PRIMS Full-text transcription (HTML)
Erinnerungen aus den Kriegsjahren 1813, 1814 und 1815.
Graf Bülow von Dennewitz.
Erſte Lieferung.
Erinnerungen eines freiwilligen reitenden Jägers aus den Kriegsjahren 1813 1815.
Berlin,1848. Jn Commiſſion der Hirſchwald’ſchen Buchhandlung, Burgſtraße 25.
Non cum corpore exstinguuntur magnae animae. Tacitus.
Nicht mit dem Körper erlöſchen große Seelen.
Η δ᾽ ἀρετὴ, τὸ γ᾽ ἄριστον ἐν ἀνϑρώποισιν ἅεϑλον.Tyrtaeus.
Wohl gilt die Tapferkeit den Sterblichen für den rühmlichſten Kampfpreis.
El esfuerzo regido con cordura Allana al suelo las mas altas sierras. Cervantes.
Der tapfre Muth, von weiſem Sinn geleitet, Zwingt auch die höchſten Gipfel ſich zu neigen.
Wie groß und ſtark der Feind ſich mache, Wie hoch er ſchwinge Muth und Schwert; So glaube doch, die gute Sache Jſt hunderttauſend Köpfe werth.Martin Opitz.
Despois de procellosa tempestade, Notturna sembra, e sibilante vento, Traza manhãa serena claridade, Esperança de porto, e salvamento. Camoens.
Nach wilden Wettern, die das Meer bezogen, Nach Finſterniß, nach Stürmen und nach Winden, Erſcheint des Morgens Klarheit auf den Wogen, Und Hoffnung, bald des Hafens Heil zu finden.
Man geht aus Graus in Wonne, Man geht aus Nacht in Sonne, Aus Tod in Leben ein.de la Motte Fouqué.

Den freiwilligen Jägern der Jahre 1813, 1814 und 1815 gewidmet.

Widmung.
Vor Dir, o Gott, der Erde Herr, der Himmel,
Jn eigner Schwachheit ich hier flehend ſteh.
O Herr, zu Dir ich aus dem Erdgewimmel
Vertrauend, glaubend, hoffend aufwärts ſeh.
Gewähr mir Beiſtand in erlaubten Dingen,
Laſſ, was ich möchte, mich mit Kraft vollbringen!
Schon oft hatt ich und ſogar feſt beſchloſſen,
Zu ſchildern Einzelnheiten aus der Zeit,
Die wir zuſammen, edle Kampfgenoſſen
Verlebt in jugendlicher Heiterkeit.
Jndeſſen ich mißtraute eignem Geiſte,
Und auch mit Recht, daß er dies wirklich leiſte.
Doch immer weiter zieht in Wolkenfernen
Das einſt durchlauf’ne ſchöne Jägerland!
Manch braver Freund weilt lange ſchon auf Sternen,
Dort, wo Sein Geiſt die wahre Heimath fand.
Verfaſſer drum gieb auf Dein albern Träumen!
Kleb Vers an Vers! Sollſt, darfſt nicht länger ſäumen!
VI
Nach Leib’s Verweſung folgt auf’s Neu Belebung,
Unſterblichkeit, Dir geht voraus der Tod!
Der Schmach von Preußen folgte die Erhebung,
Nach Nacht erſchien der Freiheit Morgenroth.
Jena und Auſterlitz in trüben Tagen,
Sie waren Grund, daß Leipz’ger Schlacht geſchlagen.
Kam’raden denn, die Jhr ſeit langen Jahren
So freudig eilt zu dem Erinn’rungs-Mahl.
Nicht Haar allein nur, hört! nein, auch die Schaaren
Der alten Kämpfer nehmen ab an Zahl.
Freiwill’ge Jäger, leſet hier die Zeilen,
Denkt unſres Kampfes oft, nicht nur zuweilen!

Jnhalt.

Seite

  • 1. Napoleon’s Rückzug aus Rußland1
  • 2. Ruſſiſches Landesvaterlied3
  • 3. York6
  • 4. Traum König Friedrich Wilhelm’s8
  • 5. Scharnhorſt10
  • 6. Stein12
  • 7. Des Königs Aufruf13
  • 8. Moreau16
  • 9. Bellermann18
  • 10. Arndt und Jahn20
  • 11. Zuſammenkunft Kaiſer Alexander’s mit König Friedrich Wilhelm22
  • 12. Hardenberg24
  • 13. Gneiſenau25
  • 14. Gneiſenau und Blücher27
  • 15. Napoleon’s Kriegserklärung29
  • 16. Lied vom Regiment Colberg31
  • VIII
  • Seite
  • 17. Lied vom Eickeſchen Huſarenregiment33
  • 18. Landwehr35
  • 19. Landſturm36
  • 20. Schlacht bei Lützen39
  • 21. Scharnhorſt’s Tod45
  • 22. Schlacht bei Bautzen48
  • 23. Kneſebeck67
  • 24. Napoleon am Sterbelager des Marſchalls Duroc, Her - zogs von Friaul69
1. Napoleon’s Rückzug aus Ruſſland.
Eine feſte Burg iſt unſer Gott,
Die beſte Wehr und Waffen.
Der Frankenkaiſer kam zu Spott,
Nichts half ſein emſ’ges Schaffen.
Es hat auf Nordlands Feld
Gott ſelbſt ihn hingeſtellt.
Dort ſtand er kahl und naß,
Fror und Freund Boreas
Gab ſtürmend ihm’s Geleite.
Jn Moskau zog der Welſchen Heer
Hinein von allen Seiten.
Den Czaarenkremmel fand es leer
Von Koch - und Küfer-Leuten.
Werthlos wird Demantpracht,
Wo Durſt und Hunger wacht.
Aus rieſ’gem grauen Thor
Seht wirbelnd dort empor
Die Flammenſäule ſteigen!
12
Die Bereſina hemmt den Weg,
Den Tauſend heimwärts wollen.
Der tapfre Eblé baut den Steg
Trotz Sturm, trotz Eiſesſchollen;
Es drängt in Haſt und Wuth
Der Troß gen Brück und Fluth.
Manch Kranker ſtürzt hinab,
Jhn grüßt das kühle Grab.
Hoch thürmen ſich die Leichen!
Zerſtoben war das Flitterwerk,
Dem Staub war es entnommen.
Das kühnſte Heer, voll Geiſt und Stärk,
Sank hin, im Froſt verklommen.
Gott wollt’s. Der Zweifler zwar
Wähnt: Nichts ſei wunderbar!
Merk denn: was Haß vollführt,
Stirbt, wird nicht ſtatuirt.
Ewig nur lebt die Liebe!
3
2. Ruſſiſches Landesvater-Lied.
Landesvater,
Schutz und Rather,
Ruſſland’s Kaiſer lebe hoch!
Du ſchlugſt die Franzoſen alle,
Selbſt ihr Kaiſer kam zu Falle,
Eilte, daß nach Haus er zog.
Alexander
Auseinander
Trieb des Welteroberers Heer.
Letzt’rem ſchlug bei Moskau’s Gluthen,
Wie bei Bereſina’s Fluthen,
Herz vor Kummer dumpf und ſchwer.
Hoch bei Jahren,
Schlacht-erfahren,
Kutuſow, feſt war Dein Blick!
Als für uns Du kamſt zu kriegen,
Sah man einen Adler fliegen
Ueber dir, das deutet Glück!
1*4
Platow’s Reiter,
Kühne Streiter,
Ritten brav, ſelbſt ohne Zaum.
Piken ſauſten; die Koſacken
Zielten nach der Feinde Nacken
Und verfehlten einen kaum.
Die Manieren
Der Baſchkiren
Sind nicht eben ſtutzerhaft.
Pfeile, die beim Kampf ſie brauchen,
Sie in Woorara tauchen
Und in gift’gen Upasſaft.
Es entzücken
Die Kalmücken
Dirnen nicht durch faden Scherz.
Jſt auch kraus die Naſ und Lippen,
Regt ſich unter ſtarken Rippen
Doch ein treues, tapf’res Herz.
Hoch auf Roſſen,
Feſt geſchloſſen,
Naht die ſchwere Kavall’rie.
Kampfeskundig, exerciret
5
Wird mit ſicherm Blick geführet
Artill’rie und Jnfant’rie.
Peter’s Fahnen
Vorwärts mahnen!
Hurrah, auf Europa’s Feind!
Bei Dorf Roßbach mit Standarten
Die Kam’raden Preußen warten
Und ihr König, Kaiſers Freund.
6
3. York.
Hätte die Granatenkugel
Mir zermalmt doch Hirn und Herz!
Hätt ich dann doch nicht in beiden
Jenen, meinen dumpfen Schmerz.
Der Gen’ralſtab hat gut rathen,
Folgen wär denn auch nicht ſchwer!
Gält’s nicht, ſtatt Gefecht, ſtatt Thaten,
Meines Namens Klang und Ehr.
Soll’s Armeecorps hin ich führen
Zu dem Ruſſen, unſerm Feind?
Soll ich’s gar wohl mainteniren
Für Napoleon, den Freund?
Völkerrechte-Uebertreter,
Blieb er Sieger allzuletzt,
Würde York, ich als Verräther
Nicht der Schande ausgeſetzt?
7
Bied’rer Freund und Kam’rad Blücher,
Ständ’ſt Du hier an meiner Stell,
Ja, Du ſchlügſt, ſo glaub ich ſicher,
Gleich Gen’ralmarſch und Appell!
Bürger, Pred’ger, Ritter, Bauern
Triebſt zum Aufſtand Du ſogleich!
Bonapart bekäm ein Schauern,
Niederſänk ihm Kron und Reich!
Darum fort mit weit’rem Zagen,
Mag verdammen mich die Welt!
Will mich zu den Ruſſen ſchlagen.
Rechts umkehrt! gebeut der Held.
8
4. Traum König Friedrich Wilhelm’s.
Trauernd, einſam, ſich verſenkend
Jn des Herzens heil’ge Räume,
Ruht auf hartem Kriegesfeldbett
König Friedrich Wilhelm einſt.
Denkt der Unbill Seines Hauſes,
Das die Luxemburger, Stauffen,
Wittelsbacher, ja faſt Habsburg
Uebertraf an Waffenruhm.
Nicht allein denkt Er der Ahnen,
Mehr der Trübſal noch der Seinen,
Der befleckten Preußen-Fahnen;
Nacht, du hörſt Sein ſtilles Weinen!
Endlich mildert ſich Sein Kummer,
Es umfängt Jhn ſanfter Schlummer,
Jhm im Traum erſcheint Louiſe,
Haltend Bayards Kampf-Deviſe,
9
Sprach ſie: Mann vom reinſten Adel,
Halt an Gott Dich, unſern Vater,
Bleib Dir ſelber Er ſei Rather
Stets getreu ohn Furcht und Tadel.
Hohe Diener heiß ſie kommen,
Jhren Beirath laß Dir frommen;
Möge, wünſche ich, vor allen,
Scharnhorſt’s Vorſchlag Dir gefallen!
Unſichtbar will ich dann fechten
Mit für Dich. Es ſoll den Zelter
Leiten Seidlitz mir, der Held. Er
Mag herabſeh’n, ob nach Rechten
Alles kämpft, ob exerciren
Sie gut, gut auch manöv’riren.
Doch bald; ja der Sieg glückt ſicher!
Feldmarſchall wird unſer Blücher!
10
5. Scharnhorſt.
Es ſaß ein Jnvalide,
Wohl etwas matt und müde
(Zur Stadt war weit ſein Gang.)
Auf eines Dorfes Bank.
Er ſprach vom König Fritz,
Keith, Deſſau, Seidelitz,
Erzählte tauſend Suiten
Vom alten Gen’ral Ziethen.
Beim Namen: Graf Schwerin
That ihm die Wange glüh’n
Von allen mitgemachten
Belagerungen, Schlachten,
Trug er Geſchichten vor,
Die in das offne Ohr
Der dicken Bauernrangen,
Die ihn umliefen, drangen.
Doch ſtimmt, wie ſonſt wohl Keinen,
Es froh beſonders Einen,
Der Tags, ja ſelbſt bei Nacht,
Ernſtlich drob nachgedacht.
11
Er hofft im Traum: Würd mal
Jch doch ein Korporal!
So ward er denn Gen’ral,
Der nicht nur das, was nah,
Nein, in die Zukunft ſah.
Scharnhorſt, der, als durch Schmach
Das Heer darnieder lag,
Jhm wußte neues Leben
Und inn’re Kraft zu geben.
Er iſt’s, der Preußens Waffen
Faſt gänzlich umgeſchaffen;
Kräft’gend die inn’re Ehr
Vom Stand der Kriegeswehr.
12
6. Stein.
Wer reiſt dort ſo ſpät noch bei Regen und Wind?
Ein Mann iſt’s, ſinnig und edel geſinnt.
Er fährt in der Nacht ohne mondlichen Schein,
Der Freiherr des Reiches, der Herr von dem Stein.
Jn polniſcher Waldmark iſt’s eiſig und leer,
Grell heulen die Wölfe, dumpf brummet der Bär!
Zur Kutſche hinaus ſtreckt podagriſches Bein
Der Freiherr des Reiches, der Herr von dem Stein.
Nicht achtet er Beulen, noch gichtiſches Ziehn,
Sein Antlitz, er fühlt es in Freude erglüh’n;
Von Petersburg reiſt bis Stadt Breslau hinein
Der Freiherr des Reiches, der Herr von dem Stein.
13
7. Des Königs Aufruf.
Jn Seiner Braven Mitte
Saß auf der Väter Thron
Friedrich Wilhelm der Dritte,
Der Herr der Zollernkron.
Er ſprach: Die Kund iſt kommen,
Gott dräut dem Zwänger: Halt!
Nur Krieg kann jetzo frommen,
Erhebt Euch, Jung und Alt!
Schnell vorwärts war gedrungen
Des Königs Donnerwort.
Begeiſternd war’s erklungen
Hin bis zum kleinſten Ort;
Verlaſſen ward die Schule,
Amt -, Kunſt -, Kauf -, Herbergs-Tiſch.
Der Recken-Sinn in Thule
War faſt ſo ſtark und friſch!
14
Da bläſt’s: Friſch auf zum Jagen,
Es iſt ſchon an der Zeit,
Es fängt ſchon an zu tagen,
Der Kampf iſt nicht mehr weit.
Auf, laßt die Faulen liegen,
Laßt ſie in ihrer Ruh!
Wir rücken mit Vergnügen
Dem lieben König zu.
Die Mehrſten zieh’n einſt wieder
Zurück in Siegesreih’n.
Dann tönen Jubellieder,
Das wird ’ne Freude ſein!
Wie glüh’n davon die Herzen
So froh und ſtark und weich!
Wer fällt, der kann’s verſchmerzen,
Der hat das Himmelreich!
So klang’s von Rott zu Rotte,
Es lief von Dorf zu Stadt
Das Lied, das de la Motte
Fouqué geſungen hat.
15
Es dringt durch Raum und Zeiten
Das Lied vom Sieg und Tod!
Es that mit vorbereiten
Der Freiheit Morgenroth!
Ein Kirchhof lag gebreitet,
Schloß ſchon den Dichter ein.
Ein Hügel ward bereitet,
Auch wohl ein Leichenſtein.
Wenn ſelbſt auch brannten Kerzen,
So glüht doch heller fort
Jn allen Deutſchen Herzen
Des Sängers Heldenwort!
16
8. Moreau.
Ein kühner Held
Lebt von der Welt
Getrennt, in jenem Land,
Das einſt Columbus Ahnung fand.
Der Sieger iſt’s bei Hohenlinden,
Um deſſen Stirn ſich Lorbeern winden.
Es wird zu Jhm geſandt
Jetzt von Europa’s Land.
Der Bote ſpricht: Moreau,
Befreiung winkt, ſei froh!
Verlaß Dein ſelbſterwähltes Grab;
Der Norden beut Dir dieſen Feldherrnſtab!
Du ſollſt die Heere führen,
Denn Du kennſt die Manieren,
Der Taktik hellen Bau
Napoleon’s genau.
Bring uns ſchnell ſchifft mein Boot
Den Sieg, wo nicht, den Tod!
Als Moreau dies vernommen,
Fühlt er die Bruſt beklommen.
17
Jhm bangt vor dem Gedanken,
Daß er, erzeugt von Franken,
Soll fechten gegen Brüder.
Tief ſinnend auf und nieder
Geht er; heiß wallt ſein Blut.
Bald kehrt zurück ſein Muth.
Er frägt: Der Uſurpator
War er denn Frankreich’s Vater?
Nein! Selbſt die eig’nen Lande
Legt er in geiſt’ge Bande.
Wohlan denn! ſpricht Moreau,
Krieg ſei jetzt, denn nur ſo
Kann aus des Korſen Ketten
Jch meine Landsleut retten!
Zur See, zuletzt auf Roſſen
Nah’t er den Kampfgenoſſen.
Umkränzt von Ruhm und Ehr
Traf ihn das Schickſal ſchwer:
Zerſchmettert ward der Held
Auf Dresden’s Schlachtenfeld.
Gott hat es ſo gewollt,
Damit der Deutſche ſollt
Ohn fremde Hülfe gehn,
Sollt aus ſich ſelbſt erſtehn.
218
9. Bellermann.
Ein berühmter Schuldirektor
Rief zuſammen den Prorektor,
Subrektor und Conrektor;
Trug den dreien Patriarchen,
Zugeſellt ihm dem Monarchen,
Haude-Speners Zeitung vor.
Jn ſelb’ger Zeitung ſtand geſchrieben:
Alle, welche Ehre lieben,
Sollten kommen friſch und froh.
Die es treu und redlich meinen,
Sollten ſchnell zum Kampf erſcheinen,
Unſer König woll es ſo!
Primus omnium Primanorum
Gegen alles Schuldecorum
Jauchzte: Rektor, ich geh mit!
Rektor ſprach: Man lern noch fleißig!
Primus rief: Schon Alles weiß ich!
Wandelt fort. Stolz war ſein Schritt.
19
Rektor ſinnt: Exemplum datur
Par, (Cornelius Nepos fatur,)
Apud Graecos: Marathon!
Volksgeiſt würd es Delbrück heißen,
Der ſchlug Xerxes, ſchlägt durch Preußen
Sicher auch Napoleon.
Bellermann that ſich gewöhnen,
Und in zwei geliebten Söhnen
Zeigt ſich, wie er’s meinte, klar.
Trotz Erynnien, trotz Parzen
Kämpfte bald bei Lützow’s Schwarzen
Das getreue Brüderpaar.
2*20
10. Arndt und Jahn.
Noch lebt zu Bonn am Rheine
Voll Deutſchen Sinns ein Greis.
Auch Einer an der Unſtrut.
Jhr Haar ward ſilberweiß.
Das Wort von dem am Rheine,
Das macht die Seelen ſtark.
Der Andre ſtärkt die Leiber
Und mehrt der Knochen Mark.
Den erſten mit den Waffen
Des Geiſtes, Arndt man heißt.
Aus Feuer ward geſchaffen,
Dem Weine, gleich ſein Geiſt.
Hoffnung, den Glauben, Liebe,
Des Herzens Herrlichkeit,
Zum Vaterland die Triebe
Nährt er in jener Zeit.
21
Jahn kräftigte die Jugend,
Verweichlichung entfloh.
Zu kriegeriſcher Tugend
Erzog er Turner ſo.
Den Zweien, die das Eiſen
Geſchmiedet Tag und Nacht,
Den zweien edlen Greiſen
Sei hier ein Hoch gebracht!
22
11. Zuſammenkunft Kaiſer Aleranders mit König Friedrich Wilhelm.
Das Dorf hat wenig Häuſer,
Bei Oels liegt’s, heißt Stapitz.
Dorthin kam Rußlands Kaiſer.
Selbſt führt ihn hin zum Sitz;
Saß neben ihm der König
Preußens, reicht ihm die Hand.
Jhr Zwiegeſpräch erwähn ich
Nicht, es blieb unbekannt.
Wohl aber mag man denken,
Was Beider Freundſchaft ſprach.
Die Blicke mochten lenken
Sie auf Europa’s Schmach.
Hier ſprach kein falſches Gleißen,
Wort drang von Mann zu Mann!
Dem alten Freund bot Preußen
Die alte Freundſchaft an;
Eilt, ſtatt erſt lang zu klügeln,
Den Bund neu zu beſiegeln.
23
Denn Rußlands Prüfeſtunden
Hat Preußen mit empfunden,
Des Drangſals trübe Nacht,
Was immer Rußland litt,
Die Opfer, die’s gebracht,
Preußen fühlt tief ſie mit.
Allein riß Preußen los
Sich aus dem Herrſcherſchooß
Frankreichs, vor allen Mächten
Zuerſt bereit zu fechten.
Sein edler König war
Der Held, dem immerdar
Herz, das in Bruſt er trug,
Für wahre Ehre ſchlug!
Rußland vergiß drum nicht
Des Dankes heil’ge Pflicht!
24
12. Hardenberg.
Wohl iſt es ſchwer im wilden Sturm der Zeiten,
Mit Sicherheit und Ruhe dazuſtehn,
Und ſo wie Hardenberg den Staat zu leiten,
Den Gang der Zeit im Geiſt vorauszuſehn.
Denn ſo nur konnt er Alles vorbereiten,
Was ſpäter durch ihn Herrliches geſcheh’n;
Er wußte ſelbſt im Drange der Gefahren
Den heit’ren milden Geiſt ſich zu bewahren.
Das Steuerruder haltend feſt in Händen,
Lenkt er des Staates Schiff mit That und Wort.
Bei Gegenwind lavirt er, ſtatt zu wenden;
Dreidecker trieb ſo leiſe vorwärts fort.
Er glaubte feſt, daß Drangſal müſſe enden;
Vom Ziel der Seefahrt ahndet er den Ort.
Es brannten Er und Staegemann, der Dichter,
Jm Voraus in Paris als Leuchtthurmlichter!
25
13. Gneiſenau.
Wie heißt der Mann, der in beſonn’ner Richtung
Des Geiſtes wirkte: kräftig, ſtill und klar;
Beſcheiden daſtand und nur der Verpflichtung
Der Stimme folgte, welche in ihm war,
An Kriegesbildung Jeden überragend,
Schon vor der Schlacht ihr Bild im Jnnern tragend?
Wo fänd ich Worte, würdig dich zu ſchildern,
Dich, der nie eig’ne Hoheit trug zur Schau?
Du, der Naturkraft Blücher’s wußt zu mildern,
Unſterblicher, erhab’ner Gneiſenau!
Gütig geſinnt, ſtand’ſt felſenfeſt als Ritter
Du, droht dem Staat ein nahendes Gewitter
26
Was Du uns warſt, lehrt kein Geſchichtskunſtſchreiber.
Die Clio weiß es, die viel feiner wägt.
Du warſt der geiſt’ge Keil, der mächt’ge Treiber;
Das Dampfrad, das der Freiheit Werk bewegt.
Es war Dein Sinn, der nach der Tugend ſtrebte,
Und jedes Herz durch ſeine Glut belebte.
27
14. Gneiſenau und Blücher.
Eu’r Excellenz, ich melde mich Jhnen;
Zum Gen’ralſtabs-Chef ward ich heut ernannt.
Ein weiter Kreis des Wirkens iſt erſchienen
Hierdurch für mich, wie dankbar ich erkannt.
Eu’r Excellenz woll nachſichtsvoll mich führen,
Um unter Jhnen Taktik zu ſtudiren.
Warum man Sie mir, General, geſandt,
Jſt mir und wahrlich ganz genau bekannt!
Es iſt der Pläne unſ’rer Schlachten wegen.
Statt mit der Feder, ſchreib ich mit dem Degen.
Dies weiß man gut. Sie werden Bolzen gießen,
Freund Gneiſenau. Jch, Blücher, ſoll ſie ſchießen!
28
Wie dem auch ſei, ich heiße Sie willkommen.
Das, was mir fehlt, Sie werden es ergänzen!
Sind Eins wir Zwei, muß es dem Ganzen frommen.
Wohlan denn, fort zu heller Waffen Tänzen!
Es gilt den König und das Land zu ſchützen!
Laßt Säbel, laßt die Bajonett erblitzen!
29
15. Napoleons Kriegserklärung.
Seht dort jenen Kranken,
Dem die Wangen glüh’n,
Wandeln in Gedanken
Durch die Tuilerien!
Wer ſah je ihn wanken?
Stärkſtes ward durch ihn.
Völker, vor dem Franken
Laſſt den Hut uns ziehn!
Plötzlich hebt er rüſtig
Sich, wirft fort die Pein.
Spricht zu ſich, gern wüßt ich,
Wird treu Habsburg ſein?
Fiel’s ab, dann faſt müßt ich
Geben auf den Rhein.
Kanzlern überliſt ich
Schwerer noch, wie Stein.
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Berthier reit geſchwinde
Hin zum Marſchallsrath!
Wirke, daß dort zünde
Hier Mein Kampfmandat!
Preußens Feuerſchlünde
Wecken Uns zur That.
Breit’re Kriegesgründe
Drucke der Senat.
Raſch in Stadt und Flecken
Werbt Uns Jung und Alt!
Forſcht in allen Ecken,
Meßt nicht erſt Geſtalt!
Die, ſo ſich verſtecken,
Nehmt ihr mit Gewalt!
Deutſchland ſoll erſchrecken.
Jch bin Sieger bald!
31
16. Lied vom Regiment Colberg.
Colberg tritt an!
Haltet, ihr Pommerſchen Brüder,
Eng und geſchloſſen die Glieder,
Mann dicht bei Mann.
Präſentirt’s Gewehr!
Dort kommt geritten der Blücher,
Der haut Napoleon ſicher,
Solch Mann iſt Er!
Folgt Ehr und Schwur!
Franzkerls mit Bajonettſpießen
Soll’n unſre Kolben genießen,
Flouchons toujours!
32
Jetzt marſch drauf los!
Sollſt Pommern nicht mehr beſpotten,
Mit oder ohne Culotten,
Foutre-Franzos!
Nicht raiſonnirt!
Aufgepaſſt, Pommerſche Brüder!
Haltet geſchloſſen die Glieder!
Vorwärts marſchirt!
33
17. Lied des Eickeſchen Huſarenregiments.
Den Franzmann will ich ſchlagen,
Mit Franzfrau mich vertragen,
Mir hilft, fehlt auch das Geld,
Mein Säbel durch die Welt.
Wir hier, wir Herr’n Huſaren
Sind fröhlich bei Gefahren.
Stets wechſelt Noth mit Glück.
Es herrſcht der Augenblick.
Wir ſind die ſchönſten Männer,
Das ſagen alle Kenner.
Ja, unſern alten Herrn
Freit ſelbſt die Jüngſte gern!
Herr Oberſt, die nicht haſſen
Die Damen, doch das Praſſen,
Sie trinken Wein ſtatt Thee
Und lieben Schlachtquarré.
334
Herzvater ſagt beim Scheiden:
Chriſtoph, mußt Weibsvolk meiden;
Merk’s Dir, der Dirnen Kuß
Schadet dem Reiterſchluß.
Papa, Uhlan, dann Bauer,
Kannt Welt wohl viel genauer
Als mancher Sekretair.
Der grübelt freilich mehr.
Horch, Donnern der Haubitzen!
Trompeter bläſt: Aufſitzen.
Dem Alten ſchlägt voll Luſt
Seht nur Huſarenbruſt!
So laßt uns wacker reiten,
Und wer in ſpäten Zeiten
Vom Oberſt Eicke ſpricht,
Vergißt auch unſrer nicht.
35
18. Landwehr.
O Zeit der Kraft, wo an des Thrones Stufen
Dein Volk Du, König Preußens, feſt vereint;
Landwehr mit den Freiwill’gen Du gerufen,
Und jeder wahr es mit dem Andern meint!
Vom Männertritt bebt Erde, wie von Hufen,
Das ganze Heer in rüſt’ger Kraft erſcheint.
Des ſtet’gen Söldners Ruhmtrieb wird entzündet,
Da er den Landwehrmann ſich ähnlich findet.
Der Landwehrmann trägt des Erlöſers Zeichen
Am Hut; iſt ſo für Sieg und Tod geſchmückt.
Mit Gott für König und für’s Land der Eichen
Steht auf dem Kreuz, das auf zum Himmel blickt.
Die Bauern, wohlgeübt im Senſenſtreichen,
Sind ſchnell zur Hand. Jn Reihen angerückt,
Als Exercierkunſtkund’ge jüngſt entlaſſen,
Strömen die luſt’gen Krümper zu in Maſſen.
3*36
19. Landſturm.
Schön iſt’s unter freiem Himmel,
Wenn im Drang und im Gewimmel
Rings herum die Flaſche kreiſt;
Wenn des Marketenders Kringeln
Stolz ſich uns entgegenringeln.
Vivat drum, wer Landſturm heißt!
Soll poet’ſche Menſchheit graben,
Muß ſie ſich vorerſt erlaben
Am Berliner Weißbiertrank.
Kanoniers tragt fort Faſchinen,
Kellner bringen Sie Blondinen
Volpi’s uns im Glaſe ſchlank!
Der Herr Oberſt auf dem Schimmel
Reiten durch das Schwerdtgetümmel.
Und Sie loben uns. Auf Ehr!
37
Machen uns Jhr Complimente,
Sprechen: Jch bin ſehr contente.
Mannszucht hält man, faſt zu ſehr!
Dort ein Kleiner ruft zum Langen:
Laß uns aneinander hangen,
Bleib Du ſtets mein Nebenmann!
Halt Dich feſt an meiner Linken!
Da aus einem Krug wir trinken,
Kein Gen’ral uns trennen kann!
Wahrheitsfinder, Schleiermacher,
Satans kühlſter Widerſacher,
Glüht als braver Landſturmmann.
Sinnend jauchzt Er: Klein gewachſen,
Steig ich zu des Welſchfürſt’s Dachſen -
Lügengipfel raſch hinauf!
Philoſoph’ſchen Glaubens Lenker,
Fichte, ſcharf und tiefer Denker,
Skepticirt als Objekt ſich;
Ruft drum: Sagt’s mir unverholen,
Hier mit Pike und Piſtolen,
Bin ich Nicht-Jch, oder Jch?
38
Stultus kräht: Nichts Landſturm nützte;
Tauentzien und Bülow ſchützte
Ja die Reſidenz Berlin!
Dromedar Du ſchweigſt! Erhebend
War es, ſah man, jung auflebend,
Greiſe für die Freiheit glühn!
39
20. Schlacht bei Lützen.
Mit dem neuen Heere, dem von Frankenland
Nun erſt Flinten nachgeſandt,
Trifft vor Erfurt’s Thoren
Er zuſammen, der geboren
Nicht zum Kaiſer, aber früh
Ward gehoben durch Genie.
Er, Napoleon, von Blick
Blitzſchnell, war dem Kriegsgeſchick
Stets durch hellen Geiſt ein Leiter.
Dringend nun nach Leipzig weiter
Und erwägend, daß ihm Reiter
Hier faſt fehlen;
Kann er ſich es nicht verhehlen,
Wie er drum um ſo verwegner
Auf die Gegner
Stürzen muß mit heißer Kraft,
Die ſo oft ihm Sieg verſchafft.
Leipzig, zürnt er, Mein ſein muß!
So ſchneid ich vom Elbefluß
40
Meine Widerſacher ab;
Grabe ſo ihr bald’ges Grab.
Preußens, ſo wie Rußlands Fahnen
Weh’n beiſammen, und es ahnen
Jenen Vorſatz die Genoſſen,
Die denn unter ſich beſchloſſen,
Sich zu werfen froh und frei
Auf den Feind, am zweiten Mai.
(Bonapart wähnt, daß erſt ſchlage
Ruſſe, Preuß am nächſten Tage.)
Mittags war’s, am zweiten Mai,
Als nach Goerſchen, das Fürſt Ney
Stark beſetzt hielt, Preußen drangen
Und den Feind zum Weichen zwangen.
Nah beim Dorf auf leichten Höh’n
Sah man zwei Monarchen ſtehn.
Friedrich Wilhelm, Alexander
Sprachen traulich mit einander.
Das vereinte Heer geſammt
Blickt zu ihnen muthentflammt!
Bei dem edlen Saft der Reben,
Bei dem Frühſtück ſaß ſo eben
Souham, als Musketenblitz
Sich ihm zeigt. Schnell auf vom Sitz
Springt der Marſchall, führt hervor
41
Kühn ſein untergeb’nes Corps!
Doch vergeblich. Vater Blücher
Stürmt Groß-Görſchen feſt und ſicher.
Waten würden durch den Styx
Roeder, Ziethen, Horn und Klüx.
Friſch und heiter
Führt die Reiter,
Mit dem Küraß auf der Bruſt,
Brandenburger, wie bewußt,
Königs Bruder. Pallaſchklingen
Des Prinz Wilhelm vorwärts dringen,
Und in Haufen
Bei Starrſiedel Franken laufen!
Bonaparte
Blickt in Karte.
Von der Straße abgekommen,
Die nach Leipzig er genommen,
Eilt er her mit Diviſionen
Seiner Gardelegionen;
Reitet ſelbſt (er nahm bedacht,
Daß verlorne erſte Schlacht
Jhm Europa’s langen Glauben
Auf ſein Siegspatent kann rauben.)
Langſam auf und nieder
Durch die Glieder
42
Seiner Braven. Manch Getreuer
Staunt: Sein Abgott hält im Feuer!
Doch hier hilft kein langes Warten.
Zwiſchen Häuſern, Bächen, Garten,
Mit dem Bajonett, dem Degen,
Tritt der Mann dem Mann entgegen!
Hört die Kolben donnernd hammern,
Wunde ächzen, ſtöhnen, jammern!
Thürmt ſich gleich ein Berg von Leichen,
Will doch keiner Anderm weichen!
Raja noch, bei Rhano’s Hügeln
Ueberflügeln
Preußens Garden Frankenvolk. Jm Schrecken
Letztre die Gewehre ſtrecken.
Napoleon
Hört die Kund hiervon
Höhniſch, ſpricht mit ſcheuem Blick
Zu den Helden, die zurück
Als Begleiter ihn umſtehn,
Wähnt Jhr, Stern wird untergehn?
Für den Augenblick erblaſſend,
Aber ſchnell ſich wieder faſſend
Bildet er, Noth that ihm Eil,
Einen breiten Krieger-Keil.
43
Sechzig Leibwehrbataillonen
Folgen achtzig Stück Kanonen.
Mächtig drängen
Nach Klein-Goerſchen dieſe Mengen.
Theilweis weicht, ſo will’s Geſchick,
Preußens Kriegerſchaar zurück.
Helfend führt ſogleich hervor
Wirtemberg’s Eugen ſein Corps.
Doch wie einſt in Lützner Schlacht,
Spät nach Guſtav Adolph’s Falle
Pappenheim erſchien von Halle,
Kommt jetzt Welſchlands Prinz Eugen.
Gegenüber ſah man ſtehn
Zwei Eugen, in Sinn und That
Aehnlich dem von Belgerad.
Wirtembergs Eugen nicht wenig
Heitzte ein Eugen, dem König.
Oberſt Bailofs Kanoniere,
Kanownizin’s Grenadiere
Hielten gleichfalls ohne Wanken
Welſchlands Prinz Eugen in Schranken.
So bis in die tiefe Nacht
Währte jene heiße Schlacht;
Und es glaubt auf beiden Seiten
Jeder, daß er Sieger ſei.
44
Jetzt noch läßt ſich drüber ſtreiten.
Sicher bleibt’s: Am zweiten Mai
Feſt für König und für Land
Preußens Heer im Kampfe ſtand.
Manch Gelehrter, fein von Sitte,
Als Gemeiner in der Mitte
Jenes Heeres, kämpfend brav,
Ging hier ein zum ew’gen Schlaf.
Jn der Sterbenden Gewimmel
Hört man kaum den Schmerzenslaut.
Mit verklärtem Blick gen Himmel
Der Todtwunde dankbar ſchaut!
Ward die Freud ihm doch gegeben,
Preußens Aufſtehn zu erleben.
Der Ruſſen und der Preußen Macht
Behauptete noch in der Nacht
Das Feld, auf dem man ſchlug die Schlacht.
45
21. Scharnhorſt’s Tod.
Dich preiſ ich, Gott, Dein Walten
Und Deine ew’ge Macht!
Dein Arm hat mich erhalten
Kürzlich in Lützner Schlacht!
Jch Scharnhorſt ward verwundet
Am Knie; hab mich erkundet.
Die Wund, heißt’s, iſt gefährlich.
Sei’s denn! Jch bin entbehrlich,
Wenn, nachdem Bund geſchloſſen
Und uns zum Kampfgenoſſen
Haus Oeſt’reich ſich beſtimmt,
Mich Gott dann zu ſich nimmt.
Mit Schwarzenberg werd reden
Jch, mit Jhm zu der Fehden
Verabreden den Plan!
46
Er wird dann der Kumpan
Von unſerm alten Blücher!
Das Ding gelingt ganz ſicher!
Du, der bei Lübeck, Eylau Preußens Retter,
Scharnhorſt! Dem That, Entwurf erhaben, kühn!
Der Jntriguant, der Witzling, wie der Spötter
Vermochten nicht Dich in ihr Netz zu ziehn.
Du ließ’ſt ſie walten, hoffteſt, daß Fürſt Metter -
Nich würde ſchließen Bündniß mit Berlin.
Dein Sinn hat uns der Freiheit Pfand gegeben!
Bei ihrem Morgenroth erloſch Dein Leben!
Aus Rußlands Kriegsdienſt achtzehnhundertſieben
Kamſt Du. Bald hob Dich Deines Königs Gunſt.
Als Kind ſchon that’ſt Du Dich im Schreiben üben,
So ward’ſt Du Meiſter in der Kriegs-Schreibkunſt.
Jm klarſten Waſſer fiſchteſt, nicht im trüben
Du! Schädlich ſchien Dir ſtock’ger Aktendunſt.
Direktor heißend, warſt Du Kriegsminiſter.
Corſe durchſchaut Dich, rief: Rebelle iſt Der!
Dein Scharfblick ließ das Recht und Beſt Dich finden,
Gründe und Urtheil war bei Dir durchdacht.
47
Des Geiſtes Blitz mit Wollen zu verbinden
Vermochteſt Du, ſahſt hell auch in der Nacht!
Da, wo Verzweiflung tobt in finſtern Gründen
Gingſt Du getroſt, doch nahmſt Du’s Bein in Acht!
Jn Staats-Angſt-Heilkunſt warſt Du Zunft-Altmeiſter!
Dir glich ein Arzt, der alte Heim, ſo heißt er!
Sühnt ſchon der Tod ein Leben voll Verirrung,
(Der Heiland ſpricht: Tod iſt der Sünden Sold.)
Löſt Mors der Meinung gordiſche Verwirrung,
Zerſtört ſelbſt Phylax-Wachen über Gold;
So bleibt es ſchöner, wenn der Selbſtſucht Schwirrung
Das Leben nicht berührt, das rein und hold.
Scharnhorſt, als Weg gebahnt Du, Palm erworben,
Focht’ſt todt Du fort, biſt nicht zu früh geſtorben!
48
22. Schlacht bei Bautzen.
Der Truppen Führer haben es erwogen,
Ein Kriegsconſtlium hat gezogen
Es in den reiflichſten Bedacht,
Ob man auf’s Neu ſoll bieten Schlacht?
Klein iſt das Heer der Bundeskrieger,
Dem Doppelten gebeut der Sieger
Von Jena und den Pyramiden.
Erwägt zugleich man all die müden
Freiwill’gen Jäger, ſchwach und kränklich,
So ſcheint zu bieten Schlacht bedenklich.
Doch gilt’s, das Aeußerſie zu wagen,
Denn Deutſchland krankt an bangem Zagen
Und fallen kann’s in Lethargie,
Hilft baldigſt nicht Allopathie.
Kriegsallopathen ſind Kanonen!
Nicht immer läßt ſich cruor ſchonen,
Und oftmals ſchwindet die Gefahr,
Wenn man nur treu und muthig war.
49
Das Miloradowitzſcher Corps
Stellt auf ſich dicht bei Bautzens Thor,
Nah einem Felſen und der Spree.
Der größte Theil der Bund’sarmee
Stand bei Mehltheuer, Jenkowitz,
Bei Kreckwitz und bei Plieskowitz.
Nach Bautzen’s linker Seit gewandt
Emanuel, Jlowaisky ſtand
Und außerdem ſtand dort Karpoff,
So wie nicht minder Kaiſaroff.
Man ſah Koſacken und Baſchkiren
Am Spreeſtrand hin und her flankiren.
Von Barclay’s Corps, beim Dorfe Klix,
Rechts von Stadt Bautzen ſtand Tſchaplitz.
Ein Mann von edlem, tapfern Geiſt
Stand hinter Bautzen: Gen’ral Kleiſt;
Befehl’gend Roth’ſche Jägerſchaaren
Und Gen’ral Rüdiger’s Huſaren.
Jm linken Flügel an der Têt
Der Gen’ral Berg und Markoff ſteht.
Links, nah dem Centrum, da ſtand York.
Er war von Eiſen, nicht von Kork;
Beſetzt, verſchanzt hielt er Baſchütz,
Nicht minder auch Groß-Jenkowitz.
450
Jn Kriegsſpielkarten war er Trumpf!
Vor ihm lag Blöſa’s tiefer Sumpf.
Blücher, ich denk: auf ſeine Bitte,
Stand rechts, und zwar zunächſt der Mitte.
Man konnt der Spree entlang ihn ſehn
Von Gleina bis auf Kreckwitz-Höh’n.
Der Künſte Freund, wie des Gefechts,
Barclay de Tolly ſtand ganz rechts.
Viel Waldung lag vor ihm und Spree.
Es trennt von Barclay die Armee
Wohl mancher breit und tiefe Teich,
An ſolchen iſt dort Gegend reich.
Reſerv, die Tormaſoff ſonſt führt,
Held Conſtantin jetzt commandirt;
Er, Großfürſt, ſtand bei Klein-Purſchwitz
Und außerdem auch bei Kubſchütz.
Er weilt dort des Succurſes wegen,
Doch meiſten Corps viel zu entlegen.
Die Dispoſition für Bundesſtreiter
Mit Umſicht, Einſicht ſo gegeben war.
Doch dehnt die Linie weit ſich, immer weiter
Und ſchwierig ſcheint ihr Stützpunkt in Gefahr.
Die Linie ſtreckt ſich faſt zwei deutſche Meilen;
Ein Corps kann anderm ſchwer zu Hülfe eilen.
51
Es war der greiſe Kutuſoff geſtorben,
Fürſt Wittgenſtein von Geiſt zwar kühn und hell,
Hat ſich beim Heer Vertrau’n noch nicht erworben,
Denn das entſteht meiſt langſam nur, nicht ſchnell.
Barclay de Tolly, Kampfgenoſſe,
Und ſchon im Rückzug-Krieg genannt,
Stand mit ihm faſt auf gleicher Sproſſe
Des Ruhms, war Kaiſers rechte Hand.
Nimmt man hierzu den alten Blücher,
York, Kleiſt und Wirtembergs Eugen,
Ja! ſo vermuth ich ziemlich ſicher:
Um den Gehorſam ſtand’s nicht ſchön.
Mit einem Wort: es fehlte Einheit,
Ohn ſie wird Größe ſelbſt zur Kleinheit.
Es war denn auch der Lauf der Spree
Sehr unbequem für Bund’s-Armee.
So weit auf Linie ſich hinſtreckte
Spree, that’s auch Noth, daß man ſie deckte.
Stellen am Ufer Spree’s entlang
Boten dem Feind leicht Uebergang.
Spree war als Haltpunkt wenig fix,
Zumal bei Grubſchütz und bei Klix.
Den linken Flügel ſchirmt als Dach
Gebirg, die Mitte Blöſa’s Bach
4*52
Und hier ging’s an, daß mit Haubitzen
Vor Uebergang man konnte ſchützen.
So ziemlich günſtig noch und ſicher
Stand Blücher,
Vorausgeſetzt: ihn ſchütz Barclay.
Der ſtand am Schlimmſten von Armee!
Er unbeſtritten, erſter Meiſter
Des Rückzugs anno zwölf. Sein Geiſt, er,
Sein Scharfblick ſollt, ſo hofft man, ſiegen,
Barclay ſollt Feind in Schlummer wiegen.
Zauber in Barclay’s geiſt’gen Gaben
Glaubt man für Mißgeſchick zu haben.
Auf Felſenkuppe zu Stiepitz,
Später auf Berghöh von Schmochtitz,
Sah Abends am neunzehnten Mai
Napoleon, wie Stellung ſei.
Den linken Flügel will zum Schein
Es greifen an, lief Feind hinein
Jn Falle, dann in Heeresmengen
Nach Böhmen rechten Flügel drängen!
Bei Doberſchau’r, Sinkwitzer Höh’n,
Soll Oudinot ihn rechts umgehn!
Macdonald, Marmont anvanciren
Soll! Soult das Centrum commandiren!
53
Hauptangriff Ney bei Klix vollführen!
Die Garden ſtehen auf zwei Wegen
Von Kamentz, Biſchoffswerd gelegen.

Erſter Tag der Schlacht von Bautzen, am 20. Mai 1813.

Neun Uhr früh, auf Schmochtitzer Höh
Napoleon beſah die Näh.
Um Mittagszeit begann die Schlacht,
Wo das Geſchütz den Anfang macht.
Es fühlt ſich Kaiſer klar und frei,
Daß Er nicht wartet erſt auf Ney.
Sein Kampfroß läßt ſich nicht mehr zügeln,
Ganz überflügeln
Will Feind Er. Der ſoll jählings weichen
Und Er Sich Siegespalme reichen!
Bald
Sah man Macdonald,
Marmont und Oudinot vorrücken
Ueber Brücken.
Die Oudinot’ſche Heer’smacht fand
Muth’gen und feſten Widerſtand
Vom Wirtemberger Prinz Eugen.
Mannhaft ſah man den Letzt’ren ſtehn,
54
Bis endlich doppelte Gewalt,
Theils Oudinot, theils Macdonald
Jhn drängte.
Erſt jetzt Eugen zum Rückzug ſchwenkte.
Auf dieſe Weiſe alſo lenkte
Napoleon des Feindes Sinn
Nach deſſen linkem Flügel hin.
Die Bundesmacht wähnt, hier ſei Noth,
Nur dieſer Flügel ſei bedroht!
Um zu verſtärken hier Gewalt,
Schickt hin man Truppen vom Rückhalt.
Vergeſſen ward, daß hierdurch ſchlage
Man ſchwächer ſich am nächſten Tage!
Diebitſch, Emanuel und Eugen
Nahmen aufs Neu, man muß geſtehn,
Mit Ruhm, bei mörderiſchem Feuer
Falkenberg, Pielitz und Mehltheuer!
Den Kaiſer Rußlands, Preußens König,
Die Zwei beſonders noch erwähn ich.
Von Jhrem hocherlauchten Haupte
Ging Wunſch aus, daß man feſt behaupte
Die Stellung, die man eingenommen!
Nur ſteter Angriff könne frommen!
Rings um Sie tobten die Gefahren,
Sie und Mil’radowitſcher Schaaren
55
Befanden ſich im linken Flügel,
Wo jeder Hügel
Vertheidigt ward mit feſtem Muth.
Mit langem Federbuſch am Hut
Ritt Miloradowitſch im Schritt,
Kartätſchenhagel ziſchte mit,
Ein groß Gefolge um ihn her
Und dabei fragt in Sorgen Er:
Jſt noch Mein Kaiſer an dem Ort,
Wo jüngſt Er war? O! reit Er fort!
Kanonenkugeln ſauſen dort!
Zu ſeinen Kriegern rief er: Steht!
Es blickt auf Euch die Majeſtät!
Um 10 Uhr endet gegen Nacht
Der erſte Tag von Bautzen’s Schlacht.
Doch ehe ſich zu Ende neigt
Dieſer an Blut ſo ſchwere Tag,
Hat ſich dem Feinde es gezeigt,
Was Preußen-Ruſſen-Muth vermag.
Werth iſt beſonders, daß man nennt,
Preußens Fuß-Leibwehr regiment,
Zweit Leib-Huſaren regiment,
Dann Eins aus Marmor, nicht aus Werg,
Das Regiment von Stadt Colberg!
Dann zweites Füſ’lier-Bataillon
56
Oſtpreußens. Grodno nannt ich ſchon.
Geſchütz von der Brigade Ziethen
Zog Treffer viel, zugleich auch Nieten!
Als erſter Kämpfer ſich erweiſt
Vor Allen aber Gen’ral Kleiſt.
Er nahm, nachdem er Tags geſtritten,
Nachts feſte Stellung ein bei Litten.

Zweiter Tag der Schlacht von Bautzen, am 21. Mai 1813.

Der Truppen Stellung, des Schlachtfeldes Lage
War dieſelbe faſt, wie am vor’gen Tage.
Auf dem linken Flügel blieb ſtehn als erſte Linie Milo -
radowitſch,
Sich ausdehnend von Mehltheuer bis Jenkowitz und Zieſchütz,
Auf der äußerſten Linken ſtand Kaiſaroff,
Liſſanewitſch und Uwaroff.
Fürſt Gortſchakoff ſah man hinter Miloradowitſch
ſtehn,
Rechts neben ihm den Wirtemberger Eugen.
Saint Prieſt folgte nach,
Stand von Riſchen bis zum Blöſaer Bach.
York ſtand in der Mitten
Bei Litten,
57
Rechts Steinmetz, links Horn’s Brigade.
Um zu verhindern Retirade,
Stand als Reſerve Kleiſt
Bei einem Ort, der Pürſchwitz heißt.
Blücher ſtand wie geſtern, links Klüx, rechts Ziethen,
Roeder hatte die Reſerve zu hüten.
Hinter linkem Flügel hielt Dolffs, ein Genie
Jn Bezug auf Führung der Cavall’rie.
Stark beſetzt war Doberſchütz
Und Plieskowitz.
Von Gleina bis zum Malſchwitzer See
Stand Barclay.
Seine Avantgarde ſtand bei Salga
Und dehnte ſich aus bis Gottamelda.
Von edler Kampfluſt ſah man glühn
Den Gardenchef, Fürſt Conſtantin.
Der Feinde Heer
Stand wie geſtern. Er,
Oudinot drang vor bis Groß-Kunitz
Und ſtand noch bis Binnewitz.
Macdonald ſtand im Rücken von Strehla,
Marmont im Centrum bei Burka.
Links ihm zur Seite ſtand Bertrand,
Beim Ort, Nieder-Gurkau genannt.
58
Bei und hinter Klix ſtand Lauriſton, Ney.
Als Reſerve die Garden und Reiterei
Von Latour -
Maubourg.
Wir hatten neunzig, der Feind hundert ſiebenzig tauſend
Mann.
Man kann
Zahl der Todten, Verwundeten, Gefangenen ſchwer zählen.
Zehntauſend Mann ſollten, ſo ſagt man, den Welſchen
fehlen.
Jn aller Früh,
Morgens drei Uhr, ſtellten die
Heersfürſten des Bundes im Schlachtfeld ſich ein.
Bei der Morgenröthe erſtem Schein
Sah auch Napoleon man in ſeiner Garden großem
Quadrat
Eine Rede halten, wie oft er that.
Bei Jenkowitz ſpäter, auf der Erde liegend, Er dejeunirte,
Während eine Granate über Jhm parabolirte
Und rumpirte.
Dann verweilte Er ganz nah
Bei Nieder-Kaina,
Um zu beobachten die Bewegung des Ney.
Er ſprach dabei
Mit Fürſt Neufſchatel, Berthier voll Freud,
59
Der trug Neufſchateller Heerkleidung heut.
Die Krieger des Bundes und der Franzoſen
Sahn den ganzen Morgen ſich an. Es koſen
Beide mit einander, indem ſie begrüßen
Sich mit verſchied’nen Kanonenſchüſſen.
Nicht auf Wiener, noch Peraus Flügeln,
Sondern der Schlachtordnung ſpielte Geſchütz. Feſt zügeln
Sah man das Centrum durch Bonapart,
Weil der Angriff zu mörderiſcher Art
Wäre geweſen,
So lange Ney, auserleſen,
Die Umgehung zu vollführen,
Dieſelbe nicht ſchon im Stande war zu effektuiren.
Saint Prieſt und Eugen
Griffen ſich an auf Daranitz Höhn.
Kartätſchen flogen. Oft mußte man wiſchen
Rein der Kanonen Seele. Durch Riſchen
Sah man eine Partei nach der andern
Wandern.
Mit achter Ruſſiſcher Diviſion wußte brav ſich zu wehren
Oberſt Rören.
Jm gefahrvollſten Moment
Sandte Prinz Eugen das Wolhyniſche Regiment.
Er ſelbſt folgte als Convoi
Mit der Diviſion Schachowskoy.
60
Zum Vortheil der Ruſſen entſchied ſich hier Kampf
Da plötzlich im dichten Pulverdampf
Kam von Fürſt Gorczakof an ein Bote,
Der brachte Eugen die meldende Note
Des Jnhalts: er wolle ſenden einen Theil
Seiner Truppen ihm, dem bedrängten Gefährten zum Heil.
Prinz Eugen ſandte darauf
Zwei Regimenter ab, brach auf
Dann mit fünf andern in eigner Perſon.
Unterdeſſen hatte Gorczakof ſchon
Anderweitig erhalten Soutien.
Wiedererkämpft ward das Terrain
Von Mehltheur. Sieger
Blieben auf dieſem Flügel die Ruſſiſchen Krieger.
Auf dem rechten
Flügel wich ab hiervon das Fechten.
Nämlich auf dieſem Flügel, hier,
Hatte Ney früh mit Maiſon’s Truppen und vier
Jhm ſelbſt zugehörenden Diviſionen,
Unter dem heftigſten Feuer der Kanonen,
Den Uebergang über Spree bei Klix erſtritten.
Unterwärts hatte die Spree überſchritten
Beim Orte Leichnam: Lauriſton.
Napoleon
Sandte an Ney
61
Einen Zettel, geſchrieben mit Stift von Blei;
Es hieß drin: Ney ſolle in Beititz anlangen
Um zehn Uhr, dahin gehe des Kaiſers Verlangen.
Nun war Ney bereits aus eigner Regung
Nach der Richtung von Beititz in Bewegung.
Barclay ſetzte dem Angriff entgegen Damm,
Deſſen ungeachtet nahm ein Beititz Diviſion Souham.
Den Verbündeten konnte dies bringen große Gefahr,
Weil hierdurch war
Die Verbindung zwiſchen Barclay und Blücher mitten
Durchſchnitten.
Blücher ſah ſich hierdurch im Rücken bedroht!
Er, Barclay’s Freund in der Noth,
Eilte herbei, ſpäter auch Kleiſt,
Beider Hülfe ſich thätig erweiſt.
Major Alvensleben ſtellt ſich Beititz ſo nah,
Daß er vom Feind ſchon die Augen ſah.
So konnt Letzt’rer nicht prorumpiren
Und ſich auf Ebene deployiren.
Eine Kleiſt’ſche Abtheilung
Kam ebenfalls zur Verſtärkung.
Einige Zeit ſpäter
Folgte Gen’ral Röder.
Der Genannten feſtem Zuſammenbleiben
Gelang es Souham wieder aus Dorf zu vertreiben.
62
Ney,
Wie ruhmwürdig derſelbe gewiß ſonſt ſei,
Beging den militairiſchen Schnitzer,
Daß er dem Souham nicht ward Unterſtützer
Und, zumal als dieſer aus Beititz geſchlagen,
Unterließ ſchnell neuen Angriff zu wagen.
Ney verlor dadurch viertauſend Wunde,
Außerdem eine koſtbare Stunde,
Jn der, jetzt darf man’s wohl offen geſtehn,
Blücher’s Umwicklung konnt vor ſich gehn.
Von Buchwald
Kamen hierauf bald
Lauriſton’s Schaaren.
Wie wir auch oben ſchon erfahren,
Ueberſchritt Lauriſton Spree bei Leichnam.
Er kam
Sodann nach Bröſa.
Bröſa und Gottesmelda
Mußte trotz Feuern von ſtarkem Geſchütz
Aufgeben Czaplitz.
Maiſon eroberte von Klix
Aus, zwiſchen zehn und elf Uhr, Malſchwitz,
Wandte ſich ſodann nach Pliskowitz
Und nahm es gleichfalls gegen 2 Uhr in Beſitz.
63
Jn Doberſchütz
Behauptete ſich Major Streit
Mit Tapferkeit, das läßt ihm ſelbſt Neid.
Man ſah ihn feſt und ritterlich ſtehn,
Bis ihm erſt Ordre ward, rückwärts zu gehn.
Durch die Thaten am Vormittag
Hatte Napoleon den Hauptſchlag,
Der vom Centrum ausgehen ſollte, vorbereitet.
Marmont und Bertrand ſchreitet
Vor. Soult commandirt
Des Bertrand Heertheil, das Angriff vollführt.
Der ſo eben genannte Theil der Armee
Geht bei Nieder-Gurkau über die Spree.
Blücher von links, rechts und vorn angegriffen war,
Selbſt ſeinem Rücken droht Gefahr.
Es ſchien
Als wenn das Feuer ſeiner Batterien
Den Feind hielte in Zaum.
Doch währte dies dreiviertel Stunden kaum,
Da hatten die Ruſſen, Kampfgenoſſen
Preußens, ihr ſämmtliches Pulver verſchoſſen.
Brigade Klüx ging dem Feinde entgegen,
Doch auch ſie wich der Kraft, die ihr überlegen.
Schwer verwund’t ward Franquemont, Neuffer Gen’ral,
64
Getroffen ward Sicard und zwar lethal.
Jn immer dichtern engeren Kreiſen
Langen an mit tödtendem Eiſen
Napoleon’s Maſſen.
Morand muß Spree verlaſſen.
Lauriſton kommt drohend herbei von Buchwald,
Nach Barſankwitz Garde, man nennt ſie die alt.
Zu fich redet Blücher: Auf Ehre und Leben,
Jch muß die bisher’ge Stellung aufgeben,
Zurück muß ich gehn, es ſchmerzt mich unſäglich.
Zu Hülf mir zu eilen, iſt, weiß ich, unmöglich!
Doch York, der ſich Stellvertreter geſetzt,
Kommt helfend herbei. Jndeſſen anjetzt
Jſt Hülfe zu ſpät. Er ſieht retiriren
Blücher, von Kreckwitz Höh’n Feind kanonieren.
Drei Uhr ſchlug’s. Man kam überein,
Daß Rückzug muß angetreten ſein.
Es geſchah derſelbe mit ſtoiſcher Ruh,
Der Feind ſah bewundernd ganz nah dabei zu.
Um den Abmarſch zu decken: Steh feſt, linker Flügel,
Zur Rückendeckung! Verhängt ſei der Zügel,
Spreng vorwärts, Du Ruſſiſche Cavallerie!
Du ſämmtliche reitende Artillerie!
Gen’ral Uwarow macht’s ſo, wie’s eben gemeint,
65
Hält ab ſo, daß nachſetzt mit Schnelligkeit Feind.
Rückwärts geht Blücher nun über Purſchwitz,
Jhm ſchließt ſich an York. Er kam von Kreckwitz.
Barclay dirigirt ſich über Groditz.
Dort ſtellt noch einmal auf Höh’n der ſich auf,
Hinderte ſo, daß nicht etwa im Lauf
Früher als er, in Weißenberg ſei:
Ney.
Kleiſt
Führte Papagie, die Nachhut jetzt heißt.
Preußens Fahnen weh’n
Auf Würſchen’s Höh’n.
Von Lauriſton, Reynier, Ney attaquiri,
Bis gegen Abend ſich Kleiſt defendirt.
Feſt ſtand Reg’ment Colberg bis gegen acht.
Bei Weißenberg nahmen die Preußen Biwacht.
Gefangen war Keiner, auch fehlt kein Geſchütz,
Genüber von Würſchen nahm Dolffs ſeinen Sitz.
Der Ruſſe in Ordnung ſich retirirt,
Von Maubourg wird Fürſt Obolensky genirt.
Standhaft ficht Letzt’rer (Preuß zollt ihm Applaus!)
Und Hauptcorps aus Engpaß ſich wickelt heraus.
Nach Hochkirch und Löbau geht vorwärts man jetzt,
Saint Prieſt als Nachhut Steindörffel beſetzt.
566
Zu Mengelsdorff ruht Alexander bei Nacht,
Friedrich Wilhelm zu Reichenbach ſorgend noch
wacht.
Zu Purſchwitz mit Garden da blieb Bonapart.
Vorm Schlafengeh’n rief er: Es iſt doch ſehr hart,
Nicht Erfolg, nicht Gefang’ner durch Metzelei heut!
Keinen Nagel wollen mir laſſen die Leut!
67
23. Kneſebeck.
Schlacht von Bautzen war geſchlagen,
Muthvoll noch war Bundesheer.
Neuen Kampf gleich möcht es wagen,
Auch manch Führer wünſcht dies ſehr.
Ueberzählig war ſolch Meinung
Nach der Schlacht im Kriegesrath.
Doch von Einem kam Verneinung,
Der mit Recht ſchob auf die That.
Der Erwähnte war ein Dichter.
Dichter ſind beſchränkte Leut,
Dachte manch erhab’ner Richter
Vormals, viele denken’s heut.
Ja es richten die Poeten
Stets nur an Confuſion,
Und beim Kampf ſie nur trompeten,
Meinte ſchon Delila’s Sohn.
5*68
Doch den Dichter laßt uns loben,
Der beſonnen war und ſtark.
Leider weilt Er ſchon dort droben!
(Schwager Jhm iſt Donnersmark.)
Mit der Feder, mit dem Degen
Focht mit Boyen Er und Stein.
Drum ſoll ſtets und von Rechtswegen
Kneſebeck gefeiert ſein!
69
24. Napoleon am Sterbelager des Marſchalls Duroc, Herzogs von Friaul.
Mein Duroc zeuch denn hin in jene Lande,
Uns unbekannt, doch glaubt an ſie das Herz.
Zerreißen mögen Dir der Erde Bande,
Zu Ende gehn der Wunden bittrer Schmerz.
Der Freund war’s, den in Dir mir Götter brachten,
Mag freundlich Dich, mag ſchnell Dich Tod umnachten.
Duroc ſprach: Wollt noch gern viel Tage leben,
Zerfleiſchte mich auch tauſendfache Qual,
Um dringend letzte Mahnung Dir zu geben
Zum Anhalt Dir im ird’ſchen Maskenſaal.
70
Um Dich noch, Kaiſer, kreiſen Truggeſtalten.
Gott möge ſie von jetzt an fern Dir halten!
Es hat der Selbſtſucht und der Ehrſucht Schimmer
Dir Herz und Sinn, Mon Empereur, berührt.
Doch ſinken wird Dein weites Reich in Trümmer,
Wenn Dich kein and’rer höh’rer Leitſtern führt.
Du, der mich hob, bedenke: Menſchenthaten
Nur unter Gottes Beiſtand wohl gerathen.
Laß Jahre Dir, laß auch Armeen ſchwinden,
Du hilfſt dem ab durch Deines Genius Macht.
Mag bei Dir Unglück Troſt und Hülfe finden,
Mit Dir, mit Welt ſchließ Frieden! Sei bedacht,
Statt zu erobern, kräftig zu erhalten,
Dann wird ſich ſchönes Frankreich neu geſtalten.
Herr willſt Du werden von dem Erdenkreiſe;
C’est ça, Mon Empereur, was Dich durchblitzt!
Nie wird dies Ziel Dir in begonn’ner Weiſe,
Das Jrrlicht nur des Nachruhms Dich erhitzt
71
Die Liebe nur der Menſchen könnt erfüllen
Dir jenen Wunſch, wär’s anders Gottes Willen.
Am Bette ſaß der Kaiſer in Gedanken,
Sah dankbar Duroc an; Er ſprach kein Wort.
Doch Duroc rief: Kaiſer, jetzt nur kein Schwanken!
Ehre gebeut, drum reite, bitt ich, fort!
Der Kaiſer ritt. Nachts lebt in wilden Träumen
Er bald im Orkus, bald in Aethers Räumen.

Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin.

[figure]

About this transcription

TextErinnerungen eines freiwilligen reitenden Jägers aus den Kriegsjahren 1813–1815
Author N. N.
Extent93 images; 7006 tokens; 3005 types; 48530 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationErinnerungen eines freiwilligen reitenden Jägers aus den Kriegsjahren 1813–1815 N. N.. . VIII, 71 S. HirschwaldBerlin1848.

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LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Lyrik; Belletristik; Lyrik; core; ready; china

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