PRIMS Full-text transcription (HTML)
Luſtiges Komödienbüchlein
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Zweites Bändchen.
München,1861. Verlag der J. J. Lentner’ſchen Buchhandlung. (E. Stahl.)

Als Manuſcript gedruckt.

Druck von E. Stahl.

Prolog.

Das goldene Ei.

Perſonen.

  • Negrocephalus. Zauberer.
  • Putzlmaier. deſſen Famulus.
  • Der Gockelhahn.
  • Eine verhüllte Geiſtererſcheinung.
  • Blitz und Donner.

Felſenhöhle mit Zauberapparaten.

Auf einem Felsblock liegt ein großes Buch aufgeſchlagen. Rechts ein Todtenkopf, links ein Eſelskopf, in der Mitte eine Sanduhr; ein großer Barometer hängt an der Felſenwand.
Negrocephalus
(ſteht vor dem Buche und blättert darin).

Beim großen Salamo! heut geht mir nichts zuſammen mit meiner Zauberei. Jetzt laborir ich ſchon den ganzen Vormittag und kann keinen Geiſt citiren. Vielleicht hab ich nicht das richtige Blattl in mei’m Zauberbuch erwiſcht oder iſt mein Zau - berſtaberl vom feuchten Wetter etwas verbogen kurz! es iſt eine wahre Schand für einen Zauberer von meiner Qualification! Auch dieſer ausge - ſtopfte Kopf des klugen Bienam-Eſels ſchweigt heute, der mir doch ſonſt die beſten Andeutungen gibt.

(gibt ihm einen Schlag mit dem Zauberſtäbchen.)

Na! gar nichts heut? Was iſt’s? Kein Zeichen?

(Der Eſelskopf bewegt die Ohren und ſchreit Ya Ya! )

Endlich! Aber jetzt fallt mir was ein! Vielleicht hat mir gar mein Famulus Putzlmaier das ZauberbuchVI verblättelt, daß die Seiten nicht mehr mit dem Kalender zuſammengehn; denn der miſcht ſich in gar Alles und will alleweil gſcheider ſein als ich. Putzlmaier! Putzlmaier!

Putzlmaier
(von Außen.)

Was gibt’s ſchon wieder?

Negrocephalus.

Herein da! Wo ſteckt Er?

Putzlmaier
(tritt ein).

Was wolln’s denn in aller Fruh z Mittags? Jetzt hab ich grad mein Caffee trinken wollen.

Negrocephalus.

Was hat Er wieder getrieben beim Abſtauben heut in der Fruh? Gelt? ’s Buch verblattelt, daß ich mich nimmer auskenn!

Putzlmaier.

Das kann die Zugluft auch gethan haben. Wenn ich abſtauben und aufräumen ſoll, ſo muß ich auch was anrühren.

Negrocephalus.

Nur nicht naſeweis, Monſieur Putzlmaier! Schau Er einmal auf den Zauberthermometer, wie heut meine geiſtige Temperatur ſteht?

VII
Putzlmaier
(ſieht auf den Barometer.)

Grad auf Null! Auf’m Gefrierpunkt.

(Der Eſel rührt die Ohren und ſchreit Ya, Ya .)

Der Eſel ſagt’s auch. So ſchaun ’S doch in den Sulzbacherzauberkalender. Vielleicht iſt heut nit der rechte Tag.

Negrocephalus.

Still! Was weiß Er von der geheimen Magie. Bleib er in ſeiner untergcordneten Sphäre und verſteig Er ſich nicht in Regionen, die Jhn nichts angeh’n und die für Jhn viel zu erhaben ſind. Geh Er hinaus und zünde Er lieber im Ofen das chemiſche Feuer an; denn ich will experimen - tiren.

Putzlmaier
(im Abgehen.)

Buchen oder Feuchtholz?

Negrocephalus.

Zwei Scheiteln Feuchtholz und drei Buchen - prügel; dann etwas Torf drauf; denn ’s Holz iſt theuer.

(Putzlmaier ab.)
Negrocephalus
(allein.)

So will ich denn an’s Werk ſchreiten

(liest aus dem Buche)
VIII

Schnuriburiomnibus viribusschabuloribus Katamizispriziwuzimilimalimolimus Spiritisfamiliaribusbliziblazibumbumbum.

(Es kracht im Ofen.)

Auweh! bin ich aber jetzt erſchrocken! Hat ſich ſchon ein Geiſt gerührt, wie mir ſcheint. Dem muß ich gleich kräftiger zu Leib ſteigen. Hoher Geiſt, der du den Spruch capirteſt Dich ſogleich im Ofenloche rührteſt, Wenn du der biſt, den ich meine, Unſichtbarer ſo erſcheine. Jch citire dich bei Salomo’s Gewalt, Zeige dich in x beliebiger Geſtalt.

Unter krachenden Flammen erſcheint der große Gockelhahn.
Gockelhahn.

Kikeriki, kikerikich bin da, Gerufen haſt du, ſo bin ich nah.

Negrocephalus
(zitternd.)

Sprich, wer biſt du?

Gockelhahn.

Jch bin der kluge Gockelhahn Und kräh den frühen Morgen an.

Negrocephalus.

Biſt du ein guter oder ein boſer Geiſt?

IX
Gockelhahn.

Kikerikich bin ein guter Geiſt, Der kluge Gockelhahn geheißt.

Negrocephalus.

So ſprich, wie ſtehſt du mir zu Dienſt, Da du auf mein Geheiß erſchienſt?

Gockelhahn.

Jch bin der kluge Gockelhahn, Der Henne Gackerackack ihr Mann; Und meine Frau ſitzt auf dem Miſt, Jm Legen ſie begriffen iſt.

Negrocephalus.

Was legt die Henne, o ſag geſchwind, Und wo legt ſie, damit ich’s find.

Gockelhahn.

Ein goldnes Ei, Das brich entzwei; Was aus dem Ei wird kommen, Das mag dir ſein zum Frommen. Mir aber gib eine Hühnerſteig Und dann mein Futter aus gutem Teig. Ein goldnes Ei, Das brich entzwei!

X
Negrocephalus.

Schaff mir das Ei ſogleich hieher, Jſt was Gut’s drinnen, freut’s mich ſehr.

Gockelhahn.

Das goldene Ei das ſollſt du haben, Da draußen liegt es in dem Graben.

Negrocephalus.

Flieg auf, flieg auf, mein Gockelhahn, Und iſt’s nicht wahr, ſo iſt’s ein Wahn.

(Gockelhahn fliegt fort.)

Schlapperment! jetzt bin ich aber ſchachmatt von der Zauberei. Jch muß in mein Schlafkabinet gehn, um etwas auszuruh’n. Einſtweilen kann der Putzlmaier aufpaſſen. Putzlmaier!

Putzlmaier.

Da bin ich ſchon; was gibt’s?

Negrocephalus.

Aufgepaßt, Putzlmaier! Nimm Er ſeinen Kopf zuſammen und mach Er keine Dummheit. Wäh - rend ich jetzt in meinem Cabinet in einigen - chern nachſchlage, bleib Er hier und paß Er auf, daß nichts gſchieht. Wenn aber was gſchieht, ſo muß Er mir’s gleich melden.

(ab)
XI
Putzlmaier
(allein).

Das iſt wieder eine ſchwierige Commiſſion. Alſo: Wenn Nichts gſchieht, nachher gſchieht Nichts und wenn was gſchieht, ſo gſchieht was. Alſo aufgepaßt, Putzlmaier! Aber das Herſitzen iſt mir zu langweilig. Jch will mich unterdeſſen a bißl mit dem Zauberbuch unterhalten; vielleicht kann ich mir auch einmal einen Geiſt herzitiren.

(blättert)

Pfui Teufel! Das ſind abſcheuliche Kribes Krabes.

(blättert weiter)

Ah! das laß ich mir gfall’n, da iſt ein wunderſchöner Gockel abgemalt.

(liest.)

Kikeriki, kikeriki erſchein, Wenn du der biſt, den ich mein.

Ein Knall. Gockelhahn fliegt herab und legt ein großes goldenes Ei nieder, das er in den Krallen hält.
Gockelhahn.

Großer Zauberer, du haſt beſohlen. Dieſes Ei iſt nicht geſtohlen; Jch bring es her, leg dir’s zu Füſſen, Frau Gackerakack laßt dich ſchen grüßen!

(fliegt ab)
Putzlmaier.

Ah! Ah! Das iſt aber ſchön! Ein golde - nes Ei! Das gfallt mir. Was muß denn da drin - nen ſein? Das könnt eine hübſche Portion Eier -XII ſpeis geben. Aber’s Eierbecherl müßt ſchon ſo groß ſein, wie ein Halbseimerfaßl. Da ſag ich vorder - hand meim Herrn nichts davon.

Stimme aus dem Ei.

Macht’s auf! ich erſtick!

Putzlmaier.

Aha! da rührt ſich was. Jſt vielleicht ein kleines goldenes Gockerl drin?

Stimme.

Tauſendnochemal! macht’s auf! ich erſtick!

Putzlmaier.

Ja, wie kann ich denn aufmachen?

Stimme.

Nimm das Zauberſtaberl und ſchlag dreimal auf das Ei, ſo wird es zerſpringen.

Putzlmaier.

Nein, nein! da trau ich nit. Da könnt der Spadifankerl drinſtecken. Jch will’s lieber mei - nem Herrn melden.

(ruft)

Herr Negrocepherl, kom - men’s heraus; aber geſchwind, ſonſt erſtickt der Teufel.

Negrocephalus
(kömmt.)

Was gibt’s da? Aha! das Ei. Brav, brav, der Gockl hat Wort ghalten.

XIII
Putzlmaier.

Jetzt nehm S nur gſchwind ihr Spazierröhrl und tipfen S e bißl drauf; aber z’vor abſentir ich mich, denn mit dem verdächtigen Eierdotter will ich nichts z’thun haben.

Negrocephalus.

Geh Er nur, wenn Er Furcht hat. Ha, ha, ha! Ein Zauberer wie ich fürchtet dergleichen nicht.

Putzlmaier.

Ghorſamer Diener!

(ab.)
(Negrocephalus betrachtet das Ei ängſtlich von allen Seiten.
Stimme
(im Ei.)

Aufgmacht, ſag ich!

Negrocephalus
(fährt voll Schrecken zurück.)

Ei der tauſend! was iſt das?

Stimme.

Aufgmacht, oder ich brich durch!

Negrocephalus.

Der Putzlmaier hat doch nicht ſo Unrecht. Weiß’s der Deixel, ob nit der Deixel da drin ſteckt! Jeden - falls muß ich mich ſicher ſtellen.

(eilt ans Zauberbuch und liest):

Steckt im Ei dieß oder das, Jch verbitt mir jeden Spaß;XIV Denn wenn ich einen Geiſt citir Verlang ich Anſtand und Manier. Lieber Geiſt, ich bitte dich, Sei ſo gut und mir verſprich, Daß, wer du auch immer biſt, Du mich nicht verſchlingſt und frißſt. Beim großen König Salomo, Und wenn es ſo iſt, ſag es ſo.

Stimme.

Jch thu keim Menſchen was. Aufgemacht, ich halt’s nimmer aus!

Negrocephalus
(mit dem Zauberſtab an das Ei tretend.)

Eh ich die goldne Hülle ſprenge, Die dir, wie du mir ſagſt, zu enge, Sollſt du bei allen Geiſtern ſchwören, Und daß vernehmlich ich’s kann hören.

Stimme.

Jch ſchwör’s, ich ſchwer’s.

Negrocephalus
(berührt das Ei mit dem Zauberſtab.)

So öffne dich, du goldnes Haus; Verſteckter Geiſt, tritt nun heraus!

(zugleich ſalvirt er ſich hinter’s Zauberbuch.)
XV
Unter knallendem Feuerwerk öffnet ſich das Ei. Eine mit bunten Lappen verhüllte Geſtalt erhebt ſich daraus.
Negrocephalus.

Was iſt das für eine kurioſe Figur, Kunterbunte Lappen ſeh ich nur: Blau und gelb und grün und roth, Jſt das eine neue Geiſtermod? Wer biſt du ſprich? Jch frage dich.

Die Hülle fällt und Casperl ſpringt aus dem Ei.
Casperl.

Jch bin’s, der in der bunten Hülle prangt, Und den ſich alle Welt verlangt.

Negrocephalus.

Unverſchämt! Scandalos! Einen Geiſt hab ich mit meiner magiſchen Gewalt citirt und aus dem goldenen Ei ſpringſt du heraus? Welche Frechheit!

Casperl.

Als ob ich kein Geiſt wär!

Negrocephalus.

Ja, aber welcher? Gleich hinaus mit dir!

Casperl.

Oho, das geht nit ſo gſchwind, alter Zaube - rer! Wiſſen S denn, wer ich bin?

XVI
Negrocephalus.

Jch weiß’s ſchon. Ein Hanswurſt!

Casperl.

O, Sie langweiliger Schafskopf!

Negrocephalus.

Jmpertinenter Flegel! Jch werd ihn gleich wie - der hinauszaubern.

Casperl.

Nix da! geh’n S nur e bißl auf d Seiten, damit ich Platz hab und mich an das hochgeöhrte Publicus wönden kann.

Hochgeöhrteſtes Publicus!

Jch habe die Oehre, mich Jhnen als möglichſt guten Humor vorzuſtehlen. O, der Humor oder die Humores ſind was werth! Denn die Hu - mores, welche nach lateiniſcher Explucation ſo viel wie eine Art von Feuchtigkeiten bedoiten, ſind jene floiden Kräfte, die uns den Dorſt zu ſtillen pflö - gen, wölchen Dorſt der Casperl Larifari abſoluta - liter nicht leiden kann, weshalbiger derſelbe bedoi - tend zu trinken gewohnt iſt. Doch laſſen wir dieſen zarten Punkt beiſeite und reden wir von dem Hu - mor in der einfachen Zahl. Dieſen guten Humor möchte ich dem hochgeöhrteſten Publicus mitgebrachtXVII haben; ich möcht Jhnen damit e bißl die lang - weilige Zeit vertreiben. Auch hab ich noch einige Ueberbleibſeln von einer halben Portion ſogenann - ter romantiſcher Poeſie im Sack, die ich auf’m Tandlmarkt ſelber um 12 Kreuzer gekauft hab und die meinen alten guten, guten Freund, den Herrn Clemens Brentano, Gott hab’n ſelig, umgebracht hat. Eine herrliche, miſerabelverkannte Verlaſſen - ſchaft, die er mit in’s Grab hat nehmen wollen; aber eh er gſtorb’n iſt, hat er’s doch wieder da laſſen und hat ſich gedacht: Vielleicht klaubt’s doch noch eine ſympathetiſche Seele auf! Ha! dieſe ſympaſtetiſche Seele hat ſich gefunden und die Co - mödienſtückl, die ich da mitgebracht hab, enthalten den Abdruck des Ausdrucks des Eindrucks eines Mondſcheinſtrahles aus der romantiſchen Zeit, wo die Ritter noch beim helllichten Tag herumgritten ſind und die Zauberer noch als ſolche haben gel - ten können. Aber jetzt machen die Ritter keine Kreuzfahrten mehr, ſondern laſſen ſich lieber ein Dutzend kleine Kreuzl’n anhängen und die Zaube - rer, die uns einen blauen Dunſt vormachen, ſind auch noch da, aber das geht Alles auf natürliche Manier her und Aber ich bitt um Ver -*XVIIIzeihung! beinah hätt ich mich vom Stoff hinreißen laſſen. Nehmen S halt vorlieb mit dem, was Jhnen der Casperl Larifari ganz ghorſamſt ge - bracht hat und wenn S gfälligſt umblätteln, ſo können S ſelber leſen, was er im Sack hat, nehm - lich: Ein Büchl, folgenden Jnhalts:

Anmerkung des Setzers.

Jch kann dem verehrten Leſer meine Beobachtung nicht vorenthalten, daß, abgeſehen von der abgeſchmackten Erſchein - ung des Casperl. das gold’ne Ei eine viel geeignetere Ver - wendung bei feierlichen Gelegenheiten finden könnte. Wäre es z. B. nicht ſehr hübſch, wenn bei einem Geburts - oder Namenstagfeſte aus dem Ei eine Bouteille guten Weines erſchiene, die man dann dem Gefeierten überreicht, oder bei Verlobungen 2 brennende Herzen in Trausparent mit den Namenszügen der Verlobten u. dgl. m. Jch kann meine Verwunderung nicht unterdrücken, daß dem Herrn Verfaſſer nicht dergleichen zu Ehren des Leſers eingefallen iſt, und daß er den läppiſchen Casperl Larifari aus dem Ei er - ſcheinen läßt.

Jnhalt.

  • Seite
  • Doktor Saſſafras1
  • Der Weihnachtsbrief57
  • Die drei Wünſche81
  • Die Taube107
  • Muzl, der geſtiefelte Kater169
  • Prinz Herbed227
  • Kasperl als Garibaldi279

Doctor Saſſafras oder Doctor, Tod und Teufel, in drei Aufzügen.

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Perſonen.

  • Doktor Saſſafras.
  • Casperl,

    ſein Diener. Herr von Steinreich.

  • Marie,

    deſſen Nichte und Muͤndel.

  • Schreiber,

    Sekretär bei Steinreich.

    Der Tod,

    auch Herr Knochenmayer.

  • Der Teufel.
  • Ein Bauer.
  • Bedienter bei Steinreich.
  • Ein Todtengräber.
  • Erſcheinungen.

I. Aufzug.

Des Doktors Studirſtube.

(Bücher, mediciniſcher Apparat ꝛc.)
Doktor Saſſafras.

Die Laſt der Arbeit erdrückt mich beinah! Es iſt wirklich etwas Erſchreckliches, ein Arzt zu ſein. Mit dem früheſten ſtehen ſchon die Hilfeſuchenden vor meiner Thüre; dann heißt’s in der ganzen Stadt oder auf dem Lande herumfahren; kaum hab ich mich Mittags mit Speis und Trank ge - ſtärkt, überlaufen mich die Patienten wieder in meiner Wohnung; dann abermals Viſiten; Nachts wenn die andern Menſchen ausruhen, bin ich auch nicht ſicher, daß ich nicht irgendwohin geholt werde! Geld mache ich mir genug bei dieſem Wirken, be - ſonders ſeit ich die drei Heilmethoden exercire, die Allopathie, die Homöopathie und die Hydropathie (vielleicht nehme ich auch noch die Heilgymnaſtik dazu). Jch kurire oder bringe die Leute um, wie ſie wollen. Man bewundert meine Prognoſe,1 *4meine Diagnoſe kurz man nennt mich einen zweiten Hypokrates oder Paracelſus!

(Casperl tritt ein.)
Casperl.

Hochelehrteſter Herr Doctor! Da draußen ſteht ſchon wieder ein ganzer Rudel Patienten, die ein Rezept haben wollen von Jhnen. Einen haben’s gar auf einem Wagerl hergſchoben; er hat keine Füß mehr und möcht, daß Sie ihm was eingeben, damit ihm wieder neue anwachſen; einen Blinden haben’s auch hergführt, der möcht ein paar friſche Augen. Nächſtens kommen die Leut ohne Kopf, damit Sie ihnen Einen aufſetzen.

Saſſafras.

Für jetzt iſt es mir unmöglich, irgend Jemanden zu empfangen. Jch muß zu einem Confilium, welches eben bei dem alten Grafen Hohenfels ge - halten wird. Wenn die Leute draußen ein Stünd - chen warten wollen, mag es ſein. Jch denke, daß ich nicht zu lange ausbleibe oder wenn du meinſt, ſo beſtelle ſie auf morgen her.

(ab.)
Casperl
(allein).

So iſt’s recht. Geh’n S nur fort, Herr Doc - tor. Jetzt hab ich Gelegenheit, wieder einmal5 meine Praris auszuüben. Ein dummer Kerl wird ſich ſchon finden, der mich für einen Doctor anſieht, wenn ich ihm was weiß mach. Das iſt ja ohne - hin bisweilen Doctorenmanier und je mehr man den Leuten vorlügt, für deſto gſcheiter halten’s Ein.

(ruft zur Thüre hinaus)

Heda! Guter Freund, nur herein!

(Ein Bauer mit ungeheuer dickem Bauch.)
Bauer.

Da bin i ſchon, Rexcellenz Herr Doctor.

Casperl
(ſpricht ſehr hochdeutſch).

Nun was fehlt, juder Freund? Du haſt ja einen ungeheuern Bauch. Haſt du vielloicht die Waſſerſucht? oder die Bierſucht?

Bauer.

Na, weder d Waſſerſucht, noch d Bierſucht. Jch hab halt ſchreckliche Schmerzen im Bauch, und weiß net warum. Aber die vorig Wochen habn wir Kirte ghabt und da hab i holt ſo nachanan - der vierundzwanzig Knödl aufm Kraut geſſen. Jch glaub, die liegn mir noch im Magen. Wenn Ein Knödl ’naus will, ſo möcht der Ander a ’naus und ſo verſtellt Einer dem Andern den Weg. Jetzt’s könnts Enk denken, Rexcellenz Doctor, was6 das für a Metten in meim Bauch iſt, wenn die 24 Knödl mitenand raufen. J mein, i muß z Grund gehn!

Casperl.

Wie kann aber ein Menſch ſo dumm ſein, vierundzwanzig unvorſichtige Knödel zu verſpoiſen? Das iſt ja eine Schwoineroi?

Bauer.

Ja, mir haben’s halt gſchmeckt und weil der Knödl rund iſt, hab i mir denkt, die kugeln leicht wieder auſſi. J bin halt a dummer Bauer, der von die glehrten Sachen Nix verſteht.

Casperl.

Das iſt aber ein ſehr kriteriſcher Fall. Das Glück iſt, daß du auch Sauerkraut dazu gegeſſen haſt, weil die Säure doch etwas auflöſend wirkt; ſonſt wäreſt du ſchon an einer Jndiſcheſtion ge - ſtorben.

Bauer.

Was is denn das für eine Krankheit die Jn - diſchſtion?

Casperl.

Das iſt eine indiſche Krankheit. Da hilft nichts als den Bauch aufzuſchneiden.

7
Bauer.

Na ſchneiden laß i mich net.

Casperl.

Dann mußt du ſterben.

Bauer.

Auweh, auweh! was koſt’s aber, wenn der Herr Excellenz Doctor mich kurirt hat.

Casperl.

Das koſtet 30 fl. gradaus und 5 fl. Trinkgeld.

Bauer.

Das iſt doch a bißl gar z’viel.

Casperl.

Wenn Er nicht will, ſo behalte er ſein Geld im Sack und ſeine Knödel im Bauch.

Bauer.

O mein, o mein! J halt’s net aus vor Schmer - zen! Meintwegen ſchneidt’s halt zu, wenn’s net z weh thut.

Casperl.

S iſt gleich vorbei. Jch muß nur mein Jn - ſtrument holen.

(ab)
Bauer
(allein).

Was muß denn das für a Strument ſein? eppa gar a Trumpeten zum Blaſen! Mir iſt’s8 recht! Jetzt bin i amol gfaßt und ergib mich in mein Schickſal.

(Casperl kommt mit einem großen Meſſer herein.)
Casperl.

So, ſetz Er ſich auf dieſen Stuhle und ruhig gehalten.

Bauer.

Das iſt ja a ſchrecklichs Meſſer? J halt’s nit aus!

Casperl.

So? meint Er, daß für 24 Knödl ein kleines Federmeſſerl genug wär? Alſo, ruhig!

(Casperl ſchneidet ihm den Bauch auf. Der Bauer ſchreit ungeheuer und zappelt mit den Füßen.)
Casperl.

’s ſchon vorbei! Da ſchau Er einmal!

Die Knödel ſpringen aus dem Bauch und tanzen auf dem Boden herum.

Jetzt ſchnell das Pflaſter drauf.

Bauer
(aufſeufzend).

Ah, ah! Jetzt iſt mir ganz leicht!

Casperl.

Die Knödl kannſt wieder mitnehmen für ein anderes Mal.

Bauer.

Na, na, dank ſchön! Die könnten mir ſchlecht9 bekommen. Da habt’s die 30 fl. und 5 fl. Trink - geld.

Casperl.

Gut, nur ber damit, und jetzt marſch hinaus.

Bauer.

J bedank mi halt ſchön.

Casperl.

Drei Tag nichts eſſen; trinken ſo viel Er will.

Bauer.

Das laß i mir gfalln! Ghorſamer Diener Rexcellenz Doctor.

(ab.)
Casperl
(allein).

Das hab ich wirklich nit ſchlecht gemacht. Ja, Couraſchi iſt die Hauptſach für ein Doktor. Es iſt noch die Frag, ob das meinem Herrn ein - gfall’n wär, der hätt vermuthlich dem Bauer ein kleines Abführungsmittel geben; aber ſo iſt das Ding viel ſchneller gangen und wenn der Kerl ſtirbt, ſo iſt er wenigſtens net an die Knödl gſtor - ben, ſondern blos an der Kur. Das gſchieht bei die Doctores auch nit ſelten, daß ſie dem Patien - ten die Krankheit vertreiben, aber daß er nachher an die Mittel draufgeht, die ſ ihm geben haben.

Saſſafras
(tritt ein).

Das Conſilium iſt vorbei. Mein Rath hat10 wieder den Ausſchlag gegeben; Mein Mittel wird helfen.

(zu Casperl)

Jſt unterdeſſen nichts vorgefallen, Caspar?

Casperl.

Nein gar nix, gnädiger Herr!

Saſſafras.

Jch werde nicht lange zu Hauſe bleiben kön - nen, weil ich zu Herrn von Steinreich gerufen wurde. Er ſoll an einem unheilbaren Uebel lei - den. Was, unheilbar? Das wollen wir erſt ſehen, wenn ich komme! Caspar, wenn mich etwa irgend Jemand ſprechen wollte, ſo kannſt du mir es gleich melden.

Casperl.

Wie Sie befehlen.

(ab.)
Saſſafras
(allein).

Von Stufe zu Stufe ſteige ich! Jch werde bald einen europäiſchen Ruf haben. Was ſind all dieſe Stümper von Doctoren im Vergleiche zu mir? Wer hat einen Blick in die Tiefe der menſchlichen Natur, wie ich? Keiner! Wer weiß das Uebel gleich richtig zu faſſen, wie ich? Keiner von Allen! Wer von ihnen kann ſeine Kraft meſſen mit jenen geheimen Gewalten, welche das Leben11 der Menſchheit befeinden? Jch bin es! Doch es iſt Zeit, zu Herrn von Steinreich zu gehen.

(ab.)
Der Tod (erſcheint aus der Verſenkung).
Tod.

Herr Doctor Saſſafras! auch ich bin da! Vergiß nicht ganz, daß ich dir immer nah. Denn bald wird mir zu arg dein kühnes Treiben, Dein Ordiniren und Rezepteſchreiben. Bei meinen alten Knochen! ’s iſt zu viel! Mit mir zu wagen ſolch ein keckes Spiel. Jch hab ein altes Recht auf Jung und Alt, Auf Groß und Klein und hol was mir gefallt. Du willſt mir Einſpruch thun, ha, ha! zum Lachen Jſt’s! Alles muß ja doch in meinen Rachen Und Alles mäh ich mit der Senſe nieder, Und Alles wird zu Staub und Aſche wieder. Nun aber, weil bisher ich war ſo gütig, Wird mir das Doctorlein gar übermüthig. Jetzt will aus einem andern Ton ich geigen Und wer der Herr iſt dem Herrn Doctor zeigen. Zuvor werd ſelbſt ich Saſſafras beſuchen Und gütlichen Vergleich mit ihm verſuchen, Geht er nicht auf den Vorſchlag willig ein. So muß er ſelbſt bald meine Beute ſein.

(verſchwindet.)
12

Verwandlung.

Prachtvolles Gemach im Hauſe des Herrn von Steinreich.

Steinreich, auf einem Armſeſſel ſitzend. Vor ihm ein Tiſch mit vielen Papieren darauf. Neben ihm ſteht Sekretär Schreiber.
Steinreich.

Aber heute werden Sie wieder gar nicht fertig mit Jhrem Vortrag und ich bin ſo leidend.

Schreiber.

Jch bedaure, Herr Baron; allein es liegt Jhnen ja ſelbſt daran, daß Jhre Geſchäfte täglich Vor - mittags erledigt werden. Hier iſt noch die Ein - gabe des armen Taglöhners mit Weib und ſechs Kindern; er bittet um Nachlaß der Schuld oder Termin zur Rückzahlung.

Steinreich.

Ei was! er ſoll zahlen; die Auspfändung ſoll ihren Lauf nehmen. Jch kann nicht Alles ver - ſchenken. Soll ich ſelbſt zum Bettelmann werden. O weh! was leid ich wieder. Mein Herz, mein Herz!

Schreiber.

Bedaure aber bedenken, Herr Baron, der13 Mann war ein halb Jahr krank und konnte ſich nichts verdienen.

Steinreich.

Das iſt nicht meine Schuld. Wenn ich nicht ein ſo gutes Herz hätte o weh wie drückt’s mich wieder! ſo hätte ich ihn längſt ſchon auspfän - den laſſen. Mein gutes Herz wird mich noch ganz und gar ruiniren.

Schreiber
(für ſich)

O du Heuchler!

(zu Steinreich)

Alſo wirk - lich Herr Baron?

Steinreich.

Es bleibt dabei. Apropos! Vergeßen Sie nicht, mir wieder 300 Flaſchen Champagner zu beſtellen von der Qualität, die ich neulich probirt habe.

Schreiber.

Jch habe bereits an das Haus Clicôt geſchrie - ben. Hier iſt noch ein kleines Geſuch der Wittwe Müller. Sie hat kein Bett mehr. Eine Lähmung der rechten Hand hindert ſie zu nähen, ſo daß ſie keinen Verdienſt hat. Um Brod für ihre zwei Kin - der zu kaufen, gab ſie ihr Bett her und liegt nun auf dem Stroh. Sie bittet nur um ein paar Tha - ler. Jhre Noth iſt groß.

14
Steinreich.

Was den Leuten nicht Alles einfällt! Ueberall ſoll ich helfen. Verſchonen ſie mich mit ſolchen zudringlichen Betteleien. Ein für allemal!

Schreiber.

Aber der Hunger thut weh!

Steinreich.

Man ſoll ſich nach der Decke ſtrecken und nicht mehr wollen, als man hat. Der Menſch ſoll ſich überhaupt auf das Nothwendigſte beſchränken. Apropos! Jch hoffe, daß die Gänſeleberpaſtete aus Straßburg angekommen iſt; ich freue mich ſchon lange darauf.

Schreiber.

Sie ſoll heute auf die Tafel kommen.

Steinreich.

Bravo! Jch muß mich durch gute Nahrung ſtärken; mein Herzleiden wäre mir unerträglich. Dieß iſt auch die Anſicht der Aerzte.

Schreiber.

Nun habe ich die Ehre mich zu empfehlen.

Steinreich.

Adieu! beinahe hätt ich vergeſſen! Jſt Doctor Saſſafras beſtellt, den ich noch conſultiren will?

15
Schreiber.

Er wird dieſen Vormittag ſeinen Beſuch ab - ſtatten.

(ab.)
Streinreich
(vom Stuhl rufſtehend.)

Was nützt aller Reichthum, wenn man nicht geſund dabei iſt? Alle Genüße des Lebens könnte ich mir verſchaffen; aber dieſes Drücken da auf der linken Seite. Es muß mir am Herzen fehlen. Wenn’s nur keine Verhärtung iſt oder ein orga - niſcher Fehler! Der berühmte Doctor Saſſafras wird gewiß ein Mittel finden, mich zu kuriren. Jch will nichts ſparen; mit Ducaten will ich ſeine Rezepte bezahlen, wenn ich nur geſund werde. Ah, meine Nichte!

Marie
(tritt ein.)
Steinreich.

Mamſell Marie, ei guten Morgen.

Marie.

Guten Morgen, lieber Onkel.

Steinreich.

Wie ſteht’s? noch immer die Grillen im Kopf? Noch nicht zur Beſinnung gekommen?

Marie.

Wenn Sie meine Ueberzeugung Grillen nennen,16 Herr Onkel, ſo muß ich geſtehen, daß noch keine Aenderung

Steinreich.

Was Ueberzeugung? Einfältige Schwärmerei! Was willſt du mit dieſem Schreiber? Er iſt kein Mann für dich.

Marie.

An dem Todbette der ſeligen Mutter haben wir uns die Hände gereicht für immer. Unſer Bund iſt durch den Segen der Sterbenden geheiligt.

Steinreich.

Und ich will nichts davon wiſſen; aber du weißt ſchon längſt, daß es meine Abſicht iſt, dich an den Baron Goldberg zu verheirathen.

Marie.

Mein Herz iſt mein freies Eigenthum. Es ge - hört Schreiber, deſſen Werth Sie ſelbſt ſo oft ge - rühmt und anerkannt haben.

Steinreich.

Jſt dieß der Dank, daß ich dich, armes Mäd - chen, zu mir genommen habe? Der dummen Ge - ſchichte ſoll ein Ende gemacht werden. Schreiber muß aus dem Hauſe, heute noch. Jch werde leicht einen andern Sekretär finden.

17
Marie.

Jch werde Jhnen ſtets für alle mir erwieſenen Wohlthaten herzlich dankbar ſein; allein damit iſt gewiß nicht die Verpflichtung verbunden, mich zwin - gen zu laßen, daß ich Baron Goldberg heirathe.

Steinreich.

So magſt du als alte Jungfer ſterben. Fort von mir, auf dein Zimmer! Ach! mein Herz, mein Herz! wie drückt’s mich wieder!

(Ein Bedienter tritt ein.)
Bedienter.

Doctor Saſſafras.

Steinreich.

Gut, laß ihn herein.

(Bedienter ab.) (Zu Marie)

Fort, ſag ich!

(Marie weinend ab.)
Saſſafras
(tritt ein.)

Herr von Steinreich haben mich rufen laſſen?

Steinreich.

O, wie froh bin ich, daß Sie mich beſuchen. Jch bin ſehr leidend.

Saſſafras.

Es würde mir eine große Freude ſein, wenn ich durch meine Kunſt zur Linderung Jhres Zu - ſtandes Etwas beitragen könnte. Was fehlt Jhnen?

218
Steinreich.

Jch leide, glaube ich, am Herzen. Meine außer - ordentliche Gutherzigkeit hat mich ruinirt.

Saſſafras.

Will nicht hoffen; allein es iſt kein Zweifel, daß phyſiſche Zuſtände von großen Einfluß auf den Körper ſind. Die geiſtigen Qualitäten impregniren ſich der Materie.

Steinreich.

Seh’n Sie, Herr Doctor,

(auf die linke Seite die Hand legend)

ſeh’n Sie, da thuts halt ungeheuer weh! Es iſt mir oft als wenn ein harter Klum - pen drin wär.

Saſſafras.

Können auch Congeſtionen ſein. Erlauben Sie.

(befühlt die Stelle)

Jch finde keine Alteration des Herzſchlages.

(lauſcht mit dem Ohr daran.)

Jch finde wirklich gar nichts beſonderes. Aeußer - lich gar keine Verhärtung, kein Symptom, das be - denklich wäre. Haben Sie Appetit?

Steinreich.

Das Eſſen iſt das Einzige, das mir gut thut und meinen Zuſtand erleichtert.

Saſſafras.

Wie ſieht’s mit dem Schlaf aus?

19
Steinreich.

Vortrefflich; bisweilen aber fühl ich auch bei Nacht ein gewißes Drücken.

Saſſafras.

Erlauben Sie, den Puls.

(greift den Puls.)

Son - ſtige Functionen?

Steinreich.

Alles in Ordnung. Aber da drin, da drin

Saſſafras.

Jch werde Sie einige Zeit beobachten müßen, Herr von Steinreich. So ein Fall bedarf längerer Aufmerkſamkeit. Vor der Hand werde ich Jhnen ein Recept aufſchreiben. Vermeiden Sie jede Auf - regung.

Steinreich.

Ach, aber mein gutes Herz läßt mir keine Ruhe!

Saſſafras.

Jn ein paar Tagen werde ich mir die Freiheit nehmen, wieder meinen Beſuch abzuſtatten.

Steinreich.

Kommen Sie recht bald wieder. Rechnen Sie auf meine Dankbarkeit. Adieu, adieu. Jch will jetzt einen kleinen Spaziergang in meinem Garten machen.

(ab.)
2*20
Saſſafras
(allein.)

Vortrefflich der iſt mein. Die Kundſchaf - ten, die an der Einbildung leiden, waren mir ſtets die liebſten. Jch kann ihn Jahre lang hinhalten, geb ihm unſchädliche Mittel, ſchicke ihn auf Reiſen und in Bäder und er muß tüchtig blechen. Ha, ha, ha! ſolche Patienten laß ich mir gefallen! Die gehören für unſere Erholung und füllen den Geldbeutel.

Nun wieder ein paar Häuſer weiter! Meine Praris wächst mir beinahe über den Kopf; glück - lich bin ich im Kuriren, alſo läuft mir Alles zu und wo die Kunſt nicht ausreicht, da hilft die Schlauheit. Saſſafras, du wirſt unſterblich!

(will hinaus; der Tod in ſchwarzer Kleidung als Knochenmayer tritt ihm durch die Thüre entgegen.)
Tod.

Halt! Unſterblicher!

Saſſafras.

Mein Herr, was wollen Sie?

Tod.

Sie ſelbſt will ich, Herr Doctor, wenn auch nicht jetzt, doch ſeiner Zeit jedenfalls!

21
Saſſafras.

Wen habe ich die Ehre? Warum treten Sie mir in den Weg?

Tod.

Jch habe mit Jhnen ein Wörtchen zu reden. Mein Name iſt Knochenmayer.

Saſſafras.

Womit kann ich dienen? bedürfen Sie etwa meiner ärztlichen Hilfe? Jn der That, Jhr Aus - ſehen ſpricht dafür.

Tod.

Bitte recht ſehr! Jch bin zwar klapperdürr und etwas blaſſer Phyſiognomie; allein ich erfreue mich doch der beſten Geſundheit und bin ſo ali wie die ganze Menſchheit.

Saſſafras.

Wie ſoll ich das verſtehen? Sprechen ſie deut - licher. Jedenfalls erſuche ich ſie, mich nicht um - ſonſt aufzuhalten; meine Geſchäfte

Tod
(ihn unterbrechend.)

Haben keine Eile, wenn ich mit Jhnen zu reden habe.

Saſſafras.

Wie kommen ſie mir vor?

(will hinaus)
22
Tod.

Halt! keinen Schritt weiter!

Saſſafras.

Welche Kühnheit! Jch bin Doctor Saſſafras, Reſpect vor mir!

Tod.

Und ich bin Doctor Knochenmayer, Reſpect vor mir!

Saſſafras.

Jmmerhin! ich kenne ſie nicht.

Tod
(mit fürchterlicher Stimme.)

So lerne mich kennen, Elender!

(Die Bühne verfinſtert ſich.)
Saſſafras.

Weh mir! was iſt dieß?

Tod.

Sieh dorthin und erkenne mich!

(Der Hintergrund hat ſich mit ſchwarzen Wolken verhüllt, auf wel - chen in Flammenſchrift zu leſen iſt:)

CONTRA VIM MORTIS NON HERBULA CRESCIT IN HORTIS.

(Zugleich hat der Tod ſein Gewand abgeworfen und ſteht als Gerippe da.)
Tod.

Der Mächtigſte auf Erden ſteht vor dir! Drum zitt’re, der du dich beſtrebſt, zu lähmen23 Die Allgewalt die unerbittlich herrſcht.

Doch ich will gnädig ſein: die Hälfte dir, Die Hälfte mein! So magſt du heilend wirken; Wo nicht, ſo biſt alsbald du mir verfallen, Bedenk es! deinen Entſchluß kannſt du ſagen, Wenn ich bei dir erſcheine nach drei Tagen!

(Saſſafras ſinkt zuſammen.)

Der Vorhang fällt.

II. Aufzug.

Nacht. Ein Kirchhof.

Der Todtengräber gräbt ein Grab. Saffafras tritt nach - denſend ein.
Saſſafras.

Contra vim mortis non herbula crescit in hortis. Wider den Tod kein Kräutlein gewach - ſen iſt. Jch weiß es wohl. Aber dennoch! Er nannte ſich den Gewaltigſten auf Erden, weil ihm Alles unterliegen muß; allein es gibt doch noch einen Mächtigeren als ihn. Des Todes Gewalt iſt auf dieſes Leben beſchränkt. Der Satan greift darüber hinaus; auch im Jenſeits herrſcht er, er iſt alſo mächtiger. Wie? wenn ich mich mit die - ſem verbände? Zwei Feinde der Menſchheit. Den Einen den geringeren bekämpfe ich; zu dem Andern will ich mich jetzt halten. Meine Seele will ich ihm verſchreiben, dafür wird er mir wohl ſeinen Beiſtand nicht verſagen. Bei den Gräbern haust er. Hier will ich ihn citiren.

(erblickt den Todtengräber.)

Heda, guter Freund!

25
Todtengräber.

Wer ruft mich?

Saſſafras.

Jch bin’s. Du kennſt mich ja.

Todtengräber
(kommt näher.)

Ach! Herr Doctor Saſſafras! freilich kenn ich Euch. Wie kommt ihr ſelbſt einmal hieher; ge - wöhnlich ſchickt Jhr mir nur Eure Patienten heraus.

Saſſafras.

Das iſt eben kein Compliment, das du mir machſt.

Todtengräber.

Nehmt’s nicht übel. Jch habe freilich nicht die rechten Manieren; allein bedenkt, daß ich haupt - ſächlich mit ſtummen Leuten Umgang pflege, die mir keine Antwort geben können, und denen ich eben ſage, was mir gerade einfällt wenn ich denn doch bisweilen ſchwatzen möchte.

Saſſafras.

Glaub’s wohl, alter Burſch, und hab dir’s auch nicht übel genommen. Hör aber, ich möchte dich was fragen. Da haſt du ein paar Thaler; aber ſag mir die Wahrheit.

Todtengräber.

Danke, danke hätt aber keines Trinkgeld’s26 bedurft. Jch ſag immer die Wahrheit; hab’s ja allweil mit der allerlauterſten Wahrheit zu thun, mit dem Abſterbens-Amen. Da ſind Lug und Trug zu Ende.

Saſſafras.

Es geht die Sage, daß es auf dieſem Kirchhof nicht geheuer ſei. Haſt du jemals was bemerkt? Man erzählt ſich, der böſe Feind ſelber laſſe ſich bisweilen blicken.

Todtengräber.
(bält den Finger an den Mund.)

Laßt uns ſtill reden. Man ſoll’s nicht wiſſen und es ſoll nicht laut werden; aber aber ’s iſt halt doch ſo und läßt ſich nicht leugnen. Dort hinter der Kapelle, im zerfallenen Kreuzgang iſt eine Gruft, heißt das Teufelsloch: Wer den Muth hat

Saſſafras.

Findet dort, was er ſucht.

Todtengräber.

Ei wer wird aber auch den Teufel aufſuchen? Den muß man meiden. Oft in ſtillen Nächten, wenn ich ſchnell ein Grab zu ſchaffen habe, da hör ich’s poltern und ächzen, und ’s wiſcht bisweilen27 Etwas über die Gräber hin; aber ich laß gewäh - ren, kehr mich nicht dran und bet mein Vaterunſer.

Saſſafras.

Jch habe Grund der Sache nachzugehen.

Todtengräber.

Mag ſein; ſolch gelehrten Herren, deren Jhr Einer ſeid, mag’s belieben, geheimen Dingen nach - zuforſchen.

Saſſafras.

Man muß ſolchen Räthſeln auf den Grund zu kommen ſuchen.

Todtengräber.

Jmmerhin. Wünſch guten Appetit zur Löſung. Jch meinerſeits verlang nicht darnach und ’s wan - delt mich keine Neugier an.

Saſſafras.

Haſt recht, deinerſeits.

(Die Thurmuhr ſchlägt eilf.)

Da ſchlägt’s 11 Uhr. Meinſt du, ich könnte was entdecken.

Todtengräber.

Der Teufel iſt alle Nacht los mehr oder minder. Verſucht’s; aber wahrt Euch wohl, da - mit Eure Seele nicht Schaden leide.

28
Saſſafras.

Jch fürchte Nichts. Der Teufel hat noch Kei - nen bei lebendigem Leib gepackt. Nur mit der Seele hat er’s zu thun.

(ab.)
Todtengräber.

Das iſt noch die Frage, lieber Herr oho, er iſt ſchon fort! Die Doctoren ſind doch kurioſe Leute, und den Doctor Fauſt hat ja doch der Sa - tan geholt, wie ich gehört! Man ſoll nicht freveln; man ſoll dem böſen Feind aus dem Weg gehen und ſoll ein guter Chriſt ſein!

Was geht’s mich an? Das Grab dort muß am früheſten Morgen fertig ſein. Alſo friſch an die Arbeit, damit ich noch ein paar Stündlein ſchlafen kann!

(gräbt wieder fort und fingt)
Was kümmert mich die ganze Welt,
Jch laß den Leuten Ehr und Geld;
’S iſt Alles nur ein eitler Schein,
Ein Jeder muß in’s Grab hinein.
Auf dieſem meinem Gartenfeld,
Jſt Jedem wohl ſein Grab beſtellt:
Alt oder Jung, Arm oder Reich
Hier liegen ſie beiſammen gleich.
29
Ob König oder Bettelmann
Jm Leben Keiner bleiben kann,
Zu Jedem kömmt die Todtenpoſt
Und Alle werden Würmer-Koſt.
Bedächten fie’s zu rechter Zeit,
So gäb’s wohl minder Haß und Streit;
Denn hier hört alle Zwietracht auf,
Wenn ſie da ruhen allzuhauf.
Wer weiß, wie lang ich’s hier noch treib,
Bis ſelber fallt in’s Grab mein Leib;
Und muß ich endlich auch hinein,
Sei gnädig, Gott, der Seele mein.

So, die Arbeit iſt geſcheh’n; jetzt darf ich ruhen. Alſo gut Nacht, ihr da drunten. Ruht ſanft bis ihr auferſteh’n müßt! Jch ſollte wohl auf den Herrn Doctor warten; das wäre ſchicklich, aber ich mag nicht. Jn dieß ſein Geſchäft will ich mich nicht miſchen. Gott ſchütz ihn und mög ihm ſeine Neugier nicht anrechnen! Kurioſe Leute, die ge - lehrten Herren! Ei, Ei!

(geht ab.)
(Der Teufel tritt ein. Jhm folgt Doctor Saſſafras.)
Saſſafras.

Steh einmal! hölliſcher Geiſt! O sa miha aseffonila!

30
Teufel.

Warum haſt du mich gerufen? Was willſt du?

Saſſafras.

Warum fliehſt du mich? Elesiamini, elesiamini!

Teufel.

Du haſt Gewalt über mich, aber ’s iſt bald Mitternacht. Wenn der Tag anbricht, muß ich fort.

Saſſafras.

Aha, du fürchteſt das Licht.

Teufel.

Mein Element iſt die Nacht. Alſo ſchnell, zur Sache: was begehrſt du?

Saſſafras.

Jch ſuche deine Hülfe gegen den Tod, der mein Wirken beſchränken will und mir mit ſich ſelbſt bedroht.

Teufel.

Wie? ich ſollte gegen meinen beſten Freund zu Feld zieh’n? Den Tod laß ich immer gewähren, je mehr deſto beſſer; denn er liefert mir meine Beute.

Saſſafras.

Jch verlange deinen Beiſtand nicht umſonſt. Jch verſchreibe dir meine Seele, wenn du mir ein31 Mittel gibſt, den Tod nur auf einige Zeit feſtzu - halten. Mittlerweile erreiche ich meinen Zweck, be - rühmt und reich zu werden.

Teufel
(lacht).

Das wäre wohl ein hölliſcher Spaß, wenn ich einmal meinem Cameraden einen Poſſen ſpielte; und du willſt mir deine Seele überlaſſen? Was iſt ſie werth?

Saſſafras.

Jmmer ſo viel, daß du einen guten Braten daran hätteſt. Vielleicht mehr als ein Dutzend An - derer; denn ich verkaufe dir eine tüchtige Portion Seligkeit.

Teufel.

So ſei’s denn! Dieſen Morgen noch findeſt du auf deinem Studiertiſche unſern Vertrag. Unter - ſchreib ihn mit deinem Blute und er wird dann von meinem Boten abgeholt werden.

(verſinkt)
Saſſafras.

Jch hab’s gewagt! werd ich’s nicht be - reuen? jacta est alea!

(ſtürzt ab.)
32

Verwandlung.

Heller Tag. Zimmer bei Herrn von Steinreich.

(wie im erſten Aufzuge.)
Steinreich.
(krank und erſchöpft.)

Wie fühl ich mich doch verlaſſen! den Sekretär Schreiber hab ich aus dem Hauſe geſtoſſen; meine Marie ſehe ich kaum. Sie ſchließt ſich aus Kum - mer fortwährend in ihr Zimmer ein. Was hab ich an den Schmarotzern und Tafelfreunden? Macht denn das Geld allein wirklich nicht glück - lich? Und dabei noch dieſes fürchterliche Leiden am Herzen! Es iſt nicht zum Aushalten! dieſes Drü - cken iſt peinigend. Meine Kräfte nehmen zuſehends ab. Sollte ich etwa gar ſterben müßen? Furcht - bare Angſt! Mein Gott! ich bin wirklich verlaſſen und allein! Jch will etwas in der Bibel leſen; vielleicht finde ich Troſt.

(geht an den Tiſch und ſchlägt ein Buch auf.)
(lieſt:)

Wer nicht lieb hat, der kennet Gott nicht; denn Gott iſt die Liebe. Evangelium Johannes. Die Liebe? liebe ich denn nicht? lieb ich mich nicht ſelbſt?

(blättert)

das iſt mein Gebot, daß ihr33 euch unter einander liebet, gleichwie ich euch liebe,

(bedeckt ſich das Geſicht mit den Händen, blättert und liest weiter:)

Sehet zu und hütet euch vor dem Geize! Weh mir

(mit der Hand an dem Herzen)

weh mir! wie ſtichts, wie drückt’s da drinnen! wer tröſtet mich? wer hilft mir? ich bin verlaſſen!

(weint).

Jch habe lange nicht geweint. Dieſe Thränen erleichtern mich. Jch fühle Etwas in mir, das meine Schmerzen mildert. Solch ein Gefühl, wie jemals ich kaum empfunden! Es wird mir ſo weich um’s Herz!

(ſchellt an einer Glocke)

Jch war wohl zu hart mit Ma - rie’n! Sie ſoll kommen.

(Bedienter tritt ein.)

Marie möge zu mir kommen; ſag ihr, ich habe ihr Et - was Wichtiges mitzutheilen.

(Bedienter ab.)

Aber was ſoll ich ihr ſagen? Jch habe ein gewiſſes Verlangen, das mir noch unerklärlich iſt. Jſt’s der Tod, den ich fürchte, daß ich nach einer Hand begehre, mich am Leben feſtzuhalten?

(Maria tritt ein.)
Marie.

Sie haben befohlen, Herr Onkel?

Steinreich.

O nicht befohlen; ich habe dich erſuchen laſſen, zu mir zu kommen.

334
Marie.

Was ſoll ich Unglückliche bei Jhnen? Thränen werden Sie nicht erheitern in Jhrer Krankheit.

Steinreich.

Komm näher, Marie!

(ergreift ihre Hand.)
Marie.

Jhre Hand iſt ſo warm! Sie war immer ſo kalt.

Steinreich.

Jch werde vielleicht nicht lange mehr leben! Mein Leiden am Herzen wird mich tödten.

Marie.

Gott möge es verhüten!

Steinreich.

Und du ſagſt dieß? Jch muß dir ja verhaßt ſein, da ich den Schreiber verſtoßen habe.

Marie.

Er war in Jhren Dienſten. Sie hatten die Macht ihn wieder aus dieſen zu entlaſſen.

Steinreich.

Die Macht nicht auch das Recht?

Marie.

Darüber mag Jhr Gewiſſen entſcheiden.

Steinreich.

Mein Gewiſſen ſagt mir: Du hatteſt Unrecht!

35
Marie.

Jch kann, ich will nicht urtheilen. Laſſen Sie mir meinen Schmerz.

(will geh’n.)
Steinreich
(hält ſie zurück.)

Marie! Seit ich Schreiber fortgeſchickt, ſeit du dich mir entziehſt weiß ich, was der Schmerz iſt. Was nützen mich meine Geldſäcke? Sie ge - währen mir keinen Troſt! und du meiner ei - genen Schweſter Kind du, mein Troſt du haßeſt mich?

Marie.

O gewiß nicht, beſter Onkel. Jch habe Sie ſtets geliebt als meinen Onkel, meinen Wohlthäter! Jch werde nie vergeſſen, was ich Jhnen zu danken habe.

Steinreich.

O wie wohl thut mir dieß! Es iſt als ob eine harte Kruſte von meinem Herzen fiele! Meine Schmerzen ſchwinden! Jch fühle mich geſund.

Marie.

O geben Sie dieſem Gefühle Raum, lieber Onkel!

(kniet vor ihn und küßt weinend ſeine Hände)

Ein liebend Kind, kniet vor Jhnen! Was iſt der Menſch ohne Liebe?

3*36
Steinreich.

Ja, in der That! das iſt ein wahres Wort! Komm an mein Herz! Alles ſoll gut werden.

(umarmt ſie.)
Marie.

Theurer, beſter Onkel!

Steinreich.

Jch bedarf keines Doctors mehr! Jch bin ja geſund. Der Druck, das Stechen am Herzen iſt verſchwunden! Wie froh, wie vergnügt bin ich! Schnell, Marie, ſchicke zu Schreiber, er ſoll augenblicklich herkommen! Er ſoll dein Mann wer - den! den Armen will ich geben! Jch habe ja kein Herzleiden mehr! Komm mein Kind! laß uns zuſammen in den Garten gehen. Die friſche Luft wird mich vollends ſtärken. Ja ich will lieben, ich muß lieben! Wie konnte ich bisher ſo verblen - det ſein? Dank dem Himmel, daß er mir die Au - gen geöffnet und mein Herz erweicht hat. Es iſt als ob ein harter Stein darinnen gelegen wäre. Geſchmolzen iſt er nun wie ein Eisklumpen, der zerfloß. Komm mein Kind! wir wollen deine Ver - bindung mit Schreiber beſprechen und unverzüglich ſoll er dich aus meiner Hand als Gatte empfan -37 gen und ihr beide ſollt meinen Reichthum mit mir theilen.

Marie.

O wie glücklich könnte ich werden! allein Schreiber iſt entfloh’n; er hat mir einen Abſchieds - brief zurückgelaſſen, aus welchem nur Verzweiflung ſpricht.

Steinreich.

Jch will Alles aufbieten, daß man ihn finde.

(beide ab.)

Verwandlung.

Zimmer des Doctor Saſſafras.

(Casperl tritt ein.)
Casperl.

Mein Herr muß einen ſchweren Patienten zu tractiren haben; denn er iſt die ganze Nacht aus - blieben. Hätt ich das voraus gewußt, ſo hätt ich mich auch im Wirthshaus ein bißl länger un - terhalten und aufgehalten und die Polizeiſtund nit ſo gewißenhaft eingehalten. Oho! jetzt wär ich bald aus dem halten nimmer ’rauskommen.

Ja, meine Gewiſſenhaftigkeit iſt aber ſchon38 muſterhaft. Jch bin ſo gewiſſenhaft, daß ich nicht einen Tropfen im Krug laſſen kann; ſo pünktlich, daß ich nicht einen Wurſtzipfel auf’m Teller liegen laß; ſo genau, daß ich nicht einen Kreuzer im Sack behalten kann; ſo dienſtfertig, daß ich mit mei - nem Dienſt und mit meiner Arbeit ſchon fertig bin, eh ich damit angfangen hab, das heißt: Jch thu lieber gleich gar nir! Kurz ich bin das Muſter eines menſchlichen Exemplar’s. Der erſte Menſch Adam war Nichts im Vergleich zu mir, ſeinem Nachkommen! und der muß, doch das Muſter aller Menſchen geweſen ſein, weil er der erſte war. Er hat in einen ſüßen Apfel gebißen; aber ich muß gar oft in einen ſauern beißen; ſeine Evakathl hat ihm die Frucht gereicht; aber meine Evakathl ſuch ich noch. Wenn ich einmal fünfundzwanzig Jahr treu gedient hab ſo ſagt mein Herr nachher laßt er mich auch heirathen. Bis dahin bleib ich ledig! ’S iſt freilich a bißl lang hin; allein der Menſch muß Geduld haben! Aha! da kommt er.

Saſſafras
(tritt ein.)
Casperl.

Guten Morgen, guten Morgen! Ja wo39 waren wir denn die Nacht über? Hab’n S wieder Einen hinausbuxirt aus dem irdiſchen Jammerthal?

Saſſafras.

Schweig Narr! Laß mich allein!

Casperl.

Kein Fruhſtuck? keinen Caffé?

Saſſafras.

Fort, aus dem Zimmer! Jch habe zu ſtudieren.

Casperl.
(für ſich)

Auweh! ſteht ein Gewitter am Himmel in aller fruh.

(zu Saſſafras.)

Jch geh ſchon.

(ab.)
(Saſſafras eilt auf ſein Schreibpult hin, von welchem er ein Blatt Papier nimmt.)
Saſſafras.

Der Teufel hat dießmal nicht gelogen. Hier iſt der Vertrag. Woll’n ſehen, wie er lautet.

(liest.)

Jch Doctor Chriſtophorus Saſſafras, ver - ſchreibe meine Seele dem hölliſchen Feinde, dem Könige des Reiches der Nacht und des ewigen Jammers des ewigen Jammers, das iſt wohl Viel! allein dieſe Ewigkeit kann eine relative ſein, keine abſolute; alſo weiter: dafür empfange ich von beſagtem hölliſchen Feinde die Gewalt, den Tod in Banden zu halten, ſo lange es mir ge -40 fällig iſt. Gut, aber wer bürgt mir, daß ich dieſe Macht wirklich habe?

(Es donnert, aus der Verſenlung erſcheint ein Armſeſſel. Eine Stimme ruft:)

Wer ſich auf dieſen Stuhl ſetzt, bleibt ſo lange gebannt, bis du ihn wieder entlaſſen willſt.

Saſſafras.

Und der Tod wird ſich alſo fangen laſſen?

Stimme.

Er wird es.

Saſſafras.

Wenn nicht, ſo gilt auch der Vertrag nicht.

Stimme.

Unterſchreibe!

Saſſafras.

Auf die Gefahr hin kann ich’s. So, ich ritze mir die Hand mit dem Meſſer. Ein Tropfen Blut genügt, daß ich meinen Namen ſchreibe.

(ſchreibt. Donner. Zugleich fliegt ein Rabe zum Feuſter berein und entführt das Blatt.
Casperl
(tritt gleich darauf ein.)
Casperl.

Herr Doctor! da draußen ſteht ein ſchwarzer Herr und möcht ſeine Aufwartung machen.

Saſſafras.

Sein Name?

41
Casperl.

Er hat gſagt, daß er Doctor Knochenmayer heißt. No! der ſieht aber aus! wie’s leibhaftige Elend!

Saſſafras.

Der iſt mein Mann! laß ihn ſogleich herein.

(Casperl ab)
Saſſafras.

Schlag auf Schlag! des Teufels Maſchinerie iſt gut.

(Tod als Knochenmayer tritt ein.)
Tod.

Hier bin ich.

Saſſafras.

O, ich bin ungemein erfreut über Jhre Pünkt - lichkeit, Herr Knochenmayer.

Tod.

Haſt du es überlegt? Halbpart! die Eine Hälfte der Kranken dein, die Andere mein; oder du ſelbſt gehörſt mein.

Saſſafras
(mit Berſtellung.)

Obſchon meiner Praxis und meinem Rufe als Arzt großer Eintrag geſchieht, bleibt mir Nichts, als einzuwilligen, da ich ſelbſt ſo bald nicht deine42 Beute werden möchte. Wollen wir das Geſchäft auch zu Papier bringen?

Tod.

Es wäre nicht übel; denn es iſt immer beſſer, ſo Etwas ſchwarz auf weiß zu haben.

Saſſafras.

Ja, ſchwarz auf weiß! dieß iſt ohnedieß deine Wappenfarbe auf Särgen und Todtenfahnen. Nimm auf dieſem Stuhle dort Platz; einſtweilen ſchreibe ich.

Tod.

Es thut wirklich meinen alten Knochen wohl, wenn ſie bisweilen ein bischen ausruhen können.

(ſetzt ſich in den Stuhl.)
Saſſafras.

So, Freundchen! jetzt bleibe ſitzen, bis es mir gefällig ſein wird, dich wieder los zu laſſen.

Tod.

Wie? was ſoll das heißen?

(will aufſtehen)

Jch kann nicht aus dem Stuhle? Welch ein abge - ſchmackter Scherz!

Saſſafras.

Kein Scherz, ſondern voller Ernſt. Die Menſch - heit wird nun für einige Zeit von dir befreit ſein und Doctor Saſſafras wird ſeine Triumphe feiern; denn er hat den Tod gebunden.

43
Tod.
(verſucht wieder aufzuſtehen, ruttelt gewaltig am Stuhle.)

Verflucht! Mich zu binden? Mich zu bannen? Das hat noch Niemand gewagt! Wer gab dir dieſe Macht, Elender?

Saſſafras.

Gleichgültig wer! Es iſt einmal ſo: du biſt und bleibſt mein Gefangener.

Tod.

Weh dir, wenn ich wieder in Freiheit bin! Das ewige Geſetz der Natur kann nicht untergehen.

Saſſafras.

Der Tod iſt nicht von Ewigkeit her; denn auch die Sünde iſt es nicht und Ein Mal kommt der Tag, an welchem du ſelbſt des Todes ſein wirſt!

Der Vorhang fällt.

III. Aufzug.

Kirchhof. (Wie im zweiten Aufzug.)
(Todtengräber ſitzt auf einem Grab.)
Todtengräber.

Jetzt möcht ich wiſſen, zu was ich noch auf der Welt bin? Seit vier Wochen ſtirbt kein Menſch mehr in der ganzen Gegend. Es iſt ſchier zum verhungern für mich, ſeit Alles zum Doctor Saſſa - fras lauft, der Alles kurirt. Nicht einmal die alten Leute ſterben; auch ihnen gibt er Mittel, die ſie ſollt man glauben wieder jung machen. Jch werde mir aber auch von ihm ein Recept ver - ſchreiben laſſen gegen Hunger und Noth. Wenn er die zwei Krankheiten des Menſchengeſchlechtes kuriren kann, dann hab ich allen Reſpect vor ſei - ner Kunſt! Wie? ſollt er etwa gar damals, als er ſich hier nach dem böſen Feind erkundigt hat, mit ihm einen Pact geſchloſſen haben? Ei, Firlefanz! das geht nicht. An ſolche Geſchichten glaub ich nicht. Die Zeiten vom Doctor Fauſt, die ſind längſt vorbei; die Leute ſind gar geſcheidt45 worden und der Teufel hat ſie ohnedieß in ſeinen Klauen. Ei, wer verirrt ſich denn da wieder ein - mal hieher?

Schreiber
(tritt verzweifelt auf, ohne den Todtengräber zu erblicken.)

Weh mir! wo find ich Troſt, wo find ich Ruhe? Nur im Grabe. Was bleibt mir Anderes als der Tod? Mein einziges Lebensglück wurde mir entrißen; meine Marie ſoll ich nie beſitzen! Die Verzweiflung zerrüttet mein Jnneres! Jch will meinem Leben ein Ende machen.

(zieht eine Piſtole hervor.)
Todtengräber.
(für ſich)

Oho! das wär doch zu arg. So etwas kann ſelbſt der Todtengräber nicht zulaſſen.

(tritt vor und greift nach der Piſtole.)

Halt, guter Freund!

Schreiber.

Wer wagt’s, meinen freien Willen zu hindern?

Todtengräber.

Jch bin ſo frei. Jch hab das Recht nach eu - rem Todtenſchein zu fragen; denn ich bin der Todtengräber.

Schreiber.

Lies in meinem Herzen, da ſteht er geſchrieben.

46
Todtengräber.

Die Schrift zu leſen hab ich in der Schule nicht gelernt; aber wo anders ſteht geſchrieben: Du ſollſt nicht tödten.

Schreiber.

Mein Leben iſt mein Eigenthum; ich kann dar - über verfügen.

Todtengräber.

Nein, mein Herr! Jhr habt euer Leben weder gekauft noch eingetauſcht. Es gehört dem lieben Herrgott, der’s euch anvertraut hat als ein heilig Amt.

Schreiber.

’s iſt zum Lachen! der Todtengräber hält mir eine Predigt zu ſeinem eigenen Nachtheil.

Todtengräber.

Der Todtengräber hat ein bisl geſunde Ver - nunft und glaubt an unſern Herrgott!

Schreiber.

Der hat mich verlaſſen!

Todtengräber.

Ei? und wißt Jhr das ſo gewiß?

Schreiber.

Mein einziges Glück hat er mir geraubt! hin - ausgeſtoßen bin ich aus dem Leben.

47
Todtengräber.

Das müßt ihr mir näher expliciren. Unſer Herrgott ſtößt keinen Menſchen aus dem Leben hin - aus ſo mir nichts dir nichts! Kommt nehmt Vernunft an! Glaubt dem Todtengräber, der nur mit dem Tode zu thun hat. Aus den ſtarren Ge - ſichtern der Menſchen, die ich da eingrabe, habe ich ſchon viel geleſen und hab gar Manches ge - lernt, wenn ich auch ein ſchlichter alter Mann bin, der nicht ſtudirt hat. Kommt mit mir, ich bitt euch!

Schreiber.

Jch bin verlaſſen, ich bin unglücklich! Du woll - teſt mich retten?

Todtengräber.

Wenn Einer in’s Waſſer gefallen, kann er ſich an einem ſchwachen Brettlein halten.

Schreiber.

Wahrhaftig! du haſt mir meine Beſinnung wieder gegeben! Es iſt wahr: der Menſch ſoll nie verzweifeln.

Todtengräber.

Aha! kömmt die Vernunft wieder? Jhr hattet ſie zu Haus gelaſſen. Geht mit mir in meine armſelige Hütte. Wartet ein bischen ab, was der liebe Herrgott mit euch vor hat.

48
Schreiber.

Jch will dir folgen.

(beide ab.)
Der Tenfel
(erſcheint aus der Tiefe.)

Verfluchter Pact mit dem Doctor! Die Luſt ſeine Seele zu gewinnen, hat mich übertölpelt und ich habe nicht bedacht, daß wenn der Tod gebun - den, er mir keine Seelen mehr liefern kann. Ver - maledeiter Contract! Jch muß ihn brechen lieber laß ich den Doctor laufen. Er gehört doch mir; denn ſein Hochmuth und ſeine Geldgier führen ihn der Hölle zu, ohne daß er daran denkt. Zwar ein bißchen ſpäter; aber was thuts? Uebrigens kann ich ja dem Tod für ſeine Befreiung die Bedingniß ſetzen, daß er mir den Herrn Doctor bald zuführt und ihm bei Gelegenheit den Kragen umdreht. Auch der Burſch da, der gerade mit dem Todten - gräber verhandelt, hätte ſich ohneweiters erſchoſſen und wäre mir ſchnurgerade in den Rachen gelau - fen, ſäß der Tod nicht ohnmächtig in dem ver - dammten Lehnſeſſel, den ich erfunden habe. Bei den hölliſchen Flammen! So geht’s nimmermehr. Jch laß den Tod wieder los.

(verſinkt.)
49

Verwandlung.

Zimmer des Doctor Saſſafras.

Casperl
(tritt ein).

Schlipperment! in dem Haus bleib ich nimmer. Seit der klapperdürre Kerl bei uns logirt, iſt’s nimmer zum aushalten. Wo den mein Herr auf - gegabelt hat, das weiß der Guckuck. Vermuthlich iſt’s ein vornehmer Patient, den er in der Kur hat. Jch glaub der Kerl iſt ein Narr, weil’n der Doctor gar nit aus dem Seſſel raus laßt. Da klappert er aber und raſſelt, daß Alles kracht im ganzen Haus. Jch darf gar nit in’s Zimmerl nein, wo er logirt, und aushungern muß’n der Doctor auch; denn ich hab noch kein Bißen Eſſen zu ihm hin - eintragen. Nicht einmal eine Fleiſchbrüh darf ihm die Köchin geben. So was hab ich noch nit er - lebt. Und mit mein Herrn iſt’s auch vorbei, ſeit er ſo berühmt geworden, weil er alle Leut kurirt und wenn ſ ſchon halbtodt ſind. Er reißt ſ raus, daß ſ wieder kerngſund werd’n. Den macht noch der Hochmuth zum Narren.

(Es erhebt ſich ein Sturm.)

Oho! das auch noch! Die Gwitter kann ich ſo nit leiden; denn das Einſchlagen fürcht ich ungeheuer.

450
(Donner und Blitz.)

Hui! iſt das wieder eine Metten. Jch werd gleich in’s Bett ſchliefen und unter die Bettdecken.

(es wird ganz dunkel)

Auweh, auweh! Wenn nur der Herr Doctor z’Haus wär! Auweh, auweh!

(läuft fort.)
Saſſafras.
(ſtürzt herein, einen Leuchter mit brennendem Licht in der Hand).

Was für ein furchtbares Gewitter! Es iſt als ob alle Teufel los wären. Eine Höllenangſt er - greift mich und ich weiß nicht warum? Bin ich ein Kind geworden? Jch habe doch vor dem Teufel in Perſon nicht gezittert. Jch höre Geiſterſtimmen, die mein Jnneres durchſchauern

(ſinkt in die Kniee).
(Jm Hintergrunde werden verſchiedene Erſcheinungen ſichtbar. Geiſter - hafte Geſtalten, welche ſich auf den Tod und die Vergänglichkeit beziehen.)
Geiſterchor.

Gelöst ſind die Banden, er iſt wieder frei, Da eilen geſchäftig die Diener herbei: Die Uebel der Menſchheit: die Sünden, der Krieg, Die Peſt und wer ſonſt ihm geholfen zum Sieg.

Er greift nach der Senſe und mäht immer fort, Durchwandert die Erde, vergißt keinen Ort; Und wo er erſcheinet, da ſchwindet das Licht; Er herrſcht auf der Welt bis zum letzten Gericht.

(Die Erſcheinungen verſchwinden.)
51
Der Tod
(mit Senſe und Sanduhr tritt ein.)
Saſſafras
(liegt beſinnungslos auf dem Boden.)
Tod.

Erwache aus deiner Ohnmacht, Ohnmächtiger! Jn deiner Thorheit wähnteſt du, ein Bündniß könne Beſtand haben, das mit der Weltordnung im Wider - ſpruch ſteht! Du elender Wurm haſt es gewagt, dieſem Weltgeſetze Trotz zu bieten, dem auch der Satan mit all ſeiner hölliſchen Macht Nichts anhaben kann. Jch bin der Vermittler des Menſchengeſchlechtes, daß es eingehen könne aus irdiſcher Vergänglich - keit in das unvergängliche Leben in die Ewigkeit.

Saſſafras
(der ſich allmählich wieder aufgerichtet hat.)

Ohne Tod kein Leben! Jch wußte es; allein der Stolz hat mich verblendet, der Eigennutz hat mich irregeführt!

Tod.

Nun heißt es: Arzt heil dich ſelber!

Saſſafras.

Contra vim mortis non herbula crescit in hortis. Auch ich bin dir verfallen.

Tod.

So! iſt’s der Satan ſelbſt hat euren Con -4*52tract zerriſſen; denn er war nicht im Stande ſein Wort zu halten.

Saſſafras.

Alſo wäre ich gerettet?

Tod.

Der Ewige, Allbarmherzige wird richten!

Saſſafras.

So führe mich vor ſeinen Richterſtuhl! Auf dieſes Leben verzichte ich!

Tod.

Es ſei!

(Umfaßt den Doctor und verſinkt mit ihm.)

Verwandlung.

Garten.

Bedienter bei Steinreich (tritt haſtig ein.)
Bedienter.

Wenn die Welt nicht bald untergeht, ſo will ich nicht Peter heißen; da ich aber wirklich Peter getauft bin, ſo muß die Welt untergehn und warum muß ſie untergeh’n? weil Dinge geſchehen53 und Ereigniſſe vorfallen, welche auch dem außer - ordentlichſten Verſtande, wie z. B. dem meinigen, gebieten, ſtill zu ſtehen oder vielmehr, weil ein vernünftiger Mann, wie der alte Soerates, wenn ich nicht irre, zu ſagen pflegte, ſagen muß: Nun ſtehen die Ochſen am Berge. Warum ſtehen aber die Ochſen am Berge? weil ſie nicht hinauf - und hinüberkönnen. Jm vorliegenden Falle des bevorſtehenden Weltunterganges ſteht aber mein Verſtand ſtill, weil er die Umwandlungen und Ver - wandlungen, welche in dieſem Hauſe vorgegan - gen ſind, nicht begreifen kann, ohne daß ich etwa dabei meiner Begriffscapacität zu nahe treten und meine Beſcheidenheit unterſchätzen wollte. Erſtens: Jſt mein Herr, vormals ein harter Mann, in einen weichherzigen Wohlthäter verwandelt worden! o Mirakel! Zweitens: Jſt Fräulein Marie, welche ſeit einiger Zeit in Schmerz und Thränen zerfloſſen, ja beinah aufgelöst war, ſeit ein paar Tagen wie umgewandelt und einer Blume ſozuſagen, zu ver - gleichen, die halbverwelkt den Kopf hing und durch einen Sommerregen erfriſcht, von Neuem aufblüht; drittens und dieſes iſt nicht minder außer - ordentlich verwunderlich hat der Todtengräber54 ich ſage der Todtengräber einen Brief ge - bracht, worüber Herr von Steinreich und Fräulein Marie in einen ſolchen Freudenjubel gerathen ſind, daß

Steinreich, Marie’n und Schreiber an der Hand führend.
Steinreich.

Gott ſei gedankt! Er hat Alles zum Guten gelenkt!

Marie.

Wie er immer zu thun pflegt, wenn es die Menſchen auch nicht einſchen wollen.

Schreiber.

Jch bin beinah verwirrt über die Umgeſtaltung meines Schickſals! Meine Marie!

Steinreich.

Ja, beſter Schreiber, Marie wird Jhre Frau und ihr beide ſeid meine lieben Kinder.

Schreiber.

Jhrer Güte, Herr von Steinreich, weiß ich nicht dankbar genug zu ſein.

Steinreich.

Jhr Dank ſoll in der aufrichtigen Reue be - ſtehen, daß Sie ſich ſo weit vergeſſen konnten

Schreiber.

Meinem Leben ſelbſt ein Ende machen zu wollen!

55
Marie.

Still davon! Dieſe Erinnerung ſei begraben auf immer.

Steinreich.

Ja begraben und vergeſſen! Allein des Todtengräbers wollen wir nicht vergeſſen, dem wir die glückliche Löſung zu danken haben.

Marie.

Er war das Werkzeug der göttlichen Vorſehung.

Steinreich.

Und nun laßt uns Alles zu Eurer Vermähl - ung vorbereiten; denn im Laufe dieſer Woche noch ſoll ſie Statt finden und, wenn Jhr wollt, ſo lade ich auch den Herrn Doctor Saſſafras zum Hochzeitsſchmauſe.

Bedienter.

Die Einladung kann ich nicht beſorgen. Denn der Doctor iſt vom Schlag getroffen worden und ſeligen Endes verblichen!

Steinreich.

Fürwahr! Da heißt es: Auch die Aerzte müſſen ſterben und wider den Tod kein Kräutlein gewach - ſen iſt . Kommt, Kinder, laßt uns zu Tiſche gehen!

Der Vorhang fällt.

Der Weihnachts-Brief. Kleines Drama.

[figure]

Perſonen.

  • Frau Werner,

    eine Wittwe.

  • Ludwig,

    ihr kleiner Sohn.

  • Friedrich Walter.

Aermliche Stube.

Frau Werner (ſitzt an einem Tiſche und näht.) Ludwig (liest neben ihr in einem Buch.)
Ludwig
(das Buch zuſchlagend.)

Mutter, aber das Buch hab ich jetzt ſchon drei Mal geleſen und jetzt bin ich wieder damit zu End! Die Geſchichte von den Oſtereiern iſt wohl recht hübſch, aber ich weiß ſie beinah auswendig! Liebe Mutter, ich möchte ’mal Anderes zu leſen haben.

Frau Werner.

Ei, etwas Schönes kann man nicht oft genug leſen und man lernt immer was aus ſolchen Büchern. Jhr Kinder wollt alle Tage was Neues und ſeid wirklich wie die Flattervöglein oder Schmetterlinge; die ſetzen ſich auf alle Blumen und haben ſie an einer genippt, ſo geht’s gleich wieder fort und fort. Du weißt ja das Sprüchlein davon.

Ludwig.

Weiß ’s wohl noch.

60
Frau Werner.

So ſag mir’s auf!

Ludwig.
Ei, die bunten Schmetterlinge
Sind doch rechte Flatterdinge;
Weil von einer Blum zur andern
Flücht’gen Sinnes ſie ſtets wandern,
Schweben mit den Schimmerflügeln
Jn den Wäldern, auf den Hügeln,
Hier und dort wohl niederſinkend,
Aus den Blumenkelchen trinkend,
Nirgend aber lange weilen
Sie, um wieder hin zu eilen
Ueber Gärten, über Felder,
Durch die Auen, durch die Wälder
Frau Werner.

Nun weiter! Aha, bei den letzten Verslein hinkt’s.

Ludwig.

Nein, Mutter, ’s hinkt nicht, ich muß mich nur beſinnen

Durch die Auen, durch die Wälder
Alſo machen’s auch die Buben,
Die da laufen aus den Stuben,
61
Und nicht ſtille halten wollen,
Wenn ſie Etwas lernen ſollen,
Neues immer möchten haſchen,
Wie die Schmetterlinge naſchen.

Aber Mutter, das kannſt du von mir nicht ſagen, weil ich die Oſtereier zum vierten Male nicht mehr leſen mag.

Frau Werner.

Das thu ich auch nicht und verlang es nicht. Jch wollte dich nur ein bischen vertröſten. Unſere Bibliothek haſt du nun ganz durchgeleſen, ich habe kein Geld, dir immer neue Bücher zu kaufen und einer armen Wittwe, wie ich bin, leiht Niemand gerne Bücher und damit Punktum!

Ludwig.

Das iſt leicht ſagen: Punktum liebe Mut - ter; aber mit dem Punktum iſt mir nicht geholfen.

Frau Werner
(drohend.)

Oho oho! nicht ſo hitzig, kleiner Disputi - rer! Auf das Punktum könnte noch Sand dar - auf kommen; alſo ſchweig und beſchäftige dich mit etwas Anderem. Jch dulde weder das Widerſprechen noch das Faullenzen; das weißt du!

Ludwig
(weinend.)

Jch weiß es, aber meine Lektion für die Schule62 habe ich gelernt und auch die Aufgabe ſchon halb fertig, die uns für die zwei Weihnachtsfeiertage mit heimgegeben ward und

Frau Werner.

Und, und ſo ſpiele Etwas; dagegen habe ich auch nichts.

Ludwig
(in der Tiſchſchublade ſuchenr.)

So komm denn, guter Freund.

(Langt einen Hans - wurſt hervor.)

O weh Mutter, der Casperl hat ſich den rechten Arm gebrochen.

Frau Werner.

So trag ihn in’s Spital und pfleg ihn gut, damit er bald geheilt werde.

Ludwig
(nimmt den Hanswurſt und ſetzt ſich auf einen Schemel, ihn auf ſeinen Schooß legend.)

Lieber Monſieur Casperl, wie bedauere ich, daß du krank biſt und dir den Arm gebrochen haſt! Komm laß dir ihn verbinden.

Frau Werner
(wirft ihm einen Abſchnitt Leinwand zu.)

Da haſt du etwas Bandage.

Ludwig.

Danke, Frau Mama. Komm, alter Freund, laß dir den Verband anlegen. So jetzt ruhig63 und ſtill gehalten. Ach guter Casperl, du haſt auch ſchon beſſere Zeiten gehabt, wie ich und die Mutter! Weißt du noch, wie ich dich immer zu mir auf ein ſchönes Canapee geſetzt habe und wie du mit mir Caffee getrunken haſt? Jetzt heißt’s Strohſeſſel und Milchſuppe! O weh; o weh! und die Mutter muß jetzt auch mehr arbeiten, und wir beide haben geflickte Hoſen an, daß es eine Schande iſt

(Frau Werner wiſcht ſich Thränen aus den Augen.)

Ach! und mein guter, guter Papa, der hat uns verlaſſen, weil ihn der liebe Gott holen ließ zu ſich in den Himmel hinauf. Aber wir drei ich, die Mutter und du, wir ſind jetzt allein auf der Welt o weh, o weh, das iſt ſchon zum weinen. So wein doch auch Casperl! Mut - ter, der Casperl mag nicht weinen! warte, wenn du nicht weinen willſt!

(Gibt der Puppe einen Klaps.)

Du abſcheulicher Casperl!

Frau Werner
(vortretend.)

Das arme Kind erinnert ſich beſſerer Zeit! Wie ſchnell ſich auch Alles oft wenden kann! Freilich iſt ein Unterſchied zwiſchen dem guten Gehalte eines geachteten Beamten und der geringen Penſion einer Wittwe! Mein theuerer Karl! warum hat dich64 der Himmel ſo früh von meiner Seite weggerufen? Nun ſind’s bald zwei Jahre ’s iſt mir aber noch, als wär’s geſtern geſchehen!

Ludwig.

Mutter! jetzt iſt der Casperl eingeſchlafen; er hört’s nicht, wenn ich mit dir rede. Sag mir: Kriegt der Casperl kein Weihnachten? Morgen iſt ja Chriſtkindltag?

Frau Werner.

Ei, was ſollte das Chriſtkindl dem Casperl bringen? Dir wird’s auch nicht viel beſcheeren.

Ludwig.

Und warum nicht? ’s Chriſtkindl kann auch armen Leuten, wie wir ſind, was bringen, wenn es will!

Frau Werner
(für ſich.)

Der Bube ſetzt mich wirklich in Verlegenheit mit ſeinen klugen Fragen.

(zu Ludwig)

Bei gewiſſen Dingen ſollen Kinder nicht immer Warum fra - gen; denn ſie verſtünden die Antwort nicht und das liebe Jeſuskind wird ſchon wiſſen, wo und wie und was es zu beſcheeren hat. Merk dir das, und wenn du größer biſt und kein Bube mehr, da wirſt du Vieles beſſer einſehen lernen; dann magſt du auch fragen.

65
Ludwig.

Auch gut! Das heißt: ich ſoll warten, bis ich größer und geſcheiter bin.

Frau Werner.

Allerdings! Jetzt aber ſei vernünftig und halt gut Haus; denn ich habe einen Gang zu machen in die Stadt. Schließ Niemand auf, wenn es ſchellt; den Schlüſſel nehm ich mit.

(für ſich, indem ſie Ueberwurf und Hut nimmt)

Ein Weihnachtsbäumchen und ein Paar Aepfelchen muß er denn doch haben, der arme Junge! Alſo vernünftig und brav, Ludwig. Jch kann mich ja auf dich verlaſſen, daß du kein dummes Zeug machſt. Jn einem kleinen Viertelſtündchen bin ich wieder da.

Ludwig.

Adieu, Mutter!

(Frau Werner ab durch die Mittelthüre.)
Ludwig
(allein.)
(Neigt ſich über den Hanswurſt, den er auf den Schemel gelegt hat.)

Er ſchläft prächtig; ich mein ich hör ihn ſchnarchen! Jch hab die Mutter gewiß recht lieb, ach! ſie iſt ja gar ſo gut aber mit dem Chriſtkindl, da ſteckt doch was dahinter und wenn das Chriſtkindl ein recht ordentliches Chriſtkindl iſt, wie ich’s glaube, ſo wird und muß es mir566auch Etwas beſcheeren; denn ich bin doch eigent - lich kein böſer Bub. Jch will mich nicht loben, aber die Wahrheit darf man ſich eingeſtehen. Jn der Schule lerne ich ordentlich, das kann der Herr Lehrer bezeugen, zu Haus bin ich ſo ziemlich brav, das ſagt die Mutter ſelbſt, und beten thu ich auch fleißig; alſo was ſollte das Chriſtkindl gegen mich haben? Kurz und gut und gut und kurz und und was möchte ich denn eigentlich vom Jeſukind für mich erbitten? Ja! wenn ich nur ſo eine ſchöne Bilderbibel wieder haben könnte, wie die, die man mit des Vaters Büchern ver - kauft hat, als ſo viele Leute in unſerm ſchönen Zimmer damals waren und Einer an einem Tiſch immer ausrief: Wer gibt mehr, wer gibt mehr zum erſten Mal, zum zweiten und dritten Mal? Das hab ich mir recht wohl gemerkt; denn als die ſchöne Bibel mit den Bildern drankam, da rief der Mann: ſechs Gulden zum erſten Mal; und beim dritten Mal, da hieß es: acht Gulden, und das Buch ward über den Tiſch hinausgegeben an eine ſchöne Frau; die hat auch gleich bezahlt und ich hab recht weinen müſſen, weil ich das liebe Buch nicht mehr hatte und darum muß ich jetzt67 immer in den Oſtereiern leſen und in meinem zer - riſſenen Robinſon! Ja! wenn ich ſo eine Bil - derbibel wieder kriegen könnte!! Jch will das Chriſtkindl recht darum bitten! Holla! jetzt fällt mir was ein! Gut iſt gut und beſſer iſt beſſer! Geſtern war ich bei den Nachbarkindern; die haben alle an’s Chriſtkindchen geſchrieben, was ſie ſich wünſchen und was es ihnen mitbringen ſoll! Warum ſollt ich das nicht auch probiren? Das iſt ja nichts Uebles; ich will mir Nichts wünſchen, als das ſchöne, ſchöne Buch. Damals konnte ich noch nicht leſen und ſah nur immer die Bilder an, die mir die Mutter erklärte; jetzt wär’s noch was Anderes jetzt kann der Menſch leſen! Viktoria!

Alſo gleich an’s Werk, eh die Mutter wieder kömmt, die könnte mir’s vielleicht gar verbieten, daß ich ſo frei bin und an das Chriſtkind ſchreibe.

(Läuft an den Tiſch und ſchreibt.)

Ja nicht nur leſen kann der Menſch, auch ſchreiben kann er! Aber wie fang ich den Brief an? Aha! ſo Liebes Chriſtkindchen mit dem gold’nen Schein! Jch bitte dich gar ſchön, wie’s auch andere Kinder zu thun ſich erlauben ſich erlauben bringe mir morgen zum heiligen Weihnachtstage,5*68wenn du auch mir nichts Anderes ſchenken willſt, bringe mir, ſei ſo lieb und gut, oder gib’s nur der Mutter für mich, das gewiße Buch, du weißt’s ſchon, ſo eine bibliſche Geſchichte mit ſchönen Bil - dern. Jch werde fleißig darin leſen und immer dankbar dankbar an dich denken. Unter - ſchrift: Dein treuer Ludwig Werner, und damit du weißt, wo ich wohne, ſchreib ich auch dazu: Kirchengaſſe Nro. 45 ganz oben im vierten Stock, bei meiner lieben Mutter, denn mein Vater iſt vor zwei Jahren geſtorben.

So jetzt Oblate her, Petſchaft der Mutter, das thut nichts zur Sache, und auf den Brief: An das liebe Chriſtkindchen im Himmel oben.

Ah ah meine Schrift iſt paſſabel aus - gefallen, ohne Linien war’s ein Bischen ſchwer. Nun vor die Mutter kömmt! geſchwind, vor’s Fenſter mit dem Briefe, auf das Geſimſe; die Engelein, die vorbeifliegen, werden ihn ſchon holen und dem Chriſtkindchen bringen!

(Oeffnet das Fenſter und legt den Brief hinaus.)

O weh! er iſt mir auf die Straſſe gefallen! das thut aber nichts, Chriſt - kindl find’t ihn ſchon!

(Schließt das Fenſter. Geräuſch außen.)

Ah, die Mutter kömmt.

69
Frau Werner.

Siehſt du, Ludwig, wie ſchnell ich wieder da bin. Haſt du den Casperl unterdeſſen ordentlich gepflegt?

Ludwig.

Er hat immer geſchlafen.

Frau Werner.

Gut! ’s iſt auch Zeit, daß du ſchlafen gehſt. Bis du deine Suppe gegeſſen haſt wird’s dunkel und wir müſſen morgen frühzeitig in die Kirche. Stell noch eine Schüſſel auf den Tiſch und bete zum Chriſtkindchen. Vielleicht wird’s dir während der Nacht Etwas hineinlegen.

Ludwig.

Mutter! Jch möcht es wohl hoffen! ſich da ſtell ich meine Schüſſel hin und jetzt

(die Hände faltend)
Heiliges Kind im Himmel oben
Will dich preiſen, will dich loben!
Allen Menſchen ſchenk hienieden
Deinen ſüßen Weihnachtsfrieden!
Und wenn alle du bedacht,
Denk auch meiner dieſe Nacht!
Frau Werner.

So jetzt in die Kammer; die Suppe ſteht70 noch warm auf dem Ofen. und dann komme ich auch nach.

Ludwig
(ſchelmiſch.)

Gute Nacht, Freund Casperl! Wir wollen doch ſehen, ob’s morgen nichts gibt.

(Ab in die Seiten - Thüre.)
Frau Werner
(allein.)

Nun herein mit dem Weihnachtsbäumchen, das ich vor die Thüre geſtellt habe.

(Holt einen kleinen Weih - nachtsbaum mit Aepfeln dran herein.)

Ach mein Gott! das iſt wohl eine recht armſelige Chriſtgabe! Jch will jetzt die Lichtlein darauf ſtecken und wenn Ludwig mor - gen früh in die Stube tritt, da ſoll’s lichterloh bren - nen!

(Jndem ſie die Kerzen aufklebt.)

Was hatten wir einen ſchönen Baum, als mein lieber Mann noch lebte! Was war’s eine freudige Zeit, als wir ihn gemeinſam zierten und ſchmückten für unſern Ludwig, uns beide ſelbſt gegenſeitig beſchenkten und den armen beiden Schuhmacherwaiſen zugleich be - ſcheert wurde. Jetzt iſt’s freilich ſo, daß ich kaum meinem eigenen Kinde zu Weihnachten Etwas kau - fen kann. Ein grünes Bäumchen und ein Paar Aepfel und Lichtlein dran! Nun! wie Gott es will! Jch bringe mich arm aber redlich fort und der Vater aller Menſchen wird mir wohl auch71 helfen, daß ich meinen Ludwig ſo erziehen kann, damit er ſich ſein Brod verdiene und ein ehrlicher Mann werde!

(Sie zündet Licht an.)

Noch eine Woche und wieder iſt ein Jahr herum. Jch danke Gott von Herzen, daß es ſo gegangen iſt, wenn ich nur an meinem Herzensbuben nie Kummer und Leid erlebe!

(Ab durch die Seitenthüre.)
(Mittlerweile iſt es ganz dunkel geworden, nach einer kleinen Pauſe hört man die Glocken von den Thürmen läuten; der Hintergrund öff - net ſich und zeigt die Krippe mit dem Chriſtkind in heller Beleucht - ung; Maria und Joſeph zur Seite knieend, von Engeln umgeben. Hinter der Scene fingen Kinderſtimmen ein Weihnachtslied.)
Fürwahr, es gab noch keine Nacht,
Jn der ſolch helle Sternenpracht
Am Himmel war erſchienen,
Als dieſe, da das Knäblein hier
Die ganze Welt als Himmelszier
Gegrüßt mit holden Mienen!
Aus ſeinen Augen ſtrahlt ein Licht,
Das alle Dunkelheit durchbricht
Und überall hin dringet;
Tief in die Herzen ſenkt ſich’s ein
Mit ſeinem wunderbaren Schein,
Der ſüßen Frieden bringet.
So lob und preiſe unſer Sang
Jm gläubig frommen Weihnachtsklang
72
Das heil’ge Kind, das arm da lieget:
So arm wie kein’s und doch ſo reich;
Denn dieſem Kinde iſt keines gleich,
Es hat die Welt beſieget.

Zweite Abtheilung.

Weihnachtsmorgen.

Frau Werner.

Hab ich doch die ganze Nacht kaum ſchlafen können! Der Vergleich meiner jetzigen Armuth mit früherer Wohlhabenheit beſchäftigte bei dieſer Weih - nachtsfeier wieder ſo lebendig mein Jnneres und, Gott weiß es, nicht um meinetwillen, nein! nur meines Ludwigs wegen!

(Es ſchellt an der Haus - glocke.)

Wie? hört ich recht? Wer kann ſo früh am Tag zu mir wollen?

(Geht durch die Mittelthüre hinaus, die ſie offen ſtehen läßt.)

Wer ſchellt?

(Stimme von außen)

Jch habe ein Paket abzugeben an den kleinen Ludwig Werner.

Frau Werner.

An meinen Sohn? Von wem?

73
(Stimme)

Werden’s ſchon ſehen.

(Man hört die Haus - thüre zufallen.)
Frau Werner
(mit einem Paket in der Hand wieder eintretend.)

Wirklich ein Paket an Ludwig. Sollte Je - mand ihm die Freude gemacht haben, eine Weih - nachtsgabe zu ſchicken? Jch wüßte wirklich nicht, wer es ſein könnte. Einerlei ihm ſelbſt will ich die Ueberraſchung laſſen, es zu öffnen; nun zünde ich am Weihnachtsbaum die Kerzchen an und lege die räthſelhafte Gabe hin.

(Ruft hinein)

Ludwig, Ludwig! mache dich fertig und komme, Chriſtkindl war dieſe Nacht über da und hat dir Beſcheerung gebracht.

Ludwig
(von Jnnen.)

Juhe, Juhe! ich bin ſchon angekleidet, nur noch die Schuhe!

Frau Werner.

Jch muß geſtehen, daß mich die Neugier wirk - lich in Verſuchung führen könnte, dieſe geheimniß - volle Sendung zu beſichtigen.

Ludwig
(hereinſpringend, nimmt Frau Werner um den Hals.)

Guten Morgen, liebe Mutter! Ah! ſieh da, das ſchöne Bäumchen!

(Tritt an den Tiſch.)

Acht Aepfel daran und zwei Lebkuchen, und was74 liegt denn da nebenan? Gehört das Paket auch dazu?

Frau Werner.

Es ward dieſen Morgen ſchon hieher gebracht und die Adreſſe lautet an dich.

Ludwig.

Wie, an mich? ja von wem denn, liebe Mutter?

Frau Werner.

Das muß ſich zeigen, wenn du geöffnet haſt.

Ludwig.

Mütterl, Mütterl! das iſt eine Ueberraſchung vom Chriſtkindl! Gewiß, gewiß!

Frau Werner
(ſcherzend.)

Nun, ſo löſe das Siegel des Geheimniſſes! Jch wollte dir nicht vorgreifen.

Ludwig
(öffnet das Päckchen und nimmt ein Buch heraus.)

Sie iſt’s, ſie iſt’s, Mutter!

(freudig ſpringend.)
Frau Werner.

Wer iſt’s, wer?

Ludwig.

Nun die Bilderbibel, die ich mir vom Chriſt - Kindlein erbeten habe.

Frau Werner.

Jch verſtehe dich nicht; wie meinſt du das?

75
Ludwig.

O lieb Chriſtkindl, tauſend, tauſend Dank!

(Er herzt das Buch.)

Ja, liebe Mutter, jetzt weiß ich gewiß, daß das Jeſuskind überall iſt, daß es gerne erfüllt und gibt, wenn man es recht inſtändig bittet.

Frau Werner
(nimmt das Buch.)

Haſt du dir denn dieſe ſchöne Bilderbibel ge - wünſcht?

Ludwig.

Höre, Mutter! Als du geſtern Abends aus - gegangen warſt, habe ich an das Chriſtkindchen einen Brief geſchrieben und darin um eine ſchöne Bilder - bibel gebeten, wie wir ſchon eine hatten, als der Vater noch lebte, und hab mein Briefchen zum Fenſter hinausfliegen laſſen. Da haben es wohl die Engel an ſeinen Ort gebracht; denn ſiehſt du, hier iſt die Erfüllung.

Frau Werner.

Wahrhaftig das iſt ja beinah ein Wunder!

(für ſich)

Fürwahr, ich weiß nicht, was ich davon halten ſoll!

Ludwig.

Du ſelbſt haſt mir ja ſchon oft geſagt, daß wer recht herzlich und innig bittet, vom lieben Gott gehört wird. Und wenn Du Etwas ſagſt, liebe76 Mutter, ſo weiß ich, daß es wahr iſt! Jetzt er - laube mir, daß ich mich mit meinem Freund Casperl in die Schlafſtube ſetze und mit ihm die ſchönen Bilder anſchaue.

Frau Werner.

Herzlich gern! thue das, lieber Ludwig, und danke aber noch zuvor dem gütigen Jeſuskind, das dich ſo beglückt hat.

(Ludwig ab.)
Frau Werner
(allein.)

Jn der That, der Vorfall iſt mir ein unerklär - liches Räthſel. Jch wüßte den Schlüſſel zu deſſen Löſung wahrlich nicht zu ſuchen.

(Es ſchellt draußen.)

Nun aber heute geht’s lebendig her an meiner Schelle draußen.

(Sie geht hinaus.)
Frau Werner. Walter.
Walter.

Entſchuldigen Sie, Frau Werner, daß ich Sie ſchon in früher Morgenſtunde beläſtige.

Frau Werner.

Es iſt mir durchaus keine Störung, ich bitte, mir den Zweck ihres Beſuches zu ſagen. Wen habe ich das Vergnügen bei mir zu ſehen?

Walter.

Der Name Walter wird Jhnen vielleicht nicht unbekannt ſein.

77
Frau Werner.

Friedrich Walter nicht wahr? Sie ſind der Jugendfreund meines unvergeßlichen Mannes? Wie oft ſprach er von Jhnen!

Walter.

Allerdings, ich bin es. Es wird Jhnen wohl bekannt ſein, daß ich mich vor ſechs Jahren auf Reiſen begab. Jch zweifle nicht, daß mein alter Freund, wenn er meiner erwähnte, auch davon geſprochen haben mag.

Frau Werner.

Ja wohl. Er erzählte mir, daß Sie die Jhnen in Fülle gebotenen Mittel auf das Edelſte zu ver - wenden pflegten und ſich auf eine Reiſe begeben haben, um Jhre Kenntniſſe in den Naturwiſſen - ſchaften zu bereichern.

Walter.

Jch danke Gott, daß er mir zu meinem Reich - thum auch den Sinn für edle Beſtrebung gewährt hat. Beides ſind Gaben des Himmels. Bei meiner Rückkehr aus dem Oriente war es mein Erſtes, meinen theuren Carl Werner aufzuſuchen. Jch reiste ſogleich hieher. Jm Gaſthofe, wo ich geſtern früh abſtieg, erfuhr ich die erſchütternde Nach - richt, daß der treffliche Mann ſchon vor zwei Jah -78 ren dieſem Leben und ſomit ſeiner liebenden Gat - tin entriſſen worden. Wie hätte ich anders gekonnt, als mich beeilen, die Wittwe meines beſten, älte - ſten Freundes aufzuſuchen? Jhre Wohnung konnte mir nicht bezeichnet werden, weßhalb ich nicht ſäumte, auf der Polizei geſtern Abends noch perſönlich Er - kundigung einzuziehen.

Frau Werner.

An Jhrer Güte, an Jhrer Theilnahme erkenne ich Sie ſo ganz und gar, wie mein ſeliger Carl Sie mir ſtets geſchildert hat.

Walter.

Hören Sie welch ſonderbarer Zufall mir begegnete. Der Polizeikommiſſär nahm eben, als ich in das Bureau eintrat, von den Polizeiſoldaten Rapport ein. Einer derſelben meldete ihm als ſcherzhaften Vorfall, daß er einen Brief, in der Kirchengaſſe auf dem Boden liegend, desſelben Abends gefunden habe, mit der ſonderbaren Adreſſe: An das liebe Chriſtkindchen im Himmel oben. Der Commiſſär erbrach lächelnd den Brief: Lud - wig Werner war die Unterſchrift. Meine An - frage und deren Aufklärung knüpften ſich an die - ſen Namen; der Jnhalt des gefundenen Briefes79 war eine kindliche Bitte um eine Bilderbibel als Weihnachtsgabe. Jch dankte wirklich dem Himmel im Stillen für die wunderbare Fügung, eilte ſogleich in einen Weihnachtsladen, um das himmliſche Weih - nachtsgeſchenk zu acquiriren und hoffe, daß es heute bereits an den kleinen Briefſchreiber gelangt iſt.

Frau Werner.

Jn der That, Herr Walter, die Fügungen des Himmels im Großen wie im Kleinen ſind wunderbar! Mein Söhnlein ſitzt freudetrunken vor dem Buche. Erlauben Sie, daß ich ihn dem gütigen Geber vorſtelle.

Walter.

Und warum wollten Sie ihm denn das Wun - derbare der Erfüllung ſeiner Bitte rauben?

Frau Werner.

Sie haben Recht ſein frommer Glaube werde nicht geſtört. Es liegt ja nur in der Form der Unterſchied; im Weſen der Sache glauben wir Alle, Groß und Klein, dasſelbe.

Walter.

Ja, gute Frau, an Gottes allwaltende Für - ſorge und Obhut, und an dieſem Glauben feſt - haltend, geſtatten Sie, daß ich nun der zweite Vater Jhres Sohnes ſein darf. Jch möchte, indem80 ich eine ältere Schuld an Jhren verblichenen Gatten abtrage, fortan Jhnen die Mittel anbieten, ſo zu leben, wie Sie früher gewohnt waren, und Jhrem Kinde jene Erziehung zu gewähren, welche ihm zu Theil geworden, wenn ſein Vater noch am Leben wäre.

Frau Werner.

Jch nehme das Anerbieten an denn ich kenne Jhr Herz! Jch ſchäme mich nicht, es zu thun; denn ich bin deſſen gewiß, daß mein Ludwig ſeinem und meinem Wohlthäter ſtets jene Dankbarkeit bethätigen werde, welche jedweder edlen That der ſchönſte Lohn iſt.

Walter.

Wenn es Jhnen genehm iſt, ſo lade ich Sie ein, auf meinem Landgute die Verwalterin meines Hauſes zu ſein und Ludwig ſoll in ein Erziehungs - haus eintreten, deſſen Trefflichkeit mir gerühmt ward.

Frau Werner.

Gott lenkt Alles gut und ſo, wie es uns zum Beſten gereicht! Stets unvergeßlich aber wird mir dieſe heurige Weihnachtsfeier ſein.

Walter
(zieht einen Brief hervor.)

Und der Weihnachtsbrief an das Chriſtkindchen kommt unter Glas und Rahmen!

Ende.

Die drei Wünſche. Ein lehrreiches Beiſpiel.

[figure]

Perſonen.

  • Die ſchöne Fee Zimberimbimba.
  • Martin,

    ein Holzhauer

    .
  • Margreth,

    deſſen Weib

    .
  • Herr Casperl,

    deren Freund und Nachbar

    .
83

Wald.

Martin
(mit Holzhauen beſchäftigt.)

Heut iſt wieder ein ſaurer Tag! Herr Gott, iſt das nicht um die ſchwere Noth zu kriegen. Jmmer hacken und immer hacken! und da muß unſer Einer noch froh ſein, wenn ihm vom Herrn Waldmeiſter Arbeit angewieſen wird. Und die ſchlechte Bezahl - ung, kaum daß ich mit meiner Margreth des Jahrs viermal ein Stückl Fleiſch in’s Haus viel we - niger in’s Maul bring.

(ſingt während des Holzhauens)
Jch hau halt drein
Es ſoll ſo ſein,
Daß ein Baum nach dem andern
Muß in den Ofen wandern.
Oft weht der Wind
Jhn um geſchwind
Die allergrößten Eichen
Die müſſen Stürmen weichen.
6*84
Jm Waldesraum
Ein jeder Baum
Gleichwie der Menſch im Leben
Sich endlich muß ergeben.
Art oder Sturm,
Säg oder Wurm
Und Einem gilt’s wie Allen
Daß endlich ſie zerfallen.
(Setzt aus und wiſcht ſich den Schweiß von der Stirne.)

Ha Ha! muß ein bißl verſchnaufen, das iſt eine Höllenarbeit ſo hartes Buchenholz!

(Eine Stimme ruft Martin! )

Nun! wer ruft da? Kommt etwa mein Mar - greth und bringt mir die Mittagsſupp?

(Die Stimme ruft wieder Martin! )

Nein, das iſt die Margreth nicht, die hat keine ſo feine zarte Stimm; die kreiſcht bisweilen wie ein Rab, beſonders wenn ſie üblen Humors iſt.

(Abermals Martin! )

Jetzt hab ich’s ſatt! Wer ruft? was gibt’s?

Die Stimme.

Paß auf Martin! Jch bin eine unglückliche Fee und ſtecke in dieſer Eiche.

Martin.

Oho! das wär wieder etwas Neu’s, daß die85 Leute in den Bäumen ſtecken. Firlefanz! Da ſteckt was Anders dahinter!

Die Stimme.

Martin, du biſt ein Eſel.

Martin.

Allerdings wär ich ein Eſel, wenn ich eine ſolche Dummheit glauben könnte.

Stimme.

Höre mir zu, Martin: Wiſſe, ich bin die un - glückliche Fee Zimberimbimba, welche ſeit 500 Jah - ren in dieſen Baum geſperrt iſt.

Martin.

So was könnte mir ein Jeder weiß machen.

Stimme.

Nimm deine Art, guter Martin und haue die Rinde der Eiche durch, welche den Stamm um - ſchließt. Er iſt hohl und da ſteck ich drin.

Martin.

Probiren könnt ich’s ja. Aber, wer weiß, ob nicht der Teufel dahinter ſteckt und mich dann beim Schopf nimmt.

Stimme.

Sieh hier! da iſt ein kleines Aſtlöchlein, da will ich einen Finger herausſtrecken.

Martin
(tritt hin.)

Das laß ich mir gefallen! So ein feines Fin -86 gerlein kann nur ein Frauenzimmer haben; der Teufel hat ja Krallen an der Hand. Wohlan!

(haut in die Eiche.)
Stimme.

Hau nur nicht zu tief es könnte mir in den Leib geh’n.

(Nach einigen Hieben fällt die Rinde und die Fee tritt heraus.)
Martin
(fällt zitternd auf die Kniee.)

O du roſenfarbige Mamſell, was biſt du ſchön! aber ich bitt dich, thu mir nichts zu Leid! Denn du könnteſt ein vermaskirter Teufel ſein.

Fee.

Fürchte nichts ich bin wirklich die Fee Zim - berimbimba. Vernimm, wie ich in dieſen Baum hineinkam. Jch bin die Tochter des großen Zau - berers Califonius, der vor 500 Jahren in einer Höhle dieſer Gegend wohnte und ſich an Werktagen mit Zaubern, an Sonn - und Feiertagen mit Korb - flechten beſchäftigte, um ſich ſein Brod zu verdie - nen. Als kleines Mädchen trug ich in Geſtalt eines Bauernkindes die fertigen Körbe in die Stadt, wo ich ſie verkaufte und dafür Lebensmittel heim - brachte. Als ich heranwuchs, wurde ich ſehr hübſch! leider habe ich keinen Spiegel mehr ich weiß nicht, wie ich jetzt ausſehe.

87
Martin.

O ganz charmant, nicht wie aus einer alten Eiche, ſondern wie aus dem Ei geſchält.

Fee.

Das freut mich, daß die 500 Jahre mir nicht geſchadet haben. Nun wie geſagt als ich ein hübſches 18jähriges Zauberfräulein war, wollte mich der abſcheuliche Zwerg Langebart abſolut hei - rathen. Er war aber bös und häßlich und ich hatte gar keine Luft, ſeine Frau zu werden. Dem - unerachtet aber kam er eines Tages in die Höhle zu meinem Papa und hielt feierliche Anwerbung um mich. Wir ſaßen eben beim Kaffee, als er eintrat und mir ein herrliches großes Edelſtein - krönlein aus ſeinem Bergwerke zu Füſſen legte, ſich auf ein Knie niederließ und alſo ſprach: Holde Zimberimbimba! Jn Gegenwart deines Herrn Va - ters, des großen Zauberers Califonius, halte ich um deine Hand an. Dein Ja wird mich zum glück - lichſten Zwergen der ganzen Gnomenbevölkerung machen! O! willige ein! Darauf wurde ich aus Scham und Zorn über und über roth und fiel in Ohnmacht. Mein Papa berührte mich aber mit ſeinem Zauberſtäbchen und ich erwachte wieder. Der Zwerg wollte mich fortführen, allein mein Vater88 trat dazwiſchen und ſprach: Wertheſter Herr Lange - bart! obgleich es mir eine abſonderliche Ehre wäre, Sie zum Schwiegerſohne zu haben, ſo muß ich doch die Entſcheidung meiner Tochter ganz allein überlaſſen. Jch aber ſtund ganz zornig vom Stuhle auf und ſagte: lieber will ich 500 Jahre lang in einen Baum gezaubert werden, als daß ich eine ſo häßliche Creatur zum Gemahl nehme.

Nun mußt du wiſſen, lieber Martin, daß wenn eine Fee, d. h. eines Zauberers Tochter Etwas ſagt ſo iſt’s ſchon ſo, als wenn’s wirklich ge - ſchehen wäre. Ein furchtbarer Donnerſchlag hallte mit dem hölliſchen Gelächter des Zwerges durch unſere Höhle, ein Blitzſtrahl ſchlug meinen Papa todt und ich wurde durch eine unſichtbare Macht in das Jnnere dieſer Eiche getragen, wo ich nun ſchlummernd verborgen war. Heute aber ſind es gerade 500 Jahre! Wäreſt du nicht da geweſen, ſo hätte ich wieder 500 Jahre auf meine Erlöſung warten müſſen. Du aber haſt dadurch ein großes Glück gemacht; denn meine Dankbarkeit ſoll dich feenmäßig belohnen.

Martin.

O allerliebſte Fee! Jch weiß gar nicht, was89 ich zu dieſer Wundergſchicht ſagen ſoll! Jch bin ganz confuſius.

Fee.

Merk auf! Zum Lohne für meine Befreiung ſind dir drei Wünſche geſtattet, die Du innerhalb dreier Tage ausſprechen ſollſt. Nimm dich in Acht! Wähle klug. Du kannſt dir viel, viel wünſchen und was immer du wünſcheſt das wird dein ſein. Jn drei Tagen frage ich zu dieſer Stunde bei dir im Hauſe an.

(verſchwindet.)
Martin
(reibt ſich die Augen).

Jetzt weiß ich nicht, wie mir zu Muth iſt. Hab ich geträumt oder iſt die Geſchicht wirklich ſo, wie mir geträumt hat? Halt! was ſeh ich? da liegt ein goldenes Ringlein auf der Erde und ein Spruch iſt drauf geſchrieben:

Was du wünſcheſt, leiſe ſprich;
Wahr wird’s bin am Finger ich.
Was du wünſcheſt wohl bedenk:
Dreifach iſt der Fee Geſchenk.

Herr Jemine, Herr Jemine! ’s wirklich ſo! Das iſt ein Wunſchringlein! O du liebes, liebes goldenes Ringelein!

(ſpringt vor Freuden)

o du gol - dene Fee! o du herzige Zimperipimpimperl! Jetzt90 bin ich ein glücklicher Menſch! jetzt wünſch ich mir gleich

(ſchlägt ſich auf’s Maul)

halt Martin ſei klug! das muß überlegt werden mit aller Vor - ſicht und Umſicht. Meine Margreth muß auch wünſchen helfen; das iſt eine geſcheute Frau und die Nachbarn können wir auch um Rath fragen, ehe wir wünſchen. Juhei! Juhei! das wird ein Leben werden! der Himmel auf Erden wenn uns ſonſt kein Unglück paſſirt! jetzt ſchnell nach Haus!

(geht ab.)

Verwandlung.

Martins Stube.

Mit ſchlechtem Geräth. Ein Kamin zum Kochen. Margreth iſt eben beſchäftigt Kartoffeln zu ſchälen.
Margreth.

Und alleweil und alleweil Erdäpfel einen Tag wie den andern! d. h. einen Tag Erdäpfel und den anderen Kartoffeln das iſt die ganze Abwechslung. Jch weiß gar nimmer, was eine Fleiſchſpeis für einen Geruch hat. Jetzt iſt’s ge - rade ein Vierteljahr her, daß uns der Jäger Krumplmaier ein Eichkätzl geſchenkt hat! Ach!91 das war aber ein delikates Eſſen! So zart und ſo weich! Und beſonders das Schweifel war ſo gut in der weißen Butterſauce. Mein Mann hat zwar geſagt, es hätt ihm etwas im Magen ge - kratzt aber geſchmeckt hat’s ihm doch. O du liebe Noth und Kummerniß! es iſt nur gut, daß wir keine Kinder haben, da wüßt ich mir ja gar nicht zu helfen!

(Martin draußen: Juhe, Juhe!)

Oho! was hat denn der Martin, daß er heut ſchon ſo früh heim kommt und gar ſo luſtig? Viel - leicht hat er ſeinen Wochenlohn vorausgekriegt. ’s iſt aber erſt Mittwoch, das wär etwas Neues.

(Martin tritt eiligſt ein, ſtolpert über die Thurſchwelle und fällt hin.)
Margreth.

O du Talk! wer wird denn zur Thür herein - fallen?

Martin
(aufſtehend).

Wenn das Glück in’s Haus kömmt, fallt’s oft zur Thür herein. Da haben wir gleich einen Beweis.

Margreth.

Du wirſt ja das Glück in’s Haus bringen! Das wär wohl ’s erſtemal.

Martin
(wichtig).

Halts Maul und ſetz dich in Poſitur als wenn du vor einem gnädigen Herrn ſtündeſt.

92
Margreth.

Was fallt dir heut wieder ein? Uns Hunger - leidern thut’s Noth, daß wir noch Späſſe machen. Was machſt du heut ſchon ſo früh zu Haus? Sind die Erdäpfel noch nicht einmal geſotten.

Martin.

Was Erdäpfel! jetzt geht’s aus einem andern Ton. Mit dem Pſalm Miſerere haben wir von nun an nichts mehr zu ſchaffen! Sieh her!

(hebt den Ring in die Höhe.)
Margreth.

Ei, das Glück! haſt ein goldenes Ringl gefunden?

Martin.

Und was für ein Ringl! Einen Wunderring! Einen Zauberring! Einen Wunſchring!

Margreth.

Wenn du Geld hätteſt möcht ich glauben, du ſeift wo eingekehrt und wärſt betrunken.

Martin.

Ja! trunken vom Glück, das mir paſſirt iſt!

Margreth.

Ei was!

Martin.

Ei was, ei was! laß dir ſagen

(es klopft an der Thüre.)

Still, ſtill! da kommt Jemand. 93Geh einſtweilen in die Holzkammer hinaus, ich komme gleich nach, um dir das wichtige Geheim - niß zu ſagen, welches uns zu glücklichen Menſchen macht. Geh, geh!

(ſchiebt Margreth hinaus.)

So den Beſuch werd ich gleich abfertigen; denn ich kann’s nicht erwarten, meiner Margreth Alles zu ſagen. Wer iſt draußen? herein!

Casperl. Martin. Casperl.

Bon jour, bon jour, Herr Nachbar! nix Neus, nix Neus? Jch will gerad ein Bißl in’s Wirths - häusl ſchaun und da hab ich im Vorbeigehn etwas zuſprechen wollen bei Jhnen.

Martin.

Schön Dank, ſchön Dank, Herr Casperl! Aber verzeihen Sie mir, ich muß ſchon abbitten, heut hab ich nicht Zeit, mit Jhnen zu plaudern. Ein unerwartet Geſchäft

Casperl.

Ein Geſchäft was für ein Geſchäft? Jch bin gar nicht neugierig, aber wiſſen möcht ich doch Alles.

Martin.

Es thut mir leid, aber vor der Hand muß es noch mein Geheimniß bleiben.

94
Casperl.

Ach! ein Geheimniß? das iſt mir gerad recht. Vertrauen’s mir’s nur gleich an. Jch bin der Mann dazu. Wenn mir Einer was anvertraut, ſo iſt es in den beſten Händen. Jch hab noch nie was ausgeſchwätzt.

Martin.

Das iſt wahr, Sie ſind ja eine Art Plappermühl.

Casperl.

Oho was Sie da ſagen?

Martin.

Warten Sie nur ein wenig. Jch komm gleich wieder herein.

(ab.)
Casperl
(allein).

Ein Geheimniß? was kann das ſein? Das muß ich ergründen und weiß ich, was es iſt,

(ſingt)
So lauf ich ſchnell zur Thür hinaus,
Jm ganzen Ort in jedes Haus,
Erzähl’s dann gleich an alle Leut
Beim Siegel der Verſchwiegenheit.
Zu was hat denn der Menſch ſein Maul,
Das meine iſt gewiß nicht faul;
Die Zung iſt ja zum Sprechen da,
Damit man weiß, wo was geſchah.
95
Es gibt nur Einen Augenblick,
Wo ich mich ſchweigend zieh zurück;
Der iſt die liebe Eſſensſtund,
Wo etwas Andres treibt mein Mund.
Halt ich den Krug in meiner Hand,
Ein Jeder mich noch ſchweigend fand
Da hat der Mund etwas zu thun
Und kann vom Reden klüglich ruhn!

Aha! jetzt kommen ’ſ wieder.

Margreth. Casperl.
Margreth
(voll Freuden).

Ei, Herr Casperl, guten Morgen, guten Morgen!

Casperl.

Sie ſind ja gar luſtig, Madam Margreth. So hab ich Sie lang nit gſeh’n!

Margreth.

Ja, ich möcht aus der Haut fahren, vor Freuden!

Casperl
(bei Seite).

Aber fein in eine andre Haut, die etwas hüb - ſcher iſt als die Jhrige.

(Laut)

Nun, was gibt’s denn ſo Erfreuliches?

Margreth.

Etwas Ungeheuers! aber ich darf’s Jhnen noch nicht ſagen; mein Mann hat mir ’s verboten.

96
Casperl.

So einem alten Hausfreund wird die Familienfreude vorenthalten? das iſt nicht ſchön.

(weint.)
Margreth.

Ja, es thut mir leid, daß ich’s Jhnen nicht ſagen darf. Warten’s nur ein wenig!

Casperl.

Das iſt abſcheulich von Jhnen, abſcheulich! Jch möcht mich zu todt weinen über das feindſelige Mißtrauen.

Margreth
(gerührt).

Herr Casperl, wenn Sie mir verſprechen, daß Sie nicht weiter plaudern, ſo will ich’s Jhnen an - vertrauen.

Casperl.

O wie könnten Sie zweifeln an meiner Ver - ſchwiegenheit?

Margreth.

So hören Sie. Wir haben ein großes Glück gemacht! Mein Mann hat ein Wunſchringl ge - funden und kann drei Wünſche thun, die ihm ſo - gleich erfüllt werden. Da ſehn’s.

(zeigt ihm den Ring.)
Casperl.

Jſt das möglich?

97
Margreth.

Ja wiſſen ’ſ, in der Comödie iſt Alles möglich!

Casperl.

O glückliches Paar! Erhalten Sie mir Jhre Freundſchaft,

(bei Seite)

damit ich auch was davon hab.

Margreth.

Seh’ns Herr Casperl! wenn man das Ringl am Finger hat und ſpricht einen Wunſch dabei, ſo hat man’s gleich.

Duett.
Casperl.
Was iſt doch ſo ein Zauberring
Ein allerliebſtes, liebſtes Ding,
O hätt ich ſolch ein Ringelein,
Jch wünſchte mir viel Bier und Wein.
Margreth.
Oho das wär wohl nicht geſcheut,
Und wär gefehlet himmelweit;
Beim Wünſchen mit dem Ringelein
Da heißt es klug und weiſe ſein.
Casperl.

Sie haben Recht, Sie haben Recht,

Ein Sack voll Geld wär auch nicht ſchlecht!

Margreth.

Ein Sack voll Geld wär auch nicht ſchlecht.

798
Casperl.

Und dazu ein gebratner Hecht!

Beide.
O Zauberring, o Zauberring,
Was biſt du für ein Wunderding.
Ring, Ring, Ring, Ring,
Ding, Ding, Ding, Ding.
Casperl.

So Etwas iſt mir in meinem Leben noch nicht vorgekommen, geleſen hab ich ſchon viele ſolche Zaubergſchichten. Aber jetzt, liebe Frau Margreth, hab ich ein gwaltigen Durſt.

Margreth.

Wie gewöhnlich, Mr. Casperl. Wenn Sie mit einem Glas Bier vorlieb nehmen, ſo kann ich aufwarten.

Casperl.

Her damit! Jch verachte nichts dergleichen.

(macht einen Schluck aus der dargebotenen Flaſche.)

Ah das war gut! Wiſſen’s was, Frau Margreth? Eine Schüſſel voll Bratwürſtl wär halt gut dazu.

Margreth.

Ja, mein Himmel, die weiß ich gar nimmer wie’s ausſehen. Eine Bratwurſt iſt ſchon lang99 nicht mehr über unſere Schwelle gekommen. Wie oft hab ich mir ſchon gewünſcht, wenn ich nur ſo ein Dutzend recht guter Bratwürſt da vor mir hätt

(Donnerſchlag und es erſcheint eine Schüſſel mit Brat - würſten darauf; Casperl fällt aus Schrecken um, Margreth fällt auch um.)

O weh, o weh! Jch hab den Zauber - ring am Finger und mein Wunſch iſt in Erfül - lung gegangen!

Casperl.

Ja das wär mir ſchon recht, aber das Don - nern, das braucht nit dabei zu ſein, das verdirbt Eim ja den Appetit zum Eſſen.

Margreth.

Jſt denn das nicht ein Unglück, Mr. Casperl? jetzt iſt ſchon Ein Wunſch verlaborirt; und wir haben nur mehr zwei Wünſche! Was wird mein Mann dazu ſagen, wann er nach Haus kommt? Da krieg ich Prügel auch noch dazu. Was hätten wir uns ſchon das erſte Mal Alles wünſchen kön - nen! Aber da ſind Sie daran ſchuld, Mr. Cas - perl, mit Jhrer ewigen Gefräßigkeit! Sie haben mich in’s Unglück gebracht!

Casperl.

Frau Margreth ich bin ein Philoſoph. 7*100Was gſchehen iſt, das iſt geſchehen. Jetzt ſind halt die Würſt da alſo luſtig drüber her!

(fangt zu eſſen an.)
Margreth.

Jch kann auch nichts anders thun, als anbei - ßen aber mein Mann, mein Mann!

(ſetzt ſich zum Eſſen.)
Casperl.

Schaun’s, Frau Margreth. So oft ich eine Bratwurſt ſeh, muß ich den menſchlichen Verſtand des Erfinders der Bratwürſte bewundern, dem’s eingfallen iſt, dieſe Würſt oben und unten zuzu - binden; denn wären ſie nur an einem End zuge - bandelt, ſo würde der ſchmackhafte Jnhalt beim andern End hinauslaufen. Es iſt ſehr die Frage, ob mir das eingefall’n wär.

(Man hört Tritte)

Aha, jetzt kommt der Herr Martin nach Haus.

Margreth.

Auweh, auweh! Jch werf lieber gleich das Ringel in’s Eck, damit ich allenfalls nit wieder eine Dummheit wünſch.

(wirft den Ring weg.)
Casperl.

Eine gute Wurſt iſt nie eine Dummheit, be - ſonders wenn man ſelbige umſonſt haben kann.

Martin tritt ein. Die Vorigen.

101
Martin.

So, allerliebſte Margreth, jetzt hab ich mir guten Rath geholt beim Schullehrer und beim Pfarrer; die haben mir die geſcheiteſten Wünſche auf ein Papier geſchrieben. Jetzt geht’s bald an - ders bei uns zu. Ein herrliches Palais, Kutſchen und Pferd; kein Holzhacken mehr, keine Erdäpfel mehr. Lauter Gansleberpaſteteln auf’n Tiſch und gebratene Faſanen. Jch laß mir gleich einen Frack machen mit ächt goldene Knöpf. Ein Portier muß vor dem Hausthore ſtehen. Jch laß mich zum Grafen machen denn um’s Geld kann man Alles haben. Schon mancher jüdiſcher Bankier iſt Herr von geworden, weil er ſich’s hat koſten laſſen. Und du, Margreth, bekommſt eine Kammerjungfer und ich laß dir eine eigne Portchaiſe machen. Zu Fuß darf keins von uns mehr gehen. Herr Casperl jetzt paſſen’s auf; Sie werden ſich wundern.

Casperl.

Ja Einmal hat’s ſchon gekracht!

Martin.

Was ſoll das bedeuten?

Casperl.

Betrachten Sie einmal dieſe Schüſſel voll an - genehmer Bratwürſt.

102
Martin.

Warum, warum?

Casperl.

Das ſind keine gewöhnlichen Bratwürſt! Das ſind Zauberbratwürſtln! die ſchmecken delikat.

Margreth
(fällt auf die Kniee).

Ah, verzeih mir, lieber Mann! in meiner Un - vorſichtigkeit hab ich mit dem Ring am Finger eine Schüſſel voll Würſteln hergewünſcht.

Martin
(höchſt zornig).

O du unglückſeliges Weibsbild! Jch hätte gute Luſt, Dich zu todt zu prügeln! jetzt iſt ſchon Ein Wunſch verpatſcht! Wo iſt der Ring? Gleich her damit!

Margreth.

Dort hinten liegt er.

Martin.
(hebt ihn auf und ſteckt ihn an den Finger).

Wie man aber nur ſo einfältig ſein kann! Was haſt Du ſchon Alles verſcherzt! Und die drei Wünſche waren ſo prächtig ausgedacht!

Margreth.

Das hätt Dir in der Schnelligkeit auch ge - ſchehen können!

103
Martin.

Was mir? Eine ſolche Dummheit! das iſt unmöglich.

Margreth.

Jetzt iſt’s vorbei! Setz Dich auch her und lieber ein Paar von den guten Würſteln.

Martin.

Was? Jch miteſſen? Jch hab ſo einen Aerger über Dich, daß ich lieber möchte, die Bratwürſte ſollten Dir an Deine lange Naſ wachſen!

(Donnerſchlag. Alle drei fallen zu Boden, und die Würſte hängen an Margrethens Naſe.)
Martin.

Donnerwetter! der zweite Wunſch!

Casperl
(pathetiſch).

Ja der zweite Wunſch iſt unter Donner und Blitz in Erfüllung gegangen. Jch gratulire.

Martin
(prügelt ſein Weib und den Casperl).

Vermaledeite Wirthſchaft! zum Raſendwerden iſt’s! Jch bring euch um! ich häng mich auf! Jch ſtürz mich in’s Waſſer!

Margreth.

O weh, oh weh! Jch unglückliches Weib! Jch104 kann mich nicht mehr vor den Leuten ſehen laſſen! Was fang ich an!

Martin.

Herunter mit den Würſten! Helfen’s mir ziehen, Herr Casperl!

(Beide ziehen an den Würften.)

Es iſt um - ſonſt! Wir bringen ſie nicht weg von der Naſe.

Casperl.

Ja leider! Jhre Gattin iſt verunſtaltet auf immer!

Martin.

Vielleicht geht’s mit’m Abſchneiden.

(nimmt ein Meſſer und verſucht.)

Es iſt als ob das Meſſer ver - hext wär; hat immer eine prächtige Schneid ge - habt; jetzt iſt’s als ob die Würſte von Marmor - ſtein wären! Auweh! Auweh!

Casperl.

Was auf eine ſo zauberiſche Manier angewach - ſen iſt, geht nicht auf natürlichem Weg wieder von der Naſen weg.

Martin.

Ja, es iſt eine Schande, Schimpf und Spott müſſen wir ausſtehen, wenn die Margreth ihr Lebtag dieſe Wurſtnaſe behalten muß! Wenn’s nur wieder herunten wären die verherten Würſt!

(Donnerſchlag. Alle drei fallen um und die Würſte von der Naſe der Margreth.)
105
Martin.

Weh mir! der dritte Wunſch!

(Der Hintergrund öffnet ſich. Die Fee erſcheint im Roſenſchimmer und ſpricht:)

Erfüllt iſt, was ich dir verſprach Eh noch verging der dritte Tag; Und in der erſten Stunde ſchon Haſt du geholt dir deinen Lohn! Ein reiches Feld ſtund euch zur Aernte offen, Erfüllung war verheißen jedem Hoffen Verſcherzt habt Jhr gebot’nes Glück Jn Armuth ſinkt Jhr nun zurück! Wie oft iſt doch der Menſchen Thun Ein eitel Wünſchen ohne Ruh’n! Und der Erfolg iſt Unheil und Verderben, Fortuna’s Topf zerbricht in tauſend Scherben! Mög’s Allen doch ein Beiſpiel werden, Die nicht zufrieden hier auf Erden Nur leere Wünſche aneinander reih’n Und endlich ſich darüber ſelbſt entzwei’n: Dankbar genießt, was Gott Euch hat beſcheert Und was an Lebensgaben Er gewährt! Was mehr Jhr wollt, iſt Dunſt und Schaum, Der ſchnell verweht iſt, wie ein Traum!

Die Taube. Nach einer Erzählung von Chriſtoph Schmid in vier Aufzügen dramatiſch bearbeitet.

[figure]

Perſonen.

  • Ritter Theobald von Falkenburg.
  • Ottilie,

    deſſen Frau.

  • Agnes,

    deſſen Tochter.

  • Roſalinde,

    Wittwe des Ritters Adalrich von Hohen - burg.

  • Emma,

    ihre Tochter.

  • Ritter Ulrich von der Hohenwart.
  • Der ſchwarze Dietrich.
    • Wolf,
    • Schnauz,
    • Rothaug.
    • Raubgeſellen.

  • Casperl,

    Thorwart auf Hohenburg

    .
  • Hannes,

    Knappe auf der Falkenburg

    .
  • Thurmwart

    auf der Hohenwart

    .
  • Knechte, Reiſige und Räuber.

I. Aufzug.

Zwinger auf Schloß Falkenburg.

Frau Ottilie und Agnes nehmen unter einer Linde ihren Morgenimbiß.
Ottilie.

Schmeckt’s Agnes?

Agnes.

Die Milch iſt herrlich gut! und ’s Brod neu - gebacken und reſch, daß es zwiſchen den Zähnen kracht.

Ottilie.

Sei froh, Kind, daß du ſolch guten Morgen - imbiß haſt. Wir dürfen Gott darum danken. Wie viele Tauſende haben gar Nichts oder kaum ein Stück verſchimmelt Brod den ganzen Tag über. Weißt’s ja ſelbſt, wie der gute Vater den armen Söldnern und Siechen Nahrung gibt, damit ſie nit vor Elend zu Grund geh’n.

Agnes.

Ach, liebe Mutter, ich weiß es und mein Herz iſt gewiß immer dankbar, daß wir in gutem Stande110 leben und daß ich ſo lieben Vater und Mutter habe, die mir’s wohl gehen laſſen.

Ottilie.

Auch leben wir auf feſter, ſichrer Burg und hat der Vater ſeine zwölf reiſigen Knappen ohne die vierzig Söldner im Thal, ſo daß wir ruhig ſein können und mag uns kein ſchlimmer Geſell was anhaben.

Agnes.

Ja, denk Dir Mutter: hat mir der alte Veit erzählt, daß ein Zug von Kaufleuten, die aus Nürnberg kamen, erſt vorgeſtern von des ſchwarzen Dietrich Rotte im Hohlweg am Hochwald drüben überfallen und geplündert worden.

Ottilie.

Und der Vater hat ſich auch vorgenommen, in dieſen Tagen mit ſeinen Reiſigen wieder einmal die Heerſtraße zu ſäubern.

Agnes.

Wenn ihm nur Nichts zu Leid geſchieht! Jch habe immer Angſt und Noth, wenn der Vater auszieht. Weißt Du noch, Mutter, wie ſie ihn einmal verwundet auf den Tod krank heimbrachten?

111
Ottilie.

Wer möchte ſo was vergeſſen? Aber es iſt Ritterpflicht das Recht zu ſchützen; was wollte das wehrloſe Volk anfangen, nähmen ſich die edlen Burgherren mit Schwert und Lanze nicht drum an? Das wiſſen aber auch die böſen Geſellen und der wackere Falkenburger iſt ihnen ein Dorn im Aug; denn wenn der mit ſeinem Häuflein umreitet, dann iſt’s nichts mit dem Rauben und Brandſchatzen.

Agnes
(in die Höhe ſchauend).

Ei ſieh, Mutter, da kreist über uns in den Lüften ein gewaltiger Geyer.

Ottilie.

Auch ſo ein Raubgeſell!

Agnes.

Jetzt ſtößt er dort herab auf die große Buche. O weh, ein Täubchen fliegt auf, dem will er an.

Ottilie
(blickt auf.)

Nichts da! Der Räuber iſt getroffen. Hörſt du nicht einer Armbruſt hellen Klang?

Agnes.

Sieh, Mutter, er ſinkt!

112
Ein von einem Pfeil durchbohrter großer Geyer fällt herab; zugleich fliegt eine weiße Taube in Agnes Schoos.
Ritter Theobald
(eintretend.)

Hab ich dich, Würger? Jetzt verblut dich. Wirſt kein Täublein mehr verfolgen.

Ottilie.

Gut getroffen! Dein Schuß fehlt niemals.

Theobald.

Gott geb’s, daß es immer ſo bleibe. Grüß Gott, Weib und Kind.

Agnes.

Herzensvater! ſieh da, das Täublein hat ſich zu mir geflüchtet.

Theobald.

Recht ſo! behalt’s und pfleg’s gut.

Ottilie.

Warſt heute ſchon früh auf, lieber Theobald.

Theobald.

Bin mit ein paar Knechten vor Tages An - bruch aufgeſeſſen, um ein bißl zu ſtöbern. S iſt wieder nit ſauber im Gau. Die Geſchichte mit den Nürnberger Kaufleuten wißt ihr ja. Jm Hoch - wald mag’s Geſindel liegen. Wir müſſen ihnen zu Leib ſteigen. Jm Peterskloſter haben ſie auch113 ſchon ſchlimme Einkehr gehalten. Als geſtern die frommen Mönche beim Abendbrod ſaſſen, iſt der ſchwarze Dietrich mit ſeinen Hallunken eingebrochen, verriegelten die Thore und hielten in Küch und Keller fröhliche Mahlzeit. Nachts zog er wieder ab und nahm vom Abte 100 Goldgulden Brand - ſchatzung mit. Was wollten die armen Mönchlein anfangen?

Agnes.

Das iſt wohl arg. Wie es nur ſo ſchlechte Menſchen geben mag!

Theobald.

Das iſt der Sauerteig auf Erden; ’s muß auch böſe Geyer geben. Haſt’s eben geſehen, lieb Agnes. Licht und Schatten durchdringt Alles auf der Welt; Schlimmes und Gutes muß ſein; und war nicht auch Einer unter des Herrn Jüngern ſelbſt, der dem Böſen angehört hat? Drum iſt’s Pflicht der Guten, daß ſie wachen und ſchützen. Die Sonne iſt ſchon hoch Schafft mir einen Becher Wein; ich hab noch nichts im Leibe; will ihn aber drin - nen trinken.

Ottilie.

Gleich, lieber Theobald. Komm bald hinein.

8114
Agnes.

Und du, liebes Täublein, komm in deine neue Herberge. Du ſollſt’s gewiß gut bei mir haben. Jch will dich füttern und pflegen wie ein Kindlein, und kein böſer Raubvogel ſoll dich von nun an verfolgen.

(Ottilie und Agnes ab in’s Schloß.)
Theobald
(allein).

Hol der Henker das Galgengefindel da drunten! Wie oft hab ich dem Dieter ſchon nachgejagt! Wie manche Nacht bin ich auf dem Bauch gelegen im naſſen Gras ſammt den Knechten! ’S iſt als ob der Teufel mit ihm wäre, immer vergebens! Aber ſein Stündlein wird auch ein Mal ſchlagen und ich will nit ruhen, bis ich den Gauch gefan - gen, lebendig oder todt.

(Hornſtoß des Thurmwarts).

Holla, mein Wart bläſt. Kömmt etwan ein guter Freund eingeritten.

Hannes
(tritt ein).

Edler Herr, die Wittib von der Hohenburg mit ihrem Töchterlein möchten Euch heimſuchen und die Edelfrau.

Theobald.

Sollen mir willkommen ſein zu jeder Stunde.

115
(Hans ab.)

Arme Frau! haust nun allein auf ihrer Burg mit ihrer Emma. Vielleicht bedarf ſie meiner; denn ſo eine Wittib braucht oft Beiſtand und weiß nit Rath zu finden.

(Frau Roſalinde und Emma treten ein. Theobald eilt ihr entgegen.)
Theobald.

Edle Frau, ſeid mir gegrüßt. Jch freue mich Euch und das Fräulein auf meiner Burg zu be - herbergen.

Roſalinde.

Jch wußt es zuvor, daß ich bei einem ſo wa - ckeren Ritter geneigte Aufnahme fände.

Theobald.

Euer ſchwarz Gewand iſt wohl noch das Ab - bild des inneren Zuſtandes, in den Euch das bittere Ableben des theuern Ritters Adalrich verſetzt hat.

Roſalinde.

Wohl iſt es ſo, Ritter Theobald. Es ſind nun zwar ſechs Monden verfloſſen, daß ich meinen Eh - gemahl verloren, weil Gott ihn abgerufen; aber meine Traurigkeit hat ſich ſchier gemehrt als ge - mindert, und als eine betrübte und verlaſſene Wittib komm ich zu Euch, um Euch um Rath und Hilfe anzuflehen.

8*116
Theobald.

War mir doch Euer verblichener Gemahl im - mer und allezeit ein treuer Genoß und hab ich in Gemeinſchaft mit ihm manchen Strauß beſtan - den, wie ſollt ich nit um ſo mehr ſeiner verlaſſe - nen Frau Wittib in Röthen beiſtehen wollen? Wollt über mich verfügen, edle Frau.

Roſalinde.

Wenn Jhr geſtattet, ſo mag mein Töchterlein in das Kemenat zu Euern Frauen gehen und ich will Euch dann mein Anliegen vortragen.

Theobald.

Wie’s Euch belieben mag. Fräulein Emma tretet nur den Gang entlang das Trepplein hinauf; dort findet ihr mein Weib und Kind.

Emma.

So Jhr’s geſtattet, Herr, will ich den Frauen zur Laſt fallen.

(ab.)
Roſalinde.

Nun erlaubt, daß ich Euch mein Anheben vor - trage: Bald nach meines Adalrich ſchmerzhaftem Tode ihr wißt, daß er an einer böſen Wunde geſtorben drängte unſer Nachbar Ritter Ulrich auf der Wart in mich, ich ſolle ihm, wie ihm nach117 alter Urkund gebühre, Feld und Wald abtreten, über deß Beſitz er mit meinem Gemahl in Streit gelegen. Nun wußt ich aber aus meines ſeligen Herren Mund, daß Ulrich von der Wart kein An - recht habe und daß deſſen Anwartſchaft eitel Trug und Lug ſei.

Theobald.

Das weiß ich auch, und kann’s beſchwören; denn ich war bei des Reichs Gericht als Zeuge gegenwärtig, da die Angelegenheit rechtens zu Gun - ſten Eures Ehherrn geſchlichtet ward.

Roſalinde.

Um ſo beſſer, daß Jhr’s wißt. Ritter Ulrich aber leugnet die Schlichtung; leider iſt das Perga - ment, das Adalrich in Handen hatte, durch einen treuloſen Diener vernichtet worden. Ulrich beginnt den alten Streit, ſetzt mir mit Drohung zu und will nun alsbald von benannten Ländereien mit Gewalt Beſitz nehmen. Sollte dieß aber geſcheh’n, ſo wäre ich eine arme Frau; denn ringsum Hohen - burg wäre mein Eigen verloren und nichts blieb mir als die Burg mit dem kleinen Obſtzwinger.

Theobald.

Gott ſei dafür, daß Euch ſolch Unrecht geſchähe!

118
Roſalinde.

Nun hab ich Euch flehentlich bitten wollen, daß Jhr Euch meiner gnädig annehmt; denn ich kann mich nit ſchützen. Jhr wißt, mein Geſind iſt klein und nach des Ritters Tod hab ich die reiſi - gen Knechte alle entlaſſen müſſen.

Theobald.

Seid ohne Sorgen, edle Frau! Solch Frevel muß gezüchtigt werden. Ulrich von der Wart treibt allwegs ſo ſchlechte Händel; ’s iſt an der Zeit, daß ihm ſein trügeriſch und gottlos Handwerk gelegt werde. Dafür ſteh ich ein.

Roſalinde.

Euch muß ich es überlaſſen, wie Jhr mich und mein Töchterlein in unſerm guten Rechte ſchützen wollt. Aber leid wär’s mir, ſo ich Euch ſelbſt dadurch in Ungemach oder nur leidig Verfahren brächte.

Theobald.

Da kann nur das Schwert helfen; denn die Waage der Gerechtigkeit iſt für Ritter Ulrich nicht von Gewicht; und für ſolchen Fall hat Frau Ju - stilia mit der Waage auch das Schwert in Handen. Verlaßt Euch auf mich. Jch reite mit meinem119 Troß vor Ulrichs Burg und ſo er nit gute Miene macht, werf ich ihm die Brandfackel in ſein räuberiſch Neſt; und hab ich es ſammt Mann und Maus ver - tilgt, ſo wird mir’s des Kaiſers Majeſtät zu Dank wiſſen.

Roſalinde.

Weh mir, wenn ich ſchuld an ſolch grauſem Handel bin.

Theobald.

Das Recht iſt Euer; die Folgen fallen dem zur Schmach und Schande, der ein gutes Recht verletzt und dadurch den Landfrieden gebrochen hat. Ei, ſieh da, unſere Frauen! Sprecht nicht weiter von unſerm Geſchäft. Was zu thun iſt, das wird geſchehen und ſeid fortan ohne Bangen.

(Ottilie, Agnes und Emma treten ein; lestere die Taube auf dem Arm tragend).
Ottilie.

Gott zum Gruß, Frau Hohenburgerin!

Roſalinde.

Dank Euch, wenn Jhr meinen Beſuch freund - lich duldet.

Ottilie.

Jhr bleibt doch bei uns über Mittag. Jch bitt Euch, wollt erſt vor Abend wieder heimkehren; in vier Stunden macht Jhr den Weg.

120
Theobald.

Und ich geb Euch ſechs Knechte zum Geleit; da ſeid Jhr des Weges ſicher.

Roſalinde.

Allzugütig ſeid Jhr für uns; aber ſolch freund - licher Ladung möcht ich nit zuwider handeln.

Ottilie.

Unſre Mägdlein haben ſchon gute Freundſchaft geſchloſſen. Was ſich ſo gut zuſammenfand, das wollen wir nicht wieder ſchnell trennen.

Emma.

Ja, denk liebe Mutter: Agnes hat mir zum Liebespfand dieß ſchöne weiße Täublein geſchenkt, das ihr heut erſt, von einem Geyer verfolgt, zu - geflogen.

Roſalinde.

Wie lieb ſeid Jhr, Agnes.

(zu Emma)

Und was haſt Du dem Fräulein entgegengeboten.

Agnes.

Ein ſchönes Goldringlein mit rothem Stein darauf.

Theobald.

So ſei die Freundſchaft geſchloſſen. Jhr ſeid aber ſelber zwei Täublein. Gott ſchütz Euch aller -121 wegen. Nun wär’s aber Zeit, auf die Dürnitz zu gehen. Kommt, laßt uns Mittag halten. Ein Gläslein ſüßen Trunkes, den ich aus dem gelobten Lande mitgebracht, wird Frau Roſalinde nit ver - ſchmähen.

Alle ab während der Vorhang fällt.

Ende des erſten Aufzuges.

II. Aufzug.

Zimmer auf Schloß Hohenburg.

Casperl.

Mich heißen’s den Thorwartl und das iſt wohl wahr, daß ich am Burgthor mein Stübl hab und die Schlüſſel zum auf - und zuſperren; aber was? Jch bin eigentlich Alles und Alles auf ’m Schloß. Wenn ich nit da wär, ſo ging nichts z’ſam in dem Haus, ſeit der Herr Ritter ſelig abg’fahren iſt. Hat die gnä Frau ein Zweifel, ein Anliegen, da heißt’s nur immer: Wo iſt der Casperl? Jch bin der Casperl oben und unten, hinten und vorn, links und rechts, rechts und links und beſonders zeichn ich mich durch meine Kouraſchi aus; denn ich lauf immer gleich aus Aengſten da - von; wenn’s aber was z eſſen gibt, hau ich tüchtig ein und im Keller drunten ganz beſon - ders da bin ich wirklich ein Held und fürcht gar nix, als wenn der Wein ausgegangen iſt.

123
Lied.
Jch bin der Casperl Ueberall,
Und nirgends darf ich fehlen;
Die Menſchheit wäre nicht complett,
Wär ich nicht auch zu zählen.
Jch bin der Casperl Da und dort,
Man kann mich nicht entbehren;
Komm ich wohin, ſo heißt es gleich:
Kannſt dich zum Teufel ſcheeren!
Jch bin der Casperl Lauf davon
Und geh gleich meiner Wege,
Wo’s etwa nicht ganz ſauber iſt;
Denn ich lieb nicht die Schläge.
Jch bin der Casperl Guckinsglas,
Weil immer Durſt ich habe;
Ein jeder Menſch, ſei’s wer es will,
Hat eben ſeine Gabe.
Jch bin der Casperl
(Man ſchellt unten an der Hausglocke.)

No, was iſt denn das für eine Manier, daß man mich unterbricht, bevor ich meine Arie aus - g’ſungen hab?

(ſchaut zum Fenſter hinaus)

Was gibt’s da unten? Wer iſt da?

124
Stimme von Außen.

Zwei arme Pilger bitten um Einlaß.

Casperl.

Bettelvolk! wir haben ſelber nix.

Stimme von Außen.

Wir kommen aus dem gelobten Lande. Wir haben Hunger und Durſt.

Casperl.

Ah, wenn vom Durſt die Red iſt, bin ich auch dabei. Aufgemacht, Tonerl! Die Kerls ſeh’n aber curios aus. Die geh’n in graue Schlaf - röck ſpazieren.

Der ſchwarze Dietrich und Wolf, als Pilger verkleidet, treten ein.
Casperl, Dietrich, Wolf.
Casperl.

Wer ſind wir? woher? wohin Bettelleut?

Dietrich.

Wir ſind arme Pilger und kommen aus dem gelobten Lande.

Casperl.

Das könnt jeder ſagen.

Wolf.

Jhr ſeht’s ja an unſerer Kleidung, geſtrenger Herr, daß wir Pilger ſind.

125
Casperl
(für ſich).

Gſtrenger Herr? Aha, die halten mich für was beſonders.

(Laut und vornehm thuend.)

Ja, ja! ſolches Volk beläſtiget uns bisweilen.

Dietrich.

Wir wollten auf Schloß Falkenburg, haben uns aber verirrt, weil wir der Wege unkundig ſind.

Casperl.

Und da hat man ſo bei Gelegenheit wo An - ders zuſprechen wollen? nicht wahr? man kann überall was mitnehmen.

Wolf.

Ach! geſtrenger Herr, wir ſind müd und matt. Verzeiht; wir hofften hier etwas ruhen zu können.

Casperl.

Meintwegen! aber der gnädigen Frau muß ich’s doch melden. Wart’s nur a Bißl, ich bin gleich wieder da.

(ab)
Wolf.

Der Burſche ſcheint mir ein Narr!

Dietrich.

Gleichviel; wir ſind auf der Burg und können für die Abſichten unſeres Freundes Ulrich von der Wart hinlänglich auskundſchaften.

126
Wolf.

Die Knappen des Ritters ſind ſeit deſſen Tod entlaſſen. Das ſagte man uns ja ſchon unten in der Dorfſchenke.

Dietrich.

Ein Ueberfall fände wohl nicht viel Wider - ſtand; aber zuvor müßen wir doch mit dem Fal - kenburger fertig werden. Der iſt zu gefährlich.

Wolf.

Allerdings und die Hohenburgerin ſelbſt ſoll uns dazu verhelfen, an unſerem Erzfeinde Ritter Theobald Rache zu nehmen.

Dietrich.

Still ſie kommt.

(Frau Roſalinde tritt ein.)
Roſalinde.

Jhr ſeid Pilger, wie man mir vermeldet hat und kömmt vom heiligen Grab. Seid mir gegrüßt, wenn ihr euch bei mir laben wollt, ſo laß ich’s gern geſchehen

Dietrich.

Jhr ſeid allzugnädig, edle Frau. Wir wollen nicht lang zur Laſt fallen.

Wolf.

Eigentlich wollten wir auf die Falkenburg, um127 den Ritter Theobald aufzuſuchen, welchem wir von deſſen Bruder aus Paläſtina Botſchaft zu bringen haben.

Roſalinde.

Das wird ihm lieb ſein.

Dietrich.

Leider haben wir aber keine gute Kunde zu vermelden; denn Ritter Friedrich von der Falken - burg iſt vor einem halben Jahre zu Jeruſalem an der Peſt geſtorben.

Roſalinde.

Das thut mir leid; er war ein ſo wackerer Herr, wie ſein Bruder Theobald. Nun geht hinab, gute Männer. Jch habe meinem Knappen befohlen, euch einen Jmbiß zu geben; dann könnt ihr weiter wandern. Jn vier Stunden ſeid ihr auf der Falkenburg.

Wolf.

Gott vergelt euch die Milde, edle Frau; aber wir hätten noch ein Anliegen. Wir ſind der Ge - gend hier unkundig und möchten doch noch vor ſinkender Nacht nach Falkenburg gelangen.

Dietrich.

Wolltet Jhr nicht ſo gnädig ſein, uns den Weg zeigen zu laſſen?

128
Roſalinde.

Das kann gern geſchehen. Mein Caspar ſoll mit euch gehen, bis zum Fußpfade, von wo aus ihr auch ohne ſein Geleit vom Wege nicht mehr abirren könnt.

Dietrich.

Der Himmel lohn euch, edle Frau, was Jhr an armen Pilgern Gutes gethan.

Roſalinde.

Und grüßt mir Ritter Theobald freundlichſt, und auch deſſen Frau und Fräulein. Jch hoffe, ſie bald bei mir zu ſehen. Lebt wohl!

(ab.)
Wolf.

Alles geht gut. Zum Scheine laſſen wir uns den Weg zeigen. Unſere Leute erwarten uns im Tannenthal, wo der Pfad vorbeiführt.

Dietrich.

Laß uns gehen. Heute Nacht ſchon ſoll die Falken - burg in Flammen ſtehen.

(Beide ab.)
129

Verwandlung.

Felſiger Waldgrund.

Schnauz. Rothaug und andere Räuber.
Rothaug.

Der Dieter und der Wolf laſſen lange auf ſich warten; ’s iſt ſchon Mittag.

Schnauz.

Ei, ’s iſt noch Zeit; zwei Stündlein ſind nach Falkenburg. Wenn ſie nur dort vor Nacht Ein - gang finden. Mittlerweile haben wir uns mit den Andern beigeſchlichen und um Mitternacht kann ſich das Pförtlein öffnen.

Rothaug.

Jch denke, ’s geht. Steht doch Einer auf der Lauer? denn ſie könnten etwa nit allein des Weges kommen und da müßen wir uns bergen.

Schnauz.

Dafür iſt geſorgt und wir können nicht über - raſcht werden.

Rothaug.

Freu mich ſchon hölliſch, wenn heute noch der wackere Herr Theobald unſer wird.

9130
Schnauz.

Und die edle Frau Ottilie, und das zarte Fräulein.

Rothaug.

Das gibt gute Geißeln. Den Ritter hängen wir auf und für das Frauenvolk muß die Sipp - ſchaft uns ſchwer Geld geben. Herzbruder! mich durſt’s Haſt keinen Trunk zur Hand.

Schnauz.

Da iſt noch ein Schluck Rheingauer in meiner Flaſche, ein Reſtlein aus dem Kloſterkeller.

Rothaug.

Her damit! Heut wollen wir aus des Falken - burger Keller trinken.

Schnauz.

So nimm! laß mir aber noch einen Tropfen, daß ich meine Gurgel netze vor dem Abendſtrauß. Holla da rührt ſich was!

Ein Räuber
(eilt herein.)

Still! ſie kommen, aber ’s iſt noch ein Dritter dabei.

Rothaug.

Aufgepaßt! Wir legen uns dahinten in die Büſche.

131
Schnauz.

Fort, fort! Seid Alle fein ſtill, bis wir wiſſen, woran wir ſind.

(Alle ab.)
Dietrich, Wolf und Casperl treten ein.
Dietrich.

Da wär ein hübſcher Platz zur Raſt.

Wolf.

Jch wär dabei, ’s iſt ſchattig und die Sonnen - hitze hat uns warm gemacht.

Casperl.

Und ich bin auch dabei; denn beim Schlafen bin ich alleweil gern, beſonders wenn man Nix z eſſen und z trinken hat, wie im vorliegenden Fall. Jch leg mich gleich da vorn hinter den Boſchen.

Dietrich.

Und wir wollen dort unter den Bäumen ru - hen. Ein halb Stündchen; dann ſetzen wir unſern Weg fort.

Casperl
(ſetzt ſich vorn an einen Strauch hin.)
(für ſich.)

Na ſchlafen mag ich net; denn ich trau den zwei Kerls nit. Fromme Pilger wollen’s ſein? Das glaub ich nit; denn wie der Eine unterwegs ſein Kutten ein bißl gelüft hat, ſo daß er gemeint hat, ich ſieb’s nit, hab ich en9*132blanken Bruſtharniſch ’raus glitzern ſeh’n, und der Andere hat einen Dolch verſteckt. Spitzbub’n ſind’s ſo viel weiß ich. Jetzt thu ich aber, als wenn ich eingſchlafen wär; vielleicht kann ich was erſpe - kuliren.

Dietrich
(mit Verſtellung, indem er ſich hinlegt.)

Ha, ’s thut wohl, ein bißl zu ruh’n. Kamerad, ſchlaf’ſt ſchon?

Wolf.

Fallen mir ſchon die Augen zu.

(Casperl ſchnarcht)

Ah, der ſchnarcht ſchon.

Dietrich.

Schnarcht er? Pst! pst! wo ſind die An - dern?

(ſtebt vorſichtig auf)

pst! pst!

(Rothaug und Schnauz treten ſtill aus dem Hintergrund)
Dietrich.

Nur ſtill! der da vorn ſchläft. Paßt auf:

(Casperl lauſcht, vom Strauche verdeckt, unbemerkt.)
Rothaug.

Nur raſch! was gibt’s zu thun?

Dietrich.

Jhr alle brecht ſchnell auf gen Falkenburg; dort in den Waidenbüſchen am Fuß des Berges lagert euch heimlich. Jch und Wolf wir finden als133 Pilger Eingang und Herberge. Schlag 11 Uhr ihr hört’s vom Thurm öffnen wir euch das Seitenpförtlein.

Casperl
(voll Furcht und zitternd).

Prrrr!

Wolf.

Wer rührt ſich da?

(Casperl duckt ſich und ſchnarcht weiter) ’s

iſt der da vorn, der ſchlaft wie ’n Sack, hat vermuthlich geträumt.

Dietrich.

Wir zwei überwältigen leicht den Knappen am Thor, bis die andern Knechte erwachen, haben wir den Ritter ſelber gebunden. Seid ihr drinnen ſo haben wir’s gewonnen.

Rothaug.

Gut iſt’s; wir wollen’s ſchon geſcheit angehen. Schleichen uns zwiſchen den Felſen zu rechter Zeit hinauf.

Wolf.

Habt nur Acht, daß das Eiſenzeug nicht raßelt. Schnallt die Schwerter feſt, oder tragt ſie in der Fauſt.

Dietrich.

Vergeßt mir die Pechkränze nit. Feuer iſt bald gemacht und haben wir, was koſtbar iſt, in Si -134 cherheit, ſo ſoll der rothe Hahn auf dem Dache mit den Flügeln ſchlagen.

Casperl
(für ſich).

Ah, ah! das iſt aber eine Bagaſchi; das ſind Hallunken! Jch mach, daß ich fortkomm!

Dietrich.

Alſo an’s Werk, wann’s Zeit iſt. Jetzt zieht ab.

Rothaug.

Habt keine Sorg; ’s iſt nit unſer erſter Streich.

(ab mit Schnauz.)
Wolf.

So, jetzt können wir den Burſchen wecken.

Dietrich
(thut als ob er vom Schlaf aufſtünde.)

Heda, Burſch! ’s wär an der Zeit. Das Schla - fen hat dir geſchmeckt; haſt geſchnarcht wie ’n altes Thurmfähnlein.

Casperl
(ſchüttelt ſich).

Prrr! Auweh, darf ich nimmer ſchlafen?

Wolf.

Wir wollen fort; kommen ſonſt zu ſpät auf die Falkenburg.

Casperl
(immer vor Angſt zitternd und ſtotternd.)

Ja, ja - da - das verſteht ſich. Wi - wi - wir135 kommen ſonſt ni - ni - nimmer zur rechter Zeit nach Fa - Fa - Falkenbu - bu - burg.

Wolf.

Was zitterſt und ſchnatterſt du denn, Burſche?

Casperl.

O, ich zi - zitter und ſchna - ſchna - ſchnatter gar nit.

Dietrich.

Du haſt ja Angſt und bebſt wie Espenlaub?

Casperl.

Na, na, na ich be - be - beb nicht im Mindeſten.

Dietrich.

Brauchſt ja keine Angſt zu haben.

Wolf
(bei Seite zu Dietrich).

Sollte der Kerl was erlauſcht haben?

Dietrich.

Das wär des Teufels!

(zu Casperl)

Burſche, laß dir was ſagen.

(Zielt den Dolch)

Siehſt du den blanken Stahl?

Casperl
(auf die Kniee fallend).

O ich bitt, ich bitt! Jch weiß gar nichts! ich bin unſchuldig; ich hab nix gſeh’n und nix ghört.

136
Dietrich.

Jch will’s hoffen ſonſt!

(mit dem Dolch drohend)

jetzt merk dir’s. Wir bedürfen des Wegweiſers nicht mehr; denn wir finden allein auf die Falken - burg. Du kannſt heim geh’n.

Wolf.

Wir danken für deine Mühe.

Casperl.

O ich bitt, iſt recht gern geſcheh’n, außerordent - lich gern. Jm Gegentheil ich bitt um ihren Se - gen, denn Hochdero ſind ja fromme Pilger.

Dietrich.

Unſern Segen kannſt du haben; der ſoll dich wieder heimgeleiten. Verſtehſt du? und der ed - len Frau Roſalinde entrichte unſern ergebenen Gruß, und die frommen Pilger verſtehſt du?

(droht mit dem Dolche)

laßen für die gnädige Herberg und Geleitgebung danken; hörſt du? und die frommen Pilger ſagen dir jetzt: gehe ſtill nach Haus und halte deine Zunge im Zaum; ſonſt könnten dir die frommen Pilger einmal einen abſonderlichen Segen geben.

(mit dem Dolche drohend)

So und jetzt fahre ab.

137
Casperl.

Hab Alles verſtanden. Jch wünſch glückliche Reis!

(läuft davon)
Dietrich.

Ha, ha, ha! das war ’n Spaß mit dem Ha - ſenfuß. Jch wette, der läuft in Einem Athemzug bis Hohenburg aus Angſt und Schrecken.

Wolf.

Wenn der Kerl aber plaudert, ſo ſind wir ver - rathen.

Dietrich.

Und wenn auch? was thät’s? Es iſt nicht mehr die Zeit dazu, daß Ritter Theobald von der Ho - henburgerin gewarnt werde oder gar daß ſie ihm irgendwoher hinter unſerm Rücken her Hülfe zu - brächte.

Wolf.

Haſt recht! aber laß uns aufbrechen, damit wir noch bei Zeiten auf Falkenburg kommen.

Dietrich.

Ja, Bruderherz. Dieſe Nacht wird’s wieder’n Feſt für uns geben und dem edlen Herrn Theobald ſoll’s bald vergehen, daß er uns nit gewähren läßt. Komm, gehn wir!

(Beide ab.)

Ende des zweiten Aufzuges.

III. Aufzug.

Zimmer auf Hohenburg

(wie im zweiten Aufzuge.)
Frau Roſalinde. Emma.
Emma.

Wo nur der Caspar ſo lange bleibt. Er könnte längſt wieder zurück ſein.

Roſalinde.

Ei, weißt ja, daß der gute Burſch entweder plaudert, trinkt oder ſchläft. Vielleicht hat er ſich auf dem Heimweg unter einen Baum gelegt und ſchläft bis ihn die Nachtluft weckt oder

Emma.

Er ſitzt in der Waldſchenke und plaudert bei einem Becher Neckarwein mit dem alten Hans. Was wird wohl meine liebe Agnes jetzt machen?

Roſalinde.

Sie wird mit Frau Ottilie im Ziergärtlein ſitzen, etwa ſpinnen oder ſonſt was arbeiten.

Emma.

Und Ritter Theobald wird vielleicht auf die139 Jagd geritten ſein und einen ſchönen Hirſch er - legen.

Roſalinde.

Ja wohl! wie mein guter Adalrich auch that. Wie freuten wir uns immer auf ſeine Heimkehr!

Emma.

Wie oft brachte mir der liebe Vater einen ſchönen Strauß Waldblumen heim, oder ſeine Jagdtaſche voll ſüßer Beeren! Der gute Vater! Wir haben ihn nicht mehr!

Roſalinde.

Der liebe Gott hat ihn zu ſich gerufen und in ſeinen heiligen Willen haben wir uns zu ergeben. Danken wir ihm aber auch, daß er uns an Ritter Theobald einen ſo wackeren Freund und Schutz - herrn gegeben hat.

Casperl, tritt noch zitternd eiligſt ein.
Emma.

Ah, da kömmt der Caspar!

Casperl.

Da da da bin ich! Ja da da da bin ich.

Roſalinde.

Was haſt du denn? Du biſt ganz außer Athem und zitterſt.

140
Casperl.

Glaub’s gern! Da ſoll Einer nit bittern und zeben. Jch bin ſchon halb verſtochen und zermalmt.

Roſalinde.

Oho? was iſt dir denn geſchehen?

Casperl.

Furchtbar! furchtbar! erſchrecklich! unerhört! grauſam! mörderiſch! cannibaliſch

Roſalinde.

Nun nun! Du biſt ja doch noch am Leben.

Casperl.

Ja aber wie? Wenig hätt’s gfehlt, ſo wär ich maustodt nach Haus gloffen.

Emma.

So ſag einmal: Was iſt’s denn eigentlich?

Casperl.

Ja, das geht nit ſo gſchwind. Das iſt eine fürchterliche Geſchicht von einer Gſchicht.

Roſalinde
(wird ungeduldig.)

Nun ſo komm zum Zweck!

Casperl.

Ja, nit Zweck, ſondern Zwick, Zwick hätt’s bald gheißen. O gnädige Frau! das war eine141 Lebensgfahr, die ich ausgſtanden hab! Das wär’n mir die rechten Pilger! Die frommen Männer ſind Spitzbub’n! Räubergſindel! Heut Nacht wolln’s dem Herrn Ritter Theobald ſeine Burg abbrennen!

Roſalinde.

Gott im Himmel! wär’s möglich!

Casperl.

Ja nicht nur möglich, ſondern gwiß. Die Pilger wollen den andern ſaubern Kameraden in der Nacht ’s Thor aufſperren. Nacher wird zuerſt Alles umgebracht und abgemurt, nachher was nit umgebracht worden iſt Alles gſtohlen und g’raubt, und zum Schluß wird das Uebriggebliebene in Feuer aufgeh’n! Und mich haben’s auch ſchon halb abgemuxt

(in tragiſchem Tone)

Die Spitze des mör - deriſchen Dolches war ſchon gegen meinen Buſen gekehrt und ich wäre ein Opfer räuberiſcher Blut - gier geworden, hätte mich nicht meine Geiſtesge - genwart, mein energiſcher Muth, meine Kouraſchi gerettet; denn ich bin gleich davongloffen.

Emma.

Aber wie haſt du das ſchreckliche Vorhaben er - fahren?

142
Casperl.

Gfahren ſind wir nit, aber dag’legen ſind wir im Wald und da haben die Spitzbub’n ge - meint, ich ſchlaf, und haben die Spitzbuberei mit - einander ausgemacht. So jetzt wiſſen S Alles.

Roſalinde.

Erſchreckliches Vorhaben! Ritter Theobald und die Seinen ſind alſo verloren. Es iſt zu ſpät ſie zu warnen.

Emma.

Schon wird’s Abend. Ein Bote würde Falken - burg nicht mehr erreichen; und wenn auch die Außen heimlich Gelagerten würden ihm wohl am Zutritt hindern. O weh, weh!

Roſalinde.

Jch möchte verzweifeln! die Armen nehmen in dieſem Augenblick vielleicht die verrätheriſchen Pil - ger gaſtlich auf und haben von ihren ſchauderhaf - ten Abſichten keine Ahnung.

Emma.

O Mutter, Mutter was anfangen?

Casperl.

Anfangen? Ja was iſt da anzfangen? 143Jch hab en Höllendurſt von der körperlichen und geiſtigen Anſtrengung; ich muß trinken!

Roſalinde.

Geh, geh laß uns allein, unausſtehlicher Burſch!

Casperl.

Ghorſamer Diener; wenn’s was brauchen, ſo bin ich gleich wieder da.

(ab.)
Emma.

Liebe Mutter; du biſt eine ſo kluge Frau, fällt dir denn Nichts ein, unſere Freunde zu retten?

Roſalinde.

Du ſelbſt haſt ja der Unmöglichkeit erwähnt, ſie vor der nahen Gefahr zu warnen. Nichts bleibt uns, als uns zum himmliſchen Vater zu wenden, und zu beten. Vielleicht ſendet er uns ein Mittel.

Emma
(auf den Knieen.)

O lieber Gott, lieber Gott hilf uns! Schick uns Rath und Troſt, den Edlen zum Heil!

(Die Taube, welche in einer Ecke des Zimmers geſeſſen, fliegt auf Emma’s Hand.)

Die Taube, die Taube!

Roſalinde.

Gott hat dein Gebet erhört! Sie kann zum Rettungsmittel werden.

144
Emma.

Wie ſo, liebe Mutter?

Roſalinde.

Es iſt bekannt, daß die Tauben, losgelaſſen von einem ihnen bekannten Orte zum anderen fliegen. Vielleicht fliegt ſie in ihre alte Heimath nach Fal - kenburg zurück.

Emma.

O, wär es ſo! Jch könnte ihr ein Brieflein an den Hals befeſtigen, welches die Warnung enthielte.

Roſalinde.

Recht, liebe Emma, alſo thu’s. Schreibe raſch ein Zettelchen und laße das Täublein fliegen.

Emma.

So ſchnell als möglich ſoll’s geſchehen und wenn das Thier hoch in Lüften ſchwebt, wird es wohl bald ſeiner lieben ehemaligen Herrin, meiner guten Agnes zufliegen; und eine Taube fliegt in kurzer Zeit hinüber.

Roſalinde.

So kann die Warnung noch rechtzeitig an - kommen. Gott ſchütze unſer Unternehmen.

(Beide ab.)
145
Casperl
(tritt ein.)

Nun ſind die Hungrigen gſtillt und die Dur - ſtigen gelöſcht. Ein halbes Pfund Kas ruht wohl - verſorgt in meinem Magen und ſchwimmt auf ei - nem künſtlichen Weiher, den ich durch ein paar Maß Flüßigkeit angelegt hab. Jetzt weiß ich aber nit, löſt ſich der Käs im Wein auf oder verſchluckt Er - ſterer den Letzteren. Vielleicht legt ſich der Wecken Brod in’s Mittel, den ich auch verſchlungen hab. Jedenfalls iſt mein Magen ſo ein fleißiger Kerl, daß ich auf ſeine Bereitwilligkeit zählen darf, für das ihm Anvertraute gewißenhaft zu ſorgen. Jch behaupt halt feſt, daß der Menſch mit ſeinem Ma - gen der Mittelpunkt von der ganzen Welt iſt. Ein Menſch ohne Kopf, der kann noch leben; denn wie oft ſagt man: der hat kein Kopf, der iſt kopf - los, der iſt hirnlos und doch geht er noch dabei ’rum, der dumme Kerl. Allein das hab ich noch nie ghört, daß man von einem Menſchen ſagt: der hat kein Magen. Beweis alſo, daß der Magen die Hauptſach iſt; denn wenn man nix mehr ißt oder trinkt nachher iſt die Comödi aus. Mit ſolchen Betrachtungen vertreib ich mir oft die Zeit. Schad, daß ich nit ſchreiben kann;10146aber das können ja ſogar die wenigſten Ritter alſo warum ſoll’s nachher der Casperl glernt ha - ben? Jetzt will ich aber doch nach der gnädigen Frau ſchau’n, ob’s nix braucht. Und wenn’s nix braucht, ſo leg ich mich auf’s Ohr.

(ab)

Verwandlung.

Zwinger auf Falkenburg,

(wie im I. Aufzuge.)
(Ritter Theobald tritt mit den zwei Pilgern ein.)
Theobald.

Jhr habt mir freilich keine gute Botſchaft ge - bracht, aber darum ſeid nit minder willkommen und liebe Gäſte. Mein armer Bruder iſt alſo todt! ’s iſt mir nur Eins dabei leid, daß er nicht im Kampfe gegen die Ungläubigen gefallen, ſondern auf elendiglichem Siechbette ſterben mußte.

Dietrich.

Aber, edler Herr, er hat das Seinige doch ge - than. Jn vielen Kämpfen hat er das Kreuz ver - theidigt und ſeinen edlen Leib deckte manche Wunde, die er im Streit wider die Erzfeinde erhielt.

147
Wolf.

Hab oft neben ihm im Schlachtgetümmel ge - ſtanden. Einmal hieb er einen Türken mitten durch und durch vom Sattel ſeines Rößleins herab. Hab’s ſelbſt mit eigenen Augen geſehen.

Theobald.

Er führte einen guten Hieb und ſein Arm war ſtark.

Dietrich.

Ueberall war er vorndran auf ſeinem luſtigen Schimmel; überall war er der erſte, wenn’s galt.

Theobald.

Schade um ſein theures Leben! doch wie Gott will! Nun iſt er ſelig verſtorben. Aber Jhr werdet müde ſein. Jhr bleibt doch die Nacht bei mir. Ein gutes Lager ſollt ihr finden und jetzt geht da hinein in die Kellerſtube; man wird Euch den Jmbiß geben.

Dietrich.

Wenn Jhr erlaubt, edler Herr, ſo wollen wir Eurer freundlich Herberg genießen und morgen mit dem früheſten wieder aufbrechen.

(Lie Pilger ab.)
Theobald.

’s wird ſchon ſpat. Die Sonne iſt längſt hin -10*148unter. Jch will zu den Frauen geh’n zum Nacht - mahl. Mein armer Bruder! wo biſt du jetzt wohl? Gewiß im gelobten Lande da oben, bei den edlen Rittern und Heiligen, die für Gottes Wahrheiten gekämpft und geſtritten haben und zu Gottes Ehre gefallen ſind, um wieder aufzuſtehen zur ewigen Herrlichkeit.

Agnes
(eilt herein die Taube auf der Hand.)

Vater, Vater! da ſieh! Eben flog mein Täub - lein durchs Fenſter zu mir herein und hat ein Zett - lein am Halſe gebunden.

Theobald.

Ei, vermuthlich mit fröhlicher Botſchaft von deiner Freundin Emma! Gutes Thier! haſt den Weg wieder heimgefunden. Da könnt ihr Mäd - chen euch Botſchaft hin und herſenden, wie ihr wollt.

Agnes.

Wunderbar, wie klug doch ſo ein kleines Thier iſt! Da iſt der Zettel; liest ſelbſt, lieber Vater.

Theobald.

Laß ſehen! Kaum iſt’s noch hell genug zum leſen:

(er öffnet den Zettel und liest.)

Gott zum Gruß! möge das Täublein den Weg zu Euch, Jhr Lieben, gefunden haben. 149 Habt Acht! die beiden Pilger, die Jhr jetzt wohl ſchon beherbergt, ſind verkleidete Raub - geſellen. Sie wollen in dieſer Nacht, wenn Jhr im Schlafe liegt, ihre Genoſſen in die Burg einlaſſen, Euch bewältigen, ermorden und Falkenburg in Brand ſtecken. Gott ſchütz Euch! Eure Getreuen, Roſalinde und Emma auf Hohenburg.

Schändlicher Verrath! Gott ſei gelobt für die Warnung, für die Rettung!

Emma.

Herr im Himmel! in welcher Gefahr ſchweb - ten wir!

Theobald.

Nur ſtill, Emma! laß dir nichts anmerken. Geh zur Mutter; bleib mit ihr im Kemmenat. Jch werde jetzt alles anordnen. Zunächſt ſollen die beiden Mordbuben gebunden werden; und die Andern werden wir Nachts ſchon gehörig empfangen.

Emma.

Welche Angſt habe ich, lieber Vater!

Theobald.

Brauchſt nit Sorge zu haben; ’s wird Alles gut geh’n! dem Täublein aber binde ein Zettelchen150 um, in welchem die Kunde geſchrieben, daß wir die Warnung erhalten und Gott danken und den Freun - dinnen. Dann laß es wieder fliegen, damit es wieder nach Hohenburg ſchwebe.

(Beide ab.)
(Dietrich und Wolf kommen aus der Kellerſtube.)
Wolf.

Der Trunk war gut, Herzbruder!

Dietrich.

Hat mir auch geſchmeckt; morgen aber ſoll er uns noch beſſer munden, wenn wir Herren im Keller ſind.

Wolf.

Noch ein paar Stunden und der Tanz geht los.

Dietrich.

Wenn Alle ſchlafen, ſchleichen wir uns in’s Stüblein des Thorwarts. Der iſt bald abgemuxt. Dann das Seitenpförtlein geöffnet für die Andern draußen. Hab ſchon einen Pfiff vorher gehört, das Zeichen, daß ſie unten in den Büſchen lagern.

Wolf.

Aber wie kommen wir zuerſt aus unſrer Schlaf - kammer?

Dietrich.

Jſt ja zunächſt da drüben und die Thür geht151 gleich in den Zwinger heraus. Aber jetzt laß uns wieder hineingehen, damit ſie nichts merken. Trink den Knechten nur tüchtig zu. Der edle Herr Theo - bald laßt’s heute den frommen Pilgergäſten zu Ehren nicht an Wein fehlen. Ha, ha, ha! wüßt er, wie’s mit ihm ſteht, würd er freilich aus ei - nem andern Fäßlein zapfen!

(Theobald ſtürzt mit einigen Knechten herein, die über die Pilger berfallen.)
Theobald.

Und ihr, Halunken, wißt nicht, wie’s mit Euch ſteht.

Dietrich und Wolf
(höchſt betroffen.)

Was gibts, was wollt Jhr von uns?

Theobald
(zu den Knechten).

Legt ſie in Feſſeln und werft ſie in’s tiefſte Verließ. Hab ich euch, fromme Pilger? Her mit den Dolchen, die ihr verborgen habt und ſtille, keinen Lärm gemacht, damit Eure ſauberen Geſellen draußen nichts hören oder ihr werdet zur Stelle nieder - gemacht!

Dietrich.

Verflucht! jetzt iſt’s zu End mit uns!

Theobald.

Jch kenne dich, trotz deines falſchen Bartes,152 Spitzbube; du biſt der ſchwarze Dietrich. Der Krug geht zum Brunnen bis er bricht. Fort mit euch! Morgen werd ich Gericht halten über euch kraft des mir von Kaiſerlicher Majeſtät verliehenen Rechtes, Urtel zu ſprechen über Eures gleichen; und die Abendſonne beſcheint wohl den Galgen an dem ihr baumelt. Fort in’s Verließ!

(Knechte führen den Dietrich und Wolf ab.)
Theobald.

Das Eine wäre geſchehen und das Zweite ſoll nicht mißlingen.

(Ottilie und Emma ſtürzen herein.)
Ottilie.

Sie ſind gefangen!

Theobald.

Und morgen gehangen!

Ottilie.

Gott ſei gelobt für die Rettung.

Theobald.

Fürwahr! ’s iſt beinah ein Wunder! Aber jetzt geht ruhig in die Schlafkammer.

Fürchtet euch nicht. Wenn’s an der Zeit iſt, ſoll das Pförtlein geöffnet ſein und die Raubge -153 ſellen werden von meinen Knechten empfangen wer - den, wie’s ihnen gebührt.

Emma.

Und morgen, nicht wahr, lieber Vater, dürfen wir gen Hohenburg reiten, um unſern Freundinnen zu danken.

Theobald.

Gewiß, liebes Kind! und vor Allem ſoll auch das Täublein geehrt ſein; denn wie einſt eine Taube dem Noah Rettung verkündet, ſo hat ſie auch uns heute den Oelzweig der Rettung gebracht.

Der Vorhang fällt.

IV. Aufzug.

Zimmer auf Hohenburg.

Die Taube ſitzt in einem Käfig.
Casperl.

O du allerliebſtes Thierl? Jetzt biſt auch ſchon wieder bei uns da. Du biſt ja ſo gſcheid wie a Menſch. Geſtern biſt mit en Brief nach Falkenburg gflogen und heut fruh biſt ſchon wie - der bei uns gweſen, auch mit am Zetterl um dein Kropferl:

Lied.
Ja, wenn nur ich ſo Täuberl wär, Jch flög halt allweil hin und her, Von einem Wirthshaus zu dem Andern Könnt ohne müd zu werd’n ich wandern.
Zwei Flügel’n ſtunden mir nit ſchlecht, Die wären grad fürn Casperl recht, Ein Flügel hint der andre vorn, Und mitten drin zwei lange Ohr’n.
155
So’a Vogel müßt den Leuten all’n Als Rarität beſonders gfall’n, Jch flög ganz taubenſanft geduldig Und blieb die Zechen überall ſchuldig.
Denn, wenn es hieß: jetzt Casperl zahl, So flieget ich halt jedes Mal Zum Fenſter ’naus als wie die Tauben Grad übern Wirth ſein Zipfelhauben!

Weil ich aber keine Tauben bin und auch nit zwei Flügel hab, ſondern nur zwei Füß, die ſogar gewöhnlich etwas bleiern ſind, wenn ich aus ’m Wirthshaus geh, ſo trifft mich immer die Unan - nehmlichkeit, daß ich meine Zech zahlen muß oder, wenn nicht, daß ich meine Tracht Schläg krieg, an die aber mein Buckl ſchon ſo ziemlich gewohnt iſt. No, ich bin nur froh, daß aus der grauſamen Gſchicht beim Ritter Falkenburg nir word’n iſt und daß die ganze Räuberbagage ihren Theil kriegt hat.

Jetzt woll’n wir aber e bißl in den Keller ſchau’n! Jch hab die Tauben futtern müſſen, bil - ligermaßen darf alſo derjenige welcher auch nach ſeinem eigenen Futter ſchau’n!

(ab.)
Roſalinde und Emma.
156
Emma.

Wie glücklich bin ich, liebe Mutter!

Roſalinde.

Und wie zufrieden bin ich, liebes Kind, daß die Taube zu rechter Zeit nach Falkenburg kam!

Emma.

Und uns am früheſten Morgen ſchon die Bot - ſchaft zurückgebracht, daß der ſchändliche Anſchlag des ſchwarzen Dietrichs und ſeiner böſen Geſellen vereitelt wurde.

Roſalinde.

Ja, Gott ſei es gedankt. So eben brachte mir ein reitender Bote auch noch die freudige Nachricht, daß Frau Ottilie mit Agnes dieſen Mittag zu uns reiten werden, daß ſich’s aber der edle Ritter Theo - bald vorgenommen, dieſen Morgen noch mit ſeinem Troß gegen Ulrich von der Wart auszuziehen, um ihn wegen des Unrechtes zur Rede zu ſtellen, das er gegen mich auszuführen vor hat.

Emma.

Der herrliche, edle Mann! Wolle Gott ſein gerechtes Vorhaben ſchützen!

Roſalinde.

Er wird es! Er wird den Verfechter einer ſo157 gerechten Sache, wie die meine iſt, nicht beſiegen laſſen. Dieß iſt mein feſtes Vertrauen. Laß uns aber in die Kapelle geh’n, um im innigſten Ge - bete den lieben Gott anzuflehen, daß der edle Rit - ter Theobald unverſehrt den Kampf mit Ulrich von der Wart beſtehe.

Emma.

Ja, liebe Mutter; ich will von Herzen beten.

Roſalinde.

Dann bereite Alles zum fröhlichen Empfange der Frauen, daß ſie guten Jmbiß bei uns finden.

Emma.

Wie du befiehlſt, liebe Mutter

(Beide ab.)

Verwandlung.

Freie Gegend vor der Burg Hohenwart. Burgthor mit Mauern umgeben.

Ritter Theobald, geharniſcht, tritt mit Reiſigen ein. Ein Knappe mit einem Hüfthorn.
Theobald.

Wohlan, hier bin ich nun, Recht zu üben über158 einen Frevler. Sollte Ulrich nicht auf den Zwei - kampf eingehen, zu welchem ich ihn fordere, ſo ſeid bereit auf das Schnellſte meine Befehle zu vollziehen. Auf mein Zeichen ſollen zwanzig Knechte vom Rücken her die Burg anſteigen. Pechfackeln werft in die große Scheune links drüben. Acht - zehn Knechte greifen zur linken an, und ich an eurer Spitze will dieſes Thor berennen. Die an - dern zwölf mögen ſich vertheilen, um dort beizu - ſpringen, wo Gefahr iſt. Jetzt, Bodo, ſtoß in’s Hüfthorn.

Knappe tritt gegen das Burgthor und ſtößt in’s Horn. Hornruf aus der Burg als Antwort; bald darauf erſcheint der Thurmwart auf den Zinnen.
Thurmwart.

Wer ſtößt in’s Horn und ruft mich auf die Warte?

Theobald.

Jch bin es: Ritter Theobald von der Falkenburg, deinen Herrn, Ritter Ulrich von der Wart ſchweren Unrechts anzuklagen, das er gegen die Hohenburgerin im Schilde führt.

Thurmwart.

Jch muß die Botſchaft meinem Herrn bringen, daß er euch darauf antworte.

(verſchwindet von der Zinne.)
159
Theobald.

Geh, geh! ſag’s deinem Herrn! Es drängt mich, dem Elenden ſeine Schmach in’s Geſicht zu ſagen. Hört’s: Sollte ich im Zweikampfe fal - len, ſo thut dennoch was ich euch vorher befohlen habe. Steckt die Burg in Brand und rächt mich!

(Ritter Ulrich erſcheint auf den Mauern.)
Alrich.

Hier bin ich, Falkenburger! Was willſt du von mir?

Theobald.

Der Wittib von Hohenburg will ich ihr gutes Recht verſchaffen, die du auf ſchmähliche Art be - drängſt und um ihr Eigenthum bringen willſt.

Alrich.

Jch will nur, was mir gebührt.

Theobald.

Nichts gebührt Dir von der Hohenburgerin Gut und Land. Zeuge war ich ſelbſt, wie das Reichs - gericht Dich zu Recht verwies und das Eigen der Hohenburgerin frei erklärt. Aber die Urkund davon ließeſt Du durch einen treuloſen Diener der ver - laſſenen Wittib vernichten oder ſtehlen. Das iſt eines Ritters unwürdig. Wenn Du aber nicht ab -160 laſſen willſt von ſchmählichem Vorgehen in dem ſchlechten Handel, ſo mögeſt Du zuvor mit dem Schwert kämpfen in ritterlichem Zweikampf mit mir.

Alrich.

Laß Dein Schwert in der Scheide! Was im - mer Ulrich von der Wart thun will, das iſt ſeine Sache. Was geht Dich der Handel an, den ich mit der Hohenburgerin hab?

Theobald.

Darum geht’s mich an, weil ein ehrlicher Rit - ter ſich der armen Wittwen annehmen ſoll, um ihnen ihr gutes Recht zu verſchaffen. Unter dem blauen Himmel da werf ich Dir den Handſchuh hin und fordere Dich Ritter Ulrich von der Wart auf Leben und Tod zum Kampfe.

(wirft den Handſchuh hin.)
Alrich.

Jch hebe Deinen Handſchuh nicht auf. Was ſoll ich um eitel Thorheit ſtreiten; beſſer iſt’s, daß demnächſt meine Knechte auf Hohenburg ein - kehren, wenn die ſtolze Frau Roſalind ſich nicht fügen will.

Theobald.

Elender! Schande iſt’s, daß Du den edlen161 Namen deiner Vorfahren tragſt; du biſt einem ſchlechten Wegelagerer gleich; einen Gaudieb muß ich dich ſchelten und zu viel Ehre hätte ich dir an - gethan, wenn dich mein Schwert berührt hätte. Du gehörſt an den Galgen.

Alrich.

An deiner Predigt liegt mir wenig. Komm ein andersmal, wenn du willſt. Jch gehe zum Mittagstrunk und laß mir’s einſtweilen munden. Gott befohlen!

(verſchwindet von der Mauer.)
Theobald.

Gift in deinen Becher und Galle in deinen Jmbiß! Auf, ihr Knechte, an’s Werk!

(Der Knappe ſtößt in’s Horn.) (Theobald führt die Reiſigen gegen die Burg, welche zu brennen anfängt.)

Verwandlung.

Zimmer auf Hohenburg.

(Fr. Roſalinde. Fr. Ottilie. Agnes und Emma treten ein.)
Roſalinde.

Tretet ein, edle Frau. Wie freue ich mich, Euch und Agnes als liebe Gäſte zu begrüßen.

11162
Ottilie.

Was müßen wir Euch Alles danken! Eure Klugheit und Theilnahme hat uns gerettet. Ohne Euch hätten wir dieſen Tag nicht mehr erlebt oder wären den ſchändlichen Räubern preis gegeben.

Agnes.

Mein Vater wäre verloren, all unſer Liebſtes zerſtört oder geraubt!

Emma.

Das habt Jhr zunächſt dem klugen Täubchen zu danken; denn hätte dieß nicht den Weg zu Euch gefunden, ſo hätten wir mit dem beſten Willen doch nichts vermocht.

Roſalinde.

Was Täubchen! Hätte der liebe Gott uns nicht den Einfall geſandt, hätte Er nicht den Flug der Taube gelenkt, ſo wär’t Jhr zum Opfer ge - fallen. Auf die Mittel kömmt’s nicht an; wir waren nur das Werkzeug der göttlichen Führung, die Alles zu unſerm Beßten lenkt. Aber wir ſind noch nicht am Ende; denn um meinetwillen hat ſich Euer edler Gemahl kaum einer Gefahr entronnen in eine neue begeben. Während,163 wir hier glücklich Ueberſtandenes beſprechen, ſchwebt vielleicht des Feindes ſcharfes Schwert über ſeinem Haupte!

Ottilie.

Dergleichen ſind wir Rittersfrauen ja gewohnt, wie oft zieht Theobald aus und läßt mich in der Herzensangſt zurück, ob er wieder lebend heimkehre oder ob ſie ihn, eine Leiche mir wiederbringen.

Agnes.

Aber dießmal, Frau Roſalinde, iſt’s als ob ein Engel uns alle Bangigkeit genommen hätte. Mein Vater wird ſiegen, Euch zu lieb, edle Frau, die Jhr uns gerettet habt.

Roſalinde
(tritt ans Fenſter.)

Seht! dort ragt der Thurm der hohen Warte aus dem Tannengrün heraus. Auf dem nächſten Pfade reitet Einer in einem halben Stündlein hin - über und darum bin ich ja keines Augenblicks ſicher, daß der böſe Ritter Ulrich mich überfällt.

Ottilie.

Wohl iſt Euch die Gefahr nahe; denn dort hauſt ja der Wolf in ſeiner Höhle. Doch wie? ſeht Jhr nichts? da ſteigt ja Rauch auf!

(Die Mädchen eilen auch zum Fenſter.)
11*164
Agnes.

Jhr täuſcht Euch nicht! Ein dicker ſtarker Qualm wirbelt hoch auf!

Emma.

Die Hohenwarte ſteht in Flammen!

Roſalinde.

Herr im Himmel! ſchütze meinen Theobald!

Agnes.

O ſeht, wie des Thurmes Dach ſchon lichter - loh brennt!

Ottilie.

Dort ſprengt ein Reiter aus dem Walde heraus!

Agnes.

S iſt einer von den Unſrigen! ich erkenn ihn an der weißen ſchwankenden Feder auf der Blech - haube.

Emma.

Er kömmt näher und ſchwingt ein Tüchlein.

Agnes.

Hannes iſt’s, des Vaters Leibknappe!

Ottilie.

Schon iſt er da! Er wirft ſich vom Gaul und führt ihn hinter ſich über die kleine Brücke in den165 Zwinger. Jhr Heiligen im Himmel! was wird ge - ſcheh’n ſein?

Roſalinde.

Seid getroſt, Frau Ottilie; wär’s nicht freu - dige Botſchaft, ſo hätt er kein Tüchlein in Han - den geſchwenkt.

Hannes
(tritt raſch ein).

Frohe Botſchaft, ihr edlen Frauen! Ulrich von der Wart iſt zur Hölle gefahren! Unſer theurer Ritter aber wird gleich hier ſein.

Die Frauen
(Die Mädchen fallen auf die Kniee.)

Gott ſei geprieſen!

Ottilie.

Erzähle raſch: wie war’s?

Hannes.

Als mein Herr vor die Warte zog und den Ulrich auf die Zinnen rief, forderte er ihn zum Kampfe auf Leben und Tod. Aber der von der Warte höhnte den edlen Ritter Theobald und ließ ſich nicht an. Da ſtürmten wir gen die Burg von allen Seiten. Die drinnen wehrten ſich gut auf den Mauern; da aber der rothe Hahn durch die Unſern einmal auf’s Dach geſteckt war und es166 von zwei Seiten hell aufloderte, ging’s bald beſſer; denn ein Theil von ihnen wollte das Feuer - ſchen. Mittlerweil ſprengten wir ein Pförtlein. Nun war’s vorbei. Ritter Theobald ſprang gleich über die innere niedere Mauer, wir nach. Ulrich fiel aus einem Hinterhalt über den Ritter her; der war aber gefaßt und gab ihm mit dem Schwert eine ſo blutige Maulſchell, daß Ulrich umſank und ſeine Seele zum Teufel fuhr, ſo Gott will. Da ward’s auch bald ein Ende und wir hatten die Burg.

(Hornſtoß von außen.)

Ritter Theobald! Er wär gleich mit mir ge - ritten; aber da er am Arm was weggekriegt, mußt er ſich noch ein bißl verbinden laſſen. Hat aber weiter nichts zu ſagen; dergleichen iſt er ja ge - wohnt.

Roſalinde.

Alſo iſt doch ſein edel Blut für mich gefloſſen!

Emma.

O, laßt’s Euch nicht kümmern!

(Die Thüre öffnet ſich. Theobald tritt ein.) (Ottilie und Agnes ihm entgegen und hängen ſich an ihn.)
Theobald.

Da bin ich! Unſer Herrgott hat gerichtet!

167
Roſalinde
(ihm die Hand drückend.)

Aber Jhr ſeid der Engel, den er zur Rettung geſandt!

Emma.

Edler, theurer Ritter!

Theobald
(zu Roſalinde).

Nun, edle Frau, könnt Jhr ruhig ſein. Was Euer iſt, bleibt Euch gewahrt und die Warte, die ich in gerechtem Kampf, erobert, fällt mir zu; denn Niemand hat darauf einen Anſpruch. Euch aber überlaß ich ſie als Ausſteuer und Mitgift für das Edelfräulein Emma. Möge ſie bald ein wackrer Ritter heimführen. Und ſo wolle fortan Gott Alles zum Guten lenken!

Der Vorhang fällt.

Muzl, der geſtiefelte Kater. Mährchen in 3 Aufzügen.

[figure]

Perſonen.

  • Der Herzog.
  • Prinzeſſin Roſalinde,

    deſſen Tochter.

    • Signor Gummielaſtico,

      Kammerherr.

    • Der Oberſtjägermeiſter,
    • Doctor Kali,

      Leibarzt,

    • des Herzogs.

  • Der Wieſenbauer.
    • Hans,
    • Peter,
    • Casperl,
    • Müllerſöhne.

  • Lüpel,

    ein furchtbarer Rieſe

    .
  • Kater Muzl,

    eigentlich Profeſſor Katzengold.

  • Ein Hoflakai.
  • Ein Müllereſel.

I. Aufzug.

Stube in einer Mühle.

Wieſenbauer. Hans. Peter. Casperl.

Wieſenbauer.

Alſo euern guten Vatern habn wir geſtern begraben, tröſt’n Gott. Jhr habt’s Nir gſpart, um ihm die letzte Ehr z erweiſen. Allen Reſpekt! Das Todtenmahl hat ſich gwaſchen und euer Vater tröſt’n Gott, hätt gwiß ſein Freud dran ghabt, wenn er’s ſelber derlebt hätt. Jch hab nit leicht ſo an guten Affenthaler trunken und ’s Voreſſen war ja, als wenn’s die Engel im Himmel kocht hätt’n! Alſo enka Vater (tröſt’n Gott, daß er gſtorben iſt) enka guter Vater hat mir, als dem Gemeindvorſteher und zugleich ſei’m alten Schul - kameraden und Freund ſchon vorigs Jahr die Schrift geben jetzt merkt’s auf, Buabn! und hat gſagt zu mir: Wieſenbauer da gib ich dir die Schrift; die hebſt mir auf bis ich gſtorben bin (tröſt’n Gott enkan Vatern). Das iſt mein172 letzter Willen und bal i gſtorb’n bin und begraben, nacher laß’ſt meine drei Buben z’ſamköma und leſt ihna das Teſtament vor und was drin ſteht dabei bleibts. Und jetzt bhüt dich Gott hat er gſagt, enka Vater, tröſt’n Gott, und iſt zur Thür naus.

Hans
(weinend.)

Der gut Vater, wenn er nur noch leben that!

Peter
(weint.)

Ja, tröſt’n Gott, das war a braver Mann und a guter Vater. D Mutter hat’s a immer gſagt, wie’s noch glebt hat, daß er ſo brav iſt, wenn auch prügelt hat.

Casperl.

Jetzt iſt’s vorbei, alſo lamentirt’s nit a ſo und laßt’s ’n Wieſenbauer leſen, was der Vater gſchrieben hat.

Wieſenbauer.

Alſo ſetzt’s Enk z’ſam um den Tiſch rum und merkt’s auf.

(ſetzt Brillen auf und liest:)

Damit’s kei - nen Disputat gibt und keinen Prozeß, wenn mich der Allmächtige aus dem irdiſchen Leben abberu - fen hat, ſo verordne ich Stephan Mehlſtaub, Müller allhier, als meinen letzten Willen über mein frei eigenes Anweſen und ſonſtiges Eigen -173 thum, wie folgt: Erſtens: Der Hans und der Peter übernehmen das ganze Mühlanweſen und Alles was dazu gehört, bis Einer von ihnen hei - rathet, nachher ſoll er den Andern hinauszahlen mit 3000 fl. Zweitens: Der Casperl kriegt den alten Kater Muzl und 5 fl. Capital auf d Hand. Und zum Schluß geb ich euch meinen väterlichen Segen. Unterſchrieben: Stephan Mehlſtaub. Als Zeugen: Martin Huber, Toni - bauer. Joſeph Majer, Waldbauer; beſtättigt vom Landgericht. Da habt’s es, jetzt wißt’s wie’s dran ſeid’s.

Hans.

Mir iſt’s recht. Gelt Peter, wir werd’n ſchon gut mitenand hauſen?

Casperl.

Mich hat der Vater am beſten bedacht. Der Muzl war mir ſo das Allerliebſt im ganzen Haus und fünf Gulden ſind auch nit ſchlecht.

(weint.)
Peter.

Was flennſt, Casperl? Der Vater, tröſt’n Gott, wird ſich halt gedacht haben, du biſt der Gſcheitſt von uns; du wirſt dir ſchon durch d Welt helfen.

174
Casperl.

Und warum nit? Mein Kopf hab ich auf’n rechten Fleck und das Ander werd’n wir ſchon ſeh’n.

Wieſenbauer.

Mein Gſchäft iſt abgemacht. Der Willen Eures Vaters, Gott tröſt’n, wird euch heilig ſein: alſo bhüt Gott. Jch muß zum Eſſen z Haus; die Bäurin wird ſchon auf mich warten.

Hans und Peter.

Bhüt Gott, Wieſenbauer!

(Wieſenbauer ab.)
Peter.

So, und jetzt mach, daß d aus’n Haus kommſt, Casperl; da haſt deine fünf Gulden und vergiß fein dein Muzl net.

Hans.

Den kannſt um’s Geld ſeh’n laſſen! Bei uns darfſt nimmer bleiben und du haſt dein Sach; mach nur daß d aus’n Haus kommſt.

(Beide ab.)
Casperl
(allein.)

Jetzt hab ich mein Theil. Den Kater Muzl und 5 Gulden. Wenn mir der Vater nur wenig - ſtens auch unſern Müllereſel vermacht hätt, ſo könnt ich doch auf dem durch d Welt reiten; aber175 der muß die Mehlſäck aus - und eintragen. Was fang ich aber an? Casperl, nimm dich z’ſam!

(Muzl knurrt unter der Ofenbank.)

O mein Muzl, gelt? du denkſt dir halt, wir verhungern alle zwei?

Muzl.

Casperl!

Casperl.

Oho, wer red’t denn da?

Muzl.

Casperl, ich bin’s

Casperl.

Du biſt’s? Ja wer biſt denn du du?

Muzl.

Dein Freund Muzl.

Casperl.

Halt mich zum Narren!

Muzl
(hervorſchleichend.)

Nein, Casperl, ich bin derjenige, welche

Casperl.

Aber Muzl, kannſt denn du deutſch reden?

Muzl.

Nicht nur, ſondern auch. Merke auf, was ich dir ſage und habe keine Angſt.

176
Casperl.

No, brav! das iſt ja eine Hexerei.

Muzl.

Du kannteſt mich bisher nur als den Kater Muzl. Während die Andern mich herumſtießen und durchaus nicht reſpektirten, wie man, auch ohne ein Mitglied des Vereins gegen Thierquälerei zu ſein, einen reſpektablen Kater aus altem Geſchlechte achten ſollte, haſt du mich mit beſonderer Rückſicht behandelt. Dafür bin ich dir dankbar.

Casperl.

Aber, aber! was iſt denn das?

Muzl.

Unterbrich mich nicht, ſonſt vergeſſe ich, was ich dir ſagen wollte; mein Gedächtniß iſt etwas geſchwächt und meine Sprachorgane ſind außer Uebung, weil ich ſo lange nichts geſprochen habe. Höre: Jch bin eigentlich von Geburt aus nicht der Kater Muzl, ſondern der Magier und Chemi - cus Profeſſor Katzengold. Jn Folge meiner wiſ - ſenſchaftlichen Studien und chemiſchen Experimente hatte ich die Entdeckung machen wollen, daß nicht unſer Herrgott die Welt erſchaffen hat, ſondern daß ſie aus der bloßen Naturkraft von ſelbſt ent -177 ſtanden iſt, worüber alle Leute ſehr erſtaunt wur - den und mich als einen höchſt berühmten Gelehr - ten bewundert haben. Nun wurde ich aber ſo ſtolz und hochmüthig, daß es mit mir kaum mehr zum Aushalten war. Eines Tages befand ich mich in meinem Laboratorium und experimentirte gerade darauf los, einen Menſchen zu fabriciren, einen ſogenannten homunculus, was ſchon der Doctor Theophraſtus Paracelſus verſucht hatte; da ſprang plötzlich mit einem ungeheuern Knall die Retorte in Scherben und eine Stimme rief mir

Casperl.

Was für a Stimm?

Muzl.

Eine mir gänzlich unbekannte Stimme rief mir zu: Weh dir, Katzengold! Du biſt ein Narr und dein frevelhafter Hochmuth ſoll beſtraft werden. Du wirſt von nun an in der Geſtalt des Katers Muzl auf Erden herumwandeln müſſen und erſt wieder die menſchliche Geſtalt erhalten, wenn du den Rie - ſen Lüpel gefreſſen haſt! Nun ſchwieg die Stimme; ich erwachte aus meiner Betäubung und befand mich als Kater in dieſer Mühle. Das ge - ſchah ſchon zu Lebzeiten deines Großvaters. Denke12178dir die Verlegenheit und das unangenehme Gefühl meinerſeits!

Casperl.

Das iſt a ſchöne Gſchicht; aber a bißl lang hat’s dauert.

Muzl.

Nun ſcheint es, daß meine Strafzeit bald ab - gelaufen ſein ſoll; denn ich bin hinlänglich gede - müthigt und dieſe Nacht ging mir wieder ein Licht auf. Auf einem Strahle des Mondſcheins las ich die Worte:

Katzengold wach auf, wach auf!
Lies heut aus der Sterne Lauf:
Haſt den Stolz du überwunden,
Wirſt der Strafe du entbunden;
Diene nur dem Casperl treu,
Wirſt vom Katzenpelz dann frei!

Und nun ſtehe ich dir zu Dienſten, verfüge über mich. Vielleicht kann dir meine Katzenſchlau - heit nützlich ſein.

Casperl.

Haſt jetzt ausgredt?

Muzl.

Ja!

179
Casperl.

Was fang ich mit deiner Katzenſchlauheit an? da werden wir alle zwei nit fett davon.

Muzl.

Vor Allem laß mir um deine fünf Gulden ein paar Stiefel machen, damit ich bequemer laufen kann; ich werde ſchon was ausſpekuliren.

Casperl.

Jch möcht lieber was auspockuliren; aber pro - biren wir’s, wenn du der Geſcheitere biſt und ver - laſſen wir nun dieſes mehlſtaubige Haus und be - geben wir uns in die freie Natur; da brauch ich doch keinen Staub zu ſchlucken, wenn’s auch keine Mehlſpeis gibt.

Muzl.

Zuvor aber zum Schuhmacher.

Casperl.

Ja, der Schuhmacher ſoll dir ein paar Stiefel machen.

(Beide ab.)
Hans
(tritt ein.)

Alſo jetzt wär ich der Herr im Haus der Müller. Jch bin der ältere und der Peter muß mir in Allem folgen. Und wenn er nit parirt, ſo werd ich ’n ſchon ſo cujoniren, daß er gern geht, wenn ich ihm das Seinige ’nauszahl. Und12*180ſo hätt’s eigentlich der Vater ſelig in’s Teſtament ’neinſchreiben ſollen; denn zwei Herren thun nie - mals gut. Jch bin aber der ältere, alſo ſteht’s mir zu, und heut werd ich gleich s Regieren an - fangen. Zuvor geh ich aber in’s Wirthshaus und trink a Maß Bier.

(ab.)
Peter
(tritt ein.)

Das gfallt mir net, daß der Vater Gott tröſt’n die Sach in ſeim Teſtament nit glei richtig gmacht hat. Wir zwei ſoll’n jetzt mitanand hauſen. Das thut’s net. Einer von uns muß naus aus’n Haus und ich will den Hans ſchon a ſo ſchicaniren, daß er gern geht, wenn ich ihm ſeine 3000 fl ’nauszahl und nachher bin ich allein Herr in der Mühl und ſo werd’s wohl kommen müßen. Jetzt will ich aber zum Wirth geh’n und ein Maß Bier trinken; nachher werd’n wir ſchon ſehn, wie’s weiter kommt.

(ab.)
Der Müllereſel
(tritt ein.)

Jetzt bin i ſchon 12 Jahr Eſel in der Mühl und bin alleweil zfrieden gweſen und der alt Müller, Gott hab’n ſelig, hat mich auch recht gern ghabt und hat die Schläg an mir nit geſpart; aber die neue Einrichtung will mir gar nit gfallen,181 daß ein jeder commandiren will. Sagt der Hans zu die Mühlknecht ſchütt’s auf, ſo ſchreit der Peter hört’s auf Packt mir der Ein die Mehl - ſäck auf, ſo reißt mir’s der Ander wieder runter; z’vor hat mich der alt Müller allein prügelt jetzt ſchlagen gleich zwei auf mich ’nein. Doppelte Schläg, aber nur ein einfachs Futter! das Leben halt ich net lang aus. Der Hans und der Peter ſind in’s Wirthshaus; ich will mir auch einmal einen luſtigen Tag machen und im Krautgartl a bißl reviren, damit ich einen guten Bißen krieg; alleweil Diſteln und alleweil Diſteln des wird mir auch z’monoton. Die Mühlknecht ſchlafen alle, denn die Herrn ſan nit z’Haus, alſo iſt Niemand bei der Hand, der mich aus’n Gartl jaget und auf ein halbes dutzend Krautköpf geht’s auch nit z’ſamm!

(ab.)

Verwandlung.

Gemach im Palaſte des Herzoge.

(Leibarzt und Gummielaſtico von zwei Seiten eintretend.)
Gummielaſtico.

Wie geht’s dem Herzog, Herr Leibarzt?

182
Leibarzt.

Nicht am beſten. Die Melancholie Sr. Durch - laucht will nicht weichen.

Gummielaſtico.

Aber, mein Theuerſter, wozu ſind Sie den Leibarzt, wenn Sie dem Uebel nicht ſteuern können?

Leibarzt.

Die Hypochondrie iſt eine Krankheit, die oft nicht zu bezwingen iſt, beſonders bei großen Herren?

Gummielaſtico.

Jch bin kein Arzt und verſtehe nichts von der Medizin, allein das habe ich doch immer gehört, daß dieſe Krankheit meiſtens ihren Sitz im Unter - leib hat. Warum wirken Sie nicht auf die Ver - dauungsorgane Sr. Durchlaucht?

Leibarzt.

Als ob ich’s nicht ſchon gethan hätte? Uebri - gens muß ich Sie erſuchen, Jhre Weisheit zu ſparen. Jch werde ſchon wiſſen, was ich zu thun habe und bedarf Jhrer Rathſchläge nicht, Herr Kammerherr.

Gummielaſtico.

Sollte ich nicht den innigſten Antheil an dem183 Befinden unſers gnädigſten Gebieters nehmen? der ganze Hof trauert! Vergebens biete ich alles auf, um Se. Durchlaucht zu erheitern.

Leibarzt.

Da könnte ich nun ebenſo Jhnen den Vorwurf machen: wozu ſind ſie Kammerherr und mailre du plaisir des Herzogs und vermögen nicht Höchſt - ſelben zu amüſiren?

Gummielaſtico.

Und ich könnte ihnen erwiedern: Sparen Sie ihre Weisheit. Enſin, laſſen wir das. Wie hat der Herzog dieſe Nacht geſchlafen?

Leibarzt.

Geſchlafen gut; allein erwacht mit denſel - ben fixen Jdeen, die ich ihm nicht aus dem Kopf bringe.

Gummielaſtico.

Der unwiderſtehliche Appettit nach Caninchen und Rebhühnern!

Leibarzt.

Allerdings! Und jetzt wo man durchaus we - der Caninchen noch Rebhühner liefern kann, weil das Getreide auf den Feldern ſteht und Jäger und Hunde nicht umherſtreifen dürfen.

184
Gummielaſtico.

Das iſt ſehr fatal, ſehr fatal! die Bauern wür - den es wohl nicht zulaſſen, daß man ihre Felder zertritt.

Leibarzt.

Natürlich; der Herr Oberſtjägermeiſter iſt in Verzweiflung; doch ſtill ich glaube Se. Durch - laucht kommen.

(Der Herzog. Die Vorigen).
Herzog.

Wo iſt mein Oberſtjägermeiſter? wo iſt er?

Gummielaſtico.

Ew. Durchlaucht ich weiß es in der That nicht. Soll ich ihn vielleicht citiren?

Herzog.

Jch glaube der Kerl verſteckt ſich. Man ver - ſchwört ſich gegen mich, man revolutionirt, man will mich morden!

Gummielaſtico.

Jch bitte Euer Durchlaucht unterthänigſt, ſo Etwas nicht zu denken; der ganze Hof, das ganze Land iſt Höchſtſelben ehrfurchtsvollſt ergeben.

Herzog.

Schweigen Sie! Auch Sie ſind ein Verräther. 185Sie nennen ſich Gummielaſtico und man iſt nicht einmal im Stande mit ihrer erbärmlichen Perſön - lichkeit einen Bleiſtiftſtreich auszuwiſchen, geſchweige daß ſie mir zu etwas Anderm nützlich ſind.

Gummielaſtico.

Geruhen doch Ew. Durchlaucht zu erwägen

Herzog.

Still! ich will nichts mehr hören. Jſt es aber nicht unerhört, daß man mir ſogar meine Leibſpeiſe Kaninchen und Rebhühner vorenthalten will, um mich aushungern zu laſſen? Jſt dieß nicht offene Revolution?

Leibarzt.

Jch erlaube mir als hochdero ergebener Leib - arzt zu bemerken, daß gerade dieſe Nahrung Euer Durchlaucht wohl nicht zuträglich wäre; denn Ka - ninchen und Rebhühner

Herzog
(höchſt erzürnt).

Auch Sie gehören zur Verſchwörung. Gerade Sie ſind das Werkzeug, deſſen ſich die Revolution bedient. Was mir ſchmeckt, das iſt mir auch ge - ſund; und ich will einmal Rebhühner und Ka - ninchen; ich will, ich will und dabei bleibts!186 fort aus meinen Augen, fort, alle zwei! Schicken Sie mir augenblicklich den Oberſtjägermeiſter.

(Gummielaſtico und Leibarzt unter Reverenzen ab.)
Herzog.

Schändlich, Schändlich! keine Kaninchen, keine Rebhühner! dieſes unſchuldige Vergnügen ſoll mir, dem Herrn des Landes, verſagt ſein! Es iſt um toll zu werden! Jetzt habe ich meinem Volke erſt vor zwei Monaten eine Verfaſſung gegeben! Jch rechnete auf allgemeine Zufriedenheit und doch fehlt es nicht an Wühlereien; ſelbſt meine Leibſpeiſen will man mir nicht gönnen; es iſt infam! Jch werde meinem Volke die Verfaſſung wieder nehmen. Jch will unumſchränkt regieren! Jch will für meine eigene Conſtitution ſorgen; ich will Rebhühner und Kaninchen! Aha! da kömmt mein perfider Oberſtjägermeiſter. Nur herein da! Geben ſie mir Rechenſchaft

Oberſtjägermeiſter
(trägt ein Kaninchen und ein paar Rebhühner.)

Euer Durchlaucht, ich bin der glücklichſte Jhrer Diener! Höchſtſelben durchlauchtigſter Wunſch iſt erfüllt. Hier ein Kaninchen und zwei Rebhühner!

187
Herzog.

Was ſeh ich mein Lieber? Jſt es möglich? Woher dieſe treffliche Beute? bravo! bravo! Jch ſehe Sie ſind ein treuer, wohlgeſinnter Diener. Jch werde Sie belohnen. Sogleich ertheile ich Jhnen meinen Hausorden: den goldenen Stern erſter Claſſe mit der grünen Schleife.

Oberſtjägermeiſter.

Jch bin der Glücklichſte der Sterblichen, die Zufriedenheit Eurer Durchlaucht erlangt zu haben. Mehr verlange ich nicht.

Herzog.

Nur gleich in die Hofküche mit dieſen köſtlichen Braten! Aber mein lieber Oberſtjägermeiſter, ſagen Sie mir, woher kömmt dieß Wild? Sie ſagten mir doch, man könne jetzt weder Kaninchen noch Feld - hühner ſchießen, weil die Felder nicht leer ſind.

Oberſtjägermeiſter.

Allerdings, Euer Durchlaucht, es iſt ſo; allein ein fremder mir ganz unbekannter Jäger brachte die Beute ſoeben zu mir mit einer ergebenſten Empfehlung vom Grafen Carabas, ſeinem Herren, welcher Kaninchen und Feldhühner Sr. Durchlaucht zu Füßen legen laße.

188
Herzog.

Ei! das muß ein ganz charmanter Cavalier ſein, dieſer Graf Carabas! Jch will ihn kennen lernen; ich will ihn tax - und ſtempelfrei zum Kam - merherrn machen. Laden Sie ihn zur Hoftafel ein.

Oberſtjägermeiſter.

Der Leibjäger des Herrn Grafen hat ſich ſo - gleich wieder entfernt und ſagte er werde, in kür - zeſter Zeit wieder dergleichen Wildprät liefern, wenn es Ew. Durchlaucht genehm ſei.

Herzog.

O ſehr genehm, ſehr genehm! Nun will ich ein wenig ſpazieren fahren; dann zur Tafel. Jch bin ganz vergnügt. Heute ſoll Freitheater ſein und Beleuchtung im Hofgarten. Adieu, adieu, mein lieber Oberſtjägermeiſter!

(Beide ab.)

Verwandlung.

Wald.

Casperl.

Das iſt ein prächtiger Kerl, mein Muzl! hört der die Gſchicht vom Herzog, daß der grad auf189 Kinihaſeln und Rebhenneln verſeſſen iſt, nimmt einen alten Sack, legt ’n halb offen auf die Haſen und Rebhennelſteig und wenn ſo ein lieb’s Thierl daher wuzelt, pumps zieht er den Sack zu und fangt Eins nach dem Andern! Ja ſo ein Kater iſt halt a gſcheit’s Thier, beſonders wenn er eigent - lich nebenbei ein Menſch iſt. Jetzt will ich nur ſehn, was weiter gſchieht. Da haben wir uns zſammenbſtellt und der Muzl kann nimmer lang ausbleiben; aber ſchlipperment was kommt denn da für ein Mordskerl? ich muß mich verſtecken und ein bißl lauſchen.

(verſteckt ſich.)
(Der Rieſe Lüpel tritt ein. Phantaſtiſch aufgeputzt mit einer gro - ßen Tabackspfeife und einem Prügel in der Hand.)
Lüpel.

Jch bin der Rieſe Lüpel, wenn ihr’s wiſſen wollt; ich bin ein Mordkerl; ich reiße die größten Bäume mit dem kleinen Finger aus; ich zertrete eine Compagnie Soldaten mit der großen Zehe; ich freſſe ein ganzes Kalb auf dem Sauerkraut; ich dulde keinen Widerſpruch; ich ſchlag Alles todt, wenn’s mich freut; kurz ich bin die ſogenannte rohe Naturgewalt; kurz: ich bin der Rieſe Lüpel.

Aber obgleich ich der Rieſe Lüpel bin, ſo macht190 mir das Alleinſein auf meinem Zauberſchloſſe Langeweile und ich bin geſonnen zu heirathen. Prinzeſſin Roſalinde iſt der intereſſante Gegenſtand, auf welchen ich mein blaues Rieſenauge geworfen habe. Sie und keine Andere muß mein ſein! Aber wo bleibt mein Spion Gummielaſtico? Wenn er mich ſitzen oder ſtehen laßt, ſo freſſe ich ihn mit Haut und Haaren auf.

(pfeift furchtbar; ein feiner Pfiff hinter der Scene antwortet)

Hier iſt er, der Spitzbube.

(Gummielaſtico ſchleicht herein.)
Lüpel.

Biſt du einmal da, Kerl? Was gibts Neues? rede oder ich erwürg dich.

Gummielaſtico.

Allergrößter! Erhabenſter! Sie glauben gar nicht, wie ſchwer es iſt, an unſerm Hofe Etwas durchzuſetzen, ſeit der Herzog mit fixen Jdee’n be - haftet iſt.

Lüpel.

Was geh’n mich die fixen Jdee’n an! Haſt du meine Befehle vollzogen? Rede, oder ich zermalme dich.

Gummielaſtico.

Trotz meiner elaſtiſchen Natur iſt es mir noch191 nicht gelungen, heimlich in das Gemach der Prin - zeſſin Roſalinde zu gelangen, um ihr die Liebes - anträge Eurer Großmächtigkeit beibringen zu können.

Lüpel.

Das iſt eine Eſelei!

Gummielaſtico.

Es ſtehen immer zwei Hartſchiere vor der Thür.

Lüpel.

Was Hartſchiere! So ein Gummielaſtico ſoll andere Wege finden, in ein Zimmer zu gelangen. Kerl, ich freſſ dich!

Gummielaſtico.

Großmächtigſter! Geduld! Jch wüßte einen beſſe - ren Vorſchlag. Ein Brief, den ich auf irgend eine Weiſe der Prinzeſſin zuſtelle, wäre ein ſicheres Mittel.

Lüpel.

Jch kann aber nicht ſchreiben, wie du wiſſen ſollſt. Burſche, ich zerreiß dich!

Gummielaſtico.

Dictiren Sie, ich werde mit verſtellter Schrift ſchreiben.

Lüpel.

Der Einfall iſt nicht übel. Kerl, ich zerreiß192 dich nicht. Alſo fort auf mein Schloß! Dort wird der Brief abgefaßt und dann beſorgſt du ihn ſo ſchnell als möglich; denn bald geht mir meine Rieſengeduld aus; und wenn ich die Prinzeſſin Roſalinde in vierzehn Tagen nicht als Frau heim - führe, ſo werd ich meinen Rieſenzorn zuerſt an dir auslaſſen, dann geht’s weiter. Das ganze Land werd ich ruiniren und Alles was darin lebt und webt! Alſo fort mit mir!

(ab mit Gummielaſtico.)
(Casperl tritt aus ſeinem Verſteck hervor.)
Casperl.

Brav! Das iſt eine ſaubere Gſchicht, die die zwei miteinander abgemacht haben. Saperdibixti! Und der Gewaltslümmel will die zuckerſüße Prin - zeſſin heirathen? Ah da kommt der Muzl, dem muß ich’s gleich verzählen.

Muzl
(an den Hinterpfoten beſtiefelt).

Prächtig geht’s, lieber Casperl! Der Herzog, durch das Geſchenk von Rebhühnern und Kanin - chen höchſterfreut, wünſcht die Bekanntſchaft des Grafen Carabas zu machen. Du kommſt alſo an den Hof. Laß mich nur für dich ſorgen; unter meiner Leitung kann es dir nicht fehlen.

193
Casperl.

Ja prächtig geht’s! Da hat grad der Gwalts - Ries mit einem Spitzbuben abgemacht, daß er die Prinzeſſin heirathen will.

Muzl.

Wie? der Rieſe Lüpel, den ich zu meiner Er - löſung freſſen ſoll? Da kann nichts daraus wer - den, um ſo weniger, da ich dir die Prinzeſſin zur Gattin beſtimmt habe.

Casperl.

Oho da fall ich in Ohnmacht! Jch ſoll der Gatte der Prinzeſſin wörden? Ha! Verrätherei? Liebe? Hochzeit? Knödl mit Sauerkraut?

Muzl.

Schweige und verlaſſe dich auf mich! Fort von hier.

(Beide ab.)

Verwandlung.

Jn der Mühle.

Hans und Peter treten ſtreitend haſtig ein.
Hans.

Und weißt du nit, daß ich der Aeltere bin und daß ich zu befehlen hab im Haus?

13194
Peter.

Und weißt du nit, daß ich das nämlich Recht hab wie du? Denn ſo ſteht’s im Vatern ſein Teſtament.

Hans.

Aber dabei bleibts, daß ich der Aelter bin und der gſcheiter bin, und ich laß mir nix ein - reden im Regiment.

Peter.

Und ich leid’s aber nit.

(Draußen ſchreit der Eſel: Ya, Ya. )

Hörſt ’n Eſel ſchreien: Ja, Ja!

Hans.

Du mußt freilich dem Eſel ſein Gſcheitheit zu Hülf nehmen, weil die deinige nit ausreicht.

(Eſel draußen: Ya, Ya. )

Hörſt ’n, wie er ſchreit: Ja, Ja!

Peter.

Jch will dem Vater’n ſein Teſtament aufrecht halten; und wenn’s nit in Guten geht, ſo fang ich ein Prozeß an.

(Eſel draußen: Ya, Ya! )
Hans.

Hörſt’n draußen? Der will auch an Prozeß anfangen.

195
Peter.

Was? ſpötteln auch noch?

(ſchlägt auf Hans.)
Hans.
(ſchlägt den Peter.)

So an Prozeß verſteh ich auch; da brauch ich kein Advocaten, wenn’s auf’s Prügeln ’nausgeht.

Peter.

Ein Spitzbub biſt.

(ſchlägt wieder.)
Hans.

Und du biſt ’n Spitzbuben ſein Bruder.

(ſchlägt wieder. Sie balgen ſich.) Der Wieſenbauer tritt ein.
Wieſenbauer.

Was gibt’s denn da? Jſt das auch eine Art unter Brüdern?

Hans.

Ja, da heißt’s: Nix Bruder im Spiel!

Peter.

Und dich geht’s gar nix an, Wieſenbauer, was wir miteinander haben.

Wieſenbauer.

Was mich geht’s nix an? Bin ich nit der Teſtamentsexecutor vom Vatern ſeim Teſtament?

13*196
Hans.

Wart, wir woll’n dich gleich exaquiren!

Peter.

Ja, das woll’n wir. Mach nur, daß d naus kommſt, Executor!

Wieſenbauer.

Wie? mich aus’n Haus ſchaffen? Jhr undank - baren Burſchen!

Hans
(zu Peter.)

Beim Prozeß bleibts, gelt Peter? aber z’erſt hau’n wir’n Nachbarn naus.

Peter.

Ja, dabei bleibts.

(Beide fallen über den Wieſenbauer her. Prügelei. Alle drei unter Geſchrei ab.)
Der Müllereſel
(tritt ein und ſingt)
Herr jemine, Herr jemine,
Was iſt das für a Gſchicht!
Die Müllerbuben müßen gwiß
Noch vor das Schwurgericht! Ya, Ya!
Sonſt gings im Haus ſo friedlich her,
Wie noch der Alt hat g’lebt;
Und jitzt geht’s Streiten gar nit aus,
Daß All’s zittert und bebt. Ya, Ya!
197
Die Mühl ſteht ſtill, ’s Rad iſt caput,
Und Prügel gibt’s grad gnua;
Was fangt der Müllereſel an?
Der ſchaugt der Gſchicht halt zu. Ya, Ya!

Der Vorhang fällt.

II. Aufzug.

Gemach im Pallaſte des Herzogs.

Muzl. Gummielaſtico.
Gummielaſtico.

Sie wollen alſo eine Audienz bei Sr. Durch - laucht?

Muzl.

Aufzuwarten.

Gummielaſtico.

Das wird ſehr ſchwer ſein, denn es darf nicht Jedermann zum Herzoge. Ueberdieß, ich habe nicht das Vergnügen, Sie zu kennen.

Muzl.

Melden Sie mich immerhin. Jch | bin Katzen - buckel, der Leibjäger des Grafen von Carabas.

Gummielaſtico.

Legitimiren Sie ſich; das könnte ein Jeder ſagen.

Muzl
(zieht ein Kaninchen aus der Taſche.)

Ueberreichen Sie Sr. Durchlaucht dieß Kanin - chen und ich werde willkommen ſein.

199
Gummielaſtico.

Ah wenn es ſo iſt, freut es mich ungemein, Jhre Bekanntſchaft zu machen. Sie ſind der Mann des Tages oder vielmehr Jhr Gebieter iſt es. Warten Sie gefälligſt einen Augenblick, ich werde gleich wieder da ſein.

(Ab mit dem Kaninchen.)
Muzl
(allein.)

So iſt die Welt! meine ehrliche Katzenphiſio - nomie hat dem Kerl nicht genügt; als ich ihm aber das Kaninchen, den am Hofe beliebten Braten, unter die Naſe hielt, zog er andere Seiten auf. Nun muß ichs aber geſcheit anfangen, daß ich den Her - zog ganz auf unſere Seite bringe und die Prin - zeſſin für meinen Casperl bekomme.

Gummielaſtico
(kömmt wieder.)

Sr. Durchlaucht geruhen, Sie zu empfangen, Herr von Katzenbuckel. Treten Sie ein.

(Muzl tritt durch die Nebenthüre ab.)
Gummielaſtico
(allein.)

Geh nur hinein, verflixter Katzenbuckel. Wäh - rend der Herzog nur an Kaninchenbraten und Reb - hühnerragout denkt, ſpinne ich meine Jntrigue mit Prinzeſſin Roſalinde an und habe ich meinen Zweck erreicht, ſo hole ich mir den verſprochenen Lohn200 vom Rieſen und brenne auf eine hübſche Manier durch. Gummielaſtico weiß ſich immer gehörig durch - zuwinden; er iſt biegſam und ſchmiegſam. Holla, die Prinzeſſin! die kömmt mir gerade recht.

Prinzeſſin Roſalinde
(tritt ein.)

Wo iſt mein durchlauchtigſter Papa? Jch ſuche ihn; denn ich ſollte mit ihm ſpazieren fahren.

Gummielaſtico.

Das wird wohl für jetzt unterbleiben, gnädigſte Prinzeſſin; denn Se. Durchlaucht Papa ſind in wichtigen Staatsgeſchäften begriffen.

Roſalinde.

Gut, ſo will ich warten, bis die Staatsge - ſchäfte beendigt ſind.

Gummielaſtico.

Mir höchſt erwünſcht erhabene Prinzeſſin; denn ich möchte das Glück haben, eine höchſt wichtige Angelegenheit Jhnen zu Füßen legen zu dürfen.

Roſalinde.

Mir? und welche?

Gummielaſtico.

Schenken Dieſelben mir gnädigſt Gehör: Jch wage es mich, Jhrer Durchlaucht, in hohem Auf -201 trage zu nahen. Der reichſte Privatier des Landes, Herr von Lüpel, deſſen Ahnen zu den älteſten Ge - ſchlechtern Europas gehören, in deſſen Adern dy - naſtiſches obgleich mediatiſirtes Blut rinnt, wünſcht Jhre Hand zu beſitzen und fleht in dieſem Briefe um Jhr Herz, welches er glücklich zu machen ſich beſtreben wird.

Roſalinde.

Wie? welche Zumuthung! glauben Sie

Gummielaſtico
(ſie unterbrechend.)

O ich glaube Alles, nur das nicht, daß Jhre Durchlaucht die Hand des mächtigſten Edelmannes von ſich weiſen könnten, der im Stande iſt, alle Jhre Wünſche zu befriedigen.

Roſalinde.

Welche Unverſchämtheit! Jch ſollte mich mit einem Manne vermählen, deſſen ungeſchlachte Ge - ſtalt allein ſchon jede Verbindung hindert. Ein Rieſe, deſſen Brutalität allbekannt iſt; ein Menſch ohne Lebensart, ohne Erziehung, ohne Bildung ſollte Gatte einer Prinzeſſin werden?

Gummielaſtico.

Ueberlegen Höchſtdieſelben wohl, was Sie ſagen. Bedenken Sie den unermeßlichen Reichthum des202 Herrn von auf und zu Lüpel. Seine Schlößer, ſeine Ländereien! wer hätte Aehnliches aufzuweiſen? Wenn er auch aus einem Rieſengeſchlechte ſtammt, ſo über - ſteigt doch ſeine perſönliche Liebenswürdigkeit ſeine perſönliche Statur. O lernen Sie ihn kennen und Sie werden für ihn begeiſtert werden!

Roſalinde.

Schweigen Sie, Herr Gummielaſtico, mit die - ſen Phraſen, die mich blenden ſollen. Niemals werde ich die Gattin des Rieſen Lüpel. Von Jh - nen aber iſt es eine Verrätherei vis-à-vis meines durchlauchtigſten Papa’s hinter ſeinem erhabenen Rücken, mir ſolche Anträge zu machen.

Gummielaſtico.

Durchlauchtige Prinzeſſin aber

Roſalinde.

Still, der Herzog kömmt. Entfernen Sie ſich.

Gummielaſtico
(im Abgehen.)
(Für ſich.)

Verdammte Geſchichte! das hätte ich nicht vermuthet.

(ab.)
Herzog tritt mit Muzl im Geſpräche begriffen ein.
Herzog.

Sieh da, meine Tochter! Theure Roſalinde,203 wir werden demnächſt das Vergnügen haben, den Grafen Carabas an unſerm Hofe zu ſehen. So eben laſſe ich dem liebenswürdigen Cavalier durch ſeinen Vertrauten, Herrn Katzenbuckel, die Einlad - ung zukommen.

Muzl.

Jch beeile mich, meinem Herrn und Gebieter die beehrende Botſchaft zu hinterbringen und er wird nicht ermangeln, ſich baldigſt bei Sr. Durch - laucht einzufinden.

(ab.)
Roſalinde.

Jſt es Jhnen gefällig, jetzt ſpazieren zu fahren?

Herzog.

Etwas ſpäter, mein liebes Kind. Wir haben vorerſt noch einen Handel zu ſchlichten, der uns durch unſern Staatsrath in Vortrag gekommen iſt. Eine Streitſache zweier Müllerſöhne, welche bis zur höchſten Jnſtanz gelangt iſt, worüber nur dem Her - zog in Perſon zu entſcheiden vorbehalten bleibt. Entferne dich nun. Jch werde dich ſpäter rufen laſſen.

Roſalinde.

Jch folge Jhren Befehlen.

(ab.)
204
Herzog.

Gummielaſtico!

(Gummielaſtico tritt ein.)
Herzog.

Man laße die ſtreitenden Partheien ein.

Gummielaſtico.

Sogleich, Euer Durchlaucht.

(ab.)
(Hans und Peter unter Verbeugung treten ein.)
Herzog.

Jhr ſeid alſo die Zwei, welche von dem Her - zog den Rechtſpruch über ihren Streit wollen?

Hans. Peter.

Ja, Euer Durchläuftigkeit, mir ſan’s.

Herzog.

Jch kenne Eure Sache aus den Acten. Warum könnt Jhr nicht miteinander auskommen? Warum reſpectirt Jhr den letzten Willen Euers Vaters nicht?

Hans.

Jch hab allen Reſpect vor’n Vatern ſelig ſeim letzten Willen und wie’s uns der Wieſenbauer vor - gleſen hat, aber ich will mein Sach haben und ich beſteh auf meinm Recht, weil ich der Aelter bin.

Peter.

Und ich halt auch das Teſtament in Ehren,205 wie’s uns der Wieſenbauer vorgleſen hat, aber ich will auch mein Sach haben und will auch net z’kurz kömma und von die Prügel, die mir mein Bruder geben hat, iſt nix im Vatern ſein Teſta - ment gſtanden.

Hans.

’s Maul haltſt. Jch hab dich grad nauszahln woll’n wie’s ’n Vatern ſein letzter Willen gweſen iſt, aber du haſt net mögen.

Peter.

Aber deßwegen hät’s keine Schläg braucht, ver - ſtanden?

Hans.

Du haſt auch dreingſchlagen; wie ſoll nacher an Ausgleichung möglich ſein?

Herzog.

Still da! Jch weiß Alles. Jhr ſeid ein paar eigennützige Starrköpfe. Niemand kennt ſich bei euch aus. Jeder von euch behauptet Recht zu ha - ben und Jhr habt beide Unrecht. Wo iſt der un - parthei’ſche Zeuge, den Jhr mir vorführen wollt und der über den Streit Aufſchluß geben kann?

Hans.

Draußen ſteht er, Euer Durchläuftigkeit.

206
Peter.

Wenn’s gfällig iſt, führ ich ’n ’rein.

Herzog.

Nur herein damit! wir wollen hören und dann Urtheil ſprechen.

(Peter geht hinaus und holt den Müllereſel herein.)
Eſel.

Ya, Ya!

Herzog.

Das iſt ja ein Eſel als Zeuge!

Hans.

San ſchon oft Zeugen vor Gericht Eſel gwe - ſen, ſo kann auch amal an Eſel an Zeugen ab - geben.

Herzog.

Die Wahl der Zeugen iſt Sache der ſtreiten - den Partheien, alſo kann ich als Herzog ſelbſt nichts dagegen haben; denn ſo will es der Civilprozeß und das mündliche Verfahren.

(Zum Eſel.)

Alſo, weißt du was von der Angelegenheit?

Eſel.

Ya, Ya!

Herzog.

Gut! Jſt es wahr, daß ſich die beiden Müller - ſöhne Hans und Peter geprügelt haben?

207
Eſel.

Ya, Ya, Ya!

Herzog.

Gut! Es haben alſo beide gegenſeitig das Jhrige bekommen und keiner kann dem Andern einen Vor - wurf machen?

Eſel.

Ya, Ya!

Herzog.

Gut! Alſo hört: Jch will in meinem Lande Frieden haben Erſtens. Zweitens: Wenn Jhr nicht Ruhe gebt, ſo werde ich anordnen, daß jeder von euch von Amtswegen noch ſeine Por - tion extra bekommt, und drittens: bleibt es da - bei, wie euer Vater es in ſeinem Teſtamente an - befohlen hat. Verſtanden? Jetzt geht ruhig nach Hauſe und ich hoffe, daß der Streit geſchlichtet iſt.

Hans und Peter.

Ja, wir ſan ſchon zufrieden, Euer Durchläuf - tigkeit. Der Eſel hat ſchon recht.

Herzog.

Jch will Ruhe und Frieden haben, punctum.

(geht ab.)
208
Hans.

Siehſt es Peter? jetzt wiſſen wir’s, wie’s ſein ſoll.

Peter.

Mir is ’s recht, Hans; und ’s bleibt dabei.

Hans.

Jetzt geh’n wir mitnand in’s Wirthshaus und trinken a Maßl.

Peter.

Ja, ich bin dabei. Das iſt aber gſcheiter Herr!

Hans.

Und a guter Herr, gelt, Peter?

Eſel.

Ya, Ya!

Peter.

So gehn wir halt alle drei; und jetzt woll’n wir brüderlich und in Frieden mitanand hauſen, bis Einer von uns heirath’t und nacha wiſſen wir ſo, was gſchegn muß nach’n Vatern ſein letzten Willen.

Eſel.

Ya, Ya.

(Alle ab.)
209

Verwandlung.

Ländliche Gegend Dorf im Hintergrund.
Casperl.

Schlipperment! Jetzt dauert’s mir aber ſchon a bißl z lang. Jch ſoll der Gemahl der Prin - zeſſin werden, wie mir der Muzl verſprochen hat, und bin alleweil voller Hunger und Durſt. Das paßt net z’ſam, wie mir ſcheint. Aber, wenn ich angeheiratheter Prinz bin oder Prinz gemahl? Da wird’s an anders Leben werden.

Jn der Fruh ſchlaf ich ſo lang als mich’s freut, denn das iſt vornehm; nachher aufgſtanden: goldene Pantoffel, ein roſenfarbener Schlafſchrock, Kaffee und Schokolat mit 24 Eierweckeln und 12 paar Bratwürſtln. Nacher geh ich zur Prinzeſſin ’nüber und wünſch ihr an guten Morgen. Hier - auf werd ich wieder geruhen ein paar Stündl zu ruhen bis zur Eſſenszeit. Alles was gut und theuer iſt muß aufgetragen werden und a Tafel - muſik muß ich auch haben. Sechs Trommler vom Leibregiment und eine Guitarre dazu. Nach’m Eſſen wieder Kaffee mit Eierweckeln und Brat - würſteln und Käs Schlipperment da kommt der Muzl!

14210
Muzl
(nürzt herein).

Alles geht gut, Casperl. Du mußt als Graf Carabas augenblicklich beim Herzog eine Aufwart - ung machen. Jch werd gleich wieder einige Reb - hühner und Kaninchen fangen, damit du ſie dem Herzog offeriren kannſt.

Casperl.

Na ich hab weiter keine Aengſten. So eine Aufwartung is kein Gſpaß.

Muzl.

Ei was! Es gibt nichts leichteres auf der Welt. Wenn dich der Herzog fragt, ſo ſage nur immer Ja zu Allem und red nur auch recht Viel von dir ſelbſt; mach Etwas aus dir.

Casperl.

Wenn ich aber nix bin, was kann ich aus mir machen?

Muzl.

Da mach’s nur wie andere Leute. Jch habe auch dafür geſorgt, daß wenn der Herzog ſpazieren fahrt in dieſer Gegend, die Bauern ſagen, es ſei Alles das Eigenthum des Grafen Carabas; und wenn ſie’s nicht ſagten, würden ſie alle vom Rie - ſen Lüpel gefreſſen.

211
Casperl
(affectirt.)

O Muzl! wölch ein Menſch biſt du! oder eigentlich vor der Hand noch katzengeſtaltiges Weſen höherer Art! Jch möchte dich umarmigen, allein ſo lange noch dieſes Thierfell deine ſchöne Söle umhüllt, grauſet mir vor deinen Krallen.

Muzl.

Schweig mit deinen Dummheiten und folge mir.

Duett.
Muzl.
Komm folge mir zu deinem Glück,
Dann löst ſich bald auch mein Geſchick.
Casperl.
Jch folge dir und bin bereit,
Gibt’s nur was Gut’s zu eſſen heut.
Muzl.
Miau, Miau!
Casperl.
Dem Glück ich trau!
Beide.
Miau, Miau, Miau, Miau!
(Beide ab.
(Es erhebt ſich ein Sturm.)
14*212
Rieſe Lüpel ſtürzt herein.
Lüpel.

Wo bleibt der Kerl mit der Antwort der Prin - zeſſin? Jch verſchmachte vor rieſenhafter Sehnſucht. Das Bedürfniß mich in den gemüthlichen Eheſtand zu begeben, läßt mir keine Ruhe. Jch will eine Familie begründen; das edle Geſchlecht der von Lüpel ſoll und darf nicht ausſterben. Jch bin der letzte dieſes Namens! Jch will eine Frau haben, ich will Kinder auf meinem Schooße wiegen! Jch will ein Familienleben haben, ich will Abends nicht mehr in’s Caffeehaus gehen; kurz ich will im vollen Sinne des Wortes ein Familienvater werden!

Gummielaſtiko
(tritt auf).

Erhabenſter Rieſe! Großer Mann! Sieh einen Unglücklichen vor dir. Alle meine Ueber - redungskunſt war vergeblich! Dein Brief wurde zurückgewieſen, wie die zarten Anträge, die er ent - hielt. Die große Jdee deiner Erhabenheit konnte und wollte nicht begriffen werden! Jch bin in Verzweiflung!

Lüpel.

Ha! Elender! dieß alſo die Dienſte, die du mir geleiſtet haſt! Dieß die Frucht meiner groß -213 artigen Unterſtützungen, die ich dir heimlich zu - fließen ließ? Dieß das Reſultat deiner elenden Spionage? Du ſollſt deinen Lohn haben!

Gummielaſtico.

Gnade, Gnade! es iſt noch nicht alles ver - loren! Eine Entführung will ich vorbereiten.

Lüpel.

Ha! was nützt mich eine Entführung, wenn mich die Entführte nicht mag? An dir wäre es geweſen, ihr Herz mir zuzuwenden. An deiner Beredſamkeit hat es gefehlt, an deiner diplomati - ſchen Gewandtheit. Oder vielleicht haſt du auch mich betrogen, wie den Herzog? Warte, Schuft! du ſollſt deiner Strafe nicht entgehen. Meine Rieſenfauſt wird dich zerknutſchen, daß du deine menſchliche Geſtalt verlierſt und eine ordinäre Gummielaſtikkugel wirſt, wie man ſie beim Drechs - ler Edel in der Weinſtraße kauft!

Gummielaſtico.

Gnade, Gnade!

Lüpel
(packt ihn und reißt ihn hinaus).

Keine Gnade ſondern nur Rache, Rache!

(ab mit Gummielaſtico)
(Man hört Gummielaſtico draußen ſchreien.)
214
Ein großer Gummielaſtikball hüpft herein und auf und ab; Lüpel ſpielt mit ihm.
Lüpel.

So, Kerl! jetzt biſt du in deiner wahren Ge - ſtalt! jetzt biſt du mein Spielball.

Muſik. Der Ball tanzt von Lüpel geworfen auf und ab.

Der Vorhang fällt.

III. Aufzug.

Saal im Pallaſte des Herzogs. Herzog. Casperl. Muzl.
Herzog.

Endlich alſo habe ich das Vergnügen Sie ken - nen zu lernen, lieber Graf.

Casperl
(zu Muzl.)

Was Schaf? ich bin ja kein Schaf, Muzl.

Muzl.

Graf ſagt er; du biſt ja der Graf Carabas.

Casperl
(wenn er mit dem Herzog redet immer in affectirtem Hochdeutſch.)

O ja, Excellenz Durchlaucht! obgleich bin ich der Graf Schnarabas und

Muzl
(zu Casperl.)

Carabas nicht Schnarabas!

Herzog.

Schnarabas? ich glaubte Carabas.

Casperl.

O ja, ſehr ja! allein meine Urahnen nannten216 ſich Schna - ihre Nachfolger Ca - rabas. Schna iſt eigentlich ſoviel wie Ca und Ca ſoviel wie Schna, drum ſagt man auch ſchnabuliren und nicht cabu - liren; denn ſchnabuliren kömmt von Schnabel.

Herzog.

Bravo, bravo! Sie ſcheinen ſich auch mit Sprachforſchung zu beſchäftigen, lieber Graf. Ha - ben Sie etwa Grimm ſtudirt?

Casperl
(wichtig.)

Das Grimmen habe ich ſchon öfters gehabt, allein ich habe es ſtets mehr als Bauchweh be - handelt.

Muzl
(ſtößt den Casperl.)

Casperl, du ſchwatzt dummes Zeug! nimm dich in Acht.

Casperl.

Oho, wär net übel?

Herzog.

Jch habe Sie nicht recht verſtanden, lieber Graf.

Casperl.

O das thut gar nichts! apropos! Jch habe Euer Durchſeichtigkeit durch dieſen meinen Leibjä - ger hier wieder einige Rebhennln in die Hofküche liefern laſſen. Haben dero ſchon davon genoſſen?

217
Herzog.

Trefflich, trefflich! Sie werden heute an meiner Tafel eine köſtliche Paſtete davon bekommen.

Casperl.
(vergißt ſich.)

Ah a Paſtet’n! das is a präch - tiger Fraß!

Muzl.

Casperl, paß auf.

Herzog.

Was, was? Fraß, Fraß? welch ein Aus - druck, lieber Graf?

Casperl.

Spaß, Spaß wollte ich ſagen.

Herzog.

Ah ſo! das iſt allerdings ein Spaß eine gute Paſtete; aber bei Jhrer Lebensweiſe, in Jhren Verhältniſſen wird Jhnen dieß etwas gewöhnliches fein; Sie müßen ungeheuere Beſitzungen ha - ben, lieber Carabas!

Muzl
(zu Casperl.)

Jetzt laſſe los!

Casperl.

No! und ob? Ungeheuer, ungeheuer! ich kenn mich eigentlich gar nicht drin aus.

218
Herzog.

Darf ich wohl fragen, wie hoch ſich durchſchnitt - lich Jhre jährlichen Renten belaufen?

Casperl.

Von Laufen iſt keine Rede. Wir ſitzen feſt!

Herzog.

Jch meine, wie viel Sie ungefährlich einnehmen.

Casperl.

Jch pflege des Jahres nur ein Mal einzu - nehmen und zwar, wie’s der Doctor haben will, im Frühling.

Muzl.

Aber Casperl!

Herzog.

Es iſt ſehr zweckmäßig die Geldeinnahme, wenn möglich, auf eine Periode zu beſchränken. Das Geſchäft wird dadurch vereinfacht. Aber warum brauchen Sie dazu die Anordnungen eines Doctors?

Muzl
(fur Casperl antwortend.)

Sr. Excellenz der Herr Eraf von Carabas ha - ben ſich auch zu der Finanzverwaltung einen rechts - kundigen Doctor angeſtellt.

Casperl
(wichtig.)

Ja, ja! mein Leibjäger hat ganz recht. Es is wirklich ſo. Jch kann die Ehre haben zu verſichern!

219
Herzog.

Nicht wahr? Sie beſitzen auch ſehr viele Schlößer.

Casperl.

Ja wohl, aber an jeder Thüre nur Eins.

Herzog.

Wie?

Muzl.

Aber Casperl! Schloßer, wo man drinnen wohnt.

Casperl.

Aha! o ja! für jede Jahrzeit. Jn Einem ſchlaf ich, im Andern wach ich auf, im Dritten leg ich mich nieder, wie’s eben mein plaisir iſt.

Herzog.

Und Jhre eigentliche Stammbeſitzung, wie heißt dieſe?

Casperl.

Da ich auch Waldbeſitzer bin, beſitze ich nicht nur Einen Stamm, ſondern ſehr viele.

Herzog.

Jhr Ahnenſchloß, meine ich.

Casperl
(wehmüthig.)

O, die Ahnungen! Ja die ſind oft furchtbar, wenn ſie ſich erfüllen. Auf jedem meiner Schlößer iſt auch eine Ahnfrau. Wenn mir etwas gutes220 bevorſteht, ſo ſchaut ſie in einer weißen Nachthau - ben aus dem Fenſter. Habe ich ein Unglück zu befürchten, ſo ſetzt ſie eine ſchwarze auf und wa - ckelt mit dem Kopf.

Herzog.

Fürchterlich! aber gerade ſolche Erſcheinungen bürgen für das Alter Jhres Geſchlechtes.

Casperl.

Mein Geſchlecht iſt eigentlich männlicher Natur.

Herzog.

Ohne Zweifel ſind Sie, lieber Graf, männlich und ehrenhaft, wie es einem Edelmann ziemt!

(Ein Lackei teitt ein.)
Lackei.

Ew. Durchlaucht die Tafel iſt ſervirt.

(ab.)
Herzog.

Lieber Graf, jetzt geh’n wir zur Tafel.

Casperl
(vergißt ſich.)

Juhe! jetzt gibts was z Eſſen! mich hungert ſchon lang!

Herzog.

Sie ſcheinen ſehr fröhlich geſtimmt, lieber Graf!

221
Casperl.

Was geſtimmt? Wär nit übel wenn ich gſtimmt wär! das verbitt ich mir!

Herzog.

Die Prinzeſſin wird mit uns ſpeiſen, lieber Carabas.

Casperl.

O ſehr! ſehr!

Herzog.

Kommen Sie!

Casperl.

Jch bin bereit und bei beſtem Appettit, wenn’s erlaubt iſt.

(Casperl und Herzog ab.)
Muzl
(allein.)

Während der Hoftafel werde ich mein Geſchäft mit dem Rieſen Lüpel abmachen. Da heißt’s aber laufen damit ich zu rechter Zeit wieder hier bin, um Casperl Nachricht zu bringen. Ewige Mächte ſteht mir bei! Meine Verbannungs - und Ver - wandlungszeit mag wohl abgelaufen ſein! Jch habe gelitten und gebüßt, hinlänglich. Lüpel ſoll nun meiner Schlauheit unterliegen und mein Zau - ber gelöst werden.

(ab.
222

Verwandlung.

Hof der Burg des Rieſen Lüpel.
Rieſe Lüpel
(im ubelſten Humor).

So gibt es denn keine Ehrlichkeit mehr auf Erden! Jch glaubte, daß dieſer elende Kerl von Gummielaſtico ein redlicher Menſch ſei, allein auch in ihm habe ich mich getäuſcht. Er war ein Schuft ſondergleichen. Darum habe ich ihn auch erdrückt. Er hat nichts Anderes verdient. Und nun ſchwör ich bei meinen edlen Ahnen, den Rieſen Ecke und Faſolt, bei meiner Frau Tante Rütze und bei den Onkeln Aſprian und Heime, die Prinzeſſin Roſa - linde muß mein werden; allein ſobald ich ſie mir geraubt, werde ich ſie auch erdrücken. Jch bin mit der ganzen Welt zerfallen; drum will ich meinen Rieſenhumor an ihr auslaſſen! Und habe ich Roſalinde zermalmt, ſo will ich ſie begraben und will ihr eine Todtenfeier halten. Meine Burg will ich anzünden, daß Alles in hellen Flammen auf - gehe und bei dem Rieſenfackelſchein will ich dieſen Ort der Erde verlaſſen und will zurückkehren in das Hünengebirg; aus den Felſen will ich mir eine Klauſe bauen auf dem höchſten Gipfel und223 will herabſchauen auf die Erbärmlichkeit der Men - ſchen und will hellauf lachen, daß es durch die Lüfte hinrollt wie Donner der Gewitter:

(es ktopft am Thore.)

Wer wagt es an meinem Thor zu pochen?

Muzl
(von Außen).

Einer, der dir dienen will, wie’s dir lieb iſt.

Lüpel.

Wieder Einer, der Lug und Trug im Sack hat.

Muzl
(iſt auf die Mauer geſtiegen.)

Den Menſchen willſt du nicht mehr trauen, ſo glaube an die Treue der Katze.

Lüpel.

Das iſt ſonderbar! Die Menſchen ſind Schufte! vielleicht ſind die Katzen ehrlich. Herab mit dir von der Mauer.

Muzl.

Thuſt du mir nichts zu Leid?

Lüpel.

Jch ſchwör’s und ſollte ich grimmig wie ein Löwe ſein.

Muzl
(lacht).

Ha ha! Der Löwe gehort zu meinem Ge -224 ſchlechte, der würde wohl ſeines Gleichen nichts anthun. Und du ein Löwe? ha ha!

Lüpel.

Wie? du glaubſt ich könnte kein Löwe ſein? Jch der ich die Gewalt habe, mich in alle Ge - ſtalten zu verwandeln.

Muzl.

Das möchte ich ſehen. Du lügſt Rieſe.

Lüpel.

Der Rieſe Lüpel lügt nicht. Sieh her.

(verwandelt ſich in einen Löwen.)
Muzl.

Das haſt du gut gemacht

(Lüpel brüllt wie ein Löwe.)

Oho! brülle nicht ſo, ich fürchte dich. Aber ſage: nun haſt du dich in das mächtigſte Thier der Erde verwandelt, das ziemt dem Rieſen; aber könnteſt du dich auch in der Geſtalt einer kleinen Maus zeigen?

(Lüpel brüllt.)

Die Geſtalt des Löwen iſt nicht überall brauch - bar. Als ſolcher könnteſt du nicht zur ſchönen Prinzeſſin Roſalinde kommen, ſie lief gleich davon; aber als ein niedliches Mäuschen könnteſt du durch jede Ritze der Mauer zu ihr gelangen. Warum225 iſt dir das nicht ſchon einmal eingefallen? Werde eine Maus und ich will dir den beſten Weg in das Gemach der Prinzeſſin zeigen.

(Lüpel brüllt und lacht, indem er ſich in eine Maus verwandelt.)

Bravo! bravo! du biſt wirklich ein gewaltiger Zauberer. Jch bin bereit dir zu dienen. Laß uns nun unſern Vertrag ſchließen.

(ſpringt von der Mauer herab, packt die Maus und frißt ſie.) Furchtbarer Donnerſchlag. Eine Stimme von oben ſpricht:

Der Zauber iſt gelöſt, vorbei der Strafe Zeit, Nun ſei fortan vom Katzenfell befreit. Denn Stolz und Hochmuth haſt du abgebüßt Jn niedriger Geſtalt. Nun ſei gegrüßt Jn menſchlicher Perſon als Katzengold; Das Schickſal hat vergeben iſt dir hold!

Donnerſchlag. Muzl verwandelt ſich in den Proſeſſor Katzengold.
Katzengold.

Jch danke dir, gerechte, ew’ge Macht, Daß ich befreit bin aus der thier’ſchen Nacht! Das Katzenfell hat mich gejuckt und ſehr gedrückt, Die Menſchenhaut nun wieder mich beglückt! Von nun aber will ich allen Hochmuth haſſen Und mich nur mit Beſcheidenheit befaſſen.

(Trompetenſtoß von Außen)

Aha! das wird Casperl ſein, der als Graf15226Carabas in ſein Schloß einzieht. Die Maus iſt verſchluckt und der Rieſe nicht mehr zu fürchten!

Die Muſik ſpielt einen feierlichen Marſch. Das Thor des Schloſſes öffnet ſich und auf goldenem Wagen von weißen Roſſen gezogen fährt Casperl mit Prinzeſſin Roſa - linde feierlich ein. Die phantaſtiſche Ausſchmückung des begleiten - den Zuges bleibt dem Regiſſeur überlaſſen.

Der Vorhang fällt.

Herbed, der vertriebene Prinz. Romantiſches Zauberſpiel in 3 Aufzügen.

[figure]
15 *

Perſonen.

  • Prinz Herbed von Allahbad.
  • Mobed,

    Magier, deſſen Erzieher.

  • Myrrha,

    Mobeds Tochter.

  • Moſchopulos,

    böſer Magier und Uſurpator.

  • Mebon,

    deſſen Diener.

  • Casperl Larifari,

    Schuhmacher in Allahbad.

  • Zwei türkiſche Sklavenhändler.
  • Genien, böſe Geiſter, Krieger und Volk.

I. Aufzug.

Höhle, bewohnbar eingerichtet, mit magiſchen Geräthſchaften.
Mobed, vorne in einem Buche ſtudierend. Prinz Herbed ſchläft auf einer mit einem Tigerfell bedeckten Erhöhung.
Mobed.

Jch les es in den Geſtirnen: bald wird die Zeit der Prüfung vorüber ſein. Die Sonne nähert ſich dem Jupiter, das Sternbild des Schützen ver - dunkelt. Armer Prinz! von königlicher Pracht warſt du als Kind umgeben; darben mußteſt du als Jüng - ling. Statt auf ſammtnen Kiſſen zu ruhen, haſt du in dieſer kalten Höhle einen harten Stein zum Ruhebett; ſtatt der köſtlichſten Kleider umhüllt dich ein Thierfell; nicht herrliche Speiſen nähren dich, die Frucht des Dattelbaums und der Trank aus der Quelle müßen dir genügen, kein golden Diadem ſchmückt deine Stirne! Edel biſt du und ſtark an Geiſt und Leib! Wohl denn; es iſt an der Zeit, daß ich dich aus deinem Traume wecke. Her - bed! Herbed!

230
Herbed.

Die Helle ſcheint mir ins Antlitz! Es iſt wohl ſpät lieber Mobed? Jch habe lang geſchlummert.

Mobed.

Längſt iſt die Nacht vergangen und die Sonne ſteht über den Bergen. Sei gegrüßt mein Sohn.

Herbed
(aufſtehend vom Lager.)

Jch träumte dieſe Nacht ſo lebhaft, als ſäh ich die Wirklichkeit. Ein Cherub führte mich in einen goldenen Tempel, nachdem er an deſſen Pforte ſchwarze böſe Geiſter bekämpft und beſiegt hatte. Er ſetzte mich auf einen diamantnen Thron und Völker huldigten mir. Da erwachte ich.

Mobed.

So erwache denn vollends!

Herbed.

Wie meinſt du dieß, theurer Vater?

Mobed.

Höre, und ſchenke mir deine ganze Aufmerk - ſamkeit in dieſer heiligen Stunde: Du trittſt heute in dein achtzehntes Lebensjahr und ich will dir nicht länger verſchweigen, was du einmal doch wiſſen mußt.

231
Herbed.

Deine Worte überraſchen und ergreifen mich. Rede, mein Vater. Jch will dir lauſchen, als ſeien deine Worte die heiligen Chöre der Engel, welche im Oſten den Aufgang der Sonne verkünden.

Mobed.

Eine lange Zeit iſt es, daß ich mit dir dieſe Höhle bewohne und ein Kindlein kaum zwei Jahre alt warſt du, als ich dich auf meinen Armen hie - her trug. Jn einer herrlichen Königsſtadt biſt du geboren nicht von niederer Abkunft, denn ver - nimm es du biſt eines Königs Sohn.

Herbed.

Jhr Götter! Jch eines Königs Sohn?

Mobed.

So iſt’s. Dein Vater beglückte ſeine Völker und ſeine Herrſchaft war reich an Segen; allein ein Unſtern wollte es, daß der böſe Magier Mo - ſchopulos ihn vom Throne ſtieß. Der gute König fiel im gerechten Kampfe, ſeinen Thron zu behaup - ten. Moſchopulos beſtieg ihn; ich war deines Va - ters Freund und Rathgeber und floh mit dir auf dieſe Jnſel, um dich vor dem Untergange zu retten.

232
Herbed.

Du alſo nicht mein Vater? und doch! du wardſt mir’s ja. Sieh mich hier dankend zu deinen - ßen.

(Er umklammert ſeine Kniee.)
Mobed.

Erhebe dich und laß dich an mein Herz drü - cken. Bald nach ſchweren Kämpfen vielleicht wird die Sonne deinen königlichen Scheitel beſtrah - len und dann bin ich dein Knecht!

Herbed.

O niemals, niemals! und wenn ich König der Könige würde immer werde ich dich als mei - nen weiſen Lehrer achten. Alles danke ich dir! nicht nur mein Leben, ſondern auch die Lehren der Weisheit, die du mir gabſt, und in deiner Nähe bin ich glücklich und zufrieden.

Mobed.

So bleibe den Lehren, die ich dir gab, treu. Höre nie die Stimme der Verführung, in was immer für einer Geſtalt ſie ſich dir auch nahen möge. Die Sterne haben es mir verkündigt, daß die Zeit deiner Dunkelheit bald abgelaufen ſei. Um jedoch volle Gewißheit zu erlangen, ob die Hülle233 jetzt gänzlich fallen ſoll, muß ich dich auf kurze Zeit verlaſſen. Jch muß mich in die Königsſtadt Allahbad begeben, aus der wir vertrieben wur - den; finde ich dort, was mir zu deiner Erhebung als König noch nothwendig iſt, ſo kehre ich zurück. Zunächſt iſt dein Planet noch von düſtren Schatten umhüllt, allein mit der Götter Hülfe werden ſie fallen und ich werde ſie durch meine Magie bewältigen.

Herbed.

Weh mir, daß du mich, wenn auch nur auf kurze Zeit, verlaſſen willſt!

Mobed.

Sei klug und ſtandhaft Lebe wohl!

Herbed.

Lebe wohl, theurer Mobed! o komme bald wieder!

Mobed.

Die Götter ſei’n mit dir! geleite mich noch an den Strand des Meeres, wo ein Schiff meiner harrt, von Fahrleuten bemannt, welchen du und dein Schickſal unbekannt ſind. Dann kehre in dieſe Höhle zurück und verlaße ſie und ihre nächſte Um - gebung nicht eher, bis ich wieder bei dir bin.

(Beide ab.)
(Moſchopulos erſcheint unter Flammen aus der Tiefe.)
234
Moſchopulos.

Die Geſtirne lügen, weiſer Magier! Noch iſt der Schütze da, deſſen Sternbild du verdunkelt wähnſt! Fluch dir und dem Prinzen! Fluch deiner Weis - heit! die Gewalt des Böſen ſoll auf Erden herr - ſchen. Darum habe ich geſiegt und nimmer ſollen Weisheit und Tugend triumphiren. Der Verſucher naht und Herbed muß erliegen. Auf! ihr hölli - ſchen Mächte, helft mir, wie bisher. Jhr böſen Geiſter, die ich durch meine ſchwarze Magie ge - bannt habe, umnebelt Herbed’s Sinne.

(Es donnert und häßliche Geſtalten und Erſcheinungen zeigen ſich, die aber bald wieder verſchwinden.) (Moſchopulos verſchwindet.)
Herbed
(kömmt zurück.)

Er iſt zu Schiff! So hat alſo das himm - liſche Traumbild nicht gelogen. Eine wunderbare Zukunft liegt vor mir. Wie von der Spitze eines Berges ſchaue ich hinab und im goldnen Sonnen - ſchimmer glänzend liegt ein reiches, üppiges Thal zu meinen Füßen mein Eigen: Jhr Götter ſchützt mich! ſchützt den weiſen Mobed!

(Moſchopulos in Geſtalt eines alten Anachereten erſcheint am Eingang der Höhle.)
Moſchopulos.

Unglücklicher Jüngling! Du beteſt für Deinen Feind!

235
Herbed.

Wer iſt hier?

Moſchopulos.

Jch bin es ein armer alter Mann.

(Er tritt näher.)
Herbed.

Noch keine menſchliche Seele fand den Weg in dieſen öden Pallaſt; wie kamſt Du hieher?

Moſchopulos.

Wenige Meilen von hier, in tiefſter Einſam - keit, mein Sohn, lebe ich als Anachoret der Wüſte ſeit mehr denn einem halben Jahrhundert. Jch habe Dich oft belauſcht, wie Du als Knabe am Ufer des Meeres mit Muſcheln ſpielteſt; oft habe ich Dir vom fernen Felſen aus zugeſchaut, wie Du als Jüngling mit ſicherem Speerwurfe den Tiger erlegt haſt. Jch liebte Dich; denn Dein Weſen ge - fiel mir. Dein Schickſal erregte meine Theilnahme und ſo wartete ich den Augenblick der Entfernung Mobed’s ab, um Dir meine Liebe nicht nur aus der Ferne zu bezeigen.

Herbed.

Und warum wollteſt Du aber Mobed’s Abwe - ſenheit benützen, um es zu thun? Haſt Du nicht236 gleiche Geſinnung mit ihm, da Du mir von Dei - ner Zuneigung ſprichſt?

Moſchopulos.

Jch? gleiche Geſinnung mit einem Verräther?

Herbed.

Frevle nicht! Tritt nicht feindlich in den Zau - berkreis, den Liebe und Dankbarkeit um mich ge - zogen haben.

Moſchopulos.

Du kennſt Mobed nur durch ihn ſelbſt, nicht durch fremdes Urtheil. Ein täuſchend Bild hat er Dir von ſich ſelbſt gemalt. Jch kann und will es Dir beweiſen.

Herbed.

Vergeblicher Verſuch wird es ſein, eine Schrift, die mit goldenen Buchſtaben in mein Herz ge - zeichnet iſt, zu verwiſchen.

Moſchopulos.

So höre mich an dann wirſt Du glauben und anderen Sinnes werden.

Herbed.

Niemals, niemals!

Moſchopulos.

Unter den Verräthern, die mit dem böſen Ma -237 gier Moſchopulos Deinen edlen Vater vom Throne verjagten, war auch Mobed. Er befreite Dich, nicht um Dich zu retten, ſondern um Dich der Treue eines Dieners zu entreißen, der Dich in Sicherheit bringen wollte. Schon hatte er ſelbſt den Dolch auf Dich armes Kind gezückt, als er in den Zügen des magiſchen Ringes, der an Deinem Hälslein hing und deſſen er ſich bemächtigen wollte, las, es erlöſche ſeine Wunderkraft mit Deinem Tode.

Herbed.

Es kann nicht alſo ſein! Du lügſt! Wozu all dieſe Liebe, an mir verſchwendet?

Moſchopulos.

Sieh, hier unter dem Felſen ruht ein Käſtchen, in welchem der Ring verborgen iſt. Hat Mobed Dir jemals von ihm Kunde gegeben?

Herbed.

Nein, niemals.

Moſchopulos.

Jch will Dir das Geheimniß zeigen.

(hebt einen Stein auf und nimmt aus der Verſenkung ein Köſtchen, aus welchem er einen Ring zieht.)

Dieß iſt der Ring der Weisheit und Macht, den eine mächtige Fee als Geſchenk in Deine238 Wiege gelegt hatte Mobed hätte ihn längſt be - nützt, allein erſt mit dem 18. Jahre Deines Lebens tritt ſeine Kraft in Wirkſamkeit. So hatte es die Fee beſtimmt, damit er nicht von dem unmänn - lichen Jünglinge etwa mißbraucht würde.

Herbed.

Und Mobed?

Moſchopulos.

Mobed eilt jetzt nach Allahbad, um ein ſiche - res Gefängniß für Dich zu ermitteln, wo Du, Bethörter, eingekerkert würdeſt, damit eben dieß Dein Leben, an welches die Kraft des Ringes ge - bunden iſt, erhalten werde.

Herbed.

Schändlich, wenn es ſo iſt! Aber ich ſtehe zwiſchen zwei mächtigen Gewalten, deren jede mich an ſich reißen will. Mobed’s theure Geſtalt die ſich mir bisher in der herrlichſten Verklärung ge - zeigt und Du, der Du in kluger Rede mir den Spiegel der Wirklichkeit zeigen willſt und Gewicht an Gewicht auf die Schale legteſt, die meine Liebe zu Mobed in ſchwarze Vergeſſenheit verſenken | ſoll! Wo finde ich die Wahrheit?

239
Moſchopulos.

Wohl nur in der Uebereinſtimmung der Dir dargelegten Umſtände. Warum hat Mobed Dir gerade heute nicht Alles geoffenbart? Warum er - wähnte er nicht des Ringes, wenn er ihn Dir auch nicht zu geben veranlaßt ſein mochte? Sind dieß nicht hinlängliche Beweiſe?

Herbed.

Aber, ſage, woher iſt Dir Alles bekannt! Könnteſt nicht Du ſelbſt ein Betrüger ſein, der ſich Geheimniſſe erſchlichen zu irgend Deinem Zwecke?

Moſchopulos.

So nimm den Ring hier, und prüfe die Wahrheit. Sowie er an Deinem Finger iſt, biſt Du der Weiſeſte auf Erden.

Herbed.

Es ſei! aber weh Dir, wenn Du mich ge - täuſcht haſt! Wehe Mobed, wenn er mich betrogen!

(Er nimmt den Ring und ſteckt ihn an ſeinen Finger.)
Donnerſchlag. Moſchopulos ſinkt vor ihm auf die Kniee. Rings - um erſcheinen Dämonen in Geſtalt von Sclaven und Sclavinnen. Genien umtanzen Herbed, Guirlanden ſchwingend, führen ihn auf einen goltenen Thron, der ſich aus der Erde erhoben hat, und krönen ihn mit einem ſtrahlenden Diademe.
240
Chor.

Heil Dir, Herbed, Heil Dir Meiſter, Dem Beherrſcher mächt’ger Geiſter, Der als eines Königs Sohn Herrlich pranget auf dem Thron.

Deine Feinde ſind erlegen, Die Dich ſtürzten ſo verwegen, Da des Rings geheime Macht Dich erhob zur alten Pracht

Hier ſind wir bereit erſchienen Dir als Selaven nun zu dienen, Deinem Winke, Deinem Wort; Sei uns König, ſei uns Hort!

Herbed
(ſtolz und hochmüthig).

Ja, es iſt die Wahrheit! Jch ſah’s dieſe Nacht im Traume! Wer Du immer ſeiſt, from - mer Einſiedler, Dir danke ich’s, daß ich der Lüge nicht erlegen bin. Ja! ich bin ein König! Jch fühle es: Weisheit iſt mein Erbtheil und zieret den Thron, den ich von meinem königlichen Vater geerbt, obgleich böſe Mächte mir ihn ſo lange vor - enthalten. Wehe aber dem Elenden, der mich in241 trügeriſchem Schlummer befangen hielt! Jhn zu - erſt treffe meine Rache als gerechte Strafe ſeines Frevels. Auf! auf! nach Allahbad in meine Königsſtadt folgt mir zu meinem feierlichen Ein - zuge.

(zu Moſchopulos)

Und Du, ſei fortan mein Freund, mein Rathgeber, bleibe mir zur Seite.

(ſteigt vom Throne herab.)
Mobed erſcheint, von einem weißen Adler durch die Luft getragen.
Mobed.

Halt ein, Bethörter! Verſchwindet ihr Ge - ſtalten der Lüge und des Trugs!

Ein Blitz fährt herab. Der Thron verſinkt, Alle verſchwinden, Her - bed ausgenommen.)
Herbed.

Wie? Du wagſt es, mich abermals von mei - nem Throne zu ſtürzen? Jſt des Verbrechens noch nicht genug, was du an mir und meinem Vater be - gangen haſt?

Mobed.

Armer, getäuſchter Herbed! Jch beklage dich. Der Ring, deſſen Wundermacht du ſegneſt, iſt dein Fluch! Sein geheimer Zauber bringt dem, der ihn am Finger trägt, das Unheil der Verblen - dung und des Hochmuths, nicht das Glück der Weisheit. Aus dem Gehirne der ſchwarzen Schlange16242Kaliga ſprang er, als der Befreier Krisna ihr den Kopf zertrat. Den Stolz haſt du durch dieſen Zauber gewonnen, der den erſten Menſchen geſtürzt hat, und nicht eher wirſt du von deinem Wahne geheilt, bis du dieſen Zauberring und mit ihm den Hochmuth freiwillig von dir wirfſt.

Herbed.

Jmmer zu! Lüge auf Lüge! Jn den Staub wirf dich, Elender, vor deinem Herrn und Ge - bieter! oder flieh mich, ehe mein gerechter Zorn dich ſtraft!

Mobed.

Ueber mich haſt du keine Gewalt, denn mein Zauberſtab iſt in den heiligen Gewäſſern der Lo - tosblume geweiht. Weiß und rein iſt die Quelle meiner Magie! O theurer Herbed! wie liebe ich dich! Entſage der trügeriſchen Macht des Ringes, den ich dir ſeiner Gefahr wegen verborgen hielt. Komm an mein väterliches Herz! Jetzt iſt noch Rettung möglich.

Herbed.

Spare deine heuchleriſchen Worte und überlaſſe mir jetzt den Schatz der Weisheit. Wie kannſt du glauben, daß ich einer Gewalt entſage, die mich243 zum Weiſeſten der Menſchen gemacht hat? Sollte ich ſo verblendet ſein?

Mobed.

Ja, du biſt verblendet, Unglücklicher! Du eilſt in dein Verderben! Entſage, ich beſchwöre dich! wo nicht, ſo magſt du den herben Schmerzensweg gehen, um endlich zur Erkenntniß zu gelangen, daß du ein Thor warſt.

Herbed.

Jmmerhin! deiner Lehren bedarf ich nicht, Ver - räther.

Mobed.

So ſei es, weil du es ſelbſt willſt. Möge der Tag kommen, an welchem du den Ring ſelber von dir wirfſt!

(den Zauberſtab erhebend.)
Verſinke denn im Hochmuthswahn,
Zu wandeln eine Schmerzensbahn,
Bis aus der Nacht, der du ergeben,
Du endlich mögeſt dich erheben.
Herbed.

Weh! mir ſchwinden die Sinne!

(Er ſinkt zuſammen.)

Der Vorhang fällt.

16*

II. Aufzug.

Platz in Allahbad. Der königliche Pallaſt.

Herbed
(tritt ein.)

So bin ich denn hier in den Mauern der - nigsſtadt. Ein armer Wanderer ſtehe ich vor den Pforten meines Pallaſtes, unerkannt noch, ein Fremdling; allein bald werde ich erkannt ſein und die Weisheit wird auf dem Thron erhoben werden. Vergebens waren die ſchändlichen Beſtrebungen meiner Feinde. Der Ring ſchützt mich und wie der Schimmer von deſſen leuchtendem Steine mir entgegenglänzt, ſo werde ich auch in königlichem Schmucke herniederſtrahlen und alle Völker werden vor mir im Staube liegen. Und nun will ich an die Pforte des Pallaſtes pochen, der mich bald als ſeinen Herrn aufnehmen ſoll.

(Er pocht an die Pforte.)
(Von zwei Kriegern begleitet tritt Mebon heraus.)
Mebon.

Wer klopft an des Königs Haus?

Herbed.

Der König iſt es ſelbſt.

245
Mebon.

Der König? Du magſt ein König ſein; allein hier herrſcheſt Du nicht.

Herbed.

Jch weiß es, daß ein Betrüger ſich der könig - lichen Gewalt bemächtiget hat; ich weiß es, daß der Verräther Moſchopulos auf dem Throne ſitzt.

Mebon.

Wer wagt es, ſolch eine Sprache zu führen? Weh Dir! Entferne Dich, oder ich laſſe Dich von der Wache ergreifen und Deinen Frevel züchtigen.

Herbed.

Erkenne mich! ich bin Herbed, eures vertrie - benen Königs Sohn. Ja, ich bin der weiſe Herbed.

Mebon.

Ein Betrüger biſt Du; denn Herbed iſt längſt todt.

Herbed.

Er lebt! Er lebt, um wieder in ſeine Rechte zu treten!

Mebon.

Narren muß man unſchädlich machen. Wachen, ergreift ihn!

(Die Wache tritt gegen Herbed.)
246
Herbed.

Zurück, ihr Sklaven, berührt mich nicht!

Mebon.

Fort mit Dir!

Herbed.

Wenn ich denn der Gewalt weichen muß, ſo führt mich zu Moſchopulos.

Mebon.

Feßelt ihn!

(Die Wache bindet ihm die Hände. Alle ab in den Pallaſt.)
Casperl
(ein paar Stiefel tragend, tritt auf).

Jetzt bin ich ſchon im Voraus überzogen, daß das ganze Publicus ungeheuer verwondert iſt, weil ich mich hier unter die Jndianer befind. Aber trotz aller Täuſchung, trotz aller Unharſchweinlich - keit, meine Herren und Damen, es iſt doch ſo. Das Mißgeſchick nicht das Geſchick einer Miß (denn ich bin keine) hat mich in dieſe alte Gegend verſchlagen, ich weiß gar nit wie? Das heißt: ich weiß ſchon wie? und das will ich Jhnen gleich verzählen, wenn’s auch e bißl langweilig ’raus kommt. Von Geburt war ich nehmlich gar Nix, als der Casperl Larifari; allein allmählig247 drohte die Cultur des modernen Zeitalters mich abzuſchaffen, ſo daß ich mir nix dir nix z’nach und z’nach verhungert und verdurſt wär; aber ſo was halt der Casperl nit aus. Pumps dich! war mein Entſchluß gefaßt und meine Faſſung ent - ſchloſſen. Die wirthshäusliche Bekanntſchaft mit einem gebildeten Schuſtergeſellen regte mich lebhaft an, trotz des Pechs, deſſen Umgang mir bevorſtand, trat ich in die ſtille Werkſtätte eines ſogenannten Schuſters; ich war Schuſterjunge und ſchwang mich

(er hüpſt ungeheuer in die Höhe)

bald zum Gſellen oder beſſer geſagt zum Jeſellen empor. Jetzt hat’s aber gheißen: Casperl auf d Wanderſchaft ja und denken’s Jhna nur, da bin ich halt alleweil gwandert und gwandert bis ich ganz aus der Zeit ’naus marſchirt bin zu die alten Jndia - ner, und jetzt bin ich nach Erlangung einer per - ſönlichen Conzeſſion ohne Beeinträchtigung der hier zunftmäßigen Sandalienmacher gewichster Schuh - und Stiefelmacher und zwar königlich indianiſcher Hoflivreeſchuſter, inſoferne ich der Dienerſchaft Sr. Majeſtät des Königs Schomopulus Juchten - und andere Stiefel zu fabriciren die Oehre habe.

(Athmet aus)

So jetzt wiſſens mein Lebensgſchicht für248 heut, mit Reſpect zu melden. Jn dieſem Augen - blick bring ich dem Herrn Leibkutſcher, der mit die vier Leiblöwen vom Bock aus fahrt, ein niglnagl - nuglneues Paar Kappenſtiefel. Wer lauft denn da her auf mich?

Myrrha
(ſtürzt ſich ihm zu Füßen).

Rette mich, Unbekannter, wenn Du Erbarmen haſt!

Casperl.

Wa was wär denn das? Was woll’n S denn, Mamſell?

Myrrha.

Sieh dort, die zwei Elenden, welche mich ver - folgen. Sie haben mich geraubt und wollen mich nun auf den Sclavenmarkt bringen, um mich zu verkaufen.

Casperl.

Ha! was! Du, eine Gſchlavin? Nein!

Zwei Türken treten raſch ein.
Erſter Türk.

Wart, Katze, wir kriegen Dich ſchon wieder!

Zweiter Türk.

Her zu uns, Du gehörſt uns.

Casperl.

Oho, das wär nit übel. Geſtohln’s Gut!

249
Erſter Türk.

Gib ſie los, oder Du fallſt unter meinem Dolche!

Myrrha
(zu Casperl beiſeite).

Sag ihnen, Du wolleſt mich als Sclavin kaufen.

Casperl
(vornehm).

Was koſtet dieſe Geſchlavin? Jch will ſie kaufen.

Zweiter Türk.

Wenn Du gut bezahlſt, ſoll ſie Dein ſein.

(zum erſten Türken)

’S iſt beſſer wir verkaufen ſie gleich.

Erſter Türk.

Gib 100 Piaſter und Du ſollſt ſie haben.

Casperl.

100 Pflaſter? Jch bin ja kein Bader, der mit Pflaſter handelt.

Myrrha.

O ſage ja, damit ich gerettet ſei.

Casperl.

Alſo Ja! 100 Pflaſter. Jn einer Stund könnt Jhr’s bei mir abholen. Dort unten logir ich, ſchaut’s nur auf die Tafel an der Thür: königlicher Hoflivréeſchuhmachermoiſter. Jn meiner Behauſung werd ich Euch gehörig aus - zahlen.

250
Erſter Türk.

Gut! ’s iſt recht. Jn einer Stunde komme ich, die Bezahlung zu holen,

(beide Türken ab).
Myrrha.

Großmüthiger Menſchenfreund, nimm meinen Dank! Jch will Dir treu als Sclavin dienen, da Du mich vor dieſen Teufeln gerettet haſt.

Casperl.

Mir iſt’s recht. Jch habe ſo grad keine - chin. Kannſt du kochen?

Myrrha.

Jch will Dir Datteln in Cocusnusmilch be - reiten und rohe Feigen trocknen.

Casperl.

Was wär das? Hocuspocusmilch? Ohrfeigen? Kannſt du keine Bratwürſteln braten?

Myrrha.

Nimm mich nur mit Dir. Du ſollſt gewiß mit mir zufrieden ſein.

Casperl.

Ja, aber wer biſt du denn eigentlich?

Myrrha.

Dieß iſt ein Geheimniß; wenn ich aber ſehe,251 daß ich Dir Vertrauen ſchenken darf, ſo ſollſt Du es einmal erfahren.

Casperl.

Alſo komm, geheimnißvolle Perſon! Jch will dich in meinen Schuſter-Pallaſt führen. Die Stie - fel da kann ich dem Herrn Leibkutſcher ſpäter auch bringen.

(Beide ab.)

Verwandlung.

Gemach im königlichen Pallaſte. Moſchopulos mit Mebon eintretend.
Moſchopulos.

Er iſt alſo da, wie Du mir meldeſt?

Mebon.

Großer König, Dir zu dienen. An der Pforte, wo er als König Einlaß begehrte, ergriffen wir ihn.

Moſchopulos.

Mein Plan iſt gelungen. Jch habe Herbed hieher gelockt, trotzdem daß Mobed es vereiteln wollte. Der verhängnißvolle Ring ſteckt an ſeinem252 Finger und deſſen geheime Zaubergewalt umnebelt ſeine Sinne mit dem einfältigen Wahne, daß er der Weiſeſte auf Erden ſei und der Hochmuth wird ihn vollends ins Verderben ſtürzen.

Mebon.

Vor Allem muß Dir daran liegen, daß Herbed nicht zur Erkenntniß komme über die eigentliche Wirkung und Kraft des Ringes. Sollte er ihn von ſich werfen, ſo wärſt Du verloren und unſer Reich wäre hier zu Ende.

Moſchopulos.

Wer könnte ihn dazu veranlaſſen?

Mebon.

Mobed wird nicht ablaſſen, ihn auf gute Wege bringen zu wollen.

Moſchopulos.

Darüber befürchte ich nichts; denn eben der Wahn, in welchem Herbed durch des Ringes ge - heime Kraft befangen iſt, wird ihn hindern, auf den Ring zu verzichten. Jedenfalls aber will ich mich von Herbeds Zuſtand ſelbſt überzeugen. Laß ihn vor mich bringen.

(Mebon ab.)
253
Moſchopulos
(allein, kniet nieder).

O großer Rhabun, du, Onderah’s*)Ouderah die Finſterniß. Herrſcher, Der mit Moiſaſur du das Licht bekämpfteſt Dein Knecht erhebt die Hände zum Gebet: Laß mir die Macht, die ich erſtrebt, erhalten, Daß dieſes Reich mit allen ſeinen Völkern Der Hölle angehör, in der du throneſt. Verflucht hat Brahma dich zur ſchwarzen Nacht; Darum beſchütz uns, die wir dir gehören Und durch die Liſt ſchwarzer Magie verbreiten Dein Reich, um deine Macht nur zu vermehren. Was ſteht bevor mir nach der ird’ſchen Laufbahn, Als zu verſinken in die Nacht des Nark’s, Um tauſend mal viel tauſend Jahre wandernd Jn ſchmählichſter Umwandlung zu verkümmern. So laß für dieſe kurze Erdenzeit Mir den Genuß der Herrſchaft und der Freude! O großer Rhabun, höre mich! Ein Zeichen Gib, daß mein heißes Flehen du vernahmſt.

(Donner. Moſchopulos ſteht auf.)

Jch danke dir! des Donners mächtig Rollen Jſt deine Stimme, die jetzt zu mir ſprach!

(Mebon tritt ein, mit ihm der gefeßelte Herbed.)
Mebon.

Hier iſt der Fremdling großer König!

254
Moſchopulos.

Mebon entferne Dich!

(Mebon ab.)
(zu Herbed.)

Was ſuchſt Du hier?

Herbed.

Mein gutes Recht.

Moſchopulos.

Dein gutes Recht? und was iſt’s?

Herbed.

Allahbad’s Krone und Seepter.

Moſchopulos.

Nicht mehr als dieß? Wie beſcheiden!

Herbed.

Und wenn ich auch nicht des durch Dich ſelbſt geſtürzten Königes Sohn wäre, ſo müßte ich ſchon um meiner Weisheit willen der Herrſcher dieſes Reiches ſein.

Moſchopulos.

Glaubſt Du, daß Moſchopulos auch dem wei - ſeſten der Erde ſeinen Thron überlaſſen würde? Die Macht iſt das Recht und wer die Gewalt hat, weicht auch der Weisheit nicht.

Herbed.

Alle Gewalt und weltliche Macht ſchwindet; die Weisheit kehrt zu den Göttern.

255
Moſchopulos.

Und doch begehrſt Du weltliche Macht für Dich?

Herbed.

Weil ſie mein gerechtes Erbe iſt.

Moſchopulos.

Jch aber habe die Erbfolge umgeſtoßen, weil die Götter es wollten. Fort mit Dir! Pflege der Weisheit, belehre die Menſchen, wenn Du es ver - magſt, eines beſſern. Nähre Dich von Deiner Weis - heit wie das Murmelthier, das im Halbſchlafe das Fett aus den eignen Tatzen ſaugt.

Herbed.

Spotte wie Du willſt! Jmmerhin! ſo will ich gehen und geduldig harren, bis der Tag erſcheint, an welchem Herbed erkannt wird.

Moſchopulos.
(ruft)

Mebon!

(Mebon kömmt)

Entfeßle dieſen wei - ſen Thoren und gib ihm die Freiheit.

Mebon.

Wie Du befiehlſt, hoher Herr.

(Er entfeßelt Herbed.
Herbed.

Wohlan! wir ſehen uns wieder.

(geht ab.)
256
Mebon.

Aber warum, großer König, ließeſt Du ihn nicht tödten?

Moſchopulos.

Er ſoll leben! Noch war’s nicht an der Zeit, ihn zu vertilgen. Fürchte nichts! mich ſchützt Rha - bun, der finſtern Mächte Gebieter.

(ab mit Mebon.)

Verwandlung.

Schuhmacherwerkſtätte. Jm Vordergrund ein ſchlechtes Ruhbett. Casperl tritt mit Myrrha ein.
Casperl.

So, jetzt ſam mer z’Haus. Da drinnen iſt dein Stübl. Ein Strohſack von Palmblätter und eine Decken. Jetzt kannſt a bißl raſten. Du woißt, was ein Gſchlav oder eine Gſchlavin zu thun hat?

Myrrha.

Zu gehorchen.

Casperl.

Alſo erwarte meine weiteren Befehle. Jn der früh machſt du mir meinen Kaffee. Viel Kaffee257 und viel Rahm! nachher aufbetten, Zimmer putzen, auf’n Markt geh’n, ’s Fleiſch holen. Um 10 Uhr zwei Maß Bier und 12 paar Bratwürſt

(man hört Schritte)

Still, da hör ich was. Das könnt der Türk ſein, der ſein Geld will. Alſo marſch, gſchwind hinein!

(Myrrha ab.)
(Ein Türk tritt ein)
Türk.

Hier bin ich, jetzt bezahle?

Casperl.

Was? wer? wie? Jch bezahlen?

Türk.

Die 100 Piaſter, die Du mir für die Sklavin ſchuldeſt.

Casperl.

Was? ich ſchuldig? was geht mich die Gſchla - vin an? Jch weiß von keiner Gſchlavin nix!

Türk.

Wie kommſt Du mir vor? haſt Du mir nicht vor einer Stunde ein Mädchen abgekauft?

Casperl.

Jch? ja was wär denn das?

Türk.

Ja Du! um 100 Piaſter. Alſo zahle.

17258
Casperl.

Jetzt, weißt was, Türk? ich verbitt mir die Spaß da.

Türk.

Wie? Du willſt ſo unverſchämt ſein, es zu leugnen? her mit den Piaſtern, oder

Casperl.

Wart Kerl, Du ſollſt Dein Pflaſter haben.

(prügelt den Türken.)
Türk.

Unverſchämter, hör auf!

Casperl.

Nein, die 100 Pflaſter ſollſt Du haben!

(ſchlägt immer heftiger bis der Türke unter Geſchrei zu Boden fällt)

So, da liegt der Türk! Mir ſcheint er hat ſeine türkiſche Seele ausgehaucht. Um den conſtantino - politaniſchen Kerl iſt kein Schad. Naus damit!

(ſchiebt ihn zur Thüre hinaus)

der wird ſeinen Kamera - den nix davon ſagen, wie die Pflaſter gſchmeckt haben und kommt der andere, ſo mach ich ihm’s grad ſo. Gſchlavin! raus da, ’s is Zeit zum Kochen.

Myrrha
(kömmt.)

Hier bin ich, Herr; was befiehlſt Du?

Casperl.

Schlipperment nochemal! du gfallſt mir! Jch259 glaub immer, ich werde dir deine Gſchlavenketten in die Roſenguirlanden des öhlichen Bandes ver - wandeln.

Myrrha.

Deine Sklavin will ich ſein; aber nie werd ich Deine Gattin.

Casperl.

Wie? du niedrige Perſon lehnſt meinen Hei - rathsantrag ab? du verſchmähſt es, daß ich dich aus deiner erbärmlichen Stellung in die Lage einer bürgerlichen Schuhmachermeiſterin verſetzen will?

Myrrha.

Dringe nicht weiter in mich. Alle Deine Worte wären vergebens verſchwendet.

Casperl
(hochtragiſch)

Du ſtoßeſt mich von dir? Ha! ſo werde ich alſo nicht dein Gatte, aber dein Herr ſein und die ganze Wucht des Gſchlaventhumes ſoll auf dir laſten! Grauſam werde ich ſein; ſeckiren werd ich dich auf alle Arten bis du endlich ja ſagſt und ich dich nach Erlangung der Erlaubniß von Seite einer königlichen hohen Polizei - Direction die Moinige in höherem und bedeut - ungsvollerem Sinne nennen kann.

17*260
Myrrha.

Wie Du willſt! Du biſt der Herr ich die Sklavin.

Casperl.

So können dich auch meine Drohungen nicht bewegen? Wohlan! wonicht, woher, wohin, worauf es ſei. Du, meine Gſchlavin ich dein Herr und Gebieter! Ha! es ſei! Jch glaubte, daß du, wie jeder ordentlicher Dienſtbot, mehr auf gute Behandlung als auf guten Lohn ſiehſt allein ich habe mich getoiſcht. Du willſt es ſelbſt: alſo ſchlechte Behandlung und gar keinen Lohn! dieß wäre überhaupt mancher Herrſchaft am liebſten.

Jetzt aber muß ich meine Stiefel zum Leib - kutſcher hinein tragen, ſonſt verliere ich ſeine Kund - ſchaft. Einſtweilen ſperr die Thür von innen zu und ſchieb den Nachtriegel vor; denn es könnte der Türkl Nummero Zwei ſeine Pflaſter holen und dich bei der Gelegenheit wieder mitnehmen wollen.

(gebieteriſch)

Gſchlavin, gehorche!

(ab.)
Myrrha
(allein.)

Mein weiſer Vater hat es ſo gewollt; ich füge mich ſeinen Anordnungen; denn er will ja nur Gutes. Aus der ſtillen Hütte, wo ich bei meiner261 Pflegemutter am Ganges ſeit meiner Kindheit lebte, ſollte ich von den beiden Männer geraubt werden, um bei dieſem gemeinen Schuhmacher das Weitere zu erwarten, was über mich verfügt würde. Wie dem auch ſei, ich harre geduldig. Aber ich bin er - mattet von der Aufregung, von der Herzensangſt. Auf dieſem Lager will ich etwas ruhen.

(Sie legt ſich auf das Ruhebett.)

Jhr guten Götter be - ſchützt mich!

(Sie ſchläft ein.)
Unter ſanfter Muſik verhüllt ſich die Bühne mit Wolken; aus ihnen erſcheint im Hintergrunde Mobed. Er hält eine Roſe in der Hand.
Mobed.

Sie ſchlummert, ahnet nicht der Vaters Nähe; Mög ihr ein holder Traum den Schlaf verſüßen, Da Sorge nun bewegt ihr kindlich Herz. Jhr Götter! lenket gnädig mein Beginnen Und ſegnet der Magie geheime Kraft, Auf daß den dunklen Mächten zum Verderben Jch meinen Zauber euch zur Ehre übe.

(er tritt aus den Wolken an das Ruhebett.)

Erwache, Myrrha, ſieh hier deinen Vater!

Myrrha
(erwachend).

Mein Vater! Deiner Stimme holder Klang hat mich geweckt.

262
Mobed.

Jch weckte dich, liebe Tochter; denn raſchen Fluges enteilt die Zeit und wir müſſen ſie benützen.

Myrrha.

Sprich was ſoll ich hören? Was ſoll mit mir geſchehen?

Mobed.

Der arme Prinz Herbed wird heute noch dieß Haus betreten. Jch ſah dieß voraus und deßhalb veranlaßte ich ſelbſt deinen Raub und daß du hieher gebracht würdeſt. Er iſt durch den Zauber des Ringes, den ich ihm ſeiner verderblichen Ein - wirkung wegen vorenthielt und zu deſſen Beſitz er nur durch Moſchopulos Tücke gelangt iſt, verblen - det. Der Wahn angeblicher Weisheit hat ihn mit Stolz und Hochmuth erfüllt, während er nur durch Demuth zu ſeinem Ziele gelangt wäre; denn nur mit dieſer kann meine Magie vereint wirken. Jch hab nur Ein Mittel, das ich in dieſem Falle zu ſeinem Beſten anwenden kann. Sieh hier dieſe Roſe. Sie wuchs in meinem den Göttern geweih - ten Garten, in welchem ich den Strauch mit Brah - ma’s Segen gepflanzt. Jhr Duft verbreitet Liebe263 und Demuth. Nimm ſie und ſtecke ſie an deinen Buſen.

Myrrha.

Und was habe ich zu thun, wenn Herbed naht?

Mobed.

Die Roſe wird dir’s ſagen. Mehr brauchſt du nicht zu erfahren. Wenn aber Herbed den verhängnißvollen Ring einmal von ſich wirft, wird alles Räthſel ſchwinden. Leb wohl, geliebte Toch - ter! laſſe dich an mein Herz drücken! Bald ſehen wir uns wieder!

Myrrha.

O mein theurer Vater!

Mobed nähert ſich dem Hintergrunde und verſchwindet mit den Wolken, welche das Zimmer umhüllt hatten. (Werkſtatt wie vorher).
Casperl
(tritt ein.)

Schlipperment, da bin ich wieder. Die Stiefel ſind beim Herrn Leibkutſcher. Aber jetzt hungert’s und durſt’t’s mich. Geſchlavin, was haſt du mir ’kocht.

Myrrha.

Verzeih mir, Gebieter! Die Müdigkeit hat mich überwältigt. Jch bin eingeſchlummert und vor kurzem erſt wieder erwacht.

264
Casperl.

So? das iſt dein Dienſteifer? Die Gſchla - vin ſchlaft und der Herr darf hungern. Marſch hinaus in die Kuchl! Knödl will ich haben! Sauerkraut! Schlegelbraten! Bratwürſt! Rahm - ſtrudel! Zwetſchbendatſchi! fort aus meinen Augen!

Myrrha.

Jch gehe, wie Du befiehlſt; allein Alles was Du ſo eben genannt, iſt meinen Ohren neu!

Casperl.

Das macht nix! nur fort du, ſonſt vergeß ich mich in meiner Wuth und beiß dich ſelber an!

(Myrrha ab.)
Casperl
(allein.)

Das wär mir a ſauberer Dienſtbot! Nit amol von die Knödl weiß was. Schlipperment! in meiner Hühnerſteigen ſind ja noch a paar Jndian. Die muß ſie mir braten; nachher einen grünen Palm - blattlſalat dazu und eine ſaure Feigenſauce. Das muß ich ihr gleich ſagen.

(will hinaus; es pocht an der Thüre.)

No! No! wieder kein Ruh! kaum bin ich z Haus und will a bißl raſten, hat der Deixel ſcho wieder wem da. Schlipperdibix! wer iſt draußen?

265
Die Thüre geht auf. Herbed tritt ein.
Herbed.

Der weiſe Herbed ſucht ein Obdach.

Casperl.

Der weiße Herbed? Ja ſchwarz biſt freilich nit, ſonſt wärſt ein Mohr.

Herbed.

Gönne, daß ich dieſe Nacht unter Deinem Dache ruhe, und ich werde Dir’s königlich lohnen.

Casperl.

Oho! oho! Schon wieder eine neue Gſell - ſchaft! Jetzt hab ich erſt eine Gſchlavin ins Haus bekommen und da kommt noch ein Gaſt dazu.

Herbed.

Du wirſt Deine Gaſtfreundſchaft nicht zu be - reuen haben; denn wo die Weisheit einkehrt, da iſt auch die Huld der Götter.

Casperl.

Die Huld der Götter wird bald ſo gnädig ſein, daß ich ſelber Nix mehr zum Eſſen hab, wenn die Huld der Götter einem armen Schuſter, der ſich nit emal ein Gſellen halten kann, aller - hand Hungerleider in’s Haus ſchickt. Jch will von die Götter nix wiſſen, wenn ich nur was zum266 Eſſen und Trinken hab, nachher kann mir die Huld der Götter vom Leib bleiben. Hab’n Sie’s ghört, weißer Gaſt? Oder ſind Sie vielleicht ein wan - dernder Schuhmachergſell, der en Arbeit ſucht?

(Herbed hat ſich unterdeſſen auf das Ruhebett geſetzt

O, geniren S Jhnen nur net. Gleich nieder - gſeſſen! Soll ich wohl aufwarten mit Etwas, was Jhnen beſonders ſchmeckt?

Herbed.

Nichts verlange ich, als ein Obdach.

Casperl.

Ja, das iſt aber noch die Frag, ob ich’s Dach hergib? Raſten kann Er a bißl, aber nachher mach Er, daß Er ’nauskommt zum Tempel. Jch bin kein Wirthshaus. Einweilen werde ich ſup - piren, wie der Franzos ſagt.

(ruft hinaus)

Gſchlavin! mein Suppen!

(Myrrha tritt ein. Bei ihrem Anblick ſteht Herbed überraſcht und begeiſtert auf.)
Herbed.

Welche Erſcheinung! Mädchen, biſt Du eine himmliſche Bajadere? Ein ſüßer, wonniger Duft ſtrömt von Deinem Antlitz aus! Wie iſt mir? Laß mich zu Deinen Füßen niederſinken!

(Er eilt auf ſie zu und kniet vor ihr nieder.)
267
Casperl.

So? eine alte Bekanntſchaft vielleicht? brav, es kommt immer beſſer. Endlich krieg ich noch die ganze Verwandtſchaft in’s Haus.

Herbed.

Bei allen Göttern, wer biſt Du? ſag es mir, ehe ich in Deinem Anblick vergehe!

Myrrha.

Jch bin Myrrha, Mobed’s Tochter.

Herbed
(erſchüttert).

Mobed’s meines Verräthers Tochter? Weh mir! weh Dir!

(Er ſinkt bewußtlos zu Boden. Casperl fällt ebenfalls um.)

Der Vorhang fällt raſch.

III. Aufzug.

Dunkles Gemach, ſpärlich von einer Lampe er - hellt. Zaubergeräthſchaften. Am Fenſter ein Fernrohr, vor welchem Moſchopulos ſteht und beobachtet.
Moſchopulos.

Schon halb vergangen iſt die Nacht, die Sterne Verdunkeln vor des fernen Tages Grau’n. Wie iſt mir? mächtiger Rhabun! ich zittre; Ein unbekanntes Bangen will ergreifen Mich, einem Weibe gleich? Was ſoll’s? wohin Entflieht mein leuchtender Planet? Das Zeichen Des Schützen, den Mobed umdunkelt ſah, Wie er in ſeinem Fluche mir verkündet Fürwahr, ich ſelber ſeh’s in düſtrem Schein. Moſchopulos! pfui, ſchäme dich des Zweifels Am eig’nen Jch. Mit einmal ſollt’ſt du ſinken? Du ſollteſt untergehen im Glanz des Lebens? Und doch! es lügt der Hölle Macht! Ergeben Hab ich dem Böſen mich!

Rhabun, Rhabun!

269

Vernahm ich deinen Donner nicht, als betend Jch dich gerufen? Nun, wohlan, wenn du Nicht ſchützeſt, helfe mir was helfen mag.

(Sicht wieder durch den Tubus.)

Das Sternbild Herbed’s ſteigt im Oſten auf! Die Sterne lügen ſagt ich ſelbſt; ſo iſt’s. Sie lügen mir, ſo mag es dir auch gelten; Wenn dein Geſtirn dir freundlich ſchimmernd leuchtet, Will ich den ſchwarzen Schleier drüber ziehn! Wohlan! Herbed du fallſt, die Sterne lügen!

(zieht an einer Glocke.)
Mebon
(tritt ein)

Die Glocke rief: Was befiehlſt Du, Herr?

Moſchopulos

Jſt mein Befehl vollzogen?

Mebon.

Herbed liegt gefeſſelt im tiefſten Kerker. Wir hatten ſeinen Aufenthalt entdeckt. Bei einem armen Schuhmacher hatte er Obdach geſucht. Obgleich es geſtern noch nicht dein Wille war, ſo ließ ich ſeinen Schritten durch einen Sklaven folgen, um ſeine Spur nicht zu verlieren.

Moſchopulos.

Das war klug von dir. Kaum hatte ich ihm die Freiheit gegeben, ſo beobachtete ich drohende270 Zeichen am Himmel. Herbed muß ſterben. Jm Kerker ſoll ſein Haupt fallen. So lang der Ring an ſeiner Hand, hat auch Mobed keine Gewalt, ihn zu befreien. Zu meinen Füßen will ich Her - bed’s entſtellten Körper ſehen. Geh und bereite Alles vor.

(Mebon ab.)
Aus der Ferne erſchallt ein Geiſterchor.
Es ſchwindet die Nacht,
Das Morgenroth lacht;
Der Sonne zu weichen
Die Sterne erbleichen.
Die Wahrheit zieht ein
Jm goldenen Schein,
Und ſie zu verkünden
Die Flammen ſich zünden.
Es ſchwindet die Nacht,
Das Morgenroth lacht.
Moſchopulos.

Schon vernehm ich der Geiſter Chor, die den Morgen verkünden. Die Sonne geht blutroth auf! Ja, Herbeds Blut! Herbeds Blut verkündet ſie! Alles iſt noch ſtill; die Zinnen der fernen Berge beginnen ſich zu röthen. Ehe der Tag das Thal überſtrahlt, ſoll Herbed gefallen ſein!

(ab.)
271

Verwandlung.

Kerker.
Herbed
(liegt in Feſſeln)

So iſt denn überall Verrath! Selbſt in der armen Hütte, in der ich Obdach ſuchte, war ich vor ihm nicht geſichert. Wie auch könnte es anders ge - weſen ſein, da Mobeds Tochter, im trügeriſchen Schimmer mir erſchienen, wohl die Sklaven ge - rufen hatte, mich in den Kerker zu ſchleppen; denn kaum von ihrer Erſcheinung entzückt, aber getäuſcht, traten die Krieger ein, mich gefangen zu nehmen. Fürwahr, ich bin zum Unheil geboren! Meiner Jugend beraubt hatte ich nun gehofft, Verlorenes wieder zu erringen. Vergebens! Alles Täuſchung! Alles Betrug! Was ſoll nun mit mir ge - ſchehen? Was nützt mich die Weisheit, die ich durch dieſen Wunderring erlangt? Sie bleibt verkannt! Wo iſt jener Einſiedler, der mich aus Mobeds Gewalt befreit? Hat auch er gelogen? Fluch über ihn, wenn es ſo iſt! Soll ich an der ganzen Menſchheit verzweifeln? Wehe! Wehe!

(Die Thure des Kerkers öffnet ſich.)

Wer kömmt? Jch werde wohl zum Tod ge - führt werden.

272
Myrrha
(tritt ein.)

Jch bin es, Herbed.

Herbed.

Du, in der ich all meine Hoffnung, all meinen Troſt zu finden geglaubt? und auch Du haſt mich verrathen? Wie gelang es Dir in dieſen Kerker zu dringen? Allerdings kein Wunder, da Du mit dem Verrathe im Bunde biſt.

Myrrha.

O ſprich nicht ſo, Herbed! Du verkennſt mich.

Herbed.

Jch Dich verkennen? Wohl warſt Du mir wie ein helles Geſtirn in der dunklen Nacht mei - nes Lebens erſchienen; allein die Enttäuſchung folgte nur allzuſchnell!

Myrrha.

Die Enttäuſchung? Wer anklagt, der muß auch beweiſen!

Herbed.

Dieſe Mauern ſind es, die Dich anklagen; un - umſtößliche Beweiſe der Verrätherei.

Myrrha.

Du willſt der Weiſeſte ſein unter Allen, ſo bewähr es und laſſe Dich nicht vom Scheine blenden.

273
Herbed.

Erkläre Dich.

Myrrha.

Als Du wie entſeelt vor mir niedergeſunken warſt, traten die Häſcher, von Moſchopulos Dich zu fah’n ausgeſandt, ein. Jch wußte nichts von ihnen, bei allen Göttern! Als Du gefeſſelt fortge - führt wardſt, ſank ich vom tiefſten Schmerz er - griffen hin. Da kam mein Vater, Mobed

Herbed.

Nichts von ihm dem treuloſen!

Myrrha.

Er gab mir den Schlüßel zu der Pforte dieſes Kerkers und ſagte: Eile zu Herbed, ihn zu be - freien!

Herbed.

Wie? iſt es möglich? Mobed?

Myrrha.

Befreie Herbed aus ſeinen Feſſeln, ſprach er.

Herbed.

Er, der mit Moſchopulos vereint von meiner Kindheit an mein Feind war, hieß Dich, meine Ketten brechen?

18274
Myrrha.

So iſt’s. Allein nicht dieſe Feſſeln allein ſind es, die Herbed binden ſprach mein Vater; der Wahn iſt es, der ihn noch mehr kettet.

Herbed.

Täuſche mich nicht durch neues Blendwerk.

Myrrha.

Höre, theurer Herbed! (denn die Götter wiſſen es, daß Du meinem Herzen theuer biſt) höre und glaub es. Jener Einſiedler, der Dir den Zauber - ring gab, war Moſchopulos, welcher Dich der wei - ſen und liebenden Führung meines Vaters ent - reißen wollte. Es gelang ihm. Allzuſchnell gabſt Du ihm Gehör und den Ring am Finger ver - ſchmähteſt Du die wohlgemeinten Warnungen mei - nes Vaters.

Herbed.

Wenn ſich mein Herz auch zu Dir mächtig hin - gezogen fühlt, meine Weisheit täuſcht mich nicht. Sie hieß mich Deinen Vater erkennen, der mich nun durch Deine Reize mit neuen Vorſpiegelungen täuſchen will, um mich gänzlich zu vernichten.

Myrrha.

Sieh dieſe Roſe, deren Duft Dich entzückt hat es iſt die Roſe der Liebe und Demuth!

275
Herbed.

Der Blumen Duft betäubt! Unter Roſen lauern giftige Schlangen!

Myrrha.

Theurer Herbed, glaube mir! Wirf den ver - hängnißvollen Ring von Dir und Alles wird Dir klar werden, oder ſchenke mir ihn und ich will Dir die duftende Roſe dafür geben.

Herbed.

Nein und nimmermehr!

Myrrha.

Zögre nicht länger, Dich ſelbſt zu retten. Schon nahen Deine Henker.

Herbed.

Der Tod iſt mir willkommen.

(Die Kerkerthüre wird geöffnet.)
Myrrha.

So will ich Dich im letzten Augenblicke noch fragen. Eines verſprich mir: Wenn Dir der Tod gewiß, ſo ſchenke mir Deinen Ring.

Herbed.

Jch gelob es Dir.

18*276
Mebon.
(mit Kriegern, erſcheint an der Thür)

Herbed! Herbed! folge mir! Deine Zeit iſt ab - gelaufen.

Herbed.

Es ſei! Jch bin gefaßt. Myrrha, gib mir die Roſe, daß ihr Duft mich in dem letzten Augen - blicke meines Lebens noch erquicke.

Myrrha.

Nur gegen den Ring!

Herbed.

Du haſt Recht, Myrrha. Was ſoll er mir jetzt noch? Nimm ihn und reiche mir die Blume. Was nützt mich die Weisheit dieſes Lebens, wenn ich es verlaſſen ſoll.

(zieht den Ring vom Finger)

Hier iſt der Ring, gib mir die Roſe!

Myrrha
(ihm die Roſe reichend).

Die Götter ſei’n geprieſen! Jetzt haſt Du geſiegt!

Donnerſchlag. Die Kerkermauern ſtürzen ein. Verwandlung in einen romantiſchen Palmenhain, in deſſen Mitte ein phantaſtiſcher Tempel mit flammendem Altare; an ſeinen Stufen ſieht Mobed; ringsum Genien mit brennenden Fackeln.
Herbed.

Welch ein Wunder! Wie iſt mir? Myrrha! Mobed! Ein Strahl von Wonne durchzückt mich!

277
Mobed.

Ja, du haſt geſiegt, da du dem Ring entſagteſt!

Myrrha.

Jch ſchleudere ihn von mir!

(Sie wirft den Ring weg, der ſich in eine Schlange verwandelt Aus der Tiefe erſcheint unter Flammen Moſchopulos, welcher die Schlange erfaßt und mit ihr wieder verſinkt.)
Mobed.

Sieh, Herbed, wie der Ring zur Schlange ward Und mit Moſchopulos in Nacht verſank! Gerettet biſt du, König biſt du nun Von Allahbad! Dein Seepter ſei geſegnet!

(Er ſetzt Herbed ein goldenes Diadem auf.)

Rings nah’n zu huldigen dir die Völker, Ein milder Herrſcher ſei dem Vater gleich!

(Krieger und Volk ziehn ein, Palmen ſchwingend.)
Herbed
(Mobed umarmend).

Jetzt ſeh ich’s ein, daß du mir Vater warſt Und Vater, Mobed, ſollſt du mir auch bleiben. Myrrha ſei Königin, zur Braut erkoren Beſteige ſie mit mir den Königsthron: Und dieſe Roſe ſei fortan das Bild, Das meinem Königsſchild als Zierde diene, Und Lieb und Demuth ſeien die Deviſe, Die ſich Allahbads König hat gewählt.

(Er führt Myrrha zum Altare.)
278
Chor.

Heil Dir, Herbed, Heil Myrrha Dir! Vor Eurem Throne knieen wir. Die Wahrheit hat geſiegt, die Lüg entſchwand; Des Segens Sonne ſchütze dieſes Land!

Ein rother Schimmer überſtrahlt die Bühne während der Vorhang fällt.

Ende des Stückes.

Casperl als Garibaldi. Ein politiſches Trauerſpiel. Aus dem Jtalieniſchen überſetzt.

[figure]

Perſonen.

  • Salzmaier,

    Bürgermeiſter.

  • Spritzler,

    Rathſchreiber.

  • Casperl Larifari.
  • Margarethe,

    ſeine Frau.

  • Bock,

    Schneidermeiſter.

  • Zapfl,

    Wirth zum grünen Ochſen.

  • Jn der Ferne das Garibaldiſche Armeecorps.

Amtsſtube des Bürgermeiſters. Bürgermeiſter Salzmaier. Dann Spritzler.

Salzmaier
(am Arbeitstiſche ſitzend).

Spritzler! Spritzler! wo ſteckt Er wieder?

Spritzler
(Akten unter dem Arme).

Da bin, da bin ich, Herr Bürgermeiſter; hab nur in der Regiſtratur Etwas holen müſſen.

Salzmaier.

Flauſen, Flauſen! Jch kenne Seine Regiſtra - tur ſchon. Das iſt die Rathdienersſtuben unten bei der Weinflaſchen oder im grünen Ochſen drüben beim Bierkrug. Jch werde aber dem Miß - ſtand bald abhelfen. Der Rathdiener darf keinen Wein mehr abgeben aus ſeinem Keller. Wird mir das ganze Perſonale verdorben mit der beque - men Gelegenheit zum Frühſchöppeln. ’S iſt eine Schand! Schau Er ſich nur einmal in den Spie - gel. Vorigs Jahr war ſeine Naſen roth und heuer iſt ſie ſchon ganz violettblau Das wär mir eigent - lich ganz einerlei, ob Er eine rothe oder eine282 blaue Naſen hat; aber der Dienſt, der Dienſt leidet darunter.

Spritzler.

Herr Bürgermeiſter, da muß ich ſchon bitten. Was meine Amtspflicht betrifft, kann mir glaub ich kein reprement gemacht werden und die paar Tröpfeln Wein, die ich bisweilen zu meiner Magenſtärkung trink, brauchen S mir net vorzuhalten die zahl ich ſelber. Und wenn ich nicht wär, ſo ging gar nichts mehr zuſammen auf’m Rathhaus. Jch bin doch die Seel vom ganzen Collegium.

Salzmaier.

Oho, Moſſieur Spritzler! Das wär nicht übel! aufbegehren auch noch, wenn Jhm ſein Vor - ſtand, ich, der Bürgermeiſter eine Zurechtweiſ - ung gibt? Das verbitt ich mir ernſtlich! Ver - ſtanden, Moſſieur Spritzler? Vergeß Er Seine Stellung nicht.

Spritzler.

Die vergeß ich gwiß nit; aber ich hab eigent - lich gar keine rechte Stellung mehr. Vor lauter Schreiben und Sitzen ſeh ich bald ſelbſt wie eine verbogene Schreibfeder aus.

283
Salzmaier.

Still da; ich verbitt mir die witzigen Bemer - kungen, die nicht hiehergehören. Was ſoll ich nachher ſagen? Jch unterliege ja beinah meiner Würde und Bürde Auf mir ruht die ganze Laſt der ſtädtiſchen Angelegenheiten! Jch bin die Stütze des ganzen Gemeindecollegiums! Wenn ich nicht wär Doch genug. Wo iſt der heutige Einlauf? Nichts Neues? Keine Meldung?

Spritzler.

Der Schneidermeiſter Bock ſteht ſchon eine Stund draußen in der Rathsſtuben und wart’t auf’n Herrn Bürgermeiſter, weil er eine Anzeig zu machen hat.

Salzmaier.

Hab mich heut ein bißl verſchlafen. Was wird das wieder ſein? Gewiß wieder eine Klage wegen Gewerbsbeeinträchtigung oder ſo was zwieders.

Spritzler.

Ja, es könnt leicht ſo was ſein; denn die Schneider haben ſich ſchon lang beklagt, daß die Nahderinnen auf der Stöhr den Herren die Knöpf annähen, was nur der eigentlichen Schneiderzunft zuſteht.

284
Salzmaier.

Dem Spectakel wird bald abgeholfen werden. Haben wir nur einmal die Gewerbfreiheit. Jch wart ſchon lang auf die Einführung dieſes Fort - ſchrittes.

(für ſich.)

Mir ſchadt’s Nichts, denn mein Laden bleibt doch in Schwung, und die Magiſtrats - geſchäfte werden dann vermindert.

(zu ſpritzler)

Alſo, laß Er den Bock herein.

(Spritzler ab.)
Salzmaier.

Der Spritzler wird mir wirklich etwas zu üppig! Aber was will ich machen? Er iſt und bleibt doch meine rechte Hand, alſo muß ich ihm immer durch die Finger ſchau’n.

(Bock tritt ein)
Salzmaier.

Guten Morgen, Herr Schneidermeiſter! Was gibt’s? Womit kann ich aufwarten?

Bock.

Bitt unterthänigſt; von aufwarten iſt keine Red, Herr Bürgermeiſter, das wär meine Sach. Jch hab nur eine kleine Klag vorzubringen, wenn ich bitten dürfte.

Salzmaier.

Jmmer und immer Klagen! Nun, wo fehlt’s wieder?

285
Bock.

Herr Bürgermeiſter wiſſen ja, daß der Herr Casperl bei mir wohnt.

Salzmaier.

Ja, das weiß ich. Jm zweiten Stock.

Bock.

Geſtern war wieder ſo ein Spetakel, daß wir die halbe Nacht nicht hab’n ſchlafen konnen im erſten Stock.

Salzmaier.

Was Spectakel? Wie ſo?

Bock.

Der Herr Casperl iſt wieder nach 12 Uhr mit einem Rauſch heimkommen und hat ſeine Frau geprügelt. Das gſchieht alle Wochen ein paar Mal und meine Jnwohner haben mir ſchon gedroht, daß Alle ausziehn woll’n, wenn dem Unfug nicht abgeholfen wird.

Salzmaier.

Das iſt doch erſchrecklich mit dem Herrn Cas - perl! Von alle Seiten laufen Klagen und Be - ſchwerden gegen ihn ein. Ueberall macht er Spec - takel! Aus alle Wirthshäuſer werfen’s ’n ’naus. Vorige Woch hat er mit’m Nacht vachter grauft286 wegen der Polizeiſtund! Vorgeſtern hat er der Frau Obſtlerin das Standl umgworfen, daß alles Obſt in den Stadtbach gekugelt iſt.

Bock.

Ja und mir iſt er ſchon ſeit zwei Jahren den Hauszins ſchuldig und aufkündigen kann ich ihm auch nicht; denn da wär der Teufel los; meine Lehrbubn halten ſo zu ihm. Helfen’s mir, Herr Bürgermeiſter, ich bitt Jhnen um Gotteswillen.

Salzmaier.

Aha! jetzt iſt wieder die Behörde gut genug! Sonſt kann man nichts thun, als über ſie ſchim - pfen. Jetzt ſoll ich wieder helfen! Apropos! Sind meine Hoſen noch nicht fertig? und mein Gilet noch nicht ausgebeſſert?

Bock.

Heut früh hab ich’s der Frau Bürgermeiſterin eingeliefert. Vom Hoſenzeug iſt noch eine halbe Viertel Ellen übrig geblieben, da hab ich gleich dem Gilet damit das Rückblatt neu eingeſetzt.

Salzmaier.

Gut, gut und die Rechnung?

Bock.

Bitt unterthänigſt, das hat gute Weg. Der287 Herr Bürgermeiſter haben ohnedieß ſo viele Ge - fälligkeiten für mich Da woll’n wir nicht weiter davon reden.

Salzmaier.

Brav, brad! Jch bleib einſtweilen ihr Schuld - ner bis Mehr zuſammenkommt. Ja dem Herrn Casperl will ich aber gleich zu Leib ſteigen. Der Wirthſchaft muß ein End gemacht werden. Jch werd ihn gleich citiren laſſen.

(Klingelt.)
Spritzler
(tritt ein.)

Was befehlen der Herr Bürgermeiſter?

Salzmaier.

Spritzler! gleich zum Herrn Casperl ſchicken. Er ſoll in einer Stunde zu mir aufs Amt kommen.

Spritzler.

Soll gleich geſchehen.

(Bei Seite)

Auweh! Jetzt woll’ns mein guten Freund dazwiſchen nehmen!

(ab)
Salzmaier.

So, Herr Bock; jetzt geh’ns nur wieder nach Haus. Die Gſchicht ſoll bald bereinigt ſein. Gu - ten Morgen! Eine ſchöne Empfehlung an die Frau Schneidermeiſterin. Guten Morgen!

(ab.)
Bock
(allein)

Dießmal laß ich nimmer aus. Das wird mir288 zu arg mit der Bagage. Eingeſperrt muß er mir werden und da hilft Alles nichts; nachher hab ich doch auf einige Zeit wieder an Ruh!

(ab.)
Spritzler.

Beſtellt iſt er; aber zugleich aviso gegeben, was ’s bedeut. Jm Gegentheil ja im Gegen - theil! Ueber mein Freund Casperl laß ich nichts kommen. Der fidele Kerl! die treue Seel! da müß’n wir Etwas ausſtudieren miteinander, daß die bür - germeiſterliche Amtsthätigkeit einen Ableiter be - kommt und der Arm der Strafgewalt an der Exe - cution gehindert wird. Alſo ſei gſcheid, Spritzler! Nimm dein ganzen Kopf zuſammen.

Jetzt gſchwind zum Casperl in den grünen Ochſen, da werd ich ’n gwiß finden. Dort ſoll der Plan ausgedacht und abgemacht werden, bevor er zum Bürgermeiſter in’s Verhör kommt

(ab.)

Verwandlung.

Wirthsſtube im grünen Ochſen.
Zapfl.

Schon 10 Uhr, und noch kein Gaſt da? Net289 a mal der Casperl. Ja der muß halt ſein Rauſch von geſtern ausſchlafen. Der iſt mein beſte Kund - ſchaft. Aber nacher kommt gleich der Spritzler. Die ſaufen was z’ſamm! So jetzt hab ich grad noch Zeit zum Anzapfen und zum Waſſerſchütten. Das iſt noch a Glück, daß die Bräuer ſo a paſ - ſabl’s Bier machen; da leid’t ’s noch was für unſer Ein. Auf ein Emmer ſo a 12 Maßl Waſſer iſt grad recht. Das iſt meine Gäſt gſund, denn ſie kriegn kein Kopfweh, und mir thut’s auch gut. Jch muß doch mein erlaubten Profit haben!

Casperl
(traußen, ſingt.)
Zapfl.

Aha, jetzt kommt er ſchon!

Casperl
(tritt ein.)
Zapfl.

Bon jour, Mossieur Casperl. Warum ſo ſpät?

Casperl
(wichtig thuend.)

Ja, Freund meiner durſtigen Seele! die heu - tige Sonne iſt umnebelt und düſter aufgegangen.

Zapfl.

Ja, von deim geſtrigen Nebel, nit wahr?

19290
Casperl.

O nein, o nein, edler Zapfel und Zapfler. Ein furchtbares Geſchick hat beim erſten Sonnenſtrahl meine Stirne umwölkt.

Zapfl.

Sapperment, was muß das ſein, daß d ſo hoch - deutſch redſt?

Casperl.

Vor Allem eine Maß zur Stärkung meines erſchütterten Gemüths!

Zapfl.

Gleich bring ich ein Friſchangſtochenes!

Casperl
(tragiſch.)

O ja, ſteche an! Entwickle deine Berufsthätig - keit mit jener edlen Manneskraft, welche deiner würdig iſt, damit der ermattete Lebenswanderer ſich laben könne an der Quelle.

(Zapfl bringt Bier.)
Casperl.

Jn die Tiefe dieſes thurmartigen Gebäudes Maßkrug genannt will ich mich verſenken!

(in gewöhnlichem Tone)

Schlapperment, aber heut hab ich ſchon an Durſt, Zapfl! Jch glaub, weil ich291 geſtern z’weng trunken hab. Kurz und gut und gut und kurz, laß dir ſagen, Zapfl, ich muß nacher zum Bürgermeiſter nüber vermuthlich wegen meiner geſtrigen Aufregung. Jch hab nehmlich in meiner germaniſchen Begeiſterung wie ich z’Haus kommen bin mit meiner Grethl etwas zu vernehmlich dis - curirt. Sie ſprach wieder oder widerſprach, |was ich durchaus nicht dulde, beſonders wenn ich in einer exultirten Stimmung bin, und da gab Ein Wort das andere; ich ward heftig, ſie ward giftig, ich warntetete, ich drohtetete! endlich kam es zu Thätlichkeiten! Jch ließ meine männliche Autorität - ſchaft walten, Schlag auf Schlag; ſie fiel unter meinen Streichen. Dieſe häusliche Seene blieb aber nicht Privatangelegenheit; denn in Folge des Lärm’s wurde die unter mir ſchlummernde Bocks - familie veranlaßt, mit meinem Verhalten unzufrie - den zu ſein, und der Staatsbürger von Nadel und Faden, dieſe elende Schneiderſeele hat mich heut in aller früh ſchon beim Bürgermeiſter verklagt, in Folge welcher Renunziation ich amtlich kliſtirt wurde und mich in einer halben Stunde bei unſerm ſtädti - ſchen Tyrannen Salzmaier einzufinden habe. Jetzt haſt die ganze Gſchicht, Zapfl!

19 *292
Zapfl.

Alſo zitirt biſt worden? Aber daß ’d gar kein Ruh gibſt! alleweil Spetakel und alleweil Spetakel! nacher kann die Straf nit ausbleiben. Werd doch Einmal gſcheid!

Casperl.

Gſcheid? Ja was is denn gſcheid? Trinken oder nicht trinken? Trinkt der Menſch nix ſo verdurſt’t er; und das iſt doch nit gſcheid! und trinkt der Menſch, ſo hat er die Pflicht ſeinen Durſt zu löſchen; denn das gebietet die Selbſter - haltungsſchuldigkeit und das iſt gſcheid. Alſo ſoll beſonders ein Wirth oder Bierzapfler, wie du biſt, von einer ſolchen Gſcheidheit nit reden, ſonſt iſt er ſelber ein dummer Kerl.

Zapfl.

Jetzt haſt du wieder recht. Alſo ſei gſcheid und trink ſo viels d magſt.

Casperl.

Das Trinken iſt ein natürlichs Bedürfniß, ein Naturteieb, den der Menſch nicht unterdrucken ſoll. Hätt der Adam zur rechten Zeit ſein Durſt glöſcht, ſo hätt er gwiß nit in den ſauern Apfel bißen;293 denn wenn ich dein ſchlechts Bier trunken hab, ſo fallt’s mir gwiß nit ein, daß ich noch an Apfel .

Zapfl.

Du ſprichſt wie ein Buch.

(ſchaut zum Fenſter hinaus.)

Ah, da kommt der Spritzler. Sein rothe Naſen glänzt ſchon von weiten daher.

Casperl.

Bravo! aber jitzt Wirth entferne dich. Wir haben mitenand was abzmachen, was vor der Hand der ganzen Menſchheit noch ein Geheimniß bleiben ſoll. Alſo hinaus, Wirthsſeele! begib dich einſt - weilen in die Kuchel und beſorg mir ein dutzend Bratwürſt.

Spritzler
(tritt ein.)

Gſchwind eine Maß, Zapfl! dann entferne dich und laß uns zwei allein.

Zapfl
(bringt Bier.)

So da habn’s Eine, Herr Spritzler. Jch geh ſchon.

(ab.)
Spritzler.

Casperl! dir droht Gefahr!

Casperl.

Ha! Verrätherei oder was

294
Spritzler.

Eingſperrt ſollſt werd’n. Allein wir wollen dem Verhängniß zuvor kommen.

Casperl.

Wenn beſagte Einſperrung mit Waſſer und Brod verbunden iſt dann auweh! Sollte aber beſagte Einſperrung die gute Koſt nicht ausſchlie - ßen, ſo bin ich dabei.

Spritzler.

Du haſt das Aergſte zu befürchten; denn der Herr Bürgermeiſter iſt ungeheuer aufgebracht über dich. Alſo bleibt kein Rettungsmittel als Klugheit.

Casperl.

Was fangen wir an, Freund Spritzler?

Spritzler.

Jch hab mir ſchon was ausgedacht.

Casperl.

’Raus damit!

Spritzler.

Jch hab geſtern in der Zeitung gleſen, daß der Garibaldi ſchon gegen Tirol rausruckt. Des weißt, daß der Bürgermeiſter den Garibaldi wie ’n Teu - fel fürcht; ich werd eine telegraphiſche Depeſche er -295 finden, daß er ſchon an der Grenz ſteht mit 50000 Jtaliener und du mußt als Garibaldi einrucken.

Casperl.

Schlapperment, das iſt nit übel! Jch komm als Barigaldi mit 50000 Jtaliener! Und nach - her quartir ich mich beim Bürgermeiſter ſelber ein und laß mir auftiſchen, was mir ſchmeckt, und du darfſt mit mir eſſen und trinken.

Spritzler.

Nur klug und vorſichtig. Geh jetzt ’nüber in’s Verhör und thu nur recht lamentabel; ich komm nacher ſchon zur rechten Zeit dazwiſchen mit meiner Depeſchen.

Casperl.

Brav, ſo machen wir’s! Schlipperment, das gibt en Hauptgaudi. Das ganze Stadtl muß allarmirt werden, wenn ich mit meinem Sabel komm.

Spritzler.

Aber italieniſch mußt reden, ſonſt kennen’s dich ja an der Sprach.

Casperl.

Das verſteht ſich. Gib Acht, was ich daher296 welſchen werd. Jch hab ſo en alts italieniſch Sprachbüchl; in dem will ich a bißl ſtudiren.

Spritzler.

Gut! alſo fort zum Bürgermeiſter.

Casperl.

Zuvor noch eine Umarmung! Laß dich an meinen Freundesbuſom drücken. Ewig dein o o o!

(Beide ab.)

Verwandlung.

Amtsſtube des Bürgermeiſters. Salzmaier tritt mit Frau Margrethe ein.
Salzmaier.

Alſo wirklich, Madame Casperl?

Margrethe
(ſpricht manheimeriſch).

Ja werklich, Gſtreng Herr Börgermöſter. Er hat mer mein Buckel elend verkloppt, der Lumb. Es werd mer zu arg. Jch bitt Se um Gottes - wille; rangire Se mer’n nur tüchtig.

297
Salzmaier.

O da können’s überzeugt ſein, Madame Cas - perl, daß ihr ſauberer Herr Gemahl tüchtig her - gnommen wird. So en acht Tag bei ſchmaler Koſt Einſperren, das wird ihn ſchon auf eine gute Zeit lang mürb machen.

Margarethe.

Und denke Se ſich, Herr Börgermöſter: Ge - ſchimpft hat er mich ach noch. Aus die Prüchel wollt ich mer nix gemacht habe, denn die bin ich gewehnt, aber daß er mich en alde Schachtel gheiße hat, das is doch infam; net wahr Herr Börger - möſter?

Salzmaier.

Ei, das verſteht ſich. Das iſt ja gar keine Manier, Sie eine alte Schachtel zu heißen und Sie ſind doch noch ſo gut conſervirt für Jhr Alter.

Margarethe.

Ja was meene Se denn, daß Se mit meim Alter komme? Verzig Jahr, des is doch noch keen Alter. Aber Apropos, Herr Börgermöſter, wie ſteht’s denn mit der Politik? habe Se nix Neus gehört? denke Se nur: Grad ſecht mer die Frau Functionärin drüwe, daß in der Zeitung ſteht,298 der Garibaldi wär ſchon längſt in Neabel einge - rückt und jetzt rückt er immer näher und näher gege uns ’rauf, ſo daß mer keen Tag net ſicher wär, ob er net bei uns auch Spektakel mach.

Salzmaier.

Ha, ha, ha! da iſt nichts zu fürchten, liebe Madame Casperl; bis der zu uns kömmt, hat’s gute Wege, und von ſo einer nahen Gefahr habe ich in der Zeitung noch nichts geleſen.

Margrethe.

Es muß aber doch e Deuwelsborſch ſein, der Garibaldi; denn wo er nor immer erſcheint, da lauft Alles davon und er nimmt ja alle Städt und Poſte ein, ohne daß e Schlacht geliefert werd. Er ganz alleen, denke Se ſich, Herr Börgermöſter! Er alleen, höchſchſtens mit ſeem Adjütante!

Salzmaier.

Ha, ha, ha! Liebe Madame Casperl, die Po - litik iſt nicht die Sache der Frauen! Sein Sie ganz ruhig. Wir haben den Garibaldi nicht zu fürchten; aber das iſt nicht zu leugnen, daß ſeine Perſönlichkeit von großer Gewalt ſein muß; aber käm er nur einmal zu uns, wir wollten ihm ſchon den Weg weiter hinaus zeigen, dem Raubgeſellen,299 dem Schinderhannes, dem italieniſchen bayriſchen Hieſel!

Spritzler
(tritt ein.)

Herr Bürgermeiſter, der Casperl iſt zum Ver - hör da.

Salzmaier.

Gut, er ſoll hereinkommen. Gehen Sie einſt - weilen in mein Nebenzimmer, Madame Casperl.

(Margrethe ab.)
(Spritzler ab. Casperl kömmt herein.)
Casperl
(ſpricht ſehr hochdeutſch.)

Habe die Oehre, mich beim Herrn Burgermoi - ſter vorzuführen.

Salzmaier.

Jetzt iſt nicht die Red vom Vorführen, ſondern vom Aufführen, Monsieur Casperl. Was haben Sie wieder in vergangner Nacht angfangen.

Casperl.

O angefangen hab ich nichts; ich hab nur meine Gattin aufgfangen, wie ſie voll Zärtlichkeit in moine Armee gefallen iſt.

Salzmaier.

Keine Spaßetteln, Herr Casperl! Jch weiß Alles.

Casperl.

Wenn Sie Alles wiſſen, dann gebietet mir die300 Beſchoidenheit nichts mehr zu ſagen, weil Sie ſchon Alles wiſſen, was ich Jhnen zu ſagen Gelegenbeit zu ergreifen pflichtſchuldigſt aufgefordert werden hätte können ſollen oder haben, inſoferne die Pflicht des Staatsbürgers ſeiner vorgeſetzten Behörde die geeignete verantwortliche Aufklärung und Schuldig - keit keineswegs ſo und ſo oder auch nicht demun - erachtet gewißermaſſen, einerſeits oder andererartens, hinten oder vorn

Salzmaier.

Hören Sie auf mit Jhrem Unſinn! Man kann doch wirklich kein gſcheides Wort mit Jhnen reden.

Casperl
(fein und wichtigthuend.)

Wer nicht geſchoid iſt, kann auch nichts Ge - ſchoides reden. Nun iſt hier die Frage: Wollen Sie mit mir reden, oder ſoll ich mit Jhnen reden? Alſo, wer iſt eigentlich derjenige Welche?

Salzmaier.

Kurz, um zur Sache zu kommen. Die Be - ſchwerde des Schneidermeiſters Bock iſt conſtatirt, daß Sie ſich heute wieder des Vergehens der nächt - lichen Ruheſtörung ſchuldig gemacht haben.

301
Casperl.

Erlauben Sie, Herr Bürgermoiſter, daß ich mich über dieſen ſubtilen Punkt rechtfurtige und explucire?

Salzmaier.

Das wird eine ſaubere Rechtfertigung ſein. Alſo?

Casperl.

Erſtens iſt das ſchon eine Schand, daß ein Menſch Bock heißt und beſonders ein Schneider.

Zwoitens hat ſich ein Bock niemals zu beſchweren, weil ein Bock ein unvernünftiges Thier iſt.

Drittens was dieſer Bock contraſtirt hat, iſt eine Verläumdung, weil die Bocksfamilie im erſten Stock logirt und ich im zweiten; alſo können die Unten nicht wiſſen was oben gſchieht und

Viertens ſind alle Kühe in der Nacht ſchwarz, alſo kann von einer nächtlichen Betracht - ung oder Ruheſtörung keine Rede ſein und

Fünftens alſo bin ich unſchuldig und der Schneiderbock iſt ein elender Kerl, der einen kin - derloſen Familienvater in’s Unglück ſtürzen will.

Salzmaier.

Sind Sie fertig?

302
Casperl
(aroßartig.)

Ja ich bin fertig! Mein Gewiſſen ſchwoigt, mein Herz ſchlägt, mein Buſen wogt ich bin ein Mann, der ſoin Schickſal mit Ruhe erwartet wenn’s nit z’lang warten laßt.

Salzmaier.

Nun dieſes Jhr Schickſal wird ſein, daß ich Sie nach Paragraph 189 unſeres neuen Poli - zeiſtrafgeſetzbuches, welches noch nicht publicirt iſt, auf 8 Tage bei Waſſer und Brod einſperren laſſe.

Casperl.

Wie? noch nicht publixirt und nach dem Tele - graphen eingſperrt; das iſt eine ſchreiende Ungrech - tigkeit. Jch appelliriririr an das Schnappellations - gericht!

Salzmaier.

Sie haben ſich zu fügen.

(Lärm draußen.)

Was gibts da draußen?

(Madame Margrethe ſtürzt herein.)
Margrethe.

Der Garibaldi, der Garibaldi! Da hab mer’ſch! hab ich’s net gſogt? Jetzt ſimmer verlore!

303
Salzmaier.

S iſt nicht möglich! Da müßt ich ja doch etwas davon gewußt haben.

(Man hört trommeln)
Margrethe.

Höre Se? Da werd ſchon getrummelt! Er kommt, er kommt und 50000 Wälſche vor dem Thor.

Spritzler
(ſtürzt herein, ein Papier in der Hand).

Auweh, auweh, Herr Bürgermeiſter! der Gari - baldi kommt und frißt uns Alle!

Salzmaier.

Wie wär’s denn möglich? es iſt unglaublich!

Spritzler.

Da leſen’s ſelber den Quartierzettel.

Casperl.

Jch mach mich aus’n Staub.

(läuft hinaus.)
Salzmaier
(liest).

Quartier, mit Verpflegung bei Bürger - meiſter Salzmaier für Herrn General Gari - baldi.

Das General-Armee-Commando. Schrecklich, ſchrecklich! und trommelt hat’s auch304 ſchon, das ſind die Vorpoſten! fürchterlich! Was fang ich an? Rufts mir den Magiſtrat zuſammen! Sitzung halten! Beſchluß faſſen!

Spritzler.

Ja was wollen’s denn noch für einen Bſchluß faſſen, wenn der Wolf ſchon im Schafſtall iſt.

Margrethe.

Jch lauf zu meim Casperle! der muß mich bſchütze, wenn mich etwa der Moſſieur Garibaldi entführe will!

(ruft)

Casperl! Casperl!

(läuft hin - aus. Draußen ſchreit ſie furchtbar)

er kommt, er kommt!

Casperl als Garibaldi tritt heſtig ein. (Er hat eine große rothe Feder auf dem Hut, eine rothe breite Schärpe und einen ungeheuern Säbel.) Salzmaier und Spritzler fallen auf die Kniee.
Casperl.

Diavolo, diavolo! schlappermenlico!

Salzmaier.

Excellenz, Gnade, Gnade! Jch will Alles thun, was Euer Excellenz befehlen.

Casperl.

Mordelementico! Tambosi! Sabbadini!

Salzmaier.

O haben’s Erbarmen mit uns! Die Stadt liegt zu Jhren Füßen.

305
Casperl.

Italiano, Italiano teutscho!

Salzmaier.

Spritzler, helf Er mir doch! Er hat ja ein - mal italieniſch glernt.

Spritzler.

A bißl kann ich noch was. Jch muß halt den Dolmetſcher machen.

Casperl.

Dolpatscho, dolpatscho! Si, si, si signore. Mantschiare, Mantschiare, Sauſſere! Andiamo! presto!

Spritzler.

Herr Bürgermeiſter! er möcht was zum Eſſen und zum Trinken.

Salzmaier.

O mein Gott! was er grad will, wenn ich’s im Haus hab! Frag Er ihn nur, Spritzler.

Spritzler
(zu Casperl gewendet.)

Eccellenza! Cosa voulez vous?

Casperl.

Si, si, si; Salami, Maccaroni, Nierenbratl und Sauercrautico, Maraschino, Rossini, De - vecchi, Santini, Mazzini!

20306
Spritzler.

A Salamiwurſt und Maccaroninudel möcht er.

Salzmaier.

Das iſt gſcheid! das hab ich ohnedieß in meinem Laden. Gleich ſolln Euer Excellenz bedient ſein. Und was zu trinken?

Casperl.

Biro, Biro, molto Biro, Vino Burgundio! Caffé und Tschocolato! Potz Pallavicini und Ricciardelli!

Spritzler.

Richten, S nur ein paar Maß Bier und ein paar Flaſchen Wein unten her. Jch will’n der weil ſchon beruhigen

Salzmaier.

Gleich, gleich. Jch bin froh, daß ich ’naus komm.

(ab)
Spritzler.

Brav. Casperl, du haſt deine Sach gut ge - macht.

Casperl.

Jetzt kommt die Hauptſach! ’S Eſſen und’s Trinken.

(Margrethe ſchaut zur Thür herein.)
Margreth.

Herr Spritzler, um’s Gotteswille, mein Cas -307 perle iſt net zu Haus. Er werd’n doch net ſchon umgebracht habe, der Wüthrich.

Spritzler.

Ei bewahr! Kommen’s nur ein wenig herein. Der Herr von Garibaldi hat die Frauenzimmer recht gern.

(zu Casperl)

Du, das gibt ein Mordſpaß!

Margrethe.

Jch trau mer net! Ach, ich bin ſo verzagt. Aber e ſchöner Mann is er doch der Herr Gari - baldi.

(tritt ſchüchtern ein)
Casperl.

A madama, mamsella, bella mamsella!

Margrethe.

Jetzt ſagt er gar Mamſell zu mir. Das iſt en artiger Mann. Der glaubt ich ſei noch gar nit verheirath. Ei das laß ich mer gfalle.

Casperl.

Signora mamsella scharmanterl! Komm Sie er ſu mir.

Margrethe.

Der kann ja e bische deutſch auch. Ei wie lieb!

Spritzler.

Ja mit die Frauenzimmer ſpricht er alleweil deutſch. Das Frauenzimmerdeutſch verſteht er.

308
Casperl.

Sehr ſchön Mamſell, gib Sie mir Bussolo.

Margrethe.

Ach neen! jetzt will er gar e Küßche von mir! Aber ich ſchäm mich; wenn das der Casperl wüßt!

Spritzler.

Nur Courage, Madam Casperl. Bedenke Sie, daß es bei Jhnen liegt, den Wüthrich zu beſänf - tigen und vielleicht die Stadt dadurch vor ſeiner Grauſamkeit zu retten.

Margrethe.

Ja, als Opfer für’s Vaterland darf ich’s wohl riskire.

Casperl.

Riskiro, riskiro! Jk ab ſehr gern, die ſchön Mamſell, wie Sie. Davolo Schlappermentico!

Margrethe.

Ach, Herr von Garibaldi, Sie ſin wirklich all - zugütig. Mein Casperle hat mir noch kein ein - zig’s Mol gſagt, daß ich ſchön bin.

Casperl.

Casperlo, Casperlo? Was Casperlo? Jk bin jetzt der Casperlo von die Mamſella!

309
Salzmaier
(kömmt herein.)

Alles iſt bereit, wenn Seiner Excellenz jetzt zum Eſſen hinunter kommen wollen.

Casperl
(vergißt ſich).

Nix Bußl, alte Schartekn! Juhe!

Spritzler.

Eſel, was treibſt denn?

Casperl.

Ja ſo! Schlipperment! Mamsella bella, ik muß jetzt ſu die und Trink. Andiamo, andiamo!

(geht ab, die Uebrigen ebenfalls)
Schneider Bock
(tritt ein).

Das iſt doch ein Hauptſpitzbub, der Casperl! und der dumm Bürgermeiſter glaubt wirklich, daß er der Garibaldi iſt. Dem Spaß will ich bald ein End machen. Aha! da kommt der Bürgermeiſter.

Salzmaier
(tritt ein.)

Aber, Herr Schneidermeiſter? Gelt’n S? das malheur! Und einen Appetit hat der Kerl! Furchtbar, wie der ißt und trinkt. Jetzt hat er ſich kaum niedergſetzt, ſo war gleich eine Maß Bier drunten, das hätt ich gar nit geglaubt, daß die Jtaliener ſo ein Zug haben.

310
Bock.

Ja, Jtaliener! Merken S denn gar nichts, Herr Burgermeiſter? Das wär mir der rechte Ga - ribaldi, das. Der Casperl iſt’s, der Lump. Schau’n S’n nur recht an; aber vor lauter Angſt und Schrecken haben S gar keine Augen mehr ghabt.

Salzmaier.

Wie, was? der Casperl? nicht der Garibaldi? Da wär ich ja furchtbar blamirt!

Margrethe
(kömmt eiligſt.)

Das is ja zum Teufel hole, Herr Börger - möſter! Von eme Garibaldi iſt kein Red. Das is ja mein Casperle. Jch hab’n gleich erkannt, am Eſſe und Trinke, denn ſo wie mein Casperle kanns Keener! Gebe Se Acht! Jetzt kommt er gleich wieder herauf.

Casperl
(kömmt betrunken)

Schlipperdibix! Schlapperdibux! Juhe! Platz da, der Barigaldi!

(ſchlägt um ſich).
Salzmaier.

Elender Betrüger, du biſt erkannt!

Casperl.

Nix da! ich bin der Barigaldi! nix da!

311
Salzmaier.

Helfen S mir doch, Schneidermeiſter! helfen’s mir, daß wir den Kerl bändigen!

Casperl.

Jch bin der Barigaldi! Schlipperment! Platz da! Wein her, Bier her! Jch laß mich nicht ein - ſperren vom Burgermeiſter; ich bin der Barigaldi; ich friß euch Alle mit Haut und Haar auf! Potz tauſend Element! Assalini! Tamburini! Baccinetti! Massakrini! Rossini! Paccini! Minutti! Donner - wetter, ich ſchlag Alles zſamm!

Allgemeine Balgerei.
Der Vorhang fällt. Ende.

About this transcription

TextLustiges Komödienbüchlein
Author Franz von Pocci
Extent331 images; 40900 tokens; 8009 types; 272602 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationLustiges Komödienbüchlein Zweites Bändchen Franz von Pocci. . XVIII, 311 S. LentnerMünchen1861.

Identification

Staatsbibliothek München BSB München, Rar. 1384-2

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Drama; Belletristik; Drama; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:33:44Z
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ShelfmarkBSB München, Rar. 1384-2
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