ehre angethan, ſei - nen einig-geliebten Sohn in unerhoͤrte Marter zu dei - ner Erloͤſung dahin zugeben, und dir mit ſeinen Goͤtt - lichen Wandel ſelber zum vollkommenen Muſter und Fuͤrbild darzuſtellen, ja alle noͤthige Krafft und Gnade zur willigen Nachfolge mitzutheilen. Waͤre es in Betrachtung deſſen nicht mehr als ein ſataniſcher Undanck, wann du deinen unendli - chen Gutthaͤter und treuen Fuͤhrer, die ewige Le - bens-Sonne, verlieſſeſt, und den blinden Kindern der finſtern Welt nachtrabeteſt? Ach JEſus rufe dir mit Namen, Maria, Johannes, Jacob, Abra - ham, Friederich, Samuel, Martin, Chriſtian, An - na, Margaretha, Eliſabeth, Catharina, Magda - lena, und wie du heiſſen magſt, und zeige dir ſeine Haͤnde und offene Seiten, damit du von der Welt zu GOtt, von der Suͤnde zu Chriſto, vom Fleiſch zum Heiligen Geiſt dich wenden und recht frohe wer - den moͤgeſt, den HErrn zu ſehen, wie nahe er bey dir ſeye. Joh. 20, 16-20.

Die Welt ſagt von der Welt, und vielen eiteln
Dingen;
Die Welt gern hoͤret das, die Zeit nur hinzu -
bringen,
Weil ſie ihr Gluͤck und Heyl ſucht in der ſchnoͤden
Welt,
Die293der Verfuͤhrung der Jugend.
Die bald vergehen wird, wann alles hie zerfaͤllt.
Und meynet der Welt-Menſch wohl, es koͤnn zu -
ſammen ſtehen,
Daß er die Welt lieb hab, er koͤnn doch Chri -
ſtum ſehen
Jm Glauben allemal, ſein Glaub, ſpricht er, ſey
feſt,
Ob er die Welt allhie gleich liebt aufs allerbeſt.
Jn dieſem boͤſen Wahn itzt viele Menſchen
ſtehen,
Und ſehen nur darauf, wie viel vor ihnen gehen,
Die hier ſind hochgeacht, und troͤſten ſich dabey,
Daß Chriſtus durch ſein Blut ſie mach von Suͤn -
den frey.

Trautes Kind! wann dieſer und jener ſich ruͤhmet, er mache es, wie der und der groſſe Herr, Fuͤrſt, Koͤnig, Kayſer, ſo antworte du: Jch aber bin geſinnet und geartet wie JEſus, ich mache es wie mein GOtt und Vater und mein Heyland, trotz dem Teuffel und aller Welt, ja mein JEſus lebet ſelbſt in mir; dann was ich jetzt lebe im Fleiſch / das lebe ich im Glauben des Sohns GOttes / der mich geliebet / und ſich ſelbſt fuͤr mich dar - gegeben hat. Gal. 2, 20.

Zum Beſchluß dieſes Puͤncktgens kanſt du das Lied ſingen: Welt packe dich! ich ſehne mich nur nach dem Himmel ꝛc.

§. 4.

Du ſprichſt: Gieb mir auch hiebey eine An - weiſung meines Verhaltens!

T 3[So294Cap. 5. Die fuͤnffte Quelle

[So laß dir dann 1) das theure Wort GOttes anbefohlen ſeyn, daß du dabey feſt hal - teſt, und wann ein Engel vom Himmel dich zu et - was anders verfuͤhren, und dir ſonſt was weiß ma - chen will, ſo traue nicht, dann Chriſtus ſagt: Himmel und Erde werden vergehen / aber meine Worte vergehen nicht / Luc. 21, 33. und David Pſ. 119, 9. wie wird ein Juͤngling ſeinen Weg unſtraͤfflich ge - hen / wann er ſich haͤlt nach deinem Wort? Wann nun GOttes Wort ſaget, Roͤm. 6, 13. wo ihr nach dem Fleiſch wandelt / ſo werdet ihr (des ewigen Todes) ſterben muͤſ - ſen; ſo laß jenes ferne von dir ſeyn, wann du auch in der gantzen Welt das Gegentheil findeſt. Die gantze Welt kan dich ja vor dem ewigen Tod nicht ſchuͤtzen, gieb alſo ihren fleiſchlichen Lockungen kei - nen Platz!]

Ach ja, mein Kind! es iſt ſehr gefaͤhrlich einen andern Weg zu gehen, als denjenigen, von wel - chen GOtt ſelber einen Eyd gethan hat, daß du auf demſelben zum Leben eingehen werdeſt; und wann du bey allem Ungehorſam gegen das Evan - gelium doch ins Himmelreich kaͤmeſt, ſo wurde GOtt zum Lugner. Einmal weder Paulus noch Johannes, noch irgend ein anderer Heiliger duͤrff - te am Tage der Vergeltung fuͤr keinen, der dem Wort JESU nicht nachgelebet, das Maul fuͤr - bittlich aufthun; im Gegentheil haben ſie einen Goͤttlichen Befehl, den Staub von ihren Fuͤſſen auf die Koͤpffe derjenigen abzuſchuͤtteln, welche den Rath GOttes wider ihre eigne Seele verworffen. Ge -295der Verfuͤhrung der Jugend. Gefaͤllt dir nun der heilige Sinn, die heiligende Gnade, das evangeliſche Leben nicht, ſo beſtelleſt du dir, du wolleſt oder wolleſt nicht, eine Herberg im feurigen Pfuhl, ſo wahr GOtt lebt und nicht luͤgen kan.

Wirſt du hingegen am Juͤngſten Tag zum Richter mit freudigem Gewiſſen ſagen koͤnnen: HErr! dein Wort ware in meinem Leben mei - nes Fuſſes Leuchte, und ein Licht auf meinem Pfade; deine Perſon ware mir ſo hertzinnig lieb, daß mir nichts ſchmecken wolte, als was aus deinem Munde kam; ich hatte auch keine groͤſ - ſere Freude auf Erden, als wann es mir gelun - ge, etwas zu thun das dir wohl gefiele; ich er - kannte auch deine groſſe und gantz unverdiente Liebe hierinn, wann du mein armes Hertz da - hin zageſt und lencketeſt, meine Sachen nach deinem Wort einzurichten, und ich ware alle - mal ſo hertzlich frohe daruͤber, daß ich dir nicht genugſam davor dancken und dich preiſen konn - te. Wann ich auch mein Netz vergebens in das Meer der ewigen Verheiſſungen warffe, und alſo ungeſchickt darzu thate, daß ich die gantze Nacht meiner geſetzlichen Bemuͤhungen nichts fienge von Goͤttlicher Krafft, Liebe, Freude und Leben, ſo ſtundeſt du des Morgens, da die Blut - Gnade am blauen Himmel des Evangeliums, wie dieſchoͤne Morgen-Roͤthe, hervor brache, am Ufer, und offenbarteſt dich mir abermal, und gabeſt mir einen Segen durch dein Wort, ſo du mir ins Hertz verſpracheſt.

T 4Wirſt296Cap. 5. Die fuͤuffte Quelle

Wirſt du, ſage ich, in dieſem Thon ohne Wi - der-Rede deines Gewiſſens zum Richter reden koͤn - nen, ſo iſt dir die Zeugen-Wolcke Buͤrg, daß er dich nicht im Zorn anſchnauben, ſondern alſobald in ſeine Freude hinein weiſen werde. Dann wer des HErrn Wort folget, und ſagen darff: HErr! das haſt du mir befohlen, z. Ex. daß ich dir glau - ben und meine Feinde lieben ſolle, und alſo ſtehets in deinem Reichs-Buch geſchrieben, und hiernach habe ich mich in meiner Einfalt verhalten ꝛc. So iſts unmoͤglich, daß JEſus einen ſolchen armen Suͤnder wegwerffe, ehe muͤßte er ſagen, er ſeye nicht werth, daß man ihm in bruͤnſtiger Liebe alles zu Gefallen thue, da er doch ſich nicht verlaͤugnen kan; ja wann ein Menſch tauſend Hertzen haͤtte, und ihm alle, kein einiges ausgenommen, gantz aufopffer - te, ſo waͤre es doch nichts vor einen ſolchen Herrn, wie JEſus iſt.

§. 5.

Liebes Kind! Es iſt im Gehorſam des Wil - lens Chriſti ein Vorſchmack der ſeligen Ewigkeit; die Heilige Schrifft preiſet auch keine andere Leute ſelig. Es kitzelt die Natur, und reitzet ſie nachzu - fahren, wann ſie hoͤret, daß jemand wegen ſeiner Gluͤcks - und andern Gaben geruͤhmet wird. Sie - he du aber auf die, welche der Heilige Geiſt ruͤhmet und ſelig preiſet, und ſey nicht traͤge denen nachzu - eifern, welche durch Gedult und Glauben die Verheiſſung ererbet haben. Hebraͤer 6, 12. Die Heilige Schrifft ruͤhmet nicht den La -mech,297der Verfuͤhrung der Jugend. mech, Nimrod, Jſmael, Eſau die doch allezumal dapffere Leute nach dem gout (Geſchmack) der Welt waren, und es auf derſelben hoch und ſo hoch ge - bracht, daß ihr Gluͤcks-Thurn bis an die Wolcken reichte, ſondern ſie preiſet den Abel, Enoch, Noa, Jſaac, Jacob und ſolche Menſchen an, die in aller Stille, ohne groſſe Figur in der Welt zu machen, mit Glauben, Lieben, Leiden, Beten, den Segen der himmliſchen Erſtgeburt dahin nahmen. Es ſol - le demnach GOttes und nicht der Welt Urtheil bey dir gelten.

Sagſt du: Mir mangelt Gelegenheit dem Hey - land Proben meiner Treue zu geben?

Antw. Stehe auf deiner Hut, du wohneſt noch in Egypten und im Lande Simar; jeder Vortheil, Ehre, Gunſt, Ruhm und Luſt, ſo du aus Liebe zu Chriſto in die Schantz ſchlageſt, iſt deine Egy - ptens-Crone / jeder Schade, Verluſt, Schmach, Schande und Spott iſt der Feuer-Ofen Baby - lons / ein jeder vornehmer Herr, der mit Drohun - gen oder Schmeicheleven an dich ſetzt, iſt dein Ne - bucadnezar / Armuth, Elend, Verachtung, Mangel der Befoͤrderung bey der Nachfolge JEſu iſt der Loͤwen-Grabe / darein du zu Daniel fal - leſt; da kommſt du zu unvergleichlicher Ehre und Reichthum, und dein Name wird hinterrucks deiner in gleiches Buch eingeſchrieben, darinn Daniel und ſeine Geſellen oben an ſtehen.

§. 6.

2) Laß dichs ja nicht Wunder duͤncken / daß ſo viele Menſchen ſich Chriſti DienerT 5heiſſen /298Cap. 5. Die fuͤnffte Quelleheiſſen / aber nicht ſeine Nachfolger im gottſeligen Wandel ſind / dann der Hey - land ſagt ſelbſt: Matth. 22, 14. Viele ſind berufen / (ſie nehmen den Beruf aͤuſſerlich an, wie der, ſo jedoch kein hochzeitlich Kleid anhatte, vers 12.) aber wenig ſind auserwaͤhlet / und Paulus: 1 Corinth. 1, 26. Nicht viel Wei - ſe nach dem Fleiſch / nicht viel Gewaltige / nicht viel Edle ſiud berufen / ſo / daß ſie den Beruf annehmen / und ſich auch demſelbi - gen gemaͤß verhalten / ſondern was thoͤ - richt iſt vor der Welt / das hat GOtt er - waͤhlet / u. ſ. w. Siehe alſo zu / daß du unter den Wenigen ſeyeſt / die ihre Seele erret - ten / und ſich vor der Welt unbefleckt hal - ten / Jac. 1, 27. damit ſie nicht mit der Welt verdammt werden.

§. 7.

Ach der Tauſende ſinnet leider nicht an ſeinen himmliſchen Beruf / man hoͤret wohl etwa da - von, aber es iſt wie ein ſuͤſſer Traum, daraus man nie erwachet, ſo, daß man recht aus dem Suͤnden - Schlaf des trunckenen Welt-Sinnes ermuntert wuͤrde, und dem Ruf und Zug des Vaters zu ſei - nem herrlichen Koͤnigreich folgete. Es gehet hier eben als wann eine Schaar Bettel-Buben an der Land - Straſſe beyſammen ſtunden, und mit einander ſpie - leten; es gienge aber ein groſſer Fuͤrſt vorbey, der ſie alle zu ſich an ſeinen Hof, mithin aus dem Bet - tel-Stand heraus zu einem adelichen Leben beruffte,wor -299der Verfuͤhrung der Jugend. woruͤber aber mancherley Gedancken bey ihnen auf - ſtiegen, und die meiſten auf ihre Kurtzweil ſo ver - picht waͤren, daß ſie weder Luſt noch Weil haͤtten, einen ſolch vortheilhafften Beruf nur einmal an - zuhoͤren.

a) Ach der groͤſſeſte Hauffe iſt wie ein zertretener Weg, und koͤnnen ſich kaum beſinnen, daß ein Fuͤrſt vorbey gegangen, und etwas mit ihnen geredet habe.

b) Andere hoͤren es mit Freuden, und der Han - del daͤucht ſie ſchoͤn, allweil ſie es hoͤren, ſo bald aber die Stimme verthoͤnet hat, ſo bekuͤmmern ſie ſich weiter nichts darum, es faͤhret zu dem einten Ohr hinein, und zu dem andern behend wieder hinaus.

c) Viele ſind unwiſſend, und haben nicht ver - ſtanden, was der Fuͤrſt geſprochen, es iſt Arabiſch vor ſie, auch ſind ſie nicht neugierrig andere zu fragen, und dencken, es ſeye von keiner ſonderlichen Wich - tigkeit.

d) Einige ſind dermaſſen kleinmuͤthig und ver - zagt, daß ſie es nicht glauben wollen, daß der allein - ſelige Geiſt ſich mit Erd-Wuͤrmern alſo bemuͤhen ſol - te, und haben allzuſchlechte Begriffe von der ewigen Liebe.

e) Wiederum andere wollen ſich nicht bereden, daß es dem Fuͤrſten rechter Ernſt ſeye, und vermey - nen, er habe nur geſchertzet, und das muͤſſen allzuein - faͤltige Kinder ſeyn, die ſich ſo etwas einbilden wol - len. Folget etwa ein Knab dem Beruf, ſo heißt es bey den andern: Jſt das nicht ein alberner Tropff, daß er glaubt, es ſeye dem Fuͤrſten ſo vieles an ihme gelegen, daß er einen ſo elenden Bu - ben bey ſich habe, der ſchlechterdings untuͤchtig iſt,300Cap. 5. Die fuͤnffte Quelleiſt, ihm einige Dienſte zu thun; ja er iſt ſtumm und tumm, und hat einen ſchlimmen Auſſatz an ſich, ſo daß er ſich zu den Edel-Knaben, die wei - ſe, gelehrt, wohl erzogen und geſittet ſind, nur gar nicht ſchicket: Er wird den Spott zum Scha - den kriegen, und bald wieder frohe ſeyn, wann wir ihne wieder annehmen, und mit uns von un - ſern Ruͤben, Rinden und Kabis-Stortzen (wie alles, was die ſuͤndhaffte Welt iſt und hat, aufs beſte genommen, nicht einmahl ſo gut iſt, in Vergleichung deſſen, was GOtt ſeinen Bunds - Genoſſen zugetheilet) eſſen laſſen.

f) Die allerwenigſte wagen es, und dencken: Wer weiß, ob nicht etwas an der Sache ſeye? Wir wollen es probieren, es iſt um einen Gang zu thun; gerath es nicht, ſo verliere ich doch nichts dabey; geraͤth es aber, ſo werde ich ein gluͤckhaff - ter Menſch: Wie mag es der Fuͤrſt an mich zuͤrnen, wann ich ihn fuͤr einen Biedermann hal - te, und ihm glaube? Jſt das Geruͤcht wahr von ihm, ſo iſt ſeines gleichen in der Freundlichkeit, Gluͤckhafftigkeit, Guͤtigkeit und liebreichen We - ſen unter der Sonnen nicht. Jch darff ihn wohl ſelber fragen, ob ich es recht verſtanden habe, daß er mich Blut-armen Knaben (Maͤgdlein) bey ſich haben, und mir ſeine ſuͤſſeſte Niedlichkei - ten. theuerſten Schaͤtze, Fuͤrſtliche Luſtbar - und Herrlichkeiten gemein machen wolle. Jſts nicht, ſo wird er mich deswegen nicht toͤdten, daß ich ein ſo gutes Zutrauen zu ihme, und demſelben gefolget habe; Jſts aber, ſo wird mein Zuſtand trefflich ins Gute veraͤndert, und ich komme aufdie -301der Verfuͤhrung der Jugend. dieſen Weg von Armuth zum Reichthum, vom Hunger zu einer vollen Tafel, vom Geſtanck zum lieblichen Balſam-Geruch, von der Thorheit zum Verſtand, von meinem kraͤncklichen Sterben zur Geſundheit, von meiner Ohnmacht zu groſſer Krafft, und von der Schmach zu groſſer Ehre. Einmal wagen gewinnt es hier: Wie mancher Bettler meldet ſich bey einer Thuͤr an, da er we - der Beruff noch Einladung hat; hier habe ich beydes, ſo daß ich weiß, daß ich werde willkomm und nicht unwerth ſeyn.

§. 8.

Je geringer indeſſen die Zahl der Auserwaͤhl - ten iſt, die den Beruff zur willigen Folgſamkeit an - nehmen: Je ſtaͤrckere Hoffnung haben ſie, deſto reichlicher beſchenckt und begnadiget zu werden. Die Hoffnung dieſes Beruffs iſt ſo wichtig, daß der Geiſt der Weisheit und der Offenbahrung es auf - heitern und verklaͤren muß; und wer erleuchtete Au - gen hat, der ſiehet, was ſonſt kein Aug geſehen, und hoͤret, was kein ander Ohr ſonſt hoͤren kan. O der Koͤnigliche Trompeten-Hall und die ruffen, de Stimme des Fuͤrſten ſchallet ihm Tag und Nacht in den Ohren, und dieſer Beruff des groſ - ſen GOttes zum himmliſchen Prieſterthum und Koͤnigreich, zur Heiligung und taͤglichen Ubung des Glaubens und der Liebe, zur Gedult in allem Lei - den, zur Sanfftmuth, Keuſchheit und Hertzens - Reinigkeit, zum unablaͤßigen Gebet, und Gleich - foͤrmigkeit mit dem Geſalbten GOttes, unſermJmma -302Cap. 5. Die fuͤnffte QuelleJmmanuel, und zum erfuͤllet werden mit aller GOt - tes Fuͤlle, ꝛc. kommet ihm allzukoſtbar, lieblich, ſe - lig und herrlich vor, als daß er ihn ſo leichtlich aus dem Gemuͤth verlieren ſollte. Wann ein groſſer Monarch einem Schweitzer zum General-Stab, oder ſein Vice-Koͤnig und Stadthalter in einem maͤchtigen Reich zu ſeyn, beruffen wuͤrde; ey wie wuͤrde dieſes ihm und ſeiner gantzen Verwandt - ſchafft das Hertz einnehmen; und man wuͤrde von wenig anders als von der Zuruͤſtung zu der Abrei - ſe reden hoͤren. Aber wie wenig freuet man ſich, des himmliſchen Beruffs!

Ein gewiſſer Herr gabe ſeinem Hof-Narren einen Ste - cken ſo lang aufzubehalten, bis er einen groͤſſern Narren finde, als er ſelber ſeye. Als er nun ſterben ſollte; fragte ihn der Hof-Narr, was er mache? und bekame zur Ant - wort: Jch muß von hinnen abfahren / in ein unbe - kanntes Land / wo ich zuvor noch niemahls geweſen. Da er aber dem Narren auf ſeine Frage: Ob er keine Bereitſchafft auch dazu gemacht habe? zur Antwort gabe: Gar keine: Gabe er dem Herrn den Stecken wie - der, und ſprach: Ein ſolcher Narr bin ich gleichwohl nicht / daß ich an einen Ort reiſen wollte / ohne vor - her auch zu wiſſen / wer mir Aufenthalt und Herberg verſchaffen werde.

§. 9.

3) Siehe wohl zu, daß deine Got - tesfurcht nicht Heucheley ſey, und du nicht GOtt dieneſt mit falſchem Hertzen; Sir. 1, 34. Laß dich alſo die Sitten eines ſolchen Volcks, das ſich im - mer mit den Lippen zu GOtt nahet, abermit303der Verfuͤhrung der Jugend. mit dem Hertzen ferne von ihme iſt, ja nicht einſchlaͤffern in der ernſtlichen Creutzigung des Fleiſches, ſamt den Luͤſten und Begier - den, in dem bruͤnſtigen Anhangen des Glau - bens an Chriſto, in der taͤglichen Erinne - rung des guten Vorſatzes, u. ſ w. Laß es nicht in dem Chriſtenthum nur aufs HErr, HErr ſagen, aufs aͤuſſere Kir - chen-Beicht-und Abendmahl-gehen ankom - men, ſondern wann du beteſt und ſingeſt, ſo thue es mit bruͤnſtiger Andacht, und je oͤffter du zur Kirche geheſt, je mehr ſuche in der Liebe GOttes und des Naͤchſten von Hertzen zu wachſen, damit dein Gottesdienſt kein Blendwerck, ſondern ein rechtſchaffen Weſen ſeye. Kauffe dazu die Zeit aus, nach Pauli Vermahnung, Evheſ. 5, 16. und wende ſie nicht, wie andere Verſchwen - der zur Kurtzweil, ſondern dazu an, daß du dich zur ſeligen Ewigkeit recht zuberei - ten moͤgeſt.

Haſt du, mein Kind! deinem Vater, Erloͤſer und Herrlichmacher von Hertzen lieb, und er goͤn - net dir die Ehre und den Seegen, daß er zu dir kommen, das Abendmahl mit dir halten und ſich an deiner Liebes-Vereinigung erquicken will, ſo wirſt du ihm ja nicht Huͤlſen und Schalen auftiſchen, und nur mit einem duͤrren, Safft-und Krafft-loſen Heuchel-Schein leerer Worten, und nur mit einemgetha -304Cap. 5. Die fuͤnffte Quelle. gethanen Geſetzes-Werck in der ungetoͤdteten Na - tur aoſpeiſen. Oder wann dein Fuͤrſt dir verſpro - chen haͤtte, er wolle dich einmahl auf eine Mahl - zeit beſuchen, wuͤrdeſt du nicht all das Beſte, ſo du im Vorrath haͤtteſt, auf ihn ſparen. Ey warum wollteſt du dann nicht alle deine Leibes-und See - len-Kraͤffte, deine geiſt-und leibliche Gaben, deine innerſte Hertzens-Neigungen und Begierden, und deine gantze koͤſtliche Lebens-Zeit auf die tieffe Ver - ehrung und Anbetung des getreueſten Heylandes anwenden, ihne zu erfreuen, und gantz fuͤr ihn auf - zuopffern, gleichwie er ſich auch gantz fuͤr dich aus - genuͤtzet, und das Jnnerſte ſeines Hertzens, ſein Waſſer und Blut, zum ewigen Schatz deiner Se - ligkeit ausgeſchuͤttet hat, auch noch immer, wann du mangelbar, hungrig und ausgezehret biſt, offene Tafel bey ihme findeſt: Welches wohl zu bemer - cken iſt, damit die Goͤttliche Liebe in dir entbrenne, und du Chriſto in allem den Vorzug laſſeſt, wie ſichs gebuͤhret.

Mein Kind! Was wuͤrden die Hof-Junckern dazu ſagen, wann du ihrem Fuͤrſten, der dir kuͤrtz - lich eine groſſe Herrſchafft geſchencket haͤtte, wuͤr - micht Obſt, faule, herbe Fruͤchte und ſaure Haͤr - linge aufſtellen wuͤrdeſt, da du doch etwas beſſers im Hauſe haͤtteſt? Und werden die Engel nicht das Angeſicht ruͤmpffen, wann du ihrem liebſten Koͤnig ein Hertz voll Wuͤrmer ſuͤndlicher Geluͤſten und Begierden bringeſt, und zwar nicht ſo faſt darum, daß er dieſe Wuͤrmer mit dem Saltz und Oel ſei - nes Geiſtes und Bluts toͤdte, als aber, daß er dich in deinem Unrath noch ſegnen, und deine ſtinckendeFaul -305der Verfuͤhrung der Jugend. Faulheit und traͤge, ſchlaͤfferige Gebeter gutheiſſe. Wilſt du, mein liebes Kind, ein rechter Diener oder Magd GOttes heiſſen; ſo muſt du dein unrein und zerſtreutes Hertz vor dem Artzt Jſraels ſo lange be - jammern und um ein reines geſammletes Hertz fle - hen, bis du von jenem los, und mit dieſem aus der Gnade JEſu beſeliget wirſt. Oder wie duͤrffteſt du einem groſſen Herrn etwas aufſtellen in einer garſtigen Schuͤſſel, Schaͤlgen oder Glas: Wann noch Groll, Neid, Geitz, Geilheit ꝛc. am Hertzen klebet?

§. 10.

4) Endlich ſtoſſe dich auch nicht dar - an / und werde deswegen nicht wanckel - muͤthig / wann du ſieheſt / daß es den Kin - dern dieſer Welt auf Erden gemeiniglich nach Wunſch ergehet / und dieſe alles voll - auf haben; hingegen diejenigen viel ge - aͤngſtiget und gedruͤckt werden / die un - ſtraͤflich leben, Pſal. 73, 13. 14. Aſſaph ſa - get, man ſolle auf das Ende der Gottlo - ſen mercken, v. 17. Sie ſuchen ihr Theil und Lohn in dieſer Welt / nach dem Tode verſincken ſie in ewige Schmach und Schande. Unſer Wandel aber iſt im Himmel / Philipp. 3, 20. und unſer taͤglich Wolleben iſt dieſes / daß wir mit Aſſaph von gantzem Hertzen ſagen koͤnnen: HErr! wann ich nur dich habe / ſo frage ich nichts nach Himmel und Erden / wannUmir306Cap. 5. Die ſuͤnffte Quellemir gleich Leib und Seel verſchmachtet / ſo biſt doch du / o GOtt / meines Hertzens Troſt und mein Theil. v. 25. und 26.

Sieheſt du demnach, mein liebes Kind! die Kinder dieſer Welt ſich in Dingen, ſo die finſtere, plumpe Erde darreicht, brav luſtig machen; ſo laſſe du dich nicht geluͤſten, daran Theil zu neh - men: Dann das Ende der Mahlzeit iſt ewiger Wermuth, und ein unaufhoͤrliches Grimmen und Nagen in Leib und Seele: Ach ja! die Uerten, ſo ſie dem Fuͤrſten der Welt fuͤr eine ſo ſchlechte und Seelen-ſchaͤdliche Mahlzeit bezahlen muͤſſen, wird ſo theuer ſeyn, daß ihnen daruͤber die Haare gen Berge ſtehen und ſie erkennen werden, daß ihnen tauſendmahl beſſer geweſen waͤre, wann ſie zur ſelbigen Zeit mit den Groͤnlaͤndern und Sa - mojeden geſpieſen baͤtten; als bey welchen ſie ein weit vergnuͤgter Leben gehabt haͤtten, und nun nicht an allem Schiffbruch leiden, in den Schlund des Abgrunds der Verzweiflung verſincken, und ewig ohne einige Luſt, Kurtzweil und Erquickung dar - ben muͤßten. Laß dich doch, mein Kind, nicht bethoͤren: Jn einem kleinen Augenblick kanſt du dein Heyl verſchertzen oder gewinnen. Habe dann Acht, harre ein wenig, es hat ſchon eilff Uhr geſchlagen, es iſt nahe kommen das Ende aller Dingen, und die Eß-Glocken, die dir zum Mittagmahl rufft, wird bald laͤuten. Dahin ſpare deinen Appetit, und bekuͤmmere dich um nichts, als wie du dann - zumahl fertig, und dein Hochzeit-Kleid herrlich ſeye. Es wird alles aus des Koͤnigs unerſchoͤpff - lichen Reichthum bereitet, und koſtet dich nichts:Es307der Verfuͤhrung der Jugend. Es iſt noch um eine kleine Weile zu thun; ſo kanſt du an der Tafel der Seligen ſitzen. Jndeſſen wirſt du bereits auf Erden von JESU an fei - nem Gnaden-Tiſch Goͤttlich bewirthet, Pſal. 23, 5. welches mehr, als alle Mahlzeiten der Groſſen dieſer Erden werth iſt.

Mein JEſu! Laß den Schluß mich faſſen,
Zu folgen dir auf deiner Bahn,
Mich ſelbſt, die Suͤnd und Welt zu haſſen,
Ja was mich nur ableiten kan:
So geh ich heilig fort
Bis an den heilgen Ort,
Wo man in vollem Licht und Schein
Dir ewig wird vereinigt ſeyn.
U 2Das308Cap. 6. Die ſechſte Quelle

Das 6. Capitel.

Jnhalt.

  • §. 1. Der Teuffel iſt uͤberhaupt ein ſehr ge - faͤhrlicher Verfuͤhrer der Jugend.
  • §. 2. Jn - ſonderheit gereichet er den Kindern zur Verfuͤh - rung 1) durch Blendung des Verſtands.
  • §. 3. 2 ) Durch Entzuͤndung boͤſer Affecten.
  • §. 4. 3 ) Durch Anleitung zu boͤſen Gewohnheiten.
  • §. 5. 4 ) Durch Bethoͤrung der Sinnen.
  • §. 6. 5 ) Durch Zeit - verderblichen Charten Spiel, Sabbath-Entheiligung, Muͤßiggang, u. ſ. w.
  • §. 7. 6 ) Durch Reitzung zur Traͤgheit im Gebet und Lobe GOttes.
  • §. 8. Drum werden unbefleckte oder bekehrte Kinder als rechte Wunder der Gnade angeprieſen;
  • §. 9. Aber auch die Erforderlichkeit dazu von Seiten ihrer Fuͤhrern,
  • §. 10. Theils auch von Seiten der Kindern, gezeiget;
  • §. 11. Mithin den Alten ihre Jugend-Zeit beſeuffzenden eine er - munternde Lehre gegeben;
  • §. 12. Und endlich ein Haupt-Mittel gegen alle ſataniſche Verfuͤhrun - gen mitgetheilet;
  • §. 13. Worauf die Moͤg - lichkeit ſich des Satans erwehren zu koͤnnen, vor - geſtellet, und theils auf den Sieg Chriſti fuͤr uns;
  • §. 14. Theils auf ſeine Uberwin - dungs-Krafft in uns und an uns gegruͤndet:
  • §. 15. Sodann die Kinder angewie - ſen werden, wie ſie ſolchen Falls ſich zu verhalten haben: I. Vor und auſſer der Verſu - chung; daß ſie nemlich 1) ſich vor geiſtlichenHoch -309der Verfuͤhrung der Jugend. Hochmuth und Frechheit huͤten;
  • §. 16. 2 ) Uber ihr Hertz wachen;
  • §. 17. 3 ) Uber anderer Suͤn - den ſich nicht freuen;
  • §. 18. 4 ) Alle Gelegenheit zu ſuͤndlichen Reitzungen ausweichen.
  • §. 19. II. Jn der Verſuchung / ſie ſollen a) in die Wun - den JEſu fliehen.
  • §. 20. b) Die erſte Bewe - gungen zur Suͤnde erſticken;
  • §. 21. c) Jm Ge - bet anhalten;
  • §. 22. d) Mit GOttes Wort ſich wehren.
  • §. 23. III. Nach der Ver - ſuchung / daß ſie 1) GOtt fuͤr ſeine Huͤlffe dancken;
  • §. 24. 2 ) Niemals ſicher werden;
  • §. 25. 3 ) Wo man vom Feind uͤberwaͤltiget wird, nicht liegen bleiben;
  • §. 26. 4 ) Endlich die Ver - heiſſungen fuͤr die Uberwindere fleißig leſen.

§. 1.

UNter die Verfuͤhrer der Kindern und jun - gen Leuten iſt auch zu zehlen: VI. Die alte Schlange / der Satanas mit ſeinen Engeln.

Dieſer bedienet ſich nicht nur der vor - hin ſchon angefuͤhrten vier aͤuſſern Werckzeuge / ſondern auch deiner inn - wendigen Erb-Luͤſten / deinem Ver - ſtand und Willen mit den ſchaͤndlichſten Eingebungen und Reitzungen anzufuͤl - len. Es erhellet ſolches aus den deutli - chen Zeugniſſen der Heiligen Schrifft / darinnen uns eine ſorgfaͤltige Wach - ſamkeit und ernſter Kampff gegen die liſtige Anlaͤuffe des Teuffels anbefohlenU 3wird310Cap. 6. Die ſechſte Quellewird / z. Ex. Epheſ. 6, 12. 16. 1 Petr. 5, 8. 9. darinnen der Satan / als der Seelen - Moͤrder / der die gantze Welt verfuͤhret / beſchrieben wird / z. Ex. Joh. 8, 44. Off. 12, 9. darinnen uns ſein Meiſter-Stuck der boshafftigen Verfuͤhrung / ſo er an den erſten Menſchen im Stande der Unſchuld abgelegt / zur Warnung er - zehlet wird / 1 B. Moſ. 3, 1. ſo auch / wie er Chriſto nachgeſtellet / Matth. 4. und ſeinen Juͤngern. Luc. 22, 31.

Du darffeſt alſo nicht dencken / lie - bes Kind! der Satan ſey tauſend mal von dir / es habe keine Noth. Er iſt derjenige / der inſonderheit ein geſchwor - ner Feind frommer Kinder iſt / weil er wohl weiß / daß Chriſtus ſolche Kinder ſehr lieb hat / Marc. 10, 16. der alſo alle deine Schritte zehlet / damit er die Zeit wohl treffe / wann er dich ins Netz der Suͤnde unvermerckt hinein ziehen kan. So viel es nun dem Teuffel leichter iſt / dich zu ſtuͤrtzen / als Adam und Eva / da ſich ohnedem ſchon in dir Erb-Rei - tzungen zu allem Boͤſen befinden / jene aber noch keine Erb-Luſt in ſich woh - nend hatten / und gleichwol vom Sa - tan geſtuͤrtzet wurden; ſo viel hoͤhere Ur - ſach haſt du / auf deiner Hur zu ſtehen. So viel es dieſem Tauſend-Kuͤnſtler leich - ter iſt / dich zu beruͤcken / da er ſchon ei - ne ſo lange Erfahrung hat in dieſemGe -311der Verfuͤhrung der Jugend. Geſchaͤffte / und aus der Verfuͤhrung ſo vieler tauſend Kinder laͤngſt diejeni - ge Vortheile gelernet hat / wie er dich am bequemſten um deine Seligkeit be - truͤgen koͤnne / um ſo viel groͤſſer iſt die Gefahr. So viel es dem Satan leich - ter / dein Hertz endlich zu gewinnen / je genauer er deine eigenthuͤmliche Schooß - Luſt erkennet und ausforſchet / ob du mehr zur Wolluſt / oder zur Ehrſucht von Natur geneigt biſt / ob du alſo williger in dieſer oder in einer andern Art der Verfuͤhrung ihm Gehoͤr geben wer - deſt / je mehr haſt du Urſach auf die Ruͤ - ſtungen dieſes Feindes acht zu haben / wohin ſie zielen.

§. 2.

Stuͤndlich iſt dieſer Seelen-Moͤrder auf deinem Fall bedacht / 1) bald durch Blendung des Verſtands / da er dir die Forderungen des Goͤttlichen Worts theils als unmoͤglich / theils als gar zu ſtren - ge und tyranniſch vorſtellet / da er dir die Suͤnde ſo lieblich und ſuͤß / die Liebe GOttes zwar unendlich groß / ſeine Ge - rechtigkeit aber ſehr gering und klein vormahlet / da er dir immer dieſes als die groͤſte Gluͤckſeligkeit anpreiſet / wann man ſeinem Eigenwillen folgt / ſeinen Trotz-Kopff aufſetzet / u. ſ. w. hingegenT 4dich312Cap. 6. Die ſechſte Quelledich abhaͤlt von der lebendigen Erkaͤnnt - niß JEſu Chriſti / von der aufmerckſa - men Anhoͤrung und Erlernung deſſen / was dir gut iſt / von dem fleißigen Le - ſen und Forſchen der Heiligen Schrifft und andern nuͤtzlichen Buͤchern / u. ſ. w. dir auch wohl gar zweiffelhafft machet / was man dir von guten Vermahnungen giebt / ob es auch GOTT ſo gemeynet habe / 1 Moſ. 3, 2. zu eben dieſem Ende bedienet er ſich auch der allgemeinen ſuͤndlichen Vorurtheilen der Kinder die - ſer Welt / z. Ex. du haſt / liebes Kind! ſchon von Natur eine ſtarcke Neigung zu boͤſen Gedancken / wann nun dazu kommt das gemeine Vorurtheil: Ge - dancken ſind Zoll-frey; ſo ſucht der Teuf - fel dardurch deine verderbte Natur zu privilegiren / den Verſtand damit zu blenden / daß du deinen ſuͤndlichen Ge - dancken die Herrſchafft laſſeſt. Und ſo macht er es auch mit den andern Vor - urtheilen / wann es z. Ex. heißt: GOtt nimmt es nicht ſo genau / wer unter den Woͤlffen iſt / muß mitheulen / ſonſt kan man nicht durch die Welt kommen / u. ſ. w. O liebes Kind! huͤte dich um dei - nes Heyls willen vor dergleichen greuli - chen Schlangea-Saamen des Teuffels / der ein Ertz-Luͤgner iſt: Es iſt alles Lug und Trug.

§. 3.313der Verfuͤhrung der Jugend.

§. 3.

2) Bald durch ſuͤndliche Entzuͤndung boͤſer Affecten / das iſt dem Teuffel ſehr angenehm / wann er bey dieſer oder je - ner Gelegenheit deinen Willen in Unord - nung bringen kan / daß du 3. Ex. zor - nig und eiferſuͤchtig werdeſt / in Wor - ten und Geberden dich feindſelig bewei - ſeſt / alsdann hat der Satan ſchon ge - wonnen Spiel. Dann bey den leicht - ſinnigen Kindern haͤlt es gar zu ſchwer / ehe ſie ſolche uͤbereilte Bosheits-Suͤnden von Hertzen erkennen / bereuen und ſich wieder durch Chriſtum davon reinigen / da faͤhret dann der Teuffel fort / ſie in mehr dergleichen Laſter zu ſtuͤrtzen / und haͤlt ſie deſto veſter in ſeinen Klauen.

§. 4.

3) Bald durch unvermerckte Anlei - tung zu gefaͤhrlichen Gewohnheits - Laſtern. Es iſt gar zu bald geſchehen / daß ein Kind zur eiteln Schwaͤtzhafftig - keit / zur wolluͤſtigen Leichtſinnig - und Unachtſamkeit / zum uͤppigen Schertzen / zur Verſpottung der Gebrechen des Naͤchſten / zum Narren-Stoltz / zum ſuͤndlichen Fuͤrwitz und unnuͤtzer Ausfor - ſchung ihm ſchaͤdlicher Sachen / u. d. m. ſich angewoͤhner / dazu derU 5Teuf -314Cap. 6. Die ſechſte QuelleTeuffel allen moͤglichen Vorſchub thut / weil er auf ſolche Art einen Strick hat / an welchem er ſie feſt halten / und deſto leichter in ſeine Gewalt bekommen kan / wann ſie auch gleich zuweil noch aller - hand gute Ruͤhrungen und Vorſaͤtze in ſich haben. Geraͤth ein Kind erſt in ein Gewohnheits-Laſter / ſo iſt ihm ſehr ſchwer zu helffen.

§. 5.

4) Durch Anlockung und Bethoͤrung der aͤuſſern Sinnen / ſonderlich der Au - gen und Ohren. Wann er die Kinder dahin verleiten kan / daß ſie nur eine Zeitlang ſuͤndlichen Dingen mit Luſt zu - ſehen / oder einen Unterricht von dieſen und jenen ſchaͤndlichen Greueln zuweilen mit Luſt und aufmerckſam anhoͤren / alsdann gewinnet der Satan gar leicht das Hertz; Dann die aͤuſſere Sinnen ſind die Zugaͤnge zum Hertzen. Hat der Satan jene erſt gewonnen / ſo folgt dieſes von ſelbſt. Dann die mit Luſt ge - ſchene oder gehoͤrte Schelmen-Stuͤcke bleiben ſo leicht und ſo feſt im Hertzen be - hangen / daß das Kind ſelbſt hernach offt der Suͤnde nachdenckt / und Gelegenheit ſucht / dergleichen aus - zuuͤben.

§. 6.315der Verfuͤhrung der Jugend.

§. 6.

5) Durch Veranlaſſung zum liederli - chen und Zeit-verderblichen Charten - Spiel / zur thoͤrichten Gewinnſucht und Geld-Begierde / daß man auch wohl bey Gelegenheit ſeinen Eltern oder Freunden heimlich etwas entwendet / zur leichtſinnigen Entheiligung des Sonn - tags / daß man ſelbigen groͤſtentheils zum Schmuͤcken und Putzen / oder aller - hand laͤppiſchen Spielen anwendet / hin - ter der Kirche weggehet / wenig oder gar nicht zu Hauſe in GOttes Wort lie - ſet / und ſein Hertz nicht dem HERRN JESU heiliglich aufopffert / zur uͤber - maͤßigen Liebes-Pflege / daß man von niedlichen Speiſen und annehmlichen Ge - traͤncken zuviel zu ſich nimmt / und ſich dadurch zum nuͤchternen und eiferigen Dienſt GOttes im Glauben und guten Wercken untuͤchtig macht / zum ſchaͤnd - lichen Muͤßig gang / daß man ſeine Be - ruffs-Geſchaͤffte nicht nach Vermoͤgen treulich und fleißig abwartet / nur nach dem Fleiſch gute Tage in der Welt ſucht / welches letzte ſonderlich dem Teuffel eine ſehr erwuͤnſchte Gelegenheit iſt / die fleiſchliche Luͤſte in der Seele zu erregen / daß man dadurch gefangen und betro - gen wird.

§. 7.316Cap. 6. Die ſechſte Quelle

§. 7.

6) Durch Reitzung zur Traͤgheit im Gebet. Viel tauſend Kinder waͤren ſo ungluͤcklich nicht worden in dieſer und je - ner Welt / wann ſie dem Teuffel nicht haͤtten zugelaſſen / eine Unluſt zum Ge - bet zu erwecken / und zu unterhalten. So offt du dich / liebes Kind! mit einer boͤſen Unart uͤbereileſt / und dich an GOTT / oder an deinen Eltern und Naͤchſten verſuͤndigeſt / ſo offt wirſt du befinden / daß es daher kommen / weil du im Gebet entweder biſt ſchlaͤferig ge - weſen / oder ſelbiges gar unterlaſſen haſt. Daher ſo bald dir das Gebet ver - drießlich und ſauer wird / und du das Aufſchwingen deines Hertzens zu GOtt als eine ſchwere Laſt anſieheſt / ſobald biſt du auf derjenigen gefaͤhrlichen Stuf - fen / von welcher dich der Teuffel gar leicht in das ſchrecklichſte Verderben ſtuͤrtzen kan. Es geſchehe nun auf eine grobe oder ſubtile Art / das iſt dem Teuffel einerley. O huͤte dich inſonder - heit / wann der Teuffel auf ſubtile und der Vernunfft offt ſehr ſcheinbare und glaͤntzende Art dir etwas Gutes verleiden will / und dir 3. Ex. das wahre Hertzens - Gebet dadurch zuwider zu machen denckt / weil es der Welt ſo verhaßt iſt. O traue dem Teuffel nimmer / er mag ſich ver -ſtellen317der Verfuͤhrung der Jugend. ſtellen wie er will / er hat in allen Stuͤ - cken und unablaͤßig nichts / als dein ewig Ungluͤck / zum Zweck. Eben ſo gefahrlich iſt auch die Traͤgheit zum Danckſagen und Lobe GOttes / wann wir bey den uͤberſchwencklichen Gaben und Wohlthaten / die wir taͤglich und ſtuͤndlich von GOTT empfangen / mit der Zeit unempfindlich werden / die Traͤg - heit in der taͤglichen Ermunterung des Geiſtes zum neuen Anſatz in dem Lauff nach dem vorgeſteckten Kleinod / zur fleißigen Darreichung der Fruͤchten des Glaubens / zum treuen Ausharren in der Creutzes-Nachfolge Chriſti bis in den Tod. Bey aller ſolcher Saumſelig - keit weiß der Satan dir ſehr liſtig einen Vortheil abzugewinnen zu deinem Ver - derben / wann du nicht bald wieder dein Hertz ſammelſt zur geiſtlichen Wacker - heit.

§. 8.

Siehe, ſo geſchaͤfftig beweiſet ſich die - ſer bruͤllende Loͤwe / durch mancherley Netze dich zu beſtricken / zu erhaſchen und zu verſchlingen. Ja die Menge der boshafften Raͤncke und Nachſtellungen dieſes verſchmitzten Geiſtes iſt ſo groß / daß man ſie nicht alle uͤberſehen und zeh - len kan. Es wird aber / liebes Kind! die218Cap. 6. Die ſechſte Quelledie verborgenen Schliche dieſes Feindes dir der Heilige Geiſt gar bald aufdecken / wann du ihm und ſeiner Zucht und Re - gierung dein gantzes Hertz ohne falſch aufgeopffert haſt.

Was hier der ſeel. Herr Rambach meldet, iſt von ſolcher Wichtigkeit, daß meine ſchwache Feder nicht im Stande iſt, es ſattſam beſchreiben zu koͤnnen, und wann ich mich in dieſe hoch-theure Erinnerungen einlaſſen wollte, ſo wuͤrde es ein ge - gewaltiges Buch abgeben, da ſonſten ſchon wider meinen Vorſatz allzuweitlaͤufftig geworden bin, und mir recht wehe thut, daß nicht verkuͤrtzter mich faſſen kan. Nur dieſes muß ich ſagen, daß nach - dem in dieſer letzten Stunde viele Antichriſten in die Kirche eingedrungen, und der Drache ſeine Mord-Klauen allenthalben hingeſchlagen, kaum etwas ſo ſeltenes auf dem Erdboden anzutreffen ſeye, als ein Juͤngling oder Jungfrau / ſo dem Teuffel und der Suͤnde entflie - het / und an der Gottesforcht haͤlt. Es iſt freylich ſchon ein groſſes Wunder der Gnade / und ein Zeugniß, daß JEſus aufer - ſtanden, und den Satan unter ſeine Fuͤſſe getre - ten habe, daß nicht alle junge Leute in ihrer ſchoͤn - ſten Bluͤhte in das Suͤnden-Waſſer auf das tieff - ſte verſencket, und in das irrdiſche Weſen auf al - lerley Weiſe hinein gebracht, und weggeraffet wer - den. Noch groͤſſer aber iſt das Gnaden - Wunder, ſo die Blut-Krafft JEſu des Sohns GOt - tes ausuͤbet, daß er die ſuͤndhaffteſte und ungluͤckſelig - ſte Tropffen, welche Satanas auf ſeinem gifftigenGrund319der Verfuͤhrung der Jugend. Grund und Boden ſchon lange herum geſchleppet, und in die ſuͤndliche Luͤſte recht eingebeitzet hat, ſo daß man glauben ſolte, ob wuͤrde es denen Teuf - feln ſelbſt ab dergleichen ſcheußlich-zugerichteten und unflaͤtigen Seelen eckeln, daß JEſus, ſage ich, der allerheiligſte Erloͤſer ſie doch noch gerecht, hei - lig und ſelig machet, ja zuweilen gar in die Zahl ſeiner Erſtgebohrnen zur kuͤnfftigen Erſtaunung al - ler Voͤlckern erhoͤhet; eine Ehre, dargegen alle Erhoͤhungen vom Sau-Hirten-Stand auf koͤnig - liche Thronen fuͤr armſelige Nichtigkeiten zu ſchaͤ - tzen ſind. Doch hat derjenige noch von der groͤſ - ſeſten Gnade und von einem unſaͤglichen Segen zu ſingen, welcher ſich vom Satan niemals beruͤ - cken laſſen, mithin ſeine Jugend unbefleckt behal - ten; es iſt auch kein Zweiffel, daß nicht das Hoͤl - len-Heer Ehrfurcht vor einem ſolchen Gnaden - Kind, als einem Helden haben muͤſſe, der, ohn - geachtet der Feind an Liſt und Staͤrcke, an Ruͤ - ſtung und Kriegs-Erfahrenheit den Goliath weit, weit uͤberſtiegen, und unzehlich andere Knaben und Toͤchtern unter die Fuͤſſe getreten, und allen hoͤlli - ſchen Geiſtern zum Spott dargeleget hat, dan - noch in allen Stuͤrmen und Schlachten gewonnen und obgeſieget.

§. 9.

Solle aber ein Kind in dieſen Engel-maͤßigen Reyhen treten koͤnnen; ſo muß es

1) Nicht nur nichts Arges, ſondern auch, und im Gegentheil lauter gute / erweckliche und ſol -che320Cap. 6. Die ſechſte Quelleche Sachen hoͤren und ſehen, die im bruͤnſtigen Geiſt der Goͤttlichen Liebe ausgeſprochen werden. Geſchiehet es nur ſo geſetzlich, meiſterhafft und gebieteriſch, oder nur kaltſinnig, weil man Amts halben es thun muß, ſo empfangt das Kind da - von weder Krafft noch Luſt zum Goͤttlichen Wan - del, ſchlaͤgt im Gegentheil wohl offt im Verdruß hinten aus; vielmehr muß die himmliſche Lehre der koſtbaren Seele des Kindes als eine Zucker-Milch aus den Liebes-Bruͤſten JEſu in zaͤrteſter Erbar - mung eingefloͤſſet werden, ſo wie es die Mutter Jſaacs, Jacobs, Moſis, Salomons, Joſiaͤ, Timothei u. ſ. w. gemachet hat. Es muß aber

2) Die gute Lehre auch durch taͤg - liche Ubung verdollmetſchet / und gleich als auf einem Kupffer-Blatt abgeſchildert werden, wann denen einfaͤltigen Hertzlein nicht alles, was man zu ihnen redet, welſch vorkommen ſolle, ſo ſie nicht verſtehen; und wann ſie es lebendig vor ſich ſehen, wie es gemeynet ſeye, ſo gerathen ſie gar leicht auf die Gedancken, als ob es ſchon ge - nug waͤre, wann ſie nur die Woͤrter behalten. Will aber einer ein lebendiges Evangelium ſeyn, ſo muß er ſelber im Glauben voll Blut des Lam - mes, und mit dem Heiligen Geiſt erfuͤllet ſeyn; ſonſt ſind weder Worte noch Wercke hinlaͤnglich, um in denen Kindern eine ſo groſſe Herrlichkeit aus - zugebaͤhren.

3) Weil das Hertz der Jugend von Natur verſchloſſen iſt, ſo daß ſie nicht wiſſen, wie viel am Evangelio gelegen, wie boͤſe der Teuffel, wie gifftig die Suͤnde, welche ſich im gantzen Menſchenvon321der Verfuͤhrung der Jugend. von innen und auſſen ausbreitet, wie ſuͤſſe der Heyland, und wie ſelig ein gutes Gewiſſen, und ein von Suͤnden gereinigtes Hertz ſeye, wann der - jenige nicht aufthut, der die Schluͤſſel der Hoͤllen und des Todes / Offenb. Joh. 1, 18. Ap. Geſch. 16, 26. und die Schluͤſſel Davids hat. Offenb. Joh. 3, 7. ſo muß dem / der mit Kindern umgehet / dieſer Gnaden - Schluͤſſel eingehaͤndiget werden; wie der ſelige Caſpar Schade einen ſolchen Schluͤſſel hatte, und darum Fremde die Stadt Berlin um des unerhoͤrten Segens willen, der ſich an der lie - ben Jugend zeigete, ſelig geprieſen. Dann wann dieſer GOttes-Mann in der Unterweiſung jun - ger Leuten beſchaͤfftiget ware; ſo giengen nicht blos leere Worte aus ſeinem Munde, ſondern es floſſe zugleich Myrten-Oel und Honig aus dem Felſen des Heyls in die zarte Hertzen der Kinder. Und ach! wo dieſes geheime Werck des Heiligen Geiſtes nicht dabey iſt, ſo muß man ſich nicht ver - wundern, warum die Zuſpruͤche ſo wenig an - ſchlagen.

§. 10.

Es muß indeſſen auch das Kind ſelbe gantz beſonders unter der genauen Zucht der himm - liſchen Weisheit ſtehen, wann es z. Ex. uͤber jeden unnuͤtzen Gedancken beſtrafft, zu keinen, als guten und heiligen Gewohnheit gebracht, von allen hefftigen Begierden nach etwas, das den Kindern gemeiniglich angemeſſen iſt, zuruͤck gehalten wer -Xden,322Cap. 6. Die ſechſte Quelleden, anbey des Gebets und Lobs GOttes niema - len vergeſſen, auch bey der Erlernung allerley Kuͤnſten und Wiſſenſchafften die Betrachtung der Heiligen Schrifft nicht aus der Acht laſſen, mit - hin in keine Sache, wodurch die Luſt am Wort JEſu erkrancken und Schaden leiden moͤchte, all - zuſtarck hinein fallen, und ſonſten dem Teuffel in kein Netz einſitzen ſolle. Neben dem, daß das Ge - heimniß der Gottſeligkeit nicht minder, als das Geheimniß der Bosheit, und die Tieffen des Sa - tans ein erleuchtet Aug und wachſames Hertz er - fordern, in ſo fern man nicht am ungefaͤlſchten Licht, an der innigen Liebe und Wohlgefallen des Vaters, an der Heiligung und am Himmelreich Abbruch erfahren will.

§. 11.

Bey dieſem Anlaß aber muß ich auch noch etwas denen Alten ſagen: Sitzeſt du, Alter, in Suͤnden gefangener an den Waſſer-Fluͤſſen Ba - bylons, und weineſt bitterlich, daß dir in deinen Kinder - und Jugend-Jahren nichts dergleichen zu deinem Heyl angezeiget, und deswegen ſo viele in - nerliche Gnaden-Zuͤge, durch die Betriegereyen und Verfuͤhrungen der Schlange verwahrloſet worden, ſo erkenne dieſes als einen der gefaͤhrlich - ſten Raͤncken des Teuffels, der dir dein ehmaliges Jugend-Leben unter die Naſen zu reiben ſuchet, und es tauſendmal wiederholet, nur deine Seele zu quaͤlen, und wider die allerheiligſte Vorſehung auf - ruͤhriſch, einfolglich von dem guten GOtt abwen -dig323der Verfuͤhrung der Jugend. dig zu machen: Laß dich darum ja nicht verſtri - cken, damit du nicht, indem du dem Vergangenen nachſinneſt, dich im Gegenwaͤrtigen noch weit ſchlimmer auffuͤhreſt. Dann dis iſt des Ertz-Ver - fuͤhrers verfluchter Tuck, daß er immer die ge - genwaͤrtige Zeit, Gelegenheit und Gnade wegzu - ſtehlen trachtet, als welches er bis ins hoͤchſte Al - ter treibet, und dadurch nur allzugewonnen Spiel krieget. Halte dich demnach nicht laͤnger mit dem auf, was vorbey, und nicht mehr zu verbeſſern iſt, ſondern brauche die noch heute dir angebotene Gnade deſto ſorgfaͤltiger zu deiner Seelen Erret - tung, und ziehe jede Viertel-Stunde Heyls-begie - rig zu Ehren. Jſt die Suͤnde durch ſo lange Ge - wohnheit in dir eingeroſtet, ſo daß du immer vergebens dich bemuͤheſt, das Schloß deiner Ge - faͤngniß umzudrehen und zu eroͤffnen, mithin kein Auskommen aus demſelben vor dir ſehen kanſt, ſo bitte um etliche Tropffen vom Oel der Heilig - keit / Pſ. 89, 21. welches JEſus auch fuͤr dich ohne Maaß empfangen; das wird dann dein Hertz und Willen ſchon gelenckſam machen, daß das jaͤmmerlich-verſaͤumte aus dem Uberfluß ſeiner Wunden wieder eingebracht und erſetzt werden mag. Laſſe aber auch alsdann deinen Eifer deſto feuriger werden, an vielen jungen Gemuͤthern da - hin zu arbeiten, daß ſie die Stelle deiner unſelig - verlohrnen Jugend vertreten, und ins Werck ſetzen moͤgen, was du anjetzo wuͤnſcheſt, in vorigen jun - gen Jahren gethan zu haben.

X 2§. 12.324Cap. 6. Die ſechſte Quelle.

§. 12.

Nun komme ich wieder zu denen Kindern und jungen Leuten, und ſage ihnen, daß die Auf - opfferung des gantzen Hertzens an die Zucht des Heiligen Geiſtes das Haupt - Mittel ſeye, allen Nachſtellungen des Teuffels zu entrinnen. Wie wilſt du aber, liebes Kind, dir in dieſer Sache wohl rathen, wann du 1) den Heiligen Geiſt noch nicht vom Vater zum Geleits - mann, und zur Wolcken - und Feuer-Saͤule durch die gefaͤhrliche Wuͤſte dieſes Lebens ausgebe - ten und empfangen haſt? Wann du 2) das geiſtliche Aug und Ohr noch nicht haſt, ihne zu kennen und zu hoͤren, was der Geiſt den Gemein - den ſagt: Wann du 3) nicht eigentlich weiſt, was dieſe Aufopfferung ſeye, und worinnen ſie auch beſtehe? Wann 4) dein Hertz dermaſſen zer - ſtreut und fladderhafftig iſt, daß du es mit keinem Lieb faſſen, und in GOttes Gegenwart ſtellen kanſt, zur Bewuͤrckung des Heiligen Geiſtes. O mein liebes Kind! du muſt von GOtt ſelbſt gelehrt ſeyn, Joh. 6, 45. und dich, wie ein klei - ner Lehrling ſeinem Meiſter und Anfuͤhrer, deinem JEſu uͤberantworten, nach ſeinem Befehl und Zu - ſag, daß er dir den Vater offenbahren wolle, und du von ihme Hertzens-Demuth und Geiſtes-Sanfft - muth lernen koͤnneſt, Matth. 11, 27-29. Klage es ihme kindlich, du ſeyeſt jung und unverſtaͤndig, und gar leicht zu verfuͤhren, du verſteheſt weder himmliſche noch irrdiſche Dinge, und wiſſeſt keinen Weg, und ſeyeſt gleichwol in dieſer Welt zwiſchenHimmel325der Verfuͤhrung der Jugend. Himmel und Hoͤlle geſetzet; winsle demnach zu demſelben: HERR JESU! erbarme dich meiner! Hoſianna! ſchaffe Heyl mir armen Kind! Laß doch das Blut eines tummen, Huͤlff-loſen Schaͤfleins, das Blut meiner Seelen theuer ge - achtet ſeye! Jch ſiehe ſo viele Kinder neben mir in denen Tatzen des Baͤren der Suͤnd, und im Rachen des Loͤwen des Welt-Geiſtes, die es noch fuͤr eine Wolluſt achten, und ſich vor dem Tage der Zerreiſſung nicht einen Augenblick foͤrchten; die indeſſen witziger, artiger und ge - lehrſamer ſind, als ich, da mir dann die Haut ſchauert, wann ich dencke, daß ich natuͤrlicher Weiſe eher als jene, verlohren gehen ſolte; doch ſo lang ſie dich und den Heiligen Geiſt nicht zum Fuͤhrer haben wollen, ſo tantzen ſie mit den un - guten Geiſtern am Rande der Hoͤllen herum. Ach Heyland aller Welt! erleuchte ſie, und giebe auch mir lebendig zu erkennen, welch eine ſchwere Suͤnde ich begienge, wann ich, nachdem mir die loſe Haͤndel der hoͤlliſchen Boͤſewichter durch deine unverdiente Gnade aufgedecket worden, doch noch mitmachen wuͤrde, weil doch derjenige noch eher zu entſchuldigen waͤre, wann er in eine Grube fallen ſollte, welcher in der finſtern Nacht wandelt, oder blind iſt, als der da ſiehet und das Sonnen-Licht hat. Laß mich darum, HErr JEſu! nicht irre gehen von deinen Befehlen, und leite mich bis ans Ende; dann ſonſten gien - ge all dein unzaͤhliches Gute, ſo deine Barmher - tzigkeit an mich gewendet hat, mit mir ver - lohren.

X 3§. 13.326Cap. 6. Die ſechſte Quelle

§. 13.

Ey / ſprichſt du: Werde ich dann auch wohl wider die Anfaͤlle eines ſolchen heff - tigen Widerſaͤchers / und wider die Ver - fuͤhrer ſeiner gifftigen Schlangen-Brut beſtehen koͤnnen?

Entſetze dich nicht / liebes Kind! faſſe nur einen guten Muth zu Chriſto. Es fuͤhrt uns freylich die Heilige Schrifft ſelbſt offt zu Gemuͤthe / daß der Teuffel ein ſehr maͤchtiger und grimmiger Feind ſeye / ſie verſichert uns aber auch / daß Chriſtus ihn

I. Fuͤr uns uͤberwunden / da er aus - gezogen die Fuͤrſtenthuͤmer und die Ge - waltigen / und ſie Schau getragen oͤf - fentlich / und einen Triumph aus ihnen gemacht durch ſich ſelbſt. Phil. 2, 15.

Wann du aber, liebes Kind! ſchon weiſt, daß Satan beſtritten und uͤberwunden iſt, ſo biſt du gleichwol noch ſcheu, denſelben aufs aͤuſſerſte anzugreiffen, weilen allerley unglimpffliche Beur - theilungen uͤber deines gleichen abgeſagte Feinde al - ler teuffliſchen Eigenſchafften ergehen, ſie ſchelb an - geſehen, und fuͤr ſchaͤdliche und gefaͤhrliche Leute gehalten werden. Es gehet dir alſo, wie dem Je - ther / zu welchem ſein Vater, Gideon geſpro - chen: Stehe auf und erwuͤrge dieſe groſſe anſehnliche, nun aber nicht mehr ſo foͤrchterliche Koͤnige des feindſeligen Heers, er aber ſein Schwerdt nicht ausgezogen / weil erſich327der Verfuͤhrung der Jugend. ſich furchte / da er noch ein Knabe wa - re. Richt. 8, 20. Nun konnte zwar dieſer Held und Heyland Jſraels ſeinem erſtgebohrnen Sohn wohl ſolch einen Ruhm-bringenden Befehl, aber nicht die behertzte Geſchicklichkeit darzu geben. Wann aber der unuͤberwindliche Sieges-Held JEſus Chriſtus ſeine Luſt-Spiele in den Seelen eines Knabens oder Maͤgdleins haben will, ſo ſe - tzet er ſie zwar dem groſſen Drachen und ſeinem gantzen Hoͤllen-Heer entgegen, aber er ruͤſtet ſie auch mit allen Waffen des Lichts, mit fuͤnff glat - ten Steinen aus den fuͤnff Liebes-Stroͤmen ſeiner Wunden, mit der Schleuder des Gebets, mit dem Stab der Zeugniſſen vom Heiligen Geiſt, be - hoͤrig aus, und ſalbet ſie mit Troſt, Krafft, Licht und Leben, als mit dem Oel ſeines Geiſtes, wel - ches alles von den Kindern auf den Knien erlan - get wird. Jſt dann der Sieg auf den Knien mit Seuffzen und Thraͤnen erfochten, ſo gehet es gut, und weicheſt du nicht ab dem Platz, bis die zwey rauchende Loͤſch-Braͤnde, Suͤnd und Teuffel den Kuͤrtzern gezogen, ſo hat das himmliſche Heer eine jauchtzende Freude, und die Seyten-Spiele der Ewigkeit erſchallet daruͤber. Ja wann die Thron - Fuͤrſten der obern Welt ſehen, daß ein Kind ihren hochmuͤthigen Mord-Feind in die Flucht jaget, ſo muͤſſen ſie heiliglich lachen, und ſeiner Macht und Liſt fein ſaͤuberlich ſpotten, daß ein ſchwaches Kind einen ſo maͤchtigen Potentaten, einen ſolch fuͤrch - terlichen Goliath, vor Himmel und Erden, vor geneigten und ungeneigten Zuſchauern zu Schanden gemachet haben ſolle. HallelujahX 4jauchtzet328Cap. 6. Die ſechſte Quellejauchtzet ihr Himmel, und die darinnen wohnen.

§. 14.

II. Verſichert uns auch die Heil. Schrifft / daß Chriſtus auch in uns und an uns alle Verſuchungen und feu - rige Pfeile des Boͤſewichts zu Schan - den machen wolle taͤglich / und ihne un - ter unter unſere Fuͤſſe treten / Roͤm. 16, 20. Epheſ. 6, 16. Dann dazu iſt Chriſtus erſchie - nen / daß er die Wercke des Teuffels zer - ſtoͤre / Joh. 3, 8. ſo daß er hinfort mit aller ſeiner Macht uns nichts anhaben kan. Ein Woͤrtlein kan ihn faͤllen.

Mein Hertzens-Kind! mercke es wohl! nach - dem JEſus einen voͤlligen Sieg uͤber deine unuͤber - windliche Feinde mit Lieben, Leyden und Bluten, mit ſtarckem Geſchrey und Thraͤnen erfochten, ſo daß er ſie entwaffnet, gefeſſelt, und in ewigen Ket - ten gefangen geleget, ſo waͤre es ihme ein leichtes, ſie gar zu zertruͤmmern und den gaͤntzlichen Garaus aus ihnen zu machen, er wird es auch ohne dich thun, ſo wie ſeine freye Gnade das erſte gethan hat ohne dich, und ſie gewaltig entkrafftet; ſeine Liebe aber iſt ſo groß gegen dich, ſein theurſtes Kind, daß er ſeine Freude und Herrlichkeit gern mit dir theilen moͤchte; er fuͤhret dich deswegen zu dieſen gezwungenen und gebundenen Feinden, denen er nicht mehr Gewalt und Staͤrcke uͤbrig gelaſſen, als ers fuͤr dich heylſam geachtet, dich zu uͤben,und329der Verfuͤhrung der Jugend. und hernach mit Cronen und Palmen zu beehren. Ja er bereitet ſich in dieſen letzten Zeiten ſein hertz - innig-geliebte Philadelphiſche Gemeinde zum Pfeiler, Offenb. 3, 13. ſo daß ihnen der Teuffel nicht ſo zu Leibe gehen kan, wie andern unſeligen Juͤnglingen, von welchen in der Paradieſiſche Aloe / und andern feinen Buͤchern zu leſen ſtehet.

Es muß alſo in jedem Weisheits-Schuͤler ſich ein Vorſpiel des Streits zwiſchen Michael und dem Drachen zeigen. Offenb. 12, 8. Es hat dich auch, liebſtes Kind! dein Feld-HErr ſchon in der heiligen Tauffe angeworben; wehre dich dar - um nicht wie Jether / deſſen Ausflucht ihme zu keinem Ruhm aufgeſchrieben ſtehet. Wann du auch gleich keine Luſt haͤtteſt ins Feld zu ziehen, und kein Verlangen fuͤhlteſt, einen Thron zu beſteigen, und ein Koͤnig zu werden, ſo ſollte dich doch die liebwuͤrdigſte Weisheit und Leutſeligkeit, und die unendliche Krafft und Staͤrcke dieſes majeſtaͤtiſchen Koͤnigs darzu anlocken, und ſeine unerſaͤttliche Be - gierde, in dir und durch dich Goͤttliche Helden - Thaten zu verrichten, und alles mit dir zu theilen, einen heiligen Trieb zum Streit in deiner Seele er - wecken. Goͤnne dann deinem Heyland dieſe Freu - de, daß er an dem ſtoltzen Satan durch ein ſchwa - ches Kind Ehre einlege. Pſ. 8, 3. JEſus hat wohl ſtarcke, engliſche Helden, die er wieder das Hoͤllen - Heer ins Feld ſtellen, mithin Macht gegen Macht ſetzen konnte; es will aber der HErr die grimmige ſtoltze Geiſter des Abgrunds trotzen und ſo beſchimpf - fen, daß ſie vor Zorn berſten moͤchten, wann ſie ſehen, wie die Taͤublein Chriſti die Geyer undX 5Sper -330Cap. 6. Die ſechſte QuelleSperber und ſtaͤrckſte Raub-Voͤgel in die Flucht jagen, und die hungerige Woͤlffe, Baͤren und Loͤ - wen vor denen Laͤmmergen fliehen muͤſſen. Oder waͤre es nicht ewig ſchade, wann du deinem Hey - land untreu wurdeſt, und ſeine Freude verſaltzeteſt, die er ſonſten wurde gehabt haben, wann er ſich in dir, und dich in ihme haͤtte verklaͤren, und mit Craͤntzen und Palmen-Zweigen dein Haupt ſchmuͤ - cken koͤnnen? Stuͤrmen darum die Exempel und verfuͤhriſche Luͤſte der Jugend auf dich zu, ſo daß du meyneſt, du muͤſſeſt dich mit hinreiſſen laſſen, ſo ergreiffe deinen Koͤnig JEſum, ſo gut du kanſt, und wiſſe, daß du durch ſothanes Faſſen und nicht Laſſen den Sieg am leichteſten und nachdruͤcklich - ſten erhalten werdeſt, Pſ. 68, 2-4. Dann der Streit iſt des HErrn / 2 B. Moſ. 14. Je - dannoch hat dich JEſus ſo lieb, daß er dirs zu - ſchreibet, was doch er ſelber gethan, nur darum, weil du es von ihme erbettelt haſt. Ja wann eine graͤuliche Verſuchung, Fleiſches-Luſt, Ehrſucht, der Zanck-Geiſt ꝛc. gegen einen jungen Knaben oder Tochter, als ein hoͤlliſcher Scorpion, (der ſo groß als ein Huͤner-Ey, wie ſie in Morgenland ſind, von weiſſer Farb, das iſt ſcheinbar und ver - ſtellt, daß man es nicht fuͤr ſchaͤdlich anſehen ſollte, aber mit durchdringendem und ſolchem Gifft verſe - hen, daß bey den meiſten jungen Leuten alle heilige Ruͤhrungen verſchlungen und getoͤdtet werden,) her - ein kriechet, und der Knab nimmet, mit Zuwen - dung zu JESU, aus ſeinem durchloͤcherten Fuß Krafft, Blut, Leben, Liebe, Heyl und Freudig - keit; ſo ſteckt JEſus gleichſam ſeinen Fuß in desKna -331der Verfuͤhrung der Jugend. Knaben (der Tochter) Fuß hinein als in einen Stie - fel, (ich verſtehe die ſiegreiche Krafft der allerheilig - ſten Menſchheit des Schlangen-Treters,) und der Knab (die Tochter) kan alsdann den Scorpion und die Schlange mit keckem Muth zertreten, Luc. 10, 19. Pſalm 91, 13. wodurch dann die Liebe JEſu zu noch herrlichern Ausbruͤchen gereitzet, und ein neuer Jubel-Schall in den himmliſchen Choͤ - ren verurſachet wird. O wann doch junge Leute wuͤßten, was der Kampff in JESU Krafft mit Suͤnde, Welt und Teuffel fuͤr unſaͤgliche Seg - nungen aus den Pallaͤſten Jeruſalems auf ſie her - ab zoͤge; wie wuͤrden ſie die Tummheit ihrer Ju - gend mit heiſſen Blut-Thraͤnen beweinen, und ſich im HErrn ſogleich ermahnen, dem allgemei - nen GOttes - und Menſchen-Feind eine Schlacht nach der andern zu liefern und zu gewinnen? Oder ihr junge Hertzen! iſt dann das Kleinod und die Crone der Herrlichkeit nicht werth, daß ihr die Suͤnde und euch ſelber verlaͤugnet, das Creutz auf euch nehmet und JEſu nachfolget? Dencket, wel - che Hertz-ſtaͤrckende Suͤßigkeit den Uberwindern noch in waͤhrenden Kriegs-Laͤuffen einflieſſen, und wie der HErr gar offt ein neu Lied in ihren Mund giebet. Pſ. 40, 4. 18, 30-41. 74, 14. 68, 5. 118, 15.

§. 15.

Wie habe ich aber / fragſt du / auf meiner Seite mich zu verhalten / daß ich nicht ſelbſt durch meine eigene Schulddie -332Cap. 6. Die ſechſte Quelledieſen Raub-Vogel in die Klauen ge - rathe?

Damit du hievon deſto deutlicher unterrichtet werdeſt, ſo mercke folgende Regeln:

I. Vor und auſſer der Verſuchung, wann du mit den Reitzungen der Schlan - ge verſchonet wirſt / da iſt hoͤchſt - noͤthig:

1) Daß du dich vor geiſtlichem Hoch - muth und aller Frechheit huͤteſt. Dann ſonſt reitzet man den lieben GOtt / ſata - niſche Verſuchungen uͤber uns zu ver - haͤngen / damit wir unſere Schwaͤche kennen lernen / und nicht gar zu keck ſeyen.

Hochmuth kommt vor dem Fall. Selbſt - Gefaͤlligkeit und Spieglung in ſchoͤnen Gaben und herrlichen Gnaden hat die groͤſte Heilige geſtuͤrtzet. Es mag dieſes auch wohl der erſte Pfeil geweſen ſeyn, welche Beelzebub aus ſeinem hochmuͤthigen Feuer-Grund wider unſere erſte Eltern abge - ſchoſſen, und ſie im innigſten Anhangen an GOtt, der Urquelle ihrer Weisheit und Heiligkeit wan - ckend gemachet. Noah mag nicht in demuͤthig - ſter Anbetung der lauterſten Barmhertzigkeit GOt - tes gegen ihn verſuncken geblieben ſeyn. Loth hat vielleicht auch nicht der freyen Gnade GOttes den Ruhm ſeiner Rettung pur und rein uͤberlaſſen. Gideon / Simſon / David / Salomon / Hiskias / Joſias haben ſich in ihren Pfauen - Federn geſpiegelt, und ſind gefallen. Der Pro - phet, der von Juda gen Beth El kommen, 1 Koͤn. 13.333der Verfuͤhrung der Jugend. 13. hat ſich muthmaßlich unter dem Eich-Baum mit eigenwilligen Gedancken geweidet, und iſt in des Verfuͤhrers Stricke gerathen.

Kind! laſſe dich der Leuten Ruhm nicht ver - gifften, fuͤrchte vielmehr die verborgene Gerichte GOttes, und laſſe dir die Hochmuths-Fluͤgel von der Sonnen-Hitze des Richter-Stuhls Chriſti ab - ſchmeltzen. Ach wann es einem Menſchen nach dem aͤuſſern und innern gar zu wohl iſt, ſo wird er etwa ſchertzhafft und muthwillig, beharret nicht in der Demuth, im Wachen und Beten, und ſtellet leichtlich etwas an, daß ihm hernach mehr Gram und Kummer verurſachet, als er zuvor Freude gehabt, nach dem Spruͤchwort: Wann der Geiß zu wohl iſt / ſo ſcharret ſie / bis ſie ein Bein bricht. Mache du darum nichts zum Goͤtzen, es mag Adel, oder Schoͤnheit, oder Reichthum, oder Gelehrſamkeit, oder Kunſt oder Gunſt ſeyn; fuͤrnemlich huͤte dich, geiſtliche Ga - ben mit Abgoͤtterey zu verunreinigen, damit nicht der Donner des Fluchs dich beruͤhre; weil doch alle Goͤtzen verflucht ſind, ſamt allen, ſo ihnen die - nen; wie ſie es in dieſer oder in jener Welt erfah - ren muͤſſen. Wehe den Stoltzen! 1 Petr. 5, 5. Pſalm 75, 5-9.

§. 16.

2) Daß du fein wachſam bliebeſt uͤber dein Hertz / dann ſonſt muß GOtt eine Verſuchung dir auf den Hals ſchi - cken / welche dich wieder aus dem Schlum - mer aufwecken kan.

O334Cap. 6. Die ſechſte Quelle

O ja, mein liebes Kind! wann dir nun ein unbeflecktes Leben, und darum zu thun iſt, daß du aus deinem Hertzens-Garten dem Heyland einen wohlriechenden und herrlichen Crantz flechten moͤchteſt, ſo muſt du vor allem, was von auſſen ins Hertz hinein kommen kan zu verderben, ſorg - faͤltig die Thuͤr verſchlieſſen, mithin auch fleißig acht haben, was fuͤr Unkraut von innen hervor ſchieſſen wolle. Petrus geriethe in einen Schlum - mer, und wurde nachlaͤßig im Gebet, aber er fiele daruͤber in des Teuffels Sieb, und ſtuͤrtzete gar erbaͤrmlich, und es koſtete ihn auch beſonders ein - bruͤnſtige, wehemuͤthige und Himmel-andringen - de Gebeter und Thraͤnen, bis der Heyland ſein Hertz wieder getroͤſtet hatte. Ach der heiſſeſte Ernſt kan ſich allmaͤhlich, und ohne daß mans mercket, in Lauigkeit und Heucheley verwandeln. Dis ſie - het der HErr nicht gern, und wann er dich in ſei - nem Weinberg muͤßig antrifft, wird er dich mit ſeinem Donner ſchrecken, und ſchon Mittel finden, dir die Schlaͤfrigkeit aus den Augen zu reiben; ge - ſchiehet dieſes nicht, ſo doͤrffteſt du wohl, wie ſchon vielen andern begegnet iſt, unſinnig werden, dich von allem Ernſt und Zucht losreiſſen, und in ewi - ges Ungluͤck ſtuͤrtzen, welches gemeiniglich bey ge - ringſt-ſcheinenden Dingen ſeinen Anfang nimmet.

§. 17.

3) Daß du dich ja nicht uͤber ande - rer Leute Suͤnden und Fehl-Tritte ki - tzelſt / ſonſt kan dich die Goͤttliche Gerech -tigkeit335der Verfuͤhrung der Jugend. tigkeit in eben ſo gefaͤhrliche Verſu - chungen fallen laſſen.

Ach ja, mein Kind! wann du uͤber des Naͤch - ſten Suͤnde dich nicht betruͤbeſt, ja nicht von Her - tzen daruͤber erſchrickeſt, ſo iſts ein trauriges Zei - chen, du habeſt keine chriſtliche Ader, und keinen Funcken Liebe zu deinem Naͤchſten in dir; in wel - chem Zuſtand du gar zu nahe bey der Hoͤlle waͤreſt, und dich vor dem Koͤnig der Liebe, der uͤber Je - ruſalem weinete, nichts ſo Verdammniß-wuͤrdig machte, als dieſe deine Schaden-frohe Liebloſig - keit. Oder ſieheſt du gern, daß die Leute lachen, wann du in das Koth falleſt, ein Arm oder ein Bein brichſt? Ey ſolteſt du dann eine Freude uͤber den ungeheuren Schaden haben, den dein Naͤchſter durch einen Fehl-Tritt an der Seele be - kaͤme? Die Menſchen moͤchten gern ſichere Merck-Maale von ihrer Bekehrung wiſſen, ſie ſuchen aber ſolche gemeiniglich in der Ablegung grober Laſtern, in ſuͤſſen Empfindungen, in Leſen, Singen, Beten, und dergleichen auſſern Ubun - bungen, in Anhaͤnglichkeit an feinen, frommen Leuten, im Almoſen-geben, u. ſ. w. Wiewohl nun dieſe Aeuſſerlichkeiten einen beſondern Schein der Froͤmmigkeit haben, ſo kan doch die arme See - le bey dem allen in dem abſcheulichen Pful der Ei - gen-Liebe verſcharret und begraben liegen, und ſich wenig anfechten laſſen, ob andere in Sachen des Himmelreichs herrlicher wachſen oder nicht, es ſeye dann Sache, daß ſie einigen Ruhm oder Schande darvon tragen. Hingegen iſt die redli - che Liebe zum Naͤchſten eines der unbetruͤg -lichſten336Cap. 6. Die ſechſte Quellelichſten Kennzeichen einer wahren Bekeh - rung; wann nemlich jemand vorher hart, eigen - liebig, unbarmhertzig, unempfindlich, und mit dem geiſtlichen Neid und Ehr-Geitz beſeſſen gewe - ſen, nun aber ſich zart-hertzig, und mitleidig be - weiſet, und beſondere Freude hat, wann einem an - dern viele Seelen geſchencket werden, wann andere ihn uͤberwachſen und weit ſchoͤnere Reichs-Kinder werden; nicht beſorget um anderer willen, die mehr Segen haben, den Credit zu verlieren, ſondern allein in dem Wohlgefallen GOttes, was ihm aus jeder von ſeinen Creaturen zu bilden beliebig iſt, ruhet. Ein ſolcher unabſichtiger Liebhaber GOttes und der Menſchen hat uͤber dem Guten und Boͤſen, ſo ſeinem Naͤchſten begegnet, ſo groſſe Freude und Leyd, als wiederfuhre es ihme ſelbſt, und das gibt Freudigkeit vor Chriſto.

§. 18.

4) Daß du aller Gelegenheit vom Satan gereitzet zu werden / ſo viel moͤg - lich / aus dem Wege geheſt / ſonſt opf - ferſt du dich ſelbſt dem Satan auf / daß er dich gar leicht verfuͤhren kan.

So traue dann deinem Verſtand und Tu - gend niemalen zu viel, daß du meyneteſt, hie und da unbeſchaͤdiget durchzukommen. Ach der Teuf - fel kan dir eine Maus-Falle zurichten, wo du dichs am wenigſten verſieheſt: Er macht es, wie die, ſo Kinder ſtehlen, ſelbige zu entfuͤhren; ſie ſagen ihnen wohl nichts von Stoͤſſen, Schlaͤgenund337der Verfuͤhrung der Jugend. und Streichen, ſondern von Aepfeln und Biren, Trauben und Feigen, Kuchen und Fladen, Caſta - nien und Mandel-Kernen, Zucker-Brod und Mar - cipan, vom Reiten und Fahren ꝛc. ſie erfahren aber hernach mit Schmertzen, wie theuer ſie etwelche we - nige verſchluckte Lecker-Bißlein bezahlen muͤſſen. Laß dich darum, liebes Kind, nicht bethoͤren; komm, nimm Zucht an und hoͤre JEſum: Je weniger du Exempel und Handleitung von Menſchen haſt; deſto anhaltender ſchreye zu deinem Erloͤſer, wie ar - me Laͤmmergen nach ihrem Hirten.

§. 19.

II. Jn der Verſuchung / wann du mer - ckeſt / daß er dir mit dieſer oder jener Suͤnde gewaltig zuſetzet. Alsdann a) fliehe in die Wunden JEſu / und nimm ihn und die Krafft ſeines Todes zum Bey - ſtand / Epheſ. 6, 16.

Ach es iſt ein unbeſchreiblicher Jammer, daß junge Leute ohne JEſum und ohne den H. Geiſt, wie die Heyden-Kinder ſo blind hinfahren. Hoͤren ſie ſchon etwas von JESU, und von den Dingen, die des Geiſtes GOttes ſind, ſo verſtehen ſie es nicht; ver - ſtehen ſie es ſchon und fuͤhlen einige Ruͤhrung, ſo wiſſen ſie doch nicht, wie und wozu ſie Chriſti Blut und Tod gebrauchen und anwenden ſollen, da ſie doch dieſer heilſamen Artzney, bis zur vollendeten Heilmachung ihrer theuren Seelen unablaͤßig be - duͤrffen zum ewigen Leben: Und wann ſie ſchon von dieſem goͤttlichen Geheimniß der Liebe des VatersYund338Cap. 6. Die ſechſte Quelleund Chriſti deutlich berichtet und gelehret werden, ſo haben ſie doch keinen Treiber, der ihnen einſchaͤrf - fe, wie noͤthig, ſelig und herrlich es ſeye, dieſer Se - ligkeit nachzuſpuͤren, bis ſie dieſelbige erlanget ha - ben: Und wann ſie endlich die empfindlichſten Gna - den-Zuͤge haben, ſo erkennen ſie doch deren Urſprung, Werth, Zweck und Gebrauch nicht, einfolglich ver - ſchwindet der ſo liebreiche Aufruff der ewigen Lie - be an ihnen ohne Frucht. Deme zufolg moͤgen diejenige, denen es im Licht der Weisheit, mit dem Blut-Geheimniß Chriſti von Kindheit an gelinget, wohl unter die Wunder der Gnade und unter die Erſtgebohrnen des Lammes gezehlet werden. Gott - ſelige Eltern, welchen Gnade wiederfahren, den Jrr - thum ihres vorigen Wandels zu erkennen, und ſich zu GOtt umzuwenden, ſaͤhen es wohl hertzlich gern, daß ihre Kinder ins Himmelreich der Gnade JEſu, und zum Genuß ſeiner Guͤter verſetzet waͤren, und laſſen es auch anzuſprechen, ermahnen, treiben, beten nicht ermangeln; ſie wuͤrden auch dieſelben mit Ge - walt zur Tafel Chriſti heran ziehen, ſeiner Heils - Guͤtern zu genieſſen, wie ſie wuͤnſchen, ſelbige ge - noſſen zu haben; aber alles umſonſt: Geſchicht es, ſo hats GOtt gethan.

§. 20.

b) Unterdruͤcke alsdann die erſten Fun - cken der Suͤnde in den Gedancken / und giebe nicht zu / daß durch deine Gedan - cken die Begierden entzuͤndet werden; ſonſt biſt du dem Suͤnden-Fall nahe.

O ja!339der Verfuͤhrung der Jugend.

O ja! es iſt unumgaͤnglich noͤthig, daß Kinder wiſſen, wie mit den Gedancken am erſten und aͤrgſten geſuͤndiget werde; ſintemah - len durch unordentliche und unheilige, gehaͤßige, neidige, geitzige, hoffaͤrtige, ſonderlich auch durch unkeuſche, unflaͤtige Gedancken, ſo unzehlige Schlangen-Eyer ins Hertze geleget, und ein aͤrger - liches Wort, ſo man von einem andern gehoͤret, erſt in Jahren ausgebruͤtet, mithin das arme, fin - ſtere, gefangene Hertz dadurch ſo garſtig und heß - lich wird, daß GOTT eine erſtaunliche und unbe - greiffliche Liebe zum Suͤnder haben muß, die ihn treibet, ſeine Hand auszurecken, und nach einem Hertzen zu greiffen, das in einem ſolch ſtinckenden Pful ſo jaͤmmerlich verſuncken iſt. Hier muͤſſen alle unnuͤtze Buͤcher und Hiſtoͤrgen, kurtz, alles was arge Gedancken erwecken kan, ſorgfaͤltig vermieden werden. Gedancken ſchleichen ſo leiſe daher, daß die Seele gar wachſam ſeyn muß, wann ſie ſelbige bemercken ſolle. Ach HErr! wie verborgen ſind deine Gerichte!

Es ware ein begabter Knab, der allezeit an die Dinge der Ewigkeit, an JEſum den Gecreutzigten, an das Juͤngſte Gericht ꝛc. gedacht; deme aber ſein aͤlterer Bruder Ro - mans oder Liebes-Geſchichte in die Haͤnde ſteckte, durch de - ren Leſung er in abſcheuliche Unflaͤterey verfiele: Doch zo - ge ihn der erbarmende Vater in Chriſto JEſu wieder aus Satans Rachen, und machte ihn zu einem ſchoͤnen Kirchen - Licht; welcher endlich nach einem 17-jaͤhrigen Predigt-Amt im Einſincken in die Erbarmung des Vaters in Chriſto ſe - lig entſchlaffen.

Mein Kind! Jſt dein Gewiſſen durch das Blut Chriſti gereiniget, ſo trachte, daſſelbige auch von ſuͤndlichen Gedancken rein zu behalten, und huͤteY 2dich,340Cap. 6. Die ſechſte Quelledich, daß du nichts Unreines in dieſes geheiligte Ge - faͤß legeſt, damit nicht dein Leib und Seele wieder beflecket werde.

§. 21.

c) So lange du in der Verſuchung noch beten kanſt / ſo lange wirſt du von derſel - ben nicht uͤberwunden werden. Hoͤreſt du nicht auf mit beten / ſo muß der Sa - tan fliehen. Du muſt aber um dieſe drey Stuͤcke im Gebet anhalten: Nemlich um Weisheit / die Liſt des Satans zu ergruͤn - den; um Krafft und Staͤrcke / ihn zu uͤberwinden; und um ausharrende Ge - dult / bey ſeinen anhaltenden Verſuchun - gen nicht muͤde zu werden im Kampff.

Ja wann gleich die Suͤnde im Fleiſch dermaſ - ſen ſauſſet und ſtuͤrmet, daß du ſchier dein eigen Wort im Gebet nicht verſteheſt, wann es auch ſo bunt und krauß durch einander gehet, daß dein Wille von dem Willen des Vaters und Chriſti beynahem los geriſſen wird, und du dich des Ab - falls nicht laͤnger verwehren zu koͤnnen meyneſt; ſo werde doch um des Himmelreichs, und um der Blut-Gnade JEſu willen, dem Satan und der Suͤnde nicht unterthaͤnig; ſondern winſele, wie ein vom Raub-Vogel geſchrecktes Voͤgelein; wie ein Kind, das im finſtern ein fremdes Thier in der Stu - ben verſpuͤret, vor Angſt ſchwitzet und ſchreyet, daß man ein Licht bringe: Alſo ſeuffze du anhaltend nach dem Gnaden-Licht Chriſti, um die Argliſtig -keit341der Verfuͤhrung der Jugend. keit des Satans einzuſehen und zu erkennen; um ſo vielmehr, weil eben dieſe Unwiſſenheit mit eine Ur - ſach iſt, daß leider ſo viele junge Leute dem Teufel huͤpſch einſitzen zu ihrem zeitlichen und ewigen Ver - derben.

Ach Kind! ach daß du doch klug wuͤrdeſt zu mercken die Tiefen des Boͤſewichts und ſeiner Ab - ſichten! Du muſt aber auch Marck in Faͤuſten ha - ben, wie der junge Hercules, oder Simſon, um der Schlange recht nachdruͤckliche Streiche verſetzen zu koͤnnen; und o wie gerne ſtehet dir JEſus bey!

Jch ſahe einmahl junge Kinder eine Gluckhenne mit ihren Kuͤchlein huͤten, da ein Weyh Rings-wei - ſe ſich auf dieſelbe herunter lieſſe: die Kinder mach - ten ein groſſes Geſchrey; aber der Weyh achtete es nicht, bis die Mutter mit einem gewaltigen Ben - gel darzwiſchen kame, und ihn verſteubete.

Mein Kind! JEſus ſtehet dir bey, er heißt Jmmanuel, und uͤbermannet alles: Was fuͤr Eh - re wiederfahret dir, daß du GOtt zum Gehuͤlffen haben kanſt, in einer Sache, die auch GOttes iſt. Das vornehmſte aber iſt die Ausharrung / wann die Verſuchung anhaͤlt, und das Gefecht immer hi - tziger wird: Hier muſt du vorſichtig handeln, dann wo du dich von JESU, dem Gecreutzigten abkeh - reſt, und die verbottene Frucht angaffeſt; ſo iſt Cro - ne und Sieg ſo gleich verlohren.

§. 22.

d) Halte dem Satan die goͤttlichen Ge - bote / Verheiſſungen und Drohungen vor / die du in dem Evangelio findeſt /Y 3ſiehe342Cap. 6. Die ſechſte Quelleſiehe zu / daß du ein ſchoͤnes Spruͤchlein im Hertzen faſſeſt, z. E. Wann er dich mit ehrſuͤchtigen Gedancken plaget; ſo halt ihm vor: Chriſtus ſpricht: Lernet von mir, dann ich bin ſanfftmuͤthig, und von Hertzen demuͤthig.

Wann dir, liebes Kind, JEſus lieber iſt, als die Welt, und du recht das Heimweh nach dem ewi - gen Vaterland haſt, ſo offt du von JEſu und dei - nem Vater hoͤreſt; ſo werden dann ſeine Worte bey dir mehr, als Himmel und Erden gelten, und es wird bey dir nicht mehr heiſſen: Was werden die Leute dazu ſagen? Sondern, was wird mein JEſus, mein mit ſeinem GOttes-Blut gefaͤrbter und fuͤr mich geſtorbener, nun aber ewig lebender Koͤnig dazu ſagen und davon urtheilen? Laß dich das Liebes-Flaͤmmlein des Heil. Geiſtes uͤber alle erſchaffene Dinge in die erhabene Ewigkeit hinauf fuͤhren, blindlings und puͤnctlich auszurichten, was dein ſuͤſſer Chriſtus von dir haben will, trotz allem Gepolder deiner boͤſen Natur, der Welt und des Teuffels. Dencke, es ſeye noch um ein kleines zu thun, ſo empfaheſt du das Urtheil, und habeſt kei - ne ſo guͤldene Gelegenheit mehr, den alten Men - ſchen, Chriſto zu Ehren, abzuſchlachten. Wann dir aber ſeine Worte zur Zeit des Streits ohne ei - nige Krafft zu ſeyn duͤncken, und dir vorkommen, als ob ſie nichts zu bedeuten haͤtten; ſo laſſe dichs nicht befremden, dann es gehet nicht anderſt, wann die Suͤnde ſtuͤrmet. Oder wollteſt du dich unter die Suͤnde beugen, die Krafft des Heils fahren laſ - ſen, und das Wort des Lebens wegwerffen, wannes343der Verfuͤhrung der Jugend. es Kaͤmpffen gilt; hingegen nur bey dem Heer - Paucken des Worts als ein Ritter ſtehen, wann, und ſo lang kein Feind vorhanden iſt? Ach nein, mein Kind! diß waͤre eine gar zu ſchlechte, und recht ſchaͤndliche Weiſe, des Feinds los zu werden, wann mann die Feſtung des Willens uͤbergeben wollte, nur damit deine Belaͤgerer vom Sturm ablaſſen: Wann du eine Schlacht, oder nur einen Schar - muͤtzel verliereſt, ſo ziehet es vor GOtt und ſeinen heiligen Engeln viel Schande und Schaden nach ſich. Der hoͤlliſche Goliath erhaͤlt keinen Sieg uͤber dich, den er nicht zu ſeinem Urtheil hitziglich anwenden, und es gehet dir immer ſo viel ab vom Lande der Verheiſſung: Wann du demnach dich zehen mahl von der Suͤnde uͤberwinden laſſeſt; ſo bleibet dir keine von den zehen Staͤdten uͤbrig, im Reich GOttes zu beherrſchen. Luc. 19, 17.

Ja damit ich dir deinen Zuſtand rund heraus ſage, ſo biſt du noch nicht unter der Gnade, ſon - dern noch unter Suͤnde, unter der verdammenden Krafft des Geſetzes, und in des Teuffels Klauen, welches eben deine ſuͤndliche Regungen ſind, ſo dei - ne arme noch nicht frey gemachte Seele bemeiſtern und unter ihr Joch bezwingen: Wann dir z. E. deine Haus-Genoſſen was zuwider thun, ſo wirſt du gleich boͤſe und verdrießlich, oder wann dich ei - ne Luſt anficht, oder ſonſt ein Vortheil anlachet, ſo liegſt du da, als ein gebundener Soldat, und deine Gegenwehr iſt ein eiteles Spiegel-Fechten; du kriegſt demnach den Nahmen eines furchtſamen Haaſen / der als ein unrein Thier im heiligen Geſetz GOttes verworffen iſt, 3 B. Moſ. 11,Y 4Schmeich -344Cap. 6. Die ſechſte QuelleSchmeichle dir ſelber nicht lang wegen deiner gut - ſcheinenden Vorſaͤtzen und Empfindungen: Sie ſind zwar himmliſche Gnaden-Zuͤge und engliſche Kriegs-Poſaunen, dir zu einem uͤberwindenden Streit aufzublaſen; ſo lang du aber noch nicht vom Geſetz der Suͤnden frey biſt, ſo lang kan das Wort GOttes nicht in dir bleiben, und du folglich auch den Boͤſewicht nicht uͤberwinden, 1 Joh. 2, 14.

§. 23.

III. Nach der Verſuchung muſt du

1) GOtt vor ſeine Huͤlffe dancken / und deine uͤberſtandene Verſuchung dir da - zu dienen laſſen, daß du dein verderbtes Hertz daraus erkenneſt / und aufs kuͤnff - tige immer vorſichtiger und kluͤger wer - deſt.

Kinder haben groſſe Freude, wann ſie etwa ein heßlich Thier erleget haben.

Ein neun-jaͤhriger adelicher Knab wollte Sperlinge und dergleichen kleine Voͤgelein ſchieſſen, und erblickte einsmals einen groſſen Baͤren, der ſich durch einen Gruͤnhaag hin - durch gearbeitet, und gegen ihn, weil er ſo nahe ware, ſei - nen Rachen aufgeſperret: Der Knab ſteckte ihm das Rohr in den Rachen, und jagte dem wilden Thier Feuer, Rauch und Schrot den Hals hinunter, und toͤdtete ihn: Sprang darauf mit Freuden dem Schloß zu, und ruͤhmete es ſei - nem Vater, der ein Baron ware, in der Meynung, er ſoll - te fuͤr ſeine Helden-That wohl eine guͤldene Kette kriegen.

Alſo gehet es auch dir, wann du nur kleine Suͤnden toͤdten wilſt, nach dem Maaß deines Al - ters, Verſtands und empfangenen Gnade; ſo kan es der allmaͤchtige GOtt fuͤgen, daß dir ein herr -licher345der Verfuͤhrung der Jugend. licher Sieg bereitet iſt, wie dem Moſes, Samuel, Daniel und vielen jungen Maͤrtyrern, welche den hoͤlliſchen Baͤren, Suͤnd und Teuffel erleget ha - ben, indem ſie ihr zartes junges Blut dem erwuͤrg - ten Lamm zu Ehren ausgeſchuͤttet haben. Dieſe dancken GOTT, und jubiliren in alle Ewigkeiten, koͤnnen auch GOttes Ruhm nicht genug erheben fuͤr die Ehre, ſo ihnen wiederfahren, fuͤr JEſum zu ſterben. Dieſe unerſaͤttliche und engliſch-ſuͤſſe Lob-Begierde, den guten GOtt zu verherrlichen, iſt deine rechte guͤldene Kette, und die glaͤntzende Ehren-Cron, welche dein JEſus auch dir aufſetzen, und ſein eigen Gnaden-Werck in dir kroͤnen wird: Wann dieſes nicht Danck verdienet, ſo weiß ich nicht, was man dir thun ſoll, daß du auch einmahl dich beugeſt, und mit lauter Stimme GOtt lo - beſt und danckeſt, wann dich dein getreuer Hirt von einer eintzigen Suͤnde abziehet, dich nur in ei - ner eintzigen Verfuͤhrung bewahret, und dir beym Angriff Luſt und Krafft zum Widerſtand, und auch Sieg giebet, indem er von ſeinem Blut und Oel ein wenig in dein Hertz eintreuffelt: Diß verdienet ein Lob-Geſchrey von etlich tauſend Jahren.

Jndeſſen kanſt du auch aus der Verſuchung ſelber abnehmen, wo du am meiſten noͤthig habeſt, auf der Hut zu ſeyn; dann der Teuffel iſt ein alter durchtriebener Diebs-Schalck, der die Zugaͤnge des Hertzens treflich weiß, und nur dorten an - greifft, wo man am ſchwaͤchſten iſt, es ſeye dann Geitz, Zorn, Fleiſches-Luſt oder etwas derglei - chen. Beſtelle fuͤrnemlich die Furcht GOttes zur Wehr, und dencke nicht, daß du zu jung ſeyeſtY 5in346Cap. 6. Die ſechſte Quellein dieſem heiligen Krieg geuͤbet zu werden. Die Staͤrcke, Klugheit, Kriegs-Erfahrenheit, und Tapfferkeit iſt uͤberall bey deinem Hertzog, der ſie eben ſo gut einem Kind, als einem bejahrten Mann geben kan; Er hat auch gern in ſeinem Heer-Lager ein Leib-Regiment von Kindern, mit denen er Ehre einlegt und die ſchoͤnſten Siege erhaltet. Werde du nur immer vorſichtiger, daß du nahe bey JEſu bleibeſt: Eins mit ihme ſeyn, machet dich unuͤberwindlich.

§. 24.

2) Du muſt niemahls ſicher werden. Dann der Satan verſtellt ſich auch offt / als ob er gewichen; kommt aber bald mit ſieben boͤſen Geiſtern wieder. Halte dich daher immer zu einem neuen Kampf ge - faßt.

Laß dich dann, mein Kind! keinen Sieg hof - faͤrtig, und kein leib - oder geiſtlich Wohlſeyn uͤber - muͤthig machen, wie es leyder nur allzuviel geſchie - het. Bringe ja keine Suͤnde hinein in das Reich GOttes, darinnen du aus Gnaden zum Burger angenommen worden, als welches ein verwegener Undanck waͤre, den du theuer genug buͤſſen, und ſamt dem Unflat hinaus gejagt werden muͤßteſt; bilde dir nur nicht ein, daß du, wann du die Suͤn - de, wie die falſch-Bekehrte und halb-Fromme zu thun pflegen, ein bisgen einſchraͤnckeſt, dem ſtren - gen Gericht des ernſthafften Heylandes entfliehen werdeſt. Erlaube dir nicht etwas, ſo dir der Hei -lige347der Verfuͤhrung der Jugend. lige Geiſt und das klare Angeſicht des heiligen GOt - tes verbietet. Was hilffts, einen Scorpion in ein zart-ſeidenes Luͤmplein einwickeln, oder einer Bienen den einten Fluͤgel ausziehen, oder einer Fleder-Maus einige Haare ausrauffen, und dann dieſes alles in den Buſen nehmen? Ach Kind! was macheſt du? Die Suͤnde behaͤlt ihr Gifft, ihren Angel und ihren Stachel, und du kanſt ſie wahrlich nicht unſchaͤdlich machen, du magſt kuͤnſt - len, wie du immer wilſt. Es gehet gar nicht an, daß du ein wenig Boͤſes thun wolleſt, weil du viel Gutes thuſt. Oder wann du eine Schachtel voll geſtoſſenen Zucker haͤtteſt, und dir jemand ein biß - gen Gifft darunter miſchte, wurdeſt du es gern ſe - hen und darzu lachen? Ach wann Verzweifflung tauſende, ſo hat Sicherheit zehentauſende erſchla - gen. Der Teuffel, der Ertz-Schalck kan ſich in allerhand Larven, auch wohl in einen Engel des Lichts verſtellen; darum traue nicht, wache und bete ohne Unterlaß zu JEſu; inſonderheit, wann du ſpuͤreſt, daß die Diebs-Rotte der alten Nei - gungen ſich regen und in deiner Revier herum ſtreichen will, ſo iſts hohe Zeit die Waffen des Gebets zu ergreiffen, und Allarm zu ruffen, mithin ſich in Chriſti Sinn, Lehre, Geiſt und Liebe zu verſchan - tzen. Wer ſich vom Fleiſch beſchwaͤtzen, und ruͤck - faͤllig machen laͤßt, den muß zuletzt GOttes gerech - te Straffe ergreiffen. Gebrannte Kinder ſollen das Feuer foͤrchten, und nicht ſo ſicher hinein pla - tzen. Hat nun der Widerſacher dir nicht ſchon mehrmalen haͤßliche Poſſen geſpielt? Ey warum wollteſt du dich dann nicht in acht nehmen, vor ei -nem348Cap. 6. Die ſechſte Quellenem ſo garſtigen Feind, der ſeine Streiche zu ver - ſetzen weiß, wo man es am wenigſten vermuthet haͤtte? Wann ein Sturm vorbey, ſo ergaͤntzen und verbeſſern die Schiffleute, was zerbrochen, und ruͤſten ſich auf einen neuen Sturm.

§. 25.

3) Wirſt du zuweilen von einem Fall uͤbereilet / ſo verzage deswegen nicht / ſtehe ſo bald durch wiederholte Erneuerung deines Tauff-Bundes wie - der auf / lauff zu Chriſto / bitte es ihme mit Thraͤnen ab / ſammle neue Kraͤffte / und fuͤhre unter der Anfuͤhrung deines Hertzogs JEſu Chriſti / den Streit zum Sieg hinaus.

O ja! wann dich etwa der Feind uͤberwaͤltiget und uͤber den Toͤlpel wirffet, ſo kanſt du dich an ihme nicht nachdruͤcklicher raͤchen, als wann du in denen Erbaͤrmden deines himmliſchen Vaters ei - nen guten Muth faſſeſt, und das Vertrauen zu Chriſto nicht wegwirffeſt. Du lerneſt eben dich ſelber beſſer kennen / und erfahreſt, wie ſo gar nichts es mit dir ſeye, und mit allen Creaturen, Engeln und Menſchen, und wie keine Seele in ſich ſelbſt, und wann ſie an GOtt zu hangen auf - hoͤret, nur einen Augenblick beſtehen koͤnne. Du lerneſt aber auch gruͤndlicher die minuͤtlich-neu - werdende Guͤte deines GOttes kennen / deſſen Eingeweyde gegen dir gleichſam brauſen, Hoſ. 11, 8. 9. Jerem. 31, 20. Pſalm 103, 13. 14. ſo349der Verfuͤhrung der Jugend. ſo daß er dir wegen deines Suͤnden-Falls bey wei - tem nicht feind iſt; biſt du gefallen, ſo fallet gleich - wol dein JEſus nicht, er ſtehet noch aufrecht, und der letzte auf der Wallſtatt, Hiob 19. Er iſt und bleibet dein mitleidiger Hoherprieſter, ſo lang du auf dem ſo ſchluͤpfrigen Weg deiner Pilgerſchafft in Gefahr biſt zu fallen. Dein JEſus lebet, fuͤr dich zu bitten, 1 Joh. 2, 1. 2. Hebr. 7, 25. Er iſt noch immer der gute Hirte, der ſeine verlohrne Schaafe ſucht, Joh. 10. Ezech. 34. Pſ. 119, 176. Oder ſollte das holdſelige Lamm uns, die wir boͤſe ſind, anbefohlen haben, gegen unſere Beley - diger und Feinde barmhertzig zu ſeyn / Luc. 6, 35. 36. und wann jemand durch ei - nen Fall uͤbereilet wurde / ihme zurecht zu helffen mit ſanfftmuͤthigem Geiſt / Galat. 6, 1. Und er, der doch die weſentliche Lie - be und Barmhertzigkeit ſelber iſt, und fuͤr Suͤn - der am Creutz geſtorben, ſollte nicht ein mehrers thun? Laß dich darum, wann du geſuͤndiget haſt, die ſchwartzen Nebel nicht bedecken, als wuͤrde dich JEſus im Zorn verſtoſſen; O nein! weineſt du, ſo weinet dein Bruder Joſeph noch mehr uͤber dich, ſeine Hertzens-Thraͤnen fallen in dein Hertz, und ſchmeltzen es ein, und ſein unveraͤnderlich Mutter - Hertz iſt gantz willig, alle ſeine Verheiſſungen an dir zu erfuͤllen, 1 Timoth. 1, 15. Luc. 10, 33. 35. Eſaj. 1, 18. 53, 5. Jerem. 3, 12. 13. 22. 33. 8, 9. Als lange du ein Sehnen und Gilfen nach dem groſſen Heyl Chriſti in dir fuͤhleſt, ſo lange ſehnet ſein liebſeligſtes Mutter-Hertz tauſendmal mehr nach dir, und du haſt ihne mehr Schmertzen gekoſtet,als350Cap. 6. Die ſechſte Quelleals er dich; darum kan er dich auch weniger miſ - ſen, als du ihn, Jeſ. 49, 14. 15. So raͤume dann den finſtern Aenſtlichkeiten nicht ſo viel Macht ein; bitte den Troͤſter, den Heiligen Geiſt, daß er ſie verwehe, ſo wird Ruhe und Friede wieder kommen. Bekuͤmmere dich am allermeiſten um deinen Glauben an die Liebe des Vaters und Chri - ſti, daß derſelbige ſtaͤrcker, lebendiger und freudi - ger werde; ſchaue die eherne Schlange fleißiger und ſteiffer an, ſo wird die Suͤnde mercklich in dir ab - nehmen, und des Strauchelns weniger werden; des Lammes Blut wird dennoch uͤber Adams Fall den Sieg erhalten.

Mercke indeſſen bey jeder begangenen Ubertretung auf die Wuͤrckungen der Suͤnde, ſo wird ſich die Seele erſchuͤttern, wann du dis Un - thier nur wirſt nennen hoͤren. Wann ein Kind GOt - tes ſuͤndiget, ſo fuͤhlet es entſetzliche Dinge. Dann

a) Jſt die Suͤnde ein Fall / Paráptoma, Offenb. 2, 5. du falleſt aus dem Gefuͤhl der Se - ligkeit, des Segens, des Lebens, der Gnade und Liebe in das traurigſte, bitterſte Gefuͤhl der Ver - dammniß, des Fluchs, des Todes, der Ungnade und des Zorns.

b) Wird dir der ſuͤſſe Kelch, daran du dich zuvor inniglich erquickteſt, entzogen, und dargegen ein bitteres Gallen-Tranck eingeſchencket, zum trau - rigen Gefuͤhl, daß wann du jetzt ſterben ſollteſt, du ins Gefaͤngniß kaͤmeſt, als einer, der mit den Feinden des Creutzes Chriſti gleiche Thaten gethan, es wird dir demnach ſeyn, als ob du Rein - ab hin - unter in den Abgrund fuͤhreſt, und dich nirgendsan -351der Verfuͤhrung der Jugend. anhalten koͤnnteſt, nachdem du vom Weg der Gerechtigkeit abgewichen, und deinen Heer-Fuͤhrer und Reiß-Gefaͤhrten, die Propheten und Apoſtel, verlaſſen.

c) Anſtatt du zuvor in groſſer Wuͤrde wandelteſt, die engliſche Choͤre mit ſonderlicher Freudigkeit anſaheſt, und von ihnen als ein Lieb - ling ihres Koͤnigs reſpectirt wurdeſt; ſteheſt du itzt in groſſer Schande, und muſt dich ſelbſt vor denen Teuffeln ſchaͤmen, die dich als einen liederlichen Halluncken verachten, und als einen feigen Kerl, den ſie mit ſo leichter Muͤhe unter ſich gebracht, kaum uͤber die Achſel anſehen.

d) Wird es dir leibhafftig vorkommen, als ob das gantze Gebaͤude deines Chriſtenthums mit grauſamen Krachen zu Hauffen ſincke, mithin alles verlohren, und du der Narr ſeyeſt, der ſein Haus nur auf Sand gebauet habe; Es uͤberfallt dich demnach die Beyſorge, dein Suͤnden-Maaß ſeye voll, du habeſt es vorhin ſchon auch ſo gemachet, und GOtt werde ſich gleichwol nicht immerfort von dir alſo ſpotten, und das hoch-theure Werck ſeiner Erloͤſung ſo greulich verwuͤſten laſſen.

§. 26.

4) Lieſe offt die ſchoͤnen Verheiſſun - gen von dem herrlichen Kleinod / wel - ches Chriſtus Offenb. 2, 3. denen verſpro - chen / die bis in den Tod getreu ver - bleiben. Dann ehe nicht / als im Tode / erhalten wir die vollkommeneVicto -352Cap. 6. Die ſechſte QuelleVictorie uͤber alle unſere Feinde. So lange du lebeſt / dencke alle Tage: Wer nicht mit kaͤmpfft, traͤgt auch die Cron des ewigen Lebens nicht davon.

Wann man Kindern herrliche Sachen ver - ſpricht, ſo werden ſie dadurch beſonders und der - geſtalten zum Gehorſam gelocket, daß ſie offt auch Leib und Leben wagen, wie es im Krieg und ſon - ſten geſchiehet. Mancher Knab ſetzt ſein Blut dar - an, daß er nur ein armes Vogel-Neſt auf einem hohen Thurn ausnehmen kan. Was thate nicht der junge Jcarus, daß er fliegen koͤnne? GOTT ſagt mit einem erſchuͤtternden Donner-Schlag auf dem Berg Sinai: Laß dich nicht geluͤſten: Doch wagen offt boͤſe Buben ihre Haut an ſchoͤne Blumen und edle Fruͤchte, um derenwillen ſie in groſſer Herren Gaͤrten ſteigen, und ſchon manche daruͤber ihr Leben eingebuͤßt haben: Hier aber iſts dir ernſtlich befohlen, daß du nach der Heili - gung hefftig luͤſtern, und an GOttes Reich und Gerechtigkeit dich beluſtigen ſolleſt. Sinne dann, liebes Kind, der Sache ein bisgen nach; biſt du nicht neugierig Paradies-Fruͤchte vom Baum des Lebens zu koſten? Was thaten nicht junge Kna - ben in Griechen-Land in den Olympiſchen Spielen, um nur etwa einen bald-verdorrenden Oel - und Lorbeer-Crantz zu erlangen? Sie fiengen ſchon in der Kindheit an, ſich alles deſſen zu enthalten, was ſie an dieſer Ehre verkuͤrtzen moͤchte. Kind! was ſagſt du nun von der Himmels-Crone / die dir dein JEſus aufſetzen wird, und was haͤlteſt du vom verborgenen Manna? Wilſt du nichtauch353der Verfuͤhrung der Jugend. auch davon ſchmecken? Du haſt gern glaͤntzende Kleinodien, wie gefaͤllt dir nun der weiſſe Stein mit dem neuen Namen / und der hell-leuch - tende Morgen-Stern? Du ſpieleſt gern den Meiſter uͤber deine Geſellen, und biſt gern der Groͤſte und Vornehmſte unter ihnen; wie mag dir dann unangenehm ſeyn das Scepter uͤber Voͤlcker zu fuͤhren, auch uͤber Nationen und Heyden zu herrſchen? Ein ſchoͤn koſtbar Feyer-Kleid neu an - zuziehen, und mit Fuͤrſten und Grafen in Luſt - Waͤldern zu ſpatzieren, waͤre dir ja nicht entgegen, aber was wollte das gegen dem zu rechnen ſeyn, daß du im weiſſen Himmels-Kleid mit dem Sohn GOttes ſelbſt durch die paradieſiſchen und unver - gleichlich-herrliche Regionen der ſtillen Ewigkeit ſolleſt wandeln koͤnnen? Ey ſo wehre dich tapffer wider alles, was die Liebe JEſu in dir zu hindern faͤhig waͤre, bis deine Seele von aller Welt - und Creaturen-Liebe befreyet iſt, ſo daß JEſus ſie al - lein zur Gemahlin habe und beſitze, und kein an - derer mit ihm. Nach tapfferm Ringen, wirſt du ihm ſingen, und Opffer bringen, in Heiligkeit.

ZDas354Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mitteln

Das 7. Capitel. Welches in ſich faſſet eine Nachleſe von noch einigen Mitteln der Verfuͤhrung der Jugend.

Jnhalt.

  • Uberhaupt kan noch vieles andere zur Verfuͤhrung der Kindern dienen; wogegen guter Rath mitgetheilet wird;
  • §. 1. 2. Jnſonderheit moͤgen junge Leute zum Boͤſen verfuͤhret werden A) durch die Gaben GOttes ſelbſt, und den Mißbrauch derſelben;
  • §. 3. Daß aber GOTT nicht daran ſchuldig ſeye, wird 1) bewie - ſen
  • §. 4. 2 ) Aber auch angewieſen, was man zu be - dencken habe: a) Bey dem Genuß der Blumen
  • §. 5. b) Bey Anlaß der Singe-Voͤgeln;
  • §. 6. c) Beym Eſſen angenehmen Obſtes, Trauben und anderer Fruͤch - ten;
  • §. 7. 3 ) GOttes Unſchuld gerettet, daß er nie - mand zum Boͤſen verfuͤhre;
  • §. 8. 4 ) Die Suͤndlich - keit der boͤſen Beurtheilung des guten GOttes gezeiget;
  • §. 9. B) Durch die Freyheit, die man hat;
  • §. 10. Da dann einige Gattungen der falſchen Freyheit zur Ver - fuͤhrung der Jugend angefuͤhret;
  • §. 11. die wahre Freyheit aber auch angedrungen wird, theils nach ihrer Seligkeit,
  • §. 12. theils nach ihrem rechten Gebrauch. §. 13.

§. 1.

Du fragſt: Sind dann nun auſſer dieſen ſechs bisher angefuͤhrten Mitteln der Verfuͤhrung keine mehr uͤbrig?

Ant -355der Verfuͤhrung der Jugend.

Antwort: Es ſind / liebes Kind / unter dieſen ſechs Mitteln tauſend Arten der Verfuͤhrung begriffen / wie man aus dem / was davon geſagt worden / gar leicht ſchlieſſen kan / und wird keine Ver - fuͤhrung vorkommen / welche nicht zu einer von dieſen ſechs Claſſen gezehlet werden mag.

Solteſt du aber die bisher erzehlten Verfuͤhrungen noch nicht vor ſo wich - tig und ſchrecklich anſehen / daß du noͤ - thig haͤtteſt / uͤber deine arme Seele zu wachen / zu beten / zu ringen Tag und Nacht; ſo biſt du wohl noch gar unver - ſtaͤndig / und wuͤnſche ich dir vom Heil. Geiſt die Oeffnung und Salbung dei - ner Augen zur Erkaͤnntniß deiner Schwaͤche und Gefahr.

Bleibe du indeſſen bey dem Suͤnder - und Kinder-Freund, der JESUS heißt: Dieſer hat tauſendmahl mehr Heils-Mittel, als der Teufel Garne und Lotter-Fallen hat. Bitte fortwaͤhrend den Heil. Geiſt, daß er dich ein - nehmen, regieren, deinen Willen zu Chriſto nei - gen, und dein Hertz an das Licht ſeines Antli - tzes dergeſtalt gewoͤhne, daß du nicht das ge - ringſte Suͤnden-Woͤlcklein mehr leiden moͤgeſt, ſo dir etwas von demſelben benehmen moͤchte. Laß dir das Alte und Neue Teſtament, als die allerheiligſten Bruͤſte Chriſti, immer ſuͤſſer und ſchmackhaffter werden, ſo daß du die Art und Natur JESU immer begieriger in dich ſaugeſt, und wenn Anklag, Verdruß, Zorn, Eigenſinn,Z 2Un -356Cap. 7. Nachleſe noch einiger MittelnUnruh, Traͤgheit ꝛc. wie heßliche Lumpen darauf liegen, dich am ſaugen zu hindern, du dieſe mit Fle - hen und Gebet um Erbarmung und Huͤlffe, weg - hebeſt. Wann auch dem Glaube an JEſum, deine Liebe zu JEſu, deine Freude in JEſu nicht helle ſcheinen will, ſo halte bey ihm an, daß er friſch Oel zugieſſe. Stelleſt du deine Sachen unter der ſegnenden Aufſicht des Lammes, und beywohnen - den Krafft des Heil. Geiſtes, alſo an; ſo ſchlagſt du die armen Teufel auf einmahl, und machſt al - le ihre Nachſtellungen zu Spott, wann ihrer auch tauſendmahl mehr waͤren.

§. 2.

Bleibe dann, wie ein armes, unreines Wuͤrm - gen in dem leinen Tuch / Ap. Geſch. 10. der Evangeliſchen Verheiſſungen, der ewig-guͤltigen Verdienſten, der Schnee-weiſſen Unſchuld Chriſti, und der Gemeinſchafft aller ſeiner Guͤter; ſo wirſt du an den vier Zipfeln der Barmhertzigkeit, Treue, Warheit und Allgenugſamkeit GOttes, mit Seilen, ſo die ewige Liebe durch die Patriar - chen, Propheten, Apoſtel und Evangeliſten hat flechten laſſen, angebunden / und in den Him - mel hinauf gezogen / Eph. 2, 6. da biſt du vorher elendes, ſuͤndiges Wuͤrmgen dem Teufel entruͤcket, und allzuhoch hinauf geſetzet, als daß er dich ſo leicht wieder beſchaͤdigen kunte; es waͤre dann daß du aus der kindlichen Einfalt und De - muth ausgehen, gabeln und hinunter burtzeln wur - deſt, wie ein Voͤgelein, das ſich ſelber aus dem Neſt wirfft, ehe ihm die Federn gewachſen. Wann dichin -357der Verfuͤhrung der Jugend. indeſſen JEſus gleich aus dem Himmel herunter laͤßt, deine Geſchaͤffte auf Erden auch zu verrichten; ſo wirſt du dannoch im leinen Tuch ſeiner hol - den Gegenwart und ſuͤſſen Liebe bleiben, und dein Hertz alſobald nach deinen irrdiſchen Verrichtun - gen wieder dahin gezogen werden, wo dein Schatz iſt, bis endlich dein verklaͤrter Geiſt ſamt allen Hei - ligen noch zu guter Letze mit dem himmliſchen Je - ruſalem auf die Erde herab gelaſſen, und alsdann darinnen, als in einem koſtbaren leinen Tuch ewig wohnen und bleiben wirſt.

Wirſt du aber im Anfang deiner Bekehrung von Chriſto in die Gnade GOttes aufgenommen, und es kommt dir alsdann im Gewiſſen vor, als ob ſich die Apoſtel des Lammes ſcheuen, dich, weil du noch ſo viel unreines und gemeines an dir habeſt, in ihre Freund-und Bruͤderſchafft einſtehen zu laſ - ſen; ſo laß dir ſeyn, wie es dann auch nicht an - ders iſt, als ob JEſus Petrum berichte und zum andern mahl zu ihm ſpreche: Was GOtt ge - reiniget hat / das halte du nicht gemein! Bleibſt du in dem leinen Tuch im Himmel, ſo wirſt du nicht ein unflaͤtig, unrein Thier bleiben, ſondern in ein echtes und rechtes, heiliges und un - tadeliches Kind GOttes veraͤndert werden.

Bleibe du nur in der Arche / in den Wun - den des Heylands: Wann dann der Verſuchun - gen ſo viel waͤren, als lebendige Geſchoͤpffe in der Suͤndfluth, und ſo mancherley Verfuͤhrungen, als Menſchen, Thiere, Voͤgel und Gewuͤrme; ſo wer - den ſie alle neben dir umkommen, du aber unbe - ſchaͤdiget bleiben, und aus allem Jammer und Ge - fahr in die Beſitzung der neuen Welt tretten. Blei -Z 3be358Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mittelnbe unter der Wolcken-und Feuer-Saͤule / ſo wird dich keine verfolgende Suͤnde und kein boͤſer Geiſt erreichen; ſondern ſie werden alle im Blut - Meer Chriſti erſauffen. So lang du zwar noch im Zuflucht-nehmen zu JEſu, und im Lauffen zur Freyſtadt begriffen biſt; ſo lang kan ein rau - ſchendes Blatt dich erſchrecken, und wird dich man - che Furcht und Angſt, manche Sorge und Ban - gigkeit plagen, wann es dir um deine Erloͤſung ein rechtſchaffener Ernſt iſt: Allein nur getroſt! durch dieſe Furcht und Aengſtlichkeit wirſt du nur vor Sicherheit und Heucheley bewahret, und wann du einmahl im Glauben Chriſti als in der Freyſtadt ſteheſt; ſo werden die Thore hinter dir zugeſchloſ - ſen, und du darffſt im Nahmen JESU auf den ſtarcken guͤldenen Thurn hinauf ſteigen, wo Chri - ſti weiß und rother Fahnen aufgeſtecket und ausge - henckt iſt; darunter dir dann erlaubt ſeyn wird, allen Feinden Trotz zu bieten, und je und je ein Triumph-Lied abzuſingen. Dann

Was kan dir thun die Suͤnd und Tod?
Du haſt mit dir den wahren GOtt.
Hallelujah!

§. 3.

Du ſprichſt: Koͤnnen mich dann nicht auch die Gaben GOttes verfuͤhren zum Boͤſen? Verleitet uns nicht offt eine niedliche Speiſe / daß man zu viel zu ſich nimmt?

Wann359der Verfuͤhrung der Jugend.

Wann du / liebes Kind / kein ſo gar - ſtig Hertz haͤtteſt / das mit ſo vielen boͤ - ſen Luͤſten angefuͤllet iſt / ſo wuͤrdeſt du dich an der Gabe GOttes nicht verſuͤn - digen. Baͤndige und brich nur die auf - ſteigende Luͤſte zur Voͤllerey / ſo bleibeſt du bey dem Gebrauch der Creatur ohne Gefahr. Es gehoͤrt alſo dieſes zum er - ſten Capitel / da dir uͤber dein verderb - tes Fleiſch und Blut zu wachen anbefoh - len worden.

Ach liebes Kind! Es fehlet dir der goͤttliche Zaum der ewigen Weisheit, der dich allein goͤttlich regieren kan, daß du weder zu viel, noch zu wenig thueſt, und nur das zu dir nehmeſt, was unter dem Segen des alles ſchaffenden Worts zu deiner Ge - ſundheit dienet, in ein hohes Freuden-volles Al - ter aufzuſteigen, und zu der Groͤſſe eines Cedern - Baums in Libanon aufzuwachſen. Darum wann du hungerſt, ſo laß dich die Gierigkeit nicht ſo hin - reiſſen, daß du auf die Speiſe, wie ein Wolff oder Geyer auf ein Aas falleſt: Welchenfalls dein Ge - bet nicht eine Hertzens-Erhebung zu GOtt, und ei - ne Darſtellung vor ſeine Gegenwart, ſondern ein kaltſinniges Murmeln waͤre, wodurch du deine Seele der Schlange zu garſtigen Befleckungen Preiß geben wuͤrdeſt; wie die luͤſterne Eva ge - than, deren der Teuffel ſein Gifft in der ſchoͤnen Schachtel der verbotenen Frucht angeboten, und ſie davon genaſchet und dadurch ſich in das groͤſte Unheil geſtuͤrtzet hat. Dieſem ihrem Exempel kan niemand ohne entſetzlichen Schaden folgen; undZ 4daß360Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mittelndaß es unter den Frommen ſo wenige vom Geiſt GOttes erfuͤllete Tempel giebt, iſt diß nicht eine geringe Urſache mit, weil ſie ihre Luͤſte nicht mit dem ſcharffen Meſſer des Worts GOttes beſchnei - den, und lieber der Eva in ihrem traurigen Fall nachfolgen, als dem Hunger-und Kummer-leiden - den Sohn GOttes, unſerm Jmmanuel. Dann wann der guthertzige Schoͤpffer aus uͤberfluͤßiger Mildigkeit denen unartigen Suͤndern eine ſehr ge - ſunde, niedliche Speiſe vorſtellet, ſelbige mit kind - licher und heiliger Enthaltung vom Uberfluß zu ge - nieſſen, ſo ſchleicht die arge Schlange, der neidige Teuffel, der gern alle Paradies-Gaͤrten, ſo der Va - ter in Chriſto uns bereitet, in lauter Hoͤllen verwan - deln moͤchte, ins Paradies, und bringt die falſche Luſt in ſeiner hoͤlliſchen Schuͤſſel dar, wodurch dann ſo viele ſich vergifften und verunreinigen laſſen. Mache du es beſſer, liebes Kind! Laſſe dir JEſum einen jeden Biſſen gleichſam vorſchneiden, und nimme alles aus ſeiner Hand; ſo wirſt du keinen Tod noch Fluch, ſondern Segen und Leben in dich ſchlingen.

Es iſt eine gewiſſe Gebets-Formul / darin die Leute JEſum zu Gaſt laden, und ſagen: Lieb - ſter JEſu! ſey unſer Gaſt ꝛc. damit man des Heylands nicht vergeſſen, ſondern in ſeiner Ge - genwart bleiben, und die gantze Mahlzeit zum Be - ſten des Leibs und der Seele gebenedeyet ſeyn moͤch - te. Eben dieſes betete auch einmahl ein gotts - fuͤrchtiges Kind uͤber Tiſch, und als es ſahe, daß man uͤber der Mahlzeit unnuͤtze Dinge ſchwaͤtz - te, ſchertzte, lachte, und den gegenwaͤrtigen HErrnJE -361der Verfuͤhrung der JugendJEſum nicht im Angedencken bewahrete, noch vor ihme ſich ehrerbietig ſcheuete; ſo brache es in dieſe ernſthaffte Worte aus: Jch meynte / wir haben in unſerm Gebet die Gegen - wart Chriſti verlanget / um nichts zu reden oder zu thun / daß ihme zu ſehen oder zu hoͤren mißfaͤllig waͤre. Uber welche Rede dann die gantze Geſellſchafft beſchaͤmet wurde.

Ach das unandaͤchtige Eſſen, der Luſt-ſuͤchtige, unheilige Gebrauch der theuren Gaben der goͤttli - chen Langmuth brachte der erſten Welt und So - dom den Untergang; zumalen da es von Leuten ge - ſchahe, die von denen Maͤnnern GOttes, Noab und Loth, was beſſers haͤtten wiſſen und lernen koͤnnen.

Jm Gegentheil war ein Juͤngling / der gantz vertraut mit mir umgienge. Dieſer gienge mit Gewalt darauf los, daß er allen Neigungen der Na - tur in ſich den Garaus machte: Er griffe ſich ſo hart an, daß er in eine Schwindſucht fiele und ſtarbe, ohngeachtet er ſehr gerne noch laͤnger gele - bet haͤtte, um vom Himmelreich noch mehrers zu erfahren, und in der Heiligung weiter zu kommen: GOTT aber nahme ihn im drey und zwantzigſten Jahr ſeines Alters, vielleicht auch darum, ſchon aus der Welt, damit die Befoͤrderungen zu weltlicher Hoheit ihme ſein Ziel nicht verruͤcken moͤchte. Ein - mahl ward er zur Herbſt-Zeit von ſeinem Herrn Oncle (Vaters Bruder) uͤber einen ſchoͤnen Wein - berg geſetzet, und ſpatzierte gantz allein darinnen her - um, um zu beſchauen, ob die Trauben reiff und inZ 5reicher362Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mittelnreicher Menge vorhanden ſeyen; er bezwange aber ſeine Begierden dergeſtalten, daß er auch nicht ein Beerlein abrupffen wolte, da doch die Trauben ſo zierlich gelb, von der Sonnen beſtens ausgekochet und gantz lauter an den Stoͤcken hiengen, mithin die vorbeygehende gleichſam freundlich anredeten: Brechet ab, brechet ab: dann unſere Beeren ſind mild und Honig-ſuͤß. Nach ſeinem Abſterben hat ihn eine gottſelige, erleuchtete Perſon, die von ſei - nem Tod noch gar nichts wuſte, im Traum geſe - hen, auf der Spitze eines Wein-Huͤgels in einer Huͤtten ſitzen und geiſtliche Lob-Lieder ſingen, da die Stoͤcke rings herum mit unvergleichlichen und Wunder-ſchoͤnen Trauben behaͤnget waren. O ja, liebes Kind! Es iſt wohl glaublich, daß eine jede Verlaͤugnung und Abſchlachtung ſeiner Be - gierden in jener Welt unendlich werde erſetzet wer - den.

Ein gleiches Exempel haben wir an dem zehen - jaͤhrigen frommen Knaͤblein, Chriſtlieb Lebrecht von Exter. Dann als ihn auf eine Zeit geluͤ - ſtete, Wein-Trauben zu eſſen, und deshalben den Garten-Schluͤſſel forderte, reſolvirte er ſich bald anders, gabe den Schluͤſſel zuruͤck, und ſagte: Jch will meinen Appetit brechen / weil er ſo groß iſt. (*)Rambachs Exempel-Buͤchlein fuͤr Kinder. pag. 139.O welch koͤſtliche Suͤßigkeiten, welch himmliſche Vergnuͤgungen wird er nun da - fuͤr in der frohen Ewigkeit zu genieſſen haben.

Kind! erſchrickſt du nicht ab dem Wort des ſeligen Rambachs: Ein garſtiges Hertzha -363der Verfuͤhrung der Jugend. haben? Solle dir ſolches nicht ein ſcharffer Stich ſeyn, dich zu bewegen, daß du keine Stunde laͤnger ein ſolches Hertz behalteſt, ſondern um ein anders und reines Hertz beteſt, Pſal. 51, 9. 12. welches GOtt jungen Leuten auch gern giebet.

§. 4.

Du ſprichſt: Hat dann wol GOtt nicht ſelber in Willens gehabt / uns durch ſei - ne Gaben zu verfuͤhren / indem er ſo ei - ne groſſe Menge Creaturen erſchaffen hat / die wir gar nicht zur Nothdurfft anwenden koͤnnen / und die uns nur zur Luſt und zum Vergnuͤgen dienen?

Darauf mercke folgendes:

1) Daß GOtt allerdings ſo viel hun - derterley Arten von wohlriechenden Blu - men; ſo eine groſſe Menge von lieblichen Singe-Voͤgeln; ſo viel Gattungen ſuͤſ - ſes Obſtes deswegen erſchaffen / daß der Menſch ein heiliges Vergnuͤgen daran haben moͤge / da er dergleichen zur Noth - durfft wohl entbehren koͤnnte. Du darfſt alſo eine wohlſchmeckende Speiſe mit Vergnuͤgen genieſſen / eine angenehme Blume gerne riechen / einem Singe - Vogel mit Vergnuͤgen zuhoͤren / weil GOtt eben deswegen ſo viel tauſend An - nehmlichkeiten in die Creaturen geleget.

2) Bedencke aber / daß GOTT ſolche Gaben vornemlich zu ſeiner Verherrli -chung364Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mittelnchung geſchaffen / damit ſeine Guͤte un - ter den Menſchen auch im Reich der Na - tur geoffenbahret und geprieſen werde. Wann du alſo dergleichen Gaben blos zur Luſt, blos zum Vergnuͤgen / blos zum Er - goͤtzen der aͤuſſern Sinnen / und nicht zu - gleich zur Verherrlichung des Schoͤpffers gebraucheſt; ſo handelſt du wider ihren edelſten Endzweck / und dann verfuͤhret dich dein luͤſterns Fleiſch und Blut / das gar zu geſchwind unordentlich ſich in die Creatur verliebet / und ſelbige hoͤher achtet / als GOtt. Du muſt alſo

3) Nimmermehr deine Luſt in den Crea - turen ſaͤttigen / oder mit deinem Vergnuͤ - gen dabey ſtehen bleiben / daß du ſo was Liebliches ſieheſt / hoͤreſt / ſchmeckeſt / rie - cheſt; ſondern dein Vergnuͤgen muß heilig ſeyn / wie es Kindern der Heiligen gebuͤhret / das iſt / es muß dich deſto mehr zur Liebe und zum Lobe des herrli - chen Schoͤpffers und Gebers ſo vieler gu - ten Gaben antreiben.

§. 5.

Seuffze du dann je und je zu GOtt, daß du ihne zu allen Zeiten und an allen Orten von Her - tzen lieben koͤnneſt. Unterhaltet JEſus immer in dir das heilige Flaͤmmlein ſeiner Liebe mit dem Oel ſeiner Gnaden, wie er es dann hertzlich gern thut, wo du es von ihme begehreſt: So wirſt du, wanndu365der Verfuͤhrung der Jugend. du eine ſchoͤn-faͤrbige bunte Blume mit deinen in GOtt verliebten Augen ſieheſt, und ihren ſo kraͤff - tigen als angenehmen Geruch riecheſt.

1) dich nicht ſo ſehr uͤber die Blume, weil ſie ſchoͤn und einen angenehmen Geruch hat, als aber daruͤber erfreuen, weil dein GOtt und Vater die - ſe erſchaffen: Du wirſt demnach dein Hertz nicht ſo faſt an die Blumen, als aber an den, der ſie ſo ſchoͤn gemachet hat, hencken.

2) Wirſt du deine rechte Freude fuͤr die neue Erde ſparen, darin Gerechtigkeit wohnet, wann du dermahleins darinnen wirſt zu Hauſe ſeyn, da das geringſte Bluͤmlein mehr Schoͤnheit haben, als in allen Koͤniglichen Luſt-Gaͤrten auf Erden geſehen werden kan, und einen ungleich-erquicklichern Ge - ruch, als die Gewuͤrtz-reiche Jnſul Ceylon, aus - dufften wird.

3) Wird es dich ſchmertzen, daß die Kinder von Bethlehem und Nazareth, dem holdſeligen Knaben, deinem Erloͤſer kein Straͤußlein gebracht, ja anſtatt eines Craͤntzleins von den wohlriechendeſten Blu - men Canaans, ihm eine Crone von Dornen ge - flochten.

4) Wirſt du ein bruͤnſtiges Wuͤnſchen und Verlangen haben, deinem Heyland die gnaden - reichſte, vollkommenſte, allerſchoͤnſte, und eine von den Gnaden-Kraͤfften des Heil. Geiſtes uͤberaus wohlriechende Blume zu ſeyn, und in der Hand JEſu zu ſeinem alleinigen Vergnuͤgen ausgenutzet zu werden, (wiewohl in der Hand des GOtt-Men - ſchen nichts verwelcket.)

5) Wirſt366Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mitteln

5) Wirſt du eine jede Blume, als ein unbe - truͤgliches Pfand der Verklaͤrung und Auszierung deiner Seele in der Erleuchtung, Rechtfertigung und Heiligung anſehen, und erkennen, wie eine je - de Farbe, weiß, gruͤm, gelb, blau, roth, ſchwartz ꝛc. etwas von geiſtlichen Dingen, auch die beſondern Schoͤnheiten des neuen Weſens aus der Fuͤlle der Gottheit abbilden: Da kanſt du dir z. E. die Rech - nung machen: Wann GOtt die Lilien auf dem Felde ſo ſchoͤn kleidet, was wird er dann meiner Seelen thun? Welch einen unverweßlichen Glantz und Geruch wird dieſe haben, nachdem ſie von GOtt dem Vater gepflantzet, geſegnet, behuͤtet; von GOtt dem Sohn mit ſeinem ei - genen Blut erkaufft, begoſſen, durchſaͤfftet; von GOtt dem Heil. Geiſt bethauet, beduͤnget, er - waͤrmet, geſchmuͤcket worden! Welch ein ewig - ſchoͤne Wunder-Blume werde ich durch meines GOttes Gnade ſeyn! Ach daß ich nur auf der goͤttlichen Erde meines gecreutzigten JESU in Demuth, Einfalt und Liebe ſtehen bliebe, und den Einfluͤſſen des Himmels abwartete!

6) Kanſt du an den Blumen lernen, wie du die Gnade ohne Aufſchub zu ſammlen und zu gebrau - chen habeſt. Wird dir z. E. ein Schrifft-Spruch, eine Verheiſſung, eine goͤttliche Warheit, oder Ge - heimniß recht lebendig, und du dadurch empfindlich geruͤhret; ſo dencke: Diß iſt eine him̃liſche Blume, die durch den allergnaͤdigſten Willen des HErrn uͤber alles vor meinen Augen aufbluͤhet; die ge - hoͤrt in mein Hertz; ich will ſie darum flugs ab - pflicken, und in mein Hertz ſetzen, wie die Heil. Jung -367der Verfuͤhrung der Jugend. Jungfrau Maria gethan: So giebts endlich einen Hochzeit-Krantz, ohne welchen ich ſonſt nicht vor die Braut, ja nicht einmahl vor einen Gaſt erkannt, und hinein gelaſſen, mithin nicht die Blume ſondern ich ſelber in den Ofen geworf - fen wuͤrde. Ach ja! Eben dieſe Ruͤhrung und Erweckung wird mir wie ein unausloͤſchlicher Brand in meinen Gewiſſen liegen, anſtatt ſie als eine himmliſche Wunder-Blume auf meinem Haupt ewig haͤtte bluͤhen koͤnnen, wann ich ſie nicht ſo liederlich haͤtte vergehen laſſen. Ach mit meinem liederlichen Zaudern, werde ich zuletzt noch alles verſchertzen. Mein guͤtigſter Heyland! ſchencke mir doch mehrern Ernſt, Fleiß und Wachſamkeit, daß, wann deine Gnade vor mir aufbluͤhet, ich ſie heute in mich einziehe, und ins Geſchirr meines Hertzens, als einen theuren Schatz, einſtelle, mithin eine ſo wichtige Sache nicht aufſchiebe bis auf morgen, Hebr. 3, 7. 15. dann morgen moͤchte es verwelcket, verdorret und verſchwunden ſeyn, und ich ihre Staͤtte nicht mehr kennen. Pſal. 103, 16.

7) Kanſt du, mein Kind, an den Blumen die Hinfaͤlligkeit aller ſichtbaren Dinge ler - nen und erkennen, wie kurtz, eitel und verfuͤhriſch deine Freude ſeyn werde, wann du dein Hertz dar - an haͤngeſt, und das unſichtbare und ewige daruͤ - ber verſaͤumeſt. Wie werden doch alle Welt - Kinder ſo jaͤmmerlich drein ſehen, wann aller Mo - narchen Pracht und Herrlichkeit, und aller Reichen, Hohen und Gewaltigen Reichthum und Anſehen verdorret, und im letzten Welt-Brand in den Ofengeworf -368Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mittelngeworffen wird. Bey dir, mein Kind, ſolle es dar - um redlich heiſſen:

Weg Cronen und Scepter! Weg Freu -
de der Welt!
Weg Kurtzweil und Lachen! Weg Sor -
gen um Geld!
Weg Wolluſt und Prangen!
Mein einig Verlangen
Jſt JEſus der Schoͤnſte im himmliſchen
Zelt.

8) Kanſt du, wann du eine ſchoͤne, liebliche Blu - me haſt, folgende Gedancken machen: Das iſt mir mein JEſus, er iſt meine Roſe, meine Lilie, mein Veyelgen, meine GOttes Gnad, mein Tauſendſchoͤn, mein Vergiß mein nicht, mein Je laͤnger je lieber, meine Kayſer-Cron ꝛc. Dieſe Blum will ich ins Hertz einſchlieſſen, und fein in die Mitte ſetzen; dahin gehoͤrt ſie, und mein Hertz iſt vor dieſe Blume geſchaffen, daß ſie darin wur - tzele, wachſe, bluͤhe und ihren Geruch von ſich gebe: Jſt ſie ſchon jetzo noch unſichtbar; ſo hat ſie dannoch eine gantz goͤttliche Krafft und Tu - gend, und iſt meiner unſichtbaren Seelen recht angemeſſen. O wann dieſes Geſchoͤpfflein, die - ſes Bluͤmlein ſo ſchoͤn iſt; wie herrlich muß dann der Schoͤpffer ſelbſt, und mein Jmmanuel ſeyn, deſſen Schoͤnheit einmahl ſichtbar genug werden und ewig bleiben wird. O wie groß wird meine Seligkeit ſeyn, wann ich dieſe Pa - radies-Blume in voller Bluͤthe, den gantzen JE - ſum Chriſtum in alle Ewigkeiten in mir werde ha - ben und genieſſen koͤnnen.

Sie -369der Verfuͤhrung der Jugend.

Sieheſt du, mein Kind, die Blumen mit ſolchem Gemuͤth an, ſo wirſt du dich durch den Genuß derſel - ben nicht nur nicht beflecken; ſondern vielmehr etwas in dich bekommen, wodurch auch dein Leib am Ta - ge der Auferſtehung auf das herrlichſte wird ge - ſchmuͤcket werden, in majeſtaͤtiſcher, unverwelcklicher Jugend-Bluͤthe, mit den unzehligen Arten der Blumen im himmliſchen Eden ſich ewig zu erfreuen.

§. 6.

Sieheſt du ſodann, und hoͤreſt ein Voͤgelein luſtig ſingen; ſo mercke

1) Wie GOttes Natur die hoͤchſte / innigſte und ununterbrochene Freude ſeye / ſo, wie die himmliſch-paradieſiſchen Singe - Voͤgelein, die heiligen Engel es ebenmaͤßig bewei - ſen, indem ſie den Himmel unausſetzlich in heilig - anhaltender Stille mit einem ſanfften Jubel-Thon erfuͤllen. Folglich iſt ein Canari-Voͤgelein, eine Nachtigal, ein Lerchlein nichts anders, als ein klei - nes Troͤpfflein aus dem goͤttlichen Freuden-Meer. Wann die Voͤgelein deine Sprache verſtuͤnden, ſo kunteſt du ihnen dieſes ſagen und anzeigen, was ſie ſeyen durch ihres Schoͤpffers willen; wodurch ſie angetrieben wuͤrden, ihre Kehlen noch munterer zu ruͤhren. Lerne von denſelben

2) Ein Sorgen-und Kummer-freyes Leben / mit tieffer Beſchaͤmung deiner Seele. Wann du z. E. eine Meiſe im Winter ſieheſt, wie ſie von einem bereifften Aeſtgen auf den andern huͤpffet, und ihre Speiſe bald hier bald dort imA aSchnee370Cap. 7. Nachleſe noch einiger MittelnSchnee und Eiß gantz einſam ſuchet, und dabey doch munter pfeiffet; ſo ſinge jenem Hamburgiſchen Tichter nach:

Kleine Meiſe! Mit Vergnuͤgen
Seh ich dich ſo froͤlich fliegen,
Und dein zwitſchender Geſang,
Scheint ein holder Freuden-Klang;
Da du doch faſt halb-erfroren
Speiß und Neſt im Schnee verloren:
Du biſt hungrig, arm, allein;
Und doch kanſt du froͤlich ſeyn.
Wuͤßten wir doch ſo gelaſſen
Uns im Mangel auch zu faſſen!

Laſſe dir demnach ſeyn, als ob dieſes Voͤgelein im Winter mit ſeinem muntern Gepfiff das Lied - gen ſunge:

Hoͤr! Wer nichts nach dem Morgen
fragt,
Der lebt vergnuͤgt und unverzagt.
Der holde Lentz mit ſeinen Schaͤtzen,
Wird meinen Mangel ſchon erſetzen.
Jch ſinge ſchon, als waͤr er da,
Mein Zitzipa, mein Zitzipa.

Dencke uͤberhaupt, wann du ein Voͤgelein lu - ſtig ſingen hoͤreſt, daran, was dein Heyland in An - ſehung derſelben ſaget, und uns zuruffet: Sehet die Voͤgel unter dem Himmel an / ſie ſaͤen nicht / ſie erndten nicht, ſie ſammlen auch nicht in die Scheuren / und euer himmli -ſcher371der Verfuͤhrung der Jugend. ſcher Vater ernaͤhret ſie doch. Seyd ihr dann nicht viel mehr als ſie? Matth. 6, 26. Woruͤber D. Luther nach ſeiner Art gar artig geſchrieben: Die Voͤgel, ſagt er, fliegen vor un - ſern Augen uͤber uns, uns zu kleinen Ehren, daß wir wol unſer Huͤthlein gegen ſie abthun, und ſa - gen moͤchten: Mein lieber Herr Doctor! Jch muß bekennen, daß ich die Kunſt nicht kan, die du kanſt: Du ſchlaͤffeſt die Nacht uͤber in deinem Neſtlein ohne alle Sorgen, des Morgens ſte - heſt du wieder auf, biſt froͤlich und guter Din - gen, ſetzeſt dich auf ein Baͤumlein und ſingeſt, lobeſt und danckeſt GOtt, darnach ſucheſt du dei - ne Nahrung und findeſt ſie. Pfuy, was hab ich alter Narr gelernet, daß ich es nicht auch thue, der ich doch ſo viel Urſachen dazu habe? Kan das Voͤgelein ſeine Sorgen laſſen, und haͤlt ſich in dieſem Fall wie ein lebendiger Heiliger, und hat dannoch weder Acker, noch Scheuren, weder Kaſten noch Keller, nur weil es weiß, daß es einen im Himmel hat, der fuͤr ihns ſorget: Warum thun wirs dann nicht auch, die wir den Vortheil haben, daß wir koͤnnen das Feld bauen, die Fruͤchte einſammlen und auf die Noth behal - ten? dannoch koͤnnen wir das ſchaͤdliche Sorgen nicht laſſen. Hertz! Girreſt du bisweilen, wie ein Turtel-Taͤublein in deinen mancherley Angele - genheiten, ſo weiſt du ja, was du in Erwegung der groſſen Liebe GOttes zu dir zu thun haſt; ver - giß darum nicht, wohlgemuth zu quintiliren, wie ein erloͤſetes Voͤgelein, Pſal. 124, 7. Singen,A a 2ſprin -372Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mittelnſpringen jubiliren, und in JEſu triumphiren, ſoll nur dein Geſchaͤffte ſeyn. Dencke

3) Wie der Heyland deinetwegen auch des anmuthigen Geſangs der Wald-Voͤ - gelein hat entbehren muͤſſen. Dann der Teuffel hatte ſie alle verſtaͤubet, und konnte nicht zu - geben, daß ein eintziges Creatuͤrlein ihme auf Er - den zur Freude werden ſollte: Er ſahe darum in der Verſuchungs-Wuͤſten nur grauſame Schlan - gen, und hoͤrete nur Woͤlffe heulen, Baͤren brummen, und Loͤwen bruͤllen, Marc. 1, 13. Dieſe wilde Thie - re mag auch der hoͤlliſche Drache mit Fleiß noch grimmiger und wuͤtiger gemacht haben, aus giffti - gem Haß wider deinen Erloͤſer, der erſchienen iſt, dich aus ſeinen Klauen zu reiſſen: Doch moͤgen die Engel ihm nach vollfuͤhrtem viertzig-taͤgigem Kampf ein Sieges-Liedlein geſungen haben.

4) Wann du eines Sing-Voͤgeleins anſichtig wirſt, ſo wuͤnſche von gantzem Hertzen entweder im Wald der ſeligen Freyheit / von allen Banden der Suͤnde, der Welt und des Fleiſches, von allem Zwang des Geſetzes und von aller Furcht des Todes herum zu fliegen / oder in einem Kefig der Einſchraͤnckung des Creutzes, wie es dein GOtt fuͤr dich am ſeligſten und ſeiner Majeſtaͤt am ruͤhmlichſten findet, alle - zeit froͤlich zu ſeyn / und ſein Lob zu beſingen, dieweil er dich ſo wenig, als du dein Haus-Voͤ - gelein vergeſſen wird, dich mit Gnaden-Koͤrnlein und Waſſer aus der Lebens-Quelle, ſo viel du wirſt noͤthig haben, zu verſehen.

5) Wann373der Verfuͤhrung der Jugend.

5) Wann du die Singe-Voͤgelein ſo gerne ſie - heſt und hoͤreſt, und vor Freuden aufhuͤpffeſt, ſo du eins in deinen Gewalt bekommſt; O ſo dencke, wie du auch deinen Seligmacher erfreuen wer - deſt / wann du dich von ſeiner Liebe auch wirſt fangen / und ſeiner Seligkeit theilhafftig machen laſſen. Es haben auch alle Choͤre ſeiner geſchickteſten Geſang-Voͤgeln, die er um ſeinen Thron her hat, eine unſaͤgliche Freude, wann du ihnen zu - geſellet wirſt: Ja wiſſe, daß auch ich mich unge - mein hertzlich freuen wuͤrde, wo diß arme Buͤch - lein ſo gluͤckhafft und geſegnet ſeyn ſollte, dich zum Dienſt und Wohlgefallen deines und meines JE - ſu zu fahen.

6) Ziehe den Huth ab, neige und ſchaͤme dich vor jedem Singe-Voͤgelein / das in ſeiner Unſchuld geblieben, nie wider ſeinen Schoͤpffer geſuͤndiget, und doch um Adams Fall und der Suͤnde willen ſo vieles Ungemach leiden muß. Dencke: Die - ſes Voͤgelein iſt ſeines Lebens bald nirgends ſi - cher; doch thut es nichts, als daß es den GOtt im Himmel preiſet, Morgens fruͤhe, den Tag hin - durch, Abends ſpat, auch in der finſtern Nacht, und in den dickeſten Waͤldern, wie die Nachti - gal, die nicht auf den Ruhm der Menſchen ſchauet, und es nicht achtet, ob die Menſchen es hoͤren oder nicht, wann es nur nicht gehindert wird, ſeines Schoͤpffers Willen zu thun; und ich ſoll - te zu ſeinem Lob traͤge ſeyn, da doch GOtt mich zu einem vernuͤnfftigen Menſchen erſchaffen, durch ſeines Sohnes Tod erloͤſet, aus der Hoͤlle in den Himmel verſetzet, und unzehlige Verheiſſun - gen gethan.

A a 37) Solle374Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mitteln

7) Solle dir der liebſte Geſang und Klang auf Erden dieſer ſeyn, wann du die Paradies - Voͤgelein / die heiligen Propheten und Apoſtel auf dem Berg Zion in der Heil. Schrifft ſingen hoͤren kanſt / daß es durchs Hertz dringet. Ja wo du etwas vom Nahmen JEſu, von ſeiner Liebe, von ſeinem Mittler-Amt und Wohlthaten erklingen hoͤreſt, ſo ſoll dirs ſeyn, als ob du im Himmel dich befindeſt.

§. 7.

Jſſeſt du angenehmes Obſt und nied - liche Speiſen / ſo magſt du

1) dich verwundern uͤber die unermuͤdete Guͤ - tigkeit deines GOttes, der durch ſeine Krafft, Weisheit und Mildigkeit, trotz dem ſchnoͤden Un - danck der Welt, ſo viel ſuͤſſes, edles, erquickliches und wohlthuendes zu ſchaffen nie aufhoͤret; da doch alle Kayſer und Koͤnige, auch alle Kuͤnſtler auf ei - nen Hauffen nicht vermoͤchten, nur eine eintzige Birn, Pflaumen, Feigen, Trauben oder Apfel hervor zu bringen; und wann die Menſchen was niedliches zubereiten wollen; ſo muͤſſen ſie das, was GOTT in ſeine Creaturen leget, dazu gebrauchen, und durch - einander mengen.

2) Mache den Schluß von denen irrdiſchen auf die geiſtlichen Gaben, welche unmittelbar aus dem Weinſtock Chriſto und von dem Heil. Geiſt her - kommen, und urtheile, wie gut und himmliſch - wohlthuend dieſelbige, und wie alle aus der groben Erde und ſchlechtem Holtz hervor wachſende Fruͤch -te375der Verfuͤhrung der Jugend. te elende Schatten dagegen ſeyen: Laß dich folglich reitzen, dich ſelbſt und die Welt zu verleugnen, dei - ne Suͤnden in Chriſti Blut zu waſchen, und deinen Sinn, Hertzund Muth durch den Glauben an ſeine Gnade erneuern zu laſſen, damit du ewig die Fruͤch - te im Paradies GOttes, da ſeine Suͤßigkeit, Se - ligkeit und Freuden-reiche Krafft ſelber alles in allem ſeyn wird, eſſen moͤgeſt.

3) Wann du eine huͤpſche Frucht ſieheſt, ſo hal - te inn, brich deinen Geluſt ein wenig, und huͤte dich vor Leckerey und Wolluͤſteley: und trincke maͤſ - ſiglich, und laß die Naͤſcherey denjenigen Kindern uͤber, welche von nichts beſſers wiſſen, und ihren Theil in dieſer Welt hinnehmen: Sinne du an den himmliſchen Apfelbaum und Weinſtock / und an die Fruͤchte des Heil. Geiſtes; Hohel 2, 3. Joh. 15, 1. Gal. 5, 22. und luͤſtere darnach, Pſal. 37, 4. Werde auch nicht ſo gleich ſatt der Fruͤchten der Erloͤſung, die an dem Baum des Le - bens wachſen.

4) Dencke, wie dein liebſter Heyland, als er noch ein Knab ware, geſehen hat, die niedlichſte Biſſen und Fruͤchte im Uberfluß nach einander wegfreſſen, ohne ihm das mindeſte davon anzubieten, und wie er nicht nur nicht im geringſten murriſch und un - willig daruͤber ward, ſondern auch alles Gute an - dern lieber als ihm ſelber goͤnnete; mithin im fol - genden Jahr nicht eine eintzige Frucht deswegen we - niger wachſen lieſſe: Wie er auch gerne Hunger und Mangel gelitten, wann nur ſeine Juͤnger ihre Nothdurfft und das liebe Land allen Uberfluß hat -A a 4te;376Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mittelnte; Luc. 22, 35. Pſal. 65. ohngeachtet alles von Feinden JEſu wimmelte.

5) Dencke bey dir ſelbſt ferner alſo: War - um ſolle mein JEſus ſo ſuͤſſe Trauben wachſen laſſen, und ich ihne nicht mit Fruͤchten der Ge - rechtigkeit ergoͤtzen? Es iſt hohe Zeit: Jch habe ihn ſchon ſechs, ſieben, acht und mehr Jahre fuͤr alle ſeine Liebes-Muͤhe, und unzehliges Gute lau - ter Heerlinge und ſaure Holtz-Fruͤchte gebracht; nun iſt es einmahl genug, und ich muß von nun an viel Gnaden-Safft des Heil. Geiſtes, und Sonnenſchein der Liebe des Vaters und JEſu Chriſti in mich hinein ſaugen, damit ich ſtatt des vorigen bittern, meinem Heyland ſeinen Mund mit edlen Fruͤchten verſuͤſſe, Hohel. 4, 17. ja ſelber eine Frucht werde, die nicht mehr Wuͤrme, Faͤulniß, was herbes, ſteinichtes, oder deß etwas habe. Auf ſolche Weiſe danckeſt du dem himmliſchen Gutthaͤter vor ſeine theure Gaben erſt rechtſchaffen, und in einem jeden Biſſen Brod, und von der Welt ſchlecht gehaltenen Speiſe kanſt du weiß nicht was fuͤr Allgenugſamkeit, Krafft, Liebe und Freundlichkeit deines Schoͤpffers ſchmecken und erblicken.

§. 8.

Aber / fragſt du, ſollte dann nicht der liebe GOtt ſelbſt zuweilen den Menſchen zum Boͤſen verfuͤhren? Hat er nicht den Baum des Erkaͤnntniſſes Gutes und Boͤ - ſes erſchaffen / und Adam mit ſeinem Wei - be vermittelſt deſſen zum Suͤnden-Fall verleitet?

Nein /377der Verfuͤhrung der Jugend.

Nein / liebes Kind! du muſt wiſſen

1) daß der Teufel der Verfuͤhrer und Moͤrder von Anfang ſeye / durch deſſen Liſt unſere erſte Eltern zum Ungehor - ſam verfuͤhret worden / 1 B. Moſ. 3, 1.

2) Daß GOtt keine Seele zum Boͤſen verleitet / Jac. 1, 13. Dann er iſt ein hei - liger GOtt / der da liebet die Gerechtig - keit / und haſſet gottloſes Weſen / Pſ. 45, 8. der da keinen Gefallen hat an dem Verderben des Menſchen / ſondern viel - mehr ernſtlich will / daß jederman ſich von dem gottloſen Weſen bekehre und le - be. Ezech. 33, 11.

3) Daß / wann GOtt den Gehorſam der Menſchen pruͤfen und erforſchen will / ob auch unſere Gottesfurcht dauerhafft und rechtſchaffen ſeye / ſo iſt das keine Verfuͤhrung zum Boͤſen / ſondern ein Mittel / wodurch GOTT unſere wahre Gluͤckſeligkeit zu befoͤrdern und zu befe - ſtigen trachtet. Z. E. GOtt wollte uns Menſchen vor dem Fall gern ſo gluͤckſe - lig machen / als jetzt die heiligen Engel ſind / ich meyne / er wollte uns ſo im Gu - ten ſtaͤrcken und befeſtigen / daß wir nicht aus ſeiner Gnade fallen koͤnnten / da mu - ſte dann GOtt zuvor unſern Gehorſam auf die Probe ſtellen / wie er es bey den Engeln auch gethan. Haͤtte nun Adam und Eva durch willigen Gehorſam die Probe gehalten / wie die heiligen Engel / welche ſtandhafft geblieben / ſo haͤtte unsA a 5GOtt378Cap. 7. Nachleſe noch einiger MittelnGOtt eben ſo im Guten befeſtiget, wie jene; daß wir aber durch Ungehorſam uns in die Gemeinſchafft der boͤſen En - gel begeben / und mit ſelbigen abgefal - len / daran iſt GOttes Guͤte nicht ſchuld.

Ach ja! Was iſt gemeiners, als daß man von Perſonen und Sachen Probier-Zeit begehre, ehe man ſein Geld und Gluͤck daran wage? Man probieret Schild und Pantzer, Wehr und Waf - fen, Pferde und Knechte, ehe man ſie an ſich er - handelt: Auch wann man eine Braut erleſen will, ſo ſetzet man ſie zuvor auf die Probe, ehe man ſich ſo weit einlaßt, und ihro das gantze Hertz anver - trauet: Ehe auch ein Koͤnig einem gemeinen Sol - daten den General-Stab uͤbergiebet, muß er unge - meine Proben ſeiner Treue, Tapfferkeit, Klugheit und Kriegs-Erfahrenheit vorher abgeleget haben. Sollte nun denen Menſchen ſolches erlaubt ſeyn; GOtt allein aber nicht Fug und Recht haben, nie - manden ungepruͤfft in ſeine hoͤchſte Herrlichkeit auf - zunehmen, und das Koͤnigreich der Himmeln ihm anzuvertrauen? Dancke du vielmehr deinem GOtt, und lobe ihn mit der allertieffſten Ehrerbietung oh - ne Aufhoͤren, daß ſeine unuͤberwindliche, und alle Untreue, Undanck und Bosheit der Suͤndern uͤber - ſteigende Liebe bey Adams Fall Anlaß genommen, die recht erſchreckliche Abgruͤnde ſeiner Erbarmung zu offenbahren, an welche man ohne heiligen Schauer, ohne tieffe Seel-zerſchmeltzende Anbe - tung, und ohne zitternde Freude nicht ſinnen kan.

§. 9. Wie379der Verfuͤhrung der Jugend.

§. 9.

Wie koͤnnte demnach eine unverſchaͤmtere Ver - meſſenheit begangen werden, als daß ſchnoͤde Suͤn - den-Wuͤrme und Hoͤllen-Braͤnde ſich unterſtehen duͤrffen, die liebwuͤrdigſte Majeſtaͤt bey dieſem Wun - der-Meer mit allerhand Critiques anzutaſten, und die unergruͤndliche Weisheit mit ihrer tadelſuͤchti - gen, tollen Vernunfft zu meiſtern, und zur Schu - le zu fuͤhren? Huͤte du dich davor, mein liebes Kind, und befleißige dich, daß du von den Wegen eines ſo groſſen und herrlichen GOttes ja nicht anders, als mit heiliger Ehrfurcht gedenckeſt, ſonderlich was das Stuͤck ſeiner Regie - rung von Adams Fall anbetrifft. Ach wie man - cher hat ſich in einen verzweiffelten Zuſtand geſtuͤrtzet, der mit ſeinem hochmuͤthigen, leichtfertigen Beur - theilen ſich an ſeinem Schoͤpffer ſo freventlich hat vergreiffen duͤrffen! Bedencke es doch, liebes Kind, wie du Adams Fall ſchon tauſendmal wieder aͤffet, die Triebe und Luͤſte deines verderbten Hertzens dem allerſeligſten Willen GOttes vorgezogen, in die ſchaͤndlichſte Verſuchungen hinein geplatzet, und den getreueſten Heyland nicht gewuͤrdiget habeſt, um Huͤlffe, Gnade und Geiſt anzuflehen. Haͤtte GOtt dich nicht aus gerechtem Gericht verſtoſſen koͤnnen, ſo wie du es mit deiner Auffuͤhrung ungleich beſ - ſer, als die gefallene Engel verdienet haͤtteſt? An - ſtatt aber dich mit Fluch und Hoͤlle zu ſtraffen, beut er dir ſeinen eingebohrnen Sohn an, legt Suͤnde und Straffe auf ihn, und iſt geneigt, dir alle Schuld zu erlaſſen, dich fuͤr ſein liebſtes Kind und Erbe an -zu -380Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mittelnzunehmen, und deine abſcheuliche Seele im Blut ſeines lieben Sohns Engel-rein zu machen, um ſel - bige alſo gewaſchen und geheiliget, in den ſeligſten Genuß aller ſeiner Guͤter auf ewig einzuſetzen, wo du dich nur noch heute zu ihm bekehren laſſen wilſt. Du aber geheſt hin aͤrger als ein Teufel, und rich - teſt GOTT in ſeinem Liebes-Weg mit den Suͤn - dern, als ſeye er nicht tuͤchtig, was er erſchaffen, zu regieren, und als wollteſt du es beſſer machen. Pfuy der unverſchaͤmten Teufeley. Kayſers Conſtan - tini des Groſſen Vater wird geruͤhmet, daß er ſei - ne Hofleute, welche meiſtens Chriſten waren, fol - gender geſtalten auf die Probe geſetzet habe: Er ſtellete ſich, als ob er alle die beurlauben wollte, wel - che Chriſtum und ſeinen Dienſt nicht aufgeben wol - ten; hernach aber behielt er nur diejenigen in ſeinen Dienſten, welche lieber alles andere fahren laſſen, als Chriſtum verleugnen wollten; ſtieſſe hingegen alle, die der Welt den Vorzug gaben, von ſeinem Hofe hinweg, und ſprach: Leute / die an ih - rem GOtt falſch waͤren / wuͤrden ihme noch vielweniger treu ſeyn.

Nimme ein Gleichniß: Ein Monarch wirfft groſſe Huld und Liebe auf einen Vaſallen oder Le - hen-Traͤger, und hat im Sinn denſelben nach kur - tzen Dienſten mit einem Koͤnigreich zu beſchencken, in deſſen Anwart er ihn mit vielen Wohlthaten uͤberhaͤuffet; nur begehret er von demſelben zur klei - nen Probe ſeiner Treue, daß er ſich nur von einer gewiſſen ſchaͤdlichen Speiſe enthalten ſolle, mit Ver - ſicherung ſeines Beyſtandes, wann er in der Stun - de der Verſuchung und Anfechtung ihn darum an -ſpre -381der Verfuͤhrung der Jugend. ſprechen wuͤrde: Dieſer vergißt alles empfangenen Guten, verſchmaͤhet die groſſe Verheiſſung, laͤßt ſich von ſeines Herrn abgeſagtem Feind leichtſinnig ver - fuͤhren, wird treulos, fallt ab, und geraͤth in groſſe Noth, faſſet auch eine ſolche Feindſchafft wider ſei - nen Herrn, daß er denſelben, wann es in ſeiner Macht ſtuͤnde, wohl umbringen moͤchte, gedenckt an keine Wiederaufrichtung der vorigen ſeligen Freundſchafft, und handelt in allen Dingen ver - kehrt. Dieſer Monarch iſt GOtt der Vater, und dieſer beharret in ſeinem Vorhaben, den abtruͤnni - gen undanckbarſten Rebellen hoͤchſt-ſelig zu ma - chen, und opffert ſelbſten ſeinen Cron-Printzen auf, um ſeinen Liebes-Zweck erreichen zu koͤnnen, und machet erſtaunliche und unausſprechliche Anſtalten, vollziehet auch dieſelbe gerne an dir und mir, ob wir aus einem verwirrten, unruhigen Quaal-Leben in ein wohlgeordnetes Frieden-reiches Weſen der rei - nen Lichts-Welt verſetzet werden moͤchten. Wir wollten aber, anſtatt eines demuͤthigen Dancks, nur das heraus klauben, warum er uns auf die Probe geſetzet? Warum in Oerter und Geſellſchafften kommen laſſen, die uns zum Abfall veranlaſſet? Warum er die Verfuͤhrung nicht gehindert? ꝛc. Waͤren wir nicht unſinnig? Waͤre das nicht ein Zeichen, daß wir keinen Frieden begehrten?

§. 10.

Du fragſt: Kan mich dann nicht die Freyheit zum Boͤſen verleiten? Jch habe dermahlen groſſe Freyheit / werde vonnie -382Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mittelnniemand geſtrafft oder eingeſchraͤnckt / und kan alſo thun / was ich will.

Auch der Freyheit wuͤrdeſt du nicht mißbrau - chen, wann du deinem frechen unbaͤndigen Hertzen nicht den Zuͤgel lieſſeſt, welches die Wurtzel alles Ubels iſt. Erwecke dein Hertz, wo du geheſt und ſteheſt, beſtaͤndig die Allgegenwart GOttes vor Au - gen zu haben, und bedencke, daß du ein Knecht (eine Magd) JEſu ſeyeſt, ſo wirſt du deine Frey - heit Chriſto aufopffern, und das vor den groͤſten Gewinn deiner Freyheit anſehen, wann du ohne Scheu dich in ſeiner Creutzes-Nachfolge uͤben, und ſeinen groſſen Nahmen mit Beten, Loben und Dan - cken verherrlichen kanſt. Da wirſt du das muth - willige Auslauffen, und allerhand Geſellſchafften, und anderes kurtzweiliges Beginnen der Welt - Kinder als eine groſſe Seelen-Gefahr achten, und den Gebrauch deiner Freyheit vielmehr mit Einge - zogenheit, Stille, und Verſchmaͤhung der Welt zieren.

§. 11.

Es wiſſen freylich die allerwenigſte die ihnen ge - goͤnnete Freyheit recht zu gebrauchen, und wer ſein Hertz nicht der Weisheit uͤbergiebet, und das Ohr als ein williger Knecht der Gerechtigkeit an ihrer Thuͤr gleichſam durchbohren laͤſſet, der bleibet bey aller vermeynten Freyheit ein elender Sclav ſeiner unartigen Neigungen. Was indeſſen eine ſothane fleiſchliche Freyheit fuͤr Verwuͤſtungen in den zar - ten Gemuͤthern junger Leuten anzurichten pflege,kan383der Verfuͤhrung der Jugend. kan mit keiner Feder genug beſchrieben werden. Hie - her nun mag man fuͤrnemlich auch alle ſuͤndliche Landes-Gebraͤuche und allgemein-ge - wordene boͤſe Gewohnheiten einer Stadt oder eines Dorffs nicht uneben zehlen. Derglei - chen dan zum Exempel ſind:

1) Die Entheiligung des Sabbaths: Da man zwar nach goͤttlichen und menſchlichen Rechten von aller Werck-taͤglichen Arbeit ruhen ſolle; dieſe Ruhe aber leider meiſtens in Seel-ver - derblichen Muͤßiggang verkehret, oder wohl gar ſei - ne Ruhe in ſuͤndlichen und ſolchen Wercken ſuchet, die nichts wenigers als zu heiligen Sonntags-U - bungen koͤnnen gezehlet werden. Das Evangeli - ſche Gnaden-Wort iſt das eintzige ordinaire Mit - tel unſerer Bekehrung zur Seligkeit, und wird uns an dem Sonntag beſonders geprediget und an die Hertzen geleget: So bald aber die zur Anhoͤrung deſſelben Lands-gebraͤuchlich-gewidmete Stunden zu Ende ſind, ſo wird alles, was man gehoͤret hat, wieder verſchwaͤtzet, und verkurtzweilet, auch allzu - offt unter allerley Geſchwaͤtz und Narrentheidung mit Wein weggeſpuͤhlet, mithin an denen armen Seelen gantz unfruchtbar gemachet. Diß thun die Alten, und dencken an nichts wenigers, als daß ſie die uͤbrigen Stunden des Sonntags mit GOttes Wort zubringen, denen Predigten in der Stille nachſinnen, oder mit den Jhrigen daheim wieder - holen, in der Bibel und geiſtlichen Buͤchern leſen, beten, ſingen und ſolcherley Seel-erbauliche Sonn - tags-Ubungen haben ſollten: Jm Gegentheil kla - gen die meiſten, weil ſie am Wort GOttes keineLuſt384Cap. 7. Nachleſe noch einiger MittelnLuſt haben, uͤber lange Weile, und viele glauben beynahem eine Suͤnde zu begehen, wann ſie einen Sonn-oder Feyertag vorbey gehen lieſſen, ohne nicht das Zech-Haus an demſelben beſuchet, oder nicht auf dem Kegel-Platz ſich eingefunden zu haben. Redet etwa ein Zeuge der Warheit dargegen; ſo muß er bald ſich ſtuͤrmiſch vorhalten laſſen, als ob man die Leute in ein Bocks-Horn ſtoſſen, und ih - re alt-gewohnte Freyheit einſchraͤncken wolle; um ſo vielmehr, weil ſolcherley Dinge nicht Obrigkeitlich verbotten ſeyen. Da dann freylich gottſelige See - len ſchon lange daruͤber geſeuffzet und gewuͤnſchet haben, daß doch die Regenten und Obrigkeiten al - ler Orten eine mehrere Sorge fuͤr die wahre Heili - gung NB. des gantzen Sonntags haben, wi - der alle Sabbaths-Entheiligung den Eifer als einen Pantzer anziehen, und mit Nachdruck wehren moͤch - ten, daß ja der Greuel der Verwuͤſtung nicht durch unheilige und dem Zweck des Sabbaths ſchnur gerad zuwider lauffende Ubungen an der heiligen Staͤtte geſehen werden muͤſſen; Matt. 24, 15.

Was indeſſen die ungebundene Menſchen in ihrer vermeynten Freyheit des Sonntags zu thun, was ſie geluͤſtet, noch am meiſten ſtaͤrcket, mag wohl dieſes ſeyn, daß ihnen das Ziel-Schieſſen am Sabbath-Tage da und dorten, zumahlen in unſerm Schweitzer-Land, nicht nur Obrigkeitlich er - laubet, ſondern gar bey Straffe geboten, mithin dadurch die Mannſchafft von dem Wiederkaͤuen des angehoͤrten Worts abgehalten und hingegen zu allerhand andern nicht Sonntaͤglichen Sachen veranlaſſet wird.

Diß385der Verfuͤhrung der Jugend.

Diß alles muͤſſen Kinder und junge Leute ſe - hen, und wahrnehmen, wie ihre Eltern und andere den empfangenen Saamen des Evangelii durch be - ſagte boͤſen Sonntags-Gewohnheiten zertretten, und ſolches zu thun ſich gefreyet achten: Es ma - chet darum ein Kind leicht den Schluß und den - cket: Jch meynte, Sauffen, Kegeln, Spielen, Schertzen, Schieſſen waͤre keine Sonntags-Ar - beit: Weil es aber meine Eltern und andere ſo ungeſcheuet als ungeſtrafft thun, ja zum letztern gar durch Obrigkeitlichen Befehl genoͤthiget wer - den; ſo wird es mir auch keine Suͤnde ſeyn, mein Kinder-Spiel zu treiben und meine Kurtz - weil zu haben. Daher kommt es dann, daß die Jungen es kein Haar beſſer machen, als die Al - ten, die Kinder ihren Jugend-Luͤſten zur Ausuͤbung allerley kindiſchen Muthwillens dem freyen Lauff laſſen, die erwachſenen Knaben aber entweder auf den Spiel-und Kegel-Platz lauffen, oder beyderley Ge - ſchlecht bey dem Wein ſchaͤdliche Bekanntſchafft und Vertraulichkeit zuſammen machen, den Leib und Gemuͤth mit Getraͤnck erhitzen, und die unrei - nen Luͤſte und Begierden vorſetzlich und mit allem Fleiß gleichſam in volle Flammen ſetzen, mithin um der alt-hergebrachten Gewohnheit willen alle Frey - heit dazu zu haben ſich bereden.

2) Das an vielen Orten zur Mode gewordene Tantzen an hochzeitlichen Freuden-An - laͤſſen: Woruͤber viele gewiß ſtrenger als uͤber alle goͤttliche Gebote halten, und die nicht mitma - chen, hoͤhniſch auslachen. Allein neben dem, daß bey ſolcher Eitelkeit die Wichtigkeit des Hochzeit -B bTages386Cap. 7. Nachleſe noch einiger MittelnTages aus der Acht gelaſſen, und JEſus, der ſon - ſten der Hochzeit jener frommen Leutlein zu Cana beygewohnet, mit ſeiner Gnade und Segen gleich - ſam verjaget und weggetantzet wird; ſo gereichet dieſe fleiſchliche Freyheit jungen Leuten inſonderheit zu vieler Verfuͤhrung. Dann weil ein ſolcher ſo genannter Ehren-Tantz in uͤppiger und wolluͤſtiger Geſellſchafft und bey einer fleiſchlichen und in GOt - tes Ohren abſcheulich klingenden Muſic, mithin meiſtens bey ſpaͤter Nacht und dannzumahlen ge - ſchiehet, wann man vom Wein und ſtarcken Getraͤnck erhitzet iſt, auch Mann-und Weibs - Perſonen mit leichtfertigen Geberden, geilen Stellungen, und reitzenden Umarmungen ver - miſcht durch einander ſpringen; ſo wird das ſonſten ſchon durch uͤberfluͤßiges Eſſen und Trin - cken in Jaſt gebrachte Jugend-Blut gar leicht noch mehr erhitzet, die fleiſchliche Brunſt entzuͤndet, und wie es leider nur allzuofft ſich zeiget, vom Tantz - Platz in die Kammer der Unzucht der Weg gebah - net, und alſo das alte Spruͤchwort erfuͤllet: Wann die Keuſchheit zum Tantz kommt / ſo tantzet ſie auf glaͤſernen Schuhen.

3) Die naͤchtlichen Zuſammenkuͤnffte junger Leuten von beyderley Geſchlecht / das ſo genannte Kilt-gehen / Gaden-ſtei - gen, und Beſuchen der jungen zu Bette lie - genden Toͤchtern; auch nur allzuofft mit Vorwiſſen der Heyls-vergeſſenen Eltern, die die - ſes als eine alte Gewohnheit ihren Kindern erlau - ben, wenigſtens durch die Finger ſehen, als eine un - ſchuldige Jugend-Freude entſchuldigen, ja gar be -ſorgen,387der Verfuͤhrung der Jugend. ſorgen, ihre Toͤchter moͤchten keine Maͤnner krie - gen, wann ſie denen Knaben den Zugang zum Bette ihrer Toͤchtern verſperren wuͤrden: Sie ma - chen ſich aber hierdurch am Blut ihrer Kindern weit mehr ſchuldig, als aber die Haus-Vaͤter unter dem Geſetz, welche keine Lehne um das Tach ihres Hauſes macheten / 5 B. Moſ. 22, 8. Deswegen auch eine Tochter, wann ſie in ihres Vaters Hauſe gehuret hat, nicht unbillich vor deſ - ſen Haus-Thuͤre muſte geſteiniget werden, weil er ſolche ſamt den Fenſtern nicht wohl verwahret hat - te, v. 3. 21.

Es geben zwar junge Leute gemeiniglich vor, ſie haben gar nichts Boͤſes im Sinn; ſie ſollen aber wiſſen, daß ſie gleichwohl auf dem Grund und Boden des Fuͤrſten der Finſterniß gehen: Es kommet doch Feuer zum Zunder, alſo daß man mit Warheit ſagen kan, daß ſolche, wo nicht wuͤrck - liche Hurer und Huren ſeyen, doch gerne ſolche waͤ - ren, zum wenigſten leichtlich auch ohne ihr Vorhaben ſolche werden koͤnnen; die ſo viele fruͤh - zeitige Kindbetten ſind von dem, was bey ſolchen Anlaͤſſen vorgehe und vorgehen koͤnne, genugſame, aber auch leidige Zeugen. Und da man auf ſol - che Weiſe ſich ſelber in die Verſuchung ſtuͤrtzet, ſo verraͤth man ſich nur allzuklar, mit welch abſcheu - licher Heucheley man ſein Gebet verrichte.

Und ach des entſetzlichen Schadens, den der Mord-Geiſt durch dieſe ſo ſehr im Schwang ge - hende und faſt fuͤr keine Suͤnde mehr gehaltene Gewohnheit bey jungen Leuten verurſachet, da die arme Jugend offt ſchon vor der Unterweiſung zumB b 2Heil.388Cap. 7. Nachleſe noch einiger MittelnHeil. Abendmahl durch ſolcherley Greuel beſudelt, und das Hertz vor allen auch beweglichſten Ver - mahnungen verſchloſſen, oder bald hernach, da ſie im gefaͤhrlichſten Alter ſich befinden, und gleichwol wider die Verſuchungen nicht fleißig wachen, alle Ruͤhrungen, gute Bewegungen und Vorſaͤtze, auch alle angehoͤrte und ins Gedaͤchtniß gefaßte Lehren erſticket und unterdruͤcket, alles gruͤne Kraut von dieſem hoͤlliſchen Ungeziefer abgefreſſen, und von dieſem Luſt-Feuer verzehret, mithin die arme Jugend, wann ein Prediger auch meynet etwas Gutes von und an ihnen zu ſehen und erwecket zu haben, ihme von dem Seelen-Feind zu ihrem un - ſaͤglichen Schmertzen gleichſam unter den Haͤnden weggenommen wird, wie Judas gleichſam aus der Schoos JEſu ſelbſten: Da dann der Satan nach allem ſeinem feindlichen Wunſch das Hertz in Beſitz bekommt, und leider meiſtens die gantze Lebens - Zeit unter ſeiner Herrſchafft behaͤlt, ſo daß wann man ſchon von der That ſich etwa enthaͤlt, doch die ſchmertzliche Buß-Reue, und die Reinigung der Seele von denen weyland begangenen Suͤn - den ausbleibet.

§. 12.

Biſt du, Hertz-geliebtes Kind, frey, und an keines Menſchen Gunſt oder Dienſt gebunden, auch niemanden in die Hand zu ſehen benoͤthiget; ſo iſt diß freylich ein Vortheil, welchen viele Millio - nen Menſchen, auch wohl groſſe Printzen, Fuͤr - ſten und Grafen an Koͤniglichen Hoͤfen nicht ha -ben.389der Verfuͤhrung der Jugend. ben. Laß dich aber ſolchen ſuͤſſen Freyheits-Vor - theil deſto hitziger und beſtaͤndiger im Dienſt dei - nes getreuen Heylands machen, und antreiben, es fuͤr die ſeligſte Freyheit zu achten, wann du ein Knecht (eine Magd) des ewigen Sohs der Liebe ſeyn und bleiben kanſt, der aus unbegreifflicher Hertzens-Neigung zu dir, ſich aus der allerhoͤchſten goͤttlichen Freyheit in die armſeligſte und tieffeſte Knechtſchafft begeben, und alles angewendet hat, damit du aus der allerſchnoͤdeſten Sclaverey der verderblichen Paſſionen, aus dem Gefaͤngniß des verfluchenden Geſetzes, von den Banden des bange-machenden Gewiſſens, aus der Leib-und Seel-Eigenſchafft des Teuffels errettet, und in die Herrlichkeit der Freyheit der Kindern GOttes er - hoͤheſt wuͤrdeſt. Erkenne dieſe unvergleichliche Se - ligkeit als eine hochtheure Frucht der Blut-Gnade deines Erloͤſers: Preiſe, lobe und verherrliche ihn von gantzer deiner Seele mit andaͤchtigem Nach - ſinnen, was doch das vor ein Liebens-wuͤrdiger und Lieb-ſeliger JEſus ſeyn muͤſſe: Laß dich ſo - dann dieſe Liebes-Sonne beſtrahlen, und faſſe, o du kaltes Hertz, Feuer von dieſer Flamme, um al - le deine Hertzens-Liebe lauterlich und einig auf ihn zu richten; und begehe ja die abſcheuliche Toll - heit nimmermehr, daß du dich vom Satan mit Hoͤllen-Banden boͤſer Gewohnheiten und fleiſchli - cher Wolluſt-Freyheit aufs neue wollteſt binden und hin und her ziehen laſſen.

§. 13.

Erlaube mir indeſſen, noch etwas zu ſagen, welches dir vielleicht nicht zu Sinne kommt: Nach -B b 3dem390Cap. 7. Nachleſe noch einiger Mittelndem JEſus ein HERR uͤber alles iſt, und mehr als tauſendmal tauſend Diener hat, deren der ge - ringſte maͤchtiger und praͤchtiger, als alle Koͤnige der Erden, iſt; ſo bedarff er eben deiner und deines Dienſtes nicht, und wird der einige Dienſt, den du ſeiner allerhoͤchſten Majeſtaͤt leiſten kanſt, wohl dieſer ſeyn, daß du nur ihne dich mit ſei - nen Gnaden-Guͤtern mildiglich beſeligen, und von ſeinen himmliſchen Segnungen voll fuͤllen laſſeſt. Wo du folglich frey biſt, und dir niemand was einzureden hat, ſo ſuche deines Hertzens-Luſtbar - keit zu ſaͤttigen in Beſuchung der Armen, Ange - fochtenen, Krancken, Wittwen und Wayſen: Wer hierin ſich uͤbet, der hat alle Tage ein Fuͤrſtliches Wolleben, und der HErr nimmt es an, als haͤt - teſt du es ihme ſelber gethan, wie du ſolches in deinem Jnnerſten wohl fuͤhlen wirſt. Haſt du z. E. uͤbrig Geld, ſo wende es hierzu an; da dir dann dein Hertz ſo ſuͤß und freudig davon werden wird, daß du es an deinem Maul und Kleidern erſparen und dahin legen wirſt. Diß iſt die rechte Weiſe mit dem Glaubens-und Liebes-Talent zu wuchern; ſo daß du in kurtzer Zeit zwey oder fuͤnff Talente wirſt beyſammen haben koͤnnen, den HErrn damit zu ehren und zu erfreuen. Neben dem, daß die Benedeyungen der Erquickten wie ein koſtbares Narden-Oel bis ins Jnnerſte deiner Gebeinen ein - dringen und dir wohl thun werden.

Wen alſo die Weisheit lehret,
Was die Freyheit fuͤr ein Theil:
Deſſen Hertz zu GOtt ſich kehret,
Seinem allerhoͤchſten Heyl;
Suchet391der Verfuͤhrung der Jugend
Suchet allein ohne Schein
Chriſti freyer Knecht zu ſeyn.

Jch kannte zwey Toͤchter vom Juͤdiſchen Ge - ſchlecht, welche aber ob der Lehre Chriſti feſte hiel - ten, und ſchon im dreyzehenden Jahr ihres Alters, zur Erſtaunung aller deren, die mit ihnen umzuge - hen das Gluͤck hatten, nicht nur mit Erkaͤnntniß und Verſtand in goͤttlichen und weltlichen Dingen ausnehmend begnadiget waren, ſondern auch den HErrn JEſum aufrichtig und von Hertzen liebe - ten, mithin gantz eingezogen und verborgen lebten, und niemand anders zu ſich lieſſen, als die ſie fuͤr wahre Chriſten und rechtſchaffene Zions-Burger annehmen kunten. Dieſe bezogen jaͤhrlich in unſerer groſſen Stadt den Zinns von dreyzehen tauſend Species-Thaler, wand - ten aber alles ſaͤuberlich an Arme und Krancke / und lebten lediglich von ihrer Hand-Arbeit. Es waͤre zu weitlaͤufftig ihre gan - tze Hiſtorie zu erzehlen. Jhr Ende iſt muthmaßlich ein grauſamer Marter-Tod geweſen, ſintemahlen ſie, von Begierde, ihr Volck in der allerſeligſten Gnade Chriſti zu ſehen, rechtſchaffen brenneten, daruͤber aber zu Avignon in Franckreich verlohren giengen, ſo daß man von ihnen nichts mehr hat erfragen koͤnnen, und darum auf die nicht unbegruͤndete Gedancken gefal - len, daß ſie von denen Juden in Geheim hingerichtet und gezwungen worden ſeyen, entweder den Namen JEſu zu laͤſtern, oder bey jedem Abſchlag die entſetzlichſte Peinigung auszuſtehen.

B b 4Das392

Das 8. Capitel. Der Beſchluß.

Jnhalt.

  • Zum Beſchluß werden noch ſieben Vortheile ange - wieſen, unter deren Beobachtung Kinder der Gefahr verfuͤhret zu werden entgehen koͤnnen, und zwar 1) daß man die Verſicherung der Kindſchafft GOttes im Her - tzen feſt behalte;
  • §. 1. 2 ) Daß man ſich zu ſtetigen Stoß-Gebetlein gewoͤhne;
  • §. 2 3) Daß man JE - ſum und ſeine Wunden-Hoͤhle nimmer aus den Gedancken laſſe;
  • §. 3. 4 ) Daß man mit Ernſt die Gluͤckſelig - keit bedencke, ein Tempel des Heil. Geiſtes zu ſeyn;
  • §. 4. und 5. 5 ) Daß man ſich des Todes und Juͤng - ſten Gerichts fleißig erinnere;
  • §. 6. und 7. 6 ) Daß man Morgens und Abends ſeinen Tauff-Bund mit GOtt erneuere:
  • §. 8. 7 ) Daß man die Gemeinſchafft der Heil. Engeln hochachte;
  • §. 9. Worzu noch kommt ſo wohl eine allgemeine Erinnerung, theils ſein Hertz allſtets zu GOtt zu wenden;
  • §. 10. Theils in JE - ſu und ſeiner Liebe zu bleiben;
  • §. 11. als auch eine Erzehlung der daraus flieſſenden Seligkeiten. §. 12.

§. 1.

NUn liebes Kind! Es iſt dann nichts mehr uͤbrig / als daß ich dir uͤber - haupt einige kurtze Vortheile an die Hand gebe / durch deren Gebrauch du gegen alle Gefahr der Verfuͤhrung wohlbeſte -393Der Beſchluß. beſtehen / und deinem Ungluͤck in Zeit und Ewigkeit vorbeugen kanſt.

Erſter Vortheil. Suche und halte in deinem Hertzen feſt die Uberzeugung des Heil. Geiſtes / Roͤm. 8, 16. daß du ein Kind GOttes ſeyeſt. Aus ſolcher feſten Ver - ſicherung der Kindſchafft GOttes wird in dir ein lebendiges Vertrauen auf die Vater-Huld GOttes entſtehen / daß er ſich deiner in Chriſto theuer erkaufften Seele treulich in aller Gefahr annehmen / und dich als ſein Schaͤflein ewig nicht aus ſeinen Haͤnden werde reiſſen laſſen.

Es iſt freylich wahr, wann das Hertz der goͤtt - lichen Kindſchafft gewiß ſeyn, und alle Herrlich - und Seligkeiten der Kindern GOttes ſich frey - muͤthig zueignen kan; ſo hat man Muth und Freudigkeit zu einem heiligen Wandel: Aber da giltet es in Chriſto bleiben, Joh. 15, 6. die Ver - heiſſungen unablaͤßig in ſich ziehen, und auf deren Erfuͤllung mit taͤglichem Sehnen harren; auch eher Ehr und Gut, Leib und Leben, Gunſt und Kunſt, Gemaͤchlichkeit und Ruhe, und alles fahren laſſen, als daß du den lieben Vater im Himmel beleidi - gen, und alſo dein Hertzens-Gefaͤß auſſer Stand ſetzen ſollteſt, himmliſche Koſtbarkeiten zu empfa - hen; kurtz, da gilt es warlich das Suͤndigen bleiben laſſen: Sonſten waͤre es nicht eine heilige Verſicherung, ſondern eine ſchaͤdliche Sicherheit; nicht eine ſelige Gewißheit, ſondern eine gefaͤhrliche Sorgloſigkeit. Und ach wie manches Kind hat ſichB b 5we -394Das 8. Cap. wegen ein und andern gehabten ſuͤſſen Empfindun - gen Wunder-Dinge von ſeinem Zuſtand eingebil - det und geglaubet, GOTT werde ihm immerfort durch die Finger ſehen, und ſeine Sache mit GOtt nimmermehr verderbet werden, bis es in die auſ - ſerſte Noth und an den Rand der Hoͤllen gekom - men.

Wirckeſt du aber deine Seligkeit mit Forcht und Zittern, und mit einer ſtetig-kindlichen Bey - ſorge, du moͤchteſt dich etwa durch Betrug der Suͤnde aus der Hand des Vaters und Chriſti hin - aus werffen, deinen GOtt verlieren, und die Suͤſ - ſigkeit ſeiner Kindſchafft nicht mehr ſchmecken: und ſteheſt derowegen ſorgfaͤltig auf deiner Huth: O ſo wirſt du alle Guͤtigkeiten der Vaters-Hand und Mutter-Schoos auf das innigſte erfahren, und innen werden, wie ſie dich waͤrmet, naͤhret, um - giebet, bewahret, heilet, waſchet, fuͤhret, leitet, ſtaͤrcket und beſchuͤtzet. Und dieſes dein Vertrauen wird nicht verdorren, ſondern von der gruͤnen - den Krafft und Safft des Heil. Geiſtes erfuͤllet ſeyn, ſo daß ſein Zeugniß und Abba-Schreyen in deinem Hertzen dich gantz beleben wird, ohne daß etwas darzwiſchen einſchleichen duͤrffte.

§. 2.

Zweyter Vortheil. Gewoͤhne ſodann dein Hertz mit allem Fleiß zu ſtetigen Stoß - Gebetlein und himmliſchen Seuffzern / die du den gantzen Tag uͤber in allem deinem Beginnen / auch mitten unter deiner Ar -beit395Der Beſchluß. beit zu GOtt ſchickeſt; ſo wirſt du vor vielen tauſend Anfaͤllen der Verfuͤhrung bewahret / und durch dieſes Anhangen an GOtt einen uͤberſchwenglichen Se - gen zu dir von oben herab ziehen.

Stoß-Gebetlein ſind eine Anzeigung, daß das vom Himmel gefallene Feuer noch in dir glim - me, und noch eine heilige Gluth auf dem Feuer - Heerd ſeye, von deren noch die Andachts-Fuͤnck - lein zu GOtt in den Himmel fliegen. Sie ſind ein ſeliges Mittel, fuͤr und fuͤr mit GOtt zu wan - deln, und in ſeiner Gegenwart zu beharren: Sie entdecken dir es bald in deinem Hertzens-Gefuͤhl, ob du nahe bey JEſu oder ferne von ihm ſeyeſt, und ob du auf dem Glaubens-Weg geblieben und deinem Fuͤhrer nachtreteſt, oder ob du durch Zer - ſtreuungen, eiteles Geſchwaͤtz, neue Zeitungen, aus - ſchweiffende Sinnen und kuͤmmerhaffte Sorgen dich verlauffen und den Leit-Faden verlohren habeſt; und du fuͤhleſt es auch gleich, ob deine Seuffzer und Stoß-Gebetlein Krafft haben und eindringen, oder aber wie ein Pfeil von einem luck-geworde - nen Bogen ohne Nachdruck dahin falle: Es iſt darum ſehr heylſam und noͤthig, immerhin zu ſchauen, wie es ums Hertz ſtehe, und ob du im Stande ſeyeſt, Chriſtum unbeſchaͤmt in die Augen zu ſehen, als einer, der ſein Werck emſig treibet, und auf ſeinem Poſten ſtehet, mithin ab ſeines Herrn Angeſicht und Stimme ſich nicht entfaͤrbet.

O wie vielen Nutzen ſchaffen die Stoß-Gebet - lein! David ware in groſſen Noͤthen, da Ahito - phel mit Rath und That geholffen, ihme das Sce -pter396Das 8. Cap. pter und Leben zu rauben: Er aber thate folgen - des Stoß-Gebetlein: HERR! mache den Rathſchlag Ahitophels zur Narrheit. 2 Sam. 15, 31. Welcher einige Seuffzer den Verraͤther geſtuͤrtzet und ihme den Hals gebrochen, 2 Sam. 17, 23.

Liebes Kind! Offt fuͤhret dich der Verfuͤhrer in die Hoͤhe, und iſt an dem, daß er dich in die Suͤnde ſtoſſe: Da ſiehet der Heilige Geiſt deine Gefahr und wuͤrcket behend ein Stoß-Gebetlein in deinem Hertzen, wodurch die groſſe Gnade bewo - gen wird, dir zu Huͤlffe zu kommen, andere Ge - dancken einzugeben, und des Teuffels Schalckheit dermaſſen ſchabab zu machen, daß er ſich wohl ſelbſt vielmahls vor Verdruß erhencken moͤchte, wann er nur koͤnnte. Offt iſts an dem, daß dich ein hoͤlliſcher Scorpion oder Schlange ſtechen und beiſ - ſen will; JEſus aber ſchenckt dir einen Seuff - zer, und damit vertritteſt du ſie. Offt zielet der Muͤhe-Macher auf deine Seele, ſie wund oder gar todt zu ſchieſſen; allein der Geiſt der Gnaden und des Gebets ladet dein armes Hertz mit einem Stoß - Gebetlein, wodurch er dem Boͤſewicht zuvor kom - met, und ſeinen Anſchlag uͤber einen Hauffen ſchieſſet. Offt befindeſt du dich im Angſt-Kercker, und weiſt bisweilen ſelber nicht, warum dir doch ſo bange ſeye; da iſt dir ein Stoß-Gebetlein be - ſonders dienlich, und wie ein Engel, daß dir ein Licht im Finſtern aufgehet. Deine Sache ſiehet auch wohl etwa ſehr gefaͤhrlich aus, und deine Seele iſt auf allen Seiten umlagert; des Heil. Geiſtes Begierde aber, dir zu helffen, und dei -ner397Der Beſchluß. ner Seelen Begierde zu entfliehen, ſind zwey Tau - ben-Fluͤgel, mit denen du dich in die Wunden - Hoͤhe deines Heylandes aufſchwingeſt. Es iſt manchmahl ein Teuffel mit einem armen Strick, ein eiteles Welt-Kind unter Wegs, dich in ſein Gebiet zu ziehen, und auf ſeinen Grund und Bo - den zu verleiten; die Gnade aber treibet dich ins Gebet, daß du einen Eckel ab allen zauberiſchen Welt-Kram bekommeſt, mithin der Feinden An - ſchlag ſich zerſchlaͤget und du Herr im Lande ver - bleibeſt.

Hier muß ich zu GOttes Preiß und Ruhm er - zehlen, was mir zur Zeit begegnet:

Jch hatte eines Landvogts Pferd, und dieſes erwildete ſo greulich, daß es den Zaum zerriſſen, und auf das ſchnel - leſte einem Wald zugerennet: Jch ſahe die Gefahr, wie leicht mir der Kopf koͤnte zerſchmettert werden; bate dar - um meinen HErrn JEſum Chriſtum um den Beyſtand der Heil. Engeln ſo ſehnlich, daß es durch Wolcken und Himmel drange: Bald darauf ſchluge ich in vollem Pferd - Sprung mit den lincken Schlaͤffen des Hauptes an einen Baum im Wald, ohne den geringſten Schaden, ohngeach - tet das Haupt, weil der Huth in allem Rennen davon flo - ge, blos nnd unbedecket ware.

§. 3.

Dritter Vortheil. Bade und waſche dich taͤglich mit zerknirſchtem Hertzen im Blut des Lammes / Offenb. 7, 14. und laß die Wunden-Hoͤhle des gecreutzigten JEſu nimmer aus deinem Hertzen kom - men / ſelbige vielmehr deine Zuflucht ſeyn fuͤr und fuͤr; da findeſt du gewiß Schat -ten398Das 8. Cap. ten und Schirm. Halte dich ja fein glaͤu - big und andringlich zu JESU. Je weiter du dich von ihm entferneſt / je ge - faͤhrlicher ſtehets um dich. Nichts kan dir der Teuffel anhaben / ſo lange du in Chriſto bleibeſt / und ihn fleißig anruffeſt: JESU, du Gecreutzigter! Erbarme dich mein!

Ach wann die Suͤnde druͤcket, das Gewiſſen aͤngſtiget, der Zorn ſchrecket, da iſt der Seele das Blut Chriſti auserwehlet und koͤſtlich; ſo bald aber das Ungewitter vorbey geſtrichen, ſo verlan - get man den Schatten und Schirm ſchon nicht mehr ſo ſtarck, und die Begierde nach des Lam - mes Blut, ſich darinnen zu baden, die Kleider ſei - nes Wandels helle und untadentlich zu waſchen, und dieſes GOttes-Blut zum Leben zu trincken, veraltet allmaͤhlig und verkaltet. Laſſe du aber, mein Kind, deinen Durſt nach dieſem JESUS - Blut ja nicht in deinem Hertzen vergehen, und wiſ - ſe, daß daſſelbe nicht nur ein Lebens-Balſam, da - mit du vom Heiligen Geiſt beſtrichen zu werden, taͤglich bedarffſt bis zur voͤlligen Geneſung, ſon - dern auch deiner Seelen eben ſo nothwendig ſeye, als Speiſe und Tranck dem Leibe, die Lufft den Voͤgeln, das Waſſer den Fiſchen, und das Blut des Oſter-Lamms in jener Wunder-Nacht

Liebes Kind! Es iſt jede Minuten wahr, was JEſus ſagt: Wer mein Fleiſch iſſet und trincket mein Blut / der hat ewiges Le - ben. Wer mein Fleiſch iſſet und trincket mein Blut / der bleibet in mir / und ichin399Der Beſchluß. in ihm / Joh. 6, 54. 56. Das Fleiſch Chri - ſti iſt ſeine GOttes-Krafft, ſo da in ſeinem gan - tzen Mittler-Amt, in ſeinen beyden Staͤnden, in ſeinen Geheimniſſen, in ſeiner GOtt-Menſchheit, in allen ſeinen Tugenden, Worten und Gedancken lieget. Dieſe Krafft iſt dir ſtets vonnoͤthen, ſo daß du ſie durch beſtaͤndiges Sehnen in dich zieheſt; ſonſt haſt du kein Leben, und dein Chriſtenthum keine Veſtigkeit.

Das Blut Chriſti iſt ſein goͤttliches Liebe - Leben, ſo da in dich ausgegoſſen wird vom Heil. Geiſt zur innigſten Wonne und Freude deiner See - len; deſſen du darum zu keiner Zeit entbehren kanſt, wo du nicht verdrießliche Fehl-Tritte und Thorheiten begehen willſt. Eine Turtel-Taube verbirget ſich in der Gefahr in die Fels-Loͤcher, und kan, weil ſie ihre Nothdurfft auf Erden ſuchen muß, nicht immer darinnen bleiben; dir hingegen dro - het die Gefahr, du magſt ſeyn, wo du willſt, und findeſt anbey alle deine Nothdurfft reichlich und uͤberfluͤßig in Chriſto JEſu: Halte es darum fuͤr lauter unergruͤndliche Treue deines GOttes, daß er will, daß deine Seele in ſeines lieben Sohns ungefaͤlſchen Hertzen und Seiten-Hoͤhle verborgen bleibe: Halte es nicht fuͤr ein unleidliches Ge - faͤngniß, wie der gottloſe alte Menſch thut, der keines Guten gewohnt iſt; dem Saͤu-Hirten ge - hoͤren Trebern: Da hingegen das Jnne-bleiben in dem Liebes-Hertzen JEſu tauſendmahl mehr An - muth und ſuͤſſes Vergnuͤgen, als Adams Para - dies, hat. Jch habe etlich tauſendmahl Schutz und Schirm, auch unausſprechlichen Frieden dagefun -400Das 8. Cap. gefunden, bin desnahen ſehr zornig uͤber mich, daß ich ein ſolch kalter Eis-Zapffe gegen JEſu bin. Eben aus dieſer Urſach ermahne ich dich, liebes Kind, zu feuriger und beſtaͤndiger Liebe deines JE - ſu, damit du ſeliglich erſetzeſt, was ich elendiglich und klaͤglich verſaͤumet habe. Schmiege dich dann nahe zu deinem JEſu: Die Liebe iſt gern nahe, und wie gut iſts, daß dir GOtt bey Verluſt dei - ner Seligkeit ein ſtetes Anhangen befiehlet und auf - erleget; huͤpffe und ſpringe, jauchze und ſinge froͤlich, daß dein GOtt dich ſo Hertz-inniglich lie - bet, daß er ohne dich gleichſam nicht ſeyn will. Einmahl, ich geſtehe es, wann mir ein Menſch noch ſo lieb waͤre, er wollte mir aber beſtaͤndig an - kleben und immer um mich ſeyn, ſo wuͤrde ich ſei - ner alſo muͤde und uͤberdruͤßig werden, daß ich ihn jenſeits des Meers wuͤnſchen wuͤrde. O Abgrund der Liebe! Wie mag doch die Weisheit ſelber die Thoren, die Gerechtigkeit ſelber die Miſſethaͤ - ter, die Heiligkeit ſelber ſo unreine Suͤnder, und der hohe und erhabene GOtt ſo armſelige Leutlein von ſolch geringer Herkunfft um ſich dulten, ja ihnen noch ſich ſelbſt und alles verſprechen, wann ſie bey ihm bleiben wollen? Wirſt du demnach von Suͤnde, Fleiſch, Welt, Teuffel, ja von deinem eigenen Hertzen angefochten, ſo macht dich dieſes denen Feinden unuͤberwindlich, und du darffſt nur deine Noth JEſu klagen, und ſagen: Ach GOTT! mein Hertz iſt mein ſchlimmſter Feind, es will immer ausreiſſen, da ich am lieb - ſten bey meinem JEſu bliebe: Wer iſts, der mir in dieſem Abgrund meines Elends helffe,als401Der Beſchluß. als du allein? Vater ſchaffe Heyl! HErr JE - ſu du Sohn GOttes erbarme dich mein! Jch weiß mir nicht zu helffen, mein Vertrauen ſtehet zu dir: Rette mich von den Gedancken-Geiſtern, den boͤſen Schelmen und Seelen-Dieben, die nur auf Ungluͤck und darauf dencken, wie ſie dir meine Seele entfuͤhren! Jn den Wunden JE - ſu biſt du als in einer unuͤberwindlichen Veſtung, da dir niemand was anhaben kan.

§. 4.

Vierter Vortheil. Bedencke mit Ernſt / daß du ein Tempel des Heiligen Geiſtes ſeyeſt / und daß du nicht Herr ſeyeſt uͤber deine Seele / uͤber deine Glie - der / ſondern ſelbige dem allein zu Gebo - te ſtehen / der dich zum Kinde GOttes neugebohren / der ſeine Wohnung und ſein Regiment in dir hat und fuͤhret / und der dich in allen gefaͤhrlichen Umſtaͤnden ſelbſt vertritt bey dem Vater mit unaus - ſprechlichen Seuffzen / Roͤm. 8, 26.

Vergiß ja keinen Tag noch Stunde der un - ausdencklichen Gnade, ſo dir von dem Dreyeini - gen GOtt wiederfaͤhret: Mercke darauf! Haͤtteſt du nicht verdienet, vom hoͤlliſchen Welt-Geiſt in ſeine Pfuͤtzen und Dorn-Gebuͤſche, in Poſſen und Narrentheidung hinein geriſſen und umgetrieben zu werden, ſo daß deine Seele dermaſſen waͤre ver - pflaſtert worden, daß kein Strahl der ewigen Schoͤnheit, Weisheit, Heiligkeit und Freude GOt -C ctes402Das 8. Cap. tes durch die dicke Suͤnden-Haͤute und Welt-De - cken haͤtte durchdringen, und ſie beleuchten und er - waͤrmen koͤnnen? Wie ſolches in dieſen Zeiten des Abfalls jungen Leuten leider uͤberhaupt begeg - net, und man darum ſiehet, daß je aͤlter ſie wer - den, je gleichguͤltiger ſie auch gegen die goͤttliche Ge - heimniſſe, und ſchlechterdings zum Umgang mit dem hoͤchſten Gut untuͤchtig ſind, geb wie nuͤtz - liche und angeſehene Leute ſie ſonſten im Thier-Rei - che ſind, wohin ihr gantzes datum allein gerichtet ſtehet. Erkenne es dann, liebſtes Kind, welch eine unausſprechliche GOttes-Liebe diß gegen dich ſeye, daß der Vater dich ſeinem Sohn uͤbergeben, um der Errettung von denen Wuͤterichen, und ein ewiges Heyl zu erwerben, und daß dich der Va - ter und der Sohn dem Heil. Geiſt anvertrauet, dich zur Beſitzung einer ſo unbegreifflichen Selig - keit geſchickt zu machen. Welche Ehrfurcht, welch hurtigen Gehorſam biſt du demnach dem Heiligen Geiſt ſchuldig, der im Namen des Vaters und des Sohns dein Geleits-Mann iſt, um dich den geradeſten, und kommlichſten Weg in das Para - dies zu fuͤhren. Faheſt du nun allbereit jetzo an, dich vom Heil. Geiſt unterweiſen, lehren, fuͤhren und regieren zu laſſen; O ſo kanſt du innerhalb viertzig, funffzig bis ſechzig Jahren, wann du noch lebeſt, etwas beſchicken: Er wird dich im Luſt - Garten der Heil. Schrifft herum fuͤhren, bis du der Erkaͤnntniß der Seligen und Verklaͤrten gar nahe kommeſt. Bedencke es nun, wie weit es dein Hertzens-Lehrer, der Heil. Geiſt, in der Erleuch - tung, Heiligung und Begnadigung mit dir in ſovie -403Der Beſchluß. vielen Jahren bringen werde. O du theures Her - tzens-Kind! Was kan nicht aus dir werden, wann du von Kindheit an, im Schoos und Schutz des Heiligen Geiſtes bleibeſt, ſo wie es GOtt Va - ter und Sohn gerne ſehen? Wie hat er nicht gleich in der Schoͤpffung den Adam mit dem ſchoͤ - nen Bilde GOttes und mit herrlicher Weisheit ge - zieret? Wie hat er nicht in ſechs Tagen Himmel und Erden erſchaffen? Was wird er dann nicht in ſechzig Jahren aus dir machen, wann du ihme treulich folgeſt, gefliſſentlich anhangeſt, und ſeiner Bewirckung, wie er dich in der Arbeit hat, lind - ſam abwarteſt? Dann wie der Vater und der Sohn allezeit wuͤrcken, Joh. 5, 15. alſo iſt auch der Heil. Geiſt, ſo offt und ſo lang du dich zu ihm wendeſt, in dir allſtets geſchaͤfftig, ſeine Gna - den-Arbeit fort-und auszufuͤhren bis an das Ende: Wie es dann auch ſeine beyfaͤllige hoͤchſte Freude (joye acceſſoire) iſt, dergleichen Meiſterſtuͤcke zu verfertigen, welche endlich die ſchoͤnſte Wunder - Saͤulen in ſeiner Reſidenz abgeben koͤnnen. O wie hertzlich gerne moͤchte ich dem guten GOTT dieſes Vergnuͤgen goͤnnen, daß auch du ein ſolches Meiſterſtuͤck des Heil. Geiſtes wuͤrdeſt vor GOtt und dem Lamm, zur Bewunderung der Heil. En - geln in alle Ewigkeit. Welches ja wohl moͤglich iſt, wann du ſchon jetzo noch ein unformlicher Klotz waͤreſt, und eine heßliche Figur machteſt; ſinte - mahl der Meiſter nicht nur Luſt dich zu bearbeiten hat, ſondern auch allmaͤchtig iſt, und thun kan, was er will.

C c 2§. 5.404Das 8. Cap.

§. 5.

Seye du indeſſen guter Dingen und freue dich, daß du mit Haut und Haar des Heil. Geiſtes Ei - genthum biſt; ſprich zu deiner Seele: Der Heilige Geiſt wohnet in mir, und ich bin ſein, meine Zunge iſt ſeine Zunge, meine Haͤnde ſei - ne Haͤnde, mein Hertz ſein Hertz Kommt dann, du Koͤnigs-Kind, du Haus Chriſti, Suͤn - de, Fleiſch und Welt, und verlangen zum Nach - theil der Ehre und des Reichs deines HErrn ein Dienſtlein von dir; ſo haſt du Fug und Recht, daß du ſie kanſt heiſſen fortpacken und ihres Wegs zu andern und ſolchen Leuten gehen, die den Heil. Geiſt nicht ſehen und nicht kennen, auch nicht em - pfahen koͤnnen, Joh. 14, 17. mithin nicht in ſo hohen Gnaden bey GOtt ſtehen, wie du. Kommt aber ein großmaͤchtiger Herr oder eine vielguͤltige Frau, und will dich aus blinder Wohlgemeyntheit aus der Werckſtatt des Heil. Geiſtes entziehen, und in das Welt-Modell gieſſen; ſo ſiehe wohl um dich, zumahlen da viele in der Hoͤllen Abgrund brennen, die jetzt himmliſche Koͤnige waͤren, wo ſie nicht juſt auf dieſem Platz der Menſchen-Gefaͤllig - keit, auf dem Himmels-Weg, entſchlipfft waͤren. Mache darum ſogleich folgende Gedancken bey dir ſelbſt: Der Heil. Geiſt, der mir alles iſt, und dem ich zugehoͤre, iſt ein HERR aller Herren, gleich-ewiger GOTT mit Vater und Sohn, und hat die Huld und Neigung zu mir, daß er mich neu gebaͤhren, und mit den allerhoͤchſten Gutthaten beſeligen, und ſonſten in allwege ſichmei -405Der Beſchluß. meiner gnaͤdig annehmen will: Jetzt kommt ein groſſer Herr aus dem Welt-Reich, und will mich zum Abfall und Ungehorſam gegen meinem GOtt verleiten: Diß kommt mir vor, als wann ei - ne arme Made den Liebling des groͤſſeſten Mo - narchen von dieſem abwenden wollte, um denſel - ben in das ſtinckende Wuͤrmer-und Maden-Reich hinein zu ziehen. Bedancke du dich demnach der Ehre, und laß dich ja ihr hochvernuͤnfftiges und kuͤnſtliches Geſchwaͤtz nicht hinter das Licht fuͤhren, da es etwa heiſſet: Sie ſeyen auch von des HErrn Parthey, und wandern auf gleicher Koͤniglicher Himmels-Straſſe, es ſeye ferne, daß ſie dich von Chriſto abfuͤhren wollen, ſie gedencken vielmehr auch mit den Patriarchen und Apoſteln im Himmel ihre Nacht-Herberg zu haben ꝛc. Sey klug, lie - bes Kind, und traue nicht: Du weiſt wohl, daß die Fuͤrſten dieſer Welt GOttes Geiſt nicht ha - ben, den HErrn der Herrlichket nicht kennen, und dahero bey allem ihrem Geſchrey von dem Meßia und dem Himmelreich ihme doch creutzigen, 1 Cor. 2, 8. Verwechsle du den ſuͤſſen Frieden und Freu - de des Heil. Geiſtes nicht um nichtige und irrdi - ſche Verſprechungen; reiſſe dich von allem los, und wirff dich durſtiglich in Chriſti Schoos und Arme: Beſchaue den groſſen oder kleinen Herrn, der dich von des Lammes Fußſtapffen weg-und ins Welt - Gluͤck hinab ſchleppen will, ob derſelbe Loͤcher in ſeinen Haͤnden habe, und dencke: Ey warum ſolte ich GOtt um einen Suͤnden-Wurm, und meinen Liebhaber, der ſich aus Liebe fuͤr mich hat ans Creutz nageln laſſen, und ſeine Wunden - C c 3Mah - 406Das 8. Cap. Mahle, als unbetruͤgliche Zeichen ſeiner unwan - delbaren Liebe fuͤr ewig behaͤlt, fuͤr einen veraͤn - derlichen Erd-Klotz, der nicht einen Schnelling fuͤr mich leiden wuͤrde, vertauſchen? Wann er auch ſchon den Chriſten-Mantel noch ſo huͤpſch um ſich ſchlinget, und ſeine Abfuͤhrung von JE - ſu dem Gecreutzigten noch ſo ſcheinheilig tuͤn - chet.

Ergreiffe du das Exempel Moſis, Daniels und ſeiner Geſellen, item der Maccabaͤiſchen Mutter mit ihren ſieben Soͤhnen, 2 Macc. 7. Wann ein - mahl die Schau-Buͤhne der Welt ein Ende hat, wie es dann gewaltig ruͤcket; ſo wird man alsdann ſehen, was es fuͤr ein Unterſcheid ſeye zwiſchen dem, der dem Vater der Ewigkeit, dem Lamm und dem Heil. Geiſt bey Leibes Leben angehangen, und den - jenigen, der ein Glied des Drachen, des Thiers, des falſchen Propheten, und der groſſen Hure Ba - bylon in dieſer Welt geweſen.

§. 6.

Fuͤnffter Vortheil. Das fleißige An - gedencken des Todes und juͤngſten Gerichts kan dich auch vor vieler Sicherheit und Gefahr bewahren / wann du immer be - denckeſt / ob du dieſes und jenes auch thun wuͤrdeſt / wann du den Augenblick von der Welt ſcheiden / und vor dem Rich - terſtuhl Chriſti von deinem Verhalten und von deinen Worten Rechenſchafft geben ſollteſt.

Die -407Der Beſchluß.

Dieſes haben heilige und weiſe Maͤnner GOttes practiciret. Wann ihnen was wichtiges vorgefallen und bedencklich worden, auf welche Seiten ſie ſich ſchlagen ſollen; ſo haben ſie ſich ihren Uberſchritt in die Ewigkeit lebendig vorgeſtel - let, und den Todten-Sarg zu ihrem Raths-Cabi - net gemachet. Kind! Wage es nicht auf GOt - tes Gnade hin der Welt in ihrem Thun zu folgen: Dann das Feuer wuͤrde dich unfehlbar nagen mit unertraͤglichem Schmertzen. Du biſt ſterblich, dei - ne Seele aber unſterblich, die Zeit iſt kurtz, der Tod nicht fern, der Ausgang gewiß, die Stunde aber deſſelben ungewiß; wie kanſt du noch ſicher ſeyn? zumahl weil der HErr von allem deinem Thun und Laſſen Rechenſchafft fordern wird, dem du dann nicht mit Luͤgen oder Welt-Gruͤnden wirſt abwei - ſen koͤnnen. Glaube nur, anders kan und wird es nicht gehen: Gleichwie die Gerechtigkeit und Hei - ligkeit GOttes dir noch dieſe Stunde im Gewiſ - ſen ruffet, daß du uͤber alle deine Gedancken, Worte und Wercke Rede und Antwort gebeſt: Alſo iſt auch deine Stunde vor Chriſti Richter - ſtuhl zu erſcheinen beſtimmet, die auch ohnfehlbar kommen und nicht ausbleiben wird. GOtt erbar - me ſich deiner und erinnere dich durch ſeinen Heil. Geiſt allſtets deines Ausgangs und lehre dich, wie du dich ſelbſt taͤglich richten und beſſern muͤſſeſt, damit du nicht mit der Welt verdammet werdeſt, 1 Cor. 11, 31. 32. Wann du fleißig nachſinneſt, wo du ewig bleiben, und was fuͤr ein Haus deine Seele beziehen werde, wann ſie wird vom Leibe ge - ſchieden ſeyn; ſo haſt du allhier wohl gelebt.

C c 4§. 7.408Das 8. Cap.

§. 7.

Denen Kindern, die den Heil. Geiſt haben, laͤſſet dieſes ihr Hofmeiſter nicht zu, daß ſie boͤſe und muthwillig ſeyen, oder ſich mit unordentlichem We - ſen beflecken: Er erinnert ſie deswegen zu ihrem heilſamen Schrecken der letzten Poſaunen, der Stim - me des Ertz-Engels, und der ploͤtzlichen und unver - mutheten Zukunfft des Richters, und ihrer unver - meidlichen Darſtellung vor ihm. Wann ſie aber nichts darauf achten, und ihre Gedancken davon gantz abkehren, um als uͤppige Freveler ihrem Muth - willen ungehindert forttreiben zu duͤrffen; ſo ver - laͤßt er ſie entweder eine Zeitlang, bis ſie mit bit - tern Hertzens-Schmertzen umkehren, oder wo das nicht geſchiehet, in alle Ewigkeit. Folge du dar - um dem getreuen Rath des Heil. Geiſtes, und mei - de mit allem Ernſt und Fleiß alles, was dein kuͤnff - tiger Richter nicht gutheiſſen kan, und ſeiner lieb - reichen, ſanfftmuͤthigen, keuſchen, gedultigen, demuͤ - thigen, himmliſchen, reinen Natur nicht gemaͤß iſt. Jch habe Kinder gekannt, welchen das Juͤngſte Gericht ſtets-waͤhrend im Sinn lage.

Ein eilff-jaͤhriges Toͤchtergen beforgete, vor GOttes Gericht nicht beſtehen zu koͤnnen; wo es darum Zeit ge - winnen kunte, zoge es ſein juͤngeres Schweſtergen mit ſich ins Gebet, und verſteckte ſich mit ihm in ein abgelegenes Winckelgen im Hauſe: Wann es auch wegen ihres Aus - bleibens und von heiſſen Thraͤnen roth-gewordenen Augen beſtrafft ward, verſchwiegen doch beyde Kinder alles, nur damit ſie nicht wider Matth. 6, 6. handeln muͤſſen.

Biſt409Der Beſchluß.

Biſt du, liebes Kind, ein Maͤgdlein, ey was thaͤteſt, unterlieſſeſt und litteſt du nicht, einen jun - gen, ſchoͤnen, maͤchtigen, reichen, weiſen, tugend ſa - men Cron-Printzen zu deinem Braͤutigam zu be - kommen? Wie befleißt ſich nicht ein Knabe, um von den untern in die obern Schulen befoͤrdert, und im Examen der geſchickteſte erfunden zu wer - den? Solle er eine Rede an der Solennitaͤt hal - ten, wie ſchwebet es ihm nicht im Sinn, daß er an ſolchem Tag wohl beſtehe? Wer in geiſtli - chen oder weltlichen Aemtern hoch ans Brett kom - men will, der greifft ſich an, bricht den Schlaf, verlaͤugnet luſtige Kurtzweil, liegt ſeiner Sache ob, und erkauffet die Zeit dazu: Wer das Baret in der Stadt Bern begehret, dem faͤhret der Tag der Regiments-Beſetzung im Hirn herum, und er rich - tet auch ſeine Sachen darnach ein; ja man hat Exempel, daß einige, denen es fehl geſchlagen, vor Verdruß und Unmuth das Grimmen im Bauch gekriegt, andere ſonſten kranck geworden, und wie - derum andere vor Schrecken ohnmaͤchtig zu Boden geſuncken. Wann ein groſſer Herr zweyen Knech - ten ein gleiches Tagwerck uͤbergaͤbe, und ſie vorhin warnete, daß ſie minuͤtlich ſeiner Ankunfft gewaͤr - tig ſeyn ſollen, mit dem Anhang, daß er dem, wel - chen er in fleißiger Arbeit antreffen werde, eine Herrſchafft oder Hertzogthum verehren, denſelben aber, den er ſchlaͤffrig und traͤg ertappen ſollte, auf den Schind-Acker ſchleppen und wie ein Aas hin - werffen laſſen wollte: Wie emſig und wachſam wuͤrden nicht dieſe Knechte ſeyn? Ey wie ſollteſt du dann nicht, mein Kind, in ſteter Sorge ſtehen,C c 5wie410Das 8. Cap. wie du vor deinem GOtt und Richter beſtehen, von ihm als Braut und Koͤnigin abgeholet, und mit der Crone, der unverwelcklichen Crone der Herrlichkeit gezieret und beſeliget werden moͤchteſt.

§. 8.

Sechſter Vortheil. Lege dich niemals ſchlaffen / und ſtehe nie des Morgens auf / du habeſt dann deinen Tauff-Bund mit dem Drey-Einigen GOtt erneuert, von ihm die froͤliche Gewißheit im Her - tzen aufs neue empfangen / daß du ſein Kind ſeyeſt / und ihm dich gantz mit Leib und Seel aufs neue ewig und unver - bruͤchlich zum Eigenthum verſchrieben. Dieſen deinen hertzlichen und ewigen Bund laß ſodann die Richtſchnur aller Handlungen in deinem gantzen Leben ſeyn. O du glaubeſt es nicht / was das vor ein Fels des Troſtes iſt wider den Teuffel / wann man gewiß weiß / man ſtehe mit GOTT im Bunde; und was dieſe Verſicherung vor himmliſche Freu - de mit ſich bringet.

Liebes Kind! Welch eine Ehre, welch einen unſaͤglichen Nutzen haſt du von der unermeßlichen Liebe des Drey-Einigen GOttes zu dir, daß er ſich Bundes-weiſe mit dir einlaͤßt, er, der allerhoͤchſte Monarch, der Koͤnig aller Koͤnigen mit einem Hoͤl - len-Kind, Suͤnden-Sclaven, und Gefangenen desTeuf -411Der Beſchluß. Teuffels; das weſentliche Leben und die Heilig - keit ſelbſt mit einem todten, blinden, lahmen, auſ - ſaͤtzigen und in den Blut-Schulden ſeiner Suͤnden liegenden Wurm; und der Schoͤpffer mir ſeinem Geſchoͤpff, das aus Staub und Aſchen gemachet iſt.

Nun haſt du, liebes Kind, deinen Tauff-Bund nicht aufrichtig gehalten, biſt abtruͤnnig, meynei - dig, treulos worden; der allergerechteſte Richter aber bietet dir, uͤber den er das Todes-Urtheil aus - ſprechen kunte, gleichwol wieder Gnade an, und noͤthiget dich, auf welchen die ewige Gluth ſchon wartete, zur Gemeinſchafft des Lebens. Sinne der Sache nach, liebes Kind, und dencke, welch ei - nen liebſeligen GOtt du habeſt, und ob nicht ſein unendliches Weſen unendliche Liebe ſeye. Was der Vater will und fordert, das bezahlet der Sohn; und was der Sohn heiſchet, das ſchafft und wuͤr - cket der Heil. Geiſt. Philipp. 2, 13. Wann du alſo deinen Glauben mit ſuͤſſem Angedencken an das, was die ewige Liebe an dir thut, taͤglich ſpeiſeſt; ſo kanſt du auch alle Tage GOtt naͤher, und er immer groͤſſer, herrlicher und majeſtaͤtiſcher, die Welt hingegen immer kleiner, ſchlechter und ver - aͤchtlicher in deinen Augen vorkommen. Deine morgendliche und abendliche Zugemuͤth-Fuͤhrung, wie unendlich dein Bundes-GOtt dich lieb habe: aus welch einem Pfuhl des Jammers er dich ge - zogen; in was vor einen unvergleichlichen Ehren - Stand er dich verſetzet; in welch unausdenckliche Seligkeit er dich erhoben; und wie er alles dieſes durch das Blut und den Tod ſeines Sohns ver -anſtal -412Das 8. Cap. anſtaltet habe, wird dein Hertz alle Tage aufs neue brauſen machen in Erkaͤnntlichkeit gegen ſo groſſer Liebe, die warlich weder im Himmel noch auf Er - den ihres gleichen nicht hat, und dagegen aller Men - ſchen und Engeln Liebe, wann ſie zuſammen ge - ſchmoltzen werden kunte, als ein ſehr kleines Sa - phir-Steinlein gegen dem hoͤchſten, weiteſten und breiteſten guͤldenen Berg voll der groͤſten und koſt - barſten Edelgeſteinen zu achten waͤre. Dieſer U - berſchlag wird dich in der Krafft des Verſoͤhnungs - Bluts am kraͤfftigſten von allen auch geringſten Be - fleckungen des Fleiſches und des Geiſtes zuruͤck zie - hen, und die Uberlegung, was dein verbuͤndeter JE - ſuͤs fuͤr dich und an dir gethan, noch thut und in alle Ewigkeit thun werde, dich zum wachen und be - ten ſuͤßiglich antreiben, und den Helden-muͤthigen Entſchluß in deinem Hertzen erwecken, dich eher in Stuͤcken zerreiſſen zu laſſen, als daß du einen ſo - thanen Liebhaber beleidigen ſollteſt. Dieſer heilige, ewige und wohlgeordnete Blut-Bund, und deſſen taͤgliche Erfriſchung kan dir eine feurige Mauer um deine Seele ſeyn, ſie vor Untreu und Abfall zu be - wahren, und zu verbergen, Pſ. 125, 1. 2. Und das taͤgliche verſchreiben deines Leibes und deiner Seele zum unverbruͤchlichen Dienſt des Drey-Einigen GOttes, wie nicht weniger das fleißige Uberleſen der Handſchrifft des lebendigen GOttes, ſo du in mancherley, und auch in deiner Mutter-Sprache ge - drucket haſt, loͤſet alle fremde Bande ſeliglich auf, und verwickelt dich in das Heyl GOttes der - geſtalten, daß du nimmermehr daraus fallen, und die Verfuͤhrung des Teuffels und der Welt fort -hin413Der Beſchluß. hin ewig nicht bey dir hafften koͤnnen. Ja wann der Muͤhe-Macher ein eiſernes Thor bis an die Wolcken hinauf fuͤhrte, um dir den Fortgang in die freye Straſſen Jeruſalems abzuſchneiden, ſo muß es doch, wann nur ein Baͤchlein vom Blut des Bundes daran herunter lauffet, in viel Stuͤ - cker zertruͤmmern, und du kanſt mit deinem Erloͤſer, dem groſſen Bundes-Engel, in der Stadt Jeru - ſalem unter dem frohen Genuß der herrlichen Frey - heit ſeiner Kindern unverruͤckt fortwandern. Du weiſt zwar jezuweilen nicht, wie nahe dir dein GOtt iſt, und was Gutes er an deiner Seele gethan ha - be, und meyneſt, du ſeheſt nur ein Traum-Geſicht; wann du aber von allen Einſichten, Empfindungen, und Entzuͤckungen nuͤchtern, und in die Erfahrung der Sache ſelber eingefuͤhret worden, ſo wirſt du lebendig innen, daß der Vater dir ſeinen lieben Sohn zugeſendet, und dieſer hohe Abgeſandte GOttes dich im Kercker des Geſetzes und beaͤng - ſtigten Gewiſſens heimgeſuchet, deine unter der dru - ckenden Krafft der Suͤnde und des gantzen Suͤn - den-Leibes mit aͤngſtlicher Forcht des Todes um - fangene Seele, mit der Gnaden-vollen Einleuch - tung des Heil. Geiſtes durchs Evangelium ange - ſchienen, aufgemuntert, und mit der Warheit um - guͤrtet habe, damit du nicht am Lauff, Kampff, und Arbeit gehindert, oder dein koſtbares Gewand irgendwo beſpritzet, zerriſſen und verbrannt, im Ge - gentheil ein Freuden-Geſchrey im Himmel uͤber deine vollendete Erloͤſung angerichtet werde. Ver - haͤltſt du dich als GOttes Kind, und erinnerſt dich allſtets der herrlichen Vorrechten, deren dich dei -nes414Das 8. Cap. nes Heylands getreue Liebe gewuͤrdiget hat, ſo kan der HErr nicht anders, er muß an dir erfuͤllen, was man immer von einem verbuͤndeten GOTT erwarten kan.

§. 9.

Siebender Vortheil. Gewinne eine rechte Hochachtung vor die Gemeinſchafft der Heil. Engel, welche Tag und Nacht um dich ſind. Es ſind ſolche Engel / die nach Matth. 18, 10. das Angeſicht deines Vaters im Himmel ſehen; ſolche Engel / die nach Hebr. 1, 14. ausgeſandt ſind zum Dienſt um derer willen, die ererben ſollen die Seligkeit. Wilſt du alſo nicht dieſe liebe und heilige Geiſter / die dir ſo hertzlich mit Liebe zugethan ſind, betruͤ - ben / und ihre Geſellſchafft verlieren / ſo waffne dich mit einem engliſchen Sinn / deinen gnaͤdigen GOTT uͤber alles von gantzem Hertzen zu lieben und zu fuͤrch - ten.

Kinder haben offt ſeltzame Einfaͤlle, und moͤch - ten ſich gerne unſichtbar machen: Sinne du an die heiligen Engel, die dich ſo hertzlich lieb haben! Ob du ſchon dieſelbige nicht ſieheſt, ſo fuͤhleſt du doch ihre Gegenwart jezuweilen, ja wann es dein Heyland noͤthig fuͤr dich findet, ſo wirſt du ſie auch in einer dir ertraͤglich freundlichen Geſtalt erblicken koͤnnen. Sie ſind indeſſen warhafftig um dich her,und415Der Beſchluß. und ſchauen dir beſtaͤndig zu, was du macheſt, wie du beteſt, leſeſt, was fuͤr Geſpraͤche du mit andern habeſt.

Lebe, rede und handle du nur in genauer Ab - haͤnglichkeit von JEſu, wie die heiligen Engel, de - ren geheimſte Regungen und Gedancken allein nach GOttes Winck und Willen eingerichtet ſind, und die kein Woͤrtlein mehr oder weniger reden, als die goͤttliche Majeſtaͤt es ihnen befiehlet: So kom - meſt du ihnen auch am naͤchſten, und kanſt ihnen auch keinen groͤſſern Gefallen thun, als wann du keinen Gedancken hegeſt, kein Wort redeſt, und kein Werck wirckeſt, ſo nicht aus JEſu flieſſe, und von ihme gewircket werde: Du biſt folglich dieſen glaͤntzenden Himmels-Fuͤrſten eben ſo lieb als Ja - cob / und wird dich ein Heer nach dem ewigen Heimath begleiten, und ein ander Heer dir entgegen kommen, 1 B. Moſ. 32, 1. 2. eben ſo lieb als Loth / dich, ehe das Zorn-Wetter einbricht, in Si - cherheit zu bringen. Schuͤtteſt du in deinem Win - ckelgen heiſſe Reu-und Liebes-Thraͤnen vor dem ge - creutzigten Laͤmmlein GOttes aus; ſo werden ſie aus Liebe zu dir ſich angelegen ſeyn laſſen, deine Eltern und Geſchwiſterte, dein Haus und Hof zu umzaͤunen, daß der Teuffel kein Loch finde, wo - durch er zu ſchaden einbrechen moͤge: Sie wer - den dir auch manchen guten Biſſen vom Engel - Brod ab dem Himmels-Tiſch, und manchen Lab - Trunck aus den Paradies-Stroͤmen bringen, wie dem Elia / wann du, gleich ihme, dem Huren - Geiſt Jeſabel dich gantz abgeneigt erzeigeſt, und denſelben in dir und andern auszurotten ſucheſt;1 Koͤn.416Das 8. Cap. 1 Koͤn. 19. Wann du auch durch ſteten Umgang mit der ewigen Weisheit dermaſſen erleuchtet wirſt, daß du den Benhagad, den Sohn des Fleiſches, die Welt-Freude, in ſeinen Tuͤcken und Anſchlaͤ - gen ausbringeſt, und andere, fuͤrnemlich den mit JEſu verlobten koͤniglichen Geiſt in dir davor war - neſt, und er dann im Grimm ſein gantzes Hoͤllen - Heer wider dich ausſchicket; ſo wird das himm - liſche Heer gleichfalls zu deinem Schutz wie dem Eliſa, 2 Koͤn. 6. mit feurigen Roſſen und Wa - gen ruͤſtig ins Feld ziehen. Wann du mit der Welt nicht mitmachen, und ihr in ihren eiteln Din - gen dich nicht gleichſtellen, mithin das groſſe Welt-Bild / das Thier anzubeten / dich weigern, und darum in den Feuer-Ofen Ba - bels / in Angſt, Noth, Truͤbſal, Verfolgung und Ungunſt der Deinen geworffen wirſt, wie die drey heiligen Knaben / Dan. 3. ſo wird der Sohn GOttes, der Schoͤpffer und Fuͤrſt der En - geln, bey dir ſeyn in der Noth / dich her - aus reiſſen und zu Ehren bringen. Pſal. 91, 14-16. Geratheſt du in die aͤuſſerſte Todes - Gefahr, ſo daß es in den Augen deiner liebſten Freunden mit dir aus zu ſeyn ſcheinen, und alle menſchliche Huͤlffe zerrinnen will; ſo wird dich einer von den Millionen Engeln, ſo dein JEſus zu ſeinem Commando hat, zum Wunder aller Welt heraus fuͤhren, wie den Petrum / Ap. Geſch. 12. Ja wann es das Anſehen gewinnen will, als ob alles muͤſſe zu truͤmmern gehen; ſo wird der Engel GOt - tes, deß du biſt, und dem du dieneſt, bey dir ſte - hen und ſprechen: Fuͤrchte dich nicht, du muſtnoch417Der Beſchluß. noch gruͤnen wie ein Palmbaum, und wachſen, wie die Cedern auf Libanon, Pſal. 92, 13. Du wirſt nicht ſterben, ſondern leben und erzeh - len die Wercke des HErrn, und ſiehe, GOTT hat dir alle die geſchenckt, die mit dir ſchiffen, Ap. Geſch. 27, 23. 24. Wann du endlich, lie - bes Kind, deinem Beduͤncken nach, allen Suͤnden - Kraͤfften und Hoͤllen-Machten in die Rappuſe ge - geben wuͤrdeſt, und es GOtt gefiele, dich durch ho - he Anfechtungen zu laͤutern und auserwehlt zu ma - chen; ſo faſſe du nur guten Muth, glaub an GOtt, und uͤbergieb ihm dein Leib und Leben, Geiſt und Seele gantz gelaſſentlich und mit kindlichem Ver - trauen, daß er ein gnaͤdiges Aug auf dich haben, ſeine Engel ſenden, deinen Glauben hoch ehren, die Loͤwen-Rachen verſtopffen, und dich unbeſchaͤdiget hervor ziehen werde, Dan. 6, 22. Hebr. 11, 33.

§. 10.

Uberhaupt muß ich noch dieſe zwey Erin - nerungen beyfuͤgen, daß du

1) dich allſtets zu GOTT kehreſt / der das unverwelckliche, weſentliche Leben ſelbſt iſt, und dir auch das ſuͤſſeſte, reineſte, heiligſte, erfreulichſte, hoͤchſtbegnuͤgteſte und ein unſterblich Leben ſchen - cket. Ach ja! das Evangelium lehret Juden und Heyden, daß ſie ſich bekehren ſollen von den eiteln Dingen zu dem lebendigen GOtt: So offt dich nun das Eitele fahen will, ſo kehre dich davon ab, und je fleißiger und ernſthaffter du dieſes uͤben wirſt, je mehr wirſt du von dem lebendigen GOtt zu ge -D dnieſſen418Das 8. Cap. nieſſen haben. Oder iſt dann auch die gantze Welt mit aller Monarchen Pracht, Luſtbarkeiten, Aufzuͤgen und Schein-Herrlichkeiten ſo viel werth, daß du ihrentwegen einen ſo herrlichen und maje - ſtaͤtiſchen, liebſeligen und liebenswuͤrdigſten GOtt einen einigen Gedancken entwenden ſollteſt? Ver - mag dir dein GOtt nicht beſſere Sachen zu geben, als die Welt? Will dir demnach die Magd Ha - gar immerhin zuruffen: Komm, ſchaue, was ich habe, willſt du mir folgen und anhangen, ſo will ich dirs geben; ſo glaube du ſchlechterdings deinem GOtt, der dir ſaget, es ſeye eiteler Betrug und der Tod, wodurch du unter dem Schein eines an - genehmen Lebens in den andern Tod gefuͤhret wuͤrdeſt. Lencke darum dein Hertz gantz zu dem, der die Liebe ſelbſt, und in dich Haß - und Hoͤll - wuͤrdigſten Suͤnden-Wurm unausſprechlich ver - liebt iſt: Erwege zu dem Ende hin die unbegreiff - liche Proben der unwandelbaren Liebes-Treue des Vaters, Sohns und Heil. Geiſtes, daruͤber du wirſt erſtaunen muͤſſen. Dieſes aber kanſt du aus eigenem Vermoͤgen nicht in dir ſelber erwecken; ſondern es iſt lauter Gnade GOttes, die niemand in dir wircken kan, als der Heil. Geiſt. Bitte nur ohne Scheu: Er wird dir taͤglich etwas gu - ter Seelen-Speiſe auftiſchen von der liebwuͤrdig - ſten Liebe GOttes in Chriſto, der im Blut der Verſoͤhnung uns ein hoͤchſt-milder, freundlicher Bundes-GOtt worden, und deſſen Luſt es iſt, uns Gutes zu thun, Jer. 31, 40. 41. GOtt mun - tert ja ſich ſelber auf, und verbindet ſich uns Gu - tes zu thun, in der lautern Abſicht, unſere ver -trau -419Der Beſchluß. trauliche Gegen-Liebe uns abzulocken, daß wir JE - ſum halten fuͤr das, was er iſt, und was er uns ſeyn will, nemlich das mildeſte Vater-Hertz, und die reichſte Gnaden-Quelle, ſo daß wir von dieſer Wunder-Liebe nicht nur etwa fein huͤpſch etwas daher ſchwaͤtzen koͤnnen, ſondern daß wir darin wuͤrcklich baden, ſchwimmen, leben und weben.

Trautes Kind! Eben darum fordert ſeine Lie - be von dir den Glauben / den ſo hoch-beruͤhmten Glauben, und giebt dir ſelbigen auch auf die Gil - fen hin; ſo bald aber ſolcher in deinem Hertzen auf - gehet, ſo kuͤſſet er das Hertz Chriſti gar ſuͤßiglich, und ſchreyet immer: Abba! bekommt auch Ant - wort, Jer. 31, 20. Des Glaubens Werck iſt, zu GOtt ſprechen: Du biſt mein GOtt! du haſt meine Seele wohl gemeynt: Darum fahre fort, O Liebe, mich dir zu eignen: O aller - heiligſte Liebe! Binde mich, und mache mich, wie du wilſt, dir gantz gehorſam! Da ſich dann JESUS mit neuen Gnaden heraus laͤßt. Der Glaube iſt von der Schoͤnheit des unſichtba - ren Lichts, Reichthums und Krafft, ſo ſich jetzt zu unſerm Heyl dargiebet, gantz charmiret und einge - nommen, und ſaget desnahen allem Sichtbaren und Eiteln gerne ab. Rufft die ewige Liebe zu ei - nigen Leiden, ſo iſt der verliebte Glaube zu allem willig, toͤdtet die Fleiſches-Luſt, uͤberwindet die Welt-Liebe, ehret, ſchaͤtzet und liebet nur den Hey - land, und dringet in ſeine Herrlichkeit ein, als in des Hertzens-Antheil und Vaterland, und begiebt ſich auf die Himmels-Reiſe dahin. Die Seele bekommt zwar noch manches betruͤbtes Gefuͤhl ih -D d 2rer420Das 8. Cap. rer Verderbniß und Untreue; aber die Liebe JEſu iſt ſtaͤrcker / als der Suͤnden-Tod / und die Hoͤlle der Verderbniß, Hohel. 8, 6. Wehre dich nur im Glauben wider die Suͤnde, und lerne die Gelindigkeit JEſu recht kennen, wie er dir, ſeinem Schaͤfgen, deine Wunden, bis ſie ge - heilet ſind, zubindet: Jn welcher Zuverſicht du einen Sieg nach dem andern erlangen, und immer in bruͤn - ſtigem Gefuͤhl zu deinem ſo guͤtigen HErrn blei - ben wirſt: Der dann dein Hertz zu einem Himmel voll Ruhe, Friede, Freude, goͤttlicher Stille und Vergnuͤgens, und zu ſeinem Heiligthum machen wird; da die Gnaden-Wuͤrckungen des Heili - gen Geiſtes, wie die heiligen Engel gleichſam her - um fliegen, GOTT zu lieben, zu loben und anzu - beten.

§. 11.

2) Halte es vor das hoͤchſte Gut, Gluͤck, Ehre, Reichthum und Segen, in Chriſti ſuͤſſer Lie - be zu bleiben; hingegen vor das groͤßte Ubel, Ungluͤck und Schande, auch nur ein wenig von Chriſto abzuweichen und getrennet zu werden; wie deine tobende Feinde auf tauſenderley Raͤncke den - cken, dich aus Neid aus der groͤſſeſten Seligkeit in das tieffeſte Elend hinunter zu ſtuͤrtzen. Das kuͤrtzeſte iſt dann in JEſu bleiben und ſtille zu ſeinen Fuͤſſen ſitzen. Er iſt dein Licht und ſanfft - muͤthigſter, weiſeſter Lehrer: Ruͤhme dich keines Dinges, als nur ſeiner Gerechtigkeit und blutenden Wunden: Erwarte auch nichts Gutes von dirſelber;421Der Beſchluß. ſelber; ſondern alle Heiligung und Staͤrcke, Krafft und Uberwindung, kurtz, alle Fruͤchte des Heili - gen Geiſtes hole bey JEſu allein, und in allen Be - kuͤmmerniſſen troͤſte dich deines JEſu, deſſen Gunſt dir ja Himmels genug iſt, wann nemlich deine See - le nahe bey ihm ſeyn, und aus den Gnaden-Bruͤ - ſten des Allerſchoͤnſten truncken werden kan. Jn JEſu zu bleiben iſt auch Johannis Rath, wann man will Freudigkeit haben / und nicht zu ſchanden werden vor ihm in ſeiner Zu - kunfft / 1 Joh. 2, 28. Haͤlteſt du die ſtreitende, liebende, betende, blutende, ſterbende, ſiegende Liebe JEſu ſtets in deinem Gedaͤchtniß; ſo wirſt du nichts thun, deſſen dich nachhero gereuen, oder deſ - ſen du dich vor ſeinem Richter-Stuhl ſchaͤmen ſol - teſt. Wann JEſus in dir wohnet, bleibet, wan - delt, Progreſſen machet, ſo kan es nicht gar uͤbel gehen. Einmahl ich weiß kein beſſer Mittel vor Fehltritten und Thorheiten verwahret zu bleiben, und hingegen nach GOttes Wohlgefallen aufrich - tig zu handeln, als daß du allezeit in Chriſti aͤuſ - ſerſte, ſeligſte Liebe hinein kriegeſt, in ſeiner Blut - Gnade badeſt, und wonniglich herum ſchwimmeſt, mithin den Heyland andringlich erfleheſt, daß er dem alten Menſchen den Scepter aus den Klauen reiſſen, und ſelber zur Hand nehmen und in dir herrſchen wolle. Dann was du auch in beſter Meynung thuſt, iſt beym Sonnen-Licht der Hei - ligkeit JEſu nichts nuͤtze; ein helles Auge, wie vielmehr das Feuer-flammende Aug des allwiſſen - den Richters, findet tauſend Unlauterkeiten darin - nen: Wo aber dein Thun aus der VerliebtheitD d 3in422Das 8. Cap. in den Liebhaber JEſum fleußt, und ein Werck des Heylandes iſt, an deſſen Liebe du dich erquickeſt und ſaͤttigeſt, und alſo du in JEſu wohneſt, und er in dir; ſo biſt du auf dem geradeſten Weg ins Pa - radieß, ja du haſt ſchon Himmels genug, der Tod iſt deine Heimfahrt, und das Juͤngſte Gericht dein Freuden-ſeliges Jubel-Feſt.

Es iſt auch keine ſeligere Herumirrung / als wann du auch im Schlaf oder einiger Verruckung des Verſtands von deinem JEſu redeſt, eben wie Verliebte von dem, was ihnen am naͤchſten am Hertzen lieget, gerne zu reden pflegen; wohin auch das Wort Schiggaion vor dem ſiebenden Pſal - men zielet, da die Seele an Chriſto vor hefftiger Liebe verirret iſt. Laß dann, liebes Kind, andere in Ehren, Welt und Geld bleiben, Pſal. 49. na - he du dich ſtets zu JEſu, dem ewigen Gut, Pſal. 73, 28. 90, 1. 2. und ſage: Mein Hertz, O JEſu, ſpricht mir an deiner ſtatt zu: Bleibe in JESU; und ich, oder der Heilige Geiſt an meiner ſtatt, antwortet hinwiederum: Blei - be HErr JEſu in mir / Pſal. 27, 8. Nim - me weg von mir, was mich ſcheidet von dir; du in mir, und ich in dir; ſo bleiben ungeſchieden wir: Jch will ewig ſeyn der deine; und du ſolſt ewig ſeyn der meine: Jetzt ſchon hab ich JEſu dich: JEſu, JEſu du haſt mich.

Vergiß nur der Menſchen-Liebe deines Er - loͤſers nie, und dencke nach, wie gut ers mit dir meyne, und wie ſtarck er dich noͤthige, in ihme zu bleiben, gerad als ob er die Rebe, und du der Weinſtock, und als ob er Freude und Heyl vondir423Der Beſchluß. dir haͤtte; da er doch das Horn des Heyls, und die von lauter Gnade und Wolluſt aus der Fuͤlle der Gottheit uͤberlauffende Quelle iſt. O der un - begreiflichen Liebe! JEſus bittet dich, als ob er al - len Nutzen von dir haͤtte, daß du ihme anhangeſt. Die Seelen-Sonne ladet dich an ihre Lieb-war - me Blut-Strahlen ein, dich inniglich zu erquicken, Mal. 4, 2. Der Lebens-Baum ruffet dir unter ſeinen Schatten, dich zu ſchirmen und zu erlaben, Hohel. 2, 3. Der goͤttliche Heil-Brun - nen ſelber flehet dir, mit Freuden Waſſer zu ſchoͤpffen / Jeſ. 12, 3.

JEſus muthet dir auch nichts ſchweres und verdrießliches an. Oder was mag einer Reben, einem Zweig, leichters und erwuͤnſchters ſeyn, als im Weinſtock, im ſafftigen Stamm zu bleiben? Was iſt natuͤrlichers, als daß die ſo hoch erhabene und begnadere Braut bey ihrem allein getreuen, rei - chen, ſchoͤnen und herrlichen Braͤutigam; der Saugling in ſeiner Mutter Schoos bey den vollen Bruͤſten; und das Glied am Haupt ſeyn? Wann es anmuthig iſt, bey den Weiſeſten und Schoͤnſten zu leben, und in dem ſuͤſſeſten ſich zu erluſtigen; wo wilſt du im Himmel und auf Erden jemand finden, der Chriſto zu vergleichen waͤre? Hohel. 5, 10. ſeq. Wann auch der Koͤnig aller Koͤnigen, der HErr uͤber alles dir was groſſes, ſchweres, und ſchreckliches befehlen wuͤrde, daß du z. E. ein truͤb - ſeliges Leben und fuͤrchterliches Ende haben, oder nichts, als Haber-Brod und Kleyen, eſſen, und nichts, dann Gerber-Laugen trincken; (wie erſt ſeit wenigen Jahren Wentzel / ein Bekenner des Evange -D d 4liums424Das 8. Capitel. liums in Boͤhmen drey Viertel Jahr in der Marter-Stu - ben im Stock liegen, und weil er mit dem Fieber behaſſtet ware, auf Verordnung der Cleriſey, ſtatt des kalten Waſ - ſers, Speichel und Gerber-Laugen zum Labtrunck haben, auch ſonſten waͤhrender Gefaͤngniß dreymahl Streiche, und zwaren beym Pranger achtzig, auf dem Rathhanß ſiebenzig, und auf dem Marckt-Platz ſechzig erleiden muͤſſen) ſo ſol - teſt du aus Liebe zu einem ſo unvergleichlichen Lieb - haber alles mit Freuden annehmen, und dir bey dieſem bruͤnſtigen Gefuͤhl der Liebe Chriſti das Ha - ber-Brod beſſer, als alle Niedlichkeiten der Fuͤr - ſten-Tafeln ſchmecken; zumalen wann du dabey die Verheiſſung haͤtteſt, ſo viel du faſſen koͤnneſt, in alle Ewigkeit mit Chriſto gemein zu haben.

Nachdem du dann des hoͤchſten GOttes Sohn, den HErrn Himmels und der Erden zu deinem Ca - meraden haben kanſt, er dir auch verſpricht, als ein treuer Freund es in allen Anlaͤuffen mit dir zu hal - ten; ſo halte ihm das Gegenrecht, um ſo vielmehr, da du allen Vortheil von ſeiner Geſellſchafft haſt, Spruͤchw. Sal. 3, 13-26. B. Weißh. Cap. 7, 8 und 9 gantz. Und was ſollte doch auch unter der Sonne ſo viel werth ſeyn, daß du JEſum des - wegen verlaſſen ſollteſt?

Sagſt du etwa: Ach moͤchte ich doch auch erfuͤllet werden mit Fruͤchten der Gerechtigkeit und Heiligkeit / daß GOtt auch an mir verklaͤret wuͤrde; welch ein Himmel waͤre mir das! Allein ich vermag nichts aus mir ſelber / und ha - be keine Krafft.

Gut! Bleibe nur in Chriſto, ſo wird alles uͤberfluͤßig kommen. Was klageſt du: Es frie -ret425Der Beſchluß. ret mich / Chriſti Liebe erloͤſchet in mir / mein Hertz hat nicht die Einbrunſt / die ich ſo gerne ſaͤhe / weil das Feuer der Liebe in dem erbarmenden GOTT ſo helle brennet ꝛc. ? Dringe dich nahe hinzu durch das Gedraͤnge der Creaturen-Bilder, die dich davon abzuhalten ſcheinen: Klage nicht: Du ſeyeſt im Finſtern / du koͤnneſt am Ev - angelio keine Freude haben / es liegen ſo viele Decken vor den Augen deines Verſtandes ꝛc. Ringe mit Beten und Fle - hen hindurch; ſo wirſt du befinden, daß eben die Sonne, welche die Apoſtel angeleuchtet, auch dir helle ſcheine. Was wimmerſt du: Jch ſterbe und verderbe vor Durſt? Da doch ein ſo ſchoͤner Heyl-Brunnen Tag und Nacht nahe bey dir laufft: Bitte vom Heiligen Geiſt Weisheit und Geſchicklichkeit daraus zu trincken: Was ver - ſchleuderſt du deine Zeit vergebens mit vielem Kla - gen uͤber deine Unfruchtbarkeit, da dich JEſus heiſ - ſet in ihme bleiben, und dir anbey verſpricht, du werdeſt viele Fruͤchte tragen?

§. 12.

Wirſt du dieſe Vortheile / liebes Kind / einfaͤltig zu deinem Beſten an - wenden / ſo wird dir GOTT in ſeinen Wegen immer weitere Erleuchtung ſchencken / daß du nicht nur in der Zeit werden wirſt wie ein Baum gepflantzet an den Waſſer-Baͤchen, der ſeine FruchtD d 5brin -426Das 8. Cap. bringet zu ſeiner Zeit, deſſen Blaͤtter nicht verwelcken, und alles, was du thuſt, wird wohl gerathen, Pſal. 1, 3. ſondern auch in der Ewigkeit wirſt du die Zahl der Auserwehlten ver - mehren, und bey dem HErrn ſeyn allezeit, 1 Theſſ. 4, 17.

Folgeſt du demnach dem allein guten Rath dei - nes Seligmachers, und ſaugeſt aus ihme Safft, ſo werden reiffe Fruͤchte der ſo hoch nothwendigen geiſt - lichen Klugheit aus dir wachſen, ſo daß du kluͤ - ger und verſtaͤndiger werden wirſt als die Alten, Pſal. 119, 99. 100. Dan. 1, 20. Du wirſt huͤpſche Granat-Aepfel der Liebe bringen, ſo die weiſſe Kernen der unſchuldigen Seele, wie ſie alle im rothen Safft des Bluts JEſu ſchwimmen, um - faſſen. Der himmliſche Gaͤrtner wird auch aus dir ziehen nehrhaffte Feigen der Barmhertzig - keit gegen duͤrfftige und elende, auch gegen armſe - lige, noch von der Suͤnde gefangene Neben-Men - ſchen. Der Glaube an GOttes Barmhertzigkeit, Sanfftmuth und Gutthaͤtigkeit wird dir erquicken - de und ſtaͤrckende Aepfel der Guͤtigkeit / Nuͤſſe und Caſtanien, die mit vielen Schlaͤgen eingeſamm - let werden, Fruͤchte der Gedult / die in vieler Truͤb - ſals-Hitze gezeitiget und bewaͤhret ſind, auch dauer - haffte Fruͤchte der Beſtaͤndigkeit reichlich dar - reichen. Sothane Reben haben dann auch ſchmack - haffte Trauben, Wercke der Gelaſſenheit / die voll Safft des Heiligen Geiſtes ſind. Welcherley Paradies-Fruͤchte dem Heyland recht angenehm und erquicklich ſind; ſintemahlen er daraus erken - net, daß ſeine Muͤhe und Arbeit, ſein Blut undFuͤr -427Der Beſchluß. Fuͤrbitte, an keiner Seele, die ſeinen Nahmen zu - gethan iſt, verlohren ſeye, ja auch andere davon er - quicket, getroͤſtet und erbauet werden; als worzu der HErr, als Beſitzer des Gartens, einladet, Hohel. 5, 1. Liebſtes Kind! Ubung und Erfah - rung wird dich dieſes alles am beſten und beſſer leh - ren, als es hochgeſtudierte, dabey aber ungeuͤbte und unerfahrne verſtehen. Sehne du dich nur immerhin nach deinem Heyland, und ſeuffze: O JEſu meine Freude! Jch breite mein Hertz aus, dich in mich hinein zu ziehen, daß du gantz in mir ſeyeſt, und ich in dir, und auſſer dich nichts verlange! Das wuͤnſche ich dir aus den Erbarmungen meines Heylandes, und gebe dir folgende Seuffzer zu dei - nem taͤglichen Gebet:

Ach rett, HErr JEſu Chriſt, mir meine arme Seele,
Hilff, daß ich ja den Weg zum Himmel nicht verfehle,
Gib, daß ich von der Welt mich allzeit halte frey,
Und meine groͤſte Sorg fuͤr meine Seele ſey.
Laß mich in deiner Furcht mit Zittern dahin trachten,
Den Suͤnden gram zu ſeyn, den Him̃el hochzuachten,
Daß ich moͤg in dem Buch der Auserwehlten ſtehn,
Und ſelig aus der Welt zu dir in Himmel gehn.
O JEſu du mein Bruͤderlein!
Mach mich von meinen Suͤnden rein,
Gib, daß ich mit den Engelein
Dir diene heilig, fromm und fein.
Ach laß mein Hertz dein Kripplein ſeyn,
Und nimm mich einſt in Himmel ein.
O JEſu! laß dein Creutz und Pein,
An mir ja nicht verlohren ſeyn.
Das428

Das 9. Capitel. Nachrede.

LJebſte Kinder! Wollet ihr nicht JEſum in euch hoͤren, und ſeiner Stimme gehor - chen, der euch ins ſchoͤne Paradies fuͤh - ren ran und will, da euch uͤber alle maſſen wohl ſeyn wird, und dahin in den heutigen letzten Zeiten ſo viele Kinder eingehen? Ach wollet ihrs nicht lie - ber mit dieſen Erloͤſeten des Schlangen-Tre - ters halten, und im Luſt-Garten Eden ſpatzie - ren, und in der Liebe des fuͤr euch gecreutzigten Se - ligmachers huͤpfen und luſtig ſeyn, als aber der giff - tigen Schlangen-Stimme gehorchen, und dar - uͤber von JEſu weg-und in die Hoͤlle getrieben werden?

Begehret ihr nicht viel lieber dem Abel, der im blutigen Opffer des erwuͤrgten Laͤmmleins ſein Vertrauen, Hoffnung und Seligkeit ſetzte, gleichen, als aber dem Cain / welcher hochmuͤthig, neidiſch, zornig ware, in ſeinen Gaben und eigener Gerech - tigkeit ſich bruͤſtete, und GOtt mit ſeinem Gebet und Frommthun ein Greuel ware? Jener iſt ſchon bald ſechs tauſend Jahr im Himmel, und die Zeit wird ihme ſo kurtz, daß ihn deucht, ob ſeye er kaum ſechs Tage bey dem hoͤchſten Gut: Da hingegen ſein Bruder Cain ſo lange Zeit ſchon in der Hoͤlle lieget, wo ein jeder Tag ihne tauſend Jahre zu ſeyn duͤncken werden.

O Kinder! die Suͤndfluth der entſetzlich - ſten Zorn-Gerichten iſt vor der Thuͤr: Betet denhimm -429Nachrede. himmliſchen Noah / daß er euch beyzeiten zu ſich in ſeine Arche nehmen, und wann euch dieſe Gna - de wiederfahret, ach ſo bleibet bey ihme, ſo wird euch kein Leid begegnen, ob alles um euch her zu Grunde gienge.

Seyd keine Spoͤtter, wie Jſmael / ſo behaͤlt euch der himmliſche Vater bey ſich in ſeinem Gna - den-Haus, und ihr werdet nicht ſo erbaͤrmlich aus - geſtoſſen. Hertzens-Kinder! Geſetzt, ihr ſeyet von zwoͤlff Geſchwiſterten allein, und ihr machet nur et - wa den zwoͤlfften Theil vom Dorff, von der Ge - meine oder von der Stadt aus, werdet aber, weil ihr euch etwa Banden-weiſe im Gebet vereiniget, und der blinden Kinder elenden Zuſtand eurem Her - tzens-Abba zuverſichtlich vortraget, von allen den andern beneidet, gehaſſet, und aus Anhetzung des Teuffels bis auf den Tod verfolget; geſetzt auch, der bunte Rock der Reputation und Approba - tion, ſo euch gebuͤhrete, werde euch daruͤber zerriſſen, und ihr auf allerley Weiſe verrathen, verleumdet, verkaufft, mit Zwang und Drang eingeſchraͤncket, in euerer himmliſchen Freyheit gekraͤncket, auch durch ſtarcke Verſuchungen im Fleiſch zur Luſt gereitzet, und nach einem ſchoͤnen Glaubens-Sieg noch haͤr - ter bedraͤnget: Nur getroſt, theuerſte Kinder! Eu - re Erhoͤhung ſolle ungleich-herrlicher ſeyn, als Jo - ſephs: Ein ewig Koͤnigreich der Himmeln, eine unverwelckliche Crone wird euch JESUS geben; die euch angefeindet haben, ſollen erkennen, daß der HERR aller Herren euch lieb habe, und die im hoͤchſten Glantz in der Welt ſtehen, ſollen ſich vor euch beugen, und wiſſen, daß eure Gaben auf Gol -gatha,430Das 9. Cap. gatha, und die Erſtlinge davon am Oelberg und zu Bethlehem gewachſen ſeyen; auch die heiligen Engel werden euch nicht nur achtzig Jahre, wie die Voͤlcker den Joſeph / ſondern in Ewigkeit reſpe - ctiren; ja der Vater wird euch ehren, und JEſus euch uͤber alle ſeine Guͤter ſetzen; nur ein bißgen Gedult!

Faſſet in zarter Jugend die Lehre von Chriſto in euch, wie Moſes von ſeiner gottſeligen, Glau - bens-vollen, und in GOtt verliebten Mutter; ſo wirds euch ein leichtes Ding ſeyn, wann ihr groß werdet, Chriſto uͤberall den Vorzug zu geben, und ſeine Schmach hoͤher, als Egyptens Schaͤtze zu ach - ten; ſo wird ſich dann auch GOtt in ſeiner All - macht, Treue, Warheit, Barmhertzigkeit und Hei - ligkeit euch offenbaren, und euch zu majeſtaͤtiſchen Verrichtungen brauchen. Sollte ſich ein Meer von Hinterniſſen in den Weg legen; ſo muß es ſich vor eurem Angeſicht ſpalten, daß ihr trockenes Fuſſes hindurch paßiren, und ein Triumph-Lied ſin - gen koͤnnet: Waget es nur der Wolcken-Saͤul hinten nach in alles Ungemach; ehe ihr ſolltet Man - gel leiden, ehe muß ſich der allgenugſame Schoos euers Vaters aufthun, Speiſe eſſen zu koͤnnen, die der Welt gantz unbekannt iſt. O Kinder! Wie gut wirds euch gehen bey Chriſto! Wie ſuͤſſe wird es ſchmecken, himmliſches Waſſer, Milch, Honig und Wein aus dem Heyls-Felſen / dem Sohn GOttes ſelber, und ſeinen Wunden - Ritzen zu trincken!

Tretet naͤher hinzu, ihr verlohrne, aber auser - kohrne Laͤmmer des Hauſes Jſrael! Jhr ſeyd zwarmit431Nachrede. mit der Erb-Suͤnde und derſelben Befleckungen von der Schlange heßlich beſudelt worden; aber laſſet euch Schnee-weiß waſchen, und euere Kleider in des Laͤmmleins Blut helle machen, eurem GOtt entgegen zu gehen: Siehe er iſt da, daß er ſein Geſetz des Glaubens und der Liebe in eue - re zarte Hertzen, wie in ein weiches Wachs bilde durch ſein Wort und Heiligen Geiſt. Ja ſtellet euch vor des HErrn, euers Erloͤſers, Angeſicht, werdet gerne ſein Heiligthum / laſſet alle Leibs - und Seelen-Kraͤffte, alle Sinnen und Begierden mit Blut und Oel beſtreichen, um GOtt gehei - liget und zu ſeinem Dienſt eingeweyhet, mithin auch vor dem Wuͤrg-Engel beſchirmet zu ſeyn, der baldigſt ausgehet, boͤſe und ungerathene Kinder mit einer groſſen Peſtilenz wegzuraffen; ach wie wer - den ſie ſo jaͤmmerlich gilfen und ſchreyen, wann die Hoͤlle ihr Maul aufthut, ſie zu verſchlingen! Ach der Engel des HErrn ſtehe euch im Weg, wann euer Hertz in der Verſuchungs-Stunde ſich zum Verderben neiget, und halte euch zuruͤcke, daß Satans Anſchlaͤge an euch zernichtet, und ihr als gebrannte Kinder gewitziget werdet!

Steiget euch ein Zweiffel auf, ob auch warhaff - tig ein Paradies, ein gelobtes Land, und allda ei - ne Seligkeit ſeye, die kein Aug geſehen, und kein Ohr gehoͤret; weil etwa euer Gemuͤth von gegen - waͤrtigen Kurtzweilen gantz eingenommen iſt: So wolle euch JEſus eine Traube aus dem Land, eine uͤbernatuͤrliche, bimmliſche Freude zuſchicken, die euch Muth mache, unter der Feuer-und Wolcken-Saͤule bis ans Ende auszuharren. Diß432Das 9. Cap. Diß koͤnnet ihr um ſo eher thun, weil keine Prin - tzen und Prinzeßinnen, noch Kinder des groͤſten Mo - narchen zu finden, welche eine ſo ſtarcke Geſundheit der Seele haben, als ihr durch das Anſchauen der ehernen Schlange / durch das Nachſin - nen der unausdencklichen Liebe Chriſti gegen euch, da er ſich als ein ſafftiges Balſam-Baumlein am Creutz hat aufritzen laſſen, auf daß ihr heil werden und die Straſſe zum verheiſſenen Lande, als Geheilete luſtig fortziehen moͤget. Solch Gluͤck und Heyl haben Millionen Kinder nicht; laſſet ihnen darum ihre Taͤndel-Freude und Zau - ber-Spiel und gehet ihr euers Wegs taͤglich gen Zion fort: Eure friſche Einbildungs-Krafft wird auf dem Berg der Andacht manche liebliche Vor - ſtellung vom Heil. Geiſt, wie Moſe auf Nebo, empfahen.

Erwehlet nicht, zu leben, wie etwa euere El - tern und Vor-Eltern moͤchten gelebet haben, dann ihr ſeyd mit dem theuren Blut Chri - ſti von deren eiteln Wandel erloͤſet / 1 Petr. 1, 18. 19. Jene moͤgen es nicht beſſer gewuſt haben; ihr aber ſeyd eines naͤhern berich - tet. Oder wollet ihr lieber in der Wuͤſten, ja gar in Egypten ſterben, alldieweil der himmliſche Joſua in eigner allerhoͤchſten Perſon euch die Hand beut, ins Land der heiligen Lieblichkeit euch hinein zu fuͤhren, und zwar mit ſo hertzlicher Sorg - falt und Treue, als ob er nur ein einzelnes aus allen hinein zu bringen haͤtte? Kein truͤber Strom ſoll euch erſaͤuffen, eiſerne Mauren muͤſſen vor euch einſincken, die Sonne euerer Geſundheitund433Nachrede. und Lebens ſolle ob eurem Haupt ſtille ſtehen, und lange nicht untergehen. Viele herrliche und er - ſtaunliche Siege, und viele glaͤntzende Cronen, die ihr dem Fuͤrſten uͤber das Heer GOttes aufſetzen werdet, ſind euch von GOtt bereitet. Ey welche ein luſtig Schauſpiel iſts, wann ein junger Knab Scorpionen der Luͤſten zertritt, Loͤwen der Suͤnden zerreiſſet, und die fleiſchlichen Paßionen, oder hoͤlliſche Unglaubens-Kraͤffte, als ungeheure Thiere des Abgrunds / in der Krafft des Glaubens Chriſti erleget? Anſtatt die Hoͤlle aus Verdruß uͤber der Schmach, von einem jungen Knaben oder Maͤgdgen darnieder geworffen zu ſeyn, graͤßlich heulet; ſo jauchzet in dem Gegen - theil das himmliſche Heer, und ſinget: Jo - hannes, David, Samuel, Friedrich, Daniel, der und der, Maria, Margaretha, Salome, Suſanna, Eliſabeth, die und die hat obgeſieget, und den Teuffel zu Boden geſchmiſſen: Hallelu - jah! Ehre ſeye in der Hoͤhe GOtt und ſeinem Geſalbten und dem werthen Heil. Geiſt!

Huͤtet euch indeſſen ſorgfaͤltig vor aller Selbſt - gefaͤlligkeit / als dem gefaͤhrlichſten Gifft des Teuffels: Nehmet den Ruhm, den euch unweiſe Leute geben, doch nicht an, und dencket nur, ihr wuͤrdet Teuffels-Dreck einſchlucken, der euch alles verderben wuͤrde. GOttes Schlacht-Ordnung ſtehet im Felde wider die Hochmuͤthigen; wollet ihr fortwaͤhrende Gnade haben, ſo ſchmuͤcket euch mit der Demuth / 1 Petr. 5, 5. allwo das Griechiſche Wort, die Demuth, als ein guͤl - denes Band anpreiſet, darein die gantze Haupt -E eZierde434Das 9. Cap. Zierde aller Tugend-Kleinodien einzuflechten und zuſammen zu knuͤpffen ſeye. Vergeſſet der Wor - ten GOttes niemahls, da er klaget, daß des Menſchen Bosheit groß / und dem Kna - ben von Geburt an ans Hertz geknuͤpffet / auch das Tichten und Trachten des menſch - lichen Hertzens nur boͤſe ſeye immerdar und von Jugend auf / 1 B. Moſ. 6, 5. 8, 21. Spruͤchw. 22, 15. Wollet ihr vor ſchwerem Fall geſichert ſeyn, ſo ſchreibet das Gute alle < supplied > i < / supplied > n GOtt, alles Boͤſe aber nur euch zu. Dann ich habe vie - le geſehen, die ſich uͤber dem Guten gekitzelt, und nicht geeilet haben, die Lob-Kraͤntze dem HErrn JEſu, dem ſie allein gehoͤren, zu Fuͤſſen zu legen; aber eben darum auch verdorben ſind, und nicht ha - ben zurecht kommen koͤnnen.

Theuerſte Kinder! Jhr ſeyd um und um mit auſſaͤtzigen, gehaͤßigen und ſehr gefaͤhrlichen Feinden umringet: Hier will euch eine liſtige Jael mit al - len erſinnlichen Complimenten und mit den hoͤflich - ſten Liebkoſungen in ihr Mord-Gezelt hinein locken; und dorten die arge, eigennuͤtzige Delila im war - men Schoos ihrer betruͤgeriſchen Schmeicheleyen euch einſchlaͤffern: Trauet nicht, betet vielmehr den Huͤter Jſraels, daß er euch behutſam mache; zu - mahlen da es nur gar zu bald geſchehen, daß das Gnaden-Leben ermordet; der Crantz der Naſirer - ſchafft verlohren, und man den Leuten zum Ge - ſpoͤtt, dem Teuffel und der Suͤnde veraͤchtlich, mit - hin alle Hoffnung der Vorzuͤgen und Herrlichkei - ten, im Himmelreich zu ſchanden wird. Ach die Raub-Moͤrder verſtecken ſich im Gebuͤſche, und dieSchlan -435Nachrede. Schlange im Gras, und iſt offt die Gefahr da am groͤſten, wo man es am wenigſten geglaubet haͤtte.

Bittet JEſum, daß er euere Jugend-Hertzen zu ſeiner Schul-Stuben machen wolle, gewoͤhnet euch an ihne, und lernet ſeine Stimme kennen: Dann es iſt ein ſehr betruͤbtes Ding, mit falſchen Stimmen betrogen zu werden; als welches einem viele Jahre nachgehen, und aͤngſtliche Plagen ver - urſachen kan: Werdet darum rechtſchaffene Saͤug - Laͤmmer des Heylandes; dann wo dieſes fehlet, ſo lernet ihr ſeine Stimme niemahls kennen. Hat er dem jungen Samuel dreymahl geruffen; ach ſo ruffet er manchem wohl drey tauſend mahl, daß ers nicht wahrnimmt, Jrr-Wege einſchlagt, im Ne - bel wandelt und von Jeruſalem ſich immer wei - ter entfernet, zwar nicht in ſeiner Einbildung, wohl aber, welches ſchrecklich iſt, in der That. Wie viel ihr hingegen dem erſten Ruff gehorchen, die ha - ben ſchon bey ihrem Leben und dann im Himmel einen unbeſchreiblichen Nutzen davon. Samuel ward ein Anfaͤnger der Propheten-Schulen, und Maria eine Mutter des Heylands: Jener ſagte: Rede HERR! dann dein Knechthoͤret; und dieſe antwortete: Siehe / ich bin des HErrn Magd / mir geſchehe / wie du ge - ſaget haſt / 1 Sam. 3, 10. Luc. 1, 38. Ma - chet ihrs auch alſo, ſo wird euer Heyl und Gnade eben ſo groß ſeyn.

Ach daß junge Leute mehr den Alten als ihren verkehrten Paßionen glaubten, und das thaͤten, was ſie im Alter wuͤnſchen werden, in der Jugend gethan zu haben! Jugend-Suͤnden / Alters -E e 2Schmer -436Das 9. Cap. Schmertzen; hingegen Jugend-Gnaden, Alters - Freuden. Du ſchaͤtzeſt den jungen David ſelig, daß er zum Koͤnig uͤber Jſrael geſalbet worden; glaube es aber, daß dieſes nur ein Schatten iſt ge - gen dem, was der Heyland dir noch heute ſchen - cken kan und will: Er ſelber will dich nicht blos zu einem irrdiſchen, ſondern zu einem himmliſchen und unvergaͤnglichen Koͤnigreich ſalben. Glaubſt du das? Oder halteſt du die theuerſte mit Eyd, Brief und Siegel bekraͤfftigte, und mit GOttes Blut und Tod beſtaͤtigte Verheiſſungen vor Phan - taſeyen und Maͤhrlein? Sags frey heraus: Jch ſehe dirs an deiner Mine an, daß du GOttes Wort fuͤr Luͤgen achteſt; welches die greulichſte Suͤnde iſt. Dieſer Unglaube iſt der Goliath / ſo dem HErrn Zebaoth und ſeiner Armee Hohn ſpricht: Schlagſt du ihm zu todte, ſo haſt du mehr ausge - richtet, als der junge, muthige David: Glaubſt du dem Wort der Verſoͤhnung, ſo iſt Chriſti Sieg uͤber Suͤnd und Tod, Teuffel und Welt dein, eben als ob du ſelber ihne erleget haͤtteſt; du darffſt in GOtt froͤlich jauchzen, und im Nahmen deines JEſu Panier aufwerffen; die hoͤlliſche Philiſter / die Laſter, Luͤſte, Weltfoͤrmigkeiten und unflaͤtige Fleiſches-Begierden, von welchen andere junge Leu - te um dich her im Koth herum geſchleppet und zu unſeligen Sclaven des Teuffels gemachet werden, muͤſſen vor dir zittern und flieben, weil du mit dem hohen Glantz des Nahmens Chriſti umgeben, mit fuͤnff glatten Bach-Steinen der goͤttlichen Allmachts-Krafft aus den fuͤnff Wunden Chriſti verſehen biſt, und aller Suͤnden und Laſtern Heer -fuͤhrer,437Nachrede. fuͤhrer, den Teuffel zu deinen Fuͤſſen niedergeleget ſieheſt: Dann nachdem du in JEſu Augen Gna - de gefunden, ſo muß der trotzige Prahler vor dir beben und gewaͤrtig ſeyn, daß du ihme auf deines ſiegreichen Feld-Herrn Befehl aufs Genick treteſt; als woruͤber alles Heer des Himmels mit maje - ſtaͤtiſchen Schall dir zujauchzen wird: Auf Loͤ - wen und Ottern wirſt du gehen / und treten auf den jungen Loͤwen und Dra - chen / Pſal. 91, 13. Ferſen-Stiche wirſt du zwar wohl fuͤhlen; doch ſolle dir das Reich und die Crone bleiben.

Kurtz: Es iſt nichts ſo praͤchtiges und herrliches dem Volck Jſrael wiederfahren, das euch nicht von unſern vollendeten, und zur Rechten GOttes ſitzen - den Heyland in einem weit herrlichen Grad geſchen - cket werde: Wann du nur ihme allen Ruhm gie - beſt, und bey dem ſeligen Umſonſt und aus Gna - den bleibeſt, mithin ſothane ungewohnte Selig - keiten nicht bey und in dir, ſondern allein in Chri - ſto ſucheſt. Glaube nur, du theures junges Blut! Je kindlicher und einfaͤltiger du zu Werck geheſt; je leichter wirſt du glauben koͤnnen. Verheiſſen Eltern ihren Kindlein etwas, ſo erinnern ſie die El - tern der gethanen Zuſag, weinen, ſchreyen, beten, wiederholen es wohl hundertmahl, und wollen das verſprochene kurtzum haben, waͤren es auch gantz unmoͤgliche Sachen, daß ſie z. E. den Mond aus dem Firmament nehmen, und dem Kind in die Haͤnde geben ſollen: Den Kummer, wie ſie ihr Verſprechen halten wollen, uͤberlaſſen ſie ihren El - tern. O wie reich wuͤrdet ihr an Schaͤtzen undE e 3Guͤ -438Das 9. Cap. tern Chriſti werden, wann ihr euer einfaͤltiges Kin - der-Hertz zum glauben und beten brauchen wuͤrdet! Und welch ein Wolleben waͤre es dem holdſeligen Knaben Jmmanuel / euch fuͤr ſeine liebſte Ge - ſchwiſterte anzunehmen, und taͤglich mit mancher - ley himmliſchen Gaben, wie euere Eltern mit ihren Weyhnacht-Geſchencken, zu erfreuen, ja ſein gan - tzes JEſus-Hertz euch anzuvertrauen, und die mit Blut erworbene Schaͤtze in euere begierige Seele auszuſchuͤtten. Fuͤrwahr die heiligen Engel wer - den euch ſelig preiſen, wann ſie euch vom Koͤnig des Himmels alſo beguͤnſtiget ſehen. Es wird kaum ein Tag vergehen, daß GOtt nicht zu euch, wie zu dem jungen Salomo ſagen werde: Mein Kind! Mein Bruͤderlein! Mein Schweſterlein! Bitte / was ich dir geben ſolle / 1 Koͤn. 3, 5. Wirſt du dann ſagen: Gieb mir, mein GOtt, ein gehorſam Hertz, das da verſtehe, was gut und boͤſe iſt! Ja Vater! JEſus dein lieber Sohn ſeye meine Weisheit, meine Sonne und Wonne, mein Gnaden-Brunn, mein ſchoͤnſter Schmuck und Ehren-Kleid, meine ſuͤſſeſte Freu - de, und ſein Evangelium mein angenehmſter Zeit - Vertreib! So wird es dem HErrn ſehr wohlgefallen, daß du um ſolches bitteſt, und er wird dir ewig-bleibenden Reichthum, Ehre und lan - ges Leben ſchencken, das die blinde Welt, weil es unſichtbare und ſolche Guͤter ſind, die erſt am juͤng - ſten Tag und in der Nachwelt im ſchoͤnſten Glantz erſcheinen werden, wenig ſchaͤtzet. O Kind! Wo iſt jetzt Salomons und aller Monarchen Pracht, Reichthum und Gewalt? Jſt nicht alles, wie einDampf439Nachrede. Dampf verſchwunden? Uber euch aber ſolle die Crone euers Seligmachers ohne Ende bluͤhen, und eure Freude niemand von euch nehmen.

Was himmliſch iſt, beſteht;
Was irrdiſch iſt, vergeht;
Wer anders liebt, als GOtt,
Der wird zu Spott.

Jſt aber jemand, dem der HErr aus weiſen, heiligen Urſachen das Hertz bis ins ſpate Alter nicht aufgethan, noch unter ſeinen Gnaden-Zug genommen, ihm aber erſt alsdann die Augen auf - gehen, in den tieffen Abgrund ſeines Elends hinein zu ſehen und zu erkennen, wie ſein verruchtes Leben ihn an den Rand des Todes und der Hoͤllen ge - bracht; der verzage nicht, dann JEſus lebet noch, der ſich eine Ehre und Freude machet, den verlohr - neſten und allerſchlimmſten Suͤnder zurecht zu helf - fen, und ſein allerſuͤſſeſtes JEſus-Hertz an ihnen groß und herrlich zu machen, auch vor der gantzen Welt zu zeigen, wie es ihme in Vergebung der ſchnoͤdeſten Beleidigungen keine Creatur nachzuma - chen vermoͤge, und wie ſeine Liebe uͤber den greß - lichſten Erb-Schaden dißfalls triumphire. O ja! die unuͤberwindlichſte Krafft ſeiner Gnaden mag weder von Hoͤlle, noch von Satan oder Tod einge - ſchraͤncket werden: Verfaulte, eiterfluͤßige Wun - den, vom Luſt-Feuer zerfreſſene Hertzen, tieff bis in Abgrund eingewurtzelte Suͤnden-Baͤume ſind dieſem goͤttlichen Heyland eben recht: Ja wann der Hoͤllen-Wolff ein Schaͤflein gantz verſchlucket hat, ſo daß nur das Ohr-Laͤpplein noch etwas her - fuͤr raget; ſo erwiſchet es dieſer treue Hirt, undE e 4erret -440Das 9. Cap. errettet es, daß der Wolff vor Verdruß wohl zer - berſten moͤchte, wann er die Engel ſingen hoͤret: Des und der iſt erloͤſet und weidet gantz friſch und geſund auf dem fetten Zions-Huͤgel in des Paradieſes Auen.

JEſus hilfft einem ſolchen noch hindurch durch die ſehr ſchlimm gewordene, umwegſame Straſſe: Er giebt ihm Muth und Krafft, ſich ins rothe Meer und in den Jordan hinein zu wagen, daß er das gelobte Land noch erblicken kan: Er reiſſet dem Satan ſeine Bollwercke nieder, der ſich wider den ankommenden Suͤnder-Freund liſtiger und maͤchtiger, als die Franzoſen am Rhein, verſchan - tzet: Er kroͤnet die verachteten und mißbrauchte Zei - ten ſeiner Langmuth mit der allerhoͤchſten Gnade der Bekehrung und Vergebung der Suͤnden durch den geſchenckten Glauben an ſeinen Nahmen; haͤlt ihm ſeinen Friedens-Pallaſt noch offen; behuͤtet ihn in vielen Gefahren, und laͤßt es nicht zu, daß ihn der Tod uͤbereile: Er machet ihn auf des Schaͤ - chers Art ſelig, und weiſet ihm nach ſeinen unzehli - gen Ubertretungen im Paradies bey allen Begna - deten noch einen Platz an.

O einem ſolchen aus dem Feuer heraus geriſſe - nen Brand und mit Feyer-Kleidern und einem rei - nen Huth beſchenckten Miſſethaͤter wallet all ſein Jnnerſtes von Danck-und Liebes-Begierde, einem ſo unerhoͤrten Gutthaͤter und unvergleichlichen Gna - den-GOt, alles zuzuſchieben: Er weiß nicht, wie er ſeine Liebe und Erkaͤnntlichkeit gegen einem ſo holdſeligen allergnaͤdigſten HErrn genug an den Tag legen will: Seine Seele iſt unruhig im Ver -lan -441Nachrede. langen, daß ſein Heyland anſtatt ſeiner Zunge und Hertzens, ſo er ihme ungerechter Weiſe ſo lange entzogen, bundert tauſend Zungen und Hertzen be - kommen moͤchte: O wie gerne ſahe er die Jugend Chriſti, darin auch die Fuͤlle der Gottheit ware, in unzehligen jungen Seelen herrlich und wunder - bar erſcheinen! Es deucht ihn ewig Schade zu ſeyn, wann ein einiges Hertz vom Satan und der Welt Chriſto ſollte geraubet werden; er ſeuffzet auch, und graͤmet ſich, wann junge Leute ihr hohes Gluͤck, des lebendigen GOttes Lieblinge und in ſeiner Huld zu ſeyn, nicht erkennen, auch nicht glauben wollen, daß mehr Reichthum, Ehre, Freude und Vergnuͤ - gen bey Chriſto, als bey den vornehmſten irrdiſchen Koͤnigen zu haben ſeye: Es beklemmet ſein Hertz, wann er ſie nicht bereden kan, daß die Rechtferti - gung mehr Suͤßigkeit, Segen und Seligkeit in ſich faſſe, als alle erſinnliche Luſtbarkeiten der Welt, und daß ein Koͤnigreich der Himmeln, das JE - ſus umſonſt, und aus Gnaden ſeinen Auserkohr - nen verſchencke, mehr Schaͤtze und Herrlichkeiten begreiffe, als uͤberall alle ſichtbare Dinge des Erd - kreiſes: Es kraͤncket ihn, wann ſie an ſeinem Scha - den ſich nicht zur Witzigung ſpiegeln, und das nicht in Zeiten thun wollen, was er gethan zu haben ſo hefftig wuͤnſchet, und verſaͤumet zu haben mit den bitterſten Hertzens-Schmertzen beweinet. O er zoͤ - ge ſie wohl bey den Haaren herbey zu dem allein ſe - ligen Chriſto, ihrem getreueſten Freund, der ſie ſo gerne dem Joſeph, Moſes und Daniel an Weis - heit und Seligkeit in GOtt gleich zu machen Luſt haͤtte, wann ſie nur die ſo gnadenreiche Zeit ihrerE e 5Heim -442Das 9. Cap. Heimſuchung wahrnehmen und ſich bereden woll - ten, daß alte, erfahrne Leute, die Boͤſes und Gu - tes neben einander erfahren, und beydes in GOt - tes und des Satans Reich hinein geſehen haben, die Sache beſſer als ſie wiſſen, und es gut mit ih - nen meynen.

Alle im hoͤhern Alter Erloͤſete wuͤnſchen aus Liebe zu ihrem Erloͤſer, und allen jungen Leuten, daß es ſelbigen ja nicht ergehe, wie es ihnen in der Jugend ergangen: Es iſt einem jeden Leid, wann die Raupen die ſchoͤnſten Bluͤthen und Fruͤchte abfreſſen, und ſaͤhe lieber, alle Aeſte von reif - fen Fruͤchten ſich biegen, daß dem HErrn JEſu niemand kein Leid, ſondern alles nur Freude machte, daß demnach die zarte Zweiglein vor den aufſaͤtzigen Freſſern behuͤtet und bewahret wuͤrden, daß kein Raupen-Neſt der Jugend Luͤſten das jun - ge Hertz verwuͤſte. Wie begierig iſt ein ausge - ſoͤhnter Alter zu ſehen, wie ein zahlreicher Zug von Knaben und Toͤchtern Morgens fruͤhe zu des groſſen Kinder-Freundes Pallaſt hingehen, und hernach mit ihme in Jeruſalem einziehen? Wie ſchmecken Chriſto fruͤhzeitige Fruͤchte ſo wohl, Mi - chaͤ 7. Matth. 21. Spr. Salom. 8. Und dieſes giebt ſodann Saͤulen der Kirchen, und theure Maͤnner GOttes. Wer fruͤhe ans Werck gehet, kan was ausrichten; da hingegen die Aufſchie - bung der Bekanntſchafft mit Chriſto hoͤlliſchen Undanck mit ſich fuͤhret, und dem Hoͤllen-Heer ein Jauchzen und Frohlocken erwecket.

Damit443Nachrede.

Damit nun der unwiederbringliche Schade der verſaͤumten Jugend abgewandt, und hingegen der groſſe Nutzen, der aus der wahrgenommenen und wohl angewendeten Morgen-Roͤthe des Ta - ges flieſſet, befoͤrdert werde; ſo lieget dieſes Buͤch - lein beſonders jungen Leuten zur treuhertzigen War - nung ſowohl, als Aufmunterung vor ihren Au - gen.

HErr JEſu! Lege deinen Hohenprie - ſterlichen Segen aus deiner uͤberſchwengli - chen Gnade darauf, durch dein kraͤfftiges Liebes-Blut, um deines Nahmens willen! AMEN!

Gebet444Gebet einer Wittwen

Gebet einer Wittwen fuͤr ihre Kinder.

GElobet ſeyſt du mein GOTT! daß du dich durch deine ewige Barmhertzigkeit ſo guͤn - ſtig gegen mir haſt wollen erklaͤren / daß du mein Ehemann / und meiner Kindern getreuer GOtt und Vater ſeyn wolleſt: Wuͤrcke den Glauben in mir an dieſes dein gegebenes Gnaden - Wort / ſo werde ich ein Kummer-freyes / hocher - freutes Leben fuͤhren / uͤber der Menſchen Ungunſt nicht lange erſchrecken / ſondern mich alſobald an deiner ſtarcken unzerbruͤchlichen Zuſag Himmel-an aufrichten / wie das ſchwache Epheu an einem Ce - dernbaum. Ja HErr JEſu! Der Glaube / der dein edelſtes Wunder-Geſchoͤpf iſt / wird mir niemahls reichlicher den ſuͤſſeſten Freuden-Wein einſchencken / als in den allerſchwereſten Proben und Aufgaben / wann mir alles zuwider iſt / und ich keinen Freund auf Erden habe / der ſich in der Noth meiner annehme: O alsdann wird der Heil. Geiſt mein zappelndes Hertz durch eine beruhigende Einſicht in deines und meines Vaters Hand / Aug und Hertz voll Friede und Freude / Jauchzen und Frohlocken machen / al - ſo daß ich abermahl ein Wunder ſeiner allgenugſa - men Treue / Weisheit, Guͤte und Warheit unge - zweiffelt erwarte. Braͤutigam meiner Seelen! die - ſe deine Wunder-Huͤlffe thaͤt mir beſſer / als alles Um - hergaffen nach den Bergen der Welt / ſo eine greu - liche / unertraͤgliche Befleckung iſt einer mit dir ver - lobten Seelen. Wann ich alles verliere und ver - geſſe, um nur auf dich allein zu ſchauen / ſo wirſt du gewiß noch vielmehr unverruͤckt auf mich ſchauen / und ehender den Himmel hindan ſetzen / als mein vergeſſen; Was hab ich doch fuͤr einen Hertzens - GOTT an dir! Wie ſanfft ruhe ich in deinem Schoos: Du haſt mir das Sorgen verboren / ſo will ichs dann auch bleiben laſſen / in deinem Vaters -Nah -445fuͤr ihre Kinder. Nahmen giebſt du mir wohlgeſtalte / geſunde Kin - der mit ſchoͤnen Gaben / ſo dancke ich dir vor deine groſſe Guͤte / und bitte dich angelegentlich / du wol - leſt ſie ins Regiſter deiner anbefohlenen und aufge - nommenen Waiſen einſchreiben / die dir laut Accords obliegen zu verſorgen: Dann Verſprechen macht Schuld. Nehre zufoͤrderſt ihre Seelen mit der himmliſchen Milch deiner ſanfften Weisheit / daß ſie die Suͤnden-Schwaͤrtze verlieren / und weiß werden wie die Engel / die vor deinem Thron ſind. Durchdringe ſie uͤberall mit deiner Blut-Gnade / daß ſie glaͤntzen von deiner Erloͤſungs-Liebe / ſo du getreuer Heyland inſonderheit zu der Jugend traͤ - geſt / alſo daß der Teuffel geblendet werde vom ro - then Schein deines Liebe-Bluts. Umgiebe unſere arme Kinder um und um mit dem Schutz deines Heil. Geiſtes / als mit einer feurigen Mauer / da - mit die Seelen-Moͤrder abgehalten werden / und mit ihren Raͤncken und Nachſtellungen ihnen nichts angewinnen: Ach mache die hoͤlliſchen Ungeheuer / die wohl aͤrger / ſchaͤdlicher und gefaͤhrlicher ſind / als kein Antiochus / an ihnen zu ſchanden; Gieb nicht zu / daß Unzucht / Spielen / Schlemmen / Ei - genſinn / Luͤgen / Falſchheit / Jaͤchzorn / Traͤgheit / Unfleiß / Ungehorſam, Verachtung deines Worts und Willens / oder einigerley Zeitverderb ſie dahin reiſſe. Ach reinige und behuͤte ſie vor allen dieſen garſtigen Unflaͤtereyen des Abgrunds, welche ſchon unzehlige Menſchen in den feurigen Pfuhl geſtuͤr - tzet haben. Ach mein GOtt und Vater! Solten meine Kinder alſo unſelig ſeyn; ſo waͤre es ihnen beſſer / ſie waͤren nicht gebohren / oder in der Ge - burt erſtickt. Mein getreueſter HErr! Beſelige ſie ſo reichlich mit den Gaben deines Heil. Geiſtes / und beveſtige ſie ſo maͤchtig mit deiner Gnade / daß weder du noch ich Unehr und Schande / im Gegentheil Freude und Ehre an ihnen erlebe: Wircke ein ſo weiſes und behutſames Verhalten in denen von Na - tur ſo gar tummen und unweiſen Laͤmmerlein / daß ſie ſich mit keinen Unrichtigkeiten weder vor deiner Lauterkeit und Warheit / noch vor den Menſchenver -446Gebet einer Wittwenveraͤchtlich machen. O du Schoͤpfer des neuen Himmels und der neuen Erden! Mache meine elen - de Kinder zu ſafftigen Zweigen / daß ſo offt du in unſere Stuben tritteſt / du deine Hertzens-Luſt an ihnen habeſt / ſie benedeyeſt / wann du ſie beſchaueſt / wie ſie voll paradieſiſchen Saffts / voll himmliſchen Freuden-Oels gruͤnen / bluͤhen und fruchten / wenig - ſtens Knoſpen gewinnen. HErr JEſu / zarteſter Liebhaber der Jugend! ich bin zu ſchwach / meine Kinder vor aller verfuͤhriſchen Geſellſchafft und den mannigfaltigen Aergerniſſen der Welt zu verhuͤten; ich nehme heut Himmel und Erden zu Zeugen / daß ich ſie dir habe anvertraut; was mein iſt / das iſt dein / und was dein iſt / das iſt mein. Wilt du dich meiner Kindern nicht annehmen / ſo zeige mir je - manden anders an / bey dem ſie beſſer verſorgt ſeyen / als bey dir; aber du ſelber weiſt niemand; darum will ich nicht ab dieſem Platz / bis du mir in die Hand verſprichſt / du wolleſt auch meiner Kindern GOtt ſeyn / wie du mein GOtt bis dahin geweſen biſt. Erſcheine auch ihnen / O du GOtt der Herr - lichkeit! und bringe ſie hinuͤber zu dir ins Land / da deine Gnade in demuͤthigen Hertzen / wie ein klarer Bach rinnet; da die Huͤgel vom rothen Moſt dei - nes Liebe-Bluts flieſſen / und die edlen Fruͤchte al - ler goͤttlichen Tugenden deines Geiſtes zu haben ſind. Allſehender / allwiſſender und allgegenwaͤrti - ger GOtt und Aufſeher der Menſchen-Kinder! Stecke das Senf-Koͤrnlein des reinigenden / Welt - uͤberwindenden / ſeligmachenden Glaubens ihnen ins Hertz; ſie habens nicht / ſonſt wuͤrde ich dirs nicht fuͤr ſie heiſchen / auch wiſſen ſie deſſen Koſtbar - keit und hohe Nothwendigkeit nicht / noch den Weg / dieſes Kleinod zu erlangen: Wilt du ſie nach dei - nem Sinn haben zu deinem Vermoͤgen / ſo muſt du warhafftig alles ſelber in ihnen ſchaffen. Wann ich im Vermoͤgen waͤre / ich wolte meine elende duͤrfftige Kinder alle voll Glaubens und Heiligen Geiſtes machen / und mich ſelbſt auch zugleich mit; ich wolte ſie voll ſtopffen mit ſuͤſſer Zuverſicht zu dir. Und was bin ich arme, ſuͤndhaffte alberneWitt -447fuͤr ihre Kinder. Wittwe gegen dir? Jſt was gutes in mir / ſo iſts nicht von mir / ſondern aus dir. Nun ſolte ich nichts - werthes / untuͤchtiges Troͤpfgen ſolche begierige Neigung haben nach der vollkommenen Heiligung meiner Kindern / und du ewiges Meer alles Guten ſolteſt weniger Liebe fuͤr ſie haben! das kan nicht ſeyn / ich traue dir unendlich beſſers zu / obſchon noch nicht eines Fuſſes breit von dieſer Seligkeit an ih - nen verſpuͤrte / und mich die Zeit ſo lang daͤuchte / als haͤtte ich ſchon vier hundert Jahr darauf muͤſſen warten / weinen / ſeuffzen / flehen. Act. 7, 5. 6. Jndeſ - ſen kenne ich dein getreues Hertz viel zu wohl / das da eilet / und treibet alle Begierigen / die an dir ihre Luſt haben / das Gute zu thun / ſo ihre Seele wuͤn - ſchet: Es iſt kein Verzug bey dir / dein Gnaden - Werck gehet immer ſeinen huͤpſchen Weg fort: Mitlerweile reinigeſt / demuͤthigeſt du mich / uͤbeſt deine eigene GOttes-Gaben / welche du ſo gnaͤdig - lich in mich geleget haſt / den Glauben / Gedult / Ge - bet / auch bezahleſt du deine Thraͤnen-Perlen zum Voraus mit der getroſten Hoffnung, es werde ge - wiß kommen / was ich bete / und je mehr glauben / weinen / beten / ſeuffzen es mich koſtet / je herrlicher wird das zubereitere Geſchenck ſeyn. Deine ſorg - faͤltige Mutter-Treue laͤſſet gern alles recht reiff werden / damit es mir und meinen Kindern nicht ſchade. Du mein Heyland haſt mich ſo lieb wie dein eigen Hertz und Leben: Nun weil ich dieſes weiß / und erfahre / ſo brennet mein Hertz vor Verlang en / daß meine Kinder alle gluͤen und brauſen von un - ausforſchlicher, unuͤberwindlicher Liebe zu dir / ſo daß ſie weder Schmach noch Schmertzen zu Her - tzen nehmen / und ſich nach keiner Ehre / Reichthum / Gunſt und Luſt der Welt umſehen / wann es um dich zu thun iſt; ach es muͤſſe doch nur nichts bey ihnen gelten / als dein lauteres Gefallen und Wohl - behagen. O GOttes Sohn! HErr JEſu Chriſt! begnadigeſt du nur meine ſuͤndige Kinder mit dei - nem Blut und Heiligen Geiſt / mit deinem Glauben und Liebe / ſo bin ich ſchon zufrieden; uͤbrigens handle du mit ihnen / wie du wilt / Reichthum / Ar -muth /448Gebet einer Wittwenmuth / Hoheit / Niedrigkeit / Freud / Leid / Ungewit - ter / Sonnenſchein / Geſundheit / Kranckheit ſeye dei - nem allerbeſten Willen heimgeſtellet. Jch uͤberlaſſe dir alle Anſprach an ſie / und ich gabe ſie dir wieder / ſo bald ich ihr anſichtig und froh ward / daß mir durch deine wunderbahre Guͤtigkeit ein Knaͤblein (ein Maͤgdlein) gebohren war: Sintemal ich es rathſamer vor ſie hielte / ſie in deiner Schoos und Hand zu wiſſen / als ſonſt irgendwo: Wie du mit ih - nen handthiereſt / ſo iſts das Seligſte; ſtuͤmmele ſie / laß ſie kranck / blind / lahm / taub / ſtumm / und voll Geſchwaͤre werden; wann ſie nur inwendig voll GOttes ſind / der neue Menſch in ihnen taͤglich ſchoͤner und vollkommener wird; Gerechtigkeit / Friede und Freude im Heil. Geiſt / und das gantze innere Reich GOttes keinen Abgang leidet; wann nur du / du mein JEſu / recht und ſo geliebet wirſt / wie du es wuͤrdig biſt; ſo gehet alles gut / es iſt an allem uͤbrigen ſo viel nicht gelegen: Je mehr mei - ner Kinder Leiber hier im hieſigen Augenblicklein erlitten / und dabey die Krafft und Suͤßigkeit deinen Liebe / und das Wort deiner Gedult bewahret haben: je herrlicher wirſt du ſie clarificiren in Ewigkeit. Es ſchauert zwar meiner Natur ein bißgen / meine Kin - der in Drangſal zu ſehen; aber deine Gnade die triumphiret hoch uͤber alles. Darum erlaube ich dirs / mein Heyland / meine Kinder zu ſieden oder zu braten / ich halte ſie auch dannzumahl im Leiden ſelber ſeli - ger und glorwuͤrdiger / als wann ſie den hoͤchſten Kayſers-Thron in der Welt beſtiegen; du heiſſeſt Wunderbar / und macheſt alle deine Sachen wun - derbar / indem du eine ſo kurtze Treu mit einem un - beweglichen Koͤnigreich der Himmeln vergilteſt. Ach ich ſchaͤme mich vor der Maccabaͤiſchen Frauen und ihren heroiſchen Soͤhnen / ich muß mich wohl am groſſen Gerichts-Tag vor ihnen verkriechen / und vor ihrer unbeſchreiblichen Herrlichkeit; dann ſie hatte dich / den warhafftigen GOtt / und das ewige Leben / noch nicht geſehen am Creutz hangen / vor Angſt ſchwi - tzen und bluten / noch den Rauch und Dampf der Hoͤl - len ob deiner Seelen zuſammen ſchlagen / auch wareder449fuͤr ihre Kinder. der Geiſt der Kindſchafft noch nicht ſo mildiglich ausgegoſſen / weilen du noch nicht verklaͤret wareſt; ſie lebte in ſehr verdorbenen finſtern Zeiten / und gleichwol thate dieſe Tochrer Abrahams freywillig - lich mehr als dieſer ihr Vater und als der groſſe Wunder-Mann Job. Ach erloͤſe mich / du Gecreu - tzigter / von des Fleiſches Zaͤrtlichkeit / als von der aͤrgſten Feindin deines Creutzes / und der ſchlimm - ſten Raͤuberin der kuͤnfftigen Herrlichkeit und aller der Vorrechten deines Erſtgebornen. Gieb mir zu bedencken / wie erſtaunlich die Schoͤnheit dieſer hoͤchſt - ſeligen und wohl himmliſch-weiſen Frauen und ih - rer ſieben Soͤhnen jetzt bey dir / wie majeſtaͤ iſch ih - re Cronen / wie uͤberſchwemmend ihre Seligkeit / wie ausnehmend ihre groſſe Ehre am gantzen himmli - ſchen Hof ſeye. Nun ſind ſie das Sieben-Geſtirn am dritten Himmel deiner Herrlichkeit / die als ſieben Lieb-flammige Freuden-Sonnen um ihre Mutter her helle ſcheinen: O es wird ſie nimmermehr reuen / was ſie um deines Nahmens willen haben wollen ausſtehen / weilen ſie dadurch dem Schatten der Welt entflohen / und in die ewige Ruhe entron - nen / und nun vor deinem Angeſicht himmliſche Koͤ - nige ſind: Nun iſt dieſe Mutter gceroͤnet mit ſie - ben Sternen / welches ſind die ſieben danckbaren Hertzen ihrer Soͤhnen / die ihr vor dero heroiſches Exempel und gute Auferziehung unzehlige Bene - deyungen anwuͤnſchen / ja wie ſieben Springbrun - nen alle in ihnen aufquellende, ſuͤſſeſte und ſeeligſte Jubel-Freuden in ihrer liebſten Mutter Hertz aus - ſchuͤtten. HErr JEſu Chriſt ich moͤchte geru da - bey geweſen ſeyn / als du einen nach dem andern be - willkommeteſt hertzteſt und kuͤſſeteſt: Du wirſt wohl zu ihnen geſprochen haben: Sie haben ſich brav gehalten / du wolleſt jetzt auchwas ihnen zu gefallen thun / ſie ſollen nur freymuͤ〈…〉〈…〉 hig ſagen / was ihne angenehm ſeyn moͤge; da werden ſie dir ge - klagt haben / es ſtehe ſehr uͤbel um Jeauſalem〈…〉〈…〉 als - dann wirſt du ihnen troͤſtlich und freundlich geant - wortet haben: Selige Mutter liebſte Braut! und ihr meine trauteſte Hertzens-Knaben! eure BitteF fſoll450Gebet einer Wittwenſoll ohne Aufſchub gewaͤhret ſeyn: Jch will mich aufmachen und mich uͤber Zion erbarmen / ich will Helden erwecken und ſie zu Fackeln machen unter dem Stroh / daß ſie verzehren rechts und lincks al - le feindſelige Voͤlcker rings umher. Zach. 12, 6. Durch dieſe will ich Juda und Jeruſalem wieder aufhelf - fen; die Tyrannen aber zur wohlverdienten Straffe ziehen: Wie ſich dann alſo denen bimmliſchen Kna - ben zu lieb der ſchwartz-zornige Himmel aufgehei - tert / deine Gnaden-Sonne wiederum uͤber dem Volck Jſrael lieblich zu ſcheinen angefangen / und ein ruinirendes Hagel-Wetter uͤber deſſen Feinde ausge - brochen: So vieles vermoͤgen deine vor deine Ehre ſterbende Lieblinge bey dir. O du GOtt Jſraels! Ach haͤtten ſich dieſe Helden nur an dir vergnuͤget / nicht um eines fremden Gottes Tochter gebuhlet / und ſich nach Roͤmern und Sparianern umgeſehen; ſo waͤre ihr Horn durch deine Gunſt erhaben wor - den zur Erſtaunung der gantzen Welt: Allein du Erloͤſer! Deine Liebe uͤberſteiget unendlich die Ge - gen-Liebe deiner Erloͤſeten. O wie wunderſelten findeſt du ein Hertz / das beſtaͤndig zu allen Zeiten / bey allen Gelegenheiten / gantz dein ſeye / wie dein Hertz unveraͤnderlich / allezeit / in allem Anliegen gantz unſer iſt! Es iſt keine Minuten / da du nicht JEſus heiſſeſt / und dich deinem eigenthuͤmlichen Nah - men nach alſo beweiſeſt gegen einen jeden / der es verlangt. Man achtet insgemein Wittwen und Waiſen fuͤr ungluͤckhafftig; allein ich ſehe / daß es nur darauf ankommt / daß man an dir und deinem Wort feſt klebe; dann dadurch hats dieſe Wunder - Saͤule deiner Barmhertzigkeit eben ſo weit mit ih - ren Knaben gebracht / als wann alle Propheten an ihnen gearbeitet haͤtten; du forderſt nicht mehr dann nur Treue / ſo iſts alles gut. Solten jene der figuͤr - lichen Lehre / ſo Moſes auf dem Berg Sinai von dir empfangen / ſo getreu geblieben ſeyn / und ich ſolte deiner ſo Gnad-und Freuden-reichen Lehre / ſo du / mein JEſu / vom Vater aus dem Himmel ge - bracht haſt / nicht bis in Tod getreu bleiben / und meine Kinder dazuhalten mit allem Ernſt. Duheiſſeſt451fuͤr ihre Kinder. heiſſeſt JEſus / ein Seligmacher / dann du macheſt die Suͤnder rechtſchaffen ſelig / wie du es an der Maccabaͤiſchen Mutter bewieſen: ich bitte dich hertz - lich / beweiſe es auch an mir und an den Meinigen: Erfuͤlle mich mit Licht und Krafft / daß ich meine Sinne erhebe / und freudig Hallelujah ſinge / auch dannzumahlen / wann es durch rauhe / finſtere We - ge gehet / durch Eiſen / Blut / Feuer und Rauch-Dampf; es gehet dennoch dem Himmel zu / Hoſianna! Ma - che mich und deine Kinder, die du mir gegeben haſt / zu maͤchtig-ſtarcken Palmen-Baͤumen / die kei - ne Creutzes-Laſt niedertrucke / die durch den Glau - ben / Gelaſſenheit / Ube gab und Hoffnung weit uͤber - winden / alles zu deinen hoͤchſten Ehren und zum Schmuck deines unendlich-weiten Koͤnigreichs. Jch will alle meine Kinder zu unſterblichen Koͤni - gen und Koͤniginnen haben; diß koͤnnen alle Kay - ſere des Erdbodens nicht anſchaffen / dir aber iſts ein geringes / und ich werde es haben / wann ichs glaube. Wohl mir! daß ich einen ſolchen GOtt ha - be / du ſolt mein GOtt bleiben / ich vertauſche dich nicht: Es bleibt dabey. AMEN.

Gebet eines muntern Juͤnglings, der nach der Lebens-Crone hefftig luͤſtert.

OReicher Heyland / der du allen deinen Guͤnſt - lingen Cronen und groſſe Koͤnigreiche aus - zutheilen vermagſt: Jch waͤre auch gern ein himmuſcher Koͤnig; es ſteher bey dir allein mich dazu zu machen und auszuruͤſten / nachdem du mich aus Gnaden dazu beruffen haſt: Jſt kein Tyrann / der mich martere und toͤdte / ſo verſchaffe / daß ich aus bruͤnſtiger Liebe zu dir die Geluͤſte der Jugend creutzige / und meiner ſuͤndhafften Natur den ro - then Linſen-Brey abſchlage, wornach meines Flei - ſches Begierde ſo heffrig luͤſtert und die Crone der Erſtgeburt darob einbuͤſſet. Du giebſt mir ja kaͤglichF f 2Anlaß452Gebet eines muntern Juͤnglings, ꝛc. Anlaß / den Drachen und ſeine Schuppen zu beſie - gen / und deine heilige Gebote den Regeln und Sit - ten der Welt vorzuziehen / und um deiner Nachfolge willen Haß und Mißfallen der Menſchen auf mich zu laden / wann es eben ſchon nicht ans zeitliche Leben gehet / ſo befoͤrdere deſto eiliger den Tod der Suͤnden und des eigenen Willens / und gieb daß die Liebe der Welt und deſſen / was darinnen iſt / in mir ſter - be / und ich die Krafft deines Creutz-Todes beyjeder Verſuchung in mir erfahre / daß alles Platz mache der Liebe des Vaters. Jch weiß wohl / lieber Vater! daß man bey ſothaner Anffuͤhrung ſelbige nicht vor dein Gnaden-Werck in mir erkennen, ſondern mich vor ein ſeltzames Meer-Wunder anſehen / und ausla - chen wird: Verhalte du mir aber Augen und Ob - ren / daß ich keinem Ding nachſinne / als was vom Himmel in mich ſchallet und leuchtet. Ap. Geſch. 9, 3. 4. Ach der Welt-Geiſt iſt der greuliche Antiochus / in dieſen letzten Tagen / der mit ſeinen fleiſchlich-ge - ſinnten Anmuthungen unermuͤdet den Sinn deines Geiſtes in mir zu ermorden ſuchet. Es moͤchte wohl die Anzahl der jenigen Juͤnglingen / welche die Ver - folgungen der Suͤnd / und die Verfuͤhrungen der Welt und des Fleiſches / durch des Lammes Blut und Zeugniß uͤberwunden / geringer ſeyn / als derer / die ihr zeitliches Leben vor deine heilige Lehre aufge - opffert haben. O mein Heyland! es braucht je ein reicheres Maaß deiner Gnaden und des Heil. Gei - ſtes / wann ich meine Jugend dir unbefleckt bewah - ren ſolle / als wann ich durch einen Marter-Tod ſchnell weggeraumet wuͤrde. HErr JEſu! ſeye mir gnaͤdig / und hilff mir! ſonſt komme ich nicht hin - durch. Ach es fallt mir ſchwerer / mein Maulzuhal - ten / daß es kein unnuͤtz Wort rede / und meine Zun - ge von deinem Geiſt beſchneiden zu laſſen / daß fle zu deinem alleinigen / beiligen Gebrauch dienen / als dieſelbige von einem Tyrannen ploͤtzlich aushauen zu laſſen / weil die Reitzungen ſo offte wieder kommen / und im Verborgenen daher ſchleichen / mithin es ſo grob und offenbarlich machen / wie die Verfolger. Mein JEſu! Weil ich nicht in harter Verfolgungs - Zeit lebe / da man deine Knechte henckt / koͤpfft / er -traͤn -453Gebet eines muntern Juͤnglings ꝛc. traͤnckt / ſengt und verbrennt; ſondern nur auf die Weiſe verfolgt werde / wie der Teufel unſere erſten Eltern im Paradies verfolget hat / und ich gleichwol auch die Marter-Cron haben moͤchte; ſo erkenne ich / daß ich einen uͤberſchwenglichen Ausguß dei - nes Geiſtes noͤthig habe / bis zum Suͤnden-Tod ge - treu zu ſeyn / nach allen Kampf-Geſetzen / damit ich von deiner Hand gekroͤnet werde. Ach HErr JE - ſu! die Vernuͤnffteleyen ehrbarer / Welt-kluger Men - ſchen ſind aͤrgere Geiſeln und Riemen / ſo die Seele peitſchen und matt machen / wo nicht deine Krafft und Licht ſie unausſetzlich ſtaͤrcket und ich eben dar - um ohne Unterlaß bete / welches meiner Natur noch beſchwerlicher iſt als jenes; darum habe ich deſto mehr Urſach zu ſchreyen: HErr! erbarme dich mein! rette mich von allen boͤſen Wercken / und bewahre mich zu deinem himmliſchen Reich. Ach! Wo mich nicht dein Glaube gantz rein und frey macht / von allem Anhang der Creatur; ſo kommts mich haͤr - ter an / das / was mir anklebt / von Hertzen zu ver - laͤugnen / als mir die Haut abziehen zu laſſen; jedoch muß es ſeyn / wo ich nicht von dir will geſchieden werden. Eben alſo wilt du / theuerſter Heyland! daß ich ſelber mein aͤrgerndes Aug ausſteche / Hand und Fuß abhaue / wann ich zu dir ins Leben ein - gehen will; Ach! wie mag ich dieſes immermehr ins Werck richten ohne Erleuchtung und Staͤrckung deines Heil. Geiſtes. Jch weiß aber auch / daß die - ſes inwendige Martyrthum im Geiſt dir eben ſo angenehm iſt / als das aͤuſſere; HErr! du haſt Macht uͤber mich / meine Zunge / Haͤnde und Fuͤſſe allmaͤhlig abfaulen / und mich blind werden zu laſſen / da ich dieſelbe dir in freudigem Hertzens-Glauben und Liebe nicht nur einmahl im huy / ſondern durch eine taͤglich hundertmahl wiederholte / demuͤthige / ehrer - bietige Ubergab vor die Fuͤſſe deines Creutzes hin - legen kan. Weilen du aber ein GOTT der Liebe biſt / und mir ſo zaͤrtlich ſchoneſt / da du doch dir ſel - ber meine wegen am wenigſten geſchonet / wozu dich Petrus ermahnete; ſo veranſtalte die Sache dahin / daß ich mit dieſen Gliedern keine Suͤnde begehe /F f 3wan454Gebet eines muntern Juͤnglings ꝛc. wann ich auch ein Koͤnigreich damit gewinnen koͤn - te. Pflantze in mich eine ſo tieffe Anbetung deiner gewaltigen Hand / und Beugung darunter / auch ei - ne ſo entzuͤckte Hochſchaͤtzung deiner unbegreiffli - chen Gnade / daß mir alle Ehren der Welt vorkom - men wie Kinder-Poſſen gegen deiner himmliſchen Pracht und ewigen Herrlichkeit; alle irrdiſchen Reich - thuͤmer wie Gaſſen-Steine / gegen den unvergaͤng - lichen Schaͤtzen deiner Liebe; alle Fleiſches-Luſt wie bittere Galle aus dem Pfuhl / gegen deiner reinen Freude / ſo aus der Ewigkeit flieſſet / davon ſa ein eintzeler Tropffe alle Anmuth und Suͤßigkeit dieſer Welt unendlich uͤbertrifft / auch das groͤſte Elend und Schmertzen wegwiſchet. Vater in den Himmeln! vereinige mich nur mit dem Sohn dei - ner Liebe / damit durch den Einfluß ſeines Lebens dein vollkommener Wille in und an mir geſchehe / ſo bin ich reich / geehr und gluͤckſelig genug / wann ich nur einmahl mit deinem Bilde geſaͤttiget werde / und genug Heiligkeit habe; dazu haſt du Reini - gungs-Mittel in deiner unergruͤndlichen Weisbeit genug / wann es ſchon keine Galleeren / Kercker / Ge - ſtanck-Loͤcher / und Folter-Baͤncke ſind. Seelen-Ban - gigkeiten ſind deine gluͤende Keſſel und Pfannen / darin du den Suͤnden-Roſt ausbrenneſt; wodurch du manchen Juͤngling zu einem herrlichen Gefaͤß von klarem Gold in deinem Haus ausgeruͤſtet haſt / und zu Sternen von der erſten Groͤſſe zubereitet: Ach / daß ich auch moͤchte ſo ſelig ſeyn. Thue mit mir / wie es dir beliebt; halte mich nur in deiner Hut / daß mein Gewiſſen keinen Brandmahl-Flecken und meine Seele nichts heßlichers bekomme / mir auch kein Gebrechen anklebe / weswegen ich vom Dienſt im Heiligthum ausbeſchloſſen werde / diß waͤ - re ein groͤſſer Ungluͤck vor mich / als wann ich le - bendig gebraten wuͤrde / und der Dampf uͤber mich hin und her ſchluͤge. Ach guter GOtt! Erbarme dich der heutigen Jugend / uͤber welche du einen hoͤlliſch - finſtern / ſtinckenden Suͤnden-Rauch ſchweben ſie - beſt / der vom freſſenden Feuer der unreinen Luſt aufſteiget / und ſie blind und ſturm machet. Undwo455Gebet eines muntern Juͤnglings, ꝛc. wo will man ſieben Bruͤder finden in einem Hauſe / von einer Mutter / die mit heldenmuͤthigem Geiſt Leib und Leben fuͤr dein Reich und Ehre hin wag - ten / wenigſtens in die Wette ſtritten / welcher dir den genaueſten Gehorſam leiſten / und deiner Ge - ſtalt am naͤchſten gleichen moͤchte? Ach / wo zwan - tzig / dreyßig / dem Antiochus zu Willen werden / ſo iſt kaum einer / der nur ſchlaͤffrig in ein evangeliſch Leben tritt / und deine goͤttliche Lehre bisweilen zur Regel ſeines Wandels annimmt. Was iſt ſich aber zu verwundern? Nachdem der Glaube gar verlo - ſchen / und niemand mehr ein unbeweglich Koͤnig - reich von dir zu empfahen hoffet / auch die Nahm - Chriſten keine lebendige Verſicherung haben einer kuͤnfftigen Seligkeit; ſo koͤnnen ſie das ſichtbare und gewiſſe nicht fahren laſſen fuͤr das unſichtbare und ungewiſſe / und das / was Menſchen geben / fuͤr das / was von dir zu erwarten iſt / nach den faulen / ro - then / wurmſtichigen Apffel der Welt / den ſie in Haͤn - den / vor Augen und im Hertzen haben / verwechſeln gegen der unſchaͤtzbaren Perle / Crone und Kleinod / ſo in deiner Hand liegt. Ach ſchaffe derowegen ei - nen ſtarcken / einen unuͤberwindlichen Glauben; ſte - cke mir in meine noch zitternde Hand ein klares / helles Fernglas der Hoffnung / das mir die Ver - gnuͤgungen der Ewigkeit als gegenwaͤrtig vorſtel - le; O faͤllt ein Tropfe der ewigen Luſt in mein Hertz / ſo wird es mich ſo bruͤnſtig machen in Liebe zu dir / daß ich mich lieber auf einen feurigen Roſt hinlegen und mit gluͤenden ſpitzigen Eiſen werde ſtechen laſſen / als ich den verbotenen Verſuch-Baum anruͤhre / es ſeye in unkeuſcher Luſt / oder zornigen / neidiſchen Affecten. Stelle mir die triumphirende Schaar / ihre großmuͤthige Reden / ihr tapfferes ge - dultiges Ausharren in allen Leiden und Drangſa - len alſo durchleuchtig vor / daß ich dadurch entzuͤn - det ihr munterer Nachfolger werde / mich auch von niemanden und durch nichts zwingen laſſe dich, mei - nen GOtt / zu beleidigen / unter was Schein es im - mer ſeyn mag. Staͤrcke mich mit deiner Gnade / daß ich nicht ſo unſelig ſeye / das Tauff-oder Abend -F f 4mahl456Gebet eines muntern Juͤnglings, ꝛc. mahl-Geluͤbd in einem einigen Stuͤck zu brechen / und dich meinen Heyland zu verlaͤugnen / der du mir in einem Augenblick mehr wohlthuendes geben kanſt / als alle Herrn der Welt in vielen hundert Jahren nicht vermoͤch en. Warum? Gelaſſenheit / Glaube / Liebe / Gedult / Gebet / Hoffnung / bleiben meine unzertrennliche Reiſe-Gefaͤhrden; deine Vor - bitte bey dem Vater fuͤhre mich zum Bach deines heilig-und lebendig-machenden Heil. Geiſtes: Halte dich in allen Gefahren ſo nahe zu mir / daß mich der Leviathan nicht ploͤtzlich verſchlinge / wann er auf mich ſcheußt; binde ihn mit deiner gegenwaͤrtigen allmaͤchtigen Krafft; hemme du ihm ſelber beyde Floß-Federn ſeine Argliſt und grauſame Macht. Stelle mich feſt auf das Land des Gehorſams / des anklebenden Glaubens an dir / da das Hoͤllen-Thier ſeine Staͤrcke faſt verliehrt / und meine Seele nicht nach Luſt verfolgen und erhaſchen darff. Anbey finde ich keine heilſamere Artzney fuͤr Leib und See - le / als die Toͤdtung aller teuffliſchen Eigenſchafften / ſo alle Abend im Glauben geſchiehet / in Verzeh - rung alles deſſen / worinnen des Satans Leben und zorniger Sinn ſtehet: Muß doch auch ſein Kopf deinem Gnaden-Volck zur Speiſe dienen / Pſ. 74, 14. Eine getoͤdtete Suͤnde oder Eigen-Wille iſt dir ei - ne ſuͤſſe Speiſe, dieſe in uns todt zu ſehen, iſt dir eine angenehme Augen-Weyde und dein Gnaden - Saltz wehret allem Ubel / ſo uns beſchweret und mit ſeinem unleidentlichen Geſtanck den himmliſchen Le - bens-Geruch deiner goͤttlichen Salbe hindert. Ach mein JESU! Ach daß ich auf meiner muͤhſeligen Reiſe mit dem Angedencken der wonneſeligen Her - berg bey dir in Geſellſchafft deiner Gnaden-Ge - meine / als der einigen Tochter GOttes / da ich der Miterbe ſeyn werde / mich erquicken moͤchte! Sitze ich auf meiner Wanderſchafft allezeit unter deinem Schirm / du Hoͤchſter und unter deinem Schatten / du Allmaͤchtiger! ſo aͤndere ich mit den innern Sin - nen weder Zeit noch Ort / noch Gedancken / da kan ich dir meine Geſchaͤffte froͤlich anvertrauen / wenn denn ſchon tauſend fielen zu meiner Seiten / und ze -hen457Gebet eines muntern Juͤngings, ꝛc. hen tauſend zu meiner Rechten / ſo wird es doch zu mir nicht kommen. Tauche mich gantz ein in deine Heiligkeit / und goͤttliche Natur / laß keine Unzucht / Neid / Zorn in mir niſteln; bewahre mich wie dei - nen Aug-Apfel / damit mich der Teufel nicht duͤrffe antaſten; uͤberſchatte mich mit deiner GOttes - Krafft; uͤbe mein Leben in der Enthaltung und im Gebet / daß ich des Fleiſches Reitzungen zertrete und in deiner heiſſen Liebes-Glut verbrenne. Zie - he mir dein Bild an / alſo daß wann ich in deines Va ers Hauß anlange / ſie mich alle aufs freundlich - ſte bewillkommen / als einen / der dir gleiche / unan - geſehen ich aus der ſuͤndigen Stadt des Verderbens gebuͤrtig nun aber durch deine groſſe Gnad und Vorſchub ein neugebohren Kind GOttes bin; ein - mahl kan ichs werden durch dein Blut / Wort und Geiſt / wann ichs noch nicht bin. Wie wohl wirds mir thun / wann du mich aus gantz vaͤterlicher Lie - be an deine Bruſt druͤckeſt und mit Gaben mildig - lich ſchmuͤckeſt an Leib und Seele. O daß ich mich in aller Widrigkeit ſehr innig freue auf den Abend meiner Lebens-Reiſe / auf den erſten Nacht-Will - komm in deinem Hauſe: Schaffe mir nur auf meiner Straſſe allezeit gute Geſellſchafft an die Hand / die gleichen Zweck mit mir haben. Re - giere mein Hertz / daß ich gern mit dem Anſitzen an deiner himmliſchen Hochzeit-Tafel harre / bis ich voͤllig mit dir vertrauet und auf meiner gantzen Reiſe alle Tag friſche Brief und Verſicherung dei - ner ewigen Liebes-Treue / anbey mehreren Schmuck von deiner Hand empfahe. Mein Hertzens-Ab - ba! fuͤge meine ſieche / ſchwache Hand mit der Hand deines Chriſti zuſammen / damit ich in ihm geſegnet werde. Amen!

Gebet der Eltern.

MEin GOTT! verleihe mir / daß ich die Seelen meiner Kinder mehr liebe als ih - re Leiber / weil die Seele weit theurer und goͤttlichen Geſchlechts iſt. O daß ich unablaͤßig bete / daß meiner Kinder SeelenF f 5wie458Gebet der Eltern, Kindern u. Ehleuten. wie Kuͤchlein unter deinen Fluͤgeln zur vollkom - menen goͤttlichen Schoͤnheit erzogen werden: Wo du mich dieſer unbeſchreiblichen Gunſt wohl ver - ſicherſt; ſo mag ich ihrer angenehmen Gegen - wart gern entbehren / nachdem du mir die aller - ſuͤſſeſte Beywohnung ungeſchieden verheiſſen in der Freuden-vollen Licht-Welt. Jſt dieſe Mey - nung von deiner Gnaden-Hand in mir zum Grun - de gelegt / ſo wird ſichs mit allem andern wohl geben.

Gebet der Kindern.

LJeber HERR JESU! ſchaffe / daß meine Seele an der Seelen deines Vaters han - ge / der dir gantz ergeben iſt / und aus dem Safft der Gottheit / das Blut des Lammes lebt und webt: O daß mein Hertz an ſeinem Hertzen klebe / wie ein Zweig am Aſt / und ich gleiches fuͤhle von deiner Gnade / und das ewi - ge Leben mit ihm gemein habe / und auch mit mei - ner gottſeligen Mutter aus dem unerforſchlichen Reichthum Chriſti nehme und froͤlich ſeye; Treibe mich an durch deinen Geiſt / daß ich ihre Befehle mit kindlicher Liebe und Freudigkeit genau aus - richte / und auch alle die ehre / ſcheue / liebe / gehorche / die mir an Eltern ſtatt vorgeſetzt ſind / und in allem dieſem deine Lehre zu meiner Vorſchrifft und dein goͤttliches Exempel zum Muſter vor mir habe.

Gebet der Eheleuten.

LJeber Vater uͤber alles das Kinder heißt! Nachdem du uns in dieſen herrlichen Stand geſetzt / ſo verleihe daß alle dazu erforderli - che Tugenden nicht nur einen natuͤrlichen / oder auch wohl fleiſchlichen Urſprung haben / ſon - dern daß es Tugenden ſeyen / die ihre Wurtzel im Reich des Lichts haben und wieder dahin gehen /die459die von dir ausgebeten ſeyen / aus den Wunden dei - nes Sohnes gewachſen / mir durchs Wort der War - heit eingepflantzet / damit ſich eines an dem andern in der Ewigkeit zu ergoͤtzen habe an den Fruͤchten deines Heiligen Geiſtes / an den guten Wercken / ſo du uns als einen himmliſchen Schatz zubereitet / auf daß wir darin wandeln ſollen bis ans ENDE.

Zu Fuͤllung des Raums ſind folgende zwey Lieder beygeſetzet worden.

Mel. Alle Menſchen muͤſſen ſterben.

1.

FRomm ſeyn iſt ein Schatz der Jugend, ihre Zier und beſte Cron, Heiligkeit und wahre Tugend bleibet nimmer ohne Lohn, wer ſie in der That beſitzet, iſt ſchon reich und klug und ſchoͤn, ohne ſie kein Gut was nuͤtzet, alles muß zu Grunde gehn.

2. Wer verlangt auf dieſer Erden ſchoͤn und reich und klug zu ſeyn, wer auch einſt will ſelig werden, muß vor allen Dingen fein nach der wahren Frommkeit lauffen, und das koͤſtlich Perlen-Reich ſich zum Eigenthum erkauffen, ſo wird ihm kein Welt-Kind gleich.

3. Er muß ſeinen GOtt erkennen, und vor ihm in Ehr-Furcht ſtehn, gegen ihm in Liebe brennen, und auf ſeinen Wegen gehn, gutes thun und Boͤſes haſſen, ſich mit andern und allein bey dem Be - ten finden laſſen, ohne Falſch und Heuchel-Schein.

4. Er muß ſich in GOttes Willen ſchicken mit Gelaſſenheit, und nach Moͤglichkeit erfuͤllen, was GOtt von Gedult gebeut, ſaures muß er willig tragen, er muß ſeyn getroſt im Leid, und dann auch bey guten Tagen lieben nicht die Eitelkeit.

5. Er460

5. Er muß alle Menſchen ehren, er muß dienen jedermann, er muß ſeinen Naͤchſten lehren, und er - bauen wie er kan, uͤber Krancke ſich erbarmen, je - dem helffen aus der Noth, und auch williglich den Armen theilen mit von ſeinem Brod.

6. Er mnß auch kein Kind betruͤben, und nicht nur die gute Freund, ſondern auch die Feinde lieben, ob ſie’s ſchon nicht wuͤrdig ſeynd, thut man nicht nach ſeinen Willen, ſo muß er nicht neidiſch ſeyn, ſondern ſeinen Unmuth ſtillen und kein Grollen laſ - ſen ein.

7. Er muß ſich verbunden achten Maß zu hal - ten in dem Ruhm, er muß bey der Arbeit trachten, etwann nicht zu viel zu thun, er muß ſeinen Leib das Sterben, mit Depauchen nicht zuziehn, noch mit Wolluſt ſich vererben, ſondern ſolche Dinge fliehn.

8. Er muß die Affecten zwingen, Zorn, Be - truͤbniß, Angſt, und Freud muß er in die Schran - cken bringen; Mißgunſt, Bitterkeit, und Neid, muß er immer von ſich treiben: Muthwill, Spielen, Narrenthey, muß er laſſen von ſich bleiben. Dann es iſt kein Ehr dabey.

9. Alsdann werden die Geberden, gnug polit und hoͤflich ſeyn, man wird auch verſorget werden, mit der Nothdurft insgemein; Weisheit wird auch nicht gebrechen, GOtt wird ſelbſten machen klug, und man wird ſo koͤnnen ſprechen: Wer GOTT hat, hat alles gnug.

10. Hoͤre dann du frohe Jugend! Dencke die - ſen Dingen nach, folge doch, und tracht nach Tu - gend, wehle Freud fuͤr Ungemach, ſchau die gantze Welt vergehet, und all ihre Luſt und Freud, aber wer fromm iſt beſtehet, immer und in Ewigkeit.

Mel.461

Mel. Nun freut euch lieben Chriſten ꝛc.

1

ZU mir, zu mir (rufft JEſus noch) die Kindlein laſſet kommen; hab ich aus Lieb zu ihnen doch die Kindheit angenommen, ja wie ein arm elendes Kind, gebuͤſſet und beweint die Suͤnd der Kinder die mich hoͤren.

2. Jch hab am Creutz fuͤr ſie mein Blut mit bit - term Schmertz vergoſſen, dadurch geloͤſcht der Hoͤllen - Glut, den Himmel aufgeſchloſſen: Nun ſteh und ruff ich mit Begier, kommt Kinder, kommet her zu mir, ich will euch ſelig machen.

3. Zu mir zu mir, nicht zu der Welt, und ihren Eitelkeiten; die auch euch Kindern ſehr nachſtellt, und lockt auf allen Seiten; drum ſieh dich vor, mein Kind und thu vor ſie dein Aug und Hertze zu, ſie ſiuͤrtzt dich ins Verderben.

4. Sie beut dir an Luſt, Ehre, Pracht, Freud, Schoͤnheit, Ruh und Schaͤtze; doch wenn mans al - les wohl betracht ſo ſinds nur Strick und Netze, die Satan braucht, dadurch die Seel zu fangen und zu fuͤhrn zur Hoͤll auf ebnen breiten Wegen.

5. Die Welt giebt Wolluſt, die zerfließt im Blick, und dann folgt Preſſen; Wie bald iſt eine Luſt gebuͤßt, ein Lecker-Bißgen geſſen? Und davor muß die Seele dann auf ewig mit dem reichen Mann dort in der Flamme darben.

6. Welt, Ehre, Lieb, Lob, Gunſt und Gnad iſt kaum mit Muͤh zukriegen; und wem ſies heunt gege - ben hat, den laͤßt ſie morgen liegen in Schmach, Verachtung, Spott und Koth, und hielt mans gleich bis in den Tod, folgt dann doch ew’ge Schande.

7. Jhr462

7. Jhr Prangen, Pracht und Herrlichkeit, ihr Saubern und ihr Zieren, iſt Phantaſie und Eitelkeit, Zeit-Muh-und Seel-Verlieren; die (wann der Leib im ſchwartzen Schoos der Erden liegt) muß nackt und bloß, mit Koth beſchmutzt hinfahren.

8. Jhr Schertzen, Lachen, Tantzen, Freud, geht nimmer recht von Hertzen; und wird gar leicht ver - kehrt in Leyd, bringt endlich ew’gen Schmertzen. Dein Schoͤnheit, die ſie ſo hoch acht’t, Liegt bald verwelcket und veracht; dann haſt du ausgedienet.

9. Die Welt auch Ruhe dir anbeut: Doch kan ſie nichtes geben, als Unruh, Graͤmen, Muͤh und Streit, ein Jammer-volles Leben; und giebt ſie Ruh, ſo ruhet man am Hoͤllen-Rand, drin ſtuͤrtzt ſie dann im Tod dich ploͤtzlich nieder.

10. Jhr’n Reichthum, Schaͤtze, Geld und Gut drum muß man von dem Morgen bis in die Nacht, ja bis in Tod ſtets lauffen, wuͤhlen ſorgen; hat mans, gar leicht verliert mans noch; verliert mans nicht, ſo muß mans doch im Tode all’s verlaſſen.

11. Nun ſieh mein Kind; diß iſts, wie viel die Welt vermag zu geben; huͤt dich vor ihrem Trauer - Spiel, es gilt dir Leib und Leben: Merck doch aufs End, du muſt davon; ſonſt wirſt du einſt vorm Rich - ter-Thron, geh weg, von mir anhoͤren.

12. Nur ruff ich noch mit ſuͤſſer Stimm: Kommt her zu mir ihr Kinder! ſteh ſtill, und es zu Hertzen nimm, ich gebe dir nicht minder; dann des die Welt ſo ruͤhmet ſich, iſt Schatte nur, und weſentlich allein in mir zu finden.

13. Die463

13. Die Luͤſte, die ich Tropffs-weis gieß ſchon ietzt in keuſche Hertzen, zart, kraͤfftig, innig, uͤber-ſuͤß Geiſt, Seel und Leib ergetzen: Schmaͤckt hier ſo mei - ne Freundlichkeit, was wirds dann ſeyn in Ewigkeit aus Wolluſt-Stroͤmen trincken?

14. Bey mir iſt Ehre unverruͤckt, ich liebe, die mich lieben, auch ewige Gnade man erblickt nach wenigem Betruben: Jch ſteh in Noth und Tod dir bey, ich bleibe ewig dir getreu; das hat gar viel zuſagen.

15. Jch will die Seel mit Heiligkeit und Tu - gend-Schmuck umhangen; drinn ſie aufm Thron in Herrlichkeit, als Koͤnigin wird prangen; der Leib auf der Poſaunen Hall wird aufſtehn, glaͤntzend wie Cryſtall durch meinen Geiſt verklaͤret.

16. Bey mir iſt wahre Freud die Fuͤll, die Welt noch Feind kan ruͤhren; die macht im Creutz und Lei - den ſtill, im Tod wol jubiliren: Fleuch eitle Schoͤn - heit, die nur Wuſt, ſo werd ich ewig meine Luſt an deiner Schoͤnheit haben.

17. Jch bin deins Geiſtes Ruhe-Stell, ich kan ihn mir vergnuͤgen; es kan kein Sturm-Wind, Furcht noch Hoͤll auf meinem Schoos ihn ruͤgen: Komm her zu mir, ich ruffe noch, mein Kind, nimm auf mein ſanfftes Joch; ſo wirſt du Ruhe finden.

18. Mein Reichthum iſt beſtaͤndig gut, den ich umſonſt will ſchencken; kein Roſt, kein Dieb, kein Feur, noch Fluth kan ſolchen ewig kraͤncken; ich hab ein gantzes Himmelreich, viel Koͤnigs-Schaͤtze drinn zugleich; die wirſt du all ererben.

19. Sieh da mein Kind, was JEſus ſey, wo du nicht gantz ein Blinder; folg meiner Stimm, weil ich noch ſchrey: Kommt her zu mir, ihr Kinder! Folgſt464Folgſt du nun jetzt dem Ruffen nach, ſo ſollt du auch an jenen Tag, komm her zu mir, anhoͤren,

20. Wann dann die Welt ſamt Luſt und Pracht, im Feuer wird vergehen; dann wirſt du werden zu mir bracht, und freudig mit mir gehen; in meinem Reiche da wirſt du auf meinen Armen finden Ruh, und ich dich ewig hertzen.

21. Jn meiner Liebe, Furcht und Ehr, die ſchoͤne Jugend-Jahren und zarte Bluͤt der Krafft verzehr, laß Schein und Schatten fahren: Ein Augenblick verſchieb es nicht, eh dir des Lebens-Faden bricht; gib mir mein Kind dein Hertze.

22. Der Frommen kleines Haͤuffelein ſey deine Luſt auf Erden, ſo wirſt du auch ein Engelein mit ihnen nachmals werden: Mein Engel hier bewahren dich, mit welchen du wirſt ewiglich im Paradies ſpatzieren.

ENDE

About this transcription

TextWarnung An Die liebe Jugend, Vor der schrecklichen Gefahr Der mannigfaltigen Verführung zum Bösen
Author Samuel Lutz
Extent486 images; 103747 tokens; 15559 types; 711793 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationWarnung An Die liebe Jugend, Vor der schrecklichen Gefahr Der mannigfaltigen Verführung zum Bösen Vormahls von dem um die Kirche Gottes hoch-verdienten, und nun in Gott ruhenden Herrn D. J. J. Rambach kürtzlich mitgetheilet; Anjetzo aber Aus väterlich-gesinntem Hertzen weitläufftiger ausgeführet, und näher an die Hertzen junger Leute geleget Samuel Lutz. . [8] Bl., 464 S. HurterSchaffhausen1747.

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Bibliothek der Franckeschen Stiftungen Bibliothek der Franckeschen Stiftungen, 13 K 2

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Anstandsliteratur; Gebrauchsliteratur; Anstandsliteratur; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:32:53Z
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Holding LibraryBibliothek der Franckeschen Stiftungen
ShelfmarkBibliothek der Franckeschen Stiftungen, 13 K 2
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