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Das Düngerkapital und der Raubbau.
Eine wirthſchaftliche Betrachtung auf naturwiſſen - ſchaftlicher Grundlage
Heidelberg. Carl Winter’s Univerſitätsbuchhandlung. 1869.
[I]
Das Düngerkapital und der Raubbau.
Eine wirthſchaftliche Betrachtung auf naturwiſſen - ſchaftlicher Grundlage
Heidelberg. Carl Winter’s Univerſitätsbuchhandlung. 1869.
[II][III]

Vorwort.

Jn der vorliegenden Schrift habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, auf Grund der naturwiſſenſchaftlich feſtgeſtellten Be - dingungen des Gedeihens der landwirthſchaftlichen Kulturge - wächſe, die wirthſchaftlichen Geſetze der Produktion dieſer Ge - wächſe einer Betrachtung zu unterwerfen.

Jch glaube als Reſultat dieſer Betrachtung anſehen zu dür - fen: den Beweis der Unhaltbarkeit der Liebig’ſchen Forderung, die als der Angelpunkt ſeiner ganzen Lehre an - geſehen werden darf: daß eine rationelle Düngung ſtets die durch die Ernten hinweggenommenen Mineral - beſtandtheile wiedererſetzen müſſe. *)J. v. Liebig. Die Chemie in ihrer Anwendung ꝛc. 1862. Ein - leitung p. 151. Th. II. p. 253.

Wohl hat die Liebig’ſche Lehre ſchon mannigfachen Wider - ſpruch erfahren und Vielen iſt es gelungen, Unrichtigkeiten in den Beweisſtücken derſelben aufzufinden; namentlich haben die kulturgeſchichtlichen Belege, die als eine weſentliche Stütze jenerIV Lehre angeſehen werden müſſen, eine eingehende und erſchöpfende Widerlegung erfahren. Dennoch hat man bisher nur vermocht, dem Baume die Aeſte, wiewohl recht ſtattliche Aeſte, zu rauben; die Wurzel und der Stamm jener Lehre, die ſtrenge Forderung des Wiedererſatzes iſt von den kühnen Hieben noch unverſehrt und droht neue Schößlinge zu treiben, zum Nachtheil für die Entwickelung richtiger Bewirthſchaftungsgrundſätze in der Land - wirthſchaft.

Jn wie weit es gelungen iſt, die Unhaltbarkeit jener Lehre nachzuweiſen, mag man aus der Schrift ſelbſt erſehen.

Eben da ich im Begriff bin, die Feder nieder zu legen, fällt mir ein vor Kurzem erſchienenes Werk in die Hand, die Hilfsdüngemittel in ihrer volks - und privatwirthſchaftlichen Be - deutung von Dr. J. Au Heidelberg, 1869, das ſich die nehmliche Aufgabe in etwas abweichender Weiſe geſtellt und, wie mir ſcheint, auch gelöſt hat. *)Einer anderen neu erſchienenen Schrift über denſelben Gegenſtand: Laspeyres. Juſtus von Liebigs Theorie der Bodenerſchöpfung ꝛc. Riga, 1869, kann ich indeſſen dieſes Zugeſtändniß nicht machen.

Wenn die Erlangung eines identiſchen Reſultats auf ſehr verſchiedenen Wegen der Beweisführung eine Garantie bietet für die Richtigkeit deſſelben, ſo können wir uns Glück wün - ſchen, zur erfolgreichen Bekämpfung eines Jrrthums, deſſen un - ausbleibliche praktiſche Conſequenzen ſchwerwiegende Mißſtände in unſerm wirthſchaftlichen Leben herbeigeführt haben würden.

Adolf Mayer.

Jnhalt.

  • I. Die Bedingungen des Pflanzenwachsthums. Seite 1

    Der landwirthſchaftliche Produktionsfaktor Grundſtücke und deſſen Zerlegung. Wirthſchaftliche Freiheit und Unfreiheit der einzelnen Wachs - thumsbedingungen. Die Ernte eine Funktion dieſer Bedingungen. Das Geſetz des Minimums. Möglichkeit der Abänderung dieſer Be - dingungen durch Menſchenhand. Entwickelung des Begriffs: Düngerka - pital. Naturwiſſenſchaftliche Urſache der Bodenrente.

  • II. Das Düngerkapital. Seite 28

    Wirkſames und todtes, umlaufendes und ſtehendes Düngerkapital. Die extenſiven und intenſiven Bewirthſchaftungsmethoden. Verſchiedene Art der Anwendung des Düngerkapitals bei denſelben. Wirthſchaftliche Motivirung dieſer Verhältniſſe. Zwei in der Kulturgeſchichte wirkende Momente, die beſtrebt ſind, die Bewirthſchaftungsmethoden abzuändern. Der Grundſatz des Wiedererſatzes in allen Perioden iſt nothwendig un - richtig. Aehnliche Verhältniſſe bei anderen techniſchen Betrieben. Der Raubbau nur ein ſcheinbares Uebel. Möglichkeit des Wiedergewinnes der ſcheinbar verſchleuderten Düngerkapitalien. Gefahr des Raubbaus für einzelne Düngerbeſtandtheile. Die Bodenſtatik.

  • III. Folgerungen. Seite 63

    Aufſammlung der menſchlichen Auswurfſtoffe. Auch hier die Ren - tabilität einer Düngung entſcheidend. Wanderung des Düngerkapitals. Chineſiſche Düngerwirthſchaft. Schluß.

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1. Die Bedingungen des Pflanzenwachsthums.

Man unterſcheidet in der Volkswirthſchaftslehre für die land - wirthſchaftliche Pflanzenproduktion mehrere ſtreng von einander ge - ſchiedene Produktionsfaktoren: Grundſtücke, Kapital und Menſchenarbeit. Es iſt in dieſer Wiſſenſchaft längſt erkannt, daß der Produktionsfaktor Grundſtücke eine größere Anzahl von Bedingungen des Pflanzenwuchſes in ſich einſchließt. Roſcher ſchreibt in Bezug auf dieſen Gegenſtand in ſeinen Grundlagen der Nationalökonomie §. 35 Folgendes:

Jn Bezug auf die landwirthſchaftliche Produkti - vität eines Grundſtücks ſollte man wohl deſſen Trag - fähigkeit, Baufähigkeit und unmittelbare Nährfähigkeit für Pflanzen unterſcheiden. Die Pflanze wächſt, indem ſie unter dem Einfluſſe von Waſſer und Sonne einen Theil ihrer Ele - mente der Atmoſphäre, einen andern Theil dem Erdreich ent - nimmt. Während nun die Luft und Sonne, in den meiſten Klimaten auch das Waſſer, vollkommen freie, unerſchöpfliche Güter ſind, muß der im Boden gegebene Vorrath von Pflanzennahrung an Erſchöpfbarkeit und Aneignungsfähigkeit als Analogon der Kohlenlager, Erzlager ꝛc., die in berg - männiſchen Grundſtücken vorkommen, betrachtet werden.
Mayer, d. Düngerkapital. 12Das Düngerkapital und der Raubbau.

Jn dieſen Sätzen iſt ſchon die Verſchiedenartigkeit der in den Grundſtücken enthaltenen Vegetationsbedingungen, von welchen die Produktivität jener abhängig iſt, angedeutet.

Es wird jedoch nothwendig eine Aufgabe der Naturwiſſenſchaf - ten ſein müſſen, auf die von ihr ermittelten Geſetze der Pflanzen - ernährung hin, die Elemente der landwirthſchaftlichen Produktivität der Grundſtücke eingehender zu beſtimmen.

Jch hoffe, daß der Nutzen eines ſolchen analytiſchen Verfahrens für die aus jenen Elementen abzuleitenden volkswirthſchaftlichen Folgerungen nicht ganz unbedeutend ſein wird.

Die grünen phanerogamen Pflanzen, unter die unſere Kultur - gewächſe ſammt und ſonders gehören, haben zu ihrem Gedeihen nothwendig:1)Siehe Knop. Kreislauf des Stoffes. 1868. I. p. 539 u. f., auch Heiden. Lehrbuch der Düngerlehre. 1866. Bd. I.

1) gewiſſe Stoffe, nehmlich Waſſer, Kohlenſäure, Stickſtoff (in Form einer beſchränkten Anzahl von Verbindungen), Sauer - ſtoff2)J. Sachs. Handbuch der Experimentalphyſiologie der Pflanzen. 1865. p. 263 u. f. und eine größere Reihe von ſogenannten Aſchenbeſtandtheilen;

2) gewiſſe andere Bedingungen, für die es ſchwieriger iſt, einen geeigneten Collektivnamen ausfindig zu machen, z. B. eine eigenthümliche mechaniſche Conſtitution der Ackererde, wie ſie zur Ausbildung der Wurzeln erforderlich iſt, außerdem eine gewiſſe Temperatur,3)Siehe J. Sachs, a. a. O. p. 52 u. f. die ſich nur innerhalb zweier mehr oder weniger enger Grenzen auf - und abwärts bewegen darf ꝛc.

3) Endlich bedürfen ſie zur Vollendung ihrer innern chemiſchen Arbeiten einer Kraftquelle, des Sonnenlichts. 4)Ebendaſelbſt p. 18 u. f., auch meine Abhandlung; Landw. Ver - ſuchsſt. Bd. XI. p. 207 u. f.Durch das Vor -3Die Bedingungen des Pflanzenwachsthums.handenſein dieſer Bedingungen auf einem Grundſtück erhält daſſelbe erſt ſeinen Bauwerth.

Unſere erſte Aufgabe wird nun ſein, die einzelnen als noth - wendig erkannten Bedingungen des Pflanzenwachsthums darauf zu unterſuchen, ob ſie freie Güter ſind, d. h. ob dieſelben aus irgend einem Grund Beſitzergreifung unmöglich machen. Wir werden mit Sicherheit ſchließen können, daß diejenigen Vegetationsbedingungen, die nicht aneignungsfähig ſind, oder die in unbegrenzter Menge zur Verfügung ſtehen, nicht auf den Preis der Produkte einzuwirken vermögen und darum keine Beſtandtheile der Produktionsfaktoren im Sinn der Volkswirthſchaft ſein können.

Wir werden ſodann zu unterſuchen haben, in welcher Weiſe ſich diejenigen Bedingungen der Pflanzenproduktion, von denen Beſitz ergriffen werden kann und die nicht in unbegrenzter Menge zur Verfügung ſtehen, die alſo keine freien Güter ſind, zu dem Pro - duktionsfaktor Grundſtücke gruppiren. Schließlich werden wir dann zuſehen, auf welche jener Bedingungen die Menſchenhand ver - mehrend einzuwirken vermag. Dieſe Vegetationsbedingungen wer - den dann auch die beiden anderen Produktionsfaktoren Menſchen - arbeit und Kapital zuſammenſetzen müſſen.

Wir haben geſehen, daß man in der Volkswirthſchaftslehre die Beſtandtheile der Atmoſphäre, die Wärme und das Licht als freie Güter, auf deren Vorhandenſein in den geeigneten Mengen die Beſchaffenheit eines käuflichen Grundſtücks keinen Einfluß auszu - üben vermag, von denen alſo durch den Kaufakt nicht Beſitz er - griffen werden kann, betrachtet. Dieſe Anſchauungsweiſe iſt jedoch in Bezug auf manche dieſer Beſtandtheile und Eigenſchaften völlig unbegründet.

Streng genommen iſt der Sauerſtoff der Luft das einzige wirk -1*4Das Düngerkapital und der Raubbau.lich freie Gut unter der großen Reihe von Bedingungen, die zur Pflanzenproduktion unerläßlich ſind.

Die Kohlenſäure, deren die grüne Pflanze zur Produktion von organiſcher Subſtanz bedarf, iſt dies freilich theilweiſe (ſoweit ſie der Atmoſphäre entnommen wird) auch, theilweiſe aber in ihrer für die Pflanze zur Verfügung ſtehenden Menge von der Beſchaf - fenheit des Bodens abhängig, ſo daß z. B. ein reichlich Kohlen - ſäure-entwickelnder Boden lediglich durch dieſe Eigenſchaft die Pflan - zenproduktion zu ſteigern vermag. 5)Auch von Liebig zugegeben. Die Chemie in ihrer Anwen - dung ꝛc. 1862. I. p. 143.

Der Kohlenſäure reiht ſich in dieſer Hinſicht auf’s Engſte der gebundene Stickſtoff (Ammoniak - oder ſalpeterſaure Salze) an, der bekanntlich theilweiſe direkt aus der Atmoſphäre in die Pflanze gelangt, theilweiſe mit dem Regenwaſſer den Weg durch den Boden macht, in ſeiner Anſammlung mithin von der Beſchaffenheit (Ab - ſorptionsfähigkeit)6)Abſorption des Ammoniaks nachgewieſen durch Way, Henne - berg und Stohmann, Bruſtlein u. A. m. des Bodens abhängig ſein muß, theilweiſe end - lich in ſeiner zur Verfügung ſtehenden Menge durch den Düngungs - zuſtand (natürlichen oder künſtlichen) des Bodens bedingt iſt. Alſo auch dieſer Nährſtoff gehört nur theilweiſe zu den freien Gütern und wohl noch in geringerem Verhältniß als die Kohlenſäure, da ein ergiebiges Wachsthum unſerer Kulturgewächſe im Allgemeinen möglich iſt ohne Kohlenſäuredüngung, nicht aber ohne Stickſtoff - düngung. 7)Heiden a. a. O. B. I. p. 113 und E. Wolff. Prakt. Dünger - lehre. 1868. p. 15. 16.Jn der That iſt auch der Stickſtoff in Bezug auf Pflanzen - ernährung weit ſeltner als die Kohlenſäure als freies Gut betrachtet worden.

Das Waſſer, das wir ſonſt im wirthſchaftlichen Leben mit nur wenig Ausnahmen als ein freies Gut zu betrachten gewöhnt5Die Bedingungen des Pflanzenwachsthums.ſind, iſt kein ſolches als Bedingung des Gedeihens der Feldfrüchte. Das Verhalten eines Grundſtücks zum Waſſer ganz abgeſehen von deſſen Lage in einer waſſerreicheren oder waſſerärmeren Gegend wie z. B. die Eigenſchaft, gefallenes Waſſer ſchneller oder lang - ſamer durchzulaſſen, verdunſten zu laſſen, mehr oder weniger Waſſer durch Verdichtung aus der Atmoſphäre ſich anzueignen ꝛc.,8)Knop. Kreislauf des Stoffs. II. p. 25. ver - mag auf deſſen Werth in hohem Grade einzuwirken. Dies liegt freilich weniger daran, daß das Waſſer etwa in dieſen Fällen nur in beſchränkten Quantitäten zu Gebote ſteht, ſondern iſt einfach darin begründet, daß die (im Verhältniß zu einer Menge techniſcher Betriebe und z. B. zur Thierproduktion) doch immerhin ſehr exten - ſive Bewirthſchaftung unſerer Ländereien keinen Arbeitsaufwand zur Regulirung der auf das Pflanzenleben am Günſtigſten wirken - den Waſſermenge erlaubt. Mithin erlangt das Verhalten eines Grundſtücks zum Waſſer einen poſitiven oder negativen Werth, weil Transportkoſten des Waſſers (ſei es nun vom Acker weg oder auf den Acker hin) je nach der Beſchaffenheit des Ackers beſtritten werden müßten oder erſpart werden können. Wie ſehr dergleichen Verhalten dem Waſſer gegenüber auf den Werth eines Stück Lan - des einzuwirken vermag, erſieht man am Deutlichſten daraus, daß Meliorationskapitalien, die blos zur Regulirung jenes Verhaltens gegen Waſſer verwandt werden (Drainage, manche Bewäſſerungs - anlagen), im Stande ſind, den Grundwerth ſehr bedeutend zu ſteigern.

Von Stoffen, die außerdem noch zur Ernährung der Pflanzen nothwendig ſind, bleiben uns noch die Aſchenbeſtandtheile zur Be - ſprechung übrig. Die Aſchenbeſtandtheile ſind wohl nur von ganz Unwiſſenden9)Schinz-Geßner. 1858 und Victor Jacobi. Freiherr von Liebig ꝛc. Leipzig 1863. p. 60. als freie Güter betrachtet worden; ſie bedingen ja6Das Düngerkapital und der Raubbau.mit den andern ſchon beſprochenen im Boden vorkommenden Nähr - ſtoffen im Weſentlichen den Werth unſerer künſtlichen und natür - lichen Dünger.

Das Verhalten des Bodens zur Wärme, die einer auf ihm wachſenden Pflanze zu Gute kommt, iſt nicht unähnlich deſſen Ver - halten zum Waſſer. Die Wärme kann zwiſchen den Temperatur - grenzen, innerhalb deren ſie in der Landwirthſchaft als Fruchtbar - keitsbedingung angeſehen werden muß, nicht als freies Gut aufge - faßt werden, da dieſelbe in allen Fällen mit dem Boden aneignungs - fähig iſt. Verſchiedene Temperaturen ſind für das Gedeihen der Pflan - zen verſchieden zuträglich, und diejenigen Grundſtücke, die durch ihre Lage in gewiſſen Klimaten und geographiſchen Breiten, durch Neigung gegen den Stand der Sonne, durch dunkle Farbe und in Folge deſſen Abſorptionsfähigkeit von Wärme, oder auch noch an - dere phyſikaliſche Eigenſchaften10)Wärmeleitung, Wärmeſtrahlung, Wärmecapacität ꝛc. jener günſtigſten Temperatur näher kommen als andere, ſonſt gleich beſchaffene, haben einen größeren Werth als dieſe. Es iſt für unſere Betrachtungen ziemlich gleich - gültig, daß es bei einem Grundſtück, das in einer waſſerarmen Gegend liegt, oder deſſen Erde Waſſer nur in ſehr geringem Grade feſtzuhalten vermag, die nicht zu überwindenden Transportkoſten des Waſſers ſind, das ja doch in einiger Entfernung ſtets koſten - los zu haben iſt, die das Grundſtück entwerthen, während die Werth - loſigkeit eines ſolchen in einer kalten Gegend oder Jahreszeit dem wirklichen Mangel an Wärme, die überhaupt nur da, wo ſie als Eigenſchaft von Körpern auftritt, die ſelbſt nicht aneignungsfähig ſind, als freies Gut betrachtet werden kann, zuzuſchreiben iſt; denn wo ein freies Gut mit Koſten transportirt werden muß, da hört es eben auf, ein freies Gut zu ſein.

7Die Bedingungen des Pflanzenwachsthums.

Von Bedingungen, die noch ſonſt zur Pflanzenproduktion er - forderlich ſind, wäre außer einigen ſchwer zu definirenden, die in ihrer Geſammtheit einen Theil Deſſen ausmachen, was man mit dem Namen phyſikaliſche Eigenſchaften der Ackererde zu bezeich - nen pflegt, das Sonnenlicht noch zu erledigen. Die phyſikaliſchen Eigenſchaften der Ackererde ſind natürlich mit dem Boden aneig - nungsfähig und keine freien Güter. Es liegt außer der Abſicht vorliegender Abhandlung, auf dieſelben näher einzugehen.

Einer etwas umfaſſenderen Beſprechung bedarf hier noch die ſo wichtige Bedingung des Pflanzenwuchſes das Licht. Die leuchtenden Sonnenſtrahlen ſind bekanntlich die einzige für die Pflan - zenwelt zur Verfügung ſtehende Kraftquelle zur Leiſtung der in der chlorophyllhaltigen Zelle ſich vollziehenden chemiſchen Arbeit, die identiſch iſt mit der Produktion von organiſcher Subſtanz. Die ganze Verbrennungswärme der producirten organiſchen Subſtanz entſtammt dieſer Kraftquelle, ſie iſt ein Maß für jene Arbeits - leiſtung. 11)Helmholtz. Wechſelwirkung der Naturkräfte. 1854, und die Abhandlungen von J. R. Mayer.

Es tritt zunächſt die Frage an uns heran, ob das Sonnenlicht, dem die eben erläuterte Bedeutung für das Leben der grünen Pflanze zukommt, als ein wirthſchaftlich freies Gut zu betrachten iſt. Wir müſſen dieſe Frage entſchieden in dem umgekehrten Sinne, als dies bisher von Seiten der Volkswirthſchaftslehre geſchehen iſt, beantworten. Es iſt völlig unzuläſſig, Luft und Licht, als zuge - hörig zum freien Gut der Atmoſphäre, in eine Kategorie zu wer - fen und ſelbſt als freie Güter zu betrachten. Wenn wir an irgend einer Stelle der Atmoſphäre eine gewiſſe Quantität Luft wegfangen und daſelbſt die nützlichen Eigenſchaften derſelben in Anſpruch neh - men und conſumiren, z. B. den Sauerſtoff zur Verbrennung ver -8Das Düngerkapital und der Raubbau.wenden, ſo ſtrömt nach dem Ort des Verbrauchs ſogleich in Folge der Diffuſion neue Luft nach, und wenn auch Jemand nur ober - halb ſeines eignen Bodens Anſtalten machen darf zum Conſum dieſer Luft, ſo ſtehen ihm doch beliebig große Mengen dieſes Guts zu Gebote, die ihm aus der über dem Beſitzthum der Nachbarn ruhenden Luftſchicht und von da weiterhin ſtetig zufließen, ohne daß die Nachbarn oder alle Uebrigen, denen durch jenen Eingriff Luft entzogen wird, ein ſolches Verfahren hindern können. Dieſe Eigenſchaft der Luft, die auch das Waſſer in vielen Fällen zeigt, verhindert offenbar deren Vertheilung an einzelne Beſitzer, wie ſie für den feſten Grund und Boden ausführbar iſt, und dies Ver - halten, ſowie die unerſchöpfliche Menge der Luft, ſtempelt ſie zum Gemeingut, zum freien Gut. 12)Es beſtehen nur wenig Vorkehrungen, die den Gemeinbeſitz der Luft zu beſchränken ſuchen und dieſe beziehen ſich ſämmtlich auf Verpeſtung der Luft durch Fabriketabliſſements, alſo nicht auf Entzug werthvoller Luftbeſtandtheile, ſondern auf Zuführung poſitiv ſchädlicher Beſtandtheile.

Anders iſt es mit dem Licht. Der Photograph kann nicht das Licht, das auf das Grundſtück ſeines Nachbars fällt, für ſeine Zwecke benutzen, es ſei denn, daß er eine Reflexvorrichtung auf das Dach des Nachbars anbringt, wozu er doch deſſen Einwilligung, die völlige Abtretung dieſes Guts bedarf; denn der Nachbar kann ja ebenfalls Photograph ſein und das Licht wirthſchaftlich ausnutzen wollen. Offenbar ſtempeln alſo die phyſikaliſchen Geſetze, die den Zufluß des Lichts reguliren, dieſes zu einem Gut von vollkommener Aneignungsfähigkeit und es iſt gewiß ein Jrrthum, wenn z. B. Roſcher13)Grundlagen der Nationalökonomie p. 52. glaubt, daß der Photograph nicht mit Erfolg das zu ſeiner Arbeit nothwendige Licht auf die Rechnung ſeiner Kunden ſetzen könne. Ueberall, wo wie z. B. in großen Städten das9Die Bedingungen des Pflanzenwachsthums.Licht nicht in ſo überflüſſigen Mengen vorhanden iſt, daß hierdurch eine Entwerthung dieſes Guts eintritt, wird der Preis für deſſen Nutznießung in den Produktionskoſten eines photographiſchen Bildes enthalten ſein, und nur die Geringfügigkeit des Preiſes des Lichts gegenüber dem der andern photographiſchen Agenzien verführt zur Begehung jenes Jrrthums.

Das Licht der Sonne iſt alſo ein völlig aneignungsfähi - ger Gegenſtand,14)Daß das Licht ſeiner Aneignungsfähigkeit wegen ein Gut iſt, das Tauſchwerth erlangen kann, erſieht man auch aus dem hie und da auf - tauchenden und naturwiſſenſchaftlich möglichen Projekte, die Sonnenſtrahlen direkt durch eigenthümliche Vorrichtungen zu techniſchen Arbeitsleiſtungen zu benutzen, wo dieſelben völlig gleichwerthig mit der Heizkraft der Kohlen auftreten. wenn es auch nicht möglich iſt, daſſelbe in Säcke verpackt zu transportiren, und es iſt in der That unſchwer, über die Form dieſer Aneignung ſich klar zu werden. Mit dem Grund und Boden wird offenbar auch das auf denſelben fallende Licht erworben. Man erhält mit der Aneignung deſſelben das Recht zur Benutzung der Sonnenſtrahlen; mit dem Eigenthum einer gewiſſen Summe von nützlichen Stoffen, zugleich eine regelmä - ßige Rente von Kräften, und nur wer ſeinen auf dieſe Weiſe er - worbenen Antheil an Kräften nicht ausnutzt, der verliert erſt wie - der dieſes Beſitzthum, großentheils durch Ausſtrahlung in den Weltenraum.

Es geht aus dem Vorhergehenden unzweifelhaft hervor, daß die Sonnenſtrahlen, deren Antheil an der Pflanzenproduktion wir kennen gelernt haben, als ein Gut, das mit dem zu dieſer Pro - duktion dienenden Grundſtück aneignungsfähig iſt, einen Beſtand - theil des Werths eines ſolchen Grundſtücks ausmachen können.

Wir müſſen, um den Einfluß dieſes Beſtandtheils auf den ge - nannten Werth zu beſtimmen, zunächſt ein Maß für denſelben,10Das Düngerkapital und der Raubbau.eine Relation zwiſchen der Größe des Grundſtücks und der Menge der auf daſſelbe fallenden Strahlen ausfindig machen. Dies iſt nun leichte Arbeit. Für gleiche geographiſche Breite und die gleiche durchſchnittliche Bewölkung des Himmels und überhaupt gleiche at - moſphäriſche Abſorption des Lichts, alſo jedenfalls für zwei nahe beiſammen liegende Grundſtücke iſt das Flächenmaß der Pro - jektion eines Grundſtücks auf eine zu dem Strahl der Mittag - ſonne ſenkrechte Ebene zugleich das Maß für das demſelben zu Gebote ſtehende Quantum von Licht oder wirkſamer Strahlen.

Für Felder in der Ebene oder von identiſcher Neigung kann alſo, wenn ſie nur unter einander verglichen werden, einfach das Flächenmaß des Grundſtücks ſelbſt, da hier die Projektion nur proportionale Aenderungen herbeiführt, als ein ſolches Maß für das demſelben zu Gebote ſtehende Licht benutzt werden, ſelbſtver - ſtändlich vorausgeſetzt, daß die Grundſtücke in einer und derſelben Gegend liegen.

Hierin liegt nun der Grund, daß das Licht, das einen Be - ſtandtheil des Werths eines Grundſtücks vorſtellt, nicht in dem Preis deſſelben erkannt wird, indem dieſer Beſtandtheil für Felder von gleicher Lage proportional mit dem gebräuchlichen Flächenmaße, auf das ſich die Preiſe der Felder beziehen, in demſelben enthalten iſt. Jn den Gebirgsgegenden tritt dagegen jener Beſtandtheil hervor, da hier je nach Sonnenſeite oder Schattenſeite die Projektion verſchieden große Werthe ergibt. Doch kommt hierbei auch die wärmende Kraft der Sonnenſtrahlen mit in’s Spiel.

Auch noch andere Betrachtungen führen uns zu dem Reſultate, daß die einem Grundſtück zu Gebote ſtehenden Mengen von Son - nenſtrahlen deſſen Werth und Preis mit bedingen. Ein Ackerfeld, deſſen Boden auf zwei Fuß Tiefe in dem Zuſtand ſich befindet, wie er zur Vegetation tauglich iſt, wird niemals den doppelten11Die Bedingungen des Pflanzenwachsthums.Werth haben, als ein ebenſolches Feld, das jenen Zuſtand nur auf einen Fuß Tiefe beſitzt und wird ſich in ſeiner Produktivität weſentlich unterſcheiden von zwei Feldern in letzterem Zuſtand,15)Siehe Roſcher, a. a. O. p. 58 u. J. S. Mill. Principles etc. I. Ch. 12. ob - gleich in dieſem genau dieſelbe Menge von Stoffen, aus denen die Pflanze ihren Leib aufbaut, enthalten iſt und auch die Wärme - und Feuchtigkeitsverhältniſſe die gleichen ſind. Der enorme in die Augen ſpringende Unterſchied iſt hier weſentlich bedingt durch die verſchiedenen in beiden Fällen zu Gebote ſtehenden Mengen Licht. Doch iſt dies Beiſpiel manches Einwurfs fähig, namentlich wegen des verſchieden großen und verſchieden geſtalteten Raums, der in bei - den Fällen den Pflanzen zur Ausbildung ihrer ober - und unter - irdiſchen Organe zur Verfügung ſteht, vielleicht auch wegen des Unterſchieds in den in einer gegebenen Zeit verfügbaren Mengen atmoſphäriſcher Nahrungsmittel. Jenes wird daher zweckmäßig er - ſetzt dadurch, daß man zeigt, daß es unmöglich iſt, auf irgend ein Ackerfeld mit Erfolg ein zweites Stockwerk16)Ein Gedanke, auf den man allerdings wegen der Koſtſpieligkeit eines ſolchen Unternehmens nur bei einer faſt undenkbaren Jntenſität des Feldbaus gelangen könnte. aufzuſetzen, das aus der nehmlichen Ackerkrume gebildet iſt, eine Vorrichtung, die ohne die geringſte Aenderung in einer der übrigen Bedingungen des Pflanzenwachsthums bewirken zu müſſen, unfehlbar die für land - wirthſchaftliche Zwecke vollſtändige Entwerthung des unten gelegenen Feldes zur Folge haben würde, einfach deßhalb, weil eine Vege - tationsbedingung (das Licht) ausgeſchloſſen iſt.

Durch dieſe Betrachtung wird offenbar der Antheil des zur Pflanzenproduktion unentbehrlichen Lichts an dem Werth der bau - fähigen Grundſtücke anſchaulich gemacht.

12Das Düngerkapital und der Raubbau.

Hiermit wäre aber nun die Aufſuchung der naturwiſſenſchaftlich einfachen Bedingungen des Pflanzenwuchſes und die Betrachtung über die Aneignungsfähigkeit der ſie darſtellenden Stoffe, Zuſtände und Kräfte als beendet anzuſehen. Die Mehrzahl derſelben erwies ſich als mehr oder weniger vollkommen aneignungsfähig mit dem Grund und Boden. Dieſe bilden in ihrer Zuſammengehörigkeit den nationalökonomiſchen Produktionsfaktor Grundſtücke. Jn dieſem Produktionsfaktor ſind ſämmtliche Bedingungen des Pflan - zenwachsthums vorhanden, wenn auch häufig in einem ungünſtigen Verhältniß. Darauf beruht die Produktionsfähigkeit eines Stück Landes ohne Zuhilfenahme eines der andern Produktionsfaktoren Menſchenarbeit und Kapital . Die Möglichkeit einer lohnen - den Anwendung dieſer beiden andern Produktionsfaktoren beruht auf der Möglichkeit der Herſtellung eines günſtigeren Verhältniſſes zwiſchen den einzelnen Bedingungen des Pflanzenwuchſes.

Wir kommen hier ſchon auf ein Geſetz der Pflanzenproduktion, das dieſe jedoch mit vielen andern Produktionen gemeinſchaftlich hat und das alle jene einzelnen Produktionsbedingungen gemeinſchaftlich betrifft und Etwas ganz Allgemeines über deren günſtigſtes Zuſammenwir - ken ausſagt. Daſſelbe iſt geeignet, die Art der Zuſammenſetzung des Bodenwerthes aus den einzelnen aneignungsfähigen Fruchtbar - keitsbedingungen noch mehr zu verhüllen.

Die Ernte iſt unläugbar eine Funktion der einzelnen zu ihrem Zuſtandekommen nothwendigen Vegetationsbedingungen; ſie iſt aber weder ein Produkt noch eine Summe derſelben (die Möglichkeit der Formulirung jener Bedingungen in mit den Erntegewichten ver - gleichbaren Zahlen vorausgeſetzt). Wird eine der Bedingungen gleich Null, ſo wird die Ernte ebenfalls gleich Null. Wächſt jedoch eine einzelne jener Bedingungen allein, ſo wächſt die Ernte im Allge -13Die Bedingungen des Pflanzenwachsthums.meinen nicht mit. Nur wenn alle gemeinſchaftlich wachſen, wächſt unter allen Umſtänden die Ernte mit.

Aus dieſen Verhältniſſen ergibt ſich, daß die einzelnen Frucht - barkeitsbedingungen, die man auch wohl als Produktionsfaktoren im naturwiſſenſchaftlichen Sinn des Worts bezeichnen könnte, keine Faktoren nach der Ausdrucksweiſe der Mathematik ſind, ebenſo - wenig wie die Ernte nach dieſem Verhalten ſich als eine Summe dieſer Bedingungen darſtellt.

Es gibt ein Verhältniß, in dem die Vegetationsbedingungen mit dem größten Erfolg zuſammenwirken, d. h. die relativ größte Menge von Pflanzenſubſtanz erzeugen. Von dieſem Verhältniß ausgehend vermag die einſeitige Vermehrung irgend einer jener Bedingungen keinen Mehrertrag zu bewirken, ſondern nur die gleich - zeitige Vermehrung aller. Dieſes Geſetz läßt ſich auch ſo aus - drücken, daß man ſagt: Die Produktion iſt abhängig von der im Minimum vorhandenen Produktionsbedingung, ſie iſt derſelben proportional; wobei man dann ſtillſchweigend die relativen Werthe jener Bedingungen, in denen ſie am Günſtigſten zuſammenwirken, als ihre reſp. Einheiten bezeichnet.

Es iſt dieſes Produktionsgeſetz ein Geſetz ſehr allgemeiner Natur. Eine jede Erſcheinung, die durch das Zuſammenwirken mehrerer von einander unabhängiger Bedingungen zu Stande kommt, richtet ſich in ihrer Jntenſität oder der Häufigkeit ihres Eintritts nach der im Minimum vorhandenen Bedingung (in dem eben er - läuterten Sinn). Jn einem ſpeziellen Fall für einzelne Bedin - gungen des Pflanzenwachsthums wurde dieſes Geſetz von Liebig17)v. Liebig a. a. O. B. II. p. 223. Die Grundſätze der Agri - culturchemie. 1855. p. 121. hervorgehoben und ſeitdem als das Geſetz des Minimums häufig in Anwendung gebracht.

14Das Düngerkapital und der Raubbau.

Alle Bedingungen, die zu jener im Minimum vorhandenen Bedingung in einem höhern Verhältniß, als dem des günſtigſten Zuſammenwirkens vorhanden ſind, bleiben für das Zuſtandekommen der reſultirenden Erſcheinung völlig unbenutzt.

Das Liebig’ſche Geſetz des Minimums berückſichtigt nur einen Theil der Bedingungen des Pflanzenwachsthums (die Nährſtoffe); die Sonnenſtrahlen wurden bei Entwickelung jener Geſetzmäßigkeiten als Produktionsbedingungen nicht einmal erwähnt. Der Liebig’ſche Satz,18)Die Grundſätze d. Agriculturchemie. p. 26. daß die Entwickelung der Pflanze innerhalb gewiſſer Grenzen im geraden Verhältniſſe zu der Maſſe der Nährſtoffe und im umgekehrten Verhältniß zu den Widerſtänden, die ihre Wirkung hindern, ſtände, iſt, abgeſehen von der Einſeitigkeit der auszudrücken - den Thatſache, eine Gleichung, die bei den einfachſten mathematiſchen Operationen ad absurdum führt.

Die mögliche Höhe der Ernten bildet die Baſis für den Werth des Bodens. Die mögliche Höhe der Ernten iſt nach dem eben entwickelten Produktionsgeſetz, das wir auch in ſeiner verall - gemeinerten Form als das Geſetz des Minimums bezeichnen wollen, abhängig von den im geringſten Maße vorhandenen Pro - duktionsbedingungen, deren beliebige Vermehrung auf einem gege - benen Grundſtück nicht wirthſchaftlich ausführbar iſt.

Wir werden alſo weiter zu betrachten haben, welche von den Bedingungen, die möglicher Weiſe im Minimum vorhanden ſein können, einer willkürlichen und wirthſchaftlich ausführbaren Vermehrung durch Menſchenhand fähig ſind, welche nicht. Nur die erſteren werden Beſtandtheile der Produktionsfaktoren Menſchenarbeit und Ka - pital ſein können.

Diejenigen Bedingungen des Pflanzenwuchſes, die als freie Güter angeſehen werden mußten, alſo der Sauerſtoff, ein Theil15Die Bedingungen des Pflanzenwachsthums.der Kohlenſäure, des gebundenen Stickſtoffs ꝛc., bleiben ſelbſt - verſtändlich, da ſie keine Beſtandtheile der nationalökonomiſchen Produktionsfaktoren ſind, von dieſer Betrachtung völlig ausge - ſchloſſen.

Das Licht nimmt als Vegetationsbedingung, wie wir ſogleich ſehen werden, hier eine ganz eigenthümliche Stellung ein, eine Stellung, deren Verkennen Veranlaſſung zu tiefgreifenden Jrr - thümern geworden iſt. Das zur Pflanzenproduktion zur Verfügung ſtehende Sonnenlicht wird in einer und derſelben Gegend gemeſſen durch das Flächenmaß des Grundſtücks ſelbſt eine gleichartige und gleichwerthige Neigung der Grundſtücke gegen den Horizont vorausgeſetzt und iſt ſo, obſchon es bei guten Boden - und Düngungs - verhältniſſen oft die im Minimum19)Ergibt ſich, wie ſpäter gezeigt wird, aus der eng beſchränkten Produktionsfähigkeit eines Grundſtücks. vorhandene Produktionsbedingung ſein muß und ſo der Produktion durch ſeine beſchränkte Menge eine Grenze zieht, niemals anders in den Bodenpreiſen erkenntlich, als indem dieſe proportional mit der Fläche zu wachſen pflegen (wenn nehmlich die andern Fruchtbarkeitsbedingungen gleichmäßig in der Fläche vertheilt ſind), was offenbar nicht der Fall ſein könnte, wenn die Menge des zur Produktion dienenden Lichts in einem andern Verhältniß zur Bodenfläche ſtände. So kommt es, daß, wo die in Rede ſtehende Fruchtbarkeitsbedingung für zwei Felder ver - ſchiedener Neigung (oder auch gelegen in verſchiedenen Breiten und Klimaten) aufhört, proportional mit dem Flächenmaß zu wachſen, der Werth auch bei ſonſt gleicher Beſchaffenheit der Felder nicht mehr nach dem Flächenmaß beſtimmt werden kann, ohne indeß ver - kennen zu wollen, daß hierin blos eine Urſache der möglichen Werthverſchiedenheit liegt. Bei Feldern jedoch, die in einer und16Das Düngerkapital und der Raubbau.derſelben Gegend verſchiedene Neigung gegen den mittleren Stand der Sonne haben, kann häufig die beſtehende Werthdifferenz auf die in beiden Fällen verſchiedenen Mengen von auf die Flächen - einheit auffallenden Sonnenſtrahlen zurückgeführt20)Nord - und Süd-Hang eines Thals. werden.

Bei der Möglichkeit des Vorhandenſeins des Lichts im Mi - nimum müſſen wir unſere Betrachtung darauf ausdehnen, ob wir im Stande ſind, daſſelbe willkürlich durch wirthſchaftlich ausführ - bare Maßregeln auf einer gegebenen Bodenfläche zu vermehren. Es gibt nun ſtreng genommen allerdings einige ſolcher Maßregeln, doch von äußerſt beſchränkter Anwendbarkeit. Es ſind hier etwa zu erwähnen, die Entwaldung, in Folge deren der Himmel durch - ſchnittlich erheitert werden ſoll eine Maßregel, die alſo nie für ein einzelnes Feld ausgeführt werden kann , dann die Verän - derung der Neigung einer Bodenfläche gegen die Sonne durch Ab - ſtechen und Auffüllen des Bodens (nur bei intenſiver Weinkultur wirthſchaftlich ausführbar), alſo Mittel von ſehr geringer Anwend - barkeit und Tragweite.

Beſſere Mittel ſtehen uns nun allerdings zu Gebote für die mehr oder minder vollſtändige Ausnutzung dieſer uns ſtetig zu - fließenden, ein für allemal conſtanten Menge wirkſamer Strahlen, Mittel, denen namentlich darum eine hohe wirthſchaftliche Bedeutung zukommt, weil diejenigen Antheile des Lichts, die wir nicht für die Pflanzenproduktion auszunutzen verſtehen, entweder durch Uebergang in Wärme oder gar durch Zurückſtrahlung in den Weltenraum für jene chemiſche Arbeit in der Pflanze unwiederbringlich verloren ſind. Als ſolche Mittel haben wir anzuſehen: Dichte des Beſtandes, oft nur zu erzielen durch Anbau verſchiedener Früchte untereinander, Vermeidung jeglicher, auch der Winter-Brache; kurz Mittel, die17Die Bedingungen des Pflanzenwachsthums.ſämmtlich den Zweck haben, das Feld möglichſt lange und vollſtän - dig mit einer aſſimilirenden Licht-ausnutzenden grünen Pflanzendecke zu bedecken.

Jn der That ſehen wir nun auch ſolche Mittel angewandt, wenn das Licht unter den Vegetationsbedingungen im Minimum vorhan - den iſt, alſo bei Herſtellung aller willkürlich vermehrbaren Bedin - gungen bei intenſiver Bewirthſchaftung, während dieſe Mittel unter - bleiben, wenn der Betrieb auch ſonſt nicht intenſiv genug iſt, um die übrigen Vegetationsbedingungen über das Licht in’s Uebergewicht gelangen zu laſſen. Unter ſolchen Umſtänden ſehen wir dann that - ſächlich Winterbrache, Sommerbrache, undichten Beſtand und dergl. eintreten, Betriebsmethoden, durch die die Ausnutzung der vorhan - denen Sonnenſtrahlen herabgedrückt wird. Auch die Gründüngung gehört bei näherer Betrachtung hierher, denn ſie bezweckt die Ueber - führung der Vegetationsbedingung Sonnenlicht in einige andere, ſpärlicher vorhandene Bedingungen eine Ausdrucksweiſe, die mir hier geſtattet ſein möge.

Es gibt alſo einige wirkſame Mittel, durch die es gelingt, die Menge des zur Pflanzenproduktion gelangenden Lichts zu ſteigern, wenn wir auch ſo gut wie keine Mittel beſitzen, um die Menge des auf ein Grundſtück fallenden Lichts in irgend einer Richtung abzuändern.

Dem Licht ſchließt ſich theilweiſe die Wärme in der eben er - läuterten Beziehung an, inſofern ſie nehmlich von der Beſtrahlung durch die Sonne abhängig iſt, während ſie anderntheils in ihrer den Pflanzen zur Verfügung ſtehenden Menge von den Eigenſchaften des Bodens bedingt wird, die wir ja in hinlänglich wirkſamer Weiſe abzuändern vermögen. Das bisher für das Licht Ausgeſagte gilt alſo, wenn auch in zurücktretender Weiſe, für diejenigen Sonnen - ſtrahlen, die in der Pflanze nicht zu chemiſcher Arbeit VerwendungMayer, d. Düngerkapital. 218Das Düngerkapital und der Raubbau.finden, ſondern durch Abſorption in Wärme übergehen, und wir werden uns richtiger ausdrücken, wenn wir in Folgendem von den mit einem Grundſtück aneignungsfähigen Sonnenſtrahlen, auf deren Menge wir nicht einzuwirken vermögen, ſprechen, nicht blos vom Sonnenlichte, da die nicht zur chemiſchen Arbeit verwen - deten Strahlen auch in Betracht kommen.

Die übrigen mit den Grundſtücken aneignungsfähigen Bedin - gungen des Pflanzenwuchſes haben wir ſammt und ſonders einiger - maßen in der Hand, und es iſt in vielen Fällen wirthſchaftlich aus - führbar und rentabel, dieſelben zu vermehren oder abzuändern. Dieſe Bedingungen können deßhalb Beſtandtheile der Produktions - faktoren Kapital und Menſchenarbeit ſein, und diejenigen wirth - ſchaftlichen Maßregeln, die den Zweck haben, dieſelben in einer für die Pflanzenproduktion günſtigen Richtung abzuändern, werden Dün - gung, Bodenbearbeitung, Melioration u. ſ. w. genannt.

Wir haben unter dieſen noch übrigen Fruchtbarkeitsbedingungen, die ein ſo überaus buntes Gemiſch darſtellen, zu unterſcheiden zwiſchen zum Pflanzenwachsthum erforderlichen Stoffen und für daſſelbe geeigneten Zuſtänden.

Letztere bezogen ſich auf die Temperaturverhältniſſe, denen die Pflanze in und über der Ackererde ausgeſetzt iſt, dann auf Boden - eigenſchaften, die die Zufuhr der Nährſtoffe reguliren, z. B. auf Verhalten des Bodens zum Waſſer, deſſen Lockerheit, Abſorptions - fähigkeit ꝛc., kurz Verhältniſſe, die man häufig in ihrer Com - plicirtheit als phyſikaliſche Beſchaffenheit der Ackererde zu - ſammenfaßt.

Die phyſikaliſche Beſchaffenheit eines Grundſtückes kann zwar in mannichfacher, wenn auch nicht ganz beliebiger Weiſe durch die Menſchenhand abgeändert werden. Es kann durch Aufbringen19Die Bedingungen des Pflanzenwachsthums.dunkler Subſtanzen21)Jn den Weinbergen der bayeriſchen Pfalz iſt Aufbringen von Baſaltſchutt üblich, ein Verfahren, deſſen Zweck unmöglich in einer Kali - düngung (jener Baſalt enthält nur geringe Mengen Kali) geſucht werden kann. auf das Verhalten eines Bodens gegen Wärme, durch Bodenbearbeitung auf deſſen Lockerheit, durch Drainiren auf deſſen Durchläſſigkeit eingewirkt werden durch Menſchenarbeit alſo und Kapital die phyſikaliſche Beſchaffenheit gebeſſert werden.

Jn gleicher Weiſe und durchſchnittlich mit weit größerm Erfolg iſt es möglich, durch wirthſchaftliche Manipulationen auf das Vor - handenſein der Stoffe, die die Pflanze, um ſich kräftig entwickeln zu können, im Boden in gewiſſen Mengen vorfinden muß, hinzu - wirken. Der weſentlichſte Zweck der Düngung liegt gerade in der Zufuhr dieſer Nährſtoffe und das Kapital, das für Düngung ver - ausgabt wird, bildet für weitaus die meiſten Betriebsmethoden den größten Theil des überhaupt zur landwirthſchaftlichen Pflanzenproduk - tion verwendeten Kapitals.

Dieſe Bedingungen des Pflanzenwachsthums ſtehen alſo in Bezug auf die wirthſchaftliche Möglichkeit ihrer Abänderung im eraſſeſten Gegenſatz zu jenen Bedingungen, für deren Abänderung wir der Menſchenhand keine irgendwie erhebliche Fähigkeit zugeſtehen konnten, zu den Sonnenſtrahlen.

Jn dieſer einſeitigen Möglichkeit der Vermehrung gewiſſer im Boden vorhandener Bedingungen des Pflanzenwuchſes durch Ver - wendung von Menſchenarbeit und Kapital, während wir auf andere ſolcher Bedingungen durch Verwendung jener Produktionsfaktoren nicht einzuwirken vermögen, liegt der Grund für die längſt bekannte Thatſache, daß es nicht möglich iſt, durch beliebig große Jnten - ſivirung des Betriebs die Produktion von Pflanzenſubſtanz beliebig zu ſteigern, daß einer weiteren Verwendung von Arbeit und Kapital immer geringere Mehrproduktionen entſprechen.

2*20Das Düngerkapital und der Raubbau.

Jene Pflanzennährſtoffe nun und auch alle andern Eigenthüm - lichkeiten des Bodens, auf die wir einzuwirken vermögen, laſſen ſich nun betrachten, gleichviel, ob ſie im einzelnen Fall ſich als natür - liche Bodenbeſtandtheile ergeben oder ob ſie nachgewieſener Maßen künſtlich zugeführt worden ſind, als ein Kapital, mittelſt deſſen wir die Ausbeutung der in unabänderlicher Conſtanz einem Boden zufließenden Sonnenſtrahlen unternehmen. Dieſe Verwendung des Wortes Kapital bedarf einer näheren Erläuterung.

Zunächſt iſt offenbar kein Unterſchied zwiſchen den natürlich im Boden vorhandenen Pflanzennährſtoffen und den künſtlich durch Düngung hinzugebrachten. Beide verhalten ſich in Hinſicht der Pflanzenproduktion völlig gleichwerthig, und die durch den Gebrauch der national-ökonomiſchen Produktionsfaktoren bewirkte Trennung dieſer Nährſtoffe je nach dem Urſprung, wodurch ſie einmal einen Beſtandtheil der natürlichen Bodenkraft, ein andermal des Betriebs - kapitals bilden, thut der wirklichen Sachlage augenſcheinlich Zwang an. Ein Gleiches gilt ſelbſtverſtändlich für die phyſikaliſchen Eigen - ſchaften des Bodens, die wir abzuändern fähig ſind.

Wenn man allerdings, wie dies von Seiten der National - ökonomie22)Siehe Roſcher. Die Grundlagen ꝛc. 1866 p. 73 und J. S. Mill. Grundſätze ꝛc. 1864 p. 43. geſchieht, Kapital deſinirt als einen angeſammelten Vor - rath von Erzeugniſſen früherer Produktion, ſoweit dieſer Vorrath zu neuer Produktion verwendet wird, ſo dürfte die Bezeichnung der naturgemäß im Boden enthaltenen Pflanzennährſtoffe als Kapital unpaſſend erſcheinen. Jndeß lehrt eine leicht anzuſtellende Betrach - tung, daß dieſe Nährſtoffe (ſowie jene Eigenſchaften des Bodens, auf die der Menſch einzuwirken vermag) ſich thatſächlich wie ein von Außen zugeführtes Kapital verhalten.

21Die Bedingungen des Pflanzenwachsthums.

Dies eigenthümliche Verhalten rührt wohl einfach daher, daß die Pflanzenproduktion eine Produktion iſt, die ſchon ohne das Ein - greifen des Menſchen vor ſich geht und nur durch weitere Zufuhr von Arbeit und Kapital geſteigert werden kann. Ein Boden kann deßhalb eine Rente gewähren, auch ohne daß erheblich Kapital und Arbeit auf demſelben Verwendung findet und auch bei Verwendung dieſer Produktionsfaktoren iſt ein Theil des Ertrags nicht abzu - leiten aus der Verwendung derſelben. Gerade deßhalb fand die Nationalökonomie Veranlaſſung, neben dieſen beiden Faktoren der Pflanzenproduktion noch einen dritten zu unterſcheiden, den ſie als Grundſtücke bezeichnete und welchen in einzelne Fruchtbarkeits - bedingungen zu zerlegen, wir uns zur Aufgabe gemacht hatten.

Dieſe Zerlegung wird uns nun dazu befähigen, zu entſcheiden, warum dieſer Faktor ſo hartnäckig vom Kapital getrennt wird, da er doch aneignungsfähig iſt, einen Tauſchwerth beſitzt, warum man nicht einen Acker betrachtet, wie ein von der Natur errichtetes Fabrik - gebäude, das mit den zu einer gewiſſen Produktion erforderlichen Rohſtoffen verſehen iſt. Wir werden dann mit der Erledigung die - ſer Frage zu der Einſicht gelangen, daß ein Theil jenes Faktors Grundſtücke ſich thatſächlich wie ein Kapital verhält.

Die im Boden enthaltenen Pflanzennährſtoffe, ſowie jene phyſi - kaliſchen Fruchtbarkeitsbedingungen verhalten ſich genau wie ein ſolches Fabrikgebäude, das mit Rohſtoffen naturgemäß verſehen iſt. Ein ſolches könnte nun aber unbedenklich als Kapital betrachtet wer - den, gleichviel ob es durch Menſchenarbeit hergeſtellt oder durch irgend ein Naturereigniß Entſtehung genommen hätte23)Die Auffindung einer mit foſſilen Brennſtoffen erfüllten Höhle, die ſich zum Fabrikbetriebe eignete, wäre nicht einmal undenkbar., und ſo ſind wir nicht blos berechtigt, ſondern ſogar verpflichtet, den oben genannten Theil der durch ein Grundſtück repräſentirten Fruchtbar -22Das Düngerkapital und der Raubbau.keitsbedingungen als ein Kapital zu betrachten, das zwar nicht ſeine Entſtehung einer Arbeitsleiſtung verdankt, zu deſſen Herſtellung aber in ebenſo zweckmäßiger Vereinigung wohl eine entſprechende Arbeits - leiſtung nothwendig wäre. Nennen wir doch auch eine in einem Berge unvermuthet vorgefundene Gold - oder Silberſtufe ein Kapital, obgleich hier im einzelnen Fall zur Auffindung keine entſprechende Menge von Arbeit aufgewendet worden iſt.

Dieſe kurze Betrachtung wird ſicherlich genügen, um zu zeigen, daß es vielmehr diejenigen von uns aufgefundenen Beſtandtheile des Produktionsfaktors Grundſtücke ſind, auf deren Aenderung wir nicht oder nur in zurücktretender Weiſe einzuwirken ver - mögen, die jenen Produktionsfaktor nothwendig zu einem mit dem Kapital unvereinbaren Faktor ſtempeln. Dieſe Beſtandtheile, die Sonnenſtrahlen, können eben deßhalb niemals als Kapital aufgefaßt werden, weil ſie nicht in beliebiger Menge zur Produktion heran - gezogen werden können.

Bei irgend einer Fabrikation, bei der nur Kapital und Arbeit zur Produktion nothwendig ſind, können je nach Bedarf die einzelnen Bedingungen zur Hervorbringung des Produkts in beliebigen Ver - hältniſſen zuſammengebracht werden. Kein Grund iſt vorhanden daß eine Verdoppelung der Produktion die Produktionskoſten auf mehr als auf das Doppelte ſteigern ſollte. Wenn man dagegen bei der Pflanzenproduktion auch im Stande iſt, alle übrigen Wachs - thumsbedingungen durch Zufuhr von Kapital und Arbeit in’s Un - begrenzte zu ſteigern, ſo iſt dies für die Sonnenſtrahlen nur mög - lich durch Verdoppelung der bebauten Bodenfläche, d. h. jedenfalls von dem Zeitpunkt an, wo alles baufähige Land24)Jn Wahrheit aus hier noch nicht näher zu erörternden Gründen ſchon viel früher. zur Pflanzen - produktion Verwendung findet, iſt eine mit der Zufuhr von Kapital23Die Bedingungen des Pflanzenwachsthums.und Arbeit proportionale Mehrproduktion nicht mehr möglich. Hier - durch iſt der Jntenſivirung des Feldbaus eine unüberſchreitbare Grenze geſetzt, wie ſie die Fabrikation im Allgemeinen nicht kennt. 25)Es gibt nur ein Verhältniß, in dem die verſchiedenen Vegeta - tionsbedingungen mit dem größten Erfolg zuſammenwirken und von dem ausgehend die Vermehrung einer Bedingung keinen Mehrertrag zu bewir - ken vermag. Wenn aber eine dieſer Bedingungen ſich gegenüber den andern dieſem günſtigſten Verhältniſſe nähert, ſo tritt hier eine Verwiſch - ung der Grenze der Art ein, daß nahe an derſelben ſchon keine propor - tionale Aenderung des Mehrertrags mehr erfolgen kann. So vermag auch auf einem reichen Lande eine Düngung noch einen Mehrertrag zu bewirken, weil z. B. hie und da doch noch eine Stelle im Boden vor - handen iſt, die der Wurzel nicht die ganz ausreichende Ernährung zu bie - ten vermag, während die übrigen Stellen ſchon einen Ueberfluß beſitzen. Daher rührt es, daß die Beſchränkung der Produktion auf einer Acker - fläche, wie Mill ſich ausdrückt, nicht dem Hinderniß einer entgegenſtehen - den Wand gleicht, welche unbeweglich an einer beſtimmten Stelle ſteht und der Bewegung nicht eher ein Hemmniß darbietet, als bis ſie dieſelbe gänzlich aufhält, ſondern daß wir ſie vergleichen können mit einem elaſtiſchen und ausdehnbaren Band, das kaum je ſo heftig geſpannt wird, daß es nicht möglicher Weiſe noch etwas mehr geſpannt werden könnte, obſchon ſein Druck lange vorher gefühlt wird, ehe die äußerſte Grenze erreicht iſt, und um ſo ſtärker gefühlt wird, je mehr man ſich dieſer Grenze nähert.

So einfach die eben angeſtellte Betrachtung iſt, ſo glaube ich doch bei der Wichtigkeit der reſultirenden Sätze und bei der Un - klarheit, die auf dem nationalökonomiſchen Gebiete hinſichtlich der Wirkungsweiſe der Produktionsfaktoren äußere Natur und Grund - ſtücke herrſcht, zu einigen weiteren Ausführungen berechtigt zu ſein.

Denken wir uns einmal, es ſeien zur Pflanzenproduktion außer freien Gütern, deren Berückſichtigung wir überhoben ſind, nur Be - dingungen nothwendig, die einer willkürlichen Vermehrung fähig ſind, es ſeien zu derſelben alſo keine Sonnenſtrahlen, ſondern nur ein gewiſſer Vorrath von Pflanzennährſtoffen und ſonſt gewiſſe leicht herbeizuführende Bedingungen erforderlich. Jn welcher Weiſe24Das Düngerkapital und der Raubbau.würde alsdann der Boden, der eine gewiſſe Menge aller dieſer nothwendigen Bedingungen in ſich vereinigt, als Produktionsfaktor auftreten?

Ein Preis würde für die Benutzung des Bodens wie jetzt erſt dann in Anſpruch genommen werden können, wenn guter Boden in vortheilhafter Lage nicht mehr in beliebiger Menge zur Verfügung ſteht. Erſt dann, wenn es nothwendig wäre, Boden von ſchlechterer Qualität oder in ungünſtigerer Lage mit zu Hülfe zu nehmen, um den Bedarf an Pflanzenprodukten vollſtändig zu beſtreiten, würde die Benutzung des beſſeren Landes einem natürlichen Monopol26)Siehe J. S. Mill. Grundſätze. 2. deutſche Ausgabe. 1864. p. 295. unterliegen und ein Preis für dieſe Benutzung gezahlt werden können. Man würde unter dieſen wie unter den beſtehenden Umſtänden alſo unterſcheiden können zwiſchen einem Grundbeſitzer, der nothwendig eine Rente erhalten muß, wenn er den ihm gehörenden Produktionsfaktor einem Andern zur Nutznießung überläßt, einem Kapitaliſten und Arbeitern, die alle drei Anſpruch machen können auf einen Theil des Feldprodukts.

Dennoch würden ſich bei dieſer Sachlage ganz durchgreifende Unterſchiede für die Gruppirung der Produktionsfaktoren ergeben.

Der Faktor Grundſtücke wäre ja unſerer Annahme nach künſtlich herſtellbar, was er in Wirklichkeit nicht iſt. Man könnte lediglich durch Ankauf einer gewiſſen Menge Düngeſtoffe und durch Herſtellung gewiſſer anderer nothwendiger Bedingungen vermittelſt eines Aufwands von Kapital und Arbeit alle zur Pflanzenproduktion unentbehrlichen Erforderniſſe an jedem beliebigen Orte beiſchaffen, Pflanzenſubſtanz produciren und mit dem Beſitzer des Bodens con - curriren. Ein Preis würde dem Beſitzer des Bodens auch unter dieſen Umſtänden, wie wir geſehen haben, für deſſen Benutzung ge -25Die Bedingungen des Pflanzenwachsthums.zahlt werden müſſen, ſobald beſtes Land nicht mehr zur Verfügung ſteht; aber die Monopoliſirung der ihm gehörenden Vegetationsbe - dingungen wäre nur eine ſcheinbare und jener Preis würde nicht wie dies unter den wirklich herrſchenden Umſtänden thatſächlich der Fall iſt beſtimmt werden durch den zur gleichen Produktion noth - wendigen Mehraufwand an Kapital und Arbeit auf einem ſchlech - teſten Stück Land, das gleichwohl zur Erzeugung des erforderlichen Ertrags noch angebaut werden müßte, ſondern durch die Herſtellungs - koſten der vom Boden repräſentirten Vegetationsbedingungen auf irgend einem Wege auch außerhalb von Grundſtücken.

Unter der gemachten Annahme alſo, daß ſämmtliche Bedingun - gen des Pflanzenwachsthums, die der Boden in ſich einſchließt, künſtlich hergeſtellt werden könnten, würde dieſer Produktionsfaktor in ſeiner Wirkungsweiſe nicht mehr unterſcheidbar ſein von einem Kapital, das alsdann ohne gleichzeitiges Vorhandenſein des Produk - tionsfaktors Grundſtücke zur Pflanzenproduktion in Anſpruch ge - nommen werden könnte. Eine Trennung würde nur vorgenommen werden können auf Grund der verſchiedenen Entſtehungsweiſe beider Faktoren und keinerlei praktiſche Bedeutung haben. Der Beſitzer des Bodens würde in ſeinem Betriebe ſich von dem ohne Boden Producirenden nur etwa unterſcheiden, wie ein Eiſenproducent, der zugleich Beſitzer von Kohlen - und Eiſenſtein-Bergwerken iſt, von einem ſolchen, der die Rohmaterialien erſt käuflich an ſich bringen muß. Dieſer würde hinſichtlich der Qualität der ihm zur Ver - fügung ſtehenden Produktionsfaktoren durchaus nicht von jenem verſchieden ſein. Die Trennung der in beiden Fällen zur Verwen - dung kommenden Produktionsfaktoren in äußere Natur und Kapital würde in Bezug auf die nun erfolgende Produktion ohne allen Sinn ſein.

26Das Düngerkapital und der Raubbau.

Die vorſtehende Betrachtung iſt deßhalb wie keine andere zu der Demonſtration geeignet, daß es die durch Menſchenhand nicht zu vermehrende Vegetationsbedingung, die Son - nenſtrahlen ſind ſie, die bisher geradezu als ein freies Gut angeſehen worden ſind , die uns zwingen einen Pro - duktionsfaktor Grundſtücke neben dem zur Pflan - zenproduktion verwendeten Kapital , eine Bodenrente neben einem Kapitalzins zu unterſcheiden. Nur der auseinandergeſetzten Verhältniſſe halber iſt die Einwilligung des Grundbeſitzers zur landwirthſchaftlichen Produktion durchaus noth - wendig, denn er iſt der alleinige Jnhaber einer unentbehrlichen und künſtlich nicht herſtellbaren Bedingung des Pflanzenwachsthums.

Aber noch mehr. Auch jene Erſcheinung bei der landwirthſchaft - lichen Produktion, die eine ſo große Rolle in der Volkswirthſchaft ſpielt, nehmlich des mit der Verwendung von Kapital und Arbeit unproportionalen und ſtets ſich verringernden Mehrertrags erklärt ſich einfach aus dem Umſtand, daß eine der nothwendigen Vege - tationsbedingungen in durchaus begrenzten und durch Menſchenhand nicht vermehrbaren Mengen zur Verfügung ſteht. Wären im Boden nach der eben gemachten Annahme nur Vegetationsbedingungen ent - halten, die auch anderweitig zu beſchaffen wären, man würde, wie ohne alle Grundſtücke, auf einem beliebig kleinen Stück Landes beliebig große Mengen und von einem gewiſſen Zeitpunkt an dem verwendeten Kapital und der Arbeit proportionale Mengen von Pflanzenſubſtanz erzeugen können.

Man kann deßhalb ſagen: eine Uebervölkerung, eine Erſchei - nung, die bekanntlich lediglich27)J. S. Mill. Grundſätze ꝛc. 1864 p. 140. durch die eben angeführte Erſchei - nung des unproportionalen Mehrertrags bewirkt wird, iſt nur deßhalb möglich, weil zur Erzeugung von Nahrungsmitteln und27Die Bedingungen des Pflanzenwachsthums.mancher anderer Produkte Sonnenſtrahlen erforderlich ſind, dieſe aber nur in beſchränkter Menge uns zukommen und nur mit um ſo größerer Mühe28)Ein Verhalten, das in der That nur von Nationalökonomen der neuen Welt geläugnet werden kann, da dort der praktiſchen Erfahrung jene Grenze noch nicht fühlbar geworden iſt. Siehe Carey. Lehrbuch der Volkswirthſchaft, deutſch von Adler, 1866 p. 17 u. ff. zur Pflanzenproduktion in Anſpruch genommen werden können, je mehr man ſich der unverrückbaren Grenze ihres Vorhandenſeins nähert. Wir werden auf dieſe Verhältniſſe noch ausführlicher zurückkommen.

Wir glauben nunmehr uns klar darüber geworden zu ſein, warum die Grundſtücke niemals als Kapital, die Grundrente niemals als Kapitalzins aufgefaßt werden konnte. Jenes Dunkel, was über das eigenthümliche Verhalten jener Faktoren bei der land - wirthſchaftlichen Produktion waltete, konnte durch eine exakt ausge - führte Zerlegung des Produktionsfaktors Grundſtücke in natur - wiſſenſchaftlich einfache Vegetationsbedingungen und eine aufmerkſame Prüfung auf ihre Veränderungsfähigkeit durch Menſchenhand völlig beſeitigt werden. Die Sonnenſtrahlen, deren Menge ja gewöhnlich gemeſſen wird durch die Bodenfläche, ſind es allein, die zur Auf - ſtellung eines beſonderen Produktionsfaktors Grundſtücke und auch wohl da analoge Verhältniſſe bei andern techniſchen Be - trieben nur ausnahmsweiſe zu bemerken ſind des etwas allge - meineren äußere Natur Veranlaſſung gegeben haben. Trennt man jedoch, wie wir dies gethan, jenen Produktionsfaktor in ſeine einzelnen Componenten, ſo zeigen alle übrigen Vegetationsbedingungen das Verhalten eines Kapitals.

Wir hoffen durch unſere Darlegung dazu berechtigt zu ſein, alle durch Menſchenhand veränderliche Bedingungen des Pflanzenwachs -28Das Düngerkapital und der Raubbau.thums als wirkliche Kapitalien zu betrachten,29)Man entgeht auf dieſe Weiſe auch dem ſonſt nicht zu beſeitigen - den Widerſpruch, daß z. B. Meliorationskapitalien von der Zeit der An - lage an, ihre Eigenſchaft als Kapital einbüßen und einen Beſtandtheil des Bodenwerths ausmachen. gleichviel auf welche Weiſe ſie in den Boden gelangt ſind. Soweit dieſe Bedingungen in Pflanzennährſtoffen beſtehen, werden wir ſie zweckmäßig unter dem Namen Düngerkapital 30)Auch Liebig bezeichnet die Pflanzennährſtoffe als Kapital . Theſe 23. Grundſätze der Agriculturchemie 1855. Ebenſo Schumacher. Erſchö - pfung und Erſatz ꝛc. 1866 p. 55. 56. zuſammenfaſſen. Die anderen Fruchtbarkeitsbedingungen ließen ſich ſelbſtverſtändlich auch als ein Kapital bezeichnen; wir werden uns jedoch in den nun folgenden Betrachtungen nur mit jenem Düngerkapital beſchäftigen, einmal weil wir nur mit demſelben einen klar definirbaren Begriff ver - binden, nur mit ihm eine exakte Rechnung möglich iſt, dann, weil gewiſſe unzuläſſige Folgerungen, die in Folgendem eine Bekämpfung finden werden, ſich gerade auf die Nährſtoffe beziehen. Eine Rech - nung mit einem bunten Complex unmeßbarer Eigenſchaften, wie ſie der Reſt der Fruchtbarkeitsbedingungen darſtellt, iſt natürlich un - ausführbar.

II. Das Düngerkapital.

Das Düngerkapital zerfällt ſtreng genommen in ebenſoviel ein - zelne durch einander incommenſurable Kapitalien, deren keines zur Produktion entbehrt werden kann, als es verſchiedene Pflanzennähr - ſtoffe gibt, die die Pflanze durch die Wurzel aufnimmt. Vorerſt29Das Düngerkapital.gebrauchen wir jedoch den Ausdruck ohne weitere Unterſcheidung in ſeiner ſummariſchen Bedeutung.

Das Düngerkapital eines Ackerbodens läßt ſich alſo definiren als die Summe der Werthe der in dieſem Boden von der Pflanzenwurzel erreichbaren und aſſimilirbaren Pflan - zennahrungsmittel. Neben demſelben wird auch noch ein todtes1)Oder mit Roſcher ſchlafendes . a. a. O. p. 80. Düngerkapital unterſchieden werden können, das aus der Summe derjenigen nützlichen Pflanzennahrungsmittel beſteht, die in ihrem augenblicklichen Zuſtand, alſo in Folge von Unlöslichkeit, zu tiefer Lage, ungünſtiger chemiſcher Form, unnöthigem Ueberſchuß, Abweſenheit von Pflanzenwurzeln ꝛc. nicht erreichbar oder aſſimilirbar ſind. Solch todtes Kapital kann natürlich theilweiſe durch Wirth - ſchafts-Maßregeln oder natürliche Ereigniſſe, alſo durch Anbau, Boden-Bearbeitung und Boden-Miſchung, Zufuhr von anderen indirekt wirkenden Düngeſtoffen, Verwitterung ꝛc. in wirkſames Dünger - kapital umgewandelt werden.

Das wirkſame Düngerkapital muß ferner unterſchieden werden in ſtehendes und umlaufendes Kapital.

Ein Theil der Nährſtoffe geht mit in die Zuſammenſetzung der Pflanzen ein und wird je nach den herrſchenden Betriebsmethoden den Feldern nicht oder mehr oder weniger vollſtändig zurückgegeben. Dieſer Theil des im Boden enthaltenen Düngerkapitals wird als umlaufendes Kapital bezeichnet werden müſſen, da es bei der jedesmaligen Produktion aus den Händen des Producenten gelangt.

Dies umlaufende Düngerkapital genügt indeſſen nicht zur Produktion einer auch nur ſehr geringen Ernte. Es muß zugleich eine weit größere Menge ſtehendes Düngerkapital2)Es mag befremden, daß ich einen Theil des Düngerkapitals, das nicht mit in die Zuſammenſetzung der Pflanzenprodukte eingeht, als ſtehen - (aufnehmbare30Das Düngerkapital und der Raubbau.Pflanzennahrungsmittel, die nicht mit in die Zuſammenſetzung der Pflanzen eingehen) vorhanden ſein,3)Siehe Drechsler. Die Statik des Landbaus. Göttingen 1869. p. 148. das indeſſen auf die Höhe der Ernten in hohem Maße einwirkt und deßhalb nicht mit dem todten Düngerkapital verwechſelt werden darf, um auch nur ſpärliche Ernten hervorzubringen. Dies iſt ein Verhältniß, das auch von naturwiſſenſchaftlicher Seite häufig überſehen worden iſt.

Verſchiedene Pflanzen bedürfen nicht blos ein qualitativ und quantitativ äußerſt verſchiedenes Düngerkapital, ſondern auch ein ſehr ungleiches Verhältniß von ſtehendem zu umlaufendem Kapital. Pflanzen wie Hafer, die z. B. dem Weizen gegenüber ein geringeres Verhältniß von ſtehendem zu umlaufendem Düngerkapital bedürfen, erſcheinen genügſamer, als ſie in der That ſind, und können doch bodenausraubender ſein als jene, wie dies bei dem angeführten Beiſpiel thatſächlich der Fall iſt (wenigſtens nach einigen Angaben). 4)E. Wolff. Praktiſche Düngerlehre. Aſchentabelle.

Es wird nun nach den gemachten Ausführungen möglich ſein, die wirthſchaftlichen Geſetze der Verwendung des Düngerkapitals ab - zuleiten. Wir ſtellen zu dieſem Zweck die in der Volkswirthſchafts - lehre üblichen Betrachtungen an, die zur Erläuterung der Bedingungen der extenſiveren und intenſiveren Bewirthſchaftungsmethoden dienen.

2)des Kapital bezeichne, denn es ſcheint dies Kapital auf den erſten Blick dieſelbe Rolle zu ſpielen, wie der Heuvorrath des Landwirths, der doch ſchließlich ſeinen Zweck nur erfüllt, wenn er aus dem Beſitz desſelben ge - langt. Jeder, der jedoch die Anfangsgründe der Pflanzenernährung kennt, weiß, daß eine verhältnißmäßig große Menge aſſimilirbarer Pflanzen - nahrungsmittel im Boden vorhanden ſein muß, damit eine verhältniß - mäßig kleine Menge zur Aufnahme gelangt. Offenbar wirkt alſo eine gewiſſe Menge dieſer Nährſtoffe, die nicht zur Aufnahme gelangen, zur Produktion nothwendig mit, und dieſe Menge verhält ſich genau wie werk - zeugartige Gegenſtände, die zur Produktion erforderlich ſind, ohne aus der Hand des Producenten zu gehen.

31Das Düngerkapital.

Man unterſcheidet bekanntlich in dieſer Wiſſenſchaft die verſchie - denen Wirthſchaftsſyſteme nach dem Verhältniß des Zuſammenwirkens der Produktionsfaktoren Grundſtücke , Menſchenarbeit und Kapital . 5)Roſcher. Nationalökonomik des Ackerbaus. 1865. p. 63.Man nennt eine extenſive Bewirthſchaftungsmethode eine ſolche, bei der der Faktor Grundſtücke in relativ großer Menge verwendet wird, während an den beiden andern Faktoren geſpart wird, eine intenſive Bewirthſchaftungsmethode umgekehrt eine ſolche, bei der man relativ viel Arbeit und Kapital verwendet, an Grund - ſtücken jedoch möglichſt ſpart.

Als extenſivſter Betrieb kann eine Bewirthſchaftung angeſehen werden, bei der keine mechaniſche Bearbeitung des Bodens, keine Düngung, keine eigentliche Ausſaat erfolgt, wobei ſich alle land - wirthſchaftliche Arbeit nur auf das Einſammeln des zufällig Gewach - ſenen beſchränkt (occupatoriſche Wirthſchaft). 6)Ebenda. p. 15.Ein extenſiverer Betrieb iſt in der That undenkbar und man wird Anſtand nehmen, einen ſolchen überhaupt als Bewirthſchaftung anzuſehen. Jm vor - liegenden Falle ſind die Produktionsfaktoren Kapital und Menſchen - arbeit nahezu gleich Null. Hierin iſt augenſcheinlich die eine extremſte Grenze für die Variationen der Produktionsfaktoren gegeben.

Jn dieſem Falle extenſivſter Bewirthſchaftung iſt nun leicht die Vertretung jener beiden ganz wegfallenden Faktoren durch die Grundſtücke erſichtlich. Man braucht nur zu bedenken, eine wieviel größere Bodenfläche zur Produktion einer beliebigen Nutz - pflanze in Anſpruch genommen werden muß, wenn man den Boden ſich völlig ſelbſt überläßt, ihn ſo zugleich eine große Menge nicht nutzbarer Pflanzen hervorbringen läßt und nirgends die zufällig ſtets vorhandenen Vegetationshinderniſſe beſeitigt.

32Das Düngerkapital und der Raubbau.

Zunächſt reihen ſich dann an dieſe Methoden extenſivſter Be - wirthſchaftung diejenigen Betriebsmethoden an, wo eine ſeichte Bodenbearbeitung durch Thier - oder Sclaven-Arbeit, die in ſolchen Perioden wegen der Wohlfeilheit der Nahrungsmittel ein ſehr geringes Kapitalopfer repräſentirt, oder auch durch gleichfalls niedrig im Preiſe ſtehende freie Arbeit in der Regel verbunden mit künſtlicher Ausſaat beginnt, dagegen noch keine Düngung7)v. Haxthauſen. Studien über Rußland II. p. 154 u. ff. Pallas. Reiſe durch verſchiedene Statthalterſch. d. ſüdl. Rußland I. p. 17 u. ff. vorgenommen wird.

Auch hier tritt der Produktionsfaktor Grundſtücke noch in ſtarkem Verhältniß für Arbeit und Kapital ein; denn während man bei intenſiveren Betrieben die durch den dauernden Anbau nach und nach geſchwächte Bodenkraft durch Düngung und ſtarke Boden - bearbeitung wiederherſtellt, geſchieht hier, wenn nöthig, daſſelbe ohne Aufwand ſolcher Kapitalien und Arbeitskräfte durch einfaches Ruhenlaſſen des bebaut geweſenen Ackerlandes, durch Liegenlaſſen deſſelben als langjähriges Weideland.

Die Zweckmäßigkeit eines ſolchen Verfahrens erklärt ſich einfach aus dem Umſtand, daß in ſolchen Perioden die Grundrente niedrig, Kapitalzins und Arbeitslohn aber theuer iſt, und man beſſer die Rente eines Grundſtücks dadurch entbehrt, daß es unbebaut bleibt, als das theure Kapital und die theure Arbeit, die nothwendig wäre, um daſſelbe auf einem anderen Wege zu erreichen, bezahlt oder aufwendet. Es iſt kaum nöthig, dieſe Verhältniſſe weiter auszuführen.

Bei weiterer Jntenſivirung der Betriebsmethoden treten nun immer mehr die beiden anderen Produktionsfaktoren in den Vorder - grund, je nach den ſonſtigen Verhältniſſen bald mehr der eine, bald mehr der andere. Jmmer ängſtlicher ſpart man mit dem Faktor Grundſtücke. Man geht ſchließlich ſo weit, die Brache, die33Das Düngerkapital.offenbar hauptſächlich eine Verſchwendung dieſes Faktors repräſen - tirt, vollſtändig abzuſchaffen, dann ſelbſt mehrere Ernten jährlich zu entnehmen d. h. zu den Betriebsmethoden überzugehen, die wir in unſeren dichtbevölkerten Ländern8)Ueber extenſiven und intenſiven Ackerbau ſiehe Roſcher a. a. O. p. 63 97. ausgebildet ſehen.

Die wirthſchaftliche Motivirung dieſer intenſiven Syſteme iſt natürlich eben ſo einfach. Die Produktionsfaktoren können ſich theilweiſe vertreten, und man ſpart naturgemäß immer an denen, die theuer ſind, um diejenigen anzuwenden, die billiger zu ſtehen kommen.

Für unſern Zweck müſſen wir nun hauptſächlich darauf auf - merkſam machen, daß die für die Jntenſivirung des Feldbaus erfol - gende ſtete Zunahme der Verwendung von Kapital auf Pflanzen - produktion insbeſondere auch gilt für das auf Düngung verwendete Kapital. Bei den extenſivſten Bewirthſchaftungsarten wird keine Düngung vorgenommen. Fängt der Betrieb an, ſich zu intenſiviren, ſo wird mit der Zeit die Düngung mit natürlichen Düngern, die bis dahin als völlig werthloſe Stoffe angeſehen waren, ſich als rentabel erweiſen, bis dann nach und nach ſogar die Anwendung theurer Fabrikate und weither transportirter Materialien als Dün - ger möglich erſcheint.

Unſere Aufgabe wird es nun ſein, die verſchiedenen Betriebs - methoden von dem naturwiſſenſchaftlichen Standpunkte aus verſtehen zu lernen, was auf Grund der bisher angeſtellten Betrachtungen mit Leichtigkeit gelingen muß. Sehen wir zu, wie die Vegetations - bedingungen bei der einen oder der anderen Art der Bewirthſchaf - tung zuſammenwirken und wie ſich von dieſem Standpunkte aus die Vertretung der Produktionsfaktoren bei den verſchiedenen Methoden der Produktion erklären läßt.

Mayer, d. Düngerkapital. 334Das Düngerkapital und der Raubbau.

Bei der Methode, die für die extenſive Bewirthſchaftung am Charakteriſtiſchſten iſt, wo alſo nur ein Theil der vorhandenen Grundſtücke dem Anbau, deſſen Manipulationen ſich auf eine un - gründliche Bodenbearbeitung und die Ausſaat beſchränken, unter - liegen, ſind nahezu ſämmtliche Vegetationsbedingungen durch die Grundſtücke ſelbſt repräſentirt; nur einige phyſikaliſche Eigen - ſchaften des Bodens ſind durch Arbeit abgeändert worden, worin die ganze Gegenleiſtung in jenen extenſiven Perioden beſteht.

Nun gelangen wir aber mit Sicherheit zu dem Schluß, daß durch einen ſolchen extenſiven Betrieb ſelbſt gewiſſe im Boden ent - haltene Vegetationsbedingungen nothwendig eine ſucceſſive Aende - rung erfahren müſſen. Es iſt eine ſelbſtverſtändliche Folge dieſes Betriebs, daß das Düngerkapital in dem von uns gebrauchten Sinn dem Boden ſtets mehr und mehr entzogen wird. Eine ſolche extenſive Bewirthſchaftung iſt ſtets ein eigentlicher Raubbau9)Obgleich extenſive Betriebe beſtehen mit ziemlich reichlicher Dün - gung z. B. die volunteering crops in Nordamerika. im Liebig’ſchen Sinne des Worts.

Wenn wir nun nach den wirthſchaftlichen Gründen fragen, die zu einem ſolchen Syſteme drängen, ſo erfahren wir, daß es ſtets die relative Dünne der Bevölkerung, oder genauer, ein relativ klei - nes Abſatzgebiet für landwirthſchaftliche Erzeugniſſe iſt, das die in Rede ſtehende Betriebsmethode mit Nothwendigkeit nach ſich zieht.

Die nähere Begründung der wirthſchaftlichen Richtigkeit jener extenſiven Betriebsmethoden und des mit dieſen faſt ſtets in Verbin - dung ſtehenden Raubbaus, kann jedoch erſt nach weiteren Ausfüh - rungen vorgenommen werden.

Auf ein gewiſſes Land mit einem Produktenmarkt von gewiſſer Größe fällt eine ganz beſtimmte Menge auf Pflanzenproduktion wirkender Sonnenſtrahlen. Wo eine extenſive Bewirthſchaftungs -35Das Düngerkapital.methode herrſcht, da genügt die zur Verfügung ſtehende Menge von Sonnenſtrahlen ſtets, um das Mehrfache des Bedarfs an Pflanzen - produkten möglicher Weiſe hervorzubringen. Ebenſo iſt in dieſem Falle das im Boden vorhandene Düngerkapital mehr als genügend für den Bedarf. Dies ergibt ſich aus leicht anzuſtellenden Be - trachtungen über die Möglichkeit der Ertragsſteigerung durch Mit - tel, die außerhalb jener beiden Produktionsbedingungen liegen. Da nun der Wiedererſatz des mit jeder Ernte ausgeführten Antheils des Düngerkapitals Koſten machen würde, Koſten, die durch den bei bereits befriedigten Bedarf ſtets abnehmenden Produktenpreis nicht bezahlt würden, ſo iſt offenbar kein Anlaß dazu vorhanden, die auf die Ländereien fallenden Strahlen vollſtändiger auszunutzen. Das im Boden noch vorhandene Düngerkapital genügt mehr als vollſtändig, um diejenigen Mengen von Sonnenſtrahlen, deren man gerade bedarf, zur Produktion von organiſcher Subſtanz zu ver - anlaſſen. Daß faſt für alle extenſiven Betriebsmethoden ein Wech - ſel mit den angebauten Feldern (ſyſtematiſch oder völlig regellos) eintritt, thut der hier angeſtellten Betrachtung keinen Eintrag. Jmmer bleibt bei dieſem Betriebe äußerſter Extenſität die Produk - tion mit dem im Felde noch vorhandenen Düngerkapital rentabler, als mit dem im natürlichen Dünger vorhandenen.

Ein großer natürlicher Reichthum des Bodens an Düngerkapi - tal muß ähnliche Betriebsmethoden nach ſich ziehen, wie die relative Beſchränkung des Produktenmarkts, denn in dieſem Falle wird eine Raubwirthſchaft länger beſtehen können. Hierdurch iſt allerdings im Grunde Nichts Neues geſagt. Es wird nur darauf hingedeutet, daß es nicht auf irgend eine abſolute Bevölkerungsmenge, die ſich auf Koſten des producirenden Bodens ernährt und ebenſowenig auf eine abſolute Fruchtbarkeit ankommt, ſondern lediglich auf das Ver - hältniß dieſer beiden Größen, das jedoch alsdann den Grad der3*36Das Düngerkapital und der Raubbau.Extenſität oder Jntenſität vollſtändig beſtimmt. Jſt der natür - liche Bodenreichthum größer, als zu derjenigen Aus - beutung der Sonnenſtrahlen erforderlich iſt, die nun gerade die wirthſchaftlich richtige iſt, ſo iſt eine ſtete Ausfuhr der in der Ernte enthaltenen Düngerbeſtand - theile ohne Wiedererſatz die Folge dieſes Verhält - niſſes, der Raubbau das einzige rationelle Ackerbau - ſyſtem. Geradeſo wie bei den intenſiveren Betriebsmethoden Mehr - erträge für eine gewiſſe weitere Anhäufung des Düngerkapitals durch Aufbringen einer gewiſſen weiteren Menge von Dünger aufhören rentabel zu ſein, geradeſo findet dies bei jenen extenſivſten Methoden ſchon für die Anhäufung des Düngerkapitals durch die allerkleinſte Düngung ſtatt10)Aehnliches, was hier für Düngung ausgeſagt wird, findet auch für die Verbeſſerung der phyſikaliſchen Eigenſchaften des Bodens ſtatt, ohne daß wir uns freilich auf dieſes Gebiet näher einzulaſſen beabſichtigen..

Die augenſcheinliche Vertretung der Produktionsfaktoren in dem erläuterten Sinne rührt einfach von dem Umſtand her, daß der Faktor Grundſtücke ſchon ſämmtliche Wachsthumsbedingungen in ſich enthält und zwar im vorliegenden Fall in einem Verhältniß enthält, daß bei dem geringen Bedarf an Produkten eine weitere Anhäufung der der Anhäufung fähigen Faktoren keine rentable Operation iſt, im Gegentheil lange Zeit hindurch eine Verminde - rung einzelner Faktoren, deren Erhaltung mit Kapitalopfer ver - knüpft wäre, völlig naturgemäß erſcheint.

Wir ſind durch das Ebengeſagte zu der Erkenntniß gelangt, daß es zum Zuſtandekommen des einen oder des andern Wirth - ſchaftsſyſtems lediglich auf das Verhältniß der Fruchtbarkeit der Fel - der zur Bevölkerung des Landes oder ſtrenger zu derjenigen Be -37Das Düngerkapital.völkerung11)Wozu alsdann ein gewiſſes Bedürfniß des producirenden Volkes nach fremden Gütern erforderlich iſt., die noch möglicherweiſe durch den Handel mit den land - wirthſchaftlichen Produkten verſorgt werden kann, ankommt.

Eine kurze Ueberlegung genügt nun, um uns einſehen zu laſ - ſen, daß für die kulturgeſchichtliche Entwickelung der Betriebsmetho - den ſtets zwei Momente vorhanden ſind, die jenes Verhältniß abzuän - dern beſtrebt ſind, und zwar meiſtens in einem und demſelben Sinn. Dies ſind: die Aenderung des Bevölkerungsſtandes, mithin der Größe des Produktenmarktes und die Abnahme der Frucht - barkeit der Aecker in Folge aller der Betriebsmethoden, die nicht die volle Conſtanz des Düngerkapitals bewirken.

Die Ackerfelder werden durch eine conſequente Ausraubung des ihnen innewohnenden Düngerkapitals, die ja auch bei den ſchon etwas intenſiveren Methoden des theilweiſen Wiedererſatzes12)Stallmiſtwirthſchaft bei Ausfuhr von Getreide und Vieh. ſtatt - findet, von Jahr zu Jahr unfähiger, die zu Gebote ſtehenden Son - nenſtrahlen der Pflanzenproduktion dienſtbar zu machen und ſo muß auch bei ſich gleichbleibender Bevölkerung der Punkt eintreten, wo das dem Boden verbliebene Düngerkapital nicht mehr fähig iſt, die - jenige Menge von Sonnenſtrahlen, deren wir zur Produktion drin - gend bedürfen, zu derſelben zu veranlaſſen. Unter dieſen Umſtän - den wird die Größe der Produktion offenbar durch das nun endlich unter den Vegetationsbedingungen im Minimum vorhandene Dünger - kapital beſtimmt und die ganze überſchüſſige Menge von Sonnen - ſtrahlen iſt für landwirthſchaftliche Zwecke völlig verloren. Sinkt ſo ſchließlich die Menge der Sonnenſtrahlen, die überhaupt Material zur chemiſchen Arbeit auf den Feldern vorfindet, unter diejenige herab, deren man nothwendig bedarf, um die Nachfrage nach Pro - dukten zu decken, ſo fängt natürlich die Düngung zunächſt mit38Das Düngerkapital und der Raubbau.natürlichen Düngern an, in hohem Maße rentabel zu werden. Nur geſchieht dies nicht, wie bei unſerer Betrachtung plötzlich und ruck - weiſe, ſondern ſchon lange vorher, obwohl in geringerem Grade. 13)Wir werden ſehr bald ſehen, warum?Dies iſt das eine Moment, das unabhängig von der Größe des Markts ſtets auf eine Jntenſivirung der landwirthſchaftlichen Be - triebsmethoden in gewiſſer Richtung hinarbeitet.

Tritt nun gleichzeitig eine Vermehrung der Bevölkerung ein, erweitert ſich das Abſatzgebiet für landwirthſchaftliche Produkte, ſo tritt die Rentabilität der Düngung nothwendig früher ein; denn hierdurch iſt die Ausnutzung einer größeren Menge von Sonnen - ſtrahlen, die ja natürlich eine größere Menge der anderen Be - dingungen des Pflanzenwachsthums vorausſetzt, erforderlich geworden.

Wann alſo ein ſolcher Zeitpunkt, für den die Düngung gegen - über jenem extenſivſten Betrieb beginnt rentabel zu werden, in einem gewiſſen Lande eintreten muß, läßt ſich niemals allein aus der Bevölkerung oder dem Markte dieſes Landes, ebenſo - wenig allein aus der Fruchtbarkeit von deſſen Aeckern deren Sättigung mit Düngerkapital ſchließen, ſondern lediglich durch gleichzeitige Berückſichtigung dieſer beiden Umſtände. Die Vermeh - rung der Bevölkerung wirkt in derſelben Richtung, wie die Folgen eines extenſiven Betriebs, bei dem ſelten auch nur ein annähernd vollkommener Wiedererſatz geleiſtet wird, und ſo iſt die Erſchei - nung einer ſteten Jntenſivirung der Betriebsmethoden im Lauf der Kulturgeſchichte eine ſehr allgemeine und durchaus naturgemäße.

Wir haben früher hervorgehoben, daß das Düngerkapital ein Complex von ſehr vielen von einander verſchiedenen Beſtandtheilen iſt, die untereinander ſich zu erſetzen unfähig ſind. Dieſe einzel - nen Beſtandtheile eines Düngerkapitals ſind nun in ſehr verſchie - denen Mengen im Boden vorhanden und ſtellen andererſeits in ſehr39Das Düngerkapital.verſchiedenen Mengen gleichnothwendige Produktionsbedingungen der Pflanzenwelt dar. Es iſt durchaus einleuchtend, daß nun der Wiedererſatz oder eine Zufuhr an Düngerkapital für diejenigen Stoffe am Nothwendigſten und Rentabelſten iſt, für die bei ver - hältnißmäßig ſparſamem Vorkommen im Boden die Ausraubung am Größten geweſen iſt. Nun ſtehen aber jene einzelnen Dünge - beſtandtheile den Wirthſchaften nicht getrennt zu Gebote, ſondern ebenſo, wie man complexe Düngerkapitalien mit der Ernte dem Boden entnimmt, ſo bringt man namentlich durch Düngungen mit den zuerſt in die Augen fallenden natürlichen Düngſtoffen wiederum complexe Düngerkapitalien anderer Zuſammenſetzung in den Boden hinein. Diejenigen natürlichen Dünger, die gerade die ſpärlichſt im Boden vorhandenen, dagegen im reichſten Maße entzogenen Nährſtoffe in ſich enthalten, werden ſich ſtets zuerſt zur Anwendung empfehlen.

Aus dieſem Verhältniß iſt indeſſen erſichtlich, daß gleichzeitig durch eine und dieſelbe Betriebsmethode in Bezug auf gewiſſe Pflanzennährſtoffe eine ſtetige Ausraubung, in Bezug auf andere ein vollkommener, oder mehr als vollkommener Wiedererſatz14)Bei der Stallmiſtwirthſchaft mit periodiſcher Mergelung wird be - kanntlich in Bezug auf Phosphorſäure Raubbau getrieben, in Bezug auf Kalk mehr als Wiedererſatz geleiſtet. ſtatt - finden kann, worauf immer bei der Operation mit jenem com - plexen Düngerkapital Rückſicht genommen werden muß.

Man ſollte nun aus den bisherigen Auseinanderſetzungen ſchlie - ßen, daß für das Düngerkapital oder ſtrenger für die einzelnen Componenten des Düngerkapitals ſich, je nach der relativen Sät - tigung des Bodens mit demſelben, entweder das vollkommene Ver - lorengeben des jeweils in der Ernte enthaltenen, oder der vollſtän - dige Wiedererſatz empfehlen müßte, da entweder dieſe Bedingungen nicht mehr genügen, um die Sonnenſtrahlen auszunutzen, oder völ - lig hiezu ausreichen. Hierbei bleibt jedoch Mehreres zu beachten.

40Das Düngerkapital und der Raubbau.

Zunächſt kommt in Betracht, daß die Größe des Markts auch in einem abſolut abgeſchloſſenen Lande Etwas Dehnbares iſt, daß die Conſumtion ſich ſtets richtet nach der Gegenleiſtung, nach dem Preis, der für die Produkte bezahlt werden muß. Dies bewirkt, daß, wenn man mit Aufwand von ſehr wenig Kapital (man denke an den niedrigen Preis, der in ſehr extenſiven Perioden für natür - liche Düngſtoffe entrichtet werden kann) Mehrproduktionen bewirken kann, dieſe ſich in vielen Fällen bezahlt machen werden, namentlich, wenn es einmal nothwendig iſt, Boden von ſehr verſchiedener Qua - lität anzubauen. Neben ſolchen häufig ſehr complicirten Einwir - kungen der wirthſchaftlichen Verhältniſſe iſt hier noch zu berückſich - tigen, daß die Anwendung der natürlichen Düngſtoffe häufig in noch ſehr extenſiven Perioden bloß deßhalb rentirt, weil dieſelben einzelne Beſtandtheile enthalten, die leicht eine ſich fühlbar machende Verminderung im Boden erleiden, wie z. B. den Stickſtoff, und der Ackererde vorzügliche phyſikaliſche Eigenſchaften zu verleihen ver - mögen, die der ungedüngte Boden meiſtens nicht in ſehr hohem Maße beſitzt.

Dies Alles und noch viele andere Umſtände, deren Berückſich - tigung wir uns verſagen müſſen, tragen das Jhrige zur Ver - dunkelung der dargelegten Verhältniſſe bei und bewirken, daß man nicht, wie es die Theorie auf den erſten Blick zu verlangen ſcheint, bis zu einem gewiſſen Zeitpunkt ohne allen Dünger wirthſchaftet, dann anfängt für einen Stoff nach dem andern vollkommenen Wiedererſatz zu leiſten, ſondern ſehr lange Perioden hindurch unvoll - kommenen wiedererſetzt und für manche Düngebeſtandtheile einen kleinen Raubbau treibt.

Dennoch laſſen dieſe ſchwer zu überſehenden Verhältniſſe die Ge - ſetzmäßigkeiten, die wir in Bezug auf die Sättigung des Ackerbodens mit Düngerkapital abgeleitet haben, nicht verkennen.

41Das Düngerkapital.

Offenbar dies geht aus der ganzen bisherigen Betrachtung als unanfechtbares Reſultat hervor beherrſchen Geſetze compli - cirterer Natur die Art der zu leiſtenden Düngung und deren Ren - tabilität, Geſetze, gegen die man verſtößt, wenn man dem Landwirth zu allen Zeiten den einfachen Wiedererſatz des mit der Ernte hinweggenommenen Düngerkapitals als erſten Grundſatz empfiehlt. Offenbar kann ein ſolcher Wiedererſatz unmöglich für die verſchiedenen Stadien der Sättigung ſeines Bodens mit Düngerkapital für die verſchiedenſten Höhen des Bedürfniſſes an landwirthſchaftlichen Produkten Pflicht des Land - wirths ſein, ſondern dieſer wird das wirthſchaftlich Richtige thun, wenn er in praktiſcher Erwägung der Verhältniſſe in einer Periode abſoluten Raubbau treibt, in einer zweiten Periode Wiedererſatz leiſtet und in einer dritten vielleicht ſeine Felder noch über den Wie - dererſatz hinaus an Düngerkapital zu bereichern ſucht.

Es erſcheint faſt überflüſſig, die angedeuteten Geſetzmäßigkeiten bis in die intenſiveren Perioden hinein zu verfolgen. Wir nehmen an, man habe z. B. mit einem theilweiſen Wiedererſatz des dem Felde jährlich entnommenen Düngerkapitals begonnen, alſo ſei etwa an der Stallmiſtwirthſchaft bei Ausfuhr von Getreide und Schlachtvieh angelangt, ſo wird vielleicht für einige Düngebeſtandtheile ein nahe - zu vollſtändiger Erſatz des jährlich Entnommenen eintreten, während für andere Düngebeſtandtheile noch ein erheblicher Raubbau fortbe - ſteht. Auch unter dieſen Umſtänden wird ſelbſt ohne Vergrößerung des Bedürfniſſes nach und nach ein immer vollſtändigerer Erſatz rentabel werden und da die Veränderung der Verhältniſſe nur lang - ſam einzutreten pflegt, ſo wird auch der Praktiker, der von den über ſeinem Thun waltenden Geſetzen Nichts ahnt, durch die Erfahrung zu einer langſamen Aenderung ſeiner Bewirthſchaftungsmethode zu einer Jntenſivirung in der angedeuteten Richtung gedrängt werden.

42Das Düngerkapital und der Raubbau.

Laſſen wir das Bedürfniß an landwirthſchaftlichen Produkten ſich eine größere Periode hindurch conſtant bleiben, ſo muß ſich die Be - wirthſchaftungsmethode mehr und mehr einem Punkte nähern, wo vollſtändiger Wiedererſatz geleiſtet wird und dies iſt der einzige denkbare Zuſtand, in welchem keine Momente zu einer weiteren Aen - derung des Betriebs enthalten ſind. Tritt jedoch eine Vergrößerung des Bedarfs ein, ſo wird alsdann eine weitere Sättigung des Bo - dens mit Düngerkapital eintreten müſſen, ſo lange bis das Bedürf - niß wieder conſtant geworden iſt, geradeſo wie andererſeits eine Ab - nahme des Bedürfniſſes an landwirthſchaftlichen Produkten den Zeit - punkt des völligen Wiedererſatzes weiter hinausrückt reſp. nach dem Eintritt deſſelben eine neue Ausfuhr von Düngerkapital bedingt.

Einer jeden Größe des Markts entſpricht offenbar eine gewiſſe Sättigung des Bodens mit Düngerkapital, bei welcher die Produktion am Wohlfeilſten iſt und nach der ein jeder nach praktiſchen Grundſätzen geleitete Betrieb (wenn auch auf großen Umwegen) hinſtrebt.

Das hier dargeſtellte Verhältniß iſt in der That ſo einfach, daß man bei irgend einem anderen techniſchen Betrieb die hier entwickelten Geſetzmäßigkeiten als ſelbſtverſtändlich anzuſehen pflegt und nur die Complicirtheit der Vegetationsbedingungen, die in dem national - ökonomiſchen Produktionsfaktor Grundſtücke verſchmolzen erſcheinen und die wirthſchaftliche Unmöglichkeit, das in einem Boden enthaltene Düngerkapital demſelben plötzlich zu entziehen und einem andern einzuverleiben, waren im Stande die Sachlage bis zur Unkenntlich - keit zu maskiren.

Jch hoffe durch einen Vergleich, der bis in alle Details fort - zuführen möglich iſt, noch deutlicher zu werden. Gerade wie der Landwirth die ihm zur Produktion von organiſcher Subſtanz zu Gebote ſtehenden Sonnenſtrahlen mit Aufwand von mehr oder43Das Düngerkapital.weniger Düngerkapital, je nach der Nachfrage nach ſeinen Produkten, mehr oder weniger vollſtändig ausnutzt, geradeſo verfährt der Mül - ler, der mit der Kraft des fallenden Waſſers arbeitet. Derſelbe nützt dieſe ihm zu ſeiner Produktion zur Verfügung ſtehende Waſſer - kraft mit Aufwand von mehr oder weniger Betriebskapital mehr oder weniger vollſtändig aus, je nach der Nachfrage nach Mehl.

Die vollſtändigere Ausnutzung der ihm zur Verfügung ſtehenden Waſſerkraft iſt nothwendig theurer als die unvollſtändigere (wenig - ſtens von einem gewiſſen Punkte an), da er ſich einer unverrück - baren Grenze, über die hinaus ihm keine Waſſerkraft mehr zu Ge - bote ſteht, nähert. Die vorhandene Waſſermaſſe iſt vielleicht durch - ſchnittlich nur im Stande zwei Mühlenräder zu treiben. Stehen aber nur zwei Mühlenräder zur Verfügung, ſo geht das Hochwaſſer ungenutzt verloren. Will der Müller dieſes benutzen, ſo müſſen zwei weitere Räder vorhanden ſein, mittelſt deren aber alsdann eine nahezu vollſtändige Ausnutzung der vorhandenen Waſſerkraft möglich iſt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Mahlen mittelſt dieſer Räder weit theurer zu ſtehen kommt und daß eine weit größere Nachfrage nach der Arbeit, die in der Mühle verrichtet wird, be - ſtehen muß, um dieſe Produktion rentabel erſcheinen zu laſſen.

Man ſieht, wie eine Vergleichung der landwirthſchaftlichen Pro - duktion mit der Produktion des Müllers, der mit Waſſerkraft ar - beitet, völlig zuläſſig erſcheint, während die meiſten techniſchen Be - triebe ſich in dieſer Beziehung ſehr weſentlich vom Feldbau unter - ſcheiden, indem bei denſelben15)Sofern ſie nur mit Kapital und Arbeit und ohne einen monopo - liſirten Produktionsfaktor der äußeren Natur produciren. faſt in allen Fällen die Produktion durch Verdoppelung des auf ſie verwendeten Kapitals und der Ar - beit verdoppelt werden kann und ſo fort bis in’s Unbegrenzte.

44Das Düngerkapital und der Raubbau.

Der Fall, in den der Landwirth kommt, wenn er zur Aus - raubung ſeiner Aecker an Düngerkapital ſchreitet, ein Verfahren, das ihm ſo viele Vorwürfe zugezogen hat, tritt beim Müller ein, wenn dieſer eine Mühle antritt, die (von beſſeren Zeiten her oder durch unſinnige Speculation) übermäßig mit Betriebskapital ver - ſehen iſt, alſo vielleicht mit einer Anzahl von Mahlgängen, wie dies zu der gerade herrſchenden Nachfrage in keinem Verhältniſſe ſteht. Ein verſtändiger Müller wird unter dieſen Umſtänden ſeine beſchä - digten Mahlgänge, anſtatt ſie mit weiterem Kapitalaufwand repa - riren zu laſſen, nach und nach abgehen laſſen, bis durch die in Folge der ſtetigen Abnutzung eintretende Abnahme des Betriebs - kapitals dies nach und nach mit den nun herrſchenden wirthſchaftli - chen Verhältniſſen, die den Mehlbedarf reguliren, ſich in Einklang geſetzt hat.

Ganz dieſelben Geſetzmäßigkeiten, die für die Abhängigkeit der Sättigung der Aecker mit Düngerkapital (ſowie mit manchem an - dern landwirthſchaftlichen Betriebskapital) von der Nachfrage nach den betreffenden Produkten abgeleitet worden ſind, betrachtet man für den techniſchen Betrieb eines Waſſer - oder auch eines Wind - Müllers, deſſen Elemente uns geläufiger ſind, in Bezug auf die Sättigung ſeines Etabliſſements mit Betriebskapital als ganz und gar ſelbſtverſtändlich. Ein Unterſchied liegt für beide auf den erſten Anblick ſo verſchieden erſcheinende Betriebe nur in dem Urſprung beider in Rede ſtehenden Betriebskapitalien, der es allein veranlaßt, daß man das eine nicht als ein ſolches zu erkennen und zu bezeich - nen pflegt.

Es iſt kaum nothwendig hervorzuheben, daß mit der Demon - ſtration, daß manche Arten von Raubbau eine nothwendige Wirth - ſchaftsform für große Zeitperioden darſtellen, nicht behauptet werden ſoll, daß es nicht einen unwirthſchaftlichen Raubbau auf Grund der45Das Düngerkapital.Unkenntniß der Produktionsgeſetze geben kann. Nun darf ich mir hier zwar nicht die Aufgabe ſtellen, mich darüber auszuſprechen, wo ein ratio - neller, wo ein irrationeller Raubbau herrſcht. Eines verdient jedoch hervorgehoben zu werden, nehmlich, daß nicht einzuſehen iſt, warum ein irrationeller Raubbau eine größere Rolle16)Während dies gerade die v. Liebig’ſche Lehre aufs Beſtimmteſte behauptet. unter den land - wirthſchaftlichen Fehlgriffen ſpielen ſoll, als eine irrationelle Jnten - ſivirung der Betriebsmethoden und unwirthſchaftliche Anhäufung von Düngerkapital im Boden, da der Landwirth mit oder ohne Pro - bekulturen auf Verſuchsfeldern ſeinen Betrieb nach einer mehr oder weniger rohen Schätzung möglichſt rentabel einrichten und ſo der Wahrſcheinlichkeit nach gleichmäßig in beiden Richtungen Fehl - griffe17)Wie dies für Extenſität und Jntenſität der Bewirthſchaftung am falſchen Platze überhaupt gilt. machen wird.

Was mir hier allein wichtig zu betonen erſcheint und was ich an ſich ſchon als ein lohnendes Reſultat der gemachten Betrach - tungen anſehe, iſt, daß der große Feldzug gegen den nachgewieſener Maßen an vielen Orten Europas ſtattfindenden Raubbau mit Nichtberückſichtigung der hier erkannten Geſetzmäßigkei - ten angeſtellt worden iſt, daß alle jene allerdings ſehr logiſchen Conſequenzen auf die Conſtanz des Ausraubungsſyſtems be - gründet, alſo mit Unkenntniß der Geſetze, die auf die Dauer die Unmög - lichkeit einer ſolchen Conſtanz beweiſen, gezogen worden ſind. Wäh - rend jene Conſequenzen nur für die Vorausſetzung gelten, daß das Ausraubungsſyſtem ſelbſt bei anſteigender Bevölkerung unbekümmert fortbeſtehen bleibe, haben wir ja aufs Deutlichſte erkannt, daß das Betriebsſyſtem in Bezug auf die Verwendung von Düngerkapital von zwei Momenten regiert wird, von der Fruchtbarkeit der Felder46Das Düngerkapital und der Raubbau.und der Ausdehnung des Produktenmarkts. Nur bei Conſtanz die - ſer beiden Größen konnte die Betriebsintenſität dieſelbe bleiben. Dieſe einzige Bedingung, unter welcher ein Syſtem fortbeſtehen kann, wird nun aber offenbar durch das Syſtem der Ausraubung ſelbſt zerſtört. Jn Folge der Ausraubung werden die Felder ſtetig unfruchtbarer und daher dankbarer für die Einverleibung von Dün - gerkapital.

Wir haben es in der That mit einem ſcheinbaren Uebel zu thun, das ſeine Heilung in ſich ſelbſt trägt.

Findet gleichzeitig mit jenem Vorgang noch Volksvermehrung, Erweiterung des Produktenmarktes ſtatt, ſo tritt die wirthſchaftliche Nothwendigkeit des Wiedererſatzes ſelbſtverſtändlich um ſo früher ein.

Jch wiederhole alſo, jene allerdings für die an vielen Orten ſtattfindenden Bedingungen höchſt logiſchen Conſequenzen ſind deß - halb ohne Bedeutung, weil die Bedingungen, für die ſie gelten, nicht conſtant ſind, weil die Ausraubung unter allen Umſtänden wirthſchaftlich unrentabel werden und darum aufhören muß, es ſei denn, daß ſich der Markt proportional mit dem Unfruchtbarerwer - den der Felder ſtetig verkleinere, die Erdbevölkerung abnehme. Ein Nahrungsmangel kann durch dieſen naturgemäßen Vorgang unter keinen Umſtänden eintreten; ein ſolcher erſcheint nur möglich, wenn der erzielte Mehrertrag durch weitere Jntenſivirung des Landbaus nicht gleichen Schritt mehr halten kann mit den Bevölkerungszu - wächſen, alſo durch einfache Uebervölkerung.

Wir kehren noch einmal zu unſerm Vergleiche zurück und ſehen zu, was Jemand, der von den Gründen, die den mit Waſſerkraft arbeitenden Müller zu der obengeſchilderten Betriebsänderung führen mußten, kein Verſtändniß hätte, wohl für Betrachtungen anſtellen würde über deſſen Maßregeln. Wenn z. B. der Müller einen kleinen Sohn hat, der das Thun und Laſſen ſeines Vaters genau47Das Düngerkapital.beobachtet, ſo wird dieſer, wenn er einen Mahlgang nach dem an - dern eingehen ſieht, ungefähr folgende Reflexionen anſtellen. Wenn der Vater voriges Jahr einen Gang hat eingehen laſſen und die - ſes Jahr wieder einen eingehen läßt und dies ſo fort geht, ſo hat er, da er noch zwanzig Gänge hat, nach eben ſo viel Jahren kei - nen Gang mehr. Niemand wird beſtreiten, daß dies logiſch ge - dacht iſt und daß ſich durch dieſe Conſequenzen eine trübe Per - ſpektive für den kleinen Sohn eröffnet. Niemand wird aber auch die falſche Vorausſetzung überſehen, auf der jene Schlußfolgerungen beruhen und Niemand wird ſich des Lächelns erwehren können, wenn er nun ſieht, wie der kleine Junge ſeinen Vater dringend beſchwört, doch ja in ſeinem Beginnen inne zu halten, denn ohne Mahlgänge könne man kein Mehl machen, und vom Mehlmachen müßten ſie doch leben, er ſolle doch nicht ſich und ſeine Nachkom - men in’s Unglück ſtürzen! Es wird hier bedenklich die Pa - rallele weiter zu ziehen.

Der einſichtige oder auch nur praktiſche Müller wird ſich durch dieſe Deklamationen und auch nicht durch den ſcharfſinnigen Beweis, daß wenn man immer Mahlgänge entferne und keine neuen wieder anſchaffe, dieſe ſich verminderen, und daß man mit weniger Gängen auch weniger Mehl machen könne, nicht irre machen laſſen, ſondern ſeine Rechnung anſtellen, und erſt Einhalt thun, wenn er es rentabel findet, das Betriebskapital nicht weiter zu reduciren.

Für den landwirthſchaftlichen Betrieb iſt es nun allerdings ſchwieriger, das Zuſammenwirken der Produktionsbedingungen zu überblicken; aber eine gewiſſenhafte Prüfung wird einen Jeden zu Einſicht führen, daß man genau denſelben Fehlſchluß macht, wie der kleine Sohn des Müllers in unſerem Vergleich, wenn man aus den ſehr bekannten Betrachtungen über den Raubbau jene Folge - rungen zieht, die ſchon manches Gemüth geängſtigt haben, es ſei48Das Düngerkapital und der Raubbau.denn, daß man im einzelnen Fall nachgewieſen hat, der Raubbau ſei ein unwirthſchaftlicher, der Betrieb verlange eine größere Sättigung des Bodens mit Düngerkapital. Der Unterſchied bei den beiden verglichenen techniſchen Betrieben liegt lediglich darin, daß bei jener Mühle entweder ein wirthſchaftlicher Fehlgriff vorhergehen oder eine Verkleinerung des Marktes eintreten muß, um jene Erſcheinung der nothwendigen Verkleinerung des Betriebskapitals hervorzubringen, daß dagegen bei den Ackerfeldern jenes Kapital urſprünglich in demſelben vorhanden war und doch aus nahe liegenden Gründen nicht als ſolches betrachtet wurde.

Wir ſind alſo durch das Vorhergehende zu der Einſicht gelangt, daß die Sättigung des Bodens mit Düngerkapital in einer inni - gen Beziehung ſtehen muß zu der Größe des Markts für land - wirthſchaftliche Produkte, daß es von dem Bedarf an dieſen Pro - dukten abhängen muß, ob eine Verminderung des Düngerkapitals, ob ein Gleichbleiben, ob eine Vermehrung deſſelben nothwendig eintreten muß, daß jede ſtetige Verminderung des Düngerkapitals bei gleichbleibendem Bedarf zu einer Grenze führen muß, wo eine weitere Verminderung unwirthſchaftlich wird, und daß dieſe Grenze bei anſteigendem Bedarf um ſo eher erreicht wird, daß ebenſo jede Vermehrung des Düngerkapitals bei gleichbleibendem Bedarf zu einer Grenze führen muß, wo eine weitere Vermehrung unwirth - ſchaftlich wird, daß dieſe Grenze um ſo eher erreicht wird, wenn der Bedarf abnimmt, um ſo ſpäter, wenn dieſer gleichzeitig zunimmt. Bei völliger Conſtanz des Bedarfs wird ſchließlich für eine jede Bewirthſchaftung der Punkt eintreten, wo der möglichſt genaue Erſatz, (nach Abzug des durch Verwitterung, Bewäſſerung, Nähr - ſtoff concentration im Boden Gewonnenen) das einzig wirthſchaftlich Richtige iſt. Dieſer Punkt ſcheint in China und Japan ungefähr erreicht zu ſein.

49Das Düngerkapital.

Was aus den hier nochmals zuſammengeſtellten Geſetzmäßig - keiten für die Ungefährlichkeit des Raubbaus gefolgert wurde, ſcheint indeſſen durch einen Punkt, der bisher, um die Frage nicht zu ver - wirren, außer Acht gelaſſen wurde, in ſeiner Gültigkeit weſentlich beein - trächtigt zu werden, ich meine durch die Beſchränktheit des Düngermarkts.

Dieſe Beſchränktheit des Düngermarktes, ſoweit ſie ihren Grund zunächſt darin hat, daß wir wirthſchaftlich unfähig ſind, einen größern Theil des in einem Grundſtück enthaltenen Düngerkapi - tals, als den in der Ernte enthaltenen, gerade umlaufenden An - theil deſſelben wie dies ja für viele andere Betriebskapitalien doch möglich iſt zu veräußern, da die Gewinnungsmethoden um das Vielfache theurer als die gewonnenen Düngſtoffe ſelbſt ſein würden, ſcheint unſere Schlußfolgerungen allerdings nicht zu be - rühren, denn dieſe verhindert nicht den allmähligen Uebergang des Düngerkapitals in Ländereien18)Durch Transport von Nahrungsmitteln aus extenſiv bebauten Gegenden in intenſiv bebaute, wo dann die Düngeſtoffe den letzteren Ge - genden verbleiben., für die eine größere Jntenſität des Anbaus am Platze iſt.

Es tritt aber hiezu eine andere Beſchränktheit des Dünger - markts von weit ernſtlicheren Folgen für unſere Ableitungen. Jch meine das gänzliche Verſchwinden vom Markte eines großen Theils des in extenſiven Perioden von den Ländereien weggenommenen Düngerkapitals, das dadurch eintritt, daß man menſchliche und in ſehr extenſiven Perioden auch thieriſche Excremente dem Meere zuleitete, aus welchem das Düngerkapital nicht ohne Weiteres wieder ge - wonnen werden kann.

Es iſt von gewiſſer Seite19)v. Liebig. Die Chemie in ihrer Anw. ꝛc. 1862. Einleitung i. d. Naturgeſetze ꝛc. mit Recht auf dieſen UmſtandMayer, d. Düngerkapital. 450Das Düngerkapital und der Raubbau.aufmerkſam gemacht worden, und derſelbe verdient natürlich eine ſehr ernſte Erwägung. Wenn in den betreffenden Betriebsperioden jene Düngſtoffe den bezeichneten Weg gegangen ſind, ſo geſchah dies, weil die Koſten der Anſammlung, des Transportes und des Aufbringens auf den Acker ſich höher ſtellten, als der Preis der er - zielten Mehrerträge. Es iſt nun natürlich fehlerhaft, ohne Weiteres ſtillſchweigend anzunehmen, daß jene Düngſtoffe immer wieder zu demſelben Preis zu haben ſein werden, zu welchem damals ſie zu kaufen man verſchmähte. Sind ſie überhaupt nicht mehr wieder zu erwerben, ſo iſt der ſpäteren Jntenſität des Betriebs eine engere Grenze geſetzt, als dies ſonſt der Fall wäre, und der Vorwurf, daß der Raubbau auf Koſten unſerer Nachkommen geſchähe, erſchiene völ - lig gerechtfertigt.

Unſer früher mit Erfolg gebrauchter Vergleich mit dem Betrieb einer Mühle läßt uns hier völlig im Stiche. Ueberhaupt iſt hier der Gegenſtand einer theoretiſchen Behandlung unfähig, da wir es mit zufälligen Verhältniſſen unſerer Erdoberfläche zu thun haben.

Es iſt zunächſt keiner Frage unterworfen, daß in dem Augen - blicke, wo ich Thier - oder Menſchen-Dünger den Flüſſen überlie - fere, ich einen Theil von deſſen zukünftigem Werthe vernichte, denn die Wiedergewinnung aus dem Meere macht jedenfalls ungleich größere Koſten, als die wenigen Manipulationen, die zur Ver - werthung jener Düngſtoffe auf dem Acker nothwendig ſind. Es kann zweitens keiner Frage unterworfen ſein, daß ſchon bei gleich - bleibender Bevölkerung ein Zeitpunkt eintreten muß, wo der volle Wiedererſatz anfängt nothwendig zu werden, daß dagegen bei ſtets anſteigender Bevölkerung Zeiten kommen werden, wo heftige Nach - frage nach mehr Düngerkapital, als dem Boden erhalten blieb, ſtattfinden wird.

51Das Düngerkapital.

Wenn nun, ſo wird von jener Seite hervorgehoben, die Dünge - ſtoffe in einer ſolchen Periode nicht oder nur mit unſinnigem Kapital - aufwand zu haben ſind, wenn ſie ſich an einem Orte befinden, aus dem ein Wiedergewinn unausführbar erſcheint, ſo tritt un - fehlbar eine Vertheuerung der Lebensmittel ein, die das Unglück ſpäterer Generationen ſein wird, eine Vertheuerung, die bei Spar - ſamkeit mit jenen Stoffen offenbar zu vermeiden geweſen wäre.

Manche haben das Peinliche dieſer Betrachtung zu mildern ge - ſucht durch die Hoffnung, daß in Form von Vogelmiſtguano und Fiſchguano jene Stoffe aus dem Meere wieder gewonnen werden könnten, und daß, je reicher das Meer an Düngſtoffen werde, deſto leichter und naturgemäßer eine ſolche Wiedergewinnung ſich einſtel - len würde.

So beruhigend es ſein mag, ſich ohne Weiteres einer ſolchen Hoffnung hinzugeben, ſo ſchwer dürfte es ſein, die Berechtigung zu der Nothwendigkeit eines ſolchen Verhaltens zu erweiſen. Wenn wir auch zu allen Zeiten im Stande ſein werden, Düngeſtoffe in der angedeuteten Weiſe dem Meere abzugewinnen, und wenn auch eine ſolche Gewinnung um ſo rentabler werden wird, je mehr ſich ein Mangel an Düngerkapital geltend macht, ſo fragt es ſich dennoch, ob nicht trotzdem jene gefürchtete Kalamität in ferneliegenden Zeiten ein - treten wird, weil die Reproduktionskoſten des Düngerkapitals ſehr viel bedeutender ſein werden, als die Koſten, die zur Erhaltung deſſelben aufzuwenden geweſen wären. Hierin liegt offenbar der Kern der ganzen Frage.

Von jener Seite, von der die Pflicht des gewiſſenhaften Wie - dererſatzes, der Erhaltung der Bodenkraft auf’s Leidenſchaftlichſte behauptet wird, ignorirt man auch hier wieder in gewohnter Weiſe die wirthſchaftliche Seite der Frage. Man nimmt ohne weitere Debatte an, daß die Erhaltung des Düngerkapitals auf unſern4 *52Das Düngerkapital und der Raubbau.Feldern durch Leiſtung eines vollſtändigen Wiedererſatzes Nichts koſte, während man die Reproduktion des verſchleuderten Dünger - kapitals in Zeiten der Noth zu den wirthſchaftlichen Unmöglichkei - ten rechnet. Von der anderen Partei ſcheint eben ſo ungerechtfer - tigt angenommen zu werden, daß die Wiedergewinnung des Dün - gerkapitals aus dem Meere ſtets eine leicht auszuführende Operation ſein werde.

Jch glaube nicht, daß wir im Stande ſind, die Koſten der beiden Verfahren auch nur annähernd gegen einander abzuwägen. Hierzu gehören neben vielen andern Dingen genaue Erfahrungen über die mögliche Ausdehnung der Fiſchguanofabrikation. Wir wer - den aber gleich ſehen, wie wir dennoch mit Berückſichtigung eines bei der bisherigen Behandlung dieſer Frage gänzlich vernachläſſig - ten wirthſchaftlichen Geſetzes im Stande ſein werden, ein beſtimm - tes und entſcheidendes Urtheil abzugeben.

Wenn ein Landwirth, der der Natur der von ihm erzielten Produkte nach zu der Ausfuhr eines Theils ſeines Düngerkapitals gezwungen iſt und für den es ohne jetzt noch auf künftige Zeiten Rückſicht zu nehmen ein wirthſchaftlicher Mißgriff iſt, das ausgeführte Düngerkapital in irgend welcher Form wieder zu kaufen, da der durch dies Düngerkapital erzielte Mehrertrag und der Preiszuwachs20)Ein ſolcher tritt thatſächlich nicht ein bei Zufuhr von zur Pflan - zenproduktion unnöthigen Düngeſtoffen. des Ackers die Koſten von jener Operation nicht erreicht, ſich dennoch entſchließt, jenen Wiedererſatz zu leiſten, ſo bringt er damit ein gewiſſes jährliches Opfer. Dieſe Thatſache iſt für die gemachte Vorausſetzung natürlich unanfechtbar. Daß ein ſolcher Wiedererſatz unter Umſtänden unrentabel ſein muß, kann nach den früheren Ausführungen nicht beſtritten werden. Man53Das Düngerkapital.müßte denn läugnen, daß die landwirthſchaftliche Produktion den allgemeinen Produktionsgeſetzen unterworfen ſei.

Wir können keinenfalls an dem ausgeſprochenen Satze zweifeln, daß der Wiedererſatz unter den bezeichneten Umſtänden bis zu der Zeit, wo der beſtehende Grad der Sättigung des Bodens mit Düngerkapital der wirthſchaftlich richtige iſt, ein jährliches Opfer von einer gewiſſen allerdings ſtetig ab - nehmenden Menge von Kapital ſein würde.

Es iſt alſo nicht ſchwer einzuſehen, daß die Erhaltung des Düngerkapitals für einen Acker oder ein ganzes Land, für das die natürliche Tendenz der Fortwanderung dieſes Kapitals beſteht, nicht koſtenlos geſchehen kann, daß Vorkehrungen, die jene Erhal - tung bezwecken, nothwendig zur Folge haben, daß mit verhältniß - mäßig größerem Aufwand verhältnißmäßig weniger producirt wird, d. h. alſo theuerer producirt wird, daß ſie alſo mit Ver - theuerung der Lebensmittel, mit ähnlichen Uebelſtänden für die Gegenwart verbunden ſein würde, wie man ſie für die Zukunft eben durch dieſe Maßregeln verhüten wollte. Offenbar kann alſo nur die gewiſſe Vorausſicht, daß die für die Zukunft zu vermei - denden Kalamitäten ſchlimmerer Natur ſein würden, als die frei - willig von der gerade lebenden Generation zu übernehmenden, dieſe dazu überreden, das geforderte Opfer zu tragen.

Wir unterdrücken hier gänzlich die naheliegenden Betrachtungen, ob eine Nation ſelbſt in dieſem Falle zu derartigen Opfern ſich entſchließen würde, da die Concurrenz jeden Einzelnen zwingt, mög - lichſt billig zu produciren, und Vorſchriften von Seiten des Staats doch geradezu unerträglich wären. 21)Es müßte ſich in einem ſolchen Falle eben ein ähnliches Verhält - niß ergeben, wie bei der Staatsfürſorge für die Erhaltung der Wälder, die in vielen Fällen als ein Opfer der Gegenwart für die Zukunft auf -Wir wollen hierauf nicht näher54Das Düngerkapital und der Raubbau.eingehen, ſondern lediglich erwägen, um welche Opfer es ſich han - delt zur Vermeidung der zukünftigen Uebelſtände.

Bei der Beurtheilung, ob ein Kapitalaufwand in einer gewiſſen Zeit überwogen wird von den dadurch bewirkten Erſparniſſen in einer ganz anderen, vielleicht ſehr ferne liegenden Zeit, iſt jedoch vor Allem Etwas zu berückſichtigen, was bisher ganz außer Acht gelaſſen wor - den iſt. Jch meine die den Kapitalien innewohnende Fähigkeit, bei produktiver Verwendung neue Kapitalien zu erzeugen, ein Geſetz, deſſen Wirkſamkeit bekanntlich aus dem Gebrauch, Zinſen für ein geliehenes Kapital zu zahlen, erſehen werden kann.

Aus dieſem Geſetze ergiebt ſich, wie Jedermann weiß, die Thatſache, daß das Opfer eines gewiſſen Kapitals in einer früheren Zeit nicht ausgeglichen wird durch den Gewinn eines gleichen Ka - pitals in einer ſpäteren Zukunft, ſondern das geopferte Kapital muß offenbar, wenn von einer wirthſchaftlichen Operation die Rede iſt, mit Zins und Zinſeszins durch den ſpäteren Gewinn wiedererhalten werden. Handelt es ſich um große Zeitunterſchiede, Hunderte und gar Tauſende von Jahren, ſo wird der Unterſchied, der zwiſchen beiden Kapitalien beſtehen muß, damit nicht das Opfer des urſprünglichen Kapitals keine verfehlte Speculation war, ganz unglaublich groß ſein.

Auch bei einem ziemlich niedrigen Zinsfuß wird nach 100 Jahren das 50fache, nach 1000 Jahren etwa das 107000 Bil - lionenfache des urſprünglichen Opfers erſpart werden müſſen, um das Darbringen deſſelben nicht als einen wirthſchaftlichen Fehl - griff erſcheinen zu laſſen.

Dieſelbe Urſache alſo, die z. B. bewirkt, daß es rentabler iſt, ein Haus für ein gewiſſes Kapital ſo herzuſtellen, daß es 20 Jahre21)gefaßt werden muß, deren Geſtaltung indeſſen in Form einer Bevor - mundung für die vorliegende Frage nahezu undenkbar wäre.55Das Düngerkapital.aushält, dann aber abgebrochen werden muß, als ein ebenſo zweck - dienliches Haus für das doppelte Kapital ſo herzuſtellen, daß es 100 oder auch 200 Jahre aushält, wirkt hier noch in viel be - deutenderem Grade.

Dieſe Geſetze müſſen nun ſelbſtredend zu Rathe gezogen wer - den, wenn wir ein Kapitalopfer zu irgend einer Zeit mit der durch daſſelbe in einer ſpäten Zukunft bewirkten Erſparniß vergleichen. Es kann alſo in Anwendung auf den vorliegenden Fall geſagt werden: das Kapital, das durch die möglichſt wohlfeile Produktion gegenüber der Produktion bei völligem Wiedererſatz geſpart werden kann, iſt im Stande, durch die natürliche Produktivkraft der Ka - pitalien in ſpäterer Zeit eine ungeheuer viel größere Wirkung her - vorzubringen. Man wird ſich zu einer Verwendung dieſes Ka - pitals nur dann entſchließen können, wenn man die ſichere Voraus - ſicht hat, daß die einſtige Erſparniß in einem ſolch ungeheuer - lichen Verhältniſſe zu dem verwendeten Kapitale ſteht.

Es thut unſerer Betrachtung keinen Eintrag, daß thatſächlich wegen des Conſums des größten Theils derjenigen Güter, die durch jene natürliche Produktivität der vorhandenen Kapitalien erzeugt werden, keine ſolche Kapitalanhäufung eintritt. Von einem Kapital, das innerhalb 100 oder 1000 Jahren keine irgendwie greifbaren Zinſen bringt, werden wir billiger Weiſe dennoch eine ſolche Werth - ſteigerung erwarten müſſen, wenn nicht das Opfer als wirthſchaft - lich ungerechtfertigt erſcheinen ſoll.

Aus dieſen Erwägungen geht unzweifelhaft hervor, daß, wenn nicht nachgewieſener Maßen der Wiedergewinn des dem Meere ein - verleibten Düngerkapitals, zu dem uns in großem Maßſtabe erſt ſehr ferne Zeiten zwingen werden, in eben dem oder einem höhern Kapitalopfer beſteht, als die Kapitalien, die durch möglichſt rentable Kulturen dieſe ganze Zeit über erſpart werden können, ſammt Zins56Das Düngerkapital und der Raubbau.und Zinſeszins für den ganzen Zeitintervall betragen, es ein wirth - ſchaftlicher Fehlgriff iſt, jene humane Sorge für ſpätere Geſchlechter in der empfohlenen Weiſe in’s Werk zu ſetzen.

Jch glaube, daß Niemand bei den in vielen Fällen außer - ordentlich großen Zeiträumen, um die es ſich hier handelt, und bei der jetzt ſchon möglichen und nachgewieſener Maßen häufig rentablen Anwendung von Fiſchguano, die Befürchtung aufrecht erhalten wird, daß der Wiedergewinn des verlorenen Düngerkapi - tals ſo ganz unfaßlich ſchwierig ſein wird.

Dies zugegeben, werden die Nationen in weit vortheilhafterer Weiſe für die ſpäteren Generationen Sorge tragen, wenn die mög - lichen Erſparniſſe auf eine Art als Produktivkapitalien angelegt werden, daß ſie durch reiche und ſtete Produktion das National - vermögen vergrößern, in welcher Weiſe ausgeſtattet eine Nation am Sicherſten dem Sturme ſchlimmer Zeiten entgegen gehen wird.

Ueberlegt man genau, was denn eigentlich das Poſtulat, ſtets in der Zeiteinheit dem Boden wieder zu geben, was man ihm ge - nommen hat, verlangt, ſo muß man in der That zugeſtehen, daß der Gedanke an eine ſolche Conſervirung des Düngerkapitals eben ſo abenteuerlich iſt, wie ein Vorſchlag, Getreide (gute Erhaltungs - methoden vorausgeſetzt) Jahrhunderte lang bis zu Perioden aufzu - bewahren, wo in Folge von Uebervölkerung eine verhältnißmäßige Theuerung an dieſem Lebensmittel eingetreten ſein wird.

Hierbei wurden nun die äußerſten möglicher Weiſe eintretenden Eventualitäten berückſichtigt und für dieſe gezeigt, einen welch hohen Einſatz man mit dem Poſtulat des völligen Wiedererſatzes der Düngebeſtandtheile für einen wie kleinen und mit geringer Wahr - ſcheinlichkeit eintreffenden Gewinn verlangt. Hierbei wurde aber noch gar nicht berückſichtigt, daß die Vorausſetzungen, für die wir den Erweis der Unwirthſchaftlichkeit des Wiedererſatzes beigebracht57Das Düngerkapital.haben, nach menſchlicher Einſicht wohl niemals zutreffen möchten. Es wurde ja ſtillſchweigend die Vorausſetzung gemacht, daß die ganze, jetzt noch für eine jede herrſchende Betriebsmethode hinrei - chend mit Düngerkapital verſehene Erdoberfläche, keine Ausfuhr an Düngeſtoffen mehr vertrüge, daß ferner ein Theil derſelben drin - gend der Zufuhr an ſolchen bedürfe; denn ſonſt könnte offenbar ein koſtenloſer Transport des Düngerkapitals in Form von Nah - rungsmitteln von dem extenſiver bewirthſchafteten Ort nach dem intenſiver bewirthſchafteten ſtattfinden. Man bedenke den Grad der Bevölkerung, den dieſe Vorausſetzung einſchließt. Man bedenke die Größe der feſten Erdoberfläche und die Kleinheit desjenigen Theils, der einem beträchtlichen Raubbau unterworfen iſt.

Wir ſind jedoch hiermit noch nicht zu Ende; wir müſſen noch näher auf die Stoffe eingehen, die durch den ſog. Raubbau eine gefährliche Verminderung erleiden können. Es ſind dies für die meiſten Bodenarten bekanntlich der gebundene Stickſtoff, das Kali und die Phosphorſäure. Für alle übrigen kann an ernſtliche Schwierigkeiten in Folge der Ausraubung gar nicht gedacht werden.

Der gebundene Stickſtoff iſt einer Vermehrung durch die Natur und die Kunſt22)Fabrikation von Ammoniakverbindungen aus freiem Stickſtoff. Siehe auch Fleck. Die Fabrikation chem. Produkte ꝛc. Braunſchweig 1862. p. 48. fähig und die Ausnutzung dieſes Nahrungsmittels für die Landwirthſchaft iſt durch die Wahl der Kulturgewächſe jeder Zeit in unſere Hand gegeben. Es iſt kein Zweifel, daß wir durch geeignete Kulturmethoden im Stande ſind, ohne Zukauf von Dünge - mitteln unſere Ackererde an dieſem Stoffe zu bereichern. Die na - turwiſſenſchaftliche Begründung dieſer Sätze kann hier füglich un - terbleiben. 23)Siehe übrigens Lawes, Gilbertu. Pugh, Philosophical Transactions London. Vol. 151. II. p. 431 u. ff.Der Stickſtoff kann daher bei unſerer Betrachtung58Das Düngerkapital und der Raubbau.völlig vernachläſſigt werden und für denſelben iſt auch von keiner Seite eine gefahrdrohende Verminderung durch Raubbau behauptet worden.

Für das Kali brauchen wir noch viel weniger die geringſte Befürchtung zu hegen. Der Raubbau in Bezug auf Kali iſt außerordentlich gering, da die Aſchenbeſtandtheile der kalireichſten Kulturgewächſe großentheils wieder (mit Ausnahme der Tabakaſche) in den Boden zurückgelangen. Außerdem iſt der Kalireichthum unſerer Böden durchſchnittlich ſo bedeutend, daß ſelbſt da, wo wie bei Runkelrübenbau ſtarke Kaliausfuhr beſteht, dennoch eine Düngung mit den ſo billigen Staßfurter Salzen häufig nicht mehr in größerer Entfernung von Staßfurt rentabel iſt. Da wir nun den allergrößten Reichthum auf der Erdoberfläche an Kali in Form von Salzlagern und Felsarten beſitzen, ſo iſt für dieſe Stoffe nicht die allergeringſte Begründung zu der Befürchtung vorhanden, daß einſt durch die Verſchleppung eines Theils derſelben in’s Weltmeer ernſtliche Mißſtände für die Zukunft zu erwarten ſeien.

Am Gefährlichſten erſcheint die Raubwirthſchaft für die Phos - phorſäure, und wenn man die ſchlimmen Folgen dieſer Wirthſchaft in’s rechte Licht ſetzen wollte, ſo bezogen ſich die Betrachtungen ſtets vorzugsweiſe auf dieſen Pflanzennährſtoff24)S. v. Liebig. Die Chemie in ihrer Anwendung ꝛc. 1862. Ein - leitung p. 117, p. 130 u. Th. II. p. 287.. Derſelbe tritt in ziemlich hohen Verhältniſſen als nothwendige Bedingung des Pflanzenwachsthums auf; er iſt, wenn auch überall, doch nur ſehr ſparſam in der Ackerkrume vorhanden. Für ihn muß der Raub - bau alſo zunächſt fühlbar werden. Die ſo allgemeine Rentabilität der Superphosphat - und ähnlich zuſammengeſetzter Düngungen für unſere Verhältniſſe beweiſt, daß in Bezug auf Phosphorſäure wir in dem kultivirteſten Theil von Europa auf dem Punkt ange - kommen ſind, wo der ſtrenge Wiedererſatz, vielleicht eine Bereicherung59Das Düngerkapital.dringend geboten erſcheint. Aber auch für dieſen Stoff ſind viel reichhaltigere Quellen, als man Anfangs vermuthen konnte, für den Ackerbau erſchloſſen25)Siehe J. A u. Die Hilfsdüngemittel. Heidelberg ꝛc. 1869. p. 382 83. worden, und werden deren täglich neue ent - deckt. Gerade daß man zu Mineralphosphat-Düngungen ſchreitet, noch ehe man den Phosphorſäure-reichen Menſchendünger vollſtän - dig verwerthet, dies beweiſt, wie leicht jene Quellen nutzbar ge - macht werden können. Auch in Bezug auf dieſen Beſtandtheil des Düngerkapitals iſt unſere Armuth ſehr übertrieben worden, auch für dieſen Stoff wird eine weitere Bereicherung der Ackererde noch möglich ſein, wenn einſt die Verhältniſſe mehr als den bloßen Wiedererſatz erheiſchen. Eine allgemein ſich vergrößernde Nachfrage nach landwirthſchaftlichen Produkten würde zunächſt ein vollkomme - neres Aufſammlungsſyſtem unſerer menſchlichen Auswurfsſtoffe nach ſich ziehen, dann uns lehren, die phosphorreichen Produkte des Meeres in höherem Maße für die Landwirthſchaft zu verwenden, wenn auch alle übrigen phosphorreichen Materialien verbraucht ſein ſollten.

So ſehen wir das Geſpenſt des Raubbaus in ſein Nichts zu - ſammenſinken, wenn wir nur wagen ihm feſt in’s Angeſicht zu blicken. Jene Conſequenzen ſind gezogen worden ohne Kenntniß der wirthſchaftlichen Geſetze der landwirthſchaftlichen Produktion, mit Uebertreibung der thatſächlichen Verhältniſſe und unter Voraus - ſetzungen, die in Wirklichkeit nicht ſtatthaben oder nicht dauernd ſtatthaben können.

Das bei der Pflanzenproduktion ſich betheiligende Düngerkapi - tal iſt denſelben Geſetzen unterworfen, wie ein jedes andere Be - triebskapital. Da es ſich jedoch in den von uns übernommenen Grundſtücken in hinſichtlich unſerer wirthſchaftlichen Verhältniſſe zufälligen Mengen vorfindet, ſo tritt Jahrhunderte lang eine60Das Düngerkapital und der Raubbau.Betriebsmethode ein, die den Ausgleich dieſes Betriebskapitals mit unſeren Verhältniſſen bewirkt. Es iſt Kurzſichtigkeit, zu glauben, eine ſolche Methode werde nun ewig dauern und Conſequenzen zu ziehen für die Vorausſetzung einer ſolchen ewigen Dauer.

Die Meinung, daß der Raubbau in ſeinen Folgen nicht wieder ausgeglichen, das verlorengegangene Düngerkapital nicht wieder gewonnen werden könne, iſt völlig unbegründet und die Maßregel, das Düngerkapital, das einmal in den Grund - ſtücken enthalten iſt, denſelben durch alle Perioden hindurch zu erhalten, erſcheint als ein ſchwerwiegender Mißgriff.

Jn neuerer Zeit wird die Lehre vom nothwendigen Wiedererſatz in etwas abweichender Weiſe gepredigt, indem man nicht den Erſatz des Entnommenen, ſondern des vorausſichtlich durch die kommende Ernte zu Entnehmenden vorſchreibt. Dieſe Methode liefert natur - gemäß Reſultate, die in ihrer praktiſchen Anwendung weniger grell die Unzuläſſigkeit jenes Poſtulats demonſtriren, im ſpeziellen Falle ſogar, namentlich für unſere Verhältniſſe ſehr rentabel ſein können.

Dieſer Modus iſt in neuſter Zeit von Drechsler vertreten wor - den, der in ſeiner Schrift26)Drechsler. Die Statik des Landbaus ꝛc. Göttingen. 1869. u. Preuß. Annal. d. Landw. 1869. Nr. 26 p. 244. zwar über die alte landwirthſchaftliche Statik, die die Wiederherſtellung der Fruchtbarkeit eines Feldes auf den vor einer gewiſſen Anzahl von Ernten innegehabten Stand ver - langt, das Todesurtheil ausſpricht; aber doch dieſes Poſtulat nur in der Weiſe modificirt, daß er die Felder ſo gedüngt wiſſen will, daß ſie im Voraus Das enthalten, was eine Ernte oder eine Reihe von Ernten vorausſichtlich wegnehmen wird. Dieſe Art und Weiſe der Düngung mag nun alelrdings in ſofern ein Fortſchritt ſein, als ſie das Nährſtoffbedürfniß der einzelnen Feldfrüchte berückſichtigt, worauf nach der alten Methode nur durch die Anordnung des Frucht -61Das Düngerkapital.wechſels Rückſicht genommen wurde; aber auch hierin liegt das völ - lige Verkennen der eben entwickelten Geſetzmäßigkeiten von der Re - gulirung der Größe des zur Produktion dienen den Dün - gerkapitals durch äußere wirthſchaftliche Verhältniſſe.

Die landwirthſchaftliche Statik hatte ſich die Aufgabe geſtellt, die Erſchöpfung des Bodenreichthums durch die Ernteentnahme und die Wiederherſtellung dieſes Bodenreichthums durch Düngerzufuhr, Brache, ſogenannte bereichernde Gewächſe zu ermitteln und in Zah - len auszudrücken, aber immer von der Vorausſetzung ausgehend, daß eben die Herſtellung des urſprünglichen Bodenreich - thums nach einer gewiſſen Rotation unter allen Umſtänden die Aufgabe des rationellen Landwirths ſei. Die Statiker der älteren Schule27)Thaer, Wulffen, Hlubeck, Thünen, Kleemann. ſuchten dieſe Zahlen auf empiriſchem Wege zu er - mitteln, ſcheiterten aber naturgemäß an dem Umſtand, daß ihre Zah - len Aggregate ſehr verſchiedener Fruchtbarkeitsbedingungen, die ſich gegenſeitig nicht vertreten konnten, darſtellten, ſo daß die mühſam gewonnenen Reſultate nur in einzelnen Fällen28)Siehe Drechsler’s Beurtheilung der von Kleemann ermittelten Zahlen a. a. O. p. 94. paſſen konnten. Man mußte unter dieſen Umſtänden bei Berechnung der nothwendigen Düngungen auf dieſelben Unzuläſſigkeiten ſtoßen, zu denen man auf einem ähnlichen (rein empiriſchen) Wege bei Berechnung von Futter - rationen nach Heuwerthen gelangt war.

Nachdem es jedoch ſpäter möglich war, die Zahlen, die in der Statik fungirten, in ihre einfachen Componenten aufzulöſen, wie dies von Birnbaum29)Birnbaum. Lehrbuch der Landwirthſchaft. Frankfurt a. M. 1863. Th. III. Betriebslehre p. 137. und Schumacher30)Schumacher. Erſchöpfung und Erſatz bei dem Ackerbaue; Ver - ſuch einer Statik des Ackerbaues. Berlin 1866. verſucht wurde, war eine62Das Düngerkapital und der Raubbau.Berechnung des Wiedererſatzes, ſoweit brauchbare Analyſen vorla - gen, thatſächlich möglich; aber nun ergab ſich, daß die Anwendung des ſtatiſchen Geſetzes in der Praxis zu einer ſehr unrentablen Wirth - ſchaft führte eine Thatſache, die vorher, bei der mehr oder we - niger willkürlichen Wahl der ſtatiſchen Zahlen, verborgen bleiben mußte. Drechsler berichtet ſelbſt in dem Vorwort ſeiner Schrift, daß nach ſeiner Erfahrung als praktiſcher Landwirth die erfah - rungsmäßige richtige Düngung durchaus nicht übereinſtimmt mit der nach Maßgabe der berechneten Erſchöpfung erforderlichen Düngung. Derſelbe macht nun mit Recht darauf aufmerkſam, daß die Lie - big’ſche Erſatzlehre nicht indentificirt werden dürfe mit dem Poſtu - lat der Statik: durch die Düngung müſſe die vor der letzten Ernte oder einer Reihe von Ernten dem Felde eigenthümliche Fruchtbarkeit wiederhergeſtellt werden; dene jene ſagt nur aus, daß im Großen und Ganzen ein Gleichgewicht zwiſchen Zufuhr und Entnahme an Pflanzennährſtoffen vorhanden ſein müſſe, ohne ſich auf praktiſche Rathſchläge über die Art und Weiſe dieſes Wiedererſatzes einzulaſſen.

Aber auch die Drechsler’ſche Modification und ſie iſt in That Nichts Anderes31)Au ſcheint in dieſem Punkte Drechsler nicht verſtanden zu haben. Vergleiche Au: Die Hilfsdüngemittel ꝛc. p. 400 und Drechsler a. a. O. p. 156 u. ff., wo dieſer die neue Düngerzufuhr aus der Differenz der früheren Düngungen den gemachten Ernten und den zu machenden Ern - ten berechnet. geht von dem Gedanken der Conſtanz des Düngerkapitals aus. Er ſelbſt ſteht in ſeinen Rathſchlägen ganz auf dem Boden der Liebig’ſchen Erſatzlehre, und der ganze Unterſchied von der früheren Lehre beſteht lediglich darin, daß er die Düngung in einer Weiſe angeordnet wiſſen will, die es geſtattet, den Bedarf der einzelnen Kulturpflanzen der Fruchtfolge an Nähr - ſtoffen möglichſt zu berückſichtigen. Dieſer Unterſchied mag aller -63Folgerungen.dings von erheblicher praktiſcher Wichtigkeit ſein, in ſofern es gelin - gen mag, in vielen Fällen nach der Drechsler’ſchen Anweiſung zu wirthſchaften32)Allerdings vermag die Angabe Drechslers, daß er im letzten Jahre ſeiner praktiſchen Thätigkeit ſeine neue Methode der Regulirung der Düngung ſchon als Richtſchnur für die Nährſtoffzufuhr benutzt habe, wenig dafür zu beweiſen, daß die Anwendung ſeiner Methode nicht auch in jenem beſonderen Fall auf praktiſche Schwierigkeiten ſtoßen könne., ohne auf große Schwierigkeiten zu ſtoßen, während die ältere Methode, wenigſtens ſobald man klar definirbare ein - fache Vegetationsbedingungen jenen complexen und auf empiriſchem Wege gefundenen ſubſtituirt, ſofort den grellen Widerſpruch zwiſchen der theoretiſchen Forderung und der praktiſchen Ausführbarkeit zeigt. Aber auch Drechsler iſt in ſeinen Unterſuchungen über die Erſatz - lehre niemals auf den Gedanken gekommen33)Wenigſtens iſt es mir nicht geglückt, die von Au und mir ver - tretenen Grundſätze in Drechsler’s Werk aufzufinden., daß dieſelbe auch in jener weiteren Form einen groben Jrrthum in ſich einſchließen, daß es wirthſchaftliche Geſetze geben könne, die den Grad der Sättigung eines Ackers mit Nährſtoffkapital ſtets abzuändern beſtrebt ſind.

III. Folgerungen.

Wir ſind nun auf Grund der vorhergehenden Unterſuchung noch im Stande, einige weitere Betrachtungen anzuſtellen.

Man hat vielfach Gelegenheit genommen, wegen der unvoll - ſtändigen Ausnutzung menſchlicher Düngeſtoffe viele unſerer ſtädti - ſchen Latrinenſyſteme als verderblich zu bezeichnen und uns eine Düngerwirthſchaft nach chineſiſchem und japaneſiſchem Muſter anzu - empfehlen1)Liebig a. a. O. Th. I. p. 259 u. ff., u. Dr. H. Maron. Annal. d. pr. Landw. Januar 1862.. Bei Ventilation der Fragen, ob Kanaliſation oder64Das Düngerkapital und der Raubbau.Abfuhr für dieſe oder jene Stadt einzuführen ſei, wird vor Allem neben Geſundheitsrückſichten ſtets die landwirthſchaftliche Seite der Frage in den Vordergrund geſtellt und ängſtlich darauf Rückſicht genom - men, ob bei dem einzuführenden Syſtem Stoffe für die Landwirth - ſchaft verloren gehen oder nicht.

Jch bin nun der Anſicht, daß beinahe Alles, was in neuerer Zeit über dieſen Gegenſtand geſchrieben2)Siehe z. B. Heiden. Lehrbuch der Düngerlehre Th. II. Stuttgart 1868. p. 193 u. 197. oder geſprochen worden iſt, mehr oder weniger unter dem Druck des Gedankens geſchrieben und geſprochen wurde, daß unſere landwirthſchaftlichen Betriebsſyſteme Raubbauſyſteme3)Faſt immer wird die Gewinnung der menſchlichen Auswurfſtoffe für die Landwirthſchaft als eine Art Pflicht hingeſtellt, während die Vor - theile einer ſolchen Gewinnung doch lediglich in der vorausſichtlich grö - ßeren Billigkeit der Syſteme liegen, bei denen es möglich iſt, einen Theil der Abfuhrkoſten durch Verkauf der Auswurfſtoffe zu decken. ſeien, deren ſchlimmen Folgen man durch künſt - liche Mittel entgegenzuwirken verpflichtet ſei.

Während man bei allen übrigen techniſchen Betrieben dem Grund - ſatz huldigte, daß es nicht nöthig, ja ſogar verderblich ſei, auf eine künſtliche Weiſe für den Zufluß und den Umlauf der Betriebska - pitalien zu ſorgen, indem man wohl wußte, daß die natürlichen wirthſchaftlichen Geſetze deren Zufluß und Umlauf in möglichſt zweckmäßigſter Weiſe veranlaſſen, während man auch im Allgemei - nen zugab, daß zwiſchen landwirthſchaftlicher Produktion und der Produktion anderer Gewerbe in Hinſicht auf deren Regelung durch gemeingültige Geſetze und deren nationalökonomiſche Wichtigkeit nicht der geringſte Unterſchied beſtehe, ſchlich ſich in Bezug auf die an - geregten Fragen doch meiſtens eine bedeutende Jnconſequenz ein, die, neben dem für den Laien ſchwer zu unterdrückenden phyſiokra - tiſchen Gedanken, daß die landwirthſchaftliche Produktion doch eigentlich65Folgerungen.die wichtigſte aller Produktionen4)Auch Liebig ſteht in ſeinen Ausführungen ganz auf dem phyſio - kratiſchen Standpunkt, wie Au mit Recht hervorhebt. Siehe deſſen Werk p. 518. ſei, durch die beunruhigenden Sorgen, die ſich an die Jdee des Raubbaus knüpften, erzeugt ward.

Es fällt uns wenigſtens bei einer ſanitätspolizeilichen Maß - regel, die z. B. Desinfektion mit Carbolſäure vorſchreibt, niemals ein, daß in Folge derſelben die Rohmaterialien der Anilinfabri - kation vertheuert werden könnten, und wir auf dieſe Weiſe die genannte Fabrikation erſchweren; denn wir ſind uns hier ſehr wohl bewußt, daß es wirthſchaftliche Geſetze gibt, die ein jedes produktive Kapi - tal derjenigen Produktion zuſtrömen laſſen, bei der es im Stande iſt, am Meiſten neue Güter zu erzeugen. Wir wiſſen, daß es menſch - liche Thorheit iſt, hier eingreifen und Vorſehung ſpielen zu wollen.

Für die landwirthſchaftliche Produktion gelten in der That ganz dieſelben Geſetze wie für jede andere Produktion und nur jene vor - hin berührten Umſtände ſind es, die uns überreden wollen, daß bei derſelben ganz andere Geſetze thätig ſind, daß das Düngerkapital nicht wie andere Betriebskapitalien das Beſtreben habe, ſich ſelbſt zu erhalten, ſondern, daß es ſtets ſeinem Untergange entgegenrenne, ſo daß es durch eigenthümliche und ganz raſfinirte Mittel zurückgehal - ten werden müſſe. Dieſe Umſtände ſind es, die Viele ſogar veranlaſ - ſen, weit mehr zur Erhaltung jener Kapitalien aufzuopfern, als dieſe werth ſind, Maßregeln vorzuſchlagen, die aus dieſem Grunde auf jedem andern Gebiete als höchſt unwirthſchaftliche gelten würden.

Wenn der Landwirth an vielen Orten den menſchlichen Dünger verloren gibt d. h. alſo ſo geringe Summen für denſelben bietet, daß der Stadtbewohner für dieſe Summen nicht zu der Unbequem - lichkeit (die ja doch ein negatives wirthſchaftliches Gut iſt) ſich ent - ſchließt, welche die Aufbewahrung der Excremente für die Landwirth - ſchaft unter vielen Umſtänden mit ſich bringt, ſo tritt an einem ſol -Mayer, d. Düngerkapital. 566Das Düngerkapital und der Raubbau.chen Ort Kanaliſation oder ſonſt ein Syſtem ein, bei welchem jene Stoffe für die Landwirthſchaft verloren gehen. An Orten dagegen, wo eine ſehr intenſive Kultur z. B. Tabaksbau herrſcht, wird auf der andern Seite der menſchliche Dünger von den Landwirthen ſo hoch bezahlt, daß der Stadtbewohner mit Freuden die Unbequemlichkeit der Aufbewahrung auf ſich nimmt, und unter dieſen Umſtänden kommen alſo wenigſtens die feſten menſchlichen Excremente der Land - wirthſchaft zu Gute, einfach deßhalb, weil die Düngung mit den - ſelben rentabel iſt. So veranlaſſen auch hier die immer wirkenden wirthſchaftlichen Geſetze die Anwendung eines produktiven Kapitals an dem Ort, wo es am Meiſten neue Güter hervorzubringen ver - mag, und das Düngerkapital dient in den beiden Fällen entweder bei der landwirthſchaftlichen Produktion, oder (wenn es verloren geht) zur Bequemlichkeit der Stadtbewohner, eine Ausdrucks - weiſe, die trotz ihres etwas paradoxen Klangs nach dem Vorher - gehenden leicht verſtanden werden wird.

Selbſtverſtändlich iſt es dann ein wirthſchaftlicher Mißgriff, wenn man Stoffen, die wie die flüſſigen Excremente allerdings ein geringes Düngerkapital in ſich bergen, aber in der Regel bei ihrem Transport auf den Acker eine weit größere Güterzerſtörung verurſachen, als ſie neue Güter hervorzubringen fähig ſind, wenn man ſolchen Stoffen durchaus die Rückkehr in die Felder, denen ſie urſprünglich allerdings entnommen ſind, ermöglichen will, wie dies z. B. in für die meiſten Verhältniſſe ſehr unpraktiſcher Weiſe durch das Moſſelmann’ſche5)Mosselmann, Compt. rend. Vol. 56. p. 1261. Verfahren geſchieht. Glücklicher Weiſe iſt der Bauer im Allgemeinen praktiſch genug, um ſich dergleichen Stoffe, die ſeinem Beutel weit mehr nehmen, als ſie ſeinen Acker zu bereichern fähig ſind, nicht aufdrängen zu laſſen.

67Folgerungen.

Es thut natürlich der Wirkſamkeit der hier hervorgehobenen wirthſchaftlichen Geſetze keinen Eintrag, wenn hie und da die menſch - lichen Excremente, auch da, wo eine Düngung mit dieſen Stoffen höchſt rentabel geweſen wäre, keine Berückſichtigung von Seiten des Landwirths gefunden haben. Jene können ja erſt in Kraft treten, wenn die Brauchbarkeit eines jeden Kapitals zu allen in’s Spiel kommenden Produktionen in vollem Maße bekannt iſt. Dieſe Brauchbarkeit der einzelnen Düngſtoffe zur Produktion von Kultur - gewächſen dem Landwirthe aufſuchen zu helfen, iſt eine der Aufga - ben der Agrikulturchemie; aber immer iſt es nur die Rentabili - tät6)Siehe auch meine Abhandlung Bad. landw. Wochenbl. 1869. p. 129. eines Düngers, der für deſſen Brauchbarkeit entſcheidet, nie - mals der durch ihn bewirkte Wiedererſatz, und daß der geleiſtete Erſatz nur im einzelnen Fall und durch eine merkwürdige Zufällig - keit mit der Rentabilität eines Düngemittels zuſammenfällt, dafür iſt es wohl nicht nothwendig, weitere Belege zu bringen.

Nach genau denſelben Principien läßt ſich nun auch die na - türliche Wanderung des Düngerkapitals, nicht blos desjenigen An - theils, das in den transportirten Nahrungsmitteln enthalten iſt, ſondern auch des Antheils, das als natürlicher Dünger von einer Gegend in die andere verkauft wird, verſtehen, und auf dieſelben einfachen wirthſchaftlichen Geſetze zurückführen. Auch hier wandert das Kapital wie überall an die Orte, wo es am Meiſten produktions - fähig iſt, und es iſt ganz dieſelbe wirthſchaftliche Kurzſichtigkeit, die wir bereits kennen gelernt haben, in einem ſolchen Falle dem Ex - portirenden einen Vorwurf zu machen.

Die Wanderung von Knochen von Bayern7)v. Liebig. Die Chemie i. i. A. ꝛc. 1862. I. p. 129. 130. nach Sachſen, von Deutſchland nach England, die Wanderung des Stallmiſts vom5 *68Das Düngerkapital und der Raubbau.Odenwald in die Rheinebene, von der v. Liebig ſpricht8)Ebendaſelbſt p. 301., iſt die Wanderung von landwirthſchaftlichem Betriebskapital aus Gegenden, die eines intenſiven Anbaus weniger fähig ſind, in Gegenden, wo die Verhältniſſe zur intenſiven Bewirthſchaftung drängen und gerade in dieſem Vorgange liegt eine weitere Beſtätigung der bisher ent - wickelten Geſetze. 9)Dieſelbe Anſchauung auch bei Au a. a. O. p. 369 u. ff.Eine Unterſchätzung des Düngermaterials von Seiten der Exportirenden braucht dabei gar nicht vorhanden zu ſein und iſt wohl, wenigſtens nach den Erfahrungen, die man alltäg - lich an den Landwirthen aller Gegenden macht, ſehr ſelten vor - handen.

Ebenſo wird die Tendenz zu einer Wanderung des Dünger - kapitals in vielen Fällen eintreten müſſen, wenn zwei Länder, die bisher vermöge ihrer Entfernung von einander und ſonſtiger Ver - hältniſſe zu ſehr verſchiedenen Jntenſitätsgraden der Bewirthſchaftung genöthigt waren, plötzlich durch erleichterte Verkehrsmittel (Bau von Eiſenbahnen) einander gleichſam näher gerückt werden (was einer plötzlichen Verkürzung des Radius des Thünen’ſchen Staates ent - ſprechen würde). Wie für eine ſolche Annahme die Bewirthſchaf - tung der äußerſten bisher extenſiv bewirthſchafteten Zonen wegen der geringeren Transportkoſten eine intenſivere, der inneren wegen Verminderung der Produktenpreiſe in Folge der erhöhten Con - currenz mit den äußern Zonen eine extenſivere werden muß, alſo eine centrifugale Wanderung der landwirthſchaftlichen Betriebskapi - talien und der ackerbauenden Bevölkerung eintreten muß, ſo muß dies auch im Speciellen für das Düngerkapital gelten. Es würde deßhalb durch Verbindung zweier ſolcher Länder vermittelſt Eiſen - bahnen, eine den bisherigen Verhältniſſen entſprechende Sättigung des Bodens mit Düngerkapital vorausgeſetzt, eine Wanderung69Folgerungen.dieſes Kapitals aus dem Lande mit dem bis dahin ſehr intenſiven Betrieb in das andere Land, das bis dahin nur extenſiv bewirth - ſchaftet werden konnte.

Eine ſolche Wanderung wäre alſo jetzt etwa zu erwarten von den Getreidefeldern der Rheingegenden nach Ungarn, findet aber in dieſem ſpeciellen Fall und ganz gewöhnlich deßhalb nicht ſtatt, weil die Länder mit dem extenſiveren Betrieb trotz langjährigem Raub - baus anfangs noch einen großen Ueberſchuß an Düngerkapital zu beſitzen pflegen, weil in den Ländern, die den inneren Zonen des Thünen’ſchen Staates entſprechen, in ſolchen Fällen gewöhnlich eine vortheilhafte Anwendung des Düngerkapitals zu Handelsgewächs - bau gefunden wird und endlich wegen der ſehr geringen Trans - portfähigkeit der natürlichen Dungſtoffe. Weit eher wird dieſe Wan - derungstendenz in dem angezogenen Beiſpiel zu Tage treten durch Translocation anderer landwirthſchaftlicher Betriebskapitalien und Auswanderung der ackerbauenden Bevölkerung in die bis dahin extenſiv bewirthſchafteten Gegenden.

Man wird in Erwägung der ſeither entwickelten Geſetzmäßig - keiten auch leicht zu dem Gedanken kommen, daß die Wanderung des Düngerkapitals von Wald zu Feld, die uns in der Wald - ſtreunutzung entgegentritt, auch die einfache Folge der vortheilhafteren Anwendung eines Düngerkapitals bei der Produktion von Pflanzen - gattungen ſei, die überhaupt Verwendung von Kapital und Arbeit thatſächlich beſſer lohnen, und ſo in Verſuchung kommen, im Ge - genſatz zu den jetzt herrſchenden Anſchauungen aus jenen theore - tiſchen Gründen ſich für die Waldſtreunutzung zu entſcheiden. Jn - deſſen ſcheinen bei dieſer Frage noch andere Umſtände in Betracht zu kommen. Es ſcheint nach dem gleichlautenden Urtheil vieler land - und forſtwirthſchaftlicher Autoritäten durch die Streunutzung dem Wald viel mehr an Produktionsfähigkeit genommen zu werden,70Das Düngerkapital und der Raubbau.als das Feld durch jene Operation hiervon erhält, mit anderen Worten, dem Düngerkapital, was in der Waldſtreu enthalten iſt, eine untergeordnete Wirkung gegenüber gewiſſen phyſikaliſchen Vor - theilen, deren der Wald nicht entbehren kann, die für das Feld aber in anderer Weiſe beſchafft werden können, zuzukommen.

Wir kehren nach dieſen kleinen Streifzügen zu unſeren Be - trachtungen zurück. Dieſelben führen uns nothwendig zu einer ganz anderen Beurtheilung der Düngerwirthſchaft verſchiedener Nationen.

Daß Völker mit ſehr extenſivem Betrieb jährlich einen Theil des umlaufenden Düngerkapitals verloren geben, verſteht ſich zu - nächſt nach den oben entwickelten Geſetzmäßigkeiten von ſelbſt. Aber auch die Düngerwirthſchaft von Nationen, die durch ihre Verhält - niſſe zu dem weit intenſiveren Syſtem des ungefähren Wieder - erſatzes gelangt ſind, dennoch einen großen Bruchtheil ihres ge - ſammten umlaufenden Düngerkapitals verloren geben und ſich ſo zu dem Zukauf von Düngeſtoffen im großartigſten Maßſtab ge - zwungen ſehen, wird uns nach den angeſtellten Betrachtungen ſehr verſtändlich werden.

England z. B. betreibt die ihm vorgeworfene ſogenannte Verſchwendung10)J. v. Liebig a. a. O. Einleitung in d. Naturgeſ. p. 127 u. ff. von Düngeſtoffen einfach deßhalb, weil ihm die Opfer, die es bei Aenderung der beſtehenden Latrinenſyſteme in Syſteme, die die vollſtändige Gewinnung der Excremente ermöglichen, die es ferner an Reinlichkeit, Bequemlichkeit, ſowie an Geld bringen müßte, ſchwerer fallen, als der Kapitalaufwand, den ſie bei dem beſtehenden Syſteme für Peruguano und andere Düngeſtoffe zu machen ſich gezwungen ſehen, vorausgeſetzt, daß dieſe Stoffe nicht eine größere Mehrproduktion erzielen, als durch die verlorenen Dungſtoffe erzielt worden wäre.

71Folgerungen.

Auf der andern Seite ſind China und Japan zu einer für civiliſirtere Völker höchſt unappetitlichen11)Ebendaſ. Th. I. p. 259. Düngerwirthſchaft ge - nöthigt, einfach deßhalb, weil der Grad der Bevölkerung dieſer Länder, die Unfähigkeit ihrer Bewohner, ſich ihre Nahrung zu einem größeren Theile durch Handel mit auswärtigen Nationen zu er - werben und endlich ganz beſonders ihre naturwiſſenſchaftliche Un - wiſſenheit, die es unmöglich macht, Surrogate für die natürlichen Dungſtoffe aufzufinden, zu der abſoluten Erhaltung des in den Aeckern vorhandenen Düngerkapitals drängt.

Aber anſtatt ſich zu freuen darüber, daß unſere Kultur, unſere Kenntniſſe uns jenen poſitiven Genuß erlauben, den die Benutzung eines engliſchen Water-cloſets gegenüber einem chineſiſchen Aborte bietet, den wir überdies zu einem ſo billigen Preis erkaufen, will man dort das Muſter für unſere Düngerwirthſchaft ſuchen und em - pfiehlt die abſcheulichen Gebräuche eines halbbarbariſchen, tief unter uns ſtehenden Volkes als höchſt erreichbares Jdeal.

Hierin liegt wahrlich ein Maßſtab für jene großartige Verirrung, die bekämpfen zu müſſen, das Reſultat unſerer Unterſuchung war.

Aber, wird man fragen, liegt nicht dennoch in einer Dünger - wirthſchaft nach chineſiſchem Muſter unſere einſtige Zukunft?

Es kann kein Zweifel darüber beſtehen, daß für ein jedes Land, deſſen Bevölkerung keiner ſtetigen Verminderung unterliegt, eine Zeit kommen wird, in der der völlige Wiedererſatz dringend geboten er - ſcheint, denn ſelbſt die durch Jahrhunderte währende ſtetige Einfuhr von Nahrungsmitteln wird nur andere Länder um ſo ſchneller der Nothwendigkeit eines ſolchen Wiedererſatzes entgegenführen. Dieſer wird nun aber, wie jetzt in England, lange Zeiträume hindurch durch Düngemittel, wie ſie ſich an manchen Orten der Erdoberfläche in72Das Düngerkapital und der Raubbau.Form von Phosphoriten, Guanolagern, Kaliſalzen ꝛc. angehäuft vor - finden, beſtritten werden können, und ſelbſt wenn wir uns alle jene Stoffe verbraucht denken, wird jedenfalls ein Theil des Wiedererſatzes durch Fiſchguano und ähnliche dem Meere abgewonnenen Stoffe, deren Menge wir in Folge der Verſchleppung unſerer Düngeſtoffe in’s Meer als unerſchöpflich anſehen müſſen, geleiſtet werden können. Gleichzeitig werden aber auch die menſchlichen Excremente eine Preis - ſteigerung erfahren und in Folge davon werden ſich Methoden, die - ſelben in appetitlicher Weiſe aufzufangen und dennoch der Landwirth - ſchaft zukommen zu laſſen, mehr und mehr als rentabel erweiſen. Kurz es wird eine Entwickelung eintreten, wie ſie häufig für die Anwen - dung von Betriebskapitalien und Rohmaterialien bei einer jeden wirth - ſchaftlichen Produktion einzutreten pflegt, wenn die äußern Verhält - niſſe des Zufluſſes jener Produktionsfaktoren Abänderungen erleiden.

Jene Träumereien aber über die entſetzlichen Folgen12)Es iſt bekanntlich (Dr. J. Conrad, Liebigs Anſicht von der Bo - denerſchöpfung ꝛc. 1864) gänzlich unerwieſen und vielfach thatſächlich un - wahr, daß Länder, in denen Jahrhunderte lang eine hohe Kultur geherrſcht hat und in denen Betriebsmethoden mit ſehr mangelhaftem Wiedererſatz angewandt wurden, hierdurch in einem Grade unfruchtbar geworden ſind, daß ſich der Untergang der jene Länder bewohnenden Völker auch nur entfernt auf dieſe Urſachen zurückführen ließe, obgleich dies mit eben ſo viel Genialität und Umſicht, als Unbekanntſchaft mit hiſtoriſchen That - ſachen behauptet worden iſt. Man braucht, um dieſer Anſchauung ent - gegenzutreten, durchaus nicht zu verkennen, daß ſogenannte materielle Ur - ſachen mittelbarer oder unmittelbarer die geſammte Entwickelung der Nationen beherrſchen, daß jedes Volk und jedes Jndividuum das Produkt der auf dasſelbe wirkenden phyſiſchen Faktoren iſt. Aber ein vergebliches Streben wird es bleiben, die ganze Kulturgeſchichte mit ſo gar wenig Fak - toren aufzubauen. des Raubbaus werden ohne dauernden Einfluß auf unſere Methoden der Düngung bleiben.

73Folgerungen.

Der praktiſche und rechnende Landwirth hat ſich nie von den - ſelben beirren laſſen; dieſer wird ſtets zu dem Dünger greifen, der ihm nach ſeiner natürlich vielfach beſchränkten Einſicht den größten Reinertrag verſpricht.

Die Entwickelung der Anſichten der Theoretiker und dieſe Lehre wollen wir uns nicht vorenthalten über das Thun und Laſſen der Praktiker iſt auch hier geweſen wie überall.

Die erſten Lehrſätze, die die Theorie geben konnte, waren ab - gefaßt nur mit Berückſichtigung einiger wenigen bei der landwirth - ſchaftlichen Produktion mitwirkenden Umſtände und enthielten neben großartigen naturwiſſenſchaftlichen Wahrheiten die gröbſten wirth - ſchaftlichen Unwahrheiten. Dieſelben waren nur im Stande, die Wiſſenſchaft bei den wirklich tüchtigen Praktikern, die nicht die be - ſchränkte Richtigkeit jener Sätze einzuſehen fähig waren, wohl aber ihr Geſchäft verſtanden und die Unbrauchbarkeit jener Sätze für ihr Geſchäft ſofort erkannten, in Mißcredit zu bringen, was die Theorie ihres anmaßenden Auftretens wegen wohl verdient hatte, und die Meinung in ihnen zu befeſtigen, daß niemals von dem Theoritiſiren Etwas für die Praxis zu erwarten ſei.

Später gelingt es dann erſt der Theorie, mehr Umſtände mit in Rechnung zu ziehen, über die ſie bisher hinweggeblickt hatte und bei deren Berückſichtigung dann viele praktiſche Maßregeln, die man anfangs verdammt hatte, anfangen verſtändlich zu werden.

Dann aber iſt der Moment gekommen, wo beide, Theorie und Praxis, mit Beſcheidenheit eingeſtehen müſſen, die erſtere ihre An - maßung blos mit Spekulation und ohne die nothwendigen Kennt - niſſe gearbeitet zu haben, die andere, daß nun dennoch die Theorie ihre Lehrmeiſterin geworden ſei.

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TextDas Düngerkapital und der Raubbau
Author Adolf Mayer
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

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Bibliographic informationDas Düngerkapital und der Raubbau Eine wirthschaftliche Betrachtung auf naturwissenschaftlicher Grundlage Adolf Mayer. . 73 S. WinterHeidelberg1869.

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