PRIMS Full-text transcription (HTML)
Virginia oder die Kolonie von Kentucky.
Mehr Wahrheit als Dichtung.
Herausgegeben vonJerta.
Zweiter Theil. Mit einem Kupfer von Bollinger.
Berlin,beiAuguſt Ruͤcker. 1820.
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Virginia, oder die Kolonie von Kentucky. Zweiter Theil.

Zweiter Theil. [1][2][3]

Virginia an Adele.

Sey gegruͤßt, tauſend Mahl gegruͤßt aus der neuen Welt, meine Adele! Es iſt ein eigenes Gefuͤhl mit den Einwohnern eines andern Welt - theils zu reden, und es faͤllt mir auf Augen - blicke ordentlich ſchwer aufs Herz, daß ich nun bei keiner Lebensverrichtung mehr denken kann, jetzt thut vielleicht Adele daſſelbe. Wenn ich, von Gegenſtand zu Gegenſtand, betrachtend, irre, und dabei Deiner gedenke, ſo ſchlaͤfſt Du, und mein Bild begegnet Dir nur in Deinen Traͤu - men. Wenn mir die Sonne ſtrahlend aus dem Meere aufgeht, und mich mit neuer Lebensluſt durchſtroͤmt, rufe ich Dir ſanften Schlummer zu, und wenn ſie ſinkt hinter die fernen blauen Gebirge, bringe ich ihr meinen Morgengruß*4fuͤr Dich. O, wie iſt Alles um uns her ſo ver - ſchieden! und doch denke ich, bleiben wir einig und unveraͤnderlich. Goͤttliche Abkunft der Gei - ſter! ſie ſind unabhaͤngig von Raum und Zeit.

Der Anblick meines neuen Vaterlandes iſt mir gar fremd und wunderſam geweſen. Die Kuͤſten Europa’s ſind meiſt unbewachſen, und bie - ten faſt uͤberall einen offenen Landſtrich dar; hier ziehen ſich die dunkeln Urwaͤlder noch haͤufig bis an das Meer hin, die Kuͤſten ſind bewach - ſen, buſchig, der Eindruck romantiſch, aber ernſt. Die Ufer des Delaware ſind mit Staͤdten und Anſiedelungen geſchmuͤckt, und uͤberall herrſcht Fleiß und Thaͤtigkeit, doch vermißte ich jene Lebendigkeit ſehr, welche mich an meiner hei - miſchen Kuͤſte ergetzte.

Philadelphia iſt groß und ſchoͤn, und die Regelmaͤßigkeit ſeiner Anlagen, ſpricht ſogleich deutlich den Geiſt der Ordnung und Geſetzlichkeit aus, welcher hier herrſcht. Elliſon hat mich in ſeine Familie eingefuͤhrt, in welcher ich mit patriar - chaliſchem Wohlwollen empfangen wurde. Da ich meinen Aufenthalt wenigſtens auf laͤngere Zeit hier zu nehmen gedenke, ſo will ich Dich5 mit den Perſonen bekannt machen, mit wel - chen ich lebe. Elliſon, der Vater, iſt ein klei - ner hagerer Mann, mit klugen Augen, ein thaͤtiger Kaufmann und meiſt nur auf dem Comptoire einheimiſch. Jn Geſchaͤften mag er gern den Karakter als Quaͤcker behaup - ten, ob er gleich ſich ſonſt, in Kleidung und Sitte, nicht an ihre ſtrengen Regeln haͤlt, und nur hoͤchſt ſelten ihre Verſammlungen beſucht. Seine Frau iſt eine wohlbeleibte le - bendige Matrone, welche die herrlichſten weib - lichen Eigenſchaften einzig durch eine zu ſtarke Beimiſchung von Pedanterie verdunkelt. Sie iſt wirthſchaftlich, aber ein zu viel verbrann - ter Schwefelfaden entflammt ihren heftigſten Zorn, ein zu kurz geputztes Licht, ein nicht ganz gerade gezogenes Rouleau, veranlaſſen ihre Ordnungsliebe zu den laͤngſten Strafpre - digten. Jhre Waͤſche iſt, nach loͤblicher Sitte, numerirt; aber ſie wuͤrde lieber nackt gehn, als zu einer Schlafhaube Nr. 15 ein Hemde Nr. 14 anziehen, oder Nr. 4 auf Nr. 2 folgen laſſen. Neulich brach uͤber ihre Tochter ein ge - waltiges Ungewitter los, weil es ſich entdeckte,6 daß ſie in ihrer Taſche No. 9 ein Schnupf - tuch No. 10 trug. Sogleich wurde eine Re - viſion ihrer Waͤſche verhaͤngt, es fand ſich nun daß auch die Struͤmpfe mit No. 10. bezeichnet waren, Sturm und ſtarker Unwille brachen aus. Die arme Verbrecherinn vertheidigte ſich verge - bens damit, daß ſie unverſehenes in eine Pfuͤtze getreten, und dabei vor Schreck ihr Tuch habe fallen laſſen. Sie haͤtte ſogleich auch das erſt vor zwei Stunden angezogene Hemde wechſeln, und Taſche, Halstuch, Schlafhaube u. ſ. w. unge - braucht in die Waͤſche liefern ſollen. Bei Ge - legenheit des Beſchmutzens, erfolgte eine neue Predigt uͤber die geziemende Ehrbarkeit, da es nicht wohl denkbar ſey, daß, wenn man den Blick immer feſt auf den Boden hefte, man eine Pfuͤtze uͤberſehen ſollte. Das gute Maͤd - chen, die einzige Tochter des Hauſes, lei - det vorzuͤglich von der Pedanterie ihrer Mut - ter. Es iſt ein liebes, frohes Geſchoͤpf von Deinem Alter, eine bildſchoͤne Blonde Na - mens Philippine. Sie freut ſich am meiſten uͤber meine Anweſenheit, welche ihr manche Er - leichterung verſchafft. Elliſon, der Sohn, hat7 mich ihr auf das angelegentlichſte empfohlen; ſie liebt ihren Bruder uͤber Alles, und er verdient es in der That. Wenn ich ihn in die - ſen Umgebungen betrachte, ſo ſtellt er ſich als eine ſchoͤne fremde Erſcheinung dar, und man bemerkt nur an der Liebe, womit ihn Alle um - faſſen, und womit er Allen begegnet, daß er Sohn des Hauſes iſt. Die ganze Familie macht die Bemerkung, daß er dieß Mahl heiterer als jemahls von ſeiner Reiſe heimgekehrt ſey, und man ſcheint ſich dabei, faſt mit einer Art von Dankbarkeit, gegen mich zu neigen, was mich etwas verlegen macht. Seit einigen Tagen hat ſich die Scene um etwas veraͤndert, und macht eine eigene Wirkung auf mich.

Jch fand es, nachdem ich gehoͤrig Beſcheid zu wiſſen glaubte, fuͤr gut, eines Morgens mich mit dem Jnhalte des bewußten Kaͤſtchens zu Vater Elliſon auf das Comptoir zu begeben, um ſol - chen bei ſeiner Ehrlichkeit und Jnduſtrie unter zu bringen. Er war uͤberraſcht, und nahm mich recht wohlbehaglich auf. Eine volle Stunde unterhielt er mich von den verſchiedenen Fonds, in welchen die Gelder, mit anſehnlichem Vortheil,8 arbeiten koͤnnten. Jch bat ihn, die Angelegen - heit zwiſchen uns beruhen zu laſſen, glaube aber ſchwerlich, daß er im Stande geweſen iſt, ſein Wort puͤnktlich zu erfuͤllen. Seitdem iſt ſein gaſtfreundlicher Ton viel ruͤckſichtlicher ge - worden. Sein anfaͤngliches Anſehn von Wohl - wollen iſt in eine Art von Ehrerbietigkeit uͤber - gegangen, welches jedem bemerklich werden muß. Mutter Elliſon uͤberhaͤuft mich mit Liebkoſun - gen, und iſt gegen ihre Gewohnheit ſinnreich, mir Zerſtreuungen zu verſchaffen. Sie veranlaßt kleine Spazierfahrten mit ihrem Sohn und ih - rer Tochter, und fordert die letztere taͤglich auf, hier und dorthin mit mir zu gehen, um mir dieß und das zu zeigen. Philippine macht mit Entzuͤcken von dieſer neuen Freiheit Gebrauch, und liebt mich aufrichtig, als die Schoͤpferinn ihrer Freuden. Nur William Elliſon iſt nicht ſo heiter als bisher; eine truͤbe Wolke lagert auf ſeiner Stirn, und ein fremdes Etwas, ſcheint zwiſchen uns getreten zu ſeyn. Geſtern, als wir am Ufer des Delaware ſpazieren fuhren, blickte er lange ſchweigend dem Fluſſe entgegen. So nachdenkend William? ſagte ich, und legte die9 Hand auf ſeinen Arm. Er fuhr aus ſeinen Traͤumen auf, preßte meine Hand, und ſagte wie erſt halb erwacht: Waͤre unſer Waſhington dort untergegangen! Schoͤn, rief Philippine lachend, dann koͤnnten wir uns heute nicht der lieblichen Winterlandſchaft erfreuen. Doch, ſagte er nach ſeiner lakoniſchen Weiſe, Virginia iſt leicht, ich ſchwimme gut. Wir ließen das Ge - ſpraͤch fallen. Guter William! daß Virginia mehr gerettet, als das nackte Leben, das ſcheint dir ein Hinderniß deiner Wuͤnſche? O, waͤre nichts als das, zartſinniger Mann, ich wuͤrde es freudig in den Fluß werfen, und mich in deinen Arm.

Aber es thuͤrmt ſich eine andere Scheide - wand zwiſchen uns auf, welche du nicht ſiehſt, nicht ahndeſt, die ich ſelber hinweg ſchieben moͤchte, die aber nur ſtaͤrker wird, ſo oft ich Hand daran legen will. Sieh, William iſt ſo lieb und gut, ich achte ihn hoch, ich habe ihn ſo gern, ich kann mir ſtundenlang denken, wie gluͤcklich eine Gattinn mit ihm leben wird; aber wenn mir dann einfaͤllt, daß ich dieſe Gattinn ſeyn koͤnnte, dann verſinkt ploͤtzlich, wie durch10 einen Zanberſchlag, das ganze Gemaͤhlde, und Mu - cius Bild erſcheint auf derſelben Stelle, und droht mir mit wehmuͤhtigem Laͤcheln. Ja Mucius ich bin dein! du haſt recht! fuͤr die Ewigkeit! ſo ſprachen wir. Guter William, ich kann nim - mer die Deine ſeyn. Wenn ich meine erſten Schwuͤre braͤche, welche Buͤrgſchaft haͤtteſt du fuͤr die zweiten?

Das Leben hier ſagt mir recht wohl zu, nur fuͤr die Laͤnge mag es in der Stadt ein wenig langwetlig werden. Die Geſellſchaft der Freunde, woraus der groͤßere Theil der Einwohner be - ſteht, ſind ſehr brave rechtliche Menſchen, nur etwas zu pedantiſch in ihren Sitten. Jch ſtimme den meiſten ihrer Grundſaͤtze und Einrichtun - gen mit inniger Ueberzeugung bei, kann aber durchaus nicht begreifen, warum der Geiſt der Froͤhlichkeit damit unvereinbar ſeyn ſollte. Kann es dem hoͤchſten Weſen wohlgefaͤllig ſeyn, auf lauter ernſte oder traurige Geſichter zu blicken, und koͤnnen Tanz und Spiel der wahren Tugend zuwider ſeyn? Daß doch des Menſchen Wahn11 immer auf Uebertreibungen faͤllt, er in ſeinem gei - ſtigen Stolze nicht auf die Winke ſeiner Lehre - rinn, der Natur, achtet! Das hoͤchſte Gluͤck wel - ches ich hier finde, iſt die voͤllige Freiheit der Meinungen. Niemahls hoͤrt, man weder einen religioͤſen noch politiſchen Streit; ein jeder ſagt ohne Ruͤckhalt ſein Urtheil, und hoͤrt ruhig ein entgegengeſetztes an. Es iſt moͤglich daß du recht haſt, ſagt der eine, mir ſcheint es jedoch ſo, aber ich kann irren; der andre aͤußert ſich eben ſo, und kein Tropfen Wermuth faͤllt in den Becher der Freundſchaft. Dieſe Maͤßi - gung iſt um ſo bewundernswuͤrdiger im gegen - waͤrtigen Augenblick, wo der Krieg und die daraus entſprungenen Ungluͤcksfaͤlle, die Gemuͤther mehr als gewoͤhnlich ſpannen. Nur unter dieſem ru - higen Volke, konnte die Freiheit ihren Sitz auf - ſchlagen, ohne daß ihr Weg mit Blut bezeignet wurde. Mir iſt als ob ich hier ausruhte, von all dem Weh, welches mein armes Herz in den letzten Jahren unaufhoͤrlich beſtuͤrmt hat, als ob ich nach langer Pilgerſchaft, Quarantaine hielte. Dieſe iſt freilich nicht ſehr ergetzlich, aber ſie ſichert die Geſundheit, und deßhalb ſey ſie mei -12 nem Geiſte willkommen. Zwar ſchuͤttelt er oft ungeduldig die Schwingen, und will mich hin ziehen und tragen, zu jener erhabenen Bundes - ſtadt, wo ſich das neue Kapitolium baut, zu Schutz und Huth der koͤſtlichen Freiheit. Aber ach! die Gothen aus Albion, haben Frevlerhaͤnde, an die entſtehenden Heiligthuͤmer gelegt, und wei - len noch immer in die Naͤhe. Tief wird dieß hier empfunden, doch hofft man bald den Frieden hergeſtellt zu ſehn, und die empfangenen Wun - den zu heilen. Wie aber auch Europa ſich dage - gen ſtraͤuben mag, die neue Welt wird, in kur - zen, zur rieſenſtarken Manneskraft gelangen, und wehe Europa, wenn ſie jemahls den Gedan - ken faßt, die Beleidigungen zu raͤchen, welche ihre Kindheit erfuhr. Nicht der Norden allein iſt frei, auch im Suͤden ſchuͤttelt man die uͤber - ſeeiſchen Ketten ab. Wenige Jahre noch, und das Panier der Freiheit weht von der Hudſons - bay bis zur Magellaniſchen Meerenge, und un - ter ſeinem Schatten bluͤhen Wiſſenſchaften und Kuͤnſte, aus allen uͤbrigen Weltgegenden dahin verpflanzt.

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Das neue Jahr iſt hier mit viel ſchoͤnen Hoffnungen und tauſend guten Wuͤnſchen begon - nen worden. Jch hatte am erſten Tage deſſel - ben, eine lange Unterredung mit William, welche unſern unſichern Standpunkt gegen einander, wieder einiger Maßen feſtgeſtellt hat. Er ſchickte mir am Morgen, nach der Sitte meines Vater - landes, einen großen Korb voll der auserleſen - ſten Treibhausfruͤchte und Blumen; ich hatte ihm dagegen, ſo wie der uͤbrigen Familie, einige kuͤnſtliche Arbeiten verfertigt, welche hier noch neu waren, und viel Bewunderung erregten. Sehr natuͤrlich hatte er das vorzuͤglichſte er - halten. Er kam, mir mit vieler Freude zu dan - ken. Es iſt fuͤr meine Verbindlichkeit und fuͤr meinen guten Willen ſehr wenig, ſagte ich ab - lehnend, ich wollte, ich koͤnnte mehr fuͤr ſie thun. Sie koͤnnen nicht? fragte er. Ach, ſie koͤnnten unendlich viel gewaͤhren, wenn ich nur wuͤnſchen duͤrfte. Hoͤren ſie, William, ſagte ich, ſie haben ſich mir zum Bruder erboten, ſo laſſen ſie uns auch geſchwiſterliches Vertrauen bewahren. Geſchwiſterliches? ſagte er kleinlaut. Ja, fuhr ich fort, als Schweſter will ich jetzt14 mit Jhnen reden. Alles was ich habe und be - ſitze, habe ich durch Sie gerettet, und ich lege nur in ſo fern einigen Werth darauf; ſonſt weiß ich die Zufaͤlligkeit der Erdenguͤter zu wuͤr - digen, und ſchaͤtze nichts als den Geiſt. Jch kenne den ihrigen, der meinige iſt ihm ver - wandt. (Er ruͤckte mir freudig naͤher.) Es gibt aber der verwandten Geiſter mehr, fuhr ich fort, und die erſten Bande, duͤrfen nicht durch ſpaͤtere geloͤſet werden. Fruͤhere Bande? rief er erſchrocken. Nein, nein, unmoͤglich, wie haͤtten ſie da ihr Vaterland ſo willig verlaſſen koͤnnen, wie koͤnnten ſie in der Fremde ſo hei - ter ſeyn! Fremd iſt mir der ganze Erdkreis, ſagte ich, meine Heimath iſt ſeit langer Zeit dort oben. Tod? fragte er, Tod, erwiederte ich, und nachdem ich mich etwas gefaßt hatte, erzaͤhlte ich ihm die Geſchichte meines Her - zens. Er hoͤrte mich mit Teilnahme an, und oft glaͤnzten Thraͤnen in ſeinen Augen. Wir ſchwiegen beide lange, nachdem ich geendet, dann beugte er ſich uͤber meine Hand, und als er ſich wieder empor richtete, flog ein Schim - mer von Freude uͤber ſein Geſicht. Mit einem15 edlen Todten die Neigung dieſes ſchoͤnen Her - zens zu theilen, ſcheint mir ein ſeeliges Loos, ſagte er, und in jenen Regionen des Lichts fordert man kein Eigenthum mehr. So will es auch mir oft ſcheinen, antwortete ich, doch widerſpricht ein unerklaͤrliches Gefuͤhl augenblick - lich dem Verſtande. Laſſen Sie mir Zeit, lie - ber William, ob vielleicht dieſer Zwieſpalt in meinem Jnnern ſich loͤſt, viel, viel Zeit, und mag es ausfallen wie es wolle, wir muͤſſen Freunde bleiben, feſt und unzertrennlich fuͤr dieſes Leben. Jch hielt ihm die Hand hin, er ſchlug verſichernd ein. Seitdem iſt er wie - der heiterer; er hofft. Jch hege keine Hoffnung, aber ich fuͤhle mich erleichtert, und darf ganz vertraulich mit ihm umgehen. Jn meiner Bruſt herrſcht tiefer Friede; um die lieben Verlorenen fließt zwar manche einſame Thraͤne, doch trocknet ſie das Bewußtſein des Wieder - ſehens. An die uͤbrige Vergangenheit werde ich nur ſelten erinnert, und meide es faſt, von meinem lieben Frankreich zu hoͤren. Ach wenn das Vaterhaus abgebrannt iſt, dann uͤberfaͤllt uns Grauen, die Brandſtaͤtte zu ſehn; und wird16 ſchon gleich an derſelben Stelle ein Pallaſt auf - gebaut, es iſt die freundliche Wohnung nicht mehr, woran ſo ſchoͤne Erinnerungen haften. Nur von Dir moͤchte ich ſo gern Nachrichten haben, und ſehne mich vergebens danach; der boͤſe Krieg hemmt den freien Verkehr der Laͤnder gar ſehr. Sonſt waͤre auch William ſchon laͤngſt in See gegangen, um mir Kunde von Dir zu verſchaf - fen, und dieß neben mir liegende, ungeheure Pack Geſchriebenes, ſicher in Deine Haͤnde zu befoͤrdern. Bis dahin muß ich ſchon fortfahren. Ein guͤnſtiges Geſchick wird es wohl zu Deinen Haͤnden bringen. O thaͤteſt Du doch ein Glei - ches! Jch kann mir das Leben und Treiben in Paris kaum mehr denken, es iſt bei uns alles ſo ganz anders. Kein Schauſpiel, keine Maskeraden, wenig kirchliches Gepraͤnge, we - nig Muſik, aber viel Familien-Feſte, viel Thee - zirkel, haͤufiges Spazierengehen und Fahren. Die Gegend iſt ſchoͤn, der Winter gemaͤßigt, wie in dem ſuͤdlichſten Frankreich. Bald wird er ganz von uns ſcheiden, und dann muß die Landſchaft entzuͤckend ſeyn, wenn mit dem ernſten Gruͤn der Zedern und Tannen ſich das helle Laub desPla -17Platanus, und der zahlloſen Nußbaͤume miſcht. Als ich hier ankam hatte das Ganze ſchon ein falbes und braͤunliches Anſehn. Jch freue mich wie ein Kind, uͤber das Aufkeimen der jungen Pflanzenwelt, immer war ſie es, wohin ich mich fluͤchtete, wenn das Leben mich zu rauh be - ruͤhrte. Hier duftet mir heilender Balſam fuͤr jede Wunde, und der Odem des Friedens haucht durch die zarten Halme und Bluͤthen. Ueberall in der belebten Natur zeigt ſich das widrige Bild der kaͤmpfenden Leidenſchaften; nur die Pflanzen bluͤhen friedlich beiſammen, liebend ſich zu einan - der neigend, und ſtrebend, ſich mit zarten Ran - ken zu umarmen. Darum ſey mir gegruͤßt freund - liche Blumenwelt, ihr ſaͤuſelnden Baͤume, und ihr zarten Halme des Graſes, zwiſchen wel - chen ich ſo oft Stundenlang lagerte, und mit inniger Luſt den Wanderungen kleiner glaͤnzen - den Kaͤferchen, dem Spiel bunter Schmetterlinge zuſah, und mich und die uͤbrige Welt vergaß. Nirgend auf dem Erdenrund kann Virginia un - gluͤcklich ſeyn wo ſie frei, und die Natur nur nicht ganz oͤde iſt. Der Menſch macht ſo viel An -Zweiter Theil. [2]18ſtalten, um gluͤcklich zuſeyn, und er bedarf ſo wenig!

Noch keine Nachricht von Dir, und der Fruͤhling iſt ſchon in ſeiner vollen Pracht bei uns eingezogen. Man hat um meinetwillen ein ſehr mahleriſch gelegenes Landhaus unweit der Stadt bezogen, und faſt bin ich froh, wie einſt an der Durance. Den groͤßten Theil des Tages bin ich mit meiner Philippine allein, weil der Vater nicht das Comptoir, die geſchaͤf - tige Mutter nicht das Hausweſen verlaſſen mag. William beſorgt die Befrachtung ſeines Schiffes mit welchem er wieder nach Europa zu ſegeln gedenkt, da der Friede ſo gut als abgeſchloſſen iſt. Nach Tiſche aber verſammelt ſich die ganze Familie, dann und an Feiertagen, werden koͤſt - liche Spazierfahrten am Delaware, oder am Schamuny gemacht, und Beſuche auf mancher freundlichen Pflanzung. Morgens ſchwaͤrme ich oft mit Philippinen umher, und kehre, wenn wir ermuͤden, auf dem Meierhofe eines ehrlichen Quaͤkers, oder auf der kleinen Beſitzung eines Negers ein, wo wir, ohne Unterſchied, mit glei -19 cher Herzlichkeit empfangen werden. Die ſchwar - zen Pflanzer ſtehen an Betriebſamkeit den Wei - ßen nicht nach, und werden ihnen nach 50 Jah - ren vielleicht an Vermoͤgen ziemlich nahe kom - men, da ſie fleißig die Schulen zu beſuchen an - fangen, und ihre Bildung in der Naͤhe der Staͤdte merklich fortſchreitet. Unfern Paris wuͤrde es wohl ſehr auffallen, zwey junge Maͤd - chen, im Morgenkleide und im Sonnenhute, durch Felder und Gehoͤlze ſtreifen zu ſehen; hier iſt dieß, Dank ſey den ſchuldloſen Sitten des Landes, gar nichts ungewoͤhnliches. Die treu - herzigen Penſilvanier gruͤßen uns uͤberall mit freundlicher Unbefangenheit, und reden uns mit dem vertraulichen Du an, welches ich ſo gern hoͤre, weil ich es in meiner Kindheit ſo allgemein vernahm. Philippine hat ſich mit leidenſchaftli - cher Liebe an mich gehaͤngt, und ich umfaſſe das holde Maͤdchen mit ſchweſterlicher Zaͤrtlichkeit, freilich nicht in dem Sinne, wie es die Familie zu erwarten ſcheint. Ueberhaupt iſt dieß die Kehrſeite meines ſonſt ſo gluͤcklichen Lebens, daß man etwas vorausſetzt, wovon ich mich noch weit entfernt fuͤhle. Der Vater iſt voll Eifer*20fuͤr die Benutzung meines Vermoͤgens, macht dabei ſo liſtige Anmerkungen, nennt mich oft ſein liebes Toͤchterchen, und gibt mir zu verſte - hen, daß ich einſt um das dreifache reich ſeyn wuͤrde. Die geſchaͤftige Mutter ſchuͤrt noch em - ſiger zu, und ſpricht oft ſchon weitlaͤufig uͤber kuͤnftige haͤusliche Einrichtungen. Der arme William iſt dabei auf Kohlen, und wendet all ſeinen Fleiß an, ſolche Geſpraͤche abzubrechen, weßhalb er manches unwillige Geſicht von der Mutter erhaͤlt, wenn er den Fluß ihrer Rede unterbricht. Es iſt ein kleiner Sturm zu be - fuͤrchten.

William hat ſchon erklaͤrt daß er naͤchſtens in See gehe, aber man rechnet darauf er werde zuvor noch eine Verbindung mit mir un - aufloͤslich machen. Was wird man aber ſagen wenn man ſieht, daß dieß nicht der Fall iſt? was, wenn man erfaͤhrt, daß ich eine große Reiſe nach Waſhington, und von da zu den Seen und dem Niagara, zu machen gedenke. Wil - liam, welcher gern auf alles eingeht, was mir Freude macht, hat zu dieſer Reiſe ſchon im21 Stillen die beſten Anſtalten getroffen. Er gibt mir ſeinen eigenen Bedienten mit, einen treuen und erfahrenen Menſchen, welcher ſchon einen großen Strich jener Gegenden durchreiſt iſt, dann zwei ehrliche Schwarzen, auf welche er ſich verlaſſen kann, Vater und Sohn. Der Vater, John, war in ſeiner fruͤheren Jugend als Sklave in Virginien, entlief damahls ſeinem ſtrengen Herrn, und gerieth zu den Wilden, welche ihn aufnahmen. Er war ſechs Jahr unter ihnen, und lernte ihre Sprache und ihre Sitten voll - kommen. Jm Kriege zog der Stamm, bei welchem er ſich befand, den Englaͤndern zu Huͤlfe, wurde aber in einem Gefechte mit den Ameri - kanern zerſtreut, und John gerieth auf ſeinem Jrrwege nach Penſilvanien, wo die menſchen - freundlichen Begegnung ihm ſo wohl gefiel, daß er dort ſeinen Aufenthalt nahm. Er fand bald Arbeit, erwarb ſich nach und nach ein kleines Eigenthum, heirathete eine freie Schwarze, und iſt jetzt Vater von fuͤnf Kindern, drei Soͤhne, und zwei Toͤchtern, welche alle verheirathet ſind, bis auf die juͤngſte Tochter, welche mich, ſo wie einer ihrer Bruͤder ebenfalls begleiten wird. 22Seine Huͤtte und ſein kleines Feld graͤnzen nahe an Elliſons Landhaus, deßhalb kennt ihn Wil - liam ſeit ſeiner fruͤheſten Jugend, und wird von dem Alten, faſt mehr als ſeine eigenen Kinder, geliebt. Ueberhaupt iſt Anhaͤnglichkeit und un - erſchuͤtterliche Treue ein vorzuͤglicher Karak - terzug dieſer guten, bis jetzt ſo unterdruͤckten Menſchengattung. Wer nur irgend Wohlwollen und Aufmerkſamkeit gegen ſie blicken laͤßt, kann ihrer innigen Liebe verſichert ſeyn. Jch habe oft auf unſern Morgenſtreifereien die kleinen ſchwarzen Buben geherzt, und mit dem Alten freundlich geredet, aber dafuͤr koͤnnte ich auch mit ihm bis zu den Huronen reiſen, er wuͤrde jede Gefahr von mir abwenden, und mich nur mit ſeinem letzten Lebenshauche verlaſſen. Zittre da - her nicht, liebe Adele, vor den Schreckniſſen welche dieſe Reiſe fuͤr mich haben koͤnnten. Das Land iſt ſo wuͤſt nicht mehr, als du es vielleicht noch aus fruͤheren Reiſebeſchreibungen kennſt. Es gehen regelmaͤßig Landkutſchen von hier auf Baltimore und Waſhington, Landſtraßen und Wirthshaͤuſer ſind nach allen Richtungen ange -23 legt, und wo dieſe in der Gegend der Seen auf - hoͤren, da geht fuͤr mich der romantiſche Theil der Reiſe erſt recht an. Ein leichtes Fuhrwerk iſt bald gekauft, ja ſelbſt fuͤr eine Fußreiſe habe ich hinreichende Kraft und Luſt. Wenn Du dieſen Brief erhaͤltſt, welchen William heilig gelobt hat, nach zwei Monaten, in Deine Haͤnde zu liefern, dann kannſt Du denken, daß ich an dem großen Waſſerfalle ſitze, wohin mein Herz mich mit ei - ner unwiderſtehlichen Sehnſucht zieht, wie den Wilden welcher dort hin geht, um den großen Geiſt anzubeten.

Vor der Abſchiedsſtunde graut mir recht von Herzen. Soll ich den armen William ohne Hoffnung ziehen laſſen? und kann ich ihm Hoff - nung geben? So eben war er hier und mel - dete mir, daß ſein Schiff ſegelfertig liege, und der Wind ſich guͤnſtig zu wenden ſcheine. Meine Augen wurden feucht, der Gedanke den Freund den Beſchuͤtzer meines Lebens zu verlieren, drang ſchmerzlich auf mich ein. Er trocknete ſchnell meine Thraͤnen mit ſeinem Tuche ab, und druͤckte dieß24 an ſeine Lippen. Du ſollſt mich begleiten, und mich ſtaͤrken, rief er, wenn die Niedergeſchlagen - heit zu maͤchtig werden will! Guter William, ſagte ich, und meine Thraͤnen floſſen ſtaͤrker, ich wuͤnſchte, ich koͤnnte ihnen mehr geben. Sie wuͤnſchen es, und koͤnnen nicht? ſagte er erblaſ - ſend. Jetzt noch nicht. Wann aber? Wenn wir beide unſre Reiſe beendigt haben. Was kann da veraͤndert ſeyn? Viel, o viel, lieber William! Das Leben ſteht ja nie ſtill, und in vier, fuͤnf Monden, veraͤndert ſich die Erde ſo ſehr. Auch das Herz? auch das Herz, Virginia? rief er heftig. O welche Ausſicht eroͤffnen ſie mir! Sie kennen die ſeltſame Lage meines Herzens, ſagte ich, ich habe ihnen niemahls meine Gefuͤhle verhehlt, und auch jetzt mag ich ihnen, einen faſt mir ſelbſt laͤcherlichen Gedanken nicht bergen. Es ſcheint mir naͤmlich, als koͤnne nur am Fall des Niagara der Zwieſpalt ſich loͤ - ſen, welcher in meiner Seele ſich erhoben hat, ſeit ich unter ihrem Schutze lebe. Ach es iſt nur der Wunſch nach weiter Entfernung von mir, ſagte er, mit traurigem Kopfſchuͤtteln. Nein, nein! rief ich, ich verlaſſe ſie mit Schmerz, aber ein25 unerklaͤrliches Etwas reißt mich fort. Am Niagara! toͤnt es in meinen Traͤumen; und wie andre Pilger ſich gen Oſten wenden, ſo ſcheint mir im Weſten, die Sonne der Verheißung zu glaͤnzen. Jhr Weg geht dem Oſten zu, o moͤchte die freundliche Morgenroͤthe auch ihrem Herzen Hoff - nung ſchimmern! Jch laſſe die Hoffnung hier zu ruͤck, erwiederte er. Ach, das Meer zieht mich nicht mehr an, wie ehemahls, mit ſeinem ewigen Wechſel! Waͤre es nicht, um Jhnen Nachrich - ten zu verſchaffen, ich wuͤrde ſchon dieſe nicht mehr unternehmen; es wird die letzte ſeyn. Der ſtille Reiz des heimathlichen Lebens, ſpricht maͤchtig zu meinem Herzen, mein Sinn ſtrebt nicht mehr in die Weite hinaus. Was iſt der Lohn des Weltumſeglers? des Welteroberers? Ruhm, kalter Ruhm. Aber auch Gluͤck? Nein, das Gluͤck wird ewig vor ihm fliehen, es wohnt nur in der ſtillen Huͤtte, wo ein treues Weib ihm laͤchelt, und muntre Kinder um ihn ſpielen. Wohl, wohl! ſagte ich geruͤhrt, auch ich kannte den ſeligen Frieden der begraͤnzten Heimath, und mein Herz ſehnt ſich dahin zuruͤck, wie nach dem Paradieſe der Unſchuldswelt. Aber ein feindſeliges Ge -26 ſchick vernichtete mein Eden, und, wie die Truͤm - mer einer zerſtoͤhrten Welt, muß ich irren durch den Raum, bis ich meinen Pol finde und meine Bahn. Sie glaubten hier die Ruhe zu finden, ſagte er mit halben Vorwurf. Was glaubt, was hofft nicht der Menſch! erwiederte ich. Auch fand ich viel. Schon fuͤhle ich mich im Vor - hof des Heiligthums, die Balſamduͤfte der Pa - radieſesbluͤthen wehen ſchon zu mir heruͤber, o laſſen ſie mir Zeit, den Eingang zu ſuchen. Jch habe nur Wuͤnſche, ſagte er, und verneigte ſich mit Entſagung: die erſten und heißeſten ſind fuͤr ihr Gluͤck. Jch bin auf Alles gefaßt, nur ſie auf immer zu verlieren, der Gedanke uͤberſteigt meine Kraft. Auch ich darf ihn nicht denken! rief ich, und ergriff ſeine Hand: empfan - gen ſie meinen Schwur, daß, wie auch unſer Verhaͤltniß ſich wende, ich mich nicht von ihrer lie - ben Naͤhe trennen will, bis der Tod uns ſcheidet. O, Virginia! rief er, und hob meine Hand zwi - ſchen ſeinen gefalteten Haͤnden empor, welch ei - nen himmliſchen Troſt geben ſie mir zum Rei - ſegefaͤhrten. Nimmer will ich mehr verlangen,27 wenn ſie es nicht ſelber wuͤnſchen. Mit freu - deſtrahlendem Geſicht verließ er mich.

Er hat der Familie ſeine Abreiſe angekuͤndigt, die mißvergnuͤgten Geſichter aber augenſcheinlich durch den Zuſatz aufgehellt, daß dieß die letzte Fahrt ſeyn ſolle, und daß er dann eine Lebens - art aufgeben werde, welche der Vater immer nur ungern zugelaſſen hat. Dieſer hofft ihn fuͤr ſein Handlungshaus zu gewinnen, ich glaube er truͤgt ſich; Williams Sinn ſtrebt nach der Stille des Landlebens, ihm fehlt der ſpekulative Geiſt deſ - ſen der Kaufmann bedarf.

So muß ich denn dieſe Blaͤtter ſchließen und ſiegeln; moͤgen ſie gluͤcklich zu Dir gelan - gen, meine Adele. Mein ganzes Seyn haucht Dir aus ihnen entgegen, nimm ſie freundlich auf und tauſche ſie gegen andere von Deiner Hand aus, worauf ich ſo ſehnlich hoffe. Gib mir Kunde von den Deinen, vorzuͤglich von Deiner guten Mutter; gruͤße dieſe herzlich von mir. Schreib mir auch, ach, nur in wenigen Wor -28 ten, was mein armes, liebes Frankreich macht. Gluͤcklich ſcheint es nicht zu ſeyn, es kommen viel Ausgewanderte hier an. Seit einigen Ta - gen verbreitet ſich ein Geruͤcht, welchem ich aber keinen Glauben beimeſſe, die Schiffernachrichten ſind oͤfters falſch.

Uebermorgen reiſe ich mit meinem kleinen Gefolge ab. Die Mutter ſchuͤttelt zwar ſehr den Kopf zu dieſer Wallfahrt, doch ſie iſt mit ſorglicher Geſchaͤftigkeit bemuͤht, alles zu ordnen und herbei zu ſchaffen, was ihr zu meiner Be - quemlichkeit noͤthig ſcheint. Der Vater gibt mir Empfehlungsſchreiben nach Baltimore und Wa - ſhington mit. Philippine weint ſchon im vor - aus, uͤber die lange Trennung, und troͤſtet ſich nur durch mein Verſprechen, daß ich dann auf immer bei ihr bleiben wolle. Es wird mir in der That ſchwer, mich von dieſem Maͤdchen und von dieſem freundſchaftlichen Hauſe zu trennen; aber der Zug nach Weſten iſt ſtaͤrker als die Freundſchaft, ja ſelbſt ſtaͤrker als meine Vernunft.

Lebe wohl meine Adele! Tauſend Mahl Lebe wohl! William eilt an Bord, und nimmt Ab - ſchied von Deiner

Virginia.

29

Virginia an Adele.

Baltimore.

Gluͤcklich bin ich hier mit meinem Gefolge angelangt, und ein Handelsfreund von Elliſon hat ſich nicht abhalten laſſen, mich auf zu nehmen. Unſre Reiſe war nur wenig ver - ſchieden von einer Reiſe in Frankreich, ſo kulti - virt iſt ſchon der Diſtrikt, zwiſchen hier und Philadelphia; nur waldiger iſt das Land, als dort, und der Baumwuchs uͤppiger, ſaftvoller, auch gibt es mehr Viehzucht, und mehr kleine zerſtreute Beſitzungen. An das Gemiſch der verſchiedenfarbigen Menſchen welches dem Reiſen - den anfangs ſehr auffaͤllt, habe ich mich ſchon gewoͤhnt. Von hier aus will ich erſt nach Waſhington, um die Nachbildung jenes Kapi - tols zu ſehen, wohin mein Geiſt ſo oft mich trug, und welches jemahls wirklich zu ſehen, mir nun jede Hoffnung entſchwunden iſt. Dann kehre ich hier her zuruͤck, um von hier aus die große Wanderung zu den Seen anzutreten. Baltimore iſt freundlich, und um vieles lebhafter als Philadelphia. Es wohnen hier viele Franzoſen. Meine Wirthsleute ſind noch30 jung, beſonders die Frau, eine Jrlaͤnderinn, voll Lebhaftigkeit, und beweglich wie Queckſilber. Sie erzaͤhlt mir unaufhoͤrlich; ſchade nur, daß ich mich mit ihr ſo ſchlecht verſtaͤndigen kann, denn ſie ſpricht das Engliſche nach ihrer vaterlaͤndiſchen Mundart aus, und kann wenig franzoͤſiſch. Beſonders wuͤnſchte ich mich uͤber einen Theil ihrer Erzaͤhlun - gen vollſtaͤndig unterrichten zu koͤnnen, welcher mich ſeltſam anzieht. Sie ſpricht naͤmlich oft von den Freiwilligen von Baltimore, welche im vo - rigen Jahre Waſhington zu Huͤlfe gezogen, und daß darunter mehrere Auslaͤnder geweſen. Un - ter dieſen erwaͤhnt ſie oft eines jungen Franzo - ſen, welcher lange in ihrem Hauſe gewohnt habe. Die Beſchreibung ſcheint mir, wunderbarer Weiſe, auf Mucius zu paſſen, auch der Nahme hat in ihrer Ausſprache einige Aehnlichkeit, und ſo feſt ich von der Unmoͤglichkeit ſeines Lebens uͤberzeugt bin, ſo nimmt mein thoͤrichtes Herz doch einen An - theil an dieſen Erzaͤhlungen, der mich mit Un - ruhe erfuͤllt. Gern moͤchte ich nun etwas naͤhe - res uͤber dieſen Fremdling erfahren, moͤchte ſeine ferneren Schickſale, ſeinen jetzigen Aufenthalt wiſſen; aber entweder weiß die gute Davſon31 nur wenig, oder ich verſtehe ſie ſchlecht. Jch kann nicht ein Mahl mit Beſtimmtheit erfahren, ob er mit den Freiwilligen zuruͤck gekehrt iſt, ſie ſpricht immer, der gute junge Herr iſt gegan - gen. Jch entſchloß mich, mit einer kleinen Scham - roͤthe, den Mann deßhalb zu befragen. Hat Jhnen meine Frau davon geſagt? fragte er mit einem finſtern Blick, welchen ich noch gar nicht an ihm geſehen hatte. Jch weiß nicht mehr als Betty, ſetzte er hinzu, es hat mich nicht intereſſirt. Und damit brach er das Geſpraͤch ab, welches ich nicht wieder an zu knuͤpfen wagte.

Der Fremde iſt ein Zankapfel zwiſchen dem Ehepare geweſen, das bemerke ich wohl. Aber weßhalb beunruhigt mich das? warum iſt mir ſeitdem die Schoͤnheit der jungen Frau auffal - lender? warum bemerke ich ſie mit halben Neide? warum faͤllt mir ihre Lebhaftigkeit dop - pelt auf, wenn ſie von dem Fremden ſpricht? was geht das mich an? wahrhaftig, Deine Vir - ginia iſt recht kindiſch! lache ſie nur tuͤchtig aus, und ſchilt ſie zugleich. Sie ſcheint eiferſuͤchtig auf einen Schatten, und war es nie auf den lebenden Mucius.

32

Auf jeden Fall aber wird dieſer Umſtand meine Abreiſe nach Waſhington beſchleunigen. Es draͤngt mich hin zu dem Schauplatze, wo der Unbekannte gekaͤmpft, vielleicht geblutet hat. Vergib mir William! dich konnte das thoͤrichte, undankbare Maͤdchen verlaſſen, und hier jagt es dem Truggebilde einer kranken Phantaſie nach, deſſen Urbild uͤber den Sternen lebt. Gu - ter William! ich fuͤrchte, ſo wird es immer ſeyn.

Mein Gefolge iſt es ſehr wohl zufrieden, daß wir bald weiter reiſen. Meinen Negern gefaͤllt der ſtaͤdtiſche Aufenthalt nicht. Corally, das ſchwarze Maͤdchen, kann gar nicht begreifen, wie man ſich in einen ſo großen Ort einſper - ren koͤnne, wo man gar keine Raſenplaͤtze zum tanzen, keine Bluͤthengebuͤſche vor ſeiner Haus - thuͤr habe. Jhr Bruder Jsmael horchte auf die Erzaͤhlungen ſeines Vaters, von der Lebens - art der Wilden. Er hofft immer einigen Staͤm - men am Ontario oder Erie zu begegnen und mit eigenen Augen ihr Treiben zu ſehen. Dann aber ſehnt er ſich nach ſeiner Frau und ſeinenklei -33kleinen Buben zuruͤck. Corally hat mir auch ganz heimlich vertraut, daß ſie einen jungen Schwarzen gar lieb habe, er ſey aber arm, muͤſſe noch verdienen und ſparen, denn Vaters kleines Feld koͤnne keine neue Familie mehr er - naͤhren. Gutes Kind der Natur, wie wenig bedarf es, dich zu begluͤcken! einige Morgen Land, eine Huͤtte, ein paar Kuͤhe, und daran ſoll es dir bei unſerer Ruͤckkunft nicht fehlen.

Waſhington. So bin ich denn geſtern eingezogen in dieſe Hauptſtadt des freien Amerika, vielleicht beſtimmt, dereinſt der neuen Welt Geſetze, Sprache und Sitten zu geben, wie Rom ſie vormahls der alten gab. Moͤge ſie ſich nie zu Roms Ueppigkeit und Uebermuth erheben, um einſt zu ſinken wie ſie! Welche Verglei - chungen, welche Erinnerungen und Betrachtun - gen bieten ſich hier bei jedem Schritte dar. Kuͤhn und groß iſt der Entwurf zu dieſer großen Bundesſtadt, wie uͤberhaupt der Rieſenbund die -Zweiter Theil. [3]34ſer freien Staaten. Gebe das Schickſal Gedei - hen! die Saat iſt vollwichtig, die Saͤemaͤnner ſind voll redlichen Eifers und nur der Sonnen - ſchein des Friedens iſt noth. Das Hagelwet - ter welches juͤngſt voruͤber geflogen, hat vieles zerſtoͤrt. Prachtvolle Gebaͤude ſtehen dachlos und ausgebrannt, und der Mond ſcheint ver - wundert in die leeren Raͤume hinab zu blik - ken. Die Saͤulen des Kapitols ſind beſchaͤdigt von dem feindlichen Geſchuͤtz, aber die Saͤulen der Republik trotzen jedem Anfall, hier wird ſich die Macht des neuen Karthago brechen. Unter Kaͤmpfen ward hier das Rieſenkind der Freiheit gebohren, Kaͤmpfe und Gefahren ſtaͤr - ken ſeine Kraͤfte, und ziehen es groß, wie die junge Eiche mitten unter Stuͤrmen empor waͤchſt.

Mit ſtiller Ehrfurcht habe ich das noch nicht ganz vollendete Denkmahl des großen Mannes beſucht, deſſen Nahme, durch die Stadt ſelbſt, der ſpaͤten Nachwelt uͤberliefert wird, und deſſen Andenken in dem Herzen jedes Amerikaners lebt. Wahrlich, ein beneidenswerther Sterbli - cher, den ſelbſt ſeine Gegner nicht zu verun - glimpfen wagen! Die einfachen Sitten ſeines35 Landes, die ruhige Art der hieſigen Entwicke - lung, bewahrten ihn vor dem kuͤhnen Auffluge, wel - chen unſer franzoͤſcher Adler nahm. Napoleon uͤbertraf Waſhington an Geiſt und Energie, wurde aber von ihm an Maͤßigung und ſtil - ler Buͤrgertugend weit uͤbertroffen. Waſhing - ton war der Cincinnatus des tugendhaften Roms, Napoleon der Caͤſar des verderbten. Beider Karakter leiden ſo wenig eine Vergleichung, als die Lage ihrer Umgebungen.

Das Gewuͤhl des Hafens, und die Thaͤtig - keit, womit man die Brandſtaͤtte abraͤumt, und den Schaden zu heilen ſtrebt, hat mich mehrere Tage ergetzt und feſt gehalten; daneben habe ich manche Forſchung nach dem Unbekannten an - geſtellt. Humphry Dyk, der Bediente von Elli - ſon iſt mir dabei ſehr nuͤtzlich geweſen, und ich habe dieſen Menſchen recht lieb gewonnen, ſei - nes Dienſteifers wegen. Aber ach, es iſt alles vergebens, man weiß hier nichts von einem ſchwarzlockigen Franzoſen, welcher unter den Frei -*36willigen von Baltimore ſich befunden. Alle Be - hoͤrden ſind befragt, alle Krankenanſtalten beſucht worden; hier iſt er nicht, wenn er uͤberhaupt noch lebt. Was geht es mich an! rufe ich trotzig aus, oder verlache mich ſelbſt mit dieſer kindiſchen Grille; aber es hilft wenig, ich kann den Gedan - ken nicht los werden. Das beſte wird ſeyn, daß ich mich bald von hier entferne, die Anſtalten zu einer Reiſe und die immer wechſelnden Ge - genſtaͤnde werden mich zerſtreuen. Wann wird Virginia die Ruhe ihres Herzen wieder finden!

Baltimore.

Hier bin ich wieder, und in voller Geſchaͤf - tigkeit fuͤr meinen großen Zug. Wir haben uns, in der That, wie zu einer Entdeckungsreiſe ge - ruͤſtet. Humphry hat fuͤrchterliche Vorſtellungen von der Ungaſtlichkeit der Gegenden wohin wir gehen, ich laſſe ſie ihm, weil mir beilaͤufig der romantiſche Gedanke, durch Wildniſſe zu irren, ein geheimes Vergnuͤgen macht.

37

Wir haben einen Wagen, mit zwei Pferden beſpannt, gekauft, und fuͤr den Zweck zurichten laſſen. Gegen Regen und Sonne wird er durch eine Art von Zelt gefchuͤtzt, welches nicht nur an den Seiten in die Hoͤhe gewunden, ſondern auch abgenommen, und durch Stangen vergroͤßert wer - den kann. Jn dieſem Wagen ſitzen Corally und ich auf Sitzkaſten, welche mit Decken und Waͤſche angefuͤllt ſind. Außerdem befindet ſich ein großer Faͤcherkorb voll Lebensmittel, und ein tuͤchtiges Flaſchenfutter mit Wein und Rum, ein Bratſpieß, nebſt dazu gehoͤrender blechernen Pfanne, ſechs Teller aus Silberblech, ein klei - ner kupferner Keſſel, Meſſer, Gabeln und Loͤffel, einige leere Korbflaſchen, einige hoͤrnerne Becher, ein Beil, eine Matratze und ein Tragekorb auf dem - ſelben. Da haſt Du unſre ganze wandernde Haus - haltung. John haͤlt uns fuͤr fuͤrſtlich ausgeſtattet, Humphry haͤtte gern noch mehr hinzu gethan. Er und John befinden ſich, zu unſrer Bedeckung, zu Pferde, ſind mit guten Flinten bewaffnet, und reichlich mit Pulver und Blei verſehen; Jsmael macht den Kutſcher. So werden wir nun morgen, in aller Fruͤhe, unſere Wallfahrt38 antreten. Jch habe mich mit einem kleinen Rei - ſeſchreibzeuge verſehen, und werde ein ordentli - ches, an Dich gerichtetes Tagebuch halten, wel - ches Du vielleicht einſt erhaͤltſt. Mir huͤpft das Herz vor Freude, bei dem Gedanken an dieſe Pilgerfahrt. Das neue, ungekannte Leben reizt mich, und ich werde dieſe Nacht kaum ſchla - fen koͤnnen, wie die Kinder, welchen das ganze Le - ben meiſt noch fremd iſt, ſchon vor einer Spa - zierfahrt nicht ſchlafen. O, wie iſt man ſo ſelig wenn man noch Kind iſt! da zieht uns nur der Blumenhuͤgel an, welchen wir erreichen koͤn - nen, jetzt ſchließen kaum die blauen Berge und das Meer mein Sehnen ein.

Den 20ſten Junius. Wir ſind vor Tage aufgebrochen, um in der Morgenkuͤhle zu reiſen. Die Sonnen - hitze in den Mittagsſtunden iſt jetzt unertraͤg - lich, wir werden dann an einem ſchattigen Orte raſten, wo Waſſer in der Naͤhe iſt, und Weide fuͤr unſere Pferde. Heute trafen wir einige artige39 Meiereien an, wo wir uns mit herrlicher Milch und mit Eiern verſahen, welche, nebſt dem friſchen Fleiſch, welches wir aus Baltimore mit gebracht hatten, eine leckere Mahlzeit gaben. Zur Nacht haben wir bei dem Hauſe eines Pflanzers Halt gemacht. Mein Gefolge wird draußen, bei Vieh und Geraͤth, Corally und ich werden in dem Hauſe ſchlafen. Von hier aus moͤchten wir wohl nicht oft mehr ein Obdach finden; je weiter wir ge - gen das Gebuͤrge kommen, deſto ſparſamer werden die Wohnungen, und doch habe ich dieſen Weg vorgezogen, ſtatt auf Albany zu gehen, die Ge - gend wird hier viel romantiſcher.

Die Kinder unſres Wirthes ſehen mir neu - gierig zu, wie ich beim Schein ihres Kuͤchen - feuers ſchreibe. Was machſt du da? fragt ein kleiner Knabe. Jch ſpreche mit meiner Schwe - ſter, erwiedere ich, welche da uͤber dem gro - ßen Waſſer wohnt, Mit den Fingern? ſagt er, und ſieht mich kopfſchuͤttelnd an. Jch zeichne die Worte auf dieß Papier, wie du dort ein Pferd mit Kohle auf die Wand gemahlt haſt, gebe ich zur Antwort. Er blickt hinein, und ſagt: du mußt an kein Pferd, an keinen Vogel, keinen Baum,40 kein Haus gedacht haben, ich kenne kein einzi - ges von deinen Worten.

Den 26ſten Junius. Die Landſchaft wird wilder, aber unbeſchreib - lich ſchoͤn. Wir machen nur kleine Tagereiſen, um unſer Vieh bei der Hitze zu ſchonen. Bis jetzt haben wir noch immer Wohnungen ange - troffen, wo wir Gefluͤgel, Milch, Eier und Fruͤchte kaufen konnten. Dieſe Nacht brachten wir zum erſten Mahl im Freien, am Saum ei - nes Waldes zu, wo ein klarer Quell uns mit vortrefflichem Waſſer verſorgte, und auch jetzt indem ich dieß ſchreibe, lagern wir am Fuß eines Berges welcher dicht mit Ahorn und wei - ßen Zedern bewachſen iſt; hundert Schritte von uns, brauſt ein Waldſtrom durch eine Berg - ſchlucht hinab. John und Humphry ſind auf die Jagd gegangen, und Jsmael dreht den Brat - ſyieß, Korally hat Waſſer geſchoͤpft in unſern Keſſel, und bereitet die Lager, ich ſtehe der klei - nen Kuͤche vor, die Pferde weiden neben uns. 41Du glaubſt nicht, welchen eigenthuͤmlichen Reiz dieſes Nomadenleben hat, ſelbſt fuͤr den kultivir - ten Menſchen; ich wundre mich gar nicht, daß die Eingebohrenen es nicht verlaſſen moͤgen.

Den 30ſten Junius. Schon ſeit vier Tagen irren wir in den Ge - birgen umher, uns bloß nach der Sonne und den Geſtirnen richtend, worauf ſich John ſehr gut verſteht. Oft denke ich mir, wie Du dich aͤngſtigen wuͤrdeſt, Du weinteſt ja ehmahls faſt jedes Mahl, wenn auf unſern Spaziergaͤngen die Thurmſpitze von Chaumerive ſich uns ver - ſteckte, aus Furcht Dich zu verirren. Hier ſind wir deßhalb ganz unbeſorgt, denn dieſe Wild - niſſe ſind ſo uͤberraſchend ſchoͤn, daß man ſie nie wieder verlaſſen moͤchte. Die Waldvoͤgel uͤber unſern Haͤuptern, laſſen ihre hundertfaͤltigen, oft ſo fremden und ſeltſamen Stimmen hoͤren, Erdbeeren und die Beeren anderer Rankengewaͤchſe roͤthen den Raſen an den Abhaͤngen der Berge, von deren Wipfeln neugierige Gazellen auf uns42 hernieder blicken. Wir leben zum Theil von dem Ertrage der Jagd, welche hier nicht muͤhſam iſt, da das Wild ſich nicht ſehr ſcheu und furcht - ſam zeigt; auch die Eier einiger Waſſervoͤgel haben wir ſchon haͤufig an ſumpfigen Stellen gefunden. Jch ſchlafe unter dem Zelte; die Naͤchte ſind kalt, aber entzuͤckend ſchoͤn, durch ihre Klarheit, und mit Vergnuͤgen betrachte ich die neuen Sternbilder, welche ich ſonſt nur auf der Himmelskarte antraf. Mein Schlaf iſt vortreff - lich, ein wenig Rum, mit Waſſer, Ei und Zuk - ker vermiſcht, mein Fruͤhſtuͤck, wenn wir, mit dem erſten Anbruch der Morgenroͤthe, uns auf den Weg machen.

Den 5ten Julius.

Wir haben, auf mancherlei Umwegen, die ſuͤd - liche Spitze des Erie-Sees gluͤcklich erreicht, und muͤſſen hier einen Raſttag halten, denn unſere Pferde ſind ziemlich erſchoͤpft. Das Land war ſchon in den letzten Tagereiſen flach und offen. Der See gewaͤhrt einen ſchoͤnen Anblick, die jenſei -43 tigen Ufer ſind nur in einzelnen nebeligen Punk - ten bemerkbar. John hat mehrere Waſſervoͤgel geſchoſſen, welche unſere Mahlzeiten wuͤrzen. Er ſpaͤht uͤberall nach den Wilden umher, deren Widerſehen ihm ſehr am Herzen liegt; ich ſel - ber bin auf ein ſolches Zuſammentreffen hoͤchſt geſpannt.

Den 8ten Julius.

Unſer Wunſch wurde erfuͤllt. Der Zufall wollte, daß grade von dem Stamme, mit welchen John verſchwiſtert iſt, ein Trupp von ſechs Maͤnnern und vier Weibern in ihren Kanots uͤber den See kam, um auf die Rehjagd zu gehen, welche hier am Fuße des Allegany-Ge - buͤrges ſehr ergiebig iſt. John wurde ſehr bald von ihnen als ihr Bruder erkannt, und die Freude war von beiden Seiten unbeſchreiblich. Er zeigte ihnen ſeine Kinder, und ſie erklaͤrten, daß dieſe auch die ihrigen waͤren. Sie brachten uns mit großer Gaſtfreiheit die Beute ihrer Jagd zum Geſchenk; wir bewirtheten Sie dage -44 gen mit Rum und gekochten Speiſen, und theil - ten unſern Vorrath an Reis und Zwieback mit ihnen, unſre Maͤnner gaben ihnen den groͤßten Theil ihres Tabaks. Jch ſchmuͤckte die Weiber mit allem, was ich an Glasperlen, einfachen Ringen, Baͤndern und entbehrlichen Tuͤchern beſaß; das Freundſchaftsbuͤndniß war in kurzen auf das engſte geknuͤpft. Sie lagerten ſich in un - ſerer Naͤhe, und geleiteten uns heute eine ganze Strecke. Der Abſchied ſchien ihnen ſehr wehe zu thun, doch troͤſteten ſie ſich mit der Hoffnung, uns, bei unſerer Ruͤckkunft von dem großen Waſſerfalle, wohin wir nach ihrer Meinung wall - fahrten um den großen Geiſt anzubeten, wider zu ſehn. Auch John war geruͤhrt bei dem Schei - den von dieſen herzlichen Kindern der Natur, und er hat mir nachher wiederholt verſichert daß, wenn er nicht Frau und Kinder daheim haͤtte, er der Verſuchung kaum wuͤrde haben wiederſtehen koͤn - nen, mit ihnen in ihr Land zuruͤck zu kehren. Jch begreife leicht, wie anziehend dieſe ungebun - dene Lebensart fuͤr den ſeyn muß, welcher die Sprache dieſer Voͤlker kennt, und ſeine Beduͤrf -45 niſſe noch nicht zu weit uͤber die ihrigen hinaus geſteigert hat.

Den 11ten Julius.

Wir ſind heute zu einer mittelmaͤßigen Meie - rei gelangt, welche an den Ufern eines klei - nen Fluſſes liegt, der ſich ungefaͤhr vier Stun - den von hier in den Erie-See ergießt. Der Boden iſt ſehr fruchtbar, der Mais ſteht vortrefflich, und verſpricht einen funfzigfaͤltigen Ertrag. Obſtbaͤume umgeben die niedere Woh - nung, und verſtecken ſie faſt, alle beugen ihre Zweige unter der Laſt der Fruͤchte. Kirſchen, Abrikoſen, Birnen, Melonen ſind von ganz vor - zuͤglicher Guͤte, die Pfirſich roͤthet ſich ſchon, und der Cyder wird gewiß eben ſo trefflich und reichlich gewonnen werden, als im vorigem Herbſte. Wir trinken jetzt davon, und werden unſer faſt geleertes Flaſchenfutter damit fuͤllen. Auch herrliches Gemuͤſe gibt es hier. Kuͤhe weiden umher, und an Gefluͤgel fehlt es nicht. Die Natur verſorgt dieſe gluͤckliche Familie mit46 allem im Ueberfluß, was das phyſiſche Leben angenehm machen kann. Woͤchentlich bringt der aͤlteſte Sohn des Hauſes, die Produkte, welche man nicht verzehren kann, auf einem einſpaͤnnigen Karren nach Venago welches fuͤnf Stunden entfernt iſt. Die Familie beſteht, ſammt den Kindern, aus 19 Perſonen, worunter zwei deutſche Knechte ſich befinden, welche ſich auf 6 Jahre vermiethet haben; dieß iſt bei dem aͤrmern Theil der Ausgewanderten ſehr ge - braͤuchlich. Nach Ablauf der Dienſtzeit, erhal - ten ſie eine Summe Geldes, Vieh, Getreide und dergleichen, um ſich anzuſiedeln. Bis da - hin werden ſie voͤllig zur Familie gerechnet, und den Soͤhnen des Hauſes gleich behandelt, ge - naͤhrt, und gekleidet. Heiterkeit und Frohſinn mahlt ſich auf allen Geſichtern der hieſigen Hausbewohner, und ich muß ſie gluͤcklich prei - ſen, in ihrer Abgeſchiedenheit welche ſie gegen die tauſend Plagen der Geſellſchaft ſicher ſtellt. Nur ſelten kehrt hier ein Reiſender ein, wird aber dann auch mit der groͤßten Gaſtfreund - ſchaft empfangen, und man gedenkt ſeiner noch lange. Als etwas ſeltenes wurde bemerkt, daß47 in dieſer Woche ſchon zwei Fremden, nebſt ihrem Fuͤhrer, hier geweſen, welche gleichfalls nach dem Waſſerfall wallfahrten. Wie es ſcheint waren es Mahler, denn der eine hatte die Landſchaft gezeichnet, und der zweiten Tochter ein kleines Stuͤck von ſeiner Arbeit zum Andenken geſchenkt. Das muntere Maͤdchen lobt deßhalb ihn am meiſten, waͤhrend ihre aͤltere Schweſter ſeinen ſchwermuͤthigen Gefaͤhrten ruͤhmt.

Wir haben uns hier mit einer großen Men - ge friſcher Lebensmittel verſehn, es iſt mir aber kaum gelungen, den guten Leuten den wahren Werth aufzudringen.

Den 13ten Julius.

Wir ſind nur noch 3 Stunden vom Niagara entfernt, und hoͤren den Fall, wie das Rollen eines maͤchtigen Donners. Schon geſtern den ganzen Tag toͤnte ſein Getoͤſe in der Ferne, und in der Nacht hinderte es mich lange am Schlaf. Wir haben hier Halt gemacht, weil ich erſt morgen zur Stelle kommen will; ich48 habe mir dieſes groſſe Feſt zu meinem Geburts - tage aufgeſpart. Tauſend Erinnerungen und Gefuͤhle werden da auf mich einſtuͤrmen an die - ſem merkwuͤrdigen Tage, wo die Kraft meines Volkes hochaufſchaͤumte, wie dieſe Fluth, die thuͤr - menden Felſen uͤberwand, und dann, auch in den Abgrund fiel. Wird dieſer maͤchtigen Welle, eine zweite folgen? Es wuͤrde mir ſehr unlieb ſeyn wenn ich morgen die beiden Reiſenden, dort faͤnde, von welchen man in Woodhouſe erzaͤhlte; ich waͤre gern allein. Heute ſahen wir in einer ziemlichen Entfernung einige menſch - liche Figuren auf einer Huͤgelſpitze ſitzen. Js - mael, deſſen Auge am weiteſten traͤgt, behaup - tete ſie ſchrieben, wie ich es oft Abends zu thun pflegte; wahrſcheinlich aber zeichneten ſie. Mein Herz fuͤhlte ſich zu ihnen hingezogen, ſo maͤch - tig wirkt der Trieb der Geſelligkeit im Men - ſchen uͤberall, und doch moͤchte ich, wie geſagt, gerade morgen nicht gern mit ihnen zuſammen treffen, an einem Tage, wo ich ſo viel abzu - machen gedenke mit meinem eigenen Herzen. Mein ganzes Leben, wird mit den Bildern aller meiner Geliebten, an mir voruͤber gehen. Hier49Hier will ich das Trauerfeſt feiern um meine theuern Verlorenen, und hier, wo der rohe Jrokeſe betet zu dem großen Geiſt, will auch ich zu ihm beten daß er mich erleuchte in dem, was mir noth thut. Noch immer erhaͤlt ſich in mir die Ahndung, als werde hier der Wen - depunkt meiner Gefuͤhle ſeyn, kaum werde ich ſchlafen koͤnnen, vor unruhiger Erwartung. Schon jetzt klopft mein Herz hoͤher, und ſchnel - ler mein Puls ich bin ein Kind, was wirds denn ſeyn?

Jch muß etwas kuͤhlendes trinken, und mit Corally ſchwatzen, das ſchreiben erhitzt mich. Lebe wohl, Adele! Gedenke Deiner Virginia.

Den 14ten Julius.

O Himmel und Erde, Adele, er iſts! Wie iſt die Welt ſo anders, anders der Mond, die Ge - ſtirne anders! Er iſts! meine Ahndung, der Unbe - kannte, der Geliebte, Alles Eins. Laß mich zu mir ſelbſt kommen, mir ſchwindelt. Jch moͤchte Dir ſo gern mein Gluͤck in ſeiner ganzen FuͤlleZweiter Theil. [4]50mittheilen, wie bisher meinen Schmerz, aber meine Hand zittert. Doch nur eines Nahmens bedarf es, und hundert Mahl rufe ich ihn dem Echo der Felſen zu, das Echo antwortet, als theilte es mein Gefuͤhl. Warum kannſt Du mir nicht antworten, Adele! Auch Dir rufe ich ihn zu: Mucius! Ja Mucius! die Todten kehren wieder. O koͤnntet ihr auch wiederkeh - ren, mein Vater, mein Emil, meine Mutter! Aber ich umfaſſe euch alle in dem lieben Wie - dergefundenen, auch Dich Adele; Er iſt mir Vater, Bruder Freund. Auch mein Vater - land habe ich wieder, wo Mucius athmet, iſt meine Welt! Mein Kopf iſt wuͤſt, ich muß ei - nige Stunden ruhen. Das hoͤchſte Gluͤck iſt faſt ſchwerer zu tragen als der heftigſte Schmerz. Welch ein Tag, der mir zum zweiten Mahl mein Leben, mein Gluͤck, das Ziel meiner Wuͤn - ſche ſchenkte! Schlafe wohl, Adele, ich vermag nicht weiter!

51

Einige Tage ſpäter.

Fuͤr mich gibt es keine Zeit mehr. Jn mei - ner Seligkeit vergeſſe ich zu zaͤhlen wie oft die Sonne auf - und untergeht. Nur die Kranken berechnen die Stunden, und die Gefangenen zeichnen einen Ungluͤckstag nach dem andern an die Wand ihres Kerkers auf. Gern ſchreibt der Ungluͤckliche ſeine Leidensgeſchichte, der Gluͤck - liche erzaͤhlt lieber, die Feder theilt ſeine Wonne zu langſam mit. Und doch muß ich ſchreiben, wenn Du erfahren ſollſt, was ich vor allen gern zu Deiner Kenntniß braͤchte; ich werde alſo oft ein Stuͤndchen aufopfern muͤſſen, um Dir von meinem Gluͤcke Kenntniß zu geben, an welchem doch niemand ſo innigen Antheil nehmen kann, als Du. Meine Erzaͤhlung wird ſehr oft unterbrochen werden, da jedoch noch eine ziemliche Weile verlaufen wird, ehe Du dieſe Blaͤtter erhaͤltſt, ſo werden die Bruchſtuͤcke ſich ſchon nach und nach zu einem Ganzen ge - ſtalten, und ſo fange ich denn mit jenem wun - derreichen Tage, des Wiederſehns an.

Wir hatten fruͤh, den letzten Ort unſeres Nachtlagers verlaſſen, und fuhren bis zum Fuße*52der Felſen uͤber welche ſich der Niagara ſtuͤrzt; hier ließen wir Vieh und Geraͤth unter Js - maels Obhuth, und John fuͤhrte uns auf ſtei - len Fußpfaden bis zu einer Hoͤhe, von welcher wir den betaͤubenden, jede Beſchreibung uͤbertref - fenden Waſſerſturz uͤberſehen konnten. Wir wa - ren alle ergriffen von dieſem einzigen Schau - ſpiele. Donnernd ſtuͤrzt ſich der Strom von Fels zu Fels, himmelhoch ſpritzt der Schaum empor, von der Sonne durchſchienen, einem Goldregen gleich; hundertfaͤltige Regenbogen bil - den ſich an dem dichter herabfallenden Gewaͤſſer. Die Sprache iſt zu mangelhaft den Eindruck wieder zu geben, den das Auge kaum im Gan - zen auf zu faſſen vermag. Sprachlos ſtanden wir lange, und ſtaunten vor uns hin, dann gab ich meine Dienerſchaft durch Winke zu verſte - hen, daß ich bis zu einer Abſtufung des Felſens ohne Begleitung hinunter ſteigen wolle, wohin ein bequemer Pfad fuͤhrte, und wo einige Woͤl - bungen einen kuͤhlen Aufenthalt zu bieten ſchie - nen; ich wollte ungeſtoͤrt ſeyn. Als ich um eine Ecke bog, erblickte ich ein maͤnnliches We - ſen, welches in Gedanken verloren zu ſeyn

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53 ſchien, und trat zuruͤck. Der Fremde wurde mich gewahr, und machte ſeiner Seits gleichfalls eine Bewegung, um den Ort zu verlaſſen, ſo daß wir einander nach entgegen geſetzten Richtungen aus - wichen, oft ſchuͤchtern ruͤckwaͤrts ſehend. Nach vielleicht hundert ungewiſſen Schritten, traten wir beide zugleich auf eine Anhoͤhe hinauf, und ſtanden, Bildſaͤulen gleich, einander gegenuͤber. Welche Geſtalt? ich zitterte. Der Fremde beugte ſich vorwaͤrts, er hob die Arme: Geben die Graͤber ihre Todten zuruͤck ? rief eine bekannte Stimme, Mucius oder ſein Geiſt? fragte ich faſt zu gleicher Zeit, und lag in ſeinen Ar - men, verlor an ſeiner Bruſt das Bewußtſeyn. Als ich erwachte befand ich mich im Schatten eines Felſenuͤberhanges, Mucius hielt mich umfaßt, Korally kniete zu meinen Fuͤßen und ſuchte meine kalten Haͤnde mit ihren Kuͤſſen zu erwaͤrmen. Erhoͤhete Lebenskraft und Waͤrme kehrten durch meinen ganzen Koͤrper zuruͤck, ſobald ich die Augen aufſchlug, ich blickte ja in meinen Himmel. Des Weines bedurfte ich nicht, welchen der ehrliche John herbeigeholt hatte. Miß Vir - ginias Bruder? fragte Humphry etwas befrem -54 det. Ja wohl Bruder, Vater und Vaterland! rief ich, und umſchlang den Heißgeliebten. Mehr, mehr ſagte Korally mit ſchlauem Laͤcheln, und Humphry blickte zweifelnd und finſter vor ſich hin. Mucius bat ihn und John, ſich nach ſei - nen Gefaͤhrten um zu ſehen, welche tiefer gegen die Waſſerwand hinab geſtiegen waren, und ſie hier her zu fuͤhren, Korally ſetzte ſich ſchweigend hinter einen entfernten Stein. So waren wir denn allein, und die unermeßliche Seligkeit, welche uns faſt den Buſen zerſprengte, machte ſich in Thraͤnen, Worten und Kuͤſſen Luft. Jch bin unfaͤhig Dir die ganze Wonne dieſer erſten gluͤcklichen Stunden zu ſchildern. Wir hatten nur Sinn fuͤr das ungehoffte Gluͤck des Wiederſehens, keine andre Erinnerung truͤbte unſern ſonnenhellen Himmel. Endlich langten unſere Fuͤhrer und Mucius Freund bei uns an; dieſer war die ſogenannten Jndianer-Leitern hin - unter geſtiegen, um den oͤſtlichen Waſſerfall recht in der Naͤhe zu ſehen, waͤhrend Mucius vorge - zogen hatte, hier oben in der Einſamkeit ſeinen Gedanken Raum zu geben. Er wußte es war mein Feſt, und hier wollte er es in wehmuͤthi -55 ger Erinnerung begehen. So ſeltſam, auf ſo wunderbarem Wege fuͤhrte uns die liebende Vorſicht zuſammen, denn nimmer kann ich es fuͤr den Gluͤckswurf des blinden Zufalls halten.

Virginia! rief Mucius ſeinem Freunde ent - gegen. Der bloße Nahme erklaͤrte dieſem das Ganze, er ſtuͤrzte ſich jauchzend an Mucius Bruſt. Gebenedeiet ſey die Jungfrau, und alle Jungfrauen die ihr gleichen! rief er in toller Luſtigkeit; nun wird doch dieß Auge wieder la - chen, und dieſer Mund nicht mehr ſeufzen, wenn ich das Leben preiſe mit all ſeinen Launen, Tuͤk - ken, und Faſtnachtspoſſen.

Der Fremde, ein junger Mahler aus Baſ - ſano im Venetianiſchen, welchen Mucius in Spa - nien kennen lernte, wo er mit ihm in einem Regimente diente, wurde mir vorgeſtellt. Er hat ein ſchoͤnes freundliches Geſicht, und iſt voll unerſchoͤpflich heiterer Laune. Seine treue Freund - ſchaft koͤnnte den Muſtern des Alterthums an die Seite geſetzt werden. Das Gluͤck ſeines Freundes war jetzt das ſeinige, er hatte ihm lange genug die Laſt des Daſeyns ertragen hel -56 fen. Das Geraͤuſch des Falls fiel ſeiner Rede - luſt beſchwerlich, und wir kehrten, auf ſeinen Wunſch, zu meinen Fuhrwerk zuͤruͤck. Hier um ein gutes Mahl gelagert, welches Jsmael bereit gehalten, erzaͤhlten die beiden Freunde ſich abwech - ſelnd ihre Schickſale, in franzoͤſiſcher Sprache, welche ihnen die gelaͤufigſte, unſeren Leuten aber wenig verſtaͤndlich war.

Pinelli lernte Mucius in den Tagen der Hoff - nung kennen, wo dieſer ſich ſchon wieder die roſen - farbigſten Bilder der heimathlichen Zukunft ſchuf. Des Freundes heitere Laune erhoͤhete die hellen Farben des ſchoͤnen Gemaͤldes, und beide fingen an, einander unentbehrlich zu werden. Nach einiger Zeit ſetzte das gaͤnzliche Ausbleiben meiner Briefe Mucius in große Unruhe; Pi - nelli troͤſtete nach Moͤglichkeit. Die Kriegsvor - faͤlle konnten leicht die Urſache ſeyn, wie ſie es denn auch wirklich waren; aber das leidenſchaft - liche Gemuͤth eines Liebenden, welcher ſchon ſo viel truͤbes erfahren, fuͤrchtet leicht das aͤrgſte. Am Morgen jenes Tages als man ſich zum Sturm auf eine ſpaniſche Feſtung anſchickte, ward Mu - cius eines Soldaten gewahr, welchen er als57 Landsmann aus Aix erkannte, und welcher erſt vor kurzen bei dem Corps eingetroffen war. Jn ſeiner Naͤhe reitend, fragte er ihn, ob er den Beſitzer von Chaumerive kenne. Freilich kenne ich den guten Herren, er war ſonſt oft in Aix. Weißt du jetzt nichts von ihm? fragte Mucius zitternd. Als ich durch Avignon ging, entgegnete jener, war ihm vor einigen Tagen die Tochter geſtorben. Virginia? ſchrie Mucius mit Entſetzen. Den Nahmen weiß ich nicht, ſagte jener, man beklagte jedoch, ihrer Guͤte und Wohl - thaͤtigkeit wegen, allgemein ihren fruͤhen Hintritt. Lebt die Mutter noch? ſtammelte Mucius. Jch glaube nein, ſprach der Soldat. Wenige Sekun - den darauf wurde der Ungluͤckliche von einer Kanonenkugel zerſchmettert. Mucius Zuſtand war halbe Geiſteszerruͤttnng. Kurz darauf wurde der Sturmmarſch geſchlagen. Wie außer ſich ſprang Mucius vom Pferde, ergriff gewaltſam einen Adler, und eilte die Bruͤcke hinauf, aber ſchwankend und halb bewußtlos wurde er bald von der Menge hinab gedraͤngt. Pinelli war, in der groͤßten Unruhe, dem Freunde gefolgt, er ſahe ihn ſtuͤrzen, noch ehe er zu ihm gelangen konnte,58 und nur die Stimme der Freundſchaft hoͤrend warf er ſein Pferd herum, und jagte am Ufer des reißenden Fluſſes entlang. Nach einigen Minuten ſahe er Mucius auftauchen, und matt mit den Wellen kaͤmpfen, der Strom ſchlang ihn immer wieder in ſeine Strudel. Endlich blieb der ſchon faſt Entſeelte mit den Kleidern an einem Geſtraͤuch hangen, und mit der groͤß - ten Muͤhe gelang es dem Freunde, ihn ans Ufer zu ziehn, mit noch groͤßerer, ihn voͤllig ins Le - ben zuruͤck zu rufen. Beide waren weiter als eine Viertelſtunde von der Feſtung entfernt. Jn dieſer Lage wurden ſie ploͤtzlich von einer Abtheilung engliſcher Reiterei umringt, und ge - fangen genommen. Mucius fuͤhlte und begriff wenig von dem, was um ihn her vorging, er glich einem Seelenloſen, ſein Freund mußte fuͤr ihn denken und handeln.

Jn dieſem Zuſtande wurden ſie bis Liſſabon gebracht, und von dort, mit mehreren Gefangenen, auf einem Transportſchiffe nach England gefuͤhrt. Der Kapitaͤn ſchien geruͤhrt von der tiefen Nie - dergeſchlagenheit des Einen, und von der auf - opfernden Freundſchaft des Andern, und behan -59 delte beide Freunde mit einiger Auszeichnung, Pinelli erkundigte ſich oft nach dem Schickſale, welches ihnen bei ihrer Ankunft in England bevorſtaͤnde. Die Antwort war allgemein, daß ſie, wie alle Subalternen, nebſt den Soldaten, auf die Gefangenſchiffe gebracht werden wuͤrden. Er hatte von dieſen Waſſergefaͤngniſſen eine ſo furchtbare Vorſtellung, daß er Tag und Nacht darauf ſann, ſich und ſeinen Freund dieſem Elende zu entziehen. Das Gluͤck, oder das Schickſal, erleichterte ſein Vorhaben. Die Hitze, oder die Hand eines Frevlers, ſprengte nach wenigen Tagen die beiden groͤßten Waſſerfaͤſſer des Fahr - zeuges, zugleich trennte ein Windſtoß daſſelbe von der Convoy, und trieb es gegen die franzoͤſiſche Kuͤſte. Jn dieſer Verlegenheit zog der Kapitaͤn die amerikaniſche Flagge auf, und ging auf der Rhede von La Rochelle vor Anker, wo eben kein franzoͤſiſches Fahrzeug von Bedeutung lag, ſich aber zwei amerikaniſche Fregatten befanden.

Man hielt ſich ſo weit als moͤglich von den Batterien entfernt, und ſchickte die Schaluppe aus Land, um einen Vorrath von Waſſer ein zu nehmen. Die Amerikaner kuͤmmerten ſich we -60 nig um die Ankoͤmmlinge, ſondern waren be - ſchaͤftigt die Anker zu lichten, und die Segel bei zu ſetzen, um mit dem eben umſetzenden Winde in See zu gehen. Der Mond war auf - gegangen, und erhellte wechſelnd den wolkigen Himmel; die Freunde waren auf dem Verdeck, und betrachteten das eilende Gewoͤlk. Da blitzte in Pinelli’s Seele ein Gedanke an Rettung auf. Unvermerkt ergriff er ein da liegendes Tau, ſchlang es um ſeinen Freund, und ſtuͤrzte ſich muthig mit ihm uͤber Bord. Die Wellen ſchlu - gen hoch auf, der kuͤhne Schwimmer arbeitete ſich jedoch maͤchtig empor, und zog den Gefaͤhr - ten mit ſich, welcher ſich bald begriff, und eben - falls ſeine Kraͤfte anſtrengte, ihm zu folgen. Gewoͤlk verdunkelte den Mond, und man ward die Schwimmer vom Schiffe aus nicht gewahr. Sie nahmen ihre Richtung den abſegelnde Fre - gatten zu, welche ſie auch bald erreichten, und von welchen ſie, bei einem aufblitzenden Licht - ſtrahle, bemerkt wurden. Man warf ihnen ein Tau zu, und brachte ſie gluͤcklich an Bord. Hier ga - ben ſie Kunde von ihrem Schickſal, und von der fal - ſchen Flagge des Englaͤnders, ihre Rettung war61 vollendet. Die Fregatte war in wenigen Minu - ten außer dem Geſichte des Schiffes, welches ohnehin an kein Verfolgen denken konnte. Die Fahrt ging gerade auf Boſton, wo man ohne alle Abentheuer einlief. Die beiden Freunde waren hinreichend mit Golde verſehen, und man richtete ſich genuͤgſam ein. Pinelli’s froher Muth und ſeine Lebensluſt, halfen dem ſchwermuͤthigen Mucius tragen. Er brachte, zu ſeiner Zerſtreu - ung, eine Reiſe ins Jnnere in Vorſchlag, und zu den Denkmaͤhlern der Vorzeit am Ohio, zu den Wildenvoͤlkern am Miſſouri, und wirklich hatte dieſe Reiſe einen guͤnſtigen Einfluß auf Mucius gramvolles Gemuͤth. Noch jetzt ſpricht er mit Entzuͤcken, von der Schoͤnheit der ſuͤdli - chen Provinzen, verliert ſich noch in philoſophi - ſche Betrachtungen, uͤber den Urzuſtand dieſes Welttheils, uͤber die untergegangene Kultur die - ſer zerſprengten Staͤmme. Nach faſt zwei Jah - ren kehrten die Pilger nach Boſton zuruͤck, ihre Barſchaft war indeſſen ſehr verringert. Pinelli ſuchte ſeine Kunſt, mit vielem Gluͤck, geltend zu machen. Er fuͤhrte die auf der Reiſe entwor - fenen Landſchaften mit großem Fleiße aus, und62 fand Kaͤufer zu ihnen. Auch die Portraͤtmah - lerei uͤbte er wieder, und man war entzuͤckt von dem eigenthuͤmlichen Karakter und der Jdeali - ſirung, welche er ſeinen Phyſiognomien, bei al - ler Aehnlichkeit, zu geben wußte. Mucius be - foͤrderte ſeine Reiſe, mit ſeinen Alterthumsfor - ſchungen, zum Druck, und gab daneben Unter - richt in alten Sprachen. Mitten unter dieſen Beſchaͤftigungen, erhielten ſie die Nachricht von den großen Umwaͤlzungen im Vaterlande, welche ihnen fuͤr immer den Wunſch zur Ruͤckkehr be - nahmen. Sie betrachteten nunmehr das fremde, freie Amerika als ihre Heimath, und eilten, zu ſeiner Vertheidigung, die Waffen zu ergreifen, als es von den Englaͤndern in ſeinem Jnnern bedroht wurde. Jn Baltimore hatte Mucius wirklich im Hauſe des Herrn Davſon gewohnt, wie mein ahndendes Herz, es mir damahls ſagte. Miſtriß Davſon fuͤhlte ſich von der ſanf - ten, freundlichen Schwermuth ergriffen, welche den ſchoͤnen jungen Mann ſo anziehend machte. Herr Davſon fing nach und nach an Eiferſucht zu hegen, welches die Freunde veranlaßte, bald nach ihrer Ruͤckkehr aus der Gegend von Wa -63 ſhington, eine Reiſe zu den Waſſerfaͤllen zu un - ternehmen. Sie durchſtrichen lange die umlie - genden Gegenden. Mucius konnte ſich nicht wieder losreißen von dieſer wildromantiſchen Natur, und hier, wo er nur Nahrung fuͤr ſeinen Schmerz ſuchte, fand er die Heilung deſſelben.

Laut dankte ich Gott, nach Endigung jener Erzaͤhlung, fuͤr ſeine vaͤterliche Fuͤhrung; naͤchſt ihm dem treuen Pinelli, denn ohne ihn, den Schutzgeiſt meines Mucius, haͤtte ich dieſen nicht wieder geſehen. O, wie unendlich theuer muß dieſer neue Freund mir ſeyn! Aber, auch ohne dieſe Ruͤckſicht, muß man den Mann lieb gewinnen. Er lebt nur fuͤr ſeine Freunde, und hegt ein gefuͤhlvolles Herz fuͤr die ganze Welt. Seine gute Laune iſt unerſchoͤpflich, je - der Unanehmlichkeit weiß er eine heitere Seite ab zu gewinnen. Von unſerer Reiſegeſellſchaft wird er allgemein geliebt. Er unterhaͤlt ſich mit Humphry, laͤßt ſich von ihm uͤber Amerika belehren, und bewundert ſeine Kenntniße; John64 muß ihm von den wilden Staͤmmen erzaͤhlen, und er ſchuͤttelt ihm treuherzig die Hand; den ehrlichen Jsmael umarmt er, und ſagt der kleinen Korally tauſend ſchmeichelhafte Dinge. Er will damit niemand gewinnen, es iſt der nothwen - dige Ausdruck ſeines heiteren Herzens ſeiner warmen Menſchenliebe, aber er nimmt jeder - mann ein. Mucius, bloß mit ſeiner Liebe be - ſchaͤftigt, hat in dem Herzen unſerer Reiſege - faͤhrten nur den zweiten Rang, ja in Humphry’s Augen begegne ich ſogar zuweilen einem zweideu - tigen, vorwurfsvollen Blicke. Er iſt wohl, nach und nach, von ſeinem erſten Gedanken zu Korally’s Vorausſetzung uͤber gegangen, und dieß muß dem ehrlichen Kerl wehe thun, welcher ſich gewoͤhnt hatte, mich im ſtillen als die Braut ſeines Herrn zu betrachten. Sein ſtummer Vorwurf erinnert mich oft mit einiger Aengſtlichkeit an Elliſon, welcher jetzt meinetwegen die Meere durchkreuzt. Was wird der gute William ſagen wenn er zuruͤckkehrt? Zwar ſpricht mein Ge - wiſſen mich frei, ich habe ihn nicht getaͤuſcht, aber ich habe nicht jede Hoffnung in ihm nie - der geſchlagen, und werfe mir jetzt faſt diekleinſte65kleinſte freundſchaftliche Aeußerung vor, welche mein dankbares Herz fuͤr ihn gezeigt hat; auch fuͤrchte ich die unangenehmen Empfindungen ſei - ner Familie, deren Guͤte ich mit getaͤuſchter Hoff - nung lohnen muß. Mein Gluͤck wird nicht eher ganz rein ſeyn, als bis bei dieſen guten Men - ſchen wieder Zufriedenheit herrſcht. Mucius nimmt die Sache leichter, wie wohl meiſtens die Maͤnner. Konnte William die Vergaͤng - lichkeit der Liebe hoffen? ſpricht er, begriff er das Herz meiner Virginia ſo wenig? kennt er uͤberhaupt wohl die wahre Liebe? Wer die fruͤ - here Neigung eines anderen zu uͤberwinden hofft, muß auch auf die Ueberwindlichkeit der ſeinigen ſchließen. Und ſeine Aeltern? Du lohnſt ihnen Gaſtfreundſchaft mit Dankbarkeit, und kannſt jeden Aufwand verguͤten, welch ein Recht haben ſie zu hoͤheren Forderungen? Wenn der Geliebte ſo troͤſtend ſpricht, kann meine Vernunft nichts dagegen einwenden, aber mein Herz hoͤrt doch nicht auf, etwas aͤngſtlich zu ſchlagen und ich ſehe es recht gern, daß unſere Reiſe ſich noch laͤnger verzoͤgert.

Zweiter Theil. [5]66

Wir ſind bis zum Fort Niagara in kurzen Tagereiſen, meiſt zu Fuß, gelangt. Hier haben ſich Mucius und Pinelli beritten gemacht, ih - ren Fuͤhrer verabſchiedet, und neue Lebensmit - tel eingehandelt. Dann ſind wir bis zum See Ontario hinauf gezogen, und haben auf mehre - ren herrlichen Pflanzungen verweilt. Heute ſind wir bis Woodhouſe zuruͤckgekehrt, wo wir mit lauter Freude empfangen wurden, und, auf in - ſtaͤndiges Bitten der Familie, zwei Raſttage halten werden. Dieſe einzelnen Niederlaſſun - gen haben einen unbeſchreiblichen Reiz fuͤr uns, beſonders fuͤr Mucius, welcher ſich, ſeit den neueſten Umwaͤlzungen in unſerem Vaterlande, mit dem Zeitgeiſte von Europa entzweiet hat. Schon mahlen wir uns, mit wahrer Liebe, das Bild einer einſamen Kolonie aus, welche bei al - ler Geiſteskultur der gebildeten Welt, doch die ganze Einfachheit der Sitten des goldenen Zeit - alters bewahrt. Pinelli iſt unerſchoͤpflich an neuen Einfaͤllen und Entwuͤrfen fuͤr dieſen unſern Lieblingsgedanken, welcher leicht in Wirk - lichkeit verwandelt werden koͤnnte, wenn wir noch einige gleichgeſtimmte Menſchen traͤfen.

67

Wir begleiten hier die juͤngeren Mitglieder der Familie bei ihren leichten Arbeiten. Heute Abend gab uns der gute Vater vom Hauſe einen laͤndlichen Ball, wobei er die Geige mit vieler Leichtigkeit ſpielte. Wir tanzten ſaͤmmtlich auf einem kurzen, ebenen Raſen, mit gleicher, herzli - cher Froͤhlichkeit. Ruͤmpfe nur das Naͤschen im - mer ein wenig, liebe Adele, uͤber die Art unſrer Vergnuͤgungen, ich ziehe ſie euren glaͤnzenden Hoffbaͤllen weit vor. Welch ein ſeliges Ge - fuͤhl fuͤr mich, nichts als Menſch zu ſeyn! Jch bin nicht mehr die Graͤfinn Montorin, ich bin auf ewig nur Virginia.

Philadelphia.

Jch habe Dir lange nicht geſchrieben, meine Adele. Deſto oͤfter denke ich an Dich und ſpreche von Dir, und unſere Freundſchaft leidet nicht darunter, daß Du nicht mehr meines Bu - ſens einzige Vertraute biſt. Gewiß Du freueſt Dich mit Deiner ſonſt ſo verlaſſenen, und jetzt ſo gluͤcklichen, ſo uͤberreichen Virginia.

*68

Wir ſind hier, nach einigen Umwegen, gluͤck - lich angekommen. Mucius und Pinelli haben eine Wohnung gemiethet, und ich wuͤrde gern ein gleiches gethan haben, haͤtte ich nicht Elliſons dadurch noch mehr zu kraͤnken geglaubt. Es gibt hier im Hauſe veraͤnderte Geſichter, vor - zuͤglich von Seiten der Mutter, welche meine offene Erzaͤhlung mit einem unglaͤubigen Kopf - ſchuͤtteln anhoͤrte, und mit ſpitzen Anmerkungen begleitete. Sie haͤlt die Begebenheit fuͤr eine offenbare Fabel, und Reiſe und Zuſammentref - fen fuͤr einen heimlich verabredeten Plan, das ſchmerzt mich tief. Waͤre nur erſt William hier; was wird Er dazu ſagen? wird er ſeiner Freundinn mehr Gerechtigkeit wiederfahren la - ßen? Haͤtte ich doch erſt hieruͤber Gewißheit! Nur Philippine iſt die alte. Sie warf ſich mir, mit einem Freudengeſchrei, in die Arme; und als ich ihr Mucius vorſtellte, huͤpfte ſie dieſem mit kindlicher Froͤhlichkeit entgegen, und ſchuͤt - telte ihm freundlich die Hand. Dieſer findet das Maͤdchen ſo liebenswuͤrdig, als ich, und Pi - nelli ſchwoͤrt, bei allen ſeinen mythologiſchen Goͤt - tern, ſie ſey die juͤngſte der Grazien. Jch69 fuͤrchte ſehr, er wird kuͤnftig keine andere Ge - ſtalten mehr mahlen wollen, als ihren Nym - phenwuchs, und ihr liebliches griechiſches Profil; auch Philippinchen ſieht den muntern Juͤngling gern. Es iſt ein lieber Menſch, ſagt ſie ganz offen und ohne Erroͤthen, man ſieht ihm durch die klaren Augen bis in die Seele hinein. Nun, wer weiß was mir auch von dieſer Seite fuͤr Gluͤck erbluͤht, wenn mein eigenes Schickſal nur erſt entſchieden ſeyn wird.

Ein Brief von Dir, Adele, und von Lon - don? Welche Neuigkeiten, welche unerwarteten Begebenheiten! Du Arme wieder gefluͤchtet, wieder heimathlos? Welch ein prophetiſcher Geiſt ſprach aus mir, als ich ſagte Du ſtaͤndeſt auf einem glimmenden Vulkane!

So habe ich mich doch nicht getaͤuſcht uͤber die Geſinnungen meiner Landsleute; denn, was man auch ſagen mag und wird, mit einigen hundert Mann erobert man kein Reich in we - nigen Tagen. Auch werden die Geſchichtsfor -70 kuͤnftiger Jahrhunderte ſchließen: daß wer einen Thron zum zweiten Mahle beſteigen konnte, bloß durch die Macht ſeines Nahmens und die Liebe ſeines Volkes, dieſes Thrones nicht ganz un - wuͤrdig ſeyn koͤnne; Millionen irren nicht leicht uͤber ihr Jntereſſe, und ihre Neigung. Wird aber der wieder auftretende Held dem allgemeinen Sturme widerſtehen koͤnnen, wel - cher ſich ſogleich in ſeiner Naͤhe erheben muß, ehe ſeine Stellung noch Feſtigkeit gewinnt? ich zwei - fle ſehr, und beklage das ungluͤckliche Frankreich. Hier iſt man mit den Neuigkeiten ſehr zufrie - den, England wird dadurch wieder in Europa beſchaͤftigt, und laͤßt uns in Frieden. Jch ſage uns; denn welches auch immer Frankreichs Schickſal ſeyn mag, ich kehre nimmer dahin zuruͤck! Hier iſt nunmehr mein Vaterland! mit ihm, dem Lande der Freiheit, kann ſich kein europaͤiſcher Staat meſſen, wo dieſes große Wort bedeutungslos iſt. Alles was Du mir uͤbrigens ſchreibſt, macht mir große Freude. Du liebſt mich noch, das iſt die Hauptſache. Du haſt meinen Brief aus Marſeille erhalten, auch den, welchen ich einem Kauffahrer am Ausfluß des71 Delaware mit gab, und haſt Dich uͤber mein Schickſal beruhigt. Deine gute Mutter zuͤrnt mir nicht, und hat Dir erlaubt, mir von Lon - don aus zu ſchreiben. Das iſt viel! faſt mehr als ich hoffte. Moͤge doch Dein Vater lebens - lang dieſes ſtrenge Stillſchweigen uͤber mich be - obachten, ich werde ihn niemahls an mein Da - ſeyn erinnern. Man denkt auf eine Heirath fuͤr Dich? Moͤge die Wahl gluͤcklich ſeyn, moͤ - geſt Du ſo gluͤcklich werden, als ich zu ſeyn hoffe. Du gibſt mir doppelte Adreſſe unter welcher ich Dir ſchreiben ſoll. Das macht mir unbeſchreibliche Freude, und ich danke Dir tau - ſend Mahl fuͤr dieſe Maßregel. Nun ſcheint es mir, als waͤren wir gar nicht getrennt, hoͤch - ſtens nur durch Meilen, durch einige Berge, einige Fluͤſſe. Was iſt es denn mehr? ein Schnellſegler kann Dir meine Gedanken in we - nigen Wochen uͤberbringen, und eben ſo ſchnell kann ich Deine Antwort erhalten! Mucius gruͤßt Dich aufs herzlichſte. Er liebt Dich in dem Bilde, welches ich ihm, immer von neuen, von Dir entwerfen muß, und wozu ich jetzt oft einige Aehnlichkeiten von Philippinen borge,72 welche Dir wirklich, in manchen Stuͤcken, vergli - chen werden kann. Auch ſind es dieſe Aehnlich - keiten welche mich zuerſt zu dem lieben Maͤdchen hin zogen.

Wir leben hier ein ſeliges, obwohl erwar - tungsvolles Leben, und ſehnen uns von allen Seiten nach Williams Ankunft, die Mutter weil ſie fuͤr ihn fuͤrchtet, wir andern weil wir auf ihn hoffen. Gewiß wird ſeine Gegenwart die Spannung loͤſen, welche man jetzt nur zu verbergen ſucht. Philippine und Pinelli ſchei - nen heimlich auf ſeine Verwendung zu rechnen. Jhre Wuͤnſche ſtehn leſerlich in ihren Mienen geſchrieben, aber die Aeltern geben ſich das An - ſehn, ſie nicht zu verſtehen; zu reden wagt nie - mand, Philippine iſt ſtumm, aus Schuͤchternheit, wir Fremden ſchweigen, aus Mangel an Recht. Die Freunde haben die Bekanntſchaft zweier trefflichen Maͤnner gemacht, eines Schweizers und eines Deutſchen Nahmens Stauffach, und Walter, und auch dieſe bei uns eingefuͤhrt; beide gefallen uns ſehr. Der erſte iſt ein jun -73 ger Apotheker, welcher, aus leidenſchaftlicher Liebe zur Gewaͤchskunde, einen großen Theil der ſuͤd - lichen Provinzen, bis Mexiko durchwandert hat; der zweite ſtammt aus einer hannoͤveriſchen Fa - milie, und ſtudierte in Hofwyl die Landwirth - ſchaft, wo er mit Stauffach bekannt wurde. Seine Mutter gewann einſt in einer engliſchen Lot - terie anſehnliche, aber wuͤſte Laͤndereien am Ohio. Bei der Entfernung, und dem langen Kriege, waren alle Nachforſchungen fruchtlos. Man nannte die Beſitzungen, ſcherzend, die Guͤ - ter im Monde. Der Vater war todt, der Bru - der blieb im Kriege, die Mutter folgte ihren Lieben in kurzen nach, und hinterließ ihrem juͤngſten Sohne ein kleines Vermoͤgen, nebſt den Urkunden uͤber die amerikaniſchen Laͤndereien. Walter hatte keine nahen Verwandten, und keine lockenden Ausſichten in den bedraͤngten Laͤndern der alten Welt, daher nahm er ſein ganzes Eigenthum zuſammen, und folgte ſeinem ſchweizeriſchen Freunde luſtig in die neue. Er wurde der unzertrennliche Gefaͤhrte ſeiner Wan - derungen, und durchſtreifte auf dieſen auch ſeine Beſitzungen. Jhre Lage und ihr ergiebiger74 Boden entzuͤckten ihn. Sie wurden, unter Auf - ſicht der Ohio-Geſellſchaft, verwaltet, doch nur aͤußerſt nachlaͤſſig, da ſich kein Eigenthuͤmer mel - dete; kaum der funfzigſte Theil war urbar, und dennoch fand er dieſen ſchon hinreichend ſeinen Unterhalt zu ſichern. Er eilte, ſich als rechtmaͤ - ßigen Beſitzer auszuweiſen, und denkt jetzt dar - auf, ſich in den Stand zu ſetzen, dort angenehm und bequem zu leben. Dieſe Angelegenheit, iſt eine Hauptunterhaltung der jungen Maͤnner, woran auch ich immer mehr Theil nehme. Der Jtaliener nennt den jungen Mann, ſcherzend, bald Fuͤrſt Walter, bald Walter Robinſon, Stauffach und Mucius nennen ihn nur den Penn von Kentucky.

Einige Wochen ſpäter.

Große Freude! gedraͤngte Neuigkeiten und Begebenheiten! Was ſoll ich Dir zuerſt er - zaͤhlen? und in welcher Reihefolge? Doch mit dem, was das Herz beſchaͤftigt, fange ich an. William iſt angekommen, und ich habe Deine75 lieben Briefe erhalten. William iſt hier, und ich athme aus, voller leichter Bruſt. Als die Nachricht aus dem Hafen einlief, der Wa - ſhinton gehe vor Anker, erblaßten wir alle, und mein Herz ſchlug kaum hoͤrbar. Doch als der edle Menſch, mit ſeiner feſten Haltung, ins Zim - mer trat, und ſein freundliches, Zutrauen for - derndes Auge auf mich warf, da war ploͤtzlich meine Aengſtlichkeit verſchwunden, und ich eilte ihm mit ſchweſterlicher Zaͤrtlichkeit entgegen. Er bewillkommte mich mit ſeiner alten Herzlichkeit; ſein Blick ruhete lange auf mir, und uͤberflog dann die kleine Verſammlung. Jch finde ſie ſo gluͤcklich wieder, ſagte er, wie meine Freund - ſchaft es nur wuͤnſchen konnte; ihre Geſundheit ſcheint auf ihrer Reiſe viel bluͤhender geworden, und der Kreis ihrer Freunde hat ſich angenehm vermehrt. Jch habe den aͤlteſten wieder gefunden, erwiederte ich, und in demſelben Augenglicke warf ſich Mucius an ſeine Bruſt, und bat mit ſeiner ruͤhrenden ſchoͤnen Stimme: O laſſen ſie mich auch der ihrige werden, edler Mann. William war betroffen, aber bald fragte er: Mucius?

Er iſts! mein verlorener, wieder gefundener76 Mucius, rief ich. Er blickte von ihm auf mich; ein leichter Krampf zuckte um ſeinen Mund, und eine Blaͤſſe uͤberflog ploͤtzlich ſein Geſicht, doch mit ſchnellem Uebergange ſchoß der ge - hemmte Blutſtrom verdoppelt in ſeine Wangen; er ſchloß uns beide zugleich, mit Heftigkeit, in ſeine Arme, und rief: willkommen an dem Her - zen eures Bruders! dann gruͤßte er die Uebri - gen, und beantwortete die Fragen ſeines Vaters mit der gewohnten Klarheit und Ruhe. Die Mutter betrachtete ihn oft unvermerkt von der Seite, und ſchuͤttelte heimlich den Kopf, doch ſchien auch ſie froh, daß der gefuͤrchtete Augen - blick voruͤber war. Nun ging es an ein er - zaͤhlen und erkundigen, daß die Mitternacht, ganz unbemerkt, uͤber unſre Verſammlung herein brach. Jm Ganzen hoͤrten Mucius und ich nichts Unerwartetes. Daß ein einziger Schlag entſcheiden wuͤrde, hatten wir freilich nicht vor - aus ſehn koͤnnen; wenn es aber doch ſo enden mußte, ſo war es gut fuͤr Frankreich, daß es ſchnell endete. Der Held des Trauerſpiels wird hier ſehr verſchieden beurtheilt. Bei Extremen, denke ich, liegt die Wahrheit ziemlich in der Mitte,77 die Zeit, das Endurtheil zu ſprechen, iſt noch und lange nicht erſchienen. Der Ort ſeines kuͤnfti - gen Aufenthalts intereſſirt mich ſehr, ich kenne die gluͤckliche Jnſel. O, koͤnnte ich ihm meine Ruhe geben, er wuͤrde dort gluͤcklich leben! Frei - lich macht der Gedanke, gefangen zu ſeyn, eine Aenderung; aber auch in Feſſeln iſt der Weiſe frei, und ein koͤniglicher Gefangener, gebietet ſeinen Waͤchtern.

Wie ſehr die neueſten Begebenheiten Europa erſchuͤttern, davon ſpuͤrt man hier beſonders die Wirkungen an dem Heere der Ausgewander - ten, welche in den hieſigen Haͤfen landen. Wie die Moͤven, beim drohenden Sturme, an das Ufer eilen, ſo verlaſſen die Menſchen den gaͤhrenden Welttheil und fliehen zu unſeren Friedenskuͤſten. Auch Elliſons Schiff hat inter - eſſante Fluͤchtlinge an Bord genommen, waͤh - rend es in einem niederlaͤndiſchen Hafen ankerte; einen deutſchen Mechaniker Nahmens Franke, nebſt Frau und zwei Schweſtern, einen Bau -78 meiſter aus Verona, einen florentiniſchen Arzt, mit ſeiner Schweſter, und einen niederlaͤndiſchen Kunſtgaͤrtner, mit ſeiner Frau, ſaͤmtlich gebil - dete Menſchen, jung und lebensfroh, welche hier ein beſſeres Fortkommen, und ein freieres Daſeyn ſuchen. Die lange Reiſe hat ſie mit William eng befreundet, welchem beſonders die Maͤdchen mit unſchuldiger Freundlichkeit entge - gen kommen. Er zeichnet darunter die juͤngſte der deutſchen, mit einigem Wohlgefallen, aus. Philippine iſt innig vergnuͤgt uͤber dieſen Zuwachs unſerer weiblichen Geſellſchaft, und macht die Wirthinn mit ſo vieler Anmuth, daß die Frem - den ſich ſchon ganz einheimiſch finden.

Seit geſtern Abend iſt unſer munterer Kreis etwas verſtoͤrt, durch die Unpaͤßlichkeit des Vaters Elliſon. Die Symptome ſind be - denklich, unſer Florentiner fuͤrchtet das gelbe Fieber, und ermahnt uns alle, einen andern Aufenthalt zu waͤhlen, er ſelbſt weicht nicht von dem Kranken, hat aber um den Beiſtand79 des Hausarztes gebeten. Die Geſellſchaft ver - ſammelt ſich jetzt auf dem Landhauſe. Jch werde die Nacht in der Stadt zubringen, um Philippinen abzuloͤſen, welche, nebſt der Mutter die vorige Nacht durchwacht hat. Mucius und William wollten mich daran verhindern, ich ſtellte ihnen aber vor, wie oft der eine den Schlacht - der andere den Seeſturm beſtanden, mit feſter Treue in ihrem Beruf. Des Wei - bes Beruf iſt, am Krankenbette Pflege zu lei - ſten, ſezte ich hinzu.

Die Lage wird gefaͤhrlicher. Das gelbe Fieber iſt nicht mehr zu bezweifeln; auch die Mutter huͤthet das Bett. Das Haus iſt geſperrt, die Gemeinſchaft mit dem Landhauſe iſt gaͤnz - lich aufgehoben, wozu ich freiwillig das meiſte beigetragen habe. Wie koͤnnte ich Mucius, Philippine und William in Gefahr wiſſen! Jch habe den erſteren in einigen Zeilen beſchwo - ren, die Geſchwiſter mit Gewalt zuruͤck zu halten wie es ſelbſt die Aeltern wuͤnſchen; uͤber mich80 mag die Vorſicht walten. Sollte mich die Krankheit ergreifen, ſo konnte dieß ſchon bei der erſten Nachtwache geſchehen; aber ich hoffe auf meinen Muth, und vernachlaͤſſige keines der Mittel, welche mir Salvito, der Florentiner, empfiehlt. Dieſer haͤlt treulich mit mir aus. Das Studium ſeiner Kunſt verdraͤngt bei ihm jede, andere Ruͤckſicht; mich beſeelt Dankbarkeit und Freundſchaft, ich kann die gu - ten Alten nicht unter fremde, bezahlte Waͤrter wiſſen, und theile meine Pflege zwiſchen ihnen. Jhr zufriedenes Winken, ſo oft ſie zum Be - wußtſeyn kommen, lohnt mir dafuͤr.

Es iſt voruͤber. Dieſes Uebel endet ſchnell. Armer William! arme Philippine! verwaiſt, ganz verwaiſt! mein Herz blutet mit. Ach ich habe ihren Schmerz empfunden! Sie ſind um vieles gluͤcklicher, als ich es war, ſie trauern gemeinſchaftlich.

Noch immer bin ich die Schaffnerinn dieſes veroͤdeten Hauſes, welches kein fremder Fuß zubetreten81betreten wagt. Heute, in der Stille der Mit - ternacht, werden Salvito und ich die dichtver - ſchloſſenen Saͤrge der verſtorbenen Gatten zur Gruft geleiten. Verhuͤllte, ſcheue Leichentraͤger werden die einzigen Begleiter ſeyn, und John, der treue John, welchen nichts abhalten konnte, ſeinem Wohlthaͤter noch ein Mahl zu ſehen. William hat auch zu uns gewollt, aber man hat es verhindert. Philippine liegt krank, wie mir John ſagt, Gott verhuͤthe daß ſie ſchon von dieſer fuͤrchterlichen Krankheit ergriffen iſt, deren Ausbreitung die Geſundheits-Po - lizei, mit großer Wachſamkeit, zu verhindern ſtrebt. Morgen werden wir, auf dem Hofe des Hauſes, das ſaͤmmtliche Mobiliar, mit Waͤ - ſche und Kleidungsſtuͤcken, verbrennen. Jch werde ein Bad nehmen, und mich unmittelbar darauf in friſche Waͤſche und Kleider huͤllen, welche man mir von außen reichen wird. Dann ver - laſſe ich dieß traurige Haus des Todes, um wie - der aufzuleben in den Armen der Liebe, und den leidenden Freunden bei zu ſtehn; Salvito und John werden mich begleiten.

Zweiter Theil. [6]82

Vom Landhauſe, nach 14 Tagen.

Alles iſt gluͤcklich uͤberſtanden. Trotz der beobachteten Vorſicht, war ich doch nicht ohne Beſorgniß fuͤr meine Lieben, und naͤherte mich ihnen, nur auf einem weiten Umwege, laͤngs den Ufern des Delaware. Aber wir ſind ſaͤmmtlich geſund geblieben, und Philippinens Krankheit war nur eine Wirkung ihres bewegten Gemuͤths, uͤber welches die Zeit und des Freundes Troſt ſchon einige Macht gewinnen. Wir trauern ge - meinſchaftlich uͤber den Tod des gaſtfreundlichen Paares, deſſen kleine Schwaͤchen, mit der irdi - ſchen Huͤlle abgelegt wurden. Gluͤcklich preiſen wir ihr Loos, daß ſie, nach langer Vereinigung, faſt zugleich und ſo ſchnell, die Erde verließen. Jeder von uns wuͤnſcht, ſo dereinſt mit dem Ge - faͤhrten ſeines Lebens, Hand in Hand, die große Reiſe an zu treten.

Wir haben uns hier foͤrmlich mit einander eingerichtet, eine kleine freundliche Kolonie, und es iſt uns ganz undenkbar, uns wieder von ein -83 ander zu trennen. Der Plan, mit Walter an den Ohio zu ziehen, gewinnt immer mehr Fe - ſtigkeit; ſelbſt Elliſon will ſein, und ſeiner Schwe - ſter Vermoͤgen aus der Handlung nehmen, und uns begleiten. Die Maͤnner gedenken noch in dieſem Herbſt eine Reiſe dahin zu machen, und das noͤthige zu ordnen. Wir zaͤrtliche Dulci - neen werden ihre Ruͤckkunft mit Sehnſucht er - warten, denn unſre Herzen ſtehen ſaͤmmtlich unter Amors Macht, und der Fruͤhling wird mehr als ein Eheband knuͤpfen. Philippine und Pinelli werden Mucius und mich zum Altar begleiten, wahrſcheinlich auch William und die ſanfte Marie Frank; Salvito wirbt um Thereſe Frank, und Antonio, der Veroneſer, ſcheint die ſchoͤne Florentinerinn Roſalva zu lieben. Noch ein liebendes Paar iſt, ſeit einigen Tagen, zu uns gekommen: Dupont, ein Franzoſe, iſt mit ſeiner jungen Braut hier her gefluͤchtet, um ein Buͤndniß zu ſchließen, dem in ihrer Heimath große Hinderniſſe im Wege ſtanden. Er iſt Proteſtant, und die beginnenden Verfolgungen ſeiner Glaubensgenoſſen, drohten ihn auf immer von ſeiner katholiſchen Geliebten zu trennen. *84Welch ein Verein von jungen muntern Koloni - ſten! Noch nie iſt wohl ein kleiner Staat, unter ſo guͤnſtigen Vorbedeutungen, gegruͤndet worden.

Die kuͤhlere Herbſtluft hat den Fieberſtoff zerſetzt, und die Beſorgniß einer allgemeinen An - ſteckung iſt verſchwunden, es zeigt ſich keine Spur mehr davon. Unſre Geliebten ſind ab - gereiſt, von John und ſeinen Soͤhnen begleitet, Humphry iſt zu unſrem Schutze hier geblieben. Wir verlaſſenen Frauen vertreiben uns die Zeit, ſo gut es ſich thun laͤßt; wir gehen und fahren aus, machen Muſik, und arbeiten. An Stoff zur Unterhaltung fehlt es uns nicht. Die furchtſa - men Weibchen zittern vor den Gefahren, welche ihre Maͤnner in dem wuͤſten Lande treffen koͤnnten, und nehmen mit ihren tauſend Fragen ihre Zu - flucht zu mir, ich bin ihre Heldinn, die Allen Muth zuſpricht. Jch darf reden, meinen ſie, denn ich habe ja die Gebirge durchreiſt, habe die Waſ - ſerfaͤlle geſehen, und die Wilden, Gazellen und Woͤlfe, ja ſelbſt in einiger Entfernung einen85 Baͤren, und ich lebe noch. Was noch mehr, ich ſehne mich in die Urwaͤlder zuruͤck, in die Frei - heit des goldenen Zeitalters. Meine Beredtſam - keit reißt alles mit ſich fort; man wuͤnſcht die Zeit herbei, wo der Voͤlkerzug beginnen ſoll, unfehlbar geſchieht dieß in den erſten Fruͤhlings - tagen.

Es ſcheint als ob wir auch noch ganz junge Koloniſten mit nehmen ſollten. Die junge Frank und Vanhuſens niedliches Weibchen ſind guter Hoffnung. Wir Maͤdchen haben uns vereinigt, den kleinen Ankoͤmmlingen eine foͤrmliche Aus - ſteuer zu bereiten, und da iſt denn ein Wett - eifer im ſticken, ſtricken und naͤhen, daß es eine Luſt iſt, unſern emſigen Zirkel zu ſehen, welcher ſich um den flammenden Kamin bildet, oder um den dampfenden Theetiſch. Hin und her gau - kelt das freundliche Koſen, manch nackendes Wort von den Lippen der ſchalkhaften Weibchen roͤthet die Wangen der Maͤdchen. Zephyrine, meine junge, muntre Landsmaͤnninn, vergilt ihnen86 Arges mit Argem, und uͤberfluͤgelt ſie oft mit ihren Witz. Dieß liebliche Maͤdchen hat die Neigung Aller im vorzuͤglichen Maße. Sie nennt ſich ſelbſt unſer verzogenes Kind, ſpielt tauſend kleine Eulenſpiegelſtreiche, und wir lieben ſie da - rum nur deſto mehr. Sie gleicht ihrem Na - mensbruder, dem Weſtwinde, der unter Blumen ſpielt, und Balſamduͤfte ſtiehlt und gibt.

Freude uͤber Freude! Unſre Ritter ſind gluͤck - lich zuruͤck gekehrt, und haben die froheſten Nach - richten mit gebracht; alles iſt vortrefflich gefun - den worden. Elliſon und Mucius haben noch einen großen Bezirk hinzu gekauft, wovon der kultivirte Theil mit Walters Erbſchaft zuſam - men hangt. John und ſeine Soͤhne ſind zuruͤck - geblieben, um uͤber die Arbeiter die Aufſicht zu fuͤhren, wozu Walter Tageloͤhner aus Louis - ville gedungen hat. Unſer Baumeiſter hat die Riſſe zu den vorlaͤufigen Gebaͤuden entworfen, und auch dieſe werden wir, durch den Fleiß reichlich bezahlter Handwerker, fertig finden. 87Dann aber werden wir aller Außenhuͤlfe entſa - gen, und die junge Kolonie wird fuͤr ihre Be - duͤrfniſſe ſelbſt ſorgen. Hierzu werden alle noͤ - thigen Vorkehrungen getroffen. Alles iſt voll Leben und Thaͤtigkeit, wir Alle ſind nur von einem großen Gedanken begeiſtert. Mucius ent - wirft den Plan zu einem kleinen Staate, in wel - chem Freiheit und Gleichheit verwirklicht werden ſollen; jeder Abſchnitt des Entwurfs wird der Generalverſammlung, in welcher auch wir Wei - ber eine halbe Stimme haben, vorgelegt und, nach Stimmenmehrheit, angenommen, oder ab - geaͤndert, und ich denke, es wird eine Verfaſſung zu Stande kommen, woran mehrere Menſchen - alter nichts zu flicken finden werden. Ewig iſt am Ende nichts, ſelbſt das Sonnenſyſtem be - kommt nach Jahrtauſenden einen andern Po - larſtern.

Unſre jungen Weibchen ſind von zwei mun - tern Knaben entbunden worden. Wir werden den Tag, an welchem ihnen Nahmen beigelegt88 werden ſollen, mit der Vermaͤhlung ſaͤmmtlicher Paare feiern, und erwarten dazu nur die gaͤnz - liche Wiederherſtellung der Muͤtter. Auch wir haben manches zu beſchicken fuͤr den neuen Haushalt, welcher zwar ſehr einfach, aber doch aͤußerſt bequem eingerichtet wird; ſelbſt unſre Kleidung wird gaͤnzlich umgeſtaltet.

Der Mechanikus iſt beſchaͤftiget, unter den erfundenen Maſchinen die zweckmaͤßigſten zu waͤhlen; denn in einer jungen Kolonie allein iſt es von unbeſtrittenem Vortheil, Menſchen - kraft und Haͤnde zu erſparen. Es wird jetzt von nichts geſprochen, als von Saͤemaſchinen, Dreſchmaſchinen, Spinnmaſchinen, Webemaſchi - nen, u. ſ. w. Auf der andern Seite, zieht Walter Erkundigungen ein, wo die beſten Arten des Rindviehes, der Schafe, u. ſ. w. zu haben ſind. Vanhuſen handelt Saͤmereien, Setzbaͤume, und Pfropfreiſer ein. Johns ganze Familie, (meine Korally iſt verheirathet) nebſt noch zwei Schwaͤgern und ihren Kindern, ruͤſten ſich zum Aufbruch, und werden uns begleiten, ſechzehn Neger und Negerinnen, die Kinder ungerechnet. Sie werden ein Doͤrfchen, in der Naͤhe des un -89 ſrigen, beziehen, und uns beim Feldbau zur Hand gehen, auf welchen ſich die meiſten voll - kommen verſtehn. Daneben werden Sie hin - reichende Laͤndereien und Vieh erhalten, und uͤberhaupt ſo geſetzt werden, daß ſie, als wohl - habende Grundbeſitzer, faſt uns gleich leben koͤn - nen. Unter den ſcharenweiſe ankommenden deut - ſchen Ausgewanderten, haben Walter und Frank zehn tuͤchtige und wackere Handwerker ausgewaͤhlt, welche mit ihren Familien gleichfalls ein Dorf in unſrer Naͤhe, Landeigenthum und vortheilhafte Bedingungen erhalten. Mit ihnen ſowohl, als mit den Negern, ſind Vertraͤge auf zehn Jahre geſchloſſen, und ich hoffe, ſie werden, nach ihrem Ablaufe, von beiden Seiten, gern verlaͤngert werden.

Schon ſcheint die Sonne waͤrmend auf das junge Jahr, die Tulpenbaͤume in unſren Gaͤr - ten treiben mit den Tulpen der Beete um die Wette, und die geſelligen Sangvoͤgel kehren aus den waͤrmeren Zonen unter unſre Zederngebuͤſche90 zuruͤck. Morgen iſt die große Feier der Hyme - naͤen; morgen vereint mich ein oͤffentlicher Schwur, auf ewig, mit meinem Mucius. O, koͤnnteſt Du uns heute ſehen, an dieſem Tage der ſeligen Vorfeier! Jedes Auge glaͤnzt noch ein Mahl ſo hell, jede Rede klingt gleich einer Jubel - hymne. Die ganze Verſammlung ſcheint ein wenig naͤrriſch. Pinelli und Philippine, Du - pont und Zephyrine, Salvito und Thereſe, tan - zen um die Wette, Antonio und Roſalva ver - ſtecken und ſuchen ſich durch alle Lauben, waͤh - rend William und ſeine ſanfte Marie, Walter, und ſein Freund, der Schweizer, mit einem paar ſchoͤner Maͤdchen, den Jugendgeſpielinnen Phi - lippinens, ſich, innerer Seligkeit voll, die Haͤnde, druͤcken, und ſchweigend in die blauen Augen ſchauen. Von mir und Mucius muͤßte ich ei - gentlich auch ſprechen, meinſt Du? Je nun, liebe Adele, uns wird unſer Schellenkaͤppchen auch nicht fehlen, wir bemuͤhen uns nur, es mit Anſtande zu tragen, wie es ſo alten Liebesleute geziemt. Die Stuͤrme des Schickſals haben ihr moͤgliches gethan, einen Theil des Bluͤthen - ſtaubes von den Schmetterlingsfluͤgeln unſrer91 Liebesgoͤtter ab zu ſtreifen; an dem Laͤcheln der Ehepaare ſehe ich jedoch, daß die loſen Buben uͤberall hervorgucken. O koͤnnteſt Du mir doch den Brautkranz winden, meine traute Adele! Mucius uͤbernimmt es au Deiner Statt, jeder Verlobte flicht ihn der Verlobten. Lebe wohl Du Freundinn meiner Kindheit! zum letzten Mahle ſchreibt Dir das Maͤdchen Virginia, das naͤchſte Mahl Mucius Gattinn.

Wir ruͤſten uns zur Abreiſe. Alle verlaſſen dieſe gaſtliche Gegend, ohne die leiſeſte Reue. An der Hand des Geliebten wandelt man ja freudig zur Unterwelt, um wie viel lieber alſo einem ſtil - len Paradieſe entgegen, wie wir es zu finden hof - fen. Selbſt Walters und Stauffachs Gattinnen, Fanny und Lucia, verlaſſen ihre Verwandten, ohne Schmerz. Jn ihren Familien iſt dieſe Tren - nung nichts mehr, als wenn man bei Euch von Lyon nach Avignon zoͤge. Die Wanderungsluſt iſt hier uͤberhaupt faſt anſteckend. Der Ameri - kaner hangt bei weiten nicht ſo feſt an der Erdſcholle, auf welcher er gebohren wurde, als92 der Europaͤer, und liebt die Ortsveraͤnderung. Ob dieß in allen Kolonien der Fall ſeyn mag, oder ob es der Reichthum des Bodens iſt, wel - cher die Anſiedler ſo maͤchtig nach dem Jnnern zieht? haͤufig verlaſſen ſie ihre muͤhſam ange - baueten Pflanzungen nach wenig Jahren, und ſuchen weiterhin einen fetten Erdſtrich, wo ſie mit gleicher Anſtrengung einen neuen Anbau beginnen. Selbſt die Pflanzer auf unſern nun - mehrigen Beſitzungen, haben dieſe mit Freuden verkauft, um ſich in Louiſiana und an dem Miſ - ſouri anzuſiedeln, mitten unter wilden kriegeri - chen Staͤmmen. Ob dieſer Geiſt ſich auch un - ſrer jungen Kolonie bemaͤchtigen wird? ich glaube nein. Wir werden gluͤcklicher ſeyn, als dieſe vereinzelten Pflanzer, und unſere Kinder wer - den den Boden lieben, wo ſie ihre gluͤckliche Kindheit durchſpielten; wir werden eine Verfaſ - ſung haben, und Vortheile genießen, welche man außer unſern Graͤnzen vergebens ſuchen wuͤrde.

Du kennſt unſere froͤhliche Geſellſchaft, welche ſich in Marſch geſetzt hat. Wahrlich ein Voͤlkerzug. Saͤmtliche Maͤnner zu Pferde,93 die Frauen und das Geraͤth, Proviant und Maſchinen, auf ſechzehn Wagen, die Herden. unter Leitung der Neger. Unſere Handwerker be - ſtehen in einem Schmid, Stellmacher, Zimmer - mann, Tiſchler, Schuhmacher, Toͤpfer, Glas - macher, Kupferſchmid, Leinweber und in einem Tuchweber, ſaͤmmtlich verheirathet und, zum Theil, mit halb erwachſenen Kindern; alles ruͤſtige Menſchen, welche auch bei dem Feldbau von Nutzen ſeyn werden. Humphry wollte ſich durchaus nicht von ſeinem Herrn trennen, und wird ſich bei uns anſiedeln, wo er dann unter einigen huͤbſchen deutſchen Maͤdchen die Wahl haben wird. Wir gehen durch Virginien, und am Fuß der Gebirge hin. Die Weide - plaͤtze fuͤr unſer Vieh beſtimmen unſern Weg, weßhalb wir die Staͤdte, und auch groͤßten Theils die Pflanzungen vermeiden, wo das Eigenthumsrecht uns Streitigkeiten zuziehen koͤnnte. Um friſchen Proviant einzuhandeln wer - den Seiten-Patrouillen abgeſchickt, das meiſte verſchafft uns die Jagd. Wir lagern unter freiem Himmel, welches ich ſchon von meiner Reiſe her ſehr gewohnt bin, meinen Gefaͤhr -94 tinnen aber anfangs ſehr ſonderbar vorkam. Zephyrine nennt uns nicht anders, als die Zigeu - nerhorde, und Mucius den Hauptmann. Sie iſt aͤußerſt, drollig, wenn ſie Abends um die Feuer her gauckelt und, in ihrem angenommenen Zigeuner-Karakter, uns allen wahrſagt. Am poſſierlichſten iſt es dann, wenn ſie unter die Deutſchen geraͤth, welchen ſie ſich nicht ver - ſtaͤndlich machen kann, und welchen ſie kein Wort verſteht. O, wie ſchoͤn iſt hier die Na - tur! Die Tulpenbaͤume ſtehen in voller Bluͤthe, neben ihnen die zarte Akazie mit ihren weißen duftenden Bluͤthenbuͤſcheln; Der ſchattende Plantan und ſein Bruder, der Zuckerahorn, ſchuͤtzen uns gegen die Strahlen der brennend heißen Sonne; Jasmin, Geißblatt und Roſen bilden Lauben und Waͤnde, und erfuͤllen die Luft mit Balſamduͤften; die Hoͤhen ſind mit Zedern, Tannen und Eichen bekraͤnzt, uͤberall vermaͤhlt ſich der Norden mit dem heißeren Suͤden. Wie wird es ſeyn in unſerem lauen Thale am ſchoͤnen Ohio! Wir werden auf Louis - wille gehen, um uns noch mit einigen Beduͤrf - niſſen zu verſehn; dann gehts nach Eldorado,95 wie wir unſere Landſchaft getauft haben, um es nimmer wieder zu verlaſſen. Moͤchte es doch, wie jenes Eldorado des Kandide, jedem Fremden unauffindbar ſeyn! Zwar wird er dort keine Goldſtuͤcke, keine Rubinen zu entwen - den finden, aber er wuͤrde die Ruhe und den Frieden unterbrechen, welche dort ihren Wohnſitz aufſchlagen werden. Fern von dem unruhigen Treiben der Welt, werden unſere Tage dahin fließen, wie der Wieſenbach deſſen Wellen, kein Sturm empoͤrt; kein Ehrgeiz kein Gelddurſt: wird unſre Herzen bewegen, welche nur fuͤr die Liebe und die ſanften Gefuͤhle der Freundſchaft ſchlagen; politiſche Meinungen werden uns ſo fremd ſeyn, als Religionsſtreitigkeiten; keine Mo - dethorheit wird uns beruͤhren, kein Nichter Streitigkeiten veranlaſſen, kein Fuͤrſt Befehle ertheilen, kein Prieſter unſern Glauben meiſtern. Das goldene patriarchaliſche Daſeyn hebt fuͤr uns an, wo alle Menſchen Bruͤder waren; und welchen Schatz von Kenntniſſen und Fertigkeiten nehmen wir mit in dieſes Leben hinuͤber! Wie doch ſo anders muß es ſich geſtalten, als in jener Urzeit menſchlicher Kindheit.

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Eldorado, im Junius 1816

Angelangt ſind wir in Edens bluͤhendem Garten. Kein erzuͤrnter Engel wehrte uns den Eingang; freundlich wurden wir von dem Graͤnz - gott, freundlich von den friedlichen Laren em - pfangen. Wir mußten den Kentucky hinauf gehen, bis faſt zu ſeinem Urſprung, um einen Uebergang zu finden in unſer Paradies. Sehn - ſuͤchtig blickten wir hinuͤber, wie einſt die Kin - der Jſrael nach den blauen Bergen, welche ſie noch von dem gluͤckſeligen Arabien trennten. Zephyrine verglich uns hundert Mahl mit ihnen, und Mucius mit ihrem Fuͤhrer und Geſetzgeber. Jn ihrer froͤhlichen Laune, reich an Anſpielun - gen und Gleichniſſen, nannte ſie Walter und Stauffach Joſua und Kaleb, welche uns die goldene Traube gezeigt, damit wir geduldig durch die Wuͤſte folgen moͤchten, wie die Rinder dem ſalzſpendenden Hirten; die Deutſchen, meinte ſie, waͤren die aͤgyptiſchen Ziegelſtreicher und Frohn - knechte, welche durch den langen Zug erſt gelaͤu - tert werden muͤßten, und wuͤrdig gemacht, zur Gruͤndung der neuen Kolonie. Nur bat ſie, daß die Pruͤfungszeit nicht auf vierzig Jahre aus -gedehnt97gedehnt werden moͤge, weil ſie noch wuͤnſche, im gelobten Lande um den Bundesaltar zu tan - zen, ehe ſie Runzeln habe, und der Kruͤcke be - duͤrfe.

Endlich fuhren wir durch den Fluß und, nach einer Tagereiſe, uͤber eine Huͤgelkette von ziemlicher Hoͤhe. Auf der Spitze des letzten Berges, rief Walter: wir ſind am Ziel! Und zu unſern Fuͤßen lagen weit hin die gruͤnen be - bluͤmten Savannen, wie ein geſtickter Teppich, welchen links ein dunkler Urwald, rechts der blaue Kentucky mit ſeinen Silberpappeln und babiloniſchen Weiden beſaͤumt. Ein allgemei - ner Freudenruf, toͤnte durch die Luͤfte; wir ſprangen alle zu gleicher Zeit auf, und liefen mit ausgebreiteten Armen jauchzend den Berg hinunter. Hier, auf der Graͤnze unſres Gebie - tes, fielen wir alle, mit namenloſem Entzuͤcken, auf den heiligen Boden nieder, wie vom Sturm verſchlagene Seefahrer, am Ufer eines wirth - baren Eilandes. Wir umarmten die Pflanzen, umarmten einander, die Buſen ſchlugen hoch auf, und Thraͤnen der ſuͤßeſten Freude traͤufel - ten auf die Blumen herab. Es dauerte langeZweiter Theil. [7]98ehe dieſer ſelige Rauſch ſich in Betrachtung der neuen Gegenſtaͤnde aufloͤſte. Selbſt die kaͤltern Deutſchen, ſelbſt die ungebildeten Schwarzen theilten dieſe ſchwaͤrmeriſche Freude, ſie umarm - ten einander und uns. Dieſer Augenblick machte uns zu einem Volke, aller Unterſchied der Farbe, der Heimath, der Bildung, war vernichtet, wir wurden alle Bruͤder, mit gleichen Rechten und gleichen Pflichten.

Nun ging der froͤhliche Zug laͤngs dem Ken - tucky hin, welcher geraume Zeit unſer Wegweiſer blieb. Erſt am folgenden Morgen verließen wir ſeine reichen Ufer, um durch einen Ahorn - wald einen naͤhern Weg zu unſern Wohnungen zu nehmen, welche wir im letzten Schimmer der Abendſonne vor uns liegen ſahen; Du kannſt daraus auf die Groͤße unſeres Gebietes ſchlie - ßen. Es wird gegen Norden vom Kentucky, gegen Weſten vom Ohio, gegen Suͤden vom Schawanoe begraͤnzt, im Oſt-Nord ſchließt eine Huͤgelkette, an welche ſich eine undurch - dringliche Waldung lehnt, in welcher noch nie der Schall einer Axt gehoͤrt worden, und deren Alter vielleicht bis zur juͤngſten Umgeſtal -99 tung der Erde hinauf reicht. Ganze Baumge - ſchlechter gingen hier unter, und neue wuchſen auf ihren Truͤmmern, ſtark und friſch empor. Unſer Wohnort liegt am Schawanoe, unweit ſeines Eiufluſſes in den Ohio, den ſchoͤnen, welcher mit Recht dieſen Nahmen fuͤhrt; es iſt eine lachende Ebene, deren Fruchtbarkeit jede Beſchreibung uͤbertrifft. Freundliche Gebuͤſche wechſeln mit den grasreichen Matten, und be - pflanzte Huͤgel durchlaufen die Aehrengefilde. Jenſeits des Ohio erhebt ſich ein dichtbewachſe - ner Gebirgsruͤcken welcher uns gegen den Nord - weſtwind ſchuͤtzt, und viel zur Milde unſres Klima beitraͤgt. Als einzelnes, abgetrenntes Ueberbleibſel dieſes Gebirges, lehnt ſich ein ein - zelner Fels an den Schawanoe und reicht bis zu unſern Wohnungen, deren Lage er einen mah - leriſchen, romantiſchen Anblick gibt. Wir waren alle davon ergriffen, ganz beſonders aber Pinelli, welcher nicht muͤde wird, die verſchiedenen An - ſichten zu zeichnen. John und ſeine Soͤhne empfingen uns mit hoher Freude. Die noth - wendigſten Arbeiten waren vollendet, und die Arbeiter ſchon ſeit einigen Tagen entlaſſen wor -100 den. So ſahen wir denn nur lauter wohlbe - kannte Geſtalten, und hatten nichts kennen zu lernen, als die bleibenden Gegenſtaͤnde. Kein Abſchied ſoll in dieſem gluͤcklichen Erdſtrich ge - hoͤrt werden, als einſt der Abſchied zur Reiſe in ein noch ſchoͤneres Land.

Mit freudiger Ruͤhrung fuͤhrten die Maͤnner jede Familie in ihr bluͤthenumranktes Haus. Hier zuͤndeten wir ein kleines Feuer in dem Kamine an, warfen Weihrauch in die gaſtliche Flamme, umarmten uns, dankten laut dem Schoͤpfer der Welten, fuͤr dieß kleine Aſyl, und flehten ihn, uns hier lange und gluͤcklich ver - einigt zu erhalten. Dann traten wir alle aus unſern Huͤtten, und gingen vereinigt zu der gro - ßen Halle, welche die gemeinſchaftliche Kuͤche und den Verſammlungsſaal enthaͤlt. Auf dem Herde wurde das Feuer entzuͤndet, Weihrauch und Mais hinein geſtreut, und weihend der Herd mit Milch und Wein beſprengt. Nun wurde das Mahl gemeinſam bereitet, und ge -101 meinſam an der langen, mit Blumen beſtreueten Tafel verzehrt. Der Mond blickte hell durch die offenen Fenſter, und leuchtete uns erſt ſpaͤt zu unſren verſchwiegenen Huͤtten. Mit der Sonne dem Lager enteilt, kleidete ſich jeder, nach Uebereinkunft, in die gewaͤhlte Landestracht. Die Maͤnner tragen lange weite, Beinkleider aus baumwollenem Zeuge, Weſte und Hemds - aͤrmel, an den Fuͤßen kurze Schnuͤrſtiefeln, ohne Struͤmpfe, auf dem Kopf einen leichten Stroh - hut. Wir Frauen hingegen ein weißes kattune - nes Hemd, mit offenen Aermeln, welches bis an die Knoͤchel reicht, und die Bruſt bis drei Finger breit vom Halſe bedeckt, daruͤber ein farbiges griechiſches Gewand, ohne Aermel, nur bis uͤber das Knie herab fallend, und unter dem Buſen geguͤrtet; das Haar wird geflochten, und gegen die Sonnenſtrahlen ſchuͤtzt ein Strohhut; die Fußbekleidung iſt fuͤr beide Geſchlechter gleich. Dieſe einfache Tracht wird unabaͤnderlich die unſre ſeyn, und ſoll der Mode auf ewige Zei - ten den Eingang verwehren. Bei Regen, oder rauher Witterung, werden beide Geſchlechter ei - nen Tuchmantel tragen, und bei ſchmutziger Ar -102 beit einen Ueberwurf aus grauer Leinwand. Du glaubſt nicht, wie unbeſchreiblich reizend dieſe neue griechiſche Kolonie ſich ausnahm, als ſie durch das roͤthlich beſonnte Thal, mit Blumen - kraͤnzen in den Haͤnden, zur Tempel-Weihe zog.

Glaͤnzend in der Morgenſonne, lag auf einer ſanften Anhoͤhe, der heitere Tempel vor uns. Stufen fuͤhren ringsum zu ihm hinauf, zwoͤlf Saͤulen tragen die einfache runde Kuppel, keine Waͤnde wehren dem Lichte; in der Mitte ſteht der Altar, rund wie das Gebaͤude, mit der Jnſchrift: dem Unbegreiflichen, Ewigen, Einzi - gen; ein breiter Marmorrand ſchließt, oben die Vertiefung ein, wo die Opferflamme lodert. Hier hingen wir unſere Kraͤnze an dem Altar und den Saͤulen auf, Mucius zuͤndete das Feuer an, und ſprach: wir weihen dieſen Tempel dem Ewigen, dem Schoͤpfer und Regierer des Welt - alls, der in jeder Menſchenbruſt wohnt! Jhm weihen wir unſere Herzen! Wir erkennen, daß menſchliche Vernunft, ſich nicht bis zu ihm er - heben kann, ſo wenig, als wir uns von der Ewigkeit und Unendlichkeit einen klaren Begriff zu machen vermoͤgen, daß alſo die verſchiedenen103 Vorſtellungen und Mythen der Voͤlker menſch - liche Erkenntniſſe ſind, und mehr und minder irren, daß aber in allen eine und dieſelbe Wahr - heit herrſcht. Er iſt unſer Schoͤpfer und Er - halter, der Geber alles Guten, Jhm ſind wir Dankbarkeit und Ergebung ſchuldig. Wir knie - ten alle um die heilige Flamme, und im ſtillen, heißen Gebet erhoben ſich unſre Herzen zum Ewigen. Froͤhlich kehrten wir zuruͤck zum ein - fachen Fruͤhmahle. Dann durchgingen wir un - ſere naͤchſten Umgebungen, ein wahres Paradies, in welchem ſich faſt alle Zonen des Erdkreiſes zu verbinden ſcheinen. Jtaliens Orangenbaͤume duften dicht neben den deutſchen Eichen; die Dattelpalme Aſiens und der ſuͤdliche Kokos ver - ſchmaͤhen die Nachbarſchaft der nordiſchen Tanne nicht, und Libanons Zeder prangt neben den heimiſchen Tulpenbaͤumen, Zipreſſen, Lerchenbaͤu - men und Pappeln; Ahorn, Buchen, Platanen, und die weiße Birke der Sumach und die Ta - marinde, Kaſtanien-Nuß-und Mandelbaͤume ſte - ſten einzeln und gemiſcht, in mahleriſchen Grup - pen. Alle Obſtarten der bekannten Welt ge - deihen hier in einem hohen Grade der Verede -104 lung. Kirſchen, Abrikoſen, Apfelſienen, Pfirſi - chen, Pflaumen, Birnen, Aepfel, Piſang und Bananen gibt es in groͤßer Menge; Stauden - und Rankengewaͤchſe, voll Bluͤthen und Beeren, laden alle Sinne zum Genuß. Myrthen und Roſengeſtraͤuche bilden die Hecken um die umheg - ten, mit Sorgfalt angelegten Pflanzungen, wo Vanhuſen die koͤſtlichſten Ananas und Melonen zieht. Auch den Kaffebaum und die chineſiſche Theeſtaude hat der Muͤhſame hierher verpflanzt, und es iſt Hoffnung zu ihrem Gedeihen. Der Mais ſteht mit ſeinen breiten Blaͤttern in Man - neshoͤhe da, und das wallende Korn neigt die ſchweren Aehren zu Boden. Kartoffeln und Yams wetteifern an Ergiebigkeit; die Baum - wollenſtaude, Lein und Hanf ſtreiten um den Vorzug; auch die feineren Gemuͤſe feh - len nicht, und was mich vor allen entzuͤckt, ich habe den Oel - und den Maulbeerbaum mei - ner Provence, und die koͤſtlichſten Rebenhuͤgel wider gefunden. Wir koͤnnten hier eben ſo, wie Moſes erſte Menſchen, ein Leben ohne Muͤhe und Arbeit fuͤhren; fuͤr alle unſere Beduͤrfniſſe hat die uͤberreiche Natur im Ueberfluß geſorgt. 105Die Dattel, der Kokos, die Kartoffel, die Yams, die Kaſtanie, wuͤrden uns nie Mangel leiden laſſen; die ſaftigſten Fruͤchte wachſen ohne Pflege, der Zuckerahorn und die Palme bieten, ihren ſuͤßen Saft, der Schawanve fuͤhrt die ſchmack - hafteſten Fiſche und Krebſe, die Herden und das Gefluͤgel ſuchen und finden leicht ihre Nah - rung, und die Waͤlder wimmeln von Wild.

Das wahre Gluͤck kann nur bei den Thaͤti - gen wohnen, und das wohlthuendſte Gefuͤhl iſt das Gefuͤhl des erfuͤllten Berufs. Wir haben daher unſre Zeit, kluͤglich zwiſchen Arbeit und Erholung, und die verſchiedenen Zweige der großen gemeinſamen Haushaltung wieder unter uns getheilt. Mucius, Walter und Elliſon haben die Beſorgung des Ackerbaues uͤbernom - men, Pinelli, Stauffach und Vanhuſen warten der Baumpflanzungen, der Gartengewaͤchſe und der Rebenhuͤgel, Salvito und Dupont fuͤhren die Aufſicht uͤber die Herden, und Frank und Antonio ſorgen fuͤr Wildbret und Fiſche. Die106 beiden Muͤtter haben ſich das Kuͤchengeſchaͤft nicht nehmen laſſen, die raſche Thereſe und ich be - ſorgen die Milchkammer, Zephyrine und Philip - pine, den Huͤnerhof, Roſalva und Fanny ſam - meln die Fruͤchte ein, und die Bereitung der Baumwolle, des Leins und Hanfs ſteht unter Mariens und Luciens Aufſicht. Jeder iſt, nach ſeiner beſondern Neigung und Faͤhigkeit, ange - wieſen, und huͤpfend und ſingend wird die leichte Arbeit vollbracht. Die neuen Maſchinen, uͤber deren Verbeſſerung und Vermehrung, Frank, Walter und Antonio vieles berathen, haben die meiſten Geſchaͤfte weniger beſchwerlich gemacht. Die verſchiedenen Arten der Pfluͤge machen die Hacke faſt entbehrlich, und an Zugſtieren haben wir Ueberfluß.

Mein Milchgewoͤlbe iſt in einer Felſengrotte durch welche eine immer ſprudelnde Quelle ſich er - gießt. Bei der jetzigen Hitze ſtellen wir die Gefaͤße mit Milch auf vier und zwanzig Stunden in den fla - chen Bach, um dadurch das zu ſchnelle Gerinnen zu verhuͤthen. An einer tieferen Stelle deſſelben werden die leeren Gefaͤße geſpuͤlt, nachdem ſie zuvor in heißem Waſſer gereinigt ſind. Wenige107 Schritte davon, bildet der Bach einen Waſſerfall, welchen Frank zur Treibung eines Rades benutzt hat, und dadurch die Buttermaſchine in Be - wegung ſetzt. Jn dieſem wird auch die Butter gewaſchen, dann unter eine Preſſe gebracht und, mit einem kammaͤhnlichen Jnſtrumente, von allen Faſern geſaͤubert. So iſt die Muͤhe nicht groß, mit welcher wir die koͤſtlichſte Butter bereiten. Auch fuͤr das Kaͤſe-Stellen, Schoͤpfen und Preſ - ſen, ſind leichte Vorrichtungen erfunden. Nichts gleicht dem Wohlgeſchmack unſeres Milchwerks und unſerer Kaͤſe, und Thereſe und ich freuen uns nicht wenig, wenn bei dem Fruͤhſtuͤck alle in laute Lobeserhebungen daruͤber ausbrechen. Die Herden werden von den Negern mit den ihrigen gehuͤthet, und das Milchvieh wird von den Negerinnen gemolken, dicht neben der Grotte. Stauffach und Walter verſichern, daß ſelbſt das Schweizervieh der fetteſten Alpen nicht ſo viele und ſo gute Milch liefere, als das unſere. Die Schafmilch iſt ganz vorzuͤglich, und der Ziegen - kaͤſe unuͤbertrefflich. Dabei bedarf das Vieh das ganze Jahr hindurch keiner Wartung. Nach Johns Ausſage, fiel den Winter hindurch nicht108 ein einziges Mahl Schnee, einige Regentage bildeten den Uebergang der Jahreszeit, darauf folgte Reif und ein leichter Froſt, deſſen Spu - ren jedoch die Sonne ſchon nach wenigen Stun - den verſchwinden ließ. Dieſe Wintertemperatur dauerte kaum vier Wochen, worauf die Baͤume neu trieben, und das junge Gras unter dem alten hervor wuchs. Wir werden daher auch nur eine Kleinigkeit an Heu ſammeln, welches ſonſt nie geſchehen iſt, um den Thieren, zur beſſeren Erhaltung ihrer Geſundheit, an Regen - tagen und wenn Reif faͤllt, ein Morgenfutter geben zu koͤnnen.

Du ſollteſt uns ſehen, liebe Adele, wie nett uns die Geſchaͤftigkeit kleidet. Wir vergleichen einander oft mit den Maͤdchen in der Odyſſee oder mit Labans Toͤchtern, wenn wir zum Brun - nen gehen und ſchoͤpfen, und der Lorber neben uns ſaͤuſelt. Zephyrine vorzuͤglich iſt reizend in ihrem gefiederten Reiche, wenn ſie mit dem Futterkoͤrbchen hinein tritt, und das ganze Heer109 ſie jubelnd umringt; Taͤubchen ſetzen ſich ihr auf die Schultern, und ſie koſet mit allen, auf das anmuthigſte, oder tritt mit dem Anſehen einer Koͤniginn zwiſchen kaͤmpfende Haͤhne, um ſie zu trennen. Die herzige, muntere Philippine er - freut ſich an dem Spiel ihrer reizenden Ge - faͤhrtinn, und beide taͤndeln in Kindesunſchuld ihre Stunden hin. Die ſanfte Marie und die ſtille Lucia ſondern die Baumwolle, wenden den roͤſtenden Lein und Hanf, bringen ihn unter die Klopf -, Schwing - und Hechelmaſchi - nen, und freuen ſich ſchon auf die Zeit wo er als Gewebe, unter ihrer Anfſicht, bleichen wird. Roſalva und Fanny ſammeln, in der Morgen - fruͤhe, Gemuͤſe und Fruͤchte fuͤr die Kuͤche, und gegen Abend fuͤr die Vorrathsgrotte. Die Haus - muͤtterchen bereiten das Mittagsmahl, wobei auch wir ihnen beiſtehen, wenn unſere Geſchaͤfte fruͤh vollendet ſind, und ſie unſerer beduͤrfen. Der Mittag verſammelt die ganze frohe Geſellſchaft, unter den dichtbelaubten Platanen, um den ſtei - nernen Tiſch. Die Geraͤthe ſind einfach, das Tiſchzeug fehlt, aber die Speiſen ſind trefflich bereitet. Feine Gemuͤſe, ſaftiges Fleiſch, herrliche110 Braten von Gefluͤgel und Wild, Fiſchſpeiſen Backwerk aller Art, und ein Nachtiſch der aus - erleſenſten Fruͤchte wuͤrden auch dem verwoͤhn - teſten Schmecker genuͤgen. Der Becher geht umher und belebt den Scherz. Jetzt iſt er noch vom mitgebrachten Vorrath gefuͤllt, kuͤnftig perlt eigener Wein, Palmenſect, Birk - und Ahorn - waſſer, darin; jetze iſt Milch und des Quells Kryſtall, an ſeiner Stelle, geſunder.

Die Nachmittagsſtunden gehoͤren der Ruhe und der Erholung. Erſt wenn die Sonne tie - fer ſinkt, und ein kuͤhleres Luͤftchen weht, wid - men wir noch eine oder ein paar Stunden der noͤthigen Arbeit. Mit ihrem Untergange hoͤren die Geſchaͤfte auf, man verſammelt ſich zur kal - ten Abendkoſt, welche aus Milch, Eiern, Butter, Kaͤſe, Honig und Backwerk beſteht. Darauf wird Muſik gemacht, getanzt, geſpielt, bis der Mond oder die Sterne uns ſpaͤt zur Ruhe leuchten. So fließen unſere Tage einfoͤrmig aber reich an Freuden dahin. Die Einrichtung der Deutſchen, wie der Neger, iſt der unſrigen gleich. Mucius erwirbt ſich um ihre Ausbil - dnng ein hohes Verdienſt; er hat einige Tage111 feſtgeſetzt, wo er ihnen, unter der Form freund - ſchaftlicher Betrachtung, die zweckmaͤßigſten Leh - ren gibt. Beſonders ſorgt er fuͤr die Erziehung der Jugend, und wird eine eigene Bildungsan - ſtalt gruͤnden, in welcher ſie fuͤr jetzt allein, kuͤnf - tig mit unſern Kindern gemeinſchaftlich, Unterricht erhalten wird. Der Lehrſtunden werden nur wenige ſeyn, und jeder der Maͤnner wird in ſeinem Lieblingsfache unterrichten. Bei den Alten nehmen wir jetzt ſelbſt in manchen Stun - den Unterricht, beſonders wir Frauen. Zum kuͤnftigen Winter werden wir geſchickte Webe - rinnen beſitzen. Das Material faͤllt uns faſt von ſelbſt in die Hand; die Schafſchur iſt uͤber alle Erwartung guͤnſtig geweſen, die Baum - wolle von der beſten Gattung, der Leiu fein und ſtark; Spinnmaſchienen liefern das Garn. Die Witterung iſt in den Sommermonden ſo gleich, daß die Seidenraupe im Freien fort - kommt; der erſte Verſuch damit iſt ſehr genuͤ - gend ausgefallen, wir haben keine andre Muͤhe damit, als die Kokons zu ſammeln, und ſie un - ter die Haſpelmaſchine zu bringen.

Bei allen Arbeiten, welche viele Haͤnde auf112 ein Mahl erfordern, helfen Deutſche und Ne - ger gemeinſchaftlich, mit ſolcher Bereitwilligkeit, daß wir ihre Dienſtleiſtungen eher abzulehnen, als zu erbitten haben. Aber auch wir helfen ihnen, wenn es noth thut, und wie ſie die Guͤ - ter der Natur mit uns theilen, ſo benutzen ſie auch die Vortheile unſerer Maſchinen - und Muͤhlenwerke, mit demſelben Rechte, als wir. Wir behandeln ſie als Bruͤder, und ſie betrach - ten die Maͤnner faſt wie Vaͤter.

Die Getreide-Ernte iſt uͤberreich geweſen. Die Dreſchmaſchinen ſind im Gange, und die Kornmuͤhle klappert, hoch aufgeſpeichert liegen die goldenen Kolben des Mais; die Trauben ſchwellen, die Aepfel roͤthen ſich, und verſpre - chen koͤſtlichen Cyder. Wir haben das Ernte - feſt gefeiert, und werden noch vor dem Herbſt - feſte eine Wanderung laͤngs unſerer ſuͤdlichen Graͤnze hin unternehmen, welche die meiſten der Maͤnner noch nicht kennen. Von den Frauen haben nur wenige den Muth, uns zu beglei - ten, aus Scheu vor den Chikasſah’s und den Jrokeſen, welche unſere Graͤnznachbarn ſind. Zephhrine und Philippine waren die erſten, welcheſich113ſich erboten, mit uns die Gefahr zu beſtehen, ſie wollen ihren Huͤnerhof Korallys Sorgfalt uͤbergeben; auch die muthige Roſalva, und die ſanfte Marie werden ſich an uns anſchließen, indem die Liebe fuͤr ihren William, uͤber der letzteren natuͤrliche Furchtſamkeit ſiegt. Wir wer - den in einer Barke den Schawanoe hinauf fah - ren, ſo weit er ſchiffbar iſt, um ſo auf die leich - teſte Art unſere Lebensmittel mit zu fuͤhren und eine Partie Taback, welcher, beilaͤufig geſagt, ganz vortrefflich gerathen iſt, als Geſchenk fuͤr die Wil - den, wenn uns benachbarte Staͤmme begegnen ſollten. Alles iſt Leben und Bewegung zu die - ſer kleinen Ausflucht, es wird gebraten und ge - backen, als gelte es eine Reiſe um die Welt; und doch werden wir kaum zehn bis zwoͤlf Mei - len machen, aber ganz durch Einoͤden, und auf mancherlei Kruͤmmungen.

Unſere Schifffahrt, und unſere Wanderung ſind gluͤcklich vollendet. Elliſon war auf beiden unſer Fuͤhrer, Marie blieb muthig an ſeinerZweiter Theil. [8]114Seite, John und Humphry begleiteten uns. Nach einem Wege von anderthalb Meilen floß der Schawanoe durch einen dichten Wald, oder kam vielmehr aus ihm uns entgegen, und an einigen Stellen faßten bluͤhende Wieſen die Ufer ein. Als wir gegen Abend an einer derſelben gelandet waren, bemerkten wir in dem nahen Gebuͤſch einige Wilde; John wurde ihnen ent - gegen geſchickt, aber die Nacht brach an, ohne daß er zuruͤck kehrte. Wir geriethen in die leb - hafteſte Unruhe, ſchliefen nur abwechſelnd und wenig, und erwarteten mit Sehnſucht den Mor - geu. Herrlich ging die Sonne uͤber der Wild - niß auf, und vielartige Papagoyen durchhuͤpften die Zweige und ſonneten am Morgenſtrahl ihr buntes Gefieder; fuͤr uns Unruhige ging die Schoͤnheit dieſes Schauſpiel faſt verloren. End - lich nach mehrſtuͤndigem Harren, und nachdem man den Saum der Gebuͤſche vergebens durch - ſpaͤht hatte, jauchzte uns der ſehnlich erwartete aus weiter Entfernung zu. Bald wurde er, in Begleitung von wohl zwanzig Wilden, ſichtbar, zu deren, einige Meilen entferntem Lager man ihn geſtern Abend gefuͤhrt hatte. Die Wilden115 gehoͤrten zu dem Stamm der Chikasſah’s, und ihr Oberhaupt befand ſich unter ihnen. John konnte ſich nothduͤrftig mit ihnen unterreden, obgleich ihre Mundart etwas von der des Stam - mes abwich, welcher ihn unter ſich aufgenom - men hat. Sie hatten die Tatoirung erkannt, welche er bei der Aufnahme erhalten, und be - handelten ihn als Bruder. Wir wurden von ihnen ſehr freundſchaftlich begruͤßt, und ſie rauchten mit unſeren Maͤnnern die Bundespfeife, Von ihnen erfuhren wir, daß eine Tagereiſe jenſeits des Fluſſes ſich Salzquellen befinden, aus welchen ſie eine Menge Salz gewinnen, welches freilich noch einiger Reinigung bedarf, dann aber vortrefflich werden wird. Sie ſchenk - ten uns einen Beutel voll und wir gaben ihnen dagegen Taback, Backwerk, und einiges buntes Toͤpfer-Geraͤth, mit welchem Tauſche ſie hoͤchſt zufrieden ſchienen. Sie erklaͤrten uns fuͤr viel beſſere Nachbarn, als die, welche mit ihnen gegen Suͤden graͤnzen, wahrſcheinlich die Spanier. Von jenen, klagten ſie, waͤren ihnen die Pocken mitgetheilt worden, welche jaͤhrlich ſo viele ih - rer Bruͤder hinrafften, und ihrem ganzen Ge -*116ſchlechte den Untergang drohten. Salvito ließ ſich mit ihnen, uͤber dieſen Gegenſtand, mit Johns Huͤlfe, in ein langes Geſpraͤch ein. Er ſuchte ihnen den Nutzen, der Kuhblattern-Jmpfung begreif - lich zu machen, und ließ ſie die Narben ſehen, welche wir faſt alle davon an den Armen tragen. Die Sache ſchien ihnen am Ende ein zu leuchten, und auf Salvitos Zureden, entſchloſſen ſich ei - nige der juͤngern, und die Weiber, welche dieſe Krankheit noch nicht gehabt hatten, ſich impfen zu laſſen. Salvito trug, aus loͤblicher Vorſicht, ein Glaͤschen mit Lymphe und das noͤthige Jmpfgeraͤth bei ſich. Ehe wir Abſchied nahmen, um den Fluß weiter hinauf zu fahren, verſprachen wir ihnen, auf dem Ruͤckwege hier wieder anzulegen, und ließen uns dagegen das Wort von ihnen geben, ſich alsdann wieder einzufinden, und ſowohl alle Kinder ihres Stammes, als auch die Erwachſenen, welche die Krankheit noch nicht gehabt hatten, mit bringen zu wollen. Auf unſrer Fahrt beluſtigte uns der Fiſchfang einige Stunden, auch ſchoſſen die Jaͤger mehrere Waſſervoͤgel; um Mittag landeten wir, das Mahl zu bereiten, und ſchiff -117 ten erſt in der Kuͤhle des Abends weiter. Nicht lange mehr vermochte, am folgenden Tage, der ſeichter werdende Fluß unſre Baracke zu tragen; wir verlieſſen ſie daher, vertheilten die Lebens - mittel und wanderten froͤhlich neben dem Ufer hin. Nach Eintritt der Nacht, machten wir uns das Vergnuͤgen, bei Fackelſchein Krebſe zu fangen. Maleriſch ſchoͤn wirkte die Erleuchtung gegen die dunklen Waldgruppen, und Pinelly konnte ſich nicht enthalten, das herrliche Nacht - ſtuͤck aufzunehmen. Der naͤchſte Morgen fuͤhrte uns einen Haufen Jrokeſen zu, welche, der Rehjagd wegen, den Graͤnzwald zu beſuchen kommen. Jhnen hatte ehemals dieſe ganze Ge - gend gehoͤrt, und war ihnen ſpaͤterhin von der Ohio-Geſellſchaft abgekauft worden, da ihre Bevoͤlkerung abgenommen hatte. Sie kannten noch alle Wege durch den Wald und die Wech - ſelplaͤtze des Wildes; in ihrer Begleitung gin - gen wir ein betraͤchtliches Stuͤck in dieſe kaum durchdringliche Wildniß hinein.

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Dieſe Ur-Amerikaner, welche man Wilde nennt, ſind aͤußerſt gutmuͤthige Menſchen, und ihre Sitten beſchaͤmen die der Europaͤer. Jn dem noͤrdlichen Kanada mag die Noth und die rauhere Natur ſie wohl gefuͤhlloſer und roher machen, doch hier trifft man nur Zuͤge der ſanf - teſten Menſchlichkeit. Jn der Kultur ſind ſie freilich ruͤckwaͤrts gegangen, wie ihre Sagen und die Denkmaͤhler am Ohio deutlich beweiſen. Schauderhafter Gedanke, wenn einſt Europas Verfeinerung auch ſo bis auf die ſchwaͤchſten Spuren, verſchwaͤnde! und doch liegt in dem ewigen Wechſel der Dinge nur zu viel, was fuͤr die Moͤglichkeit ſpricht. Auch hier lebte, vor kaum dreihundert Jahren, ein großes maͤch - tiges Volk, welches Staͤdte und Tempel erbauete und jene befeſtigte, Theater und Kuͤnſte beſaß, und ſelbſt ſchon die Lapidarſchrift kannte und uͤbte. Jetzt, welch ein Wechſel! Von den Europaͤern und den Nachbarvoͤlkern verdraͤngt, durch Schwert und Hunger, durch die Pok - ken-Krankheit und den Genuß der berau - ſchenden Getraͤnke, bis zu einem unbedeuten - den Haͤufchen zuſammen geſchmolzen, fluͤchtet119 der Ueberreſt, wie das geſcheuchte Wild, immer tiefer in die nahrungsloſen Einoͤden. Ruͤh - rend ſind die Klagen, welche durch die Geſaͤnge, durch die Sagen dieſer Voͤlker toͤnen. Mit Johns Huͤlfe, habe ich einiges von ihrer Sprache verſtehen lernen. Sie erinnerten mich oft an Oſſian, mit welchem ich uͤberhaupt auf die - ſer Reiſe, in dieſen ernſten Waͤldern, viel ge - lebt habe. Daheim um unſern Wohnſitz ſpielt das heitere, griechiſche Kinderleben, hier in die - ſen Einoͤden herrſcht die Trauer um eine unter - gegangene Welt. Selbſt die Voͤgel der Nacht ſtoͤhnen ſo tiefe, durchdringende, fremde Klage - toͤne aus, daß es mir oft wie fernes Grabge - laͤute klang, und Zephyrine zum Ruͤckweg trieb.

Salvito ſuchte ſich den guten Jrokeſen auf alle Weiſe verſtaͤndlich zu machen, ſie uͤber die Pocken und andere Krankheiten zu belehren, und ſie mit den Heilkraͤften in einheimiſchen Kraͤutern bekannt zu machen; er warnte ſie vor dem Ge - nuß des Branntweins, mit allem Ernſte, und ſchien ſie zu uͤberzeugen. Wir ſelbſt fuͤhrten keine gebrannten Waſſer bei uns, ſondern nur etwas Wein, wovon wir ihnen zu koſten gaben. 120Sie fanden ihn nicht ſehr nach ihrem Ge - ſchmack, nahmen aber ein Geſchenk an Taback mit vieler Freude an. Salvito impfte einige, und gab ihnen weitlaͤufige Anweiſung, wie ſie, nach einer beſtimmten Zahl von Tagen, den Jmpfſtoff andern mittheilen, auf dieſe Weiſe die Lymphe erhalten, und ihren Stamm gegen die Anſteckung der wirklichen Blattern ſichern koͤnnten. Sie trennten ſich, mit vielen Freund - ſchaftsbezeugungen, von uns, und wir kehrten zu unſrer Barke zuruͤck. Die Fahrt hinab ging nun ſchneller und bequemer. Die Chi - kasſah’s warteten ſchon am Ankerplatz, zahlrei - cher als das erſte Mahl. Die Jmpfung hatte guten Erfolg gehabt, ſie wurde fortgeſetzt, und fernerer Unterricht deßhalb ertheilt. Gegen eine Menge Salz welche jene mitgebracht hatten, er - hielten ſie von uns alle Lebensmittel, deren wir entbehren konnten. Es wurde feſtgeſetzt, daß jaͤhrlich, um dieſe Zeit, einige von unſeren Maͤnnern hierher kommen, und Salz gegen Taback und andere Produkte eintauſchen ſollten. Die Chikasſah’s machten beſonders zur Bedin - gung, daß Salviro, welchen ſie fuͤr einen121 Halbgott hielten, mit kommen moͤchte, um die ſpaͤter gebohrenen zu impfen. Wir trennten uns mit wahrhaſt nachbarlichen Geſinnungen.

Am folgenden Abend, langten wir froͤhlich bei unſeren Wohnungen an, vor welchen uns unſere Freundinnen entgegen kamen. Wie un - endlich ſchoͤn fanden wir unſern reizenden Auf - enthaltsort, bei der Ruͤckkunft aus jenen wilde - ren Gegenden, und gleichwohl moͤcht ich um keinen Preis ſie nicht geſehen haben. Unſere Hausmuͤtter gaben uns einen feſtlichen Schmaus; dann begruͤßten wir noch im Mondenſchein alle die Gegenſtaͤnde umher, welche uns vor - zuͤglich lieb waren. Ganz allein ſchwaͤrmte ich noch bis zu den Palmen, welche den Tempel umgeben, und deren Schatten, neben den be - leuchteten weißen Saͤulen, wie Geiſtergeſtalten wiegten. Freudig ſprang ich die Stufen hin - auf, und umfaßte den Altar, Worte hatte ich nicht, doch galt, was ich fuͤhlte, dem Uner - forſchlichen gewiß fuͤr ein heißes Gebet.

122

Die Fruͤchte ſind eingeſammelt, die Trauben gekeltert, die Bienenkoͤrbe verſchnitten, wir ha - ben das Herbsfeſt gefeiert, und dem Ewigen gedankt fuͤr ſeinen reichen Segen. Jetzt ma - chen ſich John und Humphry bereit, um den Ueberfluß unſrer Erzeugniſſe, den Ohio hinauf, nach Louisville zu fuͤhren. Sie bringen dage - gen die wenigen Beduͤrfniſſe zuruͤck, welche uns Anfaͤngern fuͤr jetzt noch fehlen; der Ueberſchuß an Geld wird dort in einem Handlungshauſe nieder gelegt. Es iſt eins der Grundgeſetze un - ſrer Republik, daß im Umkreiſe ihres Gebie - tes, kein Geld umlaͤuft. Dieſes unſelige Me - tall, welches drei Viertheile des Erdkreiſes verbin - det und entzweit, ſoll bei uns keinen Einfluß er - langen. Was von Elliſons und meinem ehma - ligen Vermoͤgen uͤbrig geblieben iſt, ſteht in der fortgefuͤhrten Handlung des Vaters Elliſon welche dem treuen Buchhalter uͤbergeben wor - den iſt, und bleibt, wie die Summe welche jaͤhrlich ſich in Louisville ſammeln wird, fuͤr ein etwaniges kuͤnftiges Beduͤrfniß der Kolonie, unberuͤhrt. Es iſt das Gemeingut derſelben, und nur mit Zuſtimmung aller Mitglieder,123 kann daruͤber verfuͤgt werden. Moͤchten doch unſere Kinder und Enkel niemahls in den Fall kommen, davon Gebrauch zu machen!

Waͤhrend dieſe Reiſe berathen und einge - leitet wird, will ich Dir noch alles ſchreiben, was Du wohl gern uͤber unſer hieſiges Daſeyn wiſſen moͤchteſt. Humphry wird das Briefpacket in Louisville, unter Umſchlag an das Haus El - liſon, nach Philadelphia ſenden, thue Du mit Deinen Briefen ein gleiches. Auf dieſe Art werden wir jedes Jahr ein Mahl Du von mir, ich von Dir, Nachricht erhalten, die einzige, welche mich aus der europaͤiſchen Welt intereſ - ſirt. Die Maͤnner bekommen auf demſelben Wege Kenntniß von den Ereigniſſen und Bege - benheiten auf dem großen Welttheater, im letzt - verfloſſenen Jahre, und zugleich das leſenswer - theſte in allen Faͤchern der Wiſſenſchaften, wie es, ſcheidend, mit dem ehrlichen Handelsherrn ausgemacht worden. Hier iſt alſo Stoff ge - nug fuͤr die kurze Winterzeit, wo die Natur, ſelbſt noch in ihrem leichten Schlummer, ſchoͤn bleibt. Dann werden wir uns am Abend um den Herd, oder um den Kamin verſammeln,124 und Erzaͤhlungen der naͤchſten und der ferneren Vergangenheit werden uns die Stunden kuͤr - zen. Fuͤr dieſe Winterzeit ſparen wir einzig den Thee und den Kaffee auf, auch iſt waͤhrend derſelben den Maͤnnern der Genuß der gebrann - ten Waͤſſer erlaubt, welche Stauffach in großer Vollkommenheit zu bereiten verſteht, und, wie ſchon erwaͤhnt, wird in dieſer Jahreszeit Bier gebrauet, und getrunken werden; mit dem Fruͤh - linge kehren wir zur Milch zuruͤck. Noch iſt be - ſchloſſen worden, bei dem naͤchſten Froſt, Eis von dem nahen Gebirge zu holen, und in der tiefſten Grotte des Felſens einen Eiskeller an zu legen, damit wir, in großer Hitze, uns an Ge - frorenem laben koͤnnen.

Am 14ten Julius dieſes Jahres wurde mein Geburtstag dadurch gefeiert, daß die Grundgeſetze der Kolonie allen Einwohnern der drei Doͤrfer im Tempel vorgeleſen, und dann in einem Behaͤltniſſe unter dem Altare nieder gelegt wurden. Jm jedem Jahre ſollen ſie an125 dieſem Tage aufs neue verleſen, und ſo ſoll dieſer, uns allen merkwuͤrdige, mir aber ins be - ſondere beziehungsreiche Tag, auf ferne Zeiten hin geweiht werden. Dieſer Geſetze, oder viel - mehr Grundſaͤtze, einfach, wie unſere ganze Einrichtung, ſind nur wenige. Sie beſtehen in Anerkennung eines Einigen Gottes, welchen der menſchliche Verſtand ſich nicht klar dar zu ſtellen vermag; ſein Dienſt iſt, die Erhebung des Herzens zu ihm, die Ergebung in ſeinen Willen, Vertrauen, Dankbarkeit, gegen ihn, und das Streben gut und menſchlich zu handeln; kein Goͤtzendienſt, kein Symbol ſoll die erha - bene Jdee des Einigen entweihen. Seine Pro - pheten und viele der Heiligen, waren achtungs - werthe Menſchen deren Andenken uns theuer bleiben wird. Jn ihnen lebte die reine Jdee, mehr und minder klar, ſie ſtrebten, ſie dem Volke mit zu theilen, welches ſie aber nur we - nig verſtand, und die reine Wahrheit bald wie - der mit bunten Zierrathen umhing; ſogar den Propheten, welcher ſich ihm zeigte, oder deſſen Bild, hoͤher hielt, als den Geiſt, den niemand126 dar zu ſtellen vermag, und ſo den goͤttlichen Menſchen, zum Gott erhob.

Der Tempel iſt der Ort, wo jede feierliche Handlung Statt findet. Hier her bringen wir am Fruͤhlingsfeſte die ſchoͤnſten Blumen, am Erntefeſte, die vollſten Aehren aller Art, um - haͤngen damit Saͤulen und Altar, und werfen davon, mit Weihrauch vermiſcht, in die leuch - tende Flamme. Am Herbſtfeſte brennen Oli - ven, Kaſtanien und Datteln auf dem Altar, er wird mit Traubenſaft beſprengt, und am Neu - jahrsfeſte lodert hoͤher die Flamme, von Zweigen aller Art und den koͤſtlichſten Harzen, entzuͤndet. Lobgeſaͤnge, zum Preiſe des Ewigen, werden in Choͤren geſungen, und, um den Altar kniend, ſteigt unſer vereintes, heißes Gebet zu dem All - guͤtigen auf. Dieſe Abſchnitte der vier Jahres - zeiten, und das Stiftungsfeſt, ſind die einzigen verordneten oͤffentlichen Feſte. Außerdem ſteht es bei jedem Einzelnen, ſo oft er hierzu Beruf fuͤhlt, den Ewigen an zu rufen und zu ihm zu beten. Fuͤr die Abtheilung der Woche haben wir die moſaiſchen Einrichtung beibehalten, nach ſechs Arbeitstagen folgt ein Ruhetag. 127Sobald am Sonnabende die letzten Strahlen des Lichts hinter den blauen Gebirgen ver - ſchwinden, verlaͤßt jeder ſein Tagewerk, und traͤgt ſein Arbeitsgeraͤth zu den Saͤulen des Tempels. Hier lehnt der Pfluͤger ſeine Pflug - ſchar und das Joch ſeiner Stiere an, der Schnitter haͤngt hier ſeine Sichel auf, die Bin - derin ihren Rechen. Jeder kniet oder ſetzt ſich auf die Stufen nieder, und dankt dem Ewigen, fuͤr ſeinen Beiſtand, im ſtillen oder lauten Ge - bet, je nachdem er ſich allein, oder in Geſell - ſchaft befindet. Der Feiertag wird mit Unter - haltungen und Spielen hingebracht; kein Ge - ſchaͤft wird vorgenommen, die Wartung des Viehs, und die Beſchickung des Herdes aus - genommen, wobei wir alle gemeinſchaftlich hel - fen. Am Montage holt jeder, in aller Fruͤhe, ſein Geraͤth aus der Obhut des Tempels, und faͤngt ſein Wochenwerk mit dankbaren Gedan - ken an Gottes Schutz und Fuͤhrung an. Kein Prieſterthum ſoll je die lautere Quelle unſerer Ueberzeugung truͤben. Du ſchuͤttelſt miß - trauiſch den Kopf, Adele! O, ich weiß wohl, man glaubt, die Lehre des Deismus koͤnne in128 einer groͤßern Geſellſchaft nicht Anwendung fin - den, ein Wahn, welchen wir einſt wiederlegen werden. Warum beſteht ſie denn unter ta - tariſchen Horden, bei einem geringen Grade von Bildung? und das Prieſterthum? die Pen - ſilvanier haben keines, und ſind ſo brav und gut, daß ſie der Welt als Muſter aufgeſtellt werden koͤnnten. Von ihnen haben wir entlehnt, oder ſind mit ihnen zuſammen getroffen; nur ihr finſtrer Ernſt findet bei uns keinen Eingang. Griechenlands kindlicher Frohſinn ſpielt um unſren Tempel;

ſchoͤne lichte Bilder
ſchweben ſelbſt um die Nothwendigkeit,
und das ernſte Schickſal blicket milder
durch den Schleier ſanfter Menſchlichkeit.

Der zweite Grundſatz unſerer Verfaſſung iſt, voͤllige Freiheit und Gleichheit der vereinten Familien; nie ſoll darin ein Oberhaupt herrſchen, und waͤre ein ſolches einſt, zu beſonderem Zwecke, nothwendig, ſo wird es gewaͤhlt, und dann er - liſcht ſeine Wuͤrde mit Erreichung des Zweckes. Alle Angelegenheiten werden durch Stimmen - mehrheit entſchieden. Die Verwaltung der Ge -ſchaͤfte129ſchaͤfte der Kolonie wird vertheilt, der Ueber - fluß zu gemeinſchaftliche Zwecken verwendet. Am Genuß hat jeder gleichen Antheil und gleiches Recht. Der Gebrauch des Geldes iſt im Umkreiſe des Staates unterſagt, auch außer demſelben hat niemand Eigenthum, alles iſt Gemeingut. Kein Mitglied darf, vor dem vol - lendeten zwanzigſten Lebensjahre, die Graͤnzen der Republik verlaſſen, die Kolonie aber nur bis zu einer beſtimmten Anzahl von Einwohnern wachſen; uͤberſteigt ſie dieſe, ſo bilden die aͤlte - ren Soͤhne eine neue, in dem großen Umfange der Beſitzungen. Es wird, zu dieſem Endzweck, jaͤhrlich eine Anzahl Morgen von uns urbar gemacht; ſchon jetzt haben wir mehr als wir beſtellen moͤgen, und es wird manches Ackerſtuͤck in Ruhe gelegt. Die Toͤchter-Kolonien fuͤhren eine eigene Oekonomie, ſind aber im uͤbrigen, durch gleiche Grundſaͤtze und gleiche Vortheile, auf das engſte mit der Muttergeſellſchaft verbunden; ihr etwaniger Ueberſchuß fließt zur allgemeinen Kaſſe. Alle Menſchen, außer den Graͤnzen unſerer Re - publik, werden als unſere Bruͤder betrachtet. Jhre Lebensweiſe paßt nicht zu der unſrigen, ſieZweiter Theil. [9]130haben aber dieſelben Rechte, uͤber die ihrige zu entſcheiden, als wir uͤber die unſere, und kein Streit darf je deßhalb zwiſchen ihnen und uns entſtehen. Man wird unſere harmloſe Friedlich - keit ehren, die Denkart der Nachbaren iſt edel. Es iſt kaum glaublich, daß unſre Maͤnner je - mahls gezwungen werden ſollten, unſern recht - maͤßig erworbenen Boden, mit den Waffen in der Hand, zu vertheidigen. Geſchaͤhe es aber, ſo wuͤrde der Sieg gewiß auf unſerer, auf der Seite des ſtrengſten Rechtes ſeyn, und Muth und Geſchicklichkeit unſerer Maͤnner wuͤrde ihn zu feſſeln wiſſen. Wahrheit und Gerechtigkeit ſind die Hauptgrundſaͤtze unſerer einfachen Mo - ral; ihre Ausuͤbung wird, durch unſere Lebens - weiſe, unſeren Kindern ſo nothwendig ſeyn, als das Athemholen. Wahrheit und Gerechtigkeit, dieſe einzig ſicheren Stuͤtzen des haͤuslichen und des geſellſchaftlichen Gluͤcks, koͤnnen nur unter dem Schutze der Freiheit vollkommen gedeihen!

Sieh, meine Adele, ſo denken, ſo leben wir. Jhr werdet wohl etwas mitleidig laͤcheln,131 wenn ihr in Gedanken das einfache Gewand unſerer Republikanerinnen mit euren Modeklei - dern vergleichet, aber wir tauſchen nicht; unſer Klima fordert nicht mehr, und mit welchem ge - ringen Aufwand und mit wie wenig Muͤhe ſind wir gekleidet. Die kunſtreiche Nadel ruhet darum nicht ganz, wir verzieren, mit ihrer Huͤlfe, zuweilen den Saum der Gewaͤnder, doch in der Hauptſache, darf nichts geaͤndert werden; wir wollen nur keine Kunſtfertigkeit untergehen laſſen, ſo wie unſere Maͤnner darauf bedacht ſind, jede Wiſſenſchaft zu pflegen. Wir haben uns ein Mahl vorgeſetzt, die große Aufgabe zu loͤſen, Kultur mit Sitteneinfalt auf das engſte zu verbinden; wie und ob wir das große Ziel erreichen werden, daruͤber wird ein kuͤnf - tiges Jahrhundert entſcheiden. Feſt richten wir den Blick, auf das Wohlſeyn kuͤnftiger Geſchlechter, ſaͤen muthig den Samen dazu in den Schoß der Zeit, und Gott ſieht gewiß wohlgefaͤllig auf unſern redlichen Willen, auf unſern heiligen Eifer herab.

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Die Reiſeanſtalten ſind vollendet, ich muß dieſe Blaͤtter ſchließen. So lebe denn wohl, meine traute Adele! Der Himmel uͤberſchuͤtte Dich mit ſo viel Gluͤckſeligkeit, als Dein gaͤh - rendes Europa, Dein, mit ſich ſelbſt zerfalle - nes, Frankreich Dir nur bieten kann. Gedenke meiner oft, Du Gute! Du kannſt es ohne Sorgen um mein Geſchick. Freundlich laͤchelt mir die lange Zukunft entgegen, wie mich jede Mor - genſonne freundlich begruͤßt. Nur in Kentucky’s Hainen ſaͤuſelt ewiger Friede nur am Schawanoe herrſcht ſuͤße Ruhe. O, lebte mein hochherzi - ger Vater, lebte mein guter Emil mit uns un - ter dieſen Palmen, kein Seufzer wuͤrde je - mahls meinen Buſen heben! Doch ſie wandeln unter den himmliſchen Palmen, und harren freundlich auf uns. Mucius, mein theurer Mucius iſt mir Erſatz fuͤr alles! er gruͤßt Dich tauſend Mahl, der herrliche Menſch. O koͤnnte ich ihn Dir ſo ganz ſchildern, wie er iſt! ſo groß und hehr, ſo lieb und gut. Er traͤgt das Schickſal einer Welt in ſeiner Bruſt, und iſt doch nur Gatte, nur Freund; an Geiſt vielleicht der Erſte unter unſeren Gefaͤhr -133 ten, iſt er der Beſcheidenſte, von Allen geliebt. Und dieſer ſeltene Menſch iſt mein! fuͤhle die Seligkeit, welche in dem Gedanken liegt. Jch muß nur ſchnell ſiegeln, damit Mucius dieſe Worte nicht lieſt; er iſt dem Stolze ſo feind, daß es ihn ſchmerzen wuͤrde, der Gegenſtand des meinigen zu ſeyn. Lebe wohl, Adele! Tauſend Mahl Lebewohl! Ueber’s Jahr er - haͤlſt Du wieder frohe Bothſchaft von Deiner Virginia.

Eldorado, in Kentucky. Jm Julius 1817.

Sey mir gegruͤßt, Freundinn meines Her - zens! Du, in deren Buſen ich ehemals meine Klagen ergoß, nimm jetzt das Ueberſtroͤmen meines Entzuͤckens mit gleicher Theilnahme auf. Der Gluͤckliche bedarf des Ohres eines Freundes mehr, als der Ungluͤckliche, denn wohl laͤßt ſich der Schmerz unterdruͤcken, die Freude nicht. So vernimm denn die Wieder - holung alles deſſen, was mich in dem Zeit - raume dieſes Jahres beſeligte. Jm ganzen134 iſt mein Leben eine fortlaufende Kette von gluͤcklichen Tagen, nur wenige darunter zeich - nen ſich durch ein wichtiges Ereigniß aus. Unter dieſen ſind wohl die denkwuͤrdigſten diejenigen, wo unſerer Republik junge Buͤr - ger geboren wurden. Ja, meine Adele, ich wiege einen lieblichen Knaben auf meinem Schoße, Mucius Ebenbild, welcher mit die - ſem Kinde zum Kinde wird. Aus meinen Ar - men geht es in die ſeinigen; er forſcht in dem kleinen Geſichte, nach Aehnlichkeiten von mir, ich will es ſoll ihm aͤhneln, und dieß gibt die einzige Veranlaſſung zu kleinen, freund - lichen Streitigkeiten zwiſchen uns. Außer un - ſerm Knaben ſind noch 18 Kinder im Laufe des Maimonats gebohren, naͤmlich 4 von den Negern, 6 in dem deutſchen Dorfe 8 bei uns, ſo viel Knaben als Maͤdchen, unſere Haus - muͤtterchen, erwarten in einigen Monaten ihre zweite Niederkunft. Das wird ein Leben werden in der kleinen Republik! Schon jetzt verfuͤhren die Vaͤter einen Laͤrm mit den jun - gen Mitbuͤrgern, beſonders Pinelli, daß wir135 alle lachen muͤſſen, und die Wiegenlieder der Muͤtter bilden ein ordentliches Konzert.

Vom Klima beguͤnſtigt, ſind wir alle leicht und wohlgemuth entbunden worden. Schon am zehnten Tage, ſo wollte es Salvito, ging jede der Muͤtter, ihren Saͤugling im Ar - me, zum Tempel. Hier war der Altar mit Blumen bedeckt, die Mutter legte das Kind auf die Blumen nieder, dankte dem Ewigen kniend fuͤr das theure Geſchenk, und bat um Erhaltung des zarten Lebens. Der Vater trat hinzu, ſegnete das Kind, nahm es auf, nannte, es der Verſammlung zeigend, laut den Nahmen deſſelben, und gab es der Mutter zuruͤck. Wir haben unſern Kleinen, zum An - denken an ſeinen Großvater, Leo genannt, moͤchte er ihm aͤhnlich werden!

Seit dieſer Zeit wird oſt die Erziehung der Kleinen erwogen. Jm Ganzen wird ſie, der allgemeinen Meinung nach, ſehr einfach ſeyn. Liebe und Beiſpiel ſollen, ſtatt aller Strafen und Ermahnungen, hinreichen, ſpielend die Kraͤfte der Kinder, ſowohl lieblich, als geiſtig, ausgebildet, und beide Geſchlechter, bis zum136 zwoͤlften Jahre, ganz gleich beſchaͤftigt, und unterrichtet werden, auch ihre Kleidung wird dieſelbe ſeyn, ein farbiger Ueberwurf, nur bis zur Wade reichend. Sie werden klettern, ringen, fechten, wettlaufen, tanzen, ſchwim - men, und an den Arbeiten, nach ihren Kraͤf - ten, Theil nehmen. Leſen, ſchreiben, rechnen, lernen ſie dabei, als geſellſchaftliche Vergnuͤ - gungen, in den Stunden der Muße, unter den ſchattenden Platanen, oder am flammenden Kamin; Muſik und Zeichnen ſollen eben ſo behandelt werden. Die Naturbeſchreibung wird in Erzaͤhlungen vorgetragen, oder auf Spaziergaͤngen, welche beſonders der leiden - ſchaftliche Botaniker Stauffach dazu benutzen wird. An dieſe wird ſich die Erdbeſchreibung, jedoch erſt ſpaͤter, anſchließen, Geſchichte am ſpaͤteſten gelehrt werden. Mucius wird zu dem Ende eine kleine Weltgeſchichte ausarbei - ten und in Philadelphia drucken laſſen. Sie wird treu, aber aus einem anderen Geſichts - punkte aufgefaßt, mehr die Geſchichte der Voͤl - ker als ihrer Fuͤhrer ſeyn. Den Helden wer - den ihre Lorberkraͤnze nicht entzogen werden,137 aber der Eichenkranz des Buͤrgers, der fried - liche Oelzweig, werden eine hoͤhere Bedeutung erhalten; der Hauch der Freiheit wird durch das ganze Werk hin wehen, und darin auch angegeben werden, wodurch das Menſchenge - ſchlecht dieſe Himmelstochter von ſeinen Fluren ſcheuchte, mit ihr das Paradies verlor.

Mit dem zwoͤlften Jahre, werden die Maͤdchen zur Haushaltung und zu kuͤnſtlichen Arbeiten mit der Nadel und auf dem Webe - ſtuhl angefuͤhrt, die Knaben lernen die hoͤheren Wiſſenſchaften, und die todten Sprachen; die lebenden ſich zu eigen zu machen, dazu ha - ben ſie taͤglich, von der fruͤheſten Jugend an Gelegenheit, denn Franzoͤſiſch, Jtalieniſch, Deutſch und Engliſch werden abwechſelnd bei uns geſprochen. Franzoͤſiſch iſt die allgemeine Sprache, Engliſch wird bei dem Mahle und am Theetiſch geredet, aus Liebe fuͤr Elliſon, Lucia und Fanny, Jtalieniſch laſſen Roſalva, Antonio und Pinelli nicht ausſterben, ſie haben den beiden Knaben Frank’s und Van - huſens ſchon eine Menge liebkoſender Worte ſtammeln gelehrt; mit ihren Spielgefaͤhrten,138 einem halben Dutzend deutſcher Kinder, reden ſie deutſch. Von den hoͤheren Wiſſenſchaften und den gelehrten Sprachen, lernt jeder dann nur, wozu ſeine Neigung ihm treibt, oder wozu man entſchiedene Faͤhigkeiten in ihm ent - deckt, nothwendig ſind ſie keinem. Lehrer iſt jeder der Maͤnner in ſeinem Lieblingsfache. So unterrichtet man jetzt ſchon ſpielend die deutſchen Knaben und ein paar muntere Ne - gerbuben; kuͤnftig werden auch dieſe mit den unſrigen gleich erzogen. Wie laͤcherlich wird einſt unſern Juͤnglingen der Kaſtengeiſt erſchei - nen, mit welchem der groͤßte Theil des Erd - kreiſes zu kaͤmpfen hat!

Die koͤrperliche Erziehung der Knaben wird mit ihren zunehmenden Jahren immer ſorg - faͤltiger fortgeſetzt, und nichts verſaͤumt werden, ſie abzuhaͤrten. Sie werden alle Faͤhigkeiten eines kriegeriſchen Volkes erlangen, ohne es zu wiſſen; beſonnenen Muth, Ausdauer und Verachtung der Gefahren, werden ſie auf den Baͤren - und Wolfs-Jagden in den Graͤnz - Waldungen lernen, ihre Spiele werden krie - geriſch ſeyn, ohne daß ſie jemahls das Wort139 Krieg hoͤren, und die Regeln der beſten Taktik ihnen als Regeln eines Spiels gelaͤufig werden. Sollte jener Daͤmon jemahls bis durch dieſe Waͤlder dringen, dann wird er ein waffenfaͤhi - ges Volk finden, welches den Frieden, wie die ganze Welt liebt, aber jedes Unrecht abzuweh - ren wiſſen wird; ſelbſt unſere ſtarken Maͤdchen wuͤrden den Webeſtuhl verlaſſen, und mit den Waffen, dem Spielgeraͤth ihrer Kindheit, ihre Freiheit und ihre Ehre vertheidigen. Doch dahin wird es nicht kommen, der Genius der Menſchheit wird dieſe ſtillen Thaͤler ſchuͤtzen.

Unſer Leben, unſer Treiben, iſt noch ganz daſſelbe, wie ich es Dir im vorigen Jahre ſchilderte. Noch haben wir nirgends eine Luͤcke bemerkt, und ich hoffe, als ein altes Muͤtterchen, werde ich dir nichts anders zu ſagen haben, als: wir ſind gluͤcklich.

Jn dieſem Fruͤhjahre machten wir unſere erſte Zuckerernte in den Ahornwaͤldern, alles140 legte Hand an, ſelbſt die Kinder Der Ertrag iſt ſo reichlich geweſen, daß, auch bei verſchwen - deriſchem Verbrauch, unſer Bedarf auf drei Jahre geſichert ſeyn wuͤrde. Wir ſchicken die Haͤlfte nach Louisville, auch Taback und Farbe - kraͤuter, mit deren Erzeugung Stauffach ſich emſig beſchaͤftigt; er hat uns ſchon die ſchoͤn - ſten Garne und Gewebe gefaͤrbt. Frank er - wirbt ſich um das Maſchinenweſen unſterb - liche Verdienſte, Antonio hat einen Speicher im rein antiken Styl erbaut, Vanhuſen und ſeine Gehuͤlfen haben uns die ſeltenſten Fruͤchte und Blumen gezogen, die herrlichſten Gruppen von Baͤumen auf Bergen, und am Rande der Savannen gepflanzt, auch mancherlei Heilkraͤu - ter, nach Salvitos Anweiſung, angebauet. Die - ſer Schutzgott unſerer Nachbarn, hat ſeine verſprochene Reiſe den Schawanoe hinauf ge - macht, und das von ihm, durch Rath und That, geſtiftete Gute iſt nicht zu berechnen. Seine chemiſchen Kenntniſſe kommen uns uͤber - all zu Statten, beſonders bei der Kelter. Unſer Wein verſpricht ganz vorzuͤglich zu werden,141 ſelbſt der Palmenſekt und das Birkwaſſer ſind ziemlich haltbar.

Die Feldbauer, nebſt ihren weißen und ſchwarzen Gehuͤlfen, haben Ueberfluß erzeugt, Maria und Lucia bleichen das ſchoͤnſte Ge - ſpinnſt im Sonnenſtrahl und im Schimmer des Mondes, und die Seidenwuͤrmer haben mit uns um die Wette geſponnen; auch von ihrer Arbeit werden Proben nach Louisville gehen. Das Vieh gedeihet herrlich. Mein Milchgewoͤlbe hat Ueberfluß, ungeachtet mehr als die Haͤlfte des Mutterviehes die Kaͤlber groß geſaͤugt hat. So im Schoße des Ueber - fluſſes, liebend und geliebt, frei und im Frie - den mit der ganzen Welt, ruhig in die Ver - gangenheit, heiter in die Zuͤkunft blickend, gibt es eine beneidenswerthere Lage als die unſere? O, ich moͤchte der ganzen gepreßten Welt zurufen: fluͤchtet Euch in die Wildniſſe von Amerika! Nur am Miſſiſippy, am Miſſouri, in den Waͤldern von Louiſiana wohnt der Friede, laͤchelt das Gluͤck. Aber das Gemuͤth dafuͤr muß man mit bringen, Kenntniſſe und142 Thaͤtigkeit, dann findet man ſein Eden hier, oder nirgends.

Wir haben erfahren, daß ein großer Theil unſerer Landsleute nach dieſem Welttheil ſich gewendet hat, und daß Joſeph Napoleon Willens iſt, nahe bei Baltimore, eine Stadt zu gruͤn - den. Ja, ja, die Trojaner flohen aus ihrer brennenden Mauern, nach mehrern Gegenden hin, aber nur Aeneas rettete die Heiligthuͤmer aus dem praſſelnden Flammen und barg ſie in Silvius dunklen, naͤchtlichen Hain. Laß mir den kuͤhnen Gedanken: Mucius und ſeine Freunde ſind jener Aeneas, mit ſeinen Ge - faͤhrten, das Schickſal gefaͤllt ſich in ſolcher Wiederholung. Hierher, in die Waͤlder von Kentucky retteten wir unſere Goͤtterbilder; wer - den ſie einſt, wie Troja’s Goͤtter, ein großes, freies und hochherziges Volk verbinden? O, Du Ewiger uͤber den Sternen, wir hoffen es! Joſephs Stadt wird nie ein Rom werden; man wird darin Schauſpielhaͤuſer und Kir -143 chen bauen, Kaffeehaͤuſer und Tanzſaͤle errich - ten, kokettiren, kabaliren, ſcheinen, ſchmei - cheln, und repreſentiren, wie ehemahls. Die großen Lehren der Zeit gehen an dieſem Ge - ſchlechte verloren; fern von uns jede Gemein - ſchaft mit demſelben! Selbſt Napoleon, der bewundernswerthe, wuͤrde in unſerm Frei - ſtaate ſehr unwillkommen ſeyn, ein Mahl vom Taumelkelche der Herrſchaft berauſcht, taugt ſchwerlich jemahls ein Menſch auf dem Platze des harmloſen Buͤrgers. Er, der Feuergeiſt, war dazu geſchaffen, ein, in wilde Parteien zerſpaltenes Volk zu vereinen und zu halten, ja die Erde unter eine Alleinherrſchaft zu brin - gen; in einen wahren Freiſtaat paßt er nicht. Vielleicht haͤtte er einſt den Frieden der Welt, und die Vereinigung der Voͤlker, auf einen andern Wege, herbei gefuͤhrt. Lange glaubte ich, dieſen Plan des Schickſals in dem Laufe der Dinge zu ſehen, doch ploͤtzlich verwandelt ſich das Welttheater, und noch laͤßt ſich nichts beſtimmtes uͤber den Jnhalt des naͤchſten Akts ſagen, der Knoten iſt von neuen geſchuͤrzt, und die Entwickelung weiter hinaus geſchoben. Aber144 meine Wuͤnſche, unſere Wuͤnſche, ſind dieſelben geblieben, Friede und Freiheit der Welt, Wahr - heit und Gerechtigkeit herrſchend, und das phy - ſiſche Daſeyn auch dem letzten der Sterblichen, ohne harte Sorgen und Noth, geſichert. Wir mußten dieſen Wuͤnſchen, dieſen Hoffnungen, einen andern Stuͤtzpunkt geben, um nicht mit hinab gezogen zu werden in dem allgemeinen Untergang. Wir fanden ihn, verzeihe dem kuͤhnen Gedanken, wir ſuchten ihn wenigſtens, in der Kolonie von Kentucky. Kultur, mit Sit - teneinfalt im Bunde, ſollten hier, in der Ver - borgenheit, ein Geſchlecht groß ziehen, welches vielleicht einſt den Voͤlkern zum Vorbilde und Vereinigungspunkte dienen koͤnnte. Das maͤch - tige Troja fiel unter den vereinten Kraͤften der Griechen, aber Aeneas rettete die Schutzgoͤtter des Reichs, er und ſeine jungen Gefaͤhrten, gruͤndeten Alba und bargen die Heiligthuͤmer in ſeinen dichtverwachſenen Hainen. Das ſchwache Haͤuflein wuchs, ſeine Urenkel erbau - ten die Siebenhuͤgelſtadt, und heilbringend, zo - gen die Goͤtter ihrer Ahnen, bei ihnen ein. So145So lange ihr Dienſt noch unentweiht beſtand, war Rom gluͤcklich und groß.

Wehe, auch das große, auch das gluͤckliche Rom verſank! woran mahnt mich dieſe Erin - nerung des ewigen Wechſels! Wird denn die Entwicklung des Menſchengeſchlechts ewig den Kreislauf gehen, ſein Zuſtand niemahls Dauer er - halten? Werden die Blaͤtter der Geſchichte ewig vergebens fuͤr uns geſchrieben ſeyn? Verzwei - feln, wuͤrde ich, muͤßte ich dieß, als unwan - delbares Geſetz anerkennen, ich kann, ich will es nicht denken. Eine koͤſtliche Frucht bedarf lange Zeit zu ihrer Reife. Rauhe Stuͤrme ſtreiften ihre Bluͤthen ab, lange liegt ſie in harter Schale verborgen, mitten in den Unge - wittern, ſie hat die Froͤſte der Nacht, und den ſengenden Strahl des Mittags uͤberdauert, aber an der milden Sonne des Herbſtes, wird ſie die Schale oͤffnen, und der ſuͤße Kern dringt gezeitigt hervor. Moͤge er lange dauern, der Herbſt!

Zweiter Theil. [10]146

Wir haben geſtern ein freundliches Feſt ge - feiert, Humphrys Hochzeit mit einem ſanften, deutſchen Maͤdchen. Wir fuͤhrten, in ſeierlichem Aufzuge, das mit Myrthen und Roſen gekraͤnzte Brautpaar zum Tempel. Sie wechſelten am Altar die Ringe, und ſprachen laut den Schwur der ewigen Treue; die Aeltern der Braut ſegneten ſie, und wir alle beteten fuͤr ihr Gluͤck. Ein frohes Mahl, unter den Pla - nen, vereinte die ganze Kolonie; der Becher ging fleißig umher, und mancher herzliche Trinkſpruch wurde ausgebracht. Wir haben dabei des Heils unſrer europaͤiſchen Bruͤder nicht vergeſſen; auch auf Deine Geſundheit wurde der Becher geleert. Der Tanz, welchen unſre Neger beſonders leidenſchaftlich lieben, dauerte bis ſpaͤt in die Nacht, und erſt gegen Morgen wurden die Neuvermaͤhlten, trotz Mon - denlicht und Fruͤhrothsſchimmer, mit Fackeln, zu ihrer neuen Wohnung gefuͤhrt. Es gewaͤhrte einen eigenen, ſchoͤnen Anblick, wie der Zug, bei dem hellen Fackelſchein, durch das lange Thal wallte, und wie das Licht die Baumgruppen erhellte, und dann neue Schatten warf. Es147 iſt wieder ein ſchoͤner Vorwurf fuͤr Pinell’s Kunſt, welche er fleißig uͤbt. Humphrys Woh - nung liegt im deutſchen Dorfe eine Viertel - ſtunde von hier. Sobald die Vermaͤhlten die Kammer betraten, wurden die Fackeln an der Schwelle des Hauſes geloͤſcht, man rief Hymen! Hymenaͤus! und der ganze Zug ging zu ſeinen Haͤuſern zuruͤck.

Kindliche Nachahmungen altgriechiſcher Sit - ten, wie ſchmeicheln ſie die Phantaſie in jenes ſchoͤne Zeitalter hinuͤber, wo das Menſchliche mit dem Goͤttlichen noch verſchwiſtert war, wo der duͤnkelvolle Erdenſohn ſich noch nicht losgeriſſen hatte von dem leitenden Bande ſeiner Mutter Natur! Uns, vor allen Mucius und mich, Dupont und Zephyrinen, ziehen die grichiſchen Lebensformen maͤchtig an; es waren die Sitten unſerer Ahnen, Abkoͤmmlinge jener Meſſenier, welche Marſeille gruͤndeten; wie jeder Provenzale es mit geheimen Stolze ruͤhmt, hat jede Erinnerung an ſie einen*148namenloſen Reiz fuͤr uns. Es iſt unſere Lieblingsunterhaltung, die aͤlteren griechiſchen Dichter und Proſaiſten zu leſen, welche Mu - cius meiſterhaft und ans dem Stegreif uͤber - ſetzt; mit ihnen haben wir die kurze Zeit des leichten Winters, ſehr angenehm ausgefuͤllt. Selten kam mein Oſſian an die Reihe, ob - ſchon die meiſten der uͤbrigen ihn beſonders lieben, weil ſie ihn ohne Auslegung verſtehen. Auch bei mir ſteht er noch in hohem Werthe, wenngleich meine Stimmung mich ſeltener zu ihm hin zieht. Oſſian iſt der Saͤnger der Schwermuth, und rings um mich her, herrſcht heitere Lebensfreude. Jn die Lethe verſenkt, ſind die Bilder, der duͤſtern Vergangenheit, eine neue Sonne, ein neues Daſeyn iſt fuͤr uns alle aufgegangen. Mag Europa nun ſchnitzeln und kuͤnſteln an ſeinen Formen, wir haben ſie von uns geworfen, mit einem muthigen Wurf; und wie auch die Verwirrung herrſche uns beruͤhrt ſie nicht. Arme Adele, koͤnnte ich doch Dich hier her retten! aber auch nur Dich allein. Jch fuͤrchte immer, auch Du wirſt ein Opfer tyranniſcher Willkuͤhr. 149Waͤrſt Du nicht in Europa, ich wuͤrde ſelten dahin denken, denn ich denke ungern an das dortige Getreibe. Alles was ich wieder von dort vernommen habe, iſt nicht beruhigend; der große Streit iſt noch nicht abgeſchloſſen, lange, lange noch nicht, er kann noch Menſchenalter uͤber - dauern. Furchtbare Kraͤmpfe erſchuͤtterten die kreißende Welt, aber es erfolgte eine unzei - tige Geburt; das wirkliche Goͤtterkind liegt noch tief verborgen im Schoße der Mutter, neue ſtaͤrkere Wehen werden es einſt an das Tageslicht foͤrdern. Wann? das ſteht im Buche des maͤchtigen Schickſals. Wehe dem armen Geſchlechte welches als Geburtshelfer um die Kreißende ſteht! aber auch Heil dem, welches um die Wiege des Neugebohrenen tanzt! Junges, kraͤftiges Leben entwickelt ſich aus Zer - ſtoͤrung und Tod, das iſt der Troſtgedanke fuͤr das untergehende Geſchlecht; der Blick in die Zukunft, kann allein den ſinkenden Muth erheben. Ach, nicht jeder vermag uͤber die Spanne ſeiner Zeit und ſeines Raums hin - weg zu blicken, und der Sohn des Staubes zer - ſtaͤubt mit ihm; nur der Geiſt, welcher ſich150 Eins fuͤhlt mit dem Unendlichen, wird ewig ſeyn, mit dem Ewigen, er ſieht im Heute ſchon das Morgen und die kleinlichen Sorgen der Gegenwart beruͤhren nur ſein irdiſches Theil, hinuͤber ſchwingt er ſich unter die Pal - men des ewigen Friedens!

Uns Lieblingen des Schickſals ſaͤuſeln ſchon hienieden jene friedlichen Palmen, uns ſaͤuſelt der delphiſche Lorberhain. O, meine Adele, koͤnnte ich dich einfuͤhren unter ihren erquik - kenden Schatten! Deinen Nahmen tragen die glatten Staͤmme der weißen Birken und Bu - chen, und des bluͤhenden Tulpenbaumes, am Ohio, am Kentucky, und am Schawanoe; Deinen theuren Nahmen ruft mir ſtuͤndlich mein zahmer Papagoy zu, und lehrt ihn ſeinen wilden Bruͤdern, wenn er mit mir durch die Haine huͤpft; Deinen Nahmen wird mein Leo ſtammeln ſobald er Vater rufen kann. O, koͤnnteſt Du meine freundlichen Haine ſehen, und meinen Knaben ſegnen! Thue es in der151 Ferne, meine Adele, ſo wie wir Dich ſegnen, mein Mucius und ich. Zephyrine und Philip - pine gruͤßen Dich, erſtere als Landsmaͤnnin, letztere, weil[ich] ſie oft mit Dir verglich, Elli - ſon gruͤßt Dich vor allen. Er hat den Vor - theil, Dich zu kennen, und ſtimmt oſt in mei - nen Wunſch ein, Du moͤchteſt eine der Un - ſern werden; Du ſeyſt vor allen werth, ſagt er, unſer wiedergefundenes Eden zu ſchmuͤcken, doch, wo Du auch lebſt, Du traͤgſt es in Dei - ner Bruſt. Laß es Dir nimmer rauben, nim - mer Dein beſſeres Gefuͤhl ertoͤdten vom Peſt - hauche der Selbſtſucht und der kleinlichen Ei - telkeit. Dein Wahlſpruch ſey Wahrheit und Gerechtigkeit, ſo biſt Du der Kolonie von Ken - tucky verbuͤndet.

Lebe wohl im Geraͤuſch Deiner Welt! Ver - giß nicht die Sorge fuͤr die armen Bewohner von Chaumerive. Noch ein Mahl empfehle ich ſie dem Herzen Deiner guten Mutter. Laß die Blumen um das Grab der meinigen nicht ganz erſterben. O, daß mein Vater, daß Emil nicht auch dort unter begruͤnten Huͤgeln ruhen! Auch ihnen lege, jeden Sommer,152 Kraͤnze der Erinnerung auf der Mutter Grab; vielleicht daß Dir dort mein Geiſt ein Mahl freundlich begegnet.

Dort wuchs ich auf unter den Heldenbil - dern der Griechenwelt, hier am Kentucky ſchließe ich einſt laͤchelnd mein Auge, von den Lebensbildern jener Unſchuldswelt umflattert. Lebe wohl! Lebe wohl, meine Adelr! Friede mit Dir! Friede mit der ganzen Welt!

Deine Virginia.

Ende.

About this transcription

TextVirginia oder die Kolonie von Kentucky
Author Henriette Frölich
Extent167 images; 23198 tokens; 6113 types; 162214 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationVirginia oder die Kolonie von Kentucky Mehr Wahrheit als Dichtung Zweiter Theil Henriette Frölich. Jerta (ed.) . [2] Bl., 152 S. : Frontisp. (Kupferst.). RückerBerlin1820.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Berlin SBB-PK, Yw 8831-1/2

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Roman; Belletristik; Roman; core; ready; china

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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ImprintBerlin 2019-12-09T17:30:33Z
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