Luſtiges Komödienbüchlein von Franz Pocci.
Vier Bändchen broſch. à fl. 1. 12. od. 21 Ngr elegant geb. à fl. 1. 45. on. Thlr. 1. —
Jnhalt des I. Bändchens:
Jnhalt des II. Bändchens:
Jnhalt des III. Bändchens:
Jedes Bändchen wird einzeln abgegeben.
Als Manuſcript gedruckt.
Druck von E. Stahl.
Einſam in dem Wüſtenlande Auf dem rothen, heißen Sande Stehſt du, Arme, hergebannt; Sollſt als Blume einſam blühen Bei der Sonnenſtrahlen Glühen, Unbeachtet, unerkannt.
Kalaſiris, du die Krone Auf der Jugend goldnem Throne, Kalaſiris, Königskind! Nun gebannet und in Kummer Schmachteſt du im Zauberſchlummer, Schwankeſt hier im Morgenwind!
Eh’ noch dem Meer Oſiris goldner Wagen Entſteigt, in früher Dämm’rungsſtunde nah’ ich1*4Nach dreißig Nächten wieder, dich zu wecken Aus tiefem Wehmuthsſchlummer, ſtolze Schönheit. Mit meinem Götterſtabe dich berührend Ruf ich dich wach: Entfaltet euch, ihr Blätter! Erhebe nun dich, Kalaſiris! Oeffne Dein dunkles Auge und der Haare Wellen Laß’ weh’n im Morgenlüftchen. Typhon weckt dich.
Wer weckt mich aus des Schlafes dumpfer Nacht? Wer ruft mich?
Typhon iſt’s, den du verſchmähteſt.
Weh’ mir! Zu neuer Qual ſoll ich dich ſchau’n!
Warum zur Qual? Jch hab’ dir Glück geboten — Der Erdentochter meine Königshand. Jch wollte dich zu jenen Bräuten reihen, Die ich in meinem Reich um mich geſchaart.
Verſchmäht hab’ ich dich, ja, weil dies dein Reich Der Ort der Nacht iſt und des ew’gen Fluches, Weil du des Zwieſpalts und des Haſſes Träger! 5Verſchmachten will ich lieber hier, gebannt Jn dieſem duft’gen Grab, als dir gehören!
Wohlan denn! Bleibe, denn du willſt es ſelber. Nur Horos, der Beglücker, kann dich retten, Der Schmachtende, der gern an Blumen nippt. Doch ob er dich in ſand’ger Wüſte finde? Hier ſucht er nicht nach Blüthen oder Küſſen. Doch immerhin! Du magſt Erlöſung hoffen Und mich verachten. Jener Tag wird kommen, An dem du gerne ſinkſt in Thyphons Arme.
Oſiris naht. Es rauſcht des Oſtens Donner, Den Mächt’gen zu verkünden, doch ich Arme Muß bei dem erſten ſüßen Hauch des Morgens Jn’s Dunkel ſinken dieſer Blätternacht!
Halt! Mir ſcheint, das iſt’s Wirthshaus.
Die Oaſe! Laßt uns Halt machen und im Schatten der Palmen ruhen.
Allerdings, Herr Leonardo. Nachdem wir die ganze Nacht |geritten ſind, iſt es zweckmäßig, die heißen Stunden des Tages hier zuzubringen.
Das iſt eine ſaubere Wirthſchaft! Alleweil im Streuſand reiten, da fehlt nur noch die Tinten dazu. Jetzt heißt es wieder im Schatten der Palmen ruhen. Ja, wir ſind wirklich die wahren Palm - eſel. Wenn wir nur einmal in ein eigentliches Wirthshaus kämen! Mir iſt mein Bauch ſchon wie eine türkiſche Trommel aufgeſchwollen von lauter Cocusnußmilch trinken. Das iſt ein infames Ge - tränk; wenn wir nit a paar Tröpfeln Schnaps hineinthäten, ſo wären wir ſchon alle drei an der Milchruhr hin!
Gedulde dich Casperl. Bedenke nur, welch ein Genuß für mich, den Maler! Dieſe Licht - und Far - beneffekte der Wüſte, dieſe Eigenthümlichkeit des Orients, dieſe maleriſchen Oaſen!
Ja, das iſt mir ein ſauberer Genuß, von dem Sie immer ſchwärmen, von dem man nichts hat und bei dem Ei’m der Magen alleweil leer bleibt, wie ein ägyptiſcher Weinſchlauch, in dem nix drin iſt.
Jn drei Tagen ſind wir in Memphis, der herrlichſten Stadt Aegyptens.
Wenn nur Sie ’s Maul halten wollten, Herr Hölzlmaier! Sie hab’n gut reden mit ihre zwei Gulden dreißig Kreuzer täglich. Ueberhaupt — —
Still, Casperl! Das immerwährende Lamenti - ren wird mir endlich widerwärtig.
Ja, glaub’s gern. Sie, mit ihrer Künſtler - natur, haben gut reden. Sie leben vom Kunſt - genuß der Naturſchönheiten; aber mich bringen Sie mit der Künſtlerfahrt noch dahin, daß ich aus Hun - ger und Durſt einmal auf Jhr Farbenkaſtl einen wüthenden Angriff mach’ und zum Frühſtück alle < supplied > i < / supplied > hre ſogenannten engliſchen Honigfarben verſchluck’.
Die würden dir ſchlecht bekommen. — Aber wie? was ſeh’ ich? Dieſe prächtige, eigenthümliche Blume unter den Palmen. Jch will ſie malen, denn ihr Anblick begeiſtert mich.
Dieſe Blume — eine Lotosblume, die faſt nur am Nilfluſſe vorkömmt, iſt von großer Merkwür - digkeit. Sie blüht erſt ſeit kurzer Zeit hier und alle Naturforſcher zerbrechen ſich darüber die Köpfe, wie es nur möglich, daß ſie an einem ſolchen Platze fortkommen könne.
So? — Da kann ich Jhnen gleich Aufſchluß geben, geſcheiter Herr Lohndiener. Wiſſen Sie denn nicht, daß die Nußkratſcher, Eichkatzeln und andere Vögel den Samen vertragen? Haben Sie bei uns zu Haus, wie Sie noch Kellner im rothen Ochſen in Schweinfurt waren, niemals zu beobachten Ge - legenheit gehabt, geſcheiter Herr Hölzlmaier, daß oft ein Tannenbaum mitten in einem Buchenwald ſteht, oder eine Haſelnußſtauden mitten unter die Birkenbäum’? So hat halt den Samen zu dieſer Blum’ auch irgend ein Löw’ oder ein Krokodil im Schnabel hergetragen.
Die Erklärung iſt wirklich nicht übel. Jch möchte aber eher vermuthen, daß der Samenſtaub durch den Wind hieher geweht wurde.
Da haben Sie wieder recht; das kann auch ſein. Aber mir wär’s eigentlich lieber, wenn der Wind ein halbes Dutzend Bratwürſteln und eine Bouteille Deidesheimer herg’weht hätt’.
Wie dem auch ſei, ich werde dort im Schatten der großen Palme mich niederlaſſen, um dieſe Wun - derblume zu conterfeien.
Gut. Machen Sie ihre Farbenſpritze; ich leg’ mich mit ’m Hölzlmaier nieder und ſchlaf’ meinen Hunger und Durſt aus. Geltn’s Hölzlmaier, das thun wir?
Jch kann Jhnen auch einige Feigen und Dat - teln anbieten zur Erfriſchung.
Laſſen S’ mich aus mit der Koſt. Da hab’ ich noch a Stückl Kameelkäs im Sack, der iſt mir10 lieber, und glücklicher Weiſ’ noch ein paar Schluck Franzbranntwein in meiner Wüſten flaſchen; denn in dieſem Terrain kann man’s keine Feld flaſchen nennen, weil’s keine Felder gibt. — Der Kameel - mohr wird aber Durſt haben. Heda! Mohr! magſt en Schluck?
Kaki mocki bucki muki.
Was heißt jetzt das wieder? Das iſt doch a Teufelsſprach, das Mohriſche!
Das heißt, daß er gehorſamft dankt, weil er keinen Durſt hat.
Die Eigenſchaft kenn’ ich nicht. Bei mir heißt’s nicht buki muki — aber alleweil „ ſchlucki, ſchlucki! ‟ — Nun, legen wir uns halt nieder.
Das muß ich aber ſagen: allen Reſpekt, was ſo ein Mohr und ſo ein Kameel Hunger und Durſt ertragen können! Die Zwei haben jetzt ſchon beinah’ acht Tag nichts gegeſſen und getrunken. Der Mohr, hat, glaub’ ich, kaum ein Quartl Cocusnußmilch täglich zu ſich genommen und iſt noch alleweil11 beim Zeug. Aber ſagen Sie mir doch, geſcheiter Herr Hölzlmaier: warum ſind denn die Mohren eigentlich ſchwarz?
Das kommt daher, Herr Casperl, weil ſie eben Mohren ſind.
Ah ſo! Das iſt eine ungemein ſinmeiche Er - klärung. — Sie, Hölzmaier, wie haben denn Sie eigentlich die mohriſche Sprach glernt?
Durch Uebung während meines mehrjährigen Aufenthaltes im Orient. Und ſo bin ich denn Dol - metſch für die reiſenden Fremden geworden.
No, Herr Hölzlmaier, ſo a Dollpatſch hätten’s z’ Haus bei uns auch bleiben können.
Sie, Hölzlmaier! Was ſchaut denn der Mohr ſo?
Ja, ich bemerk’ es auch.
Gru, gru, grugru! molimani batſchki kratſchki!
Wie? — Was ſagt er? Wär’s möglich?
Gru, gru, gru! Holi, holi, holi pips!
Auf! Auf! Herr Leonardo! Fliehen wir! Viel - leicht können wir noch entkommen.
Was gibt’s?
Unſer Kameelführer hat mit ſeinem ſcharfen Blicke eine verdächtige Rotte in der Ferne entdeckt. Es könnten Räuber oder Sklavenfänger ſein.
Was fangen wir an?
Das auch noch! Hunger und Durſt, und auf d’ Letzt werden wir noch als Gſchlaven gefangen. Schlipperment! Jch ſteig’ auf einen Palmbaum ’nauf, da ſehn’s mich nit.
Morotſchi, morotſchi! Kalu, kalu, moribarilari buribubu!
Er ſagt, ſie kommen immer näher. Raſch vorwärts! Auf’s Kameel!
Komm’, Casperl! Vom Baum herunter!
Es iſt keine Zeit zu verlieren!
Auweh, auweh! Meine Hoſen hat ſich an ei - nem Palmzweig eingehakelt; auweh, ich kann nicht ’runter!
Da läßt ſich nichts machen; wir ſind alle ver - loren. Fort! Fort!
Halt! Halt! Laßt’s mich auch mit! Halt! Die Räuber kommen ſchon! Auweh!
Dort ſeh’ ich das Kameel mit den Männern;14 wir können ſie nicht mehr erreichen, das Thier lauft zu gut. Aber da oben auf der Palme ſitzt ein Vogel, den wir brauchen können. Herab da, oder wir ſchießen dich herunter.
Pardon! Pardon bitt’ ich! Jch kann ja nit ’runter ſteigen.
Wart’ Burſch, wir kriegen dich ſchon. Spannt eure Bogen und laßt ein paar Pfeile fliegen.
Halt! Halt! Nicht ſchießen! Jch komm’ ſchon!
Das iſt ein kurioſer Papagei! Wart, wir holen dich. Klettere Einer hinauf.
Was haſt du aus den Sternen nun geleſen? Hat kein Planet ſich günſtig dir gezeigt?
Auch dieſe Nacht iſt mir nicht hold geweſen Und hat ſich nicht des Blickes Müh’n geneigt.
Wo iſt die theure Tochter? Wo mein Kind? Du weiſeſter aus meinem Hofgeſind, Du ſollſt es wiſſen, der du ſonder Gleichen Entzifferſt der Geſtirne goldne Zeichen. Wo weilet Kalaſiris, die entſchwand Auf ſo geheime Weiſe? Nenn’ das Land, Den Räuber nenne! Sieh des Vaters Leid, Die Thränen ſieh!
O Herr, gewähre Zeit! Gewiß, ſie ward entführt; auf ſchwarzem Roß Sah ſie mit einem Mann der Wachen Troß Jn Blitzeseile und in Weheklagen Aus Memphis Thoren unaufhaltſam jagen.
Und alles Forſchen einer Königsmacht Verlieh kein Licht in dieſes Räthſels Nacht?
Darum die Wahrheit, daß kein menſchlich Weſen Der Räuber deiner Tochter iſt geweſen. Ein Dämon war’s und keiner von den guten, Denn jenes Roß, es ſchnaubte Feuerfluthen, Und von den Hufen ſprüht’ es hell empor, Als bräch’ der Urnacht Funkengluth hervor.
Und war’s ein Dämon — weh mir! Denn ver - loren, Zum Untergang erkohren iſt mein Kind!
Noch lebt ſie auf der Oberwelt. Jhr Stern Des Lebens ſchimmert ja, doch ſcheint er fern. Drum laß’ nicht ab, die Opfer darzubringen Den Göttern! Dieſe Nacht ſchon mag’s gelingen,17 Daß mir des Himmels Zeichen endlich ſagen Der Löſung günſtig Wort auf meine Fragen.
Mein König!
Wer ſtört mich in meinem Schmerze?
Jch bin es. O Herr! Vertiefe dich nicht all - zuſehr in dein Leid. Gedenke deines Volkes, ge - denke deines eigenen Lebens und ſchone dich.
Wozu? — Jch habe keine Tochter mehr! Sie war der Stern meines Lebens; ſie war die Blume, deren Duft mich belebte und entzückte.
Wenn es dir zum Troſte ſein kann, großer Kö - nig, ſo wiſſe, daß ganz Memphis mit dir trauert, daß Tauſende in die Tempel wandern und, Oſiris opfernd, für dich um Hülfe zu flehen. Von den vielen Fremden aber, die hier verweilen, muß ich dir einen Maler nennen, welcher Aegypten durch - zogen und die Schönheiten der Natur des Landes in reizenden Bildern aufgenommen hat. Er möchte218dir ſeine Kunſtwerke zeigen dürfen und bittet dich, ihm Zutritt zu gewähren. Er harrt bereits in einem der Vorgemächer, deiner Verfügung gewärtig.
Wenn ich nicht einſähe, daß es meine Pflicht iſt, mich nicht vom Schmerze verzehren zu laſſen, und meinem Volke zu lieb dem Leben und meiner Thätigkeit als König anzugehören, ſo würde ich auch derlei von mir weiſen. Allein der Götter heiligen Willen zu ehren, mag es ſein, wie ſie es fügen. Laßt den Künſtler eintreten.
Sei geprieſen mein König. Wie du befiehlſt, ſo ſoll es geſchehen.
Jhr Götter ſchützet mich vor Verzweiflung! Laßt mich in meinem Leid nicht untergehen!
Heil dir, König Abuzabel! Du haſt geſtattet, daß ich mich dir vorſtellen darf. Vielleicht kann dir meine Kunſt dienen.
Sei mir gegrüßt. Die Kunſt iſt ein Geſchenk der Götter. Sie veredelt die Menſchheit und mil -19 dert die Gemüther. Es wird mich freuen, wenn du mir Proben deiner Geſchicklichkeit zeigen willſt.
Jch habe Vieles gemalt in deinem herrlichen Lande, um in meinem Vaterlande dieſe Bilder zur Beſchaulichkeit zu bieten. Die Wunderwerke der Natur wie der Kunſt habe ich getreu abgebildet. Die Reize der Nilgegenden, die Majeſtät der Py - ramiden und Tempel ſollen meinen Landsleuten im europäiſchen Weſtlande zur Bewunderung dargeſtellt ſein. Geſtatte, daß ich dir die Gemälde in deinen Palaſt bringen laſſe. Hier aber möchte ich zuerſt eine herrliche Blume dir vorſtellen, deren wunder - bare Schönheit mich zur Abbildung veranlaßte.
Es ſei. Laſſe das Bild hereinbringen.
Jn einer Oaſe, drei Tagreiſen von hier, blüht dieſe herrliche Blume und ihr Duft breitet ſich weit umher.
Welch herrliches Bild!
Das Volk nennt ſie die Wunderblume, denn ſie ſteht allein in der ganzen Wüſte unter Palmen.
Wahrhaftig ein Wunder! Denn wie ſollte die Wüſte derlei hervorbringen? Laß’ mir das Gemälde. Um jeden Preis will ich es beſitzen; denn wie mit magiſch bezaubernder Gewalt wirkt es auf mich.
Ganz nach deinem Willen ſteht mein Werk dir zur Verfügung, großer König. Beſtimme ſelbſt den Preis.
Begib dich zu meinem Schatzmeiſter und be - gehre was du immer willſt. Auch kannſt du in meinem Palaſte wohnen. Gehe! Der Abend ſinkt — ich will ruhen, und vorher noch mich an dem Anblick deines Werkes erquicken.
Wie du befiehlſt, mein König. Jch erwarte deine weiteren Befehle.
Schlipperment! Da bin ich wieder ſchön ein - gangen. Die vermaledeiten ägyptiſchen Banditen haben mich als einen Paperl gefangen, an den Hof - gärtner des Königs verkauft und dieſer infame Kerl hat mich trotz aller Demonſtrationen und Vorwei - ſung meiner Paßkarte da hereingeſperrt. — — Mich in einen Käfig, wie einen Gimpel! — Jn den verſchiedentlichen heimathlichen Polizeiarreſtloka - litäten habe ich doch meiſtens eine angenehme Ge - ſellſchaft gefunden — aber in dieſem ägyptiſchen vergitterten Sommerhäusl möcht’ ich verzweifeln. Und einen Hunger hab’ ich und einen Durſt! —
Heda, heda! Was z’eſſen möcht’ ich! A Bratl oder ein Voreſſen! Heda!
Das iſt doch ein miſerables Geſindel! Marſch! Ruh’ will ich haben. Auweh, kratzt’s mich nit ſo. Marſch!
Aber das freut mich ungemein, Herr Moos - bauer, daß ich mit Jhnen hier ſo ganz überraſchen - der Weiſe zuſammengekommen bin.
Und mich erſt! Denken Sie ſich nur, wie man ſich verlaſſen fühlt im Ausland, unter lauter Frem - den, ſo ganz allein; und bis ich nur dieſe Hiero - glyphenſprach gelernt hab’! Das war eine Müh’, da haben Sie keinen Begriff, Herr Hölzlmaier!
Ja, aber ſagen ’S nur, Herr Moosbauer, wie ſind Sie denn eigentlich nach Memphis gerathen?
Auf die einfachſte Art. Sie wiſſen ja noch, wie ich den großen Gemüsgarten gehabt hab’. Nun denken Sie ſich: da hat ſich auf einmal der Spe - kulationsgeiſt in mir gerührt und ich hab’ mir zu24 meinen Pomeranzenbäumen auch eine Dattelpalmen - pflanzung anlegen wollen. Zu dieſem Zwecke hab’ ich meinem Vetter, dem Nazi, mein Geſchäft über - geben, bin über Wien nach Conſtantinopel, und nachher mit dem Poſtomnibus nach Aegypten ge - fahren, um mir Dattelpalmen zu holen. Hier an - gekommen bin ich aber gleich in die Dienſte Sei - ner Majeſtät des Königs Abuzabel eingetreten, der grad einen Obergärtner gebraucht hat, und führe nun den ägyptiſchen Namen Hakem, das heißt ſo viel wie „ Mann der Blumen. ‟ Jetzt bleib ich halt ſo lang’s mir gefallt, und wenn’s mir nimmer g’fallt, ſo kehr’ ich wieder in die deutſche Heimath zurück und begründe eine Dattelkultur-Verſuchs - ſtation.
Sie, Herr Hofgärtner, mir gefällt’s aber ſchon lang nimmer in mei’m Käfig da!
Auweh! Jetzt hab’ ich mich verrathen. Der da hinten hat bisher geglaubt, ich wär’ ein eingebor - ner Memphianer.
Potz tauſend! Das iſt ja der Bediente des Ma - lers Leonhard.
25Ja, der Casperl Larifari. Wiſſen’s, ich hab’n auch ſchon gekannt und hab’ mir jetzt den Spaß gemacht, ihn als Papagei zu tractiren. Als ſol - chen hat ihn der König von einem Beduinen ge - kauft, der ihn in der Wüſte gefangen und hieher gebracht hat.
Das freut mich aber. Laſſen Sie ihn nur noch ein bißl zappeln da drin; denn der hat mich elend ſchikanirt auf der Reiſe durch die Wüſte mit dem Herrn Leonhard.
Pappolo, Pappolo! Kakelaki?
O’ mein! — Verſtellen’s Jhnen nit, Herr Moosbauer; mit ihrer ägyptiſchen Abkunft iſt’s auch nit weit her. Laſſen’s mich lieber ’raus. Wir ſind ja alle drei ehrliche Deutſche.
Ja! Vivat das Vaterland! Kommen’s halt ’raus, Herr Casperl.
Oho, oho! — Sie ſind ja ein Narr! Werfen S’ uns gar um.
Vivat hoch! Tres faciunt collegium, ſagt der Franzos. — Jetzt geh’n wir aber gleich in’s Wirths - haus miteinander: zum „ roſenfarbnen Kameel ‟ oder zum „ himmelblauen Elephanten. ‟ Vivat hoch!
Halt, meine Herren! Zuvor noch ein Wort. König Abuzabel hat mich heute in aller früh ſchon holen laſſen und hat mir befohlen, mich ſogleich mit dem ganzen Hofgartenperſonale in die Wüſte zu begeben zur Oaſe Nro. 3 im Diſtrikt 2045, littera A, Polizeibezirk 11,000. Dort ſteht eine wunderſchöne Lotosblume und die ſoll ich ihm in den Hofgarten hieher verſetzen.
Ha! Verſetzen? Dieſes Wort iſt mir ſehr unangenehm, denn es erinnert mich erſtens: An meine Gefangennehmung, und zweitens: An je - nes Jnſtitut unſeres gemeinſamen Vaterlandes, in welchem noch einige mir gehörige Gegenſtände auf - bewahrt werden. Jch hab’ noch wenigſtens zwan - zig Verſatzzettel in meiner Hoſentaſchen.
Herr Hakem-Moosbauer! Dieſe wunderſchöne Blume kenne ich ja. Ein Prachtexemplar! Herr Leonhard hat ſie auf der Durchreiſe in Lebens - größe abgemalt. Jch begreife, daß König Abuza - bel ſie in ſeinen Hofgarten verpflanzen will.
Laſſen wir dieſe botaniſchen Betrachtungen und begeben wir uns lieber in einen Gaſthof. Jch hätt’ einen ungeheuren Appetit auf das Voreſſen von einem Krokodilsjungen oder auf einen geſpickten Elephantenrüſſel in der ſauren Schildkrötenſauce.
Nein, das iſt Alles nichts gegen die Nilpferd - leberſpatzeln.
Mir iſt Alles recht. Aber ein guter Wein bleibt mir immer die Hauptſache.
Weiſe und gut iſt es, mein König, daß du dich endlich entſchloſſen haſt, deine Gemächer wie - der einmal zu verlaſſen und in den Garten zu geh’n, wo die aromatiſche, milde Luft dich erquicken wird.
Jn der That, ich fühle mich leichter und athme freier. Sieh auch, Amru, hier iſt der Platz, wo die Blume zu ſtehen kommen ſoll. Mein Gärtner Hakem iſt bereits auf dem Wege in die Wüſte, um die Pflanze mit größter Kunſt und Vorſicht hieher zu bringen. Bei ihrem Anblicke will ich mich in den tröſtenden Gedanken vertiefen, daß Ka - laſiris mir nahe ſei. Oder glaubſt du, daß der29 Traum in dieſer heutigen Nacht, welchen ich dir erzählt habe, nur Täuſchung geweſen?
O gewiß nicht, mein König. Die Begeiſter - ung, mit welcher der fremde Künſtler die Schön - heit der Blume erfaßte, die Wahrheit, mit welcher er ihre Abbildung vollendet hat, iſt nur durch die magiſche Kraft geſchehen, welche des Künſtlers Jma - gination in ſich trägt. Ja, auch die Künſtler ſind — unbewußt ihrer ſelbſt — Magier, denn ſie ſchaf - fen mit der ihnen von den Göttern gnädig ver - liehenen Zeugungskraft, und was dir im Traume ſich zeigte, war nur das Ausſtrömen der dem Ge - mälde innewohnenden Wahrheit.
Aber Typhon? jener böſe Dämon? jener Gott, den ich nur zu gut erkannte an ſeiner flammen - glühenden rothen Geſtalt? — —
Er war nothwendig auch von der magiſchen Gewalt der Darſtellung der geheimnißvollen Blume angezogen und mußte erſcheinen. — Nun wiſſen wir aber auch, daß er es geweſen, der deine Toch - ter auf feuerſchnaubendem Roſſe entführt und ſie in30 die Lotosblume gebannt hat. Es handelt ſich nur darum, ihn zu vermögen, daß er Kalaſiris aus ihrer Verzauberung frei geben wolle oder durch höhere Mächte dazu gezwungen werde. Flehe zu Typhons Gattin, der nächtlichen Nephtis. Sie ſoll dir helfen, ihren ungetreuen Gemahl zu bewältigen.
Jch will deinem Rathe folgen. Komm in den Tempel mit mir, Opfer zu bringen.
Das war ein Göttermahl! Eine Suppen von Nilſchnecken. Ein Voreſſen von jungen Krokodil - ſchwanzeln. Gefüllte Straußeneier. Ausgezeichnet! Und erſt die geſpickte Löwenzunge mit ägyptiſchem Karifiolſalat! Einzig! Und dieſe Roſenbiskoten! Das laß’ ich mir gefallen. Und der Wein! Den Pyramidenwein haben’s ’n g’heiſſen. Der wachst um die Pyramiden herum; an lauter Spalier hän - gen die ungeheuerſten Trauben, wo eine jede einen Zentner wiegt, und jede Weinbeer iſt ſo groß wie31 eine Sechspfünder-Kanonenkugel. Ja, das Aegyp - ten iſt ein geſegnetes Land! —
Aber der Wein hat mir a bißl zug’ſetzt; ich bin wirklich ſchläfrig und will mich da ein kleines wenig nie - derlegen. So — da iſt ein kühles Platzl an dem Schilfpoſchen.
Auweh! Auweh! — Das Krokodil! Auweh! Zu Hülfe, zu Hülfe! Jch bin verloren! Auweh! Auweh!
Jn meines Reiches Schatten ſchweb’ ich nieder, Durch Abuzabels Opfer hergerufen. Des Königs Leid auch kenn’ ich; denn ich weiß, Daß des treuloſen Gatten wild Begehren, Dem Kalaſiris widerſtrebt, aus Rache Die Schöne in die Blume hat gebannt. Verfolgen wird auch hier er die Bedrängte, Doch kam ich ihm zuvor; den Schlummernden Beraubt’ ich des gefeiten Götterſtabes Und mit ihm der Gewalt geheimen Zaubers. Jn meiner Hand iſt nun die Macht; befrei’n Aus duft’gem Blumenſchacht will ich die Jungfrau,33 Hervor denn, Kalaſiris, aus dem Grabe Der Blätter, die den ſchönen Leib umſchließen!
Erhebe dich!
Wer ruft mich Unglückſel’ge? Biſt du es wieder, Typhon, mich zu quälen?
Nicht Typhon iſt’s, mein ungetreuer Gatte. Vertraue mir, mein Schleier ſoll dich decken, Und meine Hand wird dich zum Vater führen.
Geprieſen ſei die Macht, die mich errettet! Wer biſt du? ſag’ es. Soll ich dir vertrau’n?
Jch bin es, Nephtis, Spenderin des Troſtes, Die milden Schlummer bringt und ſüßen Traum.
So ſei geſegnet, Göttin! Rettungsengel Und Tröſterin, die du mich willſt befrei’n.
Jn meine Arme komme! Laß’ uns eilen; Jch räche dich und mich zugleich; drum folge.
Das iſt doch eine wunderſchöne Mondnacht; ein wahres Vergnügen in dem Garten herum zu ſpazieren. Zum Glück iſt meine Hoſen z’riſſen, ſo daß mich das Teufelsvieh von einem Krokodil hat fallen laſſen, über mich hinausgeſchoſſen iſt und ich dann durch einen kühnen Seitenſprung dem Tode der Verſchlingung glücklich entkommen bin. Jm nächſtgelegenen Wirthshaus bin ich nachher aus lauter Angſt und Schrecken umg’fallen und hab’ mich erſt durch den Genuß einer halben Maß Pal - menſchnapſes wieder einigermaßen erholt. Allein ich bin von der Kataſtrophe ſo angegriffen, daß ich mich veranlaßt ſehe, meine erſchöpften Gliedmaßen irgendwo unterzubringen. Auf’m Heu bin ich ſchon öfter gelegen, warum ſollte ich es nicht einmal pro - biren in einer Blume zu ſchlummern?
Ha! Jn dieſen Blättern will ich ruhen, die mich hier zum ſüßen Lager einladen. Ja, ich will in dieſem ägyptiſchen Krautkopf mein Nachtquartier aufſchlagen.
Ah! Da liegt man ja prächtig, wie auf einem ſammtenen Kanape. Aus - gezeichnet, vortrefflich! — Da kann mich’s Kro — kro — dril — auch nicht er — wiſchen.
Hier iſt ſie! Mir entrückt. Aber auch hier weiß ich ſie zu finden. Das mit Begeiſterung ge - ſchaffene Bild iſt Abuzabel zur Viſion geworden. Jn ihr glaubte er die Wahrheit zu ſchauen. Gut, du haſt Kalaſiris, deine Tochter, geſehen; aber auch Typhon iſt dir erſchienen. Was frommt dir, die gebannte Tochter in deiner Nähe zu wiſſen? Sie bleibt dir die Blume. Nun denn, komme her - vor, du verzauberte Stolze! Mein mächtiger Scep - ter ward mir zwar entführt, aber Typhons Wort iſt von gleicher Gewalt. Hervor, Kalaſiris! — Wie? Sie erſcheint nicht? Und was muß ich ſehen? Die Blätter der Blume geöffnet? Fluch und Ver - derben!
Jhr Götter, was iſt hier vorgegangen? Welche Macht war im Stande, Kalaſiris zu entführen? Was für ein Scheufal füllt den Kelch der Blume aus.
Schlipperment! Wer weckt mich denn ſo grob auf? — Oho! Was iſt das für eine Figur aus rothem Petſchierwachs?
Erbärmlicher Wicht, wie kamſt du da hinein?
Hinein g’ſtiegen bin ich und jetzt bin ich her - ausg’fallen.
Nun denn! ſo magſt du dein Lager wieder ein - nehmen und darin verſchmachten!
Schließt euch, Blätter, zu der Zelle, Undurchdringlich jeder Helle! Nun fort, fort, Kalaſiris aufzuſuchen!
Schlipperment! Aufmachen, ich erſtick’! Auf - machen!
Hier bleibe, in des Vaters Haus geſchützt; Mir ſoll nun Typhons Zauberſcepter dienen, Um dich vor des Verfolgers Zorn zu wahren.
O, Dank dir, holde Göttin heil’ger Nacht, Die unter deinen Schleier mich genommen!
Sieh hier das Bild der ſchönen Lotosblume, Von ihm gedeckt biſt Allen du verborgen; Gebannt bleibſt du in des Gemäldes Hülle, So lang du ſelber willſt. An’s Tageslicht Magſt eilen du, wenn dein Erretter naht. Dein eigen Herz wird den Erwecker kennen; Jn ſeinem Arm, von ſeiner Macht beſchützt, Muß Typhon weichen, denn er iſt beſiegt. Tritt in das Bild nun. Wieder biſt Du Blume, Vielleicht weckt dich der Morgenſonne Gruß.
Wie du befiehlſt, dein Wille iſt mir heilig.
Noch ſchlummert Alles im Palaſte; aber mich trieb es vom Lager empor bei den erſten Strahlen des Morgens. Zu meiner holden Blume eilte ich, die geſtern im Garten des Königs noch blühte. Aber wie erſtaunt war ich? Sie war verwelkt, ihre Blätter abgefallen und verdorrt auf dem Boden umher, und mein närriſcher Diener Casperl lag in tiefem Schlafe mitten darinnen. So komme ich denn zu dir, theures Bild, das ich mit Begeiſter - ung ſchuf, um mich in der Erinnerung an die Wirklichkeit in deinen Anblick zu vertiefen. Es iſt ſo wunderbar, daß mir dieſe Blume, ſchon als ich ſie das erſtemal in der Oaſe ſah, wie ein Weſen vorkam, das von einem menſchlichen Geiſte durch - weht iſt. Aus ihrem weißen, reinen Blatte wehte es mich wie ſüßer Hauch an. Es war, als ob die Blume meine Geliebte, meine Braut wäre.
Welch’ zauberiſcher Klang!
Wie? Was höre ich? Zu mir ſpricht eine holde Stimme aus der Blume? Jſt es Traum, iſt es Zauber? Jch will ihr antworten:
Wunderbare Erſcheinung! Göttliches Bild!
Du haſt den Bann gebrochen. Jn deinem Arme bin ich gerettet!
Gerettet! — Und ich beſeligt!
Ja, Leonardo, du haſt ſie befreit; denn des40 Künſtlers edelſte Begeiſterung beſiegt die Gewalt der böſen Dämonen.
Wehe uns, Typhon!
Fürchtet euch nicht! Jch bin beſiegt. Gegen ideale Mächte hab’ ich keine Gewalt. Kalaſiris, lebe wohl!
So hat jener Traum nicht gelogen, und eine Wahrheit iſt es, daß die böſen Dämonen fliehen müſſen vor der edelſten und ſchönſten Macht. Leo - nardo! Sei mein Sohn! Kalaſiris werde deine Gattin. Jch ſegne euch.
Vivat hoch! Die Geſchicht’ iſt doch noch gut ausgegangen.
12 Jahre alt,
9 Jahre alt,
deſſen Kinder.
Dorfkinder.
Walburg,
Taglöhner.
Holla! Heda! Noch Keins da? Das iſt mir ein faules Geſindel. Sitzen etwa gar noch in der Nachmittagsſchule, die Tuckmäuſer. Da bin ich ein anderer Kerl. Jch bin des reichen Sternwirths Michel. Mit der Schul iſt’s vorbei; Leſen, Schrei - ben und Rechnen kann ich, was Noth thut — was brauch ich mehr? Jch bin des Sternwirths Michel. Und im Schuſſern thut mir’s auch Keiner gleich von Allen wie ſie da ſind im Dorf. Jch mach’s meinem Bruder Hans nach; der iſt der erſte Ke - gelſchieber im Dorf, aber da bin ich noch zu jung dazu; was nicht iſt kann noch werden. Heda, holla! Jhr Schlingel, wo ſeid Jhr? Heißt das Wort hal - ten, wenn man ſich zuſammenbeſtellt hat?
Da bin ich, Michel. Gelt? heut muß der Spielcommandant ein bißl warten. Jn der Schul gibt’s noch Tatzen; ſie haben dem Herrn Lehrer ſeinen Raſierſpiegel zerbrochen und Keiner will’s gethan haben. Da heißt’s noch ſitzen bleiben und eine Strafſchrift müßen Alle ſchreiben, weil Keines mit des Sprach heraus will.
Das ſind aber dumme Fratzen; warum ſagen ſie nicht, wer’s war?
Ja des Baders Hansjörg hat den Spiegel ge - brochen; aber ſie halten zuſammen und will ihn Keiner verrathen.
Das iſt aber dumm.
Und mir gefallt’s grad Michl. Schlechtes war’s nicht und da wollen ſie alle ihrem Kameraden die Strafe erſparen.
Da wär ich nicht dabei.
Kann mir’s erklären; denn du biſt und bleibſt der Sternwirthsmichel oder der „ Jch bin Jch ‟ — der an ſich immer zuerſt denkt.
Ha, ha! und bin noch immer gut dabei durch - gekommen. Weißt du noch, wie ich dem Maas - ſeppel die Schläge verſchafft hab, die eigentlich mir zugekommen wären?
Jch weiß ſchon noch, aber das war eben ſchlecht von dir.
Ei ſchlecht — klug muß Einer ſein. — — Aha, da kommt die ganze Sippſchaft aus der Schule heraus und der Lehrer ſteht unter der Thür und droht ihnen noch mit dem Lineal nach. Juhei! Jetzt geht’s an’s Schuſſern.
Da her, da her! — Heut wirds luſtig. Sind des Amtmanns Kin - der auch dabei?
Die dürfen freilich nicht immer mitthun, der Vater ſieht’s nicht gern.
Ja, im Amtsgarten ſpielen ſie zu Zwei „ Fange - mannl ‟ oder „ Schneiderleihmirdeinſcheer. ‟
Grüß Gott beiſammen.
Grüß Gott, Michel, grüß Gott!
Ach, und welche Ehre! Nach einer ganzen Woch’ erſcheinen auch wieder der Herr Anton und Mam - ſell Marie.
Du brauchſt nicht zu ſpotten, Michel.
Du weißt ſchon, daß wir nicht immer aus dem Haus dürfen, wenn wir auch wollten.
Wir wiſſen es, und begnadigen die Nachläſſi - gen. Alſo angefangen! Mach Einer das Grübl.
Jch mach’s, ich mach’s!
Ja, dir thut’s Noth, Spiegelfabrikant.
Was? Du weißt von der Geſchicht?
S’geht dich auch nichts an, was in der Schule vorgeht.
Nichts geht’s dich an, gar nichts, gar nichts!
Oho, oho! Jch bin über die Sachen hinaus.
Freilich biſt du drüber hinaus und über gar viel Anderes leider, denn ’s iſt nicht gut für dich und du biſt eben doch auch nur ein Bub, wie ein anderer, wenn du gleich des Sternwirths Sohn biſt.
Die Mamſell iſt wieder einmal naſeweis. Du mußt einmal Schullehrerin in der Stadt werden, weil du gar ſo geſcheit biſt.
Laß meine Schweſter in Ruh, ſonſt haſt du’s mit mir zu thun, Großmaul!
Was? Jch, ein Großmaul?
Ruhig und keinen Streit!
Spielen wir lieber.
Ja, fangen wir’s Schuſſern an.
Auch recht. Aber dem Anton iſt’s nicht ge - ſchenkt. Hat jeder gehörig Schuſſer?
Ja, ja, ja!
Wer will’s zuerſt mit mir wagen?
Und gerade ich heut.
Verſuch’s nur! Heraus mit den Kugeln!
O Anton, fang doch mit dem langen Michel nicht an; der iſt ſo roh und ſo grob und heute, wo er’s ohnedies auf dich hat. Komm, geh’n wir lieber heim.
Aha! laßt Dich das Mädel nicht mitſpielen. Nun halt Dich nur an ihrem Rockzipfel, junger Herr Amtmann.
Schweig’, Sternwirth! — Jch werf’ —
Oho — weit drüber hinaus. Schau’ ich mach’s anders.
Der Michel hat’s.
Nur weiter: Jch werf ſechs aus.
Und ich ſechs nach.
Ach! wenn ich ihn nur wegbringen könnte von dem Spiel. Der Vater hat wohl recht, wenn er ungern ſieht, daß wir da mitmachen, beſonders wenn auch Sternwirth’s Michel dabei iſt. Mir iſt’s immer lieber zu Haus im Garten. Mein Bruder und die Vöglein, die da ſo fröhlich hauſen,450ſind meine liebſte Geſellſchaft.
Was macht denn heut’ unſere alte gute Walburg? Muß doch ſeh’n.
Walburg! Walburg! biſt Du zu Haus?
Bin ſchon z’Haus, Madl, aber’ſch will nim - mer geh’n mit mir. Komm’ en bißl herein zu mir. Jch muß das Fieber haben, denn’s beutelt mich elend.
Wart’, ich komm zu Dir und bleib’ bis die Buben ausgeſpielt haben.
Alles verloren! o weh!
Ausbezahlt, Herr Amtmann! ich verlange kein Geld, aber die Schuſſer die ich gewonnen hab’.
So viel hab’ ich nicht mehr.
So bring’ ſie morgen; Credit kannſt Du haben; aber die ſchlechten Lehmkugeln mußt du dann auch austauſchen.
Von mir haſt Du zwölf geborgt.
Und von mir vierundzwanzig.
Fünfzehn Gute von mir.
Seid nur ruhig. Jhr kriegt alle eure Schuſſer wieder.
So! heut’ iſt’s aus. Jch muß nach Haus zum Wurſtfüllen, denn morgen gibt’s Hochzeit bei uns. Heiſa, Kinder, da geht’s luſtig her! Alſo, Moſſje Anton — meine Schuſſer nit vergeſſen! Vor der Schule kommen wir hier zuſammen, da werden die Schulden bezahlt.
Armer Anton, heut haſt aber viel verloren.
Thut nichts; ein andersmal gewinn ich wieder.
Geh’n wir. Mich hungerts nach den Nudeln.
Geh’n wir, geh’n wir! ’s iſt Zeit.
Da ſteh’ ich jetzt und weiß mir nicht zu helfen. Dem Michel will ich nichts ſchuldig bleiben; das wäre eine Schande. Und woher nehmen? — Die Schuſſer alle zu kaufen, braucht ich vierundzwanzig Kreuzer. Mein Monatgeld iſt bereits verbraucht. An die Sparbüchſe trau’ ich mich nicht; denn da müßte ich der Mutter ſagen warum und wozu. Das iſt eine böſe Geſchichte. Wo iſt denn die Marie? Die wird ſchon heimgelaufen ſein. Viel - leicht kann die mir helfen; denn wo’s möglich iſt, thut ſie’s. Aber auch ſie hat von dieſem Monat nichts mehr übrig. Jedenfalls kann ſie rathen, wie’s anzufangen iſt.
So, gute Walburg; ein bischen Luft ſchöpfen kann Dir gewiß nicht ſchaden; ’s iſt ja heut warm und ſchön. Setz Dich auf die Bank nieder und ich leiſte Dir Geſellſchaft.
’s iſcht mir ſchon recht, Madl und iſcht allweil beſſer in Gott’s freier Luft, als in der Stub’n drinnen.
Ein Glück iſt’s, daß Du ſo ein nettes Stübl haſt, wenn Du nicht in’s Freie hinauskannſt.
Ja Madl, dank tauſendmal, daß mir die gnä - dig Herrſchaft das Stübl da beim Lucas angewieſen und mir’s nix koſtet.
Nun, das war aber natütlich; die Herrſchaft kennt Dich ja ſchon gar lang.
Jch mein’s wohl. Hab ja ſchon der ſeligen alten gnädigen Frau — Gott tröſt’ ſie — allwegs die Handſchuh geliefert und auf Michaeli wird’s grad fufzig Jahr, daß ſie mir im Schloßgarten droben das erſte Paar abgekauft hat.
Das iſt eine ſchöne Zeit, Walburg.
Wohl, wohl, ’iſcht’s a ſchöne Zeit. Damals bin ich aber a luſchtig und hübſch Tirolermadl ge - weſ’n und jetzt bin ich en alt’s Weib und en arme Wittib. Seit mir die Franzoſen meinen guten An - toni vor der Hütten weggeſchoſſen haben, hab ich54 mich halt durchbringen müſſen durch die Welt und hätt’ ich jetzt net frei Loſchi von der gnädigen Herrſcharft, die ſich erbarmt hat, und ein bißl Al - moſen von gute Leut, ſo müßt ich verhungern, denn ich kann ja nimmer in’s Tirol heimmaſchiren und mir Handſchuh oder Hoſenträger holen zum verhandeln, oder Spielhahnfedern und Gamsbart.
Die Leut hier haben Dich immer gern gehabt, Walburg; haſt ihnen ja auch viel Gut’s erwieſen, ſo oft Du heraußen warſt.
Wohl, wohl. s’muß halt einer dem andern helfen, aber’s geſchieht halt nit immer.
Aber ſag’ mir doch, Walburg, warum haben denn die Franzoſen Deinen Mann erſchoſſen?
Sie haben ja auch den Sandwirth, den Andreas - Hofer erſchoſſen, weil er zu ſei’m Kaiſer gehalten hat. Wirſcht’s wohl ſchon g’hört oder g’leſen ha - ben im Geſchichtbüchel, wie der Krieg im Tirol war und wir wieder Kaiſerlich geworden ſind. Wir hätten weiter nix gegen den König von Bayern55 g’habt: das war wohl ein guter Herr; aber das Schreibervolk hat uns Alles genommen und das hätten wir auch noch gelitten, dem König zu lieb; aber wie ſie uns auch unſern guten Glauben neh - men haben wollen, da haben unſere Mannsleute waltern aufbegehrt.
Ei, den Glauben haben ſie euch nehmen wollen?
Wohl, wohl. War ja ſelber g’rad dabei, wie ſo ein vornehmer Schreiber oder Amtmann den Herrn vom Altar weggeſtoßen hat und wie er die Muſikanten auf dem Chor gezwungen hat, daß ſie ihm einen Tanz aufſpielen und wie er die Mädeln aus die Kirchenſtühl geriſſen hat und mit uns hat tanzen wollen. Sind aber alle ’nausg’laufen und dann hat er die Soldaten kommen laſſen.
Ach, das iſt ja fürchterlich!
Ueber ein Weil hat’s aber ſchon gekracht vom Berg herab und der Krieg iſt nachher losgangen und die Weiber haben auch dazu geholfen. Meinen,56 Antoni aber haben die Franzoſen vor unſerm Haus erſchoſſen, weil er ein paar Tirolerſchützen verſteckt hat. Das war ein Elend, Marie. Nachher ſind wir wieder Kaiſerlich worden, aber mein Mann, der ſelige Anton, war todt. Jch hab nachher in ei’m Stübl bei einer Bas’n gehaust und hab halt meine kleine Handelſchaft getrieben und bin wohl weit umenand gekommen. Jetzt hab ich Ruh und verlang mir nix als ein ruhiges Sterben und fröh - lich Auferſteh’n.
Ei was! Du kannſt noch lang leben, Walburg.
’s hat Alles ſein End auf der Welt, wann’s an der Zeit iſt. Jch ſpür’s aber. Der Tod hat ſchon anklopft bei mir an der Thür. Jſcht mir heut Nacht auch meine Holzuhr abg’laufen und ich kann’s und mag’s nimmer aufzieh’n.
Geh’, liebe Walburg, ſei getroſt.
Bin ja getroſt, mein Kind. Auf Gottes Barm - herzigkeit hab ich immer Alles geſtellt und mein Herr und Heiland wird mir auch in meiner letzten57 Stund gnädig ſein. Geh’ Marie, führ mich wie - der in mein Stübl; mir wirds ſchlecht, muß mich in’s Bett legen.
So komm, gute Walburg. Jch will Dir helfen.
Anton, ich habe Dir zu lieb doch Unrecht ge - than, als ich Dir am vorigen Donnerſtag den Vier - undzwanziger gab.
Beruhig Dich, Schweſterlein. Jch kann dir’s beweifen, daß du kein Unrecht thateſt. Höre: die Mutter gab Dir alſo fünf Zwanziger, um ſie der alten Walburg zu bringen. Sage: fünf und nicht wie ſonſt gewöhnlich des Monats nur vier. Die Mutter mußte ſich überzählt haben. Nun weißt Du, bedurfte ich, Dein geliebter Bruder, gerade 24 Kreuzer; denn hätte ich ſie nicht gehabt, ſo hätte ich an den groben Wirthsmichel meine Schuſ - ſerſchuld nicht abtragen können.
Und da hätt’ſt Du vermuthlich Schläge von ihm bekommen.
Und wie! Denn ſeine Fäuſte geben aus und ich wäre ihm auch nicht Herr geworden, denn er iſt ja viel älter und ſtärker als ich. Deine ſchwe - ſterliche Liebe hätte das nicht anſehen und ertragen können. Von dem fünften Zwanziger wußte ja die Walburg ohnehin nichts und hatte ihn auch nicht erwartet. Auch wollte ich ihn redlich aus meinem nächſten Monatgelde wieder erſtatten.
Ja, aber ſieh’ Anton, wenn die Mutter dieß - mal der Walburg fünf Zwanziger geben wollte, ſo war das ihre Sache und geht uns Kinder nichts an.
Gedenk’ſt Du denn nicht der Prügel, die ich be - kommen hätte? Das hätten Mutter und Vater doch auch erfahren, und es hätte ihnen Kummer gemacht; und überdieß hätte ich dann der Walburg noch extra Etwas bei den Aeltern aus meiner Sparbüchſe erbeten; das geſchieht auch noch. Jn zwei Tagen bekommen wir unſer Monatgeld und dann wird die Sache herrlich abgemacht. Vorläufig hat Wal - burg wie gewöhnlich ihre vier Stück Zwanziger.
Mich drückt’s aber doch, und ich kann der Mutter ſeither nicht mehr recht in die Augen ſehen.
Jch ſchon; denn wir hatten keine ſchlechte Ab - ſicht bei der Sache. Der Vater hat gar oft ge - ſagt: ein Schuldenmacher ſei nicht viel beſſer, als ein Dieb; alſo war es meine Pflicht, nach jedem erlaubten Mittel zu greifen, dem langen Michel Nichts ſchuldig zu bleiben.
Du legſt’s Dir recht pfiffig zu recht; ich aber bleib dabei: ich hätte Dir nicht nachgeben ſollen.
Geh, laß’ das. Komm in die Schule, ’s iſt hohe Zeit.
Ei, ei! die Walburg will mir nit recht gefallen, das heißt, inſoweit man das zu ſagen pflegt; denn warum ſollt mir die Walburg nicht gefallen? Sie war immer ein braves Weibsbild; aber das Ge - fallen oder nicht Gefallen iſt hier was anders. Kurz die Walburg will mir nicht recht gefallen, in -61 ſofern das gute Weib, wie ich glaube und befürchte, nicht mehr lange leben wird. Heut zum Beiſpiel machte ſie ganz curioſe Augen auf mich, als ob’s nit richtig ſei mit ihr; auch iſt ihre Naſenſpitz noch feiner zugeſpitzt, als jemals, und wenn ſie was reden will, ſo geht’s nicht und ſeit drei Tagen hat ſie nur ein paar Löffel Supp hinuntergebracht. Die Sach iſt immer bedenklich, weßhalb ich’s auch be - dacht hab’ und jetzt ohne weiters zuerſt zum Bader und nachher zum Herrn Pfarrer gehen will. Frei - lich: der Bader, obgleich er ſchon manche Kur präſtirt hat, hat doch noch Niemand am Sterben gehindert, wenn’s an der Zeit war und überdieß iſt er eigentlich ein Eſel, der am lieben Vieh her - umprobirt, wenn’s krank iſt, geſchweige erſt das Ebenbild Gottes, den Menſchen, maltraitirt und in die Ewigkeit ſchon Manchen expedirt hat, eh’s ihm lieb war. Was aber den Herrn Pfarrer anbelangt, ſo kann ja der geiſtliche Zuſpruch, und was ſonſt noch Heiliges dabei iſt, niemals zu früh kommen, dieweilen aber wohl zu ſpät, wenn nemlich die arme Seele auf den Herrn Pfarrer nicht mehr hat warten können und ſchon vorher abgereift iſt. — Gott hab ſie ſelig. — Alſo könnt’s auch bei der alten Wal - burg geſchehen; ich will alſo nach reiflicher Ueber -62 legung und um keine Zeit zu verlieren, zuerſt den Herrn Pfarrer holen, und hernach den Bader Stopfl - maier. Ei, ei! die gute Walburg! Wäre mir wahr - haftig recht leid um ſie, hat mir immer ſo ſchöne Geſchichten aus dem Tirolerkrieg erzählt, wenn wir ſo Winter’s beiſammengeſeſſen ſind und ich mein Pfeifl geraucht, während ſie geſponnen hat. Sie iſt aber auch ſchon hübſch bei Jahren, die Walburg. So ein 10 Jähr’ln iſt ſie mir ſchon vor. Geduld, Geduld! Jch komm auch ſchon nachgefahren einmal, wenn der klapperdürre Poſtillon mich herausblast: Tra, tra, tra, tra — weh, weh, weh, weh! —
Ei, ei! die alte Walburg! Ei, ei! — — will mir nicht gefallen — —
Alſo heute keine Schule. Wir hatten’s vergeſſen, daß des gnädigen Herrn Namenstag iſt; drum war auch der Vater heut ſo aufgeputzt, um ſeine Auf - wartung zu machen und den Jägertoni habe ich auch ſchon in Gala von Weitem in’s Wirthshaus gehen ſehen, einen bordirten Hut auf dem Kopfe mit grünen Gocklfedern und den Hirſchfänger an einem goldenen Borten umhangen. Um ſo einen Jäger iſt’s doch was Schönes. Jmmer im Walde draußen unter den grünen Tannen und bei Hirſchen63 und Rehen. Heiſa! wenn’s dann aus der Büchſe knallt: Puff! — Puff!
Puff! Puff! Schlingel! — Warum nicht zu Hauſe? Haſt Du nicht Deine Aufgabe für morgen zu machen?
Oho, Mamſell! Sie hätten mich beinahe er - ſchreckt, wenn ich nicht ein Mann wäre.
Alſo!. „ Mann ‟ erfülle Deine Pflicht und geh mit mir heim an die Arbeit. Nachmittags dürfen wir in den Wald; es werden noch Kränze gebun - den für heute Abend zur Gartenbeleuchtung.
Da bin ich auch dabei. Während Jhr das Laub windet, werde ich mit meinem Gewehre einen Rehbock ſchießen.
Böcke kannſt du genug in deinen Schulaufgaben finden, brauchſt nicht in den Wald zu laufen.
O, Mamſell Superklug, ich bedarf Deiner Witze nicht.
Sieh’ da kömmt der alte Lukas.
Guten Tag, Lukas!
Auch guten Tag, ihr Kinder.
Heut iſt wohl keine Arbeit wegen des gnädigen Herrn Geburtstag.
Jch könnte ſchon mithelfen zu den Feſtivitäten, aber ich muß heut zu Haus bleiben.
Warum zu Haus?
’s geht nicht gut mit der Walburg.
Wie — die Walburg?
Ja — gerade komm ich vom Bader und hab ihn holen wollen, iſt aber über Land bei einem Kranken. Der Pfarrer iſt ſchon drinnen bei ihr;65 iſt durch das Gartenthürlein hineingegangen, geiſt - lichen Troſt zu bringen.
Sag, Lukas, wie meinſt Du das?
Jch mein halt, daß es mit der alten Walburg heut zu Ende geht.
Um’s Himmelswillen! ſie wird doch nicht ſter - ben?
Einmal muß’s doch ſein. Sie iſt gewaltig ſchwach und’s will mich bedünken, daß ſie ſo all - gemach verhungert.
Mein Gott! — verhungert.
Das verſteht ihr freilich nicht, aber die Geſchichte iſt ſo: Hört’s nur: Wir armen Leute eſſen uns ſel - ten ſatt, weil wir eben arme Leut ſind. Und — hört’s nur, Kinder — da ſchrumpft uns ſo nach und nach der Magen ein und wird immer kleiner, weil er nie voll iſt. Endlich dörrt er ganz zuſam - men, abſonderlich wenn man alt iſt und keine rechte566Leibesſtärkung hat. Jch helf mir ein bißl hie und da mit einem Gläsl Branntwein auf. Aber die alte Walburg hat den Schnaps nicht gemocht und was hätt’ ſie ſonſt gehabt, die gute Walburg? Haben ihr kaum die vier Zwanziger ausgereicht, die ſie von Eurer Mutter des Monats bekommen hat. Hie und da hat ihr freilich die gnädige Herr - ſchaft was geſchickt; aber’s war nicht zu verlangen, denn die hat ihr ja das Stüblein bezahlt und für den Winter ’s Holz gegeben. Wär wahrhaftig nit mehr zu verlangen geweſen.
Alſo verhungert! verhungert!
So ungefähr, weil’s doch einmal ſein muß. Aber was verſchwätz ich mich da, ich ſollte ſchon längſt wieder bei der Walburg ſein — werd wohl bald zum Meßner laufen müſſen, daß er’s Sterbe - glöcklein läut’t.
Die Walburg ſtirbt, die Walburg ſtirbt! und ich bin Schuld daran. Hätt ich ihr nicht den Vierundzwanziger genommen, ſo hätt ſie noch was gehabt.
Die arme Walburg! — Anton, ’s könnte wohl ſo ſein, daß ſie ein paar Tage länger gelebt hätte. Anton! Anton!
Jch möcht verzweifeln! — Marie was ſoll ich thun? Jch ſtürz mich ins Waſſer! O weh, o weh! ich bin ein abſcheulicher Bub, ein Mörder, wenn die Walburg ſtirbt.
So arg iſt’s wohl nicht; aber dein Leichtſinn wird nun beſtraft. Jch getrau mich gar nicht hi - nein zur Walburg, ſo weh thut mir’s.
Was ſoll ich erſt ſagen? was ſoll ich thun? Hilf mir Marie! Was fang ich an in meiner Ver - zweiflung?
Wie ſteht’s Lukas? wohin, wohin?
’s iſt ſchon vorbei mit der guten Walburg; Gott tröſt’ ſie; und ſchön iſt ſie geſtorben, wie eine Heilige. Euer Herr Vater war dabei, der5*68hat ihr die Augen zugedrückt; er war vorher mit dem Pfarrer gekommen. Jch lauf in die Kirch, wegen dem Sterbläuten.
Gott hab ſie ſelig! ’s war eine gute brave Seele. Wie? Kinder, ihr da?
Mein Vater! Verzeihung! Verzeihung!
Was ſoll das heißen? Was haſt du begangen?
Lieber Vater, Anton meint, daß er an der Walburg Tod ſchuld ſei.
Was ſchwätzeſt du da?
Ja, Vater, ich muß es jetzt geſtehen — und ich wollte es Dir und der lieben Mutter ſagen, allein erſt dann, nachdem ich meinen Fehler gut gemacht hätte. —
Nun? ich verſteh Euch nicht, Kinder.
Um ſeine Schuld im Schuſſerſpiel abzutragen, beredete mich Anton ihm von dem Geld zu geben, das die Mutter der Walburg durch mich überbrin - gen hieß und da meint nun Anton, ſie ſei deshalb verhungert.
Was muß ich von Euch hören? Das war ab - ſcheulich; nie hätte ich ſo etwas vermuthet.
Die höchſte Noth veranlaßte uns, denn ich hatte nichts mehr vom Monatgelde übrig, die letzten 12 Kreuzer gab ich der Mutter für die kranke Joſepha.
Nichtsdeſtoweniger war Deine That eine Unter - ſchlagung.
O Gott, wie hab ich’s ſchon bereut! Jch gäbe ja Alles, Alles, um mich von der Sünde rein zu waſchen!
Gut, daß ich Euer Herz kenne; ich will dieſen Fehler dem kindlichen Leichtſinn zuſchreiben; nehmt70 Euch aber eine Lehre daraus für die Zukunft. Jede Sünde beſtraft ſich durch ſich ſelbſt in ihren Folgen.
O wir wiſſen es. Gewiß, gewiß aber, lieber Vater, hatte der Anton den feſten Vorſatz, der Wal - burg noch mehr zu geben, als er ihr vorenthalten hatte.
Einerlei! Das entſchuldigt nicht die That.
Hört — man läutet für die gute Walburg. Verhungert iſt ſie nicht, Anton. Dieß möge Dein angſtbeſchwertes Herz einigermaßen erleichtern. Denn in ihrer kalten Hand fand ich dieß Lederbeutelchen, vier Gulden darin und ein Zettelchen, worauf von ihr ſelbſt geſchrieben ſteht: „ Gebt’s den Armen, ich brauch’s nicht mehr. ‟ Die gute Seele! — — Jhr Tod war Folge der Alters - ſchwäche.
Gott ſei Dank!
Nun aber — geht in die Kirche. Betet aus vollem Herzen für Walburg zum lieben Gott und entledigt Euch Eurer Schuld durch das Gefühl der wahrhaftigſten Reue.
O, wie gerne thun wir’s! Wenn aber auch nur Du mir verzeiheſt, lieber, lieber Vater!
Und mir!
Die Angſt, die Du ausgeſtanden haſt, Anton, möge Dir als Strafe angerechnet werden. Das Vergehen Deiner Nachgibigkeit, Marie, will ich der Schweſterliebe zu gut halten. Jch verzeihe — aber — —
Nie mehr! Nie mehr!
Profeſſor und Magier.
ein alter Taglöhner.
deſſen Weib.
Privatier.
Ja, von meiner Morgenwanderung bin ich in der That etwas hungerig und durſtig ge -76 worden. Ein kleines Frühſtück wäre wohl am Platze.
Gut bedient!
Cotteletten. Was für ein Weinchen? Ah! Bordeaux Lafitte. Ganz zufrieden.
Auf das Wohl meiner Ahnen! Heil euch, die ihr in der Tiefe der ägyptiſchen Pyramide Mandſchelmuſa bis zur nächſten Seelenwanderungs - periode im Mumienſchlummer ruhet! Heil euch hei - ligen Katzen von Bubaſtos! — Damit aber ein hochgeehrtes Publikum im Klaren ſei, bemerke ich, daß meine Familie aus Aegypten ſtammt, wo Magie und Zauberkunſt ihre Wiege haben. Meine Vorfahren, von beſagten bubaſtiſchen Katzen ſtam - mend, fanden ſich veranlaßt, bei der großen ägyp - tiſchen Finſterniß, weil ſie nichts mehr ſahen, nach Europa unter dem Namen Katzenberger und Com - pagnie auszuwandern. Mein Vater war Apotheker und hinterließ mir in einer verſiegelten Opodeldokblech - büchſe die Geheimniſſe der Magie. Jch hatte Na - turwiſſenſchaften ſtudiert, ward Profeſſor extra -77 ordinarius, Mitglied mehrerer wiſſenſchaftlichen Ge - ſellſchaften und lebe nun als Privatgelehrter und Magier, mich ganz den Jntereſſen der Humanität widmend. Jetzt bin ich ſatt. Appage!
Da kommen Leute. Jch will mich zur Beobachtung etwas zurückziehen.
Jch muß ein wenig raſten, denn ich bin müd’.
So raſte.
Es iſt kein Spaß, eine Stunde her das Holz auf dem Buckel ſchleppen.
Jch ſetz’ mich auch ein bißl. Es iſt kein Spaß, den halben Tag Holz hauen im Wald draußen.
Ueber Mangel an Arbeit kann ſich keines von uns beſchweren.
Muß ſein; denn „ im Schweiße Deines Ange - ſichtes ſollſt Du Dein Brod eſſen ‟, hat unſer Herr - gott im Paradies geſagt.
Ja, das weiß ich auch; aber zu wem hat er es geſagt? Zum Adam, nicht zur Eva. Weil der Adam ungehorſam war und in den Apfel gebiſſen hat — —
Den ihm die Eva gereicht hat, verſtanden? — Und was hat er zur Eva geſprochen? — „ Daß der Mann ihr Herr ſein ſoll. ‟
Das war ein ſauberer „ Herr ‟ — der Adam! der ſeinen Fürwitz und ſeine Neugier nicht be - zähmt hat.
An der ganzen Geſchicht, war doch nur die Eva ſchuld. Sie war die Neugierige; ſie war die Fürwitzige.
Wenn die Schlange nicht geweſen wär’, die die Eva verführt hat, ſo wär’ auch weiter nichts geſchehen, und Du brauchteſt kein Holz zu hacken und ich brauchte das Reiſig nicht zu tragen, das uns der Förſter immer überläßt.
Euch Weibern fehlt’s nie an Ausreden; wenn aber wieder ſo ein Goldapfelbaum aufwüchs’ — Du und alle Anderen würden’s doch wieder wie die Stammutter der Menſchheit machen.
Und ihr Mannsbilder wäret auch nicht geſchei - ter, als der Altvater Adam. Laß uns nicht weiter ſtreiten; geh’n wir lieber heim, daß wir zu unſerer Supp’ kommen. Jch verlang’ mir keine Paradies - äpfel.
Jch auch nicht; mir ſind unſere Schalznudeln lieber. Komm, Alte.
Grüß Euch der Himmel, gute Leute.
Ebenfalls, aufzuwarten.
Jhr habt ja ein wenig geſtritten miteinander, wie ich im Hergehen vernahm.
So was kommt bisweilen bei uns vor, aber das hat weiter nichts zu bedeuten.
Das geſchieht nur im Spaß, ſo zu ſagen, und wir kommen ganz gut aus.
Jhr ſpracht ja von Adam und Eva, wenn ich recht hörte, und dem Fürwitz des erſten Menſchen - paares.
Ja freilich und mein Jakob da, der ſchiebt immer alle Schuld auf die Eva — —
Und mein Weib behauptet immer, daß Adam eigentlich das Unheil angeſtellt habe.
Ei, ich meine, es haben wohl beide ſo ziemlich gleichen Theil am Vergehen; beide waren ungehor - ſam aus Fürwitz und Neugier.
So was wär’ doch unſer Einem nicht paſſirt.
Da hat mein Jakob recht; die Schlange dürfte mir den ſchönſten Apfel anbieten in einem ſolchen Garten, wo mir Alles Andere zu Gebot ſtünd’ — ich blieb feſt und ſtandhaft.
Seid ihr Eurer Sache ſo gewiß? So Etwas iſt leichter geſagt, als gehalten. Das käme doch noch auf eine Probe an.
Ha, ha — bei uns Zwei’n eine Probe!? Wir ſind zufrieden mit unſerm ſauer erworbenen ſchlech - ten Biſſen. Das iſt Probe genug.
Hört, liebe Leute: ich mein’ es gut mit Euch; Jhr ſcheint mir brav und fleißig und darum möchte ich Euch ein ſorgenfreies Alter bereiten. Jch habe die Mittel für ſo Etwas. Allein eh’ es geſchieht, müßt Jhr Euch einer Probe unterziehen, die ich Euch auferlegen werde. Wollt Jhr?
Das verſteht ſich; nicht wahr, Alte?
Wenn der gnädige Herr es ſo gut mit uns vor hat, müſſen wir’s ja dankbar annehmen.
Gut alſo. Geht nun langſam nach Hauſe. Jhr werdet ſehen, was ich Euch beſtimmt habe, und682wenn es an der Zeit iſt, werde ich mich bei Euch einfinden. Wo wohnt Jhr denn?
Jn Haderndorf, eine halbe Stunde von da. Das erſte Dörfl mit dem grünen Kirchthurmdach; unſer Häusl iſt das zweite rechts, wenn man hin - eingeht. Man heißt’s beim „ Holzjackl. ‟
Wohl. Aber, aber — ſeid ſtandhaft und ver - geßt nicht Adam und Eva!
Gehorſamſter Diener, Excellenz. — Du Mar - gareth, das muß ein verkleideter Prinz ſein; meinſt Du nicht?
Ja freilich, der iſt gewiß ein Prinz; er hat auch ſo hochdeutſch und vornehm geſprochen. Hätten wir ihn nur gleich per Excellenz titulirt, da hätt’ er uns vielleicht ein paar Gulden geſchenkt.
Komm, Weib, geh’n wir heim. Vielleicht fin - den wir zu Haus ſchon einen Beutel voll Duka - katen.
Wünſch’ guten Morgen. — — Wie? Niemand da? — Monſieur Jakob! Madame Margareth!
Niemand zu Haus. Es iſt doch ſchon Mittagszeit und ich hätt’ aus Zufall ſo von Un - gefähr mit Fleiß im Vorbeigehen ein paar warme Schmalznudeln aus purer Gefälligkeit gern mitge - nommen. Denn beſagte Schmalznudeln werden hier beſonders gut gemacht, weil dieſe armen, aber guten Leute eigentlich nichts Anderes haben, als den einen Tag Kartoffel oder Erdäpfel und den andern Schmalznudeln. Nun finde ich mich als guter Nachbar bisweilen gewöhnlich an dem an - dern, nämlich dem Nudeltage ein, um den armen aber guten Leuten etwas Geſellſchaft zu leiſten.
Aber wie? was erblick’ ich? — ſeh’ ich recht? — ein gedeckter Tiſch! — welch’ ein angenehmer Bratenduft! — Eine Schüſſel mit Kalbsbraten, Kartoffelſalat mit Häring und harte Eier d’rauf. Bohnengemüs mit — mit — mit — mit Bratwürſteln! Meine Leibſpeis! Und drei6*84Weinflaſchen! Und — da mitten drinnen eine große Paſtete!! Ha! wo her kommt dieſe in dieſen ſchlichten Räumlichkeiten nie dageweſene brillante Erſcheinung? Sollte nicht eine Verwechslung ſtatt - gefunden haben und ſollten dieſe Gaben nicht ur - oder repetiruhrſprünglich mir beſtimmt geweſen ſein? Hat ſich das unſichtbare großmüthige Schickſal nicht in der Lokalität geirrt? Ha! ich werde ganz confus. Aber was liegt denn da für ein beſchrie - bener Zettel auf der Paſtete?
„ Von Allem eßt und trinket, wie’s Euch ſchmeckt, „ Doch die Paſtete bleibe ſtets bedeckt! ‟
Ha, ha, ha! Das iſt aber curios! Wer wird ſich um die Paſtete kümmern unter ſol - chen umſtehenden Umſtänden?
A, der Herr Casperl iſt heut’ auch ſchon da!
Er iſt da und wünſcht guten Mittag.
Weib, Weib! Da ſchau her!
Ei, der Tauſend! Was ſeh’ ich? Das hat Al - les der Prinz geſchickt.
Was? Der Prinz? — Da muß ich gleich pro - fitiren.
Ja, gute Leute; der un - bekannte Prinz. Und dieſer Prinz hat mich hieher geſchickt, damit ich mich als guter Freund und Nach - bar mit Euch ſeiner großmüthigen Gaben erfreue. Jch bin Euer Gaſt, Euer Nachbar, Euer Freund, wie immer, auch in dieſer bedeutungsvollen Stunde. Ja, gute Leute, ſo will es der edle unbekannte Prinz gehalten haben. Kommt nur gleich; laßt uns anfangen, um nur aufzuhören, wenn Nichts mehr da iſt.
Ja, Herr Casperl, Sie haben Recht. Setzen wir uns. — Alſo Sie kennen den unbekannten Prinzen?
Jch kenne ihn zwar nicht ganz genau, allein er kennt mich gewiſſermaßen ſo halb und halb auch gar nicht, ſo daß die Bekanntſchaft ſchon ſehr lange in dieſer Art auf ein nicht bekanntſchaft - liches aber eben ſo verrtauliches Verhältniß ſchließen läßt.
So, ſo? aha, jetzt verſteh’ ich’s. Sie ſind alſo eine Art unbekannter Freund des unbekannteu. Prinzen.
Ja, allerdings, ſo iſt es.
Nein, aber die guten Sachen! So was iſt noch gar nicht dageweſen bei uns. Das ſchmeckt!
Aber betrachtet einmal dieſe geheimnißvolle Pa - ſtete. Dieſe verdeckelte Speiſe, welche nicht ent - deckelt werden ſoll.
Das ſteht wohl auf dem Zettel geſchrieben, der drauf liegt.
Da ſteht’s drauf. Jch will’s Euch vorleſen: „ Von Allem eßt und trinkt, wie’s Euch ſchmeckt, „ Doch die Paſtete bleibe ſtets bedeckt! ‟
Aha! Das iſt die Probe, von der uns der Herr Prinz geſagt hat. Da machen wir uns aber nichts daraus. Nicht wahr Margareth?
Ja freilich. Die Paſtete geht uns ja gar nichts an. Wir halten uns an die andern guten Speiſen.
Laßt uns einmal den Wein probiren.
Vivat! Deidesheimer, Ausſtich!
Der Prinz ſoll leben! Hoch!
Hoch! hoch!
Reichen Sie mir einmal von dieſen Bratwür - ſteln her; ſie duften ſo angenehm. Ah! Meiſter - haft gebraten!
Die ſchöne braune Haut! — Jetzt möcht ich aber wiſſen, wie’s möglich wär’, daß Einer noch an die Paſtete denken könnte?
Das möcht ich auch wiſſen. Aber ſonderbar iſt es doch jedenfalls, daß man auf den Einfall kommen kann, eine Speiſe auf den Tiſch zu ſetzen, von der man nichts eſſen ſoll. Denn eigentlich ſind doch die Speiſen zum Eſſen da und nicht88 blos zum anſchau’n. Warum nicht lieber gleich ſo Etwas weglaſſen?
Der Prinz will ſich halt einen kleinen Spaß mit uns machen.
Das iſt jedenfalls ein ſchlechter Spaß; Eine Art Crudelität. Natürlich, Jhr Beide wißt über - haupt nichts von Paſteten.
Aber ich, ich kenn’ mich aus in ſolchen Biſſen. Jch kann Euch nur ſagen, daß Paſteten die köſtlichſten Speiſen ſind, die es auf den Tafeln der Vornehmen gibt.
Ah, Ah!
Nämlich: in ſolche Paſteten thut man das Allerbeſte hinein: Rebhühnlein, Faſanen, Spanfer - keln, Knödl mit Sauerkraut, Haſen, ganze Rehböck und oft die beſten Süßigkeiten mit allerhand Obſt und geſchnittene Nudel dazu mit chineſiſchem Pfeffer.
Aber nein! iſt’s möglich?
Jch meinerſeits will Nichts von der Paſtete haben; denn mir iſt ſo etwas nichts Neues; aber ich möcht’ nur wiſſen, was in der Paſteten da drinnen iſt.
Nein, nein! Nur keine fürwitzigen Anſpielungen. Verboten bleibt verboten.
Verboten! was iſt denn verboten? Es iſt nur ein Scherz, eine Vexirerei. Jch bin auch gar nicht neugierig, denn ich habe ja ſolche Paſteten ſchon nach dem Dutzend gegeſſen; aber grad deß - wegen wär’ es mir intereſſant, zu erfahren, was in dieſer Paſtete drin iſt.
Da hat eigentlich der Herr Casperl ſeinerſeits nicht Unrecht. Wir eſſen ja auch nichts davon und wenn der Herr Casperl nur hineinſchauen will, ſo iſt das ſeine Sach’.
Wer aber einmal hineingeſchaut hat, dem kommt gewiß auch gleich die Luſt zum Schnabuliren, be - ſonders, wenn ſo gute Sachen drin ſind, wie der Herr Casperl geſagt hat.
Was kann in der Paſtete ſtecken? Ein wenig möcht’ ich nur dran lecken.
Was ſtecket wohl in der Paſtete? Wie meinſt Du, liebe Margarethe?
Den Deckel etwas aufzuheben, Das koſtet uns wohl nicht das Leben.
Warum ſollt ich es nicht probiren, Den Deckel etwas zu berühren?
Probi — bi — bi — bi — biren?
Rüh — ri — ri — ri — ri — rühren?
Pro — bi — bi,
Probi — bi — bi.
Probi — bi — bi.
Probiren! Probiren! Probiren!
Jch will nur den Deckel ſeitwärts ein wenig lüften.
Ah! das ſtinkt ein Bißchen. Al - lein das iſt vermuthlich der ſogenannte „ Hautgout, ‟ der dem Wildpret eigen iſt. Wir wollen noch ge - nauer daran ſchnuffeln.
So etwas Schwefel-Geruch. Das kommt von der Sauce.
Auweh! Auweh! Wir ſind verloren! Uns holt der Teufel.
So habt ihr alſo die Prüfung beſtanden? Kaum habe ich Euch die erſte Wohlthat erzeigt, ſeid Jhr ſchon gefallen!
Auweh! Auweh!
Ja! Auweh, ausweh heißt es jetzt. Was könnt Jhr zu Eurer Entſchuldigung ſagen?
Der Herr Casperl! Der Herr Casperl!
Ja, der Casperl, der Casperl! Der war die Schlange. Nicht wahr? So hat auch Eva im Paradieſe geſagt. Aber iſt es nicht eine Schmach, daß ihr dieſe erſte kleine Probe nicht beſtanden habt?
Ja freilich iſt’s eine Schand!
Wir ſind eben auch ſchwache Menſchen, weil wir von Adam und Eva abſtammen.
Nur ſtill! Jch weiß Alles. Allerdings war Casperl der Verführer und deßhalb will ich Gnade vor Recht ergehen laßen.
Erhabener Zauberer! Sie wiſſen, daß Neugierde eine meiner vorzüglichſten Tugenden iſt. O ver - zeih’n Sie mir allergnädigſt.
Du warſt immer der Hanswurſt und wirſt immer der Hanswurſt bleiben. Euch andern Bei -93 den will ich meine Protektion nicht entziehen, weil Jhr brave, arbeitſame Leute ſeid. Jch werde Euch eine monatliche Unterſtützung anweiſen und Jhr ſollt nicht in Sorgen und Noth leben. Allein in Zukunft glaubt nicht, daß Jhr es beſſer gemacht hättet, als eure Stammeseltern Adam und Eva. Menſchen ſind und bleiben Menſchen. Lebt wohl!
Heil unſerm Wohlthäter! Tauſend Dank! Wir laſſen gewiß alle Paſteten ſtehen.
Jhr kriegt ohnedieß keine mehr zu ſehen. Aber eigentlich habt Jhr die künftigen Wohlthaten des Herrn Zauberes doch nur mir zu verdanken; denn wenn nicht ich den Paſtetendeckel aufgehoben hätt,’ ſo hätt’ es doch Eines von Euch gethan.
Wittwe.
ihr Sohn.
ihr Schwager.
Wolframs Diener.
Knappe.
deſſen Gemahlin.
Es graut der Tag, der Wächter grüßt den Morgen. Weh mir, daß ich erwach’ zu Leid und Sorgen! War auch gebannt der Schmerz durch Schlummers Nacht, Des Tages Grau’n hat wieder ihn geweckt.
Was glüh’ſt du mir in mein Gemach herein Verhaßtes Licht? Dein Schimmer iſt mir Pein; Du kündeſt des Bewußtſeins klare Helle, Daß immer ſtröme meines Unheils Quelle.
Noch ſchläft ſie. Jhr zur Ruhe, mir zum Troſt Denn wahrlich kaum ertrag’ ich ihren Wahn.
Nein! ſie ſchläft nicht! Vermöchte ſie’s für immer! Dann wäre aller Gram mit ihr begraben.
Der Gram? O ſage lieber doch Verblendung.
Dir freilich ſcheint Verblendung Weibes Leid. Wie ſollte auch in Männerbruſt ein Herz Sich regen zarter Art und feinen Sinnes? Dem Mann genügt’s, ſieht er ſein eigen Leben Erneut in Söhnen, die ihn rings umgeben. Was kümmert’s ihn, daß ſeinem treuen Weibe Die Tochter fehlt, in der ſie ſich erkennt?
Wie? alſo ſollt’ ich mich der ſieben Söhne, Die Gott durch dich mir hat geſchickt, nicht freu’n? Jch ſollte ſchmählich jammern, daß nicht auch Ein Mägdlein mir geboren ward? Ei was! Gott wollt’ es ſo, drum laß’ dein ewig Klagen, Das mir die Luſt vergällt am eig’nen Leben.
Jch laſſe gern die Luſt dir an den Söhnen; Wie lange währet die? ſie ſtürmen fort! Leer wird das Haus. Jetzt ſind ſie wohl noch Kinder;99 Der Jahre raſcher Flug macht ſie zu Männern. Dir mag’s gefallen; aber ich, dein Weib, Soll leben alle Zeit in Einſamkeit? Mir gönneſt du kein Kind, das mir verbleibe — Kein Weſen, daß ſich innig an mich ranket — Die Tochter nicht, der Mutter Herzensfreude?
Was ſollt’ ich’s nicht? Doch habe nur Geduld; Wer weiß, ob nicht dein Wunſch ſich noch erfülle?
Nein! nimmermehr! Schon längſt wär’s Zeit ge - weſen, Daß ich von einem Töchterlein geneſen; Ein bös Geſchick verfolgt mich —
Laß die Thorheit! Der Himmel könnte, deines Jammers müde, Wohl dich und mich in unſ’ren Söhnen ſtrafen, Die er uns gnädig gab. Drum danke lieber, Statt durch der Klage Ungeſtüm zu freveln.
Und Spott noch, Hohn des armen Weibes Kummer? Dieß iſt ſo Mannes Art! O könnt’ ich Alle7*100Verwünſchen, die doch nur an Frauenſchwäche Sich weiden.
Schweige thöricht Weib! Genug Hab ich an deinem Wahn.
Und ich genug An deines Herzens Härte und der Selbſtſucht, Die deiner Söhne Mutter von ſich ſtoßt. Fürwahr — Gott hör’ es! — Dieſe ſieben Buben Gäb’ ich um Eine Tochter hin. Jn Raben Verwandelt dürften ſie des Schloſſes Zinnen Umſchwirren, läg’ ein Mägdlein in der Wiege, Das mir mit holden Aeuglein lieblich winkte. Jch ſag’s: in Raben ſeien ſie verwünſcht, Wenn — —
Sie ſind es! Mutterfluch iſt Zaubermacht. Sie ſind’s! Blick’ auf: Dein Wort iſt dir erfüllt. Aus ihren Bettlein ſchweben ſie, nun höre Den Flügelſchlag der ſieben ſchwarzen Vögel: Die eig’nen Kinder ſind’s die du verwünſcht!
Doch wie dein Fluch erfüllt, ſei auch gewährt Dein Wunſch und binnen eines Jahres Friſt Wird dir ein Töchterlein am Buſen liegen. O pfleg’ es gut und wahr’ es wohl! Die Brüder Vielleicht vermag’s einmal durch Schweſterliebe Vom böſen Zauber wieder zu befrei’n. Du aber trage zur erfüllten Luſt Den Schmerz auch in zerfleiſchter Mutterbruſt, Daß du die eig’nen Söhne Preis gegeben Um eines Töchterleins erſehntes Leben.
Weh dir, o Weib!
Weh mir! Mein kühnes Wort Hat ſich erfüllt. O meine theuren Söhne! Fort ſeid ihr! fort! Nun bin ich ja fürwahr Die Rabenmutter, die ſich ſelbſt verflucht!
Das heißt einmal g’ſchlafen! aus lauter Mü - digkeit vom Faulenzen. Aber nein. Jſt das nicht eine bedeutende Arbeit? Jn der Fruh ſpät auf - ſtehen, bis man ſich bald wieder legt zum Mittags - ſchlummer, aus dem man ſich wieder erhebt, um ſich Abends abermals niederzulegen, damit man Nachts beſſer ſchlaft? Jſt das kein Geſchäft, ein ſchönes junges Fräulein zu bewachen, damit ihm nichts Uebles geſchieht in dieſer langweiligen Wild - niß, in der man ſich zwiſchen Nachteulen und Bä - ren bufindet und in der wir nun einſiedleriſch oder vielmehr zweiſiedleriſch ſchon einige Zeit hauſen?
Da ſitzt ſie wieder und ſpinnt und näht drauf los, wie eine Nahderin auf der Stör. Jch muß ſie nur ein bißl103 aufhören machen. Sie wird mir ja noch ganz krum und bukelt vor lauter Näh’n.
Lieb’s Fräulein! ſetzen S’ doch a bißl aus. Preſ - ſirt’s denn gar ſo? Kommen S’ a wenig heraus an die friſche Luſt. Es wird ohnedieß ſchon Abend und ’s iſt Zeit, daß Sie Feierabend machen. Es iſt außerordentlich kühl und angenehm.
Jch komme ſchon. Nur noch ein paar Stiche am ſiebenten Hemdlein. Gleich, gleich komm ich!
Am ſiebenten Hemd! Jetzt hat ſie ſchon ſechs Hemdeln geſponnen und genäht. Kein Menſch weiß warum und für wen. Für mich können’s nicht gehören; ich bin etwas zu corpulent für das Maas. Für den ſchönen Jäger, der bisweilen vorbeikommt und immer zuſpricht, werden’s wohl auch nicht gehören — oder vielleicht hat er’s doch bei ihr beſtellt? Ueberhaupt, die ganze Geſchicht iſt ſehr curios: die Raben, die alleweil aus - und ein - fliegen und die das Fräulein herzt und ſtreichelt. Kurz, ich kenn mich gar nicht aus. Ah, jetzt kommt ſie heraus.
Welch’ ſchöner Abend! Wie herrlich dort die Abendſonne die Bäume vergoldet.
Vergoldet? Das muß eine galvaniſche Vergold - ung ſein. Das Gold wird über Nacht immer wieder weggewiſcht und ich hab’ noch nicht Einen Ducaten g’funden von dem Abendgold.
Wie du wieder ſchwatzeſt, Casperl!
Da heißt’s immer, ich ſchwatz dummes Zeug. Was hätt’ ich denn in der Waldwildniß, wo man ſich bei jedem Schritt die Naſen an en Baum an - rennt, für einen Diskurs, wenn ich nicht mit mir ſelbſt a bißl reden könnt? Sie reden ja manchen Tag kein Sterbenswörtl, höchſtens nur was grad ſein muß:
„ Cas - perl, hol’ mir Waſſer an der Quelle! ‟ — „ Cas - perl, putz’ mir die Schuhe! ‟ — „ Casperl ſei ſtill! ‟
Anders hör’ ich Nichts aus Jhrem holden Munde; bisweilen machen S’ en rechten Herzensſeufzer, und nachher ſteh’ ich halt da und kann Fliegen fangen. Bin ich denn nicht105 Jhr getreuer Leibknappe, der mit Jhnen in die Einſamkeit geflohen iſt?
Jch weiß es wohl, guter Casperl. Sollt’ ich je vergeſſen, daß du es warſt, der mich aus der brennenden Burg gerettet hat, in deren Flammen meine unglücklichen Eltern, mein guter Vater Eckart und meine liebe Mutter Siglind ihren Tod gefun - den haben.
Ja, damals, als der Blitz eingeſchlagen hat und Alles zu Grund gegangen iſt, waren Sie ein klei - nes Wuzerl von 10 Jahren.
Biſt nicht du mir treu hieher gefolgt? Du biſt es, der mich hier bewacht und kümmerlich mit mir lebt. Jch werde dir mein Leben lang dankbar ſein.
Was das kümmerliche Leben anbelangt, ſo kann ich mich wirklich nicht darüber beſchweren, denn das Hungerleiden hab’ ich gelernt. Mich wundert’s nur, daß ich nicht die Abzehrung krieg’. Gebratene Nußhäher ſind noch unſere delikateſten Biſſen. Hätt’ ich nicht aus dem brennenden Schloſſe mit Lebens - gefahr noch ein Kaſtl voll Goldſtückeln gerettet, ſo106 wären wir ſchon lang alle zwei verhungert. Und da muß ich zwei Stunden weit ganz heimlich in die Stadt laufen und Brod und Eier holen. Näch - ſtens ſperren s’ mich aber doch amal ein, weil die Polizei mich als ein verdächtiges Subjekt, als ein verloffenes Weiſel oder einen Vagabunden anſieht. Jch muß immer meinen rothen Spenſer umgekehrt tragen, damit ich in einer Art Verkleidung die Commiſſionen mach’; denn der Casperl Larifari iſt ja überall bekannt, wie’s ſchlechte Geld.
Geduld, Geduld, Casperl! Der Tag iſt viel - leicht nicht mehr ferne, daß wir beide erlöſt werden.
Aha! Jch merk’ was.
Sollte dieſer oder jöner ruthſelhafte Jägersmann etwa als Befreier auftröten? Sollte unſere Oinſamkeit durch eine brillante Entführungsſcene mit Dſchindſchin Pumdadara ihr Ende finden? Ha! —
Welche Jdee! Sollte die Vurwirkelung zwoier Her - zen ſich in der ſtillen Oinſamkeit dieſer Waldpar - zelle — —
Jch bitte dich, ſchweige. Sprich’ nicht ſo tolles Zeug.
Was? tolles Zeug? Bin ich nicht Jhr Wäch - ter? Jhr Buſchützer? Wenn ſich der unbekannte Forſtgehilfe, und wenn er auch Revierförſter iſt, nicht bald erklärt, ſo werde ich mir dieſe Viſiten, im bayeriſchen Alpenlande „ Fenſterln ‟ genannt, ernſtlich verbieten und mit einem Prügel Schild - wacht ſtehen.
Beruhige dich, Casperl. Du haſt Nichts zu fürchten und bald wird dir Alles klar werden.
Da haben wir ihn ſchon wieder! Wird der Wolf genennt, ſo kommt er gerennt. G’rad ſteigt er ab von ſeinem ſchönen Schimmel und bind’t die Zügel an die große Buche. Er kommt ſchon.
Meine Elsbeth!
Mein Albert!
Jetzt kommt das bekannte Duett, bei dem ein Dritter immer unnöthig iſt. Alſo entferne ich mich108 und ſchlaf’ zur Abwechslung ein halbes Stünd’l in meinem Kammerl.
Gott grüße dich! heut iſt’s das letzte Mal, Daß ich dir nahe hier im Waldesthal.
Das letzte Mal? Ach, wie mag mir geſcheh’n? Dich, Theuren, ſoll ich nimmer wieder ſehen?!
Nicht treulos bin ich. Nein! es kam die Stunde, Jn der ich heim dich führ’ zum heiligen Bunde.
O liebe Seele! Mich, die arme Maid Soll zieren nun das bräutliche Geſchmeid? Du willſt mich mit dem Blumenkranze ſchmücken? O nein! mir nicht gebühret ſolch’ Beglücken. Wie du mir haſt bekannt, in dieſen Gauen Herrſcht deine Mutter. Sollte ich vertrauen, Daß du, der Herzogsſohn, ſich ſein Gemahl Erwähl’ aus dunklen Waldes ſtillem Thal?
Frei bin ich, glaub’ es. Du, nur du allein Sollſt die Gefährtin meines Lebens ſein. 109Doch, da ich dich gewählt und dich gefreit, O ſage: naht nicht heute doch die Zeit, Daß du dein Schweigen brächſt, mit holdem Mund Mir endlich Stamm und Abkunft gäbeſt kund?
O frage nimmer! Noch iſt nicht gekommen Der Tag, an dem den Lippen wird genommen Des Eides herbe Pflicht. Noch muß ich ſchweigen.
Und dennoch muß mein Herz ſich treu dir neigen, Wer du auch ſei’ſt, du biſt der Engel mein Und deine Heimath muß der Himmel ſein!
Noch kurze Zeit — und ich darf dir mich nennen, Weß’ Stammes ich. Dann magſt du mich erkennen.
So ſchweige immerhin. — Doch fort! Beſteige Mein Rößlein nun, daß wir bei Tages Neige Jn Sternenpracht und Mondenſilberſchein Jns herzogliche Schloß noch ziehen ein.
Wie? was? Herzogliches Schloß! hab’ ich recht gehört?
Du haſt recht gehört. Folge deiner Herrin.
Da möcht’ Einer ja närriſch werden. Der Jäger iſt alſo ein Herzog. Ah, natürlich, er iſt ja alleweil hergezogen. Das iſt aber ſo viel, wie ein Prinz, eine ſogenannte Durchlaucht. Und mein liebes Fräulein wird Prinzeſſin. Und ich bei dieſer Gelegenheit nicht viel mehr und nicht viel weniger als Hoflakai! Da heißt’s aufpacken! G’ſchwind hinein!
Nun, Elsbeth, biſt du meinem Sohne angetraut und Tochter biſt du mir; komm’ an mein Herz!
Es iſt der Gruß der Liebe und der Demuth. Sieh’ mich zu deinen Füßen, Herzogin!
Steh’ auf, mein Kind!
Wie könnt’ ich dir es danken, edle Frau, daß du mich ſo huldreich aufgenommen haſt? Mich die Unbekannte, die dein Sohn wie ein einſam ſtillblühend Blümlein im Walde gefunden. Mich die Arme, Verlaſſene!
Jch weiß es, daß mein Albert nicht im Stande wäre, ungefüge Wahl zu treffen, eine Gemahlin heimzuführen. Sein Herz, ſein edler Sinn bür - gen dafür. Aus deinem Weſen aber, Eliſabeth, ſpricht nur Edles und Gutes. Und darum auch kamſt du mir willkommen.
Wahrlich, du ſollſt in deinem Vertrauen nicht getäuſcht werden. Nicht gereuen ſoll es dich, daß du alſo gehandelt.
O deſſen bin ich gewiß. Wie ein Sternblüm - lein habe ich dich in grüner Heimath gefunden und als mein Lebensſtern biſt du, mein Weib, hier eingezogen.
Noch ſchließt ein wunderbar Verhängniß meine Lippen. Verzeiht mir! Aber mein Mund wird ſich aufthun, wenn ein Gelöbniß erfüllt iſt. Ver - künden werd’ ich meines Stammes Reinheit. Gott gebe, daß es bald geſchehen darf.
Wohl hatte ich vor eurer Trauung viel der herben Worte zu hören von meinem Schwager, dem8114Grafen Wolfram. Allein mein Mutterherz war ge - wappnet gegen alle Einſprüche. Sollte ich denn grauſam dem Glücke meines Sohnes entge - gentreten? Nimmermehr!
Jſt es nicht deine eigene Sache, Albert, zu deinem Glücke dir ein Eh’gemahl zu wählen. Ebenſo aber wäre es auch deine eigene Sache, hätteſt du nicht ſo gewählt, wie es ſich geziemt. Du trügeſt zu - nächſt die Folgen, mir bliebe alle Verantwortung fern.
Mein Herz iſt reinen Bewußtſeins; mein feſter Wille, Albert glücklich zu machen.
Theure Elsbeth! wie könnt’ ich jemals daran zweifeln? Eine Seele und ein Herz ſind wir.
Dort kommt mein Schwager durch den Säu - lengang herauf. Entfernt Euch Beide. Jn Zornes - muth wollte er Eurer Trauung nicht anwohnen. Geh’t; zuvor ſoll er mich allein treffen.
Nun denn! ſo iſt das Glück begründet. Der Bund iſt geſchloßen.
Allerdings. Elsbeth iſt meines Sohnes Ge - mahl.
Glück auf! Jetzt tragt eine fahrende Dirne, eine unbekannte Magd den herzoglichen Purpur.
Die Frage bleibt immer, ob der Purpur den Menſchen ſchmückt, oder ob nicht der Menſch den Purpur ziert.
Auf ſolchen Schultern könnte der weiße reine Hermelin, den Eure Ahnen trugen, doch vergilben. Wer kennt denn die holde Unbekannte? Kam ſie etwa aus einem Zauberlande? Ward ſie von Sil - berſchwänen hergetragen? — Vielleicht eine Wald - fei? Nein, nein! Sie iſt wohl eines Köhlers Kind. Das junge Herrlein fand ſie ja im tiefen Walde? Gut, daß ſie ſich noch vor der Hochzeit den Ruß des Kohlenmeilers abgewaſchen. Nun hat ſie wohl eine ſchöne weiße Haut? Ha, ha, ha!
Es iſt ein wahrer Jammer, dieſe Herzogshochzeit!
Kein Spott! kein Hohn, Graf Wolfram! Els - beth iſt nun meines Sohnes Weib, ſie iſt meine8*116Tochter. Vor des jungen Herzogs Gemahl habt Jhr Eure Knie zu beugen.
Das werd’ ich nicht thun; denn ſie wird mich nie erblicken. Doch — um ihretwillen, um der fremden Dirne willen — —
verzeiht, ſie war es, jetzt iſt ſie freilich Herzogin — um ihretwillen habt Jhr euer Wort gebrochen; das Verſprechen habt Jhr mir gegeben, daß Euer Sohn, Herzog Albert, meine Tochter heimführen ſollte. So war’s beſchloſſen unter uns Beiden, ſo war’s abgemacht! Habt Jhr das vergeſſen, Frau Herzogin?
Nein, Graf Wolfram. Nicht vergeſſen hab, ich’s. Allein das Gelöbniß, daß mein Sohn Eure Tochter als Gemahl heimführe, galt nur die Zeit ſeiner Minderjährigkeit und da Jhr noch ſein Vormund geweſen. Da konnt’ ich Einſprache thun gegen jedes andere Verlöbniß; jetzt aber, da Albert ſeit zwei Monden mündig, iſt er ſein eigener Herr in allen Dingen. Er iſt der regie - rende Herzog und ich habe keine Macht, kein Recht gegen ſeine Wahl Einſpruch zu thun.
Wahrlich, an Euch iſt eine Anwalt verloren. Jhr ſprechet trefflich für eine ſchlechte Sache. Jmmer wär’ es noch an Euch, der Mutter geweſen, den Sohn durch mütterlichen Rath zu recht zu weiſen; Euch hätt’s geziemt, Alles aufzubieten, daß Albert das Verſprechen erfülle, welches Jhr für ihn ge - geben hattet.
Des Mannes Herz iſt frei; frei die Wahl der Gemahlin.
Frei, ſagt Jhr? Dießmal nicht, mein’ ich; denn er ward behext: das nennt Jhr eine freie Wahl, wenn Liebeszauber des Mannes Sinne feſſelt?
Verläumdung! ſchmachvolle Lüge! Aus Euch, Graf Wolfram, ſprechen nur Unmuth und Haß.
Nun denn! mög’ das Ehebündniß Euch zu Nutz und Frommen ſein. Jch lache dazu, wie’s noch kommen mag.
Lebt wohl, Graf Wolfram! Jch habe Nichts mehr mit Euch zu reden. Wir ſtreiten um Nichts; drum laßt uns enden.
Um Nichts? Das wird ſich zeigen. Geh’ nur, bethörtes Weib! Die Strafe bleibt nicht aus und dazu ſoll meine Rache das Feuer ſchüren.
Heda, Etzel, herein!
Sind die Roſſe geſattelt? Jch will aufbrechen; Gleich, gleich will ich heimreiten.
Die Gäule ſteh’n bereit. Aber ich möcht Euch rathen, noch zu verweilen. Hab’ Allerhand ſchon erlauſcht und gehört.
Was gibt’s? Jch will aber fort. Mein iſt des Bleibens hier nicht länger.
Wartet, wartet nur eine kleine Friſt noch. Hört: Kaum iſt die ſchöne junge Herzogin im Schloße,119 munkelt’s ſchon mancher Seiten, es ſei nicht rich - tig mit ihr.
Still, daß dich Niemand höre! ſprich leiſe.
Laßt Euch nur ſagen, gnädiger Herr Graf: Primo oder zum Erſten: Der Burgwart, dem ich einen Trunk bezahlt, erzählte mir ganz insgeheim: Als die Braut auf dem Schimmel des jungen Herzogs, der ihn ſäuberlich am Zügel führte, über die Zugbrücke ſtattlich einritt, ſei eine Schaar kohl - ſchwarzer Raben hinter ihr drein geſchwebt und als - bald in ihr Kemenat durch’s offene Fenſter eingeflogen.
Wie? was? eine Schaar Raben, ſagſt du? hinter Elsbeth geflogen? Mit ihr eingezogen?
So war’s, Der Burgwart hat’s mit eigenen Augen geſeh’n.
Galgenvögel? Unglücksvögel? Hexengethier?
Ein paar Söldner, die am Thore Wache ſtan - den haben’s auch geſeh’n. Sie ſchwören darauf, wenn Jhr wollt.
Wichtige Botſchaft. Aber, weiter, weiter — —
Secundus oder zum Zweiten: Jſt ein verdäch - tiger Burſch, angeblich der Knapp und Diener der jungen Herzogin, mit eingefahren. Ein Schalk, wie ich noch keinen ſah; ein feiger Hund, ein ſchlauer Hallunk abſonderlicher Art, ſo ein Teufels - kerl. Wie geſagt, ’s iſt nicht richtig mit der jun - gen Herzogin. Mit Verlaub geſprochen: es ſieht verdammt hexenhaft her. Wär’s denn unmöglich, daß ſie den guten jungen Herrn bezaubert hat?
Er ritt oft in den Wald — ohne Zweifel zu ihr; denn er wollte nie einen Waidknecht mitneh - men oder wenn er Jäger bei ſich hatte, entfernte er ſich vom Troß und kehrte oft ſpät in der Nacht allein zurück, wie ſinnverwirrt. Das weiß ich von ſeinen Knappen.
Wie wär’s, wenn Jhr — ich ſag’ das Alles um Euer verlaſſen lieb Fräulein willen — wie wär’s, wenn Jhr dem tollen Burſchen etwas auf den Zahn fühlen wolltet? Jch bring ihn Euch herein. 121Er trinkt gleich da draußen auf der Türnitz mit den Knechten.
Du biſt ein kluger Diener. Thu’ das, ruf’ ihn herein.
Soll gleich geſcheh’n.
So ſcheint der Rache Weg gebahnt. Meine verlaſſene Tochter! du ſollſt gerächt werden. Els - beth muß fallen.
Da biſt du ja. Jch muß doch mit den Leib - knappen der jungen Frau Herzogin, meines theuren Neffen geliebter Gemahlin, Bekanntſchaft machen. Du gehörſt jetzt in’s Haus.
Ja, unterthänigſt zu melden, ich bin wirklich wie eine Maus daherein gekommen.
Wie lange biſt du ſchon bei deiner Gebieterin Knappe?
Mit Vergunſt gehorſamſt aufzuwarten, es war kein Rappe, ein Schimmel war’s, auf dem wir eingeritten ſind und zwar der Schimmel des jungen Herzogs.
Verſtehe recht: Jch fragte um deine Dienſtzeit: wie lange du — —?
O ich bitte, eigentlich iſt mir gar nicht bang um mich; ich hab hier mein gut’s Eſſen, und trin - ken kann ich, ſo viel ich mag. Das iſt bei mir immer die Hauptſach’.
Jſt er taub, der Burſch? oder thut er nur ſo? Er ſcheint mir ein arger Schalk.
Ja, einen Talken hat mich mein Fräulein — jetzt unſ’re Frau Herzogin — ſchon oft genannt.
Mit etwas Geld wird’s mit dem Hören beſſer gehen.
Armer Burſch! Du biſt ja taub.
Ja, wenn das Laub abfallt, da wird’s bald Winter werden.
Nun, es ſoll mich freuen, wenn der Winter Gutes bringt. Vor der Hand macht der Sommer die Kehlen trocken.
Da haſt du Etwas zu einem guten Trunk auf das Wohl des jungen Ehepaares. Magſt nach Herzensluſt deinen Durſt löſchen.
Unterthänigſt aufzuwarten — eine Wurſt iſt immerhin gern mitzunehmen, wenn ſie nur vorn und hinten zugebunden iſt. Mach meine gehorſamſte Dankſagung.
Der Kerl iſt unerträglich.
Nun, im Vertrauen, ich gehöre ja zur Sippſchaft; denn ich bin der alten Frau Herzogin leiblicher Bruder — im Vertrauen: wo iſt denn eigentlich der Her - zogin Elsbeth Heimath?
Ha! woher? — Dieſes Gehoimniß iſt öben die Frage, die in dem Dunkel des Waldes neben124 jöner ſtillen Hütte bei der Dämmerung des blin - kenden letzten Mondviertels nach dem Aufgang der untergehenden Sonne des erſten halben Jahres in dem Buſen der Natur begraben bloiben muß; kurz: ich woiß es nicht, und wenn ich es woißte, ſo — —
Du biſt ein Narr!
Du haſt meinen Ritter durch dein Benehmen ſehr aufgebracht und beleidigt.
Beleidigt oder beluidigt — ich bin und bleib’ der Casperl Larifari und laß’ mich nicht aus - fratſcheln.
Aber du kannſt dir doch denken, daß meinem Herrn daran liegt, zu erfahren, wer die junge Her - zogin iſt.
Ob’s ihm daranliegt, ober ob ſie ihm nicht daranliegt, mir iſt es einerlei. Jetzt bin ich amal da und bleib da und weißt was, Bruder? Jetzt gehen wir zum Jmbiß, wie die Herren Ritter zu ſagen pflegen, wenn ſie in Etwas beißen wollen.
Was iſt da zu machen? Mit dem Schalk läßt ſich Nichts anfangen.
Burghof in Mondbeleuchtung. An dem Fenſter eines von Jnnen erleuchteten Erkers, welches offenſteht, iſt Elsbeth. Unten geht, Wache haltend, der Knappe Ralf, einen Spieß in der Hand, auf und ab.
Ei, die junge Herzogin wacht noch. Was doch die böſen Leute ſchwatzen! Die ſchöne, liebe Frau ſollt’ eine Zauberin ſein, die den Herzog behext habe? Das kann nicht ſein; für die ſtünd’ ich ein.
Was ſingt (ſpricht) ſie da? Was hör’ ich von Raben? Wär’s doch ſo, wie ſie mir ſagten, daß ſie mit ſolchen Galgenvögeln heimlich verkehrt? Da muß ich aufpaſſen. Und wenn ich ſo was ſäh’, wär’s ja meine Schuldigkeit, es zu melden.
Ei, die Peſt! da haben wir’s. Da darf ich nicht mehr ſchweigen. Der Etzel ſitzt noch da drin - nen bei den andern Knechten in der Trinkſtube.
Heda! heraus! — Macht aber keinen Lärm. Da gibt’s was zu ſeh’n.
Was gibt’s? Sind Diebe im Schloß?
Die Raben! die Raben!
Haſt du ſie geſehen?
Mit eig’nen Augen im Mondenlicht. Da oben ſind ſie eingeflogen.
Wie? zur jungen Herzogin?
Freilich, freilich.
So? — Da muß ich gleich meinen Herren holen.
Das iſt wohl Teufelszeug. Gott ſei bei uns! Mich jammert nur der gute Herzog. Eine Zau - berin zum Weib zu haben! eine Dirne, die ihn behext hat!
Jſt’s wirklich ſo? Haſt du’s geſehen?
Wahrhaftig, es iſt ſo, gnädiger Graf. Teufels - raben! Jch kann’s beſchwören. Wartet nur, ſie werden wohl wieder herausfliegen.
Nur ſtill! ruhig!
Nun flieget aus, zu bergen euch im nahen Flieder; Der Zauber iſt gelöst, ſeh’ ich euch morgen wieder. 128Lebt wohl! lebt wohl! Auf Wiederſeh’n! Nun laßt die weißen Hemdlein weh’n!
Bei Gott! ſie iſt eine Hexe. Jhr habt’s geſeh’n! Jhr könnt einen Eid darauf leiſten. Nicht wahr? Jhr ſeid mir Zeugen in der Sache.
Ja! wir können’s beſchwören.
Nun, Lärm gemacht!
Hallo! hallo! aus den Betten! Licht herbei! — Wacht auf! Wacht Alle auf in der Herzogsburg! Hört’s Alle: Die Herzogin Elsbeth iſt eine Hexe!
Folgt mir zum Herzog und zur Herzogin Mut - ter! Auf und Elsbeth nehmt gefangen. Legt die Zauberin in Feſſeln.
Nun lieg’ ich im Kerker und ſie werden mich zum Tode führen. Jn jener fürchterlichen Nacht, als der Blitz meine väterliche Burg vernichtete und meine unglücklichen Eltern untergingen, floh ich, gerettet und beſchützt von dem treuen Knappen Caspar. Als ich erſchöpft in dem Walde auf Moos hinſank und in Verzweiflung in die Nacht hinausſchaute, da erſchienſt du mir, Hulda und gabſt dich mir als meine Beſchützerin zu erkennen. Durch dich erfuhr ich den unſeligen Fluch, den meine Mutter über ihre Söhne ausgeſtoßen hatte; du ſagteſt mir, daß ich meine armen Brüder aus dem Zauber zu erlöſen im Stande wäre durch ſiebenjahrelanges Schweigen über meine Herkunft und wenn ich ſieben Hemdlein ſpänne, die meine Schweſterliebe geſegnet. Heute lauft die Zeit ab. 9130Heute iſt der letzte Tag des verhängnißvollen Jah - res — und heute ſoll ich als fälſchlich angeklagte Zauberin ſterben?! — O mein theurer Albert! Auch du, auch du willſt meine Unſchuld nicht glau - ben? Und du, meine Beſchützerin! Hulda, du haſt mich verlaſſen!
Möget ihr wahr ſprechen, ihr geheimnißvollen Stimmen! Jch will treu ausharren.
Meine Elsbeth! mein armes Weib!
Mein Albert! —
So glaubſt denn auch du das Verbrechen, deſſen ſie mich zeihen?
Mein Herz iſt zerriſſen, zerfleiſcht. Alle ſind gegen dich. Sie ſagen, du hätteſt mich mit Zau -131 bermitteln freventlich an dich gefeßelt. Die ſchwar - zen Raben, mit welchen du Umgang pflegſt, ſeien böſe Geiſter. Ach! was ſagen ſie nicht noch Alles?! Und ich — ich will, ich kann es nicht glauben; aber ich beſchwöre dich: Löſe mir das geheimniß - volle Räthſel! Mir, mir deinem Gatten vertraue dich an und ich trete im Kampfe des Gottesgerich - tes auf Leben und Tod gegen deine Ankläger für deine Unſchuld in die Schranken.
Ein einzig Wort würde mich befreien, ein einzig Wort meine Reinheit beweiſen. Aber noch muß ich ſchweigen — nur wenige Stunden; denn zu dieſer Stunde iſt die Friſt noch nicht abgelau - fen, bis zu der ich Schweigen gelobt habe. O mein theurer Gemahl! Hätteſt du mich in meiner ſtillen Waldeinſamkeit gelaſſen! Jetzt — es iſt fürchterlich — jetzt werden ſie mich tödten, ehe ich zu meiner Befreiung reden darf.
Nur mir eröffne dich, ich beſchwöre dich!
Jch darf nicht, ich kann nicht. Aber Gott weiß es, ſchuldlos bin ich!
Jch glaube es; ich zweifle nicht an deiner Unſchuld, aber das Gericht hat geſprochen. Du biſt verurtheilt.
So möge mich der Himmel beſchützen! Gehe, mein theurer Albert; verlaſſe mich. Was willſt du noch bei mir? Willſt du deine und meine Schmerzensſtunde verlängern? Es muß ſein. Laß uns ſcheiden.
Meine Elsbeth!
Lebe wohl! Auch im Tode bin und bleib ich dein!
Hörſt du? ſie nahen.
Leb wohl! Gott mag mir beiſtehen!
Elsbeth, ſeid Jhr bereit? Der Stab iſt ge - brochen.
Jch bin bereit.
Meines Amtes iſt’s, Euch nun auf den Holz - ſtoß zu führen. Alſo will’s das Geſetz und der Spruch der Richter.
Das Geſetz ſoll ſeinen Lauf haben.
Man erwartet Euch; folgt mir.
Jch folg’ Euch und vertraue dem Himmel.
Jetzt iſt Alles aus! Alles iſt aus! Sie wollen meine gute, ſchöne liebe Elsbeth verbrennen. Aus den Flammen der brennenden Burg hab’ ich ſie gerettet und jetzt ſoll ich zuſehen, wie man ſie auf einem elenden Schoiterhaufen verbrennt. Die ver - dammten Raben ſind aber ihr Unglück! Hätt’ ſie ſich lieber a Zeiſerl oder einen Gimpel gezogen. 134Mich hat’s ja ohnehin gehabt. Der Teufel weiß aber auch, was dahinter ſteckt. Wenn ſie reden wollt’, wenn ſie ſich nur declamiren wollt! — Aber nein! Sonſt können die Frauenzimmer ’s Maul nit halten; wenn’s aber ſein ſoll, nacher machen ſie’s extra nit auf.
Aha! Da iſt der Burſch. Packt ihn nur gleich.
Oho! was wär’ denn das? Was wollt ihr denn von mir?
Du biſt der Hexe Elsbeth Diener und Gehilfe, haſt alſo auch den Tod verdient.
Wa — wa — wa — was hab’ ich verdient?
Das Gericht hat über dich als Hexenlehrling ge - ſprochen.
Ueber mich — als, als — Lexenhäring? Da weiß ich aber gar nichts davon.
Du wirſt zwar nicht verbrannt — —
Alſo nicht verbrannt?
Du wirſt in ein Faß geſteckt —
Jn ein Bierfaß oder in ein Weinfaß?
Jn ein leeres Faß, zugenagelt, den Berg hi - nunter bis in den Fluß gerollt, wo du dann ein - geſperrt bis ins Meer fortſchwimmen kannſt. Alſo fort! Mache nur keine Umſtände. Wachen, führt ihn ab.
Was? abführen auch noch? Jch brauch’ keine Medizin. Jch bin ein kerngeſunder junger Menſch.
Nur nicht Spaß gemacht. Packt ihn!
Laßt’s mich aus!
Alſo hat das Geſetz durch Richterſpruch ge - ſprochen, daß Elsbeth, des Herzogs Albert Gemahl, als Zauberin auf dem Scheiterhaufen ſterben ſoll, zur wohlverdienten Strafe.
Wir müſſen es beklagen, vermögen aber den Vollzug des ge - rechten Urtheils nicht zu hemmen.
Und alſo rede ich, als der Verurtheilten Herr und Gemahl, daß ich Einſprache thue und eintrete für ihre Unſchuld in heiligem Gottesgerichtskampfe. Euch, Graf Wolfram, meiner Frau Mutter Bruder und meinem Ohm, Euch dem Ankläger meiner Gemahlin werfe ich den Handſchuh hin zum Kampfe mit mir auf Leben und Tod!
Was ſollte ich mit Euch auf Leben und Tod kämpfen um eine Hexe?! Dafür iſt mir mein Schwert zu heilig. Das Urtheil iſt geſprochen und mit Fug und Recht iſt Elsbeth verurtheilt. Fiat justitia.
Jhr müßt mit mir kämpfen, wenn Jhr ein ehrenhafter Ritter ſeid.
Ja! wenn ich ein Narr wäre!
Mein Sohn! zieh’ dein Schwert nicht für die Unſelige, die dich bethört hat! Sie iſt’s nicht werth.
Jm Namen des Gerichtes, deſſen Vorſitzender ich bin: Zündet den Holzſtoß an!
Meine Brüder! Meine lieben Brüder!
Jetzt darf ich reden. Der Zauber iſt gelöst. Meine Brüder ſind es, die durch unſeligen Mutter -138 fluch in Rabengeſtalt gebannt waren. Sieben Jahre mußt’ ich ſchweigen und ihnen ſieben weiße Hemd - lein weben. Unſchuldig bin ich, kein Mackel be - fleckt mich.
Jch wußt’ es ja! Mein Herz hatte mich nicht getäuſcht.
Heil Elsbeth unſerer Herzogin! Heil der edlen reinen Frau!
Geſegnet ſeiſt du, theure Tochter.
Jetzt darf auch ich reden, aber ich hab’ zuvor eigentlich Nichts g’wußt! Und jetzt iſt die Comödi aus, denn die Tugend ward bulohnt.
Sie haben nun geſeh’n das Mährlein der ſieben Raben, Ein andersmal führen wir auf die G’ſchicht von den ſieben Schwaben.
der Genius des Lebens.
Göttin des Glückes.
ein Knabe, ihr dienſtbarer Geiſt.
Wirth zum „ rothen Ochſen. ‟
ein alter Mann.
Einſiedler.
Bediente bei Casperl.
Verſchiedene Erſcheinungen und Verwandlungen.
So hab ich denn den letzten Tropfen der Le - bensbittereſſenz getrunken! Der Krug iſt leer. O Schickſal!
Der Krug iſt leer, mein Beutel iſt leer, ich hab nix mehr! Jetzt ſitz’ ich halt ſo da und denk’ über die Vergangenheit nach; denn der Blick in die Zukunft bietet mir die traurigſte Ausſicht: grad ſo, als wenn ich auf einem hohen Berg ſtünd und in den Nebel hinaus - ſchau’n thät. Ha! — wer iſt aber Schuld an meinem phyſiſchen und moraliſchen Elend? Wer iſt Schuld daran? Hab’ ich nicht ſelbſt Alles ver - than und in den Ocean des unergründlichen Dur - ſtes verſenkt? — Oh — oh — wehe! — Hab’ ich mich nicht auf die unterirdiſcheſte Tiefe der oberirdiſcheſten Höhe eines Schuldenzuſtandes ge - ſchwungen, der meine Gläubiger, dieſe Hyänen,142 veranlaßen wird, ſich meiner Perſon zu verſichern. O Schickſal! O Schickſal! Deine Schläge ſind furchtbar!
Was hör’ ich? wieder Schick - ſalsſchläge?! Wer klopft ſo unverſchämt?
Machen’S nur auf. Herr Casperl!
Auweh! das iſt der Wirth vom „ rothen Ochſen. ‟
Aufgemacht! Jch hab’ mit Jhnen a Wörtl zu reden.
Gleich, gleich; ich hab’ den Zimmerriegl, der an der Thür ſteckt, verlegt. — Jetzt Kuraſch, Cas - perl!
Ah! ſind Sie ’s Herr Krügler? das freut mich ungemein, daß ich die Ehre hab’.
Ja, und mich freut’s auch ungemein, daß ich Sie einmal zu Haus treff’, Herr Casperl. Jch hab’143 nur eine Kleinigkeit mit Jhnen abzumachen. Jſt gleich vorbei.
So? — So — Herr Krügler? Nun was ſteht denn zu Dienſten?
Jch mein’, das ſollten Sie ſelber wiſſen, Herr Casperl.
Nein, da wüßt’ ich wirklich Nichts; fallt mir wirklich Nichts ein.
So? Ei! Ei — da ſchaun’S nur den Zettel da a bißl an, Herr Casperl.
Den Zettel? Ja, ich hab’ heut meine Augen - gläſer verloren und da kann ich nicht gut leſen.
Nun, ſo will ich Jhnen vorleſen, was da g’ſchrieben ſteht. Merken’S nur auf:
Seit dem 14. vorigen Monats Rechnung für Herrn Caspar Larifari — bis zum Heutigen: drei Eimer Bier — zweihundert Paar Bratwürſt — Zwanzig144 Wecken Brod — einhundertzwanzig Semmeln — 10 Maß Kronewitter — 30 Flaſchen Deideshei - mer — 18 Pfund Kalbsbraten — 500 Taſſen Kaffe mit 800 Bretzeln.
Halt ein! Halt ein, bedenke was der Menſch ertragen kann!
Was Sie ertragen können, das geht freilich in’s Ungeheure; aber: Nummer Eins heißt eſſen und trinken, und Nummer zwei heißt zahlen. Verſteh’n Sie mich, Herr Casperl?
Aber die Beleidigung! Einem Manne von meinem Credit ſo Etwas zuzumuthen. Da hab ich ganz andere Summen auf meinem Schulden - regiſter und Sie ſind ſo unverſchämt, mit einem ſolchen Bagatell zu kommen? Pfui Teufel! ſchämen Sie ſich, Herr Krügler!
Ah, das iſt nicht übel! a Bagatell? — Sind freilich nur 197 Gulden ohne die Gläſer und Krügeln, die Sie mir zuſammengeſchlagen145 haben, wenn’S en Rauſch g’habt haben. Kurz — das iſt kein Spaß; und wenn Sie nicht augen - blicklich zahlen, ſo werd’ ich mir ſchon Zahlung verſchaffen.
Wie? was? — Herr Krügler, nehmen Sie ſich in Acht. Sie haben es mit einem Manne zu thun — —
Mit einem Manne, — der ſich vor Schulden nicht mehr auskennt; mit einem Manne, — der ein liederliches Subject iſt — mit — mit — mit
Mit einem Manne, der Jhnen eine Ohrfeige gibt.
Wie? was? welche Unverſchämtheit! Sie ſind ein Grobian. Hier die Antwort.
Auf dieſe Antwort muß ich wieder fra - gen.
Dieß war ein glücklicher Wurf! Aber jetzt fort! Es könnten noch mehrere ſolche Viſiten kommen.
Wo ſind wir, Capricerl? Warum haſt du hier das Schifflein ſinken laſſen?
Weil mir die Gegend gefiel und weil ich Durſt habe. Hier ſteht ein kleines Häuschen, in dem ich wohl Waſſer bekommen kann.
Frage, wer es bewohnt. Vielleicht kann ich die Bewohner beſchenken.
Aufgemacht! aufgemacht!
Wer pocht an der Thüre?
Ein Knabe, der dich um einen Trunk bittet.
Warte nur, ich komme gleich. Bei mir geht es langſam.
Da bin ich, Kleiner.
Alter guter Mann, kann ich wohl ein Bischen Waſſer haben?
So viel du willſt. Geh’ nur in das Haus; rückwärts im Höfchen iſt ein Brunnen, da kannſt du deinen Durſt löſchen.
Gut, ich danke dir. Unterhalte dich einſtweilen mit dieſer ſchönen Frau.
Fürwahr, das iſt freilich eine ſchöne Frau.
Seid mir gegrüßt. Wie habt Jhr euch in dieſe einſame Gegend verirrt?
Jch reiſe in meinem Luftſchiffchen umher und laſſe mich eben nieder, wo es mir lieb iſt — oder vielmehr wo mein kleines launiges Bürſchlein Luſt hat.
Wie ſonderbar! Von einem Kinde laſſeſt du dein Fahrzeug lenken?
Allerdings. Du ſiehſt, daß meine Augen ver - bunden ſind, weil ſie ſehr ſchwach ſind; deßhalb bedarf ich eines Führers, und da haben mir die Götter dieſen Knaben beſtimmt.
Ei du arme Frau. Blind zu ſein, das iſt ja ein rechtes Unglück.
Jch bin doch ganz zufrieden dabei; bis - weilen habe ich auch lichte Augenblicke und kann unter der Binde etwas hervorblinſeln. Aber ſage mir: wer biſt du denn?
Mein Gott! ein recht hungeriger alter Mann, ein Taglöhner ſeines Geſchäftes. Nun bin ich aber zu ſchwach, um mir mein Brod zu verdienen und muß von mitleidiger Menſchen Gaben leben. Mein Weib iſt vor einem Jahr geſtorben und ſo bin ich nun ganz verlaſſen.
Du biſt alſo recht unglücklich.
Das will ich eben nicht ſagen; denn ich kann mir denken, daß es Andere geben mag, welchen es noch ſchlechter geht, als mir. So muß ich Gott noch danken für das, was ich habe.
Das heiß ich Beſcheidenheit und Genügſamkeit! Wenn aber das Glück einmal bei dir einkehren wollte, das wäre dir doch nicht unlieb.
Das Glück? — Ei, was iſt denn das Glück? Ein launiges Weibsbild, das wie eine Närrin in der Welt umherfahrt. Jch kenne für mich nur ein Glück.
Und das wäre?
Wenn mich der Tod von dieſem Leben befreien wollte.
Heiſa! Das iſt eine prächtige, friſche Quelle. Das ſchmeckt beſſer, als der beſte Wein.
Wenn dir aber die letzten Tage deines Lebens erleichtert würden?
So würd’ ich es dankbar annehmen, denn ich könnte dann leichter das Ende erwarten.
Das ſoll geſchehen, ſobald du wieder in dein Häuschen getreten ſein wirſt. Lebe wohl!
Auf! lüfte die151 Segel!
Lebe wohl! Dießmal hat dich doch das Glück heimgeſucht.
Jch danke für den Trunk!
Glückliche Reiſe!
Das war aber eine curioſe Perſon mit ihrem Buben da. So einen Luftballon habe ich noch nicht geſehen. Wieder eine neue Erfindung!
Ja, Wunder! was iſt denn das? Seh’ ich recht? Ein Sack voll Geld.
Ei der Tauſend! Das iſt ja eine Zauberin geweſen. Ein Sack mit 1000 Gulden. Jn meinen alten Tagen noch ſolch’ ein Glück! Mir wird ganz ſchwindlig! Sorgen und Noth verlaſſen nun mein Häuschen. Gott ſei’s gedankt! Das Glück iſt bei mir eingekehrt.
So, Herr Casperl, jetzt wünſch’ ich recht gute Unterhaltung. A zeitlang werden Sie ſchon da herin logieren müſſen.
Jch danke gehorſamſt für die freundliche Be - gleitung und für den gefälligen Aufſchluß.
Gar nicht nöthig. Jſt gern geſchehen. Jndi - geſtion werden’S auch keine bekommen; denn da herin iſt die Koſt äußerſt einfach.
O ich bitte. Jch bin ja an eine gewöhnliche Hausmannskoſt gewöhnt.
Nun, ich wünſch’ recht guten Appetit dazu.
Das iſt ein einfaches Lokal. Das muß ich ſagen. Ein Tiſch, der auf drei geſunden und ei - nem kranken Fuß ſteht. Ein Stuhl, der auch ziemlich marodiſch herſchaut. Und der Strohſack auf dem Boden bietet wenigſtens nicht die Gefahr dar, daß man durchfallt; aber die Mäus hab’n ihn auch etwas angefreſſen. Alles einfach; aber es iſt eine edle, großartige philoſophiſche Einfach - heit. Jch hab’ einmal was gehört von einem Pro - feſſor in Griechenland, der in einem Faß logirt153 hat. Hat’s der aushalten können, ſo wird’s mich auch nicht zerreiſſen.
O Schickſal! — nun kenn ich dich erſt.
Laß mich nicht verzweifeln! — — Jetzt bin ich mir ſelbſt preisgegeben. Meine hungerigen Gläubiger haben mich einſperren laſſen. Die Un - dankbaren, die ich mit einer Laſt von Schulden beſchenkt habe! Sie, bei denen ich ſo viel verzehrt habe! — — Ha! daherein haben’s mich gethan, bis ich bezahlen kann. Nun, da wer - den’s mich bis zum jüngſten Tag futtern müſſen, und ich kann gleich vom Schuldthurm in die Ewig - keit wandeln. — O Glück! Glück! — warum haſt du mich verlaßen? Jm Spielen hab’ ich Glück gehabt! Beim Trinken bin ich auch nicht unglück - lich geweſen. — Meine Anſprüche waren beſcheiden; wenn ich nur immer genug zum Eſſen und Trin - ken gehabt hab’. Und jetzt, jetzt! —
So — jetzt iſt auch das Licht ausgelöſcht. Was fang’ ich an in der Finſterniß, bis man mir mein Souper bringt?
Casperl! Casperl! Casperl!
Oho! — ſind Sie vielleicht der Nachtwachter? Sie haben mich weiter nit verſchreckt!
Alſo ſind Sie ein bei Tag und Nacht wachen - der Wachter, aber doch kein Nachtwachter?
Verſchreibe mir deine Seele und ich befreie dich aus dieſem Kerker und ſchenke dir einen Sack mit Dukaten gefüllt.
Erſtens: Kann ich nicht ſchreiben. Zweitens: Jſt hier weder Tinten noch Papier. Drittens: Mag ich keinen Frack mit Oblaten gefüllt.
Casperl! Casperl mach’ keinen Spaß, oder ich dreh’ dir den Hals um.
Punktum!
Wehe! weh! Der Hahnenſchrei! Da iſt der Teufel nicht mehr frei!
Das war aber ein curioſer Kerl. Jch hätt’ mich beinah zu fürchten ang’fangt. — So — jetzt bin ich halt wieder in der ägyptiſchen Finſterniß,
Schon wieder eine Buleuchtung! Vorher roth und jetzt blau. Das iſt doch wenigſtens eine Unterhaltung.
Casperl! Casperl! Casperl!
Ei du nettes Buberl, wie kommſt denn du da herein?
Frau Fortuna ſchickt mich zu dir. Sie laßt ſich beſtens empfehlen und du ſollſt ein wenig zu ihr hinauskommen.
Frau Fortuna? Wer iſt denn die Madam?
Du wirſt ſchon ſehen, wer ſie iſt. Komm’ nur! Sie will dich unter ihren Schutz nehmen.
Was? ſie will mich unter ihren Schurz nehmen? Ja, aber durch die geſchloſſene Thür kann ich nicht hinaus.
Fortuna’s Macht vermag es, alle geſchloſſenen Thüren zu öffnen.
Fortuna! du des Glückes blinde Göttin, Wie herrſcheſt du in unbedachter Willkür, Aus deinem Füllhorn Gaben freundlich ſpendend, Die oft zum Unheil werden dem Beſchenkten; Und wieder — bringſt du Schlimmes — wendet ſich Nicht ſelten deine Spende doch zum Guten Für den, der deiner Gunſt ſich nicht erfreut. Des Schickſals Göttinnen, auf daß ihr Walten Frei bleibe, haben deiner Augen Sterne Verhüllt; denn gäbſt du off’nen Blickes ſchauend, Wär’ ihre Macht gelähmt; ſo aber lenken Sie weiſe noch der Götter Rath des Lebens Und ſenden mich aus, ihren treuen Boten. 158Hier, in der Hütte dieſes armen Alten, Hat wieder ſich die Holde nur getäuſcht, Gold ſpendend, in dem blinden Wahn zu retten. Nun eilt ſie her, im Glauben ſich zu freu’n, Und wird enttäuſcht, da die geneigte Spende Ein Leben raubte, ſtatt es zu erhalten! Sie naht! — doch ſoll ſie hier mich noch nicht finden.
Nun ſind wir hier an der Stelle, wie du be - fohlen.
An dem Häuschen des armen Alten, den meine Gabe beglückt hat?
Dort ſteht es ja.
Nun, ſo eile hinein, um zu ſehen, was der Alte macht und wie er mein Geſchenk verwen - det hat.
Was hör’ ich? Jſt dies nicht ein Leichen - geſang?
Allerdings. Der, den du vor Kurzem zu be - glücken glaubteſt, er wird begraben.
Unmöglich! wer ſpricht zu mir?
Kennſt du Bios’ Stimme nicht mehr?
Trittſt du mir wieder in den Weg? Wo ich beglücken will — wie oft zerſtörſt du mein Werk!
Der Alte iſt geſtorben; ach, wie kurz war ſein kaum errungenes Lebensglück!
Das Gold, wodurch du, blinde Glücksgöttin, ihm eine Wohlthat zu erzeigen glaubeſt, hat ihn getödtet.
Nimmermehr!
Es iſt nur zu wahr. Geblendet von der glän - zenden Gabe hat der nur an Entſagung Gewöhnte ſeine Lebensart geändert. Er, der ſich nur kümmer - lich genährt hatte, fing ein üppiges Leben an und dieſer Wechſel hat ihn getödtet. Die Schickſals - göttinnen ſandten mich, ſeine Lebensfackel auszu - löſchen.
Weh ihnen, die des Menſchen Lebensfaden Grauſam verkürzen, wenn der Sonne Schein Noch mild erwärmend und erleuchtend glüht! Weh ihnen, die dem mütterlichen Herzen Das Kind entreißen, die der Braut, der Gattin Mit grauſer Luſt entführen den Geliebten! Weh ihnen — —
Ende, Göttermacht zu ſchmähen; Du änderſt nicht des Schickſals mächtig Walten. 161Verſuch’s nur, irgend Einen zu beglücken, Der nicht mißbrauchend deine holden Gaben Sich nicht in’s Unheil ſtürzt, wie dieſer Arme, Den ſie nach kurzem Glücke nun begraben.
Nun wohl! Wenn dieſer auch als Opfer fiel, Laß einen Zweiten mir, daß ich’s verſuche, Ob meine Gunſt dem Sterblichen nicht fromme.
Es ſei. Zeigſt Einen du, der nicht verblendet Von deines Füllhorns Gunſt, ſich ſelbſt nicht ſtürzet, Der Maß hält im Genuſſe, den du boteſt, Und der ſein Glück nicht endlich ſelbſt verwünſcht, So neig’ ich meinen Scepter und beſiegt Erklär’ ich ſelber mich von deiner Macht! Wenn nicht — magſt du beſchämt dem Schickſal huld’gen, Dem du im blinden Wahne oft getrotzt.
Es gilt. Mein Knabe, komm’ und führe mich.
Leb’ wohl du kühnes Weib. Auf Wieder - ſehen.
Ah! — da muß ich bitten! Jetzt halt’ ich’s nimmer aus. — Jch hoff’, daß ich doch hier vor meinen Verfolgern ſicher bin, denn weit genug iſt es. Kaum war ich durch die Macht jenes Weſens, das mich unter ſeinen Schurz ge - nommen hat, befreit und der modernden Kerkerluft entſprungen — ſteht gleich vor der Höllenpforte draußen mit zwei Polizeidienern der Wirth Krüg - ler, um mich in Empfang zu nehmen. Jn meiner Todesangſt ſchlag ich die zwei maliziöſen Häſcher um und lauf’, was ich kann. Der dicke Krügler verfolgt mich, fallt aber gleich auf’n Bauch. Jetzt kommen’s aus allen Gaßen her und wollen mich fangen. Eine ganze Compagnie iſt mir nach - gerennt. „ Halts’n auf! halts’n auf! ‟ war das all - gemeine Feldgeſchrei, „ den Schuldenmacher! ‟ — Jch hätt’ gar nicht geglaubt, daß ich einen ſo all - gemeinen Credit gehabt hab’; denn die Schaar der nachfolgenden Gläubiger war eine Legion. Kurz163 und gut und gut und kurz: Der Geläufigkeit mei - nes Piedeſtals hab’ ich’s zu verdanken, daß ſie mich nit wieder eing’fangen haben; und jetzt — wo bin ich denn eigentlich hingerathen in meiner Ver - zweiflung?
Die Decoration iſt ein mir gänzlich unbekannter Wald. Den muß der Herr Direktor ganz neu haben malen laſſen, damit ich mich wieder nicht auskenn’. Schau’! Dahinten iſt eine Art Loſchi (Logie) angebracht. Dieſem ſtillen Bewohner gratulir’ ich, wenn’s Einer in dem Loch aushalten kann.
NB. Der Einſiedler muß immer ſehr langweilig pa - thetiſch ſprechen, in einem weinerlichen Tone.)
Wer biſt du, Fremdling? Wie kamſt du in dieſe Einſamkeit?
Ja, was iſt denn das für ein altes Möbel der Schöpfung?
Wie? was ſprichſt du da? Sage mir, wer du biſt.
Wenn du, der du, die, das — denn ich weiß nicht was für einen Lebenszwöck hier erfüllendes11*164Subjekt von einem Jndividuum waldbewohnenden Geſchlechtes, wildſproſſender Urabkommling einer unbekannten Nation auf eine Portion menſchlicher Vernunft Anſpruch machen kannſt, ſo wirſt du be - greifen, daß ich nicht aus Vergnügen in dieſe Baumpflanzung ſpaziert bin, ſondern daß ich ein vornehmer Reiſender bin, der ſich durch das Ver - hängniß ineinander verwurlter Verhältniſſe und Umſtände von rechts und links hieher verirrt zu haben dürfte, könnte, ſollte, wollte.
Deine Rede iſt dunkel und unklar. Allein wenn du nichts Uebles im Sinne haſt, ſo will ich dich gerne beherbergen, da du mir ein erſchöpf - ter, verirrter Wanderer zu ſein ſcheinſt.
Ja! ich bin ein geknöpfter, verwirrter Wanderer, der einen bedeutenden Hunger und einen noch be - deutendererereren Durſt hat.
Jch kann dir nur Wenig bieten.
Das iſt mir ſehr unangenehm; um ſo unange - nehmerererer, weil ich Viel haben möcht’.
Du haſt doch gewiß oft genug gehört, wie ein - fach wir Eremiten leben. Unſere Nahrung beſteht aus Wurzeln und Kräutern, unſer Trank iſt reines Quellwaſſer. Damit kann ich dir dienen.
Für dieſe Dienerſchaft dank’ ich höflichſt. Ein vornehmer Mann, wie ich, iſt ganz was Anderes gewöhnt.
Wenn aber ein vornehmer Mann ſich im Walde verirrt, dann wird er gewiß keine Torten und Pa - ſteten zur Nahrung finden; auch keinen Wein oder ſonſtige geiſtige Flüſſigkeiten.
Jch brauche keine geiſtlichen Süßigkeiten und am allerwenigſten bin ich aufgelegt, das langweilige Gepappel von ſo einem alten Kraxler anzuhören.
Ha! Jch verlange von der Natur, die mich hervorgebracht, die einem gebildeten Manne entſprechende Suſtentation. Alſo heraus mit’m Kalbsbratl! Heraus mit der Brandweinflaſchen, oder ich werde thatſächlich!
Fremdling, beruhige dich. Vielleicht finde ich in meiner Vorrathskammer, die ich für verirrte Wanderer immer bereit halte, doch ein paar Biſſen kaltes Fleiſch — —
Und auch im Kellerloch vielleicht ein paar Bou - teillen Wein. O du alter Kalfakter! Deine Wur - zeln und Kräuter ſind auch nicht weit her und dein reines Quellenwaſſer ſcheint mir auch an dir vor - bei zu fließen, ſtatt in dich hinein. Komm nur, begeben wir uns in deine Klauſen und faſten wir miteinander eremitaniſch nach deiner Manier. Juhe!
Nu, nu! nur nicht ſo ungeſtüm, mein Freund. Es wird ſich ſchon Etwas finden.
Jetzt hab’ ich ihn, der jüngſt mir iſt entkommen, Als ich im Schuldthurn ihm erſchienen war. Er ißt und trinkt, was ich ihm vorgeſetzt Und weiß nicht, daß er in des Teufels Schenke. Weg mit der Kutte und dem falſchen Barte! Der Teufel will ſich, wie er iſt, nun zeigen! 167Was der Verſuchung nicht gelang, wird jetzt Gewalt Wohl leicht erringen. Casperl iſt nun mein!
Nein, nein! er iſt nicht dein. Des Glückes Göttin Will ihn bewahren. Weiche Satanas! Jhm iſt Fortuna hold.
Verflucht Geſchick! Dir muß ich weichen nun zum zweiten Mal.
Jch bin noch ganz fatigirt von dem geſtrigen Tage. Jch habe ſo viel Glück geſpendet, mein Füllhorn ſo oft ausgeleert und ſo häufig in ſchönen Verſen geſprochen. Es thut mir wirklich wohl, daß ich in meinem Wolkencabinette in Proſa reden kann.
Meinſt du, daß ich etwa nicht auch müde ſei? Glaubſt du, es ſei ein Spaß, die Segel deines Flügelſchiffes hundertmal auf - und abzuziehen und dann noch immer auf der Erde mit dir hin und her zu rennen?
Darum hab’ ich dir heute die große Frühſtücks - bretzel gegeben und vielleicht laſſe ich dich heute169 noch in’s Marionettentheater gehen. — Apropos! Jch möchte doch wiſſen, wie es mit meinem Protegé ſteht, den ich neulich aus den Klauen des Teufels gerettet habe?
Ei! der Casperl Larifari, für den du mit Bios gewettet, daß er deine Gaben ertragen könne?
Allerdings, der iſt es. Jch habe ſo ein bischen unter meiner Binde hervorgeblinſelt und der Burſche gefiel mir.
Er iſt ein luſtiger, leichtſinniger Patron, wie mir meine Spielkameraden, der kleine Bacchant Tyrſeus und der Amorl, erzählt haben, die ihn ſehr genau kennen.
Eben deßhalb ſetzte ich auf ihn das Vertrauen, daß er meine Gunſt zu würdigen wiſſe und ich dadurch Bios die Wette abgewinnen würde. Darum möchte ich aber auch gar zu gerne wiſſen, wie es um ihn ſteht. Jch will heute in meinem Wolken - Cabinette ruhen und keine Beglückungsfahrten unter - nehmen. Da könnteſt du ein bißchen ſpeculiren. 170Nimm von einem Glücksgenius in meinem Vor - zimmer ein paar Flügel zu leihen und fliege auf die Erde.
Jch mag aber nicht. Jch will auch ausruhen, wie du.
Du biſt ein recht capriciöſer kleiner Kerl.
Auch nicht einen Tag kann ich Ruhe haben! Das wird mir zu arg.
Wenn du mir nicht folgſt, ſo werde ich einen andern kleinen Genius zu meinem Specialdienſte wählen und du kannſt dann den gewöhnlichen La - kaiendienſt verſehen.
Nun ja, ich will’s ſchon thun.
Wenn es zur Beobachtung nöthig wäre, könnteſt du dich auch verwandeln. Hole dir nur zu dieſem Zwecke den Talisman, der rechts in der Schublade171 meiner Toilette liegt. Alſo adieu! Mache deine Sache gut und bringe mir Nachricht.
Adieu! Jch denke bald wieder zu kommen.
Aber geſtern war’s wieder nicht zum aushalten mit’m gnädigen Herrn. Nichts hab’ ich ihm recht machen können.
Nun, und am Abend erſt, wo ich den Dienſt gehabt hab’! Da hättſt’n ſehen ſollen.
Ja, wenn wir nicht ſo gut bezahlt wären und nebenbei unſern Schnitt machen könnten, da wär’ ich ſchon längſt fort.
So beiläufig 600 Gulden hab’ ich mir ſchon erſpart.
Jch ungefähr auch.
Jetzt iſt er aufgewacht.
„ Mein Fruhſtuck, Caffee! ‟
Ja, Caffee! — Geſtern Chocolat — heut Caffee — morgen Bratwürſtl! Einen guten Magen muß er haben. Komm, ſonſt wird er grob.
So, da bin ich. Jetzt wollen wir ſehen, wie ſich Monſieur Casperl aufführt. Wo kann ich mich wohl am Beſten verbergen?
Ah! da in der Wanduhr iſt der beſte Platz. Schnell hinein!
Ja das war ein Glück! — ein Glück, wie es nur mir zu Theil werden konnte und mußte; denn ich bin der Mann für ſo Was.
Nach jener fürchterlichen Nacht war es, als ich in jener eremitaniſchen Felſenhöhle von jenem röthſelhaftigen Oinſiedler in jener Stunde bei Donner und Blitz eben jenen Kalbsbraten zu verſchlingen, jenen aus - gezeichneten Deidesheimer zu ſchlürfen im Begriffe war, — in jener Nacht — oder nach jener Nacht war es, daß ich plötzlich von unſichtbaren Haus - knechtshänden, wenn es nicht zarte Genien meiner unbekannten Schutzgöttin waren, getragen in Flug geſetzt taumelnd in der Stadt niedergelaſſen wurde, wo ich nicht weit von einem Lotterieladl erwachte. Eine unbekannte, grobe, aber ſüſſe Stimme flüſterte mir in die Ohren:
„ Setze, ſetze unverdroſſen, „ Jn vier Wochen wird geſchloſſen! 174„ Zwei, ſechs, fünfzig bau’n die Brücke „ Dir zu deinem Lebensglücke. ‟
Zwei und ſechs und fünfzig hallte es nach in meinen Ohren — als ich von der eremitaniſchen Betäubung erwachte. Jch griff in meine Taſchen und fand eine mir bisher ganz unbekannte Fünf - guldenbanknote in dem hinterſten rechten Winkel meiner vorderſten linken Hoſentaſchen in der lieder - lichen Geſellſchaft einiger kränkender unbezahlter Rechnungen. Mit großartigem Selbſtbewußtſein trat ich zum Lotteriecollecteur, warf mit Herablaſſung die Banknoten hin und bekam meine Lotterie - nummerzettel. Düſterhoffnungsbrütend erwartete ich in bangem ſchwellendem Gefühle mit leerem Magen die Ziehung. Ein Trompetenſtoß und der Ruf: Nummero
2. 6. 50.
erſchallte von der Altane des noch nicht erbauten neuen Rathhauſes. Die Ueberraſchung und der freudige Schrecken ſchlugen mich zu Boden. Vier Männer trugen mich als Leiche nach Hauſe. Nach wenigen, aber furchtbaren Stunden erwachte ich im Kreiſe der Meinigen, umgeben von meiner Familie, die ich nicht buſitze. Kurz! — denn mein Mo -175 nolog wird ſchon etwas langweilig — ich bin der reichſte Mann der Stadt und lebe nun ein Wonne - leben. Wenn ich mich nur nicht über Alles gleich ſo ärgern müßt’. Aber Nichts macht man mir ſo, wie ich’s haben will. Wo iſt jetzt z. B. wieder mein zweites Gabel fruhſtuck; das ſollt ſchon längſt daſtehen. Das Löffel fruhſtuck hab ich ſchon zu mir genommen. Peter! Johann! Wo ſeid ihr Faullenzer? Johann! Peter!
Was ſchaffen Euer Gnaden?
Was ich ſchaff’? Jhr Eſel? Wo iſt mein Gabelfruhſtuck? Wo ſind die Bratwürſt? Wo iſt die Paſteten? Wo iſt der Wein?
So — damit Jhr’s euch nur merkt, daß ihr einen Herrn habt! Allo! Allo! — Marſch!
Es iſt nicht zum Aushalten, wie ſchlecht ich be - dient bin! Es iſt infam!
Wo iſt denn die Gansleberpaſteten? Wo iſt der Champagner, den ich beſtellt hab’? Nix iſt da! Man laßt mich verhungern um mein eigenes Geld! Man betrügt mich von allen Seiten!
Man will mich umbringen! Schändlich!
Wenn ich nur keinen ſolchen Zorn hätt! Das greift mich immer ſo an.
Ja was iſt denn das wieder? Will ſogar die Uhr widerſpenſtig werden?
Willſt du’s Maul halten?
Casperl! Casperl! Casperl!
Oho! Oho! — wer red’t denn da? Die Stimm’ hab’ ich ja ſchon amal gehört. — Wenn du die Stimme des Schickſals biſt, ſo ſchweige, denn ich will Ruh haben und laß’ mir in mein Haus - weſen keine Eingriffe thun. Verſtanden?
Was? lachen auch noch? Mich auslachen? Schlipperment! Wer erlaubt ſich ſo was?
Johann! Peter! — G’ſchwind! Tragt’s mir die dumme Uhr hinaus; die ärgert mich.
Gnädiger Herr, die Uhr iſt zu ſchwer, wir kön - nen’s nit derheben.
Dummheit! Nur probiren.
Es iſt unmöglich, Euer Gnaden. Sie iſt wie eingemauert.
Da werd’ ich wieder helfen müſſen.
Muß denn Alles gegen mich verſchworen ſein? So einem dummen Meubel werd’ ich doch noch Herr werden?
Zauberei! Teufelei! Bin ich denn ein Narr oder hat man mich zum Narren? Hab’ ich mei - nen Kopf noch? — Da muß ich gleich in den Spie gel ſchauen.
Wie? was? — Ein Eſel? — Soll das mein Spiegelportrait ſein? Ein Eſel in goldenem12178Rahmen. Soll das vielleicht gar eine Anſpielung auf mich ſein? —
Da her! ihr zwei bortirte Eſel! Sagt mir, ſagt mir, ob die Welt aus den Fugen getreten iſt. Sagt mir ſagt mir —
Da liegt er!
Jſt er todt? Hat’n vielleicht der Schlag ge - troffen vor lauter Zorn?
Legen wir ihn halt in’s Bett und holen wir den Doktor. Komm!
Tragen wir ihn hinein.
Mein kleiner Bote bleibt ziemlich lang aus. Jſt es ein gutes oder ſchlimmes Zeichen? Sollte ich meine Gaben wieder vergeudet haben? Sollte ich Bios unterliegen müſſen?
Hier bin ich, holde Göttin.
Was bringſt du für Nachrichten? Was macht mein Günſtling?
Was ſoll ich dir ſagen, Beglückende? Jch möchte lieber ſchweigen. Nach meinen Beobacht - ungen, die ich aus dem Verſtecke eines Uhrkaſtens zu machen Gelegenheit genommen, darfſt du mit deinem Günſtling nicht ganz zufrieden ſein. Jch verließ ihn, als er eben im größten Zorne um ſich ſchlug und es mir ſelbſt unmöglich machte, länger in meinem Verſteck zu bleiben.
Weh mir, wenn Bios dieß erfährt.
Bios weiß Alles. Dein Günſtling iſt deiner Gaben unwürdig. Allein überzeuge dich, daß er ſelbſt vielleicht ſein Glück verwünſchen wird.
Und nun, holde Göttin, lüfte deine Binde. Jetzt darfſt du ſehen. Jm Geben ſollſt du blind ſein, allein den Erfolg deiner Gunſt mit of - fenen Augen ſchauen. Laß’ uns aber bei Seite treten.
Auweh! wie iſt mir miſerabel! Jetzt weiß ich nicht, hat mich der Schlag wirklich getroffen, oder bin ich nur leiſe berührt worden. —
Sollte dieſes die unverdiente Strafe meines Zornes ſein? — Ha! und warum war ich zornig? Warum war ich wüthend und habe Alles zuſammengeſchlagen — wenn mich mein Ge - dächtniß nicht toiſcht?
Jch war ſo glücklich! Alles, Alles, was ich mir nur gewünſcht habe, hat mir mein Reichthum verſchafft. Wie? ob? warum? woher? wohin? wieſo? — lauter Fragen an das Schickſal.
Mir ſcheint, daß mir das Geld den Kopf verruckt hat. O Casperl! Du haſt vielleicht ſelbſt beobachten können, daß du durch deinen Reichthum ein Narr geworden biſt. Oh! Oh! Oh! — War ich denn als ein armer Teufel nicht immer ein guter allgemein beliebter Kerl? Und jetzt? was war ich anders, als ein wüthender Kerl, ein Zornnickel, allen Leuten zu - wider? Fluch dem Glück, wenn es die Men - ſchen zu Narren macht!
Jch bin beſiegt, ich geſtehe meine Blindheit.
Erhebe dich! Sei ein Mann!
Jch war ſeit meiner Geburt männlichen Ge - ſchlechtes und habe durchaus keine Luſt, ein Weibs - gebild zu werden. — Aber wo bin ich denn eigentlich?
Du biſt in dem Palaſte der Göttin des Glücks.
Auweh! — da könnt mich wieder der Schlag treffen. Jch bitt’ um Gotteswillen — nur kein beſonderes Glück! Nur kein großes Lotterieloos! — Jch will der alte, gute Casperl bleiben.
Sei es und bleib’ es!
An der Hand dieſes göttlichen Jünglings wandle durch das Leben.
O Jüngling! umarmen Sie mich! Jch bin un - geheuer gerührt und habe auch einen ungeheuren Durſt. Göttlicher Jüngling! wenn ich an Jhrer Hand durch das Löben wandeln ſoll, o ſo beſchwöre183 ich Sie: vermeiden Sie alle Löbenspfade, an wel - chen keine Wirthshäuſer ſind.
Die Götter werden dich beſchützen und ich werde dir unſichtbar ſtets zur Seite ſein.
Gehorſamer Diener.
Auch ich verlaſſe dich jetzt, aber ich werde dich immer in treuem Andenken bewahren, denn du biſt es ja, der mir wieder gezeigt hat, wer ich bin: Die blinde Göttin!
Leben Sie wohl! — Jetzt ſind’s alle zwei fort und ich weiß nicht einmal, wer der ſchöne Jüngling iſt, mit dem ich durch’s Löben wandeln ſoll. Das iſt mir aber ganz toute même chose. Jch wandle jetzt mit oder ohne ſchönen Jüngling in’s Wirthshaus, in den „ blauen Bock ‟ hinüber, da haben’s, glaub’ ich, heut a gut’s Bier.
Hochanſehnliches Publikum!
Jch wünſch’ Jhnen einen recht guten Abend184 und wünſche Jhnen alles mögliche Glück; aber je - denfalls nur ſo viel, als Sie vertragen können.
Waldgeiſt.
ſeine Tochter.
ihr Verlobter.
Räuber.
eine Hexe.
Warum geht denn der Vorhang nicht auf?
Der Herr Casperl iſt noch nicht fertig mit dem Ankleiden.
Ja was iſt denn das? Das Publikum war - tet ſchon. Die Ouverture iſt längſt geſpielt.
Aber Herr Casperl, machen Sie doch weiter!
Jch bin noch nicht fertig. Jch habe mir den rechten Hemdärmel überſtaucht.
Warum ſind Sie aber auch heut ſo ſpät ge - kommen? Sie waren gewiß im Wirthshaus. Das Publikum wird ungeduldig werden.
Gleich, gleich!
Vorwärts! Vorwärts! Jch kann nicht mehr warten laſſen. Herr Majer, zieh’n Sie nur den Vorhang auf.
Halt! halt! — herunterlaſſen! ich bin ja noch im Hemd!
Das wird mir zu arg! Jch kann keine Rück - ſicht mehr nehmen. Das Stück muß anfangen! Allo!
Vorhang auf!
Halt, halt! Das iſt infam! Runter - laſſen! Jch hab’ mein Röckl noch nicht an. Und189 das Wetter! Jch werd’ ja durch und durch naß. Herr Direktor! runterlaſſen!
Jch krieg’ den Katarrh! Laßen’s doch den Vorhang runter! — Jch werd’ krank, nachher kann ich ſechs Wochen lang nit ſpielen und Sie ſind am Meiſten geſtraft.
Was iſt das für ein Lärm, was für ein Ge - ſchrei? Jhr weckt mir die ſchöne Jungfrau drin - nen. Wer biſt du? Wie kommſt du da her in die Wildniß?
Sie haben gut reden, Madam, mit ihrem Pa - rapluie. Schauen S’ mich an in meiner einfachen Toilette.
Haſt du dich denn verirrt? Jn dieſe Einſam - keit findet nicht leicht ein menſchliches Weſen.
Das glaub’ ich gern. Jch weiß auch nicht, wie ich da her gefunden hab’. Aber ſo viel weiß ich, daß ich ſchon durch und durch naß bin. Jetzt hört’s doch zu regnen auf. Aber könnt’ ich nicht190 bei Jhnen etwas unterſteh’n und mich ein bißl am Heerdfeuer trocknen? Jch hab’ ſchon ſo einen klei - nen Schüttelfroſt-Fieberanfall.
Nun ich will Mitleid haben! aber ich laſſe ei - gentlich nicht gern Jemanden in meine Hütte.
Bitt’ gar ſchön. Sie ſind nicht ſo gefährlich.
So komm’ denn!
Und was zum Eſſen und Trinken möcht’ ich auch haben.
Holla ho! holla ho!
Holla ho! — gut Waidwerk?
Die Sau hab’ ich erlegt im ſchwarzen Graben.
Einen Hirſch hab’ ich angeſchoßen.
Ei was thut’s? An dem Biſſen haben wir lange zu zehren.
Und das Fäßlein Nierſteiner, das wir den Kauf - leuten abgezapft haben auf der Heerſtraße! Ein herrlicher Trunk!
Was macht die ſchöne Ermelind?
Weiß nicht; bin ja ſchon beim Frühroth in den Wald hinaus.
Das arme ſchöne Kind!
Ei was! Laß’ ſie jammern; ’s war ein guter Fang.
Wir hatten Glück, denn der Kampf war ſchwer und hart gegen ſechs Ritter zu Roß, gut be - waffnet.
Ein Glück, daß der Jungfrau Zelter ſtürzte. Jch riß ſie herab und ſchleppte ſie in den Felſen -192 grund, wo die Ritter auf ihren Roſſen nicht nach konnten über’s wilde Geſtein.
Der Eine aber hieb wie ein Teufel auf uns ein.
Das war der blonde Hermann vom Sonnenſtein.
Gut, daß wir ſie haben. Einer von uns hat nun ein ſchönes holdes Weib.
Wem aber von uns beiden ſoll ſie gehören?
Komm’ hinein! beim Becher wollen wir um ſie würfeln.
Gut ſo. Das Loos mag enſcheiden.
Unſeliges Geſchick! — Zwei Tage ſchon und keine Spur von ihr.
Edler Ritter, wenn ihr um die geraubte Toch - ter klagt, mögt ihr erfaſſen, wie ich um meine Braut jammere. Es war aber, als ſei der Teufel im Spiel geweſen. Ohne an etwas Arges zu den - ken, ritten wir Sechſe mit dem Fräulein von der Muhme Kunigund wieder heimwärts; da brachen am Waldeck — ihr wißt’s ja — wo das Fels - thal einläuft, zwei rieſenhafte Männer hervor; mit Axt und Keule fielen ſie auf dem ſchmalen Wege über uns her. Konrad und Kunz ſtürzten todt von den Roſſen. Wir Andern konnten unſere Roſſe nicht wenden, ſo eng war der Pfad. Die Gäule bäumten ſich. Ritter Hans ſtürzte in den tiefen Graben; ich hieb wüthend um mich; mittlerweile war des Fräuleins Zelter gefallen, ich konnte nicht beiſpringen; da zog ſie der Eine der Räuber herab und ſchleppte ſie ſeitwärts durch die Felſenblöcke hinan; wir vermochten zu Roß nicht zu folgen, warfen uns aus dem Sattel — aber es war zu ſpät. Jn wilder Flucht waren die Verwegenen mit ihrer edlen Beute zwiſchen den Felsklüften verſchwunden. Vergebens eilten wir nach — da fiel die Nacht ein und troſtlos kehrten wir zurück.
Und meine Ermelind! meine theure Tochter, wie mag es ihr nun ergehen? Jn den Händen wil - der Räuber?
Alle Knappen ſind ausgeſandt, zum Theil als Bauern verkleidet, um die Spuren auszuforſchen. Jch ſelbſt will ſogleich nacheilen in dem Gewande eines Pilgers, mein gutes Schwert unter der Kutte.
Eilet! eilet! es iſt keine Zeit zu verlieren!
Deſſen könnt’ Jhr ſicher ſein, daß ich keinen Augenblick verſäume, meine geliebte Braut zu retten. Jm tiefſten Walde des rauhen Thales ſollen die Räuber hauſen. Niemand naht ſich der Gegend. Sie leben vom Waidwerk und überfallen hie und da auf der Heerſtraße oder auf den Seitenwegen Wanderer und Reiſende. So ſagt das Volk. Neu - lich beraubten ſie Kaufleute, die zu Markt zogen. Doch was verweile ich noch? Lebt wohl, Ritter Kuno! Jch eile fort.
Gott geleite Euch!
Herr im Himmel! höre mein Gebet! Vernimm das Flehen eines unglücklichen Vaters. O beſchütze meine Ermelinde! Rette ſie aus den Händen ihrer Räuber! Jhr Engel beſchützet und bewahret ſie.
No, da dank’ ich. Mich haben ſie ſchön er - wiſcht. Das iſt eine Bagage aufeinander in der Hütten. Ein alt’s Weib — zum Grauſen, eine wahre Hex, und zwei Mordslümmel, die mich gleich zu ihrem Bedienten oder eigentlich Hausknecht ge - macht haben, kaum daß ich in die elende Spelunken hereing’ſchaut hab’. Jch glaub’, das iſt a miſera - bles Geſindel. Wildſchützen jedenfalls. Jch bin nur froh, daß ich meinen Janker wieder anhab’; denn ich hätt’ doch die ganze Vorſtellung nicht im Hemd rumlaufen können. Aber jetzt will ich nur ſehen, wie ich aus dem vermaledeiten Loch wieder hinauskomm’. Die Kerls ſind im Stand und laſſen mich nimmer fort, weil ich ihnen ſo ausgezeichnete Dienſte leiſte. Heut hab’ ich ſchon ein paar Juch - tenſtiefel putzen und ſchmieren müſſen, nachher hab’ ich Waſſer getragen, jetzt hock’ ich ſchon den ganzen Vormittag am Feuer und muß den Bratſpieß drehen, bis die Wildſau brat’t. Da fallt mir grad ein, daß ich’s Feuer auslöſchen muß, ſonſt ver -197 brennt die Wildſau.
Und was haben’s mir z’eſſen geben? Ein geſelchtes Eichkatzl und Waſſer dazu. Da dank’ ich! Jetzt kommt die Alte wieder.
Nun, Bürſchlein, wie geht’s? Haſt du fleißig den Spieß gedreht? Jetzt geht’s dran; denn meine edlen Herren ſind grad von der Bärenhaut aufge - ſtanden und haben ausgeſchlafen. Nun geht’s an’s Zechen.
Nun, das hab’ ich mir gleich gedacht, daß die zwei Herren Bärnhäuter ſind — ſo ſehen’s aus.
Halt dein Maul, Burſch! Du brauchſt nicht viel Späße zu machen und Tröll und Faſold zer - reiſſen dich wie einen Spatzen.
Auweh! Da könnt’s ſchlecht ausſehen.
Oho, ſchöne Madam; ſo war’s ja nicht gemeint. Es war nur ein gelinder Scherz.
Loſer Junge, du nennſt mich ſchön?
Aha ich merk was!
O ausge - zeichnet! Für Jhr bedeutendes Alter, wunder - ſchön. Das Feuer in den Augen! Das Roth in den Lippen! Das Gelb auf den Wangen! Die figürliche Statur! die ſtaturliche Figur!
Du biſt ein rechter Schalk; aber ich kann dir ſagen, daß du mir auch recht gut gefallſt. Du biſt ein ganz netter Burſch.
O! da ſagen Sie mir gar nichts Neues. Wo - hin ich noch gekommen bin, habe ich durch meine männliche Schönheit und jugendliche Kraft bei allen Frauenzimmern Aufſehen gemacht; alſo werd ich ſo einer alten Schachtel, wie Sie ſind, doch auch gefallen müſſen. Auweh! jetzt hab’ ich mich ver - ſchnappt.
Wie? was ſagſt du da von einer alten Schachtel?
Das war nur allegoriſch geſprochen.
Warte, loſer Junge! — Aber jetzt werden Tröll und Faſold zum Jmbiß kommen. Alſo199 hurtig, hurtig! Sie haben in der Kammer drin - nen ſchon einige Becher Wein geleert und ſcheinen guter Dinge.
Ja, ich hab’ aber von den „ guten Dingern ‟ noch nichts gemerkt. Jch möcht’ auch was Gut’s.
Komm’ nur mit mir hinaus, lieber Burſch. Jch will dir ſchon etwas Gutes geben. Sollſt nicht zu kurz kommen, Herzensmännchen.
Jch muß Jhnen nur mittheilen, daß hier bei dieſer Gelegenheit und unter dieſen Umſtändlichkei - ten mein Magen mehr als mein Herz ſpricht, und iſt mein Magen aber auf eine anſtändige Weiſe befriedigt, dann, meine allerliebſte Madam, fangen ſich erſt die Gefühle moines Hörzens zu rögen an — —
dann gehöre ich Doin, Doin, Doin — —.
Was will der Narr da?
Bei der alten Els.
Haushexe! ſüßes Weſen!
Alter Beſen! Jſt hier Wein? Wir haben noch nicht genug.
Vom Faß, das wir neulich gebracht.
Da ſtehen ſchon die vollen Humpen.
Fort! Hinaus ihr Beide!
Jetzt, Bruder, laß’ uns mit der Dirne reden. Mache die Fallthüre auf.
Heraus, holde Schöne!
Da bin ich. Jhr Elenden, was wollt ihr mit mir?
Zürnet nicht, edles Fräulein. Jhr ſeid in der Gewalt edler Ritter.
Haha ha ha! Ja edler Ritter. Gut geſpro - chen, Bruder Faſold! Kurz — Mädchen — wir haben dich; alſo was willſt du weiter anfangen?
Wohl weiß ich es, daß ich in eurer Macht bin. Jn ſchmählicher Weiſe habt ihr mich geraubt. Laßt mich frei. Was verlangt ihr als Löſegeld?
Nichts da. Was wär’ uns mit Geld gedient? Wild und Wald geben uns Nahrung; den Wein, den wir brauchen, holen wir hier und dort; aber Einer von uns wollte ſich auch einmal ein Weib erobern. Du biſt ſchön, du gefielſt uns, darum haben wir dir auf dem Weg gelauert. Nun haben wir dich.
Weh mir! Gott im Himmel beſchütze mich!
Ziere dich nicht. Wir wollen um deinen Beſitz würfeln. Wer von uns den beſten Wurf thut, dem gehörſt du.
Und morgen halten wir Hochzeit.
Sieh’ — da bratet ſchon das Wildſchwein zur Brauttafel. Juhei!
Juhei!
Sauf’ Bruder! heut’ iſt ein guter Tag.
Fürwahr, ein guter Tag.
Wo — wo — ſind die Würfel?
Ja — Glück — zu! — Die — die — Würfel.
Sie ſind betrunken und liegen bewußtlos da. — Himmel ſei mir gnädig! Jch kann entfliehen.
Oho! wer will denn da heraus? Wie? welche göttliche Geſtalt! Eine Mamſell? Woher? wohin, mein Fräulein?
Still! Still! — Wenn du ein Menſch biſt, der das Gefühl des Mitleids in ſich trägt, ſo laſſe mich fliehen —
O, ich trage ganz andere Sachen in mir, aber ſage Mädchen, wer biſt du und warum willſt du fliehen?
Es iſt kein Augenblick zu verlieren. Jch bin ge - raubt, hiehergeſchleppt — laß mich, laß mich!
Auch ich bin hiehergeſchleppt, auch ich —
Jch beſchwöre dich, magſt du ſein wer immer! Jch bin verloren, wenn du mich nicht fliehen läßt.
Ha! — auch ich möchte fliehen, aber ich kann nicht. Die alte Hexe hat die Hausthür zugeſperrt, den Schlüſſel in den Sack g’ſteckt und iſt auf ei - nem Beſen ausgeritten.
Weh mir! ich bin verloren.
Kaum kann ich weiter. Nun irr’ ich ſchon einen Tag umher und weiß nicht mehr wohin. Vom Waldeck aus, wo wir überfallen wurden, ſtieg ich durch die Klippen und glaubte auf der Spur zu ſein, wohin Ermelinde von den Räubern fort - geſchleppt wurde. Vergebens! Ein Pfad in hohes Gehölz zog mich ſeitwärts ab; ich vertiefte mich immer mehr und mehr in den Wald und nun komm ich hieher und weiß nicht, wohin ich gelangt bin. Wie finde ich nun wieder einen Ausweg, um gegen das Waldeck zu kommen? Jch bin erſchöpft, ich muß ein wenig ausruhen. Doch ſeh’ ich recht, ſo naht ein Mann dorther durch des Waldes Dickicht.
Willkommen, guter Mann!
Ei ſieh da! — Wie kommt der Pilger hieher? Seid gegrüßt. Jhr müßt weit ab vom Pfad fehl - gegangen ſein; denn hier iſt kein Weg für Wanderer.
Jch denke mir’s wohl lieber Freund. Wo bin ich denn eigentlich?
Das iſt der Druidenort, wie ihn die Leute ſeit älteſter Zeit her nennen, und die tauſendjährige Eiche heißt die Wuotanseiche. Als unſere Vor - fahren noch Heiden waren, ſollen ſie hier ihren Göttern geopfert haben. Der Ort iſt nicht geheuer.
Soll es etwa geiſtern? Aberglaube!
Man ſagt’s und darum vermeiden die Leute des Nachts da vorüberzugehen. Aber es kömmt ohne dieß Niemand vorbei als wir Holzhauer, wenn wir in den großen Tannenwald hinüber den näch - ſten Weg gehen wollen, wie’s mir heute geſchieht.
Nun, könnt Jhr mir wohl ſagen, wie ich am Beſten heinauskomme. Jch möchte gegen das Waldeck am Felſenthal.
Ei, der Tauſend! Da ſeid Jhr weit ab. Da wo Jhr mich herkommen ſahet, ſchlängelt ſich ein enger Pfad durch das dichte Gehölz. Dem folgt ſo weit Jhr könnt bis an ein hölzernes Kreuz, das an einer alten Tanne ſteht; dann wendet Euch wieder links, bis Jhr an eine ſchlechte Hütte gelangt. Da findet Jhr immer Holzknechte, die Euch weiter weiſen können. Nun guten Abend! Es wird Nacht; ich muß heim und habe noch einen weiten Weg zu machen.
Gott befohlen! Jch dank’ Euch für die Aus - kunft.
Gott befohlen!
Nun, du alte ehrwürdige Eiche, unter deinem Laubdache will ich noch ein wenig raſten, dann fort! denn es läßt mir keine Ruhe.
Aber ich bin wirklich recht ermat - tet. Theure Ermelinde, wo werde ich dich finden?
Wie iſt mir? Was iſt es? Welch’ ein ſonderbarer Traum?
So biſt du wirklich da, holde Taube? Willſt du mir den Weg zeigen zu Ermelinden?
Heraus in’s Freie, hier im Mondenſchein Soll unſ’res Kampfes lichte Stätte ſein.
Du haſt’s gewollt! Jch war in meinem Recht. Mir fiel der Würfel gut, dir aber ſchlecht, Und darum nahmſt die Keule du zum Streite, Verſagteſt ſchmählich mir die Beute. Mein war die Jungfrau durch des Looſes Spiel Und dich ergrimmt’s, daß ſo der Würfel fiel. Schmach dir, daß du der Ehre bar!
Fluch dir! Erkämpfen will die Maid ich lieber mir, Weil nur der Zufall lenkt des Spielers Glück.
Beſchloſſen war’s; ich tret’ nicht mehr zurück.
Jch aber heb’ die Keule. Wehre dich!
Wart’, Schuft, dem keiner noch an Frevel glich!
Halt ein! ich fühle deiner Schläge Macht.
Lahm iſt mein Arm noch nicht, drum habe Acht!
Noch dieſen Hieb!
Und den!
Willſt du noch mehr?
Halt ein!
Haſt du genug? Noch dieſen her!
Hei, Bruder ſei geſcheid!
Wozu der Streit?
Jch kann nicht mehr.
Wohlan, ſo laß’ uns ruh’n.
Was meinſt du, Tröll? ſage: was willſt du thun?
Wir legen uns auf unſ’re Bärenhaut.
Und ſchlafen bis zur Jagd der Morgen graut.
Es ſei!
Vielleicht nimmſt du Vernunft noch an.
Ei was? komm in die Hütte!
Nun wohlan!
Es grüßt das Morgenroth. Mein Herz, nur Muth! Dort auf der Hütte nun das Thierlein ruht. So iſt es hier, wo Ermelinde weilt, Da meine Taube nicht mehr weiter eilt? O ſchlechter Aufenthalt! unwürdig dieſes Dach, Zu decken ſolcher Schönheit ſtill Gemach! Auf hartem Lager ruh’ſt vielleicht du, Ermelind Und deinen ſüßen Schlummer ſtören Froſt und Wind. O arme Maid! Jn Noth und Leid Harrſt der Befreiung du. Geduld! Geduld! Der Retter naht, geführt von Zaubers Huld.
Das Pförtlein öffnet ſich, man tritt heraus; Verbergen will ich mich; drum raſch hinaus.
Jetzt bin ich halt eigentlich in der Mausfallen. Wirklicher proviſoriſcher Leibhausknecht mit 365 Tag Jahreslohn, Prügel, wenn’s Noth thut oder wenn’s meinen freundlichen Gebietern beliebt, ſchwache Koſt und mäßigen Trunk; d. h. aber nicht maßweiſe; Waſſer ſo viel ich will — — halt aber! Die ganze Natur beſteht aus Licht und Dun - kel, und der Schatten ſetzt eine gewiſſe Beleuchtung voraus. Ha! und welche Buleuchtung? Jſt nicht das verburgene, geraubte, unglückliche, wunderſchöne Edelfroilein der Störn, der mir in der ſchattirten Nacht luichtet? Jch gehe mit dem Gedanken um, ich habe mich längſt mit ihm vertraulich gemacht, das ödle Froilein großartig heimlich zu rötten und zu entführen. Allein bisher wälzte ſich Hinderniß auf Vorderniß entgegen und der Augenblick des Mo - mentes hat ſich noch nicht gezeigt. Aber, wenn die zwei Räuber wieder einmal auf Abentheuer gehen, werde ich die alte Hex, die ſo grauſam auf - paßt und das Froilein hütet, ſchleunig abmurxen216 und die Röttung wird mir gelingen! Doch was nützt mich dieſes intereſſante biographiſche Selbſt - geſpräch? — Jch muß jetzt an der Felſenquelle dort Waſſer holen zum Caffee kochen.
Halt! doch ſchweige, damit uns Niemand höre.
Oho! — aber Sie haben mich erſchreckt.
Nur ſtill, ſtill!
Ja ſtill, ſtill, ſtill — ich frag’ lieber, wer Er iſt und was Er will?
Du ſcheinſt mir in jener Hütte dort im Dienſt zu ſtehen.
Zu ſtehen oder zu gehen. Jetzt, wie Sie ſehen: zu gehen. Alſo hätten Sie nicht ſagen ſollen im Dienſt zu ſtehen, ſondern im Dienſt zu gehen.
Nun denn. Wiſſe: das Edelfräulein, welches hier gefangen, iſt meine Braut. Jch bin Ritter Hermann vom Sonnenſtein.
Ha, da hab’ ich Reſpect. — Aber ſagen Sie mir, Sie haben ja eine Kapuziner-Kutten an und ſcheinen alſo nebenbei auch Kapuziner zu ſein und haben doch eine Braut. Die Kapuziner müſſen ja ledig bleiben.
Es iſt nur ein Pilgergewand, in das ich mich geworfen habe, um unerkannt zu ſein und nicht als Ritter zu erſcheinen.
Wie? was? Geworfen? — Wer hat ſie denn in das Pilgergewand geworfen? — Doch, Kapuziner oder Pilgersmann, wie haben Sie den Weg daher gefunden?
Sieh’ dorthin. Die weiße Taube hat mich hie - her geführt, indem ſie mir ſtets voranſchwebte.
Eine weiße Haube?
Eine Wundertaube, die ein guter Geiſt mir ſandte.
O der gute Geiſt! Nun brauchen Sie die Taube nicht mehr, nicht wahr?
Wiſſen Sie was? Jetzt überlaſſen Sie mir die Taube, damit ich Sie rupfen, braten und verzehren kann. So einen Bißen hab’ ich lang nit gehabt. Bisher bin ich nur mit geröſteten Wildſchwein - ſchnitzeln gefuttert worden.
Was denkeſt du? Dieſe herzige Wundertaube? Doch jetzt laß uns überlegen, was zu machen iſt und wie es mir möglich wird, meine Braut ihren Räubern zu entreißen. Du ſcheinſt mir ein guter Burſche.
Mit dem Reißen wirds ſchwer halten; denn das Fräulein iſt immer in ein unterirdiſches Keller - loch eingeſperrt. Nur in aller Früh und Abends darf ſie ein wenig Luft ſchnappen und wird von der alten Hex da heraus geführt. Wenn’s fünf Uhr ſchlagt, wird ſie gleich herauskommen. Ver - ſtecken wir uns ein wenig.
Theure Ermelinde! Und ſo ſoll ich dich wieder ſehen?
So, mein Fräulein. Hier könnt Jhr wieder Morgenluft genießen.
Ueberall nur Kerkerluft!
Ei was! „ Kerkerluft ‟! Das iſt nur Eure eigene Schuld. Wen ihr Euch entſchließen wolltet, Einem meiner edlen Kämpen da drinnen die Hand als Gattin zu reichen, ſo wäre die Luft bald eine andere als Kerkerluft; und habt Jhr Einen ſelbſt gewählt, ſo wird der Bruderzwiſt um Euch bald enden.
Ein Glück für mich, daß die ſchändlichen Räuber um meinetwillen ſtets in Zwiſt und Hader leben. Denn, würden ſie ſich einigen, ſo wäre es längſt um mich geſchehen. Eh’ mich aber Einer von ihnen freit, würde ich meinem Leben ein Ende machen.
Ei Pfui! Jhr wißt gar nicht, was Euer Glück iſt? Denkt Euch nur: die Frau zu ſein eines der gefürchtetſten Helden.
Schmach und Schande ſolchem Heldenthume!
Seht, da kommen ſie. Sie ziehen zur Jagd aus.
Den ſchönſten Morgengruß, Fräulein!
Jhr trotzt noch immer und ſchweigt? Nun ſo höret wenigſtens:
Hört, daß wir geſchworen haben, unſern Hader um Euch zu enden. Wir wollen es Euch über - laſſen von uns beiden Einen zum Gemahl zu wählen. Der Andere wird ſich fügen.
Jhr beſinnt Euch wohl? Jhr ſchweigt?
Es iſt unſer letztes Wort. Wo nicht, ſo —
Komm, Bruder! Laß uns ziehen. Das Fräu - lein wird ſich ſchon beſonnen haben, bis wir Abends von der Jagd heimkehren.
Ja, ja. Ueberlegt nur, mein edles Fräulein. Gut Ding braucht Weil. Auf! zur Jagd!
Heut gilt’s dem ſtarken Hirſch im Hohentann.
Lebt wohl!
Habt Jhr’s gehört? Nun entſchließt Euch nur, da die Werber ſich verſöhnt haben.
Nie und nimmermehr. Sterben will ich.
Wie? ein Täublein? Wo ſchwebſt du her, liebes Thierchen? Biſt du ein Bote des Troſtes? der Befreiung vielleicht?
Ja, Ermelinde! Die Taube bringt frohe Bot - ſchaft.
Gott im Himmel! Mein Hermann!
Jch bin es und komme Euch zu retten.
Hölliſch Element! Was ſeh’ ich?
Schweige, alte Hexe! Du biſt des Todes.
So ſchnell geht’s nicht.
Halt’s Maul! oder ich dreh’ dir den Kragen um.
Faſold! Tröll! — Herbei, herbei!
Schweige, wenn dir dein Leben lieb!
Hi, hi, hi! Mich fangt man nicht ſo leicht, ihr Herren.
Noch immer keine Botſchaft! Meine Knappen kommen zurück ohne auch nur die mindeſte Spur gefunden zu haben. Hermann iſt noch nicht heim - gekehrt. Auf ihn hoffe ich noch.
Der Thurmwart gibt ein Zeichen. Da naht ſich jemand der Burg.
Wärtl! was ſiehſt du?
Ein Bote naht. Ein Knappe in rothem Wams; ’s iſt aber keiner von den Unſrigen.
Keiner von den Meinigen? Wer mag das ſein? Doch nicht ein Unglücksbote?
Oho! oho! was iſt denn das für eine Art und Manier? Kömmſt du aus dem Tollhaus?
Wenn Jhr der edle Ritter Kuno von Hohen - fels zu ſein die Ehre habt, der zugleich der glück - liche, dermalen aber unglückliche Vater des ehemals glücklichen, dann unglücklich gewordenen und jetzt wieder auf glücklichem Wege befindlichen Edelfräu - leins Ermelinde ſeid, welche die glückliche Braut des glücklichen, dann aber unglücklichen und jetzt wieder auf dem Wege des Glückes befindlichen edlen Ritters Hermann vom Sonnenſtein iſt und hoffentlich bleibt, ſo habe ich Euch, edlem, aber noch nicht ganz glücklichen Ritter Kuno von Hohen - fels als Bote des nun ſo ziemlich glücklichen Ritters Hermann, gehorſamſt zu melden, daß Ritter Her - mann und Fräulein Ermelinde ſich zwar einiger - maßen auf dem Rettungswege bufinden, aber in Beziehung und Erwägung verſchiedener Nebenum - ſtändlichkeiten noch nicht hier ſind. Ah — jetzt muß ich aber ausſchnaufen!
Toller Burſch! Wie kann ich aus deinem Ge - ſchwätze klug werden? Wer biſt du? Wer ſandte dich?
Jch bin und heiße Casperl Larifari, vormals Privatleibknappe bei Herrn Tröll, Faſold und Com - pagnie, jetzt wirklicher interimiſtiſcher Kammer - und Jammerdiener bei Herrn Ritter Hermann vom Sonnenſtein, der mit Eurer Tochter im Wald ver - ſteckt ſitzt und nicht weiß, was er thun ſoll.
Mit meiner Tochter im Wald verborgen? Alſo lebt Ermelinde und iſt gerettet!
Sie löbt und iſt geröttet, aber noch nicht ganz; denn die Hex iſt davongeflogen und die zwei Räu - ber laufen dem Ritter und dem Fräulein nach.
Die Hexe? die zwei Räuber? Wie ſoll ich dich verſtehen? Erkläre dich, rede klar und deutlich. Wie iſt der Hergang?
Erſtens bin ich nicht hergegangen, ſondern hergelaufen. Zweitens: werde ich Euch Alles genauer expluciren, wenn ich einige Erfriſchung zu mir genommen. Drittens: laßt vorderhand Eure Knappen aufſitzen und Euren alten Leibgaul ſatteln,15226dann werdet Jhr unter meiner Fahne abmarſchiren. Nur geſchwind Etwas zum Eſſen und Trinken, Herr Ritter, ſonſt fall’ ich wieder um.
Du Narr du! Nun es ſei; weiß ich doch meine theure Ermelinde in ſicherer Hand. Komme zum Jmbiß und erzähle mir; aber laß uns keine Zeit verſäumen, wenn die Roſſe geſattelt ſind.
Jn die Trinkſtube!
Da kommen ſie des Wegs herangezogen Und ich bin ihnen klug vorangeflogen; Will lauern nun, mich bergen auf dem Aſt, Denn ſie wohl ſuchen hier im Schatten Raſt. Hi, hi! — Sie kommen mir nicht aus, die Flucht Vereitle ich, und wenn ſie Ruh’ geſucht Und nur ein wenig hier im Wald verweilen, Wird Tröll mit Faſold ſicher ſie ereilen. 227Schnell auf des Baumes Aſt, mich zu verſtecken! Schon nahen ſie. Jch will Sie weidlich necken.
Jch kann nicht mehr weiter, Hermann! Jch bin ſo erſchöpft, daß ich hier etwas ausruhen muß oder ich ſinke ohnmächtig zuſammen.
Ruhet, theures Fräulein. Der weite Weg und die Eile unſerer Flucht haben Euch allzuſehr ermü - det. Seht, auch das Täublein, unſer treuer Füh - rer, ruht dort oben zwiſchen den Blättern aus, ein ſicheres Zeichen, daß auch wir Halt machen dürfen. Setzt Euch auf dieſen Stein hier.
Wo ſind wir? Glaubt ihr, daß wir noch weit entfernt ſind von der Burg meines Vaters?
Dieß vermag ich Euch nicht zu ſagen; allein dieſer Ort iſt mir wohlbekannt. Hier ſaß ich ja und ſchlummerte, wo Jhr jetzt ausruhet, und träumte von einem hölden Waldgeiſte, auf deſſen Geheiß mir die Taube die Bahn zu Euch gezeigt, als ich15*228erwacht war. Es iſt der Druidenort und die Wuotanseiche
Wie? was ſeh’ ich?
Hi, hi! Nichtwahr? Das wundert Euch! Da ſitz’ ich oben, dem ſanften weißen Täublein gegen - über.
Weh uns! Das iſt die Els.
Ja die Els, die Euch nicht verlaſſen kann, aus lauter herzinniger Lieb.
Jch bin und bleib’ Eure Begleiterin; ich laſſe Euch nicht von der Stelle, bis Faſold und Tröll Euch eingeholt haben.
Verſuch’s, Hexe! Mein gutes Schwert fürchtet keine Hexen.
Und die Hexen fürchten auch das blanke Eiſen nicht. Hört nur! Schon brechen die Zweige, und Schritte nahen. Tröll und Faſold kömmen. Jhr ſeid verloren.
Nein! ſie ſind nicht verloren; denn Laurin, der Waldkönig, ſchützt ſie.
König Laurin!
Laurin iſt’s, ja, der Lieb’ und Treue ſchützet, Kommt näher mir zu ſich’rem Aufenthalt!
Hier, bergt Euch in der Stämme enger Kammer, Bis ich Euch wieder rufe aus dem Schacht.
Und Hexe, du bleib’ oben mir gebannt. Des Baumes Aſt ſoll feſt dich nun umklammern. Jetzt nahet, Tröll und Faſold, Schandgeſellen, Jn’s Garn zu fallen, das Jhr And’ren ſtellt!
Wo iſt das Paar?
Jch fah’s hieher ſich flüchten.
Und wo iſt Els, die ihnen nachgejagt?
Hier oben ſitz’ ich und kann nicht vom Baum; Waldkönig hat mich feſtgebannt. Habt Acht! Entflieh’t! Wer weiß, was Euch noch mag geſcheh’n.
Du Närrin träumſt.
Sag’: wo iſt Ermelinde?
Und wo der Ritter, der ſie uns entführte?
Nah ſind ſie Euch in ſicherem Verſteck, Jn Baumeshöhle von Laurin geborgen.
So ſoll die Keule mein die Rinden brechen!
Und meine Axt ſoll dieſen Stamm zerhau’n!
Zurück, ihr Frevler! Euer Arm ſei lahm, Jn ſtarre Ohnmacht bleibet hier gebannt! 231Und du da oben Hexe, böſes Weib, Verwandelt ſei in einer Eule Leib, Befiedert grau ſollſt du auf trägen Schwingen Des Nachts dein krächzend Lied im Walde ſingen. Flieg auf! flieg auf und laß dich nimmer ſchauen, Sobald des Morgens erſtes Licht will grauen.
Die Ritter nah’n, die Reiſigen und Knappen. Hermann und Ermelind’, Jhr ſeid befreit.
Hier ſind ſie. Nehmt die Räuber gefangen! Ermelinde! Hermann! kommt an mein Herz!
Ermelinde! Hermann! kommt auch an das Moinige!
Heil König Laurin, unſerm Beſchützer!
Laurin ſchützt Lieb und Treu in Waldesgrün; Nun freuet Euch, vergeſſet alle Müh’n! 232Zieht hin und brechet Laub von meiner Eiche, Mit Kränzen Euch zu ſchmücken; und nie weiche Waldkönigs Segen, der Euch nun geleitet, Gleich wie der Sonne Strahl ſich vor Euch breitet. Lebt wohl und ziehet All’ in Freuden hin, Vergeßt des Waldes König nicht, Laurin!
im 1. Aufzuge als Eule, im 2. u 3. Geh. -Sekr. Eulert, im 4. Baron v. Eulenſchloß.
Kellnerin.
Bauern von Simpelsdorf.
Hausknecht.
Uh, Uh! das iſt eine ſchauerliche Nacht. Mich gruſelt’s und beutelt’s vor lauter Furcht. Wo bin ich jetzt eigentlich? Mir ſcheint, der Weg iſt mir unter meine Füß davongelaufen; ſtatt in ein Wirths - haus zu kommen, bin ich an dieß Neſt gerathen, wo Ei’m die Mauern über’n Buckel zuſammenſtürzen möchten. Meine Schulden, die mich aus der Stadt vertrieben haben, die hab’ ich freilich zu Haus ge - laſſen und nur meinen leeren Ranzen mitgenommen; allein dieſe Leerheit iſt fürchterlich. Meine Taſchen leer, mein Magen leer, mein Beutel leer — Alles iſt leer. Schauerliche Einſamkeit! Was fang’ ich jetzt an?
Oho! was iſt denn da wieder? Was für ein unbekanntes Weſen ſitzt dort auf der Mauer? Pfui Teufel! 236Das iſt ein abſcheulicher Vogel. — Heda! wenn Sie ein Vogel ſind, der ſich in der Gegend aus - kennt, was ich doch vermuthen kann, ſo zeigen Sie mir gefälligſt den Weg in einen Gaſthof. Aber, freilich, Sie holen ſich ihre Koſt wo anders.
Casperl! Casperl!
Nun, wär’ nicht übel! Wer ruft mich denn da bei meinem Taufnamen?
Jch bin es! ich bin es.
Jch bin es! Ja wo iſt denn dieſes „ Jch? ‟
Jch bin es — ein Unglücklicher!
Ein Vogel, der red’t! Das iſt einmal was Neues.
Alle guten Geiſter!
Fürchte Nichts. Stehe auf und höre, was ich dir ſage.
Da ſoll man nicht erſchrecken über einen Uhu mit menſchlicher Stimme! Das iſt ja unerhört.
Ja, es iſt allerdings unerhört, drum höre.
Wenn ich hören ſoll, ſo kann es nicht un - erhört ſein. Aber mir iſt’s jetzt ſchon einerlei und ich bin gefaßt. Machen Sie nur ihren Schna - bel auf.
Vernimm eine ſchreckliche Geſchichte:
Wenn die ſchreckliche Geſchicht nur nicht zu lang iſt; denn ich hab’ weder Zeit noch Luſt eine ſchreck - liche lange Geſchichte anzuhören. Wiſſen Sie was, Herr von Uhu? Erzählen Sie’s dem Publikum, und ich geh derweil hinaus und trink eine Maß Bier.
Bleibe! Vernimm und ſtaune! Wiſſe ich bin ein verzauberter Ritter aus dem Mittelalter.
Wie? ein vermauerter Widder? Das iſt wirk - lich erſtaunlich.
Nun weiter.
Gut. Jch gehe weiter.
Halt! Jch meine, daß du das Weitere hören ſollſt.
Sagen Sie mir lieber das Engere. Das dauert nicht ſo lang.
Jch hauste einſt auf dieſer Burg, die jetzt in Trümmern liegt, als mächtiger Schloßherr und Raubritter, gehaßt von meiner ganzen Umgebung, weit und breit gefürchtet.
Das geht mich eigentlich gar nichts an und iſt ganz und gar Jhre Sache, Herr Raubritter von Uhu.
Aber ich bitte dich, erbarme dich doch meines Elendes.
Das kann ich nicht, denn mir geht’s auch mi - ſerabel, alſo erbarme ich mich über mich ſelbſt und für Sie bleibt nichts übrig.
Wiſſe: ich führte ein laſterhaftes Leben.
Jch bin auch kein heiliger Antoni.
Raub und Mord waren meine Luſt. Da traf mich nach vergeblichen Schickſalswarnungen die ge - rechte Strafe. Jch ward in eine Eule verwandelt.
Auweh! wenn mich nur nicht auch einmal eine ſolche Verwandlung trifft! — Aber ich muß Jhnen doch ſagen, daß mir Jhre langweilige G’ſchicht da ſehr verdächtig ſcheint. Jch glaub’ immer, daß Sie einer Menagerie entflogen ſind und mir etwas weiß machen.
Nimmermehr. Jch will dir den Beweis der Wahrheit geben. Zieh mir die unterſte Feder aus meinem rechten Flügel aus.
Alſo eine Feder ſoll ich Jhnen ausrupfen? Auf das kommt’s mir auch nicht an. Jch rupf.
No, da dank ich! Das hat einen Kracher gethan.
„ JEDER WUNSCH SEI DIR GEWAEHRT. ‟
Nun lies!
Jch kann nicht lateiniſch leſen.
So, jetzt laß ich mir’s gefallen.
„ Jeder Punſch ſei dir gewährt. ‟
Was, was? Punſch? Punſch — gewährt? Ja da muß ich mir ſchon die Bemerkung erlauben, daß ich den Punſch nicht mag und daß mir das Bier lieber iſt.
Es heißt nicht Punſch, ſondern Wunſch.
Ah ſo! Das iſt aber kein W, ſondern ein P, wie ich’s in der Schul gelernt hab.
Einerlei. Die Schrift will dir nur ſagen, daß durch die Gewalt dieſer meiner Feder jeder deiner Wünſche, wenn er ein vernünftiger iſt, erfüllt werde, und ich ſage dir weiter, daß dir auch die Mittel in die Hand gegeben ſind, mich aus meiner Ver - zauberung zu erlöſen.
Dieß iſt ſehr verzwickelt. Allein, irre ich nicht, ſo iſt dieſe Jhnen ausgerupfte Feder eine ſogenante Wunſchfeder, wie man auch Wünſchelruthen und ſo verteufeltes Zeug hat.
Ganz richtig.
A la bonheur! Nun, weil es vor Allem ein vernünftiger Wunſch iſt, daß ein vernünftiges We - ſen, welches Hunger und Durſt hat, ſich zu Eſſen und Trinken wünſcht, ſo wünſche ich mir jetzt ein Wirthshaus, in dem ich einkehren kann.
Bravo! — „ Zur goldenen Eule. ‟ Da wollen wir gleich zuſprechen.
Was ſchaffen’S, Gnäherr?
O du lieb’s Mauſerl du! was ich ſchaff? Was habt Jhr denn auf dem Speiszettel? Und wie heißt du denn, Trutſcherl?
Jch heiß Grethi und kann mit Allem, was be - liebt, aufwarten: Niernbratl, Kalbsſchlegel, Carbo - nadeln, Entenbraten, Bachhendeln, Topfenudeln, Spinat mit Eier, Hirnpafeſen, Erdäpfelſalat, ſaures Voreſſen, Apfelkuchen, Spanferkel, Limburgerkäs —
Halt ein, höheres Weſen, ſonſt geh’ ich unter im Fluß deiner Rede! Weißt du was? Bringe mir von jeder Speiſe nur eine halbe Portion und gleich zwei Maß Bier und eine Flaſche Wein dazu.
Sollen gleich bedient ſein.
Ah! ah!
Aber wo iſt denn mein Eulenvogel hingeflogen.
Nun, ſind Sie nicht zufrieden mit meiner Be - dienung?
Du biſt eine Halbgöttin. Alles wie hergezaubert.
Was iſt denn eine Halbgöttin, Gnäherr?
Es begreift ſich, daß du nicht auf der Stufe von Bildung ſtehen kannſt, dieſes zu wiſſen.
Halbgöttin iſt ſo viel, wie eine halbe Göttin, die keine ganze Göttin iſt, wie z. B. eine halbe Portion Niernbratl nicht eine ganze iſt; oder denke dir nur eine halbe brat’ne Gans. Nun weißt du alſo, was eine Halbgöttin iſt.
So? alſo wär’ ich eine halbe brat’ne Gans? Das iſt weiter nit höflich von Jhnen.
Du verſtehſt mich nicht. Jedenfalls habe ich dir ein vornehmes Compliment machen wollen, wie es in der Stadt der Brauch iſt.
Aber ſage mir, liebe Grethl, kannſt du nicht ſingen? Jch liebe die Muſik beim Göttermahle.
Ja freilich; was man halt ſo verlangen und in der Schul auf’m Land lernen kann. Der Leh - rer und der Pfarrer ſind recht zufrieden mit mir auf’m Chor.
Du biſt alſo eine Choriſtin? Nun ſo laße Ein’s los.
Wenn’s Jhnen Vergnügen macht, recht gern.
Alſo ein paar Schnadahüpfeln oder ſo was!
Jch ſing’ Jhnen gleich die Geſchicht von der Burgruine da. Als Schulmädeln haben wir’s immer bei der Prüfung ſingen müſſen.
Gut. Du ſingſt und ich trinke. Sollſt leben!
Das Lied heißt: „ das Eulenſchloß. ‟
So ſteht’s auch heute auf dem Commödizettel. Nun heule mir etwas von dem Eulenſchloß.
Du haſt aber eine ſchöne Stimm! Wie ein Vogerl, wenn’s den Pips hat. Dieſe Stimme drang mir zum Herzen. Aber dieſe Ritterg’ſchicht hab ich, glaub ich, ſchon einmal beiläufig irgendwo gehört.
Ja und daß Sie’s nur wiſſen: Jn dem alten Gemäuer geht’s noch immer um. Kein Menſch traut ſich in der Nacht hinauf.
Ja, ja, ja, das iſt halt ſo eine G’ſchicht, die G’ſchicht da! Sind wir nur froh, daß’s jetzt keine ſolchen Raubritter mehr gibt. Aber Madl, mich ſchläfert bedeutend. Jch mein’ es wär’ Zeit in’s Bett zu gehen. Komm’, führe mich in mein Schlaf - gemach.
Wie’s beliebt.
Habt Jhr doch ein gut’s Federbett? Und einen ordentlichen Schlaftrunk möcht’ ich auch noch in mein Zimmer hinauf.
Ein prächtiges Bett mit einer Duketzudeck und einen ächten Ofener, den Spitz zu 16 Kreuzer.
So, da bring mir nur ſo ein halbes Dutzend Spitzeln hinauf oder lieber gleich ein paar Flaſchen.
Geh nur zu Bett! Wenn’s tagt, ſo biſt du mein; Als Werkzeug brauch’ ich dich, mich zu befrei’n. Vermag ich dich, daß Feder du um Feder Mir ausziehſt, dann naht ſich der Freiheit Stunde. Die Hülle fällt von mir, in die der Fluch Des Schickſals mich gebannt — ich bin erlöst! So wollte es die Macht, die meine Frevel Geſtraft, daß meine arme Menſchenſeele Stets ruhelos ſo lang in Thiergeſtalt Verwandelt, bitt’rer Reue preisgegeben, Einmal doch ihrer Qualen werde ledig. Nun flieg’ ich wieder dorthin aufs Gemäuer, Zum Schlafe nicht, denn hell iſt Nachts mein Aug’, Das ſich bei Tageshelle wieder ſchließt. O grüßte einmal endlich doch der Sonne Beglückend Licht mich, Ruh und Frieden bringend!
Nun hat mich die Zauberfeder zum wirklichen Mann der Feder gemacht. Jch bin Staatsminiſter! Jch kann ſagen, daß ich mich federleicht emporge - ſchwungen habe. Ja es iſt wahr, was das Sprich - wort ſagt: „ Mit dem Amt kommt auch der Ver - ſtand. ‟ Jch darf es geſtehen: ich leite mein Mi - niſterium mit Umſicht, Vorſicht, Nachſicht, Durch - ſicht, Einſicht, Kurzſicht und noch verſchiedenen an - deren Sichten. Weiß ich Nichts und fallt mir Nichts ein, was eigentlich immer der Fall iſt, ſo darf ich nur meine Miniſterzauberfeder hinter’s Ohr ſtecken, oder ins Tintenfaßl eintauchen, und meine Beſchlüſſe ſind von ſalomoniſcher Weisheit. Leider nützt ſich ſo eine Feder im Drange der Geſchäfte bald ab; zum Glück habe ich meinen treuen Geheimſekretär249 Eulert ſtets bei der Hand, dem ich immer gleich wieder eine neue ausrupfen kann. Er iſt wirklich ein trefflicher Referent. Jch werde für ihn dem - nächſt den Geheimen Raths-Titel beantragen; denn wenn mir ſeine Federn ausgehen, ſo bin ich ein verlorener Mann.
Eurer Excellenz, gehorſamſt zu melden.
Was gibt’s wieder? Hat man doch nicht einen Augenblick Ruhe.
Eine Deputation der Gemeinde Simpelsdorf bittet vorgelaſſen zu werden.
Meinetwegen. Laße die Simpel herein.
Schlipperment! Jetzt hab ich meine Miniſter - feder auf’m Nachttiſchel liegen laſſen. Nun, für die Bauern thut’s es ſo auch. Da reicht mein gewöhn - licher Verſtand ſchon aus.
Jch hab’ Euch ſchon im Audienzvormerkungs - brotikoll gelöſen. Was habt Jhr zu ſuplixificiren bei mir?
Röxcellenz, ich bin der Gmoanvorſteher von Simpelsdorf und die zwoa da ſan Gemeindemit - glieder. Der Oan iſt der Hubermartl und der Ander iſt der Knöpflbauer, allerunterthänigſt auf - z’warten, Röxcellenz.
Nun, was gibt’s? Warum kommt Jhr zum Miniſter ſelbſt?
Ja, Röxcellenz, mir möchten halt unſer Recht b’haupten.
Halt’s Maul, Martl! laß’n Vorſteher reden.
Zur Sache, zur Sache! Jch habe koine Zoit mich mit ſolchen Pappalien lang abzugeben.
Röxcellenz Durchlaucht, wir ſan halt von der Regierung abg’wieſen wor’n und jetzt möchten wir rappeliren wegen der Eiſenbahn.
Was? Eiſenbahn? Jhr wollt ſagen Kegelbahn.
Nein, Röxcellenz. Kegelbahn hab’n wir ſchon, aber wir möchten halt auch an Eiſenbahn wegen unſere Krautköpf und der Lehrer moant’s auch, als Gmoanſchreiber.
Ja, Eſelsköpf! — Ein Lehrer ſoll nicht auch Gemoindeſchreiber ſein; das iſt eine Herabwerthig - ung ſeiner ſtaatsbürgerlichen Stellung.
Ja, Röxcellenz; die Sach iſt ſo: Wir haben ſo viele Krautgarten im Dorf und da kunnten wir halt auch eine Kamunikaution von am Verkehrs - mittel brauchen, wie’s die Heudorfer, unſere Nach - barn, wegen ihrem Dorfſtich kriegt haben.
Da müßt Jhr halt aus euren Krautgärten Torfſtiche machen.
Wir ham aber kein Dorflager.
Was Lager, Lager? Jn Friedenszeiten braucht man ohnedieß kein Lager. Das macht nur Un - koſten. Jch kenn’ mich überhaupt in Eurer ver -252 zwickelten Sache gar nicht aus. Geht nur auf’s Bureau Nr. 6, gleich rechts auf’m Gang drauſſen, zum Miniſterialrath Schrollmaier; der kann Euch Aufſchluß geben und wird mir nachher ſchon be - richten. Adieu! packt Euch!
Wir bedanken uns unterthänigſt, Röxcellenz, für die gnädige Auskunft.
Das iſt aber ein geſcheiter, feiner Herr.
Das will ich meinen. Und ſo niederträchtig iſt er, ſo herablaſſend!
Dieſes dumme Bauernvolk will alle Augenblick etwas Anderes.
Ah! das Portufeuille aus dem fürſtlichen Ka - binette. Legt es nur auf den Schreibtiſch hin; aber vorſichtig, damit Nichts daran verdorben wird.
Sei mir willkommen, o Wonne! Du, meines Lebensglückes Sonne!
Wie lieb’ ich dich! wie biſt du theuer mir! Verlaß’ mich nie; o blieb’ ich ſtets bei dir!
Und dem Himmel ſei’s gedankt; einen guten Magen hab’ ich. Die Verdauung iſt die Haupt - ſache für einen Miniſter, ſchon wegen alle die Diner’s und Feſteſſen, die Einer mitmachen muß.
Was will er?
Jch ſoll ein Frauenzimmer melden, welches Eurer Excellenz Aufwartung zu machen wünſcht.
Mit was oder womit will mir dieſes Frauen - zimmer aufwarten?
Das hat ſie nicht geſagt.
Jſt dieſes aufwartenwollende Wöſen anderen Geſchlechtes hübſch? Hat es aufwartungsfähige Geſichtszüge?
Gar nicht übel. Scheint vom Lande zu ſein.
Man laſſe dieſe ländliche Einfalt herein.
Sie hat alſo Audienz verlangt? Wer iſt Sie? Woher Sie? Warum Sie? Wozu Sie?
Schändlich! Er will mich nicht mehr kennen.
Ja, Jhro Excellenz; ich habe wegen eines Anliegens unterthänigſt aufwarten wollen.
Und was iſt dieſes Anliegen für eine Angele - genheit, Kleine? Nur ſchnell; man hat mehr zu thun, als ſich mit ſolchen Spagatellen abzugeben.
Für Sie mag es ein Bagatell ſein, für mich aber nicht. Kennen Sie mich wirklich nicht?
Schlipperment! Das iſt die Grethi.
Nein, mein Kind. Woher ſollte ich Sie können können?
O, Sie Nichtkenner! Sie! Sie kennen die Grethi nicht mehr?
Grethi? — Grethi? — Wie? wo? was? —
O verſtellen Sie ſich nicht ſo. Sie kennen mich recht gut. Sie wiſſen recht gut, daß Sie mir im Wirthshaus zur „ goldenen Eule ‟, wo Sie noch Jhre Zech ſchuldig ſind, das Heirathen verſprochen haben.
Welche Unverſchämtheit! — Jch — Miniſter!
Ja, damals waren Sie freilich kein Miniſter, aber ein Vielfrißter und jetzt ſind Sie der Viel - vergißter.
Schweige Sie mit ihren ungebührlichen De - prenſionen.
Jch ſchweige nicht. Jch will meine gerechten Anſprüche geltend machen. Was ein Mann ver -257 ſprochen hat, das ſoll er auch halten. Wie ich Jhnen damals in der Früh den Caffee auf’s Zim - mer gebracht habe — —
Auweh! Caffee!
Ja damals haben Sie’s geſchworen; „ Grethi, ‟ haben Sie geſagt, „ Grethi, du gefallſt mir, du „ wirſt mein Weib, ich bleibe dir ewig treu. Jch „ hole dich, ab, ſobald ich eine feſte Stellung hab ‟ — ja und lauter ſo Sachen haben’S geſagt.
Ha! Alles verlogen. Und wenn ich es auch geſagt haben hätte, was nicht wahr iſt, habe ich denn eine feſte Stellung als Miniſter? Ha du ſcheinſt mir wenig eingeweiht zu ſein in die Ver - hältniſſe des conſtitutionellen Staatslöbens.
Schändlich, ſchändlich! Mich ſo zu hintergehen! Ein armes Mädchen ſo zu verlaſſen!
Und wenn auch! — die Polutik ſteht zwiſchen uns. Du dauerſt mich; allein höhere Zwöcke bilden17258eine unüberſteigbare Kluft zwiſchen uns Beiden. Löbe wohl!
So geh’ nur, du Ungeheuer! Eine Kluft iſt zwiſchen ihm und mir. O wär’s nur eine 10,000 Fuß tiefe Felſenkluft, in die ich mich hinabſtürzen könnt’!
Die Stunde der Erlöſung naht. Dem Schick - ſal Dank, das mir den Narren in die Hände ge - führt hat! Nun habe ich nur noch ein paar Federn am Leibe, die ihm auszuziehen bleiben. Er ahnt es nicht. Jſt die letzte verbraucht, ſo erlange ich wieder meine normale Menſchengeſtalt; dieſe Se - kretärsſtelle iſt nur ein Jnterim. Mein Schloß wird aus ſeinen Trümmern wieder erſtehen und ich werde dort wieder einziehen können in verjüngter Geſtalt. Allerdings haben ſich mittlerweile die Zeiten ſehr geändert. Die ritterlichen Standesvor - rechte ſind gefallen. Nicht einmal ſiegelmäßig bin ich mehr. Meine vormaligen Unterthanen ſind nun freie ſelbſtſtändige Staatsbürger. Jch werde als17*260ſimpler Rittergutsbeſitzer ohne Gerichtsbarkeit auf Eulenſchloß leben und muß mich eben in den Fort - ſchritt des neuen Zeitalters fügen lernen. — — Er kommt! —
Ei ſieh da! mein lieber Eulert. Jch habe ſo - eben das Portefeuille in’s Cabinett explodirt. Mein Kopf iſt wieder ſehr angegriffen. Schlipperdibix! Es wird wieder eine neue Feder koſten. Mit der alten kann ich Nichts mehr anfangen. Jetzt hab’ ich Jhnen gewiß ſchon ein paar hundert Federn aus - gerupft. Nicht wahr, lieber Eulert?
Es mag ſein, aber das thut ja gar nichts zur Sache. Vorläufig muß ich Eurer Excellenz eine etwas unangenehme Mittheilung machen.
Wie? Sie machen mich ganz ſtutzig.
Es war ein Mädchen bei mir, welches mit der kühnen Behauptung auftrat, ſie habe gegründete Anſprüche auf die Hand Eurer Excellenz und ſie wende ſich an mich in dieſer Angelegenheit, weil ſie von Eurer Excellenz abgewieſen wurde — ſie wolle —
Wie? was? Schlipperment!
Ja — ſie wolle ſich an die Gerichte wenden.
Pfui Teufel! Das iſt infam. Was nicht gar? Jch — Miniſter und dieſe ordinäre Perſon!
Und doch! Mein Eulert, Mann meines Vertrauens! Ha! Mein Herz! Mein Gewiſſen. Meine Erinnerungen!
Rathen Sie, Eulert! Helfen Sie!
Excellenz!
Horen Sie, Eulert: Es war in jener ſchauerlichen Nacht, wo ich ermüdet, hungrig in die düſterſten durſtigſten Träume verſunken an den Ruinen jenes zerfallenen Schloßes nicht wiſſend wo oder wie — in ein ländliches Wirthshaus trat.
Ein liebliches Geſchöpf trat mir mit freundlichem Will - komm entgegen.
Jch weiß es. Jn jener Nacht, wo ich Sie als geheimnißvolle Eule umſchwebte.
Ja. Sie umſchwoben mich und erzählten mir eine Geſchichte, eine Geſchichte furchtbaren Jnhalts; aber ich weiß kein Sterbenswörtl mehr davon. Da trat mir Gretchen, wie ein lichter Engel entgegen.
Jch nahm damals 12 Paar Brat - würſteln, einen Schlegelbraten mit Endiviſalat und noch verſchiedenes Andere mit verſchiedenen flüſſigen Stoffen zu mir. Alles aus Gretchens Händen. O ſie war ſo lieb, ſo gut! Jch hing an ihren Blicken und ſie hing an meinen Blicken! Wir verſtanden uns bald. Zwei Herzen ſchlugen ſich entgegen. Jch ſchwur, ſie ſchwur, wir ſchwuren — kurz es war ein gemeinſchaftliches Geſchwur. Aber jetzt?! — Jch — Miniſter! Sie ein untergeordnetes Jndividuum! Furchtbarer Complex!
Excellenz, faſſen Sie ſich. Vielleicht findet ſich ein Ausweg, eine Vermittelung. Geduld und Ruhe!
Oh! Oh! — was ſoll ich thun? Jch bin conprimirt.
Doch laſſen wir dieſe Privatverhältniſſe. Die Staatspflicht geht vor. Jn einer halben Stunde muß ich zu Seine Durlaucht263 zum Vortrage. Jch brauche eine friſche Feder. Kommen Sie mit mir in mein Kabinett, damit ich Jhnen wieder eine ausrupfen kann.
Eurer Excellenz immer zu Befehl.
Unglücklicher! es iſt die Letzte!
Guten Tag, beſter geheimer Rath!
Meine Ergebenheit, Herr Staatsrath.
Kommen ſie vom Herzog?
Ei, ich vom Herzog? Wer kömmt denn noch zu Se. Durchlaucht?
Sie haben recht. Wer Anders, als der Miniſter?
Die älteſten, bewährteſten Diener läßt man fallen.
Nur Er hat ſein Ohr! Es iſt unbegreiflich. dieſer Menſch ohne Herkunft, ohne Cultur, ohne Manieren!
Der Herzog iſt entzückt von ſeinen Arbeiten.
Alles nur der Eulert. Jch kann Sie verſichern: Ohne Eulert müßte er fallen. Der iſt ſeine rechte Hand, ſein Alles.
Haben Herr Staatsrath gehört, wie er ſich vor - geſtern wieder an der Hoftafel benommen? Sie waren nicht geladen, aber ich.
Ja, ich hörte ſo Etwas munkeln.
Er fiel wieder einmal betrunken unter den Tiſch. Denken Sie ſich! Ein Glück, daß nur Her - ren und nicht auch Damen zur Tafel gezogen waren. Und Se. Durchlaucht — es iſt unglaub - lich — Se. Durchlaucht hatten wieder ungeheuren Spaß an dem Vorfall. Als man den bewußtloſen Miniſter entfernt hatte, ſagte der Herzog: „ Das iſt265 „ doch eine eigenthümliche Natur! Trefflich und „ brauchbar als Staatsmann; aber ein bischen ſon - „ derbar als Privatmann, eigentlich ohne Erziehung, „ ein Naturmenſch; aber immerhin ein guter Kopf, „ wie nicht leicht ſeinesgleichen. Und das muß mir „ doch die Hauptſache ſein. ‟ Dieß waren des Her - zogs Worte. Jch habe ſie aus dem Munde des Kammerherrn von Müller, der im Dienſt war.
Jn der That es wird ein Bischen arg. Wo will das hinaus?
Das eben frag’ ich Sie, Herr Staatsrath. Und iſt uns dieſer Parvenû nicht wie eine Bombe her - eingefallen?
Eulert hat ihn dem Herzog empfohlen.
Warum aber hat Eulert nicht ſelbſt das Porte - feuille angeſtrebt?
Das wiſſen die Götter.
Se. Excellenz kommen von Se. Durchlaucht dem Herzog.
Sei’n wir vorſichtig.
Jch verſtehe.
Ah, bon jour, bon jour, meine Herren!
Euer Excellenz hatten wieder Vortrag?
Nur ein kleines halbes Stündchen. Ja, ja, ja.
Schlipperment! Jetzt hab’ ich meine Feder drin liegen laſſen. Jch darf mich zuſammen nehmen mit den Zweien da.
Darf ich mir die Frage erlauben, ob das Bahn - netz ſchon zur Sprache gekommen?
Wie? was? das Netz? Glauben Sie, ich fiſche mit dem Herzog?
Excellenz, glaube ich, haben mich falſch ver - ſtanden.
Jch verſtehe nie falſch, damit Sie es nur wiſſen.
Wie kömmt Jhnen dieß vor?
Unglaublich.
Apripos, meine Herren! in welches Wirthshaus gehen Sie heute? Jn den „ blauen Bock ‟ oder zum „ damiſchen Löwen? ‟ Jn örſterem ſehr gute Leberwürſte, in lötzterem ausgezeichnetes Bier, die Maß um 7 Kreuzer.
Herr Miniſter, das ſind Fragen, die wir nicht beantworten können.
Weil wir derlei nicht gewohnt ſind. Wir be - ſuchen Lokalitäten nicht, in welchen der gemeine Plebs kneipt.
Wie was? wo ein gemeiner Schöps kneipt?
Da muß ich wieder eine Dummheit geſagt haben.
Ja, ja meine Herren, das268 war nur ein Geſpaß von mir.
Ha, ha, ha! Wie ſollte ich? wie könnte ich? —
Das dachten wir gleich, Excellenz. Aber darf ich fragen, wie ſteht es mit dem Erſatzpoſten für den Ausfall in der indirekten Steuer? Wie will der Herzog ſurrogirt wiſſen?
Schlipperment; das iſt mir zu hoch. Wie zieh ich mich aus dem Schlamaßel? O Feder, o Feder!
Es verſteht ſich, daß der Poſten ab - gelöſt werden muß. Der Ausfall aber war mehr ein Einfall und das angeſteckte Feuer iſt ſchon längſt gelöſcht.
Welch’ ein Unſinn! Jſt er verrückt?
Ueberhaupt, meine Herren, muß ich mir das ewige Gefrag verbitten. Jch bin kein Schulbub. Verſtehen Sie mich? — Wenn nicht, ſo ſage ich Jhnen etwas Anderes. Verſtanden?
Wie? hörte ich recht? Eine Zurechtweiſung? 269Das laſſen wir uns nicht gefallen. Wir ſind im Staatsdienſt ergraute Beamte.
Vergeſſen Eure Excellenz nicht unſere Stellung.
Was Stellung? Halten Sie’s Maul!
Ah, ah! Das iſt zu arg!
Jch bin Miniſter.
Und wenn ſechsfach Miniſter, eine ſolche Be - handlung iſt empörend. Kommen Sie, Herr Geh. Rath! Schnell zum Herzog! Es muß uns Genug - thuung werden.
Ja, der Herzog muß uns hören.
Auweh Pfutſch! Das iſt a ſaubere Gſchicht. Jetzt wird mich der Herzog auch gleich rufen laſſen, wenn die Zwei mich verklagen. Und ich hab’ keine Miniſterfeder bei der Hand! Wenn ich nur den270 Eulert da hätt! Jch weiß mir nicht zu helfen, ich lauf davon!
O Retter meines Lebens! Geſchwind eine Feder, ſonſt bin ich verloren!
Du biſt es! Die Feder, die du mir dieſen Morgen ausgezogen, es war die letzte! Jch bin erlöſt!
Herrlicher Morgen! ganz zur Jagd geeignet. Jch fühle mich ſo wohl, ſo zufrieden und bin in der That herzlich froh, daß ich endlich die mittel - alterliche Eulenhaut abgeſtreift habe. Nun bin ich auch ein ganz anderer Menſch geworden von ſittli - lichem Ernſte durchdrungen und doch voll Lebens - luſt. Ehemals ein roher ungeſchlachter Ritter, jetzt ein feiner Cavalier. Und welch’ eine angenehme Aenderung in der Lebensweiſe! Jch bin zwar in mancher Beziehung nicht ganz mit dem Fortſchritte der Zeit einverſtanden, allein gewiſſe Vortheile ſind doch überwiegend. Nehme ich nur z. B. die Um - wandlung der Schußwaffen. Wie angenehm jetzt ſo ein Lefaucheux Doppelgewehr! Pum! Pum! Du -272 plette auf zwei Haſen! und in einer Sekunde ge - laden. Und ehemals: Armbruſt, Jagdſpeer. Welche Mühſeligkeit für den Waidmann! Jetzt fliege ich in einer Stunde per Bahn in die Reſidenz; zu meiner Zeit hatte ich drei Meilen auf einem ſchwe - ren Hengſte zu trotteln. Und wie ſtehts mit Küche und Keller! An Trüffeln, Gansleberpaſteten war ja vormals nicht zu denken. Um all derartige Vor - züge verzichte ich gerne auf die Gewaltherrſchaft des mittelalterlichen Ritterthums. Das Bauernprügeln war immerhin eine ganz artige Unterhaltung und wäre auch dermalen bisweilen nicht ſchlecht angewendet; aber nun iſt man die Kerls doch los, ſeit ſie freie Staatsbürger geworden ſind. Kurz, es lebe die Cultur unſeres Jahrhunderts!
Ei ſieh’ da, die ſchöne Wirthin!
O ich weiß recht gut, daß ich nicht ſchön bin.
Rührende Beſcheidenheit bei glücklichem Be - wußtſein.
Mein Bewußtſein, Herr Baron, iſt kein glück - liches. Das wiſſen Sie ja.
Ja ſo, der Gewiſſe Abſcheuliche, Ungetreue!
Jch bin nicht undankbar und werde die Wohl - thaten, die mir Euer Gnaden erwieſen haben, nie - mals vergeſſen. Was wär’ ich denn, und was hätt’ ich denn, wenn Sie mir nicht die Wirthſchaft ge - kauft und mich zur Wirthin gemacht hätten? Aber trotzdem: Meinen Casperl kann ich doch nicht vergeſſen.
Das nehme ich Jhnen auch nicht übel und finde es auch ganz natürlich.
Sie können gar nicht glauben, Herr Baron, wie mir das nachgeht! Und wenn er noch ſo ab - ſcheulich an mir gehandelt hat, ich wollt’ ihm doch verzeihen, wenn ich nur wüßt’, wo er wär’.
Seit ſeinem Sturze habe ich Nichts mehr von ihm gehört. Er war bereits aus der Reſidenz ver - ſchwunden, als ich mein neues Schloß da bezog.
Und ich hab’ mich als Kellnerin herumgefrett’, bis ich aus lauter Sehnſucht wieder hiehergerathen bin, wo Sie ſich meiner ſo gnädig angenommen haben.
Sprechen wir nicht davon. Es iſt gern ge - ſchehen. Jch wollte die Wirthſchaft in gutem Be - triebe wiſſen. Sie waren mir aus früherer Zeit bekannt. Nun tröſten Sie ſich, liebes Gretchen. Vergeſſen Sie den Treuloſen und ſuchen Sie ſich einen braven Mann zum Wirthe. Adieu! meine Jagdgäſte erwarten mich zum Jmbiß.
Der Herr Baron hat leicht tröſten; ich bin und bleib’ unglücklich, wenn ich meinen Casperl nim - mer ſieh.
Ja! wo wird er ſein? Jch weiß freilich nicht wo. Aber ich bleib’ ihm treu und gerad jetzt am allertreueſten, weil er vielleicht im Unglück iſt. Es muß doch was Erſchreckliches ſein, wenn einer ſein Portefeuille verloren hat, wie ſie’s heißen, ſo eine Miniſtertaſchen! War ja das ſchon ein Mords - ſpektakel, wie vor 14 Tagen mein Metzger ſeine Brieftaſchen verloren hat und waren nur zwanzig Gulden drin! — Aber jetzt muß ich hinein nach die Knödel ſchau’n für die Dienſtboten. Mir ſchmeckt freilich weder Eſſen noch Trinken.
So irr’ ich denn umher — eine ge - fallene Größe! Ha! und ſind nicht größere Größen276 gefallen? Schlipperment! hab’ ich einen Hunger und Durſt! Ha! Vom Miniſter zum Bettler! Es war ein ſchauerlicher Monument, als mir der Herzog in ſeinem Cabinettl mit buwegter Stimme ſagte: „ Sie ſind entlaſſen. Geben Sie das Por - „ tuſol in meine Hände zurück. ‟ Und wie ich die große Taſchen auf ſeinen Schreibtiſch niedergelegt hab, da hat er ſein rothſeidenes Sacktüchl heraus - gezogen und hat ſich’s vor die Augen gehalten und mir wieder geſagt: „ Löben Sie wuhl! Göhen Sie, „ machen wir uns den Abſchied nicht ſchwer. ‟ Nach - her hat er ſich auf ſeinen goldenen Fotoilſeſſel nieder - geſetzt und hat geſagt: „ Mein Volk hat es gewollt. ‟ Dann hat er mir noch eine Zehnguldenbanknoten in die Hand gedruckt und hat mir hinausgewunken. Jch hab’ den Zehnguldenzettel an meinen Buſen gedruckt und bin ſo hinausmarſchiert.
Da iſt aber der Teufel draußen losgegangen. Daß ſie mich nicht geprügelt haben, hätt beinah noch g’fehlt. Alle, die mir vorher un - geheure Complimente gemacht haben — bis am Boden — haben mich mit Verachtung angeſchaut, keiner hat mich mehr gekannt! Und von dieſem Augenblicke an ſtund ich allein! — allein und verlaſſen!
Das Menſchengeſchlecht iſt treulos! — Aber, Casperl! Wie haſt denn du’s gemacht? Biſt du beſſer als die Andern? Denk’ an die Grethl!
Aber wie? wo bin ich? wohin habe ich meine Schritte gelenkt? Jſt dies nicht das Haus, in welchem ich einſt einen feierlichen Schwur ſchwur? Jſt dieß nicht der ſüße Ort jener un - vergeßlichen und doch vergeſſenen Vergangenheit, wo ich meine Tatzen in ihre böbende Hand gelögt? O fürchterliche Vergeltung des Schickſals! Gräß - liches Schickſal der fürchterlichſten Vergeltung!
Margaretha! Kannſt du mir vergeben?
Meine ſieben Knödl wären glücklich drunten. Jetzt heißt’s auf d’Wieſen zum Heumachen. Was ſitzt denn da für eine Figur?
Auweh! das iſt ja der Hausknecht, der Hiesl, der mir damals meine Stiefel geputzt hat.
Heda! Was thut er da vor’m Haus? Er iſt gewiß ſo ein Vagabund. Allo, raus mit der Sprach! Wir wollen wiſſen, wer man iſt.
Sei’n Sie mit einem Unglücklichen nicht grau - ſam! Gönnen Sie dem müden Wanderer einen Augenblick Ruhe.
Die Wanderer kennt unſer Einer ſchon. Die laſſen gern Etwas mit wandern. Marſch da! Wo iſt’s Wanderbüchl oder ein Vorweis?
Man braucht jetzt keinen Vorweis mehr. Weiß er das nicht? Hat er nicht die Verordnung im Amtsblattl geleſen, daß die Anſäßigmachung frei iſt? Alſo darf ich mich jedenfalls hier niederſetzen.
Da weiß ich Nichts davon. Das ſind nur ſo neumodiſche Sachen.
Kennt er nicht das Polizeigeſetz?
Mein Polizeigeſetz iſt und bleibt, daß man verdächte Objekte ausweist; und wenn er nicht gutwillig geht, ſo brauch’ ich meine Heugabel zum Deutlichmachen, was ich mein.’ Verſtanden? Aber zuvor will ich’s doch der Wirthin ſagen. Vielleicht gibt’s ihm a Nudl auf’n Weg oder a Stückl Hausbrod.
Von allen Thüren abgewieſen! — eine Nudl ein Stückl Hausbrod! mir — der ich auf feinen Porcellantellern Auſtern gegeſſen hab?!
Nun, was gibt’s da? Wollt Jhr was? Seid’s ein Bettler oder möcht’s vielleicht eine Arbeit?
Himmel! ſie iſt es! — Doch Verſtellung! Noch ſoll ſie nicht wiſſen, wer ich bin.
Jch bin ein armer, armer Mann.
Wenn Jhr wirklich arm ſeid, ſo will ich Euch gern Was ſchenken. Geht nur ein bißl in die Zechſtuben herein.
O, wie gut ſie iſt?
Jch bin ein armer alter Mann und ſuche eigentlich einen armen aber jungen, hübſchen Mann auf, der mein weit - ſchichtiger Vetter iſt.
So? und wer iſt denn Euer weitſchichtiger Vetter?
Ein gewiſſer verunglückter, edler Menſch. Er heißt Casperl Larifari.
Wie? um’s Himmelswillen! — Casperl Lari - fari? — Wißt ihr was von ihm? Nur ſchnell!
Liegt euch denn ſo viel an dieſem meinem Herrn Vetter Casperl Larifari?
O ſagt nur, ob Jhr etwas von ihm wißt. Laßt mich nicht ſo lang in Aengſten.
Margaretha! Sieh’ ihn hier zu deinen Füſſen!
Mein Casperl! mein Casperl! biſt du’s wirklich?
Ja, ich bin’s, bin’s, bin’s! — aber kannſt du mir noch gut ſein?
O es iſt Alles vergeſſen, weil ich dich nur wieder hab’!
Juhe! Du warſt und biſt meine allerliebſte Grethl.
Auf ewig, ewig!
Ha, ha! ſo geht’s auf der Welt. Die Ehen ſind im Himmel geſchloſſen. Jch lade mich zur Hochzeit ein.
Ei, der gnädige Herr!
Nicht Herr, ſondern Freund.
Allzugnädig, allzugnädig. Grethl, wie meinſt du? Könnten wir nicht ſchon in acht Tagen Hoch - zeit halten?
Mir iſt’s recht. Je eher, je lieber.
Jetzt hab’ ich das rechte Portefeuile erwiſcht. Das laß ich aber nimmer aus.
Da bedarfſt du auch eines Geh. -Sekretärs Eulert nicht mehr.
Nein! Nein! Dieſes Miniſterium kann ich allein verſehen.
(Der Vorhang fällt.)
Ende des Stückes.
Verlag der J. J. Lentner’ſchen Buchhandlung in München.
Druck von E. Stahl.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
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