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deſſen Töchter erſter Ehe.
Die Jagd iſt zu Ende. Jch bin müde.
No — ich mein’s! Jetzt jagen wir ſchon den ganzen Tag ’rum. Wir könnten gnug haben an der Hetz. Jch komm mir ſelbſt wie ein Windſpiel vor. Und was haben wir erwiſcht?
Nicht Viel! S’iſt wahr. Waidmannsglück war mir nicht hold heute, weder mit Armbruſt noch Speer.
Jch war ſo glücklich, einen Haſen laufen zu ſehen und ein Eichkatzl iſt mir über’n Weg ge - ſprungen.
Tollkopf!
Allein einen Hunger hab’ ich, einen Durſt —
Nichts als Hunger oder Durſt heißt’s bei Dir. Dieß iſt deine Lebensaufgabe.
Jch glaub’, daß das auch ſo ziemlich Jhre Lebensaufgabe iſt; denn, wenn Sie den Hunger nicht ſtillen und den Durſt nicht löſchen würden, ſo wär’s aus mit Jhnen; alſo iſt Eſſen und Trinken auch Jhre Löbensaufgabe.
Nun — ſo beeile dich, deine Pflicht als Menſch zu erfüllen. Reite in’s Schloß voraus; pflege Deines koſtbaren Lebens. Beſtelle mir mein Nacht - mahl. Jch will hier noch ein wenig ruhen und der Abendluft genießen. Bald folg’ ich nach.
Sogleich werde ich meinen Schimmel beſteigen, den ich da draußen hinter den Couliſſen angebun - den hab’ und nach Haus trotteln. Gehorſamſter Diener.
Wie froh bin ich allein zu ſein! Vielleicht finde ich das holde Mädchen wieder, dem ich ſchon ein Mal zu dieſer Stunde hier begegnet bin. Mein weiſer Erzieher und Freund Aſtraleus las in den Sternen, es ſei an der Zeit, daß ich eine Gattin nehme. Nun denn, wenn die Vorſehung es will, da ich doch den Knabenſchuhen entwachſen bin, ſo ſei es! Allein ich fühle mich zu dieſem unbekannten lieblichen Weſen ſo hingezogen, daß ich mir keine Andere zur Braut wählen könnte. Sieh da: Jn der That — ſie kömmt wieder aus der Tiefe des Waldes hergeſchritten. Jch will mich verbergen, um ſie zu belauſchen.
O wehe! wie bin ich heut wieder müd! Aber warum ſuchen und pflücken ſie nicht ſelbſt mit mir, da ſie Erdbeeren und Brombeeren haben wollen? Sie ſind wohl meine Schweſtern und auch meines Vaters Töchter, wie ich; allein ich ſpüre Nichts da - von. Sie thun Nichts, als mich quälen, plagen, und ich habe kaum genug zu eſſen und darf nur6 am rauchigen Kamine ſitzen und da heißen ſie mich darum Aſchenbrödl. Ach, es geht mir recht ſchlecht. Meine liebe todte Mutter weint gewiß im Himmel oben, wenn ſie auf mich herabſieht.
Jhr lieben Täublein ſeid noch meine einzigen Freunde, die ihr mich ſtändig begleitet.
Liebes Kind, warum weinſt Du ſo bitterlich?
O weh! — was habt ihr mich doch erſchreckt.
Verzeih mir! — Jch habe ſolch Mitleid mit Dir. Schon das zweitemal find’ ich Dich hier in Thränen. Kann ich Dir nicht helfen?
Jhr ſeid wohl gut; allein mir iſt nicht zu helfen. Es iſt eben ſo mit mir. Aber vielleicht ändert’s doch der liebe Gott, wenn es mir zum Heile iſt.
Sage mir doch: Wer biſt Du denn? Darf7 ich es nicht wiſſen, und ich bin Dir ſo gut! Du ſcheinſt mir ſo lieb und fromm.
Ach nein, nein. Die Schweſtern ſchmähen mich immer ein abſcheulich Ding und puffen und ſchla - gen mich. Jch kann ihnen Nichts recht machen.
Ei, haſt Du Schweſtern?
Freilich hab’ ich deren, allein es iſt, als ob ich keine hätte. Jch bin nur ihre Magd im Hauſe. Seht: da ſchicken ſie mich immer um ſüße Beeren in den Wald, und bringe ich nicht jedesmal den Korb voll — da ſetzt’s wieder Püffe ab.
Pfui, das iſt abſcheulich! — Laß mich mit Dir gehen. Jch will Dich beſchützen.
Es kann nicht ſein.
Komm’ doch, ich gehe mit.
Wohin iſt ſie?
Seid mir gegrüßt, mein theurer Sohn! es ſenkt Der Abend ſich, bald deckt die Nacht das Thal. Kommt heim zur Burg; es harret ſchon das Mahl. Längſt ſucht ich euch.
Und ich ſteh’ nun vor euch, Von einem Wunder ſchier entrückt. Ein Bild entſchwand, das mich entzückt!
O habt Geduld. Jch las in Himmelszeichen, Daß euch des Glückes Gunſt nicht wird entweichen, Was für den Augenblick euch ſcheint genommen, Zur rechten Stunde wird es wieder kommen.
Das Feuerchen im Kamine thut wohl. Die Herbſtabende werden ſchon kalt. Nicht wahr, meine theuern Töchter fein?
Wo nur der Fratz wieder ſo lange bleibt?
Schon ſeit Nachmittag fort und noch nicht da!
Ja, aber nicht unbillig! Es iſt keine Kleinig - keit, daß Aſchenbrödl euch, Leckermäulchen, täglich Körbe voll Erdbeeren und dergleichen heimbringen10 ſoll. Dazu braucht es wohl Zeit; denn die wach - ſen nicht um das Schloß herum. Da heißt’s „ laufen ‟ und „ ſuchen. ‟
Das verſtehſt Du gar nicht, Papa. Aſchen - brödl iſt ſo faul, daß ſie ſich immer im Walde auf’s Moos legt und ſchläft.
Was thut ſie den Anderes, als faullenzen?
Das möchte ich denn doch nicht behaupten. Sie arbeitet ja den ganzen Tag für euch, und ihr gebt dem Kinde kaum die Abfälle von unſerer Tafel zu ihrer Nahrung.
Aſchenbrödel hat zu eſſen genug. Sie braucht nicht mehr.
Ueberhaupt iſt ſie ein unnützes Meubel im Hauſe.
Ah! das iſt ein Bischen ſtark. Ein Meubel! 11Das Kind meiner zweiten Gemahlin! Meine Tochter — ſo gut wie ihr beide.
Jhr hättet eine zweite Frau gar nicht zu nehmen gebraucht.
Ja, meine Schweſter hat ganz recht. Dann wäre das dumme Ding auch nicht auf die Welt gekommen.
Aber, aber! ihr ſeid wieder ſehr muthwillig heute, liebe Mädchen. Nun, ſeid nur nicht gar zu böſe mit Aſchenbrödel, wenn ſie heim kömmt. Jch will vor dem Abendeſſen noch ein Schläfchen machen.
Gut, gut. Schlafen Sie nur, Papa, daß iſt das Beſte was Sie thun können.
Zum Souper wecken wir Sie ſchon.
Aber heute bleibt Aſchenbrödel doch gar zu lang aus.
Da ſetzt’s eben wieder ein paar Ohrfeigen mehr ab.
Ei, ei! Sind Sie endlich gefälligſt wieder da, Mamſell?
Da haſt du deinen Lohn, faule Dirne.
So! da haſt du von mir auch noch Etwas zur Belohnung!
O weh! ich bitt euch: ſchlagt mich nicht. Jch bringe den Korb voll der ſchönſten Waldbeeren.
Um den Bettel zuſammenzubringen, haſt du bis in den ſpäten Abend hinein gebraucht?
Vermuthlich wieder im Wald herum geſchwärmt? Marſch! in deinen Winkel hinter’m Kamin! Da iſt ein Stück Brod für dich.
Ach, mein Gott! Jhr ſeid recht hart gegen mich. Jch thu’ euch doch zu lieb, was ich vermag.
Schweig! Geh’ an deinen Platz!
Seid ihr wieder da, ihr lieben Täubchen, mein einziger Troſt? Da, eßt mit mir von meinem Brod. Was bringt ihr mir für Neuigkeit aus dem Walde?
Wer pocht da?
Haſt du die Vorthüre nicht zugeſperrt, Aſchen - brödel? Du dummes Ding!
Jch weiß nicht. Laßt mir Ruhe.
Verzeiht, ſchöne Damen, daß ich ungebeten ein - trete; aber ich bin ſo arm, daß ich heute noch keinen Biſſen über die Lippen gebracht habe.
Und vornehme Leute beläſtigt.
Ach, mein Fräulein, ihr wißt nicht, wie weh der Hunger thut, wie beſchwerlich das Alter iſt!
Das thut uns ſehr leid; aber was geht das uns an? Geht euere Wege!
O, geſtattet nur, daß ich euch ein Liedchen vorſinge; dann erſt bitte ich um ein paar Pfennige Almoſen.
O hört des alten Sängers Lied, er
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iſt ſo bettel - arm; Oft hat er nicht ein
Stücklein Brod, nicht einen Biſſen warm, nicht
einen Biſſen warm. Von dem nur was ihr
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übrig laßt, um dieß nur bitte ich, Was
von der Ta - fel nieder fällt, da - von beſchen-ket
mich, da - von beſchenket mich.
17Gönnt einen Trunk aus dem Pokal, Gefüllt mit edlem Wein; Nur einen einz’gen kühlen Trunk — Jch werd’ beſcheiden ſein.
Und hab’ mein Lied geſungen ich, So zieh’ ich wieder fort Und wand’re mit der Laute dann Arm hin von Ort zu Ort.
Des langweiligen Singſangs und Klingklangs hätten wir nicht bedurft.
Wir haben ſelbſt nicht immmer Alles, was wir möchten.
Unſer Haus iſt keine Anſtalt für Bettelvolk —
Oder für Muſikanten. Komm, Schweſter, laß uns zum Abendeſſen geh’n!
Ach! nur einen Biſſen! Nur einen ſtärkenden Schluck Wein für einen alten Mann!
Macht, daß ihr fort kömmt, ſonſt — —
Laſſen wir euch den Weg hinausweiſen.
So wird die Armuth verſtoßen! Unbeſchenkt muß ich meines Weges weiter zieh’n.
Nicht doch alter Mann! Jch habe zwar ſelbſt nicht Viel, aber Was ich habe, das will ich euch geben. Bleibt ein wenig; ſetzt euch zu mir an den Kamin her; ruhet aus. Die Schweſtern kommen ſo bald nicht wieder.
O du liebes gutes Kind. Jch hatte dich ja gar nicht bemerkt. Wo ſtackſt du denn?
Dort, am Kamine; da iſt mein Platz. Setzt euch; da iſt mein Brod und ein Stückchen Käſe. Jch hab’s noch vom Mittagseſſen in meiner Taſche.
Danke, danke tauſendmal! Gott wird dir’s ver - gelten.
Aber ſage mir: du ſprachſt von deinen Schwe - ſtern. Sind es dieſe beiden, die uns eben verließen?
Freilich ſind ſie’s.
Und ſie behandeln die Armuth auf ſolche Weiſe? Und dir ſcheinen ſie auch nicht ſehr hold zu ſein?
Jch bin zwar ihre Stiefſchweſter, allein ich bin nur ihre Magd. Sie nennen mich immer das Aſchenbrödel, weil ich da am Kamin kaure, wenn ich nicht in der Küche oder Kammer zu thun habe. Sie mögen mich gar nicht leiden. Ach! wenn meine Mutter noch lebte! — Wie lieb hatten wir uns.
Du armes Kind! Könnt ich dir helfen! ich bin ja ſelbſt ein armer Mann. Segnen aber will ich dich. Der Segen eines Greiſes wird dir nicht ſchaden.
Thut es, lieber Mann. Meine Mutter ſegnete mich an jedem Abende; und ſeht: ſo wie jetzt, kniete ich immer vor ihr nieder.
Papa! was hörte ich? Du haſt einen Brief erhalten — —?
Von Prinz Arnold?
Eigenhändig?
Monopropria!
Höchſt wichtig!
Und wie wichtig! — Ja, meine glücklichen Töchter, in Folge dieſes durchlauchtigen Schreibe - briefes zweifle, zweifle ich nicht, daß der hohe mir manupropria angekündigte prinzliche Beſuch — o vernehmt glücksſchauernd was ich vermuthend wit - tere! — ich ſage: der hohe prinzliche Beſuch —
Nun? Nun? —
Dieſer Beſuch Euch Beiden oder mindeſtens Einer von Euch Beiden gewidmet ſei. Denn,23 wie ſeit einigen Tagen bekannt, hat der Prinz eine Rundreiſe im Lande vor, um ſich eine Gemahlin zu ſuchen. Bei Euch fängt er an!
Ha! ich bin des Prinzen Braut.
Erholt euch, faßt euch Kinder! Wenn es auch noch nicht ganz beſtimmt iſt, daß Eine von euch der Hand des Prinzen ſicher iſt, ſo ſind doch laut dieſes erhabenen Briefes, in welchem eigentlich gar Nichts dergleichen geſchrieben ſteht, die Aus - ſichten und Conſtellationen von der Art, daß man vermuthen könnte, der Prinz ſei geneigt, über das nachzudenken, was er im Sinne hat.
Er hat ja ſelbſt geſchrieben.
Und ſelbſt geſiegelt?
Alles — ſelbſt! Jch habe zwar noch nie das Glück gehabt, den Prinzen in Perſon zu kennen, weil ich, wie ihr wißt, ſeit Jahren meines Poda - gra’s wegen den Hof nicht mehr beſuchte und ich24 den Prinzen nur in ſeiner Kindheit geſehen habe; allein er ſoll ein wunderſchöner Jüngling ſein und hoch gebildet durch ſeinen Erzieher den weiſen Magier Aſtraleus.
Mein, mein ſoll er werden!
Sein, ſein ſoll ich werden!
Bedenkt Kinder: in wenigen Stunden, ja Viertelſtunden kann er ſchon hier ſein! Eilt in’s Schloß, Alles vorzubereiten. Jch hörte, daß Prinz Arnold ein beſonderer Liebhaber von gebratenen Schnecken iſt. Sorgt dafür, daß deren gleich zur Tafel geſchafft werden.
Wir wollen Alles aufbieten.
Aber wir haben kein Geld im Haus.
Dieß iſt ja bei uns meiſtens der Fall. Verſetzt Alles, was wir entbehren könnten. Macht ſchnell25 ein Anlehen. Fort, fort! Schickt Aſchenbrödel in den Wald, daß ſie Schnecken ſuche! Fort, fort!
„ Casperl, Casperl, ‟ ſagte der Prinz heute früh zu mir, als ich ihm ſeine Sporen anſchnallte, „ Casperl, du biſt mein Stallmeiſter und haſt mein volles Vertrauen. Vertrauen! ‟ — Jch will mir eine Gemahlin ausſuchen und du ſollſt in dieſer wichtigen Angelegenheit bei gewiſſen Gelegenheiten moine — wohlverſtanden moine Perſon ver - treten. Um nicht erkannt zu werden, werde ich, der Prinz, meinen eigenen Stallmeiſter vorſtellen, während Du mich vorſtellſt. Du ſollſt ich ſein, und ich werde du ſein, ſo lange ich dieſe Ver - ſtölung für nöthig halte. ‟
Pumps dich! Das iſt eine Aufgabe! Casperl nimm dich z’ſam. Bereits bin ich hier als Prinz in der erſten Station angelangt. Beim Ritter Heinz v. Stolzenburg ſoll die Brautſchau buginnen. Vornehm, ödel, prinzlich will ich hier auftreten. 26Jch werd’ eßen und trinken, was nur in mich hineingeht; kurz und gut — — halt! da kommt ſchon Wer aus’m Schloß. Alſo gleich in Poſitur.
Wir haben die Ehre einen fremden Ritter zu begrüßen?
Dürfte man wagen, ſich mit der Frage zu nahen, wen wir die Ehre haben?
O ſehr, Ja. Nicht nur, ſondern ſehr, aber wie? Mir ſchoint, dieſe beiden Froileins ſind woiblichen Geſchlechtes, wenn Sie nicht ſchon ver - hoirathet ſind.
Wie graziös!
Wie fein!
Oh, oh! Parlez vous français? — Comment vous purlez vous? — Je — oui, oui, oui —
Sollten wir die Gnade haben?
Dürften wir ſo glücklich ſein?
Koineswegs! aber doch! Jch bin, der ich bin, aber doch nicht, der ich nicht bin, bin, bin. —
Wie räthſelhaft!
Aber geiſtreich!
Was kriegen wir denn zu eſſen, oder zu ſpoiſen? Haben Sie etwas Gutes? werde ich bald etwas zu eſſen bukommen?
Durchlaucht!
Hoheit, wir werden unſern Vater holen.
Hat ihr Vater etwas Gutes zu ſpoiſen? Ge - ſotten’s oder Gebratens?
Eure Hoheit haben nur zu befehlen.
Ja ich bin gewohnt, daß man mir gehorcht. Gehorchen iſt eine Tugend; aber horchen iſt ein Laſter. Verſtanden? Sie Netterl!
Ah, da kommt der Papa!
Papa, Pipi, Popo, Pupu, — freut mich un - gemein.
O ich bitte recht ſehr; habe die Ehre.
Sie ſind alſo der Pupupipipapa dieſer beiden Frauenzimmer.
Erhabener Prinz! trotz Jhres Jncognitos ſind Sie erkannt. Dieſes Benehmen, dieſer Ton, dieſe Hohheit, dieſe Herablaſſung!
Jch habe mich nicht herabgelaſſen, ſondern ich bin in einem goldenen Hofwagen durch’s Gartenthor hereingefahren.
O dieſe Gnade, dieſe Huld. —
Da muß ich bitten, Schulden hab’ ich dermals koine! aber laſſen wir das bei Soite. Jch hoffe, daß die Tafel gudeckt iſt. Gehen wir zum Spoiſen. Haben Sie doch gutes Bier? Pſchorr oder Spaden. Stellen Sie mir nur gleich drei Maß auf.
O wie landesväterlich!
Und patriotiſch!
Sonderbar — aber originell.
Wenn es beliebt, ſo werde ich die beiden Fräu - lein eigenhändig unter die Arme nehmen und zum Dinö führen.
O entzückt!
Ja, verrückt, gebückt, gedrückt. —
Beglückt — mein hoher Herr!
Vortrefflich! Eine hübſche Geſellſchaft! Das ſcheinen mir zwei Närrinnen. Und der Vater eine Art Schafskopf!
Ungefähr, und dabei ſind die Mädchen herzloſe Geſchöpfe, die ihre Schweſter mißhandeln.
Wie? hat der Ritter noch eine Tochter?
Als alter Bettler verkleidet trat ich vor Kurzem, euch zu dienen, mein Prinz, ins Schloß. Grauſam und höhniſch ward ich von den beiden Fräulein abgewieſen; allein ein liebes Mädchen, das unbe - achtet, ja wie eine Magd, am Kamine ſaß, nahm mich auf und erwies mir das größte Mitleid.
Und dieſes Mädchen wäre alſo die dritte Tochter des Rittters?
Allerdings.
Nun ſo geh’n wir zu ihr.
Noch iſt es nicht an der Zeit. Laßt uns aber ins Schloß gehen. Casperl möge ſeine Rolle als Prinz fortſpielen und den Ritter mit ſeinen Töchtern zu dem Feſte laden, welches Jhr in euerm Schloſſe geben ſollt, um die Fräulein des Landes bei euch zu ſehen und Euch eine auszuleſen. Vor der Hand bleibt noch euer Stallmeiſter.
Gern — wie immer — folge ich eurem weiſen Rathe, theurer Aſtraleus.
Sie wird kommen; aber nicht den Magier ſoll ſie in mir ſehen, ſondern nur den armen Sänger.
Und wieder ſingt der Alte hier Bei ſeiner Laute Klang,32 Daß Jhr euch ſein erbarmen mögt; O höret den Geſang!
Er iſt ſo arm, er ſingt ſo ſchlecht, Weil er’s nicht beſſer kann; Doch weiſt ihn nicht von eurer Thür, Den armen alten Mann!
Was hör’ ich da. Mein alter Freund, ſeid ihr wieder hier? hier vor der Thüre, durch die man euch lieblos hinausgewieſen.
Wie du warſt ſo liebreich mit mir. Du be - ſchenkteſt mich; du ludſt mich ein, mich zu dir an den warmen Kamin zu ſetzen.
Spottet nicht. Jch konnt euch ja nichts geben als ein ſchlecht Stückchen Brod.
Das du dir ſelbſt entzogſt, um es mir zu ſchenken.
Ba, ba, ba! — Aber wartet jetzt ein Bischen. Jm Schloße iſt große Tafel für den Prinzen Arnold. Vielleicht kann ich Etwas für euch erwiſchen. Jch muß nur die Schnecken da, die ich zu ſuchen hatte, in die Küche tragen.
Bleibe, liebes Kind. Dießmal habe ich dir Etwas zum Geſchenke gebracht.
Jhr — mir?
Da ſieh: Nimm dieſe drei unſcheinbaren Nüſſe.
Danke ſchön. Ha, ha, ha! Nüſſe?
Es ſind Zaubernüſſe, deren geheime Kraft dir nützlich ſein ſoll.
O ihr ſpottet meiner. Die Armuth will Zaubernüſſe verſchenken! Warum helft ihr euch nicht ſelber damit?
Was der Nüße Zauber gewährt, Jſt nicht, was die Armuth begehrt, Die nicht will treten aus ſtiller Nacht An des hellen Tages Pracht.
Drum nimm nur du der Nüſſe drei; Sehn wirſt du bald, wofür es ſei: Zur guten Stund und rechten Zeit Jſt dir des Zaubers Macht bereit.
Jch verſtehe wohl nicht, was du ſagſt, doch ich will deine Gabe gern annehmen. Du ſcheinſt mir aber kein Bettler zu ſein; es iſt mir, als ob du eine höhere Macht ſei’ſt, die ſich meiner annehmen will.
Das wäre wohl möglich. Nimm die Nüße. So oft du deren Eine in das Kaminfeuer wirfſt, wird dein Wunſch in Erfüllung gehen. Jetzt leb’ wohl!
Ende des II. Aufzuges.
Nun, Kinder, ſeid ihr zum Feſte geſchmückt?
Wir haben unſere ſchönſten Kleider an.
Und allen Schmuck und alles Geſchmeide.
Bravo! Jhr müßt Effect machen. Der Prinz verließ uns entzückt. Er war wie es mir ſchien, von euch enchantirt.
Welche von uns beiden wird er wohl zu ſeiner Gattin wählen.
Welche? Euch beide — würde er wählen, wenn es möglich wäre, daß er zwei Frauen nähme.
Mein edles vornehmes Benehmen ſchien ihn beſonders anzuſprechen.
Meine beſcheidene Anmuth war es, die ihm vor Allem gefiel.
Er nimmt mich!
Er nimmt mich!
Jch glücklicher Vater! Vielleicht nimmt er auch mich und macht mich zu ſeinem Oberſthofcavalier.
O nehmt mich doch auch mit zu dem Feſte beim Prinzen.
Dich, dich mitnehmen? Das Aſchenbrödel, das wüſte, dumme Ding!
Du müßteſt dich hübſch ausnehmen.
Gebt mir nur ein ſauberes Kleidchen. Jch wäre, glaub’ ich, nicht gar ſo häßlich.
Du Närrin! Dein Platz iſt zu Hauſe.
Dort am Kamin. Kannſt in den Rauch ſchauen.
Und wenn wir ſpät Nachts vom Tanze heim - kommen, ſollſt du uns eine warme Suppe bereit halten. Und laße Niemand ein!
Und Niemand aus; hüt hübſch das Haus.
Bin ich denn wirklich nur eure Magd und bin doch auch ein Kind eures Vaters!
Mädchen, es iſt die höchſte Zeit. Wir haben eine halbe Stunde zu fahren. Die Stunde ſchlägt.
Der Prinz wird uns längſt erwarten.
Komm Schweſter! Aſchenbrödel löſch die Lichter aus, kannſt im Dunkeln ſitzen.
Potztauſend ſchier hätt’ ich nicht mehr gedacht’, Wer mir die Wundernüſſe hat gebracht.
40Schlipperment, jetzt bin ich wieder von meinem erhabenen Standpunkt herabgeplumpſt! Geſtern war ich noch Prinz, heut bin ich wieder Stallmeiſter. No — die werden aber dreinſchauen! Der Herr Ritter und ſeine Tochter, wenn ich ſie in meiner42 ſubordinirten Geſtalt hier empfange; denn ich muß ja die honneurs machen.
Aber geſtern wär’ ich beinahe aus meiner Rolle heraus - und über’m Seſſel ’nunter gfall’n. Meine angeborne Gewohnheit, meine beſondere Vorliebe für Flüſſigkeiten haben mir eine kleine Betäubung veranlaßt, aus der ich erſt hier erwacht bin.
Aha, das iſt das Zeichen. Da kommen wieder Gäſte. Die Andern tanzen ſchon, daß ’s ſtaubt, da drinnen.
Hab die Ehre, hab die Ehre! Freut mich un - gemein!
Mein hoher Prinz! Wir ſind Jhrer gnädigen, huldreichen Einladung gefolgt.
Wir ſchmeicheln uns!
Wir erfreuen uns!
O ſehr, ſehr! Auch wir ſchmoicheln uns. Sie ſchmoicheln, wir ſchmoicheln, ich ſchmoichle, du43 ſchmoichelſt, er ſchmoichelt, Alle ſchmoicheln und ſo kommen wir aus der Schmoichelei gar nicht hinaus.
Wie ſinnig!
Wie graciös!
Jch habe geſtern loider etwas zu viel in das Glas geguckt. Verzeih’n Sie, meine Damen; Jhre Reize haben mich wohl betuibt.
Euer Hoheit ſollen ſich dem Vergnügen ganz hingeben.
O, ich will nicht hoffen, auch übergeben.
O nein! Auch in Jhrer Betäubung waren Sie höchſt liebenswürdig.
Jn der That, charmant.
Bitte, bitte! — Jetzt aber muß ich Jhnen eine Declination machen.
Eine Declaration??
Der Augenblick iſt da! Jetzt wird er ſich für Eine von Euch erklären.
Euer Hoheit belieben uns?
Nix Hoheit! Jch bin nicht der Prinz, ſondern ſein Stallmeiſter Casperl Larifari.
Wie?! iſt’s möglich?
Alſo eine Täuſchung? Der Prinz wollte Kni - knognito ſein und ich mußte ihn nur vorſtellen.
Eine ſchöne Vorſtellung das! Schmählich!
Und wir konnten uns täuſchen laſſen.
Durch dieſes ordinäre Subjekt da?
Subjekt oder Objekt. Paßen’s auf, meine Herrſchaften, da kommt der wirkliche Prinz.
Meine ſchönen Damen, willkommen! Verzeih’n Sie mir denn kleinen Scherz, den ich mir geſtern erlaubte. Er war mit gewiſſen Zwecken verbunden. Noch einmal: Herr Ritter, edle Fräulein! will - kommen.
Durchlauchtigſter Prinz!
Erhabenſter!
Allergnädigſter!
Es war mir von hohem Jntereſſe, ungekannt Jhre Bekanntſchaft gemacht zu haben. Aber nun laſſen Sie uns in den Tanzſaal treten.
Er iſt himmliſch!
Ein göttlicher Adonis!
Er iſt alſo Stallmeiſter des Prinzen?
Er iſt Stallmeiſter des Prinzen und Ver - trauter, verſtanden?
Jch glaube, daß dieſe „ Vertraulichkeit ‟ keine ſehr intime ſein dürfte mit einem ſo ordinären Jndividuum.
Jndividium? dumm, oder viehdumm könnte auf andere Perſonen vielleicht eher bezogen werden. Verſtehn Sie mich?
Wie? mir ſo Etwas? mir, dem Ritter Heinz von Stolzenburg?
Mit der Stolzenburg iſt’s auch nicht weit her. Das war ja ein miſerables Eſſen bei Jhnen. Nicht einmal Bratwürſt! Von einem „ Schweinernen ‟ gar keine Rede! Ja — Schnecken in der ſauern Brüh. Schnecken! die krieg’ ich ja in jedem Peiſchl. Das iſt eine miſerable Wirthſchaft bei Jhnen.
Jmpertinent! Wäre Er meines Standes ſo würde ich ohneweiters den Degen ziehen.
Jch habe keinen Degen, alſo kann ich keinen ziehen; aber eine Antwort kann ich auch ohne Degen geben.
Unverſchämter! das iſt zu arg! ein Stallmeiſter des Prinzen ein ſolches Benehmen.
Schlag auf Schlag! So iſt’s recht. Pumps dich!
Jnfamer Burſche!
Wer biſt du reizendes Weſen?
Ein armes Kind.
Du — die Königin des Feſtes?
Laßt mich! hier iſt nicht meines Bleibens.
Warum fliehſt du! Es iſt mir, als ob du mir nicht unbekannt ſeieſt. Ein Traum ſchwebt mir vor.
Jſt nicht Alles ein Traum in dieſem Leben?
Aber es gibt ſo ſchöne Träume, daß man ſie für immer feſthalten möchte.
Träume ſind Schäume. Jch muß fort.
O bleibe, laß dich feſthalten.
Es kann nicht ſein. Jch bin nur ein Wandelſtern.
Nimmermehr! Du mußt mein Eigen werden.
Unmöglich! zum Glücke bin ich nicht be - ſtimmt. Lebt wohl!
Halt! Halt! Verlaß mich nicht.
Lebt wohl!
Weh mir! Jſt mir wirklich nur ein Traumbild erſchienen? Nein, ſie war’s, die ich im Wald ge - ſehen. Jhr nach!
Halt, mein Prinz! vergebens ſtrebt Jhr, die Erſcheinung feſtzuhalten.
Wie? vergebens? ſoll mein Jdeal mir verloren ſein? Allenthalben ſoll man ſie ſuchen.
War es nicht blos ein Stern, der euch geblendet?
Mein Glücksſtern war es. Jch laße nicht von ihm. Er bleibt der Glanzpunkt meines Lebens. Jch ſchwöre es!
Da iſt eben ein wunderſchönes, ſilbernes Frauen - zimmer die Stiegen hinunter geloffen, eigentlich mehr geflogen und verſchwunden. Jm Hinunter - laufen muß dasſelbige ſilberne Weſen den goldenen Schuh da verloren haben. Aber ſo ein kleines Füßl hab ich noch nicht geſehen und ich hab doch ſchon manches Pedal beobachtet.
Auf! Auf! Sucht ſie überall! beeilt euch! fort! Der reizende goldene Schuh wird ſie entdecken helfen. Sucht überall!
Wohlan! nun mögen ſie ſich finden, Des Glückes-Bund ſoll ſie verbinden! Er glüht in Flammen hellauf wie die Sonne, Sie leuchtet ſtill, ein Sternlein ſüßer Wonne.
Ende des III. Aufzugs.
Schweſter! Das war ſchön.
Und der Prinz, wie liebenswürdig!
Allein, trotzdem; es ſcheint, daß er noch nichts dergleichen gethan, Eine von Euch als ſeine Braut zu wählen.
Er war allzuſehr mit einer unbekannten Per -54 ſon in ſilbernem Kleide beſchäftigt, die ihn interre - ſirt hat.
Eine Landläuferin oder Commödiantin ver - muthlich: denn keine Seele hat ſie gekannt.
Auch iſt ſie ja bald wieder von dem Feſte verſchwunden.
Und was war denn das noch für ein Halloh mit einem goldenen Schuh? Alle anweſenden Fräu - lein wurden gebeten, ihn anzuprobiren.
Eine fixe Jdee des Prinzen.
Es muß ein Kinderſchuh geweſen ſein. Mir war er zu eng; und ich habe doch ein nettes, kleines Füßchen.
Jch vermochte auch nicht meinen hübſchen Fuß hineinzuzwängen.
Tolles Zeug! aber Kinder, laßt uns zu Bette55 gehen. Jch möchte nur mehr vorher ein Täßchen warme Suppe.
Wir auch. Aſchenbrödel! wo ſteckſt du?
Da iſt ſie eingeſchlafen und kauert am Kamine.
Wach auf, Faullenzerin.
O weh! warum ſchlägſt du mich?
Wo iſt die Suppe, die wir beſtellt haben?
Etwa gar vergeſſen? Mach vorwärts!
Ach, verzeiht:
Dummes Ding! ſo ſpute dich. Einſtweilen können wir uns entkleiden.
Und ich will mich meines Staatsrockes ent - ledigen und meinen Schlafrock anziehen.
Ja, da liegt ſie mit dem goldenen Schuh am Füßchen. Sie iſt ’s! Sie iſt ’s!
Ende.
Gaſtwirth zum „ rothen Rößl. ‟
deſſen Tochter.
Lenzelsbauernſohn.
Gelehrter und Profeſſor.
in Stopſelbergers Dienſten.
Häuptling der Leuwutſchen,
ſeine Tochter.
Staatsrath und Adjutant,
Das Drama ſpielt theils in einem ſüddeutſchen Dorfe, theils in Patagonien, Provinz Leuwutſchen.
Seit die ſelige Mutter geſtorben iſt, hab’ ich gar keine Ruh mehr. Ordentliche Kellnerinnen ſind rar und die unſrige ſitzt auch lieber in der Kuchl bei die Knödl, als daß ſie die Schenkſtuben ſauber hält. Wenn mich der Vater nur mein Hansl heirathen ließ! Wir könnten d’ Wirthſchaft übernehmen und der Vater könnt ſich Ruh gönnen. Wir wollten ihn gewiß gut halten. Aber es iſt ein Kreuz und ein wahr’s Herzenleid, daß er mir den Hansl net leiden will und iſt doch ſo a braver Burſch. Geld hat er freilich z’wenig und der Vater möcht halt höher naus und ich ſollt ein reichen Burſchen nehmen. Aber wenn’s Gott will, kommen62 wir doch zuſammen und an andern als ’n Hansl nimm i nit, dabei bleibts.
Was gibt’s? Wer iſt drauß?
Mach auf, ich bin’s.
Ei du biſt’s! — Grüß Gott! Komm nur a bißl in d’Stuben rein; der Vater liegt ja noch im Bett wegen ſeines Rheumatismus an der großen Zehe.
Da bin i, Herzensſchatz. Jch hab’ mir denkt, weil i grad zum Eingraſen vorbeigeh; ich muß doch a bißl ’reinſchau’n.
Des war einmal a gſcheiter Gedanken — und du weißt ja, dem Vatern kommſt nie g’legen, dem wär’s am liebſten, daß wir zwei gar nit zſam - kämen.
Freilich weiß ich’s; aber wir bleiben deßwegen doch beinand. Gelt, Nanni! ich mein’s redlich und du biſt auch brav; da kann kein Menſch was entgegen haben, und unſer Herrgott wird uns ſchon helfen, daß wir doch einmal mitanand hauſen.
O mein Hansl! vor der Hand iſt wenig Aus - ſicht da. Ja, wenn du nur a bißl mehr Geld hättſt, nachher hätt der Vater gwiß nix entgegen, aber ſo ſpitzt er auf den reichen Hofbauernſohn mit ſeine 20,000 Gulden.
Was iſt’s denn ums Geld, wenn man ſich nit mag? Und der Fleiß, der iſt doch oft mehr werth, als der Reichthum.
Der Vater meint halt: s’Geld und der Fleiß beiſammen wär noch beſſer und der Hofbauer - Michl wär auch a braver Burſch.
Da ſteht’s freilich ſchlecht mit uns; aber halts nur aus, Nanni!
Darauf kannſt’s rechnen, das ich dir treu bleib und kein’ Andern nimm; lieber geh ich in’s Klo - ſter zu den Saleſianerinnen.
Nein! nein! das dürft nit gſchehn!
Hopſa! jetzt bin i aufgwacht!
Biſt du auch wieder da, Casperl? Und richtig, auf der Ofenbank gſchlafen! Schäm dich! biſt jetzt die ganze Nacht wieder da heraußen glegen und net in deiner Stuben?
Es iſt ja ganz einerlei, wo und wie und wa - rum der Menſch liegt; wenn er überhaupt nur liegt, da bekanntlich und auch nach ärztlicher An - ordnung das Liegen ſowohl dem Kranken, wie auch dem Geſunden eine äußerſt geſunde und vor - theilhafte Bewegung oder vielmehr Lage iſt. Uebrigens kann es der Jungfer Nanni ganz einerlei ſei, wo und wie ich liege; denn gelegen iſt ge - legen und Gelegenheit iſt Gelegenheit, wie ich eben bemerke, weil der Hansl ſchon in Allerfruh da iſt.
Halt’s Maul mit dem G’ſchwätz! Jn der Zech - ſtuben ſoll Niemand ſchlafen; drum hat jeder Dienſtbot ſein Kammer. Verſtanden? Vermuth - lich haſt geſtern Abends wieder zu viel ghabt und biſt gleich auf der Ofenbank eingſchlafen.
Und ich ſag’: in der Zechſtuben ſoll nit in65 Allerfruh ſchon ein Dechtlmechtl aufgeführt werden, während der Herr Wirth noch in ſeinem Federbett liegt.
Jm Vorbeigeh’n kann man immer ein bißl zuſprechen. Das iſt auch keine Sünd.
O, ſprechen Sie nur zu, Moßiö Hansl! Meinerſeits leg ich Jhnen nichts vor die Hausthür.
Jetzt ſei a mal ſtill. Geh’ naus in die Kuchl; da ſteht ſchon deine Milchſuppen.
Und immer die Milchſuppen! Als ich noch im Flügelkleide war, pflegte ich Kaffee zu frühſtücken.
Und im „ Flegelkleide ‟ iſt grad a Milchſuppen für Dich recht.
Dieſer Witz iſt nicht ſchlecht. Alſo Milch - ſuppen! Jch gehe.
Und ich geh auch, Nanni. S’ is hohe Zeit, daß ich eingraſ’ für’s Vieh. Bhüt dich Gott!
So geh halt. Vielleicht kommſt heut Abend auf a Halbi. Geh, komm!
Wenn’s möglich iſt — gwiß! Adies.
Nannl! wie viel Uhr iſt’s, meine Uhr iſt ſteh’n blieben.
Sechs Uhr. Gut’n Morgen, Vater!
Herrgott, hab ich mich verſchlafen! Aber meine Zeh hat mich auch ſo zwickt.
Nannl! — Nannl! Jetzt hab ich mich am Brunnen waſchen wollen und er lauft ſchon wieder nit.
Nun — das weißt ja, daß das Waſſer ſchon drei Tag ausbleibt. Es muß am Gumper fehlen.
Das iſt eine verflixte Gſchicht! Müſſen wir drei Tag lang ſchon unſer Waſſer beim Müller67 holen! Mir iſt’s recht; ich muß mich halt an’s Bier halten.
Das gſchieht ohnedem.
Man muß ſich den Verhältniſſen und den Um - ſtänden fügen. Von mir aus kann der Brunnen laufen oder kann nicht laufen. Jch kann mich halt nicht waſchen.
Deine Gurgel, ſcheint’s, kann’ſt aber doch wa - ſchen, und ein ungewaſchenes Maul haſt ohnedem immer.
Das iſt meine Sache, Mamſell Nanni. Ge - waſchen iſt gewaſchen.
Das iſt aber doch eine Malefizgſchicht. Hab mir ein Glas Waſſer pumpen wollen — und hat der Brunnen wieder kein Waſſer geben. Jetzt müſſen wir’s Waſſer ſchon drei Tag für’s Vieh holen, für uns holen! Warum habt’s ’n Veitl den Brunnenmacher noch net gholt? Jch hab’s ſchon geſtern Früh angſchafft.
Der Veitl, der Brunnenmacher, hat ſich den Fuß brochen und es muß wo anders fehlen. Seit geſtern iſt’s Waſſer beim Nachbar auch ausgeblie - ben. Das macht das trockene Jahr und iſt eine Straf Gottes, wie der Herr Pfarrer am vorigen Sonntag gepredigt hat, weil die Wirth ſo viel Waſſer in’s Bier ſchütten — —
Daß dich der — — kurz und gut: Waſſer muß her!
Der Brunnen gibt kein Waſſer mehr.
Und ich ſag: Waſſer, Waſſer her!
Die Zuber ſtehen alle leer.
Kein Waſſer mehr!
Nur Waſſer her!
Die Zuber leer!
Mehr, mehr, mehr!
Her, her, her!
Leer, leer, leer!
Wir haben halt kein Waſſer mehr.
Ei, guten Morgen Herr Profeſſor?
Sind Sie auch ſo ſchon früh auf?
Jch hab Jhnen die Stiefel noch nicht geputzt.
Einerlei! ich habe den ſchönen Morgen genießen wollen und meine meterologiſchen Beobachtungen fortſetzen, welche ich geſtern begonnen habe.
Was ſind denn das für Beobachtungen, die metreologiſchen G’ſchichten da?
Wißt ihr denn nicht, daß ich ſeit 8 Jahren dieſen ländlichen Wohnſitz bezogen, um den Druck der Atmoſphäre zu berechnen und den Thermo - meterſtand mit der Barometerhöhe differentialiſch zu berechnen.
Donnewetter, das iſt mir zu hoch! Dem Kronomether mit dem Druck athmoſphäriſch, indif - ferentialiſch — — —
Still! entweihe die Wiſſenſchaft nicht. Guten Morgen, liebes Annchen, wollen Sie mir nicht ein friſches Glas Waſſer vom Brunnen holen?
Hat ihn ſchon!
Ja, mein Gott! der Brunnen — — — der Brunnen.
Der Brunnen — was iſt’s mit dem Brunnen?
Ja, denken ’S: die Fatalität! mein Brunnen gibt kein Waſſer mehr, beim Nachbarn iſt’s auch ausblieben —
Und, wie mir der Nachtwachter gſagt hat, greift die Trockenheit um ſich, bald wird das ganze Dorf kein Waſſer haben. Es muß eine unterirdiſche Revolution ausgebrochen ſein.
Wie iſt es möglich? Allerdings war das ganze Jahr über bisher ſehr trocken und es mag ſein, daß die Capillarität der Erde etwa nicht genug Aufnahmsſtoff hat, weil die gehörige Feuchtigkeit des Niederſchlags gefehlt hat, oder nicht hinläng - lich war.
Das iſt ſehr verſtändlich, zum Beiſpiel: Wenn Einer Durſt hat und geht mit dem Maßkrug an ein Faß, um ſich Bier zu holen, das Faß lauft aber nicht, ſo iſt das ein ſicheres Zeichen, daß nix drinn iſt. Gerade ſo iſt’s jetzt: Wenn in der Erde unten kein Waſſer iſt, ſo lauft halt keines ’rauf und man muß ſich ganz und gar an’s Bier halten.
Dumm’s Gſchwatz! A Waſſer braucht man doch; und was thut man denn mit ’m Vieh? Dem wird man doch kein Bier geben?
O nein! Es gibt nit die wenigſten Viecher, die nur Bier trinken, z. B. der Gmeindvorſteher oder Gutsverwalter
Halt’s Maul! Du verſtehſt nix.
Helft’s, helft’s! Alles Vieh iſt los vor lauter Durſt! Seit geſtern hat’s kein Waſſer mehr kriegt. Jetzt iſt Alles wie narriſch und hat ſich von die Ketten losgmacht.
Um Gotteswillen! ’naus, ’naus! Helfts z’ſammen, daß wir’s wieder anhängen.
O mein, o mein, Herr Profeſſor? Daß iſt ſchon a Malhör, wenn’s Vieh ſich los macht! Jch trau mir gar nit ’naus. Jch fürcht den ſchwarzen Stier; der iſt gar ſo wild und ſtürzt Einen gleich um.
Sie haben recht, liebe Nanni. Man ſoll ſich unnützermaſſen keiner Gefahr ausſetzen, um nicht etwa unvorſichtigermaſſen in ein Unglück zu gerathen.
Jch bin ohnedieß ſchon unglücklich, ich brauch kein böſen Stier mehr dazu.
Wie? Sie ſind unglücklich? Jch wohne doch zu meinen naturhiſtoriſchen Forſchungen ſchon vier - zehn Tage bei Jhnen, und habe nichts von Jhrem Unglück bemerkt.
Das hätten S’ doch bemerken können, daß ich und der Lenzelbauernhans uns einand gern haben?
Jawohl; aber das ſich Gernhaben iſt ja doch kein Unglück?
Unter gewiſſen Umſtänden aber doch ein Un - glück: wenn nichts draus wird.
„ Nichts draus wird? ‟ — dieß ſcheint mir ſo viel zu bedeuten, als ob Jhrer ehelichen Verbind - ung ein Hinderniß entgegenſtünde.
Ja freilich, der Vater mag nicht, weil der Lenzl nicht gnug Geld hat und weil der Vater für mich den reichen Hofbauernsſohn möcht.
Ei, ei, ei, das iſt freilich eine böſe Geſchichte
Hm, hm, hm! — Da ſollte man dem74 Lenzl Geld verſchaffen können. Das wäre wohl das beſte Mittel, dem Unglück abzuhelfen.
Ja, wenn der Lenzl Geld hätt, da wär’s dem Vater ſchon recht; denn gegen den Burſchen hat er weiter nichts einzuwenden.
Holla! mir kömmt ein trefflicher Gedanke. Wenn die Ausführung gelänge, ſo wäre Jhnen geholfen. Wiſſen Sie was Nannchen? Sorgen Sie, daß ich ſobald als möglich Jhren Geliebten ſprechen kann.
Das iſt leicht möglich; denn er mäht Klee gleich da draußen.
So kommen Sie; zeigen Sie mir den Ort. Jch will zu Lenzl gehen.
Recht gern.
So, jetzt wär’ Alles wieder in Richtigkeit. Das Vieh iſt wieder angekettet und mit einigem ſanften Prügeln beruhigt. Leider kann man’s nicht überall ſo machen; denn die Menſchen benehmen ſich auch75 oft wie närriſch und ſo lange die Welt ſteht und ſo lang’s Menſchen gibt, hört auch der Unſinn nicht auf. Da könnt man was erzählen!
Nun, mein lieber Hansl, denk ich, ſoll es nach meiner mathematiſcher Berechnung nicht mehr lange dauern, daß wir den Erdboden in ſolcher Tiefe durchbohrt haben, daß das Waſſer nicht mehr ausbleiben kann. Noch überall hat man mit dem ſogenannten arteſiſchen Brunnen ſeinen Zweck erreicht.
Ja, ich bin Jhnen recht dankbar, daß Sie mich zum Gehülfen und Famulus genommen und den Wirth die Bedingniß geſetzt haben, daß er mir die Nanni geben muß, wenn’s Waſſer da iſt —
Allerdings, ſo iſt es; da muß es dabei bleiben.
Aber, aber — jetzt bohren und graben wir ſchon 14 Tag den arteſiſchen Brunnen und es laßt ſich halt kein Waſſer ſehen. Das dauert endlich dem Wirth zu lang, denn Koſten hat er auch da - bei, und zuletzt muß das ganze Dorf verdurſten, denn es wird halt zu arg, daß man alles Waſſer für Menſch und Vieh anderthalb Stunden weit herfahren muß! Es iſt was ſchreckliches um ſo eine Waſſernoth!
Geduld, Geduld! die Wiſſenſchaft täuſcht und trügt niemals. — Ah, da kommt der Wirth ſelbſt.
Meinen Reſpekt, Gnaden Herr Profeſſor.
Guten Morgen, Herr Gaſtgeber.
Da haben wir halt noch die alte Beſcheerung! Alleweil graben, alleweil bohren — —
Nur kein Bedenken! Wir kommen baldigſt auf ein Reſultat, wir müſſen! es kann nicht anders79 ſein. Hören Sie: wenn wir noch eine Röhre an ſetzen, die ich vom Klempner erwarte — wird der Brunnen ſpringen.
Verzeihn’ S, Herr Profeſſor; aber ich hab mir ſchon genug ſpringen laſſen und wenn’s Waſſer nicht bald ſpringt, — — —
Hören Sie nur: ich bin bereits an der Erd - ſchichte angelangt, wo das chaotiſche Fluidum vul - kaniſcher Confuſion ſich mit dem Amalgam der Waſſerregion verbunden zu haben ſcheint; der Miſchungsbrei hat ſich gezeigt, die Capillarröhren haben ſich geöffnet.
Da verſteh’ ich den blauen Teufel davon; ich möcht einmal, daß ein End herſchaut.
Dieſes Ende iſt nahe Der gute Hans leiſtet Unglaubliches bei der Sache und ſeiner raſtloſen Thätigkeit haben wir, was die mechaniſche Wirk - ung anbelangt, das Meiſte zu danken und an meinen Berechnungen kann es nicht fehlen.
Jch weiß ſchon, wo das wieder hinaus will. Es bleibt dabei. Jſt das Waſſer da — ſo kriegt der Hansl meine Nanni; denn, wenn’s ſo iſt, wie Sie g’ſagt haben, ſo iſt mir der Brunnen mehr als tauſend Gulden werth. Punktum!
Wie geſagt: ein ſolcher arteſiſcher Brunnen ver - ſiegt nie und liefert in einer Sekunde mindeſtens 50 Eimer Waſſer. Sie können damit nicht nur Jhre Bedürfniſſe, ſondern das ganze Dorf verſehen und ſich noch eine Mühle oder eine durch Waſſer getriebene Dreſchmaſchine — kurz: Was ſie immer wollen, anlegen.
Nur nicht gar zu Viel verſprochen, Herr Pro - feſſor; vor der Hand hab’ ich nur einen blaueu Dunſt, aber kein Tropfen Waſſer.
Aha! da kommt ſchon die Röhre zum Einſetzen.
Gut, ſehr gut! Nun die Röhre hinabgeſenkt den Bohrer etwas gehoben!
So, jetzt können wir wieder bohren. Mir geht’s ſchon ganz feucht von unten herauf.
Juhe, Juhe! da haben wir’s!
Triumph der Wiſſenſchaft!
Nanni, Nanni! komm raus! Unſer Brunnen lauft.
Gott ſei’s gelobt!
Jch halt mein Wort! Jch halt mein Wort! Jhr ſeid ein Paar!
Vivat! Vivat der Herr Profeſſor!
Zapft nur gleich ein Faß an! Das ganze Dorf iſt zechfrei!
Aber — wo iſt denn denn der Casperl?
Auweh! der Casperl iſt verſunken!
Auweh! der Casperl iſt verſunken; Vielleicht im Brunnen ſchon ertrunken!
Es iſt nichts von ihm zu ſehen, Welch’ großes Unglück iſt geſchehen! Auweh, auweh! der Casperl iſt verſunken. Jm Brunnen, ach! iſt er ertrunken.
Hochgeehrteſtes Publikum! Jch bin von Seite der Theaterdirektion erſucht worden, Jhnen einige Erläuterungen vorzutragen, damit etwa nicht ein83 Mißverſtändniß eintrete, nämlich, wie folgt: Sie befinden ſich jetzt im tiefſten Südamerika in der Provinz Patagonien bei den Leuwutſchen, welche einen der wildeſten Stämme dieſer Gegenden bilden. Wenn Sie den Erdglobus betrachten, ſo werden Sie entdecken, daß in diametralem Durch - ſchnitte vom Dorfe, in welchem ſich das Wirths - haus „ zum goldenen Rößl ‟ befindet, dieſer Ort in Patagonien oder vielmehr im Lande der Leu - wutſchen, gerade der entgegengeſetzte Punkt iſt, in deſſen Richtung ich den arteſiſchen Brunnen graben ließ. Jndem nun das Waſſer hervorſprang, ſtürzte eine Erdſchichte ein, es kam zum completten Durchbruche bis in die Weltgegend der Antipoden, welche im vorliegenden Falle die Leuwutſchen ſind. Ohne Zweifel wird alſo der arme Casperl durch dieſe Erdvertiefung gefallen ſein und ſich zu ſeinem größten Unglücke bald in dieſer Gegend und bei deren wilden Bewohnern einfinden, deren Gebräuche und Sitten jedoch mit denen der Urbajoaren ſehr viel Aehnlichkeit haben ſollen, weil bei der großen Völkerwanderung, obgleich Amerika noch nicht ent - deckt war, ein kleiner Stamm derſelben ſich hier an - geſiedelt habe, wie man glaubt. So viel zur Auf -6*84klärung des Publikums. Meinerſeits werde ich mich aber ſogleich wieder hinter die Couliſſen be - geben, den ich möchte mich als ein gelehrter Pro - feſſor keineswegs dem etwaigen ungeeigneten Be - nehmen der ungebildeten Leuwutſchen ausſetzen.
Schlipperdibix! das war aber eine Rutſcherei! Jch kenn’ mich noch gar nicht aus. Das weiß ich noch, wie ich in den karteſiſchen Brunnen geſtiegen bin, nachher bin ich in das tiefe Loch gerutſcht, und bin dabei a bißl naß word’n, aber nachher weiß ich nichts mehr von mir, bin ich in die Ohnmacht oder in ein Prozupiß gfallen — ich weiß kein Sterbenswörtl.
Oho, oho? — ja was iſt denn das für ein Stadtviertel? Verflixte Gſchicht? Da muß ich be - deutend um’s Eck gekommen ſein. Das ſind ja Bäume wie die Kehrbeſen mit grüne Büſchel! Und das Waſſer dahinten, da ſieht man gar kein End! Schlipperment und dieſe Vieher!
Halt! halt! Die Gaßen - bub’n hier ſind auch curios, die hab’n Schwei -85 ferln wie die Katzen. Ah, ah, ah! das iſt aber ſchön! — — Herrgottl, jetzt fallt mir was ein! Etwas Erſchreckliches! — ein Rieſengedanke — — ein Weltereigniß! Hat mir denn nicht der Profeßor Zwiebelmaier öfters geſagt: „ Die Kar - teſiſchen Brunnen gehen ſogar manchmal ſo tief durch die Erde, daß die Bohrerſchraubenſpitze unten auf der Rückſeite der Erdkugel herausſchaut im Lande der Antipopoden ‟! Ha! — Und dieſe Anti - popoden ſind die Leute, die auf der andern Seite von der Erdkugel logiren! — O Himmel! wäre es möglich? wäre es möglich, daß ich, Unglück - ſeliger, vielleicht in dem karteſiſchen Loch da durch die ganze Erdkugel gerutſcht wär’ und mich jetzt wirklich bei den Antipo-po-po-poden befände? Furchtbarer Gedanke. Weh mir! ich bin verloren! — — Jch fall in Ohnmacht.
Wart nur, Beſtie, ich krieg dich ſchon! — Ah, da ſitzt er.
Jhr höhern86 Weſen! Was iſt das? Ein fremdes Thier! Sklaven! herbei! Helfet mir! Jch werde gefreßen.
Holdes Wöſen, erſchrecken Sie nicht! Fürchten Sie mich nur nicht. Sie ſind ja ein gar nettes Wutſcherl!
Das Thierchen iſt gar nicht ſo übel. Es kann ja auch ſprechen.
Oh, oh! Sagen Sie mir, warum ſind Sie denn ſo braun im G’ſichtl. Sie ſehen ja aus wie ein Kupferpfannl, in dem man die Schmalz - nudel backt?
Fremdling, ich verſtehe dich nicht ganz; aber du gefällſt mir: denn du ſcheinſt ein gutes Weſen zu ſein und kein böſes.
O nein, ich bin kein böſes, ſondern ein ſehr gutes, gutes, aber hungriges und durſtiges Wöſen.
Jch will dir eine Cocusnuß geben, daraus kannſt du die Milch ſchlürfen.
Was? wär nit übel! Ein Hocuspocusmuß? Das hab’ ich meiner Lebtag nicht geſſen. Da dank ich.
Oder willſt du eine verzuckerte Eidechſe? Jch habe davon vom Deſſert mitgenommen.
Was? — A verzauberte Heidaxen!! Aber, daß iſt doch a bißl zu ſtark, was Jhr für ein Koſt haben müßt in dem Land? Aber — apro - pos, mein Fräulein — denn das ſind Sie doch?
O ja; ich bin die Tochter des Häuptlings dieſes Stammes. Und heiße Milipi.
Was? Tochter? Hauptling? — Stamm? Mili-li-li-pi-pi-pi? Das iſt ja Alles chineſiſch! — Nun, apropos! Eigentlich möcht ich doch wiſſen, wo ich heruntergefallenes Jndividuum mich auf der Welt jetzt befinde.
Ja, weißt du denn das nicht? — Du biſt im Lande der Leuwutſchen.
Leu-leu-wu -- tſchen?
Ja, im Patagonienreiche.
Jm Spatagonien -- reiche? — Na — jetzt weiß ich ſoviel wie zuvor. Du alſo, liebes Mauſerl, biſt eine Leu-leuwutſcherin? O du Wutſcherl du!
Willſt du, ſo werde ich dich zu meinem Vater führen, der wird dich gerne beherbergen.
Ja, mir iſt’s ſchon recht, aber vielleicht krieg ich eine rechte Tracht Prügel und werde ſo, was man ſagt, ein bißl „ verleuwutſcht. ‟
O fürchte dich nicht; aber, ſieh, da kömmt mein Vater ſelbſt.
Auweh! — jetzt könnt’s mein’ Kopf koſten.
89Himmelpotztauſendſaprament! Was ſeh’ ich da? Wer unterſteht ſich? Wer iſt das? Wie verhält ſich das? Meine Tochter und ein Fremdling? Ha! Mordselement! Gleich fünfundzwanzig mit dem Bambus!! Alloh!
Ach, lieber Vater! Verzeih! Jch habe dieſen armen Fremdling bewußtlos und erſchöpft hier ge - funden. Er ſcheint ein verirrter Wanderer zu ſein.
Jch will nichts mit ſolchen verwirrten Vaga - bunden zu thun haben. Donnerwetter! Was iſt das wieder für eine Sicherheitspolizei? Gleich fünf - undzwanzig dem Polizei-Commiſſär, der die Jour heut hat! Halamilari!
Herr, was befiehlſt du?
Glaubſt du nicht, daß dieſer Unbekannte etwa ein böſer Geiſt ſein könnte, der unter dieſer Ver - hüllung mir ſchaden will?
Sehr ja! — Vorſicht! Vorſicht!
Alſo ſichte vor.
Tochter, du begibſt dich augenblicklich nach Hauſe. Jch folge dir. Halamilari, du bleibſt und bringſt den Fremdling gefeſſelt nach. Eh wir ihn aufnehmen, muß er jedenfalls auf das Genaueſte geprüft werden. Zu dieſem Zwecke führe ihn in den kleinen Tempel, in welchem mein Haus - altar ſteht.
Sklaven, ergreift ihn!
Oho, nur nicht ſo grob!
Strudi, prudi, prudi bibibi!
Was? fangt ihr auch mit einer ſolchen Sprache an? Geht’s weiter mit den Dummheiten.
Pardipixtipixtiwixti.
Ja, ja, s’iſt ſchon recht. Nur Geduld!
Pumpſdi!
Au!
Pumpſdi, pumrſdi!
Sapperment, das leid ich nit!
Sie, Herr General oder Herr Hoffourier, was Sie halt ſind: Jch bitt mir die gehörige Achtung aus. Verſtehen Sie mich?
Jch muß mich etwas in Acht nehmen. Wenn er ein böſer Geiſt, könnte er mir ſchaden.
Ca-Colimacolimilimila.
Oi, Oi, Oi-mu!
So — laß ich mirs gefallen; nur höflich! aber zuvor wünſchte ich genährt zu werden.
Man wird dir Speis und Trank geben. Fort! Marſch. Eins, zwei! Eins, zwei!
So führe ich dich denn in das Heiligthum ein, junger, hoffnungsvoller Fremdling. Du haſt hier die Prüfung zu beſtehen.
Was — Prüfung? — Jetzt gibt’s ja keine Schulpreis mehr; da will ich auch Nix von einer Prüfung wiſſen.
Es iſt die Prüfung, ob du würdig ſeiſt, in dem Lande des großen Schluwi zu weilen.
Mich zu langweilen; denn bisher hab ich nur Aengſten, aber keine Unterhaltung ghabt.
Hier iſt unſer Heiligthum, unſere Gottheit, welche vor undenklicher Zeit als ein heiliges, wun - derbares Meteor vom Himmel an dieſem Platze niedergefallen iſt und über welches dieſer Tempel gebaut wurde.
Hinter dieſem Vorhangl da?
Ja. Jch habe den Befehl, dich nun allein zu laſſen. Biſt du ein Auserwählter, ſo wird es ſich zeigen; wo nicht, ſo werden dich die böſen Dä - monen zerreißen.
Oho, was nit gar? zerreißen? — Aber ich verlang mir ja nicht ein Auserwählter zu ſein; am liebſten wär mir’s, wenn Sie mir den Weg nach Haus zeigen ließen.
Es iſt zu ſpät. Du haſt zu uns hergefunden, mußt alſo geprüft werden.
Laſſen Sie mich nur mit der Prüfung aus, Sie Allerliebſter.
Pumps dich! Da hab’n wir’s!
Es iſt das Zeichen der Gottheit.
Das iſt eine curioſe Gottheit, wenn die immer einen ſolchen Plumpſer macht.
Lebe wohl! ſei weiſe und gefaßt!
„ Sei weiſe und gefaßt! ‟ — was heißt jetzt das wieder? Leben Sie wohl, angenehmes Manns - bild! — Was fang ich jetzt an? Jch glaub’: ich leg mich nieder und ſchlaf a bißl.
Casperl! Casperl!
Wer ruft mich?
Jch bin es.
Wer biſt du denn, der du dich „ Jch ‟ nennſt?
Jch bin ich und du biſt du; aber in meiner Tiefe ruhet auch dein Geiſt; dieß iſt das Ge - heimniß des Lebens.
Schlapperment! dahinten ſcheint’s nicht ganz richtig herzugehen im Capitolium.
Ziehe den Vorhang zurück und du wirſt mich erkennen.
Jch werde den Vorhang zurückzie hen und —
Ja-ja-ja — was erblick ich? Du biſt alſo dieſes „ Jch ‟ und ich bin dieſes „ Du ‟. Himm - liſche Erſcheinung! Wonnevolles Zeichen der Hei - math! Ha!
O, ſei gegrüßt! ſei willkommen!
Prrrrrrr!
Auweh! Auweh! — Jſt der auch wieder da?
Wart Spitzbub! Was thutſt du da herunten?
Und was thuſt du da oben?
Prrrrrrrrr!
Ja, „ Prrrrrr! ‟
Du haſt geſiegt, Jüngling! Du haſt den böſen Dämon bezwungen.
Dich haben die Götter zu uns geſandt.
Heil dir, nimm dieſen Kranz von Palmblättern.
Jch bedank mich gar ſchön, aber jetzt bin ich ſo geſcheit, wie zuvor.
Heil! Heil! Heil!
Laßt uns unſern Hymnus ſingen und um den heiligen Stein den Reigen tanzen.
Rallala, rallala, rallala, rallala, Kellnerin ſchenk uns ein Weil wir beiſammen ſein, Rallala, rallala, rallala, la.
Pocci, Komödienb. 5tes Bdchn. 798Rallala, rallala, rallala, rallala, Huraxdox, ſchnaderigax, Tanz’ mit der krummen Hax, Rallala, rallala, rallala.
Rallala, rallala, rallala, Und heut is grad ſo recht, Denn das Bier iſt nicht ſchlecht, Rallala, rallala, rallala. Juh! Juh! Juh!
Und nun, edler junger Mann; weil ich für meine Tochter noch keinen Mann gefunden, ſo habe ich dich zu ihrem Gatten beſtimmt.
Ah! Ah! — aber färbt’s nit ab, die Tochter?
Nein, Sie iſt ganz naturchocoladibraun!
Nacher laß ich mir’s gfallen.
Kommt Kinder! Kommt Alle! Nun ſoll gleich das Hochzeitsfeſt gefeiert werden. Man ſpiele einen Marſch auf; ſchreit Alle: Vivat!
Nun ſind wir verheirathet, lieber Fremdling! Ach, ich bin ſo glücklich, deine Gattin zu ſein!
O ja! Und ich, moine Liebe, bin ſo glücklich, dein Gatte zu ſoin!
Nicht wahr? Jch darf dich meinen „ Colibri ‟ nennen? Das ſind die lieben kleinen bunten Vögel - chen, die netten Thierchen. Und du haſt ja auch ſo ein rothes Röckchen an.
Du biſt moine Milipi und ich bin dein Coli - pripi!
Wie gefällt dir mein kleines Schoßthierchen, das junge Crocodilchen?
Gar nicht übel, aber es hat mich ſchon ein paar Mal in den Finger gezwickt.
Das iſt nur Scherz.
Wenn es aber ein bischen größer wird, könnte das Thierl Einem leicht den Kopf abboißen, aus lauter Scherz.
Das thut nichts; das geſchieht bei uns manch - mal, lieber Colibri.
Da dank’ ich gehorſamſt.
Apropos, lieber Mann: denke dir, mein guter Vater will uns heute ein recht großes Vergnügen machen. Er hat mir erlaubt, mit dir eine kleine101 Spazierfahrt in ſeinem Leibhofluftballon zu machen, das wird allerliebſt.
Schlipperdibix, da freu ich mich aber drauf! Sind denn bei Euch auch die Luftbullon bekannnt?
O ja; ſchon ſeit ein paar hundert Jahren. Sie ſind aus Elephantenhäuten gemacht und werden mit brennendem Branntwein gefüllt, dann ſteigen ſie in die Luft. Aber man hält ſie an einer langen Schnur, damit ſie nicht davon fliegen können.
Das muß eine charmante Unterhaltung ſein, die Luftfliegerei, wenn Eim’ dabei nit übul wird.
O nein, o nein! — Sieh, da bringen ſie den Luftballon ſchon. Papa kommt auch mit.
Milipi! ſieh, weil ich dir’s verſprochen hab, kannſt du jetzt mit deinem Mann da hineinſitzen102 und ein halb Stündl ſpazieren fliegen. Halamilari hält das Seil, da brauchſt keine Angſt zu haben.
O lieber Papa! Und nicht wahr, mein Croco - dilchen darf auch mitfahren.
So viel du willſt. Steigt nur ein.
So alloh, alloh!
Tauſend, tauſend! Das Halten wird mir zu ſchwer! —
Nur nit auslaßen!
Jch kann nicht mehr, ich rann nicht mehr!
Laßt das Crocodil fallen!
Hülfe! Hülfe! ich kann nicht mehr!
Haltens! Mir wird nicht ganz gut.
Mir wird übel! Jch falle in Ohnmacht!
Jch falle! Jch kann nicht mehr!
Herbei! helft! haltet!
Weh! weh! Meine Tochter! Meine Milipi!
Auweh! Jch hab mir das Rückrat gebrochen.
Hülfe! Hülfe!
Donnerwetter! Das hab ich gſpürt! —
Auweh, auweh — thut mir das Kreuz weh! No! und die Luftfahrt! Da dank ich! Aber da oben hat er auf einmal auslaßen; da muß ihm der Athem ausgangen ſein! Kreuztibidomine! Jch muß um die ganze Erdkugel ’rumgeflogen ſein. An a paar Stern bin ich gleich ſo angſtoßen, daß ich mir die Spitzeln in die Rippen gerennt hab. Das war a Metten! Ein Comet hat mir mit ſeinem Schweif einen mordaliſchen Wiſcher über’s G’ſicht gemacht, daß mir die Funken aus die Augen ge - ſpritzt ſind! Wie ich aber am Mond vorbei gſegelt bin, hab ich nix mehr gſehen und jetzt lieg ich da; aber wo lieg ich! wo? —
Bin ich vielleicht wieder in ſo ein Wuwut - ſchenland verdammt, wo ich eine ſchwarze Prin -105 zeſſin heirathen muß? Halt! ich hör’ was! da will ich mich gleich ein Bischen verſtecken, eh ich bu - merkt werde.
Jhr Herrn und Frauen laßt euch ſagen, Die Stunde hat drei Uhr früh geſchlagen; Es iſt bald Zeit, daß ihr aufſteht, Aufſteht und an die Arbeit geht!
Jhr Herrn und Frauen laßt euch ſagen, Die Stund hat drei Uhr früh geſchlagen, Jetzt legt der Mond ſich in ſein Bett, Um’s Leben iſt’s a miſerabl’s G’frett!
Jhr Herrn und Damen laßt euch ſagen, Die Stund hat drei Uhr früh geſchlagen, Die Sonne wirft ihre Ducket weg, Und kommt gleich ’rauf dort über’s Eck!
Potztauſendelement! Das war ja der Peter, unſer Nachtwachter! Ja! wie kommt denn der106 daher? oder wie komm’ ich daher?
Herrſchaft! Wunder! Mirakel, Spectakel! das iſt ja ’s Rößlwirthshaus! Juhe! jetzt bin ich wieder daheim! — doch ruhig! keine Uebereilung! Faßung! Beſonnenheit! Ueberlegung! Mannes - würde, Empfindung! Selbſtgefühl! ſittlicher Ernſt! — — Wie mach’ ich’s jetzt am Gſcheiteſten, daß meine unerwartete Rückkehr ein Weltereigniß wird? — — Jetzt fallt mir was ein: zuvor werd ich als mein Geiſt erſcheinen, nachher erſt als leibhaftiger Casperl. Jch will doch hören, was die Leut von mir ſagen.
So! jetzt ſtill und aufgepaßt! Am allerfrühſten Morgen werden die Leut ſchon kommen und Waſſer holen.
Das iſt halt was werth, ſo a guts, friſch Waſſer! Das waſcht Ei’m den Schlaf noch recht aus die Augen. Aber koſt’t hats er ’n Wirth was107 der Brunnen. Rentirt ſich aber. Jetzt hab’n wir überflüßig für’s Vieh, für die Roß und die groß Stadlwieſen können wir auch noch wäſſern, und den ganzen Garten und ’s Krautgartenwiesl; dürfen nur die Rinnen einlegen. Herrſchaft! Das iſt freilich eppes Guts und grad nur die halbi Arbeit.
Gut’n Morgen, Wirthin!
Guten Morgen, Hiesl! Thuſt’s Vieh bald tränken. Gelt, der Brunnen iſt a Wohlthat? haſt’n Schöpfer gleich im Stall.
No, das ſag i! Der kalteſiſche Brunnen iſt was werth. Aber koſt’t hat er a was!
Ja freilich, 2000 Gulden langen net. Und das kann ich halt gar nicht vergeſſen, daß dabei ein Menſchenleben auch z’Grund gangen iſt.
A mein, der Casperl; Gott tröſt’n; aber a Lump war er doch!
Ja, a gute Haut; aber a fauler Kerl; und ’s Bier war ihm eigentlich ſein Arbeit.
Haſt’n Catharr Hiesl, weil’s d’ alleweil huſten mußt?
Bei Leib nit; aber ich hör’ auch alleweil ſo räuſpern.
Ja, Hiesl, mir wär’s doch recht, wenn der Casperl noch bei uns wär! Er war doch gar ſo a luſtiger Burſch mit ſeine Dummheiten.
Das ſchon; aber ich glaub’, es hat ihn doch der Teufel gholt, weil er a gar ſo a fauler Kerl war.
Ja, was iſt denn das? Wer iſt denn da?
Herrgott im Him - mel! Da ſteht er oben! Das iſt ſein Gſpenſt! Auweh!
Richtig! der leibhaftig Casperl! Alle guten Geiſter — —
Brav! jetzt hab’ ich mein Sach! wenigſtens hab ich beobachten können, daß ich im guten An - denken ſteh. Wie werden ſie mich erſt empfangen, wenn ich in Wirklichkeit erſcheine? Holla! kommt ſchon wieder wer.
Was nit gar? Das ſind Dummheiten! Macht’s mir Nichts weiß. Jch glaub’ an keine Geiſter.
Ja gwiß, auf’m Brunnen ſteht er oben wie er gleibt und glebt hat. Schaut’s nur hin, Vater.
S’ iſt ſchon recht.
Meiner Seel! — das iſt kein Gſpaß; da ſteht er!
Gelt’s? ich hab’ recht ghabt.
Holt’s ’n Pfarrer, der kann mit die Geiſter umgeh’n. Hiesl Hiesl!
J trau mir net!
Zum Herr Pfarrer lauf, Hiesl! Er möcht mit ’n Weihbrunnen kommen, aber gleich! wo iſt denn der Hans? Hans!
Was gibt’s denn, Vater? —
Da ſchau hin.
Der Casperl!
Ja, der Casperl! der arme Casperl! Als Geiſt erſcheint er euch. Gelt’s: der Lump, der Faulenzer! der in das Brunnenloch gefallen iſt, tief in die Erden hinunter, der ſo elend zu Grund gegangen iſt? Wehe! Wehe! Wehe!
111Ja! zittert und bebt nur! Wenn die Leut gſtorben ſind, nachher ſoll man nur Gut’s von ihnen reden. So ſteht’s im Chriſtenlehrbüchl!
O mein, o mein!
Wenn’s d’ nur wieder lebendig wärſt, lieber, guter Casperl!
Gelt? ich bitt dich, du thuſt uns nichts.
Jch verſprich dir’s. Jch laß dir ein ſchönen Grabſtein ſetzen von Marmor und a goldne Schrift drauf; guter Casperl!
Nix Grabſtein! Juhe! Jch bin ja lebendig; da ſchauts her, da iſt der alte Casperl.
Ja, wie iſt denn das möglich!
Biſt du alſo kein Geiſt?
Nix Geiſt! — Fleiſch und Blut! Gebt’s mir nur gleich was z’ Eſſen und z’ Trinken!
So viel’s d’ nur magſt! weil’s d’ nur wieder da biſt.
Ja, gelt’s? aber ſo geht man mit den Ab - gſtorbenen um?!
Verzeih’s nur, Casperl; es war nit ſo bös gmeint. Du weißt’s ja.
Wir haben dich alleweil recht gern g’habt, alle - ſammt im Haus.
Ja freilich! und jetzt haben wir dich noch gerner.
Ja, ich woiß es: der Casperl wird überall113 gern gehabt. Wo er immer ſich blücken läßt, iſt er buliebt, ja angubetet. Jch verzeihe euch!
Aber ſag nur: wie iſt’s denn möglich, daß du nit z’ Grund gangen biſt.
Zu Grund gangen bin ich nicht, ſondern zu Grund gfahren. Das Schickſul hat mich guret - tet; denn der Casperl kann und darf nicht zu Grund gehen. Aber jetzt gehn wir in die Wirths - ſtuben, ich fall vor Hunger und Durſt um.
Ja, gehen wir hinein! da kannſt uns erzählen, wie’s dir gegangen hat.
Ja, gelt, Casperl, du erzählſt uns, wo du überall warſt?
O! wecket nicht die Erinnerungen einer glückli - chen Vergangenheit!
Alloh! Auf!
Der Casperl ſoll leben! Vivat hoch!
Ende des Dramas.
Privatier.
Casperls Frau.
Profeſſor der Turnkunſt.
Kellnerin.
Nun, wie ſteht’s mit Herrn Casperl? Sie ha - ben mich wieder rufen laßen. Jch meine aber doch, daß es vor vierzehn Tagen ſchon etwas beſſer ge - gangen, als ich das letzte Mal bei Jhnen war.
O mein Gott! Jch hab’s auch geglaubt. Aber auf das letzte Recept, das Herr Medizinalrath ihm verſchrieben haben, iſt’s beinah noch ſchlimmer mit ihm geworden.
Oho, Madame! das pflegt man mir doch ſel - ten zu ſagen. Auf meine Ordinationen tritt ge - wöhnlich Beſſerung beim Patienten ein. Da müßte ich ſchon bitten.
Dießmal ſcheint es aber nicht der Fall geweſen zu ſein. Aber Sie werden ſich gleich ſelbſt überzeu - gen; ich werde meinen Mann hereinholen, damit Sie mit ihm reden können.
Ei, Ei! das wäre aber doch! Jetzt kurier ich ſchon ein halbes Jahr an Herrn Casperl und ich kenn mich eigentlich ſelber noch nicht aus, was ihm fehlt. So was darf ſich aber ein praktiſcher Arzt nicht anmerken laſſen, oder zu was hätt’ ich denn erſt vor 2 Monaten den Medizinalrathstitel be - kommen? Wir Aerzte müßen zuſammenhalten, be - ſonders wegen der Homöopathen, die aber ſo zu ſagen auch nichts wißen; allein die möchten uns Allopathen ganz ruiniren. Aha! da kommt er.
Guten Morgen, Herr Mudicinalrath. Kommen Sie auch wieder einmal zu einem armen kranken Mann? Gelten’s? wie ich ausſchau! Zum Ver - ſchrecken!
No, no, ’s paſſirt, Herr Casperl. Wie ich’s letzte Mal bei Jhnen war, haben S’ doch noch viel miſerabler ausgeſeh’n, und mit dem Piedeſtal — ſcheint mir — geht’s doch jedenfalls beſſer. Sie marſchieren ja ganz brav.
O, bewahr’s Gott! Jch geh auf meine letzen Füß!
Ja weil überhaupt jeder Menſch nur zwei Füß’ hat. Nun alſo: discuriren wir ein bißl miteinand. Wie ſtet’s eigentlich mit’m Appetit; denn das iſt immer die Hauptſach bei’m Menſchen.
Gar nit gut. Wenn ich ſechs Leberknödel in der Suppen und acht paar Bratwürſt auf’m Kraut gegeßen hab, da is mit’m Appetit ſchon vorbei.
Nun, nun: das kann man ſich immer gefallen laſſen. Der Magen vertragt noch was. Denken Sie nur, daß Sie gar keine Motion machen, Herr Casperl. Nun — und wie ſteht’s mit dem Durſt?
Miſerabel! So a halbs Dutzend Liter, wie man’s jetzt heißt — die thuen’s noch; aber da kann ich höchſtens noch a paar Maßl draufſetzen nach’m alten Maaß.
Das iſt immer noch ein ganz erträglicher Zu - ſtand und mir ſcheint doch, daß meine letzte Medi - zin gewirkt hat. Und jetzt ſagn S’ amal, Herr Casperl, wie iſt’s mit’m Schlaf? —
Reden Sie mir nur nicht vom Schlaf! Wenn ich mich Abends um a 9 Uhr niederleg, ſo wach’ ich um 8 Uhr in der Fruh ſchon wieder auf und nachher muß ich mich wenigſtens noch 3 Mal um - kehren bis ich noch a paar Stündl ſchlafen kann. Gelten’s, Herr Mudizinalrath, das kann man doch keinen geſunden Schlaf heißen?
’s paſſirt, ’s paſſirt, Herr Casperl! jetzt muß ich nur noch nach’m Stuhl fragen. Der ſoll in Ordnung ſein.
Ja, ich muß halt ſeit acht Tag immer auf’m Lehnſeſſel hocken, weil an dem Stuhl in mei’m Schlafkammerl zwei Füß brochen ſind und der iſt noch bei’m Tiſchler zum Leimen.
Sie haben mich nicht recht verſtanden. Jch mein’, ob Sie vielleicht an Obſtructionen leiden? An Conſtipationen?
O, elend, elend! von den Deſtructionen und Conſpirationen haben S’ gar keinen Begriff.
Hm! Hm! — Bewegung, Bewegung! Herr Casperl! dann werden die Anſchoppungen bald auf - hören.
Was? Anſchopfungen? — Jch nimm mein’ Grethl alle Tag beim Schopf, und es nutzt doch nichts.
Sie müßen Bewegung machen.
No! iſt das kein Bewegung, wenn ich alle Tag dreimal zum Wirth nüber geh’?
All’s zu wenig! Jch würde Jhnen das Spazie - renreiten empfehlen.
Wie? das Spazierenreiten? Erſtens: Hab’ ich keinen Gaul, und zweitens: Wenn ich auf der linken Seiten auf en Gaul aufſitz’, ſo fall ich auf der Rechten gleich wieder ’nunter.
Wißen’s was, Herr Casperl? Probiren Sie’s mit dem Turnen.
Oho! ein Turner ſoll ich werden? Wär’ net übel! 365 Staffeln auf’n Frauenthurm ’naufſtei - gen und nacher oben Hunger und Durſt leiden? Tag und Nacht auf - und abſpazieren und zum Fenſterl ’nausſchau’n, ob’s net wo brennt? Auf’s Rathhaus ’nunter telegraphiren, anſchlagen, feuer - trompeten, blaſen — oh, oh, was fallt Jhnen ein?
Sie haben mich wieder nicht recht verſtanden. Jch meine, daß Sie turnen ſollen, wie’s jetzt überhaupt nach dem neuen Reichsgeſetz auch für die deutſchen und lateiniſchen Schulen vorgeſchrieben iſt. Sie werden doch wiſſen, was das Turnen iſt? Dieſe herrliche Leibesübung für die deutſche Jugend!
Ja, ich weiß ſchon; aber ich weiß doch nit, ob die Commotion mich nicht zu ſtark angreift.
Jetzt geh’n wir nur gleich in den „ Adler ‟ hin - nüber. Da kommt der Profeſſor der Turnerei, der Herr Barrenreck täglich zum Eſſen hin. Jch mache Sie mit ihm bekannt und dann werden wir ſchon ſehen, was zu machen iſt.
No ja, meinetwegen! ’s Bier iſt auch gut im Adler. Geh’n wir halt zum Profeſſor Narrenſchneck ’nüber.
Barrenreck! Barrenreck, Herr Casperl.
Aber heut kommen’s wieder ſpät zum Eſſen, die Herrn; ſchon gleich halb zwei Uhr und noch keiner da! Richtig! jetzt fallt’s mir ein! die Herrn Offizier haben ja groß’ Jnſpections-Manöver; die werden erſt gegen Abend kommen. Die Herrn Be - amten ſitzen wieder z’ lang beim Schöppeln. Denen ihre Bureauxſtunden ſind auch kurz gemeſſen. Um 9 Uhr da ziehn’s emal auf; um ½ 12 Uhr geht’s zum Schöppeln, um Eins zum Eſſen, nacher zum Caffé, nach a paar Stündeln auf’s Bureaux, den Einlauf durchſehen, wie ich’s immer reden hör’; nacher zum Nachteſſen z’ Haus. Da werden die Buben gebeutelt, wer einen hat. Um 8 Uhr in die Herrngſellſchaft bis 11 Uhr. Das iſt der Lebens - oder Tageslauf eines Staatsdieners, und wenn er’s einige Jahrln ſo durchgmacht hat, dann bekommt er einen Verdienſtorden.
Aha! da kommt der narrete Profeſſor.
125Guten Tag, guten Tag, mein Kind!
Guten Tag! Heda, Mädchen, was gibt es heute zum verſchlingen? Mich hungert. Habe gerade einen tüchtigen Dauerlauf um die Stadt gemacht mit den Knaben.
Heut gibt’s gſchnittne Nudelſupppen oder Knödel mit Sauerkraut; ſauers Nierl, Schweinebraten und Erdäpfel — —
Holla das iſt mein Leibeſſen. Bringen Sie mir Schweinebraten mit Sauerkraut.
Gleich. Bier auch?
Nein, einen Krug Waſſer dazu!
Das iſt Einer! Nichts als Waſſer! Alle 14 Täg e Mal Bier, wenn’s ihm ein Anderer zahlt.
So, ich wünſch guten Appetitt, Herr Profeſſor!
Fehlt nicht, fehlt nicht, mein Kind.
Wenn der nit noch a ganzer Narr wird, ſo will ich nit Nanni heißen. A halbeter iſt er ſchon.
Guten Tag, Herr Profeſſor und zugleich guten Appetit!
Ei, Herr Doctor! Sie hier? Eine Seltenheit. Gut Heil! Sie ſind ja der Mann des Heiles!
Bedaure, habe keine Zeit mich aufzuhalten, be - ſonders beim Waſſer. Meine Patienten warten. Jch wollte nur den Herrn von Caspar Larifari mit Jhnen bekannt machen. Eine meiner Kundſchaften, dem ich vor Allem Bewegung verordnet habe, beſonders Zimmergymnaſtik oder Turnen im Freien, und da glaube ich mich an die beſte Quelle ge - wandt zu haben.
Ghorſamer Diener! Ghorſamer Diener!
Das iſt brav! Turnen iſt das Heil der Ge - ſundheit.
Gut Heil!
Oha! das iſt eine curioſe Art, Bekanntſchaft zu machen.
Gut Heil! Bruder! Schüler! Gut Heil!
Nun, wie ich ſeh’, iſt ja die Bekanntſchaft ſchon gemacht. Hab die Ehre!
Nun, alſo Turnen!
Jch hab’ die Ehre, Herr Profeſſor; mein Herr Doctor meint, daß für meinen bedenklichen Zuſtand ſo eine Bewegung zuträglich wäre.
Was „ Profeſſor! ‟ „ Freund ‟ — „ Bruder ‟ — ſoll’s zwiſchen uns heißen. Sie gefallen mir. Aus Jhren Zügen ſpricht deutſcher Ernſt und Mann - haftigkeit. Laſſen Sie uns vor Allem ein Glas zu - ſammentrinken und Brüderſchaft machen.
Beim Trinken bin ich alleweil. Das iſt auch eine geſunde Bewegung, wenn man Viel hebt.
Kellnerin, bringen Sie Bier.
Bravo! Sagen wir nur gleich „ Du ‟ zueinand. Du gefallſt mir auch, Bruder!
Auweh! — Das heiß ich einen Turnerdruck!
Vivat! Hoch!
Hoch, hoch! Bruder, haſt du Geld bei dir? Jch habe meine Turnertaſche, in der meine Börſe iſt, auf dem Turnplatze liegen laſſen.
O ich bitt recht ſehr, auf ein paar Maß kommt’s mir nicht an.
So recht, Bruder. Caspar, nicht wahr, ſo heißt du?
Außerordentlich Ja!
Alſo, Bruder Casper. Laß uns trinken und ſingen!
Pocci, Komödienb. 5tes Bdchn. 9130Das laß ich mir gefallen, mit der Turnerei bin ich einverſtanden. Mir iſt jetzt ſchon viel leichter und beſſer! Ein herrliches Mittel.
Nun aber zur Sache! Kellnerin, bringen Sie wieder ein paar Krüge! Jch bin leer.
Nun, der kann’s.
Jetzt, Bruder, paß auf. Mach ein Mal den Armſchwung.
So, ſo — —
Gut, gut, Bruder. Das geht ſchon. Nun aber das Ferſenheben und Beinſtoßen.
Oho, Bruder.
Das g’fallt mir.
Holla! Gut! Halt! Halt! Nun ein bischen Dauer - lauf!
Nein, da dank ich. Das iſt ja zum Umbringen.
Nun ruhe ein Bischen. Trinken wir wieder. Holla ſo!
Vorwärts jetzt, verſuchen wir den Sturmſprung.
Casperl ihm nach.
Schlipperment, das war aber ein Sprung!
So iſt’s recht, Bruder, das war ein ächter deutſcher Sturmſprung. Vivat! Gut Heil!
Holla, ho, ho!
Aber nein! Das iſt doch zu arg! Ah, — ah —
Ruhig, edle Walkyre! Schenke nur immer ein und ſchleppe bei. — Bruder, nun auf den Barren in’s Freie!
Was? auf’n Karren? Warum nit gar.
Ja auf den Barren! Hinaus, hinaus!
Ja, aber ich muß ſchon bitten, daß Sie zuvor noch zahlen.
Bruder, das iſt deine Sache.
Die Zech macht mit Allem und Allem, was Sie z’ſammengſchlagen haben, 5 fl. 36 kr.
Das wär nit übel — für die erſte Lektion? Nix Bruder im Spiel. Das geht nit.
Bedenke, daß wir deutſche Brüder ſind; Einer für den Andern. Zahle frei!
Jch mag nicht. Das iſt eine theuere Bruder - ſchaft.
Schäme dich!
Jch will aber nit!
Du mußt. Bedenke unſere Ehre.
Schlipperment!
Wie? dieß mir!
Wart du Turner!
Was für ein Lärm? Aber, meine Herren!
Jſt der Eſel auch wieder da? Was geht Sie unſere Bruderſchaft an?
So, Bruder, recht haſt du.
Aber nein. Meine Herren! Casperl! Das iſt ja furchtbar!
Was will denn die alte Hex da? Fort mit ihr.
Ende.
deſſen Frau.
Jetzt ſitz ich ſchon in die Nacht hinein da. Die Grethl iſt ſchon lang in’s Bett. Mir iſt’s ſeit einiger Zeit ſo melancholiſch-philoſophiſch. Jch weiß nit, werd’ ich gſcheit oder werd’ ich dumm. Die Leut ſagen oft: „ Aber der Casperl iſt ein dummer Kerl. ‟ Und wenn ſie das von mir ſagen, nachher mein’ ich immer, ich bin eigentlich gſcheiter als ſie. Und wenn’s bisweilen heißt: „ Aber der Casperl iſt doch ein rechter Pfiffikus, ‟ nachher komm’ ich mir erſt recht dumm vor. Gſcheit oder dumm — — das Gſcheitſt wär halt doch, wenn ich recht viel Geld hätt’ und ich glaub’, das denken andere Leut auch. Und die aber recht viel Geld haben, die wißen gar net, was ſie mit ihrem Reichthum an -138 fangen ſollen. Probiren möcht ichs doch a mal, aber vor der Hand iſt keine Ausſicht dazu und eigentlich gehts mir a biſſel paſſabel miſerabel. Wenn ich der Doktor Fauſt wär, hätt ich mir ſchon längſt den Teufel citirt, daß er mir a paar Jahrln aushelfet mit eim Sack voll Ducaten.
Schlipperment!
Was iſt das? Es wird mich doch der Teufel net ghört haben?
Pumps dich, das iſt kein Gſpaß mehr. Herr Jemine, Herr Jemine! Alle guten Geiſter!
Casperl, Casperl! Du haſt mich citirt.
Was, ich dich kliſtirt?
Du haſt den Teufel hergewünſcht und der hat gerad nicht Zeit, weil er ſeine Hörner beim Re - pariren hat und da hat er mich geſchickt.
So? Das iſt nit übel! aber eigentlich mag139 ich weder mit’m Teufel ſelber, noch mit ſeinem Compagnon Was zu thun haben. Jch hab nur ſo einen kleinen Monolog gehalten, damit die Com - mödie ein’ Anfang hat.
Nichts Commödi. Halt’s Maul und vernimm, was ich dir ſagen werde.
Mir iſt’s recht, wenn mir nur nichts gſchieht.
Es geſchieht dir Nichts, aber eigentlich geſchieht dir doch Etwas. Höre, höre, höre! Jch bin ein Geiſt.
Du biſt ein Geiſt und tragſt dein’ Kopf unterm Arm!
Ja, weil ich vor hundert Jahren geköpft wor - den bin.
Pfui Teufel, das iſt ja abſcheulich!
Ja, es iſt abſcheulich und gräulich! aber ich140 habe jetzt ſchon in Feuer und Flammen hundert Jahre lang brennen müßen und kann noch erlöst werden von der ewigen Verdammniß. Wenn du den Muth dazu haſt, ſo kannſt du mich von meinen Qualen befreien.
Muth? Das iſt ſoviel wie Kouraſchi; nein, das iſt nicht meine ſchwache Seiten. Von mir aus kannſt du noch hundert Jahr ſchwitzen; das wird dich nit umbringen.
Wehe, wehe, wehe! Höre und ſei barmherzig zu deinem Glück. Jch war ein großer Räuber und man hat mich den „ ſchwarzen Waldjackel ‟ ge - heißen. Jch habe Straßen und Wälder unſicher gemacht mit meiner Bande, aber endlich wurde ich erwiſcht, als ich gerade einen geraubten Sack Du - caten unter dem Galgen vergraben hatte, wo ich ihn am ſicherſten geglaubt. Da hat man mir kurzen Prozeß gemacht und ich wurde bei einer großen Zuſchauermenge geköpft. Von dieſem un - angenehmen Ereigniß an muß ich des Nachts als Geſpenſt mit meinem Kopf unter dem Arm her -141 umwandern und Tags über ſchmachte ich in den hölliſchen Flammen. O Casperl, da wird Einem heiß!
Was gehen mich deine Hitzen an, du kopfloſer Geiſt?
Wenn du nicht willſt, ſo dreh’ ich dir den Kragen um! Prrrr!
Halt a bißl! Vielleicht läßt ſich doch was machen.
Morgen Nachts zwiſchen 11 und 12 Uhr, zur bekannten Geiſterſtunde begib dich auf den Galgen - berg, der ſchon lang nicht mehr gebraucht wird, weil die Verbrecher jetzt incognito vor einer ge - heimen Commiſſion geköpft werden. Dort unter der alten Mauer klopfe dreimal mit einem Grabſcheit an und ſprich dabei:
Ja wart’ a bißl, bis ich den Vers auswendig kann, und nachher: bei der Nacht auf die Galgen - ſtatt? Da könnt ich mich hübſch verkälten.
Aber, wenn du den Spruch geſprochen, ſo wird eine Flamme aus dem Gemäuer ſprühen und du wirſt den Sack mit 1000 Ducaten finden, den ich damals vergraben habe. Dann werde ich erlöst ſein und darf meinen Kopf wieder aufſetzen. Lebe wohl. Gehorche mir, ſonſt erſcheine ich dir alle Nacht zu dieſer Stunde!
Prrrrr! Das war eine unangenehme Conver - ſchnation mit dem abſcheulichen Kerl da! Was fang ich jetzt an? Jch bin in einer ſaubern Pradutſch! Aber 1000 Ducaten ſind auch nicht zu verachten! weiß ich kaum, wie nur Einer ausſiecht. Jch hab bisher nur mit Sechſer und Groſchen ausbezahlt und die Gulden bin ich ſchuldig blieben. Wenn143 ich’s aber nicht thu, was er begehrt hat, reißt er mir vielleicht auch’n Kopf ab, weil er kein’ mehr hat. Jch geh’ in’s Bett, verſchlaf meinen Schrecken, und morgen früh werd ich meinen Beſchluß faßen. Wie heißt jetzt das Sprüchl da?
Gelt, das haſt gern, mein alter Peter, wenn ich dich am Köpfl kratz?
Wie lang hauſen wir jetzt ſchon miteinand? Schon an die zwanzig Jahrln; gelt Peterl?
Hab’ ich ſchon wieder kein Ruh? Heh, Peter, ſchau a bißl, wer’s iſt.
Verzeihn’S! bin ich am rechten Ort?
Ja, wo habn’S denn hinwollen?
Zur Frau Moosmayerin.
Da ſind Sie ſchon am rechten Ort. Was ver - ſchafft mir die Ehre?
Die Ehre iſt meinerſeits. Jch hätt mir gern einen guten Rath bei der weiſen Frau geholt.
Den können’S haben. Soll ich Jhnen vielleicht Karten ſchlagen? Das koſt’t 1 Gulden 12 Kreuzer.
Nein, weiſe Frau. Jch hätt’ andere Schmerzen.
Haben’S eppa die Gicht oder Zahnſchmerzen? Da kann ich auch helfen.
Gottlob nein; ich bin ſo ziemlich wohlauf, aber es betrifft eine Schatzgraberei.
Oho! Das iſt ein ſchweres Stück Arbeit. Aber wißen’S! ich kenn Sie nicht und wenn die Polizei was erführ’ — —
Da dürfen’S ganz ſicher ſein, Frau Moos - mayerin; Polizei fürcht’ ich ſelber, denn ich bin ſchon oft genug decretirt worden. Kurz und gut: Mir iſt ein Geiſt im Traum erſchienen, der gern erlöſt ſein möcht’ und der hat mir einen Schatz verſprochen, wenn ich ihm dazu verhelf’, daß er erlöſt wird.
Sei ſtat, Peterl! — Sehen’S mein Peter gibt Laut; da muß ſchon was derhinter ſein. Wie hat denn der Geiſt ausg’ſchaut?
Einen weißen Schlafrock hat er angehabt und ſein Kopf hat er unter’m Arm tragen.
Das könnt ſchon der rechte ſein. Die Geiſter kenn ich alle. Warten’s e bißl, da darf ich nur in meim Regiſter nachſchlagen.
Wiſchi Waſchi, Miſchi Maſchi, Tritſchi tratſchi, Wixi waxi, ſchnuri muri, wo biſt?
Aha! Hab’n wir ihn ſchon! Das iſt der Waldjackel, der vor 100 Jahren iſt geköpft worden. Das iſt ein ſolider Geiſt, dem darf man ſchon trauen.
Ah, ah! Das iſt aber ungeheuer, Frau Moos - mayerin! Wie’s nur möglich iſt?
Ja gelt’ns! Jch war a mal eine Somnambül und ¾ Jahr beim Herrn Dr. Juſtinus Kerner in Dienſten. Da hab’ ich die Geiſter alle gelernt; denn Der hat’s nur ſo am Schnürl ghabt. Nun, was hat Jhnen denn der Waldjackel geſagt?
Unter der alten Galgenſtätt läg’ ein Sack mit Dukaten und wenn ich bei der Nacht ’nausging und thät’n heben, ſo wär er erlöſt; aber ich hab’ das Sprüchl vergeſſen, das ich dabei ſagen ſoll. Jetzt bin ich freilich petſchirt.
Nix petſchirt! wenn’S mir 20 Ducaten ver - ſprechen, will ich Jhnen gleich helfen.
Ah, das wär aber gſcheit.
So warten’S nur a wenig. Jch will mein Sach gleich holen.
Das is aber ein abſcheuliches Vieh.
No, no, machen’s keinen Gſpaß, Herr von Kater. Sie ſind ja ein char - mantes Thierl, ein allerliebſtes Dingerl.
So, da hab’n S jetzt, was S’ brauchen. Dieſen magiſchen Gürtel will ich Jhnen leihen, aber ich muß ſchon um Jhren verehrten Namen bitten und um fünf Gulden Caution.
Jch heiße Caspar Melchior Balthaſar Larifari, Privatier, und logire im Schneckengaßl Numero 13 über fünf Stiegen hinten naus zu ebener Erd.
Ja mein — das freut mich ungemein, Jhnen dienen zu können; dem Namen nach hab ich ſchon lang die Ehr, zu kennen.
Ghorſamer Diener, ghorſamer Diener, bitt recht ſehr.
Schon gut; jetzt nehmen Sie den Gürtel, hängen’ S’n beim Schatzheben um, und ſagen’S nur dabei: „ beim Gürtel des großen Holofernes, erſcheine! ‟ nachher haben’S ihn.
Den Holofernes?
Nein, den Schatz.
Bravo! Das iſt keine Kunſt! — Da haben’S die 5 Gulden, Frau Moosmayerin, und die 20 Dukaten bring ich nachher ſchon.
Gut, Herr Casperl. Kann ich vielleicht noch mit einem Schalerl Kaffee aufwarten?
Dank’ unterthänigſt? ich hab den mein grad z’Haus getrunken. Wenn’S erlauben, ſo empfehl’ ich mich.
Wie’s Jhnen beliebt. Aber ps! ps! Nur ſtill, geheimgehalten! Sonſt erwiſcht uns die Polizei und wir kommen Alle zwei vor’s Schwurgericht; und denken’s nur — Alle meine Kundſchaften! Das wär eine ſchöne Gſchicht! — Da wären die vor - nehmſten Perſonen compromittirt, die ſich bei mir Karten ſchlagen laſſen.
O ich verſteh, ich verſteh, Frau Moosmayerin. Sie können ganz ruhig ſein. Hab die Ehre.
Komm, Peterl, laß dich a bißl kratzen.
Auf und ab ſchweben wir, Her und hin, dort und hier; Weil wir in der Nacht ſo hupfen Haben immer wir den Schnupfen. Hui, hui!
Hui, der Wind pfeift fürchterlich Und der Mond grinſt ſchauerlich; Und wir arme Nachtgeſpenſter, Wir logiren ohne Fenſter, Hui, hui!
152Hätten wir nur einmal Ruh’! Barfuß fliegen ohne Schuh, Ach, wie friert uns an den Füßen! Schnell nur hinter die Couliſſen! Hui, hui!
Furchtbare Nacht! Schauerlicher Ort, wo das Verbrechen geſtraft ward. Wenn mich die alte Hex angführt hat, ſo ſind meine fünf Gnlden beim Teufel. Prrrr! mich frierts, ich gib, glaub ich, kein Tropfen Blut vor lauter Kuraſch. Muth, Muth! Caspar! Es gilt! Wennn mir nur nicht das Licht in der Latern ausgeht; auf den Mond kann man ſich gar nit verlaſſen. Der ſchneidt auch heut ſo ein ſaures Gſicht, als wenn er nicht vom beſten Humor wär.
Oho! wer lacht denn da? — Alles ſtill. Das war vermuthlich ſo eine Art Echo da hinten wo153 herauf. Alſo jetzt zum Werke! Dort iſt die alte Mauer, es überfällt mich ein Schauer.
Ein guten Morgen, Frau Schnipflhuber. Wo kommen denn Sie ſchon in allerfruh daher?
Ein’ recht gut Morgen, Madame Stimpferl! Sind Sie auch ſchon auf die Füß! Ja, ich komm grad vom Markt und vom Metzger her; hab, ein halbs Pfund Kalbfleiſch gekauft zu ei’m Eingmachten für mein’ Mann.
Für Jhren Herrn Gemahl? Muß der ſo was Extrigs haben? Schau, ſchau!
Ja, ebbes Weichs; er iſt nit ganz wohlauf, weil er ſich a bisl verkält’ hat, wie er vorgeſtern auf Commiſſion war.
Ei, was Sie ſagen? Ja, jetzt kann man ſich leicht erkälten, bei dem unbſtändigen Wetter. Aber es iſt beinah Nichts mehr zum kaufen vor lauter Theuerung, gelten’s Frau Schnipflhuberin?
No, wem ſagn’s denn das? Es thät noth, daß man einen jeden Pfenning abwieget. Mein Mann iſt doch Sekretär, aber mit ſeim Ghalt können wir wirklich nicht mehr auskommen.
Jch glaub’s gern. Was ſoll aber erſt ich ſagen, als Wittib mit meiner kleinen Penſion und meine fünf Hund?
Was? haben’s jetzt nur mehr fünfe! Sonſt hab’ ich ja alleweil ſechſe mit Jhnen ſpazieren gehen ſehen.
Ja, mein Joli iſt mir ja im letzten Kindbett drauf ganga, das liebe Thierl!
O das bedaur’ ich ungemein! — Sie apropos wo nehmen Sie jetzt Jhren Caffée? Beim Kauf - mann Schnautzlberger wird er jetzt ſo ſchlecht.
Jch nehm’ den mein beim Materialiſten in der Sterngaſſen, das Pfund dreißig Kreuzer und bin recht zufrieden damit; aber Sie brennen ihn viel - leicht zu ſtark.
Sie, da ſchaugn’S ’nauf, aber daß er’s nit merkt. Da ſchaugt er grad zum Fenſter raus.
Was denn? wer denn?
Nun, der Herr Casperl. Der kann ſich jetzt wohl ſein laßen.
Was? Der Herr Casperl? — Der die große Erbſchaft gemacht hat, wie’s in der Stadt heißt.
Mehrere Hunderttauſend Gulden!
Ja, über 300tauſend! — Aber, Sie Madame Stimpferl; ich hab’s ganz anders ghört?
Was haben’s gehört?
Ps! Ps! Nur ſtill! Einen Schatz hat er gfunden.
Was Sie ſagn! An Schatz? Nein! Das Glück aber —
Schaugen’S nur nit um; er ſoll furchtbar grob ſein, ſeit er ſo viel Geld hat.
Ja, das iſt ſchon möglich.
Aber jetzt muß ich nach Haus, es iſt höchſte Zeit; ich muß das Fleiſch zuſetzen, ſonſt wird’s158 mir nimmer weich, für mein Aten. Wünſch recht gut Morgen.
Ja, ich muß zu meine Hundeln, damit’ſ ihren Caffée kriegen. Die armen Dingerln wird’s ſchon elend hungern. No, ich hab’ die Ehre. Mein Compliment an Herrn Gemahl.
No! Was werden jetzt die Scharteken wieder zſammen geplauſcht haben? Da hätt nur meine Grethl noch gfehlt. Das wär’ das rechte Trifolium geweſen. Aber der ſchöne Morgen! So angenehm! Und das ſüße Bewußtſein des behaglichen Wohl - behagens! Privatier! Rentier! — — Auweh! wen ſieh ich da um’s Eck herum kommen? Das iſt ja der Schneidermeiſter Knöpfl, dem ich noch meinen neuen Frack ſchuldig bin.
Ah guten Morgen, Herr von Larifari. Hab’ die Ehre. Schon ſo früh auf?
Ghorſamer Diener, Herr Knöpfl. Sie meſſen vermuthlich einem Jemanden Hofen an?
Jawohl, jawohl; aber ich weiß einen Jemand, der mir einen gewißen Frack noch ſchuldig iſt.
Wenn das Anſpielungen ſein ſollen, ſo muß ich mir dergleichen verbitten.
Ja, und ich möcht’ ſchon bitten, daß Sie mich einmal bezahlen.
Was? bezahlen, bezahlen. Eine ſolche Lumperei! Ha, ha, ha! Da hab ich andere Leute noch nicht bezahlt, als ſolch einen Schneider! Mäh, mäh, mäh!
Herr Casperl, ich muß ſchon bitten.
Ha, bitten’S ſo viel Sie wollen. Sie ſind und bleiben halt doch ein Schneider.
Wenn Sie mich allenfalls beleidigen wollen, ſo ſind Sie ein grober Kerl und ſammt Jhrem Geld doch der alte Schuldenmacher.
Was grober Kerl? Schuldenmacher? Warten Sie nur — —
Jch werde Sie wegen Ehrenbeleidigung und Standesverletzung verklagen.
Verklagen? — Sie miſerable Schneiderſeele?
Wie? was? Das iſt impertinent! Das iſt zu arg!
Warten’S nur ein wenig! Jch werde Sie gleich auszahlen!
Jnfam! ſchändlich! ſchändlich! He! Polizei! Gendarm! — —
Ha, ha, ha! dieſen Gläubiger habe ich expedirt. Jch ſeh gar nit ein, warum ich die Leut bezahlen ſoll? Dazu hab ich mein Geld net. Wär nicht übel!
J bin a luſtiger Schuſterbu’, Und hab den ganzen Tag kein’ Ruh, Zu laufen hab ich immerfort, Bald bin ich hier, bald bin ich dort.
Jn aller früh heißt’s: „ Bua, heiz’ ein, Hol’ d’ Milch und mach dich auf die Bein; Jetzt lauf nur gleich um Stiefelſchmier Und hol’ für d’ Gſell’n a paar Maß Bier. ‟
Mittags trag Schuh und Stiefl ich aus Und lauf von ein’m in’s ander Haus — Doch komm mit einem Conto ich, Da ſchimpfen’s mich glei fürchterlich.
Da hab’ ich ſchon wieder eine ſogenannte Schuhmachermeiſterrechnung für den Herrn Casperl11162von Larifari, Jetzt bin ich ſchon das ſiebentmal da; wenn er aber heut net zahlt, nacher — —
Was hat Er da zu plären? der Herr von Larifari will Ruh haben vor ſeinen Fenſtern. Marſch!
Nix marſch, Herr Portier! Jch muß zum Herrn Casperl.
Was unterſteht Er ſich zum Herrn von Casperl zu wollen, der ſchlaft noch.
Das geht mich nichts an. Wecken S’n halt auf. Jch hab von meinem Herrn an Conto. Der Herr Casperl könnt ſchon einmal zahlen, ’s wär Zeit, laßt mein Herr ſagen.
Was? zahlen? — hier haſt du einſtweilen eine Abſchlagzahlung.
Auweh! Auweh! —
Das iſt die beſte Manier zum Auszahlen? Juhe! Schlipperdibix! — Die Erfindung, die ich gemacht hab, iſt ſchon großartig, als mein Por - tier vor meinem Logie zu ſtehen. Ha! da kann man grob ſein! Den Hut, das Bandelier und den Stock hat mir der Portier vom ruſſiſchen Ge - ſandten geliehen, weil ſein Herr auf’m Land iſt. Ein charmanter Mann, der ruſſiſche Portier; ich hab’ im blauen Bock ſeine Bekanntſchaft gemacht; denn
Kurz und gut: wenn Jemand zu mir will und beſonders, wenn dieſer Jemand mir verdächtig ſcheint, wie der eben hinausbezahlte „ Schuſterjunge ‟, — ſo ſagt mein Portier, das heißt: ich, incognito als mein Portier;
die Herrſchaft iſt nicht zu Hoſe. Wollen Sie gefälligſt Jhre Spielkarte abgeben: den Schellnober oder den Eichelzehner oder was Sie ſonſt bei der Hand zu haben beluben, oder zu11*164beluben haben, huben, hiben, hüben, heben br br und ſo weiter. ‟
Oho! was erblucke ich? Von ferne her ſeh ich einen Poluzeidiener ſchwöben. Sollte dieſer muſe - rable Frackanfertiger, dieſe elende Schneiderſeele mir etwa Unannehmlichkeiten zu bureiten Gulegenheit genommen haben? Pfui Teufel! Das wäre ge - mein! ja mehr als gemein! es wäre gewöhn - lich! Muth und Verſtellung! er komme!
Der Casperl macht ein’m doch alle - weil zu ſchaffen. Jetzt hab’ ich ’n, glaub ich, das Monat ſchon zwanzigmal auf die Polizei citiren müſſen und er iſt aber niemals kommen. Der iſt gſcheit. Aber dießmal, nach dieſer Schneiderehren - kränkungsgſchicht wird man Ernſt machen müſſen. Jch werde meine Amtsgewalt geltend zu machen wiſſen. Ah! mir ſcheint, das iſt ſein Portier. Der Casperl — und ein Portier? Nun, ’s Geld macht oft die Leut zum Narren.
Sind Sie vielleicht Portier des Herrn Casperl?
Vui, Vui! je suis portmonaie.
Wie, gar ein Franzoſe, etwa?
Je, Vui, Vui, parlez vous francais?
Verſteh’n Sie gar nicht deutſch? ſind Sie alſo Stockfranzoſe.
Stock, Stock, vui, vui! nix deutſch.
Aber wie iſt es dem Herrn Casperl eingefallen, einen franzöſiſchen Portier zu halten.
Stock, Stock, Stock.
Jch habe nichts mit Jhrem Stock zu thun. Jch muß zu Herrn Casperl, weil ich ihn zu arretiren habe. Laßen ſie mich in’s Haus.
Bon, bon, bon, Moſieur, kommet, kommet.
So, jetzt iſt der Polizeivogel gefangen! Juhe! Juhe! die Portierſtell’ iſt einträglich.
Heda! — ſchändlich! das iſt ein Verbrechen gegen die Staatsgewalt! Sperren Sie auf unten. Herr Casperl iſt oben nicht zu finden.
Vui, Vui! Der Herr Casperl iſt halt unten, wenn er nicht oben iſt. So, bleiben Sie nur ein wenig oben, ich will einſtweilen in’s Wirths - haus gehen und mit dem ruſſiſchen Portier ein paar Maß genießen.
Heda! heda! halt! halt! Jetzt bin ich in’s Haus geſperrt! Heda! — —
Ja, wer ſchreit denn ſo fürchterlich bei uns im Haus.
Madame Casperl! um’s Himmelswillen, da ſchaun’s her. Jhr Mann hat mich eingeſperrt. Machen’s nur auf und kommen’s herauf.
Nein, das iſt doch zu arg, was doch mein167 Mann Alles anfangt! Aber er hat ja den Haus - ſchlüſſel mitgenommen. Jch kann ſelber nicht hienein.
Da ſuchen Sie eine Leiter zu bekommen. Jch muß hinunter! ich muß hinaus! ſonſt verlier’ ich meinen Dienſt, weil ich ſo blamirt bin.
Da geht grad der Rauchfangkehrer um’s Eck. Der kann uns mit ſeiner Leiter aushelfen
Heda! Herr Rauchfangkehrer! Da kommen’s her.
Was wolln’S denn?
Sie kennen mich ja, Herr Schwarzmaier! Jch bin hier oben eingſperrt. Helfen’s mit der Leiter aus, nachher kann ich herunterſteigen.
Das iſt aber curios, daß jetzt der Herr Poli - zeidiener auch ſelber eingſperrt iſt!
Nun, Herr Schwarzmaier, ſind Sie doch ſo168 gut und lehnen Sie die Leiter an, damit ich hinunterſteigen kann.
Ei? meinen Sie? Da wird nichts daraus. Neulich, wie Sie mich arretirt haben, weil ich ein bißl zu luſtig war, da waren’s nicht ſo höflich wie heut. Sie ſind mir gut da oben. Jetzt wiſſen Sie auch einmal was vom eingſperrt ſein. Guten Morgen.
Bleiben Sie doch!
Herr Schwarzmaier! Herr Schwarzmaier!
Nix, nix, da!
Aber Madame Casperl! Jch bin in größter Verlegenheit!
Was fangen wir denn an? Jch kann doch die Hausthür nicht einrennen und ich wär auch nicht ſtark genug.
Thut Alles Nichts! Jch muß hinaus. Haben Sie keinen Strick im Haus, da könnte ich mich hinablaſſen.
Das iſt ein guter Gedanken. Jn der Küch liegt das Seil zum Waſchaufhängen. Das könnens brauchen.
Gut, gut!
Mein die Verlegenheit; es iſt zu arg.
Jetzt wirds gehen!
Nein das iſt gefährlich! Da kann ich net zu - ſchauen! Wenn Jhnen was geſchäh’: das kann ich nicht anſehen; ich müßt’ in Ohnmacht fallen.
Rala, rala ꝛc.
Oho! da hängt Einer! Ein Dieb? Ein Spitzbub, der bei mir kripſen hat wollen? Ah! jetzt fallts mir ein. Das iſt ja gar der Polizeidiener!
Mir ſcheint, der hat ſich erhängt! O du unvorſichtiger Selbſtmörder!
Kein Löbenszeichen!
So, jetzt liegen wir da!
Der is maustod, aber
ich habe koinen Theil an dieſem Ver - brechen.
So mußte ein Organ der aus - übenden Gerechtigkeitspflege des Staates enden? Dieſer Ehrenmann! ’Naus damit, in irgend einen Abgrund, ſonſt bekomm’ ich Fatalitäten.
Casperl! Casperl! — Was haſt du angfangen? Schrecklich!
Ha! Weib! — — Er fiel ſchuldlos! Er unterlag dem ungewöhnlichen Schickſal eines Po - lizeidieners! Ruhe ſeiner Aſche! —
Grethl, was fangen wir jetzt an? Auf d’ Letzt kommt die Gſchicht auf; der Verdacht einer Morithat fällt auf uns. Man wird ſagen: wir haben den Edlen abgemuxt!
Laß uns fliehen! — Jch meinerſeits flücht’ mich ins Wirths - haus und verſteck mich hinter einem Maßkrug. Du kannſt hingeh’n, wo du magſt.
Ei was nit gar! Wir ſind unſchuldig und da kann uns nichts geſchehen. Jch geh’ hinauf und koch’ unſere Leberknödel.
Das iſt gſcheit. Bis ich vom Wirthshaus heim komm’, ſind die Knödel geknödelt. Juhe! — Addio! Auf Wiederſehen.
Jetzt hab’ns mich doch erwuſcht. Wieder eine unangenehme Catuſtrophe meines Lebens! Die Leiche des Politivs wurde gefunden mit dem Strick um den Hals. Das andere Trumm an meinem Fenſter. Dieſe verdächtigen Jnſpizien gaben Veranlaſſung, daß man ſich meiner Perſon, die gerad im „ blauen Bock ‟ ſaß, verſicherte und criminaliſch tractirt. Ha,
Das iſt aber die alte Gſchicht: bin ich nicht im Wirthshaus, ſo bin ich auf der Polizei! ber - licke, berlacke! Eigentlich iſt das unterhaltlich. Aber ob’s dießmal gut ausgeht: „ das iſt die Quetſchen - brüh ‟ — ſagt der Hamlet in der Zauberflöten.
Jhr Geiſter! helft mir aus der Sauce! in die Jhr mich eingetaucht habt!
Du vermaledeiter Kerl ohne Kopf! Du la ng - weilige Erſcheinung! Wenn ich dich durch meinen173 Schatzgraben erlöst habe, wenn du deinen dummen Schedl wieder auf deinem Hals haſt — ſo er - ſcheine! —
Hier bin ich! bin ich!
Ah! Ah. — Das laß ich mir gefallen. Du biſt einmal ein ordentlicher Geiſt. Allen Respect! und wie ich ſeh’, haſt du auch deinen Hirnkaſten wieder am rechten Fleck.
Ja! Du haſt mich erlöst. Nun brauch ich mich vor meinen Collegen nicht mehr zu ſchämen. Jch muß nur noch eine kleine Zeitlang nachtwandeln, bis ich meinen Kopf wieder ordentlich tragen kann und ich ’n gewohnt bin. Dann ſchwebe ich in andere Sphären von der irdiſchen Laſt befreit; denn ich habe meine Verbrechen abgebüßt.
Bravo, das freut mich ungemein. Aber wie ſteht’s mit mir?
Auch du biſt befreit. Der Polizeidiener war nur ſcheintodt und hat ſich bereits auf der Polizei wieder zum Dienſt gemeldet. Deine Tugend iſt be - lohnt! Lebe wohl!
Ende.
Gartenbeſitzer.
deſſen Tochter.
deſſen Diener.
Siehſt du, liebe Tochter, wie das Alles unter unſerer Pflege gedeiht! Wie dieſe Fritiallaria herr - lich blüht!
Unverſchämter Burſche! Haſt dich wieder ſatt ge - freſſen? Haſt du doch die Roſen gut aufgebunden, Kind? Die Theeroſe dort wird prachtvoll.
Jch verſäume nichts, lieber Vater. Du weißt ja, wie ich die Blumen liebe.
Bleibe nur bei den Blumen; von den Män - nern — das weißt du — halte dich ferne. Mir ſoll Keiner an dich kommen. Du biſt meine Toch -Pocci, Komö dienb. 5tes Bdchn. 12178ter, du ſollſt bei mir bleiben; ich will nichts von einer Heirath wiſſen. Du mußt mich pflegen, wenn ich einmal gebrechlich werde. Jch bin zwar nicht mehr jung — denn 70 Jahre ſind ein paſſables Alter — allein der Duft der Blumen erhält mich und ſtärkt mich; und wenn ich einmal ſterben muß, ſo legt mich unter die Centifolia; bei ihr will ich meine Seele aushauchen.
Du ſollſt und wirſt noch lange leben, theurer Papa.
Hat mein Prognoſticon nicht gelogen, ſo werde ich wohl an die 100 Jahre erreichen.
O gewiß, gewiß ſollſt du ſo alt werden.
Nun will ich noch die Rhododendren gießen, dann komme ich zum Frühſtück hienein. Geh, und ſtreich mir gute Butterbrödchen.
Gleich, gleich, Vater.
Wunderbares Blumenleben, mit dem ich innig verwachſen bin! Ach! lebte doch mein liebes Weib, die Centifolia noch! Der rauhe Sturm des Lebens hat ſie ſo früh geknickt. Jn meinen Armen hat ſie ihren Duft verhaucht. All’ ihre Blätter ſanken auf mich und bedeckten mein Herz.
Seit ich ſie nicht mehr habe, bin ich ſelbſt wie ein zerknickter Stamm und wenn ich meine Toch - ter Apfelſina nicht hätte, ſo würde ich bald ver - dorren. Darum ſoll ſie auch bei mir bleiben.
Wer ſchellt? Vermuthlich iſt es wieder Jemand, der meinen Garten beſichtigen will. Glaub’s gern. Meine geheime magiſche Kraft macht freilich die Blumen blühen wie nirgend; aber die Lohnbedien - ten mit den Touriſten fangen an, mir läſtig zu werden. Jch werde mir künftig alle Beſuche verbieten.
Hab ich die Oehre? den berühmten Hortologen und Apfelhändler?
Wenn ſie den Pomologus meinen, ſo ſind Sie am rechten Orte.
Ganz gehorſamer Diener, Herr Dromologus.
Pomologus!
Allerdings, ohne Weiteres.
Und wen habe ich das Vergnügen bei mir zu ſehen? Sind Sie vielleicht Freund der Botanik? Naturkundiger?
O ja. Jch durchforſche ſehr die Natur; in je - der Hinſicht und bin Naturſpundiger, weil ich’s Bier immer am liebſten hab’, wenn friſch angezapft wird.
Dieß iſt mir nicht ganz verſtändlich.
Das kann ſein, denn ſie werden auch nicht die Weisheit mit Löffeln gfreſſen haben. O ja, ſehr ja!
Der Burſche ſcheint mir nicht bei Troſt.
Alſo — womit kann ich dienen?
Kurz und lang oder lang und kurz — ich bin Fumulus bei dem berühmten Topanicus Profeſſor Kräutlmayer, der mich vorausgeſchickt hat, um ſeine Fuſite bei Jhnen anzumelden.
Jch kenne den Herrn Profeſſor den Namen nach; ſoll mich ſehr freuen, ſeine perſönliche Be - kanntſchaft zu machen.
Wieder ſo ein Quälgeiſt!
Wenn Herr Spromoligus erlauben, ſo werd’ ich den Herrn Profeſſor herein holen.
Nun ſchnell zuvor noch zu Apfelſina, ihr zu ſagen, daß ſie ſich nicht blicken laſſen ſoll, während der Profeſſor bei mir iſt.
Dieß alſo nun der berühmte Jarten! Nich übel! Jſt mir aber ſo ziemlich Nebenſache. Es liegt mir vor Allem dran, das hübſche Blümchen Apfelſine, des Alten Töchterchen zu ſehen. Das wäre nu ſo’n Parthiechen für mich. Jch muß nur den Papa ’n bischen kirre machen, damit er in die Falle jeht. Die Tochter will ich ſchon ’rum kriegen, wenn ich alle meine Reize aufbiete. Er kömmt!
Herr Profeſſor Kräutelmayer!
Allerdings! fühle mich außerordentlich bejlückt, Herrn Dr. Pomologus von Anjeſicht zu Anjeſicht die Ehre haben, kennen zu lernen.
Bitte ſehr! Mir hingegen ſehr intereſſant, Sie bei mir zu ſehen.
Schon beim Eintritte in dieſen bezaubernden Jarten, war ich unjeheuer erjriffen. Sie haben ein Paradies jeſchaffen! Jn der That ’n Paradies.
Was ſie ſehen und gut heißen, iſt nur das Reſultat ſorgſamer Pflege. Jch habe Zeit dazu. Jch möchte Jhnen vor Allem meine Serie der Roſen empfehlen.
O, ganz charmant! welch eine Reihe der ſchön - ſten Exemplare! Jch ſchmeichle mir, in meinem Jarten eine ganz paſſable Auswahl zu beſitzen, al - lein mit Jhnen kann ſich wohl Niemand meſſen?
Darf ich Sie einladen, mit mir einen kleinen Rundgang zu machen?
O vortrefflich, vortrefflich!
Das iſt wirklich ein prachtvoller Garten. Die ſchönen Zwiefel! und die Peterſili zu die ſauern Erdäpfel! Und einen Rettig, Radi genannt, hab ich mir heimlich in’ Sack geſteckt für heut Abend zum Bier. Ach, das wird ein Genuß! — Potz Tauſend! die herrlichen Aepfel - und Birnbäume! So hab’184 ich’s aber noch nirgends g’ſehen. Da mitten drinnen ſteht gar ein ſchöner! Was ſteht denn auf dem Taferl!
Wär nit übel? Was ſteht denn da für eine Dummheit? Oho! das iſt nur eine Schikanederie. Da wird man lang fragen! Die Gemeinheit! Alles voller Apfel — und nix davon eſſen? — Jch hab’ einen infamen Durſt. Man hat mir nicht einen Tropfen in dieſem Hauſe opferirt, alſo einfach da - rauf angewieſen: friß Vogel, wo du kannſt! Die Spatzen fragen auch nicht lang und ich bin doch beſſer als ein Spatz.
Solche Aepfel hab’ ich meinem Leben nicht ver - ſchnabolirt! ſo ſüß! ſo ſaftig! Jetzt muß ich nur ſchau’n, daß ich noch ein Stückl Brod dazu be - komm’; das wird mir doch Einer von der Diener - ſchaft ſpendiren können.
Ne! das iſt denn doch jottlos! Kaum hatte ich185 ’n bischen anjefangen, auf den Buſch zu klopfen wegen der Tochter, iſt der Alte wie ’n Krebs roth jeworden, hat mir Jrobheiten jemacht und wir ſind ſo an’nander jerathen, daß ich janz echauffirt bei Seite jetreten bin, bis ſich der Alte calmirt haben dürfte. Aber det muß ich jeſtehen; der Jarten iſt reizend. Nich nur die Flora, auch das Obſt iſt janz charmant. Da muß ich doch nu jleich von den Aepfeln dort ’n bischen verſuchen. Det is’ ne Jatt - ung, die mir noch nich vorjekommen.
’ne janz neue Gattung! ſehr ſchmackhaft! wenn ſich der Alte ’n bischen ausjetobt, werd’ ich ’n er - ſuchen mir ’n Zweigableger zum Pfropfen abzulaſſen. Nu’ iſt’s aber ſo heiß jeworden, daß ich mich ’n wenig da in den Schatten ſetzen möchte, um zu ruhen.
Ja, ſehr — gute — Früchte des
Er ſchläft. Wie ich merke, hat er von den ver - botenen Aepfeln gegeſſen. Das macht mir immer Spaß, wenn ich es beobachten kann, wie die Mei -186 ſten der Verſuchung nicht widerſtehen. Nimmt ſich gut aus, der Herr Botanikus!
Was war das? wer hat jelacht?
Ah, da iſt ja das ſchöne, ſchöne Blümchen! Nu’ laß ich Sie nicht mehr los.
Laſſen Sie mich.
Jch habe mir vorjenommen, mir aus Jhres Vaters Jarten, die ſchönſte Blume zu holen.
Jch will nichts von Jhnen wiſſen. Nur fort, oder ich mache Lärm!
Halt, halt, mein Fräulein!
Aber, Herr Profeſſor! wo haben Sie die Ohren her?
Was, was Ohren! — Ha, ha, ha! Um’s Himmelswillen, was haſt du denn anjefangen! Du biſt ja ’n Eſel jeworden.
Wollen Sie ſich gefälligſt an ihr Oberhaupt langen.
Ne! was iſt denn das für ’ne Hexerei! Jnfam!
Furchtbar! jräulich! das iſt ’ne Zauberei!
Sie nehmen ſich aber außerordentlich hübſch aus.
Und du, Burſche? Juck ’n mal dort in den Waſſerſpiegel.
Schlipperment! die Teufelei! — No, wenig - ſtens kann man ſagen: wie der Herr, ſo der Diener. Jch kann doch dieſe fatale Verlängerung unter mei - ner Zipfelkappen neinſtecken, aber bei Jhnen geht das ſchon ſchwerer und Sie werden auf dem Löhr -188 ſtuhle eine ſchöne Figur machen. Wiſſen’s was, Herr Profeſſor! da nehmen’s Jhre große Papier - ſcheere und ſchneiden’s Jhnen den Kopfſchmuck ab.
Jch weiß jar nicht, was das für’ne fatale Geſchichte iſt; ich globe, ’s iſt nur ’ne optiſche Täuſchung.
Jmpertinenter Burſche! Au, au!
Das ſcheint doch keine optiſche Täuſchung zu ſein.
Schmählich! ſchmählich! Was fange ich nun an? Jch bin compromittirt.
Jch bin auch complimentirt.
Verwünſcht ſei der Jarten und die janze Wirth - ſchaft! Jch muß mich eben an Profeſſor Nußbaum wenden, daß er mich operire.
Das wird das Geſcheiteſte ſein. Aber Acht geben muß er, daß er Jhnen nicht auch eine Portion vom Hirnkaſten abſchneidt.
Komm’! laß’ uns fliehen!
O bleiben Sie nur! Wo wollten Sie mit Jhrem Kopfſchmuck hin, ohne verlacht und verhöhnt zu werden? Verzeih’n Sie den kleinen Scherz. Je - ner Apfelbaum, der ſchon manchen Beſucher meines Gartens angelockt hat, iſt ein koſtbares Exemplar, welches ich von meinen Reiſen aus Jndien gebracht habe. Wer von ſeinen Früchten genießt, hat die unangenehme Folge der Ohrenverlängerung zu er - fahren. —
Allein — da läßt ſich helfen. Verſprechen Sie mir, Herr Profeſſor, meine Tochter und mich mit Jhren Anträgen nicht mehr zu beläſtigen und Sie werden geheilt.
Was will ich machen? Jch verſpreche, was ſie wollen.
Gut. Begeben Sie ſich gefälligſt zu dem Spring - brunnen uud waſchen Sie ſich.
Danke! danke!
Unnatürliches Ge - wächs!
Verlaſſe meine edle Phiſionomie! —
Es iſt jammerſchad, daß nicht überall ſo a Zauberbrunnen ſteht. Da könnten gar viele Leut ihre Köpf’ waſchen!
ägyptiſche Fee.
ihr Gemahl, ein Magier.
deren Tochter.
ſeine Frau.
Müller.
deſſen Knechte.
Jnhaber einer Menagerie.
Das ſind mir glückliche Zeiten! Ueberall Eiſen - bahnen! Wenn Einer ’s Geld hat, kann er hinfahren wo er will; er braucht dann nur noch Logie im Wirthshaus und’s Eſſen und’s Trinken zu zahlen. Freiheit grad gnug! und die koſt’t kein Kreuzer. Aber man hat auch pudlwenig davon. Einigkeit, Frieden, Glückſeligkeit überall, won man die Naſen hineinſteckt! Aber bisweilen ſtinkt’s wo. Was aber das übrige Leben betrifft — ſo weiß ich nit, ob’s da gar ſo brillant herſchaut. Zum Beiſpiel hab’ ich ſchon ſeit geſtern mit meiner Grethl Nix z’eſſen, weil wir bei der Theuerung nicht das nothwendige Material buſitzen, uns einen Brocken Fleiſch zuPocci, Komödienb. 5tes Bdchn. 13194kaufen, ja nicht a mal ein’ Batzen Eier zu einem Strudl, weil jetzt 1 Batzen Eier zwei Batzen koſt’; das machen vermuthlich die Verkehrsmittelerleichter - ungsanſtalten. Da fliegt Alles aus’m Land und kommt nichts herein, außer um’s dreifache Geld.
Pfui Teufel, ſind das Anſtalten und Verhält - niſſe! — Aus Hunger hab’ ich mir da um 3 Kreuzer ein’ Angelhacken kauft, ein Schnürl und den Beſenſtiel hab’ ich g’habt; jetzt will ich einmal das Fiſchen probiren, vielleicht derwiſch ich a paar Bachfiſcheln.
Oho! Was ſteht da gſchrieben? „ Hier iſt das Fiſchen verboten. ‟ No, das iſt mir gerad recht. Das iſt ein Beweis, daß’s was zum Fiſchen gibt, ſonſt wär’s nicht verboten. Und die verbotene Koſt ſchmeckt immer am beſten. Alſo Kuraſch!
No, no, no! da zieht ſchon was. Ah, das muß ein ſchwerer Fiſch ſein. So, ſo — nur langſam, damit das Schnürl nit reißt!
Oho! der Fiſch g’fallt mir. Mit dem kann ich wenigſtens einheizen. Auch nicht übel. Vermuthlich195 hat den Stiefelzieher ein ſich gebadethabender Hand - werks - oder anderer Burſche in’s Waſſer fallen laſſen.
Gleich wieder probirt! Vielleicht fang’ ich noch ein paar Stiefel.
Ah! das Glück — ſpür’ ſchon wieder, daß was anbeißt. Holla! holla! nur Zeit laſſen! Das iſt wenigſtens ein 10 pfünd - iger Karpf — wo nit gar ein junger Wallfiſch.
Schlipperdibix! Eine Kafee - ſchalen. Ah! die is für meine Grethl recht. Jetzt möcht ich aber noch ein Pfund Caffé dazu erwiſchen.
Herrſchaft! ich hab’ aber Glück! beißt ſchon wieder was! Hop! hop!
Bravo! das iſt einmal Etwas zum ſchnabuliren!
Nichts zum ſchna - buliren, Mouſieur Casperl!
Hören’s auf mit dem Zwicken! Das iſt ja höchſt unangenehm.
Jch laſſe nicht eher los, bis Sie mich ruhig angehört haben.
Ja, ja! Auwehzwick! hörn’s nur auf. Jch will ſchon aufmerken, umſomehr, da es ja höchſt curios iſt, daß ein ſtummer Krebs ſpricht, wie unſer Einer.
Hören Sie, Herr Casperl. Sie dürfen ſich Glück wünſchen, an dieſem verbotenen Orte Jhre Angel ausgeworfen zu haben, um mich zu fangen.
So? — ah, das will ich glauben.
Jch bin eigentlich von Geburt aus kein Krebs, ſondern eine unglückliche Fee’ntochter, welche in dieſe Geſtalt verwandelt iſt.
Schlipperment nochmal, da hab’ ich alſo ein „ Fang gemacht, ‟ wie man zu ſagen pflegt.
Allerdings! — Hören Sie.
Jch hab’ ja ſchon ghört. Jch möcht Sie lieber in der Schüſſel haben.
Die Krebſe, wie Sie wiſſen, ſind von Natur nicht roth.
Das weiß ich. Vermuthlich ſind Sie alſo ein ſchon geſottener Krebs.
Nein, dieß iſt nicht der Fall. Jch bin nur ſchamroth.
Schlipperment! Schamfuſo alſo!
Meine Unglücksgeſchichte iſt folgende:
Was? a Gſchicht auch noch; die Gſchicht wird mir a bißl zu lang.
Nun alſo: Jch heiße Zimbimbimperl, bin hin - ter den ägyptiſchen Pyramiden geboren. Mein Va - ter iſt der Magier Crocodilus und meine Mutter die ägyptiſche Fee Perſea.
Gut, hören’S nur gleich auf; denn da Jhre Maman Perſea, ſo verſteht ſich die Gſchicht „ per se ‟.
Still! oder ich zwicke. Ein unglückliches Ver - hängniß war die Urſache, daß meine Eltern ſich trennten. Jch war das Opfer dieſes ehlichen Zwi - ſtes; mein eigener Vater hat mich in die Geſtalt verwandelt, in der Sie mich vor ſich ſehen. Jn Jhrer Hand liegt es, mich zu retten. Das „ Wie ‟ iſt vor der Hand noch mein Geheimniß. Auf Wie - derſehen!
Vor der Hand, nach der Hand, in der Hand — das war eine ſaubere Fiſchparthie — und meinen Angelhacken hat mir die krebsrothe Perſon auch ab - gebrochen.
Halt da! Auf ein Wort, Herr Casperl!
Auf ein Wort? Wenn’s wollen, auf mehrere.
Wer hat denn Jhnen da das Fiſchen erlaubt, in meinem Forellenbach? Haben’s net g’leſen, was auf der Tafel da ſteht?
Tafel? Tafel? was?
Da ſchaun’s nauf.
Jch hab’ mein ABCbüchl heut nicht bei mir, und da hab’ ich nicht leſen können.
O, Sie Schlaucherl! Sie hätten ſchon lang wiſſen können, daß das Fiſchen hier verboten iſt.
Oho! der Menſch braucht nicht Alles zu wiſſen.
Nur keine Ausreden! Jch habe Jhnen ſchon ſeit einer Viertelſtund von meiner Mühl aus zu - gſeh’n, wie’S ganz gemüthlich geangelt haben — —
Und ganz gemüthlich nix erwiſcht haben — müſſen’S dazuſetzen.
Kurz und gut, Herr Casperl, Sie zahlen zwei Thaler Straf.
War nit gar? Jch hab’ ja nix g’fangt.
Macht nichts. Das ſtrafbare Reat iſt vorhanden.
Was Reat oder Chocolat! Jch zahl’ einmal nichts.
Gut. Warten’s nur a wenig.
Michel! Toni! Allo!
Wir brauchen keine Gſellſchaft.
Der Herr wird arretirt.
Was? das laß’ ich mir nicht gefallen.
Das iſt mir ganz einerlei, ob’s Jhnen gefallt oder nicht gefallt.
So?
Wie gefällt Jhnen denn das?
Sie ſind ein unverſchämter Menſch.
Jetzt packt’s nur gleich an!
Ausgelaſſen oder ich ſchlag’ drein!
Wir machen keinen Spaß!
Ach! ich unglückliche Mutter! wo finde ich202 meine geliebte Tochter, die mein grauſamer Gemahl verzaubert und gebannt hat — ich weiß nicht wo - hin? Als wir uns wegen des magiſchen Gürtels, den ich ihm nicht geben wollte, entzweihten, gerieth der ſonſt ſo ſanfte Crocodilus in eine ſolche Wuth, daß er mir fluchte und mir unſere ſchöne Tochter Zimbimbimperl raubte. Weh mir! Nun durch - ſchweife ich wie raſend den halben Erdkreis und finde keine Spur von dem theuern Kinde, trotzdem daß ich alle meine Fee’nkünſte angewandt habe. Zum Tode ermattet will ich hier an dieſer einſamen Stelle ein wenig ruhen, dann wieder fort, fort durch alle Zonen! Endlich wuß mein magiſch-elec - triſcher Zaubergürtel doch zur Entdeckung meiner theuren — vielleicht unglücklichen Tochter führen. Großer Oſiris hilf mir dazu!
Süßer Schlummer ſende mir eine Stunde Troſt, den Troſt des Vergeſſens! Bin ich erwacht, ſo jagt mich der Jammer des Schmerzes wieder durch die Welt. Endlich werde ich erliegen müſſen. O mein Kind — mein — Kind!
Potz Donnerwetter, bin aber ich g’loffen! Die203 Kerl haben mich ſchon an die Mühl gſchleppt und haben mich in den Bach werfen wollen. Zum Glück iſt der Müllereſel ausgekommen und während ſie dem nachg’loffen ſind, hab’ ich mich durch einen kühnen Sprung über zwölf Mehlſäck gerettet. Da bin ich jetzt. Jn dieſem verdächtigen Felſenthale, dem Aufenthalt der Nachteulen, Fledermäuſe und Spitzbuben! Halt! da liegt was! Ein woibliches Wöſen. — Wer kann dieſe einſame Spazorgängerin ſoin? Sollte ſie ſich zu einem Rendezvous hier ein - gefunden haben?
Schlum - merndes Wöſen! Holde Geſtaltung! — Willſt du nicht erwachen? — —
Wer weckt mich? Wer iſt ſo grauſam, mich der tröſtenden Ruhe zu entreißen? —
O verzoihe! Jch war es.
Grauſamer! wüßteſt du, wie unglücklich ich bin, ſo hätteſt du mir den kurzen Augenblick gegönnt.
Ha! du biſt unglücklich? Auch ich bin unglücklich! Auch mich verfolgt das Miß - geſchick des Löbens.
Aus deinen Blicken ſpricht Wahrheit. Könnte ich dir helfen!
O könnte ich auch Jhnen helfen! Sprechen Sie, mit was kann ich aufwarten?
Mir kann Niemand helfen.
Niemand?
O! meine Tochter!
Sie ſind alſo Mutter? — Und Jhr Gatte?
Mahne mich nicht an dieſes Ungeheuer.
Sollte ihr Gatte ein verflixter Kerl ſein?
Jch verſtehe dich nicht. Aber du ſcheinſt ein guter Menſch zu ſein. Jch will mit dir gehen, ich will dir mein Elend erzählen.
Schon wieder eine Erzählung; hab’ ich erſt die Geſchicht von der Zimbimbimperl hören müßen — jetzt noch eine G’ſchicht!
Wie? Was höre ich? — Menſch’, wo haſt du dieſen Namen gehört? Jch beſchwöre dich! Wo haſt du ihn gehört?
Jm Entenbach bei der Mühl von einem Krebſen.
Jhr Götter!
Mir ſcheint, ſie ſchlaft noch; denn ſie ſchnarcht wie ein Droſchkengaul.
Ja, ja — ſie ſchlaft noch, die hergelaufene Mamſell. Das iſt wieder ein Streich von dir, daß du mir die wandernde Comödiantin in’s Haus gebracht haſt. Schau nur den Anzug an! Vermuthlich iſt ſie mitten aus der Comödi davon - glaufen, wie ſie eine Prinzeſſin vorgeſtellt hat. Eine ſchöne Prinzeſſin das!
Weib! Achtung vor dem Unglück! Humanität! Dieß iſt der Wahlſpruch der Zeit und des Fort - ſchrittes.
Laß mich aus mit den Faxen.
Jch habe dieſes unglückſelige Weib verlaßen in der Einſamkeit gefunden. Jch fand mich berufen zur Rettung.
Vernimmſt du ihren Morgengeſang?
Das iſt vermuthlich eine italieniſche Arie.
Was net gar! Das iſt eine Art Schnada - hipferl.
Kurz und gut: ich bitt’ mir aus, daß die Perſon bald aus’m Haus kommt.
Was? Perſon? Sie iſt ein höheres Wöſen. Ha! Sie kommt.
Guten Morgen, ihr lieben Leute!
Haben S’ doch gut geſchlafen?
Jch ruhte ſanft im Schooße der Nacht.
Das verſtehe ich nicht. Jn was für einem Schooß hat ſie denn geſchlafen? Haſt ihr denn kein Ducket gegeben?
Habn S’ vielleicht den Caffée ſchon getrunken, den ich Jhnen in aller Fruh auf’s Nachttiſchl gſtellt hab?
Jch danke Dir, gute Frau. Jch trank nur die Milch. Aber ich habe keine Raſt und Ruhe mehr. Edler Mann! ich beſchwöre dich, mich an das Gewäſſer zu führen, aus dem du die Er - ſcheinung hatteſt, an dem der wunderbare Krebs —
Jch werde Jhnen den Weg zeigen, daß Sie nicht mehr fehlen können; aus gewiſſen Gründen muß ich mich ein wenig zurückgezogen halten.
O ſo laß uns gehen! Zögere nicht!
Wenn’s Jhnen beliebt.
Dank ſei euch für die Herberge. Die Götter mögen euch ſegnen. Komm, edler Freund, laß uns gehen.
Gehn wir; aber nicht zum Fiſchen.
Adieu, adieu, ſchöne Mamſell. So wird denn mein Casperl gar nicht gſcheit. Nein; ich muß eine Geduld mit dem Menſchen haben, daß ich’s bald nicht mehr aushalten kann. Bringt er mir noch ſpät Abends die Perſon da in’s Haus — weiß der Himmel, wo er ſie aufgepackt hat? JchPocci, Komödienb. 5tes Bdchn. 14210hab ihr im Kammerl gleich a Bett machen müßen. Er hat ſein Kopfkiſſen dazu hergegeben, ich mein Plümeau. Sie hat ihm allerhand vorgſchwätzt, er hat ihr was von einem rothen Krebs erzählt, den er beim Fiſchen g’ſehn hat; nacher hat ſie furcht - bar lamentirt. Kurz: entweder iſt die Perſon aus’m Narrenhaus entſprungen oder ſie iſt eine vacirende Schauſpielerin und will ſich im Volkstheater enga - giren laſſen. Jch hoff’, der Casperl kommt bald wieder nach Haus. Jch will jetzt auf’n Markt gehn, damit ich’s Fleiſch zuſetzen kann.
Jch bin der Magier Crocodilus. Dieß muß ich vor Allem dem hochgeehrten Publikum mit - theilen. Als ich vor ein paar Monaten am ſonni - gen Ufer des Nilſtromes im Schilfe lag und in meinen tiefen magiſchen Studien begriffen war,211 wobei ich zu entdecken beſtrebte, warum auch das Nilwaſſer nicht aufwärts, ſondern abwärts fließt — als ich — oh! oh! oh! an meine verſtoßene Gattin Perſea dachte und an unſre theure Tochter, die ein unglückliches Opfer meiner magiſchen Auf - wallung wurde — als ich damals eingeſchlafen war, wurde ich durch ein Geräuſch geweckt. Als ich erwachte, befand ich mich in Feſſeln, ohnmächtig mich meiner magiſchen Mittel zu bedienen, um mich zu befreien, weil mir meine Tatzen gebunden waren. Nilfiſcher hatten meinen Schlaf benützt, mich zu fangen und — o Schmach! mich an einen europäiſchen Menageriebeſitzer zu verkaufen, der mich nun in einer vergitterten Badwanne producirt und noch dabei ein Extratrinkgeld begehrt. Oh! es iſt gräulich, furchtbar, daß ich in dieſen Zu - ſtand der Entehrung verſetzt wurde! Heute, glück - licherweiſe vergaß der Wärter, das Gitter zu ſperren. Da Alles ſchlief, ſtieg ich aus der Wanne und floh unbemerkt. — Dank den Göttern! Ein ge - wiſſer magiſch-electro-galvaniſch-hydraſtatiſcher Zug, ein „ ich weiß nicht was ‟ von inſtinktmäßiger Ahnungsgefühlsbewegung veranlaßte mich, dieſen Weg zu gehen; allein was fange ich an? Man14*212wird nur zu bald meine Abweſenheit entdecken. Wohin mich flüchten? Ah! — Hier iſt Waſſer, mein eigentliches Element. Wenn es aber nur 20 Grad Reamur hat, wie das Nilwaſſer an kühlen Tagen, außerdem könnt ich mir eine Er - kältung zuziehen. Jch will hinunter ſteigen.
Vortrefflich! Jch bin geborgen.
Bekanntlich ſind die Fiſche ſtumm, Doch iſt dieß wirklich gar zu dumm, Drum ſingen im Theater wir Gerade ſo, wie jedes Thier.
Das Schickſal hat es ſo gelenkt, Daß ſich der Vater hier verſenkt, Allwo als Krebs die Tochter ſein Verwandelt lebt in Schmerzenspein.
Bald ſoll’n wir auch die Mutter ſeh’n; Wer weiß, was hier nun wird geſcheh’n? Wir tauchen wieder in die Fluth Und hoffen, Alles ende gut.
Nur ſtill, daß uns Niemand hört!
Sind wir alſo zur Stelle?
Wir ſind zur Stöhle.
Jn dieſen Fluthen alſo erſchien dir mein un - glückliches Kind?
Jn dieſen Gluthen erſchien mir der Krebs. Jch weiß aber nicht, ob dieſer Krebs ein Kind war, viel weniger, ob dieſes vermeintliche Kind ein Mannsbild oder ein Weibsbild war, ob dieſe Krebs - geſtalt — —
Schweige, laß mich allein in dieſer ſtummen Finſterniß.
Wohl! ich will Sie in dieſem dummen Hinder - niß alloine laſſen; aber paſſen S’ auf, daß Sie der grobe Müller nicht erwiſcht.
Wenn dieß der Ort iſt, wo ich meine Tochter wiederfinden ſoll — wenn dieß die Fluthen, in welchen das arme Kind in häßlicher Geſtalt den unvorſichtigen Fluch eines verblendeten Vaters büſſen ſoll — wenn ihr Götter es ſo zugelaſſen — oh! ſo ſteht mir bei, ihr himmliſchen Gewalten, ſie zu befreien! Schenkt mir mein Kind wieder!
Ein Zeichen ſeh’ ich am nächt - lichen Himmel. Jhr Sterne, wenn ihr der Fee Perſea Stimme vernehmet, erſcheinet!
Dank euch, himm - liſche Leuchten!
Bei der Kraft des Zaubergürtels, der meine Lenden umſchließt mit den heiligen Zeichen Mne - vis, Kanobos, Onuphis und Beſa und Eumenuthis, Oxyrinchos und Lepidotos — Tochter! Tochter! Tochter! zeige dich! Höre die Stimme deiner Mut - ter!
Himmliſche Mächte!
Mutter! Mutter, rette mich!
O mein theures Kind! Was verlangt ihr, Götter? Welches Opfer ſoll Perſea euch ſpenden?
„ Den Casperl Larifari! ‟
Wie? Den, welchem ich das Wiederfinden meiner Tochter danke?
Ja! Ja! Ja!
Wenn ich es vermag — ſo ſei es denn! Nun falle aber, häßliche Hülle der Schönheit!
Ha! was ſeh ich? Sie liegt in den Armen der Mutter!
Ja, Unſeliger! Sie iſt mein Kind.
Aber auch Meines!
Zurück, Rabenvater! Du biſt ihrer nicht werth.
Nun! So fürchte die Macht deines eigenen Gatten, des Magiers Crocodilus!
Ha! Ungeheuer!
Wo bin ich? Wach ich oder träum’ ich?
Mir ſcheint, ich hab Jhnen einen tüchtigen Puffer auf den magiſchen Schedl gegeben, als Sie geſtern Weib und Kind eigenhändig zu freſſen be - lieben wollten. Jetzt liegen Sie ſchon ſeit geſtern Abend bewußtlos da.
O welch ein Verhängniß!
Nix Verhängniß! Wenn wir Jhnen nicht die ganze Nacht über Eisumſchläg’ gemacht hätten, ſo wären Sie bereits caput; denn der Doctor, der218 ſchon in aller Fruh da war, hat gſagt: Sie hätten eine „ promotio Schnereberi. ‟
O ich fühle mich ſo matt und elend. Mein Kopf ſchmerzt mich noch heftig. Meine magiſche Kraft iſt gebrochen.
Und das Alles hat meine leiſe Andeutung auf Jhren Gehirnkaſten mit dem Prügel gemacht.
Oh! Weckt in mir nicht dieſe ſchmerzlichen Erinnerungen. Wo iſt mein Weib, wo mein Kind?
Hinter den Couliſſen. Sie trau’n ſich nicht heraus, weil Sie ſo ein böſer Kerl ſind.
O, ſie haben Nichts zu fürchten. Jch bin nicht mehr der zornige, rachſüchtige Crocodilus. Der Schlag des Schickſals hat mich hart ge - troffen.
Alſo bin ich eigentlich das Schickſal, weil ich Jhnen den Schedel beinah eingeſchlagen habe.
Meine Gehirnſubſtanz ſcheint erweicht zu ſein. Jch bin ſanft und gut. Jch könnte immer weinen.
Geniern Sie ſich gar nicht. Jch will gleich ein Lavor bringen, damit Sie Jhre Crocodilthränen hinein laufen laſſen können.
O, ich bin ſo ſchwach, daß ich befürchte ſterben zu müſſen.
Wenn Sie mir verſprechen, daß Sie ruhig ſind und vor Sie abſchnappen nicht mehr beißen, ſo will ich Gattin und Tochter hereinlaſſen.
O befürchte nichts. Jch fühle mich ſo elend, daß jedenfalls keine Gefahr für die Meinen.
Alſo gut!
Gnädige Frau, Fräulein, kommen’s nur herein zum Papa!
Mein Gemahl!
Mein Vater!
Oh! Oh!
Jch fände es unbe - ſchoiden, dieſer Familienſzöne beizuwohnen.
Perſea, verzeih mir! Du kannſt es; denn wir haben ja unſere Tochter wieder.
Gerne verzeih’ ich dir. Alles ſei vergeſſen.
O mein Vater! Gib mir deinen väterlichen Segen.
Wie glücklich bin ich! Jch werde nicht ſterben, da ich Tochter und Gattin wieder habe.
Retten Sie ſich! Der Menageriebeſitzer Löwen - majer iſt im Vorzimmer. Er will ſein entſprungenes Crocodil.
Ha! — Kinder, ich muß mich verbergen. Fort! Fort!
Rettung! Rettung!
Helft mir! Jch will mich aufraffen.
Wer klopft ſo impertinent?
Verzeihen Sie, mein Herr. Jch habe gehört, daß Sie mein entſprungenes Crocodil in Jhrer Behauſung haben.
Was Crocodrill? Jch weiß nichts davon. Sie haben Nichts bei mir zu thun.
Jch verlange mein Eigenthum zurück und dringe darauf, daß Sie mir das Crocodil aus - liefern.
Was ausliefern! Jch bin kein Lieferant.
So muß ich Gewalt brauchen.
Was Gewalt? Sie, Flegel Sie!
Sie fordern mich heraus, mein Herr!
Es ſcheint, daß Sie nur mit Beſtien umzu - gehen wiſſen.
Allerdings, wie es ſcheint!
Hier liegt der Löwe! —
Bei den Göttern! Was iſt geſchehen?
Hier liegt er. Hinaus damit.
Schrecklich! aber nothwendig. Und abermals biſt du unſer Retter. Und dich ſollte ich den Göttern opfern? Nimmermehr!
Was haben’S jetzt da gſagt? Jch ſoll den Göttern geopfert werden. Wär nit übel! So was iſt bei uns gar nicht der Brauch. Erſtens glaub’ ich an keine Götter, und Zweitens ſollen mich Jhre Götter nur holen, wenn ſie mich haben wollen.
Alſo fürchteſt du den Zorn der Götter nicht?
Was net gar? Jch bleib bei meinem Glauben.
Du kannſt recht haben, Freund. Die Macht unſerer Götter iſt auf unſere Zone beſchränkt; bei Euch vermögen Sie nichts.
No — was hab’ ich denn Anders gſagt? Und wenn die Götter von Aegypten abſolut ein Men - ſchenopfer zum Freßen haben wollen, ſo wird ihnen wohl auch der Menageriedirector gut genug ſein.
Deine Klugheit, deine Weisheit überraſcht mich, lebteſt du in meiner Heimath, ſo würde man dich224 bald in die eleuſiniſchen Geheimniße einweihen und zum Meiſter vom Stuhle der Freimaurer wählen.
Freimaurer? — alſo arbeiten die Maurer bei Jhnen zu Lande umſonſt? Die könnt man bei uns heraußen ſehr gut brauchen, beſonders jetzt, wo der Taglohn ſo theuer wird und die Kerls doch nur einen halben Tag arbeiten.
Scherze nicht; du biſt würdig in den Bund der Magier aufgenommen zu werden;
und wenn ihr Götter es ge - ſtattet, ſo beſchwöre ich euern Donner, daß wir eure Stimme vernehmen!
Ende.
Profeſſor und berühmter Reiſender.
ſeine Frau.
Neurer.
Magiſtratsrath.
Hausherr.
Magiſtratsdiener.
ein Affe.
No! jetzt iſt’s Zeit zum ſchlafen! Casperl! Auf! auf! Haſt gar Nichts zu thun, als zu ſchla - fen? Eſſen, trinken und ſchlafen — das ſind deine Gſchäften,
Oho! oho! was gibt’s denn!
Was’s gibt? Der Hausherr war ſchon zwei - mal da. Unſere Meubel hat er ſchon auf die Gaſ - ſen ’nunterſtellen laſſen. Auszieh’n heißt’s! Fort aus’n Logie.
Jetzt hab ich ſo ſanft geruht und du weckſt mich auf wegen dem Bagatell.
Furchtbares15*228Verhängniß! Ha, ich weiß es. Das ſchauerliche Ende eines Monats iſt eingetreten. Schickſal! ich frage dich: Warum? warum, rum, rum, rum ꝛc. ?
Warum? — darum: Weil’ſt ſchon drei Monat den Zins wieder nicht bezahlt haſt. Jetzt ziehn wir heuer ſchon das fünfte Mal aus. Es iſt ein wahre Schand!
Dieſes Aus - und Einziehen iſt aber doch all - weil eine geſunde Beſchäftigung. Ein ſogenanntes Wanderleben, eine Art Nomaderie.
Ja — kein Menſch will uns mehr im Haus behalten wegen deiner ſaubern Wirthſchaft.
Was? Wer ſoll denn die Wirthſchaft ſauber halten? Wer? — das Woib, welches ſchon ſeit Adam und Eva zur Wirthſchaftshalterin buſtimmt iſt. Was ſagen Sie dazu? Madame?
Was ich ſag? — Daß du das ſchlechte Ele - ment im Haus biſt. Ohne mich wären wir ſchon längſt zu Grund gegangen.
Das iſt ſchon gar nicht wahr und nicht mög - lich. Es gibt nur vier Elemente: Luft, Feuer, Erde und Waſſer. Ein Fünftes exiſtirt nicht, alſo kann ich ſchon gar kein Element ſein. Das heißt man Logik.
Sei ſtill mit dein’m Gſchwätz. Schau dich lie - ber um ein Logie für uns um. Wir können doch nicht auf der Gaſſen ſchlafen.
Wär’ auch nicht übel. Unter Tags im Freien und Nachts im Wirthshaus. Bräucht’ man nicht einz’heizen. — Aber ich bin der Mann! Und ich will es ſein. Jetzt merk’ auf, theures Woib: Drin auf’m Fenſterbrettl ruht ein einſamer Sechſer, eine jetzt noch gangbare Silbermünze. Nimm dieſen Gegenſtand und begib dich damit zur Baſen, der Frau Schneizlhuberin. Macht’s euch einen Caffé, und dort erwarte mich.
Ein’ Caffé? um ein’ Sechſer für zwei Per - ſonen?
Die Schneizelhuberin ſoll auch einen Sechſer dazulegen, nachher könnt ihr auch noch eine Bretzen dazu haben. Unterdeſſen werde ich in das Leben hinausſtürzen und eine Logieſuchungswanderfahrt unternehmen. Alſo jetzt fort, fort, hinaus!
Wer kommt denn da wieder?
Jch bin’s, Herr Casperl. Heut ſchon zum dritten — aber letzten Mal. Machen S’ nur gleich, daß aus’n Haus kommen.
Herr Thürmüller, das iſt nicht die Manier, wie man mit gebildeten Leuten und ſoliden Par - theien ſich zu benehmen hat. Jch weiß ſehr gut, daß ich Jhr miſerables Logie zu verlaſſen habe; allein der Anſtand würde erhuiſchen, daß Sie mit der Modification zeitgemäßer Rückſicht auf ein Familienetabliſſement zweier allgemein respectirter kinder - und elternloſer aber nicht ſittenloſer Perſo - nen, wie ich und meine Gemahlin, ihre nicht un - billigen Forderungen zu rectificiren belieben möch - ten und nicht als ein wirklicher Thürmüller einem mit der Thür in’s Haus fallen.
Das iſt mir Alles Einerlei. Sie haben drei Monat Jhren Zins nicht bezahlt, ich hab’ Jhnen aufg’ſagt, alſo: Marſch, aus’m Haus!
Was? wie? „ Marſch. ‟ Auf welcher Stufe von Bildung ſtehen Sie, daß Sie einen Ausdruck ge - brauchen, den man ſchon vor dem neuen preußiſchen Reglement nur auf dem Exercirplatze gehört hat?
Jetzt machens nur keine Flauſen. Zahlen S’ mir meine 15 Gulden und machen S’ daß fort kommen. Es zieh’n andere Leut ein.
Was die 15 Gulden anbelangt, ſo iſt das eine Kleinigkeit, von der wir gar nicht reden wollen.
Was — nicht reden? Machen Sie oder ich mach’ Ernſt.
Da haben Sie eine kleine Abſchlagszahlung.
Und da haben S’ die Quittung.
So iſt’s recht! Zahlen und quittiren!
Er iſt dahin! Mein treuer, guter Schimpanſe — Erſchrecklich! Dieſes koſtbare und unerſetzliche Exemplar! Das wichtigſte Reſultat meiner Reiſe um die Welt! — Was fang’ ich jetzt an? Der lebendige Beweis des Darwinismus, das evidenteſte Subject für die Theorie, daß das Menſchengeſchlecht ſeinen Urſprung nur im Aſſen zu ſuchen hat; und wie weit in der Cultur war er durch meine Erziehung gebracht! Er war beinah ſchon ganz Menſch
und nun iſt er eine Leiche!
Jetzt gerade eine Störung. Man ſoll nicht wiſ - ſen, daß mein Schimpanſe krepirt iſt.
233Bitt’ um Verzeihung, gehorſamſter Diener! die Thür’ muß nit recht zug’weſen ſein. Bitt unter - thänigſt — —
Wer ſind Sie, mein Herr, daß Sie ſo ohne Weiteres eindringen?
Wer ich bin? Ach! ein Unglücklicher, Hoimath - loſer.
Wie ſo? Was wollen Sie hier?
Jch habe in einem Blattl ausgeſchrieben geleſen, daß ein Herr Profeſſor einen Budienten ſucht, auf deſſen Redlichkeit und Fleiß er ſich verlaſſen könne. Jn dem Anfragsbureau hat man mich hieher ge - wieſen. Und da bin ich halt gſchickterweis gleich höflich zur Thür hereingfallen.
Sie ſuchen alſo einen Dienſt?
Ein cu - rioſes Exemplar, das.
Ja, ich ſuche einen Dienſt, aber allein nur mei - ner Xalifixation angemeſſen und einen der Befrie - digung meiner Subſtanz entſprechenden Aufenthalt.
Der kömmt mir gelegen. Vielleicht könnte ich ihn wohl gebrauchen.
Wo haben Sie Jhre Zeugniſſe? Jhre Referenzen?
Jch buſitze weder Zeugniſſe noch Deferenzen. Wer nicht meiner Phuſionomie traut, wer
mir nicht offen und ehrlich in mein blaues Auge ſchauen kann — der iſt nicht mein Mann. Jch war bisher freier Staatsbürger — —
Sie ſind alſo wohl durch Verhältniſſe genöthigt, einen Dienſt zu ſuchen?
O ja! ſehr ja!
die Verhältnuſſe, die Strickſale, die Wirren — Zwirren — — Alles, Alles — —
Gut. Jch will es mit Jhnen verſuchen, wenn Sie auf meine Bedingungen eingehen.
O ſehr, denn ich bin ſchon oft eingegangen.
Sie werden gut bezahlt und gut genährt. Jch hatte die Fatalität, meinen bisherigen treuen Diener zu verlieren —
Und nicht mehr zu finden?
Verloren — durch den Tod! Hier iſt ſeine Leiche.
Pfui Teufel! dieſer Budiente hat ja einen Schwoif?
Jch habe ihn zwar als Wilden aus Africa mitgebracht; allein er war ein treffliches Subjekt.
Und jetzt ſoll ich dieſes Vieh vorſtellen?
Es iſt meine Livrée. Nun, alſo? —
Erlauben S’ nur, daß ich mich ein bißl buſinne,
Gut bezahlt, gut genährt. 25 fl. monatlich muß er mir geben. — Ah, auf einige Zeit kann ich’s ja probiren und auf die Maskerad kommt’s mir auch net an; da kennt mich kein Menſch — auch meine Grethl nicht. Das gibt einen Haupt - ſpaß. —
Mir iſt’s recht und ich bin dabei; aber monatlich fünf und zwanzig Gulden und Alles frei!
Einverſtanden. Folgen Sie mir in das Neben - zimmer. Nehmen Sie Jhren Vorgänger mit.
Alle Thüren offen! Freier Eintritt in das Hei - ligthum der Wiſſenſchaft. Dieß iſt groß! dieß iſt würdig! — So denke ich mir auch den Mann. Nun ſoll ich ihn kennen lernen, Aug in Aug! dieſen berühmten Mann. Schon dieſes Zimmer,237 in welchem ſein Geiſt ſchafft und wirkt, iſt eigen - thümlich reizend. All dieſe Objecte! Und hier auf ſeinem Pulte noch die kaum eingetunkte Feder! keine Stahlfeder! Nein! der alte würdige Kiel! Auch dieß iſt eigenthümlich und groß. — — Er kömmt!
Ach! was ſeh ich? — Dieß iſt wohl ſein Schimpanſe — ſein Diener. Merkwürdig!
Schimpanſe! Schimpanſe!
Was iſt denn das für eine curioſe Figur?
Wie kann ich mich ihm wohl verſtändlich machen! Jſt der Herr Profeſſor zu Hauſe? Monsieur le Professeur, est-il chez lui?
Ja, ja, ja, ja, oui, oui, oui, oui!
Jntelligentes Weſen! — Willſt du mich mel - den? Fräulein Blauſtrumpf.
Pr, pr, pr, pr, pr!
Jch bin Privatgelehrtin und Touriſtin.
Schnurrnurrſchnurrnurriſtin!
Allerliebſt! Da ſieht man es unwiderlegbar: Darwin hat recht. Ein Affe und ſo intelligent, wie irgend ein menſchliches Weſen — allergings zwar auf etwas niedrigerem Culturſtandpunkte; ſo mögen wohl die Urmenſchen geweſen ſein. — Er naht, der ſüße, holde Gerſtenzucker!
Mein Profeſſor ſchlaft, alſo kann ich’s riskiren, den Herrn zu ſpielen.
Ha! Ah! Ha! habe die Oehre; alſo Fräulein Blauſtrumpf? ſelbſt Stiftſchrellerin? Sehr erfroit, die Ehre zu haben.
Ja, ich bin Adalgiſe Blauſtrumpf. Glücklich, wenn Jhnen vielleicht mein unbedeutender Name ſchon einmal vorgekommen!
O ſehr, ſehr — budeutend! budeutend!
Mein ſehnlichſter Wunſch iſt in Erfüllung ge - gangen. Jch — eine Jhrer größten, begeiſtertſten Verehrerinen — ſtehe nun an dem Born der moder - nen Wiſſenſchaft, dem Träger des Darwin’ſchen Syſtemes!
Allerdings, Mademoiſell.
O, wie könnte ich ihnen huldigen?
Sie ſchuldigen mir gar Nichts. Apripos! Wie gefällt Jhnen mein Affe! a netter Kerl, nit wahr?
Der lebendige Beweis für die neue Lehre. Wie240 vortrefflich erläutern Sie dieß in dem 45. Hefte Jhres Journals „ die Weltkugel! ‟
Was? — Weltkugel? Weltkugel? Kegelkugel, Kegelkugel — ja, ja, ja, ja, ja!
Nicht wahr? Sie haben dieſes Exemplar von Jhrer letzten Reiſe aus dem ſüdlichſten Spitze Süd - africa’s mitgebracht?
Ja, aus der niedlichſten Spritze von Saffrica.
Das Fragen wird mir zwider.
Das Sprüchl aus’m ABC Büchl wiſſen Sie gwiß:
Bitte, bitte: Solche Naivität bei ſolcher Ge - lehrſamkeit?
Womit kann ich eigentlich aufwarten?
Herr Profeſſor haben auf Jhren großen Reiſen doch höchſt intereſſante Momente erlebt.
O ja, die Monumente beſonders; — allein meine Monumente ſind koſtbar und ich bin immer ſehr auf das Honorar für meine koſtbare Zeit ge - ſpannt, ſogenanntes douceur?
Sehr natürlich
Jch hätte mir ſo gerne die Freiheit genommen, Jhnen die erſten Bogen meiner neueſten Novelle vorzuleſen —
Forelle? blau abgſotten oder gebacken?
Die Novelle heißt: „ Der Sieg des Geiſtes über die Finſterniß. ‟
Ha! „ Finſterniß! ‟ da muß es ſehr dunkel, ſehr dunkel ſein. Aber — meine Zoit iſt ſehr koſt - bar, weſſen-wegen ich mir alle Viſiten bezahlen laſſe, wie die Doktoren, die die Leut umbringen.
Da will ich nicht länger ſtören und werde ein andermal ſo frei ſein — —
Halt e bißl, das geht nicht ſo ſchnell. Zuerſt fünf Gulden — nachher können S’ abblitzen.
Wie — Herr Profeſſor? — ſonderbar — in Jhrer Stellung? — —?
Nicht ſonderbar, ſondern bar. Wenn nicht — ſo könnte ich einige gelehrte Gewaltmittel in Anwendung zu bringen mir erlauben.
Es iſt nicht möglich, ſolch ein Betragen! Sie wollten — —?
Ja, ich wollte — kurz, wenn Sie nicht einen Fünfguldenſchein hergeben, ſo werden Sie dieſes Zimmer auf eine etwas ungenehme Manier ver - laßen — —
Das überſchreitet Alles! Jch gehe, aber ent - täuſcht!
Nur, hinaus, wenn Sie nicht zahlen.
Schändlich! —
Was iſt das für ein Lärm?
Nur ein kleiner Wortwechſel.
Aber was ſehe ich? Wer hat Jhnen erlaubt, meinen Schlafrock anzuziehen? Welche Kühnheit!
Glauben Sie denn, daß ich alleweil den Affen machen will? Jch bin gleich auch einmal als Pro - feſſor aufgetreten. Sie können Jhren Affen biswei - len ſelber machen.
Was fällt Jhnen ein? Jn einer ſolchen Weiſe beginnen Sie, Jhre Dienſte bei mir zu leiſten?
Jetzt bin ich ſchon einen halben Tag bei Jhnen und hab’ noch kein’ Bißen zu Eſſen und keinen Schluck zum Trinken bekommen!
Welch ein Benehmen! Er iſt der Diener, und ich bin der Herr. Schweig Er alſo! Das Uebrige wird ſich finden.
So alſo? da muß ich ſchon anders auftreten.
Schändlicher Burſche!
Zwei Stunden hab’ ich jetzt ſchon auf den Casperl gewart’. Wo ſteckt der wieder? Er hätt’ mir ſchon lang die Antwort bringen können, ob er ein Logie für uns g’funden hat. Gewiß iſt er wie - der in einem Wirthshauſe hängen geblieben. Der Menſch iſt unverbeſſerlich. Da kommt ja der Ma - giſtratsdiener; der hat’s aber preſſant heut!
Guten Morgen, Madame. Halten’S mich nur nit auf; ich hab’ keinen Augenblick Zeit.
Nu, was gibt’s denn gar ſo Wichtig’s?
Nu — denken S’ Jhnen Madame Casperl: Dem Profeſſor Gerſtenzucker iſt ſein Aff ausge - kommen. Sie kennen ihn ja?
Freilich! Jch haben ſchon öfters mit ſeim Affen ſpazieren gehen ſehen. Der iſt aber ganz zahm; wie a Lampl iſt er mit ihm gegangen.
Nun, das Vieh iſt auf einmal rabiat worden, hat’n Herrn Profeſſor ſelbſt beutelt und iſt aus - g’ſprungen.
Das kann aber ein Unglück geben.
Er iſt zwar ein gelehrter Aff, aber halt doch ein Aff. Er beißt und kratzt wie die Andern. 246Beim blauen Bockwirth iſt er gleich ’neingrumpelt, hat’n Wirth, d’ Wirthin, d’ Kellnerin abgebeutelt, hat ſich Bier und Würſt geben laſſen und iſt nacher zum Fenſter ’nausgſprungen.
O mein, o mein! Wenn ihm nur mein Casperl nicht in die Händ lauft —
Jetzt hat man ihn —
Den Casperl? —
Nein — den Affen, beim Caffetier unter die Bögen hineinſpringen ſeh’n. Jch hab’ den Befehl, ihn zu fangen; aber ich muß erſt einen Gerichts - diener requiriren; denn allein trau’ ich mich nicht über das wilde Thier. Adieu, Frau Casperl. Jch kann mich nimmer aufhalten.
No machen ’S nur, daß’n bald kriegen.
Das iſt doch wirklich eine tolle Geſchichte, Herr Magiſtratsrath: Ein Aff bringt die halbe Stadt in Allarm.
Da müſſen Sie halt eine Sitzung zuſammen - berufen, Herr Bürgermeiſter.
Aber ich bitte Sie, Herr Rath! Eine Sitzung wegen eines ausgekommenen Affen.
Das Ereigniß iſt ein novum. Da können Sie nicht ohne Magiſtratsbeſchuß verfügen.
Ein einfacher Polizeifall! Da muß ich mir freie Hand vorbehalten.
Und ich meinerſeits als Rathsmitglied müßte proteſtiren — nach Paragraph 125 des neuen Polizeiſtrafgeſetzes und nach Paragraph 9 der Ge - meindeordnung. Das Geſetz beſtimmt noch dazu öffentliche Sitzung.
Jch bin gewiß möglichſt für Collegialverfahren und öffentliche Verhandlung, allein hier liegt ein Ausnahmsfall vor, wo raſches Einſchreiten ange - zeigt iſt. Jch nehme die Verantwortung auf mich als Bürgermeiſter.
Das iſt Jhre Sache, Herr Bürgermeiſter. Wenn Sie den Gegenſtand ſo auffaſſen, kann ich Nichts dagegen haben. Jch gehe vorläufig auf einen Schoppen in’s Weinhaus. Wenn Sie mich brauchen, ſo kann man mich dort finden.
Halts’n auf! fangts’n!
Der Aff, der Aff!
Das iſt kein Spaß, Herr Magiſtratsrath!
Da haben wir’s. Da kommt der Aff! Hätten Sie nur gleich eine Sitzung anberaumt.
249Platz, Platz! Gikeriki! Pr, pr, prrrrr.
Das iſt a Gſpaß! Das freut mich! Alle fürchten’s mich. Mein’ Hausherrn hab’ ich auch umgerennt! — Aber jetzt muß ich wirklich a bißl ausſchnaufen. Gegeſſen, getrunken, was in mich hineingegangen iſt — beim blauen Bockwirth, im Caffeehaus, im Schnapsladel — nacher das Springen und Laufen! — no! das eſchofferirt weiter net! Potz Schlipperment! Da ſeh ich meine Gattin kommen. Mit der muß ich auch einen Jux haben. Jch verſteck mich.
Das iſt erſchrecklich, was der Aff für eine Re - bellion macht. Kein Menſch traut ſich mehr aus’m Haus. Jch muß nur machen, daß ich heim komm. Mein Casperl hab’ ich auch nirgends gfunden!
Pr, pr, prrrr!
Auchweh! auweh! Der Aff! Helft’s mir! Jch bin verloren!
Du, du, du — abſcheulichs Weib!
Laßen’s aus, Herr Aff, ich bitt gar ſchön!
Wo iſt der Casperl?
Jch weiß net, wo mein lieber Mann iſt. Wolln’n Sie vielleicht was Gut’s? oder einen Kaffee? Was Sie wollen, kriegen ’S. Laßen ’S nur aus! Sie droßeln mich ja.
Da iſt der Kerl!
Jetzt aufgepaßt! Kouraſch! So krieg’n wir’n gleich.
Haben wir dich Beſtie?
Oho — ho — ho, pr, pr, prrrr!
So, jetzt nur gleich auf’n Magiſtrat mit dir. Da wird man Dir’s ſchon zeigen.
Ja, da wird man dir Mores lehren!
Das wäre doch des Gukuks, wenn man der Beſtie nicht habhaft werden könnte! Jch habe aber alle Maßregeln getroffen. Der Profeſſor Gerſten - zucker muß jeden Augenblick hier erſcheinen. Jch muß mich doch mit ihm in’s Benehmen ſetzen und hab’ ihn deßhalb eventuell citirt, damit er gegen - wärtig iſt, wenn man den Affen arretirt hat.
Herein!
252Ah, Herr Profeſſor! Freut mich, die Ehre zu haben. Aber in welch’ einem Zuſtande?
Jch weiß nicht, was mein ſonſt ſo zahmer Schimpanſe plötzlich für einen Anfall von Wildheit gehabt, daß er mich, ſeinen Wohlthäter, ſo miß - handelt hat. Er iſt eigentlich ganz ſanfter Natur.
Bedaure ſehr; aber, aber: naturam expellas, tandem …
Jch kann nur vermuthen, daß er über die Flaſche Branntwein gekommen iſt, welche ich zum Experimentiren gebrauche und aus Verſehen auf dem Schreibpulte ſtehen ließ.
Nach Allem, was ich amtlich erhoben, ſcheint doch ſeine animaliſche Tendenz noch zu prävaliren; denn er hat ſich unbändig benommen und große Wildheit geoffenbart. Ohne Zweifel wird er aber253 bald eingebracht werden. Jch habe wackere, coura - girte Leute.
Wenn man ihn bringt, zweifle ich nicht, daß er, wie er mich ſieht, gleich beruhigt wird. Bisher folgte er mir wie ein Kind; ich habe ihn bereits ein Jahr bei mir und nicht das Geringſte kam vor.
Nicht wahr? Sie haben ihn aus dem uncul - tivirteſten Theile Afrikas?
Allerdings: Er iſt ein Schimpanſe aus den antidiluvianiſchen Urwäldern, ein Darwinexemplar.
Jch bin auch ganz der Anſicht, daß die Menſch - heit urſprünglich ein Affengeſchlecht war. Das Syſtem iſt ſo klar, ſo einfach, ſo natürlich und dem Fort - ſchritt der modernen Wiſſenſchaft ganz angemeſſen, überhaupt — —
Aha! ich denke, man bringt ihn.
Toller Kerl! haben ſie dich? Was machſt du aber auch für Streiche? Geſchah dir ganz recht. Du brauchſt wohl wieder einmal die Peitſche.
Sei nur ruhig und brav.
Wünſchen Sie, daß ich den Delinquenten in amtliches Verhör nehme. Dann müßte ich Sie bitten, den Dollmetſch zu machen.
Jch denke, es wird nicht nöthig ſein.
Jedenfalls iſt der Vorfall für Sie nicht ohne Folgen. Es ſind bereits Klagen auf Schadenerſatz eingelaufen, actio de pauperie. Der Kerl hat viel Unheil angefangen.
Fatal für mich, allein ich werde wohl bezahlen müßen.
Jch darf den Kerl nicht verrathen, ſonſt iſt mein Ruf compromittirt.
Jetzt müſſen Sie mich ſchon als Affen gelten laſſen, bis wir draußen ſind, ſonſt ſind Sie als255 Lügner und Betrüger elend blamirt. Und wenn wir zu Haus ſind, bitt ich mir 50 fl. aus, damit ich’s Maul halt.
Nur ſtill und ruhig. Wir werden uns leicht verſtändigen. Ein Mann ein Wort.
Ganz und gar, wie ich Jhnen voraus ſagte. Wenn Sie nichts dagegen haben, Herr Bürger - meiſter, ſo werde ich ihn jetzt wieder nach Haus nehmen.
Juhe, Juhe!
Ruhig Schimpanſe! Sie ſehen, wie er ſich heim freut.
Jn der That, ein komiſcher Burſche. Doch muß ich amtlich bitten, daß Herr Profeſſor für die Zukunft Caution ſtellen wegen allenfallſigen ähn - lichen fatalen Vorkommniſſen. Was die Entſchädig - ungsanſprüche betrifft, werde ich mein Möglichſtes256 thun, daß annehmbare Vergleiche zu Stande kommen. Es ſteht ganz bei Jhnen, ſich jetzt zu entfernen.
So komm mein Bürſchchen. Mach hübſch deine Complimente.
Ei, wie liebenswürdig jetzt!
So hab ich denn die Ehre, mich zu empfehlen.
Es iſt doch eigenthümlich, was für merkwürdige Fälle ſich in einer großen Stadt ereignen können.
Herr Bürgermeiſter, haben wir alſo keine Sitzung?
Nein, Herr Magiſtratsrath; allein es ſcheint, daß während ein Affe hinaus iſt, Sie den Andern herein bringen!
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
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