ES hat der verliebte Eu - ropær etliche Jahre nach einander / in Be - ſichtigung der vornehmſten Laͤnder in Europa zugebracht / und abſonderlich ſeine hoͤchſte Vergnuͤgung in Converſation mit ſchoͤnen und tugendſamen Frauenzim̃er geſuchet / da ihm denn keines beſſer als das Teut -A 2ſcheſche gefallen / und abſonderlich wie er vergangene Michaelis - Meſſe / in die weltberuͤhmte Stadt Leipzig kommen / hat ihn das Frauenzimmer in ſelbiger Stadt ſo ſehr vergnuͤget / daß er auch ſo kuͤhn geweſen / dieſen geꝛingen Roman / dem Hoch - tugend-Edlen Leipziger Frauenzimmer zu dedici - ren. Denn warum ſolten ſo hochſchaͤtzbare Creaturen ei - nem curioſen Liebhaber nicht Vergnuͤgung erwecken koͤn - nen. Jhre Schoͤnheit abzu - bilden / muͤſſen ja auch die al - lerkuͤnſtlichſten Mahler mit al -lerler ihrer Kunſt zu Schanden werden / und die ſonſt aller unempfindlichſten Gemuͤther werden durch ihr Anſchauen zur Gegen-Liebe beweget. Die Stralen ihrer Augen ſind zwo Sonnen welche die kaͤlte - ſten Hertzen erwaͤrmen / und mit ihrer Verfinſterung die verliebteſten Seelen in Ver - zweifflung bringen koͤnnen. Die Glieder ſind bey denen meiſten Perſonen durch die Natur alſo formiret / daß der jenige welcher Selbige mit un - geſchickter Fauſt anruͤhrete / mit hoͤchſter Straffe muͤſte be - leget werdene. Jn Sum̃a / Jh -A 3rere Schoͤnheit meritiret in Wahrheit nicht allein von ih - res gleichen geliebet / ſondern auch von hohen Standes - Perſonen verlanget zu wer - den / indem in denen allervoll - kommenſten Leibern die aller - edleſten Seelen wohnen. Deñ die Schoͤnheit conſideriret mit nichten den Stand / weil ſelbi - ge mehrentheils der Zweck zu lieben / und die Tugenden der Geburt bey weiten vorzuzie - hen. Die koſtbaren Trinck - Geſchirr machen mit nichten den Wein / ſo darinne enthal - ten / koſtbar / ſondern die Guͤte deſſelben kan auch in dem ge -ring -ringſten Geſchirre geſpuͤret werden. Alſo auch / wann ei - ne Perſon gleich viel Ahnen / und wenig Tugenden zehlen kan / wird ſelbige von einem rechtſchaffenen Liebhaber nicht ſo geliebet / als die Jenige / wel - che den Mangel hohen Stan - des mit guten Qvalitaͤten er - ſetzet. Von hohen Verſtande / womit dieſe Engeliſche Men - ſchen begabet / will ich nicht ſa - gen / als welcher ohne dem durch die gantze Welt derge - ſtalt ausgebreitet / das auch ſelbſten hohe Haͤupter ſich wohl ehe nicht geſcheuet / ſelbi - gen zu ruͤhmen / und ein undA 4an -andere Schrifften / ſo oͤffent - lich im Druck ausgangen ſatt - ſam Zeugnuͤß geben. Durch ihre liebliche Ausrede iſt unſe - re teutſche Mutterſprache in Auffnehmen gebracht wor - den / welche ſich auch iederzeit mainteniren / und keineꝛ ſelbige recht begreiffen kan / wofern ihm nicht das Gluͤck guͤnſtig / zum oͤfftern mit ihnen zu con - verſiren / worinnen ſie deñ ſon - derlich von Liebes-Sachen zu discuriren ſo exerciret / daß ſie auch denen geuͤbteſten Liebha - bern ſubtile Fragen vorlegen koͤnnen. Und zwar iſt ihre Converſation mit eineꝛ ſondeꝛ -barenbaren galanden Freundligkeit vermenget / welche / ſo wohl die Jenigen / ſo die Buͤrdte des Ehſtandes noch nicht gefuͤh - let / als auch die / welche vor die eingezogene Jungferſchafft die freue Dienſtbarkeit erwehlet / uͤber alle maſſen recomman - diret. Mit kurtzen Worten. Es hat Alexander in Obacht ge - nommen / daß vor dem ein Ro - man / unter dem Titel des ver - liebten Affricaners in Druck gangen / weil er nun geſehen / daß ſolch Buͤchlein ziemlich viel Liebhaber gefunden / als hat er eben falls ſeinen Lebens - Lauff / unter dem Titel desA〈…〉〈…〉ver -verliebten Europaͤers / einem guten Freunde nach und nach erzehlet / welcher denn die - ſen Roman ein wenig in Ord - nung gebracht.
Hiermit verſichere ſich das ſaͤmtliche Europaͤiſche / und abſonderlich Hochtugend - Edle Frauenzimmer in Leipzig / daß gleich wie Ale - xander eine Perſon / welche an - noch am leben / aber umb ge - wiſſer Urſachen willen billich verſchwiegen wird / alſo iſt kei - ne Hiſtorie allhier gedacht worden / welche ſich nicht ſowolwol in als auſerhalb Teutſch - land zugetragen / aber doch mit veraͤnderten Umbſtaͤnden erzehlet werden.
Derowegen werden ſie die groſſe Kuͤhnheit dem ver - liebten Europaͤer verzei - hen / welcher ihre Hochſchaͤtz - baren Tugenden mit dieſer Liebes-Geſchicht vermengen wollen. Es waͤre zwar ſeine Schuldigkeit geweſen / dem Frauenzimmer etwas von E - xemplarien zu uͤberſchicken / weil aber die Ferne des Weges ihm gar leicht vor eine Ent - ſchuldigung dienen kan / alsA 6wer -werden ſie ſchon bey dem jeni - gen ſolche bekommen koͤnnen / zu welchen er / noch zuvor / ehe er ſich unterſtanden dieſen Ro - man ihnen zu dediciren ein gut theil Exemplarien wenig aus - genommen / ſo er vor ſich be - halten / geſchicket.
Was den Autorem / ſo dieſes Buch ordentlich verfaſſet / an - langet / hat derſelbe Bedencken getragen ſeinen Nahmen dar - unter zu ſetzen / weil ihm wol wiſſend / wie zum oͤfftern das beſte / und welches mit groͤſten Fleiß gemachet / verachtet wird. Uber diß haͤtte auch derAu -Autor dieſem Wercke gar leicht einen andern Titel geben / und nach dem heutigen Politiſchen Stylo Curiæ, den Politiſchen Liebhaber nennen koͤnnen / aber er hat hierinnen gantz an - dere Principia, ſolte er aber ſe - hen / daß ſeine Arbeit æſtimiret wuͤrde / ſo verſpricht er einen Tractat (welchen er ſchon un - ter Haͤnden hat) die Politiſche Wuͤnſchelruthe genannt / denen Jenigen / welche das Sonnen - Metall uͤber der Erde ſuchen / kuͤnfftige Oſter-Meſſe in die Haͤnde zu liefern / verbleibet unterdeſſen biß in den Todt des ſaͤmmtlichen Europæi -A 7ſchensſchens und abſonderlich Hoch-Tugend-Edlen Frauenzimmers in Leipzig /
verpflichteſter Diener
Amandus de Amanto.
Es wird demſelben annoch in friſchem Gedaͤchtniß ruhen / daß als ich bey juͤngſter Mi - chael-Meſſe von Wien nach Leip - zig gereiſet / durch ſonderbare Schi - ckung des Gluͤckes in deſſen Be - kandſchafft gekommen / da denn Selbiger mir noch uͤber diß mit et - lichen Curioſen Buͤchern (welche mich ſehr wol contentiret /) an die Hand gegangen / dadurch ich nicht wenig bewogen worden / mit ihm ins kuͤnfftige ferner Kunt - und Bekandſchafft zu pflegen / als re - ſolvirte ich mich nachgehends auff der Ruͤckreiſe / meine bißhero ge - fuͤhreten Lebens-Begebenheiten / mit dem Titul des verliebte Eu - ropæers bezeichnet / demſelben zuuͤber -uͤberſchicken / und weil ich neulich nur ſehr wenig Exemplaria Jhme uͤbermachen koͤnnen / als hat der - ſelbe hiermit den uͤber Reſt zuem - pfangen. Bitte unterdeſſen mir die angenehme Freundſchafft zu erweiſen / und dieſen kurtz abgefaſ - ſeten / aber doch / was den Jnnhalt anlanget / mehrentheils warhfften Liebes-Roman / geneigt auff und anzunehmen / wegen dieſer erzeig - ten Dienſt-Gefliſſenheit / erkenne ich mich die ganze Zeit meines kuͤnf - tigen Lebens vor.
Gegeben in Wien / den 20. Dec. St. N. 1681.
deſſen
treu verbundenen
Verliebten Alexander.
DonDOn Lomeno, Vice-Ree in Sicilien / hatte mit ſei - ner Liebſten in waͤrendem Eheſtande nur einen eini - gen Sohn mit Nahmen Alexander gezeuget / welcher / nachdem er zu ſeinen maͤnnlichen Jahren kom - men / ein trefflich tapffer Gemuͤthe von ſich ſpuͤren ließ. Und zwar ſo wohnete ſolches in einem recht anſehnlichen Lei - be. Jederman betrachtete ihn als ein Wunderwerck der Natur / denn der Glantz ſeines Geſichtes hatte eine ſol - che anziehende Krafft an ſich / daß auch die unempfindlichſten Hertzen ihn nicht ohne Liebes-Bewegung anſehen kun - ten. Der Ruff von ſeinem hohen Ver - ſtande / uͤbertraff zwar den Glauben / aber mit nichten die Warheit / denn wer nur in Sicilien reiſete / ſuchte Mittel und Gelegenheit dieſen beruͤhmten Helden zu ſchauen / und die Augen anſo2Der verliebteſo ſchoͤner Geſtalt zu laben. Die be - ruͤhmteſten Mahler kamen von allen Orten und Enden zuſammen / ſo vor - trefflich lebendiges Conterfait in ge - heim abzucopieren / denn ſie vermeine - ten / ihre Hand koͤnte durch nichts mehr begluͤckſeliget werden / doch machte die Natur alle Kunſt zu Schanden / und kunten die vermiſchten Farben kaum den Schatten oberwehnter Schoͤnheit / in etwas abbilden.
Nun hatte Don Lomeno vom Koͤnige in Spanien groſſe Verſiche - rung bekommen / ſeinen Sohn / ſo bald ſelbiger nur etliche Proben ſeiner Ta - pferkeit und Verſtandes wuͤrde von ſich ſehen laſſen / an Hoff zu befoͤrdern / dan - nenhero keine Zeit ſolte vorbey ſtreichen / ſeinen Sohn nach Madrit zu ſchicken / wie ſich denn hierzu gute Gelegenheit er eignete / weil eben ohnlaͤngſten zu Meſ -ſina3Europæer. ſina ein neu Orlochs-Schiff ausgeruͤſtet worden / welches in dreyen Tagen nach Spanien ſeglen wolte.
Der Vice Ree truge ſein Vor - haben Alexandern vor / in welches Er gar leichte willigte.
Alſo fuhr Alexander den drit - ten Tag darauff unter Gluͤckwuͤnd - ſchung ſeiner Eltern und nechſten An - verwandten fort. Das Meer erwieſe ſich ſo anmuthig / daß die Wellen mit ih - rer ſanfften Erhebung gleichſam ihren Hochmuth / ein ſo ſtattlich See-Ge - baͤude und tapfern Helden zutragen / mercken ließ. Das Schiff war mit 120. Stuͤcken und 700. Mann verſehen / und von ſolcher Groͤße / dergleichen in Sicilien noch nie geſehen worden.
Nun war zugleich auf dem Schiff ein leſuit, Pat: Laurentius, mit wel - chem ſich Alexander bekandt machte / weil Er vor dem am Spaniſchen Hoffege -4Der verliebtegeweſen / auch ebenfalls ietzt wiederum dahin gedachte / ſich wegen ein und des andern erkundigte / darauff ſelbiger alſo zu reden anfieng:
„ Tapfferer Ritter / ſo beruͤhmt und „ maͤchtig vordeſſen das Koͤnigreich „ Spanien geweſen / ſo jaͤhling iſt ſolches „ ſeithero in Abnehmen gerathen / alſo / „ daß kaum der Schatten eines ſo ſchoͤ - „ nen Landes mehr uͤbrig. Faſt die „ Helffte des vereinigten Niederlandes „ iſt abgefallen / und zwar um keiner an - „ dern Urſache / als weil die Spanier „ ihre Herrſchafft mit allzu-groſſer „ Strenge zu behaupten ſuchen. Por - „ tugall / welches vor dem den Koͤnig in „ in Spanien vor ein Oberhaupt er - „ erkennete / hat ietzt ſeinen eigenen Re - „ genten. Jch wil nicht ſagen / wie ſehr ſel „ biges Koͤnigreich von Menſchen ent - „ bloͤſſet / indem ſo eine groſſe Menge „ vormals in die neue Welt geſchicket /wo -5Europæer. wovon es keinen andern Nutzen / als „ daß in etliche Jahren die Silberflotte „ einmal heraus kommt / welche / wann „ ſie verungluͤcket / oder (wie mehrmals „ geſchehen /) vom Feinde weggenom - „ men wird / ſo gehet faſt ein jaͤhrlich „ Einkommen des gantzen Koͤnigreiches „ auffeinmal zu Grunde. ‟
Als dieſe beyde alſo in Reden be - griffen / wurde der Steuer-Mann ge - wahr / daß 5. Schiffe mit vollen Segeln auff das Sicilianiſche Schiff zu lieffen / welche man / wie ſie etwas naͤher kamen / an ihren Flagen erkennete / daß es Fran - tzoͤſiſche Caper / (weil der Koͤnig in Franckreich wegen einiger prætenſion in Catalonien / denen Spaniern den Krieg zu waſſer und Lande angekuͤndi - get /) die Spaniſchen Soldaten mach - ten ſich unter dem Commando ihres Capitains zur Gegenwehr fertig / und wendeten ſich dem Feinde entgegen.
Das6Der verliebteDas groͤſte feindliche Schiff gab mit einem Canon-Schuß zum Treffen die Loſung / und lieff mit aller Macht auff das Spaniſche loß. Der Capitain lies aus 6. Stuͤcken zugleich Salve ge - ben / welche denn dergeſtalt wuͤrckte / daß die ſtaͤrckſte Feindliche Fregatte ein Loch bekam / und weil das Waſſer haͤuffig hinein lieff / zu ſincken anfieng / doch wur - de das Volck errettet / und auf die an - deren Schiffe gebracht / welche / weil ſie ſahen daß ihr beſter Beyſtand verlohren gangen / die Flucht gaben. Die Spa - nier hattẽ bey dieſem Scharmuͤtzel auch wenig Seide geſponnen / in dem 45. Mann todt blieben / nnd 31. verwun - det / worunter Alexander, welcher ei - ne kleine Wunde am lincken Schenckel bekommen.
Den dritten Tag nach dieſem Tref - fen bekame man die Jnſel Sardinien ins Geſicht / welche auch noch ſelbigenTag7Europæer. Tag erreichet wurde / und den 4ten dar - auff nach Carthagena gelangete.
Alexander erfreuet ſich / als er wiederum auff feſten Lande war / weil er von Sicilien aus / (als des Meeres ungewohnet) eine kleine Kranckheit ausgeſtanden / blieb 8. Tage ſtille liegen / und erholet ſich alſo ein wenig / kauffte hierauff 2. Pferde / eines vor ſich / das an - dere vor ſeinen Diener Fridrich / und rit - te immer nach Madrit zu.
Er hatte kaum Carthagena 3. Stunden hinter ſich geleget / als Fried - rich von ferne drey Reuter auff ſie zuren - nen ſahe / und ſolches ſeinem Herrn ver - meldete / welcher ſagte:
Dieſes wird ohne Zweiffel uns „ gelten / entbloͤßte derowegen ſeinen „ Degen / und blieb ſtille halten / um „ zu vernehmen / was dieſer drey Kerle „ ihr Anbringen.
Der eine aus dieſen randte in vol -Bler8Der verliebteler Curier auff Alexandern loß und re - dete ihn mit folgenden Worten an.
„ Wer hat dich jungen Boͤſewicht ſo „ kuͤhn gemacht / dein Seiten-Gewehr „ zu entbloͤſſen?
„ Alexander antwortete: Und „ wer hat dich Ehrvergeſſenen Schelm „ ſo kuͤhn gemacht / mich darum zu „ fragen? Solches ſolſtu bald erfahren / ſagte jener / zoge ſeinen Degen hervor / in Meynung Alexandern mit einem Stoſſe zu erlegen / welcher aber ſelbigen geſchwind parirte / und hingegen ſeinen Widerpart ſo wohl traff / daß kein wei - ter Ttreffen mehr vonnoͤthen. Da die andern ſahen / wie es ihrem Camera - den ergangen / wolten ſie dem Land - Frieden nicht trauen / ſondern begaben ſich auff die Flucht / aber Alexander ſatzte mit ſeinem Diener ihnen nach / und ereilet noch den Hinderſten / gab ihm mit ſeinem Gewehr einen ſolchen Rip -pen -9Europæerpenſtoß / daß die Seele alsbald aus dem verfluchten Quartier des Leibes Ab - ſchied nahme.
Der dritte entkam durch Huͤlf - fe ſeines ſchnellen Pferdes / und anſtatt der Beute / ſo er vermeynet nach Hauſe zu bringen / muſte er vor lieb nehmen / ſein Leben kuͤmmerlich ſalviret zu ha - ben. Alexander hatte in dieſem Ren - contre keine Wunde bekommen / nur war das Pferd am Halſe ein wenig ge - ritzet.
Die uͤbrigen Tage der gantzen Reiſe trug ſich ſonſten nichts ſonderli - ches zu / dannenhero auch Alexander mit gutem Vergnuͤgen den dreyzehen - den Tag nach Madrit gelangete / und im Gaſthoff / der guͤldene Stern ge - nannt / ſein Quartier nahm. Des fol - genden Tages ließ er bey dem Koͤnige um Audientz Anſuchung thun / welches ihm nicht abgeſchlagen wurde.
B 2Als10Der verliebteAls nun Alexander nach Hofe kam / muſte er alſobald vor dem Koͤnige / und ihrer Majeſtaͤt die Brieffe von ſei - nem Hn. Vater / (worinnen der Zu - ſtand in Sicilien berichtet wurde /) uͤber - reichen / nach deren Uberleſung ſagte er zu Alexandern:
Es hat euer Vater in ſeinem „ Schreiben unterthaͤnigſt bey mir „ angehalten / euch / als ſeinen einigen „ Sohn / zu mir nach Hoffe / und mit der „ Zeit unter meine Eſtats Diener zu „ nehmen / welches ich auch thun wil / „ verhoffe aber / ihr werdet iederzeit mei - „ ne und meines Reichs Wohlfarth be - „ ſter maſſen beobachten.
Alexander bedanckte ſich demuͤ - thigſt / welchen ſolches hohen Erbietens / mit Verſprechung ſein Leib und Leben in ihrer Majeſtaͤt Dienſten auffzuopf - fern.
Uber 2. Monat fiel des KoͤnigsGe -11Europæer. Geburths-Tag ein / welchen er hoch - feyerlich begieng. Fruͤhe Morgens loͤ - ſete man ſo viel Stuͤcken / als Jahre ſei - nes Alters / auff dem Abend / war ein Ballet angeſtellet / worzu das vornehm - ſte Frauenzimmer in Madrit gezogen wurde / und muſte Alexander, nebſt an - dern Hoff-Cavallieren / ſolches bedie - nen / worzu er ſich gar gerne gebrauchen ließ / weil ohne dem ſeine Natur von ziemlich verliebter Eigenſchafft.
Nachdem der Koͤnig mit ſeiner Svi - te auff dem Saal / allwo das Ballet ſol - te gehalten werden / angelanget / und die anweſenden Dames / ſamt denen Ca - vallieren / dem Tantzen zuſahen / erblick - te Alexander, unter dem Hauffen ein Frauenzimmer / die von ſolcher ausbuͤn - digen Schoͤnheit / daß iederman auff ſel - bige / als eine irrdiſche Goͤttin / ein Au - ge warff / und mehr auff ſie / als das Bal - let acht gab.
B 3Der12Der verliebteDer Sicilianiſche Ritter machte ſich ein wenig naͤher zu Madamoiſelle A - menia / (denn ſo hieß das Frauenzim - mer /) welche eine eintzige Tochter des Reichs-Cantzlers in Spanien / und re - dete ſolche folgender Geſtalt an:
„ Schoͤnſte Amenia. Der Glantz ih - „ rer preißwuͤrdigen Schoͤnheit iſt die „ einzige Urſache geweſen / deroſelben in „ aller Unterthaͤnigkeit auffzuwarten / „ iſt nun mein Vornehmen zu kuͤhn / ver - „ lange ich deswegen mit nichten Ver - „ gebung / ſondern bin bereit / auch das „ allerſtrengeſte Urtheil meiner Straffe „ aus dero anmuthigen Munde zu ver - „ nehmen.
Amenia antwortete hierauff alſo:
„ Tapfferer Ritter / ich weiß in War - „ heit nicht / wie ich mich in deſſen Wor - „ te ſchicken ſoll / er irret vielleicht in mei - „ ner Perſon / und ſuchet das jenige / ſoer13Europæer. er bey mir nicht antreffen kan. War - „ um nennet er mich ſchoͤn / da doch mein „ Spiegel mir weit einanders ſaget / und „ unterwirffet ſich meiner Straffe / da ich „ doch vielmehr anitzo von ihm ſolte ge - „ ſtraffet werden / daß ich deſſen hohes „ Anbringen nicht mit beſſerer Geſchick - „ ligkeit beantworten koͤnnen?
Dieſe vor ein Frauenzimmer recht kluge Antwort bewegte unſern verliebten Ritter / ſich bey Amenia nieder zu laſſen / und mit ihr ein und die andern Diſcurſe zu fuͤhren / da er denn aus ihren Gegen-Antwortungen einen ſehr hohen Verſtand abnehmen kunte / welcher nebſt andern Qualitaͤten ihn dermaſſen einnahm / daß / weil er aus al - len Umſtaͤnden und Reden Mada - moiſelle Ameniens Guñſt verſichert wurde / auff Mittel und Gelegenheit ſinnete / ſeine Liebes-Funcken / welcheB 4an -14Der verliebteannoch unter der Aſche glimmeten / in volle Flamme zu bringen / und durch Entdeckung ſeiner Liebe / ſein Hertz ei - nen halben Centner leichter zu machen.
Mit Endigung des Ballets mu - ſten unſere verliebten Perſonen eben - falls ihre Zeit-vertreibende Diſcurſe endigen / und die Hoffnung einander eheſtens wiederum zu ſehen / zum Troſt behalten.
Alexander begab ſich / (nachdem er zuvor Amenien auff die Kutſche be - gleitet /) in ſein Quartier / war aber alſo beſtuͤrtz / daß er die folgende gantze Nacht kein Auge zuthate / ſondern ſtets den an - brechenden Morgen wuͤndſchte / um vielleicht das Gluͤck zu haben / die jenige Perſon / welche ſein gantzes Hertze inne hatte / zu ſprechen.
Es gienge Alexandern hier / wie mehrentheils denen Liebhabern /wel -15Europæer. welche in Abweſenheit ihrer Liebſten / al - le Augenblicke vor Stunden / und alle Stunden vor Tage rechnen.
Hierzu ereignet ſich nun gute Gele - genheit / denn als kaum die guͤldene Morgenroͤthe die bald nachkommende Sonne verkuͤndiget hatte / begab ſich Alexander aus dem Bette / that ſein Gebet / nach deſſen Verrichtung hoͤrte er iemand an die Thuͤre klopffen / eilete dannenhero alsbald / um zu ſehen / wer doch in ſo fruͤher Morgenſtunde ihn zu ſprechen verlangete.
Wie die Thuͤre auffgemacht / er - ſahe Alexander des Koͤnigs-Kammer - diener / welcher ihm vermeldete / daß ge - ſtern Abend ein Frantzoͤſiſcher Geſand - te / Monſ. Lovillie, genannt / ankom - men / ließ ihm alſo der Koͤnig vermel - den / oberwehnten Geſandten / Nach - mittag / nebſt andern Hoff-Cavallie - ren / in die angeſtellte Tragœdie, (wor -B 5innen16Der verliebteinnen die Hinrichtung Carl Stuarts / Koͤnigs in Engelland / ſolte præſenti - ret werden /) zu begleiten.
Alexander war auff den empfan - genen Befehl bereit / zumal / da er durch dieſes Mittel Amenien zu ſprechen / verhoffte.
Als nun der Geſandte in das Comœdien - Hauß gebracht worden / ſahe ſich Alexander ebenfalls nach ſei - nem Theater, (allwo er die Perſon eines verliebten Europaͤers vertre - ten wolte /) oder daß ich dem geneigten Leſer aus dem Traume helffe / ſo war Amenia der Zweck / wornach unſers verliebten Ritters Liebes-Pfeile ziele - ten / ſie war das guͤldene Kalb / ſo dieſer abgoͤttiſche Jſraelite anbetete / ja ſie war der Liebes-Altar / worauff Alexander den Weyrauch ſo vieler Seuffzer opfferte.
Kaum hatten die Augen in etwasFrey17Europæer. Freyheit bekommen / als das jenige er - blickten / welches Alexander ſchon ver - langte in ſeinen Armen zu haben. Denn es hatte Amenia ſchon geſtriges Tages bey ſich feſte geſtellet / die Comœdie zu beſuchen / und ſolches nun auch ins Werck gerichtet.
Hierauff nahete ſich unſer Sicilia - niſche Ritter zu dieſem Liebes-Feuer / um die Abweſenheit ſeiner Geliebten erkalten Glieder wiederum in etwas zu erwaͤrmen / ſatzte ſich auff einen da - ſelbſtſtehenden Stul / nechſt Amenien nieder / nicht zwar der Tragœdie zu zu - ſehen / ſondern mit Vorſatz / ſelbſten eine luſtige Liebes-Comœdie zu agiren / de - rohalben fieng er alſo an zu reden.
Schoͤnſte Gebieterin meines „ biß auff den Tod verwundeten Her - „ tzens. Die Liebe / welche den hoͤchſten „ Zweck der Vergnuͤgung nicht errei - „B 6chet /18Der verliebte„ chet / iſt in Warheit die Ungedult „ ſelbſten / und die Liebes-Wunden wel - „ che vor allen andern Wunden die „ ſchmertzlichſten / koͤnnen durch keine „ Perſon eher / als derjenigen / ſo ſie ver - „ urſachet / geheilet werden. Jch geſtehe „ es gar gerne / und will hiermit Dero - „ ſelben mein gantzes Hertz offenbahren / „ daß auff den erſten Anblick Jhrer un - „ vergleichlichen Geſtalt mein Hertz „ durch Liebe alſo erhitzet worden / daß / „ wofern ſie mit dem kraͤfftigen Kuͤhl - „ Pflaſter Jhrer Affection, meinem „ Schaden nicht zu Huͤlffe koͤm̃t / mein „ Lebens-Licht / aus Mangel zuflieſ - „ ſenden Oels / jaͤhling verloͤſchen wird. „ Jch erkenne mich zwar viel zu un - „ wuͤrdig / ihre Liebe zu genießen / ver - „ hoffe aber / es werde die Vollkommen - „ heit dero Perſon / die auff meiner Sei - „ te vorſtehende Maͤngel / ſatſam bede - „ cken koͤnnen / wie ich denn letzlich nichtsmehr19Europæer. mehr bitte / als entweder mein ohne „ dem ſchon halb todte Lebens-Geiſter / „ mit einem kraͤfftigen Ja / zu erqui - „ cken / oder ohne fernere Kraͤnckung „ meines Gemuͤthes / mir ein unver - „ muthetes Nein / mit ins Grab zu ge - „ ben.
Amenia antwortet hierauff alſo:
Hoͤfflichſter Ritter. Die Liebe / „ welche aus einem tugendſamen Her - „ tzen entſtehet / begehret nicht leicht et - „ was albers / ob wohl die Wuͤrckung „ derſelben hefftiger / als bey andern Ge - „ muͤths-Regungen. Er giebt vor / „ ich habe ihn verwundet / da es doch „ ihm ergangen / wie insgemein denen „ Liebhabern / welche an denen Perſo - „ nen / ſo ſie lieben / auch die groͤſten „ Maͤngel vor lauter Tugenden hal - „ ten. Warum ſaget er / meiner Liebe „ unwuͤrdig zu ſeyn / da ich doch auff „ meiner Seiten / mich eher des Todes „B 7ver -20Der verliebte„ verſehen / als daß ein ſo tapfferer Ca - „ vallier meine Liebe ſuchen ſolte. Un - „ terdeſſen ſey er nur immer gutes „ Muths / und verſichere ſich / daß / wo - „ fern es ja mit ſeiner Liebe kein Schertz / „ und mein Herr Vater ſeinen Willen „ darein giebt / ich vor die allerunhoͤff - „ lichſte Perſon unter der Sonnen muͤ - „ ſte gehalten werden / ein ſo hohes An - „ ſinnen nicht vor ein groſſes Gluͤck an - „ zunehmen.
Hierauff erholete ſich Alexan - der wiederum ein wenig / und wuſte vor groſſer Hertzens - Vergnuͤgung nicht was er ferner vorbringen ſolte / denn es hatte ihm die unvermuthete Freude wegen Ameniens Erklaͤrung / gantz und gar die Zunge gelaͤhmet. Dorten ſaſſe er gleich einer in Stein gehauen Sta - tuen / und weil der Mund nicht zu re - den vermochte / ſo muſten die Augen die Stelle vertreten / welche / weil ſie ſtetsauff21Europæer. auff Amenien gerichtet / ihr mit Scham - hafftigkeit eine ziemliche Roͤthe in das Geſichte jagten / dieſe nun zu verbergen / ſagte ſie zu Alexandern: Solte ich wiſ - ſen / daß meine Gegenwart die Urſache ſolcher Melancholey / welche er ietzt von ſich ſpuͤren laͤſt /) ſey / wolte ich noch vor Endigung dieſes Schauſpiels mich nach Hauſe begeben.
Mit nichten / verſetzte Alexan - der, iſt ſelbige die Urſache / ſondern die Kuͤnheit / welche ich / in Offenbahrung meiner Liebe / anietzo ſehen laſſen / und wofern dero weitberuffene Guͤtigkeit mir nicht die Hoffnung uͤbrig lieſſe / ein ſo kuͤhn Verfahren nicht uͤbel auffzu - nehmen / wuͤrde ich in Sorgen ſtehen / meiner Gebieterin Gunſt auff einmal verſchuͤttet zu haben / ſintemal mir wohl wiſſend / daß keine Liebe ſo gluͤckſelig und erwuͤndſcht kan hinaus gefuͤhret wer - den / daß ſie ſich nicht zuweilen mit etwasUn -22Der verliebteUngemach begleitet befinde. Jch er - kenne mich gar gerne vor dero uͤber wun - denen leibeigenen Sclaven / zumal die Gefaͤngniſſe / welche mehr Freyheit in ſich haben / mehr zu begehren ſeynd / als die Freyheiten welche die Gefangen - ſchafften in ſich begreiffen. Denn weit annehmlicher iſt es / eine Beherrſcherin zu haben / als ſein eigener Herr / in ſchmertzlichen Verlangen zu ſeyn / und die Kette / mit welcher ich ietzund / durch dero Magnetiſche Krafft befeſſelt bin / ſchaͤtze ich weit hoͤher / als wenn ſelbige vom herrlichſten Arabiſchẽ Golde waͤre.
Als nun die Comœdie geendi - get / verfuͤgte ſich Amenia in ihre Behau - ſung / der Alexander alsbald folgte / welcher dieſe Nacht noch mit vielmehr unruhigen Gedancken / als die vorige / zubrachte. Denn eines Theils lag ihm im Sinne / ob auch wohl Ameniens Vater Don Loranto, ihm werde ab -ſchlaͤg -23Europæer. ſchlaͤgliche Antwort geben / anders Theils war ihm nicht bewuſt / ob auch ſeine eigene Eltern in dieſe vorhabende Heyrath willigenwuͤrden. Doch traue - te er dem Gluͤcke / und ließ folgenden Morgen ſich bey Don Loranto anmel - den / brachte / nach abgelegter Viſite / ſeine Werbung wegen Amenien / ſo ge - ſchickt vor / daß ihr Herr Vater und Frau Mutter kein Bedencken trugen / dieſe ihm alsbald zuverſprechen.
Die Freude welche Alexander wegen ſo guter Verrichtung / an ſich mercken ließ / war ſo groß / daß meine Feder viel zu ohnmaͤchtig / ſelbige gnug - ſam auszudrucken.
Es wird dem geneigten Leſer ver - hoffentlich Gnuͤge geſchehen / wenn ich vermelde / daß Alexander nicht mehr Alexander, ſondern ein gantz umge - kehrter Menſch war / vordem gieng er ſtets mit tieffen Gedancken ſchwanger /ietzund24Der verliebteietzund aber ward ſein Gemuͤth / durch Krafft eines einigen Woͤrtleins (Ja /) aller Sorgen befreyet.
Aber meyneſtu / indem du ietzt von deiner Liebſten angenehmſten Munde die ſchoͤnſten Roſen abbricheſt / daß du den geſchwinden Lauff des Gluͤck - Rades auffhalten koͤnneſt? Weiſt du nicht daß auch bey den klareſten Son - nenſchein die lieblichen Sirenen mit ih - rer durchdringenden Stimme den bald kommmenden Sturm verkuͤndigen? Jch vermelde dir hiermit / daß die Per - ſon / an welcher du ſeithero im Lieben erſaͤttiget / wird in kurtzer Zeit der Wuͤr - mer unerſaͤttlichen Magen fuͤllen muͤſ - ſen. Wie geſaget / Alexander hielte ſich nunmehro vor den Aller-gluͤckſe - ligſten Menſchen auff dem Erdboden / und meynete nicht / daß das Ende ſei - ner Gluͤckſeligkeit ſchon vor der Thuͤre waͤre.
Nun25Europæer.Nun begab es ſich / daß der Koͤnig eine kleine Luſt-Reiſe anſtellete / und zu ſeiner Auffwartung auff der Reiſe / un - ter andern Hoff-Cavallieren / Alexan - dern mit verlangte. Selbiger waͤre zwar gerne bey ſeiner liebſten Amenien zu Hauſe verblieben / doch weiles dem Koͤnige alſo beliebte / muſte er ſeinen Willen / wiewol ohngern / darein geben.
Als der Tag zum Auffbruche be - ſtimmet / ſuchte Alexander noch vor ſei - ner Abreiſe Gelegenheit / von Amenien auff wenig Tage Abſchied zu nehmen / gieng derowegen in ihre Behauſung / da er ſie deñ / (weil es annoch ſehr fruͤh /) in ihren Nacht-Kleidern / uͤber dem Ge - bet-Buche antraffe.
Der Abſchied war / wie ins gemein bey denen Verliebten zu geſchehen pfle - get / ſehr traurig / denn die Reden / Seuf - tzer und Thraͤnen / vermengten ſich der -ge -26Der verliebtegeſtalt mit einander / daß das vereinigte Stillſchweigen der beſte Scheidsmann ſeyn muſte. Denn es hatte Alexander Amenien ſo inbruͤnſtiglich umfaſſet / daß auch die aus dem Hertzen entſpringende Thraͤnen-Quelle nicht maͤchtig gnug war / die brennende Liebes-Flamme zu loͤſchen. Sie blieben in ſolcher Poſitur eine gute weile / ohn einiges Wortwech - ſeln / bey einander ſitzen / biß endlich A - menia ſagte.
„ Weil denn der Himmel einmal den „ Schluß gefaſſet / daß wir beyde auff „ wenige Zeit / von einander geſchieden „ ſeyn muͤſſen / ſo wollen wir uns vor die - „ ſes mal zu frieden geben / und geden - „ cken / daß die Liebe das jenige / welches „ uns anietzo die mißgoͤnſtige Zeit rau - „ bet / in kurtzen wiederum mit doppel - „ ter Zinſe einbringen koͤnne.
Alſo reiſete Alexander nach ge - nommenen Abſchied aus Madrit weg /auff27Europæer. auff 5. Meilen davon gelegenes Schloß.
Wir wollen ihn allda ein wenig verziehen laſſen / und uns zu Amenien wenden / welche in Abweſenheit ihres Liebſten / ſich alſo graͤmete / daß ehe drey Tage vorbey giengen / ſie in eine hitzige Kranckheit fiel / und den Geiſt auffgab.
Was ſolcher unvermuthete Toch - desfall vor Hertzeleyd bey denen El - tern verurſachet / kan man leicht ermeſ - ſen / indem ſelbige die eintzige Erbin ih - res gantzen Vermoͤgens / (welches ſich uͤber eine Tonne Goldes belieff /) im Sarge muſten liegen ſehen.
Ameniens todter Leichnam war kaum recht erkaltet / als Alexander wiederum nach Madrit kam / und nach empfangner trauriger Botſchafft / vor Jammer nicht wuſte / was er anfangen ſolte. Denn ſo vergnuͤgt ſonſt ſeithero ſein Gemuͤth in Madrit geweſen / ſover -28Der verliebteverdrießlich kam ihm nunmehro dieſe Stadt / nach dem toͤdtlichen Hintritt ſeiner Liebſten vor. Jederman trug mit ihm hertzlich Mitleiden / und eben hierdurch wurden ſeine Wunden durch Ameniens Gedaͤchtniß immer wieder - um von neuen auffgeriſſen.
Dieſem nun bey Zeiten abzuhelffen / achtete er vor das beſte / ſich vom Spa - niſchen Hoffe weg zu begeben / weil er davor hielte / es koͤnten die traurigen Ge - dancken durch nichts eher / als eine wei - te Reiſe / vertrieben werden / weil einem in der Fremde offt Sachen vorkaͤmen / welche verurſachten / daß man an das Gegenwaͤrtige gedencken muͤſte / und alſo das Vergangene deſto eher aus dem Sinne laſſe.
Es iſt oben von Alexanders Diener / Friedrichen / in etwas Mel - dung geſchehen. Dieſer hatte ſich ſeithe - ro in Madrit / nach dem Exempel ſei -nes29Europæer. nes Herrn / in eines Beckers Tochter / deren Vater Peter / Lateiniſch Petrus, hieſſe / verliebet / dannenhero er bey ſelbi - ger alle Morgen ein friſch-gebackene Semmel abholete. Damit es nun Vater und Mutter nicht mercken moͤchten / muſte er allezeit gantz Geld mitbringen / und ſich ſtellen / als wenn ihm die Tochter wechſeln ſolte / bekahm aber ſein Geld / doch an kleinern Sor - ten / wieder / wenn hingegen der Apo - ſtoliſche Becke mit ſeiner Frauen in der Muͤhlen / beſuchte Friedrich ſein Ma - rigen / ja ſie wurden zuletzt mit einander ſo bekannt / daß er ihr offt das jenige ſchenckte / welches an manchen Orte nicht allein die Jungfern / ſondern auch wohl verehlichte Perſonen / ſonderlich die jenigen / welche alte Maͤnner / oder nach der Grundſprache (Viros emeri - tos haben /) offt mit groſſem Gelde /und30Der verliebteund jaͤhrlichen Beſoldungen bezahlen muͤſſen.
Aber wiederum auff meine Erzeh - lung zu gelangen / ſo hatte Friedrich die - ſes Handwerck ſeithero ziemlich begrif - fen / und mangelte ihm nichts mehr als ein vollkommenes Meiſterſtuͤck / wo - durch er in die Zunfft der Fleiſchmacher / (Fleiſchhacker wolte ich ſagen /) kom - men koͤnnen.
Damit er aber von ſeiner Abreiſe ſein Marigen noch einſten beſuchen / und zu gleich die letzte Dienſt Schuldig - keit abſtatten moͤchte / begab er ſich ge - gen Abend dahin / und zwar war ihm das Gluͤck ſo guͤnſtig / das weder Vater noch Mutter zu Hauſe / dannenhero gieng er mit froͤlichen Muthe zu ſeiner Liebſten / und blieb auch die folgende gan tze Nacht bey ihr. Unter andern Dis - curſen / welche allhier gefuͤhret wurden / fragte Marigen Friedrichen: Wo dennſein31Europæer. ſein Herr hin reiſen wuͤrde / welcher ant - wortete: Alexander habe in Oſt-Jn - dien eine reiche Erbſchafft bekommen / wolle alſo ſich dahin bewegen / und nach Beſichtigung derſelben ihme die Helffte wegen ſeiner getreuen Dienſte uͤberlaſ - ſen. Das guͤte einfaͤltige Maͤdgen / wel - ches noch nicht viel unter Leuten gewe - ſen / lieſſe ihr ſolches gar leicht einſchwa - tzen / weil ſie vermeynete / Qſt-Jndien waͤre etwa eine Stadt im Koͤnigreich Spanien gelegen / doch ſagte ſie: Wie offt werde ich in euer Abweſenheit den Teig / an ſtatt des Waſſers / mit Thraͤ - nen knaͤten / er troͤſtete ſie aber im̃er / mit vermelden / ſein Herr und er wuͤrden uicht lange auſſen bleiben.
Sonſten wurde die Nacht nach Art der Verliebten / mit ſattſamer Ver - gnuͤgung zugebracht / gegen Morgen aber uͤberfiele beyde ein ſo ſtarcker Schlaff / daß ſie nicht erwachten / biß dieCSon -32Der verliebteSonne ſchon 3. gantzer Stunden auff ihr Bette geſchienen.
Kaum war Marigen mit ihrem Bett-Liebſten aus denen Federn ge - krochen / als der Vater / (welcher aus der Muͤhle nach Hauſe kommen / und ſich uͤber der Tochter ſonſt ungewoͤhnli - chen Schlaff verwundert /) ohnverſe - hens in die Kammer trat / und ſeinen Eydam im Hembde ſtehen ſahe / deßwe - gen ihn denn der Zorn dergeſtalt uͤber fiel / daß er alsbald aus der Kammer in die Stube lieff / umb ſeinen Degen / welcher Meiſter Pendixens Galante - rie Klingen ſehr gleich ſahe / zu holen.
Der erſchrockene Courtiſan hatte ſich unterdeſſen ſchon ſeines Le - bens verziehen / und die Kammer mit einen ziemlichen ſtarcken Geruch ange - fuͤllet / doch reſolvirte er ſich endlich zur Flucht / (zumal ſeines Herrn Logia - ment des Veckers Hauſe gleich uͤber) ſuch -33Europæer. ſuchte ſeinen Rock / welchen er aber vori - gen Abends nebſt ſeinem Seiten-Ge - wehr in der Stube gelaſſen / derowegen ergrieff er die Hoſen / warff ſelbige uͤber dem Kopff / knoͤpffte ſie um den Leib zu - ſammen / ſtackte die Arme durch die Beinloͤcher / und ſprang alſo zur Kam - mer-Thuͤre heraus.
Der ergrimmete Schwieger-Va - ter kam auch gleich mit bloſſen Degen aus der Stube / und da er ſahe / daß der gefangene Galgenvogel aus dem Ge - bauer fliegen wolte / war er Willens ihm die Federn zuverſchneiden / derowegen fuͤhrete er einen ſolchen Streich auff Friedrichen / daß wofern er ihn getrof - fen / der Kopff gar leicht die Treppe her - unter tantzen / und ſeinen Herrn im Sti - che laſſen koͤnnen.
Friedrich eilete davon zu kommen / kunte aber nicht ſo geſchwind uͤber die Treppe voltiſiren / daß ihm nicht derC 2Be -34Der verliebteBecker Petrus von hinten zu / einen ſolchen Streich verſetzet / welcher ein großes Stuͤck von der lincken Seite des Kopffes biß auff die Kuͤhnbacken nebſt dem gantzen Ohre hinweg nahm / doch entrunne er endlich muͤhſam gnug und reterirte ſich in Alexanders Lo - giament.
Hier Kam Friedrichen ſehr wohl zu ſtatten / daß ihm ſein Herr vormahls ein ſtuͤck koſtbare Wund-Salbe / (wel - che er allezeit bey ſich zu fuͤhren pflegte) verehret / derowegen ſchmierete er ſich ſtracks ein Pflaſter / legte ſolches auff den Schaden / und ſetzte eine alte vermutzte Purbaͤumerne Paruqve (welche ihn ebenfalls Alexander geſchencket) auf / damit man nicht etwa den Verluſt des Ohres abnehmen koͤnte.
Nun wollen wir uns wiederum in des Beckers Haus wenden / allda hatte der boßhafftige Vater ſeine Toch -ter35Europæer. ter ernſthafftig vor / ſchlug ihr das abge - hauene blutige Ohr (welches er von der Wahlſtatt auffgehoben) etliche mal um das Maul herum / und examinirte ſie / was dieſe Nacht vorgangen / welche deñ nichts leugnete / aber doch zu ihrer Ver - theidigung in ihre Lade gieng / und einen Beutel mtt 10. Ducaten welche ſie einsmals in einer alten Brandſtaͤdte ge - funden) herwieß / mit vermelden / es ha - be ihr ſolche Friedrich gegeben. Der Vater wurde durch den hellen Glantz des Goldes alſo geblendet / das er ſeiner Tochter den begangenen Fehler gar gerne vergab / und ſie wiederum zu Gna - den annahm.
Es machte es dieſer Becker all - hier wie zum oͤfftern an vielen Orten unterſchiedliche Eltern / welche / wenn ſie wenig Mittel haben ihre Kinder ehrlich zu erziehen / ihnen durch die Finger ſe - hen / damit ſie von ihren CourtiſanenC 3ei -36Der verliebteeines und das andere moͤgen ſpendiret bekommen / aber ſolche Leute waͤren wuͤrdig / daß ein Muͤhlſtein an ihre Haͤl - ſe gehencket und erſaͤuffet wuͤrden im Meer / da es am tieffſten iſt.
Unterdeſſen lieff der Becker zum Profoſe, wieß ihm das abgehauene Ohr / mit Bitte ihm zuvergoͤnnen / daß erſolches oͤffentlch durch einen Scher - gen duͤrffte ausruffen laſſen / ob ſich et - wa der rechte Herr angeben / und nach gegebener Diſcretion das ſeinige wie - derum annehmen moͤchte / denn es hat - te ihm ſeine Tochter Friedrichs Qvali - taͤt und Ort des Auffenthalts verſchwie - gen / und vorgeſchuͤtzet / daß er es ihr nicht vertrauet.
Der Profos willigte in ſein Be - gehren / uͤberließ ihm einen ſolchen hand - greifflichen Anwalten / welcher denn nach des Beckers Befehl das auff demMar -37Europæer. Marckte verſammlete Volck alſo anre - den muſte.
Demnach ſintemal und dieweil „ der erbare und mannbare Herr Herr „ Meiſter Petrus Krumbhorn / Buͤr - ger und weltberuͤhmter Brod-Jubi - „ lier allhier heute fruͤh / gegen einen „ Brecher des Haus-Friedens ſein „ rechtmaͤßiges Rach-Schwerd fah - „ ren laßen / hat ſelbiges dergeſtalt ge - „ wuͤrcket / daß es auff einen Hieb dem „ Boͤſewicht des einen Ohres (welches „ ihr allhier in Originali in meiner „ Hand ſahet (verluſtig gemacht. Weil „ nun oberwehnten Herrn Herrn Pe - „ tro Krumbhornen an keines Men - „ ſchen Schaden etwas gelegen / als er „ bietet ſich derſelbe dieſes aurium vel - „ lus ſeinem rechtmaͤßigen Beſitzer „ wiederum zu uͤberantworten / ſolte es „ ſich aber etwa wider aller Menſchen „ vermuthen zutragen / daß der ehrver „C 4geſ -38Der verliebte„ geſſene Schelm eine ſolche Fleiſchliche „ Suͤnde begienge / und ſein angebohr - „ nes Mitglied im Stiche lieſſe / ſo wird „ ihm hiermit gedrohet obermeldtes Ar - „ cadiſches Ohrloch / in des Hoff-Me - „ dici D. Menenii Kunſt-und Raritaͤ - „ ten-Kammer zu verehren / da es denn „ heiſſen wird: ex illa non eſt redem - „ ptio. Dieſes habe ich als hoch wohl - „ verordneter naͤchtlicher Ubelauffſeher „ wohlmeynend erinnern wollen / wor - „ nach ſich meine hochgeehrten Herren „ zu richten.
Weil dieſes vorgienge / war Alexan - der zu Hoffe bey dem Koͤnige / nahm von ſelbigen in aller Unterthaͤnigkeit Abſchied / welcher ihm denn ein Recom - mendation Schreiben an den Koͤnig in Franckreich mit auff dem Weg gab weil wenig Tage zuvor / zu Nimmaͤ - gen / zwiſchen den beyden Cronen Friede gemacht worden.
Hier -39Europæer.Hierauff ließ unſer Sicilianiſche Ritter die Pferde ſatteln / und ritte nach Mittage um 2. Uhr aus Madrit weg / es war eben um die Zeit / da die Sonne am hoͤchſten ſtunde / welches denn verur - ſachte / daß es ziemlich heiß / und dannen - hero denen Pferden ziemlich beſchwer - lich.
Jmmittelſt ritte Alexander mit ſeinen Diener immer fort / alſo daß er ge - gen Abend in ein groß Dorff Vedo - me genannt / welches 4. Meilen von Madrit gelegen / gelangte. Allda lagen im Wirts-Hauſe 3. abgedanckte Spa - niſche Reuter / welche ſo bald ſie Ale - xandern anſichtig wurden / und an ſei - ner Kleidung wohl ſahen / daß er keine ſchlechte Perſon waͤre / alsbald auff ihn einen Anſchlag machten / und ſelbigen auszufuͤhren die Nacht erwehleten.
Alexandet begab ſich / weil er ein wenig vom Reiten ermuͤdet / gar zeit -C 5lich40Der verliebtelich mit ſeinem Diener zur Ruhe / kunte aber nicht einſchlaffen / denn es ſchiene / als ob ihn gleichſam das vorſtehende Un - gluͤck ahnete.
Die Mitternacht war kaum her ankommen / als die Thuͤre der Kam - mer / allwo Alexander mit ſeinem Diener auff der Streu lage / ſich ohn - verſehens eroͤffnete. Alexander, wel - cher etwas ſchlummerte / wurde durch das Knarren der Thuͤre alsbald erwe - cket / und als er ſahe daß 3. Kerl mit blo - ſem Gewehr gantz leiſe hinein traten / ſprang er vom Lager auff / nahm ſeinen Sebel (welchen er ſtets unter dem Haupte liegen hatte) in die Hand und begruͤſſete den vorderſten mit einem Lungenhieb dergeſtalt / daß alsbald das Eingeweide aus dieſem verfluchten Lei - be heraus fiel.
Unterdeſſen erwachte Friedriche - benfalls / und wurde gewahr / daß ſeinHerr41Europæer. Herr mit den uͤbrigen 2. Boͤſewichten im ſcharffen Fechten begriffen / nahm derowegen ſeine Polniſche Hencker - Klinge zur Hand / zog ſelbige aus der Scheide / kroch unvermerckt vom Stroh herunter / und hieb den einen von Alexanders Gegenern dergeſtalt vor das Schienbein / daß er ohne fernere Bewegung uͤber des ertoͤdteten Leich - nam fiel / und ihm vom Friedrichen mit einen wiederholeten Streich / vollends der Garaus gemacht wurde.
Wie der Letzte ſahe / daß ſeine bey - den Cameraden mit der Haut bezahlen muͤſſen / und ihm gar leicht die Rech - nung machen kunte / es werde ihm nicht viel beſſer ergehn / ſuchte er die Stuben - Thuͤre / welche aber vom Friedrichen vertreten war. Alſo muſte dieſer Raub - Vogel um Gnade bitten / fiele derowe - gen Alexandern zu Fuß / mit Vorge - ben: es habe ihn und ſeine Spießge - „C 6ſel -42Der verliebte„ ſellen die hoͤchſte Armuth zu dieſer Fre - „ vel-That getrieben.
Alexander ließ ihn alsbald mit Stricken feſte binden / und dem Wirthe uͤbergeben / der ihn ohne Verzug nach Madrit ſchickte / allwo er ohne Zweifel wird ſeinen verdienten Lohn bekommen haben. Doch war dieſes Scharmuͤtzel auff Seiten unſers Ritters nicht gar oh - ne Blut-Vergieſſung abgangen / indem er einen Hieb auf den Kopff bekommen / welcher aber nicht gar tieff hinein gan - gen.
Bey anbrechenden Tage ſatzte ſich Alexander wiederum zu Pferde / und nachdem er etliche Tage geritten auch ihm nichts ſonderliches begegnet / verirrete er ſich endlich gegen Abend in einem Walde / und weil ſonſt keine Her - berge / muſte er in einem darinnen gele - genen Jaͤger-Hauſe ſein Quartier neh - men.
Nun43Europæer.Nun war obermeldtes Haus we - gen der hierinnen regierenden Polter - Geiſter ziemlich beruffen / alſo daß nicht leicht iemand allda einkehrete.
Alexander legte ſich nach geen - digter ſchlechten Abend-Mahlzeit zur Ruhe / und ließ ſeinen Diener / aus Furcht der Diebe / im Stalle / bey denen Pferden bleiben.
Er hatte kaum eine Viertelſtun - de im Bette gelegen / als ein groß Ge - raͤuſch ſich in der Kammer er eignete / und eine Weibes-Perſon in Ameniens Geſtalt und Kleidung / wie ſelbige bey ihrem Leben geweſen / vor Alexanders Bette trat / und ſalbigen mit folgenden Worten anredete:
Liebſter Alexander. Hier ſie - heſtu deine Amenie / welche ohnlaͤng - „ ſten zu Madrit / in deiner Abweſen - „ heit / vor großer Bekummernuͤß den „ Geiſt auffgegeben / welcher denn nicht „C 7eher44Der verliebte„ eher ruhen wird / biß er verſichert / daß „ deiner Amenien Gedaͤchtniß niemals „ bey dir vergehen werde.
Alexander erſchrack im Anfang uͤber alle maßen / doch als er ſich wie - derum ein wenig erholet / antwortete er alſo:
„ Wiewohl ich nicht ſchuldig waͤ - „ re / dir als einem Geſpenſte Rede nnd „ Antwort zu geben / iedennoch vermel - „ de ich dir / daß ſo lange der letzte Bluts - „ Tropffen in meinem Leibe wallet / A - „ meniens Gedaͤchtniß niemals aus „ meinem Hertzen kommen ſoll / und „ verlange auff dieſen Erdboden nichts „ mehr / als daß mein Geiſt dem Jhri - „ gen bald moͤge vergeſellſchafftet wer - den. Hierauff verſchwunde das Ge - ſpenſte / und ließ Alexandern gantz mit Schrecken angefuͤllet / welches doch durch einen darauff folgenden ſanfftenSchlaff /45Europæer. Schlaff bald wiederum gedaͤmpffet wurde.
Die Morgenroͤthe hatte kaum die hoͤchſten Gipfel des Pyreneiſchen Gebuͤrges (welches nur noch wenig Tag-Reiſen von hier gelegen) betreten / alß Alexander erwachte / alsbald auff - ſtunde / und ſein Gebeth verrichtete / nach deſſen Verrichtung er wiederum ſich auff den Weg machte / und inner - halb 3. Tagen an das Pyreneiſche Ge - buͤrge gelangte / und in einem Flecken / ſo von denen Einwohnern Aqvino ge - nannt wird / die Nacht uͤber zu verblei - ben entſchloſſe. Allda erfuhr er / daß der Weg uͤber das Gebuͤrge nicht gar zu ſicher / indem zum oͤfftern Banditen und ander loß Geſindlein / die engen Wege verlegten / alſo daß / wer ſolche rei - ſen wolte / entweder ihnen eine ziemliche Ritter zehrung verehren / oder mit dem Leben bezahlen muͤſte.
Ale -46Der verliebteAlexander wuſte hierinnen kei - nen Rath / denn einmal kunte er nicht anders in Franckreich kommen als uͤber dieſes Gebuͤrge / derowegen faſſete er ei - nen guten Muth / brach den folgenden Morgen fruͤh auff / und fieng an uber das Gebuͤrge zu paſſiren.
Kaum waren 2. Stunden vor - bey geſtrichen / als Alexander an einen engen Weg kam. Allda hielten 2. Reu - ter mit bloſem Gewehr / und wolten un - ſern Ritter nicht eher durchlaſſen / biß er 50. Cronen geliefert. Alexandern kam ſolch Begehren wohl rechtſpa - niſch vor / ſagte / wofern ſie ihn nicht mit guten wolten ſeinen Weg reiſen laſſen / ſo muͤſte er ſolchen mit gewaltſamer Hand ſuchen. Jene / Welche ſchon vor - dem manchen rechtſchaffenen Kerl das Licht ausgeblaſe / wurden uͤber dieſe Re - den erzuͤrnet / uͤberfielen derowegen A - lexandern / welcher aber dem einenſtracks47Europæer. ſtracks den Degen durch die Gurgel jagte / und der andere von Friedrichen durch die lincke Seite geſtochen ward / und ebenfalls alsbald dahin ſtarb.
Hiermit errettete ſich Alexander von der bevorſtehenden Gefahr / nahm ſeinen Weg wiederum ungehindert vor die Hand / und kam den 21. Tag von Madrit aus / nach Pariß / wiewol er ſich im Gaſthofe nicht zuerkennen gab / weil er ſich zuvor auskleiden / und hernach - mals dem Koͤnige auffwarten wolte.
Eben um dieſe Zeit celebrirte man zu Pariß wegen des geſchloſſenen Friedens mit der Cron Spanien / un - terſchiedliche Solennitaͤten. Des Ta - ges wurden die vergnuͤglichſten Co - mœdien geſpielet / und des Abends ſchimmerte die Lufft von lauter Raque - ten und Luſt-Feuern.
Drey Tage in der Ankunfftin48Der Verliebtein Paris / ließ ſich Alexander bey dem Koͤnige anmelden / mit Vorgeben / daß er ein Schreiben vom Koͤnige in Spa - nien Jhro Majeſtaͤt in aller Unterthaͤ - nigkeit uͤberreichen wolle. Der Koͤnig beſtimmete ihm eine gewiſſe Zeit zur Audientz / bey deren Herbeynahung / begab ſich Alexander nach Hoff / wur - de vom Koͤnige uͤberaus freundlich em - pfangen / und ihm Vertroͤſtung zu kuͤnff - tiger Befoͤrderung gegeben.
Alſo hielte ſich unſer Ritter zu Pa - ris auff / und wurde 4. Wochen nach ſeiner Ankunfft unter die Zahl der jeni - gen / ſo dem Koͤnige / wenn er ſich zur Ru - he begiebt / die Kleider ausziehen / ge - nommen.
Jmmittelſt truge ſich einſten zu / daß Alexander ſeinen Diener Fried - richen aus dem Logiamente nach Hofe ſchickte / um bey dem Koͤniglichen Stallmeiſter etwas auszurichten / un -ter -49Europæer. terwegens erhub ſich ein Getuͤmmel des Volcks / welches daher entſtanden: Es hatte ein leichtfertiger Spitzbube aus ei - nem Kauffmanns Gewoͤlbe ein Stuͤck Tuch geſtolen / und als ſolches etliche gewahr wurden verfolgte man ihn und ruffte das gemeine Volck: Halt / halt den einoͤhrigen Dieb auff / halt den ein - oͤhrigen Dieh auff. Friedrich mey - nete nicht anders / als waͤre der Madri - tiſche Becker zugegen / und wolle ihn ge - faͤnglich einziehen laßẽ / weil er vormals von ſeiner Tochter Jungfraͤulichen Krantz ſo manche ſchoͤne Blume abge - pflocket / derowegen wurff er das Haa - ſen-Pannier auff / und lieff in vollem Currier wiederum zuruͤcke.
Als die Schergen Friedrichen lauf - fen ſahen / meyneten ſie nicht anders er waͤre der Dieb / lieffen ihm gleich denen Windhunden nach / und ob er wohl um ihnen zu entkommen unterſchiedlicheHa -50Der verliebteHacken ſchlug / wurde er doch gleich ei - nem fluͤchtigen Lang-Ohr gerahmet / und endlich erhaſchet / und weil man ſa - he / daß er nur ein Ohr hatte / zweiffelte niemand / er haͤtte das Tuch geſtohlen / und ſolches etwa in Gedraͤnge ſtracks auff die Seite geworffen.
Friedrich / wiewohl er unſchuldig / kunte doch vor Erſchrecken kein Wort reden / und als er von denen Schergen in das Gefaͤngniß gefuͤhret wurde / mey - nete er nicht anders / als wolle man ihn ohne einige Weitlaͤufftigkeit am Gal - gen hencken.
Dieſer Verlauff kame gar bald vor Alexandern, derowegen ſchickte ſelbiger zum General-Gewaltiger / und ließ ihm ſagen: Daß Friedrich bey ihm in Dienſten / dannenhero man ſelbigen alsbald wiederum auff freyen Fuß ſtel - lete.
Es hielte ſich nun Alexanderzu51Europæer. zu Paris eine gute Weile auff / und weil er mit dem Koͤniglichen Staats-Secre - tario Mons: de Vallie wohl bekand war / als beſuchte er denſelben zum oͤff - tern / um ein und die andern Staats - Sachen von ihm zu erfahren / welcher denn iu Alexanders Gegenwart eins - mals / als man von neulichen Hollaͤndi - ſchen Kriege difcurirte, dieſe Rede fuͤh - rete.
Es muß bißweilen unſer Groß - „ maͤchtigſter Koͤnigliche Monarch ei - „ nen Krieg anfangen / nicht ſo wohl ſein „ Land zu erweitern / ſondern vielmehr „ daſſelbe in ſeinem eſſe zn erhalten. „ Was den neulichen Krieg mit denen „ Hollaͤndern anlanget / hatte unſer Koͤ - „ nig gute raiſon darzu / denn geſchwei - „ ge der Haupt-Urſachen / welche in „ Schrifften weitlaͤufftig gnug ange - „ fuͤhret wordẽ ſo erforderte es der Staat „ unſern Reichs. Dann es war in und „außer52Der verliebte„ auſſerhalb Pariß eine unzaͤhlbare „ Menge gemeiner Canalie und loſen „ Geſindleins vorhanden / welche denn „ gar leicht (wie wol ehe geſchehen) ſich „ entpoͤren / und im Reiche eine groſſe „ Diverſion verurſachen koͤnnen.
Denn es ſind die Frantzoſen noch im - mer der Art / als wie zu Julii Cæſaris Zeiten / welcher in ſeinem fuͤnfften Buch debello Gallico folgendes ſchreibet: Galli ſunt in conſiliis capiendis mo - biles & novis plerumque rebus ſtu - dentes: Oder auff Teutſch: Die Fran - tzoſen fangen immer gerne Neurungen und loſe Haͤndel an.
Dieſem nun in der Zeit vorzu - kommen / hielte man vor das ſicherſte und beſte / ſolch Volck aus dem Lande zu fuͤhren / wuͤrde nun hiermit dem Koͤnig - reiche Nutzen geſchaffet / und etwa ein und andere Provintz erobert / koͤnte man ſolchen mitnehmen / wo aber dieAr -53Europæer. Armee Schaden litte und geſchlagen wuͤrde / waͤre dieſes der Nutzen / daß ſo viel Ulcera Reipublicæ, ehe ſie zu ih - „ rer Reiffe kommen / und die andern ge - „ ſunden Glieder angeſtecket / durch die - „ ſes Mittel weggeſchaffet worden. Die „ andere Staats-Maxim war folgen - „ des:
Es ſahe unſer Koͤnig wie die Hol - „ laͤnder von Zeiten zu Zeiten ſo hochmuͤ - „ thig wurden / daß ſie wegẽ ihrer Macht „ zu Waſſer und Lande keinem Poten - „ taten in Europa etwas nachgaben / „ derowegen gedacht er ihnen die Fe - „ dern ein wenig zu verſchneiden / zuma - len ein groſſer Potentat immer zuſe - „ hen ſoll / wie er verhindere daß ſeine „ Nachbarn nicht zu maͤchtig werden. „ Sein Vorhaben nun ins Werck zu „ richten / ergrieff er gar bequeme / auff „ Seiten aber der Hollaͤnder gar un - „ bequeme Zeit. Denn ſie hatten ſich „mit54Der verliebte„ mit nichten eingebildet / daß man ſie „ ohngefehr uͤberfallen wuͤrde / ſondern „ vermeyneten wohl etwa / man muͤſſe „ ihnen den Krieg recht ſolenniter an - „ kuͤndigen / aber ſie funden ſich betrogen / „ denn es iſt ja beſſer den Feind / ehe er „ ſichs verſiehet anzugreiffen / als ein „ gantz Jahr zuvor iederman davon „ wiſſen laſſen / auff dieſen Fall kan auch „ wenig Volck offt mehr ausrichten / als „ ſonſt eine gantze Armee.
Mancher moͤchte zwar einwen - „ den / und ſagen: Non minor eſt vir - „ tus, qvam qværere parta tueri, „ hierauff antwortete ich alſo: Es kan „ nicht geleugnet werden / daß ihre Ma - „ jeſtaͤtunſer gebietender Koͤnig / die mei - „ ſten eroberten Hollaͤndiſchen Staͤdte „ wiederum verlaſſen / aber doch mit „ ſchlechten Vorthel der Niederlaͤnder „ weil ſolche Staͤdte eine grauſame „ Summa Geldes erlegen muͤſſen / undher -55Europæer. hernach die Feſtungen darinnen noch „ wohl darzu geſchleiffet worden. Und „ endlich iſt ja beſſer ein Land aus freyen „ Willen / und welches zumal nicht viel „ Blut gekoſtet / zu qvittiren / als Staͤdte / „ welche man mit großen Unkoſten uud „ Ruinirung der Armee erobert / nach „ gemachten Frieden / wiederum dem „ vorigen Beſitzer zu uͤberlaßen. Jch „ verſichere denſelben / daß Holland / ob „ es wohl ſein Land wiederum hat / doch „ den Schaden nicht ſo bald verwin - „ den wird.
Alexander bedanckte ſich wegen dieſen Berichts / und fragte / ob ihm nicht wiſſend / ob auff Anſtifftung des Koͤnigs in Franckreich der Koͤnigin Schwe - den ohnlaͤngſten in des Chur-Fuͤrſten von Brandenburg Land gefallen. Mons: de Vallie lachete ein wenig / mit vermelden / daß ihm ſolches nichtDbe -56Der verliebtebekannt; doch ſprach er / wenn es gleich auch geſchehen / ſo iſt dieſes allezeit eine gute Politic im Kriege / dem jenigen / ſo man ſelbſten nicht Abbruch thun kan / andere auff den Halß zu hetzen.
Hierauff nahm Alexander Abſchied / bedanckte ſich nochmals vor dieſen ge - habten Diſcurs / und begab ſich wieder - um nach Hauſe.
Sonſten hatte unſer Sicilianiſche Ritter in waͤrender Zeit als er zu Pariß geweſen / gar offt Gelegenheit gehabt / mit dem vornehmſten Frauenzimmer umzugehen / aber weil Amenien Ge - daͤchtniß ihm noch ſo tieff im Hertzen la - ge / kunte keine andere Perſon einigen Wohnplatz darinnen erlangen.
Es fuͤgte ſich aber einſtens / daß der Koͤnig unſern Sicilianiſchen Ritter zu einem Beyſitzer des Parlaments in Pariß / Monſ. Lomaire genannt / inei -57Europæer. einer gewiſſen Verrichtung verſchickte. Dieſer Parlamens-Rath hatte 2. Toͤch - ter / deren die aͤlteſte Carolina / die juͤngſte aber Lucretia hieſſe. Jene war von ſehr traurigen humor, dieſe aber uͤberaus converſabel, uͤberdieß noch von ſonder - barer Schoͤnheit / und weil ſie mit ho - hen Verſtande begabet / auch darneben von ihrem Herrn Vater nach deſſen Tode ziemliche Mittel zu erwarten / als gaben ſich taͤglich viel vornehme Freyer an / welche aber / theils wegen Mangel an ihrer Perſon / theils auch des Gel - des / nichts als Koͤrbe davon trugen.
Unter dieſen Korb-Traͤgern war auch einer mit Nahmen Monſ Co - milly. Dieſer hatte ſich weder uͤber die Natur noch auch das Gluͤck zu bekla - gen Urſach. Denn die Natur hatte ihn mit ihren Guͤtern und wohl pro - portionirter Leibes-Geſtalt alſo verſe -D 2hen /58Der verliebtehen / daß er das vollkommenſte Frau - enzim̃er zu vergnuͤgen getrauete. Das Gluͤck hatte ihm ſo großen Reichthum gegeben / daß er ſeinen Stande nach gar wohl leben kunte.
Weil er ſich nun hierauff verlieſ - ſe / als meynete er / es waͤre unmuͤglich / daß ein Frauenzimmer ihm koͤnne die Heyrath verſagen / dahero er denn durch den Ruff von Madamoiſell Lucretiens Schoͤnheit und hohen Verſtand bewo - gen / Gelegenheit ſuchte ſie zu ſehen / wel - che er gar leicht funde / weil ſie zum oͤff - tern vor der Stadt in ihres Herrn Va - rers Garten ſich erluſtirte / wie er denn ſie einsmals darinnen alleine antraff / und von ihrer Schoͤnheit alsbald einge - nommen / ſich nicht ſcheuete ſeine Liebe zu offenbaren / welche ſich aber in ihrem Ge - muͤthe hieruͤber gar ſehr erzuͤrnete / daß ein Cavallier / welcher ſie das erſte mal geſehẽ / ſtracks von Liebes-Sachen redenwol -59Europæer. wolte / in Anſehung deſſen / muſte er mit gar kahler Antwort ſeinen Abſchied nehmen.
Die Liebe iſt ſehr ſubtil und ſpitzfin - dig / und mangelt ihr niemaln an Mit - teln ſich der jenigen Perſon zu bemei - ſtern / auff welche ſie einmal ihr Abſehen gerichtet. Alſo hielte Mons. Comilly vor das rathſamſte / bey den Vater An - ſuchung zu thun / welches er auch ver - richtet / aber mit dem Beſcheid / daß die Tochter noch zu jung / (indem ſie kaum 15. Jahr) ſich abweiſen laſſen muſte.
Dieſer Schimpff verdroß ihn der - maſſen / daß er die darob empfundene Traurigkeit aus dem Sinne zu ſchla - gen / ſich zu ſeinen Vetter auff das Land begab.
Aber wiederum auff meinen vori - gen Zweck zu kommen / ſo hatte Ale -D 3xan -60Der verliebtexander nach empfangenen Koͤniglichen Befehl ſich alsbald zu Monſ. de Lomai - re verfuͤget / und weil er eben dazumal nicht zu Hauſe / kam Madamoiſell Lu - cretie und vertrieb Alexandern in Ab - weſenheit des Herrn Vaters die Zeit.
Hier ſahe nun unſer verliebte Eu - ropaͤer die quint Eſſentia aller Schoͤn - heit / ja die Copey ſeiner verſtorbenen Amenien / derowegen er denn zum oͤff - tern unterſchiedliche Liebes-Stoͤſſe in ſeinem Hertzen empfunden. Unterdeſ - ſen kam Monſ. Lomaire zu Hauß / da denn Alexander ſeine auffgetragene Verrichtung ablegte.
Der Parlaments-Rath empfieng Alexandern mit ſonderbarer Freund - ligkeit / und weil er eilends einen Brieff zu verfertigen / bathe er ihn hoͤchlich umVer -61Europæer. Verzeihung / daß er vortzo ihm nicht koͤnne ferner Geſellſchafft leiſten / hieß unterdeſſen ſeine Tochter ruffen / welche in ſeiner Abweſenheit dieſen fremden Ritter mit Diſcurſen unterhalten ſolte / und gieng in das Nebengemach mit Verſprechen / bald wieder zu kommen.
Dieſer Tauſch war Alexandern mit nichten zuwider / ſintemal er hierdurch Gelegenheit erlangte / mit Lucretien beſſer bekand zu werden.
Aus denen Diſcurſen welche Lucre - tie hier vorbrachte / kunte Alexan - der nicht anders wahrnehmen / als daß ſie ihm ein wenig gewogen / doch aus Schamhafftigkeit / nach Art des Frau - enzimmers / ſolches nicht wolle mercken laſſen / wiewol bißweilen etliche Worte / welche ſie geſchwinde heraus redete / das Gemuͤthe / und das verenderteD 4Ge -62Der verliebteGeſichte zum oͤfftern das Hertze verrie - then.
Ohngefehr nach Verlauff einer Stunden / kam Monſ. Lomaire wieder - um zu Alexandern, entſchuldigte ſich nochmaln wegen ſeines ſo langen Auſ - ſenbleibens / bathe ihn darneben / dem Koͤnig zu vermelden / daß er in bewuſter hoher Angelegenheit mit nichten ſeinen unermuͤdeten Fleiß ſparen wolle.
Alſo nahm Alexander Abſchied / mit gewiſſer Verſicherung / Monſ. Lomairen eheſtens wiederum auffzu - warten.
Es hatte die Sonne ſich ſchon ver - krochen / und denen Sternen den Platz uͤberlaſſen / als unſer verliebte Ritter wiederum nach Hauſe kam / und weil er keinen appetit zum Eſſen hatte / ſich alsbald zur Ruhe legte.
Ale -63Europæer.Alexander hatte ſich zwar zu Bette geleget / und vermochte dennoch kein Auge zu zuthun / denn er meynete immer er beleidigte ſein Gewiſſen / weñ ein eintziges Frauenzimmer von ihm Gunſt genieſſen ſolte / doch Lucretien Schoͤnheit und tugendhaffte Qualitaͤ - ten / mit welchen ſie der Amenie nicht ungleich / gaben ihm immer den Troſt / es koͤnne ſeine verſtorbene Liebſte ihn nicht verdencken / daß er wiederum ſein Hertz verſchenckte / indem nichts deſto weniger ihr Gedaͤchtniß / wie zuvor / niemals aus demſelben kommen wuͤr - de.
Jn ſolchen Gedancken ſchlum - merte er ein wenig ein / da ihn denn fol - gendes traͤumete: Es kam ihm im Schlaffe vor / als wenn er in einen luſti - gen Garten mit Lucretien ſpatzieren gieng / und ſelbige ihn ohnverſehensD 5durch64Der verliebtedurch einen ſtarcken Wind von der Sei - te weggeriſſen wuͤrde.
Als nun Alexander erwachte / und ſich erinnerte / was ihm getraͤumet / wunderte er ſich gar ſehr / doch weil er nicht viel auff Traͤume hielte / wolte er wegen der Deutung ſich nicht den Kopf zerbrechen / ſondern ſtunde aus dem Bette auff / zog ſich an / und gieng nach Hofe zum Koͤnige / ihm wegen der Ver - richtung bey Monſ. Lomairen Bericht zu erſtatten / der Koͤnig aber war noch nicht auffgeſtanden / dahero er warten muſte / und nach dem der Koͤnig erwach - te zu ihn vor das Bette gienge / und das verrichtete vorbrachte.
Dieſen Nachmittag gaben ihre Ma - jeſtaͤt dem Spaniſchen und Engliſchen Geſandten Audientz / und reiſeten fol - genden Tages nach Sanct Germain.
Ale -65Europæer.Alexander, weil er ſolchen Ort noch nie in Augenſchein genommen / be - gab ſich zugleich mit unter die Koͤnigli - che Svite. Allda verblieb der Koͤnig drey gantze Tage und erluſtirte ſich mit mancherley Ergoͤtzligkeiten / den vierd - ten aber reiſete er wiederum nach Pa - riß.
Alexander, ſo bald er nach Pa - riß kam / ſetzte ſich vor / folgendes Tages Lucretien auffzu warten / welches ins Werck zu richten / er ſich bey Monſ. Lomairen ließ anmelden / und weil er hernach zu ihm gienge / nahm er ſich die Kuͤhnheit wegen Lucretien bey ihm An - ſuchung zu thun / welcher denn im An - fang nicht anders meynete als waͤre es ſein Schertz / doch wie er ſahe daß es Ernſt / lieſſe er ſich gegen Alexandern vernehmen: Er achtete ſeine Tochter viel zu gering / daß eines Vice ReesD 6Sohn66Der verliebteSohn ſolche zur Ehe verlangen ſolte / doch wolte er mit ihr zuvor reden und vernehmen ob ſie ihren Willen darein geben wolle.
Hierauff muſte Lucretie zu ihren Herrn Vater kommen / welcher denn in Gegenwart Alexanders fragte / ob ſie wohl dieſen jungen Ritter zu ihren Liebſten verlangte. Lucretie entfaͤrbte ſich gantz vor Scham / und hieß es mit ihr nach den gemeinen Sprichwort: qui tacet, conſentire videtur, das iſt: Still - ſchweigen wird vor ein Ja gehalten / de - rowegen ergrieff Alexander Lucretien bey der Hand / und ſagte: Weil denn der Herr Vater mich vor ſeinen Ey - dam angenommen / ſo wird ſelbige auch verhoffentlich mich vor ihren Liebſten erkennen. Lucretie antwortete: Dem Herrn Vater werde ich in keiner Sa - che zuwieder leben.
Hier -67Europæer.Hiermit gieng Monſ. Lomaire aus dem Gemach / und ließ die neuen Ver - lobten alleine / welche dennn keine an - dern Diſcurſe fuͤhreten / als von der Macht und Wuͤrckung der Liebe; und ob wohl Lucretie im Anfange Alexan - dern einen Kuß verſagte / ſo wurde doch innerhalb einer halben Stunde die Be - kandſchafft ſo groß / daß ſie ſelbſten aus bruͤnſtiger Liebe das jenige foderte / weſ - ſen ſie ſich zuvor ernſtlich geweigert / deñ wo bey denen Verliebten die Bekand - ſchafft zunimmet / ſo nimmet mehren - theils die Scham ab.
As es gegen Abend kam / nahm Ale - xander, weil er nach Hofe zur Auffwar - tung muſte / von Lucretien Abſchied / mit Verſprechen / ihr eheſtens wiederum auffzuwarten.
Kaum war das Verloͤbniß zwi - ſchen Alexandern und Lucretien vor -D 7ge -68Der verliebtegegangen / als Monſ. Comilly / von wel - chem zuvor Meldung geſchehen / durch ſeine zu Pariß beſtellte Spionen hier - von Nachricht erlangte.
Nun meynete er nicht anders / als habe Lucretien Herr Vater ihm neu - lich deswegen den Korg gegeben / weil er Alexandern vor einen anſtaͤndigern Eydam erachtet / ließ derowegen in ge - ſchwinder Eil ſein Pferd ſatteln und rit - te in 4. Stunden nach Pariß / ſintemal der Ort / da er ſich ſeithero auffgehalten / nicht mehr als 3. Meilen darvon / nahm im Gaſthofe / allwo er einkehrte / Feder und Dinte zur Hand / und ſchrieb an Alexandern folgenden Ausforde - rungs-Brieff: (ohngeacht ihm wohl be - wuſt / wie ſcharff der Koͤnig das duelliren verbothen.)
Comilly an Alexandern:
„ Mit was vor Zorn ich vernom -men /69Europæer. men / wie du mir die ſchoͤnſte Lucretien „ abſpaͤnſtig gemacht / kanſtu / wofern „ dich anders die Liebe nicht deiner Sin - „ ne beraubet / leicht erachten. Dieweil es nun unmuͤglich / daß wir beyde Lu - „ cretien koͤnnen zur Ehe nehmen / ſo iſts „ billich / daß einer von uns ſterbe / damit „ der andere lebe / und mit dieſem koſtba - „ ren Schatz bereichet werde. Jn Be - „ trachtung deſſen iſt dieſes mein Wille / „ daß du morgendes Tages fruͤh um 7. „ Uhr / mit deinem Secunden und „ Stoßdegen eine Stunde von hier / zu „ Lemillie / erſcheineſt da ich denn ſehen „ wil / ob meine Sache gerechter / oder „ dein Degen gluͤckſeliger ſeyn wird.
Dieſen Brieff gab er ſeinem Die - ner / welcher ihn dem Alexander uͤber - bringen muſte / dieſer / als er deſſen Jnn - halt verſtanden / ſagte zu dem Uberbrin - ger: Berichtet euren Herrn wieder / ichwol -70Der verliebtewolle ſchon zu rechter Zeit an beſtimm - ten Ort erſcheinen.
Der Morgen des folgenden Tages war kaum angebrochen / als ſich Alexan - der mit ſeineu Secunden und Diener zu Pferde ſetzte / uud nach den beſtimm - ten Platz ritte. Comilly war ſchon zuge - gen und tummelte unterdeſſen ſein ge - wandtes Pferd.
Hiermit ſtiegen ſo wohl die Kaͤmpfer als Secunden von Pferden / gaben ſol - che ihren Dienern zu halten / und mach - ten ſich zum Duell fertig. Jm erſten Gang bekam Alexander eine kleine Wunde ins rechte Oberbein / welche ihm aber mit nichten den Muth brach / ſondern er griff den Comilly ſo reſolut an / daß er weichen muſte / und in der Retirade einen ſolchen Stoß uͤber das Degen-Gefaͤß in die rechte Hand be -kam /71Europæer. kam / daß er alsbald den Degen fallen ließ.
Alexander wolte mit ſeinen un - bewaffneten Gegener nichts mehr zu thun haben / ſondern ließ ihn ſeinen Wund-Artzt / den er deßwegen mit ſich genommen / verbinden / und ritte her - nach wiederum nach Pariß / ohne daß iemand etwas von dieſem Duell erfuͤh - re.
Comilly Wunden waren noch nicht voͤllig geheilet / als er auff Mittel und Gelegenheit gedachte / ſich an Ale - xandern zu raͤchen / wuſte aber nicht / wie er es anfangen ſolte. Mit dem De - gen war ihn Alexander weit uͤberle - gen / ſolte er ihm nun hinterwerts atta - quiren / hielte er auch vor gefaͤhrlich / de - rowegen nahm er ſich vor / Lucretien zu entfuͤhren / wodurch er nicht allein den Zweck ſeines Verlangens erreichen / ſondern auch hiermit ſich an Alexan -dern,72Der verliebtedern / wegen des angebrachten Stoſſes / gnugſam raͤchen koͤnte.
Dieß unbilliges Vornehmen nun ins Werck zurichten ereignet ſich gute Gelegenheit / denn es hatte ſich Lucretie vorgeſetzet / ihre Muhme / welche 2. Meilen von Pariß wohnhafftig / zu be - ſuchen / ſolche vorgenommene Reiſe wurde Comilly verkundſchafftet / deswe - gen er denn an beſtimmten Tag nebſt 2. Reutern in einem Gehoͤltze / allwo der Weg vorbey gienge auffpaſſete.
Lucretie / welche ſich nichts Boͤſes vermuthete / kame in der Kutſche mit gu - ter Andacht auff das Gehoͤltze zu gefah - ren. Es waͤrete nicht lange / ſo rannte Comilly in voller Currier hervor / warff den Kutſcher von der Karrette herunter / machte den Schlag auf / nahm Lucretien alsbald zu ſich auff ſein Pferd / und ritte in vollen Traab fort / in Mey -nung /73Europæer. nung / ſelbige auff ſeine Guͤter / welche nicht weit von Straßburg lagen / zu bringen / allda er ſicher zu ſeyn ſich ein - bildete.
Lucretie war von Schrenen gantz erſtarret / und vermeynete / es wuͤrde nun um ihre Ehre gethan ſeyn / aber Comilly troͤſtete ſie mit Verſprechen / ihre Ehre ſo lange ungekraͤncket zu laſ - ſen / biß er von ihren Herrn Vater er - langet / daß er ſie gar heyrathen duͤrffte / hiermit war aber Lucretie nicht zufrie - den / ſondern ſo offte ſie an ihren liebſten Alexander gedachte / ſo offte floſſen ihr die Thraͤnen haͤuffig aus denen Augen. Sie ſchalt Comillyen offt einen Ver - raͤther und Boͤſewichter / und kunten auch die beſten Worte ſo er ihr gab / ihm keine Affection zu wege bringen / weil ihr Gemuͤth ſich alſo mit Alexandern vereiniget / daß auch / ohngeacht es ſehrſchwer74Der verliebteſchwer ſchiene / ſie doch die gute Hoff - nung hatte / er werde ihnen nach ziehen / und ſie / wo moͤglich / wiederum aus die - ſer Gefaͤngniß nach Pariß fuͤhren.
„ Sie machte es nicht / wie bißweilen „ manche Jungfern / welche / wenn ſie ei - „ nen Liebſten haben / und er etwa auff „ wenige Zeit verreiſet / alsbald andere „ ihre Gunſt genieſſen laſſen / nach dem „ gemeinen Sprichwort: Varietas „ delectat, das iſt / das neue hat man lie - „ ber / als das alte. Sind ſie von Buͤr - „ gerlichen Stande / ſo muͤſſen die jun - „ gen Cavallire aus ſelbigen / lauter „ Koͤrbe davon tragen / und das Adeli - „ che Gebluͤte den Vorzug haben / gleich „ als ob zu weilen nicht mancher Buͤrger „ dem Vermoͤgen nach beſſer beſpan - „ net / als der vornehmſte von Adel / wel - „ cher in Franckreich um ſein bißgen „ Patrimonium kommen / oder daßich75Europæer. ich recht ſage / ſein gantz Vermoͤgeu mit „ Reiſen in frembde Laͤnder durch ge - „ bracht.
Der Kutſcher kehrete wiederum zuruͤck nach Paris / und hinterbrachte Mons. Lomairen die betruͤbte Zei - tung von der entfuͤhrten Tochter.
Was vor Jammer es muͤſſe ver - urſachet haben / kan man gar leicht ge - dencken / doch betruͤbte ſich niemand mehr als Alexander, derowegen er denn nicht lange ſaͤumete / ſondern ſich folgenden Tages mit ſeinem Diener Friedrichen auffmachte / in Hoffnung / Lucretien vielleicht noch unter wegens anzutreffen.
Gegen Abend kam Alexander in ein Dorff 6. Meilen von Pariß gele - gen / allda richtete gleich der Pfaffe da - ſelbſten ein ſtattlich Banqvet aus / und weil er vernahm / daß ein frembder Herran -76Der verliebteankommen / ſchickte er alsbald zu Ale - xandern, mit Bitte / ihm die Ehre an - zuthun / und bey ſolchen zu erſcheinen. Unſer Ritter entſchuldigte ſich zwar an - faͤnglich gar ſehr / und gab vor / er waͤre von der Reiſe in etwas ermuͤdet / deſſen ohngeachtet hielte der Herr Pater ſo heff - tig bey ihm an / daß er nichts fuͤglich ab - ſchlagen kunte.
Alſo gieng das Banquet nach Ale - xanders Ankunfft vor ſich / und weil viel benachbarte von Adel mit darbey / als wurden unterſchiedliche Diſcurſe gefuͤhret / und da man von Heyrathen zu reden anfieng / hoͤrte der Herr Pater ein wenig zu / hernachmals erzehlete er folgends: Vor etlichen Jahren wohne - te in der Landſchafft Provence, in Franckreich / einer von Adel / Monſ. de Pollie genannt.
Dieſer war ſo gluͤckſelig / daß ernoch77Europæer. noch vor Erreichung des viertzigſten Jahres in die andere Ehe ſchritte / doch von dieſer beyden Weiber Kindern nicht mehr als einen Sohn erziehen kunte.
Nun begab ſichs / daß der Sohn / als er zu ſeinen Mannbaren Jahren kommen / und auff Univerſitaͤten ſich in Jure ziemlich perfectionirt ge - macht / keinen Titel im gantzen Corpo - re Juris lieber auffſchluge / als den jeni - gen / ubi agitur de ventre [virgi - nis ſcil. ) inſpiciendo, oder daß ich es den teutſchen Herrn Advocaten nach unſerer Mutter-Sprache erklaͤ - re / Emanuel (ſo hieß der Sohn) war von ſolchen Alter / welches capabel, ei - nen jungen Menſchen verliebt zu ma - chen. Sein Herr Vater merckte gar bald / wo ſeinen Sohn der Schuh druck - te / bekam ihn derowegen einſtens auff die Seite / und redete ſelbigen folgenderGe -78Der verliebte„ Geſtalt an. Du weiſt Emanuel / „ daß du ietzt dein 22. Jahr angetreten / „ und weil ich gar wohl ſeithero große „ Luſt zum heyrathen an dir vermer - „ cket / als weiß ich ietzund eine gute an - „ ſehnliche Partie vor dich. Es wird „ dir wohl Mons: de Chamoy hin - „ terlaſſene Wittbe bekannt ſeyn / ſie iſt „ ein Weib in ihren beſten Jahren / und „ wer ſie heyrathet / bekommt zum we - „ nigſten eine halbe Tonne Goldes mit „ ihr. Emanuel antwortete: Was „ ſoll mir aber ſo ein alt Weib vor Luſt „ erwecken koͤnnen ſoll ich denn wegen „ guter Tage boͤſe Naͤchte genieſſen? „ und meine friſche hitzige Jugend an „ ſolches kaltes Eyß ſpendiren? ſoll ich „ die jenige zur Ehe nehmen / welche mit „ gutem Fug meine leibliche Mutter „ ſeyn koͤnte? doch ehe ich den Herrn Va - „ ter will zuwieder leben / bin ich bereit / „ deſſen Befehl in allem nachzukom -men.97[79]Europæer. men. Pollie war hiermit ſehr wohl „ zu frieden / zumalen er darvor hielte / daß man bey ſolchen reichen Staats-Hey - rathen nicht eben auff die Gleichheit des Alters ſehen muͤſſe.
Hierauff thate er im Nahmen ſeines Sohnes bey oberwehnter alten Circe (wiewohl ſie nicht viel uͤber funff - tzig Jahr war) die Werbung / und be - durffte es wenig Muͤhe / das Jawort zu erhalten / indem ſolche Wittben ſich zum oͤfftern gar gerne / ſonderlich mit jungen Leuten / verheyrathen / um ihre durch die Laͤnge der Zeit verlegenen Glieder wiederum zu verneuern / und die Wuͤrckung der Liebe / welcher ſie biß - hero ungewohnet / in etwas zu probiren / in welchem Stuͤck ſie denen altẽ Schaf - fen gleichen / welche / ob ſie wohl die Koͤr - ner des Saltzes / ſo ihnen die Schaͤffer vorlegen / nicht ſo wol / als die jungen /Eaus124[80]Der verliebteaus Mangel der Zaͤhne / zerknirſchen koͤnnen / dennoch ſolche ſo appetitlich im Maule zergehen laßen / daß es ſcheinet / als ob das Alter die Jugend ſpotten wolle.
Alſo war die Heirath geſchloſſen / und muſte Emanuel / dem Vater zuge - horſamen / ſeine neue / abeꝛ doch den Jah - ren nach / ſehr alte Liebſte / zum oͤfftern be - ſuchen. Die Diſcurſe / welche zwiſchen dieſen zwo Perſonen gefuͤhret wurden / waren von ſchlechter importantz / auſ - ſer daß die alte Wittbe / welcher Nah - men ich allhier verſchweigen wil / von nichts als ihrem Reichthum redete / und Emanuelen uͤberreden wolte / daß ob ſie wohl nicht die juͤngſte waͤre / dennoch a - ber / weil ſie mit ihrem vorigen Manne kein Kind gehabt / noch wohl vor eine Jungſer zu halten. Emanuel ſtellete ſich immer als ob ihm dieſe Reden garwohl81Europæer. wohl gefielen / und gedachte unterdeſſen das beſte beyſich ſelbſten.
Jnzwiſchen wurde der Tag zur Hochzeit angeſtellet / und ſehr viel vor - nehme Leuͤte darzu eingeladen. Die Tꝛauung verꝛichtete man mit gewoͤhn - lichen Ceremonien / und nachdem das Abend-Banquet gehalten / muſte ſich Emanuel / auff ſtarcken Antrieb ſeiner Liebſten / gar zeitlich zu Bette bege - ben.
Kaum war er ins Bette hinein ge - ſtiegen / als er alsbald die Augen zudꝛuck - te und ſich ſtellete als ob er ſtarck ſchlief - fe. Die Braut rittelte ihn mit Erinne - rung ſeiner Schuldigkeit / aber da war kein Erwecken / alſo daß die gute Alte mit der Hoffnung auff die kuͤnfftige Nacht ſich abſpeiſen / und einſchlaffen muſte. Aber ich will von dem jenigen / was hernachmals weiter vorgangenE 2nichts82Der verliebtenichts gedencken / ſondern nur vermel - den / daß ein halb Jahr nach dieſer Hoch - zeit / Mons: de pollie Eheliebſte / als er ſchon 61. Jahr alt war / mit Todte abgieng. Dieſer unvermuthete Fall ſchnitte ihm eine tieffe Wunde ins Hertz hinein / welche durch kein ander Mittel / als das Pflaſter / ſo aus dem Kraͤutlein Patientia gemacht wird / geheilet wer - den kunte.
Nachdem vier Monate vorbey geſtrichen / reiſete er zu einen ſeiner Be - kandten / Mons: de Mellie genañt / in die Landſchafft Piccartie. Dieſer hat - te eine eintzige Tochter / ein Maͤgdlein von 14. Jahren / in ſolche verliebte ſich Mons: de Pollie, welcher doch eher an Sarg / als Braut-Bette / gedencken „ ſollen / doch man ſiehet / wie zu weilen „ die Alten in der Liebe ſo hitzig ſeyn / daß „ ſie auch hier innen denen jungen nichtsnach -83Europæer. nachgeben / und gar wol mit der Son - „ nen koͤnnen verglichen werden / derer „ Strahlen zum oͤfftern bey ihren Un - „ ter gang am ſchaͤrffſtẽn ſcheinen. Mons: „ de Mellie wolte ſeinem guten Bekand - ten die Tochter nicht abſchlagen / wie - wohl es ihm ſehr wunderlich vorkam / daß er den jenigen ſolte voꝛ einen Eydam annehmen / welches Tochter-Mann er / dem Alter nach / ſeblſten ſeynkoͤnte.
Die Hochzeit wurde in 8. Wo - then darauff angeſtellet / und alſo die Trauer auff Seiten des Braͤutigams / wegen ſeiner ohnlaͤngſt verſtorbenen Liebſte / gar bald geendiget.
Hierbey iſt zu vermelden / daßweil nach der Zeit de Pollie ſeine junge Frau nicht gnugſam / wegen herbeynahenden Alters / bedienen kunde / ſelbige ſich zum oͤfftern mit frembder Speiſe verſahe. E 3Und84Der verliebteUnd alſo geſchahe es / daß Mons: de Pollie und ſein Sohn gar uͤble Ehen hatten. Denn dieſer muſte vernehmen / daß ſeine Liebſte ſich bißweilen mit an - dern vergnuͤgte / Emanuel aber das je - nige auſer dem Hauſe ſuchen / wornach ſonſt andere (ſo junge Weiber haben) nicht weit gehen duͤrffen.
Derowegen ſagte der Herr Pa - ter, weil die Heyrathen offt ſo gar uͤbel gerathen / haben wir Herren Geiſtli - chen es gut / und duͤrfen nicht dencken / daß uns etwa einer Hoͤrnner auffſetzet und koͤnnen doch nach unſerer Belie / bung ſchon Gelegenheit bekommen / den auffſteigenden alten Adam auszu - treiben.
Sonſten wurden auch noch an - dere Diſcurſe / ſonderlich von dem an - weſen den Frauenzimmer / gefuͤhret / welche ingeſamt gerne gewuſt haͤtten /wer85Europæer. wer doch unſer Sicilianiſcher Ritter waͤre. Denn er hatte ein ſehr praͤchtig Kleid an / welches von gruͤnen klaren Tuch und mit breiten ſilbernen Galo - nen verbremet / auff dem Kopffe fuͤhrete er eine ſchoͤne weiſſe Feder / und forne auf dem Hute truge er eine koͤſtliche guͤl - dene Roſe / worinne 55. Smaragde gefaſſet / zu dem machte ihn ſeine ſonder - bare Anmuthigkeit im Reden bey al - lem / uͤber der gantzen Taffel / beliebt.
Nach geendigten Banquet nahm Alexander von der gantzen Verſam̃ - lung / und abſonderlich dem Herrn Pa - ter; Abſchied / bedanckte ſich vor die Eh - re / ſo er bey ihm genoſſen / und begab ſich wiederum ins Wirthshaus / legte ſich zur Ruhe / und ritte den folgenden Morgen immer wiederum ſeinen Weg fort / da ihm denn den gantzen Weg / biß nach Straßburg / nichts ſonderliches vorfiele.
E 4Als86Der verliebteAls Alexander in Straßburg angelanget / erfuhr er / nicht ohne ſonder - bare Beſtuͤrtzung / daß ſich ſeine Lucretie mit Gifft vergeben / und ſolches folgen - der Maſſen geſchehen.
Mons: de Comilly hatte Lu - cretien kaum auff ſeine Guͤter / welche nur eine Tagreiſe von Straßburg ge - legen / gebracht / als er erſtlich mit guten Worten von ihr verlangte / ſie moͤchte ihn heyrathen / und weil mit guten von ihr nichts zu erhalten / drohete er mit Gewalt. Lucretie / da ſie ſahe / daß ſie ihre Keuſchheit / welche ſie niemand / als ihren Alexander, dermaleins gewied - met / wdhl ſchwerlich bey dieſen Unmen - ſchen erhalten wuͤrde / ließ ſich einsmals etwas Gifft von Straßburg mitbrin - gen / und als ſie zuvor an Comilly ei - nen Brieff geſchrieben / und ſolchen auff den Tiſch geleget / nahm ſie den Gifft zu ſich / welcher den dergeſtalt Wuͤrckungthat /87Europæer. that / daß ehe eine Stunde vorbey gien - ge / die keuſche Lucretie in Ohnmacht da - hin ſanck / und alsbald den Geiſt auff - gab / der Brieff / welchen ſie vor ih - ren Tod auff den Tiſch legte / lautete alſo:
An den leichtfertigen Jungfer - Reuber Comilly.
Hier ſiheſtu die keuſche Lucretie „ liegen / welche viel lieber keuſch ſterben „ als deinen unzuͤchtigen Willen voll - „ bringen wollen. Bedencke / was du „ gethan / und verſichere dich / daß / weil „ du die Vrſache an meinen Tode / mein „ liebſter Alexander nicht eher ruhen „ wird / biß er an dir Rache veruͤbet / und „ wofern er es ja unterließe / ſoſoll mein „ Geiſt an dir Boͤſewichten ſelbſten ſol - „ ches vollbringen.
Nach dem Comilly Lucretien Tod erfuhr / erſchrack er nicht wenig / zu -E 5mal88Der verliebtemal als er den hinterlaßenen Brieff la - ſe / und vermeinete alle Augenblick / A - lexander were etwa zugegen und wol - le ihn / wegen Lucretien Tod zur Rede ſetzen.
Wie nun Alexander den gan - tzen Verlauff wegen Lucretien Tode vernommen / ſeumete er nicht lang / ſon - dern ſetzte ſich alsbald nieder / und ſchrieb folgenden Brieff:
Alexander an Comilly.
„ Jch haͤtte zwar vermeynet / es ſol - „ te der neuliche Stoß / welchen ich dir „ zu Paris gegeben / dich beweget ha - „ ben / Lucretien mir gantz und gar zu uͤ - „ berlaßen / doch habe ich bey dir das „ Wiederſpiel erfahren muͤſſen / daß du „ ſelbige nicht allein / als ein verraͤtheri - „ ſcher Straſſen-Raͤuber / auff oͤffentli - „ chen Wege angefallen / ſondern ſie auch „ gar davon gefuͤhret / um mit ihr deinenun -89Europæer. unzuͤchtigen Willen zu vollbringen / „ dadurch du denn verurſachet / daß ſel - „ bige / dieſer Schande zu entgehen / ſich „ mit Gifft hingerichtet. Weil ich nun „ im Leben ihr Liebhaber geweſen / alſo iſt „ es billich / deroſelbẽ auch nachdem To - „ de getreu zu verbleiben. Derrowe - „ gen iſt dieſes mein Begehr / du wolleſt „ den fuͤnfften Tag / von ietzo an / eine „ Meile von hir bey dem Dorffe Leo - „ Ville mit einen guten Stoßdegen / „ doch ohne Secunden / erſcheinen / da „ ich denn entweder meiner Liebſten Tod „ an dir raͤchen / oder deroſelben im Tode „ Geſellſchafft leiſten wil. Wirſtu nicht „ zu beſtimmter Zeit dich einſtellen / ſo „ ſollſtu in deiner eigenen Behauſung „ nicht ſicher ſeyn.
Dieſen Brieff gab er Fridrichen / welcher ſich zu Pferde ſetzen und ſelbi - gen uͤberbringen muſte.
E 6Ehe90Der verliebteEhe er ihn aber noch fort ſchickte / wieß er ſolchen ſeinem vertrautẽ Freun - „ de / welcher ſagte: Solten alle die „ Jungfern / ſo in dieſer Stadt etwas „ genoſſen / ſo ihnen nicht gehoͤrt / ſich mit „ Giffte vom Leben zum Tode bringen / „ wo wolten die Tiſchler ſo eine Menge „ Bretter hernehmen / Saͤrge gnug zu „ verfertigen / ich wil nicht ſagen von de - „ nen Ehe-Weibern / welche bißweilen „ nur deßwegen ſich verheyrathet / damit „ ſie ihre Boßheit deſto ſicherer treiben „ koͤnnen. Alexander verſetzte: Wenn „ derſelbe nicht mein Bekandter und gu - „ ter Freund waͤre / wuͤrde ich ſeine dieß - „ mal gefuͤhrte Reden in Zweiffel ziehen / „ denn das Frauenzimmer / ſo mir ſeit - „ hero / weil ich mich allhier auffgehal - „ ten / ins Geſichte kommen / habe ich ie - „ derzeit vor erbar und ſittſam angeſe - „ hen / auſſer daß mir bißweilen Weibes - „ Perſonen auff der Gaſſen begegnet /de -91Europæer. deren Gang alſo beſchaffen geweſen / „ daß es geſchienen / als ob ſie ein Uhr - „ werck in Hinter-Caſtel haͤtten. An - „ tonius (denn alſo heiſſe Alexanders guter Bekandte / welcher eines derreich - ſten Sicilianiſchen Kauffleute einiger Sohn in Palermo war /) antwortete: Dieſe ſindeben die rechten / quæ faci - unt libenter, von welchen das gemeine Spruͤchwortlautet: Quæ pedibus lu - dentibus incedunt rarò ſunt virgi - nes.
Wir muͤſſen uns aber zu Comil - ly wenden / und ſehen / was er ſich auff empfangenen Ausfoderungs - Brieff reſolvixet. Selbiger hatte den von Alexandern geſchriebenen Brieff kaum auffgebrochen / und deſſen Jnn - halt verſtanden / als ihm alsbald das Gewiſſen auffwachte / daß er nicht wu - ſte / was vor ein Mittel in dieſer SacheE 7zu92Der verliebtezu ergreiffen. Einmal kunte er nicht leugnen / daß Lucretien Tod von ihm urſpruͤnglich herkommen / zu dem wenn er betrachtete / wie ihm bey ſeiner unge - rechten Sache noch darzn Alexander mit dem Degen weit uͤberlegen / vermu - thete er ſich eines gar ſchlechten Aus - gangs / iedennoch aber / damit man ihn vorkeinen verzagten Kerl anſehen moͤch - te / fertigte er Friedrichen den andern Tag nach ſeiner Ankunfft wiederum ab / mit dem Bericht an Alexandern / Er wolle zu beſtimmter Zeit ſchon er - ſcheinen.
Der angeſtellete Tag zum Duell kam herbey / da denn Alexander ſich zu Pferde ſetzte / und an den benannten Ort ritte / alwo er kaum eine halbe Stunde gewartet / als Mons: de Co - milly ebenfalls daher trabete. Man brauchte allhier nicht viel Compli -men -93Europæer. menten / ſondern die beyden Kaͤmpfer zogen die Ober-kleider aus / gaben ſol - che nebſt ihren Pferden denen Die - nern / und ſtelleten ſich dergeſtalt gegen einander. Alexander brandte gantz vor Eifer / alſo daß / indem er ſeinen Ge - gener ſtarck angriff / ſelbiger zimlich zu - ruͤck weichen muſte / und dieſes war der erſte Gang? Der andere wurde zwar auff eben die Art angefangen / aber auff gantz andeꝛe geendiget / indem Alexan - der mit einen Stoß zwiſchen der drit - ten und vierdten Ribbe auff der lincken Seite ſeinen Feind dermaſſen traffe / daß er alsbald zu Boden fiel / und die Seele in eine andere Welt geſchicket ward.
Unſer Sicilianiſcher Ritter be - kam hierauff Mons: Comilly Diener auff die Seite / verſprach ihm 70. Cro - nen / wofern er ſagen wurde / daß ſenHerr94Der verliebteHerr von Raͤubern ermordet worden / und ritte wiederum nach Straßburg zuruͤck.
Comilly Erben gaben ſeinem geweſenen Diener gar gerne glauben weil ſie ſich erfreueten / daß eine ſo un - vermuthete Erbſchafft ihnen zu Theil worden / und erfuhr alſo kein einiger Menſch etwas von dem vorgegange - nen Duell, zumalen denn auch nicht gar lange darnach ebenfalls der Diener / welcher die 70. Cronen empfangen / ſei - nem Herrn / wiewohl eines natuͤrlichen Todes / folgete.
Nach dem nun dieſes alſo vergan - gen / beſchloß Alexander ſich eine we - nige Zeit in Straßburg auffzuhalten / um hierdurch ſeine traurigen Gedan - cken wegen Lucretius Tod zu vertrei - ben / und weil er ſonſt in ſolcher Stadt niemanden / als den oberwehnten An -to -95Europæer. tonium, kennete / nahm er ſelbigen zu ſich auff die Stube / denn er war ein lu - ſtiger Compan / und kunte einen die melancholiſchen Grillen gar leicht aus dem Gehirne jagen. Derowegen als er einſten ſahe / daß Alexander in tief - fen Gedancken ſaſſe / und ſonſt gerne (weil er in Conjunctione Martis & Veneris zur Welt kommen) verliebte Sachen hoͤrete / fieng er folgende Hiſto - rie an zu erzehlen: Es iſt ohngefehr 4. Jahr / als ein reicher Kauffmann allhier durch eine Kranckheit hingeraffet wur - de / und dannenhero ſeine Frau als eine Wittbe hinterlieſſe / welche aber nicht uͤ - ber 23. Jahr alt war / dannenhero ge - ſchahe es / daß ſie kaum ein Jahr nach ih - res Mannes Tod ſich wiederum nach einen andern umſahe / und weil ſich bald keine Heyrath ereignen wolte / ſuch - te ſie Gelegenheit die muͤßige Zeit mit jungen Cavallieren zu vertreiben / inMey -96Der verliebteMeynung / hierdurch etwa einen ins Garn zu zlehen / und mit denen Ehe - Stricken zubinden. Unter denen Bie - nen / ſo um dieſen fleiſchernen Stock herum ſchwaͤrmeten / war eine / welche zwar ſehr brummete / aber wenig Ho - nig eintrug / das iſt / es bediente dieſe jun - ge Wittbe eines Kauffmanns Sohn von Coͤlln / welcher viel Geprales von ſeinem groſſen Vermoͤgen machte / da doch ſelbiges von einem ſchlechten Ca - pital. Dieſes junge Witt-Weibgen meynete / daß diß Waſſer auff ihre Muͤhle were / und machten ſich die bey - den Leutgens in kurtzer Zeit mit einan - der ſo bekannt / daß ſie die Meynung / quod copula ſacerdotalis non ſit de eſſentia matrimonii, zu behaup - ten ſuchten / aber es waͤrete nicht gar lange / ſo befande ſie ſich ſchwanger / dan - nenhero man mit nichten verzog / ſon - dern bald Hochzeit und ein ViertelJahr97Europæer. Jahr darauff Kind-Tauffe ausrich - tete.
Dieſe Geſchicht / wofern ſie ſich - ſonſten alſo verhelt / iſt wol wuͤrdig / antwortete Alexander, daß man ſol - che mit Fleiß mercke / indem hierinne ei - ne ſonderliche Maxime einen Mann zu erlangen verborgen / und ſolte ſich al - ſo ein junger Menſch faſt ſcheuen / mit ſolchem Frauenzimmer umbzugehen / welches alsbald vermeynet / man thue es heyrahtens wegen.
Ja / verſetzte Antonius, iſt sall - hier in Straßburg ein ſo wunderlich thun / daß / wenn einer nur einmal Ge - legenheit hat / mit einen Frauenzim mer zu Converſiren / die Leute alsbald ſagen / man habe ſich in ſolche Perſon verliebet / wer kan darfuͤr / wenn ſich et - wa manch Frauenzimmer ſolches ein - bildet / zumal ſelbige zum oͤfftern / ausHoff98Der verliebteHoffnung zur Heyrath / ſolche Sachen vornehmen / welche ihnen hernacher / wenn ſie nichts mit zu wege bringen / ſelbſten reuen.
Alexander kunte ſich dieſes faſt nicht einbilden / daß das keuſche Frauen - zimmer einem mehr Gunſt / als es ſich ſonſt gebuͤhrete / erzeigen ſolte / doch ent - ſchloß er ſich Gelegenheit zu ſuchen / ſol - ches zu erfahren.
Als er nun einſten nach der Mit - tags-Mahlzeit / um eine kleine Motion zu machen / vor das Thor ſpatzieren gieng / und einen Garten vorbey paßir - te / deſſen Thuͤre ein wenig auffgethan / ſahe ein Paar Perſonen ſitzen / welche ſo verliebt mit einander redeten / daß ſie einander immer die Woͤrter aus den Maͤulergen nahmen. Alexander gedachte bey ſich ſelbſten: Sapienti ſat, gieng um ſie nicht zu verſtoͤren / davon /weil99Europæer. weil es im gemeinem Spruͤchwort heiſ - ſet: Qvod tibi non vis fieri, alteri ne feceris.
Nachdem unſer Sicilianiſcher Ritter ſich wiederum nach Hauſe bege - ben / kam ihm Antonius entgegen / mit Vermelden / daß er Morgen zu einen von Adel / 2. Stunden von hier / gebe - then worden / wenn es ihm alſo gefiele / wolle er ihn mit nehmen / und am ſelbi - gen Ort bekand machen. Alexan - der war gar wohl zu frieden. Alſo ſetzten ſich die Beyden folgenden Ta - ges auff eine Kaleſche / und fuhren auf den Ort / allwo der Edelmann wohn - hafftig / welcher denn ſeine Gaͤſte gar freundlich empfieng / und weil es faſt Mittag / zur Mahlzeit noͤthigte. Uber Tiſch fragte Mons: ce Cloy (denn ſo hieß der Edelmann) Alexandern / ob ihm nicht beliebte / nach dem Eſſen indie100Der verliebtedie Kirche zu gehen / denn es wuͤrde der Schulmeiſter / welcher 10. Tage vor - mals zu Franckfurt auff der Univer - ſitaͤt geweſen / ſeines Pfarrers Kindes Leichen-Abdanckung thun / welche wol ohne Zweifel poſſirlich wuͤrde zu hoͤren ſeyn. Alexander willigte darein gar gerne / dannenhero als die Speiſen ab - gehoben / und die Mahlzeit geendiget / fuͤhrete der Herr Wirth / ſeine Gaͤſte in die Kirche / da ſie denn nicht lange war - teten / als die gantze Leichen-Proceſſion mit ſamt dem Herrn Schulmeiſter ſich - præſentirte / welcher denn als er einen erſchrecklichen Reverentz gegen die Adeliche Por - Kirchegemachet / alſo zu reden anfieng:
Hochanweſende Anſehnliche. Es ſaget der weiſe Propheten-Lehrer Je - ſus Sirach in ſeiner Offenbarung am 30. Capitel nicht unbillich: Machedich121[101]Europæer. dich ſelbſt nicht traurig / und pla - ge dich nicht ſelbſt mit deinen eige - „ nen Gedancken / denn ein froͤlich „ Hertz iſt des Menſchen Leben / „ und ſeine Freude iſt ſein langes „ Leben. Thue dir Gutes / und „ troͤſte dein Hertz / und treibe Trau „ rigkeit ferne von dir / denn Trau - „ rigkeit toͤdtet viel Leute / und die - „ net doch nirgend zu. Dieſes habt „ ihr Herr Magiſter Sperling / wohl - „ verordneter Kirchen-Inſpector all - „ hier / auch in Acht zu nehmen / denn ich „ ſehe wol / daß euch von Weinen im - „ mer der Bock ſtoͤſſet / aber was richtet „ ihr mit ſolcher Traurigkeit aus / geden - „ cket nur / wie ihr neulich bey Gevatter „ Jockels Leichen-Predigt ſagtet: Heut „ ſind wir friſch / geſund uñ ſtarck / Mor - „ gen todt und liegen im Qvarck. Was „ huͤlffe es denn euch / wenn ihr auch „ gleich heuletet / wie mein einaͤugiger „al -104[102]Der verliebte„ alter Ketten-Hund / wenn er in 3. Ta - „ gen nichts zu Freſſen bekommen / ihr „ werdet doch hiermit wohl ſchwerlich „ euer Kind vom Tode erwecken / denn „ dieſe Macht hat ſich unſer HERR „ Gott alleine vorbehalten. Zwar muß „ ich es geſtehen / daß mich das gute Kind „ ſelbſten tauret / denn als es vor acht Ta - „ gen bey mir zum letzten mal in der „ Schule war / betete es das A. B. C. mit „ einer ſo eiferigen Andacht her / als ob es „ von Mund auff gen Himmel fahren „ wolte / gleich als ob ihn ſein bald dar - „ auff erfolgter Tod geahnet. Dero - „ wegen gebt euch zu frieden / mein Herr „ Magiſter, und ſeyd vergnuͤgt / daß „ nicht etwa zuſamt dem Kinde / euer „ ſchoͤner Maſt-Qchſe / welchen ihr auff „ die Kirchmeß ſparet / an Galgen gan - „ gen. Es bedancket ſich letzlichen der „ Herr Magiſter gegen die gantze vor - „ nehme baͤueriſche Verſammlung / daßſie103Europæer. ſie ſeinem verſtorbenen Kinde die letz - „ te Ehre anthun / und ſelbiges zur Ru - „ he-Staͤdte begleiten wollen / verſpꝛicht „ ſolches wiederum / bey vorfallender „ Gelegenheit / zu compendioſiren. „ Mir aber wollet ihr / bitte ich groß - „ guͤnſtig / verzeihen / daß ich meine Woꝛ - „ te nicht geſchickter vorgebracht / wel - „ ches wohl geſchehen / wofern ich nicht „ eben gleich heute Vormittag Nach - „ bar Stepffan ein Rindgen ſchlachten „ muͤſſen / und alſo wenig ſtudieren koͤn - „ nen / ſonſten / wofern mir nicht dieſe „ Verhinderung in Weg kommen / „ haͤtte ich etwas herſchwatzen wollen / „ daß euch Hoͤren und Sehen vergehen „ ſollen. Andieu.
Hierbey iſt zu mercken / daß die Gemeine in dieſem Dorffe dem Schul - meiſter / weil er ſonſt wenig Accidentia hatte / den Schlachter-Dienſt uͤber ge -Fben /104Der verliebte„ alter Ketten-Hund / wenn er in 3. Ta - „ gen nichts zu Freſſen bekommen / ihr „ werdet doch hiermit wohl ſchwerlich „ euer Kind vom Tode erwecken / denn „ dieſe Macht hat ſich unſer HERR „ Gott alleine vorbehalten. Zwar muß „ ich es geſtehen / daß mich das gute Kind „ ſelbſten tauret / denn als es vor acht Ta - „ gen bey mir zum letzten mal in der „ Schule war / betete es das A.B.C. mit „ einer ſo eiferigen Andacht her / als ob es „ von Mund auff gen Himmel fahren „ wolte / gleich als ob ihn ſein bald dar - „ auff erfolgter Tod geahnet. Dero - „ wegen gebt euch zu frieden / mein Herr „ Magiſter, und ſeyd vergnuͤgt / daß „ nicht etwa zuſamt dem Kinde / euer „ ſchoͤner Maſt-Qchſe / welchen ihr auff „ die Kirchmeß ſparet / an Galgen gan - „ gen. Es bedancket ſich letzlichen der „ Herr Magiſter gegen die gantze vor - „ nehme baͤueriſche Verſammlung / daßſie105Europæer. vergoͤnnete ihm ſolches / unterdeſſen a - ber war mein Wild-Schuͤtze ſo ſchlimm geweſen / daß er ein alt Haſen-Fell ge - nommen / ſelbiges ausgeſtopffet und in des Pfarrers Kraut geſetzet. Dieſer koͤmmt einſtens gegen Abend dahin / ſte - het das Thier im Kraut ſitzen / und ver - meynet nicht anders / als ſey es ein Ha - ſe / giebt hierauff mit ſeiner Flinte Feu - er / und erleget alſo ſein vermeyntes Wildpret / ohnlaͤngſten hatte er auch ei - ne zahme Katze vor eine wilde geſchoſ - ſen.
Alexander wuͤndſchte dieſen geiſtlichen Schuͤtzen zu ſehen / worauff ihn denn der Edelmann auff den Abend zur Mahlzeit bitten ließ welcher denn gar willig erſchiene.
Unter andern Diſcurſen / ſo der Herr Collator mit ſeinem Pfarrer uͤ - ber der Mahlzeit fuͤhrete / fragte er ihn /F 2ob106Der verliebteob er nicht morgendes Tages bey der von ihm / ſeinen fremden Gaͤſten zur Zeit-Vertreibung / angeſtelleten Fuchs - und Haſen-Jagt / ſeine Perſon eben - falls præſentiren wolle. Der Herr Paſtor antwortete: Er habe ſeine Flin - te bey dem Buͤchſenmacher / und ohne Gewehr bey einer Jagt zu ſeyn wolle ſich auch nicht wohl ſchicken. Mons de Cloy verſprach ihm eine gute Buͤchſe zu leihen / worfuͤr er ſich dienſtlich be - danckte mit Verſprechen / ſich zu rech - ter Zeit ſchon einzuſtellen. Unterdeſſen beſtellete de Cloy bey ſeinen Schuͤ - tzen / daß er die Buͤchſe / ſo der Pfarr des folgenden Tages bekommen ſolte / uͤber die Helffte voll Gaͤnſe-Federn laden muſte / welches er auch ins Werck rich - tete.
Des kommenden Tages wurden die Netze zur Jagt hinaus in Wald ge - fuͤhret / und ritte Mons. de Cloy,nebſt107Europæer. nebſt Alexandern und Antonio bald hernach.
Der Herr Pfarrer ließ ſich ſeinen Gaul (welcher Bileams klugen Eſel nicht ungleich) ebenfalls ſatteln / ſetzte ſich auff ſelbigen / nahm die Buͤchſe / ſo ihm ſein Juncker geliehen / vor ſich auff den Sattel / und ritte