PRIMS Full-text transcription (HTML)
Das deutſche Gaunerthum.
Dritter Theil.
Das Deutſche Gaunerthum
in ſeiner ſocial-politiſchen, literariſchen und linguiſtiſchen Ausbildung zu ſeinem heutigen Beſtande.
Mit zahlreichen Holzſchnitten.
Dritter Theil.
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Leipzig:F. A. Brockhaus. 1862.

Das Recht der Ueberſetzung dieſes Werks ins Engliſche, Franzöſiſche und andere fremde Sprachen behält ſich die Verlagshandlung vor.

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Vorwort zum dritten und vierten Theil.

Als der Verfaſſer gegen Ende des Jahres 1858 die beiden erſten Theile vom Deutſchen Gaunerthum herausgab, war es ſeine Abſicht, den dritten (linguiſtiſchen) Theil unmittelbar darauf erſcheinen zu laſſen. Lag es dabei in ſeinem Plane, eine aus - führlichere Unterſuchung erſt in ſpäterer Zeit folgen zu laſſen, ſo gab doch der Ernſt, mit welchem ſeine Arbeit aufgenommen wurde, ihm dringend zu bedenken, daß die in den beiden erſten Theilen gegebene Darſtellung immer nur für eine bröckelige und unfruchtbare Skizze gelten müſſe, wenn nicht eben der in der Sprache verkörperte Geiſt der vom Verfaſſer vorgeführten Erſchei - nung gerade auch im vollſten Ausdruck ſeiner rieſigen Größe und Gewalt, in der Sprache, erfaßt und dargeſtellt würde. Für jenen Ernſt und für die von ihm geſtellte Aufgabe reichte die damalige Arbeit des Verfaſſers nicht aus. Er mußte ſich zu einer durchaus neuen Arbeit entſchließen, um die ganze Breite und Tiefe des deutſchen Volksbodens bis in die fernſten und geheimſten Enden und Winkel hinein vor Augen zu legen und wenigſtens hinzuweiſen und hinzudeuten, wo überall im Volke und Volks - leben das Gaunerthum ſeinen Verſteck geſucht und gefunden hatte.

Konnte der Polizeimann hier nur der Führer in die dunkel - ſten Tiefen ſein, über welche der gewaltige Strom des buntenVI ſocialpolitiſchen Lebens hinrauſcht, ſo nahm die Ergründung und Ausforſchung dieſer unheimlichen Tiefen ebenſo ſehr den Linguiſten wie den Culturhiſtoriker, den Socialpolitiker und den Ethiker in Anſpruch. Wol erkannte der Verfaſſer die große, kaum überwind - lich ſcheinende Schwierigkeit der Aufgabe. Aber unabläſſig lockte und mahnte das breit und gewaltig dahinſtrömende Leben, zu unaufhaltſam trieben und drängten ihn die tagtäglichen Erfah - rungen des amtlichen Berufs: er tauchte in den tiefen Strom, und in ehrlicher, fleißiger Arbeit hat er aus der geheimnißvollen Tiefe das heraufgebracht, was er jetzt vor Augen legt.

Wie er nun dieſen großen wunderlichen, bunten Stoff be - wältigt und geordnet hat, darüber iſt der Verfaſſer eine kurze Rechenſchaft zu geben ſchuldig. Sobald er die eigenthümlich ver - ſetzte und verſchränkte Sprache des Verbrechens ſowol ihrem Stoff als auch ihrer Form nach weſentlich als deutſche Volks - ſprache erkannt hatte, glaubte er vor allem den Auslauf der deutſchen Sprache aus der Urſprache überhaupt und neben den verwandten. Sprachſtämmen ins Auge faſſen und die deutſche Sprache in ihrer volksthümlichen dialektiſchen Verbreiterung an - deutungsweiſe darſtellen zu müſſen, ehe ſelbſt nur eine Definition der Gaunerſprache gegeben und eine Unterſuchung der verſchiede - nen einſchlagenden und ähnlichen Benennungen angeſtellt wurde, nach deren Aufklärung erſt ein deutlicher Einblick in Weſen und Stoff der Gaunerſprache erreicht werden konnte. Nur erſt auf dieſer ſo geebneten Grundlage war es möglich, den durch viele Jahrhunderte hindurch in rieſigen Maſſen und in der bunteſten Durchmiſchung und Entſtellung aufeinander gehäuften und in ſteter Gährung bewegten, noch niemals bearbeiteten Stoff aus - einander zu breiten und nun erſt wieder ſeine vorläufige Son - derung in Hauptmaſſen zu unternehmen, um dann weiter in die Unterſuchung des Einzelnen vordringen zu können. Je ſchärfer das vorgefundene Exotiſche ſich in ſeiner Eigenthümlichkeit erhaltenVII hatte: deſto leichter gelang die Sonderung, ungeachtet die überaus laxe Hospitalität der deutſchen Gaunerſprache die Kritik ſehr er - ſchwerte. So konnte das Zigeuneriſche am behendeſten geſondert und lediglich auf die geläufigſte Vocabulatur beſchränkt werden. Ein Gleiches war der Fall bei den Wortzuthaten aus dem roma - niſchen und ſlawiſchen Sprachgebiet.

Schwieriger ſchon war es, durch die höchſt wunderlichen deutſchdialektiſchen Formen der Gaunerſprache ſich durchzufinden, nicht etwa, weil die außerordentlich verſchiedenen bunten deutſchen Volksdialekte ſchon an ſich nicht immer leicht zu erkennen und zu unterſcheiden ſind: ſondern weil die Gaunerſprache gefliſſentlich das entlegenſte und verſchiedenſte Dialektiſche im Einzelnen auſ - geleſen und zu ſeinen ſpecifiſchen Typen ſtatuirt hat. Jn dieſer Statuirung der einzelnen dialektiſchen Typen, welche, wenn auch allen deutſchen Provinzialismen entlehnt, doch gerade in der ſtrengen Auswahl und Beliebung beſchränkt erſcheinen könnte, liegt aber dennoch die größte Mannichfaltigkeit und der größte Reiz zur Unterſuchung. Der beſtändige, ungemein lebendige Wech - ſel lockt den kritiſchen Blick überall hin und winkt ihm aus allen, auch den entlegenſten Ecken und Enden des deutſchen Sprach - gebiets entgegen. Dabei tritt nun auch wieder die ſeltſame Eigenthümlichkeit hervor, daß das durch Convention aus den bun - teſten Stoffen zur Einheit zuſammen gezwungene Ganze im ein - zelnen Dialektiſchen bei ſeiner Verwendung am entlegenen Orte häufig einer topiſch-dialektiſchen Modulation unterworfen wird und dann ſogar auch beim weitern Umzuge andern neuen Mo - dulationen mehr oder minder verfällt. Dieſe Eigenthümlichkeit macht die Analyſe ungemein intereſſant, wenn auch oft ſehr ſchwierig. Schon Chriſtenſen’s natürliche und ungeſuchte Synony - mik (IV, 199 221) gibt ein intereſſantes Bild davon. So haben ſich in überraſchender Fülle, bald in reiner urſprünglicher Form, bald in mehr oder minder ſtarker Verfärbung und ModulationVIII eine Menge althochdeutſcher, altniederdeutſcher und mittelhochdeut - ſcher Wörter mit zum Theil nur wenig verſchobener Bedeutung in der deutſchen Gaunerſprache erhalten, und in dieſer oft über - raſchend treuen Bewahrung alter Formen blicken ſogar auch ein - zelne reine gothiſche Formen heraus, wie ſich z. B. der gothiſche Hauhns bis zur Stunde im vollen geläufigen Gaunergebrauch erhalten hat. Meiſtens nur in neuhochdeutſchen Wörtern tritt die Aehnlichkeit der deutſchen Gaunerſprache mit den romaniſchen Gaunerſprachen am ſchärfſten hervor, deren weſentlichſter Grund - zug nicht etwa die Modulation der Wurzelformen und Flexionen iſt, ſondern vorzugsweiſe die Verſchiebung der logiſchen Bedeutung zu frivolen Metaphern.

Einen ungemein reichen und durchaus eigenthümlichen Bei - ſatz hat aber die deutſche Gaunerſprache durch die jüdiſchdeutſche Sprache gewonnen, jene gewaltſame unnatürliche Zuſammen - ſchiebung indogermaniſcher und ſemitiſcher Sprachtypen, welche für alle Zeit als trübes Denkmal unmenſchlicher Verfolgung und Er - niedrigung des alten Gottesvolkes bleiben wird und welche ſo tief eingeätzt ſteht auf dem deutſchen Cultur - und Sprachboden, wie Blutſpuren auf einer Folterbank. Das in ſeiner Ausbildung fort - ſchreitende Gaunerthum fand bei ſeiner Verfolgung und bei ſeiner Flucht in die niedrigſten Volksſchichten das von der rohen allge - meinen Verachtung in ebendieſelbe niedrige Sphäre hinabgedrückte Volk der Juden und mit ihm das wunderliche Sprachgeſchiebe vor, deſſen exotiſche Stoffe und Formen es mit Begierde für ſeine geheime Kunſtſprache ausbeutete. Dieſes Judendeutſch mit ſeinen fremdartig erſcheinenden bunten Typen gewährte der deutſchen Gaunerſprache eine durchaus eigenthümliche Bereicherung, wie in keiner andern Volksſprache eine auch nur ähnliche Zuſammen - ſchiebung möglich werden konnte, ungeachtet ſeit dem 16. Jahr - hundert die eine entfernte Analogie darbietende maccaroniſche Poeſie von Jtalien her einen kurzen Umzug durch das romaniſcheIX Sprachgebiet hielt, auch einen kurzen Uebertritt nach Deutſchland unternahm, um bald ganz wieder zu verſchwinden.

Gerade aber auch die jüdiſchdeutſche Sprache war es, welche aus der jüdiſchen Kabbala eine nicht geringe Menge kabbaliſtiſcher Formen auf den deutſchen Sprachboden überführte, von denen die Gaunerſprache gleichfalls eine wenn auch weniger bedeutende, doch immer beachtenswerthe Zahl aufnahm. Wie die vielen eigen - thümlichen, ſehr oft phonetiſch belebten Abbreviaturen, verdienen dieſe wunderlichen Formen genaue Beachtung, da (und das iſt ganz beſonders bei den Abbreviaturen der Fall) eine nicht geringe Anzahl auf dem deutſchen Volksſprachboden ſich heimiſch gemacht hat, ſodaß ſie häufig ſogar aus deutſchen Wurzeln entſproſſen zu ſein ſcheinen. Jhre Kenntniß iſt um ſo wichtiger, als man nur mit ihr gerüſtet hier und da einen vereinzelten Schritt auf das unheimliche Gebiet der chriſtlichen Zaubermyſtik mit ihren unge - heuerlichen Formeln wagen darf, obgleich man auch gerade durch ſie ſelbſt die Ueberzeugung gewinnt, daß dieſe Myſtik und ihr Formelweſen für alle Zeiten ein wirres, düſteres Geheimniß bleiben wird und immer nur in einzelnen Bruchſtücken begriffen werden kann, welche überall aus dem ſocialpolitiſchen Leben herausragen, wie die noch rauchenden Trümmer einer weiten Brandſtätte, und welche das Gaunerthum zu ſeinen Zinken und betrügeriſchen Zauberformeln, die Politik aber zu ihrer geheimen Cabinets - und Polizeiſprache doch noch nutzbar zu machen verſtand.

Dieſer in nur dürrer Skizze angedeutete ungeheuere wirre, wüſte, ſeit vielen Jahrhunderten zuſammengehäufte, mitten in das Volksleben und tief unter deſſen Boden verſenkte, in fortwähren - der ungeregelter Bewegung durcheinander geſchobene und verſchüt - tete Stoff lag vor, noch niemals unterſucht, noch niemals be - arbeitet, nur von Pott in einzelnen hellen Hindeutungen hier und da beleuchtet, von jedem andern ſogenannten Bearbeiter aber blos noch mehr verwirrt und verdunkelt. Es war nicht möglichX dieſen Stoff in dem zuerſt beabſichtigten geringen Umfange eines einzigen Bandes zu bewältigen. Rieſengroß wuchs der Stoff unter den ordnenden Händen hervor: der Raum mußte vergrößert und das Ganze in mindeſtens zwei Bände vertheilt werden. Und doch iſt der Verfaſſer durch und durch unzufrieden, daß er überall ja nur Andeutungen geben und unzählig Vieles nicht ſo, wie er es wünſchte, ausarbeiten konnte. So muß er am Abſchluß ſeiner angeſtrengten Forſchungen die ganze Arbeit doch nur für den bloßen Ausdruck des dringenden Wunſches erkennen, daß das neugeöffnete Feld recht viele gründliche berufene Forſcher und Be - arbeiter finden möge!

Wie tief nun auch der Verfaſſer die Schwierigkeit der Aufgabe empfunden hatte, wie ſehr er auch von dem Gefühl gedrückt war, daß eines einzelnen Menſchen Kraft nicht ausreiche zu ihrer Löſung, ſo fühlte er doch mit dem bitterſten Ernſt den verwegenen Hohn und Uebermuth des alten Gaunerworts: daß die Welt untergehen werde, wenn die Laien die Gaunerſprache redeten . Der Polizeimann mußte tagaus tagein ſehen, wie das Gauner - thum das ganze Leben durchdrungen hatte und mit ſeinen Po - lypenarmen umklammert hielt; er mußte ſehen, wie es keinen Kreis, keine Gruppe im ſocialpolitiſchen Leben gab, wohin nicht das Gaunerthum gedrungen, hineingewirkt, wo es nicht ſeine Beute ſo ſicher gefaßt hätte wie ein Raubthier, das erſt mit ſeinem Opfer ſpielt, ehe es daſſelbe zerreißt und verſchlingt: er wagte es mit ſeiner vereinzelten ſchwachen Kraft, aber auch mit allen Opfern, die der Gelehrte nur bringen konnte in lang - jähriger treuer Arbeit! Mitten in den ernſten Sprachſtudien, die er, wenn auch einſtiger Schüler eines der beſten deutſchen Gym - naſien, des lübecker Katharineum, doch immer nur als Laie und ganz auf eigene Hand, machen und mit welchen er ſich vor die Kritik der größten Linguiſten der Welt, der deutſchen, wagen mußte, hat er beſtändig auf das Volk geſehen, auf den Volks -XI mund gelauſcht, aus dieſem ſeine ganze Grammatik ertönen hören und iſt ſo muthig weiter gedrungen, raſtlos forſchend, den Blick auf das ſchwere weite Ziel gerichtet.

Schon bei der erſten Vertheilung und Sichtung des Stoffs ſtellte ſich dem Verfaſſer ein ernſtes Bedenken entgegen, das aber auch ſehr raſch beſeitigt wurde: das Bedenken nämlich, ob die Behandlung der jüdiſchdeutſchen Sprache mitten in der Unterſuchung der Gaunerſprache zuläſſig ſei. Unbedingt mußte der Verfaſſer die Frage bejahen, ſobald er ſich ſelbſt über ſeine Aufgabe wie über das Judenthum klar geworden war, in welchem er den vieltauſendjährigen Grund erkannt hatte, auf welchem das Chriſtenthum aufgerichtet ſteht. Wenn nach andert - halbtauſendjähriger Hetzjagd des Judenvolks noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Begriffe Jude und Gauner als identiſch, ja ſogar der Jude als Gauner in höherer Potenz ſtatuirt, wenn daher ein eigenes jüdiſches Gaunerthum , eine eigene jüdiſche Gaunerſprache proclamirt werden konnte: dann half nichts ande - res, als die ganze wirre Maſſe zuſammen zu faſſen und zuſammen auszuglühen, um die verſchiedenen Stoffe wie in einem ſcharfen chemiſchen Proceß zu ſcheiden und zu ſondern. Dieſer ernſte Proceß war dem Verfaſſer nicht leicht gemacht. Nur erſt ein Jahr vor ſeinem Abgange zur Univerſität hatte er, ohne beſtimmten Zweck, bei einem alten wackern jüdiſchen Gelehrten Unterricht in der hebräiſchen Sprache genoſſen und nur den Bereschit mit ihm geleſen. Dies Wenige ward nebſt dem Studium aller bis dahin mit Luſt getriebenen alten und neuen Sprachen vernachläſſigt und das Hebräiſche am gründlichſten vergeſſen, ſobald der Verfaſſer auf der Univerſität lebhaft vom Studium der Rechtswiſſenſchaft ergriffen worden war. Dieſe Vernachläſſigung rächte ſich aber beſonders ſchwer, als er vor elf Jahren zum praktiſchen Polizei - mann berufen wurde und nun beim tiefern Studium der Gauner - ſprache die fremdartige Erſcheinung der jüdiſchdeutſchen Sprache ihmXII beſonders auffällig entgegentrat. Er mußte zwiefachen Fleiß auf die Wiedererlernung alles Vergeſſenen verwenden, und wenn die amtliche Tagesarbeit ſeine Kräfte vollauf in Anſpruch genommen hatte, in vielen langen Nächten Studien machen, von deren Ernſt und Umfang der Jnhalt dieſes Werks Zeugniß ablegen mag. Einen hohen Lohn fand er aber in den Reſultaten ſeiner Arbeit ſelbſt. Ueberall in den geheimnißvollſten Tiefen des deutſchen Volksbodens, ſelbſt im trübſten Pfuhl der Sünde und Schande, wohin ſich das Verbrechen verkrochen und er demſelben nachge - forſcht hatte, fand er doch tönendes Leben und in dieſem Leben das Volk, wenn auch vom ekeln Schlamm der Sünde beſchmuzt und vom entſetzlichen ſittlichen Elend inficirt, aber doch immer noch mit lebensfähiger und heilbarer Conſtitution, nur verlockt und verführt und vom Verführer umſtrickt gehalten!

Auch hier war der hiſtoriſche Faden das Knäuel, welches den Verfaſſer durch das unheimliche, wüſte, unbetretene Labyrinth der Sprache leitete. War der Faden in grauer Vergangenheit erſt feſtgeſchürzt, ſo ließ ſich an ihn alles anknüpfen, was in der wüſten Maſſe wirr durcheinander gezerrt und verſchlungen dalag. So konnte er an dieſen Faden alle die ſeltenen Schätze anreihen, die er ſeit Jahren mit unſaglicher Mühe und Geduld geſammelt hatte. So konnte er aus dem Geiſt und Leben des Volks die Klänge frei tönen laſſen, welche neben allen ſchrillen Tönen des Verbrechens doch auch wie die ganze mächtige geheimnißvolle Tonfülle auf alten Ruinen erklingen und die Erinnerung an die Vergangenheit wie die Ahnung der Zukunft in gleich geheimniß - voller Mächtigkeit wecken. So konnte die ganze hiſtoriſche Gram - matik ein lebendiger ganzer Klang und wieder auch ein Zeugniß von der ſchlichten ehrlichen Treue werden, mit welchem bis in dieſes Jahrhundert hinein hellblickende Regierungen und einzelne Gelehrte mindeſtens auf den tönenden Volksmund gelauſcht und die Töne fixirt hatten. So konnte eine Encyklopädie der mannich -XIII faltigſten Offenbarungen der verſchiedenen Jahrhunderte zuſammen - geſtellt werden, welche nur in ihrer Geſammtheit die Sprache und den Geiſt der gewaltigen Erſcheinung deutlich machen können.

Eine freudige Genugthuung hatte der Verfaſſer in der bei ſeinen Studien fortſchreitend ſich befeſtigenden Ueberzeugung, daß er mit vollem Fug die jüdiſchdeutſche Sprache als deutſches Eigenthum vindiciren und in der überaus reichen jüdiſchdeutſchen Literatur unſerer deutſchen Nationalliteratur einen integrirenden großen Theil zuweiſen konnte. Noch niemals war dies merkwür - dige zuſammengeſchobene Sprachgefüge unterſucht worden. Die Orientaliſten des 16. bis 18. Jahrhunderts in Deutſchland kann - ten trotz ihrer erſtaunlichen orientaliſchen Gelehrſamkeit ihre eigene deutſche Grammatik und Literatur nicht ausgiebig genug. Das von Juden auf deutſchem Boden geſchaffene merkwürdige Sprach - gefüge war aber durch das ganze deutſche Volk und deſſen Leben hindurchgerankt, hatte ſich dieſem Leben und ſeiner Sprache aufs innigſte angeſchloſſen und ſelbſt die deutſchen Sagenkreiſe durch - drungen, ſodaß die deutſchen Volksbücher in der That auch zu Volksbüchern der Juden wurden und daß z. B. der Wigalois im König Artis und ſein Hof und manche andere deutſche Sage den poetiſchen Bearbeiter im deutſchen Judenvolke finden konnte. Je mehr der Verfaſſer in die jüdiſchdeutſche Literatur hineindrang, deſto mehr wurde er vom Erſtaunen darüber ergriffen, daß dieſes in der jüdiſchdeutſchen Literatur klar und bündig vor Augen lie - gende Zeugniß vom deutſchen Leben der Juden auf deutſchem Boden den Orientaliſten früherer Jahrhunderte ſo ganz entgangen ſein konnte, daß ſie ſogar mit ihrer ungelenken Miſſionsliteratur den ſtolpernden Schritt auf das jüdiſchdeutſche Gebiet wie auf einen ganz exotiſchen Boden unternahmen, als ob der deutſche Boden dem Volke der Juden ein ganz und gar fremder, unbe - kannter ſei. Aber gerade in dieſer jüdiſchdeutſchen Literatur lag das weitgreifende hiſtoriſche Zeugniß vom deutſchen Leben des jüdiſchenXIV Volkes, welches trotz der abſoluteſten Verleugnung, trotz der un - menſchlichſten Verfolgung mit wunderbarer innerer Kraft feſthielt an dieſem Leben. Mit welchen Mühen und Opfern dieſe Literatur von den Juden gefördert wurde, das zeigt neben den vielen, mit wahrer Pracht gedruckten Werken auch wieder manches andere auf dem elendeſten grauen Papier, mit abgenutzten, oft aus weiter Ferne entliehenen Lettern, deren Druck nur mit Mühe geleſen werden kann. So wurden in dieſe wunderliche lebendige Volks - ſprachform auch die Bücher der Heiligen Schrift und der bedeu - tendſten Lehrer und Weiſen übertragen und mit jeder Uebertragung die Anerkennung und das tiefgewurzelte Bedürfniß deutſchen Lebens der Juden auf deutſchem Boden ausgeſprochen. Und dies wun - derbar reiche geiſtige Streben, Ringen, Wirken und Schaffen blieb Jahrhunderte lang unerkannt, unbeachtet! Kein deutſcher Culturhiſtoriker, kein Linguiſt, kein Socialpolitiker nahm irgend - welche Notiz davon!

Sobald der Verfaſſer in der deutſchen Volksſprache die Grund - lage für ſeine Forſchungen erkannt hatte, mußte er auch das bis dahin grammatiſch völlig unbearbeitete Judendeutſch näher durch - forſchen, ſoweit ſeine Kräfte dazu ausreichten. Seine Unter - ſuchungen mußten ganz aus ſeiner ſubjectiven Auffaſſung hervor - gehen. Er ſcheut es nicht, damit hervorzutreten. Ein neues unbebautes Feld öffnet ſich und bietet der weitern Forſchung viel Jntereſſantes und Wichtiges. Aus der grammatiſchen Dar - ſtellung ſelbſt wird man die Nothwendigkeit begreifen, daß zur vollſtändigen Erläuterung des Ganzen alle die mehr oder minder ähnlichen Zuſammenſchiebungen, Transpoſitionen und Spielereien vieler Sprachen, beſonders der deutſchen, ſogar bis in die kab - baliſtiſchen und chriſtlich-zaubermyſtiſchen Formeln hinein, andeu - tungsweiſe berührt und über die treubewahrten jüdiſchen Eigen - thümlichkeiten in Diction, Schrift, Zeitrechnung, Poeſie und Proſa u. ſ. w. Nachweiſe und Auskunft gegeben werden mußten. BeiXV Anlage der Grammatik ging der Verfaſſer von der Anſicht aus, daß die bloße Kenntniß der Quadratſchrift, der deutſchrabbiniſchen Schrift und der Currentſchrift (wie dieſe Th. III, S. 260 fg., er - läutert ſind) ſelbſt für den mit der hebräiſchen Sprache unbekann - ten Laien genüge, um das Judendeutſch fertig leſen und ſchreiben zu lernen, während die hebräiſchen Typen als bloße Vocabulatur aufgefaßt werden ſollten. Zur richtigen Erkennung der namentlich durch Präfixe und Suffixe veränderten Stammformen und ihrer dadurch veränderten logiſchen Bedeutung hat er nach dem Vor - gange Gottfried Selig’s, der freilich nur höchſt Kümmerliches und Verworrenes gibt, hier und da die nöthigen rudimentären Er - klärungen und Hinweiſe auf die hebräiſche Grammatik gegeben, mit denen er auch den Laien hinlänglich zurecht gewieſen zu haben hofft. An eine zuſammenhängende fortlaufende Vergleichung mit der hebräiſchen Grammatik konnte ſelbſtverſtändlich nicht gedacht werden.

Von demſelben Standpunkt ausgehend hat der Verfaſſer eine Chreſtomathie aus der jüdiſchdeutſchen Literatur ange - hängt, in welcher bei einzelnen Abſchnitten eine Jnterlinearüberſetzung beigefügt iſt, da er an ſich ſelbſt erfahren hat, wie raſch er nach der Jnterlinearüberſetzung der einzigen Seite 648 in J. Buxtorf’s Thesaurus (1663) das Leſen des Deutſchrabbiniſchen lernen konnte, Er glaubt dabei in den Augen des Kenners den richtigen Weg gewählt zu haben, wenn er mit der leichtern Quadratſchrift in neuhochdeutſcher Schreibung (Th. III, S. 435) den Anfang machte, dann ebenfalls in neuhochdeutſcher Schreibung das Deutſch - rabbiniſche gab, hierauf ſich zur alten deutſchrabbiniſchen Schreibung (S. 448) wandte und daran die currentſchriftlichen Proben an - ſchloß. Für die hier, ſoweit dem Verfaſſer bekannt, zum erſten male in größerm Zuſammenhange als Druckſchrift erſcheinende Currentſchrift war nirgends Literatur vorhanden. Der Verfaſſer hat daher aus den Maaſebüchern, dem Brantſpiegel u. ſ. w. dieXVI Uebertragung in die Currentſchrift, und zwar buchſtäblich genau nach der Schreibung des Originals, ſelbſt unternommen und für die neuere Schreibung mit Vocalzeichen oder mit Ligaturen (S. 532, 534) zwei Stücke aus Deecke’s meiſterhaft geſchriebenen Lübiſchen Geſchichten und Sagen in die Currentſchrift übertra - gen. Der beabſichtigte Abdruck jüdiſcher Volksgeſpräche aus dem Jüdiſchen Sprachmeiſter von 1742 (auf welche Th. III, S. 236 und 369 Bezug genommen) mußte ſchließlich unterbleiben, um den Umfang des ganzen Werks nicht allzu ſehr auszudehnen. Bei der hier nur beſchränkten Auswahl aus der reichen Literatur war nicht allein die grammatiſche und ſprachhiſtoriſche Rückſicht leitend, ſondern vor allem die Abſicht, neben den claſſiſchen Ueber - tragungen aus dem Jonah, der Mischnah und den trefflichen Pirke Abos auch die in den Maaſebüchern, Sitten - und Sage - büchern deponirte, treubewahrte volle Eigenthümlichkeit und den unwandelbar feſten Glauben an die alten Verheißungen des jüdi - ſchen Volks in ſeinem Leben auf deutſchem Volksboden darzu - ſtellen. Die nöthigen Erläuterungen ſchwieriger Ausdrücke ſind unter dem Texte in Noten beigegeben. Der Verfaſſer muß aus - drücklich betonen, daß überall in den Literaturproben die vollkom - mene Eigenthümlichkeit des Originals in Ausdruck und Schreibung ſtreng beibehalten iſt, ſelbſt wo ſie ungrammatiſch und fehlerhaft war, wie z. B. Th. III, S. 487 in der Ueberſchrift Bekehilla kodesch nach Schudt in deſſen Jüdiſchen Merkwürdigkeiten , Th. III, S. 63, Nr. 3. Nur ganz grobe, offenbar ſinnentſtellende Druck - fehler ſind berichtigt worden.

Ein drückender Mangel ſtellte ſich dem Verfaſſer dar im Ab - gange eines brauchbaren jüdiſchdeutſchen Wörterbuchs. Lange und ernſt hat er mit ſich gekämpft, ob er mit ſeinen geringen Sprach - kenntniſſen, die ja immer nur die eines Laien und Autodidakten bleiben, an eine ſo höchſt mühſame, ſchwierige und verantwortliche Arbeit ſich wagen dürfe, welche ſeine Kräfte, Zeit und GeduldXVII zu erſchöpfen drohte. Wenn er aber auf die alten, elend kümmer - lichen, perfiden und verlogenen Wörterbücher der getauften Jüden ſah, wenn er Callenberg’s dürftiges, bröckeliges Wörterbuch mit den vielen Druckfehlern, kümmerlichen Erläuterungen und großen Defecten für unzureichend erkennen mußte, wenn er die klägliche Kümmerlichkeit und heilloſe Verworrenheit und Jncorrectheit des mit Druckfehlern und Mängeln aller Art behafteten Selig’ſchen Wörterbuchs ſah und ſelbſt in dem beſten vorhandenen Wörter - buche, dem Prager Handbuch, große Mängel entdeckte und des - halb auch dies Buch nicht für ausreichend erachten konnte, ſo mußte er die Arbeit wagen, um für ſein Werk und für die wei - tere Forſchung einen feſtern Boden zu gewinnen. Die Arbeit war äußerſt ſchwierig. Wenn er auch Selig’s Wörterbuch und das Prager Handbuch dabei zu Grunde legte und namentlich auch wie jene bemüht war, die Wortfamilien unter dem Wurzel - oder Stammwort zu vereinigen, ſo galt es doch unendlich viel Falſches zu berichtigen, zu ergänzen und zu ordnen, wobei ſehr oft mit unglaublicher Geduld und Mühe nach einzelnen Wörtern im kleinen Literaturſchatze geſucht und viel verglichen werden mußte, um das richtige Verſtändniß zu finden. Manche treffliche Beihülfe ge - währten ihm Tendlau’s Jüdiſchdeutſche Sprüchwörter und Redens - arten , III, 90, welche aber erſt dann erſchienen waren, als der Verfaſſer ſein mühſeliges Werk vollendet hatte, ihm aber doch auch ſpät noch höchſt willkommen waren, um manche Lücke aus - zufüllen und manches zu ergänzen, wie die jedesmaligen Citate nachweiſen. Doch mag aber noch mancher Fehler, mancher Mangel zum Vorſchein kommen, welchen der Verfaſſer bei der faſt betäu - benden Reviſion des auch in typographiſcher Hinſicht von großen Schwierigkeiten begleitet geweſenen umfangreichen Werkes ſehr leicht überſehen haben mag. Unerlaßlich war es nun aber, auch beim Wörterbuch die geläufigſten Abbreviaturen zu erklären, ohne welche ein vollkommenes Verſtändniß der jüdiſchdeutſchen Literatur**XVIIInicht erreicht werden kann und welche obendrein in ihrer wunder - lichen volksthümlichen phonetiſchen Belebung ſehr merkwürdige und tief in die deutſche Volksſprache überhaupt eingedrungene Erſcheinungen darbieten. Auch hier war Selig zu Grunde gelegt, aber auch hier galt es, ſehr viele Fehler und Unrichtigkeiten zu verbeſſern und viele von Selig überſehene Abbreviaturen einzu - ſchalten, wie denn Selig unter anderm S. 112 und 113 ſeines Handbuchs die ganze Reihe von〈…〉〈…〉 bis〈…〉〈…〉 durchaus vergeſſen hat. Gleich hier bemerkt der Verfaſſer, daß er bei erläuternden Allegaten aus den heiligen Schriften ſoviel wie möglich die por - tugieſiſche Ausſprache feſtzuhalten ſuchte. Die ſehr verſchiedenartige Ausſprache der jüdiſchdeutſchen Vocale bot aber große Schwierig - keiten, weil unter den in alle Theile Deutſchlands zerſtreuten Juden kein eigentlicher jüdiſchdeutſcher Dialekt exiſtirt, mithin von der Führerſchaft eines beſtimmten Dialekts in der Schriftſprache nicht die Rede ſein kann. Die phonetiſche Modulation iſt daher ſehr bunt. So z. B. leſen manche das Pathach mit nachfolgendem Chatuph Pathach wie ai (etwas durch die Naſe), andere wieder wie āă, den Vocal mit Metheg, das Chatuph als Schwa mobile mit a-Laut, alſo mit ganz kurzem a. Der Verfaſſer konnte ſich daher weder ganz genau an die Ausſprache des Prager noch an die des Selig’ſchen Wörterbuchs binden, obſchon er die letztere im erſten und zweiten Theile dieſes Werks vorzugsweiſe berückſichtigt hatte. Jhm blieb nichts anderes als der Volksmund, wie dieſer im Handel und Wandel ſich ihm offenbart hatte. Daher im Wörterbuche gewöhnlich nur die einfache Lesart im phonetiſchen Ausdruck.

Nur dann erſt, als der maſſenhafte wüſte Stoff in größere Abtheilungen gebracht, dann weiter geſondert, geſichtet, im einzel - nen zergliedert und culturhiſtoriſch und grammatiſch verglichen und erläutert war, konnte der Paraſitenwuchs der Gaunerſprache klar vor Augen gelegt und ihr behendes geheimnißvolles Hinein -XIX ſchlüpfen in alle Ecken und Winkel, wo der wunderbare Proceß der Gedankenverkörperung zu ſprachlichen Ausdrucksformen nur irgend möglich war, verdeutlicht werden, von den dämoniſchen Typen der Zaubermyſtik an bis zur offenen frechen Metapher der alltäglichen Redensart. So konnte denn auch in der hiſtoriſchen Folge der gaunerſprachlichen Documente und in der ſtets fluctui - renden Beimiſchung dieſer oder jener fremdartigen Stoffe die Zu - ſammenſetzung des Gaunerthums ſelbſt und der merkwürdig be - lebte Zug und Wechſel ſeiner Jüngerſchaft erkannt, ſo konnten durchgreifende Compoſitionen und Flexionen für die grammatiſche Betrachtung gefunden, hervorgehoben und für die Kritik der ver - ſchiedenen Formen beſtimmtere Grundzüge nachgewieſen werden, welche überallhin greifen, hiſtoriſche, topiſche, ſocialpolitiſche und perſönliche Bezüge haben und ſelbſt auf bibliſchhiſtoriſche That - ſachen und Perſonen zurückzuführen ſind, wie im Wörterbuche mehrfach nachgewieſen iſt. Auf dieſen Grundlagen ward endlich die kritiſche Unterſuchung der einzelnen Wörter und Redensarten in der Gaunerſprache, ſowie die Abweiſung alles deſſen möglich, was in der Literatur des Gaunerthums auf die unverantwort - lichſte Weiſe in die Gaunerſprache eingeſchwärzt worden iſt. Welcher Unfug dabei getrieben worden iſt, welche bodenloſe Eitelkeit, Leicht - fertigkeit und verwegene Unwiſſenheit dabei ſich breit gemacht hat, wird man aus der Vergleichung der alten Urkunden, ſowie aus der kritiſchen Unterſuchung einzelner Erſcheinungen derart erkennen, eine Kritik, die dem Verfaſſer ebenſo nothwendig erſchien, wie ihr Gegenſtand von Herzensgrund ihn anwiderte.

Zu ſeinem eigenen Verſuche eines kritiſchen Wörterbuchs der Gaunerſprache bemerkt der Verfaſſer endlich noch, daß es keineswegs in ſeinem Plane lag, ein erſchöpfendes Wörterbuch zu ſchreiben, das von ſehr großem Umfang hätte ſein müſſen und zu welchem er beſſere Muße und vollſtändigere Hülfsmittel ab - warten muß. Vor der Hand war ihm darum zu thun, eine kri -** 2XXtiſche Analyſe der geläufigſten Ausdrücke zu geben und überhaupt den Weg zur kritiſchen Unterſuchung anzubahnen, damit nur zu - erſt die heilloſe Gaunerlinguiſtik abgethan werde, mit welcher auf dem Gebiete der Polizeiwiſſenſchaft manche Literatoren ſich ſelbſt und andere ſo arg getäuſcht haben, wie das die Zaubermyſtiker des Mittelalters mit den zum Theil von ihnen ſelbſt conſtruirten zaubermyſtiſchen Charakteren unternahmen. Die Abſtammung der einzelnen Wörter iſt, wo ſie nicht von ſelbſt ſich ergibt, jedesmal angegeben. Die ohne weitern Zuſatz mit lateiniſchen Lettern in Parentheſen beigefügten Stämme zeigen auf das Regiſter des jüdiſchdeutſchen Wörterbuchs. Beim Nachweis deutſcher Stämme hat der Verfaſſer vorzugsweiſe das Althochdeutſche und Mittel - hochdeutſche angeführt, um auch für ältere Gaunerwörter die Auf - ſuchung der Stämme zu erleichtern. Die zigeuneriſchen, ſlawiſchen und romaniſchen Stämme ſind ebenfalls jedesmal angegeben, und auch hier hat der Verfaſſer, ſofern nicht die ſpecifiſch romaniſche Tochter ein erwieſenes Vorrecht hatte, gern der lateiniſchen Mut - terſprache den Vorrang eingeräumt. Nach der Anordnung des jüdiſchdeutſchen Wörterbuchs iſt auch hier der Verſuch gemacht worden, mindeſtens bei den bedeutſamſten Gaunerausdrücken die ganze Familie unter das Stammwort zuſammenzuziehen und in der alphabetiſchen Folge auf das Stammwort hinzuweiſen.

Außer ſeinen Collectaneen hat der Verfaſſer das tüchtige Wörterbuch von Zimmermann in Berlin und das von Grolman - ſche Wörterbuch benutzt. Dahingegen erforderte Thiele ſchon große Vorſicht. Mit dem lebhafteſten Danke muß der Verfaſſer zweier handſchriftlicher Mittheilungen gedenken, welche ihm gerade auch von zwei der anerkannt tüchtigſten deutſchen Polizeiſtellen her zu - gekommen waren. Zunächſt war es das im März 1858 ihm zu - geſandte Manuſcript der königlichen Polizeidirection zu Hannover, welche das überall ſeit langer Zeit ganz vernachläſſigte hochwich - tige Unternehmen wieder aufgenommen hatte: aus dem MundeXXI der Strafgefangenen in den ſämmtlichen Anſtalten des Landes eine Sammlung anzuſtellen. Eine ähnliche, noch viel reich - haltigere, äußerſt werthvolle Sammlung aus Wien erhielt der Verfaſſer durch ſeinen hochgeehrten Freund, Herrn Fidelis Chevalier, zugeſtellt. Ganz abgeſehen von ihrem Urſprung aus verbürgt echter Quelle, ſind beide Sammlungen in ihrer ganzen Auffaſſung vor der Kritik und Analyſe ſo durchaus probehaltig, daß ſie die vollſte Beachtung bei der Bearbeitung des vorliegenden Wörterbuchs in Anſpruch genommen haben. Durchaus wünſchenswerth und wich - tig für die Kenntniß der Gaunerſprache iſt es, daß das ausge - zeichnete Beiſpiel der Polizeidirection zu Hannover überall Nach - ahmung finde, wie ſchon im vorigen Jahrhundert, vorzüglich in Kurſachſen, ähnliche höchſt ſchätzbare Sammlungen veranſtaltet worden ſind. Mit einem vollſtändigen Gaunerwörterbuch würde man auch das bedeutendſte Material zu einem dringend nöthigen Volksſprachwörterbuch gewinnen.

Recht empfindlich machte ſich dem Verfaſſer bei ſeiner Arbeit der Mangel eines praktiſchen Handbuchs der Zigeunerſprache fühlbar. Eigene genauere Beobachtungen und Erforſchungen aus dem Leben und der Sprache der Zigeuner zu machen, war dem Ver - faſſer bei dem nur ſehr dürftigen Zuge der Zigeuner an der nörd - lichſten Marke Deutſchlands verſagt. Pott’s Meiſterwerk iſt für den praktiſchen Gebrauch nicht handlich genug, und Biſchoff iſt in ſeinem Zigeunerwörterbuch ebenſo leichtfertig und unzuverläſſig wie in ſeiner ganzen Gaunerlinguiſtik. Mit lebhafter Freude wurde daher der Verfaſſer erfüllt, als ihm gerade am Schluß ſeiner Arbeit Einſicht in das Manuſcript ſeines Freundes und einſtigen jenenſer Studiengenoſſen, des Criminalgerichtsdirectors Dr. Richard Liebich zu Lobenſtein, verſtattet ward, in welchem recht mitten aus dem Leben und Verkehr der vielen Zigeuner, mit denen der ausgezeichnete Gelehrte und Beamte in Berührung gekommen war, nicht nur durchaus treffende und geiſtvolle Be -XXII obachtungen niedergelegt ſind, ſondern auch ein ſehr tüchtiges und ausführliches Zigeunerwörterbuch mit trefflichen grammatiſchen und kritiſchen Bemerkungen hinzugefügt iſt, ſodaß dem ſchwer empfun - denen Mangel in überraſchend glücklicher Weiſe abgeholfen iſt und der Herausgabe des verdienſtvollen Werks mit Begierde entgegen - geſehen werden muß.

Weitere Bemerkungen ſcheinen dem Verfaſſer nicht erforderlich zu ſein. Er hat auch jetzt nur um wohlwollende Aufnahme ſeines Werks zu bitten, welchem er die treue, unausgeſetzte Arbeit von ſieben Jahren des kräftigſten Mannesalters gewidmet hat, unge - heißen, in vollſter ſubjectiver Freiheit, nur im Dienſt der Wiſſen - ſchaft und mit dem dringenden Wunſche, daß er ein Scherflein beigetragen haben möge zur Herſtellung eines edeln freien Bodens für die Wiſſenſchaft der Polizei, als Grundlage für das innigſte Verſtändniß zwiſchen Regierung und Volk, zum Heil und Segen des deutſchen Vaterlandes!

Lübeck, 10. Juni 1862. Benedict Avé-Lallemant, Doctor beider Rechte.

[XXIII]

Jnhalt des dritten Theils.

Vierter Abſchnitt. Die Gaunerſprache.

I. Allgemeiner Theil.

Seite

  • Erſtes Kapitel. A. Die Sprache1
  • Zweites Kapitel. B. Die Urſprache und die Sprachſtämme2
  • Drittes Kapitel. C. Die deutſche Sprache4
  • Viertes Kapitel. D. Die deutſchen Mundarten6
  • Fünftes Kapitel. E. Die Hegemonie der Mundarten9
  • Sechstes Kapitel. F. Die Gaunerſprache10
  • Siebentes Kapitel. 1) Benennungen der Gaunerſprache11
    • a) Rotwälſch
      • Achtes Kapitel. 1. Rot13
      • Neuntes Kapitel. 2. Gil18
      • Zehntes Kapitel. 3. Wälſch22
    • Elftes Kapitel. b) Kauderwälſch24
    XXIVSeite
    • Zwölftes Kapitel. c) Salbadern27
    • Dreizehntes Kapitel. d) Jargon28
    • Vierzehntes Kapitel. e) Mengiſch30
    • Funfzehntes Kapitel. f) Gaunerterminologien32
  • Sechzehntes Kapitel. 2) Weſen und Stoff der Gaunerſprache35
  • Siebzehntes Kapitel. G. Die Zigeunerſprache38
  • Achtzehntes Kapitel. H. Die jüdiſchdeutſche Sprache41
    • 1) Weſen und Stoff der jüdiſchdeutſchen Sprache
    • Neunzehntes Kapitel. 2) Benennungen der jüdiſchdeutſchen Sprache52
  • Zwanzigſtes Kapitel.
    • I. Die Sprachmiſchung55
      • 1) Alte Sprachen
        • Einundzwanzigſtes Kapitel. 2) Die deutſche Sprache64
          • Zweiundzwanzigſtes Kapitel. a) Die Sprache des Ritterthums und der Courtoiſie68
          • Dreiundzwanzigſtes Kapitel. b) Die maccaroniſche Poeſie74
          • Vierundzwanzigſtes Kapitel. c) Die Zweideutigkeit des phonetiſchen Sprachelements84
          • Fünfundzwanzigſtes Kapitel. d) Die Sprache deutſcher Volksgruppen91
          • Sechsundzwanzigſtes Kapitel. α. Die Studentenſprache93
          • Siebenundzwanzigſtes Kapitel. β. Die Tölpelſprache98
          • Achtundzwanzigſtes Kapitel. γ. Die Jägerſprache105
          • Neunundzwanzigſtes Kapitel. δ. Die Schifferſprache108
          • Dreißigſtes Kapitel. ε. Die Bergmannsſprache113
          • XXV
          • Seite
          • Einunddreißigſtes Kapitel. ζ. Die Handwerkerſprache115
          • Zweiunddreißigſtes Kapitel. η. Die Soldatenſprache119
          • Dreiunddreißigſtes Kapitel. ϑ. Die Tieflingſprache127
          • Vierunddreißigſtes Kapitel. ι. Die Aglerſprache135
          • Fünfunddreißigſtes Kapitel. κ. Die Fallmacherſprache138
          • Sechsunddreißigſtes Kapitel. λ. Die Fieſelſprache142
          • Siebenunddreißigſtes Kapitel. μ. Die Tammerſprache147
            • Achtunddreißigſtes Kapitel. ȣ. Die Schinderſprache149
            • Neununddreißigſtes Kapitel. ב. Die Sprache der Freudenmädchen156
      • Vierzigſtes Kapitel. 3) Der Galimatias171
    • Einundvierzigſtes Kapitel. K. Die Beziehung der Gaunerſprache zur deutſchen Volksſprache193
    • Zweiundvierzigſtes Kapitel. L. Die Beziehung der Gaunerſprache zur jüdiſchdeutſchen Sprache196
    • Dreiundvierzigſtes Kapitel. M. Jüdiſchdeutſche Grammatik198
      • 1) Begriff der jüdiſchdeutſchen Sprache
      • Vierundvierzigſtes Kapitel. 2) Die allgemeine jüdiſchdeutſche Literatur207
      • Fünfundvierzigſtes Kapitel. 3) Die grammatiſche Literatur211
        • Sechsundvierzigſtes Kapitel. a) Johann Buxtorf und ſeine Nachtreter214
        • Siebenundvierzigſtes Kapitel. b) Die chriſtlichen Miſſionsgrammatiker218
        • Achtundvierzigſtes Kapitel. c) Die jüdiſchdeutſche Volksgrammatik230
        • Neunundvierzigſtes Kapitel. d) Die Anweiſungen zur Currentſchrift240
          • α. Drucke
          • XXVI
          • Seite
          • Funfzigſtes Kapitel. β. Manuſcripte244
            • ȣ. Die wolfenbütteler Anleitung
            • Einundfunfzigſtes Kapitel. ב. Das Deecke’ſche Manuſcript247
      • Zweiundfunfzigſtes Kapitel. 4) Buchſtabenlehre255
        • a) Die Buchſtabenſchrift
        • Dreiundfunfzigſtes Kapitel. b) Gebrauch und Erklärung der Buchſtaben260
          • Vierundfunfzigſtes Kapitel. α. Beſondere Regeln264
          • Fünfundfunfzigſtes Kapitel. β. Conſonantismus265
          • ȣ. Allgemeine Ueberſicht Sechsundfunfzigſtes Kapitel.
          • ב. Die einzelnen Conſonanten268 Siebenundfunfzigſtes Kapitel.
          • γ. Vocalismus278
            • 05D0;. Der hebräiſche, althochdeutſche und jüdiſchdeutſche Voca - lismus
            • Achtundfunfzigſtes Kapitel. ב. Die einzelnen Vocale286
          • Neunundfunfzigſtes Kapitel.
            • δ. Diphthongismus299
            • א. Jüdiſchdeutſcher und deutſcher Diphthongismus
            • Sechzigſtes Kapitel. ב. Die einzelnen Diphthonge300
      • Einundſechzigſtes Kapitel.
        • c) Charakteriſtik und Anwendung der jüdiſchdeutſchen Buchſtaben307
        • Zweiundſechzigſtes Kapitel. α. Gebrauch der Quadratſchrift in deutſchrabbiniſchen Drucken313
        • Dreiundſechzigſtes Kapitel. β. Gebrauch und Geltung der quadratſchriftlichen Majuskeln315
      • Vierundſechzigſtes Kapitel.
        • d) Die Ligaturen318
          • α. Quadratſchrift
          • Fünfundſechzigſtes Kapitel. β. Currentſchrift319
        XXVIISeite
        • Sechsundſechzigſtes Kapitel. e) Die Jnterpunction322
        • Siebenundſechzigſtes Kapitel. f) Die Abbreviaturen325
          • Achtundſechzigſtes Kapitel. α. Das phonetiſche Element der Abbreviaturen331
          • Neunundſechzigſtes Kapitel. β. Die lombardiſchen Noten des Vulcanius340
          • Siebzigſtes Kapitel. γ. Die Jnſchrift im Stephansdom zu Wien349
        • Einundſiebzigſtes Kapitel. g) Die krummen Zeilen in der Currentſchrift350
    • Zweiundſiebzigſtes Kapitel. 5) Formenlehre353
      • Dreiundſiebzigſtes Kapitel. a) Die Wurzeln und Stämme der jüdiſchdeutſchen Sprache356
      • Vierundſiebzigſtes Kapitel. b) Die einzelnen Redetheile358
        • α. Das Nomen Fünfundſiebzigſtes Kapitel.
        • β. Das Pronomen363
          • א. Pronomen separatum
          • Sechsundſiebzigſtes Kapitel. ב. Pronomen suffixum364
          • Siebenundſiebzigſtes Kapitel. נ. Das Pronomen demonstrativum, relativum und inter - rogativum368
        • Achtundſiebzigſtes Kapitel. γ. Der Artikel369
        • Neunundſiebzigſtes Kapitel. δ. Die Präpoſitionen370
        • Achtzigſtes Kapitel. ε. Das Adjectiv373
        • Einundachtzigſtes Kapitel. ζ. Das Zahlwort375
        • Zweiundachtzigſtes Kapitel. η. Das Verbum383
        XXVIIISeite
        • Dreiundachtzigſtes Kapitel.
          • ϑ. Die Conjunctionen, Adverbien und Jnterjectionen387
          • Vierundachtzigſtes Kapitel. ι. Kabbaliſtiſche Formen389
    • Fünfundachtzigſtes Kapitel. 6) Syntaktiſche Bemerkungen400
    • Sechsundachtzigſtes Kapitel. 7) Die jüdiſche Zeitrechnung427
    • Siebenundachtzigſtes Kapitel. 8) Proben aus der jüdiſchdeutſchen Literatur435
      • a) Quadratſchrift.
        • I. Aus der Ueberſetzung des Jonah von Joel Ben Rabbi Juda Levi
        • II. Die Hinrichtungen bei den Juden. Aus der Miſchnah, San - hedrin438
      • b) Deutſchrabbiniſche Schrift.
        • III. 〈…〉〈…〉444
        • IV. Der dreiundzwanzigſte Pſalm David’s. Nach J. Buxtorf, Thesaurus gramm. ling. sanct. hebr. 448
        • V. Die Maurer zu Regensburg. Aus dem amſterdamer Maaſe - buch449
        • VI. Rabbi Amram’s Begräbniß zu Mainz. Aus dem amſter - damer Maaſebuch452
        • VII. Rabbi Elieſar und die Schlange. Aus dem Sepher Maase Haschem455
        • VIII. Rabbi Elieſar, der Rokeach von Worms. Aus dem Sepher Maase Nissim462
        • IX. Rabbi Hillel’s Geduld. Nach Wagenſeil aus dem prager Maaſebuch465
        • X. Der Lautenſchläger. Nach Wagenſeil, aus dem prager Maaſebuch468
        • XI. Die Tochter Juda’s zu Worms. Aus dem Sepher Maase Nissim473
        • XII. Die Schildburger Schulzenwahl477
        • XIII. Aus der wunderbaren Geſchichte vom Eulenſpiegel485
        • XIV. Ein neu Klaglied von der großen Serepha in der heiligen Gemeinde Frankfurt487
        • XV. Die Verkaufung Joſeph’s. Aus dem Purimſpiel〈…〉〈…〉491
      • c) Currentſchrift.
        • XVI. Rabbi Eleasaris sententia uno die ante mortem agenda est poenitentia, quomodo intelligenda. Uebertragung aus Buxtorf’s Thesaurus512
        • XXIX
        • Seite
        • XVII. König David’s Tod. Uebertragung aus dem amſterdamer Maaſebuch515
        • XVIII. 〈…〉〈…〉Uebertragung517
        • XIX. Joſeph der Sabbatsfeirer. Uebertragung aus dem prager Maaſebuch, nach Wagenſeil520
        • XX. Papſt Elchanan. Uebertragung aus dem amſterdamer Maaſe - buch523
        • XXI. Lübiſche Geſchichten und Sagen. 〈…〉〈…〉532
        • XXII. Fortſetzung. 〈…〉〈…〉534
        • XXIII. Solawechſel535
        • XXIV. 〈…〉〈…〉Uebertragung aus dem jüdiſchdeutſchen Liede vom Spielen536
[1]

Vierter Abſchnitt. Die Gaunerſprache.

I. Allgemeiner Theil.

Erſtes Kapitel. A. Die Sprache.

Bezeichnet man in ſchlagender Weiſe die Sprache überhaupt als die leiblich gewordene Erſcheinung der Gedanken1)Treffend und ſchön umſchreibt in dieſem Sinne der Targum die Worte im 1. Buch Moſ., Kap. 2, V. 7:〈…〉〈…〉 (und alſo ward der Menſch eine lebendige Seele), mit den Worten:〈…〉〈…〉 (und es ward [die Seele] im Menſchen zum redenden Geiſte)., ſo iſt damit auch ausgeſprochen, daß die Sprache eine organiſche Verrichtung des Menſchen und daß, wie Wilhelm von Humboldt trefflich ſagt, ihre Hervorbringung ein inneres Bedürfniß der Menſch - heit, nicht blos ein äußerliches, zur Unterhaltung gemeinſchaftlichen Verkehrs, ſondern ein in ihrer Natur liegendes, zur Entwickelung ihrer geiſtigen Kräfte und zur Gewinnung einer Weltanſchauung unentbehrliches iſt. Jndem die Erſcheinungen der Sinnenwelt von den äußern Sinnen der Menſchen aufgenommen werden, wird die Sinnenwelt zu Begriffen und Gedanken vergeiſtigt, und dies Vergeiſtigte wird wieder in der Verleiblichung in Wort undAvé-Lallemant, Gaunerthum. III. 12Sprache zur äußerlichen Erſcheinung. Dadurch iſt im Menſchen eine ſtete Wechſelwirkung zwiſchen Geiſtigem und Leiblichem als Nothwendigkeit gegeben.

Jſt der Gedanke in Wort und Sprache äußere Erſcheinung geworden, ſo iſt Wort und Sprache zum dauernden Ausdruck deſ - ſelben Gedankens und Begriffs feſtgeſtellt. So bildet ſich die Ge - ſammtheit der überhaupt oder bei einem beſondern Volke vorhan - denen Wörter und Sprachformen, in denen die Geſammtheit der überhaupt oder bei einem beſondern Volke vorhandenen Begriffe und Begriffsverhältniſſe ausgeprägt und niedergelegt iſt, als ge - ſprochene Sprache, d. h. als ein Organ, durch welches die Gedanken und Begriffe des einen leicht auch andern verſtändlich und ſomit ein Gemeingut aller werden und wodurch in jedem ſprach - vernehmenden Geiſte wieder Geiſtiges erzeugt werden kann. 1)K. F. Becker, Ausführliche deutſche Grammatik (Frankfurt a. M. 1836), Einl., S. 1 fg. ; H. Dittmar, Die Geſchichte der Welt vor und nach Chriſtus (Heidelberg 1853), I, 13 fg.

Zweites Kapitel. B. Die Urſprache und die Sprachſtämme.

Hat ſich die Sprache auf organiſche Weiſe und mit innerer Nothwendigkeit gebildet und entwickelt, indem das urſprünglich geſprochene Wort in organiſcher Entwickelung des Einfachen zum Mannichfachen allmählich zur zuſammenhängenden Sprache als Ausdruck von Gedanken, Begriffen und Begriffsbeziehungen ſich entfaltete: ſo wird auch das klar, was ohnehin unſere wahr - haft claſſiſche Zeit glänzender Sprachvergleichung auf das über - zeugendſte dargethan hat, daß es eine aus der Uranſchauung verleiblichte Urſprache gegeben hat, deren Einheit durch Trübung und Verſetzung der Uranſchauungen ſich gelockert und im Verlauf der Zeit durch die Wirkungen neuer Umgebungen und Einflüſſe3 beim Auseinandergehen der Menſchen ſich immer weiter zerbröckelt hat. Mit dem Weiterfortwandern der ſich zu einzelnen Gruppen oder Stämmen zuſammenthuenden Menſchen geſtaltete ſich dann das aus der Urſprache Gerettete zu einem verkleinerten organiſchen Ganzen, in welchem man den mehr oder minder größern Grad der ſittlichen und geiſtigen Entartung jedes Stammes ausgedrückt findet.

So iſt die große Menge von Sprachen entſtanden, deren nachgewieſene innere Verwandtſchaft auf die frühere Spracheinheit wie überhaupt auf eine einheitliche Abſtammung des Menſchen - geſchlechts zurückdeutet. Die vielen Sprachen laſſen ſich auf wenige Sprachſtämme zurückführen. Man unterſcheidet den indoeuropäi - ſchen oder indogermaniſchen, den ſemitiſchen, den nordafrikaniſchen, den finniſch-tatariſchen, den malaiiſch-polyneſiſchen, den chineſiſch - hinterindiſchen, den japaniſch-kuriliſchen, den amerikaniſchen u. ſ. w. Von allen dieſen kommt in vorliegender Unterſuchung nur der indo - germaniſche Sprachſtamm in Betracht, welcher ſich von der Süd - ſpitze Vorderaſiens in nordweſtlicher Richtung über Südweſtaſien und Europa bis Jsland hinzieht und die vorderindiſchen Sprachen, die perſiſche und alle europäiſchen (mit Ausnahme der türkiſchen, ungariſchen oder magyariſchen, lappiſchen, finniſchen und baskiſchen) umfaßt und der größtentheils auf zweiſilbigen Wurzeln beruht. Dann ferner der ſemitiſche Sprachſtamm, der im Weſten des großen indoeuropäiſchen Sprachſtammes ſich in Aſien vom Mittel - meere bis an den Euphrat und bis zum ſüdlichen Arabien, in Afrika öſtlich vom Nilquelland bis zum Mittelmeer und von da weſtlich bis zum Atlantiſchen Ocean hinzieht. Er begreift in ſich das Hebräi - ſche (mit welchem das Phöniziſche und Puniſche verwandt war), das Aramäiſche, welches in das Syriſche und Chaldäiſche zerfällt, das Arabiſche mit vielen Mundarten und das Abyſſiniſche (die Giß - ſprache); dieſer Stamm geht auf dreiſilbige Wurzeln zurück. 1)Dittmar, a. a. O., I, 49 fg.

1 *4

Drittes Kapitel. C. Die deutſche Sprache.

Fremde Schriftſteller ſind es, welche die erſte Urkunde gaben von dem Daſein der germaniſchen Völker. Jhre Nachrichten ſind nur einſeitig und dürftig. Aber das Wenige, was Julius Cäſar und Tacitus mit ſicherm Griffel über unſere Vorfahren aufgezeich - net haben, iſt ein vollgültiges Zeugniß körperlicher, geiſtiger und ſittlicher Tüchtigkeit, hochherziger Geſinnung, feſter Treue, uner - ſchrockenen Muthes, glühender Freiheitsliebe und kräftigen Volks - ehrgefühls, tiefer Verehrung des Weibes und erhabener, würdiger Begriffe von der Gottheit. So wird uns in den vielen germani - ſchen Stämmen ein einiges Volk dargeſtellt auf jener feſten Grund - lage, welche die Baſis zur Vollkommenheit iſt und das Streben und Ringen nach Vollkommenheit zu einem ſo natürlichen und nothwendigen Lebensproceß macht, wie das ununterbrochene Her - vordringen immer zahlreicherer Triebe, Blätter und Blüten eines gewaltigen Stammes, deſſen mächtiger Wurzeltrieb tief und weit in den dunkeln, mit geheimnißvollen Schätzen der Mythe und Sage reich durchzogenen Erdboden faßt und dem Stamme unver - gängliche Nahrung ſchafft. Bei keines Volkes Geſchichte begreift man vollkommener, daß das Volk vor ſeiner Volksgeſchichte eine tiefe, reiche Sprachgeſchichte hatte; bei keiner Volksgeſchichte ſtrebt man eifriger, auf ſeine Sprachgeſchichte zu dringen und ſeine Sprache zu begreifen, als bei dem deutſchen Volke, ſobald nur die Geſchichte beginnt. Denn ſchon ſeine erſte Erſcheinung als hiſtoriſches Volk iſt ſo vollmächtig, daß man ſogleich bei ſeinem erſten Begreifen nicht anders als auf eine gleich vollmächtige Sprache ſchließen kann, und vor allem ſieht man in der deutſchen Mythe und Sage in prägnanteſter Weiſe die Sprachgeſchichte des deutſchen Volkes angedeutet. So muß die Sprachforſchung beim Weiterſtreben in Geſchichte und Sprache immer und immer wieder in die alte Offenbarung der Mythe und Sage zurückblicken, um nicht nur an den vollendet mächtigen Geſang des Volkes, als an5 ſein Geſammteigenthum, und an die gewaltigen Lieder zu glauben, mit welchen es ſeine Götter und Helden1)Tac. Germ., cap. 2: Celebrant carminibus antiquis, quod unum apud illos memoriae et annalium genus est, Tuisconem deum terra edi - tum, et filium Mannum, originem gentis conditoresque. vor der Schlacht oder beim Mahle feierte, ſondern auch den Blick noch viel weiter tief in den Orient hineinſchweifen laſſen, von welchem der Glanz unſerer Sprache unverkennbar deutlich herleuchtet. So gewaltig war dieſe germaniſche Sprache, daß die alten Götterſagen nicht untergingen, ſondern daß ſie ſich in den ſpätern Heldenſagen ver - dichteten und zu jenen größern Sagenkreiſen ſich zuſammenfügten. So erſcheint die ſpätere Siegfriedſage urſprünglich als ein ur - alter Göttermythus, und die ſo feſtgehaltene Thierſage weiſt un - verkennbar auf die früheſte Zeit hin, in welcher der Menſch mit der Thierwelt in vertraulicherer Beziehung lebte und in den thie - riſchen Jnſtincten eine Begabung höherer Art erkannte und ver - ehrte. 2)J. W. Schäffer, Grundriß der Geſchichte der deutſchen Literatur (achte Auflage, Bremen 1858), S. 5.

Sobald nun aber auch das geiſtige Leben der germaniſchen Völker über die beſchränkte älteſte Kundgebung der Runen hinaus ſeine Entwickelung in ſprachmonumentalen Erſcheinungen offenbart, ſo erkennt man ſofort in Sprache und Schrift einen Zweig jenes von der Südſpitze Vorderaſiens in nordweſtlicher Richtung über Südweſtaſien und Europa bis Jsland ſich hinaufziehenden indo - germaniſchen Sprachſtamms, welcher ſich wieder in den ſlawiſchen, griechiſch-lateiniſchen und germaniſchen Stamm vertheilt. Der germaniſche Sprachſtamm begreift außer der deutſchen Sprache die gothiſche, altnordiſche, welche die Mutter der ſchwediſchen, däniſchen und isländiſchen Sprache iſt, und die angelſächſiſche, welche durch Vermiſchung der däniſchen und franzöſiſchen Sprache in die engliſche übergegangen iſt. Die aus der Vermiſchung der ger - maniſchen und lateiniſchen Sprache hervorgegangenen Sprachen, die engliſche, franzöſiſche, italieniſche, ſpaniſche und portugieſiſche, ge - hören ebenfalls zum indogermaniſchen Sprachſtamm. Charakteriſtiſch6 unterſcheidet ſich von dieſen Mengſprachen die deutſche Sprache da - durch, daß ſie, wenn ſie auch im Verlauf der Zeit durch die Be - rührung mit andern germaniſchen Sprachen und durch die wech - ſelſeitige Einwirkung der verſchiedenen deutſchen Mundarten auf - einander mancherlei Veränderung der Formen erlitten hat, dennoch von der Vermiſchung mit fremden Sprachen frei und dadurch dem deutſchen Volke, welches ſie ſpricht, verſtändlich geblieben iſt. Die Wurzelwörter ſind größtentheils noch in der Sprache ſelbſt vor - handen, und die grammatiſchen Formen haben ſich aus der Sprache ſelbſt entwickelt. Auf dieſer vollkommenen Verſtändlichkeit der Wör - ter wie der mannichfaltigen Flexions - und Ableitungsformen grün - det ſich zugleich die große Fülle, Bedeutſamkeit und Bildſamkeit des Ausdrucks, welche die deutſche Sprache vor den meiſten neuern Sprachen auszeichnen. 1)Becker, a. a. O., S. 54.

Viertes Kapitel. D. Die deutſchen Mundarten.

Die deutſche Sprache ſtellt ſich in einer Menge von Mund - arten dar. Keineswegs aber haben dieſe Mundarten eine Ver - ſchiedenartigkeit in den Sprachformen ſelbſt. Jm Gegentheil be - weiſen ſie erſt recht beſtimmt die Einheit der deutſchen Sprache gerade durch die Einheit ihres Wortvorraths und ihrer gramma - tiſchen Formen. Alle deutſchen Mundarten haben denſelben Wort - vorrath und dieſelben grammatiſchen Formen. Jhre Abweichung voneinander beſteht nur in der Verſchiedenheit der Lautverhältniſſe der Wörter. Viel weniger unterſcheiden ſie ſich durch Verſchieden - heit in den Formen der Ableitung und Flexion und am wenigſten durch Verſchiedenheit im Gebrauche der grammatiſchen Formen. Die Unterſchiede in den Lautverhältniſſen der Wörter gründen ſich auf natürliche Uebergänge unter verwandten Sprachlauten. 2)Becker, a. a. O., S. 54.Die7 Grammatiker faſſen die mannichfaltigen deutſchen Mundarten unter zwei Hauptmundarten zuſammen, die oberdeutſche und die niederdeutſche, und unterſcheiden beide gewiſſermaßen als Ge - genſätze, indem ſie dieſe Hauptmundarten ſo charakteriſiren: daß die oberdeutſche Mundart mehr lange Vocale und Doppellaute, die niederdeutſche hingegen mehr kurze und einfache Vocale liebt; daß die oberdeutſche Mundart entſchiedene Vorliebe für die aſpi - rirten Conſonanten (f, pf, ch, th) und für das ſch, ß und z hat; daß das dem Oberdeutſchen vorzüglich eigene Augment dem Nie - derdeutſchen faſt gänzlich fehlt; daß die oberdeutſche Mundart die tonloſe Endung e abwirft, die ſich in der niederdeutſchen erhalten hat; daß die oberdeutſche Mundart die tonloſen Endungen mit dem Stamm gern in eine Silbe zuſammenzieht und eine beſon - dere Vorliebe für die vollen halbtonigen Endungen (ſam, bar, haft, heit, keit, ung, niß, ſal) hat, welche für ſich und be - ſonders in der Flexion dem Worte einen weniger guten Rhythmus geben als die tonloſen Endungen, wie denn überhaupt die Wort - formen der oberdeutſchen Mundart weniger rhythmiſch ſind als die niederdeutſchen. 1)Becker, a. a. O., S. 55.

Dieſe allgemeinen grammatiſch ſtatuirten Unterſcheidungen muß man gelten laſſen, obwol der Polizeimann wenn auch Laie in der grammatiſchen Forſchung ſich ſehr nach genauerer Unterſcheidung und Beſtimmtheit ſehnt, wenn er, immitten des über 3000 Quadratmeilen großen Sprachgebiets der von nahezu 16 Millionen Bewohnern2)Vgl. A. Marahrens, Grammatik der plattdeutſchen Sprache. Zur Würdigung, zur Kunde des Charakters und zum richtigen Verſtändniß derſel - ben (Altona 1858), S. 9; ſowie die ſehr bedeutende Schrift von J. Wiggers, Grammatik der plattdeutſchen Sprache. Jn Grundlage der mecklenburgiſch - vorpommerſchen Mundart (zweite Auflage, Hamburg 1858). Zu bedauern iſt, daß der gewandte, ſcharfſinnige Verfaſſer auf dem einſeitigen Boden der mecklen - burgiſch-vorpommerſchen Mundart ſtehen geblieben und daher weder allverſtänd - lich noch erſchöpfend iſt. Die trefflichſten, wenn auch nur aphoriſtiſchen Be - merkungen über das Niederdeutſche hat noch immer der wackere Michael Richey in ſeinem Idioticon Hamburgense (Hamburg 1754), S. 375 404 unter geſprochenen niederdeutſchen Mundart,8 jahraus jahrein die eine Hälfte ſeiner zahlreichen Verhöre in nie - derdeutſcher und die andere Hälfte in hochdeutſcher Mundart ab - halten muß, wobei er in den beiden Hauptmundarten von den verſchiedenſten Jndividuen recht mitten aus dem Volke die bunte - ſten Variationen ſowol der hochdeutſchen als auch der niederdeut - ſchen Hauptmundart faſt in erſchöpfender Weiſe kennen lernt. Bei aller Tiefe, bei allem bewundernswürdigen Fleiße leidet doch wol die herrliche deutſche Gelehrſamkeit überhaupt an dem Fehler, daß ſie bei weitem mehr lieſt und ſchreibt als hört und ſpricht. Die Wahrheit, daß alle Grammatik aus dem Volksmunde tönt, würde ſonſt zu lebendigerm, fruchtbarerm Bewußtſein gediehen und von größerm Einfluß auf die grammatiſche Forſchung geworden ſein. Wie die ſtille, lauſchende Beobachtung des Volksgeiſtes und der Stamm -, Geſchlechts -, Familien -, ja ſogar der Jndividualitäts - verſchiedenheit die magiſche Situation iſt, in welcher der mit dem Volksgeiſte innig verbrüderte Geiſt der Geſchichte in ſeinen tiefſten Offenbarungen dem Forſcher erſcheint: ſo iſt das ſtille Lauſchen auf den tönenden Volksmund eine wundervolle Offenbarung des Sprachgeiſtes, welcher als die leibliche Erſcheinung des Volks - geiſtes hervortritt und im wunderbar verſchiedenen Lautreichthum die ganze Fülle dieſes Geiſtes als eines Volksgeiſtes darlegt. Wie das concrete Jndividuum durch ſeine Exiſtenz das Recht auf die Jntegrität ſeiner Jndividualität hat, ſo erkennt es auch das gleiche Recht der mit und neben ihm geſchaffenen Jndividualitäten an, um mit ihnen und ihrer Gleichberechtigung fort zu exiſtiren, ohne die eigene concrete Jndividualität ſelbſt aufzugeben oder jenen zu nehmen. So hat in gleicher Progreſſion Familie, Geſchlecht und Stamm die gleiche Eigenthümlichkeit und Berechtigung dazu, als mehr oder minder zahlreiche berechtigte Gruppe des einen Volkes zu exiſtiren und ſich wiederum als größeres Einzelnes zum2)der Rubrik: Verſuch einer Dialectologia Hamburgensis, gegeben. Sie ver - dient unbedingt die vollſte Beachtung und iſt ein Zeugniß der genaueſten Kenntniß, welche der unvergeßliche Richey von der niederdeutſchen Sprache ge - habt hat.9 Ganzen auszugleichen. Zu dieſer Ausgleichung des ſittlichen Lebens können die Stämme eines Volkes nicht gelangen, wenn ſie nicht auch das erſte und lebendigſte Mittel des Verkehrs, ihre Stam - mesſprache, gegeneinander ausgleichen und ſich zu einer allen andern Stämmen verſtändlichen Sprache vereinigen, in welcher das Mundartige jedes Stammes theilweiſe zurücktritt, zur ſoge - nannten Schriftſprache, oder, wie die Grammatiker ſagen, zur Sprache der Bildung, welche die anerkannte Wahrheit der Sprache und das Organ des ganzen concentrirten Volksgeiſtes iſt.

Fünſtes Kapitel. E. Die Hegemonie der Mundarten.

Die Sprache der Bildung iſt eine gewordene, nicht eine natürliche Spracheinheit. Sie übt die Herrſchaft über alle Stämme, ſo jedoch, daß jeder Stamm mit voller Freiheit ſeine beſondere Mundart verlaſſen und der Sprache der Bildung ſich bedienen kann, ohne darum die Eigenthümlichkeit ſeiner Mundart aufgeben zu müſſen. Wie in der Geſchichte jedes welthiſtoriſchen Volkes, ſo hat ſich auch im deutſchen beſtändig ein Dialekt als Führer der Sprache des Volkes geltend gemacht und weſentlich in ſeinen Lautverhältniſſen den Volksgeiſt repräſentirt. Bei den Grie - chen ſieht man den attiſchen, bei den Römern den urbaniſchen, bei den Jtalienern den florentiniſchen, bei den Spaniern den ca - ſtiliſchen Dialekt die Hegemonie in der Sprache erringen und fortführen. Dieſe Hegemonie hatte ſtets ihre Zeit und ihren Wechſel, weil ſie bedingt war durch den höhern Grad der Bildung und geiſtigen Gewalt des Stammes, dem der vortretende Dialekt eigenthümlich war, und nicht ohne bedeutenden Einfluß auf dieſe Hegemonie war erſichtlich die Bildung und Sprache der fürſtlichen Höfe, an denen der Fürſt die Jntelligenz glücklich um ſich zu ver - ſammeln und zu fördern wußte. So hat denn auch die Hegemo - nie der Dialekte außer der Geſchichte der innern Herausbildung10 immer auch ihre eigene politiſche und culturhiſtoriſche Geſchichte, welche zur Beurtheilung der ſprachlichen Erſcheinungen von Jn - tereſſe und Wichtigkeit iſt, und ſo hat die allmählich nacheinander ſich geltend machende Hegemonie des fränkiſchen, ſchwäbiſchen und ſächſiſchen (meißniſchen) Dialekts eine allſeitig tiefe Bedeutſamkeit, während die Eintheilung der Sprache in das Althochdeutſche, Mittelhochdeutſche und Neuhochdeutſche wol nur in der chronologi - ſchen Abtheilung, ohne weitere tiefe Begründung, ihre charakteri - ſtiſche Bedeutſamkeit hat.

Sechstes Kapitel. F. Die Gaunerſprache.

Sieht man die deutſchen Mundarten als Nebenflüſſe mit na - türlichem Gefälle in den einen großen Sprachſtrom ſich ergießen, welchem ſie durch ihren reichen Zufluß eine immer mächtigere Be - wegung verleihen: ſo findet auch der Forſcher, welcher in die un - terſte Tiefe des Stroms zu tauchen unternimmt, auf tiefem Grunde die Bewegung eines von der Strömung getragenen bröckeligen, ſcharfen Gerölls und ſchlammiger Sprachſtoffe, deren nähere Un - terſuchung ſo intereſſant wie ergiebig iſt. Die Gaunerſprache hat ihren Zufluß ebenfalls aus allen deutſchen Mundarten. Jn - dem ſie als Sprache des Verbrechens, gleich der Sprache der Bildung, in Stoff und Form weſentlich als allgemeine deutſche Volksſprache gelten muß und im gemiſchten Zuſam - menfluß derſelben einzigen großen Strömung folgt, gehen in der Gaunerſprache doch die Mundarten in dieſe große Strömung nicht völlig auf. Vielmehr bewahrt jede Mundart in dieſer Strö - mung mit Hartnäckigkeit eine Menge ihres eigenthümlichen mund - artigen Stoffs, welcher freilich, im langen, mächtig bewegten Zuge von einer Stelle zur andern geführt, an ſcharfen Widerſtand getrieben und wieder im trübſten Schlamme fortgezogen, oft bis zur Unkenntlichkeit verunſtaltet wird, aber doch immer auf ſeine11 mundartige Entſtehung zurückzuführen iſt. Jn dieſem eigenthüm - lichen Zuſammenfluß der entlegenſten mundartigen Stoffe, welche einander die Spitze bieten, um ſich aneinander zu einem bröckeli - gen, lockern Gefüge abzuſtumpfen und zuſammenzufallen, beſteht das Charakteriſtiſche der Gaunerſprache. Von der gewöhnlichen Verkehrsſprache abgeſchloſſen, iſt ſie in dieſer geheimnißvollen Ab - geſchloſſenheit zur eigenthümlichen geheimen Sprache des verkappten Verbrechens geworden und hat zur Verſtärkung des Geheimniſſes auch mehr und minder willkommene exotiſche Sprachtypen in ſich aufgenommen, je nach dem größern oder geringern Grad der Berührung und des Verkehrs mit den Trägern jener exotiſchen Sprachſtoffe. Trotz der bunteſten mundartigen Durchmiſchung mit exotiſchen Sprachſtoffen hat doch niemals die deutſche Gaunerſprache aufgehört, durchaus deutſche Volks - ſprache zu ſein. Sie iſt zwar ein tiefes deutſches Sprachgeheim - niß, aber immer nur ein in die deutſche Volksſprache verſenktes Geheimniß, und daher immer ein auf einfache, natürliche Weiſe zu entzifferndes Räthſel, bei deſſen Löſung ebenſo häufig der Scharfſinn und die Frivolität wie die Natürlichkeit und Einfachheit der Zuſammenſetzung zu bewundern iſt und welche daher immer das lebendigſte Jntereſſe gewährt.

Siebentes Kapitel. 1) Benennungen der Gaunerſprache.

Die Gaunerſprache iſt allgemein die ſpecifiſche Kunſtſprache der Gauner zur Unterhaltung und Förderung des gegenſeitigen Ver - ſtändniſſes und Verkehrs. Die Bezeichnung Gaunerſprache1)Vgl. die Etymologie des Wortes Gauner , Th. I, Kap. 2, S. 5 fg. iſt dem Gauner ebenſo fremd und widerwärtig wie das Wort Gauner ſelbſt und wie die hinlänglich deutliche Bezeichnung Spitzbubenſprache und Diebsſprache. Auch der lahme12 und ohnehin falſche Ausdruck Zigeunerſprache1)Vgl. die Etymologie Th. I, Kap. 2, S. 12 13, und über die Ver - wechſelung des eigentlichen Zigeunervolks mit dem Gaunerthum ebend. S. 34. Vgl. auch K. Gesner, Mithridates , Fol. 81 fg. wird nie - mals von den Gaunern gebraucht, obſchon die hibridiſche Compo - ſition Schurerſprache2)Vom zig. Schorr, Tſchorr, Dieb, Spitzbube. der theilweiſen Fremdartigkeit und Verſtecktheit wegen mehr im Schwange unter den Gaunern iſt. Jm Dreißigjährigen Kriege kam vermöge der beinahe vollſtändigen Jdentität des Räuberthums mit dem Soldatenthum der einzige rein deutſche Ausdruck Feldſprach3)d. h. die in Freiheit geſprochene Sprache; Feld, vom althochdeutſchen felt, velt; vielleicht urſprünglich Wildſprache, vom ahd. wilt, fremd, oder Wald ſprache vom ahd. walt (sylva), welches mit wilt verwandt iſt. Konrad Schwenck, Wörterbuch der deutſchen Sprache (vierte Auflage, Frankfurt a. M. 1855), S. 721 und 743. unter den Räubern auf, wie denn auch Moſcheroſch4) Wunderliche und ſeltſame Geſichte (Strasburg 1665), II, 633 fg. (Philander von Sittewald) das von ihm als Doppellexikon redigirte Vocabular der Rotwelſchen Gram - matik Feldſprach überſchreibt und den Ausdruck überhaupt für die Sprache der in Feld und Wald umherſtreifenden Partirer mehrfach gebraucht, ohne im Vocabular eben etwas mehr zu geben als die Rotwelſche Grammatik. Die lateiniſchen Ausdrücke: lingua conventionalis, lingua fictitia, ruber barbarismus, bei Konrad Gesner im Mithridates , Fol. 61 fg. u. a., und lingua occulta bei Heumann5) Exercitationes juris universi, praecipue Germanici, ex genuinis fontibus restituti (Altorf 1749), Nr. 13, S. 163. in ſeiner ſehr trockenen Observatio de lingua occulta , ſind ſelbſtverſtändlich für den Gauner entlegene Bezeich - nungen und überhaupt zur Erklärung der Gaunerſprache völlig unzureichend. Deſto genauere Aufmerkſamkeit verdienen aber andere Benennungen der Gaunerſprache.

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Achtes Kapitel. a) Rotwälſch.

1) Rot.

Auch die älteſte, zuerſt im baſeler Rathsmandat (I, 122) vorkommende reindeutſche Bezeichnung der Gaunerſprache Rot - wälſch iſt, als Compoſitum, der Gaunerſprache ſelbſt immer fremd geblieben, obſchon das Vocabular des Liber Vagatorum das Compoſitum Rotboß, betler herberig, der Bedeler orden rot - boß, bedlerherberg, rottun, bedeler, und rotten, bedelen, und die Rotwelſche Grammatik des Rodolph Dekk wie der Bedeler orden rotboß, betler herberg, hat.

Die Etymologie des rôt, rot, root, roth, roht, rott, in der Compoſition Rotwälſch kann kaum noch zweifelhaft ſein, wenn man auf die älteſte Urkunde ſieht, in welcher es mit Be - ziehung auf verbrecheriſche Genoſſenſchaft gebraucht wird. Es iſt dies die Urkunde über das Bündniß1)Vgl. Th. I, S. 50, und Daniel Brückner, Verſuch hiſtoriſcher und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landſchaft Baſel (Baſel 1752), woſelbſt S. 849 die ganze, ſehr intereſſante Urkunde abgedruckt iſt., welches die Stadt Baſel am Montag nach Mariä Himmelfahrt 1391 mit dem Biſchof Friedrich von Strasburg, dem Abt Rudolf zu Murbach und andern weltlichen und geiſtlichen Herren abſchloß gegen die böſe Geſell - ſchaft, den man ſpricht Rot und Schwartz, darum groß ſchade und Breſte uferſtanden iſt und noch fürbaß üferſtanden möchte ſin u. ſ. w.

Aus der Zuſammenſtellung des Rot mit Schwartz erhellt, daß hier nur von der Farbe die Rede ſein kann, nicht aber von dem (nach Schwenck, a. a. O., S. 532) aus dem mittellateiniſchen rupta gebildeten Rotte, Bruchtheil, Schar, Rotte, welches letztere, obwol es erſt durch Frönſperger2) Fünf Bücher vom Kriegsregiment und Ordnung (1558), Fol. 52. Vgl. J. L. Friſch, Teutſch-lateiniſches Wörterbuch (Berlin 1741), S. 129. zum ſtehenden militäriſchen14 Kunſtausdruck gemacht wurde, doch ſchon nach viel ältern ſprach - lichen Urkunden in dieſer Bedeutung mit faſt überall durchgreifen - der Verdoppelung des t gebraucht wurde, z. B. in Halbſuter’s Lied von dem Strit zu Sempach (14. Jahrhundert): Rutschman von Rinach nam ein rott Reit ze Sempach an den graben: Nun gend harusz ein morgen brott1)Wackernagel, Althochdeutſches Leſebuch , S. 922, 22. u. ſ. w. wo ſogar des Reims wegen das ahd. brôt in brott verwandelt iſt. Ferner in der Mörin Hermann’s von Sachſenheim (15. Jahrhundert): Sunst muosz ich leyder schweigen hie Inn dem eyn kleyne rott her gieng2)Wackernagel, a. a. O., S. 999, 28. u. ſ. w.

Doch darf auf die Schreibung ſelbſt eben nicht viel Gewicht gelegt werden, da ſie nicht immer gleichmäßig unterſchieden wor - den iſt. 3)J. A. Schmeller, Bayeriſches Wörterbuch (4 Thle., Stuttgart und Tübingen 1827 37), III, 168, 24, führt die Rott, Reiſe, Tour, an, wobei er die Schreibung Rod als die vielleicht richtigere empfiehlt, wozu er aus der Tiroler Landordnung von 1603 die Stelle hervorhebt: Das Salz wird von Station zu Station durch Roden, Rodfarten, Rodfueren ſpedirt. Doch führt er aus einer Urkunde von 1450 das Beiſpiel an: So haben die von Mitter - wald ein Rott gemacht, daß keiner nicht fahr, dann es ſey an ihm; daß er nicht fahr, dann es ſey die Rott an ihm. Vgl. dazu: J. Chr. von Schmid, Schwäbiſches Wörterbuch (Stuttgart 1831), S. 436: Rodweſen, Pack - und Fuhrweſen.Am Schluß des baſeler Mandats, vor dem kurzen Vocabular, hat ſowol Brückner wie Ebener, welche doch wol aus einem und demſelben Manuſcript geſchöpft haben4)Vgl. Th. I, S. 123., Rottwelſch, während Johannes Knebel ebendaſelbſt Rotwelſch ſchreibt. Das Manuſcriptvocabular des züricher Rathsherrn Gerold Edlibach von 1488 iſt überſchrieben: Hie stat fokabel des rotwelsch. Ebenſo hat der Liber Vagatorum wie die Dekk’ſche und Humm’ſche Aus - gabe der Rotwelſchen Grammatik die Schreibung Rotwelſch; der Bedeler orden hat auf dem Titel und in der Ueberſchrift des Vocabulars die Schreibung rotwelſch, während das Vocabular15 ſelbſt hinter rotboß, bedeler herberg, noch rottun, bedeler, und rotten, bedelen, hat. Der Expertus in truphis (1668) hat auf dem Titel rotwelſch, in der Ueberſchrift des Vocabulars rott - welſch und im Vocabular ſelbſt wieder Rotbeth, Bettlerherberg. Die Rotwelſche Grammatik von 1755 hat auf dem Titel Rot - wellſch, auf S. 1 Rothwelſch, auf S. 29 und 51 Rot - welſch und im Beytrag zur Rottwelſchen Grammatik wieder Rotwelliſch.

Vergleicht man das Wort rot (die Farbe) mit den verwand - ten Ausdrücken: goth. rauds; ahd. rôt; agſ. read, reôd; engl. read, rod; ſchwed. röd; anrd. raudr (rod, rodi, rydi, Röthe, Roſt); waliſ. rhwdd; lat. rutilus, röthlich, russus, ruber, rufus, roth; griech. ἐ-ρυϑρός; agſ. rudu, Röthe, und vergleicht dazu die verwandten Sprachen in Bezug auf das rott (die Rotte), ndſ. rot, rott; ndl. rot, rotte, root; engl. rout; ſchwed. rote; mgr. ῥοῦτα, ῥοῦττα; prov. rota; afrz. rote; mittellat. rupta1)Schwenck, a. a. O., S. 532., ſo muß man es aufgeben, in dieſer Schreibarts-Verwirrung irgend - eine ſichere Unterſcheidung zu finden.

Wichtig erſcheint nun aber, weiter nachzuforſchen, was denn das mit dem Schwartz in der baſeler Bündnißacte von 1391 zuſammengeſtellte Rot im Grunde bedeuten ſoll. Schwenck, a. a. O., S. 532, wirft die Bemerkung hin, es ſei möglich, daß roth urſprünglich im allgemeinen gefärbt bedeutet habe. Er leitet roth vom altnordiſchen rioda her, welches blutig machen, beſchmieren bedeutet, und bezieht ſich auf die analoge Etymologie des hebräiſchen chamar, gemiſcht, trübe, ſchlammig geworden. Allerdings bedeutet〈…〉〈…〉, chamar, zunächſt nur das Aufgähren, Brauſen, Schäumen vom Sauerteig, Meer, Wein, Moraſt, wovon ſodann die Bedeutung roth, entzündet ſein, vom verwein - ten, entzündeten, gerötheten, rothgefärbten Angeſicht; Derivata ſind〈…〉〈…〉, chamor, der Eſel, und〈…〉〈…〉, chomer, der Thon, Lehm, beides von der röthlichen Farbe , wonach es mit dem ſtricten Roth wol nicht ſo genau zu nehmen iſt. Doch erſcheint16 immer die von Schwenck angeführte Analogie zutreffend und die nächſte Bedeutung die des anrd. rioda zu ſein. 1)Vgl. Schmeller, III, 166, der ſogar als zweite figürliche Bedeutung des rot finnig im Geſichte aufführt.

Nun hat die älteſte Urkunde über das Treiben der deutſchen Bettler, das baſeler Rathsmandat, ſowie der Liber Vagatorum, der Bedeler orden und die Rotwelſche Grammatik keine andere Erklärung für das Rot, Rotten, Rottun als Bettler, welche aber überall in dieſen älteſten Urkunden mit entſtelltem, bemaltem und beſchmiertem Angeſicht und Körpertheilen erſcheinen. Der Belege ſind ſehr viele, z. B. im baſeler Rathsmandat die Grautener, die nemment ein blutig Tuch und bindent das umbe die Stirnen, als ob ſie gevallen wären, darnach walgerent ſie ſich in dem Bache, glich als werent ſie von den Siechtagen wegen alſo gevallen. So nemment ein teil Salb, die machent ſy meigewunne und beſtrichent ſich neder dem Antlitz damitte, ſo werden ſie geſchaffen, als werent ſie in ein Fure gefallen und daz heiſſet under inen ein ſchaffin Anlitz. Jtem die Schweiger die nemment Pferd Miſt und mengent den mit Waſſer und be - ſtrichent Bein, Arm und Hande damit, ſo werden ſie geſchaffen als ob ſie die Gilwe oder ander groſſe Siechtagen hettent. So machen es weiter die Valkentreiger, Braſſeln, Jungfrown, Span - felder, Krachere, Seffer u. ſ. w.

Auch in noch viel ältern Sprachurkunden erſcheint das Rot in ſolcher Bedeutung. Das Vocabular St. -Galli (7. Jahrhundert) überſetzt das lateiniſche rufus mit rooter. Rufus iſt aber keines - wegs ſtreng beſchränkt auf das ruber. Gellius (Noct. Att., II, 26) ſagt ausdrücklich: Non enim haec sunt sola vocabula rufum colorem demonstrantia, quae tu modo dixisti, rufus et ruber, sed alia quoque habemus plura: fulvus enim et flavus et rubidus et phoeniceus et rutilus et luteus et spadix adpella - tiones sunt rufi coloris, aut acuentes cum aut virenti sen - sim albo illuminantes etc.

Unzähligemal wird auch in den Quellen des Femrechts2)Vgl. in Wächter’s vortrefflichen Beiträgen zur deutſchen Geſchichte,17 der Freiſtühle auf rother Erde erwähnt, und da erwieſen die Freiſtühle ſich nur in Weſtfalen1)Wächter, a. a. O., S. 8, 175. auf rother Erde befanden, ſo haben alle Schriftſteller2)Vgl. die verſchiedenen Anſichten von Klüber, Möſer, von Lang, Wigand und Berck bei Wächter, a. a. O., S. 178 und 179. über Femgerichte es ſich recht ſauer angelegen ſein laſſen, herauszufinden, womit der gute weſtfäliſche Boden denn ſo roth geſchaffen worden ſei. Nach der von Gellius gegebenen Erklärung des rufus und der Grundbedeutung des rioda ergibt ſich, daß Paul Wigand in ſeinem ausgezeichneten Werke3) Das Femgericht Weſtfalens. Aus den Quellen dargeſtellt (Hamm 1825), S. 276. auch hier wieder ſeinen richtigen Blick bewährt hat, wenn er die rothe Erde überhaupt nur ganz einfach als die Erde, den freien Erdboden, freies Feld bezeichnet, auf welcher, im Gegen - ſatz zu den in Städten und Häuſern gehegten Gerichten, an alter freier Malſtätte, unter offenem, freiem Himmel, Gericht gehalten wurde. 4)Wächter, a. a. O., S. 179, ſtößt ſich freilich daran und iſt der An - ſicht, daß bei dieſer Erklärung der Ausdruck dann ja beinahe von allen Ge - richten Deutſchlands überhaupt bis tief in das 15. Jahrhundert hätte gebraucht werden müſſen, was ja doch in der That nicht der Fall geweſen ſei. Doch ſpricht Wächter, a. a. O., S. 8 (vgl. S. 175), auch mit vollem Recht und entſchiedener Sicherheit aus, daß die Femgerichte nie einen Sitz in Süd - deutſchland hatten, ſondern daß Freiſtühle ſich blos in Weſtfalen auf rother Erde befanden, aber freilich Freiſchöffen im ganzen Deut - ſchen Reiche.

Endlich um aus den zahlreichen Belegen noch ein poeti - ſches Specimen anzuführen ſingt Walther von der Vogelweide (Lieder und Sprüche; bei Wackernagel, Althochdeutſches Leſebuch , S. 390): Dar zuo die bluomen manicvalt diu heide rôt, der grüene walt wo im zierlichen Bilde die rothe Heide recht beſtimmt als flaches Feld2)insbeſondere zur Geſchichte des deutſchen Strafrechts (Tübingen 1845) die erſte Abhandlung: Die Femgerichte des Mittelalters, S. 3 38, und die Ex - curſe dazu S. 113 244, insbeſondere die Quellen S. 113.Avé-Lallemant, Gaunerthum. III. 218im Gegenſatz zu dem bunten Farbenton der Wieſe und des Waldes erſcheint. 1)Zum Ueberfluß ſei hier nur flüchtig darauf hingewieſen, daß in V. 6 und 25 des Liber Vagatorum von Pamphilus Gengenbach: durch ihre ſprach die mā nempt Rot , das Rot nur eine dem nachfolgenden Reim ſpodt zu Gefallen geſchehene Verſtümmelung von Rotwelſch iſt. Das niederdeutſche rötern, räteln, raſſeln, klappern, metaph. viel, raſch und unverſtändlich reden, ſteht mit rot in keiner Verbindung, ſondern iſt von Rad (rota) abzu - leiten; davon Rätel, Röter und Rätelding, die Nachtwächterknarre; - terer, Plappermaul, Schwätzer. Richey, Hamb. Idiot., S. 207.

Neuntes Kapitel.

2) Gil.

Gewinnt ſomit ſchon das Rot des baſeler Rathsmandats eine nicht zu verkennende beſtimmte Bedeutung, ſo wird dieſe durch eine andere entſprechende Bezeichnung des Mandats noch mehr befeſtigt. Das Rathsmandat wurde, wie ſchon erwähnt, unmittel - bar nach dem baſeler Bündniß (1391) gegen die Geſellſchaft, den man ſpricht Rot und Schwartz , erlaſſen und erhielt im Ein - gange die Ueberſchrift: Diß iſt die Betrügniſſe damitte die Gilen und Lamen2)Vgl. Th. I, S. 125. u. ſ. w.

Die Bedeutung der Lamen iſt nicht zu verkennen. Es ſind die ſimulanten Krüppel, welche durch Schauſtellung eines körper - lichen Gebrechens, wie z. B. durch Aufſchnallen eines Beins auf Krücken u. ſ. w., tiefern Eindruck auf das Mitleid zu machen ſuchten, um es deſto beſſer auszubeuten. J. Knebel vertauſcht das Lamen eigenmächtig mit Blinden, hat aber, gleich Brück - ner, die Gilen beibehalten, aus welchen Heumann ( Exercita - tiones , S. 174) die ſo vermeſſene wie wunderliche Transpoſition Lieger gemacht hat3)Jm Althochdeutſchen iſt liegen liogan, lügen. Dagegen iſt ligen, ahd. likkan, jacere. S. Wackernagel u. d. W. Die Schreibung ligen würde allerdings hierher paſſen, da ligen auch noch heute, beſonders im nördlichen, welche doch wol eher dem trockenen19 Heumann zum Fehler anzurechnen iſt als dem Schreiber des Ebener’ſchen Manuſcripts. Der Liber Vagatorum ſcheint das Gilen auch ſchon nicht mehr richtig verſtanden zu haben und führt im Vocabular nur Giel, Mund, auf, welches auch die Dekk’ſche wie die Humm’ſche Rotwelſche Grammatik in der Ueber - ſchrift des erſten Theils ( ja ein dart vff ſein giel ) und im Vo - cabular mit der gleichen Bedeutung munt angibt. Die Schrei - bung Giel kommt jedoch ſo wenig wie die Bedeutung Mund im Rathsmandat vor; der Jnhalt des Mandats muß daher die Ueberſchrift mit den Gilen deutlich machen. Das Gilen iſt aber ſchwerlich etwas anderes als das mhd. gil, gel, gilb (lat. gilvus, auch gilbus, gelblich, fahl, falb, und helvus, röthlich, gelb), gelb, fahl, ſchmuzfarbig, wovon gilbe oder gilwe, welches im Raths - mandat unter der erſten Rubrik Grautener, am Schluß bei den Schweigern vorkommt und welches vom Liber Vagatorum und der Rotwelſchen Grammatik als Gelſucht (I, 178), vom Bedeler orden als de gelen ſocht (I, 199) überſetzt wird. Man vgl. Schwenck, a. a. O., S. 217, 14; Schmeller, a. a. O., II, 31, und das Schwäbiſche Wörterbuch von v. Schmid, S. 230, un - ter Giel, wo die als unverſtändlich angeführte Stelle aus Her - mann von Sachſenheim: Der Knecht der ab dem Kalb da fiel, Der mocht wohl sein ein thöricht Giel nach vorſtehender Deutung erklärlich werden mag.

Das mhd. gil, gel, ſcheint auch noch mit dem hebräiſchen〈…〉〈…〉, gaal, beflecken, beſudeln, in verwandtſchaftlicher Beziehung zu ſtehen; davon〈…〉〈…〉, goal, Abſcheu, Ekel. Jntereſſant iſt bei Zunz.1) Die gottesdienſtlichen Vorträge der Juden (Berlin 1832). Ueber dies treffliche Werk wird noch mehr geſprochen werden., S. 438, Note 6, das Citat aus Rabbi Meir Rothenburg3)Baiern, für liegen bleiben, in Wochen liegen gebraucht wird. Schmel - ler, II, 456. Doch mag Heumann das wol ſchwerlich im Auge gehabt haben. Mit der letzten Bedeutung des ligen ſtimmt auch überein das noch ſehr ge - bräuchliche nd. leeg, ſchlimm, krank, böſe, falſch, niedrig, flach. Richey, a. a. O., S. 150, leitet dies leeg nach dem Vocabularius Theutoniſta (ſ. daſ. S. 445, Col. 2, 24) von Lack, Gebrechen, Mangel, ab.2 *20R. G. A., Nr. 631, welcher das jüdiſchdeutſche〈…〉〈…〉, gêl, geradezu für gelb gebraucht.

Rot und Gil ſcheinen danach einerlei Bedeutung zu haben und ſehr beſtimmt für die Bezeichnung der widerlichen Färbung gebraucht worden zu ſein, mit welcher ſich die Landſtreicher und Gauner des Mittelalters Geſicht und Gliedmaßen entſtellten, um ſich den Anſchein von Krankheit zu geben oder ſich unkenntlich zu machen, von welcher Operation in den genannten älteſten Gauner - urkunden zahlreiche und verſchiedene Mittel und Methoden ange - geben werden. Dieſe Entſtellungen machen ſich ſeit dem erſten Auftreten und Bemerktwerden der Gauner als eine gebotene und eifrig cultivirte Politik bemerkbar und werden noch zur Stunde mit der raffinirteſten Kunſt, aber mit feinern Mitteln zur Ver - deckung der Perſönlichkeit angewandt als vor Jahrhunderten, wo die Gauner ſich mit Pferd Miſt, Meigewunne, Oben und Oben und andern ekeln Sachen behalfen.

Die Etymologie, Schreibung und Bedeutung von gel, gilen, gilb, gilwe iſt zu beſtimmt, als daß man das ſpätere Giel, Mund, des Liber Vagatorum damit in Verbindung bringen könnte, welches eine ganz andere Wurzel hat. Giel iſt herzuleiten vom ahd. gail oder geil1)Schwenck, a. a. O., S. 215, nimmt den verlorenen Stamm geilan an, welches Ueppigkeit bezeichnet haben müſſe. Schmeller, a. a. O., II, 31, deutet bei geilen auf den Stamm gáln. Zu beachten iſt die Geile, testiculus (Bibergeil, testiculi castoris; castoreum); geilen, emasculare (vgl. Friſch, S. 335, Col. 1); Gaul, Hengſt; Geilſtier, Zuchtſtier. Schmid, Schwä - biſches Jdiotikon , S. 231, erklärt, mit Bezug auf des St. -Gallus elatus, keil, elate, kaillihho, das geil überhaupt mit was ſich in die Höhe richtet, ſei es aus Fruchtbarkeit, Stolz oder Vergnügen . Schwenck, S. 215, weiſt auf die griech. Grundform χλίω, χλίζω hin und führt dazu das lat. heluo als ver - wandt auf. Doch hat Feſtus, worin ihm auch Voſſius, Etymologia , bei - ſtimmt, die Ableitung von eluo. Vgl. Scheller’s Lateiniſches Lexikon, S. 4402., mit welchem das Vocabular St. -Galli das elatus überſetzt, goth. gáiljan, erfreuen, mhd. ergeilen, erquicken, ſich erfreuen; das ahd. geil iſt üppig, fröhlich, fett, fruchtbar; geili, Ueppigkeit, Aufwand; ndl. geil, geyl, dän. geil, nord. galsi, wovon das heutige niederd. galſerig, galſterig, fett, ranzig;21 alſo überall der Begriff von Fruchtbarkeit, Ueberfluß, Ueppig - keit, Aufwand, Uebermuth. Während gail ſchon in den älteſten althochdeutſchen Urkunden vorkommt, findet man giel in der Be - deutung Mund erſt viel ſpäter im Mittelhochdeutſchen. Mindeſtens habe ich keine ältere Stelle finden können als die in Hans von Bühel’s Leben Diocletian’s (15. Jahrhundert):

Solt ym aber übel beschehen
So muosz ich iuch ouch das veriehen
So tett der wint vff sinen giel
Dem pferde er in den swanz viel.
1)Vgl. Wackernagel, a. a. O., S. 957, 34. W. hat noch S. 1005, 4 die oben angeführte Stelle aus Hermann von Sachſenheim und weiſt im Wör - terbuch, wo er giel mit Prahler erklärt, auf dieſe Stelle.
1)

Aus dieſem ahd. gail iſt ſehr wahrſcheinlich das mhd. gei - len und Geiler entſtanden mit der Bedeutung des unverſchäm - ten Forderns und Bettelns, wovon Friſch, a. a. O., S. 335, noch zahlreichere Beiſpiele und Compoſita anführt. Man vgl. auch bei Schmeller, a. a. O., II, 31, die Reihe gal, wo bei geilen auch noch Bettelgeiler für den frechen Bettler angeführt iſt. Man vgl. auch noch Schmid, a. a. O., S. 225, und Schwenck, a. a. O., S. 215.

Endlich iſt noch zu erwähnen, daß die Ausdrücke Gilen, Geilen, Giler und Geiler ſowol der alten als auch der neuen Gaunerſprache ſelbſt ganz fremd ſind. Auch nicht der Bedeler orden, welcher, wie ſeine bedeutende Vocabelzugabe ausweiſt, eifrig beſtrebt iſt, das Vocabular des Liber Vagatorum zu bereichern und zum Rotboß des letztern das dieſem fehlende rottun, bedeler, und rotten, bedelen, hinzufügt, hat zu Giel, Mund, kein ein - ziges Derivatum oder Compoſitum gefunden.

Somit erſcheint der Rot, gleich dem Gilen, als der Bettler, Vagant, Gauner, welcher, um ſich ein kränkliches und unkennt - liches Anſehen zu geben, das Geſicht oder die entblößten Körper - theile mit Farbe bemalt und entſtellt. Nach dem in der baſeler Bündnißacte von 1391 vorkommenden Beiſatz Schwartz mag22 auch das Rot auf die beſondere Kleidung der Gauner zu be - ziehen ſein, wie das mit ziemlicher Sicherheit bei den franzöſiſchen grisons und rougets zu Anfang des 17. Jahrhunderts und hun - dert Jahre ſpäter bei der ſchwarzen Garde des engliſchen Gauners Hollyday geſchehen darf. 1)Vgl. Th. I, S. 50, Note 1.Doch kann das Schwartz auch ganz zwanglos auf die Entſtellung des Geſichts und einzelner Körper - theile bezogen werden, da ja die althochdeutſche Wurzel suarz dunkel, finſter, trübe, durcheinander gemiſcht, entſtellt bedeutet (vgl. Schwenck, S. 600), was ſich ja auch noch in der Farben - bezeichnung kohlſchwarz, blauſchwarz, ſogar in Schwarzbrot, Schwarz - bier, und metaphoriſch anſchwärzen, verleumden, ſchwärzen, ſchmuggeln, Schwärzer, Contrebandier, und in dem gauneriſchen Ausdruck Schwärze, Nacht, deutlich genug ausgeprägt findet. Vgl. Schmeller, a. a. O., III, 549.

Zehntes Kapitel.

3) Wälſch.

Das wälſch, welſch in Rotwelſch iſt leicht zu erklären. Es ſtammt vom ahd. walh, walch, wal, wall, walah, Adj. wala - hisc2)Vgl. Graff, Althochdeutſcher Sprachſchatz , I, 841 und 842, und Maßmann, Reg. 256; Schmeller, IV, 52 und 69; Schmid, S. 525; Schwenck, S. 721 und 723; Friſch, S. 438; Wackernagel unter walch (DLXXI) und wëlch, wölch (DLXXXI), welhisch (DLXXXII), und die vielen citirten Belege; Adelung, Grammatiſch-kritiſches Wörterbuch der hochdeutſchen Mund - art. Mit Soltaus Beiträgen und Schönberger’s Berichtigungen (Wien 1811), IV, 1370 und 1339, unter wälſch und wahle. Vgl. unten das Wörterbuch des Gauners Andreas Hempel von 1687., und bedeutet den nicht deutſch Sprechenden von romani - ſcher, beſonders italieniſcher Geburt und Zunge; daher analog der Bedeutung, in welcher das lat. barbarus zu romanus ſteht, aus - ländiſch, fremdländiſch, in Bezug auf deutſch. Doch iſt die Be - deutung latinus, romanus, italieniſch, vorherrſchend. Davon:23 Walnuß, welſche Nuß, die vom Ausland her bekannt gewordene Nuß; welſche Hühner, von der Fremde eingeführte, indiſche Hüh - ner; wälſchen, ſchweiz. walen, waalen, undeutlich, beſonders in unbekannter Sprache, durcheinander ſprechen. Verwelchen, verwälſchen, vermummen, verkleiden, verſtellen, ſich unkenntlich machen. 1)Schmid, a. a. O., S. 111, hat noch überdies walapauz, welches er aus welſch und butz zuſammengeſetzt ſein läßt und aus den longobardiſchen Geſetzen allgemein anführt ohne Nachweis. Das walapauz habe ich dort nicht finden können; was bedeutet aber das waluurst (Herold: Vultuurfo, Lindenbrog: Wultworf, Vualuuoft) des Kap. V, Tit. VII der Lex Bajuvariorum? (Geor - giſch, Corpus juris Germanici , S. 284.) Das discriminalia deutet auf einen mit Heftnadeln befeſtigten Kopfputz der Jungfrauen. Etwa welſcher Kopf - putz? Ferner ebendaſ. Kap. III, Tit. XVIII (Georgiſch, S. 319) walaraupa (Herold: walaurapa), das jedenfalls ein Todtengewand ſein muß. Schmeller, a. a. O., III, 119, 24, hat in der Reihe rap, rap: der Rupfen (hrop, hropwyrc), Wocken, Werch, Leinwand aus Werch, wobei er alte Belege anführt, welche alle auf groben Leinenſtoff deuten. Sollte demnach walaraupa grobes welſches Leinen ſein?

Der (jedenfalls aber nicht gaunerübliche) Ausdruck Rot - welſch bezeichnet alſo ziemlich glücklich ſowol den Stoff und Bau der Gaunerſprache als auch die Eigenthümlichkeit der Perſonen, welche dieſe Sprache geſchaffen und cultivirt haben. Die ſpäter vorkommende linkiſche, ſteife lateiniſche Ueberſetzung ruber barba - rismus2)Gesner, Mithridates , Fol. 81., welche man vielfach bei Schriftſtellern des 16. und 17. Jahrhunderts findet, gibt gerade ein Zeugniß davon, wie wenig das Weſen des Gaunerthums und ſeiner Sprache der deutſchen Gelehrſamkeit ſich erſchloſſen hatte, welche ſich mit der bloßen Nomenclatur begnügte, im übrigen aber mit hochmüthiger gelehr - ter Verachtung über den quellreichen deutſchen Sprachboden hin - wegging und mit faſt jedem ſchwerfälligen Tritt den Boden zu - ſammenknetete, unter deſſen unſcheinbarem Wuchs ein ſo heimliches wie friſches, reiches Leben hervorrieſelte.

Der in der That ſehr ſchlechte Witz , Rotwelſch von der Stadt Rottweil abzuleiten, woſelbſt das kaiſerliche Hofgericht24 ein ganz beſonders ſchlechtes Deutſch cultivirt haben ſoll1)Die vielen Misbräuche bei dem 1146 von Konrad III. errichteten, 1572 neu organiſirten kaiſerlichen Hofgericht, deſſen Ausſprüche niemals Anſehen ge - wonnen haben, waren es, welche ſchon bei den weſtfäliſchen Friedensverhand - lungen und ſpätern Gelegenheiten ſeine Aufhebung zur Sprache brachten, bis Rottweil 1802 an Würtemberg kam und bald darauf das Hofgericht eingezogen wurde. Aber im stilus curiae , der wahren maccaroniſchen deutſchen Proſa, hatte das Hofgericht vor keinem andern Hof - oder Reichsgericht etwas voraus. Wenn auch die Volkspoeſie des 15. Jahrhunderts und Luther’s Sprachhelden - ſchaft der deutſchen Sprache den vollſtändigſten Sieg über die römiſche Rechts - ſprache erkämpft hatten, ſo blieben doch gerade in der deutſchen Gerichtsſprache unzählige lateiniſche Floskeln zurück, welche, wie unſere modernen Nipp - und Rococofiguren, auf allen Börtern der Archive und Gerichtsſtuben in ſeltſamſter Gruppirung aufgeſtellt ſind und wie neckiſche Kobolde mit lächerlichen Fratzen überall umherſpringen und die herrliche reiche deutſche Sprache verhöhnen. Wie hat ſich der deutſche Juriſt zu hüten, wenn er deutſch ſchreiben will!, wird übrigens mit Unrecht dem Johann Chriſtoph Gottſched aufgebürdet. Er ſtammt vielmehr ſchon von Kaspar Lehmann ( Speierſche Chro - nik , Buch 7, Kap. 42) her, wie der alte Friſch, S. 438, anführt: Da die Juriſten zu Rottweil angefangen, ſo viele fremde Ter - minos einzumengen, daß es kein Menſch mehr verſtunde.

Elftes Kapitel. b) Kauderwelſch.

Eine gleich ungeſchickte Etymologie hat der zuweilen, jedoch niemals von Gaunern, für Rotwelſch oder Gaunerſprache ge - brauchte Ausdruck Kauderwelſch erfahren. Sie iſt bei der ana - logen örtlichen Beziehung ebenſo lächerlich wie die Ableitung des Rotwelſch von Rottweil. Das Kauder in Kauderwelſch ſoll nach Friſch, a. a. O., S. 503, gar wahrſcheinlich aus Chur ent - ſtanden ſein, der Hauptſtadt des Biſtums dieſes Namens in Grau - bündten, woſelbſt die Wälſche oder Jtaliäniſche Sprach mit großer Veränderung geredet wird, und da der gemeine Mann für Chur Caur ſagt, iſt es in Kaur-Welſch und Kauderwelſch verändert25 worden . Abgeſehen davon, daß die Wandlung Chur in Caur gar nicht zu rechtfertigen iſt, ſo iſt doch ohnehin die Verlängerung in Kauder oder Kauter (Friſch, S. 438) gar nicht zu erklären und zu begründen. Viel richtiger erſcheint die weitere Vermuthung bei Friſch, S. 503, daß Kauder, Kuder oder Kauter nichts anderes iſt als stupa, ein Bund Werch, ſoviel auf einmal an den Rocken gelegt wird, der grobe Abfall vom Flachs, Abwerch, den man in die Bettdecke ſtopft , alſo wieder der rohe verwirrte Abfall. Kauter bedeutete früher die Bettdecke und iſt aus Kulter, Kolter, Golter, Gulter, Kolte1)Vgl. Wirnt von Gravenberch, Wigalois, der Ritter mit dem Rade , V. 2762, 3332, 3477. entſtanden, und letztere Ausdrücke ſtammen wieder vom lateiniſchen culcita, Polſter, Ma - tratze. 2)Vgl. Schwenck, S. 307, Kauder; Friſch, a. a. O. und S. 532 unter Kolter; Schmid, a. a. O., S. 307, woſelbſt noch Kauderer, Flachsſchwinger, Flachshändler. Vgl. noch daſelbſt kaudern, verbotenen Handel treiben, und kränklich, verdrießlich, mürriſch ſein. Damit ſcheint das niederd. küten zuſam - menzuhängen, namentlich in der Compoſition kütbüten (büten, tauſchen), vom verſteckten Tauſchhandel, namentlich der Kinder in der Schule mit allerlei Lappalien aus der Taſche.Schwenck, S. 307, ſtellt noch die Ableitung auf von kaudern, unvernehmlich ſprechen, vom veralteten quaden, ndl. kouten (gothiſch quithan, ſprechen), oder auch (S. 332) von kodern, lallen, zu ſprechen verſuchen, von Kindern; ndl. quettern; ſchweiz. köderlen, ködderlen; mhd. kötten, ketten, köthen. Beide Ableitungen von Friſch und von Schwenck haben Sinn, da unter Kauderwelſch ganz allgemein jede in Worten und Ausdrücken gemengte, unreine, unverſtändliche Sprache verſtanden wird, mit dem Nebenbegriff des Rauhen und Unangenehmen. Vgl. Heinſius, Wörterbuch , II, 1066. Die abgeſchmackte Verſtümmelung des Churwelſch zu Kauderwelſch ſcheint erſt der ſpätern Zeit anzuge - hören. Denn noch Kaspar von Stieler, welcher alle Formen, Kauder, Kaut, Kauter, für Werch, Werchbund, in ſeinem Teutſchen Sprachſchatz (1691) anführt, weiß ſo wenig von Kauderwelſch, wie auch Konrad Gesner in ſeinem Mithridat 26(1555) und der ſpätere Herausgeber Kaspar Waſer (1610), ob - ſchon in letzterer Ausgabe, Fol. 72b, eine Sprachprobe aus dem vernaculus Rhaetorum sermo gegeben wird, quem ipsi vulgo Romanum appellant (ut et suum Sabaudi) nostri Churweltſch , aus welcher man eine ganz eigenthümlich lotterige Vermengung provenzaliſcher und italieniſcher Wurzeln und Flexionen durchein - ander wahrnimmt. Jm Mithridat , a. a. O., wird die grau - bündtner Sprache ein sermo Italicus omnium corruptissimus genannt und geſagt, daß bis dahin noch keine Literatur in dieſem Jargon exiſtirt habe. Doch wird dabei des Graubündtners Jakob Bifrons erwähnt, qui hanc linguam scriptis illustrare et publi - care incoepit et catechismum etiam sacrosanctae religionis nostrae e Germanico in hunc sermonem convertit, excusum Pusclavii anno salutis 1552 . Das Buch habe ich nirgends auf - treiben können, ſo wenig wie ſonſt irgendein Probeſtück einer ſpä - tern Literatur, welche überhaupt zu fehlen ſcheint, da der ſo un - natürlich zuſammengeſetzte Sprachbeſtand nicht die innere ſprach - geiſtige Kraft hat zur Erzeugung und Fortpflanzung ſeiner Gat - tung, namentlich da, wie Schleicher1) Die Sprachen Europas in ſyſtematiſcher Ueberſicht (Bonn 1850), S. 187. treffend bemerkt, deutſcher Einfluß von ziemlich ſpätem Datum und einheimiſcher Mangel an Cultur mit vereinten Kräften dieſem Dialekt übel mitge - ſpielt haben. Das Churwelſch oder Rhätoromaniſche zerfällt übri - gens in zwei Dialekte, den rumoniſchen im Rheingebiet des Cantons Graubündten und den im Jnngebiete geſprochenen ladi - niſchen. Dem Churwelſch fehlen, nach Schleicher, unter andern zwei weſentliche romaniſche Kennzeichen, die Bildung des Futurum durch habere und das zum hiſtoriſchen Tempus verwandte Per - fectum. Das Futurum wird umſchrieben mit venire (ad amare), wie auch das Paſſivum mit venire gebildet wird: venio amatus, ich werde geliebt. Vergleicht man damit das deutſche ich werde lieben, ich werde geliebt , ſo ergibt ſich leicht die Quelle dieſes Hülfszeitworts venire. Auch die unromaniſche Vermiſchung des27 lateiniſchen Perfects läßt ſich füglich deutſchem Einfluß beimeſſen. Schleicher, a. a. O., S. 187.

Da keine Veranlaſſung vorliegt, ſpeciell auf das Churwelſch zurückzukommen, ſo mag die hier diplomatiſch genau nach Gesner, Fol. 72b, abgedruckte oratio dominica als Probe Platz finden:

Bap noass, tii quell chi ésch in ls tschéls: fatt saingk uénnga ilg teis nuom: ilg teis ragín am uéng naun proa: la tia uoellga dwain taschkoa in tschél, uschè eir in terra. Noass paun d’minchiady da a nuo hoátz: e parduna a nuo ils noas dabitts, schkoa eir, nuo pardunain a ls noass dabit - taduors. E nun ns’manar in prowamaint, moa ans spendra da lg maal. Parchiai chia teis ais ilg raginam é la pussauntza, é lg laud in etern. Amen.

Zwölſtes Kapitel. c) Salbadern.

Ebenſo abgeſchmackt wie mit der Benennung Kauderwelſch wird die Gaunerſprache, wiewol ſelten, auch noch mit dem Aus - druck Salbadern bezeichnet, weshalb denn dieſes Wort hier Er - wähnung verdient. Das Wort Salbader leitet Friſch, a. a. O., S. 144, ab von einem Bader, der zu Jena an der Saal zu - gleich eine Balbier-Stube gehabt, deſſen Bader-Discours ſich allezeit vom Wetter angefangen, das Jedermann, der zu ihm kam, unter Wegs genugſam empfunden . Schwenck, S. 543, kommt der Sache ſchon näher, da er den Salbader als den ehemaligen Bader beſchreibt, der in einem Gemeindehauſe (Sal, Saal) das Bad zu halten pflegte. Die beſte Erklärung iſt jedoch wol die bei Schmid, S. 491, von Seelhaus, Armenkrankenhaus, wie ſolche vor der Reformation von Andächtigen zum Heil ihrer Seele geſtiftet und von Beguinen beſorgt wurden. Schmid führt dazu eine öttinger Urkunde von 1265 an. Der Aufſeher hieß Seelvater. Für die an Hautkrankheiten u. dgl. leidenden Kranken waren in28 den Seelenhäuſern Seelbäder eingerichtet, wie z. B. 1503 eins in Ulm. Der Arzt hieß Seelſcherer, Seelbader. Die Wand - lung des Seelbader in Salbader iſt zunächſt niederdeutſchen Urſprungs. Noch heutzutage hört man in Norddeutſchland überall die Ausdrücke: Min ſāl Vader, min ſāl Moder 1)Die niederdeutſche Umlautung des ſaalig in ſāl (neben welchem auch ſeelig beſteht), iſt eine Anomalie, welche ſich wol nur aus dem Jüdiſch - deutſchen erklären läßt, in welchem bei Erwähnung verehrter verſtorbener Per - ſonen ſtets die Abbreviatur〈…〉〈…〉, d. h. secher liwrocho, ſein Andenken ſei ge - ſegnet, beſonders in Briefen und bei Unterſchriften mit Namenserwähnung des verſtorbenen Vaters, der Mutter oder eines Verwandten oder geehrten Freundes gebraucht und im Sprechen phonetiſch belebt wird zu sal, säl, z. B.: mein Vater ſāl, mein Bruder ſäl, meine ſäl Mutter, meine ſäl Schweſter. Vgl. Kap. 48 das phonetiſche Element der Abbreviaturen und Kap. 85 in den ſyn - taktiſchen Anmerkungen das über das Vinzlied und über den Briefſtil Geſagte, mein ſeliger Vater, meine ſelige Mutter. So ſehr nun aber auch das lippis et tonsoribus notum des Horaz (Sat. 1, 7, 3) ſchon ein claſſi - ſches Zeugniß für die unvertilgbare Beredſamkeit der Bader iſt, wie denn die Rochlim des Mittelalters als ambulante Neuig - keitsträger (vgl. II, 270) mit den Badern faſt gleichbedeutend ſind: ſo iſt doch das Wort Salbader, ſalbadern niemals in die Gaunerſprache aufgenommen worden und ihre zuweilen gewagte Bezeichnung mit Salbaderei durchaus falſch.

Dreizehntes Kapitel. d) Jargon.

Man bezeichnet zuweilen die Gaunerſprache mit dem ſehr weiten, jedoch dem Gaunerthum ganz fremden Ausdruck Jargon. Schwenck, S. 294, erläutert Jargon kurzweg als die unverſtänd - liche Mundart und fügt vergleichsweiſe das franz. jargon, ital. gergo, ſpan. gerigonza, xerga (guirigay, Kauderwelſch), proven - zal. gergonz, altnord. jargr hinzu. Es iſt auffallend, daß es in keiner Sprache eine deutliche Etymologie dieſes Wortes gibt, mit29 welchem man überall kaum etwas anderes als Kauderwelſch be - zeichnen mag. Jm Deutſchen haben wir das Wort Jargon ledig - lich aus dem Franzöſiſchen herübergenommen. Man darf alſo von den Franzoſen Aufklärung fordern. Wirklich mühen ſich dieſe nun auch, zum Theil auf ſeltſame Weiſe, ab, ihr jargon und argot zu erläutern. Die ganze Introduction bei Francisque-Michel1) Études de philologie comparée sur l’argot et sur les idiomes analogues parlés en Europe et en Asie (Paris 1856). handelt dieſe Etymologie ab. Nach Nodier (Francisque-Michel, S. v) komm targot vom griech. ἀργός, otiosus, und iſt identiſch mit baragouin, fait de βάω et d ἀργός (!), oder vom zigeun. zergo, contraction de zingaro (das ſpaniſche xergo iſt gar nicht erwähnt), wovon die Franzoſen gergon und davon wieder jargon und daraus wieder argot gemacht haben. Gegen ἀργός erklärt ſich (S. iv) Le Duchat, welcher ſagt, que ce mot (l’argot) qui signifie le jargon des Bohémiens (?) vient .... très-vraisem - blablement de Ragot, par une légère transposition de lettres, et non pas de la ville d’Argos etc. Ragot était un fameux bélître, contemporain de Louis XII et quelque peu de Fran - çois I, souvent cité par les écrivains de l’époque et que les gueux du temps considéraient comme leur législateur etc. Das erinnert an des alten Lehmann ſchlechten Witz mit Rottweil. Es verlohnt der Mühe, die ganze Introduction des Francisque-Michel zu leſen, wie doch überallhin fehlgegriffen und endlich S. xxiv zu dem Reſultat gelangt wird, que l’argot n’a pas de syntaxe, qui lui soit propre! Aehnliche misglückte Ableitungen hat der von Francisque-Michel ganz überſehene, ſonſt allerdings beachtens - werthe Dictionnaire étymologique de la langue française (Paris 1694), S. 416, und Pierre Richelet, Dictionnaire de la langue française ancienne et moderne (Amſterdam 1732), wel - cher (II, 5) Jargon unter anderm ſogar von Jars, Gänſerich, ablei - tet! Das treffliche Vocabulario degli Academici della Crusca 2)d. h. die Akademie der Kleie, der Barbarismen, von welcher ſie das reine Mehl, die reine italieniſche Sprache, abſondern wollte. Vgl. Vilmar, a. a. O., II, 13.30 führt (II, 356) gergone, parlar gergone mit Hinweis auf gergo an und erläutert dieſes ohne Nachweis der Abſtammung mit par - lare oscuro, o sotto metafora, latein. verba arbitraria, furtiva loquendi forma. Eine genauere Etymologie iſt ſomit nicht nach - zuweiſen und man muß ſich daher mit dem Angeführten und mit Francisque-Michel’s Introduction zufrieden geben. Bei dem überall in jargon, gergo, gerigonza, xerga, gergonz durchſchlagenden wurzelhaften ger könnte man in Verſuchung gerathen, auf das in den jüdiſchdeutſchen Gebrauch gekommene hebräiſche〈…〉〈…〉, ger, Fremdling, und〈…〉〈…〉, gar, Fem. 〈…〉〈…〉, gara, Hausgenoſſe (vom Stammworte〈…〉〈…〉, gur, als Fremdling irgendwo leben1)Vgl. 1. Moſe 12, 10 und 19, 9; auch Geſenius Hebräiſches Wörter - buch unter〈…〉〈…〉 und〈…〉〈…〉; ſo auch J. Buxtorf, Manuale Hebr. et Chald. (Baſel 1634), S. 66, unter〈…〉〈…〉. Buxtorf überſetzt〈…〉〈…〉 mit peregrinus, advena. , jeman - des Nachbar ſein, bei oder neben ihm wohnen, in Schutz nehmen) zu blicken, namentlich da im Jüdiſchdeutſchen〈…〉〈…〉, Pl. 〈…〉〈…〉, gerim, beſonders die Fremden bedeutet, welche ſich zur jüdiſchen Religion hinwenden, Proſelyten. Davon jüdiſchdeutſch ſich megajer ſein, ſich bekehren (zur jüdiſchen Religion), z. B. der Goi hat ſich megajer geweſen, der Chriſt iſt zum Judenthum übergetreten. Doch mag das geſucht erſcheinen und anderswo weiter urgirt wer - den als hier, wo die Etymologie des ohnehin gar nicht gauner - üblichen Worts wenig oder gar kein praktiſches Jntereſſe hat.

Vierzehntes Kapitel. e) Mengiſch.

Die Bezeichnung Mengiſch iſt keineswegs gaunerſprachüblich, ſondern nur von Pamphilus Gengenbach eingeſchwärzt. Jn ſeiner Gouchmat heißt es V. 128 und 129: Was rotwälſch und auch mängiſch kan, Die will ſie allſandt nemen an.

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Hoffmann von Fallersleben erläutert1) Weimariſches Jahrbuch für deutſche Sprache, Literatur und Kunſt , Bd. 1, Heft 2, S. 336. das Mengiſch als Miſchmaſch von Deutſch und Romaniſch, ſowie auch noch jetzt Meſſingiſch ein Gemiſch von Hoch - und Niederdeutſch genannt werde, was K. Gödeke, Pamphilus Gengenbach , S. 680, mis - billigt unter Hinweis auf den meng (keßler) des Liber Vagato - rum, den man im Vocabular wie auch am Schluß der Notabilien findet, ohne daß jedoch Gödeke eine andere Etymologie ſubſtituirt hat. Mengiſch iſt niemals in die Gaunerſprache aufgenommen worden, obſchon es volksbräuchlich geworden und in Meſſingi - ſches ausgeartet ſein mag. Der meng, keßler des Liber Va - gatorum und ketelbode2)Bezeichnend für das arge vagantiſche Treiben der mengen, ketel - boden iſt, daß der in Norddeutſchland äußerſt häufige und ſchädliche Kohl - weißling oder Buttervogel, Pieris Brassicae, ſowie überhaupt der Schmetter - ling im Niederdeutſchen Ketelbode oder Ketelböter genannt wird. des Bedeler orden iſt mit dem men - ckeln des Liber Vagatorum eines Stammes, vom lateiniſchen mango, Händler, Hauſirer, Olitätenverkäufer, Waarenzurichter, von denen ſchon bei Plautus im verächtlichen Sinne die Rede und deren ſchon I, 43 erwähnt iſt als der erſten deutlichern gau - neriſchen Erſcheinung auf deutſchem Boden, nach Kap. 45 des Capit. Franc. primum incerti anni (Georgiſch, S. 1391). Man - ger, Maniger und Menger hat ſich bis auf den heutigen Tag erhalten in guter und in ſchlimmer Bedeutung: Roßmänger, Pferdehändler; Mußmänger, Gemüſehändler; Fleiſchmänger, Hühnermänger, Eiermänger, Manghaus u. ſ. w. Schmel - ler, II, 599, führt zahlreiche Beiſpiele aus den älteſten Urkunden an und meint ſogar, gewiß nicht mit Unrecht, daß die Eiſenmann - gaſſe in München urſprünglich wol Eiſenmangergaſſe geheißen habe, und hält die Wittwangerwacht in Regensburg für eine Corruption von Wittmanger, Holzhändler (Witt, Wit, Wid, Holz, Brennholz, Schmeller, IV, 200). Aus dem agſ. mangere iſt das engliſche monger entſtanden, z. B. cheesemonger, fishmonger, woodmonger, ironmonger, letzteres beſonders für Eiſenkrämer32 (Eiſenmenger) mit offenem Laden. 1)Vgl. Friſch, S. 639; Schmidt, S. 373 unter Manghaus; Schwenck, S. 390.Der Meng des Liber Va - gatorum erſcheint daher als der herumziehende Metallhändler und Keſſelflicker, wie das am Schluß der Notabilien des Liber