PRIMS Full-text transcription (HTML)
Die Akuſtik,
Dr. F. F. Chladni.
Mit 12 Kupfertafeln.
Leipzig, beyBreitkopf und Haͤrtel. 1802.
[I]

Der Bataviſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften zu Haarlem, welche eine genauere Unterſuchung der von dem Verfaſſer entdeckten Schwingungen einer Flaͤche fuͤr dieſes Jahr als Preisaufgabe vorgelegt hat, hochachtungsvoll gewidmet.

[II][III]

Vorrede.

Bey ſo vielen neuern Vermehrungen menſchlicher Kenntniſſe und Verbeſſerun - gen des Vortrages derſelben hat die Akuſtik das unverdiente Schickſal gehabt, weit mangelhafter, als andere Theile der Naturkunde, behandelt zu werden. Ueber einzelne akuſtiſche Gegenſtaͤnde finden ſich vortrefliche Abhandlungen in Schriften gelehrter Geſellſchaften zerſtreut, von denen man aber meiſtens ent - weder gar keine Notiz genommen, oder nicht den gehoͤrigen Gebrauch gemacht hat; uͤber das Ganze der Akuſtik iſt aber noch kein einziges nur mittelmaͤßiges Werk vorhanden. Auch hat eine Menge von ſehr eingewurzelten Vorurtheilen, wovon nachher mehreres wird geſagt werden, weitere Fortſchritte in dieſem Theile der Phyſik ſehr verhindert. Jm gegenwaͤrtigen Werke habe ich mich bemuͤht, die Akuſtik ſo allgemein, als moͤglich, vorzutragen, mit Benutzung alles deſſen, was von Andern und von mir hierin entdeckt iſt. Um auch ſolchen Leſern, die nur wenige phyſiſche und mathematiſche Vorkenntniſſe haben ver - ſtaͤndlich zu ſeyn, ſind von ſehr ſchwierigen Unterſuchungen nur die Reſultate angegeben worden; fuͤr diejenigen aber, welche ſich noch genauer unterrichten wollen, ſind bey jeder Gelegenheit die Quellen angezeigt, aus welchen ſich weitere Belehrung ſchoͤpfen laͤßt. Schriften, die viel Unrichtiges enthalten, erwaͤhne ich meiſtens nur, um Andere zu warnen, daß ſie ſich nicht etwa durch den Namen eines ſonſt um die Wiſſenſchaft verdienten Mannes verleiten laſſen, etwas falſches fuͤr wahr anzunehmen; wo aber dieſes nicht zu beſorgen iſt, und keine andern Urſachen es etwa noͤthig machen, erwaͤhne ich dergleichen Schrif -a 2IVten lieber nicht, (wie z. B. die von Marpurg hinlaͤnglich widerlegten Schriften des Baron W. uͤber die Verhaͤltniſſe der Toͤne, und noch ſo manche von aͤhn - lichem Gehalte), weil es vortheilhafter fuͤr die Wiſſenſchaft iſt, wenn ſie in Vergeſſenheit uͤbergehn.

Unter denen, welche zu der Kenntniß ſchwingender Bewegungen Bey - traͤge geliefert haben, verdienen vorzuͤglich mit Achtung genennt zu werden:

  • Daniel Bernoulli, wegen ſeiner Unterſuchungen der Luftſchwingungen in Orgelpfeifen und Blasinſtrumenten, der Schwingungen eines Stabes, welche er zuerſt entdeckte, der Schwingungen einer Saite, und des Bey - ſammenſeyns mehrerer Schwingungsarten, in den Schriften der Pariſer, Petersburger und Berliner Akademien der Wiſſenſchaften.
  • Leonhard Euler. Einige Schriften, durch welche er der Akuſtik weniger genuͤtzt hat, ſind weit mehr bekannt und uͤberall erwaͤhnt worden, als an - dere weit lehrreichere Abhandlungen von ihm. Jn ſeinem tentamen novae theoriac musicae, (Petrop. 1739), als einer von ſeinen fruͤhe - ſten Schriften, wie auch in ſeinen Briefen an eine deutſche Prinzeſſin, findet ſich verſchiedenes, was der Natur nicht gemaͤß iſt; ſo iſt z. B. die von ihm angegebene Reihe von 12 Toͤnen aus den in der Anmerkung zu §. 41. vorgetragenen Gruͤnden fuͤr die Ausuͤbung nicht brauchbar, und die Art, wie er die mehrere oder mindere Annehmlichkeit der Tonverhaͤlt - niſſe nach Graden beſtimmt, wird groͤßtentheils nicht durch die Erfahrung beſtaͤtigt. Dahingegen hat er in mehreren weniger bekannten Abhandlun - gen, die ſich in den Schriften der Akademien der Wiſſenſchaften zu Pe - tersburg, Berlin und Turin befinden, und in dieſem Buche bey verſchie - denen Gelegenheiten angefuͤhrt werden, ſehr viele mit der Erfahrung voͤllig uͤbereinſtimmende theoretiſche Entdeckungen uͤber die Schwingungen der Saiten, der Staͤbe, der Luft u. ſ. w. bekannt gemacht, ſo daß es aͤußerſt unbillig ſeyn wuͤrde, wenn man einem Manne, der ſo viel geleiſtetV hat, wegen mancher einzelnen unrichtigen Behauptungen, von denen er manche in ſpaͤterer Zeit ſelbſt berichtigt hat, und andere, z. B. die der Erfahrung nicht gemaͤßen Angaben der Schwingungen eines Ringes und einer Glocke, bey noch laͤngern Leben und nach genauerer Unterſuchung der Gegenſtaͤnde wahrſcheinlich wuͤrde berichtigt haben, den mindeſten Vorwurf machen, und nicht vielmehr die vielen von ihm gegebenen Bey - traͤge mit Dank und Achtung aufnehmen wollte.
  • La Grange. Dieſer ehrwuͤrdige Veteran, welcher immer noch fortfaͤhrt, mit eben der Thaͤtigkeit, wie ehemahls, fuͤr die Vervollkommung der hoͤ - hern Mechanik und Analyſe nuͤtzlich zu ſeyn, hat ſich auch um mehrere Gegenſtaͤnde der Akuſtik beſonders in dem erſten und zweyten Bande der Schriften der Turiner Akademie der Wiſſenſchaften ſehr verdient gemacht.
  • J. H. Lambert; von ihm ſind lehrreiche Aufſaͤtze uͤber die Toͤne der Blas - inſtrumente und uͤber die Fortleitung des Schalles durch die Luft[in]den Mém. der Berliner Akademie der Wiſſenſchaften enthalten.
  • Graf Giordano Riccati, welcher außer einigen andern Abhandlungen durch ſein Buch delle corde ovvero fibre elastiche, Bologna, 1767, 4, vieles zu beſſerer Kenntniß verſchiedener akuſtiſchen Gegenſtaͤnde beygetra - gen hat. Wie wenig oͤfters die vorzuͤglichſten wiſſenſchaftlichen Buͤcher gekannt und geſchaͤtzt werden, davon iſt dieſes ein Beyſpiel, daß ich an einem Orte, wo ſich mehrere Phyſiker und Mathematiker aufhalten, und wo es viel literariſches Verkehr giebt, dieſes trefliche Werk in einer Auction fuͤr zwey Groſchen (!) erhielt. Auch habe ich in keiner deut - ſchen gelehrten Zeitung, ſelbſt nicht in der Goͤttingiſchen, eine Anzeige davon finden koͤnnen.

So wie nun mehrere akuſtiſche Abhandlungen dieſer und anderer ver - dienſtvollen Maͤnner nicht gehoͤrig bekannt und benutzt worden ſind, eben ſo iſt dieſes der Fall in manchen andern Faͤchern der Naturkunde. Da nun nicht jeder die Gedult und Gelegenheit haben moͤchte, von Schriften gelehrter Ge -VI ſellſchaften u. ſ. w. alle Baͤnde von den aͤlteſten bis auf die neueſten durchzu - ſehen, um zu erfahren, was fuͤr Gegenſtaͤnde, die er bearbeiten will, darin abgehandelt ſind, wie es von mir auf Reiſen in einigen Bibliotheken geſchehen iſt, wobey mir aber doch manches entgangen ſeyn kann: ſo wuͤrde es unſtreitig ein ſehr nuͤtzliches Unternehmen ſeyn, wenn jemand, der die gehoͤrige Thaͤtig - keit, Sachkenntniß, uud Gelegenheit hat, eine vorzuͤgliche Bibliothek zu be - nutzen, ein nach den Materien geordnetes Verzeichniß aller der phyſiſchen und mathematiſchen Abhandlungen lieferte, die in Schriften verſchiedener Akade - mien der Wiſſenſchaften und in andern Sammlungen zerſtreut ſind, damit man ſogleich von dem, was in jedem Fache ſchon geſchehen iſt, eine allgemeine Ueberſicht erhielte. Nur muͤßte es kein bloßes Verzeichniß der Titel ſeyn, ſondern es muͤßte auch der Jnhalt kurz angegeben, und eine Schrift, worin mehrere Gegenſtaͤnde bearbeitet ſind, auch bey mehrern Gelegenheiten angefuͤhrt werden, weil ſonſt manches doch unbenutzt bleiben koͤnnte. So wuͤrde man z. B. aus dem bloßen Titel der Abhandlung von L. Euler de motu aëris in tubis wohl ſchwerlich errathen koͤnnen, daß ſie auch uͤber das Echo, und uͤber den Fortgang des Schalles in freyer Luft viele Belehrungen enthaͤlt. Es iſt zu erwarten, daß das vom Profeſſor Reuß in Goͤttingen heraus[z]ugebende Repertorium commentationum a societatibus literar[ii]s editarum, secundum disciplinarum ordinem digestum, wovon gegenwaͤrtig der erſte Theil erſchienen iſt, welcher die allgemeine Naturgeſchichte und die Zoologie betrift, auch im phyſiſchen und mathematiſchen Fache dieſem Mangel abhelfen werde.

Wo in dieſer Schrift Bemerkungen Anderer benutzt worden ſind, habe ich ſie jedesmahl angefuͤhrt, um mir nichts von dem, was einem Andern gehoͤrt, zuzueignen. Da aber wohl ein jeder, der ſich mit[e]inigem Erfolge bemuͤht hat, auch manches zu entdecken, nicht gern etwas dav[o]n ſich ſtreitig machen laͤßt, ſo wird es hoffentlich niemand tadelnswerth finden, wenn ich hier anzeige, was ich als literariſches Eigenthum anſehen kann. H[i]eher gehoͤrt der Plan, nachVII welchem gegenwaͤrtiges Buch bearbeitet iſt, und wobey nicht, wie gewoͤhnlich, etwa blos oder vorzuͤglich auf Saiten, ſondern vielmehr auf alle moͤglichen Arten von klingenden Koͤrpern in gleichem Grade Ruͤckſicht genommen iſt; einiges davon habe ich im erſten Bande der neuern Schriften der Berliner Ge - ſellſchaft naturforſchender Freunde (in 4.) und nachher mit noch einigen Ver - beſſerungen in einer Abhandlung bekannt gemacht, die von der Fuͤrſtlich Jablo - nowskyſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften zu Leipzig den Preis erhalten hat, wobey ich beſonders auf das vortheilhafte Urtheil des Herrn Profeſſor Hinden - burg vielen Werth ſetze. Ferner die Schwingungen der Scheiben (erſt in mei - nen Entdeckungen uͤber die Theorie des Klanges, Leipzig 1787. 4, wo ich die Art, wie ſie koͤnnen ſichtbar gemacht werden, gezeigt, und die Schwingungen einer runden und einer Quadratſcheibe unterſucht habe, hier aber im ſiebenten Abſchnitte des zweyten Theils, wo ich ſie in einer beſſern Ordnung vorgetragen, und die Schwingungen rectangelfoͤrmiger und elliptiſcher Scheiben, deren Unterſuchung ſehr muͤhſam war, wie auch halbrunder, gleichſeitig ſechseckiger und dreyeckiger Scheiben hinzugefuͤgt habe), die Schwingungen einer Glocke; eines Ringes, (zuerſt in meinen Entd. uͤb. d. Theorie des Klanges), einer Ga - bel (hier zuerſt), die Longitndinalſchwingungen der Saiten und Staͤbe, (erſt an Saiten gezeigt in der Berliner muſikaliſchen Monatsſchrift 2. St. 1792, ſo - dann auch an Staͤben in einer zu Erfurt 1796 herausgekommenen und auch in den Schriften der Churmaynziſchen Akademie der Wiſſenſchaften befindlichen Abhandlung, hier aber mit einigen Berichtigungen und Erlaͤuterungen vorge - tragen), und die Anwendung derſelben auf die Beſtimmung der Geſchwindig - keit, mit welcher der Schall durch feſte Koͤrper verbreitet wird (in Voigts Magazin fuͤr Naturkunde 1. B. 1. St. und hier §. 226.), die drehenden Schwingungen eines Stabes (im 2ten Bande der Schriften der Berliner Geſ. naturf. Freunde und hier §. 97, 98 und 133.), die Beſtimmung der Geſetze, nach welchen ſich die Toͤne richten, die durch brennendes Waſſerſtoffgas in einer Roͤhre hervorgebracht werden, (im erſten Bande der Schriften der Berl. Geſ.VIII naturf. Freunde, und hier §. 78.), die Beſtimmung der Schwingungszahlen bey einem jeden Tone durch unmittelbares Abzaͤhlen an einem nach Belieben zu verlaͤngernden und zu verkuͤrzenden klingenden Koͤrper (in Gilberts Anna - len der Phyſik, 5. B. 1. St. und hier in der Anmerkung zu §. 29.), die Unter - ſuchung der Geſchwindigkeit, mit welcher die Schwingungen der verſchiedenen Gasarten geſchehen, und die Anwendung der dadurch erhaltenen Reſultate auf die Verſchiedenheit der Theorie und Erfahrung in Anſehung der Geſchwin - digkeit der Schallverbreitung in der Luft (in Voigts Magazin fuͤr Naturkunde 1. B. 3. St. und hier §. 204.), und noch verſchiedene andere Bemerkungen, wie auch zwey nicht hieher, ſondern zur Ausuͤbung der Tonkunſt gehoͤrende Erfin - dungen, das Euphon und Clavicylinder, von welchen in den Nachrichten zur Geſchichte meiner Entdeckungen noch einiges wird geſagt werden.

Denen freundſchaftlichen Maͤnnern, die mir auf irgend eine Art zu Bearbeitung akuſtiſcher Gegenſtaͤnde befoͤrderlich geweſen ſind, naͤhmlich

  • durch gemeinſchaftliche Anſtellung ſolcher Verſuche, zu denen ich den Apparat nicht hatte, wie Herr Obermedicinalrath und Profeſſor Hermbſtaͤdt in Berlin und Herr J. C. Ayke in Danzig bey den Verſuchen uͤber die durch brennendes Waſſerſtoffgas in einer Roͤhre zu erhaltenden Toͤne, und Herr Prof. von Jacquin in Wien bey den Verſuchen uͤber die Ge - ſchwindigkeit der Schwingungen verſchiedener Gasarten;
  • durch die Erlaubniß, eine oͤffentliche Bibliothek auch zu ſonſt ungewoͤhn - lichen Zeiten nach Belieben benutzen zu koͤnnen, wie die Herrn Aufſeher der vortreflichen Herzoglichen Bibliothek zu Stuttgard, in welcher ich von Schriften gelehrter Geſellſchaften und andern zur Ausuͤbung verſchiedener Wiſſenſchaften gehoͤrigen Werken alles, was ich nur wuͤnſchte, wenig - ſtens bis zum Jahre 1792, naͤchſt der Goͤttingiſchen Bibliothek am voll - ſtaͤndigſten beyſammen antraf, dahingegen ich in einigen Bibliotheken, von welchen gewoͤhnlich weit mehr Ruͤhmens gemacht wird, vergeblich darnach fragte;
IX
  • durch Ueberſchickung ſolcher Buͤcher, die ich ſonſt nicht haͤtte benutzen koͤnnen, wie Hr. Hofrath Blumenbach in Goͤttingen, Hr. Hofrath Voigt in Jena, Hr. Prof. Hindenburg in Leipzig, und Hr. Prof. Eberhard in Halle;
  • durch die Erlaubniß, von ſeinen eigenen Buͤchern, ebenſowohl, als ob ſie mein waͤren, Gebrauch zu machen, wie Hr. Doctor und Prof. Langguth hier in Wittenberg, welcher ſich fuͤr die meiſten Faͤcher der Naturkunde mehr Buͤcher und Apparat angeſchaft hat, als bey der mit der phyſiſchen Profeſſur verbundenen geringen Unterſtuͤtzung von ihm zu verlangen waͤre;

Allen dieſen danke ich ſehr fuͤr ihre Gefaͤlligkeit.

Noch iſt uͤbrig, einiges von den Vorurtheilen zu ſagen, welche den weitern Fortſchritten in der Akuſtik hinderlich geweſen ſind, und eine ſehr einſei - tige Behandlung dieſes Theiles der Naturkunde veranlaßt haben. Sie ſind zwar in dieſem Buche ſchon bey Gelegenheit erwaͤhnt worden, es wird aber doch wohl, um Manchen mehr auf deren Vermeidung aufmerkſam zu machen, nicht uͤber - fluͤßig ſeyn, wenn auch hier noch etwas daruͤber geſagt wird.

Eins der gewoͤhnlichſten Vorurtheile iſt, daß das Weſen des Schalles allemahl in Schwingungen der Luft beſtehe. Erſt ſeit kurzer Zeit hat man auf Veranlaſſung einiger Bemerkungen von mir in manchen phyſiſchen Lehrbuͤchern die Lehre vom Schalle nicht mehr bey der Lehre von der Luft, ſondern, wie es ſchicklicher iſt, bey der Lehre von der Bewegung vorge - tragen; es koͤnnen ſich aber verſchiedene phyſikaliſche und muſikaliſche Schrift - ſteller immer noch nicht von der Vorſtellungsart loßreißen, als ob zu einem jeden Schalle (auch wenn er durch feſte und tropfbarfluͤßige Materien ſich ver - breitet, und auf andere Art, als durch das aͤußere Ohr, zu unſerer Empfin - dung gelangt), eine Zitterung der Luft nothwendig ſey. Die Luft iſt zwar das gewoͤhnlichſte Fortleitungsmittel des Schalles; daß ſie aber nicht ſchlechterdings dazu nothwendig iſt, folgt ſchon aus dem erſten Begriffe von einem Schalle. Dieſer beſteht naͤhmlich in einer ſchnellen zitternden Bewegung irgend eines Koͤrpers; wenn alſo Materien von irgend einer Art, es ſey Luft oder etwasbXanders, mit dem zitternden Koͤrper in unmittelbarer oder mittelbarer Beruͤh - rung ſtehen, ſo muͤſſen dieſe nothwendig auch dadurch genoͤthigt werden, in ebendenſelben Zeitraͤumen, wie der ſchallende Koͤrper, zu zittern, inſoweit es vermoͤge der Kraft der zitternden Bewegung, und der Beſchaffenheit der umher befindlichen Materien geſchehen kann; und die zur Empfindung ſolcher Bewe - gungen organiſirten Gehoͤrnerven muͤſſen nothwendig dadurch afficirt werden, wenn zwiſchen ihnen und dem ſchallenden Koͤrper eine Strecke von Materien irgend einer Art, die im Stande ſind, mitzuzittern, ſich befindet. So wuͤrde auch im luftleeren Raume ein klingender Koͤrper, wenn er gehoͤrig in Bewegung geſetzt wird, eben ſo klingen, wie in der Luft, d. i. er wuͤrde in ebendenſelben Zeitraͤumen, oder vielleicht ein wenig geſchwinder, zittern, und ebendieſelben Geſtaltveraͤnderungen annehmen; man wuͤrde aber nichts hoͤren, weil zwiſchen dem Ohre und dem klingenden Koͤrper keine zuſammenhaͤngende Strecke von mitzitternden Materien ſich befinden wuͤrde.

Eine ſehr mangelhafte und einſeitige Behandlung der Akuſtik iſt auch beſonders dadurch veranlaßt worden, daß man blos, oder vorzuͤglich, auf Saiten, aber wenig oder gar nicht auf andere klingenden Koͤrper Ruͤckſicht genommen hat. Es waren naͤhmlich Saiten faſt die einzige Art von klingenden Koͤrpern, deren Eigenſchaften man, wiewohl mei - ſtens auch nur unvollkommen, kannte, weshalb man alſo glaubte, daß andere klingenden Koͤrper ſich nach eben denſelben Geſetzen richten muͤßten. Die Ent - deckungen der Schwingungen eines Stabes von Daniel Bernoulli und L. Euler, und der Luftſchwingungen in einem Blasinſtrumente von eben dieſen und von La Grange, Lambert und Riccati ſind faſt von Niemanden erwaͤhnt, und noch weniger gehoͤrig benutzt worden, ehe ich in einigen Schriften Manchen darauf aufmerkſam machte, und die Eigenſchaften der meiſten andern klingenden Koͤr - per ſind von mir erſt ſpaͤter in manchen einzelnen Abhandlungen, manche auch hier zuerſt, bekannt gemacht worden, ſo daß man alſo die allgemeinen Eigen - ſchaften klingender Koͤrper von den beſondern, die einer jeden einzelnen Art der -XI ſelben zukommen, nicht gehoͤrig zu unterſcheiden wußte. Alle klingenden Koͤr - per kommen naͤhmlich in gewiſſen Eigenſchaften mit einander uͤberein, die in §. 45, welcher die erſten Grundbegriffe der ganzen Klanglehre enthaͤlt, erwaͤhnt werden, aber ſowohl die Schwingungsarten und die ihnen zukommenden Ton - verhaͤltniſſe, als auch die Geſetze, nach welchen ſich bey Verſchiedenheit der Dimenſionen u. ſ. w. die Hoͤhe und Tiefe der Toͤne richtet, ſind bey jeder Art von klingenden Koͤrpern anders beſchaffen. Es iſt alſo auch ganz der Natur zuwider, wenn man die Theorie der Tonverhaͤltniſſe aus gewiſſen nur einer Saite oder vielmehr nur dem Grundtone derſelben, nicht aber allen Arten von klingenden Koͤrpern zukommenden Eigenſchaften herleiten will. Ob man von einer Saite mehr Gebrauch macht, als von andern klingenden Koͤrpern, darauf kommt hier bey Erklaͤrung eines phyſiſchen Gegenſtandes nicht das mindeſte an.

Durch die blos auf Saiten, nicht aber auf andere klingenden Koͤrper genommene Ruͤckſicht iſt auch das bey vielen ſehr eingewurzelte Vorurtheil ent - ſtanden, daß bey einem jeden Tone die mit der natuͤrlichen Zah - lenfolge 2, 3, 4, 5 u. ſ. w. uͤbereinkommenden hoͤheren Toͤne alle - mahl mitklingen, und daß eben dadurch ein Klang ſich von einem jeden andern Geraͤuſche unterſcheide, daß auch der Grund des Conſonirens und Diſſonirens der Tonverhaͤltniſſe in einem Mitklingen oder Nichtmitklingen gewiſſer Toͤne zu ſuchen ſey. Hieruͤber iſt ſchon in der Anmerkung zu §. 5, in der zweyten Anmerkung zu §. 9. und im 9ten Abſchnitte des zweyten Theils das noͤthige geſagt worden, welches ich hier, um Weitlaͤuftigkeit zu vermeiden, nicht wiederholen mag.

Manche andere Vorurtheile, die weniger Beziehung auf das Ganze der Akuſtik haben, erwaͤhne ich hier nicht weiter.

Ein ſonderbares Mißverſtaͤndniß iſt bey Gelegenheit meiner Unter - ſuchungen der Schwingungen einer Scheibe ohne meine Schuld bey Vielen entſtanden, naͤhmlich, daß jeder auf einer Scheibe hervorgebrachte Ton eine gewiſſe Figur gebe. Es laͤßt ſich (nach §. 45. und der An -b 2XIImerkung zu §. 103.) nicht jeder Ton nach Belieben hervorbringen, ſondern viel - mehr jede Figur, d. i. jede moͤgliche Eintheilungsart der Scheibe in gleichzeitig ſchwingende Theile, ſteht gegen die andern Figuren in gewiſſen (meiſtens mit den Quadraten gewiſſer Zahlen uͤbereinkommenden, oder auch irrationalen) Tonverhaͤltniſſen, die unter ſich immer dieſelben bleiben, der Ton einer Figur, deſſen Hoͤhe oder Tiefe von der Dicke und Groͤße der Scheibe abhaͤngt, ſey welcher man wolle. Auch kann oͤfters bey ganz verſchiedenen Figuren oder Schwingungsarten einerley Ton Statt finden, wovon beſonders an rectangel - foͤrmigen und elliptiſchen Scheiben mehrere Beyſpiele ſind gegeben worden.

Da einige in den Anmerkungen zu §. 109. und 206. erwaͤhnte Wider - ſpruͤche gegen akuſtiſche Bemerkungen von mir blos durch Mißverſtaͤndniſſe ſind veranlaßt worden, wo der Andere nicht von ebenderſelben Sache redete, und alſo jeder von uns in ſeiner Art Recht hatte, ſo erſuche ich einen jeden, der etwas anders, als ich, gefunden zu haben glaubt, erſt genau zu unterſuchen, ob es ganz ebendieſelbe Sache betrift, von der ich geredet habe, z. B. bey Un - terſuchung gewiſſer Schwingungsarten und der ihnen zukommenden Tonver - haͤltniſſe, ob es ebendieſelben Schwingungsarten, die ich gemeynt habe, oder ob es andere ſind, und bey Unterſuchung gewiſſer Eigenſchaften eines klingen - den oder den Schall fortleitenden Koͤrpers, ob das, was er gefunden hat, auf ebendieſelben, oder ob es auf andere Eigenſchaften Beziehung hat, ob auch ſonſt ebendieſelben Umſtaͤnde Statt finden, die ich vorausgeſetzt habe. Jch erinnere dieſes nicht etwa deshalb, als ob ich nie wollte geirrt haben, (welches mehreremahl geſchehen iſt, wo ich es auch hernach eingeſtanden und berichtigt habe), ſondern vielmehr aus der Urſache, weil die auf nur ſcheinbare Wider - ſpruͤche und deren Berichtigung zu verwendende Zeit und Bemuͤhung von bey - den Seiten weit vortheilhafter auf wuͤrkliche Fortſchritte in der Wiſſenſchaft angewendet werden kann.

[XIII]

Einige Nachrichten zur Geſchichte meiner akuſtiſchen Entdeckungen.

Da Verſchiedene bey muͤndlicher Erzaͤhlung der Geſchichte meiner Entdeckungen, manche auch bey dem Leſen deſſen, was in Voigts Magazin fuͤr das neueſte aus der Phyſik und Na - turgeſchichte IX. B. 4. St. daruͤber geſagt iſt, Jntereſſe bezeigt haben, ſo trage ich kein Bedenken, hier auch einiges davon zu erwaͤhnen, hauptſaͤchlich um zu zeigen, daß alles ſchlechterdings keine Folge des Zufalles, ſondern eines anhaltenden Strebens geweſen iſt, wobey ich zwar waͤhrend des groͤßten Theils meines bisherigen Lebens alle Urſache hatte, mit meinem Schickſale, und beſonders mit dem gaͤnzlichen Widerſpruche zwiſchen den aͤußern Verhaͤltniſſen und meinen Neigungen unzufrieden zu ſeyn, aber hernach doch gefunden habe, daß alles gut war, weil bey einem andern Gange des Schickſals manches, was fuͤr die Akuſtik und fuͤr praktiſche Anwendungen derſelben auf Tonkunſt nuͤtzlich ſeyn kann, wenigſtens von mir nicht wuͤrde ſeyn entdeckt worden, und ich auch nachher manchen Beyfall und Vortheil und manches Angenehme wuͤrde haben entbehren muͤſſen. Jndeſſen kann ich einem Andern nicht anrathen, den aͤußern Umſtaͤnden ſo wenig nachzugeben, und eine angetretene Laufbahn, die zwar der Neigung nicht recht gemaͤß iſt, aber gewiſſe Vortheile verſpricht, zu verlaſſen, um ganz ungewiſſen Ausſichten nachzuſtreben, weil ein Verfahren dieſer Art in den meiſten Faͤllen wohl nicht den gewuͤnſchten Erfolg haben moͤchte.

Mein Vater war Ernſt Martin Chladni oder Chladenius*)Er hatte, ſo wie auch ſein Vater, welcher Propſt und Profeſſor der Theologie in Wittenberg war, den Namen ſeiner Voraͤltern, die Prediger und Bergofficianten in Ungarn waren, nach, Churſaͤchfiſcher Hofrath und erſter Profeſſor der Rechte in Wittenberg, ein Mann, der wegen der Rechtſchaffenheit,XIV Thaͤtigkeit und Geſchicklichkeit, die er als Director der Juriſtenfacultaͤt und einiger andern R[echtſ]collegien zeigte, ſehr geachtet war, wie er denn auch wegen ſeiner Kenntniß des deut - ſchen Staatsrechts unter dem Kayſer Joſeph als Reichshofrath nach Wien berufen ward, welches er aber aus Anhaͤnglichkeit an ſein Vaterland nicht annahm. Jm vaͤterlichen Hauſe ward ich zwar freundlich behandelt, und genoß von braven und geſchickten Lehrern guten Un - terricht, ward aber immer in einer ſolchen Einſchraͤnkung gehalten, daß ich nur ſehr ſelten, und nie allein, aus dem Hauſe gehen durfte, und andere junge Menſchen meines Alters nie anders, als etwa in der Kirche, zu ſehen bekam; es ward mir ſogar, aus uͤbertriebener Sorgfalt fuͤr mich als den einzigen Sohn, nur bey ſehr guter Witterung verſtattet, in dem am Hauſe befindlichen Hofe und Garten in die freye Luft zu gehen, ſo daß ich mich wundern muß, wie ich unter ſolchen Umſtaͤnden eine ſo dauerhafte Geſundheit habe behalten koͤnnen. Dieſe Einſchraͤnkung war ganz unnoͤthig, weil ich in den fruͤhern Jahren ebenſowohl wie in der fol - genden Zeit keinen Hang zu Unordnung oder zur Unthaͤtigkeit hatte, welches ich mir aber nicht zum Verdienſte anrechne, ſondern als Folge der Organiſation anſehe; es ward auch dadurch, anſtatt mich niederzuſchlagen, vielmehr ein Widerwille gegen jeden mir oder Andern anzu - thuenden unnoͤthigen Zwang, und ein Beſtreben, in Anſehung der Lebens - und Handlungs - weiſe meinen eigenen Gang zu gehen, in mir erregt. Schon von meinem 6ten und 7ten Jahre an beſchaͤftigte ich mich, wenn ich etwas anders treiben ſollte, oͤfters mehrere Stunden hinter - einander mit geographiſchen Buͤchern, Reiſebeſchreibungen und Landkarten, oder auch mit einer Erd - und Himmelskugel, deren Gebrauch ich ohne weitern Unterricht durch Nachdenken und etwas Nachleſen mir eigen machte, und fuͤhlte einen ſo unwiederſtehlichen Trieb zum Rei - ſen und in der Folge meinen Aufenthalt nach Belieben zu waͤhlen, daß ich die anſcheinende Beſtimmung, immer in meiner Vaterſtadt zu bleiben, fuͤr eben ſo unnatuͤrlich anſah, als ob ich immer haͤtte ſollen in einem Zimmer bleiben. Am meiſten waͤre es deshalb meinee Nei - gung gemaͤß geweſen, Schiffer, oder Kaufmann, oder, wenn ich ſtudiren ſollte, Arzr zu werden. Wenn ich nicht immer befuͤrchtet haͤtte, meinen Vater und meine ſehr brave Stief - mutter, die mich immer mit Wohlwollen behandelten, zu ſehr zu kraͤnken, ſo wuͤrde ich viel - leicht meine damalige Lieblingsidee ausgefuͤhrt haben, mit dem fuͤr mich in einer Sparbuͤchſe*)der damaligen Sitte, wo Gelehrte ihren Namen gern eine lateiniſche Endigung gaben, in Chla - denius umgeaͤndert. Da dieſes jetzt nicht mehr Sitte iſt, ſo bediene ich mich lieber des urſpruͤng - lichen Namens.XV aufbewahrten Gelde in die weite Welt (etwa uͤber Holland nach Oſtindien oder Surinam) zu gehen, um von unten auf durch eigene Anſtrengung weiter vorwaͤrts zu kommen, in welcher Abſicht ich ſchon angefangen hatte, Kramers hollaͤndiſche Grammatik, welche ich unter den Buͤchern meines Vaters fand, insgeheim zu ſtudiren.

Jn meinem vierzehnten Jahre ward ich auf die Landſchule nach Grimma geſchickt, und der beſondern Aufſicht des damaligen Conrectors und nachherigen Rectors Muͤcke uͤber - geben, der zwar ein ſehr rechtſchaffener Mann war, und in aͤltern Sprachen und deren Lite - ratur viele Kenntniſſe hatte, aber durch Hypochondrie und durch aͤngſtliche Gewiſſenhaftigkeit in allem, was er fuͤr Pflicht hielt, verleitet ward, mich, ſo wie ſeine uͤbrigen Pflegbefohlnen, in der moͤglichſten Einſchraͤnkung zu halten, und jedes noch ſo kleine Verſehen allzuſtreng zu ahnden. Wenn die Meiſten ihre Jugendjahre unter die gluͤcklichſten ihres Lebens rechnen, und ſich in der Folge mit Vergnuͤgen daran erinnern koͤnnen, ſo kann ich es nicht, habe aber doch keine Urſache, jemanden deshalb einen Vorwurf zu machen, weil alles wenigſtens aus den beſten Abſichten geſchah.

Als ich auf die Univerſitaͤt nach Wittenberg kam, haͤtte ich gern Medicin ſtudirt, ließ mich aber doch durch das Zureden meines Vaters bewegen, die Rechtswiſſenſchaft zu ſtudiren. Waͤhrend meiner dortigen Studien war ich auch weit eingeſchraͤnkter, als andere meinesgleichen, welches mich veranlaßte, es durch mancherley Vorſtellungen endlich dahin zu bringen, daß mir die Erlaubniß ertheilt ward, nachher noch in Leipzig zu ſtudiren. Dort war ich ganz mir ſelbſt uͤberlaſſen, habe aber, wie jeder, der ſich meiner erinnert, wird be - zeugen koͤnnen, meine Freyheit auf keine Weiſe gemißbraucht. Als ich nach den gewoͤhnlichen Pruͤfungen die vorzuͤglichſte Cenſur erhalten, und zwey ſelbſtgeſchriebene Diſſertationen ver - theidigt hatte, ward ich Doctor der Rechte. Hierauf gieng ich wieder nach Wittenberg, wo meine Beſtimmung zu ſeyn ſchien, juriſtiſche Geſchaͤfte zu treiben, und etwa in der Folge eine juriſtiſche Profeſſur oder ein anderes Amt zu erhalten. Waͤre ich dieſer Beſtimmung treu geblieben, ſo wuͤrde ich wahrſcheinlich jetzt ordentlicher Profeſſor der Rechte und Beyſitzer der Juriſtenfacultaͤt mit guten Einkuͤnften ſeyn koͤnnen.

Bald nach meines Vaters Tode verließ ich die juriſtiſche Laufbahn, weil ich ſie mei - ner Neigung zu wenig angemeſſen fand, und widmete mich ganz der Naturkunde, mit der ich mich ſchon vorher zu meinem Vergnuͤgen beſchaͤftigt hatte. Jch hielt verſchiedene Vorleſungen, z. B. uͤber phyſiſche und mathematiſche Geographie, uͤber Geometrie, hielt mit einigen Zu -XVI hoͤrern botaniſche Excurſionen u. ſ. w. um mich dadurch in der Folge zu einer Profeſſur zu legitimiren, wozu damals einige Ausſichten vorhanden waren. Fuͤr Naturkunde hatte ich beſonders deshalb eine vorzuͤgliche Neigung, weil ich hoffte, durch mancherley Unterſuchungen ihr einigen Zuwachs verſchaffen zu koͤnnen. Ueberhaupt fuͤhlte ich einen unwiederſtehlichen Trieb in mir, durch irgend etwas, es ſey durch wiſſenſchaftliche Entdeckungen, oder durch eine Erfindung, oder ſonſt durch eine von dem gewoͤhnlichen Gange der Dinge abweichende Unter - nehmung mich bemerkbar zumachen*) tentanda via est, qua me quoque possim Tollere humo fiel mir dabey oͤfters ein., welche kleine Eitelkeit man ſehr verzeihlich finden wird, da ſie mich zu mehrerer Anſtrengung antrieb, und eine entfernte Hoffnung ihrer Erfuͤllung allein im Stande war, zu verhindern, daß ich durch die Umſtaͤnde nicht ganz niedergedruͤckt ward.

Ziemlich ſpaͤt, naͤhmlich erſt im 19ten Jahre hatte ich angefangen etwas Klavierſpie - len zu erlernen, und las nachher verſchiedene Schriften uͤber die Tonkunſt, wobey ich fand, daß die phyſiſch-mathematiſchen Vorausſetzungen derſelben weit mangelhafter waren bearbeitet worden, als manche andere Faͤcher der Naturkunde, weshalb ich glaubte, daß darin am meiſten wuͤrde zu entdecken ſeyn. Bey einigen Verſuchen, die ich uͤber die bekannten Schwin - gungen der Saiten, und uͤber die von Daniel Bernoulli und L. Euler zuerſt beſtimmten Schwingungen eines Stabes anſtellte, ſtimmte die Erfahrung mit der Theorie voͤllig uͤberein, bey manchen klingenden Koͤrpern ward das nicht von der Erfahrung beſtaͤtigt, was daruͤber geſagt war, und uͤber die Schwingungsarten und Tonverhaͤltniſſe verſchiedener Arten von klingenden Koͤrpern fand ich nirgends Belehrung. Unter andern hatte ich bemerkt, daß eine jede nicht gar zu kleine Glas - oder Metallſcheibe mannigfaltige Toͤne gab, wenn ich ſie an verſchiedenen Stellen hielt und anſchlug, und wuͤnſchte den Grund dieſer noch von niemanden unterſuchten Verſchiedenheit der Toͤne zu wiſſen. Jch ſpannte eine meſſingene Scheibe, die zu einer Schleifmaſchine gehoͤrte, an einem in ihrer Mitte befindlichen Zapfen in einen Schrau - benſtock, und bemerkte, daß durch Striche mit dem Violinbogen ſich darauf verſchiedene Toͤne hervorbringen ließen, die ſtaͤrker und anhaltender waren, als man ſie durch Anſchlagen erhal - ten kann. Daß nicht nur Saiten, ſondern auch andere elaſtiſche Koͤrper durch Streichen mit dem Violinbogen zum Klingen koͤnnen gebracht werden, iſt keine Erfindung von mir, indem die Eiſenvioline laͤngſt bekannt war, und ich auch Nachrichten von einem in Jtalien vomXVII Abbate Mazzocchi verfertigten Jnſtrumente, wo Glocken mit 2 oder mehreren Violinbogen geſtrichen werden, geleſen hatte, aber die Jdee, den Violinbogen zu Unterſuchung klingender Koͤrper anzuwenden, habe ich zuerſt gehabt. Die Beobachtungen von Lichtenberg uͤber die Figuren, welche ſich bey dem Aufſtreuen des Harzſtaubes auf Glas oder Harzſcheiben bey verſchiedener Elek[t]ricitaͤt zeigen, (in den Commentarien der Goͤttingiſchen Societaͤt der Wiſſen - ſchaften) woruͤber ich auch verſchiedene Verſuche anſtellte, erregten in mir den Gedanken, daß vielleicht die mannigfaltigen ſchwingenden Bewegungen einer Scheibe ſich ebenfalls durch eine Verſchiedenheit der Erſcheinungen verrathen wuͤrden, wenn ich Sand oder etwas dem Achn - liches aufſtreute. Es erſchien auch bey dieſem Verfahren auf der vorhererwaͤhnten Scheibe eine ſternfoͤrmige Figur, es folgte nun immer eine Beobachtung auf die andere, deren ich viele ſowohl uͤber die Schwingungen der Scheiben, als auch uͤber andere akuſtiſche Gegenſtaͤnde in einer Schrift: Entdeckungen uͤber die Theorie des Klanges (Leipzig 1787. 4. ) bekannt machte.

Waͤhrend ich mich mit dieſen Unterſuchungen beſchaͤftigte und auch einige Zeit nach - her, war meine Lage ſehr unangenehm. Vermoͤgen beſaß ich nicht, indem die von Vielen gemißbrauchte Wohlthaͤtigkeit meines Vaters ihm nicht verſtattet hatte, von ſeiner ſehr guten Einnahme etwas zuruͤckzulegen; ich genoß keinen Gehalt von meinem Vaterlande, (wie ich denn auch nachher nie einen erhalten habe); Gelegenheit, ſich etwa durch Vorleſungen Vor - theile zu verſchaffen, findet ſich in Wirrenberg nicht, weil Vorleſungen, einige ſogenannte Brodſtudia etwa ausgenommen, entweder ſehr gering, oder von den meiſten gar nicht bezahlt werden; ich hatte alſo weiter gar keine Unterſtuͤtzung, außer von meiner Mutter, (ſo mag ich meine Stiefmutter ſchicklicher nennen), welche aber auch dabey den groͤßten Theil ihres Ver - moͤgens nach und nach zuſetzte; es waͤre auch theils aͤußerſt undankbar, theils unklug geweſen, wenn ich ſie, beſonders bey ihren damaligen kraͤnklichen Umſtaͤnden, da ſie an ſchrecklichen Beaͤngſtigungen litt, (welche in der Folge durch die mediciniſche Huͤlfe meines Freundes, des Doctor und Prof. Langguth, aufhoͤrten), haͤtte verlaſſen wollen, ſo ſehr ich auch noch eben ſo, wie in den fruͤhern Jahren, gewuͤnſcht haͤtte, mich weiter in der Welt umſehen zu koͤnnen; uͤbrigens war gar keine Ausſicht zu Verbeſſerung, ſondern eher zu Verſchlimmerung meiner Lage vorhanden. Bey aller mir von der Natur verliehenen Anlage unter maͤßig guͤnſtigen Umſtaͤnden froh zu ſeyn, wo ich faſt keinen Begriff davon habe, wie man ſich von innen heraus Verdruß ſchaffen kann, war es unter dieſen Umſtaͤnden unmoͤglich, daß ich mich haͤtte meines Daſeyns freuen koͤnnen. Jch ließ aber doch den Muth nicht ganz ſinken, ſondern bemuͤhtecXVIIImich deſto mehr durch eigne Kraft mir eine beſſere Exiſtenz zu verſchaffen. Jch hatte dabey den Gedanken, daß ein Kuͤnſtler, der einige Aufmerkſamkeit zu erregen weiß, weniger an einen beſtimmten Ort gebunden iſt und mehrere Gelegenheit hat, faſt uͤberall Vortheil und eine gute Aufnahme zu finden, als ein Gelehrter, der ſich dem academiſchen Leben widmet, und hoffte es auch dahin bringen zu koͤnnen, zwar nicht durch Virtuoſentalent, weil ich ſo ſpaͤt angefangen hatte Muſik zu erlernen, aber doch durch Erfindung eines neuen Jnſtrumentes, welches ich eher, als ein Anderer, ausfuͤhren zu koͤnnen-glaubte, weil ich die Natur ſo man - cher klingenden Koͤrper zuerſt unterſucht hatte. Es ward alſo der unabaͤnderliche Entſchluß gefaßt: es muß ein neues Jnſtrument erfunden werden. Eine Menge mecha - niſcher Jdeen durchkreuzten ſich, die aber, ſo richtig ſie anfangs ſchienen, doch wieder ver - worfen wurden, weil ſie entweder nicht recht ausfuͤhrbar waren, oder doch nicht das verlangte wuͤrden geleiſtet haben. Unter andern wollte ich an die Harmonika eine Taſtatur bauen, ließ deswegen eine Harmonika aus Boͤhmen kommen, und ſtellte Verſuche an, die ziemlich zu gelingen ſchienen; ließ es aber nachher wieder liegen, und verkaufte die Harmonika, weil Roͤllig, Nicolai und Andere mir zuvorgekommen waren, und ich lieber etwas originelles liefern wollte, als etwas, das ſchon Andere geliefert hatten, und uͤber deſſen Werth die Stimmen des Publikums einigermaßen getheilt waren. Nachher kam ich auf den Gedanken, ob es nicht ſollte moͤglich ſeyn, durch Streichen glaͤſerner Staͤbe in gerader Richtung mit naſſen Fingern ebenſowohl einen Klang hervorzubringen, als es bey der Harmonika durch Streichen in die Runde geſchieht. Daß glaͤſerne Staͤbe, wie ſie bey meinem Euphon ſind, fuͤr ſich durch ein ſolches Streichen keine Toͤne geben, wußte ich aus Theorie und Erfahrung, es kam alſo darauf an, ausfindig zu machen, wie der Bau eines Jnſtrumentes muͤſſe einge - richtet werden, daß dieſe Wirkung gehoͤrig erfolge. Anderthalb Jahre hindurch hatte ich daruͤber nachgedacht, und Verſuche angeſtellt, ehe ich wußte, ob eine ganz zu meiner Abſicht brauchbare Ausfuͤhrung moͤglich ſey, oder nicht. Unterdeſſen hatte ſich die Jdee in meiner Einbildungskraft ſo feſtgeſetzt, daß ich bisweilen ſogar im Traume auf dieſe Art ſpielen ſah, und den Klang ungefaͤhr ſo zu hoͤren glaubte, wie er bey meinem Euphon wirklich iſt, naͤhm - lich der Harmonika aͤhnlich, aber mit weniger Nachklang und mehrerer Beſtimmtheit. Endlich erhielt ich die geſuchte Aufloͤſung dieſer Aufgabe am 2ten Junius 1789, trieb hierauf die wei - tern Unterſuchungen und den Bau eines ſolchen Jnſtrumentes ganz insgeheim, ohne Andern etwas davon zu ſagen, weil, wenn es gelang, immer nachher noch Zeit dazu war, im ent - gegengeſetzten Falle ich aber wenigſtens dieſes erſparte, daß man nicht glaubte, ich fiengeXIX etwas an, ohne es ausfuͤhren zu koͤnnen. Am 8ten Maͤrz 1790 war das erſte Jnſtrument dieſer Art vollendet, und, weil ich die Art der Behandlung ſchon waͤhrend des Baues mit eigen gemacht hatte, konnte ich wenige Tage hernach ſchon einige leichte Stuͤcke darauf ſpielen. Da jede neue Sache auch einen neuen Namen haben muß, gab ich dieſer Art von Jnſtru - menten den Namen: E[u]phon*)Von ἐυφωνον, ungefaͤhr eben ſo, wie man von πολυγανον ſagt Polygon., welcher ein Jnſtrument, das einen angenehmen Klang hat, bedeutet, und unter allen Namen, die mir beyfallen wollten, oder von Andern vorgeſchlagen wurden, allein ſchicklich war. Das erſte Euphon hatte nicht die gehoͤrige Feſtigkeit des Baues, ſo daß viele Zeit und Bemuͤhung erfordert ward, es immer in Ordnung zu erhalten, und bey jeder noch ſo kleinen Reiſe alles wuͤrde ſeyn zerſtoͤrt werden, weshalb ich es auch in der Folge wieder aus einander genommen habe. Ferner hatte ich aus Mangel beſſerer Staͤbe Thermometerroͤhren dazu genommen, und die den Ober - und Untertaſten correſpondirenden Toͤne durch einen verſchiedenen Anſtrich von Lack auf der untern Seite bezeichnet, welches aber wegen oͤftern Abſpringen des Lacks durch die Naͤſſe und durch die Schwingungen keine gute Wirkung fuͤr die Augen that. Nach einiger Zeit gelang es mir, meinen neuern Euphons die gehoͤrige Feſtigkeit zu geben, ſo daß ſie nie, weder bey dem Spielen, noch bey dem Trans - port, (in einem beſonders dazu eingerichteten Reiſewagen unter dem Sitze), ſelbſt nicht ein - mahl bey ſchnellem Fahren auf uͤbeln Steinwegen Schaden gelitten haben, ich bediente mich dazu auch beſſerer Staͤbe von dunkeln und milchweißem Glaſe. Jn der Folge bauete ich ein Euphon auch noch auf andere Art, ſo daß es nicht, wie bey der erſtern Bauart, ſchreibepult - foͤrmig, ſondern mehr tiſchfoͤrmig, der Reſonanzboden nicht ſenkrecht, ſondern horizontal, und die uͤbrige mechaniſche Vorrichtung nicht hinter, ſondern unter den Glasſtaͤben befindlich war. Ueber die Eigenſchaften dieſer Art von Jnſtrumenten ſage ich hier nichts weiter, weil ſolches ſchon in verſchiedenen Zeitſchriften geſchehen iſt, und Viele auch mein Euphon geſehen und gehoͤrt haben. Das Weſentliche dieſer Erfindung beſteht uͤbrigens darin, daß ich zuerſt die Jdee gehabt und ausgefuͤhrt habe, durch Streichen glaͤſerner Staͤbe, (ob ſie cylindriſch oder parallelepipediſch ſind, iſt einerley) mit naſſen Fingern nach der Richtung der Laͤnge einen Klang (vermittelſt irgend einer mechaniſchen Vorrichtung, die ſehr verſchieden ſeyn kann) her - vorzubringen; mithin iſt kein von einem Andern, nachdem ich die erſte Jdee gegeben hatte, geſchehener oder etwa in der Folge geſchehender Bau eines ſolchen Jnſtrumentes als eine neue Erfindung anzuſehen.

c 2XX

Sowohl auf einigen mit meinem Euphon angeſtellten Reiſen, als auch mitunter bey einem Aufenthalte in Wittenberg bemuͤhte ich mich immerfort, manche neue akuſtiſche Unter - ſuchungen anzuſtellen und bekannt zu machen, die mitunter ziemlich muͤhſam waren, wie denn z. B. volle drey Monate erfordert wurden, um die in meiner Schrift uͤber die Longitudinal - ſchwingungen, welche nur zwey Bogen betraͤgt, enthaltenen Beobachtungen anzuſtellen und in Ordnung zu bringen.

Ein Hauptbeſtreben von mir war, ein Taſtaturinſtrument zu erfinden, auf welchem man jeden Ton nach Belieben fortdauern und durch mehr oder weniger Druck anwachſen oder abnehmen laſſen koͤnnte. Das Clavier (oder Clavichord), das Pianoforte, der Fluͤgel, oder uͤberhaupt alle Jnſtrumente, wo der Klang nicht durch Reibung, ſondern durch Anſchlagen hervorgebracht wird, haben dieſe Eigenſchaft ſchlechterdings nicht, ſo daß man Bindungen, ſyncopirte Noten, und lange Aushaltungen, wo die Toͤne nach dem erſten Angeben an Staͤrke zunehmen oder mit gleicher Staͤrke fortdauern ſollen, gar nicht gehoͤrig darauf vortragen kann, ſie gehoͤren alſo (wie Horſtig in der muſikaliſchen Zeitung 1799. n. 24. richtig bemerkt) nicht unter die Singinſtrumente, ſondern unter die Klanginſtrumente (oder vielleicht noch paſſender: Klinginſtrumente). Auf der Orgel kann man die Toͤne zwar fortdauren, aber nicht jeden nach Belieben anwachſen oder abnehmen laſſen. Jch wollte alſo ein Taſtaturinſtrument hervor - bringen, wo man die Fortdauer und das Anwachſen oder Abnehmen eines jeden Tones eben - ſowohl, wie bey allen Geigen - und Blasinſtrumenten (wo man aber, wenn nicht mehrere beyſammen ſind, keine volle Harmonie haben kann) in ſeiner Gewalt haͤtte. Ein Bogenfluͤgel hat zwar dieſe Eigenſchaft, ich wollte aber keinen bauen, weil dieſes ſchon von Andern ge - ſchehen war, und weil es unmoͤglich iſt, ein ſolches Jnſtrument ſo klein und compendioͤs ein - zurichten, daß ich es auf Reiſen in meinem Wagen bequem haͤtte mitnehmen koͤnnen, und ich uͤbrigens auch verlangte, daß es ſollte unverſtimmbar, und moͤglichſt einfach ſeyn, und in der Folge koͤnnen allgemeiner verbreitet werden. Auf einer Seereiſe von Reval nach Flensburg im Jahre 1794. kuͤrzte ich mir die durch widrige Winde entſtehende Langeweile dadurch ab, daß ich uͤber die Sache weiter nachdachte, und Jdeen zu mechaniſchen Einrichtungen dieſer Art in meine Schreibtafel zeichnete. Als ich nach Wittenberg zuruͤckgekehrt war, ſtellte ich Verſuche daruͤber an, die mir zwar einige Belehrungen gaben; die Sache war aber noch nicht reif zur Ausfuͤhrung. Endlich entdeckte ich im May 1799. noch einiges, was hierzu noͤthig war, und brachte im Januar 1800. ein Jnſtrument zu Stande, welches bey einem angeneh -XXI men Klange und geſchwinder Anſprache die verlangten Eigenſchaften hatte, ſo unvollkommen es auch ſonſt als der erſte Verſuch in ſeiner Art war. Jch gab ihm den Namen Clavicylinder, weil eine Claviatur und ein ſich umdrehender glaͤſerner Cylinder die unentbehrlichſten Beſtand - theile ſind, dahingegen die uͤbrige Einrichtung ſehr verſchieden ſeyn kann. Einige Zeit nach - her bauete ich ein zweytes Jnſtrument dieſer Art, welches zwar etwas beſſer iſt, und mehrere Toͤne hat, als das erſte, aber noch nicht ſo feſt iſt, als zum Reiſen erfordert wird, und auch ſonſt noch zu leicht wandelbar wird. Mehrere Feſtigkeit gedenke ich einem dritten dergleichen Jnſtrumente, deſſen Bau naͤchſtens angefangen werden ſoll, zu geben, und in der Folge auch das zweyte und die auseinander genommenen Ueberbleibſel des erſten umzuarbeiten. Eine weitere Beſchreibung dieſes Juſtrumentes liefere ich hier nicht, weil ſolches ſchon in verſchie - denen Zeitſchriften geſchehen iſt.

Daß ich den innern Bau meiner Jnſtrumente noch nicht bekannt mache, iſt mir nach aller Billigkeit nicht zu verdenken, weil meine Erfindungen mein einziges Erwerbsmittel ſind. Jndeſſen, da ich es fuͤr ein wahres Verbrechen halte, wenn jemand irgend eine Entdeckung oder Erfindung, die Andern nuͤtzlich oder angenehm ſeyn kann, vorſaͤtzlich untergehen laͤßt, ſo habe ich ſchon laͤngſt eine Anleitung zum Bau eines Euphons aufgeſetzt, und die dazu gehoͤ - rigen Zeichnungen ausgearbeitet, und werde mit dem Clavicylinder eben ſo verfahren, ſobald ich mich von den Eigenſchaften der verſchiedenen Bauarten eines ſolchen Jnſtrumentes erſt ſelbſt noch mehr werde unterrichtet haben. Wuͤrden mir die viele auf meine Erfindungen ver - wendete Zeit, Muͤhe und Koſten entweder von einer Regierung oder von Privatperſonen einigermaßen anſtaͤndig verguͤtet, ſo wuͤrde ich ſogleich bereit ſeyn, alles ohne Zuruͤckhaltung bekannt zu machen.

Die von mir mit meinem Euphon von Zeit zu Zeit geſchehenen Reiſen haben ſich noch nicht weiter erſtreckt, als durch den groͤßten Theil von Deutſchland, und außerhalb bis Peters - burg und bis Koppenhagen. Seit drey Jahren, wo ich einige Zeit in Berlin blieb, und akuſtiſche Vorleſungen hielt, habe ich mich meiſtens in Wittenberg aufgehalten, (ohngeachtet die vorher erfuͤllte Pflicht, meine dort wohnhafte Mutter nicht ganz zu verlaſſen, ſeit einem Jahre, da ſie nicht mehr lebt, wegfaͤllt), in der Abſicht, um das Clavicylinder zu bauen und zu vervollkommnen, und gegenwaͤrtiges Werk uͤber die Akuſtik vollends auszuarbeiten. Nach geendigtem Bau eines noch beſſern Clavicylinders gedenke ich mit dieſem Jnſtrumente ver - ſchiedene Reiſen anzuſtellen.

XXII

Denen, die aus Theilnahme gefragt haben, oder auch noch fragen moͤchten, ob ich denn wirklich auf meinen Reiſen den gewuͤnſchten Vortheil gefunden habe, antworte ich, daß jede Reiſe mir zwar keine Reichthuͤmer, aber doch mehr Vortheil als Schaden gebracht hat, ſo daß ich bey meinen nicht allzugroßen Praͤtenſionen und Beduͤrfniſſen damit zufrieden ſeyn kann. Vielleicht haͤtte ich bisweilen noch mehr Vortheil erhalten koͤnnen, wenn ich etwas von der Unbeſcheidenheit und Zudringlichkeit, die mancher Tonkuͤnſtler, eben nicht zur Ehre der Kunſt, ſich zu Schulden kommen laͤßt, haͤtte anwenden wollen. Uebrigens finde ich auch viel belohnendes in der von ſo manchen vorzuͤglichen Perſonen genoſſenen guten Aufnahme, die mir gewiß alle unvergeßlich ſind, ohngeachtet ich auf meinen Reiſen nichts weiter, als den Tag der Ankunft an einem Orte, und den Tag der Abreiſe angemerkt habe. Auch kommt mir bey meinen Reiſen ſowohl wie bey meinen Arbeiten eine feſte Geſundheit, wie auch eine durch die ehemaligen Verhaͤltniſſe und durch die Vereitelung vieler Wuͤnſche zur Gewohnheit gewordene Unempfindlichkeit gegen manches Unangenehme, aber deſto mehrere Empfaͤnglichkeit fuͤr jede Art von angenehmen Eindruͤcken ſehr wohl zu Statten.

[XXIII]

Anzeige des Jnhalts.

    • Einleitung. §. 1. Unter den verſchiedenen Arten der Bewegung, wirken nur ſchwingende Bewe - gungen auf das Gehoͤr.
    • 2. Die Elaſticitaͤt eines Koͤrpers iſt Urſache ſeiner Schwingungen.
    • 3. Bedingungen der Hoͤrbarkeit ſchwingender Bewegungen.
    • 4. Erklaͤrung der Worte: Schall, und Akuſtik.
    • 5. Eintheilung des Schalles in Klang und Geraͤuſch:
    • 6. Erklaͤrung der Worte: Ton, Melodie, Accord u. ſ. w.
    • 7. Eintheilung des Vortrages der Akuſtik.
  • Erſter Theil, welcher die allgemeine Tonlehre enthaͤlt, oder der arithmetiſche Theil der Akuſtik.
    • Erſter Abſchnitt, von den urſpruͤnglichen Verhaͤltniſſen der Toͤne.
      • 8. Erklaͤrung der Worte: Jntervall oder Tonverhaͤltniß.
      • 9. Erklaͤrung des Conſonirens und Diſſonirens.
      • 10. Auf welchen Zahlen die conſonirenden Tonverhaͤltniſſe beruhen.
      • 11. Vom Einklange.
      • 12. Von den Eigenſchaften der Octave und der Einſchraͤnkung aller Tonverhaͤltniſſe zwiſchen 1 und 2.
        • Anm. Ueber einige Berechnungsarten der Toͤne.
      • 13. Uebrige conſonirenden Tonverhaͤltniſſe.
      • 14. Daß nur zwey conſonirende Verbindungen dreyer Toͤne moͤglich ſind.
      • 15. Harter und weicher Dreyklang.
      • 16. Anwendung des harten Dreyklanges zur Beſtimmung der ihm zukommenden Tonleiter.
      • 17. Diſſonirende Jntervalle, welche in derſelben enthalten ſind.
      • 18. Uebermaͤßige und verminderte Jntervalle.
      • 19. Von diſſonirenden Accorden.
      • 20. Benennungen der erhoͤhten und erniedrigten Toͤne, und Erklaͤrung diatoniſcher, chromatiſcher und enharmoniſcher Fortſchreitungen.
      • 21. Transponirte diatoniſche Tonleitern.
      • XXIV
      • 22. Entſtehung der weichen Tonleiter.
      • 23. Erklaͤrung einiger gewoͤhnlichen Ausdruͤcke.
      • 24. Einige allgemeine Bemerkungen uͤber Fortſchreitungen der Accorde.
      • 25. Tabelle aller gewoͤhnlichen Jntervalle.
      • 26 Ueber die Zahl 7.
      • 27. Ueber andere in der natuͤrlichen Zahlenfolge befindlichen Jntervalle, und deren Gebrauch beſonders auf ſolchen Jnſtrumenten, die keine andern Toͤne geben.
      • 28. Ueber Herleitung der Jntervalle aus arithmetiſcher und harmoniſcher Theilung der Octave.
      • 29. Zahl der Schwingungen in einer Secunde bey jedem Tone. Jn der Anmerkung werden Mittel angegeben, ſie durch den Angenſchein zu beſtimmen.
    • Zweyter Abſchnitt, von nothwendigen Abaͤnderungen der Tonverhaͤltniſſe, oder von der Temperatur.
      • 30. Es iſt unmoͤglich, eine Folge von Toͤnen ganz rein auszuuͤben.
      • 31. Einſchraͤnkung der wuͤrklichen Toͤne auf 12.
      • 32. Die 12 Stufen laſſen ſich am beſten durch einen Zirkel von Quinten, wie auch von großen und kleinen Terzen beſtimmen.
      • 33. Berechnung des Quinten - oder Quartenzirkels.
      • 34. Berechuung von 3 großen Terzen.
      • 35. Berechnung von 4 kleinen Terzen.
      • 36. Verſchiedene Commata, und deren Verhaͤltniſſe unter ſich.
      • 37. Gleichſchwebende und ungleichſchwebende Temperatur.
      • 38. Die gleichſchwebende Temperatur iſt allein der Natur gemaͤß.
      • 39. Einige Eigenſchaften derſelben.
      • 40. Berechnung der gleichſchwebenden Temperatur.
      • 41. Ueber ungleichſchwebende Temperaturen.
  • Zweyter Theil, von den Geſetzen der eigenthuͤmlichen Schwingungen klingender Koͤrper, oder erſte Abtheilung des mechaniſchen Theiles der Akuſtik.
    • Erſter Abſchnitt, welcher allgemeine Bemerkungen enthaͤlt.
      • 42. Erklaͤrung des abzuhandelnden Gegenſtandes.
      • 43. Genauere Beſtimmung des Unterſchiedes eines Klanges von einem Geraͤuſche.
      • 44. Nicht jeder Koͤrper giebt einen Klang, aber alle ſind faͤhig ein Geraͤ[uſ]ch zu geben. Etwas uͤber die verſchiedenen Modificationen eines Klanges.
      • 45. Allgemeine Geſetze eines jeden Klanges.
      • 46. Uebereinkunft mit den Pendelſchwingungen.
      • 47. Verſchiedene Richtungen der Schwingungen.
      • 48. Ueber Transverfalſchwingungen uͤberhaupt.
      • 49. Ueber Longitudinalſchwingungen.
      • 50. Ueber drehende Schwingungen.
      • 51. Ein Koͤrper muß in der Richtung in Bewegung geſetzt werden, in welcher er ſchwingen ſoll.
    • XXV
    • Zweyter Abſchnitt. Schwingungen der Saiten.
      • I. Transverſalſchwingungen einer Saite.
        • 52. Was fuͤr transverſale Schwingungsarten an einer Saite moͤglich ſind.
        • 53. Wie jede Schwingung[ſ]art kann hervorgebracht und ſichtbar gemacht werden. Anm. Ueber den Gebrauch der Flageolettoͤne, und uͤber die Meertrompete, Aeolsharfe, Wetterharfe oder Rieſenharfe und uͤber das Anemochord.
        • 54. Es koͤnnen mehrere Schwingungsarten beyſammen ſeyn.
        • 55. Ueber die Kruͤmmungen, welche eine ſchwingende Saite annehmen kann.
        • 56. Geſetze, nach welchen ſich die Hoͤhe und Tiefe der Toͤne richtet.
        • 57. Zahl der Schwingungen in einer Secunde.
        • 58. Vorzuͤgliche Schriften uͤber die transverſalen Schwingungen einer Saite.
        • 59. Etwas uͤber einen Fall, wo eine in zwey Theile getheilte Saite einen tiefern Ton giebt, als die ganze Saite bey den gewoͤhnlichen Schwingungen.
      • II. Longitudinalſchwingungen einer Saite.
        • 60. Was fuͤr Schwingungen nach der Richtung der Laͤnge an einer Saite moͤglich ſind.
        • 61. Wie man ſie hervorbringt.
        • 62. Von welchen Geſetzen ſie abhaͤngen.
    • Dritter Abſchnitt. Schwingungen einer geſpannten Membrane.
      • 63. Etwas uͤber die Schwingungen einer uͤberall gleich breiten Membrane, die nur nach einer Richtung geſpannt iſt.
      • 64. Ueber die Schwingungen eines nach allen Richtungen geſpannten Paukenfelles.
    • Vierter Abſchnitt. Schwingungen der Luft.
      • 65. Daß hier nur von ſolchen Schwingungen geredet wird, wo die Luft als ſelbſtklingender Koͤrper zu betrachten iſt.
      • 66. Eine einfache Erſchuͤtterung der Luft durch einen ſtarken Stoß giebt keinen beſtimmbaren Ton.
      • 67. Mehrere Beſtimmtheit der Schwingungen, wo die Luft durch eine enge Oeffnung ſtroͤmt.
      • 68. Ueber die Stimmen der Menſchen und Thiere.
      • 69. Durch was fuͤr Umſtaͤnde die Toͤne der Blasinſtrumente uͤberhaupt beſtimmt werden.
      • 70. Von Rohrwerken.
      • 71. Von Floͤtenwerken und einigen andern Blasinſtrumenten im Allgemeinen.
      • 72. Unterſchied offner und gedeckter Pfeifen.
      • 73. Schwingungen der Luft in offenen Pfeifen und aͤhnlichen Blasinſtrumenten.
      • 74. Schwingungen der Luft in gedeckten Pfeifen.
      • 75. Verhaͤltniſſe der Toͤne an beyden Arten von Pfeifen gegen einander.
      • 76. Geſetze, von welchen die Geſchwindigkeit der Luftſchwingungen in einer Pfeiſe abhaͤngt.
      • 77. Erwaͤhnung der vorzuͤglichſten Abhandlungen uͤber die Theorie der Blasinſtrumente.
      • 78. Ueber den Klang, welcher in einer Roͤhre durch brennendes Waſſerſtoffgas hervorgebracht wird.
    • XXVI
    • Fuͤnfter Abſchnitt. Schwingungen eines geraden Stabes.
      • I. Transverſalſchwingungen.
        • 79. Sechs verſchiedern Faͤlle, in welchen ein Stab verſchiedener Progreſſionen von Transverſalſchwin - gungen faͤhig iſt.
        • 80. Schwingungen eines Stabes, deſſen eines Ende ganz feſt und das andere frey iſt.
        • 81. deſſen eines Ende angeſtemmt, und das andere frey iſt.
        • 82. deſſen beyde Enden frey ſind.
        • 83. deſſen beyde Enden angeſtemmt ſind.
        • 84. deſſen beyde Enden ganz feſt ſind.
        • 85. deſſen eines Ende ganz feſt, und das andere angeſtemmt iſt.
        • 86. Geſehe, wodurch die Hoͤhe und Tiefe der Toͤne eines transverſal ſchwingenden Stabes beſtimmt wird.
          • Anm. Daß die Erzaͤhlung von der Unterſuchung der Toͤne an den Haͤmmern in einer Schmiede, welche Pythagoras angeſtellt haben ſoll, nicht der Natur gemaͤß iſt.
        • 87. Angabe der vorzuͤglichſten Schriften uͤber die Transverſalſchwingungen eines Stabes.
      • II. Longitudinalſchwingungen eines Stabes.
        • 88. Allgemeine Bemerkungen uͤber deren Eigenſchaften.
        • 89. Wie dieſe Schwingungen hervorgebracht werden.
        • 90. Drey Faͤlle, in welchen verſchiedene Progreſſionen von Longitudinalſchwingungen Statt finden.
        • 91. Longitudinalſchwingungen eines ganz freyen Stabes.
        • 92. eines Stabes, der an einem Ende befeſtigt, und an dem andern frey iſt.
        • 93. eines Stabes, der an beyden Enden befeſtigt iſt:
        • 94. Verhaͤltniſſe der Toͤne ſolcher Staͤbe gegen einander.
        • 95. Geſetze, nach welchen ſich die Toͤne richten, nebſt einer Tabelle uͤber die Toͤne verſchiedener Materien.
        • 96. Tabelle uͤber die Verſchiedenheiten der Transverſal - und Longitudinalſchwingungen eines Stabes.
      • III. Drehende Schwingungen.
        • 97. Dieſe Schwingungen werden erklaͤrt, und die Art ihrer Hervorbringung gezeigt.
        • 98. Geſetze, wonach ſie ſich richten.
    • Sechster Abſchnitt. Schwingungen gekruͤmmter Staͤbe.
      • 99. Schwingungen einer Gabel.
      • 100. Schwingungen eines Ringes.
      • 101. Ueber andere Arten gekruͤmmter Staͤbe.
    • Siebenter Abſchnitt. Schwingungen einer Scheibe.
      • I. Allgemeine Bemerkungen.
        • 102. Was vorher Linie war, iſt hier Flaͤche, und was feſter Punkt war, iſt hier feſte Linie.
        • 103. Wie die Schwingungen koͤnnen hervorgebracht, und ſichtbar gemacht werden.
        • XXVII
        • 104. Eigenſchaften der Schwingungen einer Scheibe.
        • 105. Abaͤnderungen der Klangfiguren.
        • 106. Zuſammenhang derſelben unter einander.
        • 107. Nach was fuͤr Geſetzen ſich die Toͤne an verſchiedenen einander aͤhnlichen Scheiben richten.
      • II. Ueber Schwingungen der Rectangelſcheiben uͤberhaupt.
        • 108. Drey Faͤlle, in welchen eine Rectangelſcheibe auf verſchiedene Arten ſchwingen kann.
        • 109. Schwingungen einer ganz freyen Rectangelſcheibe.
        • 110. Schwingungen einer Rectangelſcheibe, die an einem Ende frey und an dem andern befeſtigt iſt.
        • 111. Schwingungen einer Rectangelſcheibe, die an beyden ſchmalen Seiten befeſtigt iſt.
      • III. Schwingungen einer Quadratſcheibe und noch anderer Arten von Rect - angelſcheiben.
        • 112. Die Klangfiguren einer Quadratſcheibe beruhen auf Knotenlinien, die in die Quere oder auch in die Laͤnge gehen.
        • 113. Zahl der Kruͤmmungen an den nach einer Richtung gehenden Knotenlinien.
        • 114. Wie bey einerley Zahl der Knotenlinien die Kruͤmmungen ſich auf zwey verſchiedene Arten zeigen koͤnnen.
        • 115. Angabe der einzelnen an einer Quadratſcheibe moͤglichen Schwingungsarten.
        • 116. Tonverhaͤltniſſe der Schwingungsarten einer Quadratſcheibe.
        • 117. Noch einige Schwingungsarten, bey denen eine Quadratſcheibe nicht als frey ſchwingend anzu - ſehn iſt.
        • 118. Zuſammenhang der Klangfiguren unter einander, und Angabe verſchiedener Muſter, die ſich durch Zuſammenſtellung mehrerer gleichartiger Klangfiguren bilden.
        • 119. An einer Rectangelſcheibe von ungleichen Durchmeſſern ſind die meiſten Tonverhaͤltniſſe anders, als an einer Quadratſcheibe.
        • 120. Uebergang der Figuren bey zwey Schwingungsarten, die einerley Ton geben.
        • 121. Ueber Rectangelſcheiben von den Verhaͤltniſſen beyder Durchmeſſer gegen einander wie 9 zu 8.
        • 122. Ueber Rectangelſcheiben von den Verhaͤltniſſen, wie 6 zu 5.
        • 123. 5 zu 4.
        • 124. 7 zu 5 und wie 2 zu 1.
        • 125. 3 zu 2.
        • 126. 5 zu 3.
        • 127. 7 zu 4.
        • 128. 1 zu ½.
        • 129. 7 zu 3.
        • 130. 1 zu .
        • 131. Ueber Rectangelſcheiben von den Verhaͤltniſſen wie 1 zu ¼, und von noch geringern Verhaͤltniſſen der Breite zur Laͤnge.
        • 132. Allgemeine Bemerkungen uͤber die Tonverhaͤltniſſe der Rectangelſcheiben.
        • 133. Uebereinkunft der Schwingungsarten, wo eine Knotenlinie in die Laͤnge geht, mit den drehenden Schwingungen eines Stabes.
      • XXVIII
      • IV. Schwingungen einer runden Scheibe.
        • 134. Was fuͤr Schwingungsarten ſich uͤberhaupt an einer runden Scheibe zeigen koͤnnen.
        • 135. Schwingungsarten mit durchgehenden Linien, ohne Kreiſe.
        • 136. Schwingungsarten, bey welchen ſich ein Kreis zeigt.
        • 137. Schwingungsarten, bey welchen ſich zwey Kreiſe zeigen.
        • 138. Schwingungsarten mit drey oder mehreren Kreiſen.
        • 139. Zahlen der Biegungen, welche die Kreiſe annehmen.
        • 140. Tonverhaͤltniſſe einer runden Scheibe.
        • 141. Noch einige Bewegungsarten, bey welchen eine runde Scheibe nicht als freyſchwingend anzuſehen iſt.
      • V. Schwingungen elliptiſcher Scheiben.
        • 142. Von den Schwingungsarten elliptiſcher Scheiben im Allgemeinen.
        • 143. Ueber die Hervorbringung derſelben.
        • 144. Entſtehung der Schwingungsarten elliptiſcher Scheiben aus denen an runden Scheiben.
        • 145. Ueber das Zuſammentreffen der Toͤne aller Schwingungsarten, wo Knotenlinien in die Laͤnge gehn, in eine Reihe bey gewiſſen Verhaͤltniſſen der Laͤnge zur Breite.
        • 146. Ueber elliptiſche Scheiben von den Verhaͤltniſſen der Durchmeſſer 1 zu $$\frac{8}{9}$$
        • 147. 1: .
        • 148. 1: ¾.
        • 149. 1: .
        • 150. 1: .
        • 151. 1: ½.
        • 152. 1: .
        • 153. 1: .
        • 154. 1: $$\frac{3}{11}$$ .
        • 155. 1: ¼.
        • 156. 1: $$\frac{3}{14}$$ , 1: $$\frac{3}{17}$$ , und 1: $$\frac{1}{20}$$ .
        • 157. Allgemeine Bemerkungen uͤber die Tonverhaͤltniſſe elliptiſcher Scheiben.
      • VI. Schwingungen einer gleichſeitig ſechseckigen Scheibe.
        • 158. Was fuͤr Schwingungsarten an einer ſolchen Scheibe Statt finden.
        • 159. Tonverhaͤltniſſe einer jeden Schwingungsart.
      • VII. Schwingungen einer halbrunden Scheibe.
        • 160. Was fuͤr Schwingungsarten eine halbrunde Scheibe annehmen kann.
        • 161. Tonverhaͤltniſſe derſelben.
        • 162. Ueber Scheiben, deren Geſtalt uͤberhaupt ein Theil einer runden Scheibe iſt.
      • VIII. Schwingungen gleichſeitig dreyeckiger und noch einiger andern Arten von Scheiben.
        • 163. Ueber die verſchiedenen Schwingungsarten und Tonverhaͤltniſſe einer gleichſeitig dreyeckigen Scheibe.
        • XXIX
        • 164. Ueber Bildung zuſammengeſetzterer Figuren einer gleichſeitig dreyeckigen Scheibe durch Zuſammen - ſtellung von mehrern einfachern, nebſt noch einigen Bemerkungen uͤber andere Arten von Scheiben.
      • IX. Etwas uͤber muſikaliſch practiſchen Gebrauch der Scheiben.
        • 165. Ueber ein ehineſiſches aus Scheiben beſtehendes Jnſtrument.
    • Achter Abſchnitt. Schwingungen einer Glocke und uͤberhaupt einer gekruͤmmten Flaͤche.
      • 166. Aehnlichkeit der Schwingungen einer Glocke mit einigen Schwingungsarten einer runden Scheibe.
      • 167. Wie die Schwingungsarten koͤnnen hervorgebracht und ſichtbar gemacht werden.
      • 168. Ueber die erſte Schwingungsart einer Glocke.
      • 169. Wie dieſe ſich bey einer ſich umdrehenden Harmenikaglocke zeigt.
      • 170. Wie dieſe Schwingungsart an einer etwas unregelmaͤßigen Glocke zwey verſchiedene Toͤne geben: kann.
      • 171. Andere Schwingungsarten einer Glocke.
      • 172. Geſetze, nach welcher ſich die Toͤne der Glocken richten.
      • 173. Die Schwingungen anderer Arten von krummen Flaͤchen ſind noch ganz unbekannt.
    • Nennter Abſchnitt. Von einem Beyſammenſeyn mehrerer Schwingungsarten.
      • 174. Es iſt ein Beyſammenſeyn mehrerer Schwingungsarten und alſo auch mehrerer Toͤne an jedem klingenden Koͤrper moͤglich, aber nicht nothwendig.
      • 175. Bey dem Grundtone einer Saite iſt es gewoͤhnlich.
      • 176. Ueber die Kruͤmmungen einer Saite, wenn ſie die beyden erſten Schwingungsarten zugleich annimmt.
      • 177. Ueber die Kruͤmmungen, welche eine Saite annimmt, wenn die erſte und dritte Schwingungsart beyſammen ſind.
      • 178. Verbindung noch mehrerer Schwingungsarten einer Saite mit der einfachſten.
      • 179. Verbindung zweyer Schwingungsarten, bey denen ſich die Saite in aliquote Theite theilt.
      • 180. Bey dem Grundtone einer Saite laͤßt ſich das Mitklingen hoͤherer Toͤne nicht verhindern, wohl aber bey andern Schwingungsarten derſelben.
      • 181. Auch an Blasinſteumenten kann mehr als ein Klang zugleich Statt finden.
      • 182. Beyſammenſeyn mehrerer Klaͤnge an einem Stabe.
      • 183. an einer Scheibe.
      • 184. an einer Glocke.
      • 185. Anzeige der beſten Abhandlungen uͤber das Beyſammenſeyn mehrerer Schwingungsarten an einem klingenden Koͤrper.
        • Anm. Daß es der Natur zuwider iſt, wenn Manche die Grundſaͤtze der Harmonie aus einem Mitklingen hoͤherer Toͤne bey einem Grundtone herleiten wollen.
      • 186. Mitklingen eines tiefen Tones bey zwey angegebenen hoͤhern Toͤnen.
      • 187. Die Schwebung, welche man bey dem Stimmen als abgebrochene Stoͤße hoͤrt, iſt auch nichts anders.
      • XXX
      • 188. Anzeige der vorzuͤglichſten Abhandlungen uͤber das Mitklingen eines tiefern Tones.
        • 1. Anm. Wie dieſes Mitklingen von Tartini mit Unrecht als Grund der Harmonie iſt an - geſehen worden,
        • 2. Anm. Abt Bogler macht von dieſem Mitklingen Gebrauch an Orgeln.
    • Zehnter Abſchnitt. Von einem Beyſammenſeyn ſchwingender und anderer Bewegungen.
      • 189. Wie uͤberhaupt mehrere Arten der Bewegung koͤnnen beyſammen ſeyn.
      • 190. Eine ſehr gewoͤhnliche Verbindung ſchwingender Bewegungen mit Kreisbewegungen.
  • Dritter Theil, welcher die Lehre von den mitgetheilten Schwingungen oder von der Ver - breitung des Schalles enthaͤlt, oder zweyte Abtheilung des mechaniſchen Theils der Akuſtik.
    • Erſter Abſchnitt, von der Verbreitung des Schalles durch die Luft und durch andere ausdehnbare Fluͤſſigkeiten.
      • 191. Allgemeiner Begriff von der Berbreitung des Schalles.
      • 192. Sie geſchieht am gewoͤhnlichſten durch die athmoſphaͤriſche Luft.
      • 193. Analogie zwiſchen den der Luft mitgetheilten, und den eigenthuͤmlichen Longitudinalſchwingungen.
      • 194. Die Zahl der Schwingungen iſt dieſelbe, wie bey dem ſchallenden Koͤrper.
      • 195. Abwechſelnde Verdichtungen und Verduͤnnungen der Luft bey einem Klange.
      • 196. Abaͤnderungen des Schalles.
      • 197. Der Schall wird nach geraden und krummen Richtungen verbreitet.
      • 198. Es koͤnnen mehrere Arten des Schalles zugleich verbreitet werden, ohne daß eine die andere hindert.
      • 199. Gleichfoͤrmigkeit der Bewegung bey jedem Schalle.
      • 200. Geſchwindigkeit des Schalles nach der Theorie.
      • 201. Geſchwindigkeit des Schalles nach der Erfahrung.
      • 202. Was fuͤr Umſtaͤnde auf die Geſchwindigkeit des Schalles Einfluß haben.
      • 203. Vermuthungen, warum Theorie und Erfahrung in Anſehung der Geſchwindigkeit des Schalles nicht zuſammentreffen wollen.
      • 204. Geſchwindigkeit der Schwingungen verſchiedener Gasarten.
      • 205. Ueber die Staͤrke der Verbreitung des Schalles durch die Luft.
      • 206. Staͤrke der Verbreitung des Schalles durch verſchiedene Gasarten.
      • 207. Jn welcher Weite ein Schall hoͤrbar iſt.
      • 208. Ueber Sprachroͤhre.
      • 209. Ueber Hoͤrroͤhre.
      • 210. Ueber Sprachſaͤle und Sprachgewoͤlbe.
      • 211. Allgemeiner Begriff von einem Echo.
      • 212. Verſchiedene Faͤlle, in welchen ein Echo Statt findet.
      • 213. Merkwuͤrdige Beyſpiele von Echos.
      • 214. Ueber die Befoͤrderung einer vortheilhaften Wirkung des Schalles in einem Gebaͤnde.
      XXXI
      • 215. Befoͤrderung derſelben durch eine ungehinderte natuͤrliche Verbreitung des Schalles.
      • 216. durch Mitklingen anderer Koͤrper.
      • 217. durch Brechungen des Schalles.
      • 218. Erwaͤhnung der vorzuͤglichſten Schriften uͤber die Verbreitung des Schalles durch die Luft.
    • Zweyter Abſchnitt. Von Verbreitung des Schalles durch tropfbar fluͤſſige und durch feſte Koͤrper.
      • 219. Wie durch die Schwingungen des ſchallenden Koͤrpers uͤberhaupt alle mit demſelben in Verbindung ſtehenden Koͤrper mitzuzittern genoͤthigt werden.
      • 220. Man hoͤrt einen Schall auch unter Waſſer.
      • 221. Ein klingender Koͤrper ſchwingt im Waſſer langſamer, als in der Luft.
      • 222. Die Geſchwindigkeit der Verbreitung des Schalles im Waſſer iſt unbekannt[.]
      • 223. Staͤrke des Schalles im Waſſer, und andern tropfbaren Fluͤſſigkeiten.
      • 224. Auch durch feſte Koͤrper wird der Schall verbreitet.
      • 225. Ueber die Richtungen, in welchen ein feſter Koͤrper bey Verbreitung des Schalles ſich bewegrn kann.
      • 226. Beſtimmung der Geſchwindigkeit, mit welcher der Schall durch feſte Koͤrper verbreitet wird.
      • 227. Staͤrke der Verbreitung des Schalles durch verſchiedene Arten von feſten Koͤrpern.
      • 228. Verſtaͤrkung des Schalles durch Reſonanzboͤden.
      • 229. Durch ein[en]Klang werden andere klingende Koͤrper in Bewegung geſetzt.
      • 230. Ueber das Zerſchreyen glaͤſerner Gefaͤße.
  • Vierter Theil, von der Empfindung des Schalles, oder phyſiologiſcher Theil.
    • Erſter Abſchnitt, von dem menſchlichen Gehoͤre.
      • I. Von dem Bau und den Verrichtungen der Gehoͤrwerkzeuge.
        • 231. Erklaͤrung des Hoͤrens.
        • 232. Sitz der Gehoͤrwerkzeuge.
        • 233. Eintheilung derſelben.
        • 234. Vom muſchelfoͤrmigen Knorpel.
        • 235. Vom Gehoͤrgange.
        • 236. Von der Trommelhoͤle und den darin enthaltenen Gehoͤrknoͤchelchen.
        • 237. Vom Labyrinthe.
        • 238. Von den zu den Gehoͤrwerkzeugen gehenden Nerven.
        • 239. Auf welche Art das Hoͤren gewoͤhnlich geſchieht.
          • 1. Anm. Ueber die verſchiedenen Arten, wie gewoͤhnlich die Fortleitung der Empfindungen durch die Nerven erklaͤrt wird.
          • 2. Anm. Ueber die Endigungen der Gehoͤr - und anderer Nerven in den von Soͤmmerring fuͤr den Sitz des gemeinſchaftlichen Senſorium gehaltenen Hirnhoͤlen.
        • 240. Auch durch die aͤußern Theile des Kopfes kann ein Schall zu den innern Gehoͤrwerkzeugen gelangen.
        • 241. Jeder Schall wirkt auf das Ganze des Labyrinths.
        • 242. Anzeige einiger vorzuͤglichen Schriftſteller uͤber die menſchlichen Gehoͤrwerkzeuge.
      • XXXII
      • II. Von den Gegenſtaͤnden des Gehoͤrs.
        • 243. Man hoͤrt alle hinlaͤnglich ſtarken und ſchnellen Erſchuͤtterungen.
        • 244. Man erhaͤlt verſchiedene Eindruͤcke durch die verhaͤltnißmaͤßigen Geſchwindigkeiten der Schwingungen.
        • 245. Sehr kleine Abweichungen von der Genauigkeit hoͤrt man nicht.
        • 246. Die abſolute Geſchwindigkeit der Schwingungen laͤßt ſich nicht durch die Gehoͤrempfindung unmit - telbar beſtimmen.
        • 247. Die Geſtalt des klingenden Koͤrpers und die Schwingungsart geben ſich meiſtens nicht durch das Gehoͤr zu erkennen.
        • 248. Ein vorzuͤglich mer[k]wuͤrdiger Gegenſtand des Gehoͤrs, deſſen Weſen aber noch unbekannt iſt, ſind die mannigfaltigen Articulationen und Modi[fi]cationen des Schalles.
        • 249. Wie die Entfernung des Ortes, wo der Schall erregt wird, durch das Gehoͤr ſich zu erkennen giebt.
        • 250. Beſtimmung der Richtung des Schalles durch das Gehoͤr.
    • Zweyter Abſchnitt, von dem Gehoͤre bey verſchiedenen Thierarten.
      • 251. Gewiſſe weſentliche Theile finden ſich faſt bey Allen, andere Theile aber nur bey einigen Thierarten.
      • 252. Gehoͤrwerkzeuge der Krebſe und anderer Jnſecten.
      • 253. Unter den Wuͤrmern hat man bisher nur an der Sepia die Gehoͤrwerkzeuge entdecken koͤnnen.
      • 254. Gehoͤrwerkzeuge der Fiſche.
      • 255. der Amphibien.
      • 256. der Voͤgel.
      • 257. der Saͤugthiere.
      • 258. Ueberſicht der Theile, welche gewiſſen Thierarten eigen ſind.
      • 259. Anzeige einiger vorzuͤglichen Schriftſteller.
  • Nachtraͤge und Berichtigungen.
[1]

Einleitung.

1.

Jede moͤgliche Bewegung iſt entweder eine fortſchreitende, oder eine drehende, oder eine ſchwingende Bewegung, welche letztere auch zitternde Bewegung (motus vibratorius, oscillatorius, tremulus) genannt wird. Dieſe allein wuͤrkt unter den nachher anzugebenden Bedingungen auf das Gehoͤr; alle andere Arten der Bewegung wuͤrken, ſo viel man weiß, nur mittelbar darauf, in ſo weit naͤhmlich in den umher befindlichen Koͤrpern eine zitternde Bewegung veranlaßt wird.

2.

Nur an elaſtiſchen Koͤrpern bemerkt man hoͤrbare Schwingungen. Die Ela - ſticitaͤt iſt diejenige Eigenſchaft eines Koͤrpers, da er, wenn die Lage ſeiner Theile durch eine aͤußere Kraft veraͤndert wird, die vorige Lage derſelben wieder herzuſtellen ſtrebt. Wenn ein Theil eines elaſtiſchen Koͤrpers durch einen von außen angebrachten Zug oder Stoß aus ſei - ner urſpruͤnglichen Lage verruͤckt worden iſt, und dieſer Zug oder Stoß aufhoͤrt, ſo geht der elaſtiſche Koͤrper wieder in ſeine vorige Lage oder Geſtalt zuruͤck, und zwar, weil die Elaſti - citaͤt in dieſer Zeit als eine abſolute Kraft immer fort wuͤrkt, mit zunehmender Geſchwindig - keit. Wenn er in ſeine erſtere Lage gekommen iſt, ſo iſt ſeine erlangte Geſchwindigkeit am groͤßten geworden, er kann alſo an dieſer Stelle nicht ruhen, ſondern er geht mit abnehmen - der Geſchwindigkeit weiter nach derſelben Richtung fort, ſo lange, bis ſeine Geſchwindigkeit = 0 wird; er kann aber in dieſer ihm unnatuͤrlichen Lage ebenfalls nicht ruhen, ſondern er geht von da wieder auf dieſelbe Art ruͤckwaͤrts bis in ſeine urſpruͤngliche Lage mit zunehmender und weiter hinaus mit abnehmender Geſchwindigkeit, und dieſe hin und herwaͤrts gehendeA2Bewegung dauert ſo lange fort, bis ſie durch irgend einen innern oder aͤußern Widerſtand gehindert wird. Ein Koͤrper kann elaſtiſch ſeyn 1) durch Spannung, wie eine Saite oder uͤberhaupt jeder biegſame Koͤrper, 2) durch Zuſammendruͤckung, wie die Luft oder uͤberhaupt ausdehnbar fluͤſſige Materien durch den Druck der Athmoſphaͤre. 3) durch ſeinen innern Zuſammenhang, wie z. B. ein Stab von Glas, Eiſen, Holz, oder eine Glecke, und uͤberhaupt jeder ſteife Koͤrper.

3.

Wenn eine zitternde Bewegung ſoll hoͤrbar ſeyn, wird erfordert

  • 1) daß ſie ſchnell genug geſchehe. Man nimmt gemeiniglich an, daß wenigſtens un - gefaͤhr 30 Schwingungen in einer Secunde geſchehen muͤſſen, wenn eine ſchwingende Bewegung von den menſchlichen Gehoͤrwerkzeugen ſoll empfunden werden.
  • 2) daß dieſe Bewegung ſtark genug ſey. Die Staͤrke, mit welcher ſie auf das Gehoͤr wuͤrkt, kann abhaͤngen von der Groͤße und von der Elaſticitaͤt des zitternden Koͤrpers, von der Kraft, mit welcher er in Bewegung geſetzt wird, von der Entfernung deſ - ſelben, und von der Leitungsfaͤhigkeit der Materien, durch welche die Bewegung bis zu den Gehoͤrwerkzeugen verbreitet wird.
  • 3) daß die Gehoͤrwerkzeuge eine hierzu taugliche Beſchaffenheit haben. Es koͤnnen dieſe bey Menſchen und ſonſt bey verſchiedenen Thierarten ſo verſchieden ſeyn, daß ſchon deshalb ſich keine abſolute Graͤnze der Hoͤrbarkeit angeben laͤßt.

Wenn eine zitternde Bewegung auch nicht im Stande iſt, auf das Gehoͤr zu wuͤrken, ſo richtet ſie ſich doch nach eben denſelben Geſetzen, wie die hoͤrbaren Schwingungen, und iſt alſo davon nicht weſentlich verſchieden. Wenn z. B. eine geſpannte Saite ſo lang iſt, daß ſie 4 Schwingungen in einer Secunde macht, ſo kann man die Geſtaltveraͤnderungen ſehen und die Schwingungen zaͤhlen, man hoͤrt aber nichts. Verkuͤrzt man die Saite immer um die Haͤlfte, ſo daß ſie nach und nach 8, 16 und immer mehrere Schwingungen in einer Secuude machen muß, ſo wird man erſt ungefaͤhr von 32 an eine Wuͤrkung auf das Gehoͤr bemerken, obgleich vorher ebendieſelben Naturgeſetze Statt fanden.

4.

Hoͤrbare Schwingungen eines elaſtiſchen Koͤrpers nennt man einen Schall. Die Akuſtik iſt die Lehre vom Schalle.

3

5.

Bey einem Schalle ſind die Schwingungen (ſowohl in Anſehung der Zeitraͤume, in welchen ſie geſchehen, als auch in Anſehung der Geſtaltveraͤnderungen des elaſtiſchen Koͤr - pers) entweder gleichartig, und (durch das Gehoͤr wie auch durch andere biſher bekannt ge[-]wordene Mittel) beſtimmbar oder ſie ſind es nicht; im erſtern Falle iſt es ein Klang, im letztern ein Geraͤuſch.

  • Anmerkung. Von einem Klange und von der Art, wie er ſich von einem Geraͤuſche unter - ſcheibet, haben viele Schriftſteller, beſonders Ramean und andere, die ihm gefolgt ſind, ganz unrichtige Begriffe gehabt. Ste ſehen einen Klang, der etwas ganz einfaches iſt, als etwas ſehr znſammengeſetztes an, und behaupten, daß man daben außer der mit der Zahl 1 uͤbereinkommenden Hauptſchwingung auch andere, die mit der[natuͤrlichen]Zahlenſolge 2, 3, 4 u. ſ. w. uͤberein - ſtimmen, allemahl zugleich hoͤre. Es finder ſich dieſer Jrrthum auch in Sulzers Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte, in Errlebens Naturlehre, und in vielen andern Schriften; Rameau und ſeine Anhaͤnger haben ihr ganzes Syſtem der Muſik darauf gegruͤndet. Es iſt aber ein ſolches M[it]- klingen, wie im 9ten Abſchnitte des 2ten Theiles wird gezeigt werden, keine allgemeine Eigen - ſchaft klingender Koͤrper, und in denen Faͤllen, wo es Statt findet, iſt nicht ein Klang, ſon - dern es ſind mehrere zugleich vorhanden, deren jeder anzuſehen iſt, als ob er fuͤr ſich allem vorhanden waͤre. La Grange hat in ſeinen Recherches sur la nature et la propaga - tion du son Sect. II. §. 64, in Miscellan. Taurinens. tom. I. den Unterſchied eines Klanges von einem Geraͤuſche richtig beſtimmt, und die von manchen andern Schriftſtellern gegebenen falſchen Erklaͤrungen widerlegt.

6.

Wenn man bey einem Klange blos auf die Geſchwindigkeit der zitternben Bewe - gung, nicht aber auf die Eigenſchaften und Geſtaltveraͤnderungen des klingenden Koͤrpers Ruͤckſicht nimmt, ſo nennt man ihn einen Ton, und zwar einen hohen Ton, wenn die Schwingungen ſchnell, einen tiefen Ton, wenn die Schwingungen langſam geſchehen. Ein Ton iſt nicht abſolut hoch oder tief, ſondern nur in Vergleichung mit andern, wo die Schwingungen langſamer oder geſchwinder geſchehen. Eine Folge von Toͤnen wird Melodie, eine einzelne ſchickliche Coexiſtenz mehrerer Toͤne ein Accord, eine Folge von Accorden (oder eine Coexiſtenz mehrerer Melodien) Harmonie genannt. Die Muſik benutzt die von der Akuſtik ihr gelieferten Materialien, um durch Verbindung der Toͤne zu Melodie und Har - moͤnie Empfindungen auszudruͤcken und zu erregen.

  • 1. Anm. Man ſagt, wenn man ſich richtig ausdruͤcken will, nicht: ein Jnſtrument habe einen guten Ton, ſondern: einen guten Klang. Hingegen ſagt man nicht: ein hoher oder ein tiefer Klang, ſondern ein hoher oder ein tiefer Ton.
A 24
  • 2. Anm. Jn Funks Abhandlung de sono et tono, welche ſich auch deutſch im Leivziger Ma - gazin fuͤr Naturlehre und Mathematik 1781 befindet, iſt der Ausdruck mancher Schriftſteller: ein Ton entſtehe aus der Vergleichung mehrer Schaͤlle, welcher nichts anders bedeuten ſoll, als man ſehe bey dem Worte: Ton, blos auf die mehrere oder mindere Geſchwindigkeit, gaͤnzlich mißverſtanden worden.

7.

Die Akuſtik unterſucht

  • 1) die Zeitverhaͤltniſſe der ſchwingenden Bewegungen uͤberhaupt, ohne auf die Ei - genſchaften und Geſtaltveraͤnderungen der zirternden Koͤrper Ruͤckſicht zu nehmen, und dieſer Theil wird die Tonlehie genannt.
  • 2) die Schwingungsgeſetze eines jeden elaſtiſchen Koͤrpers,
  • 3) die Verbreitung des Schalles,
  • 4) die Empfindung deſſelben vermittelſt der Gehoͤrwerkzeuge.

Dieſe Ordnung wird in gegenwaͤrtiger Schrift befolgt werden. Die allgemeine Ton - lehre kann man fuͤglich den arichmeriſchen Theil, die Lehren von den Schwingungsge - ſetzen elaſtiſcher Koͤrper und von der Verbre[it]ung des Schalle[ſ]den mechaniſchen Theil, und die Lehre von der Empfindung des Schalles den phyſiologiſchen Theil der Akuſtik nennen.

  • Anm. Es iſt ganz unrichtig, wenn die Lehre vom Schalle in den meiſten phyſiſchen Lehrbuͤchern bey der Lehre von der Luft abgehandelt wird, indem andere elaſtiſche Koͤrper ebenſowohl als die Luft, und manche noch mehr im Stande ſind zu ſchallen, und den Schall anderer Koͤrper zu ver - breiten. Schicklicher wird es alſo ſeyn, dieſen Theil der Naturlehre bey der Lehre von der Bewegung abzuhandeln, und zwar zunaͤchſt bey der Lehre von den Pendelſchwingungen, mit der ſie in naher Beziehung ſteht.
[5]

Erſter Theil, welcher die allgemeine Tonlehre enthaͤlt.

[6][7]

Erſter Abſchnitt. Von den urſpruͤnglichen Verhaͤltniſſen der[Toͤne].

8.

Der Unterſchied eines Tones von dem andern, oder die Verſchiedenheit der Zahlen ſchwin - gender Bewegungen, welche in einerley Zeit geſchehen, nennt man ein Jntervall oder ein Tonverhaͤltniß. Man ſtellt ſich gewoͤhnlich jedes Jntervall aufſteigend vor, ſo daß gegen einen zum Grunde gelegten tiefern Ton ein hoͤherer Ton in einem gewiſſen Veehaͤltniſſe ſtehe. Es wird alſo die erſtere Zahl des Verhaͤltniſſes kleiner ſeyn, als die zweyte. Wenn ein Jntervall abſteigend angenommen werden ſoll, ſo daß man mit einem hoͤhern Tone einen tiefern vergleicht, ſo muß dieſes beſonders angezeigt werden, es wird in dieſem Falle die letztere Zahl des Verhaͤltniſſes kleiner ſeyn muͤſſen, als die erſte.

  • Anm. Die meiſten Schriftſteller berechnen die Toͤne nach den ihnen zukommenden Verhaͤltniſſen der Saitenlangen. Es haben naͤhmlich, wie in der Folge wird weiter gezeigt werden, Sai - ten die Eigenſchaft, daß wenn alle uͤbrige Umſtaͤnde außer ihrer Laͤnge unveraͤndert bleiben, die Toͤne ſich umgekchrt, wie die Laͤngen verhalten. Man bedient ſich deshalb gewoͤhnlich, um die Tonverhaltniſſe an Saiten zu demonſtriren, eines Werkzeuges, an welchem eine oder mehrere Saiten zwiſchen zwey unbewegliche Stege geſpannt ſind, die Laͤnge der Saite zwiſchen dieſen Ste - gen in eine willkuͤheliche Anzahl von Theilen (am beſten in Decimaltheile) getheilt iſt, und ein beweglicher Steg unter die Saite geſchoben wird, um dieſe nach Belieben zu verkuͤezen; man nen[nt]ein ſolches Werkzeug ein Monochord. Nun iſt es zwar nicht zu tadeln, wenn man ſich des Calculs der Saitenlangen, beſonders zum Gebrauche bey Saitemuſtrumenten, bedient, oder wenn man ſowohl zur Stimmung, als auch, um ſich und Andern einen Begriff von der Wuͤrkung eines Tonverhaͤltniſſes zu machen, das Monochord anwendet; es iſt aber ganz der Natur entgegen,8 wenn man, wie es von Verſchiedenen geſchehen iſt, trgend eine Eigenſchaft der Saiten als Grund der ganzen Tonlehre anſehen will, indem viele andere Arten klingender Koͤrper, welche doch eben - ſowohl wie die Saiten, Betrachtung verdienen, ſich nach ganz andern Naturgeſetzen richten. Da nun der Vortrag der Tonlehre fuͤr alle klingenden Koͤrper, ohne Ruͤckſicht auf ihre beſonderen Schwingungsgeſetze, allgemein geltend ſeyn muß, ſo betrachte ich hier die Toͤne nicht nach Sai - tenlungen, ſondern nach den Verhaͤltniſſen der Anzahl ihrer Schwingungen; will man die Verhaͤltniſſe auf Saitenlaͤngen reduciren, oder auf das Monochord uͤbertragen, ſo iſt weiter nichts nothig, als daß man die Ordnung der Zahlen eines jeden Verhaͤltniſſes umkehre. Jn den Tabellen uͤber die Tonverhaͤltniſſe werde ich jedoch auch die jedem Jntervalle zugehoͤrigen Saitenlaͤngen angeben.

9.

Ein Jntervall iſt conſonirend, wenn die Zahlen der Schwingungen in einem ſo einfachen Verhaͤltniſſe ſtehen, daß das Gehoͤr ſie am leichteſten faßt, und dadurch beruhigt wird, dahingegen ein Jntervall diſſonirend iſt, wenn die Zahlen der Schwingungen in einem weniger einfachen Verhaͤltniſſe ſtehen, ſo daß das Gehoͤr dadurch nicht unmittelbar, ſondern erſt durch Aufloͤſung deſſelben, d. i. durch einen Uebergang zu einem einfachern Ton - verhaͤltniſſe, beruhigt wird. Ein Accord, der lauter Jntervalle enthaͤlt, die ſowohl gegen den Grundlen, als auch unter ſich conſoniren, iſt ein conſonirender Accord, wenn aber ein oder mehrere diſſonirende Jntervalle ſich darinnen befinden, wird er ein diſſoni - render Accord gmannt.

  • 1. Anm. Ein Verhaͤltniß iſt einfacher, als das andere, wenn es ſich durch kleinere Zahlen, als das andere ausdruͤcken laͤßt, und die mit dieſen Verhaltniſſen uͤbereinkommenden Schwingungszei - ten deſto oͤfter zuſammentreffen. Ob uͤbrigens die Schwingungen zweyer toͤnenden Koͤrper ganz genau in gewiſſen Zeitpuncten zuſammentreffen, oder ob die Schwingungen des einen etwa ein wenig ſtuͤder oder ſpaͤter als die des andern anfangen, macht hier keinen Unterſchied in der Wuͤr - kung, ſondern es kommt nur auf die Dauer der Schwingangen an.
  • 2. Anm. Diejenigen Schriftſteller, welche, wie ſchon erwaͤhnt worden, das Weſen eines Klanges in dem Mitklingen der mit der natuͤrlichen Zahlenfolge 1, 2, 3, 4, 5 u. ſ. w. uͤbereinkommenden Toͤne ſuchen, geben auch das Uebereinſtimmen des einen Tones mit den mitklingenden hoͤhern Toͤ - nen des andern als den Grund des Conſonirens an. Da aber ein ſolches Mitklingen nur bey gewiſſen Arten klingender Koͤrper und auch bey dieſen nur unter gewiſſen Umſtaͤnden Statt findet, da auch in ſolchen Faͤllen Toͤne, die[jed]er fuͤr diſſonirend erklaͤren wird, z. B. die mit den Zahlen 7, 9, 11, 13 u. ſ. w. uͤbereinkommenden Toͤne ebenfalls mitklingen, ſo iſt es blar, daß die Uebereinſtimmung oder Nichtuͤbereinſtimmung eines Tones mit[gewiſſ]en mitklingenden hoͤhern Toͤ - nen des andern die Urſache des Conſonirens oder Diſſon[niren]s nicht ſeyn kann, und daß es der Natur gemaͤßer iſt, wenn man die mehrere oder mindere Einfachheit der Verhaͤltniſſe als die9 Urſache deſſelben anſieht, und dem Gehoͤre die Faͤhigkeit zugeſteht, dieſe ohne weitere Berechnung ſogleich zu fuͤhlen, ungefaͤhr eben ſo, wie das Auge die Farben empfindet, ohne erſt deren ver - ſchiedene Brechungswinkel genauer zu unterſuchen, oder wie beſonders ein etwas geuͤbtes Auge ſowohl die Verhaͤltniſſe der Groͤßen, als auch eine mehr oder weniger einfache und regelmaͤßige Anordaung der Gegenſtaͤnde ſogleich ohne weitere Berechnung bemerkt. Jn Leibnitzens epist. ad divers. tom. I. epist. 154, finden ſich trefliche Bemerkungen hieruͤber, ich trage kein Bedenken, die Stelle, ohngeach[te]t ſie ſchon von Andern oft iſt angefuͤhrt worden, hier beyzufuͤgen: Musica est exercitium arithmeticae occultum nescientis se numerare animi, multa enim facit in perceptionibus conſusis seu insensibilibus, quae distincta apperceptione notare ne - quit. Errant enim, qui nihil in anima fieri putant, cujus ipsa non sit conscia. Anima igitur, etsi se numerare non sentiat, sentit ramen hujus numerationis insensibilis effectum, seu voluplatem in consonantiis, molestiam in dissonantiis inde resultantem. Ex multis enim congruentiis insensibelius oritur voluptas etc. Es hat auch ſchon Cartesius in tract. de homine p. III. §. 36 und in Compend. Musices, wie auch in verſchiedenen Stellen ſeiner Briefe viel richtiges daruͤber geſagt.

10.

Die conſonirenden Jntervalle ſind in den Zahlen 1, 2, 3, 4, 5, 6 oder deren Verdoppelungen unmittelbar enthalten, die diſſonirenden beruhen auf mannigfal - tigen Combinationen dieſer Zahlen. Das mit der Zahl 7 uͤbereinkommende Jntervall macht gewiſſermaßen den Uebergang von den Conſonanzen zu den Diſſonanzen, es iſt aber, wie in der Folge gezeigt werden ſoll, eben ſo wenig, wie die mit den Zahlen 11, 13, 17 u. ſ. w. uͤbereinkommenden Jntervalle, dazu tauglich, um in unſer gewoͤhnliches Tonſyſtem mit auf - genommen zu werden.

11.

Das einfachſte Tonverhaͤltniß 1: 1, wo zwey ſchwingende Bewegungen in gleichen Zeitraͤumen geſchehen, iſt der Einklang, (unisonus).

12.

Das Tonverhaͤltniß 1: 2, wo eine ſchwingende Bewegung doppelt ſo ſchnell ge - ſchieht, als die andere, nennt man die Octave, welcher Nahme daher kommt, weil ſie in der gewoͤhnlichen Tenleiter die 8te Stufe ausmacht, wie denn uͤberhaupt jedes Jntervall von der Stufe benennt wird, auf welcher es ſich in dieſer nachher weiter zu entwickelnden Tonleiter befindet. Die Erfahrung lehrt, daß zwey Toͤne, die ſich wie 1 zu 2 verhalten,B10einander in ihrer Wuͤrkung ſo aͤhnlich ſind, daß man einen nur als die Wiederholung des andern anſehen kann. Hieraus folgt

  • 1) daß man ein Tonverhaͤltniß nicht veraͤndert, wenn man einen dieſer Toͤne um eine oder mehrere Octaven hoͤher oder tiefer nimmt, und alſo eine von den Zahlen dieſes Ver - haͤltniſſes ein oder mehreremahl durch 2 multiplicirt oder dividirt, außer wenn die kleinere Zahl dadurch groͤßer als die andere wird, in welchem Falle man das da - durch erhaltene Jntervall als eine Umkehrung des vorigen anſieht. So iſt z. B. 2: 3, 1: 3, 1: 6 einecley Jntervall, aber 4: 3 oder 3: 4 wuͤrde eine Umkehrung des vorigen Jntervalles ſeyn.
  • 2) daß man die Octave als die Graͤnze aller moͤglichen Jntervalle anſehen kann, weil die Zahlen aller Tonverhaͤltniſſe, ohne daß ihre Natur veraͤndert wird, ſo oft als hierzu noͤthig iſt, verdoppelt oder halbirt werden koͤnnen.
  • 3) daß wenn man einen Grundton, mit dem man die andern vergleichen will, als die Einheit anſieht, alle Tonve[rhaͤltniſſe]ſich d[ur]ch Bruͤche ausdruͤcken laſſen, die zwiſchen 1 und 2 enthalten ſind. Ob man alſo[z.]B. ein Verhaͤltniß von zwey Toͤnen, von welchen der eine 4 mahl ſchwinge,[waͤhrend der andere 5]Schwingungen macht, durch 4: 5, oder durch 1: ¾ ausdruckt, iſt ganz[einerl]ey. Man kann auch bey der Be - ziehung eines Jntervalles die Einheit weglaſſen, und z. B. blos ¾ ſagen, wo ſodann das Verhaͤltniß des Nenners zum Zaͤhler das Verhaͤltniß des tiefern Tons zum hoͤhern be - zeichnet, welche Art des Ausdruckes der Kuͤrze wegen hier ferner wird gebraucht werden.
  • Anm. Da die Berechnung der Tonverhaͤltniſſe mit der gewoͤhnlichen Bruchrechnung uͤbereinkommt, ſo wird es nicht uͤberfluͤßig ſeyn, manchen Leſern zu Gefallen, die aus einiger Unkunde derſelben ſonſt Schwierigkeiten finden moͤchten, hier einige Erlaͤuterungen beyzuſuͤgen. Sollen 2 Tonverhaͤltniſſe zu einander addirt, d. i. ſoll ein Jntervall gefunden werden, das ſo groß iſt, als zwey andere Jntervalle zuſammengenommen, ſo iſt es eben das, als wenn man 2 Bruͤche mit einander multiplicirt, es werden naͤhmlich erſt die beyden Zaͤhler, und ſodann die beyden Nenner mit einander multiplicirt. Will man z. B. die beyden Jntervalle $$\frac{3}{2}$$ und $$\frac{6}{5}$$ zu einander addiren, ſo iſt $$\frac{3}{2}$$ × $$\frac{6}{5}$$ = $$\frac{18}{10}$$ , oder $$\frac{9}{5}$$ . Will man ein Jntervall von dem andern ſubtrahiren, d. i. das Jntervall finden, um welches die beyden gegebenen Jntervalle verſchieden ſind, ſo iſt es eben das, als wenn man einen Beuch durch den andern dividirt. Eine ſolche Diviſion iſt als eine umgekehrte Multiplication anzuſehen, es wird naͤhmlich das zu ſubtrahirende Verhaͤltniß umgebehrt, und jeder Zahler des einen gegebenen Bruches durch den Nenner des andern multiplicirt. Z. B. wenn von $$\frac{3}{2}$$ ſoll $$\frac{6}{5}$$ abgezogen werden, ſo iſt $$\frac{3}{2}$$ × = $$\frac{15}{12}$$ oder $$\frac{5}{4}$$ . 11Will man zwey Jntervalle mit einander vergleichen, d. i. unterſuchen, welches von beyden[groͤßer]oder kleiner iſt, ſo bringt man die beyden Bruͤche auf einerley Benennung, man multiplicirt naͤhmlich beyde Zahlen eines jeden Bruches durch den Nenner des andern. Wenn man z. B. wiſſen will. ob $$\frac{7}{2}$$ oder $$\frac{25}{16}$$ groͤßer iſt, ſo verwandelt man $$\frac{3}{2}$$ durch Multiplication beyder Zahlen mit 16 in den Bruch $$\frac{48}{32}$$ , und den andern Bruch $$\frac{25}{16}$$ durch Multiplication beyder Zahlen mit 2 in $$\frac{50}{32}$$ , wo man ſogleich ſieht, daß letzteres Jntervall groͤßer iſt. Sollen mehrere Jntervalle mit einander verbunden, d. i. durch eine gemeinſchaftliche Reihe von ganzen Zahlen ausgedruckt werden, ſo muß man die Verhaͤltniſſe auf ſolche Zahlen re - duciren, daß die letzte Zahl des einen Verhaͤltniſſes als die erſte Zahl des folgenden anzuſchen iſt. Man multiplicirt alſo die Zahlen des einen Verhaͤltniſſes mit der erſten Zahl des andern, und ſo - dann die letzte Zahl des erſtern Verhaͤltniſſes mit der letzten Zahl des andern, und wenn mehrere Verhaͤltniſſe ſollen zuſammengehangt werden, ſo wiederholt man, ſo oft es noͤthig iſt, dieſe Mul - tiplication aller eryaltenen Zahlen durch die erſte und die Multiplication der letzten dieſer Zahlen durch die letzte Zahl des neu hinzugekommenen Verhaͤltniſſes. Z. B. wenn $$\frac{6}{5}$$ , $$\frac{5}{4}$$ und $$\frac{4}{3}$$ ſollen mit einander verbunden werden, 5: 6 4: 5 20: 24: 30 3: 4 60: 72: 90: 120, oder alles durch 6 dividirt 10: 12: 15: 20. ( $$\frac{6}{5}$$ ) (¾) ( $$\frac{4}{3}$$ )

13.

Alle durch die Zahlen 1 bis 6 oder deren Verdoppelungen unmittelbar entſtehende con - ſonirenden Verhaͤltniſſe, wenn ſie zwiſchen die Zahlen 1 und 2 nach ihrem geringern oder groͤßern Abſtande von 1 geordnet werden, ſind folgende: $$\frac{6}{5}$$ , $$\frac{5}{4}$$ , $$\frac{4}{3}$$ , $$\frac{3}{2}$$ , $$\frac{8}{5}$$ , $$\frac{5}{3}$$ , wovon die drey letztern nichts anders, als Umkehrungen der drey erſtern ſind. Unter dieſen Jntervallen iſt $$\frac{3}{2}$$ , welches man die Quinte nennt, das einfachſte, und wird auch von dem Ohre naͤchſt der Octave als die vollkommenſte Conſonanz empfunden. Hierauf folgt die Quarte $$\frac{4}{3}$$ , welche durch Umkehrung des Quintenverhaͤltniſſes entſteht; obgleich dieſe an ſich als Conſonanz anzuſehen iſt, ſo muß ſie doch in der Ausuͤbung meiſtens als Diſſonanz behandelt werden, weil die Verbindung von Toͤnen in dieſen Faͤllen einen Uebergang in ein anderes Tonverhaͤltniß erfordert. Das Jntervall ¾ nennt man die große Terz, und das Jntervall $$\frac{6}{5}$$ die kleine Terz; durch Umkehrung entſteht aus dem erſtern die kleine Sexte $$\frac{8}{5}$$ und aus dem letztern die große Sexte $$\frac{5}{3}$$ . Den Einklang, die Octave und die Quinte nennt man gewoͤhnlich vollkommene, die beyden Terzen und Sexten unvollkommene Conſonanzen.

B 212

14.

Aus dieſen 6 moͤglichen conſonirenden Verbindungen zweyer Toͤne wird ſich auch leicht beurtheilen laſſen, was fuͤr conſonirende Verbindungen von 3 Toͤnen moͤglich ſind. Um alle uͤberhaupt moͤglichen zſtimmigen Combinationen der jetzt erwaͤhnten Jntervalle zu uͤberſehen, ſo ſey hier 1 = M, $$\frac{6}{5}$$ = N, $$\frac{5}{4}$$ = P, $$\frac{4}{3}$$ = Q, $$\frac{3}{2}$$ = R, $$\frac{8}{5}$$ = S, $$\frac{5}{3}$$ = T. Es werden alſo folgende Arten von Combinationen moͤglich ſeyn: M N P, M P Q, M Q R, M R S, M S T, M N Q, M P R, M Q S, M R T, M N R, M P S, M Q T, M N S, M P T, M N T.

Man ſieht ſogleich, daß mehrere von dieſen Verbindungen keinen conſonirenden Ac - cord geben, weil zwar alle Zahlen gegen den Grundton, aber nicht die beyden letzten Zahlen unter ſich conſonirend ſind. So wuͤrden ſich die beyden letzten Zahlen gegen einander verhalten in M N P oder 1: $$\frac{6}{5}$$ : $$\frac{5}{4}$$ wie 1 zu $$\frac{25}{24}$$ , M N Q oder 1: $$\frac{6}{5}$$ : $$\frac{4}{3}$$ $$\frac{10}{9}$$ , M N T oder 1: $$\frac{6}{5}$$ : $$\frac{5}{3}$$ $$\frac{25}{18}$$ , M P Q oder 1: $$\frac{5}{4}$$ : $$\frac{4}{3}$$ $$\frac{16}{15}$$ , M P S oder 1: ¾: $$\frac{8}{5}$$ $$\frac{32}{25}$$ , M Q R oder 1: $$\frac{4}{3}$$ : $$\frac{3}{2}$$ $$\frac{9}{8}$$ , M R S oder 1: $$\frac{3}{2}$$ : $$\frac{8}{5}$$ $$\frac{16}{15}$$ , M R T oder 1: $$\frac{3}{2}$$ : $$\frac{5}{3}$$ $$\frac{10}{9}$$ , M S T oder 1: $$\frac{8}{5}$$ : $$\frac{5}{3}$$ $$\frac{25}{24}$$ .

Es kann alſo keine von dieſen Verbindungen dreyer Toͤne als conſonirend ange - ſehen werden.

M P R oder 1: $$\frac{5}{4}$$ : $$\frac{3}{2}$$ giebt aber einen conſonirenden Accord, weil alle Verhaͤlt - niſſe ſowohl gegen den Grundton als auch unter ſich conſoniren, indem ¾ zu $$\frac{3}{2}$$ ſich wie 1: $$\frac{6}{5}$$ verhaͤlt. Eben ſo giebt M N R oder 1: $$\frac{6}{5}$$ : $$\frac{3}{2}$$ einen andern conſonirenden Accord, weil die gegen den Grundton conſonirenden Jntervalle $$\frac{6}{5}$$ und $$\frac{3}{2}$$ auch unter ſich conſoniren, und ſich gegen einander wie 1: $$\frac{5}{4}$$ verhalten. Was die Accorde M N S oder 1: $$\frac{6}{5}$$ : $$\frac{8}{5}$$ wie auch M P T oder 1: $$\frac{5}{4}$$ : $$\frac{5}{3}$$ betrift, ſo ſind ſie eben das, was die beyden vorigen waren, wenn man die13 Bruͤche $$\frac{9}{5}$$ und $$\frac{5}{3}$$ mit 2 dividirt, und bey der erſtern Combination alle Zahlen mit $$\frac{5}{4}$$ , bey der 2ten aber mit $$\frac{6}{5}$$ multiplicirt. Eben ſo laſſen ſich auch die Accorde M Q T oder 1: $$\frac{4}{3}$$ : $$\frac{5}{3}$$ und M Q S oder 1: $$\frac{4}{3}$$ : $$\frac{8}{5}$$ auf dieſe beyden Accorde reduciren, wenn man die Einheit mit 2, und in beyden alle Zahlen mit ¾ multiplicirt. Alle dieſe 4 Accorde ſind alſo nur Um - kehrungen der beyden vorigen 1: $$\frac{5}{4}$$ : $$\frac{3}{2}$$ und 1: $$\frac{6}{5}$$ : $$\frac{3}{2}$$ , welche dem Gehoͤre in verſchiedenen Lagen dargeſtellt werden. Es ſind alſo außer dieſen beyden Accorden keine andern drey - ſtimmigen conſonirenden Accorde moͤglich, und da man kein viertes conſonirendes Verhaͤlt niß hinzufuͤgen kann, ohne daß es gegen irgend eines der ſchon vorhandenen diſſonirt, ſo iſt leicht einzuſehen, daß kein 4 oder mehrſtimmiger conſonirender Accord moͤglich iſt. Wenn aber die ſchon vorhandenen Toͤne verdoppelt werden, ſo veraͤndert dieſes die Nat[ur]des Accordes nicht.

  • Anm. Jn Anſehung der Ordnung des Vortrages bin ich hier einigermaßen dem Système de Musique par Mercadier de Belesta (Paris 1776. 8. ) gefolgt.

15.

Man nennt einen ſolchen conſonirenden Accord 1: ¾: $$\frac{3}{2}$$ oder 1: $$\frac{6}{5}$$ : $$\frac{3}{2}$$ , der außer dem Grundrone aus einer Terz und Quinte beſteht, einen Dreyklang, und zwar, wenn er die große Terz $$\frac{5}{4}$$ enthaͤlt, einen großen Dreyklang oder harten Dreyklang, wie auch Dur-Dreyklang oder Dur-Accord; wenn er aber die kleine Terz $$\frac{6}{5}$$ enthaͤlt, einen weichen Dreyklang oder kleinen Dreyklang, wie auch Moll-Dreyklang oder Moll-Accord. Wenn man beyde Dreyklaͤnge mit einander vergleicht, ſo ſieht man, daß ſie beyde aus einerley Jntervallen zuſammengeſetzt ſind, naͤhmlich aus einer gro - ßen und einer kleinen Terz $$\frac{5}{4}$$ und $$\frac{6}{5}$$ , welche zuſammen eine Quinte $$\frac{3}{2}$$ ausmachen; der ein - zige Unterſchied iſt der, daß bey dem harten Dreyklange 1: $$\frac{5}{4}$$ : $$\frac{3}{2}$$ erſt die große und ſodann die kleine Terz, und bey dem weichen Dreyklange erſt die kleine und ſodann die große Terz erſcheint. Wenn man dieſe Dreyklaͤnge ſo umkeher, daß man die Terz als tiefſten Ton anſieht, ſo erhaͤlt man die vorher erwaͤhnten Accorde 1: $$\frac{5}{4}$$ : $$\frac{5}{3}$$ und 1: $$\frac{6}{5}$$ : $$\frac{8}{5}$$ , welche man Sexten - Accorde nennt; wenn man aber die Quinte derſelben als tiefſten Ton annimmt, erhaͤlt man die ebenfalls ſchon erwaͤhnten Sext-Quarten-Accorde 1: $$\frac{4}{3}$$ : $$\frac{5}{3}$$ und 1: $$\frac{4}{3}$$ : $$\frac{8}{5}$$ .

16.

Die Erfahrung lehrt, deß jede von dieſen beyden Dreyklaͤngen verſchiedene Wuͤr - kung thut, und das Gehoͤr durch den harten Dreyklang noch mehr als durch den weichen14 befriedigt wird, unſtreitig deswegen, weil deſſen Verhaͤltniſſe einfacher ſind, naͤhmlich in ganzen Zahlen ausgedruͤckt 4: 5: 6, bey dem weichen aber 10: 12: 15. Der harte Drey - klang wird wegen der einfachern Verhaͤltniſſe am beſten dienen koͤnnen, um die gewoͤhnliche Tonleiter, d. i. die ſangbarſte Reihe von Toͤnen zu finden, durch welche man von einem Grundtone zu ſeiner Octave fortſchreiten kann, ohne das Gefuͤhl des Grundtons zu verlieren. Wenn man den Grundton verdoppelt, ſo werden 1: $$\frac{5}{4}$$ : $$\frac{3}{2}$$ : 2, ſowohl wenn man dieſe Toͤne zuſammen, als auch wenn man ſie nach einander hoͤrt, das vollſtaͤndigſte Gefuͤhl des durch die ſchicklichſten Conſonanzen verſtaͤrkten Grundtones erregen, es iſt aber dieſe Reihe von Toͤnen noch als keine Tonleiter anzuſehen, weil die Fortſchreitungen noch allzugroß und zu ungleich ſind, und alſo noch mehrere Stufen dazwiſchen ſeyn muͤſſen. Es wird alſo am ſchicklichſten ſeyn, ſolche Toͤne zwiſchen dieſe einzuſchalten, welche mit denen Conſonanzen, die dem Grundtone die naͤchſten ſind, den Dreyklang ausmachen. Der vorzuͤglichſte Ton, welcher ſich hierzu ſchickt, iſt die Quinte $$\frac{3}{2}$$ , welche unter allen Conſonanzen das einfachſte Verhaͤltniß zum Grundtone hat. Giebt man alſo dieſer Qninte $$\frac{3}{2}$$ wieder ihren harten Dreyklang, ſo erhaͤlt man die neuen Toͤne $$\frac{3}{2}$$ × $$\frac{5}{4}$$ und $$\frac{3}{2}$$ × $$\frac{3}{2}$$ oder $$\frac{13}{8}$$ und $$\frac{9}{8}$$ . Die Tonlei - ter wird alſo zwey Stufen mehr haben, und wird nun aus folgenden Toͤnen beſtehen 1, $$\frac{9}{8}$$ , $$\frac{5}{4}$$ , $$\frac{3}{2}$$ , $$\frac{15}{8}$$ , 2. Dieſe Stufen ſind aber noch viel zu ungleich, es wird alſo noth - wendig ſeyn, zwiſchen jede der Stufen $$\frac{5}{4}$$ : $$\frac{3}{2}$$ und $$\frac{3}{2}$$ : $$\frac{15}{8}$$ , welche gegen die uͤbrigen viel zu groß ſind, noch einen Ton einzuſchalten. Es ſchickt ſich kein Ton beſſer dazu, um ſelbſt eingeſchaltet zu werden, und vermittelſt des Dreyklanges, den man ihm giebt, die Ton - leiter vollſtaͤndig zu machen, als die Quarte $$\frac{4}{3}$$ , welche naͤchſt der Quinte $$\frac{3}{2}$$ am naͤchſten mit dem Grundtone verwandt iſt, und zu 2 als der Octave deſſelben eben das Verhaͤltniß hat, wie der Grundton zu ſeiner Quinte. Dieſe Quarte $$\frac{4}{3}$$ , nebſt der ihr zugehoͤrigen Terz $$\frac{4}{3}$$ × $$\frac{5}{4}$$ oder $$\frac{5}{3}$$ , werden die Jntervalle $$\frac{5}{4}$$ zu $$\frac{3}{2}$$ , und $$\frac{3}{2}$$ zu $$\frac{15}{8}$$ auf die vorheilhafteſte Art thei - len, und die ganze Tonleiter vollſtaͤndig machen, welche alſo aus folgenden Tonverhaͤltniſſen, und wenn man gewoͤhnlichermaßen den Ton c als Grundton anſehen will, aus folgenden Toͤnen beſtehen wird: 1, $$\frac{9}{8}$$ , $$\frac{5}{4}$$ , $$\frac{4}{3}$$ , $$\frac{3}{2}$$ , $$\frac{5}{3}$$ , $$\frac{15}{8}$$ , 2. c, d, e, f, g, a, h, c.

Es beſteht dieſe Tonleiter aus 8 Stufen von verſchiedener Groͤße, es iſt naͤhmlich die Stufe von dem dritten zum vierten, ingleichen die vom ſtebenten zum achten Tone nur15 ungefaͤhr halb ſo groß, als jede der uͤbrigen, daher man die kleinern Stufen halbe Toͤne, die groͤßern ganze Toͤne nennt. Jedes Jntervall benennt man in dieſer, ſowohl wie in einer jeden andern Tonleiter, von der Stufe, auf welcher es ſich von dem tiefern Tone an gerechnet, befindet, es iſt alſo

  • von c zu d eine Secunde, e Terz, f Quarte, g Quinte, a Sexte, h Septime, c Octave.

Wenn man jeden dieſer Toͤne mit der hoͤhern Octave des Grundtones vergleicht, ſo erhaͤlt man eben dergleichen Jntervalle, welche als Umkehrungen der vorigen anzu - ſehen ſind, und ſo wie uͤberhaup[t]alle umgekehrte Jntervalle, von denen, mit welchen ſie zu - ſammen eine Octave ausmachen, weder in der Wuͤrkung noch in der Behandlung ſehr ver - ſchieden ſind. So iſt

  • von d zu dem hoͤhern c eine Septime, eSexte, fQuinte, gQuarte, aTerz, hSecunde.

Will man aber das Verhaͤltniß des Tones, von dem man ausgeht, zu einem tiefern Tone ausdruͤcken, ſo ſetzt man das Beywort Unter dazu, z. B. Unterſecunde, Unterterz u. ſ. w.

17.

Eine genauere Betrachtung dieſer Tonleiter wird dazu dienen, die meiſten diſſo - nirenden Jntervalle kennen zu lernen.

Die erſte Stufe zur zweyten verhaͤlt ſich wie 1 zu $$\frac{9}{8}$$ oder wie 8: 9, und die zweyte zur dritten wie $$\frac{9}{8}$$ zu $$\frac{5}{4}$$ oder wie 9: 10. Jedes dieſer beyden Jntervalle, die um $$\frac{81}{84}$$ ver -16 ſchieben ſind, nennt man einen ganzen Ton, und zwar $$\frac{9}{8}$$ einen großen ganzen Ton, $$\frac{10}{9}$$ einen kleinen ganzen Ton, durch Umkehrung dieſer Jntervalle erhaͤlt man die bey - den kleinen Septimen $$\frac{10}{9}$$ und $$\frac{9}{5}$$ .

Der dritte Ton in dieſer Reihe, naͤhmlich die große Terz $$\frac{5}{4}$$ iſt von der vorher - erwaͤhnten kleinen Terz um das Jntervall $$\frac{25}{24}$$ verſchieden, welches man einen kleinen halben Ton nennt. Dieſes Jntervall iſt unter denen, deren man ſich in der Ausuͤbung gewoͤhnlich bedient, das kleinſte. Wenn ein Jntervall ſoll auf einerley Stufe erhoͤht oder erniedrigt werden, ſo geſchieht es um ſoviel, als dieſes Jntervall $$\frac{25}{24}$$ betraͤgt. Jedes noch kleinere Jntervall, wie z. B. das ſchon erwaͤhnte kleine Jntervall $$\frac{81}{80}$$ , wird ein Comma genannt. Die Umkehrung des kleinen halben Tons $$\frac{23}{24}$$ giebt die verminderte Octave $$\frac{48}{25}$$ .

Der Unterſchied des dritten Tons $$\frac{5}{4}$$ von dem vierten $$\frac{4}{3}$$ betraͤgt $$\frac{16}{15}$$ , welches Jn - tervall ein großer halber Ton genennt wird, er iſt von dem kleinen halben Tone $$\frac{25}{24}$$ um das Comma $$\frac{128}{125}$$ verſchieden. Seine Umkehrung giebt die große Septime $$\frac{15}{8}$$ .

Der vierte Ton iſt von dem 5ten um $$\frac{9}{8}$$ oder einen großen ganzen Ton, dieſer von dem ſechſten um $$\frac{10}{9}$$ oder einen kleinen ganzen Ton, und dieſer von dem ſiebenten Tone um $$\frac{9}{8}$$ oder einen großen ganzen Ton verſchieden. Der Unterſchied des 6ten Tones, naͤhmlich der großen Sexte $$\frac{5}{3}$$ von der kleinen Sexte $$\frac{8}{5}$$ wuͤrde eben ſo, wie vorher der Unterſchied der großen und kleinen Terz einen kleinen halben Ton $$\frac{25}{24}$$ betragen. Die ſiebente Stufe iſt von der achten um den großen halben Ton $$\frac{16}{15}$$ verſchieden. Will man die Tonleiter nach den Abſtaͤnden eines jeden Tones von ſeinem Nachbar beſtimmen, ſo werden es fol - gende ſeyn: c d e f g a h c. $$\frac{9}{8}$$ $$\frac{10}{9}$$ $$\frac{16}{15}$$ $$\frac{9}{8}$$ $$\frac{10}{9}$$ $$\frac{9}{8}$$ $$\frac{16}{15}$$ .

Betrachtet man auch die uͤbrigen Verhaͤltniſſe der verſchiedenen Toͤne gegen einan - der, ſo erhaͤlt man noch einige andere Jntervalle. So iſt das Verhaͤltniß von d zu f oder $$\frac{9}{8}$$ zu $$\frac{4}{3}$$ = $$\frac{32}{27}$$ , dieſes iſt eine kleine Terz, welche um das Comma $$\frac{81}{80}$$ zu niedrig iſt; d zu a oder $$\frac{9}{8}$$ zu $$\frac{5}{3}$$ iſt eine um das Comma $$\frac{81}{80}$$ erniedrigte Quinte $$\frac{40}{27}$$ . f zu h oder $$\frac{4}{3}$$ zu $$\frac{15}{8}$$ iſt eine uͤbermaͤßige Quarte $$\frac{45}{32}$$ , welche auch tritonus genannt wird, weil ſie durch Zuſammeaſetzung von 3 ganzen Toͤnen entſteht; ſie giebt durch Umkehrung die ver - minderte Quinte $$\frac{64}{45}$$ .

17

18.

Es koͤnnen alſo die Secunden, Terzen, Sexten und Septimen groß oder klein ſeyn, die Quinten und Quarten aber nicht. Wenn ſie aber um einen kleinen halben Ton[25 / 24]erhoͤht werden, ſo nennt man ſie, eben ſo, wie die um eben ſo viel erhoͤhten großen Secunden, Terzen, Sexten und Septimen, uͤbermaͤßig; wenn aber eine Quarte oder Quinte, oder auch eine kleine Secunde, Terz, Sexte oder Septime um eben ſo viel er - niedrigt wird, ſo nennt man ſie vermindert.

Durch Umkehrung wird allemahl aus einem großen Jntervalle ein kleines, aus einem kleinen ein großes, aus einem verminderten ein uͤbermaͤßiges und aus einem uͤber - maͤßigen ein vermindertes Jntervall.

Die durch ſolche Erhoͤhungen oder Erniedrigungen um $$\frac{25}{24}$$ entſtehenden uͤbermaͤßigen und verminderten Jntervalle ſind, in ſo weit man ſie zum Gebrauche anwendet, folgende:

Die uͤbermaͤßige Secunde $$\frac{9}{8}$$ × $$\frac{25}{24}$$ = $$\frac{75}{64}$$ oder auch $$\frac{10}{9}$$ × $$\frac{25}{24}$$ = $$\frac{125}{108}$$ nebſt ihrer Umkehrung, der verminderten Septime $$\frac{16}{9}$$ × $$\frac{24}{25}$$ = $$\frac{128}{75}$$ oder $$\frac{9}{5}$$ × $$\frac{25}{24}$$ = $$\frac{215}{125}$$ .

Die verminderte Terz $$\frac{6}{5}$$ × $$\frac{24}{25}$$ = $$\frac{144}{125}$$ nebſt ihrer Umkehrung, der uͤber - maͤßigen Sexte $$\frac{5}{3}$$ × $$\frac{25}{24}$$ = $$\frac{125}{72}$$ .

Die verminderte Quarte $$\frac{4}{3}$$ × $$\frac{24}{25}$$ = $$\frac{32}{25}$$ nebſt ihrer Umkehrung, der uͤber - maͤßigen Quinte $$\frac{3}{2}$$ × $$\frac{25}{24}$$ = $$\frac{25}{16}$$ .

Die ſchon erwaͤhnte uͤbermaͤßige Quarte $$\frac{4}{3}$$ × $$\frac{25}{24}$$ = $$\frac{23}{18}$$ und deren Umkehrung, die verminderte Quinte, welche auch von einigen falſche Quinte genannt wird $$\frac{3}{2}$$ × $$\frac{25}{24}$$ = $$\frac{35}{25}$$ .

Eine uͤbermaͤßige Terz $$\frac{5}{4}$$ × $$\frac{24}{25}$$ = $$\frac{125}{96}$$ und eine verminderte Sexte als deren Umkehrung, $$\frac{8}{5}$$ × $$\frac{24}{25}$$ = $$\frac{192}{123}$$ ſind nicht gebraͤuchlich.

Alle bisher erwaͤhnten Jntervalle weeden ſich in der §. 25 befindlichen Tabelle am beſten uͤberſehen laſſen.

  • Anm. Marpurg in ſeinem Verſuche uͤber die Temperatur §. 42 und 43 laͤßt die ver - minderten und uͤbermaͤßigen Terzen und Sexten nicht auf dieſe Art entſtehen, weil die verminderte Terz etwas weniges kleiner, als die uͤbermaͤßige Secunde, die uͤbermaͤßige Terz etwas groͤßer, als die verminderte Quarte, die vernundert. Sexte etwas kleiner, als die uͤbermaͤßige Quinte, und die uͤbermaͤßige Sexte etwas groͤßer, als die verminderte Septime ſeyn wuͤrde. Er behauptet nahmlich, daß jede Stufe ihre beſtimmten Graͤnzen habe, und nicht in das Gebieth der andern eingreifen duͤrfe. Er theilt alſo den kleinen halben Ton $$\frac{25}{24}$$ arithmetiſch in zwey Theile, undC18addirt den Theil $$\frac{49}{48}$$ zu der großen Terz oder Sexte. Jn ſeinen hiſtoriſch-kritiſchen Beytraͤgen zur Aufnahme der Muſik im 6ten Stuͤcke des 4ten Bandes geſteht er auf Veranlaſſung einer ihm gemachten Erinnerung ein, daß dieſe von ihm angegebenen Verhaͤltniſſe nicht der Natur gemaͤß ſind, wie ſie denn auch wuͤrklich der Entſtehung anderer erhoͤhten und er - niedrigten Jntervalle gar nicht analog ſeyn wuͤrden. Er laßt alſo die verminderte Terz dadurch entſtehen, daß er von der kleinen Terz $$\frac{6}{5}$$ das Comma $$\frac{81}{80}$$ abzicht, man wuͤrde alſo $$\frac{32}{27}$$ fuͤr das Jntervall der verminderten Terz erhalten, durch deren Umkehrung, ſo wie auch durch Hinzufuͤgung des Comma $$\frac{81}{80}$$ zu $$\frac{5}{3}$$ die uͤbermaͤßige Serte $$\frac{27}{16}$$ entſtehen wuͤrde. Eben ſo leitet er aus der Hin - zuſetzung des Comma $$\frac{81}{80}$$ zu der großen Terz $$\frac{5}{4}$$ das Verhaͤltniß $$\frac{81}{64}$$ fuͤr die uͤbermaͤßige Terz her, welches durch Umkehrung die verminderte Sexte $$\frac{128}{81}$$ hervorbringen wuͤrde. Dieſe Erklaͤrungsart kann aber wohl ebenfalls nicht Statt finden, weil eine Erhoͤhung oder Erniedrigung um das Com - ma $$\frac{81}{80}$$ ſo wenig betraͤgt, daß man dieſe Jntervalle nicht fuͤr uͤbermaßige oder verminderte, ſondern nur fuͤr etwas zu hoch oder zu niedrig geſtimmte vollkommene Terzen oder Serten halten wuͤrde, wie denn auch ſchon oͤfters in aͤltern und neuern Zeiten die um $$\frac{81}{80}$$ erhoͤhten und erniedrigten Terzen und Sexten anſtatt der reinen ſind gebraucht werden. Man wuͤrde auch, wenn eine ſolche Er - klaͤrungsart Statt finden ſollte, eben ſo wohl berechtigt ſeyn, die uͤbermaͤßige Secunde und die verminderte Septime auf eine aͤhnliche Art entſtehen zu laſſen. Es ſcheint mir alſo der Natur gemaͤßer zu ſeyn, wenn man die Meynung, daß keine Stufe in die andere eingreifen duͤrfe, ver - laͤßt, und die verminderten oder uͤbermaͤßigen Terzen und Sexten eben ſo wie andere erhoͤhte und erniedrigte Jntervalle durch die Hinzuſetzung oder Hinwegnehmung des kleinen halben Tones $$\frac{25}{24}$$ entſtehen laͤßt, ohne darauf Ruͤckſicht zu nehmen, ob die auf den benachbarten Stufen befindlichen uͤbermaͤßigen und verminderten Jntervalle einander ein wenig uͤberſteigen, indem in jedem Falle der Zuſammenhang der Toͤne beſtimmen wird, ob man ein Jntervall fuͤr ein uͤbermaͤßiges oder fuͤr ein vermindertes zu halten habe. Uebrigens liegt bey der uͤbermaͤßigen Terz und verminderten Sexte wenig daran, auf welche Art man ſie will entſtehen laſſen, weil beyde Jnterrvalle entbehr - lich ſind, und man keinen Gebrauch davon zu machen pflegt. Auch die uͤbermaͤſitge Sexte, ohn - geachtet ſie oͤfters gute Wuͤrkung thut, ſcheint, wie Marpurg meines Erachtens richtig bemerkt, ſo wie auch die durch deren Umkehrung entſtehende verminderte Terz ihr Daſeyn mehr der Kunſt, als der Natur zu verdanken zu haben, ſo daß man ſie wohl fuͤr eine zufaͤllige und zu Verſtarkung des Ausdruckes in vielen Fallen brauchbare Erhoͤhung der großen Sexte halten koͤnnte.

19.

Ein diſſonirender Accord wird jeder Accord genennt, der ein oder mehrere diſſonirende Jntervalle enthaͤlt, meiſtens enthaͤlt er nur eins. Derjenige diſſonirende Ac - cord, welcher als Urſprung der uͤbrigen angeſehen werden kann, iſt der Septimenac - cord; er entſteht dadurch, daß einem Dreyklange noch eine Septime hinzugefuͤgt wird, und iſt auf mancherley Arten moͤglich. Durch Umkehrung wird daraus ein Sextquin - ten-Accord, ein Terz-Quart-Sexten-Accord, ein Secund-Sext-Quarten - Accord, auf eben ſo verſchiedene Arten, wobey jedoch a[ll]emahl der Ton, welcher ur -19 ſpruͤnglich als Septime anzuſehen iſt, er befinde ſich in welcher Lage er wolle, als Diſſo - nanz behandelt werden, und eine Stufe unter ſich gehn muß. Manche Diſſonanzen be - ruhen blos auf zufaͤlligen melodiſchen Erhoͤhungen oder Erniedrigungen eines Tones; viele entſtehen durch Aufhaltung eines zu dem vorhergehenden Accorde gehoͤrenden Tones bey einem neueintretendem Accorde. Einige diſſonirende Accorde, wie der Nonen, Unde - cimen und Terzdecimen-Accord entſtehen dadurch, daß man den Grundton des Ac - cordes, in welchen ſich ein Septimen-Accord aufloͤſen ſoll, zugleich mit dieſem unterwaͤrts hoͤren laͤßt.

Uebermaͤßige Jntervalle ſtreben allemahl nach der naͤchſten hoͤhern Stufe, vermin - derte aber nach der naͤchſten niedern Stufe uͤberzugehen.

Eine weitere Ausfuͤhrung dieſer Gegenſtaͤnde gehoͤrt in die Theorie der Muſik.

20.

Die §. 16 angegebene Tonleiter, wie auch uͤberhaupt eine Tonleiter, in welcher alle Stufen aus ganzen Toͤnen und großen halbeu Toͤnen beſtehen, nennt man eine dia - toniſche Tonleiter, und eine For[t]ſchreitung in Toͤnen, die zu einer ſolchen Tonleiter gehoͤren, eine diatoniſche Fortſchreitung, die kleinſte derſelben, nehmlich der große halbe Ton $$\frac{16}{15}$$ wird auch bisweilen ein diatoniſcher halber Ton genennt. Wenn einer von den Toͤnen c, d, e, f, g, a, h, c um den kleinen halben Ton $$\frac{25}{24}$$ erhoͤhet wird, ſo haͤngt man dem Buchſtaben, wodurch er ausgedruͤckt wird, die Sylbe is an; wenn er aber um eben ſo viel erniedrigt wird, ſo druͤckt man dieſes durch Anhaͤngen der Sylbe es aus, nur mit der Ausnahme, daß der durch Erniedrigung des h entſtandene Ton nicht hes, ſondern b, und der durch Erniedrigung des a entſtandene nicht aes, ſondern as ge - nennt wird. Alle Toͤne, deren man ſich zu bedienen pflegt, erhalten alſo folgende Be - nennungen: durch Erhoͤhung entſtandene Toͤne: cis, dis, eis, fis, gis, ais, his, cis, Haupttonleiter: c, d, c, f, g, a, h, c, durch Erniedrigung entſtandene Toͤne: ces, des, es, fes, ges, as, b, ces.

Die erhoͤhten Toͤne bezeichnet man durch ein ſogenanntes Kreutz (), z. B. c , d , u. ſ. w. die erniedrigten durch ein ſchief daruͤber geſetztes b, z. B. db, eb, u. ſ. w. Es giebt auch Faͤlle, wo ein Ton doppelt erhoͤht oder erniedrigt wird.

C 220

Eine Fortſchreitung von einem Tone zu dem, welcher durch deſſen Erhoͤhung oder Erniedrigung entſteht, oder umgekehrt, z. B. von c zu cis, es zu e nennt man eine chromatiſche Fortſchreitung, und den kleinen halben Ton $$\frac{25}{24}$$ , durch welchen eine ſolche Fortſchrei - tung geſchieht, bisweilen auch einen chromatiſchen halben Ton. Eine Fortſchreitung von einem Tone, der durch Erhoͤhung entſtanden iſt, zu dem auf der naͤchſten Stufe, wel - cher durch Erniedrigung entſtanden iſt, oder umgekehrt, z. B. von cis zu des, wird eine enharmoniſche Fortſchreitung genennt. Eine Tonleiter, die chromatiſche Fortſchrei - tungen enthaͤlt, wuͤrde eine chromatiſche Tonleiter, eine die enharmoniſche Fortſchrei - tungen enthaͤlt, eine enharmoniſche Tonleiter, und der ganze Jnbegriff von natuͤr - lichen, erhoͤhten und erniedeigten Toͤnen eine diatoniſch-chromatiſch-enharmoniſche Tonleiter koͤnnen genennt werden.

  • Anm. Die Benennungen der Toͤne habe ich hier angegeben, wie ſie in Deutſchland gewoͤhnlich ſind; in andern Laͤndern bedient man ſich anderer Benennungen. Jn Jtalien nennt man die 6 erſten Toͤne der diatoniſchen Tonleiter ut, re, mi, ta, sol, la, welche Nahmen Guido von Are[z]zo im 11ten Jahrhunderte eingefuͤhrt, und aus den erſten Sylben der halben Verſe des folgenden Ge - ſanges an Johannes den Taͤufer entlehnt hat:
    Ut queant laxis resonare fibris
    Mira gestorum famuli tuorum,
    Solve polluti labii reatum,
    (Sancte Johannes. )
    Wenn dieſe Sylben zu Erlernung des Singens gebraucht werden, ſo wird do anſtatt ut ge - ſungen; bey jeder Fortſchreitung, die einen großen halben Ton betraͤgt; ſingt man mi fa, und die vorhergehende Sylbe wird in re verwandelt. Weil es nun unnoͤthige Schwierigkeiten macht, 7 Toͤne durch 6 Zeichen auszudruͤcken, ſo fuͤgt man jetzt meiſtens zu Bezeichnung des ſiebenten To - nes die Sylbe si hinzu. Die Toͤne, welche wir c, d, e, f, g, a, h, c nennen, bezeichnen ſie zwar gewoͤhnlich auch durch C, D, E, F, G, A, B, C fuͤgen aber zu jedem von dieſen Buch - ſtaben die Sylben bey, wodurch angezeigt wird, in welchen Lagen dieſe Toͤne in den von Guido eingefuͤhrten Herachorden erſchienen. Dieſe Herachorde, in welche bey dem damaligen unvoll - kommenen Zuſtande der Muſik die Toͤne eingetheilt winden, fingen von G, C und F an, Guido gebrauchte nur 3, nachher fuͤgte man mehrete hinzu. Wenn man alſo mehrere Herachorde fol - gendermaßen uͤber einander ſetzt:
    CDEFGAH oder BCDE
    utremifasolla
    utremifasolla
    utremifasolla
    utremiu. ſ. w.
    21ſo kann z. B. C bisweilen als sol, bisweilen als fa, ein andermahl als ut erſchemen, und ſo ge - ſungen werden; man nennt alſo den Ton den wir C nennen, C sol fa ut; d heißt aus eben der Urſache D la sol re, die uͤbrigen Toͤne heißen: E la mi, F fa ut, G sol re ut, A la mi re, der Ton, den wir b nennen, heißt B fa, und der den wir h nennen, heißt B mi. Die Erhoͤ - hung eines Tones wird durch diesis und die Erniedrigung durch bemolle ausgedruͤckt, z. B. cis heißt C sol fa ut diesis, des heißt D la sol re bemolle, u. ſ. w. Jn Frankreich werden nicht ſowohl die Toͤne einer diatoniſchen Tonleiter, ſender vielmehr die Toͤne c, d, e, f, g, a, h durch ut, , mi, fa, sol, la, si ausgedruͤckt, und eine Er - hoͤhung durch dièse, eine Erniedrigung durch bémol. So wuͤrde z. B. cis heißen ut dièse, des wuͤrde heißen bémol. Jm Engliſchen und Hollaͤndiſchen bedient man ſich der Benennungen c, d, e, f, g, a, b, c, die Erhoͤhungen druͤckt man im Engliſchen durch sharp und im Hollaͤndiſchen durch kruis aus, und die Erniedrigungen im Engliſchen durch flat, im Hollaͤndiſchen durch mol, welches alſo in anderer Bedeutung, als im Deutſchen, genommen wird. Die deutſchen Benennungen ſind unſtreitig die bequemſten, weil das mit einer Sylbe aus - gedruͤckt wird, was Andere viel weitlaͤuftiger ausdruͤcken. Nur wuͤrde es ſchicklicher ſeyn, wenn der Ton, welchen man h nennt, ſo wie es von Auslaͤndern geſchieht, b genennt wuͤrde, man muͤßte ſodann anſtatt b, bes, und anſtatt his, bis ſagen. J. F. Schwanenberg hat daruͤber eine Abhandlung (uͤber die Unnuͤtz - und Unſchicklichkeit des H im muſtkaliſchen Alphabete, Wien und Leipzig 1797. 8. ) herausgegeben, es hat auch ſchon Leepold Mozart in ſeiner Violinſchule ſich dieſer Ausdruͤcke bedient; auch in der muſikaliſchen Zeitung 1799. No. 41. befindet ſich ein Auf - ſatz von J. J. Klein, in welchem dieſe Aenderung empfohlen wird. Es iſt aber wohl nicht zu erwarten, daß die einmahl eingefuͤhrte Gewohnheit moͤchte allgemein abgeaͤndert werden.

21.

Die Urſache, warum man alle erhoͤhte und erniedrigte Jntervalle noͤthig hat, iſt, weil die Mannigfaltigkeit erfordert, jeden Ton wieder als Grundton anſehen zu koͤnnen, in welchen Faͤllen die Tonleiter c d e f g a h c nicht die noͤthigen Fortſchreitungen enthaͤlt. Wenn man z. B. den Ton g als Grundton anſieht, und ihm ſeine diatoniſche Tonleiter g, a, h, c, d, e u. ſ. w. geben will, wied die Fortſchreitung von der ſechsten Stufe zur ſiebenten (von e bis f) nur einen großen halben Ton betragen, da ſie doch einen ganzen Ton betragen ſoll, es iſt alſo noͤthig, den Ton f um einen kleinen halben Ton zu erhoͤhen. Eben ſo, wenn man die diatoniſche Tonleiter des Tones d verlangt, werden die Toͤne f und c muͤſſen in fis und cis verwandelt werden, und ſo muß, je weiter man quintenweiſe fortſchreitet, bey jeder folgenden Tonleiter die Zahl der zu erhoͤhenden Toͤne immer um einen anwachſen. Eben dieſelbe Bewandniß hat es mit dem zu erniedrigenden Toͤuen. Wenn22 man naͤhmlich den Ton f als Grundton anſieht, und ihm ſeine Tonleiter geben will, ſo ſoll der Schritt von der dritten zur vierten Stufe einen großen halben Ton betragen, es findet ſich aber in der Tonleiter c d e f g a h c an dieſer Stelle keine ſolche Fortſchreitung, ſon - dern es betraͤgt die Fortſchreitung von a zu h einen ganzen Ton, mithin muß h um einen kleinen halben Ton erniedrigt und in b verwandelt werden. Wenn man dieſes b wieder als Grundton anſieht, ſo wird ebenfalls die Fortſchreitung von der dritten zur vierten Stufe zu groß ſeyn, es muß alſo der Ton e in es verwandelt werden, und je weiter man quar - tenweiſe fortſchreitet, deſto mehr waͤchſt die Zahl der zu erniedrigenden Toͤne. Ein ſolches Verfahren, wo man einen andern Ton als Grundton anſieht, und irgend eine Folge von Toͤnen in die ihm zukommende Tonleiter verſetzt, nennt man transponiren. Es entſte - hen alſo dadurch folgende diatoniſche Tonleitern, in welchen alle in vorigem §. angegebenen erhoͤhten und erniedrigten Toͤne enthalten ſind; in jeder Tonleiter iſt in der Ordnung, wie ſie hier folgen, ein Tou mehr als in der vorhergehenden, erhoͤht oder erniedrigt.

c, d, e, f, g, a, h, c,

  • g, a, h, c, d, e, fis, g,
  • d, e, fis, g, a, h, cis, d,
  • a, h, cis, d, e, fis, gis, a,
  • e, fis, gis, a, h, cis, dis, e,
  • h, cis, dis, e, fis, gis, ais, h,
  • fis, gis, ais, h, cis, dis, eis, fis,
  • cis, dis, eis, fis, gis, ais, his, cis.
  • f, g, a, b, c, d, e, f,
  • b, c, d, es, f, g, a, b,
  • es, f, g, as, b, c, d, es,
  • as, b, c, des, es, f, g, as,
  • des, es, f, ges, as, b, c, des,
  • ges, as, b, ces, des, es, f, ges,
  • ces, des, es, fes, ges, as, b, ces.

Die Veraͤnderungen der Toͤne bey allen moͤglichen Tonleitern, wenn man in Quin - ten fortſchreitet, geben alſo gemeinſchaftlich folgende arithmetiſche Progreſſion: n 3 , 2 , 1 , 0, 1b, 2b, 3bnb.

Wollte man noch einige der neuerhaltenen Toͤne, z. B. gis, dis, fes u. ſ. w. wieder als Grundtoͤne anſehen und ihnen ihre diatoniſche Tonleiter geben, ſo wuͤrden gewiſſe Toͤne doppelt, oder bey noch weiterer Fortſetzung mehreremahl muͤſſen erhoͤhet oder ernie - drigt werden, man wuͤrde alſo dadurch die Zahl der Toͤne ohue weitern Rutzen vermehren, da ſchon einige der jetzt erw[aͤhn]ten Tonleitern, naͤhmlich fis und ges, h und ces, cis und des wegen ihres geringen Unterſchiedes der Hoͤhe und Tiefe ſo mit einander uͤbereinkommen, daß ihre Wuͤrkung dieſelbe ſeyn muß.

23

22.

Wenn einem Grundtone der weiche Dreyklang 1, $$\frac{6}{5}$$ , $$\frac{3}{2}$$ gegeben wird, ſo laͤßt ſich die ihm alsdenn zukommende Tonleiter auf eben die Art finden, wie vorher bey der Ton - leiter, die dem harten Dreyklange deſſelben zukommt, iſt gezeigt worden, ſie wird naͤhmlich ebenfalls die Dreyklaͤnge, welche der Quinte und Quarte deſſelben zugehoͤren, enthalten muͤſſen. Am ſchicklichſten wird es ſeyn, wenn dieſe auch weiche Dreyklaͤnge ſind. Wenn in der vorher erwaͤhnten harten Tonleiter c, d, e, f, g, a, h, c die Unterterz von c, naͤhm - lich a als Grundton einer weichen Tonart angeſehen wird, ſo enthaͤlt dieſe Tonleiter den wei - chen Dreyklang der Quinte e g h, und der Quarte d f a, wir erhalten alſo mit jeder har - ten Tonleiter auch eine weiche. Wenn man nan a als den Grundton anſehen will, ſo wird die weiche Tonleiter deſſelben ſeyn a, h, c, d, e, f, g, a, h.

Nun verlangt aber das Gehoͤr, daß zu Bezeichnung einer jeden harten und weichen Tonleiter die Stufe von dem ſiebenten zum achten Tone nur einen großen halben Ton be - trage, beſonders, wenn man aufwaͤrts ſteigt, daher dieſe letztere Stufe der unterhalbe Ton der Tonart, oder auch die tonbezeichnende Stufe (subsemitonium modi, note sensible) genennt wird. Es muß alſo bey dem Aufſteigen die Quinte e ihre große Terz gis erhalten. Bey einer ſolchen Abaͤnderung des g in gis wuͤrde aber die Stufe von dem ſechsten zum ſiebenten Tone, f zu gis, als eine uͤbermaͤßige Secunde zu groß und zu wenig ſangbar ſeyn, es wird alſo bey dem Aufſteigen in den meiſten Faͤllen noͤthig ſeyn, f in fis umzuaͤndern; die weiche Tonleiter wird alſo aufſteigend meiſtens ſo muͤſſen ausgeuͤbt werden: a, h, c, d, e, fis, gis, a. Jm Abſteigen aber wird die Tonleiter ſo bleiben koͤn - nen, wie ſie urſpruͤnglich iſt, naͤhmlich a, g, f, e, d, c, h, a, weil ſie alsdeun durch die in ihren Dreyklaͤngen enthaltenen kleinen Terzen, und beſonders durch die zwiſchen der zwey - ten und dritten Stufe befindlichen Fortſchreitung von einem halben Tone genugſam bezeich - net iſt. Jn der Ausuͤbung werden die Erhoͤhungen der ſechsten und ſiebenten Stufe als zufaͤllig betrachtet, und jedesmahl, wenn es noͤthig iſt, beſonders angemerkt.

Die weiche Tonleiter iſt in ihrer Wuͤrkung von der harten ſehr verſchieden, und mehr dem Ausdrucke der Traurigkeit, die harre aber mehr dem Ausdruck der Freude ange - meſſen. Es iſt die weiche Tonart auch gewiſſermaßen als weniger vollkommen anzuſehen, weil ſie ſich nicht durch ſo einfache Zahlenverhaͤltniſſe ausdruͤcken laͤßt, und zu ihrer Aus -24 uͤbung außer den in einer einzigen diatoniſchen Tonleiter enthaltenen Toͤnen noch andere zu Huͤlfe genommen werden muͤſſen.

So wie hier a, die zufaͤlligen Erhoͤhungen ausgenommen, in ſeiner weichen Tonleiter eben die Toͤne hat, wie c in ſeiner harten Tonleiter, ſo iſt es auch bey allen uͤbrigen Toͤnen; wenn man naͤhmlich einem jeden andern Tone ſeine weiche Tonleiter giebt, ſo enthaͤlt ſie eben dieſelben Toͤne, wie die harte Tonleiter der kleinen Terz deſſelben. Es enthaͤlt alſo

  • die weiche Tonleiter von e dieſelben Toͤne, wie die harte Tonleiter von g
  • h d
  • fis a
  • cis e
  • gis h
  • d f
  • g b
  • c es
  • f as
  • b des
  • es ges.

23.

Den ganzen Jnbegriff von Toͤnen, deren man ſich bedienen kann, ohne das Gefuͤhl einer Beziehung auf einen gewiſſen Grundton zu verlieren, nennt man eine Tonart, und zwar, wenn der Grundton die große Terz hat, und die Tonleiter ſo beſchaffen iſt, wie §. 21. gezeigt worden, eine harte Tonart oder Dur-Tonart (modus major); wenn er aber die kleine Terz, und alſo eine von den §. 22. angegebenen Tonleitern hat, eine weiche Ton - art, oder Moll-Tonart (modus minor). Gewoͤhnlich druͤckt man eine ſolche Tonart blos dadurch aus, daß man der Benennung des Tones das Wort dur oder moll anhaͤngt, ſo heißt z. B. es dur die harte Tonart von es, b moll die weiche Tonart von b u. ſ. w. Wenn eine Tonart mehr oder weniger Erhoͤhungs - oder Erniedrigungszeichen, als die andere hat, ſo ſagt man, ſie ſind um ſo viel Grade von einander verſchieden. Eine Moll-Tonarr oder Dur-Tonart, die (nach §. 22.) einerley Tonleiter haben, werden parallele Tonarten genennt.

25

Den Grundten einer Tonart nennet man bisweilen die Tonica, die Quinte die Dominaute, die Quarte oder Unterquinte die Unterdominante, und die Terz die Mediante.

24.

So wie nun jede Dur - oder Moll-Tonleiter aus den Dreyklaͤngen des Grundtons und ſeiner Quinte und Quarte beſteht, ſo ſind auch, wenn das Gefuͤhl einer Tonart beybehalten werden ſoll, die natuͤrlichſten Fortſchreitungen die, wo der Dreyklang des Grundtons zu einem der beyden uͤbrigen Dreyklaͤnge, aus welchen die Tonleiter entſtanden iſt, oder einer von dieſen zu jenem uͤbergeht, indem dabey allemahl ein Ton beyden auf einander folgenden Accorden gemeinſchaftlich iſt, und das eine mahl als Quinte, das andere mahl als Octave, oder ſo umgekehrt, erſcheint. Auch wenn auf den Dreyklang der Quarte der Dreyklang der Quinte utanirtelbar folgt, (wobey die Octave des erſtern als Septime des folgenden beybehal - ten werden kann) empſindet man eben dieſelbe Beziehung auf den zwiſchen dieſen beyden Ac - corden mitten innen ſtehenden Dreyklang des Grundtons. Naͤchſt dieſen Fortſchreirungen iſt auch die zu dem Dreyklange der parallelen Tonart, wie auch noch zu den beyden uͤbrigen Dreyklaͤngen, deren Tonleitern nur um einen Grad verſchieden ſind, als erlaubt anzuſehen. So z. B. kann der harte Dreyklang von c am natuͤrlichſten zu den harten Dreyklaͤngen von g und f unmittelbar uͤbergehen, naͤchſt dieſen aber auch zu den weichen Dreyklaͤngen von a, e, und d; der weiche Dreyklang von a aber zu dem weichen wie auch zu dem harten Drey - klange von e, zu dem weichen von d, und naͤchſt dieſen auch zu den harten von c, f und g.

Die Fortſchreitungen in entferntere Tonarten geſchehen gemeiniglich durch enhanno - niſche Ruͤckungen, indem man naͤhmlich einen erhoͤhten Ton mit dem auf der naͤchſten hoͤhern Stufe erniedrigten, oder einen erniedrigten mit dem auf der naͤchſten tiefern Stufe erhoͤhten verwechſelt, welches am haͤufigſten bey dem verminderten Septimen-Accorde geſchieht. Das Gehoͤr muß ſich hier eine Vernachlaͤßigung des Comma $$\frac{128}{125}$$ , um welches der greße halbe Ton $$\frac{16}{15}$$ und der kleine halbe Ton $$\frac{25}{24}$$ verſchieden ſind, gefallen laſſen.

  • Anm. Mehreres erwaͤhne ich hier nicht von den Fortſchreitungen der Accorde, weil es nicht ſowohl huher, ſondern mehr in die Theorie der Muſik gehoͤrt. Es moͤchte aber doch mancher erwarten, hier[einige]Erlaͤuterungen uͤber das Verbot der Folge zweyer Quinten oder Octaven auf einander in gerader Bewegung, anzutreffen. Aus den Verhaͤltniſſen der Zahlen moͤchte ſich wohl ſchwerlich die Unrichtigleit ſolcher Fortſchreitungen erweiſen laſſen. Wenn man naͤhmlich ſolche Fortſchrei -D26tungen in Zahlen ausdruͤckt, ſo wird man zwar Jntervalle erhalten, die von den ganz[reinen] $$\frac{81}{80}$$ abweichen; hierin kann aber der Grund der Unrichtigkeit ſolcher Fortſchreitungen nicht liegen, denn ſonſt wuͤrde ſich eben ſo wohl darthun laſſen, daß keine großen oder kleinen Terzen oder Serten auf einander folgen duͤrfren, weil man dadurch (beſonders ſo oſt die Zahl 27 erſcheint) ebenfalls Jnterralle erhaͤlt, die um $$\frac{81}{80}$$ von der Wahrheit abweichen. Der Grund, warum zwey auf einander in gerader Bewegung folgende Quinten meiſtens dem Gehoͤre nicht wohl thun, iſt unſtreitig wohl der, weil in ſolchen Faͤllen meiſtens eine unharmoniſche Relation Statt finder, d. i. weil 2 Dreyklaͤnge auf einander folgen, die nicht auf einander folgen ſollten, weil ſie um c d mehr als einen Grad verſchieden ſind, z. B. a h, welche unnatuͤrliche Fortſchreitungen bey einem f g ſo gleichfoͤrmigen Gange weit auffallender ſind, als wenn ſich die Stimmen gegen einander beweg - gen. Wo keine unharmoniſche Relation eintritt, moͤchte wohl eine[Folge]von 2 Quinten dem Ohre weniger zuwider ſeyn; ſo glaube ich z. B. nicht, daß ein uͤbermaßiger[Sextenaccord], der ſich in den großen Dreyklang der Dominante eines Molltons aufloͤſt, in der Lage dis e c h a gis F E, wenn man nicht etwa (beſonders durch den Anblick der Neten auf dem Papiere) in Veraus da[gegen]eingenommen iſt, das Gehoͤr beleidigen moͤchte, ohngeachtet der 2 auf einander ſolgenden Quin - ten c f und h e. Jn der Berliner Singakademie ließ mein Freund Faſch mich ein Chor hoͤren, welches er, blos um eine Probe dieſer Art zu machen, ſo geſetzt hatte, daß eine Mittelſtimme immer mit dem Baſſe in reinen Quinten fortgieng. Die Anweſenden, unter denen ſich ſehr vor - zuͤgliche Tonkuͤnſtler befanden, bemerkten keine widrige Wuͤrkung. Das Verbot einer Folge von zwey Octaven laͤßt ſich noch weniger aus den Zahlenverhaͤltniſſen darthun; allem Anſchn nach ſind ſie nur deswegen unangenehm, weil man bey jeder Stimme einen eigenen Gang erwartet, aber durch den gleichfoͤrungen Gang und durch das Zuſammentreffen in zwey Octaven hinter einander ſich gewiſſermaßen getaͤuſcht fuͤhlt, und eine Art von Lecre empfindet.

25.

Zu bequemerer Ueberſicht aller innerhalb der Octave 1: 2 enthaltenen Jntervalle,[ſoweit] ſie gebraͤuchlich ſind, werde ich ſie in folgender Tabelle alle auf einen gemeinſchaftlichen Grundton c reduciren, und bey jedem Jnteroalle die Verhaͤltniſſe der Schwingungen ſowohl wie die Verhaͤltniſſe der Saitenlaͤngen auf dem Morochorde, erſt auf die Art, wie ſie bisher ſind ausgedruͤckt worden, und ſodann auch in Decimal-Zahlen angeben:

27
Verhaͤltniſſe der Schwingungen.Verhaͤltniſſe der Saitenlaͤngen.
1) der Einklang c: c11,11,
2) der kleine halbe Ton c: cis, wird bisweilen auch die uͤbermaͤßige Prime genennt $$\frac{23}{24}$$ 1,0416⅔ $$\frac{24}{25}$$ 0,96
3) die kleine Secunde c: des $$\frac{16}{15}$$ 1,0666⅔ $$\frac{15}{16}$$ 0,9375
4) die große Secunde c: d $$\frac{10}{9}$$ 1,1111⅑ $$\frac{9}{10}$$ 0,9
oder $$\frac{9}{8}$$ 1,125 $$\frac{8}{9}$$ 0,8888⅑
5) die verminderte Terz c: eſ wuͤrde viel - mehr als cis: es gebraucht werden $$\frac{144}{125}$$ 1,152 $$\frac{125}{144}$$ 0,8680 $$\frac{5}{9}$$
6) die uͤbermaͤßige Secunde c: dis $$\frac{125}{108}$$ 1,1574 $$\frac{2}{27}$$ $$\frac{108}{125}$$ 0,864
oder $$\frac{75}{64}$$ 1,1718¾ $$\frac{64}{75}$$ 0,8533 $$\frac{5}{3}$$
7) die kleine Terz c: es $$\frac{6}{5}$$ 1,20,8333 $$\frac{5}{3}$$
8) die große Terz c: e $$\frac{5}{4}$$ 1,250,8
9) die verminderte Quarte c: fes $$\frac{32}{25}$$ 1,28 $$\frac{25}{32}$$ 0,7812½
10) die vollkommene Quarte c: f $$\frac{4}{3}$$ 1,3333⅓¾0,75
11) die uͤbermaͤßige Quarte c: fis $$\frac{25}{18}$$ 1,3888 $$\frac{8}{9}$$ $$\frac{18}{25}$$ 0,72
12) die verminderte Quinte c: ges $$\frac{36}{25}$$ 1,44 $$\frac{25}{36}$$ 0,6944 $$\frac{4}{9}$$
13) die vollkommene Quinte c: g $$\frac{3}{2}$$ 1,50,6666⅔
14) die uͤbermaͤßige Quinte c: gis $$\frac{25}{16}$$ 1,5625 $$\frac{16}{25}$$ 0,64
15) die kleine Serte c: as $$\frac{8}{5}$$ 1,60,625
16) die große Sexte c: a $$\frac{5}{3}$$ 1,6666⅔0,6
17) die verminderte Septime c: bb wird mehr als cis: b gebraucht $$\frac{128}{75}$$ 1,7066⅔ $$\frac{75}{128}$$ 0,5859⅜
oder auch $$\frac{216}{125}$$ 1,728 $$\frac{125}{216}$$ 0,5787 $$\frac{1}{27}$$
18) die uͤbermaͤßige Sexte c: ais $$\frac{125}{72}$$ 1,7361⅑ $$\frac{72}{125}$$ 0,576
19) die kleine Septime c: b $$\frac{16}{9}$$ 1,7777 $$\frac{7}{9}$$ $$\frac{9}{16}$$ 0,5625
oder $$\frac{9}{5}$$ 1,8 $$\frac{5}{9}$$ 0,5555 $$\frac{5}{9}$$
20) die große Septime c: h $$\frac{15}{8}$$ 1,875 $$\frac{8}{15}$$ 0,5333⅓
21) die verminderte Ocrave c: ces $$\frac{48}{25}$$ 1,92 $$\frac{25}{48}$$ 0,5208⅓
22) die vollkommene Octave c: c22,½0,5.
D 228

26.

Dieſe aus den Zahlen 1, 2, 3, 4, 5, 6, oder weil die Verdoppelung einer Zahl die Natur der Tonverhaͤltniſſe nicht veraͤndert, aus den Zahlen 1, 3, 5 entſtandenen Jater - valle wuͤrden einen großen Zuwachs erhalten, wenn man auch die Zahl 7 mit aufnehmen wollte. Es iſt das das Jntervall 4: 7 oder $$\frac{7}{4}$$ um das Comma $$\frac{64}{63}$$ kleiner, als die kleine Septime c: b, $$\frac{16}{9}$$ , und um das Comma $$\frac{126}{125}$$ groͤßer, als die uͤbermaͤßige Sexte c: ais $$\frac{125}{72}$$ . Die Erfahrung lehrt, daß es in der Verbindung 4: 5: 6: 7 oder 1: $$\frac{5}{4}$$ : $$\frac{3}{2}$$ : $$\frac{7}{4}$$ , und allen - falls auch in einigen andern Verbindungen keine uͤble Wuͤrkung thut, und daß es gewiſſer - maßen zwiſchen Conſonanzen und Diſſonanzen mitten innen ſteht. So wenig es alſo zu ta - deln iſt, wenn man unter ſchicklichen Umſtaͤnden etwa einmahl von einem ſolchen Jntervalle Gebrauch macht, oder wenn man die vorcheilhafte Wuͤrkung mancher weniger einfachen Jnteryalle durch eine von dem Gehoͤre geſchehende Subſtitution des mit der Zahl 7 uͤberein - kommenden Tones erklaͤrt, ſo wuͤrde es doch nicht rathſam ſeyn, die Zahl 7 allgemein mit aufzunehmen, weil durch deren Verbindung mit ſo vielen andern ſchon vorhandenen Jnter - vallen eine allzu große Zahl von neuen Toͤnen entſtehen wuͤrde, ſo daß dieſe wegen ihrer Naͤhe gegen andere Jntervalle ſich weder gehoͤrig wuͤrden faſſen noch ausuͤben laſſen. Dieſe Schwie - rigkeiten wuͤrden noch mehr ohne allen Nutzen vermehrt werden, wenn man etwa auch andere Primzahlen, wie 11, 13, u. ſ. w. mit aufnehmen wollte.

  • Anm. Kirnberger rechnet (in ſeiner Kunſt des reinen Satzes) das Jntervall $$\frac{7}{4}$$ mehr unter die Conſonanzen, als unter die Diſſonanzen; den mit der Zahl 7 uͤbereinkommenden Ton nennt er i. An einer Berliner Orgel hat er ein Mixtur-Regiſter angebracht, wo jeder Ton ſein i hat. L. Euler hat in den Mém. de l’Acad. de Berlin 1764. vieles zur Vertheidigung des mit der Zahl 7 uͤbereinkomatenden Tones geſagt, und eine Tonleiter berechnet, worinnen dergleichen Toͤne enthalten ſind, die er tons étrangers nennt, weil ſie in keine Stufe unſers Syſtems recht paſſen. Er giebt als die Urſache, warum der Septimenaccord c, c, g, b, welcher ſich durch keine klei - nern ganzen Zahlen als durch 36, 45, 54, 64 auſdruͤcken laͤßt, weniger unangenehm iſt, als man bey ſo zuſammengeſetzten Verhaͤltniſſen vermuthen ſollte, folgende an, weil wegen des ge - ringen Unterſchiedes der kleinen Septime $$\frac{16}{9}$$ von dem Jntervalle $$\frac{7}{4}$$ das Gehoͤr letzteres ſabſtituire, und (ſo wie man in mehrern Faͤllen bey Anhoͤrung eines zuſammengeſetztern Verhaͤltniſſes, das einem einfachein ſehr nahe kommt, das einfachere zu hoͤren glaubt) 63 Schwingungen anſtare 64 zu hoͤren ſich einbilde, wodurch alles durch 9 thetloar aird, und die Toͤne 36, 45, 54, 63 mit den Zahlen 4, 5, 6, 7 uͤbereinkommen. Es ſcheint dieſe Hypotheſe Eulers all[erdingſ der Natur]gemaͤß zu ſeyn. Wenn man alſo den Septimenaccord der Dominante oder[eine von deſſen Um]kehrungen in den harten Dreyklang29 des Grundtons uͤbergehen laͤßt, z. B. g f d h in g e c, ſo wird man anſtatt der Quarte des Grund - tons $$\frac{4}{3}$$ , welche hier f iſt, das Jntervall $$\frac{21}{16}$$ zu hoͤren glauben, man wird alſo anſtatt 24 24 21⅓ 20 18 15 > 16 oder in ganzen Zahlen 72 72 64 60 54 45 > 48 ſubſtituiren 24 24 21 20 18 15 > 16. Eben ſo ſcheint auch die Urſache zu ſeyn, warum der uͤbermaͤßige Serten-Accord 1, $$\frac{5}{4}$$ , $$\frac{3}{2}$$ , $$\frac{125}{72}$$ , oder in ganzen Zahlen 72, 90, 108, 125, das Gehoͤr nicht beleidigt, ſondern vielmehr eine vortheilhafte Wuͤr - kung thut, weil das Ohr dem Jntervalle $$\frac{125}{72}$$ das Jntervall $$\frac{7}{4}$$ ſubſtituirt, welches nur um das kleine Comma $$\frac{126}{125}$$ davon verſchieden iſt. Jn der Sing-Academie meines verewigten Freundes Faſch in Berlin hoͤrte ich eine vierſtimmige Geſang-Compoſition von ihm, wo er, um eine Probe zu machen, was fuͤr Wuͤrkung dieſes i thue, den Accord i g e c, ſo viel ich mich erinnere, in h g d g, alſo 14 12 10 8 in 15 12 9 6 uͤbergehen ließ; die Wuͤrkung war zwar etwas befremdend, jedoch nicht unangenchm, es moͤchte auch wohl dieſe Fortſchrettung des i Accordes die natuͤrlichſte ſeyn. Es muͤßte ſich auch mei - nes Erachtens das i mit voͤlliger Genanigbeit auf eine vortheilhaſte Art gebrauchen laſſen, wenn man z. B. in einem Violoncell-Concerte oder Solo aus D dur eine Fermate auf a haͤtte, und dieſe auf der a Saite mit dem 4ten, 5ten, 6ten und 7ten Flageolettone, alſo mit ā̄, cis̅̅̅, ē̄̄ und dem i, welches etwas niedriger als ḡ̄̄ iſt, endigte, und ſodann wieder das Thema in D dur in den gewoͤhnlichen tiefern Toͤnen eintreten ließe, es muͤßte dieſes i beſſer klingen, als die kleine Seprime g. Eben ſo koͤnnte es in einer Violoncell-Compoſition aus G dur auf der d Saite geſchehen. Was man aber auch fuͤr einen Gebrauch von dieſem i moͤge in gewiſſen einzelnen Faͤllen machen koͤnnen, ſo wird es doch nicht tauglich ſeyn, in unſer Muſikſyſtem allgemein aufgenommen zu werden, weil die dadurch entſtehende mehrere Verwickelung, und Zerruͤttung des Ganzen durch keine hinlaͤnglichen Vortheile moͤchte erſetzt werden. Es wird auch wohl in allen Faͤllen mehr fuͤr eine Diſſonanz, als fuͤr eine Conſonanz zu halten ſeyn, und die kleine Terz $$\frac{6}{5}$$ wird wohl als der geringſte Abſtand eines Tones von dem andern muͤſſen angeſehen werden, welchen das Gehoͤr noch als Comonanz empfinden kann.

27.

Da verſchiedene Jnſtrumente, z. B. Trompeten, Hoͤrner, wie auch die ſegenannte Meertrompete, (ein Saiteninſtrument, wovon im 2ten Abſchnitte des folgenden Theiles eini - ges wird geſagt werden) nur diejenigen Toͤne geben, welche in der natuͤrlichen Zahlenreihe30 enthalten ſind, ſo ſieht maa ſich bisweilen genoͤthigt, anſtatt der reinen Toͤne, ſolche die ihnen einigermaßen nahe kommen, zu gebrauchen. Die Toͤne ſolcher Jnſtrumente, wenn man ſie wie gewoͤhnlich, auf den Grundton C reducirt, ſind nebſt ihren Zahlenverhaͤltniſſen folgende: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, (C), (c), g, , , , ( ), c̅̅, d̅̅, e̅̅, f̅̅ +, g̅̅, a̅̅ , (b̅̅), h̅̅, c̅̅̅, u. ſ. w.

Die hier durch Einſchließung in () bezeichneten Toͤne, wie auch ſolche, die hoͤher ſind, als der 16te, pflegt man nicht zum Gebrauche anzuwenden. Durch + zeige ich an, daß ein Ton hoͤher iſt, und durch , daß er tiefer iſt, als der Ton eigentlich ſeyn ſollte. Hier wird anſtatt der Quarte $$\frac{4}{3}$$ , oder dem reinen f̅̅ der Ton $$\frac{11}{8}$$ gebraucht, welcher um $$\frac{33}{34}$$ zu hoch iſt; wenn er durch mehrere Staͤrke des Blaſens ein wenig erhoͤht wird, gebraucht man ihn auch allenfalls als fis̅̅. Der 13te Ton, welcher, aus Mangel eines beſſern, als a̅̅ gebraucht wird, oder $$\frac{13}{8}$$ , iſt gegen das eigentliche a̅̅ oder die große Sexte $$\frac{5}{3}$$ um das Jntervall $$\frac{40}{39}$$ zu tief. Den 7ten Ton und den 14ten als deſſen Octave, von welchen im vorigen §. geredet worden, gebraucht man nicht. Dieſe in der natuͤrlichen Zahlenfolge enthaltenen Toͤne werden auch oͤfters bey Volksgeſaͤngen gebraucht, indem es den meiſten Naturmenſchen wohl am leichteſten ſeyn mag, dieſe Toͤne zu faſſen und hervorzubringen. Ein Beyſpiel vom Ge - brauche des 11ten Tones in einem ſchwaͤbiſchen Volksgeſange findet ſich in der allgem. muſikal. Zeitang 1820. Febr. S. 391. in der Nore. Jch erinnere mich auch bey einem 2ſtimmigen Volksgeſange in Schwaben den 11ten und 13ten Ton ſehr deutlich gehoͤrt zu haben.

Wollte man dieſe natuͤrliche Zahlenreihe weiter und allenfalls bis ins Unendliche fort - ſetzen, ſo wuͤrde man doch gewiſſe Tonverhaͤltniſſe von dem Grundtone an gerechnet, nie ganz rein erhalten koͤnnen, z. B. nie eine kleine Terz $$\frac{6}{5}$$ oder eine Quarte $$\frac{4}{3}$$ , weil keine ganze Zahl exiſtirt, zu welcher ſich irgend eine Potenz von 2 wie 3 zu 4, oder wie 5 zu 6 verhalten koͤnnte. Jndeſſen kommt das Jntervall $$\frac{19}{16}$$ der kleinen Terz $$\frac{6}{3}$$ aͤußerſt nahe, indem es nur um das Comma $$\frac{96}{95}$$ zu klein iſt, es wuͤrde alſo das Gehoͤr den Accord 16: 19: 24, oder 1: $$\frac{19}{16}$$ : $$\frac{3}{2}$$ fuͤr einen ziemlich richtigen kleinen Dreyklang halten, der wenigſtens weit beſſer waͤre, als der kleine Dreyklang von d in der gewoͤhnlichen diatoniſchen Tonleiter §. 17, wo die kleine Terz d: f $$\frac{32}{27}$$ um $$\frac{81}{80}$$ , und die Quinte $$\frac{40}{27}$$ um eben ſo viel zu niedrig iſt.

Vielleicht liegt der Grund, warum man oͤfters den Dur - und Moll-Dreyklang mit einander ohne Beleidigung des Gehoͤrs verwechſeln kann, mit darinnen, daß dem Gehoͤre eine Abwechſelung von 16: 19: 24, und 16: 20: 24 nicht zuwider iſt. So moͤchten wohl31 noch ſonſt manche durch ſehr zuſammengeſetzte Zahlen auszudruͤckende Fortſchreitungen deswe - gen weniger, als man vermuthen ſollte, dem Ohre unangenehm ſeyn, weil dieſes, ſo wie in der Anmerkung zu dem vorigen §. an dem Verhaͤltniſſe $$\frac{21}{16}$$ gezeigt worden, anſtatt der wuͤrk - lichen Verhaͤltniſſe einſachere Fortſchreitungen in der natuͤrlichen Zahlenfolge zu hoͤren ſich einbildet.

Um einige von dieſen Jntervallen mit den im 25ſten §. angegebenen beſſer vergleichen zu koͤnnen, fuͤge ich ſie in Decimalzahlen bey, ſowohl die Schwingungszahlen, als auch die Saitenlaͤngen auf dem Monochorde.

Verhaͤltniſſe der Schwingungen:Verhaͤltniſſe der Saitenlaͤngen:
$$\frac{7}{4}$$ 1,75 $$\frac{4}{7}$$ 0,5714 $$\frac{2}{7}$$
$$\frac{11}{8}$$ 1,375 $$\frac{8}{12}$$ 0,7272 $$\frac{8}{11}$$
$$\frac{13}{8}$$ 1,625 $$\frac{8}{13}$$ 0,6153 $$\frac{11}{13}$$
$$\frac{17}{16}$$ 1,0625 $$\frac{16}{17}$$ 0,9411 $$\frac{13}{17}$$
$$\frac{19}{16}$$ 1,1875 $$\frac{16}{19}$$ 0,8157 $$\frac{17}{29}$$
$$\frac{21}{16}$$ 1,3125 $$\frac{16}{21}$$ 0,7619 $$\frac{7}{21}$$

Anm. Die Bemerkungen uͤber die Zahl 19 u. ſ. w. habe ich von meinem Freunde Faſch entlehnt.

28.

Da verſchiedene, beſonders aͤltere Schriftſteller die Jntervalle aus Theilungen der Octave herleiten, ſo wird es noͤthig ſeyn, hiervon noch einiges zu erwaͤhnen. Es beſteht die Theilung eines Verhaͤltniſſes darin, daß man zwiſchen zwey Zahlen eine oder mehrere Mittelproportionalzahlen findet, und alſo aus einem groͤßern Verhaͤltniſſe zwey oder mehrere kleinere hervorbringt. Die Theilung eines Tonverhaͤltniſſes kann ſeyn arithmetiſch, oder harmatiſch, oder geometriſch.

Durch die arithmetiſche Theilung erhaͤlt man Verhaͤltniſſe, bey denen die Differenzen der Glieder einander gleich ſind. Soll ein Verhaͤltniß in zwey andere getheile werden, ſo ſetzt man die Haͤlſte der Summe beyder Zahlen zwiſchen dieſe. Wenn z. B. die Octave 1: 2 arithmetiſch getheilt werden ſoll, ſo iſt 1 + 2 = 3; die Haͤlſte davon iſt ; man erhaͤlt alſo 1, , 2, oder in ganzen Zahlen 2, 3, 4, alſo die Quinte 2: 3, und die Quarte 3: 4. Eben ſo erhaͤlt man durch Theilung der Quinte 2: 3 die große Terz 4: 5 und32 die kleine Terz 5: 6; die große Terz 4: 5 theilt ſich in den großen ganzen Ton 8: 9 und den kleinen ganzen Ton 9: 10; die große Sexte 3: 5 theilt ſich in die Quarte 3: 4 und die große Terz 4: 5.

Durch die ſogenannte harmoniſche Theilung erhaͤlt man Verhaͤltniſſe, bey welchen ſich die Differenz des erſten und zweyten Gliedes zur Differenz des zweyten und drit - ten Gliedes verhaͤlt, wie das erſte Glied zum dritten. Wenn naͤhmlich m die eine, n die andere gegebene Zahl, und x die zu ſuchende Mittelproportionale bedeutet, ſo iſt (x m): (n x) = m: n, es wird alſo ſeyn $$x = \frac {2mn}{m} + n$$ , d. i. man verdoppelt das Product der beyden Zahlen und dividirt es durch deren Summe. Wenn alſo das Verhaͤltniß 1: 2 ſoll harmoniſch getheilt werden, ſo iſt (1 × 2) × 2 = 4, und 2 + 1 = 3, die geſuchten Zah - len werden alſo ſeyn 1, $$\frac{4}{3}$$ , 2, oder in ganzen Zahlen ausgedruͤckt 3, 4, 6, man erhaͤlt alſo durch dieſe Theilung der Octave erſt die Quarte 3: 4, ſodann die Quinte 2: 3. Auf aͤhnliche Art theilt ſich die Quinte 2: 3 in die kleine Terz 5: 6 und die große Terz 5: 6; die große Terz 5: 6 in den kleinen ganzen Ton 9: 10 und den großen ganzen Ton 8: 9; die große Serte 3: 5 in die große Terz 4: 5 und die Quarte 3: 4. Wollte man aber nicht zwiſchen zwey Zahlen die harmoniſche Mittelproportionale, ſondern aus zwey gegebenen neben einan - der befindlichen Zahlen einer harmoniſchen Reihe die folgende Zahl derſelben finden, ſo wird dieſe ſeyn = $$\frac {mn}{2m-n}$$ .

Man erhaͤlt, wie ſo eben iſt gezeigt worden, durch arithmetiſche und harmoniſche Theilung einerley Tonverhaͤltniſſe, nur mit dem Unterſchiede, daß man bey der arithmetiſchen Theilung erſt das groͤßere, und ſodann das kleinere Glied, bey der harmoniſchen aber erſt das kleinere und ſodann das groͤßere Glied erhaͤlt. Wenn man aber, wie von den meiſten Schrift - ſtellern geſchehen iſt, nicht die Zahlenverhaͤltniſſe der Schwingungen, ſondern die Verhaͤlt - niſſe der Saitenlaͤngen theilt, ſo wird, wie ſchon Anfangs bemerkt worden, jedes hier ge - brauchte Verhaͤltniß in umgekehrter Ordnung der Zahlen genommen, mithin wird man ſodann durch arithmetiſche Theilung erſt das kleinere und ſodann das groͤßere Glied, durch harmoniſche Theilung aber erſt das groͤßere und ſodann das kleinere Glied erhalten.

Außer den hier erwaͤhnten Verhaͤltniſſen pflegt man keine andern arithmetiſch oder harmoniſch zu theilen, und findet ſodann die uͤbrigen Jntervalle dadurch, daß man jedem gefundenen Tone wieder dergleichen Jntervalle giebt, d. i. durch harmoniſche Addition,33 die eine eigentliche Multiplication der Tonverhaͤltniſſe iſt, oder auch durch harmoniſche Sub - traction der Jntervalle, welche in einer Diviſion eines Verhaͤltniſſes durch das andere beſteht. Man finder alſo bey dieſer Art der Darſtellung eben daſſelbe, was bisher hier auf etwas andere Art iſt vorgetragen worden.

Will man die arithmetiſche Theilung weiter fortſetzen, ſo findet man nach und nach die §. 27. erwaͤhnte natuͤrliche Reihe der Schwingungszahlen 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, und ſo fort; aber durch weitere Fortſetzung der harmoniſchen Theilung wuͤrde man die Reihe der dieſen Toͤnen zukommenden Saitenlaͤngen 1, ½, , ¼, , , u. ſ. w. erhalten.

Die geometriſche Theilung, durch welche man Verhaͤltniſſe erhaͤlt, deren Quotienten gleich ſind, laͤßt ſich zwar nicht zu Findung der Jntervalle anwenden, deſto brauchbarer iſt ſie aber, wie im folgenden Abſchnitte wird gezeigt werden, zu gewiſſen noth - wendigen Abaͤnderungen derſelben.

  • 1. Anm. Marpurg hat in ſeiner ſehr lehrreichen Schrift: Verſuch uͤber die muſikaliſche Tem - peratur (Breßlan 1776. 8. ) im 11ten §. ein Verſehen begangen, indem er die harmeniſche Thei - lung der großen Serte $$\frac{5}{3}$$ nicht erwaͤhnt, dagegen aber geſagt hat, daß die kleine Sexte ſich in die Quarte und kleine Terz theilen laſſe, da man doch durch eine ſolche Theilung ganz andere Verhaͤltniſſe, naͤhmlich $$\frac{13}{10}$$ und $$\frac{15}{13}$$ erhalten wuͤrde.
  • 2. Anm. Leibnitz erwaͤhnt in epist. ad diversus tom. I. ep. 154. eine Theilung der Saite des Monochords in extrema et media ratione, er will naͤhmlich, daß die Saite ſo in 2 Theile ge - theilt werde, daß die ganze Saite ſich zu dem groͤßern Theile, wie dieſer zum kleinern Theile ver - halte. Bemerkungen daruͤber von Hrn. Senator Schuͤbler in Heilbronn finden ſich in Boßlers muſikaliſchen Correſpondenz der deutſchen filarmoniſchen Geſellſchaft 1791. Nr. 23 und 24. Es iſt dieſe Theilung eben daſſelbe, was von einigen aͤltern Mathematikern, die beſondere Eigenſchaften da[r]in finden wollten, sectio aurea, oder sectio divina genennt worden iſt. Da ich hier die Ton - verhaͤltniſſe nicht aus den Saitenlaͤngen, ſondern aus den Schwingungszahlen herleite, ſo muͤßte hier die Aufgabe ſo ausgedruͤckt werden: zu einer gegebenen Zahl zwey ſtetige geometriſche Propor - tionalzahlen zu finden, deren Summe der gegebenen Zahl gleich iſt. Wenn die gegebene Zahl 1 iſt, ſo wird die zweyte Zahl ſeyn = $$\frac {\sqrt{5} - 1}{2}$$ und die dritte Zahl = $$\frac{3 - \sqrt{5}}{2}$$ , die geſuchten Zahlen werden alſo ſeyn 1: 0,618033988 ..: 0,381966011 .. Das Verhaͤltniß der dritten Zahl zur 2ten, und dieſer zur erſten faͤllt zwiſchen die kleine und große Sexte, und das Verhaͤltniß der dritten zur erſten faͤllt zwiſchen die große Terz und Quarte. Zu Erhaltung brauchbarer Jntervalle ſcheint dieſe Rechnungsart nicht anwendbar zu ſeyn.
E34

29.

Bisher war von den Verhaͤltniſſen der Toͤne unter ſich die Rede, was aber deren abſolute Zahlen der Schwingungen betrift, ſo werden ſie ſich zwar nicht mit Genauigkeit allgemein angeben laſſen, weil man an einem Orte die Toͤne hoͤher oder tiefer als an andern, zu ſtimmen pflegt; jedoch wird man ungefaͤhr folgende Zahlen als mittlere annehmen koͤnnen:

  • das 32 fuͤßige C, welches der tiefſte Ton iſt, von dem man Gebrauch zu machen pflegt, macht in einer Secunde ungefaͤhr 32 Schwingungen,
  • das 16 fuͤßige oder Contra C ungefaͤhr 64 Schwingungen,
  • das 8 fuͤßige oder große C, welches das tiefſte c auf dem Klaviere iſt, 128 Schwingungen,
  • das 4 fuͤßige oder ungeſtrichene c 256,
  • das 2 fuͤßige oder eingeſtrichene 512,
  • das 1 fuͤßige oder 2 geſtrichene c̅̅ 1024,
  • das ½ fuͤßige oder 3 geſtrichene c. ̅̅̅ welches das hoͤchſte auf dem Klaviere iſt, 2048,
  • das ¼ fuͤßige oder 4 geſtrichene c̅̅̅̅ 4096,
  • das fuͤßige oder 5 geſtrichene c̅̅̅̅̅ 8192,
  • das $$\frac{1}{16}$$ fuͤßige oder 6 geſtrichene c̅̅̅̅̅̅, welches kaum noch wird koͤnnen deutlich her - vorgebracht und unterſchieden werden, 16384 Schwingungen in einer Secunde.

Die Benennung von der Zahl der Fuͤße hat ihre Beziehung auf die Laͤnge der groͤßten zu dieſen Toͤnen gehoͤrigen offenen Pfeifen in einer Orgel. Die hoͤchſten Octaven werden nur bey wenigen Regiſtern der Orgel gebraucht. Den Toͤnen in jeder Octave giebt man ihre Be - nennung von dem tiefern c in derſelben, ſo wird z. B. die Octave zwiſchen dem 8 fuͤßigen und 4 fuͤßigen c die 8 fuͤßige Octave oder auch die große Octave, die zwiſchen dem 4 fuͤßi - gen und 2 fuͤßigen c die 4 fuͤßige oder ungeſtrichene Octave u. ſ. w. genennt, und jeder Ton in derſelben Octave erhaͤlt eine aͤhnliche Benennung.

  • Anm. L. Euler giebt in tentam. nov. theor. Music. cap. I. fuͤr das 8 fuͤßige C 118 Schwingun - gen an, und in einem Aufſatze de motu aëris in tubis §. 62. in Nov. Comment. Acad. Petrop. tom. XVI 125 Schwingungen, mit welcher letztern Angabe eine an Saiten angeſtellte Beobachtung von Marpurg uͤbereinſtimmt, die er in der Vorrede zu ſeinem Verſuche uͤber die Temperatur erwaͤhnt. Die Urſache von dieſer Verſchiedenheit der Angaben liege darinnen, weil man chemals die Jnſtrumente nicht ſo hoch zu ſtimmen pflegte, als jetzt. Der Kapellmeiſter Sarti in Pe - terſburg hat der dortigen Academie der Wiſſenſchaften 1796 einige Verſuche vorgezeigt, woraus35 erhellet, daß das 1 geſtrichene , wonach dort die dritte Saite der Violine geſtimmt wird, (nach ſeiner Art ſich auszudruͤcken) 436 Schwingungen in einer Secunde macht, es ſind hierunter aber doppelte Schwingungen zu verſtehen, die aus einem Hingange und Ruͤckgange zuſammengeſetzt ſind (ſo wie ſolche auch von Newton und Sauveur eine Schwingung genennt werden); wenn man aber, ſo wie es gewoͤhnlicher iſt, und hier auch geſchieht, jeden einzelnen Schlag eine Schwingung nennt, ſo macht dieſes 1 geſtrichene a in einer Secunde 872 einfache Schwingungen, und mithin das zweygeſtrichene c̅̅, deſſen Schwingungen ſich gegen die des a wie $$\frac{6}{5}$$ verhalten, ungefaͤhr 1046 Schwingungen in einer Secunde, es iſt alſo dort eine ſehr hohe Stimmung gewoͤhnlich. Jch habe die vorher angegebenen Zahlen ſowohl deswegen angenommen, weil ſie zwiſchen den hoͤchſten und niedrigſten Angaben ungefaͤhr in der Mitte ſtehen, als auch, weil die hier angege - benen Zahlen Potenten von 2 ſind, und es alſo weniger weitlaͤuftig iſt, bey jedem relativen Ton - verhaͤltniſſe ſich auch daſ abſolute bey einer jeden gegebenen Tonhoͤhe ſogleich mit vorzuſtellen. Jn Sulzers Theorte der ſchoͤnen Kuͤnſte wird mit Unrecht behauptet, daß der Ton, wel - cher 392 Schwingungen mache, das 8 faͤßige a ſey; er kommt vielmehr bey einer etwas niedrigen Stimmung ungefaͤhr mit dem 4 fuͤßigen oder ungeſtrichenen a uͤberein. Die Richtigkeit der Anga - ben erhellt aus vielen Berechnungen und Beobachtungen von Euler, Marpurg und andern mehr.
  • Jch ſchlage hier ein ſehr leichtes und einfaches Mittel vor, die abſolute Zahl der Schwingungen bey einem jeden Tone ſogleich durch den Augenſchein zu beſtimmen, welches ſo viel ich weiß, noch von Niemanden iſt angegeben oder gebraucht worden. Es beſteht darin, daß man einem klingenden Koͤrper, der uͤberall eine gleiche Dicke und Conſiſtenz hat, eine ſolche Laͤnge giebt, daß man die Schwingungen (welche aber ſodann noch nicht hoͤrbar ſind) bequem zaͤhlen und mit den Schwingungen eines Se - cunden-Pendels vergleichen kann, und ihn nachher ſo weit abkuͤrzt, daß er mit dem zu unter - ſuchenden Toue im Einklange iſt, hierauf aber die Lange, bey welcher er dieſen Ton giebt, mit der Laͤnge, bey welcher man eine gewiſſe Zahl von Schwingungen in einer Secunde abgezaͤhlt hatte, vergleicht. Anfangs vermuthete ich, daß eine Saite ſich moͤchte dazu gebrauchen laſſen, wenn man ihr eine ſolche Laͤnge gaͤbe, daß ſie bey einer gewiſſen Spannung, welche zu mehrerer Ge - nauigkeit durch ein Gewicht geſchehn muͤßte, etwa 1, 2, oder 4 Schwingungen in einer Secunde machte, welche ſich wuͤrden mit Huͤlfe einer Secundenuhr abzaͤhlen laſſen; wenn man hierauf ſie durch einen untergeſetzten Steg ſoweit abkuͤrzte, als noͤthig iſt, um den verlangten Ton zu erhalten, wo denn ſogleich aus dem Verhaͤltniſſe der Laͤnge des klingenden Theiles zu der ganzen Saitenlaͤnge die Zahl der Schwingungen, welche im umgekehrten Verhaͤltniſſe der Saitenlaͤngen iſt, ſich erge - ben wuͤrde; bey einigen Verſuchen, die ich deshalb anſtellen wollte, fand ich aber, daß wegen mancher kreißfoͤrmigen Bewegungen, die ſich unter die ſchwingenden Bewegungen der Saite men - gen, wie auch wegen der mancherley Schwingungen der aliquoten Theile die Hauptſchwingung der ganzen Saite ſich nicht mit der erforderlichen Genauigkeit beobachten ließ, weshalb ich alſo nachher eine andere Art von klingendem Koͤrper mit beſſern Erfolge anwendete. Es ſchickt ſich naͤhmlich ein ſchmaler und nicht allzu dicker, aber hinlaͤnglich langer Stab oder Streif von Eiſen oder Meſſing oder einem andern hinlaͤnglich elaſtiſchen Metalle am beſten dazu. Er muß ſo viel, als moͤglich, uͤberall von gleicher Dicke ſeyn, daher es gut ſeyn wuͤrde, ihn vorher durch ein Str[e]ckwerk gehen zu laſſen. Die Streifen oder parallelepipediſchen Stabe, deren ich mich hierzu bedient habe, ſind etwa 2 Ellen lang, einen halben Zoll breit, und beynahe eine Linie dick. DieE 236Urſache, warum ein ſolcher Stab mehrere Breite als Dicke haben muß, iſt, weil dadurch manche außerdem mit eintretende Seitenbewegungen oder Kreißbewegungen, welche die Beobachtungen erſchweren wuͤrden, vermieden werden. Einen ſolchen Stab oder Streifen ſpannt man in einen ganz unbeweglichen Schraubenſtock ſo weit ein, daß das hervorragende Ende lang genug bleibt, um ſo langſame Schwingungen zu machen, daß man ſie nicht hoͤren, deſto beſſer aber mit Huͤlfe einer Secundenuhr, deren Schlaͤge man hoͤrt, abzaͤhlen kann. Die Laͤnge des Stabes, welche erfordert wird, um die beobachtete Zahl der Schwingungen zu geben, bemerkt man durch einen Strich. Wenn man nun wiſſen will, wie viele Schwingungen ein gegebener Ton in einer Se - cunde macht, ſo ſpannt man den Stab ſo weit in den Schraubenſtock ein, daß das hervorragende Ende kurz genug iſt, um eben denſelben Ton zu geben, worauf man die Zahl der Schwingungen, welche der gegebene Ton in einer Secunde macht, durch Vergleichung der Groͤße des kuͤrzern Theiles, welcher dieſen Ton gab, mit der Groͤße des laͤngern Theiles, deſſen Schwingungen man abgezaͤhlt hat, ſehr leicht finden kann. Nur iſt hierbey zu bemerken, daß bey einem Stabe die Toͤne, (wenn blos die Laͤnge ſich veraͤndert) ſich nicht etwa umgekehrt wie die Laͤngen, ſondern wie die umgekehrten Quadrate der Laͤngen verhalten. Man kann ſich die Sache noch mehr erleichtern, und einen ſolchen Stab als Maasſtab der Schwingungszahlen aller Toͤne gebrauchen, wenn man ihn in Voraus gehoͤrig hierzu abtheilt. Wollte man ſich eines ſo langen und duͤnnen Stabes bedienen, daß das aus dem Schraubenſtocke hervorragende Stuͤck eine Schwingung in einer Secunde macht (naͤhmlich ſo, daß ſeine einzelnen Schlaͤge mit den Schlaͤ - gen eines Secunden-Pendels gleichzeitig ſind), ſo wuͤrde der Stab, wenn man nur die Haͤlfte des vorigen Stuͤckes herverragen laͤßt, vier Schwingungen in einer Secunde machen. Es wuͤrde aber ganz unnuͤtz und unbequem ſeyn, ſich eines ſo langen Stabes zu bedienen, ich rathe alſo, dem Stabe nur eine ſolche Laͤnge zu geben, daß er, wenn man ihn nahe am Ende ein - ſpannt, in einer Secunde 4 Schwingungen macht, welche ſich ſehr bequem und mit aller Ge - nanigkeit abzaͤhlen laſſen. Verkuͤrzt man dieſen ſchwingenden Theil um die Haͤlfte durch ein neues Einſpannen, ſo wird dieſer halb ſo lange Theil des Stabes in einer Secunde 16 Schwin - gungen machen, die man aber weder wird zaͤhlen, noch hoͤren koͤnnen, weil ſie zu ſchnell ſind, um gezaͤhlt, und zu langſam, um gehoͤrt zu werden. Spannt man nun von neuen den Stab ſo ein, daß von dem Theile, welcher vorher 16 Schwingungen machte, nur die Haͤlfte hervorragt, ſo wird dieſe Haͤlfte, (oder dieſer vierte Theil der erſtern Laͤnge, wo 4 Schwingungen geſchahen) nunmehr 64 Schwingungen in einer Secunde machen, und man wird ſchon anfangen einen ſehr tiefen Ton zu hoͤren, welcher mit dem Contra C uͤbereinkommt. Die Haͤlfte dieſer Laͤnge (oder der 8te Theil der erſtern, welche 4 Schwingungen machte), wird 256mahl in einer Secunde ſchwingen, und man wird das ungeſtrichene c hoͤren. Eben ſo wird man bey jeder weitern Ver - kuͤrzung des Stabes um die Haͤlfte einen Ton erhalten, der um 2 Octaven hoͤher iſt, man wird auch die Zahl der Schwingungen aller dazwiſchen liegenden Toͤne ſehr leicht finden koͤnnen, wenn man immer darauf Ruͤckſicht nimmt, daß die Toͤne ſich umgekehrt wie die Quadrate der Laͤngen verhalten, und alſo der Stab nach[den]Quadratwurzeln der Tonverhaͤltniſſe abgetheilt werden muß. Einen ſo abgetheilten Stab koͤnnte man fuͤglich Tonmeſſer oder Tonometer nennen.
  • Außerdem giebt es auch noch eine andere Art, vermittelſt eines ſolchen Stabes die Schwin - gungszahlen der Toͤne zu beſtimmen. Ein ſolcher Stab, der an dem einem Ende befeſtigt iſt,37[kan]n außer der biſher erwaͤhnten Bewegungsart, wo er ganz hin und herſchwingt, auch andere Schwingungsarten annehhmen, bey denen er ſich in mehrere ſchwingende Theile eintheilt, welche durch ruhig bleibende Stellen von einander abgeſondert ſind, er giebt dabey auch verſchiedene Toͤne, die mit folgenden Zahlen uͤbereinkommen: 4, 25, 69 $$\frac{4}{9}$$ , 136⅑, 225 u. ſ. w. wie im 5ten Abſchwitte des folgenden Theils wird weiter gezeigt werden, welchen ich denen, die Verſuche dieſer Art anſtellen wollen, erſt zu leſen anrathe. Wenn man nun den Stab ſo in den Schrau - benſtock geſpannt hat, daß man, wenn er ganz ſchwingt, 4 Schwingungen in einer Secunde zaͤhlt, ſo wird[der]2te Ton noch nicht hoͤrbar ſeyn, der dritte aber wird etwas tiefer als Contra D, der 4te wird ungefaͤhr Cis, der 5te B ſeyn, u. ſ. w. welche Toͤne man bey dem gehoͤrigen Ver - fahren durch Streichen mit dem Violinbogen leicht wird erhalten koͤnnen. Eben ſo, wenn man die Laͤnge des Stabes um die Haͤlfte verkuͤrzt, daß er bey ſeiner einfachſten Bewegungsart 16 Schwingungen in einer Secunde macht, ſo wird er bey der 2ten Bewegungsart, bey wel - cher ungefaͤhr in der Entfernung des dritten Theils von dem freyen Ende eine feſte Stelle iſt, 100 Schwingungen machen, wober man ungefaͤhr Contra Gis hoͤren wird u. ſ. w. So werden, auf welche Art man auch durch Abzaͤhlen die Schwingungszahlen der Toͤne mag zu beſtimmen ſuchen, die Reſultate immer bey gehoͤrigem Verfahren mit den oben angegebenen Zahlen uͤberein - kommen.
  • 2. Anm. Sauveur hat in der Hist. de l’Acad. de Paris 1700. die Jdee vorgetragen, daß man einen firen Ton annehmen moͤchte, damit ein Tonſtuͤck an jedem Orte, und zu jeder Zeit in einerley Tonhoͤhe koͤnne ausgefuͤhrt werden. Er ſchlaͤgt dazu den Ton vor, welcher 100 Schwin - gungen (alſo weil er Doppelſchwingunen meynt, 200 einfache Schwingungen) in einer Secunde macht, und von einer 5 Pariſer Fuß langen Orgelpfeife ſoll gegeben werden; er wuͤrde nach aͤltern Angaben mit dem A, bey gegenwaͤrtiger hoͤheren Stimmung aber ungefaͤhr mit dem Gis uͤberein - treffen. Es moͤchten aber wohl weder Pfeifen noch Saiten dazu tanglich ſeyn, weil beyde zu vielen Veraͤnderungen unterworfen ſind; jeder fuͤr ſich elaſtiſche Koͤrper moͤchte ſich hierzu beſſer ſchicken, wie denn die gewoͤhnlichen Stimmgabeln einigermaßen ſchon dieſe Abſicht erfuͤllen. Das untruͤglichſte Mittel, einen ſolchen feſten Ton zu erhalten, wuͤrde unſtreitig ein ſolcher Stab ſeyn, wie vorher beſchrieben worden. Die kleinen Ausdehnungen und Zaſammenziehungen durch Waͤrme und Kaͤlte ſind viel zu unbetraͤchtlich, als daß man bey einem ſolchen Stabe eine Veraͤnderung des Tones bemerken wuͤrde, und wenn man ja die aͤußerſte Genauigkeit verlangt, ſo duͤrfte nur der Grad des Thermometers zugleich mit beſtimmt werden.
38

Zweyter Abſchnitt. Von nothwendigen Abaͤnderungen der Tonverhaͤltniſſe, oder von der Temperatut.

30.

Ohngeachtet man die Jntervalle, um ihre Entſtehung zu erklaͤren, in denen Verhaͤltniſſen, welche im vorigen Abſchnitte angegeben worden, annimmt, und annehmen muß, ſo iſt es doch unmoͤglich, ſie immer in ihrer arithmetiſchen Reinigkeit auszuuͤben, indem die Verhaͤlt - niſſe der Zahlen meiſtens ſo beſchaffen ſind, daß, wenn man gewiſſe Jntervalle ganz rein aus - uͤben will, andere dadurch deſto unreiner werden. Wollte man auch auf Klavieren und an - dern mit feſten Toͤnen verſehenen Jnſtrumenten anſtatt der in jeder Octave befindlichen 12 Toͤne 21 annehmen; wollte man auch ſowohl im Geſange, als auch auf Jnſtrumenten, wo die Hoͤhe und Tiefe der Toͤne durch Greifen beſtimmt wird, wie z. B. auf Geigeninſtrumenten, jedes einzelne Tonverhaͤltniß vollkommen rein ausfuͤhren, ſo daß man die kleinſten enharmoniſchen Verſchiedenheiten, z. B. cis und des, dis und es u. ſ. w. genau beobachtete, ſo wuͤrden doch, wenn jeder Ton gegen den folgenden in dem reinen Verhaͤltniſſe ſtaͤnde, die Toͤne nicht das gehoͤrige Verhaͤltniß gegen den Grundton behalten, und man wuͤrde ſich immer weiter von dem erſten Standpuncte entfernen; wenn man hingegen die Toͤne ſo ausuͤben wollte, daß jeder gegen den Grundton (ſo wie im 25ſten §. alle Toͤne gegen c) das gehoͤrige Verhaͤltniß haͤtte, ſo wuͤrden die Toͤne unter einander nicht in den gehoͤrigen Verhaͤltniſſen ſtehen koͤnnen. Die Berechnung einer aͤußerſt einfachen Folge von 6 Toͤnen g, c, f, d, g, c, deren Verhaͤlt - niſſe unter einander der Vorausſetzung nach 3: 2, 3: 4, 6: 5, 3: 4 und 3: 2 ſeyn ſollen,39 wird dieſes hinlaͤnglich erlaͤutern. Verbindet man dieſe Verhaͤltniſſe gehoͤrig mit einander, ſo erhaͤlt man folgende Reihe von Zahlen: g, c, f, d, g, c. 243: 162: 216: 180: 240: 160. 3 : 2 3: 4 6: 5 3: 4 3: 2

Hier erſcheint alſo g das erſtemahl als 243, das 2temahl als 240, und c das erſte - mahl als 162, das 2temahl als 160; man wuͤrde alſo um das Verhaͤltniß $$\frac{82}{80}$$ tiefer endigen, als man angefangen haͤtte. Wenn nun dieſe Folge von Toͤnen mehreremahl wiederholt wuͤrde, oder irgend ein anderer laͤngerer Geſang in lauter reinen Jntervallen ſollte ausgeuͤbt werden, ſo wuͤrde man ſich immer weiter von der erſten Tonhoͤhe entfernen, und wenn mehrere Stim - men ihren Geſang auf dieſe Art fortſetzten, ſo wuͤrde die eine mehr, die andere weniger in die Hoͤhe oder Tiefe gerathen, und es wuͤrde ſchlechterdings keine ertraͤgliche Zuſammenſtimmung Statt finden koͤnnen. Da nun nicht einmahl eine Folge von 6 in ſo einfachen Verhaͤltniſſen ſtehenden und in einerley diatoniſchen Tonleiter befindlichen Toͤnen ſich vollkommen rein aus - uͤber laͤßt, ſo iſt leicht zu erachten, daß bey einer Folge von weniger einfachen Verhaͤltniſſen dieſes ebenfalls unmoͤglich ſeyn muͤſſe. Außer dem jetzt angefuͤhrten Beyſpiele finden ſich meh - rere, die noch aͤrgere Reſultate geben, in Marpurgs Verſuch uͤber die Temperatur §. 218 und 219. Um nun auch zu zeigen, wie in dem vorigen Beyſpiele ſich die Toͤne gegen einander verhalten wuͤrden, wenn man in der Abſicht den vorigen Uebelſtand zu vermeiden und immer in einer Tonhoͤhe zu bleiben, die Jntervalle ſo ausuͤben wollte, daß jeder Ton gegen den Grundton das richtige Verhaͤltniß haͤtte, ſo werde ich hier die reinen Verhaͤltniſſe dieſer Toͤne gegen den als 1 angenommen Grundton beyfuͤgen: g, c, f, d, g, c. $$\frac{3}{2}$$ : 1: $$\frac{4}{3}$$ : $$\frac{9}{8}$$ (oder $$\frac{10}{9}$$ ): $$\frac{3}{2}$$ : 1.

Auch bey dieſem Verfahren erhaͤlt man eben ſo unrichtige Verhaͤltniſſe. Nimmt man c: d wie 9: 10, ſo betraͤgt die Quarte d: g nicht 3: 4 ſondern 20: 27, ſie iſt alſo um $$\frac{81}{80}$$ zu groß. Nimmt man c: d wie 8: 9 ſo iſt die kleine Unterterz, (ſo wie auch d: f in der gewoͤhnlichen diatoniſchen Tonleiter nach §. 17.) nicht 6: 5 ſondern 32: 27, und alſo um $$\frac{81}{80}$$ zu klein. Wen gegenwaͤrtiges Beyſpiel etwa noch nicht hinlaͤnglich von dem Satze: daß es (wenn man nicht etwa blos auf die zu den Dreyklaͤngen des Grundtons und der Quinte gehori -40 gen Toͤne ſich einſchraͤnken will) unmoͤglich ſey, eine Folge von Toͤnen rein auszuuͤben, uͤber - zeugt hat, der wird durch Berechnung anderer in reinen Jntervallen fortſchreitender Tonfelgen ebenfalls keine andere, als unrichtige Reſultate erhalten koͤnnen.

31.

Da nun, wie jetzt erwieſen worden, die Jntervalle (mit Ausnahme der Octave, welche als bloße Wiederholung eines ſchon vorhandenen Tones ihr Verhaͤltniß 1: 2 behalten muß) nicht ganz rein duͤrfen und koͤnnen ausgeuͤbt werden, ſo muß man jedes Jntervall ſo ſehr der vollkommenen Reinigkeit zu naͤhern ſuchen, als es ohne merklichen Nachtheil der andern moͤglich iſt. So wie nun uͤberhaupt jedes in ſeiner arithmetiſchen Reinigkeit angenommene Jntervall zu Erhaltung eines brauchbaren Tonſyſtems entweder etwas zu groß, oder etwas zu klein iſt, ſo iſt auch der kleine halbe Ton $$\frac{25}{24}$$ zu dieſer Abſicht etwas zu klein, und der große halbe Ton $$\frac{16}{15}$$ etwas zu groß, es iſt alſo zu einem brauchbaren Tonſyſteme erforderlich, die halben Toͤne, ſie moͤgen ihrer Entſtehung nach groß oder klein ſeyn, groͤßer als $$\frac{25}{24}$$ und kleiner als $$\frac{16}{15}$$ zu nehmen, und mithin jedes erhoͤhte Jntervall in gleicher Tongroͤße mit dem benachbarten erniedrigten auszuuͤben. Wenn man alſo cis und des, dis und es u. ſ. f. auf einerley Art ausuͤbt, ſo bleiben folgende 12 wuͤrkliche Toͤne uͤbrig: c, cis, d, dis, e, f, fis, g, gis, a, b, h, c, (des) (es) (fes) (eis) (ges) (as) (ais) (ces) (lus) welche das mit Recht gewoͤhnlich angenommene Tonſyſtem ausmachen.

  • 1. Anm. Manche praktiſche Tonkuͤnſtler auf ſolchen Jnſtrumenten, wo die Toͤne durch Greiſen be - ſtimmt werden, und alſo der kleinſte Unterſchied der Toͤne ſich ausdruͤcken laͤßt, halten es fuͤr eine Unvollkommenheit der Claviere und anderer mit feſten Toͤnen verſehenen Jnſtrumente, daß in jeder Ortave nur 12 Toͤne ſind, und glauben, daß die Abaͤnderung der arithmetiſchen Reinigkeit blos dieſen Jnſtrumenten zu Gefallen geſchehe. Es wird aber wohl das, was in dieſem und dem vorigen §. geſagt iſt, hinlaͤnglich ſeyn, um dieſes zu widerlegen; es finden ſich auch in Kochs Journale der Tonkunſt im 1ſten Auſſatze des erſten Stuͤcks ſehr gute Bemerkungen uͤber die Verwerflichkeit des Commatiſirens oder des Unterſcheidens der erhoͤhten und erniedrigten Jn - tervalle.
  • 2. Anm. Einige Schriftſteller haben die Octave in mehrere Theile eintheilen wollen, Berlin in ſeiner 1767 herausgekommenen Tonometrie, welche ſich auch in den Schriften der Drontheimi - ſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften befindet, theilt ſie in 36 gleiche Theile, Sabbatini in Kirchers Musurgia, tom. I. auf andere Art in 36 Theile, Huygens in 31, andere in 55, Henfling in Miscell. Berolin. tom. X. 150. in 50 Theile, Sauveur in Mém. de l’Acad. de41 Paris 1701. in 43 mérides, jede méride in 7 heptamérides, jede heptaméride in 10 décaméri - des, die Octave hat alſo nach ſeinem Syſteme 3010 gleiche Theile, welche folgende geometriſche Progreſſion ausmachen: 3010 3010 3010 3010 1: 2: 22: 23: 24: ..... 2, durch welche ſich alle Jntervalle und ihre Abaͤnderungen ohne merkliche Abweichung von der Wahr - heit ſollen ausdruͤcken laſſen.

32.

Um die Verhaͤltniſſe der 12 Stufen unſeres Tonſyſtems gehoͤrig zu beſtimmen, ſind keine Jntervalle brauchbarer, als

  • 1) die Quinten und Quarten, ſowohl wegen der Einfachheit ihrer urſpruͤnglichen Verhaͤltniſſe, als auch, weil man durch den Zirkel von 12 Quinten alle 12 Toͤne erhaͤlt, es ſollen naͤmlich die 12 Quinten: c: g, g: d, d: a, a: e, e: h, h: fis, fis: cis, cis: gis, gis: dis oder es, es: b, b: f, f: , oder auch 12 Quarten c: f, f: b, b: es oder dis, dis: gis, gis: cis, cis: fis, fis: h, h: e, e: a, a: d, d: g, g: eine Octave c: geben.
  • 2) die großen Terzen; drey derſelben, c: e, e: gis oder as, as: c ſollen eine Octave c: ausmachen.
  • 3) die kleinen Terzen; 4 derſelben, c: es oder dis, dis: fis, fis: a, a: ſollen eine Octave c: geben.

Folgende Berechnungen werden zeigen, was fuͤr Reſultate man durch harmoniſche Addition der in reinen Verhaͤltniſſen genommenen Quinten, Quarten, großen und kleinen Terzen erhaͤlt.

33.

Die Berechnung der Quinten wird, um die Toͤne alle innerhalb einer Octave zu erhalten, mit ſteigenden Quinten 2: 3 und fallenden Quarten 4: 3 geſche - hen, indem die Hinzuſetzung oder Hinwegnehmung einer Octave die Natur der Verhaͤltniſſe nicht veraͤndert. Aus ebenderſelben Urſache geſchieht die Berechnung der 12 Quarten mit ſteigenden Quarten 3: 4 und fallenden Quinten 3: 2.

F42

Berechnung von 12 Quinten.

  • I. c: g = 2: 3
  • II. g: d = 4: 3
  • c: d = 8: 9
  • III. d: a = 2: 3
  • c: a = 16: 27
  • IV. a: e = 4: 3
  • c: e = 64: 81
  • V. e: h = 2: 3
  • c: h = 128: 243
  • VI. h: fis = 4: 3
  • c: fis = 512: 729
  • VII. fis: cis = 4: 3
  • c: cis = 2048: 2187
  • VIII. cis: gis = 2: 3
  • c: gis = 4096: 6561
  • IX. gis: dis = 4: 3
  • c: (dis) (es) = 16384: 19683
  • X. es: b = 2: 3
  • c: b = 32768: 59049
  • XI. b: f = 4: 3
  • c: f = 131072: 177147
  • XII. f: = 2: 3
  • c: = 262144: 531441

Berechnung von 12 Quarten.

  • I. c: f = 3: 4
  • II. f: b = 3: 4
  • c: b = 9: 16
  • III. b: es = 3: 2
  • c: es = 27: 32
  • IV. (es) (dis): gis = 3: 4
  • c: gis = 81: 128
  • V. gis: cis = 3: 2
  • c: cis = 243: 256
  • VI. cis: fis = 3: 4
  • c: fis = 729: 1024
  • VII. fis: h = 3: 4
  • c: h = 2187: 4096
  • VIII. h: e = 3: 2
  • c: e = 6561: 8192
  • IX. e: a = 3: 4
  • c: a = 19683: 32768
  • X. a: d = 3: 2
  • c: d = 59049: 65536
  • XI d: g = 3: 4
  • c: g = 177147: 262144
  • XII. g: = 3: 4
  • c: = 531441: 1048576
43

Wenn man die gefundenen Jntervalle, die eigentlich eine Octave ausmachen ſollen, mit der reinen Octave 1: 2 vergleicht, ſo iſt das Product von 12 Quinten 262144: 531441, oder 212: 31 2 um das Jntervall $$\frac{33}{52}$$ . $$\frac{1441}{4268}$$ zu hoch, und das Product von 12 Quarten 531441: 1048576 oder 312: 412 um eben ſo viel zu niedrig. Es wird deshalb auch nicht noͤthig ſeyn, die Quarten ferner beſonders zu betrachten, weil, wenn man einer Quinte etwas wegninnnt, es ganz ebendaſſelbe iſt, als wenn man der durch ihre Umkehrung entſtehenden Quarre etwas zuſetzt. Da nun 12 Quinten um das Comma $$\frac{531441}{524288}$$ hoͤher, als die Octave ſind, ſo kann man fuͤglich annehmen, daß jede Quince in ihrem reinen Verhaͤltniſſe 2: 3 um $$\frac{1}{12}$$ dieſes Comma zu hoch ſey.

34.

Berechnung von drey großen Terzen in ihrem reinen Verhaͤltniſſe 4: 5.

  • I. c: e = 4: 5
  • II. e: gis = 4: 5
  • c: gis = 16: 25
  • III. (gis) (as): = 4: 5
  • c: = 64: 125

Dieſes Product von 3 großen Terzen, welche eigentlich eine Octave ausmachen ſollen, oder 43: 53, iſt in Vergleichung mit der reinen Octave 1: 2 um das Comma $$\frac{128}{125}$$ zu klein, mithin iſt jede ganz reine große Terz um dieſes Comma zu niedrig.

35.

Berechnung von 4 kleinen Terzen in dem reinen Verhaͤltniſſe 5: 6.

  • I. c: es = 5: 6
  • II. (es) (dis): fis = 5: 6
  • c: fis = 25: 36
  • III. fis: a = 5: 6
  • c: a = 125: 216
  • IV. a: = 5: 6
  • c: = 625: 1296
F 244

Dieſes Product von vier kleinen Terzen oder 54: 64 iſt gegen die Octave um das Comma $$\frac{648}{625}$$ zu hoch, jede kleine Terz iſt alſo in dem Verhaͤltniſſe $$\frac{6}{5}$$ um den vierten Theil dieſes Comma zu hoch.

36.

Das Comma $$\frac{531441}{524288}$$ oder in Decimalzahlen 1,0136 .., um welches 12 Quinten ge - gen die Octave zu hoch, und 12 Quarten zu niedrig ſind, wird das pythagoriſche Com - ma, von einigen auch das ditoniſche Comma genennt. Es hat ſeinen Namen von der um $$\frac{81}{80}$$ erhoͤhten großen Terz $$\frac{81}{84}$$ , deren ſich Pythagaras bediente, und welche Ditonus ge - nennt ward, weil ſie durch Zuſammenſetzung von 2 großen ganzen Toͤnen $$\frac{9}{8}$$ entſteht; drey ſolche Terzen uͤberſteigen die Octave um ſoviel, als dieſes Comma betraͤgt.

Ein Zwoͤlftheil des pythagoriſchen Comma $$\frac{32805}{32708}$$ oder in Decimalen 1,0011 ... wird von einigen Schriftſtellern Schiſma genennt.

Eilf Zwoͤlftheile des pythagoriſchen Comma machen das ſyntoniſche Comma $$\frac{81}{80}$$ oder 1,0123 ... aus, welches bey Zuſammenſetzungen reiner Verhaͤltniſſe am gewoͤhnlichſten erſcheint, und hier ſchon einigemahl vorgekommen iſt. Es wird von Kirnberger und einigen Andern in die beyden Commata $$\frac{161}{160}$$ und $$\frac{162}{161}$$ arithmetiſch zerlegt.

Das Comma $$\frac{2048}{2025}$$ oder 1,0113 ..., welches zehn Zwoͤlftheile des pythagoriſchen Comma enthaͤlt, nennt man Diaſchiſma.

Der im 34ſten §. gefundene Unterſchied zwiſchen dem Producte dreyer großen Terzen, und der Octave, welcher $$\frac{128}{125}$$ oder 1,0235 ... betraͤgt, heißt die kleinere Dieſis, ſie ent - haͤlt $$\frac{21}{22}$$ des pythagoriſchen Comma.

Der im 35ſten §. gefundene Unterſchied zwiſchen der Octave und dem Producte von 4 kleinen Terzen, $$\frac{648}{625}$$ oder 1,0368 heißt die groͤßere Dieſis, und enthaͤlt $$\frac{32}{12}$$ des pytha - goriſchen Comma.

37.

Wenn man zu mehrerer Brauchbarkeit der Jntervalle deren arithmetiſche Reinigkeit etwas abaͤndert, ſo nennt man dieſes eine Temperatur. Die Abweichung eines Jnter - valles von der arithmetiſchen Reinigkeit wird eine Schwebung genennt. Wenn dieſe Ab - weichung allzu betraͤchtlich iſt, ſo hoͤrt man dieſes ſeitnere Zuſammentreffen der Schwingungen,45 oder dieſe Schwebung wie einzelne abgebrochene Stoͤße, die eine ſehr widrige Wuͤrkung auf das Gehoͤr thun, aber bey einer guten Temperatur muß ſie beſonders bey conſonirenden Jnter - vallen nie ſo betraͤchtlich ſeyn, daß man ſie auf dieſe Art empfindet. Daß uͤberhaupt eine Temperatur nothwendig ſey, und daß das pythagoriſche Comma unter 12 Quinten, die kleine Dieſts unter 3 große Terzen, und die groͤßere Dieſes unter 4 kleine Terzen vertheilt werden muͤſſe, iſt keinem Zweifel unterworfen; nur uͤber die beſte Art der Vertheilung ſind die Mey - nungen verſchieden. Wenn die nothwendig zu vertheilende Unreinigkeit ganz gleichfoͤrmig ver - theilt wird, ſo nennt man dieſes eine gleichſchwebende Temperatur, wenn aber die Vertheilung ungleichfoͤrmig geſchieht, eine ungleichſchwebende Temperatur.

38.

Es iſt ein unbezweifelter Erfahrungsſatz, daß, wenn man ein Jntervall hoͤrt, wel - ches nur aͤußerſt wenig von einem durch einfachere Zahlen auszudruͤckenden Jntervalle abweicht, man das einfachere zu hoͤren glaubt, und daß dieſe Taͤuſchung deſto vollkommener iſt, je we - niger die Abweichung betraͤgt. Daß eine ſolche Taͤuſchung des Gehoͤres Statt findet, iſt auch ſehr wohlthaͤtig fuͤr uns, weil außerdem ſchtechterdings keine brauchbare Muſik exiſtiren koͤnnte, wie im 30ſten §. gezeigt worden. Ob das Jntervall, welches man wuͤrklich hoͤrt, durch ganze Zahlen, oder nur durch Jrrationalzahlen ausgedruͤckt werden kann, macht keinen Unterſchied in der Wuͤrkung. Da nun die Abſicht einer Temperatur keine andere ſeyn kann, als, die nothwendig zu vertheilende Unreinigkeit ſo unmerklich, als moͤglich, zu machen, da man auch bey dem jetzigen Zuſtande der Tonkunſt von allen Jntervallen und von allen Tonarten muß koͤnnen einen vortheilhaften Gebrauch machen, und kein Grund vorhanden iſt, ein Jntervall oder eine Tonart reiner oder unreiner als die andern auszuuͤben, ſo ſolgt, daß die gleich - ſchwebende Temperatur der Natur am gemaͤßeſten iſt, indem bey derſelben zwar alle Jntervalle, die Octave ausgenemmen, unrein ſind, jedoch wegen der ganz gleichen Verthei - lung der Unreinigkeit die Abweichung eines jeden Jntervalles ſo gering iſt, daß das Gehoͤr nirgends beleidigt wird, und jedes Jntervall eine eben ſo gute Wuͤrkung thut, als ob es ganz rein waͤre.

39.

Jn der gleichſchwebenden Temperatur ſind alle gleichartigen Jntervalle von gleicher Groͤße, und die in der Octave enthaltenen 12 halben Toͤne machen eine geometriſche Progreſſion. 46Jede Quinte ſchwebt um $$\frac{1}{12}$$ des pythagoriſchen Comma abwaͤrts, jede große Terz um der kleinen Dieſis aufwaͤrts, und jede kleine Terz um ¼ der groͤßern Dieſts ab - waͤrts. Kein Jntervall wird zum Nachtheil des andern temperirt, ſondern, wenn ein Jn - tervall als Quinte gehoͤrig temperirt wird, ſo erhaͤlt es ebendadurch auch ſein gehoͤrig tem perirtes Verhaͤltniß als große und kleine Terz.

40.

Bey der Berechnung der gleichſchwebenden Temperatur kommt alles darauf an, daß man die Octave in 12 geometriſch gleiche Theile eintheilt, und alſo zwiſchen 1: 2 oder zwiſchen zwey andern beliebigen Zahlen, deren eine halb ſo groß iſt, als die andere, die gehoͤrigen Mittelproportionalen findet, welches auf verſchiedene Arten geſchehen kann. Eine der einfachſten Arten wird folgende ſeyn:

Um die Octave in 2 geometriſch gleiche Theile zu theilen, multiplicirt man den Grund - ton mit ſeiner Octave und zieht aus dem Producte die Quadratwurzel. Da ich hier fuͤr die Octave c: , 1: 2 annehme, ſo iſt die Quadratwurzel von 2 oder 1,41421 .. die geſuchte Mittelproportionale fuͤr den Ton fis oder ges.

Nun theile man die Octave auch in 3 geometriſch gleiche Theile. Wenn man zwiſchen zwey Zahlen, wovon die eine p. die andere q heißen mag, 2 geometriſche Mittelproportional - zahlen finden will, ſo ſind ſie p: p2q: q2p: q; da nun hier p = 1 und q = 2 iſt, ſo giebt die Cubicwurzel von 2 oder 1,25992 .., den Ton e, und die Cubicwurzel von 4, oder 1,58740 .. den Ton gis.

Aus dieſen Zahlen findet man leicht die uͤbrigen, wenn man zwiſchen zwey gefunde - nen Zahlen wieder die Mittelproportionale ſucht. So giebt

  • die Quadratwurzel des Products aus c und fis den Ton dis = 1,18921 ..
  • fis und a = 1,68179 ..
  • c und e d = 1,12246 ..
  • gis und b = 1,78180 ..
  • c und d cis = 1,05946 ..
  • e und fis f = 1,33484 ..
  • fis und gis g = 1,49831 ..
  • b und c h = 1,88775 ..
47

Man erhaͤlt alſo fuͤr die innerhalb der Octave c: enthaltenen 12 halben Toͤne fol - gende Reihe von Zahlen, denen ich auch die Saitenlaͤngen auf dem Monochorde, welche die Mittelproportionalen zwiſchen der Laͤnge der ganzen Saite und ihrer Haͤlfte, oder zwiſchen 1 und 0,5 ſind, beyfuͤge:

Verhaͤltniſſe der Schwingungen:

  • c = 1,00000
  • cis = 1,05946
  • d = 1,12246
  • dis = 1,18921
  • e = 1,25992
  • f = 1,33484
  • fis = 1,41421
  • g = 1,49831
  • gis = 1,58740
  • a = 1,68179
  • b = 1,78180
  • h = 1,88775
  • = 2,00000

Verhaͤltniſſe der Saitenlaͤngen:

  • c = 1,00000
  • cis = 94387
  • d = 89090
  • dis = 84090
  • e = 79370
  • f = 74915
  • fis = 70710
  • g = 66742
  • gis = 62996
  • a = 59461
  • b = 56123
  • h = 52973
  • c = 50000

Eine andere Art der Berechnung, die im Weſentlichen aber mit der vorigen voͤllig uͤbereinkommt, iſt, wenn man die groͤßere gegebene Zahl mit der kleinern dividirt, aus dem Quotienten, welcher hier 2 iſt, die 12te Wurzel zieht, und mit dieſer die kleinere gegebene Zahl 12mahl hintereinander maltiplicirt. Wenn naͤhmlich c = 1 und = 2 iſt, ſo multiplicirt man, um cis zu erhalten, die Grundzahl 1 mit der 12ten Wurzel von 2 einmahl, um d zu erhalten 2mahl u. ſ. f. Man druͤckt gewoͤhnlich dieſe geometriſche Progreſſion alſo aus: c: cis: d: dis: e: f: fis: g: gis: a: b: h: c 1: 2 $$\frac{1}{12}$$ : 2 $$\frac{2}{12}$$ : 2 $$\frac{3}{12}$$ : 2 $$\frac{4}{12}$$ : 2 $$\frac{5}{12}$$ : 2 $$\frac{6}{12}$$ : 2 $$\frac{7}{12}$$ : 2 $$\frac{8}{12}$$ : 2 $$\frac{9}{12}$$ : 2 $$\frac{10}{12}$$ : 2 $$\frac{11}{12}$$ : 2 oder 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 1: 2: 22: 23: 24: 25: 26: 27: 28: 29: 210: 211: 2.

48

Mit den Zahlen ſelbſt iſt die Rechnung etwas weitlaͤuftig, mit deren Loqarithmen aber kuͤrzer. Um die Kennziffer des Logarithmen groͤßer zu erhalten, ſetze ich hier 10000: 200000 anſtatt 1: 2.

  • I 200000 = 5,3010300
  • I 100000 = 5,0000000
  • 12) 0,3010300 = I 2
  • 0,0250858⅓ = $$1\sqrt [12] {2}$$ , welcher nun 12mahl hintereinander

zu dem Logarithmen der Grundzahl addirt wird.

  • 5,0000000 = 1,00000 = c
  • I. 0,0250858⅓ 5,0250858⅓ = 1,05946 = cis
  • II. 0,0250858⅓ 5,0501716⅔ = 1,12246 = d
  • III. 0,0250858⅓ 5,0752575 = 1,18921 = dis
  • IV. 0,02508[5]8⅓ 5,1003433⅓ = 1,25992 = e
  • V. 0,0250858⅓ 5,125429[1] = 1,33484 = f
  • VI. 0,0250858⅓ 5,1505150 = 1,41421 = fis
  • VII. 0,0250858⅓ 5,1756008⅓ = 1,49831 = g
  • VIII. 0,0250858⅓ 5,2006866⅔ = 1,58740 = gis
  • IX. 0,0250858⅓ 5,2257725 = 1,68179 = a
  • X. 0,0250858⅓ 5,2508583⅓ = 1,78180 = b
  • XI. 0,0250858⅓ 5,2759441⅔ = 1,88775 = h
  • XII. 0,0250858⅓ 5,3010300 = 2,00000 = .
49

Es laͤß[t]ſich auch noch durch manche andere Berechnungsarten, die ich, um unnoͤthige Weitlaͤuftigkeit zu vermeiden, nicht weiter vortrage, z. B. wenn man von den Producten des Quintenzirkels (§. 33.) nach und nach $$\frac{1}{12}$$ , $$\frac{2}{12}$$ , $$\frac{3}{12}$$ ꝛc. des pythagoriſchen Eomma abzieht, ganz ebendaſſelbe finden.

  • 1. Anm. Um die Lehre von der Temperatur und von den Tonverhaͤltniſſen uͤberhaupt hat ſich Marpurg durch ſeinen Verſuch uͤber die muſikaliſche Temperatur (Breßlau 1776 - 8.) vorzuͤglich verdient gemacht. Vorher hat beſonders Neidhard in ſeiner mathematiſchen Abtheilung des Monochords 1732, viel richtiges daruͤber geſagt. Tiberius Cavalls hat auch in ſeinem Aufſatze of those musical instruments, in which the tones, keys and fre[t]s are fixed, in den Philosoph. Transact. Vol. I. XXVIII. for 1788. p. II. die Lehre von der gleichſchwebenden Temperatur vorgetragen. Lambert hat in ſeinen Remarques sur le tempé - rament en musique in den Mém. de l’Acad. de Berlin 1774, welcher Aufſatz auch in Mar - purgs hiſtoriſch-tritiſchen Beytraͤgen zur Aufnahme der Muſik im 6ten Stuͤcke des 5ten Bandes ins Deutſche uͤberſetzt iſt, gezeigt, daß 7 reine Quinten in dem Verhaͤltniſſe $$\frac{3}{2}$$ + eine reine große Terz $$\frac{5}{4}$$ das Verhaͤltniß einer gleichſchwebend temperirten Quinte $$\frac{16384}{10935}$$ geben, indem 7 reine Quinten um eben ſo viel zu hoch ſind, als eine reine große Terz zu tief iſt, wovon Marpurg im 18ten Abſchnitte ſeines Verſuches uͤber die Temperatur practiſchen Gebrauch bey der Stimmung zu machen lehrt, welches ich aber nicht fuͤr rathſam halte, weil man bey der Stim - mung ſo vieler Toͤne als hier noͤthig ſind, nie gewiß ſeyn kann, ob man jeden vollkommen rein geſtimmt habe, indem das Ohr ganz kleine Abweichungen von der wahren Reinigkeit nie bemerkt. Wie die gleichſchwebende Temperatur geometriſch oder wenigſtens mechaniſch conſtruirt, d. i. das Verhaͤltniß der Toͤne durch Linien ausgedruͤckt werden koͤnne, hat Moſes Mendelſohn in Marpurgs hiſtoriſch-kritiſchen Beyraͤgen zur Aufnahme der Muſik, im 2ten Stuͤcke des 5ten Ban - des gezeigt, es lehrt auch Sturm in ſeiner deutſchen Ueberſetzung des Archimedes, in den An - merkungen zu dem erſten Lehrſatze des 2ten Buches, wie auf verſchiedene von aͤltern Mathemati - kern ſchon angegebene Arten zwiſchen zwey Linien mehrere Mittelproportionalen koͤnnen gefunden werden. Jm 5ten Bande der Abhandlungen der Schwediſchen Academie der Wiſſenſchaften hat Straͤhle die geometriſche Conſtruction einer ſeiner Meynung nach gleichſchwebenden Temperatur angegeben, Faggot hat ſie berechnet, es iſt aber die ganze Rechnung unrichtig ausgefallen, weil er gleich bey einem der erſten Dreyecke durch Verwechſelung der Columnen in den trigonometriſchen Taſeln Logarithmen der Sinns anſtatt Logarithmen der Tangenten genommen hat; wenn man aber auch, wie Funk in ſeiner Abhandlung de sono et tono die Rechnung richtig fuͤhrt, ſo kommt doch eine ſehr ungleichſchwebende Temperatur heraus, wo ſogar 4 Quinten g: d, gis: dis, a: e, und b: f uͤber ſich ſchweben. Aus den Mémoires concernant les Chino[i]s tom. VI. par Amiot, (Paris 1780.) P. II. art. 3. iſt zu erſehen, daß auch die Chineſen ſich der gleichſchwe - benden Temperatur bedienen; die dort angegebenen Laͤngen der Pfeifen kommen ganz damit uͤber - ein, und auf der 21ſten Kupfertafel ſind die 12 Lu oder halben Toͤne, welche von den aͤltern Chineſen ſehr ungleich angenommen wurden, von den neuern Chineſen folgendermaßen nach den Saitenlaͤngen berechnet angegeben:
G50
  • f = 10,000,000,000,
  • fis = 9,438,704,312,
  • g = 8,908,908,718,
  • gis = 8,408,906,415,
  • a = 7,937,000,525,
  • b = 7,491,50[3],53[8],
  • h = 7,071,006,781,
  • c = 6,674,109,927,
  • cis = 6,299,600,524,
  • d = 5,946,003,557,
  • dis = 5,612,301,024,
  • e = 5,297,301,547,
  • f = 5,000,000,000.
  • 2. Anm. Bey der practiſchen Ausuͤbung des Stimmens iſt es hinlaͤnglich, wenn man jede Quinte ein klein wenig, ſo daß es kaum bemerkbar iſt, abwaͤrts, und jede große Terz ein wenig auf - waͤrts ſchwebend ſtimmt; wenn man dadurch auch nicht immer die gleichſchwebende Temperatur vollkommen erreicht, ſo wird man doch ſich ihr ſo naͤhern, daß der Unterſchied unbetraͤchtlich ſeyn wird, und wenigſtens allemahl eine beſſere Stimmung erhalten, als wenn man irgend eine Quinte oder Terz abſichtlich reiner oder unreiner, als die andern ſtimmt. Das Gehoͤr kann allenfalls ohne Widerwillen eine abwaͤrtsgehende Quintenſchwebung vertragen, die etwas mehr, als $$\frac{1}{12}$$ d[e]s pythagoriſchen Comma betraͤgt; Marpurg ſieht ungefaͤhr $$\frac {2\frac{1}{2}}{12}$$ als die aͤußerſte Graͤnze der leid - lichen Quintenſchwebungen an. Die von einigen gegen die gleichſchwebende Temperatur gemachte Einwendung, daß es faſt unmoͤglich ſeyn moͤchte, ſie practiſch auszuuͤben, iſt alſo von keiner Be - deutung, indem die Erfahrung lehrt, daß es eben ſo ſchwer iſt, ein Jntervall vollkommen rein, als ein Jntervall gehoͤrig temperirt zu hoͤren und zu ſtimmen. Bey Jnſtrumenten, wo die Toͤne nicht nach Belieben koͤnnen ausgehalten werden, wie z. B. bey dem Claviere, dem Fortepiane, der Harfe, wird bey weitem nicht die Genauigkeit der Stimmung erforderlich ſeyn, als bey ſolchen, wo die Toͤne laͤnger fortdauern, wie z. B. bey der Harmonika, dem Clavicylinder, dem Euphon, wie auch bey der Orgel, wo beſonders bey lang ausgehaltenen Jntervallen oder Accorden jede etwas betraͤchtliche Abweichung von der Reinigkeit weit auffallender iſt, uud ſich dem Gehoͤre durch abgebrochene Stoͤße, die von dem ſeltnern Zuſammentreffen der Schwingungen herruͤhren, zu er - kennen giebt. Da ich die Schwierigkeiten einer ſehr genauen Stimmung bey dem Bau eines Euphons bisweilen zu großem Verdruſſe durch die Erfahrung kennen gelernt habe, ſo koͤnnte es vielleicht fuͤr manchen, der ein Jnſtrument, wo man die Toͤne nach Belieben aushalten kann, ſo rein als moͤglich, ſtimmen will, von einigem Nutzen ſeyn, wenn ich hier noch einige Bemerkungen[beyfuͤg]e. Wollte man ſich eines gehoͤrig abgetheilten Monochordes bedienen, ſo wuͤrde man doch51 den Endzweck nicht ganz erreichen, weil die Saite ’bey einem ſolchen Gebrauche oͤfters ein we[nig]nachlaͤßt, beſonders durch Beruͤhrung und Ausdehnung mit den Fingern, weil auch, wenn die Saite auf den untergeſetzten Steg nur locker aufliegt, der Ton nicht genau genug beſtimmt wird, wenn man aber die Saite an den Steg ein wenig andruͤckt, oder wenn man ſich eines etwas hoͤ - hern Steges bedient, auf den die Saite ſcharf aufliegt, der Ton durch dieſe ſtaͤckere Spannung der Saite ein wenig erhoͤht wird; uͤber dieſes iſt es auch ſchon ſchwer genug, einen Ton mir dem andern vollkommen in den Einklang zu ſtimmen. Es wird alſo wohl beſſer ſeyn, ſich bey der Stimmung eines Jnſtrumentes blos auf das Gehoͤr zu verlaſſen, aber keinen Ton, ſo richtig ge - ſtimmt er auch anfangs ſcheinen moͤge, eher fuͤr richtig geſtimmt zu halten, als bis man ihn ſo viel als moͤglich, in Verbindung mit andern Toͤnen gehoͤrt hat, ohne eine unangenehme Wuͤrkung zu bemerken. Beſonders wird man nicht im Stande ſeyn, die Richtigkeit einer Quinte ganz ge - nau zu beurtheilen, als bis man die zu dem Dreyklange gehoͤrige große Terz mithoͤren kann. So wird man z. B. bey der gewoͤhnlichen Art quintenweiſe zu ſtimmen nicht eher wiſſen koͤnnen, ob man die Quinte c: g richtig genug abgeſtimmt habe, als bis die Quinten c: g, g: d, d: a, a: e geſtimmt ſind, und das c als große Terz mit angegeben werden kann. Wenn nun, wie es oͤfters der Fall iſt, die zu dem Dreyklange gehoͤrigen Toͤne c, e, g nicht recht zuſammenpaſſen wollen, ſo daß z. B. die große Terz zu ſehr uͤber ſich ſchwebt, ſo iſt es oͤfters ſchwer, ausſindig zu machen, bey welcher von den 4 Quinten, durch welche man bis zur großen Terz gelangt iſt, man gefehlt habe, und wo man alſo nachhelfen muͤſſe. Jch bediene mich alſo lieber einer andern Ord - nung des Stimmens, bey welcher man eher dazu gelangen kann, einen Ton in Verbindung mit andern zu hoͤren. Naͤhmlich ich ſtimme erſt den Terzencirkel c, e, gis, c, ſo daß jede der 3 Terzen c: e, e: gis, (as) (gis): c, ſoviel als moͤglich der andern gleich wird, wobey aber doch in der Folge, wenn dieſe Toͤne in Verbindung mit andern gehoͤrt werden, noch etwas moͤchte nach - zuhelfen ſeyn. Hierauf ſtimme ich g, uͤber deſſen Richtigkeit als Quinte von c ſich nun beſſer urtheilen laͤßt, da man den vorhandenen Ton e mit zu Huͤlfe nehmen kann, ſodann den Ton h als Quinte von e, zu deſſen Beurtheilung die vorhandenen Toͤne gis und g behuͤlflich ſind, hernach den Ton dis, zu deſſen Abſtimmung außer der Unterquinte gis auch die Toͤne h, c und g zu Statten kommen. Alsdenn ſtimme ich die Terzenzirkel d, fis, b, und f, a, cis, zu deren Be - urtheilung Toͤne genug vorhanden ſind. Will man auch nach gehoͤrig vollendeter Temperatur die noch uͤbrigen hoͤhern und tiefern Octaven ſtimmen, ſo iſt es bisweilen noch nicht genug, wenn ein Ton als Octave eines andern richtig geſtimmten Tones gut klingt. Jch glaube naͤhmlich mit Recht behaupten zu koͤnnen, daß vielleicht niemand im Stande ſeyn moͤchte, eine Octave, ja nicht ein - mahl zwey Toͤne in Einklang fuͤr ſich vollkommen rein abzuſtimmen. Will man ſich von dieſer Behauptung, die vielleicht mancher Stimm-Meiſter nicht wird zugeben wollen, fuͤr die ich aber, wenn es noͤthig waͤre, Autoritaͤten vorzuͤglicher Tonkuͤnſtler aufuͤhren koͤnnte, durch die Erfahrung uͤberzeugen, ſo ſtimme man auf einem Jnſteumente, wo ſich die Toͤne aushalten laſſen, (wie auf einer Orgel, einer Harmonika, einem Bogenfluͤgel) das eingeſtrichene c nebſt ſeinem großen Dreyklange ſo richtig, als moͤglich, ſo daß die große Terz e ein wenig erhoͤhet, und die Quinte g ein wenig ernie - drigt iſt, und dieſer Dreyklang eine gute Wuͤrkung auf das Gehoͤr thut, ſodann ſtimme man das 2 ge - ſtrichene c, e, und g, jedes fuͤr ſich allein, als Octave des tiefern, aber ohne einen andern Ton zu HuͤlfeG 252zu nehmen, oder im Gedaͤchtniſſe behalten zu haben, und gebe ſodann die Toͤne , , g̅̅ zuſammen an, ſo wird man meiſtens finden, daß ſie nicht recht zuſammen paſſen, und bey einem und andern noch ein wenig muß nachgeholfen werden. Die Urſache liegt darin, weil das Gehoͤr bey einem Jn - tervalle, es ſey welches es wolle, oͤfters eine ſehr kleine Abweichung von der Reinigkeit nicht bemerkt, und z. B. ein Jntervall wie $$\frac{1,0001}{1,0000}$$ oder $$\frac{0,9999}{1,0000}$$ gewiß fuͤr einen Einklang, und $$\frac{2,0001}{1,0000}$$ oder $$\frac{1,9999}{1,0000}$$ fuͤr eine Octave halten wuͤrde, dahingegen, wenn ein ſolcher nur wenig abweichender Ton mir mehreren zuſammen gehoͤrt wird, dieſe Unreinigkeit auffallender wird, beſonders wenn vielleicht andere Toͤne auf die entgegengeſetzte Art von der wahren Reinigkeit abweichen. Man halte alſo z. B. das obere c, wenn es auch als Octave rein zu ſeyn ſcheint, doch nicht eher fuͤr vollkommen richtig geſtimmt, als bis man es in den Verbindungen c, e, g, c; f, a, c; es, as, c; e, a, c u. ſ. w. gehoͤrt und wohlklingend gefunden hat, und ſo verfahre man bey jedem neuen Tone. Bisweilen hat mir ſogar auch der Gebrauch eines Tones als kleine oder verminderte Septime in ſolchen Verbindungen wie d, fis, a, c, oder dis, fis, a, c noch manche vorher verſteckt geweſene kleine Unreinigkeit bemerkbar gemacht.
  • Wie wenig uͤbrigens manche ſonſt geſchickte Tonkuͤnſtler im Stande ſind, eine Quinte rein zu ſtimmen, ſieht man oͤfters an den Geigen-Jnſtrumenten in einem Orcheſter. Will man genau unterſuchen, ob auf einem Violoncell oder andern Geigeninſtrumente 2 Saiten wuͤrklich mit ein - ander eine reine Quinte machen, ſo nehme man den 3ten Flageolet-Ton der tiefern Saite, wobey ſie ſich in 3 Theile theilt, mit dem 2ten Flageolet-Tone der hoͤhern Saite, wo dieſe ſich in 2 Theile theilt, zuſammen; wenn die Grundtoͤne eine richtige Quinte machen, muͤſſen dieſe beyden Fla - geolet-Toͤne im Einklange ſtehen.

41.

Ungleichſchwebende Temperaturen ſind auf unendlich verſchiedene Art moͤglich; faſt jeder Urheber einer ſolchen Temperatur erklaͤrt die ſeinige fuͤr die beſte, oder fuͤr die einzige natuͤrliche; ſie ſind aber ohne Ausnahme nicht zu billigen, weil durch keine derſelben die Abſicht einer jeden Temperatur, den Toͤnen die moͤglichſte Brauchbarkeit zu geben, ſo erreicht wird, wie durch die gleichſchwebende. Jn ſo weit jedoch ein kleineres Uebel einem groͤßern vorzuziehn iſt, kann man ihren relativen Werth alſo beſtimmen:

  • 1) Je mehrere ganz reine Quinten in einer Temperatur angenommen werden, deſto ſchlechter iſt ſie, weil alsdenn die wenigern Quinten, unter welche das pythagoriſche Comma ver - theilt werden muß, nebſt andern davon abhaͤngigen Tonverhaͤltniſſen deſto unleidlicher werden. Es war beſonders ehemahls ein gewoͤhnliches Vorurtheil, daß eine Tem - peratur deſto beſſer ſeyn muͤſſe, je mehrere ganz reine Tonverhaͤltniſſe ſie enthielte. Der Erfolg davon war, daß einige Toͤne wegen ihrer groͤßern[Unreini]gkeit faſt ganz53 unbrauchbar wurden. Man ſuchte gewoͤhnlich dieſe Unreinigkeit, die wegen des Ge - heules ſolcher Toͤne der Wolf genennt ward, in ſolche Tonarten zu verſtecken, von denen man am wenigſten Gebrauch machte, wie dieſes an vielen alten Orgeln zu be - merken iſt.
  • 2) Je ungleicher das pythagoriſche Comma unter die abwaͤrts ſchwebenden Quinten ver - theilt wird, deſto untauglicher iſt die Temperatur.
  • 3) Die untauglichſten Temperaturen ſind ſolche, in welchen ſich aufwaͤrtsſchwebende Quin - ten befinden, weil alsdenn unter die uͤbrigen Quinten nicht allein das pythagoriſche Comma, ſondern noch außerdem das Uebermaß der aufwaͤrtsſchwebenden Quinten vertheilt werden muß.

Die gewoͤhnlichſten abgeaͤnderten Jntervalle, welche man in ungleichſchwebenden Temperaturen antrifft, ſind folgende:

Anſtatt eines halben Tones:

  • $$\frac{250}{241}$$ = $$\frac{25}{24}$$ × $$\frac{80}{81}$$ oder in Decimalzahlen 1,0288 ..
  • $$\frac{256}{243}$$ = $$\frac{25}{24}$$ × $$\frac{2048}{2025}$$ oder $$\frac{16}{15}$$ × $$\frac{80}{81}$$ , in Decimalen 1,0534 ..
  • $$\frac{135}{128}$$ = $$\frac{25}{24}$$ × $$\frac{81}{80}$$ oder $$\frac{16}{15}$$ × $$\frac{2025}{2048}$$ 1,0547 ..

Wird das kleinere Limma genennt.

  • $$\frac{2187}{2048}$$ = $$\frac{25}{24}$$ × $$\frac{81^2}{80^2}$$ oder $$\frac{16}{15}$$ × $$\frac{32805}{32768}$$ 1,0678 ..
  • $$\frac{27}{25}$$ = $$\frac{16}{15}$$ × $$\frac{81}{80}$$ 1,08,

Wird das groͤßere Limma genennt.

  • $$\frac{2187}{2000}$$ = $$\frac{27}{25}$$ × $$\frac{81}{80}$$ 1,0935,
  • $$\frac{512}{483}$$ = $$\frac{16}{15}$$ × $$\frac{160}{161}$$ 1,0600 ..
  • $$\frac{2048}{1875}$$ = $$\frac{16}{15}$$ × $$\frac{128}{125}$$ 1,0922 ..

Anſtatt eines ganzen Tones:

  • $$\frac{255}{225}$$ = $$\frac{10}{9}$$ × $$\frac{128}{125}$$ oder $$\frac{9}{8}$$ × $$\frac{2048}{2025}$$ 1,1342 ..
  • $$\frac{4096}{3045}$$ = $$\frac{10}{9}$$ × $$\frac{2048}{2025}$$ oder $$\frac{9}{8}$$ × $$\frac{32768}{32805}$$ 1,1240 ..
54
  • $$\frac{180}{161}$$ = $$\frac{10}{9}$$ × $$\frac{162}{161}$$ oder $$\frac{9}{8}$$ × $$\frac{160}{161}$$ 1,1180 ..
  • $$\frac{161}{144}$$ = $$\frac{10}{9}$$ × $$\frac{161}{160}$$ oder $$\frac{9}{8}$$ × $$\frac{161}{162}$$ 1,1180 ..
  • $$\frac{144}{123}$$ = $$\frac{9}{8}$$ × $$\frac{128}{125}$$ 1,152,
  • $$\frac{256}{225}$$ = $$\frac{9}{8}$$ × $$\frac{2048}{2025}$$ 1,1377 ..
  • $$\frac{1125}{1024}$$ = $$\frac{10}{9}$$ × $$\frac{2025}{2048}$$ oder $$\frac{9}{8}$$ × $$\frac{129}{128}$$ 1,0986 ..
  • $$\frac{729}{640}$$ = $$\frac{9}{8}$$ × $$\frac{81}{80}$$ 1,1390 ..

Anſtatt der kleinen Terz:

  • $$\frac{32}{27}$$ = $$\frac{6}{5}$$ × $$\frac{80}{81}$$ 1,1851 ..
  • $$\frac{161}{135}$$ = $$\frac{6}{5}$$ × $$\frac{161}{162}$$ 1,1925 ..
  • $$\frac{192}{161}$$ = $$\frac{6}{5}$$ × $$\frac{160}{161}$$ 1,1924 ..
  • $$\frac{1215}{1024}$$ = $$\frac{6}{5}$$ × $$\frac{2025}{2048}$$ 1,1865 ..
  • $$\frac{75}{64}$$ = $$\frac{6}{5}$$ × $$\frac{125}{128}$$ 1,1718 ..
  • $$\frac{243}{200}$$ = $$\frac{6}{5}$$ × $$\frac{81}{80}$$ 1,215.

Anſtatt der großen Terz:

  • $$\frac{81}{64}$$ = $$\frac{5}{4}$$ × $$\frac{81}{80}$$ 1,2656 ..

Ward ſchon von den Alten haͤufig gebraucht, und Ditonus genennt.

  • $$\frac{312}{405}$$ = $$\frac{5}{4}$$ × $$\frac{2048}{2025}$$ 1,2641 ..
  • $$\frac{161}{129}$$ = $$\frac{5}{4}$$ × $$\frac{161}{160}$$ 1,2578 ..
  • $$\frac{32}{25}$$ = $$\frac{5}{4}$$ × $$\frac{128}{125}$$ 1,28.

Anſtatt der Quinte:

  • $$\frac{40}{27}$$ = $$\frac{3}{2}$$ × $$\frac{80}{81}$$ 1,4814 ..
  • $$\frac{161}{208}$$ = $$\frac{3}{2}$$ × $$\frac{161}{162}$$ 1,4907 ..
  • $$\frac{240}{161}$$ = $$\frac{3}{2}$$ × $$\frac{160}{161}$$ 1,4906 ..
  • $$\frac{1024}{671}$$ = $$\frac{3}{2}$$ × $$\frac{2048}{2025}$$ 1,5161 ..
  • $$\frac{243}{160}$$ = $$\frac{3}{2}$$ × $$\frac{81}{80}$$ 1,5187 ..
55

Wo bey dem zweyten Beuche, mit dem der erſte multipliciret werden ſoll, die groͤßere Zahl oben (als Zaͤhler) ſteht, iſt es eine Vermehrung des urſpruͤnglichen Jnter - valles, wo aber die kleinere oben ſieht, iſt es eine Verminderung deſſelben, wie man ſchon aus dem vorigen wird erſehn haben. Die Quarten, Sexten und Septimen erwaͤhnt ich nicht, weil man dieſe ſogleich durch Umkehrung der ſchon erwaͤhnten Jntervalle finden kann. Manche von dieſen Jntervallen, beſonders die, welche um $$\frac{81}{80}$$ oder um $$\frac{2048}{2025}$$ oder wohl gar um $$\frac{128}{125}$$ veraͤndert ſind, wird kein unverdorbenes Ohr ohne Widerwillen anhoͤren koͤnnen.

  • Anm. Unter allen ungleichſchwebenden Temperaturen iſt die Kirnbergeriſche durch das Anſehen der ſonſt ſehr verdienſtvollen Maͤnner, die ſie vorgetragen haben, mehr als durch innern Werth, die bekannteſte geworden. Sie iſt in Kirnbergers Kunſt des reinen Satzes, und in Sulzers Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte wie auch in verſchiedenen andern Schriften vor - getragen. Es iſt dieſe Temxeratur untauglich, weil 9 Quinten ganz rein ſind, eine, naͤhmlich fis: cis, richtig um $$\frac{1}{12}$$ des Pythagoriſchen Comma unter ſich ſchwebt, und die uͤbrigen $$\frac{11}{12}$$ oder $$\frac{81}{80}$$ unter 2 Quinten d: a und a: e vertheilt ſind, und nach der erſten Angabe gar von der Quinte d: a allein getragen wurden, wie denn auch mehrere ſehr unangenchme große Terzen, wie $$\frac{81}{64}$$ und kleine Terzen wie $$\frac{32}{27}$$ darinnen vorkommen. Die ſo betraͤchtlichen Quintenſchwe - bungen fallen noch dazu auf ſolche Toͤne, nach denen man gewoͤhnlich die Geigen-Jnſtrumente zu ſtimmen pflegt, daher dieſe mit den auf ſolche Art geſtimmten Taſtatur-Jnſtrumenten unmoͤglich harmoniren koͤnnen. Marpurg hat in ſeinem Verſuche uͤber die Temperatur die Scheingruͤnde Kirnbergers und Anderer fuͤr dieſe Temperatur, ſo wie uͤberhaupt fuͤr ungleichſchwebende Tempera - turen, hinlaͤnglich widerlegt.
  • L. Euler druͤckt in tentam. novae theoriae musicae, wie auch in den Mém. de l’Acad. de Berlin 1764 und in Nov. Comment. Acad. Petrop. tom. XVIII. die Reihe von 12 in der Octave enthaltenen Toͤnen durch die Reihe 2 33 52 aus, ſo daß er alle Diviſoren von 33 52, welches die Zahlen 1, 3, 5, 9, 15, 25, 27, 45, 75, 135, 225, 675 ſind, ſo oft mit 2 multiplicirt, als noͤthig iſt, um die Toͤne alle innerhalb einer Octave zu erhalten. Die dadurch entſtehende Reihe von Toͤnen iſt c = 384, cis = 400, d = 432, dis = 450, e = 480, f = 512, fis = 540, g = 576, gis = 600, a = 640, b = 675, h = 720, = 768. Es naͤhert ſich zwar dieſe Reihe der eigent - lichen Reinigkeit der Jntervalle mehr, als irgend eine andere, die durch einen allgemeinen ratio - nalen Ausdruck koͤnnte gefunden werden, ſie iſt aber wegen mancher darin enthaltenen ſehr un - angenehmen Jntervalle fuͤr die Ausuͤbung nicht brauchbar, denn die Quinte b: f $$\frac{2024}{675}$$ iſt um das Diaſchiſma $$\frac{2048}{2025}$$ oder um 10 Zwoͤlftheile des pythagoriſchen Comma zu hoch, die Quinten - ſchwebungen betragen alſo zuſammen 22 Zwoͤlftheile dieſes Comma, welche allein von den 2 Quinten d: a und fis: cis getragen werden, deren jede um $$\frac{81}{80}$$ oder um 11 Zwoͤlftheile56 des pothagoriſchen Comma unter ſich ſchwebt; 4 große Terzen cis: f, dis: g, gis: e und b: d, welche das Verhaͤltniß $$\frac{32}{27}$$ erhalten, ſchweben um die ganze kleine Dieſin $$\frac{128}{125}$$ uͤber ſich, und 3 kleine Terzen c: dis, f: gis, g: b in dem Verhaͤltniſſe $$\frac{75}{64}$$ ſchweben um eben ſo viel unterwaͤrts.
  • Es wuͤrde ſehr uͤberfluͤßig ſeyn, wenn ich die vielen ungleichſchwebenden Temperaturen, die von verſchiedenen Schriftſtellern ſind vorgetragen worden, hier weitlaͤuftiger erwahnen wollte. Zu mehrerer Bequemlichkeit der Unterſuchung ſolcher Temperaturen hat Marpurg in ſeinen hiſtoriſch-kritiſchen Beytraͤgen zur Aufnahme der Muſik im 6ten Stuͤcke des 5ten Bandes Ta - bellen geliefert, wo man bey dem Logarithmen der Jntervalle den Grad der Schwebung ange - zeigt findet.
[57]

Zweyter Theil, von den Schwingungsgeſetzen klingender Koͤrper.

H[58][59]

Erſter Abſchnitt. Welcher allgemeine Bemerkungen enthaͤlt.

42.

Jm vorigen Theile war die Rede nur von den allgemeinen Verhaͤltniſſen der Zeitraͤume, in welchen ſchwingende Bewegungen geſchehen koͤnnen; im gegenwaͤrtigen aber ſoll erklaͤrt werden, wie die Geſtalt eines elaſtiſchen Koͤrpers durch deſſen ſchwingende Bewe - gungen veraͤndert werde, und in welchen Zeitverhaͤltniſſen dieſes bey jeder beſondern Art von klingenden Koͤrpern geſchehe.

43.

Ein Klang unterſcheidet ſich (§. 5.) von einem Geraͤuſche burch die Gleichfoͤr - migkeit und Beſtimmbarkeit der Schwingungen. Es ſind naͤhmlich bey einem Klange die Schwingungen des elaſtiſchen Koͤrpers, oder der Theile, in welche er ſich in ſeiner ganzen Ausdehnung auf eine ſehr regelmaͤßige Art eintheilt, gleichfoͤrmig und gleichzeitig, von einem Geraͤuſche laͤßt ſich dieſes aber nicht behaupten, es ſcheinen vielmehr dabey die zitternden Be - wegungen ſowohl in Anſehung ihrer Dauer, als auch in Anſehung ihrer uͤbrigen Beſchaffenheit ſehr ungleichartig zu ſeyn. Man kann bey einem Klange die verhaͤltnißmaͤßige Anzahl der Schwingungen, oder die Hoͤhe des Tones, durch das Gehoͤr beurtheilen, und mit andern Klaͤngen vergleichen, bey einem Geraͤuſche aber nicht. Bey einem Klange laſſen ſich ſowohl die Geſtaltveraͤnderungen des elaſtiſchen Koͤrpers als auch die einer jeden Schwingungsart zukom - menden Tonverhaͤltniſſe durch Beobachtungen, und ſoweit der jetzige Zuſtand der hoͤhern Mecha -H 260nik und Analyſe es zulaͤßt, auch durch Berechnungen und durch Folgen von Schluͤſſen beſtim - men, aber zu genauer Beſtimmung der Natur eines Geraͤuſches ſind noch keine Mittel bekannt.

44.

Nicht alle elaſtiſchen Koͤrper koͤnnen einen Klang geben; ſolche, die es wegen Mangel der dazu gehoͤrigen gleichfoͤrmigen Elaſticitaͤt, oder wegen mancher aͤußern oder innern Hin - derniſſe nicht koͤnnen, geben doch wenigſtens ein Geraͤuſch, wenn ſie durch einen Stoß oder Zug, oder durch eine Reibung, die hier wie eine Folge von Stoͤßen oder Zuͤgen, die in ſchiefer Richtung geſchehen, wuͤrkt, in eine hinlaͤnglich ſchnelle und ſtarke zitternde Bewegung geſetzt werden. Jeder wuͤrkliche Klang iſt ſehr verſchiedener Modificationen faͤhig, deren Weſen noch ganz unbekannt iſt, die aber wahrſcheinlich von einiger Beymiſchung eines Geraͤuſches herruͤhren. Wenn naͤhmlich mehrere Menſchen - oder Thierſtimmen oder mehrere Jnſtrumente einerley Ton angeben, ſo kann bey einerley Dauer und Staͤrke des Klanges, ſo wie auch oͤfters bey einerley Schwingungsart die Wuͤrkung doch ſehr verſchieden ſeyn. Der Grund davon kann liegen,

  • 1) in der Beſchaffenheit des klingenden Koͤrpers ſelbſt. Wenn klingende Koͤrper nur in Anſehung der Materie verſchieden ſind, aber in Anſehung der Geſtalt, der Schwingungsart, des Tones, und der Art, wie ſie in Bewegung geſetzt werden, vollkommen mit einander uͤbereinſtimmen, ſo wird man doch eine Verſchiedenheit be - merken koͤnnen, wie z. B. an Stahl - und Darmſaiten, oder an Staͤben von Metall und Holz. Dieſes ruͤhrt allem Anſehen nach von einem mit dem eigentlichen Klange verbundenen ſchwachen Geraͤuſche her, welches um ſo ſtaͤrker iſt, je zaͤher und je weniger elaſtiſch der klingende Koͤrper iſt, und je mehrere Hinderniſſe der Schwingungen ſich etwa in der ungleichartigen Conſtſtenz und in den verſchiedenen Stemmungen und Rei - bungen der innern Theile deſſelben finden. Die Geſtalt des klingenden Koͤrpers, und die Verſchiedenheit der Schwingungsarten traͤgt meiſtens nur wenig zu einer verſchie - denen Wuͤrkung des Klanges bey.
  • 2) Jn der Beſchaffenheit der Koͤrper, von welchen, und an welche der klingende Koͤrper geſtoßen oder gerieden wird. So hoͤrt man z. B. bey den Stimmen der Menſchen und Thiere die Reibung der Luft an den Stimmwerkzeugta; bey jedem Geigen-Jnſtrumente die Reibung des Bogens an der Saite, wovon man61 ſich einen Begriff machen kann, wenn man die Saite ſo daͤmpft, daß ſie nicht klingen kann, und ſodann ſie mit dem Bogen ſtreicht; bey allen Blasinſtrumenten hoͤrt man die Reibung der Luft an der Oeffnung, durch welche ſie angeblaſen werden, und an den Saitenwaͤnden; nur iſt, wenn die Jnſtrumente gut behandelt werden, dieſes Geraͤuſch im Verhaͤltniß des eigentlichen Klanges ſo ſchwach, daß es keine betraͤchtliche oder unangenehme Wuͤrkung thut.

Vielleicht beſteht das Weſen ſolcher Modificationen des Klanges, ſo wie uͤberhaupt auch ein Geraͤuſch in ungleichartigen Zitterungen der kleinern Theile eines elaſtiſchen Koͤrpers, ungefaͤhr wie diejenigen, aus welchen vormahls, ehe man die ſchwingenden Bewegungen klingender Koͤrper beſſer kennen lernte, la Hire, Carré, Muſſchenbroek und Erx - leben die Natur eines Klanges erklaͤren wollten.

  • Anm. Jm Deutſchen hat man kein eigenes Wort fuͤr dieſe Modificationen eines Klanges, im Franzoͤſiſchen druͤckt man ſie durch das Wort timbre aus. Dagegen iſt aber die Deutſche Sprache darin reicher, daß man Schall und Klang, die wie genus und species verſchieden ſind, durch zwey verſchiedene Worte bezeichnen kann, wofuͤr man in vielen andern Sprachen nur ein Wort son, suono u. ſ. w. hat.

45.

Da ſich von der Natur eines Geraͤuſches noch ſo wenig beſtimmtes ſagen laͤßt, ſo werden hier nur die Eigenſchaften eines Klanges weiter koͤnnen erlaͤutert werden.

Jeder klingende Koͤrper kann ſehr verſchiedene Arten der ſchwingenden Bewegung annehmen, deren jede in einem beſtimmten Tonverhaͤltniſſe gegen die uͤbrigen ſteht. Er kann in gewiſſen Faͤllen in ſeiner ganzen Ausdehnung (mit Ausnahme eines oder zweyer Puncte, wo er feſtgehalten wird) ſchwingen, er kann ſich aber auch auf ſehr mannigfaltige Art in Theile theilen, die nach entgegengeſetzten Richtungen ſchwingen, waͤhrend die zwiſchen dieſen Theilen befindlichen Stellen, die man Schwingungsknoten nennt, in Ruhe bleiben. An dieſen Stellen kann man den klingenden Koͤrper, ohne daß die Schwingungen dadurch gehindert werden, beruͤhren, auflegen, oder halten, hingegen muß der Stoß oder die Reibung, wo - durch er in Bewegung geſetzt wird, an keiner ſolchen Stelle, ſondern an einem ſchwingenden Theile angebracht werden. Die Theile, in welche ſich der klingende Koͤrper theilt, haben allemahl gegen einander ein ſolches Verhaͤltniß der Groͤße, als erforderlich iſt, um in gleicher Geſchwindigreit ſchwingen zu konnen; ein ſchwingender Theil, der ſich an einem freyen Ende62 befindet, iſt in einigen Faͤllen halb ſo groß, in andern beynahe halb ſo groß, als einer, der zwiſchen zwey feſten Graͤnzen enthalten iſt. Nachdem die Anzahl der ſchwingenden Theile groͤßer, und alſo jeder derſelben kleiner iſt, ſind auch die Schwingungen verhaͤltnißmaͤßig geſchwinder, und alſo die Toͤne hoͤher. Mehrere Arten der ſchwingenden Bewegung, und alſo auch mehrere Toͤne, koͤnnen zugleich an einem klingenden Koͤrper Statt finden, ohne daß eine dieſer Bewegungen die andere hindert, es koͤnnen auch die Schwingungen des klingenden Koͤrpers mit noch andern Arten der Bewegung verbunden ſeyn.

  • 1. Anm. Der Jnhalt dieſes §. iſt beſonders wohl zu bemerken, weil faſt alles, was in dieſem Theile uͤber die Schwingungen verſchiedener klingenden Koͤrper kann geſagt werden, nichts anders, als eine weitere Ausfuͤhrung der darin enthaltenen Saͤtze iſt.
  • 2. Anm. Wenn man von einem klingenden Koͤrper ſagt, er gebe einen gewiſſen Ton, ſo iſt es nur ſo zu verſtehn, daß er bey einer gewiſſen Schwingungsart, welches gewoͤhnlich die einfachſte iſt, dieſen Ton gebe. Es iſt eine ganz falſche Vorſtellungsart, wenn man irgend einen Ton, den ein klingender Koͤrper giebt, abſolut als Grundton, und die andern als Nebentoͤne anſehen will, indem jede Schwingungsart, die derſelbe Koͤrper annehmen kann, in gleichem Grade als ein eigner Klang zu betrachten iſt. Jn der Theorie kann man fuͤglich annehmen, daß jeder klingende Koͤrper unendlich viele Toͤne geben koͤnne, aber deren wuͤrkliche Darſtellung durch menſchliche Kraͤfte, und deren deutliche Empfindung hat ihre Graͤnzen.

46.

Die Schwingungen eines klingenden Koͤrpers beruhen auf ebendenſelben Bewegungs - geſetzen, wie die Schwingungen eines Pendels, bey dieſem liegt die Urſache der Schwingun - gen in der Schwerkraft, bey klingenden Koͤrpern aber in ihrer Elaſticitaͤt. Um zu beſtimmen, wie viele Schwingungen ein klingender Koͤrper in einer Secunde macht, vergleicht man ihn mit einem einfachen Pendel, man multiplicirt naͤhmlich die Formel, durch welche die verhaͤlt - nißmaͤßige Zahl der Schwingungen deſſelben bey einer gewiſſen Schwingungsart ausgedruͤckt wird, mit der Quadratwurzel der Laͤnge eines Secundenpendels, welche im Rheinlaͤndiſchen Maaße 3,166 Fuß betraͤgt, und mit dem Verhaͤltniſſe der Peripherie eines Zirkels zu ſeinem Durchmeſſer, welches = $$\frac{355}{113}$$ iſt; oder welches ebendaſſelbe iſt, mit der Quadratwurzel der doppelten Hoͤhe, durch welche ein ſchwerer Koͤrper in einer Secunde frey herabfaͤllt, welche in Rheinlaͤndiſchem Maaße ungefaͤhr zweymahl 15,624, oder 31,248 Fuß betraͤgt, es iſt naͤhmlich 31248 = 3166 × $$\frac{355}{113}$$ . Es verſteht ſich von ſelbſt, daß die Dimenſionen des klingenden Koͤrpers hierbey nach eben demſelben Maaßſtabe muͤſſen ausgedruͤckt werden, wie die Laͤnge des einfachen Pendels, oder die Fallhoͤhe ſchwerer Koͤrper.

63
  • Anm. Von den Geſetzen der Pendelſchwingungen, welche ich zu Vermeldung der Weitlaͤuftrgkeit nicht weiter eroͤrtere, kann man ſich am beſten unterrichten aus Gehlers phyſicaliſchem Woͤrtet - bnche, bey den Worten: Fall und Pendel; aus dem 2ten Abſchnitte von Kaͤſtners hoͤherer Mechanik, wie auch aus den Aufſaͤtzen von Euler de minimis oscillationibus corporum in Comment. Petrop. tom VII. und de motu oscillatorio corporum flexibilium in Comment. Petropol. tom. XIII, und von Johann Bernoulli de chordis vibrantibus in Comment. Petrop. tom. III.

Die Schwingungen eines klingenden Koͤrpers muͤßten eigentlich, um mit vollkommener Ge - nauigkeit gleichzeitig zu ſeyn, eben ſo wie auch die Schwingungen eines Pendeis, unendlich klein ſeyn. Da aber dieſes in der Wuͤrklichkeit nicht Statt findet, und eine unendlich kleine Bewegung, die in einer endlichen Zeit geſchieht, eigentlich als gar keine Bewegung wuͤrde anzu - ſchen ſeyn, ſo iſt es genug, wenn die Schwingungen ſehr klein ſind, die Abweichung von der ſtrengſten Genauigkeit wird ſodann ganz unmerklich ſeyn. Bey einem Bogen von 1 Grade wird die Dauer einer jeden Schwingung etwa $$\frac{1}{50000}$$ , bey einem Bogen von 2 Graden etwa $$\frac{1}{22500}$$ weniger betragen. Wenn in den Kupfertafeln die Schwingungen einer Saite oder eines Stabes u. ſ. w. weit groͤßer dargeſtellt werden, als ſie in det Wuͤrklichkeit ſind, ſo geſchieht dieſes nur mehrerer Deutlichkeit wegen.

Wenn ein Pendel nicht, wie gewoͤhnlich, in einem Cirkelbogen, ſondern in der (durch Um - drehung eines Kreiſes auf einer geraden Linie entſtehenden) Cycloide ſchwingt, ſind alle Schwin - gungen von gleicher Dauer, der Bogen mag ſo groß oder ſo klein ſeyn als man wolle, daher dieſe krumme Linie auch linea tautochrona genennt wird, welches ich deswegen erwaͤhne, weil der Ausdruck mancher Schriftſteller, da ſie einen klingenden Koͤrper um die Anzahl ſeiner Schwin - gungen zu finden, mit einem in einer Cycloide ſchwingenden Pendel vergleichen, ſonſt manchem Leſer undeutlich ſeyn moͤchte.

47.

Die groͤßte Verſchiedenheit der ſchwingenden Bewegungen zeigt ſich in ihrer Rich - tung, welche entweder transverſal, oder longitudinal oder drehend ſeyn kann.

48.

Bey den Transverſalſchwingungen bewegt ſich der klingende Koͤrper, oder jeder ſeiner Theile ſeitwaͤrts nach abwechſelnden Richtungen, ſo daß, waͤhrend ein Theil deſſelben von der Axe, d. i. von der urſpruͤnglichen Lage abwaͤrts nach einer Seite zu ſchwingt, der benachbarte Theil jenſeits des ruhigbleibenden Schwingungsknoteus ſich auf der entgegen - geſetzten Seite der Axe befindet; die Durchmeſſer der Schwingungen machen alſo mit der Axe einen rechten Winkel. Es koͤnnen die Transverfalſchwingungen nach Beſchaffenheit der klin - genden Koͤrper ſehr verſchieden ſeyn. Die klingenden Koͤrper, an welchen dergleichen64 Transverſalſchwingungen Statt ſinden, ſind entweder fuͤr ſich biegſam und erhalten erſt durch Spannung die zu einem Klange erforderliche Elaſticitaͤt, oder ſie ſind ſteif, und alſo fuͤr ſich ſelbſt elaſtiſch. Sowohl an biegſamen und durch Spannung elaſtiſchen, als auch an ſteiſen und fuͤr ſich elaſtiſchen Koͤrpern kommen entweder nur 2 Dimenſionen, naͤhmlich die Laͤnge und Dicke, oder es kommen mehrere Dimenſionen in Betrachtung, ſie ſind alſo entweder als Faͤden, oder als Membranen anzuſehen. Die biegſamen und durch Spannung elaſtiſchen bles in die Laͤnge und Dicke (fadenfoͤrmig) ausgedehnten Koͤrper ſind Saiten, die nach mehreren Dimenſionen (membranenfoͤrmig) ausgedehnten ſind Pau - ken - oder Trommelfelle, oder andere geſpannte Membranen. Die ſteifen und fuͤr ſich elaſtiſchen Koͤrper, wenn ſie nur in die Laͤnge und Dicke (fadenfoͤrmig) ausgedehnt ſind, (oder nur ſolche Ausdehnungen dabey in Betrachtung kommen), koͤnnen entweder gerade Staͤbe oder gekruͤmmte Staͤbe ſeyn, unter welche letztere auch Gabeln, Ringe u. ſ. w. gehoͤren. Steife Koͤrper, die nach mehreren Dimenſionen (membranenfoͤrmig) ausgedehnt ſind, koͤnnen ebenfalls entweder gerade oder gekruͤmmt ſeyn, im erſten Falle ſind es Scheiben, im letztern Glocken, Gefaͤße u. ſ. w.

  • Anm. Mehrerer Deutlichkeit wegen halte ich nicht fuͤr uͤberfluͤßig, die Art, wie ſich ein klingender Koͤrper in mehrere nach abwechſelnden Richtungen ſchwingende Theile eintheilt, die durch Schwin - gungsknoten von einander abgeſondert ſind, noch etwas ſinnlicher darzuſtellen.
[figure]
  • Die gerade Linie E D oder ein Stuͤck derſelben ſtelle einen Theil eines klingenden Koͤrpers, z. B. einer Saite oder eines Stabes vor. Wenn nun der Punct B oder nach Befinden der Umſtaͤnde zugleich auch der Punct C mit den Fingern oder auf andere Art gehalten oder gedaͤmpft wird (wobey ſich von ſelbſt verſteht, daß er nicht etwa ſo gehalten werden muß, wie eine Violinſaite an das Griſtbret gedruͤckt wird, ſondern nur ſo locker, daß die Schwingung ſich auch jenſeits des Punctes B verbreiten, der Punct B ſelbſt ſich aber nicht bewegen kann) und man den klin - genden Koͤrper in einer gehoͤrigen Entfernung von dieſem Puncte bey m nach der Richtung m g durch Schlagen, Reißen, oder durch Streichen mit dem Violinbogen in Bewegung ſetzt, ſo wird der Theil B m dadurch nach B g gezogen, der Schwingungsknoten B iſt alſo hier wie der Ruhe - punet bey einem Hebel anzuſehen, und eben ſo wie bey einem Hebel erſter Art der jenſeits des Ruhepunetes befindliche Theil ſich nach der entgegengeſetzten Richtung bewegt, ſo wird auch hier durch den Zug der Stelle B m nach B g die Stelle B f nach B n gezogen. Da aber keine Schwin - gung anders erfolgen kann, als wenn ſich der ganze klingende Koͤrper in Theile eintheilt, die in aleichet Geſchwendigkeit ſchwingen koͤnnen, (weil ſonſt die Schwingungen des einen Theils durch65 die Schwingungen des andern wuͤrden verhindert werden), ſo folgt, daß, wenn der klingende Koͤrper ſich weiter nach der Richtung[E]oder D erſtreckt, in gleichen Entfernungen wie B von C ſich aͤhnliche feſte Puncte oder Schwingungeknoten von ſelbſt bilden muͤſſen. Es befindet ſich alſo immer ein Theil des klingenden Koͤrpers dieſſeits der natuͤrlichen Lage, waͤhrend der benachbarte Theil ſich jenſeits befindet, indem, wenn durch die Veraͤnderung von B m in B g der Theil B f nach B n gezogen wird, dieſer Zug wieder eben ſo jenſeits des folgenden Schwingungsknoten A nach der entgegengeſetzten Richtung waͤrkt, und ſo fort. Bey der erſten Schwingung nimmt alſo der klingende Koͤrper die krumme Linie C g B n A u. ſ. w. an, bey der folgenden die dieſer ent - gegengeſetzte, welche mit Puncten hier angegeben iſt, und dieſe beyden krummen Linien wechſeln immer mit einander ab, wobey die Puncte C, B, A u. ſ. f. ſich nicht bewegen. So wie nun hier dergleichen Bewegungen an einem in gerader Richtung ausgedehnten Koͤrper gezeigt worden ſind, eben ſo finden ſie auch Statt an ſolchen, die nach einer krummen Richtung, wie auch an ſolchen, die nach mehreren Rechtungen ausgedehut ſind, nur mit dem Unterſchiede, daß bey letztern die nach verſchiedenen Richtungen auch ſehr verſchiedenen Arten der Kruͤmmung viel zu ſehr zuſam - mengeſetzt ſind, als daß ſie ſich ſollten durch eine einzige krumme Linie darſtellen laſſen. Wenn die Haltung des klingenden Koͤrpers an einer Stelle geſchicht, auf welche bey keiner Schwingungs - art (d. i. bey keiner von den moͤglichen Eintheilungen in gleichzeitig ſchwingende Theile) ein Schwingungsknoten faͤllt, ſo lehrt die Erfahrung ebenſowohl, wie die Theorie, daß unter ſolchen Umſtaͤnden gar kein Klang Statt findet.

49.

Bey den Longitudinalſchwingungen geſchehen abwechſelnde Zuſammenziehun - gen und Ausdehnungen des klingenden Koͤrpers oder ſeiner Theile nach der Richtung der Laͤnge, ſo daß dieſe ſich abwechſelnd gegen einen Schwingungsknoten ſtemmen, und von dem - ſelben entfernen. Sie koͤnnen Statt finden 1) an der in einer Roͤhre eingeſchloſſe - nen Luft, wie bey allen Arten der Blasinſtrumente, 2) an feſten Koͤrpern, die nach einer graden Richtung betraͤchtlich ausgedehnt ſind.

50.

Drehende Schwingungen habe ich nur an Staͤben bemerkt, es drehet ſich dabey der Stab oder jeder ſchwingende Theil deſſelben abwechſelnd rechts und links.

51.

Die Kraft, durch welche der klingende Koͤrper in Bewegung geſetzt wird, muß alle - mahl in eben derſelben Richtung angebracht werden, in welcher die Schwingungen geſchehen ſollen. Zu Hervorbringung der Transverſalſchwingungen wird es am beſten ſeyn, wenn manJ66den klingenden Koͤrper durch Streichen mit dem Violinbogen nach einer transverfalen Richtung in Bewegung ſetzt; es laͤßt ſich auf dieſe Art ein jeder ſolcher Klang weit leichter, beſtimmter, und anhaltender hervorbringen, als durch Schlagen oder Reißen. Die Longitudinalſchwin - gungen werden an feſten Koͤrpern durch ein gehoͤriges Streichen oder Reiben nach der Richtung der Laͤnge, und an der in einer Roͤhre befindlichen Luft durch Blaſen hervorgebracht, die drehen - den Schwingungen eines Stabes aber durch ein gehoͤriges Reiben in ebenderſelben Richtung.

Zweyter Abſchnitt. Schwingungen der Saiten.

I. Transverſalſchwingungen.

52.

Eine Saite kann entweder ganz ſchwingen, oder ſich in irgend eine Zahl von gleichen Theilen eintheilen, die nach entgegengeſetzten Richtungen ſchwingen, und durch Schwingungs - knoten, oder ruhig bleibende Stellen von einander getrennt ſind. Alle dieſe Schwingungs - arten ſind nur darin verſchieden, daß die Einheit, welche zum Maasſtabe dient, ſich veraͤn - dert, indem bey ſolchen Schwingungsarten, wo ſich die Saite in aliquote Theile theilt, jede Haͤlfte, jedes Drittheil u. ſ. w. ſo ſchwingt, als ob es eine eigene Saite waͤre. Die Saite giebt ihren tiefſten Ton, wean ſie ganz ſchwingt, ſo daß ſie Fig. 1. abwechſelnd die Kruͤmmun - gen A C B und A D B beſchreibt. Wenn ſie ſich in 2 gleiche Theile eintheilt, ſo iſt abwech - ſelnd der eine Theil dieſſeits, und der andere jenſeits der natuͤrlichen Lage, und ſie beſchreibt Fig. 2. abwechſelnd die Kruͤmmungen A D C E B und A F C G B, der Ton iſt ſodann um eine Octave hoͤher, als der erſtere. Theilt ſie ſich in 3 Theile ein, wobey ſie abwechſelnd die Kruͤmmungen annimmt, welche in der 3ten Figur auf zweyerley Art bezeichnet ſind, ſo iſt der Ton wieder um eine Quinte hoͤher; bey einer Abtheilung in 4 Theile Fig. 4. [nimmt]die Hoͤhe67 wieder um eine Quarte zu u. ſ. w. Ueberhaupt verhalten ſich die moͤglichen Toͤne derſelben Satte unter einander wie die Zahlen der Theile, oder umgekehrt wie die Laͤngen der Theile, in welche ſie ſich eintheilt, die Folge der Toͤne kommt alſo mit der natuͤrlichen Zahlenreihe 1, 2, 3, 4, 5 u. ſ. w. uͤberein. Wenn C der tiefſte Ton iſt, welchen die Saite giebt, wenn ſie ganz ſchwingt, ſo giebt eben dieſelbe Saite bey ihren verſchiedenen Schwingungsarten folgende Toͤne: Anzahl der Theile: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, Toͤne: C, c, g, , , , , c̅̅, d̅̅, e̅̅, f̅̅ +, g̅̅, a̅̅ , b̅̅ , h̅̅, c̅̅̅, u. ſ. w.

Durch zeige ich an, daß ein Ton etwas niedriger, und durch +, daß er etwas hoͤher iſt, als der angegebene Ton.

An Saiten von ungleicher Dicke werden zwar in gewiſſen Faͤllen, z. B. wenn ſich die Laͤngen der Theile umgekehrt wie die Durchmeſſer verhalten, die Schwingungen ebenfalls regelmaͤßig geſchehen, und die hoͤhern Toͤne dieſelben Verhaͤltniſſe haben, wie an einer Saite von gleichfoͤrmiger Dicke; meiſtens aber ſtehen die hoͤhern Toͤne in andern ſehr unregelmaͤßigen Verhaͤltniſſeu; in manchen Faͤllen findet auch keine Gleichzeitigkeit der Schwingungen und alſo auch kein reiner Klang Statt.

53.

Ueber die Hervorbringung des tiefſten Tones einer Saite, wo ſie ganz ſchwingt, iſt es nicht noͤthig, hier etwas weiter zu ſagen; die uͤbrigen hoͤhern Toͤne laſſen ſich am beſten darſtellen, wenn man eine Stelle, wo ein Schwingungsknoten iſt, (oder auch mehr als eine ſolche Stelle) nicht etwa auf die gewoͤhnliche Art, wie bey Geigeninſtrumenten greift, ſondern um die Verbreitung der Bewegung von einem Theile zum andern nicht zu hindern, ſie nur ſchwach mit einem Finger beruͤhrt, oder auf irgend eine andere Art durch Anhalten einer etwas weichen Materie daͤmpft, und eine ſchwingende Stelle rechtwinklich mit dem Violinbogen ſtreicht, da ſich denn die Beſchaffenheit der Schwingungsart auch leicht ſichtbar zeigen laͤßt, wenn man ſowohl auf jeden Schwingungsknoten, als auch auf jeden ſchwingenden Theil zu - ſammengebogene ſchmale Papierſtreifen legt, welche, ſobald der verlangte Klang gehoͤrig zum Vorſchein kommt, von den ſchwingenden Stellen herabgeworfen werden, und auf den Schwin - gungsknoten in Ruhe bleiben.

J 268
  • 1. Anm. Gewoͤhnlich bedient man ſich bey Saiteninſtrumenten nur der erſtern Schwingungsart, wo eine Saite ganz ſchwingt; nur ſelten macht man auf der Geige und dem Violoncell bey dem Soloſyielen Gebrauch von den hoͤhern Toͤnen, wo ſich die Saite in aliquote Theile eintheilt. Man nennt ſie Flageolet-Toͤne, (sons harmoniques, oder sons flutés), ſie klingen beſonders auf der a Saite des Violoncells, wo man noch wenigſtens das 4 geſtrichene a oder das 5 geſtrichene cis ſehr bequem dadurch erreichen kann, weit ſanfter, als wenn man eben ſo hohe Toͤne auf die gewoͤhnliche Weiſe greiſen wollte. Es giebt eine Saite, wie ſchon bewerket worden, auf dieſe Art nicht alle Toͤne, ſondern z. B. die d Satte nur die, welche gegen den Ton d, die a Saite nur die, welche gegen den Ton a in Verhaͤltniſſen der natuͤrlichen Zahlenfolge ſtehn; man tann aber auch alle andere hohen Toͤne auf dieſe Art erhalten, wenn man die Saite durch ein gewoͤhn - liches Greifen mit dem Daumen verkuͤrzt, und ſodann mit einem andern Finger irgend einen Schwingungsknoten dieſer verkuͤrzten Saite gelinde beruͤhrt, indem es ganz einerley iſt, ob der Schwingungsknoten, welcher der naͤchſte am Stege iſt, oder der, welcher der entfernteſte iſt, beruͤhrt wird. Dieſe Art, durch ein doppeltes Greifen jeden beliebigen hohen Ton als Flageolet - Ton hervorzubringen, lehrt la Grange in den Recherches sur le son §. 51. in Miscellan. Tau - rioens. tom. I, es wird meines Wiſſens auch von einigen Violoncellſpielern ausgeuͤbt. Auf der ſogenannten Meertrompete (trompette marine) welche ein ſehr unvollkommenes Jnſtrument iſt, aber doch vielleicht koͤnnte mehr vervollkommt werden, macht man Gebrauch von den verſchie - denen Eintheilungen der Saite in gleiche Theile. Es beſteht dieſes Jnſtrument aus einem langen holen, oben ſchmalen, nach unten ſich erweiternden, und am untern Ende offenen hoͤlzernen Koͤr - per, auf welchen nur eine Saite aufgeſpannt iſt, die unterwaͤrts auf einem Stege ruht, welcher auf der einen Seite nur locker auf den Reſonanzboden aufliegt, wodurch der Klang etwas ſchnar - rend, und dem Klange einer Trompete aͤhnlich wird. Die Saite wird oberwaͤrts an einem Schwingungsknoten mit dem Finger beruͤhrt, und zwiſchen dem obern Ende, und dem beruͤhrten Schwingungsknoten mit dem Violinbogen geſtrichen. Die Toͤne der Aeolsharfe, wo die Saiten durch einen Luftzug in Bewegung geſetze werden, bernhen ebenfalls auf ſolchen Transver - ſalſchwingungen der Saiten, wobey ſie ſich, nachdem ſie von dem Winde auf verſchiedene Art ge - troffen werden, in eine groͤßere oder kleinere Zahl von gleichen Theilen abtheilen. Sehr gute Bemerkungen daruͤber finden ſich in Matthew Young’s Enquiry into the principal phae - nomena of sounds and musical strings P. II. sect. V. Hieher gehoͤrt auch die ſogenannte Wetterharfe oder Rieſenharfe des Hauptmann Haas in Baſel, welche aus geſpannten ſehr langen Eiſendraͤhten beſtand, und bey Veraͤnderung des Wetters auf ſehr mannigfaltige Art zu toͤnen anfieng. Daß die Eiſendraͤhte toͤnten, wenn ſie in der Kichtung der Mittagslinie, nicht aber, wenn ſie von Oſt nach Weſt geſpannt waren, ruͤhrt wohl nicht, wie man vermuthen wollte, von einer Einwuͤrkung des Magnetiſmus her, ſondern die Urſache mochte wohl theils in Locakum - ſtaͤnden, welche mehr nach der einen, als nach der andern Richtung einen Luſtzug bewuͤrkt haben, theils auch meines Erachtens darin liegen, weil die meiſten Winde Weſt - oder Oſtwinde ſind, welche alſo die Draͤhte, wenn ſie in derſelben Richtung geſpannt waren, nicht genug ſeitwaͤrts treffen konnten, um ſie hinlaͤnglich in Bewegung zu ſetzen. Lichtenberg, welcher im Goͤttingiſchen Taſchenkalender 1789. S. 129 131, (ſo wie von der Aeolsharfe im Goͤttingiſchen Taſchenkalender 1792.) davon Nachricht giebt, vermuthet mit Recht, daß auch die durch Hitze und Kaͤlte, oder69 auch durch Trockenhelt und Feuchtigkeit verurſachten verſchiedenen Ausdehnungen und Zuſammen - zichungen der Drahte ſowohl wie des Gebaͤudes, woran ſie geſpannt waren, vieles zu dem Toͤnen moͤgen beygetragen haben, es moͤgen alſo dieſe langen Draͤhte mancherley regelmaͤßige und unregel - maͤßige Schwingungen, bald in transverſaler, bald in longitudinaler Richtung, gemacht haben, ſo daß bald ein Kniſtern und Rauſchen, bald ein wuͤrkliches Toͤnen hat koͤnnen wahrgenommen werden. Daß nur Eiſen - nicht aber Meſſingdraht brauchbar war, ſcheint, wie Lichtenberg be - werbt, dlos darin zu liegen, weil die Ausdehnungen und Zuſammenziehungen des Eiſens mehr ſtoßweiſe geſchehen, welches an eiſernen Oſen-Platten und Ofen-Thuͤren bey dem Einheizen und Erkalten ſich durch ein Kuiſtern zu erkennen giebt. Jn Gehlers phyſikaliſchen Woͤrterbuche im Supplementbande finden ſich bey den Worten: Aeolsharfe und Wetterharfe zwar gute Nachrichten davon, es wird aber mit Unrecht vermuthet, daß vielleicht Longitudinalſchwingungen die Urſache des Toͤnens der Aeolsharfe ſeyn moͤchten. Man hat, wie mir geſagt worden iſt, die Saiten der Rieſenharfe in Baſel wieder weggenemmen, weil man die Erſchuͤtterungen der Feſtig - keit des Gebaͤudes fuͤr nachtheilig hielt. Das von Herrn Schnell in Paris verfertigte Ane - mochord, welches jetzt in Wien iſt, und wovon ſich eine Beſchreibung und Abbildung in der muſtkaliſchen Zeitung 1798. Nr. 3. befindet, beruhet auch, ſo wie die Acolsharfe, darauf, daß die Saiten durch den Wind in Bewegung geſetzt werden, jedoch nicht, um ſich in mehrere Theile zu theilen, ſondern um ihren Grundton zu geben. Die Jdee, ſolche Toͤne, wie ſie bey der Aeolsharfe blos ein Spiel des Windes ſind, willkuͤhrlich hervorzubringen, und ſie zu muſikaliſchem Gebrauche anzuwenden, iſt allerdings ſehr ſinnreich, es mag auch wohl der Verfertiger aͤußerſt viele Gedult, Muͤhe und Aufwand auf deren Ausfuͤhrung verwendet haben. Jn Stuttgard hatte er vor einigen Jahren die Geſaͤlligkeit, es mir zu zeigen. Der Klang iſt zwar angenehm, und wenn die Toͤne einmahl bis zur moͤglichſten Staͤrke angewachſen ſind, auch ſehr ſtark, es ſpricht aber ſchwer und laugſam an, und man hoͤrt auch den Wind ſehr, und bey jedem Tone findet zwar ein Anwachſen, aber kein willkuͤhrliches Abnehmen der Staͤrke Statt. Die Schuld dieſer Unvoll - kommenheiten liegt aber wohl nicht an dem Verfertiger, fondern daran, daß es unmoͤglich ſeyn mag es anders einzurichten.
  • 2. Anm. Gewoͤhnlich wird Sauveur, welcher in der Histoire und in den Mémoires de l’Acad. de Paris 1701. Bemerkungen uͤber die hoͤhern Toͤne einer Saite geliefert hat, als der erſte Entdecker derſelben angeſehen. Aber ſchon fruͤher hatte Wallis in Algebra vol. II. p. 466. dieſe Schwingungsarten einer Saite erwaͤhnt, als eine von Noble und Pigot in Oxford ge - machte und ihm vom Erzbiſchoffe Narciſſus Marſh 1676. mitgetheilte Entdeckung. Ohne etwas davon zu wiſſen, entdeckte ſie Sauveur nachher, entſagte aber der Ehre der erſten Entdeckung, ſobald er erfuhr, daß Andere ebendaſſelbe ſchon vorher beobaͤchtet hatten. S. Hawkins History of Music vol. III. p. 134. und die vorher angefuͤhrte Schrift von Matthew Young, p. II. sect. II. Wie die verſchiedenen Toͤne einer Saite auch durch Glasſtaͤbe koͤnnen entlockt werden, lehrt F. H. von Dalberg in der muſikal. Zeirung November 1799, 6. 7. und 8. Sruͤck.

54.

Mehrere oder auch alle moͤgliche Schwingungsarten koͤnnen nebſt den ihnen zugehoͤ - rigen Toͤnen auch zugleich an einer Saite Statt finden, wobey die Saite ſolche zuſammen -70 geſetzte Kruͤmmungen annimmt, wie in Fig. 5 bis 8 zu ſehen ſind; weitere Erlaͤuterungen hieruͤber verſpare ich des Zuſammenhanges wegen zu dem 9ten Abſchnitte dieſes Theiles.

55.

Ueber die Beſchaffenheit der krummen Linien, welche eine Saite bey ihren Schwin - gungen annimmt, ſind die Behauptungen der groͤßten Geometer ganz verſchieden. Taylor, Daniel Bernoulli, und Graf Giordano Riccati haben gefunden, daß die Kruͤm - mungen allemahl mit einer ſehr verlaͤngerten Cycloide uͤbereinkommen, und daß, wenn L die Laͤnge der Saite, π den halben Umfang eines Zirkels, deſſen Halbmeſſer = 1 iſt, bedeutet; die groͤße Applicate in der Mitte eines ſchwingenden Theils bey der erſten Schwingungsart durch A, bey der zweyten durch B, bey der dritten durch C u. ſ. f. ausgedruͤckt wird; x eine beliebige Abſciſſe, und y die zu dieſer Abſciſſe gehoͤrige Applicate bedeutet; fuͤr die erſte Schwingungsart y = A sin. $$\frac{ \pi x}{L}$$ , fuͤr die zweyte y = B sin. $$\frac{2 \pi x}{L}$$ , fuͤr die dritte y = C sin. $$\frac{3 \pi x}{L}$$ ſey u. ſ. w. Den Unterſuchungen L. Eulers zufolge iſt aber die krumme Linie, welche die Saite annehmen kann, ganz willkuͤhrlich, und haͤngt blos von der erſten Biegung ab, die man der Saite giebt, ſo daß nicht einmahl ein Zuſammenhang der verſchiedenen Theile dieſer Kruͤmmung nach irgend einem Geſetze der Stetigkeit erfordert wird, und alſo auch ſolche krumme Linien Statt finden koͤnnen, die ſich durch gar keine Gleichung ausdruͤcken laſſen; daß aber allemahl jeder ſchwingende Theil einerley Kruͤmmung nach abwechſelnden Richtungen annehme, und man alſo, um eine ſolche krumme Linie zu zeichnen, nichts weiter noͤthig habe, als die ganz willkuͤhrlich angenommene Kruͤmmung eines ſchwingenden Theils fuͤr die benachbar - ten Theile auf eine aͤhnliche Art auf der andern Seite der Axe zu verlaͤngern. La Grange iſt groͤßtentheils Eulers Meynung zugethan. D’Alembert behauptet zwar ebenfalls, daß außer den Taylorſchen Cycloiden auch andere krumme Linien Statt finden koͤnnen, laͤugnet aber, daß eine Saite auch ſolche Kruͤmmungen annehmen koͤnne, deren Theile nach keinem Geſetze der Stetigkeit zuſammenhaͤngen.

  • Anm. Die Urſache dieſer Uneinigkeit der groͤßten Geometer iſt, weil man durch Unterſuchung der Schwingungen einer Saite zuerſt auf Differentialgleichungen mit brey veraͤnderlichen Groͤßen ge - kommen iſt, durch deren Jntegration man willkuͤhrliche und veraͤnderliche Functionen erhaͤlt, und man noch nicht hat beſtimmen koͤnnen, ob dieſe Functionen vollkommen wiuͤkuͤhrlich ſind, und ob alle moͤgliche Kruͤmmungen, auch ſolche, die nicht ſtetig ſind (curvae discontinuae) darunter begriffen ſeyn koͤnnen, oder nur ſolche, die ſich durch irgend eine algebraiſche oder tranſcendente71 Gleichung ausdruͤcken laſſen. Es hat die Petersburger Academie der Wiſſenſchaften dieſe Frage, welche auf mehrere Gegenſtaͤnde der hoͤhern Mechanik, beſonders auch auf die Bewegung fluͤſſiger Materien Beziehung hat, fuͤr das Jahr 1789 als Preisaufgabe vorgelegt, ſie iſt aber meines Wiſſens noch unentſchieden.

56.

Wenn L die Laͤnge der Saite, G die Schwere derſelben, P die ſpannende Kraft, welche ſich durch ein angehaͤngtes Gewicht ausdruͤcken laͤßt, n die Zahl der Theile, in welche ſich die Saite eintheilt, und S die verhaͤltnißmaͤßige Zahl der Schwingungen, oder den Ton einer Saite bedeutet, ſo iſt S = n $$\frac{P}{LG}$$ , und an Saiten, die aus einerley Materie be - ſtehen, iſt, wenn D den Durchmeſſer oder die Dicke bedeutet, G = D2L, und alſo S = n $$\frac{P}{L^2 D^2$$ oder = n $$\frac {\sqrt P}{LD}$$ . Es verhalten ſich alſo an Saiten von einerley Materie die gleichartigen Toͤne

  • 1) bey einerley Dicke und Spannung umgekehrt wie die Laͤngen der Saiten, weshalb man auch, wie ſchon bemerkt worden, auf dem Monochorde die Saitenlaͤngen zu Erlaͤu - terung der Tonverhaͤltniſſe gebraucht;
  • 2) bey einerley Laͤnge und Spannung, umgekehrt wie die Dicke der Saiten, ſo daß wenn z. B. eine Saite zweymahl ſo dick als die andere iſt, die Toͤne der dickern um eine Octave tiefer ſind.
  • 3) bey einerley Dicke und Laͤnge, wie die Quadratwurzeln der Spannung. Will man z. B. daß, wenn zwey Saiten durch angehaͤngte Gewichte geſpannt werden, die Toͤne der einen Saite um eine Octave hoͤher ſeyn ſollen, ſo muß das angehaͤngte Gewicht 4 mahl ſo viel, als bey der andern, betragen; ſollen die Toͤne um eine Quinte verſchieden feyn, ſo muͤſſen ſich die ſpannenden Gewichte wie 4: 9 verhalten.

Die Verſchiedenheit der Materie traͤgt nichts zur Beſtimmung der Toͤne bey, ſo geben z. B. eine Darmſaite, eine Meſſingſaite und eine Stahlſaite, wenn ſie gleich lang, gleich ſchwer und gleich ſtart geſpannt ſind, einerley Ton.

Die Dauer einer jeden einzelnen Schwingung ſteht im entgegengeſetzten Verhaͤltniſſe der Schwingungszahlen, ſie iſt alſo = $$\frac{1}{n}$$ $$\frac{LG}{P}$$ .

72

57.

Man findet die Zahl der Schwingungen, welche eine Saite in einer Secunde macht, wenn man ſie (§. 46.) mit einem Pendel vergleicht, bey welchem die Dauer einer jeden Schwingung ſich durch π (oder das Verhaͤltniß der Peripherie eines Zirkels zum Durchmeſſer) mit der Quadratwurzel der Laͤnge multiplicirt, ausdruͤcken laͤßt. Die Laͤnge eines Pendels, welches in einer Secunde einmahl ſchwingt, heiße f, ſo verhaͤlt ſich eine Secunde, als die Dauer einer Pendelſchwingung, zu t oder der in Theilen einer Secunde ausgedruͤckten Dauer einer Schwingung der Saite, wie π f zu $$\frac{1}{n}$$ $$\frac{LG}{P}$$ , es iſt alſo t = $$\frac {1}{\pi n}$$ $$\frac{LG}{fP}$$ , und mithin die Zahl der Schwingungen, welche in einer Secunde geſchehen, = πn $$\frac{fP}{LG}$$ .

Um dieſes durch ein (zum Theil aus Eulers tentam. nov. theor. Mus. cap. 1. §. 10. entlehntes) Beyſpiel zu erlaͤutern, ſey eine Saite 1,510 Rheinlaͤndiſche Fuß, oder 1510 Tau - ſendtheilchen eines Rheinlaͤndiſchen Fußes lang, 6⅕ Gran ſchwer; ſie ſey durch ein Gewicht von 6 Pfunden, oder, da ein Pfund 7680 Gran enthaͤlt, durch 46080 Gran geſpannt, es iſt alſo L = 1510, G = 6⅕, P = 46080, π oder das Verhaͤltniß der Peripherie zum Durch - meſſer iſt $$\frac{355}{113}$$ , f oder die Laͤnge des Secundenpendels iſt 3,166 Rheinl. Fuß, oder 3166 Tau - ſendtheilchen eines Rheinlaͤndiſchen Fußes. Wenn die Saite ihren tiefſten Ton giebt, und alſo n = 1 iſt, ſo wird die Zahl der Schwingungen in einer Secunde ſeyn = $$\frac{355}{113}$$ $$\frac{3166 \cdot 46080}{1510 \cdot 6\frac{1}{5}}$$ oder = 392.

Auf eine noch etwas einfachere Art laͤßt ſich die Zahl der Schwingungen in einer Secunde finden, wenn man die Formel n $$\frac{P}{LG}$$ mit der Quadratwurzel der doppelten Fall - hoͤhe eines ſchweren Koͤrpers in einer Secunde multiplicirt; es iſt naͤhmlich, wenn man den Raum, durch welchen ein Koͤrper in einer Secunde faͤllt, durch h ausdruͤckt, π f = 2h, die Anzahl der Schwingungen iſt alſo auch = n $$\frac{2hP}{LG}$$ . Da nun die Fallhoͤhe in einer Secunde 15624 Tauſendtheilchen eines Rheinlaͤndiſchen Fußes (nach Kaͤſtners hoͤherer Me - chanik 15,6241048 Rheinl. Fuß) betraͤgt, ſo laͤßt ſich die Zahl der Schwingungen dieſer Saite73 in einer Secunde, wenn n = 1 iſt, auch durch $$\frac{31248 \cdot 46080}{1510 \cdot 6\frac{1}{5}}$$ ausdruͤcken, welches ebenfalls = 392 iſt. Der tiefſte Ton dieſer Saite wuͤrde alſo nach Eulers Angabe das ungeſtrichene a ſeyn, da man aber jetzt ſich einer weit hoͤhern Stimmung, als ehemals, zu bedienen pflegt, ſo wuͤrde er vielmehr noch etwas niedriger, als das ungeſtrichene gis ſeyn. Bey den folgenden Schwingungsarten, wo n = 2 oder = 3 u. ſ. w. iſt, wird 392 durch dieſe Zahlen multiplicirt.

Der Deutlichkeit wegen fuͤge ich beyde Arten der Berechnung in Logarithmen bey:

  • I 46080 = 4,6635125
  • I 3166 = 3,5005109
  • 8,1640234
  • I 1510 = 3,1789769
  • 4,9850465
  • I 6⅓ = 0,7923917
  • 4,1926548
  • 2,0963274
  • I 355 = 2,5502284
  • 4,0465558
  • I 113 = 2,0530784
  • 2,5934774 = I 392,
  • I 31248 = 4,4948222
  • I 46080 = 4,6635125
  • 9,1583347
  • I 1510 = 3,1789769
  • 5,9793578
  • I 6⅕ = 0,7923917
  • 5,1869661
  • 2,5934830½ = I 392.

58.

Die vorzuͤglichſten Schriften uͤber die Transverfal-Schwingungen einer Saite ſind: Methodus incrementorum directa et inversa, auctore Brook Taylor, Lond. 1715. 4, worinnen dieſe Schwingungen der Saiten zuerſt ſind theoretiſch unterſucht worden; Joh. Bernoulli de chordis vibrantibus in Comment. Petrop. tom. III; verſchiedene Aufſaͤtze von L. Euler in den Mémoires der Berliner Academie der Wiſſenſchaften 1748, 1753 und 1765, in Nov. Comment. Acad. Petrop. tom. IX. XVII und XIX, in Actis Acad. Petrop. 1779, p. II; 1780, p. II; und 1781, p. I; in Mêlanges de philosophie et de mathématiqueK74de la societé de Turin tom. III; von Daniel Bernoulli in den Mémoires de l’Acad. de Berlin 1753 und 1765, wie auch in Nov. Comm. Acad. Petrop. tom. XVI; von la Grange in Mêlanges de philosophie et de mathématique de la société de Turin tom. I, II und III; von d’Alembert in den Mémoires de l’Acad. de Berlin 1747, 1750 und 1763, wie auch in ſeinen Opuscules tom. I. und IV. C. Giordano Riccati delle corde ovvero fibre elastiche, Bologna 1767. 4. Matthew Young’s Enquiry into the principal phaeno - mena of sounds and musical strings, Dublin 1784. 8. Zanotti de vi elastica, in Com - ment. Bonon. tom. IV.

59.

Zum Beſchluſſe erwaͤhne ich noch eine ſonderbare Erſcheinung, die Herr Hofrath und Leibarzt Hellwag in Eutin entdeckt, und mir zu beliedigem Gebrauche miegetheilt hat. Wenn man einer Saite einen Steg ſo unterſetzt, daß ſie nicht feſt aufliegt, ſondern ihn nur aͤußerſt ſchwach beruͤhrt, und man reißt die Saite ſo, daß ſie ſenkrecht auf dieſen Steg auf - ſchlaͤgt, ſo giebt ſie einen Ton, der tiefer iſt, als wenn ſie auf die gewoͤhnliche Art unge - hindert ganz ſchwingt. Die auf dieſe Art entſtehenden Toͤne kann man Klirr-Toͤne oder Schnarr-Toͤne nennen, ſie ſind wegen Ungleichfoͤrmigkeit der Schwingungen unangenehm, und es laͤßt ſich nur in wenigen Faͤllen dieſes Klieren an dem untergeſetzten Stege als ein be - ſtimmbarer Ton hoͤcen. Wenn der Steg unter die Mitte der Saite geſetzt wird, ſo iſt der Klirrton um eine Quinte tiefer, als der tiefſte natuͤrliche Ton. Wenn nahmlich die Saite Fig. 9. aus ihrer urſpruͤnglichen Lage p n q nach m gezogen und wieder loßgelaſſen wird, ſo ſchlagt ſie nach einer geſchehenen halben Schwingung an den bey n untergeſetzten Steg an, die beyden Haͤlften gehen hierauf nach derſelben Richtung weiter fort und nehmen die Kruͤmmungen p k n und n f q an, gehen hierauf wieder zuruͤck, und ſobald ſie wieder zur Axe p n q gelangt ſind, macht die ganze Saite wieder eine halbe Schwingung hin, und eine halbe wieder bis an den Steg u. ſ. f. Man hoͤrt alſo die Zeitraͤume des Auſchlagens an den Steg als einen eigenen Ton. Allem Anſchn nach betraͤgt nach einem geſchehenen Anſchlagen an den Steg 1) die halbe Schwingung jeder Haͤlfte p n und n q nach p k n und n f q ¼ einer ganzen natuͤr - lichen Schwingung der Saite, 2) der Ruͤckgang jeder Haͤlfce bis an die Axe p n q ebenfalls ¼ einer ganzen Schwingung, 3) der Weg der ganzen Saite von p n q nach p m q ¼ Schwingung, 4) der Weg von p m q bis p n q, wo die Saite von neuem an den Steg anſchlaͤgt, wieder ½ Schwingung. Alſo vergeht zwiſchen dem jedesmaligen Anſchlagen der Saite an den Steg75 ſo viele Zeit, als zu[1 / 4 + 1 / 4 + 1 / 2 + 1 / 2 = 2 / 3]Schwingungen der ganzen Saite bey ihren gewoͤhn - lichen Schwingungen erfordert wuͤrde, man empfindet alſo einen Ton, welcher ſich zu dem tiefſten natuͤrlichen Toge wie 2 / 3 zu 1 verhaͤlt, und alſo eine Quinte tiefer iſt. Jn dieſem Falle, wo der Steg ſich in der Mitte befindet, iſt dieſer Klirrton bey gehoͤrigem Verfahren vollkem - men deutlich zu hoͤren, er hat aber einige Beymiſchung des Tones, welcher den beyden Haͤlften p n und n q zukommt, und geht zuletzt, wenn die Saite nicht mehr merklich von dem Stege abſoringt, in dieſen Ton uͤber. Außerdem bin ich nur noch in 2 Faͤllen im Stande, dieſes Klirren als einen beſtimmbaren Ton zu vernehmen, obgleich weit undeutlicher, als in dem vorigen Falle. Wenn naͤhmlich der Stag ſo untergeſetzt wird, daß er die Saite in 2 Theile theilt, die und deieagen, ſo iſt der Klirrton um einen halben Ton hoͤher, als in dem vorigen Falle, und ſcheint ſich zu dem tiefſten natuͤrlichen Tone wie $$\frac{18}{25}$$ zu 1 zu verhalten. Wird der Steg ſo untergeſetzt, daß die Theile der Saite und betragen, ſo iſt der Klirrton um eine große None tiefer als der tiefſte natuͤrliche Ton und verhaͤlt ſich zu dieſem wie $$\frac{4}{9}$$ zu 1. Auf die Stelle, wo die Saite geriſſen wurde, ſchien wenig oder nichts anzukommen; wenn der Steg auch nicht ganz genau an den hier angegebenen Stellen, ſondern nur nahe dabey untergeſetzt war, ſo veraͤnderte dieſes den an ſich ziemlich undeutlichen Klirrton nicht merklich.

II. Longitudinalſchwingungen einer Saite.

60.

Bey den Longitudinalſchwingungen geſchehen abwechſelnde Zuſammenziehun - gen und Ausdehnungen der ganzen Saite oder ihrer aliquoten Theile nach der Richtung der Laͤnge, ſo daß dieſe ſich abwechſelnd gegen den einen und gegen den andern Schwingungs - knoten oder feſten Punkt ſtemmen. Bey der einfachſten longitudinalen Schwingungsare be - wegt ſich die ganze Saite ſo, wie ich dieſe abwechſelnden Strebungen nach entgegengeſetzten Richtungen in Fig. 34. a und b angezeigt habe. Bey der zweyten Bewegungsart theilt ſich die Saite in zwey gleiche Theile, die ſich abwechſelnd nach dem in der Mitte befindlichen Scemmungspuncte oder Schwingungsknoten, und nach den feſten Enden draͤngen, Fig. 35. a und b; bey der dritten Schwingungsart theilt ſie ſich in drey gleiche Theile, die ſich abwech - ſeind wie Fig. 36. a und b gegen die Schwingungsknoten draͤngen; bey der 4ten Schwin - gungsart theilt ſich die Saite in 4 auf dieſe Art ſich bewegende Theile u. ſ. w. Die Folge von Tonen verhaͤlt ſich bey dieſen und den uͤbrigen longitudinalen Schwingungsarten, wie dieK 276natuͤrliche Zahlenfolge 1, 2, 3, 4, 5 ꝛc. ſie ſtehen alſo unter einander in eben ſolchen Ver - haͤltniſſen, wie vorher bey den Transverſaltoͤnen iſt gezeigt worden.

61.

Zu Hervorbringung dieſer Schwingungsarten muß die Saite innerhalb eines ſchwin - genden Theiles mit dem unter einem ſo ſpitzigen Winkel wie moͤglich, gehaltenen Violinbogen der Laͤnge nach geſtrichen werden; es iſt auch ebendaſſelbe, wenn man ſie mit Geigenharz beſtreicht, und ſie ſodann mit einem Stuͤckchen Tuch oder einer andern weichen Materie, oder auch mit dem Finger, wenn man ihn etwas mit Harz beſtrichen hat, der Laͤnge nach reibt. Um den tiefſten Ton, wo die ganze Saite der Laͤnge nach ſchwingt, hervorzubringen, muß das Streichen nicht allzuweit von der Mitte geſchehen; aber bey den Schwingungsarten, wo ſich die Saite in aliquote Theile theilt, wird es rathſam ſeyn, irgend einen Schwingungs - knoten durch Beruͤhrung mit einem Finger oder mit einem andern weichen Koͤrper zu daͤmpfen; das Streichen wird ſodann am beſten naͤher bey einem Ende der Saite oder uͤberhaupt inner - halb eines ſchwingenden Theiles geſchehen koͤnnen.

62.

Die Geſetze, nach welchen ſich die Hoͤhe und Tiefe der Toͤne bey dieſen Schwingungs - arten richtet, ſind ganz anders beſchaffen, als bey den Transverſalſchwingungen. Darinnen kommen beyde mit einander uͤberein, daß die gleichartigen Toͤne in umgekehrtem Verhaͤltniſſe der Laͤngen ſtehen; ſie weichen aber darin ganz von einander ab, daß bey den Longitudinal - ſchwingungen auf die mehrere oder mindere Dicke der Saiten und auf die ſtaͤrkere oder ſchwaͤ - chere Spannung faſt gar nichts ankommt, deſto mehr aber auf die Beſchaffenheit der Materie; wie denn z. B. bey gleicher Laͤnge der Saiten die Toͤne einer Meſſingſaite ungefaͤhr um eine Sexte hoͤher ſind, als die Toͤne einer Darmſaite, und die Toͤne einer Stahlſaite ungefaͤhr um eine Quarte oder Quinte hoͤher, als die Toͤne einer Meſſingſaite. Es laͤßt ſich alſo kein beſtimmtes Verhaͤltniß der Toͤne zwiſchen ihnen und den Transverſalſchwingungen angeben, es ſind aber die Toͤne allemahl betraͤchtlich hoͤher, ſo daß der Unterſchied in manchen Faͤllen mehrere Octaven betragen kann, weshalb man ſich auch zu den Verſuchen ſehr langer Saiten bedienen muß.

  • Anm. Dieſe longitudinalen Schwingungsarten habe ich zuerſt in meinen Entdeckungen uͤber die Theorie des Klanges S. 76. erwaͤhnt, und nachher in der Der Berliner muſicali77 ſchen Monatsſchrift Auguſt 1792. uͤber die Geſetze derſelben genauere Beobachtungen gelie - fert, auch in meiner Abhandlung uͤber die Longitudinalſchwingungen der Saiten und Staͤbe einiges daruͤber geſagt. Bey Gelegenheit der Longitudinalſchwingungen eines Stabes im 5ten Abſchnitte dieſes Theiles wird noch einiges geſagt werden, was zu Erlaͤuterung dieſer Schwingungsarten einer Saite dienen kann. Graf Giordano Riccati hat in ſeiner Schrift delle corde ovvero fibre elastiche, Schlediasm. I. eine andere Art der Longitudinal - ſchwingung unterſucht, wo eine Saite, an welche ein Gewicht gehaͤngt iſt, ſich nach einer geſche - henen Aufhebung des Gleichgewichtes ſo ausdehnt und zuſammenzieht, daß das Gewicht ſelbſt dadurch abwechſelnd auf - und niederwaͤrts bewegt wird.
  • Zu practiſchem Gebrauche moͤchten die Longitudinalſchwingungen einer Saite ſchwerlich mit Vortheile koͤnnen angewendet werden, ſowohl, weil ſie nicht angenehm klingen, als auch, weil eine ſehr betraͤchtliche Lange der Saite erfordert wird, wenn die Toͤne nicht ſehr hoch ſeyn ſollen, wie ich denn bey den uͤber dieſe Schwingungsarten angeſtellten Verſuchen mich unter andern einer Meſſingſaite bedient habe, die auf 48 Rheinlaͤndiſche Fuß lang war, und bey ihrer einfachſten Schwingungsart keinen tiefern Ton, als ungefaͤhr das 8 fuͤßige oder große B gab.

Dritter Abſchnitt. Schwingungen einer geſpannten Membrane.

63.

Wenn eine uͤberall gleich breite Membrane nur nach der Richtung der Laͤnge, ſo wie eine Saite, geſpannt iſt, finden eben dieſelben Schwingungsarten und Tonverhaͤltniſſe Statt, wie bey den transverſalen Schwingungen einer Saite; die Schwingungsknoten ſind dabey als feſte Linien anzuſehn, die in die Quere gehen. Außerdem ſind aber auch, in ſo weit es die Breite der Membrane zuloͤßt, noch mehrere Schwingungsarten moͤglich, wobey ſich die Ge - ſtaltoeraͤnderungen der Membrane nicht wuͤrden durch krumme Linien, ſondern durch Flaͤchen - kruͤmmungen ausdruͤcken laſſen, wofuͤr man aber bis jetzt noch weder Ausdruͤcke noch Berech - nungsarten hat. Bey ſolchen Schwingungsarten wuͤrden auch eine oder mehrere feſte Linien, die man Knotenlinien nennen koͤnne, in die Laͤnge gehen, und wuͤrden auch von Knoten -78 linien, die in die Quere gehen, durchſchnitten ſeyn koͤnnen. Mehrere Erlaͤuterungen uͤber dergleichen Flaͤchenſchwingungen verſpare ich zum 7ten Abſchnitte.

Die Zahl der Schwingungen wuͤrde bey einer ſolchen blos wie eine Saite nach einer Richtung geſpannten Membrane in denen Faͤllen, wo ſie wie eine Saite ſchwingt, und alſo keine der Laͤnge nach gehende Knotenlinie vorhanden iſt, allem Anſehn nach eben dieſelbe ſeyn, wie ſie §. 56. und 57. an Saiten iſt angegeben worden, nur mit dem Unterſchiede, daß bey ſolchen Membranen, die aus einerley Materie beſtehen, der Ausdruck n $$\frac {\sqrtP}{LD}$$ muͤßte, wenn B die Breite bedeutet, in $$\frac{n}{L}$$ $$\frac{P}{DB}$$ verwandelt werden.

64.

Die Schwingungsarten eines nach allen Richtungen gleichfoͤrmig geſpannten Pauken - felles, in ſo weit ſie ſich durch krumme Linien ausdruͤcken laſſen, hat Graf Giordano Riccati in den Saggi scientifici e letterari dell Academia di Padova, tom. I. 1786. pag. 419. etc. unterſucht. Einige Schwingungsarten, die mit den Schwingungen der Saiten uͤbereinkom - men, geben auch dieſelben Verhaͤltniſſe von Toͤnen, wie er denn auch durch Erfahrung an einer Pauke, die B als den tiefſten Ton gab, auch den Ton a, welcher beynahe eine Octave hoͤher, und den Ton , welcher wieder um eine Quinte hoͤher iſt, erhalten hat. Wenn L den Durchmeſſer, M die Maſſe der Membrane, P die Spannung, π das Verhaͤltniß des Umkreiſes zum Durchmeſſer, f die Laͤnge des Secundenpendels, und n die einer Schwin - gungsart zukommende Zahl bedeutet, ſo iſt die Zahl der Schwingungen in einer Secunde ¾ πn $$\frac{fP}{LM}$$ .

Meines Erachtens koͤnnen die Schwingungen eines Paukenfelles zwar mit gewiſſen Schwingungsarten einer Saite, mit andern aber unmoͤglich ganz uͤbereinkommen. Wenn eine Pauke ihren tiefſten Ton giebt, von dem man allein Gebrauch macht, ſo ſchwingt jeder Durchmeſſer eben ſo, wie eine Saite bey ihrer einfachſten Schwingungsart Fig. 1. Hingegen iſt eine Schwingungsart, wo jeder Durchmeſſer ſich wie eine Saite bey ihrer Abtheilung in 2 Theile Fig. 2. bewegte, etwas ganz unmoͤgliches. Um dieſes zu erlaͤutern, werde ich einen ſchwingenden Theil, der ſich uͤber der natuͤrlichen Lage befindet, durch +, und einen, der ſich unter derſelben befindet, durch ausdruͤcken, ſo wie dieſes bey allen Accen entgegengeſetzter79 Groͤßen ſchicklich iſt. Wenn man nun annehmen wollte, daß an einer Pauke Fig. 10. jeder Durchmeſſer ſich ſo bewegte, wie eine Saite bey Fig. 2, ſo muͤßte zu eben der Zeit, da am + und bm iſt, auch cm + und dm ; em + und fm ; gm + und hm ; bm + und am ; dm + und cm ſeyn, es muͤßte alſo jeder halbe Durchmeſſer zu gleicher Zeit uͤber und unter der natuͤrlichen Lage ſeyn, welches einander widerſpricht. Es wird alſo eine dergleichen vom Grafen Riccati vorausgeſetzte Schwingungsart, wo jeder Durchmeſſer ſo wie eine Saite bey Fig. 2. ſchwingt, vielmehr durch eine ſolche gewiſſermaßen repraͤſentirt werden, wo die Pauke durch eine mitten hindurch gehende Knotenlinie Fig. 10. e f in zwey ſchwingende halbe Cirkelflaͤchen e a f und f b e getheilt wird, deren eine + iſt, waͤhrend die andere iſt, wo alſo nur der ein - zige Durchmeſſer a m b genau ſo wie eine Saite bey Fig. 2, jeder ſandere Durchmeſſer aber anders, und der Durchmeſſe e f gar nicht ſchwingt; dieſe Schwingungsart gehoͤrt alſo ſchon unter diejenigen, weiche ſich im ganzen nicht durch eine krumme Linie, ſondern durch Flaͤchen - kruͤmmungen wuͤrden ausdruͤcken laſſen. Die dritte Schwingungsart einer Saire Fig. 3. wird aber bey jedem Durchmeſſer zugleich koͤnnen Statt finden, die Schwingungsknoten aller Durchmeſſer werden hierbey eine concentriſche Knotenlinie bilden, wie bey Fig. 11. Bey der vierten Schwingungsart einer Saite Fig. 4. wird wieder eben der Fall ſeyn, wie bey der 2ten, es kann naͤhmlich nur ein einziger Durchmeſſer Fig. 12. a b dieſelbe Kruͤmmung annehmen, und die Schwingungsart wird im Ganzen ſo ausfallen, daß die Knotenlinien einen Kreiß bilden, der von einer geraden Linie durchſchnitten iſt. Die 5te Schwingungsart einer Saite wird wieder in jedem Durchmeſſer Statt finden koͤnnen, und die Knotenlinien werden dabey 2 concentriſche Zirkel bilden Fig. 133 eben ſo wird auch jede andere Schwingungsart einer Saite, wo dieſe eine ungerade Zahl von Kruͤmmungen annimmt, in jedem Durchmeſſer eines Paukenfelles zugleich geſchehen koͤnnen, nicht aber ſolche, wo die Saite ſich in eine gerade Zahl von Theilen eintheilt, und in der Mitte ein Schwingungsknoten iſt, welche vielmehr immer ſich ſo zeigen werden, daß nur ein Durchmeſſer genau ſo ſchwingt, und die Kneten - linien Kreiſe bilden, die von einer geraden Linie durchſchnitten ſind. Außerdem werden allem Anſehn nach faſt eben ſo, wie im 7ten Abſchnitte an einer runden Scheibe gezeigt werden ſoll, auch noch andere Schwingungsarten moͤglich ſeyn, wo mehrere gerade Knotenlinien ſich in der Mitte durchſchneiden, und außer dieſen auch concentriſche Knotenlinien vorhanden ſeyn koͤnnen, ben welchen Schwingungsarten die Geſtalt der nach jeder Richtung auf andere Act gekruͤmmten Membrane, wenn man jemals ſie zu beſtimmen im Stande ſeyn ſollte, ſich gar nicht durch lineare Gleichungen wuͤrde ausdruͤcken laſſen.

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Ueber die Schwingungen eines rechtwinklich viereckigen Paukenfelles hat L. Euler in Nov. Comm. Ac. Petrop. tom. X. einige Unterſuchungen geliefert, welche aber wohl ſchwerlich moͤchten der Natur ganz gemaͤß ſeyn, und dem, was ſich an Schwingungen anderer Flaͤchen bemerken laͤßt, gar nicht analog ſind. Ueberhaupt moͤchte es wohl bey dem gegen - waͤrtigen Zuſtande der Mechanik und Analyſe noch nicht zu erwarten ſeyn, daß die wahre Beſchaffenheit ſolcher Flaͤchenkruͤmmungen durch theoretiſche Unterſuchungen koͤnnte gefunden werden.

Vierter Abſchnitt. Schwingungen der Luft.

65.

Jn gegenwaͤrtigen Abſchnitte kann nur von ſolchen Schwingungen der Luft die Rede ſeyn, wo dieſe als ſelbſtklingender Koͤrper anzuſehen iſt; alle andern Faͤlle, wo die Schwingungen eines andern Koͤrpers durch die Luft verbreitet werden, gehoͤren in den erſten Abſchnitt des folgenden Theils, welcher gewiſſermaßen als die Fortſetzung dieſes Abſchnittes anzuſehen iſt, weil die der Luft eigenthuͤmlichen und die ihr mitgetheilten Schwingungen auf einerley Ge - ſetzen beruhen.

66.

Durch einen jeden hinlaͤnglich ſtarken Stoß, z. B. durch einen Peitſchenſchlag, durch ſchnelles Hauen, durch eine jede Art der Exploſion u. ſ. w. werden in der umher befindlichen Luſt hoͤrbare zitternde Bewegungen hervorgebracht, die aber gewoͤhnlich nicht regelmaͤßig genug ſind, um einen beſtimmbaren Ton zu geben.

67.

Mehrere Beſtimmtheit findet ſich bey ſolchen Schwingungen der Luft, welche vermittelſt einer ſchnellen Stroͤmung derſelben durch eine enge Oeffnung veranlaßt werden. Die Hoͤhe und81 Tiefe der Toͤne haͤngt hier von zwey Umſtaͤnden ab, 1) von der Kraft, mit welcher die Luft durch die enge Oeffnung zu dringen ſtrebt, ſo daß, wenn die Oeffnung ſich nicht veraͤndert, bey einer groͤßern Kraft die Toͤne hoͤher werden, 2) von der Groͤße der Oeffnung, ſo daß bey einerley Kraft die Toͤne deſto hoͤher ſind, je kleiner die Oeffnung iſt. Wenn die Heftig - keit der Luftſtroͤmung und die Groͤße der Oeffnung im gleichen Verhaͤltniſſe zu oder abnehmen, ſo wird der Klang ſtaͤrker oder ſchwaͤcher, der Ton veraͤndert ſich aber nicht. Das Pfeifen mit dem Munde kann hier am beſten als Beyſpiel dienen. Es werden dabey die Lippen ſo zuſammengezogen, daß eine enge Oeffnung bleibt, durch welche die Luft ſchnell gepreßt wird. Der Ton wird hier ſowohl durch die Kraft, mit welcher die Luft ausgeblaſen wird, als auch durch die mehr oder weniger enge Zuſammendruͤckung der Lippen beſtimmt, und wenn die Kraft des Biaſens, und die Zuſammendruͤckung der Lippen in gleichem Grade zu oder ab - nehmen, ſo wird der Klang ohne Veraͤnderung des Tones ſtaͤrker oder ſchwaͤcher. Es gehoͤren hieher auch die Toͤne, welche man hoͤrt, wenn ein ſtarker Wind durch eine Ritze in einem Fenſter, oder ſonſt durch eine dergleichen enge Oeffnung ſtroͤmt; je mehr die Heftigkeit des Windes zunimmt, deſto hoͤher und ſtaͤrker werden die Toͤne, weil hier die Oeffnung unver - aͤndert bleibt. Auch die Toͤne, welche ſich auf dem bloßen Mundſtuͤcke gewiſſer Blasinſtru - mente hervorbringen laſſen, richten ſich nach ebendenſelben Geſetzen, wie denn z. B. die Luft, welche ſich in dem Roͤhrchen, womit die Hoboe angeblaſen wird, befindet, verſchiedene Toͤne giebt, nachdem man das Roͤhrchen mit den Lippen mehr oder weniger zuſammendruͤckt, und ſtaͤrker oder ſchwaͤcher blaͤßt. Wenn vermittelſt einer ſchnellen Luftſtroͤmung durch eine enge Oeffnung irgend ein membranenfoͤrmiger Koͤrper genoͤthigt wird, mit zu zittern, ſo wird der Klang dadurch zwar ſchnarrend, aber ſehr verſtaͤrkt. Dieſes geſchieht z. B. wenn man zwi - ſchen den Fingern beyder Haͤnde ein Streifchen Papier, oder ein Blatt von Schilf oder Gras etwas ausgeſpannt haͤlt, ſo daß, wenn hindurchgeblaſen wird, die Luft auf beyden Seiten dieſer Membrane vorbeyſtreichen kann. Eben dieſelbe Bewandniß hat es auch mit den Rohr - pfeifen, deren ſich die Kinder zu ihrem Spielwerke bisweilen bedienen, es wird naͤhmlich an einem Halme von Schilf ein Streif ſo abgeſchaͤlt, daß nur die innere duͤnne Haut unverletzt uͤbrig bleibt, durch deren Mitzittern die hineingeblaſenen Toͤne ſtaͤrker werden. Von einer ſolchen Verſtaͤrkung durch das Mitzittern eines Streifens von Meſſingblech wird auch, wie nachher weiter wird gezeigt werden, an Orgeln bey den Rohrwerken Gebrauch gemacht.

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63.

Die Stimme der Menſchen und Thiere entſteht auch auf die jetzt erwaͤhrte Art. Es ſind naͤhmlich im Luftroͤhrenkopfe (larynx) zwey Membranen, die man Kehlbaͤnder (ligamenta glottidis) nennt, ausgefpannt, jede macht ungeſaͤhr die Oberflache eines halben Zirkels, beyde aber die Oberflaͤche eines ganzen Ziebels aus; mit der aͤußern runden Seite haͤngen ſie an den Waͤnden des Luftroͤhrenkopfes, ihre geraden Raͤnder ſind aber gegen einander gekehrt, ſo daß ſie im Durchmeſſer des Zirkels genau an einander ſchließen, oder auch eine Oeffnung bilden koͤnnen, die dem Durchſchnitte einer Linſe aͤhnlich iſt, und die Stimmritze (glottis) genennt wird. Jſt dieſe Oeffnung weit genug, ſo zieht die Luft, wie bey dem gewoͤhnlichen Athmen, ſtill hindurch; wird ſie aber verengert, ſo reibt ſich die aus den Lungen durch die Luftroͤhre ausgehende Luft bey ihrer Durchpreſſung durch dieſe beyden Membranen an dieſelben, und ſetzt ſie dadurch in eine ſchnelle zitternde Bewegung, welche der ausgehenden Luft mitgetheilt wird. Dieſer ſchnell zitternden Luft, welche man Stimme nennt, ſetzen die uͤbrigen Sprachwerkzeuge bey dem Ausgange aus dem Munde mancherley Hinderniſſe in den Weg, und ſtellen dabey mancherley ſehr verſchieden geſtaltete Oeffnungen dar, wodurch die Stimme auf mancherley Weiſe articulirt wird. Jemehr die Srimmritze verengert wird, wobey zugleich die Kehlbaͤnder mehr geſpannt werden, deſto hoͤher wird der Ton; es iſt uͤbrigens faſt unbegreiflich, wie viele Veraͤnderungen des Tones bey einer ſo geringen Ver - aͤnderung der Weite dieſer Oeffnung, welche hoͤchſtens etwa Zoll betraͤgt, koͤnnen Statt finden.

  • Anm. Dodart hat in den Mém. de l’Acad. de Paris 1700, 1706 und 1707 darzuthun geſucht, daß die Verſchiedenheit der Toͤne von der Erweiterung und Verengerung der Stimmritze, Fer - rein aber in Mém. de l’Acad. de Paris 1741 und 1743, daß ſie von der verſchiedenen Span - nung der Kehlbaͤnder abhaͤnge. Eigentlich haben beyde Recht, indem bey mehrerer Verengerung der Oeffnung auch die Baͤnder mehr geſpannt werden. Außer dieſen Aufſaͤtzen iſt auch uͤber den Bau der Stimmwerkzeuge vorzuͤglich nachzuleſen: Haller de partium corporis humani fa - brica et functionibus libr. IX. Vicq d’Azyr sur la voix in Mém. de l’Ac. de Paris 1779, wo auch die Stimmwerkzeuge verſchiedener Thiere unterſucht und abgebildet ſind; Ballanti, Urtini et Galvani observationes de quorundam animalium organo vocis, in Comment. Bonon. tom. VI. p. 50. Herr Hofrath von Kempelen in Wien hat in ſeiner Schrift: Ueber den Mechauiſmus der menſchlichen Sprache (Wien 1791. 8. ) aus welcher einiges in Voigts Magazin fuͤr das neueſte aus der Phyſik und Naturgeſchichte, VIII. B. 1. St. S. 127. eingeruͤckt iſt, trefliche Bemerkungen bekannt gemacht, und ſeine ſehr einfache Sprach - maſchine, die er mir auch zu zeigen die Guͤte hatte, und wodurch die Laute der menſchlichen83 Stimme ohne alle Taͤuſchung nachgeahmt werden, genau beſchrieben. Ueber die Entſtehung der Selbſtlauter, welche auf einem verſchiedenen Verhaͤltniſſe der Oeffnung der Lippen und des Zun - gencanals beruhen, hat Kratzenſtein Beobachtungen bebannt gemacht, wegen deren er daß von der Petersburger Academie der Wiſſenſchaften ausgeſetzten Preiß erhalten hatte; ſie finden ſich in den Observations sur la physique par Rozier, supplément 1782. p. 358, wie auch im Auszuge in den Actis Acad. Petrop. 1780. Er hat auch eine Maſchine verfertigt, welche den Schall eines jeden Selbſtlauters nachahmt. Herr Hofrath und Leibmedicus Hellwag in Eutin, deſſen zu Tuͤbingen 1781. herausgekommene Jnauguraldiſſertation de formatione loquelae in - tereſſante Bemerkungen enthaͤlt, (von der er aber manche ſeinen damaligen, nicht aber ſeinen jetzigen Einſichten gemaͤße Aeußerungen jetzt zuruͤcknimmt), hat ſeit der Zeit weit mehrere Unter - ſuchungen uͤber den Bau der menſchlichen Sprachwerkzeuge, und uͤber deren Bewegung bey Her - vorbringung eines jeden Lantes angeſtellt, und die dazu gehoͤrigen Zeichnungen ausgearbeitet; ſollte er ſich entſchließen, ſeine Beobachtungen bekannt zu machen, ſo iſt meines Erachtens viel Nenes und Richtiges zu erwarten.

69.

Jn Orgelpfeifen und allen Arten von Blasinſtrumenten wird dadurch, daß Luft in eine enge Oeffnung ſchnell ſtroͤmt, die in der Pfeife oder dem Blasinſtrumente befindliche und alſo durch Einſchließung in eine ſolche Roͤhre gewiſſermaßen von der uͤbrigen Luft abgeſonderte Luftſaͤule der Laͤnge nach in eine zitternde Bewegung geſetzt. Die Toͤne koͤnnen abhaͤngen 1) von der Art des Anblaſens, 2) von der Laͤnge der in dem Jnſtrumente enthaltenen Luftſaͤule. Wenn eine von dieſen beyden Urſachen betraͤchtlich ſtaͤrker wuͤrkt, als die andere, ſo iſt ſie allein ſchon im Stande den Ton zu beſtimmen; wenn aber keine ſolche Ueberlegenheit vorhanden iſt, ſo entſteht ein unreiner Klang, (ausgenommen in dem Falle, wenn beyde Urſachen ganz gleichfoͤrmig wuͤrken), weil alsdenn jede dieſer beyden Urſachen einen andern Ton hervorzubringen ſtrebt.

Daß nicht etwa die Pfeife oder das Blasinſtrument ſelbſt als der klingende Koͤrper anzuſehen iſt, erhellt unter andern ſchon daraus, weil der Klang nicht verhindert oder ver - aͤndert wird, wenn man es an beliebigen Stellen, oder auch in ſeiner ganzen Oberflaͤche feſthaͤlt oder umwickelt; wie auch daraus, weil die Verſchiedenheit der Dicke, des Durch - meſſers, und der Materie gar keinen Einfluß auf die Beſtimmung der Toͤne hat, ſondern nur, vielleicht wegen der mehrern oder mindern Reibung der Luft an der innern Flaͤche, oder wegen eines ſchwachen Mitzitterns des Blasinſteumentes ſelbſt, etwas dazu beytragen kann, den Klang verſchiedentlich zu modiſtciren, und ihm einen beſtimmten Character zu geben.

L 284

70.

Jn den Pfeifen ſolcher Orgelregiſter, die man Rohrwerke, in einigen Gegenden auch Schnarrwerke nennt, haͤngt der Ton vorzuͤglich von der Art des Anblaſens ab. Das Mundſtuͤck iſt bey dieſen Pfeifen ſo beſchaffen, daß die eine Seite der engen Oeffnung, durch welche die eingeblaſene Luſt ſtroͤmt, aus einem Streifen von Meſſingblech beſteht, welcher die Zunge genennt, und durch die eindringende Luft auch in zitternde Be - wegung geſetzt wird. Dieſe Zunge wird vermittelſt eines mit einem Stiele verſehenen meſ - ſingenen Reifen, welchen man die Kruͤcke nennt, an die andere Seite des Mundſtuͤcks an - gedruͤckt; wenn man eine ſolche Pfeife ſtimmen will, wird dieſe Kruͤcke etwas aufwaͤrts oder niederwaͤrts geſchoben, wodurch der zitternde Theil des Meſſingſtreifens verlaͤngert oder ver - kuͤrzt und zugleich auch die Oeffnung, durch welche die Luft einſtroͤmt, erweitert oder verengert wird. Derjenige Theil der Pfeife, in welchem ſich die mitklingende Luftmaſſe befindet, iſt gewoͤhnlich weit kuͤrzer, als an andern Orgelpfeifen, es wird naͤhmlich durch die Kraft des Anblaſens, verbunden mit den Schwingungen der Zunge die in dem uͤbrigen Theile der Pfeife enthaltene Luftmaſſe genoͤthigt, in ganz andern Zeitraͤumen zu zittern, als ſie ihrer eigenthuͤm - lichen Beſchaffenheit nach zittern wuͤrde, daher auch der Klang gewoͤhnlich etwas rauh und ſchnarrend iſt, weshalb auch ſolche Regiſter meiſtens fuͤr ſich allein keine gute Wuͤrkung thun, deſto beſſer aber wegen ihrer betraͤchtlichern Staͤrke bey Zuziehung anderer ſanftern Regiſter zu Verſtaͤrkung des Klanges dienen. Uebrigens wird zwar bey tiefern Toͤnen der Theil der Pfeife, worin ſich die mitzitternde Luftmaſſe befindet, groͤßer gemacht, als bey hoͤhern Toͤnen, es iſt aber nicht erforderlich, daß es in eben denſelben Verhaͤltniſſen geſchehe, wie bey andern Pfeifen.

71.

Jn Floͤten, Hoboen, Clarinetten, Fagots, Hoͤrnern, Trompeten, u. ſ. w. wie auch in ſolchen Orgelpfeifen, die man Floͤtenwerke nennt, haͤngen die Tone hauptſaͤchlich von der Laͤnge der ſchwingenden Luftſaͤule ab, ſo daß durch eine Verſchiedenheit des Blaſens ſich keine andern Toͤne hervorbringen laſſen, als ſolche, die mit der Laͤnge der ſchwingenden Luftſaͤule, oder mit den Laͤngen der Theile, in welche ſie ſich auf eine regelmaͤßige Art eintheilt, in umgekehrtem Verhaͤltnige ſtehen. Jn Orgelpfeifen, wie auch in einigen andern Arten der Blasinſtrumente, geſchieht das A[n]blaſen vermittelſt eines Mundſticks, welches bey den meiſten ſo beſchaffen iſt, daß die durch eine enge[Ritz]e[eindrin]gende Luft85 durch einen nahe dabey befindlichen Ausſchnitt groͤßtentheils wieder ausſtroͤmt, und durch ihr Vorbeyſtreichen an dem einen Ende der in der Roͤhre enthaltenen Luftſaͤule dieſe der Laͤnge nach in ſchwingende Bewegung ſetzt; bey manchen andern thut das Zuſammendruͤcken der Lippen bey dem Blaſen ebendieſelbe Wuͤrkung, und die eingeblaſene Luft findet keinen andern Ausweg, als durch die Roͤhre ſelbſt, ſo daß die darinnen befindliche longirndinal ſchwingende Luftſaͤule gewiſſermaßen immer erneuert wird. Um die hoͤhern Toͤne, deren eine Pfeife oder ein anderes Blasinſtrument faͤhig iſt, hervorzubringen, wird mehrere Staͤrke des Blaſens und mehrere Zuſammendruͤckung der Lippen, oder auch ein Einſtroͤmen durch eine engere Oeffnung erfordert, es laſſen ſich auch an ſolchen Pfeifen oder Blasinſtrumenten, die im Verhaͤltniſſe ihrer Laͤnge keine betraͤchtliche Weite haben, die hoͤhern Toͤne am leichteſten her - vorbringen. An Blasinſtrumenten, wo an den Seiten ſich Loͤcher befinden, wird dadurch, daß man dieſe offen laͤßt, die ſchwingende Luftſaͤule abgekuͤrzt, wodurch alſo die Toͤne hoͤher werden. Jn welchen Verhaͤltniſſen aber durch die verſchiedenen Arten von Oeffnung oder Verſchließung der Seitenloͤcher die Toͤne erhoͤht oder erniedrigt werden, iſt zwar durch die Erfahrung ziemlich genau beſtimmt, es ſcheint aber der gegenwaͤrtige Zaſtand der Mechanik und Analyſe noch nicht zu einer theoretiſchen Unterſuchung dieſer Veraͤnderungen hinlaͤnglich zu ſeyn, die beſten Beobachtungen daruͤber hat Lambert in den Mémoires de l’Acad. de Berlin 1775. bekannt gemacht.

Graf Giordano Riccati zeigt in ſeinem Werke delle corde ovvero fibre elastiche Schediasm. VII. §. 13. auf eine ſinnreiche Art den Uebergang von den Luftſchwingungen, wo es blos auf das Mundſtuͤck oder auf die Art des Blaſens ankommt, zu denen, wo die Toͤne hauptſaͤchlich von der Laͤnge der ſchwingenden Luftſaͤule abhaͤngen. Wenn das Roͤhrchen einer Hoboe von dem Jnſtrumente abgeſondert angeblaſen ward, ſo ließen ſich darauf hoͤhere oder tiefere Toͤne hervorbringen, deren Unterſchied wohl eine Sexte oder wohl gar eine Octave betragen konnte. Wenn das Roͤhrchen an der Hoboe befeſtigt ward, und es wurden alle Loͤcher offen gelaſſen, ſo hatte wegen der Schwingungen einer laͤngern Luftſaͤule die Ver - ſchiedenheit des Anblaſens eine geringere Wuͤrkung, ſo daß der Unterſchied bey den ange - ſtellen Verſuchen nur ungefaͤhr eine Quarte ausmachte, mit einer weniger beſtimmten Jntona - tion, als vorher. Warden alle Seitenloͤcher verſchloſſen, ſo war die zitternde Luftſaͤule ſo lang, daß die Verſchiedenhen des Anblaſens nur einen geringen Unterſchied, hoͤchſtens von einem ganzen Tone bewirken konnte; die Jntonation war dabey offenbar falſch, und ſehr unangenehm,86 weil der Ton, welchen das Mundſtuͤck hervorbringen wollte, mit dem Tene, welchen die in dem Koͤrper des Jnſtrumentes enthaltene Luftſaͤule haͤtte geben koͤnnen, zu ſehr contraſtirte.

72.

Es finden an Pfeifen und Blasinſtrumenten verſchiedene Folgen von Schwingungs - arten und Tonverhaͤltniſſen Statt, nachdem ſie entweder an beyden Enden offen, oder nur an einem Ende offen ſind. Das Ende, wo geblaſen wird, wenn es auch, wie bey Hoͤrnern und Trompeten, ganz an den Mund geſetzt wird, iſt doch als offen anzuſehen. Die mannigfaltigen Schwingungsarten der in der Pfeife enthaltenen Luftſaͤule nebſt den ihnen zukommenden Tonverhaͤltniſſen ſind ganz eben ſo beſchaffen, wie die Longitudinalſchwingungen der Staͤbe, uͤber welche in der zweyten Abtheilung des folgenden Abſchnittes ein mehreres wird geſagt werden; es ſchwingt naͤhmlich die Luft in einer an beyden Enden offenen Pfeife wie ein an beyden Enden freyer Stab, und in einer Pfeife, die nur an einem Ende offen, an dem andern aber verſchloſſen iſt, wie ein Stab, der an dem einen Ende befeſtigt, und an dem andern frey iſt. Wenn man Mittel haͤtte, die in einer ganz verſchloſſenen Roͤhre ent - haltene Luft der Laͤnge nach in zitternde Bewegung zu ſetzen, ſo wuͤrde ſie ſich eben ſo bewegen muͤſſen, wie ein Stab, der an beyden Enden befeſtigt iſt, oder wie eine Saite bey ihren Longitudinalſchwingungen. Bey allen Arten, wie ſich die Luftſaͤule in ſchwingende Theile ein - theilen kann, iſt ein Theil, der ſich an einem offenen Ende befindet, allemahl (§. 45.) halb ſo lang, als ein Theil, der zwiſchen zwey feſte Graͤnzen eingeſchloſſen iſt. An einem offenen Ende, ſo wie auch in der Mitte eines zwiſchen zwey feſten Stellen befindlichen ſchwingenden Theiles der Luftſaͤule iſt allemahl die Geſchwindigkeit, mit der jedes Lufttheilchen aus ſeiner Stelle geruͤckt wird, (oder welches ebendaſſelbe iſt, die Weite der Excurſionen deſſelben) am groͤßten, und die Verdichtung oder Verduͤnnung = 0, aber je naͤher ein Lufttheilchen einem Schwingungsknoten iſt, deſto geringer iſt deſſen Geſchwindigkeit, und deſto groͤßer ſeine ab - wechſelnde Verdichtung und Verduͤnnung; an den feſten Stellen ſelbſt iſt die Geſchwindig - keit der Bewegung = 0, und die abwechſelnde Verdichtung und Verduͤnnung am groͤßten.

73.

Jn einer an beyden Enden offenen Pfeife, wohin auch alle gewoͤhnlichen Arten von Blasinſtrumenten zu rechnen ſind, bewegt ſich bey der einfachſten Schwingungsart die darinnen enthaltene Luft ſo, daß in der Mitte ein Schwingungsknoten iſt, und die beyden87 Haͤlſten der Lufeſaͤule ſich abwechſelnd gegen einander und von einander ſtemmen, Fig. 14. a und b. Bey der zweyten Schwingungsart, wo der Ton um eine Octave hoͤher iſt, als bey der erſten, ſind zwey Schwingungsknoten vorhanden, deren jeder um den vierten Theil der ganzen Laͤnge von den Enden entferat iſt; die Theile ſtemmen ſich abwechſelnd gegen den einen und den andern Schwingungsknoten Fig. 15. a und b. Bey der dritten Schwingungs - art, wo der Ton um eine Quinte hoͤher iſt, als bey der zweyten, ſind drey Schwingungs - knoten vorhanden, einer iſt in der Mitten, und jeder der beyden uͤbrigen iſt um den ſechsten Theil der Laͤnge von den Enden entfernt, die Bewegung geſchieht ſo, wie ich Fig. 16. a und b gezeigt habe. Bey der vierten Schwingungsart, wo vier Schwingungskneten ſind, iſt der Ton um eine Quarte hoͤher, als bey der dritten, und um 2 Octaven hoͤher, als bey der erſten, und ſo verhalten ſich die Toͤne bey dieſen und allen uͤbrigen Schwingungsarten der Luft in einer offenen Pfeife, wie die natuͤrliche Zahlenreihe 1, 2, 3, 4, 5 u. ſ. f. Will man aber dieſe Schwingungsarten mit den im naͤchſten §. zu beſchreibenden Schwingungsarten der Luft in einer nur an einem Ende offenen Pfelfe vergleichen, ſo wird man, weil der tiefſte Ton einer an beyden Enden offenen Pfeife um eine Octave hoͤher iſt, als der tiefſte Ton einer Pfeife, die nur an einem Ende offen iſt, die jetzterwaͤhnte Reihe mit 2 multipliciren und in 2, 4, 6, 8, 10 u. ſ. f. verwandeln muͤſſen.

Ob ein Blasinſtrument oder eine Orgelpfeife gerade oder gebogen iſt, thut nichts zur Sache, weil die Luft nach allen Richtungen in gleichem Grade elaſtiſch iſt. Die jetzterwaͤhnte Folge von Toͤnen findet nicht nur an cylindriſchen oder priſmariſchen, ſondern auch an ſolchen Blasinſtrumenten Statt, welche nach irgend einer geraden oder krummen Richtung conver - giren oder divergiren, wie denn auch bey den meiſten Arten der Blasinſtrumente das aͤußere Ende zu Verſtaͤrkung des Klanges ſich paraboliſch erweitert. Wenn eine divergirende, eine uͤberall gleich weite, und eine convergirende offene Pfeife von gleicher Laͤnge ſind, ſo giebt eine divergirende etwas hoͤhere, und eine convergirende etwas tiefere Toͤne, als eine die uͤberall von gleicher Weite iſt. Die ſchwingende Luftſaͤule, welche uͤberhaupt ein wenig laͤnger zu ſeyn ſcheint, als die Laͤnge der Roͤhre, worinnen ſie enthalten iſt, wird allem Anſehen nach durch Divergenz etwas verkuͤrzt, und durch Convergenz etwas verlaͤngert.

  • 1. Anm. Auf jedem Blasinſtrumente wird man, wenn alle Seitenloͤcher zugehalten werden, durch Verſchiedenheit des Blaſens einige von den mit der natuͤrlichen Zahlenfolge uͤbereinkommenden Toͤnen hervorbringen koͤnnen. Bey dem gewoͤhnlichen Blaſen der Hoͤrner und Trompeten wird nur dieſe Folge von Toͤnen hervorgebracht; die Tonart ſey uͤbrigens, welche ſie weile, ſo pflegt88 doch alles ſo geſetzt zu werden, als ob es in der Tonart C dur geſpielt wuͤrde; die Veihe von Toͤnen, deren man ſich gewoͤhnlich bedient, habe ich ſchon §. 27. angezeigt. Soloſſpieler, die das Waldhorn kuͤnſtlicher zu behandeln verſtehen, verengern durch das Einbringen der Hand die aͤußere Oeffnung und erniedrigen dadurch die Toͤne, ſo daß durch dieſes Mittel alle beliebigen Toͤne, und auch ſolche hervorgebracht werden koͤnnen, die dem Jnſtrumente ſonſt nicht eigen ſind. Man hat auch Trompeten, die man Maſchinentrompeten nennt, wo die Muͤndung verengert werden kann, ſo daß ſich dadurch mehrere Toͤne hervorbringen laſſen. Die Erhoͤhung der Toͤne durch Erweiterung der Oeffnung und die Erniedrigung derſelben durch Verengerung der Oeffnung wird auch bey der Stimmung der zinnernen Orgelpfeifen dadurch benutzt, daß man ſie durch einige Ausbiegung des Randes am aͤußern Ende etwas hoͤher, und durch Einbiegung deſſelben etwas tiefer ſtimmt.
  • 2. Anm. Es iſt der Natur nicht gemaͤß, wenn manche Schriftſteller eine voͤllige Uebereinkunft der Luftſchwingungen in einer offenen Pfeife mit den Schwingungen einer Saite annehmen, und behaupten, daß die Luftſtrecke, welche ſie als eine Luftſaite anſehen, ſich bey ihren mannigfal - tigen Schwingungen ſo wie eine Saite in aliquote Theile eintheile. Blos darinnen zeigt ſich eine Uebereinkunft, daß bey einer Luftſtrecke die Glaſticitaͤt eben ſo durch den Druck der Athmoſphaͤre, wie bey einer Saite durch die Spannung bewuͤrkt wird, daß auch bey beyden die Toͤne ſich um - gekehrt wie die Laͤngen verhalten, und daß in offenen Pfeifen eben ſo wie an Saiten, obwohl aus verſchiedenen Urſachen, die Folge der moͤglichen Toͤne mit der natuͤrlichen Zahlenreihe uͤberein - kommt. Jn Anſehung der Bewegungen ſelbſt findet nicht die mindeſte Uebereinkunft Statt; es ſind naͤhmlich die Schwingungen der Saiten, welche dieſe Schriftſteller meynen, keine andere, als Transverſalſchwingungen, (denn die Longitudinalſchwingungen derſelben habe ich zuerſt weit ſpaͤter bekannt gemacht); die Schwingungen der Luft in einer Pfeife koͤnnen aber nicht anders, als in longitudinaler Richtung geſchehen, ſowohl, weil die Hervorbringung der Bewegung in dieſer Richtung geſchicht, als auch, weil wegen des Widerſtandes der Waͤnde einer Pfeife keine Transverſalſchwingungen moͤglich ſind. Auch zwiſchen den Longitudinalſchwingungen einer Saite, und denen welche in einer offenen Pfeife geſchehen, findet ſich keine Uebereinkunft, denn an einer Saite ſind beyde Enden feſt, an der in einer Pfeife ſchwingenden Luftſtrecke ſind aber beyde Enden in Bewegung, denn das Ende, wo man blaͤßt, wird von der eindringenden Luft unmittelbar ge - ſtoßen, und daß an dem andern Ende keine feſte Stelle ſey, wird man leicht bemerken koͤnnen, wenn man die Hand nahe an das Ende einer ſtark toͤnenden Orgelpfeife haͤlt, wo man die Luft - erſchuͤtterung ſtark genug fuͤhlen wird.

74.

Jn Pfeifen, die an dem einen Ende verſchloſſen ſind, welche man ge - deckte Pfeifen (oder nach dem gewoͤhnlichen Ausdrucke der Orgelbauer gedackte Pfeifen) nennt, iſt die einfachſte Schwingungsart ſo beſchaffen, daß die in der Pfeife enthaltene Luftſtrecke ſich abwechſelnd gegen das verſchloſſene Ende und von demſelben abwaͤrts ſtemmt, wie bey Fig. 17. a und b gezeigt iſt. Der ton iſt um eine Octave tiefer, als bey89 der einfachſten Schwingungsart in einer eben ſo langen offenen Pfeife. Bey der zwenten Schwingungsart, wo in der Entfernung des dritten Theils der ganzen Laͤnge von dem ange - blaſenen Ende ein Schwingungsknoten ſich befindet, geſchehen die Schwingungen wie in der 18ten Figur a und b; der Ton iſt um eine Octave und eine Quinte hoͤher, als bey der erſten Schwingungsart. Bey der dritten, wo zwey Schwingungsknoten vorhanden ſind, Fig. 19. a und b iſt der Ton um eine große Sexte hoͤher als bey der zweyten u. ſ. w. Ueberhaupt verhaͤlt ſich die Reihe der moͤglichen Toͤne einer gedeckten Pfeife, wie die Zahlen 1, 3, 5, 7 ꝛc.

  • Anm. Graf Giordano Riecati, welcher nur die Toͤne einer offenen Pfeife, nicht aber die einer gedeckten Pfeife unterſucht hat, behauptet in ſeiner Schrift delle corde ovvero fibre elastiche Sched VII. §. 11. mit Unrecht, daß an einer Orgelpfeife, deren Ende verſchloſſen war, der durch ſtarkeres Blaſen erhaltene 2te Ton um eine Octave hoͤher geweſen ſey, als der erſte; vielleicht hat die betraͤchtliche Hoͤhe dieſes Tones, vielleicht auch das gewoͤhnliche Vorurtheil, als ob alle klingende Koͤrper die mit der natuͤrlichen Zahlenfolge uͤbereinkommenden Toͤne geben muͤßten, ihn gehindert, den Ton richtig zu beobachten, er muß um eine Octave und eine Quinte hoͤher geweſen ſeyn, als der erſte Ton, indem es nach aller Theorie und Erfahrung ſchlechterdings un - moͤglich iſt, an einer Pfeife, deren eines Ende verſchloſſen iſt, andere Toͤne hervorzubringen, als die, welche in den Verhaͤltniſſen der ungeraden Zahlen ſtehen.

75.

Wenn man die Luftſchwingungen in einer gedeckten Pfeife, wo die Toͤne mit den ungeraden Zahlen 1, 3, 5, 7 ꝛc. uͤbereinkommen, mit den Luftſchwingungen in einer offenen Pfeife, wo die Toͤne in den Verhaͤltniſſen der geraden Zahlen 2, 4, 6, 8 ꝛc. ſtehen, ver - gleicht, und zugleich darauf Ruͤckſicht nimmt, daß ein an einem offenen Ende befindlicher ſchwingender Theil nur halb ſo lang iſt, als einer, der zwiſchen zwey feſte Graͤnzen eingeſchloſſen iſt, ſo wird man finden, daß ſich die Toͤne umgekehrt wie die Laͤngen der ſchwingenden Theile verhalten, und daß ſie, wenn man einen Ton einer gedeckten, und ſodann einen Ton einer offenen Pfeife abwechſelnd auf einander folgen laͤßt, (Fig. 17, 14, 18, 15, 19, 16), gemein - ſchaftlich die Progreſſion 1, 2, 3, 4, 5 u. ſ. w. geben. Man kann fuͤglich, eben ſo wie bey den weiter unten zu beſchreibenden Longitudinalſchwingungen der Staͤbe, jedem zwiſchen zwey feſte Graͤnzen eingeſchloſſenen Theil als eine Verbindung von zwey ſolchen Halbtheilen anſehen, die an dem einen Ende feſt ſind, an dem andern aber ſich ausdehnen und zuſammenziehen koͤnnen, (ſo wie die Halbtheile, welche ſich an einem offenen Ende befinden); es verhalten ſich ſodann die Toͤne, wie die Zahl ſolcher Halbthelle, in welche die Luftſtrecke ſich eintheilt.

M90

76.

Die Toͤne der Pfeifen bey einerley Schwingungsart haͤngen ab von der Laͤnge und von der Schwere der darinnen enthaltenen Luftſtrecke, und von deren Elaſticitaͤt, welche letztere man der Kraft, mit welcher ſie von der Athmoſphaͤre zuſammengedruͤckt wird, gleich annimmt. Wenn n die einer jeden Schwingungsart zukommende Zahl, L die Laͤnge der in der Pfeife enthaltenen Luftſaͤule, G die Schwere derſelben, P die Kraft mit welcher ſie von der Ath - moſphaͤre zuſammengedruͤckt wird, und h die Fallhoͤhe ſchwerer Koͤrper in einer Secunde bedeutet, ſo iſt die Zahl der Schwingungen in einer Secunde S = n $$\frac{2hP}{LG}$$ . Der Druck der Athmoſphaͤre laͤßt ſich am beſten durch Vergleichung mit der Hoͤhe des Queckſilbers im Barometer beſtimmen, die Baſis der ſchwingenden Luftſaͤule und der Queckſilberſaͤule muͤſſen hierbey gleich groß angenommen werden. Wenn ſich nun die ſpecifiſche Schwere des Queck - ſilbers zur ſpecifiſchen Schwere der Luft wie m zu k verhaͤlt, und a die Hoͤhe des Queckſilbers im Barometer bedeutet, ſo iſt $$\frac{P}{G}$$ = $$\frac{ma}{kL}$$ und alſo S = n $$\frac{2bma}{kL^2}$$ oder $$\frac{n}{L} \sqrt {\frac{2hma}{k}}$$ . Hieraus ergiebt ſich unter andern folgendes:

Die Toͤne einer Pfeife verhalten ſich, wenn die uͤbrigen Umſtaͤnde unveraͤndert blei - ben, umgekehet, wie die Laͤngen.

Die Weite einer Pfeife traͤgt nichts zur Beſtimmung der Toͤne bey, es iſt aber eine weitere Pfeife mehrerer Staͤrke des Klanges faͤhig, als eine engere.

Auf hohen Bergen iſt der Ton einer Pfeife ebenderſelbe, wie im Thale, ſo auch bey hohem Barometerſtande ebenderſelbe, wie bey niedrigen, weil in dieſem Faile P und G in gleichen Verhaͤltniſſe ab - und zunimmt.

Nur alles das, wodurch das Verhaͤltniß der Elaſticitaͤt zur Schwere der Luft ver - aͤndert wird, veraͤndert auch den Ton. Wenn die Luft wegen einer andern Miſchung von Gasarten eine andere ſpecifiſche Schwere hat, oder wenn ſie durch Waͤrme und Kaͤlte eine verſchiedene Ausdehnung erhaͤlt, ſo bleibt der Druck der Athmoſphaͤre derſelbe, aber das Ver - haͤltniß deſſelben zur ſpecifiſchen Schwere oder $$\frac{P}{G}$$ , welches man auch die ſpecifiſche Elaſticitaͤt nennt, iſt anders. Es giebt alſo eine Pfeife bey warmer Witterung hoͤhere Toͤne, als bey kalter, welcher Unterſchied bey der groͤßten in unſern Gegenden vorfallenden Abwechſelung der91 Waͤrme und Kaͤlte beynahe einen ganzen Ton betragen kann. Man bemerkt auch eine ſolche Veraͤnderung des Tones oͤfters bey Blasinſtrumenten, wenn man eine Weile darauf geblaſen hat; die Toͤne werden ſodann wegen Erwaͤrmung der Seitenwaͤnde, und der darinnen befind - lichen Luft etwas hoͤher. Es koͤnnen Saiten - und Blasinſtrumente auch bey Veraͤnderung der Waͤrme und Kaͤlte nie gleiche Stimmung behalten, weil beydes auf dieſe Jnſtrumente auf entgegengeſetzte Art wuͤrkt, es wird naͤhmlich durch die Waͤrme, welche den Ton einer Pfeife erhoͤht, die Saite ausgedehnt, und alſo, wenn ſie nicht durch ein angehaͤngtes Gewicht, ſondern durch einen unbeweglichen Wirbel geſpannt iſt, ihr Ton erniedrigt; hingegen durch die Kaͤlte, welche den Ton einer Pfeife erniedrigt, wird die Saite zuſammengezogen, und alſo, weil der Wirbel nicht nachgiebt, ihr Ton erhoͤht.

  • Anm. Die Erfahrung kommt mit dieſer der Theorie gemaͤßen Beſtimmung nur beynahe uͤberein, es zeigt ſich nahmlich durch die Erfahrung immer eine etwas groͤßere Geſchwindigkeit, als die Theorie lehrt, eben ſo, wie auch bey der Verbreitung des Schalles durch die Luft. Um nicht eine Sache zweymahl vorzutragen verſpare ich einige weitere Bemerkungen uͤber dieſe Verſchiedenheit, und uͤber deren wahrſcheinliche Urſachen zum erſten Abſchnitte des folgenden Theiles. Bey den Verſuchen, die Kapellmeiſter Sarti der Petersburger Academie der Wiſſenſchaften am 19. October 1796. vorzeigte, und welche in Voigts Magazin fuͤr den neueſten Zuſtand der Naturkunde im erſten Stuͤcke S. 102. beſchrieben ſind, geſchahen in einer 5 (vermuthlich Pariſer) Fuß langen gedeckten Pfeife 100 Schwingungen, worunter er doppelte Schwingungen, die aus einem Hingange und Ruͤckgange zuſammengeſetzt ſind, verſteht, alſo 200 einfache Schwingungen in einer Secunde, mithin muͤßte eine offene Pfeife, um bey ihrem tiefſten Tone 100 doppelte oder 200 einfache Schwingungen in derſelben Zeit zu machen, 10 Fuß lang ſeyn.

77.

Die vorzuͤglichſten Schriften uͤber die Theorie der Pfeifen und Blasinſtrumente ſind: Dan. Bernoulli sur le son et sur les tons des tuyaux d’orgues, in Mém de l’Acad. de Paris 1762. Observations sur les flutes p. Lambert in Mém. de l’Acad de Berlin 1775. L Euler de motu aëris in tubis, in Nov. Comment. Acad. Petrop. tom. XVI. Recherches sur la nature et la propagation du son p. la Grange in Mêlanges de philosophie et de mathématique de la société de Turin, tom. I. und II. C. Giordano Riccati delle corde ovvero ſibre elastiche, Schediasma V. VI. VII.

78.

Der Klang, welcher durch brennendes Waſſerſtoffgas in einer Roͤhre hervorgebracht wird, iſt auch als Klang eines Blasinſtrumentes zu betrachten. Der Verſuch laͤßt ſich folgen -M 292dermaßen anſtellen: Man entwickelt Waſſerſtoffgas aus Zink und verduͤnnter Salzſaͤure, oder allenfalls aus Eiſen und verduͤnnter Schwefelſaͤure in einer kleinen nicht allzu niedrigen Flaſche, deren Muͤndung mit einem Korkſtoͤpſel wohl verſchloſſen wird, durch welchen man vorher ein Stuͤck einer Barometerroͤhre geſteckt hat, welches unterwaͤrts, um nicht von der aufwallenden Fluͤſſigkeit erreicht zu werden, nur ſehr wenig, oberwaͤrts aber etliche Zoll weit hervorragt. Hierauf zuͤndet man das durch dieſes Roͤhrchen ausſtroͤmende Waſſerſtoffgas an, welches jedoch mit aller Behutſamkeit, und nicht allzufruͤh, ehe die in der Entbindungsflaſche vorher enthaltene athmoſphaͤriſche Luft voͤllig ausgetrieben iſt, geſchehen muß, weil ſonſt leicht eine Exploſton erfolgt, durch welche der Kork nebſt dem Roͤhrchen mit einem heftigen Knalle an die Decke geworfen, oder auch die Entbindungsflaſche, wenn ſie nicht dick genug iſt, zer - ſprengt werden kann. Wenn die Flamme klein und ruhig iſt, geraͤth der Verſuch am beſten. Um eine ſolche Kleinheit der Flamme zu bewuͤrken, und zugleich zu verhindern, daß nicht etwa durch verdichtete Waſſerdaͤmpfe das Roͤhrchen verſtopft werde, iſt es rathſam, ſich einer etwas weiten Barometerroͤhre zu bedienen, deren obere Oeffnung man vorher durch Schmel - zung und Ausziehung verengert hat. Haͤlt man nun uͤber dieſe Flamme eine glaͤſerne oder auch eine metallene cylindriſche Roͤhre, ſie mag oben offen oder verſchloſſen ſeyn, oder eine Glas - flaſche von einer beliebigen Geſtalt, eine Retorte oder irgend eine hierzu taugliche Art von laͤnglichen und mit keiner allzuweiten Muͤndung verſehenen Gefaͤße daruͤber, ſo daß die Flamme ſich etwas innerhalb des Gefaͤßes befindet, ſo entſteht bald ein Klang, der bisweilen ſo ſtark wird, daß er dem Gehoͤre beſchwerlich fallen kann. Herr Prof. Tromsdorf in Erfurt hat hierbey bemerkt, daß die Flamme ſich zuſpitzt, ſobald der Klang entſteht. Daß nicht etwa das Gefaͤß ſelbſt als klingender Koͤrper anzuſehen iſt, erhellt ſchon daraus, weil durch Um - wicklung und Feſthaltung, wie auch durch mehrere oder mindere Dicke des Gefaͤßes der Klang nicht im mindeſten gehindert oder veraͤndert wird. Es geſchieht vielmehr hierbey nichts anders, als daß durch die Flamme, und durch die Stroͤmung des ſich entwickelnden Gas, vielleicht auch durch ein fortdaurendes Einſtroͤmen der athmoſphaͤciſchen Luft von unten (um den leeren Raum zu erſetzen, welcher durch die bey dem Verbrennen geſchehende Vewandlung des mit dem Waſſerſtoffgas ſich verbindenden Sauerſtoffgas in Waſſerdaͤmpfe entſteht), die in dem Gefaͤße enthaltene Luftſaͤule der Laͤnge nach in zitternde Bewegung geſetzt wird, welche lengi - tudinale Zitterung der Luft man ſtark genug fuͤhlt, wenn man unter die Oeffnung der Gefaͤßes einen Finger haͤlt. Es finden hierbey ganz eben dieſelben Geſetze Statt, wie an Oegelpfeiſen und Blasinſtrumenten, der Ton iſt auch allemahl ganz derſelbe, als wenn man hineinblaͤßt,93 Bey einem an beyden Enden offenen Gefaͤße iſt der tiefſte Ton um eine Octave hoͤher, als bey einem, welches nur unterwaͤrts offen iſt, weshalb man auch an einer Roͤhre, die an beyden Enden offen iſt, durch Verſtopfung des obern Endes oder Zuhaltung deſſelben mit der Hand den Ton um eine Octave erniedrigen kann. Durch Verengerung der untern Oeffnung, z. B. durch Unterhalten eines oder zweyer Finger laͤßt ſich der Ton etwas erniedrigen. Die Toͤne verhalten ſich uͤbrigens bey einerley Schwingungsart umgekehrt wie die Laͤngen der Roͤhren oder Gefaͤße; auf die Weite kommt nichts an. An ſolchen Roͤhren, die eine betraͤchtliche Laͤnge, aber wenig Weite haben, gelang es mir einigemahl die zweyte, wie auch einmahl die dritte Schwingungsart hervorzubringen, (bey welchen die Flamme weniger weit in die Roͤhre hineinreichen darf); die moͤgliche Folge von Toͤnen verhaͤlt ſich dabey an Roͤhren, die nur an einem Ende offen ſind, wie die Folge der ungeraden Zahlen, und an ſolchen, die an beyden Enden offen ſind, wie die Folge der geraden Zahlen. An glaͤſernen Gefaͤßen iſt der Klang gewiſſermaßen der Harmonika aͤhnlich, aber an Roͤhren von Meſſingblech fand ich ihn weit rauher und ſchnarrender, ſo wie uͤberhaupt bey Blasinſtrumenten der Klang durch das Mit - zittern des Jnſtrumentes verſchiedentlich modificirt wird. Durch eine andere Art von Flamme, als die des durch eine enge Oeffnung ſtroͤmenden Waſſerſtoffgas laͤßt ſich kein Klang hervor - bringen, unſtreitig deswegen, weil außerdem nicht zugleich eine ſolche Stroͤmung wie hier bey dem ſich entwickelnden Gas Statt findet, weil auch eine andere Flamme ſchwerlich ſo anhaltend ruhig und gleichfoͤrmig ſeyn kann.

  • Anm. De Luͤc hat dieſe Erſcheinung, welche an Lampen mit brennbarem Gas zufaͤllig war be - merkt worden, in ſeinen neuen Jdeen uͤber die Meteorologie 1. B. §. 200. zuerſt erwaͤhnt, aber nicht richtig erklaͤrt. Nachher haben verſchiedene Naturforſcher Bemerkungen daruͤber geliefert, wovon in Gehlers phyſikaliſchem Woͤrterbuche im Supplement - bande unter dem Artikel: Klang ſich weitere Nachricht findet, unter denen beſonders die vom Herrn Bergrath Scherer in Grens neuem Journale der Phyſik II. B. 4. Heft S. 509. weiter nachzuleſen ſind. Daß der Klang ſich nach ebendenſelben Geſetzen, wie bey Blas - inſtrumenten, richtet, daß er auch ebenderſelbe iſt, als wenn man in die Roͤhre oder das Gefaͤß blaßt, habe ich zuerſt entdeckt und im erſten Bande der neuen Schriften der Ber - liner Geſellſchaft naturforſchender Freunde bekannt gemacht.
94

Fuͤnfter Abſchnitt. Schwingungen eines geraden Stabes.

I. Transverſalſchwingungen.

79.

Ein Stab, d. i. ein ſteifer und fuͤr ſich elaſtiſcher Koͤrper, der vorzuͤglich nach einer geraden Richtung (fadenfoͤrmig) ausgedehnt iſt, kann in folgenden ſechs Faͤllen verſchiedene Progreſſionen von transverſalen Schwingungsarten annehmen:

  • 1) wenn ein Ende ganz feſt, (d. i. in einer Mauer befeſtigt, oder in einen ganz unbeweglichen Schraubenſtock einſpannt) und das andere frey iſt,
  • 2) wenn ein Ende an einen feſten Gegenſtand angeſtemmt, und das andere frey iſt,
  • 3) wenn beyde Enden frey ſind,
  • 4) wenn beyde Enden angeſtemmt ſind,
  • 5) wenn beyde Enden ganz feſt ſind,
  • 6) wenn ein Ende ganz feſt, und das andere angeſtemmt iſt.
  • Anm. Um Mißverſtaͤndniſſe zu vermeiden, muß ich bemerken, daß hier eigentlich nur von cylin - driſchen, oder priſmatiſchen, oder uͤberhaupt von ſolchen Staben die Rede iſt, welche nur eine geringe Breite haben, und alſo keiner andern transverſalen Schwingungen faͤhig ſind, als ſolcher, die hier erwaͤhnt werden, und ſich durch eine krumme Linie ausdruͤcken laſſen. Etwas breitere Streifen (von Glas, Metallblech u. ſ. w.) gehoͤren ſchon zu den Rectangelſcheiben, von denen in der 2ten und 3ten Abtheilung des 7ten Abſchnittes mehr wird geſagt werden. Dieſe koͤnnen zwar ebenfalls (die Breite ſey, welche ſie wolle) gegenwartige Stabſchwingungen annehmen, wobey95 ſich die Schwingungsknoten, wenn man Sand aufſtreut, als Linien, die in die Quere gehen, zeigen; ſie ſind aber auch außerdem noch weit zuſammengeſetzterer Arten von Schwingungen faͤhig, bey denen ſich Knotenlinien zeigen, die einander rechtwinklich durchſchneiden, welche Schwingungs - arten nicht etwa, wie neuerlich geſchehen iſt, mit den gegenwaͤrtigen zu verwechſeln ſind. Es iſt auch zu Vermeidung ſolcher Schwingungsarten, und zu richtiger Hervorbringung derer, von denen hier die Rede iſt, an ſolchen etwas breitern Streifen ein anderes Verfahren noͤthig, als ich hier an Staben angebe. Zu Verſuchen uͤber dieſe Stabſchwingungen laͤßt ſich ein ſtarker Draht oder eine Stange von Eiſen oder einem andern hinlaͤnglich elaſtiſchem Metalle, oder von ſehr geradfaſrichem Holze, oder auch eine etwas ſtarke glaͤſerne Thermometerroͤhre anwenden, nur verſteht es ſich, daß zu ſolchen Verſuchen, wo ein Ende des Stabes in einen Schraubenſtock feſtgeſpannt werden ſoll, das Glas wegen ſeiner Zerbrechlichkeit weniger tauglich iſt.

80.

Jm erſten Falle, wo ein Ende des Stabes ganz feſt, und das andere frey iſt, bewegt ſich bey der einfachſten Schwingungsart Fig. 20. der ganze Stab hin und her, ſo daß die Axe, oder die urſpruͤngliche Geſtalt des Stabes von der krummen Schwin - gungslinie nirgends durchſchnitten, ſondern nur in dem Punkte, wo das feſte Ende iſt, beruͤhrt wird. Es zeigt ſich dieſe Schwingunsgart ſehr leicht an einem jeden in einen Schraubenſtock eing ſpannten, oder auf andere Art befeſtigten (z. B. in eine Wand eingeſchlagenen) Stabe, Nagel, oder Stifte, wenn man ihn an irgend einer Stelle, die dem feſten Ende nicht all zu - nahe iſt, ſchlaͤgt, reißt, oder mit dem Violinbogen ſtreicht, ſie giebt unter allen Schwin - gungsarten, deren ein Stab auch bey den uͤbrigen Arten der Behandlung faͤhig iſt, den tief - ſten Ton. Bey den uͤbrigen Schwingungsarten, welche in dem jetzterwaͤhnten Falle moͤglich ſind, wird die Are an 1, 2, 3 oder mehreren Stellen durchſchnitten. Das beſte Mittel, jede von dieſen Schwingungsarten hervorzubringen, iſt, wenn man eine Stelle, wo ein Schwingungskneten ſeyn muß, mit einem Finger oder auf andere Art gelinde beruͤhrt, und in der Mitte eines ſchwingenden Theiles, (oder auch, wenn der aͤußerſte Schwingungsknoten beruͤhet wird, an dem freyen End.) mit dem Violinbogen ſtreicht. Bey der zweyten Schwin - gungsart Fig. 21. iſt der Ton um zwey Octaven und eine uͤbermaͤßige Quinte hoͤher, als bey der erſten, es verhaͤlt ſich naͤhmlich der erſte Ton zum zweyten, wie das Quadrat von 2 zum Quadeate von 5 oder wie 4 zu 25. Von der zweyten Schwingungsart an gerechnet, verhalten ſich die Toͤne, wie die Quadrate von 3, 5, 7, 9 u. ſ. w. es iſt naͤhmlich bey der dritten Schwin - gungsart, wo zwey[Schwingungſknoten ſind], der Ton um eine Octave und eine verminderte96 Quinte hoͤher, als bey der zweyten; bey der vierten Schwingungsart nimmt die Hoͤhe wieder beynahe um eine Octave zu, bey der fuͤnften beynahe um eine große Sexte u. ſ. w. Nimmt man nun das 16fuͤßige oder Contra C als den tiefſten Ton, eines Stabes an, ſo werden die in dem gegenwaͤrtigen Falle moͤglichen Toͤne ungefaͤhr folgende ſeyn:

Zahl der Schwingungsknoten:012345
Toͤne:Cgisd̄̄d̄̄ b̄̄f̄̄ +
Zahlen, mit deren Quadraten die Toͤne uͤbereinkommen:(2)(5) 357911

Durch ein daneben geſetztes zeige ich an, daß ein Ton etwas niedriger, und durch +, daß er etwas hoͤher iſt, welche Bezeichnungsart ich auch in der Folge beybehalten werde.

Die moͤgliche Reihe von Toͤnen iſt alſo, in den kleinſten ganzen Zahlen ausgedruͤckt: 36, 225, 525, 1225, 2025 ꝛc. und, wenn man den tiefſten Ton als 1 anſehn will, iſt ſie: 1, , 17 $$\frac{13}{16}$$ , 34 $$\frac{1}{36}$$ , 56¼, u. ſ. w.

  • Anm. Einen practiſchen Gebrauch von der erſten Schwingungsart macht man bey der ſogenannten Eiſenvioline, welche aus eiſernen Stiften beſteht, die in den halbzirkelfoͤrmigen Steg eines Reſonanzbodens eingeſchlagen ſind, und mit dem Violinbogen geſtrichen werden. Jn der Anmer - kung zum 29. §. habe ich auch gezeigt, wie man die erſte und auch die folgenden Schwingungs - arten eines ſolchen Stabes benutzen kann, um auf eine leichte Art die Zahl der Schwingungen bey einem jeden Tone durch den Augenſchein zu finden.

81.

Jn dem zweyten Falle, wo ein Ende des Stabes an einen feſten Gegenſtand angeſtemmt, und das andere frey iſt, ſind die Schwingungsknoten faſt an ebenden - ſelben Stellen (nur in einer etwas weniges groͤßern Entfernung von dem freyen Ende) befindlich, wie in dem erſten Falle, aber die Geſtalten der krummen Linien ſind, wie man bey Verglei - chung der 21ſten und 22ſten Figur ſehen kenn, ſo wie auch die Tenverhaͤltniſſe, verſchieden. Die Urſache davon liegt darin, weil durch eine gaͤnzliche Befeſtigung eines Endes die Theile, welche dieſem Ende nahe ſind, verhindert werden, ſo frey zu ſchwingen, als wenn dieſes Ende blos gegen irgend einen feſten Koͤrper geſtemmt waͤre. Eine Schwingungsart, wo etwa, ſo wie im vorigen Falle, der ganze Stab ſich hin und her bewegte, findet hier nicht Statt,97 ſondern bei der erſten Schwingungsart Fig. 22. iſt ein Schwingungsknoten ungefaͤhr in der Entfernung des dritten Theils von dem freyen Ende; bey der 2ten Fig. 23. ſind zwey vorhan - den, von welchen der aͤußerſte ſich ungefaͤhr in der Entfernung des 5ten Theils von dem freyen Ende, und der andere ſich mitten zwiſchen dieſem Schwingungsknoten, und dem aufgeſtemm - ten Ende beſindet, u. ſ. f. Zu Hervorbringung dieſer Bewegungsarten halte man den Stab an einer Stelle, wo ein Schwingungsknoten ſeyn muß, zwiſchen 2 Fingern, ſtemme das eine Ende nicht allzuſtark auf den Tiſch, oder auf einen Reſonanzboden, oder auf irgend einen andern feſten Koͤrper, und ſtreiche einen ſchwingenden Theil mit dem Violinbogen; wenn man den Schwingungsknoten haͤlt, welcher dem freyen Ende der naͤchſte iſt, ſo kann man auch an dieſem Ende ſtreichen. Die Folge von Toͤnen kommt mit den Quadraten der Zahlen 5, 9, 13, 17 u. ſ. w. uͤberein; der tiefſte Ton in dem vorigen Falle verhaͤlt ſich zu dem tiefſten Tone in gegenwaͤrtigem Falle, wie 144 zu 625, es wuͤrde alſo ebenderſelbe Stab, deſſen tiefſter Ton in dem vorigen Falle das Contra C geweſen waͤre, bey dieſer Art der Behandlung fol - gende Progreſſion von Toͤnen geben koͤnnen.

Zahl der Schwingungsknoten:123456
Toͤne:db̄ +h̄̄ gis̅̅̅dis̅̅̅̅ +ā̄̄̄
Zahlen, mit deren Quadraten die Toͤne uͤbereinkommen:5913172125 u. ſ. w.

82.

Jn dem dritten Falle, wo beyde Enden des Stabes frey ſind, ſchwingt dieſer ſo, daß bey der einfachſten Bewegungsart Fig. 24. zwey Schwingungsknoten, bey der folgenden Fig. 25. drey, bey der naͤchſtfolgenden 4 u. ſ. w. vorhanden ſind. Der tiefſte Ton in dem erſten Falle, wo ein Ende ganz feſt iſt, verhaͤlt ſich zu dem tiefſten Tone in dieſem Falle, wie 4 zu 25, und der tiefſte Ton in dem zweyten Falle, wo ein Ende angeſtemmt iſt, verhaͤlt ſich zu dieſem, wie 25 zu 36. Die Toͤne ebendeſſelben Stabes, der bey den vorher erwaͤhnten Behandlungsarten die ſchon angegebenen Toͤne giebt, ſtehen in dem gegenwaͤrtigen Falle ungefaͤhr in folgenden Verhaͤltniſſen:

N98
Zahl der Schwingungsknoten:234567
Toͤne:gisd̄̄d̄̄̄ b̄̄̄f̄̄̄̄ +h̄̄̄̄
Zahlen, mit deren Quadraten die Toͤne uͤbereinkommen:35791113 u. ſ. w.

Alle dieſe Toͤne ſind, ſo ſehr auch die Beſchaffenheit der Kruͤmmungen verſchieden iſt, doch ganz dieſelben, welche in dem erſten Falle ein an dem einen Ende ganz feſter Stab giebt, mit Ausnahme des erſten Tones, welcher, wie ſchon bemerkt worden, nicht in die Progreſſion der uͤbrigen gehoͤrt.

Will man Verſuche daruͤber anſtellen, ſo lege man den Stab an zwey Stellen, wo Schwingungsknoten ſind, auf nicht allzuharte Unterlagen, z. B. auf zwey mit Tuch oder einer andern weichen Materie uͤberzogene Stege, oder auf zuſammengedrehtes Papier, und ſchlage oder ſtreiche ihn zwiſchen zwey Schwingungsknoten, oder an einem Ende.

  • 1. Anm. Von der erſten Schwingungsart eines an beyden Enden freyen Stabes pflegt man bey der ſogenannten Strohfiedel (carillon) Gebrauch zu machen, es werden naͤhmlich Staͤbe oder ſchmale Streifen von Holz, Glas, oder Stahl an ihren beyden Schwingungsknoten auf zuſam - mengedrehtes Stroh, oder andere weiche Unterlagen gelegt, und mit zwey Kloͤppeln geſchlagen. Jn der Oper, die Zauberfloͤte von Mozart, wird gewoͤhnlich ein dergleichen Jnſtrument als Glocken - ſpiel des Papageno gebraucht. Jn Stuttgard bedient man ſich zu dieſer Abſicht eines mit Taſten verſehenen Jnſtrumentes dieſer Art, welches der geſchickte Jnſtrumentenmacher Hauck verfertigt hat, bey dem ich noch ein ſolches Jnſtrument antraf, das ſehr gut eingerichtet wer. Jch vermuthe, daß das in Paris von Beyer vor mehrern Jahren verfertigte und in den Zeitungen ſehr geruͤhmte clavecin à cordes de verre, ſo wie auch das in England verfertigte Glasschord auch nichts anders ſeyn mag.
  • 2. Anm. Herr Doctor Panſner in Jena hat in ſeiner Schrift: investigatio motuum et sono - rum, quibus laminae elasticae contremiscunt, Jen. 1801. 4. die hier und in meinen Ent - deckungen uͤber die Theorie des Klanges S. 10. ebenſewohl der Erfahrung, als der von Daniel Bernonlli, L. Euler, und Grafen Giordano Riccati gegebenen richtigen Theorie gemaͤß angege - benen Tonverhaͤltniſſe eines an beyden Enden freyen Stabes fuͤr unrichtig erklaͤrt. Der Grund davon liegt aber darin, daß er gegenwaͤrtige Schwingungsarten nicht beobachtet, und ganz andere Schwingungsarten eines Rectangelſtreifen, von denen erſt im ſiebenten Abſchnitte dieſes Theiles die Rede ſeyn kann, mit den hier beſchriebenen Stabſchwingungen verwechſelt hat.
99

83.

Jn dem vierten Falle, wenn beyde Enden angeſtemmt ſind, ſchwingt ein Stab ganz eben ſo, wie eine Saite, nur ſind die Tonverhaͤltniſſe ganz anders, indem dieſe nicht etwa wie bey einer Saite mit der natuͤrlichen Zahlenfolge 1, 2, 3, 4 ꝛc., ſondern mit deren Quadraten uͤbereinkommen. Will man Verſuche uͤber dieſe Schwingungsarten anſtellen, ſo ſtemme man den Stab vermittelſt eines Vretes oder andern feſten Koͤrpers an den Tiſch oder an einen Reſonanzboden, oder laſſe ihn zu mehrerer Bequemlichkeit der Verſuche von einem Andern auf dieſe Art anſtemmen, und ſtreiche an einer gehoͤrigen Stelle mit dem Violinbogen, waͤhrend man irgend eine Stelle, wo ein Schwingungsknoten iſt, durch Beruͤhrung mit einem Finger gehoͤrig daͤmpft. Bey der einfachſten Art der Schwingungen bewegt ſich der ganze Stab wie eine Saite Fig. 1. bey ihrem tiefſten Tone; bey der zweyten Bewegungsart Fig. 2. theilt er ſich in zwey gleiche Theile, und in der Mitte iſt ein Schwingungsknoten, der Ton iſt um zwey Octaven hoͤher als der erſte; bey der dritten Schwingungsart Fig. 3. theilt ſich der Stab in drey gleiche Theile, und der Ton iſt wieder um eine Octave und einen ganzen Ton hoͤher; bey der vierten Schwingungsart Fig. 4. wo die Hoͤhe des Tones wieder um eine kleine Septime zunimmt, theilt ſich der Stab in vier gleiche Theile u. ſ. w. Das Verhaͤltniß des tiefſten Tones dieſer Art gegen die tiefſten Toͤne, welche in den vorhererwaͤhnten 3 Faͤllen er - halten werden koͤnnen, iſt folgendes: Wenn man den tiefſten Ton in gegenwaͤrtigem Falle, wo der Stab wie eine Saite bey ihrer einfachſten Bewegungsart ganz hin und her ſchwingt, als 1 anſteht, ſo iſt der tiefſte Ton eines ſolchen Stabes im erſten Falle, wo er an dem einen Ende feſt und an dem andern frey iſt, = $$\frac{9}{25}$$ oder 0,36; im zweyten Falle, wenn ein Ende angeſtemmt, und das andere frey iſt, = $$\frac{25}{16}$$ oder 1,5625; im dritten Falle, wenn beyde Enden frey ſind, = $$\frac{9}{4}$$ oder 2,25. Ein Stab alſo, der in den vorigen 3 Faͤllen die angezeigten Toͤne giebt, iſt, wenn er an beyden Enden angeſtemmt wird, folgender Toͤne faͤhig:

Zahl der Schwingungsknoten:012345
Toͤne:Fisfis̅gis̅̅fis̅̅̅d̄̄̄̄gis̅̅̅̅
Zahlen, mit deren Quadraten die Toͤne uͤbereinkommen:123456 u. ſ. w.
N 2100

84.

Jn dem fuͤnften Falle, wo beyde Enden des Stabes ganz feſt, (z. B. in Schraubenſtoͤcke eingeſpannt) ſind, ſchwingt der Stab zwar auch ſo, daß er ſich bey dem erſten Klange dieſer Art Fig. 26. ganz hin und her bewegt, und ſich bey den folgenden in 2, 3, 4 oder mehrere Theile theilt; aber ſowohl die Tonverhaͤltniſſe, als auch die Kruͤmmungen ſind ganz anders, als in dem vorigen Falle. Von der Verſchiedenheit der krummen Linien kann man ſich durch Vergleichung der 26ſten Figur mit der erſten einen Begriff machen. Die Toͤne ſind ganz ebendieſelben, wie in dem dritten Falle, wo beyde Enden frey ſind, ſo groß auch die Verſchiedenheit der krummen Linien in dieſen beyden Faͤllen iſt. Die Toͤne ſind alſo an einem Stabe, der in den vorigen Faͤllen die angezeigten Toͤne wuͤrde gegeben haben, un - gefaͤhr folgende:

Zahl der Schwingungsknoten:012345
Toͤne:gisd̄̄d̄̄̄ b̄̄̄f̄̄̄̄ +h̄̄̄̄
Zahlen, mit deren Quadraten die Toͤne uͤbereinkommen:35791113 u. ſ. w.

85.

Jn dem ſechsten Falle, wo ein Ende des Stabes ganz feſt und das andere nur angeſtemmt iſt, ſchwingt der Stab ebenfalls bey der erſten Bewegungsart ganz und theilt ſich bey den folgenden Bewegungsarten in 2, 3, 4 und mehrere Theile, es ſind aber die Tonverhaͤltniſſe und die krummen Linien anders beſchaffen, als in den beyden vorigen Faͤllen. Die krumme Linie, welche der Stab in dieſem Falle bey der erſten Schwingungsart annimmt, habe ich Fig. 27. dargeſtellt, die Kruͤmmung iſt wegen der verſchiedenen Befeſti - gungsart nach dem einen Ende zu anders, als nach dem andern beſchaffen. Die Toͤne kommen bey den in dieſem Falle moͤglichen Schwingungsarten ganz mit denen uͤberein, welche ein Stab im zweyten Falle giebt, wo ein Ende aufgeſtemmt und das andere frey iſt, ſo ſehr auch die Beſchaffenheit der krummen Linien in dieſen beyden Faͤllen verſchieden iſt. Es findet naͤhmlich folgende Reihe von Toͤnen Statt:

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Zahl der Schwingungsknoten:012345
Toͤne:d̄b̄ +h̄̄ gis̅̅̅ dis̅̅̅̅ +ā̄̄̄
Zahlen, mit deren Quadraten die Toͤne uͤbereinkommen:5913172125 u. ſ. w.

Verſuche laſſen ſich am beſten daruͤber anſtellen, wenn man das eine Ende in einen Schraubenſtock ſpannt, und an das andere Ende von jemand Andern ein Bret oder einen andern feſten Koͤrper anſtemmen laͤßt, und die Toͤne ſodann durch Beruͤhrung eines Schwin - gungsknotens und durch Streichen einer ſchwingenden Stelle mit dem Violinbogen her - vorbringt.

86.

Das allgemeine Geſetz, nach welchem ſich an Staͤben die Zahl der Transverſal - ſchwingungen richtet, welches auch auf alle andere Arten ſteifer Koͤrper, die an Geſtalt ein - ander aͤhnlich ſind, ſich anwenden laͤßt, iſt folgendes: Wenn n die einer jeden Schwingungs - art zukommende Zahl, D die Dicke eines Stabes (oder andern dergleichen klingenden Koͤrpers) L die Laͤnge deſſelben, R die Steiſigkeit der Materie, woraus er beſteht, G die Schwere deſſelben und h die Hoͤhe, durch welche ein ſchwerer Koͤrper in einer Secunde herabfaͤllt, bedeutet, ſo iſt die Zahl der Schwingungen in einer Secunde $$S = \frac{n^2D}{L^2} - \frac{2hR}{G}$$ . Hierinnen liegen unter andern folgende Saͤtze:

An Staͤben, die aus einerley Materie beſtehen, iſt bey gleicher Schwingungsart S = $$\frac{D}{L}$$ ; die Toͤne ſind alſo um ſoviel hoͤher, je dicker die Staͤbe ſind, ſo daß z. B. ein Stab, der noch einmahl ſo dick als der andere iſt, Toͤne giebt, die um eine Octave hoͤher ſind; wenn die Staͤbe nur in Anſehung der Laͤnge verſchieden ſind, ſo verhalten ſich die Toͤne umgekehrt, wie die Quadrate der Laͤngen, ſo daß z. B. ein Stab, der noch einmahl ſo lang als der andere iſt, Toͤne giebt, die um zwey Octaven tiefer ſind.

Die Breite traͤgt nichts oder faſt gar nichts zu Beſtimmung der Toͤne bey. Ein parallelepipediſcher Stab, oder ein Streifen von Glas, Metall, Holz u. dergl. ſey ſo breit, als man wolle (ſo daß er in Betrachtung anderer in dem 7ten Abſchnitte dieſes Theiles zu102 beſchreibenden Schwingungsarten als Scheibe muͤßte angeſehen werden); ſo ſind doch bey allen bisher erwaͤhnten Schwingungsarten deſſelben die Toͤne ungefaͤhr ebendieſelben, als ob er ganz ſchmal waͤre. An einem breitern Stabe wird aber der Klang ſtaͤrker ſeyn koͤnnen, als an einem ſchmaͤlern.

Die verſchiedenen Toͤne ebendeſſelben Stabes kommen mit n2, d. i. mit den Qua - draten gewiſſer Zahlen, die in arithmetiſchen Progreſſionen ſtehen, uͤberein, wie vorher ſchon iſt gezeigt worden.

Bey einerley Schwingungsart findet man die Steifigkeit R der Materie = $$\frac {S^2 L^4G}{D^2}$$ . Man koͤnnte alſo vermittelſt des Klanges das Verhaͤltniß der Steiſigkeit verſchiedener Ma - terien finden, welche ſich an gleich dicken und gleich langen Staͤben, ſo wie uͤberhaupt an ſteifen klingenden Koͤrpern, deren Dimenſionen gleich ſind, wie S2G, oder wie die Quadrate der Toͤne, mit der ſpecifiſchen Schwere der Materien multiplicirt, verhalten wuͤrde.

Wenn Staͤbe oder uͤberhaupt ſteife Koͤrper, die aus einerley Materie beſtehen, an Geſtalt einander vollkommen aͤhnlich, und nur an Groͤße verſchieden ſind, ſo daß alle Dimen - ſionen in einerley Verhaͤltniſſe zu - oder abnehmen, ſo verhalten ſich die Toͤne bey einerley Schwingungsart umgekehrt, wie die Cubicwurzeln der Schwere.

  • Anm. Die Erzaͤhlung, daß Pythagoras die Toͤne der Haͤmmer in einer Schmiede mit ihrer Schwere uͤbereinſtimmend gefunden habe, iſt alſo der Natur nicht gemaͤß. Die Schriftſteller, bey welchen ſie ſich findet, ſind: Nicomachus Gerasenus in Enchiridio Harmonices p. 10. sequ. ed. Meibom. Jamblichus in vita Pythagorae cap. 26. und in Nicomachi Arithmet. Indroduct, p. 171. sequ. Gaudentius in Isagoge harmonica p. 13. sequ. ed. Meibom. Macrobius in somnium Scipionis libr. II. cap. 1. Boethius de Musica, cap. 10 und 11. Sie geben auch vor, daß bey den nachher von Pythagoras angeſtellten Ver - ſuchen die Toͤne gleich langer und dicker Saiten in den Verhaͤltaiſſen der angehaͤngten Gewichte geſtanden haben ſollen, welches eben ſo unrichtig iſt, da bekanntermaßen die Toͤne der Saiten ſich wie die Quadratwurzeln der ſpannenden Kraͤfte verhalten.

87.

Die wahre Beſchaffenheit der Transverſalſchwingungen eines Stabes iſt zuerſt von Daniel Bernoulli in Comment. Acad. Petrop. tom. XIII. bekannt gemacht worden. L. Euler hat auch die Theorie derſelben anfangs in ſeiner methodo inveniendi curvas maximi minimique proprietate gaudentes add. I. de curvis elasticis p. 282. sequ. unvollſtaͤndig und103 nicht ganz richtig, nachher aber weit beſſer und vollſtaͤndiger in ſeiner Schrift: Investigatio motuum, quibus laminae et virgae elasticae contremiscunt, in Actis Acad. Petrop. pro ann. 1779. P. I. pag. 103 sequ. abgehandelt, ſo daß alles mit der Erfahrung uͤbereintrift, ausgenemmen das, was er zu Ende dieſes Aufſatzes uͤber elaſtiſche Ringe ſagt. Graf Gior - dano Riccati hat auch in einer Abhandlung delle vibrazioni sonore dei cilindri in dem erſten Bande der memorie di matematica e fisica della società italiana die Schwingungen eines an beyden Enden freyen Stabes mit vieler Genauigkeit unterſucht. Manche andere Schriftſteller haben viel unrichtiges daruͤber geſagt.

II. Longitudinalſchwingungen.

88.

Ein Stab kann außer den vorher erwaͤhnten transverſalen Schwingungsarten noch eine unendliche Menge anderer Schwingungsarten annehmen, bey welchen er, oder jeder der Theile, in welche er ſich eintheilt, ſich nach der Richtung der Laͤnge in ſich ſelbſt aus - dehnt und zuſammenzieht. Dieſe abwechſelnden Verdichtungen und Verduͤnnungen geſchehen ſo, daß bey einem jeden zwiſchen zwey feſten Graͤnzen, welche entweder Schwingungsknoten oder feſte Enden ſeyn koͤnnen, be[fi]ndlichen Theile die Verdichtung und Verduͤnnung an der feſten Graͤnze am groͤßten, und je weiter eine Stelle von der feſten Graͤnze entfernt iſt, deſto kleiner, und endlich in der Mitte eines ſolchen ſchwingenden Theiles = 0 iſt, dahingegen in Anſehung des (nach der Theorie eigentlich unendlich kleinen, in der That aber ſehr kleinen) Weges das Gegentheil Statt findet, ſo daß der Weg, welchen ein jeder Punct abwechſelnd nach der einen und nach der andern longitudinalen Richtung zu durchlaufen hat, oder mit andern Worten, die Geſchwindigkeit deſſelben in der Mitte eines jeden ſchwingenden Theiles am groͤßten, je naͤher aber ein ſolcher Punct einer feſten Graͤnze iſt, deſto kleiner, und an der Graͤnze ſelbſt = 0 iſt. Ein ſchwingender Theil, der ſich an einem freyen Ende befindet, verhaͤlt ſich in allem Betracht, wie die Haͤlfte eines zwiſchen zwey ſeſten Graͤnzen eingeſchloſſe - nen Theils. Jn dieſen und vielen andern Eigenſchaften kommen dieſe Longitudinalſchwingun - gen feſter Koͤrper ganz mit den im vorigen Abſchnitte abgehandelten Schwingungen der Luft in einer Pfeife uͤberein.

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89.

Will man Verſuche uͤber dieſe Schwingungsarten anſtellen, ſo muß man ſich ſolcher Staͤbe bedienen, die ſo gerade als moͤglich, etwas lang, und nicht allzu dick ſind, weil ſonſt dieſe Arten des Klanges, welche uͤberhaupt nicht ſo leicht, wie die Transverſalſchwingungen anſprechen, entweder gar nicht, oder nur mit vieler Schwierigkeit ſich wuͤrden hervorbringen laſſen. Ob die Staͤbe cylindriſch, priſmatiſch oder flach (z. B. lange Blech - oder Glas - ſtreifen) ſind, daran liegt nichts; es wird weiter nichts, als eine gerade und hinreichend lange Strecke von elaſtiſcher Materie erfordert. Die Oberflaͤche muß ſo glatt, als moͤglich, ſeyn, weil ſolches viel zu leichrerer Anſprache beytraͤgt. Um dieſe Bewegungsarten hervorzubringen, halte man den Stab an einer Stelle, wo ein Schwingungſknoten iſt, mit zwey Fingern der einen Hand, und ſtreiche einen ſchwingenden Theil deſſelben der Laͤnge nach mit einem zwiſchen den Fingern der andern Hand gehaltenen Stuͤckchen Tuch, oder einer andern weichen Materie, die, wenn der Stab von Glas iſt, mit Waſſer benetzt, und mit einem feinen, aber ſcharfen Sande, oder auch mit geriebenem Bimsſtein beſtreuet wird, wenn aber der Stab von Holz oder Metall iſt, trocken bleibt, und mit Geigenharz oder andern Harzſtaube beſtrichen wird, da man denn auch vorher auf die Oberflaͤche des Stabes ſelbſt Harz einreiben kann. Glas - ſtaͤbe, wozu ſich lange Barometer - oder Thermometerroͤhren ſehr gut gebrauchen laſſen, ſpre - chen am leichteſten an; bey andern, beſonders wenn ſie nicht duͤnn und gerade genug ſind, iſt oͤfters ein ziemlich ſtarker Druck noͤthig. Sollen die Toͤne nicht ſehr hoch ſeyn, ſo muß man ſich betraͤchtlich langer Staͤbe bedienen.

90.

Ein Stab kann drey verſchiedene Folgen von Longitudinalſchwingungen annehmen, nachdem er 1) ganz frey, 2) an einem Ende befeſtigt und an dem andern frey, 3) an beyden Enden befeſtigt iſt. Jn dem erſten Falle ſchwingt der Stab, ſo wie (§. 73.) die Luft in einer offenen Pfeife, im zweyten, ſo wie die Luft (§. 74.) in einer gedeckten Pfeife ſchwingt, und im dritten, ſo wie die Luft in einer voͤllig verſchloſſenen Roͤhre ſchwingen wuͤrde, wenn es moͤglich waͤre, ſie gehoͤrig in Bewegung zu ſetzen.

91.

Wenn ein Stab ganz frey iſt, ſo befindet ſich bey der einfachſten longitudinalen Schwingungsart, welche den tiefſten Ton giebt, in der Mitte ein Schwingungsknoten; die105 Bewegung geſchieht abwechſelnd von den Enden nach der Mitte, und von der Mitte nach den Enden, ſo daß der Stab ſich abwechſelnd verlaͤngert und verkuͤrzt; in der 28ſten Figur a und b habe ich dieſe Schwingungsart auszudruͤcken geſucht. Es laͤßt ſich dieſe Bewegungsart leicht hervorbringen, wenn der Stab in ſeiner Mitte gehalten, und nicht allzuweit von einem Ende der Laͤnge nach auf die vorher erwaͤhnte Art gerieben wird. Bey dem folgenden Klange Fig. 29. a und b, wo der Ton um eine Octave hoͤher iſt, ſind zwey Schwingungsknoten vorhanden, die ungefaͤhr um den vierten Theil der Laͤnge des Stabes von den Enden entfernt ſind; der Stab wird an einem von dieſen beyden Schwingungsknoten gehalten, und entweder zwiſchen dieſen beyden, oder allenfalls naͤher an dem Ende, als bey der vorigen Bewegungsart, gerieben. Bey der dritten Bewegungsart, Fig. 30. a und b, ſind drey Schwingungsknoten, einer in der Mitten, die beyden andern in der Entfernung des ſechsten Theils von den Enden, der Ton iſt wieder um eine Quinte hoͤher, als der zweyte u. ſ. w. Dieſe Reihe von Toͤnen kommt mit der natuͤrlichen Zahlenfolge 1, 2, 3, 4 u. ſ. w. uͤberein, oder vielmehr, wenn man ſie mit der folgenden zuſammenſtellt, mit den geraden Zahlen 2, 4, 6, 8 u. ſ. w.

92.

Wenn der Stab an einem Ende in einen Schraubenſtock eingeſpannt, oder auf andere Art befeſtigt, und an dem andern frey iſt, ſo verlaͤngert und verkuͤrzt ſich bey der einfachſten Bewegungsart Fig. 31. a und b der ganze Stab, ſo daß er abwechſelnd nach dem feſten Ende und von demſelben abwaͤrts ſtrebt. Man ſtreicht ihn der Laͤnge nach in einer nicht allzugroßen Entfernung von dem freyen Ende, ohne ihn ſonſt irgendwo zu beruͤhren. Der Ton iſt um eine Octave tiefer, als in dem vorigen Falle der tiefſte war. Bey dem fol - genden Klange Fig. 32. a und b iſt in der Entfernung des dritten Theils von dem freyen Ende ein Schwingungsknoten, der Ton iſt um eine Octave und eine Quinte hoͤher, als der vorige; bey der dritten Bewegungsart, Fig. 33. a und b, wo der Ton wieder um eine große Sexte hoͤher wird, ſind zwey Schwingungsknoten vorhanden, wovon der aͤußerſte um den fuͤnften Theil der Laͤnge des Stabes von dem freyen Ende entfernt iſt, u. ſ. w. Dieſe Reihe von Toͤnen verhaͤlt ſich, wie die ungeraden Zahlen 1, 3, 5, 7 u. ſ. w.

93.

Wenn der Stab an beyden Enden befeſtigt iſt, welches am beſten geſchieht, wenn er an ſeinen Enden in zwey Schraubenſtoͤcke geſpannt wird, ſo ſchwingt bey der ein - fachſten Bewegungsart Fig. 34. a und b der ganze Stab ſo, daß er ſich abwechſelnd nachO106dem einen und nach dem andern feſten Ende draͤngt. Bey der folgenden Bewegungsart Fig. 35. a und b theilt er ſich in zwey Theile, es ſtreben dieſe Theile abwechſelnd nach der Mitte und nach den feſten Enden, der Ton iſt um eine Octave hoͤher, als der vorige. Eben ſo kann ſich auch der Stab in drey Theile (Fig. 36. a und b), wie auch in 4 oder mehrere theilen. Die Tonfolge bey allen dieſen Schwingungsarten iſt ebendieſelbe, wie in dem erſten Falle, wo der Stab ganz frey iſt.

  • Anm. Die Bewegungen und die Reihe der moͤglichen Toͤne eines an beyden Enden befeſtigten Stabes ſind ganz eben ſo beſchaffen, wie die vorher erwaͤhnten Longitudinalſchwingungen einer Saite, welche meines Eraͤchtens auch wuͤrklich hieher gehoͤren, indem die Spannung der Saite bey dieſen Schwingungsarten faſt nichts weiter bewuͤrkt, als daß einer betraͤchtlichen Strecke von elaſtiſcher Materie, die wegen ihrer geringen Dicke außerdem allzu biegſam ſeyn wuͤrde, eine gerade Richtung gegeben wird. Jch habe zwar in der Berliner muſikaliſchen Monatsſchrift Aug. 1792. die Longitudinaltoͤne einer Meſſing - oder Stahlſaite um etwas weniges tiefer angegeben, als die Toͤne eines eben ſo langen meſſingenen oder ſtaͤhlernen Stabes bey derſelben Bewegungsart ſeyn wuͤrden; dieſes kommt aber daher, weil der untergeſetzte niedrige Steg hier nicht ſo wuͤrkſam war, als bey den Transverſalſchwingungen, ſo daß ſich die der Laͤnge nach gehenden Ausdehnungen und Zuſammenziehungen noch einigermaßen in den jenſeits des Steges befindlichen Theil der Saite verbreiteten. Jn meiner Schrift uͤber die Longitudinalſchwingungen der Saiten und Staͤbe habe ich S. 9. die erſte Bewegungsart eines an beyden Enden befeſtigten Stabes unrichtig beurtheilt, es geſchehen naͤhmlich hierbey die Ausdehnungen und Zuſammenziehungen eines ſolchen Stabes nicht etwa ab - wechſelnd von der Mitte nach den Enden, und von den Enden nach der Mitte, weil bey einer Bewegung dieſer Art nothwendig in der Mitte ein Schwingungsknoten ſeyn muͤßte, ſondern viel - mehr abwechſelnd nach dem einen und dem andern Ende zu. Bey der zweyten Bewegungsart iſt aber die Bewegung ſo, wie ich ſie dort der erſten zugeſchrieben habe.

94.

Bey Vergleichung aller dieſer longitudinalen Schwingungsarten eines Stabes wird man finden, daß, wenn man einen Theil, der ſich an einem freyen Ende befindet, als die Haͤlfte eines zwiſchen zwey feſten Graͤnzen enthaltenen Theils anſteht, alle moͤglichen Toͤne dieſer Art ſich umgekehrt wie die Laͤngen der ſchwingenden Theile verhalten, und in geradem Verhaͤltniſſe der Zahlen ſolcher Halbtheile ſtehen, in welche ſich der Stab eintheilt. So iſt z. B. bey Fig. 31. der ganze Stab als ein ſolcher halber ſchwingender Theil anzuſehen, der Ton iſt alſo in Verhaͤltniß der uͤbrigen = 1. Bey Fig 28. und 34. theilt ſich der Stab in zwey ſolche Halbtheile, die bey Fig. 28. mit den feſten Enden, bey Fig. 34. aber mit den beweglichen Enden zuſammenhaͤngen, der Ton iſt = 2. Auf aͤhnliche Weiſe laſſen ſich alle uͤbrigen longitudinalen Bewegungsarten beurtheilen.

107

95.

Bey einerley longitudinalen Schwingungsart verhalten ſich die Toͤne mehrerer aus einerley Materie beſtehenden Staͤbe umgekehrt wie deren Laͤngen. Auf die Dicke eines Stabes kommt gar nichts an. Deſtomehr aber kommt die Verſchiedenheit der Materie in Betrach - tung. Bey mehreren von mir angeſtellten Verſuchen war der Ton eines 2 Rheinlaͤndiſche Fuß langen Stabes, wenn er an beyden Enden frey war, bey der einfachſten longitudinalen Be - wegungsart folgender:

  • Fiſchbein gab ungefaͤhr3 geſtrichen a
  • Engliſches Zinn h
  • Silber ungefaͤhr 15 loͤthig4 geſtrichen d
    • Nußbaumholz f
    • Taxusholz

Wenn die Faſern dieſer Hoͤlzer noch gerader ſind, als ſie an meinen Staͤben waren, kann der Ton auch noch ein wenig hoͤher ſeyn.

    • Meſſing fis
    • Eichenholz
    • Pflaumenbaumhelz
  • Thoͤnerne Tobakspfeifenſtiele e bis g
  • Kupfer beynahe g
    • Birnbaumholz gis bis a
    • Rothbuͤchen
    • Ahorn
  • Mahagony (gewoͤhnliches unaͤchtes) beynahe b
    • Ebenholz ungefaͤhr b
    • Weißbuͤchen
    • Ruͤſtern
    • Erlen
    • Birkenholz
  • Lindenholz beynahe h
  • Kirſchbaumholz k
O 2108
  • Weidenholz 5 geſtrichen c
  • Kiefernholz

An einigen kiefernen Staͤben, wo die Faſern etwas ſchief giengen, war der Ton wohl um eine Tertie tiefer.

  • Glas ungefaͤhr cis
  • Eiſen

Zwiſchen weichem Eiſen, und ziemlich hartem Stahl habe ich keinen merklichen Unterſchied gefunden.

  • Tannenholz, etwas hoͤher als cis.

Mit einer voͤlligen Genauigkeit laſſen ſich die Toͤne nicht wohl beſtimmen, weil ich oͤfters an denſelben Materien Verſchiedenheiten von einem halben Tone fand. Alle dieſe Toͤne feſter Koͤrper bey ihren Longitudinalſchwingungen ſind uͤbrigens viel hoͤher, als der Ton einer eben ſo langen Luftſtrecke in einer offenen Pfeife, welcher ungefaͤhr das ungeſtrichene c ſeyn wuͤrde. Der Unterſchied aller dieſer Longitudinaltoͤne feſter Koͤrper von den weichſten und zaͤheſten bis zu den ſproͤdeſten betraͤgt nur hoͤchſtens etwa eine Octave und eine große Terz (2: 5) und wenn ich Fiſchbein und Zinn, die wegen ihrer Weichheit und Zaͤhigkeit nur einen ſehr unvollkommenen Klang geben, ausnehme, betraͤgt der Unterſchied kaum eine Octave (1: 2). Dieſe Verſchiedenheit der Toͤne haͤngt allem Anſehn nach von der mehrern oder mindern Sproͤdigkeit ab, worunter ich hier den Widerſtand, welchen die Materie gegen jede Zuſammendruͤckung und Ausdehnung nach der Richtung der Laͤnge aͤußert, verſtehe; wahr - ſcheinlich verhalten ſich die Toͤne, wie die Quadratwurzeln dieſer Sproͤdigkeit. Da es aber nicht einerley ſeyn kann, ob bey einem gewiſſen Grade der Sproͤdigkeit, die hier als bewegende Kraft anzuſehen iſt, viel oder wenig Maſſe in Bewegung geſetzt wird, ſo vermuthe ich, daß die Schwere der Materie auch zu Beſtimmung der Hoͤhe und Tiefe der Toͤne beytraͤgt, und daß dieſe auch in umgekehrten Verhaͤltniſſe der Quadratwurzeln der Schwere ſtehen moͤgen. Wenn alſo Materien von ſo verſchiedener ſpeciſiſchen Schwere, wie z. B. Meſſing, Erchenholz und thoͤnerne Tobakspfeifenſtiele, wie auch Tannenholz, Eiſen und Glas einerley Ton geben, ſo muß der Grund davon wohl in der eben ſo ſehr verſchiedenen Sproͤdigkeit dieſer Materien liegen, ſo daß in dieſem Falle eine dieſer Eigenſchaften durch die andere compenſirt wird. Meines Erachtens muß alſo, wenn n die einer jeden longitudinalen Schwingungsart zukom - mende Zahl, L die Laͤnge deſ Stabes, C die Sproͤdigkeit und G die Schwere deſſelben be - deutet, der Ton eines longitudinal ſchwingenden Stabes ſeyn = $$\frac{n}{L}$$ $$\frac{C}{G}$$ .

109
  • Anm. Die Art der Elaſticitaͤt, welche ich hier Sproͤdigkeit nenne, iſt von der Steifigkeit, d. i. von dem Widerſtande gegen jede ſeitwaͤrts geſchehende Biegung, wodurch die Toͤne bey den Transverſalſchwingungen beſtimmt werden, ſehr verſchieden. Sie iſt auch, wie Graf Giordano Riccati in ſeiner Schrift delle corde ovvero fibre elastiche, Sched. I. bemerkt, von der Feſtigkeit oder Haltbarkeit (tenacitas) wohl zu unterſcheiden; er fand z. B. daß die Sproͤ - digkeit einer von ihm unterſuchten duͤnnen Meſſingſaite uͤber 1134 Pfund betrug, deren Haltbarkeit nur ungefaͤhr 12 Pfunden gleich war, und alſo bey Anhaͤngung eines groͤßern Gewichtes zerriß. Er unterſcheidet von dieſer natuͤrlichen oder innern Sproͤdigkeit der Materie auch die kuͤnſtliche oder aͤußere Sproͤdigkeit, d. i. den Wiederſtand, welchen ein ſolcher Koͤrper, wenn ſeine Ausdehnung durch eine aͤußere Kraft ſchon etwas veraͤndert worden iſt, gegen jede noch weitere Veraͤnderung derſelben aͤußert. Da nun die natuͤrliche Spoͤdigkeit einer Saite ſchon ſo viel betragen kann, ſo iſt gar nicht zu verwundern, daß eine mehrere oder mindere Spannung, die doch gewoͤhnlich nur einige Pfund betraͤgt, ſo wenig Veraͤnderung des Tones bey einer longitudinal ſchwingenden Saite bewuͤrkt.

96.

Die Verſchiedenheiten der Transverſal - und Longitudinalſchwingungen werden ſich am beſten uͤberſehen laſſen, wenn ich ſie in folgender Tabelle einander gegenuͤber ſtelle:

Eigenſchaften der Transverſalſchwingungen. Eigenſchaften der Longitudinalſchwingungen.
Der Stab wird in die Quere in Bewegung geſetzt.Der Stab wird nach der Richtung der Laͤnge in Bewegung geſetzt.
Er bildet bey ſeinen Schwingungen mancherley krumme Linien.Er zieht ſich auf mancherley Art zuſammen und dehnt ſich aus nach der Richtung der Laͤnge.
Die Tone verhalten ſich bey den verſchiedenen Schwingungsarten wie die Quadrate gewiſſer Zah - len, z. B. wie die Quadrate von 3, 5, 7, 9 ꝛc. oder von 5, 9, 13, 17 ꝛc. oder von 1, 2, 3, 4 ꝛc.Die Toͤne verhalten ſich bey den verſchiedenen Schwingungsarten wie die geraden Zahlen 2, 4, 6, 8 u. ſ. w. oder wie die ungeraden Zahlen 1, 3, 5, 7 u. ſ. w.
Die Toͤne verſchiedener Stabe verhalten ſich bey einerley Schwingungsart umgekehrt wie die Qua - drete der Laͤngen.Die Toͤne verſchiedener Staͤbe verhalten ſich bey einerley Schwingungsart, umgekehrt wie die Laͤngen.
Sie verhalten ſich ſeiner wie die Dicke,Auf die Dicke kommt gar nichts an, außer daß, wenn der Stab nach einem Ende zu merklich dicker iſt, dieſes eine kleine Veranderung des Toms verurſachen kann.
wie die Quadratwurzeln der Steifigkeit, d. i. des Widerſtandes gegen Biegung,Wahrſcheinlich verhalten ſich die Toͤne, wie die Quadratwurzeln der Sproͤdigkeit, d. i. des Wi - derſtandes gegen Verengerungen und Erweiterun - gen nach der Richtung der Laͤnge.
und umgekehrt wie die Quadratwurzeln der Schwere.Wahrſcheinlich auch umgekehrt wie die Qua - dratwurzeln der Schwere.
110

Die Geſetze der Longitudinalſchwingungen eines Stabes habe ich in einer Schrift: Ueber die Longitudinalſchwingungen der Saiten und Staͤbe, (Erfurt 1796. 4. ) welche ſich auch in den Schriften der dortigen Churmaynziſchen Academie der Wiſſenſchaften befindet, zuerſt bekannt gemacht.

III. Drehende Schwingungen.

97.

Außer den vorher erwaͤhnten Schwingungsarten ſind noch andere moͤglich, bey welchen der Stab oder die Theile, in welche er ſich eintheilt, ſich abwechſelnd rechts und links in einer ſchraubenfoͤrmigen Richtung ſo bewegen, als ob ſie ſich um ihre Axe drehen wollten. Es laſſen ſich dieſe Schwingungsarten, welche ich ſpaͤter als die vorigen, entdeckt, und in dem zweyten Theile der neuen Schriften der Berliner Geſellſchaft Naturforſchender Freunde 1799. bekannt gemacht habe, am beſten an cylindriſchen Staͤben, die eine recht glatte Ober - flaͤche haben, durch ein faſt eben ſolches Reiben, wie bey den Longitudinalſchwingungen, her - vorbringen, nur mit dem Unterſchiede, daß es nicht nach der Richtung der Laͤnge, ſondern links oder rechts in einer drehenden Richtung geſchehen muß, wobey man den Stab an einer Stelle, wo ein Schwingungsknoten iſt, mit zwey Fingern halten kann. Bisweilen habe ich auch an parallelepipediſchen oder vierſeitig priſmatiſchen Staͤben ſolche Schwingungen durch Streichen mit dem Violinbogen in einer diagonalen Richtung hervorgebracht.

98.

Die Arten, wie der Stab, er ſey ganz frey, oder an dem einen Ende befe - ſtigt, und an dem andern frey, oder an beyden Enden befeſtigt, ſich abtheilen kann, und die in allen dieſen Faͤllen Statt findenden Reihen von Toͤnen, wie auch die uͤbrigen Geſetze, nach welchen ſich die Hoͤhe und Tiefe der Toͤne richtet, ſind ganz eben dieſelben, wie bey den Longitudinalſchwingungen, nur ſind beyde darin verſchieden, daß, ſoweit ich es bey allen Verſuchen habe bemerken koͤnnen, der Ton bey einer jeden Art von drehenden Schwin - gungen um eine Quinte tiefer iſt, als bey gleichartigen Longitudinalſchwingungen, daher man um die Toͤne bey dergleichen Schwingungen zu beſtimmen, den §. 95. gegebenen Ausdruck $$\frac{n}{L}$$ $$\frac{C}{G}$$ mit multipliciren muß.

111
  • Anm. Aus dieſen drehenden Schwingungen erklaͤrt ſich nun das, was ich in meinen Entdeckun - gen uͤber die Theorie des Klanges gegen das Ende der 75ſten Seite von einer ſolchen Schwingungsart eines in einen Schraubenſtock geſpannten parallelepipediſchen oder priſmatiſchen Stabes geſagt habe, wo ich ihn an einer Kante in einer diagonalen Richtung mit dem Violinbogen ſtrich, und bey dem Aufſtrenen des Sandes auf eine horizontale Seite der Sand auf einer ſich mitten durch die Laͤnge erſtreckende Linie ruhig blieb. Jch habe dort mit Unrecht vermuthet, daß die vier Kanten des Stabes vielleicht abwechſelnd gegen einander ſchwingen, es wird aber vielmehr durch die rechts und links gehenden Schwingungen der aufgeſtreute Sand von den Kanten nach der Mitte zu geworfen. Auch an vierſeitigen Stimmgabeln habe ich einigemahl aͤhnliche Schwin - gungen auf dieſe Art hervorgebracht.

Sechster Abſchnitt. Schwingungen getruͤmmter Staͤbe.

99.

Die Schwingungen einer Gabel d. i. eines Stabes, der in der Mitte ſo gekruͤmmt iſt, daß ſeine beyden Schenkel mit einander parallel gehen, ſind von den transverſalen Schwingun - gen eines geraden Stabes, deſſen beyde Enden frey ſind, nicht weſentlich verſchieden, und koͤnnen eigentlich durch Vergleichung beyder am beſten beurtheilt werden. Wenn man einen geraden Stab in ſeiner Mitte ſo kruͤmmt, daß er nach und nach die Geſtalten Fig. 37. aa, bb, cc, dd, ee annimmt, ſo wird man den allmaͤhlichen Uebergang der Schwingungen und Tonverhaͤltniſſe deſſelben zu den Schwingungen und Tonverhaͤltniſſen einer Gabel leicht beobach - ten koͤnnen. Durch die Biegung werden (ſo wie uͤberhaupt durch eine jede Biegung eines Stabes innerhalb eines ſchwingenden Theils) die zwey Schwingungsknoten, zwiſchen denen ſie ſich befindet, einander naͤher geruͤckt, ſo wie es in der 37ſten Figur durch Striche iſt bemerkt worden. Jeder Ton wird dadurch tiefer, als er bey eben derſelben Zahl von Schwingungs - knoten an einem geraden Stabe ſeyn wuͤrde, ſo daß die an geraden Staͤben (§. 82.) mit den112 Quadraten der Zahlen 3, 5, 7, 9 u. ſ. w. uͤbereinkommende Tonfolge in eine ganz andere uͤbergeht. Bey der einfachſten Bewegungsart einer Gabel ſchwingen beyde Schenkel gegen einander und von einander, ſo daß ſie abwechſelnd die Geſtalten Fig. 38. n p g q f und b p h q m annimmt. Man wird bey Vergleichung der 24ſten und 38ſten Figur finden, daß dieſe Be - wegungsart von der erſten Bewegungsart eines geraden an beyden Enden freyen Stabes nicht weſentlich verſchieden iſt; nur iſt die Axe, auf welche die krumme Schwingungslinie Bezie - hung hat, veraͤndert, und die beyden Schwingungsknoten ſind einander ſo genaͤhert, daß man ſie ohne genauere Aufmeckſamkeit faſt fuͤr einen Schwingungsknoten halten ſollte. Der Ton iſt ungefaͤhr um eine kleine Sexte tiefer, als der tiefſte Ton ebendeſſelben Stabes, wenn er gerade und ganz fcey iſt. Eine Schwingungsart, wo drey Schwingungsknoten waͤren, naͤhm - lich einer in der Mitte, und an jedem Schenkel einer, ſo wie bey der zweyten Schwingungsart eines geraden Stabes Fig. 25. findet an einer Gabel nicht Statt; je mehr man einen geraden Stab Fig. 37. in der Mitte kruͤmmt, deſto mehr wird die in der 25ſteu Figur dargeſtellte Schwingungsart erſchwert, und wenn der Stab ſehr gekruͤmmt wird, laͤßt ſie ſich gar nicht mehr hervorbringen. Bey der zweyten Schwingungsart einer Gabel Fig. 39. ſind vier Schwingungsknoten m, n, t, e vorhanden, naͤhmlich in der Mitte zwey ſehr nahe bey ein - ander, und an jedem Schenkel einer, die Gabel nimmt abwechſelnd die Kruͤmmungen p d h g c und k f q z b an; der Ton iſt um zwey Octaven und eine uͤbermaͤßige Quinte hoͤher, als bey der erſten Schwingungsart Fig. 38, der erſte Ton verhaͤlt ſich naͤhmlich zum zweyten, wie das Quadrat von 2 zum Quadrate von 5, oder wie 4 zu 25, er paßt aber nicht in die Progreſſion der Toͤne bey den folgenden Schwingungsarten, welche ſich von der zweyten an gerechnet, wie die Quadrate der Zahlen 3, 4, 5, 6, 7 u. ſ. w. verhalten. Bey der dritten Schwin - gungsart Fig. 40. ſind fuͤnf Schwingungsknoten, einer in der Mitte, und an jedem Schenkel zwey, ſo wie ſie in der Figur durch Steiche bezeichnet ſind, der Ton iſt um eine kleine Septime 9: 16 hoͤher, als der zweyte; bey der vierten Schwingungſart Fig. 41, wo die Hoͤhe des Tones wieder beynahe um eine kleine Sexte (eigemlich um eine uͤbermaͤßige Quinte 16: 25) zunimmt, ſind 6, bey der fuͤnften, Fig. 42, wo der Ton wieder um eine verminderte Quinte 25: 36 hoͤher wird, ſind 7 Schwingungsknoten, u. ſ. w. Die Progreſſion von Toͤnen wird ſich am beſten in folgender Tabelle[uͤberſehen]laſſen, in welcher ich eben denſelben Stab, welcher im geraden Zuſtande die von §. 80 bis 85. angezeigten Tone giebt, nun als gabel - foͤrmig gekruͤmmt anſehe:

113
Zahl der Schwingungsknoten:2345678
Fig. 38Fig. 39404142
Toͤne:cfehltgis̅̅fis̅̅̅d̄̄̄̄gis̅̅̅̅cis̅̅̅̅̅ +
Zahlen, mit deren Quadraten die Toͤne uͤbereinkommen:(2)(5) 34567 u. ſ. w.

Dieſe Reihe von Toͤnen, von der zweyten Schwingungsart an gerechnet, iſt eben - dieſelbe, als wenn ein ſolcher Stab gerade und an beyden Enden angeſtemmt waͤre, (§. 83.) von der dritten Schwingungsart eines ſolchen Stabes an gerechnet. Auch ſind die Toͤne bey denen Schwingungsarten, wo in der Mitte zwey Schwingungsknoten ſehr nahe bey einander ſind, Fig. 38, 39, 41 u. ſ. w. eben dieſelben, wie die Toͤne eines an dem einen Ende be - feſtigten Stabes §. 80, nur um zwey Octaven hoͤher; die Urſache liegt meines Erachtens darin, daß bey dieſen Schwingungsarten beyde Schenkel der Gabel ſich ſo gegen einander ſtemmen, daß jeder eben ſo ſchwingt, wie ein gerader Stab, deſſen eines Ende befeſtigt iſt.

Zu Verſuchen ſchicken ſich parallelepipediſche Staͤbe, naͤhmlich ſchmale Streifen von Eiſen oder Meſſing, denen man die gehoͤrige Biegung gegeben hat, am beſten; diejenigen, deren ich mich bedient habe, waren meiſtens ½ Zoll breit. Die verſchiedenen Schwingungs - arten laſſen ſich leicht durch Streichen mit dem Violinbogen am Ende eines Schenkels, wobey man die Gabel an einem ihrer aͤußerſten Schwingungsknoten locker zwiſchen zwey Fingerſpitzen haͤlt, hervorbringen; die Schwingungsknoten kann man durch aufgeſtreuten Sand, welcher auf denſelben ruhig bleibt, und von andern Stellen durch die Schwingungen herabgeworfen wird, ſichtbar machen.

  • 1. Anm. Die wahre Beſchaffenheit der Schwingungen einer Gabel, welche noch von nieman - den theoretiſch oder empiriſch unterſucht worden iſt, mache ich hier zuerſt bekannt. Was ich einmahl in einem andern Aufſatze gelegentlich daruͤber geſegt habe, iſt nicht ganz richtig, denn ich wußte und vermuthete damals nicht, daß ſowohl bey der einfachſten Bewegungſart, als auch bey ſo vielen andern zwey Schwingungsknoten in der Mitte nahe bey einander ſind, und ſand nachher erſt durch Beobachtung des vorhererwaͤhnten Uebergenges der Schwingungen eines geraden an beyden Enden freyen Stabes zu den Schwingungen einer Gabel deren wahre Beſchaffenheit.
  • 2. Anm. La Hire in der Histoire und in den Mémoires de l’Acad. de Paris 1716. und Funk in ſeiner Schrift de sono et tono S. 3. erklaͤren den Umſtand, daß eine Feuerzange klingt, wenn man ſie anſchlaͤgt, nicht aber, wenn man ihre beyden Schenkel mit den Fingern zuſammendruͤcktP114und wieder loßlaͤßt, ganz unrichtig. Dieſe und ſo viele andere Jrrthuͤmer in der Theorie der ſchwingenden Bewegungen ſind meiſtens dadurch veranlaßt worden, weil man nicht gewußt hat, und manche Phyſiker vielleicht noch nicht wiſſen, daß jeder elaſtiſche Koͤrper vielerley Schwingungs - arten annehmen kann, deren jede einen andern Ton giebt, welches einer der erſten Lehrſaͤtze bey einem jeden Vortrage der Klanglehre ſeyn ſollte, aber bis jetzt noch in wenigen phyſiſchen Lehr - buͤchern iſt vorgetragen worden. Die wahre Urſache des Klingens oder Nichtklingens einer Feuer - zange liegt darin, weil bey dem Loßlaſſen der vorher mit den Fingern zuſammengehaltenen Enden die beyden Schenkel bey der erſten Bewegungsart (Fig. 38.) gewoͤhnlich viel zu langſam ſchwingen, als daß ein Klang koͤnnte gehoͤrt werden, dahingegen durch Anſchlagen an verſchiedenen Stellen andere Bewegungsarten hervorgebracht werden, die hoͤhere Toͤne geben.

100.

Ein Ring, d. i. ein kreißfoͤrmig gebogener und in ſich ſelbſt uͤbergehender Stab theilt ſich bey ſeinen Schwingungen in 4, 6, 8, 10 oder mehrere gleiche Theile ein, die Toͤne, deren er faͤhig iſt, verhalten ſich wie die Quadrate von 3, 5, 7, 9 u. ſ. w. Zu Verſuchen kann man einen etwas ſtarken Draht von Meſſing, der an ſeinen Enden mit Schlagloth ſauber zuſammengeloͤthet wird, am beſten gebrauchen. Um jede verlangte Bewegungsart hervorzu - bringen, lege man den Ring an drey Stellen, wo Schwingungsknoten ſind, auf etwas zu - ſammengedrehtes Papier, oder ſtarken Bindfaden, oder auf andere nicht allzu harte Unter - lagen, druͤcke ihn, damit er ſich nicht verruͤcke, an ſolchen Stellen mit den Fingern, aber nicht allzuſtark, auf die Unterlagen, und ſtreiche mit dem Violinbogen die Mitte eines ſchwingenden Theils. Die Schwingungen werden weit leichter hervorgebracht werden koͤnnen, wenn der Ring bey der hier angegebenen horizontalen Lage mit dem Violinbogen ſenkrecht geſtrichen wird, ſo daß die Schwingungen auf und nieder gehen, als wenn man ihn in der Richtung ſeines Durchmeſſers ſtreicht, weil wegen der gewoͤlbten Geſtalt des Ringes jeder Theil von außen nach innen ſich ſo gegen die andern ſtenunt, daß die ſchwingenden Bewegungen nach dieſer Richtung dadurch erſchwert werden, weshalb auch, wenn man durch ein ſtaͤrkeres Streichen eine Bewegung nach dieſer Richtung erzwingt, die Toͤne etwas rauher und hoͤher ausfallen, als wenn man ſenkrecht ſtreicht. Um den Ring gehoͤrig ſenkrecht ſtreichen zu koͤnnen, wird es am beſten ſeyn, wenn man ihn auf einen Tiſch auf ſeine Unterlagen ſo legt, daß der ſchwingende Theil, den man ſtreichen will, etwas uͤber den Rand des Tiſches hervorragt, z. B. wenn man die einfachſte Bewegungsart, wo der Ring ſich in 4 ſchwingende Theile eintheilt, hervorbringen will, ſo legt man Fig. 43. an den Rand des Tiſches ab den Ring an den 2 naͤchſten Schwingungsknoten m und n, und ſodann noch auf einen, entweder bey p oder115 bey q auf ſchickliche Unterlagen, ſo daß das Stuͤck m g n uͤber den Tiſch hervorragt, druͤcke den Ring mit den Fingern der einen Hand auf die Unterlagen, welches, wenn man aufwaͤrts ſtreicht, nur bey m und n noͤthig iſt, und ſtreiche bey g. Eben ſo verfahre man bey jeder Schwingungsart, wobey es am leichteſten ſeyn wird, alle Schwingungsarten, ſo weit ſie an jedem Ringe moͤglich ſind, hervorzubeingen, wenn man an 2 gegeneinander uͤber befindlichen Stellen, wie z. B. bey n und p die Unterlagen unveraͤndert laͤßt, und die Unterlage bey m immer naͤher an n ruͤckt, ſo daß die Entfernung bey der erſten Schwingungsart ¼, bey der zweyten , bey der dritten der ganzen Peripherie betraͤgt u. ſ. w.

Ein Ring, deſſen tiefſter Ton das ungeſtrichene c iſt, wird bey ſeinen uͤbrigen Schwingungsarten felgende Toͤne geben:

Zahl der Schwingungskneten:468101214
Toͤne:cfis̅fis̅̅ dis̅̅̅ ā̄̄dis̅̅̅̅
Zahlen, mit deren Quadraten die Toͤne uͤbereinkommen:35791113 u. ſ. w.

Ein Ring, deſſen tiefſter Ton das eingeſtrichene fis iſt, wird, wenn man ihn irgendwo trennt, und durch Biegung in einen geraden Stab verwandelt, die von §. 80 bis 85. an - gezeigten Toͤne geben.

Was hier uͤber die Schwingungen eines Ringes geſagt iſt, das iſt eigentlich nur von Ringen, deren Dicke und Breite nicht ſehr betraͤchtlich von einander verſchieden iſt, zu ver - ſtehen, wie z. B. von cylindriſchen oder priſmatiſchen ringfoͤrmig gebogenen Staͤben, die in ſich ſelbſt uͤbergehen. Ein Ring, der in der Richtung ſeines Durchmeſſers betraͤchtlich aus - gedehnt, und nach der andern duͤnn iſt, wuͤrde vielmehr als eine runde in der Mitten durch - loͤcherte Scheibe, und ein Ring, der nach der Richtung ſeines Durchmeſſers duͤnn, und nach der dieſem rechtwinklich entgegengeſetzten Richtung betraͤchtlich ausgedehnt iſt, wuͤrde als Roͤhre koͤnnen angeſehen werden; die Beurtheilung ſolcher Ringe wuͤrde alſo nicht hieher, ſondern in die naͤchſtfolgenden Abſchnitte gehoͤren, wo von den Schwingungen gerader und krummer Flaͤchen die Rede ſeyn wird.

  • Anm. L. Euler behauptet in ſeiner Abhandlung de sono campanarum in Nov. Comment. Acad. Petrop. tom. X. daß die Toͤne eines Ringes in den Verhaͤltniſſen 1, 6, 20, 50,P 2116 105, 196 u. ſ. w. ſtehen ſollen, daß alſo, wenn der tiefſte Ton C iſt, die Tonfolge C, e , d b , e +, b , d + u. ſ. w. ſey. Am Ende ſeiner ſonſt aͤußerſt lehrreichen Schrift: investigatio motuum, quibus laminae et virgae elasticae contremiscunt, in Actis Acad. Petrop. pro ann. 1779. giebt er die Quadrate von 1, 2, 3, 4 u. ſ. w. als die Tonfolge eines elaſtiſchen Ringes an, welches auch Golovin in Act. Acad. Petrop. pro ann. 1781. P. II. zu beſtaͤtigen geſucht hat. Alle dieſe Behanptungen werden aber von der Erfahrung widerlegt, durch welche man nie andere Toͤne erhalten wird, als die, welche mit den Quadraten von 3, 5, 7, 9 u. ſ. w. uͤbereinkommen. Es iſt auch der Natur nicht gemaͤß, wenn man, wie es in dieſen Abhandlungen geſchehen iſt, die Schwingungen einer Glocke aus den Schwingungen eines Ringes erklaͤren will. Die wahre Tonfolge eines Ringes habe ich in meiner Schrift: Entdeckun - gen uͤber die Theorie des Klanges S. 16 und 17. zuerſt bekannt gemacht.

101.

So wie ein Stab noch auf unendlich verſchiedene andere Arten gekruͤmmt ſeyn kann, eben ſo verſchieden koͤnnen die ſchwingenden Bewegungen und die Tonverhaͤltniſſe ſeyn, welche in allen ſolchen Faͤllen Statt finden, ich laſſe es aber hier nur bey Beſtimmung der Schwin - gungen einer Gabel und eines Ringes bewenden, da dieſe Arten gekruͤmmter Staͤbe am oͤfterſten vorkommen, und es auch noͤthig war, einiges Unrichtige, was Andere daruͤber geſagt hatten, zu berichtigen. Außer den auf andere Arten gekruͤmmten Staͤben wuͤrden auch Staͤbe von unregelmaͤßigen Geſtalten, oder von ungleicher Dicke an verſchiedenen Stellen u. ſ. w. vielen Stoff zu weitern Unterſuchungen geben koͤnnen.

117

Siebenter Abſchnitt. Schwingungen einer Scheibt.

I. Allgemeine Bemerkungen.

102.

Bey den bisher erwaͤhnten transverſalen Schwingungsarten einer Saite und eines Stabes kommt es nur auf keumme Linien an, zwiſchen deren auf entgegengeſetzten Seiten der Axe befindlichen Theilen die Schwingungsknoten ſich als feſte Puncte befinden; aber bey den in dieſem und in dem folgenden Abſchnitte zu beſchreibenden Schwingungen einer Scheibe, einer Glocke u. ſ. w. (ſo wie auch ſchon bey den meiſten Schwingungsarten der im dritten Abſchnitte erwaͤhnten geſpannten Membranen) kommen nicht krumme Schwingungslinien, ſondern krumme Flaͤchen, die nach mehr als einer Richtung auf verſchiedene Art gekruͤmmt ſind, in Betrachtung, bey welchen die auf entgegengeſetzten Seiten der Are befindlichen Theile nicht durch feſte Puncte, ſondern durch feſte Linien, die man auch Knotenlinien nennen kann, von einander abgeſondert ſind.

  • Anm. Die Schwingungen einer Scheibe habe ich in meiner Schrift: Entdeckungen uͤber die Theorie des Klanges (Leipzig 1787. 4. ) zuerſt empitiſch unterſucht, und die zu deren ge - naner Beobachtung noͤthigen Mittel angegeben. Auf Veranlaſſung dieſer Schrift bemuͤhte ſich Jaceb Bernouili in den Nov. Act Acad. Petrop. 1787. die Schwingungen einer Quadrat - fuͤeibe durch Theorie zu beſtimmen, deren Reſnltate aber von der Erfahrung nicht beſtaͤtigt werden, ſe wie auch deren Vorauſſetzungen allem Anſehn nach nicht der Natur gemaͤß ſind. Es moͤchte auch wohl ſehr ſchwer, und bey dem gegenwaͤrtigen Zuſtande der hoͤhern Mechanik und Analyſe nach feſt[unmoͤglich]ſeyn, hierin auf dem Wege der Theorie weiter zu kommen. Ein L. Euler, Daniel Bernoulli, D’Alembert, La Glange, und Andere haben ſo[viele]Bemuͤhungen anwenden118 und manche neue analytiſche Kunſtgriffe ausfindig machen muͤſſen, um die Schwingungen einer Saite zu beſtimmen, und doch iſt hierin noch manches ſtreitig; zu genauer Beſtimmung der Schwin - gungen eines geraden Stabes waren mehrere gemeinſchaftliche Bemuͤhungen eines L. Euler und Daniel Bernoulli noͤthig; die Unterſuchung der Schwingungen eines Ringes iſt L. Eulern bey zwey verſchiedenen Bemuͤhungen, ſie theoretiſch zu beſtimmen, nicht gelungen; es iſt alſo leicht zu erachten, daß die Unterſuchung ſolcher Schwingungen, wo es nicht, wie bey den vorigen, auf krumme Linien, ſondern auf ſolche krumme Flaͤchen ankommt, die ſich ſchlechterdings nicht auf ein - fache krumme Linien reduciren laſſen, noch ungleich ſchwieriger ſeyn muͤſſe. L. Euier druckt ſich hieruͤber in dem 15ten Bande der Nov Comment. Acad. Petrop. S. 581. alſo aus: Qnae adhuc de figura corporum flexibilium et elasticorum in medium sunt allata, non latius, quam ad fila simplicia sunt extendenda. Quae enim passim de carvatura lintei et veli tradita reperiuntur, eatenus tantum admitti possunt, quatenus has figuras ad curvaturam fili simplicis referre licet. Quin etiam omnia. quae in hoc genere sunt explorata, ad curvas tantum in eodem plano formatas sunt restringenda: quare longissime adhuc sumus remoti a theoria completa, cujus ope non solum superficierum, sed etiam corporum flexi - bilium figura definiri queat; atque haer theoria etiam nunc tantopere abscondita videtur, ut ne prima quidem ejus principia adhuc sint evoluta. Wenn vielleicht die Analyſe in Zukunft noch ſoweit ſollte vervollkommt werden, als zu dergleichen Unterſuchungen erforderlich iſt, ſo werden nun die vorhergegangenen empiriſchen Beſtimmungen dazu dienen koͤnnen, um die Reſultate der Theorie durch die Erfahrung zu pruͤfen, und gleich zu ſehen, ob man auf rechten Wege ſey, oder nicht.

103.

Zu deutlicher Darſtellung einer jeden Schwingungsart, deren eine Scheibe faͤhig iſt, wird erfordert, daß man eine oder mehrere Stellen, die in Ruhe bleiben, mit den Fingern oder auf andere Art halte, den Rand der Scheibe an einer Stelle, wo ungefaͤhr die Mitte eines ſchwingenden Theiles iſt, mit dem Violinbogen rechtwinklich ſtreiche, und wenn man verlangt, daß die Knotenlinien ſichtbar werden ſollen, auf die horizontalgehaltene Oberflaͤche der Scheibe etwas Sand ſtreue, welcher von den ſchwingenden Theilen weggeworfen wird, auf den feſten Linien aber ruhig bleibt, und ſich anhaͤnſt.

Da Manche bey Nachmachung meiner Verſuche uͤber die Schwingungen einer Scheibe Schwierigkeiten gefunden haben, wo ich es nicht etwartete, ſo halte ich fuͤr noͤthig, hier noch einige Erlaͤuterungen beyzufuͤgen. Man kann ſich gloͤſerner oder metallener Scheiben bedienen; allenfalls laſſen ſich ſogar die Schwingungen einer holzernen Scheibe ſichtbar machen. Glaͤ - ſerne Scheiben ziehe ich deswegen ver, weil man ſie leichter von gleichfoͤrmiger Dicke haben kann, als Sch[ei]ben von Meſſ[in]g oder einem andern Metalle, weil man auch wegen ihrer Durchſichtigkeit[beſſer beſtimmen kann, wo man etwa]noch unterwaͤrts irgend eine Stelle mit dem119 Finger beruͤhren koͤnne. Duͤnnere Scheiben ſind beſſer zu gebrauchen, als dickere, weil auf den duͤnnern ſich mehrere Schwingungsarten mit Leichtigkeit hervorbringen laſſen. Geſchliffe - nes Spiegelglas habe ich nicht beſſer, als gewoͤhnliches Fenſterſcheibenglas gefunden, weil an geſchliffenem Glaſe zwar jede Oberflaͤche eben iſt, aber ſelten beyde Oberflaͤchen genau mit einander parallel ſind. Die Schaͤrfen des Randes muͤſſen mit einer Feile oder auf andere Art abgeſtumpft werden, damit die Haare des Bogens nicht zerſchnitten oder abgerieben werden. Die Groͤße der Scheiben iſt willkuͤhrlich, wer noch wenig Uebung in dergleichen Verſuchen und etwas kurze Finger hat, wird ſich kleinerer Scheiben bedienen muͤſſen; die kleinſten koͤn - nen etwa 3 Zoll im Durchmeſſer ſeyn, die groͤßten, deren ich mich bedient habe, waren etwas uͤber eine Dreßdner Elle im Durchmeſſer. Kleinere Scheiben ſind zu den einfachern Schwin - gungsarten beſſer zu gebrauchen, an groͤßern aber kann man bey gehoͤriger Uebung die Her - vorbringung der verwickeltern Schwingungsarten weiter treiben. Die Stellen, wo man bey einer jeden Schwingungsart halten und ſtreichen muß, werden ſich am beſten durch ein rich - tiges Augenmaß beſtimmen laſſen; eine genaue Abmeſſung der Scheibe wird nicht leicht von Nutzen ſeyn, weil eine Scheibe doch ſelten an allen Stellen eine ſo gleichfoͤrmige Dicke und Elaſticitaͤt haben moͤchte, daß eine ſolche Abmeſſung ganz genau zutreffen ſollte. Hat man die Stelle, wo gehalten werden muß, nicht genau genug getroffen, ſo wird man, wenn die Klangfigur etwas unvollkommen erſcheint, durch eine kleine Verruͤckung der Figur leicht etwas nachhelfen koͤnnen. Wenn man etwa zufaͤllig eine Figur erhalten hat, die man fuͤr intereſſant haͤlt, und gern ein andersmahl wieder erhalten moͤchte, ſo iſt es rathſam, die Stellen, wo man gehalten und geſtrichen hat, auf irgend eine Art zu bezeichnen. Die Haltung der Scheibe geſchieht am beſten mit dem Daumen und dem zweyten Finger, und zwar, ſo viel als moͤglich, nur mit den aͤußerſten Spitzen dieſer Finger, weil die feſten Linien ſehr ſchmahl ſind, und alſo bey einer Haltung mit mehrerer Flaͤche der Finger die Schwingungen der benachbarten Theile zu ſehr wuͤrden gehindert werden. Die Scheibe darf auch nicht etwa an die innere Flaͤche der Hand auſtoßen. Wenn die gehaltene Stelle eine bey mehreren Schwingungsarten unbeweg - liche Stelle iſt, wird es noͤthig ſeyn, zu Verhuͤtung einer Beymiſchung anderer Schwingungs - arten außer der gehaltenen Stelle noch eine andere Stelle, die nur bey der verlangten Schwin - gungsart, nicht aber bey den andern in Ruhe bleiben kann, unterwaͤrts mit einem Finger zu beruͤhren. Weſſen Finger nicht recht geſchickt zu gehoͤriger Haltung der Scheibe ſind, der kann auch alleufalls die Scheibe auf ein Stuͤckchen Kork, oder zuſammengedrehtes Papier, oder auf eine andere dergleichen nicht allzuharte Unterlage legen, und mit einem Finger ſchwach120 aufdruͤcken und etwa noch an einer ſchicklichen Stelle mit der Spitze des Daumen beruͤhren, damit ſie ſich bey dem Streichen nicht veeruͤcke. Jch habe nie noͤthig gefunden, auch bey den groͤßten Scheiben mich eines andern Huͤlfsmittels, als der Finger, zu bedienen, ſchlage aber ſolchen, deren Finger zu dieſer Abſicht nicht gut beſchaffen ſind, noch einen andern zu der - gleichen Verſuchen brauchbaren Apparat vor, welchen ich in der 44ſten Figur abgebilder habe. Dieſer beſteht in einer hoͤlzernen Zwinge, die unterwaͤrts an den Tiſch angeſchraube wird, und eberwaͤrts nach vorn eine Fortſehung hat, welche mit einer Schraube verſehen iſt, deren Ende auf einen unterwaͤrts befindlichen Stift paßt, welche beyde etwa Zoll dick und mit Tuch oder einer andern weichen Materie gepolſtert ſeyn muͤſſen; zwiſchen die Schraube und den Stift wird die Scheibe an einer ſchicklichen Stelle eben ſo eingeklemmt, als ob ſie zwiſchen dem Daumen und noch einem Finger gehalten wuͤrde; man kann ſodann noch nach Belieben eine und andere ſchickliche Stelle zu mehrerer Feſtigkeit bey dem Streichen, und zu genauerer Beſtimmung der ſeſten Linien mit den Fingerſpitzen beruͤhren. Zu dem Streichen wird einige Feſtigkeit der Hand erfordert, es darf naͤhmlich der Bogen nicht etwa von einer Stelle zur andern wanken, ſondern er muß genau an einer Stelle auf - oder abgehn. Da bisweilen mehrere Schwingungsarten einerley Stellen, wo man halten und wo man ſtreichen muß, mit einander gemein haben, ſo muß man genau bemerken, welchen Ton die verlangte Bewegungs - art giebt, und bey Erſcheinung eines andern Tones ſogleich mit dem Streichen inne halten, ſobald man aber den rechten Klang hoͤrt, dieſen durch ein Anwachſen des Bogenſtrichs ver - ſtaͤrken. Gewoͤhnlich werden Bewegungsarten, welche tiefere Toͤne geben, leichter durch einen langſamern und ſtaͤrkern, die aber hoͤhere Toͤne geben, leichter durch einen ſchnellern und ſchwaͤchern Bogenſtrich ſich hervorbeingen laſſen. Zu dem Aufſtreuen laͤßt ſich gewoͤhnlicher Sand gebrauchen, es wuͤrde aber auch jede andere koͤrnige Materie eben dieſelbe Wuͤrkung thun; die Figuren erſcheinen, ſobald ein Klang hoͤrbar iſt; ſie werden deutlicher, wenn vorher die feinſten Theile des Sandes entweder durch Schlemmen mir Waſſer, oder dadurch, daß man den Sand mehreremahl etwas hoch herabfallen laͤße, weggeſchaſt worden ſind, weil dieſe ſich fonſt allzuſehr an die Oberflaͤche des Glaſes anhaͤngen. Jedoch wird auch die Anweſenheit einiger feinen Stanbtheils nuͤtzlich ſeyn koͤnnen, um die Mittelpuncte der Schwingungen, d. i. die Stellen, wo die Schwingungen am groͤßten ſind, ſichtbar zu machen, weil an dieſen der feinſte Staub ſich anhaͤuft. Wenn an einer Stelle der Scheibe zu viel und an der andern zu wenig Sand ſich beſindet, ſo kann man dadurch, daſt man die Scheibe etwas nach der andern Seite neigt, eine gleichfoͤrmigere Vertheilung des Sandes bewuͤrken.

121
  • 1. Anm. J. G. Boigt, welcher die von mir entdeckten Verſuche uͤber die Schwingungsarten einer Scheibe vielleicht beſer, als irgend ein anderer nachmachen konnte, hat in Grens neuen Journale der Phyſik 3. B. 4. St. uͤber die Hervorbringung dieſer Klangfiguren auch vieles geſagt, was denen, die dergleichen Figuren anſtellen wollen, wird brauchbar ſeyn koͤnnen. Haͤtte er nicht ſo fruͤh ſein Leben geendigt, ſo wuͤrde er gewiß zur Akuſtik, ſo wie zur Naturkunde uͤber - haupt, noch viele Beytrage geliefert haben.
  • 2. Anm. Viele von denen, welchen ich die Klangſiguren einer Scheibe zeigte, haben ſich ſonder - bare Vorſtellungen davon gemacht. Das gewoͤhnlichſte Misverſtaͤndniß war dieſes, daß man auf einer Scheibe, (ungefaͤhr ſo wie auf einer Violinſalte, welche durch Greifen verkuͤrzt wird) jeden beliebigen Ton hervorbringen koͤnne, und daß jeder Ton eine beſtimmte Figur gebt. Dieſes findet aber nicht Statt, es laſſen ſich naͤhmlich nicht alle Toͤne hervorbringen, ſondern nur ſolche Toͤne, die mit gewiſſen Bewegungsarten in Beziehung ſtehen. Es giebt auch nicht etwa ein gewiſſer Ton eine gewiſſe Figur, ſondern vielmehr, jede Figur, (oder mit andern Worten, jede Schwin - gungsart) ſteht mit den andern in einem gewiſſen Tonverhaͤltniſſe. Bey jeder Figur kann der Ton tiefer oder hoͤher ſeyn, nachdem die Scheibe groͤßer oder kleiner, duͤnner oder dicker iſt; die Figur wird doch ebendieſelbe ſeyn, und gegen die andern ebendaſſelbe Tonverhaͤltniß behalten. Die Tonverhaͤltniſſe ſind uͤbrigens ſehr unharmoniſch; wenn ſie ſich durch beſtimmte Zahlen aus - druͤcken laſſen, ſo ſind dieſes keine andern als Quadratzahlen, mithin kann hier von Octaven, Quinten, Terzen u. ſ. w. nie die Rede ſeyn. Dieſe Anmerkung iſt eigentlich nur fuͤr die, welche der Sache noch unkundig ſind, oder das was bisher an andern klingenden Koͤrpern iſt gezeigt worden, nicht gefaßt haben.

104.

Zwey ſchwingende Theile, die durch eine feſte Linie von einander getrennt ſind, ſchwingen allemahl abwechſelnd nach entgegengeſetzten Richtungen, ſo daß ein Theil ſich uͤber ſeiner urſpruͤnglichen Lage befindet, waͤhrend der benachbarte unter derſelben iſt. Wenn alſo gegenwaͤrtige Figur

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oder irgend ein Theil davon einen Theil einer ſchwingenden Scheibe vorſtellt, ſo werden bey der einen Schwingung die durch + bezeichneten Stellen ſich aufwaͤrts und die durch be - zeichneten ſich niederwaͤrs bewegen; bey der folgenden Schwingung bewegen ſich die durch bezeichneten aufwaͤrts, und die durch + bezeichneten niederwaͤrts, und ſo immer abwechſelnd. Da (§. 45.) uͤberhaupt an jedem klingenden Koͤrper nur ſolche ſchwingende BewegungenQ122moͤglich ſind, bey welchen die Theile, in welche er ſich eintheilt, ein ſolches Verhaͤltniß der Groͤße gegen einander haben, als erferderlich iſt, um in gleicher Geſchwindigbeit ſchwingen zu koͤnnen, ſo folgt, daß die Geſtalt und die Lage der feſten Linien allemahl ſo regelmaͤßig erſcheinen muͤſſe, als es die Geſtalt und die uͤbrige Beſchaffenheit der Scheibe zulaͤßt. Schwingende Theile, die ſich am Rande der Scheibe befinden, ſind (§. 45.) allemahl weit kleiner, als ſolche, die zwiſchen feſten Linien eingeſchloſſen ſind. Die feſten Linien koͤnnen in mancherley geraden und krummen Richtungen von einer Stelle des Randes bis zur andern durch die Scheibe hindurchgehen, aber niemals innerhalb der Scheibe ſich endigen, ſie koͤnnen auch auf mannigfaltige Art ſo gekruͤmmt ſeyn, daß ſie innerhalb der Scheibe in ſich ſelbſt uͤbergehen. Die Geſtalt ſolcher krummen Knotenlinien iſt oͤfters einer Hyperbel, Cycloide, oder Epieycloide ſehr aͤhnlich. Bey zwey oder mehreren ſchlangenfoͤrmigen Linien pflegen die Kruͤmmungen ſich einander abwechſelnd zu naͤhern und von einander zu entfernen, bisweilen geſchieht dieſes auch bey ſchlangenfoͤrmigen Linien, zwiſchen denen ſich eine gerade Linie beſindet. Diejenigen Stellen, wo die Excurſionen der ſchwingenden Theile am groͤßten ſind, und welche als die Mittelpuncte der Schwingungen koͤnnen angeſehen werden, laſſen ſich eben - falls ſichtbar machen, wenn unter dem Sande ganz feiner Staub befindlich iſt, welcher, (weil dieſe Stellen weniger von einer horizontalen Richtung abweichen, als andere, die von dieſen ausgerechnet, bey ihren Schwingungen einen Abhang bilden) ſich zum Theil duſelbſt anhaͤuft. Es zeigen ſich dieſe Stellen in ſchwingenden Theilen, die nach verſchiedenen Richtungen keine ſehr verſchiedene Ausdehnung haben, meiſtens ziemlich rund, in ſolchen ſchwingenden Theilen, welche nach einer Richtung weit mehr als nach der andern ausgedehnt ſind, erſcheinen ſie mehr in die Laͤnge gezogen, in ſolchen Theilen, die ſich am Rande befinden, ſind dieſe Stellen nicht unmittelbar am Rande, ſondern ziemlich nahe dabey.

105.

Jede Bewegungsart iſt mannigſaltiger Abaͤnderungen faͤhig, welche bisweilen durch Unregelmaͤßigkeiten der Scheibe veranlaßt werden, oͤfters aber auch durch eine kleine Ver - ruͤckung der Stellen, wo man die Scheibe haͤlt und ſtreicht, abſichtlich bewuͤrkt werden koͤnnen. Wenn die Geſtalten der feſten Linien dadurch noch ſo ſehr verzerrt werden, verurſacht dieſes dech wenig oder gar keine Aenderung des Tones, weil dabey jeder ſchwingende Theil, der an einer Stelle etwas verliert, an der andern einen Zuwachs bekommt, ſo daß alſo die verhaͤlt - nißmaͤßige Groͤße der Theile, und mithin auch die Geſchwindigkeit ihrer Schwingungen da -123 durch[nicht]veraͤndert wird. Bey folchen Abaͤnderungen oder Verzerrungen der Klangfiguren koͤnnen zwey einander durchſchneidende Linien oder Theile von ſolchen Linien Fig. 45. c, ſich in ihrem Durchſchnittspuncte trennen, und auf zwey verſchiedene Arten mit einander verbinden, ſo daß ſie ſich als zwey krumme Linien wie Fig. 45. b oder d zeigen, die Kruͤmmungen koͤnnen auch noch flacher und die Linien endlich gerade und ganz mit einander parallel werden Fig. 45. a und e; eben ſo koͤnnen auch zwey nach der einen oder nach der andern Richtung mit einander parallel gehende Linien oder Theile von Linien Fig. 45. a und e ſich wie Fig. 45. b oder d kruͤm - men, und wenn die Kruͤmmung noch ſtaͤrker wird, endlich wie bey Fig. 45. c, einander recht - wintlich durchſchneiden. Man kann alſo Fig. 45. a, b, c, d, und e, welche die eigentlichen Grundzuͤge aller Abaͤnderungen ſind, als gleichartig anſchen, es laͤßt ſich auch oͤfters durch Verruͤckungen der Finger ein allmaͤhlicher Uebergang von einer dieſer Geſtalten zur andern bewuͤrken. Eben ſo ſind auch am Rande einer Scheibe Fig. 46. m n zwey ſchief gegen einan - der laufende Enden von Linien, wie bey a, oder ein Stuͤck einer krummen Linie, wie bey b, oder ein Stuͤck einer geraden Linie, wie bey c, gleichbedeutend, und koͤnnen ſich in einander umaͤndern. Es gehoͤrt oͤfters einige Uebung dazu, um bey ſo mannigfaltigen Verzerrungen die eigentliche Beſchaffenheit einer Schwingungsart, beſonders wenn ſie ſehr verwickelt iſt, gehoͤrig zu beurtheilen.

  • Anm. Sollte man endlich dahin gelangen, die Schwingungen einer Scheibe aus allgemeinen me - chaniſchen Principien beſtimmen zu koͤnnen, ſo wuͤrde der erſte Schritt wohl darin beſtehen muͤſſen, daß man fuͤr[di]eſen Uebergang einer einfachen Bewegung einer Rectangelſcheibe, oder uͤberhaupt eines Theils einer Scheibe, wo die Linien gerade ſind, Fig. 45. a und e, und wo man ſich die Scheibe, oder den alſo ſchwingenden Theil einer Scheibe als ein Aggregat von unendlich vielen Faſern gedenken kann, die mit einander parallel gehen, und ſich ſo wie ein freyer Stab bey ſeiner erſten Schwingungsart Fig. 24. bewegen, zu ſolchen nicht mehr durch krumme Linien, ſondern durch Flaͤchenkruͤmmungen auszudruͤckenden Bewegungen, wo die Knotenlinien ſich mehr oder we - niger kruͤmmen Fig. 45. b und d, oder ſich auch rechtwinklich durchſchneiden koͤnnen, Fig. 45. c, wobey jedoch die ſchwingenden Theile einerley relative Groͤße behalten, und alſo die Geſchwindig - keit der Schwingungen nicht veraͤndert wird, einen allgemeinen Ausdruck zu finden ſuche. Haͤtte man dieſen gefunden, ſo muͤßte man ihn auf zuſammengeſetztere Bewegungsarten anzuwenden, und endlich auch zu beſtimmen ſuchen, was fuͤr Einfluß uͤberhaupt die Geſtalt der Scheibe auf die Beſchaffenheit der Schwingungen habe. Es muͤßte auch bey ſolchen Unterſuchungen genau darauf Ruͤckſicht genommen werden, in welcher Lage, und in welcher Geſtalt ſich die Mittelpuncte der Schwingungen zeigen. Die Vorſtellungsart Jacob Bernoulli’s, da er ſich eine Quadratſcheibe als ein netzfoͤrmiges Gewebe von Faſern, die einander rechtwinklich durchkreutzen, gedacht hat, ſcheint nicht brauchbar zu ſeyn, ſie hat auch in Nov. Act. Acad. Petrop. 1787. ganz unrichtige Reſultate gegeben.
Q 2124

106.

Die ſo mannigfaltigen Klangfiguren ſind meiſtens weit einfacher und haben unter ein - ander mehr Beziehung und Zuſammenhang, als man dem erſten Anſcheine nach vermuthen ſollte. Wenn man naͤhmlich an mehreren Scheiben von gleicher Groͤße und Geſtalt einerley Klangfigur hervorbringt, und dieſe Scheiben ſo zuſammenſtellt, daß ſie eine zuſammenhaͤn - gende Flaͤche bilden, ſo iſt jede auf der einen Scheibe befindliche Knotenlinie die Fortſetzung der, welche ſich auf der andern befindet, und ſo entſtehen durch gehoͤrige Zuſammenſtellung mehrerer mit einer einfachern Klangfigur verſehenen kleinern Scheiben zuſammengeſetztere Figu - ren, ſich meiſtens auf einer aͤhnlichen groͤßern Scheibe auf einmahl darſtellen laſſen. Jn der Folge wird dieſes an vier Quadratſcheiben, an zwey halbrunden Scheiben, an zwey oder auch an vier gleichſeitig dreyeckigen Scheiben u. ſ. w. erlaͤutert werden.

107.

An Scheiben, die einander aͤhnlich ſind, und aus einerley Materie beſtehen, verhal - ten ſich die Toͤne bey einerley Schwingungsart wie die Dicken, und umgekehrt wie die Qua - drate der Durchmeſſer. An Scheiben, die nicht aus einerley Materie beſtehen, verhalten ſich die Toͤne, wie ſchon §. 86. von ſteifen Koͤrpern im Allgemeinen geſagt worden iſt, auch wie die Quadratwurzeln der Steifigkeit und umgekehrt wie die Quadratwurzeln der Schwere.

II. Schwingungen der Rectangelſcheiben uͤberhaupt.

108.

Die Urſache, warum hier Rectangelſcheiben zuerſt unterſucht werden, iſt, weil an dieſen die im 5ten Abſchnitte beſchriebenen transverſalen Schwingungsarten eines Stabes auch Statt finden, und deren Uebergang zu andern nicht durch krumme Linien, ſondern durch Flaͤchenkruͤmmungen aus zudruͤckenden Schwingungsarten ſich auch daran am beſten zeigen laͤßt. Eine Rectangelſcheibe (von Glas oder Metall, oder einer andern hinlaͤnglich elaſtiſchen Ma - terie, von irgend einem Verhaͤltniſſe der Laͤnge zur Breite) iſt in folgenden drey Faͤllen anderer Progreſſionen von Schwingungsarten faͤhig:

  • 1) wenn ſie ganz frey iſt,
  • 2) wenn ſie an einem Ende befeſtigt, und an dem andern frey iſt,
  • 3) wenn ſie an beyden Enden (oder an zwey einander entgegengeſetzten Seiten) befeſtigt iſt.
125

Man kann hier auch, ſo wie es an Staͤben geſchehen iſt, einen Unterſchied zwiſchen einer gaͤnzlichen Beſeſtigung, und einer bloßen Anſtemmung eines oder beyder Enden anneh - men; es werden aber an einer Scheibe, wo eine Seite oder zwey einander entgegengeſetzte Seiten angeſtemmt ſind, meiſtens nur wenige Schwingungsarten mit Muͤhe koͤnnen hervor - gebracht werden, und dabey werden die Toͤne ſehr rauh und die Figuren meiſtens ſehr unregel - maͤßig ſeyn, weil die Aufſtemmung nicht uͤberall ſo gleichfoͤrmig ſeyn, oder ſo gleichfoͤrmig wuͤrken kann, daß die Schwingungen nicht ſollten gehindert werden. Geſchieht die Aufſtem - mung nur in einem oder wenigen Puncten, ſo werden zwar mancherley Schwingungen ſich leichter hervorbringen laſſen, ſie werden aber nicht nach ebendenſelben Grundſaͤtzen zu beurthei - len ſeyn, indem alsdenn meiſtens Verzerrungen ſolcher Klangfiguren erſcheinen werden, die einer freyen Scheibe zukommen.

109.

An einer ganz freyen Rectangelſcheibe kommen die einfachern Schwingungsarten mit denen uͤberein, deren ein frey ſchwingender Stab nach §. 82. faͤhig iſt. Bey der einfach - ſten Schwingungsart, wo jede Faſer wie bey Fig. 24. ſchwingt, zeigen ſich bey dem Aufſtreuen des Sandes zwey nach einerley Richtung gehende, und von den Enden faſt um den vierten Theil der Laͤnge der Scheibe entfernte Linien Fig. 47; hier iſt naͤhmlich die Scheibe in der 24ſten Figur im Profil, und in der 47ſten im Grundriſſe dargeſtellt. Bey der zweyten Schwingungsart, wo die Kruͤmmung einer jeden Faſer wie bey Fig. 25. beſchaffen iſt, zeigen ſich drey nach einerley Richtung gehende Knotenlinien Fig. 48, von denen die aͤußerſten faſt um den 6ten Theil der Laͤnge der Scheibe von den Enden entfernt ſind; eben ſo kann die Scheibe ſich auch in mehrere Theile eintheilen, ſo daß ſich vier, fuͤnf, oder mehrere Knoten - linien zeigen, von denen die aͤußerſten allemahl nur beynahe halb ſo weit, als die Laͤnge eines zwiſchen zwey Knotenlinien befindlichem ſchwingenden Theiles betraͤgt, von den Enden der Scheibe entfernt ſind. Die Tonverhaͤltniſſe ſind ebendieſelben, wie bey einem an beyden Enden freyen Stabe, und kommen ebenfalls mit den Quadraten von 3, 5, 7, 9 u. ſ. w. uͤberein, die Breite der Scheibe ſey ſo betraͤchtlich, oder ſo geringe, als man wolle. Zu Hervorbringung dieſer Schwingungsarten wird es am beſten ſeyn, wenn man die Scheibe an einer Stelle, auf welche eine der aͤußerſten Knotenlinien faͤllt, mit den Spitzen des Daumen und zweyten Fingers haͤlt, und, wenn die Linien mit dem kuͤrzern Durchmeſſer parallel ſeyn ſollen, in der Mitte einer ſchmalen Seite mit dem Violinbogen ſtreicht. Wenn126 die Breite der Scheibe es zulaͤßt, und man an einer langen Seite mit gehoͤriger Genauigkeit ſtreicht, ſo kann man die Scheibe, (wiewohl mit mehrerer Schwierigkeit) auch noͤthigen, ſo zu ſchwingen, daß 2, 3, oder mehrere Knotenlinien der Laͤnge nach gehen, wobey es ſich von ſelbſt verſteht, daß die Toͤne, welche unter ſich ebendieſelben Verhaͤltniſſe behalten, welche vorher angegeben worden ſind, hoͤher ſeyn muͤſſen, als wenn die Knotenlinien mit dem kuͤrzern Durchmeſſer parallel gehen. Bey allen dieſen einfachern Schwingungsarten koͤnnen oͤfters, wie ſchon §. 105. im Allgemeinen iſt bemerkt worden, die ihrer eigentlichen Beſtimmung nach geraden Knotenlinien ſich kruͤmmen, welche Kruͤmmung der Linien auch ſo zunehmen kann, daß zwey abwechſelnd ſich einander naͤhernde und von einander entfernende Linien endlich in diagonaler Richtung ſich rechtwinklich durchſchneiden, durch welche Verzerrung der Linien das Tonverhaͤltniß meiſtens gar nicht, und in einigen Faͤllen nur ſehr wenig veraͤndert wird. Obgleich bey dergleichen Verzerrungen der Knotenlinien die Schwingungsarten im Weſentlichen ebendieſelben ſind, als wenn dieſe Linien gerade waͤren, ſo iſt doch die bisherige Theorie der Schwingungen nicht mehr zu Beurtheilung dieſer Geſtalweraͤnderungen hinlaͤnglich, indem die Geſtalt der Scheibe ſich alsdenn nicht mehr durch eine krumme Linie ansdruͤcken laͤßt.

Außer den jetzterwaͤhnten einfachern Schwingungsarten ſind noch viele andere moͤglich, die alle ſo beſchaffen ſind, daß die Geſtalt der Scheibe nicht durch krumme Linien, ſondern nur durch Flaͤchenkruͤmmungen wuͤrde koͤnnen ausgedruͤckt werden, wenn man in der hoͤhern Mechanik und Analyſe ſchon ſo weit waͤre, daß man ſie durch irgend eine Gleichung aus zu - druͤcken wuͤßte. Bey dieſen Schwingungsarten zeigen ſich Knotenlinien in die Laͤnge und Quere zugleich, die einander meiſtens rechtwinklich ſchneiden, in manchen Faͤllen, aber auch auf verſchiedene Art ſich abaͤndern koͤnnen.

Um ſolche Schwingungsarten wo eine Knotenlinie der Laͤnge nach geht, die von Querlinien durchſchnitten iſt, hervorzubringen, halte man die Scheibe an einer Stelle, wo ſich zwey Linien durchſchneiden, (wobey es am beſten ſeyn wird, wenn man die aͤußerſte ſolche Stelle haͤlt), und ſtreiche die Scheibe mit dem Violinbogen zwiſchen zwey Enden von Querlinien, oder nahe an der naͤchſten Ecke. Es kann die der Laͤnge nach gehende Knotenlinie von einer Querlinie durchſchnitten ſeyn, Fig. 49, oder von zweyen Fig. 50, oder auch von mehreren. Die Toͤne kommen an einem Rectangelſtreifen, deſſen Laͤnge ſich zur Breite wenigſtens wie 8 zu 1 verhaͤlt, oder auch noch betraͤchtlicher iſt, ungefaͤhr mit der Folge der natuͤrlichen Zahlen 1, 2, 3, 4 u. ſ. w. uͤberein, ſie verhalten ſich alſo unter einander, wie127 die Zahlen der Querlinien; jedoch ſind, wenn die Breite nicht in Verhaͤltniß der Laͤnge ſehr gering iſt, die Toͤne etwas weniges weiter aus einander, ſo daß die etwas mehrere Hoͤhe bey der 4ten oder 5ten Schwingungsart ſchon wird anfangen bemerkbar zu ſeyn, und bey der 6ten etwa einen halben Ton, bey der 8ten u. ſ. w. noch mehr betragen kann. Je geringer die Verſchie - denheit der Breite von der Laͤnge iſt, deſto weiter gehen die Verhaͤltniſſe aus einander, ſo daß an einer Quadratſcheibe der zweyte Ton um eine Octave und eine große Terz hoͤher iſt, als der erſte, und bey dem dritten die Hoͤhe wieder um eine Octave, bey dem vierten ungefaͤhr um eine kleine Septime zunimmt u. ſ. w. Sowohl dieſes Umſtandes wegen laͤßt ſich kein allge - meines Verhaͤltniß der Toͤne bey dieſen Schwingungsarten gegen die Toͤne der vorhererwaͤhnten beſtimmen, als auch deswegen, weil an Scheiben von verſchiedenen Verhaͤltniſſen der Laͤnge zur Breite die erſterwaͤhnten Toͤne ſich wie die umgekehrten Quadrate der Laͤngen verhalten, und von der Breite nicht (oder faſt gar nicht) abhaͤngen, aber bey gegenwaͤrtigen Schwin - gungsarten die Hoͤhe des tiefſten Tones (wo 2 Linien ſich durchkreuzen) in umgekehrtem Ver - haͤltniſſe der Breite ſowohl als der Laͤnge, oder uͤberhaupt in umgekehrtem Verhaͤltniſſe des Flaͤcheninhaltes der Scheiben ſteht. An einer Quadratſcheibe iſt dieſer Ton um eine Quinte tiefer, an einer Scheibe, wo die Laͤnge ſich zur Breite ungefaͤhr wie 3 zu 2 verhaͤlt, iſt er ebenderſelbe, und an einer Scheibe, wo beyde Durchmeſſer noch mehr verſchieden ſind, iſt er hoͤher, als der tiefſte Ton bey der erſterwaͤhnten Reihe von einfachern Schwingungsarten, wo zwey Linien mit dem kuͤrzern Durchmeſſer parallel gehen, oder als parallel gehend angeſehen werden koͤnnen Fig. 49.

Wenn die Breite der Scheibe es verſtattet, koͤnnen auch 2 oder mehrere der Laͤnge nach gehende Knotenlinien von ſolchen, die in die Quere gehen, durchſchnitten ſeyn, wobey ſich wieder ganz andere Tonverhaͤltniſſe zeigen, die bey verſchiedenen Verhaͤltniſſen der Laͤnge zur Breite auch ſehr verſchieden ſeyn koͤnnen, wovon ein mehreres wird in dem naͤchſten Abſchnitte geſagt werden, welcher als eine Fortſetzung des gegenwaͤrtigen §. angeſehen werden kann.

  • Anm. Das ſchon §. 82. erwaͤhnte Misverſtaͤndniß in der Schrift des Herrn Doctor Panſner: investigatio motuum et sonorum, quibus laminae elasticae contremiscunt, Jen. 1801. iſt bles daher entſtanden, daß er die Schwingungtarten, bey welchem eine der Laͤnge nach gehende Knotenlinie von ſolchen, die in die Quere gehen, durchſchnitten wird, und welche, wie er ganz richtig ſagt, die mir der natuͤrlichen Zahlenfolge 1, 2, 3, 4 u. ſ. w. uͤbereinkommenden Toͤne (wiewohl mit Erweiterung der Verhaͤltniſſe bey einer geringern Verſchiedenheit der Laͤnge von der128 Breite) geben, fuͤr die einzigen moͤglichen Schwingungen eines Rectangelſtreifen gehalten, und mit den erſterwaͤhnten einfachern Schwingungsarten, wo die Toͤne in den Verhaͤltniſſen der Qua - drate von 3, 5, 7, 9 u. ſ. w. ſtehen, verwechſelt hat, ohngeachtet ich ſie in meinen Entdeckungen uͤber die Theorie des Klanges S. 21. und 22. deutlich genug von den vorigen unterſchieden habe. Gewiſſermaßen kann ich mir die Schuld dieſes angeblichen Widerſpruchs in ſo fern beymeſſen, weil ich in meiner Schrift den Umſtand nicht angegeben habe, daß man zu Hervorbringung der ein - fachern Schwingungsarten, wo blos in die Quere Knotenlinien gehen, einen Rectangelſtreiſen in der Mitte einer ſchmalen Seite ſtreichen muͤſſe. Es wuͤrde dieſes Misverſtaͤndniß auch wohl nicht Statt gefunden haben, wenn ich dieſe Schwingungsarten durch Abbildung der Klangfiguren (wie hier in Fig. 47. und 48.) deutlicher gemacht haͤtte; indeſſen glaubte ich damals, daß es nicht noͤthig waͤre, die Zahl der Figuren zu vermehren, weil dieſe bey Vorausſetzung der hier in Fig. 24. und 25. (und in meiner angefuͤhrten Schrift in Fig. 151. und 152.) dargeſtellten Kruͤmmungen ſich von ſelbſt verſtaͤnden.

110.

Wenn das eine Ende eines Rectangels frey und das andere feſt (d. i. in einer Mauer befeſtigt, oder in einen Schraubenſtock geſpannt) iſt, ſind die einfachern Schwingungsarten und Tonverhaͤltniſſe ſo, wie es an Staͤben im 80ſten §. angegeben iſt. Die Scheibe kann naͤhmlich, wie bey Fig. 20. ganz ſchwingen, ſo daß ſich (Fig. 51.) gar keine Knotenlinie zeigt; bey der zweyten Schwingungsart zeigt ſich eine Knotenlinie in einer Entfernung von dem freyen Ende, die beynahe den dritten Theil der Laͤnge des Rectangels betraͤgt, (Fig. 52.); bey der dritten Schwingungsart zeigen ſich zwey Linien in die Quere (Fig. 53.) u. ſ. w. Das Streichen muß in der Mitte des freyen Endes geſchehen.

Außer dieſen einfachern Bewegungsarten koͤnnen aber auch andere Statt finden, wo eine Knotenlinie in die Laͤnge geht, entweder allein (Fig. 54.) oder von einer in die Quere gehenden, (Fig. 55.) oder von zweyen, (Fig. 56.) oder auch von mehrern Querlinien durch - ſchnitten. Die Toͤne verhalten ſich bey dieſen Schwingungsarten an einem Rectangelſtreifen, der in Verhaͤltniß der Laͤnge nur eine geringe Breite hat, wie die Reihe der ungeraden Zahlen 1, 3, 5, 7 u. ſ. w. Je geringer die Verſchiedenheit der Laͤnge und Breite iſt, deſto mehr erweitert ſich der Abſtand der Toͤne von einander, eben ſo, wie ich dieſes vorher an einer freyen Rectangelſcheibe bemerkte. Ein allgemeines Verhaͤltniß dieſer Toͤne gegen die vorher - erwaͤhnten laͤßt ſich nicht angeben, aus den ſchon in vorigem §. angefuͤhrten Gruͤnden. Der tiefſte Ton dieſer Art bey Fig. 54. iſt um eine Octave tiefer, als der tiefſte bey dergleichen Schwingungen eben deſſelben Rectangelſtreifen, wenn deſſen beyde Enden frey ſind, bey Fig. 49. Wenn man nun die im vorigen §. erwaͤhnten Schwingungen dieſer Art an einem129 ſchmalen Rectangelſtreifen, deſſen beyde Enden frey ſind, mit den jetzt erwaͤhnten Schwin - gungen ebenbeſſelben Rectangelſtreifen, wenn deſſen eine ſchmale Seite befeſtigt iſt, ver - gleichen will, ſo wuͤrde die im vorigen §. angegebene Reihe der Zahlen 1, 2, 3, 4 u. ſ. w. durch Multiplication mit 2 in die Reihe der geraden Zahlen 2, 4, 6, 8 u. ſ. w. muͤſſen ver - wandelt werden, es wird ſich alſo nun die Reihe aller moͤglichen Schwingungsarten, bey denen eine Knotenlinie der Laͤnge nach geht, Fig. 54, 49, 55, 50, 56 u. ſ. w. ſich wie die na - tuͤrliche Zahlenreihe 1, 2, 3, 4 u. ſ. w. erhalten, und im Allgemeinen werden die Toͤne bey allen ſolchen Schwingungsarten an einem ſchmalen Rectangelſtreifen, er ſey an einem, oder auch (wie in dem kuͤnftigen §. wird gezeigt werden) an beyden Enden befeſtigt, oder ganz frey, ſich wie die Groͤßen der ſchwingenden Theile verhalten, vorausgeſetzt, daß ein an einem freyen Ende beſindlicher ſchwingender Theil allemahl nur halb ſo groß ſeyn muß, als einer, der ſich zwiſchen zwey Querlinien oder feſten Graͤnzen befindet. Zu Hervorbringung der erſten ſolchen Schwingungsart Fig. 54. beruͤhre man die mitten in der Scheibe der Laͤnge nach ge - hende Knotenlinie und ſtreiche an irgend einer Stelle einer langen Seite, nur nicht etwa allzu nahe an dem feſten Ende; und zu Hervorbringung der uͤbrigen ſolchen Schwingungsarten beruͤhre man eine Stelle, wo ſich zwey Linien durchkreuzen, oder auch eine Querlinie, und ſtreiche an irgend einer Stelle der langen Seite zwiſchen zwey Enden von Quer - linien, oder auch wenn die aͤußerſte Querlinie beruͤhrt wird, an einer Ecke des freyen Endes.

Außerdem koͤnnen auch, in ſoweit die Breite des Rectangelſtreifen es verſtattet, 2, 3 oder mehrere Knotenlinien der Laͤnge nach gehen, entweder allein, oder von Querlinien durchſchnitten.

  • Anm. Wenn das eine Ende des Rectangelſtreifen nur aufgeſtemmt iſt, ſo verſteht es ſich von ſelbſt, daß eben ſo, wie bey einem ſo behandelten Stabe, eine Schwingungsart, wo der ganze Streifen ſich hin und her bewegt, nicht moͤglich, und daß die, wo ſich eine Querlinie zeigt, Fig. 52, als die erſte anzuſehen iſt. Ueberhaupt aber werden, wie ſchon bemerkt worden, die Bewegungen und Toͤne an einem nur angeſtemmten Rectangelſtreifen zu unbeſtimmt ſeyn, als daß ſich viele genaue Beobachtungen daran machen ließen.

111.

An einem Rectangelſtreifen, deſſen beyde ſchmale Seiten feſt ſind, geſchehen die einfachſten Bewegungen ſo, daß ſie mit den Schwingungsarten und Tonyerhaͤltniſſen einesR130an beyden Enden befeſtigten Stabes (§. 84.) uͤbereinkommen, wobey ſich alſo entweder bey den Schwingungen des ganzen Streifen gar keine Knotenlinie zeigt, Fig. 57. oder der Strei - fen ſich in 2, (Fig. 58.) 3, 4 und mehrere ſchwingende Theile theilt, und ſich 1, 2, oder mehrere in die Quere gehende Knotenlinien zeigen. Dieſe Schwingungsarten laſſen ſich aber nur ſelten und mit vieler Muͤhe durch Streichen mit dem Violinbogen hervorbringen, weil ein ſolches Streichen nicht an einer ſchmalen Seite, ſondern, weil dieſe befeſtigt ſind, nur an einer langen Seite geſchehen kann, und alſo weit leichter auf die Hervorbringung der nach - her zu erwaͤhnenden Schwingungsarten wuͤrkt. Allenfalls wird manche von den einfachern Schwingungsarten ſich eher durch einen langſamern und mit ſtaͤrkerem Drucke geſchehenden Bogenſtrich hervorbringen laſſen.

Außer dieſen durch eine krumme Linie auszudruͤckenden Schwingungsarten koͤnnen auch andere Statt finden, wo eine Knotenlinie der Laͤnge nach geht, und ſich entweder allein zeigt (Fig. 59.) oder ſo daß ſie von einer, (Fig. 60.) zweyen, (Fig. 61.) dreyen, (Fig. 62.) oder mehreren Querlinien durchſchnitten iſt. Bey dieſen Schwingungsarten kommen die Toͤne, wenn der Streif ſchmahl iſt, mit den Zahlen 1, 2, 3, 4 ꝛc. uͤberein, und ſind ganz eben - dieſelben, als ob der Rectangelſtreif ganz frey waͤre. Sie laſſen ſich an einem jeden Saͤge - blatte, das in ſeinem Geſtelle feſtgeſpannt iſt, ſehr leicht hervorbringen. Jn Fig. 62. b und c habe ich ein Beyſpiel von zwey ſehr gewoͤhnlichen Verzerrungen der Knotenlinien bey einem ſolchen Klange gegeben.

Eben ſo koͤnnen auch, wenn die Breite des Rectangelſtreifen es zulaͤßt, 2 oder meh - rere der Laͤnge nach gehende Knotenlinien ſich entweder allein, oder von Querlinien durch - ſchnitten, zeigen.

  • Anm. Wenn beyde Enden eines Rectangels nicht ganz befeſtigt, ſondern nur aufgeſtemmt ſind, wird noch weniger Leichtigkeit der Hervorbringung eines Klanges, und noch weniger Regelmaͤßig - keit der Figuren Statt finden, als in dem Falle, welcher im vorigen §. abgehandelt iſt.

III. Schwingungen einer Quadratſcheibe, und noch anderer Arten von Rectangelſcheiben.

112.

Unter allen Arten von Rectangelſcheiben haben Quadratſcheiben das einfachſte Ver - haͤltniß, weil Laͤnge und Breite einander gleich ſind. Es ſind an denſelben, ſo wie uͤberhaupt131 an Rectangelſcheiben, alle Arten von Schwingungen moͤglich, wo eine gewiſſe Zahl von Knotenlimen mit dem einen oder auch mit dem andern Durchmeſſer parallel geht, oder als parallel mit demſelben gehend angeſehen werden kann. Zu Vermeidung der Weitlaͤuftigkeit werde ich bey jeder Schwingungsart die Zahlen der Knotenlinien, welche nach der einen und nach der andern Richtung gehen, durch einen ſenkrecht dazwiſchen geſetzten Strich unterſchei - den, ſo wird z. B. 3|0 die Schwingungsart bedeuten, wo nach einer Richtung drey Linien gehen, und nach der andern keine, 5|2 die Schwingungsart, wo mit dem einen Durchmeſſer fuͤnf, und mit dem andern zwey Knotenlinien parallel gehen u. ſ. w.

113.

Daß die Knetenlinien ſich mehr oder weniger kruͤmmen koͤnnen, und daß meiſtens an zwey benachbarten Linien, bisweilen auch an zweyen, zwiſchen denen ſich eine gerade Linie befindet, die Kruͤmmungen ſich abwechſelnd einander naͤhern und von einander entfernen, iſt ſchon im Allgemeinen §. 104. geſagt worden. Manche Schwingungsarten haben ohngeachtet aller Bemuͤhungen nie mit ganz geraden Linien erſcheinen wollen, hoͤchſtens ſo, daß die Linien etwas weniger gekruͤnunt waren, und ſich alſo die Entſtehung der gewoͤhnlichern Figuren mit ſtaͤrker gekruͤmmten Linien daraus genauer beurtheilen ließ. Die Zahl der Kruͤmmungen, welche die mehreren nach einer Richtung gehenden Linien annehmen koͤnnen, wobey die weni - gern nach der andern Richtung gehenden oͤfters gerade bleiben, wird ſich ſewohl aus den bey - gefuͤgten Figuren, als auch aus folgender Tabelle beurtheilen laſſen, wo die obere Reihe groͤßerer Zahlen die nach der einen Richtung, und die an der linken Seite befindliche Reihe die nach der andern Richtung gehende Knotenlinien anzeigt:

234567
01233
11222
21½22
3122

114.

Manche Schwingungsarten einer Quadratſcheibe, (ſo wie auch manche andere Schwingungsarten bey Rectangelſcheiben von gewiſſen Verhaͤltniſſen der beyden Durchmeſſer) R 2132koͤnnen ſich bey einerley Zahl der Knotenlinien auf zwey verſchiedene Arten zeigen, es koͤnnen naͤhmlich die Kruͤmmungen, oder die meiſten Kruͤmmungen der aͤußerſten Linien entweder ein - waͤrts oder auswaͤrts gehen; im erſten Falle iſt der Ton tiefer, als im zweyten. Dieſer Un - terſchied, welcher nicht als Abaͤnderung, ſondern vielmehr als eine weſentliche Verſchiedenheit anzuſehen iſt, findet Statt bey ſolchen Klangfiguren, wo eine ganze Zahl von Kruͤmmungen vorhanden iſt, wie bey 2|0, 3|1, 4|0, 4|2, 5|3, 6|2, 7|2, 7|3, und wahrſcheinlich noch bey manchen andern, wo ich es noch nicht beobachtet habe, nicht aber bey ſolchen, wo andert - halbe oder drittehalbe Kruͤmmung ſich zeigt, wie z. B. bey 3|0, 4|1, 5|0, 5|2.

115.

Jn den Abbildungen habe ich die Klangfiguren nach der Tiefe und Hoͤhe der Toͤne geordnet, und werde auch hier dieſe Ordnung beybehalten.

Unter allen Schwingungsarten einer Quadratſcheibe giebt 1|1, Fig. 63, den tiefſten Ton, man haͤlt dabey die Scheibe in der Mitte, und ſtreicht an einer Ecke. Die Figur kann auch allenfalls ſo verzerrt werden, daß ſie ſich als zwey krumme Diagonallinien edh und cmn zeigt.

Die Schwingungsart, welche naͤchſt dieſer den tiefſten Ton giebt, iſt 2|0 mit ein - waͤrtsgebogenen Kruͤmmungen, welche ſich gewoͤhnlich, wenn man in der Mitte haͤlt, und mitten an einer Seite ſtreicht, als zwey ſich durchkreuzende Diagonallinien, Fig. 64, zeigt, bisweilen aber auch als zwey einwaͤrtsgebogene Linien cnd und emk erſcheinen kann. Der Ton iſt um eine Quinre hoͤher, als bey Fig. 63.

2|0 mit auswaͤrts gebogenen Kruͤmmungen erſcheint zwar bisweilen wuͤrklich als zwey auswaͤrts gebogene Linien, meiſtens aber beynahe wie ein Kreis, oder vielmehr wie ein Viereck mit abgerundeten Ecken Fig. 65, wenn man die Scheibe in der Mitte einer Seite nahe am Rande haͤlt, und an der naͤchſten Ecke ſtreicht. Der Ton iſt um etwas mehr als einen ganzen Ton oder beynahe um eine kleine Terz hoͤher, als bey 2|0 mit einwaͤrts gehenden Kruͤmmungen, Fig. 64, und faſt um eine kleine Septime hoͤher, als bey 1|1 Fig. 63. Es klingt dieſe Schwingungsart voller und ſtaͤrker als die beyden vorigen, und faſt ſo, als ob der Ton um eine Octave tiefer waͤre, als er wuͤrklich iſt.

2|1, Fig. 66 a, wo der Ton um eine Octave und eine große Terz hoͤher, als bey 1|1 Fig. 63, und um eine große Sexte hoͤher, als bey Fig. 64. iſt, erhaͤlt man leicht, und me[iſtenſ]133ſehr regelmaͤßig, wenn man die Scheibe an einer Stelle, wo zwey Linien einander durchſchnei - den muͤſſen, haͤlt, und mitten an der rechten oder linken Seite ſtreicht. Durch einige Ver - ruͤckung der Finger, wobey man auch an der in der Figur zur linken Hand befindlichen Ecke ſtreichen kann, laͤßt ſich auch bisweilen bewuͤrken, daß ſich dieſe Schwingungsart als drey diagonale wellenfoͤrmige Linien, wie Fig. 66, b, zeigt.

3|0 kann ſich auf allen Scheiben, die nicht allzu unregelmaͤßig ſind, wie Fig. 67, a, 67, b, und 67, c, zeigen. Es iſt dieſe Schwingungsart unter allen die brauchbarſte, um jemanden von den vorher ausfuͤhrlicher erwaͤhnten Abaͤnderungen und Verzerrungen der Kno - tenlinien, wodurch der Ton nicht geaͤndert wird, einen deutlichen Begriff zu geben. Man kann naͤhmlich durch eine kleine Verruͤckung der Finger leicht eine dieſer Figuren in die andere verwandeln. Wenn man die Scheibe an der Fig. 67, a, durch m bezeichneten Stelle haͤlt, und an der naͤchſten Stelle des Randes bey n ſtreicht, ſo erſcheinen drey gerade Linien, und die Scheibe bewegt ſich genau ſo, wie ein freyer Stab (§. 82.) bey ſeiner zweyten Schwin - gungsart Fig. 25; ruͤckt man aber mit den Fingerſpitzen, welche die Scheibe halten, etwas weiter einwaͤrts, und ſtreicht an eben der Stelle, wie vorher, ſo kruͤmmen ſich die Linien, wie bey Fig. 67, b; ruͤckt man mit den Fingern noch etwas weiter einwaͤrts, ſo kruͤmmen ſich die Linien noch mehr, und vereinigen ſich endlich in zwey Stellen, ſo daß Fig. 67, c, daraus wird. Eben ſo laßt ſich auch Fig. 67, c, durch eine Verruͤckung der gehaltenen Stelle nach außen, wobey man an eben derſelben Stelle, wie vorher, ſtreicht, in drey krumme, und endlich in drey gerade Linien Fig. 67. a und b nach der einen oder nach der andern Richtung verwandeln, ohne daß der Ton dadurch geaͤndert wird, welcher bey dieſen Figuren um zwey Octaven und etwas mehr als einen halben oder beynahe einen ganzen Ton hoͤher iſt, als bey Fig. 63.

2|2, Fig. 68, a, erſcheint, wenn man eine Stelle, wo zwey Linien einander durch - ſchneiden muͤſſen, haͤlt, und in der Mitte einer Seite ſtreicht. Es giebt dieſe Schwingungs - art, ſo wie Fig. 65, und andere, wo das innere der Scheibe von Knotenlinien umſchloſſen iſt, einen vollern und weniger unangenehmen Klang, als manche andere. Wenn die Scheibe etwas unregelmaͤßig iſt, oder die Stelle des Haltens etwas veraͤndert wird, wobey man auch an der naͤchſten Ecke ſtreichen kann, ſo zeigt ſich die Figur auch bisweilen als vier wellenfoͤr - mige Diaganallinien Fig. 68, b, oder auch auf andere Arten verzerrt. Die Verhaͤltniſſe der Toͤne werde ich nicht ferner bey jeder Figur einzeln, ſondern nachher in einer Tabelle zu - ſammen anzeigen.

134

3|1 erſcheint nie auf einer Quadratſcheibe (wohl aber auf andern Rectangelſcheiben) mit lautee geraden Linien, ſondern allemahl ſo, daß von den drey nach einer Richtung gehen - den Linien die außern entweder einwaͤrts oder auswaͤrts gebogen ſind. Dieſe beyden Schwin - gungsarten ſind nicht als Abaͤnderungen, ſondern als weſentlich verſchieden anzuſehen; die zweyte iſt auch ungefaͤhr um einen ganzen Ton hoͤher, als die erſte. Es zeigt ſich 3|1 mit einwaͤrts gebogenen aͤußern Linien bisweilen wuͤrklich ſo, meiſtens aber wie Fig. 69. Man haͤlt dabey die Scheibe in der Mitten, und ſtreicht weder an einer Ecke noch mitten an einer Seite, ſondern zwiſchen zwey ſolchen Stellen. Bisweilen findet auch eine ſolche Ve[rzerrung]Statt, wie ich ſie an einer runden Scheibe in Fig. 101, b, dargeſtellt habe. 3|1 mit[auſ -]waͤrts gebogenen aͤußern Linien zeigt ſich gewoͤhnlich, wie Fig. 70, wenn man die Scheibe in der Mitte haͤlt, und noch außerdem, damit nicht etwa Fig. 63. erſcheine, ſendeen ſich an jeder Ecke noch eine Knotenlinie bilde, an einer Stelle, wo eine ſolche Linie hinfallen muß, die Scheibe mit noch einem Finger gelinde beruͤhrt, und die naͤchſte Ecke mit dem Violinbogen ſtreicht. Daß Fig. 70. nichts anders, als 3|1 mit auswaͤrts gebogenen aͤußern Linien iſt, wird denen deutlich ſeyn, die das gefaßt haben, was uͤber Fig. 46, a, b, c, im 105ten §. gefagt worden iſt. Weitere Verzerrungen habe ich an dieſer Figur nicht bemerkt, als daß ſich die eine mittiere Linie bisweilen etwas gekruͤmmt hat.

3|2 laͤßt ſich bisweilen ganz regelmaͤßig, wie Fig. 71. a hervorbringen, wenn man an der Stelle linker Hand, wo zwey Linien ſich durchſchneiden, die Scheibe haͤlt, und in der Mitte der vordern Seite ſtreicht, noch gewoͤhnlicher zeigt es ſich aber, beſonders wenn man zugleich die eine Ecke der Scheibe d oder n an etwas anſtemmt, wie Fig. 71, b, es wird naͤhmlich aus dpmqhn Fig. 71, a, die gerade Linie dn, Fig. 71, b; es kann ſich auch die Figur in fuͤnf meiſtens wellenfoͤrmige Diagonallinien Fig. 71, c, aufloͤſen, wenn man die Hal - tungsſtelle etwas verruͤckt, wobey es am beſten ſeyn wird, an der naͤchſten Ecke zu ſtreichen.

4|0 gehoͤrt auch unter diejenigen Schwingungsarten, die ſich auf zwey ganz von einander verſchiedene Arten zeigen koͤnnen, naͤhmlich ſo, daß die aͤußern Linien entweder ein - waͤrts oder auswaͤrts zweymahl gebogen ſind. Jm erſten Falle zeigt ſich dieſe Schwingungsart meiſtens wie Fig. 72. a, bisweilen aber kann man auch dadurch, daß man die Scheibe nicht da, wo ſich zwey Linien ſchneiden, ſondern etwas weiter nach außen haͤlt, bewuͤrken, daß die Figur ſich als vier dergleichen wellenfoͤrmige Linien Fig. 72. b, zeigt. Jm zweyten Falle, da zwey Kruͤmmungen der aͤußern Linien auswaͤrts gehen, wo der Ton auch hoͤhee iſt, als im135 erſtern Falle, iſt die Geſtalt meiſtens, wie Fig. 73. a; aber bey einer kleinen Verruͤckung der gehaltenen Stelle nach außen kann ſie auch als vier ſolche Linien, Fig. 73. b, erſcheinen. Ganz gerade wollten ſich die Linien nie zeigen.

Bey 4|1 koͤnnen alle Linien gerade ſeyn, wie bey Fig. 74. a; man haͤlt die Scheibe an der naͤchſten Stelle, wo die beyden Linien ſich ſchneiden, und ſtreicht entweder an derſelben Seite naͤher nach der Ecke zu, oder an der rechten Seite zwiſchen zwey Linien. Bey veraͤn - derten Verfahren koͤnnen faſt an jeder Quadratſcheibe die Linien ſo verzerrt werden, daß Fig. 74. b daraus wird; man haͤlt, um dieſes zu bewuͤrken, die Scheibe naͤher an einer Ecke, da wo die zwey Linien ſich ſchneiden, und ſtreicht an der naͤchſten Stelle des Randes zwiſchen zwey Linien. Der Ton iſt bey beyden ganz einerley, ſo verſchieden dieſe Figuren ſich auch zeigen; ich habe einigemahl den Uebergang der einen Figur zur andern wahrgenommen.

3|3 erſcheint meiſtens regelmaͤßig, wie Fig. 75, kann ſich aber bisweilen auch in 6 ſchiefe wellenfoͤrmige Linien verwandeln, ſo wie ich aͤhnliche Verzerrungen ſchon bey 2|1, 2|2 und 3|2 gezeigt habe.

4|2 habe ich an einer Quadratſcheibe nie mit geraden Linien erhalten koͤnnen, es iſt aber Fig. 76. allem Anſehn nach nichts anders, als eine Verzerrung von 4|2 mit einwaͤrts - gehenden und Fig. 77. eine Verzerrung von 4|2 mit auswaͤrtsgehenden Kruͤmmungen der aͤußern Linien. Es giebt auch Fig. 76. einen etwas tiefern Ton, als Fig. 77, ſo wie allemahl bey Schwingungsarten, die entweder mit einwaͤrts oder auswaͤrts gebogenen Kruͤmmungen der aͤußern Linien erſcheinen, im erſten Falle der Ton tiefer iſt. Jn meiner Schrift: Ent - deckungen uͤber die Theorie des Klanges habe ich ſowohl S. 58, als auch in den Kupfertafeln beyde Figuren durch ein Verſehen in Anſehung des Tones mit einander verwechſelt. Fig. 76. iſt leicht zu erhalten, wenn man die Scheibe in der Mitte haͤlt, oder in dem Falle, daß ſie zu groß iſt, um mit zwey Fingerſpitzen in der Mitte gehalten zu werden, ſie auf eine nicht allzu - harte Unterlage (etwa ein Stuͤckchen Kork oder zuſammengedrehtes Papier) mit einer Finger - ſpitze aufdruͤckt, und, damit nicht etwa Fig. 64. erſcheine, ſondern ſich an jeder Seite noch eine krumme Linie bilde, eine Stelle, wohin eine ſolche Linie faͤllt, mit noch einem Finger gelinde beruͤhrt, und an der naͤchſten Stelle des Randes mitten an einer Seite ſtreicht. Fig. 77. erhaͤlt man, wenn man eine Stelle einer Knotenlinie haͤlt und zugleich eine Stelle einer andern Linie zunaͤchſt an einer Ecke mit einem Finger beruͤhrt, und an der naͤchſten Ecke ſtre[ich]t. Es iſt dieſe Figur, ſo wie alle ſolche, wo nirgends zwey Knotenlinien einander136 durchſchneiden, und man alſo auf einer Linie halten muß, meiſtens etwas ſchwer hervorzu - bringen, weil die Haltung genau an der rechten Stelle, und nur mit den aͤußerſten Spitzen der Finger geſchehen muß, und doch nicht ſo genau nur in einem Punkte geſchehen kann, daß die Schwingungen der benachbarten Theile nicht ſollten durch dieſe Haltung etwas erſchwert werden, weshalb auch der Klang ſolcher Figuren meiſtens etwas rauh, und ohne Nach - klang iſt.

5|0 erſcheint nur ſelten regelmaͤßig mit wellenfoͤrmigen Linien, die dritthalbmahl ge - kruͤmmt ſind, und ihre Ein - und Ausbiegungen gegenſeirig einander zukehren. Bey dieſer Figur muß ich uͤberhaupt bemerken, daß, ſo wie auch bey 4|0, 6|0, 7|0, und manchen andern Figuren oͤfters an der Stelle, wo man die Scheibe beruͤhrt und in deren Naͤhe die Linien ſich mehr durchkreutzen, waͤhrend ſie ſich an andern Stellen mehr getrennt und nur mit Kruͤmmungen zeigen, die ſich abwechſelnd einander naͤhern und von einander entfernen. Die gewoͤhnlichſte Verzerrung von 5|0 iſt in der 78ſten Figur dargeſtellt.

5|1 erſcheint aͤußerſt ſelten mit geraden Linien, wenn man faſt eben ſo wie bey 4|1 (Fig. 74. a) verfaͤhrt, bisweilen erſcheint aber eine ſolche Verzerrung wie Fig. 79. a, noch gewoͤhnlicher aber wie Fig. 79. b.

4|3 laͤßt ſich auf Scheiben, die regelmaͤßig genug ſind, leicht ſowohl mit geraden Linien Fig. 80. a, als auch ſo wie Fig. 80. b, darſtellen. Soll die Abaͤnderung Fig. 80. b, mit welcher es eben die Bewandniß hat, wie ich vorher bey Fig. 71. gezeigt habe, recht beſtimmt zum Vorſchein kommen, ſo wird es gut ſeyn, wenn man eine Ecke der Scheibe, auf welche die gerade Diagonallinie faͤllt, an etwas anſtemmt. Die Linien koͤnnen ſich auch ſo in ihren Durchſchnittspunkten trennen, daß ſie ſich als ſieben meiſtens wellenfoͤrmige Linien, Fig. 80. c, zeigen.

5|2 erſcheint ſowohl mit geraden Linien, Fig. 81. a, als auch ſo verzerrt, wie Fig. 81. b.

4|4 zeigt ſich, wie Fig. 82, meiſtens mit geraden Linien, kann aber auch auf ver - ſchiedene Arten verzerrt werden, und ſich auch, ſo wie etwas aͤhnliches bey 2|1, 2|2, 3|2, 3|3, 4|3 ſchon iſt erwaͤhnt worden, als 8 wellenfoͤrmige Diagonallinien zeigen. Eben ſo zeigen ſich auch an groͤßern Scheiben bisweilen 5|4, 5|5, 6|5, 6|6, 7|6 u. ſ. w. als 9, 10, 11, 12 oder mehrere ſolche ſchiefe wellenfoͤrmige Linien.

137

5|3 erſcheint nicht mit geraden Linien, es iſt aber Fig. 83. als 5|3 mit einwaͤrts - gebogenen, und Fig. 84. als 5|3 mit answaͤrtsgebogenen Linien anzuſehen. Der Ten iſt bey Fig 83. auch etwas tiefer als bey Fig. 84. Es ſind dieſe Figuren an einer regelmaͤßigen Scheibe nicht ſchwer hervorzubringen.

6|0 habe ich aͤußerſt ſelten ſo, daß die drey Kruͤmmungen einer jeden wellenfoͤrmigen Linie ſich gleichſfoͤrmig einander naͤherten und von einander entfernten, deſto oͤfter aber wie Fig 85. geſehen.

6|1 erſcheint ſehr ſelten mit geraden Linien, oͤfter aber wie Fig. 86.

6|2 kann auf zwey verſchiedene Arten Statt finden, entweder mit zweymahl ein - waͤersgebogenen oder mit zweymahl auswaͤrtsgebegenen aͤußern Linien, es ſind dieſe Schwin - gungsarten faſt um einen halben Ton verſchieden. Die erſte zeigt ſich wie Fig. 87. a oder b oder auch auf andere Arten verzerrt; einigemahl zeigten ſich auch die Linien beynahe gerade; die zweyte erſcheint bisweilen wie Fig. 88. a, gewoͤhnlicher aber wie Fig. 88. b.

6|3 zeigt ſich bisweilen wie Fig. 89. a, am leichteſten aber laͤßt es ſich an jeder hin - laͤnglich großen und regelmaͤßigen Scheibe wie Fig. 89. b, hervorbringen, wenn man an einer Stelle, wo zwey Linien einander durchſchneiden muͤſſen, die Scheibe haͤlt, und damit nicht etwa Fig. 67. c, ſondern dieſe Figur zum Vorſcheine komme, zugleich eine Stelle, auf welche einer der naͤchſten Halbkreiſe fallen muß, mit einem Finger gelinde beruͤhrt, und mitten in einem ſolchen Halbkreiſe ſtreicht. Allem Anſehen nach muß 6|3 ſich auch mit zweymahl aus - waͤrtsgehenden Biegungen der aͤußern Linien zeigen koͤnnen, ich habe es aber noch nicht ſo geſehen.

Die Hervorbringung der Klangfiguren laͤßt ſich, wenn die Groͤße der Scheibe es verſtattet, viel weiter treiben; in meiner Schrift: Entdeckungen uͤber die Theorie des Klanges, ſind noch einige abgebildet, naͤhmlich 7|0, 7|2, 7|3, 8|3 nebſt noch einigen hier nicht abge - bildeten Abaͤnderungen ſolcher Schwingungsarten, die hier ſchon erwaͤhnt ſind. Jch fuͤge hier von Fig. 90 bis 96. noch einige merkwuͤrdige Klanggeſtalten hinzu, uͤber welche hernach noch einiges wird geſagt werden, zu deren Hervorbringung die Scheibe hinlaͤnglich groß und regelmaͤßig ſeyn muß. Fig. 90. iſt die gewoͤhnlichſte Verzerrung von 7|3, welche Schwin - gungsart auch in andern Geſtalten mit zweymahl einwaͤrts oder auswaͤrts gehenden Kruͤm - mungen der aͤuſtern Knotenlinien erſcheinen kann; Fig. 91 und 92. ſind Verzerrungen von 6|4; Fig. 93 und 94. Verzerrungen von 8|4 und Fig. 95 und 96. Verzerrungen von 8|6.

S138

116.

Die Tonverhaͤltniſſe, welche allen dieſen Schwingungsarten zukommen, werden ſich am beſten in folgender Tabelle uͤberſehen laſſen, wo ich 1|1, welche Schwingungsart den tiefſten Ton giebt, als G annehme, und die Zahl der mit dem einem Durchmeſſer parallel gehenden (oder als parallel anzunehmenden), Knetenlinien in die obere Reihe, und die mit dem andern Durchmeſſer parallel gehenden (oder als nach dieſer Richtung gehend anzuſehen - den) Knotenlinien an die Seite ſetze.

0123456
0Fig 64 dFig. 65 e. .fFig. 67 gis̅ +72 gis̅̅73 gis̅̅ +78 f̄̄̄ 85 c̄̄̄̄
1Fig. 63 G66 h69 70 cis̅̅74 b̄̄ 79 fis̅̅̅ 86 c̄̄̄
2Fig. 64 d65 e. .f66 h68 71 fis̅̅76 cis̅̅̅77 d̄̄81 gis̅̅̅ +87 cis̅̅̅̅ +88 d̄̄̄̄
367 gis̅ +69 70 cis̅̅71 fis̅̅75 c̄̄̄80 fis̅̅̅83 h̄̄̄ 84 c̄̄̄̄ 89 ē̄̄̄
472 gis̅̅73 gis̅̅ +74 76 cis̅̅̅77 d̄̄̄80 fis̅̅̅82 b̄̄̄dis̅̅̅̅91. 92 ḡ̄̄̄ +
578 f̄̄̄ 79 fis̅̅̅ 81 gis̅̅̅ +83 h̄̄̄ 84 c̄̄̄̄ dis̅̅̅̅fis̅̅̅̅ +b̄̄̄̄
685 c̄̄̄̄ 86 c̄̄̄̄87 cis̅̅̅̅ +88 d̄̄̄̄ 89 ē̄̄̄91. 92 ḡ̄̄̄ +b̄̄̄̄
139

Jedes Tonverhaͤltniß, 1|1, 2|2, 3|3, 4|4 u. ſ. w. ausgenommen, habe ich hier zweymahl erwaͤhnen muͤſſen, ſowohl zu beſſerer Ueberſicht der Progreſſionen nach jeder Rich - tung, als auch zu bequemerer Vergleichung der Toͤne einer Quadratſcheibe (als eines Rectan - gels, wo Laͤnge und Breite einander gleich ſind, und es alſo einerley iſt, ob die Knotenlinien in die Laͤnge oder in die Quere gehen), mit den Toͤnen ſolcher Rectangelſcheiben, wo die Laͤnge und Breite verſchieden ſind.

  • Anm. Die Urſache, warum ich hier den Ton G als den tiefſten Ton bey 1|1 anſehe, iſt, weil er allem Anſehen nach ein Product von 2 und 3 iſt, und ich alſo, wie ſchon §. 29. bemerkt worden iſt, ein[je]des c als eine Potenz von 2 habe anſehen wollen, um die Verhaͤltniſſe auf die gewoͤhnliche Tonleiter deſto leichter beziehen zu koͤnnen. Uebrigens habe ich mich unter andern auch ſolcher Scheiben bedient, die wuͤrklich dieſe Toͤne gaben, und bey Scheiben, die andere Toͤne gaben, alles gehoͤrig transponirt. Aus gegenwaͤrtiger Tabelle iſt zu erſehen, daß die Toͤne bey denen Schwingungsarten, b[ey]welchen blos nach einer Richtung Knotenlinien vorhanden ſind 2|0, 3|0, 4|0 u. ſ. w. eber - ſowohl wie die Toͤne eines freyen Stabes §. 82. mit den Quadraten von 3, 5, 7, 9 ꝛc. [uͤberein -]kommen. Bey 2|0 und 4|0, welche auf zweyerley Art, naͤhmlich mit einwaͤrts oder auswaͤrts gebogenen Kruͤmmungen ſich zeigen koͤnnen, paſſen die Schwingungsarten, wo die Linien ein - waͤrts gebogen ſind Fig. 64 und 72. beſſer, als die, wo ſie answaͤrts gebogen ſind, Fig. 65 und 73. in dieſe Progreſſion, indeſſen ſcheint das ganz richtige Verhaͤltniß mehr zwiſchen beyden zu liegen. Was ich zu Beſtimmung der Zahlenverhaͤltniſſe bey den uͤbrigen Schwingungsarten blos aus em - piriſcher Vergleichung der Tonverhaͤltniſſe hinzufuͤgen kann, ſind nur einige fragmentariſche Hypo - theſen, die ſo lange gelten koͤnnen, bis ein Anderer etwa Mittel faͤnde, die Zahlenverhaͤltniſſe auf eine der Erfahrung nicht widerſprechende Art mehr im Zuſammenhange zu beſtimmen. Da die Schwingungszahlen, wenn nur nach einer Richtung zwey Linien vorhanden ſind, mit 3 × 3, bey drey Linien mit 5 × 5, bey vier Linien mit 7 × 7 u. ſ. w. uͤbereinkommen, ſo vermuthe ich, daß wenn außer dieſen Linien nach einer Richtung auch Linien nach der andern Richtung vorhanden ſind, die Schwingungszahlen Producte von 3, 5, 7, 9 u. ſ. w. mit irgend einer andern Zahl ſeyn moͤgen. Die Zahlen, mit welchen bey zwey Linien die Zahl 3, bey drey Linien die Zahl 5 u. ſ. w. muͤßten multiplicirt werden, ſcheinen ſolche zu ſeyn, deren Unterſchiede eine arithmetiſche Progreſ - ſion geben. Die Schwingungsarten, wo nach der einen Richtung eine Linie iſt, 1|1, 2|1, 3|1, 4|1, ſcheinen Producte der Zahl 3 zu ſeyn mit den Zahlen 2, 5, 10, 17, wo jeder zweyte Unter - ſchied 2 betraͤgt; weiter aber als bis 4|1 laͤßt ſich dieſe Progreſſion nicht a[uſde]hnen, weil ſonſt 5|1, 6|1 u. ſ. w. tiefere Toͤne geben muͤßten, als 5|0, 6|0, welches der Analogie und Erfah - rung widerſprechen wuͤrde; bis dahin aber treffen die Toͤne G, h, , b̄̄ mit den Zahlen 6, 15, 30, 51, und zwar erſtere drey vollkommen, die letzte aber beynahe uͤberein. Ueberhaupt aber laͤßt[ſi]ch die Hervorbringung der Schwingungsarten, wo mehrere nach einerley Richtung gehende Knotenlinien von einer nach der andern Richtung gehenden durchſchnitten werden (wie uͤberhaupt der meiſten ſolcher Schwingungsarten, wo jeder ſchwingende Theil verhaͤltnißmaͤßig ſehr in dieS 2140Breite ausgedehnt iſt), nicht weit treiben; 6|1 erſcheint meiſt ſchon ſehr unvollkommen,[7]|1 noch viel unvollkommner und ſchwerer, und 8|1 konnte ich nicht erhalten. Die Schwingungsarten, wo nach einer Richtung zwey Linien gehen, ſcheinen Producte der Zahl 3 zu ſeyn mit den Zahlen 3, 5, 9, 15, 23, 33, 45 u. ſ. w. wo jeder zweyte Unterſchied 2 iſt, wenigſtens kommen die Toͤne d, h, , fis̅̅, cis̅̅̅, gis̅̅̅, mit den Zahlen 9, 15, 27, 45, 69, 99, ziemlich genan uͤberein. Die Schwingungsarten, wo nach einer Richtung drey Linien gehen, ſcheinen auf Multiplicatren der Zahl 5 mit den Zahlen 5, 6, 9, 13, 18, 24 zu bernhen, wo von der zweyten Schwingungs - art an jeder zweyte Unterſchied 1 iſt u. ſ. w. Bey den weniger zuſammengeſetzten Schwingungs - arten kommen die Toͤne ziemlich genau mit folgenden Zahlenverhaͤltniſſen uͤberein:
0123
0Fig. 64. 3×3Fig. 67. 5×5
1Fig. 63. 3×2Fig. 66. 3×5Fig. 69. (3×10 5×6)
2Fig. 64. 3×3Fig. 66. 3×5Fig. 68. 3×9Fig. 71. (3×15 5×9)
3Fig. 67. 5×5Fig. 69 (3×10 5×6)Fig. 71. (3×15 5×9)Fig. 75. 5×13

Jndeſſen mag ich dieſe Angaben der Zahlen, ſo ſehr ſie mit der Erfahrung uͤberein[ſtimmen]doch nicht fuͤr ganz zuverlaͤßig ausgeben, ſowohl weil manche der uͤbrigen Toͤne beſonders bei ſolchen Schwingungsarten, wo die aͤußern Linien einwaͤrts gebogen ſind, nicht recht in dieſe Pro - greſſionen paſſen, als auch, weil in dem Ganzen ſich keine Stetigkeit findet. Vielleicht veruhen die meiſten Toͤne auf weit zuſammengeſetztern Verhaͤltniſſen, die aber den gegenwartigen aͤußerſt nahe kommen. Die Toͤne der Schwingungsarten, wo nach einer Richtung eben ſo viele L[inien]gehen, als nach der andern, 2|2, 3|3, 4|4, 5|5, ſcheinen unter einander genau in den Ver - haͤltniſſen der Quadrate von 2, 3, 4, 5, zu ſtehen. Die einfachſte dieſer Schwingungſarten, oder 1|1 paßt aber nicht in dieſe Progreſſion.

Die Verhaͤltniſſe der Toͤne einer Quadratſcheibe, welche Jacob Bernonlli in den Actis der Peterſburger Academie der Wiſſenſchaften 1787 durch Theorie beſtimmt zu halen glaubte, kom - men nicht mit der Erfahrung[uͤberein], und beruhen auf unrichtigen Vorauſſetzungen.

141

117.

Bey allen bisher erwaͤhnten Schwingungsarten iſt eine Quadratſcheibe als frey ſchwingend anzufehen, es ſind aber auch andere Schwingungsarten moͤglich, die von den vorigen eben ſo verſchieden ſind, wie die Schwingungen eines Stabes, der an einem oder zwey Enden befeſtigt iſt, von den Schwingungen eines ganz freyen Stabes. Es wuͤrde die Unterſuchung aller ſolchen Bewegungsarten bey welchen die Scheibe an einer oder mehreren Stellen befeſtigt iſt, hier zu weitlaͤuftig ſeyn, ich erwaͤhne alſo nur zwey, die mir am oͤfterften vorgekommen ſind, weil ſie ſonſt von Manchen nicht richtig moͤchten beurtheilt werden. Fig. 97. erhaͤlt man, wenn die Scheibe an der einen Ecke bey m an einen feſten Gegenſtand angeſtemmt, an irgend einer Stelle der krummen Knetenlinie, etwa bey n gehalten, und an der Ecke, welche der angeſtemmten entgegengeſetzt iſt, bey p geſtrichen wird; es iſt dieſe Bewegung ungefaͤhr eben das an einer Quadratſcheibe, was die erſte Schwingungsart eines an dem einen Ende angeſtemmten Stabes, Fig. 22. in ihrer Art iſt. Der Ton iſt um eine kleine Septinte tiefer, als bey 1|1 Fig. 63. Es gehoͤrt hieher auch Fig. 98, welche man erhaͤlt, wean die Scheibe an denſelben Stellen, wie bey Fig. 97, angeſtemmt und geſtrichen, aber naͤher nach dem geſtrichenen Ende zu an irgend einer Stelle der aͤußerſten Knotenlinie gehalten wird. Der Ton iſt um eine Octave hoͤher als 1|1, Fig. 63.

118.

Was vorher §. 106. im Allgemeinen uͤber den Zuſammenhang der Klangſiguren geſagt werden iſt, laͤßt ſich derzuͤglich gut an Quadratſcheiben zeigen. Durch gehoͤtige Zuſammen - ſtellung von 4 gleich großen und mit einerley Klangfigur verſehenen Scheiben entſteht meiſtens eine Figur, die ſich auch an einer groͤßern Scheibe auf einmahl darſtellen laͤßt, und durch fortgeſetzte Zuſammenſtellung entſichen unter andern folgende Muſter:

  • 1) Gitter, oder Linien, die ſich rechtwinklich ſchneiden, welche eben ſo, wie bey den fol - genden Muſtern entweder mit den Seiten der Scheiben parallel, oder auch in der diagonalen Richtung gehen koͤnnen. Hieher gehoͤren Fig. 63, 64, 65, 66 a, 67 c, 68 a, 71 a, 73 a, 75, 80 a, 81 a, 82 u. ſ. w. Wenn die einfachten Figuren dieſer Art zuſammengeſetzt werden, ſo giebt142 Fig 63 viermahl genommen Fig. 68 a, 6472 a, 6573 a, 68 a82..
  • 2) Gitter, wo ſich in jedem Fache ein Kreiß befindet, z. B. Fig. 70, 76, 77, 88 b, 89 b, 93, 94. Fig. 70 viermahl genommen giebt Fig. 88 b. 76 93. 77 94.
  • 3) Gitter, wo in jedem Fache ſich ein mit vier Kruͤmmungen verſehener Kreiß befindet, in welchem ein Viereck mit abgerundeten Ecken eingeſchloſſen iſt. Hieher gehoͤrt Fig. 71 b, 91 und 92, welche beyde letztere Figuren auch durch viermahlige Zuſammenſetzung von Fig. 71 b, entſtehen, nachdem man die 4 Scheiben ſo ſtellt, daß die Enden der Dia - gonallinien entweder in der Mitte des Ganzen, oder am Rande zuſammentreffen.
  • 4) Gitter, worin ſich eine noch zuſammengeſetztere Figur dieſer Art befindet, Fig. 80 b, welche durch viermahlige Zuſammenſetzung auch entweder Fig. 95 oder 96. giebt.
  • 5) Gitter, wo in jedem Fache eben ſo eine Figur, wie bey num. 3, aber außerdem noch jede Stelle, wo ſich zwey gerade Linien durchſchneiden, mit einem Kreiſe umgeben iſt; hieher gehoͤrt Fig. 74 b und 84.
  • 6) Linien, die ſich rechtwinklich ſchneiden, und an ebendenſelben Scellen auch von Diago - nallinien durchſchnitten werden, Fig. 69, und 87 b, welche letztere Figur auch durch viermahlige Zuſammenſtellung von Fig. 69. entſteht.
  • 7) Wie bey n. 6, aber jeder Durchſchnittspunkt zweyer Linien mit einem Kreiſe (oder Vier - ecke mit abgerundeten Ecken) umgeben, Fig. 79. a.
  • 8) Wie bey n. 6, aber in jedem viereckigen Fache eine Ellipſe, durch deren kuͤrzern Durch - meſſer die in dem Fache befindliche gerade Linie hindurchgeht, Fig. 83.
  • 9) Wie bey n. 6, aber jede Stelle, wo 4 Linien ſich darchſchneiden, mit einem Kreiſe um - geben, und außerdem noch in jedem dreyeckigen Fache ein kleinerer Kreiß, Fig. 90.

Durch Zuſammenſtellung von manchen andern noch nicht erwaͤhnten Figuren wuͤrden noch mehrere und verwickeltere Muſter entſtehen koͤnnen.

143

Jch vermuthete, daß an einer Scheibe, deren Geſtalt ein rechtwinklich Dreyeck iſt, welches durch diagonale Zerſchneidung eines Quadratſ entſteht, Figuren ſich zeigen wuͤrden, welche die Haͤlfte von denen waͤren, die ſich auf einer Quadratſcheibe zeigen; es ſind aber die Klangfiguren einer ſolchen Scheibe zu ſehr daven verſchieden, und naͤhern ſich mehr den weiter unten zu erwaͤhnenden Figuren einer gleichſeitig dreyeckigen Scheibe; beſondees wollten keine Linien erſcheinen, die mit den Seiten, welche mit einander einen rechten Winkel machen, parallel waͤren.

119.

An Rectangelſcheiben, wo nicht, wie an einer Quadratſcheibe,[beide]Durchmeſſer einander gleich ſind, ſondern der eine Durchmeſſer (oder die Laͤnge) groͤßer aalſ der andere (oder als die Breite) iſt, ſtehen auch die meiſten Toͤne in andern Verhaͤltniſſen, als an einer Quadratſcheibe. Bey Anſtellung der Verſuche ſchnitt ich an Quadratſcheiben, die ich verher unterſucht hatte, an einer Seite etwas weg, ſo daß der eine Durchmeſſer unveraͤndert blieb, indeſſen der andere vermindert ward; es werden alſo an ebenderſelben Scheibe, welche vorher als Quadrat die §. 116. bemerkten Toͤne gab, nach ſolchen Verminderungen des einen Durch - meſſerſ die in den nachherigen Tabellen anzugebenden[Toͤne]ſich zeigen. Jch werde hier der Kuͤrze wegen die Zahlen der Knotenlinien wieder wie vorher bezeichnen, und durch einen ſenk - rechten Strich von einander abſondern, und zwar ſo, daß die erſtere Zahl die in die Quere, oder[mit dem kuͤrzern]Durchmeſſer parallel gehenden Knotenlinien, und die letztere Zahl die Knotenlinien, welche in die Laͤnge gehen, bedeutet.

120.

Jn den meiſten Faͤllen, wo bey einem gewiſſen Verhaͤltniſſe beyder Durchmeſſer gegen einander zwey verſchiedene Schwingungsarten einerley Ton geben muͤſſen, koͤnnen beyde Arten der Bewegung durch einerley verzerrte Figur repraͤſentirt werden, welche ſich durch kleine Ver - ruͤckangen der Stellen, wo man haͤlt und wo man ſtreicht, ohne Veraͤnderung des Tones mehr oder weniger einer jeden von den beyden regelmaͤßigern Figuren dieſer Schwingungsarten naͤhern, oder oͤfters ganz darin umaͤndern laͤßt. Verſchiedene Beyſpiele davon werden nachher angegeben werden.

Bisweilen kann auch, wenn zwey Schwingungsarten bey einem gewiſſen Verhaͤltniſſe der Durchmeſſer nur ſehr wenig in Anſehung des Tones verſchieden ſind, ein ſolcher Uebergang144 der einen Figur in die andere Statt finden, wobey aber der Ton etwas[erhoͤht]wird, nachdem ſich die verzerrte Figur, durch welche der Uebergang geſchieht, der einen oder der andern regelmaͤßigen Geſtalt naͤhert.

121.

Wenn von einer Scheibe, die vorher als Quadrat die §. 116. erwaͤhnten Toͤne gab, an einer Seite der 9te Theil weggenommen ward, ſo daß ſich der laͤngere D[urchmeſſer]kuͤrzern wie 9 zu 8, oder wie 1 zu $$\frac{9}{8}$$ verhielt, ſo waren die Toͤne ungefaͤhr folgende:

Zahl der Querlinien:
Zahl der in die Laͤnge gehenden Linien:0123456
0disā̄ f̄̄ +c̄̄̄
1Acis̅ +cis̅̅h̄̄fis̅̅̅ .. ḡ̄̄cis̅̅̅̅
2g + +c̄̄gis̅̅ +dis̅̅̅ +b̄̄ē̄̄̄
3cis̅̅ē̄ā̄ +dis̅̅̅ +gis̅̅̅ .. ā̄̄cis̅̅̅̅ .. d̄̄̄̄fis̅̅̅̅
4cis̅̅̅ d̄̄̄f̄̄̄ā̄̄ +cis̅̅̅̅ .. d̄̄̄̄f̄̄̄̄
5ā̄̄b̄̄̄c̄̄̄̄dis̅̅̅̅fis̅̅̅̅b̄̄̄̄

Hier verhaͤlt ſich die Reihe der einfachern Schwingungsarten, wo blos in die Quere Knotenlinien gehen, welche ich hier durch 2|0, 3|0, 4|0 u. ſ. w. ausdruͤcke, eben ſo wie an einer Quadratſcheibe, (und nach §. 82 und 109. an jedem Stabe oder Rectangelſtreifen), wie die Quadrate von 3, 5, 7, 9 ꝛc. jedoch ſind die hier angegebenen Toͤne dis, , ā̄ , f̄̄̄ + u. ſ. w. ungefaͤhr um einen halben Ton hoͤher, als ſie §. 116. an einer Quadratſcheibe ange - geben ſind, ohngeachtet nach der gewoͤhnlichen Theorie die Hoͤhe und Tiefe dieſer Toͤne nicht von der Breite der Scheibe abhaͤngt. Die Urſache aber, warum dieſe Tonreihe an einer145 Quadratſcheibe etwas tiefer iſt, welches beſonders bey der erſten Schwingungsart Fig. 64. am meiſten betraͤgt, liegt allem Anſehen nach darin, weil uͤberhaupt durch ſtarke Einbiegung der aͤußern Knotenlinien die Toͤne etwas erniedrigt werden, welche Einbiegung an einer Qua - dratſcheibe bey Fig. 64. den hoͤchſten Grad erreicht, ſo daß die Linien ſich in diagonaler Rich - tung durchſchneiden. Hier bey einem Verhaͤltniſſe der Durchmeſſer wie 9 zu 8 iſt die Einbie - gung ſchon weit geringer und bey noch weiterer Verminderung des einen Durchmeſſers werden die Linien bey 2|0 ganz gerade, wobey auch die Toͤne noch ein klein wenig erhoͤhet werden. Ueberdieſes konnte bey einer Quadratſcheibe fuͤglich angenommen werden, daß bey 2|0 und 4|0 das wahre Verhaͤltniß zwiſchen den Toͤnen der Figuren, wo die aͤußern Linien einwaͤrts gebogen, und derer, wo ſie auswaͤrts gebogen ſind, mitten inne liege, und ſo moͤchte wohl dieſe Erhoͤhung der Toͤne bey einiger Verminderung der Breite eines Quadrates mehr ſchein - bar als wirklich ſeyn.

Die einfachern Schwingungsarten, wo blos in die Laͤnge Knotenlinien gehen, oder 0|2, 0|3, 0|4 u. ſ. w. haben unter einander ebenfalls die Verhaͤltniſſe der Quadrate von 3, 5, 7, 9 u. ſ. w. jedoch ſind die Toͤne hoͤher, als bey ebenderſelben Zahl von Querlinien, und zwar, wie die Theorie lehrt, im umgekehrten Verhaͤltniſſe der Quadrate der Durchmeſſer, oder ungefaͤhr, wie 64 zu 81.

Bey der Schwingungsart, wo eine Linie in die Laͤnge und eine in die Quere einander kreuzweis durchſchneiden, oder 1|1, hat die Hoͤhe im Verhaͤltniſſe der Verminderung des einen Durchmeſſers, oder um das Verhaͤltniß 9: 8 zugenommen, wie denn der Ton bey dieſer Schwingungsart allemahl im umgekehrten Verhaͤltniſſe des Flaͤcheninhaltes ſteht.

Die uͤbrigen Toͤne zeigen ſich gegen die gleichartigen Schwingungen eines Quadrates §. 116. alle erhoͤht, und zwar bey den Schwingungsarten, wo mehrere Linien in die Laͤnge gehen, betraͤchtlicher, als bey denen, wo die Zahl der Querlinien groͤßer iſt.

122.

Wenn von derſelben Scheibe wieder der laͤngere Durchmeſſer unveraͤndert blieb, der kuͤrzere aber ſo vermindert ward, daß einer ſich zu dem andern wie 6 zu 5 (oder 1 zu ) erhielt, ſo waren die Toͤne folgende:

T146
Zahl der Querlinien:
Zahl der in die Laͤnge gehenden Linien:012345
0dis + +ā̄f̄̄ +
1Bcis̅̅ +h̄̄ ḡ̄̄
2a +cis̅̅ +ā̄ē̄̄b̄̄̄
3dis̅̅ +fis̅̅h̄̄ ē̄̄b̄̄̄
4dis̅̅̅ē̄̄ḡ̄̄b̄̄̄ +

Hier zeigt ſich wieder, wie im vorigen §. daß die Reihe der einfachern Schwingungs - arten 2|0, 3|0, 4|0 ꝛc., welche ſich wie die Quadrate von 3, 5, 7, 9 ꝛc. verhaͤlt, ſich in Anſehung des Tones nicht veraͤndert hat, außer einer ganz unbedeutenden Erhoͤhung; ferner daß die andern einfachern Schwingungsarten 0|2, 0|3, 0|4 u. ſ. w. ebenfalls ihre Verhaͤltniſſe wie die Quadrate von 3, 5, 7 ꝛc. unter einander beybehalten haben, jedoch im umgekehrten Ver - haͤltniſſe der Quadrate der Durchmeſſer ſind erhoͤht worden; daß aber 1|1 in umgekehrtem Verhaͤltniſſe der Durchmeſſer ſelbſt oder des Flaͤcheninhaltes hoͤher geworden iſt, und alle uͤbrigen Toͤne auch mehr oder weniger erhoͤht worden ſind. Alles dieſes wird ſich auch bey den uͤbrigen nachher zu erwaͤhnenden Verhaͤltniſſen der Durchmeſſer eben ſo zeigen, daher ich es nicht jedesmahl ins beſondere angeben werde.

Ein Beyſpiel von dem §. 120. erwaͤhnten Uebergange einer Klangfigur zu einer an - dern, die eben denſelben Ton giebt, zeigt ſich hier an 4|1 und 2|3, welche durch Fig. 157. a, b, c, d, e, in einander uͤbergehen koͤnnen, ohne Veraͤnderung des Tones. So findet auch von 4|2 zu 1|4, welche einerley Ton geben, ein Uebergang Statt.

123.

Bey einem Verhaͤltniſſe des laͤngern unveraͤnderten Durchmeſſers zum kuͤrzern wie 5 zu 4 waren die Toͤne ebenderſelben Scheiben:

147
Zahl der Querlinien:
Zahl der in die Laͤnge gehenden Linien:012345
0dis +a +ā̄f̄̄ +
1Hdis̅ d̄̄ + +ḡ̄̄ +
2h +f +dis̅̅ b̄̄ f̄̄̄h̄̄̄
3 +ḡ̄ +c̄̄̄ +f̄̄ +b̄̄̄ +dis̅̅̅̅
4f̄̄̄f̄̄̄ +gis̅̅̅ .. ā̄̄c̄̄̄̄ +dis̅̅̅̅ +gis̅̅̅̅

Hier zeigt ſich oͤfters ein Uebergang zwiſchen 5|0 und 1|4, welche einerley Ton geben, durch Fig. 158. a, b, c. Es kann aber 5|0, welches in Fig. 158. a mit zweymahl einwaͤrts gehenden Kruͤmmungen der aͤußern Linien erſchien, auch wie Fig. 159. mit zweymahl auswaͤrts gehenden Kruͤmmungen (mit einer ſehr geringen Erhoͤhung des Tones) ſich zeigen, und eben - falls in Verzerrungen von 1|4 uͤbergehen. Auch finden von dieſen Figuren Uebergaͤnge Statr in mancherley Verzerrungen von 3|3, welche Schwingungsart ebendenſelben Ton giebt. So koͤnnen auch Fig. 160. und 161. ebenſowohl 0|4 als 4|2, welche einerley Ton geben, repraͤ - ſentiren, und in deutlichere Geſtalten dieſer beyden Schwingungsarten uͤbergehen.

4|1 erſchien gewoͤhnlich, eben ſo, wie im vorigen §. gezeigt worden iſt, wie Fig. 157. c; 2|3 konnte ich in keiner andern Geſtalt erhalten, als wie Fig. 162, dieſe Figur ſcheint allenfalls auch 4|1 repraͤſentiren zu koͤnnen, und ich vermuthe, daß bey dem in vorigen §. abgehandelten Verhaͤltniſſe der Durchmeſſer wie 6 zu 5 ebenſowohl durch Fig. 162, ein Ueber - gang von 4|1 zu 2|3 welche einerley Ton gaben, Statt finden mag, wie ich es durch Fig. 157. beobachret habe.

124.

Das Verhaͤltniß der beyden Durchmeſſer wie 7 zu 5 ſchien mir deswegen merkwuͤr - dig zu ſeyn, weil ſich vorausſetzen ließ, daß (weil die Toͤne der Reihe 2|0, 3|0, 4|0, u. ſ. w. T 2148bloſ von dem laͤngern Durchmeſſer, und die Toͤne der Reihe 0|2, 0|3, 0|4, u. ſ. w. blos von[dem]kuͤrzern Durchmeſſer abhaͤngen, und zwar im umgekehrten Verhaͤltniſſe der Quadrate derſelben ſtehen, und uͤbrigens die Toͤne einer jeden von dieſen beyden Reihen unter ſich mit den Quadraten von 3, 5, 7 u. ſ. w. uͤbereinkommen) die Schwingungsarten 4|0 und 0|3 ungefaͤhr einerley Ton geben muͤßten, und durch einerley Figur wuͤrden koͤnnen[repraͤſentiert]werden: welches auch die Erfahrung beſtaͤtigt, indem beyde Schwingungsarten am leichteſten wie Fig. 163. b erſcheinen, welche durch kleine Verruͤckungen der gehaltenen Stelle ebenſowohl in Fig. 163. a, als iu Fig. 163. c, umgeaͤndert und bisweilen auch in 3 gerade Linien in die Laͤnge, oder 4 in die Quere verwandelt werden kann, ohne Veraͤnderung des Tones. Das Verhaͤltniß der Durchmeſſer wie 7 zu 5 komme auch dem Verhaͤltniſſe wie die Quadratwurzel von 2 zu 1 ſehr nahe, bey welchem ſich theoretiſch verausſetzen ließ, daß die Toͤne der Reihe 0|2, 0|3, 0|4 u. ſ. w. um eine Octave hoͤher ſeyn muͤßten, als die Toͤne der Reihe 2|0, 3|0, 4|0 u. ſ. w. welches ebenfalls mit der Erfahrung uͤbereinkommt. Jch richtete die Scheiben ſo ein, daß die Verhaͤltniſſe der Durchmeſſer ungefaͤhr zwiſchen den Verhaͤltniſſen 7: 5 und 2: 1 welche nur um $$\frac {1,4142 .... }{1,4}$$ verſchieden ſind, mitten inne ſtanden, welche geringe Abweichung von beyden fuͤr das Gehoͤr ſowohl, als auch an einer nicht gar großen Scheibe fuͤr die Augen nur wenig bemerkbar iſt. Die Toͤne waren ungefaͤhr folgende:

Zahl der Querlinien:
Zahl der Linien in die Laͤnge:012345
0dis + +ā̄f̄̄ +
1cis dis̅̅c̄̄̄ḡ̄̄
2dis̅ +gis̅ē̄ +c̄̄̄fis̅̅̅h̄̄̄ .. c
3ā̄ +h̄̄ dis̅̅̅gis̅̅̅ h̄̄̄ .. c̄̄̄ē̄̄
4ā̄̄ā̄̄ +h̄̄̄ dis̅̅̅̅f̄̄̄̄ +
149

Die Schwingungsart 1|2 zeigt ſich hier gewoͤhnlich wie Fig. 164. b, welche Figur bey etwas weniges veraͤnderten Verhaͤltniſſen der Durchmeſſer auch mit getrennten krummen oder geraden Linien erſcheinen, oder auch bey noch mehrerer Verminderung des kuͤrzern Durch - meſſers leicht in 3|0 uͤbergehen kann, wie in Fig. 164. a und c gezeigt iſt. Hier zeigt ſich 3|0 meiſtens wie Fig. 165. a, welche ebenfalls bey einiger Verminderung des kuͤrzern Durchmeſſers, durch Fig. 165. b in 1|2 mit geraden Linien uͤbergehen kann. 3|3 erſchien meiſtens wie Fig. 166, welcher Figur man leicht anſieht, daß ſie bey einiger Veraͤnderung der Durchmeſſer in 5|1 wuͤrde uͤbergehen koͤnnen. Hier zeigt ſich 5|1 gewoͤhnlich wie Fig. 167, von welcher aber auch, wenn das Verhaͤltniß der Durchmeſſer etwas anders iſt, ein Uebergang zu 3|3 Statt findet.

125.

Wenn die Durchmeſſer der Rectangelſcheibe ſich gegen einander, wie 3: 2 verhielten, oder vielmehr, wenn der kuͤrzere Durchmeſſer noch ein wenig kleiner war, gaben 2|0 und 1|1 ungefaͤhr einerley Ton, und konnten durch ſchiefe Verziehungen der Knotenlinien in einander uͤbergehen. Bey allen vorigen Angaben gab 1|1 einen tiefern Ton, aber bey allen folgenden Angaben, wo der kuͤrzere Durchmeſſer immer mehr vermindert wird, giebt 1|1 einen hoͤhern Ton, als 2|0.

Von Uebergaͤngen einer Klangfigur in die andere iſt hier der von 4|1 zu 0|3 zu bemerken, welcher durch Fig. 168. a, b, c, oder durch Fig. 169. a, b, c geſchehen kann.

Da ſich aus den Unterſuchungen des Verhaͤltniſſes wie 3 zu 2, ſo wie auch 4 zu 3, und noch mancher andern weiter keine Reſultate ergaben, die ſich nicht aus den uͤbrigen Ver - haͤltniſſen ſchon erſehen ließen, ſo werden ſie hier nicht beſonders abgehandelt.

126.

Bey einem Verhaͤltniſſe der Laͤnge zur Breite wie 5 zu 3 ließ ſich aus den Gruͤnden, welche zu Anfange des 124ſten §. angegeben ſind, vermuthen, daß 3|0 und 0|2 einerley Ton geben, und durch einerley Figur repraͤſentirt werden muͤßten, welches auch die Erfahrung lehrt, indem beyde Schwingungsarten ſich am leichteſten wie Fig. 170, b zeigen, welche ſich auch durch kleine Verruͤckung der Finger in Fig. 170. a oder c, oder in deutlichere Geſtalten von 0|2 oder 3|0 mit krummen oder auch mit geraden Linien leicht umaͤndern laͤßt, ohne daß150 der Ton ſich im mindeſten veraͤndert. Die Toͤne ebenderſelben Scheiben, welche zu den vori - gen Verſuchen waren gebraucht worden, waren folgende:

Zahl der Querlinien:
Zahl der in die Laͤnge gehenden Linien:012345
0dis +ā̄f̄̄ +
1ffis̅ē̄ +c̄̄̄ +ḡ̄̄ +
2cis̅̅ +gis̅̅dis̅̅̅gis̅̅̅cis̅̅̅̅
3dis̅̅̅ē̄̄ḡ̄̄h̄̄̄dis̅̅̅̅
4dis̅̅̅̅ dis̅̅̅̅ē̄̄̄ +ḡ̄̄̄ā̄̄̄

127.

Bey einem Verhaͤltniſſe der beyden Durchmeſſer wie 7 zu 4 iſt der Uebergang von 4|0 zu 2|2, wwelche einerley Ton geben, zu bemerken; dieſer kann, beſonders wenn das Verhaͤltniß beyder Durchmeſſer gegen einander etwas geaͤndert wird, entweder durch Fig. 171. a, b, c, oder durch Fig. 172. a, b, c geſchehen. Auch koͤnnen 5|0 und 1|3 welche einerley Ton geben, ſo in einander uͤbergehen. als ob in Fig. 163. a, b, c, noch eine gerade Querlinie mitten hindurch gienge.

128.

Wenn die Laͤnge der Rectangelſcheibe ſich zur Breite wie 1 zu ½ verhaͤlt, ſo muͤſſen nach der Theorie die Toͤne bey den Schwingungsarten, wo blos in die Laͤnge Knotenlinien gehen (oder 0|2, 0|3, 0|4 u. ſ. w.), um zwey Octaven hoͤher ſeyn, als wenn eben ſo viele Knotenlinien in die Qvere gehen, (oder 2|0, 3|0 u. ſ. w.) welches auch die Erfahrung be - ſtaͤtigt. Die Toͤne waren an ebendenſelben Scheiben, welche die vorher erwaͤhnten Toͤne gaben, ungefahr folgende:

151
Zahl der Querlinien:
Zahl der in die Laͤnge gehenden Linien:012345
0dis + +ā̄f̄̄ +
1g + +fis̅̅d̄̄̄gis̅̅̅ +
2dis̅̅fis̅̅c̄̄̄fis̅̅̅h̄̄̄dis̅̅̅̅
3ā̄̄b̄̄̄c̄̄̄dis̅̅̅̅fis̅̅̅̅b̄̄̄̄

2|1 und 3|0 geben einerley Ton, und es findet von einer zur andern durch Fig. 173. a, b, c ein Uebergang Statt. Wenn der kuͤrzere Durchmeſſer ein wenig groͤßer als ½ iſt, ſo koͤnnen auch 5|1 und 1|3 durch Fig. 174. a, b, c in einander uͤbergehen, und einerley Ton geben.

129.

An einer Scheibe, deren Laͤnge zur Breite ſich wie 7 zu 3 verhaͤlt, giebt nach der Theorie und Erfahrung 4|0 und 0|2 einerley Ton, ſie koͤnnen auch beyde auf zwey verſchie - dene Arten durch einerley Figur repraͤſentirt werden, naͤhmlich durch Fig. 175. b, welche ſich in Fig. 175. a und c, wie auch durch Fig. 176. b, welche ſich in Fig. 176. a und c umaͤndern kann. Bey Fig. 176. iſt (nach §. 114.) der Ton ein wenig hoͤher, als bey Fig. 175.

130.

Wenn die Durchmeſſer ſich gegen einander wie 1 zu verhalten, ſo giebt 5|0 und 0|2 einerley Ten, welches auch nach der Theorie nicht anders ſeyn kann, indem bey der Uebereinkunſt der einfachern Schwingungsarten mit den Quadraten von 3, 5, 7, 9 u. ſ. w. 5|0 mit dem Quadrate von 9 und 0|2 mit dem Quadrate von 3 uͤbereinkommt, aber die abſo - lute Tonhoͤhe bey 5|0 durch den laͤngern und bey 0|2 durch den kuͤrzern Durchmeſſer beſtimmt wird, weshalb alſo, weil die Toͤne der beyden Reihen 2|0, 3|0, 4|0 ꝛc. und 0|2, 0|3, 0|4 ꝛc. ſich wie die umgekehrten Quadrate der Durchmeſſer gegen einander ver[halten], 0|2 um das Verhaͤltniß 9: 1 hoͤher wird, und alſo beyde Schwingungszahlen e[inander]gleich ſind. 152Es zeigen ſich auch beyde Schwingungsarten am leichteſten wie Fig. 177. b, welche auch in Fig. 177. a und c, oder auch bisweilen in 2 gerade Linien in die Laͤnge, oder 4 in die Quere umgeaͤndert werden kann.

Die Toͤne ebenderſelben Scheiben, welche ſchon zu den vorigen Verſuchen waren angewendet worden, waren folgende:

Zahl der Querlinien:
Zahl der Linien in die Laͤnge:012345
0dis + +ā̄f̄̄̄ +
1 +dis̅̅ +c̄̄̄ fis̅̅̅c̄̄̄
2f̄̄̄ +ḡ̄̄h̄̄̄d̄̄̄̄ +fis̅̅̅̅b̄̄̄̄

131.

Bey einem Verhaͤltniſſe der Laͤnge zur Breite wie 1 zu ¼ gaben ebendieſelben Schei - ben ungefaͤhr folgende Toͤne:

Zahl der Querlinien:
Zahl der Linien in die Laͤnge:012345
0dis +ā̄f̄̄̄ +
1 +gis̅̅ +ē̄̄ b̄̄̄dis̅̅̅̅
2dis̅̅̅̅ +ē̄̄̄fis̅̅̅̅ā̄̄̄

Die Scheiben waren nun ſchon zu ſchmahl, als daß die Schwingungsarten, wo mehr als eine Linie in die Laͤnge geht, anders, als nur ſehr unvollkommen und mit vieler Schwierigkeit haͤtten koͤnnen zum Vorſchein gebracht werden.

153

Wenn die Breite der Scheiben zu der Laͤnge vermindert ward, waren die zu[erhaltenden Toͤne]:

Zahl der Querlinien:
Zahl der Linien in die Laͤnge:012345
0dis + +ā̄f̄̄̄ +
1d̄̄d̄̄̄ +ā̄̄ +dis̅̅̅̅ḡ̄̄̄ +

Bey einer noch weitern Verminderung der Breite zu der Laͤnge waren die Toͤne ungefaͤhr folgende:

Zahl der Querlinien:
Linien in die Laͤnge:012345
0dis + +ā̄f̄̄̄ +
1ḡ̄ḡ̄̄d̄̄̄̄ḡ̄̄̄h̄̄̄̄

Bey den bisherigen Verminderungen der Breite waren die Toͤne der Schwingungs - arten 2|0, 3|0, 4|0 u. ſ. w. unveraͤndert geblieben, aber die Toͤne der Schwingungsarten 1|1, 2|1, 3|1, u. ſ. welche anfangs (nach §. 116, 122, 123 u. ſ. w.) einen groͤßern Abſtand von einander hatten, haben ſich einander nach und nach ſo genaͤhert, daß ſie nun faſt mit der natuͤrlichen Zahlenfolge 1, 2, 3, 4 ꝛc. uͤbereinkommen. Ganz vollkommen iſt die Ueberein - ſtimmung mit dieſen Zahlen noch nicht, denn jeder Ton hat noch einen etwas groͤßern Abſtand von den andern; bey den erſten Toͤnen iſt dieſer Unterſchied kaum wahrzunehmen, bey den folgenden faͤngt er aber ſchon an etwas bemerkbar zu werden, ſo daß bey 4|1 und 5|1, anſtatt ḡ̄̄̄ und h̄̄̄̄ allenfalls ſchon haͤtte koͤnnen ḡ̄̄̄ + und h̄̄̄̄ + geſetzt werden. Wenn man an noch groͤßern Scheiben von dieſem Verhaͤltniſſe z. B. an einer Scheibe 24 Zoll lang, und 3 Zoll breit, die folgenden Toͤne dieſer Reihe hervorbringt, ſo iſt bey dieſen der weitere Abſtand betraͤchtlicher.

U154

Wenn man die Breite der Rectangelſtreifen noch mehr vermindert, ſo bleiben die Toͤne bey 2|0, 3|0, 4|0 u. ſ. w. unveraͤndert; bey 1|1, 2|1, 3|1 u. ſ. w. kommen ſie unter einander den wahren Verhaͤltniſſen von 1, 2, 3, 4 u. ſ. w. immer naͤher, und die abſo - lute Hoͤhe derſelben nimmt in eben dem Verhaͤltniſſe zu, in welchem die Breite des Rectangel - ſtreifen vermindert wird.

132.

Aus den bisherigen Angaben der Tonverhaͤltniſſe einer Rectangelſcheibe von verſchie - denen Verhaͤltniſſen der hier als unveraͤnderlich angenommenen Laͤnge zur Breite (§. 116, und §. 122 bis 131.) iſt zu erſehen:

  • 1) daß die mit den Schwingungen eines freyen Stabes §. 82. uͤbereinkommenden Schwin - gungsarten 2|0, 3|0, 4|0 u. ſ. w. nicht nur ihre Verhaͤltniſſe unter ſich wie die Quadrate von 3, 5, 7 u. ſ. w. ſondern auch ihre abſolute Tonhoͤhe beybehalten haben, indem die Toͤne bey dieſen Schwingungsarten, wie ſchon §. 86. an Staͤben bemerkt worden iſt, von der Laͤnge, nicht aber von der Breite des Rectangels abhaͤngen. Wenn man auch die Breite ſo verminderte, daß aus der Rectangelſcheibe endlich ein vierſei - tiger priſmatiſcher Stab wuͤrde, ſo wuͤrden doch dieſe Toͤne eben dieſelben bleiben. Die einzige Abweichung, welche ungefaͤhr einen halben Ton betragen kann, zeigte ſich bey dem Uebergange einer Quadratſcheibe zu einer Rectangelſcheibe von ungleichen Durch - meſſern.
  • 2) daß die Schwingungsarten, wo blos der Laͤnge nach Knotenlinien gehen, 0|2, 0|3, 0|4 u. ſ. w. (ſoweit die verminderte Breite der Scheibe ihre Hervorbringung verſtattete) auch unter ſich die Verhaͤltniſſe der Quadrate von 3, 5, 7, 9 u. ſ. w. be[ibehalten], jedoch im umgekehrten Verhaͤltniſſe der Quadrate des kuͤrzern Durchmeſſers an Hoͤhe zugenommen haben; welches auch ganz der Theorie gemaͤß iſt, indem dieſe Schwin - gungsarten in Beziehung auf den kuͤrzern Durchmeſſer eben das ſind, was die vorher erwaͤhnten Schwingungsarten 2|0, 3|0, 4|0 u. ſ. w. in Beziehung auf den laͤngern Durchmeſſer waren.
  • 3) daß bey den Schwingungsarten, wo eine nach der einen Richtung gehende Knotenlinie von ſolchen, die nach der andern Richtung gehen, durchſchnitten wird, oder 1|1, 2|1, 3|1, 4|1 u. ſ. w., die Toͤne, welche an einer Quadratſcheibe ungefaͤhr in den Ver -155 haͤltniſſen 6, 15, 30 u. ſ. w. ſtanden, bey mehrerer Verminderung des einen Durch - meſſers einander immer naͤher geruͤckt ſind, ſo daß ſie bey einem Verhaͤltniſſe der beyden Durchmeſſer gegen einander wie 1 zu ſchon beynahe mit der natuͤrlichen Zahlenfolge 1, 2, 3, 4 u. ſ. w. uͤbereinkommen, und, wenn die Breite des Rectangels noch weiter vermindert wird, endlich ganz in dieſe Verhaͤltniſſe uͤbergehen. Die Hoͤhe des tiefſten Tenes dieſer Reihe, oder 1|1, nahm immer ungefaͤhr in demſelben Verhaͤltniſſe zu, in welchem die Breite des Rectangels vermindert ward. An einer Quadratſcheibe war der Ton bey dieſer Schwingungsart um eine Quinte tiefer, als bey 2|0, an einer Scheibe, deren Breite ungefaͤhr der Laͤnge betrug, war er ebenderſelbe, und an Scheiben von geringerer Breite war er hoͤher.
  • 4) daß bey allen uͤbrigen Schwingungsarten, wo mehrere nach der einen Richtung gehende Knotenlimen von ſolchen, die nach der andern Richtung gehen, durchſchnitten werden, die Toͤne bey verminderter Breite auch erhoͤht werden, und zwar bey ſolchen Schwin - gungsarten, wo mehrere Linien in die Laͤnge gehen, betraͤchtlicher, als bey ſolchen, wo die Zahl der Querlinien groͤßer iſt.

133.

Daß uͤbrigens die Schwingungsarten, wo eine der Laͤnge nach gehende Knotenlinie von ſolchen, die in die Quere gehen, durchſchnitten wird, in ihrer Art eben daſſelbe ſind, was an einem cylindriſchen oder priſmatiſchen Stabe die §. 97. und 98. erwaͤhnten drehenden Schwingungen waren, und endlich bey weiterer Verminderung der Breite eines Rectangel - ſtreifen bis zu einem vierſeitig priſmatiſchen Stabe wuͤrklich darein uͤbergehen, wird ſich aus der Art, wie hier die Schwingungen geſchehen, leicht beurtheilen laſſen. Wenn naͤhmlich in gegenwaͤrtiger Figur

[figure]

c d e f einen Theil einer Rectangelſcheibe vorſtellt, wo die der Laͤnge noch gehende Knotenlinie m q von der in die Quere gehenden a b durchſchnitten wird, ſo ſchwingen allemahl zwey durch eine Knotenlinie von einander getrennte Theile (nach dem Anfange des 104ten §. ) nach ent - gegengeſetzten Richtungen, ſo daß alſo die hier durch + bezeichneten Stellen uͤber der natuͤr -U 2156lichen Lage ſich befinden, waͤhrend die durch bezeichneten unter derſelben ſind, und ſo um - gekehrt. Wenn alſo das Stuͤck a n q d ſich niederwaͤrts, und in eben derſelben Zeit das Stuͤck n q f b ſich aufwaͤrts bewegt, ſo iſt es eben das, als ob das ganze Stuͤck a d f b ſich rechts etwas drehte. Eben ſo iſt es bey dem jenſeits der Querlinie befindlichen Stuͤcke a b e c, wo die Bewegungen der beyden Theile a n m c und m n b e nach den entgegengeſetzten Richtungen geſchehen, eben daſſelbe, als ob das ganze Stuͤck a b e c ſich ein wenig links drehte, wenn ich den Standpunct des Beobachters bey q annehme. Bey der folgenden Schwingung werden die durch + bezeichneten Stellen unter, und die durch bezeichneten uͤber der natuͤrlichen Lage ſeyn, es wird alſo eben das ſeyn, als ob a d f b ſich links und a b e c ſich rechts ein wenig drehte, und ſo immer abwechſelnd, waͤhrend die Stelle, worauf die Querlinie a b faͤllt, immer unbeweglich iſt. So wie dieſe Art der Bewegung hier an einem Stuͤcke einer Rectangelſcheibe gezeigt iſt, ſo geſchieht ſie auch bey den drehenden Schwingungen eines Sta - bes; die Geſetze, nach welchen die Hoͤhe und Tiefe der Toͤne ſich richtet, ſind in ihrer Art auch ebendieſelben. Wenn nun eine Rectangelſcheibe oder ein Stab noch weiter in die Laͤnge ausgedehnt iſt, und mehrere ſolche Querlinien oder feſte Stellen wie a b vorhanden ſind, ſo drehen ſich immer zwey durch eine feſte Stelle getrennte Theile nach entgegengeſetzten Rich - tungen.

  • Anm. Merkwuͤrdig iſt, daß an einer Quadratſcheibe bey 1|1 Fig. 63, welche die einfachſte drehende Schwingungsart repraͤſentirt, der Ton um eine Quinte tiefer iſt, als bey 2|0 Fig. 64, durch welche die einfachſte transverſale Schwingungsart eines freyen Staves (§. 82.) gewiſſermaßen repraͤſentirt wird; und daß wenn die Breite im Verhaͤltniſſe gegen die Laͤnge ſehr gering iſt (wie anch an einem cylindriſchen oder priſmatiſchen Stabe) ebendieſelbe erſte drehende Schwingungs - art (nach §. 98.) um eine Quinte tiefer iſt, als die erſte longitudinale Schwingungsart; daß alſo die erſte drehende Schwingungsart, wenn die Breite des Rectangels der Laͤnge gleichkommt, ebenſoweit von der erſten transverſalen Schwingungsart, als, wenn die Breite ſehr gering iſt, von der erſten longitudinalen Schwingungsart abſteht.

IV. Schwingungen einer runden Scheibe.

134.

Bey den Schwingungen einer runden Scheibe zeigen ſich die Knotenlinien entweder ſo, daß ſie von einer Stelle des Randes zur andern in geraden oder krummen Richtungen gehen, oder als concentriſche Kreiſe, die in manchen Faͤllen zirkelrund ſind, meiſtens aber eine gewiſſe Anzahl von Biegungen annehmen. Der Kuͤrze wegen werde ich hier, faſt ſo,157 wie es vorher bey den nach zweyerley Richtungen gehenden Linien einer Rectangelſcheibe geſchehen iſt, jede Schwingungsart der Kuͤrze wegen ſo bezeichnen, daß die Zahl der durchgehenden Linien von der Zahl der concentriſchen Kreiſe durch einen da - zwiſchen geſetzten ſenkrechten Strich unterſchieden, und zwar erſtere mit gewoͤhnlichen Ziffern vor den Strich, letztere (zu mehrerer Deutlichkeit bey den nachherigen Vergleichungen mit den Schwingungsarten elliptiſcher Scheiben) mit roͤmiſchen Ziffern hinter denſelben geſetzt werden ſoll; ſo wird z. B. 2|0 die Schwingungsart bedeuten, wo nur allein zwey durchgehende Linien vorhanden ſind, 0|I die, wo nur ein Kreis ſich zeigt, 4|III die, wo vier durchgehende Linien und drey Kreiſe vorhanden ſind, u. ſ. w.

135.

Die Klangſiguren mit durchgehenden Linien, ohne Kreiſe, zeigen ſich ſternfoͤrmig, wenn die Linien gerade ſind, und ſich in der Mitte der Scheibe durchſchneiden, es koͤnnen aber die Linien auch ihre Lage veraͤndern, ſich kruͤmmen, und auf mannigfaltige Arten trennen und verbinden, wodurch aber weder die Zahl der Linien noch das Tonverhaͤltniß veraͤndert wird.

2|0, Fig. 99, wo zwey durchgehende Linien ſich kreuzfoͤrmig durchſchneiden, giebt unter allen Schwingungsarten den tiefſten Ton. Zu Hervorbringung derſelben haͤlt man die Scheibe in der Mitte und beruͤhrt, wenn man die Lage der einen Knotenlinic genauer beſtimmen will, noch irgend eine Stelle, auf welche dieſe Linie fallen ſoll, und ſtreicht an einer Stelle des Randes, die ungefaͤhr 45 Grade von der Richtung dieſer Linie entfernt iſt.

Bey der zweyten Schwingungsart, 3|0, Fig. 100, wo die drey in der Mitte ſich durchſchneidenden Linien ſich wie ein ſechsſtralicher Stern zeigen, iſt der Ton um eine Octave und einen ganzen Ton hoͤher, als bey der vorigen. Man haͤlt und beruͤhrt die Scheibe eben ſo, wie bey der erſtern Schwingungsart, ſtreicht aber nicht an ebenderſelben Stelle, ſondern an einer Stelle, die von der durch Beruͤhrung beſtimmten Linie ungefaͤhr um den vierten Theil des Umkreiſes entfernt iſt. Man kann auch, anſtatt in der Mitte zu halten, und noch eine Stelle zu beruͤhren, die Scheibe etwas außer der Mitte halten, wodurch ebenfalls die Richtung der einen Knotenlinie ſchon hinlaͤnglich beſtimmt wird, und ſo kann man zu Her - vorbringung der folgenden Bewegungsarten deſto weiter außerhalb der Mitte halten, je groͤßer die Zahl der Linien ſeyn ſoll, weil der ſich nicht bewegende mittlere Theil der Scheibe bey ſolchen ſternformigen Figuren deſto groͤßer iſt, je mehrere Linien daſelbſt zuſammentreſſen.

158

4|0 kann ſich ſternfoͤrmig zeigen, wie Fig. 101, a. oder auch oͤfters, wie Fig. 101, b, welche nichts anders, als eine Verzerrung von Fig. 101, a, iſt. Der Ton iſt um eine kleine S[ept]ime hoͤher, als bey 3|0 und um zwey Octaven hoͤher, als bey 2|0.

5|0 erſcheint wie ein zehnſtrahlicher Stern, Fig. 102, a, oder noch gewoͤhnlicher ſo verzerrt, wie Fig. 102, b. Die Hoͤhe des Tones waͤchſt wieder faſt um eine kleine Sexte[an].

Unter den folgenden Schwingungsarten, 6|0, 7|0, 8|0, u. ſ. f. welche ſich alle ſowohl ſternfoͤrmig, als auch abgeaͤndert zeigen koͤnnen, iſt 8|0 beſonders vieler regelmaͤßigen Abaͤnderungen faͤhig, von denen ich die gewoͤhnlichſten in Fig. 103, a und b, dargeſtellt habe. Bey allen ſolchen Verzerrrungen iſt die Zahl der krummen Knotenlinien eben dieſelbe, als wenn dieſe gerade ſind, und die Figur ſich ſternfoͤrmig zeigt, wie man bey Vergleichung von Fig. 101, a und b, wie auch von Fig. 102, a und b bemerken wird.

Die Folge der Toͤne bey allen dieſen Schwingungsarten ſcheint ſich wie die Quadrate von 2, 3, 4, 5 u. ſ. w. oder uͤberhaupt wie die Quadrate der Zahlen durchgehender Knoten - linien zu verhalten, jedoch ſind die Abſtaͤnde der Toͤne von einander ein wenig kleiner, als ſie vermoͤge dieſer Progreſſion ſeyn ſollten.

136.

Bey Schwingungsarten, wo ein Kreiß vorhanden iſt, kann dieſer entweder allein, oder von 1, 2, 3 oder mehreren faſt allemahl geraden Linien durchſchnitten ſeyn.

0|I, Fig. 104. giebt einen Ton, der ungefaͤhr um eine kleine Sexte hoͤher iſt, als bey 2|0 Fig. 99. Man haͤlt die Scheibe an einer Stelle, auf welche ein Kreiß faͤllt, und ſtreicht an der naͤchſten Stelle des Randes. Das Halten muß mit den aͤußerſten Fingerſpitzen geſchehen, weil ſonſt die Schwingungen der naͤchſten Theile zu ſehr wuͤrden gehindert werden; das Streichen muß, weil es einer der tiefſten Toͤne iſt, langſamer, und mit einem etwas anhaltendern Drucke, als bey manchen andern Schwingungsarten geſchehen. Die Art der Bewegung iſt unter allen, die an einer runden Scheibe moͤglich ſind, die einfachſte, indem jeder Durchmeſſer der Scheibe eben ſo ſchwingt, wie ein Stab bey Fig. 24. Der Klang iſt bey dieſer Schwingungsart, ſo wie auch bey andern, wo Kreiſe vorhanden ſind, voller und ſtaͤrker, als bey den vorhererwaͤhnten, wo ſich blos durchgehende Linien zeigten.

1|I, Fig. 105. iſt unter allen Schwingungsarten am leichteſten hervorzubringen; man haͤlt die Scheibe an irgend einer Stelle nahe am Rande, wo der Kreiß und die im Durch -159 meſſer gehende Linie einander durchſchneiden ſollen, und ſtreicht an einer Stelle, die ungefaͤhr 90 Grade davon entſernt iſt. Man kann an Scheiben, die nicht allzu unregelmaͤßig ſind, durch Veraͤnderung der Stellen, wo man haͤlt und ſtreicht, wobey doch allemahl die letztere ungefaͤhr 90 Grade von der erſtern entfernt ſeyn muß, leicht die Lage der im Durchmeſſer gehenden Linie veraͤndern, und ſie nach Belieben in jedem Durchmeſſer gehen laſſen. Der Ton iſt beinahe um eine Octave und einen ganzen Ton hoͤher, als bey 0|I.

2|I, Fig. 106, erſcheint, wenn man eben ſo, wie bey 1|I haͤlt, aber nicht an eben - derſelben Stelle ſtreicht, ſondern an einer, die ungefaͤhr um 45 Grade von der Haltungsſtelle entfernt iſt. Zu mehrerer Beſtimmtheir der Figur kann man außerdem noch die Scheibe an einer Stelle auf der in die Quere gehenden Linie beruͤhren, oder an deren Ende an etwas ſchwach anſtemmen. Der Ton iſt beynahe um eine kleine Septime hoͤher, als bey 1|I, und beynahe zwey Octaven hoͤher, als bey 0|I.

Um 3|I, Fig. 107, hervorzubringen, haͤlt man die Scheibe eben ſo, wie bey 1|I, oder 2|I, ſtreicht aber in einer noch geringern Entfernung von der gehaltenen Stelle. Die Zunahme der Hoͤhe des Tones betraͤgt gegen die vorige Figur etwas mehr als eine Quinte, und etwas weniger als eine kleine Sexte.

Man kann auch, um 3|I, 4|I (Fig. 108.), 5|I, und mehrere dergleichen radfoͤrmige Figuren hervorzubringen, außerdem daß man die Scheibe an einer Stelle haͤlt, wo ein Kreiß und eine durchgehende Linie ſich ſchneiden, und immer naͤher bey der gehaltenen Stelle fireicht, auch noch mit einem Finger eine Stelle des Kreiſes beruͤhren; der Kreiß erweitert ſich immer mehr, je großer die Zahl der durchgehenden Linien iſt, wonach man ſich in Anſchung der Beruhrung richten muß. Es wird auch bisweilen zu leichterer Hervorbringung ſolcher Schwin - gungsarten dienlich ſeyn koͤnnen, wenn die Scheibe auch zugleich an einer Stelle, wo eine durchgehende Linie ſich endigen muß, ganz ſchwach an etwas angeſtemmt wird.

137.

Zwey Kreiſe koͤnnen ebenfalls allein, oder von irgend einer Zahl gerader oder krum - mer durchgehender Linien durchſchnitten ſeyn. Die Kreiſe erſcheinen bisweilen als concentriſche Zirkel, es nimmt aber auch oͤfters der aͤußere Kreiß eine beſtimmte Zahl von Biegungen an, die, ſo wie auch bey den nachher zu erwaͤhnenden Figuren, wo mehrere Kreiſe ſind, mit einer Epicycloide Aehnlichkeit haben. Der innere Kreiß iſt meiſtens einer Ellipſo aͤhnlich. 160Wenn die durchgehenden Linien ſich verzerren, ſo nehmen ſie meiſtens eine Geſtalt an, die einer Hoperbel aͤhnlich iſt.

0|II iſt, wenn die Kreiſe concentriſch erſcheinen ſollen, Fig. 109, a, etwas ſchwer hervorzubeingen, ſo wie alle ſolche Figuren, wo nirgends zwey Linien ſich ſchneiden, und man alſo auf einer Linie halten muß. Man haͤlt eine Stelle des einen Kreiſes, aber nur mit den aͤußerſten Spitzen der Finger, beruͤhet zugleich die naͤchſte Stelle des andern Kreiſes und ſtreicht an der naͤchſten Stelle des Randes; es muͤſſen die gehaltene, die außerdem noch beruͤhrte, und die geſtrichene Stelle ungefaͤhr in einerley Halbmeſſer ſeyn. Jeder Durchmeſſer der Scheibe ſchwingt bey dieſer Bewegungsart eben ſo, wie ein freyer Stab (§. 82.) bey ſeiner dritten Schwingungsart, bey welcher vier Schwingungsknoten ſind. Der Ton iſt um zwey Octaven hoͤher, als bey 0|I. Man kann dieſe Schwingungsart noch leichter ſo hervorbringen, daß, Fig. 109, b, der aͤußere Kreiß 5 Biegungen bekommt, und der innere oval wird, wenn man die Scheibe vermittelſt des Daumen und noch eines Fingers, welche an die Stellen des Randes, wo die beyden vorderſten Ausbiegungen ſind, angedruͤckt werden, hinterwaͤrts, wo die Ausbiegung bis an den Rand geht, an irgend einen feſten nicht allzu harten Gegenſtand anſtemmt, und ſeitwaͤrts, an einer Stelle, wo eine Einbiegung iſt, ſtreicht. Der Ton iſt bey dieſer Abaͤnderung ein wenig hoͤher, als bey Fig. 109, a; es iſt dieſes an einer runden Scheibe das einzige mir bekannte Beyſpiel, wo bey einer Verzerrung der Knotenlinien der Ton etwas veraͤndert wird; es kann dieſe Verſchiedenheit beynahe einen halben Ton betragen. Wenn die Kreiſe auch concentriſch erſcheinen, ſo kann man doch die Neigung des aͤußern Kreiſes fuͤnf Biegungen anzunehmen, und die Neigung des inneren Kreiſes ſich etwas in die Laͤnge zu ziehn, ſchon einigermaßen bemerken. An einer meſſingenen Scheibe, die aber nicht ganz regelmaͤßig war, wollte der aͤußere Kreiß nie anders, als mit 6 Biegungen erſcheinen, wobey der innere nicht oval, ſondern elliptiſch war.

1|II mit concentriſchen Kreiſen, (Fig. 110, a) erſcheint, wenn man faſt ſo, wie bey 1|I verfaͤhrt, und nur etwas mehr nach außen haͤlt, oder auch zugleich durch eine gelinde Beruͤhrung einer oder zweyer Stellen des aͤußern oder innern Kreiſes die Scheibe auf dieſe Art ſich abzutheilen noͤthigt. Es kann dieſe Schwingungsart ſowohl durch kleine Unregel - maͤßigkeiten der Scheibe, als auch durch ein anderes Verfahren, wo man die Scheibe an ſchicklichen Stellen, faſt ſo wie ich es bey 0|II, Fig. 109, b, gezeigt habe, an irgend einen feſten nicht allzu harten Gegenſtand anſtemmt, auch veranlaßt werden, ſich ſo zu zeigen, daß161 der aͤußere Kreiß 6 mahl gebogen, und der innere elliptiſch wird, Fig. 110, b. Der Ton iſt ungefahr um eine kleine Sexte hoͤher, als bey 0|II.

2|II kann, wenn man faſt eben ſo, wie bey 2|I verfaͤhrt, und allenfalls noch eine oder zwey ſchickliche Stellen beruͤhrt, mit concentriſchen Kreiſen, wie Fig. 111, a, ſich zeigen, und bey anderm Verfahren, beſonders wenn die Scheibe, wie vorher gezeigt worden, an etwas angeſtemmt wird, auch mit 6 Biegungen des aͤußern Kreiſes Fig. 111, b. Die beyden durchgehenden Linien koͤnnen ſich auch ſo verzerren, daß Fig. 111, c, daraus wird.

3|II habe ich bisweilen mit ziemlich concentriſchen Kreiſen, wobey ſich einigemahl die durchgehenden Linien regelmaͤßig in der Mitte durchſchnitten, meiſtens aber mit 7 Biegun - gen des aͤußern Kreiſes ſo abgeaͤndert geſehen, wie Fig. 112, a und b.

Bey 4|II, wo die Kreiſe, ſo wie auch bey den folgenden Schwingungsarten, bis - weilen concentriſch ſeyn koͤnnen, nimmt der aͤußere Kreiß gewoͤhnlich ſieben Biegungen an, und die Figur zeigt ſich wie 113, a oder b.

Bey 5|II iſt der aͤußere Kreiß gewoͤhnlich achtmahl gebogen, in der 114ten Figur iſt gezeigt, wie die durchgehenden Linien ſich auch bisweilen regelmaͤßig in der Mitte durchſchnei - den; ſie koͤnnen aber ſowohl bey dieſer, als auch bey den uͤbrigen Schwingungsarten ſich auch in andern Geſtalten zeigen.

138.

An Klangfiguren mit drey oder mehreren Kreiſen koͤnnen dieſe ſich zwar auch manch - mahl concentriſch zeigen, meiſtens aber nehmen die Kreiſe Biegungen an, welche ſich abwech - ſelnd einander naͤhern und von einander entfernen, und an den innern Kreiſen flacher ſind, als an den aͤußern. An dem innerſten Kreiſe, welcher gewoͤhnlich elliptiſch iſt, habe ich nie Biegungen bemerket.

0|III, welches nicht haͤufig erſcheint, habe ich meiſtens mit 8 Biegungen, wie Fig. 115, geſehn.

1|III ſowohl mit zirkelfoͤrmigen als auch mit neunmahl gebogenen Kreiſen, Fig. 116, a und b. An der vorher erwaͤhnten meſſingenen Scheibe, welche 0|II mit 6 Biegungen gab, erhielt ich auch 0|III nicht anders, als mit 9, und 1|III nicht anders, als mit 10 Biegungen.

X162

2|III erſcheint gewoͤhnlich, wie Fig. 117, a und b; 3|III wie Fig. 118, a und b, 4|III wie Fig. 119, a und b. u. ſ. w.

Von 0|IV und 1|IV habe ich in Fig. 120 und 121, a, ſehr gewoͤhnliche Beyſpiele von Abaͤnderungen gegeben, dergleichen ſich auch auf noch zuſammengeſetztere Arten bey 0|V, 1|V, 0|VI, 1|VI, 0|VII u. ſ. f. zeigen koͤnnen. Es verbreiten ſich hierbey die Schwingungen nur quer durch die Scheibe und rings um den Rand, und zwey betraͤchtliche Stellen bleiben ohne Bewegung, ſo daß der Sand daſelbſt ruhig bleibt, aber ſich nicht ſo anhaͤuft, wie auf den Knotenlinien. 0|IV, 0|V, u. ſ. w. habe ich nie anders geſehen, 1|IV erſcheint aber auch eben ſo oft wie Fig. 121, b oder c; eben ſo kann ſich auch 1|V und 1|VI bisweilen regelmaͤßiger zeigen.

Noch weit mehrere Schwingungsarten einer runden Scheibe habe ich in meiner Schrift: Entdeckungen uͤber die Theorie des Klanges, erwaͤhnt und abgebildet. Jch fuͤge hier nur noch die Bemerkung hinzu, daß auch, wenn noch mehrere Kreiſe vorhanden ſind, die durchgehenden Linien gewoͤhnlich eben die Geſtalten annehmen, wie in den hier abgebildeten Figuren mit weniger Kreiſen, z. B. bey 2|IV, 2|V und 2|VI, wie in Fig. 117; bey 3|IV, 3|V und 3|VI, wie in Fig. 118. u. ſ. w.

Die meiſten dieſer zuſammengeſetzten Figuren wird man zwar nicht immer nach Willkuͤhr hervorbringen koͤnnen, jedoch wird man an hinlaͤnglich großen und duͤnnen Scheiben durch kleine Veraͤnderungen des Haltens, Beruͤhrens, Anſteminens, und Streichens jede dieſer Klangfiguren unvermuthet erhalten koͤnnen. Nur iſt hierbey zu bemerken, daß in allen Faͤllen, wo das Halten und Streichen gewiſſer Stellen auf Hervorbringung mehr als einer Schwingungsart wuͤrken kann, man genau beobachten muß, bey welchem Tone die verlangte Figur ſich zeigen will, und ſobald dieſer Ton gehoͤrt wird, ihn durch die gehoͤrige Art des Bogenſtrichs zu verſtaͤrken, andere Toͤne aber, die ſich mit hinein mengen wollen, ſo viel als moͤglich, zu verhindern ſuchen muß. Hat man etwa an einer Scheibe eine intereſſante Figur hervorgebracht, die man ein andermahl wieder zu erhalten wuͤnſcht, ſo wird es rathſam ſeyn, die Stellen, welche gehalten und geſtrichen worden ſind, auf irgend eine Art zu bezeichnen.

139.

Die Zahlen der Biegungen, welche die Kreiſe bey jeder Schwingungsart annehmen, werden ſich in folgender Tabelle am beſten uͤberſehen laſſen.

163
Zahl der durchgehenden Linien:
Zahl der Kreiſe:012345678
II5 ſelten 66677888
III8 ſelten 99 ſelt. 109101011111111
IV12121313131414
V151515?16
VI18?181919
VII21

Jn den meiſten Faͤllen haben, wie man aus dieſer Tabelle erſehen wird, die Zahlen der durchgehenden Linien gegen die Biegungen der Kreiſe kein ſolches Verhaͤltniß, daß eine Zahl durch die andere, oder beyde gemeinſchaftlich durch eine gewiſſe Zahl koͤnnten dividirt werden, es kann alſo keine vollkommene Symmetrie bey ſolchen Figuren Statt finden; z. B. bey 2|III Fig. 117, a, ſind 9 Biegungen; es vertheilen ſich dieſe ſo, daß auf der einen Seite zwiſchen zwey Enden von Linien ſich und auf der andern 2 Kruͤmmungen befinden; ſo ſind bey 3|III Fig. 118, a und b 10 Biegungen, die ſich ſo vertheilen, daß immer auf einer Seite ſich eine halbe Biegung mehr als auf der andern zwiſchen zwey Enden von Linien be - findet, u. ſ. w. Dieſes erſchweret die Zeichnung der Figuren; wollte man naͤhmlich den durch - gehenden Linien auf jeder Seite genau einerley Lage geben, ſo wuͤrden die Biegungen der Kreiſe an Groͤße allzu ungleich werden; wollte man aber den Biegungen genau einerley Groͤße geben, ſo wuͤrde die Lage der durchgehenden Linien allzu unſymmetriſch werden, und in beyden Faͤllen wuͤrde die Figur anders ausfallen, als ſie gewoͤhnlich iſt, wo jede Kno - telinnie der andern ein wenig nachgiebt, ſo daß jeder ſchwingende Theil die erforderliche Groͤße behaͤlt, um mit allen den uͤbrigen in einerley Geſchwindigkeit zu ſchwingen, weshalb auch ſolche Figuren gemeiniglich ſymmetriſcher ausſehen, als man ſie bey genauerer Unter - ſuchung findet.

X 2164

140.

Eine runde Scheibe, deren tiefſter Ton bey der Schwingungsart, wo ſich zwey durchgehende Linien in kreuzfoͤrmiger Geſtalt zeigen, (oder 2|0), Fig. 99, das 8 fuͤßige oder große C waͤre, wuͤrde bey ihren uͤbrigen Schwingungsarten, ſoweit ſie von mir ſind beobachtet worden, ungefaͤhr folgende Toͤne geben:

Zahl der durchgehenden Linien:
Zahl der Kreiſe:012345678
0Fig. 99 C100 d101 102 .. gis̅cis̅̅fis̅̅103 b̄̄
IF. 104 Gis105 b106 107 d̄̄ .. dis̅̅108 gis̅̅cis̅̅̅ē̄̄ .. f̄̄̄ḡ̄̄
II109 gis̅ +110 ē̄ +111 b̄̄112 dis̅̅̅113 ḡ̄̄114 b̄̄ .. h̄̄̄cis̅̅̅̅dis̅̅̅̅
III115 b̄̄ .. b̄̄116 ē̄̄ +117 gis̅̅̅ .. ā̄̄118 c̄̄̄̄119 dis̅̅̅̅fis̅̅̅̅gis̅̅̅̅ +b̄̄
IV120 ā̄̄121 cis̅̅̅̅f̄̄̄̄ ḡ̄̄̄ .. gis̅̅̅̅b̄̄̄̄h̄̄̄̄ .. c̄̄̄̄cis̅̅̅̅̅
Vf̄̄̄̄gis̅̅̅̅h̄̄̄̄cis̅̅̅̅̅
VIh̄̄̄̄d̄̄̄̄̄ē̄̄̄̄f̄̄̄̄̄ +
VIIē̄̄̄̄
165

Dieſe Tonverhaͤltniſſe kommen ungefaͤhr mit den Quadraten folgender Zahlen uͤberein:

Zahl der durchgehenden Linien:
Zahl der Kreiſe:012345678
0(2)(3)(4)(5)(6)(7)(8)
I234 5 6 7 8 9
II4 +5 +67 8 9 10 11
III6 +7 +8 +910 11 12 13
IV8 + +9 +10 +11 +1213 14
V10 ++11 ++12 +13 +
VI12 ++13 ++14 ++15 +
VII14 ++

So wie ſchon mehreremahl geſchehen iſt, ſo zeigt auch hier ein hinzugeſetztes + an, daß der Ton ein wenig hoͤher, und ein daß er ein wenig tiefer ſey; ein doppeltes + zeigt an, daß er noch etwas hoͤher, und ein doppeltes , daß er noch etwas tiefer ſey, als da, wo bey ebenderſelben Zahl ein einfaches + oder hinzugefuͤgt iſt. Wenn naͤhmlich bey einerley Zahl der durchgehenden Linien die Zahl der Kreiſe ſich vergroͤßert, ſo iſt jedes Jntervall etwas groͤßer, und wenn bey einerley Zahl der Kreiſe die Zahl der durchgehenden Linien ſich ver - groͤßert, ſo iſt jedes Jntervall etwas kleiner, als die Verhaͤltniſſe der Quadrate dieſer Zahlen. Die Reihe von Toͤnen, weiche bey denen Schwingungsarten Statt findet, wo nur durch - gehende Linien, aber keine Kreiſe vorhanden ſind, kommt unter ſich (wiewohl mit einiger Verminderung der Jntervalle) mit den Quadraten von 2, 3, 4, 5 u. ſ. uͤberein, paßt aber gar nicht in die uͤbrigen Tonfolgen, welches ich auch durch Einſchließung dieſer Zahlen in () angezeigt hahr. Will man die kleinen Erweiterungen und Verengerungen der Jntervalle bey Anweſenheit mehrerer durchgehenden Linien oder mehrerer Kreiſe nicht achten, ſo iſt, wenn L die Zahl der durchgehenden Linien, und K die Zahl der Kreiſe bedeutet, das Tonverhaͤltniß einer jeden Schwingungsart einer runden Scheibe = (L + 2K) 2.

166
  • Anm. Wenn ich hier das tiefſte C des Klaviers als den tiefſten Ton einer runden Scheibe bey 2|0 angenommen habe, ſo iſt es nicht etwa ſo zu verſtehen, als ob man ſich wirklich einer Scheibe bedienen koͤnne, welche dieſe ſo tiefen Toͤne ſowohl wie auch alle die uͤbrigen hoͤhten gaͤbe. Es wuͤrden naͤhmlich an einer Scheibe, die groß und duͤnn genug waͤre, um die hoͤchſten hier er - waͤhnten Toͤne zu geben, die tiefern Toͤne entweder gar nicht, oder nur mit vieler Muͤhe, und ſowohl in Anſehung der Figur, als in Anſehung der Toͤne nur ſehr unvollkommen koͤnnen hervor - gebracht werden. Man bediene ſich alſo zu Hervorbringung der einfachern Schwingungsarten kleinerer, und zu Hervorbringung der mehr zuſammengeſetzten Schwingungsarten groͤßerer Schei - ben, und transponire die Toͤne gehoͤrig, indem hier nicht von abſoluter Hoͤhe derſe[lb]en, die bey jeder Scheibe anders ſeyn kann, ſondern von den Verhaͤltniſſen der Toͤne unter einander die[Re]de iſt. Die groͤßten von mir unterſuchten Scheiben hatten etwa 2 Rheinlaͤndiſche Fuß, und die kleinſten nur wenige Zoll im Durchmeſſer.

141.

Außer den bisher erwaͤhnten Schwingungsarten, wo eine runde Scheibe als ganz frey anzuſehen iſt, ſind, wie ich es auch ſchon an einer Quadratſcheibe §. 117. gezeigt habe, noch andere moͤglich, die in die Reihen der vorigen gar nicht gehoͤren, und von denſelben eben ſo verſchieden ſind, wie die Schwingungen eines Stabes, deſſen eines Ende aufgeſtemmt iſt (§. 81.) von den Schwingungen eines freyen Stabes (§. 82). Einige dergleichen Klangſigu - ren habe ich von Fig. 122 bis 126. abgebildet, und die Stelle, wo man die Scheibe anſtemmen muß, durch die oberwaͤrts nach dem Rande zu befindlichen Punkte, welche den ſich daſelbſt eben ſowohl wie auf den Knotenlinien anhaͤufenden Sand vorſtellen, die Stelle, wo man die Scheide mit der Spitze des Daumen und noch eines Fingers haͤlt, durch n und die Stelle, wo man ſtreicht, durch p bezeichnet. Fig. 122. iſt in ihrer Art eben das, was an einem Stabe, deſſen eines Ende an einen feſten Koͤrper angeſtemmt iſt, die erſte Schwingungsart Fig. 22. iſt; der Ton iſt ungefaͤhr um eine große Sexte tiefer als bey Fig. 99. Bey Fig. 123. iſt der Ton faſt um eine Octave und einen ganzen Ton, bey Fig. 124. um etwas mehr als eine Octave und eine Quinte, bey Fig. 125. beynahe um zwey Octaven und eine große Terz, bey Fig. 126. um 2 Octaven und eine kleine Sexte hoͤher, als bey Fig. 122.

V. Ueber elliptiſche Scheiben.

142.

An elliptiſchen Scheiben haben die Schwingungsarten, wenn beyde Durchmeſſer der. Scheibe nur wenig verſchieden ſind, viele Aehnlichkeit mit den Schwingungen einer runden167 Scheibe; bey einer betraͤchtlichern Verſchiedenhenheit beyder Durchmeſſer erhalten ſie aber etwas mehrere Aehnlichkeit mit den Schwingungen einer Rectangelſcheibe. Es koͤnnen Kno tenlinien in die Quere gehen, die gewoͤhnlich einwaͤrts gebegen (und zwar die aͤußern mehr als die innern) und Hyperbeln, die ihre convere Seite der Mitte zukehren, ſehr aͤhnlich ſind; es kann auch eine Knetenlinie in die Laͤnge gehen, von Querlinien durchſchnitren; es koͤnnen ſich aber auch Knotenlinien zeigen, die einen oder mehrere in die Laͤnge gezogene Kreiſe vorſtellen, und dieſe koͤnnen allein, oder von einer in die Laͤnge gehenden Linie, oder auch von Querlinien durch - ſchnitten ſeyn. Jeden Kreiß kann man, um die Schwingungsarten gehoͤrig zu ordnen, fuͤglich als zwey in die Laͤnge gehende, und wegen der laͤnglich runden Geſtalt der Scheibe etwas nach außen gebogene Linien betrachten, wie ſich denn an etwas langen Ellipſen die Kreiſe auch wuͤrklich ſo zeigen, und uͤberhaupt immer weit mehr, als die Scheibe ſelbſt, in die Laͤnge geſtreckt ſind. Es moͤchte alſo wohl folgende Art, die Schwingungen einer elliptiſchen Scheibe zu ordnen, der Natur am gemaͤßeſten ſeyn:

  • 1) Schwingungsarten, wo blos Querlinien vorhanden ſind, und zwar bey der einfachſten ſolchen Schwingungsart zwey, bey der folgenden drey, bey den uͤbrigen vier oder mehrere Querlinien, Fig. 179 182.
  • 2) Schwingungsarten, wo eine Linie der Laͤnge nach geht, die von einer Querlinie, oder von zweyen, dreyen oder mehreren durchſchnitten ſeyn kann, Fig. 183 187.
  • 3) Schwingungsarten, wo ein Kreiß vorhanden iſt, (der auch als zwey der Laͤnge nach gehende Linien angeſehen werden kann), entweder allein, oder mit 1, 2, 3 oder meh - reren Querlinien, Fig. 188 193.
  • 4) Schwingungsarten, wo ein Kreiß, und eine in dem laͤngern Durchmeſſer gehende Linie ſich zeigen, welche als drei in die Laͤnge gehende Linien zu betrachten ſind. Dieſe koͤnnen ebenfalls allein, oder von 1, 2, 3 oder mehreren Querlinien durchſchnitten ſeyn, Fig. 194 199.
  • 5) Schwingungsarten, wo zwey Kreiſe, oder nach gegenwaͤrtiger Art ſie zu betrachten, vier der Laͤnge nach gehende Linien vorhanden ſind, entweder allein (Fig. 200.) oder von Querlinien durchſchnitten.

Eben ſo koͤnnen zwey Kreiſe und eine im laͤngern Durchmeſſer befindliche Linie (Fig. 201.) (oder, welches ebendaſſelbe iſt, 5 der Laͤnge nach gehende Linien), oder drey Kreiſe (welche als ſechs Linien in die Laͤnge angeſehen werden koͤnnen), oder drey Kreiſe und eine im168 laͤngern Durchmeſſer befindliche Linie, (welche ſieben in die Laͤnge gehenden Linien gleich ſind), vorhanden ſeyn, u. ſ. f. Jn allen dieſen Faͤllen koͤnnen auch Linien in die Quere gehen, die gewoͤhnlich eben die Geſtalt beybehalten, als ob keine Kreiſe, oder keine der Laͤnge nach gehende Linien vorhanden waͤren, wie man auch bey Betrachtung der hier gegebenen Figuren ſehen kann.

Der Kuͤrze wegen werde ich die Schwingungsarten (faſt ſo wie vorher an Rectangel - ſcheiben) ſo bezeichnen, daß die Zahl der Querlinien und der in die Laͤnge gehenden Linien (wo ich immer einen Kreiß als zwey Linien in die Laͤnge anſehe) durch einen ſenkrechten Strich unterſchieden, und zwar die Zahl der Querlinien vor den Strich, die Zahl der in die Laͤnge gehenden Linien aber hinter denſelben geſetzt wird.

  • Anm. Da vielleicht manchem Leſer, der etwa Verſuche an elliptiſchen Scheiben machen wollte, es nicht bekannt ſeyn moͤchte, wie eine Ellipſe von jeder beliebigen Groͤße, und von jedem Ver - haͤltniſſe der beyden Durchmeſſer gegen einander zu zeichnen iſt, (wie ich denn ſelbſt bildende Kaͤnſtler angetroffen habe, denen dieſes unbekannt war) ſo wird es wohl nicht uͤberfluͤßig ſeyn, einige Anleitung hierzu zu geben. Man zieht (Fig. 178.) zwey Linien rechtwinklich mit einander, die eine p q, ſo groß wie der laͤngere Durchmeſſer, und die andere, c d, ſo wie der kuͤrzere Durchmeſſer ſeyn ſoll. Hierauf nimmt man mit einem Zirkel die Haͤlfte des langen Durchmeſſers, ſetzt ihn am Ende eines kurzen Durchmeſſers ein, und in die Punkte m und n, wo ein mit dem Zirkel gezogener Bogen den langen Durchmeſſer durchſchneidet, (welches die deyden Brennpunkte der Ellipſe ſind), ſchlaͤgt man Stifte ein, befeſtigt an dieſe einen Faden ſo, daß dieſer die gehoͤrige Ausdehnung hat, um vermittelſt eines daran gefuͤhrten Bleyſtifts oder andern Zeichenmaterials die Enden der Durchmeſſer zu beruͤhreu; die krumme Linie, die ſich auf dieſe Art vermittelſt des geſpannten Fadens ziehen laͤßt, iſt die verlangte Ellipſe. Die Urſache dieſes Verfahrens beruht auf der weſentlichen Eigenſchaft einer Ellipſe, daß in jedem Punkte die Summe der Entfernungen von beyden Brennpunkten gleich groß iſt.

143.

Um die erſte Reihe von Schwingungsarten, wo blos in die Quere Knotenlinien gehen, oder 2|0, 3|0, 4|0 u. ſ. w. (Fig. 179 182.) hervorzubringen, haͤlt man die Scheibe mitten auf einer der aͤußerſten ſolchen Linien, mir den Spitzen des Daumen und noch eines Fingers, und ſtreicht mit dem Violinbegen am naͤchſten Ende des langen Durchmeſſers. Der Klang iſt bey dieſen Schwingungsarten gewoͤhnlich etwas rauh, und ohne Nachhall, weil ſo wie uͤberhaupt bey Schwingungsarten, wo man nur auf einer Linie, nicht aber an einer Stelle, wo zwey Linien ſich ſchneiden, halten kann, die der Haltungsſtelle benachbarten ſchwingenden Theile durch die Beruͤhrung ein wenig in ihren Schwingungen gehindert werden.

169

Zu Hervorbringung der Schwingungsarten, wo eine in dem laͤngern Durchmeſſer beſindliche Knotenlinie von Knotenlinien, die in die Quere gehen, durchſchnitten wird, oder 1|1, 2|1, 3|1, u. ſ. w. (Fig. 183 187.) haͤlt man die Scheibe an einer Stelle, wo die der Laͤnge nach gehende Linie von einer Querlinie durchſchnitten wird, alſo bey der erſten ſolchen Schwingungsart Fig. 183. in der Mitten, bey den uͤbrigen aber an einer der aͤußerſten ſolchen Stellen, und ſtreicht zwiſchen zwey Enden von Querlinien, oder, welches in manchen Faͤllen nach beſſer iſt, zwiſchen den Enden der letzten Querlinien, und der in die Laͤnge gehenden Linie. Wenn viele Linien in die Quere gehen ſollen, kann man außerdem zu noch mehrerer Beſtimmt - heit auch die folgende Stelle, wo eine Querlinie die der Laͤnge nach gehende Linie durchſchneider, mit der Spitze eines andern Fingers beruͤhren. Dieſe Reihe von Schwingungsarten hat, eben ſo wie die vorher erwaͤhnten, an langen Ellipſen die groͤßte Aehnlichkeit mit dergleichen Klangfiguren an einer Rectangelſcheibe.

Bey der folgenden Reihe von Schwingungsarten, zeigt ſich ein noch mehr als die Ellipſe ſelbſt in die Laͤnge gezogener Kreiß, entweder allein, oder von Querlinien durchſchnitten (Fig. 188 193.) Da ein Kreiß als zwey der Laͤnge nach gehende Knotenlinien anzuſehen iſt, und an langen Ellipſen ſich auch wuͤrklich ſo zeigt, bezeichne ich ſie durch 0|2, 1|2, 2|2, 3|2 u. ſ. w. Bey der einfachſten ſolchen Schwingungsart, wo keine Querlinie vorhanden iſt, haͤlt man an einer Stelle des Kreiſes; wobey es vortheilhaft ſeyn wird, noch eine Stelle deſſelben mit der Spitze eines andern Fingers zu beruͤhren, und ſtreicht ungefaͤhr mitten an einer Seite. An langen Ellipſen iſt gewoͤhnlich an jedem Ende, wo die 2 der Laͤnge nach gehenden Linien zuſammenkommen, (und noch mehr bey ſolchen Schwingungsarten, wo mehrere Linien der Laͤnge nach gehen, ohne Querlinien, oder 0|3, 0|4, 0|5 u. ſ. w.) eine betraͤchtliche Stelle, welche unbeweglich bleibt, indem ſich die Schwingungen nur uͤber die Mitte der Scheibe verbreiten; in dieſem Falle wird es am beſten ſeyn, wenn man die Scheibe an irgend einer nicht gar zu weit von dem einen Ende entfernten Stelle haͤlt, und noch eine Stelle der Knotenlinie weiter nach der Mitte einer Seite mit noch einer Fingerſpitze unterſtuͤtzt, und nicht weit davon, ungefaͤhr in der Mitte einer Seite mir dem Violinbogen ſtreicht. Zu Herror - bringung der Schwingungsarten, wo Querlinien den Kreiß, oder die zwey in die Laͤnge gehen - den Linien durchſchneiden, haͤlt man die Scheibe an einem ſolchen Durchſchnittspunkte und ſtreicht zwiſchen zwey Enden von Linien. Am ſchicklichſten wird es ſeyn, einen der aͤußerſten Durchſchnittspunkte zu halten, und weiter nach dem naͤchſten Ende der Scheibe zu ſtreichen. Y170Es verſteht ſich hierbey von ſelbſt, daß, je mehrere Querlinien erſcheinen ſollen, deſto mehr die Haltungsſtelle dem einen Ende der Scheibe ſich naͤhern muß.

Um die Schwingungsart, wo ein in die Laͤnge gezogener Kreiß, und eine in dem laͤngern Durchmeſſer gehende Linie, oder drey der Laͤnge nach gehende Linien, ohne Querlinien ſich zeigen, Fig. 194, oder wie ich es hier kuͤrzer ausdruͤcke, 0|3 hervorzubringen, haͤlt man die Scheibe nahe an dem einen Ende, da wo die Linien ſich ſchneiden, und ſtreicht ungefaͤhr in der Mitte einer Seite. Zu Hervorbringung der Schwingungsarten, wo die drey der Laͤnge nach gehenden Linien von Querlinien durchſchnitten werden, Fig. 195 199, ſo wie auch der uͤbrigen Schwingungsarten, wo zwey Kreiſe (oder 4 Linien in die Laͤnge), zwey Kreiſe und eine im laͤngern Durchmeſſer gehende Linie (oder 5 Linien in die Laͤnge) u. ſ. w. entweder allein, oder von Querlinien durchſchnitten ſich zeigen, verfaͤhrt man ungefaͤhr eben ſo, wie ich es bey den Schwingungsarten mit einem Kreiſe gezeigt habe, nur mit dem Unterſchiede, daß die Stellen, wo man halten, oder wo man die Scheibe außerdem noch zu mehrerer Beſtimmtheit der Figur mit einer Fingerſpitze beruͤhren kann, deſto weiter nach außen befindlich ſind, je zuſammengeſetzter die Schwingungsart iſt, welche man hervorbringen will.

144.

Bey den nachherigen Bemerkungen uͤber elliptiſche Scheiben von verſchiedenen Ver - haͤltniſſen der beyden Durchmeſſer gegen einander werde ich eine Scheibe, die wenn ſie ganz rund iſt, die §. 140. angegebenen Toͤne giebt, ſo betrachten, daß der eine Durchmeſſer, oder die Laͤnge, unveraͤndert bleibt, aber der andere Durchmeſſer, oder die Breite, immer mehr vermindert wird.

Die erſte im 142ſten §. erwaͤhnte Reihe von Schwingungsarten, wo blos Querlinien vorhanden ſind, und die zweyte, wo eine der Laͤnge nach gehende Linie von Querlinien durch - ſchnitten wird, ſind beyde an einer elliptiſchen Scheibe eben das, was an einer runden Scheibe die Schwingungen mit durchgehenden Linien (§. 135.) waren, nur mit dem Unterſchiede, daß an einer runden Scheibe es einerley iſt, in welchen Durchmeſſern die Linien gehen, aber bey einer elliptiſchen Scheibe ſowohl die Figuren als die Toͤne bey gleicher Anzahl von Knotenlinien ſehr verſchieden ſeyn koͤnnen, nachdem entweder alle dieſe Linien in die Quere, oder eine davon im laͤngern Durchmeſſer geht. Wenn die beyden Durchmeſſer nur wenig verſchieden ſind, ſo iſt dieſer Unterſchied wenig oder gar nicht zu bemerken, indem die Figuren meiſtens zu171 undeutlich erſcheinen, als daß ſich genau beſtimmen ließe, ob eine Linie im laͤngern Durch - meſſer gehe oder nicht, und man durch einige Veraͤnderung der Stellen des Haltens und Streichens leicht die Lage der Linien verruͤcken kann, ohne Veraͤnderung des Tones. Die Figuren, wo viele Linien vorhanden ſind, erſcheinen an ſolchen Scheiben meiſtens ungefaͤhr wie Fig. 202, ſo daß blos am Rande ſich die Enden der Knotenlinien deutlich zeigen, aber in der Mitte der groͤßere Theil der Scheibe ohne Bewegung, und der Sand dort ruhig bleibt. Wenn nach und nach die Breite der Scheibe mehr vermindert wird, ſo fangen erſt die ein - fachern und ſodann bey noch mehrerer Verminderung auch die uͤbrigen Schwingungsarten an ſich in Beziehung auf die eine oder auf die andere Reihe in Anſehung der Figur ſowohl, wie in Anſehung des Tones genauer zu unterſcheiden.

Die Schwingungsarten einer runden Scheibe, wo blos kreißfoͤrmige Knotenlinien vorhanden ſind, koͤnnen auch an einer elliptiſchen Scheibe ſich nur auf einerley Art zeigen. Wenn aber die kreißfoͤrmigen Knotenlinien von durchgehenden Knotenlinien durchſchnitten ſind, ſo kann jede ſolche Schwingungsart einer runden Scheibe ſich an einer elliptiſchen, eben ſo wie die vorhererwaͤhnten, auf zwey verſchiedene Arten zeigen, nachdem entweder alle durchgehenden Linien in die Quere gehen, oder eine davon ſich in dem laͤngern Durchmeſſer befindet.

Aus den Klangfiguren einer runden Scheibe entſtehen alſo folgende an einer elliptiſchen:

  • Aus 2|0, Fig. 99, entweder 2|0, Fig. 179, oder 1|1, Fig. 183;
  • Aus 3|0, Fig. 100, entweder 3|0, Fig. 180, oder 2|1, Fig. 184;
  • Aus 4|0, Fig. 101, a, entweder 4|0, Fig. 181, oder 3|1, Fig. 185; u. ſ. w.
  • Aus 0|I, Fig. 104, entſteht 0|2, Fig. 188.
  • Aus 1|I, Fig. 105, entweder 1|2, Fig. 189, oder 0|3, Fig. 194;
  • Aus 2|I, Fig. 106, entweder 2|2, Fig. 190, oder 1|3, Fig. 195;
  • Aus 3|I, Fig. 107, entweder 3|2, Fig. 191, oder 2|3, Fig. 196; u. ſ. w.
  • Aus 0|II, Fig. 109, entſteht 0|4, Fig. 200.
  • Aus 1|II, Fig. 110, a, entweder 1|4 oder 0|5 u. ſ. w.

145.

Die merkwuͤrdigſten Verhaͤltniſſe des laͤngern Durchmeſſers einer elliptiſchen Scheibe zum kuͤrzern ſind 5 zu 3; 11 zu 3; 14 zu 3; 17 zu 3; 20 zu 3, u. ſ. f. oder uͤberhaupt, wenn nY 2172entweder 0 oder irgend eine ganze Zahl bedeutet, wie 5 + n3 zu 3. Bey dergleichen Scheiben vereinigen ſich die aͤußerdem ſehr mannigfoltigen Toͤne aller Schwingungsarten, die erſte Reihe wo blos Querlinien vorhanden ſind, oder 2|0, 3|0, 4|0 u. ſ. w. ausgenommen, (welche ganz fuͤr ſich beſteht, und faſt nur von dem laͤngern Durchmeſſer abhaͤngt), in eine einzige Reihe, indem alle Schwingungsarten, wo, wenn Q die Zahl der Querlinien und L die Zahl der Linien in die Laͤnge, (einen Kreiß zu zwey ſolchen Linien gerechnet) bedeutet, die Summe von Q + (n + 2) L ebendieſelbe iſt, auch einerley Ton geben.

Ueber dieſes ſonderbare Naturgeſetz, welches nachher durch mehrere Beyſpiele wird erlaͤutert werden, habe ich ſehr muͤhſame Unterſuchungen an weit groͤßern Scheiben, als die von andern Verhaͤltniſſen waren, angeſtellt, und es immer beſtaͤtigt gefunden. Nur, wenn die Scheibe nicht uͤberall gleich dick iſt, oder nicht ganz die gehoͤrigen Verhaͤltniſſe hat, zeigen ſich einige Abweichungen.

146.

Wenn die Toͤne einer runden Scheibe ſo angenommen werden, wie ſie §. 140. ange - geben ſind, und man verkleinert dieſelbe Scheibe zu einer Ellipſe ſo, daß der eine Durch - meſſer unveraͤndert bleibt, und ſich zu dem kuͤrzern Durchmeſſer wie 1 zu $$\frac{8}{9}$$ verhaͤlt, ſo wird ſie ungefaͤhr folgende Toͤne geben koͤnnen:

Zahl der Knotenlinien in die Quere:
Zahl der in die Laͤnge gehenden Knotenlinien, einen Kreiß zu 2 Linien gerechnet:0123456
0Df +dis̅̅ .. ē̄
1D +f +dis̅̅ ..
2H b̄̄
3f̄̄b̄̄ +dis̅̅̅
4cis̅̅ fis̅̅. .ḡ̄c̄̄̄ +
5gis̅̅ +cis̅̅̅ +fis̅̅̅
173

Hier hat ſich die erſte Reihe von Schwingungsarten, wo blos Querlinien vorhanden ſind, von der zweyten, wo Querlinien von einer in die Laͤnge gehenden Linie durchſchnitten werden, noch nicht abgeſondert, indem (wie §. 144. bemerkt worden) die Lage der Knoten - linien ſich noch ſehr unbeſtimmt zeigt, und ſie ſich leicht ohne Veraͤnderung des Tones ver - ruͤcken laſſen. Allenfalls laͤßt ſich bey der erſten Schwingungsart etwas mehrere Hoͤhe des Tones bemerken, wenn die eine Linie im laͤngern Durchmeſſer geht. Die uͤbrigen Schwin - gungsarten beyder Reihen aber, z. B. 3|0 von 2|1, 4|0 von 3|1 u. ſ. w. ſind weder in Anſehung der Figur noch in Anſehung des Tones von einander zu unterſcheiden.

Manche Schwingungsarten, wie 4|1, 2|2, und 1|3, die ganz oder beynahe einer - ley Ton geben, koͤnnen, (ſo wie es an Rectangelſcheiben §. 120. iſt angezeigt worden), durch mancherley Verzerrungen in einander uͤbergehen.

147.

Wenn der kuͤrzere Durchmeſſer wieder etwas mehr vermindert wird, ſo daß die Durchmeſſer in dem Verhaͤltniſſe wie 1 zu ſtehen, ſind die Toͤne eben derſelben Scheibe ungefaͤhr folgende:

Zahl der Querlinien:
Zahl der Linien in die Laͤnge:0123456
0D +fis ē̄ ..
1Efis ē̄ .. f̄̄
2cis .. dcis̅ +fis̅̅ h̄̄ē̄̄
3c s̅̅ḡ̄c̄̄̄ +f̄̄̄
4ē̄ā̄d̄̄̄
5c̄̄
174

148.

Die Toͤne ebenderſelben Scheibe bey dem Verhaͤltniſſe der Durchmeſſer wie 1 zu 2 / 3 werden ungefaͤhr ſeyn:

Zahl der Querlinien:
Zahl der Linien in die Laͤnge:0123456
0Dis fis +f̄̄
1F fis + +f̄̄
2dis + + fis̅̅ h̄̄ +ē̄̄ +
3 d̄̄ +gis̅̅ cis̅̅ f̄̄̄
4fis̅̅ h̄̄ dis̅̅̅ +
5d̄̄̄

Noch ſind die beyden erſten Reihen von Schwingungsarten nicht ganz von einander abgeſondert, ſo daß nur ungefaͤhr bey den zwey erſten Schwingungsarten dieſer Reihen der Unterſchied bemerkbar iſt.

149.

Bey dem Verhaͤltniſſe des laͤngern Durchmeſſers zum kuͤrzern wie[1]zu werden die Toͤne ebenderſelben Scheibe ungefaͤhr folgende ſeyn:

175
Zahl der Querlinien:
Zahl der Linien in die Laͤnge:0123456
0Dis fis + c̄̄fis̅̅ ..
1Fis +gisfis̅ cis̅̅ ḡ̄
2fis + c̄̄fis̅̅ .. ḡ̄c̄̄̄f̄̄̄
3 +f̄̄ b̄̄ +dis̅̅̅ḡ̄̄
4ā̄c̄̄̄ +
5f̄̄̄ +

Nun ſind die beyden erſten Reihen von Schwingungsarten ſowohl in Anſehung der Figuren, als in Anſehung der Toͤne, ſchon merklich von einander abgeſondert.

Bey gegenwaͤrtigem Verhaͤltniſſe der Durchmeſſer koͤnnen wieder verſchiedene Ueber - gaͤnge einer Schwingungsart in eine andere, die ebendenſelben Ton giebt, durch verzerrte Figuren Statt finden. Einer der gewoͤhnlichſten Uebergaͤnge zeigt ſich zwiſchen 3|0 und 0|2, welche einerley Ton geben, und faſt an jeder ſolchen Scheibe durch Fig. 203. repraͤſentirt werden koͤnnen, welche ſich oͤfters durch Verruͤckungen der Stellen, wo man haͤlt und ſtreicht, nach und nach in drey regelmaͤßige Querlinien, oder auch in zwey der Laͤnge nach gehende auswaͤrts gebogene Linien verwandeln laͤßt.

Die Reihe den Schwingungsarten, wo 2 Linien in die Laͤnge gehen (oder ſich als ein laͤnglicher Kreiß zeigen), 0|2, 1|2, 1|3, 1|4 u. ſ. w. giebt hier ungefaͤhr ebendieſelben Toͤne, wie die erſte Reihe, wo blos Querlinien vorhanden ſind, von der zweyten Schwin - gangsart, oder 3|0 an gerechnet. Auch iſt zu bemerken, daß 0|2 ziemlich genau um eine Octave hoͤher iſt, als 1|1.

150.

Das Verhaͤltniß der Durchmeſſer wie 5 zu 3, oder 1 zu iſt die erſte Stufe, auf welcher die Toͤne aller Schwingungsarten, diejenigen, wo blos Querlinien verhanden ſind,176 ausgenommen, nach §. 145. in eine einzige Reihe zuſammentreffen. Ebendieſelbe Scheibe, wie vorher, wird ungefaͤhr folgende Toͤne geben:

Zahl der Querlinien:
Zahl der Linien in die Laͤnge:0123456789
0Disgcis̅̅ḡ̄
1Gis +a + d̄̄ gis̅̅ cis̅̅̅ f̄̄̄ + c̄̄
2a + d̄̄ gis̅̅ cis̅̅̅ f̄̄ +ā̄ c̄̄
3 gis̅̅ cis̅̅̅ +ā̄ c̄̄̄̄
4cis̅̅̅ f̄̄̄ +ā̄̄c̄̄̄̄
5 c̄̄̄

Alle Schwingungsarten, wo, wenn Q die Zahl der Querlinien, und L die Zahl der in die Laͤnge gehenden Linien, einen Kreiß fuͤr zwey ſolche Linien gerechnet, bedeutet, Q + 2L einerley Summe giebt, geben hier einerley Ton, wie ſich aus folgender Tabelle wird erſehen laſſen, wo die Schwingungsarten, welche in Anſehung des Tones mit einander uͤber - einkommen, ſenkrecht unter einander geſetzt ſind:

1|12|13|14|15|16|17|18|19|1
0|21|22|23|24|25|26|27|2
0|31|32|33|34|35|3
0|41|42|43|4
0|51|5
Summe von Q+2L: 34567891011 u. ſ. w.
Toͤne: Gis +a + d̄̄ gis̅̅ cis̅̅̅ f̄̄ +ā̄̄ c̄̄̄
177

Die Toͤne kommen nicht etwa, wie man haͤtte vermuthen koͤnnen, mit den Quadraten dieſer Summen uͤberein, ſondern ſind weiter aus einander; etwas mehr naͤhern ſie ſich den Quadraten von 2, 3, 4, 5 u. ſ. w., es ſind aber die Jntervalle ein wenig kleiner, als dieſe Verhaͤltniſſe.

Ein ſehr gewoͤhnlicher Erfolg von dieſer Uebereinkunft mehrerer Schwingungsarten in Anſehung des Tones iſt der, daß an dergleichen Scheiben, eben ſo wie auch an Scheiben, wo die beyden Durchmeſſer in den Verhaͤltniſſen 8: 3, 11: 3 u. ſ. w. ſtehen, die meiſten Figuren ſich ſehr verzerrt zeigen, und oͤfters einen Uebergang aus einer Schwingungsart in die andere andeuten. Die Figuren, wo mehrere Querlinien von Linien, die in die Laͤnge gehen, durch - ſchnitten werden, zeigen ſich meiſtens ſo, daß die Enden der Querlinien in der Mitte der einen Seite nahe zuſammenkommen, nach der andern Seite aber deſto mehr divergiren.

151.

Wenn an ebenderſelben Scheibe die Durchmeſſer ſich wie 1 zu ½ verhalten, ſo wird ſie ungefaͤhr folgende Toͤne geben koͤnnen:

Zahl der Querlinien:
Zahl der Linien in die Laͤnge:012345
0Dis +g +fis̅d̄̄
1H + +ē̄ā̄
2dis̅ +c̄̄ fis̅̅ h̄̄ ē̄̄ gis̅̅̅
3ḡ̄ +c̄̄̄ .. cis̅̅̅f̄̄̄ gis̅̅̅
4fis̅̅̅ā̄̄ .. b̄̄̄c̄̄̄̄ +
5d̄̄̄̄

Hier giebt die Reihe von Schwingungsarten, wo blos Linien in die Laͤnge gehen, oder 0|2, 0|3, 0|4 u. ſ. w. ebendieſelben Toͤne, wie die Reihe, wo blos Linien in dieZ178Quete gehen, oder 2|0, 3|0, 4|0 u. ſ. w. nur um zwey Octaven hoͤher, die Toͤne dieſer Reihen verhalten ſich hier alſo wie die umgekehrten Quadrate der Durchmeſſer, von welchen ſie abhaͤngen; in andern Faͤllen ſind die Verhaͤltniſſe dieſer beyden Reihen etwas anders.

152.

Bey dem Verhaͤltniſſe der Durchmeſſer wie 8 zu 3, oder 1 zu treffen die Toͤne bey allen Schwingungsarten, diejenigen wo blos Querlinien vorhanden ſind, ausgenommen, wie vorher bey dem Verhaͤltniſſe 5: 3, wieder in eine Reihe zuſammen, nur mit dem Unter - ſchiede, daß das Zuſammtreffen allemahl um eine Stufe ſpaͤter geſchieht, und hier diejenigen Schwingungsarten einerley Ton geben, bey welchen (nach §. 145.) Q + 3L einerley Summe giebt. Die Toͤne ſind an ebenderſelben Scheibe, wie vorher, ungefaͤhr folgende:

Zahl der Querlinien:
Zahl der Linien in die Laͤnge:0123456789
0Dis +g +fis̅d +
1d + f̄̄b̄̄ +dis̅̅̅ḡ̄̄h̄̄̄ d̄̄̄̄
2 f̄̄b̄̄ +dis̅̅̅ḡ̄̄h̄̄̄ d̄̄̄
3dis̅̅̅ḡ̄̄ā̄̄ d̄̄̄̄
4d̄̄̄̄

Hier geben alſo folgende ſenkrecht unter einander geſtellte Schwingungsarten einerley Toͤne:

1|12|13|14|15|16|17|18|19|1
0|21|22|23|24|25|26|2
0|31|32|33|3
0|4
Summe von Q+3L: 456789101112 u. ſ. w.
Toͤne: d + f̄̄b̄̄ +dis̅̅̅ḡ̄̄h̄̄̄ d̄̄̄
179

Die Zahlenfolge, mit welcher die Toͤne uͤbereinkommen moͤgen, weiß ich nicht zu beſtimmen, ſie naͤhert ſich aber bey den folgenden Stufen 11: 3, 14: 3, u. ſ. f., in den tiefern Toͤnen immer mehr der natuͤrlichen Zahlenfolge 1, 2, 3, 4 u. ſ. w.

153.

Die Toͤne derſelben Scheibe, wenn der laͤngere Durchmeſſer zum kuͤrzern ſich wie 1 zu verhaͤlt, ſind ungefaͤhr:

Zahl der Querlinien:
Zahl der Linien in die Laͤnge:012345
0Dis +g +fis̅ +dis̅̅
1fisfis̅d̄̄ gis̅̅ cis̅̅̅ +
2ē̄b̄̄ d̄̄̄ fis̅̅̅ +b̄̄̄
3gis̅̅̅h̄̄̄ cis̅̅̅̅ +ē̄̄̄
4ḡ̄̄̄

Hierbey iſt nur dieſes zu bemerken, daß die Toͤne der Schwingungsarten, wo blos Linien in die Laͤnge gehen, um 3 Octaven (und nur ein klein wenig mehr, vielleicht, weil der kuͤrzere Durchmeſſer faſt unmerklich zu klein ſeyn mochte) hoͤher waren, als die Toͤne der Schwingungsarten mit bloßen Querlinien.

154.

Bey dem Verhaͤltniſſe der Durchmeſſer wie 1 zu $$\frac{3}{11}$$ treffen wieder alle Schwingungs - arten, die mit bloßen Querlinien ausgenommen, in eine Reihe zuſammen, und zwar wieder um eine Stufe ſpaͤter, als bey dem Verhaͤltniſſe 1 zu , indem die Schwingungsarten, wo (nach §. 145.) Q + 4L einerley Summe giebt, in Anſehung der Toͤne mit einander uͤberein -Z 2180kommen. Ebendieſelbe Scheibe, wie vorher, wird bey dieſem Verhaͤltniſſe der beyden Durchmeſſer ungefaͤhr folgender Toͤne faͤhig ſeyn:

Zahl der Querlinien:
Zahl der Linien in die Laͤnge:0123456789101112
0Dis +g + dis̅̅ā̄ +dis̅̅̅gis̅̅̅
1aē̄ .. f̄̄b̄̄ +dis̅̅̅ +gis̅̅̅ c̄̄̄̄dis̅̅̅̅fis̅̅̅̅gis̅̅̅̅ .. ā̄̄̄h̄̄̄̄cis̅̅̅̅̅
2b̄̄ +dis̅̅̅ +gis̅̅̅ c̄̄̄̄dis̅̅̅̅fis̅̅̅̅gis̅̅̅̅ .. ā̄̄̄h̄̄̄̄cis̅̅̅̅̅
3dis̅̅̅fis̅̅̅̅gis̅̅̅̅ .. ā̄̄̄h̄̄̄̄cis̅̅̅̅̅dis̅̅̅̅̅
4cis̅̅̅̅̅dis̅̅̅̅̅

Folgende ſenkrecht unter einander geſtellte Schwingungsarten kommen alſo mit einander in Anſehung des Tones uͤberein:

1|12|13|14|15|16|17|18|19|110|111|112|1
0|21|22|23|24|25|26|27|28|2
0|31|32|33|34|3
0|4
Summe von Q + 4L: 5678910111213141516
Toͤne: aē̄ .. f̄̄b̄̄ +dis̅̅̅ +gis̅̅̅ c̄̄̄̄dis̅̅̅̅fis̅̅̅̅gis̅̅̅̅ .. ā̄̄̄h̄̄̄̄cis̅̅̅̅̅

u. ſ. w.

181

155.

Wenn die beyden Durchmeſſer ſich wie 1 zu ¼ verhalten, werden die Toͤne eben - derſelben Scheibe ungefaͤhr ſeyn:

Zahl der Querlinien:
Zahl der Linien in die Laͤngen:012345
0Dis +g + dis̅̅
1b .. h .. fis̅̅ c̄̄̄f̄̄̄
2cis̅̅̅ .. d̄̄̄fis̅̅̅b̄̄̄cis̅̅̅̅ +ē̄̄̄ +ḡ̄̄̄
3fis̅̅̅̅ā̄̄̄ h̄̄̄̄cis̅̅̅̅̅
4f̄̄̄̄̄ fis̅̅̅̅̅ +

156.

Ueber das Zuſammentreffen der Schwingungsarten, wo eine oder mehrere Knoten - linien in die Laͤnge gehen, bey den Verhaͤltniſſen der Durchmeſſer 5 + n3 zu 3 habe ich die Unterſuchungen an noch laͤngern Scheiben noch weiter fortgeſetzt, wobey ſich daſſelbe Natur - geſetz allemahl beſtaͤtigt hat. Die erſte Reihe von Schwingungsarten, wo blos Querlinien vorhanden ſind, giebt immer faſt ebendieſelben Toͤne (wie hier Dis +, g +, , dis̅̅, ā̄ + u. ſ. w.) nur wird die Hoͤhe derſelben, wenn die Scheibe immer ſchmaͤler wird, etwa noch um einen halben Ton zunehmen; bey allen uͤbrigen Schwingungsarten treffen die Toͤne ſo zuſam - men, daß bey dem Verhaͤltniſſe der Durchmeſſer wie 14 zu 3 die Schwingungsarten, wo (nach §. 145.) Q + 5L; bey den Verhaͤltniſſen 17 zu 3 die, wo Q + 6L; bey den Verhaͤlt - niſſen 20: 3 die, wo Q + 7L u. ſ. w. einerley Summe geben, auch in Anſehung des Tones mit einander uͤbereinkommen. Die Reihen dieſer Toͤne werden, wenn ich alles auf die vorher angenommene Tonhoͤhe reducire, und die Schwingungsarten, welche einerley Ton geben, unter einander ſetze, ungefaͤhr folgende ſeyn:

182
Bey dem Verhaͤltniſſe der Durchmeſſer 1: $$\frac{3}{14}$$ .
1|12|13|14|15|16|17|18|19|110|111|112|113|114|115|1
0|21|22|23|24|25|26|27|28|29|210|2
0|31|32|33|34|35|3
0|4
Summe von Q + 5L: 67891011121314151617181920
Toͤne: cis̅ +cis̅̅ +gis̅̅ +d̄̄̄ fis̅̅̅b̄̄̄ +d̄̄̄̄f̄̄̄. .fis̅̅̅̅gis̅̅̅̅̅b̄̄̄̄ .. h̄̄̄̄cis̅̅̅̅̅ .. d̄̄̄̄̄dis̅̅̅̅̅ .. ē̄̄̄̄fis̅̅̅̅̅ ḡ̄̄̄̄ .. gis̅̅̅̅̅ā̄̄̄̄

u. ſ. w.

Bey dem Verhaͤltniſſe 1: $$\frac{3}{17}$$ .
1|12|13|14|15|16|17|18|19|110|111|112|113|114|1
0|21|22|23|24|25|26|27|28|2
0|31|32|3
Summe von Q + 6L: 7891011121314151617181920
Toͤne: + + +ē̄̄ +gis̅̅̅. .ā̄̄c̄̄̄̄ .. cis̅̅̅̅ē̄̄̄ ḡ̄̄̄b̄̄̄̄c̄̄̄̄ .. cis̅̅̅̅̅dis̅̅̅̅̅f̄̄̄̄̄ḡ̄̄̄̄ gis̅̅̅̅̅ .. ā̄̄̄̄

u. ſ. w.

Bey dem Verhaͤltniſſe 1: $$\frac{3}{20}$$ .
1|12|13|14|15|16|17|18|19|110|111|112|113|114|1
0|21|22|23|24|25|26|27|2
0|3
Summe von Q + 7L: 89101112131415161718192021
Toͤne: ḡ̄d̄̄̄ḡ̄̄h̄̄̄dis̅̅̅̅ fis̅̅̅̅ā̄̄̄c̄̄̄̄̄ d̄̄̄̄̄ +ē̄̄̄̄ +fis̅̅̅̅̅ +gis̅̅̅̅̅ā̄̄̄̄ .. b̄̄̄̄̄

u. ſ. w.

Es wird nicht noͤthig ſeyn, die Unterſuchungen ſolcher Verhaͤltniſſe gegenwaͤrtig noch weiter fortzuſetzen, da aus dem bisher geſagten das Naturgeſetz ſelbſt ſich hin - laͤnglich ergiebt.

183

157.

Die bisherigen Angaben der Tonverhaͤltniſſe elliptiſcher Scheiben zeigen:

  • 1) daß die erſte Reihe von Schwingungsarten, wo blos Querlinien vorhanden ſind, ſich bey allmaͤhlicher Verminderung des einen Durchmeſſers nur nach und nach von der zweyten Reihe, bey welcher eine Linie in die Laͤnge geht, und zwar in den tiefern Toͤnen zuerſt, abſondert, und daß bey dieſer erſten Reihe, von der runden Geſtalt einer Scheibe an gerechnet, bis zu der groͤßten Verminderung des einen Durchmeſſers die Hoͤhe der Toͤne nur ungefaͤhr um eine große Terz zunimmt. Die Tonverhaͤltniſſe dieſer Reihe, welche an einer runden Scheibe mit den Quadraten von 2, 3, 4, 5 u. ſ. w. uͤbereinkommen, gehen hier etwas weiter aus einander.
  • 2) daß die Tonverhaͤltniſſe der zweyten Reihe 1|1, 2|1, 3|1, u. ſ. w. welche anfangs ebendieſelben waren, wie bey der erſten Reihe, bey zunehmender Verminderung des einen Durchmeſſers nach und nach etwas enger werden, und endlich anfangs in den tiefern, nachher auch immer weiter in den hoͤhern Toͤnen in die Verhaͤltniſſe der natuͤr - lichen Zahlenfolge uͤbergehen. Bey dem Verhaͤltniſſe der Durchmeſſer 11: 3 waren die beyden erſten Toͤne, bey dem Verhaͤltniſſe 14: 3 die drey erſten, bey 17: 3 die vier erſten, bey 20: 3 die fuͤnf erſten Toͤne mit dieſer Zahlenfolge uͤbereinſtimmend, die uͤbrigen aber weiter aus einander. Eigentlich koͤnnte man wohl annehmen, daß hier ſowohl, als auch bey Rectangelſcheiben, wo dieſe Reihe in die drehenden Schwin - gungen eines Stabes (§. 133.) uͤbergeht, der kuͤrzere Durchmeſſer in Verhaͤltniß gegen den laͤngern unendlich klein ſeyn muͤßte, wenn alle Toͤne dieſer Reihe mit der natuͤr - lichen Zahlenfolge genau uͤbereinſtimmen ſollten. Bey ſehr langen und ſchmalen Ellipſen, wie z. B. wo die Durchmeſſer ſich wie 17: 3, oder 20: 3 verhielten, oder auch noch mehr von einander verſchieden waren, ſo wie auch bisweilen an ſehr langen und ſchmalen Rectangelſtreifen, ſchienen mir die erſtern Toͤne dieſer Reihe noch etwas naͤher beyſam - men zu ſeyn, als die Verhaͤltniſſe der natuͤrlichen Zahlenfolge. Der erſte Ton dieſer Reihe, bey welchem ein Kreutz ſich zeigt, 1|1, nimmt alle - mahl beynahe in ebendemſelben Verhaͤltniſſe an Hoͤhe zu, in welchem der eine Durch - meſſer vermindert wird.
  • 3) daß bey den Schwingungsarten, wo blos in die Laͤnge gehende Knotenlinien, einen Kreiß zu zwey Linien gerechnet, vorhanden ſind, oder 0|2, 0|3, 0|4 u. ſ. w. bey184 Verminderung des einen Durchmeſſers die Hoͤhe der Toͤne um weit mehr, als die Ver - minderung ſelbſt, jedoch weniger als die Quadrate derſelben zunimmt; das wahre Verhaͤltniß weiß ich nicht genauer anzugeben. Unter ſich haben dieſe Toͤne ungefaͤhr eben die Verhaͤltniſſe, wie die Toͤne der Schwingungsarten mit bloßen Querlinien, nur ſind ſie allemahl weit hoͤher. Wenn die beyden Durchmeſſer um etwas mehr als 5: 4 und etwas weniger als 4: 3 verſchieden ſind, werden die Toͤne der Reihe 0|2, 0|3, 0|4 u. ſ. w. um eine Octave hoͤher ſeyn, bey einer Verſchiedenheit der Durchmeſſer wie 2: 1 um zwey Octaven hoͤher, bey einer Verſchiedenheit der Durchmeſſer, die um etwas weniges geringer, als 3: 1 iſt, um drey Octaven hoͤher, und wenn die Durchmeſſer um etwas mehr als 4: 1 verſchieden ſind, um vier Octaven hoͤher ſeyn, als die Toͤne der Reihe 2|0, 3|0, 4|0 u. ſ. w.
  • 4) daß die Toͤne aller Schwingungsarten, bey welchen Knotenlinien in die Laͤnge gehen, bey den Verhaͤltniſſen der Durchmeſſer 5: 3, 8: 3, 11: 3 u. ſ. w. mit hoͤhern Toͤnen der Reihe, wo eine Knotenlinie in die Laͤnge geht, zuſammentreffen, und zwar ſo, daß bey jedem Gliede dieſer Progreſſion dieſes Zuſammentreffen um eine Stufe weiter anfaͤngt.
  • 5) Merkwuͤrdig iſt auch bey dem Verhaͤltniſſe der Durchmeſſer wie 3: 2 das Zuſammen - treffen der Toͤne bey den Schwingungsarten, wo ein laͤnglicher Kreiß vorhanden iſt, oder 0|2, 1|2, 2|2, 3|2 u. ſ. w. mit den Toͤnen der Schwingungsarten mit bloßen Querlinien, von der zweyten ſolchen Schwingungsart an gerechnet, oder 3|0, 4|0, 5|0 u. ſ. w. Vielleicht giebt es an Scheiben von manchen Verhaͤltniſſen der Durchmeſſer, die ich noch nicht unterſucht habe, noch mehrere Faͤlle des Zuſammentreffens anderer Reihen mit der Reihe von Schwingungsarten mit bloßen Querlinien.
  • Anm. An Scheiben, die in Anſehung der Geſtalt nicht ganz regelmaͤßig, und nicht uͤberall von gleicher Dicke waren, habe ich am meiſten bey den Schwingungsarten mit bloßen Querlinien, wie auch ſonſt bey den etwas einfachern Schwingungsarten 1|1, 0|2 u. ſ. w. merkliche Abwei - chungen von den hier angegebenen Tonverhaͤltniſſen gefunden, beſonders wenn die Scheiben ſo groß und duͤnn waren, daß die tiefern Toͤne nur mit vieler Muͤhe darauf hervorgebracht werden konnten. Außerdem glaube ich bey der angewendeten Genauigkeit nicht, daß Andere bey anzu - ſtellenden Verſuchen an hinlaͤnglich regelmaͤßigen Scheiben Abweichungen bemerken werden, die etwas uͤber einen halben Ton betragen koͤnnten.
185

VI. Schwingungen einer gleichſeitig ſechseckigen Scheibe.

158.

Die meiſten Klangfiguren einer gleichſeitig ſechseckigen Scheibe haben einige Aehn - lichkeit mit den Figuren einer runden Scheibe, ſie beziehen ſich naͤhmlich auch auf eine gewiſſe Zahl von durchgehenden, und von kreißfoͤrmigen Knotenlinien. Da ich manche Figuren nicht mit Gewißheit auf dieſe Art zu beſtimmen weiß, ſo ordne ich ſie hier nach der Tiefe und Hoͤhe der Toͤne, werde aber der Kuͤrze wegen die Figuren, welche ſich nach der Zahl der durch - gehenden und der kreißfoͤrmigen Knotenlinien beſtimmen laſſen, ſo bezeichnen, daß ich, wie vorher bey runden Scheiben, die Zahl der durchgehenden Linien von der Zahl der Kreiſe durch einen dazwiſchen geſetzten ſenkrechten Strich abſondere, und erſtere durch gewoͤhnliche Ziffern, letztere durch roͤmiſche Zahlen anzeige.

159.

Unter allen Schwingungsarten, welche an einer ſechseckigen Scheibe moͤglich ſind, giebt die, wo ſich zwey durchgehende Knotenlinien kreutzfoͤrmig durchſchneiden, oder 2|0, den tiefſten Ton, Es kann ſich dieſe Schwingungsart regelmaͤßig, wie Fig. 127. zeigen, es laſſen ſich aber durch Veraͤnderungen der Stellen, wo man die Scheibe haͤlt, und ſtreicht, die Linien ohne Veraͤnderung des Tones ſo verruͤcken, daß ihre Richtung keine Beziehung auf die Seiten der Scheibe hat. Jch werde den Ton dieſer Schwingungsart als ungeſtrichen c anſehen, und die Toͤne der uͤbrigen Schwingungsarten auf dieſelbe Tonhoͤhe beziehen.

0|I, Fig. 128. giebt einen Ton, der ungefaͤhr um eine kleine Septime hoͤher iſt, als der vorige, alſo b.

Bey 3|0 koͤnnen die Knotenlinien in der Mitte der Seiten Fig. 129, oder auch an den Ecken ſich endigen, Fig. 130; im erſten Falle wird der Ton , im andern ſeyn.

Bey 1|I kann die den Kreiß durchſchneidendende Linie entweder von der Mitte einer Seite zur andern, Fig. 131, oder von einer Ecke zur entgegengeſetzten, Fig. 132, oder auch in jeder andern beliebigen Richtung gehen, ohne Veraͤnderung des Tones, welcher c̄̄ iſt.

4|0, welches cis̅̅ giebt, zeigt ſich gewoͤhnlich wie Fig. 133, die Linien koͤnnen aber auch nach andern beliebigen Richtungen gehen.

A a186

Fig. 134. ſcheint eine Verzerrung von 5|0 zu ſeyn, der Ton faͤllt zwiſchen gis̅̅ und ā̄.

Fig. 135, welche 2|I, und Fig. 136, welche 0|II (wo die Einbiegungen des aͤußern Kreiſes ſich an den Ecken der Scheibe befinden), vorſtellt, geben ganz einerley Ton, naͤhm - lich b̄̄; es laſſen ſich dieſe beyden Figuren, welches ich kaum vermuthet haͤtte, ſo verzerren, daß ein Uebergang von der einen zur andern Statt findet.

Fig. 137, welche 6|0 iſt, und Fig. 138. geben ganz einerley Ton, naͤhmlich d̄̄̄. Jch mag nicht entſcheiden, ob Fig. 138. eine Verzerrung von Fig. 137. iſt, oder etwa 3|I mit Linien, die ſich in der Mitte der Seiten befinden.

Fig. 139. und 140. ſtellen allem Anſehn nach 0|II auf andere Art, als in der 136ſten Figur vor, naͤhmlich ſo, daß ſich die Einbiegungen des aͤußern Kreiſes in der Mitte der Seiten befinden, der Ton iſt dis̅̅̅.

1|II zeigt ſich auf zweyerley Art, es kann naͤhmlich die durchgehende Linie von einer Ecke zur andern, Fig. 141, oder von der Mitte einer Seite zur entgegengeſetzten, Fig. 143, gehen; im erſten Falle iſt der Ton f̄̄̄, im zweyten ā̄̄. Von Fig. 143, welche uͤberhaupt ſelten etwas regelmaͤßig erſcheint, iſt Fig. 144. die gewoͤhnlichſte Verzerrung.

3|I mit Linien, die ſich an den Ecken der Scheibe endigen, Fig. 142, giebt fis̅̅̅.

Ob Fig. 145 und 146, welche nur als Abaͤnderung von einander verſchieden ſind, etwa 8|0 oder 4|I vorſtellen, mag ich nicht entſcheiden; der Ton iſt etwas hoͤher, als h̄̄̄.

2|II, Fig. 147, und deren gewoͤhnliche Verzerrung Fig. 148. geben d̄̄̄̄.

Fig. 149, deren Ton ē̄̄̄ iſt, ſoll vielleicht 9|0 vorſtellen.

Fig. 150. iſt vielleicht 3|II, wo die durchgehenden Linien ſich in der Mitte einer jeden Seite endigen, der Ton iſt f̄̄̄̄.

187

Fig. 151, welche ſich auch bisweilen wie Fig. 152. oder 153. zeigt, iſt 3|II auf eine ſolche Art, daß die durchgehenden Linien ſich an den Ecken der Scheiben endigen, der Ton iſt ḡ̄̄̄.

Ebenderſelbe Ton findet auch Statt bey 6|I, Fig. 154, welche ſich auch oͤfters wie Fig. 155. zeigt; ingleichen bey Fig. 156, welche letztere ich nicht gehoͤrig zu ordnen weiß.

Weiter habe ich die Figuren und Toͤne ſechseckiger Scheiben nicht beobachtet. Die Toͤne der Schwingungsarten 2|0, 3|0, (mit Linien, die in der Mitte der Seiten endigen, Fig. 129.) 4|0, 5|0, u. ſ. w. ſcheinen unter ſich ebenſowohl wie an runden Scheiben in den Verhaͤltniſſen der Quadrate von 2, 3, 4, 5 u. ſ. w. zu ſtehen. Die Toͤne der Schwingungs - arten, bey welchen ein Kreiß vorhanden iſt, oder 0|I, 1|I, 2|I, 3|I mit Linien, die ſich an den Ecken endigen, u. ſ. w. haben unter ſich ebenfalls ungefaͤhr die Verhaͤltniſſe der Quadrate von 2, 3, 4, 5 u. ſ. f. Bey den Schwingungsarten, wo 1 Kreiß, oder 2 Kreiſe (Fig. 136,) u. ſ. w. vorhanden ſind, ſcheinen die Toͤne ſich wie die Quadrate von 1, 2, 3 u. ſ. w. zu verhalten. Alles dieſes iſt ungefaͤhr, wie bey runden Scheiben, nur mit dem Unterſchiede, daß meiſtens der Ton tiefer iſt, wenn Knotenlinien ſich nicht an den Ecken endigen, als wenn bey eben ſo vielen Linien die Enden derſelben ſich an den Ecken befinden, weil im erſten Falle die Hervorragungen der Scheibe mitſchwingen, im zweyten aber nicht.

An ſechseckigen Scheiben ſind nur ſehr wenige Klangfiguren ſo beſchaffen, daß ſie, wenn man mehrere zuſammenſetzt, (ſo wie §. 118. an einer Quadratſcheibe gezeigt worden), zuſammenhaͤngende Muſter bilden.

  • Anm. Die Art, wie eine jede von dieſen Schwingungsarten einer gleichſeitig ſechseckigen Scheibe hervorzubringen iſt, habe ich, um nicht allzuweitlaͤuftig zu ſeyn, nicht beſonders gezeigt; es wird aber denen, die das, was uͤber die Hervorbringung der Schwingungsarten an andern Scheiben bisher geſagt worden iſt, gehoͤrig gefaßt haben, nicht ſchwer werden, auch hier die Stellen zu finden, wo die Scheibe gehalten und wo ſie geſtrichen werden muß. Das Halten muß hier eben ſo, wie an andern Scheiben, ſo viel als moͤglich, an einer ſolchen Stelle geſchehen, wo ſich zwey oder mehrere Knotenlinien durchſchneiden, und bey denen Schwingungsarten, wo keine ſolche Stelle vorhanden iſt, wird die Haltung mit den aͤußerſten Fingerſpitzen auf einer bloßen Linie geſchehen muͤſſen, und dieſe Schwingungsarten werden ſich weit ſchwerer hervorbringen laſſen. Jn einigen Faͤllen wird es auch vortheilhaft ſeyn, auf einer Knotenlinie noch eine andere Stelle, als die gehaltene, mit einer Fingerſpitze zu beruͤhren. Das Streichen geſchieht auch hier alle - mahl an einer der Haltungsſtelle benachbarten ſchwingenden Stelle des Randes, am beſten an einer Stelle, wo eine Einbiegung der Knotenlinien iſt. Bey einiger Uebung wird man leicht aufA a 2188einer Scherbe, an welcher man Verſuche anſtellen will, die in den Kupfertafeln dargeſtellten Figuren, noch ehe man ſie hervorbringt, als gegenwaͤrtig ſich vorſtellen, und ſo die Stellen des Haltens und Streichens beſtimmen koͤnnen.

VII. Schwingungen einer halbrunden Scheibe.

160.

Bey den Schwingungsarten einer halbrunden Scheibe zeigen ſich die Knotenlinien ſo, daß ſie entweder als durchgehende Linien, (welche auf einen Halbmeſſer der Scheibe Beziehung haben, wenn ſie ſich auch etwas verzerrt zeigen), oder als Halbkreiſe anzuſehen ſind. Die meiſten Figuren, beſonders die, wo Halbkreiſe ſich zeigen, ſind ſo beſchaffen, daß, wenn man zwey gleiche Figuren an gleich großen Scheiben zuſammenſtellt, eine Figur erſcheint, die ſich auch auf einer ganz runden Scheibe darſtellen laͤßt, wie ſich bey Ver - gleichung der auf der neunten Kupfertafel abgebildeten Figuren mit den verwandten Figuren einer runden Scheibe leicht wird erſehen laſſen.

161.

Die Tonverhaͤltniſſe halbrunder Scheiben ſind, wenn ich den tiefſten Ton, welchen die Scheibe bey Fig. 209. geben kann, als ungeſtrichen c anſehe, bey deren verſchiedenen Schwingungsarten, ſoweit ich ſolche beobachtet habe, ungefaͤhr folgende:

Zahl der Knotenlinien, welche auf Halbmeſſer Beziehung haben:
Zahl der Halbkreiſe:01234567
0Fig. 204 f205 dis̅ +206 c̄̄ 207 fis̅̅208 h̄̄
1Fig. 209 c210 dis̅ +211 c̄̄ +212 gis̅̅213 d̄̄̄ ḡ̄̄h̄̄
2214 +215 b̄̄216 ē̄̄217 ā̄̄218 cis̅̅̅̅ +f̄̄̄̄
3f̄̄̄b̄̄̄d̄̄̄̄ +fis̅̅̅̅
4dis̅̅̅̅ḡ̄̄̄
189

Jch vermuthete anfangs, daß auch eine Schwingungsart moͤglich ſeyn moͤchte, wo ſich nur 2 durchgehende (oder auf Halbmeſſer Beziehung habende) Linien zeigten, ungefaͤhr ſo, wie Fig. 211. ſeyn wuͤrde, wenn der Halbkreiß nicht zugegen waͤre, ich habe aber eine dergleichen Schwingungsart nie erhalten koͤnnen.

Die Toͤne der Schwingungsarten, wo blos auf Halbmeſſer ſich beziehende Knoten - linien vorhanden ſind, Fig. 204 208. ſind von den Quadraten der Zahlen 3, 4, 5, 6 u. ſ. w. nicht ſehr verſchieden. Wenn man ſich dieſe Reihe (ſo wie bey einer runden Scheibe) ganz von den uͤbrigen abgeſondert vorſtellt, ſo naͤhern ſich die Toͤne der uͤbrigen Schwingungsarten, wenn L die durchgehenden Linien, und K die Halbkreiſe bedeutet, den Verhaͤltniſſen der Quadrate von L + 2K, jedoch mit einiger Erweiterung der Jntervalle durch uͤberwiegenden Einfluß der Halbkreiſe, und Verengerung derſelben durch Anweſenheit mehrerer durchge - henden Linien.

162.

Auch an Scheiben, deren Geſtalt ein Quadrant, oder ein Sextant, oder uͤberhaupt ein Theil einer runden Scheibe iſt, zeigen ſich viele Figuren ſo, daß ſie einen Theil derjenigen ausmachen, die ſich auf einer runden Scheibe hervorbringen laſſen. Die Figuren haben meiſtens auch Beziehung auf Theile von Kreiſen, und auf Linien, die im Durchmeſſer oder im Halbmeſſer gehen.

VIII. Schwingungen gleichſeitig dreyeckiger und noch einiger andern Arten von Scheiben.

163.

Manche Klangfiguren einer gleichſeitig dreyeckigen Scheibe ließen ſich allenfalls nach der Zahl der Linien ordnen, die mit der Grundlinie beynahe eine parallele Richtung haben, und ſolcher Linien, welche gegen dieſe normal gehen; da aber viele Figuren nicht in dieſe oder in eine andere Art ſie zu ordnen, paſſen wollen, ſo erwaͤhne ich die von mir beobachteten Schwingungsarten nach der Tiefe und Hoͤhe ihrer Toͤne.

Den tiefſten Ton giebt Fig. 219, welche ſich auch eben ſo leicht als Fig. 220. zeigt. Jch werde dieſen Ton, in Beziehung auf die uͤbrigen, als eingeſtrichen c anſehen. Bey Fig. 223, welche auch leicht in Fig. 222. ſich umaͤndern laͤßt, iſt der Ton etwas hoͤher als cis;190 es findet aber von Fig. 219. zu Fig. 223. ein Uebergang Statt durch Fig. 220, 221, 222; der Ton, welcher beſonders bey der in Fig. 221. abgebildeten Stufe des Ueberganges ſehr rauh klingt, und ſich auf dieſe Art nur mit einiger Schwierigkeit hervorbringen laͤßt, wird immer hoͤher, je mehr die Klangfigur ſich Fig. 223, und immer tiefer, je mehr ſie ſich Fig. 219. naͤhert, der groͤßte Unterſchied betraͤgt uͤber einen halben Ton.

Bey Fig. 224 und 225, welche nur als Abaͤnderungen von einander verſchieden ſind, wird der Ton etwas hoͤher als dis̅̅ ſeyn;

  • bey Fig. 226. iſt er ungefaͤhr f̄̄;
  • bey Fig. 227, ā̄;
  • bey Fig. 228, welche ſich auch wie Fig. 229. oder 230. zeigen kann, iſt er d;
  • bey Fig. 231, und deren Verzerrungen Fig. 232 und 233. iſt er dis̅̅̅;
  • bey Fig. 234 und 235, ḡ̄̄;
  • bey Fig. 236, 237, 238, welche nur als Abaͤnderungen verſchieden zu ſeyn ſcheinen, ingleichen bey Fig. 239. iſt er b̄̄̄;
  • bey Fig. 240, 241, 242, iſt er dis̅̅̅̅;
  • bey Fig. 243, g.

164.

Alle Klangfiguren gleichſeitig dreyeckiger Scheiben bilden bey gehoͤriger Zuſammen - ſtellung mehrerer mit einerley Klangfigur verſehenen Scheiben zuſammenhaͤngende bisweilen ſehr ſonderbare Muſter. Manche zuſammengeſetztere Klangfiguren laſſen ſich auch darſtellen, wenn man vier mit einer einfacheren Klangfigur verſehene kleinere Scheiben ſo zuſammenſtellt, daß ſie ein groͤßeres gleichſeitiges Dreyeck bilden, wie es in der 244ſten Figur gezeigt iſt. So kann z. B. Fig. 229. auch durch Zuſammenſetzung von 4 kleinern Scheiben, die mit Fig. 219. verſehen ſind, und Fig. 243. durch Zuſammenſtellung von 4 Scheiben, worauf ſich Fig. 226.191 befindet, entſtehen. So erſcheint z. B. Fig. 237. auch, wenn man eine Scheibe, worauf Fig. 226. befindlich iſt, in die Mitte, und drey andere, worauf ſich Fig. 223. befindet, um dieſe herum legt. Theile eines gleichſeitigen Dreyecks geben meiſtens Figuren, die als Theile der Figuren eines ſolchen Dreyecks anzuſehen ſind, nur behalten ſolche Figuren nicht unter ſich eben dieſelben Tonverhaͤltniſſe. An einer Scheibe, deren Geſtalt ein Trapezium iſt, welches durch Wegnahme des vierten Theils von einem gleichſeitigen Dreyecke entſteht, (Fig. 245.) fand ich die Figuren faſt eben ſo, wie an einem ſolchen Dreyecke, nur ohne den Theil der Figur, welcher ſich an der einen Spitze deſſelben befindet. Scheiben, deren Geſtalt ein recht - winklich Dreyeck iſt, welches entſteht, wenn man ein gleichſeitiges Dreyeck gegen eine Seite normal ſchneidet, Fig. 246, geben ebenfalls verſchiedene Figuren, welche die Haͤlfte derer ſind, die ſich auf einem gleichſeitigen Dreyecke hervorbringen laſſen. Manche Figuren, die ſich bey Zuſammenſetzung zweyer gleichſeitigen mit einerley Klangfigur verſehenen Dreyecke zeigen, laſſen ſich auch auf einer eben ſo geſtalteten rhombenfoͤrmigen Scheibe, Fig. 247, darſtellen. Von den vorher erwaͤhnten Klangfiguren einer gleichſeitig ſechseckigen Scheibe laſſen ſich nur aͤußerſt wenige durch eine Zuſammenſtellung von 6 gleichſeitig dreyeckigen Schei - ben hervorbringen, naͤhmlich nur

  • Fig. 136 durch eine 6 mahlige Zuſammenſtellung von Fig. 219,
  • 139222,
  • 150237.

IX. Noch etwas uͤber muſicaliſch practiſchen Gebrauch der Scheiben.

165.

Jn unſern Gegenden werden meines Wiſſens Scheiben auf keine andere Art zu mu - ſicaliſchen Abſichten angewendet, außer daß man bisweilen etwas breitere rectangelfoͤrmige Streifen von Holz, Metall oder Glas zu der ſchon in der Anmerkung zu §. 82. erwaͤhnten Strohfiedel (carrillon oder claquebois) anwendet, welche mit 2 Kloͤppeln in ihrer Mitte geſchlagen oder auch, wenn man will, mit einer Taſtatur geſpielt werden koͤnnen. Die Schwin - gungsart iſt dabey wie bey Fig. 47, oder wie es an einem Stabe in der 24ſten Figur iſt gezeigt worden. Jn China bedient man ſich eines muſicaliſchen Jnſtrumentes, welches King genennt wird, und aus 16 oder mehreren Scheiben von einer ſchiefrigen Steinart beſteht, die wie Fig. 248,192 geſtaltet ſind. Die Verhaͤltniſſe der Dimenſionen ſolcher Scheiben ſind folgende: cd = 2, be = 3, ab = 6, ac = 9. Es wird eine Linie gezogen, die mit c a parallel geht, in einer Entfernung, welche die Haͤlfte von c d betraͤgt, und eine andere Linie mit a b parallel, in einer Entfernung, welche die Haͤlfte von e b betraͤgt; an der Stelle n, wo die beyden Linien ſich durchſchneiden, wird ein Loch durchgebohrt, an welchem die Scheibe aufgehaͤngt wird. An der mit g bezeichneten Stelle werden die Scheiben mit Kloͤppeln geſchlagen. Jn den Mémoires concernant les Chinois, tom. VI. redigé par Amiot, p. II. p. 255. etc. wie auch im Anhange: Essai sur les pierres sonores wird dieſes Jnſtrument weitlaͤuftiger beſchrieben; und in der dritten und 28ſten Kupfertafel abgebildet; auch in der Histoire générale de la Chine. tom. XIII. redigé par Grossier, Par. 1785. p. 300, und in der dabey befindlichen Abhandlung von der Chineſiſchen Muſik S. 772. finden ſich weitere Nachrichten davon. An Glasſcheiben von derſelben Geſtalt fand ich, daß die Knotenlinien ſich ſo, wie bey Fig. 249. zeigten, es iſt alſo das Loch, woran die Scheibe aufgehaͤngt wird, ganz an der rechten Scelle; auch die, wo das Anſchlagen geſchieht, iſt die ſchicklichſte dazu.

Achter Abſchnitt. Schwingungen einer Glocke, und uͤberhaupt einer gekruͤmmten Flaͤche.

166.

Die Schwingungen einer Glocke oder eines runden Gefaͤßes ſind ganz ſo beſchaffen, wie die im 135ſten §. beſchriebenen Schwingungen einer runden Scheibe, bey welchen ſich ſternfoͤrmige Figuren zeigen. Es kann ſich naͤhmlich eine Glocke in 4, 6, 8 oder nachdem ſie groß und duͤnn genug iſt, uͤberhaupt in eine gerade Zahl von ſchwingenden Theilen eintheilen, welche durch Knotenlinien von einander getrennt ſind, die ſich alle oben, wo der Stiel oder der Hals der Glocke iſt, durchſchneiden.

193

167.

Bey dem Anſchlagen einer Glocke hoͤrt man vorzuͤglich den tiefſten Ton, deſſen ſie faͤhig iſt, aber außerdem auch bey gehoͤriger Aufmerkſamkeit gewoͤhnlich noch ein Gemiſch von hoͤhern, meiſtens ſehr unharmoniſchen Toͤnen; man kann aber jeden Ton, der an einer Glocke Statt findet, einzeln hervorbringen, wenn man eine oder mehrere Stellen, auf welche bey der verlangten Bewegungsart eine Knotenlinie fallen muß, mit den Fingern oder auf eine andere Art haͤlt oder daͤmpft, und in der Mitte eines ſchwingenden Theils mit dem Violin - bogen in der Richtung des Durchmeſſers ſtreicht. Um die Beſchaffenheit der Schwingungs - art ſichtbar zu machen, iſt das vorher erwaͤhnte Aufſtreuen des Sandes nicht recht brauchbar, weil die Flaͤche nicht gerade, ſondern gekruͤmmt iſt, es wird alſo zu dieſer Abſicht beſſer ſeyn, wenn man die Glocke oder das Gefaͤß mit Waſſer zum Theil anfuͤllt, welches, nachdem man die erſte oder die zweyte, oder irgend eine andere Schwingungsart hervorbringt, von vier, von ſechs, oder mehreren ſchwingenden Theilen nach innen geſtoßen wird. Es zeigt ſich dieſe Erſchuͤtterung der Oberflaͤche des Waſſers auch nach außen, wenn die Glocke in einem geraͤu - migern Gefaͤße unterwaͤrts in Waſſer eingetaucht iſt. Wenn man auf die Oberflaͤche des Waſſers etwas Hexenmehl (pulvis lycopodii) ſtreuet, ſo laͤßt ſich dadurch die Wuͤrkung der Schwingungen auf eine bleibendere Art ſichtbar machen, und es entſteht eine Figur, welche auf die Zahl der Theile, in welche ſich die Glocke eintheilt, Beziehung hat.

168.

Die einfachſte Schwingungsart, welche den tiefſten Ton giebt, laͤßt ſich am beſten ohne Beymiſchung anderer hervorbringen, wenn man die Glocke oder das Gefaͤß an zwey gegen einander uͤber befindlichen Stellen mit den Spitzen der Finger haͤlt, und an einer Stelle, die von den gehaltenen Stellen um 45 oder 135 Grade entfernt iſt, in der Richtung des Durch - meſſers mit dem Violinbogen ſtreicht. Z. B. wenn die Glocke Fig. 250. bey m und n gehal - ten, oder auch zugleich an einer Stelle auf der Linie p q beruͤhrt wird, ſo muß nach der Richtung c f oder g h geſtrichen werden. Die 4 Quadranten q f n, n g p, p c m, m h q ſchwingen, wie ich es ſchon an einer Scheibe gezeigt habe, ſo, daß zugleich zwey gegen einander uͤber befindliche ſich nach innen, die beyden andern aber nach außen bewegen, und ſo umge - kehrt, wobey alſo die Linien m n und p q ruhig bleiben, und die Rundung der Glocke ſich abwechſelnd wie Fig. 251. a und b veraͤndert. Wenn eine Glocke oder ein Gefaͤß zum TheilB b194mit Waſſer angefuͤllt iſt, ſo zeigt ſich die Erſchuͤtterung des Waſſers durch die 4 ſchwingenden Quadranten auf der Oberflaͤche deſſelben wie Fig. 252.

169.

Eine Harmonika-Glecke, die ſich um ihre Axe dreht, und durch Anhalten eines naſſen Fingers oder einer andern hierzu tauglichen Materie in eine ſchwingende Bewegung geſetzt wird, oder auch ein anderes rundes glaͤfernes Gefaͤß, das auf dieſe Art nicht weit vom Rande in der Richtung ſeines Umkreiſes gerieben wird, theilt ſich ebenfalls in vier ſchwingende Theile ein, welche aber jeden Augenblick ihre Stelle veraͤndern, und ſich um den ganzen Umfang der Glocke fortſchieben. Die Schwingungsart und der Ton ſind alſo ebendieſelben, als wenn die Glocke geſchlagen, oder ſo, wie ich es jetzt erwaͤhnt habe, mit dem Violinbogen geſtrichen wuͤrde, aber in Anſehung der Stelle, wo die Bewegung hervorgebracht wird, zeigt ſich ein Unterſchied. Bey der vorher erwaͤhnten Art, den Klang hervor zu bringen, iſt da, wo das Streichen mit dem Violinbogen oder das Anſchlagen geſchieht, ungefaͤhr die Mitte eines ſchwingenden Theils, und die feſten Linien ſind ungefaͤhr 45 Grad davon entfernt; aber bey dieſer Art der Reibung in der Richtung der Peripherie iſt da, wo der Finger oder uͤber - haupt die reibende Materie angehalten wird, eine feſte Linie; es wird naͤhmlich das Stuͤck der Glocke Fig. 253, wo die Reibung nach der Richtung m n geſchieht, dadurch genoͤthigt, abwechſelnd die Lagen f g und p q anzunehmen. Wenn eine Harmonica-Glocke ihren Klang gehoͤrig geben ſoll, und man wollte ſie an mehr als einer Stelle zugleich beruͤhren, ſo duͤrfte dieſe Beruͤhrung nur an Stellen, die einander gegenuͤber, oder die um 90 Grad von einander entfernt ſind, geſchehen, indem ſonſt entweder gar kein Klang, oder nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde ein anderer Klang erfolgen wuͤrde.

  • Anm. Nur ſolche Glecken oder runde Gefaͤße, die aus Glas, oder einer glasaͤhnlichen Materie, z. B. Porcellan, beſtehen; oder die wenigſtens eine glasartige Oberflaͤche haben, koͤnnen durch Reibung mit naſſen Fingern in ſchwingende Bewegung geſetzt werden. An metallenen Glocken oder Gefaͤßen, wenn ſie auch noch ſo glatt ſind, iſt doch die Oberflaͤche nicht ſo beſchaffen, daß ein naſſer Finger auf dieſe Art gehoͤrig haften koͤnnte. Wollte man eine metallene Glocke auf dieſe Art zu ſchwingen noͤthigen, ſo muͤßte die aͤußere Oberflaͤche nahe am Rande ſo glatt als moͤglich ſeyn, und nicht benetzt, ſondern ſowohl wie die reibende Materie mit Geigenharz oder andern Harzſtaube beſtrichen werden; bey ſolchem Verfahren wuͤrde aber der Klang weit rauher ausfallen, als bey dem Reiben einer glaͤſernen Glocke mit naſſen Fingern.
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170.

Der Bau einer Harmonika wird oͤfters dadurch ſehr erſchwert, daß viele Glocken nicht genau an allen Stellen einerley Ton geben, wovon der Grund an einer Ungleichheit der Dicke, oder an einer Schiefheit u. ſ. w. liegen kann. Es iſt naͤhmlich der Ton ganz anders, wenn die Stelle, wo der Fehler ſich befindet, in der Mitte eines ſchwingenden Theiles iſt, als wenn auf dieſe Stelle eine feſte Linie faͤllt. Am beſten laͤßt ſich dieſes erlaͤutern, wenn man eine porzellanene Taſſe, die einen Henkel hat, mit dem Violinbogen in der Richtung des Durchmeſſers ſtreicht. Geſchicht das Streichen an der Stelle, wo der Henkel iſt, oder ihm gegenuͤber, oder an einer um 90 Grad davon entfernten Stelle, ſo theilt ſich dieſes Gefaͤß wie Fig. 254, und es ſchwingt der Henkel mit aus und einwaͤrts, der Ton iſt alſo tiefer, als wenn man an einer Stelle ſtreicht, welche 45 oder 135 Grade von dem Henkel entfernt iſt, wobey ſich das Gefaͤß wie bey Fig. 255. abtheilt, und an der Stelle des Henkels eine feſte Linie iſt. Der Unterſchied kann bey einer gewoͤhnlichen Porzellan-Taſſe etwa einen halben Ton, oder auch etwas mehr betragen; bey einer fehlerhaften Harmonika-Glocke iſt er zwar weit geringer, aber doch hinlaͤnglich, um wegen des abwechſelnd zu hoͤrenden hoͤhern und tiefern Tones, welcher bey jeder Umdrehung der Glocke um ihre Axe 8mahl abwechſelt, eine ſehr unangenehme Schwebung zu bewuͤrken. Oefters laͤßt ſich dieſer Fehler durch Abſchleifung gewiſſer Stellen wegſchaffen.

  • Anm. Wenn an Glocken, die zum Laͤuten oder Anſchlagen gebraucht werden, ſich ein Fehler dieſer Art zeigt, ſo koͤnnen ſie doch einen reinen Klang gehen, wenn man die Einrichtung triſt, daß der Kloͤppel oder Hammer nur an ſolche Stellen anſchlagen kann, wo entweder der etwas hoͤhere oder der etwas tiefere Ton deutlich gehoͤrt wird, wobey man auch an einer ſchicklichen Stelle, etwa 45 oder 135 Grade von der, wo die Glocke angeſchlagen wird, Daͤmpfungen anbringen kann, um ſowohl das Mitklingen des andern Tones, als auch das Mitklingen der nachher zu erwahnen - den Toͤne, bey welchen ſich die Glocke in mehrere Theile theilt, zu verhindern. Wenn eine zum Laͤuten oder Anſchlagen beſtimmte Glocke einen Riß bekommen hat, ſo wer - den durch die Aufhebung des unmittelbaren Zuſammenhanges, noch mehr aber durch die Stem - mungen der getrennten Theile gegen einander die Schwingungen ſehr erſchwert, und es entſteht ein unreiner, und ſchwirrender Klang; in den meiſten Faͤllen[laͤßt]ſich dieſem Uebel abhelfen, wenn man die Stelle, wo der Riß iſt, bis zu deſſen Ende ausfeilte wodurch meiſtens ein wo nicht immer ganz vollkommener, doch wenigſtens brauchbarer Klang hergeſtellt wird.
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171.

Außer der jetzt erwaͤhnten Schwingungsart ſind an Glocken oder runden Gefaͤßen noch mehrere moͤglich, in ſo weit naͤhmlich deren Groͤße und Duͤnnheit ſolches verſtattet. Bey der zweyten Schwingungsart, wo der Ton gewoͤhnlich ungefaͤhr um eine Octave und einen ganzen Ton hoͤher iſt, als bey der erſten, theilt ſich die Glocke in ſechs ſchwingende Theile, eben ſo wie eine runde Scheibe bey ihree zweyten Schwingungsart, Fig. 100. Zu Heroerbringung dieſes Klanges ſtreicht man die Glocke mit dem Violinbogen in der Richtung ihres Durch - meſſers an einer Stelle, die ungefaͤhr 90 Grade von einer durch Haltung oder Beruͤhrung beſtimmten feſten Linie entfernt iſt; man kann auch zwey Stellen, die etwa 60 Grade von einander entfernt ſind, zugleich beruͤhren. Die Glocke ſchwingt dabey abwechſelnd ſo, wie es Fig. 256. a und b gezeigt iſt. Wenn man die Glocke zum Theil mit Waſſer angefuͤllt hat, zeigt ſich die Wuͤrkung der Schwingungen auf der Oberflaͤche deſſelben, wie Fig. 257. An einer etwas großen Harmonika-Glocke laͤßt ſich dieſe Schwingungsart darſtellen, wenn man ſie an zwey Stellen, welche 60 Grade von einander entfernt ſind, zugleich mit naſſen Fingern beruͤhrt. Bey der dritten Schwingungsart theilt ſich die Glocke in 8 Theile ein, ſo wie es an einer runden Scheibe bey Fig. 101. a gezeigt iſt, der Ton iſt ungefaͤhr um eine Septime hoͤher als der zweyte; man muß, wenn er zum Vorſchein kommen ſoll, zwey Stellen, die um den 8ten Theil der Peripherie von einander entfernt ſind, zugleich beruͤhren oder daͤmpfen, und an einer ſchicklichen Stelle ſtreichen. So kann ſich eine Glocke oder ein dergleichen Gefaͤß auch in 10, 12 oder in mehrere ſchwingende Theile eintheilen. Die Folge der moͤglichen Toͤne bey dieſen Schwingungsarten verhaͤlt ſich gewoͤhnlich, wie die Quadrate der Zahlen 2, 3, 4, 5 u. ſ. w. Wenn ich alſo das ungeſtrichene c als den tiefſten Ton einer Glocke anſehe, ſo werden die moͤglichen Toͤne gewoͤhnlich folgende ſeyn:

Zahl der Theile, in welche ſich die Glocke eintheilt:4681012
Toͤne:cc̄̄gis̅̅ d̄̄̄
Zahlen, mit deren Quadraten die Toͤne uͤbereinkommen:23456

u. ſ. w.

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Jedoch iſt dieſe Tonfolge wegen Verſchiedenheiten der Geſtalt der Glocken oder Gefaͤße, wie auch wegen Verſchiedenheiten der Dicke nach dem Halſe oder weiter nach dem Rande zu manchen Veraͤnderungen unterworfen, ſo daß z. B. der zweyte Ton von dem erſten bey manchen klingenden Koͤrpern dieſer Art kaum um eine Octave, bey andern auch wohl um eine Decime oder etwas mehr verſchieden ſeyn kann, in welchen Faͤllen auch die Abſtaͤnde der uͤbrigen Toͤne von einander verhaͤltnißmaͤſtig mehr oder weniger verengert oder erweitert werden. Bey den meiſten Glocken oder runden Gefaͤßen zeigen ſich aber die Toͤne in den hier angege - benen Verhaͤltniſſen ohne betraͤchtliche Abweichung.

  • Anm. Die Folge der Toͤne, welche an einer Glocke oder an einem runden Gefaͤße Statt finden, und die Art, wie ſich die Eintheilung in 4, 6, oder mehrere Theile durch Waſſer ſichtbar machen laͤßt, habe ich in meiner Schrift: Entdeckungen uͤber