PRIMS Full-text transcription (HTML)
Die Löſung der geſellſchaftlichen Frage.
Frankfurt a / O. und Berlin. Druck und Verlag von Trowitzſch und Sohn. 1849.

Vorwort.

Drei Umwälzungen hat das denkwürdige Jahr 1848 auf uns einſtürmen laſſen. Jn dem Wogenſchlage der ſtaat - lichen befinden wir uns mitten darinnen; die geſellſchaftliche hat uns nur erſt in krampfhaften Zuckungen berührt, aber ſie ſteht als das ſchwärzeſte Gewölk am Geſichtskreis der Zu - kunft; die volkliche hat ſich bis jetzt in den ſchmalen Ufern der Geſetzlichkeit gehalten, aber ſie läuft auch Gefahr, wie der Deutſche Strom, in den Sand der alten Zuſtände zu verlaufen.

Der Zweck der gegenwärtigen Schrift iſt, in den all - gemeinſten Zügen zu ſchildern, wie wir den ſtaatlichen Wir - ren am ſchnellſten entgehen können, wie wir die geſellſchaft - lichen Stürme am beſten beſchwören dürften, wie wir die Deutſche Frage am ſicherſten zu einer lebensfriſchen Löſung bringen müſſen. Hauptſächlich ſoll aber die geſellſchaftliche Frage der Gegenſtand meiner Betrachtungen und Vorſchläge ſein, weil ich die feſte Ueberzeugung habe, daß die Uebel, an denen unſer ganzes großes Volk und unſer engerer Staatsverband krankt, am leichteſten durch die Löſung der geſellſchaftlichen Frage, im Keime und in ihrem eigentlichen Sitze, erſtickt werden können.

IV

Wenn ich den ungeheueren Wirrwar erblicke, in welchen die Regierungen Europa’s durch eine Reihe von Gewaltmaßregeln aus angeblicher Furcht vor der rothen Republik, im Grunde aber um die unumſchränkte Herr - ſchaft des Adel - und Beamtenthums unter dem Scheine der Verfaſſungsmäßigkeit zu retten, und die Errungenſchaften der März-Umwälzung eine nach der andern zu erdroſſeln den ganzen Welttheil geſtürzt haben: ſo drängt ſich mir der Gedanke mit unabweislicher Nothwendigkeit auf, daß auch nur die Löſung der geſellſchaftlichen Frage dieſen Knäuel auf friedlichem und geregeltem Wege entwirren kann. Das jetzt in Ausſicht ſtehende Mittel, durch eine Umgeſtaltung unſeres engern Staatsverbandes und des großen Deutſchen Vaterlandes, ebenſo ſtaatlich aus der bei - ſpielloſen Lage herauszukommen, in der wir uns befinden, habe ich zwar in der Einleitung beſprochen, fürchte aber nunmehr faſt, daß es zu lange auf ſich warten läßt, um nicht zu ſpät zu kommen.

Berlin, den 13. April 1849. Michelet.

Jnhalt:

  • Seite
  • I. Einleitung. Unſere ſtaatliche Lage1
  • II. Vorſchläge zur Umgeſtaltung der bürgerlichen Geſellſchaft36
    • 1. Die Widerſprüche des Einzellebens in der Volkswirthſchaft42
    • 2. Die Gemeinſchaft und das Vereinsleben66
    • 3. Die Wiſſenſchaft der Geſellſchaft81
      • a. Die Verwerthung der Arbeit durch die Gliederung des Umlaufs82
      • b. Die Sicherſtellung der Arbeit118
      • c. Die Gliederung des Genuſſes124
  • III. Entwurf einer Verfaſſung des Deutſchen Bundesſtaats129

I. Einleitung.

Die Hoffnung, die ich ſechs Wochen nach der März-Umwäl - zung ausſprach*)Jn der Einleitung meiner Schrift: Zur Verfaſſungsfrage. , daß in brüderlicher Eintracht ganz Deutſchland und ſeine einzelnen Bundesſtaaten ſich auf friedlichem Wege zu einem mächtigen gegliederten Ganzen geſtalten und demnächſt durch Löſung der geſellſchaftlichen Frage auch die Wohlfahrt der Fami - lien allſeitig herſtellen würden, hat ſich bis jetzt nicht verwirklicht. Durch den Anſtoß unſerer weſtlichen Nachbarn, wo eine mißver - ſtandene Menſchenfreundlichkeit in der Errichtung der Staatswerk - ſtätten Hoffnungen bei den Arbeitern erregte, welche bitter ge - täuſcht werden mußten, hat die Rückſchritts-Partei allmählig auch bei uns das verlorene Land wieder gewonnen. Wenn ich nun den Faden der Erzählung unſerer inneren Zuſtände da wieder aufnehme, wo ich ihn am angeführten Orte fallen ließ, ſo fragt ſich: Wie haben die Zuſtände Europa’s auf uns zurückgewirkt? denn hier hängt Alles auf’s Jnnigſte zuſammen.

Wenn uns die letzten Juni-Tage in Paris einen grauſigen viertägigen Kampf der Beſitzenden und Beſitzloſen gegen einander darbieten, in Frankfurth, Peſth, Wien und Rom der Mord in Ge - ſtalt der Volks-Gerichtsbarkeit uns entgegengrinzt, ſo empört ſich auf der andern Seite unſer Rechtsgefühl nicht minder über künſt - lich hervorgerufene Belagerungszuſtände, über den feineren Mord, der unter der Form des Rechts ebenſo allem Rechte Hohn ſpricht,12und ſich gleichfalls an der geheiligten Perſon der Volksvertreter vergreift. Bei uns iſt es wahrlich zu verwundern geweſen, wie die kurz nach einer Staatsumwälzung nothwendig entfeſſelte Volks - freiheit ſich, dem nordiſchen Charakter gemäß, weniger wild und blutig zeigte; und dieſer Umſtand uns doch nicht davor bewahrte, daß die Rückſchritts-Partei das Aeußerſte gegen unſere Freiheiten wagte. Doch zur Sache.

Das am 29. März eingeſetzte Miniſterium Camphauſen hat ſich das Miniſterium der Vermittelung genannt. Jn der That, es hatte die Brücke des Rechtsbodens von dem Vereinigten Landtage in die neuen Zuſtände geſchlagen. Es hatte das Ge - ſetz vom 6. April über einige Grundlagen der neuen Preußiſchen Verfaſſung, es hatte das Wahlgeſetz vom 8. April, welches die zur Vereinbarung dieſer Verfaſſung berufene Volksvertretung ins Leben rief, durchgeſetzt; es wollte, wie in geregelten Zuſtänden, die Verantwortlichkeit verfaſſungsmäßiger Miniſter auf ſich neh - men. Was Wunder, wenn es der Volksvertretung gegenüber das Daſein einer Staatsumwälzung beſtritt! Warum hatte man ſich die erdenklichſte Mühe gegeben, den Vereinigten Landtag noch einmal auf die Bühne der Geſchichte erſcheinen zu laſſen, warum mußte derſelbe der neuen Volksvertretung alle reichsſtändiſchen Rechte übertragen, als damit die Stätigkeit des Uebergangs in der Geſetzgebung nicht unterbrochen würde? Nicht einmal das Wahlgeſetz ſollte der König aus eigener Machtvollkommenheit er - laſſen, wie die Fortſchrittspartei eifrig wünſchte, damit nicht in der Folge, ſo ſagte man, Alles, was die daraus hervorgehende Verſammlung ſchaffen würde, für null und nichtig erklärt wer - den könne, weil derſelben eben die Stätigkeit der Rechtsüber - tragung fehle, kein Geſetz ohne Anhörung der Stände erlaſſen werden dürfe.

Die Volkspartei ſprach von Errungenſchaften, die Krone wollte Alles ſchon vorher verliehen haben. Da durch vollſtän - dige Aufrechthaltung des Rechtsbodens das Miniſterium Camp - hauſen ſich rühmen durfte, die Vermittelung glücklich herbeige - führt zu haben: ſo konnte man ihm den Triumph gönnen, es durch die, wenn gleich kleine, Mehrzahl der Volksvertreter am 9. Juni ausgeſprochen zu ſehen, daß wir der Vereinbarung der3 Märzereigniſſe mit der königlichen Zuſtimmung unſeren heu - tigen ſtaatsrechtlichen Zuſtand verdanken. Dieſer Sieg half in - deſſen dieſem Miniſterium durchaus nichts. Durch den ſogleich bei Eröffnung der Volksverſammlung am 22. Mai vorgelegten Verfaſſungs-Entwurf hatte es ſich unwiederbringlich in der öffent - lichen Meinung geſtürzt. Der Sturm des ganzen Volks gegen dieſen Entwurf wurde beſonders durch die vorgeſchlagene Zuſam - menſetzung der erſten Kammer hervorgerufen, in welcher zu den Vorrechten eines Geburtsadels noch die eines Beamten - und Geldadels hinzugefügt worden. Sonſt aber iſt es lobend an dem - ſelben hervorzuheben, daß die Lehre vom Belagerungszuſtande der Geſetzgebung vorbehalten blieb, und in dem dieſe Beſtimmung enthaltenden §. 84. doch die Preßfreiheit nicht unter die aufzu - hebenden Volksrechte geſetzt wurde. Was aber den Fall dieſer Verwaltung noch beſchleunigte, war nicht ſowohl die Zurückberu - fung des Prinzen von Preußen, als die Gründe, womit man vor den Augen des Volks ſeine frühere Entfernung in ein ganz anderes Licht zu ſtellen wagte. Es ſollte auch dies wohl zu jenem Vermittelungsſtreben gehören, wonach man glaubte, der beſchränkte Unterthanenverſtand ſei annoch nicht im Stande, die Gründe höherer Beamten-Staatsklugheit einzuſehen, und es ge - nüge, ihn mit Scheingründen zu beſchwichtigen.

Dieſes Schwanken zwiſchen dem Alten und Neuen, ſtatt daß entſchieden mit den alten Verwaltungsgrundſätzen hätte gebrochen und neue zur Anwendung hätten gebracht werden müſſen, iſt es beſonders, was auch im Volke das Mißtrauen nährte, nach drei - unddreißigjährigem Harren nun dennoch die ſo lang verſprochenen Freiheiten ſich wieder entriſſen zu ſehen. Das Volk fürchtete überall den Rückſchritt, eben weil kein Fortſchritt eintrat; und die Rückſchrittspartei witterte bei jedem Wunſche nach aufrichtigem Fortſchritt das Streben, die erbliche Königswürde abzuſchaffen. So bemächtigte ſich des Volks ein Geiſt der Unruhe und der Aufregung um der gefährdeten Freiheit willen; und die Rück - ſchrittspartei ſah jede Freiheit für eine Gefahr an, weil ſie die gemächliche Ruhe des Bevormundungsweſens und Spießbürger - thums darin vermißte. Das Miniſterium ſtand thatlos zwiſchen dieſen zwei Richtungen in der Mitte, und konnte dem erſten1 *4Windſtoße, der es anwehte, nicht widerſtehen. Zwei Abgeordnete der Mehrheit wurden leider wegen ihrer Abſtimmung am 9. Juni thätlich beleidigt. Die beklagenswerthe Erſtürmung des Zeughau - ſes am 14. Juni, welche durch die Rathloſigkeit der Behörden, durch falſche Gerüchte übertriebener Unruhen bedeutender wurde, als ſie werden durfte, gab für das Miniſterium die äußerliche Veranlaſſung, nach einer faſt dreimonatlichen Dauer abzutreten.

Die verfaſſungsmäßige Veranlaſſung des Rücktritts lag in dem am 15. Juni mit einer Mehrheit von 48 Stimmen erfolgten Beſchluß der Verſammlung, nicht den Entwurf der Verfaſſung, den die Miniſter vorgelegt, ſondern einen von einem Ausſchuſſe der Verſammlung auszuarbeitenden den Berathungen zu Grunde zu legen. Hierdurch zeigte die Verſammlung allerdings, daß ſie ſich als eine mit der Krone gleichberechtigte Macht hinſtelle, und mit der Theilung der Oberhoheit, die bei einem verfaſſungsmäßi - gen Königthum nicht fehlen kann und in dem Ausdruck des Wahlgeſetzes vom 8. April: Vereinbarung auch enthalten war, Ernſt zu machen gedenke. Jndem die junge Verſammlung eines aus Jahrhunderte langer Bevormundung endlich erwachten Volks anfänglich unbehülfliche, ſchüchterne Schritte that, ſo wurde ſie zunächſt von der äußerſten Partei der Volksthümlichen, bald aber mit ihrem feſteren Auftreten noch mehr von der Rückſchrittspartei rückſichtslos angegriffen; wozu beſonders dies beitrug, daß die Aufregung des um ſeine Freiheit beſorgten Volks auch in der Verſammlung ähnliche Beſorgniſſe rege machen mochte, und die Rückſchrittspartei nun nicht ermangelte, die Staatsweisheit der Straße als die Urſache der Fortſchritte der Verſammlung dar - zuſtellen, und ſo dieſe in den höhern Kreiſen immer verhaßter zu machen.

Das Miniſterium vom 25. Juni, deſſen Seele Hanſemann war, obgleich Auerswald den Namen dazu hergab, begann un - ter glücklichern Vorbedeutungen. Die unter dem Miniſterium Camphauſen verlorenen Monate ſollten wieder eingeholt, die Verfaſſung gleichzeitig mit den andern Verfaſſungs-Geſetzen, ohne die ſie in der That eine leere Form, ein bloßer Rahmen wäre, gefördert werden. Das Miniſterium der Vermittelung machte dem Miniſterium der That Platz, welches damit begann, die Staats -5 umwälzung des März anzuerkennen. Jn der Geſetzgebung, ſagte Hanſemann in der Sitzung vom 26. Juni, in der Ver - waltung, in unſerem Thun und Handeln nicht in abſtracten Erklärungen, die verſchiedenartiger Deutung ausgeſetzt ſind faſſen wir die denkwürdigen Ereigniſſe des Monats März und unſere Anerkennung der damals ſtattgehabten Revolution auf; einer Revolution, deren ruhmvoller und eigenthümlicher Cha - rakter darin beſteht, daß ſie ohne Umſturz aller ſtaatlichen Verhältniſſe die conſtitutionelle Freiheit begründet und das Recht zur Geltung gebracht hat. Auf rechtlicher Grund - lage ſteht dieſe Verſammlung, ſteht die Krone; dieſe Grundlage halten wir feſt. Jch halte dieſe Aeußerung für höchſt wichtig, indem ſie mit der Anerkennung der Staatsumwäl - zung die der ununterbrochenen Stätigkeit des Rechtsbodens aus - ſprach, welche ſeitdem in Preußen verloren gegangen iſt.

Die Thätigkeit des Miniſteriums entwickelte ſich ſehr erfreu - lich; die Volksvertretung blieb mit ihrem Geſetzvorſchlagsrecht nicht im Rückſtande bei dem guten Beiſpiel, welches das Mini - ſterium gab. Und wenn auch die betreffenden Entwürfe von Verfaſſungs-Geſetzen nur langſam zur Berathung in den öffent - lichen Sitzungen kamen, weil die Volksvertreter die engen Grund - lagen dieſer Vorſchläge im Sinne der Neuzeit vielfach umgeſtalten mußten, ſo arbeiteten doch die Abtheilungen am Verfaſſungs-Ent - wurfe und den übrigen Geſetzen ſehr ämſig. Und wahrlich, nur die größte Ungerechtigkeit konnte die Verſammlung der Unthätig - keit, ja der Unfähigkeit beſchuldigen. Weder durch die Angriffe der Freiſtaatspartei, noch durch die der Rückſchrittsmänner ließ ſie ſich beirren. Das Schlimme war nur, daß, wenn die Wüh - lereien der letztern, z. B. die Angriffe auf die Volksthümlichen in Charlottenburg am 20. Auguſt den Angriff auf die Miniſter - wohnungen am folgenden Tage herbeiführten, der Haß der Rück - ſchrittsmänner gegen die Verſammlung dadurch immer mehr ge - ſteigert wurde. Es iſt nicht zu läugnen, daß auch die Wühlereien der Freiſtaatsmänner Ausſchweifungen der entgegengeſetzten Par - tei hervorgebracht haben. Die äußerſten Parteien haben ſich, wie in der franzöſiſchen Staatsumwälzung von 1789, immer einander in die Hände gearbeitet; es ſcheint, als ob beide deren Geſchichte6 ſtudirt und ihr Handeln danach eingerichtet hätten. Aber dann hätten ſie auch wiſſen müſſen, daß eine Verfaſſung nicht ſo ſchnell, nicht in ſechs Monaten geſchaffen werden kann unter einem Volke, wo alles neu zu machen iſt. Haben die Franzoſen ſie jetzt in einem halben Jahre zu Stande gebracht, ſo iſt zu bemerken, daß ſie im ſechzigſten Jahre ihrer Staatsumwälzungen ſtehen, und alſo ein gut Stück Erfahrung vor uns voraus haben; mit ſolchen ſchweren Opfern haben ſie das Lob praktiſcherer Menſchen erkauft, und endlich Ausſicht, fernern Erſchütterungen zu entgehen. Und wie lange Jahre hat das Beamtenthum ſich mit Umſchmelzung des Preußiſchen Landrechts beſchäftigt, ohne je zu Stande zu kommen?

Zum Unglück hatte die Preußiſche Volksvertretung auf Uh - lich’s Antrag nach den erwähnten thätlichen Beleidigungen jener Abgeordneten den ſehr vernünftigen Beſchluß gefaßt, ſich jede Schutzwache zu verbitten und ſich dem Rechtsgefühl des Berliner Volks anzuvertrauen. Dies Vertrauen hatte ſie nicht getäuſcht. Die Verſammlung blieb ſeitdem unverletzt. Aber die Rückſchritts - partei, die ſtets verdächtigt, ſah darin ſchon damals das Streben der Verſammlung, ſich auf die unmittelbare Gewalt des Volkes zu ſtützen. Dazu kam, daß die Führer des Volks und die Männer des Widerſtands ihre Rollen vertauſcht zu haben ſchienen. Die Volksredner ermahnten das Volk ſtets zur Ruhe, zur Geſetzlich - keit; natürlich, ſie ſahen ja, wie die Volksfreiheiten auf dem ruhigen Wege der Berathung der Volksvertreter ſich allmählig entwickelten. Das brachte die Rückſchrittspartei eben am meiſten in Verzweifelung. Das konnte ſie nicht ertragen. Die Gerüchte von vornehmen Herren, welche Arbeiter mit vielem Gelde beſta - chen und trunken machten, um Unruhen zu ſtiften, häuften ſich im - mer mehr. Gerichtlich ſteht bis jetzt nur dies feſt, daß Graf Bresler, einem Rückſchritts-Klub angehörig, verurtheilt worden, weil er zum Bau einer Barrikade aufgefordert hat: der Lehrer Erdtmann am 31. October die Arbeiter zu dem Aufruhr gereizt hatte, den die Führer der volksthümlichen Partei eben verhindern wollten. Daß Soldaten im trunkenen Zuſtande aufgeſtachelt wor - den waren, in einen volksthümlichen Bürgerverein zu Potsdam einzudringen und die gröbſten Ausſchweifungen zu begehen, liegt auch außer allem Zweifel.

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Die Volksvertretung, ohne weder auf Links noch auf Rechts zu achten, ging ruhig ihren geſetzlichen Weg weiter. Sie beſchloß die Abſchaffung der Todesſtrafe; ſie nahm das Geſetz zum Schutz der perſönliche Freiheit, das Bürgerwehrgeſetz an; ſie hob die Un - gerechtigkeit des Jagens auf fremdem Grund und Boden ohne Entſchädigung auf; ſie bereitete eine Gemeinde -, ſo wie eine Kreis - und Bezirks-Ordnung vor; ſie wollte die Ungleichheit der Be - ſteuerung in den einzelnen Provinzen, ſo wie die höhere Be - laſtung des kleinern Grundbeſitzes dem größern gegenüber abſchaf - fen. Hierdurch brachte ſie die Rittergutsbeſitzer, welche von den Vorrechten, die ſie bei der Grundſteuer genoſſen, nichts aufopfern wollten, gegen ſich aufs Aeußerſte in Harniſch. Ein geſchloſſener Bund gegen dieſe Neuerungen zog ſich durchs ganze Land; die alten Beamten waren geblieben, und unterſtützten meiſt dieſe Rück - ſchrittsbeſtrebungen. Zeitungen derſelben Partei wußten immer mehr Mißtrauens-Anſprachen, die überall her gepreßt wurden, gegen die Volksvertretung aufzutreiben. Jm Gefühl ihres Rech - tes und ihrer Würde verlangte die Verſammlung vom Miniſte - rium Auskunft wegen jener volksfeindlichen Beamten. Solche Zwi - ſchenverhandlungen wurden auch als Zeitverſchwendungen von den Gegnern der Verſammlung ausgebeutet, da doch ohne ſie der Gang der Verwaltung von der Verſammlung, wie es in verfaſſungs - mäßigen Staaten der Fall ſein muß, gar nicht überwacht werden kann. Das Miniſterium ſah ſich genöthigt, unter dem 15. Juli ein Rundſchreiben gegen die den Rückſchritt fördernden Beamten zu erlaſſen, über die aus den Provinzen vielfache Klagen einliefen, und ſie mit Entfernung vom Amte zu bedrohen. War das aber hinreichend? Konnte das neue Werk mit den alten Trägern ge - ſchaffen werden? Und hat das Volk und ſeine Vertreter hier nicht, wie überall die größte Milde und Mäßigung gezeigt? Dieſe Duldſamkeit iſt der Fehler der Verſammlung geweſen, indem ſie nur langſam und allmählig vom Geiſte der Neuzeit ergriffen wurde. Und gerade dieſer Umſtand hat ihre Gegner zu ihrer Vernichtung ermuthigt. Denn auch ſchon was ſie wirklich that, wurde als ein Uebergriff von ihrer Seite, als ein Eingriff in die ausübende Gewalt dargeſtellt, während ihr nur die Geſetzgebung zukomme.

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Wie ſie nur ganz leiſe an dem Einen Grundpfeiler der un - umſchränkten Herrſchaft, dem Beamtenſtand, rüttelte, ſo ebenſo an dem zweiten, der Heer-Verfaſſung. Durch die Landwehr und die urſprüngliche Einrichtung, nach der die ganze Wehrverfaſſung mit der Erhebung Preußens und dem Abſchütteln der Fremdherrſchaft geordnet worden war, ſollte das Heer durchaus eins mit dem Volke, kurz volksthümlich ſein. Jn dem Bürgerwehrgeſetze war dies auch wieder in Ausſicht geſtellt, da in der Zwiſchenzeit der Kaſtengeiſt immer mehr in das Heer war eingeführt worden, der Krieger ſich, durch ſeinen Rock, als ein Weſen anderer Art betrach - ten ſollte, das durch ſeine leibliche Kraft unbedingt das Volk be - herrſchen müſſe. Namentlich hatte die Garde eine ſolche überhe - bende Stellung angenommen. Die Bewaffnung der Bürgerwehr und der Auszug der Garden am 19. März hatte dieſe Kluft zwi - ſchen Volk und Heer noch um ein Bedeutendes vermehrt. Der Garde wurde vorgeſagt, ſie müſſe jene Scharte auswetzen. Und wie ſchon ſeit Monaten prophezeit wurde, daß ein Radetzki, Win - diſch-Grätz und Jellachich, wenn ſie erſt mit Jtalien, Böhmen und Ungarn fertig ſein würden, nach Wien rücken würden, um den Reichstag und die Volksthümlichen aufzuheben: ſo ſollen dem Preußiſchen Heere unter Wrangel in Schleswig ähnliche Ver - heiſſungen gemacht worden ſein. Die Rückſchrittspartei war eifrig bemüht, dieſe Gerüchte zu widerlegen. Der Berliner Reichstag und das Volk trauten auf die Königlichen Märzverheiſſungen, deren eine war, daß das Heer bei unruhigen Auftritten nicht ohne das Verlangen der Bürgerſchaft einſchreiten ſolle.

Aus dieſem Grunde blieb auch die Berliner Bevölkerung un - beſorgt, als bedeutende Truppenmaſſen um Berlin herumgelagert wurden. Sie ſind ja Volk vom Volk, ſagte man; ſie können uns unſere Freiheiten nicht nehmen, ſondern nur ſchützen, wenn wir ſie rufen. Der Zwieſpalt des März ſchien ausgeglichen. Manche Regimenter, die freilich ſchon ohne Zuſtimmung der Bürger in die Stadt aufgenommen wurden, näherten ſich den Bürgern, und beide äußerſten Parteien ſuchten die Soldaten für ſich zu gewin - nen. Ein Ereigniß legte den Keim zur unheilvollen Entſcheidung, unter der wir jetzt ſchmachten. Jn Schweidnitz wurden am 30. Juli mehrere, zum Schutz der öffentliche Ruhe herbeieilende9 Bürgerwehrmänner von dem Gewehrfeuer einer Kompagnie Sol - daten getödtet, die ganz widergeſetzlich dazu den Befehl von ihrem Führer bekommen hatte. Dieß veranlaßte die Verſammlung am 9. Auguſt vom Miniſterium, das auf eine desfallſige Anfrage um Auskunft nur ſehr ungenügend geantwortet hatte, einen ähn - lichen Erlaß ans Heer zu verlangen, wie er auch an die Beam - ten gerichtet war: Die Officiere möchten ſich von Rückſchritts - Beſtrebungen entfernt halten. Zu dieſem mit bedeutender Mehr - heit angenommenen Antrage des Abgeordneten Stein, wurde ein Zuſatz mit der Mehrheit von nur Einer Stimme gemacht: Es ſolle in dieſem Rundſchreiben den Officieren, mit deren ſtaatlicher Ueberzeugung der neue Rechtszuſtand nicht übereinſtimme, zur Ehrenſache gemacht werden, ihren Abſchied zu nehmen. Dieſer Zuſatz wurde ſogleich aufs Gehäßigſte ausgebeutet; denn es iſt das Eigenthümliche der Partei, welche uns ſo lange beherrſcht hat, und die verlorenen Zügel wieder ergreifen will, durch ge - waltſame Wortdeutungen die einfachſten Sachen in ein falſches Licht zu ſetzen, um dadurch auf die Menge einzuwirken. Nichts iſt aber natürlicher, als daß nach einer Staatsumwälzung Kriegs - und bürgerliche Beamte, die mit der neuen Ordnung der Dinge ſich in Widerſpruch finden, von der Verwaltung ſelbſt in Ruhe - ſtand verſetzt werden. Das ganze Zerwürfniß unſrer Zuſtände rührt eben daher, daß dies nicht in ausgedehnterem Maaße ge - ſchehen iſt. Wenn man aber demjenigen, den man den beſtehen - den Geſetzen gemäß das Recht hat in Ruheſtand zu verſetzen, nur den Rath giebt auszutreten, ſo iſt das ein milderes Verfahren, und keine Gewiſſensverfolgung, wie jene Partei es genannt hatte.

Die Miniſter ſelber ſchienen ſich auch zunächſt um dieſen Beſchluß nicht weiter zu bekümmern; die Sache blieb auf ſich be - ruhen. Die Rückſchrittsmänner aber ſtellten die Lehre auf, daß Eine Stimme Mehrheit nicht den Ausſchlag geben könne; und waren bemüht, gerade an dieſem Beiſpiele der Verſammlung die Ueberſchreitung ihrer Befugniſſe recht ſchlagend nachzuweiſen und vorzuwerfen. Ohne es zu wiſſen ſtützt ſich dieſer Vorwurf auf die Lehre von der Trennung der Gewalten, wie ſie in der franzöſiſchen Erklärung der Menſchenrechte vorkommt: Ohne Trennung der Gewalten keine Freiheit. 10Wenn die Volksvertretung aber gar nichts mit der Verwal - tung und Ausübung zu thun haben ſoll, ſo müßte die aus - übende Gewalt auch nichts mit der Geſetzgebung zu thun haben; dann fällt ein, wenn auch nur zeitweiſes, Geſetzverweigerungsrecht der ausübenden Gewalt fort, wie es auch in England und ſelbſt Frankreich vor der Februar-Umwälzung der That nach nicht vor - handen war. Erwiedert die Rückſchrittspartei darauf, das ſei der Freiſtaat: nun gut, ſo wollen wir beim verfaſſungsmäßigen Grund - ſatz bleiben, daß die Trennung der Gewalten nicht die Theilung derſelben ausſchließe. Wenn die Krone der Geſetzgebung ein Geſetzverweigerungsrecht entgegenſetzt, ſo hat die Volksvertretung daſſelbe Recht der Verweigerung, der Verwaltung gegenüber. Fällt dieſe nicht im Geiſte der Volksvertretung aus, ſo verweigert dieſelbe dem Miniſterium die Zuſtimmung der Mehrheit und als letztes Mittel die Steuern. Dann kann ein unvolksthümliches Miniſterium nicht weiter verwalten und muß abtreten. Das ver - faſſungsmäßige Königthum wird damit freilich zu einem bloßen Syſtem von Hemmſchuhen. Ohne dieſe Befugniß der Volksver - treter iſt aber keine Volksfreiheit, und das unumſchränkte Herr - ſcherthum geblieben. Hat die Verſammlung nun mit dem Stein - ſchen Antrage einen Uebergriff gethan? Einen Formfehler aller - dings können wir darin erblicken, daß ſie unmittelbar eine That forderte, die ſie mittelbar durch Entziehung der Mehrheit erzwingen konnte. Man kann dies der Neuheit der Verhältniſſe, ſo wie der außerordentlichen Lage einer Verfaſſungsgründenden Verſamm - lung, mit der ſich die Krone eben wegen Abgrenzung der gegen - ſeitigen Rechte erſt zu vereinbaren hatte, zu gute halten.

Als nach vierwöchentlichem Warten die Miniſter endlich am 4. September erklärten, ſie könnten den Stein’ſchen Beſchluß nicht ausführen, entſchied die Volksvertretung am 7. September mit der großen Mehrheit von 219. gegen 152. Stimmen, daß die Mi - niſter den Stein’ſchen Antrag in ſeinem ganzen Umfange aus - zuführen hätten. Hiermit ſcheint, wie jetzt erhellt, der Bruch voll - ſtändig geworden zu ſein. Die Miniſter forderten am 9. ihren Abſchied, indem ſie den verfaſſungsmäßigen Grundſatz noch aner - kannten, daß ein Miniſterium vor dem Mistrauens-Beſchluß der Volksvertreter abtreten müſſe; zugleich aber ließ der Vorſitzende11 des Miniſter-Raths, Auerswald, am folgenden Tage durch ſeine verantwortliche Gegenzeichnung die Krone gegen den Ueber - griff der Verſammlung, den ſie durch Einmiſchung in Verwal - tungsmaßregeln begangen habe, Verwahrung einlegen. Das Mi - niſterium Beckerath kam nicht zu Stande, weil ſein Glaubens - bekenntniß, welches den friedlichen Uebergang der alten Zuſtände in die neuen herbeiführen wollte, verworfen wurde. Von dieſem Augenblik traten die Abſichten der Rückſchrittspartei immer deut - licher hervor. Der General Wrangel wurde am 15. zum Ober - befehlshaber in den Marken ernannt, als wenn das Erbland ein feindliches Gebiet ſei. Die Generale Wrangel und Branden - burg erließen ſehr bedeutſame Aufrufe, worin ſie mit Umgehung der Bürgerwehr ein bewaffnetes Einſchreiten in Ausſicht ſtellten; der gewaltſame Umſturz der beſtehenden Volksrechte ſchien unzwei - felhaft. Mit der Ernennung des Miniſteriums Pfuel, welches man das Miniſterium des bewaffneten Widerſtandes genannt hat, war es am 21. September Jedermann klar, daß wir am Vor - abend einer neuen Staatsumwälzung ſtanden, als plötzlich ſein Glaubensbekenntniß, womit es vor die Verſammlung trat, das Ungewitter zertheilte. Es wollte verfaſſungsmäßig bleiben, den in Bezug auf die Verwaltung von den Volksvertretern geäußerten Wünſchen ſchuldige Rechnung tragen, und verlangte nur Be - ſchleunigung der Berathung der Verfaſſungs-Urkunde, ſo wie der Ge - meinde-Ordnung; auch verſprach es die Vorlage der Kreis - und Bezirks-Ordnung zu machen, ſo wie gegen rückſchreitende Kriegs - und bürgerliche Beamte einzuſchreiten. Ja, es erließ an das Heer einen Befehl, worin die Mehrheit der Verſammlung den Stein’ſchen Antrag für erledigt anſehen konnte, und wies die Verantwortlichkeit für die Erlaſſe jener beiden Generale von ſich.

Die Verſammlung entſchied zunächſt zwei, ſpäter ſogar drei Sitzungen wöchentlich der Berathung der Verfaſſungs-Urkunde zu widmen. Miniſterium und Kammer traten in ein freundliches Verhältniß. Es war der Hofpartei gelungen, den Freiſinn der bürgerlichen Oppoſition des Vereinigten Landtags aus dem Mi - niſterium zu drängen; die alte Beamten - und Adelsherrſchaft, von einem Soldaten geführt, hatte wieder das Miniſterium inne. Aber12 die Sachen wurden durch den Wechſel der Perſonen nicht anders. Gegen Kammer und Krone zeigte ſich der Vorſitzer des Miniſte - riums gleich verfaſſungsmäßig. Das Geſetz zum Schutz der per - ſönlichen Freiheit, das Bürgerwehrgeſetz, endlich auch, wenn gleich nach langem Zögern, das Jagdgeſetz, wurden genehmigt und ver - kündigt. Die Verſammlung ihrerſeits verwarf die Theilungslinie des Großherzogthums Poſen, wollte kein Königthum von Gottes Gnaden, keine Adelstitel in öffentlichen Urkunden und keine Orden. Das Miniſterium vom 21. September ließ dies alles geſchehen, ſchien mit der Volksvertretung Hand in Hand zu gehen; ja am 31. October ſtimmte der Vorſitzer des Miniſteriums ſelbſt dafür, daß Wien gerettet würde. Nun war die verhängnißvolle Wendung der Geſchicke Preußens, die fünf Wochen vorher ſein guter Geiſt noch abwendete, beſchloſſen. Wien war gefallen, und die Zuverſicht dadurch gewonnen, daß man mit einem wohlgerü - ſteten, alle neue Erfindungen der Kriegskunſt benutzenden Heere von 50,000 Mann mit 200 Kanonen, ein unregelmäßiges, ſchlecht bewaffnetes Heer von höchſtens 30,000 Bürgern werde fchlagen können. Es waren unterdeſſen große Studien und praktiſche Er - fahrungen über den Straßen - und Barrikaden-Kampf gemacht worden. Den Vorwand zu dieſen gewaltſamen Maßregeln gaben die Tage vom 16. und 31. October. Am erſten Tage entſpann ſich ein blutiger Kampf zwiſchen der Bürgerwehr und den Arbei - tern, man weiß nicht recht wodurch, der aber dennoch mit einer Art von Verſöhnung endete, da die Verſuche, durch übertrie - bene Gerüchte, Truppen zur Einſchreitung zu bringen, ſcheiterten. Und am letzten Tage des October hatte die fieberhafte Anſpan - nung einer Bevölkerung, welche in dem Schickſal einer Schweſter - ſtadt ihr eigenes ahnend erkannte, Ausſchreitungen eines wilden Haufens veranlaßt, welche, ſo beklagenswerth ſie an ſich waren, doch nicht die Strafe auf eine ganze Bevölkerung und ein ganzes Volk herbeiziehen durften, welche ſie erlitten, um ſo mehr da die Thäter bereits geſtraft zu werden anfangen: ganz abgeſehen da - von, daß es ja eben die Volksführer waren, welche die Ausſchwei - fenden zu beſchwichtigen ſuchten, während andererſeits Aufreizun - gen zu dem Aufruhr allerdings ſtattgefunden hatten. Außerdem iſt aber zu bemerken, daß derſelbe gar nicht den Erfolg hatte, die13 Verſammlung einzuſchüchtern, indem dieſelbe keinesweges das that, was der Volkshaufe von ihr verlangte, und ſie auch noch in der Folge gezeigt hat, daß ſie ſich nicht einmal von Bajonetten einſchüchtern ließ.

Das Miniſterium Pfuel mußte abtreten. Es dauerte in - deß noch eine ganze Woche, bis von der Hof - und Prieſter-Par - tei vier Männer ausfindig gemacht waren, welche die Verant - wortlichkeit für den beabſichtigten Staatsſtreich, oder, wie ein halb - amtlicher Aufſatz mildernd ſagte, den Staats-Act auf ſich nehmen wollten. Die Ereigniſſe folgten nun raſch auf einander. Eine von allen Theilen der Volksverſammlung am 2. November nach Potsdam geſchickte Botſchaft hatte das Miniſterium Branden - burg vom 8. November nicht verhindern können. Schon vorher hatte der Miniſter Eichmann in einem Anſchlage mit Herbeiru - fung der Truppen gedroht, wenn bei neuen Unruhen die Bürger - wehr ſich wieder ungenügend erweiſe. Es entſtanden aber keine Unruhen. Am 9. November wurde die Verſammlung vom Grafen Brandenburg bis zum 27. vertagt und nach Brandenburg ver - legt, um ihre Berathungen vor dem Scheine der Einſchüchterung zu bewahren Die Rechte verließ hierauf mit den Miniſtern den Saal. Die beſchlußfähige Mehrheit der Verſammlung entſchied aber, unter Vorſitz des Regierungsraths v. Unruh, daß ſie für jetzt den Sitz ihrer Berathungen nicht ändern wolle; der Krone nicht das Recht zugeſtehe, ſie wider ihren Willen zu vertagen, zu verlegen und aufzulöſen; daß ſie die Miniſter für unfähig halte, das Land zu regieren; daß dieſe ſich ſchwerer Pflichtverletzungen ſchuldig gemacht haben. Am 10. November beſchloß die Ver - ſammlung, dies dem Volke in einer Anſprache zu verkünden. Der Sitzungsſaal war mit Bürgerwehr umgeben. Unterdeſſen rückte der General von Wrangel in Berlin mit einem großen Heere ein, und umlagerte den Sitzungsſaal, bis die Abgeordneten ihn verließen. Alſo um die Volksvertreter vor Einſchüchterungen zu ſchützen, wurden Kanonen auf ſie gerichtet! Und ſind ſie nicht noch jetzt gezwungen, wie in einer vom Feinde umzingelten Feſtung, zu berathen? Die Bürgerwehr, die, zum Schutze der Verfaſſung eingeführt, dieſelbe natürlich nur in ihren Gründern ſchützen konnte, und daher die von ihr am 10. geforderte Verſprengung14 derſelben abgeſchlagen hatte, wurde aus dieſem Grunde am 11. November aufgelöſt, um einem ſolchen die Ordnung gefährdenden Streben ein Ziel zu ſetzen. Und weil dieſer Grund doch gar zu ſehr dem Geſetze, auf das man ſich berief, um ſie aufzulöſen, zuwider war, wurde ſpäter ein noch lächerlicherer hinzugefügt, damit nämlich bei einem entſtehenden Kampfe die guten Bürger, welche mit den Waffen in der Hand den Soldaten zur Hülfe eilen würden, nicht mit denjenigen verwechſelt würden, welche ſich den - ſelben entgegenſetzen würden !

So ſicher war die Rückſchrittspartei, daß es zum Kampfe kommen würde, daß ſie ſich ſogar in ihren im Voraus gedruckten Erlaſſen darauf bezogen hatte. Das Beiſpiel Wiens hat aber die Bevölkerung Berlins vor dem Schickſale dieſer Stadt gewarnt. Hätte ſich ein Kampf entſponnen, deſſen Ausgang unzweifelhaft war, ſo galt Kriegsrecht und der Sieger hatte die im März ver - lorene Schlacht wiedergewonnen. Die Garde, ſagte man, dür - ſtete nach dem Augenblicke, dieſe Scharte auszuwetzen. Das Berliner Volk wollte aber nicht einen brudermörderiſchen Kampf eingehen, auf die Gefahr hin, der Feigheit bezüchtigt zu werden; was auch in der That mehrfach geſchehen iſt. Die Blätter der äußerſten Richtung drängten zwar immer auf dieſen Kampf hin, verlangten Leichen für den Königlichen Aar, und ſahen darin die Ehre des Königthums. Das Volk bewies aber am Beſten, daß es die rothe Republik nicht wolle, indem es der rothen Mo - narchie keine Gelegenheit gab, ſich zu bethätigen. Das Volk ſtellte ſich auf den Rechtsboden, den das Miniſterium zu verlaſſen anfing; und dieſes trat in die Fußſtapfen der von ihm bekämpf - ten anarchiſchen Partei , indem es die Gewalt an die Stelle des Rechts ſetzte. Daß dieſe Rechtsverletzung eine Rothwendig - keit war, muß durchaus geläugnet werden, indem mir ſcheint, daß die Befürchtung des Freiſtaats, die zum Grund der immer ſtei - genden Gewaltmaßregeln gemacht wurde, eben durch das Feſthal - ten des Rechtsbodens am ſicherſten entfernt wurde (denn die Krone ſtand unbezweifelt auf dem Rechtsboden), während die Be - rufung auf die rohe Gewalt vielmehr alle Rechtsverhältniſſe in Frage zu ſtellen droht und die Gewalt an die Stelle des Rechts ſetzt. Es gab geſetzmäßigere Mittel, um die Wiederkehr aufrüh -15 reriſcher Auftritte in der Hauptſtadt zu verhindern, als das von den Miniſtern ergriffene, welches ich für ein ſehr gefährliches halte. Und jemehr ſich nun das Volk und ſeine Vertreter auf den Boden des Rechts zurückzogen, deſto mehr ließ ſich die Ver - waltung zu immer größeren Gewaltmaßregeln fortreißen, ohne ihnen durch einen thätigen Widerſtand der Maſſen eine ſcheinbare Rechtfertigung gewähren zu können. Der Kampf, ſagt Herr von Unruh, mit der entfeſſelten öffentlichen Meinung beginnt; der gefährliche Kampf zwiſchen Krone und Volk, der Schein-Con - ſtitutionalismus, die Mutter der Revolutionen, der Vorläufer der Republik tritt ein.

Die Verfaſſungsgründende Verſammlung, welche am 11. No - vember das Schauſpielhaus verſchloſſen fand, hielt an dem Tage Sitzungen im Hotel de Ruſſie und im Schützenhauſe, und er - klärte die Auflöſung der Bürgerwehr für eine ungeſetzliche Maß - regel. Am 12. erneuerte ſie die Wahl ihres Vorſitzers. Die Zuſtimmungs-Anſprachen, darunter mehrere von deutſchen Stände - Verſammlungen, häuften ſich immer mehr. Die bewaffnete Schützen - Gilde hatten die Verſammlung unter ihren Schutz genommen, nachdem auch die Stadtverordneten von Berlin ihr ihren Sitzungs - ſaal angeboten hatten. Eine waffenloſe Verſammlung, die für ihr gutes Recht Verwahrung einlegte, war immer kein Aufruhr noch weniger ein Kriegszuſtand; wodurch allein ein Belagerungs - zuſtand gerechtfertigt erſcheint. Aber Berlin war doch nun ein - mal ſein Belagerungszuſtand zugedacht, wie Paris, Frankfurt und Wien ihn bekommen hatte. Und die Miniſter ließen ihn am Abend des 12. November verkünden. Die Volksvertretung er - klärte ihn in einer Abendſitzung für ungeſetzlich. Die Miniſter der Preußiſchen Krone aber erklärten der friedlichen Hauptſtadt der Erblande den Krieg. Der Belagerungszuſtand kann doch höchſtens den Sinn haben, einen Aufruhr zu unterdrücken. Wird aber ein gefürchteter ſchon dazu benutzt, den Belagerungszuſtand auszuſprechen, dann liegt es überhaupt in der Willkür jedes Mi - niſteriums, alle Volksfreiheiten ſo lange aufzuheben, als ihm be - liebt. Der Belagerungszuſtand war auch offenbar nur ein Vor - wand, die Preſſe zu beſchränken, das Verſammlungs - und Ver - einsrecht aufzuheben, den Klub-Unruh, wie die Rückſchritts -16 partei die Verſammlung nannte, auseinander zu jagen und der - gleichen.

Am 13. November, wo das Volk ſelbſt an die Stelle der Bürgerwehr Spalier für die Abgeordneten gebildet hatte, nahm die Verſammlung eine Denkſchrift an, worin ſie den Grafen Brandenburg in Anklageſtand verſetzte; ſie beſchoß ferner den Druck derſelben, und theilte ſie dem Staatsanwalt mit, da - mit dieſer ſeine Pflicht thue . Nun erreichte die Gewaltherr - ſchaft den höchſten Grad. Es wurde Hand an die geheiligten Perſonen der Volksvertreter gelegt, die nach aufgehobener Sitzung im Saale zurückgeblieben waren. Die Krieger, die den Auftrag dazu hatten, thaten es mit zitternder Hand, und einem innern auf ihrem Antlitz ſich abſpiegelnden Widerwillen. Das Stand - recht ward erklärt und jedem mit einem Kriegsgericht gedroht, der auf den Kriegsſchauplatz den preußiſchen Truppen durch eine verrätheriſche Handlung Gefahr oder Nachtheil bereitet. Am ſelben Tage brachte der Staatsanzeiger die Nachricht, daß in Wien Robert Blum durch Pulver und Blei vom Leben zum Tode befördert worden. Es lag nicht an den Miniſtern, daß das Königthum nicht zum rothen wurde. Die Kriegs-Auditeure er - ſparten der Krone dieſe Schmach; keiner wollte ſich zu einem Kriegsgerichte hergeben. Andererſeits verweigerte aber auch der Staatsanwalt, die Anklage der Miniſter einzuleiten. Wie er dies mit ſeinem Gewiſſen als Rechtsgelehrter vereinbaren kann, iſt freilich nicht abzuſehen. Die Krone hatte im Erlaß vom 11. November, auf ihre Unverletzlichkeit geſtützt, alle Verantwortlich - keit ausdrücklich auf die Miniſter gewälzt. Jhre Schuld war klar. Hochverrath, nämlich Verfaſſungsverletzung, lag unzweifel - haft vor, da Verfaſſungsgeſetze, wie das zum Schutze der per - ſönlichen Freiheit vom 24. September 1848, verletzt worden waren. Denn nach §. 8. dieſes Geſetzes muß der Belagerungszuſtand, wenn er Gültigkeit haben ſoll, ſofort von den Volksvertretern ge - nehmigt werden; nach §. 5. dürfen Ausnahmegerichte unter kei - nen Umſtänden eingeſetzt werden, und die Miniſter hatten das Standrecht für Bürgerliche verkünden laſſen. Außerdem war die verfaſſungsmäßig verbürgte Preßfreiheit verletzt. Jſt es ferner nicht überhaupt Hochverrath gegen die geſunde Vernunft, einem17 Volke die Ader unter dem Herzen die Hauptſtadt Monate lang, und ſo ganz unnöthiger Weiſe, zu unterbinden, und dann noch geſunden Blutumlauf von ihm zu verlangen? Aber ſo zer - klüftet ſich das Rechtsbewußtſein in einem Volke, wenn ihm von Oben her der Rechtsboden unter den Füßen fortgezogen wird, daß ſeine Rechtsgelehrten ſelbſt gegen das klare Geſetz handeln. Denn während nach §. 9. des Geſetzes zum Schutze der perſön - lichen Freiheit keine vorgängige Genehmigung der Behörde nöthig iſt, um öffentliche Civil - und Militair-Beamte wegen der durch Ueberſchreitung ihrer Amtsbefugniſſe verübten Verletzungen vor - ſtehender Beſtimmungen gerichtlich zu belangen, wollte der Staats - anwalt die Anklage von der Genehmigung der höheren Behörde höher, als das Miniſterium? abhängig machen, und berief ſich dafür auf das Geſetz vom 29. März 1844, als ob dies ſchon vom Vereinigten Landtage gemißbilligte Geſetz nicht nun - mehr durch jenen Paragraphen des Geſetzes vom 24. September vollſtändig und ausdrücklich, in dieſem Punkte wenigſtens, außer Kraft getreten wäre. Und wohin ſoll es mit der Unparteilichkeit unſerer Gerichte kommen, wenn der Unterſchied in den ſtaatlichen Anſichten die Mehrheit berechtigen ſollte, ein Mitglied aus ihrem Schooße auszuſtoßen, wie das Geheime Ober-Tribunal es mit Waldeck verſuchte?

Man ſage nicht, die Volksvertretung habe das Unrecht be - gonnen, indem ſie nach dem Vertagungs-Befehl nicht auseinan - der gegangen, und ſich dadurch, wie der Miniſter ihr vorwarf, Hoheitsrechte angemaßt habe. Denn das iſt ein Kreisſchluß. Die Verſammlung hatte nur Unrecht, wenn die Krone das Recht der Vertagung hatte. Ob die Krone aber ein Recht zu dieſem Befehle gehabt, iſt um ſo zweifelhafter, als eben dieſe und andere Rechte des Volks und der Krone durch Vereinbarung offen - bar ein Hoheits-Recht erſt feſtgeſetzt werden ſollten, und die Verſammlung über die Verlegung und Vertagung mindeſtens zu hören geweſen wäre. Denn wäre es vor der Gründung der Verfaſſung und zwar der Gründung einzig und allein durch dieſe dazu nach dem Geſetz vom 8. April 1848 beru - fene Verſammlung der Krone erlaubt, die Verſammlung auf drei Wochen und nach Brandenburg zu verlegen, ſo konnte ſie auch218auf Monate und nach Memel unter den Schutz ruſſiſcher Bajonette verlegt werden.

Nun aber kommt die letzte That der Verſammlung, die ein - zige, die nicht rechtskräftig geworden iſt, da ſie nicht, wie die vor - hergehenden Dringlichkeitsanträge, in der Sitzung vom 14. im Saale der Stadtverordneten, zweimal, ſondern nur einmal ange - nommen wurde, die Steuerverweigerung vom 15. November, oder vielmehr nur der Ausſpruch, daß das Miniſterium Bran - denburg nicht berechtigt ſei, Steuern zu erheben und Staats - gelder zu verwenden, bis die hohe National-Verſammlung wieder in Berlin in Sicherheit ihre Pflichten erfüllen kann. Auch dieſer Beſchluß, obgleich er eine geringere Mehrheit hatte, iſt immer noch von einer beſchlußfähigen Mehrheit, von 226 gegen - wärtigen Mitgliedern gefaßt worden. Dieſer Beſchluß iſt eigent - lich eine ſich von ſelbſt verſtehende Folge der Anklage gegen die Miniſter. Denn der Miniſter, deſſen von der Krone bewilligte Verantwortlichkeit von der Volksvertretung in Anſpruch genom - men worden iſt, darf nicht mehr der Verwaltung vorſtehen. Es iſt das Aeußerſte, bis wohin die Volksvertretung auf dem Wege des geſetzlichen, leidenden Widerſtands, den ſie vom Lande ver - langte, ſelbſt gegangen iſt. Nichts Ungeſetzliches zu thun, hatte ſie ſich aufs Feierlichſte vorgenommen, aber auch das Geſetzliche ganz und vollſtändig. Hingedrängt wurde ſie aber zu dieſem Aeußerſten der geſetzlich ihr zuſtehenden Mittel, theils dadurch, daß ſchon viele Anſprachen es verlangt hatten, theils durch die äußerſte Gewaltthat des Miniſteriums, welches endlich die ganze Verſammlung mit Bajonetten auseinander trieb, während bisher nur einzelne Beamte und Mitglieder derſelben angegriffen worden waren. Der Vorſitzer wollte ſchon die Sitzung aufheben, bevor ein Beſchluß gefaßt war. Aber die ganze Verſammlung, die beſchluß - fähige Mehrheit, eingedenk der Worte Mirabeau’s: Sag dei - nem Herrn, wir ſitzen hier Kraft des Volkswillens, und werden nur den Bajonetten weichen; ja mehr als Mirabeau, 226 Mirabeau riefen aus: Wir weichen nicht einmal den Bajonet - ten. Die Erbitterung über dieſe äußerſte Rechtsverletzung zum Theil auch wohl die Weigerung des Staatsanwalts, die An - klage einzuleiten ließ ſie zu dieſem Aeußerſten ihrer Rechte19 ſchreiten. Ohne dieſen Angriff hätten ſie den Beſchluß vielleicht nicht gefaßt; ſo bereitet ſich das unrechtmäßige Verfahren immer ſelbſt den Anſtoß, den es beſeitigen möchte. Die Verſammlung aber hatte ein Jntereſſe, ſich nicht einſchüchtern zu laſſen. Man hatte ſie nach der Hauptſtadt des Brennus,

der in der rohen Zeit
Legte ſeinen eh’rnen Degen
Jn die Wage der Gerechtigkeit,

ſchicken wollen, damit ſie auch der Schein einer Einſchüchterung nicht treffe. Sie hat gezeigt, daß ſie auch der wirklichen Ein - ſchüchterung männlich Widerſtand zu leiſten vermöge. Mit blaſ - ſen Wangen wichen die Krieger zurück. Sie hat ein Heer von 50,000 Soldaten aus dem Felde geſchlagen. Die Geſchichte wird zwiſchen ihr und dem Miniſterium Brandenburg entſcheiden! Und wenn die Miniſter vor den Wahlen gegen die Abgeordneten, welche ihren Beſchlüſſen auch Wirklichkeit durch die letzte An - ſprache an das Volk geben wollten, die Anklage auf Hochverrath anzuſtellen Miene machten, ſo hätten ſie bedenken ſollen, daß ſie ſich ſelber damit vor die Schranken des Gerichts ſtellten, da eine Frei - ſprechung Jener ihre Verurtheilung wäre. Für eine bloße Wahl - ſchwenkung ſcheint mir die Sache zu gefährlich! Und wenn, dem Anſchein nach, mit der gerichtlichen Verfolgung, nachdem die neue Volksvertretung bereits tagt, dennoch vorgeſchritten wird, ſo ſcheint mir dies noch gefährlicher zu ſein.

Mit jenem Glanzpunkt der Verſammlung ſchlug nichtsdeſto - weniger die öffentliche Stimmung gegen dieſelbe um, und zwar, weil die Miniſter ein unter dem verfaſſungsmäßigen Königthum Frankreichs ſehr abgenutztes Mittel gebrauchten, die Gefahr fürs Miniſterium in eine Gefahr für die Krone zu verwandeln. Die Schritte der Verſammlung wurden in Flugſchriften von hundert Tauſenden von Abzügen ſo dargeſtellt, als wolle ſie den Freiſtaat einführen, und als ſtürze ſie das ganze Land in Aufruhr. Die Miniſter brauchten nur als wahre Vaterlandsfreunde abzutreten und der ſo vielfach ausgeſprochenen Stimme des Landes zu fol - gen. Ja, ſie mußten, nachdem ſie geſetzmäßig angeklagt waren, das richterliche Urtheil fordern, damit die durch ſie vertretenen Worte der Krone vom 11. November, worin dieſelbe ein guter2*20conſtitutioneller König zu bleiben verſprach, ſich in dieſem Falle, durch Verwirklichung der miniſteriellen Verantwortlichkeit, als eine Wahrheit erweiſen konnten. Wenn aber Gefahr für die Krone vorhanden war, ſo könnte ſie nur darin liegen, daß jener Weg der Ungeſetzlichkeit betreten wurde. Die Wendung der Miniſter gelang indeſſen in einem ſo jungen verfaſſungsmäßigen Leben noch einmal; und nun drehten ſich auch viele ſtädtiſchen Behörden um. Wozu das Volk ſich letztlich entſchließen wird, iſt noch unbeſtimmt. Aber der Umſchwung der Meinungen hat ſchon längſt begonnen. Und die Parteien ſtehen jetzt ziemlich gleich in der neuen Volksvertretung ein - ander gegenüber, beſonders wenn man bedenkt, wie die Mehrheit meh - rere ihrer Wahlen, die durchaus hätten beanſtandet werden müſſen, durchließ. Ein ganz unabhängiger Gerichtshof müßte über ſolche Fälle entſcheiden. Was aber das große Verbrechen der Steuer - verweigerung betrifft, ſo bedenke man nur, wie England es machte, das Land der Erbweisheit, um eine Reformbill zu erlan - gen. Das Unterhaus hatte ſie angenommen, Lords und Krone aber wollten ſie verwerfen. Da verweigert nicht das Unterhaus die Steuern, ſondern jeder Bürger von London heftete an ſein Fen - ſter eine Tafel: Hier werden keine Taxen mehr bezahlt. Hun - derttauſend Männer marſchirten von Birmingham nach London, um die Bill dem großen Verräther durch eine Sturmbittſchrift abzutrotzen; und das Land erhielt die Reform.

Freilich, wem der Wurf gelingt in der Staatskunſt, ſagt man, der hat Recht; der Hochverrath wird zur rettenden That. Die Verſammlung hätte aber auch dann immer nur einen ſtaatlichen Fehler, nicht ein Verbrechen begangen, nämlich den, das Volk für reifer gehalten zu haben, als es in der That wäre. Aber der Wurf iſt den Miniſtern noch nicht ganz gelungen! Auch nicht, nachdem jene Mehrheit in der Gefühls-Aeußerung der Anſprache an den Fürſten die Anerkennung der Verfaſſung durchgeſetzt. Aber der erſte Erfolg macht kühn; ſo beeilte ſich auch das Miniſterium, den letzten Schritt mit der Auflöſung der Verſammlung zu thun. Dieſelbe war ſchon längſt beſchloſſen, ungeachtet der Mahnungen Vincke’s, des Mannes des Rechtsbodens, dieſen nicht zu verlaſ - ſen, wenn er nicht auf die äußerſte Linke treten ſolle. Die An - hänger des Miniſteriums machten kein Hehl aus der Auflöſung. 21Das Miniſterium wünſchte, ſagt man, ſelber nicht, daß die Ver - ſammlung am 27. in Brandenburg zu Stande komme. Doch wartete es auch da noch, als nur die beſchlußunfähige Zahl von 154 Mitgliedern gegenwärtig war, um ſich den Schein des Rech - tes zu geben. Es ſei, hieß es in einem halb-amtlichen Zeitungs - aufſatz, das Miniſterium in einer ſtarken Unthätigkeit geblieben, um zu ſehen, ob die Verſammlung noch Lebensfähigkeit habe, oder ob ſie ſich ſelbſt auflöſe. Die folgenden Sitzungen waren nicht viel vollzäh - liger. Endlich hatte die Mehrheit das Schwerſte vollbracht; ſie hatte, der Stimme des Volkes hörend, ſich ſelbſt überwunden, und gegen ihre Ueberzeugung, um des Vaterlandes Wohl, nach Bran - denburg am 7. December zu gehen beſchloſſen, um auch dort ei - nem volksfeindlichen Miniſterium entgegenzutreten. Da war es hohe Zeit für dieſes, jene letzte Hoffnung des Volks auf eine geſetzliche Löſung der Wirren zu vernichten. Eine Kriegsliſt, welche die Rechte öfters gebraucht hatte, um nicht zu unterliegen, nämlich den Saal zu verlaſſen, wurde am 1. December einem Theil der Linken angedichtet, da ſie doch ausdrücklich bemerkte, daß ſie nicht zum Beſchließen, ſondern blos darum gekommen ſei, die Ankunft der ganzen Mehrheit anzukündigen. Das große Ver - brechen der Volksverſammlung, was ihr die Auflöſung zuzog, war alſo der verlangte Aufſchub einiger Tage! Und auf wie viel Tage hatte das Miniſterium ſie aufgeſchoben! Aber die Einberufung derſelben durch den Sprecher v. Unruh ſelbſt galt, in den Augen der Hofpartei, als ein neues Verbrechen; und man erklärte eine Verſammlung für lebensunfähig in dem Augenblicke, wo ſich die von der Regierung ſelbſt zerſchnittenen Glieder wieder zuſammen - fügen wollten.

Am 5. December wurde die Verſammlung aufgelöſt und eine aufgedrungene Verfaſſung veröffentlicht. Man behandelte die Rechte nicht beſſer, als die Linke. Selbſt die Rechte wollte im Dom zu Brandenburg nur das Recht der Verlegung, nicht das der Vertagung an ſich zugeſtehen. Man löſte die Verſammlung auf, ohne es ihr in Perſon zu ſagen. Eine Verwaltung, welche den geheiligten Vertretern des Volks ſo gewaltſam entgegentritt, thut ſich ſelbſt den größten Schaden. Wo ſoll im Volke Achtung vor den nach der Willkür der Regierung eingeſetzten Kammern her -22 kommen, wenn die Regierung die geſetzlich zuſammenberufene ver - faſſungsgründende Volksvertretung ſo ſchmählig behandelt? Um ein Paar Straßenaufläufe in der Hauptſtadt nicht zu unter - drücken (denn ſie waren es), ſondern in der Folge zu verhindern, hat man eine Staatsumwälzung gemacht, das ganze Land in Flammen geſetzt, und kann ſich nur mit Belagerungszuſtänden helfen. Das iſt die nothwendige Folge davon, wenn man ſein Recht nicht auf dem Wege des Rechts, ſondern der Gewalt durchſetzen will. Niemals hat die Verſammlung die Rechte der Krone verletzt. Halten wir auch die Vereinbarung nicht in der freiſinnigen Be - deutung, wie ſelbſt das frühere öſterreichiſche Miniſterium ſie ge - nommen, als freie Genehmigung des von der Verſammlung Beſchloſſenen feſt, was hätte nach der Auslegung Pfuels wenig - ſtens geſchehen müſſen? War die Verſammlung mit der Verfaſ - ſung fertig, und vom 9. bis 27. November hätte ſie ein gutes Stück vorſchreiten, bis zum Ende des Jahres ſie vollenden kön - nen, und glaubten dann die Miniſter der Krone rathen zu müſſen, manchen Beſtimmungen ihre Zuſtimmung zu verſagen, ſo konnten dieſe Paragraphen noch einmal an die Verſammlung zu - rückgehen, wie dies beim Geſetz über die Todesſtrafe bereits ge - ſchehen war. Und dann? Gaben, die Verſammlung und die Krone, Beide nicht nach, nun ſo konnte die Verfaſſung ins Leben treten bis auf die ſtreitigen Punkte, und dieſe der Reviſion durch die erſte Geſetzgebung überlaſſen bleiben. Aber vereinbarte Ge - ſetze, wie das Wahlgeſetz vom 8. April und das zum Schutz der perſönlichen Freiheit, einſeitig aufheben, und noch eine ganze Reihe von Verfaſſungs-Geſetzen ebenſo einſeitig erlaſſen, nachdem nicht nur das Geſetz vom 6. April 1848, Ueber einige Grundlagen der Preußiſchen Verfaſſung , ſondern ſchon die frühere Verfaſſung die Erklärung der Stände vor dem Erlaſſe verlangte, heißt das nicht das ganze Gebäude der Verfaſſung auf den Flugſand - boden der Willkür errichten? Und muß da nicht der erſte äußere oder innere Sturm es wieder umwehen?

Feſtigkeit erlangt die Verfaſſung eines Volkes unmöglich an - ders, als wenn ſie im Jnnern ſeines Geiſtes wurzelt. Wie kann ſie das aber, wenn ſie nicht auf dieſem Boden gewachſen iſt? Will die Regierung beurtheilen, ob eine dieſem oder jenem Volke23 entnommene Verfaſſung, und ſei es auch die Belgiſche, ihrem Volke gemäß iſt? Und hätten wir nur die Belgiſche, deren Ar - tikel 25. beſagt: Alle Gewalten gehen von dem Volke aus, die mit ihren klaren und deutlichen Gewährungen jeder Hinterthür den Weg verſperrt. Es iſt alſo nicht nur die Form, in welcher dieſe Verfaſſung uns geboten iſt, wogegen wir uns verwahren müſſen; es iſt vor Allem der Jnhalt. Daß er revidirt werden ſoll, ändert an der Sache nichts. Soll dieſe Reviſion eine zweite Vereinbarung ſein, wie es wegen der Aufſchiebung der Vereidi - gung auf dieſelbe ſcheint, nachdem die erſte Vereinbarung miß - glückte: ſo iſt auch hier das Recht verletzt, da nach dem Erlaß vom 2. April 1848 die Krone ſelbſt für eine die Verfaſſung vereinba - rende Verſammlung eine Theilung in Kammern für nicht zu - läſſig erachtete. Und was iſt dies für eine erſte Kammer? Sie verbindet die unmittelbare und mittelbare Schätzung noch mit der Bevormundung der mittelbaren Wahl. Konnte nicht für dieſe bevorzug - ten Wähler wenigſtens die unmittelbare Wahl eintreten? Sind auch dieſe noch nicht mündig? Und welches Vorrecht haben die Wähler ärmerer Bezirke, deren Zahl ſich nur auf Tauſend beläuft, daß ihrer ſtaatlichen Reife die unmittelbare Wahl zugeſtanden wird?

Was nun den Jnhalt der Verfaſſung ſelbſt betrifft, ſo will ich mich hier nur auf wenige Bemerkungen beſchränken. Die aufgedrungene Verfaſſung erkennt in ihrem 5. Artikel das Ge - ſetz vom 24. September 1848 zum Schutz der perſönlichen Frei - heit an. Nach demſelben kann aber nur die Unverletzlichkeit der perſönlichen Freiheit und der Wohnung durch einen Belagerungs - zuſtand aufgehoben, nicht Ausnahmegerichte wieder eingeführt wer - den (§. 5.). Das mußte auch im Bewußtſein des Verfaſſers der Urkunde gelegen haben. Denn im Artikel 7. derſelben, welcher Ausnahmegerichte für unſtatthaft erklärt, ſieht er ſich ver - anlaßt, durch den Zwiſchenſatz: ſo weit ſie nicht durch dieſe Verfaſſungsurkunde für zuläſſig erklärt werden, den §. 5. des Geſetzes zum Schutz der perſönlichen Freiheit auch ausdrücklich ohne Weiteres wieder aufzuheben. Dieſer Zuſatz war aber ganz unnöthig, indem nach Artikel 110. der Verfaſſung ohnedies der ganze Artikel 7. und noch eine Reihe anderer zu unſerem Schrek - ken zeitweilig aufgehoben werden können. Ja, wenn bei Aufhe -24 bung dieſes ganzen Artikels auch die ſeines Zwiſchenſatzes einen Sinn haben ſollte, ſo wäre eben aufgehoben, daß die Verfaſſungs - urkunde Ausnahmegerichte für zuläſſig erklären könne. Statt jenes 110. Artikels hat die Belgiſche Verfaſſung übrigens den 130.: Die Staatsverfaſſung kann weder ganz noch theilweiſe aufgeho - ben werden. Und in der That, ohne dieſen Paragraphen iſt die ſchönſte Verfaſſung ein werthloſes Stück Papier. Und ein ſolches ſchiebt nun die Verwaltung ſelbſt zwiſchen Volk und Krone, ſtatt abzuwarten, wie es naturwüchſig zwiſchen Beiden ſich bilden werde.

Wir wiſſen zwar, daß das Steuerbewilligungsrecht nicht nur vom Könige verheißen, ſondern ſogar ſchon im Geſetze vom 6. April feſtgeſtellt worden iſt. Die Artikel 98. und 99. ſtellen es auch außer allem Zweifel. Die Worte des letztern lauten: Steuern und Abgaben für die Staatskaſſe dürfen nur, inſoweit ſie in den Staatshaushalt aufgenommen oder durch beſondere Geſetze angeordnet ſind, erhoben werden. Dieſe Geſetze ſind im Zuſam - menhang ſolche, welche die Verſammlung nicht beim Staatshaus - halt, ſondern im Laufe der ganzen Sitzung beſonders beräth. Nun leſe man aber den Artikel 108., der unter den allgemeinen, nicht den Uebergangs-Beſtimmungen ſteht: Die beſtehenden Steuern und Abgaben werden fort erhoben, und alle Beſtimmun - gen der beſtehenden Geſetzbücher, einzelnen Geſetze und Verordnun - gen, welche der gegenwärtigen Verfaſſung nicht zuwider laufen, bleiben in Kraft, bis ſie durch ein Geſetz abgeändert werden. Wir haben dieſen Artikel ſchon ſo auslegen hören, daß die Ge - ſetzgebung hiernach nicht das Recht der Steuer-Bewilligung über - haupt, ſondern, wie der Vereinigte Landtag, nur neuer Steuern und Anleihen habe. Wir wiſſen wohl, daß dieſe Auslegung un - möglich iſt. Aber eine amtliche Erklärung, wie in einem ähn - lichen Falle Herr v. Bodelſchwingh ſie über die Darlehen, wo - für das geſammte Staatsvermögen hafte, ſo bereitwillig gab, wäre doch ſehr wünſchenswerth. Um ſo mehr, da wir noch eine andere Auslegung vernahmen; wonach der Sinn blos ſein ſoll, daß das neue Steuerſyſtem, welches der jetzigen Volksvertretung zur Berathung vorgelegt werden ſoll, nur auf dem Wege der Geſetzgebung geändert werden darf. Und einen andern Sinn können die Worte nicht haben.

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Es wäre kein Streit über die eigentliche Auslegung dieſer Stelle möglich, wäre ſie in der Volksvertretung verhandelt wor - den. Denn damit wäre die Erklärung gegeben. So muß man bei jedem Geſetze auf die Beweggründe deſſelben zurückgehen kön - nen, wie ſie in den Verhandlungen der Ausſchüſſe niedergelegt ſind. Das Preußiſche Landrecht iſt von den Rechtslehrern ganz Deutſchlands, die gewöhnlichſten Geſetze Preußens ſind durch den Staatsrath berathen worden. Wo iſt aber die ehrwürdige Kör - perſchaft, durch deren Geiſt die Verfaſſungsurkunde des Preußiſchen Staats geboren iſt? Was gut daran iſt, ſteht im Ausſchuß-Entwurfe der ſo ſehr geſchmähten verfaſſungsgrün - denden Verſammlung. Das Uebrige hebt das Verliehene durch ſeine Zweideutigkeit aber wieder auf. Man nennt einen oder den andern Verfaſſer. Und wäre es auch ein Profeſſor, ſoll der Ge - ſetzgeber ſich nun an ihn wenden, wenn er eine amtliche Erklä - rung dieſes Paragraphen zu geben hat, der Richter nach ihm ſchicken, wenn er denſelben anwenden ſoll? Darf ſo das wich - tigſte Geſetz für Preußen gewiſſermaßen in der Haſt kriegeriſcher Zurüſtungen aus dem Kriegs-Miniſterium erlaſſen werden?

Um den Sinn des 108. Artikels genau zu erkennen, bliebe nur übrig, ihn mit den gleichlautenden Artikeln des erſten Regie - rungs-Entwurfs (§. 82.) und des Ausſchuß-Entwurfs der Ver - ſammlung (§. 109.) zu vergleichen. Beide heißen gleichlautend: Die beſtehenden Steuern und Abgaben werden forterhoben, bis ſie durch ein Geſetz abgeändert werden. Hier iſt der Sinn ganz klar, daß dadurch nur angedeutet werden ſollte, wie ein Ge - ſetz das bisherige Steuerſyſtem ganz umgeſtalten werde. Gewiß kein Mitglied des Ausſchuſſes hat daran gedacht, das Steuerver - weigerungsrecht aufzuheben. Nur eine jeſuitiſche Auslegung kann das Recht der Regierung daraus ableiten, die alten Steuern zu erheben, wenn die Kammer den Staatshaushalt des neuen Jahres verweigert hat. Durch die veränderte Faſſung des Satzes in der Urkunde vom 5. December wird der Sinn freilich zweifelhafter. Die aufgedrungene Oeſterreichiſche Verfaſſung iſt in dieſer Rückſicht ehr - licher. Und wenn dem Preußiſchen Miniſterium der freilich nicht beneidenswerthe Ruhm gebührt, hier einmal ausnahmsweiſe dem Oeſterreichiſchen das Beiſpiel gegeben zu haben, ſo hat dabei der26 Nachtreter doch ſeinen Vormann übertroffen. Wenn die Natio - nal-Zeitung aber ganz guten Glaubens die den Volksrechten un - günſtige Auslegung angenommen, ſo wollen wir es zur Ehre des Staats-Anzeigers annehmen, daß ſeine Entrüſtung nur über die Möglichkeit einer ſolchen Auslegung ihn gegen ſeine volksthüm - liche Schweſter die Beſchuldigung der Böswilligkeit ausſtoßen ließ. Der Artikel 108. iſt alſo jedenfalls nur ein vorübergehen - der; mit dem 109. hat er ſich aus den Uebergangsbeſtimmungen in die allgemeinen verirrt. Dann aber fragen wir: Darf ein Miniſterium am Jahresſchluß die Geſetzgebung (von einer ver - faſſungsgründenden Verſammlung gar nicht einmal zu reden) auf - löſen, ehe ihm der Staatshaushalt des bevorſtehenden Jahres be - willigt worden? und ſpäter denſelben einſeitig erlaſſen?

Jch will in Bezug auf den Artikel 110. nicht von den Ver - letzungen der Volksfreiheiten ſprechen, welche ein feindlicher Ge - neral ſich auf dem Kriegsſchauplatze erlauben zu müſſen glaubt. Denn im Kriege können die ſtaatlichen Freiheiten überhaupt nicht Platz finden. Auch im Bürgerkriege (und was iſt der Aufruhr Anderes, als ein Bürgerkrieg?) mag daſſelbe geſchehen. Der Schutz der perſönlichen Freiheit mag danach beſchränkt werden, wie in England. Aber warum die Preßfreiheit? Und jedenfalls gehört die Zuſtimmung der Geſetzgebung dazu. Aber wo die Verwaltung den Belagerungszuſtand Monate lang ohne die Ge - ſetzgebung aufrecht erhalten darf, aber wo nach verſchwundenem oder gar unſichtbar gebliebenem Aufruhr ein Belagerungszuſtand künſtlich an den Haaren herbeigezogen wird, bloß um Preßfreiheit Vereins - u. Verſammlungsrecht zu beſchränken, dieſe Errungenſchaft des Rückſchritts zu bezeichnen, fehlt mir der Name. Denn ſie wiegt alle Märzfreiheiten auf, und ſetzt die Soldatenherrſchaft und deren Willkür an die Stelle des Rechts; oder vielmehr, die unum - ſchränkte Willkür wird geſetzlich. Dies Schauſpiel bietet Europa ſeit dem Herbſte des Jahres, das mit ſo vollen Blüthenknospen des Frühlings begann. Paris, Mailand, Wien und Berlin, ſie leiden aus verſchiedenen Gründen dieſe Unbill: Berlin gewiß am unſchuldigſten. Der Erfinder dieſer göttlichen Errungenſchaft, die Andere freilich ſehr teufliſch nennen, hat bereits den Lohn ſei - ner vielleicht abſichtlich herbeigeführten Schlächterei geerntet. Ca -27 vaignac trat wenigſtens unter der Gleichgültigkeit der Franzoſen von der Spitze der Regierung ab; und doch ermächtigten ihn die Vertreter des Volks zur Verhängung des Belagerungszuſtandes. Jn dem Lande der Erbweisheit darf kein Soldat in die City ohne die Erlaubniß der Stadtbehörden. Ohne das verfaſſungs - mäßige Recht der Volksvertretung, ſelbſt die Truppenzahl zu be - ſtimmen, welche ſie zu ihrem Schutze am Orte ihrer Sitzun - gen haben will, iſt die Unabhängigkeit ihrer Berathungen nicht geſichert. Unſere Miniſter haben den Belagerungszuſtand gegen den Willen der Volksvertreter verhängt. Und nach faſt fünf Monaten haben ſie noch nicht Rechenſchaft abgelegt, zögern immer noch damit, obgleich die Kammern ſchon fünf Wochen verſammelt ſind. Wer ſich aber rechtfertigen muß, kann auch ungerechtfertigt aus den Verhandlungen hervorgehen; ſo daß die Anklage des Volkes im - mer noch über den Häuptern der Miniſter ſchwebt!

Einen ſo ungeheuerlichen Artikel, als den 105., kennt wohl keine Verfaſſung: Wenn die Kammern nicht verſammelt ſind, können in dringenden Fällen, unter Verantwortlichkeit des ge - ſammten Staatsminiſteriums, Verordnungen mit Geſetzeskraft er - laſſen werden; dieſelben ſind aber den Kammern bei ihrem näch - ſten Zuſammentritt zur Genehmigung ſofort vorzulegen. Wozu iſt dann der Zuſatz zu der regelmäßigen Berufung der Kammern im Artikel 75.: und außerdem, ſo oft es die Umſtände erhei - ſchen ? Etwa um ein Anlehen zu machen? Sollte dazu der Artikel 105. nicht vollkommen ausreichen? Thut er es, nun dann würde uns ja die ohne die Geſetzgebung zu eröffnende An - leihe in Kriegszeiten, die dem erſten Vereinigten Landtage ſchon ſo viel Sorge machte, hier in einer Preußiſchen Verfaſſungs - Urkunde nach der März-Umwälzung geboten. Den Kammern ſollen ſolche Verordnungen zwar ſpäter zur Genehmigung vorge - legt werden. Können ſie dieſelben aber noch verwerfen, nachdem ſie vielleicht ſchon mehrere Monate in Wirkſamkeit geweſen, und Rechts - verhältniſſe daraus entſprungen ſind? Wenn ſie es thun, und die Krone die Verkündigung dieſes Beſchluſſes verweigert, welches Geſetz gilt dann, das alte oder die Verordnung? Und dürfen die Kammern oder auch nur Eine ſolche Verordnung nicht mehr verwerfen, iſt dann die ganze geſetzgeberiſche Thätigkeit der Volksvertreter nicht28 ein reines Spiel? Beſonders da in ſolchen dringenden Fällen auch kurz vorher vereinbarte Geſetze, wie wir ſehen mußten, wie - der umgeſtoßen worden ſind.

Aber, wird man uns erwiedern, die Miniſter haften ja nach Artikel 59. mit ihrer Verantwortlichkeit dafür. Dieſe erſtreckt ſich jedoch nicht auf das Privatrecht, wenn Einzelne dadurch verletzt werden, daß ſolche Verordnung wieder rückgängig würde. Gegen Verrath und Beſtechung der Miniſter würde uns nun wohl auch das Landrecht ſchon geſchützt haben. Und was die Ver - faſſungsverletzung betrifft, ſo iſt ſie bei ſolchen Verordnungen wenigſtens nicht möglich, weil dieſe eben verfaſſungsmäßig ſind. Ob ein dringender Fall vorliege, müßte aber doch immer erſt von den Kammern zugegeben werden! Hiergegen, ſo wie in Bezug auf die ganze Verantwortlichkeit, ſchützt nun aber die Mi - niſter eben wieder die im dringenden Fall mit Geſetzeskraft er - laſſene Verordnung vom 3. Januar: Ueber die Einführung des mündlichen und öffentlichen Verfahrens mit Geſchworenen in Un - terſuchungsſachen. Denn nach §. 9. dieſes Geſetzes hängt es vom Oberſtaatsanwalt ab, ob Klagen, welcher Art ſie auch ſeien, angenommen werden ſollen oder nicht. Da nun, laut §. 3. deſſel - ben Geſetzes, der Oberſtaatsanwalt den Anweiſungen des Ju - ſtizminiſters nachzukommen hat, ſo liegt es in allen Fällen in der Hand des Juſtizminiſters, ob er ſich und ſeine Amtsgenoſſen von den Kammern anklagen laſſen will oder nicht. Man wende nicht ein, daß dies nur eine eingebildete Furcht ſei. Denn die zur Vereinbarung berufene Verſammlung der Preußiſchen Volks - vertreter hat bereits die Erfahrung gemacht, daß der Staatsan - walt ihrer Klage nicht Folge geleiſtet, und die Anklägerin an die vorgeſetzte Behörde verwieſen hat. Und ſollte der Juſtizminiſter nun auch der Ehre halber den Staatsanwalt zur Klage ermächtigen, ſo richtet das Geheime Ober-Tribunal, welches die Gegenpartei der Miniſter bereits ohne Rechtsgang verurtheilte. Hat das Volk ein ſolches Spiel mit ſeinen Rechten erlaubt? Oder ſoll, wir wiederholen es, der beſchränkte Unterthanen-Verſtand wieder eingeführt werden?

Das Wahlgeſetz für die zweite Kammer iſt ziemlich nichts - ſagend, da die Artikel 66 71. der Urkunde die weſentlichen Be -29 ſtimmungen des Wahlgeſetzes vom 8. April 1848 ſchon ent - halten; und ſo ſcheint ſein Zweck nur die einſeitige Abſchaffung des mit dem Vereinigten Landtage vereinbarten Geſetzes vom 8. April zu ſein, um damit auch die Vereinbarung zu beſeitigen. Nur das Wort ſelbſtſtändig iſt eigenmächtig und ungeſetzlich eingeſchaltet worden. Und wenn die Miniſter, vollkommene Of - fenheit verſprechend, das vieldeutige Wort darum nicht auslegen wollten, weil ſie dies der künftigen Geſetzgebung überlaſſen zu müſſen glaubten: ſo war es noch viel offener, den geſetzlichen Weg zu gehen und ſich keine eigenmächtigen Einſchaltungen zu erlauben, über deren Dunkelheit man ſich dann recht conſtitutio - nell beklagen kann. Wenn dann Frankfurt abgewieſen wurde, als es ſich um die häusliche Angelegenheit eines Preußiſchen Mi - niſteriums handelte, ſo iſt ein Wahlgeſetz für eine Preußiſche Kammer eine nicht minder häusliche Angelegenheit, wobei man ſich am allerwenigſten auf Frankfurt zu berufen brauchte. Wenn aber ſeitdem eine miniſterielle Erläuterung ſelbſtſtändig jeden, der nicht ein Verrückter, Verſchwender oder Gefangener ſei, nennt, ſo wird die Sache ſchon bedenklicher. Denn Temme und viel - leicht 180 ehemaligen Volksvertretern hätte damit das Wahlrecht entzogen werden können. Wird man nun, nachdem Frankfurt durch die erſte Leſung des Reichswahlgeſetzes die Preußiſchen Rück - ſchrittshoffnungen ſo glänzend zu Nichte gemacht hat, die vor - gängige Berufung nachträglich zurückzuziehen und immer noch eine Beſchränkung des allgemeinen Wahlrechts anzuſtreben wagen?

Was aber das Wahlgeſetz zur erſten Kammer betrifft, ſo iſt das Vorrecht der Begüterten, doppelt zu wählen, offenbar eine Verletzung der in der Urkunde (§. 4.) ſelbſt gewährten Gleichheit vor dem Geſetze, und die Einſetzung der ſchlechteſten Adelsherrſchaft, die es giebt, des Geldadels nämlich; was an das doppelte Stimm - recht Carl’s X. erinnert. Und ſo in der Luft der Willkür des Octroyirens ſchwebend, ſoll dieſe erſte Kammer dazu beitragen, den Grundſtein des Rechtsgebäudes eines Volkes für Jahrhun - derte zu legen? Welche Verblendung!

Sind nun durch den Artikel 110. die Hauptgrundrechte der Preußen, wie wir aus bitterer Erfahrung bereits wiſſen, wieder in Frage geſtellt, um auch in Zukunft jeden Augenblick unter den30 Streichen der miniſteriellen Willkür fallen zu können, ſo braucht dieſes nur im Jahre 1849, wie im Jahre 1848, der Anſicht zu ſein, daß auch der uns verliehene Theil dieſer Rechte noch zur Anarchie führe, und alſo nochmals beſchränkt werden müſſe, wie ja die Verfaſſung vom 5. December bereits andeutet; und auch in halbamtlichen Zeitungsaufſätzen ſind uns ſchon vielfache Ausſichten dazu gemacht worden. Wann ſoll denn bei uns der Anfang damit gemacht werden, daß es zu den Geſetzen der Zu - ſtimmung des Volkes bedürfe? Und iſt es noch wahr, daß jeder Preuße weiß, Geſetze können nicht ohne den Willen ſeiner Ver - treter gegeben werden, in einem Augenblicke, wo die Willkür der Miniſter ſelbſt die Schranken der durch das Patent vom 3. Fe - bruar 1847 gegründeten Geſetzgebung überſprang? Statt nach Verhängung des Belagerungszuſtandes wieder in die Bahn der Geſetzlichkeit einzulenken, wozu die zu gewärtigende Beſchlußfähig - keit der Verſammlung in Brandenburg dem Miniſterium die beſte Gelegenheit darbot, wird die ſchon berufene Verſammlung, welche nach §. 8. des Geſetzes vom 24. September ſofort über die Rechtsgültigkeit des Belagerungszuſtandes entſcheiden ſoll, ſogar aufgelöſt. Hätte das Miniſterium auch überhaupt das Recht, eine verfaſſungsgründende Verſammlung aufzulöſen, in dieſem Falle verbot dies wenigſtens der gedachte Geſetzes-Paragraph. Wollte man ein Aeußerſtes der Regierung nachlaſſen, ſo war es die Auflö - ſung der Volksvertretung und die Zuſammenberufung einer neuen nach dem Geſetz vom 8. April. Denn obgleich eine verfaſſungs - gebende Verſammlung und eine vereinbarende iſt eine ſolche der Natur der Sache nach überhaupt nicht aufgelöſt werden kann, ſo war eben wegen der Stätigkeit des Rechtsübergangs, die unſere März-Umwälzung auszeichnet, der Schein des Rechts für eine Auflöſung da. Was darüber geſchah, iſt ganz vom Uebel; und die ſüße Gewohnheit des Octroyirens wird die Miniſter noch ſelbſt vor den gegenwärtigen Kammern in viele Verlegenheiten bringen.

Da alſo offenbare Verletzungen mehrerer ſeit dem März ge - gebener Geſetze vorliegen, ſo thut es uns Leid, es ſagen zu müſſen: die März-Umwälzung hat den Rechtsboden unverletzt gelaſſen, die November-Umwälzung hat ihn untergraben; die Gewalt hat ſich in Preußen an die Stelle des Rechts geſetzt, und die Mini -31 ſter haben uns wieder in den Strudel der Umwälzungen, dem wir entgangen zu ſein ſchienen, zurückgeſchleudert. Der Einberu - fungs-Erlaß für die beiden geſetzgebenden Kammern hofft, daß die Herrſchaft des Geſetzes in Berlin unterdeſſen wieder hergeſtellt ſein werde. Wir wünſchen es ſehnlichſt. Bevor dies geſchehen, können wir uns eines Gefühls der Demüthigung, ja der Schaam nicht erwehren, in dem Lande des großen Königs, der nicht um einer Mühle willen das Recht verletzt wiſſen wollte, jetzt die heiligſten, wohlerworbenen Rechte des Volks verletzt zu ſehen. Preußen muß dieſe Schmach auswetzen, um von dem ſchwindelnden Abgrund der Ungeſetzlichkeit wieder auf die ſicheren Ebenen des Geſetzes zu gelangen. Wir haben gewählt, ob - gleich wir wußten, daß das Geſetz, was uns dazu einlud, des Rechts entbehrt. Hätten wir nicht gewählt, ſo lie - ferten wir uns gebunden in die Hände einer Partei. Da - mit ſie unſere Wahl nicht als eine Anerkennung der Geſetz - lichkeit der Verfaſſung auslegen könne, haben wir, volksthüm - liche Urwähler und Wahlmänner, auf eine ungeſetzliche Grund - lage uns ſtellend, gegen die Ungeſetzlichkeit derſelben uns ver - wahrt. Nicht wir ſind in den fehlerhaften Kreis verfallen, ſondern ſind in denſelben hineingeſchleudert worden; und die gewählten Vertreter des Volks haben nun die Wahl, entweder Ernſt mit der Verantwortlichkeit der Miniſter zu machen und Rechenſchaft von ihnen zu fordern, oder durch die nachträgliche Anerkennung aller ihrer Staatsſtreiche deren Formfehler zu decken.

Die Zurückführung in den früheren Stand der März - errungenſchaften iſt aber die Aufgabe der neuen Kammern, da ohne dieſe Zurückführung ſtets der Rechtszuſtand würde an - gefochten werden können. Will ja ſchon das Glaubensbekennt - niß des Wahlausſchuſſes der Centren die Reviſion als Ver - einbarung gefaßt wiſſen, freilich unter viel ungünſtigeren Bedin - gungen, als wir ſie anzunehmen geſetzlich verpflichtet ſind. So mußte ohne langen Streit über grundſätzliche Fragen, durch eine Verwahrung, wie ſie ſchon der Vereinigte Landtag bei einer ganz ähnlichen Nichtübereinſtimmung der älteren Geſetzgebung (vom 22. Mai 1815) mit der neueren (vom 3. Februar 1847), einlegte, und durch die Forderung der oben angegebenen Aen -32 derungen, der Rechtsboden feſtgehalten, die ſtaatliche Frage ab - geſchloſſen und die Hauptthätigkeit der Volksvertretung den Ver - faſſungsgeſetzen und der geſellſchaftlichen Frage gewidmet werden. Jedenfalls kann nur eine Ruhe und Ordnung, die nicht aus der Gewalt, ſondern vielmehr aus der Freiheit entſprungen, den Bo - den für die Löſung dieſer Frage bereiten. Nachdem die Vertreter des Volks das Recht zur Octroyirung der Verfaſſung der Krone eingeräumt, um darauf hin die Reviſion vorzunehmen, nicht erſt wie Rodbertus ſeinen Wählern ſchrieb, nach dieſer die Rechts - gültigkeit auszuſprechen, bleibt dem Einzelnen freilich nur übrig, ſich der Mehrheit zu unterwerfen; aber meine Unabhängigkeit mußte ich durch Ausſprechen meiner abweichenden Anſicht wah - ren. Auch möchte ich noch auf die zukünftige Gefahr hinweiſen, einer ſo bedeutenden Minderheit gegenüber, den ſtreitigen Rechts - boden behaupten zu wollen. Und was würden wir denn ant - worten, wenn behauptet würde, ungeſetzlich berufene Kammern können den Rechtsboden nicht wieder herſtellen? Sollen wir dann auf die aufgelöſte Verſammlung, oder auf die Urverſamm - lungen des Volks zurückgehen?

Was Deutſchland betrifft, ſo würde ſeine ſchleunige Umge - ſtaltung allein die Möglichkeit der befriedigendſten Löſung unſerer allerdings beiſpielloſen Lage noch am Sicherſten herbeiführen. Die Art und Weiſe aber, wie die Frankfurter Verſammlung uns aus dieſer Sackgaſſe führen kann, iſt die. Wiewohl ich grundſätzlich der Anſicht bin, daß ein Bundesſtaat ein gewähltes Oberhaupt haben müſſe, ſo ſcheint dies, wie die Sachen jetzt liegen, für Deutſch - land nicht mehr möglich zu ſein, ſondern die gegebenen Verhält - niſſe eine Ausnahme nothwendig zu machen; war ja doch auch der Statthalter von Holland, einem Bunde von ſieben Provinzen oder Staaten, ihr erbliches Oberhaupt. Um ſo mehr kann dies für Deutſchland eintreten, wo ja die Erblichkeit des Oberhaupts auch in den meiſten Einzelſtaaten vorhanden iſt. Man ſieht nun zwar zunächſt nicht ein, warum die Oberhauptswürde Deutſch - lands nicht etwa durch Wahl unter den einzelnen Fürſten oder Edlen Deutſchlands wechſeln könne, wie ich es in meiner Schrift Zur Verfaſſungsfrage (S. 110) vorſchlug. Aber ich ſetzte voraus, daß dann Heer, Geſandtſchaft u. ſ. w. für ganz Deutſchland dem33 Oberhaupt zu Gebote ſtehen würde. Seitdem der König von Preußen aber erklärt hat, ſein Heer und ſeine Geſandten nicht in Deutſch - land aufgehen laſſen zu wollen, iſt die wählbare Spitze unmög - lich, wenn Deutſchland nicht wieder zu einem Staatenbunde her - abfallen ſoll. Oeſterreichs Kaiſerkrone und Eintrit in den Bundes - ſtaat iſt unmöglich, nachdem es zu einem überwiegend ſlaviſchen Kaiſerreiche geworden iſt, und Robert Blum auf der Brigittenau mit Pulver und Blei ermordet hat. Der Vorſchlag Oeſterreichs, mit einem bloßen Staatenhauſe in den Bundesſtaat einzutreten, iſt unannehmbar, käme er auch nicht zu ſpät. Es bleibt alſo jetzt nur die erbliche Kaiſerwürde im Hauſe Hohenzollern übrig, weil ſo allein Deutſchland auf bleibende Weiſe ein einiger Bun - desſtaat werden kann, möge man es auch Kleindeutſchland nennen. Der Staat, welcher den Zollverein gründete, wird zur geſellſchaft - lichen Vereinigung auch die ſtaatliche hinzuzufügen wiſſen: aber freilich nur unter der Bedingung, daß er die volksthümliche Frei - heit ganz bei ſich zum Durchbruch bringt. Nichts beweiſt mehr die Schwäche der Deutſchen Volksvertretung, als daß ſie ſich vor einer Verwaltung beugt, welche dieſe Freiheit in ihrem eigenen Lande ſo mit Füßen tritt. Wir begrüßen das Wahlgeſetz als die erſte Ermannung der Verſammlung; und wir wollen anneh - men, daß ſie den Fürſten von ſeinen Rathgebern unterſchieden wiſſen wollte. Wenn zuerſt das Erbkaiſerthum nicht durchgegan - gen war, ſo ſchien doch Alles darauf hinzudrängen, und der Aus - fall der erſten Leſung mehr einer Schonung gewiſſer Erinnerungen und Empfindlichkeiten, ſicherlich auch äußerem Einfluß, ſo wie endlich der Hartnäckigkeit der rechten Seite gegen die gerechten Forderungen der linken zugeſchrieben werden zu müſſen. Die zweite Leſung der Reichsver - faſſung hat, wie wir hofften, ein anderes Ergebniß geliefert. Nur ſo wird das Preußiſche Miniſterium und das Reichsminiſterium, die geſetzgebende Gewalt Preußens und Deutſchlands zuſammenfallen, die acht Preußiſchen Provinzen aber in demſelben Verhältniß zur Bundesgewalt ſtehen, als die übrigen Staaten Deutſchlands. Eine jede würde ſich ihre landſtändiſche Verfaſſung geben, und einen, ſei es vom Kaiſer, ſei es von der Geſetzgebung und dem Provinzial-Rathe gewählten Statthalter an der Spitze ihrer aus - übenden Gewalt erhalten. Dieſe Löſung der Deutſchen Frage334ſcheint mir jetzt, abgeſehen von allen Theorien, das praktiſch beſte Reſultat zu ſein. Daß das halbe Deutſchland eine eigene Staats - gewalt neben der Bundesgewalt des ganzen habe, ſcheint mir praktiſch unhaltbar; und darum muß ich dafür ſtimmen, daß Preußen ganz in Deutſchland aufgehe: was aber das Haus Ho - henzollern nur unter der Bedingung der erblichen Kaiſerkrone ein - gehen wird. Sie aber ausſchlagen, wenn auch ganz Europa dies verlangte, hieße die deutſche Sache verlaſſen, welche 34. Millionen Deutſche, trotz aller Hinderniſſe, dennoch durchführen werden.

Es iſt für das Haus Hohenzollern die letzte, ich bin es feſt überzeugt, aber auch die günſtigſte Gelegenheit, ſeine Ge - ſchicke, die Friedrich II. vorbereitete, zu erfüllen. Es war am größten, als es dem Hauſe Habsburg feindlich gegenüberſtand. Auch jetzt wird es nur ſeine Beſtimmung erreichen, wenn es ſich frei und offen für Deutſchland erklärt und eine den Ruſſiſchen und Oeſterreichiſchen Beſtrebungen entgegengeſetzte Richtung einſchlägt. Deutſchland freilich muß dagegen die unbedingte Annahme ſeiner Verfaſſung und des Wahlgeſetzes, wie es in der erſten Leſung durchging, verlangen. Dieſe aufrichtige Vereinbarung iſt das ein - zige Mittel, um uns vor unabſehbaren Wirren zu retten. Aber ich geſtehe, ich habe wenig Hoffnung, daß die jetzigen Rathgeber der Preußiſchen Krone dieſen meiner Anſicht nach einzigen Weg des Heils einſchlagen werden, um ihre Macht ſofort in die Hände eines volksthümlichen Deutſchen Miniſteriums zu überliefern. Mit Deutſchland iſt uns dann auch der Rechtsboden Preußens wieder - gewonnen. Berlin wird der Sitz der Bundesgewalt. Wir ſind die aufgedrungenen Gnadengeſchenke los und die Miniſter die Verantwort - lichkeit dafür. Nachdem die Preußiſche Regierung ſelbſt auf ſo ge - waltſame, ungeſetzliche Weiſe ſich der eigenen Volksvertreter entle - digt hat, bleibt nichts übrig, als mit Frankfurt zu gehen, und Preußen in Deutſchland aufgehen laſſen, wie es ja der König ſelbſt urſprünglich wollte. Sollte auch dieſe Hoffnung des erblichen Kaiſerthums der Hohenzollern ſchwinden, das Haus Habsburg durchaus ſeine alten Vorrechte nicht aufgeben und die Wittels - bacher den beiden andern Familien nachſtreben wollen, ſo ſehe ich für das arme Deutſchland in jenem Directorium von 9. Stimmen nur den Keim des ungeheuerſten Wirrwars. Denn immer nur35 die abgetragenen Kleider der andern Nationen anziehen, ihre Scheinverfaſſungen, ihren wechſelnden Vorort hinnehmen, dazu wird doch den Deutſchen endlich die Geduld reißen.

Als die freiſinnige Partei in Deutſchland ein gewähltes Oberhaupt, eine freiſtaatliche Spitze wollte, da wollten die Män - ner des Rückſchritts und das Stockpreußenthum die Einheit Deutſchlands nur unter der Bedingung der erblichen Kaiſerwürde der Hohenzollern. Und während nun die freiſinnige Partei darin willigt, damit nur das Spiel einer deutſchen Bundespolizei und das abwechſelnde Vorſchieben und Unberückſichtigtlaſſen der Bun - desgewalt durch die Preußiſche Regierung aufhöre, will der Rück - ſchritt, um es im Weſentlichen beim alten Bundestage zu laſſen, eine republikaniſche Form, die Deutſchlands Einheit zum Schat - ten macht. Sehen wir denn nicht, daß wir nur der Spielball aus - wärtiger Mächte ſind, welche mit den alten, in London geſponne - nen Künſten der tückiſchen Staatsklugheit Metternich’s das Zuſtande - kommen einer ſtarken Macht im Herzen Europa’s um alles ver - hindern wollen. Jch ſage aber, ehe dieſe nicht gegründet iſt, ehe das Herz Europa’s nicht in freiern Schlägen wallt, unge - hindert von jeder beängſtigenden Bedrückung, wird der Friede Euro - pa’s nicht zu Stande kommen, und wir unter den Zuckungen der ſtaatlichen Frage noch lange ſchmachten, wenn nicht die geſell - ſchaftliche den Knoten zerhaut. Was hilft die freieſte Verfaſſung, wenn ſie nicht durch eine freiſinnige Regierung ausgeführt wird? wenn die geſellſchaftlichen Verhältniſſe nicht geordnet ſind? An ihre Beſprechung will ich mich alſo wenden, und zum Schluß diejenige Verfaſſung hinſtellen, in welcher ich glaube, daß jene Verhältniſſe ſich am ungehindertſten geſtalten können; wobei ich ſchon jetzt die Leſer beſonders auf die Gliederung des Bundes -, Staats -, Kreis - und Gemeinde-Raths hinweiſen zu müſſen glaube, die an die Stellen der erſten Kammern zu treten haben, und durch die ich das geſellſchaftliche Jntereſſe am meiſten geför - dert zu ſehen hoffe. Nur durch die geſellſchaftliche Umgeſtaltung entgehen wir dem ſtaatlichen Wirrwar.

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II. Vorſchläge zur Umgeſtaltung der bürger - lichen Geſellſchaft.

Jndem meine Feder die geſellſchaftliche Frage zu berühren im Begriff iſt, ſtrauchelt ſie, wie der Wanderer, der von geebne - ten, ausgetretenen Pfaden in das geheimnißvolle Dickicht des Urwaldes gelangt und den Fuß auf eine den Weg verſperrende Schlange zu ſetzen im Begriff iſt; ſo gefährlich erſcheint das Un - ternehmen. Es überfällt ſie der Schauer des Unendlichen, wie den Jüngling, der, kühn dem Meere ſich anvertrauend, einer neuen unbekannten Heimath ſehnſuchtsvoll entgegenſegelt. Haben doch große Geiſter, wie Thiers, der Vertheidiger des Eigenthums, geſagt, die geſellſchaftliche Frage ſei unlösbar, wie die Meßbarkeit des Umkreiſes im Verhältniß zum Durchmeſſer eines Kreiſes: und zwar aus dem Grunde unlösbar, weil eben das Eigenthum unantaſtbar ſei. Als ob nur die Gemeinſchaft die geſellſchaftliche Frage löſen könnte! Als ob die Gemeinſchaft ohne Eigenthum beſtehen könnte! Denn ſo wie man das Gemeinſame theilt, um zu ge - nießen, ſo iſt man im Eigenthum. Ja, ſagt man aber eben, dieſe Gemeinſamkeit iſt es gerade, die nicht ſein ſoll. Jeder ſoll für ſich arbeiten, für ſich erwerben, und nach Maßgabe des errungenen Eigenthums genießen. Wem der Erwerb durch Arbeit nicht gelingt, ja dem ſei eben nicht zu helfen, der könne in dem Strome der Geſell - ſchaft nicht oben auf ſchwimmen; er gehe zu Grunde. Jn dieſem Sinne hat Proudhon von der Nothwendigkeit des menſchlichen Elends geſprochen, und Malthus die Frage ſo gelöſt, daß wer ſich nicht ernähren könne, verhungern und die Kinder tödten müſſe, für die er keine Speiſe habe. Jch bin aber der Ueberzeugung, daß, wenn eine Weltzeit eine Aufgabe ſtellt, wie denn die unſrige un - läugbar es mit der geſellſchaftlichen thut, ſie auch eine andere Löſung, als die blos verneinende des Wirrwars hat. Und wenn uns die ſtaatlichen Umwälzungen eben zu dieſem Wirrwar füh - ren ſollten, ohne ihn vermeiden zu können, ſo wird uns auch37 dann noch die Löſung der geſellſchaftlichen Frage aus dieſem Ab - grund durch Erſchließung einer neuen Welt erretten. Jch fürchte faſt, wir können ſolche Feuerprobe nicht umgehen, und die Menſch - heit werde nur durch eine ſchwere Geburt zu ihrem normalen Zuſtande gelangen. Denn bald wird die ganze Welt, wie Proud - hon ſagt, nur noch eine Kaſerne für Sclaven ſein. Sehe ich die Völker ſich zerfleiſchen und die alte Welt aus den Fugen gehen, ſo will ich in der folgenden Darſtellung, ohne die Selbſtſtän - digkeit des Einzellebens zu gefährden, die ſchon im Chriſtenthum angedeutete Lehre von der allgemeinen Verbrüderung der Menſch - heit entwickeln, um durch die Art, wie ſie aufgenommen werden wird, zu erkennen, ob ich damit nur einem Schatten nachjage und Hirngeſpinnſte ausbrüte, oder einen Lebenspunkt der Neuzeit ge - troffen habe.

Wir ſtehen am Vorabend einer Schlacht, die, wenn wir auch hoffen dürfen, daß ſie unblutig geſchlagen werde, doch von der wichtigſten Entſcheidung ſein muß, weil es von ihrer Wendung abhängen wird, ob die von der Bildungsſtufe der Neuzeit theil - weiſe errungenen Siege beſtätigt und vervollſtändigt, oder mit Einer Niederlage ſämmtlich wieder in Frage geſtellt und umge - ſtürzt werden ſollen. Daher ſchreibt ſich die Spannung der Gei - ſter, je näher der Stundenzeiger der Weltgeſchichte das ganze Europa zu dem Augenblicke der wo möglich friedlichen Löſung hindrängt. Die von Luther begonnene religiöſe Umwälzung hat uns wohl von dem Glauben an ein fremdes Anſehen befreit. Es iſt nicht mehr ein anderer Menſch oder die Kirche, welche uns die Norm unſeres Glaubens vorſchreiben. Aber wir hängen noch von einem Anſehen in unſerem eigenen Jnnern ab. Es iſt ein unaufgelöſter Zwieſpalt zwiſchen der Sehnſucht nach einer fernen Unendlichkeit und den Schranken des irdiſchen Daſeins, in das wir gebannt ſind, übrig geblieben; ein Zwieſpalt, den Prie - ſter ſich zu Nutze machen, um das Volk am Gängelbande des Glaubens feſtzuhalten, und damit auch aus der ſtaatlichen Un - mündigkeit nicht herauszulaſſen. Den wahrhaft allgemeinen Geiſt der Welt muß Jeder in ſeiner eigenen Bruſt beherbergen, um den Sprüchen, die aus ſeinem Jnnern kommen, zu folgen. Jn dem Staatsleben hat die franzöſiſche Umwälzung von 1789 den allge -38 meinen Volkswillen der unumſchränkten Willkür eines Einzelnen entgegengeſetzt. Aber merkwürdiger Weiſe haben ſich hier die Ge - genſätze oft ſo verkehrt, daß dieſer einzelne Wille dabei doch als der angeſtammte Vertreter des allgemeinen Willens ein Recht von Gottes Gnaden in Anſpruch nimmt, und der von der Mehrheit ausgeſprochene Wille des Volks für Willkür und Geſetzloſigkeit gehalten wird. So wenig als der Proteſtantismus vorhin mit dem Katholicismus ganz gebrochen hat, ſo wenig hat das verfaſ - ſungsmäßige Königthum ſich bis jetzt von der unumſchränkten Herrſchſucht los machen können. Die Aufgabe iſt hier, daß der Einzelne, wenn auch durch die Geburt an dieſen Platz geſtellt, ſein beſonderes Wollen in den Ausſpruch der Mehrheit des Vol - kes auflöſe, und darin den allgemeinen, den göttlichen Willen er - kenne, für deſſen Vertreter auf Erden er ſich, aber auch nur dann allein, anſehen darf.

Zwei Grundſätze ſind es, welche auf dieſe Weiſe in der neuern Bildungsgeſchichte in ſchroffem Kampfe gegen einander be - griffen ſind. Das Einzelleben iſt vielleicht zu keiner Zeit ſo ſehr erſtarkt, als in der unſrigen, eben weil Jeder die Richtſchnur ſei - nes Denkens und Handelns aus ſeinem eigenen Jnneren ſchöpfen ſoll. Damit ſcheinen wir auf den Standpunkt der Geſetzloſigkeit geſtellt zu ſein, indem keiner einer äußern Vorſchrift gehorchen will. Deshalb iſt es aber auch in keiner Zeit von ſo unabweislicher Rothwendigkeit, als gerade jetzt, das Bewußtſein der Gemeinſam - keit der Geiſter, den Drang nach gemeinſchaftlichem, einmüthigem Handeln zu ſtärken. Denn nur ſo kann mit der Freiheit und Gleichheit eines Jeden die innigſte Verbrüderung Aller Hand in Hand gehen. Dem ausgebildetſten Einzelleben ſteht alſo das regſte Streben nach Einheit der Geiſter und Gemeinſamkeit des Wir - kens im All-Leben der Menſchheit zur Seite. Und daß dieſe Gegenſätze mit gleicher Berechtigung, mit demſelben Anſpruch auf Berückſichtigung hervortreten, das iſt gerade der Grund der un - geheuern Zerriſſenheit unſerer Zeit. Sehr treffend ſagt daher einer meiner Freunde, der Dr. Roth, im Eingange einer kleinen Schrift: Jdeen zur Wiederherſtellung eines ſoliden Gewerbeweſens im Sinne unſerer Zeit, aus der ich noch viel Lehrreiches werde zu ſchöpfen haben: Mein geiſtiges Auge ſucht den Charakter unſe -39 rer Zeit, und findet ihn in der Charakterloſigkeit derſelben. Wo wir auch hinblicken mögen, nirgends zeigt ſich uns ein feſter Punkt, überall nur die Auflöſung, Zerrüttung, unſicheres Schwan - ken. Unſere Zeit iſt groß in ihrer zerſetzenden Arbeit; und für eine neue beſſere Geſtaltung aller Lebensverhältniſſe müſſen erſt noch die Principien und deren nothwendige Formen gefunden werden. Darum arbeite Jeder in ſeiner Stellung nur für die Neubelebung derſelben nach dem Hauptprincipe der Zukunft, wel - ches heißt: Freiheit der Perſönlichkeit im ſittlichen Bunde.

Daß der Grundſatz der neuern Zeit die Verſchmelzung jenes Gegenſatzes ſei, hat vielen edlen Geiſtern unter uns vorgeſchwebt, und durch die meiſten Schriften über die geſellſchaftliche Frage zieht ſich dieſer Gedanke als der Hauptfaden des Ganzen hin - durch. Wenn keiner zu gehorchen braucht, wie in Zeiten der Ge - ſetzloſigkeit, und doch Alle, zur Erhaltung der Ordnung, auf daſ - ſelbe Ziel los ſteuern ſollen, ſo iſt dies nur möglich durch die Erkenntniß jenes ſittlichen Bandes, welches alle freien Perſonen zuſammenfaßt. Dieſes Band iſt kein äußeres Staatsgeſetz, wel - ches von dem Weſen der Perſon verſchieden wäre. Sondern die - ſes innere Weſen, das in allen Menſchen das gleiche iſt, treibt ſie von Jnnen heraus, ſich an einander zu ſchließen, Vereine zu bilden, und ſo mit gemeinſamen Kräften die Zwecke eines Jeden auszuführen, die er auf ſich ſelbſt beſchränkt aufgeben müßte. Das im Laufe der Zeiten, ſagt Mundt, offenbar gewordene Wort der Völkererlöſung heißt Aſſociation, welche die Macht des Einzelnen iſt, im Verein mit Allen und durch Alle ſo ſtark zu ſein, wie Alle. Dies Geſetz der Aſſociation iſt heut an die Stelle des Geſetzes der Autorität unter den Völkern getreten. Jn der Aſſociation hat ſich das Geſetz der Autorität mit dem Geſetze der Freiheit verbunden; und ſo wird die Jdee der Gleich - heit und Brüderlichkeit aller Menſchen nur wahrhaft in der Aſſo - ciation, in dieſer Vereinsgruppirung der Menſchen zu beſtimmten Lebenszwecken, aufgerichtet werden können. Die Freiheit des Einzelnen ſoll nicht getödtet, ſie ſoll vergeſellſchaftet werden. Jn - dem alle Meinungen und Thätigkeiten frei bleiben, ſo handelt und denkt das Volk doch wie Ein einziger Menſch durch die ver -40 ſchiedene Richtung der Anſichten und Wollungen ſelbſt. Es iſt dies die Anforderung, die Marquis Poſa bei Schiller an König Philipp macht:

Seinen Sie Von Millionen Königen ein König;

und Proudhon nennt dieſen von ihm beſchriebenen Zuſtand die geregelte Herrſchloſigkeit des wahren Freiſtaats, wo weder die Frei - heit der Ordnung unterworfen, noch die Ordnung der Freiheit aufgeopfert iſt. Es iſt die Freiheit, die nicht die Tochter der Ordnung, ſondern ihre Mutter iſt. Das iſt das Glaubensbekennt - niß der neuen Geſellſchaft.

Ueberlaſſen wir die Ausführung dieſes Glaubensbekenntniſſes auf religiöſem und ſtaatlichem Gebiete einer andern Gelegenheit, einer andern Feder, dem Gange ihrer eigenen weltgeſchichtlichen Entwickelung. Dieſe geiſtigen Bedürfniſſe, wie ſehr ſie auch auf Befriedigung dringen, ſie haben doch nicht das Mahnende, das Gebieteriſche, welches die unmittelbaren leiblichen Bedürfniſſe in ſich ſchließen. Durch den Kampf der Geſchichte, durch die immer höher geſteigerte geiſtige Bildung der Völker ſind dieſe leiblichen Bedürfniſſe einer großen Anzahl von Menſchen aber eben in Frage geſtellt; und ihre Befriedigung herbeizuführen bei der gegenſeitigen Abhängigkeit der Menſchen in der bürgerlichen Ge - ſellſchaft, das iſt nun die Löſung der ſogenannten geſellſchaftlichen Frage, welche ſich in unſrer Zeit als die dritte neben die reli - giöſe und ſtaatliche hinſtellt. Während aber das Wort des Räth - ſels in dieſen beiden Fragen geſprochen worden iſt, weil die deutſche Wiſſenſchaft die religiöſe, das Staatsleben anderer Völker die ſtaatliche Frage gelöſt haben, und die Verknüpfung des Ein - zellebens mit dem Allleben für dieſe Gebiete unzweifelhaft als der wahre Grundſatz anerkannt wird: ſo iſt das innere Geſetz, wie in der geſellſchaftlichen Frage die Ausgleichung geſchehen ſoll, noch nicht gefunden. Es iſt der Hebel, ſagt Jules le Che - valier, der die Welt bewegt. Aber was ſind die Wege, um dies geſellſchaftliche Leben zu verwirklichen? Die Gründung der wahren geſellſchaftlichen Perſönlichkeit des Menſchen muß nicht der Umſturz alles Beſtehenden ſein; ſondern an den vorhandenen Elementen, die ſie umbildet, muß immer eine neue41 Geſtaltung der Welt ihren Stoff erhalten. Alle wirklichen Mächte der Geſellſchaft können ſich des neuen Grundſatzes bedienen, als eines Mittels der Erhaltung und Entwickelung. Umgekehrt kann und ſoll die neue Vereinigung ſich aller beſtehenden Mächte, als eines Mittels ihrer Wirkſamkeit bedienen. Die geſellſchaftliche Bewegung muß in materieller Hinſicht die höheren Stände ſichern, und die niederen befriedigen.

Auf dieſe Weiſe werden wir uns von zwei äußerſten Rich - tungen entfernt zu halten haben: der Einen, welche das Beſtehende in der ganzen Breite ſeiner dermaligen Formen erhalten wiſſen will; der anderen, welche mit dem vollkommenen Umſturz des Alten eine neue Welt zu gründen ſucht. Das bisherige Zuſammen - leben der Menſchen zur gegenſeitigen Befriedigung ihrer Bedürf - niſſe war dem blinden Ungefähr überlaſſen. Das Einzelleben war darin ſo maßgebend, daß Jeder nur auf ſich angewieſen war, wenn es ſich darum handelte, ſeinen Lebensunterhalt zu erwerben. Die Staatswirthſchafts-Lehre war die Wiſſenſchaft, welche den inneren Zuſammenhang dieſer Thatſachen aufſuchte und ſie unter Geſetze bringen wollte. Aber weil ſie von der Erfahrung aus - ging und deren Thatſachen ſich ſtets widerſprechen, ſo kam man zu dem Satze, daß es in der Staatswirthſchaft keinen unwan - kenden Grundſatz gebe. Jn der That werden wir ſie, eben wegen des Feſthaltens eines ſo einſeitigen Standpunkts als das Einzel - leben iſt, ſich in die ſchroffſten Widerſprüche verwickeln ſehen. Zu den älteſten Gründern dieſer Wiſſenſchaft, Adam Smith, Say, Ricardo, geſellt ſich eine reiche Schule neuerer Schriftſteller, wie Baſtiat, Leon Faucher, Roſſi, Dunoyer und Andere. Den geraden Gegenſatz hierzu bilden die Gemeinſchafts - und Vereins-Lehrer, welche alle Thätigkeit aus dem Einzelleben heraus in den Ge - ſammtmenſchen, den Staat ſetzen, der in jeder geſellſchaftlichen Thä - tigkeit an die Stelle des Einzelnen treten ſoll. Abſehend von der Erfahrung, von dem lebendigen Quell der Wirklichkeit, wie er im freien Menſchen aufbricht, lebt dieſe Richtung in einem Jdeale, wodurch eben das kräftige Selbſtbewußtſein der Menſchen am mei - ſten verletzt wurde. Es gehören hierher die Gemeinſchaftslehrer Babeuf, St. Simon, Cabet, Louis Blanc, und unter den Ver - einslehrern führe ich ſtatt aller andern Fourier an. Wir werden42 auch dieſen Gegenſatz zur Staatswirthſchaft darzuſtellen haben, um endlich durch Verknüpfung der Gegenſätze, deren jeder ſo einſeitig wie berechtigt iſt, das wahre Ziel in der Wiſſenſchaft der Geſell - ſchaft zu finden. Die Staatswirthſchaftslehrer finden den jetzigen Zuſtand genügend. Die Vereinslehre, ſagt Proudhon, hat Un - recht, die Ueberlieferung abzuſchneiden. Die Staatswirthſchaft iſt ein Schlendrian, der ſich ſelbſt nicht begreift: die Vereinslehre ein Hirngeſpinnſt ohne Realität und Möglichkeit der Verwirklichung. Dieſe läugnet die Erfahrung der Menſchheit, jene die Vernunft der Menſchheit; alle Beide erfüllen nicht die weſentlichen Bedin - gungen der menſchlichen Wahrheit. Die wahre Wiſſenſchaft der Geſellſchaft iſt die Uebereinſtimmung der geſellſchaftlichen Ver - nunft mit der geſellſchaftlichen That. Und dieſe Wiſſenſchaft, von der unſere Meiſter nur dünne Streiflichter gewahrten, wird unſer Jahrhundert in ihrer feierlichen Pracht und Eintracht zu ſchauen bekommen. Proudhon ſetzt in dieſer Rückſicht hinzu: Meine For - mel iſt Erhaltung und Bewegung; die Elemente der Wiſſenſchaft der Geſellſchaft ſind in der bisherigen Staatswirthſchaft enthal - ten. Wie das Einzelleben die urſprüngliche Thatſache der Menſch - heit iſt, ſo iſt das Vereinsleben ihre Vervollſtändigung; aber alle Beide beurtheilen ſich unaufhörlich. Ein anderer Schriftſteller, der auf dieſem wahrhaften Standpunkt der Durchdringung und Verſchmelzung der Gegenſätze zu einer inhaltsvollen Mitte ſteht, iſt mein Freund Cieszkowski. Die Unvollkommenheiten des Einen Syſtems, ſagt er, werden ergänzt durch die Vortheile des andern; und ſo ſieht er die Einheit jener Gegenſätze in dem Syſtem einer vollkommenen Gegenſeitigkeit, die wir dann ſelbſt wieder als die Quelle aller Sittlichkeit anſehen können. Dieſen Grundſätzen dieſer und anderer ehrenwerthen Männer habe ich mich im Folgenden angeſchloſſen, und ſie weiter zu entwickeln ver - ſucht. Wobei ich indeſſen, wenn ich die Gedanken meiner Vor - gänger in die meinigen zu verflechten habe, mich der ſchleppenden An - führungen enthalten, und das Ganze aus Einem Guſſe darſtellen werde.

1. Die Widerſprüche des Einzellebens in der Staatswirthſchaft.

Der Menſch, als Selbſtzweck aufgefaßt, hat nicht nur das Recht auf Befriedigung ſeiner geiſtigen Bedürfniſſe, z. B. das43 Recht in einer Kirchengemeinſchaft, oder unter einer freien Ver - faſſung zu leben, ſeinen Geiſt wiſſenſchaftlich auszubilden u. ſ. w., ſondern auch das Recht auf ſein natürliches Daſein, auf die Be - friedigung ſeiner leiblichen Bedürfniſſe, weil dieſelbe das Mittel iſt, ohne welches jener Zweck nicht erreicht werden kann. Wenn wir uns den Menſchen einſam in der Natur, wie Robinſon auf ſeiner wüſten Jnſel, denken, ſo hat es gar keine Schwierigkeit, daß er, wenn gleich auf ſehr mühſame Weiſe, zur Befriedigung ſeiner natürlichen Bedürfniſſe gelange. Das Mittel nämlich, ſie zu befriedigen, iſt die Ergreifung und Zubereitung der Natur-Er - zeugniſſe, welche dem Einſiedler leicht wird, indem Niemand da iſt, ſie ihm ſtreitig zu machen. Die Thätigkeit, welche die rohen Naturerzeugniſſe geeignet macht, die menſchlichen Bedürfniſſe zu befriedigen, iſt die Arbeit: dieſe alſo das Mittel zum Genuß als Zweck. Arbeit und Genuß ſind mithin die beiden Hälften, in die ſich die Thätigkeit des menſchlichen Lebens theilt. Wer arbeitet, darf auch genießen. Das iſt der Hauptgrundſatz einer geſunden Staatsklugheit. Hier fragt ſich nun aber zuerſt: Finde ich Arbeit, um hernach dafür zu genießen? Beim Einſiedler kön - nen wir die Frage einfach bejahen. Nichts hindert ihn, ſich die Natur zu unterwerfen, ſie umzugeſtalten. Wo aber mehrere Fa - milien zuſammenwohnen, da fragt ſich ſogleich, ob das Haupt einer jeden ſo viel Naturgegenſtände vorfindet, um ſich und die Seinigen dadurch ernähren zu können. Sie ſind ja vielleicht ſchon von Andern in Beſchlag genommen worden. Damit tritt der Arbeit ſogleich ſein Gegenſatz, das Eigenthum, entgegen. Die - ſes iſt die Vorausſetzung ſo wohl, als das Erzeugniß der Arbeit. Jch bedarf eines Grundes und Bodens, welcher mir die rohen Naturerzeugniſſe liefere, um durch Arbeit theils aus jenem dieſe zu gewinnen, theils dieſe zu geſtalten, damit ſie meine Bedürfniſſe befriedigen. Habe ich kein Eigenthum, ſo kann ich nicht arbeiten und muß verhungern. Wer iſt aber der Eigenthümer? Der, welcher ſich zuerſt einer Sache bemächtigt und ſeiner freien Thä - tigkeit unterwirft, ſagt man. Dann hat es keine Noth, wenn die Erde wenig bevölkert iſt. Jch kann genießen, ſo lange ich noch Sachen finde, Naturgegenſtände, welche in keines Menſchen Eigenthum ſind und die ich alſo bearbeiten darf. Die Unmög -44 lichkeit, meinen Lebensunterhalt zu finden, würde erſt dann ein - treten, wenn ſchon die ganze Erde in Beſitz genommen wäre, und ich zu ſpät käme, mir ein Plätzchen darin anzueignen.

Dies iſt freilich noch nicht durchaus der Fall, aber doch wohl in gebildeten Ländern. Die Frage, wie ich durch Arbeit erwerbe, um zu genießen, iſt daher bis jetzt nur auf eine einſeitige Weiſe von uns beantwortet worden, nämlich unter der Vorausſetzung eines einſiedleriſchen, auf ſich ſelbſt beſchränkten Lebens, welches jede Familie führte. Dieſe iſt zunächſt auf einen Punkt der Na - tur geſtellt, wo ſie durch Arbeit ſelbſt für die Befriedigung aller ihrer Bedürfniſſe ſorgt. Es iſt dies ein Vorwalten des Einzel - lebens, wie wir es nur in den dunkeln Anfängen der Geſchichte kennen. Es iſt der Zuſtand, in welchem der Dichter die Cyklopen ſchildert:

und jeglicher richtet nach Willkür Weiber und Kinder allein; und Niemand achtet des Andern.

Auch von den uralten Germanen wird erzählt, ſie haben nicht in Städten zuſammengewohnt, ſondern jede Familie ihr Haus ent - fernt von dem der andern geſetzt, mitten im Felde, das ſie bear - beitete. Bei einem ſolchen Zuſtande der Menſchen werden nur die einfachſten und natürlichſten Bedürfniſſe, und zwar auf die einfachſte und natürlichſte Weiſe befriedigt, weil eine Familie nicht die Geſchicklichkeit beſitzt, eine große Mannigfaltigkeit in der Bear - beitung der Naturgegenſtände eintreten zu laſſen. Jemehr ſich aber zweitens die Bedürfniſſe der Menſchen theilen und verfeinern, was Hand in Hand mit der geiſtigen Ausbildung des Volkes geht, deſtoweniger iſt Eine Familie im Stande, alle ihre Bedürfniſſe durch Arbeit zu befriedigen. Die Eine wohnt auf ſolchem Boden, die andere auf einem andern. Je nachdem ihr Eigenthum in dieſen oder jenen Natur-Erzeugniſſen beſteht, wird ſie eine andere Arbeit vornehmen müſſen. Die Erzeugniſſe ihrer Arbeit dienen mithin nur dazu, Eine Art von Bedürfniſſen zu befriedigen; und um ſie alle befriedigen zu können, müſſen die Menſchen durch Tauſch die - jenigen Waaren ſich zu verſchaffen ſuchen, welche ſie nicht ſelber erzeugen. Das Geld iſt als allgemeiner Werthmeſſer das Mittel, den Tauſch zu bewerkſtelligen, auch wo nicht unmittelbar Waare gegen Waare gegeben werden kann. Dennoch kann immer nur45 Erzeugniß gegen Erzeugniß getauſcht werden, weil ich nur ſo viel kaufen kann, als ich verkaufe. Jede Waare hat nach dem Grade ihrer Brauchbarkeit einen beſtimmten Nutzwerth. Es iſt aber ſehr die Frage, ob der, welchem ich ſie anbiete, um durch Tauſch meine Bedürfniſſe befriedigen zu können, ſie auch braucht. Mit andern Worten: ob der Tauſchwerth auch ſo groß iſt, als der Nutzwerth. Jſt dies nicht der Fall, ſo kann ich beim größten Reichthum ver - hungern, wenn meine Waare keine Abnehmer findet. Wenn alſo im einſiedleriſchen Leben die Arbeit immer genügt, um mir Genuß zu verſchaffen, ſo iſt das im geſellſchaftlichen Leben nicht immer ſo. Jch arbeite vielleicht, ohne daß meine Arbeit einen Erfolg habe, ohne daß für meine Arbeit mir ein entſprechender Er - werb werde.

Aber es iſt noch eine dritte Frage vorhanden. Wie ſich eine Arbeit denken läßt, auf die kein Erwerb folgt, ſo läßt ſich auch eine Arbeit denken, der kein Eigenthum vorhergeht. Wo alles Eigenthum in einem ausgebildeten Gemeinweſen ſchon ergriffen iſt, da kann bei ſteigender Bevölkerung ſich eine große Anzahl Ein - wohner bilden, und ſie bildet ſich, die beſitzlos iſt. Man nennt ſie Proletarier, von dem lateiniſchen Ausdruck proles, die Nach - kommenſchaft, gewiſſermaßen weil ſie blos ihre Nachkommenſchaft als das Jhrige wiſſen. Es ſind die Männer der eigentlichen Ar - beit. Sie bearbeiten die Roh-Erzeugniſſe, welche ihnen die Eigenthümer liefern, und erhalten dafür von dieſen einen entſpre - chenden Lohn. Vom gelöſten Tauſchwerth der Waare erhält alſo Arbeiter und Eigenthümer jeder einen Theil. Der Arbeiter iſt indeſſen auch Eigenthümer. Seine Arbeitskraft iſt ſein Eigen - thum; ja man hat geſagt, die Arbeit iſt das mächtigſte Capital: ein Vorſchuß, den der Menſch der Natur macht, ehe ſie ihn be - zahlt. Wenn nun aber zu viel Arbeitskräfte vorhanden ſind, ſie alſo nicht alle gebraucht werden, dann tritt für dies Eigenthum derſelbe Fall ein, den wir vorhin bei den Waaren ſahen. Der Tauſchwerth entſpricht dem Nutzwerth nicht; und der Arbeiter kann ſeine Bedürfniſſe nicht befriedigen, weil er ſein Eigenthum nicht verwerthen kann. Zu dieſem Aeußerſten der Männer, die ohne Beſitz, Arbeit und Erwerb ſind, bilden, nach der Eintheilung eines bekannten hieſigen Volksſchriftſtellers, diejenigen das andere46 Aeußerſte, welche mit Beſitz und Erwerb keine Arbeit zu verbin - den brauchen, weil ſie von dem Theil des Gewinns leben können, den ſie dadurch erhalten, daß ſie ihr Eigenthum durch Arbeiter umgeſtalten und verwenden laſſen. Jhr Eigenthum, ihr Capital, welches man nicht übel angehäufte Arbeit genannt hat, arbeitet für ſie. Sie genießen, ohne zu arbeiten, weil ihre Eltern ge - wiſſermaßen, um in den Ausdrücken eines katholiſchen Glaubens - ſatzes zu ſprechen, überflüſſig gute Werke, nämlich in Bezug auf das leibliche Wohl der Menſchen, gethan haben. Dieſe äußerſten Glieder, Reiche und Arme, ſind gerade nicht der Glanzpunkt der bürgerlichen Geſellſchaft: und in der Mitte ſtehen die Männer mit Beſitz und Erwerb durch Arbeit, und die Männer ohne Be - ſitz mit Erwerb durch Arbeit (Wohlhabende und Dürftige), die eigentliche Kraft des Volkes, der ſogenannte Mittelſtand; je mehr er verſchwindet, deſto mehr nähern wir uns der geſellſchaft - lichen Umwälzung.

Die Hauptaufgabe der Volkswirthſchaft iſt alſo, der Armuth zu ſteuern, indem die Armen Arbeit erhalten, die Reichen, welche nicht arbeiten, ohne ihnen ihr Eigenthum zu nehmen, durch Staats - Einrichtungen zur Arbeit zu veranlaſſen, und in höherem Grade, als es bisher geſchehen, zum Tragen der gemeinſamen Laſten her - anzuziehen: folglich es zum Grundſatz zu machen, daß aller Genuß eine Wirkung der Arbeit ſei, alle Arbeit aber auch einen Erwerb gewähre; daß Jeder, der arbeiten will, auch Arbeit habe, der aber, welcher kein Eigenthum und keine Arbeitskraft beſitzt, für das während der Zeit ſeiner Kräfte Geleiſtete auch den Ruheſtand als Ziel und Belohnung ſeiner Arbeit genieße. Jn dieſen Forderungen liegen zwei Hauptpunkte: 1) daß die Arbeit die Quelle des Reich - thums ſei; 2) daß das Recht auf Arbeit anerkannt werde. Und wir ſtellen uns damit gerade an den Rand des Abgrundes, der ſich in unſerer Zeit geöffnet hat, und den auszufüllen die Auf - gabe nicht nur der Wiſſenſchaft, ſondern mehr noch des Lebens iſt. Vor ihm zu fliehen iſt feig, und hilft uns nicht einmal aus der Noth heraus; denn wir werden durch die Natur der Sache, durch das nothwendige Vorwärtsdrängen der Geſellſchaft immer wieder von ſelbſt auf ihn hingeſtoßen.

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Daß die Arbeit die Quelle des Reichthums ſei, iſt nun wohl auch ſo ziemlich anerkannt. Nur im Alterthum war die Erobe - rung die Quelle des Reichthums; und wir ſahen den Sieger da - her, ſobald dieſe Quelle verſiegte, nachdem das Volk einmal den Höhepunkt ſeiner Macht erreicht hatte, auch in Auflöſung über - gehn. Die neuern Völker haben an der Arbeit einen dauernden Grund der Erhaltung und des Wohlergehens. Sie achten die Arbeit, indem ſie dieſelbe nicht, wie im Alterthum, einem Sklaven - ſtande überließen; und ſelbſt der ererbte Reichthum iſt noch ſeines Urſprungs, des Fleißes der Voreltern, eingedenk.

Die ganze Tiefe des Widerſpruchs, der in der Volkswirth - ſchaft enthalten iſt, kommt aber in dem andern Satze zum Vor - ſchein. Das Recht auf Arbeit ſcheint ſchnurſtracks das Eigen - thumsrecht aufzuheben, ohne den Proletarier vor Hunger zu bewahren; denn wenn weniger Nachfrage als Angebot der Waa - ren iſt, und der Eigenthümer doch immer mehr Waaren erzeugen muß, um das Recht des Proletariers auf Arbeit zu befriedigen, ſo wird ſein Eigenthum immer ſchlechter, nämlich ſeine Waare immer wohlfeiler, weil der Tauſchwerth dem Nutzwerth immer unangemeſſener wird, der Arbeitslohn alſo auch immer geringer und ungenügender zur Ernährung des Arbeiters. Stellt man endlich die Arbeit ganz ein, um nicht mehr zu verlieren, entehrt man den Proletarier durch Almoſen, ſtatt ihn durch Arbeitgeben zu heben, ſo iſt auch das Eigenthum der Reichen gefährdet, wie denn in England die Armentare ſo bedeutend iſt, als ſämmtliche Einkünfte des Preußiſchen Staats. Daher hat die Franzöſiſche verfaſſungsgebende Verſammlung ſich auch nicht entſchließen kön - nen, das Recht auf Arbeit mit dürren Worten in den Text der neuen Verfaſſung des Freiſtaats zu ſetzen. Und doch iſt es ſchon im Allgemeinen Preußiſchen Landrecht (Th. II., Tit. XIX., §. 2.) niedergelegt:

Denjenigen, welchen es nur an Mitteln und Gelegenheit, ihren und der Jhrigen Unterhalt ſelbſt zu verdienen, ermangelt, ſollen Arbeiten, die ihren Kräften nnd Fähigkeiten gemäß ſind, angewieſen werden.

Auch Pitt erklärte, der Staat müſſe ſeinen Bürgern entweder Arbeit oder Brod geben. Die franzöſiſche Verfaſſung hat nur48 (Einleitung, VIII) die Beſchränkung hinzugefügt: ſoweit die Hülfsmittel des Staates es zulaſſen; was ſich eigentlich von ſelbſt verſteht, da Niemand über ſein Vermögen zu leiſten braucht. Und beide genannten Geſetzgebungen erkennen auch das Recht der Verpflegung Arbeitsunfähiger, d. h. ein allgemeines Recht auf Ruheſtandsgewährung, nicht nur der Staatsbeamten, an. Dieſe Beſtimmungen habe ich daher im §. 21. der unten vorgeſchlagenen Verfaſſung aufnehmen zu müſſen geglaubt. Sie halten die Mitte zwiſchen den Beſtrebungen der Gemeinſchafts - und der Geſell - ſchafts-Lehre, nach denen der Staat und das Geſammtleben die alleinige Sorge für das Wohl ſeiner Bürger übernimmt, und den Erfahrungen der Volkswirthſchaft, welche es den wilden Kämpfen der Einzelnen überläßt, ob ihre Arbeit ihnen Erwerb und Genuß gewährt, oder ob ihnen nur Elend und Mangel beſchieden iſt.

Die Volkswirthſchaft iſt eine Naturgeſchichte der Arbeit, und zählt die Widerſprüche auf, in welche dieſe ſich verwickelt und an denen ſie untergeht, wenn man ſie ſich ſelbſt überläßt. Die Ver - einslehrer ſagen: wir ſuchen erſt die Arbeit zu gliedern; worauf die Lehrer der Volkswirthſchaft antworten: ſie iſt ſchon gegliedert; wir dagegen, uns in die richtige Mitte ſtellend: ſie gliedert ſich. Die Verfaſſung des franzöſiſchen Freiſtaats, die nicht das Recht auf Arbeit unbedingt anerkennen wollte, hat mehr gethan; ſie hat im 13. Artikel die Gliederung der Arbeit eingeleitet, wie wir unten ſehen werden. Er lautet:

Die Verfaſſung gewährleiſtet den Bürgern die Freiheit der Arbeit und des Gewerbfleißes. Die Geſellſchaft begünſtigt und ermuntert die Entwickelung der Arbeit durch den unentgeltlichen Volks-Unterricht, durch gewerbliche Erziehung, Gleichheit der Verhältniſſe zwiſchen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, durch Sicherungs - und Credit-Anſtalten, landwirthſchaftliche Anſtal - ten, freiwillige Vereine, durch Anordnung öffentlicher Arbeiten des Staats, der Kreiſe und Gemeinden, um unbeſchäftigte Hände zu beſchäftigen; ſie nimmt ſich der verlaſſenen Kinder an, der Kranken, der unbemittelten Greiſe, die von ihren Familien keinen Unterhalt bekommen können.

Die Gliederung, welche die Lehrer der Volkswirthſchaft als ſich von ſelbſt machend ausſprechen zu können glauben, ſind eben nur49 die Geſetze in der Verſchränkung der Bedürfniſſe der bürgerlichen Geſellſchaft; Geſetze, welche uns nur einen tiefen Blick in die Gliederung des menſchlichen Elends thun laſſen, von deſſen Noth - wendigkeit wir uns dann überzeugen müſſen, ohne von dieſem Standpunkte aus eine Heilung bringen zu können. Die Volks - wirthſchaft, da ſie nur das Vorhandene beſchreibt, keine Vorſchläge zur Beſſerung macht, iſt eben nur die Lehre des Elends, und endet mit einer Vertröſtung auf ein beſſeres Jenſeits. Die Ge - meinſchaft jagt einem Traumbild nach, einem gelobten Lande, das nirgends zu finden iſt; und wo es zur Wirklichkeit ſich geſtalten will, wie eine Seifenblaſe, wie Luftſchlöſſer zerrinnt. Es iſt eine Lehre der menſchlichen Glückſeligkeit, die aber nie zur That kommt. Unſere Wiſſenſchaft der Geſellſchaft wurzelt in dem Boden des menſchlichen Elends, um aus dieſem ſchlammigen Erdreich den Baum des menſchlichen Glücks durch ſorgſame Pflege groß zu ziehen.

Wenn der Menſch die Reihe ſeiner Thaten iſt, da er nur ſo viel werth iſt, als er vollbringt, ſo offenbart die Arbeit das menſchliche Jch. Die Arbeit iſt alſo der wirkliche Menſch: das, was der Menſch iſt durch ſeine That. Das Eigenthum iſt da - gegen das Vermögen, eine bloße Möglichkeit, das, was der Menſch ſein kann, auch ohne ſein Zuthun, wenn er es gut an - wendet, d. h. eben verwirklicht. Der Eigenthümer beſitzt auf eine allgemeine Weiſe; und ohne ſich an die harte Arbeit des Errin - gens zu machen, genießt er. Das iſt die Ungleichheit, womit die Menſchen bei ihrer Geburt beginnen. Die Volkswirthſchaft geht den Widerſprüchen nach, die dieſe Ungleichheit erzeugt. Das Hirn - geſpinnſt der Gemeinſchaft will ſie vertilgen, aber indem es die Gleichheit auf Koſten der Freiheit herſtellt. Und was hilft es, dieſe Ungleichheit tilgen, wenn man doch die Ungleichheit der geiſtigen Fähigkeiten und körperlichen Kräfte nicht aufheben kann? Der Eine erwirbt Kenntniſſe und arbeitet ohne viel Mühe, dem Andern koſtet Beides die größte Anſtrengung. Auch das kommt daher, weil der Eine mehr Vermögen, nämlich von der Natur, nicht von dem Erblaſſer erhaltenes, beſitzt. Wir wollen hier weder den religiöſen Troſt des Beſitzloſen gegen den Beſitzenden anführen, daß ihm im Himmel vergolten werde, während ein450Reicher ſchwerer ins Himmelreich kommen ſoll als ein Schiffstau durchs Nadelöhr. Auch den metaphyſiſchen Troſt, daß erſt die Arbeit den Genuß erhöhe, und ein leicht gewährter ſeinen Reiz verliere, wollen wir bei Seite laſſen. Der geſellſchaftliche Troſt, den wir zur Wahrheit machen möchten, iſt die möglichſte Aus - gleichung dieſer Gegenſätze in einem neuen Leben, aber auf dieſer Erde, ohne Verletzung des einen oder des andern dieſer Grund - pfeiler der Geſellſchaft: der Arbeit und des Eigenthums. Zu dem Ende müſſen ſie ſich freilich verſchmelzen, umgeſtalten, geſellig machen. Und weil die Volkswirthſchaft eben jeden dieſer Grund - ſätze in ſeiner ganzen Schroffheit aufrecht zu erhalten ſucht, darum verwickelt ſie ſich in unauflösliche Widerſprüche. Die Willkür des Eigenthümers wird der Herr der Arbeit. Arbeit und freier Wille treten in Kampf, um das Werk der geſellſchaftlichen Glie - derung einzuleiten. Später iſt dieſer Gegenſatz Arbeit und Ca - pital, Lohndienerei und Vorrecht, Volk und Adel. Was die Con - currenz vollbringt, das zerſtört das Monopol; was die Arbeit erzeugt, verſchlingt der Verbrauch; was ſich das Eigenthum zu - eignet, deſſen bemächtigt ſich die Geſellſchaft. Kurz, dieſe Jrrgänge der Staatswirthſchaft müſſen wir als einen Stufengang ihrer Entwickelung durchwandern, um durch Erkenntniß der Schwierig - keiten die Mittel, ſie zu heben, an die Hand zu bekommen.

Die Staatswirthſchaft beginnt mit dem Augenblicke, wo der Menſch ſowohl aus dem urſprünglichen vorgeſchichtlichen Zuſtande, in welchem er alle ſeine Bedürfniſſe ohne viel Arbeit befriedigen konnte, als auch aus dem Naturzuſtande der Barbarei getreten iſt, wo jeder alle ſeine Bedürfniſſe durch eigene Arbeit befriedigte; d. h. mit der Theilung der Bedürfniſſe und der Arbeit. Je mehr die Arbeit getheilt wird, deſto mehr verfeinern ſich die Bedürfniſſe, und umgekehrt. Die gebildete Geſellſchaft geht alſo einem immer ſteigenden Lurus entgegen, wo in dem Wechſel der Moden eine Art der Befriedigung die andere verdrängt. Die höchſte Verfeinerung hält Schritt mit der höchſten Ausbildung des Geiſtes, nämlich der Genießenden, hat aber ebenſo zur Folge die höchſte Abſtumpfung des Verſtandes bei den Arbeitern. Denn je mehr die Arbeit getheilt iſt, deſto weniger kommt auf die Thä - tigkeit des einzelnen Arbeiters ein Ganzes; er macht nur ein51 Stückwerk, einen kleinen Theil eines Ganzen. Ohne zu wiſſen, wozu er ſeinen Theil macht, arbeitet er gedankenlos fort; und nur der Werkmeiſter weiß, wie das Ganze zuſammenhängt. Je mehr das Handwerk Fortſchritte macht, deſto mehr kommt der Handwerker zurück. Man denke ſich nur den Fall, daß bei dem beflügelten Schritt der Moden ein Handwerk oder die bisherige Art des Betriebes deſſelben aufhört, ſogleich ſind alle Arbeiter dieſes Gewerbzweiges außer Brod. Man wirft ſie fort, wie eine ausgepreßte Apfelſinenſchale. Man bewundert die ſchönſten Kunſt - werke des menſchlichen Gewerbfleißes, Teppiche, Gold - und Sil - berwaaren; aber die Thräne des Arbeiters, die darauf gefallen, bleibt unbemerkt. Neun Zehntel der Arbeiter ſind Laſtthiere, und doch iſt der Funke der göttlichen Ebenbildlichkeit in ihnen. Die Lehrer der Volkswirthſchaft oder auch eine gewaltſame Staats - umwälzung haben das Mittel der Lohnerhöhung vorgeſchlagen. Aber dadurch werden auch die Erzeugniſſe der Arbeit theurer, mit denen die Arbeiter ihre Bedürfniſſe befriedigen müſſen, und das Verhältniß bleibt daſſelbe. Auch das Mittel, die Arbeiter zu bil - den, ſcheint unanwendbar, weil die Art ihrer Arbeit, die rein mechaniſch iſt, eben die höheren Fähigkeiten ertödte; nicht zu ge - denken, ſagen Andere, daß die erhöhte Bildung ſie um ſo unbe - reitwilliger machen würde, ihre niedrige Arbeit auszuführen. Können die Kinder der Armen denn auch Unterricht erhalten, da ſie ſchon von früh an den Eltern im Gewinne des Lebensunter - halts beiſtehen müſſen?

Um dieſe Widerſprüche zu löſen, fallen wir in einen neuen. Es iſt des Menſchen unwürdig zu thun, was rein mechaniſch iſt, und alſo der Natur durch Mechanismus abgerungen werden kann. Die Maſchine tritt an die Stelle der Handarbeit, indem ſie die Zerſtückelung der Arbeit durch eine höhere Verknüpfung beſiegt; indem ſie die Stückarbeit wiederherſtellt, iſt ſie Abkürzung der Handarbeit, Wachsthum des allgemeinen Wohls. Die Werkſtatt iſt der Anfang der Maſchine; die verſchiedenen Arbeiter erzeugen zuſammen Ein Ganzes, ungeachtet der Verſchiedenheit ihrer Arbeit. Die Theilung der Arbeit iſt die Analyſe, die Maſchine die Syn - theſe. Die Maſchine iſt die Bewaffnung des Verſtandes, die Freiheit und Herrſchaft des Menſchen über die Natur. Aber in -4*52dem durch die Maſchinen Arbeit und Lohn verringert wird, ſind ſie Beides: Quelle des Reichthums und Urſache des Elends, dies für den Arbeiter, jenes für den Eigenthümer. Die Mechanik hat das Capital des Fabricanten von der Unterdrückung der Ar - beit befreit; denn nur er hat ſo viel Geld, die Maſchine anzu - ſchaffen. Alſo wenn die Maſchinen mehr Freiheit auf der einen Seite geben, ſo geben ſie auch mehr Sklaverei auf der andern. Das Nächſte bei der Einführung einer Maſchine iſt, daß Arbeits - kräfte außer Brod kommen; daher beginnen die Arbeiter damit, ſie zu zertrümmern. Nachher wird ihnen begreiflich gemacht, daß, indem die Maſchine die Arbeit erleichtert, auch mehr gearbeitet werden kann, und die einen Augenblick unthätigen Hände auch wieder, und noch mehrere dazu, herbeigezogen werden müſſen. Aber bald wird man inne, daß die erleichterte Arbeit auch den Preis der Waare herabdrückt, und der Arbeiter ſich darum mit einem niedrigern Lohn begnügen muß, ohne daß die anderen Waaren, wobei keine Maſchinen wirkten, wohlfeiler würden. Uebererzeugung und Mangel werden zugleich eintreten. Es kann keine Brüder - ſchaft ſtattfinden zwiſchen Geſchöpfen, wie ſie die Theilung der Arbeit und die Maſchine gemacht haben.

Wir können nicht ſtill ſtehen mit der Erzeugung der Waare, wenn auch Ueberfluß da iſt, weil ſonſt die Geld - und die Arbeits - kräfte müßig liegen würden. Je mehr aber über das Bedürfniß hinaus auf gut Glück erzeugt wird, deſto wohlfeiler wird die Waare. Einer ſucht dem Andern in Wohlfeilheit des Preiſes zu - vorzukommen, um mehr verkaufen zu können. Das erzeugt die Concurrenz; ſie iſt die Verſteigerung der Arbeit an den Min - deſtfordernden. Die Concurrenz zerſtört die Concurrenz. Ein Verkäufer bringt den anderen durch größere Wohlfeilheit herunter; durch ſie vertilgen ſich alſo die Proletarier gegenſeitig, und der größere Producent den kleinen Bürger. Aber die Concurrenz liegt nicht nur im Preiſe; ſie liegt auch in der Güte der Waare. Das iſt die heilſame Concurrenz, ſagt man, der Verkäufer im Streben nach dem Beſſern. Wäre die Concurrenz ausgeſchloſſen, und je - dem die Arbeit und der Lohn ohne Weiteres gewährleiſtet, ſo würde die Anſpannung des Gewerbfleißes nachlaſſen. Dies iſt ſo wahr, daß man ſich ohne Concurrenz gar keine Fortſchritte im53 Gewerbfleiß eines Volkes denken kann. Jſt der Menſch aber nicht durch Gewerbfleiß zu geiſtiger Entwickelung erzogen, ſo iſt auch überhaupt kein Reiz zur Arbeit da. Jndem auf dieſe Weiſe die Concurrenz grundſätzlich unzerſtörbar iſt, ſo iſt es nur ihre gegen - wärtige Geſtalt, welche abgeſchafft werden muß, weil ſie in dieſer ungerecht iſt und fremden Gewerbfleiß zerſtört; denn die Preis - herabſetzung durch Concurrenz kommt nur dem Sieger zu Gute, den Beſiegten läßt ſie ohne Arbeit. Hat der Reichere ſeinen Ne - benbuhler aus dem Felde geſchlagen, ſo ſteigen die Preiſe wieder. Aber weil das Verbrechen meiſt aus dem Elend entſpringt, ſo iſt die Concurrenz für die Sicherheit des Reichen eben ſo nachtheilig als für das Leben der Armen.

Das Mittel, deſſen die Staatswirthſchaft ſich bedient, um die Concurrenz umzugeſtalten, iſt ſchlimmer, als das Uebel, dem abgeholfen werden ſoll. Der Sieger in der Concurrenz, derjenige, welcher durch ſeine Erfindungskraft ſeinen Mitbewerbern voraus - geeilt iſt, und den Gewerbfleiß auf eine höhere Stufe gebracht hat, erhält ein Monopol für die Erfindung, die er gemacht hat. Das Monopol, obgleich der Gegenſatz der Concurrenz, hat die Concurrenz doch zu ſeinem nothwendigen Ausgangspunkte. Dieſe Abſtammung des Monopols iſt ſchon ſeine Rechtfertigung; denn die Concurrenz zerſtören, hieße die Geſellſchaft tödten. Durch das Monopol erringt jede wetteifernde Perſönlichkeit einen feſten Platz. Das Monopol iſt der Kampfpreis des Genie’s, der ſtärkſte Stachel zu allen Fortſchritten: das Recht, ſeine Fähigkeiten zu verwenden und davon den alleinigen Gewinn zu ziehen. Natürlich! Denn alle Uebrigen mißtrauen noch den Erfindungen dieſes Genie’s, und alles Falſche kann doch nicht auf Gefahr der Geſellſchaft, ſondern immer nur des Erfinders ins Werk gerichtet werden. Dieſer ſtellt in ſeiner Perſon für einen Augenblick die ganze Ge - ſellſchaft dar, ſieht beſſer und weiter, als alle anderen Menſchen zuſammen. Das Monopol beſteht von Natur und Menſchen wegen; der eigenthümliche Charakter unſerer Arbeit giebt ihr erſt ihren Werth. Das Monopol trägt zum Wachsthum des Wohl - ſtands bei, zunächſt, indem es den allgemeinen Reichthum durch die Vervollkommnung der Mittel erhöht, dann, indem es capita - liſirt, d. h. indem es, als die Belohnungs-Krone des Producenten,54 die Eroberungen der Arbeit, die durch Theilung, Maſchinen und Concurrenz erlangt wurden, zuſammenhält. Auf der andern Seite iſt aber das Monopol ein Unglück für die Arbeit. Wenn das Monopol den Herſtellungspreis der Waare berechnet, indem es den Preis des Roh-Erzeugniſſes, den Arbeitslohn und den Zins des Capitals zuſammenzählt, ſo will es das Mehr des Werthes, wofür es die Waare verkauft, den Netto-Ertrag, als ſeinen reinen Gewinn ziehen. Um dieſen Netto-Ertrag bezahlt der Arbeiter die Waare zu theuer; das Monopol lebt von der Plünderung der Lohnarbeit. Der Fortſchritt im Wohlſtande ſchlägt abermals für den Arbeiter in einen fortwährenden Fortſchritt des Elends um. Das Monopol dehnt ſeine Eroberungen in ſteigender Reihe aus; ſeine Arme umfaſſen den Ackerbau ſo gut, wie den Handel und den Gewerbfleiß, und alle Arten von Erzeugniſſen. Es hat ſich eingebildet, daß das Capital, wie der Boden, in ſich ſelbſt eine eigenthümliche Thätigkeit habe, die den Capitaliſten ent - bände, etwas Anderes in den Tauſch zu bringen, und irgend einen Antheil an den Arbeiten der Werkſtatt zu nehmen.

Nachdem das Monopol den Tagelöhner ausgeſogen hat, läßt die Geſellſchaft dem Monopoliſten ſein Vorrecht unter der Bedingung, daß es ihn beſteuert. Vom Boden, von dem Gewerb - fleiß und vom Handel nimmt der Staat einen Theil des Gewinns für ſich. Die Jugendbildung, die Aemter im Heer, in den Ge - richten und in der Kirche übergiebt der Staat dem Proletariate, um ſie von den Männern des Monopols bezahlen zu laſſen. Die Steuer iſt nichts Anderes, als ein Verſuch, den Reichthum mit dem Proletariat zu vermitteln; ſie iſt grundſätzlich gegen den Reichen gerichtet, hält dies jedoch in der Anwendung nicht feſt. Die mittelbare Steuer z. B., welche eine Steuer aufs Er - zeugniß iſt, fällt dem Verbraucher zur Laſt, und das Monopol iſt gerettet; es ſchlägt die Steuer auf die Erzeugungskoſten, und Alles trifft daher wieder den Proletarier. Die Steuer bekommt von den Armen am meiſten, weil ſie die zahlreichſten ſind. Lurus - Gegenſtände, ſagt man, ſollen nicht beſteuert werden; denn weil der Luxus der Fortſchritt des Gewerbfleißes iſt, ſo muß er geför - dert werden. So werden Steuern auf die Sachen der Nothwen - digkeit, auf Brod, Fleiſch, Salz gelegt. Sobald aber die Steuer55 als eine Zurückforderung der Geſellſchaft gegen das Monopol an - geſehen wird, muß ſie ſich im Verhältniß zu den Leiſtungsfähig - keiten geſtalten. Eine ſolche Steuer iſt die Einkommenſteuer. Hier iſt aber die verhältnißmäßige Steuer nicht gerecht, da der Reiche zu viel, der Arme zu wenig hat. Die ſteigende Vermögens - Steuer iſt die einzige billige; ſie iſt die unmittelbare Vernichtung des Monopols. Das Eigenthum ſchwebt damit an einem dünnen Faden über dem offenen Rachen des Proletariats. So hat die Geſetzgebung ſich noch nirgends dazu entſchließen können.

Getäuſcht über den Erfolg ihrer Verordnungen und Maß - regeln, und daran verzweifelnd, innerhalb ihrer eine Entſchä - digung für das Proletariat zu finden, kommt die Geſellſchaft dar - auf, ihm draußen Gewährleiſtungen zu ſuchen. So wird das Volk vom innern Tauſch zum äußern Handel geführt. Hier tritt nun der ſchroffe Gegenſatz der vollſtändigen Handelsfreiheit und des geſchloſſenen Handelsſtaats durch Einfuhr-Verbote ein; ein Gegenſatz, den die Handelsbilanz zwar ausgleichen ſoll, ſich aber dazu auch durchaus unzureichend erweiſen wird.

Nichts iſt berechtigter, als der Gedanke, daß der Abſatz der Waare in fremde Länder dem Arbeiter Erſatz gewähre für die Steuer, welche ſo vergeblicher Weiſe zu ſeinem Heile erſonnen war. Die Handelsfreiheit iſt naturnothwendig, damit alle Völker die Naturerzeugniſſe aller Himmelsſtriche genießen können. Der Reichthum der Natur hilft den begünſtigteren Ländern nichts; denn da der Tauſch nur Arbeit gegen Arbeit ſetzt, nicht gegen Naturwerth, ſo iſt dem am wenigſten begünſtigten Lande der Tauſch mit dem begünſtigſten am vortheilhafteſten. Die Natur ſchenkt ſo allen Himmelsſtrichen, und zwar durch das auf ganze Völker an - gewendete Geſetz der Concurrenz, während ein Volk durch Ab - ſperrung dieſe Gabe verwerfen würde. Zollbeamte wirken wie Sümpfe und Moräſte, oder wie ſchlechte Landſtraßen. Sie machen die Schwierigkeit des Fortſchaffens größer, und darum die Waare Brüſſels in Paris theurer. Die Nordbahn verringert den Unter - ſchied des Preiſes, und durch Schutzzölle vermehrt man ihn wie - der. Welcher Unſinn! Umgekehrt, Moräſte und Sümpfe ſind Schutzzölle. Die Handelsfreiheit iſt ferner nothwendig zur Ein - tracht und zum Fortſchritt der Völker, iſt die Urſache des56 Wachsthums der Güter und des Wohlſeins für die Einzelnen und den Staat. Was die Einzelnen betrifft, ſo werden durch Schutz - zölle nur Einige in Vortheil geſetzt; einige Erwerbzweige bekom - men einen künſtlichen Anſtoß, andere erheben ſich neu, aber ſie werfen weniger Gewinn ab. Die Verbraucher, d. h. das ganze Volk, leiden darunter, weil ſie die Waare theurer und ſchlechter kaufen müſſen. Man thut aber immer beſſer, von Andern wohlfeil zu kaufen, was man ſelbſt nur theurer erzeugen kann. Durch die Hinderung der Einfuhr wird der Verbrauch vermindert, und die Theilung der Arbeit unter den Völkern unmöglich. Was aber die Staaten betrifft, ſo werden ſie ſich ſo lange ſtreiten, als jeder verkaufen, keiner kaufen will. Durch den Freihandel werden die Völker ſo abhängig von einander, wie die Einzelnen. Dadurch wird der Krieg eine Unmöglichkeit werden, und die materiellen Jntereſſen werden die Verbrüderung aller Völker erzeugen.

Hören wir nun auch die Vertheidiger der Schutzzölle, es ſind die Producenten; ſie wollen, daß die Hinderniſſe des Wohl - ſtands recht groß ſeien, damit ihre Arbeit, welche dieſelben weg - räumt, beſſer bezahlt werde. Durch das Monopol, ſagen ſie, iſt die Wohlfahrt der Einzelnen erhöht; der Freihandel zerſtört aber jedes Monopol. Oder gelingt es dieſem, ſich in dieſem Kampfe zu erhalten, ſo wird die Abſchaffung der Schutzzölle nur dazu dienen, das Fangnetz des Vorrechts weiter auszudehnen, die Be - ſitzentſetzungen zu vermehren, und die Monopole aller Länder gegen das Proletariat zu verbinden. Dieſe plötzliche Veränderung würde ferner ungeheueren Schaden in dem Gewerbfleiß anrichten; große Capitalien würden müßig, hunderttauſende von Arbeitern ſich plötzlich ohne Arbeit und Brod befinden, und die Hälfte der Fabrication eines Landes vernichtet ſein. Entgegnet man, das Uebel iſt vorübergehend , was ſollen uns Glückverheißungen für eine ferne Zukunft, wenn wir das Elend der Gegenwart vor Augen haben? Aufhebung aller Schutzzölle würde die Freiheit, Gleichheit und Eigenthümlichkeit der Völker aufs Spiel ſetzen. Kaufen wir mit Geld die Waaren, welche das Ausland beſſer erzeugen kann, ſo veräußern wir immer mehr unſer Erbgut, und werden dem Auslande zollpflichtig. Denn um immer zahlen zu können, müſſen wir Gold und Silber wieder durch Hypotheken57 ins Land ziehen, bis unſer ganzes Eigenthum dem Fremden ver - pfändet iſt. Das iſt das Loos des minder begünſtigten Landes beim freien Handel. Nur wenn alle Völker gleiche Laſten hätten, könnten auch alle frei mit einander handeln; denn ſie gingen von gleichen Vorausſetzungen aus, um gleiche Erfolge zu erzielen. Daher muß auch nur innerhalb deſſelben Volkes freier Verkehr herrſchen, und jede fremde Waare ausgeſchloſſen bleiben. Ein - führende Völker werden ausgeſogen; ausführende bereichern ſich. Die Engliſchen Arbeiter arbeiten für’s Ausland, nicht um deſſen Erzeugniſſe zu verzehren, ſondern um das Vermögen ihrer Herren zu vergrößern. Die Vollendung der Geſellſchaft iſt das Ein - fuhr-Verbot, der geſchloſſene Handelsſtaat, wie ihn einer unſerer beſten Denker entworfen hat.

Dieſe äußerſten Richtungen in der Staatswirthſchaft haben nun einer vermittelnden Lehre das Daſein gegeben, der Lehre von der Handelsbilanz. Man müſſe weder den Handel mit frem - den Völkern ſchlechthin frei laſſen, noch ſchlechthin verbieten; ſon - dern das Gleichgewicht fordere, daß man ſo viel Zoll auferlege, damit die fremde Waare der einheimiſchen gleichgeſtellt werde, wenn ſie an und für ſich wohlfeiler wäre. Die Differential - zölle würden ſo die wahre Verbrüderung der Völker ſein, als der ſynthetiſche Ausdruck zwiſchen Freiheit und Monopol; ſie er - kennen die Freiheit an, indem ſie ihr die Bedingungen der Gleich - heit auflegen. Zugleich ſchützt ein ſolcher Zoll, weil er nur die Concurrenz unter gleichen Kräften zuläßt. Er iſt die Mitte zwi - ſchen dem Schutzzoll und der unumſchränkten Freiheit; und durch ihn genießen Alle gleichmäßig die Gaben der Natur. Hier - gegen iſt zu bemerken, daß der Differentialzoll die Concurrenz vielmehr vollſtändig aufhebt. Denn wenn er genügend iſt, um den inländiſchen Gewerbfleiß zu ſchützen, ſo werden nur die in - ländiſchen Verkäufer im Lande Abſatz haben. Wenn aber eine ausländiſche Erfindung die fremde Waare verbeſſert, und nun mit Vortheil gegen das Jnland wetteifert, dann muß dieſes den Dif - ferentialzoll wieder erhöhen, damit der heimiſche Arbeiter in der Concurrenz nicht unterliege. Wer alſo die Bedingungen der Arbeit ausgleichen will, greift den Handel in ſeinem innern Weſen an; denn er vernichtet die Concurrenz. Der Verſuch, der hier ein -58 mal innerhalb der Staatswirthſchaft ſelbſt gemacht worden iſt, ihre Widerſprüche durch einen vermittelnden Standpunkt aufzu - löſen, während wir bisher nur bei dem unaufgelöſten ſtehen blie - ben, mißglückt daher gleichfalls, eben weil die Staatswirthſchaft ſich einſeitig auf den Standpunkt des Einzellebens ſtellt, und den geſellſchaftlichen verwirft; nur aber, wenn man Beides verbindet, kann man die wahre Vermittelung der Gegenſätze erreichen.

Die Theilung der Arbeit hat nur die Entwürdigung des Arbeiters hervorgebracht; deshalb wird die Arbeit in der Ma - ſchine und in der Werkſtatt wieder zuſammengefaßt. Die Maſchine hat nur Sklaven erzeugt, und die Werkſtatt nur Lohndiener; des - halb hat ſich die Concurrenz entzündet. Die Concurrenz hat das Monopol geboren; deshalb hat der Staat Steuern verordnet, und dem Capital einen Abzug auferlegt. Der Staat iſt für die Pro - letarier eine neue Knechtſchaft geworden, weil die Steuern gerade ſie am meiſten drücken; deshalb iſt geſagt worden: Reichen ſich die Arbeiter von Einem Volke zum andern die Hand. Und nun ſind es die Ausbeutenden, die ſich von allen Enden wider die Ausgebeuteten die Hand reichen. Wäre der Werth aller Erzeug - niſſe wie das Geld beſtimmt, ſo wäre die Staatswirthſchaft im Zuſtande der Vollkommenheit; jeder würde für ſeine Waare im - mer die bekommen, durch welche er ſeine Bedürfniſſe befriedigen kann. Um die Macht des Geldes zu brechen, muß ſein Weſen verallgemeinert werden. Das geſchieht durch den Credit, wel - cher mit Hülfe und nach dem Vorbilde des Geldes alle noch ſchwankenden Werthe feſtſtellen will, und ſo jedem Arbeiter Geld verſchafft. Jm Credit kehrt die Geſellſchaft von der Lehre der Abſatzwege wieder in ſich ſelbſt zurück, um dort das Gleichge - wicht von Erzeugung und Verzehrung zu ſuchen. Es ſpricht ſich ein allgemeines Verlangen nach Creditanſtalten für die Arbeit aus. Der Credit iſt die vorweggenommene Verwirklichung des Abſatzes, die Gliederung des Abſatzes im Jnnern. Der Credit ſoll dem trägen Werth Umlauf verſchaffen, indem der Capitaliſt dem Arbeiter einen Geldvorſchuß gegen Hinterlegung der Waare giebt. So wird das Geld jedermann zugänglich, indem die un - verkaufte Waare, wie eine verkaufte, den angenommenen Kauf - preis als Münze in die Hände des Arbeiters legt. Durch Bank -59 ſcheine wird das Geld wohlfeiler gemacht, indem man am Fort - ſchaffen, an der Verſchließung u. ſ. w. Zeit und Koſten erſpart. Durch den Wechſel iſt das Geld an mehreren Orten zugleich, und zugleich da, wo ich es brauche, ohne daß ich es hingeſchickt habe; es verfällt nicht dem Beſchneiden, dem Verlorengehen u. ſ. w. Das geborgte Geld iſt ein neuer Werth, bringt Raſchheit in der Erzeugung, Steigerung der Erzeugniſſe, Vermehrung der Capi - talien hervor. Nicht nur die ausſtehende Schuld iſt ein Capital, welches arbeitet, ſondern dieſelbe Summe als gemachte Schuld arbeitet für den Schuldner, wie für den Gläubiger; ſie hat ſich alſo verdoppelt.

Aber auch dieſe allgemeine Verſicherungsanſtalt, welche der Credit zu geben ſchien, dient nur zur Verbreitung und Verewi - gung des Elends, zur immer mehr zerſchmetternden Unterdrückung der Arbeit. Der Credit verlangt mehr, als er giebt, wie die Lot - terie. Er iſt Ausbeutung der Arbeit durch das Capital; man leiht nur gegen Pfand, alſo der Sache, nicht der Perſon. Der Credit iſt ſo das Gegentheil des Vertrauens; nur dem, welcher beſitzt, wird getraut. Das Pfand des Credits fehlt aber dem Armen, der Credit iſt dem Arbeiter unzugänglich. Wollten die Banken auch dem Armen borgen, ſo würden ſie ſich zu Grunde richten. Es gölte alſo vor Allem, die Vertrauensgründe zu ſchaffen. Weil aber der Credit lügt, ſo ſtiehlt er; er iſt die Gliederung des - nigthums des Geldes. Die vom Standpunkt des Einzellebens aus errichteten Depot - und Disconto-Banken können ſtets nur ein ſinnreiches Verfahren bleiben, um die Reichen noch reicher, und die Mächtigen noch mächtiger zu machen. Man findet immer wieder das Monopol unter der Außenſeite der Freiheit, die Tyrannei hinter dem Anſcheine des Fortſchritts. Der Credit erfüllt nicht, was er leiſten ſoll, den Werth einer jeden Waare feſtzuſetzen. Ganz im Gegentheil, indem er die beweglichen und unbeweglichen Werthe frei macht dadurch, daß er ſie in Bankſcheinen darſtellt, erklärt er nur ihre Unterordnung unter die Münze. Denn ſie müſſen ſich einen Abzug gefallen laſſen, etwa ein Drittel weniger gelten, um beim Umlauf die gehörige Sicherheit zu haben, während das Geld immer der unwandelbare Maaßſtab bleibt. Der Zins bringt fer - ner das Capital immer zu dem zurück, der Credit gegeben hat. 60Durch den Zinſeszins verliert die Arbeit alle vierzehn Jahr das Capital, welches ſie in Bewegung ſetzt. Die Sparkaſſe iſt eine Plünderung, weil das Volk die Zinſen zahlen muß. Um mög - liches Elend zu verhindern, läßt die Sparkaſſe den Arbeiter jeden Tag noch mehr darben, als er ſonſt brauchte. Auch die Jnva - lidenkaſſe erfüllt noch nicht die Forderung einer wahren Gegen - ſeitigkeit, weil die Hälfte der Menſchen, die früher ſtirbt, nichts davon hat. Kurz, immerwährende Bankerotte ſind das letzte Wort des Credits.

Auch der Credit kommt nicht dem Arbeiter zu Gute, ſondern nur dem Eigenthümer. Wenn die Waare, auf die ich Credit er - halten ſoll, im Preiſe fällt, weil ſie keinen Abſatz hat, ſo wird mir kein Credit darauf gegeben, und beim größten Reichthum verſchmachte ich in Dürftigkeit. Von dem Suchen des Abſatzes nach außen ſind wir auf eine innere Hülfe, den Credit, zurück - gekehrt. Der Abſatz im Jnnern mangelt nur, weil der Umlauf ſtockt; der ſtockende Umlauf wird durch den Credit beſeitigt. Aber was hilft aller Umlauf, wenn drinnen oder draußen keine Ver - zehrer da ſind, um die Erzeugniſſe zu genießen? Die letzte Hilfe der Staatswirthſchaft iſt alſo, Verzehrer hervorzubringen; ſie be - günſtigt die Ehe, verhindert Kindermord, kurz ſucht auf alle mög - liche Weiſe die Bevölkerung zu vermehren. Die Blüthe aller Staaten iſt daher auch am ſicherſten aus der Vermehrung der Bevölkerung zu erkennen. Je mehr die Bevölkerung ſteigt, deſto mehr Waaren können verbraucht werden. Jhre Erzeugung ſteigt, und damit die Arbeit und der Wohlſtand der Arbeiter. Steigende Erzeugung, ſteigender Verbrauch, ſteigende Bevölkerung ſind alſo Wechſelbegriffe, die einander fordern. Aber es werden mehr Eſſer erzeugt, als Nahrungsmittel da ſind! Das ſchadet nichts. Kann der Boden die ſteigende Bevölkerung nicht faſſen, ſo ſchickt das Land Pflanzer in unbebaute Länder. Zu dem Platze, welcher dadurch für neue Bevölkerung leer wird, fügt ſich noch eine Ab - ſatzquelle des inländiſchen Gewerbfleißes hinzu. Die Abkömmlinge werden vorzugsweiſe die Erzeugniſſe des Mutterlandes gebrauchen wollen, weil ſie an heimiſchen Gewohnheiten hangen; und auch ohne Zwang, durch freie Uebereinkunft wird der Handel mit der Pflanzſtadt das Mutterland bereichern. So wird der vermehrte61 innere Abſatz Hand in Hand mit dem vermehrten äußern gehen. Der ungeheure Reichthum Englands iſt das ſchlagendſte Beiſpiel von dieſem, aus der vermehrten Bevölkerung hervorgegangenen Erfolge.

Aber auch hier ſchlägt aller Vortheil wieder für den Eigen - thümer und gegen den Arbeiter aus. Wenn England das reichſte Land iſt, ſo hat es auch das größte Proletariat; die Engländer arbeiten und faſten am meiſten. Das erſtaunlichſte Ergebniß einer höhern Bildungsſtufe iſt das Elend; und durch Bevölkerung und Ehe wird das Elend nur immer größer. Während die Bevölke - rung in geometriſcher Reihe ſteigt, ſteigen die Lebensmittel nur in arithmetiſcher; woraus unrettbar der Schluß folgt, daß in jedem Lande ein Theil der Bevölkerung aus Mangel an Brod ſtirbt. Das oben dagegen vorgeſchlagene Mittel der Pflanzſtädte hält nur ſo lange vor, als die Erde noch nicht voll iſt. Tritt dieſer Fall ein, wie dann? Das Menſchengeſchlecht geht ſo zu Grunde durch die Bethätigung ſeiner Lebensfähigkeiten. Liebe und Arbeit ſind die Bedingungen ſeines Glückes. Aber die Liebe geht zu ſchnell, die Arbeit zu langſam. Die Zeugungsglut kann nicht ge - hemmt werden; und würde ſie es, ſo würde damit auch die Er - zeugungskraft der Arbeit gehemmt. Denn, wie Homer ſagt, des Liebeswerkes bedarf die Jugend; und alle Spannkraft erſchlafft, wenn dieſer Trieb gewaltſam zurückgedrängt wird. Gerade beim Proletarier aber, wie uns auch ſein Name andeutet, iſt die Zeu - gungskraft ſtärker, weil er in Ermangelung der andern Genüſſe des Luxus dieſen Naturtrieb am ſtärkſten bei ſich erwachen fühlt. Er kann ihm keine Zerſtreuung durch andere Genüſſe, wie der Reiche bieten, der daher auch im Allgemeinen eine weniger zahl - reiche Nachkommenſchaft hat. Dazu kommt, daß der Arme nicht für die Zukunft ſorgen kann, und alſo in den Tag hinein ge - nießt, Kinder zeugt, wenn er auch nicht die Ausſicht hat, ſie ernähren zu können. Sollte die ewige Vernunft ſich ſo bei dem Menſchengeſchlecht in eine Sackgaſſe verrannt haben? Die Mittel der Abhülfe, welche die Staatswirthſchaft vorſchlägt, ſind unzu - reichend; Malthus Vorſchlag, den wir ſchon anführten, nämlich den Tod als Gegengift gegen das Elend zu gebrauchen, iſt frei - lich das wirkſamſte Mittel. Aber Niemand wird es wohl ernſt -62 lich unter uns vorzuſchlagen wagen. Die Staatswirthſchaft ſchlägt außerdem Vorſicht in der Liebe, Vertagung in der Ehe vor. An - dere Mittel fordert man von der Natur und der Vorſehung, wie Hungersnoth, Krieg, Peſt. Es iſt dies eine Chineſiſche An - ſchauungsweiſe. Denn als der Kaiſer von Rußland dem Chi - neſiſchen Kaiſer gute Rathſchläge bei der Annäherung der Cholera ertheilen wollte, antwortete ihm dieſer, der Himmel wiſſe am be - ſten, wann es nöthig ſei, unnütze Menſchen durch Krankheiten zu vertilgen. Andere ſchlagen das Syſtem der dreijährigen Säugung vor, indem während dieſer Zeit der Fruchtbarkeit der Mutter eine Schranke geſetzt iſt: Fourier die künſtliche Unfruchtbarkeit durch die Maſt. Auch auf ganz unſittliche Mittel iſt man verfallen, wie Ausſetzung der Kinder, ein ſchon im Alterthum oft an - gewendetes Mittel; gewaltſame Abtreibung der Frucht, Verhütung der Empfängniß durch eine Vorrichtung; ja ein franzöſiſcher Arzt ſchlug ſogar Herausziehen des Keims oder Ausrottung des Sa - mens vor. Das ſicherſte, aber unſittlichſte Mittel wäre die gänz - liche Aufhebung der Ehe, die vollſtändige Preisgebung; Freuden - mädchen werden in Millionen Fällen nicht Mütter. Endlich müſſen wir auch den Vorſchlag des ſchon erwähnten Berliner Volks - ſchriftſtellers, daß die Empfängniß in die Willkür der Gatten ge - ſetzt werde, für unverträglich mit der Sittlichkeit anſehen. Abge - ſehen davon, daß derſelbe unpraktiſch iſt, da der Urheber ſelbſt geſteht, daß die Arzneikunde erſt das Mittel erfinden müſſe, dieſe Willkür hervorzubringen, liegt in der Forderung dies: die Befrie - digung des ſinnlichen Triebes als ſolchen als den letzten Zweck auszuſprechen, da dieſelbe doch immer nur als das Mittel für die Erzeugung der Kinder gelten darf.

Wir ſind mit dem Kreiſe unſerer Widerſprüche ans Ende gelangt. Wir haben geſagt, die Arbeit iſt die Quelle alles Genuſſes, alles Reichthums. Dieſe Arbeit iſt aber ſogleich ein Widerſpruch in ſich ſelbſt. Sie häuft ſich beim Sparſamen. Dieſe gehäufte Arbeit, das Eigenthum, wird von ihm auf ſeinen Sohn vererbt. Ohne Erbſchaft keine Perſönlichkeit, die eben im Nachkommen wieder auferſteht. Jndem nun der Erbe oder Sparer von ſeiner gehäuften Arbeit lebt, ſo genießt er ohne zu arbeiten. Und der Zwieſpalt iſt in der Arbeit ſelbſt, der vergangenen und63 der gegenwärtigen, geſetzt. Die ganze Aufgabe, welche die Staats - wirthſchaft zu löſen hat, iſt, dieſen Gegenſatz verſchwinden zu machen: Alle ſollen Sparer, Alle ſollen Eigenthümer werden, Begüterte und Unbegüterte nicht mehr in ewigem Kampfe gegen einander bleiben. Die Frage iſt nur, wie das zu machen? Die Formen der Arbeit haben wir hererzählt: Theilung der Arbeit, Maſchinen, Concurrenz, Monopol, Steuer, freien Handel, Credit. Wenn alle dieſe Erleichterungen der Arbeit die Mittel des Reich - thums erzeugten, ſo erzeugten dieſe Mittel wieder neues Elend, weil die Arbeit falſch gegliedert war. Aller Vortheil ſchlug nur für die Begüterten, der Nachtheil für die Beſitzloſen aus. Für jene wurde der Wohlſtand immer größer, für dieſe die Arbeit; und ſo geräth, wie ein großer Denker ſagt, die bürgerliche Ge - ſellſchaft, bei dem größten Reichthum und dem größten Ueberfluß, in den größten Mangel und die größte Armuth. Unſere Arbeit macht unſere Dürftigkeit immer dürftiger. Von Formel zu For - mel, von Einrichtung zu Einrichtung ſucht die Geſellſchaft jenes Gleichgewicht, das ihr immer entgeht, und bei jedem neuen Ver - ſuche ihren Luxus und ihr Elend gleichmäßig ſteigert.

Wir enden mit dem vollſtändigen Widerſpruche. Die Noth - wendigkeit des Elends auf dieſer Erde ſcheint unzweifelhaft. Und die Diener der Religion wollen an die Stelle der Lehrer der Staatswirthſchaft treten, um die Löſung des Widerſpruchs ins Jenſeit zu verlegen, da ſie dieſſeits ſich nicht auffinden laſſen will. Der Stoicismus hat zwar noch ein dieſſeitiges Jen - ſeits: nämlich die innere Zufriedenheit, die dem Menſchen unent - reißbar ſei, wenn er auch von äußerem Unglück überall betroffen wird. Aber das Proletariat, den Hunger kennt das Alterthum nicht; die Arbeit war an Sklaven vertheilt, welche von ihren Herren ſchon aus deren eigenem Vortheil gut ernährt wurden, damit dieſe nicht an ihrem Eigenthum, der Arbeitskraft des Skla - ven, Schaden litten. Auch im Mittelalter hatten die geſchloſſenen Zünfte und der Zufluchtsort der Klöſter jenen Erbfeind der Menſchheit zu entfernen gewußt. Nachdem aber in den letzten Jahrhunderten die Selbſtſtändigkeit des Einzelnen an die Spitze der Europäiſchen Bildung geſtellt und die Staatswirthſchaft ge - gründet worden war, iſt die eigene Sorge eines Jeden für ſeine64 Selbſterhaltung ſehr in den Vordergrund getreten. Jſt dieſelbe nun nicht in dieſem Leben zu erlangen, ſo tritt ſie in jenem Le - ben ein. Der Arme kommt darum eher ins Himmelreich, als der Reiche, weil er an ſeinen Duldungen ſich einen Schatz im Jenſeit errungen. Nicht nur ſeine Arbeit, auch ſeine Thräne wird ihm vergolten. Die Frage nach Feſtſetzung aller Werthe, welche die Staatswirth - ſchaftslehrer nicht löſen konnten, iſt gelöſt. Vollkommene Vergel - tung, vollkommene Gleichheit iſt vorhanden. Die Entbehrung der irdiſchen Güter iſt eine Anweiſung auf die himmliſchen. Aber wie iſt es, wenn auch hier das Creditſyſtem nicht auf ſicherer Grundlage beruht? Werden die in dieſer Welt gezogenen Wechſel in jener angenommen? Und woher kommt es, daß die Prieſter, welche doch vorzugsweiſe auf die himmliſchen Güter Anſpruch haben, doch ſich die Güter dieſer Welt ganz wohl gefallen laſſen, ohne zu fürchten, daß ſie in jenem Leben zu kurz kommen? Dem Armen gegenüber befolgen ſie ihre eigene Lehre nicht. Das iſt die Lüge jener Löſung. Die Vertröſtung auf ein anderes Leben iſt ein Hirngeſpinnſt. Wir wollen hier nicht die Haltbarkeit oder Unhaltbarkeit eines ſolchen Daſeins ſeiner innern Möglichkeit nach unterſuchen. Aber innerhalb des Staats wenigſtens gehört dieſer Glaube nicht hin, die Staatswirthſchaft iſt nicht überfliegend, weil damit alle Niederträchtigkeit, alle Tyrannei, alle Unter - drückung ihre Rechtfertigung fände. Die Unterdrücker im Staate können dann ſogar als die Werkzeuge der Vorſehung angeſehen werden, welche dem Menſchen auf Erden Unglück zu bereiten ha - ben, damit er dermaleinſt der ewigen Seligkeit genieße, nachdem er in der Prüfungszeit die Hiebe der Geißeln Gottes empfun - den habe.

Ein Land kenne ich zwar, wo auch auf dieſer Erde die Widerſprüche der Staatswirthſchaft nicht das Elend zur Folge ge - habt haben. Es iſt Amerika, das Land jenſeits des Meeres. Hier hat die Arbeit den Genuß zum ſicheren Lohn. Dies kommt daher, weil die Bevölkerung eben im Verhältniß zum Boden noch gar nicht übermäßig ſteigen kann, und ein Theil der Arbeit noch durch Sklavenhände verrichtet wird, die Arbeitskraft der Freien aber im Verhältniß zur Nachfrage immer noch ſelten iſt. Die Bevölkerung vermehrt ſich zwar auch ſtets durch neue Ankömm -65 linge aus Europa, aber der ungeheure Reichthum der Naturer - zeugniſſe genügt noch immer für dieſe ſteigende Bevölkerung; und dieſe hat noch lange nicht die Höhe erreicht, wo ſie wie in Eu - ropa durch Ueberfülle Elend ſtiften könnte. Dem Credit und dem Capital iſt es daher dort noch nicht gelungen, den Arbeiter dienſt - bar zu machen und zu Grunde zu richten. Die Arbeit hat viel - mehr bisher den Sieg davon getragen; und jene ſind oft daran zu Grunde gegangen. Der Arbeitslohn iſt wegen der Seltenheit der Hände daſelbſt ſehr hoch. Jeder, der da nur arbeiten will, findet Arbeit. Die Arbeit bezahlt ſich ſelbſt, weil Riemanden der Boden fehlt. Amerika hat ſo in der Arbeit und Gleichheit ſein Glück geſucht. Jn Amerika ſchreiten Waaren-Erzeugung und Be - völkerung gleichmäßig vorwärts. So hat dies Land ſich weder nach einem Jenſeits der Erde, noch nach einem Jenſeits der Staatswirthſchaft umzuſehen brauchen, um das irdiſche Glück, das Ziel der Staatswirthſchaft, für Alle zu erreichen. Aber in man - chen Theilen Amerika’s beginnt bereits die Annäherung an Europäiſche Verhältniſſe. Jn den nördlichen Staaten, die ohne Sklaverei ſind, fängt das Fabrikweſen bereits an, ein Proletariat zu erzeugen; der Arbeitslohn beginnt zu ſinken, und das Eigenthum, der Gott Amerika’s, den jetzt noch alle gleichmäßig erringen können, wird bald auch zu einem Vor - recht eines Theils werden. Dann wird Amerika die Löſung der geſellſchaftlichen Frage auch bei ſich verſuchen müſſen, wie es jetzt dieſſeits das Weltmeeres geſchieht.

Um dieſe Löſung möglich zu machen, ſind nun in Europa viele Lehren aufgeſtellt worden, welche an die Stelle eines jenſei - tigen Hirngeſpinnſtes, an die Stelle einer Auswanderung nach einem dieſſeitigen Jenſeits ein dieſſeitiges Traumbild ſtellten, dabei aber den Grundſatz der Volkswirthſchaft, die Freiheit des Einzellebens, weil es eben die Quelle aller Widerſprüche war, an der Wurzel verletzten. Das ſind die unter dem Namen Communismus oder Socialismus berüchtigt gewordenen Lehren. Die wahrhafte - ſung muß jene freie Grundlage der Staatswirthſchaft allerdings im Auge behalten, zugleich aber nicht verkennen, was für eine Wahrheit auch in dieſen ſo verſchrieenen Hirngeſpinnſten ent - halten ſei.

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2. Die Gemeinſchaft und das Vereinsleben.

Während im Alterthum die Arbeiter durch den Arbeitgeber ernährt wurden, weil ſie ſeine Sklaven waren, und deshalb weder der Arbeit die Ehre der Freiheit zukam, noch ſie den Reich - thum zur Folge hatte: ſehen wir das Mittelalter ſchon den Schritt weiter thun, daß die freien Arbeiter ſelbſt unter einander für ihr Wohl ſorgen. Aber die Veranſtaltungen, welche getroffen wurden, damit der Arbeiter ſeinen genügenden Lohn finde, ſind ebenſo wenig mit der Freiheit der Arbeit verträglich, als ſie die Ent - wickelung des Gewerbfleißes befördern konnten. Die Zünfte waren geſchloſſen. Es wurden nur ſo viel Meiſter aufgenommen, als der Arbeitszweig Meiſter ernähren konnte. Da jeder ſein ſicheres Brod hatte, brauchte er ſich nicht anzuſtrengen, ſich vor Andern auszuzeichnen und ihnen den Rang abzulaufen. Die Concurrenz verſchwand, und ſomit ſchwang der Erfindunsgeiſt ſich nicht bis zu der Höhe, die er jetzt erreicht hat. Das Hand - werk, die Kunſt und die Wiſſenſchaft blieben ſtehen. Denn das Zunftweſen ergriff auch die höheren edleren Beſchäftigungen; und in der Wiſſenſchaft haben ſie ſich ſogar noch bis in die Gegen - wart erhalten. Durch die Eheloſigkeit der Prieſter, durch die Keuſchheitsgelübde der geiſtlichen Orden wurde die übergroße Steigerung der Bevölkerung, wenn auch auf Koſten der Sittlich - keit, verhindert; und wenn dennoch Ueberfluß an Arbeitskraft vorhanden war, ſo ſorgten die Klöſter für den Hungrigen, und ließen kein Proletariat entſtehen.

Zu jenen zwei Gedanken: einer Gliederung der Arbeit in der Familie (denn der Sklave gehört der Familie an) und in dem Stande durch die Zünfte, trat bald der umfaſſende Plan hinzu, den Staat eine ſolche Gliederung im Ganzen unternehmen zu laſſen; wodurch allerdings der Freiheit des Einzelnen alle Ent - wickelung entzogen, und alle Macht und alle Thätigkeit dem Ge - ſammtleben übergeben wird.

Der erſte Verſuch der Art iſt im Alterthum die Plato - niſche Republik. Sie ging von dem richtigen Grundſatz aus, daß die Gliederung der Arbeit nicht dem Zufall überlaſſen werden müſſe, ſondern der Einſicht; ein Grundſatz welcher durch Sokrates aufgeſtellt worden war. Dieſe Einſicht ſoll wie -67 der nicht die zufällige Einſicht eines einzelnen Menſchen ſein, ſondern die Einſicht des ganzen Staates oder ſeiner Lenker. An der Spitze des Staats ſollen nämlich nach Plato die Wiſſenden ſtehen, welche die verſchiedenen Naturen nach ihren Gaben den verſchiedenen Ständen: der Wiſſenden, der Krieger und der Arbeiter (Handwerker und Ackerbauer), zutheilen. Auch die Weiber werden dieſen drei Ständen von den Lenkern zuge - theilt, welche ſelbſt Zeit und Perſonen der ehelichen Verbindung beſtimmen. Als Lohn der Arbeit, die Jeder verrichtet, geben ihm die Wiſſenden das für die Befriedigung ſeiner Bedürfniſſe Noth - wendige. Es iſt der erſte auf Gemeinſchaft gegründete Vorſchlag eines Staatslebens, von dem wir wiſſen. Die Kinder werden den Eltern genommen und öffentlich erzogen, ſo daß Niemand ſeine Eltern kennt. Alle jungen Leute eines gewiſſen Alters ſehen die älteren eines gewiſſen Alters als ihre Väter und Mütter an. So wird, meint Plato, die Liebe und Brüderlichkeit das ganze Volk durchdringen, und auch über Mein und Dein kein Streit mehr ſein, wie es edlen und guten Männern ziemt.

Die Gewohnheit des Einzellebens war aber ſchon zu ſehr erſtarkt, als daß es ſich eine ſolche Verletzung gefallen laſſen konnte gerade von einer Richtung, die, als von der Einſicht aus - gehend, daſſelbe vielmehr hätte hervorheben ſollen. Und weil ſo die Einſicht vom Einzelnen nur auf das Ganze übertragen wurde, ſo erreichte der Platoniſche Staat gar nicht das, was er wollte, den Aufſchwung der geiſtigen Freiheit im Gegenſatz zur ſelbſtſüch - tigen Willkür der damaligen Staatsführer. Denn die Freiheit des Einzelnen muß ſelbſt ein geſundes, dem Staatsleben einge - gereihetes, nicht von ihm ausgeſchloſſenes Glied ſein. Das ver - fehlte Plato. Und ſo beweiſt ihm ſchon Ariſtoteles, daß er gerade das Gegentheil von dem hervorbringe, was er bezwecke. Denn wenn Niemand ſeine Eltern und Kinder kenne, ſo entſtehe dadurch Verwandtenmord, Blutſchande u. ſ. w. Und wenn Niemand Eigenthum habe, ſo falle damit auch der ſittliche Gebrauch deſſel - ben zum Wohle Anderer, ja der Stachel zur Arbeit fort. Als daher Plato von mehreren Staaten Griechenlands den Auftrag er - hielt, ihnen eine Staatsverfaſſung zu geben, ſo ſcheiterte die Aus - führung an dem Aufgeben des freien Eigenthums, das er ihnen5*68zumuthete. Die leibliche Sklaverei eines Theils der Staatsein - wohner wollte Plato abſchaffen, ſetzte aber die geiſtige Sklaverei aller an die Stelle.

Wie Plato’s Hirngeſpinnſt dem Sklaventhum des Alter - thums abhelfen ſollte, ſo entſtand aus den Bewegungen der Luther’ſchen Kirchenverbeſſerung ein neues Jdeal, welches, aus ähn - lichen Freiheitsgedanken, wie die Sokratiſchen, entſprungen, auch einen ähnlichen Jnhalt hatte. Der Unterſchied lag nur darin, daß es nicht mehr der Sklaverei des Alterthums, ſondern dem Zunftzwange des Mittelalters entgegentrat. Sowohl unter Bauern als Handwerkern hatte ſich der Gedanke eines neuen ge - ſellſchaftlichen Lebens, einer gleichen Theilung der Güter, einer Gemeinſchaft der Weiber verbreitet. Das Ergebniß ſolcher Lehren waren einerſeits der Bauerkrieg, andererſeits das Entſtehen mehre - rer religiöſer Sekten, namentlich der Wiedertäufer. Karlſtadt, Thomas Münzer und Johann von Leyden waren die hauptſächlichſten Perſönlichkeiten, an die ſich dieſe neuen Bewe - gungen lehnten. Es ſollte dies die Verwirklichung der chriſt - lichen Lehre von der allgemeinen Brüderſchaft aller Menſchen ſein, und damit die von Luther errungene religiöſe Freiheit ins ge - ſellſchaftliche Leben übergeführt werden. Ein Chriſt, ſagten die Wiedertäufer, ſoll keine Obrigkeit haben, denn die Diener des Wortes; ein Chriſt ſoll nichts Eigenes haben, ſondern wo man eine Brüderſchaft hat, ſeine Güter zu gemeinſamem Gebrauche geben. Dieſe Brüderſchaft der freien Gemeinde Gottes hatte ſich ledig - lich auf ſich ſelbſt geſtellt, um ein neues Reich der Welt zu begründen, in welchem einzig und allein die Frommen und Unſchuldigen regieren ſollten. Jndem der Prieſter aber dann der Leiter dieſer freien Ge - meinde ſein ſollte, zeigten die Wiedertäufer, daß ſie noch auf dem religiöſen Boden ſtehen geblieben ſind, das Laienthum noch nicht überwunden haben, und die freie Bewegung des Einzelnen für die Bewerkſtelligung ſeines Wohls noch nicht zum Grundſatz er - heben konnten. Aus dieſem Grunde ſcheiterte damals noch das Weltlich-Werden der religiöſen Bewegung: doch entſpann ſich daraus der merkwürdige Gedanke, daß jedes Handwerk ein öffent - liches, dem Ausübenden vom Staat übertragenes Amt ſei; wor - aus alſo folgt, daß jeder Handwerker, wie der Beamte, Gehalt69 aus öffentlichen Staatskaſſen erhalten müſſe. Umgekehrt erſcheint als die Vollendung der geſellſchaftlichen Frage, daß der Unter - ſchied eines Beamten und Nichtbeamten vielmehr auf die Weiſe wegfalle, daß Keiner mehr vom Staate beſoldet, ſondern durch die freien Genoſſenſchaften der bürgerlichen Geſellſchaft für ſeine Ar - beit entſprechenden Lohn finde.

Wie aus der wiſſenſchaftlichen und religiöſen Freiheit, ſo hatte ſich aus der ſtaatlichen, welche in der franzöſiſchen Umwäl - zung zum Durchbruch kam, eine neue Gemeinſchaftslehre entwickelt. Die franzöſiſche Verfaſſung von 1793 hatte den Grundſatz der Gleichheit aller Menſchen an die Spitze der Ge - ſellſchaft geſtellt. Jndem dieſe Gleichheit aber nicht als die in - haltsvolle Gleichheit gefaßt wurde, wonach jeder für den Werth ſeiner Arbeit den entſprechenden Lohn fände, ſondern als die leere Gleichheit, entſtand die Gleichheit der Schreckensherrſchaft, wo das Fallbeil alle Unterſchiede aufhob. Babeuf’s Lehre enthielt folgende Hauptſätze: daß die Natur jedem Menſchen ein gleiches Recht auf den Genuß aller Güter gegeben; daß die Arbeiten und die Genüſſe in der Geſellſchaft gemeinſchaftlich ſein müßten; daß Niemand ohne Verbrechen ſich die Güter des Bodens oder des Gewerbfleißes ausſchließlich habe aneignen können, da der Boden Niemanden, die Früchte der Erde aber Allen gehörten; daß es in einer wahren Geſellſchaft weder Reiche noch Arme geben dürfe, und daß der Zweck der Staatsumwälzung der ſei, die Ungleichheit zu vernichten und das gemeinſame Glück herzu - ſtellen. Dieſe Lehre hatte den Gedanken des Gewerbfleißes noch nicht hervorgehoben, erkennt die Landwirthſchaft als den höchſten Beruf des Menſchen an, hebt jeden Unterſchied der Menſchen, der ſich auf Talent gründet, auf, und läßt keine Obrigkeit, als die Theilungs-Obrigkeit beſtehen, welche die allgemeinen Erzeug - niſſe des Volks ſammelt und ihren Umlauf beſtimmt. Hierbei aber, fragt ſchon Ariſtoteles, was hilft es, die Güter gleich zu machen, wenn die Begierden es nicht ſind? Dieſe erzeugen in jedem Augenblick die Ungleichheit wieder.

Wiewohl die Gemeinſchaftslehrer der erſten franzöſiſchen Staatsumwälzung an den mit dem Directorium beginnenden Um - ſch wung der öffentlichen Meinung in der Wirklichkeit Schiffbruch70 gelitten hatten, ſo waren ihre Anſichten darum doch nicht im Jnnern der Geſellſchaft unterdrückt. Ein Hauptverfechter dieſer Lehre, Buona - rotti, hatte zwanzig Jahre ſpäter, während der Wiederherſtellung der Bourbonen, eine Schrift über die mißglückte Verſchwörung Babeuf’s herausgegeben; und an ihr entzündete ſich eine neue Gemeinſchaftslehre nach der Juli-Umwälzung, die endlich Cabet in eine beſtimmtere Form brachte. Die Gemeinſchaft der Güter, der Arbeit und der Erziehung nimmt auch er als die Grundlagen der neuen Gliederung des Geſell - ſchaftszuſtandes an, verwirft aber die Gemeinſchaft der Weiber, indem er die Abſchaffung der Mitgift, die vollkommene Rechtsgleichheit der Geſchlechter und die Möglichkeit der Scheidung für genügende Mittel hält, um die Mißſtände der jetzigen Ehe zu beſeitigen. Auf die Frage ſeiner Schüler, was das eigentliche Weſen ſeiner neuen Geſellſchaft ſei, antwortete er: die Brüderſchaft. Jn Jkarien, wie Cabet das Land ſeines Jdeals nannte, wird jedes Haus nebſt Hof und Garten von Einer Familie bewohnt. Von den vier Malzeiten werden zwei, der Morgenimbiß und das Frühſtück, in der Werkſtatt genommen; die dritte findet in Gemeinſchaft beim Staats-Koch ſtatt; die vierte, das Abendeſſen, wird in der Fa - milie eingenommen. Jn gewiſſen Fällen erlaubt Cabet jedoch auch zu Hauſe in ſeiner Familie zu eſſen, was vom Staats-Kellner aufgetragen wird. Am Sonntag iſt jeder Mann frei; er ſpeiſt, wo er will. Jeder iſt öffentlicher Arbeiter, und arbeitet auf Rechnung des Staats, der Niemanden bezahlt, aber jeden nach deſſen Bedürfniſſen und nach Maßgabe der geſellſchaftlichen Hülfs - mittel verſorgt, wie ein Familien-Vater ſeine Kinder. Cabet ſchafft überall die Unbeweglichkeit, und verbannt das perſönliche Eingreifen und Belieben; er ſchreibt die Unwandelbarkeit der Klei - dung, die Einförmigkeit der Geräthſchaften, die Gleichzeitigkeit der körperlichen Uebungen, u. ſ. w. vor. Es giebt in Jkarien nur Eine Gemeinde -, Eine Kreis - und Eine Staats-Zeitung. Cabet verbannt den Luxus. Die Frauen ſollen künſtliche Federn tragen, die Diamanten durch Glaswerk erſetzt werden. Die reichen Tep - piche, die koſtbaren Geräthſchaften, Pferde und Wagen ſollen dem Staate gehören.

Die Gemeinſchaft iſt die übertriebene Lobpreiſung des Staats, die Verherrlichung der Polizei, indem für jede geſellſchaftliche71 Thätigkeit der Geſammt-Menſch an die Stelle des Einzelnen ge - ſetzt wird. Das Hirngeſpinnſt der Gemeinſchaft iſt das Gegen - ſtück zum ſelbſtſüchtigen Eigenthumsſchlendrian. Jn der Gemein - ſchaft ſind die Menſchen nicht beſſer, als Auſtern; ſie hangen an dem Felſen der Brüderſchaft ohne Thätigkeit und Empfindung. Die Dictatur beherrſcht Alles. Wenn alle Menſchen durchaus gleich ſein ſollen, warum lebt dann mehr als Ein Paar? Die Freiheit macht dieſer künſtlichen Lehre einen Querſtrich. Die Per - ſönlichkeit wird von dem Staatsganzen verſchluckt, und die Men - ſchen werden zu bloßen Schaupuppen oder Buchdrucker-Abzügen herabgeſetzt, und ſo ein Elend anderer Art erzeugt. Cabet ſelbſt fühlte dies, indem er Ausnahmen von der Gemeinſchaft geſtattete. Aber die Gemeinſchaft widerſpricht ſich auch in ſich ſelbſt. Denn wenn Jedem nach ſeinem Bedürfniß, nach den Hülfsmitteln des Staats ſein Antheil gegeben wird, ſo iſt dieſe Vertheilung ſelbſt das Aufheben der Gemeinſchaft, und das Eintreten der Un - gleichheit.

Dieſe Vertheilung, dieſe Ungleichheit kann von der Gemein - ſchaftslehre nicht geläugnet werden; die Saint-Simoniſten gehen alſo davon aus. Sie wollen das Eigenthum der Lebenden nicht aufheben; ſie wollen nur, beſonders nach den ſpäteren Darſtellun - gen der Lehre, daß es nicht auf die Erben übertragen werde. Der Staat iſt alſo der einzige Erbe alles Eigenthums. Die Ungleichheit der äußern Güter durch die Geburt wollen die Saint - Simoniſten alſo nicht zulaſſen. Die Ungleichheit des Talents, die doch auch durch die Geburt gegeben iſt, erkennen ſie aber an, während Cabet ſtreben muß, ſie zu verwiſchen. Außer dem Talente iſt dann auch noch die Arbeit eine Quelle der Ungleichheit; denn der Eine arbeitet mehr, der Andere weniger. Saint-Simon ſtellte ſo an die Spitze ſeiner Lehre den Satz: Jedem nach ſeinen Fähigkeiten, jeder Fähigkeit nach ihren Werken. Dies Hervorhe - ben der alleinigen Berechtigung der Arbeit iſt das ganz Richtige. Alle Menſchen ſollen ſich auſehen als Arbeiter in Einer gemein - ſamen Werkſtätte. Die Vereinigung und Vergeſellſchaftung aller Menſchen und Stände in der Arbeit wurde als der lebendige, in der Menſchheit wohnende Gott angeſehen. Wer nicht arbeitet, wurde als eine Laſt der Geſellſchaft, als der müßige Eigenthümer 72 betrachtet, der durch Entziehung der allgemeinen Achtung beſtraft werden müſſe. Der zweite Hauptgrundſatz der Saint-Simoni - ſten war daher: Alles durch, Alles für den Gewerbfleiß. Der König muß der erſte Gewerbtreibende des Staats werden, ſagte Saint-Simon; und dadurch, daß er den Staat zum Leiter alles Gewerbfleißes machte, wollte er die möglichſt ſchnelle Verbeſſe - rung der zahlreichſten und ärmſten Klaſſe der Geſellſchaft herbei - führen. Das wahre Chriſtenthum, das neue Chriſtenthum, das er predigte, beſtand nach ihm darin, daß die Menſchen nicht allein im Himmel, ſondern auf Erden glücklich gemacht würden. Die zu löſende Aufgabe war nur die, wie jeder durch ſeine Arbeit und durch ſeine Fähigkeiten zu dieſem irdiſchen Glücke gelan - gen könne.

Dieſer Zuſammenhang wurde beſonders nach Saint-Simons Tode von ſeinen Schülern genauer aufgeſucht. Der Fähigſte unter Allen ſollte der Vater ſein, der alſo an die Stelle des Königs oder Papſtes trat, und deſſen wichtigſte Aufgabe die ſein ſollte, allen anderen Fähigkeiten in der Geſellſchaft ihren Platz zu beſtimmen, und danach die Arbeit und durch eigene dazu ein - gerichtete Banken das gemeinſame Eigenthum zu vertheilen. Mit dem Eigenthum als einem vom Vater auf den Sohn über - gehenden Beſitze hoben die Saint-Simoniſten denn auch die Fa - milie auf. Das Weib trat in der Lehre Enfantin’s von ihrer Emancipation als ein dem Manne gleiches Weſen auf, während der Meiſter ſelbſt nur ſagte, die Frau muß Antheil am Völker - leben haben. Wie ſchon bei den bisherigen Gemeinſchaftslehrern, war auch hier jeder Arbeiter ein Staatsdiener, und das Amt wurde nun bei den Saint-Simoniſten durch das Paar geübt, deſſen Mitglieder aber wechſeln konnten, wodurch die Beſtändig - keit der Ehe aufgehoben und die Freigebung des geſchlechtlichen Verhältniſſes eingeführt werden ſollte; und an dieſer Lehre ſchei - terte dann der Saint-Simonismus.

Wir können nicht läugnen, Saint-Simon hat; durch dieſe Vertheilung des Ueberfluſſes der Müßigen an die bedürftigen Ar - beiter, die geſellſchaftliche Frage auf ſeine Weiſe gelöſt. Alle Ar - beitskräfte ſind beſchäftigt, ſie erhalten den verdienten Lohn, die unnützen Drohnen ſind aus dem Kreiſe der fleißigen Bienen ent -73 fernt, und das leiblicher Wohl Aller iſt geſichert. Aber hier iſt es Zeit zu ſagen, der Menſch lebt nicht vom Brod allein. Jn - dem auch hier alle Thätigkeit in den Staat, in die Geſammtheit fällt, ſo iſt der Einzelne zwar keine Maſchine mehr, wie bei Cabet; aber ein Kind bleibt er dem Vater gegenüber, und ganz abgeſehen von der Verletzung des Eigenthums, iſt auch hier der Freiheit des Einzelnen nicht genügende Rechnung getragen. Wie im Platoniſchen Staate, beſtimmen die Herrſcher den Stand der Einzelnen, mit Ausſchluß der freien Wahl. Jn dem Sohne kommt die Perſönlichkeit des Vaters zu einem über den Tod hin - ausreichenden Daſein, und auch dieſe Unendlichkeit der Perſon wird in dem Abſchneiden der Erbſchaft aufgehoben; außerdem, daß alles Eigenthum in todte Hand geräth, und dadurch, wie die Erfahrung lehrt, viel träger wird.

So tritt uns Fourier an die Stelle der Saint-Simoniſten, der, indem er das Eigenthum durch die Erbſchaft beſtehen ließ, nicht mehr als ein Gemeinſchaftslehrer gelten kann, ſondern zu den Vereinslehrern gerechnet werden muß. Auch er ging davon aus, wie die Saint-Simoniſten, eine Anweiſung zum Glück zu geben, das er in dem Einklang der Triebe und ihrer Befriedigung erblickte; und da er den Trieb Anziehung, ſeine Be - friedigung die Beſtimmung des Menſchen nennt, ſo ſtellt er als oberſten Grundſatz des Glücks auf, daß Anziehung und Beſtim - mung in harmoniſchem Verhältniſſe ſtehen müſſen. Den Reihen der menſchlichen Triebe ſollen hierbei immer die Reihen der vor - zunehmenden Arbeiten entſprechen; und Fourier hat hier den ſehr richtigen Gedanken ausgeſprochen, daß der Menſch durch die Ar - beit den Gegenſatz des Geiſtes und der Natur überwindet, darin ſeine wahre Freiheit darſtellt und ſein Einzelleben in Einklang mit dem Leben des Alls bringt. Dieſen Gedanken, der in der Natur in ſeiner vollen Wahrheit daſteht, läßt Fourier aber auch in der menſchlichen Geſellſchaft in ſolcher Unbeſchränktheit ſtehen, daß damit eben die Freiheit des Einzelnen unverträglich erſcheint. Die menſchlichen Triebe ordnet er in Reihen und Gruppen ein. Jede Gruppe habe wieder ihre Unterabtheilungen, wie z. B. der Bienenbau eine ſolche Unterabtheilung im Ackerbau ſei. Die Gruppe ſei freiwillig gebildet durch mehrere Arbeiter, welche der74 Geſchmack um Eine Arbeit zuſammenrufe; das ſei der Kern der geſellſchaftlichen Werkſtätte. Die Reihe ſei eine Verbindung mehrerer Gruppen verwandter Arbeit, um ihre Anſtrengungen zu verbin - den; das ſei die Abtheilung der Werkſtätte.

Dem Beſtändigkeitstriebe ſetzt Fourier einen Veränderungs - trieb entgegen. Aus dem einen will er die dauernde Ehe, aus dem andern den Wechſel für zuläßig erklären; und wie es einen Trieb gebe, der beide Richtungen zu verbinden trachte, ſo wollte er auch neben der feſten Ehe den Wechſel in dem geſchlechtlichen Verhältniſſe zulaſſen. Die gemeinſame Zeugung zweier Kinder ſoll zum Titel der Gatten berechtigen, ohne daß ein aus geringe - rer Beſtändigkeit in der Liebe hervorgegangenes Verhältniß dadurch gleichzeitig für dieſelbe Perſon ausgeſchloſſen ſei.

Alle Reihen und Gruppen, die einem beſondern Gewerbzweig mit ſeinen Unterabtheilungen angehören, faſſen ſich zuſammen. Jeder Arbeiter wählt darum nach ſeiner Anziehung (oder Leiden - ſchaft) die Reihe und Gruppe, der er angehören will, damit die Arbeit ſelbſt für ihn ein Genuß ſei. Er wechſelt, um dieſen Genuß immer zu erzielen, und geht von einer Thätigkeit zur an - dern über, wie er nach Belieben zur ſelben Thätigkeit zurückkehrt. Eine Vielheit von Arbeitern in jeder Gruppe und Unterabthei - lung erhält die Nacheiferung wach. Die verſchiedenen Arbeits - zweige faſſen ſich zu einem Vereine von etwa zwei tauſend Per - ſonen zuſammen, welcher die Phalanx genannt wird, und auf einem Landſtrich von etwa einer Quadratmeile ein großes gemeinſchaft - liches Gebäude, das Phalanſterium, bewohnt, worin die geglie - derte Arbeit die verbindende Kette des ganzen geſellſchaftlichen Lebens ausmacht. Das Phalanſterium iſt ſchöner, als alle bis - her bekannten Wohngebäude; und die Wohnungen für ſämmt - liche Familien des Vereins, die es enthält, werden ſich viel wohl - feiler herſtellen laſſen. Der Mittelpunkt des Gebäudes dient den gemeinſchaftlichen Eßſälen, der Börſe, den Rathszimmern, der Bi - bliothek, zum Studiren u. ſ. w. Auch befindet ſich daſelbſt die Kirche, der Telegraph, die Brieftauben, die Sternwarte u. ſ. w. Jn dem einen Flügel des Gebäudes ſind die geräuſchvollen Werk - ſtätten angelegt, im andern die Tanzſäle, das Theater und der - gleichen. Greiſe und Kinder haben in den verſchiedenen Stock -75 werken beſondere Wohnungen. Bedeckte Galerien, welche das ganze Gebäude umlaufen, dienen auf’s Bequemſte zum innern Verkehr der Bewohner unter einander. Dieſe Galerien können im Winter geheizt, im Sommer gelüftet werden.

Die Verwaltung denkt ſich Fourier ſehr einfach. Das Pha - lanſterium leitet der Unarch, über Millionen Phalangen gebietet ein Donarch; der Vorſteher aller Phalangen auf der ganzen Welt heißt Omniarch, und er müßte, nach Conſiderant’s Vorſchlag, in Conſtantinopel ſeinen Sitz haben. Den Völkerbund des gan - zen Erdballs haben nach Bernardin de Saint Pierre und Kant die Saint-Simoniſten und faſt alle Vereinslehrer gefordert. Die Verwaltung jedes einzelnen Phalanſteriums vermiethet die einzelnen Wohnungen nach dem Bedürfniß der Mitglieder, da die Ungleich - heit des Einkommens und des Vermögens nicht aufgehoben iſt. Der Vortheil der Vergeſellſchaftung liegt am Tage. Wenn zweitauſend Menſchen eine gemeinſchaftliche Küche haben, ſo wird durch geringeres Perſonal, gemeinſchaftlichen Einkauf u. ſ. f. eine größere Wohlfeilheit und Reichhaltigkeit erzielt, als bei der Ein - zelwirthſchaft möglich iſt. Ebenſo wird es mit den Befriedi - gungen der andern Bedürfniſſe ſein. Am Abend kehrt Jeder zur Erholung in den Schooß ſeiner Familie oder in den Geſellſchafts - ſaal zurück, und zu den übrigen Genüſſen, welche das Phalanſte - rium darbietet. Auch der Handel mit den gemeinſchaftlich ge - wonnenen Erzeugniſſen iſt gemeinſchaftlich; und der Ueberſchuß wird am Ende der Jahresrechnung nach Abzug der Unterhal - tungskoſten vertheilt, und zwar ſo, daß dabei nach dem dreifachen Maaßſtabe des Capitals, der Arbeit und des Talents verfahren wird, indem bei der Vertheilung der gewonnenen Maſſe der, wel - cher Capital eingelegt hat, $$\frac {4}{12}$$ , die Arbeit aber $$\frac {5}{12}$$ , und das Ta - lent $$\frac {3}{12}$$ empfängt. Ein Mindeſtes des Erwerbes müſſe aber Je - dem gewährleiſtet werden, und zwar ein ſolches, welches mit ſeiner Arbeit im Verhältniß ſtehe.

Aber auch dieſes Hirngeſpinnſt trifft derſelbe Vorwurf, dem alle bisherigen ausgeſetzt waren. Jm Phalanſterium wird in Ge - meinſchaft ohne perſönliche Jnitiative gearbeitet, weil es anſtatt der Eigenthümer nur noch Actien-Jnhaber, anſtatt der Unterneh - mer nur noch einfache Arbeiter, anſtatt der Sänger nur Choriſten76 giebt. Die Wohnung iſt gemeinſam, die Haushaltung gemein - ſam, die Mahlzeiten, die Fourier bis auf ſieben ſteigert, ſind ge - meinſam, trotzdem daß Privatgemächer geduldet werden. Die Ehe iſt der Willkür überlaſſen, allen Zufällen des Meineids und der Unbeſtändigkeit ausgeſetzt. Fourier will die Arbeit durch Wechſel anziehend machen, ſie trägt aber in ſich ihren Reiz; Sammlung iſt ihr Bundesgenoſſe, Zerſtreuung ihr Todfeind. Andere Hirn - ſpinner zerſtören die Städte, vereinzeln die Familien auf der gan - zen Erde. Noch andere ziehen vor, die Bevölkerung in großen Hauptſtädten aufzuhäufen, von wo Schwärme von Arbeitern ſich mit der Locomotive auf alle Punkte des Landes ergießen. Viele Vereinslehrer älterer und neuerer Zeit haben Aehnliches aufge - ſtellt. Jch führe nur unter den Engländern Owen, welcher die Verantwortlichkeit der Menſchen aufheben will, indem er ihre Ver - brechen dem ſchlechten Zuſtande der Geſellſchaft zurechnet: unter den Deutſchen Weitling an, welcher den Staat in die Ge - ſellſchaft verſchwinden und in einer vollkommenen Geſellſchaft keine Regierung, ſondern nur eine Verwaltung beſtehen laſſen wollte. Alle dieſe Lehren ſind in den Büchern ihrer Urheber vergraben geblieben, jeder Verſuch, an die rauhe Luft des Daſeins zu treten, iſt jämmerlich geſcheitert; und ſelbſt das Phalanſterium hat es nur zu ſehr vereinzelten, und meiſt mißglückten Verwirklichungs - anſtrengungen bringen können.

Die Gliederung der Arbeit, welche Saint-Simon, Fou - rier und die Anderen anſtrebten, iſt nun von Louis Blanc zum ausgeſprochenen Ziel ſeiner ganzen Thätigkeit gemacht wor - den; und der Verſuch zu ihrer Verwirklichung, indem er an einem großen Volke hatte ausgeführt werden ſollen, verdient ſo zuletzt noch unſere Aufmerkſamkeit, indem das Scheitern auch dieſes Un - ternehmens eben den Fehler deſſelben am Schlagendſten offen le - gen wird, um daraus das Ergebniß für die Löſung der geſell - ſchaftlichen Frage zu ziehen, die nur durch Vermeidung jener Fehler vor ſich gehen kann.

Zu ſeinen beiden unmittelbaren Vorgängern, Saint-Simon und Fourier, verhält ſich Louis Blanc ſo, daß, während jener alle Thätigkeit vom Staate ausgehen läßt und dieſer ſie an die Ge - meinde knüpft, Louis Blanc die Mitte hält. Wenn der Verein77 der Gemeinde mich zwingt, ſo iſt das um nichts beſſer, als wenn der Staat es thäte. Louis Blanc wollte ſich daher nur vor - läufig der Hülfe des Staats bedienen, bis die Gemeinden und Vereine ſelbſt zur Einſicht ihrer Stärke gekommen wären, und das Geſammtleben dem Einzelleben vorzögen: Die Regierung müßte als die höchſte Leiterin der Erzeugung betrachtet, und mit einer großen Gewalt verſehen werden, um ihre Aufgabe erfüllen zu können. Dieſe Aufgabe würde darin beſtehen, daß ſie ſich der Waffe der Gewerbefreiheit bediente, um dadurch die Gewerbefrei - heit ſelbſt aufzuheben. Zu dem Ende ſchlägt Louis Blanc vor, daß durch Anleihen der Regierung, als das urſprüngliche Capi - tal, Vereins-Werkſtätten und Fabriken gebildet würden, deren Satzungen durch die Regierung in derſelben Form, wie die Ge - ſetze, zu erlaſſen wären. Jm erſten Jahre würde die Regierung noch die Beamten anſtellen müſſen; ſpäter, wenn die Arbeiter ſelbſt ſich unter einander würdigen gelernt hätten, könnte die freie Wahl an die Stelle der Ernennung treten. Jährlich würde der reine Gewinn berechnet und in drei Theile getheilt: der eine würde in gleichem Verhältniſſe unter die Mitglieder der Geſell - ſchaft vertheilt werden; der zweite diente zur Unterſtützung der Greiſe, der Kranken und der Schwachen, ſo wie auch zur Er - leichterung der Kriſen, welche andere Fabriken betroffen haben möchten, da ſich alle unter einander Hülfe und Unterſtützung ſchuldig wären; der dritte Theil endlich würde dazu verwandt, denen Arbeitsgeräth anzuſchaffen, welche an dem Verein Theil nehmen wollten, dergeſtalt, daß dieſer ſich bis ins Endloſe erwei - tern könnte. Jedes Mitglied würde das Recht haben, über ſeinen Lohn nach ſeinem Belieben zu verfügen; aber die unbeſtrittenen Vorzüge, welche mit einem gemeinſamen Leben verbunden ſind, würden bald aus der Verbindung zum Arbeiten eine freiwillige Verbindung zur Beſorgung der Bedürfniſſe und zum Genuß der Lebensfreuden machen. Die Capitaliſten würden bald ihr Geld einzahlen, der Staat ihnen die Zinſen gewährleiſten; Antheil am Gewinn würden ſie aber nur inſofern in Anſpruch nehmen kön - nen, als ſie zugleich ſelbſt Arbeiter wären. Die Vereins-Werk - ſtätten würden bald den Sieg über die Einzel-Werkſtätten davon tragen. Die Regierung würde die Preiſe feſtſetzen können, der78 Staat ſich allmählig zum Herrn des Gewerbfleißes machen; und anſtatt des Monopols würden wir als erfolgreiches Ergebniß die Niederlage der Concurrenz, die Geſellſchaft erlangt haben. Zwiſchen den verſchiedenen Werkſtätten eines und deſſelben Fa - brikzweiges müßte daſſelbe Geſetz der Vergeſellſchaftung eingeführt werden; denn es würde abgeſchmackt ſein, die Concurrenz zwiſchen Gewerkſchaften fortbeſtehen zu laſſen, nachdem man ſie zwiſchen den einzelnen Vereinen aufgehoben hat. Jn jeder Arbeitsſphäre würde die Regierung daher eine Haupt-Werkſtätte errichten, von welcher alle anderen als ergänzende Werkſtätten abhingen, wie ein Rothſchild in vielen Ländern der Welt Zweighäuſer hat. Die Töchter-Werkſtätten würden nicht mehr unter einander, noch mit dem Mittelpunkt eiferſüchteln. Jndem nach dem erſten Jahre jede Werkſtätte für ſich ſelbſt würde ſorgen können, ſo hätte das Ge - ſchäft der Regierung ſich darauf zu beſchränken, die gegenſeitige Beziehung zwiſchen den Mittelpunkten der Erzeugung von einerlei Art zu erhalten und die Verletzung der gemeinſamen Satzungen zu verhüten.

Nachdem Louis Blanc in dem ſo eben Angegebenen die Grundzüge ſeiner Lehre niedergelegt hat, führt er nun zu ihrer Vervollſtändigung noch Folgendes an: Es muß die gegen - ſeitige Verpflichtung aller Werkſtätten in Einem Gewerb - zweige und der verſchiedenen Gewerbzweige eingeführt werden. Vom reinen Gewinn eines jeden Gewerbzweiges muß eine Summe abgegeben werden, mittelſt welcher der Staat jedem Ge - werbzweige zu Hülfe kommen könnte, der durch unvorhergeſehene und außerordentliche Umſtände in Nachtheil gekommen iſt. Auch wer - den Kriſen weit ſeltener ſein; denn iſt erſt die Concurrenz erſtickt, ſo können ſie nur von Außen kommen. Statt der Diplomatie würde ein Bündnißſyſtem zwiſchen allen Völkern eingeführt wer - den, welches auf den gegenſeitigen Vortheil der arbeitenden Klaſſen in allen Theilen der Welt begründet wäre. An die Stelle der Erfindungspatente und des Monopols würde eine Staatsbelohnung treten, bei der die Entdeckung ſogleich Allen zu gute kommen kann. Der Handel muß in der Mitte zwiſchen dem Arbeiter und Verzehrer ſtehen, der Kaufmann der Geſchäfts - führer der Erzeugung ſein, und alle Gewinne und Verluſte der -79 ſelben mit tragen. Die Erzeugung würde überall ihre Waaren - lager und Niederlagen haben, wo die Bedürfniſſe der Verzehrer ſolches verlangten. Der Credit iſt ein Mittel, dem Arbeiter die Mittel zur Arbeit zu liefern. Die Banken borgen blos den Rei - chen. Der Antheil am Gewinn, welcher der Vergrößerung der gemeinſchaftlichen Werkſtätte unwiderruflich gewidmet iſt, das würde der eigentliche Credit ſein. Wozu würden wir dann noch der Banken bedürfen? Fort mit ihnen!

Von Fourier unterſcheidet ſich Louis Blanc darin, daß er dem Talent nicht erlauben will, ſeine geſetzliche Herrſchaft durch die Höhe des Lohns zu beſtätigen, den ihm die Menſchheit zollen muß, ſondern durch die Größe der Dienſte, welche es ihr leiſten wird. Denn die Ungleichheit der Fähigkeiten, ſagt er, darf nicht eine Ungleichheit der Rechte herbeiführen, ſondern nur eine Ungleich - heit der Pflichten. So will er auch den Unterſchied des Lohns nach der höheren oder niederen Stellung des Arbeiters nur für die erſte Zeit beibehalten, um durch größere Beſoldung einen Be - weggrund zur Nacheiferung und Ermuthigung zu erlangen. So - bald aber eine beſſere ſtaatsbürgerliche Erziehung, welche an die Stelle der heutigen ungeſellſchaftlichen treten muß, die Begriffe und Sitten in dieſem Punkte wird geändert haben, kann dieſe Ungleichheit fortfallen. Doch verſteht es ſich von ſelbſt, daß in allen Fällen der Lohn vollkommen für die Lebensbedürfniſſe des Arbeiters hinreichen müßte. Sorgt die Geſellſchaft dafür, daß jeder Einzelne, der in die Welt tritt, auch ſeinen Fähigkeiten an - gemeſſene Arbeit finde und an dem Geſammt-Capital Antheil nehme: ſo wird die väterliche Vorſorge durch die bürgerliche erſetzt ſein, und man kann ſich ein Familienleben ohne Erblichkeit denken, während bei dem gegenwärtigen Zuſtande der Geſellſchaft aller - dings die Erbſchaft und das Familienleben unzertrennlich ſind. Die Saint-Simoniſten gaben zu, daß ſie mit der Erblichkeit die Familie aufhoben. Die Wahrheit aber iſt, daß das Familien - leben eine natürliche Thatſache iſt, welche nicht vernichtet werden kann, während die Erblichkeit eine geſellſchaftliche Uebereinkunft iſt, die durch den Fortſchritt der Geſellſchaft aufgelöſt zu werden vermag.

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Dieſer Lehre zufolge iſt eigentlich alles Eigenthum abge - ſchafft; es iſt nur Staatseigenthum oder Eigenthum der Geſell - ſchaft. Denn dem Staate gehört allein die Jnitiative; die öffent - lichen Werkſtätten verdrängen die der Einzelnen, deren Gewerbfleiß durch die Concurrenz mit dem des ganzen Volks aufgehoben wird. So ſagt Louis Blanc auch, es ſei armſelig, den Verein auf die Concurrenz zu pfropfen. Der Verein ſei nur ein Fortſchritt, wenn er allgemein werde; die Concurrenz der Einzelnen gegen Einzelne, oder der Geſellſchaften gegen Geſellſchaften bleibe gleich ſchädlich. Die Concurrenz iſt ihm alſo nur der Wetteifer in den öffentlichen Werkſtätten.

Gegen das ſchriftſtelleriſche Eigenthum tritt er nicht minder auf, als gegen das körperliche. Schriftſteller, ſagt er, ſeien keine Handwerker, und müſſen keine materielle Belohnung in Anſpruch nehmen. Der Schriftſteller habe das Recht der Herrſchaft über die Welt, den Umfang des geiſtigen Verbrauchs könne man nicht beſtimmen. Ein gebrauchter Gedanke verſchwinde nicht, ſondern wachſe vielmehr und breite ſich zeitlich und räumlich aus. Wenn man ihm die Welt zum Verbraucher gebe, ſo werde er unerſchöpf - lich wie die Natur, unſterblich wie die Gottheit. Das iſt richtig. Von dem Eigenthum der Gedanken iſt aber noch unter - ſchieden das Recht der Vervielfältigung ihrer ſinnlichen Zeichen. Dieſes Recht iſt nicht, wie der Gedanke ſelbſt, durch deſſen Ver - öffentlichung ins allgemeine Eigenthum übergegangen. Ganz folgerichtig will auch hier Louis Blanc nur den Geſellſchafts - Buchhandel geſtatten, und den Gewinn unter die Mitglieder ver - theilen laſſen. Er will dem Schriftſteller keinen Ehrenſold zu - geſtehen; wenn ein Schriftſteller ſich nicht ernähren könne durch Vermögen, ſo möge er auch ein anderes Geſchäft treiben. Der Preis des Buchs ſoll durch den Staat beſtimmt werden, ein Ausſchuß aufge - klärter Männer, welche die Geſetzgebung wählt, das Buch prüfen, und der Staat eine Kaſſe für öffentliche Belohnungen des Schrift - ſtellers und Preiſe der Buchhandlung ſtiften, wenn das Buch gut befunden wird. Kurz, auch Louis Blanc will den Staat, die Geſellſchaft an die Stelle der perſönlichen Freiheit ſetzen; was gerade das Umgekehrte der Staatswirthſchaft iſt. Jn der Wiſſen - ſchaft der Geſellſchaft haben wir nun beide Einſeitigkeiten zu ver -81 meiden, und damit die Frage nach der wahren Einrichtung der bürgerlichen Geſellſchaft zu erledigen.

3. Die Wiſſenſchaft der Geſellſchaft.

Die Aufgabe der geſellſchaftlichen Wiſſenſchaft kann mannig - fach ausgedrückt werden. Die allgemeinſte Formel iſt wohl die bereits angeführte: daß der Unterſchied der Beſitzenden und Beſitz - loſen aufgehoben werde; daß jeder nicht nur von der Hand in den Mund lebe, ſondern auch angehäufte Arbeit, Eigenthum, be - ſitze, um im Nothfall ſich aus der Bedrängniß zu erretten. Arbeit und Capital ſollen alſo aufhören, einander befeindende Mächte zu ſein; ſie ſollen einen ewigen Bund zu gegenſeitiger Unter - ſtützung ſchließen. Zu dem Ende muß das Capital aufhören, die Arbeit zu unterdrücken, aufhören, für den müßigen Eigenthümer allein zu arbeiten. Die Arbeitskraft muß nicht mehr ins Faß der Danaiden ſchöpfen, und je mehr ſie ſich in Ueberanſtrengungen erſchöpft, um ſo weniger des Genuſſes ihrer Thätigkeit theilhaftig werden. Jeder iſt Eigenthümer. Die Arbeitskraft iſt ſogar das beſte Eigenthum, das ſicherſte Vermögen, weil es eben mit der Perſon am innigſten verknüpft und die eigenſte Darſtellung der - ſelben iſt. Jn der jetzigen Gliederung der Geſellſchaft iſt aber das Geld, das Capital ein viel ſichereres Eigenthum, als die Ar - beitskraft. Es iſt der bleibende Werth der Dinge, während ſie und die Arbeitskraft, welche dieſelben hervorbringt, ſehr ſchwan - kend ſind und oft ganz werthlos werden; ſo daß man beim größ - ten Reichthum verhungern kann. Um dies zu verhindern, kommt es nur darauf an, die Bedingungen der Arbeit und ihrer Ver - theilung zu ändern.

Die erſte Frage iſt hier wohl: Was iſt die naturgemäße Stellung der Arbeit? Wie muß ſie gegliedert ſein, um den Er - werb zu ihrer Folge zu haben? Die Antwort lautet: Sie muß immer verwerthet werden können, d. h. ihre Erzeugniſſe immer Umlauf haben. Wir fragen alſo nach der Gliederung des Um - laufs. Zweitens: Da es zufällig iſt, ob der Einzelne arbeiten kann, ob er nicht durch äußerliche Hinderniſſe davon abgehalten wird, ſo fragt es ſich ſodann: Wie kann die Arbeit geſichert wer - den? Endlich muß nicht nur die Arbeit keine zufällige, verein -682zelte ſein, ſondern auch ihr Zweck, der Genuß, darf es nicht ſein. Die dritte Aufgabe iſt alſo die Gliederung des Genuſſes.

a. Die Verwerthung der Arbeit, als Gliederung des Umlaufs.

Die Arbeit muß der Schmelztiegel des Werthes ſein, und der Arbeiter in ſeinem Hauſe eine Münz-Werkſtätte haben, indem er den Fleiß ſeiner Hände ſtets zu Gelde machen kann. Jſt dieſe Forderung erreicht, ſo wird das Sprichwort wieder wahr: Das Handwerk hat einen goldnen Boden. Mit die - ſer Herſtellung eines kräftigen Mittelſtandes werden wir aus aller Noth der Gegenwart befreit, und von dieſer ſichern Stätte aus im Stande ſein, auch die ſtaatliche Frage zu einer befriedigenden Löſung zu bringen. Aber, erſchallt hier die Klage, die Noth des Staats läßt uns keine Zeit, der Bedrängniß der Einzelnen abzu - helfen; und aus dieſem fehlerhaften Kreife ſehe ich keinen Ausweg, als wenn die Arbeiter, dem Sprichwort treu: Hilf dir, ſo wird dir der Himmel helfen , durch eigene Kraft auch ohne die Geſetzgebung des Staats die Löſung der Frage auf praktiſchem Wege auszuführen ſuchen. Die Wege, die mir dahin zu leiten ſcheinen, ſind folgende.

Die Hauptſache iſt die Feſtſtellung des Werths der Erzeugniſſe durch Ausgleichung ihrer beſondern Unterſchiede. Der Werth iſt das Maaß des Theils zum Ganzen. Die Formel der Ausgleichung iſt ein Geſetz des Tauſches, eine Lehre der Gegen - ſeitigkeit, ein Syſtem von Gewährleiſtungen, eine wirkliche Geſell - ſchaft, in der jeder den entſprechenden Lohn für ſeine Arbeit empfängt. Es iſt eine Täuſchung der Arbeiter, unmittelbar durch Erzwingung von Lohnerhöhungen, die ja auch den Preis der an - zukaufenden Waaren ſteigern, die Wege der Arbeit zu erleichtern. Sie werden vielmehr dadurch erſchwert, die Bedrängniß und das Elend des Arbeiters erhöht, die Löſung der geſellſchaftlichen Frage alſo hinausgeſchoben. Das Verhältniß der Arbeit und des Loh - nes muß auch nicht abhängig ſein von der Seltenheit der Ar - beiter oder der Ueberfüllung des Markts; in dem erſten Falle leiden die Verzehrer durch den zu hohen Lohn, im andern die Arbeiter durch den zu niedrigen. Das Verhältniß muß ein na - türliches, von dieſen Schwankungen ſo viel als möglich freies ſein.

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Wie iſt dies zu bewerkſtelligen? Das Geld als Tauſch - mittel iſt Maaß des Werthes. Jndem das Geld aber ein gerin - geren Schwankungen unterworfener Maaßſtab des Werths wurde, als die übrigen Dinge, ſo erzeugte ſich daraus das Königthum des Geldes. Für Geld kann man alle Dinge bekommen; und dies iſt viel leichter, als die Waaren zu Gelde zu machen. Alle Waaren müſſen ſich Procent-Abzüge gegen das Geld gefallen laſſen; und ſo gehört alles Eigenthum dem Gelde. Die Frage iſt alſo, wie das Geld von dieſem Throne geſtürzt, aus ſeiner metallenen Fleiſchwerdung befreit werden kann. Jn der Welt der Gleichheit iſt dies Vorrecht geſtrichen. Die geltende Waare iſt Geld. Alle Werthe müſſen die Geltung des Geldes bekommen, alle Dinge einen ſtets zu verwirklichenden Geldeswerth darſtellen. Dann fällt das Geld wieder zum Zeichen herab, und es giebt auf der Welt ſo viel Geld, als Werth. Die Verwirklichung dieſes Satzes iſt die Löſung der geſellſchaftlichen Frage und der vollkommene Zuſtand der Geſellſchaft. Jeder hätte dann ſo viel Geld als Werth, d. h. ſo viel als er verdient. Wenn Jeder von ſeiner Arbeit lebt, iſt das Proletariat unmöglich. Die Forderung der austheilenden Gerechtigkeit wäre erfüllt, die Verhältnißmäßig - keit der Werthe gefunden. Wie kommt dieſe zu Stande? Wir können dies durch eine dreifache Formel ausdrücken:

Angebot und Begehr müſſen ſich das Gleichgewicht halten; zwiſchen Arbeitskraft und Erzeugniſſen muß das richtige Ver - hältniß ſtattfinden; der Tauſchwerth einer Sache muß ihrem Nutzwerthe entſprechen.

Aus dem Kampfe von Tauſchwerth und Nutzwerth fließt nun alles Elend der Geſellſchaft; ſie müſſen daher ausgeglichen werden. Ohne Möglichkeit des Tauſches iſt die Brauchbarkeit einer Sache gleich Null. Die Vermehrung der Werthe iſt ihre Herabſetzung im Tauſche. Umgekehrt, wenn die Erzeugung ſich vermindert, ſo ſteigt der Tauſchwerth. Nutzwerth und Tauſchwerth ſtehen daher in umgekehrtem Verhältniſſe. Dieſer Widerſpruch iſt nothwendig. Die Veränderlichkeit des Werths iſt das Zeichen ſeiner Feſtſtellbarkeit. Die Veränderlichkeit des Werths iſt nicht das letzte Wort in der Wiſſen - ſchaft, ſondern das erſte. Die immer entſtehenden Schwankungen des Tauſchwerthes ſollen immer verſchwinden; ſie verſchwinden, wenn nur6*84ſo viel Arbeitskraft da iſt, als nöthig iſt für die Erzeugniſſe, die gebraucht werden, wenn Angebot und Begehr einander heben.

Dies geſchieht auf die einfachſte Weiſe, indem wir durch die in der neueſten Zeit ſo ſehr vermittelſt der Eiſenbahnen erleichterten Verbindungsmittel die überflüſſigen Erzeugniſſe dahin ſchaffen, wo Mangel daran iſt, und Arbeitskräfte dem Orte und Geſchäfte entzie - hen, wo deren zu viel vorhanden ſind. Perſonen und Sachen werden auf dieſe Weiſe auf der Erde in ſteter Bewegung ſein, und der wahre Grundſatz, welcher die geſellſchaftliche Frage löſt, läßt ſich alſo in die Worte: Gliederung des Umlaufs zuſammenfaſſen. Der Gedanke, welcher in dieſer Formel enthalten iſt, iſt der, daß einem Jeden durch Alle und Allen durch einen Jeden das Recht auf Arbeit gewährleiſtet wird; ein Gedanke, der uns von der Ge - meinde zum Reich, vom Reich zum Erdball führt. Ein Jeder hat das Recht, daß ſeine Arbeitskraft nicht müßig daliege, daß ſie da verwendet werde, wo ſie gebraucht werden kann: daß er die Waare, welche er durch ſeine Arbeit erzeugt, ſtets zu Gelde machen könne, indem ſie dahin geſchafft werde, wo Mangel der - ſelben vorhanden iſt. Der unbeſchränkte Umlauf iſt alſo gleich - bedeutend mit Allgewährleiſtung der Menſchen unterein - ander.

Wer nun hier auf dieſe Gewährleiſtung verzichtet, wer auf ſein Capital, auf ſein Talent, auf ſeine Arbeitskraft geſtützt ſein Wohl nur ſich ſelbſt verdanken will, dem bleibt dies unbenommen. Er wendet ſich dem Einzelleben zu, wie die Staatswirthſchaft es darſtellt; und die unbeſchränkte Gewerbefreiheit darf nicht aufge - hoben werden. Denn in den Fehler der Vereinslehrer, denen zu - folge der Staat dieſe gegenſeitige Gewährleiſtung auferlegen und von allen Menſchen die Brüderlichkeit fordern muß, wollen wir nicht verfallen. Deshalb muß ich mich auch entſchieden gegen die neue in Preußen dem Volke aufgedrängte Gewerbeordnung entſcheiden, wie ſehr ſie auch mit Zuſtimmung des Handwerker - ſtandes ſcheint erlaſſen worden zu ſein. Es fehlt ihr nur, daß der Zunftzwang des Mittelalters auch ausdrücklich ausgeſprochen wäre; mittelbar iſt er darin enthalten. Denn wenn die nicht zünftigen Arbeiter Prüfungen vor den Zunftgenoſſen beſtehen müſſen, wenn ſie an den Pflichten der Zunft Theil nehmen müſſen,85 dann treten ſie lieber hinein, um den Nachtheilen ihrer Aus - nahme-Stellung zu entgehen. Jch will nun zwar auch, daß die Kraft der allgemeinen Einrichtungen die Arbeiter alle zur Ver - geſellſchaftung führe, aber nicht, indem die ſich auf ſich Beſchrän - kenden durch drohende Nachtheile zum Eintritt gezwungen wer - den, ſondern aus freiem Entſchluß eintreten, inſofern ſie ihren höchſten Vortheil dabei zu finden hoffen.

Das Mittel alſo, wodurch die gegenſeitige Gewährleiſtung des Wohls der Einzelnen herbeigeführt werden kann, iſt das freie Vereinsrecht ohne Zunftzwang, welches in den Grundrechten aller Völker, die von den Umwälzungen des Jahres 1848 er - griffen worden ſind, ausgeſprochen iſt. Das Volk gliedert ſich in freien Vereinen der Arbeit, des Tauſches und des Genuſſes; das iſt nicht die Gemeinſchaft, wenn auch endlich der vereinzelte Gewerbfleiß jedes Arbeiterzweiges, ſowie der vereinzelte Handel, gänzlich untergehen ſollten. Nach dem 13. Artikel der franzöſi - ſchen Verfaſſung ſoll der Staat ſolche freiwilligen Vereine ſogar begünſtigen. Dadurch aber, daß der Arbeiter die Zerſplitterung und Auflöſung aller ſittlichen Gemeinſchaft in ſeinem Stande be - ſeitigt, wird er ſich auch ſchon ohne Zuthun des Staats am Beſten helfen. Unter Arbeiter verſtehe ich jedoch nicht blos Acker - bauer, Handwerker, Kaufleute, Arbeiter, welche für die leiblichen Bedürfniſſe ſorgen: ſondern ebenſo gut Arbeiter für die höheren geiſtigen Bedürfniſſe, Künſtler, Lehrer, Geiſtliche; auch Rechtsge - lehrte und Aerzte gehören hierher. Der Ausgangspunkt und die Grundlage ihrer Vereinigung iſt die Gemeinde; und hier zeigt ſich klar, daß die geſellſchaftliche Frage nicht ohne die vernünftige Einrichtung der Gemeinde und der höheren ſtaatlichen Einheits - punkte gelöſt werden kann. Die genannten Arbeiter aller Art ſollen nämlich ihre Angelegenheiten durch ſich ſelbſt beſorgen, und zwar durch die Verdienſtlichſten und Einſichtsvollſten unter ihnen. Selbſtverwaltung iſt eine ebenſo gebieteriſche Forderung des neuen geſellſchaftlichen Lebens, als das Vereinsrecht; ja Beide ſind wieder im Grunde eins.

Wenn nun in der Gemeinde, im Kreiſe, im Staate und im Bunde die Geſetzgebung der Ausübung gegenüberſteht, ſo tritt zwiſchen dieſe beiden ſtaatlichen Gewalten die geſellſchaftliche Ord -86 nung mitten hinein, und muß in alle dieſe Sphären als ein noth - wendiges Glied eingeführt werden. Die Geſetzgebung der Ge - meinde üben die Einwohner entweder in Perſon bei wichtigeren An - gelegenheiten oder in der Regel durch einen dieſelbe vertretenden geſetzgebenden Körper; in der Schweitz heißt er der große Rath, bei uns die Stadtverordneten. Kleine ländliche Gemeinden kön - nen dabei zu Einer größeren verſchmolzen, große Städte in mehrere Gemeinden zerlegt werden. Der geſetzgebende Körper wird nach der Kopfzahl von allen ſelbſtſtändigen und unbeſcholte - nen Gemeindegliedern unmittelbar gewählt. Die gemeinſame Ver - waltung der verſchiedenen Arbeiter-Angelegenheiten können aber doch nur die betreiben, welche an dem Vereine Theil nehmen, ſich nicht von aller Gemeinſamkeit ausſchließen. Diejenigen, welche an die Spitze dieſer Verwaltung zu ſtellen ſind, können alſo nur von den Mitgliedern der Vereine gewählt werden. Ein Schuhmacher, ein Lehrer u. ſ. w. braucht nicht einem Vereine anzugehören. Er hat dann keine Rechenſchaft einer Genoſſenſchaft abzulegen, keine Prüfung zu beſtehen. Es kann Niemanden verwehrt werden, auf die Gefahr hin, ſchlechte Arbeit zu erhalten, einem Solchen Arbeit anzuvertrauen. Jndem die Mitglieder der Zunft aber unter - einander ſich Gewähr leiſten, ſo thun ſie es auch als Arbeiter den Verbrauchern gegenüber, indem ſie durch Prüfungen und an - dere Einrichtungen für gute Arbeit ſorgen.

Von der beſonderen Natur der einzelnen Gemeinden wird es abhangen, wie dieſe Verwaltungsräthe, der kleine Rath genannt, zuſammengeſetzt ſein ſollen. Die Zweige der Arbeit, welche beſon - ders in einer Gemeinde ihrer Oertlichkeit wegen blühen, werden auch im Gemeinderath vertreten ſein. Kleinere Gemeinden werden Landbau und Gewerbfleiß verbinden. Von den Zweigen, wo nur einzelne Arbeiter in einer Gemeinde vorhanden ſind, kann freilich nicht der Verein ſelbſt zur Gemeinderaths-Wahl zugezogen werden. Ein ſolcher Arbeiter gehört dem Verein einer nahen Gemeinde oder des ganzen Kreiſes an. Er wird nichtsdeſtowe - niger ſich dem Vereine verwandter Arbeiter in ſeiner Gemeinde anſchließen und ſein Wahlrecht zuſammen mit ihnen ausüben. Die Verwaltungsräthe jeder Gemeinde ſind die Wahlkörper für die Kreisräthe, indem ſie nach der Größe der Gemeinde und der87 Beſchaffenheit ihrer Arbeiter-Vereine der Zahl und der Art nach verſchiedene Abgeordnete dahin entſenden. Die Staatsräthe entſtehen auf dieſelbe Weiſe aus den Kreisräthen; und endlich wird der Bundesrath oder das Staatenhaus ebenſo aus den Staatsräthen der einzelnen Staaten oder Provinzen gebildet. Eine gleiche Zahl Mitglieder für jeden Arbeiterzweig ſcheint mir wohl im Bundesrathe wünſchenswerth. Jn ihm iſt die ganze er - zeugende Kraft einer regelmäßigen Leitung unterworfen. Ueberall wählt der verwaltende Körper ſowohl als der geſetzgebende ſich ſeinen Vorſitzer oder Sprecher; und die ausübende Gewalt wird durch den Zuſammentritt beider Körper gewählt, mit Ausnahme der oberſten Spitzen, da wo die Erblichkeit Geſetz iſt.

Wir erblicken hier den innigen Zuſammenhang, der zwiſchen der ſtaatlichen und geſellſchaftlichen Gliederung Statt findet und wie jene aus dieſer hervorgehen wird. Jm Staate und im Bunde nennt man dieſe Verwaltungsräthe Miniſterien: des Ackerbaus, der Gewerbe, des Handels, der Künſte, des Unter - richts u. ſ. w. Sie treten an die Stelle unſeres bisherigen Staatsraths und der Fach-Ausſchüſſe. Sie begutachten die Geſetzentwürfe, und die Maßregeln der ausübenden Gewalt: jene in vereinten Abtheilungen, dieſe in den betreffenden; denn ſie beſitzen die beſondere Kenntniß des einzelnen Falls. Sie leiten aber auch alle Arbeiterverhältniſſe. Die Räthe ſind auf ſechs Jahr gewählt; wenn man will, mögen ſie vierzig Jahr alt ſein, um recht reifes Verdienſt und gründliche Einſicht zu beſitzen. Wenn ſie nicht wieder gewählt werden, treten ſie in ihren Arbeiterzweig zurück. Das iſt die wahre Bedeutung der erſten Kammer oder des Senats, des Verdienſt-Adels, des einzigen, den es jetzt noch geben kann. Auch die geſetzgebenden Körper ſollen verdiente Männer enthalten. Aber das Verdienſt der Beſonderheit, das ausgezeichnete Fach-Verdienſt macht eben dieſe Räthe zur Ver - waltung am befähigtſten. Zwei geſetzgebende Kammern verſtehe ich nicht, weil das Volk den allgemeinen Willen, das Geſetz, nicht in zwiefacher Weiſe ausſprechen kann, weil dann durch die Spaltung des Volks die ausübende Gewalt die Alleinherrſchaft erlangt. Auf keinen Fall kann eine rein geſetzgebende Kammer eine Jntereſſenkammer, noch Geld - oder Geburtsadel ſein. Nur88 als verwaltend kann die erſte Kammer beſondere Jntereſſen, wie der Staatsrath und die Miniſterien eben auch es thun, vertreten. Verwandeln wir nicht frühzeitig die erſte geſetzgebende Kammer in einen ſolchen verwaltenden Rath, ſo wird ſich das Arbeiter-Par - lament von ſelbſt und auf eine den ſtaatlichen Gewalten feindliche Weiſe in ſeine Rechte zu ſetzen wiſſen.

Das erſte ganz allgemeine Geſchäft dieſer Räthe in Bezug auf die vorhin geforderte Gliederung des Umlaufs beſteht nun darin, den Zuſammenhang der verſchiedenen Vereine derſelben Ge - meinde, der Kreiſe, Staaten und des ganzen Bundes ſtets zu er - halten: durch Briefwechſel mit den Vorſtehern der Vereine und den verſchiedenen Räthen zu erfahren, wo Arbeitskräfte oder Er - zeugniſſe im Ueberfluß oder zu wenig vorhanden ſind, um Beides auszugleichen, und ſo die Preiſe immer auf gleicher Höhe zu hal - ten, die Waare ſtets dem Gelde gleich zu machen. Dieſer um - faſſende Umlauf der Arbeitskräfte tritt an die Stelle der zufälligen und blos örtlichen Arbeitsnachweis-Anſtalten für unbeſchäf - tigte Geſellen und Arbeiterſuchende Meiſter. Was die Erzeug - niſſe betrifft, ſo bildet ſchon unter den Arbeitszweigen ſelbſt der Handelſtand dieſen Umlaufsbeförderer. Es iſt aber offenbar, daß jede Handelsunternehmung durch dieſen allſeitigen Zuſammenhang aller Räthe des ganzen Bundes viel von ihrer Zufälligkeit und Gefährlichkeit verlieren, und ſo der Umlauf aller Waaren und Kräfte auf eine der Geſundheit des ganzen Staatslebens am meiſten förderſame Weiſe hergeſtellt werden wird. Wie ſind da Zahlungseinſtellungen und Verlüſte möglich außer bei denen, die ſich außerhalb des Vereins der Handelsgeſellſchaften halten, und auf ihre eigene Fauſt zu erwerben ſuchen? Die wollen wir aber eben durch ſolche bittere Erfahrungen dahin bringen, freiwillig in die Vereine einzutreten, und an deren Brüderlichkeit Theil zu nehmen. Dieſe Gewerberäthe erforſchen alle ſonſtigen Uebel - ſtände im Lande, welche dem Aufſchwung der Gewerbe entgegen - ſtehen, und tragen auf ihre Beſeitigung bei den Staatsgewalten an. Sie entſcheiden auch die Streitigkeiten zwiſchen Meiſtern und Geſellen, zwiſchen verſchiedenen Vereinen derſelben Gemeinde, oder verſchiedener Gemeinden, Kreiſe oder Staaten. Wir können ſie mit den Arbeitergerichten, die das neue Preußiſche Geſetz89 davon trennt, verbinden; oder wenigſtens müſſen beſondere Ge - werbegerichte, aus Meiſtern und Geſellen gebildet, wo ſie nöthig erſcheinen, als ſchiedsrichterliche Behörden, im Anſchluß an die Gewerberäthe gebildet werden. Jn Berlin waren ſie ſchon vor dem neuen Gewerbegeſetze in voller Wirkſamkeit. Die Gewerbe - räthe können auch als höhere Berufungsſtellen bei den Prüfun - gen durch die Vorſteher der Vereine gelten: ferner, wo es nöthig ſcheint, die Stelle von ſogenannten Ehrengerichten ver - treten u. ſ. w.

Wenn wir im Bisherigen die Form dieſer Gliederung des Umlaufes dargeſtellt haben, die Berührung der Geſellſchaft mit der Staatsgliederung, ſo fragt es ſich jetzt, wie in der neuen geſellſchaftlichen Ordnung dieſer Umlauf mit dem eigenen Jnhalt der Arbeit zuſammenhängt. Hier haben wir nicht die Widerſprüche der Staatswirthſchaft blos dadurch abzuſchneiden, daß wir durch ihren ganzen Stufengang nur das wohlfeile Mit - tel der Dazwiſchenkunft des Staats, wie die Gemeinſchaftslehrer ſie aufſtellen, anzuwenden und den Nerv der Freiheit zu lähmen hätten. Sondern unſere Aufgabe iſt die viel ſchwerere, uns durch dieſe von der Freiheit des Einzellebens erzeugten Jrrgänge hin - durchzuſchlagen, indem wir auf jeder Stufe ſelbſt die freie Ver - einigung als das Gegengift gegen die freie Sonderung darſtellen, und ſo die Arbeiter die Frage aus ſich ſelbſt und durch ſich ſelbſt löſen laſſen. Das neue Syſtem der Arbeit, welches aus der künſtlichen, in Kampf liegenden Geſellſchaft der Staatswirthſchaft eine neue, eine wirkliche Geſellſchaft erſtehen laſſen wird, muß alle alten Formen unſerer bisherigen Geſellſchaft auflöſen, alle Bedingungen der nachdrücklichſten Wirkſamkeit, des Fortſchritts und der Gerechtigkeit erfüllen. Die neue Geſellſchaft wird die Zerſtückelung in ein wiſſenſchaftliches Mittel umwandeln, die Sklaverei der Maſchinen abſchaffen und den Kriſen ihres Auf - tretens zuvorkommen. Die neue Geſellſchaft muß aus der Concur - renz einen Vortheil, und aus dem Monopol ein Pfand der Sicherheit für alle machen: durch die Macht ihres inneren Grun - des, anſtatt Credit vom Capital und Schutz vom Staat zu for - dern, der Arbeit das Capital und den Staat unterwerfen: durch die Ehrlichkeit im Tauſche eine wahrhafte Allgewährleiſtung unter90 den Völkern ſchaffen. Ohne die perſönliche Jnitiative zu unter - ſagen, ohne die häusliche Erſparniß zu verhindern, hat ſie unab - läſſig die Reichthümer in die Geſellſchaft zurückzuführen, welche die Aneignung aus ihr entfernt: durch dieſe Bewegung des Her - ausgehens und Zurückkehrens der Capitale die ſtaatliche und ge - werbliche Gleichheit der Bürger zu ſichern: und durch ein groß - artiges Syſtem öffentlicher Erziehung die Gleichheit der Gewerbe und die Gleichgültigkeit der Befähigungen herbeizuführen, indem ſie die letzteren immerfort ſteigert. Dann wird ſie durch Gerech - tigkeit, Wohlſtand und Sittlichkeit das menſchliche Bewußtſein er - neuen: den Einklang und das Gleichgewicht der auf einander folgenden Geſchlechter ſichern; mit einem Worte, ſie wird eine Geſellſchaft ſein, die, zugleich Gliederung und Uebergang, dem Vorläufigen entgehet, Alles gewährleiſtet und Richts aufs Spiel ſetzt.

Dieſe Lehre der Gegenſeitigkeit, deren einfachſte Form das Darlehn des Verbrauchs iſt, bildet vom Geſichtspunkt des Geſammtweſens die Verknüpfung des Eigenthums und der Ge - meinſchaft; eine Verknüpfung, die ſo alt iſt, als die Glieder, welche ſie bilden, weil ſie nichts Anderes iſt, als die Rückkehr der Geſellſchaft zu ihrer urſprünglichen Handlungsweiſe durch einen Jrrgang von Erfindungen hindurch. Alles bereitet ſich heute auf dieſe feierliche Wiederherſtellung vor; Alles kündigt an, daß die Geſellſchaft zu ihrem wahrhaften Weſen zurückkehren wird. Die Scheinheiligkeit, die Verkäuflichkeit, der Ehebruch, der Diebſtahl bilden den Jnhalt des öffentlichen Bewußtſeins. Dafern nun die Geſellſchaft nicht lernt, von dem zu leben, was ſie tödtet, muß man des Glaubens leben, daß die Gerechtigkeit und die Verſöh - nung nahen. Wenn das Volk etwas will, und es ſich nur noch fragt, wie es dazu gelangen ſoll, ſo läßt die Entdeckung nicht auf ſich warten. Bereitet Euch vor, der große Faſching naht! Lerne der Philoſoph, daß die Vernunft die Geſellſchaft iſt: und daß philoſophiren heißt, Hand ans Werk legen.

Dies wollen wir jetzt thun, um zu zeigen, wie die Wider - ſprüche der Volkswirthſchaft, die wir früher dargeſtellt haben, durch das freie Vereinsrecht gelöſt werden können.

Das Erſte, was die Schwierigkeit des geſellſchaftlichen Zu -91 ſammenlebens erzeugte, war die Theilung der Arbeit. Der einfache Landmann, im Stande der Unſchuld und des Paradieſes lebend, bedurfte noch nicht der Gemeinſchaft, weil er die Theilung der Arbeit nicht kannte. Was den Charakter des Römiſchen und des Lehns-Eigenthums und folglich ſeine Kraft machte, war dies, daß durch das Ungetheiltſein der gewerblichen Thätigkeiten der Eigenthümer durch ſich ſelbſt faſt Alles erzeugte, deſſen er bedurfte, nie borgend, wenig kaufend und verkaufend, dem Umſatz des Gel - des fremd, befreit alſo von der Knechtſchaft des Umlaufs. Der Grund-Eigenthümer ſich ſelbſt genug durch die Mannigfaltigkeit ſeiner Erzeugniſſe, durch ſich ſelbſt oder die Seinigen alle Gewerbe ausübend, brauchte Niemanden. Das Eigenthum, durch dieſe Viel - ſeitigkeit gewährleiſtet, war für den Umlauf und den Credit un - zugänglich; es lebte für ſich und durch ſich, uneinnehmbar, un - veränderlich. Jemehr wir in der Geſchichte zurückgehen, je allge - meiner iſt dieſe Untheilbarkeit. Die Sklaven der griechiſchen Fa - milie waren wie die Hände des Familienhaupts, das durch ſie alle Mittel für ſeine Bedürfniſſe befriedigte. Die Theilung der Arbeit hat bei ſteigendem Gewerbfleiße ſich nicht nur in dem Ge - werbe, ſondern auch im Ackerbau Geltung verſchafft. Jm Fabrik - weſen hat ſie die höchſte Spitze erreicht, indem hier nicht einmal, wie beim Handwerk, das Ganze eines getheilten Bedürfniſſes, ein Schuh, ein Rock gemacht wird, ſondern ein ganz getheiltes Be - dürfniß, wie eine Nadel, noch einmal getheilt wird, indem jeder Arbeiter nur einen Theil derſelben macht.

War die Sonderung der Einzelnen, bei der ungetheilten Ar - beit, die Kraft des Eigenthümers: ſo iſt ſie jetzt, nachdem die Theilung der Arbeit ſelbſt im Ackerbau eingetreten iſt, die Schwäche des Arbeiters. Wie ſeine Arbeit, iſt er Stückwerk, das nur durch den Verein wieder zu einem Ganzen werden kann. Die kleinen Grundbeſitzer müſſen ihre Grundſtücke zuſammenlegen und ſie vereint bearbeiten laſſen. So erlangen ſie alle Vortheile der großen Landwirthſchaft, ohne deren Nachtheile. Denn wenn geſagt wird, daß man aus großen Grundſtücken verhältnißmäßig nicht ſo viel Nutzen zieht, als aus kleinen, weil dieſe durch die Thätigkeit des Eigenthümers beſſer bearbeitet werden, ſo wird auf dem angegebenen Wege dieſer Vortheil mit dem der großen92 Bewirthſchaftung verbunden. Nachdem das Jagdrecht ſeiner mit - telalterigen Vorrechte entkleidet iſt, und der kleine Eigenthümer keinen Vortheil von ſeinem Rechte ziehen würde, legen die Nach - barn ihre Grundſtücke auch zur Betreibung der Jagd nach den Regeln des Waidwerks zuſammen.

Für die ſtädtiſchen Gewerbe müſſen verwandte Gewerke ſich näher mit einander verbinden, um, wenn der eine oder der andere Zweig überfüllt iſt oder durch den Wechſel der Mode außer Thä - tigkeit kommt, die Arbeiter von einem Gebiete in das andere über - gehen können, je nachdem Luſt und Geſchmack ſie dazu treibt. Jn Amerika iſt dieſes Uebergehen ſchon viel gewöhnlicher, als bei uns. Vorher kann das Auskunftsmittel des Umlaufs der Arbeitskräfte durch die Kreis - und Staatsräthe in Anſpruch genommen wer - den, um zu ſehen, ob ſie nicht in demſelben Geſchäfte, nur in einem andern Kreiſe oder Staate, wo daſſelbe noch nicht überfüllt, noch nicht außer Mode gekommen, ſondern vielleicht erſt recht Mode geworden iſt, verwendet werden können; was jedoch bei der leichten Zugänglichkeit aller Länder und der ſchnellen Ver - breitung der Moden jetzt ſchwerer der Fall ſein wird.

Die Theilung der Arbeit beſteht aber nicht blos darin, daß der Eine dies Stück, der Andere jenes macht, ſondern auch, daß der Eine unmittelbar mit ſeiner leiblichen Kraft die Natur über - windet, der Andere durch ſein Vermögen die Mittel zur Arbeit, die Gegenſtände der Natur herbeiſchafft, welche überwunden werden ſollen. Hier ſind wir denn auf den Gegenſatz der Arbeit und des Capitals gekommen, ein Widerſpruch, der nicht Eine beſondere Stufe der Volkswirthſchaft iſt, ſondern der allgemeine in einer jeden. Derſelbe iſt auch ein Unterſchied der Thätigkeit. Auf dem Lande der Eigenthümer und der Tagelöhner, in der Werk - ſtatt der Meiſter und die Geſellen unterſcheiden ſich, wie Beaufſichtigende und Beaufſichtigte. Wer das Geld zu dem Unternehmen hergiebt, wird die Aufſicht darüber führen, daß das Geſchäft Nutzen abwerfe: er oder ſein Werkmeiſter wird die getheilte Arbeit wieder ins Ganze zuſammenfaſſen. Daß nun hierbei der Capitaliſt nicht den Handwerker drücke, den Lohn nicht willkürlich herabſetze, um einen größern Gewinn von ſeinem Gelde zu ziehen, wird die erwähnte Gliederung des Umlaufs bezwecken,93 indem der Ueberfluß der Arbeitskräfte an andere Orte geſchafft, anders verwendet wird, und ſo die Arbeitskraft an jedem Punkte ihren Werth behält. So wird das Verhältniß von Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf den Fuß der vollſtändigen Gleichheit zurückgeführt werden, wie der 13. Artikel der Franzöſiſchen Ver - faſſung ausdrücklich verlangt, und damit die Grundlage zur Glie - derung der Arbeit gegeben ſein. Jeder liefert Capital in die Ge - meinſchaft: der Eine Arbeitskraft, der Andere Geld; jeder hat eine beſtimmte Arbeit zu thun und muß nach Verhältniß am Ge - winn Theil haben. Der Gemeinderath oder die beſonderen ge - werblichen Schiedsrichter werden dieſe Gleichheit zu ſchützen wiſſen.

Damit die Meiſter, welche mit kleinem Capitale arbeiten, nicht von den großen Capitaliſten erdrückt werden, welche ſich beſſer einrichten können und darum keiner Vereinsordnung fügen wollen, die ſie im unternehmungsreichen Betriebe ihres Gewerbes hemmen könnte: müſſen jene theils aus der ganzen Jnnung, oder auch in beſchränkterer Zahl gemeinſchaftliche Werkſtätten er - richten und die verſchiedenen Zweige ihres Gebiets unter ſich ver - theilen, um auf dieſe Weiſe ſchneller arbeiten zu können. Die Theilung der Arbeit iſt ſo durch Freiheit überwunden, ohne beſeitigt worden zu ſein; man hat ihre Vortheile ohne deren Nachtheile. Jn Hamburg haben die Handwerkervereine ſich nach dem Stoff ge - gliedert. Es ſind daſelbſt auch bereits mehrere Tiſchler zur An - legung einer gemeinſamen Werkſtätte zuſammengetreten, die ſomit an Miethe, Feuerung, Werkzeug u. ſ. w. bedeutende Erſparungen machen. Jn Berlin wollen Kleidermacher eine umfaſſendere Geſellſchaft gründen. Der Theilung des Einkaufs wird dadurch begegnet, daß die Meiſter ſich zu dem Zwecke verbinden, die Rohſtoffe ge - meinſchaftlich anzuſchaffen. Jn größerer Menge angekauft, ſind ſie viel wohlfeiler, und ſchon dadurch der Vortheil auf Seiten des Capitaliſten. Großen Vortheil gewährt es auch, wenn ver - wandte Handwerke ſich noch beſonders unter einan - der vereinen, z. B. alle Bauhandwerke, um ein Haus zu bauen: Wagener und Schmiede, um landwirthſchaftliche Geräth - ſchaften, Pflüge, Karren und dergleichen anzufertigen: Sattler und Lackirer, um eine gemeinſame Wagenbauanſtalt zu gründen u. ſ. w.

Jm Fabrikweſen erzeugt die Theilung der Arbeit die94 größte Bedrückung des Arbeiters durch den Capitaliſten, weil der Arbeiter hier die wenigſte Selbſtſtändigkeit beſitzt. Hier iſt vor - nehmlich von den Gemeinderäthen, den Kreisräthen u. ſ. w. da - für zu ſorgen, daß aus vereinten Kräften Capitalien angeſchafft, Fabrikanlagen auf Actien gegründet und mit Satzungen verſehen werden, um den Fabrikarbeitern für ihre Thätigkeit Mittelpunkte der Vereinigung zu gewinnen, wo ſie für genügenden Lohn ar - beiten können. Hier iſt es denn auch beſonders an der Zeit, nachdem der Verſuch bereits gemacht worden, die überflüſſigen Kräfte durch alle Staaten des Bundes zu vertheilen, die dennoch übrig gebliebenen und durch die höchſte Blüthe des Gewerbfleißes der Städte ins tiefſte Elend verſunkenen Arbeiter, welche mit dem erhöhten Kunſtfleiß Schritt zu halten nicht im Stande ſind, zur urſprünglichen Beſchäftigung, wo die Theilung der Arbeit am wenigſten vorhanden iſt, zum Ackerbau zurückzuführen, in - dem die noch unbebauten Strecken des Staats ihnen zum Anbau übergeben, große Staatsgüter getheilt und ihnen in Pacht gege - ben werden, ſo daß ſie aus Proletariern ſich zu Eigenthümern erheben. Der in die Städte aus dem Lande ſich ergießende Men - ſchenſtrom, welcher daſelbſt leichtern Erwerb und höhern Genuß zu finden hoffte, muß, durch Ueberfüllung angeſtaut, ſtets befruch - tend auf das Land zurückgeleitet werden, das ſich ſeine Bebauer ſonſt entzogen ſähe.

Eine ganz eigenthümliche Theilung der Arbeit zeigt ſich end - lich im Handelsſtande, der für ſich keine andere Arbeit hat, als den Tauſch aller Waaren zu befördern, und einem Jeden dazu zu verhelfen, ſeine Arbeit zu verwerthen. So iſt in dieſer Arbeit die Form des Umlaufs von allem Jnhalt abgezweigt und doch auch wiederum innig mit einem jeden verwoben, weil der Handel mit allen Arbeitszweigen in Geſellſchaftsverhältniſſen ſteht. Die Theilung der Arbeit iſt hier ſo weit gegangen, zwiſchen Ver - käufer, Einkäufer und Kaufmann oft noch den Makler als eine Zwiſchenperſon einzuſchieben. Der Handelsſtand iſt aber der in - nerſte Mittelpunkt der ganzen Geſellſchaft, weil ſich in ihm der Umlauf, den wir als die Löſung der Frage aufſtellten, gewiſſer - maßen verkörpert. Gegliedert iſt dieſer Umlauf jedoch keinesweges in der bisherigen Volkswirthſchaft, indem der ganze Gewinn des95 Kaufmanns, alſo der Werth ſeiner Arbeit, auf eine künſtliche Er - höhung oder Erniedrigung des Werths aller Waaren zurückge - führt werden muß. Ein Kaufmann gewinnt, wenn er Oel, oder Eiſenbahn-Actien recht wohlfeil kaufen kann, und nun den Au - genblick abwartet, wo er dieſelben recht hoch verkaufen kann; ſo daß er, die Zinſen ſeines auf den Ankauf verwendeten Capitals eingerechnet, dennoch einen großen Nutzen hat. Der Kaufmann zieht alſo Vortheil von dem Verluſt Anderer, ſeien es Kaufleute, Erzeuger oder Verbraucher, welche aus Noth niedrig verkaufen oder hoch einkaufen mußten. Der Kaufmann ſieht alſo den Mangel und Ueberfluß, das Angebot und den Begehr, die Un - verhältnißmäßigkeit von Tauſch - und Nutzwerth voraus; er be - rechnet und muthmaßt. Und auf dieſe Muthmaßung und Be - rechnung gründet ſich ſein Verdienſt. Wenn der Kaufmann, ſagt der Großhändler, nur auf Begehr der Einkäufer ſich nach der Waare umſieht, nur das Angebot der Verkäufer an den Mann zu bringen ſucht, ſo iſt er ein bloßer Krämer. Das auf Steigen und Fallen der Werthe beruhende Spiel des Han - dels ſoll, glaubt der Volkswirthſchaftslehrer, ewig ſo dauern.

Was iſt nun der wahre Handel? Nicht der Krieg Aller gegen Alle, das Lotterie - und Börſenſpiel; ſondern die Gliede - rung des Umlaufs in ihrem innerſten Mittelpunkte. Die Thei - lung der Arbeit muß wieder zuſammengefaßt, der Arbeiter und der Umlauf wieder einander näher gerückt werden, zu wel - chem Ende Proudhon anfänglich eine Tauſchbank in jeder Ge - meinde errichtet wiſſen wollte. Da Waare doch immer nur gegen Waare gekauft wird, und wenn Geld ſtatt der Einen Waare ge - geben wird, dies nur den Sinn hat, daß, weil die andere Waare im Augenblicke nicht zur Stelle iſt, ein Vertreter derſelben unter - deſſen gegeben wird, für den ſie in jedem Augenblicke herzuſtellen iſt: ſo könnte jener kürzeſte Weg des Tauſches, wo er bequem und vortheilhaft erſcheint, wohl wieder eingeſchlagen werden. Je - der Arbeiter wird ſo erſtens zum Handelsmann; er geht zum Vorſteher der Tauſchbank, eines Gemeinde-Bazars der verſchie - denartigſten Waaren, um zu ſehen, ob er deren für ſein Bedürf - niß findet. Das, was ſich in der Gemeinde nicht durch Tauſch ausgleichen läßt, verfällt dem Wege des gewöhnlichen Handels96 durch Geld. Als die höchſte Spitze dieſes Kleinhandels innerhalb derſelben Gemeinde ſchlug Proudhon dann ſpäter eine Volks - bank vor, in die jeder Arbeiter ſein Tages - und Wochenlohn werfen ſoll, um dafür Scheine zu bekommen, mittelſt deren er alle Lebensbedürfniſſe zu zahlen im Stande iſt. Bäcker, Schuhmacher, Schneider und Hauseigenthümer würden dieſe Scheine mit Ver - gnügen annehmen und die Kaſſe jährlich einen Nutzen von meh - reren Millionen Franken erzielen.

Wie der Einzelne, ſo wird zweitens jede Genoſſenſchaft der Arbeiter Handelsmann. Es werden Waarenhallen der Ge - werke, Hallen des Gewerbfleißes zum Verkauf der Gewerbs - erzeugniſſe eingerichtet. Die Verkäufer ſind die Beamten des Vereins, welche aus dem Handelsſtande auf dem Wege des freien Vereins herzugezogen werden müſſen. Der Verein leiſtet Ge - währ für gute Waare, und wird daher auch den entſprechenden Lohn geben können. Dem Schwanken der Preiſe werden ſchon dadurch Schranken geſetzt. Die Halle verkauft zu feſten Preiſen, wenn auch etwas theurer. Die kleinen Handwerker ſparen die Miethe für eine eigene Verkaufshalle. Die Koſten einer ſolchen Waaren - halle werden durch einen kleinen Abzug an den Beträgen der ver - kauften Waaren gedeckt. Solche Waarenhallen haben ſich in Mannheim und Wiesbaden als ausgezeichnet vortheilhaft bewährt, und man betrachtet dieſelben dort mit Recht als einen großen Hebel der Gewerbe. Daran ſchließen ſich jährliche Gewerbe - ausſtellungen mit Preiſen für die beſten Arbeiten.

Endlich iſt der Kaufmann, oder eine Handelsgeſellſchaft gewiſſermaßen die Spitze der gewerblichen Thätigkeit, indem der Handelsſtand wieder ſich mit allen Arbeiterzweigen, dem Ackerbau und den Gewerben auf Rechnung vergeſellſchaftet, und durch eigene, von den Arbeiterräthen unterſtützte Auskunftſchaftung das Commiſſionsgeſchäft, wie bei der Gemeindebank im Kleinen, ſo jetzt im Großen für die Erzeugniſſe ganzer Kreiſe, Staaten und des Erdballs unternimmt, und die Proviſion als den Werth ſeiner Arbeit beanſprucht.

Was von der Theilung der Arbeit geſagt iſt, gilt auch von der Maſchine: ſie muß ebenſo, wie jene, nicht nur dem Ca - pital, ſondern auch der Arbeit zu Gute kommen. Die kleinen97 Meiſter, ja die Geſellen vereinen ſich unter ſich; was ſie an Capitalien beſitzen, wird durch die Vorſorge der Gewerberäthe ver - mehrt, indem dieſe nicht blos den Umlauf der Arbeitskräfte und Erzeugniſſe, ſondern auch der Capitalien herzuſtellen ſuchen, und dieſe vorſchießen. Durch dieſes gemeinſame Capital müſſen Ma - ſchinen angeſchafft werden, ohne welche das Gewerbe nicht auf der Höhe des Gewerbfleißes bleiben könnte. Oder der Eigen - thümer einer Maſchine vermiethet deren Kräfte an mehrere Ar - beiter und deren in der Nähe gelegenen Werkſtätten, wie dies ſchon in England und Frankreich geſchieht. Die Maſchine macht dann nicht mehr Sklaven, ſondern befreit den Arbeiter von der Herrſchaft des Geldes. Die Kriſe, wodurch bei Einführung der Maſchinen viele Arbeiter außer Brod kommen, wird beſeitigt, in - ſofern ſogleich von Seiten der Vereine für die anderweitige Un - terbringung der augenblicklich außer Brod gekommenen Arbeiter geſorgt wird, da ja, wenn die Maſchine einſchlägt, nachher ſogar noch mehr Arbeitskräfte gebraucht werden, und ſo das Gleichgewicht ohne gewaltſame Erſchütterung ſich herſtellt. Die Rückkehr zum Ackerbau, zur urſprünglichen Lebensweiſe der Menſchheit, kurz zum Paradieſe, muß nur nicht als ein Elend, vielmehr als eine glück - liche Löſung der Schwierigkeit angeſehen werden, um ſo mehr, da der Beſitzloſe dadurch zum Eigenthümer wird.

Was hat mit dem freien Vereinsrecht die Concurrenz ferner noch Abſchreckendes? Schon lange höre ich die Frage: Ja wird denn aber auch die Brüderlichkeit in den Vereinen? Wird der große Capitaliſt nicht ſelbſtſüchtig allein gewinnen wollen, ſtatt ſein Capital mit der Arbeit zu vergeſellſchaften? Wir antworten: Wollte er es auch, er könnte es nicht, da er durch die Concur - renz der noch größeren Arbeitskraft in den Vereinen, gegen die er zum kleinen Bürger wird, erdrückt würde; ſo daß, um ſein Eigenthum zu retten, er ihnen beitreten muß. Ja, würde er es nicht ſchon aus freien Stücken thun, da er nur ſo durch die ver - ſchiedenen Räthe bei der geſetzgebenden und ausübenden Gewalt für die Vertretung ſeiner beſonderen Jntereſſen betheiligt wäre, während er ſonſt nur nach der Kopfzahl an dem ſtaatlichen Leben Theil hätte?

Doch um auf die Concurrenz zurückzukommen, ich will nicht798nur die von den Vereinslehrern ſogenannte gute Concurrenz, die Nacheiferung in den Werkſtätten; nicht nur daß dem beſſern Arbeiter für ſein Talent, ſeine fleißigere Arbeit eine Belohnung gegeben werde, wenn auch nur ſo lange, als die Sittlichkeit noch nicht das Talent höhere Pflichten von ſich fordern läßt. Es iſt nicht armſelig, wie Louis Blanc ſagt, den Verein auf die Con - currenz zu pfropfen. Das Beſte iſt freilich, wenn die Vereini - gung allgemein wird. Aber mit dem Opfer der Freiheit erkaufe ich das Beſte nicht. Warten wir, bis ſie allgemein werde. Un - terdeſſen laſſen wir Einzelne gegen Einzelne, Geſellſchaften gegen Geſellſchaften kämpfen. Die Concurrenz iſt nothwendig zur Feſt - ſetzung des Werths. Jſt jedem die beſtimmte Arbeit in dieſem Arbeitszweige mit dieſem beſtimmten Lohne gewährleiſtet, ſo wird die Anſpannung des Gewerbfleißes nachlaſſen. Wenn aber ge - kämpft werden muß, freilich nicht um’s Leben überhaupt, ſondern um dieſe Stelle im Leben, ſo bleibt der Fortſchritt des Gewerb - fleißes. Das Recht auf Arbeit iſt daher nicht ein Recht auf dieſe beſtimmte Arbeit, ſondern auf Arbeit überhaupt. Und da - mit iſt die Concurrenz erhalten. Denn keiner tauſcht gern die gewohnte Arbeit mit einer neuen, ungewohnteren, vielleicht ſchwie - rigeren, unergiebigeren, an einer andern Stelle der Erde, viel - leicht fern von der Heimath; er wird alſo ſeine Stelle zu be - haupten ſuchen. Freilich für die, welche Fourier’s Flattertriebe beſitzen, wird der Kampf um dieſelbe Stelle nichts Anziehendes haben, und ſie erleichtern ſo weſentlich die Aufgabe der verſchie - denen Räthe, den Umlauf zu gliedern. Der Satz des Hirnſpin - ners ſcheint erfunden, um die Lehre abzurunden. Wenn die Er - fahrung ihn nur beſtätigte!

Wenn das Landrecht hier eine den Fähigkeiten gemäße Ar - beit gewährleiſtet, ſo iſt ja auch dafür geſorgt, durch Uebertragung zunächſt an die verwandten Gebiete. Aber auch der Spaten darf nicht verſchmäht werden, ſobald keine andere Arbeit da iſt; und erſt wenn eine jegliche fehlt, hat der Arbeitloſe ein Recht auf Unterhalt. So lange aber Arbeit gewährt werden kann, hat er auch ein Recht, nicht Almoſenempfänger zu ſein, um dadurch nicht ſein Wahlrecht zu verlieren.

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Auch der Grundſatz der Ermuthigung durch den Staat erſetzt die Concurrenz nicht. Denn die Preiſe, welche ertheilt werden, ſind nur ein vom Verbraucher erhobenes Trinkgeld. Wenn dann aber Proudhon hinzuſetzt: Die Concurrenz in ihrer gegenwärtigen Form muß abgeſchafft werden, ſo ſcheint er mir in den Fehler der von ihm ſo oft bekämpften Vereinslehrer zu - rückgefallen zu ſein. Nicht die Form, ſondern nur die nachthei - ligen Folgen der Concurrenz, wie ſie jetzt beſtehen, müſſen durch die Gliederung des Umlaufs abgeſchafft werden. Als eine ſolche gegliederte Concurrenz würde ich die bezeichnen, welche in den oben erwähnten gemeinſamen Waarenhallen eintritt. Hier iſt Hauptbedingung, daß der Name des Arbeiters dem Käufer, der des Käufers dem Arbeiter verſchwiegen werde, weil ſonſt der Ein - zeltauſch wieder an die Stelle des gemeinſamen treten würde. Darum iſt aber doch nicht jeder Arbeiter in gleichem Vortheil. Wer die ſchönſten Arbeiten macht, wird auch hier am Beſten daran ſein. Das Können des Einzelnen verliert nichts von ſeiner Ueberlegenheit und ſeinem Wetteifer, hat keinen engeren Spiel - raum. Wohl aber wird der Art der Concurrenz Einhalt gethan, welche durch die Preiſe zum Schaden Aller wirkt: die nicht Ver - geſellſchafteten werden leicht ausgeſtochen, wenn ſie durch ſchlechte Waare Verſchleuderungspreiſe anſetzen wollen.

Was die Concurrenz bei der geiſtigen Arbeit betrifft, ſo ſind bis jetzt Künſtler, Aerzte, Sachwalter ganz wie die ge - wöhnlich ſo genannten arbeitenden Klaſſen der zufälligen Concur - renz der Staatswirthſchaft überlaſſen. Die Geiſtlichen, die Lehrer des niedern und mittlern Unterrichts, wenn ſie einmal die Con - currenz der Augendienerei gegen den Staat überſtanden, ſind mit feſtem Gehalt ohne Concurrenz angeſtellt: es ſei denn daß ſie, wo das geſetzliche Einrücken in das beſſere Gehalt nicht Statt findet, zur Verbeſſerung der Stelle jenes Dienen fortzuſetzen haben. Durch eine eigenthümliche Ausnahme tritt nun beim Lehrer der Hoch - ſchule der Fall ein, daß, da er theils Ehrenſold, theils feſtes Gehalt bezieht, Concurrenz und Nicht-Concurrenz mit einander concurriren. Die edle Concurrenz des Talents und des Fleißes geräth in Kampf mit der der Augendienerei. Daher es kommen kann, daß junge Lehrer, welche der erſten Concurrenz nicht genug vertrauen, oder7*100alte, welche zu ihrem hohen Gehalte noch höheres oder ſonſtige Ehrenbezeigungen hinzugefügt haben möchten, die ſicherſte Stütze ſelbſt unvolksthümlicher Miniſterien werden. Müßte nicht, um die Wiſſenſchaft von dem Einfluß der jedesmaligen Machthaber zu befreien, und ihre Vertreter vor Menſchlichkeiten zu bewahren, die Concurrenz des Ehrenſoldes zur Hauptſache werden, der amtliche Charakter ganz verſchwinden und die Gliederung des Umlaufs der Arbeitskräfte durch die Staatsräthe ebenſo wie bei allen andern Arbeitszweigen eintreten, unbeſchadet der Sorge für die arbeitsun - fähig Gewordenen, die auch bei den andern Arbeitern Statt findet? Oder wolltet Jhr auch dieſe Arbeiter zu Beamten machen, die Concurrenz verſchwinden laſſen, und ihnen ein feſtes Gehalt geben, wie in den Pariſer National-Werkſtätten, und auf den Berliner Rehbergen! Wenn alle Standesvorrechte verſchwunden ſind, ſo ſehe ich nicht die Berechtigung, daß der Eine Stand ſolche unendliche Sicher - heit haben ſoll, während ein anderer wie der Vogel auf dem Dache bleibt. Auch die großen Gehälter der hohen Staatsbeam - ten können füglich durch die Concurrenz um ein Bedeutendes her - abgeſetzt werden. Jhre geiſtigere Arbeit erfordert zwar höheren Lohn; aber die Unverhältnißmäßigkeit deſſelben in den der Spitze zunächſt ſtehenden Aemtern iſt ein Ueberreſt des Mittelalters, wel - ches dieſe um ſo größere Dienſtbarkeit übermäßig belohnte. Müßte nicht eben das leichte Wechſeln dieſer höchſten Stellen im ſogenannten verfaſſungsmäßigen Staate dieſe heilſame Concur - renz einführen? Sollen Schulen, Gymnaſien, die Univerſitäten und die Kirche mit feſten Geldmitteln ausgeſtattet bleiben, welche die betreffenden Vereine unter ſich ſelbſt vertheilen: ſo wird, wenn wir nicht mehr fünfundzwanzig Millionen Thaler für das Heer zu unſerer eigenen Unterdrückung zu zahlen haben werden, auch Geld übrig ſein, um die Arbeiter für die leiblichen Bedürfniſſe durch Geldmittel der Geſammtheit in eine ſicherere Lage zu verſetzen.

Das Monopol darf eine geſunde Wiſſenſchaft der Geſell - ſchaft ebenſo wenig verbannen, als die Concurrenz; aber es muß auf dieſelbe Weiſe als alle früheren Seiten der Staatswirthſchaft durch die Gliederung des Umlaufs vergeſellſchaftet werden. Möge der ſich von der Geſellſchaft ausſchließende Erfinder ſeine Erfin -101 dung geheim halten. Ein Patent darf die Geſellſchaft ihm nicht geben; denn das wäre eben eine Begünſtigung der Ausſchließlich - keit und des Eigennutzes. Genieße er den Vortheil, ſo lange als das Geheimniß nicht entdeckt iſt. Von dieſem Augenblicke an hat er aber ſeinen Vorzug verloren. Er wird ſich alſo be - eilen, ſeine Erfindung zu vergeſellſchaften. Er mache ſie gleich öffentlich, und durch die Vermittelung der begutachtenden Ar - beitsräthe wird die Geſetzgebung, was Louis Blanc bei Ent - deckung neuer Gedanken in Schrift und Kunſt vorſchlug, eine öffentliche Belohnung als Preis auch für ſeine Erfindung ihm gewähren. Eigenthum und Arbeit ſind hier aufs vollſtändigſte ausgeglichen. Der Werth ſeiner Erfindung kann in Gelde ab - geſchätzt werden, das dem Erfinder ausgezahlt wird. Und der Gebrauch dieſes Werthes kommt ſogleich allen Arbeitern zu Gute, die ja eben durch die öffentliche Belohnung den verallgemeinerten Vortheil bezahlen.

Eine noch vollſtändigere Ausgleichung von Capital und Ar - beit, ein vollſtändiger Umſchwung in den Eigenthumsverhältniſſen, den ſogar Thiers wünſcht, oder eine Vergeſellſchaftung des Ei - genthums, wie Proudhon es nennt, würde nun die ſteigende Ein - kommen - oder noch beſſer Vermögensſteuer abgeben. Jn ihr iſt das Eigenthum und die Gemeinſchaft nur noch Ein und dieſelbe Formel, Arbeits - und Tauſchbedingungen vollſtändig ge - ordnet. Fällt jede mittelbare, jede Verbrauchsſteuer fort, die ja immer nur auf dem Armen laſtet, ebenſo Grundſteuer, Mieths - ſteuer, kurz Alles, was den wahren Werth der Waaren durch dieſe ungleiche Belaſtung verſchleiert, ſo kann die richtige Allge - währleiſtung Aller durch Alle nur ſo gefunden werden, daß für die Arbeit Anderer, die Jeder genießt, er einen angemeſſenen Theil ſeines laufenden Einkommens oder ſeiner angehäuften Arbeit (des Capitals) abtrete. Die Lehrer, die Geiſtlichen, die Richter und Staatsmänner, die Geſetzgeber und Räthe u. ſ. w. ſollen Gehalt oder Tagegelder bekommen, für Hebung des Ackerbaus, Gewerb - fleißes Capitalien angelegt werden; dies muß die Gemeinde, der Kreis, der Staat durch eine ſteigende Einkommen - oder Vermö - gens-Steuer aufbringen. Der Reichere muß höhere Theilſummen vom Hundert, als der Arme zahlen, weil bei ungleichem Stoffe102 nur das Verhältniß die Gleichheit wiederherſtellt. Die Schwie - rigkeit, wie das Eigenthum eines Jeden, wenn er ſich nicht der Wahrheit gemäß erklärt, abzuſchätzen ſei, wird verſchwinden, wenn das verſteckte Eigenthum, die Börſenpapiere durch das unten zu entwickelnde Bankſyſtem immer ſeltener werden, und das Empfangen einer Rente am Jahresſchluß den Capitaliſten zu erkennen giebt. Müſſen wir nicht auch auf die erſtarkte Sittlichkeit in dem neuen Staate rechnen? Vor der Hand werden die Gemeinderäthe jeden Einzelnen am Beſten abzuſchätzen wiſſen.

Ein Mittel, dieſen Umlauf von Geld und Arbeit zu beför - dern, ſind die auch von der franzöſiſchen Verfaſſung geforderten, öffentlichen Arbeiten zum Nutzen der Gemeinde, welche ſie von den betreffenden Arbeitern ausführen läßt und mit den Steuern bezahlt. Dieſer Umlauf überträgt ſich ebenſo auf den Kreis, den Staat und den Bund. Da jede dieſer Gemeinſchaften ihre öffentlichen Arbeiten, ihr öffentliches Eigenthum, und ihre Beamten, d. h. die Arbeitskräfte hat, welche dieſe gemeinſamen Angelegenheiten verwalten und den Werth ihrer Thätigkeit beanſpruchen können (z. B. Geſetzgeber, Räthe, Richter u. ſ. w.): ſo wird hier immer ſo viel Kreisſteuer, Staatsſteuer, Bundesſteuer erhoben als nothwendig iſt, um die jedes Jahr nöthigen Auslagen zu decken. Die Bundesmatrikel Deutſchlands nennt dies: eine Umlage machen. Jeder gegliederte Verband wird ſich dabei ſelber ſchätzen, und ſei - ner Geſetzgebung die letzte Entſcheidung im Haushaltsgeſetze über - laſſen müſſen. Wie die Gemeinde Straßen, niedere Schulen, Ge - richte erſter Jnſtanz, Krankenhäuſer u. ſ. w. beſitzt, ſo beſitzt der Kreis Landſtraßen, Eiſenbahnen, höhere Gerichte, Gefängnißhäuſer, Schulen mittleren Unterrichts, Gymnaſien, Jrrenhäuſer u. ſ. w. Die Hochſchulen, der oberſte Gerichtshof u. ſ. w. gehören zu den Bundesangelegenheiten. Steigern ſich die Bedürfniſſe, ſo wird, wie in Frankreich, die Steuer verhältnißmäßig um einen Bruch - theil vermehrt u. ſ. f. Jn der Feſtſetzung aller Gehalte durch die geſetzgebende Gewalt auf Gutachten der Arbeiterräthe wird der Werth der Arbeit durch die Arbeiter ſelbſt beſtimmt. Die Regierung, die bisher die Beherrſcherin der Geſellſchaft geweſen iſt, ſinkt zu ihrer Dienerin herab; die Miniſter werden in Wahr - heit, was ihr Name angiebt, Diener (ministri), und die Meiſter103 der Arbeit Herren (magistri). Der Staat, der blos das Gefäß und die Form für den lebensvollen Jnhalt der Geſellſchaft wer - den ſoll, muß damit aufhören, die Ausbeutung der Regierten durch die Regierenden zu ſein. Das iſt der Grund, warum gründliche Umwälzungen und die endliche Befeſtigung der ſtaatlichen Lage nicht eher eintreten können, als bis die geſellſchaftliche Frage gelöſt iſt. So lange die Macht und das Anſehen der Regierung das Volk beherrſchen, und die Beamten - und Adels-Herrſchaft kei - nen Fuß breit weicht, ſind Sparſamkeit in den Ausgaben, gerechte Vertheilung in der Steuer, Unentgeltlichkeit des Unterrichtes in dem unglücklichen Europa Hirngeſpinnſte. Aus dem Herzen des Volks, aus den Tiefen der Arbeit wird ein größeres Anſehen, eine mächtigere Thatſache hervorgehen, welche Capital und Staat umſchlingt, und ſie ſich unterwirft. Aber zu dem Ende muß nicht nur der Arbeiter für die leiblichen Bedürfniſſe allein von der Kraft ſeiner Thätigkeit abhangen; ſondern außer den Aerzten und Rechtsanwalten, den Lehrern und Geiſtlichen, von denen wir dies bereits verlangten, müſſen auch die Männer der Ver - waltung ſelbſt nicht länger der Augendienerei nach Oben ihr leib - liches Wohlſein verdanken. Dies geſchieht eben durch die Ein - führung des Wahlrechts, wie es oben z. B. für die verſchiedenen Räthe angegeben worden und durch alle Arbeiter-Verbände hindurch - geführt werden muß. Nur ſo kann das Beamtenthum, der Geheime - Raths-Dünkel gebrochen werden; wobei dann in der immer durch die Mehrheiten in der geſetzgebenden Verſammlung bedingten Ernennung der Miniſter durch die ausübende Gewalt die nothwendige Anerkennung nicht ausgeſchloſſen iſt, daß dieſe für die Wahl ihrer unmittelbaren Vertreter in den verſchiedenen Zweigen der ſtaatlichen und geſell - ſchaftlichen Thätigkeiten denn doch auch ein Wort mitzuſprechen habe.

Erſt wenn der Lohn der Arbeit nicht mehr eine Gunſt, eine Gnade ſein wird, ſei es, daß der Arbeiter ſie vom Capitaliſten als das, was dieſer von ſeinem Gewinn aufopfern will, ſei es, daß der Beamte ſie als Staatsdiener für ſeine Regierungsan - hänglichkeit von dem großen Capitaliſten, Staat genannt, erhal - te, wird die unumſchränkte Perſönlichkeit des Menſchen er - reicht ſein. Sie iſt nicht die bloße Gleichheit der Rechtsperſon vor dem Geſetze, noch das gleiche Menſchſein in der Welt der104 Bedürfniſſe oder die ſtaatsbürgerliche Gleichheit. Die Gleichheit der unumſchränkten Perſönlichkeit beherbergt alle Unterſchiede kühn in ſich, ohne in ihrem unerſchütterlichen Weſen getrübt zu wer - den: ſie drückt ſich aus nach der Seite der Perſonen als der freie Arbeiter, der denkende Producent; nach der Seite der Dinge als der Lohn der Arbeit, der Beſitz durch den Tauſch. Jm Werthe der Arbeit, als dem von dem Geiſte der arbeitenden Perſönlich - keit durchdrungenen Preiſe, veräußere ich mein innerliches Weſen frei einem Andern gegen einen gleichen Werth, der zur Befruch - tung dieſes meines Weſen dient, nehme alſo das fremde Selbſt an, indem ich mich ſelbſt ihm in anderer Form zurückgebe. Der Werth iſt die Ueberſetzung des Einen Jch in das andere oder in tauſend Bruchtheile von tauſend andern.

So mußte der Widerſpruch des Werths, der in der Volks - wirthſchaft aus der Nothwendigkeit des freien Willens entſprang, von der Verhältnißmäßigkeit des Werths beſiegt werden, d. h. von jener andern Nothwendigkeit, welche das Ergebniß der ver - einigten Freiheit und Vernunft iſt. Damit aber dieſer Sieg der vernünftigen und freien Arbeit alle ſeine Folgerungen zöge, mußte die Geſellſchaft nothwendig durch eine lange Entwickelungsreihe von Qualen wandern. Es war eine Nothwendigkeit, daß die Ar - beit, um ihre Macht zu erhöhen, ſich theilte; und um dieſer Thei - lung willen eine Nothwendigkeit, daß der Arbeiter entwürdigt wurde und verarmte: aber auch dieſe Theilung wieder überwinde, und durch Vergeſellſchaftung der Arbeit erſtarke. Es war eine Nothwendigkeit, daß dieſe urſprüngliche Theilung ſich durch Werk - zeuge und die Kunſt der Mechanik wieder zuſammenſetzte; und um dieſer Zuſammenſetzung willen eine Nothwendigkeit, daß der un - tergeordnete Arbeiter zugleich mit dem rechtmäßigen Lohne die Stelle im Gewerbfleiße verlor, die ihn ernährte: aber auch, daß er in der Geſellſchaft Mit-Eigenthümer der Maſchine werde und ſeinen verdienten Antheil am Gewinn wiedererhalte. Es war eine Nothwendigkeit, daß die Concurrenz eintrat um die ihrem Unter - gange naheſtehende Freiheit zu retten: und wieder eine Nothwen - digkeit, daß dieſe Befreiung zu einer ungeheuern Bedrängung der Arbeiter ausſchlug; damit die Sieger in dieſem Weltkampf nun - mehr ſelbſt der Beſiegten ſich brüderlich annehmen, und dieſe den105 Wettſtreit auf einem andern Kampfplatz erneuen, nachdem ſie von dem erſten verdrängt wurden. Es war eine Nothwendigkeit, daß der Pro - ducent, geadelt durch ſeine Kunſt, ſein Banner hochtrug, damit die Tüchtigkeit in der Arbeit durchs Monopol geehrt würde; und wiederum eine Nothwendigkeit, daß aus dem Vorrecht ſofort das Proletariat entſtand: aber auch, daß der Bevorzugte durch eine öffentliche Belohnung ſeines Vorrechts enteignet werde, und dieſes Allen zu Gute komme. Es war eine Nothwendigkeit, daß die Geſellſchaft ſodann durch Beſteuerung des Reichthums den beſiegten, bettelnden und raſtloſen Plebejer unter ihren Schutz nahm; und wiederum eine Nothwendigkeit, daß dieſer Schutz ſich durch die zu Gunſten der herrſchenden Klaſſe angeordnete Steuervertheilung in eine neue Reihe von Martern verwandelte: bis endlich die allein volksthümliche Belaſtung nach dem Verhältniß des Beſitzes eintrete. Wir haben auf unſerer Bahn noch andere Nothwendig - keiten angetroffen, die alle, wie die erſten, vor noch größeren Noth - wendigkeiten verſchwinden werden, bis daß endlich die allgemeine Ausgleichung die höchſte Nothwendigkeit, die triumphirende That - ſache auftritt, welche die Herrſchaft der Arbeit auf immer begründen muß. Aber dieſe Löſung kann weder die Frucht eines Handſtreichs, noch einer eitlen Vermittlung ſein. Es iſt nöthig, daß eine überlegene Gewalt die gegenwärtigen Formeln der Ge - ſellſchaft umkehre: daß die Arbeit des Volkes, nicht ſeine Tap - ferkeit und auch nicht ſeine Abſtimmung, vermöge einer wiſſen - ſchaftlichen, geſetzmäßigen, unſterblichen, unüberwindlichen Combi - nation dem Volke das Capital unterwerfe und ihm die Macht überliefere.

Die jetzige Geſellſchaft neigt ſich ihrem Ende. Die Wider - ſprüche der Volkswirthſchaft ſind die Zauberbrücke, über den Strom der Vergeſſenheit zur triumphirenden Kirche hin geſchlagen. Mit der gewerblichen Umgeſtaltung, welche die Zeit der Gerech - tigkeit heraufführen wird, werden auch die ſtaatlichen Täuſchungen aufhören, und der Streit um Staatsformen, Volkswirthſchaft und Gemeinſchaft der verjüngten Jugend ſo fremd vorkommen, als die hackenförmigen Atome, die heraldiſche Wiſſenſchaft und die Bibel - ſprache der Gottesgelehrten.

Wir waren, nach dieſem Ruckblick auf einem Haltpunkt, bis106 dahin gekommen, die Gewährleiſtung für den Werth der Arbeit im Jnnern feſtzuſtellen. Wir hatten zu dem Ende auf der Einen Seite vollkommene Gewerbefreiheit, aber ebenſo auch vor den Ver - einen eine Prüfung des Vereins-Arbeiters als Gewähr für gute Arbeit gefordert. Wir verlangten vollſtändig freien Umlauf, da - mit Ueberfluß und Mangel ſich überall ausglichen. Der deutſche Zollverein kann nur als ein ſehr unvollkommener Anfang hiervon angeſehen werden. Setzen wir aber auch den Fall, daß alle Zoll - ſchranken zwiſchen den einzelnen Bundesſtaaten vollkommen fort - gefallen wären, und die Handelsfreiheit für ganz Deutſchland be - ſtände, wie jetzt innerhalb eines einzelnen Staats, ſo wäre die geſellſchaftliche Frage damit noch nicht gelöſt. Denn wenn nun auch der ganz freie Umlauf Mangel und Ueberfluß der Erzeug - niſſe ſo viel als möglich innerhalb des ganzen Bundes ausge - glichen hätte, ſo könnte dennoch im Ganzen Mangel an Erzeug - niſſen, d. h. Theurung, oder Ueberfluß an Erzeugniſſen, d. h. Mangel an Abſatz vorhanden ſein. Hier tritt nun der auswär - tige Handel als neue Gewähr für die Verwerthung der Arbeit ein. Er muß von den freien Vereinen aus auf geglieder - tem Wege durch Vermittelung der Bundesräthe der Völker geführt werden. Wenn Handelsfreiheit in einer Familie, einer Gemeinde, einer Provinz, einem Staate unbeſtritten als das Beſte gilt, warum nicht zwiſchen zwei Staaten und allen Völkern der Welt? Die Bundesräthe oder Staatsräthe aller Völker der Welt müſſen auf dieſe Weiſe in Verbindung treten, um durch die Kraft des Dampfes zu Waſſer und zu Lande, durchs friedlich gewordene Eiſen die Erzeugniſſe aller Zonen zu aller Zonen Verbrauchern zu führen. Wenn jeder Punkt der Erde die ganze Erde zu ſeinem Markt hat, wird ſich Alles von ſelbſt ausgleichen. Die Formel der Gliederung der Menſchheit iſt die in allen Einzelnen perſönlich gewordene Vernunft der Menſchheit, die ein Areopag des Erdballs vertritt; ſo daß wir ſichern Schrittes durch alle Kataſtrophen zur Gleichheit und Ordnung geführt werden.

Schutzzoll, Handelsfreiheit und Differential-Zoll haben auf dieſem Standpunkt keine Bedeutung mehr. Die Zolllinie wird unnütz und der Schmuggel unmöglich, wenn die Gleichmachung der Arbeitsbedingungen ſich von ſelbſt im Schooße der Werkſtätten107 unter allen Producenten vollbringt, die Bilanz von Geſellſchaft zu Geſellſchaft beſteht. Laſſe man den Einzelnen, der ſich nicht den Handelsgeſellſchaften angeſchloſſen hat, auch ganz freie Aus - und Einfuhr, die Unternehmungen der Handelsgeſellſchaften und Bun - desräthe (die Preußiſche Seehandlung iſt vielleicht im Begriffe, in dieſer Weiſe aufzutreten) werden die nöthigen Ausgleichungen von Volk zu Volk ſchon machen, an die Stelle von Ausfuhr-Be - lohnungen und Eingangs-Verboten freie Handelsgeſchäfte im Ein - und Verkauf machen, und ſo die Handelsbilanz wiederher - ſtellen; ja dieſe Ausgleichung wird ſich ſchon dadurch machen, daß es ſich überhaupt von ſelbſt verbietet, zwiſchen Kauf und Verkauf ein Mißverhältniß eintreten zu laſſen. Wenn aber Alles eingeführt werden kann, fremde Erzeugniſſe der Natur ſowohl als des Gewerbfleißes, ſo vernichtet man, wird geſagt, den inländiſchen Gewerbfleiß. Aber Arbeitszweige müſſen nur da getrieben wer - den, wo ihre Bedingungen am günſtigſten ſind. Und die Arbeits - kräfte, die ſich quälten, um der widerſpenſtigen Natur einen Ge - winn auf ungeeignetem Boden zu entlocken, gehen auf einen an - dern Zweig des Gewerbfleißes über, oder bewegen ſich ohne Er - ſchütterungen dahin, wo ſie günſtigere Bedingungen und gewinn - reichere Arbeit finden. Rohe Erzeugniſſe müſſen nicht nothwen - dig da, wo ſie gewonnen werden, verarbeitet werden, wie Fourier will, ſondern wo ihre Verarbeitung die günſtigſten Bedingungen findet. Aber ſollen wir Gegenſeitigkeit üben und uns nicht gegen einen Staat verſperren, der ſich noch uns verſperrt? Als wenn es nicht beſſer wäre, zwiſchen Berlin und Potsdam wenigſtens den halben Weg von Berlin aus fahrbarer zu machen, wenn die Potsdamer die andere Hälfte durchaus nicht in Stand ſetzen wollen! Jndem aber, wie wir ſagten, auf den freien Welthan - del des Erdballs auch die ſtaatliche Freiheit deſſelben, das Ver - ſchwinden der Eiferſucht, der Zwietracht und des bewaffneten Frie - dens, der großen ſtehenden Heere und Kriegsflotten ſehr bald fol - gen würde: ſo würden die hunderte von Millionen Thalern, welche jetzt alle Völker ganz unfruchtbar in Kriegsrüſtungen anlegen, blos um ſich bis an die Zähne zu bewaffnen, den Künſten des aufrichtigen Friedens zugeführt werden; und dieſe einzige Umge - ſtaltung würde ſchon die geſellſchaftliche Frage löſen, und die durch jene Eiſenmänner hervorgebrachte Stockung des Umlaufs heben. 108Saint-Pierre’s und Kants Jdee vom ewigen Frieden hörte auf, ein Hirngeſpinnſt zu ſein; aber freilich nur mit dem Weltreich iſt die unbeſchränkte Handelsfreiheit ausführbar, ſonſt bleibt auch ſie ein Traumgebilde.

Wir haben hiermit die höchſte Höhe der geſellſchaftlichen Auf - gabe erreicht. Die Gliederung des Umlaufs iſt von jeder Hemm - niß befreit, die Vergeſellſchaftung aller Werthe damit eingeleitet. Der reinſte Ausdruck dieſes ungeſtörten Umlaufs iſt der Credit. Auch hier hat die Franzöſiſche Verfaſſung den wahren geſellſchaft - lichen Freiſtaat gegründet. Die Geſellſchaft , ſagt der 13. Ar - tikel, begünſtigt die Credit-Anſtalten. Was heißt das? Wie einzelne Vereine ſich in der Gemeinde verbinden, und der Han - delsverein mit allen in Verbindung ſteht, ſo geht dieſe Kette der Vergeſellſchaftung durch den Kreis, den Staat, und den Bund hindurch. Die Vereinigung bezieht ſich theils auf das Materielle der Arbeit, theils auf den Abſatz und Umlauf der Waaren. Wenn deren Werthe feſtgeſtellt ſind, ſo wird dies den Umlauf ſehr er - leichtern. Wenn der Lohn und der Werth geordnet, wenn die Arbeit gegliedert iſt, dann iſt der Credit nur noch der Umlauf ſelbſt von der erſten rohen Geſtaltung des Stoffs an bis zur Zer - ſtörung des Erzeugniſſes durch den Verzehrer. Man kann der Arbeit nicht borgen, ehe die Arbeit nicht geordnet iſt. Damit der Credit dem Arbeiter zugänglich werde, müſſen alle angeeigneten Reichthümer Geſammtreichthümer geworden ſein, müſſen die aus der Geſellſchaft herausgetretenen Capitalien in die Geſellſchaft zu - rückgekehrt ſein, ohne daß darum das Eigenthum aufgehoben werde. Dann iſt der Credit aber in der allgemeinen Vergeſell - ſchaftung verſchwunden. Mit andern Worten: der wahre Credit iſt die Auflöſung, das Unnützwerden des Credits, indem jeder Werth Geld geworden iſt.

Der Credit iſt die Umwandlung der feſten und verpfändeten Capitalien in umlaufende und freie; die Zukunft des Credits be - ſteht darin, die verpfändeten Werthe zu befreien, die freien zu feſſeln. Durch den Umlauf erhöht man den Reichthum, der Cre - dit ſpiegelt das Capital ab und vermehrt die Rente; indem er daſſelbe Capital zweimal arbeiten läßt, wird ſein Ertrag verdoppelt. Das iſt der ganze Zauber des Credits. Um die Umlaufbarkeit109 vollſtändig zu machen, muß man durch eine allgemeine Credit - Einrichtung verbriefte Pfänder in Umlauf ſetzen. Die Münze iſt ein vollkommenes Pfand, aber ein unvollkommenes Zeichen des Credits. Das Bankbillet iſt ein unvollkommenes oder vielmehr nichtiges Pfand, aber ein vollkommenes Zeichen des Credits. Es handelt ſich darum, eine Verknüpfung zu finden, in der das Werkzeug des Umlaufs zugleich und in gleich hohem Grade vollkommenes Pfand wie das Geld, vollkommenes Zeichen, wie das Bankpapier ſei. Die Münze muß ein ſo abſtractes Zeichen als der Werth werden. Abſtract iſt der Gedanke: die Form, worin wir den Gedanken hüllen müſſen, iſt aber die luftige Fleiſch - werdung des Worts. Die Form der Münze muß das Wort werden, und dieſes Wort verſichert ſein: d. h. ein Pfand haben, daß das Wort wirklich den Werth enthält. Der letzte Zweck des Credits iſt, dieſe Werthe, wie gemünztes Gold oder Silber, in jeder Zahlung annehmbar zu machen; was offenbar die Aufgabe der Vertheilung löſen, die Gleichheit auf das Geſetz der Arbeit gründen, und gerade dadurch die Menſchheit auf den höchſten Gipfel perſönlicher Freiheit und möglicher Vereinigung bringen hieße. Daran liegt nichts, ob der Körper des Werthes wirklich aus einer Hand in die andere geht; zum Umlauf reicht es hin, wenn der Eigen - thumstitel wandert. So iſt ein Bankbillet, das einen Theil der an der Bank aufgehäuften Reichthümer ausdrückt, für den Jnhaber gleich dem wirklichen Beſitz der auf dem Billet verzeichneten Summe.

Um nun das bewegliche und unbewegliche Eigenthum eines Volkes am Vortheil des Umlaufs Theil nehmen zu laſſen und zum Credit brauchbar zu machen, muß eine Bank errichtet werden, die es abſchätzt, und aus den Eigenthumstiteln tauſchbare Billete macht, welche, wenigſtens wenn ſie größere Summen darſtellen, mit dem Vermerke eines feſten, mäßigen Zinſes verſehen ſein würden, der von Tag zu Tag ſich berechnete, obgleich der Jnhaber am Schluß des Jahres, wie bei den Eiſenbahn-Geſellſchaften, nur die feſtzuſtellende Dividende beanſpruchen könnte. Sie würden, wie der Boden, als Capitalien erzeugend ſein, und ſo kein Eigen - thum brach liegen laſſen. Die Einlösbarkeit dieſer Renten - Billete in Münze wäre nicht nöthig; denn es iſt gleich, ob der Werth in Form des Metalls, oder unter jeder andern Form da110 iſt. Eine ſolche Bank wäre zugleich Pfandbank und Wechſelbank; die beiden oben angegebenen Bankarten wären in einer dritten, vollendeten vereinigt. Jhre Billete würden vertretene Pfänder und gewährleiſtete Vertreter ſein: die amtlichen Beglaubigungen der anderen Werthe. Bei beweglichen Pfändern müßte die Bank das Recht der Beſitzergreifung im Wege des ſchleunigen Verfahrens haben. Jſt Ueberfluß an Geld vorhanden, ſo legt man die Billete ins Pult; bei einer Geldklemme, wo die Zinſen ſteigen wollen, giebt man ſie aus. So würde Ueberfluß und Klemme nun immer im Gleichgewicht, obgleich immer in einem wechſelnden Gleichge - wicht ſein. Der Jnhaber des Billets genießt die Zinſen, die der Pfandſchuldner zahlen muß.

Auf dieſe Weiſe hätte das Volk eine gegenſeitige Be - ziehung laufender Rechnungen gegeneinander, wie dies ſchon bei den Römiſchen Wechslern auf dem Markte der Fall war. Durch ein gegliedertes Bankweſen werden Alle, Eigenthü - mer, Erzeuger und Verzehrer, mit Allen in Verbindung gebracht. So giebt z. B. die Bank von Polen dem Gutsbeſitzer Credit für die Maſchinen: er zahlt ſeine Schuld in Terminen wie ſeine Grundſteuer ab, und die Bank übernimmt dafür ſeine Rechnung mit dem Fabrikanten. Dies Eintragen aller Forderungen und Schulden in Bank-Rechnungen iſt der wahre Grund des Credits, und damit das unumſtößliche Mittel der Gleichheit geſchaffen. Die Rechnungsführung im Handel muß die ganze Welt umfaſſen, und gleichſam das Hauptbuch der Geſellſchaft ſo viele beſondere Rubriken haben, als es einzelne Menſchen giebt, ſo viel verſchiedene Artikel als Werthe erzeugt werden. Der hohe Zinsfuß würde aus dem angegebenen Grunde verſchwinden, daß bei einem Geldmangel die Rentenbillete hervorkommen, beim Geldüberfluß in Anlegung über - gehen würden. Geld und Börſenpapier würden vor den Renten - billeten verſchwinden; doch würde es immer etwas Geld für den kleinen Tauſch, und Börſenpapier bis zur Tilgung der Staatsſchuld geben. Zuerſt , ſagt Pernell, tritt in der Geſellſchaft der Tauſch ein, dann das Metallgeld, endlich Papier. Wo aber Geld ausreicht, brauchen wir kein Papier: wo Tauſch, weder Geld noch Papier.

Soll nun Eine Bank das Monopol haben oder eine freie Concurrenz vieler eintreten? Dieſen Gegenſatz haben wir ſchon gelöſt, indem wir im Allgemeinen die Verknüpfung der einſeitigen111 Behauptungen als die Wahrheit ausſprachen; aller öffentliche Cre - dit und der der Einzelnen, ſagte Law, muß auf Einen allge - meinen zurückgeführt werden. Unter der Aufſicht des Bundes - raths ſteht die Bank des ganzen Volks, und ſo herunter, bis zur Bank der einzelnen Gemeinde, und, wenn man will, des einzelnen Bezirks. Jn der Hauptbank läuft die ganze gewerbliche Einheit zuſammen; alle Zwiſchenbanken haben in ihr ihren Mittelpunkt, und werden durch ſie gewährleiſtet. Denn der ganze Reichthum des Volks iſt als Staatsſchatz in Pfändern und Billeten ver - doppelt in ihrer Hand. So geht die allgemeine Austheilung der Rentenbillete vom Mittelpunkte aus, ohne daß dadurch ihr Tauſch im Beſondern im Umkreiſe ausgeſchloſſen wäre. Die Gliede - rung des Credits vom Mittelpunkt des Bundes aus iſt durch - aus nicht eine Verſchluckung des beſondern Lebens in den ein - zelnen Gliedern. So allein haben wir Gewährleiſtung ohne Laſten, ſtatt Laſten ohne Gewährleiſtung. Die Rentenbillete, ob - gleich z. B. auf das unbewegliche Eigenthum der verſchiedenſten Art, Staats -, Gemeinde - und Grundſtücke der Einzelnen gegründet, werden doch nur an die Maſſe der Grundſtücke überhaupt geknüpft ſein, ſonſt würde ihr Credit von örtlichen Einflüſſen abhangen. Die ſchlimmſten Wechſelfälle, einzeln genommen, verſchwinden bei der Gegenſeitigkeit. Der gegliederte Schutz entwickelt, reizt, eint; der andere erdrückt, lähmt, führt Spaltungen herbei. Der Bun - desrath muß zu machen helfen, aber überall machen laſſen: über - all eingreifen, wo der Zwieſpalt der Jntereſſen Verwirrung brin - gen würde; aber nicht, wo das beſondere Jntereſſe nicht dem all - gemeinen widerſpricht. Bei den Wäldern z. B. wäre es gut, wenn der Staat zuträte, weil man ſie ſonſt zu viel, bei den Berg - werken, weil man ſie ſonſt zu wenig gebrauchen würde. So muß der Staat ſich auch bei den Eiſenbahnen betheiligen, wie dies der Staat Maſſachuſetts mit Vortheil gethan hat. Es liegt auf der Hand, wie die Arbeit ſich gliedern würde, und Hände beſchäftigt würden, wenn Gemeinde, Kreis, Staat und Bund durch die allgemeine Verzweigung des angedeuteten Bankſyſtems Capitalien genug bekämen, um öffentliche Arbeiten zu Gunſten dieſer beſondern Sphären auszuführen: z. B. Geſellſchaftshäuſer für Bezirks - und Arbeiter-Vereine, Gebäude zu Unterrichts-Anſtalten,112 ferner Landſtraßen, Eiſenbahnen, Ruheſtandshäufer u. ſ. w. Aber an dieſe, wie an andere Beſtimmungen des dreizehnten Artikels ihrer Verfaſſung ſcheinen die Franzoſen vorläufig noch gar nicht zu denken. Aus ſolchen durch Anlegung von Capital ermöglichten Arbeiten würde der Staat in der Folge ſtarke Renten ziehn, und ſo die vollendete Arbeit ſelbſt wieder ein Pfand für neue Billete werden, mit denen neue Unternehmungen gemacht werden könnten.

Die Mittel-Anſtalten ſind Privat-Banken verſchiedener Art, die alle aber nur dieſelben Rentenbillete ausgeben dürfen. Einzelne, wie Geſellſchaften, können ihre Rechnung bei den betreffenden Banken haben. Beſondere Gegenſtände des Gewerbfleißes haben beſon - dere Banken, wie Linnen -, Baumwollenwaaren u. ſ. w. Die drei Beſonderheiten des Credits ſind der landwirthſchaft - liche und der ſich aufs Grund-Eigenthum bezieht, der Credit der Fabriken und des Gewerbfleißes, der Handels-Credit. Die Prou - dhon’ſche Volksbank habe ich bereits angeführt; ſie will ſich ihren Satzungen gemäß jetzt zu einer allgemeinen Credit - und Umlaufs - Anſtalt machen, Zahlungsagent und Kaſſirer der Geſellſchaften ſein, die ihr ihre Gelder anvertrauen. Solche Banken werden auch Darlehne auf Waaren, Vorſchüſſe zur Begünſtigung beſon - derer Talente und dergleichen gewähren. Für Handwerker iſt eine Hauptſache, daß, wenn ſie ihre Arbeit geliefert haben, ſie nicht zu lange aufs Geld zu warten brauchen. Die Gemeinde-Bank übernimmt die Rechnungen Derer, die dem Handwerker auf Jahresrechnung zah - len. Dieſe werden Schuldner der Bank, welche dafür dem Hand - werker ſeine Rechnung zahlt. Einen kleinen Abzug wird ſich der Handwerker gefallen laſſen: wie überall, wird dieſer Verluſt durch den Vortheil der Gliederung, der Sicherheit, der Schleunigkeit u. ſ. w. mehr als hinreichend aufgewogen.

Die vom Staate ausgehenden Rentenbillete dienen unter An - derem auch zum Rückkauf der öffentlichen Schuld. Tilgung der öffentlichen Schuld in Maſſe und Ausführung großer Staats - arbeiten würden Hand in Hand gehen. Wie die Staatspapiere und das Börſenſpiel dadurch verſchwinden würden, ſo würde z. B. durch die beabſichtigte Pfandbank der Berliner Grundſtücke die willkürliche Kündigung oder Zinserhöhung durch die Gläubiger gerade in ſchwierigen Zeiten fortfallen, und damit dem Untergang der113 Eigenthümer vorgebeugt werden. Mit den Rentenbilleten, die ſie für ihre Grundſtücke erhielten, würden ſie ihre Gläubiger aus - zahlen können. Ein Vorſtand, ein Verwaltungsrath und eine General-Verſammlung würden, wie bei den Eiſenbahngeſellſchaften, die Geſchäfte der einzelnen Banken leiten.

Es iſt keine Frage, daß durch den Credit, durch dieſe Glie - derung der Banken im ganzen Lande, welche alles Eigenthum flüſſig machte, ſelbſt die perſönlichen Werthe, die Arbeitskräfte, und zwar vermittelſt Lebensverſicherungen, vermünzte, dem Wucher des Capitals Einhalt gethan würde. Wollen wir auch nicht in die verfrühten oder ungerechtfertigten Hoffnungen Einiger einge - hen, welche ausrufen: Wenn der Zinsfuß immer fällt, warum ſoll er nicht einmal bis Null heruntergehen? ſo würde doch ohne Zweifel durch die Gliederung des Umlaufs, welche wir in dem angedeuteten Syſtem der Banken ſo eben vorgeſchlagen haben, der ſchöne Bund von Capital und Arbeit in Freiheit geſchloſſen wer - den. Durch das Syſtem von Banken würde nicht mehr nur der Arbeiter fürchten müſſen, keine Arbeit zu haben: auch der Capi - taliſt würde bange ſein können, ſein Geld zu verleihen. Er müßte es entweder aufzehren oder durch eigene Arbeit zu vermehren ſuchen, oder es gegen eine Rente der Bank oder Denjenigen geben, welche arbeiten wollen ohne ſelbſt materielle Güter zu ha - ben, die ſie als Pfänder in die Bank legen können. Je mehr die Eigenthümer ihre Pfänder der Bank anvertrauen, deſto ſeltener werden die Capitaliſten auf Privat-Pfänder leihen können; und die ſo gewünſchte Verbrüderung des Capitals und der Arbeit wird ſich auf natürliche Weiſe von ſelber anbahnen. Die Schwierigkeit, die der Leſer ſchon lange vielleicht erhoben hat: Aber wie, wenn das Capital ſich nun dennoch nicht vergeſell - ſchaften will? wäre beſeitigt. Die Concurrenz der Leiher-Capi - taliſten unter einander, verbunden mit der Concurrenz der Arbeiter - Capitaliſten und der Borger-Arbeiter würde den Zinsfuß ſehr herabſetzen; ſo daß die Capitaliſten bald genöthigt ſein würden, ſelbſt zu arbeiten.

Würde an die Stelle des feſten Zinſes eine wechſelnde Divi - dende geſetzt, was das Preußiſche Geſetz ja ſchon den Mitgliedern der Actiengeſellſchaften auferlegt hat, und träte dies bei allen Darlehnsge -8114ſchäften der Einzelnen und der Banken ein: ſo würde der Capi - taliſt, der nun nicht mehr wie bei einer Prioritäts-Actie ſeinen feſten Zinsfuß in voller Ruhe genießen könnte, gezwungen, wenig - ſtens durch Aufſicht und ein Sich-Kümmern ums Geſchäft ſein Jntereſſe wahrzunehmen. Für die Jnhaber von Stamm-Actien der Eiſenbahnen iſt dies Bedürfniß bereits vielfach eingetreten. Die Rente wäre ſo ein Amt, das allgemein zu werden hat. Der Rentner in einer Geſellſchaft, die ſich gliedern will, iſt nichts Anderes, als der Schutzwächter der geſellſchaftlichen Erſpar - niſſe, der Verwalter der durch die Rente gebildeten Capitale. Die Rente tritt an die Stelle des Capitals; dieſes iſt ideell, jene das Wirkliche. Der normale Zuſtand der Menſchheit, wo Jeder von den Früchten ſeiner gegenwärtigen oder vergangenen Arbeit lebt, würde ſich auf dieſe Weiſe bald verwirklichen. An dieſe letzte Grenze ihrer jetzigen Wünſche angelangt, würde ſich für die Augen der Menſchen ein ganz anderer Geſichtskreis öffnen. Das Reich des Fleiſches würde untergehen, und das Geiſterreich auf Erden wiederhergeſtellt ſein.

Doch um dieſe höheren Sphären, wo die Staatswirthſchaft auf - hören muß, Arbeiten und Eſſen für die einzige offenbare Beſtimmung des Menſchen anzuſehen, und ihn zu geiſtigern Genüſſen auffordert, betreten zu können, iſt noch ein Widerſpruch zu löſen, den wir frü - her entwickelten. Am Ende der ganzen Wiſſenſchaft zeigt derſelbe ſich in ſeiner ganzen Fürchterlichkeit: Wenn zu viel Erzeugniſſe, ungeachtet alles Umlaufs, vorhanden ſind, ſo muß man die Ver - zehrer durch ſteigende Bevölkerung mehren; aber durch die ver - mehrten Verzehrer ſind dann nicht mehr genug Erzeugniſſe da, um die Verzehrer zu ernähren, und kein Platz auf der Erde, um ſie unterzubringen. So lange die bewohnbare Erde noch nicht überall bevölkert iſt, kann der Ueberfluß der Bevölkerung durch Pflanzſtädte abgeführt werden, welche mit dem Mutterlande in gegliedertem Zuſammenhange bleiben müſſen. Unbewohnbare Theile der Erde können durch Kunſt bewohnbar gemacht werden. Aber wenn nun erſt die ganze Erde übervölkert, auf der ganzen Erde kein bewohnbares Fleckchen mehr leer iſt, dann würde die geſellſchaftliche Frage unlösbar ſein: oder andere Mittel müßten aufgeſucht werden, ſie zu löſen. Und iſt es auch noch nicht nöthig,115 ſie anzuwenden, weil wir noch bis dahin nicht gekommen ſind, ſo muß zur Vervollſtändigung der Löſung doch auch hierüber noch ein Wort geſagt werden.

Und hier bemerke ich zuerſt, daß, wenn die Bildung und der Fortſchritt des Gewerbfleißes das Uebel hervorbringt, die ſteigende Bevölkerung, ſo iſt damit auch zugleich die Abhülfe gegeben. Denn nur durch die Theilung der Arbeit, die auch mit den Fortſchritten des Gewerbfleißes ſteigt, kann die Erde ſo viel Menſchen ernähren. Mit der Theilung der Arbeit tritt aber auch ihre Erſchwerung ein. Vervielfachung der Erzeugniſſe iſt gleich einer Vervielfälti - gung der Arbeit. Die Maſchine iſt eine abgekürzte Arbeitsme - thode, weil die menſchliche Arbeit nicht mehr genug leiſtet. Durch die Maſchine ſchafft der Menſch ſich mehr Sorge und Mühe, weil er ſich mit mehr Werkzeugen umgiebt, ſo z. B. bei der Lo - comotive. Die Maſchine überträgt die Arbeit von den Muskeln aufs Gehirn. Die Arbeit nimmt zu, weil der Menſch die Natur immer mehr beſiegt. Wir ſind an dem Punkt angelangt, wo die Arbeit nicht mehr erſchwert werden kann, und gerade dadurch auf die Bevölkerung einwirkt. Arbeit und Zeugung ſchließen einander aus; Arbeit iſt ein Gegengift gegen die Unmäßigkeit in der Liebe. Die Wilden Amerika’s, die ein Leben voll Angſt und Unruhe führen, ſind nur mäßig zur Liebe geneigt. Aber dies kalte Weſen hört mit der Ruhe und dem Ueberfluß baldigſt auf. Der Arme hat mehr Kinder, weil er weniger arbeitet; denn die geiſtige Ar - beit, die geiſtige Zerſtreuung greift mehr an, als leibliche Kraft - äußerung. Die Keuſchheit iſt die Genoſſin der Arbeit, die Träg - heit hat zur Begleiterin die Lüſternheit. Die Menſchen des Ge - dankens, der großen Arbeit ſind von mittelmäßiger Fähigkeit im Liebesdienſt. Mirabeau ging trotz ſeiner ſtarken Geſundheit zu Grunde, weil er, wie Proudhon ſich ausdrückt, die Heldenthaten der Gardine mit den Triumphen der Rednerbühne verbinden wollte. Werden wir ſtärker in der Arbeit, als unſere Väter, ſo weniger tapfer in den Spielen der Liebe. So wird alſo mit dem Werth der Arbeit, wenn ſie ihre höchſte Höhe erreicht hat, auch zuletzt die Bevölkerung fallen. Das Verhältniß der Werthe muß alſo zuletzt auch dazu dienen, die Uebereinſtimmung zwiſchen der Erdkugel und der Bevölkerung herzuſtellen. Arbeit iſt8 *116Herausſetzung des Geiſtes, ſein Leben ausgeben, aufopfern, ſter - ben; ſie hat ihren Ausdruck und ihr Maaß in den Werken. Je mehr wir alſo arbeiten, je eher ſterben wir auch; und die höhere Bildung iſt auch von einer Verkürzung des menſchlichen Lebens - alters begleitet.

Durch dieſe Veredelung und Vergeiſtigung der Arbeit, welche mit ſteigender Bildung eintritt, wird die Gewalt der Sinn - lichkeit im Menſchen gebrochen. Durch die Gewalt der Vernunft und der Freiheit ſoll die Arbeit auf die Liebe einwirken. Jn der Arbeit, wie in der Liebe, wird das Herz gewonnen durch den Be - ſitz, die Sinne dagegen fühlen ſich abgeſtoßen. Dieſer Gegenſatz des Natürlichen und Geiſtigen im Menſchen, in der Ausübung ſeiner gewerblichen und Zeugungs-Fähigkeiten, iſt der Herſteller des Gleichgewichts der geſellſchaftlichen Maſchine. Die Eigen - thümlichkeit in der Arbeit iſt ein Gipfelpunkt. Ebenſo beſtimmt und verperſönlicht ſich die Liebe durch die Ehe: und ebenſo ſoll ſie, durch die Läuterung der Empfindungen, durch die Verehrung des Gegenſtandes, dem der Menſch ſein Daſein gewidmet hat, über den Materialismus der Liebe triumphiren. Die Kunſt, d. h. das Suchen des Schönen, die Vollkommenheit des Wahren, in ſeiner Perſon, in ſeiner Frau, in ſeinen Kindern, in ſeinen Gedanken, Worten, Handlungen, Werken, das iſt die letzte Entwickelung des Arbeiters, die dazu beſtimmt iſt, glorreich den Kreis der Natur zu ſchließen. Die Wiſſenſchaft des Schönen und mit ihr die Sittlichkeit, das iſt der Schlußſtein des volks - wirthſchaftlichen Gebäudes. Statt das Geiſterreich jenſeits zu ſuchen, und gegen die Nothwendigkeit des Elends nur eine Hülfe in der Hoffnung auf ein anderes Leben zu finden, muß in die - ſem das Jenſeits anbrechen, und die Verklärung der Arbeit zur ſittlichen Schönheit den Himmel im irdiſchen Dies - ſeits finden laſſen. So iſt die Nothwendigkeit des Elends nur eine bedingte, etwas beziehungsweiſe Nothwendiges, ſo lange die geſellſchaftlichen Einrichtungen nicht durch die Löſung der ge - ſellſchaftlichen Frage verändert worden.

Alles, was den Menſchen rührt und feſſelt, wird für ihn Kunſtſtoff. Er ſetzt es zuſammen, bearbeitet es, bis er durch den Zauber der Arbeit den Stoff, ſo zu ſagen, von allem, was er117 thut, abgelöſt hat. Nichts gefällt dem Menſchen, was er nicht zu - bereitet; Allem will er den künſtleriſchen Charakter aufdrücken. Aber gerade dieſe Kunſt wird von der Arbeit entwickelt; ſo daß, je mehr ſich der Gewerbfleiß des Menſchen dem Jdeal nähert, um ſo höher er ſich über die Sinnlichkeit erhebt. Was den Reiz und die Würde der Arbeit ausmacht, iſt dies, durch den Gedan - ken zu ſchaffen. Wer wäre nicht ſchon Arbeitern begegnet, denen die Vollkommenheit der Arbeit ein ebenſo dringendes Bedürfniß geworden war, als ihr Lebensunterhalt, und die in einer ſcheinbar geringfügigen Eigenthümlichkeit plötzlich die herrlichſten Fernſichten entdeckten? Die Liebe, als Kunſtſtoff, eine der ernſtlichſten Ange - legenheiten der Menſchheit, ſtrebt, ſobald ſie durch die Ehe beſtimmt iſt, ſich von der Tyrannei der Sinne zu befreien. Die Flatter - triebe in der Liebe, die Bündniſſe der Vertraulichkeit, welche Fou - rier neben der Ehe beſtehen laſſen will, gehören vor dieſelbe. Man wird nicht mehr für die Verheirathung der Mädchen zu ſorgen haben. Der Gewiſſensbund, welcher dem Weibe erlaubt, ſich den Regungen ſeiner Seele hinzugeben, iſt vielleicht das beſte Mittel gegen das öffentliche Preisgeben. Bei unverdorbenen Völ - kern, ſagt Rouſſeau, ſind die Mädchen frei, die Frauen ſtreng; bei verdorbenen findet das Gegentheil ſtatt. Jn Tyrol geht der Ehe die Hingebung meiſt voran. So machen die Bauern, nach dem Urſprung des Worts erſt dann Hoch zeit, wenn es hohe Zeit für die Braut iſt, die in dieſem Falle den Strohkranz trägt. Wenn die Freiheit einer andern Wahl die Ehe löſen kann, weil das Lie - besband ein Gefühlsvertrag iſt, ſo giebt es keinen Ehebruch. Die Ehe iſt das Grab der Leidenſchaft, die Befreiung der Liebe, die eben mit jenem Tode erſt wahrhaft für den Menſchen beginnt. Der Mann hat ein unwiderſtehliches Bedürfniß, ſeine Frau, wie ſeine Arbeit, geiſtig zu lieben: ſie zu bilden, zu ſchmücken, zu ver - ſchönern. Wir wollen die ſchöne, die ſittlich gewordene Sinnlich - keit damit nicht, wie Proudhon zu thun ſcheint, aus der Ehe ver - bannen, und ſie nur in ein freies vor der Ehe ſtattfindendes Verhältniß legen. Nichtsdeſtoweniger erliſcht oder beſſer geſagt verwandelt ſich die Liebe in der Vaterſchaft, im erreichten Zwecke, im Kinde. Die Vergeiſtigung der Arbeit und die Heiligung der Liebe iſt die Befreiung des Menſchen von der Na -118 tur. Die Vernunft herrſcht über die Leidenſchaft, und in Folge der Vernunft bekundet ſich das Gleichgewicht, die Heiterkeit und Freude. Der Menſch liebt in der Kindheit das Weib als Mutter, im heranwachſenden Alter als Schweſter, in der Jünglingsperiode als Geliebte, im Mannesalter als Gattin, im Greiſenalter als Tochter. Die Periode der Fruchtbarkeit, etwa 10 15 Jahre umfaſſend, muß nicht ausgedehnt werden wollen. Dem Sohne zu ſpäte Brüder erzeugen, die er ernähren müßte, wäre gegen die Gerechtigkeit. Was aber die Vernunft gebietet, das vollendet die Arbeit, ohne auf die Erſchöpfung der Natur zu warten. Der Menſch, bei dem ſich durch eine lange Arbeit der Zug des Geiſtes entwickelt hat, entſagt von ſelbſt den Vergnügungen, die für ihn kein anderes Jntereſſe mehr haben, als ein ſeinen Kindern vor - behaltenes Gut zu ſein. So wird durch die Abkürzung der Fruchtbarkeitsperiode, bei der unaufhörlichen Vermehrung der Arbeit und der Entwickelung neuer Sitten, ſowie durch die wachſende Zahl der Eheloſen die Vermehrung der Bevölkerung ab - nehmen. Der allgemeine Wohlſtand wird die Bevölkerung nicht mehr ſo vermehren, als das immer ſchroffere Hervortreten der Gegenſätze des Proletariats und des Reichthums es in den letz - ten Zeiten gethan hat; ſondern die Wiederherſtellung dieſes Gleich - gewichts auch jedes andere herbeiführen, und mit der geiſtigen Erhebung des Proletariers auch ſeine zu große Fruchtbarkeit auf - hören.

b. Die Sicherſtellung der Arbeit.

Die erſte Aufgabe der Geſellſchaft war, dem kräftigen Ar - beiter Arbeit zu verſchaffen, und zwar lohnende, alſo den Werth der Arbeit der Zufälligkeit zu entreißen. Ebenſo muß aber dafür geſorgt werden, daß, wer noch nicht kräftig zur Arbeit iſt, dazu gemacht werde, und wer auf Zeit oder für immer die Arbeits - kraft verloren hat, für ſeine vergangene Arbeit eine ſorgenfreie Zukunft genieße. Jugend und Greiſenalter arbeiten nicht, und auch der Mann kann durch Krankheit und dergleichen unfähig zur Arbeit werden. Für alle dieſe Zufälligkeiten muß Vorſorge getragen werden. Das Erſte, was wir hier zu betrachten haben, iſt der Unterricht, die Erziehung; das Zweite die verſchiedenen119 Unterſtützungskaſſen; das Dritte der Ruheſtand. Die vorläufige Bedingung einer Sicherung der Arbeit iſt aber das von allen Lehns - und andern mittelaltrigen Laſten befreite Eigenthum, damit die freie Bewegung der Arbeit möglich ſei.

α) Der Unterricht.

Die Ehe iſt erſt die wahre Perſönlichkeit des Menſchen durch Ver - ſchmelzung der geſchlechtlichen Verſchiedenheit in Eine geiſtige Einheit. Der Mann verwaltet die Erzeugniſſe und den Tauſch, die Frau den Verbrauch und die Erſparniß. Die Ehe iſt die Verkörperung der volkswirthſchaftlichen Zweiheit, die eine Einheit werden ſoll. Auch hilft die Frau oft mit erwerben. Aber wenn der Werth der dop - pelten Arbeit beim armen Handarbeiter dazu dienen ſoll, eine zahl - reiche Familie zu ernähren, ſo iſt das meiſt der Grund des Her - unterkommens der Handarbeiter. Sie müſſen dann ihre Kinder früh in Fabriken arbeiten laſſen, damit ſie zum Lebensunterhalt der Fa - milie beitragen. So lernen ſie nichts, und bleiben eine ſtäte Pflanzſchule des Proletariats und des Laſters. Die erſte Aufgabe der Geſellſchaft iſt alſo, die Kinder zu tüchtigen Arbeitern zu er - ziehen. Die franzöſiſche Verfaſſung fordert mit Recht die Unent - geltlichkeit des erſten Unterrichts. Jch will hier über den öffentlichen Unterricht nur die allgemeinſten Grundzüge andeuten, weil ich davon beſonders theils gehandelt habe*)Jn einem erſten Heft Zur Unterrichtsfrage (Trowitzſch und Sohn, 1848)., theils noch zu handeln gedenke.

Die vor der Ehe erzeugten Kinder, die Kinder der Armen, welche dieſelben nicht erziehen können und wollen, arme Waiſen, die Kinder der Geſchiedenen, wenn kein Theil ſie behalten will, kurz überall, wo der Wille und die Mittel der Eltern nicht eine allerdings auch ganz freigelaſſene Einzel-Erziehung belieben, ſind von der Geſellſchaft zu erziehen. Das Austhun der Kinder an einzelne Familien führt meiſt zu deren Verderben. Findel - häuſer, Waiſenhäuſer, Volksſchulen verſchmelzen in Ein großes Volks-Erziehungsweſen. Die Volksſchullehrer-Vereine ſtehen zunächſt unter dem Gemeinderath. Jn ländlichen und ſtäd - tiſchen Gemeinden bekommen die Kinder neben dem wiſſenſchaft -120 lichen Unterricht auch ſogleich den gewerblichen, den die franzöſiſche Verfaſſung ſehr richtig fordert. Die Erziehung muß zugleich eine ſtaatliche und geſellſchaftliche ſein, den ganzen Cha - rakter bilden, und den gemeinſamen Grund alles Berufs legen. Jm Landbau und in Kunſtfertigkeiten muß die Jugend früh geübt und auf die Erwerbung der Lebensklugheit hingeführt werden, wenn wir auch nicht an die Ausdehnung einer Goethe’ſchen Er - ziehungs-Provinz denken wollen. Zu Palmyra in Amerika be - ſitzen die Schüler Land und verdienen ihre Erziehungs-Koſten. Jn der Stadt Columbia findet ein gänzliches Zuſammenwohnen der Schüler und Lehrer Statt. Es muß kein Schulgeld bezahlt werden. Sondern die Gemeinde bringt die Koſten durch Zuſätze zur allgemeinen Einkommenſteuer auf und zur Aushülfe der Ge - meinde der höhere ſtaatliche Verband.

Der mittlere Unterricht auf Gymnaſien, wo die ge - lehrtere Bildung eintritt, muß nicht ſo abgeſchieden werden von dem weiteren gewerblichen Unterricht in landwirthſchaftlichen Anſtalten, Gewerbeſchulen, Handelsſchulen u. ſ. w. Eine Prüfung giebt dem Knaben Eintritt in dieſe zweite Stufe des Unterrichts. Wer ſie nicht beſteht, ergreift einen Stand, der aus - gefüllt werden kann, auch ohne in jene Stufe eingetreten zu ſein. Es verſteht ſich, daß auch hier der freie Unterricht in der Familie nicht ausgeſchloſſen ſein ſoll. Der mittlere Unterricht ſteht unter den Kreis - und Provinzial-Räthen, und die Koſten werden durch deren Steuern aufgebracht.

Endlich der höhere Unterricht, auch durch eine Prüfung zugänglich, tritt in den Hochſchulen ein, deren Koſten der Bund trägt, welcher wiederum nur im Unvermögensfalle auch für die Kreis - und Provinzial-Anſtalten ſorgt. Die Gliederung und Neugeſtaltung der Hochſchulen, deren ſie ſo ſehr bedürfen, wird der beſondere Gegenſtand eines zweiten Heftes Zur Unterrichtsfrage ſein.

Die Erziehung und der Unterricht hört nicht mit der Schule auf. Auch die Erwachſenen, bis auf den geringſten Arbeiter, müſſen noch gebildet werden. Hierher gehören Sonntagsſchu - len für Lehrlinge, Ausbildungsſchulen für Handwer - ker, wie ſie in Frankreich und Belgien ſchon vielfach beſtehen. Jm Conſervatorium der Künſte und Handwerke zu Paris er -121 halten jederlei Handwerker von fünfzehn Profeſſoren unentgeltlichen Unterricht in der Geometrie, Mechanik, Chemie, Oekonomie, Ge - ſetzgebung, im Maſchinen-Zeichnen u. ſ. w. Jn Amerika wird die Erziehung der Jugend noch ausdrücklich fortgeſetzt, wenn ſie auch ſchon in Fabriken arbeitet. Jn den Fabriken von Lowell z. B. arbeiten die Mädchen vier Jahre, bekommen dabei, außer den Ar - beitsſtunden, eine gute Erziehung, Unterricht, und ſammeln ſich durch ihren Fleiß ein kleines Capital, was ihnen aufbewahrt wird. Nach der Zeit kehren ſie zu ihren Eltern gebildeter zurück, als ſie gekommen waren, während in Europa die Sittlichkeit oft durch einen ſolchen Aufenthalt in einer Fabrik ſehr leidet. So kommt es, daß ſolche Mädchen von heirathsluſtigen Männern ſehr ge - ſucht werden. Der Handwerkerverein, wie er in Berlin beſteht, ſchweift ſchon von einem Verein für die Ausbildung des ſittlichen und wiſſenſchaftlichen Lebens in die Gliederung des Genuſſes im geſelligen Leben über. Endlich ſchließen ſich hieran Kreis-Bi - bliotheken, öffentliche Vorträge vor gemiſchten Zuhö - rern, Verbreitung von Volksbüchern u. ſ. w.

Die verſchiedenen Lehrerſtufen bilden freie Vereine, welche nicht in Abhängigkeit von der ausübenden Gewalt ſind, ſondern von ihren Standesgleichen vorgeſchlagen und gewählt, von den betreffenden Räthen beſtätigt, von Beiden in ihren Rechten und ihrem leiblichen Daſein geſchützt werden. Die Anſtalten ſind mit Geldmitteln gehörig verſehen, und wenn für die jüngeren Lehrer der Hochſchulen, die ſich erſt zu bewähren haben, die Concur - renz beim Ehrenſolde die einzige Verwerthung ihrer Arbeit iſt, ſo kann dem bewährten Verdienſt wohl auch eine über der Concur - renz geſichertere Stellung durch ein feſtes Gehalt eingeräumt wer - den. Der Beamten-Charakter, der eben die Knechtung der Lehrer macht, muß aber jedenfalls zurücktreten; ſie verdanken ihre Stel - lung, außer ihren Fähigkeiten nur ihrem Vereine, ihrer Anſtalt, den von ihnen ſelbſt gewählten Räthen. Und wie ſie ſich ſo den übrigen Arbeitern nähern, ſo iſt die Aufgabe, dieſe wiederum jenen entgegen zu heben. Wenn der Werth der Arbeit feſtſteht, hat jeder Arbeiter ſo gut ein feſtes Gehalt, als der Profeſſor. Alle Arbeiter ſind Geſellſchaftsbeamte. Und nur die Miniſter und deren Gehülfen, die unmittelbaren Rathgeber der ausübenden Gewalt,122 eine ſehr geringe Anzahl Männer, ſind eigentliche Staatsbeamte, und darum allein von der Theilnahme an der geſetzgebenden und verwaltenden Gewalt ausgeſchloſſen, eben weil ſie ſchon der aus - übenden angehören, und die Trennung der Gewalten der erſte Grundſatz eines freien Staatslebens iſt. So, aber auch nur ſo, kann der Schlange der Beamtenherrſchaft der Kopf zertreten wer - den. Nur ſo werden wir des traurigen Schauſpiels überhoben ſein, daß durch Maßregelung der geiſtigen Arbeiter der Kampf zwiſchen dem Hunger und ihrem Gewiſſen gefliſſentlich hervorge - rufen, und ſo die Sittlichkeit des ganzen Volksbewußtſeins ver - giftet wird. Die Wiſſenſchaft und ihre Lehre iſt frei, ſagt der Artikel 17. der Verfaſſungsurkunde vom 5. December.

β) Unterſtützungskaſſen.

Ein umfaſſendes Verſicherungsſyſtem muß in jedem ein - zelnen Arbeitszweige und für die verſchiedenen Wechſelfälle des Lebens durch alle Vereine, Gemeinden, Kreiſe und Staaten hindurch - gehen. Alles Natur-Unglück, wie Feuersgefahr, Seegefahr, trägt ſich leicht, wenn Alle den Schaden Einzelner tragen. Das Ge - zahlte drückt Niemanden, und Keiner verdirbt. Dies all - gemeine Verſicherungsgeſchäft muß ſich nun an die vorhin beſchriebenen Banken anlehnen. Die landwirthſchaftlichen Banken werden etwa Verſicherungen gegen Hagel übernehmen, wenn keine beſondere örtliche Anſtalten dafür ſich bilden; was immer ge - fährlich iſt, weil die Gefahr oft dieſelben Orte trifft. Beſonders die gewerblichen Banken verlangen, um z. B. den Manufactur - Credit zu ſeiner vollkommenen Ausbildung zu bringen, eine be - deutende Entwickelung des Syſtems der Verſicherungen, welche ſich bis auf das gegenſeitige Tragen der Wechſelfälle der verſchie - denen Gewerbzweige unter einander erſtrecken kann.

Hieran ſchließen ſich Wittwenkaſſen durch gemeinſchaft - liche Beiträge gegründet, ebenſo Krankenkaſſen, Vorſchuß - Kaſſen, Sparkaſſen u. ſ. w. Die Hülfe eines Vorſchuſſes durch den Gewerbe - oder Gemeindebezirks-Verein hat nichts De - müthigendes mehr, und entzieht den kleinen Meiſter dem Wucher. Der Beſitz der oben beſchriebenen Rentenbillete wäre für ſich eine Sparkaſſe. Proudhon will alle dieſe Geſchäfte mit ſeiner Volks - bank in Verbindung bringen, die Bankbillete aber zinslos aus -123 geben, weil er überhaupt dem Capital keine Zeugungsfähigkeit zu - ſchreibt, ſondern dieſe nur für die Arbeit anerkennt; wohin er all - mählig durch eine vorläufige Verzinſung des Capitals mit zwei vom Hundert, die nie unter ¼ vom Hundert alſo, wie ſich ein Un - genannter ausdrückt, nur bis zur Verſicherungs-Prämie fallen darf, zu gelangen hofft. So faſt ohne allen Zins wäre das Capital eigentlich nur noch eine Sparbüchſe zur Sicherung gegen unvor - hergeſehene Ausgaben, unerwartete Bedürfniſſe, ſo wie für außeror - dentliche Genüſſe, z. B. große Reiſen, Familien-Feſte u. ſ. w.

Lebensverſicherungsbanken, um z. B. auf ſeine Ar - beitskraft Credit zu bekommen, indem ſie als Capital auch über die Gegenwart und für den Todesfall gebraucht wird, ſind ſchon erwähnt. Sie würden aber auch zur Deckung von Schulden, Sicherung eines Capitals für die Erben, für die Ausſtattung der Kinder u. ſ. w. dienen. Endlich möchte ich noch Renten-An - ſtalten anführen, in die ein Capitaliſt ſehr gern bei fallendem Zinsfuß ſein Vermögen ſchütten wird, um es als Rente für den Reſt ſeines Lebens zu ſeiner Verſorgung einträglicher verwenden zu können. Dies, ſo wie Beſchränkungen der Erbſchaften entfernter Verwandten durch einen größeren Abzug, wird dazu bei - tragen, die Capitalien ohne Rechtsverletzung mehr und mehr in den Schooß der Geſellſchaft zurückzuführen.

γ) Der Ruheſtand.

So ſind wir denn zuletzt auf das Recht zum Ruheſtand gekommen, das die franzöſiſche Verfaſſung nicht minder, als die ſo eben angegebenen Sicherungsanſtalten anerkennt. Wir brauchen alles dies jetzt nur zu berühren, nachdem uns die Einrichtung der Banken, wie wir ſie beſchrieben haben, die Allgewährleiſtung aller Menſchen für alle durch die Gegenſeitigkeit ſo anſchaulich gemacht hat. Wer nicht bei den Banken als Leibrentner ſich einkaufen oder überhaupt durch ſein Vermögen leben kann, den muß ſein Verein, die Gemeinde und als letzter Gewährsmann die größere Geſellſchaft unterhalten. Dieſer Unterhalt muß aber nicht in einem Hospital, wie ein nothdürftiges Almoſen, gewährt wer - den; ſondern die Jnvaliden der Arbeit müſſen ehrenvoll, wenn ſie wollen, in einem öffentlichen Gebäude etwa wie in dem124 Atheniſchen Prytaneum erhalten werden. Wollen ſie in ihren Fa - milien bleiben, ſo erhalten ſie etwa zwei Drittel ihres bisherigen Einkommens. Vermögende und die eine ſonſtige Rente ziehen, erhalten, wenn auch weniger, doch wohl immer ſo viel, daß ſie des Lohns ihrer Erſparniſſe nicht verluſtig gehen.

Nicht die Beamten allein haben Recht auf den Ruheſtand, ſondern jeder Arbeiter, wie denn ihr Unterſchied auch zu verſchwin - den beſtimmt iſt. Wenn durch die Gliederung des Umlaufs Alle für Alle einſtehen, ſo braucht man nicht mehr zu fragen, wo das Geld dazu herkommen ſoll, ganz abgeſehen davon, daß in einem gut gegliederten Staate keine Pfründen vergeben, keine Millionen (ich komme immer wieder darauf zurück) in ſtehende Heere vergeudet und an müßige Arbeitsfähige vertheilt werden, wie die vielen Ruheſtandsgelder junger Officiere, und die ungeheuren Summen an eine Menge ausgetretener Miniſter.

c. Die Gliederung des Genuſſes.

Der Ruheſtand muß aber nicht nur am Abend des Lebens, nach den vollbrachten Kämpfen deſſelben, ſondern auch ſchon für den kräftigen Arbeiter am Abend jedes Tages eintreten. Der Zweck der Arbeit iſt der Genuß, und er muß dem vollbrachten Tagewerke folgen. Der Genuß muß ebenſo gegliedert ſein als die Arbeit, und damit iſt erſt die geſellſchaftliche Frage vollkom - men gelöſt.

Die Gemeinde oder ihre einzelnen Bezirke, wenn ſie zu groß iſt, haben ihre Zuſammenkünfte für ſtaatliche Angelegenheiten; ſie wählen die Gemeinde-Behörde, die Stadtverordneten, und die Ge - ſetzgeber für den Staat und den ganzen Bund. Neben dieſer ſtaatlichen Wirkſamkeit ſteht die geſellſchaftliche Ordnung, wo die Gemeindeglieder nach ihren Arbeitszweigen zuſammentreten, um ihre Vereinsvorſtände und die gewerblichen Gemeinderäthe zu wählen. An dieſe beiden öffentlichen Thätigkeiten muß ſich nun auch die geſellige ſchließen, und hoffentlich wird ſie bei uns nicht wie nach den erſten Wahlen wieder einſchlafen.

Der Genuß theilt ſich in die öffentliche Geſelligkeit und das Familienleben. Die Frau ſteht hier als die Förderin des Genuſſes an der Spitze. Das Familienleben ſoll nicht hintenange -125 ſetzt werden; aber der Genuß muß auch der öffentlichen Geſellig - keit, beſonders bei freien Völkern, zufallen. Auch in der Familie wird der Genuß erleichtert, wenn die gemeinſame Vorſorge mehre - rer Familien eintritt. Jn dieſer Rückſicht werden mit Recht Familien-Vereine empfohlen: alſo z. B. Gemeinſamkeit des Lebens aller Arbeiter großer gewerblicher Anſtalten; ferner bei den Gemeinde-Bezirken und Gewerken gemeinſame Anſchaffung der theuern oder bedeutenderen Lebens - und Winterbedürfniſſe, wie Korn, Oel, Holz, Torf, im Großen, und Abgabe derſelben nach Bedarf an die einzelnen Familien gegen Geld oder Arbeit; billige Verträge mit Bäckern u. ſ. w. Auf dieſe Weiſe würden die Fa - milien bedeutend wohlfeiler leben können; und es verſteht ſich, daß alles dieſes wieder durch unſere Gemeinde-Banken vermittelt werden müßte.

Die öffentliche Geſelligkeit iſt wieder eine doppelte, die der Bezirks-Vereine und die der Arbeiter-Vereine. Es ſchadet nichts, daß Beide ſich kreuzen. Der Bezirk hat ein enge - meinſamen Verſammlungsort, ſo gut wie der Arbeiterzweig; es müſſen großartige Geſellſchaftshäuſer ſein. Die ſich vereinzelnden Arbeiter haben nur die Eine Geſelligkeit, die Andern wählen, wo ſie ihren Abend zubringen wollen: im Bezirksvereine, in ihrer Ar - beiter-Zuſammenkunft, zu Hauſe allein oder in Geſellſchaft. Jn den öffentlichen Vereinen wechſelt geſellige Unterhaltung, Belehrung, Muſik und Tanz; ſo daß ſie, umgekehrt als der Handwerkerver - ein, aus der Gliederung des Genuſſes wieder an das Gebiet der Bildungsanſtalt anſtreifen. Auch für die, welche gemeinſam eſſen wollen, muß geſorgt werden; und der gemeinſame Tiſch der Be - zirks - oder Gemeinde-Genoſſen nach vollendeter Arbeit würde eine neue Erſparniß für die Wollenden ſein, wenn er auch beſſer be - ſtellt, mit Muſik, Blumen u. ſ. w. gewürzt würde, und durch die ermöglichte Mannigfaltigkeit jeden Geſchmack befriedigen könnte. Das Frühſtück wäre dagegen vorzugsweiſe das Mahl der Familie. Nicht nur Handwerker, Kaufleute, auch Univerſitätsmitglieder und Andere haben ſolche gemeinſame Mittelpunkte, mit Bibliothe - ken, Leſezimmern, Spielzimmern u. ſ. w. Wie in den Bezirks - vereinen alle Stände zuſammenkommen und hier eben ihre An - näherung und Ausgleichung ſich von ſelber machen muß, ſo kann126 bei den Genüſſen der Arbeiter-Vereine jeder Einzelne auch Ar - beiter anderer Zweige zu dieſen Zuſammenkünften der Arbeitsge - noſſen einladen. Jndem die öffentliche Geſelligkeit ſich ſo aus - drücklich an die doppelte öffentliche Arbeit, die ſtaatliche Aller, die eigenthümliche jedes Arbeiterzweiges anſchließt, wie oft wird da in dieſelbe nicht auch noch die Arbeit und ihre Erinnerung dringen! Wenn die Frauen bei der Einrichtung der gemeinſchaftlichen Ge - nüſſe als die Haupt-Theilnehmerinnen erſcheinen müſſen, ſo ſollen ſie als Zuhörerinnen von den geſchäftlichen Berathungen der Män - ner nicht ausgeſchloſſen ſein.

Beſonders die ländliche Geſelligkeit muß befördert wer - den durch die erwähnte Erweiterung und Zuſammenlegung der Dorfgemeinden, durch gemeinſchaftliche Anſtalten wie in den Städten, damit das an Einſamkeit gewöhnte Landleben verſchwinde und der erhöhte Lebensgenuß die Landleute nicht mehr ſo ſehr zur Stadt ziehe. Wie wäre es, wenn die im Sommer zerſtreut in mehreren Gemeinden wohnenden Landbauer für die Winterge - ſchäfte in einem gemeinſamen Wirthſchaftshauſe, wenn wir auch nicht an das Phalanſterium Fouriers denken wollen, zum Theil zuſammenzögen, da ja ohnehin Geſellſchaftsräume, Schule, ſtädti - ſche Gewerbe immer daſelbſt vereint ſein müßten? Kurz der Un - terſchied der Bildung von Stadt und Land muß, wie bei den am meiſten vorgeſchrittenen Völkern, je mehr und mehr verſchwinden: auch der geringſte Arbeiter zu geiſtigen Genüſſen herangezogen werden.

Jndem ſo Alles in Staat, Arbeit und Genuß unterſchieden und doch eins iſt, jeder frei ſich verbindend und frei ſich aus - ſchließend, wird die wahre volksthümliche Staatsverfaſ - ſung eintreten. Denn durch die Allgewährleiſtung wird der Friede zwiſchen Bürger und Proletarier geſchloſſen ſein. Der zum Diener der Arbeit und des Capitals gewordene Staat gehorcht, ſtatt zu befehlen; er iſt nicht die Summe, ſondern das Band der öffent - lichen Thätigkeiten. Die Volksoberhoheit zu verwirklichen, iſt die Hauptaufgabe. Nur in einem ſolchen Staate wird die ge - ſellſchaftliche Frage gelöſt werden können. Einen ſolchen nur wird ihre Löſung hervorbringen und noch ferner dulden.

Nicht nur Arbeitskräfte und Erzeugniſſe, auch Meinungen127 ſind durch die ſtaatlichen, gewerblichen und geſelligen Zuſammen - künfte in ſtets gegliedertem Umlauf. Der ſtaatlichen Preſſe ſteht die landwirthſchaftliche, gewerbliche, ärzt - liche, künſtleriſche, religiöſe, wiſſenſchaftliche zur Seite. Durch den allſeitigen Austauſch der Anſichten wird das Volk den - ken und handeln als Ein Mann; ſeine Vertreter ſind nur ſeine Bevollmächtigte und drücken im Geſetz nur den wahren allgemei - nen Willen aus. Es giebt nur noch eine Adelsherrſchaft der Ar - beit. Der beſte Arbeiter in jedem Zweige im ſtaatlichen oder ge - werblichen Gebiete kommt an die Spitze, ſei es in den geſetzge - benden Verſammlungen, ſei es in den verſchiedenen Räthen, ſei es als Miniſter. Dieſe geſellſchaftliche Umgeſtaltung iſt Frei - heit, Gleichheit, Brüderlichkeit, möge ein gewähltes Oberhaupt oder ein erblicher König an der Spitze ſtehen. Jn einer ſolchen Verfaſſung ſind alle Fragen, Jntereſſen und Gegen - ſätze in Einem Grundſatz vereinigt, jedes Daſein das Ergebniß aller andern.

Jndem Proudhon dieſen Zuſtand des nicht vorgeſchichtlichen unlebendigen All-Bewußtſeins, ſondern dieſe letzte Vollendung des Menſchengeſchlechts nach Löſung der geſellſchaftlichen Frage in einer höchſt dichteriſchen Verzückung beſchreiben wollte, drückte er ſich alſo aus: Wir glaubten mitten in einem Aether - meere zu leben. Die Lebensgeiſter, die von jedem Einzelnen auf die Andern ausſtrahlten, verknüpften unſer Daſein zu einer Gemein - ſamkeit und unſere Jchheiten bildeten, ohne in einander zu fließen, eine große, zuſammenklingende, mitfühlende Seele. Eine höhere Vernunft, wie ein Blitz von Oben, erleuchtete unſeren Verſtand. Zum Bewußtſein unſerer Gedanken geſellte ſich in uns das Ein - dringen in die Gedanken der Andern; und aus dieſem innigen Verkehr entſprang in unſeren Herzen das köſtliche Gefühl eines einſtimmigen Wollens, das dennoch in ſeinem Ausdruck und in ſeinen Beweggründen verſchieden war. Wir fühlten uns verei - nigter, unzertrennlicher und doch freier. Kein Gedanke erwachte in uns, der nicht lauter geweſen wäre, keine Emfindung ohne Geradheit und Edelmuth. Jn dieſer Entzückung Eines Augen - blicks und dieſer durchgängigen Gemeinſchaft, die, ohne die Cha - raktere aufzuheben, ſie vielmehr durch die Liebe bis zum Jdeale128 erhob, empfanden wir, was die Geſellſchaft ſein ſoll, ſein kann; und das Geheimniß des unſterblichen Lebens ward uns offenbart. Den ganzen Tag arbeiteten wir, ohne irgend etwas in uns zu empfinden, was einem Befehl oder Gehorſam geglichen hätte, mit merkwürdigem Einklang, als wenn wir alle zugleich die urſprünglichen Glieder der Bewegung geweſen wären.

Jn einer ſolchen geiſtigen Wiedergeburt iſt die ewige Per - ſönlichkeit des Geiſtes in der vergänglichen Einzelnheit gegen - wärtig; und die Löſung der geſellſchaftlichen Frage zieht ſo das Jenſeits ins Dieſſeits herunter, und befreit uns von einer Sehn - ſucht, die unbefriedigt aus den Widerſprüchen des irdiſchen Lebens einer nebelhaften Welt entgegenſteuert. Die himmliſche Jeruſalem fährt, wie es in der Schrift heißt, als eine geſchmückte Braut, zur Erde herab. Mittelbar oder unmittelbar müſſen alle Men - ſchen in Jntereſſen und Handlungen mit allen andern Eins ſein; jeder iſt der perſönlich gewordene Verein. Jndem ſo in dieſem neuen Staatsleben jeder Bürger thut, was er will, nimmt er unmittelbar an der Geſetzgebung und Verwaltung, wie an der Erzeugung und dem Umlauf des Reichthums Theil. Jeder Bür - ger iſt nun was wir am Anfang forderten, König. Er hat die Fülle der Macht, er herrſcht und regiert. Es iſt die Freiheit, die von allen Hemmungen befreit, dem Aberglauben, dem Vorur - theil, dem Trugſchluß, dem Börſenſpiel, dem Anſehen; es iſt die gegenſeitige, nicht die ſich einſchränkende Freiheit. Nachdem wir ihren Jnhalt in der Löſung der geſellſchaftlichen Frage dargelegt haben, bleibt uns nur noch übrig, ihre Formen in dem Entwurf einer Deutſchen Bundesverfaſſung, wie ſie dem Begriff der Sache gemäß ausgeprägt ſein müßten, folgen zu laſſen. Wenn dagegen der Einwand erhoben werden ſollte, daß ſie ſich jetzt nicht durchführen laſſe, ſo habe ich den beſtehenden Verhält - niſſen Rechnung getragen, und Aenderuugen vorgeſchlagen, ohne darum die Forderungen der Jdee im Mindeſten verſchleiern zu wollen.

129

III. Entwurf einer Verfaſſung für den Deutſchen Bundesſtaat.

Wir, das Volk der geſammten Stämme Deutſchlands, um die völkerrechtliche Sicherung unſeres Vaterlandes, die innere Ruhe der einzelnen Bundesſtaaten und die allgemeine Wohlfahrt der Bürger, inſofern hierzu die Selbſtverwaltung der einzelnen Staaten nicht genügt, zu fördern, und die Segnungen der Frei - heit für uns ſelbſt und unſere Nachkommen in einem neuen geſellſchaftlichen Leben zu ſichern, verwandeln den bisherigen Staatenbund in einen großen Bundesſtaat, und ſetzen für den - ſelben folgende Verfaſſung feſt, indem wir hoffen, daß dadurch die Fortſchritte der Bildung, Geſittung und Vernunft gleich - mäßiger und ungehinderter als bisher, ſo wie ohne fernere Er - ſchütterungen und auf dem Wege geſetzlicher Einrichtungen Statt finden werden.

Abſchnitt I. Die Beſtandtheile des Deutſchen Bundes.

§. 1. Der Deutſche Bundesſtaat wird durch die Regie - rungen und Bürger aller Deutſchen Länder gebildet, ſo wie die - ſelben bisher nur durch ihre Regierungen am Deutſchen Bunde Theil nahmen.

§. 2. Außerdem treten zum Deutſchen Bunde hinzu Oſt - und Weſt-Preußen, Schleswig-Holſtein und ein Theil von Limburg.

§. 3. Das Großherzogthum Poſen bleibt ſo lange beim Deutſchen Bunde, bis ein ſelbſtſtändiger polniſcher Staat beſtehen9130wird. Tritt dieſer Zeitpunkt ein, ſo ſoll es den Grenz-Kreiſen, in denen die polniſche Bevölkerung überwiegt, freiſtehen, ſich dem neuen Staate anzuſchließen.

§. 4. Daſſelbe Recht haben andere Grenz-Kreiſe, wo die fremde Bevölkerung die Mehrzahl bildet, im Verhältniß zu den Nachbarſtaaten. Doch ſind dann die Rechte auf Volksthümlich - keit jedenfalls von beiden Seiten zu gewährleiſten.

§. 5. Eine der wichtigſten Aufgaben des Bundes bleibt es dagegen, ebenſo durch freundſchaftliche Uebereinkunft dahin zu wir - ken, daß alle überwiegend Deutſchen Länder, wenn ſie es wün - ſchen ſollten, mit dem Bunde vereinigt werden.

Abſchnitt II. Von den Grundrechten des Deutſchen Volks.

§. 6. Das Bürgerrecht wird nicht geborenen Deutſchen durch die Geſetzgebung verliehen.

§. 7. Es giebt im Staate weder Standes-Unterſchiede noch Vorrechte. Alle Deutſche ſind vor dem Geſetze gleich.

§. 8. Der Adel iſt abgeſchafft; der Gebrauch adliger Titel und Bezeichnungen in öffentlichen Urkunden iſt unterſagt.

§. 9. Orden, ſo wie Titel, die nicht blos das Amt bezeich - nen, können nicht mehr ertheilt werden.

§. 10. Die Freizügigkeit innerhalb Deutſchlands und die Auswanderungsfreiheit iſt nicht beſchränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.

§. 11. Das Eigenthum iſt von allen die Freiheit deſſelben beſchränkenden Laſten zu befreien; die Lehnsabhängigkeit iſt aufgehoben.

§. 12. Das Eigenthum kann nur aus Gründen des öffent - lichen Wohls gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenig - ſtens vorläufig feſtzuſtellende Entſchädigung entzogen oder be - ſchränkt werden.

§. 13. Kein Soldat ſoll in Friedenszeiten ohne Einwilli - gung des Eigenthümers in ſein Haus eingelagert werden, und in Kriegszeiten nur in der durchs Geſetz vorgeſchriebenen Weiſe.

§. 14. Das Geſetz über perſönliche Freiheit darf nur auf -131 gehoben werden, wenn es die öffentliche Sicherheit bei Aufſtän - den oder feindlichen Einfällen erfordert. Jſt die geſetzgebende Gewalt nicht verſammelt, ſo muß ſie ſofort und zwar ſpäteſtens auf den achten Tag zuſammenberufen werden, um ihre Zuſtimmung dazu zu geben.

§. 15. Niemand kann wider ſeinen Willen vor einen an - deren, als den im Geſetze beſtimmten Richter gezogen werden. Gutsherrliche Gerichte, Ausnahme-Gerichte, und außerordentliche Gerichte ſind unſtatthaft. Keine Strafe kann angedroht oder ver - hängt werden, als in Gemäßheit eines Geſetzes.

§. 16. Die Todesſtrafe iſt bei Staats-Verbrechen ab - geſchafft.

§. 17. Die Strafe des bürgerlichen Todes und der Ver - mögens-Einziehung findet nicht Statt.

§. 18. Wozu der Einzelne zu ſchwach iſt, das veranſtaltet die Familie; was die Familie nicht leiſten kann, beſorgt der Verein der Standesgenoſſen; was der Verein nicht vermag, thut die Gemeinde; der Kreis hilft aus, wo die Gemeinde ungenü - gend iſt; wo der Kreis nicht ausreicht, tritt der Staat hinzu. Der Bund iſt der höchſte Ausdruck für die brüderliche Hülfe, welche alle Deutſche einander gewähren ſollen.

§. 19. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe wird durch deren Abſchließung von dem dazu von der Staatsgeſetzgebung beſtimm - ten bürgerlichen Beamten bedingt.

§. 20. Ein Familien-Rath tritt unter der Oberaufſicht der Gemeinde-Gerichte in Wirkſamkeit.

§. 21. Die Gemeinde zunächſt und die höheren Verbände der Reihe nach haben die Verpflichtung, innerhalb der Grenzen ihrer Hülfsmittel, dem Arbeitsloſen Arbeit und dem Arbeitsun - fähigen Unterſtützung und Ernährung zu gewähren, inſofern die Familie und der Verein ſeiner Standesgenoſſen nicht dazu im Stande iſt. Der Einzelne hat aber auch die Pflicht, zu arbeiten und für ſeinen zukünftigen Lebensunterhalt Sorge zu tragen.

§. 22. Jeder Deutſche hat gleiches Recht zu allen Aemtern; der Vorzug wird nur dem Verdienſte gegeben.

§. 23. Das Briefgeheimniß iſt unverletzlich. Das Geſetz9 *132beſtimmt die Beamten, welche für die Verletzung des Geheimniſſes der der Poſt anvertrauten Briefe verantwortlich ſind.

§. 24. Jeder hat das Recht, an die öffentlichen Behörden Bittſchriften mit der Unterſchrift von einer oder mehreren Perſo - nen einzureichen. Nur eingeſetzte Behörden und geſetzlich aner - kannte Vereine haben das Recht, im gemeinſchaftlichen Namen Bittſchriften einzureichen.

§. 25. Die Preſſe iſt frei. Die Cenſur kann nie einge - führt werden. Eine Sicherleiſtung darf nicht gefordert werden.

§. 26. Das Verſammlungs-Recht in geſchloſſenen Räumen iſt unbedingt frei; unter freiem Himmel genügt eine 24 Stunden vorher an die Orts-Polizei gemachte Anzeige, welche in Fällen der Gefahr die Verſammlung verbieten kann.

§. 27. Alle Deutſche ſind berechtigt, ſich ohne vorgängige obrigkeitliche Erlaubniß zu ſolchen Zwecken, welche den Strafge - ſetzen nicht zuwider laufen, in Geſellſchaften zu vereinen. Niemand kann gezwungen werden, zu einem Arbeiterverbande hinzuzutreten, um ein Geſchäft zu betreiben. Jeder eintretende Arbeiter muß aber eine Prüfung vor ſeinen Standesgenoſſen beſtehen. Die Be - dingungen, unter denen Vereins-Rechte gegeben werden, beſtimmt das Geſetz.

§. 28. Es giebt keine Staatsreligion. Die bürgerlichen Rechte ſind nicht vom Bekenntniß abhängig. Die Kirche iſt ein freier Verein, der ſich ſelbſt verwaltet. Jeder kann ſeinen Gottes - dienſt frei ausüben mit Vorbehalt der Vergehungen, welche bei Ausübung dieſer Freiheit begangen werden.

§. 29. Die Schule iſt von der Aufſicht der Kirche befreit. Die Lehrfreiheit iſt gewährleiſtet. Die Schule iſt ein freier Ver - ein. Der niedere Unterricht iſt unentgeltlich und wird von der Gemeinde beſtritten; der mittlere wird vom Staat, der höhere durch den Bund unterſtützt. Auch hier hilft der höhere Verband im Verhältniß zum niederen aus.

§. 30. Das Recht des Volkes, Waffen zu halten und zu tragen, ſoll nicht eingeſchränkt werden.

§. 31. Die ausdrückliche Erwähnung beſtimmter Rechte in der Verfaſſung darf nicht ſo gedeutet werden, daß dadurch andere133 dem Volke vorbehaltene Rechte verweigert oder beeinträch - tigt würden.

Abſchnitt III. Von den Rechten des Bundes.

§. 32. Der Bundesgewalt ſtehen folgende Rechte zu:

Die völkerrechtliche Vertretung Deutſchlands und der einzelnen Bundesſtaaten zu handhaben, mithin Verträge zu ſchließen, und dem geſammten Geſandtſchafts-Weſen vorzuſtehen;

§. 33. Krieg zu erklären und Kaperbriefe zu ertheilen;

§. 34. Heere auszurüſten und zu unterhalten; jedoch ſoll das Geld dazu nie auf länger, als auf ein Jahr bewilligt werden;

§. 35. Eine Seemacht auszurüſten und zu halten;

§. 36. Für die Land - und See-Macht Kriegs-Geſetze zu entwerfen;

§. 37. Die Bürgerwehr zu berufen, um die Geſetze des Bundes zu vollſtrecken, Aufſtände zu unterdrücken und Angriffe von Außen abzuwehren;

§. 38. Feſtungen, Magazine, Werften und Zeughäuſer zu beaufſichtigen und anzulegen;

§. 39. Seeräubereien und Verletzungen des Völkerrechts zu beſtrafen;

§. 40. Steuern anzuordnen und zu erheben, um die Schul - den zu bezahlen, und zum Zwecke der gemeinſamen Vertheidigung und des allgemeinen Wohls; doch ſollen die Abgaben durch den ganzen Bund gleichmäßig ſein;

§. 41. Anleihen zu machen;

§. 42. Gemeinſchaftliche Poſt -, Eiſenbahn - und Telegraphen - Einrichtungen zu veranſtalten;

§. 43. Gleichheit der Maaße, Münzen und Gewichte herzuſtellen;

§. 44. Ein gleiches Handels - und Wechſel-Recht ein - zuführen;

§. 45. Bei Erfindungen in Künſten und Wiſſenſchaften den Erfindern, oder aus andern Gründen öffentliche Belohnungen134 zu ertheilen, ohne für die Veröffentlichung der Erfindung das Recht des ausſchließlichen Verkaufs auf eine beſtimmte Zeit zu geben;

§. 46. So wie gleicher Weiſe die Verleger und Schrift - ſteller gegen den Nachdruck ſicher zu ſtellen;

§. 47. Ueber alle vorgenannten Gegenſtände unbedingt die nöthigen Geſetze zu geben;

§. 48. Die Geſetzgebung im Gebiet des öffentlichen und Privat-Rechts inſoweit in die Hand zu nehmen, als dies zur Durchführung der Einheit Deutſchlands für eine Gemeinſchaft - lichkeit des Rechts, der Rechtsſprechung und der Rechtswiſſen - ſchaft nöthig iſt.

Abſchnitt IV. Von den Gewalten des Bundes.

§. 49. Die Oberhoheit wohnt in der Geſammtheit der Deutſchen Bürger; ſie iſt unveräußerlich und unverjährbar.

§. 50. Alle öffentlichen Gewalten, welche es auch ſeien, ſtammen vom Volke, und können nicht erblich überliefert werden.

§. 51. Die Trennung der Gewalten iſt die erſte Bedingung einer freien Verfaſſung.

Erſte Abtheilung. Die geſetzgebende Gewalt.

§. 52. Weil das Volk Eins, ſo iſt auch die Verſammlung ſeiner Vertreter nur Eine.

§. 53. Die Wahl der Abgeordneten hat die Volkszahl zur Grundlage, ſo daß auf 70,000 Einwohner Ein Ver - treter kommt.

§. 54. Die Wahl geſchieht unmittelbar und nach allgemei - nem Stimmrecht. Die Abſtimmung iſt geheim. Jeder großjährige, ſelbſtſtändige Deutſche, der Steuern zahlt und deſſen ſtaatsbürger - liche Rechte nicht durch eine peinliche Verurtheilung aufgehoben ſind, iſt Wähler und wählbar.

§. 55. Zeit und Ort der Wahl ſoll in jedem Staate von deſſen geſetzgebender Gewalt vorgeſchrieben werden; die Wahlab -135 theilungen beſtimmt das Geſetz. Der Wahlkörper wählt ſich ſeinen Vorſtand.

§. 56. Kein beſoldeter Beamte des Bundes kann Mitglied der geſetzgebenden Verſammlung ſein, und kein Volksvertreter darf ein ſolches beſoldetes Amt annehmen, ohne ſofort aus der Ver - ſammlung zu treten.

§. 57. Die Abgeordneten werden alle drei Jahre vom Volke der einzelnen Staaten erwählt. Die Ernennung von Stell - vertretern derſelben iſt unſtatthaft.

§. 58. Die Volksvertreter ſind immer wieder wählbar; ſie ſind nicht die Vertreter des Staats, der ſie ernennt, ſondern des geſammten Deutſchlands; ſie ſind an Aufträge und Verhaltungs - befehle nicht gebunden.

§. 59. Die neue Verſammlung iſt von Rechtswegen auf den Tag zuſammenberufen, welcher auf denjenigen folgt, an welchem die Vollmacht der früheren Verſammlung zu Ende geht.

§. 60. Fünfundvierzig Tage wenigſtens vor Ablauf dieſer Vollmacht muß ein Geſetz die Zeit der neuen Wahl beſtimmen. Jſt kein ſolches Geſetz erſchienen, ſo verſammeln ſich die Wähler von ſelbſt dreißig Tage vor dem Ablauf dieſer früheren Ge - ſetzgebung.

§. 61. Die Verſammlung iſt unauflösbar; doch kann ſie ſich bis zu einem beſtimmten Zeitpunkt vertagen.

§. 62. Während der Dauer der Vertagung hat ein Aus - chuß, aus den Sprechern, den Schriftführern und fünfundzwanzig Mitgliedern beſtehend, die durch geheime Wahl ernannt ſind, das Recht, die Verſammlung in Dringlichkeitsfällen zu berufen.

§. 63. Das Oberhaupt Deutſchlands hat auch das Recht, die Verſammlung zu berufen.

§. 64. Die geſetzgebende Verſammlung beſtimmt den Ort ihrer Sitzung, die Größe der Heeresmacht, welche ſie für ihre Sicherheit nöthig findet; und ohne ihren Willen dürfen keine Truppen ſich auf zwei Meilen ihrem Umkreiſe nähern.

§. 65. Die Sitzungen der Verſammlung ſind öffentlich. Auf den Antrag ihres Sprechers oder von zehn Mitgliedern tritt ſie zu einer geheimen Sitzung zuſammen, in welcher dann zunächſt über dieſen Antrag zu beſchließen iſt.

136

§. 66. Die Verſammlung wählt ein Schwurgericht von Rechts - gelehrten, welches die Vollmachten der Mitglieder prüft, und darüber entſcheidet, ohne die Namen der Gewählten zu kennen. Die Verſamm - lung regelt ihren Geſchäftsgang durch eine Geſchäftsordnung, und erwählt ihren Sprecher, deſſen Stellvertreter und die Schriftführer.

§. 67. Die Mitglieder der Verſammlung erhalten aus der Bundes-Kaſſe Reiſekoſten und Tagegelder nach Maßgabe des Geſetzes. Ein Verzicht hierauf iſt unſtatthaft.

§. 68. Die Volksvertreter ſind unverletzlich. Sie können für ihre Abſtimmungen oder für die in ihrer Eigenſchaft als Ab - geordnete abgegebenen ſchriftlichen oder mündlichen Aeußerungen nicht zur Rechenſchaft gezogen werden. Kein Mitglied der Ver - ſammlung kann ohne ihre Genehmigung während des Zeitraums der Sitzung wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Unterſuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es auf friſcher That ergriffen wird. Gleiche Genehmigung iſt bei einer Verhaftung wegen Schulden nothwendig. Jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied der Verſammlung und eine jede Unterſuchungs - oder Schuld-Haft wird für die Dauer der Sitzung aufgehoben, wenn die Verſammlung es verlangt. Daſſelbe gilt auch für den Fall, daß ein verhafteter Bürger zum Vertreter gewählt wird.

§. 69. Jeder Volksvertreter hat das Recht, Geſetzvorſchläge einzubringen, das er nach der Form der Geſchäftsordnung ausübt.

§. 70. Um gültige Beſchlüſſe über Geſetze zu faſſen, muß die einfache Mehrheit der Mitglieder gegenwärtig ſein.

§. 71. Jede Beſchlußnahme geſchieht nach Stimmenmehr - heit; bei Stimmengleichheit wird der in Berathung gezogene Vor - ſchlag verworfen.

§. 72. Kein Vorſchlag mit Ausnahme der Dringlichkeits - Anträge kann zum Geſetz erhoben werden, wenn er nicht nach einem Zwiſchenraum von zehn Tagen nochmals mit oder ohne Ver - beſſerungs-Vorſchläge angenommen worden.

§. 73. Die Verſammlung hat das Recht, Ausſchüſſe zur Unterſuchung von Thatſachen zu ernennen, eidlich Zeugen zu ver - nehmen, und die Behörden zur Beihilfe hierfür aufzufordern.

§. 74. Es iſt unterſagt, der Verſammlung in Perſon Bitt - ſchriften zu überreichen. Sie kann die an ſie gerichteten Schriften137 den Miniſtern zuweiſen und von denſelben Auskunft über ein - gehende Beſchwerden verlangen.

§. 75. Die amtliche Auslegung der Geſetze gebührt nur der geſetzgebenden Gewalt.

Zweite Abtheilung. Die ausübende Gewalt.

§. 76. Das Deutſche Volk vertraut die ausübende Gewalt einem Bürger an, welcher den Namen eines Kaiſers der Deutſchen annimmt.

§. 77. Der Kaiſer muß geborener Deutſcher, wenigſtens fünfunddreißig Jahr alt ſein, und niemals aufgehört haben, ein Deutſcher zu ſein.

§. 78. Der Kaiſer wird auf vier Jahre gewählt, und iſt wieder wählbar. *)Die Erblichkeit der Kaiſerwürde, die wir ſchon in der Einleitung (S. 32 flg. ) ausführlich beſprochen haben, macht für dieſen und einige andere Paragraphen ſich von ſelbſt verſtehende Abänderungen nothwendig, da ein erbliches Oberhaupt unverantwortlich iſt. Man wundere ſich übrigens nicht, daß ich mit der Erblichkeit alle freiſinnigen Beſtimmungen beſtehen laſſe. Denn bei einem erblichen Oberhaupte verlangen die Volksfreiheiten eine um ſo größere Gewähr.

§. 79. Der Kaiſer wird am ........... von den Vertretern des Volks und den Bundesräthen in vereinter Sitzung erwählt. Wird er zu einer andern Zeit wegen Todesfalls oder Amtsniederlegung des Vorgängers gewählt, ſo wird das Jahr der Wahl für voll gerechnet.

§. 80. Der Schwur des Kaiſers lautet: Jch ſchwöre hier - mit feierlichſt, daß ich getreulich das Amt des Kaiſers von Deutſchland verwalten, und nach meinen beſten Kräften die Ver - faſſung der Deutſchen Bundesſtaaten bewahren, ſchützen und ver - theidigen will.

§. 81. Er wohnt am Orte der geſetzgebenden Verſamm - lung, und kann das Deutſche Gebiet nicht ohne die Erlaubniß eines Geſetzes verlaſſen.

§. 82. Jedes Jahr entwickelt er durch eine Botſchaft an die Verſammlung den allgemeinen Zuſtand der Angelegenheiten Deutſchlands.

138

§. 83. Er hat das Recht, Geſetzvorſchläge durch die Mi - niſter der geſetzgebenden Verſammlung vorzulegen; er bewacht und beſchützt die Ausübung der Geſetze, trifft die zur Vollziehung der Geſetze nothwendigen Anordnungen, ohne jemals die Geſetze ſelbſt außer Kraft ſetzen, noch von ihrer Vollziehung befreien zu können.

§. 84. Der Kaiſer veröffentlicht die Geſetze im Namen des Deutſchen Volkes.

§. 85. Die Dringlichkeits-Geſetze ſind innerhalb dreier Tage, die andern während eines Monats zu veröffentlichen, und zwar von dem Tage an gerechnet, an welchem die geſetzgebende Gewalt ſie ſchließlich angenommen.

§. 86. Jn der angegebenen Friſt kann der Kaiſer durch eine begründete Botſchaft eine neue Berathung fordern. Der Be - ſchluß, der auf dieſe folgt, iſt verbindend, und wird dem Kaiſer überſendet. Die Bekanntmachung muß dann in derſelben Zeit, wie bei Dringlichkeits-Geſetzen Statt finden. Von dieſem zeit - weiſen Einſpruch kann der Kaiſer indeſſen nur Gebrauch machen, wenn er das Gutachten des Bundesraths für ſich hat. Die Mehrheit der geſetzgebenden Verſammlung muß in dieſem Falle zwei Drittel der anweſenden Mitglieder betragen.

§. 87. Macht der Kaiſer das Geſetz auch innerhalb dieſer Friſt nicht bekannt, ſo ſorgt der Sprecher der geſetzgebenden Ver - ſammlung dafür.

§. 88. Der Kaiſer ernennt und entläßt die Miniſter.

§. 89. Er ernennt und entläßt im Miniſter-Rathe die Geſandten und Oberbefehlshaber der Land - und Seetruppen.

§. 90. Er ernennt und entläßt auf Vorſchlag des betreffen - den Miniſters die Unterbeamten deſſelben. Doch bedarf er, um die Amtsentſetzung derſelben zu verhängen, der Zuſtimmung des Bundesraths.

§. 91. Die Geſandten der fremden Mächte ſind beim Kaiſer beglaubigt. Er führt den Vorſitz bei den öffentlichen Feierlichkeiten.

§. 92. Der Kaiſer trifft die Beſtimmungen über die Land - und See-Macht, ohne ſie je in Perſon befehligen zu können.

§. 93. Der Kaiſer ſchließt Bündniſſe, Friedens - und Han -139 dels-Verträge. Doch müſſen ſie vom Bundes-Rath begutachtet, und durch die Volksvertreter genehmigt werden.

§. 94. Der Kaiſer ſorgt für die Vertheidigung des Staats. Doch kann er keinen Krieg ohne die Genehmigung der geſetzge - benden Gewalt, und weder zur Unterdrückung eines fremden Vol - kes noch aus Eroberungsrückſichten unternehmen.

§. 95. Der Kaiſer darf keinen Theil Deutſchlands ab - treten, ohne die Zuſtimmung der geſetzgebenden Gewalt.

§. 96. Die Verordnungen des Kaiſers ſind nur gültig, wenn ſie von einem Miniſter gegengezeichnet ſind. Der Kaiſer iſt verantwortlich.

§. 97. Er kann die geſetzgebende Verſammlung weder auf - löſen noch vertagen. Jede Maßregel, wodurch er dies thut oder die Ausübung ihrer Vollmacht behindert, iſt Hochverrath. Die geſetzgebende Verſammlung übernimmt in dieſem Falle die aus - übende Gewalt und übergiebt den Kaiſer dem Gericht.

§. 98. Der Kaiſer hat das Recht der Begnadigung. Doch muß er vorher das Gutachten des Bundesraths eingefordert haben. Amneſtien können nur durch ein Geſetz erlaſſen werden. Der Kaiſer, die Miniſter und andere durch den höchſten Gerichts - hof wegen Hochverraths verurtheilte Perſonen können nur durch die geſetzgebende Verſammlung begnadigt werden.

§. 99. Der Kaiſer erhält eine freie Wohnung, und ........ Thlr. Jahrgelder.

§. 100. Der Reichsverweſer wird vom Bundesrath für dieſelbe Zeit, als der Kaiſer erwählt, und vertritt den Kaiſer. Sind Beide verhindert, ſo tritt der Sprecher der geſetzgebenden Verſammlung an ihre Stelle. Der Reichsverweſer leiſtet den - ſelben Eid, als der Kaiſer.

Dritte Abtheilung. Der Bundes-Rath.

§. 101. Von der Gemeinde bis zum Bunde werden die höheren Räthe immer durch die niederen aus den verſchiedenen Arbeiterverbänden der bürgerlichen Geſellſchaft erwählt; ſie erhal - ten Tagegelder, und ſind nicht auflösbar.

§. 102. Der Reichsverweſer iſt der Sprecher des Bundesraths.

140

§. 103. Die Mitglieder des Bundesraths werden auf ſechs Jahre durch die Staatsräthe der einzelnen Staaten ernannt. Alle drei Jahre ſcheidet die Hälfte aus; ſie können aber wieder gewählt werden.

§. 104. Ein Bundesrath muß dreißig Jahre alt ſein und Bürger des Staats, der ihn ſchickt.

§. 105. Der Bundesrath hat ſo viel Abtheilungen, als es Miniſterien giebt. Jeder Staat ſchickt Einen Bundesrath für jede Abtheilung.

§. 106. Jede Abtheilung wählt einen Unterſtaats-Secretär zu ihrem Vorſtande.

§. 107. Niemand kann zugleich in der Volksvertretung und im Bundesrath Sitz und Stimme haben.

§. 108. Der Bundesrath tritt an die Stelle der Fach - Ausſchüſſe und der Sachverſtändigen.

§. 109. Der Bundesrath begutachtet die Geſetzentwürfe, welche die Bundesregierung einbringt, und die, welche die Volks - vertretung ihm vorlegt. Bei der Begutachtung der Geſetze ſtimmt der Bundesrath in vereinten Abtheilungen.

§. 110. Er begutachtet ebenſo alle Verordnungen und Maß - regeln, welche die Miniſter ihm außer denen, wozu ſie geſetzlich ſchon verpflichtet ſind, noch vorlegen. Hier verſammelt ſich jede Abtheilung einzeln oder mehrere verbunden, je nach den betref - fenden Angelegenheiten.

§. 111. Weder in der Geſetzgebung noch in der Ausübung hat der Bundesrath eine entſcheidende Stimme.

§. 112. Außerdem iſt er bei der Bundesgewalt der oberſte Vertreter aller Arbeiterverbände, deren Thätigkeiten er in getrenn - ten Abtheilungen oder vereinten Sitzungen leitet; worüber ein Geſetz das Nähere beſtimmen wird.

Abſchnitt V. Von den Miniſtern.

§. 113. Die Miniſter ſind die unmittelbaren Vertreter der ausübenden Gewalt.

§. 114. Nur ein Deutſcher kann Miniſter werden.

141

§. 115. Kein Verwandter des Kaiſers kann Miniſter ſein.

§. 116. Kein Miniſter kann Mitglied der Volksvertretung oder des Bundesraths ſein.

§. 117. Die Miniſter haben Zutritt in der geſetzgebenden Verſammlung und dem Bundesrathe, und müſſen jeder Zeit ge - hört werden. Die Volksvertretung kann die Gegenwart der Mi - niſter verlangen.

§. 118. Für Ackerbau, Gewerbe, Handel, Geſundheits-An - gelegenheiten, Kunſt, Kirche, Wiſſenſchaft (Unterricht), Jnneres und Aeußeres, Finanzen, Krieg, Seeweſen und Juſtiz werden ſo viel Miniſterien errichtet.

§. 119. Die geſetzgebende Verſammlung hat das Recht, die Miniſter und den Kaiſer anzuklagen.

Abſchnitt VI. Von den einzelnen Staaten des Deutſchen Reichs.

§. 120. Die abgeriſſenen Stücke Eines Stammes ſuchen ſich, wo möglich mit ihren Hauptſtädten, zu Einem Staate zu verbinden.

§. 121. Kein einzelner Staat darf Bündniſſe ſchließen, noch obige dem Bunde vorbehaltene Rechte ausüben.

§. 122. Den einzelnen Staaten ſind alle Rechte vorbehal - ten, welche die Verfaſſung weder der Bundesgewalt übertragen, noch den Staaten entzogen hat.

§. 123. Oeffentlichen Verhandlungen, Urkunden und gericht - lichen Handlungen jedes Staats ſoll in den andern Glauben ge - ſchenkt werden. Der Bund kann durch allgemeine Geſetze beſtim - men, in welcher Form ſolche Urkunden ausgeſtellt ſein müſſen, um öffentliche Gültigkeit zu haben.

§. 124. Jeder Bürger Eines Staats iſt zu den Vorrechten und Freiheiten der Bürger der andern berechtigt.

§. 125. Ein aus Einem Staat in den anderen entflohener Verbrecher ſoll ausgeliefert werden.

§. 126. Die Bundesgewalt darf neue Staaten in den Bund aufnehmen: aber ohne Zuſtimmung der Geſetzgebung der einzelnen142 Staaten und des Bundes ſelbſt dürfen weder mehrere Staaten zuſammengeſchmolzen, noch Einer in mehrere getheilt werden.

Erſte Abtheilung. Die innere Verfaſſung der Staaten.

§. 127. Die Grundſätze der Staatsverfaſſung des ganzen Bundes gelten im Allgemeinen auch als Norm für die einzelnen Staaten, unbeſchadet ihrer Selbſtbeſtimmung.

§. 128. Der Bund gewährleiſtet den einzelnen Staaten eine ſo freie Verfaſſung, als er ſelbſt hat, ohne ſie jedoch in Be - zug auf die Wahl oder Erblichkeit ihres Oberhaupts beſchränken zu wollen. Wo die Wahl des Oberhaupts Geſetz iſt, treten Geſetzgebung und Bundesrath für dieſen Zweck zuſammen.

§. 129. Der Bund gewährt den einzelnen Staaten Schutz gegen äußere Feinde, und auf Anſuchen derſelben auch gegen innere Gewalt.

§. 130. Der Staatsrath wird durch die Kreisräthe ge - wählt. Jeder Kreis ſchickt Einen Abgeordneten für jede Abthei - lung des Staatsraths.

§. 131. Der Staat iſt vollkommen ſelbſtſtändig in Bezug auf die innerhalb ſeiner Sphäre fallenden Thätigkeiten.

§. 132. Die Bundesſteuern werden durch die Staaten auf die einzelnen Kreiſe und Gemeinden vertheilt.

§. 133. Jnnerhalb des ganzen Bundes kann keine Zoll - ſchranke und ſonſtige Beläſtigung des Handels Statt finden.

Zweite Abtheilung. Die Kreisverfaſſung.

§. 134. Der Kreis iſt das vermittelnde Glied zwiſchen dem Staat und der Gemeinde.

§. 135. Die Urwähler des Kreiſes wählen, wenn ſie nöthig erſcheint, ſeine geſetzgebende Verſammlung.

§. 136. Die Arbeiter-Verbände der einzelnen Gemeinden ſchicken Abgeſandte zur Kreisſtadt, um den Kreisrath zu bilden, der, wie der Bundes - und Staatsrath, in die nöthigen Abthei - lungen gegliedert iſt.

143

§. 137. Der Vorſtand des Kreiſes wird in vereinter Sitzung der Geſetzgebung und des Kreisraths gewählt.

Dritte Abtheilung. Die Gemeindeverfaſſung.

§. 138. Die Gemeinde hat eine Stadtverordneten-Verſamm - lung, einen Gemeinde-Rath, der von den verſchiedenen Arbeiter - Verbänden der Gemeinde beſchickt und in die nöthigen Ausſchüſſe getheilt wird, und einen von beiden ſtädtiſchen Körperſchaften ge - wählten Bürgermeiſter.

§. 139. Wer nicht einem Arbeiter-Verbande angehört, iſt nicht wählbar noch Wähler für die verſchiedenen Gewerbe-Räthe, wenn er auch ſonſt in dieſem Zweige arbeitet.

§. 140. Die ſtädtiſchen Behörden ſind die Leiter und Ver - mittler für alle Arbeiter-Verbände der Gemeinde.

§. 141. Jede Gemeinde übt ſelbſtſtändig ihre Polizei, und erſetzt den Schaden, den Einzelne bei der Gefährdung der Ruhe erleiden.

§. 142. Die Abfaſſung der Beſchlüſſe des Civil-Standes und die Führung der Regiſter gehören ausſchließlich zu den Ge - rechtſamen der Gemeinde-Obrigkeit.

Abſchnitt VII. Von den Finanzen.

§. 143. Keine Auflage des Bundes, des Staats, des Kreiſes und der Gemeinde kann anders, als mit Bewilligung der betreffenden Geſetzgebungen erhoben werden.

§. 144. Die Laſten müſſen gleichmäßig vertheilt ſein, und die Regierung wohlfeil, damit durch Verminderung der Abgaben das Wohlſein der Einzelnen gefördert werde.

§. 145. Die Steuer iſt in der Regel die fortſchreitende Einkommen-Steuer, die von den Gemeinden, Kreiſen, Staaten und dem Bunde nach ihren Bedürfniſſen und für die beſondern Zweige dieſer Bedürfniſſe erhoben werden.

§. 146. Die öffentliche Staatsſchuld iſt gewährleiſtet.

144

§. 147. Alle Ausgaben und Einnahmen müſſen für jedes Jahr im Voraus veranſchlagt und durch ein Geſetz feſtgeſtellt werden.

§. 148. Jn Betreff der Steuern können Bevorzugungen nicht eingeführt werden. Eine Befreiung oder Nachlaß von einer Auflage kann nur durch ein Geſetz eingeführt werden.

§. 149. Gebühren können Staats - und Gemeinde-Beamte nur auf Grund des Geſetzes erheben.

§. 150. Die Aufnahme von Anleihen findet nur kraft eines Geſetzes Statt. Daſſelbe gilt von der Uebernahme der Gewähr - leiſtungen zu Laſten des Staats.

§. 151. Zu Ausgabe-Ueberſchreitungen iſt die nachträgliche Genehmigung der Geſetzgebung erforderlich.

§. 152. Kein Gnadengehalt, kein Geſchenk auf Koſten des öffentlichen Schatzes kann anders, als in Kraft eines Geſetzes bewilligt werden.

§. 153. Jedes Jahr wird das Geſetz über die Rechnungen erlaſſen. Die Mitglieder der Ober-Rechenkammer werden von den Volksvertretern für die im Geſetz feſtgeſtellte Zeit ernannt. Von der Ober-Rechenkammer werden die Rechnungen über den Staatshaushalt geprüft und feſtgeſtellt. Die allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt wird jedes Jahr von der Ober-Rechen - kammer den Volksvertretern zur Entlaſtung der Staatsregierung vorgelegt.

Abſchnitt VIII. Von der Rechtspflege.

§. 154. Die Anwaltſchaft iſt frei.

§. 155. Das Recht wird unentgeltlich im Namen des Deut - ſchen Volkes ausgeübt.

§. 156. Die geprüften Rechtsgelehrten des Kreiſes wählen aus ihrem Verbande die Ortsrichter der einzelnen Gemeinden.

§. 157. Die Kreisgerichte werden durch die Wahl der Orts - richter gebildet.

§. 158. Der oberſte Gerichtshof des einzelnen Staats geht ebenſo durch Wahl der Kreisgerichte hervor, indem jedes Kreis - gericht Einen Richter zur Hauptſtadt ſchickt.

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§. 159. Das Bundesgericht wird aus ſo viel Mitgliedern gebildet, als es Staaten giebt, indem der oberſte Gerichtshof jedes Staats Einen Richter entſendet. Der Sitz dieſes Gerichtshofs iſt Frankfurt a. M.

§. 160. Handels - und Gewerbegerichte ſollen im Wege der Geſetzgebung an den Orten errichtet werden, wo das Bedürfniß ſolche erfordert. Jhre Mitglieder werden aus den betreffenden Arbei - ter-Verbänden gewählt und ein Rechtsgelehrter zum Vorſitzer ernannt.

§. 161. Die Einrichtung der zur Aufrechthaltung der Kriegs - zucht nothwendigen Kriegsgerichte wird durch das Geſetz beſtimmt.

§. 162. Ehrengerichte richten ebenſo über Pflichtverletzungen, welche Geiſtliche, Lehrer, Anwalte u. ſ. f. ſich in ihrer amtlichen Thätigkeit zu Schulden kommen laſſen.

§. 163. Geſchworene urtheilen in bürgerlichen und pein - lichen Sachen.

§. 164. Die Rechtspflege iſt öffentlich und mündlich. Doch urtheilt das Gericht, ob die Ordnung oder die guten Sitten die geheime Sitzung fordern.

§. 165. Jede Anklage muß von einem großen Schwur - gericht genehmigt werden.

§. 166. Es iſt keine vorherige Genehmigung der Behörden nöthig, um öffentliche bürgerliche oder Kriegs-Beamte wegen der durch Ueberſchreitung ihrer Amtsbefugniſſe verübten Rechtsver - letzungen gerichtlich zu belangen.

§. 167. Der Kaiſer, der Reichsverweſer, ſo wie alle Beam - ten des Bundes ſind vor dem Bundesgerichte wegen Amtsver - letzung, Beſtechung und Hochverrath von der geſetzgebenden Ver - ſammlung anzuklagen.

§. 168. Die Beamten des Staats, des Kreiſes und der Gemeinde werden auf dieſelbe Weiſe vor ihren Gerichten ange - klagt; ſo daß von den niedern Gerichten die Berufung an die höhern Statt findet.

§. 169. Richter können nur durch Urtheil und Recht ab - geſetzt werden.

§. 170. Die Staats-Anwalte werden von den verſchiedenen ausübenden Gewalten unter den von der Geſetzgebung vorzuſchla - genden Bewerbern ernannt.

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§. 171. Ueber Competenz-Streitigkeiten der Gerichte und der Verwaltung entſcheidet ein Gerichtshof, der aus gleicher Zahl von Bundesräthen und Bundesrichtern gebildet iſt, und worin der Juſtiz-Miniſter den Vorſitz führt; ſie werden auf drei Jahre von dieſen beiden Körperſchaften gewählt.

§. 172. Das Bundesgericht entſcheidet über Streitigkeiten Einzelner aus verſchiedenen Staaten, der Staaten mit Einzelnen und der Staaten unter einander, über Fälle, die Geſandte und andere öffentliche Geſchäftsträger und Conſuln betreffen, über alle Fälle der Admiralität und Seegerichtsbarkeit, über Streitigkeiten, worin der Deutſche Bund Partei iſt, und in ſolchen, die zwiſchen der geſetzgebenden und ausübenden Gewalt eines Staats eintreten.

§. 173. Jſt ein Staat Partei und in Geſandten-Sachen bildet der oberſte Gerichtshof die erſte Jnſtanz; ſonſt urtheilt in erſter Jnſtanz ein unteres Bundesgericht, welches in ähnlicher Weiſe wie der oberſte Gerichtshof des Bundes gebildet wird.

§. 174. Das höchſte Gericht hat das Recht, die Verfaſ - ſung auszulegen, ſoweit ſie auf Rechtsverhältniſſe Bezug hat, und die Befugniß, Beſchlüſſe der einzelnen Staaten aufzuheben, ſofern dieſelben der Bundesverfaſſung widerſprechen.

Abſchnitt IX. Von der öffentlichen Macht.

§. 175. Die öffentliche Macht iſt eingeſetzt, um den Staat gegen den äußeren Feind zu vertheidigen und im Jnnern die Auf - rechthaltung der Ordnung und die Ausführung der Geſetze zu ſichern.

§. 176. Sie wird gebildet aus der allgemeinen Volkswehr, d. h. der Bürgerwehr und der Land - und Seemacht.

§. 177. Die Bürgerwehr gehört den einzelnen Staaten an, und iſt den Gemeindebehörden untergeordnet.

§. 178. Die Größe des Heeres wird jährlich durch Be - rathung der geſetzgebenden Gewalt feſtgeſetzt.

§. 179. Die öffentliche Macht gehorcht, und kann nicht in Waffen berathſchlagen.

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§. 180. Sie tritt nur ein unter der Aufforderung der bür - gerlichen Behörden.

§. 181. Die Bürgerwehr wählt ihre Führer ſelbſt; ebenſo die Truppen mit Ausſchluß der Oberbefehlshaber.

§. 182. Das Beweglichmachen der Bürgerwehr findet nur kraft eines Geſetzes Statt.

§. 183. Der Belagerungszuſtand kann nur im Fall eines Krieges von der Kriegsbehörde, im Fall eines Aufruhrs nur auf Anſuchen der bürgerlichen Behörden des betreffenden Orts oder Kreiſes ausgeſprochen werden. Er hört von ſelbſt auf, ſobald die Ruhe wieder hergeſtellt iſt.

§. 184. Keine fremde Truppen können ohne die geſetzge - bende Verſammlung auf Deutſchen Boden geführt werden.

§. 185. Das ſtehende Heer wird auf die Verfaſſung ver - eidigt.

Abſchnitt X. Allgemeine Beſtimmungen.

§. 186. Das Deutſche Volk nimmt die drei Farben, roth, ſchwarz, gold an.

§. 187. Berlin iſt der gewöhnliche Sitz der Deutſchen Bundesgewalt.

§. 188. Jeder Fremde, der ſich auf Deutſchem Gebiete be - findet, genießt den Schutz der Deutſchen Geſetze.

§. 189. Kein Geſetz iſt verbindlich, bis es nicht in der gehörigen Form bekannt gemacht iſt.

§. 190. Die Staatsverfaſſung kann weder ganz noch theil - weiſe aufgehoben werden, ſelbſt nicht im Fall des Belagerungs - zuſtandes.

§. 191. Die geſetzgebende Verſammlung übergiebt die gegen - wärtige Verfaſſung und die Rechte, welche ſie verleiht, dem Schutze der Bürgerwehr und jedes Deutſchen.

Abſchnitt XI. Von der Reviſion der Verfaſſung.

§. 192. Wenn in dem letzten Jahr einer Sitzungszeit die geſetzgebende Verſammlung den Wunſch ausdrückt, daß die Ver -10*148faſſung im Ganzen oder zum Theil geändert werde, ſo kann der Beſchluß nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln gefaßt wer - den; wobei wenigſtens zwei Drittel ſämmtlicher Mitglieder gegen - wärtig ſein müſſen.

§. 193. Es wird dann eine neue Verſammlung auf drei Monate zuſammenberufen, die ſich nur damit zu beſchäftigen hat: es ſei denn, daß ſie dringende Geſetze zu berathen habe. Auf 50,000 Einwohner kommt dabei Ein Vertreter.

Abſchnitt XII. Vorübergehende Beſtimmungen.

§. 194. Alle Geſetze bleiben in Kraft, bis ſie geſetzlich auf - gehoben ſind: es ſei denn, daß ſie dieſer Verfaſſung widerſprechen.

§. 195. Die geſetzgebende Verſammlung hat das Recht, die Miniſter ſo lange vor dem höchſten Gerichte eines Deutſchen Staats anzuklagen, bis das oberſte Bundesgericht eingeſetzt ſein wird.

§. 196. Die Behörden und Richter bleiben ſo lange in Thätigkeit, bis die Verfaſſungsgeſetze über ſie erlaſſen ſein werden.

§. 197. Jn der kürzeſten Friſt wird die nächſte Geſetzge - bung folgende Verfaſſungsgeſetze erlaſſen:

  • 1. über die perſönliche Freiheit;
  • 2. über Einlagerung von Soldaten;
  • 3. über Entziehung des Eigenthums gegen volle Entſchädigung;
  • 4. über das Briefgeheimniß;
  • 5. über die Preſſe;
  • 6. über die Gliederung der Gerichte und Geſchwornen;
  • 7. über die Freiheit des Eigenthums von Lehns - und ſon - ſtigen Laſten;
  • 8. über die Wahlen;
  • 9. über den Unterricht;
  • 10. über die Verantwortlichkeit der Miniſter und anderer Beamten;
  • 11. über den Bundesrath;
  • 12. über die Ober-Rechenkammer;
  • 13. über den Belagerungszuſtand;
  • 14. über die Kreisordnung;
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  • 15. über die Gemeindeordnung;
  • 16. ein allgemeines deutſches Geſetzbuch.

Ob alles das, was dieſer Entwurf Abweichendes von der ſo eben beſchloſſenen Verfaſſung des Deutſchen Bundesſtaates hat, bei einer nach §. 202. derſelben vorbehaltenen Reviſion zur An - wendung kommen könne, und wie bald, ſtelle ich der Geſchichte anheim. So viel aber weiß ich, daß, bevor die von mir vorgeſchlagenen Bundes -, Staats - und Gemeinde-Räthe nicht ins Leben getreten, die Gerichte nicht in der vorgeſchlagenen Weiſe umgeſtaltet, Kirche und Schule nicht, gleich allen anderen Arbeiter-Vereinen, durch ſich ſelbſt gegliedert ſein werden, wir unter dem Kleeblatt der Beamten -, Soldaten - und Prieſterherrſchaft ſeufzen müſſen.

Berichtigung:

S. 104. Z. 2. v. u. Statt Weltkampf lies Wettkampf.

About this transcription

TextDie Lösung der gesellschaftlichen Frage
Author Karl Ludwig Michelet
Extent162 images; 46596 tokens; 8546 types; 344638 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationDie Lösung der gesellschaftlichen Frage Karl Ludwig Michelet. . IV S., [1] Bl., 149 S. TrowitzschFrankfurt (Oder)Berlin1849.

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LanguageGerman
ClassificationFachtext; Gesellschaft; Wissenschaft; Gesellschaft; core; ready; china

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