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deſſen Töchter erſter Ehe.
Die Jagd iſt zu Ende. Jch bin müde.
No — ich mein’s! Jetzt jagen wir ſchon den ganzen Tag ’rum. Wir könnten gnug haben an der Hetz. Jch komm mir ſelbſt wie ein Windſpiel vor. Und was haben wir erwiſcht?
Nicht Viel! S’iſt wahr. Waidmannsglück war mir nicht hold heute, weder mit Armbruſt noch Speer.
Jch war ſo glücklich, einen Haſen laufen zu ſehen und ein Eichkatzl iſt mir über’n Weg ge - ſprungen.
Tollkopf!
Allein einen Hunger hab’ ich, einen Durſt —
Nichts als Hunger oder Durſt heißt’s bei Dir. Dieß iſt deine Lebensaufgabe.
Jch glaub’, daß das auch ſo ziemlich Jhre Lebensaufgabe iſt; denn, wenn Sie den Hunger nicht ſtillen und den Durſt nicht löſchen würden, ſo wär’s aus mit Jhnen; alſo iſt Eſſen und Trinken auch Jhre Löbensaufgabe.
Nun — ſo beeile dich, deine Pflicht als Menſch zu erfüllen. Reite in’s Schloß voraus; pflege Deines koſtbaren Lebens. Beſtelle mir mein Nacht - mahl. Jch will hier noch ein wenig ruhen und der Abendluft genießen. Bald folg’ ich nach.
Sogleich werde ich meinen Schimmel beſteigen, den ich da draußen hinter den Couliſſen angebun - den hab’ und nach Haus trotteln. Gehorſamſter Diener.
Wie froh bin ich allein zu ſein! Vielleicht finde ich das holde Mädchen wieder, dem ich ſchon ein Mal zu dieſer Stunde hier begegnet bin. Mein weiſer Erzieher und Freund Aſtraleus las in den Sternen, es ſei an der Zeit, daß ich eine Gattin nehme. Nun denn, wenn die Vorſehung es will, da ich doch den Knabenſchuhen entwachſen bin, ſo ſei es! Allein ich fühle mich zu dieſem unbekannten lieblichen Weſen ſo hingezogen, daß ich mir keine Andere zur Braut wählen könnte. Sieh da: Jn der That — ſie kömmt wieder aus der Tiefe des Waldes hergeſchritten. Jch will mich verbergen, um ſie zu belauſchen.
O wehe! wie bin ich heut wieder müd! Aber warum ſuchen und pflücken ſie nicht ſelbſt mit mir, da ſie Erdbeeren und Brombeeren haben wollen? Sie ſind wohl meine Schweſtern und auch meines Vaters Töchter, wie ich; allein ich ſpüre Nichts da - von. Sie thun Nichts, als mich quälen, plagen, und ich habe kaum genug zu eſſen und darf nur6 am rauchigen Kamine ſitzen und da heißen ſie mich darum Aſchenbrödl. Ach, es geht mir recht ſchlecht. Meine liebe todte Mutter weint gewiß im Himmel oben, wenn ſie auf mich herabſieht.
Jhr lieben Täublein ſeid noch meine einzigen Freunde, die ihr mich ſtändig begleitet.
Liebes Kind, warum weinſt Du ſo bitterlich?
O weh! — was habt ihr mich doch erſchreckt.
Verzeih mir! — Jch habe ſolch Mitleid mit Dir. Schon das zweitemal find’ ich Dich hier in Thränen. Kann ich Dir nicht helfen?
Jhr ſeid wohl gut; allein mir iſt nicht zu helfen. Es iſt eben ſo mit mir. Aber vielleicht ändert’s doch der liebe Gott, wenn es mir zum Heile iſt.
Sage mir doch: Wer biſt Du denn? Darf7 ich es nicht wiſſen, und ich bin Dir ſo gut! Du ſcheinſt mir ſo lieb und fromm.
Ach nein, nein. Die Schweſtern ſchmähen mich immer ein abſcheulich Ding und puffen und ſchla - gen mich. Jch kann ihnen Nichts recht machen.
Ei, haſt Du Schweſtern?
Freilich hab’ ich deren, allein es iſt, als ob ich keine hätte. Jch bin nur ihre Magd im Hauſe. Seht: da ſchicken ſie mich immer um ſüße Beeren in den Wald, und bringe ich nicht jedesmal den Korb voll — da ſetzt’s wieder Püffe ab.
Pfui, das iſt abſcheulich! — Laß mich mit Dir gehen. Jch will Dich beſchützen.
Es kann nicht ſein.
Komm’ doch, ich gehe mit.
Wohin iſt ſie?
Seid mir gegrüßt, mein theurer Sohn! es ſenkt Der Abend ſich, bald deckt die Nacht das Thal. Kommt heim zur Burg; es harret ſchon das Mahl. Längſt ſucht ich euch.
Und ich ſteh’ nun vor euch, Von einem Wunder ſchier entrückt. Ein Bild entſchwand, das mich entzückt!
O habt Geduld. Jch las in Himmelszeichen, Daß euch des Glückes Gunſt nicht wird entweichen, Was für den Augenblick euch ſcheint genommen, Zur rechten Stunde wird es wieder kommen.
Das Feuerchen im Kamine thut wohl. Die Herbſtabende werden ſchon kalt. Nicht wahr, meine theuern Töchter fein?
Wo nur der Fratz wieder ſo lange bleibt?
Schon ſeit Nachmittag fort und noch nicht da!
Ja, aber nicht unbillig! Es iſt keine Kleinig - keit, daß Aſchenbrödl euch, Leckermäulchen, täglich Körbe voll Erdbeeren und dergleichen heimbringen10 ſoll. Dazu braucht es wohl Zeit; denn die wach - ſen nicht um das Schloß herum. Da heißt’s „ laufen ‟ und „ ſuchen. ‟
Das verſtehſt Du gar nicht, Papa. Aſchen - brödl iſt ſo faul, daß ſie ſich immer im Walde auf’s Moos legt und ſchläft.
Was thut ſie den Anderes, als faullenzen?
Das möchte ich denn doch nicht behaupten. Sie arbeitet ja den ganzen Tag für euch, und ihr gebt dem Kinde kaum die Abfälle von unſerer Tafel zu ihrer Nahrung.
Aſchenbrödel hat zu eſſen genug. Sie braucht nicht mehr.
Ueberhaupt iſt ſie ein unnützes Meubel im Hauſe.
Ah! das iſt ein Bischen ſtark. Ein Meubel! 11Das Kind meiner zweiten Gemahlin! Meine Tochter — ſo gut wie ihr beide.
Jhr hättet eine zweite Frau gar nicht zu nehmen gebraucht.
Ja, meine Schweſter hat ganz recht. Dann wäre das dumme Ding auch nicht auf die Welt gekommen.
Aber, aber! ihr ſeid wieder ſehr muthwillig heute, liebe Mädchen. Nun, ſeid nur nicht gar zu böſe mit Aſchenbrödel, wenn ſie heim kömmt. Jch will vor dem Abendeſſen noch ein Schläfchen machen.
Gut, gut. Schlafen Sie nur, Papa, daß iſt das Beſte was Sie thun können.
Zum Souper wecken wir Sie ſchon.
Aber heute bleibt Aſchenbrödel doch gar zu lang aus.
Da ſetzt’s eben wieder ein paar Ohrfeigen mehr ab.
Ei, ei! Sind Sie endlich gefälligſt wieder da, Mamſell?
Da haſt du deinen Lohn, faule Dirne.
So! da haſt du von mir auch noch Etwas zur Belohnung!
O weh! ich bitt euch: ſchlagt mich nicht. Jch bringe den Korb voll der ſchönſten Waldbeeren.
Um den Bettel zuſammenzubringen, haſt du bis in den ſpäten Abend hinein gebraucht?
Vermuthlich wieder im Wald herum geſchwärmt? Marſch! in deinen Winkel hinter’m Kamin! Da iſt ein Stück Brod für dich.
Ach, mein Gott! Jhr ſeid recht hart gegen mich. Jch thu’ euch doch zu lieb, was ich vermag.
Schweig! Geh’ an deinen Platz!
Seid ihr wieder da, ihr lieben Täubchen, mein einziger Troſt? Da, eßt mit mir von meinem Brod. Was bringt ihr mir für Neuigkeit aus dem Walde?
Wer pocht da?
Haſt du die Vorthüre nicht zugeſperrt, Aſchen - brödel? Du dummes Ding!
Jch weiß nicht. Laßt mir Ruhe.
Verzeiht, ſchöne Damen, daß ich ungebeten ein - trete; aber ich bin ſo arm, daß ich heute noch keinen Biſſen über die Lippen gebracht habe.
Und vornehme Leute beläſtigt.
Ach, mein Fräulein, ihr wißt nicht, wie weh der Hunger thut, wie beſchwerlich das Alter iſt!
Das thut uns ſehr leid; aber was geht das uns an? Geht euere Wege!
O, geſtattet nur, daß ich euch ein Liedchen vorſinge; dann erſt bitte ich um ein paar Pfennige Almoſen.
O hört des alten Sängers Lied, er
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iſt ſo bettel - arm; Oft hat er nicht ein
Stücklein Brod, nicht einen Biſſen warm, nicht
einen Biſſen warm. Von dem nur was ihr
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übrig laßt, um dieß nur bitte ich, Was
von der Ta - fel nieder fällt, da - von beſchen-ket
mich, da - von beſchenket mich.
Gönnt einen Trunk aus dem Pokal, Gefüllt mit edlem Wein; Nur einen einz’gen kühlen Trunk — Jch werd’ beſcheiden ſein.
Und hab’ mein Lied geſungen ich, So zieh’ ich wieder fort Und wand’re mit der Laute dann Arm hin von Ort zu Ort.
Des langweiligen Singſangs und Klingklangs hätten wir nicht bedurft.
Wir haben ſelbſt nicht immmer Alles, was wir möchten.
Unſer Haus iſt keine Anſtalt für Bettelvolk —
Oder für Muſikanten. Komm, Schweſter, laß uns zum Abendeſſen geh’n!
Ach! nur einen Biſſen! Nur einen ſtärkenden Schluck Wein für einen alten Mann!
Macht, daß ihr fort kömmt, ſonſt — —
Laſſen wir euch den Weg hinausweiſen.
So wird die Armuth verſtoßen! Unbeſchenkt muß ich meines Weges weiter zieh’n.
Nicht doch alter Mann! Jch habe zwar ſelbſt nicht Viel, aber Was ich habe, das will ich euch geben. Bleibt ein wenig; ſetzt euch zu mir an den Kamin her; ruhet aus. Die Schweſtern kommen ſo bald nicht wieder.
O du liebes gutes Kind. Jch hatte dich ja gar nicht bemerkt. Wo ſtackſt du denn?
Dort, am Kamine; da iſt mein Platz. Setzt euch; da iſt mein Brod und ein Stückchen Käſe. Jch hab’s noch vom Mittagseſſen in meiner Taſche.
Danke, danke tauſendmal! Gott wird dir’s ver - gelten.
Aber ſage mir: du ſprachſt von deinen Schwe - ſtern. Sind es dieſe beiden, die uns eben verließen?
Freilich ſind ſie’s.
Und ſie behandeln die Armuth auf ſolche Weiſe? Und dir ſcheinen ſie auch nicht ſehr hold zu ſein?
Jch bin zwar ihre Stiefſchweſter, allein ich bin nur ihre Magd. Sie nennen mich immer das Aſchenbrödel, weil ich da am Kamin kaure, wenn ich nicht in der Küche oder Kammer zu thun habe. Sie mögen mich gar nicht leiden. Ach! wenn meine Mutter noch lebte! — Wie lieb hatten wir uns.
Du armes Kind! Könnt ich dir helfen! ich bin ja ſelbſt ein armer Mann. Segnen aber will ich dich. Der Segen eines Greiſes wird dir nicht ſchaden.
Thut es, lieber Mann. Meine Mutter ſegnete mich an jedem Abende; und ſeht: ſo wie jetzt, kniete ich immer vor ihr nieder.
Papa! was hörte ich? Du haſt einen Brief erhalten — —?
Von Prinz Arnold?
Eigenhändig?
Monopropria!
Höchſt wichtig!
Und wie wichtig! — Ja, meine glücklichen Töchter, in Folge dieſes durchlauchtigen Schreibe - briefes zweifle, zweifle ich nicht, daß der hohe mir manupropria angekündigte prinzliche Beſuch — o vernehmt glücksſchauernd was ich vermuthend wit - tere! — ich ſage: der hohe prinzliche Beſuch —
Nun? Nun? —
Dieſer Beſuch Euch Beiden oder mindeſtens Einer von Euch Beiden gewidmet ſei. Denn,23 wie ſeit einigen Tagen bekannt, hat der Prinz eine Rundreiſe im Lande vor, um ſich eine Gemahlin zu ſuchen. Bei Euch fängt er an!
Ha! ich bin des Prinzen Braut.
Erholt euch, faßt euch Kinder! Wenn es auch noch nicht ganz beſtimmt iſt, daß Eine von euch der Hand des Prinzen ſicher iſt, ſo ſind doch laut dieſes erhabenen Briefes, in welchem eigentlich gar Nichts dergleichen geſchrieben ſteht, die Aus - ſichten und Conſtellationen von der Art, daß man vermuthen könnte, der Prinz ſei geneigt, über das nachzudenken, was er im Sinne hat.
Er hat ja ſelbſt geſchrieben.
Und ſelbſt geſiegelt?
Alles — ſelbſt! Jch habe zwar noch nie das Glück gehabt, den Prinzen in Perſon zu kennen, weil ich, wie ihr wißt, ſeit Jahren meines Poda - gra’s wegen den Hof nicht mehr beſuchte und ich24 den Prinzen nur in ſeiner Kindheit geſehen habe; allein er ſoll ein wunderſchöner Jüngling ſein und hoch gebildet durch ſeinen Erzieher den weiſen Magier Aſtraleus.
Mein, mein ſoll er werden!
Sein, ſein ſoll ich werden!
Bedenkt Kinder: in wenigen Stunden, ja Viertelſtunden kann er ſchon hier ſein! Eilt in’s Schloß, Alles vorzubereiten. Jch hörte, daß Prinz Arnold ein beſonderer Liebhaber von gebratenen Schnecken iſt. Sorgt dafür, daß deren gleich zur Tafel geſchafft werden.
Wir wollen Alles aufbieten.
Aber wir haben kein Geld im Haus.
Dieß iſt ja bei uns meiſtens der Fall. Verſetzt Alles, was wir entbehren könnten. Macht ſchnell25 ein Anlehen. Fort, fort! Schickt Aſchenbrödel in den Wald, daß ſie Schnecken ſuche! Fort, fort!
„ Casperl, Casperl, ‟ ſagte der Prinz heute früh zu mir, als ich ihm ſeine Sporen anſchnallte, „ Casperl, du biſt mein Stallmeiſter und haſt mein volles Vertrauen. Vertrauen! ‟ — Jch will mir eine Gemahlin ausſuchen und du ſollſt in dieſer wichtigen Angelegenheit bei gewiſſen Gelegenheiten moine — wohlverſtanden moine Perſon ver - treten. Um nicht erkannt zu werden, werde ich, der Prinz, meinen eigenen Stallmeiſter vorſtellen, während Du mich vorſtellſt. Du ſollſt ich ſein, und ich werde du ſein, ſo lange ich dieſe Ver - ſtölung für nöthig halte. ‟
Pumps dich! Das iſt eine Aufgabe! Casperl nimm dich z’ſam. Bereits bin ich hier als Prinz in der erſten Station angelangt. Beim Ritter Heinz v. Stolzenburg ſoll die Brautſchau buginnen. Vornehm, ödel, prinzlich will ich hier auftreten. 26Jch werd’ eßen und trinken, was nur in mich hineingeht; kurz und gut — — halt! da kommt ſchon Wer aus’m Schloß. Alſo gleich in Poſitur.
Wir haben die Ehre einen fremden Ritter zu begrüßen?
Dürfte man wagen, ſich mit der Frage zu nahen, wen wir die Ehre haben?
O ſehr, Ja. Nicht nur, ſondern ſehr, aber wie? Mir ſchoint, dieſe beiden Froileins ſind woiblichen Geſchlechtes, wenn Sie nicht ſchon ver - hoirathet ſind.
Wie graziös!
Wie fein!
Oh, oh! Parlez vous français? — Comment vous purlez vous? — Je — oui, oui, oui —
Sollten wir die Gnade haben?
Dürften wir ſo glücklich ſein?
Koineswegs! aber doch! Jch bin, der ich bin, aber doch nicht, der ich nicht bin, bin, bin. —
Wie räthſelhaft!
Aber geiſtreich!
Was kriegen wir denn zu eſſen, oder zu ſpoiſen? Haben Sie etwas Gutes? werde ich bald etwas zu eſſen bukommen?
Durchlaucht!
Hoheit, wir werden unſern Vater holen.
Hat ihr Vater etwas Gutes zu ſpoiſen? Ge - ſotten’s oder Gebratens?
Eure Hoheit haben nur zu befehlen.
Ja ich bin gewohnt, daß man mir gehorcht. Gehorchen iſt eine Tugend; aber horchen iſt ein Laſter. Verſtanden? Sie Netterl!
Ah, da kommt der Papa!
Papa, Pipi, Popo, Pupu, — freut mich un - gemein.
O ich bitte recht ſehr; habe die Ehre.
Sie ſind alſo der Pupupipipapa dieſer beiden Frauenzimmer.
Erhabener Prinz! trotz Jhres Jncognitos ſind Sie erkannt. Dieſes Benehmen, dieſer Ton, dieſe Hohheit, dieſe Herablaſſung!
Jch habe mich nicht herabgelaſſen, ſondern ich bin in einem goldenen Hofwagen durch’s Gartenthor hereingefahren.
O dieſe Gnade, dieſe Huld. —
Da muß ich bitten, Schulden hab’ ich dermals koine! aber laſſen wir das bei Soite. Jch hoffe, daß die Tafel gudeckt iſt. Gehen wir zum Spoiſen. Haben Sie doch gutes Bier? Pſchorr oder Spaden. Stellen Sie mir nur gleich drei Maß auf.
O wie landesväterlich!
Und patriotiſch!
Sonderbar — aber originell.
Wenn es beliebt, ſo werde ich die beiden Fräu - lein eigenhändig unter die Arme nehmen und zum Dinö führen.
O entzückt!
Ja, verrückt, gebückt, gedrückt. —
Beglückt — mein hoher Herr!
Vortrefflich! Eine hübſche Geſellſchaft! Das ſcheinen mir zwei Närrinnen. Und der Vater eine Art Schafskopf!
Ungefähr, und dabei ſind die Mädchen herzloſe Geſchöpfe, die ihre Schweſter mißhandeln.
Wie? hat der Ritter noch eine Tochter?
Als alter Bettler verkleidet trat ich vor Kurzem, euch zu dienen, mein Prinz, ins Schloß. Grauſam und höhniſch ward ich von den beiden Fräulein abgewieſen; allein ein liebes Mädchen, das unbe - achtet, ja wie eine Magd, am Kamine ſaß, nahm mich auf und erwies mir das größte Mitleid.
Und dieſes Mädchen wäre alſo die dritte Tochter des Rittters?
Allerdings.
Nun ſo geh’n wir zu ihr.
Noch iſt es nicht an der Zeit. Laßt uns aber ins Schloß gehen. Casperl möge ſeine Rolle als Prinz fortſpielen und den Ritter mit ſeinen Töchtern zu dem Feſte laden, welches Jhr in euerm Schloſſe geben ſollt, um die Fräulein des Landes bei euch zu ſehen und Euch eine auszuleſen. Vor der Hand bleibt noch euer Stallmeiſter.
Gern — wie immer — folge ich eurem weiſen Rathe, theurer Aſtraleus.
Sie wird kommen; aber nicht den Magier ſoll ſie in mir ſehen, ſondern nur den armen Sänger.
Und wieder ſingt der Alte hier Bei ſeiner Laute Klang,32 Daß Jhr euch ſein erbarmen mögt; O höret den Geſang!
Er iſt ſo arm, er ſingt ſo ſchlecht, Weil er’s nicht beſſer kann; Doch weiſt ihn nicht von eurer Thür, Den armen alten Mann!
Was hör’ ich da. Mein alter Freund, ſeid ihr wieder hier? hier vor der Thüre, durch die man euch lieblos hinausgewieſen.
Wie du warſt ſo liebreich mit mir. Du be - ſchenkteſt mich; du ludſt mich ein, mich zu dir an den warmen Kamin zu ſetzen.
Spottet nicht. Jch konnt euch ja nichts geben als ein ſchlecht Stückchen Brod.
Das du dir ſelbſt entzogſt, um es mir zu ſchenken.
Ba, ba, ba! — Aber wartet jetzt ein Bischen. Jm Schloße iſt große Tafel für den Prinzen Arnold. Vielleicht kann ich Etwas für euch erwiſchen. Jch muß nur die Schnecken da, die ich zu ſuchen hatte, in die Küche tragen.
Bleibe, liebes Kind. Dießmal habe ich dir Etwas zum Geſchenke gebracht.
Jhr — mir?
Da ſieh: Nimm dieſe drei unſcheinbaren Nüſſe.
Danke ſchön. Ha, ha, ha! Nüſſe?
Es ſind Zaubernüſſe, deren geheime Kraft dir nützlich ſein ſoll.
O ihr ſpottet meiner. Die Armuth will Zaubernüſſe verſchenken! Warum helft ihr euch nicht ſelber damit?
Was der Nüße Zauber gewährt, Jſt nicht, was die Armuth begehrt, Die nicht will treten aus ſtiller Nacht An des hellen Tages Pracht.
Drum nimm nur du der Nüſſe drei; Sehn wirſt du bald, wofür es ſei: Zur guten Stund und rechten Zeit Jſt dir des Zaubers Macht bereit.
Jch verſtehe wohl nicht, was du ſagſt, doch ich will deine Gabe gern annehmen. Du ſcheinſt mir aber kein Bettler zu ſein; es iſt mir, als ob du eine höhere Macht ſei’ſt, die ſich meiner annehmen will.
Das wäre wohl möglich. Nimm die Nüße. So oft du deren Eine in das Kaminfeuer wirfſt, wird dein Wunſch in Erfüllung gehen. Jetzt leb’ wohl!
Ende des II. Aufzuges.
Nun, Kinder, ſeid ihr zum Feſte geſchmückt?
Wir haben unſere ſchönſten Kleider an.
Und allen Schmuck und alles Geſchmeide.
Bravo! Jhr müßt Effect machen. Der Prinz verließ uns entzückt. Er war wie es mir ſchien, von euch enchantirt.
Welche von uns beiden wird er wohl zu ſeiner Gattin wählen.
Welche? Euch beide — würde er wählen, wenn es möglich wäre, daß er zwei Frauen nähme.
Mein edles vornehmes Benehmen ſchien ihn beſonders anzuſprechen.
Meine beſcheidene Anmuth war es, die ihm vor Allem gefiel.
Er nimmt mich!
Er nimmt mich!
Jch glücklicher Vater! Vielleicht nimmt er auch mich und macht mich zu ſeinem Oberſthofcavalier.
O nehmt mich doch auch mit zu dem Feſte beim Prinzen.
Dich, dich mitnehmen? Das Aſchenbrödel, das wüſte, dumme Ding!
Du müßteſt dich hübſch ausnehmen.
Gebt mir nur ein ſauberes Kleidchen. Jch wäre, glaub’ ich, nicht gar ſo häßlich.
Du Närrin! Dein Platz iſt zu Hauſe.
Dort am Kamin. Kannſt in den Rauch ſchauen.
Und wenn wir ſpät Nachts vom Tanze heim - kommen, ſollſt du uns eine warme Suppe bereit halten. Und laße Niemand ein!
Und Niemand aus; hüt hübſch das Haus.
Bin ich denn wirklich nur eure Magd und bin doch auch ein Kind eures Vaters!
Mädchen, es iſt die höchſte Zeit. Wir haben eine halbe Stunde zu fahren. Die Stunde ſchlägt.
Der Prinz wird uns längſt erwarten.
Komm Schweſter! Aſchenbrödel löſch die Lichter aus, kannſt im Dunkeln ſitzen.
Potztauſend ſchier hätt’ ich nicht mehr gedacht’, Wer mir die Wundernüſſe hat gebracht.
40Schlipperment, jetzt bin ich wieder von meinem erhabenen Standpunkt herabgeplumpſt! Geſtern war ich noch Prinz, heut bin ich wieder Stallmeiſter. No — die werden aber dreinſchauen! Der Herr Ritter und ſeine Tochter, wenn ich ſie in meiner42 ſubordinirten Geſtalt hier empfange; denn ich muß ja die honneurs machen.
Aber geſtern wär’ ich beinahe aus meiner Rolle heraus - und über’m Seſſel ’nunter gfall’n. Meine angeborne Gewohnheit, meine beſondere Vorliebe für Flüſſigkeiten haben mir eine kleine Betäubung veranlaßt, aus der ich erſt hier erwacht bin.
Aha, das iſt das Zeichen. Da kommen wieder Gäſte. Die Andern tanzen ſchon, daß ’s ſtaubt, da drinnen.
Hab die Ehre, hab die Ehre! Freut mich un - gemein!
Mein hoher Prinz! Wir ſind Jhrer gnädigen, huldreichen Einladung gefolgt.
Wir ſchmeicheln uns!
Wir erfreuen uns!
O ſehr, ſehr! Auch wir ſchmoicheln uns. Sie ſchmoicheln, wir ſchmoicheln, ich ſchmoichle, du43 ſchmoichelſt, er ſchmoichelt, Alle ſchmoicheln und ſo kommen wir aus der Schmoichelei gar nicht hinaus.
Wie ſinnig!
Wie graciös!
Jch habe geſtern loider etwas zu viel in das Glas geguckt. Verzeih’n Sie, meine Damen; Jhre Reize haben mich wohl betuibt.
Euer Hoheit ſollen ſich dem Vergnügen ganz hingeben.
O, ich will nicht hoffen, auch übergeben.
O nein! Auch in Jhrer Betäubung waren Sie höchſt liebenswürdig.
Jn der That, charmant.
Bitte, bitte! — Jetzt aber muß ich Jhnen eine Declination machen.
Eine Declaration??
Der Augenblick iſt da! Jetzt wird er ſich für Eine von Euch erklären.
Euer Hoheit belieben uns?
Nix Hoheit! Jch bin nicht der Prinz, ſondern ſein Stallmeiſter Casperl Larifari.
Wie?! iſt’s möglich?
Alſo eine Täuſchung? Der Prinz wollte Kni - knognito ſein und ich mußte ihn nur vorſtellen.
Eine ſchöne Vorſtellung das! Schmählich!
Und wir konnten uns täuſchen laſſen.
Durch dieſes ordinäre Subjekt da?
Subjekt oder Objekt. Paßen’s auf, meine Herrſchaften, da kommt der wirkliche Prinz.
Meine ſchönen Damen, willkommen! Verzeih’n Sie mir denn kleinen Scherz, den ich mir geſtern erlaubte. Er war mit gewiſſen Zwecken verbunden. Noch einmal: Herr Ritter, edle Fräulein! will - kommen.
Durchlauchtigſter Prinz!
Erhabenſter!
Allergnädigſter!
Es war mir von hohem Jntereſſe, ungekannt Jhre Bekanntſchaft gemacht zu haben. Aber nun laſſen Sie uns in den Tanzſaal treten.
Er iſt himmliſch!
Ein göttlicher Adonis!
Er iſt alſo Stallmeiſter des Prinzen?
Er iſt Stallmeiſter des Prinzen und Ver - trauter, verſtanden?
Jch glaube, daß dieſe „ Vertraulichkeit ‟ keine ſehr intime ſein dürfte mit einem ſo ordinären Jndividuum.
Jndividium? dumm, oder viehdumm könnte auf andere Perſonen vielleicht eher bezogen werden. Verſtehn Sie mich?
Wie? mir ſo Etwas? mir, dem Ritter Heinz von Stolzenburg?
Mit der Stolzenburg iſt’s auch nicht weit her. Das war ja ein miſerables Eſſen bei Jhnen. Nicht einmal Bratwürſt! Von einem „ Schweinernen ‟ gar keine Rede! Ja — Schnecken in der ſauern Brüh. Schnecken! die krieg’ ich ja in jedem Peiſchl. Das iſt eine miſerable Wirthſchaft bei Jhnen.
Jmpertinent! Wäre Er meines Standes ſo würde ich ohneweiters den Degen ziehen.
Jch habe keinen Degen, alſo kann ich keinen ziehen; aber eine Antwort kann ich auch ohne Degen geben.
Unverſchämter! das iſt zu arg! ein Stallmeiſter des Prinzen ein ſolches Benehmen.
Schlag auf Schlag! So iſt’s recht. Pumps dich!
Jnfamer Burſche!
Wer biſt du reizendes Weſen?
Ein armes Kind.
Du — die Königin des Feſtes?
Laßt mich! hier iſt nicht meines Bleibens.
Warum fliehſt du! Es iſt mir, als ob du mir nicht unbekannt ſeieſt. Ein Traum ſchwebt mir vor.
Jſt nicht Alles ein Traum in dieſem Leben?
Aber es gibt ſo ſchöne Träume, daß man ſie für immer feſthalten möchte.
Träume ſind Schäume. Jch muß fort.
O bleibe, laß dich feſthalten.
Es kann nicht ſein. Jch bin nur ein Wandelſtern.
Nimmermehr! Du mußt mein Eigen werden.
Unmöglich! zum Glücke bin ich nicht be - ſtimmt. Lebt wohl!
Halt! Halt! Verlaß mich nicht.
Lebt wohl!
Weh mir! Jſt mir wirklich nur ein Traumbild erſchienen? Nein, ſie war’s, die ich im Wald ge - ſehen. Jhr nach!
Halt, mein Prinz! vergebens ſtrebt Jhr, die Erſcheinung feſtzuhalten.
Wie? vergebens? ſoll mein Jdeal mir verloren ſein? Allenthalben ſoll man ſie ſuchen.
War es nicht blos ein Stern, der euch geblendet?
Mein Glücksſtern war es. Jch laße nicht von ihm. Er bleibt der Glanzpunkt meines Lebens. Jch ſchwöre es!
Da iſt eben ein wunderſchönes, ſilbernes Frauen - zimmer die Stiegen hinunter geloffen, eigentlich mehr geflogen und verſchwunden. Jm Hinunter - laufen muß dasſelbige ſilberne Weſen den goldenen Schuh da verloren haben. Aber ſo ein kleines Füßl hab ich noch nicht geſehen und ich hab doch ſchon manches Pedal beobachtet.
Auf! Auf! Sucht ſie überall! beeilt euch! fort! Der reizende goldene Schuh wird ſie entdecken helfen. Sucht überall!
Wohlan! nun mögen ſie ſich finden, Des Glückes-Bund ſoll ſie verbinden! Er glüht in Flammen hellauf wie die Sonne, Sie leuchtet ſtill, ein Sternlein ſüßer Wonne.
Ende des III. Aufzugs.
Schweſter! Das war ſchön.
Und der Prinz, wie liebenswürdig!
Allein, trotzdem; es ſcheint, daß er noch nichts dergleichen gethan, Eine von Euch als ſeine Braut zu wählen.
Er war allzuſehr mit einer unbekannten Per -54 ſon in ſilbernem Kleide beſchäftigt, die ihn interre - ſirt hat.
Eine Landläuferin oder Commödiantin ver - muthlich: denn keine Seele hat ſie gekannt.
Auch iſt ſie ja bald wieder von dem Feſte verſchwunden.
Und was war denn das noch für ein Halloh mit einem goldenen Schuh? Alle anweſenden Fräu - lein wurden gebeten, ihn anzuprobiren.
Eine fixe Jdee des Prinzen.
Es muß ein Kinderſchuh geweſen ſein. Mir war er zu eng; und ich habe doch ein nettes, kleines Füßchen.
Jch vermochte auch nicht meinen hübſchen Fuß hineinzuzwängen.
Tolles Zeug! aber Kinder, laßt uns zu Bette55 gehen. Jch möchte nur mehr vorher ein Täßchen warme Suppe.
Wir auch. Aſchenbrödel! wo ſteckſt du?
Da iſt ſie eingeſchlafen und kauert am Kamine.
Wach auf, Faullenzerin.
O weh! warum ſchlägſt du mich?
Wo iſt die Suppe, die wir beſtellt haben?
Etwa gar vergeſſen? Mach vorwärts!
Ach, verzeiht:
Dummes Ding! ſo ſpute dich. Einſtweilen können wir uns entkleiden.
Und ich will mich meines Staatsrockes ent - ledigen und meinen Schlafrock anziehen.
Ja, da liegt ſie mit dem goldenen Schuh am Füßchen. Sie iſt ’s! Sie iſt ’s!
Ende.
Gaſtwirth zum „ rothen Rößl. ‟
deſſen Tochter.
Lenzelsbauernſohn.
Gelehrter und Profeſſor.
in Stopſelbergers Dienſten.
Häuptling der Leuwutſchen,
ſeine Tochter.
Staatsrath und Adjutant,
Das Drama ſpielt theils in einem ſüddeutſchen Dorfe, theils in Patagonien, Provinz Leuwutſchen.
Seit die ſelige Mutter geſtorben iſt, hab’ ich gar keine Ruh mehr. Ordentliche Kellnerinnen ſind rar und die unſrige ſitzt auch lieber in der Kuchl bei die Knödl, als daß ſie die Schenkſtuben ſauber hält. Wenn mich der Vater nur mein Hansl heirathen ließ! Wir könnten d’ Wirthſchaft übernehmen und der Vater könnt ſich Ruh gönnen. Wir wollten ihn gewiß gut halten. Aber es iſt ein Kreuz und ein wahr’s Herzenleid, daß er mir den Hansl net leiden will und iſt doch ſo a braver Burſch. Geld hat er freilich z’wenig und der Vater möcht halt höher naus und ich ſollt ein reichen Burſchen nehmen. Aber wenn’s Gott will, kommen62 wir doch zuſammen und an andern als ’n Hansl nimm i nit, dabei bleibts.
Was gibt’s? Wer iſt drauß?
Mach auf, ich bin’s.
Ei du biſt’s! — Grüß Gott! Komm nur a bißl in d’Stuben rein; der Vater liegt ja noch im Bett wegen ſeines Rheumatismus an der großen Zehe.
Da bin i, Herzensſchatz. Jch hab’ mir denkt, weil i grad zum Eingraſen vorbeigeh; ich muß doch a bißl ’reinſchau’n.
Des war einmal a gſcheiter Gedanken — und du weißt ja, dem Vatern kommſt nie g’legen, dem wär’s am liebſten, daß wir zwei gar nit zſam - kämen.
Freilich weiß ich’s; aber wir bleiben deßwegen doch beinand. Gelt, Nanni! ich mein’s redlich und du biſt auch brav; da kann kein Menſch was entgegen haben, und unſer Herrgott wird uns ſchon helfen, daß wir doch einmal mitanand hauſen.
O mein Hansl! vor der Hand iſt wenig Aus - ſicht da. Ja, wenn du nur a bißl mehr Geld hättſt, nachher hätt der Vater gwiß nix entgegen, aber ſo ſpitzt er auf den reichen Hofbauernſohn mit ſeine 20,000 Gulden.
Was iſt’s denn ums Geld, wenn man ſich nit mag? Und der Fleiß, der iſt doch oft mehr werth, als der Reichthum.
Der Vater meint halt: s’Geld und der Fleiß beiſammen wär noch beſſer und der Hofbauer - Michl wär auch a braver Burſch.
Da ſteht’s freilich ſchlecht mit uns; aber halts nur aus, Nanni!
Darauf kannſt’s rechnen, das ich dir treu bleib und kein’ Andern nimm; lieber geh ich in’s Klo - ſter zu den Saleſianerinnen.
Nein! nein! das dürft nit gſchehn!
Hopſa! jetzt bin i aufgwacht!
Biſt du auch wieder da, Casperl? Und richtig, auf der Ofenbank gſchlafen! Schäm dich! biſt jetzt die ganze Nacht wieder da heraußen glegen und net in deiner Stuben?
Es iſt ja ganz einerlei, wo und wie und wa - rum der Menſch liegt; wenn er überhaupt nur liegt, da bekanntlich und auch nach ärztlicher An - ordnung das Liegen ſowohl dem Kranken, wie auch dem Geſunden eine äußerſt geſunde und vor - theilhafte Bewegung oder vielmehr Lage iſt. Uebrigens kann es der Jungfer Nanni ganz einerlei ſei, wo und wie ich liege; denn gelegen iſt ge - legen und Gelegenheit iſt Gelegenheit, wie ich eben bemerke, weil der Hansl ſchon in Allerfruh da iſt.
Halt’s Maul mit dem G’ſchwätz! Jn der Zech - ſtuben ſoll Niemand ſchlafen; drum hat jeder Dienſtbot ſein Kammer. Verſtanden? Vermuth - lich haſt geſtern Abends wieder zu viel ghabt und biſt gleich auf der Ofenbank eingſchlafen.
Und ich ſag’: in der Zechſtuben ſoll nit in65 Allerfruh ſchon ein Dechtlmechtl aufgeführt werden, während der Herr Wirth noch in ſeinem Federbett liegt.
Jm Vorbeigeh’n kann man immer ein bißl zuſprechen. Das iſt auch keine Sünd.
O, ſprechen Sie nur zu, Moßiö Hansl! Meinerſeits leg ich Jhnen nichts vor die Hausthür.
Jetzt ſei a mal ſtill. Geh’ naus in die Kuchl; da ſteht ſchon deine Milchſuppen.
Und immer die Milchſuppen! Als ich noch im Flügelkleide war, pflegte ich Kaffee zu frühſtücken.
Und im „ Flegelkleide ‟ iſt grad a Milchſuppen für Dich recht.
Dieſer Witz iſt nicht ſchlecht. Alſo Milch - ſuppen! Jch gehe.
Und ich geh auch, Nanni. S’ is hohe Zeit, daß ich eingraſ’ für’s Vieh. Bhüt dich Gott!
So geh halt. Vielleicht kommſt heut Abend auf a Halbi. Geh, komm!
Wenn’s möglich iſt — gwiß! Adies.
Nannl! wie viel Uhr iſt’s, meine Uhr iſt ſteh’n blieben.
Sechs Uhr. Gut’n Morgen, Vater!
Herrgott, hab ich mich verſchlafen! Aber meine Zeh hat mich auch ſo zwickt.
Nannl! — Nannl! Jetzt hab ich mich am Brunnen waſchen wollen und er lauft ſchon wieder nit.
Nun — das weißt ja, daß das Waſſer ſchon drei Tag ausbleibt. Es muß am Gumper fehlen.
Das iſt eine verflixte Gſchicht! Müſſen wir drei Tag lang ſchon unſer Waſſer beim Müller67 holen! Mir iſt’s recht; ich muß mich halt an’s Bier halten.
Das gſchieht ohnedem.
Man muß ſich den Verhältniſſen und den Um - ſtänden fügen. Von mir aus kann der Brunnen laufen oder kann nicht laufen. Jch kann mich halt nicht waſchen.
Deine Gurgel, ſcheint’s, kann’ſt aber doch wa - ſchen, und ein ungewaſchenes Maul haſt ohnedem immer.
Das iſt meine Sache, Mamſell Nanni. Ge - waſchen iſt gewaſchen.
Das iſt aber doch eine Malefizgſchicht. Hab mir ein Glas Waſſer pumpen wollen — und hat der Brunnen wieder kein Waſſer geben. Jetzt müſſen wir’s Waſſer ſchon drei Tag für’s Vieh holen, für uns holen! Warum habt’s ’n Veitl den Brunnenmacher noch net gholt? Jch hab’s ſchon geſtern Früh angſchafft.
Der Veitl, der Brunnenmacher, hat ſich den Fuß brochen und es muß wo anders fehlen. Seit geſtern iſt’s Waſſer beim Nachbar auch ausgeblie - ben. Das macht das trockene Jahr und iſt eine Straf Gottes, wie der Herr Pfarrer am vorigen Sonntag gepredigt hat, weil die Wirth ſo viel Waſſer in’s Bier ſchütten — —
Daß dich der — — kurz und gut: Waſſer muß her!
Der Brunnen gibt kein Waſſer mehr.
Und ich ſag: Waſſer, Waſſer her!
Die Zuber ſtehen alle leer.
Kein Waſſer mehr!
Nur Waſſer her!
Die Zuber leer!
Mehr, mehr, mehr!
Her, her, her!
Leer, leer, leer!
Wir haben halt kein Waſſer mehr.
Ei, guten Morgen Herr Profeſſor?
Sind Sie auch ſo ſchon früh auf?
Jch hab Jhnen die Stiefel noch nicht geputzt.
Einerlei! ich habe den ſchönen Morgen genießen wollen und meine meterologiſchen Beobachtungen fortſetzen, welche ich geſtern begonnen habe.
Was ſind denn das für Beobachtungen, die metreologiſchen G’ſchichten da?
Wißt ihr denn nicht, daß ich ſeit 8 Jahren dieſen ländlichen Wohnſitz bezogen, um den Druck der Atmoſphäre zu berechnen und den Thermo - meterſtand mit der Barometerhöhe differentialiſch zu berechnen.
Donnewetter, das iſt mir zu hoch! Dem Kronomether mit dem Druck athmoſphäriſch, indif - ferentialiſch — — —
Still! entweihe die Wiſſenſchaft nicht. Guten Morgen, liebes Annchen, wollen Sie mir nicht ein friſches Glas Waſſer vom Brunnen holen?
Hat ihn ſchon!
Ja, mein Gott! der Brunnen — — — der Brunnen.
Der Brunnen — was iſt’s mit dem Brunnen?
Ja, denken ’S: die Fatalität! mein Brunnen gibt kein Waſſer mehr, beim Nachbarn iſt’s auch ausblieben —
Und, wie mir der Nachtwachter gſagt hat, greift die Trockenheit um ſich, bald wird das ganze Dorf kein Waſſer haben. Es muß eine unterirdiſche Revolution ausgebrochen ſein.
Wie iſt es möglich? Allerdings war das ganze Jahr über bisher ſehr trocken und es mag ſein, daß die Capillarität der Erde etwa nicht genug Aufnahmsſtoff hat, weil die gehörige Feuchtigkeit des Niederſchlags gefehlt hat, oder nicht hinläng - lich war.
Das iſt ſehr verſtändlich, zum Beiſpiel: Wenn Einer Durſt hat und geht mit dem Maßkrug an ein Faß, um ſich Bier zu holen, das Faß lauft aber nicht, ſo iſt das ein ſicheres Zeichen, daß nix drinn iſt. Gerade ſo iſt’s jetzt: Wenn in der Erde unten kein Waſſer iſt, ſo lauft halt keines ’rauf und man muß ſich ganz und gar an’s Bier halten.
Dumm’s Gſchwatz! A Waſſer braucht man doch; und was thut man denn mit ’m Vieh? Dem wird man doch kein Bier geben?
O nein! Es gibt nit die wenigſten Viecher, die nur Bier trinken, z. B. der Gmeindvorſteher oder Gutsverwalter
Halt’s Maul! Du verſtehſt nix.
Helft’s, helft’s! Alles Vieh iſt los vor lauter Durſt! Seit geſtern hat’s kein Waſſer mehr kriegt. Jetzt iſt Alles wie narriſch und hat ſich von die Ketten losgmacht.
Um Gotteswillen! ’naus, ’naus! Helfts z’ſammen, daß wir’s wieder anhängen.
O mein, o mein, Herr Profeſſor? Daß iſt ſchon a Malhör, wenn’s Vieh ſich los macht! Jch trau mir gar nit ’naus. Jch fürcht den ſchwarzen Stier; der iſt gar ſo wild und ſtürzt Einen gleich um.
Sie haben recht, liebe Nanni. Man ſoll ſich unnützermaſſen keiner Gefahr ausſetzen, um nicht etwa unvorſichtigermaſſen in ein Unglück zu gerathen.
Jch bin ohnedieß ſchon unglücklich, ich brauch kein böſen Stier mehr dazu.
Wie? Sie ſind unglücklich? Jch wohne doch zu meinen naturhiſtoriſchen Forſchungen ſchon vier - zehn Tage bei Jhnen, und habe nichts von Jhrem Unglück bemerkt.
Das hätten S’ doch bemerken können, daß ich und der Lenzelbauernhans uns einand gern haben?
Jawohl; aber das ſich Gernhaben iſt ja doch kein Unglück?
Unter gewiſſen Umſtänden aber doch ein Un - glück: wenn nichts draus wird.
„ Nichts draus wird? ‟ — dieß ſcheint mir ſo viel zu bedeuten, als ob Jhrer ehelichen Verbind - ung ein Hinderniß entgegenſtünde.
Ja freilich, der Vater mag nicht, weil der Lenzl nicht gnug Geld hat und weil der Vater für mich den reichen Hofbauernsſohn möcht.
Ei, ei, ei, das iſt freilich eine böſe Geſchichte
Hm, hm, hm! — Da ſollte man dem74 Lenzl Geld verſchaffen können. Das wäre wohl das beſte Mittel, dem Unglück abzuhelfen.
Ja, wenn der Lenzl Geld hätt, da wär’s dem Vater ſchon recht; denn gegen den Burſchen hat er weiter nichts einzuwenden.
Holla! mir kömmt ein trefflicher Gedanke. Wenn die Ausführung gelänge, ſo wäre Jhnen geholfen. Wiſſen Sie was Nannchen? Sorgen Sie, daß ich ſobald als möglich Jhren Geliebten ſprechen kann.
Das iſt leicht möglich; denn er mäht Klee gleich da draußen.
So kommen Sie; zeigen Sie mir den Ort. Jch will zu Lenzl gehen.
Recht gern.
So, jetzt wär’ Alles wieder in Richtigkeit. Das Vieh iſt wieder angekettet und mit einigem ſanften Prügeln beruhigt. Leider kann man’s nicht überall ſo machen; denn die Menſchen benehmen ſich auch75 oft wie närriſch und ſo lange die Welt ſteht und ſo lang’s Menſchen gibt, hört auch der Unſinn nicht auf. Da könnt man was erzählen!
Nun, mein lieber Hansl, denk ich, ſoll es nach meiner mathematiſcher Berechnung nicht mehr lange dauern, daß wir den Erdboden in ſolcher Tiefe durchbohrt haben, daß das Waſſer nicht mehr ausbleiben kann. Noch überall hat man mit dem ſogenannten arteſiſchen Brunnen ſeinen Zweck erreicht.
Ja, ich bin Jhnen recht dankbar, daß Sie mich zum Gehülfen und Famulus genommen und den Wirth die Bedingniß geſetzt haben, daß er mir die Nanni geben muß, wenn’s Waſſer da iſt —
Allerdings, ſo iſt es; da muß es dabei bleiben.
Aber, aber — jetzt bohren und graben wir ſchon 14 Tag den arteſiſchen Brunnen und es laßt ſich halt kein Waſſer ſehen. Das dauert endlich dem Wirth zu lang, denn Koſten hat er auch da - bei, und zuletzt muß das ganze Dorf verdurſten, denn es wird halt zu arg, daß man alles Waſſer für Menſch und Vieh anderthalb Stunden weit herfahren muß! Es iſt was ſchreckliches um ſo eine Waſſernoth!
Geduld, Geduld! die Wiſſenſchaft täuſcht und trügt niemals. — Ah, da kommt der Wirth ſelbſt.
Meinen Reſpekt, Gnaden Herr Profeſſor.
Guten Morgen, Herr Gaſtgeber.
Da haben wir halt noch die alte Beſcheerung! Alleweil graben, alleweil bohren — —
Nur kein Bedenken! Wir kommen baldigſt auf ein Reſultat, wir müſſen! es kann nicht anders79 ſein. Hören Sie: wenn wir noch eine Röhre an ſetzen, die ich vom Klempner erwarte — wird der Brunnen ſpringen.
Verzeihn’ S, Herr Profeſſor; aber ich hab mir ſchon genug ſpringen laſſen und wenn’s Waſſer nicht bald ſpringt, — — —
Hören Sie nur: ich bin bereits an der Erd - ſchichte angelangt, wo das chaotiſche Fluidum vul - kaniſcher Confuſion ſich mit dem Amalgam der Waſſerregion verbunden zu haben ſcheint; der Miſchungsbrei hat ſich gezeigt, die Capillarröhren haben ſich geöffnet.
Da verſteh’ ich den blauen Teufel davon; ich möcht einmal, daß ein End herſchaut.
Dieſes Ende iſt nahe Der gute Hans leiſtet Unglaubliches bei der Sache und ſeiner raſtloſen Thätigkeit haben wir, was die mechaniſche Wirk - ung anbelangt, das Meiſte zu danken und an meinen Berechnungen kann es nicht fehlen.
Jch weiß ſchon, wo das wieder hinaus will. Es bleibt dabei. Jſt das Waſſer da — ſo kriegt der Hansl meine Nanni; denn, wenn’s ſo iſt, wie Sie g’ſagt haben, ſo iſt mir der Brunnen mehr als tauſend Gulden werth. Punktum!
Wie geſagt: ein ſolcher arteſiſcher Brunnen ver - ſiegt nie und liefert in einer Sekunde mindeſtens 50 Eimer Waſſer. Sie können damit nicht nur Jhre Bedürfniſſe, ſondern das ganze Dorf verſehen und ſich noch eine Mühle oder eine durch Waſſer getriebene Dreſchmaſchine — kurz: Was ſie immer wollen, anlegen.
Nur nicht gar zu Viel verſprochen, Herr Pro - feſſor; vor der Hand hab’ ich nur einen blaueu Dunſt, aber kein Tropfen Waſſer.
Aha! da kommt ſchon die Röhre zum Einſetzen.
Gut, ſehr gut! Nun die Röhre hinabgeſenkt den Bohrer etwas gehoben!
So, jetzt können wir wieder bohren. Mir geht’s ſchon ganz feucht von unten herauf.
Juhe, Juhe! da haben wir’s!
Triumph der Wiſſenſchaft!
Nanni, Nanni! komm raus! Unſer Brunnen lauft.
Gott ſei’s gelobt!
Jch halt mein Wort! Jch halt mein Wort! Jhr ſeid ein Paar!
Vivat! Vivat der Herr Profeſſor!
Zapft nur gleich ein Faß an! Das ganze Dorf iſt zechfrei!
Aber — wo iſt denn denn der Casperl?
Auweh! der Casperl iſt verſunken!
Auweh! der Casperl iſt verſunken; Vielleicht im Brunnen ſchon ertrunken!
Es iſt nichts von ihm zu ſehen, Welch’ großes Unglück iſt geſchehen! Auweh, auweh! der Casperl iſt verſunken. Jm Brunnen, ach! iſt er ertrunken.
Hochgeehrteſtes Publikum! Jch bin von Seite der Theaterdirektion erſucht worden, Jhnen einige Erläuterungen vorzutragen, damit etwa nicht ein83 Mißverſtändniß eintrete, nämlich, wie folgt: Sie befinden ſich jetzt im tiefſten Südamerika in der Provinz Patagonien bei den Leuwutſchen, welche einen der wildeſten Stämme dieſer Gegenden bilden. Wenn Sie den Erdglobus betrachten, ſo werden Sie entdecken, daß in diametralem Durch - ſchnitte vom Dorfe, in welchem ſich das Wirths - haus „ zum goldenen Rößl ‟ befindet, dieſer Ort in Patagonien oder vielmehr im Lande der Leu - wutſchen, gerade der entgegengeſetzte Punkt iſt, in deſſen Richtung ich den arteſiſchen Brunnen graben ließ. Jndem nun das Waſſer hervorſprang, ſtürzte eine Erdſchichte ein, es kam zum completten Durchbruche bis in die Weltgegend der Antipoden, welche im vorliegenden Falle die Leuwutſchen ſind. Ohne Zweifel wird alſo der arme Casperl durch dieſe Erdvertiefung gefallen ſein und ſich zu ſeinem größten Unglücke bald in dieſer Gegend und bei deren wilden Bewohnern einfinden, deren Gebräuche und Sitten jedoch mit denen der Urbajoaren ſehr viel Aehnlichkeit haben ſollen, weil bei der großen Völkerwanderung, obgleich Amerika noch nicht ent - deckt war, ein kleiner Stamm derſelben ſich hier an - geſiedelt habe, wie man glaubt. So viel zur Auf -6*84klärung des Publikums. Meinerſeits werde ich mich aber ſogleich wieder hinter die Couliſſen be - geben, den ich möchte mich als ein gelehrter Pro - feſſor keineswegs dem etwaigen ungeeigneten Be - nehmen der ungebildeten Leuwutſchen ausſetzen.
Schlipperdibix! das war aber eine Rutſcherei! Jch kenn’ mich noch gar nicht aus. Das weiß ich noch, wie ich in den karteſiſchen Brunnen geſtiegen bin, nachher bin ich in das tiefe Loch gerutſcht, und bin dabei a bißl naß word’n, aber nachher weiß ich nichts mehr von mir, bin ich in die Ohnmacht oder in ein Prozupiß gfallen — ich weiß kein Sterbenswörtl.
Oho, oho? — ja was iſt denn das für ein Stadtviertel? Verflixte Gſchicht? Da muß ich be - deutend um’s Eck gekommen ſein. Das ſind ja Bäume wie die Kehrbeſen mit grüne Büſchel! Und das Waſſer dahinten, da ſieht man gar kein End! Schlipperment und dieſe Vieher!
Halt! halt! Die Gaßen - bub’n hier ſind auch curios, die hab’n Schwei -85 ferln wie die Katzen. Ah, ah, ah! das iſt aber ſchön! — — Herrgottl, jetzt fallt mir was ein! Etwas Erſchreckliches! — ein Rieſengedanke — — ein Weltereigniß! Hat mir denn nicht der Profeßor Zwiebelmaier öfters geſagt: „ Die Kar - teſiſchen Brunnen gehen ſogar manchmal ſo tief durch die Erde, daß die Bohrerſchraubenſpitze unten auf der Rückſeite der Erdkugel herausſchaut im Lande der Antipopoden ‟! Ha! — Und dieſe Anti - popoden ſind die Leute, die auf der andern Seite von der Erdkugel logiren! — O Himmel! wäre es möglich? wäre es möglich, daß ich, Unglück - ſeliger, vielleicht in dem karteſiſchen Loch da durch die ganze Erdkugel gerutſcht wär’ und mich jetzt wirklich bei den Antipo-po-po-poden befände? Furchtbarer Gedanke. Weh mir! ich bin verloren! — — Jch fall in Ohnmacht.
Wart nur, Beſtie, ich krieg dich ſchon! — Ah, da ſitzt er.
Jhr höhern86 Weſen! Was iſt das? Ein fremdes Thier! Sklaven! herbei! Helfet mir! Jch werde gefreßen.
Holdes Wöſen, erſchrecken Sie nicht! Fürchten Sie mich nur nicht. Sie ſind ja ein gar nettes Wutſcherl!
Das Thierchen iſt gar nicht ſo übel. Es kann ja auch ſprechen.
Oh, oh! Sagen Sie mir, warum ſind Sie denn ſo braun im G’ſichtl. Sie ſehen ja aus wie ein Kupferpfannl, in dem man die Schmalz - nudel backt?
Fremdling, ich verſtehe dich nicht ganz; aber du gefällſt mir: denn du ſcheinſt ein gutes Weſen zu ſein und kein böſes.
O nein, ich bin kein böſes, ſondern ein ſehr gutes, gutes, aber hungriges und durſtiges Wöſen.
Jch will dir eine Cocusnuß geben, daraus kannſt du die Milch ſchlürfen.
Was? wär nit übel! Ein Hocuspocusmuß? Das hab’ ich meiner Lebtag nicht geſſen. Da dank ich.
Oder willſt du eine verzuckerte Eidechſe? Jch habe davon vom Deſſert mitgenommen.
Was? — A verzauberte Heidaxen!! Aber, daß iſt doch a bißl zu ſtark, was Jhr für ein Koſt haben müßt in dem Land? Aber — apro - pos, mein Fräulein — denn das ſind Sie doch?
O ja; ich bin die Tochter des Häuptlings dieſes Stammes. Und heiße Milipi.
Was? Tochter? Hauptling? — Stamm? Mili-li-li-pi-pi-pi? Das iſt ja Alles chineſiſch! — Nun, apropos! Eigentlich möcht ich doch wiſſen, wo ich heruntergefallenes Jndividuum mich auf der Welt jetzt befinde.
Ja, weißt du denn das nicht? — Du biſt im Lande der Leuwutſchen.
Leu-leu-wu -- tſchen?
Ja, im Patagonienreiche.
Jm Spatagonien -- reiche? — Na — jetzt weiß ich ſoviel wie zuvor. Du alſo, liebes Mauſerl, biſt eine Leu-leuwutſcherin? O du Wutſcherl du!
Willſt du, ſo werde ich dich zu meinem Vater führen, der wird dich gerne beherbergen.
Ja, mir iſt’s ſchon recht, aber vielleicht krieg ich eine rechte Tracht Prügel und werde ſo, was man ſagt, ein bißl „ verleuwutſcht. ‟
O fürchte dich nicht; aber, ſieh, da kömmt mein Vater ſelbſt.
Auweh! — jetzt könnt’s mein’ Kopf koſten.
89Himmelpotztauſendſaprament! Was ſeh’ ich da? Wer unterſteht ſich? Wer iſt das? Wie verhält ſich das? Meine Tochter und ein Fremdling? Ha! Mordselement! Gleich fünfundzwanzig mit dem Bambus!! Alloh!
Ach, lieber Vater! Verzeih! Jch habe dieſen armen Fremdling bewußtlos und erſchöpft hier ge - funden. Er ſcheint ein verirrter Wanderer zu ſein.
Jch will nichts mit ſolchen verwirrten Vaga - bunden zu thun haben. Donnerwetter! Was iſt das wieder für eine Sicherheitspolizei? Gleich fünf - undzwanzig dem Polizei-Commiſſär, der die Jour heut hat! Halamilari!
Herr, was befiehlſt du?
Glaubſt du nicht, daß dieſer Unbekannte etwa ein böſer Geiſt ſein könnte, der unter dieſer Ver - hüllung mir ſchaden will?
Sehr ja! — Vorſicht! Vorſicht!
Alſo ſichte vor.
Tochter, du begibſt dich augenblicklich nach Hauſe. Jch folge dir. Halamilari, du bleibſt und bringſt den Fremdling gefeſſelt nach. Eh wir ihn aufnehmen, muß er jedenfalls auf das Genaueſte geprüft werden. Zu dieſem Zwecke führe ihn in den kleinen Tempel, in welchem mein Haus - altar ſteht.
Sklaven, ergreift ihn!
Oho, nur nicht ſo grob!
Strudi, prudi, prudi bibibi!
Was? fangt ihr auch mit einer ſolchen Sprache an? Geht’s weiter mit den Dummheiten.
Pardipixtipixtiwixti.
Ja, ja, s’iſt ſchon recht. Nur Geduld!
Pumpſdi!
Au!
Pumpſdi, pumrſdi!
Sapperment, das leid ich nit!
Sie, Herr General oder Herr Hoffourier, was Sie halt ſind: Jch bitt mir die gehörige Achtung aus. Verſtehen Sie mich?
Jch muß mich etwas in Acht nehmen. Wenn er ein böſer Geiſt, könnte er mir ſchaden.
Ca-Colimacolimilimila.
Oi, Oi, Oi-mu!
So — laß ich mirs gefallen; nur höflich! aber zuvor wünſchte ich genährt zu werden.
Man wird dir Speis und Trank geben. Fort! Marſch. Eins, zwei! Eins, zwei!
So führe ich dich denn in das Heiligthum ein, junger, hoffnungsvoller Fremdling. Du haſt hier die Prüfung zu beſtehen.
Was — Prüfung? — Jetzt gibt’s ja keine Schulpreis mehr; da will ich auch Nix von einer Prüfung wiſſen.
Es iſt die Prüfung, ob du würdig ſeiſt, in dem Lande des großen Schluwi zu weilen.
Mich zu langweilen; denn bisher hab ich nur Aengſten, aber keine Unterhaltung ghabt.
Hier iſt unſer Heiligthum, unſere Gottheit, welche vor undenklicher Zeit als ein heiliges, wun - derbares Meteor vom Himmel an dieſem Platze niedergefallen iſt und über welches dieſer Tempel gebaut wurde.
Hinter dieſem Vorhangl da?
Ja. Jch habe den Befehl, dich nun allein zu laſſen. Biſt du ein Auserwählter, ſo wird es ſich zeigen; wo nicht, ſo werden dich die böſen Dä - monen zerreißen.
Oho, was nit gar? zerreißen? — Aber ich verlang mir ja nicht ein Auserwählter zu ſein; am liebſten wär mir’s, wenn Sie mir den Weg nach Haus zeigen ließen.
Es iſt zu ſpät. Du haſt zu uns hergefunden, mußt alſo geprüft werden.
Laſſen Sie mich nur mit der Prüfung aus, Sie Allerliebſter.
Pumps dich! Da hab’n wir’s!
Es iſt das Zeichen der Gottheit.
Das iſt eine curioſe Gottheit, wenn die immer einen ſolchen Plumpſer macht.
Lebe wohl! ſei weiſe und gefaßt!
„ Sei weiſe und gefaßt! ‟ — was heißt jetzt das wieder? Leben Sie wohl, angenehmes Manns - bild! — Was fang ich jetzt an? Jch glaub’: ich leg mich nieder und ſchlaf a bißl.
Casperl! Casperl!
Wer ruft mich?
Jch bin es.
Wer biſt du denn, der du dich „ Jch ‟ nennſt?
Jch bin ich und du biſt du; aber in meiner Tiefe ruhet auch dein Geiſt; dieß iſt das Ge - heimniß des Lebens.
Schlapperment! dahinten ſcheint’s nicht ganz richtig herzugehen im Capitolium.
Ziehe den Vorhang zurück und du wirſt mich erkennen.
Jch werde den Vorhang zurückzie hen und —
Ja-ja-ja — was erblick ich? Du biſt alſo dieſes „ Jch ‟ und ich bin dieſes „ Du ‟. Himm - liſche Erſcheinung! Wonnevolles Zeichen der Hei - math! Ha!
O, ſei gegrüßt! ſei willkommen!
Prrrrrrr!
Auweh! Auweh! — Jſt der auch wieder da?
Wart Spitzbub! Was thutſt du da herunten?
Und was thuſt du da oben?
Prrrrrrrrr!
Ja, „ Prrrrrr! ‟
Du haſt geſiegt, Jüngling! Du haſt den böſen Dämon bezwungen.
Dich haben die Götter zu uns geſandt.
Heil dir, nimm dieſen Kranz von Palmblättern.
Jch bedank mich gar ſchön, aber jetzt bin ich ſo geſcheit, wie zuvor.
Heil! Heil! Heil!
Laßt uns unſern Hymnus ſingen und um den heiligen Stein den Reigen tanzen.
Rallala, rallala, rallala, rallala, Kellnerin ſchenk uns ein Weil wir beiſammen ſein, Rallala, rallala, rallala, la.
Pocci, Komödienb. 5tes Bdchn. 798Rallala, rallala, rallala, rallala, Huraxdox, ſchnaderigax, Tanz’ mit der krummen Hax, Rallala, rallala, rallala.
Rallala, rallala, rallala, Und heut is grad ſo recht, Denn das Bier iſt nicht ſchlecht, Rallala, rallala, rallala. Juh! Juh! Juh!
Und nun, edler junger Mann; weil ich für meine Tochter noch keinen Mann gefunden, ſo habe ich dich zu ihrem Gatten beſtimmt.
Ah! Ah! — aber färbt’s nit ab, die Tochter?
Nein, Sie iſt ganz naturchocoladibraun!
Nacher laß ich mir’s gfallen.
Kommt Kinder! Kommt Alle! Nun ſoll gleich das Hochzeitsfeſt gefeiert werden. Man ſpiele einen Marſch auf; ſchreit Alle: Vivat!
Nun ſind wir verheirathet, lieber Fremdling! Ach, ich bin ſo glücklich, deine Gattin zu ſein!
O ja! Und ich, moine Liebe, bin ſo glücklich, dein Gatte zu ſoin!
Nicht wahr? Jch darf dich meinen „ Colibri ‟ nennen? Das ſind die lieben kleinen bunten Vögel - chen, die netten Thierchen. Und du haſt ja auch ſo ein rothes Röckchen an.
Du biſt moine Milipi und ich bin dein Coli - pripi!
Wie gefällt dir mein kleines Schoßthierchen, das junge Crocodilchen?
Gar nicht übel, aber es hat mich ſchon ein paar Mal in den Finger gezwickt.
Das iſt nur Scherz.
Wenn es aber ein bischen größer wird, könnte das Thierl Einem leicht den Kopf abboißen, aus lauter Scherz.
Das thut nichts; das geſchieht bei uns manch - mal, lieber Colibri.
Da dank’ ich gehorſamſt.
Apropos, lieber Mann: denke dir, mein guter Vater will uns heute ein recht großes Vergnügen machen. Er hat mir erlaubt, mit dir eine kleine101 Spazierfahrt in ſeinem Leibhofluftballon zu machen, das wird allerliebſt.
Schlipperdibix, da freu ich mich aber drauf! Sind denn bei Euch auch die Luftbullon bekannnt?
O ja; ſchon ſeit ein paar hundert Jahren. Sie ſind aus Elephantenhäuten gemacht und werden mit brennendem Branntwein gefüllt, dann ſteigen ſie in die Luft. Aber man hält ſie an einer langen Schnur, damit ſie nicht davon fliegen können.
Das muß eine charmante Unterhaltung ſein, die Luftfliegerei, wenn Eim’ dabei nit übul wird.
O nein, o nein! — Sieh, da bringen ſie den Luftballon ſchon. Papa kommt auch mit.
Milipi! ſieh, weil ich dir’s verſprochen hab, kannſt du jetzt mit deinem Mann da hineinſitzen102 und ein halb Stündl ſpazieren fliegen. Halamilari hält das Seil, da brauchſt keine Angſt zu haben.
O lieber Papa! Und nicht wahr, mein Croco - dilchen darf auch mitfahren.
So viel du willſt. Steigt nur ein.
So alloh, alloh!
Tauſend, tauſend! Das Halten wird mir zu ſchwer! —
Nur nit auslaßen!
Jch kann nicht mehr, ich rann nicht mehr!
Laßt das Crocodil fallen!
Hülfe! Hülfe! ich kann nicht mehr!
Haltens! Mir wird nicht ganz gut.
Mir wird übel! Jch falle in Ohnmacht!
Jch falle! Jch kann nicht mehr!
Herbei! helft! haltet!
Weh! weh! Meine Tochter! Meine Milipi!
Auweh! Jch hab mir das Rückrat gebrochen.
Hülfe! Hülfe!
Donnerwetter! Das hab ich gſpürt! —
Auweh, auweh — thut mir das Kreuz weh! No! und die Luftfahrt! Da dank ich! Aber da oben hat er auf einmal auslaßen; da muß ihm der Athem ausgangen ſein! Kreuztibidomine! Jch muß um die ganze Erdkugel ’rumgeflogen ſein. An a paar Stern bin ich gleich ſo angſtoßen, daß ich mir die Spitzeln in die Rippen gerennt hab. Das war a Metten! Ein Comet hat mir mit ſeinem Schweif einen mordaliſchen Wiſcher über’s G’ſicht gemacht, daß mir die Funken aus die Augen ge - ſpritzt ſind! Wie ich aber am Mond vorbei gſegelt bin, hab ich nix mehr gſehen und jetzt lieg ich da; aber wo lieg ich! wo? —
Bin ich vielleicht wieder in ſo ein Wuwut - ſchenland verdammt, wo ich eine ſchwarze Prin -105 zeſſin heirathen muß? Halt! ich hör’ was! da will ich mich gleich ein Bischen verſtecken, eh ich bu - merkt werde.
Jhr Herrn und Frauen laßt euch ſagen, Die Stunde hat drei Uhr früh geſchlagen; Es iſt bald Zeit, daß ihr aufſteht, Aufſteht und an die Arbeit geht!
Jhr Herrn und Frauen laßt euch ſagen, Die Stund hat drei Uhr früh geſchlagen, Jetzt legt der Mond ſich in ſein Bett, Um’s Leben iſt’s a miſerabl’s G’frett!
Jhr Herrn und Damen laßt euch ſagen, Die Stund hat drei Uhr früh geſchlagen, Die Sonne wirft ihre Ducket weg, Und kommt gleich ’rauf dort über’s Eck!
Potztauſendelement! Das war ja der Peter, unſer Nachtwachter! Ja! wie kommt denn der106 daher? oder wie komm’ ich daher?
Herrſchaft! Wunder! Mirakel, Spectakel! das iſt ja ’s Rößlwirthshaus! Juhe! jetzt bin ich wieder daheim! — doch ruhig! keine Uebereilung! Faßung! Beſonnenheit! Ueberlegung! Mannes - würde, Empfindung! Selbſtgefühl! ſittlicher Ernſt! — — Wie mach’ ich’s jetzt am Gſcheiteſten, daß meine unerwartete Rückkehr ein Weltereigniß wird? — — Jetzt fallt mir was ein: zuvor werd ich als mein Geiſt erſcheinen, nachher erſt als leibhaftiger Casperl. Jch will doch hören, was die Leut von mir ſagen.
So! jetzt ſtill und aufgepaßt! Am allerfrühſten Morgen werden die Leut ſchon kommen und Waſſer holen.
Das iſt halt was werth, ſo a guts, friſch Waſſer! Das waſcht Ei’m den Schlaf noch recht aus die Augen. Aber koſt’t hats er ’n Wirth was107 der Brunnen. Rentirt ſich aber. Jetzt hab’n wir überflüßig für’s Vieh, für die Roß und die groß Stadlwieſen können wir auch noch wäſſern, und den ganzen Garten und ’s Krautgartenwiesl; dürfen nur die Rinnen einlegen. Herrſchaft! Das iſt freilich eppes Guts und grad nur die halbi Arbeit.
Gut’n Morgen, Wirthin!
Guten Morgen, Hiesl! Thuſt’s Vieh bald tränken. Gelt, der Brunnen iſt a Wohlthat? haſt’n Schöpfer gleich im Stall.
No, das ſag i! Der kalteſiſche Brunnen iſt was werth. Aber koſt’t hat er a was!
Ja freilich, 2000 Gulden langen net. Und das kann ich halt gar nicht vergeſſen, daß dabei ein Menſchenleben auch z’Grund gangen iſt.
A mein, der Casperl; Gott tröſt’n; aber a Lump war er doch!
Ja, a gute Haut; aber a fauler Kerl; und ’s Bier war ihm eigentlich ſein Arbeit.
Haſt’n Catharr Hiesl, weil’s d’ alleweil huſten mußt?
Bei Leib nit; aber ich hör’ auch alleweil ſo räuſpern.
Ja, Hiesl, mir wär’s doch recht, wenn der Casperl noch bei uns wär! Er war doch gar ſo a luſtiger Burſch mit ſeine Dummheiten.
Das ſchon; aber ich glaub’, es hat ihn doch der Teufel gholt, weil er a gar ſo a fauler Kerl war.
Ja, was iſt denn das? Wer iſt denn da?
Herrgott im Him - mel! Da ſteht er oben! Das iſt ſein Gſpenſt! Auweh!
Richtig! der leibhaftig Casperl! Alle guten Geiſter — —
Brav! jetzt hab’ ich mein Sach! wenigſtens hab ich beobachten können, daß ich im guten An - denken ſteh. Wie werden ſie mich erſt empfangen, wenn ich in Wirklichkeit erſcheine? Holla! kommt ſchon wieder wer.
Was nit gar? Das ſind Dummheiten! Macht’s mir Nichts weiß. Jch glaub’ an keine Geiſter.
Ja gwiß, auf’m Brunnen ſteht er oben wie er gleibt und glebt hat. Schaut’s nur hin, Vater.
S’ iſt ſchon recht.
Meiner Seel! — das iſt kein Gſpaß; da ſteht er!
Gelt’s? ich hab’ recht ghabt.
Holt’s ’n Pfarrer, der kann mit die Geiſter umgeh’n. Hiesl Hiesl!
J trau mir net!
Zum Herr Pfarrer lauf, Hiesl! Er möcht mit ’n Weihbrunnen kommen, aber gleich! wo iſt denn der Hans? Hans!
Was gibt’s denn, Vater? —
Da ſchau hin.
Der Casperl!
Ja, der Casperl! der arme Casperl! Als Geiſt erſcheint er euch. Gelt’s: der Lump, der Faulenzer! der in das Brunnenloch gefallen iſt, tief in die Erden hinunter, der ſo elend zu Grund gegangen iſt? Wehe! Wehe!