Mein Auge findt Dich ſchoͤn, mein Herz liebt Dich
unendlich,
Doch Maͤdchen biſt du auch erkenntlich,
Siehſt Du mich auch ſo gern, liebſt Du mich auch ſo ſehr?
Ha! wenn ich jetzt doch bey Dir waͤr,
Dir47Dir meiner Liebe Glut, die wie ein Meer
Jn allen Adern wallt, wolluͤſtig auszudruͤcken!
Wie emſig wollt ich nicht, da heut ‒ ‒ ‒ iſt
Dein rundes Knie mit dieſem Baͤndchen ſchmuͤcken,
Weil mir der Winter, der noch Tellus Schooß verſchließt,
Jetzt nicht erlaubt Dir einen Kranz zu pflicken.
Doch Maͤdchen hielt ich Dich nur jetzt in meinem Arm
So wollt ich Dir die Lielienhoͤhen,
Auf denen von Natur ſchon Roſenknoſpen ſtehen,
So lange kuͤßen, bis von tauſend Kuͤßen warm
Die ganze Bruſt, ſo wie die Knoſpen, ihre Zierde,
Auch roth wie bluͤhende Roſen wuͤrde.
Wenn48Wenn ich den Buſen nun erſt heiß und roth gekuͤßt,
Dann ſollten meine Lippen weiter klettern,
Und Zephyrn gleich, wenn er i[n]Myrthenblaͤttern
Vergraben und geſchaͤftig iſt,
Jm Haar das deine Stirn umfließt,
Und Bogen gleich dein Aug umſchließt,
Sich auch vergraben und beſchaͤftgen,
Und eine Saat von Kuͤßen ſollte da
Erzaͤhlen, was in mir geſchah’
Als ich noch mehr von Dir als Aug und Buſen ſah’,
Und was ich je verſprach Dir feyerlichſt bekraͤftgen.
Wenn ich auf Bruſt und Stirn Dich roth genung gekuͤßt,
Dann49Dann floͤg’ ich gleich den honigvollen Bienen
Zum Koͤrbchen hin, das wie ein Jungferchen im
Gruͤnen
Ein zart Geweb’ kunſtlos umſchließt, —
Hin zum Aurikelchen, das Wohlgeruͤche,
Balſamiſcher als Hybelns Honigbruͤche,
Und was ein Stuzer je zum parfuͤmiren braucht
Jn die bildſchoͤne Gegend haucht;
Da wuͤrd ich mich am laͤngſten wohl verweilen,
Um Dir getreu die ganze Erndte mitzutheilen.
Ach Maͤdchen wenn ich doch jetzt bey Dir waͤr!
Von Dir entfernt zu ſeyn war nie ſo ſchwer,
Nie war mein Herz ſo freudeleer,
DNie50Nie wuͤnſcht ich heftiger die Schaͤferzeit zuruͤcke,
Als heute da ‒ ‒ ‒ ‒ iſt.
Wenn Dir in dieſem Augenblicke
Ein kleiner Schaur durch alle Glieder ſchießt;
So glaub, daß Dich mein Schutzgeiſt kuͤßt,
Der Geiſt der unſichtbar bis in dein Zimmer ſtreifet,
Dich wie dein Engel uͤberall bewacht,
Und Dir wenn Du in kalter Nacht
Den Buſen Dir im Traum zu blos gemacht
Das Schlafkamſoͤlchen feſter ſchleifet.
Vorm Spiegel treibt er oft mit deinem Haar ſein Spiel,
Und wenn Dir die Friſur nicht gleich recht gluͤcken will;
So51So kommts von ſeinen Neckereyen,
Er taͤndelt gern wie ich — Du muſts ihm ſchon verzeihen;
Dafuͤr hat er Dir auch von Hals und Stirn und Hand
Schon manchen Kraͤuſeleiſens Brand,
So wild er ſonſt auch iſt, behutſam abgewandt;
Dafuͤr ſtaͤrkt er Dir Fuß und Bruſt in Contretaͤntzen,
Und hilft, wenn ja was reißt, es Dir ergaͤntzen:
Wenn Dich nun dieſer Geiſt in meine Seele kuͤßt,
Dann laß, wofern Dein Herz noch mein Herz iſt,
Und ſanft von Wolluſt uͤberfließt,
Jm ſchoͤnen Aug ein Sehnſuchtstraͤnchen glaͤnzen,
Und ſey den ganzen Tag wie ich betruͤbt,
D 2Weil52Weil der, der Dich unendlich liebt,
Und Dir den Preiß der Schoͤnheit giebt,
Anſtatt Dein Nahmensfeſt mit Dir froh zu verkuͤßen,
Und ganz der Liebe Reichthum zu genießen
Gar ohne Handdruck, Blick und Kuß
Es feyren, und Dich blos im Geiſt umarmen muß.