PRIMS Full-text transcription (HTML)
Eine Aegyptiſche Königstochter.
Hiſtoriſcher Roman
Erſter Band.
Stuttgart. Druck und Verlag von Eduard Hallberger.1864.
[I]
Eine Aegyptiſche Königstochter.
Historischer Roman
Erſter Band.
Stuttgart. Druck und Verlag von Eduard Hallberger. 1864.
[II][III]

Herrn Richard Lepſius, ordentlichem Profeſſor, Doctor der Theologie ꝛc. ꝛc. widmet dieſes Buch in hoher Verehrung der Verfaſſer.

[IV][V]

Als ich Sie, hochverehrter Herr Profeſſor, um die Erlaubniß erſuchte, Jhnen vorliegendes Werk widmen zu dürfen, verhehlte ich mir keineswegs, daß es beinah all zu kühn ſei, einem ſo bedeutenden Manne, wie Jhnen, die Pathenſtelle bei einem ſo ſchlichten Kinde, wie dieſes Buch, anzutragen. Sie haben meine Bitte nicht zurückgewieſen und mir, als ſchönſte Ermunterung, das von mir erwählte Feld der Wiſſenſchaft rüſtig weiter zu durchpflügen, in liebenswürdigſter Weiſe geſtattet, an die Spitze meiner Arbeit Jhren weltberühmten[VI] Namen zu ſetzen. Es iſt mir, als wenn ich in die - ſem Zeichen ſiegen müßte! Sollte mein Werk aber auch keinen Erfolg erringen, verurtheilt oder gänzlich überſehen werden, ſo wird mir doch das Bewußtſein bleiben, daſſelbe mit Fleiß und Liebe vollendet, und Jhnen durch meine Widmung bewieſen zu haben, daß ich nicht fähig bin des Dankes zu vergeſſen, welchen ich Denjenigen ſchulde, die mir in ſchweren Leidensjahren ermunternd und belehrend zur Seite ſtanden.

[VII]

Jnhalt.

  • Seite
  • VorwortIX
  • Erſtes Kapitel1
  • Zweites Kapitel19
  • Drittes Kapitel47
  • Viertes Kapitel57
  • Fünftes Kapitel75
  • Sechstes Kapitel85
  • Siebentes Kapitel97
  • Achtes Kapitel121
  • Neuntes Kapitel137
  • Zehntes Kapitel148
  • Elftes Kapitel159
  • Anmerkungen179
[VIII][IX]

Vorwort.

Man hat mehrfach bemerkt, daß in den Briefen Cicero’s und des jüngeren Plinius Anklänge moderner Sentimentalität nicht zu verkennen ſeien. Jch finde darin nur Anklänge tiefer Gemüthlich - keit, die in jedem Zeitalter, bei jedem Volksſtamme aus dem ſchmerzlich beklommenen Buſen emporſteigen. (A. von Humboldt. Kosmos II. S. 19. )

Jndem ich vorliegendes Buch in die Welt hinausſchicke, verhehle ich mir keineswegs, daß ich mannigfaltigen Ausſtellungen, ja vielleicht dem Tadel der Beſten meines Faches nicht entgehen werde.

Einige mögen nur das Ganze betrachten und mir vorwerfen, daß es einem Jünger der Wiſſen - ſchaft übel ſtehe, die Reſultate ſeiner Studien in ein von der Phantaſie gewebtes Gewand zu kleiden; An - dere werden ſich an Einzelheiten halten und dieſelben als geſchmacklos oder anachroniſtiſch verwerfen. Er - ſteren muß ich erwiedern, daß ich für dieſe Darſtel - lung einer großen weltgeſchichtlichen Epoche das Ge - wand der Dichtung gewählt habe, um einer möglichſt großen Anzahl von Gebildeten die Reſultate jener Studien, denen ich mein Leben widme, zugänglichX zu machen. Gegen die zweite Klaſſe der Kritiker vermag ich mich weniger leicht zu vertheidigen, denn mir iſt wohl bewußt, daß der Gelehrte mißbilligen kann, was der Aeſthetiker lobenswerth findet, und daß Erſterer an Dingen, die der Letztere tadelt, Wohl - gefallen finden darf. Ferner ſind die Nachrichten, welche wir aus dem ſechſten Jahrhundert vor Chriſti Geburt beſitzen, ſo ſpärlicher Art, daß es in einer Darſtellung, wie der vorliegenden, durchaus unmöglich erſcheint, den Anachronismus vollſtändig zu vermei - den. Gröbere Jrrthümer äußerer Art laſſen ſich mit Fleiß und Aufmerkſamkeit wohl umgehen, dagegen kann und darf ſich der Autor niemals ganz frei - machen von den Grundanſchauungen der Zeit und des Landes, in denen er geboren wurde; denn, wollte er rein antike Menſchen und Zuſtände ſchildern, ſo würde er für den modernen Leſer theils unverſtändlich, theils ungenießbar werden. Die handelnden Perſonen werden zwar Perſern, Aegyptern u. ſ. w. ähnlich ſehen können; man wird aber doch ihren Worten und Handlungen den chriſtlich germaniſchen Darſtel - ler, den nicht vollkommen über der Sentimentalität ſeiner Zeit ſtehenden Erzähler anmerken müſſen.

Die Perſer und Griechen, welche ihrer Herkunft nach mit uns verwandt ſind, bieten in dieſer Be - ziehung weniger Schwierigkeiten, als die auf ihrer vom Nil der Wüſte abgerungenen Fruchtinſel iſolirt daſtehenden Aegypter.

XI

Jch weiß Herrn Profeſſor Lepſius, der mich darauf aufmerkſam machte, daß eine ausſchließlich auf ägyptiſchem Boden ſtehende Kunſtdarſtellung den Leſer ermüden werde, großen Dank. Seinem Winke ge - mäß hab ich meinen dem Herodot entnommenen Stoff ſo disponirt, daß ich den Leſer zunächſt, gleich - ſam einleitend, in einen griechiſchen Kreis führe, deſſen Weſen ihm nicht ganz fremd zu ſein pflegt. Durch dieſen helleniſchen Vorhof gelangt er vorbe - reitet nach Aegypten, von dort nach Perſien und endlich wieder zum Nile zurück. Er ſoll ſein Jn - tereſſe gleichmäßig an die genannten Völker vertheilen. Darum ruht die ganze Schwere der Handlung nicht auf einem einzigen Helden; ich bin vielmehr bemüht geweſen, alle drei Nationen durch geeignete Repräſen - tanten zu individualiſiren. Wenn ich meinem Ro - mane trotzdem den Namen der ägyptiſchen - nigstochter gegeben habe, ſo geſchah es, weil durch das Schickſal der Nitetis das Wohl und Weh aller anderen handelnden Perſonen bedingt wird, und dieſe alſo als der Mittelpunkt des Ganzen betrachtet werden darf.

Bei der Charakteriſtik des Amaſis bin ich der meiſterhaften Schilderung des Herodot gefolgt, welche durch das von Roſellini auf einem alten Denkmale gefundene Bild dieſes Königs beſtätigt wird. Auch die Grundzüge zu meinem Kambyſes hab ich dem Herodot entnommen, wie denn dem ganzen RomaneXII die Mittheilungen dieſes großen Hiſtorikers zu Grunde liegen.

Dennoch bin ich dem Vater der Geſchichte nicht blindlings gefolgt und habe die Reſultate der Hieroglyphen - und Keilſchriftentzifferung überall zu Rathe gezogen. Dieſelben beſtätigen freilich größten - theils die von dem Halikarnaſſier aufgezeichneten Mittheilungen.

Wenn ich mit Herodot den Bartja erſt nach der Eroberung von Aegypten tödten laſſe, ſo geſchieht es, weil ich gerade an dieſer Stelle nicht mit der gewöhnlichen Ueberſetzung der Jnſchrift von Biſutun übereinſtimme. Es heißt daſelbſt: Ein Kambujiya mit Namen, Sohn des Kuru, von unſerer Familie, der war vorher hier König und hatte einen Bruder Bartiya mit Namen, von gleichem Vater und gleicher Mutter mit Kambujiya. Darauf tödtete Kambujiya jenen Bartiya. Wir können uns an dieſer Stelle nicht in ſprachliche Erörterungen einlaſ - ſen; aber ſelbſt der Laie wird es einleuchtend finden, daß das obige darauf in dieſem Zuſammenhange keinen Sinn gibt. Die Jnſchrift ſtimmt ſonſt faſt überall mit dem Berichte des Herodot, und wir glau - ben auch an dieſer Stelle die Relation des Halikar - naſſiers mit der des Darius in Uebereinſtimmung bringen zu können; doch müſſen wir uns die Be - gründung für einen anderen Ort aufſparen.

Woher Herodot den Namen Smerdes fürXIII Bartja und Gaumata genommen, läßt ſich nicht nach - weiſen. Letzteren finden wir bei Juſtin, wenn auch in verſtümmelter Form, wieder.

Jn Bezug auf die Namen überhaupt, könnten wir leicht der Jnconſequenz angeklagt werden, denn wir geben einige in der geläufigen griechiſchen, an - dere in der urſprünglichen perſiſchen oder ägyptiſchen Form. Wären wir letzterem Prinzip vollkommen treu geblieben, ſo würden wir die Lectüre unſeres Buches zu ſehr erſchwert haben. Vor dem Kambu - jiya der Keilſchriften und dem Uaphrahet der Hie - roglyphen ſchrickt Mancher zurück, dem Kambyſes und Hophra ganz geläufige Namen ſind. Jn Kyros iſt der perſiſche Kuru noch immer erkenntlich; den Sohn deſſelben, Bartja, durften wir aber, um dem abſolut Unrichtigen keine Conceſſion zu machen, nicht Smerdes nennen.

Warum ich den Halikarnaſſier Phanes zu einem Athener gemacht habe, findet ſich angedeutet in der neunundachtzigſten Anmerkung des erſten Bandes.

Einer ernſteren Entſchuldigung bedürfte die Kombination, durch welche wir verſucht haben, Ni - tetis möglichſt jung zu machen; denn es iſt, trotz der von Herodot gerühmten Milde des Amaſis, ziem - lich unwahrſcheinlich, daß König Hophra noch zwanzig Jahre nach ſeinem Sturze gelebt haben ſollte.

Uebrigens ſtehen wir auch hier vor keiner Unmög - lichkeit, denn es läßt ſich nachweiſen, daß AmaſisXIV die Nachkommen ſeiner Vorgänger nicht verfolgte. Ein gewiſſer Pſamtik, welcher der geſtürzten Dy - naſtie angehörte, lebte wenigſtens, wie ich auf einer Stele im leydener Muſeum gefunden habe, bis in’s ſiebzehnte Jahr der Regierung des Amaſis und ſtarb fünfundſiebenzig Jahr alt.

Endlich ſei es mir geſtattet, einige Worte über Rhodopis zu ſagen. Daß dieſelbe ein ganz außer - gewöhnliches Weib geweſen ſein muß, beweiſen die in Anmerkung zehn und fünfzehn des erſten Theiles angeführten Stellen des Herodot, und die Mitthei - lungen vieler anderer Schriftſteller. Daß ſie ſchön geweſen ſei, geht ſchon aus ihrem Namen hervor, der zu deutſch Roſenwange bedeutet. Auch ihre Liebenswürdigkeit wird ausdrücklich von dem Halikar - naſſier hervorgehoben. Jn welchem Grade ſie mit allen Vorzügen ausgeſtattet geweſen ſein muß, läßt ſich am beſten daraus entnehmen, daß die Sage und das Märchen bemüht geweſen ſind, ihren Namen unſterblich zu machen. Rhodopis ſoll, wie Viele behaupten , die ſchönſte der Pyramiden (die des My - kerinos oder Menkera) erbaut haben; eine Erzäh - lung von ihr, welche Strabo und Aelian bringen, bildet vielleicht die Grundlage zu einem unſerer älte - ſten und ſchönſten Volksmärchen, dem Aſchenbrödel, und es erſcheint nicht unmöglich, daß unſere Loreley mit einer Sage von der Rhodopis zuſammenhängt.

Nach Aelian raubte ein Adler, nach StraboXV der Wind die Schuhe der zu Naukratis im Nile badenden Rhodopis, und legte ſie zu Füßen des auf dem Markte Gericht haltenden Königs nieder. Dieſer war entzückt über die Zierlichkeit der Sandalen und ruhte nicht eher, bis er die Beſitzerin derſelben auf - gefunden und zu ſeiner Gemahlin gemacht hatte.

Die Sage erzählt, daß auf der Spitze einer der Pyramiden (ut in una ex pyramidibus) ein wunder - holdes nacktes Weib throne, das durch ſeine Schön - heit die Wüſtenwanderer um den Verſtand bringe (homines insanire faciat). Jhr Name ſei Rhodopis.

Th. Moore, welcher dieſe Sage dem Zoega’ſchen Werke entlehnt hat, benützt ſie zu folgenden Verſen:

« Fair Rhodope, as story tells The bright unearthly numph, who dwells ’Mid sunless gold and jewels hid, The lady of the Pyramid. »

So fabelhaft all dieſe Mittheilungen klingen, ſo ſchlagend beweiſen ſie, daß Rhodopis ein Weib von ganz außergewöhnlicher Art geweſen ſein muß. Wenn einige Gelehrte die Thrakerin mit der ſchönen und heldenmüthigen Königin Nitokris gleichſetzen, von der Julius Africanus, Euſebius u. A. reden, und die auch Lepſius in ſeine Königsreihen aufge - nommen hat, ſo conjiciren ſie zu kühn, geben aber neue Beiträge zur Bedeutſamkeit unſerer Heldin. Zweifelsohne ſind die auf die Eine bezüglichen Sa - gen auf die Andere übertragen worden und umge -XVI kehrt. Herodot lebte viel zu kurze Zeit nach ihr und erzählt viel zu genaue und realiſtiſche Dinge aus ihrem Privatleben, als daß ſie eine bloße Sagenge - ſtalt geweſen ſein könnte. Das Schreiben des Da - rius am Ende des dritten Bandes ſoll die helleniſche Rhodopis mit der Pyramidenerbauerin der Sage ver - mitteln. Wir wollen hier noch erwähnen, daß ſie von Sappho Doricha genannt wurde. So mag man ſie gerufen haben, ehe ſie den Beinamen der Roſenwangigen erhielt.

Zum Schluſſe müſſen wir des Jambenfluſſes, der ſich in den Liebesſcenen zwiſchen Sappho und Bartja im erſten und dritten Bande geltend macht, entſchuldigend gedenken. Dieſe Geſpräche ſind gleich - ſam Konceſſionen des Hiſtorikers an den Dichter, die, mit Liebe geſchrieben, mit Liebe und mehr noch mit Nachſicht geleſen werden mögen!

Die zahlreichen Anmerkungen am Ende jeden Bandes waren nöthig, theils, um dem Leſer weni - ger bekannte Namen und Zuſtande zu erläutern, theils um demſelben zu zeigen, daß er vor keinen leeren Fictionen ſtehe; von der anderen Seite aber, um den Verfaſſer, den Gelehrten gegenüber, zu recht - fertigen.

Dr. Georg Ebers.
[1]

Erſtes Kapitel.

Der Nil hatte ſein Bett verlaſſen. Weit und breit dehnte ſich da, wo ſonſt üppige Saatfelder und blühende Beete zu ſehen waren, eine unermeßliche Waſſerfläche. Nur die von Dämmen beſchützten Städte mit ihren Rieſentem - peln und Paläſten, die Dächer der Dörfer, ſo wie die Kronen der hochſtämmigen Palmen und Akazien überrag - ten den Spiegel der Fluth. Die Zweige der Sykomoren und Platanen hingen in den Wellen, während die hohen Silberpappeln mit aufwärts ſtrebenden Aeſten das feuchte Element meiden zu wollen ſchienen. Der volle Mond war aufgegangen und goß ſein mildes Licht über den mit dem weſtlichen Horizonte verſchwimmenden libyſchen Höhen - zug. Jm Norden ſchimmerte, kaum erkennbar, das mittel - ländiſche Meer. Auf dem Spiegel des Waſſers ſchwammen blaue und weiße Lotosblumen. Fledermäuſe verſchiedener Art ſchwangen und ſchnellten ſich durch die ſtille, von dem Duft der Akazien und Jasminblüthen erfüllte Nachtluft. Jn den Kronen der Bäume ſchlummerten wilde Tauben und andere Vögel, während, beſchützt von dem Papyrosſchilfe und den Nilbohnen, die am Ufer grünten, Pelikane, Störche und Kraniche hockten. Erſtere verbargen im Schlafe die langge -Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 12ſchnäbelten Köpfe unter die Flügel und regten ſich nicht; die Kraniche aber ſchraken zuſammen, ſobald ſich ein Ruderſchlag oder der Geſang arbeitender Schiffer hören ließ, und ſpähten, die ſchlanken Hälſe ängſtlich wendend, in die Ferne. Kein Lüftchen wehte, und das Spiegelbild des Mondes, welches wie ein ſilbernes Schild auf der Waſſerfläche ſchwamm, bewies, daß der Nil, der die Katarrhakten wild überſpringt und an den Rieſentempeln von Ober-Aegypten ſchnell vor - beijagt, da, wo er ſich dem Meere in verſchiedenen Armen nähert, ſein ungeſtümes Treiben aufgegeben und ſich ge - meſſener Ruhe überlaſſen habe.

Jn dieſer Mondnacht durchſchnitt, 528 Jahre vor der Geburt des Heilands, eine Barke die beinahe ſtrömungsloſe kanobiſche Mündung des Nils. Ein ägyptiſcher Mann ſaß auf dem hohen Dache des Hinterdecks und lenkte von dort aus den langen Stab des Steuerruders. Jn dem Kahne ſelbſt verſahen halbnackte Ruderknechte, ſingend, ihren Dienſt. Unter dem offenen, einer hölzernen Laube gleichenden Ka - jütenhauſe lagen zwei Männer auf niedrigen Polſtern 1). Beide waren augenſcheinlich keine Aegypter. Selbſt das Mondlicht ließ ihre griechiſche Herkunft erkennen. Der Aeltere, ein ungewöhnlich großer und kräftiger Mann, im Beginn der ſechziger Jahre, deſſen dichte graue Locken bis auf den gedrungenen Hals, ohne ſonderliche Ordnung, her - niederfielen, war mit einem ſchlichten Mantel bekleidet und ſchaute düſter in den Strom, während ſein etwa zwanzig Jahre jungerer Gefährte, ein ſchlanker und zierlich ge - bauter Mann, bald zum Himmel hinaufblickte, bald dem Steuermann ein Wort zurief, bald ſeine ſchöne purpur - blaue Chlanis 2) in neue Falten warf, bald ſich mit ſeinen duftenden braunen Locken oder dem zart gekräuſelten Barte zu ſchaffen machte.

3

Das Fahrzeug war vor etwa einer halben Stunde aus Naukratis 3), dem einzigen helleniſchen Hafenplatze im damaligen Aegypten, abgeſegelt. Der graue, düſtere Mann hatte auf der ganzen Fahrt kein Wort geſprochen, und der andere, jüngere, ihn ſeinen Gedanken überlaſſen. Als ſich jetzt die Barke dem Ufer näherte, richtete ſich der un - ruhigere Fahrgaſt auf und rief ſeinem Genoſſen zu: Gleich werden wir am Ziele ſein, Ariſtomachos. Dort drüben, links, das freundliche Haus in dem Garten voller Palmen, der die überſchwemmten Fluren überragt 4), iſt die Woh - nung meiner Freundin Rhodopis. Jhr verſtorbener Gatte Charaxos hat es bauen laſſen, und all ihre Freunde, ja ſelbſt der König, beeifern ſich, daſſelbe in jedem Jahre mit neuen Verſchönerungen zu verſehen. Unnöthige Mühe! Dieſes Hauſes beſte Zierde wird, und wenn ſie alle Schätze der Welt hineintragen wollten, ſeine herrliche Bewohnerin bleiben!

Der Alte richtete ſich auf, warf einen flüchtigen Blick auf das Gebäude, ordnete mit der Hand ſeinen dichten grauen Bart, der Kinn und Wangen, aber nicht die Lip - pen 5) umgab, und fragte kurz: Welches Weſen, Phanes, machſt Du von dieſer Rhodopis? Seit wann preiſen die Athener alte Weiber? Der alſo Angeredete lächelte und erwiederte ſelbſtgefällig: Jch glaube, daß ich mich auf die Menſchen, und ganz beſonders auf die Frauen ſehr wohl verſtehe; verſichere Dich aber nochmals, daß ich nichts Edleres in ganz Aegypten kenne, als dieſe Greiſin. Wenn Du ſie und ihre holde Enkelin geſehen und Deine Lieb - lingsweiſen von einem Chor vortrefflich eingeübter Sklavin - nen gehört haben wirſt, ſo dankſt Du mir ſicher für meine Führung! Dennoch, antwortete mit ernſter Stimme der Spartaner, wäre ich Dir nicht gefolgt, wenn ich nicht den Delphier Phryxos allhier zu treffen hoffte.

4

Du wirſt ihn finden. Auch erwarte ich, daß Dir der Geſang wohlthun und Dich Deinem düſteren Sinnen entreißen werde. Ariſtomachos ſchüttelte verneinend das Haupt und ſagte: Dich, leichtblütigen Athener, mag der Geſang der Heimat ermuntern; mir aber wird es, wenn ich die Lieder des Alkman 6) vernehme, ergehen, wie in meinen wachend durchträumten Nächten. Mein Sehnen wird nicht geſtillt, es wird verdoppelt werden.

Glaubſt Du denn, fragte Phanes, daß ich mich nicht nach meinem geliebten Athen, den Spielplätzen mei - ner Jugend, und dem lebendigen Treiben des Marktes zurückſehne? Wahrlich das Brod der Verbannung will auch mir nicht munden; doch wird es durch Umgang wie den, welchen dieſes Haus bietet, ſchmackhafter; und wenn meine theuren helleniſchen Lieder, ſo wunderbar ſchön ge - ſungen, zu meinem Ohre dringen, dann baut ſich in mei - nem Geiſte die Heimat auf; ich ſehe ihre Oel - und Fich - tenhaine, ihre kalten, ſmaragdnen Flüſſe, ihr blaues Meer, ihre ſchimmernden Städte, ihre ſchneeigen Gipfel und Marmorhallen, und eine bitterſüße Thräne rinnt mir in den Bart, wenn die Töne ſchweigen und ich mir ſagen muß, daß ich in Aegypten verweile, dieſem einförmigen, heißen, wunderlichen Lande, welches ich, Dank ſei den Göttern, bald verlaſſen werde. Aber, Ariſtomachos, wirſt Du die Oaſen in der Wüſte umgehen, weil Du Dich doch ſpäter wieder durch Sand und Waſſermangel winden mußt? Willſt Du das Glück einer Stunde fliehen, weil trübe Tage Deiner warten? Halt, da wären wir! Mach ein fröh - liches Geſicht, mein Freund, denn es ziemt ſich nicht in den Tempel des Charitinnen traurigen Muthes zu treten.

Die Barke landete bei dieſen. Worten an der vom Nil beſpülten Mauer des Gartens. Leichten Sprunges5 verließ der Athener, ſchweren aber feſten Schrittes der Spartaner das Fahrzeug. Ariſtomachos trug einen Stelz - fuß; dennoch wanderte er ſo kräftigen Schrittes neben dem leichtfüßigen Phanes dahin, daß man denken konnte, er ſei mit dem hölzernen Beine zur Welt gekommen.

Jm Garten der Rhodopis duftete, blühte und ſchwirrte es, wie in einer Märchennacht. Akanthus, gelbe Mimoſen, Hecken von Schneeballen, Jasmin und Flieder, Roſen und Goldregenbüſche drängten ſich aneinander; hohe Palmen, Akazien und Balſambäume überragten die Sträucher, große Fledermäuſe mit zarten Flügeln wiegten ſich über dem Ganzen, und auf dem Strome tönte Geſang und Ge - lächter.

Ein Aegypter hatte dieſen Garten angelegt, und die Erbauer der Pyramiden waren von Alters her als Gar - tenkünſtler hoch berühmt 7). Sie verſtanden es, die Beete ſauber abzuſtecken, regelmäßige Baum - und Sträuchergrup - pen zu pflanzen, Waſſerleitungen und Springbrunnen, Lauben und Luſthäuschen anzulegen, ja ſogar die Wege (wie in den Gärten Ludwig XIV. ) mit künſtlich beſchnit - tenen Hecken zu umzäunen, und Goldfiſchzucht in ſteinernen Becken zu treiben.

Phanes blieb an der Pforte der Gartenmauer ſtehen, ſchaute ſich aufmerkſam um und horchte in die Luft hinaus, dann ſchüttelte er den Kopf und ſagte: Jch begreife nicht, was dieß zu bedeuten hat. Jch höre keine Stimmen, ſehe kein Licht, alle Barken ſind fort, und dennoch flat - tert die Fahne auf der bunten Stange neben den Obe - lisken zu beiden Seiten der Pforte 8). Rhodopis muß ab - weſend ſein. Sollte man vergeſſen haben? ... Er hatte nicht ausgeredet, als er von einer tiefen Stimme unterbrochen wurde: Ach, der Oberſt der Leibwache!

6

Fröhlichen Abend, Knakias! rief Phanes, den auf ihn zutretenden Greis mit Freundlichkeit begrüßend.

Wie kommt es, daß dieſer Garten ſo ſtill iſt wie eine ägyptiſche Grabkammer, während ich doch die Fahne des Empfanges flattern ſehe? Seit wann weht das weiße Tuch vergeblich nach Gäſten?

Seit wann? erwiederte lächelnd der alte Sclave der Rhodopis. So lange die Parcen meine Herrin gnä - dig verſchonen, iſt auch die alte Fahne ſicher, ſo viele Gäſte herbei zu wehen, als dieſes Haus zu faſſen vermag. Rhodopis iſt nicht daheim; muß aber bald wiederkommen. Der Abend war ſo ſchön, daß ſie ſich mit allen Gäſten zu einer Luſtfahrt auf dem Nil entſchloſſen hat. Vor zwei Stunden, beim Sonnenuntergang, ſind ſie abgeſegelt, und die Mahlzeit ſteht ſchon bereit 9). Sie können nicht mehr lange ausbleiben. Jch bitte Dich, Phanes, ſei nicht unge - duldig, und folge mir in’s Haus. Rhodopis würde mir nicht verzeihen, wenn ich ſo liebe Gäſte nicht zum Ver - weilen nöthigen wollte. Dich aber, Fremdling, fuhr er, den Spartaner anredend, fort bitte ich herzlich zu verweilen, denn als Freund ihres Freundes wirſt Du mei - ner Herrin doppelt willkommen ſein.

Die beiden Griechen folgten dem Diener und ließen ſich in einer Laube nieder.

Ariſtomachos betrachtete ſeine vom Monde hell erleuch - tete Umgebung und ſprach: Erkläre mir, Phanes, wel - chem Glücke dieſe Rhodopis, eine frühere Sclavin und Hetäre 10) es verdankt, daß ſie wie eine Königin wohnt und ihre Gäſte fürſtlich zu empfangen vermag?

Dieſe Frage erwartete ich längſt, rief der Athener, Es freut mich, daß ich Dich, ehe Du in das Haus die - ſes Weibes trittſt, mit ihrer Vergangenheit bekannt machen7 darf. Während der Nilfahrt wollte ich Dir keine Erzäh - lung aufdrängen. Dieſer alte Strom zwingt mit unbe - greiflicher Macht zum Schweigen und zur ſtillen Beſchau - lichkeit. Als ich, wie Du ſoeben, zum erſtenmal eine nächtliche Nilfahrt machte, war auch mir die ſonſt ſo ſchnelle Zunge wie gelähmt.

Jch danke Dir, antwortete der Spartaner. Als ich den hundertfünfzig Jahre alten Prieſter Epimenides 11) von Knoſſos auf Kreta zum erſtenmale ſah, überkam mich ein ſeltſamer Schauder, ſeines Alters und ſeiner Heilig - keit wegen; wie viel älter, wie viel heiliger aber iſt dieſer greiſenhafte Strom Aigyptos 12). Wer möchte ſich ſeinem Zauber entziehen? Doch ich bitte Dich, mir von Rhodopis zu erzählen!

Rhodopis, begann Phanes, ward als kleines Kind, da ſie eben am thrakiſchen Strande mit ihren Gefährtin - nen ſpielte, von phönikiſchen Seefahrern geraubt und nach Samos gebracht, woſelbſt ſie Jadmon, ein Geomore 13) kaufte. Das Mägdlein ward täglich ſchöner, anmuthiger und klüger, und bald von Allen, die es kannten, geliebt und bewundert.

Aeſop 14), der Thierfabeldichter, welcher damals gleich - falls im Sclavendienſte des Jadmon verweilte, freute ſich ganz beſonders an der Liebenswürdigkeit und dem Geiſte des Kindes. Er belehrte daſſelbe in allen Dingen, und ſorgte für Rhodopis, wie ein Pädagogos, den wir Athe - ner den Knaben halten. Der gute Lehrer fand eine lenk - ſame, ſchnell begreifende Schülerin, und die kleine Scla - vin redete, ſang und muſicirte in kurzer Zeit beſſer und anmuthiger, als die Söhne des Jadmon, welche auf’s Sorgfältigſte erzogen wurden. Jn ihrem vierzehnten Jahre war Rhodopis ſo ſchön und vollendet, daß die eiferſüchtige8 Gattin des Jadmon das Mädchen nicht länger in ihrem Hauſe duldete, und der Samier ſeinen Liebling, ſchweren Herzens, an einen gewiſſen Xanthos verkaufen mußte. Zu Samos herrſchte damals noch der wenig bemittelte Adel. Wäre Polykrates ſchon am Ruder geweſen, ſo hätte ſich Xanthos um keinen Käufer zu grämen brauchen. Dieſe Tyrannen füllen ihre Schatzkammern, wie die Elſtern ihre Neſter! So zog er denn mit ſeinem Kleinode nach Nau - kratis, und gewann hier durch die Reize ſeiner Sclavin große Summen. Nun erlebte Rhodopis drei Jahre der tiefſten Erniedrigung, deren ſie mit Schauder gedenkt.

Als endlich der Ruf ihrer Schönheit in ganz Hellas bekannt geworden war, und Fremde aus weiter Ferne, nur um ihretwillen, nach Naukratis kamen 15), geſchah es, daß das Volk von Lesbos ſeinen Adel vertrieb und den weiſen Pittakos zum Herrſcher wählte. Die vornehmſten Familien mußten Lesbos verlaſſen, und flohen theils nach Sicilien, theils nach dem griechiſchen Jtalien, theils nach Aegypten. Alkaeos 16), der größeſte Dichter ſeiner Zeit, und Charaxos, der Bruder jener Sappho 17), deren Oden zu erlernen der letzte Wunſch eines Solon war, kamen hieher nach Naukratis, welches ſchon lange als Stapel - platz des ägyptiſchen Verkehrs mit der ganzen übrigen Welt blühte. Charaxos ſah Rhodopis, und liebte die - ſelbe bald ſo glühend, daß er eine ungeheure Summe hin - gab, um ſie dem feilſchenden Xanthos, welcher in die Hei - mat zurückzukehren wünſchte, abzukaufen. Sappho ver - ſpottete den Bruder, dieſes Kaufes wegen, mit beißenden Verſen; Alkaeos aber gab dem Charaxos Recht, und be - ſang Rhodopis in glühenden Liedern.

Der Bruder der Dichterin, der ſich früher unter den Fremden in Naukratis verloren hatte, ward plötzlich durch9 Rhodopis berühmt. Jn ſeinem Hauſe verſammelten ſich um ihretwillen alle Fremden, und überhäuften ſie mit Ge - ſchenken. Der König Hophra 18), welcher viel von ihrer Schönheit und Klugheit gehört hatte, ließ ſie nach Mem - phis kommen, und wollte ſie dem Charaxos abkaufen; die - ſer aber hatte ihr längſt im Geheimen die Freiheit ge - ſchenkt und liebte ſie zu ſehr, um ſich von ihr trennen zu können. Andererſeits liebte auch Rhodopis den ſchönen Lesbier und verblieb gerne bei ihm, trotz der glänzenden Anerbietungen, welche ihr von allen Seiten gemacht wur - den. Endlich machte Charaxos das wunderbare Weib zu ſeiner rechtmäßigen Gattin, und blieb mit ihr und ihrem Töchterchen Klëis in Naukratis, bis Pittakos die Verbann - ten in die Heimat zurück berief.

Nun begab er ſich mit ſeiner Gemahlin nach Les - bos. Auf der Reiſe dorthin erkrankte er und ſtarb bald nach ſeiner Ankunft in Mitylene. Sappho, welche ihren Bruder, wegen ſeiner Mißheirath verſpottet hatte, wurde ſchnell zur begeiſterten Bewundererin der ſchönen Wittwe, welche ſie, mit ihrem Freunde Alkaeos wetteifernd, in lei - denſchaftlichen Liedern beſang.

Nach dem Tode der Dichterin zog Rhodopis mit ihrem Töchterlein nach Naukratis zurück und wurde hier gleich einer Göttin empfangen. Amaſis 19), der jetzige König von Aegypten, hatte ſich unterdeſſen des Thrones der Pharaonen bemächtigt, und behauptete denſelben mit Hülfe der Soldaten, aus deren Kaſte er ſtammte. Da ſein Vorgänger Hophra durch ſeine Vorliebe für die Grie - chen und den Verkehr mit den allen Aegyptern verhaßten Fremden ſeinen Sturz beſchleunigt, und namentlich die Prieſter und Krieger zu offener Empörung veranlaßt hatte, ſo hoffte man mit Sicherheit, daß Amaſis, wie in alten10 Zeiten, das Land den Fremden abſperren 20), die helleni - ſchen Söldner entlaſſen und ſtatt auf griechiſche Rathſchläge, auf die Befehle der Prieſter hören werde. Nun, Du ſiehſt ja ſelbſt, daß ſich die guten Aegypter in ihrer - nigswahl ſehr betrogen haben, und aus der Skylla in die Charybdis gefallen ſind. Wenn Hophra ein Freund der Griechen war, ſo können wir Amaſis unſeren Liebhaber nennen. Die Aegypter, und vor allen die Prieſter und Krieger, ſpeien Feuer und Flamme, und möchten uns am liebſten ſamt und ſonders erdroſſeln. Um Letztere beküm - mert ſich der König nicht viel, weil er weiß, was jene und was wir ihm leiſten; mit den Prieſtern muß er jedoch immerhin gewiſſe Rückſichten nehmen, denn von einer Seite haben dieſe unbegränzten Einfluß auf das Volk, von der andern Seite aber hängt der König mehr als er uns ge - genüber eingeſteht, an jener abgeſchmackten Religion, welche in dieſem ſeltſamen 21) Lande, ſeit Jahrtauſenden unverändert fortbeſteht, und deßhalb ihren Bekennern doppelt heilig er - ſcheint. Dieſe Prieſter machen dem Amaſis das Leben ſchwer, verfolgen und ſchaden uns wie und wo ſie können, ja ich wäre längſt ein todter Mann, wenn der König nicht ſeine ſchützende Hand über mich ausgebreitet hätte. Doch wohin gerathe ich! Rhodopis ward alſo zu Naukratis mit offenen Armen empfangen, und von Amaſis, der ſie kennen lernte, mit Gunſtbezeugungen überhäuft. Jhre Tochter Klëis, welche, wie jetzt Sappho, niemals die allabenblichen Zu - ſammenkünfte in ihrem Hauſe theilen durfte, und beinahe noch ſtrenger als die anderen Jungfrauen von Naukratis erzogen wurde, heirathete Glaukos, einen reichen phokäiſchen Handelsherrn aus edlem Hauſe, der ſeine Vaterſtadt gegen die Perſer tapfer vertheidigt hatte, und folgte demſelben nach dem neu gegründeten Maſſalia 22), an der keltiſchen11 Küſte. Die jungen Leute erlagen dem dortigen Klima, nachdem ihnen eine Tochter, Sappho, geboren war. Rho - dopis unternahm ſelbſt die lange Fahrt gen Weſten, holte die junge Waiſe ab, nahm ſie zu ſich in’s Haus, ließ ſie auf’s Sorgfältigſte erziehen und verbietet ihr jetzt, da ſie erwachſen iſt, die Geſellſchaft der Männer, denn ſie fühlt die Flecken ihrer früheſten Jugend ſo tief, daß ſie ihre Enkelin, und das iſt bei Sappho keine ſchwere Aufgabe, entfernter von jeder Berührung mit unſerem Geſchlechte hält, als es die ägyptiſche Sitte geſtatten würde. Meine Freundin ſelbſt bedarf des geſelligen Verkehrs ſo noth - wendig, wie ein Fiſch des Waſſers, wie ein Vogel der Luft. Alle Fremden beſuchen ſie, und wer ihre Gaſtfreund - ſchaft einmal gekoſtet hat, der wird, wenn es ihm ſeine Zeit erlaubt, niemals fehlen, ſo oft die Fahne einen Em - pfangsabend verkündet. Jeder Hellene, von irgend welcher Bedeutung, beſucht dieſes Haus, denn hier wird berathen, wie man dem Haß der Prieſter begegnen könne, und wie der König zu dem oder jenem zu bereden ſei. Hier trifft man ſtets die neueſten Nachrichten aus der Heimat und der ganzen übrigen Welt, hier findet der Verfolgte ein unantaſtbares Aſyl, denn der König hat ſeiner Freundin einen Freibrief gegen alle Beläſtigungen der Sicherheits - behörde 23) gegeben, hier hört man die Sprache und Lie - der der Heimat, hier wird berathen, wie Hellas von der wachſenden Alleinherrſchaft 24) befreit werden kann; dieſes Haus iſt mit einem Worte der Knotenpunkt aller helleni - ſchen Jntereſſen in Aegypten, und von höherer politiſcher Bedeutung, als ſelbſt das Hellenion, die hieſige Tempel - und Handelsgemeinſchaft*)Siehe Anmerkung 3.. Jn wenigen Minuten wirſt Du12 die ſeltene Großmutter, und vielleicht auch, wenn wir allein bleiben, die Enkelin ſehen, und ſchnell begreifen, daß dieſe Menſchen keinem Glücke, ſondern ihrer Trefflichkeit Alles verdanken. Ha, da ſind ſie! Jetzt gehen ſie dem Hauſe zu. Hörſt Du die Sclavinnen ſingen? Jetzt tre - ten ſie ein. Laß ſie ſich erſt niederlaſſen, dann folge mir, und beim Abſchiede will ich Dich fragen, ob Du bereuſt, mit mir gegangen zu ſein, und ob Rhodopis nicht eher einer Königin gleicht, als einer freigelaſſenen Sclavin.

Das Haus der Rhodopis 25) war in griechiſchem Styl erbaut. Die Außenſeite des einſtöckigen länglichen Ge - bäudes mußte nach unſeren Begriffen durchaus einfach ge - nannt werden, während die innere Einrichtung helleniſche Formenſchönheit mit ägyptiſcher Farbenpracht vereinte. Durch die weite Hauptthüre kam man in die Hausflur*)Thyroreion. , an deren linker Seite ein großer Speiſeſaal ſeine Fenſter - öffnungen dem Strome zukehrte. Dieſem gegenüber lag die Küche, ein Raum, welcher ſich nur bei reichen Helle - nen vorfand, während die ärmeren ihre Speiſen an dem Herde im Wohnzimmer zu bereiten pflegten. Die Em - pfangshalle lag an der Mündung der Hausflur, hatte die Geſtalt eines Quadrats und war rings von einem Säulen - gange umgeben, in welchen viele Gemächer**)Oikemata. münde - ten. Jnmitten dieſer Halle, dem Aufenthaltsorte für die Männer***)Andronitis. , brannte auf einem altarartigen Herde von reicher äginetiſcher Metallarbeit 26) das Feuer des Hauſes.

Bei Tage erhielt dieſer Raum ſein Licht mittels der Oeffnungen im Dache, durch welche zu gleicher Zeit der Rauch des Herdfeuers ſeinen Ausgang fand. Ein der13 Hausflur gegenüberliegender Gang, der durch eine feſte Thüre*)Methaulos Thüra. verſchloſſen war, führte in das große, nur von drei Seiten mit Säulen umgebene Frauengemach**)Gynäkonitis. , in welchem ſich die weiblichen Hausbewohner aufzuhalten pflegten, wenn ſie nicht in den bei der ſogenannten Garten - oder Hinter - thüre***)Kepaia Thüra. gelegenen Zimmern beim Spinnrocken oder Webe - ſtuhle ſaßen. Zwiſchen dieſen und den Gemächern, welche das Frauengemach zur Linken und Rechten, als Wirthſchafts - räume, umgaben, lagen die Schlafzimmer†)Thalamos und Autithalamos. , in denen zu gleicher Zeit die Schätze des Hauſes aufbewahrt wurden. Die Wände des Männerſaales waren mit röthlich brauner Farbe bemalt, von der ſich weiße Marmorbildwerke, Ge - ſchenke eines Künſtlers von Chios 27), in ſcharfen Linien abhoben. Den Fußboden bedeckten ſchwere Teppiche aus Sardes. Den Säulen entlang zogen ſich niedrige mit Pardelfell überzogene Polſter, während in der Nähe des kunſtreichen Herdes ſeltſam geformte ägyptiſche Lehnſeſſel und fein geſchnitzte Tiſchchen von Thyaholz 28) ſtanden, auf denen allerlei muſikaliſche Jnſtrumente, Flöten, Kithara und Phormix lagen. An den Wänden hingen zahlreiche mit Kikiöl 29) gefüllte Lampen in verſchiedenen Formen, dieſe einen feuerſpeienden Delphin, jene ein ſeltſam geflügeltes Ungeheuer, deſſen Rachen Strahlen ſprühte, darſtellend, und ihr Licht mit dem Feuer des Herdes vereinend.

Jn dieſer Halle ſtanden einige Männer von verſchie - denem Ausſehen und in verſchiedenen Trachten. Ein Sy - rer aus Tyrus in langem roſinfarbenem Gewande, unter - hielt ſich lebhaft mit einem Manne, deſſen ſcharf geſchnit -14 tene Züge und krauſes ſchwarzes Haar den Jsraeliten erkennen ließ. Er war aus ſeiner Heimat nach Aegypten gekommen, um für den König von Juda, Serubabel, ägyptiſche Pferde und Wagen, die berühmteſten in jener Zeit, einzukaufen 30). Neben dieſem ſtanden drei Griechen aus Kleinaſien, in den koſtbaren faltenreichen Gewändern ihrer Heimat Milet, ernſte Geſpräche mit Phryxos, dem ſchlichtgekleideten Abgeſandten der Stadt Delphi, führend, welcher Aegypten beſuchte, um Gelder für den Apollotem - pel zu ſammeln. Das alte Pythiſche Heiligthum war vor zehn Jahren ein Raub der Flammen geworden; jetzt galt es ein neues, ſchöneres aufzuführen 31).

Die Mileſier, Schüler des Anaximander und Anaxi - menes 32), befanden ſich am Nil, um zu Heliopolis Aſtro - nomie und ägyptiſche Weisheit zu ſtudiren.

Der Dritte war ein reicher Kaufmann und Schiffs - herr, Namens Theopompos, welcher ſich zu Naukratis niedergelaſſen hatte. Rhodopis ſelbſt unterhielt ſich leb - haft mit zwei Griechen aus Samos, dem vielberühmten Baumeiſter, Metallgießer, Bildhauer und Goldſchmied Theodoros 33) und dem Jambendichter Jbykus aus Rhe - gion 34), welche den Hof des Polykrates auf einige Wochen verlaſſen hatten, um Aegypten kennen zu lernen und dem Könige Geſchenke ihres Herrn zu überbringen. Dicht neben dem Herde lag ein wohlbeleibter Mann mit ſtarken ſinn - lichen Zügen, Oinophilos aus Sybaris 35), lang ausgeſtreckt auf dem bunten Pelzüberzuge eines zweiſitzigen Stuhls, und ſpielte mit ſeinen duftenden, golddurchflochtenen Locken und den goldenen Ketten, die von ſeinem Halſe auf das ſaffran - gelbe Gewand hernieder fielen, welches bis an ſeine Füße reichte.

Rhodopis hatte für Jeden ein freundliches Wort; aber jetzt ſprach ſie ausſchließlich zu den berühmten Sa -15 miern. Sie unterhielt ſich mit denſelben über Kunſt und Poeſie.

Die Augen der Thrakerin glühten im Feuer der Ju - gend, ihre hohe Geſtalt war voll und ungebeugt, das graue Haar ſchlang ſich noch immer in üppigen Wellen um das ſchön geformte Haupt, und ſchmiegte ſich am Hin - terkopfe in ein Netz von zartem Goldgeflechte. Die hohe Stirn war mit einem leuchtenden Diadem geſchmückt.

Das edle griechiſche Angeſicht erſchien bleich, aber ſchön und faltenlos, trotz ſeines hohen Alters; ja der kleine Mund, die vollen Lippen, die weißen Zähne, die leuch - tenden und doch milden Augen, die edle Stirn und Naſe dieſes Weibes konnten einer Jungfrau zur Zier gereichen.

Man mußte Rhodopis für jünger halten, als ſie wirklich war, und dennoch verläugnete ſie die Greiſin kei - neswegs.

Aus jeder ihrer Bewegungen ſprach matronenhafte Würde, und ihre Anmuth war nicht die der Jugend, welche zu gefallen ſucht, ſondern die des Alters, die ſich gefällig erweiſen will, welche Rückſichten nimmt und Rück - ſichten verlangt.

Jetzt zeigten ſich die uns bekannten Männer in der Halle. Aller Augen wendeten ſich denſelben zu, und als Phanes, ſeinen Freund an der Hand führend, eintrat, be - willkommte man ihn auf’s Herzlichſte; einer der Mileſier aber rief:

Wußt ich doch nicht, was uns fehlte! Jetzt iſt mir’s auf einmal klar; ohne Phanes gibt es keine Fröhlichkeit!

Oinophilos der Sybarit erhob jetzt ſeine tiefe Stimme und rief, ohne ſich in ſeiner Ruhe ſtören zu laſſen: Die Fröhlichkeit iſt ein ſchönes Ding, und wenn Du ſie mit - bringſt, ſo ſei auch mir willkommen, Athener!

16

Mir aber, ſprach Rhodopis, auf die neuen Gäſte zutretend, ſeid herzlich gegrüßt, wenn ihr fröhlich ſeid, und nicht minder willkommen, wenn euch ein Kummer drückt, kenne ich doch keine größere Freude, als die Falten auf der Stirn eines Freundes zu glätten. Auch Dich, Spartaner, nenne ich Freund‘, denn alſo heiß ich Jeden, der meinen Freunden lieb iſt.

Ariſtomachos verneigte ſich ſchweigend; der Athener aber rief, ſich halb an Rhodopis, halb an den Sybariten wendend: Wohl denn, meine Lieben, ſo kann ich euch beide befriedigen. Du, Rhodopis, ſollſt Gelegenheit haben, mich, Deinen Freund, zu tröſten, denn gar bald werde ich Dich und Dein liebes Haus verlaſſen müſſen; Du aber, Sybarit, wirſt Dich an meiner Fröhlichkeit ergötzen, denn endlich werde ich mein Hellas wiederſehen, und dieſe goldne Mäuſefalle von einem Lande, wenn auch unfreiwil - lig, verlaſſen!

Du gehſt fort? Du biſt entlaſſen worden? Wohin gedenkſt Du zu reiſen? fragte man von allen Seiten.

Geduld! Geduld! Jhr Freunde, rief Phanes, ich muß euch eine lange Geſchichte erzählen, die ich bis zum Schmauſe aufbewahren will. Nebenbei geſagt, liebſte Freundin, iſt mein Hunger faſt eben ſo groß, wie mein Kummer, euch verlaſſen zu müſſen.

Hunger iſt ein ſchönes Ding, philoſophirte der Sybarit, wenn man einer guten Mahlzeit entgegenſieht.

Sei unbeſorgt, Oinophilos, antwortete Rhodopis; ich habe dem Koche befohlen, ſein Möglichſtes zu thun, und ihm mitgetheilt, daß der größeſte Feinſchmecker aus der üppigſten Stadt in der ganzen Welt, daß ein Sybarit, daß Oinophilos über ſeine zarten Gerichte ſtren - ges Gericht halten werde. Geh, Knakias, und ſage, man17 ſolle anrichten! Seid ihr jetzt zufrieden, ihr ungeduldigen Herren? Arger Phanes; mir haſt Du mit Deiner Trauer - kunde die Mahlzeit verdorben!

Der Athener verneigte ſich; der Sybarit aber philo - ſophirte abermals: Zufriedenheit iſt ein ſchönes Ding, wenn man die Mittel hat, all ſeine Wünſche zu befrie - digen; auch danke ich Dir, Rhodopis, für die Würdigung, welche Du meiner unvergleichlichen Heimat angedeihen läßt. Was ſagt Anakreon? 36)

Der heutige Tag liegt mir am Herzen, Wer weiß, was uns der nächſte bringt, Drum flieht den Gram, verbannt die Schmerzen, Und ſpielt das Würfelſpiel, und trinkt!

He! Jbykus, hab ich Deinen Freund, der mit Dir an der Tafel des Polykrates ſchmaust, nicht richtig citirt? Aber ich ſage Dir, daß, wenn Anakreon auch beſſere Verſe macht als ich, meine Wenigkeit ſich dafür doch nicht ſchlechter auf’s Leben verſteht, als der große Lebenskünſtler. Er hat in allen ſeinen Liedern kein Lob au’fs Eſſen, und iſt denn das Eſſen nicht wichtiger, als das Spielen und Lieben, obgleich dieſe beiden Thätigkeiten ich meine Spielen und Lieben mir auch recht theuer ſind? Ohn Eſſen müßt ich ſterben, ohne Spiel und Liebe kann ich ſchon, wenn auch nur kümmerlich, fortbeſtehen.

Der Sybarit brach in ein lautes Gelächter über ſeine eignen Scherze aus; der Spartaner aber wendete ſich, während man in ähnlicher Weiſe fortplauderte, an den Delphier Phryxos, zog ihn in eine Ecke und fragte ihn, ſeiner gemeſſenen Art vergeſſend, in großer Aufregung, ob er ihm die lang erſehnte Antwort des Orakels mitbringe? Das ernſte Geſicht des Delphiers ward freundlicher; er griff in die Bruſtfalten ſeines Chiton 37) und holte einEbers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 218kleines Röllchen von pergamentartigem Schafleder hervor, auf dem mehrere Zeilen geſchrieben waren.

Die Hände des rieſenſtarken, tapferen Spartaners zitterten, als er nach dem Röllchen griff. Er ſtarrte die Schriftzüge an, als wolle er mit ſeinen Blicken das Leder durchbohren. Dann beſann er ſich, ſchüttelte mißmuthig die grauen Locken und ſagte:

Wir Spartaner lernen andere Künſte, als Leſen und Schreiben. Wenn Du kannſt, ſo lies mir vor, was Pythia ſagt.

Der Delphier überflog die Schrift und erwiederte: Freue Dich! Loxias 38) verheißt Dir eine glückliche Heim - kehr; höre, was Dir die Prieſterin verkündet:

Wenn einſt die reiſige Schaar von ſchneeigen Bergen herabſteigt Zu den Gefilden des Stroms, welcher die Ebne benetzt, Führt Dich der zaudernde Kahn herab zu jenem Gefilde, Welches dem irrenden Fuß heimiſchen Frieden gewährt; Wenn einſt die reiſige Schaar von ſchneeigen Bergen herabſteigt, Schenkt Dir die richtende Fünf, was ſie Dir lange verſagt!

Geſpannten Ohres lauſchte der Spartaner dieſen Worten. Zum zweiten Male ließ er ſich den Spruch des Orakels vorleſen, dann wiederholte er denſelben aus dem Gedächtniſſe, dankte Phryxos, und ſteckte das Röllchen zu ſich.

Der Delphier miſchte ſich in das allgemeine Geſpräch; der Spartaner aber murmelte den Spruch des Orakels unaufhörlich vor ſich hin, um ihn ja nicht zu vergeſſen, und bemühte ſich die räthſelhaften Worte zu deuten.

[19]

Zweites Kapitel.

Die Flügelthüren des Speiſeſaales öffneten ſich. An jeder Seite des Eingangs ſtand ein ſchöner, blondgelockter Knabe, mit Myrtenkränzen in der Hand; in der Mitte des Saales, ein großer, niedriger, glänzend polirter Tiſch, an deſſen Seiten purpurrothe Polſter die Gäſte zum Nieder - laſſen einluden 39).

Auf der Tafel prangten reiche Blumenſträuße. Große Braten, Gläſer und Schalen voller Datteln, Feigen, Gra - natäpfel, Melonen und Weintrauben ſtanden neben kleinen ſilbernen Bienenkörben voller Honig; zarter Käſe von der Jnſel Trinakria lag auf getriebenen kupfernen Tellern, und in der Mitte des Tiſches ſtand ein ſilberner, einem Altar ähnlicher, Tafelaufſatz, der rings mit Myrten und Roſenkränzen umwunden war, und von deſſen Spitze ſüße Räucherungsdüfte aufſtiegen.

Am äußerſten Ende des Tiſches glänzte das ſilberne Miſchgefäß 40), ein herrliches äginetiſches Werk, deſſen ge - krümmte Henkel zwei Giganten darſtellten, die unter der Laſt der Schale, welche ſie trugen, zuſammenzubrechen ſchienen. Dieſer Miſchkrug war, wie der Altar in der Mitte des Tiſches, mit Blumen umwunden, und auch20 um jeden Becher ſchlang ſich ein Roſen - oder Myrten - kranz.

Roſenblätter waren in dem ganzen Zimmer umherge - ſtreut 41), an deſſen glatten Wänden von weißem Stuck viele Lampen hingen.

Kaum hatte man ſich auf die Polſter niedergelegt, ſo erſchienen die blonden Knaben, umwanden die Häupter und Schultern der Schmauſenden mit Myrten und Epheu - kränzen, und wuſchen die Füße derſelben in ſilbernen Becken 42). Als der Vorſchneider ſchon die erſten Braten, um ſie zu zerlegen, vom Tiſche genommen hatte, machte ſich der Sy - barit noch immer mit den Knaben zu ſchaffen, und ließ ſich, obgleich er ſchon nach allen Wohlgerüchen Arabiens duftete, von denſelben förmlich in Roſen einwickeln; nachdem jedoch das erſte Gericht, Thunfiſche mit Senfbrühe 43), aufgetra - gen worden war, vergaß er aller Nebendinge und beſchäf - tigte ſich ausſchließlich mit dem Genuſſe der trefflichen Speiſen. Rhodopis ſaß auf einem Stuhle an der Spitze der Tafel neben dem Miſchkruge, und leitete ſowohl die Unterhaltung, als auch die aufwartenden Sclaven 44).

Mit einem gewiſſen Stolze ſah ſie auf ihre fröhlichen Gäſte, und ſchien ſich mit jedem ausſchließlich zu beſchäf - tigen, indem ſie ſich bald bei dem Delphier nach dem Er - folge ſeiner Sammlungen erkundigte, bald den Sybariten fragte, ob ihm die Werke ihres Koches behagten, bald dem Jbykus lauſchte, welcher erzählte, daß Phrynichos von Athen die religiöſen Schauſpiele des Theſpis von Jkaria in’s bürgerliche Leben gezogen habe, und mit Chören, Sprechern und Gegenſprechern ganze Geſchichten aus der Vorzeit aufführen 45) laſſe.

Dann wendete ſie ſich an den Spartaner und ſagte ihm, daß er der Einzige ſei, bei dem ſie ſich nicht wegen21 der Einfachheit ihres Gaſtmahls, wohl aber wegen der Ueppigkeit deſſelben zu entſchuldigen habe. Wann er näch - ſtens wiederkomme, ſolle ihm ihr Sclave Knakias, der ſich rühme, als entwichener ſpartaniſcher Helot, eine köſtliche Blutſuppe kochen zu können, (bei dieſen Worten ſchau - derte der Sybarit) eine echt lakedämoniſche Mahlzeit be - reiten.

Als die Gäſte ſatt waren, wuſchen ſie ſich von Neuem die Hände. Dann wurde das Speiſegeſchirr abgeräumt, der Fußboden geſäubert, und Wein und Waſſer in den Miſchkeſſel gegoſſen. Endlich 46) wandte ſich Rhodopis, nachdem ſie ſich überzeugt hatte, daß Alles im beſten Gange ſei, an den mit den Mileſiern ſtreitenden Phanes und ſagte:

Edler Freund! Wir haben jetzt unſere Ungeduld ſo lange bemeiſtert, daß es wohl Deine Pflicht wäre, uns mitzutheilen, welches ſchlimme Ungefähr Dich aus Aegyp - ten und unſerem Kreiſe zu entreißen droht. Mit leichtem Sinne, den die Götter euch Joniern Allen, als köſtliches Geſchenk, bei der Geburt zu ſpenden pflegen, magſt Du Dich von uns und dieſem Lande trennen; wir aber werden Deiner lange ſchmerzlich gedenken, denn ich kenne keinen größeren Verluſt, als den eines ſeit Jahren treu bewährten Freundes. Einige von uns haben auch zu lange am Nil gelebt, um nicht ein wenig von dem unwandelbar beſtändigen Sinne der Aegypter angenommen zu haben! Du lächelſt zwar; ich weiß aber doch, daß Du, obgleich Du Dich ſchon lange nach Hellas ſehneſt, nicht ohne alles Bedauern von uns ſcheiden wirſt. Du gibſt mir Recht? Nun ich wußte ja, daß ich mich nicht täuſchte. Aber er - zähle jetzt, warum Du Aegypten verlaſſen willſt, damit wir überlegen können, ob es nicht möglich ſei, Deine Ver -22 weiſung vom Hofe rückgängig zu machen, und Dich für uns zu erhalten.

Phanes lächelte bitter und ſagte: Jch danke Dir, Rhodopis, für Deine ſchmeichelhaften Worte und die gute Abſicht, Dich meines Abſchiedes wegen betrüben, oder den - ſelben womöglich verhindern zu wollen. Hundert neue Geſichter werden Dich das meine bald vergeſſen laſſen, denn ob Du auch ſchon lange am Nilſtrom wohnſt, ſo biſt Du doch, und dafür magſt Du den Göttern danken, Hel - lenin geblieben vom Scheitel bis zur Sohle. Auch ich bin ein großer Freund der Treue, aber ein ebenſo großer Feind der Thorheit; und iſt wohl Einer unter euch Allen, der es klug finden könnte, ſich über Unvermeidliches zu grämen? Die ägyptiſche Treue iſt für mich keine Tugend, ſondern ein Wahn. Sie, die ihre Todten ſeit Jahrtau - ſenden bis heute bewahren, und ſich eher das letzte Brod, als einen Knochen ihres Urahnen nehmen laſſen 47), ſind nicht treu, ſondern thöricht. Kann mir’s Freude machen, diejenigen, welche ich liebe, traurig zu ſehen? Gewiß nicht! Jhr ſollt euch meiner nicht in monatlangen und ſich täglich wiederholenden Wehklagen erinnern, wie die Aegypter, wenn ihnen ein Freund dahin ſcheidet; im Gegentheil! Wollt ihr in der That des Fernen oder Abgeſchiedenen, denn ich darf Aegypten, ſo lange ich lebe, nie wieder betreten, dann und wann gedenken, ſo thut es mit lachendem Munde, und rufet nicht: Ach warum mußte Phanes uns verlaſſen! ſondern ſaget: Wir wollen fröhlich ſein, wie Phanes, als er noch in unſerm Kreiſe weilte! So ſollt ihr’s halten, ſo befahl es ſchon Simonides von Samos, als er ſang:

Ja möchten wir nur etwas klüger ſein, So ſtellten wir die langen Klagen ein,23 Und weinten an des Todten Sarkophag Nur einen Tag. Zum Todte haben wir ja Zeit genug; Das Leben aber, es verrinnt im Flug, Und iſt auch ſonder übergroßem Harm, So kurz und arm! 48)

Wenn man nicht über die Todten klagen ſoll, ſo iſt’s noch viel weniger recht, ſich um ſcheidende Freunde zu grämen, denn jene ſind für immer dahin, dieſen aber ſagen wir beim Abſchied: Auf Wiederſehen!

Jetzt konnte der Sybarit, welcher ſchon lange unge - duldig geworden war, nicht länger ſchweigen und rief mit kläglicher Stimme: Fange doch endlich zu erzählen an, Du mißgünſtiger Menſch. Jch kann keinen Tropfen trin - ken, wenn Du nicht aufhörſt vom Tode zu ſprechen. Mir iſt ganz kalt geworden, und ich werde jedesmal krank, wenn ich über ..., nun, wenn ich davon reden höre, daß wir nicht ewig leben! Die ganze Geſellſchaft lachte, Phanes aber begann ſeine Geſchichte zu erzählen:

Zu Sais wohne ich, wie ihr wißt, in dem neuen Schloſſe; zu Memphis aber wurde mir, als Oberſten der griechiſchen Leibwache, welche den König begleiten muß, wohin er auch reist, ein Quartier im linken Flügel des uralten Palaſtes angewieſen 49).

Seit dem erſten Pſamtik 50) reſidiren die Könige zu Sais, darum wurde das Jnnere der anderen Schlöſſer ein wenig vernachläßigt. Meine Wohnung war im Grunde ganz vorzüglich gelegen, köſtlich eingerichtet und wäre vor - trefflich geweſen, wenn ſich nicht, gleich bei meinem erſten Einzuge in dieſelbe, eine furchtbare Plage fühlbar gemacht hätte.

Bei Tage, wo ich übrigens ſelten zu Hauſe war, ließ meine Wohnung gar nichts zu wünſchen übrig, bei Nacht24 aber war an keinen Schlaf zu denken, ſo fürchterlich ſpek - takelten Tauſende von Ratten und Mäuſen unter den alten Fußböden, Tapeten und Ruhebetten.

Schon in der erſten Nacht lief mir eine unverſchämte Maus über das Geſicht.

Jch wußte mir keinen Rath in dieſer Noth, bis mir endlich ein ägyptiſcher Soldat zwei ſchöne große Katzen verkaufte, welche mir auch nach einigen Wochen ziemliche Ruhe vor meinen Peinigern verſchafften.

Jhr werdet Alle wiſſen, daß eines der liebenswür - digen Geſetze dieſes wunderlichen Volkes, deſſen Bildung und Weisheit ihr, meine mileſiſchen Freunde, nicht ſattſam preiſen könnt, die Katzen für heilig erklärt. Göttliche Ehre wird dieſen glücklichen Vierfüßlern, wie ſo mancher anderen Beſtie, zu Theil, und ihre Tödtung eben ſo ſtreng beſtraft, als der Mord eines Menſchen.

Rhodopis, welche bis dahin gelächelt hatte, wurde ernſter, als ſie vernahm, daß die Verweiſung des Phanes mit ſeiner Mißachtung der heiligen Thiere zuſammenhing. Sie wußte, wie viele Opfer, ja wie viele Menſchenleben, dieſer Aberglaube der Aegypter bereits gekoſtet hatte. Vor Kurzem noch hatte der König Amaſis ſelbſt, einen unglück - lichen Samier, welcher eine Katze getödtet hatte, nicht vor der Rache des zornigen Volkes zu retten vermocht 51).

Alles war gut, erzählte der Oberſt weiter, als wir Memphis vor zwei Jahren verließen.

Jch hatte das Katzenpaar der Pflege eines ägyp - tiſchen Schloßdieners anvertraut, und wußte, daß die rat - tenfeindlichen Thiere meine Wohnung für künftige Fälle rein erhalten würden, ja ich begann ſchon ſelbſt den freund - lichen Rettern aus der Mäuſegefahr eine gewiſſe Vereh - rung zu zollen.

25

Jm vorigen Jahre ward Amaſis krank, ehe der Hof ſich nach Memphis begeben konnte, und wir blieben zu Sais.

Endlich, vor etwa ſechs Wochen, machten wir uns auf den Weg zu der Pyramidenſtadt 52). Jch bezog mein altes Quartier und fand in demſelben keinen Schatten eines Mäuſeſchwanzes wieder; ſtatt der Ratten wimmelte ſie aber von einem anderen Thiergeſchlechte, welches mir nicht lieber war, als ſeine Vorgänger. Das Katzenpaar hatte ſich nämlich in den zwei Jahren meiner Abweſenheit verzwölffacht. Jch verſuchte die läſtige Brut von Katern jeden Alters und aller Farben zu vertreiben; aber es ge - lang mir nicht, und ich mußte allnächtlich meinen Schlaf von entſetzlichen Vierfüßler-Chorgeſängen, Katzenkriegsge - ſchrei und Katerliedern unterbrechen laſſen.

Alljährlich, zur Zeit des Bubaſtisfeſtes, iſt es erlaubt, alle überflüſſigen Mäuſefänger in den Tempel der katzen - köpfigen Göttin Pacht abzuliefern, woſelbſt ſie verpflegt, und, wie ich glaube, wenn ſie ſich gar zu ſtark vermeh - ren, bei Seite gebracht werden. Dieſe Prieſter ſind Spitz - buben!

Leider fiel die große Fahrt zu dem beſagten Hei - ligthume 53) nicht in die Zeit unſeres Aufenthaltes bei den Pyramiden, ich aber konnte es ſchlechterdings mit dieſer Armee von Peinigern nicht länger aushalten, und beſchloß, als mich zwei Katzenmütter von neuem mit einem Dutzend geſunder Nachkommen beehrten, wenigſtens dieſe bei Seite zu ſchaffen. Mein alter Sclave Müs 54), ſchon dem Namen nach ein geborner Katerfeind, erhielt den Auf - trag, die jungen Dinger zu tödten, in einen Sack zu ſtecken und in den Nil zu werfen.

Dieſer Mord war nothwendig, denn ohne denſelben würde das Miaulen der jungen Kater den Schloßwärtern26 den Jnhalt des Sackes verrathen haben. Als es dunkelte, begab ſich der arme Müs mit ſeiner gefährlichen Laſt durch den Hathor Hain 55) nach dem Nile. Doch der ägyptiſche Schloßdiener, welcher meine Thiere zu füttern pflegte, hatte bemerkt, daß man die Brut zweier Katzen entfernt habe und unſern ganzen Plan durchſchaut.

Mein Sclave ging ganz gelaſſen durch die große Sphinxallee am Tempel des Ptah 56) vorüber, indem er das Säckchen unter ſeinem Mantel verborgen hielt. Schon im heiligen Haine bemerkte er, daß man ihm folge; er achtete aber nicht darauf und ſetzte ſeinen Weg vollkommen beruhigt fort, als er bemerkte, daß die Leute, welche hin - ter ihm hergingen, am Tempel des Ptah ſtehen blieben und ſich dort mit Prieſtern unterredeten.

Schon war er am Ufer des Nils angelangt. Da hörte er, wie man ihm rief, wie viele Menſchen ihm in ſchnellem Laufe folgten, und ein geſchleuderter Stein ganz dicht an ſeinem Kopfe vorüberpfiff.

Müs überſah vollkommen die Gefahr, welche ihm drohte. Mit dem Aufgebot aller Kräfte jagte er bis an den Nil, ſchleuderte den Sack in denſelben und ſtand klo - pfenden Herzens, aber, wie er glaubte, ohne jeden Be - weis ſeiner Schuld, am Ufer des Stromes. Wenige Au - genblicke ſpäter war er von hundert Tempeldienern umringt.

Der Oberprieſter des Ptah, Pthahotep, mein alter Feind, hatte nicht verſchmäht, in eigner Perſon den - ſchern zu folgen.

Mehrere derſelben, unter ihnen jener verrätheriſche Palaſtdiener, ſtiegen ſofort in den Nil und fanden zu un - ſerm Verderben den Sack mit ſeinen zwölf Leichnamen, unverſehrt im Papyros Rohre und den Bohnenranken am Ufer hängend. Vor den Augen des Oberprieſters, einer27 Schaar von Tempeldienern und wenigſtens tauſend herbei - geeilten Memphiten ward der baumwollene Sarg geöffnet. Als man ſeines unſeligen Jnhalts gewahr wurde, erhob ſich ein ſo entſetzliches Wehegeheul, ein ſo furchtbares Klage - und Rachegeſchrei, daß ich’s bis zum Schloſſe vernehmen konnte.

Die wuthentbrannte Menge ſtürzte ſich in wilder Lei - denſchaft auf meinen armen Diener, riß ihn zu Boden, trat ihn mit Füßen, und würde ihn ſofort getödtet haben, wenn der allmächtige Oberprieſter nicht Halt‘ gebo - ten, und, in der Abſicht, mich als Urheber der Frevel - that mit in’s Verderben zu ziehen, befohlen hätte, den ſchrecklich zugerichteten Miſſethäter in’s Gefängniß zu ſetzen.

Eine halbe Stunde ſpäter ward auch ich feſtgenommen.

Mein alter Müs nahm alle Schuld des Verbrechens auf ſein Haupt, bis der Oberpricſter ihm durch Baſtona - den das Geſtändniß abnöthigte, ich habe ihm geboten, die Katzen zu tödten; er aber, als treuer Diener, meinem Befehl Folge leiſten müſſen.

Das Obergericht 57), gegen deſſen Urtheilsſprüche ſelbſt der König keine Macht beſitzt, iſt aus Prieſtern von Memphis, Heliopolis und Theben zuſammengeſetzt; ihr könnt euch alſo denken, daß man den armen Müs ſowohl, als meine helleniſche Wenigkeit, ohne Bedenken zum Tode verurtheilte. Den Sclaven, wegen zweier Kapitalver - brechen: erſtens, wegen des Mordes von heiligen Thieren, zweitens, wegen der zwölfmaligen Verunreinigung des hei - ligen Nils durch Leichname; mich, wegen der Urheber - ſchaft dieſes, wie ſie’s nannten, vierundzwanzigfachen Ka - pitalverbrechens 58). Müs ward noch am nämlichen Tage hingerichtet. Möge ihm die Erde leicht ſein! Jn meinem Andenken wird er nicht als mein Sclav, ſondern als mein28 Freund und Wohlthäter fortleben! Jm Angeſicht ſeiner Leiche ward auch mir das Todesurtheil vorgeleſen, und ich machte mich ſchon zur langen Reiſe in die Unterwelt fer - tig, als der König befehlen ließ, die Vollſtreckung meiner Hinrichtung aufzuſchieben.

Jch ward in mein Gefängniß zurückgebracht.

Ein arkadiſcher Taxiarch 59), welcher ſich unter mei - nen Wächtern befand, theilte mir mit, daß ſämmtliche griechiſchen Offiziere der Leibwache, und eine Menge von Soldaten, im Ganzen mehr als viertauſend Mann, ge - droht hätten, ihren Abſchied zu nehmen, wenn man mich, ihren Führer, nicht begnadigen werde.

Als es dunkelte, wurde ich zum Könige geführt, wel - cher mich auf’s Gnädigſte empfing.

Er ſelbſt beſtätigte mir die Mittheilung des Taxiar - chen und ſprach ſein Bedauern aus, einen ſo beliebten Oberſten verlieren zu müſſen. Was mich betrifft, ſo ge - ſtehe ich gern, daß ich dem Amaſis nicht zürne, und mehr noch, daß ich ihn, den mächtigen König, bedaure. Jhr hättet mit anhören ſollen, wie er ſich beklagte, nirgend handeln zu können, wie er wolle, und ſelbſt in ſeinen per - ſönlichſten Angelegenheiten überall von den Prieſtern und ihrem Einfluſſe behindert und gefährdet zu ſein. Käme es nur auf ihn an, ſo würde er mir, dem Fremden, die Uebertretung eines Geſetzes, welches ich nicht verſtehen könne, und darum, wenn auch fälſchlich, für abgeſchmackten Aber - glauben halten müſſe, gern vergeben. Der Prieſter wegen dürfe er mich aber nicht ungeſtraft laſſen. Verbannung aus Aegypten ſei die gelindeſte Buße, welche er mir auf - erlegen könne.

Du weißt nicht‘, mit dieſen Worten ſchloß er ſeine Klagen, wie große Bewilligungen ich den Prieſtern ma -29 chen müßte, um Gnade für Dich zu erlangen. Jſt doch unſer Obergericht ſelbſt von mir, dem Könige, unabhängig!‘

Alſo ward ich verabſchiedet, nachdem ich einen großen Eid geleiſtet hatte, Memphis noch am ſelbigen Tage und Aegypten ſpäteſtens in drei Wochen verlaſſen zu wollen.

An der Pforte des Palaſtes traf ich mit Pſamtik, dem Kronprinzen, zuſammen, welcher mich ſchon lange är - gerlicher Geſchichten wegen, die ich verſchweigen muß (Du kennſt ſie, Rhodopis), verfolgt. Jch bot demſelben meinen Abſchiedsgruß; er aber kehrte mir den Rücken zu, indem er ausrief: Auch dießmal entwiſchſt Du der Strafe, Athe - ner; meiner Rache aber biſt Du noch nicht entgangen! Wohin Du auch gehſt, ich werde Dich zu finden wiſ - ſen!‘ Darauf ſoll es ankommen!‘ entgegnete ich ihm, ſchaffte meine Habſeligkeiten auf eine Barke und kam hier - her nach Naukratis, woſelbſt mir das Glück meinen alten Gaſtfreund Ariſtomachos von Sparta zuführte, welcher, als früherer Befehlshaber der Truppen von Kypros 60), höchſt wahrſcheinlich zu meinem Nachfolger ernannt werden wird. Jch würde mich freuen, einen ſo trefflichen Mann an mei - nem Platze zu ſehen, wenn ich nicht fürchten müßte, daß neben ſeinen vorzüglichen Dienſten die meinen noch gerin - ger erſcheinen werden, als ſie es in der That geweſen ſind.

Hier unterbrach Ariſtomachos den Athener und rief: Genug des Lobes, Freund Phanes! Spartaniſche Zungen ſind ungelenk; mit Thaten will ich Dir aber, wenn Du meiner bedarfſt, eine Antwort geben, die den Nagel auf den Kopf treffen ſoll.

Rhodopis lächelte den beiden Männern Beifall zu. Dann reichte ſie jedem derſelben die Hand und ſagte: Lei - der habe ich Deiner Erzählung, mein armer Phanes, ent - nommen, daß Deines Bleibens nicht länger in dieſem Lande30 ſein kann. Jch will Dich nicht wegen Deines Leichtſinnes tadeln, dennoch konnteſt Du wiſſen, daß Du Dich, um kleiner Erfolge willen, großen Gefahren ausſetzteſt. Der Weiſe, der wahrhaft Muthige unternimmt ein Wagniß nur dann, wenn Nutzen und Nachtheile, welche ihm aus demſelben erwachſen können, ſich mindeſtens gleich bleiben. Tollkühn - heit iſt eben ſo thöricht, wenn auch nicht ebenſo verwerf - lich als Feigheit, denn wenn auch beide ſchaden, ſo ſchän - det doch nur die Letztere.

Dein leichter Sinn hätte Dir dießmal beinahe das Leben gekoſtet, ein Leben, welches vielen theuer iſt, und das Du für ein ſchöneres Ende, als dem Erliegen unter den Streichen der Narrheit, aufſparen ſollteſt. Wir können nicht verſuchen, Dich uns zu erhalten, denn wir würden Dir dadurch nichts nützen, uns aber ſchaden. An Deiner Stelle ſoll in Zukunft dieſer edle Spartaner als Oberſter der Hellenen unſere Nation am Hofe vertreten, ſie vor Uebergriffen der Prieſter zu ſchützen, ihr die Gunſt des Königs zu bewahren bemüht ſein. Jch halte Deine Hand, Ariſtomachos, und laſſe ſie nicht eher los, bis Du uns verſprochen haſt, auch den geringſten Griechen, wie Phanes vor Dir, ſoweit es in Deinen Kräften ſteht, ge - gen den Uebermuth der Aegypter zu beſchützen, und eher Deine Stellung aufzugeben, als das kleinſte einem Hellenen angethane Unrecht ſtraflos hingehen zu laſſen. Wir ſind wenig Tauſende unter eben ſo vielen Millionen feindlich geſinnter Menſchen; aber wir ſind groß an Muth und müſſen ſtark zu bleiben ſuchen durch Einigkeit. Bis heute haben ſich die Hellenen in Aegypten wie rechte Brüder betragen; Einer opferte ſich für Alle, Alle für Einen, und eben dieſe Einheit machte uns mächtig, ſoll uns in Zu - kunft ſtark erhalten. Könnten wir doch dem Mutter -31 lande und ſeinen Pflanzſtätten dieſelbe Einigkeit ſchenken, wollten doch alle Stämme der Heimat ihrer dori - ſchen, ioniſchen oder äoliſiſchen Herkunft vergeſſend, ſich mit dem einen Namen Hellenen‘ begnügen, und, wie die Kinder eines Hauſes, wie die Schafe einer Heerde leben, wahrlich die ganze Welt würde uns nicht zu wider - ſtehen vermögen, und Hellas von allen Nationen anerkannt werden als Königin der Erde 61)!

Die Augen der Greiſin glühten bei dieſen Worten; der Spartaner aber preßte ihre Hand mit ungeſtümer Heftigkeit, ſtampfte die Erde mit ſeinem Stelzfuße und rief: Beim Zeus, Lakedaemonios, ich will den Hellenen kein Härlein krümmen laſſen; Du aber, Rhodopis, wäreſt würdig eine Spartanerin zu ſein!

Und eine Athenerin! rief Phanes.

Eine Jonierin! die Mileſier.

Eine Geomoren-Tochter von Samos! der Bild - hauer.

Aber ich bin mehr als dieß Alles , rief das begei - ſterte Weib, ich bin mehr, viel mehr; ich bin eine Hellenin!

Alles war hingeriſſen, ſelbſt der Syrer und der Jude; nur der Sybarit ließ ſich nicht aus ſeiner Ruhe ſtören und ſagte mit vollem Munde, ſo daß man ihn kaum verſtehen konnte:

Du wäreſt auch werth eine Sybaritin zu ſein, denn Dein Rinderbraten iſt der beſte, welchen ich ſeit meiner Abreiſe von Jtalien genoſſen habe, und Dein Wein von Anthylla 62) mundet mir faſt ebenſo gut, als der vom Ve - ſuv und von Chios!

Alles lachte; nur der Spartaner ſchleuderte auf den Feinſchmecker Blicke voller Zorn und Verachtung.

32

Fröhlichen Gruß! Rief plötzlich eine uns noch un - bekannte tiefe Stimme durch das offene Fenſter in den Saal hinein.

Fröhlichen Gruß! antwortete der Chor der Ze - chenden, fragend und rathend, wer der ſpäte Ankömmling ſein möge.

Aber man hatte nicht lange auf den Fremden zu warten, denn, ehe noch der Sybarit Zeit gefunden hatte, einen neuen Schluck Wein ſorgfältig mit der Zunge zu prüfen, ſtand ein großer hagerer Mann in den ſechziger Jahren, mit einem länglichen, feinen und geiſtreichen Kopfe, Kallias, der Sohn des Phänippos von Athen 63), neben Rhodopis.

Mit den klaren klugen Augen blickte der ſpäte Gaſt, einer der reichſten Vertriebenen von Athen, welcher die Güter des Piſiſtratus zweimal vom Staate gekauft und zweimal, als derſelbe wiederkehrte, verloren hatte, ſeine Bekannten an und rief, nachdem er mit Allen freundliche Grüße ausgetauſcht hatte:

Wenn ihr mir mein heutiges Erſcheinen nicht hoch anrechnet, dann behaupte ich, daß alle Dankbarkeit aus der Welt verſchwunden ſei.

Wir haben Dich lange erwartet, unterbrach ihn einer der Mileſier. Du biſt der Erſte, welcher uns vom Verlaufe der olympiſchen Spiele Nachricht bringt!

Und wir konnten keinen beſſeren Boten wünſchen, als den früheren Sieger, fügte Rhodopis hinzu.

Setze Dich, rief Phanes voller Ungeduld, und erzähle kurz und bündig, was Du weißt, Freund Kallias!

Sogleich, Landsmann, erwiederte dieſer, ’s iſt ſchon ziemlich lange her, ſeitdem ich Olympia verlaſſen und mich auf einem ſamiſchen fünfzig Ruderer, dem beſten33 Fahrzeuge, welches jemals gebaut wurde, zu Kenchreae eingeſchifft habe.

Mich wundert’s nicht, daß noch kein Hellene vor mir in Naukratis eingelaufen iſt, denn wir hatten grau - ſame Stürme zu beſtehen, und wären kaum mit dem Leben davon gekommen, wenn dieſe ſamiſchen Schiffe mit ihren dicken Bäuchen, Jbisſchnäbeln und Fiſchſchwänzen 64) nicht gar ſo vortrefflich gezimmert und bemannt wären.

Die andern Heimkehrenden mögen, wer weiß wohin, verſchlagen worden ſein; wir aber konnten uns in den Hafen von Samos bergen und nach zehntägigem Aufent - halte wieder abſegeln.

Als wir endlich heute früh in den Nil eingelaufen waren, ſetzte ich mich ſofort in meine Barke und wurde von Boreas, der mir wenigſtens am Schluſſe der Reiſe zeigen wollte, daß er ſeinen alten Kallias noch immer lieb habe, ſo ſchnell befördert, daß ich ſchon vor wenigen Augen - blicken das freundlichſte aller Häuſer erblicken konnte. Jch ſah die Fahne wehen, ſah die offenen Fenſter erleuchtet, kämpfte in mir, ob ich eintreten ſolle oder nicht; konnte Deinem Zauber, o Rhodopis, unmöglich widerſtehen, und wäre außerdem vor lauter Neuigkeiten, die ich noch uner - zählt bei mir habe, geplatzt, wenn ich nicht ausgeſtiegen wäre, um Euch, bei einem Stücke Braten und einem Becher Wein, Dinge mitzutheilen, die Jhr Euch nicht träu - men laſſet.

Kallias legte ſich behaglich auf ein Polſter nieder, und überreichte, eh er ſeine Neuigkeiten auszukramen begann, Rhodopis ein prächtiges, eine Schlange darſtel - lendes Armband von Gold 65), welches er zu Samos in der Werkſtatt eben jenes Theodoros, der mit ihm an einem Tiſche ſaß, für vieles Geld erſtanden hatte.

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 334

Das bring ich Dir mit 66), ſagte er, ſich an die hocherfreute Greiſin wendend, für Dich, Freund Phanes, habe ich aber noch etwas Beſſeres. Rathe, wer beim Viergeſpann-Rennen den Preis gewann?

Ein Athener?‘ fragte Phanes mit glühenden Wan - gen; gehörte doch jeder olympiſche Sieg dem ganzen Volke, deſſen Bürger ihn errang, war doch der olympiſche Oel - zweig die höchſte Ehre und das größte Glück, welches einem helleniſchen Manne, ja einem ganzen griechiſchen Stamm zu Theil werden konnte.

Recht gerathen, Phanes! rief der Freudenbote, ein Athener hat den erſten aller Preiſe errungen und mehr noch, Dein Vetter Kimon, der Sohn des Kypſelos, der Bruder jenes Miltiades, welcher uns vor neun Olym - piaden dieſelbe Ehre brachte, war es, der in dieſem Jahre, mit denſelben Roſſen, die ihm am vorigen Feſte den Preis gewannen, zum zweitenmale ſiegte 67). Wahrlich, die Phi - laiden 68) verdunkeln immer mehr den Ruhm des Alkmaeo - niden! Biſt Du ſtolz, fühlſt Du Dich glücklich über den Ruhm Deiner Familie, Phanes?

Jn hoher Freude war der Angeredete aufgeſtanden, und ſeine Geſtalt ſchien plötzlich um eines Hauptes Länge gewachſen zu ſein.

Unſagbar ſtolz und ſelbſtbewußt, reichte er dem Sie - gesboten die Hand, welcher, den Landsmann umarmend, fortfuhr:

Ja, wir dürfen ſtolz und glücklich ſein, Phanes; und Du vor Allen magſt Dich freuen, denn, nachdem die Kampfrichter dem Kimon einſtimmig den Preis zuerkannt hatten, ließ dieſer den Gewalthaber Piſiſtratus von den Herolden als Beſitzer des herrlichen Viergeſpanns, und ſomit als Sieger, ausrufen. Euer Stamm darf nun,35 Piſiſtratus ließ dies ſogleich verkünden, nach Athen zurück - kehren, und ſomit wartet auch Deiner die lang erſehnte Stunde der Heimkehr!

Die Glut der Freude verſchwand bei dieſer Rede von den Wangen des Oberſten, und der ſelbſtbewußte Stolz ſeiner Blicke wandelte ſich in Zorn, als er ausrief:

Jch ſollte mich freuen, thörichter Kallias? Weinen möchte ich, wenn ich bedenke, daß ein Nachkomme des Ajax ſeinen wohlverdienten Ruhm ſo ſchmählich dem Ge - walthaber zu Füßen zu legen vermag. Heimkehren ſoll ich? Ha, ich ſchwöre bei Athene, beim Vater Zeus und Apollo, daß ich eher in der Fremde verhungern, als meinen Fuß zur Heimat lenken will, ſo lange der Piſiſtra - tide mein Vaterland knechtet. Frei bin ich, wie der Vo - gel in der Luft, nachdem ich den Dienſt des Amaſis ver - laſſen; aber ich möchte lieber der Sclav eines Bauern in fremdem Lande werden, als in der Heimat der erſte Die - ner des Piſiſtratus ſein. Uns, dem Adel, uns gebührt die Herrſchaft in Athen; Kimon aber hat, indem er ſeinen Kranz zu Füßen des Piſiſtratus legte, die Tyrannis an - erkannt und ſich ſelbſt den Stempel des Knechtes aufge - drückt. Mich, den Phanes, das werde ich Kimon ſelber zurufen, kann die Gnade des Gewalthabers wenig küm - mern; ja ich will ein Verbannter bleiben, bis daß mein Vaterland befreit iſt, und Adel und Volk von Neuem ſich ſelbſt regieren, ſich ſelbſt ihre Geſetze vorſchreiben! Phanes huldigt dem Bedrücker nicht, wenn ſich auch alle Philaiden und Alkmaeoniden, wenn ſich auch Dein Geſchlecht, Kallias, die reichen Daduchen 69), dem Piſiſtratus zu Füßen werfen ſollten!

Mit flammenden Blicken überſchaute der Athener die Verſammlung; aber auch der alte Kallias muſterte ſtolz36 und ſelbſtbewußt den Kreis der Gäſte. Es war, als wolle er einem Jeden zurufen: Seht, ihr Freunde, ſolche Män - ner erzeugt meine ruhmreiche Heimat!

Dann faßte er von Neuem die Hand des Phanes und ſprach:

Wie Dir, mein Freund, ſo iſt auch mir der Ge - walthaber verhaßt; doch ich habe geſehen, daß die Tyrannis, ſo lange Piſiſtratus am Leben bleibt, nicht geſtürzt werden kann. Seine Bundesgenoſſen Lygda - mis von Naxos und Polykrates von Samos ſind mäch - tig; gefährlicher aber als dieſe iſt für unſere Freiheit die Mäßigung und Klugheit des Piſiſtratus ſelbſt. Mit Schrecken hab ich bei meinem jetzigen Aufenthalt in Hellas geſehen, daß die Volksmaſſe von Athen den Bedrücker gleich einem Vater liebt. Trotz ſeiner Macht, läßt er dem Geſammtweſen die Verfaſſung des Solon. Er ſchmückt die Stadt mit den herrlichſten Werken. Der neue Tempel des Zeus, welcher von Kallaeſchros, Antiſtates und Porinos, die Du kennen mußt, Theodoros, aus herrlichem Marmor aufgerichtet wird, ſoll alle bishe - rigen Bauten der Hellenen übertreffen 70). Er weiß Künſt - ler und Dichter jeder Art nach Athen zu locken, er läßt die Geſänge des Homer niederſchreiben und die Sprüche des Muſaeos von Onomakritos aufzeichnen und ſammeln. Er legt neue Straßen an und richtet neue Feſte ein; der Handel blüht unter ſeinem Scepter und das Volk befindet ſich, trotz der Steuern, die ihm auferlegt werden, ganz vortrefflich. Aber was iſt das Volk? Ein gemeiner Haufe, der, wie die Mücken, allem Glänzenden entgegenfliegt, und wenn es ſich auch die Flügel daran verbrennt, die Kerze dennoch umflattert, ſo lange ſie brennt. Laß die Fackel des Piſiſtratus verlöſchen, Phanes, und ich ſchwöre Dir,37 daß die veränderungsſüchtige Menge dem heimkehrenden Adel, dem neuen Lichte, entgegenfliegen wird, wie man bis dahin dem Tyrannen zuzulaufen gewohnt war. Gib mir noch einmal Deine Hand, Du echter Sohn des Ajax. Euch aber, ihr Freunde, bin ich manche Neuigkeit ſchuldig.

Jm Wagenrennen ſiegte alſo Kimon, der dem Pi - ſiſtratus ſeinen Oelzweig ſchenkte. Niemals ſah ich vier ſchönere Roſſe, als die ſeinigen. Auch Arkeſilaos von Ky - rene, Kleoſthenes von Epidamnos 71), Aſter von Sybaris, Hekataeos von Milet und viele Andere hatten köſtliche Geſpanne nach Olympia geſendet. Ueberhaupt waren die diesmaligen Spiele mehr als glänzend. Ganz Hellas hatte Boten geſchickt. Rhoda die Ardeaten-Stadt im fer - nen Jberien, das reiche Tarteſſus, Sinope im entle - genen Oſten am Geſtade des Pontus, kurz jeder Stamm, welcher ſich helleniſcher Herkunft rühmt, war reichlich ver - treten. Die Sybariten ſendeten Feſtboten von wahrhaft blendendem Glanze, die Spartaner ſchlichte Männer von der Schönheit des Achilles und dem Wuchſe des Her - kules; die Athener zeichneten ſich durch geſchmeidige Glie - der und anmuthige Bewegungen aus, die Krotoniaten wurden von Milon 72), dem ſtärkſten Manne menſchlicher Hexkunft geführt, die ſamiſchen und mileſiſchen Feſtgenoſ - ſen wetteiferten an Pracht und äußerem Schimmer mit den Korinthern und Mytelenaeern, die ganze Blüte der helleniſchen Jugend war verſammelt, und in den Zuſchauer - räumen ſaßen neben Männern jeden Alters, jeden Stan - des und Volkes, viele holde Jungfrauen, welche nament - lich von Sparta nach Olympia gekommen waren, um durch ihren Zuruf die Spiele der Männer zu verſchönern 73). Jenſeits des Alpheos war der Markt erlaubt. Dort konntet ihr Handelsleute aus allen Ländern der Welt er -38 blicken. Hellenen, Karchedoner, Lyder, Phryger und feil - ſchende Phöniker von Palaeſtina ſchloſſen große Geſchäfte ab, oder hielten in Buden und Zelten ihre Waaren feil. Was ſoll ich Euch das drängende Gewoge der Menge, die ſchallenden Chöre, die dampfenden Feſthekatomben, die bunten Trachten, die koſtbaren Wagen und Roſſe, das Zuſammenklingen der verſchiedenen Dialekte, die Jubelrufe alter Freunde, welche ſich hier nach jahrelanger Trennung wieder fanden, den Glanz der Feſtgeſandten, das Ge - wimmel der Zuſchauer und Kaufleute, die Spannung auf den Verlauf der Spiele, den herrlichen Anblick der überfüllten Zuſchauerräume, den endloſen Jubel, ſobald ein Sieg entſchieden war, die feierliche Belehnung mit dem Zweige, den ein Knabe von Elis, deſſen beide Eltern noch leben mußten, mit dem goldenen Meſſer von jenem heili - gen Oelbaum in der Altis 74) ſchnitt, den Herkules ſelbſt vor vielen Jahrhunderten gepflanzt hatte; was ſoll ich Euch endlich das nicht aufhörende Jubelgeſchrei, welches, wie brüllender Donner, durch das Stadion brauste, be - ſchreiben, als Milon, der Krotoniat erſchien, und ſeine von Dameas gegoſſene Bildſäule von Erz auf den eigenen Schultern, ohne daß ihm die Knie wankten, durch das Stadion 75) in die Altis trug 76)!? Einen Stier hätte die Wucht des Metalls zu Boden gedrückt; Milon aber trug ſie, wie eine lakedaemoniſche Kinderfrau ein Knäblein trägt 77).

Die ſchönſten Kränze, nach denen des Kimon, wurden einem ſpartaniſchen Bruderpaare zu Theil, dem Lyſander und Maron, Söhnen des Ariſtomachos. Maron ſiegte im Wettlauf; Lyſander aber ſtellte ſich, unter dem Ju - bel aller Anweſenden, Milon, dem unwiderſtehlichen Sie - ger von Piſa, den Pythien um dem Jſthmos zum Ring -39 kampfe entgegen 78). Milon war größer und ſtärker, als der Spartaner, deſſen Körperbau dem Wuchſe des Apollon glich, und deſſen große Jugend andeutete, daß er kaum dem Paedanomos 79) entwachſen war.

Jn ihrer nackten Schönheit, vom goldnen Salböle glänzend, ſtanden ſich der Jüngling und der Mann gegen - über, einem Panther und einem Läwen gleichend, die ſich zum Kampfe bereiten. Der junge Maron hob ſeine Hände vor dem erſten Anlaufe beſchwörend zu den Göttern em - por und rief: Für meinen Vater, meine Ehre und Spar - taner Ruhm!‘ Der Krotoniat aber lächelte überlegen auf den Jüngling herab; wie ein Feinſchmecker lächelt, ehe er ſich an die Arbeit begibt, die Schale eines Kreb - ſes zu öffnen.

Jetzt begann das Ringen. Lange konnte keiner von Beiden den Anderen greifen. Wuchtig, faſt unwider - ſtehlich faßte der Krotoniat nach ſeinem Gegner, der ſich, wie eine Schlange, den furchtbaren Griffen der Zangen - hände des Athleten entwand. Lange währte das Ringen nach dem Griffe, dem die ganze ungeheure Verſammlung ſtumm und athemlos zuſchaute. Man hörte nichts, als das Stöhnen der Kämpfer und den Geſang der Vögel in dem Haine der Altis. Endlich, endlich war es dem Jünglinge gelungen, mit dem ſchön - ſten Griffe, den ich je geſehen, ſich an ſeinen Gegner zu klammern. Lange ſtrengte Milon vergebens ſeine Kräfte an, um ſich den feſten Armen des Jünglings zu entziehen. Der Schweiß ihrer Rieſenarbeit netzte reichlich den Sand des Stadions.

Jmmer höher wuchs die Spannung der Zuſchauer, immer tiefer ward das Schweigen, immer ſeltener die er - munternden Zurufe, immer lauter das Stöhnen der beiden40 Kämpfenden. Endlich ſanken dem Jüngling die Kräfte. Tauſend ermunternde Stimmen riefen ihm zu; noch einmal raffte er ſich mit übermenſchlicher Anſtrengung zuſammen, noch einmal verſuchte er den Krotoniaten zu werfen; dieſer aber hatte die augenblickliche Abſpannung ſeines Gegners wahrgenommen und preßte ihn in unwiderſtehlicher Um - armung an ſich. Da entquoll ein ſchwarzer, voller Blut - ſtrom den ſchönen Lippen des Jünglings, der leblos aus den ermatteten Armen des Rieſen zu Boden ſank. Demo - kedes 80), der berühmteſte Arzt unſerer Zeit, ihr Samier müßt ihn vom Hofe des Polykrates kennen, eilte herbei; aber keine Kunſt konnte dem Glücklichen helfen, denn er war todt.

Milon mußte ſich des Kranzes begeben; der Ruhm dieſes Jünglings wird aber durch ganz Hellas fortklingen, und ich ſelber möchte lieber todt ſein, gleich Lyſander, dem Sohne des Ariſtomachos, als leben wie Kallias, der in der Fremde thatenlos altert. Ganz Griechenland, durch ſeine Beſten vertreten, trug den Jüngling zu Grabe, und ſeine Bildſäule ſoll in der Altis, neben denen des Milon von Kroten und Praxidamas von Aegina aufgeſtellt wer - den. Endlich verkündeten die Herolde den Spruch der Kampfrichter: Sparta ſolle für den Verſtorbenen einen Siegerkranz erhalten; denn nicht Milon, ſondern der Tod, habe den edlen Lyſander bezwungen; wer aber aus zwei - ſtündigem Kampfe mit dem ſtärkſten aller Griechen unbe - ſiegt hervorgehe, der habe den Oelzweig wohl ver - dient‘ 81).

Kallias ſchwieg einen Augenblick. Der lebhafte Mann hatte während der Schilderung dieſer, dem helleniſchen Herzen theuerſten Ereigniſſe, der Anweſenden nicht geachtet, und in’s Blaue ſtarrend, die Bilder der Kämpfenden vor ſeinen41 Augen vorüberziehen laſſen. Jetzt ſchaute er um ſich, und gewahrte ſtaunend, daß der graue Mann mit dem Stelzfuße, den er, ohne ihn zu kennen, ſchon bemerkt hatte, ſein Angeſicht in den Händen verbarg und heiße Thränen weinte. Zu ſeiner Rechten ſtand Rhodopis, zu ſeiner Lin - ken Phanes; alle anderen Gäſte ſchauten auf den Spar - taner, als ſei dieſer der Held der Erzählung des Kallias geweſen. Der kluge Athener merkte ſofort, daß der Greis in nächſter Beziehung zu irgend einem der olympiſchen Sieger ſtehe; als er aber hörte, daß Ariſtomachos der Vater jenes ruhmgekrönten ſpartaniſchen Bruderpaares ſei, deſſen ſchöne Geſtalten noch immer, wie Erſcheinungen aus der Götterwelt, vor ſeinen Blicken ſchwebten, da ſah auch er mit neidiſcher Bewunderung auf den ſchluchzenden Alten und eine Thräne füllte ſein kluges Auge, ohne daß er ihr zu wehren verſuchte. Jn jenen Zeiten weinten die Männer, wann ſie eben von dem Balſam der Zähren Er - leichterung hofften. Jm Zorn, bei hoher Wonne, bei jedem Seelenſchmerze ſehen wir die ſtärkſten Helden wei - nen, wogegen ſich der ſpartaniſche Knabe am Altar der Artemis Orthia, ohne einen Klagelaut von ſich zu ge - ben, wund, ja manchmal zu Tode peitſchen ließ, um des Lobes der Männer theilhaftig zu werden.

Eine Zeit lang blieben alle Gäſte ſtumm, die Rührung des Greiſes ehrend. Endlich unterbrach Jeſua, der Jſraelit, das Schweigen und ſagte in gebrochenem Griechiſch:

Weine Dich recht aus, ſpartaniſcher Mann! Jch weiß, was es heißt, einen Sohn zu verlieren. Habe ich doch vor elf Jahren einen ſchönen Knaben in die Grube ſenken müſſen, in fremdem Lande, an den Waſſern Ba - bels, wo mein Volk in Gefangenſchaft ſchmachtete. 42Hätte das ſchöne Kind nur noch ein einziges Jährchen ge - lebt, ſo würde es in der Heimat geſtorben ſein, und wir hätten es beſtatten können in der Grube ſeiner Väter. Aber Kyros der Perſer, Jehovah ſegne ſeine Nachkommen, hat uns zu ſpät befreit um ein Jahr, und ich beweine das Kind meines Herzens doppelt, weil ſein Grab gegra - ben ward im Lande der Feinde Jſraels. Gibt es etwas Schlimmeres, als zu ſehen, wie unſere Kinder, der reichſte Schatz, den wir haben, vor uns in die Grube fahren? Und, Jehovah ſei mir gnädig, ſolch treffliches Kind, wie Dein Sohn geweſen, zu verlieren, wenn er eben gewor - den iſt zum ruhmreichen Manne, das muß der größte Schmerz ſein aller Schmerzen!

Der Spartaner entfernte die Hände von dem ſtrengen Angeſichte und erwiederte unter Thränen lächelnd: Du irrſt, Phöniker; ich weine vor Freude, nicht vor Schmerz, und gerne hätt ich auch meinen zweiten Sohn verloren, wenn er geſtorben wäre wie mein Lyſander.

Der Jſraelit, entſetzt über dieſen gottloſen Ausſpruch, ſchüttelte nur mißbilligend den Kopf; die anweſenden Hellenen aber überſchütteten den vielbeneideten Greis mit Glückwünſchen. Dieſer ſchien vor hoher Wonne um viele Jahre jünger geworden zu ſein, und rief Rhodopis zu: Wahrlich, Freundin; Dein Haus iſt für mich ein geſeg - netes, denn ſeitdem ich es betreten, iſt dies die zweite Göttergabe, welche mir in demſelben zu Theil wird! Und welches war die erſte? fragte die Greiſin. Ein günſtiges Orakel. Du vergißt die dritte! rief Pha - nes, am heutigen Tage haben die Götter Dich auch Rho - dopis kennen gelehrt. Aber was war es mit dem Ora - kel? Darf ich’s den Freunden mittheilen? fragte der Delphier.

43

Ariſtomachos nickte bejahend, und Phryxos las zum zweitenmale die Antwort des Pythia:

Wenn einſt die reiſige Schaar von ſchneeigen Bergen herabſteigt, Zu den Gefilden des Stroms, welcher die Ebne benetzt, Führt Dich der zaudernde Kahn herab zu jenem Gefilde, Welches dem irrenden Fuß heimiſchen Frieden gewährt. Wenn einſt die reiſige Schaar von ſchneeigen Bergen herabſteigt, Schenkt Dir die richtende Fünf, was ſie Dir lange verſagt!

Kaum hatte Phryxos das letzte Wort geleſen, als Kallias, der Athener, jubelnd aufſprang und ausrief: Die vierte Gabe, das vierte Göttergeſchenk ſollſt Du jetzt von mir in dieſem Hauſe empfangen; wiſſe denn, daß ich meine ſeltſamſte Neuigkeit bis zuletzt aufgeſchoben habe: Die Perſer kommen nach Aegypten!

Keiner der Gäſte, außer dem Sybariten, blieb an ſeinem Platze und Kallias konnte ſich der vielen Fragen gar nicht erwehren. Gemach, gemach, ihr Freunde, rief er endlich; laßt mich hintereinander erzählen, ſonſt werde ich niemals fertig! Eine große Geſandtſchaft des Kamby - ſes, jetzigen Großkönigs des allgewaltigen Perſien, kein Kriegsheer, wie Du Phanes vermutheſt, iſt auf dem Wege hierher. Zu Samos erhielt ich die Nachricht, daß ſie ſchon in Milet angekommen ſeien. Jn wenigen Tagen müſſen ſie hier eintreffen. Verwandte des Königs, ja auch der alte Kröſus von Lydien ſind unter ihnen; wir werden ſeltſame Pracht zu ſehen bekommen! Den Zweck ihrer Sen - dung kennt Niemand, doch ward vermuthet, der König Kambyſes werde Amaſis ein Bündniß antragen laſſen; ja man wollte wiſſen, der Großkönig ſei Willens, ſich um die Tochter des Pharao zu bewerben.

Ein Bündniß? fragte Phanes mit ungläubigem Achſelzucken, die Perſer beherrſchen jetzt ſchon die halbe44 Welt. Alle Großmächte in Aſien haben ſich ihrem Scepter unterworfen; nur Aegypten und das helleniſche Mutterland blieben von dem Eroberer verſchont.

Du vergißt das goldreiche Jndien, und die großen aſiatiſchen Wandervölker, entgegnete Kallias. Du ver - gaßeſt ferner, daß ein ſo zuſammengewürfeltes, aus ſieben - zig Völkerſchaften verſchiedener Zungen und Sitten beſte - hendes Reich fort und fort den Keim des Krieges in ſich trägt und ſich vor auswärtigen Kämpfen vorzuſehen hat, damit nicht, wenn die Hauptmaſſe des Heeres abweſend iſt einzelne Provinzen die erwünſchte Gelegenheit zum Abfall ergreifen. Frage die Mileſier, ob ſie ruhig bleiben würden, wenn ſie vernehmen ſollten, die Macht ihrer Bedrücker habe in irgend einer Schlacht den Kürze - ren gezogen?

Theoponpos, der Handelsherr von Milet, rief lachend: Wenn die Perſer in einem Kriege unterliegen, ſo haben ſie hundert andere auf dem Halſe, und meine Heimat wird ſich nicht zuletzt gegen den geſchwächten Zwingherrn erheben!

Mögen die Geſandten vorhaben, was ſie wollen, fuhr Kallias fort, ich beſtehe auf meiner Nachricht, daß ſie ſpäteſtens in drei Tagen hier ſein werden.

Und ſomit wäre Dein Orakel erfüllt, glückſeliger Ariſtomachos! rief Rhodopis, die reiſige Schaar von den Bergen kann Niemand ſein, als die Perſer. Wenn dieſe zu den Geſtaden des Nils heranziehen, ſoll ſich der Sinn der richtenden Fünf, Eurer Ephoren 82) ändern, und man wird Dich, den Vater zweier olympiſcher Sieger, in die Heimat zurückberufen. Fülle die Becher von Neuem, Knakias! Laßt uns dieſen letzten Pokal den Manen des ruhmreichen Lyſander ſpenden; dann aber rathe ich Euch,45 aufzubrechen, denn Mitternacht iſt längſt vorbei und un - ſere Freude hat ihren Gipfel erreicht. Der wahrhaft Gaſtfreie hebt die Tafel auf, wenn die Gäſte ſich am wohlſten fühlen. Die angenehme, ungetrübte Erinnerung wird Euch bald in dieſes Haus zurückführen, während ihr es unlieber beſuchen würdet, wenn ihr an Stunden der Abſpannung gedenken müßtet, welche der Freude folgten. Alle Gäſte ſtimmten Rhodopis bei und Jbykus nannte ſie eine echte Schülerin des Pythagoras, die feſtlich freudige Erregung des Abends lobend.

Jeder bereitete ſich zum Aufbruch. Auch der Syba - rit, welcher, um ſeine Rührung, die ihm höchſt unbequem war, zu übertäuben, übermäßig viel getrunken hatte, erhob ſich, von ſeinen herbeigerufenen Sclaven 83) unterſtützt, aus ſeiner bequemen Stellung indem er von einem Bruch des Gaſtrechts faſelte.

Als ihm Rhodopis beim Abſchiede die Hand reichen wollte, rief er, vom Geiſte des Weines übermannt: Beim Herkules, Rhodopis, Du wirfſt uns zur Thür hinaus, als wären wir läſtige Gläubiger. Jch bin nicht daran gewöhnt, ſo lange ich noch ſtehen kann, von einem Gaſt - mahle zu weichen; noch weniger aber, mich gleich einem Paraſiten fortweiſen zu laſſen!

Begreife doch, Du unmäßiger Sybarit wollte Rhodopis lächelnd ſich zu entſchuldigen verſuchen; Oino - philos aber, den in ſeiner Weinlaune dieſe Entgegnung der Greiſin verdroß, lachte ſpöttiſch auf und rief, der Thür entgegentaumelnd: Unmäßiger Sybarit, ſagſt Du? Gut! Jch gebe Dir darauf zur Antwort: Unverſchämte Sclavin!‘ Wahrhaftig, man merkt Dir immer noch an, was Du in Deiner Jugend geweſen biſt. Lebe wohl, Sclavin des Jadmon und Xanthos, Freigelaſſene des46 Charaxos! ... Er hatte nicht ausgeſprochen, als ſich der Spartaner plötzlich auf ihn warf, ihm einen gewal - tigen Fauſtſchlag verſetzte und den Bewußtloſen, wie ein Kind, in den Nachen trug, welcher mit ſeinen Sclaven an der Pforte des Gartens wartete.

[47]

Drittes Kapitel.

Alle Gäſte hatten das Haus verlaſſen.

Wie Hagelſchlag in ein blühendes Saatfeld, war die Schmährede des Schlemmers in die Freude der Scheiden - den gefallen; Rhodopis ſelbſt ſtand bleich und zitternd in dem verödeten feſtlich geſchmückten Zimmer. Knakias ver - löſchte die bunten Lampen an den Wänden. Statt des hellen Lichtes trat ein unheimliches Halbdunkel ein, welches das zuſammengeworfene Tafelgeſchirr, die Ueber - reſte der Mahlzeit und die von ihren Plätzen gerückten Ruhebänke ſpärlich beleuchtete. Durch die offene Thür zog eine kalte Luft, denn es begann Morgen zu werden, und die Zeit vor dem Sonnenaufgange pflegt in Aegypten empfindlich kühl zu ſein. Die Glieder der leicht gekleideten Greiſin durchſchauerte leiſer Froſt. Thränenlos ſtarrte ſie in den öden Raum, der noch vor wenigen Minuten von Luſt und Jubel erfüllt war. Sie verglich ihr Jnneres mit dieſem öden Freudengemach. Es war ihr, als zehre ein Wurm an ihrem Herzen, als gerinne all ihr Blut zu Schnee und Eis.

So ſtand ſie lange, lange, bis die alte Sclavin er - ſchien und ihr in ihr Schlafgemach voranleuchtete.

48

Schweigend ließ ſich Rhodopis entkleiden, ſchwei - gend öffnete ſie den Vorhang, welcher ein zweites Schlaf - gemach von dem ihren trennte. Jn der Mitte deſſelben ſtand ein Bett von Ahornholz, in dem, auf einer Ma - traze von zarter Schafwolle, die mit weißen Laken über - deckt war, unter lichtblauen Tüchern 84), ein holdſeliges, wunderliebliches Weſen ſchlummerte, Sappho, die Enkelin der Rhodopis. Dieſe zarten, ſchwellenden Formen, dieſes feingebildete Angeſicht, gehörten einer aufblühenden Jung - frau, dies ſelige, friedliche Lächeln einem harmloſen, glück - lichen Kinde.

Die eine Hand der Schläferin, auf welcher ihr Köpfchen ruhte, war in dem dunkelbraunen vollen Haare verborgen, die andere ſchloß ſich unwillkürlich um ein klei - nes Amulet aus grünem Stein 85), welches von ihrem Halſe herniederhing. Die langen Wimpern der geſchloſſe - nen Augen bewegten ſich kaum bemerkbar, und über die Wangen der Schläferin breitete ſich ein zartes, ſanft ver - ſchwimmendes Roſenroth. Die feinen Naſenflügel hoben und ſenkten ſich in gleichmäßigen Athemzügen. So bildet man die Unſchuld, ſo lächelt der träumende Friede, ſolchen Schlummer ſchenken die Götter der ſorgloſen erſten Jugendzeit.

Die Greiſin näherte ſich lautlos, den dichten Teppich 86) voller Behutſamkeit kaum mit den Fußſpitzen berührend, dieſem Lager. Unſagbar zärtlich ſchaute ſie in das lächelnde Kinderantlitz, leiſe und ſchweigend kniete ſie vor dem Bette nieder, behutſam preßte ſie ihr Angeſicht in die weichen Decken deſſelben, ſo daß die Hand der Jungfrau die Spitzen ihres Haares berührte. Dann weinte ſie ohne Unterlaß, als wolle ſie mit dieſen Thränen die Demüthigung, welche ſie erfahren hatte, und alles Leid aus ihrer Seele waſchen.

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Endlich ſtand ſie auf, hauchte einen leiſen Kuß auf die Stirn der Schläferin, hob die Hände betend zum Himmel empor und ging in ihr Gemach zurück, behutſam und leiſe, wie ſie gekommen war.

An ihrem Lager fand ſie die alte Sclavin, welche ihrer noch immer wartete.

Was willſt Du noch ſo ſpät, Melitta? fragte ſie freundlich und leiſe. Geh zu Bett; das lange Wachen thut nicht gut in deinem Alter; Du weißt, daß ich Dich nicht mehr brauche. Gute Nacht! komm morgen nicht eher, als bis ich Dich rufen laſſe. Jch werde wenig ſchlafen können und bin froh, wenn mir der Morgen kurzen Schlummer bringt!

Die Sclavin zauderte; man ſah ihr an, daß ſie noch etwas zu ſagen habe, und ſich dennoch zu reden ſcheue.

Du möchteſt mich um etwas bitten? fragte Rho - dopis.

Die Alte zauderte noch immer.

Sprich nur, ſprich; aber mach es kurz!

Jch ſah Dich weinen, ſprach die Sclavin, Du ſcheinſt mir bekümmert oder krank zu ſein; darf ich nicht bei Dir wachen; willſt Du mir nicht ſagen, was Dich quält? Schon oftmals haſt Du erfahren, daß Mit - theilung die Bruſt erleichtert und den Schmerz zertheilt. Vertraue mir auch heut Dein Weh; das wird Dir gut thun, gewiß, das wird die Ruhe Deiner Seele wieder herſtellen.

Nein ich kann nicht ſprechen! erwiederte jene. Dann fuhr ſie bitter lächelnd fort: Jch habe wiederum geſehen, daß kein Gott im Stande iſt, die Vergangenheit eines Menſchen auszulöſchen, und daß Unglück und Schande Eins zu ſein pflegen. Gute Nacht! Verlaß mich, Melitta!

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 450

Um die Mittagszeit des folgenden Tages hielt die - ſelbe Barke, welche am vorigen Abende den Athener und Spartaner getragen hatte, vor dem Garten der Greiſin.

Die Sonne ſchien ſo hell, ſo heiß und fröhlich vom klaren dunkelblauen ägyptiſchen Himmel, die Luft war ſo rein und leicht, die Käfer ſchwirrten ſo luſtig, die Schiffer in den Kähnen ſangen ſo laut und übermüthig, das Nilufer war ſo blühend, ſo fahnenbunt und menſchenreich, die Palmen, Sykomoren, Akazien und Bannanen grünten und blühten ſo ſaftig und kraftſtrotzend, der ganze Land - ſtrich ringsumher ſchien ſo außergewöhnlich reich von der freigebigſten Gottheit ausgeſtattet zu ſein, daß der Wanderer glauben mußte, aus dieſen Auen ſei alles Un - glück verbannt, hier ſei die Heimat aller Luſt und aller Freude.

Wie häufig wähnen wir, an einem unter blühenden Obſtbäumen verſteckten ſtillen Dörfchen vorbeifahrend, dies ſei der Sitz alles Friedens, aller anſpruchsloſen Herzens - befriedigung! Wenn wir aber in die einzelnen Hütten tre - ten, ſo finden wir in ihnen, wie überall, Angſt und Noth, Verlangen und Leidenſchaft, Furcht und Reue, Schmerz und Elend neben ach ſo wenigen Freuden! Wer mochte, nach Aegypten kommend, ahnen, daß dieſes lachende, ſtrotzende, bunte Sonnenland, deſſen Himmel ſich niemals bewölkt, die ernſteſten Menſchen ernährte, wer konnte vermuthen, daß in dem zierlichen, von Blüten umwebten, gaſtfreien Hauſe der glücklichen Rhodopis ein Herz in tiefem Kummer ſchlüge? Welcher Beſucher der allgefeierten Thrakerien konnte ahnen, daß dieſes Herz der anmuthlächelnden Grei - ſin angehöre?

Bleich, aber ſchön und freundlich, wie immer, ſaß ſie mit Phanes in einer ſchattigen Laube, neben dem küh -51 lenden Waſſerſtrahle des Springquells. Man ſah ihr an, daß ſie abermals geweint hatte. Der Athener hielt ihre Hand und ſuchte ſie zu tröſten.

Rhodopis hörte ihm geduldig zu, jetzt bitter, jetzt zu - ſtimmend lächelnd. Endlich unterbrach ſie den wohlmei - nenden Freund und ſprach:

Jch danke Dir, Phanes! Ueber kurz oder lang muß auch dieſe Schmach vergeſſen werden. Die Zeit iſt ein guter Wundarzt. Wäre ich ſchwach, ſo verließe ich Nau - kratis, und lebte in der Stille ganz allein für meine En - kelin. Jn dieſem jungen Weſen, ſage ich Dir, ſchlummert eine ganze Welt. Tauſendmal wollte ich Aegypten ver - laſſen, tauſendmal beſiegte ich dieſen Wunſch. Mich hielt nicht das Verlangen nach Huldigungen Deines Geſchlechts; deren habe ich ſo viele genoſſen, daß ich mehr als geſät - tigt bin! Mich, das ſchwache, das einſt verachtete Weib, die frühere Sclavin, hielt und hält das Bewußtſein, freien, edlen Männern beinahe unentbehrlich, jedenfalls von hohem Nutzen zu ſein. An einen großen, männlichen Wirkungs - kreis gewöhnt, würde mich die bloße Sorge für ein geliebtes Weſen nicht befriedigen; ich würde verdorren, wie eine Blume, die man aus fettem Boden in die Wüſte verpflanzt; und meine Enkelin bald ganz vereinſamt, drei - fach verwaist in der Welt daſtehen. Jch bleibe in Aegypten.

Jetzt, nach Deiner Abreiſe, werde ich den Freunden wahrhaft unentbehrlich ſein. Amaſis iſt alt; wenn Pſamtik ihm nachfolgen ſollte, werden wir mit unendlich viel grö - ßeren Schwierigkeiten zu kämpfen haben, als bisher. Jch muß bleiben, und fort und vorkämpfen für Hellenen-Frei - heit und Hellenen-Wohlfahrt. Das iſt der Zweck meines Lebens. Dieſem Zwecke bin ich um ſo treuer, je ſeltener ſich ein Weib vermißt, ähnlichen Zielen ihr Leben zu wei -52 hen. Mögen ſie mein Streben unweiblich nennen, im - merhin! Jn dieſer durchweinten Nacht habe ich gefühlt, daß noch unendlich viel von jener Frauenſchwäche in mir wohnt, welche zu gleicher Zeit das Glück und Unglück meines Geſchlechts ausmacht. Dieſe Schwäche, vereint mit der ganzen Fülle zarter Weiblichkeit in meiner Enkelin zu erhalten, iſt meine erſte Aufgabe geweſen; die zweite war, mich ſelbſt von aller Weichheit zu befreien. Doch es iſt unmöglich, gegen die Natur zu kämpfen! Will mich ein Schmerz unterjochen, will ich verzweifeln, dann iſt mein einziges Mittel, jenes Pythagoras, des herrlichſten aller Lebenden, meines Freundes 87), und ſeiner Worte zu gedenken: Bewahre das Ebenmaß in allen Dingen, hüte Dich vor jubelnder Luſt, wie vor klagendem Jammer, und ſtrebe danach, Deine Seele harmoniſch und wohlklingend zu erhalten, wie die Saiten einer ſchöngeſtimmten Harfe!‘ Dieſer pythagoraeiſche Seelenfrieden, dieſe tiefe, ungetrübte Ruhe des Gemüths, habe ich täglich in meiner Sappho vor Augen; ich aber ringe danach, trotz mancher Griffe des Schickſals, welche die Saiten meiner Herzenslaute gewalt - ſam verſtimmen. Jetzt bin ich ruhig! Du glaubſt nicht, welche Macht der bloße Gedanke an jenen erſten aller Denker, jenen ſtillen gemeſſenen Mann, der wie ein weicher, ſüßer Ton an meinem Leben vorüberzog, auf mich ausübt. Auch Du haſt ihn gekannt, und mußt verſtehen, was ich meine. Jetzt bitte ich Dich, Dein Anliegen vorzubringen. Mein Herz iſt ruhig, wie die Wogen des Nils, welcher dort ſo ſtill und ungetrübt an uns vorüber - fließt. Sei es Schlimmes, ſei es-Gutes, ich bin bereit, Dich zu hören.

So gefällſt Du mir, ſprach jetzt der Athener. Hätteſt Du früher des edlen Freundes der Weisheit, wie53 ſich Pythagoras ſelbſt zu nennen pflegt 88), gedacht, dann würde Deine Seele ſchon geſtern ihr ſchönes Gleichge - wicht wiedergefunden haben. Der Meiſter gebietet, man ſolle an jedem Abende die Ereigniſſe, Gefühle und Ge - danken des vergangenen Tages noch einmal durchleben. Hätteſt Du das gethan, ſo würdeſt Du gefunden haben, daß die ungeheuchelte Bewunderung all Deiner Gäſte, unter denen ſich Männer vom höchſten Verdienſte befanden, die Schmähreden eines trunkenen Wüſtlings tauſendfach aufwogen; Du hätteſt Dich als eine Freundin der Götter fühlen müſſen, denn in Deinem Hauſe gewährten die Un - ſterblichen einem edlen Greiſe, nach jahrelangem Mißgeſchick, die höchſte Wonne, welche nur immer einem Menſchen zu Theil werden kann; endlich nahmen ſie Dir einen Freund, um Dir ſofort einen neuen, beſſeren zu ſchenken. Keine Widerrede, und laß mich jetzt mit meiner Bitte beginnen!

Du weißt, daß man mich bald einen Athener, bald einen Helikarnaſſier 89) nennt. Die Joniſchen, Aeoliſchen und Doriſchen Söldner haben ſich von jeher mit den Ka - riſchen nicht ſonderlich vertragen; darum war mir, dem Anführer beider Theile, meine, ich möchte ſagen dreifache Herkunft beſonders nützlich. So treffliche Eigenſchaften Ariſtomachus beſitzen mag, ſo wird mich Amaſis dennoch vermiſſen; denn mir gelang es leicht, die ſchönſte Einig - keit unter dem Söldnerheere herzuſtellen, während der Spartaner, den Kariern gegenüber, auf große Schwierig - keiten ſtoßen wird.

Dieſe meine doppelte Herkunft kommt daher, daß mein Vater eine Halikarnaſſierin aus edlem doriſchen Geſchlechte zum Weibe hatte, und mit derſelben, um das Erbe ihrer Eltern in Empfang zu nehmen, gerade zu Halikarnaſſus verweilte, als ich geboren wurde. Obgleich man mich54 ſchon in meinem dritten Lebensmonde nach Athen zurück - nahm, ſo bin ich doch eigentlich ein Karer denn der Geburtsort beſtimmt die Heimat des Menſchen.

Jn Athen ward ich, als junger Eupatride, aus dem vornehmen, uralten Geſchlechte der Philaiden mit allem Stolze eines attiſchen Adligen aufgeſäugt und erzogen. Der tapfere und kluge Piſiſtratus, aus einer der unſern zwar ebenbürtigen, aber keineswegs überlegenen Familie, (es gibt kein vornehmeres Geſchlecht, als das meines Va - ters), wußte ſich der Alleinherrſchaft zu bemächtigen. Den vereinten Bemühungen des Adels gelang es, ihn zweimal zu ſtürzen. Als er zum dritten Male, mit Hülfe des Lyg - damis von Naxos, der Argier und Eretrier zurückkehren wollte, ſtellten wir uns ihm entgegen. Beim Athenetem - pel zu Pallene hatten wir uns gelagert. Als wir vor dem Frühſtücke der Göttin opferten, überraſchte uns der kluge Gewalthaber, überfiel unſere waffenloſe Mannſchaft, und errang einen leichten, unblutigen Sieg. Da mir die Hälfte des ganzen tyrannenfeindlichen Heeres anvertraut war, ſo beſchloß ich, eher zu ſterben, als vom Platze zu weichen. Jch kämpfte mit allen Kräften, beſchwor die Soldaten Stand zu halten, wich und wankte nicht; fiel aber zuletzt mit einem Speere in der Schulter zu Boden.

Die Piſiſtratiden wurden Herren von Athen 90). Jch floh nach Halikarnaß, meiner zweiten Heimat, wohin mich meine Frau mit unſeren Kindern begleitete, erhielt den Ruf als Oberſter der Söldner in Aegypten, weil mein Name wegen eines Pythiſchen Sieges und kühner Kriegs - thaten bekannt war, machte den Feldzug auf Kypros mit, theilte mit Ariſtomachos den Ruhm, die Geburtsſtätte der Aphrodite für Amaſis erſtritten zu haben, und wurde end - lich Oberbefehlshaber aller Söldner in Aegypten.

55

Meine Frau ſtarb im vorigen Sommer; die Kinder, ein Knabe von elf und ein Mädchen von zehn Jahren, blieben bei ihrer Muhme in Halikarnaß. Auch dieſe ver - fiel dem unerbittlichen Hades. Nun habe ich die Kleinen vor wenigen Tagen hierher beſtellt; dieſelben können aber nicht vor Ablauf dreier Wochen zu Naukratis eintreffen und würden ſchön abgereist ſein, ehe ſie ein Gegenbefehl erreichen möchte.

Jn vierzehn Tagen muß ich Aegypten verlaſſen, und vermag darum die Kinder nicht ſelbſt zu empfangen.

Jch habe beſchloſſen, mich nach dem thrakiſchen Cher - ſonnes zu begeben, wohin mein Oheim, wie Du weißt, von dem Stamme der Dolonker 91) berufen worden iſt. Dorthin ſollen auch die Kinder nachkommen. Korax, mein alter, treuer Sclave, wird in Naukratis bleiben, um die Klei - nen zu mir zu bringen.

Willſt Du zeigen, daß Du in der That meine Freundin biſt, ſo empfange ſie, pflege derſelben, bis ein Schiff nach Thrakien ſegelt, und verbirg ſie ſorgfältig vor den Blicken der Spione des Thronerben Pſamtik. Du weißt, daß mich dieſer tödtlich haßt, und ſich leicht durch die Kinder an dem Vater rächen könnte. Jch habe Dich um dieſe große Gunſt gebeten, weil ich erſtens Deine Güte kenne; zweitens aber, weil Dein Haus durch jenen Freibrief des Königs, welcher daſſelbe zum Aſyle macht, die Kinder vor allen Nachforſchungen der Sicherheitsbe - hörde ſchützt, die ja in dieſem formenreichen Lande gebie - tet, jeden Fremden, ſelbſt Kinder, bei den Bezirksbeamten anzumelden.

Du ſiehſt, wie hoch ich Dich ſchätze, denn ich über - gebe Dir das Einzige, was mir das Leben noch lebens - werth macht. Selbſt die Heimat iſt mir nicht theuer, ſo56 lange ſie ſich dem Zwingherrn ſchmählich unterwirft. Willſt Du dem geängſtigten Herzen eines Vaters ſeine Ruhe wie - dergeben, willſt Du ...?

Jch will, ich will, Phanes! rief die Greiſin in unverſtellter Herzensfreude. Du bitteſt mich um Nichts, Du machſt mir ein Geſchenk. O, wie ich mich auf die Kleinen freue! Und wie wird Sappho jubeln, wenn die lieben Geſchöpfe ankommen und ihre Einſamkeit beleben werden! Aber das ſage ich Dir, Phanes, mit dem erſten thrakiſchen Schiffe laſſe ich meine kleinen Gäſte auf keinen Fall abreiſen! Ein halbes Jährchen länger kannſt Du Dich wohl von ihnen trennen, denn ich ſtehe dafür, daß ſie trefflichen Unterricht erhalten und zu allem Schönen und Guten angehalten werden ſollen.

Darüber wäre ich unbeſorgt, erwiederte Phanes, dankbar lächelnd; doch muß es dabei bleiben, daß Du die beiden Störenfriede mit dem erſten Schiffe reiſen läßt. Meine Furcht vor der Rache des Pſamtik iſt leider nur zu begründet. Nimm denn ſchon im Voraus den herzlichſten Dank für Deine Liebe und Güte gegen die Kinder. Uebrigens glaube ich ſelbſt, daß die Zerſtreuung durch die munteren Geſchöpfe Deiner Sappho in ihrer Ein - ſamkeit wohlthun wird.

Und ferner, unterbrach ihn Rhodopis mit nie - dergeſchlagenen Blicken, überbietet dieſes Zeichen des Vertrauens tauſendfach die mir im Rauſche angethane Schmach. Da kommt Sappho!

[57]

Viertes Kapitel.

Fünf Tage nach jenem Abend im Hauſe der Rho - dopis ſah man ein ungeheures Menſchengedränge am Ha - fen von Sais. Aegypter jeden Alters, Standes und Ge - ſchlechts ſtanden Kopf an Kopf am Rande des Waſſers.

Krieger und Kaufleute in weißen, mit bunten Fran - zen beſetzten Kleidern, deren Länge ſich nach dem höheren oder niederen Stande der Träger richteten, miſchten ſich in die große Schaar ſehniger, halbnackter Männer, deren ein - zige Kleidung aus einem Schurze, der Tracht des gemei - nen Mannes, beſtand. Nackte Kinder drängten, ſtießen und ſchlugen ſich, um einen beſſern Platz zu erlangen. Mütter in kurzen Mänteln 92) hielten ihre Kleinen, wenn ſie dadurch auch ſelbſt des erwarteten Anblicks beraubt wurden, hoch empor. Eine Menge von Hunden und Katzen balgte ſich zu Füßen der Schauluſtigen, welche ſich vorſichtig bewegten, um keines der heiligen Thiere zu tre - ten oder zu verletzen.

Sicherheitsbeamte mit langen Stäben 93) in der Hand, deren metallene Knöpfe den Namen des Königs führten, ſorgten für Ruhe und Ordnung, beſonders aber dafür, daß niemand durch ſeinen nachdrängenden Hintermann in den58 hoch angeſchwollenen Nilarm, welcher die Mauern von Sais zur Ueberſchwemmungszeit beſpülte, geworfen werde; eine Beſorgniß, die ſich in mehreren Fällen als gerechtfertigt erwies.

An der breiten, mit Sphinxen beſetzten Ufertreppe, dem Landungsplatze der königlichen Barken, befand ſich eine Verſammlung anderer Art.

Hier ſaßen auf den ſteinernen Bänken die vornehm - ſten Prieſter in langen weißen Gewändern, Binden von gleicher Farbe um das Haupt und lange Stäbe in der Hand tragend. Jn ihrer Mitte zeichnete ſich der Ober - richter, durch eine wallende Straußenfeder am Kopfputze und ein koſtbares Amulet von Saphir, welches an einer goldenen Kette auf ſeiner Bruſt hing, abſonderlich aus 94).

Die Oberſten der ägyptiſchen Armee trugen bunte Waffenröcke 95) und in den Gürtelbinden kurze Schwerter. Eine Abtheilung der Leibwache mit Streitäxten, Dolchen, Bogen und großen Schildern bewehrt, war zur rechten Seite der Treppe aufgeſtellt; zur Linken ſtanden grie - chiſche Söldner in ioniſchem Waffenſchmucke. Jhr neuer Anführer, der uns wohlbekannte Ariſtomachos, ſtand mit einigen griechiſchen Unterbefehlshabern, von den Aegyp - tern geſondert, neben den koloſſalen Bildſäulen Pſam - tik I., welche, dem Strome zugekehrt, auf dem Platze über der Treppe aufgeſtellt waren. Vor dieſen ſaß auf einem ſilbernen Stuhle der Thronfolger Pſamtik, in einem eng anliegenden golddurchwirkten bunten Rocke 96), umgeben von den vornehmſten Höflingen, Kämmerern, Räthen und Freunden des Königs, welche Stäbe mit Pfauenfedern und goldenen Lotosblumen in den Händen trugen 97).

Die Menge des Volkes gab ſchon lange ſchreiend, ſin - gend und krakehlend verſtändliche Zeichen der Ungeduld von59 ſich; die Prieſter und Großen an der Treppe dagegen ſahen würdevoll und ſchweigend vor ſich hin. Jeder Ein - zelne glich in ſeiner Gemeſſenheit, mit ſeiner ſteifen Locken - Perücke 98) und dem falſchen, regelmäßig gekräuſelten Barte jenen vollkommen gleichen Standbildern, welche ruhig, ernſt und unverwandt in den Strom ſchauend, regungslos auf ihrem Platze ſaßen.

Jetzt wurden in der Ferne ſeidene purpurroth und blau karirte Segel ſichtbar 99).

Das Volk ſchrie und jubelte. Man rief: Sie kom - men, da ſind ſie! Nimm Dich in Acht, daß Du das Kätzchen nicht trittſt! Amme, halte das Mädchen höher, damit es auch etwas zu ſehen bekommt! Du wirſt mich noch in’s Waſſer werfen, Sebak! Sieh Dich vor, Phöniker, die Buben werfen Dir Kletten in den langen Bart! Nun, nun Hellene, Du brauchſt nicht zu denken, daß Dir Aegypten allein gehört, weil Amaſis euch am heiligen Strome zu wohnen erlaubt! Unverſchämtes Pack, dieſe Griechen! Nieder mit ihnen! rief ein Tempeldiener. Nieder mit den Schweinefreſ - ſern 100) und Götterverächtern! wiederhallte es rings umher.

Man ſchickte ſich zu Thätlichkeiten an; die Sicherheits - beamten ließen aber nicht mit ſich ſpaſſen und ſchafften bald, ihre langen Stöcke nachdrücklich ſchwingend, Ruh und Frieden. Die großen bunten Segel, leicht erkennbar unter den ſie umwimmelnden blauen, weißen und braunen Tuchen kleinerer Nilfahrzeuge, näherten ſich immer mehr der er - wartenden Menge. Jetzt erhoben ſich auch die Würden - träger und der Thronerbe von ihren Sitzen.

Das königliche Trompeterchor 101) blies eine ſchmet - ternde, die Luft zerſchneidende Fanfare, und die erſte der erwarteten Barken hielt an der Landungstreppe.

60

Das ziemlich lange Fahrzeug war reich übergoldet und trug auf ſeinem Schnabel das ſilberne Bild eines Sperbers. Jn der Mitte der Barke erhob ſich ein golde - ner Baldachin mit purpurnem Himmel. Unter demſelben ſtreckten ſich lange Polſter. Jm Vordertheile des Schiffes ſaßen an den Borden je zwölf Ruderknechte, deren Schurze von koſtbaren Tragbändern gehalten wurden 102).

Unter dem Baldachin lagen ſechs Männer, herrlich gekleidet und ſtattlich anzuſchauen. Ehe noch die Barke angelegt hatte, ſprang, als erſter von ihnen, der Jüngſte von Allen, ein glänzend ſchöner Blondkopf auf die Landungstreppe.

Bei ſeinem Anblicke entwand ſich manchem ägyptiſchen Mädchenmunde ein gedehntes Ah , und ſelbſt der ernſte Blick einiger Würdenträger erhellte ſich zu einem wohlge - fälligen Lächeln.

Der alſo Bewunderte nannte ſich Bartja 103), war der Sohn des verſtorbenen und der Bruder des regieren - den Großkönigs von Perſien, und hatte der Natur Alles zu danken, was ſich ein zwanzigjähriges Herz nur immer zu wünſchen vermag.

Unter dem blauen und weißen Bunde, welcher ſeine Tiara umwand, quollen dichte, goldblonde Haare in üppi - gen Locken hervor, ſeine blauen Augen ſprühten Leben, Luſt, Güte und Keckheit, ja Uebermuth; ſein edles, vom werdenden Barte umflaumtes Geſicht wäre des Meißels eines griechiſchen Künſtlers würdig geweſen, und ſeine ſchlanke, muskulöſe Geſtalt verrieth hohe Kraft und Ge - wandtheit. Eben ſo groß als ſeine Schönheit war die Pracht ſeiner Kleidung. Jn der Mitte der Tiara, welche er trug, prangte ein großer Stern von Diamanten und Türkiſen. Sein bis über die Knie reichendes Obergewand61 von ſchwerem weißen Goldbrokat, ward über den Hüften von einer Binde in blau und weiß (den Farben des per - ſiſchen Königshauſes) zuſammen gehalten. Dieſelbe trug ein kurzes goldenes Schwert, deſſen Griff und Scheide über und über mit weißen Opalen und blauen Türkiſen beſetzt war. Die an den Knöcheln eng anſchließenden Beinkleider von gleichem Goldbrokat wie das Gewand, bar - gen ſich in kurzen hellblauen Lederſchuhen.

Die kraftvollen nackten Arme, welche die weiten langen Aermel des Kleides ſehen ließen, waren mit mehreren koſt - baren Armbändern von Gold und Edelſteinen geziert. Von dem ſchlanken Nacken hingen goldene Ketten bis auf ſeine hochgewölbte Bruſt herab 104).

Dieſer Jüngling ſprang zuerſt an’s Land. Jhm folgte Darius, der Sohn des Hyſtaſpes, ein vornehmer junger Perſer von königlichem Geblüt, ähnlich dem Bartja, und nur wenig geringer gekleidet als dieſer. Der dritte Aus - ſteigende war ein Greis mit ſchneeweißen Haaren, deſſen freundlich-mildes Antlitz die Güte eines Kindes, die Er - fahrung eines Alten und den Geiſt eines Mannes ver - einte. Er trug einen langen, purpurfarbenen Aermelrock und gelbe lydiſche Stiefel 105). Die ganze Erſcheinung machte den Eindruck höchſter Anſpruchsloſigkeit, und den - noch war dieſer ſchlichte Greis vor Jahren der vielbenei - detſte Mann ſeiner Zeit geweſen, deſſen Namen noch nach mehr als zweitauſend Jahren den Gipfel alles Reichthums bezeichnet. Jn ihm lernen wir Kröſus, den entthronten König von Lydien kennen, der jetzt, als Freund und Rathgeber, am Hofe des Kambyſes lebte, und den jungen Bartja, als Mentor, nach Aegypten begleitete.

Jhm folgte Prexaſpes, der eigentliche Botſchafter des Königs, Zopyros der Sohn des Megabyzos, ein edler62 Perſer, Freund des Bartja und Darius; endlich aber er - ſchien der ſchlanke, bleiche Sohn des Kröſus, Gyges, der, nachdem er in ſeinem vierten Jahre ſtumm geworden war, durch die Todesangſt, welche er bei der Einnahme von Sardes um ſeinen Vater ausgeſtanden, die Sprache zurück - erlangt hatte 106).

Pſamtik ſtieg die Stufen hinab, den Ankömmlingen entgegen. Sein gelbliches, ſtrenges Angeſicht bemühte ſich freundlich zn lächeln. Die Würdenträger, welche ihm folgten, verneigten ſich beinahe bis zur Erde vor den Fremden, indem ſie die Arme ſchlaff herunter hängen lie - ßen. Die Perſer kreuzten die Hände über der Bruſt und warfen ſich vor dem Thronerben nieder. Als die erſten Förmlichkeiten vorüber waren, küßte Bartja, nach der Sitte ſeiner Heimat, zur Verwunderung des, ſolchen Anblicks ungewohnten Volkes die gelbe Wange des ägyp - tiſchen Königsſohnes, und begab ſich mit ſeinen Führern zu den harrenden Sänften, um ſich in die, für ihn und ſeine Begleiter beſtimmte Wohnung im Königsſchloſſe von Sais tragen zu laſſen.

Ein Theil des Volkes ſtrömte den Fremdlingen nach; die meiſten Zuſchauer verharrten aber auf ihren Plätzen, denn ſie wußten, daß noch mancher nie geſehene Anblick ihrer wartete.

Willſt Du dem geputzten Grasaffen und den andern Kindern des Typhon nachlaufen? fragte der mißvergnügte Tempeldiener ſeinen Nachbar, einen ehrſamen ſaitiſchen Schneidermeiſter.

Jch ſage Dir, Puhor, und auch der Oberprieſter hat es geſagt, dieſe Eindringlinge werden dem ſchwarzen Lande nichts als Unheil bringen! Da lob ich mir die alte gute Zeit, wo kein Fremdling, der ſein Leben lieb63 hatte, ſeinen Fuß auf ägyptiſchen Boden ſetzen durfte. Jetzt wimmeln unſere Straßen freilich von trügeriſchen Syrern, beſonders aber von jenen unverſchämten Helle - nen, welche die Götter vernichten mögen! Da ſieh nur, das iſt nun ſchon die dritte Barke voller Fremder. Und weißt Du, wer dieſe Perſer ſind? Der Oberprieſter hat geſagt, in ihrem ganzen Reiche, das ſo groß ſei, wie die halbe Welt, gäbe es keinen einzigen Tempel für die Göt - ter; die Mumien ihrer Todten ließen ſie aber, ſtatt ihnen ein ehrenvolles Begräbniß zu gewähren, von Hunden und Geiern zerreißen 107).

Der Schneider gab Zeichen großen Erſtaunens und noch größerer Entrüſtung von ſich; dann wies er mit dem Finger nach der Landungstreppe und ſagte:

Das iſt doch zu arg; da landet die ſechste Barke voller Fremder!

Ja es iſt arg! ſeufzte der Tempeldiener, ſollte man nicht meinen, ein ganzes Kriegsheer ziehe heran? Amaſis wird es noch ſo lange treiben, bis ihn die Frem - den von Land und Thron verjagen und uns Arme, wie einſt die böſen Hykſos 108) und die ſchwarzen Aethioper, knechten und plündern.

Die ſiebente Barke! rief der Schneider.

Meine Herrin Neith, die große Göttin von Sais, ſoll mich verderben, klagte der Tempeldiener, wenn ich den König begreife. Drei Laſtbarken hat er für das Ge - päck und die Dienerſchaft der perſiſchen Geſandten nach dem gottverhaßten Giftneſte Naukratis geſchickt; ſtatt jener drei mußten aber acht Kähne herbeigeſchafft werden, denn neben Küchengeräthen, Hunden, Pferden, Wagen, Kiſten, Körben und Ballen, haben die Götterverächter und Tod - tenſchänder ein ganzes Heer von Dienern 1000 Meilen64 weit hierher geſchleppt. Unter ihnen ſollen Menſchen ſein, die nichts zu thun haben, als Kränze zu flechten oder Salben zu bereiten 109). Auch ihre Prieſter, die ſie Ma - gier nennen, haben ſie bei ſich. Jch möchte nur wiſſen, wozu dieſe Menſchen da ſind? Was ſoll der Prieſter, wo kein Tempel iſt?

Der greiſe König Amaſis von Aegypten hatte die perſiſche Geſandtſchaft mit aller ihm eignen Liebenswürdig - keit, kurz nach ihrer Ankunft empfangen. Vier Tage ſpäter ging er, nachdem er ſeine Geſchäfte, denen er ſich alle Morgen ohne Ausnahme hinzugeben pflegte, beendet hatte, mit dem alten Kröſus im Schloßgarten ſpazieren, während ſich die übrigen Perſer in Begleitung des Thron - erben auf einer Nilfahrt nach Memphis befanden.

Der Schloßgarten, welcher zwar viel großartiger, aber dennoch dem der Rhodopis ähnlich, angelegt war, lag bei der im Nordweſten der Stadt auf einem Hügel gelegenen Königsburg.

Die beiden Greiſe ließen ſich unter dem Schatten einer breitäſtigen Platane, unweit eines rieſengroßen Beckens von rothem Granit, in welches Krokodile von ſchwarzem Baſalt aus weit geöffnetem Rachen eine Fülle klaren Waſ - ſers ſpeiten, nieder.

Der entthronte König, um einige Jahre älter als der mächtige Herrſcher an ſeiner Seite, ſah dennoch weit friſcher und kräftiger aus, als dieſer. Der Nacken des hochgewachſenen Amaſis war gebeugt; ſchmächtige Beine trugen ſeinen ſtarken Leib, ſein Antlitz war wohlge - formt, aber voller Falten. Aus ſeinen kleinen blitzenden Augen leuchtete ein friſcher Geiſt, und ſeine übervollen Lippen wurden fortwährend von einem ſchalkhaften, necki -65 ſchen, oftmals ſpöttelnden Zuge umſpielt. Die niedrige aber breite Stirn des Greiſes und ſein großer, ſchön ge - wölbter Schädel bezeugten die Kraft ſeines Geiſtes 110); die wechſelnde Farbe ſeines Auges ließ vermuthen, daß Witz und Leidenſchaft dieſem ſeltenen Manne beiwohne, welcher ſich von einem ſchlichten Krieger bis zum Throne der Pharaonen heraufgearbeitet hatte. Seine Sprache war ſchneidend und hart, ſeine Bewegungen, im Gegen - ſatze zu der gemeſſeneren Art der andern Mitglieder des ägyptiſchen Hofes, beinahe krankhaft lebendig.

Die Haltung ſeines Nachbars erſchien durchaus an - muthig und eines Königs würdig. Sein ganzes Weſen verrieth, daß er viel mit den Beſten Griechenlands ver - kehrt habe. Thales, Anaximander und Anaximenes von Milet, Bias von Priene 111), Solon von Athen, Pitta - kos von Lesbos, die berühmteſten helleniſchen Weltweiſen, hatten ſich in beſſeren Zeiten als Gäſte am Hofe des Kröſus zu Sardes befunden. Seine volle, klare Stimme klang neben der gellenden des Amaſis, wie reiner Geſang.

Nun aber ſage mir unverholen ſprach der Pha - rao in ziemlich fließendem Griechiſch, wie Dir Aegypten gefällt. Jch kenne niemanden, deſſen Urtheil mir ſo werth - voll erſchiene, als das Deine, denn erſtens kennſt Du die meiſten Völker und Länder der Welt, zweitens haben Dich die Götter die ganze Leiter des Glückes herauf und hinunter ſteigen laſſen; drittens aber biſt Du nicht um - ſonſt ſo lange der erſte Rathgeber des mächtigſten aller Könige geweſen. Jch wollte, mein Reich gefiele Dir ſo gut, daß Du Luſt bekämſt, als mein Bruder bei mir zu bleiben. Wahrlich, Kröſus, Du biſt ſchon lange mein Freund, ob ich Dich geſtern auch zum erſten Male ge - ſehen habe!

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 566

Und Du der meine, unterbrach ihn der Lyder.

Jch bewundere Dich wegen des Muthes, mit dem Du, Deiner Umgebung trotzend, das für gut Erkannte durchzuſetzen verſtehſt, ich bin Dir dankbar, wegen der Huld, mit der Du meinen Freunden, den Hellenen, begeg - neſt, ich betrachte Dich wie einen Glücksverwandten, denn auch Du haſt alles Wohl und Wehe, welches das Leben nur immer bieten kann, durchlaufen!

Mit dem Unterſchiede, lächelte Amaſis, daß wir von verſchiedenen Enden angefangen haben. Dir ward erſt das Gute, dann das Schlimme zu Theil; mir erging es umgekehrt; wenn ich nämlich vorausſetze, fügte er ſeufzend hinzu, daß ich mich in meinem jetzigen Glücke wohl befinde.

Und ich, lächelte Kröſus, wenn ich zugebe, unter meinem ſogenannten Unglücke zu leiden.

Wie könnte das anders ſein nach dem Verluſte ſo großen Beſitzes?

Liegt denn das Glück im Beſitze? fragte Kröſus. Jſt denn das Glück überhaupt ein Beſitz? Nimmermehr! Glück iſt nichts als eine Empfindung, ein Gefühl, wel - ches die neidiſchen Götter dem Dürftigen öfter gewähren, als dem Mächtigen, deſſen klarer Blick von prunkenden Schätzen geblendet wird.

Amaſis ſeufzte und ſprach: Jch wünſchte, daß ich Dir Unrecht geben könnte; wenn ich aber an meine Ver - gangenheit zurückdenke, ſo muß ich geſtehen, daß von der Stunde an, welche mir das ſogenannte Glück brachte, die Sorgen meines Lebens begannen. Und ich verſichere Dich, unterbrach ihn Kröſus, daß ich Dir für Deine verſpätete Hülfe dankbar bin, weil mir die Stunde des Unheils das erſte reine, wahrhaftige Glück gewährte. Als67 die Perſer Sardes nahmen und ein Soldat ſein Schwert über meinen Scheitel erhob, da hörte ich nach langen Jahren das erſte Wort aus dem Munde meines geliebten Sohnes, ward mir zum Erſtenmale klar, wo das wahre Glück zu ſuchen ſei. Ein jeder trägt es als verborgenen Keim in ſeinem Herzen. Der zufriedene geduldige Sinn, der ſich auch an dem Kleinſten erfreut, das Leid ohne Klagen hinnimmt und es durch Erinnerungen verſüßt, das Maßhalten in allen Dingen, das feſte Zutrauen auf die Huld der Götter und die Gewißheit, daß auch das Schlimmſte an uns vorübergehen muß, weil ja jedes Ding dem Wechſel unterworfen iſt, dieß Alles zeitigt unfehlbar den verborgenen Glückskeim in unſerer Bruſt, und gewährt uns die Kraft zu lächeln, wenn der Glückspilz, welcher ſein Gold für das Höchſte achtet und ſein armes Jch auf den Altar der Gottheit erhebt, verza - gen und verzweifeln möchte.

Amaſis hörte aufmerkſam zu, mit der goldenen Blume auf ſeinem Stabe, Figuren in den Sand kritzelnd; dann ſagte er:

Wahrhaftig, Kröſus, ich, der große Gott‘, die Sonne der Gerechtigkeit‘, der Sohn der Neith‘, wie die Aegypter mich nennen 112), bin verſucht, Dich, Aermſten, Beraubten und Entthronten, zu beneiden. Ach, in frühe - ren Tagen war ich glücklich, wie Du es biſt. Ganz Aegypten kannte mich, den armen Sohn eines Hauptmanns, wegen meines fröhlichen Herzens, meiner Schelmenſtreiche, meines leichten Sinns und meines Uebermuths 113). Der gemeine Soldat trug mich auf Händen, meine Vorge - ſetzten hatten viel an mir zu tadeln; dem tollen Amaſis ließ man aber Alles durchgehen; meine Genoſſen, die Un - terbefehlshaber des Heeres, kannten keine Feſtfreude ohne68 mich. Da ſchickte uns mein Vorgänger Hophra in den Krieg gegen Kyrene.

Jn der Wüſte verſchmachtend, weigerten wir uns weiter zu ziehen. Der Verdacht, der König wolle uns den helleniſchen Söldnern opfern, trieb zu offner Empö - rung. Scherzend, wie immer, rief ich den Freunden zu: Ohne König werdet ihr nicht fertig, ſo macht mich zu eurem Herrſcher; einen fröhlicheren findet ihr nirgends!‘

Die Soldaten hatten das Wort gehört. Amaſis will König werden, rief es von Glied zu Glied, von Mann zu Mann. Der gute, der fröhliche Amaſis ſei unſer König!‘ ward mir in wenigen Stunden zugejubelt. Ein Zechgenoſſe ſetzte mir den Helm des Feldherrn auf; ich verwandelte den Scherz in Ernſt, die Maſſe der Soldaten hielt zu mir und wir ſchlugen Hophra bei Mömemphis. Das Volk ſchloß ſich der Verſchwörung an. Jch beſtieg den Thron. Man nannte mich glücklich. Bis dahin aller Aegypter Freund, ward ich jetzt der Feind ihrer Beſten.

Die Prieſter huldigten mir und nahmen mich in ihre Kaſte auf, aber nur, weil ſie hofften, mich ganz nach ihrem Belieben lenken zu können. Meine früheren Vorgeſetzten beneideten mich, oder wollten mit mir verkehren wie ehe - dem. Jch erkannte, daß dieß unmöglich ſei. Eines Ta - ges, als die Befehlshaber des Heeres bei mir ſchmausten und Scherze mit mir zu treiben verſuchten, zeigte ich ihnen das goldene Becken, in dem man ihnen die Füße vor dem Gaſtmahle gewaſchen hatte; fünf Tage ſpäter ließ ich, als ſie wieder bei mir ſchwelgten, ein goldenes Bild des gro - ßen Gottes Ra 114) auf die geſchmückte Tafel ſtellen. So - bald ſie dieß erblickten ſanken ſie nieder, um anzubeten. Als ſie aufgeſtanden waren, ſprang ich auf den Tiſch und rief: Dieſes Götterbild hat ein Künſtler in fünf Tagen69 aus dem verachteten Gefäße gemacht, in das ihr ſpeiet und in dem man euch die Füße wuſch. Jch ſelbſt war einſt - mals ein ſolches Gefäß; die Gottheit aber, welche beſſer und ſchneller als ein Goldſchmid zu formen verſteht, hat mich zu eurem Könige gemacht. So fallet vor mir nie - der und betet an. Wer ungehorſam iſt oder der Ehrfurcht, welche er dem Könige ſchuldet, fürderhin vergißt, der iſt des Todes ſchuldig!

Sie fielen nieder Alle, Alle. Mein Anſehen war gerettet; meine Freunde aber hatte ich verloren. Nun be - durfte ich eine andere feſte Stütze. Jch machte die Helle - nen dazu. Ein Grieche iſt an Kriegstüchtigkeit mehr werth als fünf Aegypter; das wußte ich wohl, und darauf fußend, wagte ich durchzuſetzen, was ich für heilſam er - achtete.

Die griechiſchen Söldner umgaben mich ſtets. Jch lernte von ihnen ihre Sprache, ſie führten mir den edelſten Menſchen zu, dem ich jemals begegnet bin, den Pythagoras. Jch bemühte mich griechiſche Kunſt und grie - chiſche Sitten bei uns einzuführen, denn ich hatte erkannt, daß es thöricht ſei, an hergebrachtem Schlechten eigenſin - nig zu hängen, wo Beſſeres am Boden lag, und nur da - rauf wartete, in ägyptiſchen Acker geſäet zu werden.

Jch theilte das ganze Land zweckmäßig ein 115), be - ſtellte die beſte Sicherheitsbehörde in der ganzen Welt und ſetzte Vieles durch; mein höchſtes Ziel jedoch, griechiſchen Geiſt, griechiſchen Formenſinn, griechiſche Lebensluſt und freie helleniſche Kunſt in dieſe bunten und doch ſo finſte - ren Lande einzuführen, ſcheiterte an der Klippe, welche mich, ſo oft ich etwas Neues erſtrebe, mit Sturz und Un - tergang bedroht. Die Prieſter ſind meine Hemmſchuhe, meine Gegner, meine Meiſter. Sie, die am Herge -70 brachten mit abergläubiger Ehrfurcht hangen, ſie, denen alles Fremde ein Gräuel iſt und jeden Ausländer für den natürlichen Gegner ihres Anſehens und ihrer Lehren hal - ten, lenken das Frömmſte aller Völker mit beinahe unum - ſchränkter Gewalt. Darum mußte ich ihnen die ſchönſten meiner Pläne opfern, darum muß ich mein Leben nach ihren ſtrengen Satzungen, als unfreieſter aller Menſchen, hinſchwinden ſehen, darum werde ich unbefriedigt ſterben und nicht einmal ſicher ſein, ob mir die zürnende, ſtolze Schaar der Vermittler zwiſchen Menſch und Gottheit die ewige Ruhe im Grabe gönnen wird!

Beim Retter Zeus, Du armer Glücklicher! unter - brach ihn Kröſus mitleidig lächelnd, ich verſtehe Deine Klagen! Denn wenn ich auch in meinem langen Leben ſchon manchen einzelnen Menſchen gekannt habe, der ernſt und finſter durch’s Leben ging, ſo glaubte ich doch nicht, daß es ein ganzes großes Geſchlecht geben könne, dem düſtere Herzen zu Theil wurden, wie den Schlangen der Giftzahn. So viele Prieſter ich auf meiner Reiſe hierher und an Deinem Hofe geſehen habe, ſo vielen fin - ſteren Geſichtern bin ich begegnet. Selbſt die Jünglinge, welche Dich bedienen, ſah ich niemals lächeln; und Froh - ſinn pflegt doch, wie die Blumen dem Frühling, der Jugend als holdes Vermächtniß der Gottheit anzugehören.

Euer Anblick iſt den Prieſtern verhaßt, antwortete Amaſis, und ſie laſſen mich meine Verbindung mit euch, den Fremden, durch mürriſches Weſen entgelten. Jene Knaben, deren Du erwähnteſt, die Söhne der Vornehm - ſten unter ihnen 116), ſind die größte Plage meines Lebens. Sie thun mir Sclavendienſte und gehorchen meinen leiſe - ſten Winken. Diejenigen, welche ihre Kinder zu ſolchen Geſchäften hergeben, ſollte man für die gehorſamſten, ehr -71 furchtsvollſten Diener ihres göttlich verehrten Königs hal - ten; aber glaube mir, Kröſus, gerade in dieſer Hinge - bung, welche kein Herrſcher ohne zu beleidigen zurückwei - ſen kann, liegt die ſchlaueſte, ſchändlichſte Berechnung. Je - der dieſer Jünglinge iſt mein Hüter, mein Spion. Jch vermag keine Hand ohne ihr Vorwiſſen zu rühren, und rühre ich ſie, ſo wird es noch in derſelben Stunde den Prieſtern hinterbracht.

Aber wie kannſt Du ein ſolches Daſein ertragen? Verweiſe dieſe ſchändlichen Spione und erwähle Deine Diener z. B. aus der Krieger Kaſte, welche Dir nicht minder nützlich werden kann, als die Prieſter?

Könnte ich nur, dürfte ich nur! rief Amaſis. Hör - teſt Du kein Geräuſch im Feigenbuſche dort drüben? Jch bin ſicher, daß man uns belauſcht! Dein Rath, mein Freund, fügte er flüſternd hinzu, iſt unausführbar. Jedes Recht legt Pflichten auf. Als König dieſes das Herge - brachte als erſten Gott verehrenden Landes muß ich mich dem Jahrtauſende alten Hofceremoniel, in den Hauptſachen wenigſtens, fügen. Wollte ich meine Ketten zerreißen, ſo wäre ich ſicher, daß man meine Leiche unbeſtattet ließe; denn Du mußt wiſſen, daß die Prieſter über jeden Ver - ſtorbenen ein Todtengericht halten, und Denjenigen, welchen ſie für ſchuldig befinden, der Grabesruhe berauben 117).

Was kümmert Dich das Grab! rief Kröſus bei - nahe unwillig. Man lebt für das Leben, nicht für den Tod!

Sage lieber, erwiederte Amaſis, ſich von dem Ruhe - ſitze erhebend, wir griechiſch Denkende halten ein ſchönes Leben für das Höchſte; ich aber, Kröſus, wurde von einem ägyptiſchen Vater gezeugt, einer ägyptiſchen Mutter ge - tränkt, mit ägyptiſcher Speiſe groß gezogen, und, habe ich72 auch manches Helleniſche angenommen, ſo bleibe ich den - noch in meinem innerſten Weſen ein Aegypter. Was Dir in der Kindheit geſungen und in der Jugend als heilig geprieſen ward, das tönt in Deinem Herzen nach, bis man Dich mit den Mumienbinden umwickelt. Jch bin ein Greis und habe nur noch eine kurze Spanne Zeit zu durch - laufen, bis ich zu jenem Grenzſteine gelange, bei welchem das Jenſeits beginnt. Soll ich mir, um der kurzen Lebens - tage willen, die langen Jahrtauſende des Todes verder - ben? Nein, mein Freund; darin bin ich eben Aegypter geblieben, daß ich, wie jeder meiner Landsleute, feſt und ſicher glaube, an der Erhaltung meines Leibes, des See - lenträgers, ſei die Wohlfahrt meines zweiten Lebens im Reiche des Oſiris 118) gebunden. Aber genug von dieſen Dingen, welche Du doch nicht verſtehen kannſt! Beant - worte lieber meine Frage: Wie gefallen Dir unſere Tem - pel und Pyramiden?

Kröſus beſann ſich einen Augenblick, dann ant - wortete er lächelnd: Die Steinmaſſen der Pyramiden kom - men mir vor, als ſeien ſie von der unermeßlichen Wüſte, die bunten Säulengänge der Tempel, als wären ſie vom blühenden Lenz geſchaffen worden.

Und die Aegypter, meine Unterthanen?

Sie erſcheinen mir, wie Menſchen, welche das Leben für eine kurze Wallfahrt zum Tode, den Tod jedoch für das eigentliche, wahre Leben halten!

Und dennoch hat auch bei uns der Tod ſeine Schrecken, und man verſucht ihm auszuweichen, wo er ſich auch zei - gen mag. Unſere Aerzte wären nicht ſo hoch berühmt und angeſehen, wenn man ihnen nicht die Kunſt zutraute, unſer Erdendaſein verlängern zu können. Aber dabei fällt mir der Augenarzt Nebenchari ein, welchen ich dem Könige73 nach Suſa ſchickte. Bewährt er ſich; iſt man mit ihm zufrieden?

Recht gut, antwortete Kröſus. Er hat manchem Blinden geholfen; die Mutter des Königs iſt aber leider noch immer des Lichtes beraubt. Nebenchari war es auch, der Kambyſes auf die Anmuth Deiner Tochter Tachot auf - merkſam machte. Wir bedauern übrigens, daß er nur die Augen zu heilen verſteht. Er war, als die Prinzeſſin Atoſſa das Fieber hatte, nicht zu bewegen, ihr irgend einen Rath zu ertheilen.

Das iſt ſehr natürlich, denn unſere Aerzte dürfen immer nur einen gewiſſen Theil des Körpers behandeln. Wir beſitzen Ohren -, Zahn - und Augenärzte, Aerzte für Knochenbrüche, und andere für innere Krankheiten. Kein Zahnarzt darf nach den alten Prieſtergeſetzen einen Tauben, kein Knochenarzt einen Unterleibskranken behandeln, wenn er ſich auch vortrefflich auf innere Leiden verſtehen ſollte 119). Man will mit dieſem Geſetze, glaub ich, grö - ßere Gründlichkeit erzielen; wie denn die Prieſter, zu denen auch die Aerzte gehören, überhaupt mit dem rühmlichſten Ernſte der Wiſſenſchaft obliegen. Dort drüben liegt das Haus des Oberprieſters Neithoteph, deſſen Stern - und Meßkunde ſelbſt Pythagoras hochpries. Es grenzt an die Halle, welche in den Tempel der Göttin Neith, der Her - rin von Sais, führt. Jch wollte, ich dürfte Dir den hei - ligen Hain mit ſeinen prächtigen Bäumen, die köſtlichen Säulen des Heiligthums, deren Kapitäle die Geſtalt der Lotosblumen 120) nachahmen, und die koloſſale Kapelle von Granit zeigen, welche ich zu Elephantine aus einem Stein arbeiten ließ, um ſie der Göttin zu verehren 121); die Prieſter unterſagen aber leider jedem Fremden den Zu - tritt. Komm, wir wollen jetzt meine Gattin und Töchter74 aufſuchen, denn ſie haben Dich herzlich lieb gewonnen, und ich wünſche, daß Du dem armen Mädchen freundlich ge - ſinnt ſein mögeſt, ehe Du mit ihr in das ferne Land und zu den fremden Menſchen ziehſt, deren Fürſtin ſie werden ſoll. Nicht wahr, Du wirſt Dich ihrer annehmen? Verlaſſe Dich darauf, betheuerte Kröſus, den Hände - druck des Amaſis erwiedernd. Jch will Deiner Nitetis gleich einem Vater zur Seite ſtehen, und ſie wird meiner bedürfen, denn die Frauengemächer der perſiſchen Paläſte haben gar ſchlüpfrigen Boden. Uebrigens wird ihr mit vieler Rückſicht begegnet werden. Kambyſes darf mit ſei - ner Wahl zufrieden ſein und wird es hoch aufnehmen, daß Du ihm Dein ſchönſtes Kind anvertrauſt. Nebenchari hatte nur von Deiner andern Tochter, Tachot, geſprochen.

Jch aber ſende dennoch meine ſchöne Nitetis. Tachot iſt ſo zart, daß ſie die Anſtrengungen der Reiſe und den Schmerz der Trennung kaum ertragen würde. Wenn ich meinem Herzen folgte, ſo dürfte auch Nitetis nicht nach Perſien. Aber Aegypten bedarf des Friedens und ich war König, bevor ich Vater wurde!

[75]

Fünftes Kapitel.

Die übrigen Mitglieder der perſiſchen Geſandtſchaft waren von ihrer Nilfahrt zu den Pyramiden nach Sais zurückgekommen; nur Prexaſpes, der Botſchafter des Kam - byſes, befand ſich ſchon auf dem Heimwege nach Perſien, um dem Könige den günſtigen Erfolg ſeiner Freiwerbung anzuzeigen.

Jm Schloſſe des Amaſis ging es gar lebhaft her. Das Gefolge der Botſchafter des Kambyſes, welches aus beinahe dreihundert Menſchen beſtand, und die vornehmen Gäſte, denen man jede nur mögliche Aufmerkſamkeit zollte, füllten alle Räume des großen ſaitiſchen Palaſtes, und die Höfe wimmelten von Leibwachen und Würdenträgern, jungen Prieſtern und Sclaven im reichſten Feierſchmucke.

Der König wollte heut, in einem zu Ehren der Ver - lobung ſeiner Tochter veranſtalteten Feſte, den Reichthum und die Pracht ſeines Hofes ganz beſonders glänzend ent - falten.

Die hohe, von bunten Säulen getragene, dem Gar - ten zugekehrte Empfangshalle, deren blau gemalte Decke mit tauſend goldenen Sternen überſäet war, bot einen wahr - haft bezaubernden Anblick. An den mit Bildern und Hie -76 roglyphenzeichen reichbemalten Wänden und Säulen hingen Lampen von farbigem Papyros, die einen ſeltſamen, dem Sonnenlichte, welches durch bunte Scheiben ſtrahlt, nicht unähnlichen Glanz verbreiteten. Der Raum zwiſchen den Wänden und Säulen war mit auserwählten Gewächſen, Palmen, Oleander, Granaten, Orangen und Roſen ange - füllt, und hinter dieſen verborgen ſtand eine unſichtbare Schaar von Harfen - und Flötenſpielern, welche die Gäſte mit feierlichen gleichförmigen Weiſen empfing 122).

Jn der Mitte des mit weiß und ſchwarzen Platten belegten Fußbodens ſtanden zierliche mit kalten Braten, ſüßen Gerichten, wohlgeordneten Frucht - und Kuchen - körben, goldenen Weinkrügen, gläſernen Pokalen und kunſtreichen Blumenvaſen bedeckte Tafeln. Neben dieſen tummelte ſich eine Menge reichgeſchmückter Sclaven, welche, unter Leitung des Haushofmeiſters, die Speiſen und Ge - tränke den einzelnen Gäſten, die ſich theils ſtehend unter - hielten, theils auf koſtbaren Lehnſtühlen ſitzend, mit ihren Freunden ſprachen, überreichten.

Die Geſellſchaft beſtand aus Männern und Weibern jeden Alters. Den eintretenden Frauen boten junge Prie - ſter, die perſönlichen Diener des Königs, zierliche Blüten - ſträuße dar, und mancher vornehme Jüngling war mit Blumen erſchienen, welche er während des Feſtes der Aus - erwählten ſeines Herzens nicht nur überreichte, ſondern ſogar dicht unter die Naſe hielt.

Die, wie bei dem Empfange der perſiſchen Botſchafter gekleideten Aegypter bezeigten ſich höflich, beinahe unter - würfig gegen die Frauen, unter denen ſich übrigens wenige hervorragende Schönheiten befanden. Das Haupthaar der meiſten war an den Schläfen und der Stirn mit Roſen und Lotosblumen geſchmückt.

77

Jn den zarten mit Ringen beladenen Händen, deren Nägel, nach ägyptiſcher Sitte, roth gefärbt waren 123), trugen ſie Fächer von bunten Federn, um den Oberarin, das Handgelenk und die Fußknöchel goldene und ſilberne Reifen.

Die Gewänder aller anweſenden Aegypterinnen waren eben ſo ſchön als koſtbar, und bei mancher ſo geſchnitten, daß ſie die rechte Bruſt unbedeckt ließen.

Wie ſich unter den Männern der junge perſiſche - nigsſohn, Bartja, durch Schönheit und Anmuth auszeich - nete, ſo war Nitetis, die Tochter des Pharao, die bei weitem reizendſte von allen Aegypterinnen. Das fürſtliche Mädchen, welches in einem durchſichtigen roſenrothen Gewande, mit friſchen Roſen im ſchwarzen Haar, an der Seite ihrer gleichgekleideten Schweſter wandelte, war bleich, wie die Lotusblume, die das Haupt ihrer Mutter ſchmückte.

Die Königin Ladike 124), von Geburt eine Griechin, Tochter des Battos von Kyrene, ging an der Seite des Amaſis und führte die jungen Perſer ihren Kindern zu. Ein leichtes Spitzengewand überwehte den golddurchwirkten Purpurſtoff ihres Kleides. Auf dem ſchönen griechiſchen Haupte trug ſie eine goldene Uräusſchlange, den Kopfputz ägyptiſcher Herrſcherinnen 125). Jhr Angeſicht war eben ſo edel als liebreizend, und jede Bewegung verrieth die Anmuth, welche nur eine helleniſche Erziehung zu geben vermochte.

Amaſis hatte dieſe Frau, nach dem Tode ſeiner erſten Gattin, der Aegypterin Tentcheta 126), der Mutter des Thronfolgers Pſamtik, ſeiner Vorliebe für die Griechen folgend und dem Zorn der Prieſter trotzend, zu ſeiner Königin erwählt.

78

Die beiden Mädchen an der Seite der Ladike, Tachot und Nitetis, wurden Zwillingsſchweſtern genannt; zeigten aber keine Spur jener Aehnlichkeit, welche man ſonſt bei Zwillingen zu finden pflegt.

Tachot war blond und blauäugig 127), klein und zier - lich gebaut, während Nitetis, groß und voll, mit ſchwar - zen Haaren und Augen, durch jede Bewegung errathen ließ, daß ſie einem königlichen Hauſe entſtammte.

Wie bleich Du ausſiehſt, meine Tochter, ſprach Ladike, die Wange der Nitetis küſſend. Sei frohen Muthes und ſieh getroſt der Zukunft entgegen. Jch bringe Dir den Bruder Deines zukünftigen Gatten, den edlen Bartja.

Nitetis erhob ihre ſinnigen dunklen Augen und ließ ſie lange prüfend auf dem ſchönen Jünglinge ruhen. Dieſer verneigte ſich tief, küßte das Gewand des erröthenden Mädchens und ſprach:

Sei gegrüßt als meine zukünftige Königin und Schweſter! Jch glaube gern, daß Dir der Abſchied von der Heimat, von Eltern und Geſchwiſtern, das Herz be - klemmt; aber ſei guten Muthes, denn Dein Gatte iſt ein großer Held und ein mächtiger König; unſere Mutter, Kaſſandane, die edelſte der Frauen, und die Schönheit und Tugend des Weibes, wird bei den Perſern geehrt, wie das Leben ſpendende Licht der Sonne. Dich, Du Schwe - ſter der Lilie Nitetis, die ich neben ihr die Roſe‘ nen - nen möchte, bitte ich um Verzeihung, daß wir gekom - men ſind, Dir Deine liebſte Freundin zu rauben.

Die Blicke des Jünglings ſtrahlten bei dieſen Wor - ten in die blauen Augen der ſchönen Tachot, welche ſich, die Hand auf’s Herz drückend, ſtumm verneigte und Bartja noch lange nachſchaute, als ihn Amaſis fortzog, um ihm79 einen Stuhl gegenüber den Tänzerinnen anzuweiſen, welche ſoeben, zur Unterhaltung der Gäſte, ihre Künſte zu zeigen begannen. Dieſe Mädchen waren nur mit einem leichten Rocke bekleidet und ſchwangen und wanden nach dem Takte der Harfen und Tambourine ihre geſchmeidigen Glieder. Hierauf gaben ägyptiſche Sänger ihre Lieder und Poſſen - reißer 128) muntere Späſſe zum Beſten.

Endlich verließen einzelne Höflinge, ihr feierliches Weſen in der Trunkenheit 129) vergeſſend, den Saal. Die Frauen begaben ſich, von fackeltragenden Sclaven abge - holt, in bunten Sänften nach Hauſe; nur die Kriegs - oberſten, die perſiſchen Botſchafter und einige Würden - träger, beſondere Freunde des Amaſis, wurden von dem Haushofmeiſter zurückgehalten und in eine koſtbar geſchmückte Halle geführt, woſelbſt eine in griechiſcher Weiſe geſchmückte Tafel, auf welcher ein rieſengroßer Miſchkrug ſtand, zu einem nächtlichen Trinkgelage einlud.

Amaſis ſaß auf einem hohen Lehnſtuhle 130) an der Spitze des Tiſches; zu ſeiner Linken der junge Bartja, zu ſeiner Rechten der greiſe Kröſus. Außer dieſen und den anderen Perſern befanden ſich auch die uns bekannten Freunde des Polykrates, Theodoros und Jbykus, ſo wie der nunmehrige Oberſt der helleniſchen Leibwache, Ariſto - machos, unter den Gäſten des Königs.

Amaſis, den wir vor Kurzem ſo ernſt mit Kröſus reden hörten, erging ſich jetzt in munteren Scherzen. Er ſchien wiederum zu dem tollen Unterbefehlshaber, dem lu - ſtigen Zechbruder von ehedem geworden zu ſein.

Mit ſprudelndem Geiſte ſchleuderte er Späſſe und Witzworte neckend und höhnend den Trinkgenoſſen entge - gen. Schallendes Gelächter antwortete ſeinen Scherzen, Becher auf Becher wurde geleert und der Jubel erreichte80 ſeinen Gipfel, als der Haushofmeiſter mit einer kleinen vergoldeten Mumie erſchien, und, indem er dieſelbe der Geſellſchaft zeigte, ausrief: Trinket, ſcherzet und ſeid fröhlich, denn allzubald werdet ihr gleich dieſem 131) ſein!

Jſt dieß Hinweiſen auf den Tod eure Sitte bei Feſt - gelagen? fragte Bartja, ernſter werdend, den König, oder erlaubt ſich Dein Haushofmeiſter heute nur dieſen Spaß? Seit Jahrhunderten, antwortete Amaſis, pflegt man ſolche Mumien, um die Heiterkeit zu ſteigern, und die Zecher daran zu erinnern, daß man genießen ſolle, ſo lang es Zeit ſei, den Trinkgenoſſen zu weiſen. Du, junger Schmetterling, haſt freilich noch lange Freudenjahre vor Dir; wir alten Söhne aber, Freund Kröſus, müſſen uns ernſtlich daran halten. Mundſchenk, fülle ſchnell unſern Becher, damit kein Augenblick des Lebens nutzlos verrinne! Wie Du trinken kannſt, Du goldhaariger Per - ſer! Wahrhaftig, die großen Götter haben Dir eine ebenſo gute Kehle, als ſchöne Augen und blühende Reize beſchert. Laß Dich küſſen, Du herrlicher Jüngling, Du ſchlechter Knabe! Was glaubſt Du, Kröſus? Meine Tochter Tachot ſpricht von Nichts, als von dem Milchbarte, welcher ihr erſt mit holden Blicken, dann mit ſüßen Worten das Köpf - chen verdreht zu haben ſcheint. Nun, Du brauchſt nicht roth zu werden, Du junger Tollkopf! Ein Mann wie Du darf ſich wohl nach Königstöchtern umſchauen; aber wäreſt Du Dein Vater Kyros ſelbſt, die Tachot dürfte mir nicht nach Perſien!

Vater! rief der Thronerbe Pſamtik, dieſe Rede unterbrechend, dem Könige zu. Vater, hüte Deine Zunge und gedenke des Phanes! Der König ſchaute ſeinen Sohn mit einem finſtern Blicke an; befolgte aber dennoch den81 Rath deſſelben, und miſchte ſich nur noch ſelten in das allgemeiner werdende Geſpräch.

Ariſtomachos, welcher Kröſus ſchräg gegenüber ſaß, hatte bis dahin, ohne eine Sylbe zu reden oder die Scherze des Amaſis zu belachen, die Perſer unabläſſig betrachtet. Als der Pharao verſtummt war, wendete er ſich plötz - lich an Kröſus und fragte: Jch wünſchte zu wiſſen, Lyder, ob Schnee die Berge bedeckte, als ihr Perſien verließet?

Lächelnd und erſtaunt über dieſe ſeltſame Anſprache antwortete Kröſus: Die meiſten Berge des perſiſchen Ge - birges waren grün belaubt, als wir vor vier Monaten nach Aegypten aufbrachen; doch gibt es auch Höhen im Lande des Kambyſes, auf denen der Schnee ſelbſt in der heißeſten Jahreszeit nie zerſchmilzt 132), und dieſe ſahen wir weißlich ſchimmern, als wir zur Ebene hinabzogen.

Das Antlitz des Spartaners ward ſichtlich heiterer. Kröſus, dem der ernſte Mann gefiel, fragte ihn nach ſei - nem Namen.

Jch heiße Ariſtomachos.

Den Namen ſollt ich kennen.

Du kannteſt viele Hellenen, und viele heißen wie ich.

Deinem Dialekte nach biſt Du ein Spartaner?

Jch war es.

So biſt Du es nicht mehr?

Wer die Heimat ohne Erlaubniß verläßt, iſt des Todes ſchuldig.

Verließeſt Du dieſelbe freiwillig?

Ja.

Warum?

Um der Schande zu entgehen.

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 682

Was hatteſt Du verbrochen?

Nichts!

So beſchuldigte man Dich mit Unrecht eines Ver - gehens?

Ja.

Wer war der Urheber Deines Unglücks?

Du!

Kröſus fuhr von ſeinem Sitze auf. Der ernſte Ton und das finſtere Geſicht des Spartaners verboten jeden Gedanken an einen Scherz. Auch die Tiſchnachbarn der Beiden, welche dem ſeltſamen Geſpräche gefolgt waren, erſchraken und baten Ariſtomachos um eine Erklärung ſeiner ſeltſamen Ausſage.

Der Spartaner zauderte. Man ſah ihm an, daß er ungern reden möge; endlich aber, als ihn auch der König zu erzählen aufforderte, begann er:

Du, Kröſus, hatteſt, dem Orakel folgend 133), uns Lakedämonier, als die mächtigſten der Hellenen, zu Bun - desgenoſſen gegen die Macht der Perſer erwählt, und uns das Gold zu der Apollo Herme auf dem Berge Thornax geſchenkt. Die Ephoren beſchloſſen daher, Dir dafür ein rieſengroßes, kunſtreiches Miſchgefäß von Erz zu verehren. Als Ueberbringer deſſelben erwählte man mich. Bevor wir nach Sardes kamen, zerſtörte ein Sturm unſer Schiff. Der Miſchkrug verſank mit ihm. Wir retteten uns mit dem nackten Leben nach Samos. Als wir heimkehrten, ward ich von Feinden und Neidern beſchuldigt, Schiff und Miſchkrug an ſamiſche Händler verkauft zu haben. Weil man mich nicht überführen konnte und dennoch verderben wollte, ward ich verurtheilt, zwei Tage und zwei Nächte lang am Pranger zu ſtehen. Man ſchmiedete in der Nacht meinen Fuß an den Schandblock. Bevor der Morgen83 meiner Entehrung graute, kam mein Bruder zu mir und reichte mir heimlich ein Schwert. Jch ſollte mir vor der Beſchimpfung das Leben nehmen. Jch konnte nicht ſterben, denn ich hatte mich noch an meinen Verderbern zu rächen; darum hackte ich mir ſelbſt den angeſchmiedeten Fuß vom Beine und verſteckte mich im Schilfe des Eurotas. Mein Bruder brachte mir heimlich Speiſe und Trank. Jn zwei Monaten konnte ich wieder auf dieſem hölzernen Fuße gehen. Der ferntreffende Apollo übernahm meine Rache, denn meine beiden ſchlimmſten Gegner ſtarben an der Peſt. Trotz ihres Todes durfte ich nicht heimkehren. Zu Gythion ſchiffte ich mich endlich ein, um mit Dir, Kröſus, von Sardes aus, gegen die Perſer zu fechten. Als ich in Teos landete, erfuhr ich, daß Du nicht mehr König wäreſt. Der gewaltige Kyros, der Vater dieſes ſchönen Jünglings, hatte in kurzen Wochen das mächtige Lydien erobert und den reichſten König zum Bettler gemacht.

Alle Zecher ſchauten den ernſten Krieger bewundernd an. Kröſus ſchüttelte ihm die harte Rechte; der junge Bartja aber rief: Wahrlich Spartaner, ich möchte Dich mit nach Suſa nehmen, um meinen Freunden zeigen zu können, was ich geſehen habe, den muthigſten, ehren - wertheſten aller Menſchen!

Glaube mir, Knabe, gab Ariſtomachos lächelnd zu - rück, ein jeder Spartaner hätte gleich mir gehandelt. Bei uns zu Lande gehört mehr Muth dazu feige, als tapfer zu ſein!

Und hätteſt Du, Bartja, rief Darius, der Vetter des Königs von Perſien, ertragen können, an dem Schand - pfahle zu ſtehen?

Bartja erröthete, aber man ſah ihm an, daß auch er den Tod der Schande vorziehe.

84

Und Du, Zopyros? fragte Darius ſich an den dritten jungen Perſer wendend.

Jch würde mich aus bloßer Liebe zu euch verſtüm - meln 134)! rief dieſer und drückte unter dem Tiſche die Hände ſeiner beiden Freunde.

Pſamtik ſah mit ſpöttiſchem Lächeln, Kröſus, Gyges und Amaſis voller Wohlgefallen, die Aegypter ſich einan - der bedeutungsvoll anſchauend, der Spartaner vergnüglich ſchmunzelnd, auf die jungen Helden.

Jetzt erzählte Jbykus von dem Orakelſpruche, welcher Ariſtomachos beim Nahen der Männer von den ſchneeigen Bergen die Heimkehr verhieß, und erwähnte dabei des gaſtfreien Hauſes der Rhodopis.

Pſamtik ward unruhig, als er dieſen Namen aus - ſprechen hörte, Kröſus äußerte den Wunſch, die greiſe Thrakerin kennen zu lernen, von welcher ihm Aeſop viel Rühmliches erzählt hatte, und, als die Gäſte, meiſtens bis zur Bewußtloſigkeit trunken, den Saal verließen, verab - redeten ſich der entthronte König, der Dichter, der Bild - hauer und der ſpartaniſche Held am folgenden Tage nach Naukratis zu fahren, um ſich an den Geſprächen der Rho - dopis zu erfreuen.

[85]

Sechstes Kapitel.

Der König Amaſis hatte ſich nach dem beſchriebenen Gaſtmahle kaum drei Stunden nächtlicher Ruhe gegönnt. Wie alle Tage, ſo weckten ihn auch heute, beim erſten Hahnenſchrei, junge Prieſter aus dem Schlummer, wie alle Tage führten ihn dieſelben in’s Bad, ſchmückten ihn mit dem königlichen Ornate und führten ihn zum Altar im Hofe des Schloſſes, woſelbſt er vor den Augen des Volkes ſein Opfer darbrachte, während der Oberprieſter mit lauter Stimme betete, die Tugenden des Königs aufzählte und, um jeden Tadel von dem Haupte des Herrſchers fern zu halten, die ſchlechten Rathgeber deſſelben für alle fluch - würdigen, in Unkenntniß begangenen Sünden verantwort - lich machte.

Wie alle Tage ermahnten ihn die Prieſter, ſeine Tugenden erhebend, zum Guten, laſen ihm die nützlichen Thaten und Rathſchläge der großen Männer aus den heiligen Schriften vor, und führten ihn in ſeine Gemächer, woſelbſt Briefe und Berichte aus allen Theilen des Landes ſeiner warteten 135).

Dieſe ſich alle Morgen wiederholenden Ceremonien und Arbeitsſtunden pflegte Amaſis treulich inne zu halten,86 während er den ſpäteren Theil des Tages, wie es ihm beliebte, meiſtens in heiterer Geſellſchaft zubrachte 136).

Darum warfen ihm die Prieſter vor, daß er ein un - königliches Leben führe; er aber antwortete einſt dem er - zürnten Oberprieſter: Sieh dieſen Bogen! Wenn Du ihn fortwährend anſpannſt, ſo wird er bald ſeine Kraft ver - lieren; benutzſt Du ihn aber den halben Tag und gönnſt ihm dann ſeine Ruhe, ſo bleibt er ſtark und brauchbar, bis die Sehne zerreißt.

Amaſis hatte ſoeben den letzten Brief, die Bitte eines Nomarchen 137) um Gelder für mehrere nach der Ueber - ſchwemmung nöthig gewordene Ufer-Bauten 138), das Ge - forderte bewilligend, unterſchrieben, als ihm ein Diener mittheilte, der Thronfolger Pſamtik ließe ſeinen Vater erſuchen, ihm auf einige Minuten Gehör zu ſchenken.

Amaſis, welcher bis dahin über die günſtigen Be - richte aus allen Theilen des Landes fröhlich gelächelt hatte, wurde plötzlich ernſt und nachdenklich. Endlich rief er nach langem Zaudern: Geh und ſage dem Prin - zen, er möge kommen!

Pſamtik, bleich und düſter wie immer, verneigte ſich, die väterliche Schwelle überſchreitend, tief und ehrfurchtsvoll.

Amaſis dankte ihm durch einen ſchweigenden Wink; dann fragte er kurz und ſtreng: Was begehrſt Du von mir? Meine Zeit iſt gemeſſen.

Beſonders für Deinen Sohn, antwortete mit bitte - rem Lächeln der Thronerbe. Siebenmal habe ich Dich um die große Gunſt erſuchen laſſen, welche Du mir heut zum Erſtenmale gewährſt.

Keine Vorwürfe! Jch vermuthe den Grund Deines Kommens. Jch ſoll Dich in Betreff Deiner Zweifel über die Herkunft der Nitetis aufklären.

87

Jch bin nicht neugierig und komme vielmehr, um Dich zu warnen und daran zu erinnern, daß außer mir noch ein Anderer lebt, welcher um dieſes Geheimniß weiß!

Meinſt Du Phanes?

Wen ſonſt? Er, der aus Aegypten und der eigenen Heimat Vertriebene, wird in wenigen Tagen Naukratis verlaſſen. Wer bürgt Dir dafür, daß er uns nicht an die Perſer verräth?

Die Güte und Freundſchaft, welche ich ihm ſtets erwieſen habe.

So glaubſt Du an die Dankbarkeit der Menſchen?

Nein! aber ich vertraue meiner Fähigkeit, dieſelben beurtheilen zu können. Phanes wird uns nicht verrathen! Jch wiederhole es, er iſt mein Freund!

Dein Freund; aber mein Todfeind!

So hüte Dich vor ihm! Jch habe nichts von ihm zu fürchten.

Du nicht, aber unſere Heimat! O bedenke, mein Vater, daß, wenn ich Dir auch verhaßt ſein mag, als Dein Sohn, ich Dir dennoch, als die Zukunft Aegyptens, am Herzen liegen muß. Bedenke, daß nach Deinem Tode, den die Götter noch lange verhüten mögen, ich, wie Du es jetzt biſt, die Gegenwart dieſes herrlichen Landes dar - ſtellen werde, daß mein Sturz in Zukunft daſſelbe bedeu - ten wird, als der Fall Deines Hauſes, als der Untergang Aegyptens.

Amaſis ward immer ernſter, während Pſamtik drin - gend fortfuhr: Du wirſt, Du mußt mir Recht geben! Dieſer Phanes hat die Macht in Händen, jedem auswär - tigen Feinde unſer Land zu verrathen, denn er kennt es ſo gut, wie ich und Du; in ſeiner Bruſt ſchlummert fer - ner ein Geheimniß, deſſen Verrath unſeren mäch -88 tigſten Freund zu unſerem furchtbarſten Feinde machen könnte.

Du irrſt! Nitetis iſt zwar nicht meine, aber dennoch die Tochter eines Königs, und wird es verſtehen, das Herz ihres Gatten zu gewinnen.

Und wäre ſie die Tochter eines Gottes, ſo würde Dir Kambyſes, wenn er das Geheimniß erführe, zum Feinde werden; weißt Du doch, daß bei den Perſern die Lüge für das größte Verbrechen 139), und ſich betrügen zu laſſen für ſchmählich gilt; Du aber haſt den Stolzeſten, Mächtigſten von ihnen betrogen; und was wird ein ein - zelnes unerfahrenes Mädchen vermögen, wo ſich hundert in allen Ränken fein geſchulte Weiber um die Gunſt ihres Herrſchers bewerben!

Gibt es beſſere Lehrer in der Redekunſt, als Haß und Rache? fragte Amaſis mit ſchneidender Stimme. Thörichter Sohn, glaubſt Du denn, daß ich ein ſo ge - fährliches Spiel ohne reifliche Erwägung aller Umſtände unternommen haben würde? Laß Phanes meinetwegen heute noch den Perſern erzählen, was er nicht einmal weiß, was er nur ahnen, niemahls aber beweiſen kann!

Jch der Vater und Ladike die Mutter müſſen wohl am beſten wiſſen, wer unſer Kind ſei. Wir beide nennen Nitetis unſere Tochter, wer darf behaupten, ſie ſei es nicht? Will Phanes die Schwächen unſeres Landes einem anderen Feinde verrathen, als den Perſern, ſo möge er es thun; ich fürchte keinen! Willſt Du mich auffor - dern, einen Mann, dem ich vielen Dank ſchulde, einen Freund, welcher mir zehn Jahre lang treulich diente, zu verderben, bevor er mich beleidigte, ſo ſage ich Dir, daß ich, ſtatt ihm Schaden zu thun, bereit bin, ihn vor Deiner Rache zu ſchützen, deren unlauteren Grund ich kenne.

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Mein Vater!

Du möchteſt dieſen Mann verderben, weil er Dich verhinderte die Enkelin der Rhodopis mit Gewalt an Dich zu bringen, weil ich ihn, als Du Dich für unfähig er - wieſen, an Deiner Stelle zum Feldherrn ernannt habe. Du erbleichſt? Wahrlich, ich bin Phanes dankbar dafür daß er mir Deine ruchloſen Pläne mittheilte und mir da - durch Gelegenheit gab, die Stützen meines Thrones, denen Rhodopis theuer iſt, immer feſter an mich zu knüpfen.

O, Vater! daß Du die Fremden alſo benennſt, daß Du des alten Ruhmes der Aegypter alſo vergeſſen kannſt! Schmähe mich, wie Du willſt; ich weiß, daß Du mich nicht liebſt; ſage aber nicht, daß wir der Ausländer be - dürfen, um groß zu ſein! Sieh zurück in unſre Geſchichte! Wann waren wir am größten? Damals, als wir allen Fremden ohne Ausnahme die Pforten unſeres Landes verſchloſſen, und auf eignen Füßen ſtehend, der eignen Kraft vertrauend, nach den uralten Geſetzen unſerer Väter und unſerer Götter lebten. Jene Zeiten haben geſehen, wie Ramſes der Große 140) mit unſeren ſiegreichen Waffen die entlegenſten Völker unterjochte, jene Zeiten haben ge - hört, wie die ganze Welt Aegypten das erſte, größte Land der Erde nannte! Was ſind wir jetzt? Aus Dei - nem, des Königs eignen Munde höre ich fremde Bettler und Abenteuer Stützen des Reiches‘ nennen; Dich, den König, ſehe ich eine elende Liſt bereiten, um die Freund - ſchaft eines Stammes zu gewinnen, über welchen wir, ehe die Fremden zum Nile kamen, große Siege erfechten konn - ten 141). Aegypten war eine reichgeſchmückte mächtige - nigin, jetzt iſt es eine geſchminkte mit goldenen Flittern behängte Dirne!

90

Hüte Deine Zunge! rief Amaſis, die Erde mit dem Fuße ſtampfend. Aegypten war niemals ſo blühend und groß als jetzt! Ramſes hat unſere Waffen in ferne Lande getragen und Blut mit ihnen erworben; ich aber habe es dahin gebracht, daß die Erzeugniſſe unſerer Hände bis zu den Enden der Welt befördert werden und uns, ſtatt des Blutes, Schätze und Segen bringen. Ramſes ließ Blut und Schweiß der Unterthanen in Strömen für den Ruhm ſeines Namens fließen, ich habe es dahin gebracht, daß Blut und Schweiß nur ſparſam in meinem Lande ver - goſſen werden und jeder Bürger in Sicherheit, Glück und Wohlſtand ſeine Lebensreiſe vollenden kann. An den Ufern des Nils erheben ſich jetzt zehntauſend 142) volk - reiche Städte, kein Fuß breit Landes iſt unbebaut, kein Kind in Aegypten entbehrt der Wohlthat des Rechtes und Geſetzes, kein Böſewicht kann ſich dem wachen Auge der Obrigkeit entziehen. Sollte uns ein Feind überfallen; wohl, ſo ſtehen, neben unſeren Feſtungen und den Bollwerken, welche uns die Götter gegeben, den Katarrhakten, dem Meere und der Wüſte, die beſten Soldaten, welche jemals Waffen trugen, dreißigtauſend Hellenen, außer der ägyptiſchen Kriegerkaſte, zu unſerem Schutze bereit. So ſteht es um Aegypten! Den Flitterſtaat eitlen Ruhmes bezahlte es einſt dem Ramſes mit blutigen Thränen. Das echte Gold wahrhaftigen Bürgerglückes und friedlicher Wohlfahrt ſchuldet es mir und meinen Vorgängern, den Saitiſchen Königen!

Und dennoch ſage ich Dir, rief der Erbprinz, daß Aegypten ein Baum iſt, an deſſen Lebensmark ein tödten - der Holzwurm nagt. Das Ringen und Streben nach Gold, nach Pracht und Glanz hat alle Herzen verdorben. Die Ueppigkeit der Fremden gab den ſchlichten Sitten un -91 ſerer Bürger den Todesſtoß. Für Gold iſt Alles zu haben. Hier und dort hört man von Hellenen verführte Aegypter der Götter ſpotten; Zwiſt und Hader trennt die Kaſten der Prieſter und Krieger. Täglich werden blutige Schlä - gereien zwiſchen helleniſchen Söldnern, ägyptiſchen Krie - gern, Fremden und Einheimiſchen gemeldet, Hirt und Heerde bekriegen einander; der eine Stein der Staats - mühle zerreibt den andern, bis das ganze Werk in Staub und Schutt verſinken wird. Ja, Vater, wenn nicht heute, ſo werde ich niemals reden, und ich muß endlich ausſprechen, was mein Herz bedrückt. Während Deiner Kämpfe mit den Prieſtern haſt Du ruhig mitan - geſehen, wie ſich die junge Macht der Perſer gleich einem Völker verſchlingenden Ungethüm, welches bei jedem neuen Fraße furchtbarer und gewaltiger wird, von Oſt nach We - ſten wälzte. Statt den Lydern und Babyloniern zu Hülfe zu kommen, wie Du urſprünglich wollteſt, halfeſt Du den Griechen Tempel für ihre Lügengötter zu bauen. Als aber endlich jeder Widerſtand unmöglich erſchien, als Perſien die halbe Welt unterjocht hatte und übermächtig und un - bezwinglich von allen Königen fordern durfte, was es wollte, da ſchienen die Unſterblichen Dir noch einmal die Hand zur Rettung Aegyptens reichen zu wollen. Kam - byſes begehrte Deine Tochter; Du aber, zu ſchwach, um Dein rechtes Kind der allgemeinen Wohlfahrt zu opfern, ſendeſt dem Großkönige ein untergeſchobenes Mädchen und ſchoneſt, weichmüthig wie Du biſt, eines Fremdlings, der das Wohl und Wehe Deines Reiches in Händen hält und es verderben wird, wenn es nicht ſchon früher, von innerer Zwietracht zernagt, zuſammenſinkt!

Bis hierher hatte Amaſis bleich und bebend vor Zorn ſein Theuerſtes ſchmähen laſſen. Jetzt konnte er nicht92 länger ſchweigen, und mit einer Stimme, welche wie Poſaunenklänge durch die weite Halle ſchmetterte, rief er aus: Weißt Du wohl, weſſen Daſein ich opfern müßte, wenn mir nicht das Leben meiner Kinder und die Erhal - tung des von mir begründeten Herrſcherhauſes lieber wäre, als die Wohlfahrt dieſes Landes? Kennſt Du, großſpreche - riſcher, rachdürſtiger Sohn des Unheils, den zukünftigen Verderber dieſes herrlichen, uralten Reichs? Du biſt es, Du, Pſamtik, der von den Göttern gezeichnete, von den Menſchen gefürchtete Mann, deſſen Herz keine Liebe, deſſen Bruſt keine Freundſchaft, deſſen Antlitz kein Lächeln, deſſen Seele kein Mitleid kennt! Aber Du haſt keine Schuld an Deinem unſeligen Weſen und den ſchlimmen Erfolgen, welche alles traurig enden, was Du beginnſt. Höre jetzt, denn einmal muß es geſagt ſein, was ich Dir lange verſchweigen zu müſſen glaubte: Jch hatte meinen Vor - gänger geſtürzt und ihn gezwungen, mir ſeine Schweſter Tentcheta zum Weibe zu geben. Sie gewann mich lieb und verſprach, ein Jahr nach der Hochzeit, mich mit einem Kinde beſchenken zu wollen. Jn der Nacht, welche Deiner Geburt vorherging, ſchlief ich, vor dem Lager meiner Gattin ſitzend, ein. Da träumte mir folgendes:

Deine Mutter lag am Ufer des Nils und klagte mir, ſie empfinde Schmerzen in der Bruſt. Jch beugte mich zu ihr hernieder und ſah, daß eine Cypreſſe ihrem Herzen entwuchs. Der Baum wurde immer größer, immer breiter und ſchwärzer; ſeine Wurzeln aber wanden ſich um Deine Mutter und erwürgten ſie. Ein kalter Schauder faßte mich. Jch wollte fliehen. Plötzlich erhob ſich von Oſten her ein furchtbarer Orkan, der die Cypreſſe umſtürzte und ſie niederwarf, ſo daß ihre breiten Zweige in den Nil ſchlugen. Da hörte der Strom zu fließen auf; ſein93 Waſſer verhärtete ſich und ſtatt des Fluſſes lag eine rie - ſengroße Mumie vor mir. Die Städte an den Ufern ſchrumpften zuſammen und wurden zu mächtigen Todten - Urnen, welche, wie in einem Grabe, den ungeheuren Leichnam des Nils umſtanden. Da erwachte ich, und ließ die Traumdeuter kommen. Keiner vermochte das wunder - bare Geſicht zu erklären, bis mir endlich die Prieſter des Libyſchen Ammon folgende Deutung gaben: Teutcheta iſt durch die Geburt eines Sohnes getödtet worden. Dieſen, einen finſtern unſeligen Menſchen, ſtellt die ihre Mutter mordende Cypreſſe dar. Unter ſeiner Regierung wird ein Volk von Oſten den Nil, das ſind die Aegypter, zu Leichen, und ihre Städte zu Trümmerhaufen, das ſind die Todtenurnen, machen.

Pſamtik ſtand ſeinem Vater wie ein Steinbild ge - genüber, als dieſer fortfuhr: Deine Mutter ſtarb bei Deiner Geburt, brandrothes Haar, das Zeichen der Söhne des Typhon 143), umwuchs Deine Schläfe, Du wurdeſt ein düſterer Mann; das Unglück verfolgte Dich, denn es raubte Dir ein geliebtes Weib und vier Deiner Kinder. Wie ich unter dem glücklichen Zeichen des Ammon, ſo wurdeſt Du, die Aſtrologen berechneten es, beim Aufgange des ſchrecklichen Planeten Seb geboren 144), Du ...

Amaſis unterbrach ſeine Rede, denn heftig ſchluch - zend, überwältigt von der Fülle des Furchtbaren, das er vernommen, brach Pſamtik zuſammen und rief mehr ſtöh - nend als ſprechend:

Höre auf, grauſamer Vater, und verſchweige wenig - ſtens, daß ich der einzige Sohn in Aegypten bin, den der Haß ſeines Vaters ſchuldlos verfolgt!

Amaſis ſchaute auf den bleichen Mann hernieder, der, das Angeſicht in die Falten ſeines Gewandes verber -94 gend, vor ihm niedergeſunken war. Sein ſchnell entflamm - ter Zorn verwandelte ſich in Mitleid. Er fühlte, daß er zu hart geweſen ſei, daß er mit ſeiner Erzählung einen giftigen Pfeil in Pſamtiks Seele geſchleudert habe, und gedachte an die vor vierzig Jahren verſtorbene Mutter des Unglücklichen. Seit langer Zeit zum Erſten - male ſah er, als Vater, als zum Troſte Berufener, auf dieſen finſteren, jede Liebesbezeugung abweiſenden, ihm in allen Anſchauungen ſo fremden Mann. Sein weiches Herz fand ſich jetzt zum Erſtenmale in die Lage verſetzt, eine Thräne aus dem ſonſt ſo kalten Auge des Sohnes trocknen zu können. Jn freudiger Haſt ergriff er dieſe Gelegenheit. Er beugte ſich zu dem ſtöhnenden Mann hernieder, küßte ſeine Stirn, richtete ihn auf und ſprach mit ſanfter Stimme:

Verzeihe mein Ungeſtüm, lieber Sohn. Die ſchlim - men Worte, welche Dich kränkten, kamen nicht aus dem Herzen des Amaſis, ſondern aus dem Munde des Jäh - zorns. Du haſt mich viele Jahre lang durch Kälte, Härte, Widerſpenſtigkeit und fremdes Weſen gereizt. Heute beleidigteſt Du mich in meinen heiligſten Gefühlen, darum ward ich zu überſchäumender Heftigkeit fortgeriſſen. Jetzt ſoll Alles wieder gut ſein zwiſchen mir und Dir. Wenn wir auch zu verſchiedener Art ſind, als daß ſich unſere Herzen recht innig verſchmelzen könnten, ſo wollen wir doch in Zukunft einig handeln und nachgiebig gegen einander ſein.

Pſamtik küßte, ſich ſtumm verneigend, das Kleid ſei - nes Vaters. Nicht alſo, rief dieſer, küſſe meinen Mund! So iſt’s recht, ſo geziemt ſich’s zwiſchen Vater und Sohn! Was den thörichten Traum betrifft, den ich Dir erzählt habe, ſo ſei unbeſorgt. Träume ſind Trug -95 bilder; doch, wenn ſie auch wirklich von den Göttern ge - ſandt werden, ſo ſind doch Diejenigen, welche ſie deuten, menſchlichen Jrrthümern unterworfen. Deine Hand zittert noch immer? Jch war zu hart, viel zu hart gegen Dich; aber ich will Alles wieder gut machen! Nimm den Phanes; laß ihn fangen, und ſorge dafür, daß er un - ſchädlich werde; zweierlei bitte ich mir aber aus: Der Rhodopis darf kein Härchen gekrümmt werden, und, was Du mit dem Athener vor haſt, muß auf’s Geheimnißvollſte geſchehen. Kein Grieche darf das Mindeſte von Deinem Anſchlage erfahren. Richte die Sache ein, wie Du willſt; ich vertraue Deiner Einſicht; bedenke aber wohl, daß, wenn Du auch klug als Aegypter ſein magſt, Pha - nes als Hellene klug iſt! Beſonders erinnere Dich an Dein Verſprechen, jedem Gedanken an die Enkelin der Rhodopis zu entſagen. Der Erſatz, welchen ich Dir biete, iſt, meine ich, annehmbar; denn, kenne ich Dich recht, ſo erſcheint Dir die Rache ſchätzbarer als die Liebe! Was endlich Aegypten anbelangt, ſo wiederhole ich Dir, daß es niemals glücklicher war, als jetzt. Das Gegentheil zu behaupten fällt niemandem ein, außer den unzufriedenen Prieſtern und denen, welche ihnen nachplappern. Du möchteſt auch die Geſchichte von der Herkunft der Nitetis erfahren? So höre denn; aber ſchweige!

Pſamtik lauſchte geſpannten Ohres der Mittheilung ſeines Vaters, und dankte dieſem, als er geendet hatte, durch einen ſtarken Händedruck.

Jetzt lebe wohl! ſchloß Amaſis die Unterredung mit ſeinem Sohne. Vergiß Nichts von dem, was ich Dir geſagt habe, und, darum bitte ich Dich beſonders, ver - gieße kein Blut! Geſchehe mit Phanes, was da wolle, ich mag Nichts davon wiſſen, denn ich haſſe die Grauſam -96 keit und möchte Dich, meinen Sohn, nicht verabſcheuen müſſen. Wie fröhlich Du ausſiehſt! Armer Athener, Dir wäre beſſer, Du hätteſt niemals dieſes Land betreten!

Als Pſamtik die Halle ſeines Vaters verlaſſen hatte, ging dieſer noch lange ſinnend in derſelben auf und ab. Seine Nachgiebigkeit that ihm leid und es war ihm ſchon jetzt, als ſähe er den blutenden Phanes neben dem Schat - ten des von ihm geſtürzten Hophra vor ſich ſtehen. Aber er konnte uns in der That zu Grunde richten, entſchul - digte er ſich vor dem Richter in ſeiner eigenen Bruſt; dann ſchüttelte er ſich, richtete ſich hoch empor, rief den Dienern und verließ lachenden Mundes ſeine Gemächer.

Hatte der leichtblütige Mann, das Glückskind, ſeine mahnende Seele ſo ſchnell beruhigt, oder war er ſtark ge - nug, um die Pein, welche er ausſtand, mit dem Mantel eines Lächelns zu verbergen?

[97]

Siebentes Kapitel.

Pſamtik ging, aus den Zimmern ſeines Vaters kom - mend, ohne Aufenthalt in den Tempel der Göttin Neith. Am Eingange deſſelben fragte er nach dem Oberprieſter. Die Tempeldiener baten ihn zu warten, denn der große Neithoteph befinde ſich ſoeben betend im Allerheiligſten 145) der erhabenen Herrin des Himmels.

Ein junger Prieſter erſchien nach kurzer Zeit und meldete, ſein Gebieter erwarte den Prinzen.

Pſamtik verließ ſofort den kühlen Platz, welchen er im Schatten der Silberpappeln des Götterhains, am Ufer des der großen Neith geheiligten Teiches 146), eingenommen hatte. Er überſchritt das mit Asphalt überzogene Stein - pflaſter des Tempelhofes, welches von blendenden Sonnen - ſtrahlen, wie von glühenden Pfeilen, getroffen wurde, und hielt ſich dabei in einer der langen Sphinxalleen, die zu den frei ſtehenden Pylonen des rieſigen Hauſes der Göttin führten. Dann ſchritt er durch das ungeheure Hauptthor, welches, wie alle ägyptiſchen Tempelpforten, mit dem breit - beſchwingten Sonnenei geſchmückt war. Die weitgeöffneten Thorflügel wurden zu beiden Seiten von thurmartigen Bauten, ſchlanken Obelisken und flatternden Fahnen über -Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 798ragt. Die ganze Vorderfront des Tempels, die ſich feſtungsartig, in einem ſtumpfen Winkel, von der Erde erhob, war mit bunten Bildern und Jnſchriften bedeckt. Durch den Porticus kam er in einen hohen Vorſaal, dann in die große Halle, deren blaue, mit tauſend goldenen Sternen überſäte Decke von vier Reihen rieſiger Säulen getragen wurde. Die Schäfte und lotosförmigen Kapitäle derſelben, die Seitenwände und Niſchen dieſes Rieſenſaa - les, kurz Alles, was dem Auge begegnete, war mit bun - ten Farben und Hieroglyphenbildern bedeckt. Die unge - heure Größe der Säulen, die unermeßliche Höhe und groß - artige Weite des Raumes, die ſchwüle von Weihrauch - düften erfüllte Luft des Tempels und die leiſe Muſik, welche ſich vom Allerheiligſten her vernehmen ließ, zwan - gen mit unwiderſtehlicher Macht zu andächtigen Gefühlen. Der Menſch erſchien ſich in dieſer gigantiſchen Halle ſo klein, daß er nothwendiger Weiſe nach einem größeren, mächtigeren Weſen außer ſich ſuchen mußte.

Nachdem Pſamtik, ohne beten zu können, die Stel - lung eines Beters eingenommen hatte, kam er zu einem etwas niedrigeren und kleineren Saale, in dem die heiligen Kühe der Jſis-Neith und die Sperber derſelben gepflegt wurden. Ein mit Goldſtickereien bedeckter Vorhang vom koſtbarſten Stoffe verbarg dieſelben den Augen der Tem - pelbeſucher, denn der Anblick dieſer vergötterten Geſchöpfe war dem Volke nur ſelten geſtattet. Als Pſamtik vorbei - kam, wurden gerade in Milch erweichte Kuchen, Salz und Kleeblüten in die goldenen Krippen der Kühe, und kleine Vögel mit buntem Gefieder in das zierlich gearbeitete Häuschen des Sperbers gelegt. Der Thronerbe hatte in ſeiner heutigen Stimmung kein Auge für dieſe ſeltſamen Dinge und erſtieg, mittels einer verborgenen Treppe, die99 neben der Sternwarte gelegenen Gemächer, in denen ſich der Oberprieſter nach dem Gottesdienſte aufzuhalten und auszuruhen pflegte.

Neithoteph, ein Greis von ſiebenzig Jahren, ſaß in einem prächtigen, mit ſchweren babyloniſchen Teppichen belegten Gemache, auf dem Purpurkiſſen eines vergoldeten Lehnſtuhls. Seine Füße ruhten auf einer kunſtreich ge - ſchnitzten Fußbank. Jn den Händen hielt er eine mit Hieroglyphenzeichen bedeckte Rolle. Hinter ihm ſtand ein Knabe, welcher mit einem Wedel von Straußenfedern die Jnſecten aus ſeiner Nähe verſcheuchte.

Das Angeſicht des prieſterlichen Greiſes war voller Runzeln; doch mochte es einſtmals ſchön geweſen ſein. Aus den großen blauen Augen ſprach noch heute ein lebendiger Geiſt und würdiges Selbſtbewußtſein.

Neithoteph hatte ſeine künſtlichen Locken abgelegt. Der kahle, glatte Schädel ſtach eigenthümlich von dem ge - furchten Angeſichte ab, und ließ die bei den Aegyptern gewöhnlich flache Stirn ausnehmend hoch erſcheinen. Das bunte Zimmer, an deſſen Wände tauſend Sprüche, in Hieroglyphenſchrift, gemalt waren, die verſchiedenartigen, farbigen Bildſäulen der Göttin, welche in demſelben ſtan - den, und das ſchneeige Weiß der Kleidung des Prieſters konnten nicht verfehlen, auf den Fremden einen ebenſo feier - lichen als ſeltſamen Eindruck zu machen.

Der Greis empfing den Thronerben mit großer Herz - lichkeit und fragte:

Was führt meinen erlauchten Sohn zu dem armen Diener der Gottheit?

Jch habe Dir Vieles zu berichten, mein Vater; erwiederte Pſamtik mit triumphirendem Lächeln, denn ich komme ſoeben von Amaſis.

100

So hat er Dir endlich Gehör geſchenkt?

Endlich!

Dein Angeſicht ſagt mir, daß Dir von unſerem Herrn, Deinem Vater, huldvoll begegnet worden ſei.

Wie man’s nimmt. Als ich die Anliegen, mit denen Du mich beauftragteſt, vorgebracht hatte, ward er unmäßig zornig und zerſchmetterte mich ſchier mit furcht - baren Worten.

Du wirſt ihn gereizt haben! Oder biſt Du dem Könige, wie ich Dir gerathen hatte, als demüthig bitten - der Sohn genaht?

Nein, mein Vater; ich war gereizt und unwillig.

Dann hatte Amaſis Recht zornig zu werden, denn niemals ziemt es dem Sohne ſeinem Erzeuger unwillig zu begegnen; am wenigſten aber, wenn er etwas erbitten will. Sieh, mein Schüler, darin fehlſt Du immer, daß Du Dinge, welche leichtlich durch Güte und Milde erlangt werden könnten, gewaltſam und mürriſch durchzu - ſetzen ſuchſt. Ein gutes Wort iſt weit wirkſamer als ein böſes, und es kommt viel darauf an, wie man ſeine Rede zu brauchen verſteht. Höre, was ich Dir erzählen will: Vor vielen Jahren herrſchte über Aegypten der - nig Kertos, welcher zu Memphis regierte. Dem träumte eines Tages, ihm fielen alle Zähne aus dem Munde. Er ſchickte ſofort zu einem Traumdeuter und erzählte ihm den Traum. Da rief der Ausleger: O König, wehe Dir, alle Deine Verwandten werden vor Dir ſterben!‘ Der erzürnte Kertos ließ den Unglücksboten peitſchen und rief einen zweiten Seher. Dieſer erklärte den Traum alſo: Großer König, Heil Deinem Namen, denn Du wirſt länger leben, als alle Deine Verwandte!‘ Der König lächelte über dieſe Worte, und beſchenkte den zweiten Deu -101 ter; denn, wenn ihm dieſer auch daſſelbe ſagte, wie der erſte, ſo hatte er doch ſeinen Ausſpruch in ein ſchö - neres Wortgewand zu kleiden verſtanden. Begreifſt Du den Sinn meiner Geſchichte? So bemühe Dich denn in Zukunft, die Form Deiner Rede angenehm zu machen, denn es kommt, namentlich vor dem Ohre eines Herr - ſchers, ebenſoviel darauf an, wie man ſpricht, als was man ſpricht.

O, mein Vater, wie oft haſt Du mir dieſe Lehre gegeben, wie oft ſah ich ſelber ein, daß ich mir mit mei - nen rauhen Worten und zürnenden Geberden ſchade; ich kann aber meine Natur nicht ändern, ich kann nicht ...

Sage lieber: ich will nicht; denn wer in Wahrheit ein Mann iſt, der muß, was er einmal gethan und nach - her bereut hat, niemals wieder thun. Allein genug der Lehren! Erzähle, wie Du den Groll des Amaſis be - ſänftigteſt!

Du kennſt meinen Vater. Als er ſah, daß mich ſeine furchtbaren Worte in tiefſter Seele verwundet hat - ten, bereute er ſeinen Jähzorn. Er fühlte, daß er mir zu viel gethan hatte, und wollte ſeine Härte um jeden Preis wieder gut machen.

Er hat ein gutes Herz, aber ſein Geiſt iſt verblen - det und ſein Sinn befangen! rief der Prieſter. Was könnte Amaſis für Aegypten ſein, wenn er auf unſeren Rath und die Gebote der Götter hören wollte!

Gerührt, wie er war, bewilligte er mir zuletzt, hörſt Du, Vater, bewilligte er mir das Leben des Phanes!

Wie Deine Augen funkeln! Das iſt nicht ſchön, Pſamtik! Der Athener muß ſterben, weil er die Götter beleidigte; der Richter aber ſoll zwar die Strenge walten laſſen, ſich jedoch über das Unglück des Verurtheilten nicht102 freuen, ſondern betrüben. Nun ſprich, was erreichteſt Du weiter?

Der König theilte mir mit, welchem Hauſe Nitetis ihren Urſprung verdankt.

Weiter Nichts?

Nein, mein Vater; aber brennſt Du nicht darauf, zu vernehmen ...

Neugier iſt ein Laſter des Weibes; auch weiß ich längſt, was Du mir erzählen könnteſt.

Aber Du trugſt mir ja geſtern erſt auf, den Vater auszufragen.

Jch that es, um Dich zu ergründen, um zu prüfen, ob Du den Befehlen der Gottheit ergeben und würdig ſeieſt, in den höchſten Grad des Wiſſens eingeführt zu werden. Jch höre, daß Du uns redlich mittheilſt, was Du erfährſt, und ſehe, daß Du die erſte Prieſtertugend, den Gehorſam, zu üben verſtehſt.

So kennſt Du den Vater der Nitetis?

Jch ſelbſt habe das Gebet an König Hophras Grabe geſprochen.

Aber wer hat Dir dieß Geheimniß verrathen?

Die ewigen Sterne, mein Sohn, und meine Kunſt in denſelben zu leſen.

Und dieſe Sterne? Betrügen ſie niemals?

Niemals den wahrhaft Kundigen!

Pſamtik erblaßte. Der Traum ſeines Vaters und ſein furchtbares Horoskop ſtellten ſich als entſetzliche Schreckbilder vor ſeine Seele. Der Prieſter bemerkte ſchnell die Veränderung in den Zügen des Königsſohnes und ſprach zu ihm mit ſanfter Stimme: Du gedenkſt der unglücklichen Himmelszeichen bei Deiner Geburt, und hältſt Dich für einen verlornen Menſchen; aber tröſte Dich,103 Pſamtik; die Aſtrologen haben damals ein Sternenbild über - ſehen, welches meinem Blicke nicht entgangen iſt. Dein Horoskop war ſchlimm, ſehr ſchlimm, aber es kann ſich zum Guten wenden, es kann ...

O ſprich, Vater, ſprich!

Es muß ſich zum Guten kehren, wenn Du, alle an - deren Dinge vergeſſend, einzig für die Götter lebſt und ihrer Stimme, welche wir allein im Allerheiligſten ver - nehmen, unbedingt Folge leiſteſt.

Winke, mein Vater, und ich werde gehorchen!

Das gebe die Herrin von Sais, die große Neith! rief der Prieſter mit feierlicher Stimme. Jetzt aber, mein Sohn, fuhr er freundlich fort, laß mich allein, denn ich bin müde vom langen Beten und der Laſt meiner Jahre. Wenn es möglich iſt, ſo verzögere den Tod des Phanes; ich möchte ihn ſprechen, bevor er ſtirbt. Noch eins! Geſtern iſt eine Schaar von Aethiopern hier eingerückt. Dieſe Leute ſprechen kein Wort griechiſch. Sie werden unter Führung eines treuen Mannes, welcher den Athener und die Oertlichkeit kennt, geeignet ſein, den Verurtheilten bei Seite zu ſchaffen, denn ihre Unkenntniß der Sprache und Verhältniſſe wird Verrath oder Plauderei unmöglich machen. Vor ihrem Aufbruche nach Naukratis dürfen dieſe Leute nichts von dem Zwecke ihrer Reiſe erfahren; iſt die That vollbracht, ſo verſetzen wir ſie nach Aethiopien zu - rück. Ein Geheimniß, das merke Dir, kann niemals vor - ſichtig genug bewahrt werden. Lebe wohl!

Pſamtik verließ das Gemach des Greiſes. Wenige Augenblicke ſpäter trat ein junger Prieſter, einer der Diener des Königs, in daſſelbe ein und fragte den Alten: Hab ich gut gehorcht, Vater?

Vortrefflich, mein Sohn. Dir iſt Nichts entgangen,104 was Amaſis mit Pſamtik geredet. Möge Jſis 147) Dein Gehör erhalten!

Ach, Vater, ein Tauber konnte heut im Neben - zimmer jedes Wort vernehmen, denn der König brüllte, wie ein Stier.

Die große Neith hat ihn mit Unvorſichtigkeit ge - ſchlagen. Gehe jetzt, halte die Augen auf und benach - richtige mich ſofort, wenn Amaſis, was möglich wäre, den Anſchlag auf Phanes zu hintertreiben verſuchen ſollte. Du findeſt mich auf jeden Fall zu Hauſe. Befiehl den Die - nern, ſie möchten alle Beſucher abweiſen und ſagen ich betete im Allerheiligſten. Der Unnennbare behüte Deine Schritte!

Während Pſamtik alle Vorbereitungen zur Gefangen - nahme des Phanes traf, ſtieg Kröſus mit ſeinen Beglei - tern in eine königliche Nilbarke, um nach Naukratis zu fahren, und den nächſten Abend bei Rhodopis zuzubringen.

Sein Sohn Gyges und die drei jungen Perſer blie - ben zu Sais, woſelbſt es ihnen vortrefflich gefiel.

Amaſis überhäufte ſie mit Gefälligkeiten, geſtattete ihnen, nach ägyptiſchem Gebrauche, den Verkehr mit ſei - ner Gattin und den ſogenannten Zwillings-Schweſtern, lehrte Gyges das Dame Spiel 148) und war unerſchöpflich in Witz und Frohſinn, wenn er zuſah, wie die kräf - tigen und gewandten jungen Helden das Ball - und Rei - fenwerfen ſeiner Töchter, ein beliebtes Vergnügen ägyp - tiſcher Mädchen 149), theilten.

Wahrlich, rief Bartja, nachdem Nitetis den zar - ten mit bunten Bändern geſchmückten Ring zum hundert - ſten Male, ohne zu fehlen, mit ihrem feinen Stäbchen von Elfenbein aufgefangen hatte, dieſes Spiel müſſen wir105 auch in der Heimat einführen. Wir Perſer ſind anders, als ihr Aegypter. Alles Neue und Fremde iſt uns ebenſo willkommen, als es euch verhaßt zu ſein ſcheint. Jch werde unſerer Mutter Kaſſandane davon erzählen, und dieſe wird mit Freuden geſtatten, daß die Frauen meines Bruders ſich daran ergötzen.

O, thue das, thue das! Rief die blonde Tachot, hoch erröthend. Nitetis wird dann mitſpielen und ſich in die Heimat und zu ihren Lieben zurückträumen; Du aber, Bartja, fügte ſie leiſe hinzu, mußt auch, ſo oft Du die Reifen fliegen fliehſt, an dieſe Stunde gedenken.

Der junge Perſer antwortete lächelnd: Jch werde dieſelbe niemals vergeſſen! Dann rief er laut und mun - ter, indem er ſich an ſeine zukünftige Schwägerin wandte: Sei guten Muths, Nitetis, denn es wird Dir beſſer bei uns gefallen, als Du glaubſt. Wir Aſiaten wiſſen die Schönheit zu ehren; dieß beweiſen wir ſchon dadurch, daß wir viele Frauen nehmen!

Nitetis ſeufzte, und Ladike, die Gattin des Königs, rief: Damit eben zeigt ihr, daß ihr das Weſen des Weibes durchaus nicht zu würdigen verſteht! Du ahnſt nicht, Bartja, was ein Weib empfindet, wenn es den Mann, der ihr mehr iſt als das Leben, dem ſie Alles, was ihr heilig und theuer iſt, voll und ohne Rückhalt hingeben möchte, auf ſich herabblicken ſieht, wie auf ein ſchönes Spielwerk, ein edles Roß, einen kunſtreichen Miſchkrug! Tauſendfach ſchmerzlicher iſt es noch, die Liebe, welche man für ſich allein beſitzen möchte, mit hundert Anderen theilen zu müſſen!

Da haſt Du die Eiferſüchtige! rief Amaſis. Spricht ſie nicht, als habe ſie ſchon Gelegenheit gehabt, ſich über meine Treue zu beklagen?

106

O nein, mein Theurer, gab Ladike zurück, darin ſeid ihr Aegypter allen anderen Männern vorzuziehen, daß ihr treu und beſtändig, euch an dem genügen laßt, was euch einmal lieb geworden iſt; ja ich wage es dreiſt zu behaupten, daß keine Frau ſo glücklich ſei, als das Weib eines Aegypters 149a)! Selbſt die Griechen, die uns ſonſt in vielen Dingen als Muſter vorſchweben können, verſtehen nicht das Weib zu würdigen, wie es gewürdigt werden muß! Jn ihren dumpfen Stuben von Müttern und Schaff - nerinnen zur Arbeit am Webeſtuhl und Spinnrocken an - gehalten, vertrauern die meiſten helleniſchen Jungfrauen ihre Kindheit, um, wenn ſie mannbar werden, in das ſtille Haus eines ihnen unbekannten Gatten geführt zu werden, deſſen Thätigkeit für den Staat und das Le - ben ihm nur ſelten geſtattet das Frauengemach zu betre - ten. Nur wenn die nächſten Freunde und Verwandten bei dem Gatten verweilen, darf ſie ſich, aber ſelbſt dann nur ſchüchtern und zaghaft, zu den Männern geſellen, um von dem Weltgetriebe zu hören und zu lernen. Ach, auch in uns wohnt der Drang nach Wiſſen, und gerade unſerm Geſchlechte dürfte man gewiſſe Kenntniſſe nicht vorenthal - ten, damit wir, als Mütter, Lehrerinnen unſerer Kinder werden könnten. Was ſoll eine attiſche Mutter, welche ſelbſt nichts weiß und erfahren hat, ihren Töchtern geben, als Unwiſſenheit? So genügt denn auch dem Hellenen nur gar ſelten ſeine angetraute, ihm geiſtig untergeordnete, Gat - tin, und er geht in die Häuſer jener Hetären, welche, im ſteten Verkehre mit dem anderen Geſchlechte, alles Wiſſen der Männer erlauſchen und daſſelbe mit den Blumen weib - licher Anmuth und dem Salze ihres feineren, zarteren Witzes zu würzen verſtehen*)Siehe Anmerkung 10.. Jn Aegypten iſt es107 anders. Hier geſtattet man den erblühten Mädchen den ungezwungenen geſelligen Verkehr mit den Beſten der Män - ner. Jüngling und Jungfrau lernen ſich bei zahlreichen Feſten kennen und lieben. Die Frau wird ſtatt der Scla - vin, die Freundin des Mannes. Eins ergänzt das An - dere. Jn Schickſalsfragen entſcheidet der Stärkere; die geringeren Sorgen des Lebens werden dem im Kleinen grö - ßeren Weibe überlaſſen. Die Töchter erwachſen unter gu - ter Leitung, denn die Mutter iſt nicht ohne Wiſſen und Erfahrungen. Dem Weibe wird es leicht gemacht tugend - haft und häuslich zu bleiben, denn es erhöht mit Tu - gend und Häuslichkeit das Glück deſſen, welcher ihr allein gehört, deſſen liebſtes Eigenthum ſie ſich zu ſein berühmt. Wir Frauen thun einmal nur, was uns gefällt! Die Aegypter verſtehen die Kunſt, uns dahin zu bringen, daß uns eben nur das gefallen kann, was gut iſt. Hier am Nil hätten Phokylides von Milet und Hipponax von Epheſus niemals ihre Schmählieder auf uns zu ſingen ge - wagt, hier hätte niemals die Sage von der Pandora 150) erfunden werden können.

Wie ſchön Du ſprichſt! rief Bartja. Das Grie - chiſche zu erlernen iſt mir ſchwer geworden; jetzt aber freue ich mich, daß ich mich’s nicht verdrießen ließ und bei dem Unterrichte des Kröſus aufgemerkt habe.

Wer ſind aber jene ſchlechten Männer, welche ſich Schlimmes von den Frauen zu ſagen unterfangen? fragte Darius.

Ein paar griechiſche Dichter, antwortete Amaſis, die kühnſten aller Menſchen; denn lieber möcht ich eine Löwin, als eine Frau zu reizen wagen. Dieſe Griechen ſcheuen ſich eben vor nichts in der Welt. Hört nur ein Pröbchen von der Poeſie des Hipponax:

108
An zweien Tagen nur kann Dich ein Weib erlaben, Am Tag der Hochzeit und am Tag wo ſie begraben.

Höre auf, höre auf, Du Loſer! rief Ladike, ſich die Ohren zuhaltend. Seht, ihr Perſer, ſo iſt dieſer Amaſis. Wo er necken und ſcherzen kann, da thut er’s, wenn er auch ganz gleicher Anſicht mit dem Verſpot - teten iſt. Es gibt gar keinen beſſern Ehemann, als ihn ...

Und gar keine ſchlechtere Frau, als Dich, lachte Amaſis; denn Du bringſt mich wahrhaftig in den Verdacht, ein gar zu gehorſamer Gatte zu ſein! Lebt wohl, Kin - der; die jungen Helden ſollen ſich unſer Sais anſehen; erſt aber will ich denſelben mittheilen, was der böſe Si - monides von der beſten Frau ſingt:

Doch eine ſtammt von der Biene. Glücklich iſt, Wer die empfängt; denn ſie allein iſt tadellos. Durch ſie erblüht und mehret ſich ſein Lebensgut, Alt wird ſie liebend mit dem liebenden Gemahl, Und ihr entſprießt ein ſchönes, rühmliches Geſchlecht. Vor allen Weibern ſtrahlet ſie in Herrlichkeit, Denn einer Göttin holder Reiz umfleußt ſie rings. Es freut ſie nie zu ſitzen unter Weibervolk, Wo jede nur von Liebesluſt zu reden hat. So ſind die beſten Weiber und verſtändigſten, Die Zeus den Männern gnädig zum Beſitz verleiht 151).

So iſt auch meine Ladike! Lebet wohl!

Noch nicht! rief Bartja. Jch muß erſt unſer ar - mes Perſien rechtfertigen, um meiner zukünftigen Schwä - gerin neuen Muth einzuflößen. Aber nein! Darius, rede Du für mich, denn Du verſtehſt die Kunſt der Rede ſo gut, als das Rechnen und die Wiſſenſchaft des Schwertes!

Du ſtellſt mich ja wie einen Schwätzer und Krä - mer 152) dar, erwiederte der Sohn des Hyſtaſpes. Doch109 ſei es; ich brenne ſchon lange darauf, die Sitten unſerer Heimat zu vertheidigen. Wiſſe denn, Ladike, daß Deine Tochter keineswegs die Sclavin, ſondern die Freundin unſeres Königs werden wird, wenn Auramazda 153) ſein Herz zum Guten lenkt; wiſſe, daß auch bei unſeren Feſten die Weiber des Königs an der Tafel der Männer weilen, und daß wir gewohnt ſind, den Frauen und Müttern die höchſte Ehrfurcht zu erweiſen. Hört nur, ob ihr Aegypter euren Gattinnen eine ſchönere Gabe ſchenken könntet, als jener König von Babylon, der eine Perſerin zum Weibe nahm. Dieſe, an die Berge ihrer Heimat gewöhnt, fühlte ſich in den weiten Ebenen des Euphrat unglücklich, und erkrankte am Heimweh. Was that der König? Er ließ einen rieſengroßen Bau auf hohen Brückenbogen auf - führen und den Gipfel deſſelben mit einem Berge von fruchtbarer Erde beſtreuen. Auf dieſem pflanzte er die ſchönſten Blumen und Bäume, welche durch ein künſtliches Pumpwerk bewäſſert wurden. Als Alles fertig war, führte er ſeine perſiſche Gattin dorthin und machte ihr den künſtlichen Berg, von dem ſie, wie von der Höhe des Rachmed, in die Ebene ſchauen konnte, zum Ge - ſchenk 154).

Und ward die Perſerin geſund? fragte Nitetis mit niedergeſchlagenen Augen.

Sie genas und wurde fröhlich; wie auch Du in kurzer Zeit Dich wohl und glücklich in unſerm Lande füh - len wirſt.

Ladike lächelte freundlich und fragte: Was hat wohl mehr zur Geneſung der jungen Königin beigetragen; der künſtliche Berg oder die Liebe des Gatten, der ſolches Werk zu ihrer Freude errichtete?

Die Liebe des Gatten! riefen die Mädchen.

110

Aber Nitetis wird auch den Berg nicht verachten, behauptete Bartja. Jch werde dafür ſorgen, daß ſie auf den hängenden Gärten wohne, ſo oft ſich der Hof nach Babylon begibt.

Jetzt aber kommt! rief Amaſis; ſonſt werdet ihr euch die Stadt im Dunkeln betrachten müſſen. Drüben ſtehen ſchon ſeit einer Stunde zwei Schreiber, welche mei - ner warten. Heda, Sachons, befiehl dem Hauptmanne der Leibwache unſeren hohen Gäſten mit hundert Mann zu folgen!

Aber wozu das? Ein Führer, vielleicht ein griechi - ſcher Unterbefehlshaber, würde genügen.

Es iſt beſſer ſo, ihr Jünglinge. Als Fremder kann man in Aegypten niemals zu vorſichtig ſein. Merkt euch dieß; beſonders aber hütet euch, der heiligen Thiere zu ſpotten. Lebt wohl, meine jungen Helden, und auf Wiederſehen heut Abend beim fröhlichen Becher!

Die Perſer verließen, von ihrem Dolmetſcher, einem Griechen, welcher in Aegypten erzogen worden war, und beide Sprachen 155) mit gleicher Fertigkeit redete, geführt, das Königsſchloß.

Die Straßen von Sais, welche in der Nähe des Palaſtes lagen, boten einen freundlichen Anblick. Die Häuſer, von denen manche fünf Stockwerke hoch waren, pflegten mit Bildern und Hieroglyphenzeichen bedeckt zu ſein. Altane mit Geländern von geſchnitztem bunt an - geſtrichenem Holzwerke umgaben, von bemalten Säulen geſtützt, nach dem Hofe zu, die Wände. An den feſt verſchloſſenen Eingangsthüren vieler Häuſer war der Name und Stand des Beſitzers zu leſen 156). Auf den platten Dächern ſtanden Blumen und Zierſträucher, unter denen die Aegypter am Abende zu verweilen liebten, wenn ſie nicht vorzogen, das Mücken-Thürmchen zu beſteigen, wel -111 ches nur wenigen Häuſern fehlte. Dieſe kleinen Warten wurden erbaut, weil die läſtigen Jnſecten, welche der Nil erzeugt, nur niedrig fliegen, und man ſich daher auf der Höhe der Thürmchen vor ihnen retten konnte 157).

Die jungen Perſer freuten ſich an der großen faſt übertriebenen Reinlichkeit, in welcher jedes einzelne Haus und ſelbſt die Straßen glänzten. Die Thür-Schilder und Klopfer blitzten in der Sonne, die Malereien an den Wän - den, Altanen und Säulen ſahen aus, als ſeien ſie erſt eben vollendet worden, und ſelbſt das Pflaſter in den Straßen 158) ließ vermuthen, daß man es zu ſcheuern ge - wohnt ſei. Je weiter ſich die Perſer vom Nil und dem Palaſt entfernten, je unſcheinbarer wurden die Gaſſen der Stadt. Sie war an den Wänden eines mäßigen Hügels erbaut und hatte ſich, da vor zweieinhalb Jahrhundert die Reſidenz der Pharaonen hierher verlegt worden war, in verhältnißmäßig kurzer Zeit, aus einem unbedeutenden Orte in eine anſehnlich große Stadt verwandelt.

Auf der dem Nilarme zugewendeten Seite von Sais waren die Straßen ſchön und glänzend; an der anderen Berglehne lagen dagegen, nur ſelten von beſſern Häuſern unterbrochen, die aus Nilſchlamm und Akazienzweigen ver - fertigten Hütten der Armuth. Jm Nordweſten erhob ſich die feſte Burg des Königs.

Laßt uns hier umkehren, rief 159) Gyges, der Sohn des Kröſus, ſeinen jüngern Begleitern zu, welche er in Abweſenheit ſeines Vaters zu leiten und zu hüten hatte, als er ſah, daß der Schwarm der Neugierigen, welcher ihnen folgte, von Schritt zu Schritt an Zahl und Größe zunahm.

Wie Du befiehlſt, gab der Dolmetſcher zur Ant - wort. Dort unten im Thale, am Fuße jenes Hügels,112 liegt aber die Todtenſtadt der Saiten, und dieſe iſt, meine ich, für Fremde ſehenswerth genug.

Geh nur voran, rief Bartja; haben wir doch Prexaspes nur begleitet, um die Merkwürdigkeiten des Auslandes zu ſehen!

Als ſie endlich unweit der Todtenſtadt zu einem freien, von den Buden der Handwerker 160) umgebenen Platze ge - langt waren, hörte man wüſtes Geſchrei unter der nachfolgen - den Menge ausbrechen. Kinder jauchzten, Weiber riefen, und eine Stimme, welche alle andern überkreiſchte, ſchrie: Kommt hieher, in den Vorhof des Tempels, um die Werke des großen Zauberers 161) zu ſehen, der aus dem hei - ligen Theben ſtammt und vom großen Ammon Ra, dem Herrn der Welt, mit allen Wunderkräften ausgeſtat - tet iſt!

Folgt mir zu dem kleinen Tempel dort drüben! ſagte der Dolmetſcher. Jhr werdet ſogleich ein ſeltſames Schauſpiel erleben!

Nun drängte er ſich mit den Perſern durch die Maſſe der Aegypter, hier ein nacktes Kind, dort ein gelbliches Weib zurückſtoßend, und kam bald mit einem Prieſter wie - der, der die Fremden in den Vorhof des Tempels führte. Hier ſtand ein prieſterlich gekleideter Mann zwiſchen meh - reren Kiſten und Kaſten. Zwei Mohren knieten neben ihm auf der Erde.

Der Aegypter, ein rieſengroßer Menſch mit geſchmei - digen Gliedern und ſtechenden ſchwarzen Augen, hielt ein Blasinſtrument, in der Art unſerer Clarinetten, in der Hand. Um ſeine Bruſt und ſeine Arme wanden ſich meh - rere in Aegypten für giftig bekannte Schlangen.

Als er den Perſern gegenüber ſtand, verneigte er ſich, lud mit einer artigen Geberde zum Zuſchauen ein,113 legte ſein weißes Gewand ab und begann nun allerlei Kunſtſtücke mit ſeinen Nattern zu machen.

Bald ließ er ſich von ihnen beißen, ſo daß lichtes Blut von ſeiner Wange träufelte, bald zwang er ſie mit den ſeltſamen Tönen ſeiner Flöte ſich aufzurichten und tanzartige Bewegungen zu machen, bald verwandelte er ſie, indem er ihnen in den Rachen ſpeite, zu regungsloſen Stäben. Dann warf er alle Schlangen zu Boden, und führte in ihrer Mitte einen raſenden Tanz aus, ohne eins der Thiere mit den Füßen zu berühren.

Wie ein Toller drehte und krümmte der Zauberer ſeine geſchmeidigen Glieder, bis ihm die Augen aus dem Kopfe heraustraten, und ſich blutiger Schaum an ſeinem Munde zeigte.

Plötzlich warf er ſich wie todt zur Erde nieder. Nichts bewegte ſich an ſeinem Leibe, außer den Lippen, welche ein pfeifendes Ziſchen hören ließen. Auf dieſes Zeichen hin krochen die Schlangen ihm entgegen und leg - ten ſich, gleich lebenden Ringen, um ſeinen Hals, ſeine Beine und ſeinen Leib. Endlich erhob er ſich und ſang ein Lied von der wunderbaren Macht der Gottheit, die ihn, zu ihrem eignen Ruhme, zum Zauberer gemacht habe.

Hierauf öffnete er einen der Kaſten und legte die Mehrzahl der Schlangen in denſelben; nur einige, wahr - ſcheinlich ſeine Lieblinge, behielt er als Hals - und Arm - bänder an ſich.

Als zweiten Theil ſeiner Schauſtellung gab er einige gut ausgeführte Taſchenſpielerkünſte zum Beſten. Er ver - ſchluckte brennenden Flachs, balancirte tanzend Schwerter, deren Spitzen in ſeinen Augenhöhlen ſtanden, zog lange Stricke und Bänder aus den Naſen Aegyptiſcher Kinder,Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 8114zeigte das bekannte Kugel - und Becherſpiel und ſteigerte das andächtige Staunen der Zuſchauer zur höchſten Höhe, indem er aus fünf Straußeneiern ebenſoviele lebendige, junge Kaninchen hervorzauberte.

Die Perſer gehörten durchaus nicht zu dem undank - barſten Theile ſeiner Zuſchauer; im Gegentheil übte das niegeſehene Schauſpiel einen erſchütternden Eindruck auf ihre Seelen.

Jhnen war, als befänden ſie ſich im Reiche der Wunder; von allen Seltſamheiten Aegyptens meinten ſie jetzt die unerhörteſten geſehen zu haben.

Schweigend waren ſie wieder zu den ſchöneren Stra - ßen zurückgelangt, ohne zu bemerken, wie viele der ſie umgebenden Aegypter ohne Hände und mit verſtümmelten Naſen und Ohren einhergingen. Dieſe verunſtalteten Menſchen waren den Aſiaten kein ungewöhnlicher Anblick, denn auch bei ihnen wurden viele Vergehen durch Abſchnei - den von Gliedmaſſen beſtraft. Hätten ſie ſich danach er - kundigt, ſo würden ſie erfahren haben, daß in Aegypten der ſeiner Hand Beraubte ein überführter Fälſcher, die Frau ohne Naſe eine Ehebrecherin, der Zungenloſe ein Staatsverräther oder Verläumder, der Mann ſonder Oh - ren ein Spion, und jenes bleiche, blödſinnige Weib eine Kindsmörderin ſei, welche, als Strafe ihres Vergehens, die Leiche des erdroſſelten Säuglings drei Tage und drei Nächte lang auf ihren Armen halten mußte. Welches Weib konnte, nach Ablauf dieſer Marterſtunden, bei Sin - nen bleiben 162)?

Die meiſten Strafgeſetze der Aegypter hatten ebenſo - wohl den Zweck, das Verbrechen zu züchtigen, als dem Sünder unmöglich zu machen, ſein erſtes Vergehen zum andern Male zu wiederholen.

115

Jetzt gerieth der Zug in Stocken, denn eine zahl - reiche Menſchenmaſſe hatte ſich vor einem der ſchönſten Häuſer, in der zum Neith-Tempel führenden Straße, deſſen wenige Fenſter (die meiſten pflegten ſich dem Hofe und Garten entgegen zu öffnen) mit Laden verſchloſſen waren, zuſammengerottet.

Jn der Hausthür ſtand ein ſchreiender Greis im ſchlichten, weißen Gewande eines prieſterlichen Dieners, der einer Anzahl von andern Mitgliedern ſeines Standes verwehren wollte, eine große Kiſte aus dem Hauſe zu entfernen.

Wer geſtattet Euch, meinen Herrn zu beſtehlen? Schrie er mit wüthenden Geberden. Jch bin der Hüter dieſes Hauſes, und mein Herr hat mir, als er vom - nige nach Perſien, das die Götter vernichten mögen, ge - ſchickt wurde, befohlen, abſonderlich auf dieſe Kiſte, in welcher ſeine Schriften liegen, Acht zu haben!

Beruhige Dich, alter Hib! rief der Tempeldiener, wel - chen wir beim Empfange der Aſiatiſchen Geſandtſchaft kennen gelernt haben, der Oberprieſter der großen Neith, der Herr Deines Herrn, hat uns hierher geſendet. Es müſſen ſeltſame Schriften in dieſer Kiſte ſtecken, ſonſt würde uns Neithoteph nicht mit dem Auftrage, ſie ihm zu holen, beehrt haben.

Aber ich leide nicht, daß das Eigenthum meines Herrn, des großen Arztes Nebenchari, geſtohlen werde! ſchrie der Alte. Jch will mir ſchon Recht ſchaffen, und wenn es nöthig iſt, bis zum Könige gehen!

Halt da! rief jetzt der Tempeldiener. So iſt’s recht. Macht, daß ihr mit der Kiſte fortkommt, ihr Männer! Tragt dieſelbe ſogleich zum Oberprieſter; Du aber, Alter, würdeſt klüger handeln, wenn Du Deine Zunge hüten und bedenken wollteſt, daß auch Du ein Diener meines Herrn116 des Oberprieſters biſt. Mach, daß Du in’s Haus zurück - kommſt, ſonſt ſchleppen wir Dich morgen ſelber fort, wie heut die Kiſte! Bei dieſen Worten ſchlug er die ſchwere Hausthüre zu, ſo daß der Alte in das Vorhaus zurück - geworfen und den Blicken der Menge entzogen wurde.

Die Perſer hatten dem ſeltſamen Auftritte zugeſchaut und ließen ſich denſelben von ihrem Dolmetſcher erklären.

Zopyros lachte, als er vernahm, daß der Beſitzer jener von dem allgewaltigen Oberprieſter eingezogenen Kiſte der Augenarzt ſei, welcher ſich, wegen der blöden Augen der Mutter des Königs, in Perſien aufhielt und ſich durch ſein ernſtes, mürriſches Weſen am Hofe des Kambyſes nur wenig beliebt gemacht hatte.

Bartja beſchloß, Amaſis zu fragen, was dieſer eigen - thümliche Raub zu bedeuten habe; Gyges aber bat ihn, ſich nicht um Dinge zu kümmern, welche ihn nichts angingen.

Als ſie dicht vor dem Schloſſe angelangt waren, (die in Aegypten ſchnell hereinbrechende Dunkelheit begann ſich ſchon über die Erde zu breiten) fühlte ſich Gyges plötzlich von einem fremden Mann, welcher ſein Gewand feſthielt, zurückgehalten. Er ſah ſich um und bemerkte, daß ihm der Unbekannte, indem er den Finger auf die Lippen preßte, das Zeichen des Schweigens gab.

Wann kann ich Dich allein und unbemerkt ſprechen? flüſterte er dem Sohne des Kröſus zu.

Was willſt Du von mir?

Frage nicht, und antworte ſchnell. Beim Mithra 163), ich habe Dir wichtige Dinge zu enthüllen!

Du ſprichſt perſiſch? So biſt Du kein Aegypter, wie Dein Gewand vermuthen läßt?

Jch bin ein Perſer; aber antworte ſchnell, ehe unſer Ge - ſpräch entdeckt wird. Wann kann ich Dich unbemerkt ſprechen?

117

Morgen früh.

Das iſt zu ſpät.

Nun denn in einer Viertelſtunde, wenn es völlig dunkel iſt, an dieſem Thore des Schloſſes.

Jch erwarte Dich.

Mit dieſen Worten verſchwand der Mann. Gyges trennte ſich, im Palaſte angekommen, von Bartja und Zopyros, ſteckte ſein Schwert in den Gürtel, bat Darius ein Gleiches zu thun und ihm zu folgen, und ſtand bald im Dunkel der Nacht am großen Portikus des Schloſſes, dem Fremden gegenüber.

Auramazda ſei geprieſen, daß Du da biſt! rief dieſer dem jungen Lyder auf Perſiſch entgegen; wer aber iſt Dein Begleiter?

Mein Freund, ein Achämenide 164), Darius, Sohn des Hyſtaſpes!

Der Fremde verneigte ſich tief und ſagte: Wohl, ich fürchtete ſchon, ein Aegypter ſei mit Dir gekommen.

Nein, wir ſind allein, und wollen Dich hören. Aber mach es kurz. Wer biſt Du und was willſt Du?

Jch heiße Bubares und war unter dem großen Ky - ros ein armer Hauptmann. Als wir Sardes, die Stadt Deines Vaters, eingenommen hatten, durften wir Anfangs plündern, da bat Dein weiſer Vater den Kyros, er möge zu rauben aufhören laſſen, denn, nachdem er Sardes er - obert habe, ließe er ſich ſelbſt, nicht aber ihn, den früheren Beſitzer, plündern 165). Nun ward bei Todes - ſtrafe befohlen, Alles Erbeutete an die Hauptleute abzu - liefern; dieſen aber aufgetragen, alle Koſtbarkeiten, welche man ihnen überbringen würde, auf den Markt zuſammen tragen zu laſſen. Da lagen viele Haufen von goldenen118 und ſilbernen Geſchirren, ganze Hügel von Weiber - und Männerſchmuckſachen voller Edelgeſtein ...

Schnell, ſchnell; wir haben nicht lange Zeit! unterbrach Gyges den Erzähler.

Du haſt Recht! Jch muß mich kürzer faſſen! Jch verwirkte mein Leben, indem ich eine von Edelſteinen wim - melnde Salbenſchachtel aus dem Schloſſe Deines Vaters für mich behielt. Kyros wollte mich hinrichten laſſen; Kröſus aber rettete mein Leben durch eine Fürbitte bei ſeinem Beſieger. Kyros gab mich frei; erklärte mich aber für ehrlos. So verdanke ich denn Deinem Vater mein Leben; dennoch konnte ich nicht in Perſien bleiben, denn die Ehrloſigkeit laſtete zu ſchwer auf mir. Ein Smyr - näiſches Schiff brachte mich nach Kypros. Dort nahm ich wieder Kriegsdienſte, lernte Griechiſch und Aegyptiſch, kämpfte gegen Amaſis und wurde von Phanes als Kriegs - gefangener hierher gebracht. Jch hatte ſtets als Reiter gedient. Man geſellte mich zu den Sclaven, welche die Pferde des Königs beſorgen. Jch zeichnete mich aus und wurde nach ſechs Jahren Stallaufſeher. Jch habe niemals Deines Vaters und des Dankes, den ich ihm ſchulde, ver - geſſen; jetzt kommt die Reihe an mich, ihm eine Wohlthat zu erweiſen.

Es handelt ſich um meinen Vater? So ſprich, rede, theile mit!

Sogleich. Hat Kröſus den Thronerben Pſamtik be - leidigt?

Jch wüßte nicht.

Dein Vater iſt heut Abend bei Rhodopis zu Nau - kratis?

Woher weißt Du das?

Jch hab es von ihm ſelbſt gehört, denn ich folgte119 ihm heute Morgen zur Barke, um mich ihm zu Füßen zu werfen.

Haſt Du Deinen Zweck erreicht?

Jawohl. Er hob mich freundlich auf und ſagte: Armer Bubares; übermorgen wollen wir uns wieder ſprechen; heute muß ich Rhodopis in Naukratis beſuchen.

Er ſagte die Wahrheit.

So iſt ſchnelle Rettung nöthig. Als der Markt voll war 166), ſind zehn Wagen und zwei Barken mit äthiopi - ſchen Kriegern unter Führung eines ägyptiſchen Haupt - manns heimlich nach Naukratis gefahren, um in der Nacht das Haus der Rhodopis zu umſtellen und ihre Gäſte ge - fangen zu nehmen!

Ha, Verrath! rief Gyges.

Aber was mögen ſie Deinem Vater anthun wollen? fragte Darius. Sie wiſſen doch, daß die Rache des Kambyſes

Jch weiß nichts, wiederholte Bubares, als daß das Landhaus der Rhodopis, in welchem ſich auch Dein Vater befindet, heute Nacht von äthiopiſchen Kriegern umſtellt werden ſoll. Jch ſelber habe die Beſpannung ihrer Wa - gen beſorgt und wohl vernommen, daß der Fächerträger des Thronerben dem Hauptmanne Puhor die Worte zurief: Halte Ohren und Augen offen, laß das Haus der Rho - dopis umſtellen, damit er nicht aus der Hinterthür ent - komme. Schont ſein Leben, wenn es möglich iſt, und tödtet ihn nur, wenn er Widerſtand leiſten ſollte. Bringt ihr ihn lebendig nach Sais zurück, ſo ſollt ihr zwanzig Ringe Gold 167) erhalten!‘

Könnte dieß wirklich meinem Vater gelten?

Nimmermehr! rief Darius.

120

Man weiß nicht, murmelte Bubares, in dieſem Lande iſt Alles möglich.

Wie lange braucht ein ſchnelles Roß, um Naukratis zu erreichen?

Drei Stunden, wenn es den Lauf aushält und der Nil die Straße nicht zu hoch überflutet.

Jn zweien bin ich dort!

Jch reite mit Dir, rief Darius.

Nein, Du mußt mit Zopyros zu Bartjas Schutz hier bleiben. Befiehl unſern Dienern ſich bereit zu halten.

Aber Gyges

Du bleibſt hier und entſchuldigſt mich bei Amaſis. Du ſagſt, ich könne wegen Kopf - oder Magen - oder Zahn - weh das Gelage nicht theilen; hörſt Du? Jch reite das niſäiſche Roß des Bartja; Du, Bubares, folgſt mir auf dem des Darius; Du leihſt es mir doch, mein Bruder?

Wenn ich zehntauſend hätte, ſie gehörten Dir.

Kennſt Du den Weg nach Naukratis, Bubares?

Wie meine Augen!

So gehe hin, Darius, und befiehl, daß man Dein und Bartjas Roß bereit halte! Jedes Zaudern iſt Ver - brechen! Lebe wohl, Darius, vielleicht auf immer! Schütze Bartja! Lebe wohl!

[121]

Achtes Kapitel.

Zwei Stunden vor Mitternacht drangen fröhliche Worte und helle Lichtſtrahlen aus den offenen Fenſtern des Hauſes der Rhodopis.

Heute war die Tafel der Greiſin, zu Ehren des Krö - ſus, beſonders reich geſchmückt.

Auf den Polſtern lagen, bekränzt mit Pappelzweigen und Roſen, die uns bekannten Gäſte der Rhodopis: Theo - doros, Jbykus, Phanes, Ariſtomachos, der Kaufmann Theopompos von Milet, Kröſus und mehrere andere Männer.

Ja, dieß Aegypten, ſagte Theodoros, der Bild - hauer, kommt mir vor, wie ein Mädchen, welches einen gold’nen Schuh beſitzt, den es, wenn er ſie auch ſchmerzt und drückt, nicht ablegen mag, obgleich die ſchönſten, be - quemſten Sohlen vor ihr ſtehen, nach denen ſie nur zu greifen hätte, um ſich auf einmal frei und zwanglos fort - bewegen zu können.

Du meinſt das ſtarre Feſthalten der Aegypter an ihren althergebrachten Formen und Gewohnheiten? fragte Kröſus.

122

Freilich, antwortete der Bildhauer. Noch vor zwei Jahrhunderten war Aegypten unbeſtreitbar das erſte Land der Welt. Seine Kunſt und ſein Wiſſen übertraf Alles, was wir leiſten konnten. Wir ſahen ihnen die Hand - griffe ab, vervollkommneten, gaben den ſtarren Formen Freiheit und Schönheit*)Siehe Anmerkung 26., hielten uns an kein beſtimmtes Maß, ſondern an das Vorbild des Natürlichen, und haben jetzt den Meiſter weit hinter uns gelaſſen. Wie war das möglich? Lediglich dadurch, daß der Lehrer, von unerbittlichen Geſetzen gezwungen, auf dem alten Platze ſtehen bleiben mußte; wir aber nach Kraft und Luſt im weiten Stadion der Kunſt fortlaufen durften.

Aber wie kann man den Künſtler zwingen, ſeine Bildwerke, welche doch immer Verſchiedenes darſtellen, gleichmäßig zu geſtalten?

Das iſt in dieſem Falle ſchnell erklärt. Die Aegypter theilen den ganzen menſchlichen Körper in 21¼ Theile 168), und bemeſſen hiernach die Verhältniſſe der einzelnen Glie - der zu einander. Jch ſelber habe dem Amaſis, in Ge - genwart des erſten ägyptiſchen Bildhauers, eines Prie - ſters von Theben, die Wette angeboten, meinem Bruder Telekles nach Epheſus zu ſchreiben, ihm Größe, Verhält - niß und Stellung nach Aegyptiſcher Weiſe anzugeben und mit ihm zuſammen eine Bildſäule zu verfertigen, welche wie von einer Hand und aus einem Stücke gearbeitet ausſehen ſoll, obgleich Telekles den unteren Theil derſel - ben zu Epheſus, ich aber den oberen Theil zu Sais, unter den Augen des Amaſis herzuſtellen bereit bin.

Und würdeſt Du Deine Wette gewinnen?

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Unbedingt. Jch bin ſchon im Begriff dieſes Kunſt - ſtück auszuführen; ein Kunſtwerk wird es freilich nicht werden, ſo wenig, als irgend eine ägyptiſche Statue dieſen hohen Namen verdient.

Dennoch ſind einzelne Bildwerke, die z. B., welche Amaſis jetzt eben dem Polykrates als Geſchenk nach Sa - mos ſchickt 169), vortrefflich gearbeitet.

Ohne Frage. Was das Handwerk in der Kunſt, d. h. die ſichere Verarbeitung ſelbſt des härteſten Mate - rials betrifft, ſo ſind uns die Aegypter, trotz ihres langen Stillſtandes, noch immer voraus; die freie Geſtaltung aber, die Prometheus Arbeit, das Einhauchen der Seele in den Stein, werden ſie nicht eher erlernen, als bis ſie vollkom - men mit dem alten Formenkrame brechen. Durch Propor - tionen erreicht man keine Darſtellung des geiſtigen Lebens, nicht einmal den anmuthigen Wechſel des Körperlichen. Betrachtet jene hunderttauſend Statuen, welche ſich bei Paläſten und Tempeln von Naukratis bis zu den Katar - rhakten in langer Reihe erheben. Sie alle ſtellen freund - lich ernſte Menſchen im mittleren Mannesalter dar, und dennoch iſt die eine das Bild eines Greiſes, die andere ſoll das Andenken eines königlichen Jünglings verewigen. Kriegshelden, Geſetzgeber, Wüthriche und Menſchenfreunde, alle haben ſo ziemlich das gleiche Anſehen, wenn ſie ſich nicht durch Größe, wodurch der ägyptiſche Künſtler Macht und Stärke ausdrücken will, von einander unterſcheiden. Wie ich mir ein Schwert, ſo beſtellt ſich Amaſis eine Bildſäule. Bevor der Meiſter ſein Werk begonnen hat, wiſſen wir beide im Voraus, ſobald wir nur die Länge und Breite ſorglich angegeben haben, was wir erhalten werden, wenn die Arbeit fertig iſt. Wie könnte ich einen gebrochenen Greis gleich einem ſich aufſchwingenden124 Jüngling, einen Fauſtkämpfer gleich einem Läufer, einen Dichter gleich einem Krieger formen? Stellt den Jby - kus neben unſern Freund, den Spartaner, und bedenkt, was ihr ſagen würdet, wenn ich den Dichter mit geballter Fauſt, den Helden mit ſüßen Geberden darſtellen wollte?

Und was ſagt Amaſis zu Deinen Bemerkungen über dieſen Stillſtand?

Er bedauert denſelben; fühlt ſich aber nicht ſtark genug, um die bindenden Regeln der Prieſter aufzu - heben.

Und dennoch, ſagte der Delphier, hat er für die Ausſchmückung unſeres neuen Tempels, um die helleniſche Kunſt zu fördern‘, ich gebrauche ſeine eigenen Worte, eine namhafte Summe bewilligt.

Das iſt ſchön von ihm, rief Kröſus. Werden die Alkmäoniden bald jene dreihundert Talente*)750,000 Thaler., deren ſie zur Vollendung des Tempels bedürfen, zuſammen haben 170)? Wär ich noch in den alten Glücksumſtänden, ſo würd ich gern die ganzen Koſten übernehmen, wenn mich auch Dein böſer Gott, trotz aller Geſchenke, die ich ihm darbrachte, gar arg betrogen hat. Als ich nämlich denſelben fragen ließ, ob ich den Krieg gegen Kyros beginnen ſollte, gab er mir zur Antwort, daß ich ein großes Reich vernichten würde, wenn ich den Halys Strom überſchritte 171). Jch vertraute dem Gotte, gewann, nach ſeinen Befehlen, die Freundſchaft der Spartaner und zerſtörte, den Grenzfluß überſchreitend, in der That ein großes Reich; dieſes Reich war aber nicht das mediſch-perſiſche, ſondern mein eignes armes Lydien, welches jetzt, als Satrapie des Kambyſes, Zeit hat, ſeines alten Ruhms zu vergeſſen!

125

Du tadelſt den Gott mit Unrecht, antwortete Phry - ros, denn es iſt nicht ſeine Schuld, daß Du in menſch - licher Eitelkeit ſeinem Ausſpruch eine falſche Deutung gegeben haſt. Er ſagte nicht das Reich der Perſer‘, ſon - dern ein Reich‘ werde durch Deine Kriegsluſt zerſtört werden. Warum fragteſt Du nicht, welches Reich er meine? Hat er Dir nicht außerdem das Schickſal Deines Sohnes, der Wahrheit gemäß, vorher geſagt und Dir zu - gerufen, daß derſelbe am Tage des Unheils die Sprache wieder erlangen würde? Und als Du nach dem Falle von Sardes Kyros um die Gnade bateſt, in Delphi anfragen zu dürfen, ob die griechiſchen Götter ſich’s zum Geſetz gemacht hätten, ihren Wohlthätern Undank zu erweiſen, da hat Dir Loxias geantwortet, er habe das Beſte mit Dir vorgehabt; aber über ihm walte, mächtiger als er, das unerbittliche Geſchick, welches ſchon Deinem gewaltigen Ahnherrn 172) vorherſagte, daß der Fünfte nach ihm, und der warſt Du, dem Verderben erleſen ſei!

Und ſchon damals, antwortete Kröſus, gab ich mich zufrieden. Ja, nicht Dein Gott, ſondern meine Ei - telkeit und Selbſtſucht richteten meine Macht zu Grunde. Statt des Reichthums ſchenkte mir Apollon Zufriedenheit, und dieſe genügt mir. Jm Vergleich zu früheren Tagen bin ich arm; doch Kambyſes läßt mich nicht darben, und ich vermag für euren Bau noch immer ein Talentx)173) zu ſenden.

Phryxos dankte; Phanes aber ſagte: Die Alkmäo - niden werden ein ſchönes Werk herſtellen, denn ſie ſind ehrgeizig, reich, und wollen ſich die Gunſt der Amphiktyo - nen erwerben, um, von ihnen unterſtützt, den Tyrannen zu ſtürzen, mein Geſchlecht zu überflügeln und ſich der Lenkung des Staats zu bemächtigen.

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Zu dem Reichthum dieſer Familie haſt Du, Kröſus, wie man erzählt, neben der Agariſte 174), welche dem Me - gakles große Schätze mitbrachte, das Meiſte beigetragen, ſagte Jbykus.

Freilich, freilich, lachte Kröſus.

Erzähle den Hergang der Sache! bat Rhodopis.

Alkmäon von Athen kam einſt an meinen Hof 175). Der heitere, fein gebildete Mann gefiel mir ſo gut, daß ich ihn längere Zeit bei mir behielt. Eines Tages zeigte ich ihm meine Schatzkammern, über deren Reichthum er in eine wahre Verzweiflung gerieth. Er nannte ſich einen gemeinen Bettler und malte ſich ein glückliches Leben aus, wenn er nur einen einzigen Griff in all dieſe Herrlichkei - ten thun dürfte. Da geſtattete ich ihm, ſo viel Gold mit - zunehmen, als er zu tragen vermöge. Was that nun Alkmäon? Er ließ ſich hohe lydiſche Reiterſtiefel anziehen, eine Schürze umbinden und einen Korb an den Rücken befeſtigen. Dieſen füllte er mit Schätzen, in die Schürze häufte er ſo viel Gold, als er zu tragen vermochte, die Stiefel überlaſtete er mit goldnen Münzen, in Haar und Bart ließ er Goldſtaub ſtreuen; ja ſelbſt den Mund füllte er mit Gold, ſo daß ſeine Backen ausſahen, als ſei er im Begriff an einem großen Rettig zu erſticken. Jn jeder Hand nahm er zuletzt eine goldene Schüſſel, und ſchleppte ſich ſo, unter ſeiner Laſt erliegend, zur Schatzkammer hinaus. Vor der Thür derſelben brach er zuſammen; ich aber habe niemals wieder ſo herzlich gelacht, als an jenem Tage.

Und Du ließeſt ihm dieſe Schätze? fragte Rhodopis.

Freilich, meine Freundin; glaubte ich doch die Er - fahrung, daß Gold ſelbſt einen klugen Mann zum Narren mache, nicht zu theuer bezahlt zu haben.

127

Du warſt der freigebigſte aller Fürſten! rief Phanes.

Und bin jetzt der zufriedenſte aller Bettler. Doch ſage mir, Phryxos, wie viel hat Amaſis zu Deiner Sammlung beigetragen?

Er gab tauſend Centner Alaun 176)!

Das ſcheint mir ein fürſtliches Geſchenk zu ſein.

Und der Thronerbe?

Als ich ihn anging und mich auf die Freigebigkeit ſeines Vaters berief, lachte er bitter und ſagte, mir den Rücken kehrend: Wenn Du für die Zerſtörung eurer Tem - pel ſammeln wirſt, ſo bin ich bereit doppelt ſo viel als Amaſis zu zeichnen.

Der Elende!

Sage lieber: der echte Aegypter! Pſamtik haßt Alles, was nicht aus dieſem Lande ſtammt.

Wieviel haben die Hellenen zu Naukratis beige - tragen?

Außer den reichen Beiträgen der Privatleute zeich - nete jede Gemeinde 177) zwanzig Minen.

Das iſt viel!

Oinophilos der Sybarit ſchickte mir ganz allein tauſend*)Siehe Anmerkung 173. 250 Thaler. Drachmen und begleitete dieſelben mit einem höchſt ſonderbaren Briefe. Darf ich denſelben vorleſen, Rhodopis?

Jmmerhin, antwortete die Greiſin. Jhr werdet aus demſelben erſehen, daß dem Schlemmer ſein Betragen von neulich leid thut.

Der Delphier holte das Briefröllchen aus ſeiner Taſche und las: Oinophilos läßt dem Phryxos ſagen: Es thut128 mir leid, daß ich neulich bei Rhodopis nicht mehr ge - trunken habe; denn hätt ich das gethan, ſo würd ich ohne alle Beſinnung und außer Stande geweſen ſein, auch nur die kleinſte Fliege zu beleidigen. Meine verwünſchte Mäßigkeit trägt alſo die Schuld, daß ich mich von nun ab nicht mehr an der wohlbeſetzteſten Tafel in ganz Aegyp - ten ergötzen darf.

Uebrigens bin ich Rhodopis ſchon für das Genoſſene dankbar, und ſende Dir, in Gedanken an jenen herrlichen Rinderbraten, wegen deſſen ich den Koch der Thrakerin um jeden Preis zu kaufen wünſche, zwölf große Spieße zum Ochſenröſten 178). Selbige mögeſt Du in irgend einem Schatzhauſe von Delphi, als Geſchenk der Rhodopis, auf - ſtellen laſſen. Jch ſelber zeichne, weil ich ein reicher Mann bin, ganze tauſend Drachmen. Bei den nächſten Pythi - ſchen Spielen ſoll dieſe Gabe öffentlich ausgerufen werden.

Dem Grobian Ariſtomachos von Sparta ſprich mei - nen Dank aus. Er hat den Zweck meiner Reiſe nach Aegypten weſentlich gefördert. Jch war hierher gekom - men, um mir einen böſen Zahn von jenem ägyptiſchen Arzte 179) ausnehmen zu laſſen, welcher kranke Zähne ohne große Schmerzen beſeitigen ſoll. Ariſtomachos hat den ſchadhaften Theil meines Gebiſſes mit ſeinem Fauſtſchlage entfernt, und mir jene furchtbare Operation, vor der ich zitterte, erſpart. Als ich zu mir kam, fand ich drei aus - geſchlagene Zähne in meinem Munde, den kranken und zwei geſunde, denen es anzuſehen war, daß ſie mir ſpäter einmal vielleicht Schmerzen verurſacht haben könnten.

Grüße Rhodopis und den ſchönen Phanes von mir; Dich aber erſuche ich, heut über ein Jahr ein Gaſtmahl in meinem Hauſe zu Sybaris einzunehmen 180). Wir129 pflegen unſere Einladung, wegen mancher kleiner Vorbe - reitungen, etwas früh zu machen.

Jch laſſe dieſen Brief von meinem gelehrten Sclaven Sophotatos im Nebenzimmer ſchreiben, denn ich bekomme den Krampf in die Finger, wenn ich nur der Arbeit des Schreibens zuſchaue.

Alle Gäſte brachen in ein ſchallendes Gelächter aus; Rhodopis aber ſagte: Mich erfreut dieſer Brief, weil ich aus demſelben erſehe, daß Oinophilos kein ſchlechter Menſch iſt. Sybaritiſch erzogen ...

Verzeiht, ihr Herren, wenn ich Euch ſtöre, und Du, ehrwürdige Hellenin, daß ich ungeladen in Dein friedliches Haus dringe! Mit dieſen Worten unterbrach ein der Greiſin fremder Mann, welcher von Allen unbemerkt in das Speiſezimmer getreten war, das Geſpräch der Schmau - ſenden. Jch bin Gyges, Sohn des Kröſus, und nicht zum Scherze vor kaum zwei Stunden von Sais fortge - ritten, um zur rechten Zeit hier einzutreffen!

Menon, ein Polſter für unſern neuen Gaſt! rief Rhodopis. Sei herzlich willkommen in meinem Hauſe und ruhe aus von Deinem wilden, echt lydiſchen Ritte.

Beim Hunde 181), Gyges, ſagte Kröſus, ſeinem Sohne die Hand reichend, ich begreife nicht, was Dich zu ſo ſpäter Stunde hierherführt. Jch hatte Dich erſucht, nicht von des mir anvertrauten Bartja Seite zu weichen, und dennoch ... Aber wie ſiehſt Du aus? Jſt etwas vor - gefallen? Hat ſich ein Unglück ereignet? So ſprich doch, ſprich!

Gyges vermochte in den erſten Augenblicken kein Wort auf die Rede ſeines Vaters zu erwiedern. Jhm war, als er den Geliebten, für deſſen Leben er gefürchtet hatte, wohlbehalten und fröhlich beim reichlichen Schmauſe ſitzenEbers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 9130ſah, als habe er zum Zweitenmale die Sprache verloren. Endlich kehrte ihm die Kraft der Rede wieder und er ant - wortete: Die Götter ſeien geprieſen, mein Vater, daß ich Dich wohlbehalten wiederſehe! Glaube ja nicht, ich habe meinen Poſten an Bartja’s Seite leichtſinnig verlaſ - ſen. Jch bin gezwungen worden, mich als Unglücksvogel in dieſe frohe Verſammlung einzudrängen. Wißt, ihr Männer, denn ich darf keine Zeit mit Vorbereitungen ver - lieren, Eurer warten Verrath und Ueberfall.

Alle Anweſenden ſprangen, wie vom Blitz getroffen, auf die Füße. Ariſtomachos lockerte ſchweigend das Schwert in ſeiner Scheide und Phanes ſtreckte die Arme aus, als wollt er prüfen, ob ihm noch die alte athletiſche Spann - kraft innewohne.

Was iſt’s? Was hat man mit uns vor? fragte es von allen Seiten.

Dieſes Haus iſt von äthiopiſchen Kriegern um - ſtellt! erwiederte Gyges. Ein treuer Menſch hat mir mitgetheilt, der Thronerbe wolle Einen aus eurer Mitte gefangen fortführen laſſen, ja derſelbe habe befohlen, ſein Opfer zu tödten, wenn es ſich wehren ſollte. Jch fürchtete für Dich, mein Vater, und jagte hierher. Der Mann, von dem ich Alles erfuhr, hat nicht gelogen. Dieß Haus iſt umſtellt. Als ich an der Pforte Deines Gar - tens, o Rhodopis, anlangte, ſcheute mein Roß, trotz ſeiner Ermüdung. Jch ſtieg ab, und gewahrte im Mondenſcheine hinter jedem Strauche die blitzenden Waffen und glühenden Augen verſteckter Menſchen. Sie ließen uns ungeſtört in den Garten treten.

Eine wichtige Meldung! unterbrach der in das Zimmer ſtürzende Knakias die Rede des Gyges. Als ich ſoeben, um Waſſer für den Miſchkrug 182) aus dem Nil zu131 holen, dem Strome zuging, ſtürzte mir ein Menſch entgegen, welcher mich beinahe umgerannt hätte. Jch er - kannte ihn bald. Es war ein äthiopiſcher Ruderknecht des Phanes und erzählte, er wär eben, um zu baden, aus dem Nachen in den Nil geſprungen, als eine könig - liche Barke ſich an den Kahn des Phanes gelegt und ein Soldat die in demſelben verweilende Mannſchaft gefragt habe, wem ſie diene. Dem Phanes, antwortete der Steuermann. Die königliche Barke fuhr langſam wei - ter, ohne ſich ſcheinbar um Dein Schiff, mein Oberſt, zu kümmern; der badende Ruderknecht hatte ſich aber zum Scherz auf das Steuer des fremden Fahrzeuges geſetzt, und hörte, wie ein äthiopiſcher Soldat in demſelben einem andern zurief: Behalte dieß Fahrzeug wohl im Auge; wir wiſſen jetzt, wo der Vogel ſein Neſt hat; nun wird es leicht ſein, ihn zu fangen. Bedenke, daß uns Pſamtik fünfzig goldne Ringe verſprochen hat, wenn wir den Athener todt oder lebendig nach Sais bringen. Solches berichtete Sabak, der Matroſe, welcher Dir ſeit ſieben Jahren dient, o Phanes.

Mit großer Ruhe hatte der Athener die Erzählung des Gyges und die des Sclaven mit angehört.

Rhodopis zitterte, Ariſtomachos rief: Jch laſſe Dir kein Härchen krümmen und ſollt ich ganz Aegypten zerſchlagen! Kröſus rieth zur Vorſicht; eine ungeheure Aufregung hatte ſich des ganzen Kreiſes bemächtigt.

Endlich brach Phanes ſein Stillſchweigen und ſagte: Niemals iſt Ueberlegung nöthiger, als in Gefahr. Jch bin mit Nachdenken fertig und ſehe ein, daß ich ſchwerlich zu retten bin. Die Aegypter werden verſuchen, mich ohne Aufſehen zu beſeitigen. Sie wiſſen, daß ich morgen in aller Frühe mit einer phokäiſchen Triere von132 Naukratis nach Sigäon ſegeln will und haben alſo keine Zeit zu verlieren, wenn ſie mich fangen wollen. Dein ganzer Garten, Rhodopis, iſt umſtellt. Sollt ich bei Dir bleiben, ſo wäreſt Du ſicher, daß man Dein Haus durchſuchen und mich in demſelben fangen würde. Das phokäiſche Schiff, welches mich zu den Meinen brin - gen ſoll, wird ohne Zweifel gleich dieſem Hauſe be - wacht. Um meinetwillen ſoll kein unnützes Blut vergoſſen werden.

Du darfſt Dich nicht ergeben! ſchrie Ariſtomachos.

Jch hab’s, ich hab’s! rief plötzlich Theopompos, der mileſiſche Kaufmann. Morgen bei Sonnenaufgang ſegelt ein Schiff mit ägyptiſchem Getreide, nicht von Nau - kratis, ſondern von Kanobos aus nach Milet. Nimm das Pferd des edlen Perſers und reite dorthin; wir bahnen Dir mit Gewalt den Weg durch den Garten!

Unſere unbewaffnete Schaar würde zu einem Ge - waltſtreiche nicht genügen, erwiederte Gyges. Wir ſind zehn Männer, von denen nur drei ein Schwert beſitzen; jene, deren Zahl ſich wenigſtens auf hundert beläuft, ſind bis an die Zähne bewaffnet.

Und wenn Du, Lyder, zehnmal keinen Muth haſt, und wenn ihrer zweimal hundert wären, rief Ariſtoma - chos, ich kämpfe!

Phanes drückte dem Freunde die Hand. Gyges er - bleichte. Der erprobte Held hatte ihn muthlos genannt. Wieder fand er keine Worte, ſich zu vertheidigen. Bei jeder Erregung des Gemüths verſagte die Sprache ſeiner Zunge; plötzlich rötheten ſich aber ſeine Wangen und ſchnell und beſtimmt rief er: Folge mir, Athener! Du aber, Spartaner, der Du ſonſt zu bedenken pflegſt, was Du ſprichſt, nenne in Zukunft Niemanden muthlos, den Du133 nicht kennſt. Jhr Freunde, Phanes iſt gerettet. Lebe wohl, mein Vater!

Erſtaunten Muthes ſchauten die Zurückbleibenden auf die ſich entfernenden Männer. Kurze Zeit nach ihrem Verſchwinden hörten die lauſchenden Gäſte den Hufſchlag zweier fortſprengender Pferde; dann vernahmen ſie nach längerer Zeit einen langgedehnten Pfiff und Hülferufe vom Nile her.

Wo iſt Knakias? fragte Rhodopis einen ihrer Sclaven.

Er hat ſich mit Phanes und dem Perſer in den Garten begeben. Jn dieſem Augenblicke trat der alte Diener zitternd und bleich in das Zimmer.

Haſt Du meinen Sohn geſehen? rief ihm Kröſus entgegen.

Wo iſt Phanes?

Beide laſſen Euch den Abſchiedsgruß durch mich über - bringen.

So ſind ſie fort? Wohin gingen ſie? Wie iſt es möglich ...?

Hier in dieſem Seitenzimmer, erzählte der Sclave, hatten der Athener und der Perſer zuerſt einen Wort - wechſel. Dann mußte ich beide entkleiden. Phanes that die Hoſen, den Rock und den Gürtel des Fremden an und ſetzte deſſen ſpitze Mütze auf ſeine Locken; der Perſer aber hüllte ſich in das Chiton und den Mantel des Athe - ners, ſchmückte ſeine Stirn mit dem goldnen Reife deſſel - ben, ließ ſich die Haare von ſeiner Oberlippe ſchnei - den, und befahl mir, ihm in den Garten zu folgen.

Phanes, den Jedermann in ſeiner neuen Kleidung für einen Perſer halten mußte, ſchwang ſich auf eines der vor der Pforte haltenden Roſſe. Der Fremde rief134 ihm fortwährend zu: Lebe wohl, Gyges lebe wohl, ge - liebter Perſer, reiſe glücklich, Gyges!‘ Der an der Pforte harrende Diener ritt ihm nach. Jn den Büſchen hörte ich überall Waffengeklirr, aber niemand trat dem fortjagenden Athener in den Weg. Die verſteckten Krieger hielten ihn, ohne Frage, für einen Perſer.

Als wir wieder vor dieſem Hauſe ſtanden, befahl mir der Fremde: Jetzt begleite mich zur Barke des Phanes und laß nicht ab, mich bei dem Namen des Atheners zu nennen. Aber die Matroſen können Dich leicht ver - rathen, wendete ich ein. So geh erſt allein zu ihnen, und befiehl, ſie möchten mich empfangen, als wäre ich Phanes, ihr Gebieter.

Jch bat nun, er möge mir erlauben, mich ſtatt ſei - ner im Kleide des Entflohenen, von den Häſchern ergreifen zu laſſen. Er verweigerte dieß auf’s Beſtimmteſte, und er hatte Recht, als er ſagte, meine Haltung würde mich ſofort verrathen.

Ach, nur der Freie ſchreitet gerade und aufrecht ein - her; des Sclaven Nacken iſt immer krumm und ſeine Be - wegungen entbehren der Anmuth, die ihr Edlen in den Schulen und Gymnaſien erlernt. So wird es ewig blei - ben, denn unſere Kinder müſſen ihren Vätern ähnlich wer - den; entwächſt doch der garſtigen Zwiebel keine Roſe, und dem grauen Rettig keine Hyazinthe 183). Das Dienen krümmt den Nacken, wie das Bewußtſein der Freiheit den Wuchs erhebt!

Was iſt aus meinem Sohn geworden? rief Kröſus, den Sclaven unterbrechend.

Er nahm mein armes Opfer nicht an und ſetzte ſich, indem er mir tauſend Grüße an Dich, o König, auftrug, in die Barke. Jch ſchrie ihm nach: Gehabe Dich wohl,135 Phanes, glückliche Reiſe, Phanes!‘ Eine Wolke hatte ſich über den Mond gebreitet; es war ſehr finſter geworden. Plötzlich hörte ich Geſchrei und Hülferufe; das dauerte aber nur kurze Zeit, dann erklang ein gellender Pfiff, und endlich vernahm ich nur noch gleichmäßige Ruderſchläge. Eben wollt ich, um Euch von dem Vorgefallenen zu be - nachrichtigen, in’s Haus zurückkehren, als Sabak, der Schiffsknecht, von Neuem angeſchwommen kam. Er berich - tete Folgendes: Die Aegypter hatten die Barke des Pha - nes, wahrſcheinlich durch Taucher, anbohren laſſen. Als dieſelbe ein Stück vom Lande entfernt war, ſank ſie unter. Die Matroſen ſchrieen nach Rettung. Da kam das könig - liche Schiff, welches ihnen folgte, herbei, nahm den ver - meinten Phanes, als wenn es ihn retten wollte, an Bord, und verhinderte die Matroſen des Atheners von ihren Bänken zu weichen. Sie alle ſind mit dem angebohrten Fahrzeuge untergegangen, nur der kühne Schwimmer Sabak erreichte das Ufer. Gyges befindet ſich auf dem königlichen Schiffe; Phanes iſt entkommen, denn jener Pfiff muß den Soldaten an der Hinterpforte gegolten ha - ben. Als ich, bevor ich hierherkam, die Büſche an der Straße unterſuchte, fand ich keinen Menſchen mehr hinter denſelben; doch hörte ich das Waffenraſſeln und Reden der Krieger, welche ſich wiederum auf dem Wege nach Sais befanden.

Mit fieberhafter Spannung hatten die Gäſte der Rhodopis dem Sclaven zugehört.

Als er ſeine Erzählung beendet hatte, war die Stim - mung eine ſehr getheilte. Das Glück, den geliebten Freund aus einer drohenden Lebensgefahr gerettet zu wiſſen, war das erſte Gefühl der meiſten; dann aber machte ſich die Furcht um den kühnen Lyder geltend. Man pries den136 Edelmuth deſſelben; man beglückwünſchte den Vater eines ſolchen Sohnes und kam endlich darin überein, daß der Thronerbe, ſobald der Jrrthum ſeiner Leute bemerkt wer - den würde, Gyges nicht nur ohne Weiteres freilaſſen müſſe, ſondern auch verpflichtet ſei, demſelben eine Genugthuung zu gewähren.

Kröſus ſelbſt beruhigte ſich bei dem Gedanken an die Freundſchaft des Amaſis und jene Scheu, welche derſelbe vor der Macht der Perſer gezeigt hatte. Bald darauf ver - ließ er das Haus der Rhodopis, um bei dem Mileſier Theopompos zu übernachten.

Grüße Gyges von mir! rief Ariſtomachos, als ſich der Greis entfernte. Jch laſſe ihn um Verzeihung bitten und ihm ſagen, ich wünſchte, ihn zum Freunde zu haben, oder, wenn das nicht ginge, ihm, als ehrlichem Feind, im Felde gegenüber zu ſtehen.

Wer kann wiſſen, was die Zukunft bringt! erwie - derte Kröſus, dem Spartaner die Hand reichend.

[137]

Neuntes Kapitel.

Die Sonne eines neuen Tages war über Aegypten aufgegangen. Der reiche Thau der Nacht, welcher am Nil den Regen zu erſetzen pflegt, lag wie Smaragden und Edelgeſtein auf den Blättern und in den Blüten; die Sonne ſtand noch tief im Oſten, und die von einem warmen Südwinde durchwehte Morgenluft lud vor der drückenden Wärme des Mittags in die freie Luft.

Aus dem uns wohlbekannten Landhauſe traten zwei weibliche Geſtalten: die alte Sclavin Melitta und Sappho, die Enkelin der Rhodopis.

Wie eine Gazelle tanzte das anmuthige Mädchen durch den Garten. Liebreizend und jungfräulich, wie wir ſie im Schlafe geſehen, erſchien ſie auch jetzt. Dabei umſpielte ein ſchalkhafter Zug ihren roſigen Mund und die Grübchen in Kinn und Wangen. Das volle braune Haar ſtahl ſich unter dem purpurrothen Kopftüchlein hervor, und das leichte weiße Morgengewand mit den weiten Aermeln flat - terte zwanglos um ihre geſchmeidigen Glieder.

Jetzt bückte ſie ſich, brach eine junge Roſenknoſpe, ſpritzte den Thau, welcher auf derſelben lag, ihrer alten Wärterin in’s Geſicht; lachte laut und glockenrein138 über ihren loſen Streich, heftete die Roſe an ihren Buſen und begann mit wunderbar voller und anmuthiger Stimme zu ſingen:

Als Eros einſtmals Roſen brach,
Da iſt es ihm geſchehen,
Daß ſeine Hand ein Bienlein ſtach;
Er hatt es nicht geſehen.
Nun ſchüttelt er die Händchen klein,
Nun hob er an zu klagen
Und flog zu ſeinem Mütterlein
Mit ſchnellem Flügelſchlagen.
O Mutter, rief er, Mutter ach!
Mir iſt ſo weh und bange;
Jch werde ſterben, denn mich ſtach
Gar eine böſe Schlange.
Geflügelt iſt das gift’ge Thier,
Du wirſt es ſicher kennen;
Es iſt daſſelbe, das allhier
Die Bauern Biene nennen
*)

Die letzten Verſe dieſes Liedes lauten:

Doch Kypris ſprach: Wenn Du mein Sohn Empfindeſt ſolches Wehe
Vom Stachel einer Biene ſchon,
Dann, liebes Kind, geſtehe,
Wie muß es erſt dem Menſchen ſein
Mit Deinem Pfeil im Herzen;
Ach, Eros, das iſt eine Pein
Die ſchwerer zu verſchmerzen!
*) 184).

Jſt mein Lied nicht ſchön? Lachte das Mädchen. O, wie dumm doch der kleine Eros iſt, eine Biene für eine geflügelte Schlange zu halten! Die Großmutter ſagt, ſie wiſſe noch eine Strophe dieſes Geſanges, den der große Dichter Anakreon erdacht hat; ſie wolle mich dieſelbe aber139 noch nicht lehren. Sage, Melitta, was mag die Stro - phe wohl enthalten? Du lächelſt? Liebe, einzige Me - litta, ſinge mir das Verschen vor! Oder, kennſt Du es nicht? Nein? Dann freilich kannſt Du’s mich nicht lehren.

Das iſt ein ganz neues Lied, erwiederte die Alte, den Bitten ihres Lieblings wehrend, und ich kenne nur die Geſänge aus der alten guten Zeit. Aber was iſt das? Hörteſt Du nicht dort an der Pforte den Klopfer gehen?

Freilich, und mir war’s auch, als hätt ich den Hufſchlag eines Pferdes auf der Straße vernommen. Da klopft es wieder! Sieh nach, wer zu ſo früher Stunde Einlaß begehrt. Vielleicht iſt der gute Phanes geſtern dennoch nicht abgereist und will uns noch einmal Lebe - wohl ſagen.

Phanes iſt fort, entgegnete die Alte, ernſter wer - dend. Rhodopis hat mir befohlen, Dich in’s Haus zu ſchicken, wenn Beſuch kommen ſollte ... Geh, Mädchen, damit ich die Pforte öffnen kann. Geh, da klopft es wieder!

Sappho that, als liefe ſie dem Hauſe entgegen; ſtatt aber dem Befehle ihrer Wärterin zu folgen, verſteckte ſie ſich hinter ein Roſengebüſch, um von dort aus den frühen Beſuch in Augenſchein nehmen zu können. Man hatte ihr die Vorgänge des geſtrigen Abends, um ſie nicht um - ſonſt zu ängſtigen, verheimlicht, und Sappho war ge - wohnt, in ſo früher Stunde nur die vertrauteſten Freunde ihrer Großmutter erſcheinen zu ſehen.

Melitta öffnete die Pforte des Gartens, und führte bald darauf einen blondlockigen reich geſchmückten Jüngling in denſelben ein.

Sappho, erſtaunt über die ihr fremde Tracht und die140 große Schönheit des perſiſchen Königsſohnes, denn dieſer war der frühe Beſucher, rührte ſich nicht von ihrem Platze und konnte ihre Augen nicht von ſeinem Angeſichte wenden. Gerade ſo hatte ſie ſich den ſchönlockigen Apollon, den Führer des Sonnenwagens und der Muſen, vorgeſtellt.

Melitta und der Fremde näherten ſich ihrem Ver - ſtecke; ſie aber drängte das Köpfchen zwiſchen den Ro - ſen hervor, um den Jüngling, welcher freundlich, aber in gebrochenem Griechiſch, zu der alten Sclavin ſprach, beſſer verſtehen zu können.

Jetzt vernahm ſie, daß ſich derſelbe in einer ge - wiſſen Haſt nach Kröſus und dem Sohne deſſelben erkun - digte. Dann hörte ſie auch zum Erſtenmale von der alten Sclavin Alles, was ſich am geſtrigen Abende zugetragen hatte. Sie zitterte für Phanes, ſie dankte in ihrem Her - zen dem edlen Gyges, ſie fragte ſich, wer dieſer königlich geſchmückte Jüngling ſein möge. Wohl hatte ihr Rhodo - pis von den Heldenthaten des Kyros, vom Sturze des Kröſus, von der Macht und dem Reichthum der Perſer erzählt; bis dahin hatte ſie aber die Aſiaten für ein wil - des, rohes Volk gehalten. Je länger ſie nun den ſchö - nen Bartja anſchaute, je höher wuchs ihre Theilnahme für die Perſer. Als ſich endlich Melitta entfernte, um ihre Großmutter zu wecken und derſelben den frühen Be - ſuch zu melden, wollte ſie ihr folgen; Eros aber, der thörichte Knabe, über deſſen kindliche Unwiſſenheit das Mädchen noch vor wenigen Minuten geſpottet hatte, wollt es anders. Jhr Gewand verfing ſich in den Dornen der Roſen, und, ehe ſie ſich von denſelben los machen konnte, ſtand ihr der ſchöne Perſer bereits gegenüber und half dem hocherröthenden Mädchen ihr Kleid von dem verräthe - riſchen Strauche zu befreien.

141

Sappho vermochte kein Wort des Dankes zu ſagen und ſchlug, ſchämig lächelnd, die Augen nieder.

Bartja, der ſonſt ſo übermüthige Knabe, blickte ſtumm und, gleich ihr erröthend, auf ſie herab.

Dieſes Schweigen dauerte aber nur kurze Zeit, denn das Mädchen, welches ſich bald von ihrem Schrecken erholt hatte, lachte auf einmal in kindlichem Ergötzen über den ſtummen Fremdling und die Seltſamkeit ihrer Lage hell und fröhlich auf und floh, gleich einem geſcheuchten Reh, dem Hauſe zu.

Jetzt kehrte auch dem Perſer ſeine natürliche Unbe - fangenheit wieder. Jn zwei Sätzen hatte er das Mädchen erreicht. Schnell wie der Gedanke faßte er ihre Hand, und behielt dieſelbe, trotz alles Sträubens, feſt in der ſeinen.

Laß mich los! bat Sappho, halb ernſt, halb lächelnd ihre dunklen Augen zu dem Jüngling erhebend.

Wie ſollt ich! antwortete dieſer. Jch habe Dich von dem Roſenſtrauche gepflückt und halte Dich feſt, bis Du mir, ſtatt Deiner, Deine Schweſter dort an Deinem Buſen zum Andenken mitgibſt in meine ferne Heimat.

Bitte, laß mich los, wiederholte Sappho. Ehe Du meine Hand nicht frei gibſt, geh ich auf gar keine Verhandlungen ein.

Wirſt Du aber auch nicht wieder fortlaufen, wenn ich Deinen Wunſch erfülle?

Gewiß nicht!

Nun, ſo ſchenke ich Dir die Freiheit; aber jetzt mußt Du mir auch Deine Roſe geben!

Dort drüben am Strauch ſind weit ſchönere. Pflücke Dir eine; was willſt Du gerade mit dieſer hier?

142

Sie, als Erinnerung an die ſchönſte Jungfrau, welche ich jemals geſehen habe, ſorglich bewahren.

Nun geb ich Dir die Roſe gar nicht, denn wer mir ſagt, ich ſei ſchön, der meint es ſchlecht mit mir; wer mir aber ſagt, ich ſei gut, der will mir wohl!

Wer hat Dich das gelehrt?

Meine Großmutter, Rhodopis.

Wohl denn, ſo ſage ich Dir: Du biſt das beſte Mädchen auf der ganzen Welt.

Wie magſt Du ſolche Dinge reden, da Du mich doch gar nicht kennſt! O, ich bin manchmal recht böſe und ungehorſam! Wär ich brav, ſo würd ich jetzt, ſtatt mit Dir zu plaudern, in unſer Haus zurückgehen, wie ſich’s ziemt. Die Großmutter hat mir ſtreng verboten, im Gar - ten zu bleiben, wenn Fremde da ſind, und ich mache mir auch nichts aus den vielen Männern, die ſtets von Dingen reden, welche ich nicht verſtehe.

So wünſchteſt Du wohl auch, daß ich mich wieder entfernte?

Ach nein, Dich verſtehe ich ja ganz gut, wenn Du auch lange nicht ſo ſchön zu reden weißt, als zum Bei - ſpiel der arme Phanes, der geſtern, wie ich erſt vorhin von Melitta hörte, ſo jämmerlich fliehen mußte.

Hatteſt Du ihn lieb?

Lieb? O ja, ich mochte ihn ſehr gern leiden. Als ich kleiner war, brachte er mir immer Bälle, Glie - derpuppen und Kegelſpiele 185) aus Sais und Memphis mit; ſeitdem ich aber groß bin, lehrt er mich ſchöne, neue Lieder, und zum Abſchiede hat er mir ein ganz kleines ſiciliſches Schooßhündchen 186) mitgebracht, das ich Ar - gos 187) nennen will, weil er ſo weiß und ſchnellfüßig iſt; in wenigen Tagen aber werden wir noch ein anderes Ge -143 ſchenk von dem guten Phanes bekommen, denn ... Siehſt Du wohl, ſo bin ich! da hätte ich beinah ein großes Ge - heimniß ausgeplaudert. Die Großmutter hat mir ſtreng verboten, irgend Jemandem zu erzählen, was für liebe kleine Gäſte wir erwarten; aber mir iſt, als wären wir ſchon lange mit einander bekannt, und Deine Augen ſind ſo gut, daß ich Dir gerne Alles ſagen möchte. Siehſt Du wohl, ich habe außer Großmutter und der alten Me - litta gar keinen Menſchen auf der ganzen Welt, dem ich anvertrauen könnte, was mich freut; und, ich weiß ſelber nicht, woher es kommt, aber manchmal be - greifen die beiden, ſo lieb ſie mich haben, gar nicht, wie dieſe oder jene Kleinigkeit mir ſo große Freude machen kann.

Das kommt daher, weil ſie alt ſind, und das Jauchzen eines jungen Herzens nicht mehr verſtehen können. Aber haſt Du denn gar keine Geſpielin, keine Altersgenoſſin, die Du liebſt?

Keine einzige. Es gibt wohl manches Mädchen außer mir in Naukratis; die Großmutter ſagt aber, ich dürfe ihren Umgang nicht ſuchen, und, weil ſie nicht zu uns kommen wollten, ſollte ich nicht zu ihnen gehen.

Armes Kind, wenn Du in Perſien wäreſt, ſo könnt ich Dir bald eine Freundin ſchaffen. Jch hab eine Schweſter, Atoſſa heißt ſie, die jung und ſchön und gut iſt, wie Du.

Ach wie ſchade iſt es, daß ſie Dich nicht begleitet hat. Aber jetzt mußt Du mir auch ſagen, wie ich Dich nennen ſoll.

Jch heiße Bartja.

Bartja? Ein ſeltſames Wort; Bartja Bartja. Weißt Du, daß mir der Name gut gefällt? Wie hieß144 doch der gute Sohn des Kröſus, der unſeren Phanes ſo edelmüthig rettete?

Gyges nennt man ihn. Darius, Zopyros und er ſind meine beſten Freunde. Wir haben einander geſchwo - ren uns niemals zu trennen, und Einer für den Andern Blut und Leben zu opfern 188). So bin ich denn heut in aller Frühe, trotz ihrer flehenden Bitten, heimlich hierher - geeilt, um meinem Gyges beizuſtehen, im Fall er der Hülfe bedürfen ſollte.

Du biſt aber umſonſt geritten.

Nein, beim Mithra, das bin ich nicht, denn ich habe Dich auf dieſem Ritte gefunden. Nun aber mußt Du mir auch ſagen, wie Du heißt?

Man nennt mich Sappho!

Ein ſchöner Name. Biſt Du verwandt mit der Dichterin, von welcher mir Gyges ſo ſchöne Lieder vorge - ſungen hat?

Freilich; die zehnte Muſe, oder der Lesbiſche Schwan, wie ſie die ältere Sappho nennen, war die Schweſter meines Großvaters Charaxos. Dein Freund Gyges iſt wohl des Griechiſchen mächtiger als Du?

Von der Wiege an hat er neben der lydiſchen die helleniſche Sprache gelernt, und ſpricht beide gleich geläufig. Auch des Perſiſchen iſt er vollkommen mächtig; und, was mehr ſagen will, er hat ſich auch alle Tugenden der Perſer zu eigen gemacht!

Welche haltet ihr denn für die höchſten Tu - genden?

Wahrhaftigkeit*)Siehe Anmerkung 139. iſt die erſte von allen, die zweite nennen wir Tapferkeit, die dritte Gehorſam. Dieſe drei145 vereint mit der Ehrfurcht vor den Göttern, haben uns Perſer groß gemacht.

Aber ich denke, daß ihr keine Götter kennt?

Thörichtes Kind! Wer könnte ohne Götter, wer möchte ohne einen höheren Lenker beſtehen? Freilich laſſen wir die Himmliſchen nicht, wie ihr, in Häuſern und Bildern wohnen, denn ihre Wohnung iſt Alles, was geſchaffen iſt. Die Gottheit, welche überall ſein, und Jedes hören und ſehen muß, läßt ſich nicht in Mauern verſchließen 189).

Wo aber betet und opfert ihr denn, wenn ihr keine Tempel habt?

Auf dem größeſten aller Altäre: in der freien Na - tur; am liebſten auf dem Gipfel der Berge 190). Dort ſind wir unſerm Mithra, der großen Sonne und Aura - mazda, dem reinen ſchaffenden Lichte, am nächſten; da dunkelt es zuletzt und wird es am frühſten hell. Nur das Licht iſt rein und gut; die Finſterniß ſchwarz und böſe. Ja, Mädchen, auf den Bergen iſt uns die Gottheit am nächſten; dort weilt ſie am liebſten. Haſt Du einmal auf der waldigen Spitze eines Hochgebirgs geſtanden und Dich im feierlichen Schweigen der Natur vom ſchaurig leiſen Wehen des Odems der Gottheit umkreiſen laſſen? Haſt Du Dich jemals im grünen Walde, an reinen Quellen, unter freiem Himmel, niedergeworfen und auf die Stimme des Gottes gelauſcht, welche aus allen Blättern redet und aus allen Waſſern ſpricht? Haſt Du je geſehen, wie die Flamme ſich unwiderſtehlich hinaufſchwingt zu ihrem Va - ter, der Sonne, und das Gebet, im himmelanſteigenden Rauche, dem großen ſtrahlenden Schöpfer entgegenträgt? Du hörſt mir verwundert zu; aber, Mädchen, ich ſage Dir, Du würdeſt mit mir niederknieen und anbeten, wenn ich Dich zu einem Altar auf die Spitze des Hochgebirges führen wollte!

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 10146

O daß ich mit Dir könnte! O, daß ich einmal von einem Berge hinunterſchauen dürfte, auf alle Thäler und Flüſſe und Wälder und Wieſen! Jch glaube, daß ich mich da oben, wo ſich nichts meinen Blicken verbergen könnte, fühlen würde, als ſei ich ſelbſt eine Alles ſchauende Gott - heit. Aber, was war das? Die Großmutter ruft; ich muß gehen!

O, verlaß mich noch nicht!

Gehorſam iſt auch eine perſiſche Tugend!

Und meine Roſe?

Hier haſt Du ſie.

Wirſt Du Dich meiner erinnern?

Wie ſollt ich nicht?

Liebes Mädchen, verzeih mir, wenn ich Dich um eine zweite Gunſt erſuche.

Schnell, ſchnell, die Großmutter ruft wieder!

Nimm dieſen Stern von Diamanten zum Andenken an dieſe Stunde.

Jch darf nicht!

O bitte, bitte, nimm ihn an! Mein Vater gab ihn mir zum Lohn, als ich den erſten Bären mit eigner Hand erlegt 191); er war bisher mein Liebſtes, jetzt ſollſt Du ihn haben, denn jetzt kenne ich nichts Lieberes als Dich!

Der Jüngling nahm die Kette mit dem Sterne von ſeiner Bruſt, und wollte ſie dem Mädchen um den Hals hängen. Sappho ſträubte ſich, die koſtbare Gabe anzu - nehmen; Bartja aber ſchlang ſeinen Arm um ſie her, küßte ihre Stirn, nannte ſie ſeine einzige Geliebte, legte mit freundlicher Gewalt den Schmuck um ihren Hals und ſchaute tief in die dunklen Augen des zitternden Kindes.

Rhodopis rief zum Drittenmale. Sappho entzog ſich den Armen des Königsſohnes und wollte fliehen; aber147 ſie wendete ſich nochmals auf den flehenden Ruf des Jüng - lings um und antwortete auf deſſen Frage: Wann darf ich Dich wiederſehen? mit leiſer Stimme: Morgen früh bei jenem Roſenbuſche!

Der Dich als mein Bundesgenoſſe feſthielt.

Sappho eilte dem Hauſe zu. Rhodopis empfing Bartja und theilte demſelben von dem Geſchicke ſeines Freundes mit, was ſie wußte.

Der junge Perſer ritt ſogleich nach Sais zurück.

Als die Greiſin an dieſem Abende, wie immer, an das Bett ihrer Enkelin trat, fand ſie dieſelbe nicht mehr kindlich ſchlummernd wie ſonſt, denn ihre Lippen beweg - ten ſich, und, wie von neckiſchen Träumen gequält, ſeufzte die Schläferin tief und ſchmerzlich.

Bartja traf auf dem Heimwege von Naukratis nach Sais mit ſeinen Freunden Darius und Zopyros zuſammen, welche ihm, ſobald ſie ſeine heimliche Entfernung bemerkt hatten, gefolgt waren. Dieſelben ahnten nicht, daß Bartja, ſtatt der gefürchteten Kämpfe und Gefahren, ſein erſtes Liebesglück geerntet habe.

Kurze Zeit vor den drei Freunden traf Kröſus zu Sais ein. Er begab ſich ſofort zum Könige und erzählte dieſem ohne Rückhalt, der Wahrheit gemäß, was ſich am letzten Abende zugetragen hatte.

Amaſis ſtellte ſich ſehr verwundert über das Beneh - men ſeines Sohnes, verſicherte ſeinem Freunde, daß Gyges ſofort auf freien Fuß geſtellt werden ſollte, und erging ſich in Spottreden und ſcherzhaften Bemerkungen über die fehl - geſchlagene Rache des Pſamtik.

Als ihn Kröſus kaum verlaſſen hatte, ließ ſich der Thronerbe melden.

[148]

Zehntes Kapitel.

Amaſis empfing ſeinen Sohn mit einem ſchallenden Gelächter und rief, nicht achtend auf das bleiche, verſtörte Antlitz deſſelben: Hab ich Dir nicht gleich geſagt, daß es für einen ſchlichten Aegypter keine leichte Arbeit ſei, ſolchen helleniſchen Fuchs zu fangen? Jch gäbe zehn Städte meines Reiches darum, hätte ich dabei ſein können, wie Du in dem vermeinten ſchnellzüngigen Athener den ſtotternden Lyder erkannteſt!

Pſamtik wurde immer bleicher. Er zitterte vor Zorn und erwiederte mit gepreßter Stimme: Es iſt nicht ſchön, mein Vater, daß dieſer Deinem Sohne angethane Schimpf, Dich erfreut. Wäre es nicht um Kambyſes willen, ſo hätte der unverſchämte Lyder, bei den ewi - gen Göttern, heute zum Letztenmale das Licht der Sonne geſehen! Aber was kümmert’s Dich, wenn ich, Dein Sohn, zur Zielſcheibe des Spottes dieſes griechiſchen Bettlerpacks werde!

Schmähe nicht diejenigen, welche Dir bewieſen ha - ben, daß ſie klüger ſind als Du.

Klüger klüger? Mein Plan war ſo fein und kunſtvoll angelegt, daß ...

149

Die feinſten Gewebe zerreißen am leichteſten.

Daß mir der helleniſche Ränkeſchmied nicht entgehen konnte, wenn ſich nicht, gegen jedes Herkommen, der Ge - ſandte einer fremden Macht zum Retter jenes von uns zum Tode Verurtheilten aufgeworfen hätte.

Du irrſt, mein Sohn! Hier iſt von keiner Voll - ſtreckung eines Richterſpruches, ſondern von dem Gelingen oder Mißglücken einer perſönlichen Rache die Rede.

Die Werkzeuge derſelben waren aber die Beamten des Königs, und darum iſt das Geringſte, was ich zu meiner Genugthuung von Dir fordern muß, daß Du den König von Perſien um die Beſtrafung eines Mannes er - ſuchſt, welcher ſich unberufen in die Vollſtreckung Deiner Befehle miſchte. Solches Vergehen wird in Perſien, wo ſich vor dem Willen des Königs Alles wie vor der Gott - heit beugt 192), ſeine rechte Würdigung finden. Kambyſes iſt uns eine Beſtrafung des Gyges ſchuldig.

Jch aber werde keineswegs eine ſolche beantragen, denn ich muß bekennen, daß ich mich herzlich über die Rettung des Phanes freue. Gyges hat meine Seele vor dem Vorwurf, unſchuldiges Blut vergoſſen zu haben, be - wahrt, und Dich verhindert, gemeine Rache an einem Manne zu nehmen, dem Dein Vater verpflichtet iſt.

So willſt Du Kambyſes den ganzen Vorfall ver - ſchweigen?

Nein! Jch werde ihm denſelben in einem Briefe ſcherzhaft, wie das meine Art iſt, darſtellen und ihn zu gleicher Zeit vor Phanes warnen. Jch will ihn darauf vorbereiten, daß ſich derſelbe, unſerer Rache mit knapper Noth entgangen, bemühen werde, die Macht der Perſer gegen Aegypten aufzureizen, und meinen Schwiegerſohn erſuchen, dem Verläumder ſein Ohr zu verſchließen. Die150 Freundſchaft des Kröſus und Gyges wird uns nützlicher, als der Haß des Phanes gefährlich ſein.

Jſt das Dein letztes Wort? Willſt Du mir keine Genugthuung verſchaffen?

Nein! Es bleibt bei dem, was ich geſagt habe.

So zittre nicht allein vor Phanes, ſondern vor einem Zweiten, den wir in unſeren und der Dich in ſei - nen Händen hält!

Du willſt mir drohen? Pſamtik, Pſamtik, ich rathe Dir zu bedenken, daß Du vor Deinem Könige, Dei - nem Vater ſtehſt!

Du aber erinnere Dich daran, daß ich Dein Sohn bin; denn wenn Du mich zwingſt zu vergeſſen, daß Dich die Götter zu meinem Erzeuger gemacht haben, und ich keine Hülfe von Dir erwarten darf, ſo werde ich mit eigenen Waffen zu kämpfen wiſſen!

Jch wäre neugierig dieſelben kennen zu lernen!

Du brauchſt nicht lange darnach zu ſuchen! Erfahre denn, daß ich und meine Freunde, die Prieſter, den Au - genarzt Nebenchari in unſerer Hand halten.

Amaſis erbleichte.

Ehe Du ahnen konnteſt, daß Kambyſes um Deine Tochter freien werde, ſchickteſt Du dieſen Mann, um einen Mitwiſſer der Herkunft meiner ſogenannten Schweſter Ni - tetis, aus Aegypten zu entfernen, nach dem entlegenen Perſien. Dort weilt er noch und wird auf den leiſeſten Wink der Prieſterſchaft dem betrogenen Könige mittheilen, daß Du ihm, ſtatt der eigenen, die Tochter Deines ent - thronten Vorgängers Hophra zu überſenden wagteſt. Alle Papiere des Arztes ſind in unſerem Beſitze; das wichtigſte derſelben, ein eigenhändiger Brief von Dir, verſpricht ſeinem Vater, dem Geburtshelfer 193), tauſend goldne151 Ringe, wenn er ſelbſt den Prieſtern verheimlichen wolle, daß Nitetis einem andern, als Deinem Hauſe ent - ſtamme.

Wer beſitzt dieſe Papiere? fragte Amaſis mit eiſi - ger Stimme.

Die Prieſterſchaft.

Und dieſe redet aus Deinem Munde?

Du ſagſt es.

Wiederhole denn, was Du begehrſt.

Erſuche Kambyſes um die Beſtrafung des Gyges und gib mir freie Vollmacht, den entkommenen Phanes nach meinem Gutdünken zu verfolgen.

Jſt das Alles?

Leiſte den Prieſtern einen Eid, daß Du von jetzt an den Hellenen neue Tempel ihrer Lügengötter in Aegyp - ten aufzurichten verwehren und befehlen willſt, daß man den Bau des Apollon-Heiligthums zu Memphis einſtelle.

Jch erwartete dergleichen Forderungen; hat man doch eine ſcharfe Waffe gegen mich erfunden. Jch bin bereit den Wünſchen meiner Feinde, zu denen Du Dich geſellt haſt, nachzugeben; aber auch ich muß zwei Bedin - gungen ſtellen. Erſtens verlange ich den beſagten Brief, welchen ich allerdings an den Vater des Nebenchari un - vorſichtiger Weiſe geſchrieben habe, zurück. Ließe ich euch denſelben, ſo wäre ich ſicher, ſtatt euer König zu bleiben, der erbärmlichſte Sclav elender Prieſterränke zu werden.

Dein Wunſch iſt billig; Du ſollſt das Schreiben erhalten, wenn

Kein zweites Wenn! Höre vielmehr, daß ich Deinen Wunſch, Kambyſes um die Beſtrafung des Gyges zu bit - ten, für ſo unklug halte, daß ich denſelben nicht erfüllen152 werde. Jetzt verlaß mich und tritt mir nicht eher vor Augen, als bis ich Dich rufen laſſe. Geſtern hatte ich einen Sohn gewonnen, um ihn heute wieder zu verlieren. Steh auf! Jch verlange keine Zeichen einer Demuth und Liebe, welche Du niemals gekannt haſt. Bedarfſt Du eines Troſtes, eines Rathes, ſo wende Dich an die Prie - ſter und ſieh, ob ſie Dir den Vater erſetzen werden. Sage Neithoteph, in deſſen Händen Du weiches Wachs biſt, er habe das rechte Mittel gefunden, mir Bewil - ligungen abzuzwingen. Um Aegypten groß zu erhalten, war ich bisher zu jedem perſönlichen Opfer bereit; nun ich aber ſehe, daß die Prieſterſchaft ſich nicht ſcheut, mir mit dem Verrathe des Vaterlandes zu drohen, um ihre eignen Zwecke zu erreichen, könnt ich mich leicht bewogen fühlen, die bevorzugte Kaſte für gefährlichere Feinde meines Reiches zu halten, als ſelbſt die Perſer. Hütet euch, hütet euch! Dießmal gebe ich noch den Ränken meiner Feinde nach, denn ich ſelbſt habe durch väterliche Schwäche eine Gefahr über Aegypten heraufbeſchworen; in Zukunft aber will ich, bei der großen Neith, meiner Herrin, handgreiflich beweiſen, daß ich König bin, und eher die ganze Prieſterſchaft als den kleinſten Bruchtheil meines Willens opfern mag. Schweig und verlaß mich!

Der Thronerbe entfernte ſich; der König aber be - durfte diesmal langer Zeit, um ſcheinbar fröhlich vor die Gäſte ſeines Hauſes treten zu können.

Pſamtik begab ſich ſogleich zum Oberbefehlshaber der einheimiſchen Truppen und befahl demſelben, das ungeſchickte Werkzeug ſeiner vereitelten Rache, den ägyptiſchen Haupt - mann, in die Steinbrüche 194) der Thebais zu verbannen; die äthiopiſchen Krieger aber in ihre Heimat zurückzu -153 ſenden. Dann eilte er zum Oberprieſter der Neith, um demſelben mitzutheilen, was er von dem Könige erzwun - gen habe.

Neithoteph ſchüttelte bedenklich das kluge Haupt über die drohenden Worte des Amaſis, und verabſchiedete den Thronerben nach einer kurzen Reihe von Ermahnungen, ohne welche er denſelben niemals von ſich zu laſſen pflegte.

Pſamtik begab ſich in ſeine Wohnung.

Seine fehlgeſchlagene Rache, der neue unheilvolle Bruch mit ſeinem Vater, die Furcht vor dem Spotte der Fremden, das Gefühl ſeiner Abhängigkeit von dem Willen der Prieſter, der Glaube an ein finſteres Geſchick, welches von Geburt an über ſeinem Haupte ſchwebe, be - drückte ſein Herz und umnebelte ſeinen Geiſt.

Von einer geliebten Gattin und fünf blühenden Kin - dern war ihm Nichts geblieben, als eine Tochter und ein kleiner Knabe, den er innig liebte. Zu dieſem zog es ihn jetzt, bei dieſem hoffte er Troſt und neuen Lebensmuth zu finden. Das blaue Auge und der lachende Mund ſeines Sohnes waren die einzigen Dinge, welche das froſtige Herz dieſes Mannes erwärmen konnten.

Wo iſt mein Sohn? fragte er den erſten Höfling, welcher ihm in den Weg trat.

So eben hat der König den Prinzen Ramſes mit ſeiner Wärterin holen laſſen, antwortete der Diener.

Der Haushofmeiſter des Thronerben näherte ſich jetzt demſelben und reichte ihm einen verſiegelten auf Papyros geſchriebenen Brief, indem er, ſich tief verneigend, ſagte: Von Deinem Vater, dem Könige!

Pſamtik erbrach in zorniger Haſt das gelbe Wachs des Siegels, welches das Namensſchild des Königs trug 195) und las: Jch habe Deinen Sohn zu mir kommen laſſen,154 damit er nicht wie Du, zum blinden Werkzeuge der Prie - ſter heranwachſen und vergeſſen möge, was er ſich ſelbſt und ſeinem Vaterlande ſchuldig ſei. Jch werde für ſeine Erziehung Sorge tragen, denn die Eindrücke der Kindheit ſind nachwirkend auf das ganze ſpätere Leben. Willſt Du Ramſes ſehen, ſo habe ich nichts dagegen; doch mußt Du mich vorher von Deinem Wunſche benachrichtigen laſſen.

Der Thronerbe biß ſich die Lippen blutig, um ſeinen Zorn den ringsumherſtehenden Dienern zu verbergen. Der Wunſch ſeines Vaters und Königs war nach ägyptiſcher Sitte eben ſo bindend als der ſtrengſte Befehl. Einige Augenblicke ſann er ſchweigend nach; dann rief er nach Jägern, Hunden, Bogen und Lanzen, ſchwang ſich auf einen leichten Wagen 196) und ließ ſich von ſeinem Roſſe - lenker in das weſtlich gelegene Marſchland fahren, um dort, die Geſchöpfe der Wildniß mit Meute und Geſchoß verfolgend, zu vergeſſen, was ſein Herz bedrückte, und an den Thieren ſeine vereitelte Rache zu büßen.

Gyges war gleich nach der Unterredung ſeines Va - ters mit Amaſis freigelaſſen, und von den Genoſſen mit lautem Jubel empfangen worden. Der Pharao ſchien die Gefangennahme des Sohnes ſeines Freundes durch dop - pelte Güte wieder gut machen zu wollen, denn er beſchenkte denſelben noch am ſelbigen Tage mit einem koſtbaren Wagen, welchen zwei edle braune Roſſe 197) zogen, und bat ihn, ein kunſtreiches Damenſpiel*)Siehe Anmerkung 148. zum Andenken an Sais mit nach Perſien zu nehmen. Die Steine dieſes Spieles beſtanden aus Elfenbein und Ebenholz. Jn eini -155 gen derſelben waren Sinnſprüche, mit Hieroglyphenzeichen von Gold und Silber eingelegt.

Amaſis lachte viel mit ſeinen Gäſten über die Liſt des Gyges, ließ die jungen Helden ungezwungen mit ſei - ner Familie verkehren und behandelte ſie ganz, wie ein heiterer Vater ſeine munteren Söhne. Nur bei den Mahl - zeiten bewies er, daß der Aegypter in ihm nicht ganz er - ſtorben ſei, denn die Perſer mußten an einem beſon - deren Tiſche eſſen. Er würde ſich nach dem Glauben ſei - ner Väter verunreinigt haben, wenn er mit den Fremden an einer Tafel ſeine Mahlzeit eingenommen hätte 198).

Als Amaſis endlich drei Tage nach der Freilaſſung des Gyges erklärte, daß ſeine Tochter Nitetis in zwei Wochen zur Abreiſe nach Aſien bereit ſein werde, ſo bedauerten alle Perſer nicht länger in Aegypten bleiben zu dürfen.

Kröſus gefiel ſich im Umgange mit dem ſamiſchen Dichter und Bildhauer. Gyges theilte die Vorliebe ſeines Vaters für die helleniſchen Künſtler. Darius, welcher ſich ſchon zu Babylon mit Sternkunde beſchäftigt hatte 199), war eines Abends, als er den Himmel beob - achtete, unerklärlicher Weiſe, von dem greiſen Oberprieſter der Neith angeredet und eingeladen worden, ihm auf das Dach des Tempels zu folgen. Der wißbegierige Jüng - ling hatte ſich das nicht zweimal ſagen laſſen und ſam - melte allnächtlich, den Lehren des Greiſes lauſchend, neue Kenntniſſe.

Pſamtik traf einſt den Fremden bei ſeinem Meiſter, und fragte Neithoteph, als ſich Darius entfernte, wie er dazu komme, dieſen Perſer in ägyptiſche Geheimniſſe einzuweihen?

Jch lehre ihn, antwortete der Oberprieſter, Dinge,156 welche jeder gelehrte Chaldäer zu Babylon ebenſogut weiß, als wir, und mache uns dadurch einen Mann zum Freunde, deſſen Geſtirne die des Kambyſes überſtrahlen, wie die Sonne den Mond. Dieſer Darius, ſage ich Dir, wird einſtmals ein mächtiger Herrſcher werden; ja ich habe ſeinen Planeten ſelbſt über Aegypten leuchten ſehen. Dem Weiſen ziemt es, nicht allein in der Gegenwart zu ver - weilen, ſondern auch in die Zukunft zu ſchauen, nicht nur ſeinen Weg, ſondern auch deſſen Umgebungen zu betrach - ten. Kommſt Du an einem Hauſe vorbei, ſo weißt Du nicht, ob Dir in demſelben kein Wohlthäter für die Zu - kunft auferzogen wird. Laß nichts unbeachtet, was an Deinem Pfade ſteht; vor Allem aber blicke hinauf zu den Sternen. Wie der Hund des Nachts ſonder Schlaf auf die Diebe lauert, ſo wache ich ſeit fünfzig Jahren auf die Wanderer am Himmel, die ewigen im Aether glühen - den Verkünder des Schickſals, welche dem Menſchen Som - mer und Winter, aber auch Glück und Unglück, Ruhm und Schande verkünden. Sie, die Untrüglichen, haben mir in Darius eine Pflanze gezeigt, welche zum großen Baum erwachſen wird, deſſen ſchattige Aeſte ſich auch über Aegypten ausbreiten werden.

Bartja waren dieſe nächtlichen Lehrſtunden ſeines Freundes ſehr willkommen, denn ſie veranlaßten denſelben, länger als gewöhnlich zu ſchlafen und erleichterten ihm alſo ſeine heimlichen Morgenritte nach Naukratis, auf welchen ihn Zopyros, den er zu ſeinem Vertrauten gemacht hatte, zu begleiten pflegte. Während er ſelbſt bei Sappho verweilte, bemühte ſich ſein Freund und die Die - nerſchaft deſſelben, einige Springhaſen, Schnepfen oder Schakale zu erlegen. Die Heimgekehrten behaupteten dann, dem Mentor Kröſus gegenüber, auf ihren Ausflügen die157 Lieblingsbeſchäftigung vornehmer Perſer, das edle Waid - werk, geübt zu haben.

Niemand bemerkte die Veränderung, welche in dem innerſten Weſen des Königsſohnes durch die Macht der erſten Liebe vor ſich ging, außer Tachot, der Tochter des Amaſis. Dieſe hegte ſeit dem erſten Tage, an welchem Bartja zu ihr geredet hatte, eine ſtille Leidenſchaft für den ſchönen Jüngling. Mit den zarten Fühlfäden der Liebe erkannte ſie ſchnell, daß ſich etwas Fremdes zwiſchen ſie und ihn geſtellt haben müſſe. Wenn Bartja ihr früher gleich einem Bruder begegnet war, und ihre Nähe geſucht hatte, ſo vermied er jetzt ſorgfältig ihr vertraulich zu nahen. Er ahnte ihr Geheimniß und meinte, wenn er ſie nur freundlich anſähe, ein Verbrechen an ſeiner Liebe für Sappho zu begehen.

Die arme Königstochter grämte ſich über die Kälte des Jünglings und machte Nitetis zu ihrer Vertrauten. Dieſe ermuthigte ſie und baute Luftſchlöſſer mit ihr. Die beiden Jungfrauen malten ſich aus, wie herrlich es ſein würde, wenn ſie, an zwei fürſtliche Brüder vermählt, ohne ſich von einander trennen zu brauchen, an einem Hofe leben dürften. Aber Tag auf Tag verſtrich, und der ſchöne Königsſohn zeigte ſich dem Mädchen immer ſel - tener, und wenn er kam, ſo verkehrte er mit Tachot wie mit einer Fremden.

Trotzdem mußte ſich die Arme ſagen, daß Bartja während ſeines Aufenthalts in Aegypten ſchöner und männ - licher geworden ſei. Ein ſtolzes und dennoch mildes Selbſtbewußtſein ſtrahlte jetzt aus ſeinen großen Augen, und ſtatt des früheren jugendlichen Uebermuthes breitete ſich nicht ſelten eine eigenthümlich träumeriſche Ruhe über ſein ganzes Weſen. Die roſigen Wangen hatten an Farbe158 verloren; aber das kleidete ihn gut, viel beſſer als ſie, die, gleich ihm, von Tag zu Tag bleicher wurde.

Melitta, die alte Sclavin der Rhodopis, war zur Beſchützerin der Liebenden geworden. Sie hatte Bartja und Sappho eines Morgens überraſcht, war aber von dem Königsſohne ſo reichlich beſchenkt, von ſeiner Schönheit ſo vollkommen bezaubert, von ihrem Herzblatte ſo innig ge - beten und ſo ſüß umſchmeichelt worden, daß ſie verſprach, ihrer Herrin gegenüber reinen Mund zu halten, und end - lich, dem Triebe alter Frauen, junge Liebespaare zu begünſtigen, folgend, den Zuſammenkünften der Beiden alle nur denkbare Hülfe angedeihen ließ. Die Alte ſah ſchon ihr ſüßes Töchterchen als Beherrſcherin der halben Welt, nannte ſie, wenn ſie mit ihr allein war Fürſtin und Königin , und erblickte ſich ſelbſt in mancher ſchwa - chen Stunde als reichgeſchmückte Würdenträgerin am per - ſiſchen Hofe.

[159]

Elftes Kapitel.

Drei Tage vor der zur Abreiſe der Nitetis beſtimm - ten Zeit hatte Rhodopis eine große Anzahl von Gäſten, unter denen ſich Kröſus und Gyges befanden, nach Nau - kratis geladen.

Während des Gaſtmahls ſollten ſich, von der Nacht und der Sclavin beſchützt, die beiden Liebenden im Gar - ten treffen. Als Melitta ſich überzeugt hatte, daß die Tiſchgeſpräche im beſten Gange waren, öffnete ſie die Pforte, ließ den Königsſohn in den Garten treten und führte ihm das liebende Mädchen entgegen. Dann ent - fernte ſie ſich, um die Beiden durch Händeklatſchen vor jedem unberufenen Lauſcher zu warnen.

Nur noch drei Tage lang werde ich Dich in meiner Nähe wiſſen, flüſterte Sappho. Weißt Du, manchmal kommt mir’s vor, als hätt ich Dich geſtern zum Erſten - male geſehen; gewöhnlich meine ich aber, daß Du mir ſchon eine Ewigkeit gehörteſt und ich Dich lieb gehabt hätte, ſo lang ich lebe!

Grade daſſelbe empfinde auch ich, gab er, ſie küſ - ſend, zur Antwort.

Wäre die Trennungszeit nur erſt vorüber!

160

O, glaube mir, ſie vergeht ſchneller als Du meinſt. Das Warten wird uns freilich lang, ſehr lang vorkom - men; wenn wir aber wieder beiſammen ſind, ſo denk ich, daß es uns ſein muß, als hätten wir uns erſt eben ver - laſſen. Siehſt Du, ſo iſt’s mir alle Tage ergangen. Wie hab ich mir den Morgen und Dich herbeigeſehnt; wenn er aber da war, und Du an meiner Seite ſaßeſt, ſo glaubte ich, ich hätte Dich gar nicht von mir gelaſſen, und Deine Hand ruhte noch von geſtern her auf meinem Haupte.

Und dennoch überkommt mich eine mir ſonſt unbe - kannte Bangigkeit, wenn ich an die Scheideſtunde denke.

Jch fürchte mich nicht ſo ſehr vor derſelben. Frei - lich wird mein Herz bluten, wenn Du mir Lebewohl ſagſt; aber ich weiß, daß Du wiederkommen und mich nicht ver - geſſen wirſt. Melitta hat das Orakel befragen wollen, ob Du mir treu bleibſt; ſie wollte auch zu einem alten Weibe gehen, das ſoeben aus Phrygien angekommen iſt, und bei Nacht aus gezogenen Stricken weiſſagen kann. Dazu braucht ſie, der Reinigungen wegen, Weihrauch, Styrax, mondförmige Kuchen und Blätter von wilden Dornſträuchern 200); aber ich habe mir das Alles verbe - ten, denn mein Herz weiß ja beſſer als Pythia, Stricke und Opferrauch, daß Du mir treu bleiben und mich lieb behalten wirſt.

Und Dein Vertrauen betrügt Dich nicht!

Aber ich bin doch nicht ganz ohne Bangigkeit gewe - ſen, denn ich habe, wie die Mädchen zu thun pflegen, wohl hundertmal in ein Mohnblatt geblaſen und darauf geſchlagen. Wenn es knallte, dann jubelte ich: Er wird Dich nicht vergeſſen!‘ Wenn das Blättlein aber ohne jeden Laut zerriß, ſo wurde ich betrübt. Doch es ließ faſt161 immer den erwünſchten Ton vernehmen, und ich durfte viel öfter fröhlich, als traurig ſein 201).

Und ſo möge es bleiben!

Ja, ſo muß es bleiben; denn mein Herz vertraut Dir ſo voll und ganz, als wäreſt Du mein Bruder, mein Vater und mein Geliebter zugleich. Deine Augen können nicht lügen, und dann iſt ja die erſte Tugend der Perſer Wahrhaftigkeit. Wie möchteſt Du, der Königsſohn, ein armes Mädchen hintergehen!

Bei allen reinen Geiſtern des Lichts! Jch werde Dich lieben bis in den Tod!

Sprich leiſe, Liebſter, damit uns Knakias, der dort zum Nile geht, um Waſſer zu ſchöpfen, nicht bemerkt.

Ja ich will leiſe ſprechen. So! Jetzt ſtreich ich Dein ſeidenes Haar zurück und flüſtre in Dein Ohr: Jch liebe Dich! Haſt Du’s verſtanden?‘

Was man gerne hört, ſagt mein Ahne, das verſteht ſich leicht; doch hätteſt Du mir eben auch in’s Ohr geru - fen: Jch haſſe Dich!‘ ſo würde mir Dein Blick, trotzdem mit tauſend Stimmen zugejubelt haben, daß Du mich liebſt. Des Auges ſtummer Mund iſt viel beredter, als alle Zungen in der ganzen Welt.

Könnt ich nur, wie Du, die ſchöne Sprache der Hellenen reden, dann wollt ich ...

O, ich freue mich, daß Du nicht beſſer ſprichſt; denn könnteſt Du mir Alles ſagen, was Du fühlſt, ſo würdeſt Du mir, mein ich, weit weniger zärtlich in die Augen ſchauen. Was ſind denn Worte!? Hörſt Du dort die Nachtigall? Der Rede Gabe ward ihr nicht zu Theil und dennoch glaub ich, daß ich ſie verſtehe.

Willſt Du mir’s anvertrauen? Jch möchte gerne wiſſen, was Gulgul, wie wir Perſer die Nachtigall be -Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 11162nennen, mit ihrem Liebſten, dort drüben in dem Roſen - buſche, zu verhandeln hat. Darfſt Du verrathen, was der Vogel ſpricht?

Jch will Dir’s leiſe ſagen! Philomele ſingt dem Gatten zu: Jch liebe Dich!‘ Und ſeine Antwort lautet; höre nur: Jtys, ito, itys‘ 202).

Und was heißt Jto, Jto?‘

Jch nehm es an, ich nehm es an!

Und Jtys?‘

Das müßte man, um’s richtig zu verſtehen, ſchon künſtlich deuten. Jtys iſt ein Kreis; der Kreis bedeutet, ſo ward ich belehrt, die Ewigkeit, denn er hat keinen Anfang und kein Ende. Drum ruft die Nachtigall: Jch nehm es an, ich nehm es an für alle Ewigkeit!‘

Und wenn ich Dir nun ſag: Jch liebe Dich?

So geb ich, wie die Sängerin der Nacht, Dir jubelnd wieder: Jch nehm es an, für heut, für morgen, für die Ewigkeit!

O welche Nacht, wie Alles ruht und ſchweigt; ich höre ſelbſt die Nachtigall nicht mehr. Dort drüben im Akazienbaume, deſſen Blütentrauben ſo ſüßen Duft ver - ſenden, weilt ſie jetzt. Der Palmen Kronen ſpiegeln ſich im Nil und zwiſchen ihnen ſchimmert des Mondes Bild, gleich einem weißen Schwan.

Und ſeine Strahlen feſſeln, mit Silberfäden Alles, was da lebt. Drum liegt die ganze Welt, wie ein ge - fangnes Weib, in tiefem Schweigen da und regt ſich nicht. Jch könnte jetzt, ſo froh ich bin, nicht lachen und noch viel weniger mit lauter Stimme ſprechen.

So flüſtere, oder ſinge!

Du haſt recht. Gib mir mein Saitenſpiel! Jch danke Dir. Laß mich mein Haupt an Deinen Buſen lehnen163 und Dir ein ſtilles Friedensliedlein ſingen. Alkman*)Siehe Anmerkung 6. Eigene Ueberſetzung. der Lyder, der zu Sparta weilte, hat es erdacht, die ſtille Nacht zu preiſen. Jetzt lauſche mir, denn dieſes ſanfte Schlummerlied muß leiſe, leiſe von den Lippen wehen. Küß mich nicht mehr, nein, bitte, küß mich nicht, bevor ich fertig bin; dann aber fordr ich ſelbſt den Kuß zum Dank:

Es ſchlafen die Gipfel der bergigen Höh,
Es ſchlafen die Klippen in ſchlummernder See;
Es ſchlafen die Schluchten, der Blätter Schaar,
Der Wurm, den die nährende Erde gebar.
Die Thiere der Berge, ſie träumen ſchwer,
Es ſchlummert der emſigen Bienen Heer;
Es ſchläft in des purpurnen Meeres Flut
Der ſalzigen Tiefen furchtbare Brut;
Die hurtigen Vögelein ſchlafen feſt
Und ruhen die Schwingen im traulichen Neſt.

Nun, Geliebter; mein Kuß?

Jch hatte vor Lauſchen das Küſſen vergeſſen, wie ich vorhin vor Küſſen das Lauſchen vergaß.

Du Loſer! Jſt mein Liedchen nicht ſchön?

Schön, wie Alles, was Du ſingſt.

Und die großen helleniſchen Sänger dichten.

Auch darin geb ich Dir Recht.

Habt ihr in Perſien keine Sänger?

Wie magſt Du alſo fragen? Könnte ein Volk ſich edlerer Gefühle rühmen, wenn es den Geſang verachtete?

Aber ihr habt doch recht ſchlimme Sitten.

Nun?

164

Jhr nehmt ſo viele Frauen zur Ehe!

Meine Sappho ...

Verſteh mich nicht falſch! Sieh, ich habe Dich ſo lieb, daß ich Nichts will, als Dich glücklich ſehen und Dein ganzes Daſein theilen zu dürfen. Verſtößt Du, wenn Du mich allein zum Weibe nimmſt, gegen die Sitten Deiner Heimat, ſollte man Dich Deiner Treue wegen verachten oder nur tadeln wollen, denn wer dürfte meinen Bartja verachten, ſo nimm Dir andere Weiber neben mir; aber erſt laß mich nur zwei, nur drei Jahre lang Dich ganz allein beſitzen. Willſt Du das, Bartja?

Jch will.

Und dann, wenn meine Zeit vorüber iſt und Du der Sitte Deines Landes nachgeben mußt, denn aus Liebe wirſt Du keine Zweite heimführen, ſo laß mich Deine erſte Sclavin bleiben. O, ich habe mir das ſo herrlich ausgemalt! Wenn Du in den Krieg ziehſt, ſo ſetze ich Dir die Tiara auf die Locken, ſo gürte ich Dir das Schwert um und gebe Dir die Lanzen in die Hand. Wenn Du als Sieger heimkehrſt, dann bekränze ich Dich zuerſt. Reiteſt Du zur Jagd, ſo ſchnalle ich Dir die Sporen an, und gehſt Du zum Gaſtmahle, dann ſchmücke und ſalbe ich Dich, winde Dir Pappel - und Roſenkränze und ſchlinge ſie um Deine Stirn und Deine Schultern. Biſt Du verwundet, ſo pflege ich Dich, biſt Du krank, ſo weiche ich nicht von Deiner Seite, biſt Du glücklich, dann ziehe ich mich zurück und weide mich aus der Ferne an Deiner Ehre und Deinem Wohlergehen, bis Du mich zu Dir rufſt und meine Wonne durch einen Kuß oder ein freundliches Wort verdoppelſt.

O Sappho, dieſe Seligkeit muß kurz ſein, denn ſie iſt zu groß! Keine zweite, Du ganz allein ſollſt meine165 Gattin werden, und müßte ich deßwegen meine Heimat und alle meine Freunde aufgeben. Aber beruhige Dich; denn unſere Geſetze befehlen nicht, ſie geſtatten nur, viele Weiber zu nehmen. Auch mein Vater hatte zwar hundert Sclavinnen, aber nur eine rechte, echte, wahre Gattin, unſere Mutter Kaſſandane.

Und ich werde Deine Kaſſandane ſein?

Bis an mein Ende.

Wann kommſt Du mich zu holen?

Sobald ich kann und darf.

O, ich will geduldig warten!

Und werde ich Nachricht von Dir erhalten?

Jch ſchreibe Dir lange, lange Briefe und trage allen Winden Grüße für Dich auf ...

Thu das, mein Liebchen; und was die Briefe anbe - langt, ſo übergib dieſelben dem Boten, welcher Nitetis von Zeit zu Zeit Nachrichten aus Aegypten überbringen wird.

Wo find ich ihn?

Jch werde einen Mann zu Naukratis anſtellen, der Alles, was Du ihm übergibſt, beſorgen ſoll. Das Nähere laß mich mit Melitta beſprechen.

Wir dürfen ihr vertrauen, denn ſie iſt klug und treu; doch habe ich noch eine andere Freundin, welche mich nach Dir am meiſten liebt, und die auch ich nach meinem Bartja am liebſten habe.

Du meinſt Deine Großmutter Rhodopis?

Meine treue Pflegerin und Lehrerin!

Sie iſt ein edles Weib! Mein Vater Kröſus hält ſie für die trefflichſte der Frauen, und er kennt die Men - ſchen, wie der Arzt die Kräuter und die Wurzeln. Jn jenen weiß er, ſchlummert arges Gift, in dieſen Tropfen,166 welche Heilung ſpenden, und Rhodopis, ſo ſagte Kröſus oft, gleicht einer Roſe, welche Duft verleiht und Labungsöl für ſchwache Kranke ſpendet, ſelbſt wenn ſie welkend Blatt auf Blatt verliert und in Geduld des Windes wartet, der ſie ganz verweht.

O, daß ſie lange lebe! Liebſter Mann, gewähre mir noch eine große Bitte!

Sie iſt gewährt, ſchon eh ich ſie vernommen.

Laß Rhodopis, wenn Du mich heimwärts führſt, in dieſem Lande nicht zurück. Sie ſoll uns folgen. O, ſie iſt ſo gut und liebt mich, ſo innig, daß ſie, was mich beglücken mag, beglückt, und daß, was meinem Herzen theuer iſt, auch ihrem liebenswerth erſcheinen muß.

Sie ſei der erſte Gaſt in unſerem Hauſe!

Wie gut Du biſt! Jetzt bin ich ganz zufrieden und beruhigt. Die gute Greiſin bedarf ja meiner! Sie kann nicht leben ohne mich, ihr Kind. Jch lache ihr die trüben Sorgen fort, und wenn ſie, mich belehrend, bei mir ſitzt, wenn ſie mir Lieder ſingt, wenn ſie mir zeigt, wie man den Griffel führt, die Laute ſchlägt, dann glänzt ein rei - neres Licht von ihrer Stirn, und alle Furchen, die der Gram gepflügt, ſie glätten ſich, ihr mildes Auge lacht, und ſie vergißt an manchen böſen Tag, indem ſie froh der Gegenwart genießt.

Jch frage ſie, bevor wir ſcheiden, ob ſie uns in meine ferne Heimat folgen will?

O, wie bin ich froh! Und weißt Du auch, daß mir die erſte Zeit der Trennung gar nicht furchtbar ſcheint? Jetzt darf ich Dir, als meinem Bräutigam, wohl Alles ſagen, was mich ſchmerzt und freut; vor Anderen aber muß ich ſchweigſam ſein. So wiſſe, Liebſter, daß wir, wenn ihr in eure Heimat zieht, zwei kleine Gäſte in un -167 ſerem Hauſe erwarten; des guten Phanes Kinder, jenes Mannes, für den Dein Freund, der Sohn des Kröſus, eine ſo edle That beging. Jch will für die Kleinen im - merdar wie eine Mutter ſorgen, und wenn ſie brav ge - weſen ſind, dann werde ich ihnen ſchöne Mährchen ſingen von einem Königsſohn, einem ſtarken Helden, der ſich ein ſchlichtes Mädchen zum Weibe nahm; und wenn ich dann beſchreibe, wie der Prinz, der junge Held, zu ſchauen war, ſo wirſt Du hell vor meinen Augen ſtehen, und, ohne daß mein Pärchen etwas merkt, beſchreib ich Dich vom Kopfe bis zum Fuß. Mein Held erfreut ſich Deines hohen Wuchſes, ihn zieren Deine goldnen Locken, Dein blaues Augenpaar ſchmückt ſeine Stirn, und Deiner Kleider könig - liche Pracht umgibt auch ſeine prangende Geſtalt; Dein edles Herz, Dein treuer wahrer Sinn, die Ehrfurcht vor den Göttern, die Dich ziert, die Tapferkeit, Dein hoher Heldenmuth, kurz Alles, was an Dir mir lieb und werth, das wird dem Helden meines Liedes zu Theil. Die Kinder werden lauſchen! Und wenn ſie ausrufen werden: O wie lieben wir den Königsſohn, wie iſt er ſchön und gut; ach, könnten wir den edlen Jüngling ſeh’n‘ dann preſſe ich ſie liebend an mein Herz und küſſe ſie, ſo wie ich Dich geküßt, und auch der Kinder Wunſch iſt dann erfüllt, denn, weil Du ja in meinem Herzen thronſt, ſo biſt Du in mir lebend, ihnen nah, und, wie ſie mich, umarmen ſie auch Dich!

Jch aber geh zu meinem Schweſterlein, Atoſſa, und erzähle ihr von Allem, was ich auf meiner Fahrt geſehen habe. Und wenn ich der Griechen Anmuth, den Glanz ihrer Werke und die Schönheit ihrer Frauen preiſe, ſo will ich Dein holdes Weſen ſchildern, als das Bild der goldnen Aphrodite. Jch werde ihr von Deiner Tugend,168 Deiner Schönheit und Sittſamkeit, von Deinem Sange, deſſen Wohllaut ſelbſt die Nachtigall, wenn ſie ihn hören darf, zum Lauſchen zwingt, von Deiner Liebe, Deiner Zärtlichkeit gar viel erzählen. Dieß Alles aber übertrage ich von Dir auf Kypris göttliche Geſtalt und küſſe meine Schweſter, wenn ſie ruft: O Aphrodite, könnte ich Dich ſehen!‘

Horch, was war das, da klatſcht die Wärterin! Leb wohl, wir müſſen fort! auf baldiges Wiederſehen!

Noch einen Kuß!

Leb wohl!

Melitta war auf ihrem Poſten, von Müdigkeit und Alter überwältigt, eingeſchlafen. Endlich wurde ſie durch ein lautes Geräuſch aus ihren Träumen geriſſen. Sie klatſchte ſogleich in die Hände, um das Paar zu warnen und Sappho herbeizurufen, denn ſie ſah an den Sternen, daß der Morgen nicht mehr fern ſei.

Als ſich die Alte mit ihrer Schutzbefohlenen dem Hauſe näherte, bemerkte ſie, daß jenes Geräuſch, welches ſie vorher geweckt hatte, von den Gäſten ausgehe, die ſich zum Aufbruch anſchickten.

Zur höchſten Eile drängend, ſchob ſie das erſchreckte Mädchen durch die Hinterthür in das Haus, führte ſie in ihr Schlafzimmer und wollte eben beginnen die Jungfrau zu entkleiden, als Rhodopis eintrat.

Du biſt noch auf, Sappho? fragte dieſelbe. Was bedeutet das, mein Kind?

Melitta bebte, und hatte eine Lüge auf den Lippen; Sappho aber warf ſich ihrer Großmutter an die Bruſt, umſchlang ſie zärtlich, küßte ſie voller Jnnigkeit und er - zählte ihr die ganze Geſchichte ihrer Liebe.

169

Rhodopis erbleichte.

Verlaß uns! herrſchte ſie der Sclavin zu. Dann ſtellte ſie ſich vor ihre Enkelin, legte die Hände auf die Schultern derſelben und ſprach: Sieh mir in die Augen, Sappho! Kannſt Du mich noch anſehen, ebenſo heiter, ebenſo kindlich rein, als vor der Ankunft jenes Per - ſers?‘

Das Mädchen ſchaute lächelnd und freudig zu der Großmutter empor; da zog ſie Rhodopis an ihre Bruſt, küßte ſie und ſprach: Seit Du die Kinderſchuhe ausge - zogen haſt, war ich beſtrebt, Dich zu einer würdigen Jungfrau zu machen und Dich vor der Liebe zu bewahren. Jch wollte Dir bald einen paſſenden Gatten erwählen und Dich demſelben nach helleniſcher Sitte 203) zum Weibe geben; aber die Götter haben es anders gewollt. Eros ſpottet aller Schranken, welche Menſchenhände ihm entge - genzuſtellen vermögen; das heiße äoliſche 204) Blut in Dei - nen Adern hat Liebe gefordert, das ſtürmiſche Herz Deiner lesbiſchen Ahnen klopft auch in Deiner Bruſt. Das Geſchehene iſt nicht zu ändern. Bewahre denn die Freu - denſtunden dieſer, Deiner reinen, erſten Liebe, wie ein koſtbares Eigenthum in dem Hauſe Deiner Erinnerung, denn die Gegenwart eines jeden Menſchen wird früher oder ſpäter ſo arm und öde, daß er ſolcher Erinnerungs - ſchätze bedarf, um nicht zu verſchmachten. Gedenke des ſchönen Knaben in der Stille, ſage ihm Lebewohl, wenn er in ſeine Heimat zurückkehrt, aber hüte Dich auf ein Wiederſehen zu hoffen. Der Sinn der Perſer iſt leicht und wankelmüthig; alles Neue reizt ihn, alles Fremde nimmt er auf mit offenen Armen 205). Dein anmuthiges Weſen hat dem Königsſohne wohl gefallen; er glaubt, daß er Dich liebt, aber er iſt jung und ſchön, von allen Seiten170 umworben und ein Perſer. Gib Du ihn auf, damit er Dich nicht aufgebe!

Wie ſollt ich, Großmutter. Hab ich ihm nicht Treue für die Ewigkeit geſchworen?

Jhr Kinder ſpielt mit dieſer Ewigkeit, als ſei ſie ein Augenblick! Was Deinen Schwur betrifft, ſo tadle ich denſelben; aber ich freue mich, daß Du an ihm feſthältſt, denn ich verabſcheue jenes frevelnde Sprichwort: Zeus hört nicht die Schwüre der Liebenden. Warum ſollte die Gottheit den in Beziehung auf das Heiligſte im Menſchen geleiſteten Eid geringer achten, als eine Betheuerung, welche klein - liche Fragen des Mein und Dein betrifft? Halte denn, was Du verſprochen, vergiß niemals Deiner Liebe, ge - wöhne Dich aber an den Gedanken, der Perſon des Ge - liebten entſagen zu müſſen.

Niemals, Großmutter! Wäre denn Bartja mein Freund geworden, wenn ich ihm nicht vertrauen könnte? Gerade, weil er ein Perſer iſt, der die Wahrhaftigkeit ſeine ſchönſte Tugend nennt, darf ich zuverſichtlich hoffen, daß er ſeines Schwures gedenken und mich, trotz der Un - ſitte der Aſiaten, zu ſeinem einzigen Weibe machen werde.

Und wenn er ſeines Schwures vergißt, ſo wirſt Du Deine Jugend elend vertrauern und mit vergiftetem Her - zen ...

O gute, liebe Großmutter, höre auf, ſo ſchreckliche Dinge zu reden! Wenn Du ihn kennen würdeſt, wie ich ihn kenne, ſo müßteſt Du mit mir jauchzen und mir zu - geben, daß wohl der Nil verſiegen und die Pyramiden einſtürzen mögen, mein Bartja aber mich nicht betrügen kann!

Das Mädchen ſprach dieſe Worte mit ſo freudiger Zuverſicht, mit ſo überzeugender Gewißheit, und ihre171 dunklen von Thränen erfüllten Augen glänzten dabei ſo warm und ſelig, daß auch das Antlitz der Greiſin wieder freundlich wurde.

Sappho ſchlang nun noch einmal ihre Arme um den Hals der Großmutter, erzählte derſelben jedes Wort, wel - ches der Geliebte zu ihr geſprochen hatte, und endete ihre lange Rede mit dem Ausrufe: O Großmutter, ich bin gar zu glücklich! Und wenn Du nun gar mit uns nach Perſien kommſt, dann hab ich nichts mehr von den Un - ſterblichen zu erbitten.

Mögen Dich die Götter vor Enttäuſchung behüten, ſeufzte Rhodopis. Nur mit neidiſchem Blicke betrachten ſie das Glück der Sterblichen und wägen uns das Schlimme mit verſchwenderiſchen, das Gute mit kargen Händen zu. Geh jetzt in’s Bett, mein Kind, und bete mit mir, daß dieß Alles ein glückliches Ende nehmen möge. Einem Kinde habe ich meinen Morgengruß gebracht, einer Jung - frau ſage ich gute Nacht; mögeſt Du mir als Gattin eben ſo freudig Deinen Mund zum Kuſſe bieten, als eben jetzt. Morgen will ich euretwegen mit Kröſus reden. Von ſeinem Ausſpruche wird es abhängen, ob ich Dir geſtatten kann, Dich als Braut des Perſers zu betrachten, oder ob ich Dich beſchwören muß, den Königsſohn zu vergeſſen, um bald die Hausfrau eines Hellenen meiner Wahl zu werden. Schlafe wohl, mein Liebling, ſchlummre ruhig; Deine alte Großmutter wacht für Dich!

Sappho entſchlief von ſeligen Träumen einge - wiegt; Rhodopis aber ſchaute mit offenen Augen, bald lächelnd, bald bedenklich die Stirn runzelnd, in die auf - gehende Sonne und den lichten Tag.

Am folgenden Morgen ließ Rhodopis Kröſus erſu - chen, ihr eine Stunde zu ſchenken.

172

Sie erzählte dem Greiſe ohne Umſchweif, was ſie von Sappho erfahren hatte, und ſchloß ihre Rede mit folgen - den Worten: Jch weiß nicht, welche Anſprüche die Perſer an die Gattin eines Fürſten machen; kann Dir aber ſagen, daß mir Sappho des erſten aller Könige würdig zu ſein ſcheint. Sie ſtammt von einem edlen freien Vater, und ich habe gehört, daß nach euren Geſetzen ganz allein der Vater die Herkunft des Kindes beſtimmt. Auch in Aegyp - ten genießen die Nachkommen der Sclavin gleiche Rechte mit denen der Fürſtentochter, wenn beide demſelben Erzeu - ger 206) ihr Daſein verdanken.

Jch habe Dir ſchweigend zugehört, antwortete Krö - ſus, und muß Dir ſagen, daß ich ebenſo wenig als Du in dieſem Augenblicke weiß, ob ich mich freuen darf, oder ob ich dieſe Liebe beklagen ſoll. Kambyſes und Kaſſan - dane, die Mutter Bartjas und des Königs, wünſchten ſchon vor unſerer Abreiſe den Prinzen zu verheirathen. Der König ſelbſt erfreut ſich bis heute keiner Nachkommen. Sollte er kinderlos bleiben, ſo beruht die einzige Hoffnung auf die Fortpflanzung des Geſchlechts ſeines Vaters Ky - ros auf Bartja, denn der große Gründer der perſiſchen Macht rühmte ſich nur zweier Söhne, des Kambyſes und des Freundes Deiner Enkelin. Dieſer Letztere iſt der Stolz aller Perſer, der Liebling des ganzen Hofes und Landes, die Hoffnung aller Würdenträger und Untertha - nen. Er iſt ebenſo ſchön als edel, ebenſo tugendhaft als liebenswerth. Wohl verlangt man von den Königs - ſöhnen, daß ſie ſich mit Weibern aus ihrem, dem Ge - ſchlechte der Achämeniden, vermählen, aber die Perſer haben eine unbegrenzte Vorliebe für alles Fremde und würden, von der Schönheit Deiner Enkelin entzückt, von ihrer Liebe zu Bartja nachſichtig gemacht, gar bald den173 Verſtoß gegen die alte Sitte vergeben, zumal jedwede That, welche der König gut heißt, keinen Einwand der Unter - thanen zuläßt. Auch liefert die iraniſche Geſchichte Bei - ſpiele genug, daß ſelbſt Sclavinnen Könige zeugten 207). Die Mutter des Herrſchers, welche in ebenſo hohem An - ſehen ſteht, als dieſer ſelbſt, wird dem Glück ihres jüng - ſten und Lieblingsſohnes nichts in den Weg legen. Wenn ſie ſieht, daß Bartja nicht von Sappho ablaſſen will, wenn ſie bemerkt, daß das lachende Antlitz des an - gebeteten Ebenbildes ihres großen verſtorbenen Gatten ſich verfinſtert, dann würde ſie ihm, glaube ich, um ihn wie - der fröhlich zu machen, ſelbſt nicht verweigern, eine Scy - thin heimzuführen. Auch Kambyſes wird, wenn die Mut - ter zur rechten Stunde in ihn dringt, ſeine Einwilligung nicht verſagen.

Nun ſo wären ja alle Schwierigkeiten beſeitigt, rief Rhodopis voller Freude.

Nicht die Vermählung, ſondern die Zeit nach der - ſelben macht mir Sorge.

Meinſt Du, daß Bartja

Von ſeiner Seite fürchte ich Nichts. Er hat ein treues Herz und iſt der Liebe ſo lange fremd geblieben, daß er, nun ſie ihn einmal überwältigt hat, warm und dauernd lieben wird.

Aber

Aber Du mußt bedenken, daß, wenn auch alle Män - ner die anmuthige Gattin ihres Lieblings jubelnd empfan - gen ſollten, tauſend Weiber in den Frauengemächern per - ſiſcher Großen müßig verweilen, welche ſich’s zum Geſchäfte machen werden, der armen Sappho mit Ränken und Schlichen aller Art zu ſchaden, deren höchſte Freude es ſein wird, das unerfahrene Kind zu verderben und unglücklich zu machen.

174

Sind denn alle perſiſchen Weiber ſo ſchlechter, bos - hafter Art?

Sie ſind eben Weiber und werden diejenige benei - den, welche den Mann zu gewinnen wußte, nach dem ſie alle für ſich oder ihre Töchter ſehnſüchtig ausſchauten. Neid geſtaltet ſich in den müßigen, einförmigen Räumen des Harems gar leicht zum Haſſe, und die Befriedigung deſſelben muß dieſen armſeligen Geſchöpfen zum Erſatze für ihren Mangel an Liebe und Freiheit dienen. Sappho wird, das wiederhole ich Dir, je ſchöner ſie iſt, je bos - hafteren Anfeindungen ausgeſetzt ſein, und ſelbſt, wenn Bartja ſie innig liebt und in den erſten Jahren keine zweite Gattin heimführt, ſo ſchwere Stunden zu beſtehen haben, daß ich in der That nicht weiß, ob ich Dir zu der ſcheinbar glänzenden Zukunft Deiner Enkelin Glück wün - ſchen darf.

Daſſelbe empfinde auch ich. Ein ſchlichter Hellene wäre mir zum Eidam lieber geweſen, als dieſer edle Sohn eines großen Königs.

Jn dieſem Augenblicke trat, von Knakias eingeführt, Bartja in’s Zimmer. Er flehte die Greiſin an, ihm ihre Enkelin nicht zu verſagen, ſchilderte ſeine große Liebe zu derſelben, und betheuerte, daß Rhodopis ſein Glück ver - doppeln würde, wenn ſie mit ihm nach Perſien ziehen wolle. Dann ergriff er die Hand des Kröſus, bat ihn um Verzeihung, weil er ihm, ſeinem väterlichen Freunde, ſo lange verſchwiegen habe, was ſein Herz beglücke, und flehte ihn an, ſeine Werbung zu unterſtützen.

Lächelnd hörte der Greis die leidenſchaftlichen Worte des Jünglings und ſprach: Wie oft, mein Bartja, hab ich Dich vor der Liebe gewarnt. Sie iſt ein brennendes Feuer.

175

Aber ihre Flammen ſind bunt und leuchtend!

Sie verurſacht Schmerzen!

Aber dieſe Schmerzen ſind ſüß.

Sie verwirrt den Geiſt!

Aber ſie kräftigt das Herz!

O, dieſe Liebe! rief Rhodopis. Redet der Knabe nicht, von Eros begeiſtert, als ſei er ſein Lebenlang bei einem attiſchen Sprachmeiſter in die Schule gegangen?

Und doch, erwiederte Kröſus, nenne ich die Lie - benden die ungelehrigſten aller Schüler. Man mag den - ſelben noch ſo klar beweiſen, ihre Leidenſchaft ſei Gift, Feuer, Narrheit, Tod, ſo werden ſie trotzdem ausrufen: aber ſie iſt ſüß‘, und unbeirrt zu lieben fortfahren!

Jn dieſem Augenblicke trat auch Sappho in das Zim - mer. Ein weißes Feſtgewand mit purpurrothen geſtickten Rändern und weiten Aermeln umwallte ihre zarten Glie - der in freien Falten, welche an den Hüften von einem goldnen Gürtel zuſammengehalten wurden. Jn ihren Haa - ren prangten friſche Roſen und ihren Buſen ſchmückte der blitzende Stern, das erſte Geſchenk des Geliebten.

Anmuthsvoll und ſchämig verneigte ſie ſich vor dem Greiſe, deſſen Blicke lange auf ihr ruhen blieben. Und je länger er in dieſes jungfräulich holde Antlitz ſchaute, je freundlicher wurde das ſeine. Erinnerungsbilder ſtellten ſich vor ſeine Seele, während eines Augenblickes wurde er ſelbſt wieder jung, unwillkürlich näherte er ſich dem Mäd - chen, liebreich drückte er einen Kuß auf ihre Stirn, faßte ihre Hand, führte ſie Bartja entgegen und rief: Nimm ſie hin, ſie muß Dein Weib werden, und wenn ſich alle Achämeniden gegen uns verſchwören ſollten!

Habe ich denn gar nichts mitzureden? fragte Rho - dopis, unter Thränen lächelnd.

176

Jetzt erfaßte Bartja die rechte, Soppho die linke Hand der Greiſin, und zwei flehende Augenpaare ſchauten in ihr Angeſicht. Da rief ſie, ſich hoch aufrichtend, gleich einer Seherin: Möge Eros, der euch zuſammen - führte, möge Zeus und Apollon euch ſchirmen! Wie zwei Roſen an einem Stengel ſehe ich euch, liebend und glück - lich, im Lenze des Lebens prangen; was Sommer, Herbſt und Winter euch bringen werden, das liegt tief verborgen im Schooße der Götter. Mögen die Schatten Deiner ver - ſtorbenen Eltern, meine Sappho, freundlich lächeln, wenn dieſe neue Botſchaft von Dir zu ihnen dringt in die Häuſer der Unterwelt!

Drei Tage ſpäter wogte am Landungsplatze bei Sais wiederum ein dichtes Menſchengedränge. Das Volk hatte ſich verſammelt, um der in die Fremde ziehenden Tochter des Königs ein letztes Lebewohl zuzurufen. Jn dieſer Stunde zeigte es ſich, daß die Aegypter, trotz aller Aufreizungen der Prieſter, mit inniger Liebe an ihrem Königshauſe hingen.

Als Amaſis und Ladike Nitetis zum Letztenmale wei - nend umarmten, als ſich Tachot, im Angeſicht aller Saiten, auf der großen Stromtreppe der Schweſter ſchluchzend um den Hals warf, als ſich endlich der die ſcheidende Königs - braut tragende Kahn mit ſchwellenden Segeln vom Lande entfernte, da blieben wenige Augen thränenleer.

Nur die Prieſter ſahen ernſt und kalt, wie immer, dem ergreifenden Schauſpiele zu.

Als endlich auch die Schiffe der die Aegypterin ent - führenden Fremden vom Südwinde erfaßt wurden, klangen ihnen viele Flüche und Verwünſchungen nach; die zurück -177 gebliebene Königstochter aber winkte den Scheidenden noch lange mit ihrem Schleiertuche. Sie weinte ohne Unterlaß. Galten dieſe Thränen der Geſpielin ihrer Jugend, galten ſie dem ſchönen, geliebten Königsſohne?

Amaſis umarmte vor dem ganzen Volke ſeine Gattin und Tochter. Er hielt den kleinen Ramſes, ſeinen Enkel, hoch empor und ließ die Aegypter bei dem Anblicke deſſel - ben, in lauten Jubel ausbrechen. Pſamtik, der Vater des Kindes, ſtand ſchweigend und trockenen Auges neben dem Könige, welcher ihn nicht zu beachten ſchien; endlich näherte ſich ihm Neithoteph, der Oberprieſter, führte den Zau - dernden ſeinem Vater entgegen, legte ſeine Hand in die des Königs, und rief laut den Segen der Götter über das königliche Haus.

Während ſeiner Worte knieten die Aegypter mit er - hobenen Händen nieder. Amaſis zog den Sohn an ſeine Bruſt und flüſterte dem Oberprieſter zu, als dieſer ſein Gebet vollendet hatte: Laßt uns Frieden halten, um unſrer ſelbſt und um Aegyptens Willen.

Haſt Du jenen Brief des Nebenchari empfangen?

Ein ſamiſches Seeräuberſchiff verfolgt die Triere des Phanes.

Dort fährt das Kind Deines Vorgängers, die recht - mäßige Erbin des ägyptiſchen Thrones, ungehindert in die Ferne.

Der helleniſche Tempelbau zu Memphis ſoll ein - geſtellt werden.

Jſis verleihe uns Frieden, und Glück und Wohl - fahrt breite ſich über Aegypten!

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 12178

Zu Naukratis hatten die in Aegypten wohnenden Hel - lenen der in die Fremde ziehenden Tochter ihres Schutz - herrn Amaſis ein Feſt bereitet.

Auf den Altären der griechiſchen Götter wurden zahl - reiche Opferthiere geſchlachtet, und als die Nilbarken im Hafen landeten, erſcholl ein lautes Ailinon !

Feſtlich geſchmückte Jungfrauen überreichten Nitetis einen goldnen Reifen, welcher, als Brautkranz, mit tauſend duftenden Veilchen 208) umwunden war.

Als ſchönſte Jungfrau von Naukratis, durfte Sappho denſelben der Scheidenden überreichen.

Nitetis küßte, die Gabe annehmend, dankbar ihre Stirn. Dann beſtieg ſie die ihrer harrende Triere.

Die Ruderknechte gingen an ihre Arbeit, und ſtimm - ten das Keleusma 209) an. Der Südwind ſchwellte die Segel, und ein tauſendfaches Ailinon erſchallte zum Zwei - tenmale. Bartja winkte vom Verdecke des Königsſchiffes ſeiner Verlobten die letzten Liebesgrüße zu. Sappho betete leiſe zu Aphrodite Euploia, der Schutzpatronin der Schiffe. Eine Thräne benetzte ihre Wangen; aber ihren Mund umſpielte ein Lächeln der Hoffnung und der Liebe, während die alte Sclavin Melitta, welche den Sonnenſchirm der Jungfrau trug, wie eine Verzweifelnde weinte. Als dem Kranze, welcher das Haupt ihres Pfleglings zierte, zufällig einige Blätter entfielen, vergaß ſie jedoch während eines Augenblickes ihres Schmerzes und flüſterte leiſe: Ja, Herzchen, man ſieht, daß Du Liebe empfindeſt, denn alle Mädchen, welche Blätter aus ihren Kränzen verlieren, deren Herz hat Eros getroffen 210).

[179]

Anmerkungen.

  • 1. (S. 2.) Wilkinſon, Manners and customs of the ancient Egyptians. III. 196 und III. plate XVI.
  • 2. (S. 2.) Der einfache Mantel Himation wurde von den do - riſchen Griechen, namentlich den Spartanern, getragen. Die Chlanis war ein leichter Sommermantel von meiſt koſtbaren Stoffen, welcher namentlich von eleganten Athenern getragen wurde.
  • 3. (S. 3.) Dieſe Stadt, welche der Schauplatz eines Theiles un - ſerer Erzählung ſein wird, lag im ſogenannten Delta oder Unterägyp - ten im ſaitiſchen Nomos oder Bezirke, am linken Ufer der kanobi - ſchen Mündung des Nils. Nach Strabo und Euſebius (beim Arme - nier) iſt dieſelbe von Mileſiern gegründet worden, und zwar, wie Bun - ſen rechnet, um 749 vor Chr. Doch iſt es wahrſcheinlicher, daß dieſe Colonie erſt 670, im erſten Regierungsjahre Pſamtik I., welcher Aegypten den Fremden öffnete, gegründet worden ſei. Vor dieſem - nige ſcheint fremden Schiffen das Einfahren in die kanobiſche Mün - dung nur im Nothfalle geſtattet geweſen zu ſein. Damals beſchränkte ſich auch der ganze Verkehr der Aegypter mit den verhaßten Auslän - dern auf die kleine, der Stadt Thonis gegenüber liegende Jnſel Pha - ros. Hom. Odyss. IV. 356. Herod. II. 113 und 14. Movers Co - lonieen der Phönizier. Sobald ſich die Griechen einmal in Naukratis niedergelaſſen hatten, befeſtigten ſie daſſelbe und erbauten ihren Göttern Tempel: die Aegineten dem Zeus, die Mileſier dem Apollon, die Sa - mier der Hera. Außerdem wurde daſelbſt ein großer, vielen Städten und Stämmen gemeinſamer Tempel und eine Art von Hanſa, das Hellenion, gegründet. Alexander wählte ſpäter in der Nähe dieſer blü - henden Handelsſtadt den Platz zur Gründung von Alexandria.
  • 4. (S. 3.) Wir ſind im Oktober, wo der Nil bereits zu ſinken beginnt. Die Ueberſchwemmung fängt im Juli an, erreicht im Sep - tember die höchſte Höhe und tritt daun nach und nach zurück.
  • 180
  • 5. (S. 3.) Die Spartaner pflegten keine Schnurrbärte zu tragen.
  • 6. (S. 4.) Alkman (attiſch Alkmäon) blühte um 610 in Sparta. Von einer lydiſchen Sklavin zu Sardes geboren, kam er in den Beſitz des Spartaners Ageſides, der ihn freiließ. Bald verſchafften ihm ſeine ſchönen Lieder das Bürgerrecht von Lakedämon, woſelbſt er die ſanfte lydiſche Muſik, welche man durch Polymneſtes kennen gelernt hatte, einzubürgern verſtand. Himerius. orat. 5. Nach einem dem Geſange, den Freuden der Tafel und der Liebe gewidmeten Leben, ſoll er an ei - ner ſchrecklichen Krankheit geſtorben ſein. Wegen der vielen Jungfrauen - chöre (Parthenien), welche von ihm herrühren, ſeiner Loblieder auf die Frauen und des freundſchaftlichen Verhältniſſes, in dem er zu den Spartanerinnen geſtanden haben ſoll, verdient er den Namen des lake - dämoniſchen Frauenlob . Auch ſeine Paeane und Hymnen ſind hoch berühmt. Seine Fragmente ſind von Welcker geſammelt.
  • 7. (S. 5.) Wilkinſon II. 136. 143 nach Roſellini.
  • 8. (S. 5.) An den Thoren ägyptiſcher Landhäuſer pflegten zu - weilen Obelisken mit der Namensinſchrift des Beſitzers zu ſtehen; auch waren Fahnen nichts Ungewöhnliches. Doch finden wir dieſelben faſt ausſchließlich an den Thoren der Tempel. Auch den Griechen waren Fahnen nichts Unbekanntes.
  • 9. (S. 6.) Man pflegte, namentlich zu Athen, die Hauptmahlzeit, das Deipnon (δεῖπνον) ſpät zu halten.
  • 10. (S. 6.) Die Hetären der Griechen ſind kaum mit den mo - dernen Luſtdirnen zu vergleichen, denn der beſſere Theil derſelben ver - trat die Jntelligenz und Bildung der weiblichen Bewohner, namentlich der ioniſchen Theile, von Hellas. Man denke an eine Aspaſia. Auch unſere Rhodopis war hochberühmt. Die Hetäre Thargalia von Milet wurde die Gattin eines theſſaliſchen Königs. Ptolemäos Lagi heirathete die Thäis. Jhre Tochter hieß Jrene, ihre Söhne Leontiskus und La - gus. Athen. XIII. p. 576. Endlich wurden mehreren Hetären Bild - ſäulen errichtet. Hierüber handeln am beſten F. Jakobs vermiſchte Schriften IV. und Becker Charikles II. S. 51 flgd.
  • 11. (S. 7.) Epimenides war Zeusprieſter zu Knoſſos auf Kreta und ſoll nach Plinius, 299, nach Xenophanes von Kolophon, ſeinem Zeitgenoſſen, 154 Jahre alt geworden ſein. Diogenes Laërtias erzählt, er habe ſich nach Belieben ſterben und wieder aufleben laſſen können. Da er 576 zu Sparta geweſen iſt, ſo kann ihn der alte Ariſtomachos wohl geſehen haben.
  • 181
  • 12. (S. 7.) Aigyptos wurde der Nil in alter Zeit von den Grie - chen genannt; z. B. Homer Odyss. IV. 478.
  • 13. (S. 7.) Geomoren hießen die eingeborenen Adelsgeſchlechter von Samos.
  • 14. (S. 7.) Aeſop (620 550) war nach Herodot ein Thraker, nach Anderen ein Phryger oder Meſembrianer. Er wurde an den Samier Jadmon als Sklave verkauft. Jn dem Hauſe deſſelben diente er mit Rhodopis zuſammen und wurde ſpäter freigelaſſen. Herod. II. 134. Berühmt durch ſeine Thierfabeln, ſoll er als Sachwalter aufge - treten ſein und der Freundſchaft des Kröſus genoſſen haben. Als er, ſchon hoch betagt, im Auftrage des Letzeren nach Delphi ging, wurde er von den beleidigten Prieſtern des Diebſtahls einer goldenen Schale beſchuldigt, fälſchlich zum Tode verurtheilt und von den delphiſchen Fel - ſen hinabgeſchleudert. Jn ſpäterer Zeit erhielt jede durch eine Erzäh - lung aus dem Naturreiche praktiſch dargeſtellte Lebensregel den Namen der äſopiſchen Fabel. Ueber ihn und ſeine Fabeln ſiehe Grauert de Aesopo et fabulis Aesopiis. Bonn 1825.
  • 15. (S. 8.) Nach Herodot II. 134 und 135 war Rhodopis ſo ſchön, daß jeder Hellene ihren Namen kannte.
  • 16. (S. 8.) Alkaeos, ein Zeitgenoſſe und Freund der Sappho, ſtammte, wie dieſe, aus einer der vornehmſten lesbiſchen Familien und darf zu den trefflichſten Lyrikern des ganzen Alterthums gezählt wer - den. Mit allen Vorzügen, aber auch allem Stolz und allen Vorur - theilen ſeines Standes ausgeſtattet, ſetzte er Leib und Leben, Wort und Lied ein, um den Tyrannen Melanchros zu ſtürzen, die nach Lesbos überſiedelnden Athener aus Sigeion zu vertreiben, und endlich die Ober - herrſchaft für den Adel zu bewahren. Jn beiden letzten Unternehmun - gen unglücklich, mußte er, als ſich Pittakos zum Führer des Volks auf - geſchwungen hatte, mit ſeinen Brüdern und Geſinnungsgenoſſen die Flucht ergreifen. Erſtere nahmen bei Nebukadnezar von Aſſyrien Kriegs - dienſte, letztere, und mit ihnen Alkaeos, ſchweiften in der Welt umher. Es unterliegt keinem Zweifel, daß ſich der Dichter mit Charaxos, dem Bruder der Sappho, auch zu Naukratis aufgehalten habe. Nachdem Pittakos ſeine Geſetzgebung, welche ihm den Namen eines Weltweiſen eintrug, vollendet hatte, rief er die Verbannten zurück und verzieh dem Dichter, obgleich ihn derſelbe auch in der Fremde mit den bitterſten Verſen verfolgt hatte. Die Lieder des Alkaeos ſind erfüllt von der ritterlichen Poeſie des Adels von Mytilene, der, in allen Künſten der182 oligarchiſchen Erziehung genährt, durch ſtolzes Selbſtgefühl gehoben, und ſicher im Erbe der ſchönſten Vorrechte, ſein Leben zwiſchen That und Genuß theilen und im Unglück niemals den leichten Muth aufgeben durfte. Er war ein Feuergeiſt, der in vollendeten Formen ſang, weil er eben ſingen mußte, wenn eine Luſt ihm blühte, wenn ihn ein Leid bedrückte. Klar, wunderbar unbefangen, frei von Sehnſucht und den Augenblick genießend, muß man ihn als eines der bedeutendſten Vorbilder des Horaz, der nicht nur ſeine Metra, ſondern auch viele ſei - ner Gedanken adoptirte, betrachten. Seine im Text erwähnte Bezie - hung zu Sappho wird durch einzelne ſeiner Fragmente verbürgt. Die - ſelben finden ſich in A. Matthiae Alcaei reliquiae. L. 1827.
  • 17. (S. 8.) Die berühmte Dichterin Sappho lebte nach Athenäus zur Zeit des lydiſchen Königs Alyattes, alſo zwiſchen 620 563 v. Chr., nach der Chronik des Eusebius ol. 44, d. i. um 600 v. Chr. Außer - dem wird ſie als Zeitgenoſſin des Pittakos, Alkaeos und der Rhodopis genannt, was mit den obigen Angaben übereinſtimmt. Wir werden kaum fehl gehen, wenn wir ſie um 620 zu Mytilene auf Lesbos ge - boren werden laſſen. Jhr Vater hieß Skamandronymos oder Skamon. Hiefür ſprechen, außer Herodot, Aelian und anderen alten Schriftſtel - lern, Welcker, Bernhardi, Richter und Andere. Jhre Mutter und Toch - ter trugen den Namen Klëis. Außer dem von uns erwähnten Cha - raxos hatte ſie einen zweiten Bruder Larichos, der, nach Athenäos im Prytaneion zu Mytelene ein hohes Ehrenamt bekleidete. Hieraus, ſowie aus der Vertreibung der Sappho und des Charaxos zur Zeit des Pittakos erhellt, daß ſie aus einer ſehr vornehmen Familie ſtammte. Dieſelbe muß auch wohlhabend geweſen ſein, ſonſt hätte Charaxos, wie Herodot erzählt, Rhodopis nicht kaufen können. Suidas nennt den Gatten der Dichterin, Kerkolas, ausdrücklich einen ſehr reichen Mann. Unter ihren Anbetern darf ihr berühmter Zeitgenoſſe Alkaeos nicht übergangen werden, während ihre bekannte unglückliche Liebe zu dem jungen Phaon von Bernhardi mit Recht eine Fabel genannt wird. Ebenſo unwahr iſt es, daß Anakreon, der erſt mehrere Jahrzehnte ſpä - ter blühte, an Sappho gewiſſe erotiſche Verſe, welche einer anderen Lesbierin gelten, gewidmet habe. Auch ihre unreine Leidenſchaft für ſchöne Jungfrauen und ihr Sprung vom leukadiſchen Felſen gehören in das Reich der Fabel. Siehe Welcker, F. W. Richter und Bern - hardi. Von dem Aeußeren der Dichterin wiſſen wir nur wenig. Plato, Plutarch u. A. nennen ſie die ſchöne Sappho. Alkaeos preist ihr183 ſchwarzes Haar und ihr liebreizendes Lächeln. Welcher zählt ſie zu den im Alterthum gefeierten Schönheiten. Sie iſt auf den Münzen ihrer Heimat, in Gemälden und Bildſäulen ſehr häufig, aber, wie es ſcheint, ſehr verſchieden abgebildet worden. Eines dieſer Bilder be - ſchreibt Democharis folgendermaßen:

    So zu geſtalten, o Maler, die mitylenäiſche Muſe Gab Dir einſt die Natur ſelber, die Bildnerin ein. Lieblicher Glanz entſtrömet den Augen zur deutlichen Kunde, Wie ihr ſchaffender Geiſt quoll von lebendiger Kraft. Aber das Fleiſch in natürlichem Wuchs, nicht ſchwellend in Unmaß, Deutet die Einfachheit ihres Gemüthes uns an. Und das Gemiſch von frohem zugleich und ſinnigem Antlitz Sagt, daß Kypris in ihr ſich mit der Muſe vermiſcht.

    Tauſende von Liedern ſind ihr gewidmet worden; wir aber wollen an dieſer Stelle nur folgende Epigramme des Pinytos und Antipatros von Sidon aus der Griechiſchen Blumenleſe (F. Jakobs) erwähnen:

    Sapphos Aſch und Gebein und den Namen nur decket die Erde, Aber ihr weiſer Geſang freut der Unſterblichkeit ſich. Sappho ward ich genannt; ich beſiegte die Lieder der Frauen Weithin, ſo wie Homer männliche Lieder beſiegt.

    Die Schreibart Sappho iſt aeoliſch. ΣΑΦΟ findet ſich nur, wie auch Welcker glaubt, als Schreibfehler, auf einer Vaſe zu Wien.

    Solon äußerte den im Text angedeuteten Wunſch ſeinem Neffen gegenüber. Stob. Serm. XXIX. 28.

  • 18. (S. 9.) Hophra, Apries, Uaphris hieß nach dem Königsſchilde in Lepſius Königsbuch Taf. 48 Uaphrahet, und regierte von 589 570. Er wurde von Amaſis, der, nach Athenäos, ſein Freund war, bei ei - nem Aufſtande, deſſen die Propheten des alten Bundes häufig erwäh - nen, geſtürzt. Jerem. 44. 30. 46. 24. 25. 26. Herod. II. 169. Er gehörte zur 26. oder ſaitiſchen Dynaſtie.
  • 19. (S. 9.) Amaſis, von dem im Text vielfach die Rede ſein wird, hieß nach ſeinen Hieroglyphenſchildern, Lepſius Königsb. Taf. 48. 8. Aahmas oder Aahmes. Seine Beinamen waren nach Roſellini Mo - numenti dell Egitto II. p. 148. Netſi, d. i. Sohn der Neith und Sonne der Gerechtigkeit . Namen oder Bilder deſſelben finden ſich auf Steinen der Feſtung Kairo, einem Relief zu Florenz, einer Statue im Vatikan, auf Sarkophagen zu Stockholm und London, einer Statue in der Villa Albani, einem Tempel zu Leyden.
  • 20. (S. 10.) Die alten Aegypter ſind in ihrem Verhältniß zu den Fremden mit den heutigen Japaneſen durchaus vergleichbar.
  • 184
  • 21. (S. 10.) Herod. II. 35.
  • 22. (S. 10.) Maſſalia, das heutige Marſeille, wurde um 600 v. Chr. von Phokaea aus gegründet. Letztere ioniſche Stadt an der kleinaſiatiſchen Küſte fiel, nachdem ſich alle Bürger auf ihren Schiffen aus derſelben entfernt hatten, 19 Jahre vor dem Beginn unſerer Er - zählung, in die Gewalt der Perſer. Kelten hießen bei den alten Grie - chen nicht nur die Gallier, ſondern auch die germaniſchen und iberiſchen ſpaniſchen) Stämme.
  • 23. (S. 11.) Jn Aegypten beſtand eine ſehr umſichtige und ſtrenge Polizei, um deren Organiſation ſich Amaſis beſonders verdient gemacht haben ſoll.
  • 24. (S. 11.) Kurz vor der Zeit unſerer Erzählung war es meh - reren ehrgeizigen Hellenen, wie dem Piſiſtratos von Athen, dem Poly - krates von Samos und Lygdamis von Naxos gelungen, die Adels - herrſchaft zu ſtürzen und ſich der Regierung zu bemächtigen.
  • 25. (S. 12.) Die innere Einrichtung der Räume des Hauſes ha - ben wir nach Becker und K. F. Hermann gegeben. Das nach der nicht ganz klaren Stelle im Vitruv zu Barthelemys Anacharſis gezeichnete Haus iſt für unſeren Zweck viel zu weitläufig. Hirths Entwurf ſagt uns weniger zu, als die meiſten anderen, wogegen uns der Hermann’ſche Riß, Charikles II. 99, mit ebenſo ſcharfer Kritik als geſchmackvoller Benützung der bezüglichen Stellen gezeichnet zu ſein ſcheint. Charaxos konnte, als reicher Mann, ein ſolches Haus recht wohl erbauen, obgleich die griechiſchen Privatwohnungen, namentlich in jener Zeit, einfacher als die von uns beſchriebene geweſen ſein mögen.
  • 26. (S. 12.) Die plaſtiſche Kunſt der Aegineten war ſchon früh - zeitig berühmt. Jn den Ueberreſten alt äginetiſcher Compoſitionen läßt ſich der Uebergang von der typiſchen Form zur freien Nachahmung der Natur am deutlichſten erkennen. Siehe die 1811 aufgefundene Mittelgruppe des Weſtgiebels vom Athenetempel auf Aegina nach Cockerell.
  • 27. (S. 13.) Auf der Jnſel Chios ſollen die erſten Kunſtwerke aus Marmor verfertigt worden ſein.
  • 28. (S. 13.) Aegyptiſcher Lehnſeſſel. Wilkinſon II. plate XI. S. 192 flgd. Das Thyaholz kam aus der Oaſe des Jupiter Ammon in der lybiſchen Wüſte und war ſo koſtbar, daß Cicero für einen Tiſch von dieſem Holze eine Million Sestertien, d. ſ. 55,000 Thaler be - zahlte.
  • 29. (S. 13.) Oel aus der Frucht des Wunderbaumes ricinus185 communis, welches von den Aegyptern Kiki genannt und zum Bren - nen und Salben gebraucht wurde. Herod. II. 94. Strabo XVII. Plinius XV. 7. Dioscor. IV. 164.
  • 30. (S. 14.) Chronika I. 3. 17 19. Schon Salomo ließ um 1000 v. Chr. Pferde und Wagen in Aegypten kaufen. Ein Pferd ko - ſtete 150, ein Wagen 600 Sekel (75 u. 300 Thlr.) Ein Sekel, nach Luther Silberling , iſt etwa gleich einem halben Thaler. Könige I. 10. 28. 29. Chronika II. 1. 16. u. 17.
  • 31. (S. 14.) Herod. II. 180. Pindar. Pyth. 7. 9.
  • 32. (S. 14.) Anaximander von Milet, geboren 610, ein berühm - ter Geometer, Aſtronom, Weltweiſer und Geograph, verfaßte ein Buch über die Natur, zeichnete die erſte Weltkarte auf Erz und führte eine Art von Uhr, welche er den Babyloniern entlehnt zu haben ſcheint, in Griechenland ein. Er nennt den Urſchlamm den Keim alles Ge - ſchaffenen, und läßt aus demſelben Waſſer, Erde, Pflanzen, Thiere, Fiſchmenſchen, Menſchen ꝛc. entſtanden ſein. Zeller, Philoſophie der Griechen I. 170. Anaximenes, 570 500, war gleichfalls ein Welt - weiſer und bezeichnete die Luft als den Urſtoff. Plutarch plac. phil. I. 3. 6. Zeller, Philoſophie der Griechen I.
  • 33. (S. 14.) Theodoros, aus einer berühmten ſamiſchen Künſtler - familie ſtammend, machte ſich um die Architektur und den künſtleriſchen Metallguß beſonders verdient.
  • 34. (S. 14.) Jbykus aus Unteritalien blühte um 530. Den lei - denſchaftlichen und hochgebildeten Dichter zog Polykrates an ſeinen Hof. Die Begebenheiten nach ſeinem gewaltſamen Tode waren im Alterthum ſprüchwörtlich geworden und ſind auch bei uns durch Schillers Kra - niche des Jbykus allgemein bekannt. Seine Fragmente ſammelte Schneidewin. Ibyc. carm. reliq. Daß er in Aegypten geweſen ſei, wird nirgends erwähnt; wohl aber, daß er die Griechen die den Aegyp - tern längſt bekannte Jdentität des Morgen - und Abendſternes gelehrt habe. Achilles Tatius. Isag. in Arati Phaenom. im Uranolog. Pe - tavii p. 136. S. Lepſius Chronologie, Einleitung S. 91. Dieſe Stelle, ſowie die Freundſchaft des Polykrates und Amaſis machen es nicht unwahrſcheinlich, daß Jbykus in Aegypten geweſen ſei.
  • 35. (S. 14.) Sybaris war eine Stadt in Unteritalien, welche im ganzen Alterthum wegen ihrer Ueppigkeit berüchtigt war und, nach Strabo, von Achäern gegründet worden ſein ſoll. Sie wurde um 510 von den Krotoniaten erobert und zerſtört.
  • 186
  • 36. (S. 17.) Anakreon von Teos lebte gleichfalls zur Zeit unſe - rer Erzählung am Hofe des Polykrates. Der berühmte, liebenswürdige Sänger der Liebe und des Weins wird im Texte öfters genannt und angeführt werden. Die citirte Stelle findet ſich Anakr. fragm. ed. Moebius XV.
  • 37. (S. 17.) Hemdenartiges Untergewand.
  • 38. (S. 18.) Beinamen, welchen Apollon wegen ſeiner dunklen, ſchiefen Orakelſprüche führte. Macrob. I. 17.
  • 39. (S. 19.) Gewöhnlich hatte wohl jeder Gaſt ſein eigenes Tiſchchen; doch hören wir ſchon im Homer von großen Anrichtetiſchen reden. Jlias IX. 206. 215. Odyss. I. 111. Jn dem Sympoſion, welches Xenophanes ungefähr zur Zeit unſerer Geſchichte ſchildert, kommt eine Tafel vor, deren Ausſtattung bei der folgenden Beſchrei - bung von uns beſonders benutzt worden iſt. Xenoph. fragm. ed. Bergk. I. Jn homeriſcher Zeit ſaß man bei Tiſche, ſpäter wurde die liegende Stellung ganz allgemein.
  • 40. (S. 19.) Die Griechen pflegten gemiſchten Wein zu trinken. Den reinen Rebenſaft hatte Zaleukos bei Todes -, Solon bei ſtrenger Strafe allen Bürgern, welche ihn nicht als Arzenei benutzen mußten, verboten. Die gewöhnliche Miſchung war Waſſer und Wein. Schol. z. d. Rittern des Ariſtophanes V. 1184.
  • 41. (S. 20.) Das Speiſezimmer der Kleopatra ſoll eine Elle hoch mit Roſen beſtreut geweſen ſein. Athenäus IV.
  • 42. (S. 20.) Die Griechen gingen nur bekränzt zur Mahlzeit. Vor derſelben wurden den Gäſten die Füße von Sklaven gewaſchen. Plato, Sympoſion p. 213. Auch goß man vor dem Eſſen Waſſer über die Hände. Athen. II. p. 60.
  • 43. (S. 20.) Dieſes Gerichtes erwähnt Hippouax ungefähr zur Zeit unſerer Geſchichte. Hipponact. fragm. 34 ed. Bergk.
  • 44. (S. 20.) Die Frauen pflegten ſitzend zu eſſen. Gewöhn - lich wurde ein Sympoſiarch oder Leiter des Gaſtmahls durch Wür - felung gewählt; hier aber kommt dieſes Amt der Rhodopis von ſelbſt zu. Ein Sklav des Hauſes hatte die anderen, zum Theil von den Gäſten mitgebrachten, Diener zu leiten.
  • 45. (S. 20.) Zur Zeit unſerer Erzählung war das Drama noch in ſeiner Entſtehung. Theſpis gab den dionyſiſchen Chören durch Wech - ſelſänge und Masken eine dramatiſche Geſtalt, während Phrynichus, als der erſte eigentliche Tragödiendichter genannt werden muß.
  • 187
  • 46. (S. 21.) Nach der eigentlichen Mahlzeit begann das Sym - poſion. Erſt jetzt bekränzte man ſich gewöhnlich, wuſch die Hände mit Smegma oder Smema (einer Art von Seife) und griff zum Weine.
  • 47. (S. 22.) Der verſchuldete Aegypter konnte die Mumien ſei - ner Vorfahren verſetzen und gab ſein Letztes hin, ehe er dieſelben ver - fallen ließ, denn ſeiner wartete, wenn er dies that, Schmach und Schande; auch wurde ihm nach dem Tode das Begräbniß verſagt. Diodor I. 93.
  • 48. (S. 23.) Eigene Ueberſetzung nach Simonidis fragm. ed. Bergk.
  • 49. (S. 23.) Die Stadt Memphis ſoll ſchon von Menes, den die alten Chronologen und auch Manetho den erſten König von Aegypten nennen, gegründet worden ſein. Derſelbe ſchützte dieſen Ort durch einen großartigen Kanalbau vor der Ueberſchwemmung. Herod. II. 99. Bunſen, Aeg. Stellung i. d. Weltgeſch. II. S. 40. Er regierte nach Lepſius, welcher alle Chronographen und eine Menge von Jnſchriften auf’s Scharfſinnigſte benutzt hat, 3892 a. Chr. Sein Sohn und Nach - folger ſoll nach Manetho, einem Prieſter von Heliopolis, der um 250 v. Chr. für die Ptolemäiſchen Pharaonen die heiligen Schriften der Aegypter in’s Griechiſche überſetzte, den Palaſt von Memphis erbaut haben. Das Serapeum, die Apisgräber, ein Koloß des großen Ram - ſes und Trümmer des Ptahtempels ſind, beſonders durch den uner - müdlichen Mariette, ausgegraben worden.
  • 50. (S. 23.) Der erſte Pſamtik, bekannter unter dem Namen Pſametich, gehörte zu der 26. oder ſaitiſchen Dynaſtie und regierte nach den Manethotiſchen Tafeln von 664 bis 610 v. Chr. Er eröff - nete Aegypten zuerſt dem Verkehr mit dem Auslande.
  • 51. (S. 24.) Die Katze war wohl das heiligſte von den vielen heiligen Thieren, welche die Aegypter verehrten. Während viele andere Thiere nur bezirksweiſe vergöttert wurden, war die Katze allen Unter - thanen der Pharaonen heilig. Herod. II. 66. erzählt, daß die Aegypter, wenn ein Haus brenne, nicht eher an’s Löſchen dächten, als bis ihre Katze gerettet ſei, und daß ſie ſich die Haare, als Zeichen der Trauer, abſchören, wenn ihnen eine Katze ſtürbe. Wer eines dieſer Thiere töd - tete, verſiel, mochte er mit Willen oder aus Verſehen der Mörder des - ſelben geworden ſein, unerbittlich dem Tode. Diod. I. 81. war Augen - zeuge, als die Aegypter einen unglücklichen römiſchen Bürger, welcher eine Katze getödtet hatte, des Lebens beraubten, obgleich, um der ge - fürchteten Römer willen, von Seiten der Regierung alles Mögliche ge -188 ſchah, um das Volk zu beruhigen. Die Leichen der Katzen wurden ſorgfältig mumiſirt und beigeſetzt. Eine Katzenmumie befindet ſich auch im Beſitze des Verfaſſers.
  • 52. (S. 25.) Die großen Pyramiden ſtehen im Weſten von Mem - phis. Näheres im Text III. Theil.
  • 53. (S. 25.) Die Göttin Pacht, welche mit dem Katzenkopfe ab - gebildet wurde, Bunſen I. Tafel XI., hatte zu Bubaſtis im Delta ihr vornehmſtes Heiligthum. Dorthin brachte man auch die Katzenmumien. Sie war nach Herodot gleich der griechiſchen Artemis (Diana) und wurde die Bubaſtiſche genannt. Nach Stephanus von Byzanz ſoll die Katze auch auf ägyptiſch Bubaſtos geheißen haben. Uebrigens nannte man das Thier für gewöhnlich Chau, Chai oder Schie. Der Beina - men der Pacht iſt Mut oder Mutter. So ſcheint man auch in ihr die Beſchützerin der Geburt und des Kinderſegens verehrt zu haben. Duncker, Geſchichte des Alterthums I. 61. Bilder derſelben bei Birch. Gallery. p. 16 flgd. Ueber die Fahrt nach Bubaſtis im Text II. Theil.
  • 54. (S. 25.) Müs, μῦς, ein bei den Griechen nicht ungewöhn - licher Name, bedeutet Maus.
  • 55. (S. 26.) Die Liebesgöttin der Aegypter, welche einen Tempel zu Memphis beſaß. Zu Buto befand ſich ihr Orakel. Sie wird Amme, Gemahlin, welche Himmel und Erde mit ihren Wohlthaten erfüllt, genannt und ſcheint die Lieblingsgöttin der königlichen Frauen geweſen zu ſein. Jhr Bild mit dem Kuhkopfe Bunſen I. Taf. XI., im Text S. 470. Bei Birch Gall. p. 19 wird ſie Herrin des Tanzes und Scherzes genannt. Man hat ſie mit Stricken und einem Tambourin in der Hand abgebildet gefunden. Brugſch fand zu Dendera (T-n-athyr, Haus der Hathor) eine Jnſchrift, in welcher ſie die große Königin des gol - denen Kranzes heißt. Brugſch, Reiſeberichte aus Aeg. S. 113.
  • 56. (S. 26.) Der Tempel des großen Gottes von Memphis, Ptah, war eines der berühmteſten Bauwerke in Aegypten. König Menes ſollte denſelben bereits angelegt haben, und viele ſpätere Pharaonen, beſon - ders Ramſes III., der durch ſein Schatzhaus bekannte Rampſinit und Amenemha III. beeiferten ſich, denſelben auszuſchmücken und zu erwei - tern. Pſamtik I. ſoll neben demſelben für den Apis, den heiligen Stier des Ptah, ein köſtliches Haus, deſſen Dach, ſtatt auf Säulen, auf 12 Ellen hohen Statuen ruhte, erbaut haben. Strabo XVII. 64. Auch Amaſis ſorgte für die Verſchönerung dieſes Tempels, indem er in dem Hofe deſſelben einen 75 Fuß hohen Koloß aufſtellen ließ. Herod. II. 176.
  • 189
  • 57. (S. 27.) Dieſer Gerichtshof, welchen Diod. I. 75. mit dem Areopag zu Athen und der Geruſia zu Sparta vergleicht, beſtand aus 30 Richtern aus der Prieſterkaſte (10 von Heliopolis, 10 von Mem - phis, 10 von Theben) und wählte den Trefflichſten (ἔνα τὸν ἄριστον) zum Präſidenten. Alle Klagen und Vertheidigungen mußten ſchriftlich eingebracht werden, damit Wort und Geberde den Richter nicht beein - fluſſe. Dieſes Tribunal war ſelbſt vom Könige unabhängig.
  • 58. (S. 27.) Schon der Mitwiſſer eines Verbrechens war nach ägyptiſchem Geſetz ebenſo ſtrafbar als der Thäter.
  • 59. (S. 28.) Anführer einer Taxis oder Compagniehauptmann. Lysias Apol. p. 162.
  • 60. (S. 29.) König Amaſis führte einen erfolgreichen Krieg ge - gen Kypros (Cypern). Herod. II. 178. Diod. I. 68.
  • 61. (S. 31.) Dieſes Streben und dieſer Wunſch nach Einheit iſt den Hellenen keineswegs fremd geweſen, wenn wir denſelben auch nur ſelten ausſprechen hören. Ariſtoteles VII. 7. ſagt z. B.: Die Hellenen könn - ten, wenn ſie ſich zu einem Staate vereinigten, alle Barbaren beherrſchen.
  • 62. (S. 31.) Athenäos I. 25. nennt den Wein von Anthylla den beſten ägyptiſchen Rebenſaft.
  • 63. (S. 32.) Ein viel erwähnter, ausgezeichneter Athener, welcher zur Zeit unſerer Geſchichte lebte. Derſelbe ſoll nach Herod. VI. 122. mit dem Rennpferde und dem Viergeſpann geſiegt haben.
  • 64. (S. 33.) So werden die zu jener Zeit hochberühmten ſami - ſchen Schiffe von Herodot beſchrieben; auch haben dieſelben wohl häufig Eberköpfe an der Spitze geführt. Dahin deutet wenigſtens der Bericht des Strabo, daß die Aegineten den von ihnen gekaperten ſamiſchen Schiffen die Eberköpfe abgeſchlagen hätten. Herod. III. 59. erzählt daſſelbe von den Schiffsſchnäbeln.
  • 65. (S. 33.) Bei Th. Hope. Costume I. 138.
  • 66. (S. 34.) Auch im Alterthum war es üblich, ſeinen Freunden kleine Geſchenke von der Reiſe mitzubringen. So brachte z. B. Theo - krit der Gattin ſeines Freundes Nikias eine elfenbeinerne Spindel mit, die er mit anmuthigen Verſen begleitete.
  • 67. (S. 34.) Der zweite Sieg der Roſſe des Kimon muß, wie Duncker, Geſch. des Alterthums IV. S. 343 richtig bemerkt, um 528 ſtattgefunden haben. Dieſelben Pferde ſiegten bei den nächſten Spielen, alſo vier Jahre ſpäter, zum dritten Male. Zum Danke ließ Kimon denſelben an der hohlen Gaſſe bei Athen ein Denkmal errichten.
  • 190
  • 68. (S. 34.) Neben den Alkmäoniden die vornehmſte Adelsfamilie in Athen, welche ſich von Ajax, dem homeriſchen Helden, abzuſtammen rühmte.
  • 69. (S. 35.) Kallias wird ein Daduche δαδοῦχος genannt, weil in ſeiner Familie das Recht, Fackeln bei den eleuſiniſchen Myſte - rien zu tragen, erblich war. Xenoph. Hell. VI. 3. 2.
  • 70. (S. 36.) Vitruv 7. praef. 15. Dicaearch. fragm. ed. Mül - ler. 59.
  • 71. (S. 37.) Dieſer ſiegte drei Olympiaden ſpäter mit ſeinen vier Hengſten Phoinix, Korax, Samos und Knakias, denen er Denkmäler errichten ließ. Pauſanias VI. 14.
  • 72. (S. 37.) Von dieſem ſtärkſten aller Hellenen werden unglaub - liche Kraftſtücke erzählt. Er ſiegte ſiebenmal zu Olympia, neunmal zu Nemea, ſechsmal bei den Pythien (Delphi), zehnmal auf dem Jſthmos. Diod. XII. 9. Daß er ſchon bei der 62. Olympiade den Kranz errang, wiſſen wir beſtimmt, Krauſe, Olympia S. 327; darum kann er noch eher in der 63., d. i. 528 v. Chr., gekämpft haben.
  • 73. (S. 37.) Meyer, Olympiſche Spiele. Schömann, Privatalter - thümer u. a. v. a. O. Verheirathete Frauen durften ſich bei Todes - ſtrafe nicht zu den Zuſchauern geſellen.
  • 74. (S. 38.) Altis hieß der heilige Platanen - und Oelbaumhain, welcher von einer Mauer abgeſchloſſen, zwiſchen dem Alpheusfluß und dem Bache Kladeos lag. Pindar Olymp. VIII.
  • 75. (S. 38.) Der Schauplatz der Kämpfe.
  • 76. (S. 38.) Pauſanias VI. 14. Epigramm des Simonides fragm. 158.
  • 77. (S. 38.) Die ſpartaniſchen Kinderfrauen waren in ganz Griechenland berühmt und geſucht.
  • 78. (S. 39.) Die Gruppen der Kämpfer wurden durch das Loos beſtimmt, nachdem ihre freie Geburt und Unbeſcholtenheit feſtgeſtellt worden war.
  • 79. (S. 39.) Vorſteher des ſpartaniſchen Erziehungsweſens. Xe - nophon respubl. Lacedaem. II.
  • 80. (S. 40.) Dieſer berühmte Arzt ſtammte aus Kroton in Un - teritalien und wurde in der Mitte des ſechsten Jahrhunderts v. Chr. geboren. Wegen harter Behandlung ſeines Vaters ſoll er die Heimat verlaſſen und erſt den Piſiſtratiden für 2500, dann dem Polykrates für mehr als 4000 Thaler Jahrgehalt, als Leibarzt, gedient haben. Spä -191 ter wurde er mit Gewalt an den perſiſchen Hof gezogen, bewährte auch dort ſeine Geſchicklichkeit und entkam durch Liſt. 510 traf er wieder in Kroton ein und vermählte ſich dort mit der Tochter des berühmten Athleten Milon.
  • 81. (S. 40.) Nach den Kampfgeſetzen hatte derjenige, deſſen Geg - ner ſtarb, keinen Anſpruch auf den Preis des Sieges.
  • 82. (S. 44.) Die fünf Ephoren von Sparta waren eingeſetzt wor - den, um die abweſenden Könige während des meſſeniſchen Kriegs zu vertreten. Später bediente ſich der Adel des Ephorats, um der könig - lichen, eine aus ſeiner Mitte hervorgehende Macht entgegenzuſtellen. Als höchſte richterliche, erziehungs - und ſittenpolizeiliche Behörde wußten ſie ſich bald bei den meiſten Angelegenheiten ſelbſt über das Königthum zu ſtellen. Jeder Adelige, welcher über 30 Jahre alt war, hatte das Recht, ſich alljährlich um das Ephorat zu bewerben. Aristot. polit. II. u. IV. Diog. Laërt. I. 68.
  • 83. (S. 45.) Die Griechen pflegten ſich von ihren Sklaven zu Gaſtereien begleiten zu laſſen. Alkibiades brachte z. B., nach Plato, Diener mit, als er das Sympoſion des Agathon beſuchte.
  • 84. (S. 48.) Becker. Charikles III. 67. Pollux X. 67.
  • 85. (S. 48.) Die alten Griechen führten häufig, um ſich vor Un - glück zu ſchützen und dauernden Wohlſeins zu genießen, Amulete. Hierüber beſonders Arditi: Il fascino e l’amuleto; presso gli antichi.
  • 86. (S. 48.) Obgleich die Teppiche von Sardes und Babylon beſonders berühmt waren, ſo preist doch ſchon Homer die ägyptiſchen Decken, welche er τάπητα nennt. Odyss. IV. 124.
  • 87. (S. 52.) Pythagoras war unbedingt, und zwar zur Zeit des Amaſis, welchen Plinius Senneſerteus (nach Wilkinſon von Ames se Neit) nennt, in Aegypten. Herod. II. 81. 123. Diod. I. 98. Chae - remon beim Porphyrius de abstin. IV. Jamblichus vit. Pythag. 35.
  • 88. (S. 53.) Pythagoras war der erſte helleniſche Denker, welcher ſich nicht ein Weiſer , ſondern ein Freund der Weisheit Philoſo - phos nannte.
  • 89. (S. 53.) Halikarnaſſus a. d. ſüdweſtlichen Küſte von Klein - aſien war eine doriſche Pflanzſtadt auf kariſchem Gebiete. Herodot, ſelbſt ein Halikarnaſſier, nennt Phanes einen Sohn deſſelben Ortes. Herod. I. 63. 64. Wir haben den Oberſten zu einem Athener gemacht, um in ihm das Bild eines attiſchen Edlen zu geben.
  • 90. (S. 54.) Thnkyd. VI. 56. 57.
  • 192
  • 91. (S. 55.) Herod. VI. 35. 36. Diog. Laërt. I. 47. Miltiades, welcher die nach Delphi ziehenden Geſandten der von ihren Nachbarn befehdeten Dolonker, eines thrakiſchen Stammes, in ſein Haus geladen hatte, wurde von denſelben zum Fürſten erwählt.
  • 92. (S. 57.) Nach verſchiedenen Bildern auf altägypt. Denkmä - lern. Die Mütter nach Wilkinſon III. 363.
  • 93. (S. 57.) Wilkinſon III. 386. Dieſe Stöcke aus Mr. Salt’s Sammlung ſind zu Theben gefunden worden und beſtehen aus Kir - ſchenholz. Aegypter mit langen Stöcken Wilkinſon III. 387.
  • 94. (S. 58.) Dies Amulet ſtellte Thmei, die Göttin der Wahr - heit, welche eine Straußenfeder auf dem Haupte trug, dar. Dieſelbe pflegte mit geſchloſſenen Augen dargeſtellt zu werden. Siehe Wilkin - ſon III. 28. Aelian nennt dies Amulet ein Bildniß von Saphir Stein, ἄγαλμα σαφείρου λίϑου. Diodor ſagt, es ſei mit Edelſteinen beſetzt geweſen.
  • 95. (S. 58.) Wilkinſon III. plate III. Roſellini, Mon. stor. I. Taf. LXXIX.
  • 96. (S. 58.) Roſellini, Mon. stor. I. Taf. LXXXI.
  • 97. (S. 58.) Wilkinſon III. 296.
  • 98. (S. 59.) Jm Berliner Muſeum iſt heute noch eine ſolche Perrücke zu ſehen, deren Locken 2′ 6″ lang ſind.
  • 99. (S. 59.) Wilkinſon III. plate XVI. p. 211. Heſekiel 27. 7. Dein Segel war von geſtickter Seide aus Aegypten.
  • 100. (S. 59.) Den Aegyptern war, wie den Juden, der Genuß des Schweinefleiſchs verboten. Porphyr. de abstin. IV. Das Schwein galt bei ihnen für ein ſehr unreines Thier und die Schweinehirten waren ausnehmend verachtet. Nur beim Feſte des Oſiris wurde Bor - ſtenvieh geopfert. Herod. II. 47. Es iſt wahrſcheinlich, daß Moſes den ägyptiſchen Reinheitvorſchriften das Verbot des Schweinefleiſchs entlehnte. Wenn ſich reiche Aegypter rühmen (S. Brugſch Reiſe nach Aegypten S. 223), z. B. 1500 Schweine beſeſſen zu haben, ſo iſt dies mit dem oben erwähnten Berichte des Herodot in Zuſammenhang zu bringen.
  • 101. (S. 59.) Trompeter. Wilkinſon I. 290. Taf. 13.
  • 102. (S. 60.) Nach einem Bilde im Berliner Muſeum.
  • 103. (S. 60.) Dieſer Bartja iſt bekannter unter dem Namen Smerdes. Weßhalb die Griechen denſelben alſo nannten, iſt unklar. Jn den Keilinſchriften von Biſitun oder Behiſtân heißt derſelbe Bartja193 oder, nach Spiegel altperſiſche Keilinſchriften S. 5. X., Bardiya. Wir wählen, der leichteren Ausſprache wegen, die erſtere Lesart nach Rawlinſon. Note of the Behistun inscription. Journ. of the Asiat. Soc. X. Den Sohn des Amaſis nennen wir nach den Namensſchil - dern zu Karnak und der Jnſel Philae Pſamtik, während die Griechen denſelben Pſametich oder Pſamenit hießen.
  • 104. (S. 61.) Curtius III. 3. Xenoph. Kyrop. VIII. 3. 7. Buch Eſther 1, 6. 8. 15. Aeſchylos, Perſer 661. Perſepolitaniſche Skulp - turen bei Niebuhr u. A. Jm Uebrigen nach dem pompejaniſchen Mo - ſaikfußboden b. Overbeck Pompeji, welcher den von Alexander geſchla - genen Darius darſtellt. Die Schneider’ſche Anſicht, dies Bild behandle die Schlacht bei Claſtidium, ſcheint uns nicht zutreffend zu ſein.
  • 105. (S. 61.) Wegen dieſer Stiefel, welche häufig erwähnt wer - den, nannte das Orakel den Kröſus weichfüßig Λυδὲ ποδαβρέ . Herod. I. 55.
  • 106. (S. 62.) Herod. I. 85.
  • 107. (S. 63.) Dieſe Angaben ſind richtig, da die Perſer zur Zeit der achämenidiſchen Dynaſtie keine Tempel, ſondern nur Feuer - altäre hatten, und ihre Todten den Hunden und Geiern preisgaben. Der unreine Leichnam durfte weder die reine Erde durch Begrabung beflecken, noch dem reinen Feuer oder Waſſer, welche er gleichfalls verunreinigt haben würde, preisgegeben werden. Weil man aber die Leichen nicht verſchwinden laſſen konnte, ſo legte man Dakhmas oder Begräbnißplätze an, welche mit wenigſtens 4 Zoll dickem Pflaſter und Kitt bedeckt und mit Schnüren umgeben ſein mußten. Dieſe bedeute - ten, daß das ganze Gebäude in freier Luft hänge, ohne die reine Erde zu berühren. Spiegel, Aveſta II. Einleitung. 2. Cap. nach Anquetil. Bild des Dakhma daſelbſt Bd. II. Taf. I.
  • 108. (S. 63.) Die Hykſos waren ein ſemitiſcher Stamm, wahr - ſcheinlich die Philiſter (Bunſen III. 49), welcher Aegypten überfiel und über 400 Jahre lang, wenigſtens nördlich von Theben, beherrſchte, bis ſie nach einem 80 Jahre dauernden Freiheitskampfe, namentlich unter Amaſis und Thutmes III., zurückgedrängt und vertrieben wurden. Lepſius, Chronologie S. 390. Die Aethioper fielen in Aegypten ein und beherrſchten daſſelbe unter drei Königen, bis der letzte von ihnen, Tirhaka, nach den Denkmälern Taharka (Lepſius, Königsb. II. Taf. 47. 632 E.) um 693 vertrieben wurde.
  • 109. (S. 64.) Herod. VII. 83. Xenoph. Kyrop. VIII. 10. Anab. Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. I. 13194VI. 4. Nach Athenäos waren bei dem Gefolge des Darius, welches Alexander gefangen nahm, 277 Köche, 29 Küchenjungen, 17 Küfer, 70 Kellerhüter, 40 Salbenbereiter und 66 Kranzwinder.
  • 110. (S. 65.) Bei Roſellini Mon. stor. Taf. XIII. 53. findet ſich das Porträt des Amaſis als Jüngling. Die Züge deſſelben laſſen vermuthen, daß Herodot dieſen Fürſten richtig charakteriſirt habe.
  • 111. (S. 65.) Siehe Anmerk. 16 und 32. Bias, einer der Welt - weiſen joniſchen Stammes, blühte um 560 v. Chr. und war beſonders berühmt wegen ſeiner weiſen Richt - und Sittenſprüche. Nach ſeinem Tode, welcher in öffentlicher Gerichtsſitzung erfolgte, als er einen Freund vertheidigte, wurde ihm von ſeinen Landslenten ein Heiligthum erbaut. Diog. Laërt. I. 88.
  • 112. (S. 67.) Dieſe Titel führte Amaſis. Roſellini Monumenti dell Egitto II. 149. Alle anderen Pharaonen hatten ähnliche Bei - namen und wurden als Götter verehrt, wie tauſend Hieroglyphen, und ſo auch die Jnſchrift von Roſette, beweiſen.
  • 113. (S. 67.) Nach Herod. II. 172 flgd. Diod. I. 95.
  • 114. (S. 68.) Ra, mit dem männlichen Artikel Phra, wurde be - ſonders zu Heliopolis, dem hebräiſchen On, verehrt. Auf den Denk - mälern pflegte er in rother Farbe dargeſtellt zu werden. Sein heili - ges Thier war der Sperber, ſein Symbol eine geflügelte Sonnen - ſcheibe. Die vielen Arme, welche z. B. bei Roſellini Mon. stor. I. Taf. 63. dieſe Scheibe umgeben, ſollen die ſchaffende Thätigkeit der Sonnenſtrahlen darſtellen. Plato, Eudoxus und wahrſcheinlich auch Pythagoras haben die Lehren ſeiner Prieſter genoſſen. Jhm waren die meiſten Obelisken heilig, von denen Plinius ſagt, daß ſie die Strahlen der Sonne dargeſtellt hätten. Man betrachtete ihn als Lichtgott und ſomit als Kämpfer gegen die Schlange Apep, die Finſterniß. Der Phönix gehörte zu ſeinem Cultus. Alle 500 Jahre kam derſelbe aus dem Palmenlande (dem öſtlichen Phönikien), um ſich im Tempel zu Heliopolis zu verbrennen und ſchöner aus ſeiner Aſche zu erſtehen. Er bedeutete eine Zeitperiode von 500 Jahren, die ſich, wie der Phönix ewig aus ſich ſelbſt erneute und in ihrer ſechsmaligen Wiederholung die Zeit beſtimmte, deren die Seele bedurfte, um gereinigt aus ihrer Wanderung hervorzugehen. Lepſius Chronologie.
  • 115. (S. 69.) Herod. II. 177. Diod. I. 95.
  • 116. (S. 70.) Diodor I. 70.
  • 117. (S. 71.) Dieſe allgemein bekannte Sitte der alten Aegypter195 wird, außer von mehreren griechiſchen Berichterſtattern, durch einige Grabkammern, deren Jnſchriften, mühſam zerſtört, vorgefunden worden ſind, und die große Pyramide des Chufu mit ihrem leeren, vernichteten Sarkophage beſtätigt. Näheres bei Uhlemann, das Todtengericht bei den alten Aegyptern.
  • 118. (S. 72.) Oſiris war der Beherrſcher der Unterwelt, mit welchem ſich die Seele des Verſtorbenen, die dann Oſiris genannt wurde, vereinte. Näheres über denſelben im Text des dritten Bandes.
  • 119. (S. 73.) Herod. II. 84. Börner, Antiquitates medicinae Aegyptiacae. p. 20.
  • 120. (S. 73.) Die ägyptiſchen Säulen ahmten Pflanzenformen nach. Man gab denſelben mit vollem Bewußtſein die Geſtalt der Palme, der Lotosblume oder Samenkapſel, wenn man die Kapitäle nicht, wie zu Dendera, mit Göttermasken zierte. Säulenſchäfte, welche ein Bündel Papyrusſtäbe darſtellen, ſind auch nicht ſelten und ſinden ſich z. B. im Tempel zu Luqſor. Ueber den Zuſammenhang der alt - ägyptiſchen und doriſchen Säule Lepſius: Sur l’ordre des colonnes pilliers en Egypte et ses rapports etc. in den Annales de l’insti - tut de corresp. arch. Rome 1838. Vol. IX.
  • 121. (S. 73.) Herod. II. 175.
  • 122. (S. 76.) Die Schilderung dieſer ganzen Geſellſchaft iſt den Wandgemälden entlehnt, welche Wilkinſon, Roſellini, Lepſius u. A. in ihren großen Werken bildlich wiedergeben.
  • 123. (S. 77.) Dieſe Sitte herrſcht heute noch im Orient. Man bedient ſich dazu der Hehennapflanze, Lausonia spinosa, welche Pli - nius XIII. 1. Cypros nennt.
  • 124. (S. 77.) Herod. II. 181. Nach dem Königsſchilde der zwei - ten Gemahlin des Amaſis, bei Lepſius Königsbuch II. Taf. 49, muß dieſelbe Sebaſte genannt worden ſein. Dieſer ächt griechiſche Name bedeutet die Geehrte, Angebetete, und beweiſt, daß die zweite Ge - mahlin des Amaſis in der That eine Hellenin geweſen ſei.
  • 125. (S. 77.) Roſellini, Mon. stor. I. Taf. XIX. Wilkinſon I. 467. Weiß, Koſtümkunde I. S. 49.
  • 126. (S. 77.) Lepſius Königsbuch II. Taf. XXXVIII. Nach ei - ner anderen im Königsbuche übergangenen Jnſchrift kann Amaſis eine dritte Gemahlin Namens Onk Nas beſeſſen haben.
  • 127. (S. 78.) Die Aegypterinnen galten im Alterthume nicht ge - rade für ſchön. Dennoch finden wir unter den Porträts der Königinnen196 und Prinzeſſinnen, welche Roſellini bringt, ſehr anmuthige Geſichter. Auch einige Sphinxköpfe entſprechen vollkommen unſerem Begriff von Schönheit. Denon ſagt von den alten Bildern ägyptiſcher Frauen: « Celle des femmes ressemble encore à la figure des jolies fem - mes d’aujourd’hui: de la rondeur, de la volupté, le nez petit, les yeux longs, peu ouverts ... le caractère de tête de la plu - part tenait du beau styl. » Noch anerkennender ſpricht ſich General Heilbronner in ſeiner trefflichen Reiſebeſchreibung über die weiblichen Sphinxköpfe aus. Nach den Granville’ſchen Unterſuchungen an Mu - mienſchädeln iſt es auch fraglos, daß die Aegypter der kaukaſiſchen Race angehört haben. Euripides ſpricht von dem Nil, deſſen Ufer ſchöne Mädchen bewohnen. Daß es auch blonde Aegypterinnen gegeben habe, iſt gewiß. Manetho beim Syncellus nennt die Königin Nitocris ξάνϑη τὴν χροῖαν, d. i. blond, und wir haben unter den Por - träts bei Roſellini Mon. stor. Taf. XIX. eine blonde Königstochter gefunden, welche im Text Bd. II. S. 510 Reninofre, Tochter Thut - mes IV. genannt wird. Jhr Schild ſcheint uns dagegen Ranofru ge - leſen werden zu müſſen. Nach den Königsſchildern bei Lepſius wäre dieſelbe eine Tochter Thutmes oder beſſer Tutmas III. geweſen.
  • 128. (S. 79.) Tänzerin, die ſich ſelbſt mit der Guitarre begleitet. Wilkinſon II. 301. Harfenſpieler, Wilkinſon II. 270. Harfner und blinde Sänger II. 239. Geſellſchaft mit Tänzerinnen und Muſikern. Wilkinſon II. pl. XII. II. 390. Jongleurs. Wilkinſon II. 433.
  • 129. (S. 79.) Leider finden wir auf den Denkmälern ſowohl be - trunkene Männer als Frauen abgebildet. Ein Berauſchter wird auf den Köpfen ſeiner Diener liegend, wie ein Balken, nach Hauſe getra - gen. Wilkinſon II. 168. Ein anderer ſteht auf dem Kopfe II. 169. Mehrere Damen ſind eben im Begriff, das zu viel Genoſſene von ſich zu geben. Wilkinſon II. 167.
  • 130. (S. 79.) Koſtbare vergoldete und bunt gepolſterte königliche Lehnſtühle. Wilkinſon II. plate XI.
  • 131. (S. 80.) Herod. II. 78. Plutarch de Isid. et Osir. 15. Nicol. Damasc. Orat. I. Wilkinſon gibt Abbildungen ſolcher Mu - mien II. 410. Lucian war Augenzeuge, als dieſelben bei einem Gaſt - mahle herumgegeben wurden.
  • 132. (S. 81.) Beſonders der Demawend. Siehe die Beſteigung deſſelben in der höchſt intereſſanten Reiſe nach Perſien von Brugſch, I. S. 284.
  • 197
  • 133. (S. 82.) Herod. II. 52. 54. 69. 70. Xenoph. Kyrop. VI. 2. 5.
  • 134. (S. 84.) Dieſe hyperboliſch klingende Verſicherung wußte Zopyros, wie wir ſpäter erfahren werden, wahr zu machen.
  • 135. (S. 85.) Dieſe Eintheilung des Tages eines Königs von Aegypten, welche Diod. I. 70. bringt, wird im Einzelnen von den Denkmälern beſtätigt.
  • 136. (S. 86.) Herod. II. 178.
  • 137. (S. 86.) Nomarchen hießen die oberſten Verwalter der Gaue oder Nomen von Aegypten. Das ganze Reich war in 36, nach d’An - ville mémoire sur l’Egypte ancienne et moderne in ſpäterer Zeit in 52 Nomen eingetheilt. Jeder Nomos zerfiel, Strabo VII., in To - parchieen, deren höchſte Beamte die Toparchen oder Ortsvorſteher waren.
  • 138. (S. 86.) Wegen der eigenthümlichen Beſchaffenheit des Nils waren Uferbauten beſonders nöthig. Die Pharaonen ſchätzten es ſich zur Ehre, für dieſelben zu ſorgen. Herodot erzählt, daß Menes den weſtlichen Nilarm bei Memphis abgedämmt habe. Dieſe Nachricht hat ſich als wahr erwieſen. Bunſen, Aegyptens Stellung i. d. Weltge - ſchichte II. S. 40. Daß auch der Mörisſee zur Regulirung der Ueber - ſchwemmung gegraben worden ſei, unterliegt gleichfalls keinem Zweifel mehr. Lepſius Chronol. I. p. 262. Linant de Bellefonds Mémoire sur le lac de Moeris.
  • 139. (S. 88.) Herod. I. 138. Xenoph. Kyr. VIII. 8. 7. Aveſta (Spiegel). Fargard IV. Jetzt ſollen, nach Brugſch u. A. die Perſer die größten Lügner ſein, die man nur denken kann.
  • 140. (S. 89.) Ramſes der Große, Sohn des Sethos, welchen er - ſteren die Griechen Seſoſtris nannten (über die Urſachen dieſer Ver - wechſelung Lepſius Chronol. d. Aeg. S. 538), regierte von 1394 1328 v. Chr. Unter demſelben entfaltete ſich die ägyptiſche Macht zur höch - ſten Blüte, denn er bezwang viele Völker von Afrika und Aſien mit einem Heere, welches nach Diodor I. 53 58 aus 600,000 Fußſoldaten, 24,000 Reitern, 27,000 Wagenkämpfern und 400 Kriegsſchiffen be - ſtand, und grub ſein Bild und ſeinen Namen als Siegestrophäe in die Felſen der unterjochten Länder ein. Herodot hat zwei dieſer Bilder ſelbſt geſehen II. 102 106, und heute noch kann man zwei derſelben unweit Bairut, dem alten Βερόη oder Βηρυτός finden. Guys und Wyſe lieferten Abbildungen derſelben. Solche finden ſich auch in den Annales de l’institut de corresp. Archeol. Rome 1834. Unge -198 heure Tribute ſtrömten durch ihn nach Aegypten, Tacitus annal. II. 60, welche ihn in den Stand ſetzten, wunderbare Prachtbauten von Nubien bis Heliopolis, beſonders aber in ſeiner Reſidenz Theben zu errichten. Einer der Obelisken, welche er zu Heliopolis aufſtellte, befindet ſich heute auf der place de la concorde zu Paris. An den erhaltenen Wänden der Paläſte und Tempel, welche dieſer mächtige König errich - ten ließ, finden wir heute noch tauſend Bilder, die ihn ſelbſt, ſeine Heere, die vielen Völkerſchaften, die ſeinen Waffen unterlagen und die Götter, denen er ſeine Siege danken zu müſſen glaubte, darſtellen. Von letzteren ſcheint er dem Ammon und der Pacht beſondere Ehr - furcht gezollt zu haben. Andererſeits erſehen wir aus den Jnſchriften, daß die Himmliſchen alle Zeit bereit waren, ihrem Lieblinge jeden Wunſch zu erfüllen. Roſellini mon. stor. an vielen Orten. Cham - pollion lettres 262 283. Seine Kämpfe gegen die Cheta werden in langen Hieroglyphenreihen, ſowohl auf der ſüdlichen Wand des Säulen - ſaales Ramſes II., zu Karnak, als auch zu Luqſor und im Sallier - ſchen Papyros poetiſch geſchildert. H. Brugſch, Monuments de l’Egypte. Unter ſeinem Scepter erreichte auch die ägyptiſche Kunſt ihre höchſte Blüte. Schnaaſe, Kunſtgeſchichte I. 417.
  • 141. (S. 89.) Der Jude Joſephus erzählt, dem Manetho folgend, Ramſes habe auch die Meder bezwungen. Außerdem werden auf ſehr alten Denkmälern Babylon und Niniveh als tributpflichtige Städte ge - nannt.
  • 142. (S. 90.) Herod. II. 177. Dieſe Nachricht ſcheint übertrie - ben zu ſein, da nach Diodor zur Zeit der Ptolemäer Aegypten nicht mehr als 7 Millionen Einwohner zählte. Diod. I. 31. Joſephus gibt 7,500,000 Seelen an. Lane berechnet in ſeinem account of the man - ners and customs of the modern Egyptians, daß dieß Land für 8 Millionen Nahrung ſpenden könne. Champollion der Jüngere glaubt 6 7 Millionen annehmen zu dürfen. Die Einwohnerzahl von Aegyp - ten betrug 1830 nach Lane 2,500,000 Seelen.
  • 143. (S. 93.) Typhon, der Gott des Unheils und des Böſen, re - gierte nach Plutarch alles Leidenſchaftliche, Ordnungsloſe, Unbeſtändige, Unwahre und Thörichte in der Seele des Menſchen. Jn einem Papy - rus heißt er nach Lepſius Götterkreis S. 53. der allmächtige Zerſtörer und Veröder ; in ſeinem Weſen ſpiegelten ſich alſo auch die verderblichen Kräfte der Natur. Alle ſchädlichen Pflanzen und Thiere ſind ſein Ei - genthum, und auch das ungenießbare, wankelmüthige, unfruchtbare Meer199 gehörte zu ſeinem Reiche. Der ſtörrige Eſel, das garſtige Nilpferd, das gefräßige Krokodil und der wilde Eber ſind ſeine Lieblingsthiere. Seine Farbe war das Rothe, darum ſoll man ihm in alter Zeit die rothhari - gen Menſchen, welche man Typhoniſch nannte, geopfert haben. Diod. I. 88. Daſſelbe berichtet Plutarch. Dieſe Menſchenopfer haben jedoch ſchon in ſehr früher Zeit aufgehört. Uebrigens ſollen noch weit ſpäter die rothhaarigen Aegypter mit Koth beworfen und verachtet worden ſein. Seine Bilder ſind mißgeſtaltet und ſtellen ihn mit Borſten auf dem Rücken und dem Kopfe eines Krokodils oder Nilpferdes dar. Wilkinſon III. 2. Folge. Taf. 40. Bunſen I. 97 flgd. 496. 513.
  • 144. (S. 93.) Die ägyptiſchen Aſtrologen waren weltberühmt. Herod. II. 82 ſagt, die Aegypter hätten die Aſtrologie erfunden und Aristoteles de coelo II. 12, ſie wären die erſten Aſtronomen gewe - ſen. Jede Stunde hatte ihre Planeten, von denen einige Glück, andere Unheil verkündeten; auch kam es bei Horoskopen auf die Stellung der Sterne an. Ammon (Jupiter) war ſtets glückverheißend, Seb (Saturn) ſtets verderblich, Thoth (Merkur) ſchwankend. Die verſchiedenen Ge - ſtirne ſollten auch auf einzelne Gliedmaßen Einfluß haben. Champol - lion lettres p. 239. Firmicius IV. 16. nennt ſogar die Namen zweier berühmter ägyptiſcher Aſtrologen, des Petoſiris und Nevepſo. Siehe auch Diod. I. 50. 81. II. 92.
  • 145. (S. 97.) Die ägyptiſchen Tempel ſind ſo konſtruirt, daß ſie durch immer niedriger werdende Räume den Ernſt und die Andacht des Beters ſammeln müſſen. Alle Wege ſind gewieſen, keine Abwei - chung geſtattet, kein Jrren möglich. Zwiſchen den Reihen der heiligen Thiere, zwiſchen den Thoren wandeln wir ehrfurchtsvoll durch. Weit, hoch und mächtig zeigt ſich die Pforte ... ein weiter Hof nimmt den Beter auf ... die Seitenwände nähern, die Höfe ſenken, der Boden hebt ſich, alles ſtrebt nach einem Ziele ... So gehen wir weiter, nun ſchon der Zerſtreuung des freien Himmels entzogen, von dem Ernſt des Baues, von der Heiligkeit der Bildwerke eng umgeben. So umſchließen uns die geweihten Wände immer näher, bis endlich nur der prieſterliche Fuß das einſame, tönende Gemach des Gottes ſelbſt betritt. Schnaaſe, Kunſtgeſchichte I. 394.
  • 146. (S. 97.) Dieſer See exiſtirt heute noch bei den Ruinen von Sais und heißt Sa-el-Hagar. Herod. II. 170. Wilkinſon I. 192. Karte der Description de l’Egypte.
  • 147. (S. 104.) Jſis, die Gattin oder Schweſter des Oſiris, iſt die200 Natur, wodurch Gott zur Anſchauung und Offenbarung gelangt. Bun - ſen I. 490. Außerdem wird ſie als gabenreiche, von Oſiris befruchtete Erde zu betrachten ſein. Sie hieß königliche Gemahlin . Lepſius Götterkreis S. 24. Jhr heiliges Thier war die Kuh. Sie wird häu - fig mit dem Kuhkopfe abgebildet. Näheres über den ſie betreffenden Mythus im dritten Theile.
  • 148. (S. 104.) Nicht nur die geringen Aegypter, ſondern auch die Pharaonen ſehen wir auf den alten Bildern das Dame - oder ein ähn - liches Spiel betreiben. König Ramſes mit ſeiner Tochter ſpielend bei Roſellini, zwei Aegypter beim Brettſpiel Wilkinſon II. 419. v. Minu - toli, Geſellſchaftliche Spiele bei den alten Aegyptern. Leipziger Jllu - ſtrirte Zeitung VII. 1852.
  • 149. (S. 104.) v. Minutoli, Geſellſchaftl. Spiele. Wilkinſ. II. 429.
  • 149 a. (S. 106.) Nach Diodor I. 27. waren die ägyptiſchen Köni - ginnen höher angeſehen, als ſelbſt die Könige.
  • 150. (S. 107.) Simonides von Samos, ein Jambendichter, welcher um 650 lebte, gefiel ſich in beißenden Verſen auf die Frauen. Er theilt dieſelben in verſchiedene Klaſſen ein, welche er mit garſtigen Thieren vergleicht. Nur ein der Biene ähnliches Weib iſt gut und kann den Mann beglücken. Er iſt auch der Dichter der bekannten Pandoraſage. Phokylides von Milet, ein barſcher, ſchneidender Menſch, aber ſcharfer Beobachter, dichtete dem Simonides nach. Weit ſchroffer als er iſt der körperlich mißgeſtaltete, in Armuth verkommende Hipponax von Epheſus (um 550). Jn ſeinen Choliamben ſpiegelt ſich (nach Bernhardi) ſeine Häßlichkeit in allen Formen ab. Fragmente dieſer Dichter bei Welcker und Schneidewin.
  • 151. (S. 108.) Nach der trefflichen Ueberſetzung von F. W. Richter.
  • 152. (S. 108.) Ueber dieſen Spottnamen, welchen Darius ſpäter erndtete, dritter Theil am Ende.
  • 153. (S. 109.) Auramazda heißt in den Keilſchriften der unter dem Namen Ormuſd bekanntere große und reine Gott der Perſer, wel - cher dem böſen, finſteren Prinzipe Angramainjus oder Ahriman gegen - überſteht. Jn der Zend-Aveſta wird Auramazda (nach Spiegel) Ahura - Mazda genannt.
  • 154. (S. 109.) Nebukadnezar ſoll dieſen Rieſenbau für ſeine per - ſiſche Gattin Amytis errichtet haben. Curtius V. 5. Josephus contra Appion. I. 19. Antiq. X. 11. 1. Näheres über die hängenden Gär - ten zweiter Theil. Anmerk. 19.
  • 201
  • 155. (S. 110.) Aus ſolchen in Aegypten aufgewachſenen Hellenen ſoll der erſte Pſamtik eine neue Kaſte, die der Dolmetſcher, gebildet ha - ben. Herod. II. 154.
  • 156. (S. 110.) Wilkinſon II. S. 102. 95. 1.
  • 157. (S. 111.) Wilkinſon II. S. 119 und 121. Herod. II. 95.
  • 158. (S. 111.) Die ägyptiſchen Straßen ſcheinen, wie dies nament - lich aus den Trümmern von Alabaſtron und Memphis erhellt, gepfla - ſtert geweſen zu ſein. Jedenfalls kann dies von den zu den Tempeln führenden Wegen behauptet werden.
  • 159. (S. 111.) Lepſius, Briefe S. 13., und Andere ſahen die Schuttberge, welche die Lage der Akropolis von Sais andeuten.
  • 160. (S. 112.) Die Handwerker pflegten in Aegypten, damals wie heute, im Freien zu arbeiten.
  • 161. (S. 112.) Daß derartige Zauberer und Schlangenbeſchwörer im alten Aegypten nicht eben ſelten waren, läßt ſich aus vielen Bibel - ſtellen und Erzählungen der Alten, Pſalm 58. 45., Jerem. VIII. 17. Aelian histor. animal. XVII. 5., beweiſen. Heute noch ſoll es, nach Lane II. 219, allein in Kairo 300 ſolcher Schlangenbändiger geben.
  • 162. (S. 114.) Diodor I. 77.
  • 163. (S. 116.) Der Eid beim Mithra, dem Sonnengotte, war den Perſern beſonders heilig. Vendid. Farg. IV. 36. Spiegel, Aveſta S. 94.
  • 164. (S. 117.) Achämeniden hießen die von Achämenes, nach den Keilinſchriften, Jnſchrift von Behiſtân I. 2. Hakhâmanis ſtammenden Könige und die mit denſelben verwandten Edlen.
  • 165. (S. 117.) Herod. I. 88.
  • 166. (S. 119.) Die Griechen beſtimmten die Vormittagszeit nach dem Beſuche des Markts. πλήϑουσα ἀγορά, περὶ πλήϑουσαν ἀγοράν, πληϑώρη ἀγορᾶς. Herod. II. 173. VII. 223. διάλυσις ἀγορᾶς (Xenoph. Oecon. 12. 1.) Wenn ſich der Markt füllt, wenn der Markt voll iſt, wenn der Markt ſich leert. Eine genaue Beſtim - mung dieſer Eintheilung, nach unſerer Stundenrechnung, iſt unmöglich, dennoch erſcheint es ſicher, daß der Markt nach der Mittagszeit vorbei geweſen ſei. Das Haupttreiben auf demſelben mag von 10 1 Uhr gedauert haben.
  • 167. (S. 119.) Es ſteht feſt, daß man vor der Perſerzeit, alſo auch während dieſes Theils unſerer Geſchichte, in Aegypten keine Mün - zen geprägt habe. Man wog die edelen Metalle ab und ſcheint die -202 ſelben in Geſtalt von Ringen, Thieren ꝛc. verwerthet zu haben. Wir ſehen auf vielen Denkmälern Leute, welche Gold beim Einkaufe von Waaren abwiegen. Jene goldenen Ringe wurden noch zur Zeit der Ptolemäer, welche viele Münzen ſchlugen, zu Zahlungen verwendet. Plinius XXXIII. 1. Wiegeſchale bei Wilkinſon II. p. 10. Auf der - ſelben werden goldene Ringe mit einem Gewichte in Thiergeſtalt ge - wogen.
  • 168. (S. 122.) Dieſe Zahl, ſowie die folgende Geſchichte nach Diodor I. 98. Plato erzählt, daß, nach einem Geſetze, die Aegypter ihre Bilder zu ſeiner Zeit ebenſo ſchön oder häßlich geſtalten mußten, als vor tauſend und mehreren Jahren. Dies wird auch durch die Denkmäler beſtätigt.
  • 169. (S. 123.) Dieſe Statuen von Holz ſtellten den König ſelber dar. Herod. II. 182.
  • 170. (S. 124.) Die attiſche Adelsfamilie der Alkmäoniden hatte, nachdem ſie vor Piſiſtratos aus Athen geflohen war, den Bau des neuen Tempels zu Delphi übernommen. Die Delphier ſelbſt mußten den vierten Theil der Baugelder aufbringen, collectirten auch in Aegyp - ten und ſollen dort eine hübſche Summe zuſammengebracht haben. Herod. II. 180.
  • 171. (S. 124.) Herod. I. 53. Xenoph. Kyrop. VII. 2.
  • 172. (S. 125.) Kandaulos hatte ſich durch den Mord des Königs Gyges des lydiſchen Thrones bemächtigt. Jhm wurde das oben er - wähnte Orakel zu Theil. Herod. I. 8. flgd. 91.
  • 173. (S. 125.) Das ältere attiſche Silbertalent betrug nach Böckh, Staatshaushalt der Athener I. 25., 1500 Thaler. Die Mine 25 Thlr., die Drachme 6 gute Groſchen, der Obolos 1 Groſchen.
  • 174. (S. 126.) Agariſte hieß die reiche Erbtochter des Kleiſthenes von Sikyon, welche der Alkmäonide Megakles heimführte. Herod. VI. 126 130. Diod. VII. 19. Pherekydes fr. 20. Müller.
  • 175. (S. 126.) Herod. VI. 125.
  • 176. (S. 127.) Herod. II. 180.
  • 177. (S. 127.) S. Anmerk. 173. Herod. II. 180. Dieſe Stelle kann verſtanden werden, als wenn alle Griechen in Naukratis zuſam - men 20 Minen, das ſind 500 Thaler, gegeben hätten. Da dies für eine ſo bedeutende Stadt zu wenig, für jeden einzelnen Bürger (wie Valla will) viel zu viel wäre, ſo nehmen wir an, daß Herodot von den verſchiedenen Gemeinden in Naukratis ſpreche.
  • 203
  • 178. (S. 128.) Rhodopis ſoll ein ſolches Geſchenk nach Delphi ge - ſendet haben. Herod. II. 135.
  • 179. (S. 128.) Die ägyptiſchen Zahnärzte müſſen ſehr geſchickt ge - weſen ſein. Man hat in den Kinnbacken von Mumien künſtliche Zähne gefunden. Blumenbach von den Zähnen der alten Aegypter und von den Mumien. Jm Göttinger Magazin. 1780. I. S. 115.
  • 180. (S. 128.) Athen. XII. 20. Plut. sept. sap. p. 147.
  • 181. (S. 129.) νὴ τὸν κύνα. Eid des Rhadamantos, um den Namen der Götter zu vermeiden. Schol. Aristoph. Aves. 520.
  • 182. (S. 130.) Das Nilwaſſer iſt außerordentlich wohlſchmeckend. Ein Reiſender nennt es den Champagner unter den Waſſern, die Da - men im Harem des Großſultans laſſen Nilwaſſer bis nach Konſtanti - nopel kommen, und die Araber ſagen, daß Mohammed, wenn er da - von getrunken hätte, ſich ein ewiges Leben gewünſcht haben würde.
  • 183. (S. 134.) Nach einigen Verſen des Theognis von Megara 480 a. Chr. IV. 62.
  • 184. (S. 138.) Eigene Ueberſetzung nach einem Pägnion des Ana - kreon, deſſen Aechtheit, wie wir glauben, mit Unrecht angezweifelt wor - den iſt. Anakr. ed. Melhorn. λγ´.
  • 185. (S. 142.) Gliedermann und Puppen für Kinder. Jm Mu - ſeum zu Leyden und Wilkinſon II. 427. Anmerk. 149.
  • 186. (S. 142.) Siciliſche Schooßhündchen waren im Alterthum berühmt und ſcheinen zuerſt von den üppigen Sybariten gehalten wor - den zu ſein.
  • 187. (S. 142.) Alſo hieß auch der treue Hund des Odyſſeus.
  • 188. (S. 144.) Heute noch ſchließen die Perſer feierliche Freund - ſchaftsbündniſſe, und zwar am ſogenannten Feſte der Nachfolge. Zwei Perſer, die auf Lebenszeit mit einander Freundſchaft ſchließen wollen, gehen zum Mollah, bezeugen vor demſelben ihre Abſicht und laſſen ſich als brader oder Brüder feierlich einſegnen. Brugſch, Reiſe nach Perſien. I. S. 260.
  • 189. (S. 145.) Herod. I. 131 und 132 und aus vielen anderen Quellen erſehen wir, daß die Perſer zur Zeit der Achämeniden keine Tempel und Götterbilder beſaßen. Das böſe und gute Prinzip, Aura - mazda und Angramainjus, waren unſichtbare Weſen, welche mit einem zahlloſen Gefolge von guten und böſen Geiſtern alles Geſchaffene er - füllten. Die ewige Zeit ſchuf Feuer und Waſſer. Hieraus entſtand Ormuſd (Auramazda), der gute Geiſt. Dieſer war lichtglänzend, rein,204 dem Guten ergeben. Nachdem er in 12,000 Jahren Himmel, Para - dies und Sterne geſchaffen hatte, ſah er den böſen Geiſt, Ahriman, (Angramainjus), welcher ſchwarz, unrein, übelriechend und bösartig war. Ormuſd beſchloß Ahriman zu vernichten. Ein großer Kampf begann, in welchem der Böſe unterlag, um 3000 Jahre lang ohn - mächtig vor Schrecken dazuliegen. Während dieſer Zeit ſchuf Ormuſd den Himmel, das Waſſer, die Erde, die guten Gewächſe, den Stier und das erſte Menſchenpaar in einem Jahre. Hierauf brach Ahriman wieder hervor, und wurde bezwungen, aber nicht getödtet, weil ſich nach dem Tode die Elemente, Feuer, Waſſer, Luft und Erde, aus de - nen alles Lebende beſteht, mit den Urelementen vereinigen und ſich am Auferſtehungstage das Auseinandergeriſſene wieder zuſammenfügt. Nichts geht zum Nichtſein zurück; Alles vereint ſich nur mit ſeinen Urbeſtandtheilen. Man hätte Ahriman nur tödten können, wenn ſich ſeine Unreinheit in Reinheit, ſeine Finſterniß in Licht verwandelt haben würde. So lebte das Böſe fort, um, ſobald der gute Geiſt etwas Gutes und Reines ſchuf, etwas Böſes und Unreines zu erſchaffen. Dieſer Kampf wird fortdauern bis am jüngſten Tage. Dann wird Ahriman rein und heilig ſein, weil die Diws oder Daewa (böſen Gei - ſter) nach und nach all ſein Böſes aufgenommen haben und am jüng - ſten Tage nicht mehr ſein werden. Mit der Strafe jedes Menſchen nach dem Tode ſollen nämlich die Diws, welche in ihm wohnten und Theile Ahrimans waren, vernichtet werden. Nach Ulmai Jslam bei Vullers und der Zend-Aveſta.
  • 190. (S. 145.) Heute noch ſtehen die Feueraltäre der Parſen auf den Bergen. Dieſelben dürfen immer beten, ſobald ſich Feuer und Waſſer in ihrer Nähe befindet. Spiegel, Aveſta. Einleitung. LI. Auch nach Herod. I. 132 opferten die Perſer in der freien Natur.
  • 191. (S. 146.) Die Könige pflegten mit derartigen Geſchenken edle Thaten ihrer Unterthanen zu belohnen. Herod. III. 130. VIII. 118. Plutarch Artaxerxes 10. 14. Xenoph. Anab. I. 2. Ehrenkleid. Xenoph. Kyrop. VIII. 3.
  • 192. (S. 149). Näheres über die Stellung der Könige von Per - ſien im zweiten Theile.
  • 193. (S. 150.) Gewöhnlich ſcheinen, wie noch heute in Aegypten, Hebammen den Gebärerinnen zur Seite geſtanden zu haben.
  • 194. (S. 152.) Eine gewöhnliche, furchtbare Strafe für ſchwere Verbrecher. Diod. I. 78. III. 12 14. Näheres im Text des dritten Theils und daſelbſt Anmerk. 101.
  • 205
  • 195. (S. 153.) Siegelringe wurden ſchon in ſehr früher Zeit von den Aegyptern getragen. So übergibt im 1. Buch Moſis 41. 42. der Pharao dem Joſeph ſeinen Ring. Jm berliner ägyptiſchen Muſeum finden ſich mehrere ſolcher Reifen, welche zum Theil vier Jahrtauſende alt ſind. Wilkinſon gibt die Bilder einer Reihe von Siegelringen III. S. 374. Auch an vielen Mumienhänden ſind ſolche gefunden worden.
  • 196. (S. 154.) Die ägyptiſchen Könige und Großen ſcheinen dem edlen Waidwerke hold geweſen zu ſein. Außer Hunden von verſchiede - nen Racen richtete man auch wilde Thiere, wie Pardel und Löwen, zum Jagen ab. Wilkinſon III. 16. Eine ſchöne Löwenjagd findet ſich bei Roſellini mon. stor. II. Taf. 129. Ramſes IV. hat einen Löwen erlegt, welcher, von Pfeilen durchbohrt, neben ihm verendet. Ein an - geſchoſſener Len entflieht in das Schilf. Jagdhunde verſchiedener Ar - ten bei Wilkinſon III. 32. Jagden auf Gazellen, Steinböcke und an - dere grasfreſſende Thiere ebendaſelbſt III. 22. Jagd auf Geflügel mit Schlagnetz und Wurfkolben Wilkinſon III. 38. 39. 41. 42.
  • 197. (S. 154.) Siehe Anmerkung 30. Ganz beſonders ſchöne, reichgeſchirrte Roſſe finden ſich, von Künſtlerhand gemalt, auf den Denk - mälern zu Theben. Siehe z. B. Roſellini mon. stor. I. Taf. 78.
  • 198. (S. 155.) Herod. II. 41. erzählt, daß die Aegypter keinen Fremden küſſen, noch aus einem Topfe mit demſelben eſſen mochten, ja daß ſie nicht einmal das Fleiſch anrührten, welches mit dem Meſſer eines Griechen zerlegt worden war.
  • 199. (S. 155.) Die Chaldäer zu Babylon waren, nach den Aegyp - tern, die erſten Sternkundigen. Aristoteles de coelo II. 12. Daß dieſelben ſich ſchon aſtrononomiſcher Tafeln bedient haben, behauptet Chasles in den comptes rendus de l’acad. des Scienes T. XXIII. 1846. p. 852 854. Nach Herod. war Darius den Aegyptern wohl gewogen und wußte die Weisheit derſelben hoch zu achten.
  • 200. (S. 160.) Dieſelben Orakel wollte Glycera befragen, als ihr Geliebter, der Tragiker Menander, von dem Könige Ptolemäus nach Aegypten berufen worden war. Der Brief derſelben, Alciphr. II. Ep. 4., iſt ebenſo geiſtreich als liebenswürdig.
  • 201. (S. 161.) Dieſes Blumenorakel, welches unſerem Zerpflücken von Akazienblättern und Maßliebchen glich, war im Alterthum nicht ungewöhnlich. Pollux IX. 27. Becker, Charikles I. 327. Noch im heutigen Hellas ſollen die Mädchen dieſes Orakel befragen. Bybilakis neugriechiſches Leben. S. 20.
  • 206
  • 202. (S. 162.) Alſo läßt Aeſchylos die Nachtigall flöten. Die künſtliche Deutung des ἴτυς, ἴτω iſt eine Spielerei, welche wir un - ſerer kindlichen Sappho wohl in den Mund legen durften.
  • 203. (S. 169.) Während die Spartaner, der Neigung ihres Her - zens folgend, heiratheten, pflegte man zu Athen nur mit den Eltern der Braut wegen der Ehe zu verhandeln. Dies war eine natürliche Folge des ſehr eingezogenen Lebens der attiſchen Jungfrauen. Näheres über die Heirathen bei den Griechen im Text des dritten Theiles und daſelbſt Anmerkung 62 und 63.
  • 204. (S. 169.) Sapphos Großvater Charaxos, der Bruder der Dichterin Sappho, war, als Lesbier, ein Aeolier.
  • 205. (S. 169.) Herod. I. 135. Auch hierin bewähren ſich die Perſer als germaniſche Nation. Sie ſind heute noch, wie zur Zeit des Herodot, nach allem Fremden und Neuen begierig.
  • 206. (S. 172.) Diod. I. 81.
  • 207. (S. 173.) Königsbuch des Firduſi. Söhne Feriduns.
  • 208. (S. 178.) Die Brautkränze bei den Hellenen beſtanden ge - wöhnlich aus Veilchen und Myrten. Ueber die Hochzeitsgebräuche im dritten Theil Anmerkung 62 und 63.
  • 209. (S. 178.) Keleusma hieß das Lied, nach deſſen Takte die griechiſchen Matroſen zu rudern pflegten. Der Rhythmus deſſelben wurde gewöhnlich von einem Flötenbläſer, dem Trieraules, angegeben. Aeſchyl. Perſer. 403. Diog. Laërt. IV. 22. Becker, Charikles I. S. 213. Jn den Fröſchen des Ariſtophanes ſingen die Sumpfbewohner das Ke - leusma v. 205.
  • 210. (S. 178.) Siehe Epigramm des Kallimachus 45. Bei Athe - näus XV. p. 669.

Berichtigung.

Seite 112, Zeile 12 von oben: nach dem Worte Zauberers fehlt die Noten - zahl 161).

Seite 125, Zeile 8 von unten: nach dem Worte Talent fehlt die Notenzahl 173).

About this transcription

TextEine Aegyptische Königstochter
Author Georg Ebers
Extent226 images; 53545 tokens; 11415 types; 373508 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationEine Aegyptische Königstochter Historischer Roman Erster Band Georg Ebers. . XVI, 207 S. HallbergerStuttgart1864.

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LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Roman; Belletristik; Roman; core; ready; china

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