PRIMS Full-text transcription (HTML)
Luſtiges Komödienbüchlein
Viertes Bändchen.
[figure]
München. 1871. Verlag der J. J. Lentner’ſchen Buchhandlung. (E. Stahl.)
Luſtiges Komödienbüchlein
[figure]
Viertes Bändchen.
München. 1871. Verlag der J. J. Lentner’ſchen Buchhandlung. (E. Stahl.)

Als Manuſcript gedruckt.

Druck von E. Stahl.

Jnhalt.

  • Seite
  • Kalaſiris, die Lotosblume1
  • Das Schufferſpiel41
  • Die geheimnißvolle Paſtete73
  • Die ſieben Raben95
  • Das Glück iſt blind139
  • Waldkönig Laurin185
  • Das Eulenſchloß233

Kalaſiris, die Lotosblume, oder Kasperl in Aegypten. Zauberdrama in vier Aufzügen.

[figure]

Perſonen.

  • Abuzabel,König von Memphis.
  • Kalaſiris, ſeine Tochter.
  • Amru, Hofaſtrolog und Staatsrath.
  • Marvan, Vertrauter des Königs.
  • Hakem, Obergärtner.
  • Leonardo, ein deutſcher Maler.
  • Casperl Larifari, ſein Diener.
  • Hölzlmaier, Dolmetſch und Lohndiener.
  • Nephtis, Göttin der Nacht.
  • Typhon, der Böſe, ihr Gemahl.
  • Ein Beduinenhäuptling.
  • Ein Mohr, Kameelführer.
  • Sklaven des Königs.
  • Beduinen.
  • Ein Kameel.
  • Ein Krokodil.

I. Aufzug.

Oaſe in der Wüſte. Die Lotosblume in der Mitte, von Palmbäumen umgeben. Morgendämmerung.
Geiſterchor
(hinter der Bühne).

Einſam in dem Wüſtenlande Auf dem rothen, heißen Sande Stehſt du, Arme, hergebannt; Sollſt als Blume einſam blühen Bei der Sonnenſtrahlen Glühen, Unbeachtet, unerkannt.

Kalaſiris, du die Krone Auf der Jugend goldnem Throne, Kalaſiris, Königskind! Nun gebannet und in Kummer Schmachteſt du im Zauberſchlummer, Schwankeſt hier im Morgenwind!

Typhon
[erhebt ſich aus der Tiefe unter Flammen].

Eh noch dem Meer Oſiris goldner Wagen Entſteigt, in früher Dämm’rungsſtunde nah ich1*4Nach dreißig Nächten wieder, dich zu wecken Aus tiefem Wehmuthsſchlummer, ſtolze Schönheit. Mit meinem Götterſtabe dich berührend Ruf ich dich wach: Entfaltet euch, ihr Blätter! Erhebe nun dich, Kalaſiris! Oeffne Dein dunkles Auge und der Haare Wellen Laß weh’n im Morgenlüftchen. Typhon weckt dich.

(Er berührt mit ſeinem Stabe die Blume, deren Krone ſich öffnet. Kalaſiris erhebt ſich daraus.)
Kalaſiris.

Wer weckt mich aus des Schlafes dumpfer Nacht? Wer ruft mich?

Typhon.

Typhon iſt’s, den du verſchmähteſt.

Kalaſiris.

Weh mir! Zu neuer Qual ſoll ich dich ſchau’n!

[Typhon].

Warum zur Qual? Jch hab dir Glück geboten Der Erdentochter meine Königshand. Jch wollte dich zu jenen Bräuten reihen, Die ich in meinem Reich um mich geſchaart.

Kalaſiris.

Verſchmäht hab ich dich, ja, weil dies dein Reich Der Ort der Nacht iſt und des ew’gen Fluches, Weil du des Zwieſpalts und des Haſſes Träger! 5Verſchmachten will ich lieber hier, gebannt Jn dieſem duft’gen Grab, als dir gehören!

Typhon.

Wohlan denn! Bleibe, denn du willſt es ſelber. Nur Horos, der Beglücker, kann dich retten, Der Schmachtende, der gern an Blumen nippt. Doch ob er dich in ſand’ger Wüſte finde? Hier ſucht er nicht nach Blüthen oder Küſſen. Doch immerhin! Du magſt Erlöſung hoffen Und mich verachten. Jener Tag wird kommen, An dem du gerne ſinkſt in Thyphons Arme.

[Verſinkt.] (Leiſer Donner in der Ferne.) Das Morgenroth ſteigt am Horizont auf. Oſiris zieht auf einem goldnen von weißen Roſſen gezogenen Wagen vorüber.
Kalaſiris.

Oſiris naht. Es rauſcht des Oſtens Donner, Den Mächt’gen zu verkünden, doch ich Arme Muß bei dem erſten ſüßen Hauch des Morgens Jn’s Dunkel ſinken dieſer Blätternacht!

(Während es heller Tag wird, ſinkt Kalaſiris in den Kelch der Blume, deren Blätter ſich ſchließen.) (Maler Leonardo, Lohndiener Hölzlmaier und Casperl, alle drei auf dem Rücken eines Kameeles, das ein Mohr führt, reiten herein.)
Casperl
indem er hinten über den Rücken des Kameels herabruiſcht und auf den Boden zu ſitzen kömmt.

Halt! Mir ſcheint, das iſt’s Wirthshaus.

6
Leonardo.

Die Oaſe! Laßt uns Halt machen und im Schatten der Palmen ruhen.

Steigt vom Kameele mit Hölzlmaier ab.
Hölzlmaier.

Allerdings, Herr Leonardo. Nachdem wir die ganze Nacht |geritten ſind, iſt es zweckmäßig, die heißen Stunden des Tages hier zuzubringen.

Casperl.

Das iſt eine ſaubere Wirthſchaft! Alleweil im Streuſand reiten, da fehlt nur noch die Tinten dazu. Jetzt heißt es wieder im Schatten der Palmen ruhen. Ja, wir ſind wirklich die wahren Palm - eſel. Wenn wir nur einmal in ein eigentliches Wirthshaus kämen! Mir iſt mein Bauch ſchon wie eine türkiſche Trommel aufgeſchwollen von lauter Cocusnußmilch trinken. Das iſt ein infames Ge - tränk; wenn wir nit a paar Tröpfeln Schnaps hineinthäten, ſo wären wir ſchon alle drei an der Milchruhr hin!

Leonardo.

Gedulde dich Casperl. Bedenke nur, welch ein Genuß für mich, den Maler! Dieſe Licht - und Far - beneffekte der Wüſte, dieſe Eigenthümlichkeit des Orients, dieſe maleriſchen Oaſen!

7
Casperl.

Ja, das iſt mir ein ſauberer Genuß, von dem Sie immer ſchwärmen, von dem man nichts hat und bei dem Ei’m der Magen alleweil leer bleibt, wie ein ägyptiſcher Weinſchlauch, in dem nix drin iſt.

Hölzlmaier.

Jn drei Tagen ſind wir in Memphis, der herrlichſten Stadt Aegyptens.

Casperl.

Wenn nur Sie ’s Maul halten wollten, Herr Hölzlmaier! Sie hab’n gut reden mit ihre zwei Gulden dreißig Kreuzer täglich. Ueberhaupt

Leonardo.

Still, Casperl! Das immerwährende Lamenti - ren wird mir endlich widerwärtig.

Casperl.

Ja, glaub’s gern. Sie, mit ihrer Künſtler - natur, haben gut reden. Sie leben vom Kunſt - genuß der Naturſchönheiten; aber mich bringen Sie mit der Künſtlerfahrt noch dahin, daß ich aus Hun - ger und Durſt einmal auf Jhr Farbenkaſtl einen wüthenden Angriff mach und zum Frühſtück alle < supplied > i < / supplied > hre ſogenannten engliſchen Honigfarben verſchluck.

8
Leonardo.

Die würden dir ſchlecht bekommen. Aber wie? was ſeh ich? Dieſe prächtige, eigenthümliche Blume unter den Palmen. Jch will ſie malen, denn ihr Anblick begeiſtert mich.

Hölzlmaier.

Dieſe Blume eine Lotosblume, die faſt nur am Nilfluſſe vorkömmt, iſt von großer Merkwür - digkeit. Sie blüht erſt ſeit kurzer Zeit hier und alle Naturforſcher zerbrechen ſich darüber die Köpfe, wie es nur möglich, daß ſie an einem ſolchen Platze fortkommen könne.

Casperl.

So? Da kann ich Jhnen gleich Aufſchluß geben, geſcheiter Herr Lohndiener. Wiſſen Sie denn nicht, daß die Nußkratſcher, Eichkatzeln und andere Vögel den Samen vertragen? Haben Sie bei uns zu Haus, wie Sie noch Kellner im rothen Ochſen in Schweinfurt waren, niemals zu beobachten Ge - legenheit gehabt, geſcheiter Herr Hölzlmaier, daß oft ein Tannenbaum mitten in einem Buchenwald ſteht, oder eine Haſelnußſtauden mitten unter die Birkenbäum? So hat halt den Samen zu dieſer Blum auch irgend ein Löw oder ein Krokodil im Schnabel hergetragen.

9
Leonardo.

Die Erklärung iſt wirklich nicht übel. Jch möchte aber eher vermuthen, daß der Samenſtaub durch den Wind hieher geweht wurde.

Casperl.

Da haben Sie wieder recht; das kann auch ſein. Aber mir wär’s eigentlich lieber, wenn der Wind ein halbes Dutzend Bratwürſteln und eine Bouteille Deidesheimer herg’weht hätt.

Leonardo.

Wie dem auch ſei, ich werde dort im Schatten der großen Palme mich niederlaſſen, um dieſe Wun - derblume zu conterfeien.

Casperl.

Gut. Machen Sie ihre Farbenſpritze; ich leg mich mit ’m Hölzlmaier nieder und ſchlaf meinen Hunger und Durſt aus. Geltn’s Hölzlmaier, das thun wir?

Hölzlmaier.

Jch kann Jhnen auch einige Feigen und Dat - teln anbieten zur Erfriſchung.

Casperl.

Laſſen S mich aus mit der Koſt. Da hab ich noch a Stückl Kameelkäs im Sack, der iſt mir10 lieber, und glücklicher Weiſ noch ein paar Schluck Franzbranntwein in meiner Wüſten flaſchen; denn in dieſem Terrain kann man’s keine Feld flaſchen nennen, weil’s keine Felder gibt. Der Kameel - mohr wird aber Durſt haben. Heda! Mohr! magſt en Schluck?

Mohr.

Kaki mocki bucki muki.

Casperl.

Was heißt jetzt das wieder? Das iſt doch a Teufelsſprach, das Mohriſche!

Hölzlmaier.

Das heißt, daß er gehorſamft dankt, weil er keinen Durſt hat.

Casperl.

Die Eigenſchaft kenn ich nicht. Bei mir heißt’s nicht buki muki aber alleweil ſchlucki, ſchlucki! Nun, legen wir uns halt nieder.

[Er legt ſich mit Hölzlmaier.]

Das muß ich aber ſagen: allen Reſpekt, was ſo ein Mohr und ſo ein Kameel Hunger und Durſt ertragen können! Die Zwei haben jetzt ſchon beinah acht Tag nichts gegeſſen und getrunken. Der Mohr, hat, glaub ich, kaum ein Quartl Cocusnußmilch täglich zu ſich genommen und iſt noch alleweil11 beim Zeug. Aber ſagen Sie mir doch, geſcheiter Herr Hölzlmaier: warum ſind denn die Mohren eigentlich ſchwarz?

Hölzlmaier.

Das kommt daher, Herr Casperl, weil ſie eben Mohren ſind.

Casperl.

Ah ſo! Das iſt eine ungemein ſinmeiche Er - klärung. Sie, Hölzmaier, wie haben denn Sie eigentlich die mohriſche Sprach glernt?

Hölzlmaier.

Durch Uebung während meines mehrjährigen Aufenthaltes im Orient. Und ſo bin ich denn Dol - metſch für die reiſenden Fremden geworden.

Casperl.

No, Herr Hölzlmaier, ſo a Dollpatſch hätten’s z Haus bei uns auch bleiben können.

Mohr
[ſchaut plötzlich unruhig zwiſchen die Couliſſen hinaus].
Casperl.

Sie, Hölzlmaier! Was ſchaut denn der Mohr ſo?

Hölzlmaier.

Ja, ich bemerk es auch.

12
Mohr
[zu Hölzlmaier haſtig und ängſtlich].

Gru, gru, grugru! molimani batſchki kratſchki!

Hölzlmaier.

Wie? Was ſagt er? Wär’s möglich?

Mohr
[immer lebhafter].

Gru, gru, gru! Holi, holi, holi pips!

Hölzlmaier.

Auf! Auf! Herr Leonardo! Fliehen wir! Viel - leicht können wir noch entkommen.

Leonardo
[eilt herbei].

Was gibt’s?

Hölzlmaier.

Unſer Kameelführer hat mit ſeinem ſcharfen Blicke eine verdächtige Rotte in der Ferne entdeckt. Es könnten Räuber oder Sklavenfänger ſein.

Leonardo.

Was fangen wir an?

Casperl.

Das auch noch! Hunger und Durſt, und auf d Letzt werden wir noch als Gſchlaven gefangen. Schlipperment! Jch ſteig auf einen Palmbaum ’nauf, da ſehn’s mich nit.

[Er klettert auf einen Palmbaum.]
13
Mohr.

Morotſchi, morotſchi! Kalu, kalu, moribarilari buribubu!

Hölzlmaier.

Er ſagt, ſie kommen immer näher. Raſch vorwärts! Auf’s Kameel!

[Leonardo und Hölzlmaier beſte gen das Kameel.]
Leonardo.

Komm, Casperl! Vom Baum herunter!

Hölzlmaier.

Es iſt keine Zeit zu verlieren!

Casperl
[auf der Palme].

Auweh, auweh! Meine Hoſen hat ſich an ei - nem Palmzweig eingehakelt; auweh, ich kann nicht ’runter!

Hölzlmaier.

Da läßt ſich nichts machen; wir ſind alle ver - loren. Fort! Fort!

[Der Mehr ſpringt auf’s Kameel und ſie reiten ſchnell hinaus.]
Casperl
[ſchreit].

Halt! Halt! Laßt’s mich auch mit! Halt! Die Räuber kommen ſchon! Auweh!

Jn Beduinentracht treten einige Männer auf.
Der Führer.

Dort ſeh ich das Kameel mit den Männern;14 wir können ſie nicht mehr erreichen, das Thier lauft zu gut. Aber da oben auf der Palme ſitzt ein Vogel, den wir brauchen können. Herab da, oder wir ſchießen dich herunter.

Casperl
[auf der Palme].

Pardon! Pardon bitt ich! Jch kann ja nit ’runter ſteigen.

Führer.

Wart Burſch, wir kriegen dich ſchon. Spannt eure Bogen und laßt ein paar Pfeile fliegen.

Ein paar Beduinen ſpannen ihre Bogen und zielen auf Casperl.
Casperl.

Halt! Halt! Nicht ſchießen! Jch komm ſchon!

Will herabſpringen und bleibt an der Hoſe in der Luft zappelnd oben bängen.
Führer
[lacht].

Das iſt ein kurioſer Papagei! Wart, wir holen dich. Klettere Einer hinauf.

Man nähert ſich dem Baume, zugleich zerreißt Casperls Hoſe und er fällt unter großem Gelächter der Beduinen herab.
(Der Vorhang fällt raſch.)
15

II. Aufzug.

Saal in der Reſidenz des Königs Abuzabel zu Memphis. Abuzabel ſitzt trauernd auf einem Thronſeſſel. Vor ihm ſteht der Hofmagier Amru.
Abuzabel.

Was haſt du aus den Sternen nun geleſen? Hat kein Planet ſich günſtig dir gezeigt?

Amru.

Auch dieſe Nacht iſt mir nicht hold geweſen Und hat ſich nicht des Blickes Müh’n geneigt.

Abuzabel.

Wo iſt die theure Tochter? Wo mein Kind? Du weiſeſter aus meinem Hofgeſind, Du ſollſt es wiſſen, der du ſonder Gleichen Entzifferſt der Geſtirne goldne Zeichen. Wo weilet Kalaſiris, die entſchwand Auf ſo geheime Weiſe? Nenn das Land, Den Räuber nenne! Sieh des Vaters Leid, Die Thränen ſieh!

16
Amru.

O Herr, gewähre Zeit! Gewiß, ſie ward entführt; auf ſchwarzem Roß Sah ſie mit einem Mann der Wachen Troß Jn Blitzeseile und in Weheklagen Aus Memphis Thoren unaufhaltſam jagen.

Abuzabel.

Und alles Forſchen einer Königsmacht Verlieh kein Licht in dieſes Räthſels Nacht?

Amru.

Darum die Wahrheit, daß kein menſchlich Weſen Der Räuber deiner Tochter iſt geweſen. Ein Dämon war’s und keiner von den guten, Denn jenes Roß, es ſchnaubte Feuerfluthen, Und von den Hufen ſprüht es hell empor, Als bräch der Urnacht Funkengluth hervor.

Abuzabel.

Und war’s ein Dämon weh mir! Denn ver - loren, Zum Untergang erkohren iſt mein Kind!

Amru.

Noch lebt ſie auf der Oberwelt. Jhr Stern Des Lebens ſchimmert ja, doch ſcheint er fern. Drum laß nicht ab, die Opfer darzubringen Den Göttern! Dieſe Nacht ſchon mag’s gelingen,17 Daß mir des Himmels Zeichen endlich ſagen Der Löſung günſtig Wort auf meine Fragen.

[ab.]
Abuzabel ſinkt, das Geſicht mit ſeinem Maniel umhüllend, in ſeinen Stubl zurück.
Marvan
[tritt ein].

Mein König!

Abuzabel.

Wer ſtört mich in meinem Schmerze?

Marvan.

Jch bin es. O Herr! Vertiefe dich nicht all - zuſehr in dein Leid. Gedenke deines Volkes, ge - denke deines eigenen Lebens und ſchone dich.

Abuzabel.

Wozu? Jch habe keine Tochter mehr! Sie war der Stern meines Lebens; ſie war die Blume, deren Duft mich belebte und entzückte.

Marvan.

Wenn es dir zum Troſte ſein kann, großer - nig, ſo wiſſe, daß ganz Memphis mit dir trauert, daß Tauſende in die Tempel wandern und, Oſiris opfernd, für dich um Hülfe zu flehen. Von den vielen Fremden aber, die hier verweilen, muß ich dir einen Maler nennen, welcher Aegypten durch - zogen und die Schönheiten der Natur des Landes in reizenden Bildern aufgenommen hat. Er möchte218dir ſeine Kunſtwerke zeigen dürfen und bittet dich, ihm Zutritt zu gewähren. Er harrt bereits in einem der Vorgemächer, deiner Verfügung gewärtig.

Abuzabel.

Wenn ich nicht einſähe, daß es meine Pflicht iſt, mich nicht vom Schmerze verzehren zu laſſen, und meinem Volke zu lieb dem Leben und meiner Thätigkeit als König anzugehören, ſo würde ich auch derlei von mir weiſen. Allein der Götter heiligen Willen zu ehren, mag es ſein, wie ſie es fügen. Laßt den Künſtler eintreten.

Marvan.

Sei geprieſen mein König. Wie du befiehlſt, ſo ſoll es geſchehen.

[Ab.]
Abuzabel.

Jhr Götter ſchützet mich vor Verzweiflung! Laßt mich in meinem Leid nicht untergehen!

Leonardo
[tritt ein].

Heil dir, König Abuzabel! Du haſt geſtattet, daß ich mich dir vorſtellen darf. Vielleicht kann dir meine Kunſt dienen.

Abuzabel.

Sei mir gegrüßt. Die Kunſt iſt ein Geſchenk der Götter. Sie veredelt die Menſchheit und mil -19 dert die Gemüther. Es wird mich freuen, wenn du mir Proben deiner Geſchicklichkeit zeigen willſt.

Leonardo.

Jch habe Vieles gemalt in deinem herrlichen Lande, um in meinem Vaterlande dieſe Bilder zur Beſchaulichkeit zu bieten. Die Wunderwerke der Natur wie der Kunſt habe ich getreu abgebildet. Die Reize der Nilgegenden, die Majeſtät der Py - ramiden und Tempel ſollen meinen Landsleuten im europäiſchen Weſtlande zur Bewunderung dargeſtellt ſein. Geſtatte, daß ich dir die Gemälde in deinen Palaſt bringen laſſe. Hier aber möchte ich zuerſt eine herrliche Blume dir vorſtellen, deren wunder - bare Schönheit mich zur Abbildung veranlaßte.

Abuzabel.

Es ſei. Laſſe das Bild hereinbringen.

Leonardo geht an die Thüre und läßt zwei Mohrenſclaven ein, die das Gemälde, die Letosblume tarſtellend, vor den König bringen und dann wieder abtreten.
Leonardo.

Jn einer Oaſe, drei Tagreiſen von hier, blüht dieſe herrliche Blume und ihr Duft breitet ſich weit umher.

Abuzabel
[übetraſcht und begeiſtert].

Welch herrliches Bild!

2*20
Leonardo.

Das Volk nennt ſie die Wunderblume, denn ſie ſteht allein in der ganzen Wüſte unter Palmen.

Abuzabel.

Wahrhaftig ein Wunder! Denn wie ſollte die Wüſte derlei hervorbringen? Laß mir das Gemälde. Um jeden Preis will ich es beſitzen; denn wie mit magiſch bezaubernder Gewalt wirkt es auf mich.

Leonardo.

Ganz nach deinem Willen ſteht mein Werk dir zur Verfügung, großer König. Beſtimme ſelbſt den Preis.

Abuzabel.

Begib dich zu meinem Schatzmeiſter und be - gehre was du immer willſt. Auch kannſt du in meinem Palaſte wohnen. Gehe! Der Abend ſinkt ich will ruhen, und vorher noch mich an dem Anblick deines Werkes erquicken.

Leonardo.

Wie du befiehlſt, mein König. Jch erwarte deine weiteren Befehle.

[Ab.]
Abuzabel betrachtet, ſeine Begeiſterung mimiſch ausdrückend, das Gemälde einige Zeit; dann ſinkt er auf ſeinen Thronſeſſel und ſchlummert ein. Allmählig iſt es Nacht geworden. Von Harfenklängen begleitet wird hinter der Scene der Chor geſungen:
21
Chor
[leiſe und feierlich].
Sieh die Tochter, die Gefang’ne,
Kalaſiris die Befang’ne!
Nur im Traum darf ſie ſich zeigen
Und ſich deinen Sinnen neigen.
Jn der Lotosblume Grüften
Ruht ſie in den Blätterdüften;
Möge Typhons Zauber ſchwinden,
Mögeſt du ſie wieder finden!
Während des Chores tritt in magiſcher Beleuchtung Kalaſiris aus dem Gemälde hervor, nähert ſich dem Könige, den ſie auf die Stirne küßt. Typhon erſcheint aus der Tiefe und weist ſie in die gemalte Blume zürnend zurück. (Der Vorhang fällt.)
22

III. Aufzug.

Garten in Abuzabels Palaſte. Jn der Mitte unter großen Blattpflanzen ſteht ein goldener Käfig, in welchem Caſperl eingeſperrt iſt.
Casperl.

Schlipperment! Da bin ich wieder ſchön ein - gangen. Die vermaledeiten ägyptiſchen Banditen haben mich als einen Paperl gefangen, an den Hof - gärtner des Königs verkauft und dieſer infame Kerl hat mich trotz aller Demonſtrationen und Vorwei - ſung meiner Paßkarte da hereingeſperrt. Mich in einen Käfig, wie einen Gimpel! Jn den verſchiedentlichen heimathlichen Polizeiarreſtloka - litäten habe ich doch meiſtens eine angenehme Ge - ſellſchaft gefunden aber in dieſem ägyptiſchen vergitterten Sommerhäusl möcht ich verzweifeln. Und einen Hunger hab ich und einen Durſt!

[Schreit.]

Heda, heda! Was z’eſſen möcht ich! A Bratl oder ein Voreſſen! Heda!

Ein paar Affen ſpringen herein und necken den Casperl, indem ſie mit ihren Tatzen in den Käfig greifen, ihn kratzen ꝛc.
23
Casperl.

Das iſt doch ein miſerables Geſindel! Marſch! Ruh will ich haben. Auweh, kratzt’s mich nit ſo. Marſch!

[Er ſucht ſich auf alle Weiſe zu wehren.]
Die Affen ſpringen hinaus.
Cäriner Hakem und Hölzlmaier treten ein, ohne anfangs Casperl zu beachten.
Hölzlmaier.

Aber das freut mich ungemein, Herr Moos - bauer, daß ich mit Jhnen hier ſo ganz überraſchen - der Weiſe zuſammengekommen bin.

Hakem.

Und mich erſt! Denken Sie ſich nur, wie man ſich verlaſſen fühlt im Ausland, unter lauter Frem - den, ſo ganz allein; und bis ich nur dieſe Hiero - glyphenſprach gelernt hab! Das war eine Müh, da haben Sie keinen Begriff, Herr Hölzlmaier!

Hölzlmaier.

Ja, aber ſagen ’S nur, Herr Moosbauer, wie ſind Sie denn eigentlich nach Memphis gerathen?

Hakem.

Auf die einfachſte Art. Sie wiſſen ja noch, wie ich den großen Gemüsgarten gehabt hab. Nun denken Sie ſich: da hat ſich auf einmal der Spe - kulationsgeiſt in mir gerührt und ich hab mir zu24 meinen Pomeranzenbäumen auch eine Dattelpalmen - pflanzung anlegen wollen. Zu dieſem Zwecke hab ich meinem Vetter, dem Nazi, mein Geſchäft über - geben, bin über Wien nach Conſtantinopel, und nachher mit dem Poſtomnibus nach Aegypten ge - fahren, um mir Dattelpalmen zu holen. Hier an - gekommen bin ich aber gleich in die Dienſte Sei - ner Majeſtät des Königs Abuzabel eingetreten, der grad einen Obergärtner gebraucht hat, und führe nun den ägyptiſchen Namen Hakem, das heißt ſo viel wie Mann der Blumen. Jetzt bleib ich halt ſo lang’s mir gefallt, und wenn’s mir nimmer g’fallt, ſo kehr ich wieder in die deutſche Heimath zurück und begründe eine Dattelkultur-Verſuchs - ſtation.

Casperl
(ruft aus dem Käfig).

Sie, Herr Hofgärtner, mir gefällt’s aber ſchon lang nimmer in mei’m Käfig da!

Hakem
(leiſe zu Hölzlmaier).

Auweh! Jetzt hab ich mich verrathen. Der da hinten hat bisher geglaubt, ich wär ein eingebor - ner Memphianer.

Hölzlmaier.

Potz tauſend! Das iſt ja der Bediente des Ma - lers Leonhard.

25

Ja, der Casperl Larifari. Wiſſen’s, ich hab’n auch ſchon gekannt und hab mir jetzt den Spaß gemacht, ihn als Papagei zu tractiren. Als ſol - chen hat ihn der König von einem Beduinen ge - kauft, der ihn in der Wüſte gefangen und hieher gebracht hat.

Hölzlmaier.

Das freut mich aber. Laſſen Sie ihn nur noch ein bißl zappeln da drin; denn der hat mich elend ſchikanirt auf der Reiſe durch die Wüſte mit dem Herrn Leonhard.

Hakem
(zu Casperl).

Pappolo, Pappolo! Kakelaki?

Casperl.

O mein! Verſtellen’s Jhnen nit, Herr Moosbauer; mit ihrer ägyptiſchen Abkunft iſt’s auch nit weit her. Laſſen’s mich lieber ’raus. Wir ſind ja alle drei ehrliche Deutſche.

Hakem.

Ja! Vivat das Vaterland! Kommen’s halt ’raus, Herr Casperl.

(Sperrt den Käfig auf.)
Casperl ſpringt heraus, tanzt wüthend herum und wirft Hölzlmaier und Hakem um.
26
Hakem, Hölzlmaier
(zugleich).

Oho, oho! Sie ſind ja ein Narr! Werfen S uns gar um.

Casperl.

Vivat hoch! Tres faciunt collegium, ſagt der Franzos. Jetzt geh’n wir aber gleich in’s Wirths - haus miteinander: zum roſenfarbnen Kameel oder zum himmelblauen Elephanten. Vivat hoch!

Hakem.

Halt, meine Herren! Zuvor noch ein Wort. König Abuzabel hat mich heute in aller früh ſchon holen laſſen und hat mir befohlen, mich ſogleich mit dem ganzen Hofgartenperſonale in die Wüſte zu begeben zur Oaſe Nro. 3 im Diſtrikt 2045, littera A, Polizeibezirk 11,000. Dort ſteht eine wunderſchöne Lotosblume und die ſoll ich ihm in den Hofgarten hieher verſetzen.

Casperl.

Ha! Verſetzen? Dieſes Wort iſt mir ſehr unangenehm, denn es erinnert mich erſtens: An meine Gefangennehmung, und zweitens: An je - nes Jnſtitut unſeres gemeinſamen Vaterlandes, in welchem noch einige mir gehörige Gegenſtände auf - bewahrt werden. Jch hab noch wenigſtens zwan - zig Verſatzzettel in meiner Hoſentaſchen.

27
Hölzlmaier.

Herr Hakem-Moosbauer! Dieſe wunderſchöne Blume kenne ich ja. Ein Prachtexemplar! Herr Leonhard hat ſie auf der Durchreiſe in Lebens - größe abgemalt. Jch begreife, daß König Abuza - bel ſie in ſeinen Hofgarten verpflanzen will.

Casperl.

Laſſen wir dieſe botaniſchen Betrachtungen und begeben wir uns lieber in einen Gaſthof. Jch hätt einen ungeheuren Appetit auf das Voreſſen von einem Krokodilsjungen oder auf einen geſpickten Elephantenrüſſel in der ſauren Schildkrötenſauce.

Hakem.

Nein, das iſt Alles nichts gegen die Nilpferd - leberſpatzeln.

Hölzlmaier.

Mir iſt Alles recht. Aber ein guter Wein bleibt mir immer die Hauptſache.

Terzett.
Kommt ihr Brüder, kommt geſchwind!
Hier weht gar ein heißer Wind.
Da heißt’s löſchen, löſchen, löſchen,
Sonſt verbrennt uns Leib und Seel.
28
Kommt, ihr Brüder, kommt geſchwind!
Weil wir grad beiſammen ſind,
Da heißt’s trinken, trinken, trinken,
Daß der Durſt uns nicht ſo quäl!
Löſchen, Löſchen!
Trinken, trinken!
Lölölölölölölöſchen!
Tritritritritritritrinken!
Tanzen, mit den Armen ſich umſchlingend, ab. König Abuzabel mit dem Aſtrolog Amru tritt ein.
Amru.

Weiſe und gut iſt es, mein König, daß du dich endlich entſchloſſen haſt, deine Gemächer wie - der einmal zu verlaſſen und in den Garten zu geh’n, wo die aromatiſche, milde Luft dich erquicken wird.

Abuzabel.

Jn der That, ich fühle mich leichter und athme freier. Sieh auch, Amru, hier iſt der Platz, wo die Blume zu ſtehen kommen ſoll. Mein Gärtner Hakem iſt bereits auf dem Wege in die Wüſte, um die Pflanze mit größter Kunſt und Vorſicht hieher zu bringen. Bei ihrem Anblicke will ich mich in den tröſtenden Gedanken vertiefen, daß Ka - laſiris mir nahe ſei. Oder glaubſt du, daß der29 Traum in dieſer heutigen Nacht, welchen ich dir erzählt habe, nur Täuſchung geweſen?

Amru.

O gewiß nicht, mein König. Die Begeiſter - ung, mit welcher der fremde Künſtler die Schön - heit der Blume erfaßte, die Wahrheit, mit welcher er ihre Abbildung vollendet hat, iſt nur durch die magiſche Kraft geſchehen, welche des Künſtlers Jma - gination in ſich trägt. Ja, auch die Künſtler ſind unbewußt ihrer ſelbſt Magier, denn ſie ſchaf - fen mit der ihnen von den Göttern gnädig ver - liehenen Zeugungskraft, und was dir im Traume ſich zeigte, war nur das Ausſtrömen der dem Ge - mälde innewohnenden Wahrheit.

Abuzabel.

Aber Typhon? jener böſe Dämon? jener Gott, den ich nur zu gut erkannte an ſeiner flammen - glühenden rothen Geſtalt?

Amru.

Er war nothwendig auch von der magiſchen Gewalt der Darſtellung der geheimnißvollen Blume angezogen und mußte erſcheinen. Nun wiſſen wir aber auch, daß er es geweſen, der deine Toch - ter auf feuerſchnaubendem Roſſe entführt und ſie in30 die Lotosblume gebannt hat. Es handelt ſich nur darum, ihn zu vermögen, daß er Kalaſiris aus ihrer Verzauberung frei geben wolle oder durch höhere Mächte dazu gezwungen werde. Flehe zu Typhons Gattin, der nächtlichen Nephtis. Sie ſoll dir helfen, ihren ungetreuen Gemahl zu bewältigen.

Abuzabel.

Jch will deinem Rathe folgen. Komm in den Tempel mit mir, Opfer zu bringen.

(Beide ab.)

Verwandlung.

Einſamer Platz von der Stadt Memphis, am ſchilfigen Ufer des Nils.
Casperl
(etwas benebelt) tritt ein.

Das war ein Göttermahl! Eine Suppen von Nilſchnecken. Ein Voreſſen von jungen Krokodil - ſchwanzeln. Gefüllte Straußeneier. Ausgezeichnet! Und erſt die geſpickte Löwenzunge mit ägyptiſchem Karifiolſalat! Einzig! Und dieſe Roſenbiskoten! Das laß ich mir gefallen. Und der Wein! Den Pyramidenwein haben’s ’n g’heiſſen. Der wachst um die Pyramiden herum; an lauter Spalier hän - gen die ungeheuerſten Trauben, wo eine jede einen Zentner wiegt, und jede Weinbeer iſt ſo groß wie31 eine Sechspfünder-Kanonenkugel. Ja, das Aegyp - ten iſt ein geſegnetes Land!

(Gähnt.)

Aber der Wein hat mir a bißl zug’ſetzt; ich bin wirklich ſchläfrig und will mich da ein kleines wenig nie - derlegen. So da iſt ein kühles Platzl an dem Schilfpoſchen.

(Legt ſich und ſchläft unter Schnatchen und Gähnen ein.)
Ein Krokodil taucht aus dem Schilfe, beſchnuffelt ihn, packt ihn an der Hoſe und trägt ihn fort.
Casperl
(erwachend).

Auweh! Auweh! Das Krokodil! Auweh! Zu Hülfe, zu Hülfe! Jch bin verloren! Auweh! Auweh!

(Der Vorhang fällt.)
32

IV. Aufzug.

Garten, wie im dritten Aufzuge. Der Käfig ſteht nicht mehr da, an deſſen Stelle die Lotosblume des erſten Aufzuges. Nacht und Mondſchein. Nephtis in ſchwarzem mit Sternen durchwebtem, wallendem Gewande ſchwebt auf Wolken nieder und ſteigt von den Wolken herab, welche dann fortfliegen.
Nephtis.

Jn meines Reiches Schatten ſchweb ich nieder, Durch Abuzabels Opfer hergerufen. Des Königs Leid auch kenn ich; denn ich weiß, Daß des treuloſen Gatten wild Begehren, Dem Kalaſiris widerſtrebt, aus Rache Die Schöne in die Blume hat gebannt. Verfolgen wird auch hier er die Bedrängte, Doch kam ich ihm zuvor; den Schlummernden Beraubt ich des gefeiten Götterſtabes Und mit ihm der Gewalt geheimen Zaubers. Jn meiner Hand iſt nun die Macht; befrei’n Aus duft’gem Blumenſchacht will ich die Jungfrau,33 Hervor denn, Kalaſiris, aus dem Grabe Der Blätter, die den ſchönen Leib umſchließen!

(Sie berührt die Blume mit dem Stabe.)

Erhebe dich!

(Die Blume öffnet ſich und Kalaſiris erſcheint.)
Kalaſiris.

Wer ruft mich Unglückſel’ge? Biſt du es wieder, Typhon, mich zu quälen?

Nephtis.

Nicht Typhon iſt’s, mein ungetreuer Gatte. Vertraue mir, mein Schleier ſoll dich decken, Und meine Hand wird dich zum Vater führen.

Kalaſiris
(aus der Blume herabſteigend).

Geprieſen ſei die Macht, die mich errettet! Wer biſt du? ſag es. Soll ich dir vertrau’n?

Nephtis.

Jch bin es, Nephtis, Spenderin des Troſtes, Die milden Schlummer bringt und ſüßen Traum.

Kalaſiris
(ihr zu Füßen fallend).

So ſei geſegnet, Göttin! Rettungsengel Und Tröſterin, die du mich willſt befrei’n.

Nephtis.

Jn meine Arme komme! Laß uns eilen; Jch räche dich und mich zugleich; drum folge.

(Sie umſchließt Kalafiris und ſchweht mit ihr fort.)
334
Casperl
(tritt auf).

Das iſt doch eine wunderſchöne Mondnacht; ein wahres Vergnügen in dem Garten herum zu ſpazieren. Zum Glück iſt meine Hoſen z’riſſen, ſo daß mich das Teufelsvieh von einem Krokodil hat fallen laſſen, über mich hinausgeſchoſſen iſt und ich dann durch einen kühnen Seitenſprung dem Tode der Verſchlingung glücklich entkommen bin. Jm nächſtgelegenen Wirthshaus bin ich nachher aus lauter Angſt und Schrecken umg’fallen und hab mich erſt durch den Genuß einer halben Maß Pal - menſchnapſes wieder einigermaßen erholt. Allein ich bin von der Kataſtrophe ſo angegriffen, daß ich mich veranlaßt ſehe, meine erſchöpften Gliedmaßen irgendwo unterzubringen. Auf’m Heu bin ich ſchon öfter gelegen, warum ſollte ich es nicht einmal pro - biren in einer Blume zu ſchlummern?

(Betrachtet die geöffnete Lotosblume.)

Ha! Jn dieſen Blättern will ich ruhen, die mich hier zum ſüßen Lager einladen. Ja, ich will in dieſem ägyptiſchen Krautkopf mein Nachtquartier aufſchlagen.

(Steigt in die Lotosblume.)

Ah! Da liegt man ja prächtig, wie auf einem ſammtenen Kanape. Aus - gezeichnet, vortrefflich! Da kann mich’s Kro kro dril auch nicht er wiſchen.

(Schläſt ſchnarchend ein.)
35
Typhon
(ſtürzt herein).

Hier iſt ſie! Mir entrückt. Aber auch hier weiß ich ſie zu finden. Das mit Begeiſterung ge - ſchaffene Bild iſt Abuzabel zur Viſion geworden. Jn ihr glaubte er die Wahrheit zu ſchauen. Gut, du haſt Kalaſiris, deine Tochter, geſehen; aber auch Typhon iſt dir erſchienen. Was frommt dir, die gebannte Tochter in deiner Nähe zu wiſſen? Sie bleibt dir die Blume. Nun denn, komme her - vor, du verzauberte Stolze! Mein mächtiger Scep - ter ward mir zwar entführt, aber Typhons Wort iſt von gleicher Gewalt. Hervor, Kalaſiris! Wie? Sie erſcheint nicht? Und was muß ich ſehen? Die Blätter der Blume geöffnet? Fluch und Ver - derben!

(Er ſieht in der Blume den ſchlafenden Casperl liegen.)

Jhr Götter, was iſt hier vorgegangen? Welche Macht war im Stande, Kalaſiris zu entführen? Was für ein Scheufal füllt den Kelch der Blume aus.

(Er packt Casperl und wirft ihn heraus.)
Casperl.

Schlipperment! Wer weckt mich denn ſo grob auf? Oho! Was iſt das für eine Figur aus rothem Petſchierwachs?

Typhon.

Erbärmlicher Wicht, wie kamſt du da hinein?

3*36
Casperl.

Hinein g’ſtiegen bin ich und jetzt bin ich her - ausg’fallen.

Typhon.

Nun denn! ſo magſt du dein Lager wieder ein - nehmen und darin verſchmachten!

(Er wirft ihn wieder nach einiger Balgerei in die Blume)
Typhon.

Schließt euch, Blätter, zu der Zelle, Undurchdringlich jeder Helle! Nun fort, fort, Kalaſiris aufzuſuchen!

(Verſchwindet.)
Die Blume ſchließt ſich. Man hört Casperls dumpfe Stimme.

Schlipperment! Aufmachen, ich erſtick! Auf - machen!

Verwandlung.

Saal wie im II. Aufzug. Das Gemälde der Blume ſteht noch da.
Nephtis,
Typhons Zauberſtab in der Hand, tritt, Kalaſiris führend, ein.

Hier bleibe, in des Vaters Haus geſchützt; Mir ſoll nun Typhons Zauberſcepter dienen, Um dich vor des Verfolgers Zorn zu wahren.

Kalaſiris.

O, Dank dir, holde Göttin heil’ger Nacht, Die unter deinen Schleier mich genommen!

37
Nephtis.

Sieh hier das Bild der ſchönen Lotosblume, Von ihm gedeckt biſt Allen du verborgen; Gebannt bleibſt du in des Gemäldes Hülle, So lang du ſelber willſt. An’s Tageslicht Magſt eilen du, wenn dein Erretter naht. Dein eigen Herz wird den Erwecker kennen; Jn ſeinem Arm, von ſeiner Macht beſchützt, Muß Typhon weichen, denn er iſt beſiegt. Tritt in das Bild nun. Wieder biſt Du Blume, Vielleicht weckt dich der Morgenſonne Gruß.

Kalaſiris.

Wie du befiehlſt, dein Wille iſt mir heilig.

(Sie tritt gegen das Gemälde, in welchem ſie, von Nephtis mit dem Stabe berührt, verſchwindet. Rephtis ſinkt in die Verſenkung; zugleich ſchwindet das Dunkel und heller Morgen erleuchtet den Saal.)
Chor
(hinter der Scene).
Da Nephtis entflogen,
Kömmt Horos gezogen,
Der freundlich uns lacht;
Jhr Schläfer erwacht!
Gegrüßt ſei der Morgen!
Entſchwebet ihr Sorgen
Der menſchlichen Bruſt;
Die Sonne bringt Luſt!
38
Leonardo
(tritt ein).

Noch ſchlummert Alles im Palaſte; aber mich trieb es vom Lager empor bei den erſten Strahlen des Morgens. Zu meiner holden Blume eilte ich, die geſtern im Garten des Königs noch blühte. Aber wie erſtaunt war ich? Sie war verwelkt, ihre Blätter abgefallen und verdorrt auf dem Boden umher, und mein närriſcher Diener Casperl lag in tiefem Schlafe mitten darinnen. So komme ich denn zu dir, theures Bild, das ich mit Begeiſter - ung ſchuf, um mich in der Erinnerung an die Wirklichkeit in deinen Anblick zu vertiefen. Es iſt ſo wunderbar, daß mir dieſe Blume, ſchon als ich ſie das erſtemal in der Oaſe ſah, wie ein Weſen vorkam, das von einem menſchlichen Geiſte durch - weht iſt. Aus ihrem weißen, reinen Blatte wehte es mich wie ſüßer Hauch an. Es war, als ob die Blume meine Geliebte, meine Braut wäre.

Sanfter Harfenklang läßt ſich vernehmen.

Welch zauberiſcher Klang!

Kalaſiris
(ſpricht aus der Blume).
Biſt du von mir angezogen,
Hat dein Herz dir nicht gelogen,
Denn auch meines muß ſich regen
Dir dem Sehnenden entgegen.
39
Leonardo.

Wie? Was höre ich? Zu mir ſpricht eine holde Stimme aus der Blume? Jſt es Traum, iſt es Zauber? Jch will ihr antworten:

Wunderbar geheimes Weſen,
Soll ich aus den Blättern leſen,
Daß ſie Schönheit nur umhüllen,
Sehnſuchtsträume zu erfüllen?
Kalaſiris.
Will mich zeigen deinen Blicken,
Weil die Götter es ſo ſchicken;
Ja, der Hoffnung zu vertrauen,
Sollſt du Kalaſiris ſchauen.
(Sie tritt aus dem Gemälde.)
Leonardo
(ihr zu Füßen fallend).

Wunderbare Erſcheinung! Göttliches Bild!

Kalaſiris.

Du haſt den Bann gebrochen. Jn deinem Arme bin ich gerettet!

Leonardo.

Gerettet! Und ich beſeligt!

(Sie fallen ſich in die Arme.) Zugleich tritt König Abnzabel ein.
Abuzabel.

Ja, Leonardo, du haſt ſie befreit; denn des40 Künſtlers edelſte Begeiſterung beſiegt die Gewalt der böſen Dämonen.

Donner. Unter Flammen taucht Typhon auf.
Alle.

Wehe uns, Typhon!

Typhon.

Fürchtet euch nicht! Jch bin beſiegt. Gegen ideale Mächte hab ich keine Gewalt. Kalaſiris, lebe wohl!

[Verſinkt unter Donner.]
Abuzabel.

So hat jener Traum nicht gelogen, und eine Wahrheit iſt es, daß die böſen Dämonen fliehen müſſen vor der edelſten und ſchönſten Macht. Leo - nardo! Sei mein Sohn! Kalaſiris werde deine Gattin. Jch ſegne euch.

Leonardo und Kalaſiris knieen vor dem König nieder. Rothe Beleuchtung. Aus dem Gemälde der Blume tritt Casperl in erhabener, tragikomiſcher Poſitur. Das Gemälde verſchwindet.
Casperl.

Vivat hoch! Die Geſchicht iſt doch noch gut ausgegangen.

(Der Vorhang fällt.) Ende des Stückes.

Das Schuſſerſpiel. Nach einer Erzählung von Jſabella Braun. dramatiſch bearbeitet in Zwei Aufzügen.

[figure]

Perſonen.

  • Der Amtmann.
    • Marie,

      12 Jahre alt,

    • Anton,

      9 Jahre alt,

    • deſſen Kinder.

    • Des Sternwirths langer Michel,
    • Der Bader-Hansjörg,
    • Der Lechbauern-Veit,
    • Das Victorl,
    • Sattlers Baptiſt,
    • Dorfkinder.

  • Die Tiroler

    Walburg,

  • Der alte Lukas,

    Taglöhner.

43

Erſter Aufzug.

Freier Platz in einem Dorfe. Seitwärts ein Bauern - häuschen mit Eingang und ein paar Fenſtern. Neben der Thüre eine Bank.
Michel
(einen großen Beutel voll Schuffer an ſeinen Knöpfen hängend).

Holla! Heda! Noch Keins da? Das iſt mir ein faules Geſindel. Sitzen etwa gar noch in der Nachmittagsſchule, die Tuckmäuſer. Da bin ich ein anderer Kerl. Jch bin des reichen Sternwirths Michel. Mit der Schul iſt’s vorbei; Leſen, Schrei - ben und Rechnen kann ich, was Noth thut was brauch ich mehr? Jch bin des Sternwirths Michel. Und im Schuſſern thut mir’s auch Keiner gleich von Allen wie ſie da ſind im Dorf. Jch mach’s meinem Bruder Hans nach; der iſt der erſte Ke - gelſchieber im Dorf, aber da bin ich noch zu jung dazu; was nicht iſt kann noch werden. Heda, holla! Jhr Schlingel, wo ſeid Jhr? Heißt das Wort hal - ten, wenn man ſich zuſammenbeſtellt hat?

44
Sattlers Baptiſt
(läuft herzu).

Da bin ich, Michel. Gelt? heut muß der Spielcommandant ein bißl warten. Jn der Schul gibt’s noch Tatzen; ſie haben dem Herrn Lehrer ſeinen Raſierſpiegel zerbrochen und Keiner will’s gethan haben. Da heißt’s noch ſitzen bleiben und eine Strafſchrift müßen Alle ſchreiben, weil Keines mit des Sprach heraus will.

Michel.

Das ſind aber dumme Fratzen; warum ſagen ſie nicht, wer’s war?

Baptiſt.

Ja des Baders Hansjörg hat den Spiegel ge - brochen; aber ſie halten zuſammen und will ihn Keiner verrathen.

Michel.

Das iſt aber dumm.

Baptiſt.

Und mir gefallt’s grad Michl. Schlechtes war’s nicht und da wollen ſie alle ihrem Kameraden die Strafe erſparen.

Michel.

Da wär ich nicht dabei.

45
Baptiſt.

Kann mir’s erklären; denn du biſt und bleibſt der Sternwirthsmichel oder der Jch bin Jch der an ſich immer zuerſt denkt.

Michel
(lacht).

Ha, ha! und bin noch immer gut dabei durch - gekommen. Weißt du noch, wie ich dem Maas - ſeppel die Schläge verſchafft hab, die eigentlich mir zugekommen wären?

Baptiſt.

Jch weiß ſchon noch, aber das war eben ſchlecht von dir.

Michel.

Ei ſchlecht klug muß Einer ſein. Aha, da kommt die ganze Sippſchaft aus der Schule heraus und der Lehrer ſteht unter der Thür und droht ihnen noch mit dem Lineal nach. Juhei! Jetzt geht’s an’s Schuſſern.

(Ruft.)

Da her, da her! Heut wirds luſtig. Sind des Amtmanns Kin - der auch dabei?

Baptiſt.

Die dürfen freilich nicht immer mitthun, der Vater ſieht’s nicht gern.

46
Michel.

Ja, im Amtsgarten ſpielen ſie zu Zwei Fange - mannl oder Schneiderleihmirdeinſcheer.

Marie, Anton, Hansförg, Veit, Victorl, die Vorigen.
Michel.

Grüß Gott beiſammen.

Die andern Kinder.

Grüß Gott, Michel, grüß Gott!

Michel.

Ach, und welche Ehre! Nach einer ganzen Woch erſcheinen auch wieder der Herr Anton und Mam - ſell Marie.

Anton.

Du brauchſt nicht zu ſpotten, Michel.

Marie.

Du weißt ſchon, daß wir nicht immer aus dem Haus dürfen, wenn wir auch wollten.

Michel
(im vornehmen Tone).

Wir wiſſen es, und begnadigen die Nachläſſi - gen. Alſo angefangen! Mach Einer das Grübl.

Hansjörg.

Jch mach’s, ich mach’s!

Michel.

Ja, dir thut’s Noth, Spiegelfabrikant.

47
Hansjörg.

Was? Du weißt von der Geſchicht?

Anton.

S’geht dich auch nichts an, was in der Schule vorgeht.

Alle Andern.

Nichts geht’s dich an, gar nichts, gar nichts!

Michel.

Oho, oho! Jch bin über die Sachen hinaus.

Marie.

Freilich biſt du drüber hinaus und über gar viel Anderes leider, denn ’s iſt nicht gut für dich und du biſt eben doch auch nur ein Bub, wie ein anderer, wenn du gleich des Sternwirths Sohn biſt.

Michel.

Die Mamſell iſt wieder einmal naſeweis. Du mußt einmal Schullehrerin in der Stadt werden, weil du gar ſo geſcheit biſt.

Anton.

Laß meine Schweſter in Ruh, ſonſt haſt du’s mit mir zu thun, Großmaul!

Michel
(zornig).

Was? Jch, ein Großmaul?

(Will auf Anton zu.)
48
Veit.

Ruhig und keinen Streit!

Hansjörg.

Spielen wir lieber.

Alle.

Ja, fangen wir’s Schuſſern an.

Michel.

Auch recht. Aber dem Anton iſt’s nicht ge - ſchenkt. Hat jeder gehörig Schuſſer?

Alle.

Ja, ja, ja!

Michel.

Wer will’s zuerſt mit mir wagen?

Anton.

Und gerade ich heut.

Michel.

Verſuch’s nur! Heraus mit den Kugeln!

Marie
(zu Anton bei Seite).

O Anton, fang doch mit dem langen Michel nicht an; der iſt ſo roh und ſo grob und heute, wo er’s ohnedies auf dich hat. Komm, geh’n wir lieber heim.

49
Michel,
(der’s gehört hat.)

Aha! laßt Dich das Mädel nicht mitſpielen. Nun halt Dich nur an ihrem Rockzipfel, junger Herr Amtmann.

Anton.

Schweig, Sternwirth! Jch werf

(tritt etwas gegen den Hintergrund und wirft einen Schuſſer aus.)
Michel.

Oho weit drüber hinaus. Schau ich mach’s anders.

(Er wirft.)
Die Andern.

Der Michel hat’s.

(Michel hebt die Schuſſer auf.)
Anton.

Nur weiter: Jch werf ſechs aus.

(Wirft.)
Michel.

Und ich ſechs nach.

(Wirft.)
Während ſich die Spielenden mit den andern Kindern gegen den Hintergrund ziehen, tritt Marie allein vor.
Marie.

Ach! wenn ich ihn nur wegbringen könnte von dem Spiel. Der Vater hat wohl recht, wenn er ungern ſieht, daß wir da mitmachen, beſonders wenn auch Sternwirth’s Michel dabei iſt. Mir iſt’s immer lieber zu Haus im Garten. Mein Bruder und die Vöglein, die da ſo fröhlich hauſen,450ſind meine liebſte Geſellſchaft.

(Tritt an das Häuschen.)

Was macht denn heut unſere alte gute Walburg? Muß doch ſeh’n.

(Zum Fenſter hineinrufend.)

Walburg! Walburg! biſt Du zu Haus?

Die alte Walburg
[am Fenſter, ſpricht tirsleriſch.]

Bin ſchon z’Haus, Madl, aber’ſch will nim - mer geh’n mit mir. Komm en bißl herein zu mir. Jch muß das Fieber haben, denn’s beutelt mich elend.

Marie.

Wart, ich komm zu Dir und bleib bis die Buben ausgeſpielt haben.

(Ab in’s Haus.)
Nun nähern ſich die Spielenden wieder.
Anton.

Alles verloren! o weh!

Michel.
(lacht.)

Ausbezahlt, Herr Amtmann! ich verlange kein Geld, aber die Schuſſer die ich gewonnen hab.

Anton.

So viel hab ich nicht mehr.

Michel.

So bring ſie morgen; Credit kannſt Du haben; aber die ſchlechten Lehmkugeln mußt du dann auch austauſchen.

51
Biktorl
(zu Anton.)

Von mir haſt Du zwölf geborgt.

Bernhard.

Und von mir vierundzwanzig.

Beit.

Fünfzehn Gute von mir.

Anton.

Seid nur ruhig. Jhr kriegt alle eure Schuſſer wieder.

Michel.

So! heut iſt’s aus. Jch muß nach Haus zum Wurſtfüllen, denn morgen gibt’s Hochzeit bei uns. Heiſa, Kinder, da geht’s luſtig her! Alſo, Moſſje Anton meine Schuſſer nit vergeſſen! Vor der Schule kommen wir hier zuſammen, da werden die Schulden bezahlt.

(Geht ſingend ab.)
Biktorl.

Armer Anton, heut haſt aber viel verloren.

Anton.

Thut nichts; ein andersmal gewinn ich wieder.

Bernhard.

Geh’n wir. Mich hungerts nach den Nudeln.

Alle
[Anton ausgenommen.]

Geh’n wir, geh’n wir! ’s iſt Zeit.

4*52
Anton
[allein.]

Da ſteh ich jetzt und weiß mir nicht zu helfen. Dem Michel will ich nichts ſchuldig bleiben; das wäre eine Schande. Und woher nehmen? Die Schuſſer alle zu kaufen, braucht ich vierundzwanzig Kreuzer. Mein Monatgeld iſt bereits verbraucht. An die Sparbüchſe trau ich mich nicht; denn da müßte ich der Mutter ſagen warum und wozu. Das iſt eine böſe Geſchichte. Wo iſt denn die Marie? Die wird ſchon heimgelaufen ſein. Viel - leicht kann die mir helfen; denn wo’s möglich iſt, thut ſie’s. Aber auch ſie hat von dieſem Monat nichts mehr übrig. Jedenfalls kann ſie rathen, wie’s anzufangen iſt.

[Ab.]
Marie, die alte Tirolerin aus dem Hauſe fübrend.
Marie.

So, gute Walburg; ein bischen Luft ſchöpfen kann Dir gewiß nicht ſchaden; ’s iſt ja heut warm und ſchön. Setz Dich auf die Bank nieder und ich leiſte Dir Geſellſchaft.

Walburg.

’s iſcht mir ſchon recht, Madl und iſcht allweil beſſer in Gott’s freier Luft, als in der Stub’n drinnen.

53
Marie.

Ein Glück iſt’s, daß Du ſo ein nettes Stübl haſt, wenn Du nicht in’s Freie hinauskannſt.

Walburg.

Ja Madl, dank tauſendmal, daß mir die gnä - dig Herrſchaft das Stübl da beim Lucas angewieſen und mir’s nix koſtet.

Marie.

Nun, das war aber natütlich; die Herrſchaft kennt Dich ja ſchon gar lang.

Walburg.

Jch mein’s wohl. Hab ja ſchon der ſeligen alten gnädigen Frau Gott tröſt ſie allwegs die Handſchuh geliefert und auf Michaeli wird’s grad fufzig Jahr, daß ſie mir im Schloßgarten droben das erſte Paar abgekauft hat.

Marie.

Das iſt eine ſchöne Zeit, Walburg.

Walburg.

Wohl, wohl, ’iſcht’s a ſchöne Zeit. Damals bin ich aber a luſchtig und hübſch Tirolermadl ge - weſ’n und jetzt bin ich en alt’s Weib und en arme Wittib. Seit mir die Franzoſen meinen guten An - toni vor der Hütten weggeſchoſſen haben, hab ich54 mich halt durchbringen müſſen durch die Welt und hätt ich jetzt net frei Loſchi von der gnädigen Herrſcharft, die ſich erbarmt hat, und ein bißl Al - moſen von gute Leut, ſo müßt ich verhungern, denn ich kann ja nimmer in’s Tirol heimmaſchiren und mir Handſchuh oder Hoſenträger holen zum verhandeln, oder Spielhahnfedern und Gamsbart.

Marie.

Die Leut hier haben Dich immer gern gehabt, Walburg; haſt ihnen ja auch viel Gut’s erwieſen, ſo oft Du heraußen warſt.

Walburg.

Wohl, wohl. s’muß halt einer dem andern helfen, aber’s geſchieht halt nit immer.

Marie.

Aber ſag mir doch, Walburg, warum haben denn die Franzoſen Deinen Mann erſchoſſen?

Walburg.

Sie haben ja auch den Sandwirth, den Andreas - Hofer erſchoſſen, weil er zu ſei’m Kaiſer gehalten hat. Wirſcht’s wohl ſchon g’hört oder g’leſen ha - ben im Geſchichtbüchel, wie der Krieg im Tirol war und wir wieder Kaiſerlich geworden ſind. Wir hätten weiter nix gegen den König von Bayern55 g’habt: das war wohl ein guter Herr; aber das Schreibervolk hat uns Alles genommen und das hätten wir auch noch gelitten, dem König zu lieb; aber wie ſie uns auch unſern guten Glauben neh - men haben wollen, da haben unſere Mannsleute waltern aufbegehrt.

Marie.

Ei, den Glauben haben ſie euch nehmen wollen?

Walburg.

Wohl, wohl. War ja ſelber g’rad dabei, wie ſo ein vornehmer Schreiber oder Amtmann den Herrn vom Altar weggeſtoßen hat und wie er die Muſikanten auf dem Chor gezwungen hat, daß ſie ihm einen Tanz aufſpielen und wie er die Mädeln aus die Kirchenſtühl geriſſen hat und mit uns hat tanzen wollen. Sind aber alle ’nausg’laufen und dann hat er die Soldaten kommen laſſen.

Marie.

Ach, das iſt ja fürchterlich!

Walburg.

Ueber ein Weil hat’s aber ſchon gekracht vom Berg herab und der Krieg iſt nachher losgangen und die Weiber haben auch dazu geholfen. Meinen,56 Antoni aber haben die Franzoſen vor unſerm Haus erſchoſſen, weil er ein paar Tirolerſchützen verſteckt hat. Das war ein Elend, Marie. Nachher ſind wir wieder Kaiſerlich worden, aber mein Mann, der ſelige Anton, war todt. Jch hab nachher in ei’m Stübl bei einer Bas’n gehaust und hab halt meine kleine Handelſchaft getrieben und bin wohl weit umenand gekommen. Jetzt hab ich Ruh und verlang mir nix als ein ruhiges Sterben und fröh - lich Auferſteh’n.

Marie.

Ei was! Du kannſt noch lang leben, Walburg.

Walburg.

’s hat Alles ſein End auf der Welt, wann’s an der Zeit iſt. Jch ſpür’s aber. Der Tod hat ſchon anklopft bei mir an der Thür. Jſcht mir heut Nacht auch meine Holzuhr abg’laufen und ich kann’s und mag’s nimmer aufzieh’n.

Marie.

Geh, liebe Walburg, ſei getroſt.

Walburg.

Bin ja getroſt, mein Kind. Auf Gottes Barm - herzigkeit hab ich immer Alles geſtellt und mein Herr und Heiland wird mir auch in meiner letzten57 Stund gnädig ſein. Geh Marie, führ mich wie - der in mein Stübl; mir wirds ſchlecht, muß mich in’s Bett legen.

Marie.

So komm, gute Walburg. Jch will Dir helfen.

[Beide ab in’s Haus.] Abendgebetläuten. Marie tritt nach einer kleinen Pauſe aus dem Häuschen kniet nieder und faltet die Hände zum Gebet. (Der Vorhang fällt)
58

II. Aufzug.

Anton. Marie [in die Schule gehend.]
Marie.

Anton, ich habe Dir zu lieb doch Unrecht ge - than, als ich Dir am vorigen Donnerſtag den Vier - undzwanziger gab.

Anton.

Beruhig Dich, Schweſterlein. Jch kann dir’s beweifen, daß du kein Unrecht thateſt. Höre: die Mutter gab Dir alſo fünf Zwanziger, um ſie der alten Walburg zu bringen. Sage: fünf und nicht wie ſonſt gewöhnlich des Monats nur vier. Die Mutter mußte ſich überzählt haben. Nun weißt Du, bedurfte ich, Dein geliebter Bruder, gerade 24 Kreuzer; denn hätte ich ſie nicht gehabt, ſo hätte ich an den groben Wirthsmichel meine Schuſ - ſerſchuld nicht abtragen können.

Marie.

Und da hätt’ſt Du vermuthlich Schläge von ihm bekommen.

59
Anton.

Und wie! Denn ſeine Fäuſte geben aus und ich wäre ihm auch nicht Herr geworden, denn er iſt ja viel älter und ſtärker als ich. Deine ſchwe - ſterliche Liebe hätte das nicht anſehen und ertragen können. Von dem fünften Zwanziger wußte ja die Walburg ohnehin nichts und hatte ihn auch nicht erwartet. Auch wollte ich ihn redlich aus meinem nächſten Monatgelde wieder erſtatten.

Marie.

Ja, aber ſieh Anton, wenn die Mutter dieß - mal der Walburg fünf Zwanziger geben wollte, ſo war das ihre Sache und geht uns Kinder nichts an.

Anton.

Gedenk’ſt Du denn nicht der Prügel, die ich be - kommen hätte? Das hätten Mutter und Vater doch auch erfahren, und es hätte ihnen Kummer gemacht; und überdieß hätte ich dann der Walburg noch extra Etwas bei den Aeltern aus meiner Sparbüchſe erbeten; das geſchieht auch noch. Jn zwei Tagen bekommen wir unſer Monatgeld und dann wird die Sache herrlich abgemacht. Vorläufig hat Wal - burg wie gewöhnlich ihre vier Stück Zwanziger.

60
Marie.

Mich drückt’s aber doch, und ich kann der Mutter ſeither nicht mehr recht in die Augen ſehen.

Anton.

Jch ſchon; denn wir hatten keine ſchlechte Ab - ſicht bei der Sache. Der Vater hat gar oft ge - ſagt: ein Schuldenmacher ſei nicht viel beſſer, als ein Dieb; alſo war es meine Pflicht, nach jedem erlaubten Mittel zu greifen, dem langen Michel Nichts ſchuldig zu bleiben.

Marie.

Du legſt’s Dir recht pfiffig zu recht; ich aber bleib dabei: ich hätte Dir nicht nachgeben ſollen.

Anton.

Geh, laß das. Komm in die Schule, ’s iſt hohe Zeit.

[Beide ab.]
Taglöhner Lucas kömmt aus dem Hauſe.
Lucas.

Ei, ei! die Walburg will mir nit recht gefallen, das heißt, inſoweit man das zu ſagen pflegt; denn warum ſollt mir die Walburg nicht gefallen? Sie war immer ein braves Weibsbild; aber das Ge - fallen oder nicht Gefallen iſt hier was anders. Kurz die Walburg will mir nicht recht gefallen, in -61 ſofern das gute Weib, wie ich glaube und befürchte, nicht mehr lange leben wird. Heut zum Beiſpiel machte ſie ganz curioſe Augen auf mich, als ob’s nit richtig ſei mit ihr; auch iſt ihre Naſenſpitz noch feiner zugeſpitzt, als jemals, und wenn ſie was reden will, ſo geht’s nicht und ſeit drei Tagen hat ſie nur ein paar Löffel Supp hinuntergebracht. Die Sach iſt immer bedenklich, weßhalb ich’s auch be - dacht hab und jetzt ohne weiters zuerſt zum Bader und nachher zum Herrn Pfarrer gehen will. Frei - lich: der Bader, obgleich er ſchon manche Kur präſtirt hat, hat doch noch Niemand am Sterben gehindert, wenn’s an der Zeit war und überdieß iſt er eigentlich ein Eſel, der am lieben Vieh her - umprobirt, wenn’s krank iſt, geſchweige erſt das Ebenbild Gottes, den Menſchen, maltraitirt und in die Ewigkeit ſchon Manchen expedirt hat, eh’s ihm lieb war. Was aber den Herrn Pfarrer anbelangt, ſo kann ja der geiſtliche Zuſpruch, und was ſonſt noch Heiliges dabei iſt, niemals zu früh kommen, dieweilen aber wohl zu ſpät, wenn nemlich die arme Seele auf den Herrn Pfarrer nicht mehr hat warten können und ſchon vorher abgereift iſt. Gott hab ſie ſelig. Alſo könnt’s auch bei der alten Wal - burg geſchehen; ich will alſo nach reiflicher Ueber -62 legung und um keine Zeit zu verlieren, zuerſt den Herrn Pfarrer holen, und hernach den Bader Stopfl - maier. Ei, ei! die gute Walburg! Wäre mir wahr - haftig recht leid um ſie, hat mir immer ſo ſchöne Geſchichten aus dem Tirolerkrieg erzählt, wenn wir ſo Winter’s beiſammengeſeſſen ſind und ich mein Pfeifl geraucht, während ſie geſponnen hat. Sie iſt aber auch ſchon hübſch bei Jahren, die Walburg. So ein 10 Jähr’ln iſt ſie mir ſchon vor. Geduld, Geduld! Jch komm auch ſchon nachgefahren einmal, wenn der klapperdürre Poſtillon mich herausblast: Tra, tra, tra, tra weh, weh, weh, weh!

(Jm Abgehen.)

Ei, ei! die alte Walburg! Ei, ei! will mir nicht gefallen

(Ab.)
Anton.

Alſo heute keine Schule. Wir hatten’s vergeſſen, daß des gnädigen Herrn Namenstag iſt; drum war auch der Vater heut ſo aufgeputzt, um ſeine Auf - wartung zu machen und den Jägertoni habe ich auch ſchon in Gala von Weitem in’s Wirthshaus gehen ſehen, einen bordirten Hut auf dem Kopfe mit grünen Gocklfedern und den Hirſchfänger an einem goldenen Borten umhangen. Um ſo einen Jäger iſt’s doch was Schönes. Jmmer im Walde draußen unter den grünen Tannen und bei Hirſchen63 und Rehen. Heiſa! wenn’s dann aus der Büchſe knallt: Puff! Puff!

Marie
(unbemerkt hinter ihm, ſchlägt ihn auf die Schulter.)

Puff! Puff! Schlingel! Warum nicht zu Hauſe? Haſt Du nicht Deine Aufgabe für morgen zu machen?

Anton.

Oho, Mamſell! Sie hätten mich beinahe er - ſchreckt, wenn ich nicht ein Mann wäre.

Marie.

Alſo!. Mann erfülle Deine Pflicht und geh mit mir heim an die Arbeit. Nachmittags dürfen wir in den Wald; es werden noch Kränze gebun - den für heute Abend zur Gartenbeleuchtung.

Anton.

Da bin ich auch dabei. Während Jhr das Laub windet, werde ich mit meinem Gewehre einen Rehbock ſchießen.

Marie.

Böcke kannſt du genug in deinen Schulaufgaben finden, brauchſt nicht in den Wald zu laufen.

Anton.

O, Mamſell Superklug, ich bedarf Deiner Witze nicht.

64
Marie.

Sieh da kömmt der alte Lukas.

Lukas. Die Vorigen.
Anton.

Guten Tag, Lukas!

Lukas.

Auch guten Tag, ihr Kinder.

Marie.

Heut iſt wohl keine Arbeit wegen des gnädigen Herrn Geburtstag.

Lukas.

Jch könnte ſchon mithelfen zu den Feſtivitäten, aber ich muß heut zu Haus bleiben.

Anton.

Warum zu Haus?

Lukas.

’s geht nicht gut mit der Walburg.

Beide Kinder.

Wie die Walburg?

Lukas.

Ja gerade komm ich vom Bader und hab ihn holen wollen, iſt aber über Land bei einem Kranken. Der Pfarrer iſt ſchon drinnen bei ihr;65 iſt durch das Gartenthürlein hineingegangen, geiſt - lichen Troſt zu bringen.

Anton.

Sag, Lukas, wie meinſt Du das?

Lukas.

Jch mein halt, daß es mit der alten Walburg heut zu Ende geht.

Marie.

Um’s Himmelswillen! ſie wird doch nicht ſter - ben?

Lukas.

Einmal muß’s doch ſein. Sie iſt gewaltig ſchwach und’s will mich bedünken, daß ſie ſo all - gemach verhungert.

Marie. Anton
(zugleich.)

Mein Gott! verhungert.

Lukas.

Das verſteht ihr freilich nicht, aber die Geſchichte iſt ſo: Hört’s nur: Wir armen Leute eſſen uns ſel - ten ſatt, weil wir eben arme Leut ſind. Und hört’s nur, Kinder da ſchrumpft uns ſo nach und nach der Magen ein und wird immer kleiner, weil er nie voll iſt. Endlich dörrt er ganz zuſam - men, abſonderlich wenn man alt iſt und keine rechte566Leibesſtärkung hat. Jch helf mir ein bißl hie und da mit einem Gläsl Branntwein auf. Aber die alte Walburg hat den Schnaps nicht gemocht und was hätt ſie ſonſt gehabt, die gute Walburg? Haben ihr kaum die vier Zwanziger ausgereicht, die ſie von Eurer Mutter des Monats bekommen hat. Hie und da hat ihr freilich die gnädige Herr - ſchaft was geſchickt; aber’s war nicht zu verlangen, denn die hat ihr ja das Stüblein bezahlt und für den Winter ’s Holz gegeben. Wär wahrhaftig nit mehr zu verlangen geweſen.

Anton
(in Thränen ausbrechend.)

Alſo verhungert! verhungert!

Lukas.

So ungefähr, weil’s doch einmal ſein muß. Aber was verſchwätz ich mich da, ich ſollte ſchon längſt wieder bei der Walburg ſein werd wohl bald zum Meßner laufen müſſen, daß er’s Sterbe - glöcklein läut’t.

(Ab in’s Haus.)
(Die Vorigen.)
Anton.

Die Walburg ſtirbt, die Walburg ſtirbt! und ich bin Schuld daran. Hätt ich ihr nicht den Vierundzwanziger genommen, ſo hätt ſie noch was gehabt.

67
Marie.

Die arme Walburg! Anton, ’s könnte wohl ſo ſein, daß ſie ein paar Tage länger gelebt hätte. Anton! Anton!

Anton.

Jch möcht verzweifeln! Marie was ſoll ich thun? Jch ſtürz mich ins Waſſer! O weh, o weh! ich bin ein abſcheulicher Bub, ein Mörder, wenn die Walburg ſtirbt.

Marie.

So arg iſt’s wohl nicht; aber dein Leichtſinn wird nun beſtraft. Jch getrau mich gar nicht hi - nein zur Walburg, ſo weh thut mir’s.

Anton.

Was ſoll ich erſt ſagen? was ſoll ich thun? Hilf mir Marie! Was fang ich an in meiner Ver - zweiflung?

Lukas eilt aus dem Hauſe.
Marie
(angſtvoll.)

Wie ſteht’s Lukas? wohin, wohin?

Lukas.

’s iſt ſchon vorbei mit der guten Walburg; Gott tröſt ſie; und ſchön iſt ſie geſtorben, wie eine Heilige. Euer Herr Vater war dabei, der5*68hat ihr die Augen zugedrückt; er war vorher mit dem Pfarrer gekommen. Jch lauf in die Kirch, wegen dem Sterbläuten.

(Ab.)
Marie, Anton fallen weinend auf die Knie. Aus dem Hauſe tritt der Amtmann.
Amtmann.

Gott hab ſie ſelig! ’s war eine gute brave Seele. Wie? Kinder, ihr da?

Anton
(des Amtmanns Knie umklammerud.)

Mein Vater! Verzeihung! Verzeihung!

(Kann vor Weinen nicht weiter reden.)
Amtmann.

Was ſoll das heißen? Was haſt du begangen?

Marie.

Lieber Vater, Anton meint, daß er an der Walburg Tod ſchuld ſei.

Amtmann.

Was ſchwätzeſt du da?

Anton.

Ja, Vater, ich muß es jetzt geſtehen und ich wollte es Dir und der lieben Mutter ſagen, allein erſt dann, nachdem ich meinen Fehler gut gemacht hätte.

(Kann vor Weinen nicht mehr weiter reden.)
Amtmann.

Nun? ich verſteh Euch nicht, Kinder.

69
Marie.

Um ſeine Schuld im Schuſſerſpiel abzutragen, beredete mich Anton ihm von dem Geld zu geben, das die Mutter der Walburg durch mich überbrin - gen hieß und da meint nun Anton, ſie ſei deshalb verhungert.

Amtmann.

Was muß ich von Euch hören? Das war ab - ſcheulich; nie hätte ich ſo etwas vermuthet.

Anton.

Die höchſte Noth veranlaßte uns, denn ich hatte nichts mehr vom Monatgelde übrig, die letzten 12 Kreuzer gab ich der Mutter für die kranke Joſepha.

Amtmann.

Nichtsdeſtoweniger war Deine That eine Unter - ſchlagung.

Anton.

O Gott, wie hab ich’s ſchon bereut! Jch gäbe ja Alles, Alles, um mich von der Sünde rein zu waſchen!

Amtmann.

Gut, daß ich Euer Herz kenne; ich will dieſen Fehler dem kindlichen Leichtſinn zuſchreiben; nehmt70 Euch aber eine Lehre daraus für die Zukunft. Jede Sünde beſtraft ſich durch ſich ſelbſt in ihren Folgen.

Marie.

O wir wiſſen es. Gewiß, gewiß aber, lieber Vater, hatte der Anton den feſten Vorſatz, der Wal - burg noch mehr zu geben, als er ihr vorenthalten hatte.

Amtmann.

Einerlei! Das entſchuldigt nicht die That.

(Man - hört das Todtenglöcklein.)

Hört man läutet für die gute Walburg. Verhungert iſt ſie nicht, Anton. Dieß möge Dein angſtbeſchwertes Herz einigermaßen erleichtern. Denn in ihrer kalten Hand fand ich dieß Lederbeutelchen, vier Gulden darin und ein Zettelchen, worauf von ihr ſelbſt geſchrieben ſteht: Gebt’s den Armen, ich brauch’s nicht mehr. Die gute Seele! Jhr Tod war Folge der Alters - ſchwäche.

Marie und Anton.

Gott ſei Dank!

Amtmann.

Nun aber geht in die Kirche. Betet aus vollem Herzen für Walburg zum lieben Gott und entledigt Euch Eurer Schuld durch das Gefühl der wahrhaftigſten Reue.

71
Anton.

O, wie gerne thun wir’s! Wenn aber auch nur Du mir verzeiheſt, lieber, lieber Vater!

Marie.

Und mir!

Amtmann.

Die Angſt, die Du ausgeſtanden haſt, Anton, möge Dir als Strafe angerechnet werden. Das Vergehen Deiner Nachgibigkeit, Marie, will ich der Schweſterliebe zu gut halten. Jch verzeihe aber

Marie und Anton
[dem Vater die Hände küſſend.]

Nie mehr! Nie mehr!

(Der Vorhang fällt.)

Die geheimnißvolle Paſtete. Jntermezzo in einem Aufzuge.

[figure]

Perſonen.

  • Anſelmus Katzenberger,

    Profeſſor und Magier.

  • Jakob,

    ein alter Taglöhner.

  • Margareth,

    deſſen Weib.

  • Casperl Larifari,

    Privatier.

75
Waldgegend.
Katzenberger
in ſchwarzem Ueberrock und Hut, als Spazierſtock einen Zauberſtab in der Hand, tritt pathetiſch ein.
Arie.
Jch bin ein weiſer Magier
Und nebenbei auch Zauberer,
Gelehrt in allen Schriften
Und will nur Gutes ſtiften.
Drum geh ich oft umher im Land
Jm ſchlichten Rock und unerkannt,
Bin ſtets beinah auf Reiſen,
Wohlthaten zu erweiſen.
Die Zauberkunſt iſt angenehm,
Man lebt zufrieden und bequem
Und kann leicht Alles haben
So will ich jetzt mich laben.

Ja, von meiner Morgenwanderung bin ich in der That etwas hungerig und durſtig ge -76 worden. Ein kleines Frühſtück wäre wohl am Platze.

(Zaubert.)
Stäblein reck Dich,
Tiſchlein deck Dich,
Hocuspocus
Melibocus!
(Es erſcheint vor einer Raſenbank ein gedecktes Tiſchchen.)

Gut bedient!

(ſetzt ſich.)

Cotteletten. Was für ein Weinchen? Ah! Bordeaux Lafitte. Ganz zufrieden.

(Trinkt.)

Auf das Wohl meiner Ahnen! Heil euch, die ihr in der Tiefe der ägyptiſchen Pyramide Mandſchelmuſa bis zur nächſten Seelenwanderungs - periode im Mumienſchlummer ruhet! Heil euch hei - ligen Katzen von Bubaſtos! Damit aber ein hochgeehrtes Publikum im Klaren ſei, bemerke ich, daß meine Familie aus Aegypten ſtammt, wo Magie und Zauberkunſt ihre Wiege haben. Meine Vorfahren, von beſagten bubaſtiſchen Katzen ſtam - mend, fanden ſich veranlaßt, bei der großen ägyp - tiſchen Finſterniß, weil ſie nichts mehr ſahen, nach Europa unter dem Namen Katzenberger und Com - pagnie auszuwandern. Mein Vater war Apotheker und hinterließ mir in einer verſiegelten Opodeldokblech - büchſe die Geheimniſſe der Magie. Jch hatte Na - turwiſſenſchaften ſtudiert, ward Profeſſor extra -77 ordinarius, Mitglied mehrerer wiſſenſchaftlichen Ge - ſellſchaften und lebe nun als Privatgelehrter und Magier, mich ganz den Jntereſſen der Humanität widmend. Jetzt bin ich ſatt. Appage!

(Das Tiſchchen verſchwindet.)

Da kommen Leute. Jch will mich zur Beobachtung etwas zurückziehen.

(Seitwärts ab.)
Jakob mit einer Helzart. Margareth einen Bündel Reiſig auf dem Rücken.
Margareth.

Jch muß ein wenig raſten, denn ich bin müd.

Jakob.

So raſte.

Margareth.

Es iſt kein Spaß, eine Stunde her das Holz auf dem Buckel ſchleppen.

Jakob.

Jch ſetz mich auch ein bißl. Es iſt kein Spaß, den halben Tag Holz hauen im Wald draußen.

Margareth.

Ueber Mangel an Arbeit kann ſich keines von uns beſchweren.

Jakob.

Muß ſein; denn im Schweiße Deines Ange - ſichtes ſollſt Du Dein Brod eſſen , hat unſer Herr - gott im Paradies geſagt.

78
Margareth.

Ja, das weiß ich auch; aber zu wem hat er es geſagt? Zum Adam, nicht zur Eva. Weil der Adam ungehorſam war und in den Apfel gebiſſen hat

Jakob.

Den ihm die Eva gereicht hat, verſtanden? Und was hat er zur Eva geſprochen? Daß der Mann ihr Herr ſein ſoll.

Margaretha.

Das war ein ſauberer Herr der Adam! der ſeinen Fürwitz und ſeine Neugier nicht be - zähmt hat.

Jakob.

An der ganzen Geſchicht, war doch nur die Eva ſchuld. Sie war die Neugierige; ſie war die Fürwitzige.

Margareth.

Wenn die Schlange nicht geweſen wär, die die Eva verführt hat, ſo wär auch weiter nichts geſchehen, und Du brauchteſt kein Holz zu hacken und ich brauchte das Reiſig nicht zu tragen, das uns der Förſter immer überläßt.

79
Jakob.

Euch Weibern fehlt’s nie an Ausreden; wenn aber wieder ſo ein Goldapfelbaum aufwüchs Du und alle Anderen würden’s doch wieder wie die Stammutter der Menſchheit machen.

Margareth.

Und ihr Mannsbilder wäret auch nicht geſchei - ter, als der Altvater Adam. Laß uns nicht weiter ſtreiten; geh’n wir lieber heim, daß wir zu unſerer Supp kommen. Jch verlang mir keine Paradies - äpfel.

Jakob.

Jch auch nicht; mir ſind unſere Schalznudeln lieber. Komm, Alte.

(Jm Abgehen tritt ihnen Katzenberger entgegen.)
Katzenberger.

Grüß Euch der Himmel, gute Leute.

Jakob.

Ebenfalls, aufzuwarten.

Katzenberger.

Jhr habt ja ein wenig geſtritten miteinander, wie ich im Hergehen vernahm.

Margareth.

So was kommt bisweilen bei uns vor, aber das hat weiter nichts zu bedeuten.

80
Jakob.

Das geſchieht nur im Spaß, ſo zu ſagen, und wir kommen ganz gut aus.

Katzenberger.

Jhr ſpracht ja von Adam und Eva, wenn ich recht hörte, und dem Fürwitz des erſten Menſchen - paares.

Margareth.

Ja freilich und mein Jakob da, der ſchiebt immer alle Schuld auf die Eva

Jakob.

Und mein Weib behauptet immer, daß Adam eigentlich das Unheil angeſtellt habe.

Katzenberger.

Ei, ich meine, es haben wohl beide ſo ziemlich gleichen Theil am Vergehen; beide waren ungehor - ſam aus Fürwitz und Neugier.

Jakob.

So was wär doch unſer Einem nicht paſſirt.

Margareth.

Da hat mein Jakob recht; die Schlange dürfte mir den ſchönſten Apfel anbieten in einem ſolchen Garten, wo mir Alles Andere zu Gebot ſtünd ich blieb feſt und ſtandhaft.

81
Katzenberger.

Seid ihr Eurer Sache ſo gewiß? So Etwas iſt leichter geſagt, als gehalten. Das käme doch noch auf eine Probe an.

Jakob
(lacht.)

Ha, ha bei uns Zwei’n eine Probe!? Wir ſind zufrieden mit unſerm ſauer erworbenen ſchlech - ten Biſſen. Das iſt Probe genug.

Katzenberger.

Hört, liebe Leute: ich mein es gut mit Euch; Jhr ſcheint mir brav und fleißig und darum möchte ich Euch ein ſorgenfreies Alter bereiten. Jch habe die Mittel für ſo Etwas. Allein eh es geſchieht, müßt Jhr Euch einer Probe unterziehen, die ich Euch auferlegen werde. Wollt Jhr?

Jakob.

Das verſteht ſich; nicht wahr, Alte?

Margareth.

Wenn der gnädige Herr es ſo gut mit uns vor hat, müſſen wir’s ja dankbar annehmen.

Katzenberger.

Gut alſo. Geht nun langſam nach Hauſe. Jhr werdet ſehen, was ich Euch beſtimmt habe, und682wenn es an der Zeit iſt, werde ich mich bei Euch einfinden. Wo wohnt Jhr denn?

Jakob.

Jn Haderndorf, eine halbe Stunde von da. Das erſte Dörfl mit dem grünen Kirchthurmdach; unſer Häusl iſt das zweite rechts, wenn man hin - eingeht. Man heißt’s beim Holzjackl.

Katzenberger.

Wohl. Aber, aber ſeid ſtandhaft und ver - geßt nicht Adam und Eva!

(Geht ab.)
Jakob.

Gehorſamſter Diener, Excellenz. Du Mar - gareth, das muß ein verkleideter Prinz ſein; meinſt Du nicht?

Margareth.

Ja freilich, der iſt gewiß ein Prinz; er hat auch ſo hochdeutſch und vornehm geſprochen. Hätten wir ihn nur gleich per Excellenz titulirt, da hätt er uns vielleicht ein paar Gulden geſchenkt.

Jakob.

Komm, Weib, geh’n wir heim. Vielleicht fin - den wir zu Haus ſchon einen Beutel voll Duka - katen.

(Beide ab.)
83

Verwandlung.

Aermliche Stube. Von der Seite wird ein mit Speiſen und Getränken beſetzter Tiſch hereingeſchoben, Jn der Mitte darauf ſteht eine große verdeckte Paſtete.
Casperl
(ſchaut zur Thür herein).

Wünſch guten Morgen. Wie? Niemand da? Monſieur Jakob! Madame Margareth!

(Tritt ein.)

Niemand zu Haus. Es iſt doch ſchon Mittagszeit und ich hätt aus Zufall ſo von Un - gefähr mit Fleiß im Vorbeigehen ein paar warme Schmalznudeln aus purer Gefälligkeit gern mitge - nommen. Denn beſagte Schmalznudeln werden hier beſonders gut gemacht, weil dieſe armen, aber guten Leute eigentlich nichts Anderes haben, als den einen Tag Kartoffel oder Erdäpfel und den andern Schmalznudeln. Nun finde ich mich als guter Nachbar bisweilen gewöhnlich an dem an - dern, nämlich dem Nudeltage ein, um den armen aber guten Leuten etwas Geſellſchaft zu leiſten.

(Sieht den gedeckten Tiſch.)

Aber wie? was erblick ich? ſeh ich recht? ein gedeckter Tiſch! welch ein angenehmer Bratenduft! Eine Schüſſel mit Kalbsbraten, Kartoffelſalat mit Häring und harte Eier d’rauf. Bohnengemüs mit mit mit mit Bratwürſteln! Meine Leibſpeis! Und drei6*84Weinflaſchen! Und da mitten drinnen eine große Paſtete!! Ha! wo her kommt dieſe in dieſen ſchlichten Räumlichkeiten nie dageweſene brillante Erſcheinung? Sollte nicht eine Verwechslung ſtatt - gefunden haben und ſollten dieſe Gaben nicht ur - oder repetiruhrſprünglich mir beſtimmt geweſen ſein? Hat ſich das unſichtbare großmüthige Schickſal nicht in der Lokalität geirrt? Ha! ich werde ganz confus. Aber was liegt denn da für ein beſchrie - bener Zettel auf der Paſtete?

[lieſt.]

Von Allem eßt und trinket, wie’s Euch ſchmeckt, Doch die Paſtete bleibe ſtets bedeckt!

[Lacht ungeheuer.]

Ha, ha, ha! Das iſt aber curios! Wer wird ſich um die Paſtete kümmern unter ſol - chen umſtehenden Umſtänden?

Jakob und Margareth treten ein.
Margareth.

A, der Herr Casperl iſt heut auch ſchon da!

Casperl.

Er iſt da und wünſcht guten Mittag.

Jakob
[ſieht gleich den Tiſch.]

Weib, Weib! Da ſchau her!

Margareth.

Ei, der Tauſend! Was ſeh ich? Das hat Al - les der Prinz geſchickt.

85
Casperl
[für ſich].

Was? Der Prinz? Da muß ich gleich pro - fitiren.

[laut in vornehmem Tone.]

Ja, gute Leute; der un - bekannte Prinz. Und dieſer Prinz hat mich hieher geſchickt, damit ich mich als guter Freund und Nach - bar mit Euch ſeiner großmüthigen Gaben erfreue. Jch bin Euer Gaſt, Euer Nachbar, Euer Freund, wie immer, auch in dieſer bedeutungsvollen Stunde. Ja, gute Leute, ſo will es der edle unbekannte Prinz gehalten haben. Kommt nur gleich; laßt uns anfangen, um nur aufzuhören, wenn Nichts mehr da iſt.

Jakob.

Ja, Herr Casperl, Sie haben Recht. Setzen wir uns. Alſo Sie kennen den unbekannten Prinzen?

Casperl.

Jch kenne ihn zwar nicht ganz genau, allein er kennt mich gewiſſermaßen ſo halb und halb auch gar nicht, ſo daß die Bekanntſchaft ſchon ſehr lange in dieſer Art auf ein nicht bekanntſchaft - liches aber eben ſo verrtauliches Verhältniß ſchließen läßt.

86
Jakob.

So, ſo? aha, jetzt verſteh ich’s. Sie ſind alſo eine Art unbekannter Freund des unbekannteu. Prinzen.

Casperl.

Ja, allerdings, ſo iſt es.

Margareth.

Nein, aber die guten Sachen! So was iſt noch gar nicht dageweſen bei uns. Das ſchmeckt!

Casperl.

Aber betrachtet einmal dieſe geheimnißvolle Pa - ſtete. Dieſe verdeckelte Speiſe, welche nicht ent - deckelt werden ſoll.

Jakob.

Das ſteht wohl auf dem Zettel geſchrieben, der drauf liegt.

Casperl.

Da ſteht’s drauf. Jch will’s Euch vorleſen: Von Allem eßt und trinkt, wie’s Euch ſchmeckt, Doch die Paſtete bleibe ſtets bedeckt!

Jakob.

Aha! Das iſt die Probe, von der uns der Herr Prinz geſagt hat. Da machen wir uns aber nichts daraus. Nicht wahr Margareth?

87
Margareth.

Ja freilich. Die Paſtete geht uns ja gar nichts an. Wir halten uns an die andern guten Speiſen.

Casperl.

Laßt uns einmal den Wein probiren.

[Schenkt ein und trinkt.]

Vivat! Deidesheimer, Ausſtich!

Jakob.

Der Prinz ſoll leben! Hoch!

Alle Drei.

Hoch! hoch!

Casperl.

Reichen Sie mir einmal von dieſen Bratwür - ſteln her; ſie duften ſo angenehm. Ah! Meiſter - haft gebraten!

Jakob.

Die ſchöne braune Haut! Jetzt möcht ich aber wiſſen, wie’s möglich wär, daß Einer noch an die Paſtete denken könnte?

Casperl.

Das möcht ich auch wiſſen. Aber ſonderbar iſt es doch jedenfalls, daß man auf den Einfall kommen kann, eine Speiſe auf den Tiſch zu ſetzen, von der man nichts eſſen ſoll. Denn eigentlich ſind doch die Speiſen zum Eſſen da und nicht88 blos zum anſchau’n. Warum nicht lieber gleich ſo Etwas weglaſſen?

Jakob.

Der Prinz will ſich halt einen kleinen Spaß mit uns machen.

Casperl.

Das iſt jedenfalls ein ſchlechter Spaß; Eine Art Crudelität. Natürlich, Jhr Beide wißt über - haupt nichts von Paſteten.

[Bornehm.]

Aber ich, ich kenn mich aus in ſolchen Biſſen. Jch kann Euch nur ſagen, daß Paſteten die köſtlichſten Speiſen ſind, die es auf den Tafeln der Vornehmen gibt.

Jakob und Margareth
[erſtaunt.]

Ah, Ah!

Casperl.

Nämlich: in ſolche Paſteten thut man das Allerbeſte hinein: Rebhühnlein, Faſanen, Spanfer - keln, Knödl mit Sauerkraut, Haſen, ganze Rehböck und oft die beſten Süßigkeiten mit allerhand Obſt und geſchnittene Nudel dazu mit chineſiſchem Pfeffer.

Jakob und Margareth
[höchſt geſpannt.]

Aber nein! iſt’s möglich?

89
Casperl.

Jch meinerſeits will Nichts von der Paſtete haben; denn mir iſt ſo etwas nichts Neues; aber ich möcht nur wiſſen, was in der Paſteten da drinnen iſt.

Jakob.

Nein, nein! Nur keine fürwitzigen Anſpielungen. Verboten bleibt verboten.

Casperl.

Verboten! was iſt denn verboten? Es iſt nur ein Scherz, eine Vexirerei. Jch bin auch gar nicht neugierig, denn ich habe ja ſolche Paſteten ſchon nach dem Dutzend gegeſſen; aber grad deß - wegen wär es mir intereſſant, zu erfahren, was in dieſer Paſtete drin iſt.

Margareth.

Da hat eigentlich der Herr Casperl ſeinerſeits nicht Unrecht. Wir eſſen ja auch nichts davon und wenn der Herr Casperl nur hineinſchauen will, ſo iſt das ſeine Sach.

Jakob.

Wer aber einmal hineingeſchaut hat, dem kommt gewiß auch gleich die Luſt zum Schnabuliren, be - ſonders, wenn ſo gute Sachen drin ſind, wie der Herr Casperl geſagt hat.

90

Terzett.

Casperl.

Was kann in der Paſtete ſtecken? Ein wenig möcht ich nur dran lecken.

Jakob.

Was ſtecket wohl in der Paſtete? Wie meinſt Du, liebe Margarethe?

Margareth.

Den Deckel etwas aufzuheben, Das koſtet uns wohl nicht das Leben.

Casperl.

Warum ſollt ich es nicht probiren, Den Deckel etwas zu berühren?

Jakob.

Probi bi bi bi biren?

Margareth.

Rüh ri ri ri ri rühren?

Casperl.

Pro bi bi,

Jakob.

Probi bi bi.

Margareth.

Probi bi bi.

91
Alle Drei.

Probiren! Probiren! Probiren!

Casperl nähert ſich der Paſtete, an ihn hängt ſich Jakob, an dieſen Margareth.
Casperl.

Jch will nur den Deckel ſeitwärts ein wenig lüften.

[Riecht baran.]

Ah! das ſtinkt ein Bißchen. Al - lein das iſt vermuthlich der ſogenannte Hautgout, der dem Wildpret eigen iſt. Wir wollen noch ge - nauer daran ſchnuffeln.

[Hebt etwas mehr auf.]

So etwas Schwefel-Geruch. Das kommt von der Sauce.

[Hebt den Deckel ganz auf. Knall und Pulverexploſion. Alle drei fallen hin. Ein kleiner Teufel ſpringt aus der Paſtete auf Casperl und zauft ihn. Casperl, den Teufel auf dem Rücken, läuft wie närriſch ſchreiend auf und ab.]
Jakob und Margareth.

Auweh! Auweh! Wir ſind verloren! Uns holt der Teufel.

Donnerſchlag. Der Teufel ſpringt hinaus und es erſcheint in vollem Zauberornate
Katzenberger.
[Alle fallen auf die Kniee.]

So habt ihr alſo die Prüfung beſtanden? Kaum habe ich Euch die erſte Wohlthat erzeigt, ſeid Jhr ſchon gefallen!

Alle.

Auweh! Auweh!

Katzenberger.

Ja! Auweh, ausweh heißt es jetzt. Was könnt Jhr zu Eurer Entſchuldigung ſagen?

92
Jakob und Margareth.

Der Herr Casperl! Der Herr Casperl!

Katzenberger.

Ja, der Casperl, der Casperl! Der war die Schlange. Nicht wahr? So hat auch Eva im Paradieſe geſagt. Aber iſt es nicht eine Schmach, daß ihr dieſe erſte kleine Probe nicht beſtanden habt?

Jakob.

Ja freilich iſt’s eine Schand!

Margareth.

Wir ſind eben auch ſchwache Menſchen, weil wir von Adam und Eva abſtammen.

Katzenberger.

Nur ſtill! Jch weiß Alles. Allerdings war Casperl der Verführer und deßhalb will ich Gnade vor Recht ergehen laßen.

Casperl.

Erhabener Zauberer! Sie wiſſen, daß Neugierde eine meiner vorzüglichſten Tugenden iſt. O ver - zeih’n Sie mir allergnädigſt.

Katzenberger.

Du warſt immer der Hanswurſt und wirſt immer der Hanswurſt bleiben. Euch andern Bei -93 den will ich meine Protektion nicht entziehen, weil Jhr brave, arbeitſame Leute ſeid. Jch werde Euch eine monatliche Unterſtützung anweiſen und Jhr ſollt nicht in Sorgen und Noth leben. Allein in Zukunft glaubt nicht, daß Jhr es beſſer gemacht hättet, als eure Stammeseltern Adam und Eva. Menſchen ſind und bleiben Menſchen. Lebt wohl!

[Verſchwindet.]
Jakob und Margareth.

Heil unſerm Wohlthäter! Tauſend Dank! Wir laſſen gewiß alle Paſteten ſtehen.

Casperl.

Jhr kriegt ohnedieß keine mehr zu ſehen. Aber eigentlich habt Jhr die künftigen Wohlthaten des Herrn Zauberes doch nur mir zu verdanken; denn wenn nicht ich den Paſtetendeckel aufgehoben hätt, ſo hätt es doch Eines von Euch gethan.

[Er umarmt Jakob und Margarethe.]
(Der Vorhang fällt.)

Die ſieben Raben. Märchendrama in drei Aufzügen mit einem Borſpiel.

[figure]

Perſonen.

  • Herzogin Kunigunde,

    Wittwe.

  • Albert,

    ihr Sohn.

  • Graf Wolfram,

    ihr Schwager.

  • Elsbeth.
  • Die Fee Hulda.
  • Casperl Larifari.
  • Etzel,

    Wolframs Diener.

  • Ralf,

    Knappe.

  • Ein Scharfrichter.
  • Knappen und Reiſige. Volk.#

Perſonen des Vorſpiels:

  • Ritter Eckart.
  • Siglind,

    deſſen Gemahlin.

  • Die Fee Hulda.
97

Vorſpiel.

Gemach auf Ritter Eckart’s Burg. Morgendämmer - ung. Siglind liegt auf einem Ruhebette. Eine Lampe brennt neben ihr. Man hört die Thurmwächter den Morgengruß blaſen.
Siglind
(fährt vom Schlafe auf.)

Es graut der Tag, der Wächter grüßt den Morgen. Weh mir, daß ich erwach zu Leid und Sorgen! War auch gebannt der Schmerz durch Schlummers Nacht, Des Tages Grau’n hat wieder ihn geweckt.

Allmählig wird die Bühne vom Morgenroth erhellt. Die Lampe erliſcht.

Was glüh’ſt du mir in mein Gemach herein Verhaßtes Licht? Dein Schimmer iſt mir Pein; Du kündeſt des Bewußtſeins klare Helle, Daß immer ſtröme meines Unheils Quelle.

(Wirſt ſich wieder auf’s Lager.) Ritter Eckart tritt ein,
Eckart.

Noch ſchläft ſie. Jhr zur Ruhe, mir zum Troſt Denn wahrlich kaum ertrag ich ihren Wahn.

798
Siglind
(auffahrend.)

Nein! ſie ſchläft nicht! Vermöchte ſie’s für immer! Dann wäre aller Gram mit ihr begraben.

Eckart.

Der Gram? O ſage lieber doch Verblendung.

Siglind.

Dir freilich ſcheint Verblendung Weibes Leid. Wie ſollte auch in Männerbruſt ein Herz Sich regen zarter Art und feinen Sinnes? Dem Mann genügt’s, ſieht er ſein eigen Leben Erneut in Söhnen, die ihn rings umgeben. Was kümmert’s ihn, daß ſeinem treuen Weibe Die Tochter fehlt, in der ſie ſich erkennt?

Eckart.

Wie? alſo ſollt ich mich der ſieben Söhne, Die Gott durch dich mir hat geſchickt, nicht freu’n? Jch ſollte ſchmählich jammern, daß nicht auch Ein Mägdlein mir geboren ward? Ei was! Gott wollt es ſo, drum laß dein ewig Klagen, Das mir die Luſt vergällt am eig’nen Leben.

Siglind.

Jch laſſe gern die Luſt dir an den Söhnen; Wie lange währet die? ſie ſtürmen fort! Leer wird das Haus. Jetzt ſind ſie wohl noch Kinder;99 Der Jahre raſcher Flug macht ſie zu Männern. Dir mag’s gefallen; aber ich, dein Weib, Soll leben alle Zeit in Einſamkeit? Mir gönneſt du kein Kind, das mir verbleibe Kein Weſen, daß ſich innig an mich ranket Die Tochter nicht, der Mutter Herzensfreude?

Eckart.

Was ſollt ich’s nicht? Doch habe nur Geduld; Wer weiß, ob nicht dein Wunſch ſich noch erfülle?

Siglind.

Nein! nimmermehr! Schon längſt wär’s Zeit ge - weſen, Daß ich von einem Töchterlein geneſen; Ein bös Geſchick verfolgt mich

Eckart.

Laß die Thorheit! Der Himmel könnte, deines Jammers müde, Wohl dich und mich in unſ’ren Söhnen ſtrafen, Die er uns gnädig gab. Drum danke lieber, Statt durch der Klage Ungeſtüm zu freveln.

Siglind
(immer heftiger.)

Und Spott noch, Hohn des armen Weibes Kummer? Dieß iſt ſo Mannes Art! O könnt ich Alle7*100Verwünſchen, die doch nur an Frauenſchwäche Sich weiden.

Eckart.

Schweige thöricht Weib! Genug Hab ich an deinem Wahn.

Siglind.

Und ich genug An deines Herzens Härte und der Selbſtſucht, Die deiner Söhne Mutter von ſich ſtoßt. Fürwahr Gott hör es! Dieſe ſieben Buben Gäb ich um Eine Tochter hin. Jn Raben Verwandelt dürften ſie des Schloſſes Zinnen Umſchwirren, läg ein Mägdlein in der Wiege, Das mir mit holden Aeuglein lieblich winkte. Jch ſag’s: in Raben ſeien ſie verwünſcht, Wenn

Donnerſchlag. Die Fee Hulda erſcheint.
Hulda.

Sie ſind es! Mutterfluch iſt Zaubermacht. Sie ſind’s! Blick auf: Dein Wort iſt dir erfüllt. Aus ihren Bettlein ſchweben ſie, nun höre Den Flügelſchlag der ſieben ſchwarzen Vögel: Die eig’nen Kinder ſind’s die du verwünſcht!

Sieben Raben fliegen in’s Gemach, kreiſen einige Male umher und ver - ſchwinden. Siglind und Eckart ſinken zu Boden.
101
Hulda.

Doch wie dein Fluch erfüllt, ſei auch gewährt Dein Wunſch und binnen eines Jahres Friſt Wird dir ein Töchterlein am Buſen liegen. O pfleg es gut und wahr es wohl! Die Brüder Vielleicht vermag’s einmal durch Schweſterliebe Vom böſen Zauber wieder zu befrei’n. Du aber trage zur erfüllten Luſt Den Schmerz auch in zerfleiſchter Mutterbruſt, Daß du die eig’nen Söhne Preis gegeben Um eines Töchterleins erſehntes Leben.

(Verſchwindet.)
Eckart.

Weh dir, o Weib!

Siglind.

Weh mir! Mein kühnes Wort Hat ſich erfüllt. O meine theuren Söhne! Fort ſeid ihr! fort! Nun bin ich ja fürwahr Die Rabenmutter, die ſich ſelbſt verflucht!

(Der Vorhang fällt.) Ende des Vorſpieles.
102

I. Aufzug.

Waldestiefe. Jm Hintergrund eine ſchlechte Holzhütte. Casperl liegt auf einem Sitze im Vordergrund, reckt und dehnt ſich gähnend aus dem Schlafe.
Casperl.

Das heißt einmal g’ſchlafen! aus lauter - digkeit vom Faulenzen. Aber nein. Jſt das nicht eine bedeutende Arbeit? Jn der Fruh ſpät auf - ſtehen, bis man ſich bald wieder legt zum Mittags - ſchlummer, aus dem man ſich wieder erhebt, um ſich Abends abermals niederzulegen, damit man Nachts beſſer ſchlaft? Jſt das kein Geſchäft, ein ſchönes junges Fräulein zu bewachen, damit ihm nichts Uebles geſchieht in dieſer langweiligen Wild - niß, in der man ſich zwiſchen Nachteulen und - ren bufindet und in der wir nun einſiedleriſch oder vielmehr zweiſiedleriſch ſchon einige Zeit hauſen?

(Geht an die Hütte und ſchaut durch’s Fenſterchen hinein.)

Da ſitzt ſie wieder und ſpinnt und näht drauf los, wie eine Nahderin auf der Stör. Jch muß ſie nur ein bißl103 aufhören machen. Sie wird mir ja noch ganz krum und bukelt vor lauter Näh’n.

(Klopft an’s Fenſter.)

Lieb’s Fräulein! ſetzen S doch a bißl aus. Preſ - ſirt’s denn gar ſo? Kommen S a wenig heraus an die friſche Luſt. Es wird ohnedieß ſchon Abend und ’s iſt Zeit, daß Sie Feierabend machen. Es iſt außerordentlich kühl und angenehm.

Elsbeth
(von Jnnen.)

Jch komme ſchon. Nur noch ein paar Stiche am ſiebenten Hemdlein. Gleich, gleich komm ich!

Casperl.

Am ſiebenten Hemd! Jetzt hat ſie ſchon ſechs Hemdeln geſponnen und genäht. Kein Menſch weiß warum und für wen. Für mich können’s nicht gehören; ich bin etwas zu corpulent für das Maas. Für den ſchönen Jäger, der bisweilen vorbeikommt und immer zuſpricht, werden’s wohl auch nicht gehören oder vielleicht hat er’s doch bei ihr beſtellt? Ueberhaupt, die ganze Geſchicht iſt ſehr curios: die Raben, die alleweil aus - und ein - fliegen und die das Fräulein herzt und ſtreichelt. Kurz, ich kenn mich gar nicht aus. Ah, jetzt kommt ſie heraus.

Elsbeth in einfach grauem Gewande tritt aus dem Hüttchen. Zugleich ſchweben ſieben Raben aus dem Fenſter.
104
Elsbeth.

Welch ſchöner Abend! Wie herrlich dort die Abendſonne die Bäume vergoldet.

Casperl.

Vergoldet? Das muß eine galvaniſche Vergold - ung ſein. Das Gold wird über Nacht immer wieder weggewiſcht und ich hab noch nicht Einen Ducaten g’funden von dem Abendgold.

Elsbeth.

Wie du wieder ſchwatzeſt, Casperl!

Casperl.

Da heißt’s immer, ich ſchwatz dummes Zeug. Was hätt ich denn in der Waldwildniß, wo man ſich bei jedem Schritt die Naſen an en Baum an - rennt, für einen Diskurs, wenn ich nicht mit mir ſelbſt a bißl reden könnt? Sie reden ja manchen Tag kein Sterbenswörtl, höchſtens nur was grad ſein muß:

(mit feiner Stimme ein Frauenorgan nachäffend.)

Cas - perl, hol mir Waſſer an der Quelle! Cas - perl, putz mir die Schuhe! Casperl ſei ſtill!

(Mit gewöhnlicher Stimme.)

Anders hör ich Nichts aus Jhrem holden Munde; bisweilen machen S en rechten Herzensſeufzer, und nachher ſteh ich halt da und kann Fliegen fangen. Bin ich denn nicht105 Jhr getreuer Leibknappe, der mit Jhnen in die Einſamkeit geflohen iſt?

Elsbeth.

Jch weiß es wohl, guter Casperl. Sollt ich je vergeſſen, daß du es warſt, der mich aus der brennenden Burg gerettet hat, in deren Flammen meine unglücklichen Eltern, mein guter Vater Eckart und meine liebe Mutter Siglind ihren Tod gefun - den haben.

Casperl.

Ja, damals, als der Blitz eingeſchlagen hat und Alles zu Grund gegangen iſt, waren Sie ein klei - nes Wuzerl von 10 Jahren.

Elsbeth.

Biſt nicht du mir treu hieher gefolgt? Du biſt es, der mich hier bewacht und kümmerlich mit mir lebt. Jch werde dir mein Leben lang dankbar ſein.

Casperl.

Was das kümmerliche Leben anbelangt, ſo kann ich mich wirklich nicht darüber beſchweren, denn das Hungerleiden hab ich gelernt. Mich wundert’s nur, daß ich nicht die Abzehrung krieg. Gebratene Nußhäher ſind noch unſere delikateſten Biſſen. Hätt ich nicht aus dem brennenden Schloſſe mit Lebens - gefahr noch ein Kaſtl voll Goldſtückeln gerettet, ſo106 wären wir ſchon lang alle zwei verhungert. Und da muß ich zwei Stunden weit ganz heimlich in die Stadt laufen und Brod und Eier holen. Näch - ſtens ſperren s mich aber doch amal ein, weil die Polizei mich als ein verdächtiges Subjekt, als ein verloffenes Weiſel oder einen Vagabunden anſieht. Jch muß immer meinen rothen Spenſer umgekehrt tragen, damit ich in einer Art Verkleidung die Commiſſionen mach; denn der Casperl Larifari iſt ja überall bekannt, wie’s ſchlechte Geld.

Elsbeth.

Geduld, Geduld, Casperl! Der Tag iſt viel - leicht nicht mehr ferne, daß wir beide erlöſt werden.

Casperl.

Aha! Jch merk was.

(Jn erhabenem Tone.)

Sollte dieſer oder jöner ruthſelhafte Jägersmann etwa als Befreier auftröten? Sollte unſere Oinſamkeit durch eine brillante Entführungsſcene mit Dſchindſchin Pumdadara ihr Ende finden? Ha!

(Jn Poſitur.)

Welche Jdee! Sollte die Vurwirkelung zwoier Her - zen ſich in der ſtillen Oinſamkeit dieſer Waldpar - zelle

Elsbeth.

Jch bitte dich, ſchweige. Sprich nicht ſo tolles Zeug.

107
Casperl.

Was? tolles Zeug? Bin ich nicht Jhr Wäch - ter? Jhr Buſchützer? Wenn ſich der unbekannte Forſtgehilfe, und wenn er auch Revierförſter iſt, nicht bald erklärt, ſo werde ich mir dieſe Viſiten, im bayeriſchen Alpenlande Fenſterln genannt, ernſtlich verbieten und mit einem Prügel Schild - wacht ſtehen.

Elsbeth.

Beruhige dich, Casperl. Du haſt Nichts zu fürchten und bald wird dir Alles klar werden.

Casperl
(hat in die Ceuliffe geblickt.)

Da haben wir ihn ſchon wieder! Wird der Wolf genennt, ſo kommt er gerennt. G’rad ſteigt er ab von ſeinem ſchönen Schimmel und bind’t die Zügel an die große Buche. Er kommt ſchon.

Albert
(in ritterlicher Jägertracht, eilt herein.)

Meine Elsbeth!

Elsbeth.

Mein Albert!

(Sie reichen ſich die Hände.)
Casperl.

Jetzt kommt das bekannte Duett, bei dem ein Dritter immer unnöthig iſt. Alſo entferne ich mich108 und ſchlaf zur Abwechslung ein halbes Stünd’l in meinem Kammerl.

[Ab in die Hütte.]
Albert
(zu Elsbeth.)

Gott grüße dich! heut iſt’s das letzte Mal, Daß ich dir nahe hier im Waldesthal.

Elsbeth.

Das letzte Mal? Ach, wie mag mir geſcheh’n? Dich, Theuren, ſoll ich nimmer wieder ſehen?!

Albert.

Nicht treulos bin ich. Nein! es kam die Stunde, Jn der ich heim dich führ zum heiligen Bunde.

Elsbeth.

O liebe Seele! Mich, die arme Maid Soll zieren nun das bräutliche Geſchmeid? Du willſt mich mit dem Blumenkranze ſchmücken? O nein! mir nicht gebühret ſolch Beglücken. Wie du mir haſt bekannt, in dieſen Gauen Herrſcht deine Mutter. Sollte ich vertrauen, Daß du, der Herzogsſohn, ſich ſein Gemahl Erwähl aus dunklen Waldes ſtillem Thal?

Albert.

Frei bin ich, glaub es. Du, nur du allein Sollſt die Gefährtin meines Lebens ſein. 109Doch, da ich dich gewählt und dich gefreit, O ſage: naht nicht heute doch die Zeit, Daß du dein Schweigen brächſt, mit holdem Mund Mir endlich Stamm und Abkunft gäbeſt kund?

Elsbeth.

O frage nimmer! Noch iſt nicht gekommen Der Tag, an dem den Lippen wird genommen Des Eides herbe Pflicht. Noch muß ich ſchweigen.

Albert.

Und dennoch muß mein Herz ſich treu dir neigen, Wer du auch ſei’ſt, du biſt der Engel mein Und deine Heimath muß der Himmel ſein!

[Umarmt ſie.]
Elsbeth.

Noch kurze Zeit und ich darf dir mich nennen, Weß Stammes ich. Dann magſt du mich erkennen.

Albert.

So ſchweige immerhin. Doch fort! Beſteige Mein Rößlein nun, daß wir bei Tages Neige Jn Sternenpracht und Mondenſilberſchein Jns herzogliche Schloß noch ziehen ein.

Casperl
[der, aus der Thüre tretend, die letzten Worte gehört hat.]

Wie? was? Herzogliches Schloß! hab ich recht gehört?

110
Albert.

Du haſt recht gehört. Folge deiner Herrin.

[Albert führt Elsbeth hinaus.] Es iſt mittlerweile Nacht geworden. Sterne und Mond ſtehen am Himmel.
Casperl
[auf - und ablaufend.]

Da möcht Einer ja närriſch werden. Der Jäger iſt alſo ein Herzog. Ah, natürlich, er iſt ja alleweil hergezogen. Das iſt aber ſo viel, wie ein Prinz, eine ſogenannte Durchlaucht. Und mein liebes Fräulein wird Prinzeſſin. Und ich bei dieſer Gelegenheit nicht viel mehr und nicht viel weniger als Hoflakai! Da heißt’s aufpacken! G’ſchwind hinein!

[Ab in die Hütte.]
Albert tritt ein, am Zügel den Schimmel führend, auf welchen Elsbeth ſitzt.
Elsbeth.
Leb wohl nun, liebe Einſamkeit,
Wo ich gelebt in ſtillem Leid!
Lebt wohl, all ihr Waldvögelein,
Jch laß euch hier im Grün allein.
Jch ziehe fort. Mög allerwegen
Mich ſchützen Gottes heil’ger Segen!
[Albert und Elsbeth ziehen hinaus.]
Casperl
[mit einem Schiebkarren, auf welchen verſchiedene Gegenſtände geladen ſind: Caffemaſchine, Keſſel ꝛc. ꝛc.
Leb wohl, du ſtille Einſamkeit;
Jch ziehe fort, weiß nicht wie weit!
111
Leb wohl, o du Langweiligkeit,
Jch hoff ’s kommt eine beſſ’re Zeit!
[Ab.] Nun wird der Wald magiſch erleuchtet; Waldblüthen und Blumen in Transparentlicht. [Die Fee Hulda erſcheint.]
Hulda.
So fahre hin, du holde Maid!
Es harret dein ſo manches Leid.
Nur kurze Zeit bleib noch verſchwiegen
Und dann wird deine Treue ſiegen.
Die ſieben Jahr ſind bald zu Ende,
Geſponnen haben deine Hände
Die Hemdlein all mit Liebesfleiß
Wie es des Zaubers war Geheiß.
Bald ſollen deine Brüderlein
Nicht mehr die ſchwarzen Raben ſein!
Sie werden in die Hemdlein weiß
Sich kleiden dir zum Siegespreis.
Sie werden ihr lieb Schweſterlein
Aus Noth und Jammer dann befrei’n.
Drum ziehe hin, du holde Maid
Bald iſt vergangen alles Leid!
(Der Vorhang fällt langſam.)
112

II. Aufzug.

Feſtlich geſchmückter Saal in der herzoglichen Burg. Herzogin Kunigunde, Albert (im kurzen Herzogs - mantel), Elsbeth (im Brautgewande) treten ein, während hinter der Scene Trompetenfanfaren erſchal - len und das Geläute der Kirchenglocke allmählig verhallt.
Herzogin Kunigunde.

Nun, Elsbeth, biſt du meinem Sohne angetraut und Tochter biſt du mir; komm an mein Herz!

Elsbeth
[vor Kunigunde niederknieend.]

Es iſt der Gruß der Liebe und der Demuth. Sieh mich zu deinen Füßen, Herzogin!

Kunigunde.

Steh auf, mein Kind!

Elsbeth.

Wie könnt ich dir es danken, edle Frau, daß du mich ſo huldreich aufgenommen haſt? Mich die Unbekannte, die dein Sohn wie ein einſam ſtillblühend Blümlein im Walde gefunden. Mich die Arme, Verlaſſene!

113
Kunigunde.

Jch weiß es, daß mein Albert nicht im Stande wäre, ungefüge Wahl zu treffen, eine Gemahlin heimzuführen. Sein Herz, ſein edler Sinn bür - gen dafür. Aus deinem Weſen aber, Eliſabeth, ſpricht nur Edles und Gutes. Und darum auch kamſt du mir willkommen.

Elsbeth.

Wahrlich, du ſollſt in deinem Vertrauen nicht getäuſcht werden. Nicht gereuen ſoll es dich, daß du alſo gehandelt.

Albert.

O deſſen bin ich gewiß. Wie ein Sternblüm - lein habe ich dich in grüner Heimath gefunden und als mein Lebensſtern biſt du, mein Weib, hier eingezogen.

Elsbeth.

Noch ſchließt ein wunderbar Verhängniß meine Lippen. Verzeiht mir! Aber mein Mund wird ſich aufthun, wenn ein Gelöbniß erfüllt iſt. Ver - künden werd ich meines Stammes Reinheit. Gott gebe, daß es bald geſchehen darf.

Kunigunde.

Wohl hatte ich vor eurer Trauung viel der herben Worte zu hören von meinem Schwager, dem8114Grafen Wolfram. Allein mein Mutterherz war ge - wappnet gegen alle Einſprüche. Sollte ich denn grauſam dem Glücke meines Sohnes entge - gentreten? Nimmermehr!

(zu Albert.)

Jſt es nicht deine eigene Sache, Albert, zu deinem Glücke dir ein Eh’gemahl zu wählen. Ebenſo aber wäre es auch deine eigene Sache, hätteſt du nicht ſo gewählt, wie es ſich geziemt. Du trügeſt zu - nächſt die Folgen, mir bliebe alle Verantwortung fern.

Elsbeth.

Mein Herz iſt reinen Bewußtſeins; mein feſter Wille, Albert glücklich zu machen.

Albert.

Theure Elsbeth! wie könnt ich jemals daran zweifeln? Eine Seele und ein Herz ſind wir.

Kunigunde.

Dort kommt mein Schwager durch den Säu - lengang herauf. Entfernt Euch Beide. Jn Zornes - muth wollte er Eurer Trauung nicht anwohnen. Geh’t; zuvor ſoll er mich allein treffen.

(Elsbeth und Albert ab.) Graf Wolfram tritt heftigen Schrittes ein.
Wolfram
(höhniſch.)

Nun denn! ſo iſt das Glück begründet. Der Bund iſt geſchloßen.

115
Kunigunde.

Allerdings. Elsbeth iſt meines Sohnes Ge - mahl.

Wolfram
(ſpottend.)

Glück auf! Jetzt tragt eine fahrende Dirne, eine unbekannte Magd den herzoglichen Purpur.

Kunigunde.

Die Frage bleibt immer, ob der Purpur den Menſchen ſchmückt, oder ob nicht der Menſch den Purpur ziert.

Wolfram.

Auf ſolchen Schultern könnte der weiße reine Hermelin, den Eure Ahnen trugen, doch vergilben. Wer kennt denn die holde Unbekannte? Kam ſie etwa aus einem Zauberlande? Ward ſie von Sil - berſchwänen hergetragen? Vielleicht eine Wald - fei? Nein, nein! Sie iſt wohl eines Köhlers Kind. Das junge Herrlein fand ſie ja im tiefen Walde? Gut, daß ſie ſich noch vor der Hochzeit den Ruß des Kohlenmeilers abgewaſchen. Nun hat ſie wohl eine ſchöne weiße Haut? Ha, ha, ha!

(Lacht höhniſch.)

Es iſt ein wahrer Jammer, dieſe Herzogshochzeit!

Kunigunde.

Kein Spott! kein Hohn, Graf Wolfram! Els - beth iſt nun meines Sohnes Weib, ſie iſt meine8*116Tochter. Vor des jungen Herzogs Gemahl habt Jhr Eure Knie zu beugen.

Wolfram.

Das werd ich nicht thun; denn ſie wird mich nie erblicken. Doch um ihretwillen, um der fremden Dirne willen

(die Herzogin macht eine ſtra - fende Bewegung.)

verzeiht, ſie war es, jetzt iſt ſie freilich Herzogin um ihretwillen habt Jhr euer Wort gebrochen; das Verſprechen habt Jhr mir gegeben, daß Euer Sohn, Herzog Albert, meine Tochter heimführen ſollte. So war’s beſchloſſen unter uns Beiden, ſo war’s abgemacht! Habt Jhr das vergeſſen, Frau Herzogin?

Kunigunde.

Nein, Graf Wolfram. Nicht vergeſſen hab, ich’s. Allein das Gelöbniß, daß mein Sohn Eure Tochter als Gemahl heimführe, galt nur die Zeit ſeiner Minderjährigkeit und da Jhr noch ſein Vormund geweſen. Da konnt ich Einſprache thun gegen jedes andere Verlöbniß; jetzt aber, da Albert ſeit zwei Monden mündig, iſt er ſein eigener Herr in allen Dingen. Er iſt der regie - rende Herzog und ich habe keine Macht, kein Recht gegen ſeine Wahl Einſpruch zu thun.

117
Wolfram.

Wahrlich, an Euch iſt eine Anwalt verloren. Jhr ſprechet trefflich für eine ſchlechte Sache. Jmmer wär es noch an Euch, der Mutter geweſen, den Sohn durch mütterlichen Rath zu recht zu weiſen; Euch hätt’s geziemt, Alles aufzubieten, daß Albert das Verſprechen erfülle, welches Jhr für ihn ge - geben hattet.

Kunigunde.

Des Mannes Herz iſt frei; frei die Wahl der Gemahlin.

Wolfram.

Frei, ſagt Jhr? Dießmal nicht, mein ich; denn er ward behext: das nennt Jhr eine freie Wahl, wenn Liebeszauber des Mannes Sinne feſſelt?

Kunigunde.

Verläumdung! ſchmachvolle Lüge! Aus Euch, Graf Wolfram, ſprechen nur Unmuth und Haß.

Wolfram.

Nun denn! mög das Ehebündniß Euch zu Nutz und Frommen ſein. Jch lache dazu, wie’s noch kommen mag.

118
Kunigunde
(in eblem Zorne.)

Lebt wohl, Graf Wolfram! Jch habe Nichts mehr mit Euch zu reden. Wir ſtreiten um Nichts; drum laßt uns enden.

(Geht raſch ab.)
Wolfram
(allein.)

Um Nichts? Das wird ſich zeigen. Geh nur, bethörtes Weib! Die Strafe bleibt nicht aus und dazu ſoll meine Rache das Feuer ſchüren.

(Ruft hinaus.)

Heda, Etzel, herein!

Etzel tritt ein.
Wolfram.

Sind die Roſſe geſattelt? Jch will aufbrechen; Gleich, gleich will ich heimreiten.

Etzel.

Die Gäule ſteh’n bereit. Aber ich möcht Euch rathen, noch zu verweilen. Hab Allerhand ſchon erlauſcht und gehört.

Wolfram.

Was gibt’s? Jch will aber fort. Mein iſt des Bleibens hier nicht länger.

Etzel.

Wartet, wartet nur eine kleine Friſt noch. Hört: Kaum iſt die ſchöne junge Herzogin im Schloße,119 munkelt’s ſchon mancher Seiten, es ſei nicht rich - tig mit ihr.

Wolfram
(überraſcht.)

Still, daß dich Niemand höre! ſprich leiſe.

Etzel
(geheimnißvoll.)

Laßt Euch nur ſagen, gnädiger Herr Graf: Primo oder zum Erſten: Der Burgwart, dem ich einen Trunk bezahlt, erzählte mir ganz insgeheim: Als die Braut auf dem Schimmel des jungen Herzogs, der ihn ſäuberlich am Zügel führte, über die Zugbrücke ſtattlich einritt, ſei eine Schaar kohl - ſchwarzer Raben hinter ihr drein geſchwebt und als - bald in ihr Kemenat durch’s offene Fenſter eingeflogen.

Wolfram.

Wie? was? eine Schaar Raben, ſagſt du? hinter Elsbeth geflogen? Mit ihr eingezogen?

Etzel.

So war’s, Der Burgwart hat’s mit eigenen Augen geſeh’n.

Wolfram.

Galgenvögel? Unglücksvögel? Hexengethier?

Etzel.

Ein paar Söldner, die am Thore Wache ſtan - den haben’s auch geſeh’n. Sie ſchwören darauf, wenn Jhr wollt.

120
Wolfram.

Wichtige Botſchaft. Aber, weiter, weiter

Etzel.

Secundus oder zum Zweiten: Jſt ein verdäch - tiger Burſch, angeblich der Knapp und Diener der jungen Herzogin, mit eingefahren. Ein Schalk, wie ich noch keinen ſah; ein feiger Hund, ein ſchlauer Hallunk abſonderlicher Art, ſo ein Teufels - kerl. Wie geſagt, ’s iſt nicht richtig mit der jun - gen Herzogin. Mit Verlaub geſprochen: es ſieht verdammt hexenhaft her. Wär’s denn unmöglich, daß ſie den guten jungen Herrn bezaubert hat?

Wolfram.

Er ritt oft in den Wald ohne Zweifel zu ihr; denn er wollte nie einen Waidknecht mitneh - men oder wenn er Jäger bei ſich hatte, entfernte er ſich vom Troß und kehrte oft ſpät in der Nacht allein zurück, wie ſinnverwirrt. Das weiß ich von ſeinen Knappen.

Etzel.

Wie wär’s, wenn Jhr ich ſag das Alles um Euer verlaſſen lieb Fräulein willen wie wär’s, wenn Jhr dem tollen Burſchen etwas auf den Zahn fühlen wolltet? Jch bring ihn Euch herein. 121Er trinkt gleich da draußen auf der Türnitz mit den Knechten.

Wolfram.

Du biſt ein kluger Diener. Thu das, ruf ihn herein.

Etzel.

Soll gleich geſcheh’n.

(Ab.)
Wolfram
(allein).

So ſcheint der Rache Weg gebahnt. Meine verlaſſene Tochter! du ſollſt gerächt werden. Els - beth muß fallen.

(Casperl tritt unter Verbeugungen mit Etzel ein.)
Wolfram.

Da biſt du ja. Jch muß doch mit den Leib - knappen der jungen Frau Herzogin, meines theuren Neffen geliebter Gemahlin, Bekanntſchaft machen. Du gehörſt jetzt in’s Haus.

Casperl
(als ob er taub wäre.)

Ja, unterthänigſt zu melden, ich bin wirklich wie eine Maus daherein gekommen.

Wolfram.

Wie lange biſt du ſchon bei deiner Gebieterin Knappe?

122
Casperl.

Mit Vergunſt gehorſamſt aufzuwarten, es war kein Rappe, ein Schimmel war’s, auf dem wir eingeritten ſind und zwar der Schimmel des jungen Herzogs.

Wolfram.

Verſtehe recht: Jch fragte um deine Dienſtzeit: wie lange du ?

Casperl
(ihn unterbrecheud.)

O ich bitte, eigentlich iſt mir gar nicht bang um mich; ich hab hier mein gut’s Eſſen, und trin - ken kann ich, ſo viel ich mag. Das iſt bei mir immer die Hauptſach.

Wolfram
(zu Etzel bei Seite.)

Jſt er taub, der Burſch? oder thut er nur ſo? Er ſcheint mir ein arger Schalk.

Casperl.

Ja, einen Talken hat mich mein Fräulein jetzt unſ’re Frau Herzogin ſchon oft genannt.

Etzel.

Mit etwas Geld wird’s mit dem Hören beſſer gehen.

Wolfram
(zu Casperl.)

Armer Burſch! Du biſt ja taub.

123
Casperl.

Ja, wenn das Laub abfallt, da wird’s bald Winter werden.

Wolfram.

Nun, es ſoll mich freuen, wenn der Winter Gutes bringt. Vor der Hand macht der Sommer die Kehlen trocken.

(Wirft ihm eine Börſe zu.)

Da haſt du Etwas zu einem guten Trunk auf das Wohl des jungen Ehepaares. Magſt nach Herzensluſt deinen Durſt löſchen.

Casperl.

Unterthänigſt aufzuwarten eine Wurſt iſt immerhin gern mitzunehmen, wenn ſie nur vorn und hinten zugebunden iſt. Mach meine gehorſamſte Dankſagung.

Wolfram
(zu Etzel.)

Der Kerl iſt unerträglich.

(laut zu Casperl.)

Nun, im Vertrauen, ich gehöre ja zur Sippſchaft; denn ich bin der alten Frau Herzogin leiblicher Bruder im Vertrauen: wo iſt denn eigentlich der Her - zogin Elsbeth Heimath?

Casperl
(großartig.)

Ha! woher? Dieſes Gehoimniß iſt öben die Frage, die in dem Dunkel des Waldes neben124 jöner ſtillen Hütte bei der Dämmerung des blin - kenden letzten Mondviertels nach dem Aufgang der untergehenden Sonne des erſten halben Jahres in dem Buſen der Natur begraben bloiben muß; kurz: ich woiß es nicht, und wenn ich es woißte, ſo

Wolfram.

Du biſt ein Narr!

(raſch ab.)
Etzel.

Du haſt meinen Ritter durch dein Benehmen ſehr aufgebracht und beleidigt.

Casperl.

Beleidigt oder beluidigt ich bin und bleib der Casperl Larifari und laß mich nicht aus - fratſcheln.

Etzel.

Aber du kannſt dir doch denken, daß meinem Herrn daran liegt, zu erfahren, wer die junge Her - zogin iſt.

Casperl.

Ob’s ihm daranliegt, ober ob ſie ihm nicht daranliegt, mir iſt es einerlei. Jetzt bin ich amal da und bleib da und weißt was, Bruder? Jetzt gehen wir zum Jmbiß, wie die Herren Ritter zu ſagen pflegen, wenn ſie in Etwas beißen wollen.

(Trollt lachend ab.)
125
Etzel
(allein.)

Was iſt da zu machen? Mit dem Schalk läßt ſich Nichts anfangen.

(Ab.)

Verwandlung.

Burghof in Mondbeleuchtung. An dem Fenſter eines von Jnnen erleuchteten Erkers, welches offenſteht, iſt Elsbeth. Unten geht, Wache haltend, der Knappe Ralf, einen Spieß in der Hand, auf und ab.

Elsbeth
(ſingt oder ſpricht.)
Sei gegrüßt du ſtille Nacht,
Seid gegrüßet Mond und Sterne!
Leuchtend ſchaut ihr aus der Ferne,
Elsbeth harrend, hoffend wacht.
Kommt, ihr lieben Brüderlein!
Eure Hemdlein ſind geſponnen,
Sind gebleichet an der Sonnen;
Kommet, holt ſie euch; fliegt ein!
Ralf.

Ei, die junge Herzogin wacht noch. Was doch die böſen Leute ſchwatzen! Die ſchöne, liebe Frau ſollt eine Zauberin ſein, die den Herzog behext habe? Das kann nicht ſein; für die ſtünd ich ein.

Elsbeth
[fährt fort.]
Bald vorbei ſind ſieben Jahr,
Schweſterlein hat treu geſchwiegen.
126
Brüder, nicht als Raben fliegen
Sollt ihr mehr. Komm liebe Schaar!
Ralf.

Was ſingt (ſpricht) ſie da? Was hör ich von Raben? Wär’s doch ſo, wie ſie mir ſagten, daß ſie mit ſolchen Galgenvögeln heimlich verkehrt? Da muß ich aufpaſſen. Und wenn ich ſo was ſäh, wär’s ja meine Schuldigkeit, es zu melden.

Rauſchen in der Luft; die ſieben Raben ſchweben herbei und fliegen in Els - beths Fenſter hinein, das ſich ſchließt.

Ei, die Peſt! da haben wir’s. Da darf ich nicht mehr ſchweigen. Der Etzel ſitzt noch da drin - nen bei den andern Knechten in der Trinkſtube.

[Klopft an ein Fenſter unten im Hofe.]

Heda! heraus! Macht aber keinen Lärm. Da gibt’s was zu ſeh’n.

Etzel,
[der durch eine kleine Pforte herauskommt.]

Was gibt’s? Sind Diebe im Schloß?

Ralf.

Die Raben! die Raben!

Etzel.

Haſt du ſie geſehen?

Ralf.

Mit eig’nen Augen im Mondenlicht. Da oben ſind ſie eingeflogen.

127
Etzel.

Wie? zur jungen Herzogin?

Ralf.

Freilich, freilich.

Etzel.

So? Da muß ich gleich meinen Herren holen.

[Ab.]
Ralf.

Das iſt wohl Teufelszeug. Gott ſei bei uns! Mich jammert nur der gute Herzog. Eine Zau - berin zum Weib zu haben! eine Dirne, die ihn behext hat!

[Graf Wolfram und Etzel eilen herein.]
Wolfram
[zu Ralf.]

Jſt’s wirklich ſo? Haſt du’s geſehen?

Ralf.

Wahrhaftig, es iſt ſo, gnädiger Graf. Teufels - raben! Jch kann’s beſchwören. Wartet nur, ſie werden wohl wieder herausfliegen.

Wolfram.

Nur ſtill! ruhig!

Sie ziehen ſich unter den Erker zurück und lauſchen. Nach einer kleinen Pauſe öffnet ſich das Erkerfenſter. Elsbeth zeigt ſich.
Elsbeth.

Nun flieget aus, zu bergen euch im nahen Flieder; Der Zauber iſt gelöst, ſeh ich euch morgen wieder. 128Lebt wohl! lebt wohl! Auf Wiederſeh’n! Nun laßt die weißen Hemdlein weh’n!

Die ſieben Raben fliegen aus dem Fenſter, jeder ein Hemdlein im Schnabel, kreiſen einmal umher und ſchweben hinaus. Elsbeth hat ſich zurückgezogen und im Erker wird es dunkel. [Wolfram, Etzel und Ralf treten vor.]
Wolfram.

Bei Gott! ſie iſt eine Hexe. Jhr habt’s geſeh’n! Jhr könnt einen Eid darauf leiſten. Nicht wahr? Jhr ſeid mir Zeugen in der Sache.

Etzel und Ralf.

Ja! wir können’s beſchwören.

Wolfram.

Nun, Lärm gemacht!

[Ruft.]

Hallo! hallo! aus den Betten! Licht herbei! Wacht auf! Wacht Alle auf in der Herzogsburg! Hört’s Alle: Die Herzogin Elsbeth iſt eine Hexe!

Die Fenſter erhellen ſich; der Hof belebt ſich.
Wolfram.

Folgt mir zum Herzog und zur Herzogin Mut - ter! Auf und Elsbeth nehmt gefangen. Legt die Zauberin in Feſſeln.

[Stürzt ab.]
(Der Vorhang fällt raſch)
129

III. Aufzug.

Kerker. Strohlager.
Elsbeth
[in fchwarzem Gewande und gefoſſelt.]

Nun lieg ich im Kerker und ſie werden mich zum Tode führen. Jn jener fürchterlichen Nacht, als der Blitz meine väterliche Burg vernichtete und meine unglücklichen Eltern untergingen, floh ich, gerettet und beſchützt von dem treuen Knappen Caspar. Als ich erſchöpft in dem Walde auf Moos hinſank und in Verzweiflung in die Nacht hinausſchaute, da erſchienſt du mir, Hulda und gabſt dich mir als meine Beſchützerin zu erkennen. Durch dich erfuhr ich den unſeligen Fluch, den meine Mutter über ihre Söhne ausgeſtoßen hatte; du ſagteſt mir, daß ich meine armen Brüder aus dem Zauber zu erlöſen im Stande wäre durch ſiebenjahrelanges Schweigen über meine Herkunft und wenn ich ſieben Hemdlein ſpänne, die meine Schweſterliebe geſegnet. Heute lauft die Zeit ab. 9130Heute iſt der letzte Tag des verhängnißvollen Jah - res und heute ſoll ich als fälſchlich angeklagte Zauberin ſterben?! O mein theurer Albert! Auch du, auch du willſt meine Unſchuld nicht glau - ben? Und du, meine Beſchützerin! Hulda, du haſt mich verlaſſen!

Harfenklänge. Geiſterchor von weiblichen Stimmen hinter der Scene.
Geduld, Geduld in deiner Noth!
Noch nahte nicht das Abendroth.
Harr aus und ſchweige, ſchweige ſtill,
Wie das Gebot der Fee es will.
Geduld, Geduld! Die Liebe ſiegt
Und aller Jammer bald entfliegt.
Elsbeth.

Möget ihr wahr ſprechen, ihr geheimnißvollen Stimmen! Jch will treu ausharren.

Die Kerkerpforte wird von Außen geöffnet; Albert tritt ein und ſtürzt auf Elsbeth.
Albert.

Meine Elsbeth! mein armes Weib!

Elsbeth.

Mein Albert!

[Pauſe.]

So glaubſt denn auch du das Verbrechen, deſſen ſie mich zeihen?

Albert.

Mein Herz iſt zerriſſen, zerfleiſcht. Alle ſind gegen dich. Sie ſagen, du hätteſt mich mit Zau -131 bermitteln freventlich an dich gefeßelt. Die ſchwar - zen Raben, mit welchen du Umgang pflegſt, ſeien böſe Geiſter. Ach! was ſagen ſie nicht noch Alles?! Und ich ich will, ich kann es nicht glauben; aber ich beſchwöre dich: Löſe mir das geheimniß - volle Räthſel! Mir, mir deinem Gatten vertraue dich an und ich trete im Kampfe des Gottesgerich - tes auf Leben und Tod gegen deine Ankläger für deine Unſchuld in die Schranken.

Elsbeth.

Ein einzig Wort würde mich befreien, ein einzig Wort meine Reinheit beweiſen. Aber noch muß ich ſchweigen nur wenige Stunden; denn zu dieſer Stunde iſt die Friſt noch nicht abgelau - fen, bis zu der ich Schweigen gelobt habe. O mein theurer Gemahl! Hätteſt du mich in meiner ſtillen Waldeinſamkeit gelaſſen! Jetzt es iſt fürchterlich jetzt werden ſie mich tödten, ehe ich zu meiner Befreiung reden darf.

Albert.

Nur mir eröffne dich, ich beſchwöre dich!

Elsbeth.

Jch darf nicht, ich kann nicht. Aber Gott weiß es, ſchuldlos bin ich!

9*132
Albert.

Jch glaube es; ich zweifle nicht an deiner Unſchuld, aber das Gericht hat geſprochen. Du biſt verurtheilt.

Elsbeth.

So möge mich der Himmel beſchützen! Gehe, mein theurer Albert; verlaſſe mich. Was willſt du noch bei mir? Willſt du deine und meine Schmerzensſtunde verlängern? Es muß ſein. Laß uns ſcheiden.

Albert
(ihr zu Füſſen ſtürzend.)

Meine Elsbeth!

Elsbeth.

Lebe wohl! Auch im Tode bin und bleib ich dein!

(Man pocht dreimal an die Kerkerthüre.)

Hörſt du? ſie nahen.

Albert.

Leb wohl! Gott mag mir beiſtehen!

(Stürzt ab.)
Der Scharfrichter in blutrother Kleidung tritt mit zwei Knechten ein.
Scharfrichter.

Elsbeth, ſeid Jhr bereit? Der Stab iſt ge - brochen.

Elsbeth.

Jch bin bereit.

133
Scharfrichter.

Meines Amtes iſt’s, Euch nun auf den Holz - ſtoß zu führen. Alſo will’s das Geſetz und der Spruch der Richter.

Elsbeth.

Das Geſetz ſoll ſeinen Lauf haben.

(Trauermarſch hinter der Scene.)
Scharfrichter.

Man erwartet Euch; folgt mir.

Elsbeth.

Jch folg Euch und vertraue dem Himmel.

(Alle ab)

Verwandlung.

Freier Platz. Jm Hintergrunde ein Scheiterhaufen. Reiſige und Knechte umgeben ihn.
Casperl
(mit einem großen, we ßen Sacktuche tritt ſchluchzend und heulend ein.)

Jetzt iſt Alles aus! Alles iſt aus! Sie wollen meine gute, ſchöne liebe Elsbeth verbrennen. Aus den Flammen der brennenden Burg hab ich ſie gerettet und jetzt ſoll ich zuſehen, wie man ſie auf einem elenden Schoiterhaufen verbrennt. Die ver - dammten Raben ſind aber ihr Unglück! Hätt ſie ſich lieber a Zeiſerl oder einen Gimpel gezogen. 134Mich hat’s ja ohnehin gehabt. Der Teufel weiß aber auch, was dahinter ſteckt. Wenn ſie reden wollt, wenn ſie ſich nur declamiren wollt! Aber nein! Sonſt können die Frauenzimmer ’s Maul nit halten; wenn’s aber ſein ſoll, nacher machen ſie’s extra nit auf.

Etzel
(tritt mit zwei Knechten ein.)

Aha! Da iſt der Burſch. Packt ihn nur gleich.

Casperl.

Oho! was wär denn das? Was wollt ihr denn von mir?

Etzel.

Du biſt der Hexe Elsbeth Diener und Gehilfe, haſt alſo auch den Tod verdient.

Casperl
(zittornd.)

Wa wa wa was hab ich verdient?

Etzel.

Das Gericht hat über dich als Hexenlehrling ge - ſprochen.

Casperl.

Ueber mich als, als Lexenhäring? Da weiß ich aber gar nichts davon.

Etzel.

Du wirſt zwar nicht verbrannt

135
Casperl.

Alſo nicht verbrannt?

Etzel.

Du wirſt in ein Faß geſteckt

Casperl.

Jn ein Bierfaß oder in ein Weinfaß?

Etzel.

Jn ein leeres Faß, zugenagelt, den Berg hi - nunter bis in den Fluß gerollt, wo du dann ein - geſperrt bis ins Meer fortſchwimmen kannſt. Alſo fort! Mache nur keine Umſtände. Wachen, führt ihn ab.

Casperl.

Was? abführen auch noch? Jch brauch keine Medizin. Jch bin ein kerngeſunder junger Menſch.

Etzel.

Nur nicht Spaß gemacht. Packt ihn!

Casperl.

Laßt’s mich aus!

(Wehrt ſich. Balgerei. Er macht ſich frei; läuft fort; die Andern hinter ihm drein, einigemal um die Bühne herum, dann hinaus. Alle ab.) Trompetenſtoß, dann Trauermarſch. Reiſige und Knappen eröffnen den Zug. Der Scharfrichter. Frauen in Trauer - kleidern, brennende Fakeln tragend. Elsbeth; ihr zur Seite ein Mönch. Herzog Albert, Herzogin Kunigunde, Graf Wolfram. Knappen und Gefolge. Der Scharfrichter führt Elsbeth auf den Scheiterhaufen. Drei Trompetenſtöße.
136
Graf Wolfram.
(feierlich.)

Alſo hat das Geſetz durch Richterſpruch ge - ſprochen, daß Elsbeth, des Herzogs Albert Gemahl, als Zauberin auf dem Scheiterhaufen ſterben ſoll, zur wohlverdienten Strafe.

(Trompetenſtoß.)

Wir müſſen es beklagen, vermögen aber den Vollzug des ge - rechten Urtheils nicht zu hemmen.

Albert
(vortretend.)

Und alſo rede ich, als der Verurtheilten Herr und Gemahl, daß ich Einſprache thue und eintrete für ihre Unſchuld in heiligem Gottesgerichtskampfe. Euch, Graf Wolfram, meiner Frau Mutter Bruder und meinem Ohm, Euch dem Ankläger meiner Gemahlin werfe ich den Handſchuh hin zum Kampfe mit mir auf Leben und Tod!

Wolfram.

Was ſollte ich mit Euch auf Leben und Tod kämpfen um eine Hexe?! Dafür iſt mir mein Schwert zu heilig. Das Urtheil iſt geſprochen und mit Fug und Recht iſt Elsbeth verurtheilt. Fiat justitia.

Albert.

Jhr müßt mit mir kämpfen, wenn Jhr ein ehrenhafter Ritter ſeid.

137
Wolfram.

Ja! wenn ich ein Narr wäre!

Kunigunde.

Mein Sohn! zieh dein Schwert nicht für die Unſelige, die dich bethört hat! Sie iſt’s nicht werth.

Wolfram.

Jm Namen des Gerichtes, deſſen Vorſitzender ich bin: Zündet den Holzſtoß an!

Der Scheiterbaufen flammt auf. Donnerſchlag. Die ſieben Raben fliegen herbei, verſchwinden hinter dem Holz - ſtoße und es tauchen ſieben in weiße Hemden gekleidete Knaben und Jünglinge hervor, welche Elsbeth befreien. Zugleich erlöſchen die Flammen und der Holzſtoß ſtürzt zuſammen.
Elsbeth.

Meine Brüder! Meine lieben Brüder!

Die Fee Hulda erſcheint.
Hulda.
Erlöſchet ihr Flammen
Und brechet zuſammen!
Unſchuldig iſt Elsbeth und rein;
Albert, die Befreite iſt nun dein.
Verſchwindet Lug und Trug,
Geſühnt iſt Mutterfluch.
(Verſchwindet.)
Elsbeth eilt herab und ſtürzt Albert in die Arme.
Elsbeth.

Jetzt darf ich reden. Der Zauber iſt gelöst. Meine Brüder ſind es, die durch unſeligen Mutter -138 fluch in Rabengeſtalt gebannt waren. Sieben Jahre mußt ich ſchweigen und ihnen ſieben weiße Hemd - lein weben. Unſchuldig bin ich, kein Mackel be - fleckt mich.

Albert.

Jch wußt es ja! Mein Herz hatte mich nicht getäuſcht.

Alle.

Heil Elsbeth unſerer Herzogin! Heil der edlen reinen Frau!

(Wolfram ſtürzt hinaus.)
Kunigunde.

Geſegnet ſeiſt du, theure Tochter.

Casperl
(ſtürzt herein.)

Jetzt darf auch ich reden, aber ich hab zuvor eigentlich Nichts g’wußt! Und jetzt iſt die Comödi aus, denn die Tugend ward bulohnt.

(An das Publikum:)

Sie haben nun geſeh’n das Mährlein der ſieben Raben, Ein andersmal führen wir auf die G’ſchicht von den ſieben Schwaben.

(Der Vorhang fällt.) Ende des Stückes.

Das Glück iſt blind, oder: Casperl im Schuldthurm. Zauberſpiel mit Geſang in drei Aufzügen.

[figure]

Perſonen.

  • Bios,

    der Genius des Lebens.

  • Fortuna,

    Göttin des Glückes.

  • Capricerl,

    ein Knabe, ihr dienſtbarer Geiſt.

  • Casperl Larifari.
  • Krügler,

    Wirth zum rothen Ochſen.

  • Lorenz,

    ein alter Mann.

  • Klaus,

    Einſiedler.

  • Der Teufel.
  • Ein Polizeidiener.
    • Johann,
    • Peter,
    • Bediente bei Casperl.

Verſchiedene Erſcheinungen und Verwandlungen.

141

I. Aufzug.

Zimmer. Casperl ſitzt am Tiſche, auf dem ein großer Bierkrug ſteht.
Casperl
(in tragiſchem Tone.)

So hab ich denn den letzten Tropfen der Le - bensbittereſſenz getrunken! Der Krug iſt leer. O Schickſal!

(in gewöhnlichem Tone.)

Der Krug iſt leer, mein Beutel iſt leer, ich hab nix mehr! Jetzt ſitz ich halt ſo da und denk über die Vergangenheit nach; denn der Blick in die Zukunft bietet mir die traurigſte Ausſicht: grad ſo, als wenn ich auf einem hohen Berg ſtünd und in den Nebel hinaus - ſchau’n thät. Ha! wer iſt aber Schuld an meinem phyſiſchen und moraliſchen Elend? Wer iſt Schuld daran? Hab ich nicht ſelbſt Alles ver - than und in den Ocean des unergründlichen Dur - ſtes verſenkt? Oh oh wehe! Hab ich mich nicht auf die unterirdiſcheſte Tiefe der oberirdiſcheſten Höhe eines Schuldenzuſtandes ge - ſchwungen, der meine Gläubiger, dieſe Hyänen,142 veranlaßen wird, ſich meiner Perſon zu verſichern. O Schickſal! O Schickſal! Deine Schläge ſind furchtbar!

(Drei ſtarke Schläge an der Thüre. Casperl fällt aus Schrecken vom Stuhl herab.)

Was hör ich? wieder Schick - ſalsſchläge?! Wer klopft ſo unverſchämt?

Wirth Krügler
(von Außen.)

Machen’S nur auf. Herr Casperl!

Casperl.

Auweh! das iſt der Wirth vom rothen Ochſen.

Krügler.

Aufgemacht! Jch hab mit Jhnen a Wörtl zu reden.

Casperl.

Gleich, gleich; ich hab den Zimmerriegl, der an der Thür ſteckt, verlegt. Jetzt Kuraſch, Cas - perl!

(Oeffnet die Thür.)
(Krügler, ungeheuer dick, tritt ein mit einem großen Zettel in der Hand.)
Casperl.

Ah! ſind Sie ’s Herr Krügler? das freut mich ungemein, daß ich die Ehre hab.

Krügler.

Ja, und mich freut’s auch ungemein, daß ich Sie einmal zu Haus treff, Herr Casperl. Jch hab143 nur eine Kleinigkeit mit Jhnen abzumachen. Jſt gleich vorbei.

Casperl.

So? So Herr Krügler? Nun was ſteht denn zu Dienſten?

Krügler.

Jch mein, das ſollten Sie ſelber wiſſen, Herr Casperl.

Casperl.

Nein, da wüßt ich wirklich Nichts; fallt mir wirklich Nichts ein.

Krügel.

So? Ei! Ei da ſchaun’S nur den Zettel da a bißl an, Herr Casperl.

Casperl.

Den Zettel? Ja, ich hab heut meine Augen - gläſer verloren und da kann ich nicht gut leſen.

Krügler.

Nun, ſo will ich Jhnen vorleſen, was da g’ſchrieben ſteht. Merken’S nur auf:

[lieſt.]

Seit dem 14. vorigen Monats Rechnung für Herrn Caspar Larifari bis zum Heutigen: drei Eimer Bier zweihundert Paar Bratwürſt Zwanzig144 Wecken Brod einhundertzwanzig Semmeln 10 Maß Kronewitter 30 Flaſchen Deideshei - mer 18 Pfund Kalbsbraten 500 Taſſen Kaffe mit 800 Bretzeln.

Casperl
[iſt unterdeſſen auf den Stuhl geſunken.]

Halt ein! Halt ein, bedenke was der Menſch ertragen kann!

Krügler.

Was Sie ertragen können, das geht freilich in’s Ungeheure; aber: Nummer Eins heißt eſſen und trinken, und Nummer zwei heißt zahlen. Verſteh’n Sie mich, Herr Casperl?

Casperl.

Aber die Beleidigung! Einem Manne von meinem Credit ſo Etwas zuzumuthen. Da hab ich ganz andere Summen auf meinem Schulden - regiſter und Sie ſind ſo unverſchämt, mit einem ſolchen Bagatell zu kommen? Pfui Teufel! ſchämen Sie ſich, Herr Krügler!

Krügler.

Ah, das iſt nicht übel! a Bagatell? Sind freilich nur 197 Gulden ohne die Gläſer und Krügeln, die Sie mir zuſammengeſchlagen145 haben, wenn’S en Rauſch g’habt haben. Kurz das iſt kein Spaß; und wenn Sie nicht augen - blicklich zahlen, ſo werd ich mir ſchon Zahlung verſchaffen.

Casperl
(in nobler Entrüſtung.)

Wie? was? Herr Krügler, nehmen Sie ſich in Acht. Sie haben es mit einem Manne zu thun

Krügler.

Mit einem Manne, der ſich vor Schulden nicht mehr auskennt; mit einem Manne, der ein liederliches Subject iſt mit mit mit

Casperl.

Mit einem Manne, der Jhnen eine Ohrfeige gibt.

(Gibt ihm eine Ohrfeige.)
Krügler.

Wie? was? welche Unverſchämtheit! Sie ſind ein Grobian. Hier die Antwort.

(Gibt Casperl auch eine Ohrfeige.)
Casperl.

Auf dieſe Antwort muß ich wieder fra - gen.

(Schlägt ihn.)
Nun prügeln ſich beide, bis Casperl den Krügler endlich zur Thür hinauswirft.
Casperl
(allein, triumphirend.)

Dieß war ein glücklicher Wurf! Aber jetzt fort! Es könnten noch mehrere ſolche Viſiten kommen.

(Ab.)
10146

Verwandlung.

Ländliche Gegend. Ein ärmliches Häuschen ſteht an der mittleren Seitencouliſſe. Fortuna mit verbun - denen Augen, ein goldenes Füllhorn im Arme, ſchwebt in einem ſilbernen Segelſchiffchen durch die Luft herein. Capricerl ſitzt am Steuerruder und zieht die Segel ein, während das Schiff ſich zur Erde ſenkt.
Fortuna
(ſteigt mit dem Knaben aus und ſingt.)
Fortuna bin ich; durch die Welt
Flieg ich, vertheile Gut und Geld;
Dukaten ſtreu ich rings umher,
Und doch wird nie mein Säckel leer.
Bald bin ich hier, bald bin ich dort
Und ſchwebe ſchnell von Ort zu Ort.
Jch ſpende nur zum Zeitvertreib
Und bin ein windiſch launig Weib.
Verbunden ſind die Augen zwar,
Ein Band ſchlingt ſich um Stirn und Haar,
Jch ſehe gar nichts und bin blind,
Drum führt mich dieſes kleine Kind.

Wo ſind wir, Capricerl? Warum haſt du hier das Schifflein ſinken laſſen?

147
Capricerl.

Weil mir die Gegend gefiel und weil ich Durſt habe. Hier ſteht ein kleines Häuschen, in dem ich wohl Waſſer bekommen kann.

Fortuna.

Frage, wer es bewohnt. Vielleicht kann ich die Bewohner beſchenken.

Capricerl.
(läuft an’s Häuschen und klopft an der Thüre.)

Aufgemacht! aufgemacht!

Lorenz
(von Jnnen.)

Wer pocht an der Thüre?

Capricerl.

Ein Knabe, der dich um einen Trunk bittet.

Lorenz.

Warte nur, ich komme gleich. Bei mir geht es langſam.

(Tritt, auf einen Stab geſtützt, aus dem Hauſe.)

Da bin ich, Kleiner.

Capricerl.

Alter guter Mann, kann ich wohl ein Bischen Waſſer haben?

Lorenz.

So viel du willſt. Geh nur in das Haus; rückwärts im Höfchen iſt ein Brunnen, da kannſt du deinen Durſt löſchen.

10*148
Capricerl.

Gut, ich danke dir. Unterhalte dich einſtweilen mit dieſer ſchönen Frau.

[Ab in’s Haus.]
Lorenz.

Fürwahr, das iſt freilich eine ſchöne Frau.

[Hinkt auf Fortuna zu.]

Seid mir gegrüßt. Wie habt Jhr euch in dieſe einſame Gegend verirrt?

Fortuna.

Jch reiſe in meinem Luftſchiffchen umher und laſſe mich eben nieder, wo es mir lieb iſt oder vielmehr wo mein kleines launiges Bürſchlein Luſt hat.

Lorenz.

Wie ſonderbar! Von einem Kinde laſſeſt du dein Fahrzeug lenken?

Fortuna.

Allerdings. Du ſiehſt, daß meine Augen ver - bunden ſind, weil ſie ſehr ſchwach ſind; deßhalb bedarf ich eines Führers, und da haben mir die Götter dieſen Knaben beſtimmt.

Lorenz.

Ei du arme Frau. Blind zu ſein, das iſt ja ein rechtes Unglück.

149
Fortuna.

Jch bin doch ganz zufrieden dabei; bis - weilen habe ich auch lichte Augenblicke und kann unter der Binde etwas hervorblinſeln. Aber ſage mir: wer biſt du denn?

Lorenz.

Mein Gott! ein recht hungeriger alter Mann, ein Taglöhner ſeines Geſchäftes. Nun bin ich aber zu ſchwach, um mir mein Brod zu verdienen und muß von mitleidiger Menſchen Gaben leben. Mein Weib iſt vor einem Jahr geſtorben und ſo bin ich nun ganz verlaſſen.

Fortuna.

Du biſt alſo recht unglücklich.

Lorenz.

Das will ich eben nicht ſagen; denn ich kann mir denken, daß es Andere geben mag, welchen es noch ſchlechter geht, als mir. So muß ich Gott noch danken für das, was ich habe.

Fortuna.

Das heiß ich Beſcheidenheit und Genügſamkeit! Wenn aber das Glück einmal bei dir einkehren wollte, das wäre dir doch nicht unlieb.

150
Lorenz.

Das Glück? Ei, was iſt denn das Glück? Ein launiges Weibsbild, das wie eine Närrin in der Welt umherfahrt. Jch kenne für mich nur ein Glück.

Fortuna.

Und das wäre?

Lorenz.

Wenn mich der Tod von dieſem Leben befreien wollte.

Capricerl
[ſpringt aus dem Hauſe heraus.]

Heiſa! Das iſt eine prächtige, friſche Quelle. Das ſchmeckt beſſer, als der beſte Wein.

Fortuna
[zu Lorenz.]

Wenn dir aber die letzten Tage deines Lebens erleichtert würden?

Lorenz.

So würd ich es dankbar annehmen, denn ich könnte dann leichter das Ende erwarten.

Fortuna.

Das ſoll geſchehen, ſobald du wieder in dein Häuschen getreten ſein wirſt. Lebe wohl!

[Vom Knaben geführt, ſteigt ſie in das Schiffchen.]

Auf! lüfte die151 Segel!

[Sie fliegen von dannen,]

Lebe wohl! Dießmal hat dich doch das Glück heimgeſucht.

Capricerl.

Jch danke für den Trunk!

Lorenz.

Glückliche Reiſe!

[Allein.]

Das war aber eine curioſe Perſon mit ihrem Buben da. So einen Luftballon habe ich noch nicht geſehen. Wieder eine neue Erfindung!

[Geht an’s Haus. An der Thürſchwelle.]

Ja, Wunder! was iſt denn das? Seh ich recht? Ein Sack voll Geld.

[Tritt in’s Haus und kommt gleich wieder heraus mit einem Geldſacke auf den Armen.]

Ei der Tauſend! Das iſt ja eine Zauberin geweſen. Ein Sack mit 1000 Gulden. Jn meinen alten Tagen noch ſolch ein Glück! Mir wird ganz ſchwindlig! Sorgen und Noth verlaſſen nun mein Häuschen. Gott ſei’s gedankt! Das Glück iſt bei mir eingekehrt.

Jndem er in’s Haus geht, entſchweben zum Dache heraus zwei graue, dürre geflügelte Geſtalten, Sorge und Noth vorſtellend.

Verwandlung.

Nacht. Gefängnißſtube des Schuldthurms. Strohſack, Stuhl, Tiſch, auf dem ein Lämpchen brennt. Casperl wird von einem Polizeidiener hereingeführt.
Polizeidiener.

So, Herr Casperl, jetzt wünſch ich recht gute Unterhaltung. A zeitlang werden Sie ſchon da herin logieren müſſen.

152
Casperl.

Jch danke gehorſamſt für die freundliche Be - gleitung und für den gefälligen Aufſchluß.

Polizeidiener.

Gar nicht nöthig. Jſt gern geſchehen. Jndi - geſtion werden’S auch keine bekommen; denn da herin iſt die Koſt äußerſt einfach.

Casperl.

O ich bitte. Jch bin ja an eine gewöhnliche Hausmannskoſt gewöhnt.

Polizeidiener.

Nun, ich wünſch recht guten Appetit dazu.

[Geht ab und ſchließt die Thüre raſſelnd von Außen.]
Casperl
[ſchaut ſich in dem Gefängniß um.]

Das iſt ein einfaches Lokal. Das muß ich ſagen. Ein Tiſch, der auf drei geſunden und ei - nem kranken Fuß ſteht. Ein Stuhl, der auch ziemlich marodiſch herſchaut. Und der Strohſack auf dem Boden bietet wenigſtens nicht die Gefahr dar, daß man durchfallt; aber die Mäus hab’n ihn auch etwas angefreſſen. Alles einfach; aber es iſt eine edle, großartige philoſophiſche Einfach - heit. Jch hab einmal was gehört von einem Pro - feſſor in Griechenland, der in einem Faß logirt153 hat. Hat’s der aushalten können, ſo wird’s mich auch nicht zerreiſſen.

[Geht einige Male nachdenkend auf und ab.]

O Schickſal! nun kenn ich dich erſt.

[Jn tragiſchem Pathos.]

Laß mich nicht verzweifeln! Jetzt bin ich mir ſelbſt preisgegeben. Meine hungerigen Gläubiger haben mich einſperren laſſen. Die Un - dankbaren, die ich mit einer Laſt von Schulden beſchenkt habe! Sie, bei denen ich ſo viel verzehrt habe! Ha! daherein haben’s mich gethan, bis ich bezahlen kann. Nun, da wer - den’s mich bis zum jüngſten Tag futtern müſſen, und ich kann gleich vom Schuldthurm in die Ewig - keit wandeln. O Glück! Glück! warum haſt du mich verlaßen? Jm Spielen hab ich Glück gehabt! Beim Trinken bin ich auch nicht unglück - lich geweſen. Meine Anſprüche waren beſcheiden; wenn ich nur immer genug zum Eſſen und Trin - ken gehabt hab. Und jetzt, jetzt!

[Wirft ſich verzwei - felnd auf den Strohſack. Das Lämpchen auf dem Tiſche erliſcht.]

So jetzt iſt auch das Licht ausgelöſcht. Was fang ich an in der Finſterniß, bis man mir mein Souper bringt?

Aus der Verſenkung erſcheint der Teufel. Das Gefängniß iſt roth erleuchtet.
Teufel
[mit hohler Stimme.]

Casperl! Casperl! Casperl!

154
Casperl
[vom Lager auffahrend.]

Oho! ſind Sie vielleicht der Nachtwachter? Sie haben mich weiter nit verſchreckt!

Teufel.
Der Nachtwachter bin ich nicht,
Aber ich ſcheu des Tages Licht.
Jch mache nicht mit Spieß und Hund
Wie der Nachtwachter die Rund,
Aber ich bin bei Tag und Nacht
Wie ein Wächter auf der Wacht!
Casperl.

Alſo ſind Sie ein bei Tag und Nacht wachen - der Wachter, aber doch kein Nachtwachter?

Teufel.

Verſchreibe mir deine Seele und ich befreie dich aus dieſem Kerker und ſchenke dir einen Sack mit Dukaten gefüllt.

Casperl.

Erſtens: Kann ich nicht ſchreiben. Zweitens: Jſt hier weder Tinten noch Papier. Drittens: Mag ich keinen Frack mit Oblaten gefüllt.

Teufel.

Casperl! Casperl mach keinen Spaß, oder ich dreh dir den Hals um.

155
Casperl.

Punktum!

| Man hört den Hahn krähen: Kikeriki, kikeriki.
Teufel.

Wehe! weh! Der Hahnenſchrei! Da iſt der Teufel nicht mehr frei!

(Verſinkt.)
(Es iſt wieder dunkel geworden.)
Casperl.

Das war aber ein curioſer Kerl. Jch hätt mich beinah zu fürchten ang’fangt. So jetzt bin ich halt wieder in der ägyptiſchen Finſterniß,

Heller durchſchneidender Schall einer Glocke. Jn der Wand öffnet ſich eine erleuchtete Niſche, von der aus das Gefängniß in blauem Schimmer beleuchtet wird.
Casperl.

Schon wieder eine Buleuchtung! Vorher roth und jetzt blau. Das iſt doch wenigſtens eine Unterhaltung.

Jn der Niſche erſcheint Capricerl.
Capricerl.

Casperl! Casperl! Casperl!

Casperl.

Ei du nettes Buberl, wie kommſt denn du da herein?

Capricerl.

Frau Fortuna ſchickt mich zu dir. Sie laßt ſich beſtens empfehlen und du ſollſt ein wenig zu ihr hinauskommen.

156
Casperl.

Frau Fortuna? Wer iſt denn die Madam?

Capricerl.

Du wirſt ſchon ſehen, wer ſie iſt. Komm nur! Sie will dich unter ihren Schutz nehmen.

Casperl.

Was? ſie will mich unter ihren Schurz nehmen? Ja, aber durch die geſchloſſene Thür kann ich nicht hinaus.

Capricerl.

Fortuna’s Macht vermag es, alle geſchloſſenen Thüren zu öffnen.

Donnerſchlag. Die Thüre ſpringt auſ. Casperl fällt aus Schrecken zu Bod en (Der Vorhang fällt raſch.)
157

II. Aufzug.

Ländliche Gegend mit dem Häuschen wie im erſten Auf - zuge. Bios, Genius des Lebens, Jüngling in kurzem Florgewande mit goldenen Flügeln, einen goldenen Scepter in der Hand. Sein Haupt iſt mit Blumen bekränzt.
Bios.

Fortuna! du des Glückes blinde Göttin, Wie herrſcheſt du in unbedachter Willkür, Aus deinem Füllhorn Gaben freundlich ſpendend, Die oft zum Unheil werden dem Beſchenkten; Und wieder bringſt du Schlimmes wendet ſich Nicht ſelten deine Spende doch zum Guten Für den, der deiner Gunſt ſich nicht erfreut. Des Schickſals Göttinnen, auf daß ihr Walten Frei bleibe, haben deiner Augen Sterne Verhüllt; denn gäbſt du off’nen Blickes ſchauend, Wär ihre Macht gelähmt; ſo aber lenken Sie weiſe noch der Götter Rath des Lebens Und ſenden mich aus, ihren treuen Boten. 158Hier, in der Hütte dieſes armen Alten, Hat wieder ſich die Holde nur getäuſcht, Gold ſpendend, in dem blinden Wahn zu retten. Nun eilt ſie her, im Glauben ſich zu freu’n, Und wird enttäuſcht, da die geneigte Spende Ein Leben raubte, ſtatt es zu erhalten! Sie naht! doch ſoll ſie hier mich noch nicht finden.

(Bios tritt hinter die Couliſſe. Fortuna und Capricerl treten ein.)
Capricerl.

Nun ſind wir hier an der Stelle, wie du be - fohlen.

Fortuna.

An dem Häuschen des armen Alten, den meine Gabe beglückt hat?

Capricerl.

Dort ſteht es ja.

Fortuna.

Nun, ſo eile hinein, um zu ſehen, was der Alte macht und wie er mein Geſchenk verwen - det hat.

Capricerl läuft in das Haus. Aus dem Hauſe ertöut Männergeſang.
Chor.
Bedenk, o Menſch: du biſt nur Staub,
Dein Leib wird bald der Würmer Raub.
159
Wie du gelebt,
Was du erſtrebt
Jn dieſer kurzen Zeit auf Erden,
Darnach wirſt du gerichtet werden.
Requiescat in pace!
Zugleich wird, von Wenigen begleitet, ein Sarg aus dem Hauſe getragen und der Leichenzug bewegt ſich in die Couliſſen hinein.
Fortuna.

Was hör ich? Jſt dies nicht ein Leichen - geſang?

Bios
(hervortretend.)

Allerdings. Der, den du vor Kurzem zu be - glücken glaubteſt, er wird begraben.

Fortuna.

Unmöglich! wer ſpricht zu mir?

Bios.

Kennſt du Bios Stimme nicht mehr?

Fortuna.

Trittſt du mir wieder in den Weg? Wo ich beglücken will wie oft zerſtörſt du mein Werk!

Capricerl
(kommt weinend aus dem Hauſe.)

Der Alte iſt geſtorben; ach, wie kurz war ſein kaum errungenes Lebensglück!

160
Bios.

Das Gold, wodurch du, blinde Glücksgöttin, ihm eine Wohlthat zu erzeigen glaubeſt, hat ihn getödtet.

Fortuna.

Nimmermehr!

Bios.

Es iſt nur zu wahr. Geblendet von der glän - zenden Gabe hat der nur an Entſagung Gewöhnte ſeine Lebensart geändert. Er, der ſich nur kümmer - lich genährt hatte, fing ein üppiges Leben an und dieſer Wechſel hat ihn getödtet. Die Schickſals - göttinnen ſandten mich, ſeine Lebensfackel auszu - löſchen.

Fortuna.

Weh ihnen, die des Menſchen Lebensfaden Grauſam verkürzen, wenn der Sonne Schein Noch mild erwärmend und erleuchtend glüht! Weh ihnen, die dem mütterlichen Herzen Das Kind entreißen, die der Braut, der Gattin Mit grauſer Luſt entführen den Geliebten! Weh ihnen

Bios.

Ende, Göttermacht zu ſchmähen; Du änderſt nicht des Schickſals mächtig Walten. 161Verſuch’s nur, irgend Einen zu beglücken, Der nicht mißbrauchend deine holden Gaben Sich nicht in’s Unheil ſtürzt, wie dieſer Arme, Den ſie nach kurzem Glücke nun begraben.

Fortuna.

Nun wohl! Wenn dieſer auch als Opfer fiel, Laß einen Zweiten mir, daß ich’s verſuche, Ob meine Gunſt dem Sterblichen nicht fromme.

Bios.

Es ſei. Zeigſt Einen du, der nicht verblendet Von deines Füllhorns Gunſt, ſich ſelbſt nicht ſtürzet, Der Maß hält im Genuſſe, den du boteſt, Und der ſein Glück nicht endlich ſelbſt verwünſcht, So neig ich meinen Scepter und beſiegt Erklär ich ſelber mich von deiner Macht! Wenn nicht magſt du beſchämt dem Schickſal huld’gen, Dem du im blinden Wahne oft getrotzt.

Fortuna.

Es gilt. Mein Knabe, komm und führe mich.

Bios.

Leb wohl du kühnes Weib. Auf Wieder - ſehen.

(Beide zu verſchiedenen Seiten ab.)
11162

Verwandlung.

Wald mit einer Einſiedelei, die in einer Felſenhöhle angebracht iſt.
Casperl
(läuft herein und einigemale um die Bühne herum, dann ſetzt er ſich erſchöpft in der Mitte nieder.)
(Ausſchnaufend.)

Ah! da muß ich bitten! Jetzt halt ich’s nimmer aus. Jch hoff, daß ich doch hier vor meinen Verfolgern ſicher bin, denn weit genug iſt es. Kaum war ich durch die Macht jenes Weſens, das mich unter ſeinen Schurz ge - nommen hat, befreit und der modernden Kerkerluft entſprungen ſteht gleich vor der Höllenpforte draußen mit zwei Polizeidienern der Wirth Krüg - ler, um mich in Empfang zu nehmen. Jn meiner Todesangſt ſchlag ich die zwei maliziöſen Häſcher um und lauf, was ich kann. Der dicke Krügler verfolgt mich, fallt aber gleich auf’n Bauch. Jetzt kommen’s aus allen Gaßen her und wollen mich fangen. Eine ganze Compagnie iſt mir nach - gerennt. Halts’n auf! halts’n auf! war das all - gemeine Feldgeſchrei, den Schuldenmacher! Jch hätt gar nicht geglaubt, daß ich einen ſo all - gemeinen Credit gehabt hab; denn die Schaar der nachfolgenden Gläubiger war eine Legion. Kurz163 und gut und gut und kurz: Der Geläufigkeit mei - nes Piedeſtals hab ich’s zu verdanken, daß ſie mich nit wieder eing’fangen haben; und jetzt wo bin ich denn eigentlich hingerathen in meiner Ver - zweiflung?

(Sieht ſich nach allen Seiten um).

Die Decoration iſt ein mir gänzlich unbekannter Wald. Den muß der Herr Direktor ganz neu haben malen laſſen, damit ich mich wieder nicht auskenn. Schau! Dahinten iſt eine Art Loſchi (Logie) angebracht. Dieſem ſtillen Bewohner gratulir ich, wenn’s Einer in dem Loch aushalten kann.

(Geht gegen die Einſiedelei.)
Klaus
(tritt ihm entgegen.)

NB. Der Einſiedler muß immer ſehr langweilig pa - thetiſch ſprechen, in einem weinerlichen Tone.)

Wer biſt du, Fremdling? Wie kamſt du in dieſe Einſamkeit?

Casperl.

Ja, was iſt denn das für ein altes Möbel der Schöpfung?

Klaus.

Wie? was ſprichſt du da? Sage mir, wer du biſt.

Casperl.

Wenn du, der du, die, das denn ich weiß nicht was für einen Lebenszwöck hier erfüllendes11*164Subjekt von einem Jndividuum waldbewohnenden Geſchlechtes, wildſproſſender Urabkommling einer unbekannten Nation auf eine Portion menſchlicher Vernunft Anſpruch machen kannſt, ſo wirſt du be - greifen, daß ich nicht aus Vergnügen in dieſe Baumpflanzung ſpaziert bin, ſondern daß ich ein vornehmer Reiſender bin, der ſich durch das Ver - hängniß ineinander verwurlter Verhältniſſe und Umſtände von rechts und links hieher verirrt zu haben dürfte, könnte, ſollte, wollte.

Klaus.

Deine Rede iſt dunkel und unklar. Allein wenn du nichts Uebles im Sinne haſt, ſo will ich dich gerne beherbergen, da du mir ein erſchöpf - ter, verirrter Wanderer zu ſein ſcheinſt.

Casperl
(feierlich.)

Ja! ich bin ein geknöpfter, verwirrter Wanderer, der einen bedeutenden Hunger und einen noch be - deutendererereren Durſt hat.

Klaus.

Jch kann dir nur Wenig bieten.

Casperl.

Das iſt mir ſehr unangenehm; um ſo unange - nehmerererer, weil ich Viel haben möcht.

165
Klaus.

Du haſt doch gewiß oft genug gehört, wie ein - fach wir Eremiten leben. Unſere Nahrung beſteht aus Wurzeln und Kräutern, unſer Trank iſt reines Quellwaſſer. Damit kann ich dir dienen.

Casperl.

Für dieſe Dienerſchaft dank ich höflichſt. Ein vornehmer Mann, wie ich, iſt ganz was Anderes gewöhnt.

Klaus.

Wenn aber ein vornehmer Mann ſich im Walde verirrt, dann wird er gewiß keine Torten und Pa - ſteten zur Nahrung finden; auch keinen Wein oder ſonſtige geiſtige Flüſſigkeiten.

Casperl.

Jch brauche keine geiſtlichen Süßigkeiten und am allerwenigſten bin ich aufgelegt, das langweilige Gepappel von ſo einem alten Kraxler anzuhören.

(Hochpathetiſch.)

Ha! Jch verlange von der Natur, die mich hervorgebracht, die einem gebildeten Manne entſprechende Suſtentation. Alſo heraus mit’m Kalbsbratl! Heraus mit der Brandweinflaſchen, oder ich werde thatſächlich!

(Droht mit der Fauſt.)
166
Klaus.

Fremdling, beruhige dich. Vielleicht finde ich in meiner Vorrathskammer, die ich für verirrte Wanderer immer bereit halte, doch ein paar Biſſen kaltes Fleiſch

Casperl
(ihn unterbrechend.)

Und auch im Kellerloch vielleicht ein paar Bou - teillen Wein. O du alter Kalfakter! Deine Wur - zeln und Kräuter ſind auch nicht weit her und dein reines Quellenwaſſer ſcheint mir auch an dir vor - bei zu fließen, ſtatt in dich hinein. Komm nur, begeben wir uns in deine Klauſen und faſten wir miteinander eremitaniſch nach deiner Manier. Juhe!

(Zieht den Einſiedler mit ſich in die Klauſe.)
Klaus.

Nu, nu! nur nicht ſo ungeſtüm, mein Freund. Es wird ſich ſchon Etwas finden.

(Beide ab.)
Es wird Nacht. Ein Gewitter kömmt. Blitz und Donner.
Klaus
(ſtürzt aus der Klauſe.)

Jetzt hab ich ihn, der jüngſt mir iſt entkommen, Als ich im Schuldthurn ihm erſchienen war. Er ißt und trinkt, was ich ihm vorgeſetzt Und weiß nicht, daß er in des Teufels Schenke. Weg mit der Kutte und dem falſchen Barte! Der Teufel will ſich, wie er iſt, nun zeigen! 167Was der Verſuchung nicht gelang, wird jetzt Gewalt Wohl leicht erringen. Casperl iſt nun mein!

Verwandelt ſich in den Teufel des erſten Aufzuges. Furchtbare Donnerſchläge. Oben wird es hell. Auf roſigen Wolken erſcheint Fortuna.
Fortuna.

Nein, nein! er iſt nicht dein. Des Glückes Göttin Will ihn bewahren. Weiche Satanas! Jhm iſt Fortuna hold.

Teufel.

Verflucht Geſchick! Dir muß ich weichen nun zum zweiten Mal.

(Verſinkt.) Die Klausnerhöhle verwandelt ſich in eine von rothem Schimmer erleuchtete Roſenlaube, in welcher Casperl zwiſchen einer Genien - gruppe ſchlummernd ruht. Unter ſanfter Muſik fällt der Vorhang.
168

III. Aufzug.

Wolkenſaal. Fortuna ruht auf einem Canapee von Roſawolken, an welchem das Füllhorn lehnt, ein Tiſch - chen vor ſich mit Gefäßen antiker Form. Alles roſen - farbig. Capricerl ſitzt zu ihren Füſſen, eine große Bretzel in der Hand.
Fortuna.

Jch bin noch ganz fatigirt von dem geſtrigen Tage. Jch habe ſo viel Glück geſpendet, mein Füllhorn ſo oft ausgeleert und ſo häufig in ſchönen Verſen geſprochen. Es thut mir wirklich wohl, daß ich in meinem Wolkencabinette in Proſa reden kann.

Capricerl.

Meinſt du, daß ich etwa nicht auch müde ſei? Glaubſt du, es ſei ein Spaß, die Segel deines Flügelſchiffes hundertmal auf - und abzuziehen und dann noch immer auf der Erde mit dir hin und her zu rennen?

Fortuna.

Darum hab ich dir heute die große Frühſtücks - bretzel gegeben und vielleicht laſſe ich dich heute169 noch in’s Marionettentheater gehen. Apropos! Jch möchte doch wiſſen, wie es mit meinem Protegé ſteht, den ich neulich aus den Klauen des Teufels gerettet habe?

Capricerl.

Ei! der Casperl Larifari, für den du mit Bios gewettet, daß er deine Gaben ertragen könne?

Fortuna.

Allerdings, der iſt es. Jch habe ſo ein bischen unter meiner Binde hervorgeblinſelt und der Burſche gefiel mir.

Capricerl.

Er iſt ein luſtiger, leichtſinniger Patron, wie mir meine Spielkameraden, der kleine Bacchant Tyrſeus und der Amorl, erzählt haben, die ihn ſehr genau kennen.

Fortuna.

Eben deßhalb ſetzte ich auf ihn das Vertrauen, daß er meine Gunſt zu würdigen wiſſe und ich dadurch Bios die Wette abgewinnen würde. Darum möchte ich aber auch gar zu gerne wiſſen, wie es um ihn ſteht. Jch will heute in meinem Wolken - Cabinette ruhen und keine Beglückungsfahrten unter - nehmen. Da könnteſt du ein bißchen ſpeculiren. 170Nimm von einem Glücksgenius in meinem Vor - zimmer ein paar Flügel zu leihen und fliege auf die Erde.

Capricerl.

Jch mag aber nicht. Jch will auch ausruhen, wie du.

Fortuna.

Du biſt ein recht capriciöſer kleiner Kerl.

Capricerl
(weint und ſchluchzt.)

Auch nicht einen Tag kann ich Ruhe haben! Das wird mir zu arg.

Fortuna.

Wenn du mir nicht folgſt, ſo werde ich einen andern kleinen Genius zu meinem Specialdienſte wählen und du kannſt dann den gewöhnlichen La - kaiendienſt verſehen.

Capricerl.
(etwas beſchwichtigt, aber immer noch ſchluchzend.)

Nun ja, ich will’s ſchon thun.

Fortuna.

Wenn es zur Beobachtung nöthig wäre, könnteſt du dich auch verwandeln. Hole dir nur zu dieſem Zwecke den Talisman, der rechts in der Schublade171 meiner Toilette liegt. Alſo adieu! Mache deine Sache gut und bringe mir Nachricht.

Capricerl.

Adieu! Jch denke bald wieder zu kommen.

(Beide zu zwei Seiten ab.)

Verwandlung.

Reichmeublirter Salon. An der Rückwand eine große Wanduhr, Spiegel. Johann und Peter, Bediente.
Johann.

Aber geſtern war’s wieder nicht zum aushalten mit’m gnädigen Herrn. Nichts hab ich ihm recht machen können.

Peter.

Nun, und am Abend erſt, wo ich den Dienſt gehabt hab! Da hättſt’n ſehen ſollen.

Johann.

Ja, wenn wir nicht ſo gut bezahlt wären und nebenbei unſern Schnitt machen könnten, da wär ich ſchon längſt fort.

Peter.

So beiläufig 600 Gulden hab ich mir ſchon erſpart.

172
Johann.

Jch ungefähr auch.

(Es klingelt ſtark.)
Peter.

Jetzt iſt er aufgewacht.

Man hört Casperls Stimme:

Mein Fruhſtuck, Caffee!

Johann

Ja, Caffee! Geſtern Chocolat heut Caffee morgen Bratwürſtl! Einen guten Magen muß er haben. Komm, ſonſt wird er grob.

(Beide ab.)
Capricerl.
(fliegt durch’s Fenſter herein.)

So, da bin ich. Jetzt wollen wir ſehen, wie ſich Monſieur Casperl aufführt. Wo kann ich mich wohl am Beſten verbergen?

(Schwebt im Zimmer herum.)

Ah! da in der Wanduhr iſt der beſte Platz. Schnell hinein!

(Verſteckt ſich in der Wanduhr.)
Casperl
[kommt aus dem Rebenzimmer und ſingt.]
Das Glück iſt bei mir eingeflogen,
Jch bin ein ganz gemachter Mann;
Denn meine Nummern hab’n’s gezogen,
Reich bin ich, wie man’s nur ſein kann.
Geregnet hat es mir Dukaten
Ein Terno iſt halt etwas werth;
173
Jetzt ſpeiſe ich Faſanenbraten
Und trink, was nur das Herz begehrt.
Grad vor man’s Lotto aufgehoben,
Hab ich die rechten Nummern g’ſetzt
Und gleich mein Quantum eingeſchoben,
Das war der letzte Caſſareſt.
Casperl.

Ja das war ein Glück! ein Glück, wie es nur mir zu Theil werden konnte und mußte; denn ich bin der Mann für ſo Was.

[Hochtragiſch.]

Nach jener fürchterlichen Nacht war es, als ich in jener eremitaniſchen Felſenhöhle von jenem röthſelhaftigen Oinſiedler in jener Stunde bei Donner und Blitz eben jenen Kalbsbraten zu verſchlingen, jenen aus - gezeichneten Deidesheimer zu ſchlürfen im Begriffe war, in jener Nacht oder nach jener Nacht war es, daß ich plötzlich von unſichtbaren Haus - knechtshänden, wenn es nicht zarte Genien meiner unbekannten Schutzgöttin waren, getragen in Flug geſetzt taumelnd in der Stadt niedergelaſſen wurde, wo ich nicht weit von einem Lotterieladl erwachte. Eine unbekannte, grobe, aber ſüſſe Stimme flüſterte mir in die Ohren:

Setze, ſetze unverdroſſen, Jn vier Wochen wird geſchloſſen! 174 Zwei, ſechs, fünfzig bau’n die Brücke Dir zu deinem Lebensglücke.

Zwei und ſechs und fünfzig hallte es nach in meinen Ohren als ich von der eremitaniſchen Betäubung erwachte. Jch griff in meine Taſchen und fand eine mir bisher ganz unbekannte Fünf - guldenbanknote in dem hinterſten rechten Winkel meiner vorderſten linken Hoſentaſchen in der lieder - lichen Geſellſchaft einiger kränkender unbezahlter Rechnungen. Mit großartigem Selbſtbewußtſein trat ich zum Lotteriecollecteur, warf mit Herablaſſung die Banknoten hin und bekam meine Lotterie - nummerzettel. Düſterhoffnungsbrütend erwartete ich in bangem ſchwellendem Gefühle mit leerem Magen die Ziehung. Ein Trompetenſtoß und der Ruf: Nummero

2. 6. 50.

erſchallte von der Altane des noch nicht erbauten neuen Rathhauſes. Die Ueberraſchung und der freudige Schrecken ſchlugen mich zu Boden. Vier Männer trugen mich als Leiche nach Hauſe. Nach wenigen, aber furchtbaren Stunden erwachte ich im Kreiſe der Meinigen, umgeben von meiner Familie, die ich nicht buſitze. Kurz! denn mein Mo -175 nolog wird ſchon etwas langweilig ich bin der reichſte Mann der Stadt und lebe nun ein Wonne - leben. Wenn ich mich nur nicht über Alles gleich ſo ärgern müßt. Aber Nichts macht man mir ſo, wie ich’s haben will. Wo iſt jetzt z. B. wieder mein zweites Gabel fruhſtuck; das ſollt ſchon längſt daſtehen. Das Löffel fruhſtuck hab ich ſchon zu mir genommen. Peter! Johann! Wo ſeid ihr Faullenzer? Johann! Peter!

Johann und Peter
[laufen von beiden Seiten herein.]

Was ſchaffen Euer Gnaden?

Casperl.

Was ich ſchaff? Jhr Eſel? Wo iſt mein Gabelfruhſtuck? Wo ſind die Bratwürſt? Wo iſt die Paſteten? Wo iſt der Wein?

[Gibt jedem ein paar Ohrfeigen, daß beide umfallen.]

So damit Jhr’s euch nur merkt, daß ihr einen Herrn habt! Allo! Allo! Marſch!

Die Bedienten laufen binaus.
Casperl
[im größten Zorne,]

Es iſt nicht zum Aushalten, wie ſchlecht ich be - dient bin! Es iſt infam!

Die Bedienten ſchieben von der Seite einen mit Speiſen und Bouteillen beſetzten Tiſch berein.
176
Casperl.
[beſieht Alles und ſchnufelt daran.]

Wo iſt denn die Gansleberpaſteten? Wo iſt der Champagner, den ich beſtellt hab? Nix iſt da! Man laßt mich verhungern um mein eigenes Geld! Man betrügt mich von allen Seiten!

[Jm furchtbarſten Zorne.]

Man will mich umbringen! Schändlich!

Schlägt wie närriſch auf die Bedienten, zerbricht Teller und Flaſchen, wirft den Tiſch um und fällt aus Zorn ſelbſt um. Nach einer kleinen Pauſe ſteht er wieder auf. Mit ſchwacher Stimme.

Wenn ich nur keinen ſolchen Zorn hätt! Das greift mich immer ſo an.

[Die Wanduhr ſchlägt raſch viele Glockenſchläge nacheinander.]

Ja was iſt denn das wieder? Will ſogar die Uhr widerſpenſtig werden?

[Geht ge - gen die Uhr hin.]

Willſt du’s Maul halten?

Capricerl’s Stimme aus der Uhr, drohend und warnend.

Casperl! Casperl! Casperl!

Casperl.

Oho! Oho! wer red’t denn da? Die Stimm hab ich ja ſchon amal gehört. Wenn du die Stimme des Schickſals biſt, ſo ſchweige, denn ich will Ruh haben und laß mir in mein Haus - weſen keine Eingriffe thun. Verſtanden?

Capricerl lacht ungeheuer.
Casperl.

Was? lachen auch noch? Mich auslachen? Schlipperment! Wer erlaubt ſich ſo was?

[Geräth177 wieder in Zorn. Die Uhr ſchlägt in einem fort.]

Johann! Peter! G’ſchwind! Tragt’s mir die dumme Uhr hinaus; die ärgert mich.

(Johann und Peter verſuchen die Uhr wegzuheben.)
Johann.

Gnädiger Herr, die Uhr iſt zu ſchwer, wir kön - nen’s nit derheben.

Casperl.

Dummheit! Nur probiren.

Peter.

Es iſt unmöglich, Euer Gnaden. Sie iſt wie eingemauert.

Casperl.

Da werd ich wieder helfen müſſen.

(Jndem er mit - hilft die Uhr wegzuheben, fällt er und geräth wieder in Zorn.)

Muß denn Alles gegen mich verſchworen ſein? So einem dummen Meubel werd ich doch noch Herr werden?

(Schlägt mit den Fäuſten die Uhr zuaſmmen. Unter kreiſchendem Gelächter fliegt Capricerl, in einen großen bunten Vogel verwandelt, aus der Uhr, ein paar Mal im Zimmer herum und dann zum Fenſter hinaus.)

Zauberei! Teufelei! Bin ich denn ein Narr oder hat man mich zum Narren? Hab ich mei - nen Kopf noch? Da muß ich gleich in den Spie gel ſchauen.

(Jndem er an den großen Wandſpiegel tritt, ſchaut ein Eſelskopf heraus und ſchreit: Ya, Ya, Ya. )

Wie? was? Ein Eſel? Soll das mein Spiegelportrait ſein? Ein Eſel in goldenem12178Rahmen. Soll das vielleicht gar eine Anſpielung auf mich ſein?

(Jn wüthendem Zuſtande.)

Da her! ihr zwei bortirte Eſel! Sagt mir, ſagt mir, ob die Welt aus den Fugen getreten iſt. Sagt mir ſagt mir

(er fährt wüthend auf den Spiegel und zertrümmert ihn, dann fällt er ohnmächtig zu Boden.)
Johann.

Da liegt er!

Peter.

Jſt er todt? Hat’n vielleicht der Schlag ge - troffen vor lauter Zorn?

Johann.

Legen wir ihn halt in’s Bett und holen wir den Doktor. Komm!

Peter.

Tragen wir ihn hinein.

(Sie heben Casperl auf und tragen ihn ſeitwärts hinaus.)

Verwandlung.

Fortunas Wolkenſaal, wie Anfangs des Aufzuges.
Geiſterchor
(hinter der Scene.)
Heil euch Unſterblichen,
Euch unverderblichen
Ewigen Mächten!
179
Heil Euch, ihr Wonnigen,
Jmmerdar Sonnigen,
Stets Ungeſchwächten!
Jhr ſeid dem wandelnden
Leben die handelnden
Weiſen Gewalten!
Jhr, die Beſchließenden,
Nimmer Zerfließenden
Jhr nur ſollt walten.
(Fortuna tritt ein.)
Fortuna.

Mein kleiner Bote bleibt ziemlich lang aus. Jſt es ein gutes oder ſchlimmes Zeichen? Sollte ich meine Gaben wieder vergeudet haben? Sollte ich Bios unterliegen müſſen?

Capricerl
(ſchwebt herein.)

Hier bin ich, holde Göttin.

Fortuna.

Was bringſt du für Nachrichten? Was macht mein Günſtling?

12*180
Capricerl.

Was ſoll ich dir ſagen, Beglückende? Jch möchte lieber ſchweigen. Nach meinen Beobacht - ungen, die ich aus dem Verſtecke eines Uhrkaſtens zu machen Gelegenheit genommen, darfſt du mit deinem Günſtling nicht ganz zufrieden ſein. Jch verließ ihn, als er eben im größten Zorne um ſich ſchlug und es mir ſelbſt unmöglich machte, länger in meinem Verſteck zu bleiben.

Fortuna.

Weh mir, wenn Bios dieß erfährt.

Bios
(erſcheint aus der Verſenkung.)

Bios weiß Alles. Dein Günſtling iſt deiner Gaben unwürdig. Allein überzeuge dich, daß er ſelbſt vielleicht ſein Glück verwünſchen wird.

Donner. Jm Hintergrunde theilen ſich die Wolken. Casperl erſcheint in einer Himmelbettſtatt liegend.
Bios.

Und nun, holde Göttin, lüfte deine Binde. Jetzt darfſt du ſehen. Jm Geben ſollſt du blind ſein, allein den Erfolg deiner Gunſt mit of - fenen Augen ſchauen. Laß uns aber bei Seite treten.

(Bios, Fortuna und Capricerl treten hinter die Seitencouliſſen.)
181
Casperl.
(im Bette aufwachend, gähnt unbehaglich.)

Auweh! wie iſt mir miſerabel! Jetzt weiß ich nicht, hat mich der Schlag wirklich getroffen, oder bin ich nur leiſe berührt worden.

[Er ſteht auf; hochdeutſch.]

Sollte dieſes die unverdiente Strafe meines Zornes ſein? Ha! und warum war ich zornig? Warum war ich wüthend und habe Alles zuſammengeſchlagen wenn mich mein Ge - dächtniß nicht toiſcht?

[gerührt.]

Jch war ſo glücklich! Alles, Alles, was ich mir nur gewünſcht habe, hat mir mein Reichthum verſchafft. Wie? ob? warum? woher? wohin? wieſo? lauter Fragen an das Schickſal.

[Geht nachdenkend auf und ab.]

Mir ſcheint, daß mir das Geld den Kopf verruckt hat. O Casperl! Du haſt vielleicht ſelbſt beobachten können, daß du durch deinen Reichthum ein Narr geworden biſt. Oh! Oh! Oh! War ich denn als ein armer Teufel nicht immer ein guter allgemein beliebter Kerl? Und jetzt? was war ich anders, als ein wüthender Kerl, ein Zornnickel, allen Leuten zu - wider? Fluch dem Glück, wenn es die Men - ſchen zu Narren macht!

Donnerſchlag. Casperl fallt um. Fortuna und Bios treten ein.
182
Fortuna
[ſich vor Bios neigend.]

Jch bin beſiegt, ich geſtehe meine Blindheit.

Bios
[zu Casperl.]

Erhebe dich! Sei ein Mann!

Casperl.

Jch war ſeit meiner Geburt männlichen Ge - ſchlechtes und habe durchaus keine Luſt, ein Weibs - gebild zu werden. Aber wo bin ich denn eigentlich?

Fortuna.

Du biſt in dem Palaſte der Göttin des Glücks.

Casperl.

Auweh! da könnt mich wieder der Schlag treffen. Jch bitt um Gotteswillen nur kein beſonderes Glück! Nur kein großes Lotterieloos! Jch will der alte, gute Casperl bleiben.

Fortuna.

Sei es und bleib es!

[Auf Bios zeigend.]

An der Hand dieſes göttlichen Jünglings wandle durch das Leben.

Casperl.

O Jüngling! umarmen Sie mich! Jch bin un - geheuer gerührt und habe auch einen ungeheuren Durſt. Göttlicher Jüngling! wenn ich an Jhrer Hand durch das Löben wandeln ſoll, o ſo beſchwöre183 ich Sie: vermeiden Sie alle Löbenspfade, an wel - chen keine Wirthshäuſer ſind.

Bios.

Die Götter werden dich beſchützen und ich werde dir unſichtbar ſtets zur Seite ſein.

[Berſinkt.]
Casperl
(eine Verbeugung machend.)

Gehorſamer Diener.

Fortuna.

Auch ich verlaſſe dich jetzt, aber ich werde dich immer in treuem Andenken bewahren, denn du biſt es ja, der mir wieder gezeigt hat, wer ich bin: Die blinde Göttin!

(Verſchwindet.)
Casperl.

Leben Sie wohl! Jetzt ſind’s alle zwei fort und ich weiß nicht einmal, wer der ſchöne Jüngling iſt, mit dem ich durch’s Löben wandeln ſoll. Das iſt mir aber ganz toute même chose. Jch wandle jetzt mit oder ohne ſchönen Jüngling in’s Wirthshaus, in den blauen Bock hinüber, da haben’s, glaub ich, heut a gut’s Bier.

Hochanſehnliches Publikum!

Jch wünſch Jhnen einen recht guten Abend184 und wünſche Jhnen alles mögliche Glück; aber je - denfalls nur ſo viel, als Sie vertragen können.

(Der Vorhang fällt.) Ende des Stückes.

Waldkönig Laurin oder: Casperl unter den Käubern. Schauerliches Drama mit Geſang in drei Aufzügen.

[figure]

Perſonen.

  • König Laurin,

    Waldgeiſt.

  • Ritter Kuno von Hohenfels.
  • Ermelinde,

    ſeine Tochter.

  • Ritter Hermann von Sonnenſtein,

    ihr Verlobter.

    • Tröll,
    • Faſold,
    • Räuber.

  • Els,

    eine Hexe.

  • Casperl Larifari.
  • Ein Holzhauer.
  • Knappen und Reiſige.
  • Waldgeiſter.
187

Vorſpiel.

Nachdem die Ouverture geſpielt iſt, wird geklingelt, allein der Vorhang geht nicht auf. Abermaliges heftigeres Klingeln. Der Vorhang geht wieder nicht auf. Geſpräch hinter der Bühne.
Direktor.

Warum geht denn der Vorhang nicht auf?

Eine andere Stimme.

Der Herr Casperl iſt noch nicht fertig mit dem Ankleiden.

Direktor.

Ja was iſt denn das? Das Publikum war - tet ſchon. Die Ouverture iſt längſt geſpielt.

Es klingelt wieder. Der Vorhang geht noch nicht auf.

Aber Herr Casperl, machen Sie doch weiter!

Casperl.

Jch bin noch nicht fertig. Jch habe mir den rechten Hemdärmel überſtaucht.

Direktor.

Warum ſind Sie aber auch heut ſo ſpät ge - kommen? Sie waren gewiß im Wirthshaus. Das Publikum wird ungeduldig werden.

188
Casperl.

Gleich, gleich!

Direktor
(ungeduldig.)

Vorwärts! Vorwärts! Jch kann nicht mehr warten laſſen. Herr Majer, zieh’n Sie nur den Vorhang auf.

Der Borhang geht ein Bischen in die Höhe, ſo daß man nur Casperl’s Beine ſieht.
Casperl
(ſchreit.)

Halt! halt! herunterlaſſen! ich bin ja noch im Hemd!

Der Vorhang fällt wieder.
Direktor
(zornig.)

Das wird mir zu arg! Jch kann keine Rück - ſicht mehr nehmen. Das Stück muß anfangen! Allo!

(Klingelt heftig.)

Vorhang auf!

Der Vorhang geht auf.

I. Aufzug.

Wilde Waldgegend. Eine elende Hütte im Hintergrund. Gewitter. Platzregen.
Casperl
(hat über den Hoſen nur das Hemd an.)
(Schreit.)

Halt, halt! Das iſt infam! Runter - laſſen! Jch hab mein Röckl noch nicht an. Und189 das Wetter! Jch werd ja durch und durch naß. Herr Direktor! runterlaſſen!

(Es regnet ungeheuer. Casperl lauft auf und ab.)

Jch krieg den Katarrh! Laßen’s doch den Vorhang runter! Jch werd krank, nachher kann ich ſechs Wochen lang nit ſpielen und Sie ſind am Meiſten geſtraft.

(Aus dem Hauſe tritt Els mit aufgeſpanntem rothen Parapluie.)
Els.

Was iſt das für ein Lärm, was für ein Ge - ſchrei? Jhr weckt mir die ſchöne Jungfrau drin - nen. Wer biſt du? Wie kommſt du da her in die Wildniß?

Casperl.

Sie haben gut reden, Madam, mit ihrem Pa - rapluie. Schauen S mich an in meiner einfachen Toilette.

Els.

Haſt du dich denn verirrt? Jn dieſe Einſam - keit findet nicht leicht ein menſchliches Weſen.

Casperl.

Das glaub ich gern. Jch weiß auch nicht, wie ich da her gefunden hab. Aber ſo viel weiß ich, daß ich ſchon durch und durch naß bin. Jetzt hört’s doch zu regnen auf. Aber könnt ich nicht190 bei Jhnen etwas unterſteh’n und mich ein bißl am Heerdfeuer trocknen? Jch hab ſchon ſo einen klei - nen Schüttelfroſt-Fieberanfall.

Els.

Nun ich will Mitleid haben! aber ich laſſe ei - gentlich nicht gern Jemanden in meine Hütte.

Casperl.

Bitt gar ſchön. Sie ſind nicht ſo gefährlich.

Els.

So komm denn!

Casperl.

Und was zum Eſſen und Trinken möcht ich auch haben.

(Beide ab in die Hütte.) (Tröll, Faſold, dieſer ein getödtetes Wildſchwein ſchleppend, treten von zwei Seiten ein.)
Faſold.

Holla ho! holla ho!

Tröll.

Holla ho! gut Waidwerk?

Faſold.

Die Sau hab ich erlegt im ſchwarzen Graben.

Tröll.

Einen Hirſch hab ich angeſchoßen.

191
Faſold.

Ei was thut’s? An dem Biſſen haben wir lange zu zehren.

Tröll.

Und das Fäßlein Nierſteiner, das wir den Kauf - leuten abgezapft haben auf der Heerſtraße! Ein herrlicher Trunk!

Faſold.

Was macht die ſchöne Ermelind?

Tröll.

Weiß nicht; bin ja ſchon beim Frühroth in den Wald hinaus.

Faſold.

Das arme ſchöne Kind!

Tröll

Ei was! Laß ſie jammern; ’s war ein guter Fang.

Faſold.

Wir hatten Glück, denn der Kampf war ſchwer und hart gegen ſechs Ritter zu Roß, gut be - waffnet.

Tröll

Ein Glück, daß der Jungfrau Zelter ſtürzte. Jch riß ſie herab und ſchleppte ſie in den Felſen -192 grund, wo die Ritter auf ihren Roſſen nicht nach konnten über’s wilde Geſtein.

Faſold.

Der Eine aber hieb wie ein Teufel auf uns ein.

Tröll.

Das war der blonde Hermann vom Sonnenſtein.

Faſold.

Gut, daß wir ſie haben. Einer von uns hat nun ein ſchönes holdes Weib.

Tröll.

Wem aber von uns beiden ſoll ſie gehören?

Faſold.

Komm hinein! beim Becher wollen wir um ſie würfeln.

Tröll.

Gut ſo. Das Loos mag enſcheiden.

[Beide in die Hütte.]

Verwandlung.

Gemach auf Burg Hohenfels. Kuno und Hermann treten ein.
Kuno.

Unſeliges Geſchick! Zwei Tage ſchon und keine Spur von ihr.

193
Hermann.

Edler Ritter, wenn ihr um die geraubte Toch - ter klagt, mögt ihr erfaſſen, wie ich um meine Braut jammere. Es war aber, als ſei der Teufel im Spiel geweſen. Ohne an etwas Arges zu den - ken, ritten wir Sechſe mit dem Fräulein von der Muhme Kunigund wieder heimwärts; da brachen am Waldeck ihr wißt’s ja wo das Fels - thal einläuft, zwei rieſenhafte Männer hervor; mit Axt und Keule fielen ſie auf dem ſchmalen Wege über uns her. Konrad und Kunz ſtürzten todt von den Roſſen. Wir Andern konnten unſere Roſſe nicht wenden, ſo eng war der Pfad. Die Gäule bäumten ſich. Ritter Hans ſtürzte in den tiefen Graben; ich hieb wüthend um mich; mittlerweile war des Fräuleins Zelter gefallen, ich konnte nicht beiſpringen; da zog ſie der Eine der Räuber herab und ſchleppte ſie ſeitwärts durch die Felſenblöcke hinan; wir vermochten zu Roß nicht zu folgen, warfen uns aus dem Sattel aber es war zu ſpät. Jn wilder Flucht waren die Verwegenen mit ihrer edlen Beute zwiſchen den Felsklüften verſchwunden. Vergebens eilten wir nach da fiel die Nacht ein und troſtlos kehrten wir zurück.

13194
Kuno.

Und meine Ermelind! meine theure Tochter, wie mag es ihr nun ergehen? Jn den Händen wil - der Räuber?

Hermann.

Alle Knappen ſind ausgeſandt, zum Theil als Bauern verkleidet, um die Spuren auszuforſchen. Jch ſelbſt will ſogleich nacheilen in dem Gewande eines Pilgers, mein gutes Schwert unter der Kutte.

Kuno.

Eilet! eilet! es iſt keine Zeit zu verlieren!

Hermann.

Deſſen könnt Jhr ſicher ſein, daß ich keinen Augenblick verſäume, meine geliebte Braut zu retten. Jm tiefſten Walde des rauhen Thales ſollen die Räuber hauſen. Niemand naht ſich der Gegend. Sie leben vom Waidwerk und überfallen hie und da auf der Heerſtraße oder auf den Seitenwegen Wanderer und Reiſende. So ſagt das Volk. Neu - lich beraubten ſie Kaufleute, die zu Markt zogen. Doch was verweile ich noch? Lebt wohl, Ritter Kuno! Jch eile fort.

Kuno.

Gott geleite Euch!

(Hermann ab.)
195
Kuno
(kniet nieder.)

Herr im Himmel! höre mein Gebet! Vernimm das Flehen eines unglücklichen Vaters. O beſchütze meine Ermelinde! Rette ſie aus den Händen ihrer Räuber! Jhr Engel beſchützet und bewahret ſie.

(Ab.)

Verwandlung.

Das Jnnere der Räuberhütte. Jm Hintergrunde ein Heerd, über deſſen Feuer ein Wildſchwein am Bratſpieß ſteckt, den Casperl dreht. (Er hat ſeine rothe Jake an.) Jm Vordergrunde ein ſchlechter Tiſch, Trinkgefäße da - rauf. Gegenüber ein Ruhebett, mit einem Thierfelle überdeckt.
Casperl
(den Spieß drehend, ſingt.)
Lirum larum,
Dreh rum, drah rum,
Hock ich ſchon den halben Tag,
Bis das Schwein nur braten mag.
Zipfl zapfl,
Tripfl trapfl,
So ein Vieh, das braucht a Hitz,
Und ich ſitz und dreh und ſchwitz.
13*196
Lirum larum,
Dreh um, drah um,
Erſt vom Regen tröpflnaß,
Jetzt vom Schwitzen ’s iſt kein Spaß!
(Steht auf.)

No, da dank ich. Mich haben ſie ſchön er - wiſcht. Das iſt eine Bagage aufeinander in der Hütten. Ein alt’s Weib zum Grauſen, eine wahre Hex, und zwei Mordslümmel, die mich gleich zu ihrem Bedienten oder eigentlich Hausknecht ge - macht haben, kaum daß ich in die elende Spelunken hereing’ſchaut hab. Jch glaub, das iſt a miſera - bles Geſindel. Wildſchützen jedenfalls. Jch bin nur froh, daß ich meinen Janker wieder anhab; denn ich hätt doch die ganze Vorſtellung nicht im Hemd rumlaufen können. Aber jetzt will ich nur ſehen, wie ich aus dem vermaledeiten Loch wieder hinauskomm. Die Kerls ſind im Stand und laſſen mich nimmer fort, weil ich ihnen ſo ausgezeichnete Dienſte leiſte. Heut hab ich ſchon ein paar Juch - tenſtiefel putzen und ſchmieren müſſen, nachher hab ich Waſſer getragen, jetzt hock ich ſchon den ganzen Vormittag am Feuer und muß den Bratſpieß drehen, bis die Wildſau brat’t. Da fallt mir grad ein, daß ich’s Feuer auslöſchen muß, ſonſt ver -197 brennt die Wildſau.

(Er thut es.)

Und was haben’s mir z’eſſen geben? Ein geſelchtes Eichkatzl und Waſſer dazu. Da dank ich! Jetzt kommt die Alte wieder.

Els
(tritt ein.)

Nun, Bürſchlein, wie geht’s? Haſt du fleißig den Spieß gedreht? Jetzt geht’s dran; denn meine edlen Herren ſind grad von der Bärenhaut aufge - ſtanden und haben ausgeſchlafen. Nun geht’s an’s Zechen.

Casperl.

Nun, das hab ich mir gleich gedacht, daß die zwei Herren Bärnhäuter ſind ſo ſehen’s aus.

Els.

Halt dein Maul, Burſch! Du brauchſt nicht viel Späße zu machen und Tröll und Faſold zer - reiſſen dich wie einen Spatzen.

Casperl.
(Für ſich.)

Auweh! Da könnt’s ſchlecht ausſehen.

(Zu Els.)

Oho, ſchöne Madam; ſo war’s ja nicht gemeint. Es war nur ein gelinder Scherz.

Els.

Loſer Junge, du nennſt mich ſchön?

198
Casperl.
(Für ſich.)

Aha ich merk was!

(Zu Els.)

O ausge - zeichnet! Für Jhr bedeutendes Alter, wunder - ſchön. Das Feuer in den Augen! Das Roth in den Lippen! Das Gelb auf den Wangen! Die figürliche Statur! die ſtaturliche Figur!

Els.

Du biſt ein rechter Schalk; aber ich kann dir ſagen, daß du mir auch recht gut gefallſt. Du biſt ein ganz netter Burſch.

Casperl
(mit Selbſtbewußtſein.)

O! da ſagen Sie mir gar nichts Neues. Wo - hin ich noch gekommen bin, habe ich durch meine männliche Schönheit und jugendliche Kraft bei allen Frauenzimmern Aufſehen gemacht; alſo werd ich ſo einer alten Schachtel, wie Sie ſind, doch auch gefallen müſſen. Auweh! jetzt hab ich mich ver - ſchnappt.

Els.

Wie? was ſagſt du da von einer alten Schachtel?

Casperl.

Das war nur allegoriſch geſprochen.

Els.

Warte, loſer Junge! Aber jetzt werden Tröll und Faſold zum Jmbiß kommen. Alſo199 hurtig, hurtig! Sie haben in der Kammer drin - nen ſchon einige Becher Wein geleert und ſcheinen guter Dinge.

Casperl.

Ja, ich hab aber von den guten Dingern noch nichts gemerkt. Jch möcht auch was Gut’s.

Els.

Komm nur mit mir hinaus, lieber Burſch. Jch will dir ſchon etwas Gutes geben. Sollſt nicht zu kurz kommen, Herzensmännchen.

Casperl
(tragiſch, mit Bedeutung.)

Jch muß Jhnen nur mittheilen, daß hier bei dieſer Gelegenheit und unter dieſen Umſtändlichkei - ten mein Magen mehr als mein Herz ſpricht, und iſt mein Magen aber auf eine anſtändige Weiſe befriedigt, dann, meine allerliebſte Madam, fangen ſich erſt die Gefühle moines Hörzens zu rögen an

(kniet ſich vor Els hin)

dann gehöre ich Doin, Doin, Doin .

(Tröll und Faſold treten angezecht herein.)
Tröll.

Was will der Narr da?

Faſold.

Bei der alten Els.

200
Tröll.

Haushexe! ſüßes Weſen!

Faſold.

Alter Beſen! Jſt hier Wein? Wir haben noch nicht genug.

Tröll.

Vom Faß, das wir neulich gebracht.

Els.

Da ſtehen ſchon die vollen Humpen.

Faſold.

Fort! Hinaus ihr Beide!

(Els und Casperl ab.)
Faſold.

Jetzt, Bruder, laß uns mit der Dirne reden. Mache die Fallthüre auf.

Tröll.

Heraus, holde Schöne!

Geht gegen den Hintergrund und öffnet auf dem Boden ein Eiſengitter. Aus der Verſenkung erſcheint Ermelinde.
Ermelind.

Da bin ich. Jhr Elenden, was wollt ihr mit mir?

Faſold.

Zürnet nicht, edles Fräulein. Jhr ſeid in der Gewalt edler Ritter.

201
Tröll
(lacht höhniſch hellauf.)

Haha ha ha! Ja edler Ritter. Gut geſpro - chen, Bruder Faſold! Kurz Mädchen wir haben dich; alſo was willſt du weiter anfangen?

Ermelind.

Wohl weiß ich es, daß ich in eurer Macht bin. Jn ſchmählicher Weiſe habt ihr mich geraubt. Laßt mich frei. Was verlangt ihr als Löſegeld?

Faſold.

Nichts da. Was wär uns mit Geld gedient? Wild und Wald geben uns Nahrung; den Wein, den wir brauchen, holen wir hier und dort; aber Einer von uns wollte ſich auch einmal ein Weib erobern. Du biſt ſchön, du gefielſt uns, darum haben wir dir auf dem Weg gelauert. Nun haben wir dich.

Ermelind.

Weh mir! Gott im Himmel beſchütze mich!

Tröll.

Ziere dich nicht. Wir wollen um deinen Beſitz würfeln. Wer von uns den beſten Wurf thut, dem gehörſt du.

Faſold.

Und morgen halten wir Hochzeit.

202
Tröll.

Sieh da bratet ſchon das Wildſchwein zur Brauttafel. Juhei!

Faſold.

Juhei!

(Sie trinken.)
Tröll
(ſingt.)
Kann’s ein ſchön’res Leben geben,
Als beim erſten Tagen jagen,
Und dann luſtig trinken, blinken
Volle Becher weidlich freudlich?
Holla ho, holla ha!
Faſold
(ſingt.)
Und nach Waidmanns Siegen liegen
Auf dem Bärenfelle, helle
Sich des Mondes Strahlen malen
Dann in gold’nen Weines Scheine!
Holla ho, holla ho!

Sauf Bruder! heut iſt ein guter Tag.

Tröll.

Fürwahr, ein guter Tag.

(Beide werden immer betrunkener.)
Faſold
(mit ſchwerer Zunge.)

Wo wo ſind die Würfel?

203
Tröll
(ebenfalls.)

Ja Glück zu! Die die Würfel.

Faſold und Tröll ſinken betrunken auf das Ruhebett und ſchlafen ein.)
Ermelinde
(beugt ſich über die Liegenden und lauſcht.)

Sie ſind betrunken und liegen bewußtlos da. Himmel ſei mir gnädig! Jch kann entfliehen.

Nähert ſich der Thüre und will hinaus.
Casperl
(tritt ihr entgegen herein.)

Oho! wer will denn da heraus? Wie? welche göttliche Geſtalt! Eine Mamſell? Woher? wohin, mein Fräulein?

Ermelinde.

Still! Still! Wenn du ein Menſch biſt, der das Gefühl des Mitleids in ſich trägt, ſo laſſe mich fliehen

Casperl.

O, ich trage ganz andere Sachen in mir, aber ſage Mädchen, wer biſt du und warum willſt du fliehen?

Ermelinde.

Es iſt kein Augenblick zu verlieren. Jch bin ge - raubt, hiehergeſchleppt laß mich, laß mich!

Casperl.

Auch ich bin hiehergeſchleppt, auch ich

204
Ermelinde.

Jch beſchwöre dich, magſt du ſein wer immer! Jch bin verloren, wenn du mich nicht fliehen läßt.

Casperl.

Ha! auch ich möchte fliehen, aber ich kann nicht. Die alte Hexe hat die Hausthür zugeſperrt, den Schlüſſel in den Sack g’ſteckt und iſt auf ei - nem Beſen ausgeritten.

Ermelinde.

Weh mir! ich bin verloren.

[Sinkt ohnmächtig in Casperl’s Armt.]
(Der Vorhang fällt.)
205

II. Aufzug.

Abenddämmerung. Wald. Jn der Mitte eine große alte dreiſtämmige Eiche mit weitausgebreiteten Aeſten.
Ritter Hermann
[in Pilgertracht tritt ein.]

Kaum kann ich weiter. Nun irr ich ſchon einen Tag umher und weiß nicht mehr wohin. Vom Waldeck aus, wo wir überfallen wurden, ſtieg ich durch die Klippen und glaubte auf der Spur zu ſein, wohin Ermelinde von den Räubern fort - geſchleppt wurde. Vergebens! Ein Pfad in hohes Gehölz zog mich ſeitwärts ab; ich vertiefte mich immer mehr und mehr in den Wald und nun komm ich hieher und weiß nicht, wohin ich gelangt bin. Wie finde ich nun wieder einen Ausweg, um gegen das Waldeck zu kommen? Jch bin erſchöpft, ich muß ein wenig ausruhen. Doch ſeh ich recht, ſo naht ein Mann dorther durch des Waldes Dickicht.

[Ein Holzhauer mit einer Axt tritt ein.]
Hermann.

Willkommen, guter Mann!

206
Holzhauer.

Ei ſieh da! Wie kommt der Pilger hieher? Seid gegrüßt. Jhr müßt weit ab vom Pfad fehl - gegangen ſein; denn hier iſt kein Weg für Wanderer.

Hermann.

Jch denke mir’s wohl lieber Freund. Wo bin ich denn eigentlich?

Holzhauer.

Das iſt der Druidenort, wie ihn die Leute ſeit älteſter Zeit her nennen, und die tauſendjährige Eiche heißt die Wuotanseiche. Als unſere Vor - fahren noch Heiden waren, ſollen ſie hier ihren Göttern geopfert haben. Der Ort iſt nicht geheuer.

Hermann.

Soll es etwa geiſtern? Aberglaube!

Holzhauer.

Man ſagt’s und darum vermeiden die Leute des Nachts da vorüberzugehen. Aber es kömmt ohne dieß Niemand vorbei als wir Holzhauer, wenn wir in den großen Tannenwald hinüber den näch - ſten Weg gehen wollen, wie’s mir heute geſchieht.

207
Hermann.

Nun, könnt Jhr mir wohl ſagen, wie ich am Beſten heinauskomme. Jch möchte gegen das Waldeck am Felſenthal.

Holzhauer.

Ei, der Tauſend! Da ſeid Jhr weit ab. Da wo Jhr mich herkommen ſahet, ſchlängelt ſich ein enger Pfad durch das dichte Gehölz. Dem folgt ſo weit Jhr könnt bis an ein hölzernes Kreuz, das an einer alten Tanne ſteht; dann wendet Euch wieder links, bis Jhr an eine ſchlechte Hütte gelangt. Da findet Jhr immer Holzknechte, die Euch weiter weiſen können. Nun guten Abend! Es wird Nacht; ich muß heim und habe noch einen weiten Weg zu machen.

Hermann.

Gott befohlen! Jch dank Euch für die Aus - kunft.

Holzhauer.

Gott befohlen!

[Ab.]
Hermann.

Nun, du alte ehrwürdige Eiche, unter deinem Laubdache will ich noch ein wenig raſten, dann fort! denn es läßt mir keine Ruhe.

[Setzt ſich auf einen208 Stein im Vordergrund.]

Aber ich bin wirklich recht ermat - tet. Theure Ermelinde, wo werde ich dich finden?

[Schlummert ein.] Nacht. Die Vollmondſcheibe erſcheint am Himmel.
Geiſterchor
[hinter der Scene,]
Ueber die Matten
Breiten ſich Schatten,
Der Tag iſt vollbracht,
Da ſenkt ſich die Nacht.
Geiſter aufſchweben,
Den Hain zu beleben;
Der Mondenſchein blinkt
Und Waldkönig winkt.
Ringsum erklingt es,
Ueberall ſingt es
Durch Berg und Thal hin:
Laurin! Laurin!
Der mittlere von den Stämmen der Eiche öffnet ſich; in heller Erleuchtung erſcheint darin König Laurin, mit langem weißen Barte, eine funkelnde Krone auf dem Haupte, in grünes Laub gekleidet.
Laurin.
Was liegſt du armer Ritter hier
Jm grünen dunklen Waldrevier?
Wach auf, wach auf! erhebe dich,
Und höre, höre, höre mich!
209
Bald ſoll dein krankes Herz geſunden,
Haſt Ermelinden du gefunden.
Damit du’s könneſt, ſend ich dir
Waldtaube gleich zur Stelle hier.
Sie wird vor deinen Schritten ſchweben
Und dir des Pfades Kunde geben.
Sie wird vor dir hin flatternd zieh’n.
Folg nur dem Täublein immerhin;
Und wenn ſie Ermelinden fand,
Wird ſie ſich ſetzen auf ihre Hand.
Wach auf, du frommer Pilgersmann,
Und ziehe fröhlich durch den Tann!
Wenn dich das Morgenroth wird grüßen,
Liegſt der Geliebten du zu Füßen.
Die Eiche ſchließt ſich und Laurin berſchwindet.
Hermann
[vom Traume auffahrend.]

Wie iſt mir? Was iſt es? Welch ein ſonderbarer Traum?

Eine weiße Waldtaube ſchwebt herein und läßt ſich auf Hermann’s Schulter nieder.
Hermann.

So biſt du wirklich da, holde Taube? Willſt du mir den Weg zeigen zu Ermelinden?

Die Taube flattert etwas in die Höhe und ſenkt ſich wieder.
14210
Hermann.
Holde Taube,
Du, mein Glaube,
Schwebe, ſchwebe nur voran,
Zeige, zeige mir die Bahn.
Durch die Wälder,
Ueber Felder
Jmmer zu, nah oder fern,
Folg ich deinem Fluge gern.
Glänzet nimmer
Mondenſchimmer,
Soll der Liebe Leuchte ſein
Deiner weißen Flügel Schein.
Hermann erhebt ſich, die Taube ſchwebt einigemale auf und nieder, dann hinaus und er folgt ihr raſchen Schrittes.

Verwandlung.

Waldgegend mit der Hütte (wie im erſten Aufzuge). Vollmond am Himmel. Tröll und Faſold, jeder eine Keule in der Hand, treten raſch aus der Hütte.
Tröll.

Heraus in’s Freie, hier im Mondenſchein Soll unſ’res Kampfes lichte Stätte ſein.

211
Faſold.

Du haſt’s gewollt! Jch war in meinem Recht. Mir fiel der Würfel gut, dir aber ſchlecht, Und darum nahmſt die Keule du zum Streite, Verſagteſt ſchmählich mir die Beute. Mein war die Jungfrau durch des Looſes Spiel Und dich ergrimmt’s, daß ſo der Würfel fiel. Schmach dir, daß du der Ehre bar!

Tröll.

Fluch dir! Erkämpfen will die Maid ich lieber mir, Weil nur der Zufall lenkt des Spielers Glück.

Faſold.

Beſchloſſen war’s; ich tret nicht mehr zurück.

Tröll.

Jch aber heb die Keule. Wehre dich!

Faſold.

Wart, Schuft, dem keiner noch an Frevel glich!

(Sie kämpfen mit den Keulen.)
Tröll.

Halt ein! ich fühle deiner Schläge Macht.

Faſold.

Lahm iſt mein Arm noch nicht, drum habe Acht!

14*212
Tröll.

Noch dieſen Hieb!

Faſold.

Und den!

Tröll.

Willſt du noch mehr?

Faſold.

Halt ein!

Tröll.

Haſt du genug? Noch dieſen her!

Faſold.

Hei, Bruder ſei geſcheid!

Tröll.

Wozu der Streit?

Faſold.

Jch kann nicht mehr.

Tröll.

Wohlan, ſo laß uns ruh’n.

Faſold.

Was meinſt du, Tröll? ſage: was willſt du thun?

Tröll.

Wir legen uns auf unſ’re Bärenhaut.

213
Faſold.

Und ſchlafen bis zur Jagd der Morgen graut.

Tröll.

Es ſei!

Faſold.

Vielleicht nimmſt du Vernunft noch an.

Tröll.

Ei was? komm in die Hütte!

Faſold.

Nun wohlan!

[Beide ab in die Hütte.] Allmählig graut der Morgen und es tagt. Nach und nach erhebt ſich das Morgenroth.
Chor
[hinter der Scene.]
Jn Morgenrothes Purpur-Schein
Zieht durch den Tann Laurin hinein.
Hallo, Hallo! im dunklen Wald
Verſchwindet der Waldkönig bald.
Laurin, Laurin reitet einher
Mit ſeines Silberhornes Wehr.
Hallo, hallo! es ſchallt, es hallt
Durch’s Grün hin hellen Klang’s Gewalt.
Waldkönig ziehet aus bei Nacht
Und kehret heim in Morgenpracht.
214
Hallo, hallo! wer ſah dich ſchon,
Laurin, mit deiner goldnen Kron?
Wer hat, Waldkönig, dich geſeh’n?
Die Elfen nur und holde Fee’n.
Hallo, hallo! Laurin, Laurin
Zieht in dem dunklen Wald dahin.
Während des Chores, der von Waldhornklang begleitet wird, ſchwebt der Waldkönig, auf einem weißen Hirſch reitend, im Geleit von Elfen und Zwergen langſam vorüber. Die Taube fliegt herein und einige Male um - her. Hermann tritt ein. Die Taube ſetzt ſich auf das Dach der Hütte.
Hermann.

Es grüßt das Morgenroth. Mein Herz, nur Muth! Dort auf der Hütte nun das Thierlein ruht. So iſt es hier, wo Ermelinde weilt, Da meine Taube nicht mehr weiter eilt? O ſchlechter Aufenthalt! unwürdig dieſes Dach, Zu decken ſolcher Schönheit ſtill Gemach! Auf hartem Lager ruh’ſt vielleicht du, Ermelind Und deinen ſüßen Schlummer ſtören Froſt und Wind. O arme Maid! Jn Noth und Leid Harrſt der Befreiung du. Geduld! Geduld! Der Retter naht, geführt von Zaubers Huld.

Casperl zeigt ſich an der Thüre der Hütte, aus welcher er tritt, in jeder Hand einen großen Waſſerkrug.
215
Hermann.

Das Pförtlein öffnet ſich, man tritt heraus; Verbergen will ich mich; drum raſch hinaus.

(Tritt hinter die Couliſſe.)
Casperl
(vortretend.)

Jetzt bin ich halt eigentlich in der Mausfallen. Wirklicher proviſoriſcher Leibhausknecht mit 365 Tag Jahreslohn, Prügel, wenn’s Noth thut oder wenn’s meinen freundlichen Gebietern beliebt, ſchwache Koſt und mäßigen Trunk; d. h. aber nicht maßweiſe; Waſſer ſo viel ich will halt aber! Die ganze Natur beſteht aus Licht und Dun - kel, und der Schatten ſetzt eine gewiſſe Beleuchtung voraus. Ha! und welche Buleuchtung? Jſt nicht das verburgene, geraubte, unglückliche, wunderſchöne Edelfroilein der Störn, der mir in der ſchattirten Nacht luichtet? Jch gehe mit dem Gedanken um, ich habe mich längſt mit ihm vertraulich gemacht, das ödle Froilein großartig heimlich zu rötten und zu entführen. Allein bisher wälzte ſich Hinderniß auf Vorderniß entgegen und der Augenblick des Mo - mentes hat ſich noch nicht gezeigt. Aber, wenn die zwei Räuber wieder einmal auf Abentheuer gehen, werde ich die alte Hex, die ſo grauſam auf - paßt und das Froilein hütet, ſchleunig abmurxen216 und die Röttung wird mir gelingen! Doch was nützt mich dieſes intereſſante biographiſche Selbſt - geſpräch? Jch muß jetzt an der Felſenquelle dort Waſſer holen zum Caffee kochen.

(Jndem Casperl ſich entfernen will, tritt ihm Hermann entgegen.)
Hermann.

Halt! doch ſchweige, damit uns Niemand höre.

Casperl
(erſchrocken.)

Oho! aber Sie haben mich erſchreckt.

Hermann.

Nur ſtill, ſtill!

Casperl.

Ja ſtill, ſtill, ſtill ich frag lieber, wer Er iſt und was Er will?

Hermann.

Du ſcheinſt mir in jener Hütte dort im Dienſt zu ſtehen.

Casperl.

Zu ſtehen oder zu gehen. Jetzt, wie Sie ſehen: zu gehen. Alſo hätten Sie nicht ſagen ſollen im Dienſt zu ſtehen, ſondern im Dienſt zu gehen.

Hermann.

Nun denn. Wiſſe: das Edelfräulein, welches hier gefangen, iſt meine Braut. Jch bin Ritter Hermann vom Sonnenſtein.

217
Casperl.

Ha, da hab ich Reſpect. Aber ſagen Sie mir, Sie haben ja eine Kapuziner-Kutten an und ſcheinen alſo nebenbei auch Kapuziner zu ſein und haben doch eine Braut. Die Kapuziner müſſen ja ledig bleiben.

Hermann.

Es iſt nur ein Pilgergewand, in das ich mich geworfen habe, um unerkannt zu ſein und nicht als Ritter zu erſcheinen.

Casperl.

Wie? was? Geworfen? Wer hat ſie denn in das Pilgergewand geworfen? Doch, Kapuziner oder Pilgersmann, wie haben Sie den Weg daher gefunden?

Hermann.

Sieh dorthin. Die weiße Taube hat mich hie - her geführt, indem ſie mir ſtets voranſchwebte.

Casperl.

Eine weiße Haube?

Hermann.

Eine Wundertaube, die ein guter Geiſt mir ſandte.

218
Casperl
(gerührt.)

O der gute Geiſt! Nun brauchen Sie die Taube nicht mehr, nicht wahr?

(Jm gewöhnlichen Tone.)

Wiſſen Sie was? Jetzt überlaſſen Sie mir die Taube, damit ich Sie rupfen, braten und verzehren kann. So einen Bißen hab ich lang nit gehabt. Bisher bin ich nur mit geröſteten Wildſchwein - ſchnitzeln gefuttert worden.

Hermann.

Was denkeſt du? Dieſe herzige Wundertaube? Doch jetzt laß uns überlegen, was zu machen iſt und wie es mir möglich wird, meine Braut ihren Räubern zu entreißen. Du ſcheinſt mir ein guter Burſche.

Casperl.

Mit dem Reißen wirds ſchwer halten; denn das Fräulein iſt immer in ein unterirdiſches Keller - loch eingeſperrt. Nur in aller Früh und Abends darf ſie ein wenig Luft ſchnappen und wird von der alten Hex da heraus geführt. Wenn’s fünf Uhr ſchlagt, wird ſie gleich herauskommen. Ver - ſtecken wir uns ein wenig.

Hermann.

Theure Ermelinde! Und ſo ſoll ich dich wieder ſehen?

(Beide ſeitwärts ab.)
219
Els
(tritt mit Ermelinde aus der Hütte.)

So, mein Fräulein. Hier könnt Jhr wieder Morgenluft genießen.

Ermelinde.

Ueberall nur Kerkerluft!

Els.

Ei was! Kerkerluft ! Das iſt nur Eure eigene Schuld. Wen ihr Euch entſchließen wolltet, Einem meiner edlen Kämpen da drinnen die Hand als Gattin zu reichen, ſo wäre die Luft bald eine andere als Kerkerluft; und habt Jhr Einen ſelbſt gewählt, ſo wird der Bruderzwiſt um Euch bald enden.

Ermelinde.

Ein Glück für mich, daß die ſchändlichen Räuber um meinetwillen ſtets in Zwiſt und Hader leben. Denn, würden ſie ſich einigen, ſo wäre es längſt um mich geſchehen. Eh mich aber Einer von ihnen freit, würde ich meinem Leben ein Ende machen.

Els.

Ei Pfui! Jhr wißt gar nicht, was Euer Glück iſt? Denkt Euch nur: die Frau zu ſein eines der gefürchtetſten Helden.

220
Ermelinde.

Schmach und Schande ſolchem Heldenthume!

Els.

Seht, da kommen ſie. Sie ziehen zur Jagd aus.

Tröll und Faſold treten aus dem Hauſe, mit Speer und Bogen gerüſtet.
Tröll.

Den ſchönſten Morgengruß, Fräulein!

Faſold.

Jhr trotzt noch immer und ſchweigt? Nun ſo höret wenigſtens:

Tröll.

Hört, daß wir geſchworen haben, unſern Hader um Euch zu enden. Wir wollen es Euch über - laſſen von uns beiden Einen zum Gemahl zu wählen. Der Andere wird ſich fügen.

Faſold.

Jhr beſinnt Euch wohl? Jhr ſchweigt?

Tröll.

Es iſt unſer letztes Wort. Wo nicht, ſo

Faſold.

Komm, Bruder! Laß uns ziehen. Das Fräu - lein wird ſich ſchon beſonnen haben, bis wir Abends von der Jagd heimkehren.

221
Tröll.

Ja, ja. Ueberlegt nur, mein edles Fräulein. Gut Ding braucht Weil. Auf! zur Jagd!

Faſold.

Heut gilt’s dem ſtarken Hirſch im Hohentann.

Tröll.

Lebt wohl!

(Faſold und Tröll ab.)
Els.

Habt Jhr’s gehört? Nun entſchließt Euch nur, da die Werber ſich verſöhnt haben.

Ermelinde.

Nie und nimmermehr. Sterben will ich.

(Die Taube ſchwebt vom Dache herab und ſetzt ſich auf Ermelind’s Hand.)

Wie? ein Täublein? Wo ſchwebſt du her, liebes Thierchen? Biſt du ein Bote des Troſtes? der Befreiung vielleicht?

(Hermann ſtürzt herein. Casperl folgt ihm.)
Hermann
(fällt Ermelinden zu Füſſen.)

Ja, Ermelinde! Die Taube bringt frohe Bot - ſchaft.

Ermelinde.

Gott im Himmel! Mein Hermann!

222
Hermann.

Jch bin es und komme Euch zu retten.

Els.

Hölliſch Element! Was ſeh ich?

Hermann.

Schweige, alte Hexe! Du biſt des Todes.

Els.

So ſchnell geht’s nicht.

Casperl.

Halt’s Maul! oder ich dreh dir den Kragen um.

Els
[ruft.]

Faſold! Tröll! Herbei, herbei!

[Hermann und Casperl ſtürzen auf Els.]
Hermann.

Schweige, wenn dir dein Leben lieb!

Els
[lacht böhniſch.]

Hi, hi, hi! Mich fangt man nicht ſo leicht, ihr Herren.

Sie fährt, Casperl auf den Boden werfend, in die Höhe und fliegt ſeitwärts hinaus. (Der Vorhang fällt raſch.)
223

III. Aufzug.

Gemach auf Burg Hohenfels, wie im erſten Aufzuge.
Ritter Kuno
[ans offene Fenſter gelehnt, hinausſchauend.]

Noch immer keine Botſchaft! Meine Knappen kommen zurück ohne auch nur die mindeſte Spur gefunden zu haben. Hermann iſt noch nicht heim - gekehrt. Auf ihn hoffe ich noch.

[Der Thurmwart ſtößt in’s Horn.]

Der Thurmwart gibt ein Zeichen. Da naht ſich jemand der Burg.

[ruft hinaus.]

Wärtl! was ſiehſt du?

Stimme von Auſſen.

Ein Bote naht. Ein Knappe in rothem Wams; ’s iſt aber keiner von den Unſrigen.

Kuno.

Keiner von den Meinigen? Wer mag das ſein? Doch nicht ein Unglücksbote?

Casperl ſtürzt zur Mittelthüre herein, läuft im Zimmer ein paar Mal herum, wirft Tiſch und Stühle um und ſtößt endlich an Ritter Kuno, daß dieſer umfällt.
224
Kuno
[aufſtehend.]

Oho! oho! was iſt denn das für eine Art und Manier? Kömmſt du aus dem Tollhaus?

Casperl
[ſpricht ſchnell in einem Anlauf.]

Wenn Jhr der edle Ritter Kuno von Hohen - fels zu ſein die Ehre habt, der zugleich der glück - liche, dermalen aber unglückliche Vater des ehemals glücklichen, dann unglücklich gewordenen und jetzt wieder auf glücklichem Wege befindlichen Edelfräu - leins Ermelinde ſeid, welche die glückliche Braut des glücklichen, dann aber unglücklichen und jetzt wieder auf dem Wege des Glückes befindlichen edlen Ritters Hermann vom Sonnenſtein iſt und hoffentlich bleibt, ſo habe ich Euch, edlem, aber noch nicht ganz glücklichen Ritter Kuno von Hohen - fels als Bote des nun ſo ziemlich glücklichen Ritters Hermann, gehorſamſt zu melden, daß Ritter Her - mann und Fräulein Ermelinde ſich zwar einiger - maßen auf dem Rettungswege bufinden, aber in Beziehung und Erwägung verſchiedener Nebenum - ſtändlichkeiten noch nicht hier ſind. Ah jetzt muß ich aber ausſchnaufen!

Kuno.

Toller Burſch! Wie kann ich aus deinem Ge - ſchwätze klug werden? Wer biſt du? Wer ſandte dich?

225
Casperl.

Jch bin und heiße Casperl Larifari, vormals Privatleibknappe bei Herrn Tröll, Faſold und Com - pagnie, jetzt wirklicher interimiſtiſcher Kammer - und Jammerdiener bei Herrn Ritter Hermann vom Sonnenſtein, der mit Eurer Tochter im Wald ver - ſteckt ſitzt und nicht weiß, was er thun ſoll.

Kuno.

Mit meiner Tochter im Wald verborgen? Alſo lebt Ermelinde und iſt gerettet!

Casperl.

Sie löbt und iſt geröttet, aber noch nicht ganz; denn die Hex iſt davongeflogen und die zwei Räu - ber laufen dem Ritter und dem Fräulein nach.

Kuno.

Die Hexe? die zwei Räuber? Wie ſoll ich dich verſtehen? Erkläre dich, rede klar und deutlich. Wie iſt der Hergang?

Casperl.

Erſtens bin ich nicht hergegangen, ſondern hergelaufen. Zweitens: werde ich Euch Alles genauer expluciren, wenn ich einige Erfriſchung zu mir genommen. Drittens: laßt vorderhand Eure Knappen aufſitzen und Euren alten Leibgaul ſatteln,15226dann werdet Jhr unter meiner Fahne abmarſchiren. Nur geſchwind Etwas zum Eſſen und Trinken, Herr Ritter, ſonſt fall ich wieder um.

Kuno.

Du Narr du! Nun es ſei; weiß ich doch meine theure Ermelinde in ſicherer Hand. Komme zum Jmbiß und erzähle mir; aber laß uns keine Zeit verſäumen, wenn die Roſſe geſattelt ſind.

Casperl.

Jn die Trinkſtube!

[Beide ab.]

Verwandlung.

Wald mit der Eiche, wie im zweiten Aufzuge.
Els
[fliegt herein.]

Da kommen ſie des Wegs herangezogen Und ich bin ihnen klug vorangeflogen; Will lauern nun, mich bergen auf dem Aſt, Denn ſie wohl ſuchen hier im Schatten Raſt. Hi, hi! Sie kommen mir nicht aus, die Flucht Vereitle ich, und wenn ſie Ruh geſucht Und nur ein wenig hier im Wald verweilen, Wird Tröll mit Faſold ſicher ſie ereilen. 227Schnell auf des Baumes Aſt, mich zu verſtecken! Schon nahen ſie. Jch will Sie weidlich necken.

Hermann und Ermelinde treten ein. Die Taube fliegt vor ihnen her und läßt ſich auf einem Zweige der Eiche nieder.
Ermelinde.

Jch kann nicht mehr weiter, Hermann! Jch bin ſo erſchöpft, daß ich hier etwas ausruhen muß oder ich ſinke ohnmächtig zuſammen.

Hermann.

Ruhet, theures Fräulein. Der weite Weg und die Eile unſerer Flucht haben Euch allzuſehr ermü - det. Seht, auch das Täublein, unſer treuer Füh - rer, ruht dort oben zwiſchen den Blättern aus, ein ſicheres Zeichen, daß auch wir Halt machen dürfen. Setzt Euch auf dieſen Stein hier.

Ermelinde.

Wo ſind wir? Glaubt ihr, daß wir noch weit entfernt ſind von der Burg meines Vaters?

Hermann.

Dieß vermag ich Euch nicht zu ſagen; allein dieſer Ort iſt mir wohlbekannt. Hier ſaß ich ja und ſchlummerte, wo Jhr jetzt ausruhet, und träumte von einem hölden Waldgeiſte, auf deſſen Geheiß mir die Taube die Bahn zu Euch gezeigt, als ich15*228erwacht war. Es iſt der Druidenort und die Wuotanseiche

[Er blickt hin und ſieht die Here.]

Wie? was ſeh ich?

Els
[auf dem Aſte.]

Hi, hi! Nichtwahr? Das wundert Euch! Da ſitz ich oben, dem ſanften weißen Täublein gegen - über.

Ermelinde.

Weh uns! Das iſt die Els.

Els.

Ja die Els, die Euch nicht verlaſſen kann, aus lauter herzinniger Lieb.

[Jn drohendem Tone.]

Jch bin und bleib Eure Begleiterin; ich laſſe Euch nicht von der Stelle, bis Faſold und Tröll Euch eingeholt haben.

Hermann.

Verſuch’s, Hexe! Mein gutes Schwert fürchtet keine Hexen.

Els.

Und die Hexen fürchten auch das blanke Eiſen nicht. Hört nur! Schon brechen die Zweige, und Schritte nahen. Tröll und Faſold kömmen. Jhr ſeid verloren.

229
Laurin’s Stimme
[aus dem Baume.]

Nein! ſie ſind nicht verloren; denn Laurin, der Waldkönig, ſchützt ſie.

Zugleich öffnet ſich der mittlere Siamm, in welchem Laurin erſcheint. Hermann und Ermelinde fallen auf die Knie.
Hermann und Ermelinde
[zugleich.]

König Laurin!

Laurin.

Laurin iſt’s, ja, der Lieb und Treue ſchützet, Kommt näher mir zu ſich’rem Aufenthalt!

Die beiden Stämme zur Seite öffnen ſich.

Hier, bergt Euch in der Stämme enger Kammer, Bis ich Euch wieder rufe aus dem Schacht.

Hermann und Ermelinde begeben ſich in die geöffnete Stämme rechts und links; die Spalten ſchließen ſich wieder.

Und Hexe, du bleib oben mir gebannt. Des Baumes Aſt ſoll feſt dich nun umklammern. Jetzt nahet, Tröll und Faſold, Schandgeſellen, Jn’s Garn zu fallen, das Jhr And’ren ſtellt!

Faſold und Tröll treten ein, nachdem Laurin wieder im Baume verſchwunden und der Stamm ſich geſchloſſen.
Faſold.

Wo iſt das Paar?

Tröll.

Jch fah’s hieher ſich flüchten.

230
Faſold.

Und wo iſt Els, die ihnen nachgejagt?

Els.

Hier oben ſitz ich und kann nicht vom Baum; Waldkönig hat mich feſtgebannt. Habt Acht! Entflieh’t! Wer weiß, was Euch noch mag geſcheh’n.

Faſold.

Du Närrin träumſt.

Tröll.

Sag: wo iſt Ermelinde?

Faſold.

Und wo der Ritter, der ſie uns entführte?

Els.

Nah ſind ſie Euch in ſicherem Verſteck, Jn Baumeshöhle von Laurin geborgen.

Tröll.

So ſoll die Keule mein die Rinden brechen!

Faſold.

Und meine Axt ſoll dieſen Stamm zerhau’n!

Beide ſtürzen auf die Bäume. Donnerſchlag. Laurin erſcheint wieder.
Laurin.

Zurück, ihr Frevler! Euer Arm ſei lahm, Jn ſtarre Ohnmacht bleibet hier gebannt! 231Und du da oben Hexe, böſes Weib, Verwandelt ſei in einer Eule Leib, Befiedert grau ſollſt du auf trägen Schwingen Des Nachts dein krächzend Lied im Walde ſingen. Flieg auf! flieg auf und laß dich nimmer ſchauen, Sobald des Morgens erſtes Licht will grauen.

Faſold und Tröll bleiben wie verſteinert mit gehobenen Waffen ſtehen. Els, in eine Nachteule verwandelt, fliegt davon. Zugleich Hörnerſchall von Auſſen.
Laurin.

Die Ritter nah’n, die Reiſigen und Knappen. Hermann und Ermelind, Jhr ſeid befreit.

Die beiden Seitenſtämme öffnen ſich, Ermelinde und Hermann treten heraus; zugleich kömmt Ritter Kuno mit Casperl und Knappen.
Kuno.

Hier ſind ſie. Nehmt die Räuber gefangen! Ermelinde! Hermann! kommt an mein Herz!

Casperl.

Ermelinde! Hermann! kommt auch an das Moinige!

Hermann und Ermelinde
(zugleich,)

Heil König Laurin, unſerm Beſchützer!

Die ganze Scene wird roth erleuchtet.
Laurin.

Laurin ſchützt Lieb und Treu in Waldesgrün; Nun freuet Euch, vergeſſet alle Müh’n! 232Zieht hin und brechet Laub von meiner Eiche, Mit Kränzen Euch zu ſchmücken; und nie weiche Waldkönigs Segen, der Euch nun geleitet, Gleich wie der Sonne Strahl ſich vor Euch breitet. Lebt wohl und ziehet All in Freuden hin, Vergeßt des Waldes König nicht, Laurin!

Hörnerfanfare und Schlußgruppe.
(Der Vorhang fällt.) Ende des Stückes.

Das Eulenſchloß. Ein mit unglaublicher Zauberei vermiſchtes Drama in vier Aufzügen.

[figure]

Perſonen.

    • Ritter Kauzenveit,
    • im 1. Aufzuge als Eule, im 2. u 3. Geh. -Sekr. Eulert, im 4. Baron v. Eulenſchloß.

  • Casperl Larifari.
  • Grethi,

    Kellnerin.

  • Staatsrath von Walther.
  • Geh. -Rath Actenmaier.
    • Hutzlpeter,
    • Hubermartl,
    • Knöpflbauer,
    • Bauern von Simpelsdorf.

  • Hiesl,

    Hausknecht.

  • Hoflakaien und Bediente.
235

I. Aufzug.

Burgruine im Mondenſchein. Der Wind heult. Kauzen - veit ſitzt in Geſtalt einer großen Eule auf Mauertrümmern.
Casperl
(mit Wanderſack tritt ein.)

Uh, Uh! das iſt eine ſchauerliche Nacht. Mich gruſelt’s und beutelt’s vor lauter Furcht. Wo bin ich jetzt eigentlich? Mir ſcheint, der Weg iſt mir unter meine Füß davongelaufen; ſtatt in ein Wirths - haus zu kommen, bin ich an dieß Neſt gerathen, wo Ei’m die Mauern über’n Buckel zuſammenſtürzen möchten. Meine Schulden, die mich aus der Stadt vertrieben haben, die hab ich freilich zu Haus ge - laſſen und nur meinen leeren Ranzen mitgenommen; allein dieſe Leerheit iſt fürchterlich. Meine Taſchen leer, mein Magen leer, mein Beutel leer Alles iſt leer. Schauerliche Einſamkeit! Was fang ich jetzt an?

(Die Eule ächzt und ſchlägt mit den Flügeln.)

Oho! was iſt denn da wieder? Was für ein unbekanntes Weſen ſitzt dort auf der Mauer? Pfui Teufel! 236Das iſt ein abſcheulicher Vogel. Heda! wenn Sie ein Vogel ſind, der ſich in der Gegend aus - kennt, was ich doch vermuthen kann, ſo zeigen Sie mir gefälligſt den Weg in einen Gaſthof. Aber, freilich, Sie holen ſich ihre Koſt wo anders.

Eule
(in ſchauerlichem Tone.)

Casperl! Casperl!

Casperl.

Nun, wär nicht übel! Wer ruft mich denn da bei meinem Taufnamen?

Eule.

Jch bin es! ich bin es.

Casperl.

Jch bin es! Ja wo iſt denn dieſes Jch?

Eule
(mit den Flügeln ſchlagend.)

Jch bin es ein Unglücklicher!

Casperl.

Ein Vogel, der red’t! Das iſt einmal was Neues.

(Die Eule ſchwebt zu Casperl herab.)

Alle guten Geiſter!

Er fallt um.
Eule.

Fürchte Nichts. Stehe auf und höre, was ich dir ſage.

237
Casperl.

Da ſoll man nicht erſchrecken über einen Uhu mit menſchlicher Stimme! Das iſt ja unerhört.

Eule.

Ja, es iſt allerdings unerhört, drum höre.

Casperl.

Wenn ich hören ſoll, ſo kann es nicht un - erhört ſein. Aber mir iſt’s jetzt ſchon einerlei und ich bin gefaßt. Machen Sie nur ihren Schna - bel auf.

Eule.

Vernimm eine ſchreckliche Geſchichte:

Casperl.

Wenn die ſchreckliche Geſchicht nur nicht zu lang iſt; denn ich hab weder Zeit noch Luſt eine ſchreck - liche lange Geſchichte anzuhören. Wiſſen Sie was, Herr von Uhu? Erzählen Sie’s dem Publikum, und ich geh derweil hinaus und trink eine Maß Bier.

Eule.

Bleibe! Vernimm und ſtaune! Wiſſe ich bin ein verzauberter Ritter aus dem Mittelalter.

Casperl.

Wie? ein vermauerter Widder? Das iſt wirk - lich erſtaunlich.

238
Eule.

Nun weiter.

Casperl.

Gut. Jch gehe weiter.

(Will ſortgehen.)
Eule.

Halt! Jch meine, daß du das Weitere hören ſollſt.

Casperl.

Sagen Sie mir lieber das Engere. Das dauert nicht ſo lang.

Eule.

Jch hauste einſt auf dieſer Burg, die jetzt in Trümmern liegt, als mächtiger Schloßherr und Raubritter, gehaßt von meiner ganzen Umgebung, weit und breit gefürchtet.

Casperl.

Das geht mich eigentlich gar nichts an und iſt ganz und gar Jhre Sache, Herr Raubritter von Uhu.

Eule.

Aber ich bitte dich, erbarme dich doch meines Elendes.

239
Casperl.

Das kann ich nicht, denn mir geht’s auch mi - ſerabel, alſo erbarme ich mich über mich ſelbſt und für Sie bleibt nichts übrig.

Eule.

Wiſſe: ich führte ein laſterhaftes Leben.

Casperl.

Jch bin auch kein heiliger Antoni.

Eule.

Raub und Mord waren meine Luſt. Da traf mich nach vergeblichen Schickſalswarnungen die ge - rechte Strafe. Jch ward in eine Eule verwandelt.

Casperl.

Auweh! wenn mich nur nicht auch einmal eine ſolche Verwandlung trifft! Aber ich muß Jhnen doch ſagen, daß mir Jhre langweilige G’ſchicht da ſehr verdächtig ſcheint. Jch glaub immer, daß Sie einer Menagerie entflogen ſind und mir etwas weiß machen.

Eule.

Nimmermehr. Jch will dir den Beweis der Wahrheit geben. Zieh mir die unterſte Feder aus meinem rechten Flügel aus.

240
Casperl.

Alſo eine Feder ſoll ich Jhnen ausrupfen? Auf das kommt’s mir auch nicht an. Jch rupf.

Er thut es. Donnerſchlag. Er fällt um.

No, da dank ich! Das hat einen Kracher gethan.

Auf einer Mauer der Ruine erſcheint in Transparent römiſcher Lapidar - ſchrift geſchrieben:

JEDER WUNSCH SEI DIR GEWAEHRT.

Eule.

Nun lies!

Casperl.

Jch kann nicht lateiniſch leſen.

Die Schrift verwandelt ſich in deutſche Buchſtaben.
Casperl.

So, jetzt laß ich mir’s gefallen.

(liest.)

Jeder Punſch ſei dir gewährt.

Was, was? Punſch? Punſch gewährt? Ja da muß ich mir ſchon die Bemerkung erlauben, daß ich den Punſch nicht mag und daß mir das Bier lieber iſt.

Eule.

Es heißt nicht Punſch, ſondern Wunſch.

Casperl.

Ah ſo! Das iſt aber kein W, ſondern ein P, wie ich’s in der Schul gelernt hab.

241
Eule.

Einerlei. Die Schrift will dir nur ſagen, daß durch die Gewalt dieſer meiner Feder jeder deiner Wünſche, wenn er ein vernünftiger iſt, erfüllt werde, und ich ſage dir weiter, daß dir auch die Mittel in die Hand gegeben ſind, mich aus meiner Ver - zauberung zu erlöſen.

Casperl.

Dieß iſt ſehr verzwickelt. Allein, irre ich nicht, ſo iſt dieſe Jhnen ausgerupfte Feder eine ſogenante Wunſchfeder, wie man auch Wünſchelruthen und ſo verteufeltes Zeug hat.

Eule.

Ganz richtig.

Casperl.

A la bonheur! Nun, weil es vor Allem ein vernünftiger Wunſch iſt, daß ein vernünftiges We - ſen, welches Hunger und Durſt hat, ſich zu Eſſen und Trinken wünſcht, ſo wünſche ich mir jetzt ein Wirthshaus, in dem ich einkehren kann.

Donnerſchlag. Es erſcheint ein ländliches Wirthshaus, gedeckter Tiſch an der Thüre. Auf den Schild iſt eine goldene Eule gemalt. Kauzenveit ſchwebt auf den Wirthshausſchild und verſchwindet.
Casperl.

Bravo! Zur goldenen Eule. Da wollen wir gleich zuſprechen.

16242
Kellnerin Grethi.
(tritt geſchäftig aus dem Hauſe.)

Was ſchaffen’S, Gnäherr?

Casperl.

O du lieb’s Mauſerl du! was ich ſchaff? Was habt Jhr denn auf dem Speiszettel? Und wie heißt du denn, Trutſcherl?

Grethi.

Jch heiß Grethi und kann mit Allem, was be - liebt, aufwarten: Niernbratl, Kalbsſchlegel, Carbo - nadeln, Entenbraten, Bachhendeln, Topfenudeln, Spinat mit Eier, Hirnpafeſen, Erdäpfelſalat, ſaures Voreſſen, Apfelkuchen, Spanferkel, Limburgerkäs

Casperl.

Halt ein, höheres Weſen, ſonſt geh ich unter im Fluß deiner Rede! Weißt du was? Bringe mir von jeder Speiſe nur eine halbe Portion und gleich zwei Maß Bier und eine Flaſche Wein dazu.

Grethi.

Sollen gleich bedient ſein.

(Trippelt ab. Zugleich erſcheinen auf dem Tiſche viele Schüſſeln mit Speiſen, Bierkrüge und Weinflaſchen.
Casperl.

Ah! ah!

(ſtürzt darauf hin.)

Aber wo iſt denn mein Eulenvogel hingeflogen.

Die Eule erſcheint wieder auf dem Wirthshausſchilde ſitzend und ſchlägt mit den Flügeln, verſchwindet aber, wie Grethi aus dem Hauſe tritt.
243
Grethi.

Nun, ſind Sie nicht zufrieden mit meiner Be - dienung?

Casperl.

Du biſt eine Halbgöttin. Alles wie hergezaubert.

Grethi.

Was iſt denn eine Halbgöttin, Gnäherr?

Casperl.

Es begreift ſich, daß du nicht auf der Stufe von Bildung ſtehen kannſt, dieſes zu wiſſen.

(Vornehm belehrend.)

Halbgöttin iſt ſo viel, wie eine halbe Göttin, die keine ganze Göttin iſt, wie z. B. eine halbe Portion Niernbratl nicht eine ganze iſt; oder denke dir nur eine halbe brat’ne Gans. Nun weißt du alſo, was eine Halbgöttin iſt.

Grethi.

So? alſo wär ich eine halbe brat’ne Gans? Das iſt weiter nit höflich von Jhnen.

Casperl.

Du verſtehſt mich nicht. Jedenfalls habe ich dir ein vornehmes Compliment machen wollen, wie es in der Stadt der Brauch iſt.

(ißt und trinkt in einem fort.)

Aber ſage mir, liebe Grethl, kannſt du nicht ſingen? Jch liebe die Muſik beim Göttermahle.

16*244
Grethi.

Ja freilich; was man halt ſo verlangen und in der Schul auf’m Land lernen kann. Der Leh - rer und der Pfarrer ſind recht zufrieden mit mir auf’m Chor.

Casperl.

Du biſt alſo eine Choriſtin? Nun ſo laße Ein’s los.

Grethi.

Wenn’s Jhnen Vergnügen macht, recht gern.

Casperl.

Alſo ein paar Schnadahüpfeln oder ſo was!

Grethi.

Jch ſing Jhnen gleich die Geſchicht von der Burgruine da. Als Schulmädeln haben wir’s immer bei der Prüfung ſingen müſſen.

Casperl.

Gut. Du ſingſt und ich trinke. Sollſt leben!

Grethl.

Das Lied heißt: das Eulenſchloß.

Casperl.

So ſteht’s auch heute auf dem Commödizettel. Nun heule mir etwas von dem Eulenſchloß.

245
Grethi.
(ſingt mit ſchauerlicher Jnſtrumentalbegleitung.)
Seht ihr auf grauer Felſen Schooß
Die Trümmer von dem alten Schloß?
Da hauste ſchon vor langer Zeit
Der böſe Ritter Eulenveit.
Vom Volke ward er ſo genannt,
Weil er als Wüthrich war bekannt,
Der Alles ſich zum Raub erkor
Und auch den Teufel ſelbſt beſchwor.
Er raubte Roſſe, Schaf und Rind,
Nicht ſicher waren Weib und Kind,
Und ſchleppt’s wie eine Eul ins Neſt
Dort auf ſein Schloß, ſo ſtolz und feſt.
Doch endlich traf der Strafe Blitz
Den Frevler auf der Felſenſpitz
Durch Feuer ward die Burg zerſtört,
Vom Ritter ward nichts mehr gehört.
Casperl.

Du haſt aber eine ſchöne Stimm! Wie ein Vogerl, wenn’s den Pips hat. Dieſe Stimme drang mir zum Herzen. Aber dieſe Ritterg’ſchicht hab ich, glaub ich, ſchon einmal beiläufig irgendwo gehört.

246
Grehti.

Ja und daß Sie’s nur wiſſen: Jn dem alten Gemäuer geht’s noch immer um. Kein Menſch traut ſich in der Nacht hinauf.

Casperl.
(wird ſchläfrig und gähnt)

Ja, ja, ja, das iſt halt ſo eine G’ſchicht, die G’ſchicht da! Sind wir nur froh, daß’s jetzt keine ſolchen Raubritter mehr gibt. Aber Madl, mich ſchläfert bedeutend. Jch mein es wär Zeit in’s Bett zu gehen. Komm, führe mich in mein Schlaf - gemach.

Grethi.

Wie’s beliebt.

Casperl.

Habt Jhr doch ein gut’s Federbett? Und einen ordentlichen Schlaftrunk möcht ich auch noch in mein Zimmer hinauf.

Grethi.

Ein prächtiges Bett mit einer Duketzudeck und einen ächten Ofener, den Spitz zu 16 Kreuzer.

Casperl.

So, da bring mir nur ſo ein halbes Dutzend Spitzeln hinauf oder lieber gleich ein paar Flaſchen.

(Beide ab in’s Haus.) Die Eule, wieder ſichtbar, fliegt vom Wirthshausſchild herab.
247
Eule.

Geh nur zu Bett! Wenn’s tagt, ſo biſt du mein; Als Werkzeug brauch ich dich, mich zu befrei’n. Vermag ich dich, daß Feder du um Feder Mir ausziehſt, dann naht ſich der Freiheit Stunde. Die Hülle fällt von mir, in die der Fluch Des Schickſals mich gebannt ich bin erlöst! So wollte es die Macht, die meine Frevel Geſtraft, daß meine arme Menſchenſeele Stets ruhelos ſo lang in Thiergeſtalt Verwandelt, bitt’rer Reue preisgegeben, Einmal doch ihrer Qualen werde ledig. Nun flieg ich wieder dorthin aufs Gemäuer, Zum Schlafe nicht, denn hell iſt Nachts mein Aug, Das ſich bei Tageshelle wieder ſchließt. O grüßte einmal endlich doch der Sonne Beglückend Licht mich, Ruh und Frieden bringend!

(Schwebt auf die Ruine.) (Der Vorhang fällt.)
248

II. Aufzug.

Reichmeublirter Salon. Jm Vordergrund großer Ar - beitstiſch, Acten darauf.
Casperl,
über ſeine rothe Jacke einen ſchwarzen Frack mit Ordensſternen, tritt mit vornehmen Schritten ein.

Nun hat mich die Zauberfeder zum wirklichen Mann der Feder gemacht. Jch bin Staatsminiſter! Jch kann ſagen, daß ich mich federleicht emporge - ſchwungen habe. Ja es iſt wahr, was das Sprich - wort ſagt: Mit dem Amt kommt auch der Ver - ſtand. Jch darf es geſtehen: ich leite mein Mi - niſterium mit Umſicht, Vorſicht, Nachſicht, Durch - ſicht, Einſicht, Kurzſicht und noch verſchiedenen an - deren Sichten. Weiß ich Nichts und fallt mir Nichts ein, was eigentlich immer der Fall iſt, ſo darf ich nur meine Miniſterzauberfeder hinter’s Ohr ſtecken, oder ins Tintenfaßl eintauchen, und meine Beſchlüſſe ſind von ſalomoniſcher Weisheit. Leider nützt ſich ſo eine Feder im Drange der Geſchäfte bald ab; zum Glück habe ich meinen treuen Geheimſekretär249 Eulert ſtets bei der Hand, dem ich immer gleich wieder eine neue ausrupfen kann. Er iſt wirklich ein trefflicher Referent. Jch werde für ihn dem - nächſt den Geheimen Raths-Titel beantragen; denn wenn mir ſeine Federn ausgehen, ſo bin ich ein verlorener Mann.

Bedienter
(tritt ein.)

Eurer Excellenz, gehorſamſt zu melden.

Casperl.

Was gibt’s wieder? Hat man doch nicht einen Augenblick Ruhe.

Bedienter.

Eine Deputation der Gemeinde Simpelsdorf bittet vorgelaſſen zu werden.

Casperl.

Meinetwegen. Laße die Simpel herein.

(Bedien - ter ab.)

Schlipperment! Jetzt hab ich meine Miniſter - feder auf’m Nachttiſchel liegen laſſen. Nun, für die Bauern thut’s es ſo auch. Da reicht mein gewöhn - licher Verſtand ſchon aus.

Hutzlpeter, Hubermartl und Knopflbauer treten unter ungeheuren Bücklingen ein.
Casperl
(ſehr vornehm.)

Jch hab Euch ſchon im Audienzvormerkungs - brotikoll gelöſen. Was habt Jhr zu ſuplixificiren bei mir?

250
Hutzlpeter.

Röxcellenz, ich bin der Gmoanvorſteher von Simpelsdorf und die zwoa da ſan Gemeindemit - glieder. Der Oan iſt der Hubermartl und der Ander iſt der Knöpflbauer, allerunterthänigſt auf - z’warten, Röxcellenz.

Casperl.

Nun, was gibt’s? Warum kommt Jhr zum Miniſter ſelbſt?

Hubermartl.

Ja, Röxcellenz, mir möchten halt unſer Recht b’haupten.

Knöpflbauer.

Halt’s Maul, Martl! laß’n Vorſteher reden.

Casperl.

Zur Sache, zur Sache! Jch habe koine Zoit mich mit ſolchen Pappalien lang abzugeben.

Hutzlpeter.

Röxcellenz Durchlaucht, wir ſan halt von der Regierung abg’wieſen wor’n und jetzt möchten wir rappeliren wegen der Eiſenbahn.

Casperl.

Was? Eiſenbahn? Jhr wollt ſagen Kegelbahn.

251
Hutzlpeter.

Nein, Röxcellenz. Kegelbahn hab’n wir ſchon, aber wir möchten halt auch an Eiſenbahn wegen unſere Krautköpf und der Lehrer moant’s auch, als Gmoanſchreiber.

Casperl.

Ja, Eſelsköpf! Ein Lehrer ſoll nicht auch Gemoindeſchreiber ſein; das iſt eine Herabwerthig - ung ſeiner ſtaatsbürgerlichen Stellung.

Hubermartl.

Ja, Röxcellenz; die Sach iſt ſo: Wir haben ſo viele Krautgarten im Dorf und da kunnten wir halt auch eine Kamunikaution von am Verkehrs - mittel brauchen, wie’s die Heudorfer, unſere Nach - barn, wegen ihrem Dorfſtich kriegt haben.

Casperl.

Da müßt Jhr halt aus euren Krautgärten Torfſtiche machen.

Hutzlpeter.

Wir ham aber kein Dorflager.

Casperl.

Was Lager, Lager? Jn Friedenszeiten braucht man ohnedieß kein Lager. Das macht nur Un - koſten. Jch kenn mich überhaupt in Eurer ver -252 zwickelten Sache gar nicht aus. Geht nur auf’s Bureau Nr. 6, gleich rechts auf’m Gang drauſſen, zum Miniſterialrath Schrollmaier; der kann Euch Aufſchluß geben und wird mir nachher ſchon be - richten. Adieu! packt Euch!

Hutzlpeter.

Wir bedanken uns unterthänigſt, Röxcellenz, für die gnädige Auskunft.

(Die Bauern unter Reverenzen ab.)
Knöpflbauer
(im Abgehen zu den andern Beiden.)

Das iſt aber ein geſcheiter, feiner Herr.

Hubermartl.

Das will ich meinen. Und ſo niederträchtig iſt er, ſo herablaſſend!

Casperl
(allein.)

Dieſes dumme Bauernvolk will alle Augenblick etwas Anderes.

Zwei Bediente tragen eine ungeheure, rothe Amtstaſche herein.

Ah! das Portufeuille aus dem fürſtlichen Ka - binette. Legt es nur auf den Schreibtiſch hin; aber vorſichtig, damit Nichts daran verdorben wird.

Die Bedienten thuen es und gehen ab. Caſperl ſtürzt auf das Portefeuille. Recitativ. Raſcher Einiritt des Orcheſters mit einigen mächtigen Accorden.
253
Casperl.

Sei mir willkommen, o Wonne! Du, meines Lebensglückes Sonne!

Prestissimo unisono Lauf der Bäſſe und Violoncelle durch zwei Oktaven hinauf, Fortissimo. Sanfter Uebergang der Violinen, wobei die Flöte einen Triller auf dem bohen Cis macht.

Wie lieb ich dich! wie biſt du theuer mir! Verlaß mich nie; o blieb ich ſtets bei dir!

Bäſſe und Violoncelle pizziccato: Pim pum, pim pim pim, Pim pam pum pum pam.
Ritornell. Violinſolo, während Casperl mit ausdrucksvollen Schritten auf - und abgeht.

Arie.

Melodie aus der weißen Frau.
Ha, welche Luſt Miniſter zu ſein
Und ein Portefeuille zu tragen;
Die Beſoldung iſt nicht klein,
Goldgeſtickt ſind Rock und Kragen.
Sechstauſend Thaler ſind nicht ſchlecht
Und dabei auch noch Diäten;
Zum Leben iſt dieß grad ſo recht,
Den Poſten zu vertreten.
Wer klug iſt, der braucht kein Syſtem,
Hängt nach dem Wind den Mantel;
254
So dirigirt er ganz bequem,
Hat Alles gleich am Bandel.
Ha, welche Luſt Miniſter ſein
Und ein Portefeuille zu tragen,
Doch wer es iſt, der habe fein
Stets einen guten Magen.

Und dem Himmel ſei’s gedankt; einen guten Magen hab ich. Die Verdauung iſt die Haupt - ſache für einen Miniſter, ſchon wegen alle die Diner’s und Feſteſſen, die Einer mitmachen muß.

(Bedienter tritt ein.)

Was will er?

Bedienter.

Jch ſoll ein Frauenzimmer melden, welches Eurer Excellenz Aufwartung zu machen wünſcht.

Casperl.

Mit was oder womit will mir dieſes Frauen - zimmer aufwarten?

Bedienter.

Das hat ſie nicht geſagt.

Casperl.

Jſt dieſes aufwartenwollende Wöſen anderen Geſchlechtes hübſch? Hat es aufwartungsfähige Geſichtszüge?

255
Bedienter.

Gar nicht übel. Scheint vom Lande zu ſein.

Casperl.

Man laſſe dieſe ländliche Einfalt herein.

(Bedienter ab.) (Grethi tritt unter Kniren ein.)
Casperl
(vornehm, herablaſſend.)

Sie hat alſo Audienz verlangt? Wer iſt Sie? Woher Sie? Warum Sie? Wozu Sie?

Grethi
(für ſich.)

Schändlich! Er will mich nicht mehr kennen.

[zu Casperl.]

Ja, Jhro Excellenz; ich habe wegen eines Anliegens unterthänigſt aufwarten wollen.

Casperl.

Und was iſt dieſes Anliegen für eine Angele - genheit, Kleine? Nur ſchnell; man hat mehr zu thun, als ſich mit ſolchen Spagatellen abzugeben.

Grethi.

Für Sie mag es ein Bagatell ſein, für mich aber nicht. Kennen Sie mich wirklich nicht?

Casperl
(bei Seite.)

Schlipperment! Das iſt die Grethi.

(Zu Grothi.)

Nein, mein Kind. Woher ſollte ich Sie können können?

256
Grethi.

O, Sie Nichtkenner! Sie! Sie kennen die Grethi nicht mehr?

Casperl
(thut, als ob er ſich beſänne.)

Grethi? Grethi? Wie? wo? was?

Grethi.

O verſtellen Sie ſich nicht ſo. Sie kennen mich recht gut. Sie wiſſen recht gut, daß Sie mir im Wirthshaus zur goldenen Eule , wo Sie noch Jhre Zech ſchuldig ſind, das Heirathen verſprochen haben.

Casperl.

Welche Unverſchämtheit! Jch Miniſter!

Grethi.

Ja, damals waren Sie freilich kein Miniſter, aber ein Vielfrißter und jetzt ſind Sie der Viel - vergißter.

Casperl.

Schweige Sie mit ihren ungebührlichen De - prenſionen.

Grethi.

Jch ſchweige nicht. Jch will meine gerechten Anſprüche geltend machen. Was ein Mann ver -257 ſprochen hat, das ſoll er auch halten. Wie ich Jhnen damals in der Früh den Caffee auf’s Zim - mer gebracht habe

Casperl.

Auweh! Caffee!

Grethi.

Ja damals haben Sie’s geſchworen; Grethi, haben Sie geſagt, Grethi, du gefallſt mir, du wirſt mein Weib, ich bleibe dir ewig treu. Jch hole dich, ab, ſobald ich eine feſte Stellung hab ja und lauter ſo Sachen haben’S geſagt.

(Weint und ſchluchzt.)
Casperl.

Ha! Alles verlogen. Und wenn ich es auch geſagt haben hätte, was nicht wahr iſt, habe ich denn eine feſte Stellung als Miniſter? Ha du ſcheinſt mir wenig eingeweiht zu ſein in die Ver - hältniſſe des conſtitutionellen Staatslöbens.

Grethi.

Schändlich, ſchändlich! Mich ſo zu hintergehen! Ein armes Mädchen ſo zu verlaſſen!

Casperl
(feierlich.)

Und wenn auch! die Polutik ſteht zwiſchen uns. Du dauerſt mich; allein höhere Zwöcke bilden17258eine unüberſteigbare Kluft zwiſchen uns Beiden. Löbe wohl!

(Geht ab.)
Grethi
(allein.)

So geh nur, du Ungeheuer! Eine Kluft iſt zwiſchen ihm und mir. O wär’s nur eine 10,000 Fuß tiefe Felſenkluft, in die ich mich hinabſtürzen könnt!

(Stürzt weinend ab.) (Der Vorhang fällt raſch)
259

III. Aufzug.

Salon (wie im vorigen Aufzuge.) Eulert in ſchwarzem Anzuge, Eulenkopf, große runde Brillen, welche die Eulenaugen bilden.
Eulert.

Die Stunde der Erlöſung naht. Dem Schick - ſal Dank, das mir den Narren in die Hände ge - führt hat! Nun habe ich nur noch ein paar Federn am Leibe, die ihm auszuziehen bleiben. Er ahnt es nicht. Jſt die letzte verbraucht, ſo erlange ich wieder meine normale Menſchengeſtalt; dieſe Se - kretärsſtelle iſt nur ein Jnterim. Mein Schloß wird aus ſeinen Trümmern wieder erſtehen und ich werde dort wieder einziehen können in verjüngter Geſtalt. Allerdings haben ſich mittlerweile die Zeiten ſehr geändert. Die ritterlichen Standesvor - rechte ſind gefallen. Nicht einmal ſiegelmäßig bin ich mehr. Meine vormaligen Unterthanen ſind nun freie ſelbſtſtändige Staatsbürger. Jch werde als17*260ſimpler Rittergutsbeſitzer ohne Gerichtsbarkeit auf Eulenſchloß leben und muß mich eben in den Fort - ſchritt des neuen Zeitalters fügen lernen. Er kommt!

Casperl
(tritt ein.)

Ei ſieh da! mein lieber Eulert. Jch habe ſo - eben das Portefeuille in’s Cabinett explodirt. Mein Kopf iſt wieder ſehr angegriffen. Schlipperdibix! Es wird wieder eine neue Feder koſten. Mit der alten kann ich Nichts mehr anfangen. Jetzt hab ich Jhnen gewiß ſchon ein paar hundert Federn aus - gerupft. Nicht wahr, lieber Eulert?

Eulert.

Es mag ſein, aber das thut ja gar nichts zur Sache. Vorläufig muß ich Eurer Excellenz eine etwas unangenehme Mittheilung machen.

Casperl.

Wie? Sie machen mich ganz ſtutzig.

Eulert.

Es war ein Mädchen bei mir, welches mit der kühnen Behauptung auftrat, ſie habe gegründete Anſprüche auf die Hand Eurer Excellenz und ſie wende ſich an mich in dieſer Angelegenheit, weil ſie von Eurer Excellenz abgewieſen wurde ſie wolle

261
Casperl
(Eulert unterbrechend.)

Wie? was? Schlipperment!

Eulert.

Ja ſie wolle ſich an die Gerichte wenden.

Casperl.

Pfui Teufel! Das iſt infam. Was nicht gar? Jch Miniſter und dieſe ordinäre Perſon!

(Pauſe. gerührt.)

Und doch! Mein Eulert, Mann meines Vertrauens! Ha! Mein Herz! Mein Gewiſſen. Meine Erinnerungen!

(Setzt ſich.)

Rathen Sie, Eulert! Helfen Sie!

Eulert.

Excellenz!

Casperl
(in tragiſchem Pathos, raſch aufſtehend.)

Horen Sie, Eulert: Es war in jener ſchauerlichen Nacht, wo ich ermüdet, hungrig in die düſterſten durſtigſten Träume verſunken an den Ruinen jenes zerfallenen Schloßes nicht wiſſend wo oder wie in ein ländliches Wirthshaus trat.

(Tändelnd.)

Ein liebliches Geſchöpf trat mir mit freundlichem Will - komm entgegen.

Eulert.
(bedeutungsvoll.)

Jch weiß es. Jn jener Nacht, wo ich Sie als geheimnißvolle Eule umſchwebte.

262
Casperl.

Ja. Sie umſchwoben mich und erzählten mir eine Geſchichte, eine Geſchichte furchtbaren Jnhalts; aber ich weiß kein Sterbenswörtl mehr davon. Da trat mir Gretchen, wie ein lichter Engel entgegen.

(gerührt.)

Jch nahm damals 12 Paar Brat - würſteln, einen Schlegelbraten mit Endiviſalat und noch verſchiedenes Andere mit verſchiedenen flüſſigen Stoffen zu mir. Alles aus Gretchens Händen. O ſie war ſo lieb, ſo gut! Jch hing an ihren Blicken und ſie hing an meinen Blicken! Wir verſtanden uns bald. Zwei Herzen ſchlugen ſich entgegen. Jch ſchwur, ſie ſchwur, wir ſchwuren kurz es war ein gemeinſchaftliches Geſchwur. Aber jetzt?! Jch Miniſter! Sie ein untergeordnetes Jndividuum! Furchtbarer Complex!

Eulert.

Excellenz, faſſen Sie ſich. Vielleicht findet ſich ein Ausweg, eine Vermittelung. Geduld und Ruhe!

Casperl.

Oh! Oh! was ſoll ich thun? Jch bin conprimirt.

(ſich ermannend.)

Doch laſſen wir dieſe Privatverhältniſſe. Die Staatspflicht geht vor. Jn einer halben Stunde muß ich zu Seine Durlaucht263 zum Vortrage. Jch brauche eine friſche Feder. Kommen Sie mit mir in mein Kabinett, damit ich Jhnen wieder eine ausrupfen kann.

Eulert.

Eurer Excellenz immer zu Befehl.

(Jm Abgehen für ſich.)

Unglücklicher! es iſt die Letzte!

(Beide ab.)

Verwandlung.

Vorzimmer in der Reſidenz. Von zwei Seiten eintretend Staatsrath von Walther und Geh. -Rath Actenmaier.
v. Walther.

Guten Tag, beſter geheimer Rath!

Actenmaier.

Meine Ergebenheit, Herr Staatsrath.

v. Walther.

Kommen ſie vom Herzog?

Actenmaier.

Ei, ich vom Herzog? Wer kömmt denn noch zu Se. Durchlaucht?

v. Walther.

Sie haben recht. Wer Anders, als der Miniſter?

Actenmaier.

Die älteſten, bewährteſten Diener läßt man fallen.

264
v. Walther.

Nur Er hat ſein Ohr! Es iſt unbegreiflich. dieſer Menſch ohne Herkunft, ohne Cultur, ohne Manieren!

Actenmaier.

Der Herzog iſt entzückt von ſeinen Arbeiten.

v. Walther.

Alles nur der Eulert. Jch kann Sie verſichern: Ohne Eulert müßte er fallen. Der iſt ſeine rechte Hand, ſein Alles.

Actenmaier.

Haben Herr Staatsrath gehört, wie er ſich vor - geſtern wieder an der Hoftafel benommen? Sie waren nicht geladen, aber ich.

v. Walther.

Ja, ich hörte ſo Etwas munkeln.

Actenmaier.

Er fiel wieder einmal betrunken unter den Tiſch. Denken Sie ſich! Ein Glück, daß nur Her - ren und nicht auch Damen zur Tafel gezogen waren. Und Se. Durchlaucht es iſt unglaub - lich Se. Durchlaucht hatten wieder ungeheuren Spaß an dem Vorfall. Als man den bewußtloſen Miniſter entfernt hatte, ſagte der Herzog: Das iſt265 doch eine eigenthümliche Natur! Trefflich und brauchbar als Staatsmann; aber ein bischen ſon - derbar als Privatmann, eigentlich ohne Erziehung, ein Naturmenſch; aber immerhin ein guter Kopf, wie nicht leicht ſeinesgleichen. Und das muß mir doch die Hauptſache ſein. Dieß waren des Her - zogs Worte. Jch habe ſie aus dem Munde des Kammerherrn von Müller, der im Dienſt war.

v. Walther.

Jn der That es wird ein Bischen arg. Wo will das hinaus?

Actenmaier.

Das eben frag ich Sie, Herr Staatsrath. Und iſt uns dieſer Parvenû nicht wie eine Bombe her - eingefallen?

v. Walther.

Eulert hat ihn dem Herzog empfohlen.

Actenmaier.

Warum aber hat Eulert nicht ſelbſt das Porte - feuille angeſtrebt?

v. Walther.

Das wiſſen die Götter.

Ein eintretender Hoflakai öffnet von Auſſen eine Seitenthüre.
Lakai.

Se. Excellenz kommen von Se. Durchlaucht dem Herzog.

(Ab.)
266
v. Walther.

Sei’n wir vorſichtig.

Actenmaier.

Jch verſtehe.

Casperl
(tritt ein.)

Ah, bon jour, bon jour, meine Herren!

v. Walter.

Euer Excellenz hatten wieder Vortrag?

Casperl
(ungeheuer wichtig und vornehm.)

Nur ein kleines halbes Stündchen. Ja, ja, ja.

(Für ſich.)

Schlipperment! Jetzt hab ich meine Feder drin liegen laſſen. Jch darf mich zuſammen nehmen mit den Zweien da.

v. Walther.

Darf ich mir die Frage erlauben, ob das Bahn - netz ſchon zur Sprache gekommen?

Casperl.

Wie? was? das Netz? Glauben Sie, ich fiſche mit dem Herzog?

v. Walther.

Excellenz, glaube ich, haben mich falſch ver - ſtanden.

267
Casperl.

Jch verſtehe nie falſch, damit Sie es nur wiſſen.

v. Walther
(zu Actenmaier bei Seite.)

Wie kömmt Jhnen dieß vor?

Actenmaier.

Unglaublich.

Casperl.

Apripos, meine Herren! in welches Wirthshaus gehen Sie heute? Jn den blauen Bock oder zum damiſchen Löwen? Jn örſterem ſehr gute Leberwürſte, in lötzterem ausgezeichnetes Bier, die Maß um 7 Kreuzer.

v. Walther.

Herr Miniſter, das ſind Fragen, die wir nicht beantworten können.

Actenmaier.

Weil wir derlei nicht gewohnt ſind. Wir be - ſuchen Lokalitäten nicht, in welchen der gemeine Plebs kneipt.

Casperl.

Wie was? wo ein gemeiner Schöps kneipt?

(für ſich.)

Da muß ich wieder eine Dummheit geſagt haben.

(vornehm ſcherzend.)

Ja, ja meine Herren, das268 war nur ein Geſpaß von mir.

(lacht.)

Ha, ha, ha! Wie ſollte ich? wie könnte ich?

Actenmaier.

Das dachten wir gleich, Excellenz. Aber darf ich fragen, wie ſteht es mit dem Erſatzpoſten für den Ausfall in der indirekten Steuer? Wie will der Herzog ſurrogirt wiſſen?

Casperl
(für ſich.)

Schlipperment; das iſt mir zu hoch. Wie zieh ich mich aus dem Schlamaßel? O Feder, o Feder!

(zu Actenmaier.)

Es verſteht ſich, daß der Poſten ab - gelöſt werden muß. Der Ausfall aber war mehr ein Einfall und das angeſteckte Feuer iſt ſchon längſt gelöſcht.

Actenmaier und v. Walther
(gegenſeitig.)

Welch ein Unſinn! Jſt er verrückt?

Casperl.

Ueberhaupt, meine Herren, muß ich mir das ewige Gefrag verbitten. Jch bin kein Schulbub. Verſtehen Sie mich? Wenn nicht, ſo ſage ich Jhnen etwas Anderes. Verſtanden?

v. Walther.

Wie? hörte ich recht? Eine Zurechtweiſung? 269Das laſſen wir uns nicht gefallen. Wir ſind im Staatsdienſt ergraute Beamte.

Actenmaier.

Vergeſſen Eure Excellenz nicht unſere Stellung.

Casperl.

Was Stellung? Halten Sie’s Maul!

v. Walther und Actenmaier.

Ah, ah! Das iſt zu arg!

Casperl.

Jch bin Miniſter.

v. Walther.

Und wenn ſechsfach Miniſter, eine ſolche Be - handlung iſt empörend. Kommen Sie, Herr Geh. Rath! Schnell zum Herzog! Es muß uns Genug - thuung werden.

Actenmaier.

Ja, der Herzog muß uns hören.

(Beide raſch ab.)
Casperl
(allein.)

Auweh Pfutſch! Das iſt a ſaubere Gſchicht. Jetzt wird mich der Herzog auch gleich rufen laſſen, wenn die Zwei mich verklagen. Und ich hab keine Miniſterfeder bei der Hand! Wenn ich nur den270 Eulert da hätt! Jch weiß mir nicht zu helfen, ich lauf davon!

(Er will hinaus, Eulert tritt ihm an der Thüre entgegen.)
Casperl.

O Retter meines Lebens! Geſchwind eine Feder, ſonſt bin ich verloren!

Eulert
(feierlich.)

Du biſt es! Die Feder, die du mir dieſen Morgen ausgezogen, es war die letzte! Jch bin erlöſt!

Donnerſchlag. Casperl fallt um. Eukert verwandelt ſich in einen elegant gekleideten Cavalier.
(Der Vorhang fällt.)
271

IV. Aufzug.

Gegend des erſten Aufzuges. Wirthshaus. An der Stelle der Burgruine ein ſtaatliches Schloß in moder - nem Style. Morgenbeleuchtung.
Baron v. Eulenſchlotz
(in Jagdkleidung mit Doppelflinte tritt ein.)

Herrlicher Morgen! ganz zur Jagd geeignet. Jch fühle mich ſo wohl, ſo zufrieden und bin in der That herzlich froh, daß ich endlich die mittel - alterliche Eulenhaut abgeſtreift habe. Nun bin ich auch ein ganz anderer Menſch geworden von ſittli - lichem Ernſte durchdrungen und doch voll Lebens - luſt. Ehemals ein roher ungeſchlachter Ritter, jetzt ein feiner Cavalier. Und welch eine angenehme Aenderung in der Lebensweiſe! Jch bin zwar in mancher Beziehung nicht ganz mit dem Fortſchritte der Zeit einverſtanden, allein gewiſſe Vortheile ſind doch überwiegend. Nehme ich nur z. B. die Um - wandlung der Schußwaffen. Wie angenehm jetzt ſo ein Lefaucheux Doppelgewehr! Pum! Pum! Du -272 plette auf zwei Haſen! und in einer Sekunde ge - laden. Und ehemals: Armbruſt, Jagdſpeer. Welche Mühſeligkeit für den Waidmann! Jetzt fliege ich in einer Stunde per Bahn in die Reſidenz; zu meiner Zeit hatte ich drei Meilen auf einem ſchwe - ren Hengſte zu trotteln. Und wie ſtehts mit Küche und Keller! An Trüffeln, Gansleberpaſteten war ja vormals nicht zu denken. Um all derartige Vor - züge verzichte ich gerne auf die Gewaltherrſchaft des mittelalterlichen Ritterthums. Das Bauernprügeln war immerhin eine ganz artige Unterhaltung und wäre auch dermalen bisweilen nicht ſchlecht angewendet; aber nun iſt man die Kerls doch los, ſeit ſie freie Staatsbürger geworden ſind. Kurz, es lebe die Cultur unſeres Jahrhunderts!

(Grethi kommt aus dem Wirthshaus.)
Eulenſchlotz.

Ei ſieh da, die ſchöne Wirthin!

Grethi.

O ich weiß recht gut, daß ich nicht ſchön bin.

Eulenſchlotz.

Rührende Beſcheidenheit bei glücklichem Be - wußtſein.

273
Grethi.

Mein Bewußtſein, Herr Baron, iſt kein glück - liches. Das wiſſen Sie ja.

Eulenſchlotz.

Ja ſo, der Gewiſſe Abſcheuliche, Ungetreue!

Grethi.

Jch bin nicht undankbar und werde die Wohl - thaten, die mir Euer Gnaden erwieſen haben, nie - mals vergeſſen. Was wär ich denn, und was hätt ich denn, wenn Sie mir nicht die Wirthſchaft ge - kauft und mich zur Wirthin gemacht hätten? Aber trotzdem: Meinen Casperl kann ich doch nicht vergeſſen.

Eulenſchlotz.

Das nehme ich Jhnen auch nicht übel und finde es auch ganz natürlich.

Grethi
(weint.)

Sie können gar nicht glauben, Herr Baron, wie mir das nachgeht! Und wenn er noch ſo ab - ſcheulich an mir gehandelt hat, ich wollt ihm doch verzeihen, wenn ich nur wüßt, wo er wär.

Eulenſchlotz.

Seit ſeinem Sturze habe ich Nichts mehr von ihm gehört. Er war bereits aus der Reſidenz ver - ſchwunden, als ich mein neues Schloß da bezog.

18274
Grethi.

Und ich hab mich als Kellnerin herumgefrett, bis ich aus lauter Sehnſucht wieder hiehergerathen bin, wo Sie ſich meiner ſo gnädig angenommen haben.

Eulenſchlotz.

Sprechen wir nicht davon. Es iſt gern ge - ſchehen. Jch wollte die Wirthſchaft in gutem Be - triebe wiſſen. Sie waren mir aus früherer Zeit bekannt. Nun tröſten Sie ſich, liebes Gretchen. Vergeſſen Sie den Treuloſen und ſuchen Sie ſich einen braven Mann zum Wirthe. Adieu! meine Jagdgäſte erwarten mich zum Jmbiß.

(Ab.)
Hörnerfanfaren hinter der Scene.
Grethi
(allein.)

Der Herr Baron hat leicht tröſten; ich bin und bleib unglücklich, wenn ich meinen Casperl nim - mer ſieh.

Lied.
Was nutzt mich all mein Hab und Gut?
Es iſt mir nimmer wohl zu Muth;
Mir fehlt doch, mir fehlt doch
Mein Casperl immer noch.
275
Und geh im Haus ich aus und ein,
Schau nach die Küh und nach die Schwein,
Jn’s Ofenloch, in’s Kellerloch
Mir fehlt mein Casperl doch.
Steh ich ſo einſam in der Schenk
Es gibt nichts Andres, was ich denk,
Als er allein, als er allein!
Mein Gott! wo wird er ſein?

Ja! wo wird er ſein? Jch weiß freilich nicht wo. Aber ich bleib ihm treu und gerad jetzt am allertreueſten, weil er vielleicht im Unglück iſt. Es muß doch was Erſchreckliches ſein, wenn einer ſein Portefeuille verloren hat, wie ſie’s heißen, ſo eine Miniſtertaſchen! War ja das ſchon ein Mords - ſpektakel, wie vor 14 Tagen mein Metzger ſeine Brieftaſchen verloren hat und waren nur zwanzig Gulden drin! Aber jetzt muß ich hinein nach die Knödel ſchau’n für die Dienſtboten. Mir ſchmeckt freilich weder Eſſen noch Trinken.

(Ab in’s Haus.)
Casperl
(in einen Mantel gehüllt, tritt nachdenkend mit großen Schritten ein.)
(Hochtragiſch.)

So irr ich denn umher eine ge - fallene Größe! Ha! und ſind nicht größere Größen276 gefallen? Schlipperment! hab ich einen Hunger und Durſt! Ha! Vom Miniſter zum Bettler! Es war ein ſchauerlicher Monument, als mir der Herzog in ſeinem Cabinettl mit buwegter Stimme ſagte: Sie ſind entlaſſen. Geben Sie das Por - tuſol in meine Hände zurück. Und wie ich die große Taſchen auf ſeinen Schreibtiſch niedergelegt hab, da hat er ſein rothſeidenes Sacktüchl heraus - gezogen und hat ſich’s vor die Augen gehalten und mir wieder geſagt: Löben Sie wuhl! Göhen Sie, machen wir uns den Abſchied nicht ſchwer. Nach - her hat er ſich auf ſeinen goldenen Fotoilſeſſel nieder - geſetzt und hat geſagt: Mein Volk hat es gewollt. Dann hat er mir noch eine Zehnguldenbanknoten in die Hand gedruckt und hat mir hinausgewunken. Jch hab den Zehnguldenzettel an meinen Buſen gedruckt und bin ſo hinausmarſchiert.

(Er macht einige tragikomiſche Schritte.)

Da iſt aber der Teufel draußen losgegangen. Daß ſie mich nicht geprügelt haben, hätt beinah noch g’fehlt. Alle, die mir vorher un - geheure Complimente gemacht haben bis am Boden haben mich mit Verachtung angeſchaut, keiner hat mich mehr gekannt! Und von dieſem Augenblicke an ſtund ich allein! allein und verlaſſen!

277

Lied.

So geht’s halt immer auf der Welt:
Wenn Einer kommt um Amt und Geld,
Da zeigt ſich gleich der blinde Wahn;
Denn Niemand ſchaut ihn dann mehr an.
Jſt Einer auch ein rechter Lump,
Gibt er nur Tafeln und auf Pump,
So gilt er was und iſt charmant
Das iſt doch wirklich eine Schand!

Das Menſchengeſchlecht iſt treulos! Aber, Casperl! Wie haſt denn du’s gemacht? Biſt du beſſer als die Andern? Denk an die Grethl!

[ſich umſchauend.]

Aber wie? wo bin ich? wohin habe ich meine Schritte gelenkt? Jſt dies nicht das Haus, in welchem ich einſt einen feierlichen Schwur ſchwur? Jſt dieß nicht der ſüße Ort jener un - vergeßlichen und doch vergeſſenen Vergangenheit, wo ich meine Tatzen in ihre böbende Hand gelögt? O fürchterliche Vergeltung des Schickſals! Gräß - liches Schickſal der fürchterlichſten Vergeltung!

(Tiefbe - wegt.)

Margaretha! Kannſt du mir vergeben?

Er weint ungeheuer und ſetzt ſich auf die Bank an der Wirthshausthüre, ſich in ſeinen Mantel hüllend. Hiesl mit einer Heugabel, tritt aus dem Hauſe.
278
Hiesl.

Meine ſieben Knödl wären glücklich drunten. Jetzt heißt’s auf d’Wieſen zum Heumachen. Was ſitzt denn da für eine Figur?

Casperl
[für ſich.]

Auweh! das iſt ja der Hausknecht, der Hiesl, der mir damals meine Stiefel geputzt hat.

Hiesl.

Heda! Was thut er da vor’m Haus? Er iſt gewiß ſo ein Vagabund. Allo, raus mit der Sprach! Wir wollen wiſſen, wer man iſt.

Casperl.

Sei’n Sie mit einem Unglücklichen nicht grau - ſam! Gönnen Sie dem müden Wanderer einen Augenblick Ruhe.

Hiesl.

Die Wanderer kennt unſer Einer ſchon. Die laſſen gern Etwas mit wandern. Marſch da! Wo iſt’s Wanderbüchl oder ein Vorweis?

Casperl.

Man braucht jetzt keinen Vorweis mehr. Weiß er das nicht? Hat er nicht die Verordnung im Amtsblattl geleſen, daß die Anſäßigmachung frei iſt? Alſo darf ich mich jedenfalls hier niederſetzen.

279
Hiesl.

Da weiß ich Nichts davon. Das ſind nur ſo neumodiſche Sachen.

Casperl.

Kennt er nicht das Polizeigeſetz?

Hiesl.

Mein Polizeigeſetz iſt und bleibt, daß man verdächte Objekte ausweist; und wenn er nicht gutwillig geht, ſo brauch ich meine Heugabel zum Deutlichmachen, was ich mein. Verſtanden? Aber zuvor will ich’s doch der Wirthin ſagen. Vielleicht gibt’s ihm a Nudl auf’n Weg oder a Stückl Hausbrod.

[Ab in’s Haus.]
Casperl.

Von allen Thüren abgewieſen! eine Nudl ein Stückl Hausbrod! mir der ich auf feinen Porcellantellern Auſtern gegeſſen hab?!

Grethi
[tritt aus dem Hauſe.]

Nun, was gibt’s da? Wollt Jhr was? Seid’s ein Bettler oder möcht’s vielleicht eine Arbeit?

Casperl
[für ſich.]

Himmel! ſie iſt es! Doch Verſtellung! Noch ſoll ſie nicht wiſſen, wer ich bin.

[Mit verſtellter tiefer280 Stimme.]

Jch bin ein armer, armer Mann.

[Nähert ſich Gretchen mit ſchlotternden Schritten.
Grethi.

Wenn Jhr wirklich arm ſeid, ſo will ich Euch gern Was ſchenken. Geht nur ein bißl in die Zechſtuben herein.

Casperl
[für ſich.]

O, wie gut ſie iſt?

[Laut wie vorher.]

Jch bin ein armer alter Mann und ſuche eigentlich einen armen aber jungen, hübſchen Mann auf, der mein weit - ſchichtiger Vetter iſt.

Grethi.

So? und wer iſt denn Euer weitſchichtiger Vetter?

Casperl.

Ein gewiſſer verunglückter, edler Menſch. Er heißt Casperl Larifari.

Grethi
[in höchſter Aufregung.]

Wie? um’s Himmelswillen! Casperl Lari - fari? Wißt ihr was von ihm? Nur ſchnell!

Casperl.

Liegt euch denn ſo viel an dieſem meinem Herrn Vetter Casperl Larifari?

281
Grethi.

O ſagt nur, ob Jhr etwas von ihm wißt. Laßt mich nicht ſo lang in Aengſten.

Casperl
[wirft den Mantel weg und fällt Grethi zu Füſſen.]

Margaretha! Sieh ihn hier zu deinen Füſſen!

Grethi.

Mein Casperl! mein Casperl! biſt du’s wirklich?

Casperl
[aufſtehend, fällt ihr um den Hals.]

Ja, ich bin’s, bin’s, bin’s! aber kannſt du mir noch gut ſein?

Grethi.

O es iſt Alles vergeſſen, weil ich dich nur wieder hab!

Casperl.

Juhe! Du warſt und biſt meine allerliebſte Grethl.

Grethi.

Auf ewig, ewig!

Duett.

Wir haben uns wieder gefunden,
O ſelige, ſelige Stunden!
Du mein, ich dein,
Es ſoll nicht anders ſein.
19282
Wie lang mußt ich dich vermiſſen,
Mein Herz das war beinah zerriſſen!
Nichts trennt uns mehr;
O komme, komm nur her!
Sie fallen ſich in die Arme. Eulenſchloß, der mittlerweile eingetreten, nähert ſich.
Eulenſchloß
[nachſingend.]
Wir haben uns wieder gefunden,
O ſelige, ſelige Stunden

Ha, ha! ſo geht’s auf der Welt. Die Ehen ſind im Himmel geſchloſſen. Jch lade mich zur Hochzeit ein.

Casperl und Grethi.

Ei, der gnädige Herr!

Eulenſchloß.

Nicht Herr, ſondern Freund.

Casperl.

Allzugnädig, allzugnädig. Grethl, wie meinſt du? Könnten wir nicht ſchon in acht Tagen Hoch - zeit halten?

Grethi.

Mir iſt’s recht. Je eher, je lieber.

283
Casperl.

Jetzt hab ich das rechte Portefeuile erwiſcht. Das laß ich aber nimmer aus.

Eulenſchloß.

Da bedarfſt du auch eines Geh. -Sekretärs Eulert nicht mehr.

Casperl.

Nein! Nein! Dieſes Miniſterium kann ich allein verſehen.

Gruppe.

(Der Vorhang fällt.)

Ende des Stückes.

Druck von E. Stahl.

About this transcription

TextLustiges Komödienbüchlein
Author Franz von Pocci
Extent292 images; 35202 tokens; 7564 types; 237311 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationLustiges Komödienbüchlein Viertes Bändchen Franz von Pocci. . 283 S. LentnerMünchen1871.

Identification

Staatsbibliothek München BSB München, P.o.germ. 1978 r-4

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Drama; Belletristik; Drama; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:33:45Z
Identifiers
Availability

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.

Holding LibraryStaatsbibliothek München
ShelfmarkBSB München, P.o.germ. 1978 r-4
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.