Luſtiges Komödienbüchlein von Franz Pocci.
Vier Bändchen broſch. à fl. 1. 12. od. 21 Ngr elegant geb. à fl. 1. 45. on. Thlr. 1. —
Jnhalt des I. Bändchens:
Jnhalt des II. Bändchens:
Jnhalt des III. Bändchens:
Jedes Bändchen wird einzeln abgegeben.
Als Manuſcript gedruckt.
Druck von E. Stahl.
Einſam in dem Wüſtenlande Auf dem rothen, heißen Sande Stehſt du, Arme, hergebannt; Sollſt als Blume einſam blühen Bei der Sonnenſtrahlen Glühen, Unbeachtet, unerkannt.
Kalaſiris, du die Krone Auf der Jugend goldnem Throne, Kalaſiris, Königskind! Nun gebannet und in Kummer Schmachteſt du im Zauberſchlummer, Schwankeſt hier im Morgenwind!
Eh’ noch dem Meer Oſiris goldner Wagen Entſteigt, in früher Dämm’rungsſtunde nah’ ich1*4Nach dreißig Nächten wieder, dich zu wecken Aus tiefem Wehmuthsſchlummer, ſtolze Schönheit. Mit meinem Götterſtabe dich berührend Ruf ich dich wach: Entfaltet euch, ihr Blätter! Erhebe nun dich, Kalaſiris! Oeffne Dein dunkles Auge und der Haare Wellen Laß’ weh’n im Morgenlüftchen. Typhon weckt dich.
Wer weckt mich aus des Schlafes dumpfer Nacht? Wer ruft mich?
Typhon iſt’s, den du verſchmähteſt.
Weh’ mir! Zu neuer Qual ſoll ich dich ſchau’n!
Warum zur Qual? Jch hab’ dir Glück geboten — Der Erdentochter meine Königshand. Jch wollte dich zu jenen Bräuten reihen, Die ich in meinem Reich um mich geſchaart.
Verſchmäht hab’ ich dich, ja, weil dies dein Reich Der Ort der Nacht iſt und des ew’gen Fluches, Weil du des Zwieſpalts und des Haſſes Träger! 5Verſchmachten will ich lieber hier, gebannt Jn dieſem duft’gen Grab, als dir gehören!
Wohlan denn! Bleibe, denn du willſt es ſelber. Nur Horos, der Beglücker, kann dich retten, Der Schmachtende, der gern an Blumen nippt. Doch ob er dich in ſand’ger Wüſte finde? Hier ſucht er nicht nach Blüthen oder Küſſen. Doch immerhin! Du magſt Erlöſung hoffen Und mich verachten. Jener Tag wird kommen, An dem du gerne ſinkſt in Thyphons Arme.
Oſiris naht. Es rauſcht des Oſtens Donner, Den Mächt’gen zu verkünden, doch ich Arme Muß bei dem erſten ſüßen Hauch des Morgens Jn’s Dunkel ſinken dieſer Blätternacht!
Halt! Mir ſcheint, das iſt’s Wirthshaus.
Die Oaſe! Laßt uns Halt machen und im Schatten der Palmen ruhen.
Allerdings, Herr Leonardo. Nachdem wir die ganze Nacht |geritten ſind, iſt es zweckmäßig, die heißen Stunden des Tages hier zuzubringen.
Das iſt eine ſaubere Wirthſchaft! Alleweil im Streuſand reiten, da fehlt nur noch die Tinten dazu. Jetzt heißt es wieder im Schatten der Palmen ruhen. Ja, wir ſind wirklich die wahren Palm - eſel. Wenn wir nur einmal in ein eigentliches Wirthshaus kämen! Mir iſt mein Bauch ſchon wie eine türkiſche Trommel aufgeſchwollen von lauter Cocusnußmilch trinken. Das iſt ein infames Ge - tränk; wenn wir nit a paar Tröpfeln Schnaps hineinthäten, ſo wären wir ſchon alle drei an der Milchruhr hin!
Gedulde dich Casperl. Bedenke nur, welch ein Genuß für mich, den Maler! Dieſe Licht - und Far - beneffekte der Wüſte, dieſe Eigenthümlichkeit des Orients, dieſe maleriſchen Oaſen!
Ja, das iſt mir ein ſauberer Genuß, von dem Sie immer ſchwärmen, von dem man nichts hat und bei dem Ei’m der Magen alleweil leer bleibt, wie ein ägyptiſcher Weinſchlauch, in dem nix drin iſt.
Jn drei Tagen ſind wir in Memphis, der herrlichſten Stadt Aegyptens.
Wenn nur Sie ’s Maul halten wollten, Herr Hölzlmaier! Sie hab’n gut reden mit ihre zwei Gulden dreißig Kreuzer täglich. Ueberhaupt — —
Still, Casperl! Das immerwährende Lamenti - ren wird mir endlich widerwärtig.
Ja, glaub’s gern. Sie, mit ihrer Künſtler - natur, haben gut reden. Sie leben vom Kunſt - genuß der Naturſchönheiten; aber mich bringen Sie mit der Künſtlerfahrt noch dahin, daß ich aus Hun - ger und Durſt einmal auf Jhr Farbenkaſtl einen wüthenden Angriff mach’ und zum Frühſtück alle < supplied > i < / supplied > hre ſogenannten engliſchen Honigfarben verſchluck’.
Die würden dir ſchlecht bekommen. — Aber wie? was ſeh’ ich? Dieſe prächtige, eigenthümliche Blume unter den Palmen. Jch will ſie malen, denn ihr Anblick begeiſtert mich.
Dieſe Blume — eine Lotosblume, die faſt nur am Nilfluſſe vorkömmt, iſt von großer Merkwür - digkeit. Sie blüht erſt ſeit kurzer Zeit hier und alle Naturforſcher zerbrechen ſich darüber die Köpfe, wie es nur möglich, daß ſie an einem ſolchen Platze fortkommen könne.
So? — Da kann ich Jhnen gleich Aufſchluß geben, geſcheiter Herr Lohndiener. Wiſſen Sie denn nicht, daß die Nußkratſcher, Eichkatzeln und andere Vögel den Samen vertragen? Haben Sie bei uns zu Haus, wie Sie noch Kellner im rothen Ochſen in Schweinfurt waren, niemals zu beobachten Ge - legenheit gehabt, geſcheiter Herr Hölzlmaier, daß oft ein Tannenbaum mitten in einem Buchenwald ſteht, oder eine Haſelnußſtauden mitten unter die Birkenbäum’? So hat halt den Samen zu dieſer Blum’ auch irgend ein Löw’ oder ein Krokodil im Schnabel hergetragen.
Die Erklärung iſt wirklich nicht übel. Jch möchte aber eher vermuthen, daß der Samenſtaub durch den Wind hieher geweht wurde.
Da haben Sie wieder recht; das kann auch ſein. Aber mir wär’s eigentlich lieber, wenn der Wind ein halbes Dutzend Bratwürſteln und eine Bouteille Deidesheimer herg’weht hätt’.
Wie dem auch ſei, ich werde dort im Schatten der großen Palme mich niederlaſſen, um dieſe Wun - derblume zu conterfeien.
Gut. Machen Sie ihre Farbenſpritze; ich leg’ mich mit ’m Hölzlmaier nieder und ſchlaf’ meinen Hunger und Durſt aus. Geltn’s Hölzlmaier, das thun wir?
Jch kann Jhnen auch einige Feigen und Dat - teln anbieten zur Erfriſchung.
Laſſen S’ mich aus mit der Koſt. Da hab’ ich noch a Stückl Kameelkäs im Sack, der iſt mir10 lieber, und glücklicher Weiſ’ noch ein paar Schluck Franzbranntwein in meiner Wüſten flaſchen; denn in dieſem Terrain kann man’s keine Feld flaſchen nennen, weil’s keine Felder gibt. — Der Kameel - mohr wird aber Durſt haben. Heda! Mohr! magſt en Schluck?
Kaki mocki bucki muki.
Was heißt jetzt das wieder? Das iſt doch a Teufelsſprach, das Mohriſche!
Das heißt, daß er gehorſamft dankt, weil er keinen Durſt hat.
Die Eigenſchaft kenn’ ich nicht. Bei mir heißt’s nicht buki muki — aber alleweil „ ſchlucki, ſchlucki! ‟ — Nun, legen wir uns halt nieder.
Das muß ich aber ſagen: allen Reſpekt, was ſo ein Mohr und ſo ein Kameel Hunger und Durſt ertragen können! Die Zwei haben jetzt ſchon beinah’ acht Tag nichts gegeſſen und getrunken. Der Mohr, hat, glaub’ ich, kaum ein Quartl Cocusnußmilch täglich zu ſich genommen und iſt noch alleweil11 beim Zeug. Aber ſagen Sie mir doch, geſcheiter Herr Hölzlmaier: warum ſind denn die Mohren eigentlich ſchwarz?
Das kommt daher, Herr Casperl, weil ſie eben Mohren ſind.
Ah ſo! Das iſt eine ungemein ſinmeiche Er - klärung. — Sie, Hölzmaier, wie haben denn Sie eigentlich die mohriſche Sprach glernt?
Durch Uebung während meines mehrjährigen Aufenthaltes im Orient. Und ſo bin ich denn Dol - metſch für die reiſenden Fremden geworden.
No, Herr Hölzlmaier, ſo a Dollpatſch hätten’s z’ Haus bei uns auch bleiben können.
Sie, Hölzlmaier! Was ſchaut denn der Mohr ſo?
Ja, ich bemerk’ es auch.
Gru, gru, grugru! molimani batſchki kratſchki!
Wie? — Was ſagt er? Wär’s möglich?
Gru, gru, gru! Holi, holi, holi pips!
Auf! Auf! Herr Leonardo! Fliehen wir! Viel - leicht können wir noch entkommen.
Was gibt’s?
Unſer Kameelführer hat mit ſeinem ſcharfen Blicke eine verdächtige Rotte in der Ferne entdeckt. Es könnten Räuber oder Sklavenfänger ſein.
Was fangen wir an?
Das auch noch! Hunger und Durſt, und auf d’ Letzt werden wir noch als Gſchlaven gefangen. Schlipperment! Jch ſteig’ auf einen Palmbaum ’nauf, da ſehn’s mich nit.
Morotſchi, morotſchi! Kalu, kalu, moribarilari buribubu!
Er ſagt, ſie kommen immer näher. Raſch vorwärts! Auf’s Kameel!
Komm’, Casperl! Vom Baum herunter!
Es iſt keine Zeit zu verlieren!
Auweh, auweh! Meine Hoſen hat ſich an ei - nem Palmzweig eingehakelt; auweh, ich kann nicht ’runter!
Da läßt ſich nichts machen; wir ſind alle ver - loren. Fort! Fort!
Halt! Halt! Laßt’s mich auch mit! Halt! Die Räuber kommen ſchon! Auweh!
Dort ſeh’ ich das Kameel mit den Männern;14 wir können ſie nicht mehr erreichen, das Thier lauft zu gut. Aber da oben auf der Palme ſitzt ein Vogel, den wir brauchen können. Herab da, oder wir ſchießen dich herunter.
Pardon! Pardon bitt’ ich! Jch kann ja nit ’runter ſteigen.
Wart’ Burſch, wir kriegen dich ſchon. Spannt eure Bogen und laßt ein paar Pfeile fliegen.
Halt! Halt! Nicht ſchießen! Jch komm’ ſchon!
Das iſt ein kurioſer Papagei! Wart, wir holen dich. Klettere Einer hinauf.
Was haſt du aus den Sternen nun geleſen? Hat kein Planet ſich günſtig dir gezeigt?
Auch dieſe Nacht iſt mir nicht hold geweſen Und hat ſich nicht des Blickes Müh’n geneigt.
Wo iſt die theure Tochter? Wo mein Kind? Du weiſeſter aus meinem Hofgeſind, Du ſollſt es wiſſen, der du ſonder Gleichen Entzifferſt der Geſtirne goldne Zeichen. Wo weilet Kalaſiris, die entſchwand Auf ſo geheime Weiſe? Nenn’ das Land, Den Räuber nenne! Sieh des Vaters Leid, Die Thränen ſieh!
O Herr, gewähre Zeit! Gewiß, ſie ward entführt; auf ſchwarzem Roß Sah ſie mit einem Mann der Wachen Troß Jn Blitzeseile und in Weheklagen Aus Memphis Thoren unaufhaltſam jagen.
Und alles Forſchen einer Königsmacht Verlieh kein Licht in dieſes Räthſels Nacht?
Darum die Wahrheit, daß kein menſchlich Weſen Der Räuber deiner Tochter iſt geweſen. Ein Dämon war’s und keiner von den guten, Denn jenes Roß, es ſchnaubte Feuerfluthen, Und von den Hufen ſprüht’ es hell empor, Als bräch’ der Urnacht Funkengluth hervor.
Und war’s ein Dämon — weh mir! Denn ver - loren, Zum Untergang erkohren iſt mein Kind!
Noch lebt ſie auf der Oberwelt. Jhr Stern Des Lebens ſchimmert ja, doch ſcheint er fern. Drum laß’ nicht ab, die Opfer darzubringen Den Göttern! Dieſe Nacht ſchon mag’s gelingen,17 Daß mir des Himmels Zeichen endlich ſagen Der Löſung günſtig Wort auf meine Fragen.
Mein König!
Wer ſtört mich in meinem Schmerze?
Jch bin es. O Herr! Vertiefe dich nicht all - zuſehr in dein Leid. Gedenke deines Volkes, ge - denke deines eigenen Lebens und ſchone dich.
Wozu? — Jch habe keine Tochter mehr! Sie war der Stern meines Lebens; ſie war die Blume, deren Duft mich belebte und entzückte.
Wenn es dir zum Troſte ſein kann, großer Kö - nig, ſo wiſſe, daß ganz Memphis mit dir trauert, daß Tauſende in die Tempel wandern und, Oſiris opfernd, für dich um Hülfe zu flehen. Von den vielen Fremden aber, die hier verweilen, muß ich dir einen Maler nennen, welcher Aegypten durch - zogen und die Schönheiten der Natur des Landes in reizenden Bildern aufgenommen hat. Er möchte218dir ſeine Kunſtwerke zeigen dürfen und bittet dich, ihm Zutritt zu gewähren. Er harrt bereits in einem der Vorgemächer, deiner Verfügung gewärtig.
Wenn ich nicht einſähe, daß es meine Pflicht iſt, mich nicht vom Schmerze verzehren zu laſſen, und meinem Volke zu lieb dem Leben und meiner Thätigkeit als König anzugehören, ſo würde ich auch derlei von mir weiſen. Allein der Götter heiligen Willen zu ehren, mag es ſein, wie ſie es fügen. Laßt den Künſtler eintreten.
Sei geprieſen mein König. Wie du befiehlſt, ſo ſoll es geſchehen.
Jhr Götter ſchützet mich vor Verzweiflung! Laßt mich in meinem Leid nicht untergehen!
Heil dir, König Abuzabel! Du haſt geſtattet, daß ich mich dir vorſtellen darf. Vielleicht kann dir meine Kunſt dienen.
Sei mir gegrüßt. Die Kunſt iſt ein Geſchenk der Götter. Sie veredelt die Menſchheit und mil -19 dert die Gemüther. Es wird mich freuen, wenn du mir Proben deiner Geſchicklichkeit zeigen willſt.
Jch habe Vieles gemalt in deinem herrlichen Lande, um in meinem Vaterlande dieſe Bilder zur Beſchaulichkeit zu bieten. Die Wunderwerke der Natur wie der Kunſt habe ich getreu abgebildet. Die Reize der Nilgegenden, die Majeſtät der Py - ramiden und Tempel ſollen meinen Landsleuten im europäiſchen Weſtlande zur Bewunderung dargeſtellt ſein. Geſtatte, daß ich dir die Gemälde in deinen Palaſt bringen laſſe. Hier aber möchte ich zuerſt eine herrliche Blume dir vorſtellen, deren wunder - bare Schönheit mich zur Abbildung veranlaßte.
Es ſei. Laſſe das Bild hereinbringen.
Jn einer Oaſe, drei Tagreiſen von hier, blüht dieſe herrliche Blume und ihr Duft breitet ſich weit umher.
Welch herrliches Bild!
Das Volk nennt ſie die Wunderblume, denn ſie ſteht allein in der ganzen Wüſte unter Palmen.
Wahrhaftig ein Wunder! Denn wie ſollte die Wüſte derlei hervorbringen? Laß’ mir das Gemälde. Um jeden Preis will ich es beſitzen; denn wie mit magiſch bezaubernder Gewalt wirkt es auf mich.
Ganz nach deinem Willen ſteht mein Werk dir zur Verfügung, großer König. Beſtimme ſelbſt den Preis.
Begib dich zu meinem Schatzmeiſter und be - gehre was du immer willſt. Auch kannſt du in meinem Palaſte wohnen. Gehe! Der Abend ſinkt — ich will ruhen, und vorher noch mich an dem Anblick deines Werkes erquicken.
Wie du befiehlſt, mein König. Jch erwarte deine weiteren Befehle.
Schlipperment! Da bin ich wieder ſchön ein - gangen. Die vermaledeiten ägyptiſchen Banditen haben mich als einen Paperl gefangen, an den Hof - gärtner des Königs verkauft und dieſer infame Kerl hat mich trotz aller Demonſtrationen und Vorwei - ſung meiner Paßkarte da hereingeſperrt. — — Mich in einen Käfig, wie einen Gimpel! — Jn den verſchiedentlichen heimathlichen Polizeiarreſtloka - litäten habe ich doch meiſtens eine angenehme Ge - ſellſchaft gefunden — aber in dieſem ägyptiſchen vergitterten Sommerhäusl möcht’ ich verzweifeln. Und einen Hunger hab’ ich und einen Durſt! —
Heda, heda! Was z’eſſen möcht’ ich! A Bratl oder ein Voreſſen! Heda!
Das iſt doch ein miſerables Geſindel! Marſch! Ruh’ will ich haben. Auweh, kratzt’s mich nit ſo. Marſch!
Aber das freut mich ungemein, Herr Moos - bauer, daß ich mit Jhnen hier ſo ganz überraſchen - der Weiſe zuſammengekommen bin.
Und mich erſt! Denken Sie ſich nur, wie man ſich verlaſſen fühlt im Ausland, unter lauter Frem - den, ſo ganz allein; und bis ich nur dieſe Hiero - glyphenſprach gelernt hab’! Das war eine Müh’, da haben Sie keinen Begriff, Herr Hölzlmaier!
Ja, aber ſagen ’S nur, Herr Moosbauer, wie ſind Sie denn eigentlich nach Memphis gerathen?
Auf die einfachſte Art. Sie wiſſen ja noch, wie ich den großen Gemüsgarten gehabt hab’. Nun denken Sie ſich: da hat ſich auf einmal der Spe - kulationsgeiſt in mir gerührt und ich hab’ mir zu24 meinen Pomeranzenbäumen auch eine Dattelpalmen - pflanzung anlegen wollen. Zu dieſem Zwecke hab’ ich meinem Vetter, dem Nazi, mein Geſchäft über - geben, bin über Wien nach Conſtantinopel, und nachher mit dem Poſtomnibus nach Aegypten ge - fahren, um mir Dattelpalmen zu holen. Hier an - gekommen bin ich aber gleich in die Dienſte Sei - ner Majeſtät des Königs Abuzabel eingetreten, der grad einen Obergärtner gebraucht hat, und führe nun den ägyptiſchen Namen Hakem, das heißt ſo viel wie „ Mann der Blumen. ‟ Jetzt bleib ich halt ſo lang’s mir gefallt, und wenn’s mir nimmer g’fallt, ſo kehr’ ich wieder in die deutſche Heimath zurück und begründe eine Dattelkultur-Verſuchs - ſtation.
Sie, Herr Hofgärtner, mir gefällt’s aber ſchon lang nimmer in mei’m Käfig da!
Auweh! Jetzt hab’ ich mich verrathen. Der da hinten hat bisher geglaubt, ich wär’ ein eingebor - ner Memphianer.
Potz tauſend! Das iſt ja der Bediente des Ma - lers Leonhard.
25Ja, der Casperl Larifari. Wiſſen’s, ich hab’n auch ſchon gekannt und hab’ mir jetzt den Spaß gemacht, ihn als Papagei zu tractiren. Als ſol - chen hat ihn der König von einem Beduinen ge - kauft, der ihn in der Wüſte gefangen und hieher gebracht hat.
Das freut mich aber. Laſſen Sie ihn nur noch ein bißl zappeln da drin; denn der hat mich elend ſchikanirt auf der Reiſe durch die Wüſte mit dem Herrn Leonhard.
Pappolo, Pappolo! Kakelaki?
O’ mein! — Verſtellen’s Jhnen nit, Herr Moosbauer; mit ihrer ägyptiſchen Abkunft iſt’s auch nit weit her. Laſſen’s mich lieber ’raus. Wir ſind ja alle drei ehrliche Deutſche.
Ja! Vivat das Vaterland! Kommen’s halt ’raus, Herr Casperl.
Oho, oho! — Sie ſind ja ein Narr! Werfen S’ uns gar um.
Vivat hoch! Tres faciunt collegium, ſagt der Franzos. — Jetzt geh’n wir aber gleich in’s Wirths - haus miteinander: zum „ roſenfarbnen Kameel ‟ oder zum „ himmelblauen Elephanten. ‟ Vivat hoch!
Halt, meine Herren! Zuvor noch ein Wort. König Abuzabel hat mich heute in aller früh ſchon holen laſſen und hat mir befohlen, mich ſogleich mit dem ganzen Hofgartenperſonale in die Wüſte zu begeben zur Oaſe Nro. 3 im Diſtrikt 2045, littera A, Polizeibezirk 11,000. Dort ſteht eine wunderſchöne Lotosblume und die ſoll ich ihm in den Hofgarten hieher verſetzen.
Ha! Verſetzen? Dieſes Wort iſt mir ſehr unangenehm, denn es erinnert mich erſtens: An meine Gefangennehmung, und zweitens: An je - nes Jnſtitut unſeres gemeinſamen Vaterlandes, in welchem noch einige mir gehörige Gegenſtände auf - bewahrt werden. Jch hab’ noch wenigſtens zwan - zig Verſatzzettel in meiner Hoſentaſchen.
Herr Hakem-Moosbauer! Dieſe wunderſchöne Blume kenne ich ja. Ein Prachtexemplar! Herr Leonhard hat ſie auf der Durchreiſe in Lebens - größe abgemalt. Jch begreife, daß König Abuza - bel ſie in ſeinen Hofgarten verpflanzen will.
Laſſen wir dieſe botaniſchen Betrachtungen und begeben wir uns lieber in einen Gaſthof. Jch hätt’ einen ungeheuren Appetit auf das Voreſſen von einem Krokodilsjungen oder auf einen geſpickten Elephantenrüſſel in der ſauren Schildkrötenſauce.
Nein, das iſt Alles nichts gegen die Nilpferd - leberſpatzeln.
Mir iſt Alles recht. Aber ein guter Wein bleibt mir immer die Hauptſache.
Weiſe und gut iſt es, mein König, daß du dich endlich entſchloſſen haſt, deine Gemächer wie - der einmal zu verlaſſen und in den Garten zu geh’n, wo die aromatiſche, milde Luft dich erquicken wird.
Jn der That, ich fühle mich leichter und athme freier. Sieh auch, Amru, hier iſt der Platz, wo die Blume zu ſtehen kommen ſoll. Mein Gärtner Hakem iſt bereits auf dem Wege in die Wüſte, um die Pflanze mit größter Kunſt und Vorſicht hieher zu bringen. Bei ihrem Anblicke will ich mich in den tröſtenden Gedanken vertiefen, daß Ka - laſiris mir nahe ſei. Oder glaubſt du, daß der29 Traum in dieſer heutigen Nacht, welchen ich dir erzählt habe, nur Täuſchung geweſen?
O gewiß nicht, mein König. Die Begeiſter - ung, mit welcher der fremde Künſtler die Schön - heit der Blume erfaßte, die Wahrheit, mit welcher er ihre Abbildung vollendet hat, iſt nur durch die magiſche Kraft geſchehen, welche des Künſtlers Jma - gination in ſich trägt. Ja, auch die Künſtler ſind — unbewußt ihrer ſelbſt — Magier, denn ſie ſchaf - fen mit der ihnen von den Göttern gnädig ver - liehenen Zeugungskraft, und was dir im Traume ſich zeigte, war nur das Ausſtrömen der dem Ge - mälde innewohnenden Wahrheit.
Aber Typhon? jener böſe Dämon? jener Gott, den ich nur zu gut erkannte an ſeiner flammen - glühenden rothen Geſtalt? — —
Er war nothwendig auch von der magiſchen Gewalt der Darſtellung der geheimnißvollen Blume angezogen und mußte erſcheinen. — Nun wiſſen wir aber auch, daß er es geweſen, der deine Toch - ter auf feuerſchnaubendem Roſſe entführt und ſie in30 die Lotosblume gebannt hat. Es handelt ſich nur darum, ihn zu vermögen, daß er Kalaſiris aus ihrer Verzauberung frei geben wolle oder durch höhere Mächte dazu gezwungen werde. Flehe zu Typhons Gattin, der nächtlichen Nephtis. Sie ſoll dir helfen, ihren ungetreuen Gemahl zu bewältigen.
Jch will deinem Rathe folgen. Komm in den Tempel mit mir, Opfer zu bringen.
Das war ein Göttermahl! Eine Suppen von Nilſchnecken. Ein Voreſſen von jungen Krokodil - ſchwanzeln. Gefüllte Straußeneier. Ausgezeichnet! Und erſt die geſpickte Löwenzunge mit ägyptiſchem Karifiolſalat! Einzig! Und dieſe Roſenbiskoten! Das laß’ ich mir gefallen. Und der Wein! Den Pyramidenwein haben’s ’n g’heiſſen. Der wachst um die Pyramiden herum; an lauter Spalier hän - gen die ungeheuerſten Trauben, wo eine jede einen Zentner wiegt, und jede Weinbeer iſt ſo groß wie31 eine Sechspfünder-Kanonenkugel. Ja, das Aegyp - ten iſt ein geſegnetes Land! —
Aber der Wein hat mir a bißl zug’ſetzt; ich bin wirklich ſchläfrig und will mich da ein kleines wenig nie - derlegen. So — da iſt ein kühles Platzl an dem Schilfpoſchen.
Auweh! Auweh! — Das Krokodil! Auweh! Zu Hülfe, zu Hülfe! Jch bin verloren! Auweh! Auweh!
Jn meines Reiches Schatten ſchweb’ ich nieder, Durch Abuzabels Opfer hergerufen. Des Königs Leid auch kenn’ ich; denn ich weiß, Daß des treuloſen Gatten wild Begehren, Dem Kalaſiris widerſtrebt, aus Rache Die Schöne in die Blume hat gebannt. Verfolgen wird auch hier er die Bedrängte, Doch kam ich ihm zuvor; den Schlummernden Beraubt’ ich des gefeiten Götterſtabes Und mit ihm der Gewalt geheimen Zaubers. Jn meiner Hand iſt nun die Macht; befrei’n Aus duft’gem Blumenſchacht will ich die Jungfrau,33 Hervor denn, Kalaſiris, aus dem Grabe Der Blätter, die den ſchönen Leib umſchließen!
Erhebe dich!
Wer ruft mich Unglückſel’ge? Biſt du es wieder, Typhon, mich zu quälen?
Nicht Typhon iſt’s, mein ungetreuer Gatte. Vertraue mir, mein Schleier ſoll dich decken, Und meine Hand wird dich zum Vater führen.
Geprieſen ſei die Macht, die mich errettet! Wer biſt du? ſag’ es. Soll ich dir vertrau’n?
Jch bin es, Nephtis, Spenderin des Troſtes, Die milden Schlummer bringt und ſüßen Traum.
So ſei geſegnet, Göttin! Rettungsengel Und Tröſterin, die du mich willſt befrei’n.
Jn meine Arme komme! Laß’ uns eilen; Jch räche dich und mich zugleich; drum folge.
Das iſt doch eine wunderſchöne Mondnacht; ein wahres Vergnügen in dem Garten herum zu ſpazieren. Zum Glück iſt meine Hoſen z’riſſen, ſo daß mich das Teufelsvieh von einem Krokodil hat fallen laſſen, über mich hinausgeſchoſſen iſt und ich dann durch einen kühnen Seitenſprung dem Tode der Verſchlingung glücklich entkommen bin. Jm nächſtgelegenen Wirthshaus bin ich nachher aus lauter Angſt und Schrecken umg’fallen und hab’ mich erſt durch den Genuß einer halben Maß Pal - menſchnapſes wieder einigermaßen erholt. Allein ich bin von der Kataſtrophe ſo angegriffen, daß ich mich veranlaßt ſehe, meine erſchöpften Gliedmaßen irgendwo unterzubringen. Auf’m Heu bin ich ſchon öfter gelegen, warum ſollte ich es nicht einmal pro - biren in einer Blume zu ſchlummern?
Ha! Jn dieſen Blättern will ich ruhen, die mich hier zum ſüßen Lager einladen. Ja, ich will in dieſem ägyptiſchen Krautkopf mein Nachtquartier aufſchlagen.
Ah! Da liegt man ja prächtig, wie auf einem ſammtenen Kanape. Aus - gezeichnet, vortrefflich! — Da kann mich’s Kro — kro — dril — auch nicht er — wiſchen.
Hier iſt ſie! Mir entrückt. Aber auch hier weiß ich ſie zu finden. Das mit Begeiſterung ge - ſchaffene Bild iſt Abuzabel zur Viſion geworden. Jn ihr glaubte er die Wahrheit zu ſchauen. Gut, du haſt Kalaſiris, deine Tochter, geſehen; aber auch Typhon iſt dir erſchienen. Was frommt dir, die gebannte Tochter in deiner Nähe zu wiſſen? Sie bleibt dir die Blume. Nun denn, komme her - vor, du verzauberte Stolze! Mein mächtiger Scep - ter ward mir zwar entführt, aber Typhons Wort iſt von gleicher Gewalt. Hervor, Kalaſiris! — Wie? Sie erſcheint nicht? Und was muß ich ſehen? Die Blätter der Blume geöffnet? Fluch und Ver - derben!
Jhr Götter, was iſt hier vorgegangen? Welche Macht war im Stande, Kalaſiris zu entführen? Was für ein Scheufal füllt den Kelch der Blume aus.
Schlipperment! Wer weckt mich denn ſo grob auf? — Oho! Was iſt das für eine Figur aus rothem Petſchierwachs?
Erbärmlicher Wicht, wie kamſt du da hinein?
Hinein g’ſtiegen bin ich und jetzt bin ich her - ausg’fallen.
Nun denn! ſo magſt du dein Lager wieder ein - nehmen und darin verſchmachten!
Schließt euch, Blätter, zu der Zelle, Undurchdringlich jeder Helle! Nun fort, fort, Kalaſiris aufzuſuchen!
Schlipperment! Aufmachen, ich erſtick’! Auf - machen!
Hier bleibe, in des Vaters Haus geſchützt; Mir ſoll nun Typhons Zauberſcepter dienen, Um dich vor des Verfolgers Zorn zu wahren.
O, Dank dir, holde Göttin heil’ger Nacht, Die unter deinen Schleier mich genommen!
Sieh hier das Bild der ſchönen Lotosblume, Von ihm gedeckt biſt Allen du verborgen; Gebannt bleibſt du in des Gemäldes Hülle, So lang du ſelber willſt. An’s Tageslicht Magſt eilen du, wenn dein Erretter naht. Dein eigen Herz wird den Erwecker kennen; Jn ſeinem Arm, von ſeiner Macht beſchützt, Muß Typhon weichen, denn er iſt beſiegt. Tritt in das Bild nun. Wieder biſt Du Blume, Vielleicht weckt dich der Morgenſonne Gruß.
Wie du befiehlſt, dein Wille iſt mir heilig.
Noch ſchlummert Alles im Palaſte; aber mich trieb es vom Lager empor bei den erſten Strahlen des Morgens. Zu meiner holden Blume eilte ich, die geſtern im Garten des Königs noch blühte. Aber wie erſtaunt war ich? Sie war verwelkt, ihre Blätter abgefallen und verdorrt auf dem Boden umher, und mein närriſcher Diener Casperl lag in tiefem Schlafe mitten darinnen. So komme ich denn zu dir, theures Bild, das ich mit Begeiſter - ung ſchuf, um mich in der Erinnerung an die Wirklichkeit in deinen Anblick zu vertiefen. Es iſt ſo wunderbar, daß mir dieſe Blume, ſchon als ich ſie das erſtemal in der Oaſe ſah, wie ein Weſen vorkam, das von einem menſchlichen Geiſte durch - weht iſt. Aus ihrem weißen, reinen Blatte wehte es mich wie ſüßer Hauch an. Es war, als ob die Blume meine Geliebte, meine Braut wäre.
Welch’ zauberiſcher Klang!
Wie? Was höre ich? Zu mir ſpricht eine holde Stimme aus der Blume? Jſt es Traum, iſt es Zauber? Jch will ihr antworten:
Wunderbare Erſcheinung! Göttliches Bild!
Du haſt den Bann gebrochen. Jn deinem Arme bin ich gerettet!
Gerettet! — Und ich beſeligt!
Ja, Leonardo, du haſt ſie befreit; denn des40 Künſtlers edelſte Begeiſterung beſiegt die Gewalt der böſen Dämonen.
Wehe uns, Typhon!
Fürchtet euch nicht! Jch bin beſiegt. Gegen ideale Mächte hab’ ich keine Gewalt. Kalaſiris, lebe wohl!
So hat jener Traum nicht gelogen, und eine Wahrheit iſt es, daß die böſen Dämonen fliehen müſſen vor der edelſten und ſchönſten Macht. Leo - nardo! Sei mein Sohn! Kalaſiris werde deine Gattin. Jch ſegne euch.
Vivat hoch! Die Geſchicht’ iſt doch noch gut ausgegangen.
12 Jahre alt,
9 Jahre alt,
deſſen Kinder.
Dorfkinder.
Walburg,
Taglöhner.
Holla! Heda! Noch Keins da? Das iſt mir ein faules Geſindel. Sitzen etwa gar noch in der Nachmittagsſchule, die Tuckmäuſer. Da bin ich ein anderer Kerl. Jch bin des reichen Sternwirths Michel. Mit der Schul iſt’s vorbei; Leſen, Schrei - ben und Rechnen kann ich, was Noth thut — was brauch ich mehr? Jch bin des Sternwirths Michel. Und im Schuſſern thut mir’s auch Keiner gleich von Allen wie ſie da ſind im Dorf. Jch mach’s meinem Bruder Hans nach; der iſt der erſte Ke - gelſchieber im Dorf, aber da bin ich noch zu jung dazu; was nicht iſt kann noch werden. Heda, holla! Jhr Schlingel, wo ſeid Jhr? Heißt das Wort hal - ten, wenn man ſich zuſammenbeſtellt hat?
Da bin ich, Michel. Gelt? heut muß der Spielcommandant ein bißl warten. Jn der Schul gibt’s noch Tatzen; ſie haben dem Herrn Lehrer ſeinen Raſierſpiegel zerbrochen und Keiner will’s gethan haben. Da heißt’s noch ſitzen bleiben und eine Strafſchrift müßen Alle ſchreiben, weil Keines mit des Sprach heraus will.
Das ſind aber dumme Fratzen; warum ſagen ſie nicht, wer’s war?
Ja des Baders Hansjörg hat den Spiegel ge - brochen; aber ſie halten zuſammen und will ihn Keiner verrathen.
Das iſt aber dumm.
Und mir gefallt’s grad Michl. Schlechtes war’s nicht und da wollen ſie alle ihrem Kameraden die Strafe erſparen.
Da wär ich nicht dabei.
Kann mir’s erklären; denn du biſt und bleibſt der Sternwirthsmichel oder der „ Jch bin Jch ‟ — der an ſich immer zuerſt denkt.
Ha, ha! und bin noch immer gut dabei durch - gekommen. Weißt du noch, wie ich dem Maas - ſeppel die Schläge verſchafft hab, die eigentlich mir zugekommen wären?
Jch weiß ſchon noch, aber das war eben ſchlecht von dir.
Ei ſchlecht — klug muß Einer ſein. — — Aha, da kommt die ganze Sippſchaft aus der Schule heraus und der Lehrer ſteht unter der Thür und droht ihnen noch mit dem Lineal nach. Juhei! Jetzt geht’s an’s Schuſſern.
Da her, da her! — Heut wirds luſtig. Sind des Amtmanns Kin - der auch dabei?
Die dürfen freilich nicht immer mitthun, der Vater ſieht’s nicht gern.
Ja, im Amtsgarten ſpielen ſie zu Zwei „ Fange - mannl ‟ oder „ Schneiderleihmirdeinſcheer. ‟
Grüß Gott beiſammen.
Grüß Gott, Michel, grüß Gott!
Ach, und welche Ehre! Nach einer ganzen Woch’ erſcheinen auch wieder der Herr Anton und Mam - ſell Marie.
Du brauchſt nicht zu ſpotten, Michel.
Du weißt ſchon, daß wir nicht immer aus dem Haus dürfen, wenn wir auch wollten.
Wir wiſſen es, und begnadigen die Nachläſſi - gen. Alſo angefangen! Mach Einer das Grübl.
Jch mach’s, ich mach’s!
Ja, dir thut’s Noth, Spiegelfabrikant.
Was? Du weißt von der Geſchicht?
S’geht dich auch nichts an, was in der Schule vorgeht.
Nichts geht’s dich an, gar nichts, gar nichts!
Oho, oho! Jch bin über die Sachen hinaus.
Freilich biſt du drüber hinaus und über gar viel Anderes leider, denn ’s iſt nicht gut für dich und du biſt eben doch auch nur ein Bub, wie ein anderer, wenn du gleich des Sternwirths Sohn biſt.
Die Mamſell iſt wieder einmal naſeweis. Du mußt einmal Schullehrerin in der Stadt werden, weil du gar ſo geſcheit biſt.
Laß meine Schweſter in Ruh, ſonſt haſt du’s mit mir zu thun, Großmaul!
Was? Jch, ein Großmaul?
Ruhig und keinen Streit!
Spielen wir lieber.
Ja, fangen wir’s Schuſſern an.
Auch recht. Aber dem Anton iſt’s nicht ge - ſchenkt. Hat jeder gehörig Schuſſer?
Ja, ja, ja!
Wer will’s zuerſt mit mir wagen?
Und gerade ich heut.
Verſuch’s nur! Heraus mit den Kugeln!
O Anton, fang doch mit dem langen Michel nicht an; der iſt ſo roh und ſo grob und heute, wo er’s ohnedies auf dich hat. Komm, geh’n wir lieber heim.
Aha! laßt Dich das Mädel nicht mitſpielen. Nun halt Dich nur an ihrem Rockzipfel, junger Herr Amtmann.
Schweig’, Sternwirth! — Jch werf’ —
Oho — weit drüber hinaus. Schau’ ich mach’s anders.
Der Michel hat’s.
Nur weiter: Jch werf ſechs aus.
Und ich ſechs nach.
Ach! wenn ich ihn nur wegbringen könnte von dem Spiel. Der Vater hat wohl recht, wenn er ungern ſieht, daß wir da mitmachen, beſonders wenn auch Sternwirth’s Michel dabei iſt. Mir iſt’s immer lieber zu Haus im Garten. Mein Bruder und die Vöglein, die da ſo fröhlich hauſen,450ſind meine liebſte Geſellſchaft.
Was macht denn heut’ unſere alte gute Walburg? Muß doch ſeh’n.
Walburg! Walburg! biſt Du zu Haus?
Bin ſchon z’Haus, Madl, aber’ſch will nim - mer geh’n mit mir. Komm’ en bißl herein zu mir. Jch muß das Fieber haben, denn’s beutelt mich elend.
Wart’, ich komm zu Dir und bleib’ bis die Buben ausgeſpielt haben.
Alles verloren! o weh!
Ausbezahlt, Herr Amtmann! ich verlange kein Geld, aber die Schuſſer die ich gewonnen hab’.
So viel hab’ ich nicht mehr.
So bring’ ſie morgen; Credit kannſt Du haben; aber die ſchlechten Lehmkugeln mußt du dann auch austauſchen.
Von mir haſt Du zwölf geborgt.
Und von mir vierundzwanzig.
Fünfzehn Gute von mir.
Seid nur ruhig. Jhr kriegt alle eure Schuſſer wieder.
So! heut’ iſt’s aus. Jch muß nach Haus zum Wurſtfüllen, denn morgen gibt’s Hochzeit bei uns. Heiſa, Kinder, da geht’s luſtig her! Alſo, Moſſje Anton — meine Schuſſer nit vergeſſen! Vor der Schule kommen wir hier zuſammen, da werden die Schulden bezahlt.
Armer Anton, heut haſt aber viel verloren.
Thut nichts; ein andersmal gewinn ich wieder.
Geh’n wir. Mich hungerts nach den Nudeln.
Geh’n wir, geh’n wir! ’s iſt Zeit.
Da ſteh’ ich jetzt und weiß mir nicht zu helfen. Dem Michel will ich nichts ſchuldig bleiben; das wäre eine Schande. Und woher nehmen? — Die Schuſſer alle zu kaufen, braucht ich vierundzwanzig Kreuzer. Mein Monatgeld iſt bereits verbraucht. An die Sparbüchſe trau’ ich mich nicht; denn da müßte ich der Mutter ſagen warum und wozu. Das iſt eine böſe Geſchichte. Wo iſt denn die Marie? Die wird ſchon heimgelaufen ſein. Viel - leicht kann die mir helfen; denn wo’s möglich iſt, thut ſie’s. Aber auch ſie hat von dieſem Monat nichts mehr übrig. Jedenfalls kann ſie rathen, wie’s anzufangen iſt.
So, gute Walburg; ein bischen Luft ſchöpfen kann Dir gewiß nicht ſchaden; ’s iſt ja heut warm und ſchön. Setz Dich auf die Bank nieder und ich leiſte Dir Geſellſchaft.
’s iſcht mir ſchon recht, Madl und iſcht allweil beſſer in Gott’s freier Luft, als in der Stub’n drinnen.
Ein Glück iſt’s, daß Du ſo ein nettes Stübl haſt, wenn Du nicht in’s Freie hinauskannſt.
Ja Madl, dank tauſendmal, daß mir die gnä - dig Herrſchaft das Stübl da beim Lucas angewieſen und mir’s nix koſtet.
Nun, das war aber natütlich; die Herrſchaft kennt Dich ja ſchon gar lang.
Jch mein’s wohl. Hab ja ſchon der ſeligen alten gnädigen Frau — Gott tröſt’ ſie — allwegs die Handſchuh geliefert und auf Michaeli wird’s grad fufzig Jahr, daß ſie mir im Schloßgarten droben das erſte Paar abgekauft hat.
Das iſt eine ſchöne Zeit, Walburg.
Wohl, wohl, ’iſcht’s a ſchöne Zeit. Damals bin ich aber a luſchtig und hübſch Tirolermadl ge - weſ’n und jetzt bin ich en alt’s Weib und en arme Wittib. Seit mir die Franzoſen meinen guten An - toni vor der Hütten weggeſchoſſen haben, hab ich54 mich halt durchbringen müſſen durch die Welt und hätt’ ich jetzt net frei Loſchi von der gnädigen Herrſcharft, die ſich erbarmt hat, und ein bißl Al - moſen von gute Leut, ſo müßt ich verhungern, denn ich kann ja nimmer in’s Tirol heimmaſchiren und mir Handſchuh oder Hoſenträger holen zum verhandeln, oder Spielhahnfedern und Gamsbart.
Die Leut hier haben Dich immer gern gehabt, Walburg; haſt ihnen ja auch viel Gut’s erwieſen, ſo oft Du heraußen warſt.
Wohl, wohl. s’muß halt einer dem andern helfen, aber’s geſchieht halt nit immer.
Aber ſag’ mir doch, Walburg, warum haben denn die Franzoſen Deinen Mann erſchoſſen?
Sie haben ja auch den Sandwirth, den Andreas - Hofer erſchoſſen, weil er zu ſei’m Kaiſer gehalten hat. Wirſcht’s wohl ſchon g’hört oder g’leſen ha - ben im Geſchichtbüchel, wie der Krieg im Tirol war und wir wieder Kaiſerlich geworden ſind. Wir hätten weiter nix gegen den König von Bayern55 g’habt: das war wohl ein guter Herr; aber das Schreibervolk hat uns Alles genommen und das hätten wir auch noch gelitten, dem König zu lieb; aber wie ſie uns auch unſern guten Glauben neh - men haben wollen, da haben unſere Mannsleute waltern aufbegehrt.
Ei, den Glauben haben ſie euch nehmen wollen?
Wohl, wohl. War ja ſelber g’rad dabei, wie ſo ein vornehmer Schreiber oder Amtmann den Herrn vom Altar weggeſtoßen hat und wie er die Muſikanten auf dem Chor gezwungen hat, daß ſie ihm einen Tanz aufſpielen und wie er die Mädeln aus die Kirchenſtühl geriſſen hat und mit uns hat tanzen wollen. Sind aber alle ’nausg’laufen und dann hat er die Soldaten kommen laſſen.
Ach, das iſt ja fürchterlich!
Ueber ein Weil hat’s aber ſchon gekracht vom Berg herab und der Krieg iſt nachher losgangen und die Weiber haben auch dazu geholfen. Meinen,56 Antoni aber haben die Franzoſen vor unſerm Haus erſchoſſen, weil er ein paar Tirolerſchützen verſteckt hat. Das war ein Elend, Marie. Nachher ſind wir wieder Kaiſerlich worden, aber mein Mann, der ſelige Anton, war todt. Jch hab nachher in ei’m Stübl bei einer Bas’n gehaust und hab halt meine kleine Handelſchaft getrieben und bin wohl weit umenand gekommen. Jetzt hab ich Ruh und verlang mir nix als ein ruhiges Sterben und fröh - lich Auferſteh’n.
Ei was! Du kannſt noch lang leben, Walburg.
’s hat Alles ſein End auf der Welt, wann’s an der Zeit iſt. Jch ſpür’s aber. Der Tod hat ſchon anklopft bei mir an der Thür. Jſcht mir heut Nacht auch meine Holzuhr abg’laufen und ich kann’s und mag’s nimmer aufzieh’n.
Geh’, liebe Walburg, ſei getroſt.
Bin ja getroſt, mein Kind. Auf Gottes Barm - herzigkeit hab ich immer Alles geſtellt und mein Herr und Heiland wird mir auch in meiner letzten57 Stund gnädig ſein. Geh’ Marie, führ mich wie - der in mein Stübl; mir wirds ſchlecht, muß mich in’s Bett legen.
So komm, gute Walburg. Jch will Dir helfen.
Anton, ich habe Dir zu lieb doch Unrecht ge - than, als ich Dir am vorigen Donnerſtag den Vier - undzwanziger gab.
Beruhig Dich, Schweſterlein. Jch kann dir’s beweifen, daß du kein Unrecht thateſt. Höre: die Mutter gab Dir alſo fünf Zwanziger, um ſie der alten Walburg zu bringen. Sage: fünf und nicht wie ſonſt gewöhnlich des Monats nur vier. Die Mutter mußte ſich überzählt haben. Nun weißt Du, bedurfte ich, Dein geliebter Bruder, gerade 24 Kreuzer; denn hätte ich ſie nicht gehabt, ſo hätte ich an den groben Wirthsmichel meine Schuſ - ſerſchuld nicht abtragen können.
Und da hätt’ſt Du vermuthlich Schläge von ihm bekommen.
Und wie! Denn ſeine Fäuſte geben aus und ich wäre ihm auch nicht Herr geworden, denn er iſt ja viel älter und ſtärker als ich. Deine ſchwe - ſterliche Liebe hätte das nicht anſehen und ertragen können. Von dem fünften Zwanziger wußte ja die Walburg ohnehin nichts und hatte ihn auch nicht erwartet. Auch wollte ich ihn redlich aus meinem nächſten Monatgelde wieder erſtatten.
Ja, aber ſieh’ Anton, wenn die Mutter dieß - mal der Walburg fünf Zwanziger geben wollte, ſo war das ihre Sache und geht uns Kinder nichts an.
Gedenk’ſt Du denn nicht der Prügel, die ich be - kommen hätte? Das hätten Mutter und Vater doch auch erfahren, und es hätte ihnen Kummer gemacht; und überdieß hätte ich dann der Walburg noch extra Etwas bei den Aeltern aus meiner Sparbüchſe erbeten; das geſchieht auch noch. Jn zwei Tagen bekommen wir unſer Monatgeld und dann wird die Sache herrlich abgemacht. Vorläufig hat Wal - burg wie gewöhnlich ihre vier Stück Zwanziger.
Mich drückt’s aber doch, und ich kann der Mutter ſeither nicht mehr recht in die Augen ſehen.
Jch ſchon; denn wir hatten keine ſchlechte Ab - ſicht bei der Sache. Der Vater hat gar oft ge - ſagt: ein Schuldenmacher ſei nicht viel beſſer, als ein Dieb; alſo war es meine Pflicht, nach jedem erlaubten Mittel zu greifen, dem langen Michel Nichts ſchuldig zu bleiben.
Du legſt’s Dir recht pfiffig zu recht; ich aber bleib dabei: ich hätte Dir nicht nachgeben ſollen.
Geh, laß’ das. Komm in die Schule, ’s iſt hohe Zeit.
Ei, ei! die Walburg will mir nit recht gefallen, das heißt, inſoweit man das zu ſagen pflegt; denn warum ſollt mir die Walburg nicht gefallen? Sie war immer ein braves Weibsbild; aber das Ge - fallen oder nicht Gefallen iſt hier was anders. Kurz die Walburg will mir nicht recht gefallen, in -61 ſofern das gute Weib, wie ich glaube und befürchte, nicht mehr lange leben wird. Heut zum Beiſpiel machte ſie ganz curioſe Augen auf mich, als ob’s nit richtig ſei mit ihr; auch iſt ihre Naſenſpitz noch feiner zugeſpitzt, als jemals, und wenn ſie was reden will, ſo geht’s nicht und ſeit drei Tagen hat ſie nur ein paar Löffel Supp hinuntergebracht. Die Sach iſt immer bedenklich, weßhalb ich’s auch be - dacht hab’ und jetzt ohne weiters zuerſt zum Bader und nachher zum Herrn Pfarrer gehen will. Frei - lich: der Bader, obgleich er ſchon manche Kur präſtirt hat, hat doch noch Niemand am Sterben gehindert, wenn’s an der Zeit war und überdieß iſt er eigentlich ein Eſel, der am lieben Vieh her - umprobirt, wenn’s krank iſt, geſchweige erſt das Ebenbild Gottes, den Menſchen, maltraitirt und in die Ewigkeit ſchon Manchen expedirt hat, eh’s ihm lieb war. Was aber den Herrn Pfarrer anbelangt, ſo kann ja der geiſtliche Zuſpruch, und was ſonſt noch Heiliges dabei iſt, niemals zu früh kommen, dieweilen aber wohl zu ſpät, wenn nemlich die arme Seele auf den Herrn Pfarrer nicht mehr hat warten können und ſchon vorher abgereift iſt. — Gott hab ſie ſelig. — Alſo könnt’s auch bei der alten Wal - burg geſchehen; ich will alſo nach reiflicher Ueber -62 legung und um keine Zeit zu verlieren, zuerſt den Herrn Pfarrer holen, und hernach den Bader Stopfl - maier. Ei, ei! die gute Walburg! Wäre mir wahr - haftig recht leid um ſie, hat mir immer ſo ſchöne Geſchichten aus dem Tirolerkrieg erzählt, wenn wir ſo Winter’s beiſammengeſeſſen ſind und ich mein Pfeifl geraucht, während ſie geſponnen hat. Sie iſt aber auch ſchon hübſch bei Jahren, die Walburg. So ein 10 Jähr’ln iſt ſie mir ſchon vor. Geduld, Geduld! Jch komm auch ſchon nachgefahren einmal, wenn der klapperdürre Poſtillon mich herausblast: Tra, tra, tra, tra — weh, weh, weh, weh! —
Ei, ei! die alte Walburg! Ei, ei! — — will mir nicht gefallen — —
Alſo heute keine Schule. Wir hatten’s vergeſſen, daß des gnädigen Herrn Namenstag iſt; drum war auch der Vater heut ſo aufgeputzt, um ſeine Auf - wartung zu machen und den Jägertoni habe ich auch ſchon in Gala von Weitem in’s Wirthshaus gehen ſehen, einen bordirten Hut auf dem Kopfe mit grünen Gocklfedern und den Hirſchfänger an einem goldenen Borten umhangen. Um ſo einen Jäger iſt’s doch was Schönes. Jmmer im Walde draußen unter den grünen Tannen und bei Hirſchen63 und Rehen. Heiſa! wenn’s dann aus der Büchſe knallt: Puff! — Puff!
Puff! Puff! Schlingel! — Warum nicht zu Hauſe? Haſt Du nicht Deine Aufgabe für morgen zu machen?
Oho, Mamſell! Sie hätten mich beinahe er - ſchreckt, wenn ich nicht ein Mann wäre.
Alſo!. „ Mann ‟ erfülle Deine Pflicht und geh mit mir heim an die Arbeit. Nachmittags dürfen wir in den Wald; es werden noch Kränze gebun - den für heute Abend zur Gartenbeleuchtung.
Da bin ich auch dabei. Während Jhr das Laub windet, werde ich mit meinem Gewehre einen Rehbock ſchießen.
Böcke kannſt du genug in deinen Schulaufgaben finden, brauchſt nicht in den Wald zu laufen.
O, Mamſell Superklug, ich bedarf Deiner Witze nicht.
Sieh’ da kömmt der alte Lukas.
Guten Tag, Lukas!
Auch guten Tag, ihr Kinder.
Heut iſt wohl keine Arbeit wegen des gnädigen Herrn Geburtstag.
Jch könnte ſchon mithelfen zu den Feſtivitäten, aber ich muß heut zu Haus bleiben.
Warum zu Haus?
’s geht nicht gut mit der Walburg.
Wie — die Walburg?
Ja — gerade komm ich vom Bader und hab ihn holen wollen, iſt aber über Land bei einem Kranken. Der Pfarrer iſt ſchon drinnen bei ihr;65 iſt durch das Gartenthürlein hineingegangen, geiſt - lichen Troſt zu bringen.
Sag, Lukas, wie meinſt Du das?
Jch mein halt, daß es mit der alten Walburg heut zu Ende geht.
Um’s Himmelswillen! ſie wird doch nicht ſter - ben?
Einmal muß’s doch ſein. Sie iſt gewaltig ſchwach und’s will mich bedünken, daß ſie ſo all - gemach verhungert.
Mein Gott! — verhungert.
Das verſteht ihr freilich nicht, aber die Geſchichte iſt ſo: Hört’s nur: Wir armen Leute eſſen uns ſel - ten ſatt, weil wir eben arme Leut ſind. Und — hört’s nur, Kinder — da ſchrumpft uns ſo nach und nach der Magen ein und wird immer kleiner, weil er nie voll iſt. Endlich dörrt er ganz zuſam - men, abſonderlich wenn man alt iſt und keine rechte566Leibesſtärkung hat. Jch helf mir ein bißl hie und da mit einem Gläsl Branntwein auf. Aber die alte Walburg hat den Schnaps nicht gemocht und was hätt’ ſie ſonſt gehabt, die gute Walburg? Haben ihr kaum die vier Zwanziger ausgereicht, die ſie von Eurer Mutter des Monats bekommen hat. Hie und da hat ihr freilich die gnädige Herr - ſchaft was geſchickt; aber’s war nicht zu verlangen, denn die hat ihr ja das Stüblein bezahlt und für den Winter ’s Holz gegeben. Wär wahrhaftig nit mehr zu verlangen geweſen.
Alſo verhungert! verhungert!
So ungefähr, weil’s doch einmal ſein muß. Aber was verſchwätz ich mich da, ich ſollte ſchon längſt wieder bei der Walburg ſein — werd wohl bald zum Meßner laufen müſſen, daß er’s Sterbe - glöcklein läut’t.
Die Walburg ſtirbt, die Walburg ſtirbt! und ich bin Schuld daran. Hätt ich ihr nicht den Vierundzwanziger genommen, ſo hätt ſie noch was gehabt.
Die arme Walburg! — Anton, ’s könnte wohl ſo ſein, daß ſie ein paar Tage länger gelebt hätte. Anton! Anton!
Jch möcht verzweifeln! — Marie was ſoll ich thun? Jch ſtürz mich ins Waſſer! O weh, o weh! ich bin ein abſcheulicher Bub, ein Mörder, wenn die Walburg ſtirbt.
So arg iſt’s wohl nicht; aber dein Leichtſinn wird nun beſtraft. Jch getrau mich gar nicht hi - nein zur Walburg, ſo weh thut mir’s.
Was ſoll ich erſt ſagen? was ſoll ich thun? Hilf mir Marie! Was fang ich an in meiner Ver - zweiflung?
Wie ſteht’s Lukas? wohin, wohin?
’s iſt ſchon vorbei mit der guten Walburg; Gott tröſt’ ſie; und ſchön iſt ſie geſtorben, wie eine Heilige. Euer Herr Vater war dabei, der5*68hat ihr die Augen zugedrückt; er war vorher mit dem Pfarrer gekommen. Jch lauf in die Kirch, wegen dem Sterbläuten.
Gott hab ſie ſelig! ’s war eine gute brave Seele. Wie? Kinder, ihr da?
Mein Vater! Verzeihung! Verzeihung!
Was ſoll das heißen? Was haſt du begangen?
Lieber Vater, Anton meint, daß er an der Walburg Tod ſchuld ſei.
Was ſchwätzeſt du da?
Ja, Vater, ich muß es jetzt geſtehen — und ich wollte es Dir und der lieben Mutter ſagen, allein erſt dann, nachdem ich meinen Fehler gut gemacht hätte. —
Nun? ich verſteh Euch nicht, Kinder.
Um ſeine Schuld im Schuſſerſpiel abzutragen, beredete mich Anton ihm von dem Geld zu geben, das die Mutter der Walburg durch mich überbrin - gen hieß und da meint nun Anton, ſie ſei deshalb verhungert.
Was muß ich von Euch hören? Das war ab - ſcheulich; nie hätte ich ſo etwas vermuthet.
Die höchſte Noth veranlaßte uns, denn ich hatte nichts mehr vom Monatgelde übrig, die letzten 12 Kreuzer gab ich der Mutter für die kranke Joſepha.
Nichtsdeſtoweniger war Deine That eine Unter - ſchlagung.
O Gott, wie hab ich’s ſchon bereut! Jch gäbe ja Alles, Alles, um mich von der Sünde rein zu waſchen!
Gut, daß ich Euer Herz kenne; ich will dieſen Fehler dem kindlichen Leichtſinn zuſchreiben; nehmt70 Euch aber eine Lehre daraus für die Zukunft. Jede Sünde beſtraft ſich durch ſich ſelbſt in ihren Folgen.
O wir wiſſen es. Gewiß, gewiß aber, lieber Vater, hatte der Anton den feſten Vorſatz, der Wal - burg noch mehr zu geben, als er ihr vorenthalten hatte.
Einerlei! Das entſchuldigt nicht die That.
Hört — man läutet für die gute Walburg. Verhungert iſt ſie nicht, Anton. Dieß möge Dein angſtbeſchwertes Herz einigermaßen erleichtern. Denn in ihrer kalten Hand fand ich dieß Lederbeutelchen, vier Gulden darin und ein Zettelchen, worauf von ihr ſelbſt geſchrieben ſteht: „ Gebt’s den Armen, ich brauch’s nicht mehr. ‟ Die gute Seele! — — Jhr Tod war Folge der Alters - ſchwäche.
Gott ſei Dank!
Nun aber — geht in die Kirche. Betet aus vollem Herzen für Walburg zum lieben Gott und entledigt Euch Eurer Schuld durch das Gefühl der wahrhaftigſten Reue.
O, wie gerne thun wir’s! Wenn aber auch nur Du mir verzeiheſt, lieber, lieber Vater!
Und mir!
Die Angſt, die Du ausgeſtanden haſt, Anton, möge Dir als Strafe angerechnet werden. Das Vergehen Deiner Nachgibigkeit, Marie, will ich der Schweſterliebe zu gut halten. Jch verzeihe — aber — —
Nie mehr! Nie mehr!
Profeſſor und Magier.
ein alter Taglöhner.
deſſen Weib.
Privatier.
Ja, von meiner Morgenwanderung bin ich in der That etwas hungerig und durſtig ge -76 worden. Ein kleines Frühſtück wäre wohl am Platze.
Gut bedient!
Cotteletten. Was für ein Weinchen? Ah! Bordeaux Lafitte. Ganz zufrieden.
Auf das Wohl meiner Ahnen! Heil euch, die ihr in der Tiefe der ägyptiſchen Pyramide Mandſchelmuſa bis zur nächſten Seelenwanderungs - periode im Mumienſchlummer ruhet! Heil euch hei - ligen Katzen von Bubaſtos! — Damit aber ein hochgeehrtes Publikum im Klaren ſei, bemerke ich, daß meine Familie aus Aegypten ſtammt, wo Magie und Zauberkunſt ihre Wiege haben. Meine Vorfahren, von beſagten bubaſtiſchen Katzen ſtam - mend, fanden ſich veranlaßt, bei der großen ägyp - tiſchen Finſterniß, weil ſie nichts mehr ſahen, nach Europa unter dem Namen Katzenberger und Com - pagnie auszuwandern. Mein Vater war Apotheker und hinterließ mir in einer verſiegelten Opodeldokblech - büchſe die Geheimniſſe der Magie. Jch hatte Na - turwiſſenſchaften ſtudiert, ward Profeſſor extra -77 ordinarius, Mitglied mehrerer wiſſenſchaftlichen Ge - ſellſchaften und lebe nun als Privatgelehrter und Magier, mich ganz den Jntereſſen der Humanität widmend. Jetzt bin ich ſatt. Appage!
Da kommen Leute. Jch will mich zur Beobachtung etwas zurückziehen.
Jch muß ein wenig raſten, denn ich bin müd’.
So raſte.
Es iſt kein Spaß, eine Stunde her das Holz auf dem Buckel ſchleppen.
Jch ſetz’ mich auch ein bißl. Es iſt kein Spaß, den halben Tag Holz hauen im Wald draußen.
Ueber Mangel an Arbeit kann ſich keines von uns beſchweren.
Muß ſein; denn „ im Schweiße Deines Ange - ſichtes ſollſt Du Dein Brod eſſen ‟, hat unſer Herr - gott im Paradies geſagt.
Ja, das weiß ich auch; aber zu wem hat er es geſagt? Zum Adam, nicht zur Eva. Weil der Adam ungehorſam war und in den Apfel gebiſſen hat — —
Den ihm die Eva gereicht hat, verſtanden? — Und was hat er zur Eva geſprochen? — „ Daß der Mann ihr Herr ſein ſoll. ‟
Das war ein ſauberer „ Herr ‟ — der Adam! der ſeinen Fürwitz und ſeine Neugier nicht be - zähmt hat.
An der ganzen Geſchicht, war doch nur die Eva ſchuld. Sie war die Neugierige; ſie war die Fürwitzige.
Wenn die Schlange nicht geweſen wär’, die die Eva verführt hat, ſo wär’ auch weiter nichts geſchehen, und Du brauchteſt kein Holz zu hacken und ich brauchte das Reiſig nicht zu tragen, das uns der Förſter immer überläßt.
Euch Weibern fehlt’s nie an Ausreden; wenn aber wieder ſo ein Goldapfelbaum aufwüchs’ — Du und alle Anderen würden’s doch wieder wie die Stammutter der Menſchheit machen.
Und ihr Mannsbilder wäret auch nicht geſchei - ter, als der Altvater Adam. Laß uns nicht weiter ſtreiten; geh’n wir lieber heim, daß wir zu unſerer Supp’ kommen. Jch verlang’ mir keine Paradies - äpfel.
Jch auch nicht; mir ſind unſere Schalznudeln lieber. Komm, Alte.
Grüß Euch der Himmel, gute Leute.
Ebenfalls, aufzuwarten.
Jhr habt ja ein wenig geſtritten miteinander, wie ich im Hergehen vernahm.
So was kommt bisweilen bei uns vor, aber das hat weiter nichts zu bedeuten.
Das geſchieht nur im Spaß, ſo zu ſagen, und wir kommen ganz gut aus.
Jhr ſpracht ja von Adam und Eva, wenn ich recht hörte, und dem Fürwitz des erſten Menſchen - paares.
Ja freilich und mein Jakob da, der ſchiebt immer alle Schuld auf die Eva — —
Und mein Weib behauptet immer, daß Adam eigentlich das Unheil angeſtellt habe.
Ei, ich meine, es haben wohl beide ſo ziemlich gleichen Theil am Vergehen; beide waren ungehor - ſam aus Fürwitz und Neugier.
So was wär’ doch unſer Einem nicht paſſirt.
Da hat mein Jakob recht; die Schlange dürfte mir den ſchönſten Apfel anbieten in einem ſolchen Garten, wo mir Alles Andere zu Gebot ſtünd’ — ich blieb feſt und ſtandhaft.
Seid ihr Eurer Sache ſo gewiß? So Etwas iſt leichter geſagt, als gehalten. Das käme doch noch auf eine Probe an.
Ha, ha — bei uns Zwei’n eine Probe!? Wir ſind zufrieden mit unſerm ſauer erworbenen ſchlech - ten Biſſen. Das iſt Probe genug.
Hört, liebe Leute: ich mein’ es gut mit Euch; Jhr ſcheint mir brav und fleißig und darum möchte ich Euch ein ſorgenfreies Alter bereiten. Jch habe die Mittel für ſo Etwas. Allein eh’ es geſchieht, müßt Jhr Euch einer Probe unterziehen, die ich Euch auferlegen werde. Wollt Jhr?
Das verſteht ſich; nicht wahr, Alte?
Wenn der gnädige Herr es ſo gut mit uns vor hat, müſſen wir’s ja dankbar annehmen.
Gut alſo. Geht nun langſam nach Hauſe. Jhr werdet ſehen, was ich Euch beſtimmt habe, und682wenn es an der Zeit iſt, werde ich mich bei Euch einfinden. Wo wohnt Jhr denn?
Jn Haderndorf, eine halbe Stunde von da. Das erſte Dörfl mit dem grünen Kirchthurmdach; unſer Häusl iſt das zweite rechts, wenn man hin - eingeht. Man heißt’s beim „ Holzjackl. ‟
Wohl. Aber, aber — ſeid ſtandhaft und ver - geßt nicht Adam und Eva!
Gehorſamſter Diener, Excellenz. — Du Mar - gareth, das muß ein verkleideter Prinz ſein; meinſt Du nicht?
Ja freilich, der iſt gewiß ein Prinz; er hat auch ſo hochdeutſch und vornehm geſprochen. Hätten wir ihn nur gleich per Excellenz titulirt, da hätt’ er uns vielleicht ein paar Gulden geſchenkt.
Komm, Weib, geh’n wir heim. Vielleicht fin - den wir zu Haus ſchon einen Beutel voll Duka - katen.
Wünſch’ guten Morgen. — — Wie? Niemand da? — Monſieur Jakob! Madame Margareth!
Niemand zu Haus. Es iſt doch ſchon Mittagszeit und ich hätt’ aus Zufall ſo von Un - gefähr mit Fleiß im Vorbeigehen ein paar warme Schmalznudeln aus purer Gefälligkeit gern mitge - nommen. Denn beſagte Schmalznudeln werden hier beſonders gut gemacht, weil dieſe armen, aber guten Leute eigentlich nichts Anderes haben, als den einen Tag Kartoffel oder Erdäpfel und den andern Schmalznudeln. Nun finde ich mich als guter Nachbar bisweilen gewöhnlich an dem an - dern, nämlich dem Nudeltage ein, um den armen aber guten Leuten etwas Geſellſchaft zu leiſten.
Aber wie? was erblick’ ich? — ſeh’ ich recht? — ein gedeckter Tiſch! — welch’ ein angenehmer Bratenduft! — Eine Schüſſel mit Kalbsbraten, Kartoffelſalat mit Häring und harte Eier d’rauf. Bohnengemüs mit — mit — mit — mit Bratwürſteln! Meine Leibſpeis! Und drei6*84Weinflaſchen! Und — da mitten drinnen eine große Paſtete!! Ha! wo her kommt dieſe in dieſen ſchlichten Räumlichkeiten nie dageweſene brillante Erſcheinung? Sollte nicht eine Verwechslung ſtatt - gefunden haben und ſollten dieſe Gaben nicht ur - oder repetiruhrſprünglich mir beſtimmt geweſen ſein? Hat ſich das unſichtbare großmüthige Schickſal nicht in der Lokalität geirrt? Ha! ich werde ganz confus. Aber was liegt denn da für ein beſchrie - bener Zettel auf der Paſtete?
„ Von Allem eßt und trinket, wie’s Euch ſchmeckt, „ Doch die Paſtete bleibe ſtets bedeckt! ‟
Ha, ha, ha! Das iſt aber curios! Wer wird ſich um die Paſtete kümmern unter ſol - chen umſtehenden Umſtänden?
A, der Herr Casperl iſt heut’ auch ſchon da!
Er iſt da und wünſcht guten Mittag.
Weib, Weib! Da ſchau her!
Ei, der Tauſend! Was ſeh’ ich? Das hat Al - les der Prinz geſchickt.
Was? Der Prinz? — Da muß ich gleich pro - fitiren.
Ja, gute Leute; der un - bekannte Prinz. Und dieſer Prinz hat mich hieher geſchickt, damit ich mich als guter Freund und Nach - bar mit Euch ſeiner großmüthigen Gaben erfreue. Jch bin Euer Gaſt, Euer Nachbar, Euer Freund, wie immer, auch in dieſer bedeutungsvollen Stunde. Ja, gute Leute, ſo will es der edle unbekannte Prinz gehalten haben. Kommt nur gleich; laßt uns anfangen, um nur aufzuhören, wenn Nichts mehr da iſt.
Ja, Herr Casperl, Sie haben Recht. Setzen wir uns. — Alſo Sie kennen den unbekannten Prinzen?
Jch kenne ihn zwar nicht ganz genau, allein er kennt mich gewiſſermaßen ſo halb und halb auch gar nicht, ſo daß die Bekanntſchaft ſchon ſehr lange in dieſer Art auf ein nicht bekanntſchaft - liches aber eben ſo verrtauliches Verhältniß ſchließen läßt.
So, ſo? aha, jetzt verſteh’ ich’s. Sie ſind alſo eine Art unbekannter Freund des unbekannteu. Prinzen.
Ja, allerdings, ſo iſt es.
Nein, aber die guten Sachen! So was iſt noch gar nicht dageweſen bei uns. Das ſchmeckt!
Aber betrachtet einmal dieſe geheimnißvolle Pa - ſtete. Dieſe verdeckelte Speiſe, welche nicht ent - deckelt werden ſoll.
Das ſteht wohl auf dem Zettel geſchrieben, der drauf liegt.
Da ſteht’s drauf. Jch will’s Euch vorleſen: „ Von Allem eßt und trinkt, wie’s Euch ſchmeckt, „ Doch die Paſtete bleibe ſtets bedeckt! ‟
Aha! Das iſt die Probe, von der uns der Herr Prinz geſagt hat. Da machen wir uns aber nichts daraus. Nicht wahr Margareth?
Ja freilich. Die Paſtete geht uns ja gar nichts an. Wir halten uns an die andern guten Speiſen.
Laßt uns einmal den Wein probiren.
Vivat! Deidesheimer, Ausſtich!
Der Prinz ſoll leben! Hoch!
Hoch! hoch!
Reichen Sie mir einmal von dieſen Bratwür - ſteln her; ſie duften ſo angenehm. Ah! Meiſter - haft gebraten!
Die ſchöne braune Haut! — Jetzt möcht ich aber wiſſen, wie’s möglich wär’, daß Einer noch an die Paſtete denken könnte?
Das möcht ich auch wiſſen. Aber ſonderbar iſt es doch jedenfalls, daß man auf den Einfall kommen kann, eine Speiſe auf den Tiſch zu ſetzen, von der man nichts eſſen ſoll. Denn eigentlich ſind doch die Speiſen zum Eſſen da und nicht88 blos zum anſchau’n. Warum nicht lieber gleich ſo Etwas weglaſſen?
Der Prinz will ſich halt einen kleinen Spaß mit uns machen.
Das iſt jedenfalls ein ſchlechter Spaß; Eine Art Crudelität. Natürlich, Jhr Beide wißt über - haupt nichts von Paſteten.
Aber ich, ich kenn’ mich aus in ſolchen Biſſen. Jch kann Euch nur ſagen, daß Paſteten die köſtlichſten Speiſen ſind, die es auf den Tafeln der Vornehmen gibt.
Ah, Ah!
Nämlich: in ſolche Paſteten thut man das Allerbeſte hinein: Rebhühnlein, Faſanen, Spanfer - keln, Knödl mit Sauerkraut, Haſen, ganze Rehböck und oft die beſten Süßigkeiten mit allerhand Obſt und geſchnittene Nudel dazu mit chineſiſchem Pfeffer.
Aber nein! iſt’s möglich?
Jch meinerſeits will Nichts von der Paſtete haben; denn mir iſt ſo etwas nichts Neues; aber ich möcht’ nur wiſſen, was in der Paſteten da drinnen iſt.
Nein, nein! Nur keine fürwitzigen Anſpielungen. Verboten bleibt verboten.
Verboten! was iſt denn verboten? Es iſt nur ein Scherz, eine Vexirerei. Jch bin auch gar nicht neugierig, denn ich habe ja ſolche Paſteten ſchon nach dem Dutzend gegeſſen; aber grad deß - wegen wär’ es mir intereſſant, zu erfahren, was in dieſer Paſtete drin iſt.
Da hat eigentlich der Herr Casperl ſeinerſeits nicht Unrecht. Wir eſſen ja auch nichts davon und wenn der Herr Casperl nur hineinſchauen will, ſo iſt das ſeine Sach’.
Wer aber einmal hineingeſchaut hat, dem kommt gewiß auch gleich die Luſt zum Schnabuliren, be - ſonders, wenn ſo gute Sachen drin ſind, wie der Herr Casperl geſagt hat.
Was kann in der Paſtete ſtecken? Ein wenig möcht’ ich nur dran lecken.
Was ſtecket wohl in der Paſtete? Wie meinſt Du, liebe Margarethe?
Den Deckel etwas aufzuheben, Das koſtet uns wohl nicht das Leben.
Warum ſollt ich es nicht probiren, Den Deckel etwas zu berühren?
Probi — bi — bi — bi — biren?
Rüh — ri — ri — ri — ri — rühren?
Pro — bi — bi,
Probi — bi — bi.
Probi — bi — bi.
Probiren! Probiren! Probiren!
Jch will nur den Deckel ſeitwärts ein wenig lüften.
Ah! das ſtinkt ein Bißchen. Al - lein das iſt vermuthlich der ſogenannte „ Hautgout, ‟ der dem Wildpret eigen iſt. Wir wollen noch ge - nauer daran ſchnuffeln.
So etwas Schwefel-Geruch. Das kommt von der Sauce.
Auweh! Auweh! Wir ſind verloren! Uns holt der Teufel.
So habt ihr alſo die Prüfung beſtanden? Kaum habe ich Euch die erſte Wohlthat erzeigt, ſeid Jhr ſchon gefallen!
Auweh! Auweh!
Ja! Auweh, ausweh heißt es jetzt. Was könnt Jhr zu Eurer Entſchuldigung ſagen?
Der Herr Casperl! Der Herr Casperl!
Ja, der Casperl, der Casperl! Der war die Schlange. Nicht wahr? So hat auch Eva im Paradieſe geſagt. Aber iſt es nicht eine Schmach, daß ihr dieſe erſte kleine Probe nicht beſtanden habt?
Ja freilich iſt’s eine Schand!
Wir ſind eben auch ſchwache Menſchen, weil wir von Adam und Eva abſtammen.
Nur ſtill! Jch weiß Alles. Allerdings war Casperl der Verführer und deßhalb will ich Gnade vor Recht ergehen laßen.
Erhabener Zauberer! Sie wiſſen, daß Neugierde eine meiner vorzüglichſten Tugenden iſt. O ver - zeih’n Sie mir allergnädigſt.
Du warſt immer der Hanswurſt und wirſt immer der Hanswurſt bleiben. Euch andern Bei -93 den will ich meine Protektion nicht entziehen, weil Jhr brave, arbeitſame Leute ſeid. Jch werde Euch eine monatliche Unterſtützung anweiſen und Jhr ſollt nicht in Sorgen und Noth leben. Allein in Zukunft glaubt nicht, daß Jhr es beſſer gemacht hättet, als eure Stammeseltern Adam und Eva. Menſchen ſind und bleiben Menſchen. Lebt wohl!
Heil unſerm Wohlthäter! Tauſend Dank! Wir laſſen gewiß alle Paſteten ſtehen.
Jhr kriegt ohnedieß keine mehr zu ſehen. Aber eigentlich habt Jhr die künftigen Wohlthaten des Herrn Zauberes doch nur mir zu verdanken; denn wenn nicht ich den Paſtetendeckel aufgehoben hätt,’ ſo hätt’ es doch Eines von Euch gethan.
Wittwe.
ihr Sohn.
ihr Schwager.
Wolframs Diener.
Knappe.
deſſen Gemahlin.
Es graut der Tag, der Wächter grüßt den Morgen. Weh mir, daß ich erwach’ zu Leid und Sorgen! War auch gebannt der Schmerz durch Schlummers Nacht, Des Tages Grau’n hat wieder ihn geweckt.
Was glüh’ſt du mir in mein Gemach herein Verhaßtes Licht? Dein Schimmer iſt mir Pein; Du kündeſt des Bewußtſeins klare Helle, Daß immer ſtröme meines Unheils Quelle.
Noch ſchläft ſie. Jhr zur Ruhe, mir zum Troſt Denn wahrlich kaum ertrag’ ich ihren Wahn.
Nein! ſie ſchläft nicht! Vermöchte ſie’s für immer! Dann wäre aller Gram mit ihr begraben.
Der Gram? O ſage lieber doch Verblendung.
Dir freilich ſcheint Verblendung Weibes Leid. Wie ſollte auch in Männerbruſt ein Herz Sich regen zarter Art und feinen Sinnes? Dem Mann genügt’s, ſieht er ſein eigen Leben Erneut in Söhnen, die ihn rings umgeben. Was kümmert’s ihn, daß ſeinem treuen Weibe Die Tochter fehlt, in der ſie ſich erkennt?
Wie? alſo ſollt’ ich mich der ſieben Söhne, Die Gott durch dich mir hat geſchickt, nicht freu’n? Jch ſollte ſchmählich jammern, daß nicht auch Ein Mägdlein mir geboren ward? Ei was! Gott wollt’ es ſo, drum laß’ dein ewig Klagen, Das mir die Luſt vergällt am eig’nen Leben.
Jch laſſe gern die Luſt dir an den Söhnen; Wie lange währet die? ſie ſtürmen fort! Leer wird das Haus. Jetzt ſind ſie wohl noch Kinder;99 Der Jahre raſcher Flug macht ſie zu Männern. Dir mag’s gefallen; aber ich, dein Weib, Soll leben alle Zeit in Einſamkeit? Mir gönneſt du kein Kind, das mir verbleibe — Kein Weſen, daß ſich innig an mich ranket — Die Tochter nicht, der Mutter Herzensfreude?
Was ſollt’ ich’s nicht? Doch habe nur Geduld; Wer weiß, ob nicht dein Wunſch ſich noch erfülle?
Nein! nimmermehr! Schon längſt wär’s Zeit ge - weſen, Daß ich von einem Töchterlein geneſen; Ein bös Geſchick verfolgt mich —
Laß die Thorheit! Der Himmel könnte, deines Jammers müde, Wohl dich und mich in unſ’ren Söhnen ſtrafen, Die er uns gnädig gab. Drum danke lieber, Statt durch der Klage Ungeſtüm zu freveln.
Und Spott noch, Hohn des armen Weibes Kummer? Dieß iſt ſo Mannes Art! O könnt’ ich Alle7*100Verwünſchen, die doch nur an Frauenſchwäche Sich weiden.
Schweige thöricht Weib! Genug Hab ich an deinem Wahn.
Und ich genug An deines Herzens Härte und der Selbſtſucht, Die deiner Söhne Mutter von ſich ſtoßt. Fürwahr — Gott hör’ es! — Dieſe ſieben Buben Gäb’ ich um Eine Tochter hin. Jn Raben Verwandelt dürften ſie des Schloſſes Zinnen Umſchwirren, läg’ ein Mägdlein in der Wiege, Das mir mit holden Aeuglein lieblich winkte. Jch ſag’s: in Raben ſeien ſie verwünſcht, Wenn — —
Sie ſind es! Mutterfluch iſt Zaubermacht. Sie ſind’s! Blick’ auf: Dein Wort iſt dir erfüllt. Aus ihren Bettlein ſchweben ſie, nun höre Den Flügelſchlag der ſieben ſchwarzen Vögel: Die eig’nen Kinder ſind’s die du verwünſcht!
Doch wie dein Fluch erfüllt, ſei auch gewährt Dein Wunſch und binnen eines Jahres Friſt Wird dir ein Töchterlein am Buſen liegen. O pfleg’ es gut und wahr’ es wohl! Die Brüder Vielleicht vermag’s einmal durch Schweſterliebe Vom böſen Zauber wieder zu befrei’n. Du aber trage zur erfüllten Luſt Den Schmerz auch in zerfleiſchter Mutterbruſt, Daß du die eig’nen Söhne Preis gegeben Um eines Töchterleins erſehntes Leben.
Weh dir, o Weib!
Weh mir! Mein kühnes Wort Hat ſich erfüllt. O meine theuren Söhne! Fort ſeid ihr! fort! Nun bin ich ja fürwahr Die Rabenmutter, die ſich ſelbſt verflucht!
Das heißt einmal g’ſchlafen! aus lauter Mü - digkeit vom Faulenzen. Aber nein. Jſt das nicht eine bedeutende Arbeit? Jn der Fruh ſpät auf - ſtehen, bis man ſich bald wieder legt zum Mittags - ſchlummer, aus dem man ſich wieder erhebt, um ſich Abends abermals niederzulegen, damit man Nachts beſſer ſchlaft? Jſt das kein Geſchäft, ein ſchönes junges Fräulein zu bewachen, damit ihm nichts Uebles geſchieht in dieſer langweiligen Wild - niß, in der man ſich zwiſchen Nachteulen und Bä - ren bufindet und in der wir nun einſiedleriſch oder vielmehr zweiſiedleriſch ſchon einige Zeit hauſen?
Da ſitzt ſie wieder und ſpinnt und näht drauf los, wie eine Nahderin auf der Stör. Jch muß ſie nur ein bißl103 aufhören machen. Sie wird mir ja noch ganz krum und bukelt vor lauter Näh’n.
Lieb’s Fräulein! ſetzen S’ doch a bißl aus. Preſ - ſirt’s denn gar ſo? Kommen S’ a wenig heraus an die friſche Luſt. Es wird ohnedieß ſchon Abend und ’s iſt Zeit, daß Sie Feierabend machen. Es iſt außerordentlich kühl und angenehm.
Jch komme ſchon. Nur noch ein paar Stiche am ſiebenten Hemdlein. Gleich, gleich komm ich!
Am ſiebenten Hemd! Jetzt hat ſie ſchon ſechs Hemdeln geſponnen und genäht. Kein Menſch weiß warum und für wen. Für mich können’s nicht gehören; ich bin etwas zu corpulent für das Maas. Für den ſchönen Jäger, der bisweilen vorbeikommt und immer zuſpricht, werden’s wohl auch nicht gehören — oder vielleicht hat er’s doch bei ihr beſtellt? Ueberhaupt, die ganze Geſchicht iſt ſehr curios: die Raben, die alleweil aus - und ein - fliegen und die das Fräulein herzt und ſtreichelt. Kurz, ich kenn mich gar nicht aus. Ah, jetzt kommt ſie heraus.
Welch’ ſchöner Abend! Wie herrlich dort die Abendſonne die Bäume vergoldet.
Vergoldet? Das muß eine galvaniſche Vergold - ung ſein. Das Gold wird über Nacht immer wieder weggewiſcht und ich hab’ noch nicht Einen Ducaten g’funden von dem Abendgold.
Wie du wieder ſchwatzeſt, Casperl!
Da heißt’s immer, ich ſchwatz dummes Zeug. Was hätt’ ich denn in der Waldwildniß, wo man ſich bei jedem Schritt die Naſen an en Baum an - rennt, für einen Diskurs, wenn ich nicht mit mir ſelbſt a bißl reden könnt? Sie reden ja manchen Tag kein Sterbenswörtl, höchſtens nur was grad ſein muß:
„ Cas - perl, hol’ mir Waſſer an der Quelle! ‟ — „ Cas - perl, putz’ mir die Schuhe! ‟ — „ Casperl ſei ſtill! ‟
Anders hör’ ich Nichts aus Jhrem holden Munde; bisweilen machen S’ en rechten Herzensſeufzer, und nachher ſteh’ ich halt da und kann Fliegen fangen. Bin ich denn nicht105 Jhr getreuer Leibknappe, der mit Jhnen in die Einſamkeit geflohen iſt?
Jch weiß es wohl, guter Casperl. Sollt’ ich je vergeſſen, daß du es warſt, der mich aus der brennenden Burg gerettet hat, in deren Flammen meine unglücklichen Eltern, mein guter Vater Eckart und meine liebe Mutter Siglind ihren Tod gefun - den haben.
Ja, damals, als der Blitz eingeſchlagen hat und Alles zu Grund gegangen iſt, waren Sie ein klei - nes Wuzerl von 10 Jahren.
Biſt nicht du mir treu hieher gefolgt? Du biſt es, der mich hier bewacht und kümmerlich mit mir lebt. Jch werde dir mein Leben lang dankbar ſein.
Was das kümmerliche Leben anbelangt, ſo kann ich mich wirklich nicht darüber beſchweren, denn das Hungerleiden hab’ ich gelernt. Mich wundert’s nur, daß ich nicht die Abzehrung krieg’. Gebratene Nußhäher ſind noch unſere delikateſten Biſſen. Hätt’ ich nicht aus dem brennenden Schloſſe mit Lebens - gefahr noch ein Kaſtl voll Goldſtückeln gerettet, ſo106 wären wir ſchon lang alle zwei verhungert. Und da muß ich zwei Stunden weit ganz heimlich in die Stadt laufen und Brod und Eier holen. Näch - ſtens ſperren s’ mich aber doch amal ein, weil die Polizei mich als