PRIMS Full-text transcription (HTML)
Der Prophet.
Hiſtoriſcher Roman aus der Neuzeit Nord-Amerikas.
Erſter Theil.
Jena,Friedrich Luden. 1846.

Motto:

Bei Privatunternehmungen findet ein Fortſchreiten Statt und man kann nach Gefallen dem Glücke mehr oder minder anvertrauen. Wer aber nach der Ober - herrſchaft ſtrebt, der hat nur den Gipfel oder den Abgrund vor ſich.

(Tacitus Geſchichtsbücher, II. Buch. )

Den unvergeßlichen Freunden in Jena, in dankbarer Erinnerung. Die Verfaſſerin.

[1]

Erſtes Kapitel.

Die bereits im Weſten verſinkende Abendſonne verſandte noch gluthgetränkte Strahlen auf die üppi - gen Fluren, in denen kein Laut, kein Ton das Leben verkündete. Eine Stille herrſchte rings umher, daß man aus weiter Entfernung das Niederfallen eines Blatts, das Schwirren eines Käfers, das Summen eines Jnſects hätte vernehmen können. Wie das Ohr durch keinen Naturlaut am Horchen, ſo wurde auch das Auge durch keinen Gegenſtand am Umherſchweifen verhindert. Eine, wie es ſchien, unermeßliche Ebene breitete ſich vor den Blicken aus. Sie war mit ver - ſchiedenen üppig wachſenden Gräſern und Jmmergrün, ſonſt aber weder mit Blumen, noch Kräutern ange - füllt: ſo weit das Auge blickte, ſah es nichts als hohe, verſchiedenartig gefärbte Gräſer, worunter das blaue Moskitogras, welches oft weite Strecken ein - nahm, ſich freilich aus der Entfernung wie ein mit blauen Blumen bedeckter Teppich ausnahm.

12

Gegen Weſten wurde dieſe Ebene von einem ſchö - nen und mächtigen Fluſſe begrenzt; es war der Miſ - ſiſippi; er hatte ſich aber ſein Bett ſo tief in den Boden gegraben und ſein Waſſer war in dieſer Jah - reszeit ſo ſeicht, daß man ihm ſchon ziemlich nahe gekommen ſeyn mußte, um ihn zu erblicken.

Dem Fluſſe ſtrebten die Schritte eines durch die Prairie Dahinwandernden zu, der, mit der Büchſe im Arm, mit der Jagdtaſche über dem Rücken, in Be - gleitung eines großen und ſehr ſchönen Hundes, mit ſchon matter werdenden Schritten die Stillung ſeines brennenden Durſtes aus den kühlen und reinen Flu - then des Miſſiſippi ſuchte. Er ſchien in der ihn um - gebenden Einöde ſehr bekannt und mit den ſie durch - furchenden Büffelpfaden durchaus vertraut zu ſeyn, indem er, ohne den Fluß noch erblicken zu können, geradeswegs auf ihn zueilte.

Bald zeigten ſich die beſchilften, mit hohen Schwertlilien und einer Menge anderer Blumen be - kränzten Ufer deſſelben, und ſowohl der Wandernde als ſein vierfüßiger Begleiter beeilten ihre Schritte, um das erſehnte Ziel zu erreichen.

Hier nahm die Natur plötzlich einen ganz andern Charakter an. Die in der Prairie herrſchende Tod - tenſtille verwandelte ſich in reges Leben; buntbefiederte Vögel wiegten ihren zierlichen Leib auf den braunen3 Kolben des Schilfrohrs; unzählige Waſſerinſecten, die blauen Libellen, Moskitos und Mücken aller Art um - ſchwirrten die Blumen des Ufers; Fröſche ſprangen, ſo wie ſie herannahende Fußtritte vernahmen, aus dem hohen Graſe, in dem ſie ſich bisher verborgen hatten, in den Fluß hinab, um ſich in ſeinen Wellen vor Verfolgung zu beſchützen, und bunt geringelte Schlangen, langgeſchwänzte Eidechſen, mit den klugen, goldumſäumten Augen, ſprangen aller Orten hervor und ſuchten Schutz vor den gewitterten Verfolgern.

Unfern des Ufers ſtand auch hie und da ein Strauch, der eine zwar ſaure, aber trotz dem erquick - liche Frucht trug. Es waren Stachelbirnſträuche und obgleich nur niedrig und von wenig maleriſchem An - ſehen, waren ſie doch die Freude des Wanderers in der öden, ſonſt baum - und ſtrauchloſen Prairie. Auch das Auge des Jägers ruhte mit ſichtbarem Vergnü - gen auf ihnen und als er vermittelſt ſeiner aus dem Fluſſe gefüllten Jagdflaſche ſeinen Durſt geſtillt und auch ſein Begleiter ſich ſatt getrunken hatte, ſtreckten Beide ſich neben einem ſolchen Strauche nieder, ver - muthlich in der Abſicht, den Anbruch der Nacht hier zu erwarten, ja wohl gar dieſe an dem wenigſtens etwas geſchützten Orte zu verbringen.

Der Jäger wir wollen ihn bei ſeinem Vor - namen, Arnold, nennen ſtreckte die müden Glie -1 *4der lang in dem üppigen Graſe aus und ſchaute, den Blick zum Himmel gewandt, mit Entzücken zu dieſem empor. Die Sonne war bereits untergegangen und ein Gluthmeer nahm den ganzen Weſten ein, wäh - rend der Himmel über ihm jene tiefe, man möchte ſagen, geheimnißvolle Bläue hatte, die das Herz mit einer Sehnſucht erfüllt, deren Quell man nicht zu ergründen vermag. Nur von Zeit zu Zeit riſſen ſich einzelne, ſchneeweiße, mit Purpur umſäumte Wölkchen aus dem Weſten los und ſchifften, vom ſanften Abend - winde langſam fortgetrieben, über dem Haupte des Beſchauers hin, wie Segelſchiffe auf tiefblauem Ocean. Auch auf das treue und ſchöne Thier, das neben ſei - nem geliebten Herrn lang im Graſe ausgeſtreckt lag, ſchien die Schönheit und Feier der Natur einen an - genehmen Eindruck zu machen, denn von Zeit zu Zeit erhob er das auf den vorgeſtreckten Pfoten ruhende zottige Haupt und ſchaute bald zum Himmel empor, bald mit jenem unausſprechlichen Blick, worin Weh - muth und Liebe gemiſcht ſind und der von allen Thie - ren nur dem Hunde eigenthümlich iſt, auf ſeinen Ge - bieter, deſſen Hand ſein ſeidenweiches Fell liebreich ſtreichelte.

Beide waren Fremde auf dieſem Boden; Beide hatten eine Heimath gehabt und das war es wohl, was ſie ſo innig an einander knüpfte, Eins dem An -5 dern ſo unentbehrlich machte. Tauſend frohe und traurige Erinnerungen erwachten in Arnolds Seele, wenn er auf Bruno blickte, den er ſelbſt groß gezo - gen, der ihn auf ſo vielen Spaziergängen und Streif - zügen in der geliebten Heimath begleitet hatte. Auch in Bruno mochte noch dann und wann eine Erinne - rung an das Ehemals aufdämmern und er, gleich ſei - nem Herrn, ſich zurückſehnen nach den Gegenden, die ihn werden ſahen; denn wer kann wiſſen, wie weit die Seelenkräfte des Thiers reichen, da wir ihre Spra - che nicht verſtehen lernen, wie ſie durch langen Um - gang mit uns die unſrige. Daß Bruno ſich in dem fremden Welttheile nicht eben behaglich fühle, zeigte ſein gänzlich verändertes Weſen; aus einem fröhlichen, muntern Hunde war er ein trauriger, grämlicher ge - worden, der, als wittere er überall für ſich und ſei - nen geliebten Herrn auf dem fremden Boden Gefahr, beim geringſten unerwarteten Geräuſche knurrend die Zähne zeigte und ſich allein durch den Zuruf ſeines Gebieters davon abhalten ließ, einen, für den heran - nahenden vermeintlichen Feind ſehr verderblichen, Ge - brauch davon zu machen.

Schon ſeit einiger Zeit hatte Bruno dann und wann das Haupt erhoben und die Ohren geſpitzt, als wit - tere er entfernte Gefahr; jetzt ſprang er plötzlich aus ſeiner behaglichen Lage auf, ſtreckte einen Augenblick6 die Glieder und erhob, das Haupt gegen Oſten ge - wandt, ein erſt leiſes, aber immer mehr ſich verſtär - kendes Knurren, dem bald ein Bellen folgte. Arnold wußte, daß das Thier ſich niemals zum Spaße der - gleichen erlaubte, und ſo richtete auch er ſich mit hal - bem Leibe empor, ſtützte das nach Oſten gewandte Haupt mit der einen Hand und legte die andere, in Erwartung der Dinge, die kommen würden, auf die geladene doppelläufige Büchſe.

Der junge Mann in dieſer Stellung und Um - gebung bot, obſchon man ihn ſelbſt nicht eben ſchön nennen durfte, doch ein hübſches Bild dar. Seine ziemlich lange, ſchlanke Figur, die in allen Theilen wohlgebildet, obſchon faſt zu mager war, zeichnete ſich hübſch in dem ſchönen, ſaftreichen Graſe ab, auf dem er lag; der Abendwind ſpielte ſanft mit ſeinem reichen dunklen Haar und entblößte von Zeit zu Zeit die hohe weiße Stirn, die, nebſt zwei ſchönen dunklen und ausdrucksvollen Augen, die in die Augen fallende Schönheit ſeines Geſichts bildete. Man hätte Arnold auch ſonſt vielleicht hübſch nennen können, wenn ſein Teint nicht allzuſehr von der Sonne gebräunt und ſein Geſicht nicht ſehr mager geweſen wäre; denn alle Formen deſſelben waren vollkommen gut und har - moniſch, der Mund ſogar beſonders angenehm, da ſehr ſchöne Zähne ihn zierten. Alle dieſe äußern Vor -7 züge boten ſich aber nicht auf den erſten Blick dar, ſondern man mußte dieſes Geſicht erſt ſtudiren, um jenen Ausdruck von geiſtiger Schönheit darin zu ent - decken, der für Den, welcher ſich darauf verſteht, die höchſte und im Grunde einzigſte iſt. Man hatte da - her auch über Arnolds Aeußeres die verſchiedenartigſten Urtheile, je nach der Jndividualität des Beurtheilers, ausſprechen hören, indem Einige ihn für nichts weni - ger als hübſch, ja wohl gar für häßlich, Andere da - gegen für ſchön erklärten, und letzteres war er auch in der That nur dann, wenn irgend ein großer oder ſchöner Gedanke durch ſeine Seele ging oder eine leb - haftere Empfindung ſeine in der Regel bleichen Wan - gen colorirte und zugleich ſeinen dunklen Augen einen beſondern Glanz verlieh. So wie er aber war, mußte er den Frauen gefährlich werden; auch hatte er, ohne es zu ahnen, ſchon oftmals Glück bei ihnen gemacht, ſo daß es nur bei ihm geſtanden hätte, für einen Löwen in der großen Welt angeſehen zu werden.

Seine Kleidung paßte vollkommen zu der Jah - reszeit und zu der Gegend, in der er lebte. Ein leichter Strohhut bedeckte ſein Haupt; er trug einen ſehr feinen, hellgrünen Palletot, dazu weiße Panta - lons, leichte Halbſtiefel und den Hals, wie einen Theil der Bruſt, völlig frei. Ein ſchneeweißer, vorn offenſtehender Hemdkragen fiel nachläſſig auf den Pal -8 letot hinab; die Taille war von einem breiten, vorn mit einer Schnalle zugemachten ſchwarzen Ledergurt umgürtet, in dem ein ſcharfer Dolch in einer Leder - ſcheide ſteckte, und an der einen Seite hing die Jagd - taſche, an der andern die blecherne Jagdflaſche, deren Riemen ſich auf der Bruſt kreuzten, herab.

Das Bellen Brunos wurde indeß immer ſtärker und anhaltender, auch lief das treue Thier, zum Zei - chen, daß ſich etwas Unheimliches nahte, unruhig hin und her. Endlich erblickte Arnolds ſcharfes, ſehr ge - übtes Auge am fernſten Rande des Horizonts einen dunklen Punkt, der aber von Minute zu Minute grö - ßer wurde, und nicht lange, ſo unterſchied er einen Reiter, der ſich im ſchnellſten Galopp der Stelle - herte, wo er lagerte. Er erhob ſich jetzt gänzlich, nahm die Büchſe auf und unterſuchte die Ladung und das Schloß, eine Vorſicht, die dem einſamen Wan - derer jener Gegenden durch die Umſtände geboten iſt.

Als der Reiter etwa auf Flintenſchußweite zu ihm hinangekommen war, beruhigte Arnold ſich in - deſſen und ſetzte die Kolbe ſeiner Büchſe auf den Bo - den nieder, und auch Bruno hielt nicht nur mit Bel - len ein, ſondern rannte dem Ankommenden ſogar mit fröhlichem Schweifwedeln, wie einem wohlbekannten Freunde, entgegen. Bei dem Anblick des treuen Thiers ſprang der Reiter vom Pferde, um es, indem er es9 zärtlich in ſeine Arme nahm und es wiederholt küßte, zu liebkoſen. Dann nahm er ſein Roß beim Zügel und ging zu Fuß auf Arnold zu.

Der Herannahende hatte eine helmbuſchartige Verzierung von Reiher - und Adlerfedern auf dem Haupte, das mit ziemlich langem, kohlſchwarzem, ſchlichtem Haare bedeckt war; ſeine Hautfarbe glich an Röthe der des friſch gegoſſenen Kupfers; ſein Wuchs war faſt rieſenhaft und alle Verhältniſſe der Geſtalt dabei doch im ſchönſten Ebenmaße. An den ziemlich großen Ohren hing eine Zierath von Silber, um den Hals eine Schnur von Bärenklauen und am Gürtel eine zweite, von der eine Anzahl Scalps oder Kopfhäute herabhing. Jn dieſem Gürtel ſteckte auch die furchtbarſte Waffe der Wilden, der Tomahawk, welcher zugleich die Stelle des Beils und des Meſſers vertreten muß. Die Beine des Wilden waren mit einem Paar Lederhoſen, von ungegerbtem Leder, be - deckt und der Leib von einem ziemlich eng anſchlie - ßenden Rocke von demſelben Stoffe, über den aber noch eine Art Ueberwurf von langhaarigem Büffelfell, wie ein Mantel, geworfen war. Die Füße ſteckten in feſt anſchließenden, buntbemalten Halbſtiefeln oder Mo - caſſins, denen aber die Sohle fehlte. Außer dem To - mahawk trug der Sioux denn einen Wilden die - ſes Stammes hatte unſer Freund vor ſich auch10 noch Bogen und Pfeile, die er über ſeinen Rücken gehangen hatte.

So wie er Arnolds anſichtig worden war, ver - klärte gleichſam die Freude ſeine edlen, wohlgeformten Geſichtszüge und er ſtieß jenen Laut aus, wie ihn nur die Kehle eines von Jugend auf daran gewöhnten Wilden hervorzubringen vermag und der bei ihnen das Zeichen der höchſten Freude iſt.

Jch wußte , rief er dem Europäer in ſei - ner wohlklingenden, an Vokalen ſo reichen Sprache entgegen, daß ich dich in der Prairie finden würde, mein bleicher Bruder, da ich dich in deinem Hauſe nicht traf.

Du haſt mich beſuchen wollen, Waupee? fragte ihn der Europäer, ihm zutraulich beide Hände entgegenſtreckend.

Ja, ich war in der Stadt der Bleichgeſich - ter, dich zu ſuchen, verſetzte der Wilde; dort ſagte man mir aber, du habeſt deine Büchſe und Bruno genommen und ſei’ſt in die Prairie auf die Jagd ge - gangen, und das war mir lieb, denn da wußte ich dich zu finden.

Die Prairie iſt groß und der Pfade darin ſind viele, Waupee, wie durfteſt du hoffen, mich darin zu finden?

Nirgends leichter als hier, mein bleicher11 Bruder , verſetzte der Sioux lächelnd. Muß doch Jeder, der darin wandert, ſeinen Weg zum Waſſer nehmen, und ſo ſuchte ich dich gleich am Fluſſe; auch zeigte ſich mir deine und Bruno’s Spur im hohen Graſe; o, ich kenne deine Spur, Bleichgeſicht! fügte er betheuernd hinzu. Aber ſchelten muß ich mit dir, Bruder , fuhr er nach einer Weile fort.

Schelten, Waupee? Was hätte ich dir ge - than?

Mir nichts, gar nichts, mein bleicher Bru - der, war die Antwort; aber dir ſelbſt durfteſt du Schaden zufügen, indem du, wie ich ſehe, dein Nacht - lager am Ufer des großen Waſſers aufſchlagen woll - teſt. Haſt du ſchon vergeſſen, wie wir, White - hawk und ich, dich faſt ſterbend hier am Ufer fan - den, weil du in deiner Unwiſſenheit dem böſen Geiſte getrotzt, der hier ſeine Wohnung aufgeſchlagen hat, und mit tödtlicher Krankheit die Verwegenen beſtraft, die Nachts am Waſſer ſchlafen?

Nein, du gute Rothhaut, verſetzte der Eu - ropäer mit gerührtem Tone und indem er ihm noch - mals die Hand reichte, nein, das habe ich noch nicht vergeſſen, und auch nicht, daß ihr mich mit euch nahmt und mir in eurem Wigwam alle nur erdenkliche Pflege angedeihen ließet, bis mein Leben gerettet und meine Geſundheit wieder hergeſtellt war.

12

Es iſt gut, mein bleicher Bruder, daß du deſſen noch gedenkſt , verſetzte der Wilde, denn das überhebt mich der Mühe, dich wieder daran zu erin - nern, jetzt, wo ich da bin, um einen Gegendienſt von dir zu verlangen.

Sprich, gute Rothhaut, was verlangſt du von mir?

Daß du mir den einzig mir noch übrig ge - bliebenen Sohn, White-hawk, retteſt.

White-hawk? Sprich, was iſt mit ihm? fragte Arnold mit dem Tone des Erſchreckens, denn er liebte den Jüngling wie einen Bruder.

Das iſt eine lange Geſchichte, verſetzte der Wilde mit traurigem Tone, und ich erzähle ſie dir auf dem Wege; denn nicht wahr, mein Bruder, du kommſt mit mir, und das gleich? denn Zeit haben wir nicht zu verlieren.

Gewiß komme ich mit dir, ſobald es dir oder White-hawk nützen kann, antwortete ihm Arnold.

O, ſehr kannſt du ihm und mir nützen, denn du kannſt ihm das Leben retten, mein Bruder!

So iſt er vielleicht gar in die Hände der Chippewas gefallen, mit denen ihr, wie ich weiß, im Kriege lebt?

Hätte Manitou, der gute Geiſt, doch ge -13 wollt, daß wir noch Feinde wären, ſeufzte der Sioux, denn dann würde ich weniger den Tod White-hawks zu befürchten haben, als jetzt; ja, er wäre mir wohl gar mit Kopfhäuten am Gürtel aus der Schlacht zu - rückgekehrt, die Lederhoſe mit Haaren beſät, ſtatt daß er jetzt vielleicht in ein ruhmloſes Grab ſinken muß, unbeweint von mir und allen Andern des Stammes.

Jch verſtehe dich nicht, Nothhaut, verſetzte der Europäer mit einiger Ungeduld, und wenn ich dir und deinem Sohne helfen ſoll, mußt du dich mir deutlicher erklären.

Als ob ich das nicht gewollt hätte, mein bleicher Bruder? Aber verlieren wir keine Zeit, und wenn du vom Wandern in der Prairie müde biſt, ſo beſteige du mein Muſtang, während ich, der ich den ganzen Tag zu Pferde war, neben dir hergehe und dir erzähle.

Er ſtellte mit dieſen Worten das Pferd ſo, daß Arnold ſich bequem in den Sattel ſchwingen konnte, was dieſer, ermüdet wie er war, auch ohne Umſtände that; Waupee reichte ihm ſeine Büchſe, die Jagdtaſche und Flaſche, ſo wie ſeinen Strohhut nach, Arnold legte alles dieſes an und die Reiſe wurde von Beiden, trotz des nahen Einbruchs der Nacht, angetreten; denn der Sioux kannte bei Nacht wie bei Tage alle Pfade in der Prairie und im Walde.

14

Sieh, hub der Wilde, nachdem man eine kurze Strecke zurückgelegt hatte, mit traurigem Tone an, wir lebten, wie du weißt, lange Zeit mit den Chippewas, unſern nächſten Nachbarn, im Kriege und ſtanden uns gut dabei, denn nicht nur erbeuteten un - ſere Krieger manche Kopfhaut von den Feinden, ſon - dern auch viele andere Dinge, die uns Nutzen gewäh - ren konnten. Da führte Takwantona, der böſe Geiſt denn Manitou konnte es nicht ſeyn eine An - zahl Bleichgeſichter, von den Trappers, die in unſern Wäldern und Prairien der Jagd nachgehen, erſt zu den Chippewas, und als ſie dieſe mit den Honigwor - ten ihres Mundes beſchwatzt hatten, auch zu uns. Unter ihnen war einer von den Schwarzröcken, die bei uns Makota-Konayas genannt werden und vor denen wir Furcht haben, ihr aber Liebe, und der ver - ſtand ſeine Rede ſo gut zu führen, der redete ſo ſüße Worte, bis unſer Nanawa, eben wie der der Chippe - was, den Ausſpruch that, es ſei jetzt des Bluts ge - nug zwiſchen den beiden Stämmen gefloſſen und auch genug der Scalps genommen, daher ſolle Frieden ſeyn. Wir mußten gehorchen, denn was der Nanawa befiehlt, muß geſchehen. Es wurde alſo ein Tag feſt - geſetzt o des für mich unglückſeligen Tages! an dem wir mit den Chippewas im Walde zuſammen - kommen wollten, um das Calumet, die grüne Frie -15 denspfeife, mit einander zu rauchen. Für mich ſollte, ſo hatte man beſtimmt, dies ein doppelter Feſttag werden, indem man White-hawk, der wenige Tage zuvor ſeine erſte Kopfhaut erbeutet, in die Reihen der Krieger aufnähme.

Mein Herz war zugleich voll Stolz und Freude, fuhr der Sioux nach einer Pauſe in ſeiner Erzählung fort, denn die Ehre, die man White - hawk erzeigen wollte, erzeigte man ja doppelt mir, ſeinem Erzeuger. Ria-weki, mein Weib, ſchmückte den Wigwam mit friſchen Blumen und Kräutern und bereitete vom Buckel des Büffels, den White-hawk, und vom Rothwilde, das ich erlegt, das leckerſte Mahl; ich und der Sohn färbten uns das Antlitz roth und ich umgürtete mich mit allen genommenen Scalps, während White-hawk ſich nur mit einem umgürten konnte, wozu er aber bald mehre gefügt haben würde. Da die Ehre des Tages nun ſein ſeyn ſollte und ich wünſchte, ihn im höchſten Putze zu ſehen, damit un - ſere ehemaligen Feinde ihm auch Ehre anthäten, gab ich ihm meine Büchſe, das werthe Geſchenk von dir, mein bleicher Bruder, und ſo begaben wir uns freu - dig auf den Verſammlungsplatz im Walde, er ſtolz wie ein junger Adler, der ſich zum erſtenmale aus dem Neſte hoch in die Lüfte emporſchwingt, ich glück -16 lich wie ein Vater, deſſen Sohn man mit Ehren krö - nen will.

Die Chippewas ſäumten auch nicht zu kom - men; aber ſie führten mit ſich, was nicht gut iſt und was ich jetzt auf immer doppelt haſſen werde. Sie hatten von den Bleichgeſichtern, die eine Zeitlang des Handels wegen bei ihnen gelebt, das Feuerwaſſer ken - nen gelernt und liebten es ſo über alle Maßen, daß ſie nicht ohne daſſelbe ſeyn zu können glaubten, und ſo brachten ſie auch zum Friedensfeſte davon mit. Manche Sioux, darunter auch mein Sohn, ließen ſich bereden, davon zu trinken, und da es ihnen ſchmeckte, tranken ſie mehr und mehr, bis ſie eine Ausgelaſſen - heit ergriff, daß ſie wie Raſende umherſprangen und nicht mehr wußten, was ſie thaten. Jn dieſem Zn - ſtande befand ſich auch White-hawk, und da er nicht mehr wußte, wer der gute, noch wer der böſe Geiſt ſei, legte er, wie er mir ſpäter ſagte, nur zum Scherze, ſeine Büchſe auf einen jungen Chippewa an, drückte mit dem Finger den Hahn und der Schuß ging los, dem Chippewa mitten durch die Bruſt, ſo daß er, ohne einen Laut von ſich zu geben, todt zu Boden ſank.

Der Sioux hielt hier inne und trocknete ſich mit dem Rücken der Hand den Schweiß von der Stirn.

Und was geſchah darauf, Waupee? fragte17 ihn Arnold, der ihm mit geſpannter Aufmerkſamkeit zugehört hatte.

Kannſt du es dir nicht denken, Bleichge - ſicht? antwortete ihm der Jndianer, deſſen Bruſt von einem tiefen Seufzer gehoben wurde. Einen Augenblick ſtanden Alle, Sioux und Chippewas, wie von Erſtarrung ergriffen da; dann ſtießen die letztern ein Geheul aus, wie eine Horde Wölfe, die die nahe Beute wittern. Darauf bildeten ſie, während wir ent - ſetzt und unbeweglich an unſern Plätzen ſtehen blieben, einen dichten Kuäuel um den Gefallenen, wobei ſie Drohungen und Wuthgeſchrei ausſtießen und ihre To - mahawks gegen uns ſchwangen. Wir griffen jetzt auch zu den unſrigen und ein Kampf auf Tod und Leben wäre wohl zwiſchen beiden Stämmen entſtanden und mehr Blut gefloſſen, als der Boden trinken konnte, wenn nicht White-hawk ſeine Waffen niedergeworfen und ſich unbewehrt, wie er jetzt war, in die Reihen der Feinde hinüber begeben hätte.

Jch weiß , ſagte er mit feſter Stimme, denn durch den Schrecken war die Trunkenheit von ihm gewichen, ich weiß, was ich mir und euch ſchuldig bin: nehmt mich hin und thut mit mir, wie es Recht und Sitte und Gebrauch iſt.

Der Mörder liefert ſich ſelbſt der Blut -218rache aus! riefen Einige, und Andere: Es iſt keine Urſache zum Kriege mehr!

Jch ſtand von fern und ſagte kein Wort, denn das Herz in der Bruſt wollte mir vor Leid zer - ſpringen.

Brüder, Freunde, Rothhäute, nahm dann White-hawk wieder das Wort und ſeine Stimme bebte nicht ſo wie das Herz in meiner Bruſt, Brü - der, ich habe gefehlt und will büßen; ich habe ge - tödtet und will ſterben, wenn ihr es wollt; haltet das Blutgericht über mich und was es befiehlt, will ich thun und leiden.

Da trat Opiska Toaki, der weiße Raabe, Nanawa der Chippewas, aus dem Kreiſe der Seinen hervor, legte die Hand auf das Haupt White-hawks und ſprach die Worte:

Du haſt dich ſelbſt der Blutrache überliefert, Sioux, und biſt nun heilig bis zu der Stunde, wo wir dich vor uns fordern werden, damit du durch die Hand des Bluträchers entweder ebenfalls den Tod er - leideſt und ſeine Hand deinen Scalp nimmt, oder du durch würdige Gabe dein Leben einlöſeſt. Der, den du tödteteſt, war mein jüngſter Bruder und da der Vater bereits bei Manitou weilt, bin ich der Blut - rächer des Gemordeten. Jch lade dich daher, White - hawk, zum Tage des nächſten Vollmonds, zu den -19 geln am weſtlichen Ausgange der Prairie, damit du erleideſt, was dir zukommt.

Und ich werde kommen, antwortete Whi - te-hawk mit feſter Stimme.

Genug und nicht mehr! nahm Opiska Toaki wieder das Wort, und nun, Freunde, feiern wir unſer Friedensfeſt weiter, als ob nichts vorge - fallen wäre. Jch habe es geſagt!

Und was wird jetzt geſchehen? fragte Arnold, als der Wilde abermals in Schweigen ver - ſank.

Du warſt ſo lange unter uns und weißt es doch nicht? antwortete ihm Waupee mit vorwurfs - vollem Tone.

Ein ſolcher Fall kam während meines Aufent - halts bei euch nicht vor, wie ſollte ich es denn wiſ - ſen? verſetzte Arnold.

So will ich es dir ſagen, Bleichgeſicht: ich muß den Sohn am erſten Tage des Vollmonds aus - liefern, damit die Chippewas ihn tödten, wenn ich ihn nicht durch reiche Gaben auslöſen kann. Zu dem Ende ſuchte ich dich in Nauvoo auf, damit du mir die Hand zur Rettung White-hawks böteſt, denn ich bin arm und habe dem Bluträcher nichts zu geben, die Bleichgeſichter aber ſind reich und haben viele Sa - chen, die den Chippewas ſchon gefallen könnten.

2 *20

Was würde ich darum gegeben haben, daß du mich in Nauvoo getroffen! rief der junge Mann aus; wie aber ſoll ich dir jetzt helfen, wo ich faſt nicht mehr beſitze, als du dem Bluträcher bieten könn - teſt, die Büchſe und die Jagdtaſche nebſt einigen un - bedeutenden Kleinigkeiten, worauf man geringen Werth ſetzen wird?

So muß White-hawk ſterben und es iſt ſo der Wille Takwantonas, der lange ſchon den Roth - häuten zürnt und ihnen die böſe Seuche geſchickt hat, um ſie von der Erde zu vertilgen. Manitou hat ſeine Macht verloren und es iſt vergebens, daß wir ihm Gaben und Gebete darbringen; beſſer thäten wir, uns an Takwantona, an Anim Teki, den Donner, und Kinnebek, die große Schlange, damit zu wenden, um ſie uns wo möglich geneigt zu machen; denn ſie ſind jetzt mächtiger auf Erden, als der gute Geiſt.

Unter dieſen und ähnlichen Geſprächen ſetzten die nächtlichen Wanderer ihren Weg durch die Prairie fort und langten mit Anbruch des Tages in dem großen Urwalde an, hinter dem die Niederlaſſungen, jenſeits des Fluſſes, der Sioux lagen. Menſchen und Thiere waren ſo ermüdet, daß man einige Stunden Ruhe ſuchen mußte, was man während der Nacht, der Raubthiere wegen, nicht zu thun gewagt hatte, da die baumloſe Prairie nicht einmal die Mittel dar -21 bot, ein großes Feuer, zum Schutze gegen dieſelben, anzumachen. Mit Anbruch des Tages aber kriechen die Beſtien in ihre Höhlen zurück und man hat nichts von ihnen zu befürchten.

Zweites Kapitel.

Waupee, den die Sorge um den Sohn wach er - hielt, benutzte die Zeit, während Arnold ſchlief und das Pferde graſete, für Speiſe und Trank zu ſorgen. Er erlegte mit ſeinen Pfeilen einige Vögel, ſammelte Stachelbirnen und machte ein Feuer von dürrem Holze an, woran er die erlegten und ſauber gerupften - gel an einem hölzernen Spieße briet. Dann füllte er die Jagdflaſche Arnolds mit dem kryſtallhellen Waſſer eines aufgeſuchten Waldquells an und als Arnold end - lich die Augen wieder aufſchlug, duftete ihm ein ſaft - reiches Frühſtück entgegen, das ihm, hungrig wie er war, trefflich mundete. Nachdem man ſich geſättigt und Bruno auch ſeinen Antheil gegeben hatte, brach man wieder auf, um die Reiſe fortzuſetzen. Der Wald zog ſich immer in der Nähe des Fluſſes hin und man mußte ihn, der zum Glück nur ſeicht war, durchwaten; allein Arnold war an ſolche Dinge be - reits gewöhnt und ſo wagte er ſich ohne Zaudern mit22 ſeinem Pferde in den Fluß hinein; ihm folgten Wau - pee und Bruno, die noch weniger als er die Furcht kannten.

Als man am jenſeitigen Ufer wohlbehalten ange - langt war, hatte man nur noch ein paar Stunden im Walde zurückzulegen und langte um die Zeit, wo die Sonne am höchſten am Himmel ſtand, in der Niederlaſſung an, welche aus etwa hundert kegelförmi - gen Zelten beſtand, die von gegerbten Thierfellen ge - macht waren und am Saume des Waldes zerſtreut umherlagen. Hier wohnte nur ein Theil des Stam - mes und etwa eine Meile weiter ein anderer; denn um ſich nicht gegenſeitig in der Jagd zu beengen, hat - ten ſie ſich getrennt.

Eine tiefe Stille herrſchte in der Niederlaſſung. Nur hie und da ſpielten einige Kinder von den Wig - wams, die Mädchen mit Blumen und Früchten, die Knaben, indem ſie ſich Pfeile und Bogen ſchnitzten, um ſich ſchon früh auf ihre kräftige Beſchäftigung, Krieg und Jagd, vorzubereiten. Die Squaws oder Weiber waren in den Wigwams mit Zubereitung der Speiſen und der Felle beſchäftigt, welche letztere ihnen Kleidung und Wohnung gaben, und die Männer ent - weder auf die Jagd oder auf den Fiſchfang am nahen Creek ausgegangen.

Ohne ein Wort mehr zu ſprechen, nahm Waupee23 ſeinen Weg zu ſeinem Wigwam und Arnold folgte ihm dahin. Als ſich Pferdegetrappel vor der Hütte hören ließ, trat White-hawk aus derſelben hervor und reichte erſt dem zurückkehrenden Vater, dann Arnolden die Hand zum Willkomm.

Seine Miene war durchaus ruhig und in ſeinen ſchwarzen Augen lag auch nicht der mindeſte Ausdruck von Traurigkeit oder Unruhe. Ganz wie ſonſt - chelte er ſeinen bleichen Bruder, wie er Arnold nannte, an; ganz wie ſonſt überhäufte er den ihn gleich wie - der erkennenden und an ihn hinanſpringenden Bruno mit Liebkoſungen, auch redete er mit keinem Worte von der ſein Leben bedrohenden nahen Gefahr. All ſein Denken war nur noch darauf gerichtet, wenn der Tod für ihn unvermeidlich wäre, jene Ruhe und To - desverachtung zu zeigen, auf die der Sohn der Na - tur den höchſten Werth, in den er ſeinen größten Ruhm ſetzt; und er war ſich ſeiner Kraft und Stand - haftigkeit bewußt, deshalb war er vollkommen ruhig.

Ganz eben ſo erſchien Waupee auch und nur wenn man ihn genau beobachtete, deutete ein leiſes Zucken, das von Zeit zu Zeit ſeine Mundwinkel um - ſpielte, auf den Schmerz hin, den ſein Vaterherz er - füllte; aber auch nicht durch ein einziges Wort ver - rieth er, was in ſeiner Seele vorging, denn das wäre nach ſeinen Begriffen unmännlich geweſen. Nur die24 Mutter des Opfers machte ihr Weiberrecht geltend, indem ſie ſtill vor ſich hinweinte und von Zeit zu Zeit angſtvolle Blicke auf den Liebling heftete; aber Kei - ner ſchien das bemerken zu wollen, Keiner ſprach ein Wort des Troſtes und der Beruhigung zu ihr, ſelbſt Arnold nicht, der durch ſeinen längern Aufenthalt un - ter den Wilden ſchon wußte, was ſich in ſolchen Fäl - len ſchickte.

Die Squaw hatte, indem ſie Feuer in einer Erd - vertiefung angemacht, ſo daß die Steine, womit ſie ausgelegt war, bis zum Glühen erhitzt waren, darin der Buckel eines am Tage zuvor von White-hawk mit dem Laſſo erlegten Büffels gebraten, und in der That war das auf dieſe Weiſe bereitete Gericht ein ſo leckeres, daß der raffinirteſte europäiſche Gourmand es für ein ganz vortreffliches erklärt haben würde; auch ließen es ſich Alle gut ſchmecken und Keiner zeigte ei - nen minder großen Appetit als ſonſt. Zum Nachtiſche wurden einige Scheiben wilden Honigs aufgetragen und dieſe vorzüglich dem werthen Gaſte zu Ehren.

Nachdem man ſich geſättigt hatte, führte Waupee Arnold aus dem Wigwam hinaus, zu einer kleinen waldigen Anhöhe. Nachdem er ſich hier mit ihm nie - dergelaſſen hatte, fragte er ihn ohne Umſchweife, durch welche Gegenſtände er das Leben White-hawks von dem Bluträcher zu erkaufen gedenke?

25

Jch habe meine doppelläufige, mit Silber ausgelegte Büchſe, ein Geſchenk des Mormonhäupt - lings, und für den Kenner ein überaus koſtbares Stück, war die Antwort des Europäers.

Sie iſt gut und ſehr ſchön, ſchöner als irgend ein Sioux oder Chippewa ſie hat, verſetzte Waupee; ich habe ſie ſchon beſehen, bleicher Bru - der; aber White-hawks Leben iſt mehr werth.

Dann meine Jagdtaſche, die Blechflaſche, ein gutes Meſſer mit verſchiedenen Geräthſchaften daran, fuhr Arnold fort, und endlich dieſer Dolch, ein Stück, in ſeiner Art ſo gut wie die Büchſe.

Gut, Alles ſehr gut; aber ich fürchte den - noch, daß es nicht genug ſeyn und den Bluträcher nicht zufrieden ſtellen wird. Haſt du nicht noch mehr, Bleichgeſicht?

Was ich dir nannte, iſt Alles, was ich bei mir führe; doch will ich dem Chippewa noch mehr verſprechen, Waupee, denn ich beſitze nichts, was mir zu koſtbar wäre, um das Leben deines Sohnes zu retten.

Jch weiß das, mein bleicher Bruder, ant - wortete ihm Waupee mit einem ſo ruhigen Tone, als handle es ſich nicht um das Leben ſeines einzigen Soh - nes, ſondern um einen Tauſch, einen Handel oder dergleichen; ich weiß das; aber der Bluträcher wird26 trotz dem nicht zufrieden ſeyn, und was deine Ver - ſprechungen anbetrifft, ſo ſchweig damit nur ſtill: die Rothhäute geben nichts mehr darauf, ſeit die Bleich - geſichter ihnen ſo oft ihr Wort gebrochen; ſie glau - ben nur noch, was ſie ſehen.

Er erhob ſich mit dieſen Worten, Arnold folgte ſeinem Beiſpiele und Beide gingen den Hügel hinun - ter, dem Wigwam des Wilden zu. Als ſie in den - ſelben eintraten, erblickten ſie White-hawk, der auf einer zottigen Büffelhaut ſaß und ſo ruhig rauchte, als ſei ihm recht wohl und behaglich um’s Herz, auch bot er, um den Anforderungen der Gaſtfreundſchaft volles Genüge zu thun, Arnolden wie ſonſt ſeine Pfeife an, der ſie aber ausſchlug, da er nicht gewohnt war zu rauchen. Der Europäer ließ ſich neben dem jungen Wilden auf das Büffelfell nieder und dieſer er - zählte ihm mit dem ruhigſten Tone von der Welt von den Jagd - und Kriegsabenteuern, die er beſtanden, ſeit ſie ſich nicht geſehen hatten.

Während dieſer Zeit beſchäftigte ſich Waupee mit den Waffen und der Kleidung, die er und White-hawk am nächſten Tage anthun wollten; er ſteckte neue Fe - dern in den Kopfputz; er putzte die Waffen, die Span - gen, welche die Mocaſſins über den Knöcheln feſt hiel - ten; er bürſtete die Lederhoſen und Röcke ab, ſchüt - telte das Fell, aus welchem der Ueberwurf beſteht,27 kurz, bereitete Alles wie zu einem Feſte vor und White-hawk ſah ihm mit der unerſchütterlichſten Ruhe zu, etwa wie eine Tochter der Mutter, die ihr das Ballkleid bereitet.

Als die Nacht angebrochen war, trat Waupee noch einmal vor den Wigwam hinaus und betrachtete mit aufmerkſamen Blicken den Mond, der faſt voll war; dann in die Hütte zurückgehend, ſagte er kein anderes Wort, als: Morgen!

Morgen! wiederholte White-hawk und ſtreckte ſich dann neben Arnolden auf dem Büffelfelle zum Schlafe aus.

Der Europäer konnte nicht ſchlafen, da ſo viele traurige Gedanken ſeine Seele erfüllten; aber die tie - fen Athemzüge des neben ihm ruhenden Jünglings ver - riethen ihm deutlich, daß dieſer ſich ganz wie ſonſt der Erquickung eines geſunden Schlafs erfreute. Dieſe Ruhe, dieſe kühne Todesverachtung des Wilden, die - ſer Schlaf, gleichſam im Angeſichte eines ſchauder - haften Todes, hatten etwas Großartiges und Erhe - bendes für Arnold, zugleich aber demüthigten ſie ihn, indem er ſich ſagen mußte, daß, mit aller ihm an - geborenen Willenskraft, er nicht im Stande ſeyn würde, in ähnlicher Lage es dieſem rohen Kinde der Natur gleich zu thun.

Auch Waupee ſchlief, wenn gleich nicht lange,28 denn die Furcht, zu ſpät an dem beſtimmten Platze mit dem Schlachtopfer anzulangen und dies würde ein unauslöſchlicher Schimpf für den ganzen Stamm geweſen ſeyn weckte ihn bald wieder auf. Nur Arnold und die unglückliche Mutter waren gänzlich wach geblieben. Letztere ſaß in einem Winkel des Wigwams auf der Erde und hatte beide Arme, in deren Händen ihr thränenſchweres Haupt ruhte, auf die Kniee geſtützt; ſo ſaß ſie unbeweglich und weinte ſtill vor ſich hin; denn laut zu weinen oder wohl gar zu ſchluchzen, würde ſie nicht gewagt haben, weil ihr das ſicher Scheltworte vom Gatten und Vorwürfe vom Sohne zugezogen hätte.

Nachdem Waupee kaum drei Stunden geruht, erhob er ſich vom Boden und trat vor die Thür der Hütte hinaus, um zu ſehen, wie weit es bereits an der Zeit ſei, und da der Untergang des Mondes und der Stand der Geſtirne ihn darüber belehrte, daß der Anbruch des neuen Tages nicht mehr fern ſei, weckte er erſt mit lauter Stimme die Schläfer im Wigwam und ließ dann die Töne eines großen, mächtig ſchal - lenden Horns, das Aehnlichkeit mit unſerm Kuhhorn hatte, ertönen, um auch die Schläfer in den andern Hütten zu erwecken.

Es dauerte nur wenige Minuten, ſo füllte ſich der Platz vor Waupees Wigwam mit Männern, Grei -29 ſen, Jünglingen und Knaben an. Auch die letztern ſollten dem Zuge folgen, um frühzeitig zu lernen, wie man ſich in ſolchen Fällen zu benehmen habe, um den Seinigen keine Schande, ſondern vielmehr Ehre zu machen, und von White-hawk, dem tapfern, edlen Jünglinge, erwartete man das beſte Beiſpiel kühner Todesverachtung für die aufblühende Jugend.

Während die Sioux ſich nach und nach auf dem Platze vor dem Wigwam Waupees verſammelte, war dieſer drinnen emſig beſchäftigt, den Sohn und ſich ſelbſt auf’s Beſte zu ſchmücken. Er legte jenem nicht nur die Kleider an und ſetzte ihm den befiederten Kopfputz auf, ſondern färbte ihm auch mit dem Safte rother Beeren das Geſicht roth, wie dieſe Wilden es bei freudigen Anläſſen zu thun pflegen, während ſie das Antlitz bei Kriegserklärungen halb, und im Kriege ſelbſt ganz ſchwarz färben. Jetzt aber durfte Nichts Trauer oder Schmerz verrathen und mußte ſich das Opfer wie zum Feſte ſchmücken laſſen.

Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als man ſchon mit allen dieſen Vorbereitungen fertig war; nur ein falber Streif im Oſten zeigte die Stelle an, wo die Königin des Tags als Beſiegerin der Nacht her - vortreten würde, und in eben dem Augenblick, wo der hellgraue Streif ſich mit einer ſchwachen Röthe zu färben begann, ſetzte ſich der Zug in Bewegung.

30

Die arme Mutter, welche es nicht gewagt hatte, den vielleicht für immer von ihr ſcheidenden, einem ſchauderhaften Tode entgegengehenden Sohn noch ein - mal an ihr Herz zu ſchließen und, ſeine Wangen mit ihren Thränen bethauend, einen letzten Abſchied von dem Geliebteſten zu nehmen, ſtand, als der Zug ſich in Bewegung ſetzte, mit dem Rücken gegen den Wig - wam gelehnt und bedeckte ſich das von Thränen über - fluthete Antlitz mit beiden Händen.

Ein unausſprechliches Mitleid mit der Armen er - füllte Arnolds Herz und er mußte der eigenen theuren, durch den Tod auf immer von ihm getrennten Mutter lebhafter denn je gedenken. Er, der dem Zuge als der Letzte gefolgt war, kehrte daher noch einmal um und die eiskalte Hand Ria-weki’s dies war der Name des armen Weibes ergreifend, ſagte er:

Beruhige dich, Mutter! Wenn irgend mög - lich, ſoll dir der Sohn gerettet werden.

So ſpricht mein Sohn, das gute Bleichge - ſicht, ſchluchzte das Weib, und ich weiß, daß er halten wird, was er der armen Mutter White-hawks verſprochen, ſofern er ſein Verſprechen halten kann; aber ach! zu gering ſind die Gaben, die du zur Sühne zu bieten haſt, und arm wie wir ſind, beſitzen wir ſelbſt nichts, was die Chippewas nicht eben ſo gut und vielleicht noch beſſer beſäßen und ſo mit Verach -31 tung zurückweiſen würden. Suche alſo nicht mein Herz mit Hoffnungen zu erfüllen, gutes Bleichgeſicht, denn doppelt groß würde mein Schmerz ſeyn, wenn ich vergebens gehofft hätte. Nein, nein, fuhr ſie, lauter weinend und zum erſten Male ſchluchzend, fort, nein, ich werde ihn nicht wiederſehen, der die Sonne meines Herzens war, deſſen Blick mir ſchöner ſchien, als das Leuchten des großen Geſtirns, deſſen Worte meinem Ohre lieblicher klangen, als das Girren der Holztauben und der Geſang der Vögel am Morgen!

Hoffe trotz dem, Ria-weki, tröſtete ſie Arnold; in mir iſt Etwas, das mich auf einen glück - lichen Ausgang hoffen läßt.

So hoffe denn du, mein bleicher Sohn, antwortete ſie ihm mit von Thränen faſt erſtickter Stimme; die arme Ria-weki hofft aber nicht!

Arnold, der tief ergriffen von dem Schmerze der unglücklichen Mutter war, drückte ihr nochmals die Hand und eilte dann den Andern nach, die bereits, da ſie ihre Schritte ſehr beeilten, um gewiß zuerſt auf dem beſtimmten Platze anzulangen, eine ziemliche Strecke voraus waren, ſo daß er den Zug nur im Laufe einholen konnte. Dieſer bewegte ſich im tiefſten Schweigen und in guter Ordnung vorwärts, den weſt - lichen Hügeln zu, die zum Sammelplatze beſtimmt waren. Allen Uebrigen voran, ſchritt White-hawk,32 feſtlich geſchmückt und ſtolz wie ein junger Held, aber ohne Waffen. Hoch im Winde flatterten die buntge - färbten Federn ſeines Hauptputzes und ſtolz hob er das Haupt empor, lebhaft blickte das dunkle Auge um ſich. Sein Schritt war feſt und ſicher, ſeine Haltung die edelſte; kein Ausdruck von Trauer oder Furcht zeigte ſich in ſeinen Mienen. Die eine Hand hatte er in die Seite geſtemmt, mit der andern hielt er den mantelartigen, nur über die eine Schulter ge - worfenen Ueberwurf von Büffelfell vor der Bruſt zu - ſammen. Jn den Ohren glänzte das ſilberne Ge - ſchmeide, an den Knöcheln der ſauber geputzte und hellpolirte Metallring und vom Gürtel hernieder hing ſeine ſchönſte Zier, die erſte von ihm genommene Kopf - haut. Sein hoher Wuchs, ſeine ſchöne Haltung, ſein feſter und doch wieder leichter Tritt, machten ihn zu einer wahrhaft ſchönen und impoſanten Erſcheinung.

Dicht hinter ihm ging Waupee. Auch er war feſtlich geſchmückt und im vollen Waffenglanze. Wie polirtes Silber glänzte ſein vom Gürtel herabhangen - der Tomahawk und der leichte Morgenwind ſpielte mit den Trophäen ſeiner vielen Siege über die Feinde ſei - nes Stammes, mit den genommenen Scalps, auf die er ſtolzer war, als es ein König auf die in der Schlacht eroberte Krone eines mächtigen Reichs ſeyn könnte. Neben den Scalps ſteckte in dem breiten33 Ledergürtel den ihm einſt von Arnold geſchenkte Dolch, jetzt ohne Scheide; auf dem Rücken trug er den Bo - gen und die nie ihr Ziel verfehlenden Pfeile.

Hinter dieſen Beiden ging ein naher Blutsfreund Waupees und White-hawks. Er führte an ſeiner Hand den völlig geſattelten und gezäumten Mustang des Jünglings, der die auf ſeinem Rücken befeſtigten Waffen ſeines Gebieters trug; denn wenn dieſer dem Tode zur Beute fiel, mußte das Thier auch ſterben und nebſt ſeinen Waffen neben ihm begraben werden, ſo wollte es der Gebrauch. Es war, als ob das edle Roß eine Ahnung davon habe, zu welcher Beſtim - mung man es ſo mit ſich führe, denn gleich ſeinem jungen Gebieter erhob es ſtolz das Haupt und blähte die fleiſchfarbenen Nüſtern weit auf.

Die übrigen Sioux ſchritten paarweiſe, Alle be - waffnet, Alle geſchmückt wie zu einem Feſte, Alle im tiefſten Schweigen und mit ernſter, aber nicht trauri - ger Miene. Von Zeit zu Zeit ließ Einer aus dem Haufen das mächtige Horn ertönen, um den gleich - falls herbeieilenden Chippewas das Zeichen ihres Her - annahens zu geben.

Den Beſchluß machte Arnold, neben dem Bruno herlief, der, nach Art der Hunde, aber bald hierhin, bald dorthin ſtreifte, um dieſen oder jenen guten Be - kannten unter den Wilden, vorzüglich aber ſeinen334Freund und Gönner, White-hawk, aufzuſuchen, der ihm immer die leckerſten Biſſen zugeworfen hatte und deshalb hoch in ſeiner Zuneigung ſtand. Es war über - haupt eine auffallende Erſcheinung, daß der Hund unter den Wilden weit fröhlicher und unbefangener, als unter den Weißen war, welche letztere, mit Aus - nahme ſeines Herrn, ſich ihm kaum ohne Gefahr - hern durften, und denen er gleich knurrend ſein ſchar - fes Gebiß zeigte, während er gegen die Sioux fromm wie ein Lamm und ſo zutraulich war, daß Keiner et - was von ihm zu befürchten hatte; auch liebten Alle das ſchöne, treue Thier. Es war, als fühlte er ſich den Wilden näher ſtehend als den Menſchen aus der civiliſirten Welt; oder lehrte ihn vielleicht ſein wun - derbarer Jnſtinct, daß jene beſſer wären, als dieſe?

Der öſtliche Himmel hatte ſich indeß mit immer höheren Tinten gefärbt und ein ſo brennendes Roth, daß es das Auge kaum ertrug, verkündete den nahen Aufgang der Sonne.

Wieder ſtieß jetzt der Träger des Horns in daſ - ſelbe und wenige Seeunden darauf antwortete ein an - deres auf dieſen Zuruf. Auf dieſes Zeichen flog ein Gemurmel durch die Schaar der Sioux und zugleich verdoppelte der Allen vorauf ſchreitende White-hawk ſeine Schritte, denn jetzt wußte man die Chippewas nahe und es galt, vor ihnen die Hügelkette zu er -35 reichen, die, von den erſten Strahlen der Morgen - ſonne beſchienen, nur etwa noch tauſend Schritte von ihnen entfernt, vor ihnen lag.

Bruno war der Erſte, der ſie erreichte und ſich auf einer der Hügelſpitzen den Blicken der Wilden darbot.

Jmmer mehr und mehr beeilte White-hawk ſeine Schritte und zuletzt artete ſogar das Gehen in Lau - fen aus, ſo bange war der zur Opferſtätte wan - dernde Jüngling, nicht vor ſeinen Schlächtern an der - ſelben einzutreffen.

Noch einmal, und zuletzt, ertönte das Horn und ganz aus der Nähe, von der andern Seite des - gels, erfolgte die Antwort; aber man hatte nichts mehr zu fürchten, denn der Sammelplatz war glück - lich erreicht.

Die Sioux bildeten jetzt, auf Waupees Befehl, einen Halbkreis, an den wohl er ſelbſt, nicht aber White-hawk, ſich anſchloß. Dieſer ſetzte ſich, weit von ſeinen Freunden und Stammgenoſſen entfernt, allein auf den Boden nieder und erwartete ſo die An - kunft ſeiner Feinde. Nur Bruno ließ es ſich nicht nehmen, ſich zu ſeinem Freunde zu ſetzen, als wolle er ihm bedeuten, daß, wenn auch Alle ihn verließen, er doch treu bei ihm ausharren würde. Der An - blick und die Nähe des ſchönen Thieres rührte ſichtbar den Jüngling; er wandte ſich zu dem auf ſeinen Hin -3 *36terpfoten neben ihm ſitzenden Bruno, ſtreichelte ihm das ſeidenweiche Fell und ſah ihm liebevoll in das treue Auge.

Arnold, der ſich nicht mit in den Kreis der Sioux geſtellt, ſondern ſich am Fuße eines der - gel ſo gelagert hatte, daß er die ganze Scene über - ſchauen konnte, ſann darüber nach, wie es ihm mög - lich werden dürfte, den heldenmüthigen Jüngling doch noch zu retten, ſelbſt wenn die von ihm dargebotenen, neben ihm im Graſe ruhenden Geſchenke nicht als - ſegeld ausreichen ſollten; aber vergebens zermarterte er ſein Gehirn, kein Rettungsweg wollte ihm einfal - len, ſo daß er mit Furcht und Zittern der Ankunft der blutgierigen Chippewas entgegenſah.

Jndem er ſo da lag, ſteckte er zufällig die Hand in den Buſen; eine brennende Röthe bedeckte auf ei - nen Augenblick ſein Geſicht, ſchnell aber zog er die Hand wieder zurück und ſeufzte tief und ſchmerzlich auf. Ja, es gab, wenn auch Alles fehl ſchlüge, für ihn wohl noch ein Mittel, den armen White-hawk zu retten; aber um welchen Preis! Um den des Lieb - ſten und Theuerſten, was er auf Erden beſaß, um den des Bildniſſes einer von ihm angebeteten Mutter, das er auf ſeinem Herzen trug und von dem er ſich gelobt hatte, daß es mit ihm begraben werden ſollte!

37

Drittes Kapitel.

Nur wenige Minuten nachdem die Sioux ſich aufgeſtellt hatten, zeigte ſich, um den Fuß des - gels herum kommend, der Vortrab der Chippewas. Obgleich den benachbarten Stämmen faſt gleich geklei - det und bewaffnet, war doch ihr Anblick weit wilder und furchtbarer. Sie ſchienen eine Nation von Rie - ſen zu ſeyn und es war nicht ein Einziger unter ih - nen, der nicht eine anſehnliche Leibeslänge gezeigt hätte, die Meiſten aber gingen über das gewöhnliche Maß hinaus.

Um das Entſetzen zu vermehren, das ſie durch ihr wildes Anſehen einflößten, hatten ſie ſich die Ge - ſichter ganz ſchwarz gefärbt, als wenn es zum Kriege ginge, und in der That waren ſie ja auch in tödt - licher Abſicht da.

Allen voraus ſchritt Opiska Toaki, als Häupt - ling und Bluträcher. Er hatte in der Eigenſchaft als letzterer alle bunten Federn von ſeinem Hauptſchmucke abgenommen und ſchwarze dafür aufgeſteckt. Jn ſei - ner Hand blitzte der furchtbare Tomahawk, den er zum Zeichen ſeines Zornes wiederholt um ſein Haupt ſchwang, als wolle er damit zum tödtlichen Streiche auslangen.

38

Ein Gemurmel ging durch die Reihen der Chip - pewas, ſowie ſie White-hawks anſichtig wurden; dieſer aber behielt nicht nur ſeine frühere Ruhe und Gelaſſenheit, ſondern er zündete ſich, zum Zeichen, daß nicht die mindeſte Furcht ſeine Seele bewege, eine Pfeife an und blies den Tabaksdampf mit der größe - ſten Gemächlichkeit von ſich, und mit ſeinen Augen die ſich kräuſelnd erhebenden Dampfwolken, wie im größeſten Behagen, verfolgend.

Auf einen von Opiska Toaki erhaltenen Befehl ſtellten ſich jetzt auch die Seinen in einem Halbkreiſe auf, und zwar ſo, daß die äußerſten Enden deſſelben faſt an die der Sioux reichten, wodurch ein großer Kreis gebildet wurde, in deſſen Mittelpunkte das un - glückliche Schlachtopfer ſaß. Nachdem ſich auch die Chippewas aufgeſtellt und Opiska Toaki mit donnern - der Stimme Ruhe geboten hatte, herrſchte für einige Augenblicke eine tiefe Stille unter den Wilden; dann trat der Häuptling in den Kreis, auf White-hawk zu, berührte die Schulter deſſelben mit der Hand und fragte, ſich an die Sioux wendend:

Jſt dieſer junge Mann mein?

Er iſt dein, antwortete ihm die Stimme Waupees, indem auch er den Halbkreis der Seinen verließ und ſich dem Bluträcher näherte. Nimm ihn und verfahre nach deinem Willen mit ihm. Wir ſind39 hier, daß Recht und Gerechtigkeit geübt und die Sitte der Väter aufrecht erhalten werde.

So wird er ſterben, der im Frieden das Blut eines Chippewa vergoß und ich, der Bruder und Bluträcher des Gemordeten, werde ihn tödten, war die Antwort des Häuptlings.

Das wirſt du, Opiska Toaki, denn ſein Leben iſt in deiner Hand und ſein Blut bereit, zur Sühne des durch ihn vergoſſenen Blutes zu fließen, erwiederte Waupee, ſofern dein Vortheil es nicht er - heiſchen ſollte, dir ſein Leben abkaufen zu laſſen.

Jch würde mich aber nicht mit geringem Preiſe begnügen, denn der Jüngling iſt edel und tapfer und eines großen Preiſes würdig, entgegnete Opiska Toaki. Er trägt, obſchon kaum dem Kna - benalter entwachſen, bereits eine genommene Kopfhaut am Gürtel und in der Schlacht ſah ich ihn es mit den ſtärkſten Männern aufnehmen.

Dein Mund redet Wahrheit, verſetzte Waupee, und wie du ihn anſiehſt, ſehen ihn auch ſeine Brüder an, die große Hoffnungen auf ihn ſetz - ten. Es ſchickt ſich nicht, daß ich, ſein Vater, ſeine Tugenden und Vorzüge preiſe, ſonſt würde ich ſagen, daß White-hawk von Keinem in alle Dem übertrof - fen werde, was die Zierde und den Ruhm des Man - nes ausmacht.

40

Und was haſt du, ſein Vater, mir zur Sühne des durch ihn vergoſſenen Bruderbluts, was haſt du mir für das Leben eines Jünglings zu bieten, der der Stolz und die Freude deines Herzens, die Hoffnung deines Stammes iſt? fragte der Häupt - ling.

Jch, verſetzte Waupee mit traurigem Tone, beſitze Nichts, was ich wagen dürfte, dir für ein ſolches Leben zu bieten, denn ich bin arm und habe Nichts, was du nicht beſſer hätteſt; aber ich habe unter den Bleichgeſichtern einen Freund und White - hawk hat in ihm einen Bruder gefunden; er iſt hier und wenn es dir recht iſt, führe ich ihn in den Kreis, damit er dir zeige, womit er ſeines Bruders Leben zu erkaufen gewillt iſt.

Führe ihn her, ſagte Opiska Toaki, da - mit ich ſeine Gaben ſehe und ſchätze.

Waupee verließ jetzt den Kreis und näherte ſich Arnolden, der, in der Erwartung, gerufen zu wer - den, bereits aufgeſtanden war und ſich dem Kreiſe ge - nähert hatte, in den er, wie er wußte, als Fremd - ling nicht ohne eine beſondere Aufforderung von Sei - ten der Wilden treten durfte.

Komm, ſagte Waupee mit ſanfter Stimme zu ihm, komm, mein bleicher Bruder, und bringe deine Gaben dem Bluträcher dar!

41

Arnold folgte der an ihn ergangenen Auffor - derung und trat in den Kreis, dicht an White-hawk hin, der noch immer ſo ruhig fortrauchte, als ginge die ganze Verhandlung ihn nichts an.

Der Europäer bog ſich zu dem Jünglinge nieder und flüſterte ihm Worte des Troſtes und der Beruhi - gung zu, auf die aber White-hawk nicht zu hören ſchien. Dann richtete ſich Arnold wieder empor und ſich gegen die Chippewas wendend, ſprach er, die koſtbare Büchſe hoch emporhebend, ſo daß Alle ſie ſehen konnten:

Seht hier, Rothhäute, ein Feuerrohr, das von ſolcher Vortrefflichkeit und Arbeit iſt, wie nie Einer von euch je eins beſeſſen hat, noch ohne dieſen Anlaß je beſitzen würde; denn ſolche Waffen führen bei uns nur die Fürſten und um keinen andern Preis, als den des Lebens meines Bruders White-hawk, würde ich mich davon trennen. Hier liegt es neben ihm, und mögeſt du, Opiska Toaki, großer Häupt - ling der Chippewas, es deiner und als Blutpreis würdig finden. Was ich ſonſt zu bieten habe, iſt von geringerem Werthe, fuhr er nach einer Pauſe fort, indem er das Einlegemeſſer, den Dolch, die Jagdtaſche, alles Geld, das er bei ſich hatte, und einige andere Kleinigkeiten, die er zufällig bei ſich trug, ne - ben die Büchſe legte; was ich aber habe, biete ich42 dir, großer Opiska Toaki, für das Leben meines Bru - ders dar. Jch habe es geſagt! ſchloß er, nach Art der Wilden, ſeine Rede.

Wenn deine Gaben deinem Edelmuthe und deiner aufopfernden Freundſchaft an Würdigkeit gleich wären, Bleichgeſicht, verſetzte der Häuptling, ſo würden wir des Handels bald einig ſeyn; bedenke aber, was iſt ein Feuerrohr, ſelbſt wenn es ſo köſt - lich ſeyn ſollte, als dein Mund beſagt, was iſt ein Feuerrohr gegen das Leben White-hawks, von dem ſelbſt ſein Vater behauptet, daß ihn an männlichen Tugenden kein anderer junger Mann übertrifft? Haſt du uns daher nicht mehr zu bieten, ſo trage er ſeine Schuld mit dem Leben ab.

Jch gab Alles her, was für den Augen - blick in meinem Beſitze war, antwortete ihm Arnold mit ſchmerzlich bewegter Stimme; denn ich hatte nicht Zeit, mich auf das, was hier vorgehen ſollte, vorzubereiten; ich wußte nicht, daß es ſich um die Lebensrettung meines Bruders handelte, denn ſonſt würde ich mich noch mit anderen Gaben verſehen ha - ben. Am Ausgange der Prairie traf mich Waupee an, der mich vergeblich in Nauvoo geſucht hatte, und die Zeit war zu kurz, um zurückkehren und mich mit dem Nöthigen verſehen zu können; denn ſonſt würde mir Nichts zu werth, Nichts zu koſtbar geweſen ſeyn,43 das Leben des Sohnes Desjenigen zu erkaufen, der mir das Leben rettete.

Du ſprichſt gut und weiſe, Bleichgeſicht, antwortete ihm Opiska Toaki, und deine Worte - ren ſich gut an; deshalb will ich mit meinen Brü - dern berathen, ob ſie die von dir gebotenen Gaben für genügend halten, die Blutſchuld zu ſühnen.

Er nahm mit dieſen Worten die Büchſe vom Boden auf und trat mit ihr in die Reihe der Seinen zurück; die andern ihm von Arnold dargebotenen Ga - ben würdigte er nicht einmal eines Blicks, ſo gering - fügig kamen ſie ihm vor. Die Büchſe ging von Hand zu Hand; kunſtverſtändig prüften die Wilden ſie und unterſuchten den Lauf, das Schloß, die Kolbe mit einer Sorgfalt, die dem geübteſten Büchſenſchmidt Ehre gemacht haben würde. Dann gab man ſie in die Hände des Häuptlings zurück, ein Gemurmel flog durch die Reihen, Opiska Toaki warf noch einen Blick, wie zum ſchmerzlichen Abſchiede, auf das ſchöne Waf - fenſtück, das er ſo gern behalten hätte, trat dann zu White-hawk und legte die Büchſe ſchweigend ne - ben demſelben nieder.

Damit war das Todesurtheil des armen Jüng - lings ausgeſprochen: man hatte die dargebotene Sühne nicht für groß genug gehalten und forderte White - hawks Leben.

44

Nimm dein Gewehr zurück! rief Opiska Toaki Arnolden mit gebietender Stimme zu, und zu - gleich hob ſein rieſiger Arm ſich, mit dem furchtbaren Tomahawk bewaffnet, hoch in die Luft empor, um den Todesſtreich auf White-hawks Haupt zu führen.

Halt ein! Halt ein! rief Arnold, von Entſetzen ergriffen; halt ein, Opiska Toaki! Jch kann dir noch mehr für das Leben dieſes Jünglings bieten!

Jch meinte, du hätteſt mir Alles geboten, was du beſäßeſt, Bleichgeſicht? murmelte der Wilde, indem er den mit der tödtlichen Waffe bewehrten Arm ſenkte; du haſt alſo gelogen, wie deine Brüder zu lügen pflegen, wenn ſie uns beſuchen, um Handel mit uns zu treiben? Jch hätte dich für beſſer gehalten, fügte er, einen vorwurfsvollen Blick auf ihn heftend, hinzu.

Jch hatte mir gelobt, antwortete ihm Arnold, durch den ihm von dem Wilden gemachten Vorwurf, wiewohl dieſer ungerecht war, einigermaßen beſchämt, mich niemals von dieſem Kleinode zu trennen; doch da ich um keinen andern Preis mei - nen Bruder retten kann, ſo nimm es hin, Opiska Toaki!

Er öffnete mit dieſen Worten ſeinen Rock und zog aus dem Buſen das reich in Gold und Diaman -45 ten gefaßte Bildniß ſeiner Mutter hervor, das er an einer goldenen Kette ſeither ſtets auf der Bruſt ge - tragen hatte, küßte es mit der innigſten Zärtlich - keit, warf noch einen letzten ſchmerzlichen Blick dar - auf und legte es dann in die Hand des Wilden. Kaum hatte Opiska Toaki einen Blick auf das Ge - mälde geworfen, das eine ſehr ſchöne Frau in der Blüte der Jahre darſtellte, als er einen Laut aus - ſtieß, der halb wie Verwunderung, halb wie Freude klang. Mit eiligen Schritten verließ er Arnold und ſein Schlachtopfer und kehrte zu den Seinigen zurück. Das Bild ging von Hand zu Hand, wie zuvor das Gewehr; aber der Häuptling ſetzte einen ſolchen Werth darauf, daß, wenngleich er das Portrait hinreichte, damit auch die Andern es ſehen und bewundern möch - ten, er doch die Kette nicht aus der Hand ließ, gleich - ſam als fürchtete er, daß man es ihm rauben möchte.

Die Verhandlung dauerte lange, viel zu lange für Arnolds Furcht und Ungeduld, denn jeder der Chippewas wollte das Kleinod ſehen und mit der Hand berühren. Man hielt das für glückbringend, da man das Bildniß für eine Art von Talisman hielt, in welcher Meinung die Wilden noch durch den Um - ſtand beſtärkt wurden, daß Arnold ſich nur gezwun - gen, nur nach heftigem Kampfe mit ſich ſelbſt, da - von getrennt hatte.

46

Als alle Chippewas der Luſt des Schauens und Betaſtens genügt hatten, hing der Häuptling ſich die goldene Kette über den Nacken; dann ſprach er einige Worte zu den Seinen, worauf dieſe ihm um den Fuß des Hügels herum folgten.

Erhebe dich, mein Bruder, ſagte Arnold, der nun nicht mehr an der Rettung ſeines jungen Freundes zweifeln zu dürfen glaubte; erhebe dich, man hat den Sühnpreis angenommen! Ein tiefer Seufzer begleitete dieſe Worte.

Noch nicht, mein bleicher Bruder, ver - ſetzte der Wilde, immer noch die unerſchütterliche Ruhe bewahrend, die den Europäer mit Erſtaunen und Be - wunderung erfüllte.

Und weshalb noch nicht, White-hawk? fragte Arnold, überraſcht durch dieſe Antwort. Haſt du nicht geſehen, daß der Bluträcher den Preis für dein Leben angenommen hat und daß ſich alle Chip - pewas mit ihm entfernt haben?

Sie werden zurückkehren, verlaß dich dar - auf, war die Antwort, und für mich, das ihrer Rache geweihte Opfer, würde es ſich nicht ſchicken, dieſen Platz zu verlaſſen, bis der Mund des Blut - rächers es mir befohlen haben wird.

So iſt die Sache noch nicht zu Ende und47 die Furcht für dein Leben noch immer nicht beſeitigt? fragte der Europäer ungeduldig.

Sprich das Wort Furcht in meiner Gegen - wart nicht aus, mein bleicher Bruder, verſetzte White-hawk faſt zürnend; man kennt es unter den Sioux nicht und es beleidigt mein Ohr.

Jn dieſem Augenblick kehrten die Chippewas zu - rück. Die drohende ſchwarze Farbe war von dem Antlitze Aller verſchwunden: ſie hatten ſie, zum Zei - chen daß ſie der Blutrache entſagten, in einem jen - ſeits des Hügels belegenen Creek abgewaſchen und zeigten ſich jetzt in ihrer natürlichen Farbe. Bei die - ſem Anblick erhob ſich ein Freudengeſchrei in den Rei - hen der Sioux, in das nur Waupee und White-hawk nicht einſtimmten, weil es für ſie nicht ſchicklich ge - weſen wäre, Freude über die Lebensrettung an den Tag zu legen, für den Einen nicht, als Vater des Opfers, für den Andern nicht, weil er ſelbſt das Opfer hatte ſeyn ſollen.

Opiska Toaki, deſſen Bruſt noch immer das Bildniß ſchmückte, war zu Arnolden und White-hawk getreten.

Bruder, ſagte er zu dieſem, indem er mit ſeiner Hand das Haupt des Jünglings berührte, Bruder, erhebe dich und kehre in die Reihen der Deinen zurück, denen ich Glück wünſche zum Beſitze48 eines ſo muthigen jungen Mannes; denn mehr, als du in blutiger Schlacht gekonnt, haſt du dich hier als unerſchrockener Mann bewährt. Mein Lob und die Bewunderung der Meinen, ich weiß es, machen dich nicht beſſer, als du ſchon von Natur biſt; allein mir kommt es zu, dich wegen deiner Tugenden zu beloben und den Meinen, dir den gerechten Tribut der Be - wunderung zu zollen; denn wir wünſchen dich zu un - ſerem Freunde zu behalten und würden Viel darum geben, dich zu den Unſern zählen zu dürfen. Jch habe es geſagt!

Mit dieſen, den Jüngling ehrenden Worten bog ſich der Chippewa-Häuptling zu White-hawk nieder, umarmte ihn und drückte den Friedenskuß auf ſeine Stirn. Der Jüngling erhob ſich jetzt und kehrte, ohne ein Wort zu antworten, zu den Seinen zurück, die ihn mit Jubel aufnahmen, ihn umringten und mit Lob - und Freudenbezeugungen überhäuften.

Waupee, der bis zu dieſem Augenblick eine faſt übermenſchliche Geiſtesſtärke und einen unglaublichen Muth an den Tag gelegt hatte, drohte jetzt, wo die Gefahr für das Leben des geliebten Sohnes beſeitigt war, ſchwach zu werden. Man ſah die Kupferröthe auf ſeinem Antlitze einer in’s Bläuliche ſpielenden Farbe weichen; er holte tiefe Athemzüge aus der be - klemmten Bruſt hervor; er ſchwankte ſogar einen49 Augenblick, wie ein Stamm, der von der Axt im Marke getroffen, auf der Wurzel ſchwankt, bevor er zu Boden ſinkt. Aber dieſer Zuſtand dauerte nur einige wenige Augenblicke und bald war er ganz wie - der er ſelbſt.

Nur er allein ſprach kein Wort des Lobes zu dem wackern Sohne, ſondern begnügte ſich damit, ihm die Hand zu reichen; daſſelbe that er bei Arnol - den, der noch immer mitten im Kreiſe, neben dem Chippewa-Häuptlinge ſtand, und auch dem Europäer wurde kein Wort des Lobes über das dem Leben White-hawks gebrachte Opfer zu Theil. Er würde, deß war Waupee gewiß, unter ähnlichen Verhältniſ - ſen Daſſelbe für Arnolden gethan haben, und ſo fand er das, was dieſer für White-hawk gethan hatte, nichts weiter als natürlich; weshalb ihn denn dafür loben? Opiska Toaki aber ſchien ein ganz beſonderes Gefallen an dem jungen Europäer zu finden.

Bleichgeſicht, ſagte er zu Arnolden, in - dem er ihm die Hand reichte, du haſt dich als den Freund deiner Freunde gezeigt, denn als ſolchen er - probt man ſich nur in der Noth, und ich bitte da - her, daß du auch mir fortan Freund und Bruder ſeyn wolleſt, wenigſtens für ſo lange, als die Chip - pewas mit deinen ältern Freunden nicht in Feindſchaft leben werden.

450

Jch nehme dein Anerbieten an, gute Roth - haut, antwortete ihm Arnold, und mit dieſen weni - gen Worten war für Beide ein Bund für das Leben geſchloſſen.

Die beiden Stämme vermiſchten ſich jetzt mit einander, als wären ſie zu einer friedlichen Beſprechung, zu einem Feſte zuſammengekommen. Die Jünglinge drängten ſich zu White-hawk, der in ihren Augen, und wohl mit Recht, als der Held des Tages ange - ſehen wurde und dem es gleich zu thun, ihr höchſter Wunſch war; die Knaben aber, welche ſich beſcheiden in einiger Entfernung von den Männern und Jüng - lingen gelagert hatten, blickten mit geheimem Neide auf die letztern, denen es bereits vergönnt war, ſich unter die Männer zu miſchen.

Da der Tag noch lang und man einmal beiſam - men war, wurde beſchloſſen, daß man ihn gemein - ſchaftlich verbringen wolle und die Jünglinge und Knaben erhielten Befehl, für Speiſe und Trank zu ſorgen; ja, die Chippewas, welche dem Sammelplatze am nächſten wohnten, wollten ſogar einige von den Jhrigen ausſenden, um, zur Verherrlichung des Fe - ſtes, ein Fäßchen mit Feuerwaſſer, wie ſie den Brann - tewein nannten, das ſie von den Trappers auf’s Neu eingetauſcht, holen zu laſſen. Gegen dieſe Abſicht er - klärte ſich aber Waupce in einer wohlgeſetzten Rede.

51

Brüder, ſagte er, hätte doch Manitou verhindert, daß wir den verderblichen Trank, der ſo vieles Unheil ſtiftet, je kennen gelernt! Bevor wir wußten, daß das Feuerwaſſer in der Welt ſei, waren wir reich, und jetzt ſind wir arm, denn für dieſes Waſſer giebt der Sioux wie der Chippewa mit Freu - den die Beute ſeiner Jagd und den Ertrag ſeines Fiſchfangs hin und nicht lange, ſo wird er, wenn er es nicht anders erlangen kann, ſeine Waffen, ja wohl gar die gewonnenen Kopfhäute, dafür hingeben und Noth, Elend und Schande wird unter uns herrſchen. Erlegte ſonſt Einer einen Moſkotaj (Büffel) mit dem Laſſo oder ein Rothwild mit dem Pfeile, ſo bereite - ten die Squaws leckere Speiſen von dem Fleiſche und gute Kleidungsſtücke, Häute zu den Wigwams und weiche Felle für die Schlafſtätte von der Haut des erlegten Thieres, ſo daß man ſich gut nähren, gut kleiden und Nachts weich ruhen konnte. Wenn er für ſich und die Seinen nicht Alles verbrauchte, dann ſparte er ſo viele Felle und Häute zuſammen, bis er ſich ein gutes Feuerrohr und Donnerpulver und Blei dafür kaufen konnte, die ihm die Jagd erleich - terten und dem Feinde Schrecken einflößten. Jetzt aber, ich ſage es mit Trauer, iſt das Alles anders geworden und die Bleichgeſichter, die uns gern von der Erde vertilgen möchten, um unſern Boden zu4 *52gewinnen, haben uns, um ihren Zweck durch Hinter - liſt zu erreichen, da ſie nicht ſtark genug waren, oder zu feig, ihn zu erzwingen, zwei Seuchen zugleich zu - geführt: die Pocken, wie ſie eine tödtliche und gar - ſtige Krankheit nennen, und den Genuß des Feuer - waſſers, und ich weiß nicht, welche von beiden ich die verderblichere nennen ſoll. Wollt ihr daher auf mich hören, ihr Brüder, wollt ihr frei bleiben und wieder reich werden, wie ihr einſt waret, ſo gelobt mit mir, niemals wieder von dem verderblichen Waſ - ſer zu koſten, das offenbar in den finſtern Höhlen ge - braut wird, in dem Takwantona, der Geiſt des Ver - derbens, ſeinen Wohnſitz aufgeſchlagen hat. Jch hab es geſagt!

Du haſt weiſe geredet, mein Bruder Wau - pee, nahm der Chippewa-Häuptling nach einer Pauſe das Wort, und große Wahrheit liegt in dem, was du ſagteſt; aber doch würdeſt du anders reden und das Feuerwaſſer nicht mehr verdammen, wenn deine Lippen es einmal gekoſtet und dein Herz die Wolluſt gefühlt hätte, wovon es durch das Feuerwaſſer erfüllt wird. Da du dich aber niemals dazu entſchloſſen haſt, redeſt du wie der Blinde vom Sonnenlichte, und ich für meinen Theil ſchwöre dir, daß ich lieber auf der Stelle todt ſeyn, als für immer dem Genuſſe dieſes köſtlichen Trankes entſagen wollte.

53

Du haſt geſehen, Opiska Toaki, verſetzte Waupee mit traurigem Tone, wohin der Genuß deſ - ſelben führt: dir hat er den geliebten Bruder, mir hätte er bald den einzigen noch übrig gebliebenen Sohn gekoſtet.

Der Chippewa wollte antworten und vielleicht hätte der Streit zu neuen Feindſeligkeiten geführt, wenn Arnold ſein Anſehen in beiden Stämmen nicht geltend gemacht hätte und zwiſchen die Streitenden ge - treten wäre. Auch kehrten die Jünglinge und Kna - ben, reichlich beladen mit Beute aller Art, zu - rück. Man hatte, nicht unfern, in der Prairie, eine Hundeſtadt entdeckt, wie man die Orte nennt, worin ſich die ſeltſamen Thiere, Prairiehunde ge - nannt, in Geſellſchaft vieler Hunderte zuſammen - halten und eine Art von Colonie bilden. Eine Menge dieſer Thierchen war erlegt worden, die jetzt die leckerſten Braten hergeben ſollten. Jetzt mußte Alles mit Hand anlegen, und das hob, zum Glück für beide Theile, die Streitigkeiten vollends auf. Beim fröhlichen Mahle legte ſich end - lich jegliche Verſtimmung und man verließ ſich mit Anbruch der Nacht unter gegenſeitigen Freundſchafts - bezeugungen.

Mein bleicher Bruder, nahm Waupee das Wort, als er ſich mit Arnold und White-hawk wie -54 der in ſeinem Wigwam befand und mit einer Freude, die er nur ſchlecht zu verhehlen vermochte, das Ent - zücken ſeines Weibes über den ihr wiedergeſchenkten Sohn geſehen hatte, mein bleicher Bruder, mein Leben und Alles, was ich beſitze, iſt dein; verfüge alſo zu jeder Zeit nach Gefallen darüber.

Und über das meinige, ſagte auch White - hawk, dem Europäer ſeine Hand reichend.

Weiter wurde nicht über die Vorgänge des Tags geſprochen, denn dieſe Kinder der Natur lieben es nicht, viele Worte zu machen; Arnold aber, der ſie und ihre Art und Weiſe kannte, wußte, wie er mit ihnen daran war und daß er ſich in Beiden Freunde auf Leben und Tod erworben hatte.

Viertes Kapitel.

Da ihn nichts davon abhielt und er keine feſte Stellung hatte, die ihm Pflichten auferlegt hätte, gab Arnold ſeinen Wünſchen darin nach, noch einige Zeit unter den ihm ſchon von früher lieb gewordenen Sioux zu verweilen. Das Leben unter dieſen Kindern der Natur ſagte ihm ſo ſehr zu, er fühlte ſich ſo voll - kommen frei und wie in alle ſeine Menſchenrechte55 wieder eingeſetzt in ihrer Mitte, daß oft der Gedanke in ihm emporkeimte, ſich unter ihnen anzuſiedeln und ſein Leben unter ihnen zu beſchließen.

Aber wir ſind durch unſichtbare und zugleich mächtige Bande an die Civiliſation geknüpft und füh - len ſie allemal ſtraff wieder angezogen, ſo wie wir den Verſuch machen oder nur den Gedanken hegen, uns ihnen entziehen zu wollen, ſo daß wir erſchrocken davor zurückbeben, auf immer mit dem Gewohntge - wordenen zu brechen.

Es iſt in der That nicht ſo leicht, als Mancher ſich vielleicht vorſtellen mag, allen den Bedürfniſſen zu entſagen, mit denen die Civiliſation uns von der Geburt an, wie mit einem Netze, umſponnen hat und wir werden uns erſt des Werthes, den ſie in der That durch lange Gewohnheit für uns gewonnen ha - ben, in dem Augenblick bewußt, wo wir auf dem Punkte ſtehen, ihnen zu entſagen. Der Naturzuſtand iſt das für uns verlorene Paradies, und auch die er - ſten Menſchen würden nicht in das ihrige haben zu - rückkehren können, ſelbſt wenn es ihnen geöffnet ge - worden wäre: ſie hatten bereits die große Welt mit ihren Blicken umfaßt und die Beſchränkung in der kleinen, wenngleich noch ſo ſchönen, würde ihnen nicht mehr genügt haben.

Arnolds Leben unter den Sioux, die ihn, wenn -56 gleich als ein höheres, begabteres Weſen, deſſen gei - ſtige Ueberlegenheit ſie willig anerkannten, von der andern Seite ganz wieder als den Jhrigen anſahen, bot in der That der Reize und Annehmlichkeiten viele dar. Alles war befliſſen, dem geliebten Gaſte Freude und Wohlleben zu bereiten: für ihn wurde das weichſte Büffelfell zum Lager ausgebreitet; für ihn waren die leckerſten Biſſen, für ihn wurde für die Jagd des Büffels oder des Rothwilds das beſte Pferd geſattelt und gezäumt; man beſaß Nichts, das man ihm nicht auf den nur leichthin geäußerten Wunſch mit Freuden gegeben haben würde, denn dadurch, daß er das Le - ben Eines von ihnen gerettet und ſein Liebſtes für dieſen Zweck hingegeben hatte, war er der Wohl - thäter Aller geworden und Jeder fühlte ſich ihm zum Danke verpflichtet.

Auch erkannte man ſeine geiſtige Ueberlegenheit willig an, ohne ſich indeß Rechenſchaft darüber ab - legen zu können, worin ſie beſtände, denn in Allem, was ſie zu ihrem einfachen Leben bedurften, hatten ſie ſeines Rathes nicht nöthig und reichten ihre Erfah - rungen und Kenntniſſe vollkommen dazu aus und - here Bedürfniſſe kannten ſie nicht. Allein eine Art von dunkler Ahnung ſagte ihnen, daß in der Seele dieſes jungen Mannes andere Gedanken und Vorſtel - lungen ihren Sitz hätten, als in der ihrigen und das57 gab ihm bei ihnen ein Uebergewicht, ein ganz beſon - deres Anſehen, das noch dadurch vermehrt wurde, daß Arnold ſich einige mediciniſche Kenntniſſe erwor - ben hatte, von denen er bei vorkommenden Fällen zu ihrem Vortheile Gebrauch machte und die durch einen glücklichen Zufall und die unverdorbene Natur der Wilden mit Erfolg gekrönt wurden.

Seine große Wißbegierde trieb ihn an, ſich nach Allem zu erkundigen, was auf das Leben, die Sitten und Gebräuche ſeiner wilden Freunde Bezug hatte; ſo war er bald ſo darin eingeweiht, als ſei er unter ihnen aufgewachſen, und da er ſich nie über irgend Etwas mißfällig äußerte, noch weniger aber darüber ſpottete, ſtand man nicht an, ihm Alles mitzutheilen, was er nur irgend zu wiſſen wünſchte.

Er ſammelte eine Menge ihrer oft hochpoetiſchen Sagen ein und man machte ihn gern mit allen den Traditionen bekannt, die im Volke umgingen und aus denen er auf den Urſprung deſſelben, der offenbar in Aſien wurzelte, ſchließen konnte. Dies beſchäftigte Arnolden auf die angenehmſte und anregendſte Weiſe; als er aber Alles wußte und man ihm nichts Neues mehr mittheilen konnte, ſehnte er ſich wieder in die Civiliſation zurück, wo, wie er wußte, ſeinem ewig nach Nahrung dürſtenden Geiſte dieſelbe geboten wer - den würde.

58

Man ſagte ihm nicht, als er ſeinen Entſchluß, ſie wieder zu verlaſſen, zu erkennen gab: bleib doch noch! aber in Aller Blicken las er Traurigkeit und als endlich die Stunde des Abſchieds wirklich da war, äußerte ſie ſich durch lautes Wehklagen. Jndeß ſein Entſchluß ſtand feſt und ſo nahm er Abſchied von ſei - nen Freunden.

White-hawk hatte ſeinen beſten Muſtang, ein ſchönes, edles Thier, das er mit großer Mühe ge - zähmt und abgerichtet, für Arnolden geſattelt und ge - zäumt und ein zweites Pferd für ſich; denn er wollte es ſich nicht nehmen laſſen, ſeinen Lebensretter durch die Prairie und wenigſtens bis zur Grenze von Jlli - nois zu begleiten, um jede Gefahr von ihm abzu - halten.

Als man den Miſſiſippi wieder paſſirt hatte, nahm White-hawk Abſchied von ſeinem Freunde, und als dieſer ihm das Pferd wieder zuſtellen wollte, bat er ihn mit wenigen, aber eindringlichen Worten, es ihm zu Liebe zu behalten, eine Bitte, der ſich Arnold um ſo lieber fügte, da er an dem ſchönen, muntern und doch ſo zahmen Thiere ein großes Wohlgefal - len fand.

Bleichgeſicht, ſagte White-hawk mit ab - gewandtem Geſichte zu dem Europäer, als es an’s Abſchiednehmen ging, Bleichgeſicht, vergiß niemals,59 daß jenſeits des Fluſſes und der Prairie die Freunde wohnen, die willig und bereit ſind, jeden Bluts - tropfen in ihren Adern für dich zu verſpritzen.

Jch danke dir und euch Allen für eure Liebe, antwortete ihm Arnold, der ſich gleich dem Wilden einiger Rührung nicht zu erwehren vermochte, und ſollte je der Fall eintreten, wo ich der Freun - deshülfe bedürfte, ſo werden die Sioux die Erſten ſeyn, an die ich mich mit meinem Geſuche wende.

Du haſt es geſagt, mein bleicher Bruder, und ſo wird es ſeyn, verſetzte der Wilde, reichte Arnolden nochmals die Hand, beſtieg ſeinen Muſtang und ritt an den Fluß zurück, den er wenige Minu - ten darauf mit ſeinem kräftigen Thiere durchſchwamm, während Arnold ſich in Begleitung Brunos, der mun - ter neben ihm hergelaufen war, ſo lange White-hawk ſie begleitete, jetzt aber traurig die Ohren hängen ließ, als habe auch er ſchmerzlich den Abſchied mit gefühlt, den Weg nach Nauvoo fortſetzte.

Es war faſt Abend, als er dieſe Stadt der Wun - der denn ſo durfte man ſie füglich nennen er - reichte. Wo ſie jetzt ſtand, wenngleich erſt nur noch ſkizzirt, war vor wenigen Jahren noch eine Einöde geweſen, in der wilde und reißende Thiere ungeſtört ihr Weſen trieben, und wo jetzt eine ſchöne Brücke ſich über den Des Moines, der ſich nicht weit von60 der Stadt in den Miſſiſippi ergießt, zu wölben be - gann, hatten noch vor Kurzem der Puma oder rothe Panther, der Prairiewolf und der graue und ſchwarze Bär ihren Durſt aus den ſilberhellen Fluthen gelöſcht und den Urwald ungehindert da nach Beute durch - ſtreift, wo jetzt ſchöne Kinder furchtlos vor den Thü - ren anſehnlicher Häuſer oder niederer Hütten ſpielten.

Zwar ſtanden dieſe Häuſer noch ziemlich von einander getrennt da, aber ſie waren doch ſchon nach einem regelmäßigen Plane angelegt und die künftig aus den einzeln ſtehenden Gebäulichkeiten entſtehenden Gaſ - ſen und Plätze angedeutet; auch durfte jeder neue An - ſiedler zwar einen bedeutenden Raum für ſich in An - ſpruch nehmen, mußte ſich aber denſelben anweiſen laſſen und durfte nicht bauen, wohin er wollte.

Zum Theil ſind nur noch erſt niedre Lehmhütten und Blockhäuſer wie man die bloß aus Brettern und Balken aufgeführten Gebäulichkeiten in jenen Ge - genden nennt vorhanden; aber doch erhebt ſich ſchon hie und da ein ſtattliches, mehrſtöckiges Haus, von blühenden Gärten umgeben, die aber mit der Zeit neuen Häuſern werden weichen müſſen und die man nur ſo lange im Umkreiſe der Stadt dulden wird, als noch Raum im Ueberfluſſe vorhanden iſt.

Jm Mittelpunkte dieſer, nach einem großartigen Zuſchnitte angelegten Stadt, die einſt die Königin des61 Nordoſtens Amerikas werden wird, erhebt ſich ein wahrhaft prachtvolles Gebäude, ein Meiſterſtück des Geſchmacks und der Baukunſt, der ſogenannte Mor - montempel.

Nauvoo, in der Grafſchaft Hancock, im Staate Jllinois belegen, verdankt ſeine Entſtehung einer der vielen Religionsſecten, welche in Amerika, wo völlige Religionsfreiheit beſteht, emporblühen, um oft ebenſo ſchnell zu verſchwinden und andern Platz zu machen. Unter dieſen zeichnete ſich bald die Secte der Mormons, deren Stifter ein gewiſſer Joe Smith war, durch die bedeutende Zahl ihrer An - hänger und den an Fanatismus grenzenden Religions - eifer ihrer Bekenner aus.

Joe Smith, den man für einen Amerikaner von Geburt hielt, war nach langem Umhertreiben in der Welt und wahrſcheinlich nach vielen erlebten Aben - teuern nach dem Staate Ohio gekommen und hatte ſich dort ein einſam, auf einem Hügel belegenes Häus - chen gekauft, das er längere Zeit hindurch nur in Ge - ſellſchaft einer weiblichen Perſon, die für ſeine Toch - ter galt, bewohnte.

Seine ſchöne, imponirende, faſt herculiſche Ge - ſtalt; ſeine edlen und reinen Geſichtszüge, ſein leuch - tendes dunkles Auge; ſeine treffliche Haltung und das tiefe Geheimniß, womit er ſeine Perſon und ſeine62 frühern Erlebniſſe umgab, machten bald die neugierige Menge aufmerkſam auf ihn, und je entſchiedener er ſich von der ganzen übrigen Welt zurückzog und jeg - lichen Umgang mit Andern vermied, deſto eifriger ſpürte man ihm nach und ſuchte in Berührung mit ihm zu kommen.

Jeden Morgen ſah man ihn kurz vor Aufgang der Sonne das Häuschen verlaſſen, das von ihm be - wohnt und jedesmal bei ſeinem Weggange ſorgfältig hinter ſich verſchloſſen wurde, und einer tief in den Hügel geſprengten Grotte zugehen, wo er, wie man vermuthete, im Gebete verweilte. Dann kehrte er in ſeine Wohnung zurück und man ſah ihn den ganzen Tag nicht wieder. Die benöthigten Lebensmittel wur - den ihm von einem Manne zugeführt, den man nur unter dem Namen Hieram kannte und der, ohne daß man wußte, woher er gekommen, faſt zu gleicher Zeit mit Joe Smith im Staate Ohio erſchienen war. Doch auch dieſer, das nahmen die neugierigen Späher deutlich wahr, durfte das Heiligthum des kleinen, feſt mit grünen Jalouſien verſchloſſenen Hauſes nicht be - treten, ſondern er ſetzte die mit Lebensmitteln gefüll - ten Körbe vor der Hausthür nieder, gab ſeine Ge - genwart durch Klopfen kund und entfernte ſich dann mit eiligen Schritten, während das Gebrachte herein - genommen wurde.

63

Es war nichts natürlicher, als daß man ſich an dieſen Mann drängte und ihm ſeine Geheimniſſe, ſeine Beziehungen zu dem Wundermanne denn mit die - ſem Namen bezeichnete man Joe Smith bereits abzufragen ſuchte. Längere Zeit beobachtete Hieram ein geheimnißvolles Schweigen und antwortete bald: er wiſſe nicht mehr, als alle Uebrigen; bald gab er ſich den Anſchein, als binde ein Eid ſeine Zunge. Nach und nach rückte er aber trotz dem gegen Einige, die ſich ſeines beſondern Vertrauens zu erfreuen zu haben ſchienen, mit einzelnen Aeußerungen über den geheimnißvollen Fremden, den er nie anders als den großen Propheten nannte, hervor und bald wußte die ganze Umgegend, was ſie wiſſen ſollte.

Joe Smith, ſo behauptete Hieram gegen ſeine Vertrauten, wäre ein von der Gottheit ſelbſt Aus - erſehener, ein Prophet und dazu berufen, alle jetzt beſtehenden Religionen zu ſtürzen und dem wahren Gott einen neuen Tempel zu errichten. Die durch ihn begründete neue Secte, die zur Herrſcherin über den Erdkreis von Gott beſtimmt ſei, werde den Namen der Mormons führen, in welchem Namen ein großes Myſterium verborgen, das allein von dem Stifter der Secte gekannt ſei. Eine innere, unverkennbar gött - liche Stimme habe dem Propheten geſagt, daß er in einer Höhle im Staate Ohio, zwiſchen zwei Fels -64 ſtücken eingeklemmt, eine neue Offenbarung in Geſtalt einer in goldenen Deckeln eingeſchloſſenen Bibel finden und den Ort nur durch Faſten und Gebet entdecken würde.

Jetzt endlich, nach langen Jahren eines ſtreng ascetiſchen Lebens und Wandels, ſchloß Hieram ſeine Mittheilungen, ſei der glückliche Augenblick gekommen und der Prophet wirklich im Beſitze der goldenen Bi - bel, deren Jnhalt ihm, obgleich ſie in nie vorher von ihm geſehenen Characteren geſchrieben, völlig klar ſei und ihm und ſeinen Anhängern alles nur zu wün - ſchende zeitliche und ewige Glück verheiße.

Dies war genug und mehr als genug, die leicht - gläubige Menge für die neue Lehre und den neuen Propheten zu entflammen. Man drängte ſich an Hieram und überhäufte ihn mit Bitten und Geſchen - ken, um durch ſeine Vermittlung mit dem Haupte der Mormons in Verbindung zu kommen. Den nächſten Freunden Hierams wurde bald das heißerſehnte Glück zu Theil, den Saum des Gewandes des neuen Hohen - prieſters küſſen zu dürfen, ja, von ihm in die Ge - meinſchaft der Mormons aufgenommen zu werden, was unter wunderbaren und geheimnißvollen Ceremo - nien geſchah. Die Neueingeweihten mußten ſich durch ſtrenges Faſten und Gebete auf die mit ihnen vorzu - nehmende heilige Handlung vorbereiten. Ein Altar65 war in einem reichgeſchmückten, wenngleich nur mäßig großen Zimmer des Hauſes errichtet; er war mit Grün, aber nicht mit Blumen verziert und auf einem grü - nen, mit Goldtreſſen beſetzten Sammtkiſſen, auf dem Altare, lag unter einer großen Glasglocke das gol - dene Buch, neben dem zwei ungeheuer große Wachs - kerzen auf goldenen Leuchtern brannten.

Die tiefſte Stille herrſchte im Tempel, wie man bereits das Gemach nannte. Es war mit be - täubenden Wohlgerüchen erfüllt, worunter ſich wahr - ſcheinlich viele Narcotica befanden, indem Diejenigen, welche das Heiligthum betraten, von einer Art von Schwindel ergriffen wurden, der aber von einem ge - wiſſen Wohlbehagen begleitet war. Auf der oberſten Stufe des Altares ſtand der Prophet im durchaus weißen, lang herabfallenden und weiten Gewande, das durchaus keine weitere Zierde hatte, als einen breiten goldenen Gürtel, womit es über den Hüften zuſammengehalten war. Das noch immer ſchöne, von lockigem dunklem Haare umwallte Haupt des Prophe - ten war mit einem Kranze von Jmmergrün geſchmückt; ſeine Mienen waren ernſt, ſeine Haltung majeſtätiſch, der ganze Ausdruck ſeiner Erſcheinung Ehrfurcht ge - bietend. Feſt, als wolle er die Seele des Schülers durchſchauen, durchdringend, heftete er das große, blitzende Auge auf denſelben, ſo daß dieſer den Blick566nicht zu ertragen vermochte und den ſeinigen zur Erde ſenken mußte. Dann murmelte der Hierophant in ei - ner völlig unbekannten Sprache Gebete her, wobei er, das Antlitz gegen den Altar und das goldene Buch gewandt, auf den Stufen des erſtern niederkniete.

Nachdem dieſe Feierlichkeit vorüber war, wurde der Neubekehrte in ein anderes Zimmer geführt und von Hieram, der ſich dort befand, in den Glaubens - artikeln der neuen Lehre unterrichtet, zuletzt aber auch noch katecheſirt. Beſtand er in ſeinen Antworten, dann gab der Lehrer dem Propheten, der im Altar - zimmer zurückgeblieben war, angeblich, um zu beten, mit einer Glocke ein Zeichen, führte den Schüler zum Altare zurück und übergab ihn dem Hierophanten mit der Verſicherung, daß er würdig ſei, in den neuen Bund aufgenommen zu werden. Man befahl ihm, niederzuknieen und einen ihm vorgeſagten Schwur nach - zuſprechen, und erſt nachdem dies geſchehen war, er - hielt er den Weihekuß von dem Propheten, womit er in den Bund der Mormons aufgenommen war.

Man wird ſich vorſtellen können, wie alles Die - ſes auf die Phantaſie der ungebildeten Menge wirken mußte, und in der That drängten ſich bald auch ſo Viele zum Mormonismus, daß Joe Smith, der Pro - phet, ſich genöthigt ſah, ſich nach Hülfe umzuſehen, weil ſeine Zeit nicht mehr zu den neuen Einweihungen67 ausreichen wollte. Es wurde alſo eine Art von Prie - ſterſchaft aus der Schaar der Auserwählten errichtet, die nicht nur den Gottesdienſt im Tempel verrichten, ſondern auch die ſich von allen Seiten herbeidrän - genden Aſpiranten unterrichten und aufnehmen muß - ten, während Joe Smith ſich nur noch dazu hergab, den Neuaufgenommenen den Segen durch den Weihe - kuß zu geben.

Nachdem die Zahl der Mormons bis zu einigen Tauſenden herangewachſen war, machte ſich der Prophet auch zum Geſetzgeber ſeiner Anhänger und da er jetzt eine unumſchränkte Gewalt über ſie ausübte, nahmen ſie willig die von ihm entworfenen Statuten an, die in der That auch von Urtheil und Weisheit zeugten, denn Klugheit und Erfahrung konnte man dieſem Manne nicht abſprechen.

Jndeß verſtießen dieſe Geſetze doch in manchen Punkten gegen die im Staate Ohio bereits geltenden und dadurch entſtanden nicht ſelten arge Conflicte. Die ſich zu andern Secten Bekennenden fingen zugleich Streitigkeiten mit den Mormons an, in denen letztere in der Regel unterlagen, da ſie die Schwächeren wa - ren und Erſtere obendrein die im Lande geltenden Ge - ſetze und meiſt auch die Behörden für ſich hatten.

Joe Smith ſah als ein kluger Mann ein, daß unter dieſen Verhältniſſen der Boden unter ſeinen5 *68Füßen wankte und daß, wenn er nicht einen ſchnellen Entſchluß faßte, ſein Reich bald ein Ende haben würde. Er berief alſo ſeine Mormons zuſammen und erklärte ihnen, der Allmächtige habe ihm geboten, im Nordoſten, im Staate Jllinois, einen großen Tempel zu erbauen und für ſeine Getreuen das ihnen von vorn herein verheißene große Reich, zunächſt aber eine Stadt zu gründen, deren Name Nauvoo ſeyn ſollte, und er fordre ſie daher auf, ihm dahin zu folgen, wohin Gottes Stimme ſie riefe.

Keiner wagte es, ſich dem vermeintlichen gött - lichen Befehle zu widerſetzen. Jn Kurzem war alles unbewegliche Gut verkauft, das bewegliche auf Karren und Wägen geladen und fort ging es, der neuen Heimath zu. Man fand am linken Ufer des Miſſi - ſippi, da wo der Des Moines in denſelben mündet, eine zwar noch völlig uncultivirte Gegend, aber einen reichen Boden und, da dieſer Theil des Staates ſeit - her nur von den Thieren der Wildniß bewohnt ge - weſen war, kein Hinderniß der Anſiedelung.

Jn der erſten Zeit hatten die Coloniſten freilich mit Mühſeligkeiten und Entbehrungen aller Art zu kämpfen; allein ſie ſcheuten, Fanatiker wie ſie waren, weder die einen noch die andern, da ſie ein Gott wohlgefälliges Werk zu betreiben wähnten, und ſo ſtiegen bald mehre Hundert Hütten und Blockhäuſer69 empor; ſo war der Wald bald ausgerodet und der Boden, welcher vielleicht Jahrtauſende hindurch nur Pechtannen, Fichten, Magnolien und weiße Berg - ahorne oder Sycamoren getragen hatte, wurde in reiche Gärten und Getreidefelder umgewandelt.

Als das Nothwendigſte beſchafft war, dachte man zunächſt an den Bau des großen Tempels, dem ſich Wohnungen für die Prieſter anreihen ſollten, während man für den Propheten ſelbſt und deſſen Tochter zu - gleich im Tempel einen ſchicklichen Aufenthaltsort be - reitete.

Mit unglaublicher Schnelligkeit ſtieg dieſer für heilig geachtete Bau vom Boden empor, da, nach ei - nem von Joe Smith gegebenen Geſetze jeden fünften Tag von jedem Mormon an den öffentlichen Gebäu - den und ſonſtigen öffentlichen Werken gearbeitet wer - den mußte, wodurch eine große Menge von Kräften in Bewegung geſetzt und jedes Werk ſchnell geför - dert wurde.

An Material fehlte es auch nicht, indem die Wälder Holz, die Berge trefflich zu benutzende Steine darboten. Jmmer raſcher ging es mit dem Bau, da der neuen Secte täglich neue Mitglieder zuſtrömten, Abenteuerer, nicht bloß aus allen Theilen Amerikas, ſondern aus der ganzen Welt. Noch war die Co - lonie kein ganzes Jahr begründet, ſo zählte Nauvoo70 allein ſchon an zehn Tauſend Bewohner und die dop - pelte, ja wohl gar die dreifache Anzahl von Mor - mons lebte in der Umgegend und in den angrenzen - den Staaten zerſtreut umher, denn ſelten hat ſich wohl je eine andere Religionsſecte ſo ſchnell ausge - breitet, als der Mormonismus.

Nach zwei Jahren, als eben der große Tempel vollendet war, trat Joe Smith bereits als eine Macht auf und der damalige Gouverneur von Jllinois, Car - lin, ein etwas ſchwacher Mann, ſah ſich gezwungen, Notiz von ihm zu nehmen und ihn ſich durch Ver - leihung von Aemtern und Würden zum Freunde zu machen. Joe Smith wurde zum Generallieutenant der Miliz des Staates Jllinois ernannt und Carlin, der Gouverneur, drückte ſelbſt die Augen zu, als er wahrnahm, daß der Mormon-Prophet außerdem noch ein ſtehendes Heer organiſirte und Männer von Ruf und Talent an ſich zog, um es unter ſeinem Ober - befehl auszubilden. Dieſe ſogenannte Nauvoo-Legion zählte bald funfzehn Hundert Köpfe und außerdem gab es noch eine Art von Leibgarde, die den ſeltſamen Namen der Danites führte und der die Bewachung des Tempels und der geheiligten Perſon des Prophe - ten anvertraut war.

Es dürfte an der Zeit ſeyn, einige Worte über den neuerbauten großen Tempel der Mormons, der71 ihr Heiligſtes, die goldene Bibel, einſchloß, zu ſa - gen. Er iſt denn noch jetzt beſteht er hundert Fuß breit und achtzig tief und von glattbehauenen, ſehr ſchönen und feſten Steinen aufgeführt. Jm Mit - telpunkte der ſich bildenden Stadt belegen, kehrt er ſeine Fronte einem ſehr großen Marktplatze zu, der ein regelmäßiges Viereck bildet und zum Paradeplatze benutzt wird. An der einen Seite wird dieſer Markt von der geräumigen Caſerne begrenzt, die der Leib - garde oder den Danites zum Aufenthalte dient, von der andern von den Wohnungen der Prieſter, die, da dieſe verheirathet, geräumig genug für eine zahlreiche Familie und hinten mit hübſchen Gärten verſehen ſind. Dem Tempel gegenüber, gegen dieſen Fronte machend, ſteht das Arſenal, ein weitläufiges, ſchönes Gebäude, und groß genug, bedeutende Kriegsvorräthe in ſich aufzunehmen. An der vierten Seite iſt der Marktplatz noch offen.

Jm Tempel ſelbſt, der in ſeinem Souterrain das, etwas ſeltſame, Sinnbild des Marmonismus, zwölf große hölzerne Ochſen, enthält, die einen coloſſalen Taufſtein tragen, in dem nicht nur neugeborene Kin - der, ſondern ſelbſt Erwachſene durch Untertauchen ge - tauft werden, wohnte, in wahrhaft prachtvollen und geräumigen Gemächern, der Prophet, gleichſam über der Kirche, in der in einem gläſernen Schrein die72 goldene Bibel auf einem Altare vom köſtlichſten Mar - mor aufbewahrt wird. Schöne, ſchlanke Säulen tra - gen die Kuppel des Tempels, aus der durch eine mit Glas bedeckte Oeffnung das Licht einſtrömt; andere Fenſter giebt es nicht in dieſem Gebäude, außer in dem für den Aufenthalt des Propheten beſtimmten Anbau.

Mormon kann werden, und zwar ohne daß er eine Ahnung davon hat, wer ſich auch nicht zu der Secte bekennt, und zwar dadurch, daß ſich ein wirk - liches Mitglied derſelben im Namen der Perſon noch - mals taufen läßt, der er gern die Glückſeligkeit ver - ſchaffen möchte, zu dem Bunde zu gehören, der ihn ſelbſt ſo glücklich macht; ja, dieſe Wohlthat wenn es eine iſt darf ſelbſt auf Verſtorbene ausgedehnt werden und ſo iſt dieſe Ehre, lange nach ihrem Tode, Waſhington und Jafferis zu Theil geworden.

An der Hinterſeite des Tempels erblickt man ei - nen von hohen Mauern eingefaßten, überaus ſchönen Garten, mit Lauben, Baumgängen, Blumenbeeten und Bosquets. Er wird in ſeiner vollen Breite von ei - nem Bache durchſchnitten, über den ſich eine hübſche Brücke wölbt, und das ſilberhelle, munter dahin - fließende Waſſer verleiht dieſem Orte einen ganz be - ſonderen Reiz. Trotz dem aber hat der Garten et - was Trauriges: er iſt nicht durch Menſchen belebt73 und die Natur entfaltet hier alle ihre Schönheiten, bietet alle ihre Schätze faſt vergeblich dar: ſelten nur erfreut ſich ein Menſchenauge daran.

Nur einen alten Gärtner, der den Schlüſſel zu einer in der Mauer angebrachten Pforte hatte, die nach ſeiner eigenen Wohnung hinausgeht, oder viel - mehr nach dem Garten, der auch dieſe umgiebt, ſah man oft durch die einſamen Gänge hin und her wan - deln, zuweilen auch in Begleitung ſeines Sohnes darin arbeiten. Dieſen Beiden war es auch allein geſtat - tet, in das Jnnere des Tempels und in die Wohnung des Propheten zu dringen, zu welchem Ende ſie in den Beſitz der dazu benöthigten Schlüſſel geſetzt wor - den waren; kein Anderer aber durfte, bei ſchwerer Ahndung, in das Heiligthum dringen.

Fünftes Kapitel.

Jn die Geſellſchaft dieſer Menſchen hatte das Geſchick Arnold in Folge einer Jugendverirrung geführt. Wie viele Andere, hatte er die Heimath, hatte er Europa verlaſſen, um in der neuen Welt ein neues Leben anzufangen. Wenn tiefe Reue, wenn völlige Beſſerung uns mit der ewigen Gerechtigkeit wieder auszuſöhnen vermag, ſo durfte unſer junger Freund74 ſich über die Vergangenheit beruhigen und mit Zuver - ſicht in die Zukunft blicken. Nicht nur hatte Arnold ſich von ſeinem Falle erhoben, ſondern er war geläu - terter, veredelter aus der Prüfungszeit hervorgegangen und ſein Gewiſſen hatte eine Zartheit erhalten, daß er ſich auch das kleinſte Verſehen zum ſchweren Feh - ler, ja zur Sünde anrechnete.

Seine Kenntniſſe und Talente hatten ihm den Weg zu einem genügenden Auskommen gebahnt. Jm Militärſtande aufgewachſen und ſich mit großer Vor - liebe den mathematiſchen und geometriſchen Studien widmend, konnte es nicht fehlen, daß er für Joe Smith der rechte Mann ſeyn mußte, um dieſem bei ſeinen vielen neuen Anlagen, Vermeſſungen u. ſ. w. trefflich an die Hand zu gehen. Trotz dem war das Verhältniß beider Männer bis dahin ſo geblieben, daß Keiner an den Andern gebunden war und Jeder ſeine volle Freiheit bewahrt hatte. Arnold wurde für die der Colonie geleiſteten Dienſte anſtändig von dem Oberhaupte der Mormons bezahlt, aber nichts - thigte ihn, als ſein eigener Wille, ſie zu leiſten und er durfte ſich vollkommen als den Herrn ſeiner Zeit anſehen, durfte kommen oder gehen, wie es ihm ge - fiel, eine Ungebundenheit, die ihm um ſo mehr zu - ſagte, da Abhängigkeit von einem Manne, den er verachtete, für ſeinen ſtolzen und wahrheitsliebenden75 Character völlig unerträglich hätte ſeyn müſſen. So oft Joe Smith, der ſeine Talente und ſein Wiſſen zu würdigen verſtand, daher auf ein feſteres Verhältniß zwiſchen ihnen hindeutete, gab ihm Arnold zu erken - nen, daß er ein ſolches nicht wünſche und ſeine Un - abhängigkeit um jeden Preis bewahren wolle, da er ſie als ſein theuerſtes Gut betrachte.

War es dieſer Stolz, der dem Propheten um ſo mehr imponirte, da er ſich ſonſt nur von unter - würfigen Sclaven umgeben ſah? war es ein geheimer Zug der Natur, der ihn zu dem jungen Manne hin - zog? genug, er konnte ſich des Wunſches nicht er - wehren, Arnolden näher zu treten und, wo möglich, ſein Vertrauen, ja ſeine Zuneigung zu gewinnen; ſo ging er mit ihm um, wie mit keinem Andern in ſeiner Umgebung und beobachtete ein ſo achtungsvolles Be - nehmen gegen ihn, daß es oft den Neid Anderer her - ausforderte.

Allein alle ſeine Bemühungen ſcheiterten an dem Mißtrauen, das Joe Smith Arnolden einflößte. Die - ſer durchſchaute ihn und ſeine weit ausſehenden Pläne; dieſer verachtete den Lügner und Heuchler in ihm, der ſelbſt das Höchſte, die Religion, mißbrauchte, um ſeine Zwecke zu erreichen; ihn, der die Rolle des Prieſters, des Propheten ſpielte, um dadurch zur76 Dictatur zu gelangen; denn nach Allem, was Arnold ſah, war dies das Ziel Joe Smiths.

Von einem Menſchen der Art abhängig zu ſeyn oder wohl gar Wohlthaten von ihm anzunehmen, wäre für einen Character, wie Arnolds, völlig un - erträglich geweſen. Sowie ſie jetzt einander gegenüber ſtanden, konnten ſie es noch lange thun, Arnold ohne Zwang Dienſte leiſtend, Joe Smith ſie bezahlend; anders aber durfte es nicht werden, wenn der Erſtere ſich nicht von einem nicht zu ertragenden Joche bela - ſtet fühlen ſollte.

Auf dieſe Weiſe hatte das Verhältniß zwiſchen Beiden ſchon drei Jahre fortgedauert; aber alle Ver - ſuche des Propheten, dem jungen Starrkopfe näher zu treten, waren geſcheitert und die Kälte, die Ver - achtung Arnolds gegen Joe hatte eher zu -, als ab - genommen.

Als er diesmal nach ſeinem Ausfluge wieder in ſeine Wohnung zurückkehrte, ſagte ihm der alte John Adams, ſein Hauswirth, daß der Prophet bereits öfter nach ihm gefragt und ſeine Rückkehr, wie es ihm geſchienen, mit großer Ungeduld erwartet habe.

So meldet dem Herrn Generallieutenant, antwortete ihm Arnold, daß ich jetzt wieder da bin.

Jch habe Befehl, euch zu dem Propheten zu führen, verſetzte John Adams, einen giftigen77 Blick auf den jungen Mann werfend, deſſen Stolz, dem von ihm vergötterten heiligen Manne gegenüber, ihm völlig unerträglich war und der Arnold haßte, weil er ſich darin keinen Zwang auferlegte.

Jch erwarte Herrn Smith bei mir zu ſe - hen, erwiederte ihm Arnold, wenn er meiner etwa bedürfen ſollte.

Die Antwort ſoll ich ihm von euch brin - gen? fragte der Alte, blaß vor verhaltenem Zorne werdend.

Zu dem Zwecke ertheilte ich ſie euch, ver - ſetzte Arnold mit Ruhe.

Jhr thätet vielleicht gut, eure Saiten nicht ſo hoch zu ſpannen, Sir, ſagte Adams nach einer Pauſe, während welcher er bemüht geweſen war, ſei - nen Zorn niederzukämpfen, und etwas weniger Hoch - muth einem Manne gegenüber an den Tag zu legen, der nicht nur die allgemeine Ehrfurcht in Anſpruch nimmt, ſondern euch auch vermöge ſeiner hohen Stel - lung einmal ſehr nützlich werden könnte.

Jch überlaſſe die Demuth und das Kriechen Denen, die Gunſt und Beförderung ſuchen, ich aber ſuche beide nicht, war Arnolds Antwort.

Jhr trotzt auf eure Unentbehrlichkeit, Sir, ſagte der Alte, der ſeinen Zorn nicht länger zu be - meiſtern vermochte; aber ihr dürftet die Rechnung78 ohne den Wirth gemacht haben: es giebt noch An - dere, die eben ſo viel verſtehen, wie ihr und die es für ein großes Glück anſehen würden, ihre Dienſte ei - nem Manne weihen zu dürfen, auf den ganz Amerika mit Ehrfurcht und Bewunderung ſieht und den Gott vor vielen Millionen Menſchen beſonders begnadigt hat.

Arnold, der nicht dazu aufgelegt war, ſich noch tiefer mit dem alten Fanatiker einzulaſſen, griff nach einem Buche und ſetzte ſich damit an das offene Fen - ſter; Adams warf noch einen giftigen Blick auf ihn und entfernte ſich dann, um dem Propheten die Rück - kehr Arnolds zu melden.

Habt ihr ihn gebeten, ſich zu mir zu be - mühen? fragte Joe Smith den Alten, als dieſer ſeinen Bericht abgeſtattet hatte.

Jch that, wie mein Herr und Meiſter mir befohlen, war die Antwort John Adams.

Und er kommt?

Nein, ſagte der Alte, er kommt nicht, ſondern erwartet euch bei ſich.

Das ſagte er?

Mit nackten Worten. Jch weiß nicht, wie ihr den unerträglichen Dünkel und Hochmuth dieſes Abenteuerers noch immer ertragt, fügte der Alte hinzu. Jch, an eurer Stelle, hätte ihm längſt ſei - nen Abſchied gegeben.

79

Joe Smith antwortete ihm nicht. Auf ſeinem Geſichte zeigte ſich aber einen Augenblick die Röthe des Zorns und er durchlief mehre Male das Gemach mit haſtigen Schritten. Bald aber legte ſich ſeine innere Aufregung, ſein Geſicht nahm wieder den ge - wöhnlichen Ausdruck an und einen Augenblick vor dem Alten ſtehen bleibend, ſagte er:

So meldet ihm, daß ich zu ihm kommen werde.

Jhr, trotz der mir für euch gegebenen gro - ben Antwort zu ihm? fragte Adams und ſeine Züge drückten das höchſte Erſtaunen aus.

Er iſt in ſeinem Rechte, das zu fordern, verſetzte Smith; ſeine Stellung mir gegenüber iſt eine völlig unabhängige.

Aber, Sir .....?

Thut, wie ich euch geſagt habe, unter - brach der Prophet den Alten, um fernere Erörterun - gen abzuſchneiden; ich werde euch in fünf Minuten folgen. Laßt die Gartenpforte offen; ich will durch die Gärten in euer Haus gehen.

Adams gehorchte und murmelte im Gehen noch einige Worte vor ſich hin, die Joe Smith entweder nicht verſtand oder nicht verſtehen wollte.

Fünf Minuten ſpäter trat letzterer zu Arnold in das Zimmer.

80

Er ging freundlich auf ihn zu und reichte ihm die Hand, als ob nichts vorgefallen wäre.

Jch habe Sie mit Ungeduld erwartet, Sir, nahm er, nach einer ſtummen Begrüßung von Arnold, das Wort, mit um ſo lebhafterer, fügte er hinzu, da ich zugleich einen Auftrag an Sie auszurichten und eine Bitte an Sie zu thun habe. Sie werden viel - leicht ſchon von John Adams gehört haben, fuhr er fort, nachdem er ſich auf den ihm von Arnolden dargebotenen Stuhl niedergelaſſen hatte, daß ich, während Sie wahrſcheinlich Jhren Freunden, den Sioux, wieder einen Beſuch abſtatteten, mich zu einer Ge - ſchäftsreiſe gezwungen ſah.

Jch hörte noch nichts davon, Sir, ant - wortete ihm Arnold, um doch Etwas zu ſagen.

So erfahren Sie denn von mir, Sir, daß ich Mr. Carlin in wichtigen Geſchäftsangelegenheiten, die neue Organiſation der Miliz betreffend, zu ſpre - chen hatte und mich zu dem Ende mehre Tage zu Vandalia aufhalten mußte. Die Rede kam auch auf Sie, Sir, auf Jhre Talente und die ausgezeich - neten Dienſte, die Sie der aufblühenden Colonie ge - leiſtet haben. Jch ſprach zu gleicher Zeit meine Be - fürchtungen gegen Mr. Carlin aus, daß Jhnen von benachbarten Staaten Anerbietungen auf eine feſte81 Anſtellung gemacht werden dürften, und um dem zu begegnen, ſtellte er mir dieſes hier für Sie zu.

Er griff mit dieſen Worten in ſeine Taſche und zog ein ziemlich großes, doppelt zuſammengelegtes und mit einem Staatsſiegel verſehenes Papier daraus hervor.

Dieſes Document, fuhr er fort, enthält Jhre Beſtallung als County Surveyor, Sir, mit ei - nem Gehalte von tauſend Dollars, womit Sie, wie ich hoffe, für den Anfang zufrieden ſeyn werden.

Er überreichte ihm mit dieſen Worten die Schrift mit einer Verbeugung und, als Arnold zögerte, ſie anzunehmen, malte ſich ein lebhaftes Erſtaunen in ſeinen Blicken ab; Beide ſtanden ſchweigend und et - was verwirrt einander eine Weile gegenüber; dann nahm der Prophet wieder das Wort:

Es ſchmerzt mich in der That, Sir, daß es nicht in meiner Macht lag, Jhnen eine Jhren Wün - ſchen und Anſprüchen entſprechendere Anſtellung ver - ſchaffen und ein höheres Gehalt auswirken zu können; allein Sie ſollten berückſichtigen, daß ......

Sie mißdeuten den Beweggrund meiner Wei - gerung gänzlich, Sir, unterbrach ihn Arnold leb - haft erröthend; der mir angetragene Poſten als Graf - ſchafts-Jngenieur würde meinem Ehrgeize vollſtändig, ſowie das mir ausgeſetzte Gehalt meinen geringen Be -682dürfniſſen hinlänglich genügen, wenn ich mir ſagen dürfte, eine ſolche Güte von Jhnen verdient zu ha - ben. Und dann, fügte er nach einer Pauſe hinzu, iſt mir meine Freiheit ſo theuer, daß ſie mir um keinen Preis feil ſeyn würde.

Sie ſind ſehr ſtolz, junger Mann, ver - ſetzte Smith, nachdem er ihn einige Augenblicke mit ſeinen durchdringenden Augen forſchend angeſehen hatte; in der That, ſehr ſtolz! fügte er mit einem faſt vorwurfsvollen Tone hinzu.

Jch bin es, Sir, antwortete ihm Arnold mit Ruhe, wenn Sie den ſtolz nennen dürfen, der ſich feſt vorgenommen hat, der Begünſtigung von Seiten Anderer nie etwas ſchulden zu wollen, und ich würde Jhr Schuldner werden, wenn ich die mir angetragene Ehre und Bevorzugung vor Andern, die mehr Verdienſt als ich um den Staat haben, nicht ablehnte. Meine Leiſtungen waren nur gering, Sir, fuhr er nach einem kurzen Nachdenken fort, und ich wurde bisher von Jhnen und Andern, denen ich meine Zeit widmete, hinlänglich dafür belohnt ......

Es iſt eine faſt übertriebene Beſcheidenheit, Sir, die aus Jhnen ſpricht, unterbrach ihn der Prophet, die zwar Jhrem Character alle Ehre macht, aber Jhrem Fortkommen ſtets hindernd im Wege ſte - hen wird, wenn Sie ihr nicht entſagen und gerechter83 gegen ſich ſelbſt werden. Was aber die Freiheit, oder vielmehr die Ungebundenheit, betrifft, auf die Sie ei - nen ſo großen Werth zu ſetzen ſcheinen, ſo wird ſie keineswegs durch dieſe Anſtellung beſchränkt werden und Sie ſollen, fügte er lächelnd hinzu, nach wie vor unter Jhren lieben Sioux, in den Prairien und Urwäldern nach Geſchmack und Neigung leben können, ja ſo oft es Jhnen belieben wird, Sir, empfangen Sie mein Wort darauf.

Wozu dann aber dieſe Anſtellung? fragte Arnold und ſah Joe verwundert an. Wer ein Amt hat, muß ſein warten, heißt es im Sprichwort und ſowie ich die mir von Jhnen zugedachte Ehre ange - nommen hätte, müßte ich entweder der Pflicht oder der Freiheit entſagen; da mir nun die letztere das theuerſte Beſitzthum iſt, werden Sie mir erlauben, in den bisherigen Verhältniſſen zu beharren, die voll - kommen zufriedenſtellend für mich ſind und mir zu - gleich die Demüthigung erſparen, der Gunſt etwas zu verdanken zu haben.

Sie würden ſie vielleicht nicht ausſchlagen, wenn ſie Jhnen von einer andern Seite geboten wür - de? antwortete ihm der Prophet mit etwas gereiz - tem Tone und ihn forſchend dabei anſehend. Ge - ſtehen Sie, fuhr er nach einer Weile fort, ge - ſtehen Sie, Sie haben etwas gegen mich; Sie wollen6 *84mir, vor allen Andern mir, für Nichts verpflich - tet ſeyn?

Arnold, der zu ſtolz zur Lüge war, blieb ihm die Antwort ſchuldig.

Sie ſchweigen, fuhr Joe fort; Schwei - gen iſt auch eine Antwort, Sir, und ſo ſehr mich auch die von Jhnen eben empfangene negative betrübt, ſo danke ich Jhnen doch für Jhre Aufrichtigkeit. Da wir nun aber einmal ſo weit ſind, ſo ſetzen Sie ihr die Krone auf und ſagen mir, wodurch ich ſo un - glücklich bin, Jhnen zu mißfallen. Habe ich Sie je beleidigt, je nur gekränkt, Sir?

Niemals! betheuerte Arnold.

Nun, wenn dem ſo iſt, fuhr der Prophet fort, wenn ich Jhnen nie zu nahe trat; wenn Sie mein Beſtreben nicht verkennen konnten, Jhnen alles Gute und Liebe erweiſen zu wollen, das nur in mei - nen Kräften ſtand; wenn Sie ſelbſt bemerken mußten, daß mir an Jhrer Zuneigung, an Jhrem Vertrauen, ja, an Jhrer Freundſchaft gelegen und Sie konn - ten das nicht verkennen, da ich gegen Sie anders war, als gegen meine ganze übrige Umgebung was war es dann, was all mein Bemühen, Jhnen näher zu treten, zu Schanden machte?

Jhr Prophetenthum, Sir, verſetzte Arnold mit feſter Stimme.

85

Smith mochte eine ſo unumwundene Offenherzig - keit, trotz ſeiner Herausforderung, doch nicht von Arnolden erwartet haben, denn bei der Antwort des jungen Mannes verfärbte er ſich und es zeigte ſich ein ganz eigenthümlicher Ausdruck in ſeinen Geſichtszügen; dies dauerte aber nur einen Augenblick und ſich zu einem Lächeln zwingend, ſagte er:

Alſo das iſt es? Jch hätte Sie reifer ge - glaubt, junger Mann, fügte er ernſter hinzu, auf einem höhern Standpunkte ſtehend, über ſolche Thor - heiten längſt hinweg.

Ueber welche Thorheiten ſollte ich hinweg ſeyn, Sir? fragte Arnold ſtreng und ernſt. Etwa über die, es nicht verächtlich zu finden, mit dem Höch - ſten und Heiligſten, mit der Religion, ein heilloſes Spiel zu treiben? und was iſt denn ihr Propheten - thum anders, als ein ſolches?

Sie ſind ſehr ſtreng, ſehr entſchieden in Jhren Ausſprüchen, Jhren Urtheilen, Sir, verſetzte Joe nach einem kurzen Nachdenken, ernſt, aber nicht zornig; Sie ſcheinen ſogar die Abſicht zu haben, mir wehe zu thun; aber trotz dem danke ich Jhnen, weil Sie mir durch ihre Aufrichtigkeit Gelegenheit geben, mich gegen Sie zu erklären, ja, zu rechtfertigen, denn ich hoffe, daß mir das letztere gelingen werde. Ha - beu Sie Zeit, mir zuzuhören, Sir?

86

So viel Sie wollen, verſetzte Arnold und ſchob ihm einen Stuhl hin, um ihn zum Sitzen ein - zuladen, was aber der Prophet mit einer Bewegung der Hand ablehnte; denn wie alle Menſchen, die große Pläne und Abſichten mit ſich umhertragen, liebte er das Sitzen nicht.

Sie halten mich alſo für irreligiös, wandte Joe ſich fragend an Arnold, und nebenbei für einen Heuchler, weil ich eine Rolle ſpiele, die Sie und viel - leicht noch viele Andere nicht begreifen? Sie glau - ben in Folge deſſen das Recht zu haben, mich verach - ten zu dürfen? geſtehen Sie es nur!

Arnold ſchwieg und er fuhr fort:

Es iſt wahr, ich habe mit dem Dogma, mit Allem, was in der Religion Menſchenſatzung iſt, ſeit lange und für immer gebrochen. Früh ſchon lüf - tete mein Verſtand die geheimnißvolle Knospe des Glaubens, und als ſie geöffnet vor mir dalag, er - blickte ich nichts darin, als Moder und Wurmfraß und erſtaunte darüber, daß ſich die arme Menſchheit ſo viele Jahrhunderte lang ſo heillos hatte täuſchen laſſen ......

Und trotz dem, unterbrach ihn Arnold, daß Sie durch Jhren forſchenden Verſtand zu ſolchen Reſultaten gelangten und im edlen Unwillen, wenig - ſtens für ſich, den Tempel zertrümmerten, in dem nach87 Jhrer Meinung falſchen Göttern Opfer gebracht wur - den, trotzdem gingen Sie darauf aus, einen neuen zu erbauen und einen verzeihen Sie! wahrhaft ab - geſchmackten, ja lächerlichen, Cultus einzuführen? Rede ich nicht zu dem Stifter des Mormonismus und läßt dieſer ſich nicht von der irregeführten Menge Prophet nennen? fuhr er eifriger fort. Weshalb, ich frage Sie im Angeſichte Gottes, weshalb, wenn Sie die Wahrheit erkannt hatten, verheimlichten Sie ſie vor Denen, die Jhnen ihr Vertrauen ſchenkten? Weshalb ſtürzten Sie den einen Baal vom Altare, um einen andern an ſeine Stelle zu ſetzen?

Weil ich bei reiflicherem Nachdenken fand, daß die Menge eines ſolchen nicht entrathen kann, verſetzte Joe mit ruhigem Tone. Das Beiſpiel Tho - mas Paines, des großen Denkers, des reinen Dei - ſten und auch ich bin ein Deiſt hat gezeigt, fuhr er nach einer Pauſe fort, daß die Maſſe noch nicht reif für die großen Wahrheiten, daß ſie noch immer ein Kind iſt, dem man ein Spielzeug in die Hand geben muß, damit es ſich ruhig verhalte und keine Thorheiten begehe. Thomas Paine, ein Men - ſchenfreund, wie es wenige gab, ein Forſcher und Denker, wie jedes Jahrhundert kaum einen hervor - bringt, ſtellte in ſeinen unſterblichen Schriften die Wahrheit, den reinen Deismus, nackt, von allem88 Flitterſtat entkleidet, hin. Er führte den mathemati - ſchen Beweis, daß die Welt ſeit faſt zweitauſend Jah - ren durch die Pfaffen betrogen und abſichtlich in der Kindheit des Geiſtes, zur Förderung eigennütziger Zwecke, erhalten worden ſei. Jch war auf demſelben Wege, auf dem er war und wie er wäre ich fern vom Ziele zuſammengeſunken, zu Tode abgemattet von dem vergeblichen Bemühen, Denen Wahrheit zu predigen, die kein Organ haben, ſie in ſich aufzuneh - men. Die Maſſe, wie ſchon geſagt, iſt noch taub und blind; ſie iſt noch viel weiter in der Erkenntniß zurück, als man im Allgemeinen annimmt und ihr ſchon jetzt die großen Wahrheiten predigen wollen, müßte als ein lächerliches Bemühen betrachtet werden. Wie einem Kinde, muß man ihr die Puppe geben und zugleich die Ruthe zeigen. ......

Wenn Sie dieſe Ueberzeugung gewannen, Sir, unterbrach ihn Arnold abermals, weshalb ließen Sie dem Kinde denn nicht was es hatte und womit es ſich ſo lange zufrieden gab?

Weil durch langen Gebrauch ſich am Ende Alles abnutzt, war die Antwort des Gefragten; auch das Chriſtenthum iſt es und deshalb mußte Neues dafür an die Stelle geſetzt werden.

Und dieſes Neue wäre der Mormonismus? fragte Arnold und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.

89

Vielleicht, verſetzte der Prophet; viel - leicht auch etwas ihm Aehnliches; gewiß aber wird das Alte von etwas Neuem verdrängt werden, weil das Bedürfniß darnach da iſt. An dem Alten iſt ſchon zu viel gerüttelt worden; es hat ſich in allzu viele Theile geſpalten und iſt dadurch ſo geſchwächt, daß es ſich nicht mehr halten kann. Bedenken Sie, wie viele Secten es giebt, deren Anhänger ſich alle Chriſten nennen und ſich trotzdem auf Tod und Le - ben anfeinden. Auf alle dieſe blicken lächelnd und mit untergeſchlagenen Armen die Freigewordenen und rufen den Kämpfenden Worte der Ermunterung zu, in der Hoffnung, daß, wenn Jeder an der Seite des Nachbars rüttle, der morſche Bau um ſo eher zu - ſammenfallen werde, und er wird, er muß fallen.

Und wenn er gefallen ſeyn wird, was dann? fragte Arnold ernſt.

Wird ein anderer wieder errichtet ſeyn, war die Antwort, und wer es wohl mit der armen Menſchheit meint, muß mit daran bauen helfen.

Sehen Sie, fuhr Smith nach einer Pauſe fort, dieſe Ueberzeugung habe ich gewonnen und aus dem Grunde baue ich emſig und unbekümmert um den Spott und das Hohngelächter Derer fort, die nicht auf der Höhe der Bildung ſtehen und mein Thun ver - werfen, weil ſie es nicht begreifen oder mir wohl gar90 niedrige Abſichten, die des gemeinſten Eigennutzes, unterlegen, und was man auch gegen mich thun, wie hindernd man mir auch in den Weg treten, wie mich verläumden, verketzern möge, nichts wird mich davon abhalten, dem Ziele zuzugehen und alle meine Kräfte an die Erreichung deſſelben zu ſetzen. Jch habe, in den mannigfachſten Verhältniſſen lebend, die Menſchen und ihre Bedürfniſſe ſtudirt und bis auf den Grund kennen gelernt; vor mir ſind die Triebfedern ihrer Handlungen, vor mir alle ihre kleinen und großen Bedürfniſſe aufgedeckt und für mich iſt eine Täuſchung kaum mehr möglich. Freilich habe ich dieſe Menſchen - kenntniß mit großen Schmerzen und oft mit tödt - lichem Ekel erkaufen müſſen und wen eine eigenthüm - liche Richtung des Geiſtes nicht dahin führt, der hüte ſich, der armen Menſchheit mit dem geiſtigen Secir - meſſer in der Hand gegenüber zu ſtehen und damit in den kranken Eingeweiden, zum Nutzen der Ueberleben - den, zu wühlen; das aber mußte ich thun, weil ich mich zum Arzte berufen ſah, und ſo will ich nicht klagen, daß über den Beruf mein Leben für mich ſelbſt verloren ging, da meine Mühen, meine Leiden und Entbehrungen der Geſammtheit einſt zu Gute kommen werden.

Das hoffen Sie wirklich? fragte Arnold, den Redner mit ſeinen durchdringenden Blicken feſt91 anſehend. Sie hoffen wirklich, die Frucht des Le - bens vom Baume der Lüge, des Betrugs zu ärnten, Sir?

Sie nennen mein Prophetenthum eine Lüge, den Mormonismus einen Betrug, junger Mann, verſetzte Smith, ohne zornig zu werden; wohlan, ich gebe zu, daß Sie darin Recht haben; aber wenn ich die meinem Worte Vertrauenden belüge, wenn ich ſie hintergehe, ſo geſchieht es in einer Abſicht, die ich vor Gott, vor mir ſelbſt und vor jedem guten und gerechten Menſchen verantworten kann: es geſchieht, um die Menſchen beſſer und dadurch glücklicher zu machen. Daß etwas für ſie geſchehen müſſe, daß Alles zu Grunde gehen würde, wenn man ſie nicht durch irgend Etwas aus dem Zuſtande aufrüttelte, in den ſie verfallen waren, das wurde mir erſt recht klar, als mein Schickſal mich hieher, in die vereinigten Staaten von Amerika, führte, denn hier liegen die Zuſtände nackter am Tage, als in dem überfeinerten Europa. Hier ſchämt man ſich kaum ſeiner Sünden und geiſtigen Gebrechen mehr; hier ſind die Gefühle von jeglicher Poeſie entkleidet; hier heißt Leben, nach Gold und materiellen Genüſſen jagen; hier fehlt der Sinn für das Große, das Schöne, das Erhabene gänzlich; hier darf ſich, ohne Furcht vor Verachtung, der Egoismus in ſeiner ſcheußlichen Blöße zeigen; hier92 wird verhöhnt, wer nur ahnen läßt, daß es noch höhere Bedürfniſſe, als die gröbſten materiellen, für ihn gebe. Sie kennen dieſes Land und kennen auch die Menſchen darin und ſo darf ich nicht fürchten, Sir, daß Sie mir den Vorwurf machen werden, den Pinſel in den Farbentopf eines Höllenbreughels ge - taucht zu haben, indem ich ſie Jhnen ſchilderte.

O nein, nein! rief Arnold ſchmerzlich be - wegt aus, Sie haben nicht übertrieben, es iſt hier ſo, wie Sie ſagten.

Und in dieſen Zuſtand, fuhr der Prophet nach einer ziemlich langen Pauſe fort, waren die Menſchen, welche ſich Chriſten nennen, unter der Aegide der ſogenannten geoffenbarten Religion gera - then, umgeben von Prieſtern und Kirchen, im Ange - ſichte der Altäre. Jch ſah ſie am Morgen mit der andächtigſten Miene in die Kirchen wallen; ich ſah Thränen in ihren Augen bei den Drohungen und Er - mahnungen der Prieſter; ich ſah ſie das geſtohlene oder ſonſt auf ſchändliche Weiſe erworbene Geld in die Opferblöcke legen; ſah ſie den Feiertag, nach dem Gebot der Kirche, durch Nichtsthun heiligen, aber trotz dem Allen doch den niedrigſten Laſtern fröhnen, ſie die größeſten Verbrechen begehen; ich ſah ſelbſt den Prieſter, der Demuth, Barmherzigkeit, Keuſch - heit und einen Gott gefälligen Wandel predigte, Sün -93 den begehen, vor denen das Herz erbebte, und mußte mir ſo ſagen, daß die jetzt noch dem Namen und der Form nach beſtehende Religion ſich ſelbſt überlebt und alle ihre heiligende Kraft bereits verloren habe. Dieſer Ueberzeugung entſprang der Gedanke, an die Stelle des wirkungslos gewordenen Veralteten etwas Neues, Friſches, Anregendes zu ſetzen. So entſtand der Mormonismus, ſo wurde ich, der Verkünder, wenn Sie wollen, der Erfinder, der neuen Lehre von den Gläubigen Prophet genannt.

Daß ich mich in meinen Vorausſetzungen und Berechnungen nicht täuſchte, fuhr Smith nach einer Pauſe fort, liegt, glaube ich, am Tage. Die ſeither von jeder Religion entkleidete, aber nach einem poſitiven Glauben das innigſte Bedürfniß fühlende Maſſe griff begierig nach der ihr von mir dargebo - tenen geiſtigen Speiſe, und, ich darf es ſagen, weil dem wirklich ſo iſt, wahrhaft fromme, inbrünſtige, heiligende Gebete ſteigen an unſern neu errichteten Al - tären wieder zum Urgeiſte empor. Dieſe religiöſe Er - hebung wirkte wieder auf das äußere Leben zurück, denn wo, ich frage Sie, wo findet man wohl fröm - mere, fleißigere, ſtrengſittlichere und dem Geſetze ge - horſamere Menſchen, als bei uns? wo findet man ſie ſo wie hier? Sie haben drei Jahre unter uns gelebt und können ſich ſo über den hier herrſchenden Geiſt94 nicht mehr täuſchen, mir aber auch zugleich das Zeug - niß nicht verſagen, daß ich Diejenigen, welche ſich mir vertrauend in die Arme warfen, zu glücklichern, weil tugendhaften und geſittetern, Menſchen machte, als ſie bis dahin waren.

Und ſollten dieſe Reſultate, fragte Arnold, als Smith jetzt ſchwieg, nicht auf einem andern, als dem von Jhnen eingeſchlagenen Wege zu erzielen geweſen ſeyn?

Das verſuche ein Anderer, das verſuchen Sie, mein junger Freund, verſetzte der Prophet mit einer an ihm ungewohnten Lebhaftigkeit, und reüſſiren Sie, ſo werde ich mit eigener Hand meinen Mormontempel umreißen und mich zu Jhrem Schüler, zu Jhrem Bewunderer machen.

Arnold war nicht überzeugt, aber auf dem Punkte angelangt, wo er dem Propheten nichts mehr zu ant - worten wußte.

Laſſen wir dieſe Erörterungen für jetzt ru - hen, ſagte Joe Smith nach einer Pauſe; wir kön - nen ja den Faden gelegentlich wieder aufnehmen und Sie werden mich immer bereit finden, Jhnen Rede und Antwort zu ſtehen, ſowie Sie es der Mühe werth fin - den ſollten, Aufſchlüſſe über mich ſelbſt und mein Wirken zu verlangen. Das heute angeregte Thema iſt ſo groß, ſo wichtiger Natur, daß ſich Viel darüber95 verhandeln läßt. Aber Eins verſprechen Sie mir, mein Freund, fügte er, ſeine Hand auf Arnolds Arm legend, hinzu: immer ſo offen und wahr wie heute gegen mich ſeyn zu wollen, damit es mir möglich bleibe, mich vor Jhnen zu rechtfertigen, wenn einmal wieder Zweifel gegen mich in Jhrer Seele aufſteigen ſollten. Denn, ich verhehle es Jhnen nicht, ſagte er, dem jungen Manne freundlich in’s Auge blickend, mir iſt an Jhrer Achtung und Billigung ſehr gelegen und ich werde nicht aufhören, um das zu werben, was mich beglücken würde: um Jhre Freundſchaft.

Sie überſchütten mich mit Güte, verſetzte Arnold mit einiger Verlegenheit; möchte es in mei - ner Macht ſtehen, mich dankbar dafür zu bezeigen.

Joe Smith fühlte das Ausweichende, das in die - ſer Antwort lag, ſehr wohl, ging aber nicht weiter darauf ein.

Jch habe noch eine Bitte an Sie, ſagte er, indem er Arnolden die Hand zum Abſchiede reichte: ſchenken Sie mir dann und wann Jhren Beſuch in meiner Wohnung, und ohne die Antwort abzuwar - ten, entfernte er ſich eilig, als fürchte er, eine ab - ſchlägige zu erhalten.

96

Sechſtes Kapitel.

Das gänzlich veränderte Benehmen Joe Smiths gegen ihn fiel Arnolden mit Recht auf und flößte ihm noch mehr Mißtrauen gegen dieſen Mann ein, als er früher ſchon gegen ihn gehabt hatte. Drei Jahre war Arnold bereits in Nauvoo geweſen und größtentheils mit Arbeiten für die Colonie beſchäftigt, was ihn in häufige Berührung mit dem Oberhaupte der Mor - mons bringen mußte, ohne daß der Ton zwiſchen ihm und Joe Smith ſich verändert hatte. Beide Männer begegneten ſich mit der kalten Höflichkeit, die gebil - dete Menſchen gegen einander zu beobachten pflegen, wenn Schickſale oder Verhältniſſe ſie zum täglichen Verkehr mit einander zwingen und ſie doch in Nei - gungen und Anſichten durchaus verſchieden ſind. Man iſt um ſo mehr bei ſolchem Umgange auf der Huth, da das Herz durchaus nicht dabei betheiligt iſt und allein der Verſtand uns das zu beobachtende Betragen dictirt, und da man einander nichts entgegentragen kann, als die äußere Höflichkeit, läßt man es an die - ſer nicht fehlen.

Arnold gehörte überhaupt nicht zu den vertrauen - den, ſich leicht hingebenden Naturen. Er hatte einen ſcharfen, ſichtenden Verſtand und ließ ſich durch den97 äußern Anſchein nicht leicht täuſchen. Alles, was an Lüge, Heuchelei und Betrug grenzte, war ihm über - dies ein Gräuel und er hielt den Grundſatz feſt, daß die Lüge unter keinen Umſtänden eine heilſame Frucht tragen könne.

So hatte ihm auch Joe Smith von vorn herein das größeſte Mißtrauen eingeflößt und er verachtete ihn ſchon wegen der Rolle, die er unter den ihm gänzlich hingegebenen, ihm unbedingt vertrauenden Menſchen ſpielte, die ihr Schickſal an das ſeinige ge - knüpft hatten und zeitliches und ewiges Glück von ihm erwarteten. Durch einige kleine Züge, die ſeiner ſchar - fen Beobachtung nicht entgangen waren, hatte er die Ueberzeugung gewonnen, daß der Mormonen-Prophet von einem glühenden Ehrgeize beſeelt ſei und große Pläne mit ſich umhertrage; denn er ließ keine Ge - legenheit vorbeigehen, ſeine äußere Macht zu ver - ſtärken und die ihm untergebenen Truppen ſo einzu - üben, daß ſie die beſtdicipliuirten des ganzen Nord - oſtens waren. Auch zog er Männer von militäri - ſchem Rufe und anerkannter Tapferkeit durch Ver - ſprechungen und ungewöhnliche Beſoldungen, die er ihnen bewilligte, gefliſſentlich an ſich und die Anla - gen, die er um Nauvoo machen ließ, deuteten darauf hin, daß er die Stadt zur Feſtung zu machen im Sinne hatte. Alles dieſes betrieb er aber, um nicht798die Aufmerkſamkeit des Gouverneurs von Jllinois auf ſich zu lenken, mit der größeſten Heimlichkeit, auch hatte er, das lag am Tage, keinen einzigen Vertrau - ten, ſondern verſchloß alle ſeine weitausſehenden Pläne und Abſichten in ſich, wodurch er vor Verrath ge - ſichert war.

Ueber ſein häusliches Leben wußte man ſo viel als gar nichts, auch ſah er nie Geſellſchaft bei ſich, obgleich ſeine Wohnung groß und geräumig genug ſeyn ſollte, wie die behaupteten, die beim Bau des Tempels beſchäftigt geweſen waren. Wenn er mit den Officieren ſeiner Miliz oder mit andern Angeſtell - ten zu ſprechen hatte, ließ er ſie in das Arſenal kom - men, wo ein Zimmer zu dieſem Zwecke eingerichtet worden war.

Die größeſte Neugier erregte die Tochter des Propheten bei den vielen jungen Leuten, die entweder als Officiere bei den Truppen oder als Beamte ange - ſtellt waren; allein alle Bemühungen derſelben, Ma - rie man wußte, daß ſie dieſen Namen führte zu ſehen, waren an dem Umſtande geſcheitert, daß ſie ſich auch nicht ein einziges Mal öffentlich zeigte, und aus dem alten Gärtner, John Adams, war nichts herauszubringen, indem dieſer der mürriſchſte und verſchloſſenſte Menſch von der Welt war.

Jetzt ſollte ſich für Arnold, wenn er übrigens99 Luſt hatte, von der Einladung Joe Smiths Gebrauch zu machen, das Geheimniß enthüllen, das die Häus - lichkeit des Propheten umgab, und man wird es ei - nem jungen Manne wohl kaum verdenken, daß er ei - ner ſo natürlichen Neugierde bei der erſten ſich ihm darbietenden günſtigen Gelegenheit nachgab.

Er hatte Joe Smith den Riß zu einer neuen Brücke, die dieſer über den Nauvoo begrenzenden Des Moines ſchlagen laſſen wollte, vorzulegen und wandte ſich mit der Forderung an ſeinen Hauswirth, den al - ten John Adams, ihn bei dem Propheten anzu - melden.

Sie anmelden, Sir? fragte dieſer und ſah ihn dabei ſo verwundert an, als habe er ihm den Auftrag gegeben, ihm eine Audienz beim lieben Gott zu verſchaffen. Sie wiſſen doch, Sir ......

Jch weiß Alles und befehle euch nochmals, mich bei Herrn Smith anzumelden, unterbrach ihn Arnold ungeduldig.

Der Alte entfernte ſich kopfſchüttelnd und einige Worte vor ſich hinmurmelnd, aber er gehorchte doch und als er nach etwa zehn Minuten durch den Gar - ten zu Arnolden zurückkehrte, hatten ſeine ſonſt ſtar - ren und finſtern Geſichtszüge einen ganz andern, viel freundlichern Ausdruck angenommen.

Der Herr General-Lieutenant erwartet Sie,7 *100Sir, ſagte er mit einem Tone, in dem mehr Ach - tung und Ergebenheit lag, als man ſonſt von dieſem mürriſchen Alten gewohnt war, und dabei ſah er Arnolden mit einer Art von ſcheuem Erſtaunen an, denn was dieſem gewährt wurde, war, ſo lange er den Dienſt des Schließers und Gärtners bei Joe Smith verſah, noch nie irgend Jemanden geſtattet worden.

Jſt es Jhnen gefällig, Maſter Arnold, ſagte er, als er ſah, daß dieſer ſchweigend ſeine Zeich - nungen und Papiere zuſammenlegte, iſt es Jhnen ge - fällig, mir zu folgen? Man erwartet Sie, Sir.

Arnold folgte ihm. Der Alte öffnete die hohe, in den Garten führende Pforte von dickem Eichenholze und ließ ihn voran in den Garten treten. Beſchäf - tigt mit ſeinen Gedanken, wie es Arnold in dieſem Augenblick war, bemerkte er kaum, daß er ſich an einem Orte von faſt zauberhafter Schönheit befand. Die Anlage verrieth zugleich Geſchmack und Schön - heitsſinn; Tauſende von Blumen blühten in der bren - nendſten Farbenpracht und erfüllten die Luft mit den Balſamdüften ihrer Kelche. Jn großen Kübeln ſtan - den Orangenbäume von ſolcher Größe und Schön - heit, daß ſie einem königlichen Garten Ehre gemacht haben würden, am Wege und bildeten eine duftige Allee. Jn der Mitte des Gartens erblickte man einen101 ovalen, von dem üppigſten Raſen eingeſchloſſenen Teich, in dem Gold - und Silberfiſche im belebenden Son - nenſtrahle ſpielten. Hier bot ein Blumenparterre, dort ein ſinnig angelegtes Bosquet den reizendſten Anblick dar und aus den Zweigen der höchſten Bäume ſäuſel - ten wahrhaft himmliſche Töne zu dem Ohre des ent - zückten Hörers nieder: es waren Aeolsharfen ſo ge - ſchickt darin angebracht, daß der leiſeſte Lufthauch den Saiten die wunderbar klagenden Töne entlockte, die das Herz mit ſo ſüßer Melancholie erfüllen.

Arnold ſah das erſte Mal, als er dieſen zauber - haften Ort durchſchritt, wenig von der Schönheit deſ - ſelben und lernte ihn erſt ſpäter, wo er oft darin verweilte, würdigen. Sein Führer, der ſich ſchon auf die Ueberraſchung gefreut haben mochte, die ſein Be - gleiter beim Anblick dieſes wahrhaft feenhaften Gar - tens an den Tag legen würde denn die Schönheit deſſelben war größtentheils ſein Werk wurde nicht wenig durch die anſcheinende Gleichgültigkeit des jun - gen Europäers verſtimmt und ſein Geſicht nahm den frühern mürriſchen und finſtern Ausdruck wieder an. Er öffnete, ohne ein Wort zu ſagen, mit dem mit - gebrachten Schlüſſel die in den Garten führende Thür, ſchellte mit einer daneben angebrachten Glocke, ver - beugte ſich gegen Arnold und trat dann ſchweigend den Rückweg an.

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Arnold wußte nicht, ob er noch draußen bleiben oder eintreten ſollte; da aber die in’s Jnnere des Tempels führende Thür offen ſtand, entſchloß er ſich zu letzterm.

Die Kirche, oder vielmehr der Tempel, war ein Erſtaunen, Ehrfurcht und Bewunderung gebietendes Gebäude und imponirte ſowohl durch ſeine Größe, als durch ſeine Einfachheit. Das Schiff bildete ein ſchönes Oval; die Decke war gewölbt und von ſchlan - ken Säulen von ſchneeweißem Marmor getragen. Die Bildhauerarbeit, die Vergoldungen waren im edelſten Geſchmacke und obgleich Alles reich, ſo war doch Nichts überladen. Auf dem Altare, der mit einer reichgeſtickten Decke von violettem Sammt belegt war, lag das heilige Buch oder die goldene Bibel der Mor - mons unter einer Kryſtallkuppel und bildete die ein - zige Verzierung des Altares. Man erblickte keine Kanzel, denn der Redner ſtellte ſich in die Mitte der gläubigen und andächtigen Zuhörer, die einen dichten Kreis um ihn bildeten und ihm ſtehend zuhörten.

An der Morgenſeite des Gebäudes gewahrte man eine breite Treppe, deren Stufen von ſchwarzem Mar - mor und deren zierliches Geländer von blankgebohn - tem Paliſander gemacht waren; dieſe Treppe führte zu Smiths Wohnung, und da Arnold nur dieſe eine erblickte, betrat er ſie.

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Kommen Sie, mein Freund, ich erwarte Sie bereits mit einiger Ungeduld! rief ihm von oben herab die volltönende, wohllautende Stimme des Pro - pheten entgegen, und er beeilte ſich, dieſem Rufe Folge zu leiſten.

Es iſt ſehr lieb von Jhnen, ſagte Joe mit gewinnender Freundlichkeit zu ihm, als er oben bei ihm angelangt war, daß Sie meiner herzlich gemein - ten Einladung ſobald Folge leiſteten; in der That, ich weiß Jhnen Dank dafür, Sir!

Er nahm ihn bei dieſen Worten zutraulich bei der Hand und führte ihn in ſein Arbeitszimmer, das zugleich ſeine Bibliothek war, denn alle Wände deſ - ſelben waren mit Repoſitorien und dieſe wieder dicht mit Büchern beſetzt, die nach den verſchiedenen Fächern geordnet waren, wie Arnold ſich ſpäter überzeugte.

Hier ſehen Sie den Theil der Welt, in dem mir am wohlſten iſt, nahm Smith nach einer Pauſe das Wort, als er bemerkte, daß ſich Arnold mit ſicht - barem Wohlgefallen in dem hell von der Sonne be - ſchienenen Raume umſah.

Auch ich würde mich unter dieſen Literatur - ſchätzen ganz ausnehmend behaglich fühlen, verſetzte der junge Deutſche, beſonders nachdem ich eine an - regende Lectüre ſchon ſo lange ſchmerzlich habe ent - behren müſſen.

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Deshalb haben Sie allein ſich ſelbſt anzu - klagen, antwortete ihm Smith: auf einen nur leiſe von Jhnen geäußerten Wunſch hätten Jhnen dieſe Bücher ſämmtlich zu Gebote geſtanden. Sehen Sie ſich einige Augenblicke hier um, fügte er hinzu, und erlauben mir, während des meine Tochter auf einen lieben Gaſt vorzubereiten, denn Sie müſſen für heute der unſrige ſeyn, und ohne Arnolds Antwort abzuwarten, entfernte er ſich aus dem Zimmer, als fürchte er, die Arnolden angebotene Gaſtfreundſchaft abgelehnt zu ſehen.

Der junge Deutſche hatte jetzt Muße, die in die - ſem Gemache aufgeſtellten Bücherſchätze in Augenſchein zu nehmen und erſtaunte nicht wenig, als er faſt alle claſſiſchen deutſchen Werke, und ſowohl ſchönwiſſen - ſchaftliche als gelehrte, in faſt allen Wiſſenſchaften fand. Er hatte bis dahin nicht einmal gewußt, daß Joe Smith deutſch zu ſprechen verſtand, denn, wie es in Nordamerika Sitte iſt, hatte er nur engliſch mit ihm geredet; dieſe Maſſe von deutſchen Werken bewies ihm aber, daß der Prophet ein Freund und Bewunderer ſeiner vaterländiſchen Literatur ſeyn müſſe; denn zu welchem ſonſtigen Zwecke hätte er ſich damit umringen ſollen, als um ſie zu leſen?

Mit faſt vor Begierde zitternder Hand griff er nach einem Bande, der den Fauſt enthielt und105 vertiefte ſich bald ſo im Leſen, daß er der Rückkehr Joe’s, der durch die offen gelaſſene Thür zu ihm ein - getreten war, nicht bemerkte.

Aha, ich dachte es mir wohl, daß Sie die - ſes Buch zunächſt anziehen würde! ſagte der Prophet, der über Arnolds Schulter geguckt und geſehen hatte, was er ſo eifrig las.

Verzeihen Sie, Sir, antwortete ihm Arnold faſt beſchämt über die ſich genommene Frei - heit, verzeihen Sie, daß ich es wagte, dieſes Buch ohne Jhre beſondere Erlaubniß von ſeiner Stelle zu nehmen; aber mein Verlangen ......

Laſſen wir das, mein Freund, unterbrach ihn Joe; unterlaſſen wir in Zukunft alle dieſe Förm - lichkeiten und betrachten Sie ſich als den Gebieter über Alles, was ich mein nenne. Es wird mich freuen, wenn Sie in Zukunft einen recht häufigen Ge - brauch von meiner Bibliothek machen, die Jhnen, ich wiederhole es, ein für alle mal zur Dispoſition ge - ſtellt iſt.

Sie leſen auch deutſch, wie ich ſehe, Sir? fragte ihn Arnold.

Wie ſollte ich nicht? erwiderte ihm Smith in dieſer Sprache und im reinſten deutſchen Accent: iſt die deutſche doch meine Mutterſprache. Wir ſind Landsleute, mein junger Freund; vielleicht gar beide106 Rheinländer, wie ich nach dem Accent Jhres Engliſchen ſchließe; denn, fügte er lächelnd hinzu, Schwa - ben, Rheinländer, Franken und Thüringer können nie ihren Accent verläugnen, welche fremde Sprache ſie auch reden mögen.

Sie haben Recht, Sir, ich bin ein Rhein - länder, antwortete ihm Arnold nicht ohne einige Verwirrung; und Sie ſind es auch, Sir, wie ich von Jhnen verſtanden zu haben glaube?

Ja! war die kurze Antwort Smiths, der an den Tiſch trat und die darauf liegenden, von Arnold mitgebrachten Riſſe, Berechnungen und ſonſti - gen Schriften, die auf den Brückenbau Bezug hatten, ergriff, um ſie durchzuſehen.

Wir haben noch eine Stunde, und drüber, Zeit, bis wir zu Tiſch gerufen werden. nahm Joe das Wort, und einen zweiten Stuhl an den Arbeits - tiſch ſchiebend, lud er Arnold durch eine Bewegung mit der Hand zum Niederſitzen ein; wenn Sie nichts dagegen haben, arbeiten wir noch erſt ein wenig mit einander: die Mahlzeit wird uns darauf um ſo beſſer ſchmecken.

Arnold leiſtete der an ihn ergangenen Einladung Folge und ließ ſich neben Joe auf den ihm hingerück - ten Stuhl nieder. Man ſah die mitgebrachten, ſehr hübſchen und ſauber gearbeiteten Zeichnungen durch,107 verglich ſie mit einander, wählte und verwarf, um wieder zu wählen, bis man einig war, welche es ſeyn ſolle. Dann wurden die Koſtenanſchläge durchgeſehen, Dies und Jenes nachgerechnet, verändert, beſprochen, bis auch dies beſeitigt war, und ſo floß eine gute Stunde hin.

Jetzt kommen Sie, mein junger Freund, nahm dann Joe Smith das Wort, nachdem er einen Blick auf die auf dem Secretair ſtehende, überaus ſchöne Setzuhr geworfen hatte; jetzt kommen Sie: Marie wird uns ſchon erwarten, denn dies iſt unſre Mittagszeit.

Arnold gehorchte ihm, ſtand auf und nahm den ihm von dem Propheten dargebotenen Arm an.

Als man auf den geräumigen Corridor hinaus - trat, an deſſen äußerſtem Ende das Wohnzimmer lag, drangen die Töne eines Fortepianos und einer weib - lichen Stimme an Arnolds Ohr.

Marie übt ſich noch, flüſterte Joe ſeinem Begleiter zu, indem er ſeine Schritte anhielt; be - lauſchen wir Sie, denn Sie ſingt nie beſſer, als wenn ſie ſich allein glaubt. Die Einſamkeit, die völlige Abgetrenntheit von der Welt, in der das gute Kind lebte und das ſoll jetzt anders werden, ich bin es ihr ſchuldig! haben es ſchüchtern, ja faſt blöde gemacht, ſo daß man ſie niemals dahin vermögen108 würde, vor fremden Ohren zu ſingen oder zu ſpie - len. Was ſagen Sie aber zu dieſer Stimme, Sir?

Der Gefragte antwortete ihm nicht: das Ent - zücken oder vielmehr die Bewunderung beraubten ihn der Sprache. Er hatte vielleicht ſchöner, kunſtreicher, aber noch niemals ſo ſingen hören und wenn ein geiſtreicher franzöſiſcher Novelliſt erzählt, ein berühm - ter Maeſtro auf der Violine habe die Seele ſeiner ſterbenden Großmutter in ſein Jnſtrument zu bannen gewußt und dadurch den außerordentlichſten Effect einen faſt ſchauerlichen, überirdiſchen hervorge - bracht, ſo hätte man bei den gehörten Tönen etwas Aehnliches vermuthen ſollen. Es waren Sphärenme - lodien und Sterbeſeufzer, die ſich auf die wunderbarſte, erſchütterndſte Weiſe mit einander vermiſchten und bald die Seele des Hörers in den Himmel, bald in die ſchauerliche Nacht des Grabes hinabzogen.

Wie von einem Zauber gebannt, blieb Arnold ſtehen; er wagte kaum zu athmen, um keinen dieſer Töne, die oft wie ein Hauch dahinſtarben, zu ver - lieren, und nie zuvor gekannte Gefühle hatten ſich dermaßen ſeiner bemächtigt, daß er gänzlich vergaß, wo er ſich befand.

Endlich ſchwieg der Geſang, die Töne des Jn - ſtruments verklangen in leiſen, dahinſterbenden Akkor - den und der Flügel wurde geſchloſſen.

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Joe Smith, dem ſeine innere Bewegung nicht entgangen war, ſagte jetzt mit leiſer Stimme, als wolle er den Eindruck nicht ſchwächen, den der Ge - ſang auf Arnold gemacht hatte:

Kommen Sie jetzt, mein Freund! und mit dieſen Worten ſchritt er voran zur Thür, die er öffnete, um Arnold einzulaſſen.

Ein junges Mädchen ſaß bei dem Eintritt der Beiden noch vor dem ſchon geſchloſſenen Flügel. Es ſtützte das Haupt auf die ſchneeweiße, ſo kleine und zarte Hand, daß ſie einem Kinde anzugehören ſchien, und den Ellenbogen wieder auf den Flügel, ſo daß es wie in Nachdenken verſunken und den Eintritt der Beiden nicht bemerkt zu haben ſchien.

Jch führe dir unſern werthen Gaſt zu, Marie, nahm Joe Smith das Wort, und wie er - ſchrocken ſprang die Angeredete auf und ſtellte ſich in dem vollen Glanze ihrer Schönheit Arnolden ge - genüber, der, wie von einem Sonnenſtrahle plötzlich getroffen, das geblendete Auge hätte ſchließen mögen.

Die Geſtalt war eher klein, als groß, aber der Bau der Glieder war ſo vollkommen und alle Theile ſtanden in einer ſolchen Harmonie mit einander, daß man ein Gebilde aus der Zeit der Phidiaſſe vor ſich zu ſehen glaubte. Dieſer Wuchs hielt genau die Mitte zwiſchen zu großer Fülle und zu großer Magerkeit und110 Hände, Arme, Füße waren ſo bewunderungswürdig geformt, daß man faſt das über alle Beſchreibung reizende Haupt, die blühenden Wangen, den roſigen Mund, die ſchöngeformte kleine Naſe, die ſchneeweiße, von ſchwarzen Locken umkränzte Stirn und die ſtrah - lenden dunklen Augen, mit dem etwas ſchalkhaften Blick, darüber vergaß.

Die geſchmackvolle Kleidung, ein Gewand von ſchwerem dunkelviolettem Seidenſtoffe, nach der neue - ſten Mode gemacht, konnte nur dazu dienen, dieſe natürliche Schönheit noch mehr hervorzuheben. Das dunkle, lockige Haar war etwas phantaſtiſch aufge - neſtelt und ohne weitern Schmuck, als einen mit Ru - binen ausgelegten goldenen Pfeil, der nachläßig durch die reiche Flechte geſteckt war. Den Hals ſchmückte eine Reihe ſehr großer und ſchöner Zahlperlen, die durch ein Diamantſchloß gehalten waren; ſonſt er - blickte man keinen Schmuck, außer dem ihm von der Natur verliehenen, wahrhaft bezaubernden der Schön - heit und Jugend, an dem Mädchen.

Seyn Sie uns herzlich willkommen, Sir, nahm Marie mit einer ſo ſanften Stimme das Wort, daß Arnold ſie noch ſingen zu hören glaubte. Es iſt ſehr gütig von Jhnen, fügte ſie hinzu, als er ihr bloß durch eine Verbeugung antwortete, daß Sie unſere Einſamkeit theilen wollen.

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Sie wollen ſagen: den Himmel, hätte Arnold antworten mögen, allein er unterdrückte die Worte und ſpielte, da er wieder nur durch eine Ver - beugung antwortete, eine etwas armſelige Figur, was ihn, da er das recht wohl begriff, nicht wenig peinigte.

Nehmen Sie Platz, Sir, wandte ſich jetzt der Prophet, Arnolden einen Seſſel hinſchiebend, zu der nicht geringen Erleichterung des jungen Mannes, an ſeinen Gaſt.

Eben wollte dieſer von der ihm ertheilten Er - laubniß Gebrauch machen und zugleich antworten, als ſich die Thür eines Nebenzimmers öffnete und ſich eine weibliche Geſtalt in der Oeffnung zeigte, die den voll - ſtändigſten Contraſt gegen Mariens blühende Schön - heit und Jugendfriſche darbot, aber trotz dem faſt nicht minder anziehend war. Es war eine hohe, ſchlanke Geſtalt, von jener Magerkeit aber, von je - nem ſchneeweißen, faſt durchſichtigen Teint, die im Ge - folge der tödtlichſten aller Krankheiten, der Schwind - ſucht, zu ſeyn pflegen. Auch zeigte ſich in den tief - blauen Augen jener feuchte Glanz und auf den blei - chen Wangen, dicht unter den Augen jene verrätheri - ſche Röthe, die als ein ſo ſicheres kennzeichen dieſer Krankheit angeſehen werden. Das Geſicht trug ſelbſt jetzt noch Spuren einer einſt außerordentlichen Schön -112 heit an ſich. Man konnte kaum edlere Formen ſehen, kaum ſchönere Zähne und Augen, als dieſe, und die krankhafte Röthe auf den Wangen log ſelbſt noch eine Jugend, in deren Beſitze die eben ſich Zeigende nicht mehr war. Das Haar war blond und hing in etwas unordentlichen, wie es ſchien, feuchten Locken auf Hals und Nacken hinab. Ein einfaches, ſchnee - weißes, blouſenförmiges Gewand hüllte dieſen völlig abgemagerten, deshalb aber durchaus nicht ungraziö - ſen Körper bis zum Hals hinauf ein und die Taille wurde durch einen ſchwarzen Gürtel bezeichnet.

Wenn es gefällig iſt, es iſt angerichtet, ſagte die Neueingetretene mit jener hohlen und etwas tiefen Stimme, die allemal eine kranke Lunge zu be - gleiten pflegt.

Wir kommen, Dina, antwortete ihr der Prophet und die Erſcheinung zog ſich in das Neben - zimmer zurück, wohin ihr die Drei folgten.

Arnold konnte ſich über Alles, was er in der Wohnung Joe Smiths ſah, nicht von ſeinem Erſtau - nen erholen. Wenn die ſeltene, blühende Schönheit Mariens ihn mit einer nie zuvor gefühlten Bewun - derung erfüllte, ſo hatte das arme, kranke, verblühte, ſichtbar dem Grabe zuwankende Weſen, das hier die Rolle einer Aufwärterin zu ſpielen ſchien, wieder et - was ſo Magnetiſches für ihn, daß er faſt eben ſo oft113 den Blick auf ihre verblühten Reize, als auf die blü - henden Mariens richten mußte. Jhm war vom er - ſten Augenblick an, als müſſe er in eine nähere Be - ziehung zu dieſer armen Sterbenden treten; als ſei ſie vom Schickſal dazu beſtimmt, ihm noch einen großen Dienſt zu leiſten oder ihm einen Troſt zu brin - gen, bevor ſie in das dunkle Grab hinabſtiege; wenigſtens konnte er ſich auf keine andere Weiſe das lebhafte Jntereſſe erklären, das er an ihr nahm.

Dina ſo wollen wir ſie fortan bei ihrem Vornamen nennen beſorgte ganz allein die Auf - wartung bei Tiſche; ſie war alſo offenbar in einer völlig untergeordneten Stellung in dieſem Hauſe; aber ihre Haltung, ihre Bewegungen und etwas Gebieten - des, das in ihren Mienen lag, verriethen nur zu deutlich, daß ſie nicht zu den Geſchäften geboren ſei, die man ſie jetzt verrichten ſah, und dies trat nicht ſtärker hervor, als wenn ſie Marie bediente, die ihrer - ſeits von ihrer Anweſenheit nicht die mindeſte Notiz nahm, während der Prophet von Zeit zu Zeit einen ſchnellen und ſtrengen Blick auf die Arme warf, der ſie jedesmal zuſammenfahren machte, als werde ſie heftig dadurch erſchreckt. Sie ſchlug dann das Auge nieder und ihre Wangen wurden für einen Moment mit einer - heren Röthe gefärbt, ihre Glieder ſchienen zu beben und ſie verrichtete ihre Geſchäfte mit einer krankhaften Haſt.

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Dies Alles entging Arnolds Blicken nicht und Joe Smith bemerkte recht gut, welches Jntereſſe jener an der armen Kranken nahm. Der erſtere athmete erſt frei auf, als Dina, nachdem ſie den Nachtiſch des überaus ſplendiden Mahls aufgetragen, ſich gänz - lich aus dem Zimmer zurückgezogen hatte.

Nicht wahr, nahm jetzt der Prophet, ge - gen ſeinen Gaſt gewendet, mit mitleidigem Tone das Wort, nicht wahr, der Zuſtand der Armen, die uns ſoeben verlaſſen hat, flößt auch Jhnen eine leb - hafte Theilnahme ein?

Die allerinnigſte, antwortete Arnold raſch, und ich geſtehe, daß es mir faſt peinlich iſt, dieſe dem Grabe bereits Verfallene noch Dienſte leiſten und ſich ſo abmühen zu ſehen. Mich dünkt, ſie ſollte ſich in ihrem Kämmerlein einſchließen, zu Gott beten und ſich auf den großen Schritt vorbereiten, den ſie in Kurzem thun wird, aber nicht mehr thätig in das Leben eingreifen, das nichts mehr von ihr wiſſen will. Die Wirkſamkeit der Sterbenden hat von jeher etwas Grauſenhaftes für mich gehabt und dieſes unheimliche Gefühl ergriff mich auch beim Anblick der regen Ge - ſchäftigkeit dieſer Unglücklichen.

Wie ſehr theile ich dieſes Gefühl mit Jhnen, mein junger Freund, nahm Joe Smith mit gerühr - ter Stimme das Wort, und was würde ich nicht115 darum geben, mich der Dienſtleiſtungen dieſer armen Sterbenden denn das iſt ſie überhoben zu ſehen!

Und was verhindert Sie daran, Sir, ſie ſich ernſtlich zu verbitten? fragte Arnold mit einem etwas vorwurfsvollen Tone.

Das Mitleid, die Menſchlichkeit, war die Antwort des Propheten. Dina ſelbſt hat keine Ah - nung von ihrem wirklichen Zuſtande und liebt das Leben, ja, liebt es ſehr; ſowie ich ſie aber von ihren Dienſten dispenſirte, ſowie ich ſie mir ernſtlich verbäte, würde ſie die Wahrheit ahnen und in Ver - zweiflung gerathen. ......

Und ſie iſt ſo eigenſinnig, unterbrach Marie die Rede ihres Vaters, ſo entſetzlich eigen - ſinnig! ......

Wie es alle Kranke der Art ſind, unter - brach Joe Smith ſeinerſeits wieder die Tochter, und obendrein nicht wenig ſtolz, fügte er hinzu. Der Gedanke, gleichſam das Gnadenbrot von uns zu empfangen, würde völlig vernichtend für ſie ſeyn, und ſo müſſen wir uns ihre Dienſte, wenngleich mit dem größeſten Schmerze und der größeſten Selbſtauf - opferung, ſo lange gefallen laſſen, bis ihre Kräfte völlig erſchöpft ſeyn werden, und dieſer Zeitpunkt iſt nicht mehr fern.

8 *116

Jn dem Augenblick, wo Joe dieſe letzten Worte ſprach, trat Die, von der man geredet hatte, mit ei - nem ſilbernen Präſentirteller, worauf ſie den Kaffee trug, wieder in das Zimmer. Arnold, welcher der Thür gerade gegenüber ſaß, durch die Dina zu Jhnen ein - trat, erblickte einen Ausdruck von faſt himmliſcher Zufriedenheit, ja, von Beglückung, in ihren edlen Geſichtszügen, und zugleich war ihm, als hefte ſie ei - nen Blick inniger Dankbarkeit auf den Propheten. Das Roth auf ihren Wangen war lebhafter gewor - den, der Blick ihres tiefblauen Auges ſtrahlte wie von einem himmliſchen Feuer und ein ſanftes Lächeln umſchwebte ihren ſchöngeformten Mund. Sie war ſchön, noch einmal hinreißend ſchön in dieſem Augen - blick, ja ſchöner als Marie in ihrer Jugend und Fri - ſche. Arnold konnte den Blick nicht von ihr abwen - den und fühlte ſich, dieſer Sterbenden gegenüber, wie in einem magiſchen Netze gefangen.

Bald aber ſchwand der Anſchein von Leben und die erlogene Jugend wieder von Dinas Antlitze: ſie wurde wieder bleicher, durchſichtiger als zuvor; der Blick ihres Auges verlor alles Feuer, das Lächeln um den Mund machte einem ſchmerzgepaarten Ernſte Platz, große Schweißtropfen perlten auf der hohen, ſchneeweißen Stirn und ihre eben zuvor noch hoch - aufgerichtete Geſtalt verlor die Haltung: ſie war in117 der Zeit einer Minute um zehn Jahre älter ge - worden.

Arnold, der ſie aufmerkſam beobachtet hatte, wußte nicht, wie er ſich die Veränderungen, die auf Dinas Geſichte vorgegangen waren, erklären, wie ſie ſich deuten ſollte: er befand ſich hier einem Räthſel gegenüber, das ihn peinigte.

Wie iſt dir heute, Dina? fragte ſie der Prophet mit dem Tone der innigſten Theilnahme und ſah ſie dabei liebevoll an, als ſie zu ihm trat und ihm den Kaffee präſentirte. Man macht uns Vor - würfe, fügte er, auf den Gaſt blickend, mit dem vorigen Tone hinzu, daß wir dich, die ſichtbar lei - det, nicht zu Bett ſchicken; was ſagſt du dazu?

Jch ſage, daß mir lange, lange nicht ſo wohl geweſen iſt, wie in dieſer Stunde, betheuerte Dina, die Hand auf ihr Herz legend; o, ſeit Jah - ren nicht, Sir! fügte ſie mit einem unausſprech - lichen Blicke auf den Propheten hinzu.

Du bringſt uns aber durch deinen Eigen - ſinn in üble Nachrede, nahm Marie mit ſchmollen - dem Tone das Wort; man ſieht dir an, daß du leidend biſt und trotz dem willſt du dich nicht zur Ruhe begeben, dich nicht ſchonen, nicht pflegen laſſen; was aber ſoll man von uns denken, daß wir von einer Kranken fortwährend noch Dienſtleiſtungen dulden?

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Die auf dieſe Weiſe Getadelte antwortete Ma - rien nicht.

Sie ſollten ſich in der That mehr ſchonen, Miß, nahm Arnold das Wort, den dieſes Schwei - gen der Dienerin peinigte. Ein wenig Ruhe und Schonung würden Sie gewiß bald völlig wieder her - ſtellen.

O ja, gewiß! antwortete ſie ihm mit ei - nem ſchmerzlichen Lächeln; Ruhe wird mich völlig wiederherſtellen; von ihr allein kann ich Geneſung hoffen.

Und weshalb gönnſt du ſie dir nicht ſchon jetzt, Dina? fragte ſie Joe Smith mit ſanftem Tone; bitte ich dich nicht faſt täglich darum, ſie dir zu gönnen, armes Kind?

Jch werde ihrer ſchon theilhaft werden, wenn mein Tagewerk vollendet iſt, war die Ant - wort; ſie nicht früher zu ſuchen, habe ich mir aber gelobt.

Da haben Sie den Eigenſinn! wandte ſich der Prophet an ſeinen Gaſt. Sagte ich Jhnen nicht, daß mit dem Trotzkopfe nichts anzufangen ſei?

Dina, die ihr Geſchäft beendigt hatte, entfernte ſich wieder aus dem Zimmer. Einen Augenblick herrſchte eine peinliche Stille zwiſchen den Zurückgebliebenen; bald aber nahm Joe Smith die Unterhaltung wieder119 auf, lenkte ſie jedoch geſchickt auf einen andern Ge - genſtand, auf einige Werke der neueſten deutſchen Li - teratur, die man ihm, wie er Arnolden ſagte, vor Kurzem aus Europa zugeſandt.

Marie miſchte ſich nicht in dieſe Unterhaltung der beiden Männer, ſondern ergriff, als man vom Tiſch aufgeſtanden und wieder in das andere Zimmer gegangen war, eine leichte Handarbeit, mit der ſie ſich an’s Fenſter ſetzte.

Verſteht Miß Marie unſere Mutterſprache nicht? fragte Arnold ſeinen Gaſtfreund auf Deutſch, indem es ihm unangenehm auffiel, daß die Tochter eines ſo hoch gebildeten Mannes, wie Joe Smith war, nicht den mindeſten Antheil an einem ſolchen Geſpräche zu nehmen ſchien.

Nein! verſetzte der Prophet nach einem kurzen Beſinnen. Jch hatte leider nicht die Zeit, ſie darin zu unterrichten.

Siebentes Kapitel.

Arnold war gewohnt, ſich Rechenſchaft über das Erlebte abzulegen. Als er ſich daher nach dieſem Be - ſuche allein in ſeinem Zimmer befand, ließ er das,120 was er im Hauſe des Propheten geſehen hatte, an ſeinem Geiſte vorübergehen.

Seltſam! während die ſchöne, jugendfriſche Marie nur einen ſehr vorübergehenden Eindruck auf ihn ge - macht hatte, konnte er das Bild der dahinſterbenden Dina nicht wieder los werden und mußte ſich fort - während mit ihm beſchäftigen. Er glaubte, nach dem, was er geſehen, gehört und bemerkt hatte, ſchließen zu dürfen, daß in dem Verhältniſſe zwiſchen ihr und ihrer Umgebung nicht Alles ſo ſei, wie es ſeyn ſollte und daß ein, vielleicht furchtbares, Geheimniß zwi - ſchen dieſen Dreien obwalte. Daß Dina nicht für die niedre Rolle einer Dienenden geboren, daß ſie nur durch ein vielleicht grauſames Schickſal in dieſelbe hinabgedrängt worden ſei, war klar für ihn, denn das verriethen ihm ihre Blicke, ihr Anſtand und die Hoheit, die ihr ganzes Weſen umfloß, ja ſelbſt die wenigen Worte, die ihren Lippen in ſeiner Gegenwart entſchlüpft waren. Es war ihm auch nicht entgan - gen, daß der Prophet eine faſt magiſche Gewalt, bloß durch ſeine Blicke, auf die Unglückliche ausübte und daß ſie zitterte, erbleichte, wenn ein zürnender Blick ſeines Auges ſie traf, während ſie Marien gegenüber ein faſt ſtolzes, ja verächtliches Benehmen an den Tag legte, das ſogar ſo weit ging, daß ſie ihr auf ihre Anrede die Antwort ſchuldig blieb.

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Da er den Gedanken an Dina immer wieder auf - nehmen, ſich in Bezug auf ſie immer wieder dieſelben Fragen vorlegen mußte, beſchlich ihn die Furcht, daß ſie vielleicht gar einen unheilvollen Eindruck auf ihn gemacht haben möge und er erbebte vor dem Gedan - ken, in Liebe zu einem dem Grabe geweihten Weſen entbrannt zu ſeyn. Allein dieſe Furcht war eitel und Folge der Unbekanntſchaft ſeines Herzens mit dem wahren Weſen der Liebe: es war allein das Mitleid, und zwar ein ſo tiefes, inniges, wie er es noch nie zuvor gefühlt hatte, das ihn zu Dina hinzog; er hätte ſein Leben für ſie hingeben mögen, allein Wunſch und Begehren ſchwiegen dieſer dem nahen Tode Ge - weihten gegenüber.

Ganz kalt hatte ihn dagegen Marie, trotz ihrer außerordentlichen Reize, gelaſſen; dieſe verblendeten ihn nur im erſten Augenblick und vielleicht auch nur in Folge der Aufregung, die ihr wahrhaft überirdiſcher Geſang in ihm hervorgerufen hatte. Sowie er ſie länger ſah, ſowie er ſie reden hörte, war der Zauber entwichen, mit dem ſie ſeine Sinne einen Augenblick umſtrickt hatte, und er mußte ſich ſagen, daß ſie eine jener Schönheiten ſei, die nur auf das Herz unbedeutender Männer Ein - druck zu machen im Stande ſind, indem ihr jene - heren Reize abgingen, die allein hohe Bildung und der Adel der Seele den Frauen verleihen.

122

Am meiſten wunderte er ſich darüber, daß dieſes, von einem ſo kenntniß - und geiſtreichen Vater erzo - gene Mädchen ſo unbedeutend geblieben war; denn auch nicht ein einziges von Marien geſprochenes Wort hatte ihm verrathen, daß ihre Gedanken und Anſich - ten ſich über das Allergewöhnlichſte erhöben.

Ein ſolches Weſen war aber nicht dazu geſchaf - fen, Eindruck auf einen Mann wie Arnold zu machen, der die höchſten Anſprüche an das Weſen ſtellte, das er mit der ganzen Kraft ſeines noch unentweihten Herzens lieben ſollte. Seiner Seele ſchwebte ein Jdeal vor und Marie war weit davon entfernt, demſelben ähnlich zu ſeyn.

Er war alſo in Hinſicht ihrer vollkommen ru - hig. Ruhig, ſagen wir, denn wie er den Prophe - ten erkannt zu haben glaubte; bei der Verachtung, die er dem Weſen und Treiben dieſes Mannes weihte; bei dem Mißtrauen, das er gegen ihn fühlte, würde er es für ein großes Unglück haben anſehen müſſen, in irgend eine nähere Beziehung zu ihm zu treten. Es beſchäftigte zwar ſeinen Geiſt auf eine angenehme und beſonders auf eine anregende Weiſe, dieſen Mann, der jedenfalls eine bedeutende Erſcheinung war, zu beobachten, den Fäden des von ihm angelegten Ge - ſpinnſtes mit den Augen ſeines Geiſtes zu folgen, um zu ſehen, wo er endlich damit hinaus wolle; allein123 jedes nähere Verhältniß zu Joe Smith würde völlig unerträglich für ihn geweſen ſeyn und er ſich demſel - ben durch die eiligſte Flucht entzogen haben. Aus eben dieſem Grunde hatte er es auch verſchmäht, eine Gunſt von ihm anzunehmen und ſich durch eine An - ſtellung feſſeln zu laſſen, weil er dadurch einen Theil der Freiheit und Ungebundenheit eingebüßt haben würde, die er dieſem Manne gegenüber um jeden Preis be - wahren wollte.

Der Prophet, ein feiner Geiſt und Menſchen - kenner, hatte ihn durchſchaut und die Abneigung, welche der junge Deutſche ihm entgegentrug, das Miß - trauen, welches dieſer gegen ihn hegte, trotz ſeines eigenen Zuvorkommens und ſeiner anſcheinenden Offen - herzigkeit, waren kein Geheimniß für ihn. Aber ſelt - ſam genug, dies ſchreckte den ſonſt ſo ſtolzen und hochfahrenden Mann nicht von Arnolden ab und ſelbſt abgeſehen davon, daß er ihn für ſeine geheimen Pläne und Abſichten zu gewinnen wünſchte, weil er ſich große Vortheile von einem Bündniſſe mit einem ſo feinen Geiſte und einem ſo feſten, entſchiedenen Character verſprach, abgeſehen davon, ſagen wir, fühlte er Et - was für dieſen jungen Mann, was wie wahrhafte Neigung ausſah. Er mußte ſich ſagen, daß, wenn die Umſtände ihn zwingen ſollten, entſchieden gegen Arnold aufzutreten, ja, dieſen wohl gar zu vernich -124 ten, weil er ſeine weitſehenden Pläne durchkreuzte, es nicht ohne Schmerz, ohne Selbſtverläugnung ge - ſchehen würde.

Es lag beſonders Etwas in dem Blick des ſehr ſchönen, geiſt - und gemüthreichen Auges Arnolds, das ihn auf eine faſt magiſche Art anzog; ihm war, als habe ein geliebtes Weſen ihn ſchon früher mit eben ſolchem Blicke angeblickt und er die vollſte Se - ligkeit darin gefunden; eine gleiche Wirkung brachte ein characteriſtiſches Lächeln Arnolds, das zuweilen angenehm ſeinen Mund umſpielte, auf ihn hervor: in beiden lag ein Zauber, dem ſelbſt ſein abgehärtetes Gemüth nicht zu widerſtehen vermochte.

Als Arnold, nach dem erſten Beſuche, den er im Hauſe Joe Smiths abgeſtattet, von dieſem und Marien Abſchied nahm, lud ihn letzterer ein, ſo oft es ihm gelegen ſeyn würde, wieder zu kommen, in - dem er allemal ein gern geſehener Gaſt ſeyn würde. Allein der junge Deutſche war nicht allzu ſehr ge - neigt, Gebrauch von dieſer Erlaubniß zu machen, in - dem ſein Verſtand ihm ſagte, daß dieſes plötzliche Zu - vorkommen, das faſt an Zudringlichkeit grenzte, ir - gend eine geheime Abſicht Joe Smiths zum Motive haben müſſe, und er war einmal feſt entſchloſſen, ſich dieſem Ehrgeizigen nicht zum Werkzeuge herzuleihen. Drei Jahre ſchon hatten beide Männer mit einander125 verkehrt, ohne daß auch nur die mindeſte Annäherung zwiſchen ihnen ſtattgefunden hatte; wie kam es denn jetzt, daß der Prophet ihm gleichſam ſeine Freund - ſchaft, ja, ſein Vertrauen, aufdrang? Darunter mußte eine geheime Abſicht verborgen liegen; Arnold hoffte ſie zu erforſchen und beſchloß zugleich, jetzt doppelt auf ſeiner Huth gegen dieſen gefährlichen Mann zu ſeyn, weil er nur dadurch die ihm gelegten Schlingen vermeiden konnte.

Er nahm ſich vor, in ſeinem Benehmen gegen den Propheten nicht das Geringſte zu verändern, was dieſer auch thun möge, ihn für ſich und ſeine Pläne zu gewinnen, und dabei alle ſeine Schritte, jede ſei - ner Bewegungen zu beobachten, was ihm, außer daß es ihn vor Gefahr bewahrte, noch eine anregende Un - terhaltung und Bereicherung ſeiner Menſchenkenntniß zu gewähren verſprach.

Drei Tage nach dem Beſuche, den Arnold Joe Smith in ſeiner Behauſung abgeſtattet hatte, führten Berufsgeſchäfte erſtern auf einige Zeit von Nauvoo weg. Eine neue Colonie, meiſt aus Jrländern be - ſtehend, ſollte im Norden der Grafſchaft angelegt wer - den und man hatte ihn gebeten, die Vermeſſungen zu übernehmen, und da er völlig frei und unabhängig war, ſtand er nicht an, auf die Wünſche der neuen Anſiedler einzugehen. Sich von Joe Smith zu beur -126 lauben, hielt er für überflüſſig und ſo entfernte er ſich von Nauvoo, ohne Abſchied von dieſem zu nehmen.

Als er, nachdem er ſein Geſchäft beendigt, in ſeine Wohnung zurückkehrte, ſagte ihm ſein Haus - wirth, der alte John Adams, daß der Prophet ſich bereits mehre Male nach ſeiner Rückkehr erkundigt und ihm Befehl gegeben habe, ſie ihm ſogleich anzu - zeigen.

So thut das jetzt, antwortete Arnold ihm kurz, denn obſchon John Adams ſein Hauswirth war, hatte er doch einen gewiſſen Widerwillen gegen dieſen alten Fanatiker und verkehrte ſo wenig als irgend möglich mit demſelben; ſchon das finſtre Geſicht dieſes Menſchen und mehr noch ſeine kleinen, ſtechenden Au - gen, in deren Blick eben ſo viele Liſt als Bosheit lag, waren ihm widerwärtig und machten ihm den Aufenthalt in ſeinem Hauſe unangenehm, obgleich die Aufwartung kaum einen Wunſch übrig ließ. Allein er konnte keine andere paſſende Wohnung in Nauvoo finden und ließ ſich dieſe daher noch immer gefallen.

Wollen Sie, Sir, nicht von der Jhnen er - theilten Erlaubniß Gebrauch machen, den Herrn Ge - neral-Lieutenant im Tempel beſuchen zu dürfen? fragte ihn der Alte, ihn mit ſeinem giftigen Blick von der Seite auſehend, denn er fürchtete wieder, eine ſtolze Antwort von dem jungen Manne zu hören127 und das würde ihn geärgert haben, da er auf die Ehre des von ihm vergötterten Propheten noch weit mehr hielt, als auf die eigene.

Auch das kann geſchehen, antwortete ihm Arnold nachläßig. Nehmt die Schlüſſel und führt mich hin.

Der Alte gehorchte ſchweigend und bald ſtand unſer Freund vor dem Propheten.

Jch habe Jhre Rückkehr mit einiger Unge - duld erwartet, Sir, ſagte dieſer, ihm freundlich die Hand entgegenſtreckend: ich bin gezwungen, Sie mit einer Bitte zu beläſtigen. Die Sache iſt dieſe, fuhr er nach einer Pauſe fort, als Arnold ihm nun durch eine Verbeugung geantwortet hatte: Amts - geſchäfte nöthigen mich, auf einige Zeit Nauvoo zu verlaſſen und weil dadurch Marie und meine Woh - nung ohne Schutz bleiben würden, geht mein Wunſch dahin, daß Sie während meiner Abweſenheit meine Stelle vertreten und ſich den Frauen zum Beſchützer weihen wollen.

Jhr Anerbieten iſt ſo ehrenvoll für mich, als die Erfüllung Jhres Wunſches mir angenehm ſeyn wird, verſetzte Arnold artig; Sie dürfen alſo auf mich rechnen, Sir.

Marie wird durch dieſe Bereitwilligkeit von Jhrer Seite um ſo mehr überraſcht ſeyn, ſagte Joe128 Smith mit einem feinen Lächeln, da ſie Sie kaum zu erwarten wagte.

Wie ſo? fragte Arnold, eine Miene des Erſtaunens annehmend, obſchon er ihn recht gut ver - ſtand.

Sie werden ſich ſelbſt ſagen müſſen, Sir, fuhr Smith in dem vorigen Tone fort, daß Sie meine Tochter nicht zu der Annahme berechtigten, daß Jhnen an unſerm Umgange, oder auch nur daran, uns eine Gefälligkeit zu erzeigen, eben ſehr viel ge - legen ſei: Sie ſchenkten uns keinen zweiten Beſuch nach dem erſten und verließen ſogar Nauvoo auf län - gere Zeit, ohne Abſchied von Jhren Freunden verzeihen Sie, daß wir es wagen, auf dieſen Titel Anſpruch zu machen! zu nehmen.

Sie werden mir erlauben, Sir, antwor - tete ihm Arnold artig, meine Entſchuldigung zu - gleich mit meinem Danke für das mir zugedachte Glück Miß Marien zu Füßen zu legen.

Sie werden allerdings gut daran thun, den Frieden zwiſchen Jhnen und Marien erſt wieder her - zuſtellen, bevor Sie Jhr Wächteramt antreten, ſagte der Prophet mit ſcherzhaftem Tone; es möchte Jhnen ſonſt ſehr erſchwert werden. Jch erwarte Sie alſo zu Tiſche, mein Freund, und darf Marien ſagen, nicht wahr? daß Sie meinen Wunſch erfüllen wollen?

129

Jch werde nicht verfehlen, mich zur Tiſch - zeit einzuſtellen, antwortete Arnold, und ich bitte, bis dahin bei Jhnen, Sir, und auch bei Miß Ma - rien, entſchuldigt zu ſeyn, da ich noch erſt einige Ar - beiten zu beſeitigen habe.

Hier iſt ein Schlüſſel zu der Gartenpforte, ſagte der Prophet, indem er einen ſolchen von einem Haken neben der Thür ſeines Studirzimmers herunter nahm und ihn Arnolden überreichte. Sie werden dadurch unabhängig von dem alten Murrkopf, Adams, ſeyn, und an der Hausthür brauchen ſie bloß den Glockenzug zu ziehen, um ſogleich eingelaſſen zu wer - den. Jch wünſche, fügte er mit Freundlichkeit hin - zu, daß Sie dieſen Schlüſſel auch für die Folge be - halten: vielleicht erinnert Sie ſein Anblick von Zeit zu Zeit daran, uns durch einen Beſuch zu erfreuen.

Jch danke Jhnen, Sir, für das mir ge - ſchenkte Zutrauen; was aber dieſen Schlüſſel anbe - trifft, ſo wird er mich weniger, als der Wunſch mei - nes Herzens, an die Erfüllung einer eben ſo ſchönen als angenehmen Pflicht erinnern.

Er nahm den Schlüſſel, verbeugte ſich gegen Joe und ging, von dieſem aus der hintern Hausthür ge - laſſen, durch den Garten, zu deſſen Pforte er jetzt den Schlüſſel hatte, in ſeine eigene Wohnung.

Was will dieſer Menſch von mir? welche9130Abſicht hat er mit mir? fragte er ſich auf dem Wege, ohne ſich die Frage beantworten zu können.

Um die von Joe Smith beſtimmte Stunde ſtellte er ſich wieder bei der Wohnung deſſelben ein. Die Hinterthür war, wie immer, verſchloſſen, nachdem er aber geklingelt und eine Weile gewartet hatte, wurde ſie geöffnet und zu ſeiner nicht geringen Ueberraſchung ſtand er der bleichen Dina gegenüber.

Wie leid thut es mir, daß ich Sie bemühen mußte, Miß! ſagte er, mit dem ſanften, gewinnen - den Tone, der ihm ſo eigenthümlich war, als er be - merkte, daß die Kranke vom ſchnellen Herabſteigen der Treppe faſt außer Athem war.

Jch habe mich dieſer Mühe gern unterzo - gen, Sir, antwortete ſie ihm, indem ſie die Hand auf das krankhaft pochende Herz legte, als wolle ſie es dadurch zum Schweigen bringen, und überdies er - heiſchte es ja meine Pflicht als Dienerin dieſes Hau - ſes, fügte ſie nach einer kleinen Pauſe hinzu.

Sie ſollten ſich mehr ſchonen, als Sie thun, Miß, ſagte er, von innigem Mitleid mit ihrem Zu - ſtande ergriffen, mit dem unverkennbaren Ausdruck der Theilnahme im Blick und im Tone der Stimme. Sie ſind krank und ſollten ſich aufwarten, ſich pfle - gen laſſen, ſtatt Dienſte zu leiſten, die Jhnen unter den obwaltenden Umſtänden ſchwer fallen müſſen.

131

Nur körperlich, verſetzte ſie, einen dank - baren Blick auf den jungen Mann heftend, der ihr ſo viele Theilnahme bewies und ihr dadurch unaus - ſprechlich wohl that; nur körperlich, Sir, geiſtig aber thun mir dieſe Anſtrengungen unendlich wohl, und was iſt denn der elende Körper? Aber kommen Sie, fügte ſie mit einiger Aengſtlichkeit im Blick und im Tone der Stimme hinzu, man wird Sie be - reits mit einiger Ungeduld erwarten. Mit dieſen Worten verſchloß ſie die Hausthür wieder und machte Miene, die Treppe hinanſteigen zu wollen.

Erlauben Sie mir, Jhnen den Arm zu bie - ten, Miß, ſagte Arnold, als Beide an der unter - ſten Stufe der Treppe angelangt waren, und zugleich hielt er ihr ſeinen Arm hin.

Dina erröthete lebhaft bei dieſem Beweiſe der Güte und der Theilnahme mit ihrem krankhaften Zu - ſtande, den ihr dieſer fremde junge Mann gab; aber ſie zögerte, ſein freundliches Anerbieten anzunehmen.

Jch danke Jhnen, ich danke Jhnen recht ſehr, Sir! ſagte ſie dann mit einiger Haſt; man würde es nicht ſchicklich finden, würde es Jhnen ge - wiß mißdeuten, wenn man Sie eine Perſon führen ſähe, die ...... Sie ſtockte, ihre bleichen Wangen färbten ſich und eine Thräne, die ſie zwiſchen ihren Wimpern zerdrückte, trat in ihr Auge.

9 *132

Arnold verſtand ſie und ſagte:

Jch bitte Sie, Miß, zu glauben, daß ich mir aus einer ſolchen Mißdeutung nicht das Geringſte machen würde, und ſo wiederhole ich meine Bitte, mich zu Jhrem Führer annehmen zu wollen.

Sie, Sir, antwortete ihm Dina nach einer Pauſe, ſind vielleicht in einer ſo glücklichen Lage, weder den Unwillen noch die Mißdeutung der Beſitzer dieſes Hauſes zu fürchten zu haben; allein meine Stellung gegen ſie iſt eine ganz andere, eine durchaus untergeordnete, und ſo ſteht es mir zu, mich in Allem nach ihrem Willen und ihren Anſichten zu richten, und dies um ſo mehr, da ich ſchwach, krank, ja zum Tode krank, bin und jeden mir ſelbſt zuge - zogenen Verdruß mit verdoppelten Leiden büßen muß. Aus Güte gegen mich alſo wenn ich ſo kühn ſeyn darf, ſolche in Jhnen vorauszuſetzen gehen Sie voran und bekümmern ſich überhaupt ſo wenig als möglich um mich, denn dadurch werden Sie ſich eben am gütigſten gegen mich zeigen.

Sie ſprach die letzten Worte in einem ſo flehen - den Tone aus, daß Arnold ihr gehorchen mußte. Er ſtieg alſo die Treppe ſo ſchnell als möglich hinauf und klopfte, oben angelangt, an Mariens Zimmer. Auf ihre Einladung trat er in daſſelbe und fand ſie noch allein. Sie ſaß neben dem Fenſter und ſchien133 mit Malen beſchäftigt zu ſeyn, legte aber den Pinſel nieder, ſowie ſie ſeiner anſichtig wurde.

Wie das Erſtemal, wo er ſie ſah, war ſie äußerſt geſchmackvoll, aber anders, gekleidet. Ein ſchneeweißes Mouſſelinkleid umfloß ihre reizende Ge - ſtalt und über den blendendweißen, üppigen Nacken hatte ſie ein Spitzentuch geworfen, deſſen Durchſich - tigkeit ſeine Reize nur ſchwach verhüllte. Jm Haar trug ſie, ſtatt alles andern Schmucks, eine einzige natürliche Roſe mit ihren Blättern und Knospen, deren ſchönes Roth faſt von dem glühenderen ihrer friſchen Wangen verdunkelt wurde. Die niedlichen Füßchen ſteckten in einem Atlasſchuh; die Arme wa - ren bloß von der Hälfte des Oberarms an und an der Handwurzel mit einer überaus ſchön gearbeiteten Armſpange von Gold und Sapphiren geſchmückt.

Verzeihen Sie, ſagte ſie mit ihrer wohl - lautenden Stimme, indem ſie Arnolden einige Schritte entgegentrat, daß Sie mich noch allein treffen, Sir: einige nothwendige Arbeiten halten meinen Va - ter noch fern.

Weit davon entfernt, mich über eine Un - gunſt des Geſchicks zu beklagen, habe ich vielmehr Veranlaſſung, ihm für eine Gunſt zu danken, Miß, antwortete ihr Arnold mit einer Verbeugung.

O, antwortete ſie ihm mit halb lächeln -134 dem, halb ſchmollendem Tone, Sie haben nicht eben gezeigt, Sir, daß Sie ein großes Verlangen nach Dem tragen, was Sie als eine Gunſt des Geſchicks zu bezeichnen beliebten: wir ſahen Sie nur einmal und dann nicht wieder, bis mein Vater Sie auf’s Neu um einen Beſuch bei uns bat.

Es könnte mich leicht ſtolz machen, Miß, daß Sie es der Mühe werth hielten, davon Notiz zu nehmen, war ſeine Antwort. Jch, für meinen Theil, hielt mich für ſo unbedeutend, daß ich glaubte, meine Abweſenheit würde gar nicht von Jhnen bemerkt werden.

Laſſen wir das, Sir, ſagte ſie, ſich auf das Sopha niederſetzend und ihm zugleich einen Stuhl anbietend, laſſen wir das! Jch bin ein armes, un - wiſſendes Mädchen und verſtehe mich nicht auf die Kunſt, Geſpräche der Art zu führen. Jhnen ſoll verziehen ſeyn, wenn Sie verſprechen, ſich beſſern zu wollen, und damit iſt die Sache zu Ende! Jetzt er - zählen Sie mir Etwas, ſagen Sie mir, wie es draußen in der Welt ausſieht, denn ich erfahre jetzt gar nichts mehr davon, ſeit Joe ſeit mein Vater ver - beſſerte ſie ſich, den Kopf ſo voll von Geſchäf - ten hat, daß ihm kaum Augenblicke für mich übrig bleiben.

Mir erging es in der letzten Zeit faſt eben135 ſo, antwortete ihr Arnold. Jch hielt mich im Norden der Grafſchaft auf und war vom frühen Mor - gen bis ſpät zum Abende mit Meſſen, Nivelliren und Zeichnen beſchäftigt.

Das iſt betrübt; ich hatte mich ſchon darauf gefreut, Sir, wenigſtens von Jhnen etwas Neues zu hören. Wiſſen Sie wohl, daß es überaus langweilig iſt, entſetzlich langweilig, ſo von der ganzen Welt ab - getrennt zu leben?

Jch begreife es, verſetzte Arnold lächelnd; Sie führen faſt das Leben eines Dalei-Lama in die - ſem prachtvollen Tempel, und das mag von Herzen langweilig ſeyn, wenn man ſo jung und ſchön iſt, wie Sie, Miß.

Jch lebte lieber unter Jhren Sioux und an - dern Wilden, als noch länger ſo fort; auch habe ich Joe meinem Vater das erklärt und er hat mir verſprochen, daß es anders werden ſoll.

Der Eintritt des Propheten unterbrach dieſe Un - terhaltung, die Arnolden viel zu denken gab, denn es war ſeiner Aufmerkſamkeit nicht entgangen, daß Marie im Laufe derſelben ihren vermeinten Vater mehre Male Joe, ſich aber gleich wieder corrigirt und ihn dann Vater genannt hatte. Ferner war es ihm nach dieſem zweiten Beſuche noch klarer, als beim er - ſten geworden, daß er in Marien eine Perſon von136 wenig Bildung und ſelbſt von einem untergeordneten Verſtande vor ſich habe, und ſchon dieſe Wahrneh - mung allein mußte einen Mann ſeines Gepräges da - gegen beſchützen, an dieſe ſchöne Larve ſein Herz zu verlieren.

Er nahm ſich daher vor, Marien gegenüber in dem Tone jener nichtsſagenden Galanterie zu verhar - ren, der Männer von Bildung und Welt ſo leicht fällt, wenn ihr Herz völlig frei iſt, und nebenbei, zu ſeiner Unterhaltung, ſeine neue Umgebung zu ſtudiren.

Joe Smith brachte die heiterſte Laune aus ſei - nem Studirzimmer mit und ſo war die Converſation bei Tiſche eine eben ſo angenehme, als belebte, da Keiner ſich Zwang anzuthun hatte. Arnold ſpielte den Liebenswürdigen und Galanten Marien gegenüber ſo gut, daß der Prophet, welcher den jungen Mann in feiner Meinung ſehr hoch geſtellt hatte, faſt irre an ihm wurde; aber Arnold gefiel ihm trotz dem auch ſo, weil er, wenn er wirklich ein Geck wäre, wie es den Anſchein hatte, um ſo weniger ſeine Pläne durch - kreuzen und um ſo leichter in die ihm gelegte Schlinge gehen würde.

Als man vom Tiſche aufſtand, beurlaubte ſich Joe von den Beiden und nahm einen freundlichen Ab - ſchied von Arnold, einen zärtlichen von Marie. Er hatte Alles zu ſeiner Abreiſe in Stand ſetzen laſſen137 und wollte noch einige Stunden des Tags und Abends, da eben Mondſchein war, benutzen, um ſchon einen Theil ſeiner Reiſe zurückzulegen und zu guter Zeit am folgenden Tage in Vandalia einzutreffen.

Als Marie ihn nach dem Zeitpunkte ſeiner Rück - kehr befragte, gab er ihr eine unbeſtimmte Antwort, aus der aber doch ſo viel abzunehmen war, daß er nicht ſchnell zurückzukehren glaubte, indem er ſagte, daß eine Menge verwickelter Angelegenheiten ſeine Ab - weſenheit vielleicht verlängern könnten.

Arnold begleitete Joe bis an den hinter dem Garten ſchon ſeiner harrenden Wagen; der Prophet empfahl ihm nochmals ſeine Tochter und ſein Haus dringend an und fuhr dann, von vier raſchen Pfer - den gezogen, mit Blitzesſchnelle davon. Der junge Deutſche ſah ihm lange nachdenklich nach und kehrte dann zu Marien zurück, die er, zu ſeinem Erſtau - nen wenig betrübt über den Abſchied von einem ſo zärtlichen Vater fand. Sie lächelte ihm freundlich entgegen, als er wieder zu ihr in das Zimmer trat, und ſchlug ihm vor, falls ſeine Geſchäfte ihn nicht abriefen, mit ihr in den Garten hinabzugehen, um dort der Kühle des bereits herannahenden Abends zu genießen, und als er ſich freundlich dazu bereit er - klärte, nahm ſie ſo fröhlich und ungezwungen ſeinen Arm an, als wären ſie alte Bekannte.

138

Achtes Kapitel.

Marie, das reizende Kind, ſtand vor ihrem Pſycheſpiegel und veränderte noch hie und da etwas an ihrer Friſur, die eben aus Dinas geſchickten Hän - den hervorgegangen war und kaum einen Wunſch übrig ließ. Trotz dem hatte Marie noch Manches daran auszuſetzen: dieſe Locke fiel nicht leicht genug, jene wieder zu nachläßig; dieſe wurde mehr in die Höhe, jene tiefer herabgezogen und dabei ging es nicht ohne Tadel für die arme Dina ab, die, das Bild der leidenden Geduld, hinter der ungeduldigen Gebie - terin ſtand und alle dieſe ungerechten Vorwürfe an - hörte, ohne auch nur ein einziges Wort darauf zu erwiedern.

Das Bild beider Mädchen, wie es ſich jetzt in dem großen Spiegel zeigte, bot den ſchneidendſten Contraſt dar. Marie, in üppiger Lebensfülle und jugendlicher Friſche prangend, mit der ſtolzen, ſelbſt - zufriedenen Miene, konnte nicht ſatt werden, ihre blühende Schönheit zu betrachten, die durch die neben ihr ſich zeigende bleiche, völlig verblühte Geſtalt des dem nahen Tode geweihten Mädchens nur um ſo le - bendiger hervorgehoben wurde; die eitle Marie hätte ſich keine ſchönere Folie wünſchen können, als139 die, welche ihr in einer ſolchen Dienerin dargeboten wurde.

Eine der dunklen Locken Mariens wollte ſich noch immer nicht ihren Wünſchen fügen; ſie ſollte auf den ſchönen Hals, auf die ſchneeweiße Bruſt nach - läßig niederfallen und war und blieb widerſpenſtig, obgleich das ſchöne eitle Kind ſie bald ſo, bald ſo legte, bald aufrollte, indem ſie ſie um den Finger wickelte, bald wieder herunter zog. Jhre Geduld war jetzt zu Ende; ſie ſtampfte ungeduldig den Boden mit ihrem kleinen Fuße und warf ſich, wie in Verzweiflung, in den neben dem Spiegel ſtehenden Lehnſeſſel nieder.

Was iſt Jhnen? fragte ſie jetzt Dina, die, mit ganz andern Gedanken beſchäftigt, nicht bemerkt hatte, welche Mühe ſich Marie mit der widerſpenſti - gen Locke gegeben hatte.

Du fragſt noch? antwortete ihr dieſe, mit halb weinerlichem, halb aufgebrachtem Tone; du fragſt noch? Siehſt du denn nicht, daß ich ganz ab - ſcheulich friſirt bin? Dir wird das freilich ſehr gleich - gültig ſeyn, fügte ſie zornig hinzu.

Jch fand Sie nie reizender, als eben heute, antwortete ihr die Dienerin, nachdem ſie einen prü - fenden Blick auf die Unzufriedene geworfen hatte; in der That, Miß, Sie können gänzlich mit ſich zufrie - den ſeyn!

140

Jſt das dein Ernſt, Dina? fragte ſie die Geſchmeichelte, aufſpringend und wieder vor den Spie - gel tretend. Sag, Dina aber ſchmeichle mir nicht, hörſt du? ſag, bin ich wirklich ſchön?

Sie ſind es, Miß Marie, und Jhr Spie - gel wird es Jhnen auch ſagen; beruhigen Sie ſich alſo.

Jch will deinen Worten Glauben ſchenken, Dina, denn du biſt immer wahr; aber dieſe Locke, dieſe fatale Locke! Wirſt du mir die noch etwas ordnen helfen?

Jch finde auch daran nichts auszuſetzen, Miß; aber wollen Sie nicht noch dieſes Halsband an - legen?

Nein, Dina; es würde zu geputzt aus - ſehen. Jch glaube, Er zieht eine einfache Toi - lette vor; glaubſt du es nicht auch?

Jch hörte Mr. Arnold ſich nie über dieſen Gegenſtand ausſprechen, war die Antwort.

Du wirſt mir aber doch ſagen können, wie dieſer junge Mann dir gefällt, Dina? Findeſt du ihn hübſch?

Nein, aber ſchön.

Schön, wenn er nicht einmal hübſch iſt? lachte Marie. Erkläre mir, wie du das verſtehſt, Dina!

141

Hübſch finde ich ihn nicht, weil ihm Fülle, Friſche, eine gewiſſe Zierlichkeit, kurz alles Das fehlt, was man unter dem Worte begreift; aber ſchön iſt er in meinen Augen, weil ſich Verſtand, Geiſt und Gemüth in den Zügen ſeines Antlitzes ausſprechen.

Ah, ſo! nun verſtehe ich dich und gebe dir Recht. Glaubſt du, daß auch ich ihm gefalle? fügte ſie nach einer Pauſe, die Gefragte forſchend an - ſehend, hinzu.

Sie ſind ſo ſchön, wie ſollten Sie ihm nicht gefallen? antwortete ihr Dina ausweichend.

Ja, und ich hoffe meine Wette zu gewin - nen, ſagte Marie, ihr Bild mit Wohlgefallen im Spiegel betrachtend.

Sie haben eine Wette gemacht? fragte Dina; und mit wem, wenn ich fragen darf?

Mit Joe ſagte ich dir das noch nicht, Dina?

Jch weiß nichts davon.

Möglich! Jch bin jetzt zerſtreuter als ſonſt. Du ſollſt ſie aber jetzt erfahren, die närriſche Wette.

Jch bin ganz Ohr.

So höre denn, Dina! Joe erzählte mir oft von dieſem jungen Deutſchen, für den er ſich, wie du weißt, ganz beſonders intereſſirt, und in der letzten Zeit mehr als früher, und dabei ſchilderte er142 ihn mir nicht nur als einen Mann von ganz eigen - thümlichem Gepräge, von vielem Geiſte, vielem Ver - ſtande und bedeutenden Kenntniſſen, ſondern auch, trotz ſeiner Jugend, als einen Weiberhaſſer denke dir, Dina, als einen Weiberhaſſer! lachte Marie. Er behauptete, daß es ſelbſt mir nicht gelingen würde, dieſem kalten, ſtolzen Herzen wärmere Gefühle einzu - flößen, dieſe Marmorſtatue zu beleben. Das verdroß mich und ich meinte, es käme auf die Probe an; Joe blieb bei ſeiner Behauptung und das Ende vom Liede war, daß die Probe angeſtellt werden ſollte.

So, nun begreife ich! antwortete ihr Dina, deren Wangen ſich für einen Augenblick mit einem lebhaftern Purpur färbten; und zu dieſem Zwecke wurde Mr. Arnold hieher geladen?

Zu keinem andern, Dina, denn die Be - wachung des Hauſes hätte ja, wie ſonſt, wenn Joe ſich auf längere oder kürzere Zeit entfernen mußte, entweder dem alten John Adams oder ſeinem Sohne Joram anvertraut werden können.

Und was wird aus dem jungen Manne, wenn Sie Jhre Wette gewinnen ſollten? fragte Dina, nur mit der größeſten Mühe ihre Jndignation über das unwürdige Spiel der Beiden unterdrückend.

Nun, man ſchickt ihn wieder fort; was denn weiter?

143

Wenn er aber eine wirkliche Leidenſchaft für Sie faßte, wenn er unglücklich durch das mit ſei - nem Herzen getriebene Spiel würde?

So verliebt muß er ja eben in mich wer - den, wenn ich meine Wette gegen Joe gewinnen ſoll, antwortete ihr die Herzloſe, ohne ihre eigentliche Frage zu beantworten.

Dina ſchwieg jetzt; wußte ſie doch genug und kannte Marie, deren frivoles, ſelbſtſüchtiges Weſen ihr ſchon längſt einen moraliſchen Ekel einflößte. Trotz dem machte die Unglückliche keinen Verſuch, die Ket - ten abzuſtreifen, unter deren Drucke ſie faſt erlag: ſie büßte eine Schuld ab, indem ſie ſie ohne Murren, ohne Klage ertrug; ſie hoffte den Himmel dadurch mit ſich zu verſöhnen, daß ſie ſich von ihr verachte - ten Menſchen, die in jeder Hinſicht tief unter ihr ſtanden, unterordnete und ihnen, trotz ihrer Bildung, trotz ihrer Geburt, die ihr ganz andere Lebenskreiſe anwieſen, die niedrigſten Dienſte leiſtete. Jn dieſem Sinn und Geiſte ertrug ſie nicht nur die Leiden ihres Körpers, ſondern auch Alles, was ihr an Schmach, Erniedrigung und Beleidigung auferlegt wurde, mit einer an Heroismus grenzenden Geduld und Freudigkeit, denn ihr Glaube ſagte ihr, daß, je mehr ſie ſchon in dieſer Welt büße, um ſo weniger ſie in einer andern zu büßen haben würde. Für ſie gab es in der That144 auch kein Dieſſeits, ſondern nur noch ein Jenſeits mehr, da alle die Bande, welche ſie einſt an die Erde ge - feſſelt hatten, längſt zerriſſen waren und alle ihre Wünſche und Hoffnungen ſich nur noch auf ein an - deres, beſſeres Daſeyn richteten. Trotzdem hatte es ihr wohlgethan, daß vor ihrem Scheiden von dieſer Welt ihr ein menſchliches Weſen Theilnahme, Mitleid ſogar, noch geweiht hatte und ſie konnte nicht um - hin, demſelben auch ihre wärmere Theilnahme zu ſchenken. Schon auf den erſten Blick hatte ſie in Arnolden einen edlen, gefühlvollen Mann erkannt, denn ſein Geſicht trug das unverkennbare Gepräge der Güte und des Edelmuths; auch waren die mitleids - vollen Worte von ihr gehört worden, die er in Be - zug auf ihren Zuſtand bei ſeinem erſten Beſuche zu ihren Peinigern ſprach und ſie hatte ſie ihm um ſo mehr Dank gewußt, da ſich ſeit vielen Jahren ſchon kein Menſch mehr um ihr Wohl und Wehe beküm - merte und man ſich ihre Dienſte eben ſo gefallen ließ, als wären ſie von einem Automaten verrichtet worden.

Ja, Keiner beachtete die Unglückliche; Keiner ſchien nur zu bemerken, daß ihre Wangen mit jedem Tage bläſſer, ihre Augen tiefliegender, ihre Muskeln ſchlaffer wurden, daß der Athem ihrer kranken Lunge immer mehr zu fehlen begann und eine tödtliche Er - mattung ſie oft zwang, ſich mitten in einer Be -145 ſchäftigung auf einen Stuhl niederfallen zu laſſen, um nur wieder etwas Kraft zu gewinnen; kein Gang, kein Treppenſteigen wurde ihr erſpart, ſo ſchwer ihr beides auch wurde, und eben ſo wenig, als ihrer phy - ſiſchen Leiden, ſchonte man ihrer moraliſchen, indem in ihrer Gegenwart von Dingen geſprochen wurde, von denen wenigſtens Joe Smith wiſſen mußte, daß ſie ihr tief in die Seele ſchnitten.

Wenn ſie ſich nach einem unter ſo unerhörten Anſtrengungen verlebten Tage in ihrem einſamen Käm - merchen befand, ſank ſie gewöhnlich wie in tödtlicher Ermattung auf ihr Lager nieder und lag ſtundenlang, ohne ſich nur bewegen zu können. Sie machte dann den Verſuch zu beten, ſie rief den Befreier von aller Qual, den Erretter Tod, an und erſchrack doch wie - der vor ſich ſelbſt, daß ſie Gott um denſelben habe bitten können, da ſie doch noch nicht genug gebüßt und allein durch Leben büßen könne. So rang die Arme beſtändig zwiſchen den zwei ſich widerſtreitenden Wünſchen des Lebens und des Sterbens; ſo ſah ſie einen Augenblick ihre immer mehr und mehr ſich mit dem Stigma des Todes bezeichnende Geſtalt mit eben dem Entzücken im Spiegel an, womit die gefallſüch - tige Marie ihre friſchen Reize darin betrachtete, und erſchrack im andern vor der von ihr vermeintlich durch dieſe Freude begangene Sünde.

10146

Marie war endlich mit ihrer Toilette fertig und verließ, mit einem Buche in der Hand, das Schlaf - gemach, um ſich in das gemeinſchaftliche Wohnzimmer zu begeben, wo ſie Arnold zum zweiten Frühſtück er - wartete.

Dem Sopha, auf dem ſie ſaß, gegenüber hing das in Lebensgröße gemalte Bildniß Joe Smiths, das aber ſchon vor einer Reihe von Jahren gemalt ſeyn mochte, denn es ſtellte ihn im vollſten Glanze einer wirklich außerordentlichen Schönheit und weit jugend - licher dar, als er ſich jetzt zeigte.

Mariens Blicke fielen zufällig auf dieſes Por - trait und ſich an Dina wendend, die an einem Ne - bentiſche den Thee bereitete, fragte ſie dieſe: Wie alt mochte wohl Joe ſeyn, als man dieſes Bild malte?

Dreißig Jahre, war die Antwort.

Du kannteſt ihn damals, Dina? War er ganz ſo ſchön, wie das Portrait ihn zeigt, oder hat der Maler ihm geſchmeichelt?

Er war noch weit ſchöner, verſetzte die Gefragte mit einem tiefen Seufzer. Nie würde ein Maler im Stande geweſen ſeyn, ein genügendes Bild - niß von dieſem Manne zu entwerfen.

Jch glaube es, Dina, ſagte Marie, auf’s Neu den Blick auf das Portrait heftend; er iſt ſelbſt147 jetzt noch ſchöner als irgend ein Mann, den ich ge - ſehen, und doch iſt er nicht mehr in der erſten Ju - gend. Weißt du, wie alt er iſt?

Er wird acht und vierzig Jahre im nächſten Herbſte.

Nicht möglich! Da wäre er ja bald ein Fünfziger! Man ſollte ihm kaum Dreißig geben.

Er hat ſich in der That ſehr gut conſer - virt, antwortete ihr Dina, das Theehrett vor ihr auf den Tiſch ſtellend.

Darum wollte er mir alſo nie ſein Alter ſagen? rief Marie. O, er iſt eitel, ſehr eitel! Jch werde ihn damit necken, daß ich nun doch ſein Alter herausgebracht, fügte ſie hinzu.

Thun Sie das nicht, Miß Marie! rief Dina faſt erſchrocken; er würde Jhnen das übel neh - men und es mir noch mehr, daß ich verrathen, was er zu verheimlichen wünſchte.

Aber wie erfuhrſt du ſein Alter, Dina? forſchte Marie neugierig weiter.

Weil ſtammelte Dina, die jetzt erſt begriff, welche Unvorſichtigkeit ſie begangen hatte weil, irre ich mich nicht, Mr. Smith mir ſelbſt ſein Alter einmal geſagt hat. Hatte er doch auch keinen Grund, fügte ſie nach einer Pauſe hinzu, vor mir daſſelbe zu verheimlichen, während ihm,10 *148der ſchönen und jungen Geliebten gegenüber, daran liegen mußte, für jünger zu gelten, als er war.

Jch glaube, daß er mir aus dem Grunde ein Geheimniß daraus machte, verſetzte Marie und verſank in ein tiefes Nachdenken.

Die Entdeckung, daß Joe Smith bereits ſo alt ſei, machte einen unangenehmen Eindruck auf ſie und ſie konnte dieſen Gedanken nicht wieder los werden, ſo viele Mühe ſie ſich auch gab. Sie kam ſich ſelbſt faſt lächerlich vor, einen Mann, der dem Greiſenal - ter nicht mehr ganz fern ſtand, mit ſolcher Gluth der Empfindung geliebt zu haben, wie man einen Jüngling liebt; o, der arme Joe Smith hatte Viel in ihren Augen verloren, ſeit ſie wußte, wie alt, den Fünfzigen ganz nahe, er war! Zum Glück für ihn ſelbſt und für Marie machte er ſich aber jetzt aus dieſem Verluſte nicht eben viel; im Ge - gentheil, er würde ſich darüber gefreut haben, wenn er gewußt hätte, wie es ſeit der gemachten Ent - deckung um Mariens Herz ſtand.

Während aber der Werth der Liebe Joes in Ma - riens Herzen geſunken, war Arnold darin geſtiegen: er war jung und, wie der Prophet behauptet hatte, ein Weiberhaſſer: dies war mehr als genug, ihn für die Kokette intereſſant, ja ſehr intereſſant zu machen. Für ein Weſen wie Marie mußte das Alter im höchſten149 Grade widerwärtig, ein unverzeihliches Verbrechen ſeyn, und der Gedanke, ſelbſt einmal alt werden, ihre jetzt ſo friſchen Reize hinſchwinden ſehen zu müſſen, hatte für ſie faſt noch mehr Erſchreckendes, als der an den Tod.

Als daher Arnold zum Frühſtück erſchien, wurde er von Marien auf eine Weiſe empfangen, daß ihm kein Zweifel darüber bleiben konnte, daß ſie auf ſeine Eroberung ausgehe, und da ſein Herz völlig kalt war und er das Gewebe, womit man ihn zu umhüllen ſtrebte, durchſchaute, ſuchte und fand er eine ange - nehme Unterhaltung in dem Spiele mit der Gefall - ſüchtigen, die ihrerſeits keine Ahnung davon hatte, daß ſie ihm nur dazu diente, und die an ſie gerich - teten Galanterien des jungen Mannes für baare Münze nahm.

Die ſchöne Jahreszeit lockte Beide oft in den Garten hinab und dies gab dem alten John Adams, der darin arbeitete, vielfältig Gelegenheit, ſich über ſie zu ärgern. Er haßte ſeinen Hausgenoſſen aus voller Seele, einmal, weil er es ihm nicht verzeihen konnte, daß er ſich nicht zum Mormonismus bekannte, dann aber auch, weil der junge Deutſche ſeine Ab - neigung gegen ihn durchaus nicht verhehlte. Welchen Jngrimm mußte es daher nicht in ihm erwecken, wenn er die vermeinte Tochter des Propheten, das ſchönſte150 Mädchen und dazu die reichſte Erbin der ganzen Co - lonie, Arm in Arm mit dem verhaßten Fremdlinge wandeln und ihm ſogar Blicke zuwerfen ſah, in denen ſich die innigſte Zuneigung unverhohlen ausſprach! Nichts von allem Dieſen entging ſeinem Haſſe, ſeiner Spürſucht, und er gelobte ſich, daß der Prophet bei ſeiner Rückkehr Alles erfahren ſolle.

Am meiſten ärgerte er ſich darüber, daß er Marie die ſchönſten, mit der größeſten Sorgfalt von ihm ge - pflegten, ja ſogar die ſeltenſten Blumen abbrechen und ſie ihrem Begleiter überreichen ſah; denn wie alle Gärtner, war er geizig auf Blumen, und ſogar die, woran er ſeine größte Freude gehabt hatte, auf deren Cultur er ſo ſtolz war, in der Hand des ver - haßten Deutſchen zu erblicken, war ihm völlig uner - träglich und heiſchte Rache, die er aber bis zur Rück - kehr ſeines Gebieters in ſich verſchließen mußte.

Trotz dem kam aber Marie immer nicht weiter mit dem Gegenſtande ihrer Bemühungen und es war, als wenn, ſo oft ſie Arnolden einen Schritt entgegen that, er allemal um einen zurückwiche. Zwar be - wahrte er ihr gegenüber immer noch den Ton der Galanterie; zwar ſagte er ihr, ſo oft ſie es hören wollte, daß ſie ſchön, die Schönſte von Allen ſei, die er je geſehen; zwar empfing er mit Dankbarkeit die für ihn gepflückten Blumen aus ihrer Hand; zwar151 hob er eine ihrem Buſen entfallene Roſe ſorgfältig auf und ſteckte ſie an ſeine Bruſt; aber ſie wollte mehr: ſie wollte ihn um Liebe flehend zu ihren Füßen ſehen, ſie wollte das Geſtändniß von ſeinen Lippen vernehmen, daß es für ihn kein Glück mehr auf Er - den gäbe, außer dem, von ihr geliebt zu werden, und Arnold that von allem Dieſen nichts: er blieb immer nur galant gegen ſie und verſtieg ſich nie zur Zärt - lichkeit, ließ nie ein Wort entſchlüpfen, das ſie zu der Annahme hätte berechtigen können, daß ſie ſeinem Herzen etwas ſei.

Sie wußte ſich das nicht zu erklären, denn ſie vertraute der Macht ihrer Schönheit zu ſehr, als daß ſie hätte annehmen können, daß die von Arnolden gezeigte Ruhe und Kälte ihr gegenüber eine natürliche ſei. Sie ſuchte endlich die Urſache der ſie beunruhi - genden Erſcheinung in der Schüchternheit, in der all - zu großen Beſcheidenheit des jungen Mannes und ſpähte eifrig nach einer Gelegenheit, ihn dazu zu ermuthi - gen, mit den geheimen Wünſchen ſeines Herzens offen gegen ſie hervorzutreten; allein Arnold durchſchaute ſie auch hierin, und da ihm daran gelegen war, das Verhältniß, ſo wie es jetzt beſtand, bis zur Rückkehr des Propheten zu erhalten, vermied er mit eben ſo großer Klugheit als Sorgfalt die ihm von ihr geleg - ten Schlingen.

152

Marie, die ihn hatte fangen wollen, deren Ab - ſicht geweſen war, ihn in ihre Netze zu locken, um ſich einige Unterhaltung in der ihr immer läſtiger wer - denden Abgeſchiedenheit von der Welt zu verſchaffen, Marie hatte ſich in der eigenen Schlinge gefangen und brannte bald in der heftigſten Leidenſchaft für den Mann, mit dem ſie ein ſo heilloſes Spiel trei - ben, den ſie unglücklich hatte machen wollen, und je gefliſſentlicher Arnold ſich von ihr zurückzog, deſto mächtiger loderte eine faſt an Wahnſinn grenzende Liebe für ihn in ihrem Herzen empor. Auf dieſe Weiſe rächte ſich die ſeither von ihr mißbrauchte Liebe an ihrem Herzen, das jetzt im verdoppel - ten Maße alle die Schmerzen empfinden mußte, die ſie früher Andern in ihrer kalten Gefallſucht berei - tet hatte.

Sie beſaß zu wenig Bildung und Selbſtbe - herrſchung, um den Zuſtand ihres Jnnern vor dem Gegenſtande ihrer Leidenſchaft verbergen zu können, und jetzt erſt flößte ſie Arnolden Mitleid, Theilnahme ein, die kein edler Mann dem Weibe verſagen wird, von dem er ſich wahrhaft geliebt weiß, ſelbſt wenn er dieſe Liebe nicht erwiedern kann. Seine Stellung Marien gegenüber wurde dadurch faſt unhaltbar und er ſehnte ſich mit jedem Tage mehr und mehr dar - nach, ſich ſeines Wächteramts überhoben und ſich durch153 Joe Smiths Rückkehr einer ſo ſchwierigen und unan - genehmen Lage entriſſen zu ſehen.

Aber der Prophet zeigte ſich noch immer nicht und die Briefe, die von Zeit zu Zeit von ihm ein - liefen, ſagten nichts von ſeiner Abſicht, bald zurück - zukehren.

An einem Tage, wo Arnold ſich in einer beſon - ders bedrückten Stimmung befand es war der To - destag einer angebeteten Mutter und in Folge deſſen den rechten Ton der Unterhaltung mit Marien nicht zu treffen vermochte, bat er ſie, zu ſpielen und zu ſingen, weil er davon Beſchwichtigung ſeines ſchmerzlich aufgeregten Gemüths erwartete. Er hatte, ſich des Entzückens erinnernd, womit ihn ihr Geſang beim erſten Beſuche bei ihr erfüllt, ſie ſchon mehre Male darum gebeten, war aber immer unter dieſem oder jenem Vorwande mit ſeiner Bitte abgewieſen worden. Jetzt erneuerte er ſie jedoch auf eine ſo dringende Weiſe, daß Marie. glaubte nachgeben zu müſſen, wenn ſie ihn nicht beleidigen wollte.

Sie wiſſen aber doch, Arnold, ſagte ſie, indem ſich eine unverkennbare Verlegenheit in ihren Geſichtszügen abſpiegelte, Sie wiſſen aber doch, un - ter welcher Bedingung es mir allein möglich ſeyn wird, Jhren Wunſch zu erfüllen?

Jch werde mich jeglicher von Jhnen geſtell -154 ten unterwerfen, Miß Marie, nur ſingen Sie! ant - wortete er, ihr bittend in’s Auge ſehend.

Gut! ſo verſprechen Sie mir alſo, nicht von der Stelle, nicht hier vom Sopha, weichen zu wollen, während ich im Nebenzimmer ſpiele und ſinge?

Wie ſeltſam Sie ſind! Und weshalb das? fragte ſie Arnold voll Verwunderung.

Weil ich es ſo will weil mich Jhre An - weſenheit ſtören, weil ich keinen vernünftigen Ton hervorbringen würde, wenn ich Jhre Blicke auf mich gerichtet wüßte, ſtotterte Marie, deren ſeit einiger Zeit etwas bleicher gewordene Wangen ſich mit einem lebhaften Purpur gefärbt hatten.

Wenn man wie Sie ſingt und ſpielt, Miß Marie, iſt Blödigkeit nicht am rechten Orte, und ich geſtehe, daß ich Sie auch gern ſingen ſehen möchte.

Das werden Sie nie! erwiederte ſie raſch und ſenkte dabei das Auge zu Boden.

Gut, ſo füge ich mich Jhrem Willen und will einem Theile des gehofften Glücks entſagen, um nicht des ganzen verluſtig zu gehen, antwortete er ihr lächelnd; aber Sie ſind ein Kind, Marie, ein wahrhaftes Kind, daß ſie ſolche Bedingungen ſtellen!

Schelten Sie mich immerhin, verſetzte ſie, aber ich kann nicht anders; ich werde mich nie daran155 gewöhnen können, zu ſingen, wenn Sie im Zimmer gegenwärtig ſind.

Arnold wußte nicht, was er von dieſer Selt - ſamkeit denken ſollte, doch fügte er ſich jetzt derſelben ohne weitere Widerrede. Marie wies ihm ſeinen Platz auf dem Sopha an und begab ſich in das andere Zimmer, wo das Jnſtrument ſtand. Es dauerte eine Weile, bis es geöffnet wurde; dann ſchlugen volle, kräftige Akkorde an ſein Ohr, die das Vorſpiel ein - leiteten und bald erhob ſich wieder die Stimme, die ſchon einmal einen faſt zauberhaften Eindruck auf ihn gemacht hatte. Es war ein altes, einfaches Kirchen - lied, das geſungen wurde, und mit ſolcher Meiſter - haft, mit ſolchem Ausdruck und Gefühl, daß ſich den Augen des Hörers ſeiner unbewußt ſüße Thränen ent - ſtahlen und ſich eine wahrhaft himmliſche Ruhe um ſein eben noch ſo bewegtes Herz legte. Er ſchloß die Augen, um beſſer hören, dieſe Wundertöne beſſer in ſeine Seele aufnehmen zu können; noch eine Weile, nachdem der Geſang ſchon ſchwieg, ſaß er ſo da, wie in Entzücken verloren.

Endlich erhob er ſich und trat in das andere Zimmer, um Marien zu danken, er war aber nicht wenig überraſcht, Dina daſelbſt anzutreffen, die, wie er bemerkte, eben im Begriff ſtand, in dem noch vor ihr ſtehenden Notenbuche eine andere Arie aufzuſuchen156 und ſich bei ſeinem Eintritte raſch nach ihm um - wandte. Jn ihrer Miene lag ſichtbares Erſchrecken, als ſie ihn erblickte und ſie ſprang ſogleich von dem Stuhle vor dem Jnſtrumente auf, als wolle ſie ver - bergen, daß ſie davor geſeſſen.

Jch habe mich von Dina beim Geſange be - gleiten laſſen, nahm Marie, die ſich zuerſt wieder gefaßt hatte, das Wort; es wird mir leichter zu ſingen, wenn ich nicht ſelbſt zu ſpielen brauche, fügte ſie nach einer kleinen Pauſe hinzu.

Arnold hörte kaum, was ſie ſagte. Seine Blicke hingen an Dinas Geſichtszügen, die ſich ſeit ſeinem Eintritt, wahrſcheinlich in Folge des Erſchreckens, das er an ihr wahrgenommen, ſeltſam verändert hatten. Er glaubte, daß die Unglückliche auf der Stelle ſter - ben würde, indem einer brennenden Röthe, die ihr Antlitz bei ſeinem Erſcheinen bedeckt hatte, eine Bläſſe folgte, wie man ſie nur an Sterbenden wahrzuneh - men pflegt.

Was iſt Jhnen, Dina? fragte er ſie mit beſorgtem Tone, indem er zu ihr trat und ſie theil - nehmend anblickte. Jch fürchte, Sie befinden ſich ſehr übel! fügte er hinzu.

Es iſt nichts, antwortete ſie ihm mit er - loſchener Stimme, es iſt nichts und wird bald vor - übergehen.

157

Sie wollte ſich mit dieſen Worten vom Stuhl erheben, wahrſcheinlich, um das Zimmer zu verlaſſen; allein ihre Schwäche war ſo groß, daß ſie es nicht vermochte und wie in gänzlicher Erſchöpfung auf ih - ren Sitz zurückſank. Sie neigte das bleiche Haupt auf die Bruſt hinab und ſaß einige Augenblicke mit geſchloſſenen Augen da; dann ſchauderte ſie zuſam - men, öffnete die Augen wieder und blickte, wie in Todesangſt, um ſich her, wobei große Schweißtropfen auf ihrer alabaſterweißen Stirn perlten.

Arnold fürchtete, daß ſie von dem Stuhle zu Boden fallen möge und nahm ſie in ſeine Arme, um ſie auf’s Sopha zu tragen; es fehlte ihr an Kraft, das zu verhindern. Sanft legte er ſie auf die Kiſſen des Sophas nieder; ein dankender Blick aus ihrem Auge traf ſeinen Blick; dann ſchoß ein Strom von Blut zwiſchen den bleichen Lippen hervor, den ſie mit dem vorgehaltenen Tuche aufzufangen bemüht war, und zugleich bekam ihre gepreßte Bruſt wieder Athem, der ihr bisher gefehlt hatte.

Nun iſt es gut, nun iſt es vorüber! ſagte ſie mit kaum vernehmbarer Stimme, indem ſie ſich die feuchten Locken aus der Stirn ſtrich. Verzeihen Sie, daß ich Sie beunruhigte, Sir, fügte ſie mit einem Blick der innigſten Dankbarkeit auf Arnold hinzu; wie gern hätte ich Jhnen den unangenehmen158 Anblick erſpart und den Zufall in meiner Kammer abgemacht, aber ich vermochte es nicht es kam ſo ſchnell! Nochmals, verzeihen Sie!

Jch werde ſogleich einen Arzt rufen, Sie haben Fieber, Dina, ſagte Arnold, der ihren Puls unterſucht hatte; ich würde es mir nicht vergeben kön - nen, Sie ohne Hülfe zu laſſen.

Sie hat oft ſolche Zufälle und ſie gehen vorüber, ohne daß man nöthig hat, etwas dafür zu thun, nahm Marie, ſichtbar durch Arnolds Theil - nahme für die Unglückliche geärgert, mit kaltem Tone das Wort. Gönnen wir ihr etwas Ruhe, fügte ſie hinzu, und Sie werden ſehen, wie ſchnell ſie ſich erholt.

Ja, Ruhe! nur Ruhe! ſtöhnte Dina, indem ihr bleiches Haupt ermattet in die Kiſſen des Sophas zurückſank.

Die ſollen Sie haben, antwortete ihr Arnold; aber ich werde mich dabei nicht beruhigen, ſondern ungeſäumt für einen Arzt ſorgen, deſſen Sie ſehr benöthigt zu ſeyn ſcheinen.

Jch flehe Sie an, antwortete ihm Dina, ihm ihre beiden abgemagerten Hände bittend entgegen - ſtreckend, keine Schritte zu thun, die Mr. Smith unangenehm ſeyn dürften: er ſelbſt iſt Arzt und es würde kein anderer hier im Hauſe geduldet werden.

159

Sie hat Recht, Joe mein Vater würde es gewiß nicht billigen, daß wir einen frem - den Arzt zu Hülfe riefen, nahm Marie wieder das Wort; auch gebe ich Jhnen die Verſicherung, Mr. Arnold, daß dieſe Zufälle nichts, gar nichts zu ſa - gen haben und eben ſo ſchnell vorübergehen, als ſie zu kommen pflegen. Nicht wahr, wandte ſie ſich an dieſe, dir iſt ſchon jetzt beſſer?

Wie allemal, wenn ſich das Blut einen Ausgang aus der kranken Lunge gebahnt hat, ant - wortete ihr die Gefragte mit ſo ſchwacher Stimme, daß man kaum ihre Worte verſtehen konnte. Jch bitte, ich beſchwöre Sie! wandte ſie ſich an Arnold, deſſen Blicke noch immer beſorgt auf ihrer leidenden Geſtalt ruhten, bekümmern Sie ſich nicht weiter um mich, Sir, und gönnen Sie mir, warum ich Sie ſchon einmal bat: ein wenig Ruhe!

Ja, kommen Sie, Arnold, ſagte auch Marie, folgen Sie mir in’s andere Zimmer und laſ - ſen wir ſie allein. Die Sache hat in der That nichts auf ſich und der Zufall erſchreckt Sie nur, weil Sie ihn jetzt zum Erſtenmale ſehen.

Ein bittender Blick, den Dina auf ihn warf, bewog ihn, der Aufforderung Mariens Folge zu lei - ſten, doch that er es nur mit innerm Widerſtreben, und allein, weil die Leidende ſelbſt es zu wünſchen160 ſchien; denn Mariens Wunſch würde nicht den min - deſten Einfluß auf ihn ausgeübt haben, da ihr kaltes und gefühlloſes Benehmen ihn auf’s Tiefſte empört und ſie in ſeinen Augen ſo ſehr herabgeſetzt hatte, daß er nicht einmal im Stande war, ſeine Jndigna - tion vor ihr zu verbergen.

Er folgte ihr zwar in das andere Zimmer, aber ſeine innere Aufregung war ſo groß, daß er ſich nicht enthalten konnte, ihr die lebhafteſten Vorwürfe dar - über zu machen, daß man die unglückliche Dina ſo ohne alle Hülfsleiſtungen dahinſterben laſſe, daß man auch nicht den geringſten Verſuch zu ihrer Rettung mache.

Sie verkennen wahrlich mich und Joe! ſagte Marie, die über ſeine Heftigkeit und die ihr gemachten Vorwürfe ſo erſchrocken war, daß ſie nur mit der größeſten Anſtrengung ihre Thränen unter - drückte. Wenn die Rettung der Unglücklichen noch möglich wäre, ſo glauben Sie nur, würden alle dazu zu Gebote ſtehenden Mittel angewandt und mit Freu - den die größeſten Opfer von uns gebracht werden. Allein ſie iſt ſeit lange ſchon dem Tode verfallen, und mein Vater, der das wiſſen kann, weil er bedeutende mediciniſche Kenntniſſe beſitzt, behauptet, daß alle ge - gen dieſe Krankheit angewandten Mittel erfolglos blei - ben, ja, die Qualen der Kranken nur noch ver -161 mehren würden. So lange noch ein Anſchein Hoff - nung vorhanden war, dem Uebel Einhalt thun zu können, iſt Alles zu Dina’s Rettung angewandt wor - den, was nur die Kunſt an Hülfsmitteln darbot, und man hat die Krankheit nur dann ſich ſelbſt überlaſſen, als Wiederherſtellung völlig unmöglich war.

Arnold mußte ſich mit dieſer Antwort äußerlich zufrieden geben, aber innerlich war und blieb er ge - gen Marie verſtimmt, da ſein Herz ihr die gegen die Leiden Dina’s gezeigte Kälte nicht vergeben konnte. Er blieb finſter und einſylbig und ängſtigte dadurch nicht wenig Marie, deren Leidenſchaft für ihn ſchon einen ſo hohen Grad erreicht hatte, daß das Glück oder Unglück ihres Herzens durch ſeinen lächelnden oder finſtern Blick bedingt wurde.

Nachdem er eine Weile am Fenſter geſtanden und unruhig hinausgeblickt hatte, trieb es ihn zu der Leidenden zurück. Auf den Fußſpitzen trat er zu ihr in das Zimmer und ſtellte ſich neben das Sopha, auf dem ſie lag. Sie war vor Ermattung eingeſchlafen und der Schlaf hatte ihre Wangen wieder etwas ge - färbt. Man konnte kein ſchöneres, kein rührenderes Bild ſehen, als das dieſer ſchlummerden Kranken, deren reine und edle Geſichtszüge bereits von dem Verklärungsglanze umfloſſen waren, der ſich ſo oft auf dem Antlitze der Geſtorbenen gleich nach dem11162Tode zeigt und die Seele des Beſchauers mit tiefer Rührung erfüllt.

Dina öffnete bald wieder die Augen und ihr er - ſter Blick fiel auf den ſie voll Mitleid und Theil - nahme betrachtenden Arnold. Es zeigte ſich Etwas in ihren Augen wie himmliſche Freude und eine ihrer Hände zum Himmel emporhebend, ſagte ſie mit freu - digbewegter, aber leiſer Stimme:

Bald werde ich dort ſeyn!

Ja! antwortete ihr Arnold, der wußte, daß er ihr Troſt und Beruhigung dadurch brächte; ja, hoffen Sie, Dina!

Ein Blick ihres Auges dankte ihm für den ihr gegebenen Troſt.

Marie trat jetzt zu den Beiden ein. Es war ihr klar geworden, daß ſie, wenn ſie nicht gänzlich in der Achtung Arnolds ſinken wollte, wenigſtens einige Theilnahme für die leidende Dina heucheln müſſe.

Wie geht es dir jetzt, Dina? fragte ſie dieſe mit erzwungener Freundlichkeit. Nicht wahr, dir iſt ſchon viel beſſer?

O, viel beſſer, als ſeit lange! antwor - tete dieſe nochmals, einen dankbaren Blick auf Arnold werfend; bald wird mir ganz wohl ſeyn!

Hoffen wir das, Dina, und vor allen163 Dingen, hoffe du es, denn das wird viel zu deiner Geneſung beitragen.

Marie ſagte das nicht mit warmer, wohlthuen - der Theilnahme, ſondern ſo kalt, wie man etwas Eingelerntes herſagt, und in ihren Mienen und Blicken las man deutlich, daß ihr Herz nichts von dem wußte, was ihre Lippen redeten. Arnolden entging das nicht und ſeine bisherige Gleichgültigkeit gegen die kokette Marie verwandelte ſich in die tiefſte Verachtung, ſeit er ſie, die er ſeither nur für leichtſinnig und unbe - dachtſam gehalten hatte, jetzt auch noch als Heuch - lerin ertappte.

Dina machte Miene, ſich vom Sopha erheben und das Zimmer verlaſſen zu wollen; aber ihre Schwäche war noch ſo groß, daß ſie es nicht ver - mochte und ermattet wieder in die Kiſſen zurückſank.

Erlauben Sie mir, ſagte ſie, einen bit - tenden Blick auf Marie heftend, noch einige Augen - blicke hier zu bleiben; ich werde bald wieder ſo weit ſeyn, bald wieder ſo viele Kräfte geſammelt haben, um Sie nicht länger beläſtigen zu dürfen.

Wer wehrte es dir, ſo lange zu bleiben, als es dir gefällt? verſetzte Marie mit einem Tone, in dem ſich eine ſchlecht verhehlte Empfindlichkeit kund gab; denn in der That war ihr die Anweſenheit Dina’s zuwider, ſchon der Theilnahme wegen, die11 *164Arnold ſo unverhohlen gegen die Leidende an den Tag legte: ſie war in der Verblendung ihrer Leiden - ſchaft ſelbſt auf dieſe Sterbende eiferſüchtig und jedes Wort des Wohlwollens und des Mitleids, das Arnolds Munde in Bezug auf die unglückliche Dina entſchlüpfte, war ein Dolchſtich für ihr Herz.

Ja, bleiben Sie und ruhen Sie ſich erſt völlig aus, arme Dina, ſagte Arnold, ſeine Hand auf ihre abgemagerte, faſt durchſichtige legend; wir wollen Sie allein laſſen und uns in’s andere Zimmer begeben, damit Sie völlige Ruhe haben.

O, könnte ich Jhnen doch danken! hauchte die Kranke und eine große Thräne zeigte ſich zwiſchen ihren Wimpern.

Marie hielt ſich kaum länger; daß Arnold ſeine Hand auf Dina’s gelegt, daß er dieſe mit Blicken betrachtet hatte, die ihre Eiferſucht für zärtliche er - klärte, während es doch nur mitleidsvolle waren, ſetzte ſie faſt außer ſich und die Röthe des Zorns zeigte ſich auf ihren Wangen.

Zwar ließ ſie ihren Unmuth nicht in Worten gegen Arnold aus denn dazu gab er ihr keine Gelegenheit, indem er ſich ſtellte, als bemerkte er ihn nicht allein ſie ſchmollte den ganzen Reſt des Ta - ges mit ihm und unfähig, ſich zu beherrſchen, er - hielt auch die arme Dina keinen Blick mehr von165 ihr, keine theilnehmende Frage, denn ſie haßte ſie jetzt, die ihr ſeither nur völlig gleichgültig gewe - ſen war.

Neuntes Kapitel.

Man wird aus dem Vorhergegangenen bereits errathen haben, in welchem Verhältniſſe der Prophet und Marie zu einander ſtanden und daß letztere nicht die Tochter, ſondern die Geliebte Joe Smiths war.

Was hatte aber dieſer Mann, den man eifer - ſüchtig auf den alleinigen Beſitz eines ſo ſchönen Mäd - chens hätte halten ſollen, wohl bewogen, dieſem ei - nen viel jüngern Mann zuzuführen und ſich dadurch freiwillig einen gefährlichen Nebenbuhler geben? Daß er dies unbedachtſamerweiſe gethan, durfte man bei ſeiner Klugheit, Erfahrung und Menſchenkenntniß nicht annehmen, es mußte alſo mit Abſicht geſchehen ſeyn, und dem war wirklich ſo.

Joe Smith, ein Mann von der regſten Sinn - lichkeit und dem begehrlichſten Herzen, konnte ohne ein Verhältniß der Art nicht leben; aber wie den Genuß, liebte er den Wechſel und ſchon nach kurzer Zeit war er der ſchönſten Frau überdrüſſig, ſowie er zu ihrem ungeſtörten Beſitze gelangt war.

166

Auch Marie war von dieſem Schickſale betroffen worden, aber ohne daß ſie eine Ahnung davon hatte; denn im Aeußern bewahrte er noch ganz dieſelbe Zärt - lichkeit gegen ſie, wie zu Anfang ihres Verhältniſſes. Es würde ihm auch ſchwer gefallen ſeyn, ſich ihrer zu entledigen, wenn er ſeinen Nuf als Heiliger nicht auf’s Spiel ſetzen wollte, da Marie, wie er wähnte, noch immer von gleicher Liebe für ihn erfüllt war und er von ihrem unbedachtſamen, leidenſchaftlichen Character das Aeußerſte, ja die völlige Enthüllung ſeines ſittenloſen Lebens, zu erwarten hatte, wenn er ſie, wie andere Opfer ſeiner Lüſte, mit einer Summe Geldes heimlich abfinden und fortſchaffen wollte, um den vacant gewordenen Poſten einer Geliebten mit ei - ner Andern zu beſetzen.

Die Zeit, das wußte er, war noch nicht gekom - men, wo er die Maske fallen laſſen und ſich ſo zeigen durfte, wie er war; er bedurfte noch des Nymbus der Heiligkeit und Sittenreinheit vor den Augen ſeiner Gläubigen, wenn ſeine weitreichenden Pläne zur Reife gedeihen ſollten, wenn er nicht noch im Hafen Schiff - bruch leiden wollte. Aus dieſem Grunde, und allein aus ihm, hatte er Marie faſt fünf Jahre geduldet, obgleich ſie ihm ſchon längſt nicht nur gleichgültig, ſondern ſogar läſtig mit einer Zärtlichkeit geworden war, die er nicht mehr erwiedern konnte, und er167 würde das ſich ſelbſt aufgelegte Joch, in Berückſich - tigung der obwaltenden Umſtände, vielleicht noch läu - ger ertragen haben, wenn ſich nicht ſeinen Wünſchen ein neuer Gegenſtand dargeboten, eine neue Leiden - ſchaft ſich nicht ſeiner begehrlichen Seele bemächtigt hätte, eine Leidenſchaft, die ſo heftiger Natur war, daß er für den Augenblick dem Beſitze der Geliebten Alles, alle ſeine großen Pläne, ſeine weitausſehen - den Hoffnungen, zum Opfer dargebracht haben würde, wenn dieſer Beſitz nicht auf andere Weiſe zu erreichen geweſen ſeyn würde, denn in ſolchen Augenblicken be - herrſchte die Liebe ihn eben ſo unumſchränkt, wie er ſeine Umgebungen beherrſchte.

Es galt aber diesmal nicht, wie bei ſeinen frü - hern Verhältniſſen der Art, eine überdrüſſig gewor - dene Geliebte mit einer neuen zu vertauſchen, ſondern vielmehr ſein Haus zu reinigen, um den Gegenſtand ſeiner Anbetung als Gemahlin in daſſelbe einführen zu können, weil dies der einzige Weg war, zum Be - ſitze eines Mädchens zu gelangen, das durch Reich - thum, Geburt und Schönheit dazu berechtigt war, An - ſpruch auf die erſte Partie im Lande zu machen.

Der Erreichung dieſes Wunſches ſtand nun Marie im Wege. Er hätte ſie heimlich tödten können, und ſeine laxe Moral würde ſich dieſem Auswege nicht entgegengeſtemmt haben; allein er hatte ſich feſt vor -168 genommen, niemals ein unnützes Verbrechen zu be - gehen und immer erſt zu einem ſolchen dann ſeine Zu - flucht zu nehmen, wenn kein anderes Mittel zur Aus - hülfe ihm mehr zu Gebote ſtünde, und dieſes ſich ge - thane Gelöbniß rettete Mariens Leben.

Der Gedanke, der jetzt Ueberläſtigen einen an - dern Mann, einen jüngern, zuzuführen, um zu ſehen, ob ſich zwiſchen Beiden nicht ein zärtliches Verhältniß entſpänne, lag nahe, und zu dieſem Verſuche ward Arnold von ihm auserkoren. Wir wiſſen, daß ſeine Berechnung in Bezug auf Marie nicht fehlſchlug, indem dieſe ſich wirklich blindlings in eine neue Liebe ſtürzte. Er durfte auch hoffen, daß die ſeltenen Reize des Mädchens auf das Herz und die Sinne eines noch ſo jungen und feurigen Mannes, wie Arnold war, einen tiefen Eindruck machen würden; ſo glaubte er nur noch dafür ſorgen zu müſſen, daß die er - wachende Neigung Beider einen freien Spielraum und Zeit zur gehörigen Entfaltung fände, um des Gelin - gens ſeines fein angelegten Planes gewiß zu ſeyn; allein aus dem Grunde verbannte er ſich auf längere Zeit aus ſeiner Wohnung und führte die Beiden zu - ſammen.

Er hatte aber, trotz ſeiner großen Klugheit und Menſchenkenntniß, Arnolds Character, das innerſte Weſen des jungen Mannes, doch nicht nach Gebühr169 zu würdigen verſtanden, er hatte mit einem Worte dieſen zu niedrig angeſchlagen, wenn er ihm gleich be - deutende geiſtige Fähigkeiten zugeſtand.

Es iſt gewiß, daß hundert andere junge Männer blindlings in die ihnen ſo geſchickt gelegte Falle ge - gangen und in verzehrender Leidenſchaft für die rei - zende Marie entbrannt ſeyn würden; aber Arnolden hatte die Natur nicht nur eine ſeltene Klugheit und eine weit über ſein Alter hinausgehende Vorſicht, ſon - dern auch ein Ahnungsvermögen verliehen, das ihn vor dem Contact mit der geiſtigen Gemeinheit be - wahrte: er fühlte ſie gleich durch, mochte ſie ſich auch noch ſo ſorgfältig vor ihm verhüllen, und ſo mußte Joe Smiths Plan in Bezug auf ihn nothwendig ſcheitern, und um ſo ſicherer, da Marie nicht einmal Klugheit oder Liſt genug beſaß, ihr Jnneres vor ei - nem ſo ſcharfen Beobachter zu verbergen.

Am meiſten hatte aber Mariens Betragen gegen die unglückliche Dina dazu gedient, dem jungen Manne die Augen zu öffnen; nur ein gänzlich liebloſes Ge - müth, ſagte er ſich, eine völlig verhärtete Seele konnte mitleidslos im Angeſichte ſo großer Leiden blei - ben, und ihm blieb nicht lange verborgen, daß Ma - rie nicht die mindeſte Theilnahme, nicht das geringſte Erbarmen gegen die gleichſam vor ihren Augen Da - hinſterbende empfand.

170

An dem Abende, welcher dem Tage folgte, an dem er durch Dina’s plötzliche völlige Erkrankung ſo ſehr erſchreckt worden war, ſuchte er in ſeiner großen Verſtimmung gegen Marie früher als gewöhnlich ſein Schlafgemach auf, nicht, um ſich zum Schlafe nie - derzulegen, ſondern um, wo möglich, die Aufregung ſeines Gemüths durch Lectüre zu beſchwichtigen. Er begab ſich, bevor er ſich in ſein Zimmer zurückzog, in die Bibliothek des Propheten, wozu dieſer ihm den Schlüſſel gelaſſen hatte, um ſich ein Buch zu ſuchen, deſſen Jnhalt dazu geeignet wäre, ihn auf eine Weile von ſeinen Gedanken abzuziehen und beruhigend auf ſein Gemüth zu wirken. Er fand, was er ſuchte, und kehrte damit in ſein Zimmer zurück, wo er ſich neben dem geöffneten Fenſter denn der Abend war über - aus ſchwül, weil ein Gewitter am Himmel ſtand mit zwei Kerzen vor ſich auf dem Tiſche, zum Leſen niederließ.

Zu Anfang wollte es nicht recht damit gehen und ſeine Gedanken ſchweiften noch oft über das Buch, zu der armen Dina hinüber, deren furchtbare Leiden den lebhafteſten Widerhall in ſeiner Seele fanden; nach und nach aber feſſelte ihn doch die überaus an - regende Lectüre und die Stunde der Mitternacht war bereits vorüber, als er noch immer leſend am geöffne - ten Fenſter ſaß.

171

Eine Todtenſtille herrſchte in dem großen, weit - läufigen, nur von drei Perſonen bewohnten Gebäude, wovon zwei wahrſcheinlich ſich ſchon längſt zur Ruhe begeben hatten. Er konnte deutlich das Flüſtern des Nachtwindes mit den Blättern eines nicht ganz nahe am Fenſter ſtehenden Baumes vernehmen, ſo ſtille war es auch draußen in der Natur.

Da war es ihm, als ob ſich auf dem Corridor, an deſſen äußerſtem Ende ſein Zimmer lag, etwas be - wege, als ob ſich leiſe Schritte hören ließen. Er legte das Buch aus der Hand und horchte in einer faſt ängſtlichen Spannung, denn ſo wenig ſein Herz auch von Furcht wußte, ſo mußte dieſes geheimniß - volle Wandeln inmitten der ſchweigenden Nacht doch ſeine Phantaſie nothwendig lebhaft aufregen.

Es dauerte nur wenige Secunden, nachdem er das Geräuſch auf dem Corridor vernommen hatte, ſo öffnete ſich leiſe ſeine Thür und Dina ſtand im ſchnee - weißen, bis tief auf die Füße hinabwallenden Nacht - gewande, mit einem unangezündeten Lichte in der Hand, in derſelben.

Er würde ihren Namen gerufen und ſie da - durch aus ihrem Schlafwachen erweckt haben, wenn der Gedanke ſein Blut nicht in den Adern erſtar - ren gemacht hätte, daß er nicht die Unglückliche ſelbſt, ſondern wohl nur eine geſpenſterhafte Er -172 ſcheinung vor ſich habe, und ſo ſchwieg er von Ent - ſetzen ergriffen.

Die Nachtwandlerin denn das war Dina hatte die Augen weit offen; aber ihr Blick war ſtarr, wie der der Todten und man ſah es den unbeweg - lichen Augäpfeln an, daß ſie nicht damit ſah.

Sie ſtellte das unangezündete Licht vorſichtig auf eine neben der Thür ſtehende Conſole und ſchritt dann auf das Bett zu, was ſie mit einiger Haſt that, als fürchte ſie, überraſcht zu werden. Schnell hatte ſie die Bettdecke zurückgeworfen und taſtete mit Aengſt - lichkeit in dem leeren Raume umher, wobei ihre Mie - nen einen Ausdruck von unausſprechlichem Schmerze annahmen.

Es iſt nicht mehr da! rief ſie, vom Bett zurücktretend, mit einer Stimme, in der man die höchſte Verzweiflung nicht verkennen konnte, und die Arnolds Herz durchſchauerte. Es iſt nicht mehr da! rief ſie nochmals, nachdem ſie noch einmal, und ängſtlicher, haſtiger als zuvor, das Bett durch - ſucht hatte. Dann warf ſie ſich auf einen Stuhl nie - der, rang die Hände, wie in Todesangſt, und weinte ſo heftig, daß die Thränen ihr in Strömen über die bleichen Wangen ſchoſſen und das Buſentuch, wo - mit ſie ſittſam die Bruſt verhüllt hatte, ganz feucht machten.

173

Arnolds Lage war die peinlichſte von der Welt. Es wurde ihm in dieſem Augenblick klar, daß die unglückliche Dina ein großes, vielleicht furchtbares Ge - heimniß auf dem Herzen habe und auf dem Punkte ſtehe, es wider ihren Willen vor ihm zu enthüllen: hatte ſie doch ſchon geſprochen und konnte noch mehr ſprechen! Sollte er das abwarten und ſich ſo ge - wiſſermaßen, ihren Zuſtand mißbrauchend, in ihr Ge - heimniß drängen? oder ihr ein tödtliches Erſchrecken bereiten, indem er ſie durch Nennung ihres Namens aufweckte? Er wußte ſich nicht zu helfen, nicht zu rathen; ja, er wagte ſich nicht vom Stuhle zu be - wegen, aus Furcht, ihr dadurch ſeine Gegenwart zu verrathen; ſo blieb er, unſchlüſſig was er thun ſolle, unbeweglich, wie von einem geheimen Zauber gefeſ - ſelt, auf ſeinem Platze ſitzen, das Auge ſtarr auf die Nachtwandlerin geheftet.

Die Thränen Dina’s fingen endlich an, ſanfter zu fließen; ſie trocknete ſich mit einem mitgebrachten Tuche Augen und Wangen ab, ſtrich ſich die entfeſ - ſelten, von Thränen feucht gewordenen Haare aus der Stirn, erhob ſich von ihrem Sitze, trat, mit einer Miene, worin mehr Ruhe als zuvor und ſogar einige Entſchloſſenheit lag, an das unangezündet auf der Conſole ſtehende Licht und ſagte, ein Convolut Pa - piere aus dem Buſen hervornehmend:

174

Er ſoll es haben! Jch will nicht von der Erde ſcheiden, ohne daß ein Menſch erfährt, wie ich geſündigt, was gelitten, wie gebüßt habe! Sanftes Mitleid liegt in ſeinen Geſichtszügen, ſeinen Augen, wenn er auf mich Unglückſelige blickt: er wird mich nicht verdammen, trotz meiner Schuld er wird für mich zu Gott beten und mir eine Thräne ſchenken auf mein frühes Grab! Dieſe Güte, dieſe Theilnahme waren die letzten Sonnenblicke auf mein verſinkendes Leben o, wie dankt ihm mein Herz dafür!

Darauf verſtummte ſie, öffnete den Umſchlag, in dem die Papiere enthalten waren, legte die Blätter aus einander und zählte ſie, aber nicht laut, ſondern nur, indem ſie die Lippen bewegte. Als ſie damit fertig war, legte ſie ſie wieder zuſammen und in den Umſchlag zurück.

Ja, fuhr ſie, das Haupt erhebend, mit gleichſam entſchloſſenem Tone fort, er ſoll, er muß Alles wiſſen! Jch bin es ihm ſchuldig, daß ich ihn warne, rette, ihn errette aus dieſer Mörderhöhle! Ha, wie ſie ſchillert, wie ſie glänzt, wie ſie zün - gelt, die gleißneriſche Schlange, wie den Augenblick ablauert, ihm den Giftzahn in das unbeſchützte Herz zu drücken! Es wird ihr aber nicht gelingen, ihn zu berücken: er iſt ihr zu klug, er durchſchaut die Buhlerin und ich bin ja auch noch da!

175

Sie verſank dann in Nachdenken, ſtützte das bleiche Haupt mit der Hand und verharrte eine ganze Weile im tiefſten Schweigen. Darauf richtete ſie plötzlich das Haupt wieder empor und fragte ſich:

Aber was will Er mit ihm? Daß er ei - nen Plan mit ihm hat, daran darf ich nicht zwei - feln; aber welchen? Jch muß das zu ergründen ſu - chen, fügte ſie hinzu, indem ſie ſich erhob, wobei das Convolut Papiere, ohne daß ſie es zu bemerken ſchien, von ihrem Schooße auf die Erde fiel; und ich werde es ergründen!

Sie ſchwankte auf die Conſole zu, ergriff das darauf ſtehende Licht und entfernte ſich damit aus dem Zimmer, wobei ſie die Thür, welche bei ihrem Eintritte offen geblieben war, wieder hinter ſich zu - machte. Arnold hörte ſie den Corridor hinunter ge - hen; dann wurde wieder Alles ſtill und er blieb allein mit ſeinen Gedanken und Vorſtellungen zurück.

Das, was er aus dem Munde der Nachtwandlerin gehört hatte, konnte Arnold nur in dem beſtärken, was er über Joe Smith und Marie ſchon früher ſelbſt ge - dacht, und ſo erfüllte ihn der Gedanke mit Grauen, durch ſein Verſprechen gebunden, noch länger und wer wußte, wie lange? in dieſem unheimlichen Hauſe bleiben zu müſſen. Wie ein unglücklicher Ge - fangener aus ſeinem Kerker, ſehnte er ſich hinaus in176 die freie Luft, unter gute Menſchen, in deren Nähe ſeine Bruſt wieder frei aufathmen könnte, und er ge - lobte ſich mit feierlichem Schwure, dieſe ihm Abſcheu und Schrecken einflößende Wohnung um keinen Preis wieder zu betreten, wenn er das Glück haben ſollte, ihr den Rücken kehren und den ihm vielleicht geleg - ten Fallen entſchlüpfen zu können.

Er war zu aufgeregt, um nur daran zu denken, den Schlaf auf ſeinem Lager zu ſuchen und blieb am offenen Fenſter ſitzen. Die friſche Luft, die von draußen zu ihm hereindrang, that ihm wohl, indem ſie die glühende Hitze kühlte, die ſich durch das Er - lebte über ſein Jnneres ergoſſen hatte.

Die Gewitterwolken, welche zu Anfang der Nacht den Himmel bedeckten und die Luft ſo ſchwül ge - macht, hatten ſich, da ſich ein friſcher Nachtwind er - hoben, jetzt zerſtreut; der Mond war aufgegangen und prangte im vollen Glanze am Himmel, ſo daß die Sterne vor demſelben erbleichen mußten. Es war ſo hell, daß man im Garten, auf den die Fenſter hinausgingen, ſelbſt die kleinſten Gegenſtände deutlich unterſcheiden konnte und das Ohr vernahm mit Ent - zücken das ſanfte Rauſchen des Nachtwindes, der mit den Blättern und zarteren Zweigen der hohen Bäume ſpielte. Sanft bogen ſich die Wipfel der himmel - anſtrebenden Magnolien und Tulpenbäume, wenn der177 ſtärker anſetzende Wind ſie berührte und in dem ge - fiederten Laube der Akazien rief er ein melodiſches Ge - murmel hervor, während er zugleich ihre ſchneeweißen Blüten zwang, noch mehr des ſüßen Duftes auszu - ſtreuen, den ſie in ihren Kelchen bewahrten.

Dieſe Schönheit der Natur, dieſes ruhige Wan - deln der ewigen Geſtirne durch die unermeßlichen Räume hin; dieſes melodiſche Säuſeln und Flüſtern, das wie holdes Koſen der Gewächſe mit der geheimnißvollen Nacht klang, bildete den ſchneidendſten Contraſt gegen die Aufgeregtheit ſeines Jnnern, und der Gedanke, wie unbekümmert doch die ewige Natur um ihre Ge - ſchöpfe ſei, wie ruhig, wie unwandelbar ſie ihren Gang fortgehe, möge ein fühlendes Geſchöpf in Freude aufjauchzen oder ſich im Todesſchmerz krümmen, wurde zum brennenden Schmerze für ſeine Seele.

Wie wenig, rief er tief ergriffen aus, muß auch Menſchenwohl und Menſchenweh dem Schöpfer gelten; mit wie leichtem Gewichte der höchſte Schmerz und die höchſte Seligkeit in die Waagſchale des Ewigen fallen! Nichts, was geſchieht, verändert die ſich ewig gleich bleibenden Geſetze der Natur; Nichts ändert den Lauf der Geſtirne, die unbeküm - mert um das Gräßlichſte, das geſchieht, den ihnen ein - mal vorgeſchriebenen Weg ruhig fortwandeln. Nichts vermag Stockung in die Räder des großen Uhrwerks12178zu bringen und auf die Leichen von tauſend Gemor - deten, auf die gebrochenen Herzen von Tauſenden ſchaut der Mond eben ſo ſilbern hernieder, als auf die unter mir liegende, Duft und Wolluſt athmende Blumenflur. So ſind wir alſo der Natur, vielleicht auch dem Schöpfer, nicht mehr, als das Blatt, das der Sturm zerknittert, als der Wurm, den ein Fuß zertritt, wir, die wir uns doch ſo groß wähnen, weil wir mit unſerm Geiſte das All umfaſſen und der Na - tur ihre Geſetze abgelauſcht haben?

Dieſe Gedanken beugten und demüthigten ihn tief; er war ſich noch nie ſo klein, ſo unbedeutend vorgekommen, als in dieſer Nacht, nie ſo hülf - und wehrlos. Der Anblick der großen, mächtigen Natur, ſeiner Schwäche und Unmacht gegenüber, that ihm nicht wohl. Er zog ſich vom Fenſter zurück und wollte es ſchließen, als er hinter ſich Tritte vernahm. Der Gedanke, daß es Dina, die Nachtwandlerin ſei, die noch einmal zu ihm zurückkehre, vielleicht um die bei ihm vergeſſenen Papiere zu holen, an die er jetzt erſt wieder dachte, lag nahe; als er ſich aber um - wandte, ſtand der Prophet vor ihm.

Arnold, der niemand weniger als ihn erwartet hatte, erſchrak ſichtbar vor ſeinem Anblick.

Habe ich Sie erſchreckt? fragte ihn Joe Smith, indem er ihm die Hand zum Willkommen reichte.

179

Jn der That, ich erwartete Sie nicht, Sir, entgegnete ihm Arnold, der ſich indeß zu faſſen ge - ſucht hatte, und indem er die ihm dargebotene Hand nur mit den Spitzen ſeiner eiskalten Finger be - rührte.

Es war meine Abſicht, geſtern bei guter Zeit einzutreffen, antwortete ihm Joe; allein die außerordentliche Hitze des Tags zwang mich, während der heißeſten Stunden mir ſelbſt und den Pferden einige Raſt zu gönnen, und ſo habe ich während des kühlern Abends und der Nacht die verlorene Zeit wie - der einzuholen. Jch ſah, indem ich durch die große Allee des Gartens ging, Licht in Jhrem Zimmer und Sie ſelbſt am Fenſter, denn ſonſt würde ich es mir nicht erlaubt haben, Jhnen ſo ſpät oder vielmehr ſo früh denn Mitternacht iſt ja längſt vorüber meinen Beſuch abzuſtatten, um mich bei Jhnen nach dem Stande der häuslichen Angelegenheiten und vor allen Dingen nach Marien zu erkundigen, deren Briefe mich in der letzten Zeit verfehlten, da ich gezwungen war, oft den Aufenthaltsort zu wechſeln.

Sie finden Alles ſo vor, wie Sie es ver - laſſen haben, Sir, antwortete ihm Arnold etwas zerſtreut. Seine Blicke waren bei Joe Smiths Eintritt zufällig auf das von Dina hinterlaſſene Paquet gefallen und die Furcht quälte ihn, daß der Prophet es ent -12 *180decken, aufheben und vielleicht Dina’s Handſchrift darauf erkennen möge.

Und Dina? fragte Joe mit dem Tone herzinniger Theilnahme. Hat die Unglückliche Jhnen während meiner Abweſenheit nicht etwa Furcht und Angſt durch ihre böſen Zufälle eingeflößt? Wer mit ihrem Zuſtande nicht bekannt iſt, kann ſehr dadurch erſchreckt werden.

Das war geſtern der Fall, verſetzte der Gefragte: ſie hatte Blutſpeien und ſchien mir dem Tode ſehr nahe zu ſeyn.

Jch fürchtete wohl, daß ſie Sie und Marie erſchrecken würde, war die Antwort, und eben aus dieſem Grunde war mir meine lange Abweſenheit peinlich. Die Unglückliche will ſich keinem andern Arzte als mir anvertrauen und dieſer Eigenſinn ver - urſacht meiner Tochter und mir nicht wenig Kummer und Unruhe. Zwar iſt keine Rettung möglich, zwar iſt Dina ſchon dem ſichern Tode geweiht, fuhr er nach einer Pauſe fort, als Arnold ihm die viel - leicht erwartete Antwort, indignirt wie er über die Heuchelei des Propheten war, ſchuldig blieb; zwar ſteht die Kunſt dieſem Uebel gegenüber recht erbärm - lich da und hat ſich allein auf die Euthanaſie zu be - ſchränken; allein zu der letztern ſtehen ihr eine Menge181 Hülfsmittel zu Gebote und Wehe dem Kranken, wenn er ſie aus Laune und Eigenſinn verſchmäht!

Er bückte ſich mit dieſen Worten nieder, hob das hart vor ſeinen Füßen liegende Convolut Papiere auf, warf einen ſchnellen Blick auf daſſelbe und überreichte es ſtumm, nur mit einer leichten Verbeugung Arnolden, der es mit ſichtbarem Zittern empfing und, als halte er es nur da ſicher, in ſeinen Buſen barg. Es ent - ging den forſchenden Blicken des Propheten weder dieſes Zittern, noch das lebhafte Erröthen des jun - gen Mannes beim Empfange der Papiere und, auf falſcher Fährte, wie er war, beſtärkte ihn ſowohl das Eine wie das Andere in dem Glauben, daß ſein Plan gelungen, ſeine geheime Abſicht erreicht ſei. Er ver - muthete in dem Arnolden überreichten Paquete ent - weder Liebesbriefe oder Liebesgedichte, denn der alte Gärtner, mit dem er ſich bereits über eine Stunde in deſſen Wohnung unterhalten, hatte die ſich ihm darbietende günſtige Gelegenheit nicht unbenutzt gelaſ - ſen, den ihm verhaßten jungen Deutſchen bei dem Propheten, wie er wähnen mußte, anzuſchwärzen, in - dem er ihm mittheilte, nicht nur was er von den Bei - den geſehen, ſondern auch, was er vermuthet hatte.

Zu ſeinem nicht geringen Erſtaunen hörte ihm aber Joe Smith mit einer ihm völlig unerklärlichen und zugleich ärgerlichen Ruhe und Gelaſſenheit zu. 182Er hatte bis dahin geglaubt, der angeſehene und un - ermeßlich reiche Mann wolle höher mit der einzigen Tochter hinaus denn dafür hielt auch er Marie, da er erſt ein paar Jahre im Dienſte des Propheten war, der zugleich mit ſeiner Geliebten auch allemal die Dienerſchaft wechſelte, als ſie dem erſten be - ſten Abenteuerer zur Gattin zu geben, und gar Einem, der ſich nicht einmal zum Mormonismus bekannte.

Joe war alſo von Allem unterrichtet, oder glaubte es vielmehr zu ſeyn, bevor er zu Arnolden kam und das von dieſem mit ſo ſichtbarer Verwirrung aus ſei - ner Hand empfangene Convolut Papiere beſtärkte ihn nur noch mehr in ſeiner vorgefaßten Meinung. Wie es auf die Erde gekommen, wußte er ſich freilich nicht zu erklären: vielleicht war es Arnolden unbemerkt entfallen, indem er es, um jede Entdeckung des Jn - halts unmöglich zu machen, auf ſeiner Bruſt getra - gen, wo er es ja auch ſchnell wieder verbarg, nach - dem er es aus ſeiner Hand empfangen hatte.

Jch will Sie nicht länger ſtören, fuhr der Prophet, Arnolden die Hand zum Abſchiede rei - chend, fort: ich ſelbſt bedarf der Ruhe und kann ſie auch Jhnen, trotz der ſchönen, verlockenden Nacht, nur anrathen. Beim Frühſtück ſehen wir uns wieder und ich werde Jhnen und Marien Vielerlei zu erzäh - len haben.

183

Er entfernte ſich mit dieſen Worten und ließ Arnolden in ſo großer Aufregung zurück, daß es die - ſem unmöglich war, ſchon jetzt den Schlaf auf ſeinem Lager zu ſuchen. Die von Dina in ihrem Schlaf - wandeln zurückgelaſſenen Papiere brannten ihm gleich - ſam auf der Bruſt, und doch mochte er ſie an kei - nem andern Orte bewahren, aus Furcht, ſie der Neugierde Joe Smiths oder Mariens preis zu geben. Er war entſchloſſen, keinen Blick hineinzuthun und ſie bei der erſten ſich darbietenden Gelegenheit dem unglücklichen Mädchen ungeleſen wieder zuzuſtellen; aber ſeine Furcht bewog ihn, ſie hervorzunehmen, um zu ſehen, ob ſie auch eine Aufſchrift hätten, die, wenn von Dina’s Hand, leicht durch den Propheten erkannt ſeyn und das Geheimniß gefährden konnte. Zu ſeiner großen Beruhigung diente es, daß die Pa - piere bloß in einen weißen Bogen eingeſchlagen und dieſer durchaus ohne Schriftzeichen war; ſo konnte alſo Joe Smith von dem Jnhalte keine Ahnung haben.

Mit ſeinen Gedanken und Vorſtellungen beſchäf - tigt, fand er erſt mit Anbruch des Tags einigen Schlaf und erſchien, da er das Verſäumte nachgeholt hatte, ſo ſpät beim gemeinſchaftlichen Frühſtück, daß er ſich deshalb entſchuldigen mußte.

Joe war die Heiterkeit und Freundlichkeit ſelbſt,184 während ſich auf Mariens ſchön er Stirn einige Wol - ken zeigten: ſie dachte an die ſo nahe bevorſtehende Trennung von dem heißgeliebten Manne und hatte ſo alle ihr zu Gebote ſtehende weibliche Verſtellung - thig, um ihr Geheimniß nicht vor dem früheren Ge - liebten zu verrathen.

Nach dem Frühſtück beurlaubte ſich Arnold, der mit der größeſten Ungeduld dem Augenblick entgegen - ſah, wo er den ihm jetzt doppelt verhaßten Aufent - halt verlaſſen könnte; nur die Trennung von der un - glücklichen Dina fiel ihm ſchwer; nur der Gedanke, die Sterbende völlig hülflos und in den Händen ihrer Peiniger zurückzulaſſen, laſtete auf ſeinem guten Her - zen. Was aber konnte er im Grunde für ſie thun? worin ihr nützlich ſeyn? wie ſie noch retten, da ſie dem Tode ſchon verfallen, unheilbar krank war? Nicht einmal einen Troſt in ihrer Sterbeſtunde würde er ihr unter den obwaltenden Umſtänden haben brin - gen können.

Sie begleitete ihn, wie er erwartet hatte, hin - unter, um ihn auszulaſſen und die Thür wieder hin - ter ihm zuzuſchließen. Als ſie unten mit ihm ange - langt war, zog er die Papiere aus dem Buſen und reichte ſie ihr ſchweigend dar. Sie erröthete leb - haft beim Anblick derſelben und ſagte mit ſtocken - dem Athem:

185

So betrog mich meine Ahnung doch nicht, und ich war in der vorigen Nacht bei Jhnen? Jch hoffte es ich dachte ſo viel an Sie an Jhre Güte, Jhre Theilnahme gegen mich, daß ich vermu - thete, ich habe Jhrer auch in meinem unglückſeligen Zuſtande beſonders lebhaft gedacht und bei Jhnen die vermißten Papiere zurückgelaſſen. Dem Himmel ſei dafür gedankt, daß ſie in keine andere Hände, als die Jhrigen geriethen!

Jch brauche Jhnen hoffentlich nicht erſt die Verſicherung zu geben, Dina, daß ich den Zufall, der ſie mir zuführte, nicht zur Befriedigung einer ſträflichen Neugierde mißbrauchte?

Sie haben nicht nöthig, mir das zu ſagen: ich habe Sie vom erſten Augenblick an erkannt und Jhnen vertraut, wie noch nie zuvor einem Menſchen. Auch ſehe ich einen Wink des Himmels darin, daß dieſe Schriften gerade in Jhre Hände, in die des Freundes fielen, deſſen Erſcheinung der letzte Sonnen - blick auf mein dahinſchwindendes Leben war. O, Sie haben mir unendlich wohl gethan, mehr, als Sie ahnen konnten, durch Jhre Milde und Güte! So ſollen Sie mein Erbe und dieſe Papiere, die Jhnen vielleicht von großem Nutzen ſeyn werden, Jhre Erb - ſchaft ſeyn. Aber leſen Sie ſie erſt das geloben Sie mir! wenn ich nicht mehr bei dem Gedanken186 zu erröthen brauche, daß ſich ein Anderer als ich mit dem Jnhalte vertraut gemacht; leſen Sie ſie erſt, wenn ich in den Schooß der Gnade und Allbarmher - zigkeit zurückgekehrt ſeyn werde!

Jch gelobe Jhnen das, Dina, antwortete ihr Arnold gerührt, indem er die Papiere wieder in ſeinen Buſen barg. Aber hören Sie auch auf meine Bitte: kommen Sie mit mir, ſterben Sie in meinen Armen, in denen Jhres Freundes, Jhres Sohnes! Jch bin ſtark und entſchloſſen genug, Sie gegen Je - dermann zu beſchützen und fürchte mich ſelbſt vor die - ſem falſchen Propheten nicht, den zu entlarven über - dies die Aufgabe meines Lebens und Strebens ſeyn ſoll.

Das hieße, das mir auferlegte Werk der Buße unvollendet laſſen, war ihre Antwort, und ich muß es vollbringen, wenn ich nicht in Verzweif - lung ſterben ſoll. Sie werden das Alles begreifen, wenn Sie geleſen haben werden, was dieſe Papiere enthalten. Es ſind Geſtändniſſe, mein Freund, und vor Jhnen ſteht eine Sünderin, die allein durch Reue und Buße ſich Anwartſchaft auf die Allbarm - herzigkeit erwerben konnte. Sie ſehen, mein Kerker iſt offen: ich könnte entfliehen, wenn ich wollte, denn mir vertraut man die Schlüſſel an; ich bin die Be - wahrerin aller Geheimniſſe hier; ich könnte mit weni -187 gen Worten den Nymbus, und damit die ganze Exi - ſtenz des Propheten vernichten; aber man weiß, daß ich bleiben, daß ich ſchweigen und ohne Klage, ohne Murren, bis zum Tode aushalten werde, und ſo be - wacht man mich nicht einmal. Sie aber ſollen ge - warnt ſeyn; Sie ſollen wiſſen, wie Sie mit den Be - wohnern dieſes Hauſes daran ſind, um ſich vor den Jhnen gelegten Schlingen zu hüten, denn daß man Jhnen welche lege, iſt eine Gewißheit für mich, nur weiß ich noch nicht, zu welchem Zwecke.

Jch danke Jhnen, theure Dina, antwor - tete ihr Arnold tief gerührt, indem er ihre Hand er - griff und ſie ehrerbietig küßte: Jhr Vermächtniß, Jhre Güte, Jhr Andenken ſollen, ſo lange ich lebe, ein Heiligthum für mich ſeyn!

Wir ſehen uns wieder, mein Freund, eine frohe Hoffnung ſagt es mir, antwortete ſie ihm, mit der Hand zum Himmel deutend, unter Thränen der höchſten Rührung. Dann ſchloß ſich die Thür hinter ihm und er ſah ſie für dieſes Leben nicht wieder.

188

Zehntes Kapitel.

Joe Smith hätte ein Neuling und Unerfahrener ſeyn müſſen, wenn er, ſelbſt Nichts wiſſend, in dem Benehmen Mariens gegen ihn nach ſeiner Rückkunft nicht eine große Veränderung und eine ſolche zugleich in der ganzen Stimmung derſelben bemerkt hätte; jetzt aber, da er durch John Adams bereits von Allem unterrichtet war, oder es doch zu ſeyn glaubte, freute er ſich über das Gelingen ſeiner Liſt und wähnte ſich am Ziele ſeiner Wünſche.

Er beobachtete Marie während einiger Tage und veränderte in ſeinem Betragen gegen ſie nicht das Ge - ringſte: immer blieb er der zärtliche, aufmerkſame Liebhaber gegen ſie, der er von Anfang an geweſen war, ja, er überhäufte ſie ſogar mit reichen Geſchen - ken, die in einem überaus ſchön gearbeiteten und dabei koſtbaren Schmucke beſtanden. Jn früherer Zeit würde ſie ſich kindiſch darüber gefreut haben, ſchon weil ſie das Geſchenk als einen neuen Beweis der Liebe Joe’s angeſehen haben würde und gewohnt war, dieſe nach der Koſtbarkeit der Gaben zu taxiren; jetzt aber, wo ihre Gedanken mit etwas ganz Anderem, mit ihrer Liebe zu Arnolden und deſſen Ausbleiben beſchäftigt und durch beides ſchmerzlich berührt war, konnte ſie189 ſich kaum entſchließen, dem Geber einige Worte des Danks dafür zu ſagen und wendete bald in unver - kennbarer Gleichgültigkeit den Blick wieder davon ab.

Marie, nahm jetzt Joe das Wort, der ſchon mit einiger Ungeduld auf die Gelegenheit ge - wartet hatte, es zur Erklärung zwiſchen ihnen kom - men zu laſſen, Marie, wie iſt dir?

Sie erſchrak ſichtbar bei dieſer an ſie gerichteten Frage, bei der, um ihre Angſt und Verwirrung zu mehren, der Prophet feſt den Blick auf ſie heftete.

Wie mir iſt? antwortete ſie mit vor Schrecken bebenden Lippen; welche ſeltſame Frage, Joe! fügte ſie hinzu, indem ſich ihre etwas bleicher gewordenen Wangen plötzlich lebhaft färbten.

Wähnſt du, mich täuſchen zu können, Ma - rie? ſagte er, nachdem er ſie eine Weile mit ſeinen durchdringenden Blicken betrachtet und ſie dadurch ge - zwungen hatte, die ihrigen zu Boden zu ſenken.

Jch begreife nicht, was du von mir willſt, antwortete ſie ihm nach einer Pauſe, während welcher ihre Verlegenheit und Unruhe den höchſten Gipfel er - reicht hatten; bin ich denn etwa anders als ſonſt, daß du mich ſo fragſt?

Ja! erwiederte er ihr mit feſter Stimme. Mir kann kein Zweifel mehr darüber bleiben, daß ich dich anders wieder gefunden habe, als ich dich190 verließ. Wie würdeſt du nicht in früherer Zeit dich meiner Rückkehr gefreut, mit welchem Entzücken die Gaben meiner Liebe aufgenommen haben; beide ließen dich aber diesmal kalt und leer. Bin ich denn ein Neuling in Herzensangelegenheiten, fügte er nach einer Pauſe mit einem etwas vorwurfsvollen Tone hinzu, daß du wähnen könnteſt, mich zu hinter - gehen?

Jn der That, Joe, antwortete ſie ihm, allen ihren Muth zuſammennehmend, wie ſoll ich mich über dieſe reichen Geſchenke, dieſe koſtbaren Spie - lereien wohl freuen? für wen, ich frage dich, mich damit ſchmücken, da wir in einer Abgeſchiedenheit le - ben, die größer iſt, als die in einem Kloſter? Du hätteſt dein Geld ſparen können, mein Freund, fügte ſie, ſchon etwas mehr ermuthigt, weit mehr gefaßt, hinzu, und ich bitte dich ernſtlich, in Zukunft keins mehr für ſolche Dinge auszugeben, da ich in meiner gegenwärtigen Lage nichts damit anzufangen weiß.

Und das fällt dir erſt jetzt ein, Marie? fragte ſie Joe, der den Blick nicht von ihr abwandte und ſie damit gefeſſelt hielt, wie, nach einer Sage, die Klapperſchlange das auf dem Baume ſitzende, von ihr zum Raube auserkorene Vögelchen mit dem ihri - gen bezaubern ſoll.

Man kommt nur nach und nach zu ver -191 nünftigen Anſichten, beſonders, wenn man ein armes, unerfahrenes Mädchen iſt, wie ich eins bin, ant - wortete ſie ihm nach einer ziemlich langen Pauſe, ohne jedoch zu wagen, den Blick zu ihm zu erheben. Jch hätte mir freilich längſt ſagen ſollen, wie ich es jetzt thue: wozu dieſer glänzende Schmuck, wozu dieſe koſtbaren Kleiderſtoffe, da dich Niemand darin ſieht, als eine Dienerin und höchſtens ein alter mür - riſcher Gärtner?

Früher, antwortete ihr Joe mit ernſtem, faſt ſtrengem Tone, früher ſchmückteſt du dich für mich; früher ſetzteſt du allein Werth darauf, mir zu gefallen und aus meinem Munde zu hören, daß du ſchön, die Schönſte von Allen ſeiſt; jetzt aber iſt das anders geworden und mein Lob, meine Bewun - derung, vielleicht auch meine Liebe, gelten dir nichts mehr.

Wie, du glaubſt das, Joe? ſagte ſie und ihre Angſt, ihre Verwirrung erreichten einen ſol - chen Grad, daß ihr die Worte faſt auf den Lippen erſtarben und ſie nur dieſe wenigen, nichtsſagenden hervorzubringen vermochte.

Jch glaube es nicht bloß, ſondern ich weiß es, antwortete ihr der Prophet in dem vori - gen Tone; ich weiß, Marie, daß ich nicht mehr die einzige Liebe deines Herzens bin, ja, daß ein192 Anderer, den ich unbedachtſam, in deine Nähe ge - bracht, mir dieſe Liebe geraubt hat. Jch liebe es nicht, mich über irgend Etwas zu täuſchen, fuhr er nach einer Weile fort; ich bin überhaupt nicht der Mann, den man hoffen dürfte, täuſchen zu können, und ſo fordre ich auch von dir Wahrheit, Marie; ſo will ich, daß dein Mund, dein eigener Mund mir beſtätigen ſoll, daß ich recht geſehen habe.

Was willſt du mit allem Dieſen? rief ſie, in Thränen ausbrechend. Biſt du eiferſüchtig, Joe? und wenn du es warſt, weshalb verſetzteſt du mich in eine Lage, bürdeteſt mir ein Verhältniß auf ......

Darin fehlte ich, unterbrach er ſie, ihre Hand ergreifend und ſie küſſend; da ich allein fehlte, will ich auch der allein Büßende ſeyn, und nicht ein - mal ein Vorwurf ſoll dich und den jungen Mann treffen, den ich unbedachtſam in deine Nähe führte. Du biſt jung, ſchön, liebenswürdig; deine Reize hät - ten ſelbſt einen Stoiker entflammen können, und die - ſer Arnold hat Jugend vor mir voraus; er iſt über - dies liebenswürdig, gebildet, achtungswerth ſogar; er iſt mehr hübſch als häßlich und ſo hätte ich mir ſa - gen müſſen, daß dieſes Beiſammenleben, und oben - drein in ſolcher Abgeſchiedenheit, nothwendig die Folge haben müßte, die es, wie ich jetzt weiß, gehabt hat. 193Jch aber war zu ſtolz, zu eitel, wenn du willſt, in - dem ich glaubte, daß kein Anderer mich je aus dei - nem Herzen verdrängen, mir je bei dir gefährlich werden könnte, und dieſe Eitelkeit büße ich mit dem Verluſte des höchſten Glücks meines Herzens ab: nichts gerechter als das!

Marie antwortete ihm nur durch Thränen. Er erhob ſich und ſchritt eine Weile, wie in der heftig - ſten Aufregung, durch’s Zimmer; dann blieb er vor ihr ſtehen, ergriff ihre Hand, drückte ſie an ſein Herz und ſagte mit dem ſanften, einſchmeichelnden Tone, den er ſehr in ſeiner Gewalt hatte:

Gewähre mir jetzt nur das Einzige, was du mir noch gewähren kannſt, Marie: Wahrheit, volle, unumwundene Wahrheit! Jſt es ſchon zum Geſtändniſſe zwiſchen dir und Arnolden gekommen?

Jch ſchwöre dir bei Allem, was mir heilig iſt, rief ſie, in Thränen aufgelöſt, daß nie das Wort Liebe zwiſchen uns ausgeſprochen wurde!

Jch muß den Character dieſes jungen Man - nes immer mehr achten lernen, ja, ich muß demſel - ben ſogar Bewunderung zollen, ſagte der Prophet wie vor ſich hin. So lange mit einem jungen und ſo ſchönen Mädchen unter einem Dache, völlig ab - geſchieden von der Welt, ohne Lauſcher, ohne Hor -13194cher, ohne Furcht vor Verrath zu ſeyn, und ſich doch nicht von der Leidenſchaft zum Mißbrauche eines ihm geſchenkten ehrenvollen Vertrauens hinreißen laſ - ſen, das grenzt an Erhabenheit; das beurkundet zu - gleich den feſteſten, männlichſten Character und eine edle Seele. Ja, Marie, wandte er ſich wieder an dieſe, ja, dieſer Arnold iſt deiner, iſt des Glücks würdig, dich, die Krone der ſchönen und liebens - würdigen Frauen, zu beſitzen, und weit davon ent - fernt, eurem Glücke in den Weg zu treten ......

Wie, du wollteſt ..... unterbrach ihn Marie und vollendete, aus Furcht, ſich in dem, was ſie zu hören glaubte, geirrt zu haben, nicht ihren Redeſatz.

Selbſt dem höchſten Glücke, deinem Be - fitze, Marie, entſagen, antwortete er ihr mit ei - nem erzwungenen Seufzer, um dich, die ich tau - ſendmal mehr als mich ſelbſt liebe, ganz glücklich zu ſehen.

Edelſter und beſter aller Männer! rief ſie und ſtürzte ihm zu Füßen nieder, ſeine Hände mit ihren Thränen und Küſſen bedeckend.

Nicht alſo, Marie! Steh auf, mein gutes Kind, meine geliebte Tochter! rief er in verſtellter Rührung, indem er ſie zu ſich emporhob und ſie195 umarmte. Jn meinen Armen, an meinem Herzen iſt allein dein Platz; denn wenn Eins von uns ſchul - dig iſt, ſo bin ich es allein und allein will ich auch büßen.

Und du zürnſt mir, zürnſt Arnolden wirk - lich nicht? fragte ſie ihn unter Thränen der Rüh - rung.

Wie ſollte, wie dürfte ich es, ohne mich einer ſchreienden Ungerechtigkeit ſchuldig zu machen? Aber noch Eins ſage mir, Marie, und das mit der ſchönen Aufrichtigkeit, die dich ſo ſehr ehrt: biſt du denn auch der Liebe des jungen Mannes gewiß? empfingſt du Beweiſe derſelben? und welche? Du ſagteſt mir ſelbſt, du ſchwurſt es mir ſogar, er habe nie das Wort Liebe gegen dich ausgeſprochen: wie weißt du es denn, daß er dich liebt?

Als ob man das nicht ohne Worte wüßte, Joe! antwortete ſie ihm erröthend. Wußte ich es doch auch von dir, fügte ſie hinzu, noch ehe du es mir geſagt hatteſt: ſo Etwas läßt ſich nicht verkennen, und wenn Arnold ſchwieg, ſo wollte er nicht hinter dem Rücken des vermeinten Vaters um die Liebe der ihm und ſeinem Schutze anvertrauten Tochter werben. Vielleicht mochte er gar fürchten, du wolleſt höher mit mir hinaus.

13 *196

Das läßt ſich hören, verſetzte der Pro - phet nachdenklich, und ſein Character, ſeine Ge - ſinnungen widerſprechen einer ſolchen Annahme nicht. Bald werden wir wiſſen, fügte er nach einer Pauſe hinzu, woran wir ſind, und liebt er dich, wie du ihn liebſt, ſo ſoll Nichts eurem Glücke, eurer Ver - einigung im Wege ſtehen.

Ende des erſten Theils.

About this transcription

TextDer Prophet
Author Amalie Schoppe
Extent207 images; 37705 tokens; 6885 types; 255095 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDer Prophet Historischer Roman aus der Neuzeit Nord-Amerikas Erster Theil Amalie Schoppe. . [2] Bl., 196 S. LudenJena1846.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Berlin SBB-PK, 37 MA 12862

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Roman; Belletristik; Roman; core; ready; china

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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