PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Der verliebte Europęer, Oder Warhafftige Liebes-Roman /
Jn welchen Alexandri Liebesge - ſchichte / und tapfere Helden-Thathen / womit er nicht alleine ſich bey den Frauenzimmer be - liebt gemacht / ſondern auch in Beſichtigung unterſchiedliche Koͤnigreiche in Europa / dero vornehmſten Staats-Maximen ange - mercket / begriffen / Allem Curioſen Frauenzimmer / und klugen Hoff-Leuten zu ſonderbaren Nutz / zuſammen getragen / durch Alexandri guten Freund / welcher ſonſt genant wird AMANDUS de AMANTO.
Gedruckt inWien/ und von dar zum Verkauff uͤberſandt AnAUGUSTO BOETIO, Buchhaͤnd. in Gotha /1682.

Zuſchrifft An das Hochloͤbliche Euro - pæiſche und abſonderlich weltberuͤhm - te Leipziger Frauenzim - mer.

ES hat der verliebte Eu - ropær etliche Jahre nach einander / in Be - ſichtigung der vornehmſten Laͤnder in Europa zugebracht / und abſonderlich ſeine hoͤchſte Vergnuͤgung in Converſation mit ſchoͤnen und tugendſamen Frauenzim̃er geſuchet / da ihm denn keines beſſer als das Teut -A 2ſcheſche gefallen / und abſonderlich wie er vergangene Michaelis - Meſſe / in die weltberuͤhmte Stadt Leipzig kommen / hat ihn das Frauenzimmer in ſelbiger Stadt ſo ſehr vergnuͤget / daß er auch ſo kuͤhn geweſen / dieſen geꝛingen Roman / dem Hoch - tugend-Edlen Leipziger Frauenzimmer zu dedici - ren. Denn warum ſolten ſo hochſchaͤtzbare Creaturen ei - nem curioſen Liebhaber nicht Vergnuͤgung erwecken koͤn - nen. Jhre Schoͤnheit abzu - bilden / muͤſſen ja auch die al - lerkuͤnſtlichſten Mahler mit al -lerler ihrer Kunſt zu Schanden werden / und die ſonſt aller unempfindlichſten Gemuͤther werden durch ihr Anſchauen zur Gegen-Liebe beweget. Die Stralen ihrer Augen ſind zwo Sonnen welche die kaͤlte - ſten Hertzen erwaͤrmen / und mit ihrer Verfinſterung die verliebteſten Seelen in Ver - zweifflung bringen koͤnnen. Die Glieder ſind bey denen meiſten Perſonen durch die Natur alſo formiret / daß der jenige welcher Selbige mit un - geſchickter Fauſt anruͤhrete / mit hoͤchſter Straffe muͤſte be - leget werdene. Jn Sum̃a / Jh -A 3rere Schoͤnheit meritiret in Wahrheit nicht allein von ih - res gleichen geliebet / ſondern auch von hohen Standes - Perſonen verlanget zu wer - den / indem in denen allervoll - kommenſten Leibern die aller - edleſten Seelen wohnen. Deñ die Schoͤnheit conſideriret mit nichten den Stand / weil ſelbi - ge mehrentheils der Zweck zu lieben / und die Tugenden der Geburt bey weiten vorzuzie - hen. Die koſtbaren Trinck - Geſchirr machen mit nichten den Wein / ſo darinne enthal - ten / koſtbar / ſondern die Guͤte deſſelben kan auch in dem ge -ring -ringſten Geſchirre geſpuͤret werden. Alſo auch / wann ei - ne Perſon gleich viel Ahnen / und wenig Tugenden zehlen kan / wird ſelbige von einem rechtſchaffenen Liebhaber nicht ſo geliebet / als die Jenige / wel - che den Mangel hohen Stan - des mit guten Qvalitaͤten er - ſetzet. Von hohen Verſtande / womit dieſe Engeliſche Men - ſchen begabet / will ich nicht ſa - gen / als welcher ohne dem durch die gantze Welt derge - ſtalt ausgebreitet / das auch ſelbſten hohe Haͤupter ſich wohl ehe nicht geſcheuet / ſelbi - gen zu ruͤhmen / und ein undA 4an -andere Schrifften / ſo oͤffent - lich im Druck ausgangen ſatt - ſam Zeugnuͤß geben. Durch ihre liebliche Ausrede iſt unſe - re teutſche Mutterſprache in Auffnehmen gebracht wor - den / welche ſich auch iederzeit mainteniren / und keineꝛ ſelbige recht begreiffen kan / wofern ihm nicht das Gluͤck guͤnſtig / zum oͤfftern mit ihnen zu con - verſiren / worinnen ſie deñ ſon - derlich von Liebes-Sachen zu discuriren ſo exerciret / daß ſie auch denen geuͤbteſten Liebha - bern ſubtile Fragen vorlegen koͤnnen. Und zwar iſt ihre Converſation mit eineꝛ ſondeꝛ -barenbaren galanden Freundligkeit vermenget / welche / ſo wohl die Jenigen / ſo die Buͤrdte des Ehſtandes noch nicht gefuͤh - let / als auch die / welche vor die eingezogene Jungferſchafft die freue Dienſtbarkeit erwehlet / uͤber alle maſſen recomman - diret. Mit kurtzen Worten. Es hat Alexander in Obacht ge - nommen / daß vor dem ein Ro - man / unter dem Titel des ver - liebten Affricaners in Druck gangen / weil er nun geſehen / daß ſolch Buͤchlein ziemlich viel Liebhaber gefunden / als hat er eben falls ſeinen Lebens - Lauff / unter dem Titel desA〈…〉〈…〉ver -verliebten Europaͤers / einem guten Freunde nach und nach erzehlet / welcher denn die - ſen Roman ein wenig in Ord - nung gebracht.

Hiermit verſichere ſich das ſaͤmtliche Europaͤiſche / und abſonderlich Hochtugend - Edle Frauenzimmer in Leipzig / daß gleich wie Ale - xander eine Perſon / welche an - noch am leben / aber umb ge - wiſſer Urſachen willen billich verſchwiegen wird / alſo iſt kei - ne Hiſtorie allhier gedacht worden / welche ſich nicht ſowolwol in als auſerhalb Teutſch - land zugetragen / aber doch mit veraͤnderten Umbſtaͤnden erzehlet werden.

Derowegen werden ſie die groſſe Kuͤhnheit dem ver - liebten Europaͤer verzei - hen / welcher ihre Hochſchaͤtz - baren Tugenden mit dieſer Liebes-Geſchicht vermengen wollen. Es waͤre zwar ſeine Schuldigkeit geweſen / dem Frauenzimmer etwas von E - xemplarien zu uͤberſchicken / weil aber die Ferne des Weges ihm gar leicht vor eine Ent - ſchuldigung dienen kan / alsA 6wer -werden ſie ſchon bey dem jeni - gen ſolche bekommen koͤnnen / zu welchen er / noch zuvor / ehe er ſich unterſtanden dieſen Ro - man ihnen zu dediciren ein gut theil Exemplarien wenig aus - genommen / ſo er vor ſich be - halten / geſchicket.

Was den Autorem / ſo dieſes Buch ordentlich verfaſſet / an - langet / hat derſelbe Bedencken getragen ſeinen Nahmen dar - unter zu ſetzen / weil ihm wol wiſſend / wie zum oͤfftern das beſte / und welches mit groͤſten Fleiß gemachet / verachtet wird. Uber diß haͤtte auch derAu -Autor dieſem Wercke gar leicht einen andern Titel geben / und nach dem heutigen Politiſchen Stylo Curiæ, den Politiſchen Liebhaber nennen koͤnnen / aber er hat hierinnen gantz an - dere Principia, ſolte er aber ſe - hen / daß ſeine Arbeit æſtimiret wuͤrde / ſo verſpricht er einen Tractat (welchen er ſchon un - ter Haͤnden hat) die Politiſche Wuͤnſchelruthe genannt / denen Jenigen / welche das Sonnen - Metall uͤber der Erde ſuchen / kuͤnfftige Oſter-Meſſe in die Haͤnde zu liefern / verbleibet unterdeſſen biß in den Todt des ſaͤmmtlichen Europæi -A 7ſchensſchens und abſonderlich Hoch-Tugend-Edlen Frauenzimmers in Leipzig /

verpflichteſter Diener

Amandus de Amanto.

Bericht

Bericht an einen bekandten Freund in Leipzig.

Es wird demſelben annoch in friſchem Gedaͤchtniß ruhen / daß als ich bey juͤngſter Mi - chael-Meſſe von Wien nach Leip - zig gereiſet / durch ſonderbare Schi - ckung des Gluͤckes in deſſen Be - kandſchafft gekommen / da denn Selbiger mir noch uͤber diß mit et - lichen Curioſen Buͤchern (welche mich ſehr wol contentiret /) an die Hand gegangen / dadurch ich nicht wenig bewogen worden / mit ihm ins kuͤnfftige ferner Kunt - und Bekandſchafft zu pflegen / als re - ſolvirte ich mich nachgehends auff der Ruͤckreiſe / meine bißhero ge - fuͤhreten Lebens-Begebenheiten / mit dem Titul des verliebte Eu - ropæers bezeichnet / demſelben zuuͤber -uͤberſchicken / und weil ich neulich nur ſehr wenig Exemplaria Jhme uͤbermachen koͤnnen / als hat der - ſelbe hiermit den uͤber Reſt zuem - pfangen. Bitte unterdeſſen mir die angenehme Freundſchafft zu erweiſen / und dieſen kurtz abgefaſ - ſeten / aber doch / was den Jnnhalt anlanget / mehrentheils warhfften Liebes-Roman / geneigt auff und anzunehmen / wegen dieſer erzeig - ten Dienſt-Gefliſſenheit / erkenne ich mich die ganze Zeit meines kuͤnf - tigen Lebens vor.

Gegeben in Wien / den 20. Dec. St. N. 1681.

deſſen

treu verbundenen

Verliebten Alexander.

Don
1

DOn Lomeno, Vice-Ree in Sicilien / hatte mit ſei - ner Liebſten in waͤrendem Eheſtande nur einen eini - gen Sohn mit Nahmen Alexander gezeuget / welcher / nachdem er zu ſeinen maͤnnlichen Jahren kom - men / ein trefflich tapffer Gemuͤthe von ſich ſpuͤren ließ. Und zwar ſo wohnete ſolches in einem recht anſehnlichen Lei - be. Jederman betrachtete ihn als ein Wunderwerck der Natur / denn der Glantz ſeines Geſichtes hatte eine ſol - che anziehende Krafft an ſich / daß auch die unempfindlichſten Hertzen ihn nicht ohne Liebes-Bewegung anſehen kun - ten. Der Ruff von ſeinem hohen Ver - ſtande / uͤbertraff zwar den Glauben / aber mit nichten die Warheit / denn wer nur in Sicilien reiſete / ſuchte Mittel und Gelegenheit dieſen beruͤhmten Helden zu ſchauen / und die Augen anſo2Der verliebteſo ſchoͤner Geſtalt zu laben. Die be - ruͤhmteſten Mahler kamen von allen Orten und Enden zuſammen / ſo vor - trefflich lebendiges Conterfait in ge - heim abzucopieren / denn ſie vermeine - ten / ihre Hand koͤnte durch nichts mehr begluͤckſeliget werden / doch machte die Natur alle Kunſt zu Schanden / und kunten die vermiſchten Farben kaum den Schatten oberwehnter Schoͤnheit / in etwas abbilden.

Nun hatte Don Lomeno vom Koͤnige in Spanien groſſe Verſiche - rung bekommen / ſeinen Sohn / ſo bald ſelbiger nur etliche Proben ſeiner Ta - pferkeit und Verſtandes wuͤrde von ſich ſehen laſſen / an Hoff zu befoͤrdern / dan - nenhero keine Zeit ſolte vorbey ſtreichen / ſeinen Sohn nach Madrit zu ſchicken / wie ſich denn hierzu gute Gelegenheit er eignete / weil eben ohnlaͤngſten zu Meſ -ſina3Europæer. ſina ein neu Orlochs-Schiff ausgeruͤſtet worden / welches in dreyen Tagen nach Spanien ſeglen wolte.

Der Vice Ree truge ſein Vor - haben Alexandern vor / in welches Er gar leichte willigte.

Alſo fuhr Alexander den drit - ten Tag darauff unter Gluͤckwuͤnd - ſchung ſeiner Eltern und nechſten An - verwandten fort. Das Meer erwieſe ſich ſo anmuthig / daß die Wellen mit ih - rer ſanfften Erhebung gleichſam ihren Hochmuth / ein ſo ſtattlich See-Ge - baͤude und tapfern Helden zutragen / mercken ließ. Das Schiff war mit 120. Stuͤcken und 700. Mann verſehen / und von ſolcher Groͤße / dergleichen in Sicilien noch nie geſehen worden.

Nun war zugleich auf dem Schiff ein leſuit, Pat: Laurentius, mit wel - chem ſich Alexander bekandt machte / weil Er vor dem am Spaniſchen Hoffege -4Der verliebtegeweſen / auch ebenfalls ietzt wiederum dahin gedachte / ſich wegen ein und des andern erkundigte / darauff ſelbiger alſo zu reden anfieng:

Tapfferer Ritter / ſo beruͤhmt und maͤchtig vordeſſen das Koͤnigreich Spanien geweſen / ſo jaͤhling iſt ſolches ſeithero in Abnehmen gerathen / alſo / daß kaum der Schatten eines ſo ſchoͤ - nen Landes mehr uͤbrig. Faſt die Helffte des vereinigten Niederlandes iſt abgefallen / und zwar um keiner an - dern Urſache / als weil die Spanier ihre Herrſchafft mit allzu-groſſer Strenge zu behaupten ſuchen. Por - tugall / welches vor dem den Koͤnig in in Spanien vor ein Oberhaupt er - erkennete / hat ietzt ſeinen eigenen Re - genten. Jch wil nicht ſagen / wie ſehr ſel biges Koͤnigreich von Menſchen ent - bloͤſſet / indem ſo eine groſſe Menge vormals in die neue Welt geſchicket /wo -5Europæer. wovon es keinen andern Nutzen / als daß in etliche Jahren die Silberflotte einmal heraus kommt / welche / wann ſie verungluͤcket / oder (wie mehrmals geſchehen /) vom Feinde weggenom - men wird / ſo gehet faſt ein jaͤhrlich Einkommen des gantzen Koͤnigreiches auffeinmal zu Grunde.

Als dieſe beyde alſo in Reden be - griffen / wurde der Steuer-Mann ge - wahr / daß 5. Schiffe mit vollen Segeln auff das Sicilianiſche Schiff zu lieffen / welche man / wie ſie etwas naͤher kamen / an ihren Flagen erkennete / daß es Fran - tzoͤſiſche Caper / (weil der Koͤnig in Franckreich wegen einiger prætenſion in Catalonien / denen Spaniern den Krieg zu waſſer und Lande angekuͤndi - get /) die Spaniſchen Soldaten mach - ten ſich unter dem Commando ihres Capitains zur Gegenwehr fertig / und wendeten ſich dem Feinde entgegen.

Das6Der verliebte

Das groͤſte feindliche Schiff gab mit einem Canon-Schuß zum Treffen die Loſung / und lieff mit aller Macht auff das Spaniſche loß. Der Capitain lies aus 6. Stuͤcken zugleich Salve ge - ben / welche denn dergeſtalt wuͤrckte / daß die ſtaͤrckſte Feindliche Fregatte ein Loch bekam / und weil das Waſſer haͤuffig hinein lieff / zu ſincken anfieng / doch wur - de das Volck errettet / und auf die an - deren Schiffe gebracht / welche / weil ſie ſahen daß ihr beſter Beyſtand verlohren gangen / die Flucht gaben. Die Spa - nier hattẽ bey dieſem Scharmuͤtzel auch wenig Seide geſponnen / in dem 45. Mann todt blieben / nnd 31. verwun - det / worunter Alexander, welcher ei - ne kleine Wunde am lincken Schenckel bekommen.

Den dritten Tag nach dieſem Tref - fen bekame man die Jnſel Sardinien ins Geſicht / welche auch noch ſelbigenTag7Europæer. Tag erreichet wurde / und den 4ten dar - auff nach Carthagena gelangete.

Alexander erfreuet ſich / als er wiederum auff feſten Lande war / weil er von Sicilien aus / (als des Meeres ungewohnet) eine kleine Kranckheit ausgeſtanden / blieb 8. Tage ſtille liegen / und erholet ſich alſo ein wenig / kauffte hierauff 2. Pferde / eines vor ſich / das an - dere vor ſeinen Diener Fridrich / und rit - te immer nach Madrit zu.

Er hatte kaum Carthagena 3. Stunden hinter ſich geleget / als Fried - rich von ferne drey Reuter auff ſie zuren - nen ſahe / und ſolches ſeinem Herrn ver - meldete / welcher ſagte:

Dieſes wird ohne Zweiffel uns gelten / entbloͤßte derowegen ſeinen Degen / und blieb ſtille halten / um zu vernehmen / was dieſer drey Kerle ihr Anbringen.

Der eine aus dieſen randte in vol -Bler8Der verliebteler Curier auff Alexandern loß und re - dete ihn mit folgenden Worten an.

Wer hat dich jungen Boͤſewicht ſo kuͤhn gemacht / dein Seiten-Gewehr zu entbloͤſſen?

Alexander antwortete: Und wer hat dich Ehrvergeſſenen Schelm ſo kuͤhn gemacht / mich darum zu fragen? Solches ſolſtu bald erfahren / ſagte jener / zoge ſeinen Degen hervor / in Meynung Alexandern mit einem Stoſſe zu erlegen / welcher aber ſelbigen geſchwind parirte / und hingegen ſeinen Widerpart ſo wohl traff / daß kein wei - ter Ttreffen mehr vonnoͤthen. Da die andern ſahen / wie es ihrem Camera - den ergangen / wolten ſie dem Land - Frieden nicht trauen / ſondern begaben ſich auff die Flucht / aber Alexander ſatzte mit ſeinem Diener ihnen nach / und ereilet noch den Hinderſten / gab ihm mit ſeinem Gewehr einen ſolchen Rip -pen -9Europæerpenſtoß / daß die Seele alsbald aus dem verfluchten Quartier des Leibes Ab - ſchied nahme.

Der dritte entkam durch Huͤlf - fe ſeines ſchnellen Pferdes / und anſtatt der Beute / ſo er vermeynet nach Hauſe zu bringen / muſte er vor lieb nehmen / ſein Leben kuͤmmerlich ſalviret zu ha - ben. Alexander hatte in dieſem Ren - contre keine Wunde bekommen / nur war das Pferd am Halſe ein wenig ge - ritzet.

Die uͤbrigen Tage der gantzen Reiſe trug ſich ſonſten nichts ſonderli - ches zu / dannenhero auch Alexander mit gutem Vergnuͤgen den dreyzehen - den Tag nach Madrit gelangete / und im Gaſthoff / der guͤldene Stern ge - nannt / ſein Quartier nahm. Des fol - genden Tages ließ er bey dem Koͤnige um Audientz Anſuchung thun / welches ihm nicht abgeſchlagen wurde.

B 2Als10Der verliebte

Als nun Alexander nach Hofe kam / muſte er alſobald vor dem Koͤnige / und ihrer Majeſtaͤt die Brieffe von ſei - nem Hn. Vater / (worinnen der Zu - ſtand in Sicilien berichtet wurde /) uͤber - reichen / nach deren Uberleſung ſagte er zu Alexandern:

Es hat euer Vater in ſeinem Schreiben unterthaͤnigſt bey mir angehalten / euch / als ſeinen einigen Sohn / zu mir nach Hoffe / und mit der Zeit unter meine Eſtats Diener zu nehmen / welches ich auch thun wil / verhoffe aber / ihr werdet iederzeit mei - ne und meines Reichs Wohlfarth be - ſter maſſen beobachten.

Alexander bedanckte ſich demuͤ - thigſt / welchen ſolches hohen Erbietens / mit Verſprechung ſein Leib und Leben in ihrer Majeſtaͤt Dienſten auffzuopf - fern.

Uber 2. Monat fiel des KoͤnigsGe -11Europæer. Geburths-Tag ein / welchen er hoch - feyerlich begieng. Fruͤhe Morgens loͤ - ſete man ſo viel Stuͤcken / als Jahre ſei - nes Alters / auff dem Abend / war ein Ballet angeſtellet / worzu das vornehm - ſte Frauenzimmer in Madrit gezogen wurde / und muſte Alexander, nebſt an - dern Hoff-Cavallieren / ſolches bedie - nen / worzu er ſich gar gerne gebrauchen ließ / weil ohne dem ſeine Natur von ziemlich verliebter Eigenſchafft.

Nachdem der Koͤnig mit ſeiner Svi - te auff dem Saal / allwo das Ballet ſol - te gehalten werden / angelanget / und die anweſenden Dames / ſamt denen Ca - vallieren / dem Tantzen zuſahen / erblick - te Alexander, unter dem Hauffen ein Frauenzimmer / die von ſolcher ausbuͤn - digen Schoͤnheit / daß iederman auff ſel - bige / als eine irrdiſche Goͤttin / ein Au - ge warff / und mehr auff ſie / als das Bal - let acht gab.

B 3Der12Der verliebte

Der Sicilianiſche Ritter machte ſich ein wenig naͤher zu Madamoiſelle A - menia / (denn ſo hieß das Frauenzim - mer /) welche eine eintzige Tochter des Reichs-Cantzlers in Spanien / und re - dete ſolche folgender Geſtalt an:

Schoͤnſte Amenia. Der Glantz ih - rer preißwuͤrdigen Schoͤnheit iſt die einzige Urſache geweſen / deroſelben in aller Unterthaͤnigkeit auffzuwarten / iſt nun mein Vornehmen zu kuͤhn / ver - lange ich deswegen mit nichten Ver - gebung / ſondern bin bereit / auch das allerſtrengeſte Urtheil meiner Straffe aus dero anmuthigen Munde zu ver - nehmen.

Amenia antwortete hierauff alſo:

Tapfferer Ritter / ich weiß in War - heit nicht / wie ich mich in deſſen Wor - te ſchicken ſoll / er irret vielleicht in mei - ner Perſon / und ſuchet das jenige / ſoer13Europæer. er bey mir nicht antreffen kan. War - um nennet er mich ſchoͤn / da doch mein Spiegel mir weit einanders ſaget / und unterwirffet ſich meiner Straffe / da ich doch vielmehr anitzo von ihm ſolte ge - ſtraffet werden / daß ich deſſen hohes Anbringen nicht mit beſſerer Geſchick - ligkeit beantworten koͤnnen?

Dieſe vor ein Frauenzimmer recht kluge Antwort bewegte unſern verliebten Ritter / ſich bey Amenia nieder zu laſſen / und mit ihr ein und die andern Diſcurſe zu fuͤhren / da er denn aus ihren Gegen-Antwortungen einen ſehr hohen Verſtand abnehmen kunte / welcher nebſt andern Qualitaͤten ihn dermaſſen einnahm / daß / weil er aus al - len Umſtaͤnden und Reden Mada - moiſelle Ameniens Guñſt verſichert wurde / auff Mittel und Gelegenheit ſinnete / ſeine Liebes-Funcken / welcheB 4an -14Der verliebteannoch unter der Aſche glimmeten / in volle Flamme zu bringen / und durch Entdeckung ſeiner Liebe / ſein Hertz ei - nen halben Centner leichter zu machen.

Mit Endigung des Ballets mu - ſten unſere verliebten Perſonen eben - falls ihre Zeit-vertreibende Diſcurſe endigen / und die Hoffnung einander eheſtens wiederum zu ſehen / zum Troſt behalten.

Alexander begab ſich / (nachdem er zuvor Amenien auff die Kutſche be - gleitet /) in ſein Quartier / war aber alſo beſtuͤrtz / daß er die folgende gantze Nacht kein Auge zuthate / ſondern ſtets den an - brechenden Morgen wuͤndſchte / um vielleicht das Gluͤck zu haben / die jenige Perſon / welche ſein gantzes Hertze inne hatte / zu ſprechen.

Es gienge Alexandern hier / wie mehrentheils denen Liebhabern /wel -15Europæer. welche in Abweſenheit ihrer Liebſten / al - le Augenblicke vor Stunden / und alle Stunden vor Tage rechnen.

Hierzu ereignet ſich nun gute Gele - genheit / denn als kaum die guͤldene Morgenroͤthe die bald nachkommende Sonne verkuͤndiget hatte / begab ſich Alexander aus dem Bette / that ſein Gebet / nach deſſen Verrichtung hoͤrte er iemand an die Thuͤre klopffen / eilete dannenhero alsbald / um zu ſehen / wer doch in ſo fruͤher Morgenſtunde ihn zu ſprechen verlangete.

Wie die Thuͤre auffgemacht / er - ſahe Alexander des Koͤnigs-Kammer - diener / welcher ihm vermeldete / daß ge - ſtern Abend ein Frantzoͤſiſcher Geſand - te / Monſ. Lovillie, genannt / ankom - men / ließ ihm alſo der Koͤnig vermel - den / oberwehnten Geſandten / Nach - mittag / nebſt andern Hoff-Cavallie - ren / in die angeſtellte Tragœdie, (wor -B 5innen16Der verliebteinnen die Hinrichtung Carl Stuarts / Koͤnigs in Engelland / ſolte præſenti - ret werden /) zu begleiten.

Alexander war auff den empfan - genen Befehl bereit / zumal / da er durch dieſes Mittel Amenien zu ſprechen / verhoffte.

Als nun der Geſandte in das Comœdien - Hauß gebracht worden / ſahe ſich Alexander ebenfalls nach ſei - nem Theater, (allwo er die Perſon eines verliebten Europaͤers vertre - ten wolte /) oder daß ich dem geneigten Leſer aus dem Traume helffe / ſo war Amenia der Zweck / wornach unſers verliebten Ritters Liebes-Pfeile ziele - ten / ſie war das guͤldene Kalb / ſo dieſer abgoͤttiſche Jſraelite anbetete / ja ſie war der Liebes-Altar / worauff Alexander den Weyrauch ſo vieler Seuffzer opfferte.

Kaum hatten die Augen in etwasFrey17Europæer. Freyheit bekommen / als das jenige er - blickten / welches Alexander ſchon ver - langte in ſeinen Armen zu haben. Denn es hatte Amenia ſchon geſtriges Tages bey ſich feſte geſtellet / die Comœdie zu beſuchen / und ſolches nun auch ins Werck gerichtet.

Hierauff nahete ſich unſer Sicilia - niſche Ritter zu dieſem Liebes-Feuer / um die Abweſenheit ſeiner Geliebten erkalten Glieder wiederum in etwas zu erwaͤrmen / ſatzte ſich auff einen da - ſelbſtſtehenden Stul / nechſt Amenien nieder / nicht zwar der Tragœdie zu zu - ſehen / ſondern mit Vorſatz / ſelbſten eine luſtige Liebes-Comœdie zu agiren / de - rohalben fieng er alſo an zu reden.

Schoͤnſte Gebieterin meines biß auff den Tod verwundeten Her - tzens. Die Liebe / welche den hoͤchſten Zweck der Vergnuͤgung nicht errei - B 6chet /18Der verliebte chet / iſt in Warheit die Ungedult ſelbſten / und die Liebes-Wunden wel - che vor allen andern Wunden die ſchmertzlichſten / koͤnnen durch keine Perſon eher / als derjenigen / ſo ſie ver - urſachet / geheilet werden. Jch geſtehe es gar gerne / und will hiermit Dero - ſelben mein gantzes Hertz offenbahren / daß auff den erſten Anblick Jhrer un - vergleichlichen Geſtalt mein Hertz durch Liebe alſo erhitzet worden / daß / wofern ſie mit dem kraͤfftigen Kuͤhl - Pflaſter Jhrer Affection, meinem Schaden nicht zu Huͤlffe koͤm̃t / mein Lebens-Licht / aus Mangel zuflieſ - ſenden Oels / jaͤhling verloͤſchen wird. Jch erkenne mich zwar viel zu un - wuͤrdig / ihre Liebe zu genießen / ver - hoffe aber / es werde die Vollkommen - heit dero Perſon / die auff meiner Sei - te vorſtehende Maͤngel / ſatſam bede - cken koͤnnen / wie ich denn letzlich nichtsmehr19Europæer. mehr bitte / als entweder mein ohne dem ſchon halb todte Lebens-Geiſter / mit einem kraͤfftigen Ja / zu erqui - cken / oder ohne fernere Kraͤnckung meines Gemuͤthes / mir ein unver - muthetes Nein / mit ins Grab zu ge - ben.

Amenia antwortet hierauff alſo:

Hoͤfflichſter Ritter. Die Liebe / welche aus einem tugendſamen Her - tzen entſtehet / begehret nicht leicht et - was albers / ob wohl die Wuͤrckung derſelben hefftiger / als bey andern Ge - muͤths-Regungen. Er giebt vor / ich habe ihn verwundet / da es doch ihm ergangen / wie insgemein denen Liebhabern / welche an denen Perſo - nen / ſo ſie lieben / auch die groͤſten Maͤngel vor lauter Tugenden hal - ten. Warum ſaget er / meiner Liebe unwuͤrdig zu ſeyn / da ich doch auff meiner Seiten / mich eher des Todes B 7ver -20Der verliebte verſehen / als daß ein ſo tapfferer Ca - vallier meine Liebe ſuchen ſolte. Un - terdeſſen ſey er nur immer gutes Muths / und verſichere ſich / daß / wo - fern es ja mit ſeiner Liebe kein Schertz / und mein Herr Vater ſeinen Willen darein giebt / ich vor die allerunhoͤff - lichſte Perſon unter der Sonnen muͤ - ſte gehalten werden / ein ſo hohes An - ſinnen nicht vor ein groſſes Gluͤck an - zunehmen.

Hierauff erholete ſich Alexan - der wiederum ein wenig / und wuſte vor groſſer Hertzens - Vergnuͤgung nicht was er ferner vorbringen ſolte / denn es hatte ihm die unvermuthete Freude wegen Ameniens Erklaͤrung / gantz und gar die Zunge gelaͤhmet. Dorten ſaſſe er gleich einer in Stein gehauen Sta - tuen / und weil der Mund nicht zu re - den vermochte / ſo muſten die Augen die Stelle vertreten / welche / weil ſie ſtetsauff21Europæer. auff Amenien gerichtet / ihr mit Scham - hafftigkeit eine ziemliche Roͤthe in das Geſichte jagten / dieſe nun zu verbergen / ſagte ſie zu Alexandern: Solte ich wiſ - ſen / daß meine Gegenwart die Urſache ſolcher Melancholey / welche er ietzt von ſich ſpuͤren laͤſt /) ſey / wolte ich noch vor Endigung dieſes Schauſpiels mich nach Hauſe begeben.

Mit nichten / verſetzte Alexan - der, iſt ſelbige die Urſache / ſondern die Kuͤnheit / welche ich / in Offenbahrung meiner Liebe / anietzo ſehen laſſen / und wofern dero weitberuffene Guͤtigkeit mir nicht die Hoffnung uͤbrig lieſſe / ein ſo kuͤhn Verfahren nicht uͤbel auffzu - nehmen / wuͤrde ich in Sorgen ſtehen / meiner Gebieterin Gunſt auff einmal verſchuͤttet zu haben / ſintemal mir wohl wiſſend / daß keine Liebe ſo gluͤckſelig und erwuͤndſcht kan hinaus gefuͤhret wer - den / daß ſie ſich nicht zuweilen mit etwasUn -22Der verliebteUngemach begleitet befinde. Jch er - kenne mich gar gerne vor dero uͤber wun - denen leibeigenen Sclaven / zumal die Gefaͤngniſſe / welche mehr Freyheit in ſich haben / mehr zu begehren ſeynd / als die Freyheiten welche die Gefangen - ſchafften in ſich begreiffen. Denn weit annehmlicher iſt es / eine Beherrſcherin zu haben / als ſein eigener Herr / in ſchmertzlichen Verlangen zu ſeyn / und die Kette / mit welcher ich ietzund / durch dero Magnetiſche Krafft befeſſelt bin / ſchaͤtze ich weit hoͤher / als wenn ſelbige vom herrlichſten Arabiſchẽ Golde waͤre.

Als nun die Comœdie geendi - get / verfuͤgte ſich Amenia in ihre Behau - ſung / der Alexander alsbald folgte / welcher dieſe Nacht noch mit vielmehr unruhigen Gedancken / als die vorige / zubrachte. Denn eines Theils lag ihm im Sinne / ob auch wohl Ameniens Vater Don Loranto, ihm werde ab -ſchlaͤg -23Europæer. ſchlaͤgliche Antwort geben / anders Theils war ihm nicht bewuſt / ob auch ſeine eigene Eltern in dieſe vorhabende Heyrath willigenwuͤrden. Doch traue - te er dem Gluͤcke / und ließ folgenden Morgen ſich bey Don Loranto anmel - den / brachte / nach abgelegter Viſite / ſeine Werbung wegen Amenien / ſo ge - ſchickt vor / daß ihr Herr Vater und Frau Mutter kein Bedencken trugen / dieſe ihm alsbald zuverſprechen.

Die Freude welche Alexander wegen ſo guter Verrichtung / an ſich mercken ließ / war ſo groß / daß meine Feder viel zu ohnmaͤchtig / ſelbige gnug - ſam auszudrucken.

Es wird dem geneigten Leſer ver - hoffentlich Gnuͤge geſchehen / wenn ich vermelde / daß Alexander nicht mehr Alexander, ſondern ein gantz umge - kehrter Menſch war / vordem gieng er ſtets mit tieffen Gedancken ſchwanger /ietzund24Der verliebteietzund aber ward ſein Gemuͤth / durch Krafft eines einigen Woͤrtleins (Ja /) aller Sorgen befreyet.

Aber meyneſtu / indem du ietzt von deiner Liebſten angenehmſten Munde die ſchoͤnſten Roſen abbricheſt / daß du den geſchwinden Lauff des Gluͤck - Rades auffhalten koͤnneſt? Weiſt du nicht daß auch bey den klareſten Son - nenſchein die lieblichen Sirenen mit ih - rer durchdringenden Stimme den bald kommmenden Sturm verkuͤndigen? Jch vermelde dir hiermit / daß die Per - ſon / an welcher du ſeithero im Lieben erſaͤttiget / wird in kurtzer Zeit der Wuͤr - mer unerſaͤttlichen Magen fuͤllen muͤſ - ſen. Wie geſaget / Alexander hielte ſich nunmehro vor den Aller-gluͤckſe - ligſten Menſchen auff dem Erdboden / und meynete nicht / daß das Ende ſei - ner Gluͤckſeligkeit ſchon vor der Thuͤre waͤre.

Nun25Europæer.

Nun begab es ſich / daß der Koͤnig eine kleine Luſt-Reiſe anſtellete / und zu ſeiner Auffwartung auff der Reiſe / un - ter andern Hoff-Cavallieren / Alexan - dern mit verlangte. Selbiger waͤre zwar gerne bey ſeiner liebſten Amenien zu Hauſe verblieben / doch weiles dem Koͤnige alſo beliebte / muſte er ſeinen Willen / wiewol ohngern / darein geben.

Als der Tag zum Auffbruche be - ſtimmet / ſuchte Alexander noch vor ſei - ner Abreiſe Gelegenheit / von Amenien auff wenig Tage Abſchied zu nehmen / gieng derowegen in ihre Behauſung / da er ſie deñ / (weil es annoch ſehr fruͤh /) in ihren Nacht-Kleidern / uͤber dem Ge - bet-Buche antraffe.

Der Abſchied war / wie ins gemein bey denen Verliebten zu geſchehen pfle - get / ſehr traurig / denn die Reden / Seuf - tzer und Thraͤnen / vermengten ſich der -ge -26Der verliebtegeſtalt mit einander / daß das vereinigte Stillſchweigen der beſte Scheidsmann ſeyn muſte. Denn es hatte Alexander Amenien ſo inbruͤnſtiglich umfaſſet / daß auch die aus dem Hertzen entſpringende Thraͤnen-Quelle nicht maͤchtig gnug war / die brennende Liebes-Flamme zu loͤſchen. Sie blieben in ſolcher Poſitur eine gute weile / ohn einiges Wortwech - ſeln / bey einander ſitzen / biß endlich A - menia ſagte.

Weil denn der Himmel einmal den Schluß gefaſſet / daß wir beyde auff wenige Zeit / von einander geſchieden ſeyn muͤſſen / ſo wollen wir uns vor die - ſes mal zu frieden geben / und geden - cken / daß die Liebe das jenige / welches uns anietzo die mißgoͤnſtige Zeit rau - bet / in kurtzen wiederum mit doppel - ter Zinſe einbringen koͤnne.

Alſo reiſete Alexander nach ge - nommenen Abſchied aus Madrit weg /auff27Europæer. auff 5. Meilen davon gelegenes Schloß.

Wir wollen ihn allda ein wenig verziehen laſſen / und uns zu Amenien wenden / welche in Abweſenheit ihres Liebſten / ſich alſo graͤmete / daß ehe drey Tage vorbey giengen / ſie in eine hitzige Kranckheit fiel / und den Geiſt auffgab.

Was ſolcher unvermuthete Toch - desfall vor Hertzeleyd bey denen El - tern verurſachet / kan man leicht ermeſ - ſen / indem ſelbige die eintzige Erbin ih - res gantzen Vermoͤgens / (welches ſich uͤber eine Tonne Goldes belieff /) im Sarge muſten liegen ſehen.

Ameniens todter Leichnam war kaum recht erkaltet / als Alexander wiederum nach Madrit kam / und nach empfangner trauriger Botſchafft / vor Jammer nicht wuſte / was er anfangen ſolte. Denn ſo vergnuͤgt ſonſt ſeithero ſein Gemuͤth in Madrit geweſen / ſover -28Der verliebteverdrießlich kam ihm nunmehro dieſe Stadt / nach dem toͤdtlichen Hintritt ſeiner Liebſten vor. Jederman trug mit ihm hertzlich Mitleiden / und eben hierdurch wurden ſeine Wunden durch Ameniens Gedaͤchtniß immer wieder - um von neuen auffgeriſſen.

Dieſem nun bey Zeiten abzuhelffen / achtete er vor das beſte / ſich vom Spa - niſchen Hoffe weg zu begeben / weil er davor hielte / es koͤnten die traurigen Ge - dancken durch nichts eher / als eine wei - te Reiſe / vertrieben werden / weil einem in der Fremde offt Sachen vorkaͤmen / welche verurſachten / daß man an das Gegenwaͤrtige gedencken muͤſte / und alſo das Vergangene deſto eher aus dem Sinne laſſe.

Es iſt oben von Alexanders Diener / Friedrichen / in etwas Mel - dung geſchehen. Dieſer hatte ſich ſeithe - ro in Madrit / nach dem Exempel ſei -nes29Europæer. nes Herrn / in eines Beckers Tochter / deren Vater Peter / Lateiniſch Petrus, hieſſe / verliebet / dannenhero er bey ſelbi - ger alle Morgen ein friſch-gebackene Semmel abholete. Damit es nun Vater und Mutter nicht mercken moͤchten / muſte er allezeit gantz Geld mitbringen / und ſich ſtellen / als wenn ihm die Tochter wechſeln ſolte / bekahm aber ſein Geld / doch an kleinern Sor - ten / wieder / wenn hingegen der Apo - ſtoliſche Becke mit ſeiner Frauen in der Muͤhlen / beſuchte Friedrich ſein Ma - rigen / ja ſie wurden zuletzt mit einander ſo bekannt / daß er ihr offt das jenige ſchenckte / welches an manchen Orte nicht allein die Jungfern / ſondern auch wohl verehlichte Perſonen / ſonderlich die jenigen / welche alte Maͤnner / oder nach der Grundſprache (Viros emeri - tos haben /) offt mit groſſem Gelde /und30Der verliebteund jaͤhrlichen Beſoldungen bezahlen muͤſſen.

Aber wiederum auff meine Erzeh - lung zu gelangen / ſo hatte Friedrich die - ſes Handwerck ſeithero ziemlich begrif - fen / und mangelte ihm nichts mehr als ein vollkommenes Meiſterſtuͤck / wo - durch er in die Zunfft der Fleiſchmacher / (Fleiſchhacker wolte ich ſagen /) kom - men koͤnnen.

Damit er aber von ſeiner Abreiſe ſein Marigen noch einſten beſuchen / und zu gleich die letzte Dienſt Schuldig - keit abſtatten moͤchte / begab er ſich ge - gen Abend dahin / und zwar war ihm das Gluͤck ſo guͤnſtig / das weder Vater noch Mutter zu Hauſe / dannenhero gieng er mit froͤlichen Muthe zu ſeiner Liebſten / und blieb auch die folgende gan tze Nacht bey ihr. Unter andern Dis - curſen / welche allhier gefuͤhret wurden / fragte Marigen Friedrichen: Wo dennſein31Europæer. ſein Herr hin reiſen wuͤrde / welcher ant - wortete: Alexander habe in Oſt-Jn - dien eine reiche Erbſchafft bekommen / wolle alſo ſich dahin bewegen / und nach Beſichtigung derſelben ihme die Helffte wegen ſeiner getreuen Dienſte uͤberlaſ - ſen. Das guͤte einfaͤltige Maͤdgen / wel - ches noch nicht viel unter Leuten gewe - ſen / lieſſe ihr ſolches gar leicht einſchwa - tzen / weil ſie vermeynete / Qſt-Jndien waͤre etwa eine Stadt im Koͤnigreich Spanien gelegen / doch ſagte ſie: Wie offt werde ich in euer Abweſenheit den Teig / an ſtatt des Waſſers / mit Thraͤ - nen knaͤten / er troͤſtete ſie aber im̃er / mit vermelden / ſein Herr und er wuͤrden uicht lange auſſen bleiben.

Sonſten wurde die Nacht nach Art der Verliebten / mit ſattſamer Ver - gnuͤgung zugebracht / gegen Morgen aber uͤberfiele beyde ein ſo ſtarcker Schlaff / daß ſie nicht erwachten / biß dieCSon -32Der verliebteSonne ſchon 3. gantzer Stunden auff ihr Bette geſchienen.

Kaum war Marigen mit ihrem Bett-Liebſten aus denen Federn ge - krochen / als der Vater / (welcher aus der Muͤhle nach Hauſe kommen / und ſich uͤber der Tochter ſonſt ungewoͤhnli - chen Schlaff verwundert /) ohnverſe - hens in die Kammer trat / und ſeinen Eydam im Hembde ſtehen ſahe / deßwe - gen ihn denn der Zorn dergeſtalt uͤber fiel / daß er alsbald aus der Kammer in die Stube lieff / umb ſeinen Degen / welcher Meiſter Pendixens Galante - rie Klingen ſehr gleich ſahe / zu holen.

Der erſchrockene Courtiſan hatte ſich unterdeſſen ſchon ſeines Le - bens verziehen / und die Kammer mit einen ziemlichen ſtarcken Geruch ange - fuͤllet / doch reſolvirte er ſich endlich zur Flucht / (zumal ſeines Herrn Logia - ment des Veckers Hauſe gleich uͤber) ſuch -33Europæer. ſuchte ſeinen Rock / welchen er aber vori - gen Abends nebſt ſeinem Seiten-Ge - wehr in der Stube gelaſſen / derowegen ergrieff er die Hoſen / warff ſelbige uͤber dem Kopff / knoͤpffte ſie um den Leib zu - ſammen / ſtackte die Arme durch die Beinloͤcher / und ſprang alſo zur Kam - mer-Thuͤre heraus.

Der ergrimmete Schwieger-Va - ter kam auch gleich mit bloſſen Degen aus der Stube / und da er ſahe / daß der gefangene Galgenvogel aus dem Ge - bauer fliegen wolte / war er Willens ihm die Federn zuverſchneiden / derowegen fuͤhrete er einen ſolchen Streich auff Friedrichen / daß wofern er ihn getrof - fen / der Kopff gar leicht die Treppe her - unter tantzen / und ſeinen Herrn im Sti - che laſſen koͤnnen.

Friedrich eilete davon zu kommen / kunte aber nicht ſo geſchwind uͤber die Treppe voltiſiren / daß ihm nicht derC 2Be -34Der verliebteBecker Petrus von hinten zu / einen ſolchen Streich verſetzet / welcher ein großes Stuͤck von der lincken Seite des Kopffes biß auff die Kuͤhnbacken nebſt dem gantzen Ohre hinweg nahm / doch entrunne er endlich muͤhſam gnug und reterirte ſich in Alexanders Lo - giament.

Hier Kam Friedrichen ſehr wohl zu ſtatten / daß ihm ſein Herr vormahls ein ſtuͤck koſtbare Wund-Salbe / (wel - che er allezeit bey ſich zu fuͤhren pflegte) verehret / derowegen ſchmierete er ſich ſtracks ein Pflaſter / legte ſolches auff den Schaden / und ſetzte eine alte vermutzte Purbaͤumerne Paruqve (welche ihn ebenfalls Alexander geſchencket) auf / damit man nicht etwa den Verluſt des Ohres abnehmen koͤnte.

Nun wollen wir uns wiederum in des Beckers Haus wenden / allda hatte der boßhafftige Vater ſeine Toch -ter35Europæer. ter ernſthafftig vor / ſchlug ihr das abge - hauene blutige Ohr (welches er von der Wahlſtatt auffgehoben) etliche mal um das Maul herum / und examinirte ſie / was dieſe Nacht vorgangen / welche deñ nichts leugnete / aber doch zu ihrer Ver - theidigung in ihre Lade gieng / und einen Beutel mtt 10. Ducaten welche ſie einsmals in einer alten Brandſtaͤdte ge - funden) herwieß / mit vermelden / es ha - be ihr ſolche Friedrich gegeben. Der Vater wurde durch den hellen Glantz des Goldes alſo geblendet / das er ſeiner Tochter den begangenen Fehler gar gerne vergab / und ſie wiederum zu Gna - den annahm.

Es machte es dieſer Becker all - hier wie zum oͤfftern an vielen Orten unterſchiedliche Eltern / welche / wenn ſie wenig Mittel haben ihre Kinder ehrlich zu erziehen / ihnen durch die Finger ſe - hen / damit ſie von ihren CourtiſanenC 3ei -36Der verliebteeines und das andere moͤgen ſpendiret bekommen / aber ſolche Leute waͤren wuͤrdig / daß ein Muͤhlſtein an ihre Haͤl - ſe gehencket und erſaͤuffet wuͤrden im Meer / da es am tieffſten iſt.

Unterdeſſen lieff der Becker zum Profoſe, wieß ihm das abgehauene Ohr / mit Bitte ihm zuvergoͤnnen / daß erſolches oͤffentlch durch einen Scher - gen duͤrffte ausruffen laſſen / ob ſich et - wa der rechte Herr angeben / und nach gegebener Diſcretion das ſeinige wie - derum annehmen moͤchte / denn es hat - te ihm ſeine Tochter Friedrichs Qvali - taͤt und Ort des Auffenthalts verſchwie - gen / und vorgeſchuͤtzet / daß er es ihr nicht vertrauet.

Der Profos willigte in ſein Be - gehren / uͤberließ ihm einen ſolchen hand - greifflichen Anwalten / welcher denn nach des Beckers Befehl das auff demMar -37Europæer. Marckte verſammlete Volck alſo anre - den muſte.

Demnach ſintemal und dieweil der erbare und mannbare Herr Herr Meiſter Petrus Krumbhorn / Buͤr - ger und weltberuͤhmter Brod-Jubi - lier allhier heute fruͤh / gegen einen Brecher des Haus-Friedens ſein rechtmaͤßiges Rach-Schwerd fah - ren laßen / hat ſelbiges dergeſtalt ge - wuͤrcket / daß es auff einen Hieb dem Boͤſewicht des einen Ohres (welches ihr allhier in Originali in meiner Hand ſahet (verluſtig gemacht. Weil nun oberwehnten Herrn Herrn Pe - tro Krumbhornen an keines Men - ſchen Schaden etwas gelegen / als er bietet ſich derſelbe dieſes aurium vel - lus ſeinem rechtmaͤßigen Beſitzer wiederum zu uͤberantworten / ſolte es ſich aber etwa wider aller Menſchen vermuthen zutragen / daß der ehrver C 4geſ -38Der verliebte geſſene Schelm eine ſolche Fleiſchliche Suͤnde begienge / und ſein angebohr - nes Mitglied im Stiche lieſſe / ſo wird ihm hiermit gedrohet obermeldtes Ar - cadiſches Ohrloch / in des Hoff-Me - dici D. Menenii Kunſt-und Raritaͤ - ten-Kammer zu verehren / da es denn heiſſen wird: ex illa non eſt redem - ptio. Dieſes habe ich als hoch wohl - verordneter naͤchtlicher Ubelauffſeher wohlmeynend erinnern wollen / wor - nach ſich meine hochgeehrten Herren zu richten.

Weil dieſes vorgienge / war Alexan - der zu Hoffe bey dem Koͤnige / nahm von ſelbigen in aller Unterthaͤnigkeit Abſchied / welcher ihm denn ein Recom - mendation Schreiben an den Koͤnig in Franckreich mit auff dem Weg gab weil wenig Tage zuvor / zu Nimmaͤ - gen / zwiſchen den beyden Cronen Friede gemacht worden.

Hier -39Europæer.

Hierauff ließ unſer Sicilianiſche Ritter die Pferde ſatteln / und ritte nach Mittage um 2. Uhr aus Madrit weg / es war eben um die Zeit / da die Sonne am hoͤchſten ſtunde / welches denn verur - ſachte / daß es ziemlich heiß / und dannen - hero denen Pferden ziemlich beſchwer - lich.

Jmmittelſt ritte Alexander mit ſeinen Diener immer fort / alſo daß er ge - gen Abend in ein groß Dorff Vedo - me genannt / welches 4. Meilen von Madrit gelegen / gelangte. Allda lagen im Wirts-Hauſe 3. abgedanckte Spa - niſche Reuter / welche ſo bald ſie Ale - xandern anſichtig wurden / und an ſei - ner Kleidung wohl ſahen / daß er keine ſchlechte Perſon waͤre / alsbald auff ihn einen Anſchlag machten / und ſelbigen auszufuͤhren die Nacht erwehleten.

Alexandet begab ſich / weil er ein wenig vom Reiten ermuͤdet / gar zeit -C 5lich40Der verliebtelich mit ſeinem Diener zur Ruhe / kunte aber nicht einſchlaffen / denn es ſchiene / als ob ihn gleichſam das vorſtehende Un - gluͤck ahnete.

Die Mitternacht war kaum her ankommen / als die Thuͤre der Kam - mer / allwo Alexander mit ſeinem Diener auff der Streu lage / ſich ohn - verſehens eroͤffnete. Alexander, wel - cher etwas ſchlummerte / wurde durch das Knarren der Thuͤre alsbald erwe - cket / und als er ſahe daß 3. Kerl mit blo - ſem Gewehr gantz leiſe hinein traten / ſprang er vom Lager auff / nahm ſeinen Sebel (welchen er ſtets unter dem Haupte liegen hatte) in die Hand und begruͤſſete den vorderſten mit einem Lungenhieb dergeſtalt / daß alsbald das Eingeweide aus dieſem verfluchten Lei - be heraus fiel.

Unterdeſſen erwachte Friedriche - benfalls / und wurde gewahr / daß ſeinHerr41Europæer. Herr mit den uͤbrigen 2. Boͤſewichten im ſcharffen Fechten begriffen / nahm derowegen ſeine Polniſche Hencker - Klinge zur Hand / zog ſelbige aus der Scheide / kroch unvermerckt vom Stroh herunter / und hieb den einen von Alexanders Gegenern dergeſtalt vor das Schienbein / daß er ohne fernere Bewegung uͤber des ertoͤdteten Leich - nam fiel / und ihm vom Friedrichen mit einen wiederholeten Streich / vollends der Garaus gemacht wurde.

Wie der Letzte ſahe / daß ſeine bey - den Cameraden mit der Haut bezahlen muͤſſen / und ihm gar leicht die Rech - nung machen kunte / es werde ihm nicht viel beſſer ergehn / ſuchte er die Stuben - Thuͤre / welche aber vom Friedrichen vertreten war. Alſo muſte dieſer Raub - Vogel um Gnade bitten / fiele derowe - gen Alexandern zu Fuß / mit Vorge - ben: es habe ihn und ſeine Spießge - C 6ſel -42Der verliebte ſellen die hoͤchſte Armuth zu dieſer Fre - vel-That getrieben.

Alexander ließ ihn alsbald mit Stricken feſte binden / und dem Wirthe uͤbergeben / der ihn ohne Verzug nach Madrit ſchickte / allwo er ohne Zweifel wird ſeinen verdienten Lohn bekommen haben. Doch war dieſes Scharmuͤtzel auff Seiten unſers Ritters nicht gar oh - ne Blut-Vergieſſung abgangen / indem er einen Hieb auf den Kopff bekommen / welcher aber nicht gar tieff hinein gan - gen.

Bey anbrechenden Tage ſatzte ſich Alexander wiederum zu Pferde / und nachdem er etliche Tage geritten auch ihm nichts ſonderliches begegnet / verirrete er ſich endlich gegen Abend in einem Walde / und weil ſonſt keine Her - berge / muſte er in einem darinnen gele - genen Jaͤger-Hauſe ſein Quartier neh - men.

Nun43Europæer.

Nun war obermeldtes Haus we - gen der hierinnen regierenden Polter - Geiſter ziemlich beruffen / alſo daß nicht leicht iemand allda einkehrete.

Alexander legte ſich nach geen - digter ſchlechten Abend-Mahlzeit zur Ruhe / und ließ ſeinen Diener / aus Furcht der Diebe / im Stalle / bey denen Pferden bleiben.

Er hatte kaum eine Viertelſtun - de im Bette gelegen / als ein groß Ge - raͤuſch ſich in der Kammer er eignete / und eine Weibes-Perſon in Ameniens Geſtalt und Kleidung / wie ſelbige bey ihrem Leben geweſen / vor Alexanders Bette trat / und ſalbigen mit folgenden Worten anredete:

Liebſter Alexander. Hier ſie - heſtu deine Amenie / welche ohnlaͤng - ſten zu Madrit / in deiner Abweſen - heit / vor großer Bekummernuͤß den Geiſt auffgegeben / welcher denn nicht C 7eher44Der verliebte eher ruhen wird / biß er verſichert / daß deiner Amenien Gedaͤchtniß niemals bey dir vergehen werde.

Alexander erſchrack im Anfang uͤber alle maßen / doch als er ſich wie - derum ein wenig erholet / antwortete er alſo:

Wiewohl ich nicht ſchuldig waͤ - re / dir als einem Geſpenſte Rede nnd Antwort zu geben / iedennoch vermel - de ich dir / daß ſo lange der letzte Bluts - Tropffen in meinem Leibe wallet / A - meniens Gedaͤchtniß niemals aus meinem Hertzen kommen ſoll / und verlange auff dieſen Erdboden nichts mehr / als daß mein Geiſt dem Jhri - gen bald moͤge vergeſellſchafftet wer - den. Hierauff verſchwunde das Ge - ſpenſte / und ließ Alexandern gantz mit Schrecken angefuͤllet / welches doch durch einen darauff folgenden ſanfftenSchlaff /45Europæer. Schlaff bald wiederum gedaͤmpffet wurde.

Die Morgenroͤthe hatte kaum die hoͤchſten Gipfel des Pyreneiſchen Gebuͤrges (welches nur noch wenig Tag-Reiſen von hier gelegen) betreten / alß Alexander erwachte / alsbald auff - ſtunde / und ſein Gebeth verrichtete / nach deſſen Verrichtung er wiederum ſich auff den Weg machte / und inner - halb 3. Tagen an das Pyreneiſche Ge - buͤrge gelangte / und in einem Flecken / ſo von denen Einwohnern Aqvino ge - nannt wird / die Nacht uͤber zu verblei - ben entſchloſſe. Allda erfuhr er / daß der Weg uͤber das Gebuͤrge nicht gar zu ſicher / indem zum oͤfftern Banditen und ander loß Geſindlein / die engen Wege verlegten / alſo daß / wer ſolche rei - ſen wolte / entweder ihnen eine ziemliche Ritter zehrung verehren / oder mit dem Leben bezahlen muͤſte.

Ale -46Der verliebte

Alexander wuſte hierinnen kei - nen Rath / denn einmal kunte er nicht anders in Franckreich kommen als uͤber dieſes Gebuͤrge / derowegen faſſete er ei - nen guten Muth / brach den folgenden Morgen fruͤh auff / und fieng an uber das Gebuͤrge zu paſſiren.

Kaum waren 2. Stunden vor - bey geſtrichen / als Alexander an einen engen Weg kam. Allda hielten 2. Reu - ter mit bloſem Gewehr / und wolten un - ſern Ritter nicht eher durchlaſſen / biß er 50. Cronen geliefert. Alexandern kam ſolch Begehren wohl rechtſpa - niſch vor / ſagte / wofern ſie ihn nicht mit guten wolten ſeinen Weg reiſen laſſen / ſo muͤſte er ſolchen mit gewaltſamer Hand ſuchen. Jene / Welche ſchon vor - dem manchen rechtſchaffenen Kerl das Licht ausgeblaſe / wurden uͤber dieſe Re - den erzuͤrnet / uͤberfielen derowegen A - lexandern / welcher aber dem einenſtracks47Europæer. ſtracks den Degen durch die Gurgel jagte / und der andere von Friedrichen durch die lincke Seite geſtochen ward / und ebenfalls alsbald dahin ſtarb.

Hiermit errettete ſich Alexander von der bevorſtehenden Gefahr / nahm ſeinen Weg wiederum ungehindert vor die Hand / und kam den 21. Tag von Madrit aus / nach Pariß / wiewol er ſich im Gaſthofe nicht zuerkennen gab / weil er ſich zuvor auskleiden / und hernach - mals dem Koͤnige auffwarten wolte.

Eben um dieſe Zeit celebrirte man zu Pariß wegen des geſchloſſenen Friedens mit der Cron Spanien / un - terſchiedliche Solennitaͤten. Des Ta - ges wurden die vergnuͤglichſten Co - mœdien geſpielet / und des Abends ſchimmerte die Lufft von lauter Raque - ten und Luſt-Feuern.

Drey Tage in der Ankunfftin48Der Verliebtein Paris / ließ ſich Alexander bey dem Koͤnige anmelden / mit Vorgeben / daß er ein Schreiben vom Koͤnige in Spa - nien Jhro Majeſtaͤt in aller Unterthaͤ - nigkeit uͤberreichen wolle. Der Koͤnig beſtimmete ihm eine gewiſſe Zeit zur Audientz / bey deren Herbeynahung / begab ſich Alexander nach Hoff / wur - de vom Koͤnige uͤberaus freundlich em - pfangen / und ihm Vertroͤſtung zu kuͤnff - tiger Befoͤrderung gegeben.

Alſo hielte ſich unſer Ritter zu Pa - ris auff / und wurde 4. Wochen nach ſeiner Ankunfft unter die Zahl der jeni - gen / ſo dem Koͤnige / wenn er ſich zur Ru - he begiebt / die Kleider ausziehen / ge - nommen.

Jmmittelſt truge ſich einſten zu / daß Alexander ſeinen Diener Fried - richen aus dem Logiamente nach Hofe ſchickte / um bey dem Koͤniglichen Stallmeiſter etwas auszurichten / un -ter -49Europæer. terwegens erhub ſich ein Getuͤmmel des Volcks / welches daher entſtanden: Es hatte ein leichtfertiger Spitzbube aus ei - nem Kauffmanns Gewoͤlbe ein Stuͤck Tuch geſtolen / und als ſolches etliche gewahr wurden verfolgte man ihn und ruffte das gemeine Volck: Halt / halt den einoͤhrigen Dieb auff / halt den ein - oͤhrigen Dieh auff. Friedrich mey - nete nicht anders / als waͤre der Madri - tiſche Becker zugegen / und wolle ihn ge - faͤnglich einziehen laßẽ / weil er vormals von ſeiner Tochter Jungfraͤulichen Krantz ſo manche ſchoͤne Blume abge - pflocket / derowegen wurff er das Haa - ſen-Pannier auff / und lieff in vollem Currier wiederum zuruͤcke.

Als die Schergen Friedrichen lauf - fen ſahen / meyneten ſie nicht anders er waͤre der Dieb / lieffen ihm gleich denen Windhunden nach / und ob er wohl um ihnen zu entkommen unterſchiedlicheHa -50Der verliebteHacken ſchlug / wurde er doch gleich ei - nem fluͤchtigen Lang-Ohr gerahmet / und endlich erhaſchet / und weil man ſa - he / daß er nur ein Ohr hatte / zweiffelte niemand / er haͤtte das Tuch geſtohlen / und ſolches etwa in Gedraͤnge ſtracks auff die Seite geworffen.

Friedrich / wiewohl er unſchuldig / kunte doch vor Erſchrecken kein Wort reden / und als er von denen Schergen in das Gefaͤngniß gefuͤhret wurde / mey - nete er nicht anders / als wolle man ihn ohne einige Weitlaͤufftigkeit am Gal - gen hencken.

Dieſer Verlauff kame gar bald vor Alexandern, derowegen ſchickte ſelbiger zum General-Gewaltiger / und ließ ihm ſagen: Daß Friedrich bey ihm in Dienſten / dannenhero man ſelbigen alsbald wiederum auff freyen Fuß ſtel - lete.

Es hielte ſich nun Alexanderzu51Europæer. zu Paris eine gute Weile auff / und weil er mit dem Koͤniglichen Staats-Secre - tario Mons: de Vallie wohl bekand war / als beſuchte er denſelben zum oͤff - tern / um ein und die andern Staats - Sachen von ihm zu erfahren / welcher denn iu Alexanders Gegenwart eins - mals / als man von neulichen Hollaͤndi - ſchen Kriege difcurirte, dieſe Rede fuͤh - rete.

Es muß bißweilen unſer Groß - maͤchtigſter Koͤnigliche Monarch ei - nen Krieg anfangen / nicht ſo wohl ſein Land zu erweitern / ſondern vielmehr daſſelbe in ſeinem eſſe zn erhalten. Was den neulichen Krieg mit denen Hollaͤndern anlanget / hatte unſer Koͤ - nig gute raiſon darzu / denn geſchwei - ge der Haupt-Urſachen / welche in Schrifften weitlaͤufftig gnug ange - fuͤhret wordẽ ſo erforderte es der Staat unſern Reichs. Dann es war in und außer52Der verliebte auſſerhalb Pariß eine unzaͤhlbare Menge gemeiner Canalie und loſen Geſindleins vorhanden / welche denn gar leicht (wie wol ehe geſchehen) ſich entpoͤren / und im Reiche eine groſſe Diverſion verurſachen koͤnnen.

Denn es ſind die Frantzoſen noch im - mer der Art / als wie zu Julii Cæſaris Zeiten / welcher in ſeinem fuͤnfften Buch debello Gallico folgendes ſchreibet: Galli ſunt in conſiliis capiendis mo - biles & novis plerumque rebus ſtu - dentes: Oder auff Teutſch: Die Fran - tzoſen fangen immer gerne Neurungen und loſe Haͤndel an.

Dieſem nun in der Zeit vorzu - kommen / hielte man vor das ſicherſte und beſte / ſolch Volck aus dem Lande zu fuͤhren / wuͤrde nun hiermit dem Koͤnig - reiche Nutzen geſchaffet / und etwa ein und andere Provintz erobert / koͤnte man ſolchen mitnehmen / wo aber dieAr -53Europæer. Armee Schaden litte und geſchlagen wuͤrde / waͤre dieſes der Nutzen / daß ſo viel Ulcera Reipublicæ, ehe ſie zu ih - rer Reiffe kommen / und die andern ge - ſunden Glieder angeſtecket / durch die - ſes Mittel weggeſchaffet worden. Die andere Staats-Maxim war folgen - des:

Es ſahe unſer Koͤnig wie die Hol - laͤnder von Zeiten zu Zeiten ſo hochmuͤ - thig wurden / daß ſie wegẽ ihrer Macht zu Waſſer und Lande keinem Poten - taten in Europa etwas nachgaben / derowegen gedacht er ihnen die Fe - dern ein wenig zu verſchneiden / zuma - len ein groſſer Potentat immer zuſe - hen ſoll / wie er verhindere daß ſeine Nachbarn nicht zu maͤchtig werden. Sein Vorhaben nun ins Werck zu richten / ergrieff er gar bequeme / auff Seiten aber der Hollaͤnder gar un - bequeme Zeit. Denn ſie hatten ſich mit54Der verliebte mit nichten eingebildet / daß man ſie ohngefehr uͤberfallen wuͤrde / ſondern vermeyneten wohl etwa / man muͤſſe ihnen den Krieg recht ſolenniter an - kuͤndigen / aber ſie funden ſich betrogen / denn es iſt ja beſſer den Feind / ehe er ſichs verſiehet anzugreiffen / als ein gantz Jahr zuvor iederman davon wiſſen laſſen / auff dieſen Fall kan auch wenig Volck offt mehr ausrichten / als ſonſt eine gantze Armee.

Mancher moͤchte zwar einwen - den / und ſagen: Non minor eſt vir - tus, qvam qværere parta tueri, hierauff antwortete ich alſo: Es kan nicht geleugnet werden / daß ihre Ma - jeſtaͤtunſer gebietender Koͤnig / die mei - ſten eroberten Hollaͤndiſchen Staͤdte wiederum verlaſſen / aber doch mit ſchlechten Vorthel der Niederlaͤnder weil ſolche Staͤdte eine grauſame Summa Geldes erlegen muͤſſen / undher -55Europæer. hernach die Feſtungen darinnen noch wohl darzu geſchleiffet worden. Und endlich iſt ja beſſer ein Land aus freyen Willen / und welches zumal nicht viel Blut gekoſtet / zu qvittiren / als Staͤdte / welche man mit großen Unkoſten uud Ruinirung der Armee erobert / nach gemachten Frieden / wiederum dem vorigen Beſitzer zu uͤberlaßen. Jch verſichere denſelben / daß Holland / ob es wohl ſein Land wiederum hat / doch den Schaden nicht ſo bald verwin - den wird.

Alexander bedanckte ſich wegen dieſen Berichts / und fragte / ob ihm nicht wiſſend / ob auff Anſtifftung des Koͤnigs in Franckreich der Koͤnigin Schwe - den ohnlaͤngſten in des Chur-Fuͤrſten von Brandenburg Land gefallen. Mons: de Vallie lachete ein wenig / mit vermelden / daß ihm ſolches nichtDbe -56Der verliebtebekannt; doch ſprach er / wenn es gleich auch geſchehen / ſo iſt dieſes allezeit eine gute Politic im Kriege / dem jenigen / ſo man ſelbſten nicht Abbruch thun kan / andere auff den Halß zu hetzen.

Hierauff nahm Alexander Abſchied / bedanckte ſich nochmals vor dieſen ge - habten Diſcurs / und begab ſich wieder - um nach Hauſe.

Sonſten hatte unſer Sicilianiſche Ritter in waͤrender Zeit als er zu Pariß geweſen / gar offt Gelegenheit gehabt / mit dem vornehmſten Frauenzimmer umzugehen / aber weil Amenien Ge - daͤchtniß ihm noch ſo tieff im Hertzen la - ge / kunte keine andere Perſon einigen Wohnplatz darinnen erlangen.

Es fuͤgte ſich aber einſtens / daß der Koͤnig unſern Sicilianiſchen Ritter zu einem Beyſitzer des Parlaments in Pariß / Monſ. Lomaire genannt / inei -57Europæer. einer gewiſſen Verrichtung verſchickte. Dieſer Parlamens-Rath hatte 2. Toͤch - ter / deren die aͤlteſte Carolina / die juͤngſte aber Lucretia hieſſe. Jene war von ſehr traurigen humor, dieſe aber uͤberaus converſabel, uͤberdieß noch von ſonder - barer Schoͤnheit / und weil ſie mit ho - hen Verſtande begabet / auch darneben von ihrem Herrn Vater nach deſſen Tode ziemliche Mittel zu erwarten / als gaben ſich taͤglich viel vornehme Freyer an / welche aber / theils wegen Mangel an ihrer Perſon / theils auch des Gel - des / nichts als Koͤrbe davon trugen.

Unter dieſen Korb-Traͤgern war auch einer mit Nahmen Monſ Co - milly. Dieſer hatte ſich weder uͤber die Natur noch auch das Gluͤck zu bekla - gen Urſach. Denn die Natur hatte ihn mit ihren Guͤtern und wohl pro - portionirter Leibes-Geſtalt alſo verſe -D 2hen /58Der verliebtehen / daß er das vollkommenſte Frau - enzim̃er zu vergnuͤgen getrauete. Das Gluͤck hatte ihm ſo großen Reichthum gegeben / daß er ſeinen Stande nach gar wohl leben kunte.

Weil er ſich nun hierauff verlieſ - ſe / als meynete er / es waͤre unmuͤglich / daß ein Frauenzimmer ihm koͤnne die Heyrath verſagen / dahero er denn durch den Ruff von Madamoiſell Lucretiens Schoͤnheit und hohen Verſtand bewo - gen / Gelegenheit ſuchte ſie zu ſehen / wel - che er gar leicht funde / weil ſie zum oͤff - tern vor der Stadt in ihres Herrn Va - rers Garten ſich erluſtirte / wie er denn ſie einsmals darinnen alleine antraff / und von ihrer Schoͤnheit alsbald einge - nommen / ſich nicht ſcheuete ſeine Liebe zu offenbaren / welche ſich aber in ihrem Ge - muͤthe hieruͤber gar ſehr erzuͤrnete / daß ein Cavallier / welcher ſie das erſte mal geſehẽ / ſtracks von Liebes-Sachen redenwol -59Europæer. wolte / in Anſehung deſſen / muſte er mit gar kahler Antwort ſeinen Abſchied nehmen.

Die Liebe iſt ſehr ſubtil und ſpitzfin - dig / und mangelt ihr niemaln an Mit - teln ſich der jenigen Perſon zu bemei - ſtern / auff welche ſie einmal ihr Abſehen gerichtet. Alſo hielte Mons. Comilly vor das rathſamſte / bey den Vater An - ſuchung zu thun / welches er auch ver - richtet / aber mit dem Beſcheid / daß die Tochter noch zu jung / (indem ſie kaum 15. Jahr) ſich abweiſen laſſen muſte.

Dieſer Schimpff verdroß ihn der - maſſen / daß er die darob empfundene Traurigkeit aus dem Sinne zu ſchla - gen / ſich zu ſeinen Vetter auff das Land begab.

Aber wiederum auff meinen vori - gen Zweck zu kommen / ſo hatte Ale -D 3xan -60Der verliebtexander nach empfangenen Koͤniglichen Befehl ſich alsbald zu Monſ. de Lomai - re verfuͤget / und weil er eben dazumal nicht zu Hauſe / kam Madamoiſell Lu - cretie und vertrieb Alexandern in Ab - weſenheit des Herrn Vaters die Zeit.

Hier ſahe nun unſer verliebte Eu - ropaͤer die quint Eſſentia aller Schoͤn - heit / ja die Copey ſeiner verſtorbenen Amenien / derowegen er denn zum oͤff - tern unterſchiedliche Liebes-Stoͤſſe in ſeinem Hertzen empfunden. Unterdeſ - ſen kam Monſ. Lomaire zu Hauß / da denn Alexander ſeine auffgetragene Verrichtung ablegte.

Der Parlaments-Rath empfieng Alexandern mit ſonderbarer Freund - ligkeit / und weil er eilends einen Brieff zu verfertigen / bathe er ihn hoͤchlich umVer -61Europæer. Verzeihung / daß er vortzo ihm nicht koͤnne ferner Geſellſchafft leiſten / hieß unterdeſſen ſeine Tochter ruffen / welche in ſeiner Abweſenheit dieſen fremden Ritter mit Diſcurſen unterhalten ſolte / und gieng in das Nebengemach mit Verſprechen / bald wieder zu kommen.

Dieſer Tauſch war Alexandern mit nichten zuwider / ſintemal er hierdurch Gelegenheit erlangte / mit Lucretien beſſer bekand zu werden.

Aus denen Diſcurſen welche Lucre - tie hier vorbrachte / kunte Alexan - der nicht anders wahrnehmen / als daß ſie ihm ein wenig gewogen / doch aus Schamhafftigkeit / nach Art des Frau - enzimmers / ſolches nicht wolle mercken laſſen / wiewol bißweilen etliche Worte / welche ſie geſchwinde heraus redete / das Gemuͤthe / und das verenderteD 4Ge -62Der verliebteGeſichte zum oͤfftern das Hertze verrie - then.

Ohngefehr nach Verlauff einer Stunden / kam Monſ. Lomaire wieder - um zu Alexandern, entſchuldigte ſich nochmaln wegen ſeines ſo langen Auſ - ſenbleibens / bathe ihn darneben / dem Koͤnig zu vermelden / daß er in bewuſter hoher Angelegenheit mit nichten ſeinen unermuͤdeten Fleiß ſparen wolle.

Alſo nahm Alexander Abſchied / mit gewiſſer Verſicherung / Monſ. Lomairen eheſtens wiederum auffzu - warten.

Es hatte die Sonne ſich ſchon ver - krochen / und denen Sternen den Platz uͤberlaſſen / als unſer verliebte Ritter wiederum nach Hauſe kam / und weil er keinen appetit zum Eſſen hatte / ſich alsbald zur Ruhe legte.

Ale -63Europæer.

Alexander hatte ſich zwar zu Bette geleget / und vermochte dennoch kein Auge zu zuthun / denn er meynete immer er beleidigte ſein Gewiſſen / weñ ein eintziges Frauenzimmer von ihm Gunſt genieſſen ſolte / doch Lucretien Schoͤnheit und tugendhaffte Qualitaͤ - ten / mit welchen ſie der Amenie nicht ungleich / gaben ihm immer den Troſt / es koͤnne ſeine verſtorbene Liebſte ihn nicht verdencken / daß er wiederum ſein Hertz verſchenckte / indem nichts deſto weniger ihr Gedaͤchtniß / wie zuvor / niemals aus demſelben kommen wuͤr - de.

Jn ſolchen Gedancken ſchlum - merte er ein wenig ein / da ihn denn fol - gendes traͤumete: Es kam ihm im Schlaffe vor / als wenn er in einen luſti - gen Garten mit Lucretien ſpatzieren gieng / und ſelbige ihn ohnverſehensD 5durch64Der verliebtedurch einen ſtarcken Wind von der Sei - te weggeriſſen wuͤrde.

Als nun Alexander erwachte / und ſich erinnerte / was ihm getraͤumet / wunderte er ſich gar ſehr / doch weil er nicht viel auff Traͤume hielte / wolte er wegen der Deutung ſich nicht den Kopf zerbrechen / ſondern ſtunde aus dem Bette auff / zog ſich an / und gieng nach Hofe zum Koͤnige / ihm wegen der Ver - richtung bey Monſ. Lomairen Bericht zu erſtatten / der Koͤnig aber war noch nicht auffgeſtanden / dahero er warten muſte / und nach dem der Koͤnig erwach - te zu ihn vor das Bette gienge / und das verrichtete vorbrachte.

Dieſen Nachmittag gaben ihre Ma - jeſtaͤt dem Spaniſchen und Engliſchen Geſandten Audientz / und reiſeten fol - genden Tages nach Sanct Germain.

Ale -65Europæer.

Alexander, weil er ſolchen Ort noch nie in Augenſchein genommen / be - gab ſich zugleich mit unter die Koͤnigli - che Svite. Allda verblieb der Koͤnig drey gantze Tage und erluſtirte ſich mit mancherley Ergoͤtzligkeiten / den vierd - ten aber reiſete er wiederum nach Pa - riß.

Alexander, ſo bald er nach Pa - riß kam / ſetzte ſich vor / folgendes Tages Lucretien auffzu warten / welches ins Werck zu richten / er ſich bey Monſ. Lomairen ließ anmelden / und weil er hernach zu ihm gienge / nahm er ſich die Kuͤhnheit wegen Lucretien bey ihm An - ſuchung zu thun / welcher denn im An - fang nicht anders meynete als waͤre es ſein Schertz / doch wie er ſahe daß es Ernſt / lieſſe er ſich gegen Alexandern vernehmen: Er achtete ſeine Tochter viel zu gering / daß eines Vice ReesD 6Sohn66Der verliebteSohn ſolche zur Ehe verlangen ſolte / doch wolte er mit ihr zuvor reden und vernehmen ob ſie ihren Willen darein geben wolle.

Hierauff muſte Lucretie zu ihren Herrn Vater kommen / welcher denn in Gegenwart Alexanders fragte / ob ſie wohl dieſen jungen Ritter zu ihren Liebſten verlangte. Lucretie entfaͤrbte ſich gantz vor Scham / und hieß es mit ihr nach den gemeinen Sprichwort: qui tacet, conſentire videtur, das iſt: Still - ſchweigen wird vor ein Ja gehalten / de - rowegen ergrieff Alexander Lucretien bey der Hand / und ſagte: Weil denn der Herr Vater mich vor ſeinen Ey - dam angenommen / ſo wird ſelbige auch verhoffentlich mich vor ihren Liebſten erkennen. Lucretie antwortete: Dem Herrn Vater werde ich in keiner Sa - che zuwieder leben.

Hier -67Europæer.

Hiermit gieng Monſ. Lomaire aus dem Gemach / und ließ die neuen Ver - lobten alleine / welche dennn keine an - dern Diſcurſe fuͤhreten / als von der Macht und Wuͤrckung der Liebe; und ob wohl Lucretie im Anfange Alexan - dern einen Kuß verſagte / ſo wurde doch innerhalb einer halben Stunde die Be - kandſchafft ſo groß / daß ſie ſelbſten aus bruͤnſtiger Liebe das jenige foderte / weſ - ſen ſie ſich zuvor ernſtlich geweigert / deñ wo bey denen Verliebten die Bekand - ſchafft zunimmet / ſo nimmet mehren - theils die Scham ab.

As es gegen Abend kam / nahm Ale - xander, weil er nach Hofe zur Auffwar - tung muſte / von Lucretien Abſchied / mit Verſprechen / ihr eheſtens wiederum auffzuwarten.

Kaum war das Verloͤbniß zwi - ſchen Alexandern und Lucretien vor -D 7ge -68Der verliebtegegangen / als Monſ. Comilly / von wel - chem zuvor Meldung geſchehen / durch ſeine zu Pariß beſtellte Spionen hier - von Nachricht erlangte.

Nun meynete er nicht anders / als habe Lucretien Herr Vater ihm neu - lich deswegen den Korg gegeben / weil er Alexandern vor einen anſtaͤndigern Eydam erachtet / ließ derowegen in ge - ſchwinder Eil ſein Pferd ſatteln und rit - te in 4. Stunden nach Pariß / ſintemal der Ort / da er ſich ſeithero auffgehalten / nicht mehr als 3. Meilen darvon / nahm im Gaſthofe / allwo er einkehrte / Feder und Dinte zur Hand / und ſchrieb an Alexandern folgenden Ausforde - rungs-Brieff: (ohngeacht ihm wohl be - wuſt / wie ſcharff der Koͤnig das duelliren verbothen.)

Comilly an Alexandern:

Mit was vor Zorn ich vernom -men /69Europæer. men / wie du mir die ſchoͤnſte Lucretien abſpaͤnſtig gemacht / kanſtu / wofern dich anders die Liebe nicht deiner Sin - ne beraubet / leicht erachten. Dieweil es nun unmuͤglich / daß wir beyde Lu - cretien koͤnnen zur Ehe nehmen / ſo iſts billich / daß einer von uns ſterbe / damit der andere lebe / und mit dieſem koſtba - ren Schatz bereichet werde. Jn Be - trachtung deſſen iſt dieſes mein Wille / daß du morgendes Tages fruͤh um 7. Uhr / mit deinem Secunden und Stoßdegen eine Stunde von hier / zu Lemillie / erſcheineſt da ich denn ſehen wil / ob meine Sache gerechter / oder dein Degen gluͤckſeliger ſeyn wird.

Dieſen Brieff gab er ſeinem Die - ner / welcher ihn dem Alexander uͤber - bringen muſte / dieſer / als er deſſen Jnn - halt verſtanden / ſagte zu dem Uberbrin - ger: Berichtet euren Herrn wieder / ichwol -70Der verliebtewolle ſchon zu rechter Zeit an beſtimm - ten Ort erſcheinen.

Der Morgen des folgenden Tages war kaum angebrochen / als ſich Alexan - der mit ſeineu Secunden und Diener zu Pferde ſetzte / uud nach den beſtimm - ten Platz ritte. Comilly war ſchon zuge - gen und tummelte unterdeſſen ſein ge - wandtes Pferd.

Hiermit ſtiegen ſo wohl die Kaͤmpfer als Secunden von Pferden / gaben ſol - che ihren Dienern zu halten / und mach - ten ſich zum Duell fertig. Jm erſten Gang bekam Alexander eine kleine Wunde ins rechte Oberbein / welche ihm aber mit nichten den Muth brach / ſondern er griff den Comilly ſo reſolut an / daß er weichen muſte / und in der Retirade einen ſolchen Stoß uͤber das Degen-Gefaͤß in die rechte Hand be -kam /71Europæer. kam / daß er alsbald den Degen fallen ließ.

Alexander wolte mit ſeinen un - bewaffneten Gegener nichts mehr zu thun haben / ſondern ließ ihn ſeinen Wund-Artzt / den er deßwegen mit ſich genommen / verbinden / und ritte her - nach wiederum nach Pariß / ohne daß iemand etwas von dieſem Duell erfuͤh - re.

Comilly Wunden waren noch nicht voͤllig geheilet / als er auff Mittel und Gelegenheit gedachte / ſich an Ale - xandern zu raͤchen / wuſte aber nicht / wie er es anfangen ſolte. Mit dem De - gen war ihn Alexander weit uͤberle - gen / ſolte er ihm nun hinterwerts atta - quiren / hielte er auch vor gefaͤhrlich / de - rowegen nahm er ſich vor / Lucretien zu entfuͤhren / wodurch er nicht allein den Zweck ſeines Verlangens erreichen / ſondern auch hiermit ſich an Alexan -dern,72Der verliebtedern / wegen des angebrachten Stoſſes / gnugſam raͤchen koͤnte.

Dieß unbilliges Vornehmen nun ins Werck zurichten ereignet ſich gute Gelegenheit / denn es hatte ſich Lucretie vorgeſetzet / ihre Muhme / welche 2. Meilen von Pariß wohnhafftig / zu be - ſuchen / ſolche vorgenommene Reiſe wurde Comilly verkundſchafftet / deswe - gen er denn an beſtimmten Tag nebſt 2. Reutern in einem Gehoͤltze / allwo der Weg vorbey gienge auffpaſſete.

Lucretie / welche ſich nichts Boͤſes vermuthete / kame in der Kutſche mit gu - ter Andacht auff das Gehoͤltze zu gefah - ren. Es waͤrete nicht lange / ſo rannte Comilly in voller Currier hervor / warff den Kutſcher von der Karrette herunter / machte den Schlag auf / nahm Lucretien alsbald zu ſich auff ſein Pferd / und ritte in vollen Traab fort / in Mey -nung /73Europæer. nung / ſelbige auff ſeine Guͤter / welche nicht weit von Straßburg lagen / zu bringen / allda er ſicher zu ſeyn ſich ein - bildete.

Lucretie war von Schrenen gantz erſtarret / und vermeynete / es wuͤrde nun um ihre Ehre gethan ſeyn / aber Comilly troͤſtete ſie mit Verſprechen / ihre Ehre ſo lange ungekraͤncket zu laſ - ſen / biß er von ihren Herrn Vater er - langet / daß er ſie gar heyrathen duͤrffte / hiermit war aber Lucretie nicht zufrie - den / ſondern ſo offte ſie an ihren liebſten Alexander gedachte / ſo offte floſſen ihr die Thraͤnen haͤuffig aus denen Augen. Sie ſchalt Comillyen offt einen Ver - raͤther und Boͤſewichter / und kunten auch die beſten Worte ſo er ihr gab / ihm keine Affection zu wege bringen / weil ihr Gemuͤth ſich alſo mit Alexandern vereiniget / daß auch / ohngeacht es ſehrſchwer74Der verliebteſchwer ſchiene / ſie doch die gute Hoff - nung hatte / er werde ihnen nach ziehen / und ſie / wo moͤglich / wiederum aus die - ſer Gefaͤngniß nach Pariß fuͤhren.

Sie machte es nicht / wie bißweilen manche Jungfern / welche / wenn ſie ei - nen Liebſten haben / und er etwa auff wenige Zeit verreiſet / alsbald andere ihre Gunſt genieſſen laſſen / nach dem gemeinen Sprichwort: Varietas delectat, das iſt / das neue hat man lie - ber / als das alte. Sind ſie von Buͤr - gerlichen Stande / ſo muͤſſen die jun - gen Cavallire aus ſelbigen / lauter Koͤrbe davon tragen / und das Adeli - che Gebluͤte den Vorzug haben / gleich als ob zu weilen nicht mancher Buͤrger dem Vermoͤgen nach beſſer beſpan - net / als der vornehmſte von Adel / wel - cher in Franckreich um ſein bißgen Patrimonium kommen / oder daßich75Europæer. ich recht ſage / ſein gantz Vermoͤgeu mit Reiſen in frembde Laͤnder durch ge - bracht.

Der Kutſcher kehrete wiederum zuruͤck nach Paris / und hinterbrachte Mons. Lomairen die betruͤbte Zei - tung von der entfuͤhrten Tochter.

Was vor Jammer es muͤſſe ver - urſachet haben / kan man gar leicht ge - dencken / doch betruͤbte ſich niemand mehr als Alexander, derowegen er denn nicht lange ſaͤumete / ſondern ſich folgenden Tages mit ſeinem Diener Friedrichen auffmachte / in Hoffnung / Lucretien vielleicht noch unter wegens anzutreffen.

Gegen Abend kam Alexander in ein Dorff 6. Meilen von Pariß gele - gen / allda richtete gleich der Pfaffe da - ſelbſten ein ſtattlich Banqvet aus / und weil er vernahm / daß ein frembder Herran -76Der verliebteankommen / ſchickte er alsbald zu Ale - xandern, mit Bitte / ihm die Ehre an - zuthun / und bey ſolchen zu erſcheinen. Unſer Ritter entſchuldigte ſich zwar an - faͤnglich gar ſehr / und gab vor / er waͤre von der Reiſe in etwas ermuͤdet / deſſen ohngeachtet hielte der Herr Pater ſo heff - tig bey ihm an / daß er nichts fuͤglich ab - ſchlagen kunte.

Alſo gieng das Banquet nach Ale - xanders Ankunfft vor ſich / und weil viel benachbarte von Adel mit darbey / als wurden unterſchiedliche Diſcurſe gefuͤhret / und da man von Heyrathen zu reden anfieng / hoͤrte der Herr Pater ein wenig zu / hernachmals erzehlete er folgends: Vor etlichen Jahren wohne - te in der Landſchafft Provence, in Franckreich / einer von Adel / Monſ. de Pollie genannt.

Dieſer war ſo gluͤckſelig / daß ernoch77Europæer. noch vor Erreichung des viertzigſten Jahres in die andere Ehe ſchritte / doch von dieſer beyden Weiber Kindern nicht mehr als einen Sohn erziehen kunte.

Nun begab ſichs / daß der Sohn / als er zu ſeinen Mannbaren Jahren kommen / und auff Univerſitaͤten ſich in Jure ziemlich perfectionirt ge - macht / keinen Titel im gantzen Corpo - re Juris lieber auffſchluge / als den jeni - gen / ubi agitur de ventre [virgi - nis ſcil. ) inſpiciendo, oder daß ich es den teutſchen Herrn Advocaten nach unſerer Mutter-Sprache erklaͤ - re / Emanuel (ſo hieß der Sohn) war von ſolchen Alter / welches capabel, ei - nen jungen Menſchen verliebt zu ma - chen. Sein Herr Vater merckte gar bald / wo ſeinen Sohn der Schuh druck - te / bekam ihn derowegen einſtens auff die Seite / und redete ſelbigen folgenderGe -78Der verliebte Geſtalt an. Du weiſt Emanuel / daß du ietzt dein 22. Jahr angetreten / und weil ich gar wohl ſeithero große Luſt zum heyrathen an dir vermer - cket / als weiß ich ietzund eine gute an - ſehnliche Partie vor dich. Es wird dir wohl Mons: de Chamoy hin - terlaſſene Wittbe bekannt ſeyn / ſie iſt ein Weib in ihren beſten Jahren / und wer ſie heyrathet / bekommt zum we - nigſten eine halbe Tonne Goldes mit ihr. Emanuel antwortete: Was ſoll mir aber ſo ein alt Weib vor Luſt erwecken koͤnnen ſoll ich denn wegen guter Tage boͤſe Naͤchte genieſſen? und meine friſche hitzige Jugend an ſolches kaltes Eyß ſpendiren? ſoll ich die jenige zur Ehe nehmen / welche mit gutem Fug meine leibliche Mutter ſeyn koͤnte? doch ehe ich den Herrn Va - ter will zuwieder leben / bin ich bereit / deſſen Befehl in allem nachzukom -men.97[79]Europæer. men. Pollie war hiermit ſehr wohl zu frieden / zumalen er darvor hielte / daß man bey ſolchen reichen Staats-Hey - rathen nicht eben auff die Gleichheit des Alters ſehen muͤſſe.

Hierauff thate er im Nahmen ſeines Sohnes bey oberwehnter alten Circe (wiewohl ſie nicht viel uͤber funff - tzig Jahr war) die Werbung / und be - durffte es wenig Muͤhe / das Jawort zu erhalten / indem ſolche Wittben ſich zum oͤfftern gar gerne / ſonderlich mit jungen Leuten / verheyrathen / um ihre durch die Laͤnge der Zeit verlegenen Glieder wiederum zu verneuern / und die Wuͤrckung der Liebe / welcher ſie biß - hero ungewohnet / in etwas zu probiren / in welchem Stuͤck ſie denen altẽ Schaf - fen gleichen / welche / ob ſie wohl die Koͤr - ner des Saltzes / ſo ihnen die Schaͤffer vorlegen / nicht ſo wol / als die jungen /Eaus124[80]Der verliebteaus Mangel der Zaͤhne / zerknirſchen koͤnnen / dennoch ſolche ſo appetitlich im Maule zergehen laßen / daß es ſcheinet / als ob das Alter die Jugend ſpotten wolle.

Alſo war die Heirath geſchloſſen / und muſte Emanuel / dem Vater zuge - horſamen / ſeine neue / abeꝛ doch den Jah - ren nach / ſehr alte Liebſte / zum oͤfftern be - ſuchen. Die Diſcurſe / welche zwiſchen dieſen zwo Perſonen gefuͤhret wurden / waren von ſchlechter importantz / auſ - ſer daß die alte Wittbe / welcher Nah - men ich allhier verſchweigen wil / von nichts als ihrem Reichthum redete / und Emanuelen uͤberreden wolte / daß ob ſie wohl nicht die juͤngſte waͤre / dennoch a - ber / weil ſie mit ihrem vorigen Manne kein Kind gehabt / noch wohl vor eine Jungſer zu halten. Emanuel ſtellete ſich immer als ob ihm dieſe Reden garwohl81Europæer. wohl gefielen / und gedachte unterdeſſen das beſte beyſich ſelbſten.

Jnzwiſchen wurde der Tag zur Hochzeit angeſtellet / und ſehr viel vor - nehme Leuͤte darzu eingeladen. Die Tꝛauung verꝛichtete man mit gewoͤhn - lichen Ceremonien / und nachdem das Abend-Banquet gehalten / muſte ſich Emanuel / auff ſtarcken Antrieb ſeiner Liebſten / gar zeitlich zu Bette bege - ben.

Kaum war er ins Bette hinein ge - ſtiegen / als er alsbald die Augen zudꝛuck - te und ſich ſtellete als ob er ſtarck ſchlief - fe. Die Braut rittelte ihn mit Erinne - rung ſeiner Schuldigkeit / aber da war kein Erwecken / alſo daß die gute Alte mit der Hoffnung auff die kuͤnfftige Nacht ſich abſpeiſen / und einſchlaffen muſte. Aber ich will von dem jenigen / was hernachmals weiter vorgangenE 2nichts82Der verliebtenichts gedencken / ſondern nur vermel - den / daß ein halb Jahr nach dieſer Hoch - zeit / Mons: de pollie Eheliebſte / als er ſchon 61. Jahr alt war / mit Todte abgieng. Dieſer unvermuthete Fall ſchnitte ihm eine tieffe Wunde ins Hertz hinein / welche durch kein ander Mittel / als das Pflaſter / ſo aus dem Kraͤutlein Patientia gemacht wird / geheilet wer - den kunte.

Nachdem vier Monate vorbey geſtrichen / reiſete er zu einen ſeiner Be - kandten / Mons: de Mellie genañt / in die Landſchafft Piccartie. Dieſer hat - te eine eintzige Tochter / ein Maͤgdlein von 14. Jahren / in ſolche verliebte ſich Mons: de Pollie, welcher doch eher an Sarg / als Braut-Bette / gedencken ſollen / doch man ſiehet / wie zu weilen die Alten in der Liebe ſo hitzig ſeyn / daß ſie auch hier innen denen jungen nichtsnach -83Europæer. nachgeben / und gar wol mit der Son - nen koͤnnen verglichen werden / derer Strahlen zum oͤfftern bey ihren Un - ter gang am ſchaͤrffſtẽn ſcheinen. Mons: de Mellie wolte ſeinem guten Bekand - ten die Tochter nicht abſchlagen / wie - wohl es ihm ſehr wunderlich vorkam / daß er den jenigen ſolte voꝛ einen Eydam annehmen / welches Tochter-Mann er / dem Alter nach / ſeblſten ſeynkoͤnte.

Die Hochzeit wurde in 8. Wo - then darauff angeſtellet / und alſo die Trauer auff Seiten des Braͤutigams / wegen ſeiner ohnlaͤngſt verſtorbenen Liebſte / gar bald geendiget.

Hierbey iſt zu vermelden / daßweil nach der Zeit de Pollie ſeine junge Frau nicht gnugſam / wegen herbeynahenden Alters / bedienen kunde / ſelbige ſich zum oͤfftern mit frembder Speiſe verſahe. E 3Und84Der verliebteUnd alſo geſchahe es / daß Mons: de Pollie und ſein Sohn gar uͤble Ehen hatten. Denn dieſer muſte vernehmen / daß ſeine Liebſte ſich bißweilen mit an - dern vergnuͤgte / Emanuel aber das je - nige auſer dem Hauſe ſuchen / wornach ſonſt andere (ſo junge Weiber haben) nicht weit gehen duͤrffen.

Derowegen ſagte der Herr Pa - ter, weil die Heyrathen offt ſo gar uͤbel gerathen / haben wir Herren Geiſtli - chen es gut / und duͤrfen nicht dencken / daß uns etwa einer Hoͤrnner auffſetzet und koͤnnen doch nach unſerer Belie / bung ſchon Gelegenheit bekommen / den auffſteigenden alten Adam auszu - treiben.

Sonſten wurden auch noch an - dere Diſcurſe / ſonderlich von dem an - weſen den Frauenzimmer / gefuͤhret / welche ingeſamt gerne gewuſt haͤtten /wer85Europæer. wer doch unſer Sicilianiſcher Ritter waͤre. Denn er hatte ein ſehr praͤchtig Kleid an / welches von gruͤnen klaren Tuch und mit breiten ſilbernen Galo - nen verbremet / auff dem Kopffe fuͤhrete er eine ſchoͤne weiſſe Feder / und forne auf dem Hute truge er eine koͤſtliche guͤl - dene Roſe / worinne 55. Smaragde gefaſſet / zu dem machte ihn ſeine ſonder - bare Anmuthigkeit im Reden bey al - lem / uͤber der gantzen Taffel / beliebt.

Nach geendigten Banquet nahm Alexander von der gantzen Verſam̃ - lung / und abſonderlich dem Herrn Pa - ter; Abſchied / bedanckte ſich vor die Eh - re / ſo er bey ihm genoſſen / und begab ſich wiederum ins Wirthshaus / legte ſich zur Ruhe / und ritte den folgenden Morgen immer wiederum ſeinen Weg fort / da ihm denn den gantzen Weg / biß nach Straßburg / nichts ſonderliches vorfiele.

E 4Als86Der verliebte

Als Alexander in Straßburg angelanget / erfuhr er / nicht ohne ſonder - bare Beſtuͤrtzung / daß ſich ſeine Lucretie mit Gifft vergeben / und ſolches folgen - der Maſſen geſchehen.

Mons: de Comilly hatte Lu - cretien kaum auff ſeine Guͤter / welche nur eine Tagreiſe von Straßburg ge - legen / gebracht / als er erſtlich mit guten Worten von ihr verlangte / ſie moͤchte ihn heyrathen / und weil mit guten von ihr nichts zu erhalten / drohete er mit Gewalt. Lucretie / da ſie ſahe / daß ſie ihre Keuſchheit / welche ſie niemand / als ihren Alexander, dermaleins gewied - met / wdhl ſchwerlich bey dieſen Unmen - ſchen erhalten wuͤrde / ließ ſich einsmals etwas Gifft von Straßburg mitbrin - gen / und als ſie zuvor an Comilly ei - nen Brieff geſchrieben / und ſolchen auff den Tiſch geleget / nahm ſie den Gifft zu ſich / welcher den dergeſtalt Wuͤrckungthat /87Europæer. that / daß ehe eine Stunde vorbey gien - ge / die keuſche Lucretie in Ohnmacht da - hin ſanck / und alsbald den Geiſt auff - gab / der Brieff / welchen ſie vor ih - ren Tod auff den Tiſch legte / lautete alſo:

An den leichtfertigen Jungfer - Reuber Comilly.

Hier ſiheſtu die keuſche Lucretie liegen / welche viel lieber keuſch ſterben als deinen unzuͤchtigen Willen voll - bringen wollen. Bedencke / was du gethan / und verſichere dich / daß / weil du die Vrſache an meinen Tode / mein liebſter Alexander nicht eher ruhen wird / biß er an dir Rache veruͤbet / und wofern er es ja unterließe / ſoſoll mein Geiſt an dir Boͤſewichten ſelbſten ſol - ches vollbringen.

Nach dem Comilly Lucretien Tod erfuhr / erſchrack er nicht wenig / zu -E 5mal88Der verliebtemal als er den hinterlaßenen Brieff la - ſe / und vermeinete alle Augenblick / A - lexander were etwa zugegen und wol - le ihn / wegen Lucretien Tod zur Rede ſetzen.

Wie nun Alexander den gan - tzen Verlauff wegen Lucretien Tode vernommen / ſeumete er nicht lang / ſon - dern ſetzte ſich alsbald nieder / und ſchrieb folgenden Brieff:

Alexander an Comilly.

Jch haͤtte zwar vermeynet / es ſol - te der neuliche Stoß / welchen ich dir zu Paris gegeben / dich beweget ha - ben / Lucretien mir gantz und gar zu - berlaßen / doch habe ich bey dir das Wiederſpiel erfahren muͤſſen / daß du ſelbige nicht allein / als ein verraͤtheri - ſcher Straſſen-Raͤuber / auff oͤffentli - chen Wege angefallen / ſondern ſie auch gar davon gefuͤhret / um mit ihr deinenun -89Europæer. unzuͤchtigen Willen zu vollbringen / dadurch du denn verurſachet / daß ſel - bige / dieſer Schande zu entgehen / ſich mit Gifft hingerichtet. Weil ich nun im Leben ihr Liebhaber geweſen / alſo iſt es billich / deroſelbẽ auch nachdem To - de getreu zu verbleiben. Derrowe - gen iſt dieſes mein Begehr / du wolleſt den fuͤnfften Tag / von ietzo an / eine Meile von hir bey dem Dorffe Leo - Ville mit einen guten Stoßdegen / doch ohne Secunden / erſcheinen / da ich denn entweder meiner Liebſten Tod an dir raͤchen / oder deroſelben im Tode Geſellſchafft leiſten wil. Wirſtu nicht zu beſtimmter Zeit dich einſtellen / ſo ſollſtu in deiner eigenen Behauſung nicht ſicher ſeyn.

Dieſen Brieff gab er Fridrichen / welcher ſich zu Pferde ſetzen und ſelbi - gen uͤberbringen muſte.

E 6Ehe90Der verliebte

Ehe er ihn aber noch fort ſchickte / wieß er ſolchen ſeinem vertrautẽ Freun - de / welcher ſagte: Solten alle die Jungfern / ſo in dieſer Stadt etwas genoſſen / ſo ihnen nicht gehoͤrt / ſich mit Giffte vom Leben zum Tode bringen / wo wolten die Tiſchler ſo eine Menge Bretter hernehmen / Saͤrge gnug zu verfertigen / ich wil nicht ſagen von de - nen Ehe-Weibern / welche bißweilen nur deßwegen ſich verheyrathet / damit ſie ihre Boßheit deſto ſicherer treiben koͤnnen. Alexander verſetzte: Wenn derſelbe nicht mein Bekandter und gu - ter Freund waͤre / wuͤrde ich ſeine dieß - mal gefuͤhrte Reden in Zweiffel ziehen / denn das Frauenzimmer / ſo mir ſeit - hero / weil ich mich allhier auffgehal - ten / ins Geſichte kommen / habe ich ie - derzeit vor erbar und ſittſam angeſe - hen / auſſer daß mir bißweilen Weibes - Perſonen auff der Gaſſen begegnet /de -91Europæer. deren Gang alſo beſchaffen geweſen / daß es geſchienen / als ob ſie ein Uhr - werck in Hinter-Caſtel haͤtten. An - tonius (denn alſo heiſſe Alexanders guter Bekandte / welcher eines derreich - ſten Sicilianiſchen Kauffleute einiger Sohn in Palermo war /) antwortete: Dieſe ſindeben die rechten / quæ faci - unt libenter, von welchen das gemeine Spruͤchwortlautet: Quæ pedibus lu - dentibus incedunt rarò ſunt virgi - nes.

Wir muͤſſen uns aber zu Comil - ly wenden / und ſehen / was er ſich auff empfangenen Ausfoderungs - Brieff reſolvixet. Selbiger hatte den von Alexandern geſchriebenen Brieff kaum auffgebrochen / und deſſen Jnn - halt verſtanden / als ihm alsbald das Gewiſſen auffwachte / daß er nicht wu - ſte / was vor ein Mittel in dieſer SacheE 7zu92Der verliebtezu ergreiffen. Einmal kunte er nicht leugnen / daß Lucretien Tod von ihm urſpruͤnglich herkommen / zu dem wenn er betrachtete / wie ihm bey ſeiner unge - rechten Sache noch darzn Alexander mit dem Degen weit uͤberlegen / vermu - thete er ſich eines gar ſchlechten Aus - gangs / iedennoch aber / damit man ihn vorkeinen verzagten Kerl anſehen moͤch - te / fertigte er Friedrichen den andern Tag nach ſeiner Ankunfft wiederum ab / mit dem Bericht an Alexandern / Er wolle zu beſtimmter Zeit ſchon er - ſcheinen.

Der angeſtellete Tag zum Duell kam herbey / da denn Alexander ſich zu Pferde ſetzte / und an den benannten Ort ritte / alwo er kaum eine halbe Stunde gewartet / als Mons: de Co - milly ebenfalls daher trabete. Man brauchte allhier nicht viel Compli -men -93Europæer. menten / ſondern die beyden Kaͤmpfer zogen die Ober-kleider aus / gaben ſol - che nebſt ihren Pferden denen Die - nern / und ſtelleten ſich dergeſtalt gegen einander. Alexander brandte gantz vor Eifer / alſo daß / indem er ſeinen Ge - gener ſtarck angriff / ſelbiger zimlich zu - ruͤck weichen muſte / und dieſes war der erſte Gang? Der andere wurde zwar auff eben die Art angefangen / aber auff gantz andeꝛe geendiget / indem Alexan - der mit einen Stoß zwiſchen der drit - ten und vierdten Ribbe auff der lincken Seite ſeinen Feind dermaſſen traffe / daß er alsbald zu Boden fiel / und die Seele in eine andere Welt geſchicket ward.

Unſer Sicilianiſcher Ritter be - kam hierauff Mons: Comilly Diener auff die Seite / verſprach ihm 70. Cro - nen / wofern er ſagen wurde / daß ſenHerr94Der verliebteHerr von Raͤubern ermordet worden / und ritte wiederum nach Straßburg zuruͤck.

Comilly Erben gaben ſeinem geweſenen Diener gar gerne glauben weil ſie ſich erfreueten / daß eine ſo un - vermuthete Erbſchafft ihnen zu Theil worden / und erfuhr alſo kein einiger Menſch etwas von dem vorgegange - nen Duell, zumalen denn auch nicht gar lange darnach ebenfalls der Diener / welcher die 70. Cronen empfangen / ſei - nem Herrn / wiewohl eines natuͤrlichen Todes / folgete.

Nach dem nun dieſes alſo vergan - gen / beſchloß Alexander ſich eine we - nige Zeit in Straßburg auffzuhalten / um hierdurch ſeine traurigen Gedan - cken wegen Lucretius Tod zu vertrei - ben / und weil er ſonſt in ſolcher Stadt niemanden / als den oberwehnten An -to -95Europæer. tonium, kennete / nahm er ſelbigen zu ſich auff die Stube / denn er war ein lu - ſtiger Compan / und kunte einen die melancholiſchen Grillen gar leicht aus dem Gehirne jagen. Derowegen als er einſten ſahe / daß Alexander in tief - fen Gedancken ſaſſe / und ſonſt gerne (weil er in Conjunctione Martis & Veneris zur Welt kommen) verliebte Sachen hoͤrete / fieng er folgende Hiſto - rie an zu erzehlen: Es iſt ohngefehr 4. Jahr / als ein reicher Kauffmann allhier durch eine Kranckheit hingeraffet wur - de / und dannenhero ſeine Frau als eine Wittbe hinterlieſſe / welche aber nicht - ber 23. Jahr alt war / dannenhero ge - ſchahe es / daß ſie kaum ein Jahr nach ih - res Mannes Tod ſich wiederum nach einen andern umſahe / und weil ſich bald keine Heyrath ereignen wolte / ſuch - te ſie Gelegenheit die muͤßige Zeit mit jungen Cavallieren zu vertreiben / inMey -96Der verliebteMeynung / hierdurch etwa einen ins Garn zu zlehen / und mit denen Ehe - Stricken zubinden. Unter denen Bie - nen / ſo um dieſen fleiſchernen Stock herum ſchwaͤrmeten / war eine / welche zwar ſehr brummete / aber wenig Ho - nig eintrug / das iſt / es bediente dieſe jun - ge Wittbe eines Kauffmanns Sohn von Coͤlln / welcher viel Geprales von ſeinem groſſen Vermoͤgen machte / da doch ſelbiges von einem ſchlechten Ca - pital. Dieſes junge Witt-Weibgen meynete / daß diß Waſſer auff ihre Muͤhle were / und machten ſich die bey - den Leutgens in kurtzer Zeit mit einan - der ſo bekannt / daß ſie die Meynung / quod copula ſacerdotalis non ſit de eſſentia matrimonii, zu behaup - ten ſuchten / aber es waͤrete nicht gar lange / ſo befande ſie ſich ſchwanger / dan - nenhero man mit nichten verzog / ſon - dern bald Hochzeit und ein ViertelJahr97Europæer. Jahr darauff Kind-Tauffe ausrich - tete.

Dieſe Geſchicht / wofern ſie ſich - ſonſten alſo verhelt / iſt wol wuͤrdig / antwortete Alexander, daß man ſol - che mit Fleiß mercke / indem hierinne ei - ne ſonderliche Maxime einen Mann zu erlangen verborgen / und ſolte ſich al - ſo ein junger Menſch faſt ſcheuen / mit ſolchem Frauenzimmer umbzugehen / welches alsbald vermeynet / man thue es heyrahtens wegen.

Ja / verſetzte Antonius, iſt sall - hier in Straßburg ein ſo wunderlich thun / daß / wenn einer nur einmal Ge - legenheit hat / mit einen Frauenzim mer zu Converſiren / die Leute alsbald ſagen / man habe ſich in ſolche Perſon verliebet / wer kan darfuͤr / wenn ſich et - wa manch Frauenzimmer ſolches ein - bildet / zumal ſelbige zum oͤfftern / ausHoff98Der verliebteHoffnung zur Heyrath / ſolche Sachen vornehmen / welche ihnen hernacher / wenn ſie nichts mit zu wege bringen / ſelbſten reuen.

Alexander kunte ſich dieſes faſt nicht einbilden / daß das keuſche Frauen - zimmer einem mehr Gunſt / als es ſich ſonſt gebuͤhrete / erzeigen ſolte / doch ent - ſchloß er ſich Gelegenheit zu ſuchen / ſol - ches zu erfahren.

Als er nun einſten nach der Mit - tags-Mahlzeit / um eine kleine Motion zu machen / vor das Thor ſpatzieren gieng / und einen Garten vorbey paßir - te / deſſen Thuͤre ein wenig auffgethan / ſahe ein Paar Perſonen ſitzen / welche ſo verliebt mit einander redeten / daß ſie einander immer die Woͤrter aus den Maͤulergen nahmen. Alexander gedachte bey ſich ſelbſten: Sapienti ſat, gieng um ſie nicht zu verſtoͤren / davon /weil99Europæer. weil es im gemeinem Spruͤchwort heiſ - ſet: Qvod tibi non vis fieri, alteri ne feceris.

Nachdem unſer Sicilianiſcher Ritter ſich wiederum nach Hauſe bege - ben / kam ihm Antonius entgegen / mit Vermelden / daß er Morgen zu einen von Adel / 2. Stunden von hier / gebe - then worden / wenn es ihm alſo gefiele / wolle er ihn mit nehmen / und am ſelbi - gen Ort bekand machen. Alexan - der war gar wohl zu frieden. Alſo ſetzten ſich die Beyden folgenden Ta - ges auff eine Kaleſche / und fuhren auf den Ort / allwo der Edelmann wohn - hafftig / welcher denn ſeine Gaͤſte gar freundlich empfieng / und weil es faſt Mittag / zur Mahlzeit noͤthigte. Uber Tiſch fragte Mons: ce Cloy (denn ſo hieß der Edelmann) Alexandern / ob ihm nicht beliebte / nach dem Eſſen indie100Der verliebtedie Kirche zu gehen / denn es wuͤrde der Schulmeiſter / welcher 10. Tage vor - mals zu Franckfurt auff der Univer - ſitaͤt geweſen / ſeines Pfarrers Kindes Leichen-Abdanckung thun / welche wol ohne Zweifel poſſirlich wuͤrde zu hoͤren ſeyn. Alexander willigte darein gar gerne / dannenhero als die Speiſen ab - gehoben / und die Mahlzeit geendiget / fuͤhrete der Herr Wirth / ſeine Gaͤſte in die Kirche / da ſie denn nicht lange war - teten / als die gantze Leichen-Proceſſion mit ſamt dem Herrn Schulmeiſter ſich - præſentirte / welcher denn als er einen erſchrecklichen Reverentz gegen die Adeliche Por - Kirchegemachet / alſo zu reden anfieng:

Hochanweſende Anſehnliche. Es ſaget der weiſe Propheten-Lehrer Je - ſus Sirach in ſeiner Offenbarung am 30. Capitel nicht unbillich: Machedich121[101]Europæer. dich ſelbſt nicht traurig / und pla - ge dich nicht ſelbſt mit deinen eige - nen Gedancken / denn ein froͤlich Hertz iſt des Menſchen Leben / und ſeine Freude iſt ſein langes Leben. Thue dir Gutes / und troͤſte dein Hertz / und treibe Trau rigkeit ferne von dir / denn Trau - rigkeit toͤdtet viel Leute / und die - net doch nirgend zu. Dieſes habt ihr Herr Magiſter Sperling / wohl - verordneter Kirchen-Inſpector all - hier / auch in Acht zu nehmen / denn ich ſehe wol / daß euch von Weinen im - mer der Bock ſtoͤſſet / aber was richtet ihr mit ſolcher Traurigkeit aus / geden - cket nur / wie ihr neulich bey Gevatter Jockels Leichen-Predigt ſagtet: Heut ſind wir friſch / geſund uñ ſtarck / Mor - gen todt und liegen im Qvarck. Was huͤlffe es denn euch / wenn ihr auch gleich heuletet / wie mein einaͤugiger al -104[102]Der verliebte alter Ketten-Hund / wenn er in 3. Ta - gen nichts zu Freſſen bekommen / ihr werdet doch hiermit wohl ſchwerlich euer Kind vom Tode erwecken / denn dieſe Macht hat ſich unſer HERR Gott alleine vorbehalten. Zwar muß ich es geſtehen / daß mich das gute Kind ſelbſten tauret / denn als es vor acht Ta - gen bey mir zum letzten mal in der Schule war / betete es das A. B. C. mit einer ſo eiferigen Andacht her / als ob es von Mund auff gen Himmel fahren wolte / gleich als ob ihn ſein bald dar - auff erfolgter Tod geahnet. Dero - wegen gebt euch zu frieden / mein Herr Magiſter, und ſeyd vergnuͤgt / daß nicht etwa zuſamt dem Kinde / euer ſchoͤner Maſt-Qchſe / welchen ihr auff die Kirchmeß ſparet / an Galgen gan - gen. Es bedancket ſich letzlichen der Herr Magiſter gegen die gantze vor - nehme baͤueriſche Verſammlung / daßſie103Europæer. ſie ſeinem verſtorbenen Kinde die letz - te Ehre anthun / und ſelbiges zur Ru - he-Staͤdte begleiten wollen / verſpꝛicht ſolches wiederum / bey vorfallender Gelegenheit / zu compendioſiren. Mir aber wollet ihr / bitte ich groß - guͤnſtig / verzeihen / daß ich meine Woꝛ - te nicht geſchickter vorgebracht / wel - ches wohl geſchehen / wofern ich nicht eben gleich heute Vormittag Nach - bar Stepffan ein Rindgen ſchlachten muͤſſen / und alſo wenig ſtudieren koͤn - nen / ſonſten / wofern mir nicht dieſe Verhinderung in Weg kommen / haͤtte ich etwas herſchwatzen wollen / daß euch Hoͤren und Sehen vergehen ſollen. Andieu.

Hierbey iſt zu mercken / daß die Gemeine in dieſem Dorffe dem Schul - meiſter / weil er ſonſt wenig Accidentia hatte / den Schlachter-Dienſt uͤber ge -Fben /104Der verliebte alter Ketten-Hund / wenn er in 3. Ta - gen nichts zu Freſſen bekommen / ihr werdet doch hiermit wohl ſchwerlich euer Kind vom Tode erwecken / denn dieſe Macht hat ſich unſer HERR Gott alleine vorbehalten. Zwar muß ich es geſtehen / daß mich das gute Kind ſelbſten tauret / denn als es vor acht Ta - gen bey mir zum letzten mal in der Schule war / betete es das A.B.C. mit einer ſo eiferigen Andacht her / als ob es von Mund auff gen Himmel fahren wolte / gleich als ob ihn ſein bald dar - auff erfolgter Tod geahnet. Dero - wegen gebt euch zu frieden / mein Herr Magiſter, und ſeyd vergnuͤgt / daß nicht etwa zuſamt dem Kinde / euer ſchoͤner Maſt-Qchſe / welchen ihr auff die Kirchmeß ſparet / an Galgen gan - gen. Es bedancket ſich letzlichen der Herr Magiſter gegen die gantze vor - nehme baͤueriſche Verſammlung / daßſie105Europæer. vergoͤnnete ihm ſolches / unterdeſſen a - ber war mein Wild-Schuͤtze ſo ſchlimm geweſen / daß er ein alt Haſen-Fell ge - nommen / ſelbiges ausgeſtopffet und in des Pfarrers Kraut geſetzet. Dieſer koͤmmt einſtens gegen Abend dahin / ſte - het das Thier im Kraut ſitzen / und ver - meynet nicht anders / als ſey es ein Ha - ſe / giebt hierauff mit ſeiner Flinte Feu - er / und erleget alſo ſein vermeyntes Wildpret / ohnlaͤngſten hatte er auch ei - ne zahme Katze vor eine wilde geſchoſ - ſen.

Alexander wuͤndſchte dieſen geiſtlichen Schuͤtzen zu ſehen / worauff ihn denn der Edelmann auff den Abend zur Mahlzeit bitten ließ welcher denn gar willig erſchiene.

Unter andern Diſcurſen / ſo der Herr Collator mit ſeinem Pfarrer - ber der Mahlzeit fuͤhrete / fragte er ihn /F 2ob106Der verliebteob er nicht morgendes Tages bey der von ihm / ſeinen fremden Gaͤſten zur Zeit-Vertreibung / angeſtelleten Fuchs - und Haſen-Jagt / ſeine Perſon eben - falls præſentiren wolle. Der Herr Paſtor antwortete: Er habe ſeine Flin - te bey dem Buͤchſenmacher / und ohne Gewehr bey einer Jagt zu ſeyn wolle ſich auch nicht wohl ſchicken. Mons de Cloy verſprach ihm eine gute Buͤchſe zu leihen / worfuͤr er ſich dienſtlich be - danckte mit Verſprechen / ſich zu rech - ter Zeit ſchon einzuſtellen. Unterdeſſen beſtellete de Cloy bey ſeinen Schuͤ - tzen / daß er die Buͤchſe / ſo der Pfarr des folgenden Tages bekommen ſolte / uͤber die Helffte voll Gaͤnſe-Federn laden muſte / welches er auch ins Werck rich - tete.

Des kommenden Tages wurden die Netze zur Jagt hinaus in Wald ge - fuͤhret / und ritte Mons. de Cloy,nebſt107Europæer. nebſt Alexandern und Antonio bald hernach.

Der Herr Pfarrer ließ ſich ſeinen Gaul (welcher Bileams klugen Eſel nicht ungleich) ebenfalls ſatteln / ſetzte ſich auff ſelbigen / nahm die Buͤchſe / ſo ihm ſein Juncker geliehen / vor ſich auff den Sattel / und ritte alſo nach.

Nun iſt hier zu vermelden / daß Mons. de Cloy einen uͤber ſeine Guͤ - ter beſtelleten Verwalter hatte / welcher ſich auch bey der Jagt mit ſeiner Leib - Flinte einfunde / und ſonſt ein Kerl von poſſirlicher Conſtitution, weil ſeine Mutter / als ſie mit ihm ſchwanger ge - gangen / ſich an einer mit Schiefer ge - deckten Kirche verſehen. Dieſer ſtellete ſich mit dem Herrn Paſtore im Holtze an / um das jenige / ſo ihnen im Lauff kaͤme / zu faͤllen.

Es waͤrete nicht lange / ſo ſchlu -F 3gen108Der verliebtegen die Jagt-Hunde im Walde an / und brachten bald darauff einen ſtar - cken Fuchs gejaget. Hier traff es eben zu / daß derſelbe bey dem Verwalter / und Geiſtlichen Wild-Meiſter vorbey lief / worauf ſie alle beyde zugleich Feuer gaben / daß der Fuchs Knall und Fall todt blieb. Da erhub ſich nun ein er - ſchrecklicher Zanck / wer das Wildpret geſchoſſen habe. Der Pfarr ſagte / er haͤtte zu erſt loß gedruckt / der Verwalter aber ſchwur: dieſer und jener ſolte ihn holen / der Pfarr habe nichts als lauter Federn in der Buͤchſe gehabt / und de - rowegen er / welcher ſein Gewehr mit Haſen-Schrot geladen / getroffen. Der Herr Paſtor wolte dieſes nicht glauben / ſondern vermeynte / man ſchraubete ihn etwa / derowegen ſagte er: Wer ſolches von ihm redete / den hielt er vor einen ehrvergeſſenen Schelmen. Der Verwalter wolte ſich nicht ſchim -pfen109Europæer. pfen laſſen / ſondern grieff den Herrn Pfarr dergeſtalt ins Geſichte / daß ihm das Gebluͤte alsbald aus Maul und Naſe heraus ſprang. Da gieng es nun an eine trefflich ſtattliche Hand-Colla - tion / und hieß wohl recht porti pom - parti, Geld oder Ohrfeigen. Endlich miſchte ſich der Herr Collator zwi - ſchen die ſtreitenden Parteyen / verglie - che dieſelben wiederum mit einander / und legte ihnen folgende Straffe auff: Der Verwalter ſolte (weil er in ſei - nes Herrn Gegenwart ausgeſchla - gen) eines Viertel Jahrs Beſol - dung verluſtiget ſeyn / hingegen der Pfarrer ins Kuͤnfftige ſeinen Edel - mann nicht mehr alle Sonntage von der Cantzel werffen / und ein gantz Jahr ihn / wenn er communicirete / ohne Beicht-Geld abſolviren. Dieſer Contract wurde ſchrifftlich auffgeſe - tzet / von denen Intereſſenten unter - F 4ſchrie -110Der verliebteſchrieben / und mit ihren angebohrnen Pettſchafften beſiegelt.

Nach geendigter Jagt wolten Alexander und Antonius wieder - umb nach Straßburg reiten / aber Mons. de Cloy noͤthigte ſie / noch die - ſen Tag (auff welchen gleich der Sonn - abend fiel) zu verbleiben / und des fol - genden Sonntags das Evangelium vom reichen Manne erklaͤren hoͤren / weil er nicht zweiffelte / es werde der Herr Pfarrer von der heutigen Schlaͤ - gerey etwas erinnern.

Sie verſprachen hierinnen ſei - nem Willen Gnuͤge zu leiſten / und gin - gen folgendes Tages mit ihm in die Kir - che / da denn der Pfarrer bald hierauff die Cantzel beſtieg und die Predigt fol - gender Geſtalt anfieng:

Hoch -111Europæer.

Hochandaͤchtige und tieffſinnige Zuhoͤrer.

Es ſagen die Herren Juriſten nicht unrecht: Vim vi repellere li - cet, das iſt: Wer mir eine Maul - ſchelle giebt / dem gebe ich wiederum eine. Derowegen duͤrffet ihr euch nicht wundern / daß geſtern zwiſchen mir und dem Hoch-Adelichen Ge - richts-und Hauß-Verwalter Herrn Peter Schiefferbarthen ein klein Duell vorgegangen / ich ſchiebe alles auff unſern Juncker / welcher die cau - ſa principalis geweſen / denn ob ihr wohl in euern Hertzen ſagen moͤchtet / es iſt erlogen / ſo hoͤret mir nur zu. Jſts nicht wahr / wenn der Edelmann nicht gejaget haͤtte / ſo waͤre ich nicht mitge - ritten / waͤre ich nicht mitgeritten / ſo haͤtte ich keine Buͤchſe mitgenommen / haͤtte ich keine Buͤchſe mitgenommen / F 5ſo112Der verliebte ſo haͤtte ich ſolche nicht loß gebrannt / haͤtte ich ſolche nicht loßgebrannt / ſo haͤtte ich den Fuchs nicht geſchoſſen haͤtte ich den Fuchs nicht geſchoſſen / ſo waͤre kein Zanck entſtanden / waͤre kein Zanck entſtanden / ſo haͤtte ich keine Schlaͤge bekommen / ſo ſaͤhet ihr mich auch ietzund nicht mit ſolchen geſchwol - lenen blauen Augen / wiewohl ich den - cke / es ſoll der Trauer nicht viel hin - dern / trauret doch meines Erachtens in Franckreich die blaue Farbe auch / und alſo ſehet ihr / meine Verliebten / wie alles ſo compendios an einan - der gehangen / nicht viel anders / als ein Gebund Schwein-Gedaͤrme. Wer ſolches etwa nicht glauben wolle / der kan nur den Herrn Schulmeiſter darum fragen / welcher ihme ſolches / tam quoad internas, quam exter - nas, deutlich gnug erklaͤren wird.

Hier -113Europæer.

Hierauff betete der Herr Pfarr das Vater Unſer / und verlaß hernach das Evangelium vom reichen Manne Luc. 16. nach deſſen Verleſung fieng er wiederum alſo an zu reden:

Es ſtehet hier in unſerm abgeleſe - nen Sonntags-Evangelio: Es war ein reicher Mann / der kleidet ſich mit Purpur und koͤſtlichen Lein - wand / und lebet alle Tage herr - lich und in Freuden. Was ein rei - cher Mann ſey / darff ich euch nicht lan - ge erklaͤren / wollet ihꝛ es aber ja wiſſen / ſo ſehet unſern Juncker an / welcher mehr Kuraſſirer in ſeinem Kaſten / als der Koͤnig in Franckreich anietzo im Felde hat. Nun entſtehet eine intri - cate Frage unter uns Gelehrten / ob der reiche Mann / von welchem allhier gedacht wird / ein Ehmann oder Jung - geſelle geweſen / darauff iſt zu antwor - F 6ten /114Der verliebte ten / gleichwie die Juriſten eine Regel haben / welche alſo lautet: Mulieris appellatione etiam Virgo viri - potens continetur, alſo kan man à contrario argumentiren und ſa - gen: Viri appellatione etiam Ju - venis, qui nondum ſe matrimo - nio copulavit, continetur. Wol - te einer die Urſach wiſſen / cur Viriap - pellatione interdum Juvenis, qui nondum ſe copulavit matrimo - nio, continetur, ſo antworte ich: quia Juvenis eſt impotentia pro - xima abeundi in Virum ſtrictè ſumptum, und alſo muß man di - ſtinguiren inter ſtrictitatem & latitudinem, wie hiervon beym Za - chia in ſeinen Quæſtionibus Me - dico legalibus in der Frage: cur citius pubeſcant fœminæ, quàm mares, weitlaͤufftig zu finden. Jch vor meine Perſon halte es mit denenjeni -115Europæer. jenigen / welche ſagen daß der reiche Mann ein Junggeſelle geweſen / denn wenn er eine Frau gehabt haͤtte / wuͤr - de ſelbige ihn wohl uͤberredet haben / daß er das Seinige beſſer zu Rathe ge - halten. Daß aber im Evangelio ſte - het / er habe alle Tage herrlich und in Freuden gelebet / iſt ſo viel geredet / als wuͤrde geſaget / er habe in Eſſen und Trincken ſich magnific gehalten. Denn ich zweiffele / daß er Schweine - fleiſch gegeſſen / und Leipziger Raſtrum getruncken / ſondern ſein Getraͤnck wird wohl Canalien-Sect und Fran - zoͤſiſchter Wein geweſen ſeyn. Der Evangeliſt faͤhret fort / und ſaget fer - ner: Es war aber ein Armer / mit Nahmen Lazarus / der lag vor ſeiner Thuͤre voller Schwaͤren. Gleich wie ich den reichen Mann ab - zubilden euch unſern Juncker vorge - ſtellet / alſo ſeyd ihr alle rechte arme La - F 7zari116Der verliebte zari / wiewohl es heiſſet: Omne ſimi - le claudicat, denn ihr ſauffet euch bißweilen arm / und verſcherwentzelt das bißgen Geld / ſo ihr verdienet in der Karte / Lazarus hingegen hatte alle ſein Vermoͤgen denen Aertzten gegeben / welche ihm doch ſeine Schwe ren nicht vertreiben kunten. Und begehrte ſich zu ſaͤttigen von den Broſamen / die von des Reichen Tiſche fielen. Doch kamen die Hunde / und leckten ihm ſeine Schweren. Cornelius à Lapi - de ſchreibet: Es ſey dieſer reicher Mann ein guter Weidmann gewe - ſen / und derowegen viel von Jagd-und Wind-Hunden gehalten / welche bey der Mahlzeit ſtets um den Tiſch her - um geſtanden / und weil er ihnen mehr Brod vorgeworffen / als ſie verzehren / moͤgen / waͤren viel Stuͤcken auff der Erde liegen blieben / dannenhero La -zarus117Europæer. zarus nach ſolchen geſeuffzet / und ſel - bige doch nicht erhalten koͤnnen / da denn die Hunde barmhertzig geweſen / und zuweilen ein Stuͤcklein Brod ihm vor die Thuͤre gebracht / und weil er ſie ſehr geliebkoſet / ſeine Schweren gele - cket. Jch bin eben der Meynung / denn was iſts Wunder / hat doch un - ſer Geſtrenge Juncker ebenfals ein ſtuͤck oder 6. dergleichen Thiergen / von welchen ietzt einer unten bey dem Tauffſteine gar ſanffte entſchlaffen. Dieſe koͤnnen ihre Freſſen uͤber den Tiſch gar mannierlich fordern / und nicht allein Stuͤcken Brod / ſondern wohl gar gantze gebratene Haſen / vom Bratſpieß weg / aus der Kuͤche tragen. Fraget einer / warum ſie es thun / ſo reſpondire ich hierauff: Die arme Thiere muͤſſen zum oͤfftern man - chen Sprung thun / ehe ſie einen Haa - ſen erhaſchen / derowegen iſt es nicht un -118Der verliebte unbillich / daß ſie bißweilen auch einen guten Biſſen bekommen / nach dem ge - meinen Spruͤchwort: Qui ſentit incommodum ſentiat etiam com - modum; daraus ich denn ein Argu - ment mache: Atqui canes ſæpius fentiunt incommodum currendi, E. ſentiant interdum cibi. Alſo er - gieng es mir geſtern auch / denn die Luſt / welche ich bey der Jagt genoſſe / wurde mir hernach durch derbe Schlaͤge von einem ungerechten Haushalter wiederum verſaltzen.

Sonſten erklaͤrete der Herr Pa - ſtor den Uberreſt des Evaugelii auff gantz ſonderbare Art / welche ich anitzo nicht hieher ſetzen wollen / umb den ge - neigten Leſer nicht etwa durch einerley Materie eine Unluſt zu erwecken / ſon - dern vermelde nur / daß Alexanderſich119Europæer. ſich nicht gnugſam uͤber dieſes Prieſters einfaͤltigen Verſtand verwundern kun - te / zumal da an dieſem Orte die Vor - nehmſten fein uͤber einen Leiſten geſchla - gen. Der Edelman welcher in ſeiner Jugend auff Univerſitaͤten ſich auff - gehalten / hatte ſtudieret biß unter die Arme / in Kopff aber war nicht viel kom - men. Der Pfarrer lude das Con - cept, ſo er vergangenen Sonntag zur Predigt gemacht / allezeit des Mon - tags darauff in die Buͤchſe und Schoß ſolches nach denen Krahen / denn er mey - nete / er koͤñe keinen einigen Schuß tref - fen / wofern er nicht geiſtlich Pappier zum Laden gebraucht. Der Schul - meiſter war ein Narr in Folio und in Octavo eingebunden. Der Gerichts - und Haus-Verwalter war in dem Ti - tel de Ignorantia Juris ſehr wohl beſchlagen. Der Wild-Schuͤtze muſte allezeit die Brille auffſetzen / wenn ernach120Der verliebtenach einen Haſen in Holtze ſchieſſen wolte.

Summa Summarum / man kan aus oberzehlten leicht abnehmen / wie die gemeinen Bauren muͤſſen ſeyn ge - arbeitet geweſen / denn es heiſſet wohl recht: Wie der Herr iſt / ſo ſind auch die Unterthanen.

Alexander wolte den Montag / in aller Fruͤhe mit Antonio wieder - um ſeinen Weg nach Straßburg neh - men / ließ ſich aber dennoch von Mons. de Cloy auch vor dieſesmal erbitten / daß er verſprach / noch dieſen Tag bey ihm zu verbleiben.

Nun war voriges Tages im Wirths-Hauſe unter der jungen Pur - ſche einige Schlaͤgerey vorgegangen / da denn des folgenden Tages der / wel - cher die meiſten Stoͤſſe darvon bekom - men / die Sache bey dem Edelmann an -haͤn -121Europæer. haͤngig machte / und um Huͤlffe bate. Mons. de Cloy wieß ihn zu ſeinem Ge - richts-Verwalter / welcher den Beklag - ten fordern ließ / und nach Erſcheinung folgende Regiſtratur auffſetzte.

Actum den 6. Junii Anno 1680.

Erſcheinet Peter Knackwurſt als Klaͤger / und Hans Fuchs als Be - klagter.

Klaͤger beſchweret ſich uͤber Beklag - ten / daß ſelbiger ihm geſtern an den hei - ligen erſten Sonntag nach Trinitatis in der Schencke eine ſolche Maulſchel - le gegeben / daß ihm alsbald das Feuer aus denen Augen / und das Gehirne aus der Naſe geſprungen.

Beklagter leugnets zwar nicht / ſaget aber / es ſey ihm gnugſame Urſache ge - geben worden / weil Klaͤger ſeiner in derSchen122Der verliebteSchencke anweſenden Frauen in Latz gegriffen.

Klaͤger leugnet dieſes ebenfalls nicht / betheuret es aber ſehr hoch / daß er Beklagten Frau nicht auff die bloſſe Haut gekommen.

Der Gerichts-Verwalter ließ hier - auff die Frau citiren / und als ſie ſich ſtellete / legte er ihr auff / mit einem Eyde auszuſagen / ob ihr Peter Knackwurſt an die Bitzen gegriffen / weil ſie aber ſolchen Eyd nicht ablegen wolte / als er - theilete der Herr Schieferbarth folgen - den Abſchied.

Weil denn Klaͤger Peter Knack - wurſt Beklagten Hans Fuchſens Ehe - Frau unzuͤchtiger Weiſe in Latz gegrif - fen / als ſoll ſelbiger 2. Tage / eine Nacht / 11. Stunden / und 59. Minuten lang im Hundeloche ſein Quartier nehmen / hingen Hans Fuchs wegen der ge -gebe -123Europæer. gebenen Ohrfeige 20. gr. und 11. pf. er - legen.

Nun wuſte der tieff gelehrte Herr Gerichts-Verwalter nicht / wem er aufferlegen ſolte die Gerichts-Gebuͤh - ren zu erlegen / ob dem Klaͤger oder Be - klagten ſolches zukaͤme. Als er dero - wegen in ſolchen Zweiffel ſtund / beſonne er ſich endlich auff ein (ſeiner Mey - nung nach) bequemes Mittel / lieff zu ſeinen Bretſpiel / nahm die Wuͤrffel hervor / und befahl denen Streitenden Parteyen zu werffen. Dieß geſchach / Peter Knackwurſt wurff 8. Augen / Hans Fuchs aber nur 7.

Hier gab es wiederum einen neuen Streit / weil Herr Schiefferbarth nicht vor dem Wurff geſaget / ob der Hoͤchſte oder Niedrigſte die Gerichts-Koſten tragen ſolle / deßwegen er den vor das beſte erachtete / dieſen Caſum intrica -tum124Der verliebtetum an ein Rechts-Collegium zu ſchi - cken / und ſich informiren zu laſſen / wie er ſich zu verhalten.

Endlich verglichen ſich die ſtrei - tenden Parteyen / alſo daß ein iedwe - der die Helffte zahlete / weil ſie wiedri - gen Falls mehr Unkoſten vermuthen.

Alexander war bey dieſem Ge - richtlichen Abſchied zugegen / und muſte (um das Lachen zu verhalten) ſich im - mer in die Zunge beiſſen.

Unterdeſſen hatte Antonius Brieffe von Straßburg bekommen / deren Jnnhalt dieſer war: Er ſolle noch vor der Sonnen Untergang nach Straßburg kommen / weil ein vorneh - mer Kauffmann in gewiſſer Verrich - tung mit ihm reden wolle / welches aber keinen Verzug litte.

Anto -125Europæer.

Antonius gieng zu Alexandern, und vermeldete ihm ſolches / worauff alsbald unſer Sicilianiſche Ritter von Mons. de Cloy Abſchied nahm / ſich zu Pferde ſetzte / und nach Verlauff zwo Stunden in Straßburg anlangete.

Antonius verfuͤgte ſich unver - zuͤglich zu oberwehnten Kauffmann / und verlangte zu wiſſen / was ſein Be - gehr / welcher vorbrachte / es waͤre ſein Begehren / Antonius und Alexander ſolten dieſen Abend ſeine Gaͤſte ſeyn.

Antonius gieng hierauff wie - derum in ſein Logiament, und hinter - brachte ſolches unſerm verliebten Eu - ropæer / welcher ſich denn deſſen mit nichten wegerte / und nebſt Antonio ſich dahin verfuͤgte.

Der Kauffmann empfieng ſeine Herrn Gaͤſte / mit groſſer Ehrerbie -tung /126Der verliebtetung / und ließ ſeine Tochter / welche Eleonora hieß / und / weil ſie eine einzige Tochter / nach ihrer Eltern Tode wohl dreiſſig tauſend Thaler zu gewarten / - berdieß von wohlgeſtaltem Geſichte war / und kaum das ſiebenzehende Jahr erreichet / (weil er noch eines und das an - dere zum Banquet zu beſtellen) ihnen Geſellſchafft leiſten. Worauff ſich Alexander zu ſelbiger verfuͤgte / und ſie folgender Geſtalt anredete:

Alexander. Der Himmel er - zeiget ſich in Warheit heute recht guͤtig gegen mir / weil er mir erwuͤnſchte Ge - legenheit an die Hand giebt / mit dem galanteſten Frauenzimmer dieſer weltberuͤhmten Stadt bekand zu wer - den.

Eleonora. Mons. ſchertzet mit ſeiner Dienerin / und leget das jenige mir zu / welches von ihm mit beſſern Fug kan geſaget werden.

Ale -127Europæer.

Alexand. Wie koͤnte ich ſo ver - wegen ſeyn / und mich unterfangen / mit deroſelben zu ſchertzen / der ich mich faſt ſcheue in Ernſt zu reden.

Eleon. Niemand ſoll ſich ſcheuen vor der jenige Perſon / welche ihm nichts gebieten darff.

Alexand. Darff ich nicht ſo kuͤhn ſeyn / ſie vor meine Gebieterin anzuneh - men / und mich ihren Diener zu nen - nen.

Eleon. Ein ſolcher Diener / wie Mons: waͤre mir ein wenig zu hoch.

Alexand. Bin ich doch nicht gar zu groß von Perſon.

Eleon. Was dem Leibe an der Groͤſſe abgehet / das erſetzet der kluge Verſtand mit groſſem Wucher.

Alexand. Muß ich mich denn nun von allen Leuten wegen meines bloͤden Verſtandes auffziehen laſſen.

GEle -128Der verliebte

Eleon. Jch meines Theils ſehe denſelben gar nicht vor bloͤde an.

Alexand. Allerdings bin ich bloͤde / ſonderlich beym Frauenzim - mer.

Eleon. Aber was iſt die Urſache?

Alexand. Weil ich mit ſelbigem nicht recht weiß umzugehen.

Eleon. Mons: verachtet ſich auch ſelbſten gar zu ſehr / und wil nur gelobet ſeyn.

Alexand. Mit nichten / doch wuͤndſchte ich / daß meine Qualitaͤten wuͤrdig waͤren / von einer ſo vornehmen Perſon gelobet zu werden.

Eleon. Wie muß ſich der Buͤr - gerſtand von denen Edelleuten verach - ten laſſen?

Alexand. Jch wil nicht hoffen / daß ſolches vor dieſes mal von mir wird geſchehen ſeyn.

Eleon. Allerdings iſt es geſche -hen /129Europæer. hen / denn warum nennet er mich eine vornehme Perſon.

Alexand. Jch nenne Madam. vornehm / nicht wegen des Standes / ſondern anſtaͤndigen Qualitaͤten.

Eleon. Dieſe Qualitaͤten bildet er ſich bloß bey mir ein.

Alexand. Was die Augen ſe - hen / glaͤubet das Hertz.

Eleon. Er forgiret mich mit Complimenten.

Alexand. Und ſie occaſionirt mich darzu.

Eleon. Wie ſolte ich es ihm wohl in Reden gleich thun koͤnnen?

Alexand. Wenn ſie es ins Werckſtellete.

Eleon. Mons: iſt gar zu hoͤfflich.

Alexand. Sich wird ſie mey - nen.

Eleon. Es iſt mit ihm nichts an - zufangen.

G 2Ale -130Der verliebte

Alexand. Das waͤre mir nicht lieb.

Eleon. Jch meyne / man kan mit ihm nicht auskommen.

Alexand. Und ich meine / ich ſey gar tractabel.

Eleon. Nicht allein tractabel / ſondern auch converſabel.

Alexand. Wie mich iemand verlangt.

Eleon. Wer wolte einen ſo ta - pfern Cavallier nicht verlangen.

Alexand. Wenig Leute / abſon - derlich das Frauenzimmer.

Eleon. Solches iſt nur ſein hoͤff - licher Schertz.

Alexand. Oder vielmehr un - hoͤfflicher Ernſt.

Eleon. Wie kan derſelbe unhoͤff - lich ſeyn / welchen man billich zum Muſter / der Hoͤffligkeit vorſtellen ſol - te.

Ale -131Europæer.

Alexand. Zum Muſter wird ſie meynen.

Eleon. Ja zum Muſter und Spiegel.

Alexand. Jch wolte wuͤndſchen / daß ich deroſelben Spiegel waͤre / zuma - len wenn ſie das Schnuͤr-Mieder zu - ſchnuͤret / und den Unter-Rock zuheff - tet.

Eleon. Er muß mir meine Wor - te nicht Ubel ausdeuten / ſondern ſie recht verſtehen.

Alexand. Jch geſtehe es gar ger - ne / daß ich in ſolchen Sachen noch ein Kind.

Eleon. Ja ein huͤbſches Kind / welches wohl ſchon ein Dutzend andere Kinder hat / welche ihn nicht duͤrffen Vater nennen. Sonſt moͤchte ich auch gerne wiſſen / was er dennoch wohl ſehen koͤnte / wenn er mein Spiegel waͤre.

Alexand. Das jenige / mit wel -G 3chen132Der verliebtechen ſie die Natur von andern Weibs - bildern herrlich begabet.

Eleon. Solches kan ich nicht er - rathen.

Alexand. Es darff nicht viel Errathens / ſondern man kan es greiffen

Eleon. Hierzu bin ich zu einfaͤl - tig.

Alexand. Ja ich glaube es gar gerne / Madam. iſt annoch ſehr jung / und nicht viel unter Leuten geweſen.

Eleon. Von weitlaͤufftiger Compa - gnie halte ich nicht viel.

Alexand. Sie hat hierinnen meinen Sinn / denn die engſte iſt mir am liebſten.

Eleon. Jch werde demſelben mit meinen albern Reden vielleicht einigen Verdruß erwecken.

Alexand. Wer wolte bey einem ſo ſchoͤnen Frauenzimmer verdrießlich ſeyn?

Eleon.133Europæer.

Eleon. Jch ſehe wohl / Mons: kan auch ſchrauben.

Alexand. Das ſey ferne / daß die - ſes ſolte Schrauberey heiſſen / wenn man die Warheit redet.

Eleon. Was fuͤr Warheit?

Alexand. Daß ſie ſchoͤn ſey.

Eleon. Solches muͤſte Er einen Blinden uͤberreden.

Alexand. Ja wohl kan ein Se - hender durch ſelbige geblendet werden.

Eleon. Dieſer muͤſte wohl ein bloͤd Geſichte haben / welcher von denen Augen eines Frauenzimmers verblen - det wuͤrde.

Alexand. Ja auch die jenigen / ſo das allerſchaͤrffeſte Geſichte haben / koͤnnen zum oͤfftern die Augen-Strah - len / welche bey mancher Perſon faſt - bermenſchlich leuchten / nicht vertragen / und gehet es ihnen / wie denen jenigen / welche in die Sonne ſehen / und hier -G 4durch134Der verliebtedurch ihren Augen ziemlichen Schaden zufuͤgen.

Eleon. Solten denn die Augen ein Frauenzimmer ſchoͤn machen.

Alexand. Allerdings / zumal wenn ſelbige von guter Groͤſſe und ſchwartzer Farbe.

Eleon. Solches iſt das erſte / das ich hoͤre.

Alexand. Aber ſage ſie mir Ma - dam. warum hat ſie ſich heute ſo galant geputzet / ich wil nicht hoffen / daß es mei - netwegen geſchehen.

Eleon. Jch ſehe in meiner Klei - dung keine Galanterie.

Alexand. Aber wohl in der Per - ſon / welche ſelbige an hat.

Eleon. Noch viel weniger.

Unterdeſſen kam der Herr Wirth und fuͤhrete ſeine Herren Gaͤſte zur Tafel.

Hier135Europæer.

Hier mangelte es nun an nichts / was ein Banquet kan magnific ma - chen. Denn erſtlich wurde nach Fran - zoͤſiſcher Manier eine Suppe von ge - kochten Tauben und Eyern auffgetra - gen. Zum andern ein gantz Stuͤck delicat Poͤckel-Fleiſch / welches vor - bermaͤſſigem Fett kaum kunte genoſſen werden. Drittens ein Kalecutiſcher Hahn mit Kaſtanien gekochet. Vierd - tens zwey gebratene Haaſen in einer Schuͤſſel. Fuͤnfftens ein groſſer Hecht. Sechſtens eine Schuͤſſel Gebackens. Siebendens 10. Repphuͤner in einer Schuͤſſel. Achtens ein Schuͤſſel Arti - ſchocken. Neundtens eine Schuͤſſel Krebſe. Zehendens wiederumb eine Schuͤſſel Gebackens. Eilfftens eine Reh-Keule. Zwoͤlfftens eine Mandel - milch. Dieſes waren die warmen Spei - ſen / darzu denn die Saͤffte / welche bey einer ieden Schuͤſſel voll Gebra -G 5tens /136Der verliebtetens / und raren Salate nicht gerechnet.

Als dieſe Speiſen abgehoben / ſetz - te man das Confect auff / welches war: Eine Marcipan. Eine Mandeldorte. Uberzogene Pomerantzen. Uberzoge - ne Mandelkerne. Eine Schuͤſſel voll Piſentkugeln / und letzlich eine Schale Sineſer Aepffel.

Der Wein welchen man tranck / war von den allerbeſten Rheiniſchen Gewaͤchſe.

Alexander kunte ſich nicht gnug - ſam uͤber ſolchen Pracht verwundern / denn er meynete / daß dieſes Banquet vor keinen Fuͤrſten zu gering.

Wann er uͤberdieß das wohl-mo - blirte Taffel-Gemach anſahe / war er faſt gantz auſſer ſich entzuͤcket. Denn auff denen Seiten war es mit ſchoͤnen guͤldenen Leder behenget / und dieDecke137Europæer. Decke mit den vornehmſten Staͤdten in gantz Europa kuͤnſtlich bemahlet. Auffdenen Simſen ſtunde lauter Per - cellanen Gefaͤſſe / welches der Kauff - mann nur neulich aus Holland bekom - men. Mit einem Wort / es haͤtte ſich in dieſem Gemach keiner der vornehmſten Herrn ſchaͤmen duͤrffen.

Bey waͤhrendem Eſſen fuͤhrete man unterſchiedliche Diſcurſe / und ve - xirte unſer Sicilianiſcher Ritter den Herrn Wirth / in dem er fragte: Ob er ſeine Jungfer Tochter nicht bald ver - heyrathen wolle. Der Kauffmann / welchen ich Caſſander nennen wil / weil mir ſein rechter Nahme ausgefal - len / gab zur Antwort; daß ſelbige noch zu jung / und haͤtte er zwar ſeithero un - terſchiedliche Freyer von nicht geringer Condition und Stande gehabt / den - noch aber ſeine Tochter nicht verrathenG 5wol -138Der verliebtewollen. Ja / gedachte der verliebte Eu - ropæer / vielleicht wil der guͤtige Herr das Geld nicht heraus geben / und dero - wegen ſeine Tochter noch eine Zeitlang zu Hauſe behalten.

Als das Banquet geendiget / nahm Alexander mit Antonio Ab - ſchied / bedanckte ſich wegen erzeigter Hoͤffligkeit / und begab ſich nach Hauſe / weil er zumal ein wenig zu viel getrun - cken. Antonius fragte / wie ihm das Banquet angeſtanden; unſer Sicilia - niſcher Ritter verſetzte: Es habe ihn gar wohl contentiret. Hier auff ſagte Anto - nius, dieſer Kauffmann iſt einer der reichſten in dieſer Stadt / und alſo kein Wunder / daß er ſich praͤchtig hervor thut / auch ihn nicht ſo ſehr / vor uͤbel zu halten / als denen jenigen / welche kaum aus ihren Lehr-Jahren kommen / und doch ſtracks von ihrer CreditorumGel -139Europæer. Gelde ſo ſtattlich drauff gehen laſſen / gleich als ob ſie ein Capital von hundert tauſend Thalern haͤtten / dadoch man - che nicht tauſend haben / ſo ſie nicht erbor - get / iſt derowegen auch kein Wunder / wenn ſie hernachmals den Abſchied hin - ter der Thuͤre nehmen / und zum Thore hinaus gehen muͤſſen. Alexander antwortete / es ſoll ſich von Rechtswe - gen keiner uͤber ſeinen Stand halten / ſondern mit denſelben vergnuͤgen laſ - ſen / worein ihn das Gluͤck geſetzet / wie - drigen Falls nimmt es ſelten ein gut Ende. Freylich / verſetzte Antonius, ſolte es wohl ſeyn / aber wer thut es / die Pracht und Hochmuth nimmt von Tag zu Tag allhier alſo uͤberhand / daß ich gerne ietzo uͤber hundert Jahr moͤch - te aus meinen Grabe auffſtehen / und den Zuſtand meiner Nachkommen ein wenig betrachten. Da giebt man man - chem heut zu Tag einen gar zu ſchlechtenG 7Ti -140Der verliebteTitel / da nimmt man auff Gaſtereyen den Rang nicht recht in octo, da be - gegnet man manchem nicht mit gnug - ſamer Hoͤffligkeit / und ſolte bißweilen den Hut einen Zoll tieffer abnehmen; Wenn man nun ſolches auff ein Haar wohl obſerviret / da iſt man ein Politi - cus, da heiſſet es Der Menſch kan ſich wohl unter die Leute ſchicken / iſt ſo viel geredet / als ob man ſpraͤche: Der Menſch kan wacker ſchmeicheln / er ſa - get / weiß ſey ſchwaꝛtz / und ſchwaꝛtz weiß / wie ich es haben wil. Denn es iſt ein erſchrecklicher Unterſcheid zwiſchen ei - nen Politico im gemeinen und rechten Verſtande genommen.

Denn diß iſt wohl wahr / der ein Politicus in vero ſenſu iſt / iſt meh - rentheils auch ein Politicus nach der gemeinen Redens-Art / aber nicht um - gekehret. Alexander wolte hierauffwie -141Europæer. wiederum antworten / wurde aber ge - wahr / daß iemand an der Thuͤre pochte / dannenhero er hinaus gieng / um zu ver - nehmen / wer etwa zugegen waͤre.

Als er die Stuben-Thuͤre auffge - machet / wurde er einer Weibes-Per - ſon gewahr / welche ihm einen Brieff - bergabe / mit Bitte / ſelbigen wiederum zu beantworten. Alexander hieß ſie verziehen / brach das Siegel auff und laß folgenden Jnnhalt:

Eleonora an Alexandern.

Die groſſe Gluͤckſeligkeit / ſo ich ge - ſtriges Tages bey deſſen angenehmen Gegenwart genoſſen / hat mich ſo kuͤhn gemacht / dieſe wenige Zeilen n Selbigen zu uͤberſchicken / und darbey in uͤnterthaͤnigkeit zu bitten / Er wolle ſo guͤtig ſeyn / und kommenden Nach - Mittag in meines Herrn Vaters Garten / deſſen Gelegenheit ich geſtern ſei -142Der verliebte ſeinen Herrn Cameraden Antonio geſaget / erſcheinen. Denn er ver - ſichere ſich / daß wir ſeine Compa - gnie ſo anſtaͤndig / daß / wofern die Un - gleichheit des Standes keine Ver - hinderung verurſachte / ich mich vor die allergluͤckſeligſte Perſon unter der Sonnen ſchaͤtzen wolte / wann ich Ge - legenheit haͤtte / demſelben ſtetswerend auffzuwarten. Bitte letzlichen mich mit einer guten Antwort zu erfreuen / deswegen ich iederzeit verbleiben wer - de / deſſelben gehorſamſte Dienerin Eleonora.

Alexander war gantz beſtuͤrtzt / als er merckte / daß ſich Eleonora in ihn verliebet / wolte ſelbiger erſtlich ihr Begehren abſchlagen / iedennoch aberbe -143Europæer. beſonne er ſich anders / und ſchrieb fol - gende Antwort.

Alexander an die Allervollkom - menſte Eleonora.

Daß bey meiner geſtrigen Auff - wartung ichdeꝛoſelben einige Gluͤckſe - ligkeit ſolle zu wege gebꝛacht haben / kan ich nicht ſehen / auff was Art ſolches moͤchte geſchehen ſeyn / da ich vielmehr dieſen Tag unter die allergluͤckſeligſten meines gantzen Lebens zu rechnen / weil ſelbiger mir die Bekandſchafft ei - ner ſo vollkommenen Perſon erwor - ben / und wofern ich ja deroſelben mit meiner geringen Auffwartung eini - gen Gefallen erweiſen ſolte / werde ich nicht manquiren / mich zu beſtim̃ - ter Zeit in benenneten Garten einzu - ſtellen / wie ich denn letzlich / ſo lange ſich annoch ein Bluts-Tropffen in144Der verliebte in meinen Adern reget / verbleiben werde /

Des allerſchoͤnſten Frauen - zim̃ers in Europa

gehorſamſter Diener Alexander.

Dieſen Brieff gab er der Perſon / welche von Eleonoren abgeſchicket war. Selbige uͤberbrachte ihn unverzuͤglich ihrer Jungfer. Dieſe hatte ſich in Ab - weſenheit ihres Kammerkaͤtzgens nicht wenig gegraͤmet / und immer vermey - net / Alexander werde nicht antwor - ten / da ſie aber den Brieff empfieng / und ſelbigeu durchlaß / ſchiene es / als ob ſie neu gebohren waͤre.

Denn die erſte Liebe iſt bey dem Frauenzimmer die allerhefftigſte / und kan durch kein beſſer Mittel / als dieArtz -145Europæer. Artzney / welche man bey denen Latei - nern Uſum nennet / vertrieben werden.

Eleonora hatte kaum abgeſpei - ſet / ſo verfuͤgte ſie ſich alsbald in den Garten / in Hoffnung / Alexandern allda zu empfangen / und ihn wohl gar zu uͤberreden / daß er ſie heyrathete.

Unterdeſſen machte ſich unſer verliebter Europæer auch nach der Mittags-Mahlzeit auff / und gieng in obermeldten Garten. Allda traff er Eleonoren / ich weiß nicht in was vor ei - ner Poſitur, welche ſie aus Noth ma - chen muſte / und doch nicht vermeynete / daß Alexander eben darzu kommen wuͤrde / an / zumal ſie die Thuͤre vor verſchloſſen achtete / welche aber der Gaͤrtner aus Unvorſichtigkeit / im hin - ausgehen offen gelaſſen.

Alexander ſtunde ein wenig beyder146Der verliebteder Thuͤre ſtille / und that / indem er das Geſichte von ihr kehrete / als ob er eine Blume abbraͤche.

Eleonora erſchrack / als ſie ſahe / daß ſie das jenige / welches zwar natuͤr - lich / aber doch heimlich geſchehen ſoll / in Alexanders Gegenwart gethan / ſtund alſo im Zweiffel / ob ſie unſern Ritter em - pfangen ſolte oder nicht / endlich nahm ſie einen Umweg in Garten / gieng auff Alexandern zu / und redete ſolchen fol - gender Geſtalt an:

Jch wil nicht hoffen / daß meine Kuͤhnheit / ſo ich Unvorſichtige in deſſen Gegenwart veruͤbet / mir ſolte ein ſau - ers Auge verurſachet haben.

Alexand. Schoͤnſte Eleon. Jch weiß von keiner Kuͤhnheit / deren ſie ſich Schuld giebt / und wofern ja etwas vor - gegangen / ſo verſichere ſie ſich / daß al -les147Europæer. les in dem tieffſten Abgrund meines Hertzen ſolte vergraben bleiben.

Eleon. Jch laſſe mich an dieſer Verſicherung begnuͤgen / und bitte nun - mehro auch um Vergebung / daß ich ſo grob geweſen / und denſelben hieher bemuͤhet.

Alexand. Sie hat nicht Urſach von Grobheit zuſagen / indem ich mich gluͤckſelig ſchaͤtze / deroſelben ietzt auffzu - warten.

Eleon. Er ſagt / bitte ich / von kei - ner Auffwartung / indem ich ohne dem weiß / daß es nur ſein purlauterer Schertz.

Alexand. Jch wil nicht hoffen / daß ſie meine Worte wird in Zweiffel ziehen.

Solche und dergleichen Reden fuͤhreten die beyden Perſonen mit ein - ander im Garten / nnd gab Eleonora immer mit dunckeln Worten zu verſte -hen /148Der verliebtehen / wie ſie ſich in Alexandern hefftig verliebet / er hingegen that / als ob er es nicht verſtuͤnde.

Jch halte gaͤntzlich darvor / daß keine groͤſſere Marter unter der Son - nen / als die Liebe / denn ſolche greiffet ſo wohl den Leib / als das Gemuͤthe an / zumal wenn man ſeine Liebe der Per - ſon / welche man liebet / offenbaret / und ſelbige doch keine ſonderliche Gegen - Liebe ſpuͤren laͤſſet / ja ſich ſtellet / als ob ſie es nicht merckte / daß man ſie lieb habe.

Alſo gieng es hier Eleonoren auch / denn unſer verliebter Europæer wuſte ſich in Reden ſo in acht zu nehmen / daß ſie nicht mercken kunte / ob ſie von Alexandern geliebet wuͤrde oder nicht.

Eleonora ſuchte nun alle Mittel hervor / ihre Liebe deutlicher / iedoch feinſub -149Europæer. ſubtil / Alexandern zu offenbaren. Sie erzehlete unterſchiedliche Liebes-Ge - ſchichte / nur damit ſie durch dieſe Ma - nier ihre Liebe mercklicher an Tag brin - gen moͤchte / weil aber auch dieſes bey A - lexandern nicht verfangen wolte / be - ſonne ſich auff eine andere Liſt / welche ſie unter nachfolgende Hiſtorie zu verber - gen ſuchte:

Es iſt / ſagte ſie / nicht gar lang / als ſich ein Frauenzimmer allhier in einen Cavallier verliebte / und doch nicht wu - ſte wie ſie ihre Liebe am fuͤglichſten an Tag geben ſolte. Nun fuͤgte es ſich / daß ſelbige mit obermeldten Cavallier ein - ſtens zu reden kam / und wiewohl ſie gnugſame Kennzeichen ihrer Liebe von ſich ſpuͤren ließ / that doch hingegen je - ner / als ob er ſolches nicht merckte. De - rowegen kam dieſes Frauenzim̃er heute fruͤh zu mir / und bate mich umb einengu -150Der verliebteguten Rath / weil ich aber in der Liebe noch unerfahren / als iſt hiermit mein dienſtliches Erſuchen / es wolle doch Mons: ſo guͤtig ſeyn / und erwehnter Perſon mit einem guten Rath an die Hand gehen / er verſichere ſich / daß ſelbige hinwiederum keine Zeit wird vorbey ſtreichen laſſen / demſelben wie - derum mit moͤglichſter Dienſt-Bezei - gung zubegegnen.

Alexander merckte gar bald / worauff die Hiſtorie gezielet / derowe - gen beantwortete er ſolche folgender Geſtalt:

Jch wuͤndſchte von Hertzen / daß meine Perſon ſo geſchickt waͤre / einer andern vorietzo zu rathen / weil ich aber ebenfalls / wie Madam. noch ziemlich unexercirt im Lieben / als kan ich hier - mit bey iederman enſchuldiget wer - den. Es faͤllet mir aber / ſagte er / ebenfaſt151Europæer. faſt dergleichen Hiſtorie / wie von Jhr ietzt erzehlet worden / ein.

Zu Palermo / in Sicilien / war vor 3. Jahren eines Advocatens Toch - ter. Dieſe wurff ihre Augen auff einen ſehr reichen Kauffmanns Sohn. Es fuͤgte ſich aber / daß dieſe beyde Perſo - nen auff einer Hochzeit zuſammen ka - men / und der Jungfer ihre Liebe auff unterſchiedliche Art zu entdecken ſuchte / der Junggeſell aber that / als ob er nichts wahrnehme.

Hierauff kam ein anderer zu ihm / und fragte / warum er ſolches thaͤte. Dieſer antwortete: Weil das Frauen - zimmer ie bißweilen die Manns-Per - ſonen in der Liebe zappeln laͤſſet / als iſt es nicht mehr als billich / daß die Mañs - Perſonen dergleichen Repreſſalien gebrauchen / zudem / weil die Jungfern mit nichts eher / als Hoffnung / zur Hey -Hrath152Der verliebterath koͤnnen gewonden werden / muß man ihnen nicht ſtracks zu erkennen ge - ben / wie man gegen ſie geſinnet / denn wenn bey den verliebten die Hoffnung auffhoͤret / ſo iſts um ſie geſchehen.

Elenora haͤtte ſich zwar eine beſ - ſere Antwort vermuthet / iedennoch weil er von Hoffnung redete / wolte ſie eben - fals die Hoffnung nicht ſincken laſſen / Alexanders Hertz zu gewinnen.

Unterdeſſen kam der Gaͤrtner in das Luſt-Hauß / allwo Alexander mit Eleonoren ſich nieder gelaſſen. Dieſen hatte ſie uͤberredet / daß Alexander ihr naher Vetter waͤre / als nun der Gaͤrtner wiederum aus dem Garten gieng / ſtellete ſich Elenora / als ob ſie unſern verliebten Ritter etwas heimli - ches in Ohr ſagen wolte / welcher aber gar balde merckte / woran es ihr gelegen / und an ſtatt des Ohres das Maͤulgenhin -153Europæer. hinreckte / welches denn ſich mit Eleono - ren Munde alſo verknuͤpffte daß dar - aus unterſchiedliche Kuͤßgen hervor quollen.

Dieſe Kuͤßgen an ſtatt ſie Eleo - noren Liebes-Feuer haͤtten abkuͤhlen ſol - len / waren ſelbige vielmehr die Blaſe - baͤlge / welche ſolches ie mehr und mehr anfeuerten.

Denn das Frauenzimmer / ob es ſich wohl bißweilen ſtellet / als wann ih - nen nichts am Kuͤßgen gelegen / iſt es doch zum oͤfftern ſo begierig darzu / daß es nicht gnugſam kan erſaͤttiget wer - den.

Alſo gieng es allhier Eleonoren auch / deñ weil ſie eine beſonderbare Ver - gnuͤgung am Kuͤſſen empfunde / ſuchte ſie Gelegenheit / dieſe Empfindlichkeit mehrmal zu genieſſen / ſolche nun mit ei - ner guten manier zu erlangen / ſtund ſieH 2vom154Der verliebtevom Stuhle auff / bate Alexandern / er moͤchte mit ihr ein wenig im Garten herum ſpatzieren / und die raren Ge - waͤchſe in Augenſchein nehmen.

Alexander bote Eleonoren die Hand / welche ſie an ihre Bruſt druck - te / und unſern Sicilianiſchen Ritter auff die Seite zu einen Roſen-Strauch fuͤhrete. Dieſer hatte nur eine einige auffgebluͤhete Roſe. Eleonora ſagte: Dieſe Roſe iſt ſo vollkommen / daß ſie groſſe Begierde traͤget von des Gaͤrt - ners Hand abgebrochen zu werden.

Alexander verſtunde dieſe Re - de gar bald / derowegen antwortete er: Vielleicht unterſtehet ſich der Gaͤrtner nicht / ſolche abzubrechen / ſondern ver - meynet / es werde ſich wohl ſchon eine ge - ſchicktere Hand hierzu finden. Eleono - ra verſetzte: So weiß ich in Warheit keine geſchicktere Hand / als eben die ſei -nige /155Europæer. nige / welche er zu Abbrechung dieſer Ro - ſen gebrauchen kan.

Hierauff brach Alexander die Roſe ab / und indem er ſelbige vor die Naſe nehmen wolte / und den anmuthi - gen Geruch eines ſo ſchoͤnen Gewaͤch - ſes recht zu empfinden / ſtellete ſich Eleo - nora / als ob ſie eben hierzu begierig waͤre / verfuͤgte demnach ihre Naſe ſo nahe zu Alexanders Geſichte / daß ſel - bige (wohl wiſſend was ihr fehlete) ihre Wangen mit unzaͤhlbaren Kuͤſſen befeuchtete. Dieſe recht zu empfinden hielte ſie ſo ſtille / als ein Laͤmmgen / wenn es vom Schaͤffer geſchoren wird.

Als dieſes geſchehen / nahm Ale - xander von Eleonoren Abſchied / mit Erbieten / Jhr eheſtens wiederum auff - zuwarten.

Wie er nach Hauſe gelanget / er - fuhr er nicht ohne ſonderbare Vergnuͤ -H 3gung /156Der verliebtegung / daß ihm ſein Herr Vater einen Wechſel von 1500. Eronen uͤberma - chet / derowegen ließ er ſich alsbald auff die neueſte Mode auskleiden / und ſei - nem Diener eine Koſtbare Liberey ver - fertigen / weil er willens war / in kur - tzer Zeit ſich an Kaͤyſerlichen Hoff na - cher Wien zu begeben / und eine Weile allda zu verbleiben.

Wir wollen aber ein wenig zu - ruͤck gehen / und zuſehen / was Friedri - chen ſein Becken-Maͤdgen zu Madrit feithero vorgenommen. Dieſe war nicht lange nach Alexanders Abreiſe eines jungen Sohnes geneſen.

Es begab ſich aber / daß ein Be - cken-Knecht / welcher lange Zeit in Straßburg gearbeitet / wiederum in ſeine Geburths-Stadt Madrit zuruͤ - cke kam / und ſich bey Herrn Petro vor einen Geſellen angab. Dieſer / der ohnedem157Europæer. dem eines Gehuͤlffen beduͤrfftig / nahm ihn zu ſich / und weil ſelbiger / als er noch in Straßburg geweſen / mit Friedrichen gute Bekandſchafft gepflogen / vermel - dete er einsmals / daß Friedrich ſich mit ſeinem Herrn anietzo zu Straßburg auffhalte.

Wer war froher als Herr Pe - trus, welcher vermeynete / ſeine Toch - ter wiederum ehrlich zu machen / dero - wegen befahl er ihr / ſich alsbald des morgenden Tages ſamt dem Kinde auf die Land-Kutſche zu ſeßen / und gerades Weges nacher Straßburg zu fahren / allda ſie Friedrichen vor der Obrigkeit verklagen / und zur Heyrath zwingen koͤnte.

Demnach machte ſich das junge Becker-Huͤrchen auff / und gelangte die dritte Woche zu Straßburg an.

Hier muß ich auch vermelden /H 4daß158Der verliebtedaß Herr Petrus der Becke / ſeiner Tochter Friedrichs abgehauen Ohr (welches in der Feuer-Mauer ſeithero von aller Faulung war conſerviret worden) mit auff den Weg gab / an ſtatt eines Documents, wann etwa Friedrich leugnen wuͤrde / daß er Vater zum Kinde ſey.

Marigen war kaum in Straß - burg ankommen / als ſie ſich alsbald zu einen Advocaten verfuͤgte / und ihm ihre Noth vorbrachte / mit Bitte / um eine gute Verehrung ihr aus ſelbiger zu helffen.

Der Advocat welcher ſchon man - chen Dieb vom Galgen errettet / ver - ſprach gar theuer / ſein Beſtes zu thun / gieng derowegen auff das Rath-Hauß / und brachte es dahin / daß Friedrich ci - tiret wurde.

Dieſer hatte ſchon ein wenig Windbe -159Europæer. bekommen / derowegen ebenfalls einen Advocaten gedinget / welcher ſein Wort fuͤhren ſolte.

Die ſtreitenden Partheyen kamen auff dem Rath-Hauſe zuſammen / da den Klaͤgerin Advocat ſeine Nothdurfft mit folgenden Worten vorbrachte:

Hochanſehnliche Raths-Ver - ſammlung

Derſelben thue ich hiermit zu wiſſen / daß ohngefehr vor 2. Jahren Beklagter Friedrich ſich mit ſeinem Herrn zu Madrit auffgehalten / und durch ſonderbare Schickung des Gluͤcks mit der erbaren und Tugend - begabten Jungfer Marien Krumb - hornin / Herrn Petri Krumbhorns / Buͤrgers und Brod-Jubilirers da - ſelbſt Eheleiblichen Tochter in Be - kandſchafft gekommen / welche denn H 5der -160Der verliebte dergeſtalt von Tage zu Tage zugenom men / daß endlich beklagter Klaͤgerin dieſes Soͤhngen / welches ſie anitzo in ihren Armen haͤlt / verfertiget / und wo - fern er etwan leugnen wolte / ſo habe ich allhier gnugſam Zeugniß / nemlich ſein eigen Ohrs-Loch / welches er im Venus-Krieg eingebuͤſſet.

Derowegen iſt dieſes mein dienſt - liches Erſuchen / es wolle ein Ehrenve - ſter Rath in der Stadt allhier Be - klagtem aufferlegen / daß er nicht allein dieſes Kind vor das ſeinige erkennen / ſondern auch die geſchwaͤchte Perſon heyrathen moͤge.

Solte es ihm etwa an Hochzeit - Gaͤſten mangeln / ſo erbiete ich mich ſelbſten eine Stelle zu vertreten umb Brod und Semmel darff er ſich auch keine Gedanckeu machen / denn ſol - che Victualien kan ihm ſein HerrSchwie -161Europæer. Schwieger von Madrit aus auff der Poſt uͤbermachen.

Friedrichs Advocate hatte wohl vergangenen Sonntag nicht ſo fleiſſig in der Kirchen auff die Predigt gehoͤret / als ietzund auff ſeines Widerparts Vortrag / welchen er folgender Geſtalt beantwortete:

Es wird nicht geleugnet / daß Mons: Friedrich zu Madrit mit Klaͤ - gerin in Bekandſchafft gekommen / daß er ihr aber ein Kindgen ſolte ver - fertiget haben / iſt gar eine kuͤtzliche Sa - che / welche nicht alsbald kan erwieſen werden.

Denn dieſes folget nicht / wann ich mit einer Weibes-Perſon bekand bin / ſo muß ich bey ſie ſchlaffen / wenn ich bey ſie ſchlaffe / ſo muß ſie ein Kind bekommen / wenn ſie ein Kind be - koͤmmet / ſo muß ſie mich verkla - H 6gen /162Der verliebte gen / wenn ſie mich verklaget / ſo muß ich ſie heyrathen / iſt gar eine wunder - liche und boͤſe conſequentz / welche ich von meinem Widerpart nicht ver - muthet. Jſt derowegen mein dienſt - liches Bitten / es wolle eine hohe O - brigkeit hierinnen ein Einſehen haben / und Klaͤgerin aufferlegen / daß ſie Be - klagten von der Klage gaͤntzlichen loß - ſprechen moͤge / es ſey denn / daß ſie ſtaͤr - ckere Fundamenta ihre Klage zu be - haubten vorbraͤchte

Jederman lachte uͤber dieſes Advocatent Vorbringen / und gab der Rath den Parteyen folgenden Abſchied: Es ſolte Friedrich Marigen heyrathen / und das vormals gezimmerte Kindgen vor das ſeinige erkennen. Friedrich hatte hierzu wenig Luſt und ver - glich ſich mit Klaͤgerin alſo: Daß er das Kind zu ſich nehmen / und ihr vor dieSchwaͤn -163Europæer. Schwaͤngerung 40. Thlr. Schmertz - Geld erlegen wolte / welches auch ge - ſchach / und wiewohl Friedrich vor ſich das Geld ſchwerlich erlegen koͤnnen / war doch ſein Herr ſo guͤtig / daß er ihm ſo viel Geld verehrete.

Zwey Tage hernach / als dieſes vorgegangen / bekam Antonius Ale - xanders Camerade, aus Sicilien Brieffe / welche ihm traurige Poſt von ſeines Vaters Tode mit brachten.

Antonino ſchmertzte dieſes / (wie leicht zu erachten) nicht wenig / ſchrieb derowegen ſeiner Frau Mutter zu - ruͤck / daß ſie nicht nacher Straßburg mit aller Baarſchafft verfuͤgen moͤchte / wel - ches denn auch geſchach / und kam ſelbi - ge / nach Verlauff zweyer Monate / zu Straßburg gluͤcklich an.

Sonſt war Antonii Frau Mut - ter ein Weib von ſehr hohem Verſtan -H 7de /164Der verliebtede / und hatte ſie groſſe Mittel zu ſeinem Herrn Vater gebracht / und nur 3. Kin - der / als 2. Toͤchter und Antonium den eintzigen Sohn / von acht erzeugten. Die Toͤchter hatten gar ſtattliche Hey - rathen bekommen / derowegen ſie denn Antonio (wenn er nach ihrem Sinne leben wolten ein ziemlich Theil von ih - rem Vermoͤgen zuzuwenden gedachte. Antonius war noch ein junger Menſch / dannenhero er alles das jenige / was er etwa fuͤrnahm / gar ſelten ſeiner Frau Mutter recht machen kunte. Er ver - ſtunde ſeine Handlung gar wohl / und war in Erlernung derſelben ſeithero ſo fleiſſig geweſen / daß er durch unermuͤde - ten Fleiß / welchen er Tag und Nacht von ſich ſpuͤren ließ / ſich faſt umb ſeine Geſundheit gebracht / und dennoch mu - ſte er ſich von ſeiner Mutter ſtets fuͤr - werffen laſſen / als habe er nichts geler - net. Sie fragte bald dieſen / bald jenenum165Europæer. um Rath / was ſie mit ihrem Sohne anfangen ſolte. Einer ſagte / ſie ſolte ihn nach Franckfurt ſchicken / in welcher Stadt er vor 20. Jahren ſich auch eine Weile auffgehalten; Antonius aber hatte hierzu ſehr wenig Luſt / weil ihm dieſer Ort gegen Straßburg viel zu ver - drießlich deuchte / und der Zuſtand da - ſelbſt anitzo weit ander / als vor 20. Jahren / beſchaffen. Da nun Antonius nach Franckfurt keine Luſt hatte / hielte ihn die Mutter vor einen ungehorſa - men Sohn / uud brachte ihn durch ver - drießliche Reden offt zu deſparaten Gedancken.

So gehet es noch heut zu Tag / wenn ein Vater ſtirbet / und hinterlaͤſ - ſet einen Sohn nebſt der Mutter / wel - che in Aufferziehung deſſelben ande - rer Leute Rath gebrauchen muß / ſo giebet es immer Verdrießligkeit. Denn166Der verliebte Denn bißweilen finden ſich Rathge - ber / welche mit einer ſongerbaren Manier zu ihren Vorthel rathen / und kan ich nicht ſehen / was vor Klugheit darhinter ſtecken ſoll / daß eine Mut - ter offt einen Sohn zwingen wollen / an dieſem oder jenem Orte zu verblei - ben. Ein frey Gemuͤth iſt zwar ſchuldig / denen Eltern zu gehorchen / hingegen aber ſollen auch die Eltern ihre Kinder nicht / aus bloſſer Singu - laritaͤt / won dieſem oder jenem abhal - ten / oder zu dieſem oder jenem zwin - gen. Denn ſolcher Zwang nimmet ſelten ein gut Ende / wie ich viel Exem - pel weiß / da Eltern mit ihrem Zwang / und zwar aus guter Meynung / ihre Kinder um zeitliche und wohl gar e - wige Wolfarth gebracht. Hingegen weiß ich auch Soͤhne / welche in ihrer Jugend von ihren Eltern / und ab - ſonderlich denen Muͤttern / vor unge -hor -167Europæer. horſam gehalten worden / und den - noch hernachmals / wenn ſie zu ihren Jahren kommen / die vortrefflichſten Leute worden / welches wohl ſchwer - lich geſchehen / weñ ſie alles denen Leu - ten zu gefallen verrichtet. Allzu ſcharff macht ſchaͤrtig / und die beſte Artzney / wenn ſie in zu ſtarcker Doſi einge - nommen wird / iſt gleichſam ein Gifft. Zwar pflegen die Muͤtter offt ihre Soͤhne mit dem Fluch / welchen ſie auf ſie legen wollen / zu drauen / fuͤr ſolchen ſollen ſich Kinder allerdings huͤten / denn es ſchreibet Syrach: Des Va - ters Segen hauet denen Kindern Haͤuſer / aber der Mutter Fluch reiſſet ſie wiederum nieder. Doch iſt der Fluch / welchen die Eltern bißweilen ohne Urſach und geſchwinder Uber - eilung auff die Kinder legen / gleich ei - ner bleiernen Kugel / welche einer auff einen harten Stein ſchieſſet. Dieſe ſcha -168Der verliebte ſchadet den Stein nicht das geringſte / kan aber gar leicht zuruͤcke prallen / und den jenigen / ſo ſelbige aus der Buͤchſe geſchoſſen / verwunden. Denn gleich wie ſich die Kinder an denen Eltern verſuͤndigen koͤnnen / alſo koͤnnen ſich die Eltern ebenfalls an denen Kindern verſuͤndigen / und wird auch ſolche Suͤnde viel haͤrter geſtraffet / weil die Eltern es beſſer verſtehen / als die Kinder.

Aber wiederum auff meine vori - ge Rede zu kommen / ſo vermelde ich / daß Antonius in das Alter kommen / wel - ches zum heyrathen das bequemſte / ver - meynete er alſo / es koͤnne ihm niemand vor uͤbel halten / wann er als der eintzige Sohn / ſein Geſchlecht / welches ohne dem auff ſchwachen Fuͤſſen ſtunde / zu vermehren ſich ein huͤbſch Maͤgdgen auserlaͤſe. Nun fuͤgte es ſich / daß An -tonius169Europæer. tonius einsmals eines Kauffmanns Tochter zu Geſichte bekam / welche ihm ſehr wohl gefiel / er gieng zu ſeiner Mut - ter / und vermeldete ihr / demnach er zu ſeinen Mannbaren Jahren kommen / als wuͤrde es ihr nicht zuwider ſeyn / weñ er ſich verheyrathete / und dieweil ihm nun unter allem Frauenzimmer / ſo er die Zeit ſeines Lebens zu Geſichte be - kommen / keine beſſer als oberwehnten Kauffmanns Tochter / gefallen / als hof - te er / ſie wuͤrde ſo guͤtig ſeyn / und ſelbige vor ihre Schnure annehmen. Die Mutter aber wolte durchaus ihren Willen nicht darein geben / ſondern hat - te vielerley Entſchuldigungen. Erſt - lich ſagte ſie / haſtu wenig Mittel / dero - wegen muſtu eine Frau nehmen / mit welcher du Geld bekommeſt / dieſe aber / welche du ietzt heyrathen willſt / wird dir nicht 2000. Thlr. mitbringen. Zum andern biſtu noch ziemlich jung / haſtkaum170Der verliebtekaum dein 21. Jahr erreichet. Drit - tens haſtu noch ſelbſt nicht eine eigene Handlung / mit welcher du etwas ver - dienen koͤnteſt. Vierdtens muſtu ſehen / daß du eine ſolche Heyrath thuſt / da der Schwieger-Vater dich an dieſen oder jenen commandiren kan.

Dieſe Puncte beantworte An - tonius folgender Geſtalt. Erſtlich ſag - te er / was meine Mittel anlanget / ſo muß man mit dem jenigen / was einem unſer HErr Gott beſcheret hat / vor lieb nehmen. Denn ſelbige / wann ſie von unſern Vorfahren mit gutem Recht er - worben / werden mit mehr Segen von oben herab beſchuͤttet / als das groſſe Gut / welches per fas und per nefas zuſammen geſcharret worden. Und zudem fuͤhre ich mein Capital im Kopf - fe / habe in meiner Jugend mir es / die Handlung zu erlernen / ſauer gnug weꝛ -den171Europæer. den laſſen / und habe ſeitheꝛo mich ein we - nig unter denen Leuten in fremden Laͤndern umbgeſehen / reuet mich alſo das Geld nicht / welches ich in der Frem - de gelaſſen.

Was zum andern mein Alter an - betrifft / iſt ſolches meiner ſchwachen Na - tur nach groß gnug / denn ich wolte gar gerne vorlieb nehmen / wenn ich gewiß wuͤſte / daß ich nur biß in mein dreiſſig - ſtes Jahr vergnuͤgt leben ſolte.

Daß mir aber drittens vorge - worffen wird / ich koͤnne vorietzo noch nichts verdienen / geſteh ich gar gerne / deswegen folget aber nicht / wenn ich ei - ne Frau nehme / ſo kan ich nichts mehr erwerben.

Vierdtens poſito, ich heyrathe - te auch gleich ein Frauenzimmer / mit welchem ich 50000. Thlr. nach der El - tern Tode bekaͤme / und ſie waͤre un - fruchtbar / und koͤnte kein Kind zur Weltbrin -172Der verliebtebringen / muͤſte ich es gleichſam vor eine Straffe Gottes annehmen / weil ich im heyrathen nur bloß auff das Geld geſe - hen / und alſo waͤre hernachmals mein Schwieger-Vater mein Patron ge - weſen.

Es wolten aber Antonii Worte bey ſeiner Mutter nichts verfangen / de - rowegen er nicht wuſte / wie er dir Sa - che recht angreiffen ſolte. Das Maͤgd - gen contentirte ihn / die Liebe war bey ihm ſo hitzig / daß ſie durch nichts / als ei - ne anſtaͤndige Heyrath / kunte abgekuͤh - let werden / ſeiner Mutter wolte er auch nicht gerne zuwider leben / iedennoch a - ber gedachte er an das jenige / was dorten unſer HErr GOtt im I. Buch Moſis am 2. Capitel ſaget: Es wird ein Mann Vater und Mutter verlaſ - ſen und an ſeinem Weibe hangen / und werden dieſe beyde ein Fleiſch ſeyn.

Es173Europæer.

Es iſt eine recht wunderliche Sache / daß Muͤtter bißweilen ihre Soͤhne (von Toͤchtern rede ich nicht / als mit welchen es eine gantz andere Bewandniß hat) von einer Heyrath abhalten wollen / um keiner andern Urſach / als weil ihnen das Maͤgdgen nicht gefalle / da ſie doch bedencken ſol - ten / daß die Ehen im Himmel ge - machet / und nur auff Erden vollzogen werden. Es hat unſer HErr GOtt dem Menſchen ein frey Gemuͤth an - gepflantzet / und ſolches wollen ſterbli - che Menſchen zwingen. Es iſt zwar nicht ohne / man ſoll ſich im heyrathen nicht uͤbereilen / weil zum oͤfftern ein Liebhaber (wie ſchon oben gedacht) die groͤſten Fehler an der Perſon / ſo er liebet / vor ſonderbare Tugenden haͤlt / aber wann ein junger Menſch eine Perſohn heyrathet / welche nicht allein von guten Stande / ſondern auch an - ſtaͤn -174Der verliebte ſtaͤndigen Qvalitaͤten / und ſich mit ſel - bigen wohl zu vertragen gedencket / halte ich es denen jenigen Eltern vor uͤbel welche ihre Soͤhne hierinnen ab - halten.

GOtt hat den Ehſtand eingeſe - tzet und geſaget / daß ein Mann Va - ter und Mutter verlaſſen wuͤrde / und an ſeinem Weibe hangen / wie kan die - ſes anders verſtanden werden / als daß / weil der Ehſtand von GOtt eingeſe - tzet / man ſich mit einer Perſon / welche liebens wuͤrdig / wohl verheyrathen koͤnne / ohngeacht die Befreundten nicht allerdings hiermit zu frieden. Denn in allen Sachen muß man GOTT zu einen Anfaͤnger nehmen / und eine Perſon lieben / welche fromm und Gottsfuͤrchtig iſt / und nicht aus bloſſer Begierde / ſondern ſeinen Na - men durch Zeugung der Kinder undMeh -175Europæer. Mehrung der Welt unſterblich zu machen / heyrathen. Wo nun die Welt gemehret wird / da wird noch mancher Seelen in Himmel geholf - fen / welche ſonſten in der Natur ver - graben bliebe. Und alſo iſt es ein ſchwe - rer Knoten / welcher ſo bald nicht wird auffgeloͤſet werden: Ob nehmlich die Eltern einem Kinde die Heyrath mit einer Perſon / welcher ſonſt nichts / als etwa Reichthum / mangelt / verbie - ten koͤnnen? Denn es heiſſet ja / man muß GOtt mehr gehorchen als de - nen Menſchen; nun hat GOtt den Eheſtand eingeſetzet / in dem er ſaget: Seyd fruchtbar und mehret euch; weiß ich alſo nicht / ob Menſchen ſolch Gebot ohne erhebliche Urſachen auff - heben koͤnnen. Erhebliche Urſach en nenne ich aber dieſe / als wann einer ei - ne Perſon heyrathen wolte / welche ſonſt gar in uͤblen Ruff waͤre / oder die JUn -176Der verliebte Ungleichheit des Standes objiciret werden koͤnte.

Wie dem allen / ſo gieng doch An - tonius hin / und verſprach ſich mit dem Maͤgdgen.

Als dieſes die Mutter erfuhr / wolte ſie gantz ausder Haut fahren / drauete Antonium zu enterben. Er hingegen ſuchte ſie zu careſſiren und wiederum zubeguͤtigen / aber da war alles vergebens / da es doch ſonſten heißt: Zu geſchehenen Dingen ſoll man das Beſte reden.

Was Raths? Antonius hatte ſich mit dem Maͤgdgen ſo weit einge - laßen / daß er nun nicht mehr zuruͤcke weichen kunte. Derowegen wurde die Hochzeit angeſtellet / aber Antonii Mut - ter ware ſo unverſoͤhnlich / daß ſie zu ſel - biger nicht verlangte. Doch ginge ſie fort / und hatte ſonſten Antonius vielvor177Europæer. vornehme Leute (worunter unſer ver - liebter Europaͤer) mit darzu eingela - den. Uber dem Eſſen fuͤhrete man un - terſchiedliche Diſcurſe / da denn ein Kauſ - mann (welcher ſonſt uͤberaus luſtiges Gemuͤths war) einen andern leicht - glaͤubigen uͤber redete / er habe in einer beruͤhmten Catholiſchen Stadt in Teutſchland nachfolgende Reliqvien geſehen / als:

  • I.
  • Ein Stuͤck von den Fellen / woraus GOtt der Herr Adam und Eva Roͤcke gmacht.
  • II.
  • Ein Stuͤck von der Archa Noe.
  • III.
  • Einen Ziegel-Stein vom Babiloni - ſchen Thurm.
  • IV.
  • Das Meſſer / wormit Abraham ſei -J 2nen178Der verliebtenen Sohn Jſaac ſchlachten wollen.
  • V.
  • Ein verſchimmelter Klumpen von E - ſaus Linſene-Gericht / wodurch er ſei - ne Erſtegeburth verkaufft.
  • VI.
  • Ein Stab von denen Staͤben / welche Jacob in die Traͤnck-Rinnen der Schafe Labans gethan.
  • VII.
  • Ein Stuͤck von Joſephs bunden Rock.
  • VIII.
  • Ein Stuͤck von Joſephs Mantel / wel - chen er bey Potiphars Weib im ſtiche gelaßen.
  • IX.
  • Ein Stuͤck von dem Galgen / woran Pharaons Oberſter Becker gehen - cket worden.
  • X.
  • Joſephs Mund-Becher / welchen er inBen -179Europæer. Benjamins ſeines juͤngſten Bru - ders / Sack ſtecken laßen.
  • XI.
  • Moſis Wunder-Stab / welchen er in Egypten bey dem Koͤnige Pharao gebrauchet.
  • XII.
  • Eine ausgeſtopffte Laus und geraͤu - cherter Froſch von dem Ungeziefer / womit GOtt der Herr gantz Egy - pten geſtraffet.
  • XIII.
  • Ein Glaͤßgen vll Egyptiſcher Fin - ſterniß.
  • XIV.
  • Ein Stuͤck von dem Fels / woraus Mo - ſes in der Wuͤſten Waſſer geſchla - gen.
  • XV.
  • Ein Stuͤckgen Holtz von der Bunds - Lade:
J 3VVI180Der verliebte
  • XVI.
  • Ein Stuͤck von Moſis Steinernen Geſetz-Tafeln / welches nur im vori - gen Seculo gefunden worden.
  • XVII.
  • Eine Stachel Chymiſches Gold - Pulver / aus der Jſraeliter guͤldenen Kalbe zugerichtet.
  • XVIII.
  • Ein geraͤuchert Ohr von Bileams klu - gen Eſel.
  • XIX.
  • Eine Seite von Davids Lauten.
  • XX.
  • Jngleichen ſein Lauten-Buch.
  • XXI.
  • Der Stein / welchen David Goliathen in Kopf geſchmiſſen.
  • XXII.
  • Simſons Jagd-Buch / worinnen ſon - derbare Kunſt-Stuͤcke Fuͤchſe zu fangen / enthalten.
XXIII. 181Europæer.
  • XXIII.
  • Zwo abgetreugte Fuchsſchwaͤntze / von denen Fuͤchſen / welche Simmſon in das Korn der Philiſter lauffen laſ - ſen. Es ſind vor 100. Jahren uͤber ein Schock da geweſen / aber nach der Zeit biß auff die 2. an unterſchied - liche Hoͤfe in Teutſchland geſchickt worden.
  • XXIV.
  • Delilæ Schere / womit ſie Simſonen die Haare abgeſchnitten.
  • XXV.
  • Eine groſſe Schachtel voll Abſalons koͤſtlichen Haarbuder.
  • Dieſes alles lieſſe ſich der leichtglaͤu - bige Kauffmann uͤberreden.

Sonſten waren die Gaͤſte auff der Hochzeit uͤberaus luſtig / abſonder - lich das Frauenzimmer. Denn weil daſſelbe mit den Junggeſellen an ei -J 4ner182Der verliebtener abſonderlichen Tafel ſaße / gab es manchen Spaß.

Hier kunte man ein gantz Viertel von Complimenten vor einen Schre - ckenberger kauffen / die Maͤulergen aber theilet man umſonſt aus. Da gienge es an ein vexiren. Die Jungfern ſag - ten unter einander. Dieſe: Jener Kerl hat die Haare zu wenig gebudert. Je - ne: Dieſer Kerl ſitzet / als ob er das Maul in der Waͤſche haͤtte / und ſo fort. Hingegen ſchenckten es die Junggeſel - len denen Jungfern auch nicht. Da hatte eine eine krumme Naſe / die andere ein Affen-Geſichte / die dritte hatte ein Maͤulgen / welchs man kaum mit einen Zinnern Teller bedecken koͤnnen / die vierdte hatte Feuer-farbene Haare / die fuͤnffte hatte Haͤnde wie ein Roͤhr-Loͤf - fel / die ſechſte hatte einen Proceß / und truge die Acten ſtets mit ſich auff demRuͤ -183Europæer. Ruͤcken / die ſiebende hatte ſo viel Blat - tergruben / daß man durch ihr Geſichte gar gute Haſen-Schrotte gieſſen koͤn - nen / die achte hatte eine kleine Rede als das krumme Horn eines Stundenruf - fers / die neundte hatte Kalbs-Augen / die zehende Schweins-Augen / die eilffte Katzen-Augen. Und ſo wurden die ar - men Laͤmmergen geſchuriegelt. Die Jungfer / welche oben an bey Alexan - dern ſaſſe / hatte dem Braͤutigam den Tag zuvor ſagen laſſen / ſie wolle gar gerne bey der Hochzeit erſcheinen / wenn man ſie nur (wie es ihr Stand erfoder - te) oben an ſetzte / und Frantzoͤſiſche Taͤntze tantzen ließ. Dieſes war ihr auch zugeſaget worden. Dorten ſaſſe ſie mit einer angenommenen Ernſthaff - tigkeit / gleich als ob ein Mahler vorhan - den / welcher ſie in ſolcher Poſitur ab - mahlen ſolte. Jhre Diſcurſe / welche ſie fuͤhrete / muſten alſo eingerichtet ſeyn /J 5da -184Der verliebtedamit ja das Maul nicht aus den Fal - ten gebracht wuͤrde.

Alexander that als ob er einfaͤltig waͤre / fragte ſeine Neben-Sitzerin: Ob ihr etwa nicht wohl waͤre / daß ſie ſo leiſe redete. Gar nicht antwortete ſie / ſondern es iſt ſo meine Manier.

Ja / ja / gedachte Alexander, ich weiß wol was dich vexiret / du wilſt gern das Maul vor allen andern haben und deswegen in Compagnie nicht viel re - den.

Als die Speiſen abgehoben / und das ſaͤmtliche Frauenzimmer auff dem Tantz-Platz verſamlet war / auch Braut und Braͤutigam den erſten Tantz ge - than / bate die oberwehnte Jungfer / wel - che Charlotte hieß / es moͤchte doch Ale - xander mit ihr einen Frantzoͤſiſchen Tantz anfangen. Unſer Sicilianiſcher Ritter entſchuldigte ſich zwar Anfangs /und185Europæer. und gab vor / daß er der Frantzoͤſiſchen Taͤntze nicht kuͤndig / iedennoch / weil ſie zu bitten nicht nachließ / muſte er end - lich / wiewol ungern / darein willi - gen.

Als nun iederman auff dieſer beyden Perſonen Tantz Acht haben wolte / gieng Alexander zu denen Muſicanten / und ließ ein galant Val - let ſtreichen. Hiermit fieng man an zu tantzen / und wuſte Charlotte ſo artliche Minen im Tantzen zu machen / daß man gar leicht darab nehmen kun - te / ſie habe ſich in unſern Europæer ver - liebet. Denn ſie tantzte gern Alexan - dern entgegen / dahero es geſchach / daß weil ſie beyde faſt in einer Groͤſſe / die Maͤulergen offt nicht weit von ein - ander waren / wie ſie auch zuletzt / als der Tantz faſt gantz zu Ende / Charlotte ſtellete als ob ſie ſtolperte / und es gleichJ 6zu -186Der verliebtezutraff / daß ihr Maͤulgen auff Alexan - ders zu fallen kam.

Solche wunderliche Manieren hat bißweilen das Frauenzimmer ihre Liebes-Begierde zu ſtillen. Denn ich halte gaͤntzlich dafuͤr / daß die Liebe bey Weibes-Perſonen offt hitziger als bey Mannes-Perſonen / welche ſelbi - ge eher abkuͤhlen koͤnnen. Es gedencket zum oͤfftern manches Frauenzim - mer: Die Natur hat nur deswegen mich verliebt gemacht / daß ich um - ſonſt lieben / und die Jahre meiner Ju - gend in vergeblicher Hoffnung zubrin - gen muß. Ja die Jahre / welche an - dere in angenehmer Liebes-Wolluſt dahin ſtreichen laſſen / verzehret bey mir die Einſamkeit / und die Furcht der Straffe / welche auff die Fehler der fuͤrwitzigen Liebe insgemein folget / verbietet mir das jenige zu thun / wel -ches187Europæer. ches im Eheſtande keinem Frauenzim - mer zur Schande ausgedeutet wird.

Alexander roche den Braten gar bald / that aber als ob er keine Em - pfindligkeit habe / weil er das jenige Frauenzimmer nicht viel achtete / wel - ches die Freyheit mit denen Man - nes-Perſonen umbzugehen noch vor - eine ſonderbare Galanterie haͤlt. A - ber dieſe Galanterie hat der Hoͤlli - ſche Feuer-Maͤuerkehrer auff die Bahn gebracht / welcher taͤglich durch neue Arten zu ſuͤndigen / ſeine Zunfft zu vermehren ſuchet.

Die groͤſten Unbilligkeiten von der Welt muͤſſen ſich heut zn Tag un - ter dem Nahmen einer Galanterie oder Politic verkauffen laſſen. Aber wer iſt der Urheber? Antwort: der Teuffel / der iſt ein Pater Politico - rum, und ein ſolcher Welt-Mann / J 7wel -188Der verliebte welcher nicht allein das vergangene von der Welt Anfang her gedencket / ſondern auch viel zukuͤnfftige Dinge errathen kan.

Aber wiederum auff meinen vo - rigen Diſcurs zu kommen. Als Char - lotta ſahe daß Alexandern mit ihrer Bezeugung kein Dienſt geſchahe / ſetzte ſie ſich alleine auff den Stul / nahm den Kopff in die Hand und that als ob ihr etwas fehlete.

Alexander fragte / ob ihr etwa von ihm etwas waͤre zuwider gethan worden / aber da kunte er keiner Ant - wort gewuͤrdiget werden / dannenhero gedachte er / es iſt wol wahr: Wann einem ein Frauenzimmer Gunſt er - weiſet / und ſiehet daß es nicht ange - nehm auff genommen wird / ſo veraͤn - dert ſich die Liebe mehrentheils in ei -nen189Europæer. nen Haß / und iſt dieſer hernachmahls hefftiger als die vorige Liebe.

Alexander wolte nunmehro Charlotten auch nicht viel gute Worte geben / gieng derowegen zum Braͤuti - gam Antonio / um zu vernehmen / ob ſelbiger mit ſeiner Braut bald zu Bet - te zu gehen verlangte. Antonius aber / als er von Alexandern gefragt wurde / antwortet hierauff: Die Nacht ſey noch lang genug / und koͤnte man wohl ausſchlaffen: Die Braut aber verſetzte daß ſie gar nicht Willens ſey dieſe Nacht zu Bette zu gehen / weil ſie in ihren Jungfer-Stande ſich mit ihren Ge - ſpielen noch zu guter letzt luſtig erzeigen wolte.

Sie machte es nicht wie manche Jungfern / welche ihre Jungfer - ſchafft offt eine unertraͤgliche Buͤrde iſt / und Tag und Racht darauff ſin - nen /190Der verliebte nen / wie ſie ſolche mit guter Manier loß werden moͤchten. Wenn Jephtæ Tochter anietzo auffſtehen ſolte / wie wenig Schweſtern wuͤrde ſie finden / welche ihre Jungferſchafft 2. Mona - te / nachdem ſie in den Eheſtand kom - men / beweineten / aber es iſt eine Ga - lanterie / mit welcher man heute zu Tage viel Sachen entſchuldigen kan. Denn wenn eine Jungfer nur das zwantzigſte Jahr erreichet / meynet ſie alsbald ſie bekomme nun keinen Mañ / und wird ihnen alſo die Begierde zum Heyrathen in der Muttermilch ein - gefloͤſſet / wiewol anietzo an manchen Orten ebenfalls eine Galanterie iſt / daß die Weiber ihre eigene Kinder nicht ſtillen / ſondern ſelbige mehren - theils Huren-Milch trincken laſſen / welches eine erſchreckliche / und vor GOtt unverantwortliche Suͤnde iſt. Denn erſtlich iſt das Kind im Mut -ter -191Europæer. terleibe ſchon der Milch gewohnet / und kan alſo beſſer gedeyen / als bey fremb - der Milch; bringen alſo ſolche Muͤt - ter zum oͤfftern ihre eigene Leibes - Fruͤchte umb das Leben / in dem ſie offt Ammen haben / welche im Zorn de - nen hoͤlliſchen Furien nicht ungleich. Zum andern wird hierdurch Anlaß zu vielerley Leichtfertigkeit gegeben / denn manche Weibes-Perſon begien - ge nicht ſo leicht etwas Boͤſes / wennſie nicht wuͤſte / daß man vieler Am - men beduͤrfftig. Und endlich iſt es der Natur ſelbſten zuwieder. Man ſehe die unvernuͤnfftigen Thiere an / wel - ches wird wohl ſo unbarmhertzig ſeyn / und ſein Junges nicht ſaͤugen. Jſt es derowegen nicht eine Schande / daß die wilden Thiere die vernuͤnfftigen / und nach GOtts Ebenbilde erſchaf - fenen Menſchen beſchaͤmen? Jch re - de von denen Weibern nicht / welche aͤns192Der verliebte aus Noth Ammen halten muͤſſen / ſondern nur von denen jenigen / welche ein wenig Ungelegenhett uͤberhoben zu ſeyn / ſolches thun. Dannenhero iſt es auch kein Wunder / wenn hernach die Kinder nicht denen Eltern / ſon - dern denen jenigen / deren Milch ſie getruncken / nachſchlagen. Ob nun wohl dieſes eine groſſe Suͤnde iſt ſo iſt ſie doch mit nichten der zu vergleichen / daß biß weilen Eheweiber / welche vor galant wollen geachtet ſeyn / wann ſie 2. oder 3. Kinder bekommen / hernach - mals keine mehr verlangen / und dero - wegen allerhand verbothene Mittel brauchen / ſolches zuverhindern / umb ihre Viehiſche Begierden deſto unge - hinderter zu ſtillen. Solche Weiber berauben ihren Kindern das Leben / ehe ſie ſolches bekommen. Jch zweifele daß dieſe Suͤnden zu Sodom und Gomorrha vorgangen / deßwegenkein193Europæer. kein Wunder / daß GOtt Land und Leute wegen dieſer Himmel-ſchreyen - den Suͤnde ſtraffte / und es alſo der Schuldige mit dem Unſchuldigen ent - gelten muͤſt. Jch ſage / wofern ihr Herren Medici ſolchen Weibern zu ihrem teuffliſchen Vornehmen mit Rath und That zu Huͤlffe kommet / daß ihr große Verantwortung auff euch ladet / und wird der Profit, welchen ihr hiermit erlanget / ein freſſend Ding ſeyn / welches zugleich ſich und euer uͤbriges Vermoͤgen verzehren wird / daß es nicht auff den dritten Er ben koͤmmt. Und ich verſichere euch Herrn Theologos, an was Orten und Enden ihr in Europa auch ſeyn moͤget / daß wofern euch ſolche La - ſter / (fuͤr welchen auch die Heyden durch das Licht der Natur unterrich - tet / einen Abſcheu haben) zu Ohren kommen / und ihr ſolche nicht ernſt - haff -194Der verliebte hafftig ſttraffet / ſondern durch die Fin - ger ſehet / daß GOtt der HErr an je - nen groſſen Tage / alle Seelen / welche hiedurch verlohren werden / von euch fordern wird / derowegen ſeyd nicht ſtumme Hunde / die nicht bellen / ſon - dern erhebet eure Stimme wie eine Poſaune / und wofern ihr gewiſſe Nachricht erhaltet / ſo bringet ſolche Leute vor die Obrigkeit / welche (wann ſie die Verſchmaͤhlerung der Gerech - tigkeit nicht etwa auch vor eine Politi - ſche Galanderie haͤlt /) ſchon ein Ein - ſehen haben wird.

Jch muß mich aber wiederum zu - ruͤck wenden / und ſehen / was auff der Hochzeit ſich weiter zugetragen. Ver - melde demnach / daß als Braut und Braͤutigam ſich zur Ruhe begeben / die anweſende Compagnie vom Frauen - zimmer und Junggeſellen / noch einpaa195Europæer. paar Stunden allerhand Ergoͤtzligkei - ten vornahmen. Eine Partie ſpielete die heimliche Frage / eine andere ein an - der Spiel. Dorten erwehleten ein paar die Einſamkeit / ſaſſen beyſammen und redeten mit einander von alten Ge - ſchichten. Ein ander paar befuͤhleten einander die Haͤnde / umb zu verneh - men / welche am weichſten. Ein ander paar machte ſolches mit denen Maͤuler - gen / und ſo fort. Alexander hatte ſich mit einer Jungfer ebenfals nieder - geſetzet. Charlotta aber / weil ſie ſich disguſtiret befunden / war nach Hauſe gefahren. Die Jungfer / welche bey Alexandern ſaß / hieß Blandina, con - tracte Blandingen / und war eine ein - tzige Tochter eines nicht geringen Man - nes in Straßburg.

Alexander that als ob ein wenig in Gedancken ſaͤſſe / umb zu vernehmen /was196Der verliebtewas Madam. Blandinchen darzu ſa - gen wuͤrde / welche denn alſo zu reden anfieng.

Bland. Wie ſo traurig Mons.

  • Alexander antwortete: Bin ich denn traurig.
  • Bland. Freylich / er gedencket vieleicht an ſeine Liebſte.
  • Alexand. Wie wolten ich / und eine Liebſte zuſammen kommen.
  • Bland. Dieß wird derſelbe am beſten wiſſen.
  • Alexand. Jch habe aber keine Liebſte.
  • Bland. Jch zweiffele daran / daß faſt ein Cavallier in der Welt zu finden / welcher nicht etwas Liebes habẽ ſolte.
  • Alexand. Allerdings liebe ich unter - ſchiedliche Sachen / als: Ein wol ge - wandtes Pferd / ein paar Piſtolen / und ein blanckes Schwerd.
  • Bland. Von ſolchen unlebhafften Sa - chen rede ich nicht.
Ale -197Europæer.
  • Alexand. Von was denn ſonſten.
  • Bland. Von Frauenzimmer.
  • Alexand. Von Frauenzimmer wird ſie meynen? Solte aber ein Frauen - zimmer einen Cavallier zur Liebe bewegen koͤnnen?
  • Bland. Warum nicht?
  • Alexand. Jch kan es mir nicht einbil - den.
  • Bland. Mons. iſt ſo hoͤfflich / daß er das jenige / welches ohne Zweifel von ihm zum oͤfftern probiret worden nicht geſtehen will.
  • Alexand. Wie kommet Sie voritzo auff dieſe Gedancken?
  • Bland. Weil Mons. der eintzige Ca - vallier ſeyn muͤſte / welchen kein Frauenzimmer verliebt machen koͤnte.
  • Alexand. Wann ich nun der eintzige waͤre.
  • Bland. Jch will es nicht hoffen.
Ale -198Der verliebte
  • Alexand. Mapam. examiniret / mich ein wenig zuſcharff.
  • Bland. Das ſey ferne von mir / daß ich mich unterſtehen ſolte denſelben zu examiniren.
  • Alexand. Deſſen hat Sie gute Macht.
  • Bland. Welche mir deſſen Hoͤffligkeit darbiethet.

Solche und dergleichen Diſcurſe wur - den gefuͤhret / biß ſich die Nacht herzu machte / welche die ſaͤmtlichen Hochzeit - Gaͤſte zu Bette gehen hieß. Nun hat - te Alexander zu ſeinen Schlaff-Ca - meraden einen Ieſuiten / welcher lan - ge Zeit zu Paris geweſen / und ſich ſeit - hero in die 4. Wochen in Straßburg auffgehalten. Alexander redete un - terſchiedliche Sachen mit dieſem Je - ſuiten / welcher Sebaſtian hieß / da er - denn alsbald merckte / daß er ſich auffdie -199Europæer. dieſer Hochzeit in ein Frauenzimmer verſchammeriret / dannenhero Ale - xander immer erwartete / ob der Herr Geiſtliche nicht etwa den Rauch ſeines Liebes-Feuers ein wenig auffgehen laſ - ſen wuͤrde / da es denn nicht lange waͤre - te / als Herr Sebaſtian unſern Sicilia - niſchen Ritter fragte: Wie ihm das Frauenzimmer auff der Hochzeit ange - ſtanden? Alexander antwortete: Er habe nichts daran zu deſideriren ge - habt. Herr Sebaſtian verſetzte: Es habe ihm unter denen Jungfern ein Maͤgdgen ſo wohl gefallen / das wofern er nicht ein Geiſtlicher waͤre / alsbald Morgen des Tages um Heyrath An - ſuchung thun wolte. Ja / ſagte Ale - xander: Das Frauenzimmer allhier iſt gar richtig / und theilet gar gerne Koͤr - be aus / wie ichdeñ unterſchiedliche Per - ſonen kenne / welche mit dieſer Wahre ziemlich freygebig.

KSe -200Der verliebte
  • Sebaſt. Warum thun ſie aber ſolches?
  • Alexand. Weil ſie vermeynen / man muͤſſe ſie careſſiren / und den erſten Korb nicht gar groß achten / ſondern zum andern mal anhalten / und ge - dencken / daß kein Baum von einem Hieb faͤllet.
  • Sebaſt. So iſt der Hochmuth Urſach.
  • Alexand. Freylich / zumal bey denen jenigen / welche entweder von groſſen Mitteln / oder guten Leibes-Ge - ſtalt.
  • Sebaſt. Der Hochmuth hat den Teuf - fel geſtuͤrtzet.
  • Alexand. Wer wird dieſes leugnen.
  • Sebaſt. Und alſo waͤre kein Wunder / wenn Gott ſolch hochmuͤthig Frau - enzimmer auch ſtraffte.
  • Alexand. Wer gedencket heut zu Ta - ge auff die Straffe GOttes / dieſe wird bey denen ruchloſen Welt - Kindern vor ein Maͤhrlein gehal -ten /201Europæer. ten / und laͤufft wieder die Galan - terie -
  • Sebaſt. Solte denn die Galanterie eine verbohtene Sache ſeyn.
  • Alexand. Nach dem man die Gelan - terie nimmet. Denn ein Menſch kan ohne alle Suͤnde ſich ſauber und reinlich in Kleidung halten / in Com - pagnie luſtig / und mit anſtaͤndigen Qvalitaͤten begabet ſeyn. Dieſes heiſſe ich mit gutem Gewiſſen ga - lant ſich halten.
  • Sebaſt. Jch meine auch ſo.
  • Alexand. Aber nicht die heutige Welt. Sebaſt. Warum nicht?
  • Alexand. Weil die groͤſten Leichtfer - tigkeiten mit dem Namen einer Ga - lanterie bemaͤntelt werden.
  • Sebaſt. Es iſt nun leyder? ſo weit kom - men / daß wer heute zu Tage gar zu ehrlich handelt / nichts geachtet wird.
K 2Ale -202Der verliebte
  • Alexand. Jch gebe Jhm hierinne gar gerne Beyfall.
  • Sebaſt. Doch haben wir Geiſtliche es noch gut / weil man in ſolchen Sa - chen nicht Urſach auff uns zu ſehen hat.
  • Alexand. Doch ſind bißweilen man - che Geiſtliche ſo Politiſch als irgend iemand.
  • Sebaſt. An ihren Fruͤchten ſoll man ſie erkennen.
  • Alexand. Die Geiſtlichen Baͤume koͤnnen auch zuweilẽ weltliche Fruͤch - te tragen.
  • Sebaſt. Dieſes Simile iſt mir zu hoch / ich kan es nicht erkrappeln.
  • Alexand. Jch glaube es gar wohl / daß derſelbe gerne krappelt / zumal wenn Er eine feine Koͤchin haͤtte.
  • Sebaſt. Wie ſo?
  • Alexand. Er krappelte vielleicht biß - weilen das Geld aus dem Beutelund203Europæer. und gaͤbe ihr ſolches / allerhand Vi - ctualien dafuͤr einzukauffen.
  • Sebaſt. So / iſt dieſes der rechte Wort - Verſtand?
  • Alexander. Wie anders?
  • Seb. Es beſtehen alle Sachen auff ei - nen guten Bericht.
  • Alexander. Freylich beſtehet die gantze Sache zum oͤfftern auff einem guten Berichtſage ich.
  • Sebaſt. So gehet es in der Welt zu. Wer keinen guten Beutel hat / der kommt heutiges Tages nicht fort.
  • Alexander. Wie kan man es aͤndern?
  • Sebaſt. Die Kunſt gehet heute zu Ta - ge nach Brodte.
  • Alexandern. Das ſiehet man wohl an denen Bettel-Muͤnchen.
  • Sebaſt. Ey / ey / diß war eine Injurie wi - der die Geiſtligkeit.
  • Alexander. Was gehet mich dieß an / denn ob mich gleich meine ElternK 3von204Der verliebtevon Jugend auff im Roͤmiſchen Glauben auferzogen / ſo mag ich doch weder Papiſtiſch noch Calviniſch heiſſen / ſondern mich einen Chriſten nennen laſſen / weil ich viel Jrrthuͤ - mer in der Roͤmiſchen Religion fin - de / welche mit der Schrifft nicht uͤberein kommen. Jch rede davon als ein Politicus, und alſo ſo weit ich es verſtehe.
  • Sebaſt. Welches ſind denn die Jrrthuͤ - mer / welche wider die Heil. Schrifft lauffen.
  • Alexander. Meinem einfaͤltigen Ver - ſtande nach halte ich die Anruffung der Heiligen vor eine unnoͤthige Sa - che.
  • Sebaſt. Aus was vor Fundament.
  • Alexander. Weil dorten unſer HErr GOtt ſaget: Jeſ. 42. v. 8. Jch der HERR / das iſt mein Name / und wil meine Ehre keinem an -dern205Europæer. dern geben / noch meinen Ruhm den Goͤtzen.
  • Sebaſt. Hieraus kan wenig oder wohl gar nichts erwieſen werden.
  • Alexander. Wie ſo?
  • Sebaſt. Jch kan hieraus keinen Schluß machen: Unſer HErr GOTT hat vordeſſen dem Volck Jſrael die Goͤtzen anzubeten verbothen / ergo darff die Roͤmiſche Kirche die Heili - gen nicht als Interceſſores bey Gott anruffen.
  • Alexander. Allerdings kan dieſer Text per identitatem rationis hieher ge - zogen werden / dennoch ob wohl die Heiligen keine Goͤtzen ſind / ſo iſt doch ihre Verehrung abgoͤttiſch.
  • Sebaſt. Mit nichten.
  • Alexander. Lautet nicht das erſte Ge - bot: Du ſolt nicht andere Goͤtter haben neben mir.
K 4Se -206Der verliebte
  • Sebaſt. Nehmen wir doch die Heili - gen vor keine Goͤtter an.
  • Alexand. Es iſt doch in in effectu faſt eben ſo.
  • Sebaſt. Nein / ſondern weil die Heili - gen ſchon bey GOtt im Himmel / iſt es nicht mehr als billich / daß wir ſie anruffen / um durch ihre Vorbitte bey Gott deſto eher in unſerer Noth Huͤlffe zu erlangen. Denn gleich wie weñ man bey einem vornehmen Herrn eine Verrichtung hat / es ſich nicht ſchicket / daß man unangemel - det mit ihm zu reden verlanget / alſo iſt esmit GOtt auch beſchaffen / wel - cher auff Fuͤrbitte der Heiligen biß - weilen unſer Gebeth erhoͤret / wel - ches er ſonſt wohl nicht thaͤte.
  • Alexand. Es hatte mit einem weltlichen Fuͤrſten eine gantz andere Bewand - niß / als mit dem HErrn aller Her - ren / uñ Koͤnige aller Koͤnige. Wannwir207Europæer. wir mit Selbigen große Weitlaͤuff - tigkeit machen wollen / warum heiſ - ſen wir ihn denn DU. Und zu dem ſo kan ich die Anruffung der Heili - gen mit klaren Worten der Schrifft uͤber den Hauffen werffen. Denn esſtehet ja Eſa. 64. v. 16. Abraham weiß von uns nichts und Jſrael kennet uns nicht.
  • Sebaſt. Daß wir unſern HErrn Gott DU heiſſen / iſt Facti, was aber den allegirten Text anlanget / iſt ſelbiger mit nichten von denen Heiligen / ſon - dern einer gantz andern Materie zu verſtehen.
  • Alexand. Jhr Herrn Geiſtlichen mey - net vielleicht / die Heilige Schrifft ſey gleich einer waͤchſernen Naſe / welche man drehen kan / wie man wil.
  • Sebaſt. Dieß ſage ich eben nicht.
  • Alexand. Aber wer kan das Dictum verwerffen / Matth. 4. v. 10. Da IE -K 5ſus208Der verliebteſus zudem Satan ſpricht: Du ſollſt anbeten GOTT deinen HErrn / und ihm alleine dienen.
  • Sebaſt. Handelt doch unter uns nie - mand darwieder / denn wir beten di - rectò GOtt an / welcher unſer Hei - land und Seligmacher iſt / und ohne deſſen Huͤlffe wir alle verdam̃t wuͤr - den. Das wir aber die Heiligen vor ſolche Leute halten / welche unſere Se - ligkeit per indirectum, ſcil. durch Fuͤrbitte bey GOtt befoͤrdern koͤn - nen / kan uns von niemand vor uͤbel ausgeleget werden.
  • Alexand. Aus dieſem erzehleten folget ohnfehlbar / daß die Roͤmiſche Kirche die Heiligen vor Mittler zur Selig - keit halten muß.
  • Sebaſt. Nicht eben vor Mittler / ſon - dern Befoͤrderer.
  • Alexander. In reconvenimus, licet non interminis. So ſollen dieHei -209Europæer. Heiligen vielleicht cauſæ ſine qua non der Seligkeit ſeyn.
  • Sebaſt. Nein. Denn ob wohl GOtt ſo allmaͤchtig iſt / daß er auch die Menſchen ohne Fuͤrbitte der Heili - gen ſelig machen kan / ſo laͤſt er ſich doch durch ſelbige deſto eher hierzu bewegen / und ſchlaͤget ihnen nicht leicht eine Bitte ab.
  • Alexander. Subtil gnug vor dem / der es nicht beſſer weiß. Dieß halte ich (es mag mir einer in contrarium vorbringen was er wil) vor einen Jrrthum. Der andere beſtehet hier - innen / daß die Roͤmiſche Kirche de - nen Layen im heiligen Abendmahl den Gebrauch des Kelches entzie - het.
  • Sebaſt. Dieß iſt auch recht.
  • Alexander. Aus was vor Ration?
  • Sebaſt. Wo ein Leib iſt / da iſt auch Blut / wer nun den Leib genieſſet /K 6der210Der verliebteder genieſſet auch zugleich das Blut.
  • Alexand. Es iſt ein groſſer Unterſcheid zwiſchen unſern Leibern und des HErrn Chriſti.
  • Sebaſt. Wenn gleich auch dieſes nicht waͤre / ſo hat unſer HErr Chriſtus nur ſeinen Apoſteln das Abendmahl eingeſetzet.
  • Alexander. Die Apoſtel præſentireten dazumal die gantze Kirche / und muͤ - ſte hieraus auch folgen / wenn das Abendmahl nur fuͤr die Apoſtel / und per conſequens vor die Geiſtlichen Perſonen eingeſetzet waͤre / duͤrffte auch kein Laye den wahren Leib im Heiligen Abendmahl bey euch ge - nieſſen.
  • Sebaſt. Hiermit hat es eine gantz ande - re Bewandtniß.
  • Alexander. Was fuͤr einen Fehler be - gehet nicht die Roͤmiſche Kirche / in - dem ſie die Transſubſtantiationſta -211Europæer. ſtatuiret / wowon ich zwar nicht re - den wil / weil ich als ein Politicus, oh - ne dem mich nicht unterſtehen ſolte / mit dem Herrn Pater in ein geiſtlich Geſpraͤch einzulaſſen / doch verhoffe ich / er werde meine Reden beſter maſſen auffnehmen.
  • Sebaſt. Jch muß ohne Flattirung ge - ſtehen / daß mir lange Zeit kein Poli - ticus vorkommen / welcher von der Roͤmiſchen Kirche und der heiligen Schrifft ſo Fundamentaliter reden koͤnnen. Derowegen fahre er / bit - te ich / nur noch ein wenig fort / weil ich ohne dem noch nicht einſchlaffen kan.
  • Alexand. Vor den dritten Jrrthum erkenne ich dieſen / daß die Roͤmiſche Kirche denen Layen die Leſung der H. Schrifft verbiethet.
  • Seb. Wie auch nicht mehr als billich.
  • Alexander. Warum?
K 7So212Der verliebte
  • Sebaſt. Weil die jenigen / ſo nicht geiſt - liche Perſonen ſeyn / gar leicht etwas in der Bibel finden koͤnnen / woran ſie ſich aͤrgern / oder gar zu ſehr in Glaubens-Sachen nachgruͤbeln.
  • Alexander. Es ſtehet aber dorten. Su - chet in der Schrifft. Und iſt ja eine gemeine Regel: Abuſus non tollit uſum.
  • Sebaſt. Das Suchen in der Schrifft muß man von denen Geiſtlichen verſtehen / und iſt keine Regel ſo ge - neral, welche nicht ihre Limitationes und Exceptiones haͤtte.
  • Alexand. Jch weiß auch ſchon ſelbſten das Arcanum Politicum, welches darhinter ſteckt / wie dann ein bekan - ter Scribent / unterſchiedliche Ma - ximen, worauff die Roͤmiſche Kir - che / gleich einen ſtarcken Fundament, ruhet / an einem Orte erzehlet / wor - unter das Verboth wegen Leſung derBi -213Europæer. Bibel nicht die geringſte. Seine Worte aber lauten alſo:

CAtholicæ religioni non tam curæ eſt, in animi ad probitatem formentur, quàm ut Sacerdotum opes atꝙ́ autoritas immen - ſum gliſcat. Et ſane dudum miratus ſum ineptias noſtrorum Sacerdotum, qvod con - troverſias, qvæ ſibicum bæreticis (ut ipſi vo - cant) intercedunt, ex ſacris literis deciden - das ſuſceperint, cum longe planior, atꝙ́ evi - dentior modus ſuppetat. ad certitudinem demonſtrationum Mathematicarum omnia definiendi. Stabilito enim atqve admiſſo principio illo, qvod innuireligionis Catholicæ finem eſſe, ut Sacer dotum opes atꝙ autoritas magnæ ſint, veſani forent adverſarii, ſi vel verbulo ſibiultra cenſerent oppugnanda do - gmata, circa qvæ tanta vischartarum ha - ctenus fruſtra fuit conſumta. Exempli cau - ſa unum duntaxat atꝙ́ alterum ſubjiciem9. Scripturis ſacris tribuitur obſcuritas, eis - demꝙ legendis arcentur Laici, ut ſoli ſacer - dotes earundem interpretandarum jus reti -neant214Der verliebteneant neꝙ Laici ex iisdem qvædam eruant, qvæ non exre Sacerdotum forent. Iisdem jubentur ſuccenturiari Traditiones, ut ſi qvid forte in ſacris literis omiſſum eſſet, ad illum finem faciens, commode ſuppleri poſſet Iam tota religio tot ceremoniis adornata, ut earum ſplendore plebs bruta, & velut attonita, de ſolida pietate rimanda cogita - tionem ſuſcipere neqveat. Peccatorum re - miſſionem ſoli Deo relinqvere lucroſum non erat. Ergo illa Poteſtas ſacerdotibus aſſer - ta; qvibus haut qvaqvam placebat tam proficuo jure diſſolute uti, nec generali con - feſſione & munuſculo aliqvo è liberalitate confidentis dependente adquieſcere. Ex - actiſſima enumeratio ſingulorum peccato - rum reqviritur, taxatione eorundem in Sa - cerdotis arbitrio poſita. Heic ſi dives est reus, paratiſſimum est lucrum; etiam ubi gratis peccata fuerunt remiſſa. Qvis enim adverſus tam benignum Patrem Liberali - tatis qvid non exhibeat; in paupere ſecu - rius licet autoritatem exercere. Et qvanti eſt, omnium hominum arcana noſſe, aut qvis non revereatur pectoris ſui arbitrum? Miſ -215Europæer. Mißâporrò nihil accommodatio adlucrum atꝙ́ autoritatem Sacerdotum promoven - dam. Nam qvis tam ſalutarem operam navanti, præmium negare velit; aut qvis non adoret homines, tam vener abilem victi - mam murmure ſuo producere valentes? Laicis uſum calicis recte ademtum, mordi - cus eſt defendendum, ne in ullare Sacerdotes erraſſe videantur. Nec fruſtra numerus Sacramentorum auctus, ut freqventius Sacerdotibus egerent homines. Et qvantum lucri velit ſolum Tribunalibus Eccleſiaſticis adfert, qvod ad illa omnes cauſa matrimo - niales trahuntur, eo duntaxat prætextu qvod matrimonium Sacramentum ſit, citra hoc enim uxorati videbantur æqve dextre natur am matrimonii poſſe intelligere. Vis meritoria bonis operibus adſcripta, uti am - bitioſam hominum pietatem inſigniter ſti - mulat; ita dum eadem iis fere rebus defini - untur, qvæ Sacerdotes locupletant, cum reli - qvo Theologiæ ſyſtemate optime qvadrat. Qvin nec alio fine in cenſũ crediderim Pur - gatorium, qvàm ut tributo poſſent onerari, qvos mors alias rebus humanis exemerat. San -216Der verliebteSanctorum invocatio, uti ſplendorem reli - gionis non parum auget; ita autoritatem Sacerdotum ſuſpicere neceſſum eſt, qvi cogi - tant, ipſorum decreto divinæ aulæ Proceres creari. Plura addere apud calentiſſimos putidum foret; & qvi accuratius iſta ſcru - tari vacuerit, ad eum guſtum cætera depre - hendet. Ipſa porrò Sacerdotum Respubl. qvam artificioſe compaginata, qvam preſſe inter ſe connexa omnia, ut vere dicere liceat nullum ab orbe condito fuiſſe corpus tam be - ne diſpoſitum, aut tam validis ſubnixũ ra - dicibus. Iam primo ad correctiſſimæ inſtar Monarchiæ Respubl. concinnata. Ipſi Prin - cipi Sacerdotum divinæ par autoritas cir - cumdata. Dei Vicarius errare neſcius, ætheris erebiꝙ́ clavos citra provocationem, aut interceſſionem diſpenſans. Nam qvod melioribus ſeculis credebatur, Reges ſolo de - jicere aut locare pollens, novi Doctores tan - qvam invidioſum nimis infamarunt. Et qvia Majeſtasiſtius Principatus Sanctimo. niæ potiſſimum opinione ſtat, per electionem idem defertur, ut, degenerante ſæpius regiâ ſobole, non niſi digniſſimo, & juveniles extraaffectus217Europæer. affectus conſtituto, locus patefiat; ſimul ut magnis in Eccleſiæ, qvàm Familiæ bonum fo - ret intentus. Ob easdem rationes ejus Reipubl. membris cœlibatus indictus, ut ne privati reſpectus, alio curas averterent. Qvanta porro Ordinum multitudo, qvanta Varietas! ut eo plures forent, qvi Eccleſiæ rebus invigilarent, & attrahendis Laico - rum bonis hamos jacerent. Neꝙ́ verò ul - lusprincipum, tam addictus civium ſuorum expetitur obſeqvinm; & cum inter ipſos non deſint æmulationes, cas tamen, ne in Reipubl. detrimentum erumpant, ſapientiſſi - novit temperare Pontifex. Nam anti - quos ordines recentiori Societati Ieſu pa - rum propitios eſſe conſtat, qvod per hunc illis non parumexiſtimationis deceſſiſſe credatur Poſtqvam enim veterum Monachorum ſim - plex ſanctimonia, laſciviam recentioris ſe - culi parũ videbatur fremare poſſe, mæximo Eccleſiæ bono ſubiit ſanctiſſima illa Societas, qvæ labentesres feliciſſimè reſtituit, ſuſceptâ Iuventutis informatione, & per confeſſio - nem, ſimulꝙ́ polita converſatione exploratis omnium hominum arcanis. Sic ut multi pu -tent,218Der verliebtetent, pleraꝙ́ ad Rempubl. ſacram poſſe ad - plicari, qvæ apud Iobum de Leviathane ſen - ſu myſtico traduntur. Sine dubio optimam illam judicaveris religionem, qvæ & culto - res ſuos maximis divitiis atꝙ́ honoribus cu - mulavit, & efficaciſſimis inſtructa est me - diis, ad tontendas ſimul & in obſeqvio reti - nondas oviculas &c.

  • Sebaſt. Monſ. muß ein gut Gedaͤcht - niß haben / weil er einen ſo langen Diſcurs in Sinne behalten / und von Wort zu Wort herſagen kan.
  • Alexander. Was einem gefaͤllt / merckt man gar leicht.
  • Sebaſt. Aber ich zweifele / daß dieſes ein der Roͤmiſchen Kirche zugethaner geſchrieben.
  • Alexander. Dem ſey nun wie ihm wol - le / gnug daß alles mit der Warheit uͤberein ſtimmet.
  • Sebaſt. Zum Theil.
  • Alexander. Vor den vierdten Jrrthumder219Europæer. der Roͤmiſchen Kirche erkenne ich die Abgoͤtterey mit denen Bildern / daß man gegen ein Bild niederfaͤl - let / und ſein Gebeth verrichtet.
  • Sebaſt. Wir beten das Bild nicht an / ſondern die jenige Perſon / welche durch das Bild angedeutet wird.
  • Alexand. Es iſt doch nicht recht. Mey - net der Herr Pater, daß dorten / in - dem die Kinder Jſrael das guͤldene Kalb anbeteten / ſie ſolches vor einen Gott hielten / mit nichten / denn ſie wuſten wohl / daß ſie den Klumpen Gold mit aus Egypten-Land ge - fuͤhret; ſondern verſtunden durch das guͤldene Kalb den rechten wahren GOtt / und dennoch wurden ſie ge - ſtraffet.
  • Sebaſt. Es hatte mit dem guͤldenen Kalbe dazumal eine gantz andere Bewandniß. Aber wir wollen vor - itzo ein wenig unſerer Ruhe pfle -gen /220Der verliebtegen / und das jenige / was Heute et - wa vergnſſen worden / biß Morgen ſparen.
  • Alexand. Jch bin gar wohl zu frieden. Bitte unterdeſſen / mir meinen ietzt gefuͤhrten Diſcurs nicht uͤbel auff - zunehmen / indem man wohl weiß / daß ein Politicus in der Schrifft nicht ſo wohl beſchlagen / als etwa die Herren Geiſtlichen / deren Profeſ - ſion es iſt.

Hiermit ſchlieff Alexander mit dem Herrn Ieſuiten gar ſanffte ein / und erwachte nicht eher / biß die Sonne mit ihrem Auffgange ſchon vor einer Stunde den Tag verkuͤndiget. Der Herr Pater fragte unſern Ritter / wie er die vergangene Nacht geruhet / welcher denn ſagte: Er habe neulicher Zeit nicht ſanffte geſchlaffen. Stieg derowegen geſchwind aus dem Bette / zoge ſich an /und221Europæer. und gieng zu Antonio / umb zu verneh - men / wie er ſich befinde / als er aber an - die Kammer-Thuͤr kam / und ſahe / daß ſie zugeſchloſſen war / pochte er ein we - nig an / Antonius meynete / es waͤre etwa ein Frembder da / fragte demnach / wer zu ihm wolte / Alexander ſagte: daß er es waͤre / worauff denn Antonius ihn ſtarck an die Thiere ſtoſſen hieß / welche / weil ſie nicht recht zugeſchloſſen war / als bald auffſprang.

Antonii Braut / oder nunmehro vielmehr junges Weibgen ſchaͤmete ſich uͤber alle maſſen / als ſie Alexandern in die Kammer treten ſahe / kroche dero - wegen unter das Bette.

Unſer Europæer fragte Antoni - um / wie er ſich dieſe Nacht befunden. Gar wohl antwortete er / nur daß ich nicht weiß / wie ich ſomatt bin.

Solches / ſagte Alexander, wird vieleicht das geſtrige Tantzen verur -ſachen222Der verliebteſachen / es kan wohl ſeyn / verſetzte Anto - nius / zumal wir allererſt heut fruͤh umb 2. Uhr zu Bette gangen.

Alexander wolte die beyden Per - ſonen in ihrer ſuͤſſen Ruhe nicht ſtoͤhren / ſondern begab ſich auff den Saal / allwo das Fruͤhſtuͤck ſolte gegeben werden. Er verzog etwa 2. Stunden / in waͤrender Zeit er in einem Frantzoͤſiſchen Buche laſe / als das meiſte Frauenzimmer / wel - ches geſtriges Tages auff der Hochzeit geweſen / ſich wiederum einſtellete.

Unſer Sicilianiſcher Ritter erblickte alsbald Jungfer Blandinchen / gieng derowegen zu ihr / ergrieff ſie bey der Hand / und fuͤhrete ſie ans Fenſter / fra - gende: Wie ſie die vergangene Nacht geruhet. Jungfer Blandinchen ant - wortete / daß ſie keine gute Nacht gehabt haͤtte. Ja ſagte Alexander ich zwei - fele nicht / daß Madam keine beſſere Nacht ſolte gehabt haben / wann ſie ander223Europæer. der Braut Stelle geweſen. Wie ſo / fragte Blandinchen? Alexander ant - wortete: Die Jungfer Braut hat ge - ſtern ſehr getantzet / und alſo die vergan - gene Nacht / auff ſolche Muͤdigkeit wol geſchlaffen / und zu dem hat ſie einen gu - ten Cameraden an Herrn Antonio gehabt / welcher ſie / weil es ietzt ohne dem die Nacht durch ziemlich friſch / fein waͤr - men koͤnnen. Jungfer Blandinchen verſetzte: Die Sachen ſind meinem Verſtande zu intricat. Es fielen noch ein und die andere luſtige Diſcurſe hier vor welche ich aber um beliebter Kuͤrtze willen mit Fleiß verſchweige / und ſolche nebſt andern Begebenheiten auff dieſer Hochzeit / in die Politiſche Wuͤnd - ſchel-Ruthe zu bringen geſonnen.

Doch muß ich hier nicht vergeſſen zu erwehnen / daß Jungfer Charlotta / wegen der geſtrigen Verruͤckung ihresLCon -224Der verliebteConcepts / dieſen Tag die Hochzeit un - beſuchet ließ / welches denn das andere Frauenzimmer nichts achtete.

Antonius machte ſich nun auch allmaͤhlig (ohngefehr um eilff Uhr zu Mittage) mit ſeiner neuen Eheliebſten aus denen Federn / zog ſich / als er ſahe / daß es ſchon ſo hoch am Tage / geſchwind an / und begab ſich zu ſeinen Hochzeit - Gaͤſten / welche denn ihm und ſeiner Liebſten zu ihrer neu angehenden Hey - rath Gluͤck wuͤndſchten / mit dem An - hang und Wundſch: Daß die vergan - gene Nacht eine Urſach der uͤber drey viertel Jahr hierauff erfolgten Kind - tauffte ſeyn moͤchte. Das Juͤngferliche Frauenzimmer aber ſtackte die Koͤpffe zuſammen / und hatte allerhand Phyſi - caliſche Diſcurſe. Eine ſagte zu der andern: Sieh doch wie ſich die Braut in - nerhalb zwoͤlff Stunden geaͤndert hat /geſtern225Europæer. geſtern war ſie eine Jungfer / heute iſt ſie eine Frau. Die andere ſagte: Die Braut ſiehet aus / als wenn ſie heute nicht ausgeſchlaffen. Solche und der - gleichen Reden fuͤhret das Floͤhzimmer mit einander / und war wol keine unter dem Hauffen / welche nicht ſolte Ver - langen getragen haben / die vergangene Nacht der Braut Stelle vertreten zu haben.

Hierauff ſatzte man ſich zu Tiſche / und nachdem die Mahlzeit geendiget / kam Friedrich zu Alexandern gelauf - fen / mit vermelden: Daß ihm ein guter Freund aus Sicilien zu ſprechen ver - langte. Als unſer Ritter auff eine kurtze Zeit von denen Hochzeit-Gaͤſten Ab - ſchied genommen / und in ſein Logiament gelangei / merckte er gar bald / daß der jeniget welcher ihn ſprechen wolte / ſein Vetter Aurelius war. Er empfieng ihn freundlich / und bath zugleich / erL 2moͤchte226Der verliebtemoͤchte ſich geſchwind anders anziehen / und mit ihm auff die Hochzeit gehen. Aurelius entſchuldigte ſich zwar an - fangs / mit vorgeben: Es wuͤrde ſich nicht ſchicken / daß er als ein Fremder / ungebeten auff die Hochzeit kaͤme / aber Alexander ließ nicht eher zu bitten ab / biß er mitzugehen verſprochen.

Derowegen zog Aurelius ſein Rei - ſe Kleid aus / thate ein anders an / ſetzte einen Hut mit einer weiſſen Feder auff den Kopff / und gieng alſo mit Alexan - dern fort.

Als ſie auf den Saal / allwo die ſaͤmt - lichen Gaͤſte verſamlet waren / gekom - men / gieng Aurelius alsbald zu Herrn Antonio / entſchuldigte ſich wegen der Grobheit / die er ietzt begangen / indem er als ein Fremder ſich mit hieher ge - funden / ſchob darneben alle Schuld auf Alexandern, welches denn vom Anto - nio gar wol auffgenommen wurde / weiler227Europæer. er es ſich vor eine groſſe Ehre ſchaͤtzte / ſo vornehme Gaͤſte bey ſeiner Hochzeit zu zu haben.

Unterdeſſen gieng Alexander zu Jungfer Blandinchen / nahm ſelbige bey der Hand / und fuͤhrete ſie zu Aure - lio.

Dieſer weil er noch niemahlen in Straßburg kommen / wuſte die Manier nicht / mit ſelbiger Staats-Damen um - zugehen / derowegen blieb er gantz ſtille bey Jungfer Blandinchen ſitzen / und gab nur acht auff den Tantz.

Blandinchen verachtete in ihren Hertzen Aurelium / weil er nicht ſtracks mit ihr dilaͤtzeln wolte / ſagte derowegen zu einer Jungfer / welche bey ihr ſaß: Jch weiß nicht wie mir der Kerl vor - koͤmmet / entweder er iſt ſtoltz / oder hat die Einfaͤltigkeit zur Mutter gehabt.

Du Narr / antwortete jene / werL 3wird228Der verliebtewird ſich denn ſtracks wenn einer frem - de iſt / bekant machen. Halt / halt / ſagte Blandinchen / ich wil bald ſehen / ob ich mit den Hebebaum meiner Beredſam - keit ſein durch dieſes kalte Wetter an den Kopff gefrorenes Maul bewegen kan; Hiemit redet ſie Aurelium alſo an: Mons. iſt entweder muͤde von der Reiſe / oder ſtehet ihm vielleicht die Com - pagnie nicht an / weil er ſich ſo ſtille erzei - get.

Aurelius antwortete: Er ſey heut nicht uͤber drey Meilen geritten / und was die Compagnie anlangte / muͤſſe er gar gerne geſtehen / daß ihm nicht be - kandt / wie man allhier mit Frauenzim - mer umzugehen pflege.

Eine naͤrriſche Sache iſt es / wenn Leute dem jenigen / welcher als ein Fremder an einen Ort kommet / et - was wollen vor uͤbel halten. Ein ſol -cher229Europæer. cher Menſch kan es faſt niemand / ab - ſonderlich den Frauenzimmer / recht machen. Jſt er im Anfange ſtill und erbar / muß er ein einfaͤltiger Menſch ſeyn. Jſt er aber luſtig / ſo ſpricht man: Der Kerl weiß nicht / wie er mit Frau - enzimmer umgehen ſoll / wie machet er ſich ſo geſchwind gemeine. Jſt er zu Gaſte und iſſet wenig / ſo ſpricht man - der Kerl zuͤchtet. Laͤſſet er es ſich aber gut ſchmecken / ſo ſpricht man / der Kerl friſſet / als ob er in 3. Tagen keinen Biſ - ſen geſehen / und alſo kan keiner hoͤni - ſchen Leuten es recht machen. Wann mir es begegnete / gedaͤchte ich wie des Goldſchmiedes Junge. Das Frau - enzimmer / zumal von Buͤrgerlichem Stande / welches die Manns-Perſo - nen zu ſchrauben gedencket und ihre Worte auff die Gold-Wage leget / betreu get ſich ins gemein ſelbſten / in - dem mehrentheils die in ihrem Sinne L 4galan -130[230]Der verliebte galanteſten Jungfern / am langſam - ſten Maͤnner bekommen. Die Ur - ſache iſt: Jhres gleichen verlangen ſie nicht: Grafen / Herren und Edel - leute ſind dicke geſaͤet / aber ſehr duͤnne auffgegangen / und ſo auch gleich einer von dieſen Perſonen ein Maͤgdgen heyrathet / thut er es mehr wegen des Geldes als der Perſon. Jch kan auch keinen darum verdencken. Denn wenn zum Exempel einer von Adel nicht nach Mitteln heyrathen wil / kan er unter ſeinen Stande ſchon eine an - ſtaͤndige heyrath thun. Aber es heiſ - ſet nach dem heutigen Welt-Lauff: Nemo ſuâ ſorte contentus, es iſt heute zu Tage niemand mit ſeinem Gluͤcke vergnuͤget. Ein Bauer wil gerne ein Buͤrger ſeyn / ein Buͤrger ein Edelman / ein Edelmann ein Frey - Herr / ein Frey-Herr ein Graff / und ſo fort. Wie mancher ſetzet wegen ei -ner231Europæer. ner Hand voll Ehre ſein Leib und Le - ben in Gefahr / da doch alles vergaͤng - lich. Wo iſt der große Alexander / welcher keinen Grund in dieſer Welt funde / ſein Gluͤcks-Schiff Ancker-fe - ſte zumachen? Wer gedencket itzund an ſeine Siege? Wer betrachtet ſeine tapfere Thaten. Welchem die gan - tze Welt zu enge war / ſeinen Ruhm auszubreiten / muſte hernachmals in einem kleinen Grabe ſein Qvartier nehmen. Die Sonne ſeines Alters war kaum uͤber den Horizont geſtie - gen / als die truͤbe Wolcke des Todes ſolche verfinſterte. Die Blume ſeiner Jugend war in der beſten Bluͤthe / als der raue Wind einer hitzigen Kranck - heit ſolche abfallend machte. Wo iſt der weiſe Koͤnig Salomo / welcher durch ſeine Weißheit dieſe Ehre er - langet / daß mit Recht von ihm kan ge - ſaget werden / daß ſeines gleichen nicht L 5vor232Der verliebte vor ihm geweſen / noch auch nach ihm kommen ſoll. Wo iſt ſeine Weißheit? Sie iſt vergangen wie ein Rauch daß auch ſelbſten die Weiſen von ſolcher faſt nichts mehr wiſſen. Und alſo blei - bet es wohl darbey / daß nichts ver - gaͤnglicher als die Ehre.

Nach dem nun wohl in die 2. Stun - den vorbey geſtrichen / nahm Alexan - der mit Anrelio von denen ſaͤmtlichen Hochzeit-Gaͤſten / und abſonderlich Braut und Braͤutigam Abſchied / und begab ſich nach Hauſe.

Aurelius fragte ſeinen Vetter A - lexandern / was denn in Straßburg vor ein wunderlicher Status waͤre / daß man / als ein Frembder / ſich doch auff Gaſtereyen und bey dem Frauen - zimmer luſtig erzeigen ſolte. Alexan - der verſprach Aurelio den gantzen Staat in Straßburg / ſo viel ihm kun - dig / mit kurtzen Worten zu erzehlen.

Es233Europæer.

Es iſt / ſagt er / Straßburg eine Stadt / welche nicht allein wegen der ſchoͤnen Gebaͤuder / ſondern auch groſ - ſen Reichthum der Einwohner in gantz Europa beruͤhmt. Es iſt allhier eine ſtatliche Univerſitaͤt / und man - gelt mit nichten an gelehrten Leuten / welche mit ihrer Information der ſtudierenden Jugend an die Hand ge - hen koͤnnen / wenn ſie es thun wollen. Der Rath iſt mit ſolchen Perſonen durchgehends beſetzet / als an keinem Qrte in Teutſchland / abſonderlich iſt darinnen ein Ammeiſter / deſſen Ge - lehrſamkeit in gantz Europa bekandt / welcher aber noch bey dem groſſen Reichthum / den er hat / ſo human iſt / daß auch die geringſten Buͤrger vor ihn kommen / und ihre Noth anbrin - gen duͤrffen. Was er ſaget / dem koͤm̃t iederman willig und gerne nach / weill er ſich der Stadt Wohlfart ſo angele - L 6gen234Der verliebte gen ſeyn laͤßet / daß er deßwegen offt gantze Naͤchte ſchlaffloß zubringet. Jch habe ſelbſten die Ehre gehabt ihn zuſprechen / da er denn ſolche Hoͤfflig - keit mir erwieſen / welche ich allenthal - ben zu ruͤhmen Urſache habe. Die gemeine Buͤrgerſchafft iſt hoͤfflich und kan die jenigen / welche ihnen viel Geld zuwenden / gnugſam reſpectiren. Das Frauenzimmer aber iſt klug / Politiſch / galant, und weiß mit einer ſonderbaren Manier ſich bey ieder - man beliebt zu machen. Jſt hoͤniſch wil geehret und caresſiret ſeyn / und haͤlt die jenigen / welche mit ihnen nicht umgehen / vor lauter einfaͤltige Leute.

Aurelius antwortete: Jch be, dancke mich vor gute Information - und will ſchon ſehen / wie ich mich ein an - ders mal bey dem hieſigen Frauen -zim -235Europæer. zimmer beſſer verhalte / als heute ge - ſchehen.

Jn waͤrender Zeit / als ſich Ale - xander zu Straßburg auffgehalten / hatte ſich Friedrich ſein Diener in eines Schneiders Tochter verliebet / und zwar folgender geſtalt:

Es wurde Friedrich von ſeinem Herrn einsmals zu einem Schneider geſchicket / umb eine Krempe auff den Hut machen zulaßen. Friedrich gieng hin zu einen / welcher nicht weit von un - ſers Sicilianiſchen Ritters Logia - ment wohnete. Der Meiſter war gleich nicht zu Hauſe / hatte aber eine er - wachſene Tochter / welche Friedrichen alsbald wohl gefiel / alſo / daß er auff Mittel und Wege ſinnete / dieſe junge Ziege auff ſeine Seite zubringen / er gieng einſten wor ihres Vaters Haus / und weil das Toͤchterchen an der Thuͤ -L 7re236Der verliebtere ſtand / hielte er ein und die andere Diſcurſe mit ihr / biß der alte Ziegen - bock die Treppe herunter kam / und Friedrichen mit ſeiner Ellen den Ruͤ - cken maß. Dieſer Schimpff verdroſſe Friedrichen ſo ſehr / daß er nicht eher ru - hen wolte / biß er ſich an Meiſter Zie - genbocken geroͤchet / derowegen erſann er folgende Liſt: Er kauffte eine alte Zie - ge auff dem Marckte / zoge ihr einen zerriſſenen Kinder-Rock an / und kleide - te ſie ſonſt gar poſſirlich an / legte ſie her - nachmals in ſein Bette / und ließ den er - wehnten Schneider zu ſich kommen. Als dieſer zur Stelle war / ſagte Fried - rich zu ihm / er habe eine kleine krancke Schweſter / welcher er ein Maß zu ei - nem neuen Kleide machen ſolte; der Schneider war bereit hierzu / als er nun vor das Bette kam / nahm Friedrich die angeputzte Ziege aus dem Bette / ſchlug ſolche etliche mal dem Ziegenbocke umbsMaul237Europæer. Maul herum / und revangirte ſich al - ſo ſtatlich wegen des neulich angethane - nen Schimpfs.

Unterdeſſen bekam Alexander von Mons. Cloy (von welchem ich ſchon oben Meldung gethan) Briefe / deren Jnnhalt hierinne beſtunde / unſer Sicilianiſcher Ritter moͤchte belieben / kuͤnfftigen Sonnabend ihm zuzuſpre - chen. Alexander ſagte ſolches ſei - nem Vetter Aurelio / mit Bitte ihm Geſellſchaft Zu leiſten. Aurelius wol - te es nicht abſchlagen. Der Sonntag kam herbey / unſere beyden Ritter ſetz - ten ſich zu Pferde / und kamen nach Ver - lauff 2. Stunden an verlangten Ort. Mons. de Cloy empfieng ſie gar freundlich / und fragte Alexandern / warum er ihm ſo lange nicht zugeſpro - chen. Unſer Europæer ſchuͤtzte die vie - len Verirchtungen / welche ihm ſeitheroauff238Der verliebteauff dem Halſe gelegen / vor / mit vorge - ben / er waͤre ohne dem Willens gewe - ſen / dieſe Woche Mons. de Cloy un - gebeten auffzuwarten.

Nun gab den folgenden Sonn - tag der Pfarr an dieſem Orte gleich Kindtauffte / und weil er vernommen / daß ſein Herr Collator Gaͤſte bekom - men / und alſo morgendes Tages wohl ſchwerlich bey der Kindtauffte ſeyn wuͤr - de / geachte er dieſer Sache ein Loch zu machen / ſchickte zu Alexandern und Aurelio / und ließ ſie ebenfalls zu ſeiner morgenden Kindtauffte invitiren.

Als die Zeit zur Kindtauffe her - an kommen / begab ſich Mons. de Cloy mit ſeinen Herrn Gaͤſten zu ſeinem Pfarr / welcher ſie denn complimen, tariſch / weil er einen gantzen Tag zu vor darauff ſtudieret / empfing / und zu Ti - ſche ſich ſetzen hieß.

Es123[239]Europæer.

Es hatte aber der Herr Paſtor unnterſchiedliche benachbarte Collegen (Dorff-Prieſter meyne ich /) zu ſeiner Kindtauffte gebeten / welche in Anfang uͤber den Tiſch gantz erbar ſaſſen / biß ihnen das libe Biergen allmaͤhlig den Kopff einnahm / da denn der Kinds - Vater folgenden Diſcurs anfieng. Er ſagte: Jhr meine verſammleten Her - ren Mit-Arbeiter an den Worte Got - tes / und wohlbeſtallte Schulmeiſters. Jch bin erfreuet / daß mir das Gluͤcke heute eine ſo vornehme und angenehme Compagnie in mein Hauß gebracht / nun moͤchte ich gerne von ihnen ſaͤmmt - lich mich in einer mir hoͤchſt nachtheili - gen Sache informiren laſſen. Die geiſtliche Verſammlung verſprach ihn ſchon mit Rath und That an die Hand zu gehen. Hierauff fuhr der Herr Paſtor fort / und ſagte: Jch werde alle Nachte von einem unruhigen Polter -Gei -240Der verliebteGeiſte ſo ſehr getribuliret / daß ich mich offt nicht einmal mit Gottes Wort von ſelbigen loß machen kan. Offt koͤmmt das Geſpenſte zu mir vor das Bette / in Geſtalt eines Ziegenbocks / und wil mich mit ſeinen Hoͤrnern aus dem Bette ſtoſſen. Offt erſcheinet es mir in Geſtalt eines alten Weibes / ei - nes Muͤnchen / und dergleichen / und wenn es mir nur vor dem Bette erſchei - net / daß ich es recht eigendlich ſehen kan / ſo ſpricht doch meine Frau / ſie koͤnne nichts wahrnehmen / da wir doch mit einander in einem Bette liegen. Bitte ich alſo die hochanſehnliche Verſamm - lung wolle ſo wohl thun / und mir ohnge - fehr ſagen / wie es doch komme / daß im - mer ein Menſch eher als der ander ein Geſpenſt ſiehet. Jch bin zwaꝛ ein Sonn - tags-Kind / von welchen ohne dem die Rede iſt / daß ſolche immer die Geſpen - ſte am erſten ſehen.

Herr241Europæer.

Herr Magiſter Olitz / Pfarrer zu Grimmeswalde / antwortete: Was erſtlich die Geſpenſte insgemein / und deren Anfechtung anlanget / ſo iſt gewiß / daß der Teufel die froͤmſten und Gotts - fuͤrchtigſten Leute zum oͤffter am mei - ſten vexiret / wie wir denn aus der heili - gen Schrifft ſehen koͤnnen. War nicht Hiob ein frommer Mann / und dennoch wurde er durch GOttes Verhaͤngniß vom Teuffel alſo geplaget / daß er die Stunde ſeiner Gbeurt verfluchete. Au - ſer der heiligen Schrifft muͤſſen uns an - dere erleuchtete Maͤnner zum Exempel dienen. War nicht D. Luther ein aus - erwehlter Ruͤſtzeug GOttes / und ein Wiederauffbauer unſerer wahren Kir - che / und dennoch hatte er vom Teuffel ſolche Anfechtung / als wol ſchwerlich ei - ner zu unſerer zeit haben wird. Fra - get man aber nach der Urſache / ſo kan man keine andere finden / als daß einerſa -242Der verliebteſagen kan. Der Teufel ficht deßwegen die Frommen an / weil er es bey denen Gottloſen nicht bedarff / welche ohne - dem ſchon in ſeiner Gewalt / und zudem iſt der Tenffel ein hochmuͤthiger Geiſt / welcher es ſich vor eine groͤſſere Ehre ſchaͤtzet / die feſt gegruͤndeſten zum Fall zu bringen / als die jenigen / welche ohne dem gleich einem Rohre / welches der Wind hin und wieder wehet. Greiffet er Kirchendiener / welche in der Kirche groſſen Nutzen ſchaffen / mit Anfechtung an / ſo thut er es ſein Reich zu vermeh - ren / und die Anzahl der Glaͤubigen zu - verringern / weil er gedencket / ſolche Leu - te werden ſich verfuͤhren laſſen / und vom wahren Gottesdienſt abfallen / und wol gar an ihrer Seligkeit verzweiffeln.

Daß man aber ſagen wil / es ſehe immer ein Menſch die Geſpenſte eher als ein anderer / und was etwa von Soñ -tags -243Europæer. tags-Kindern geſchwatzet wird / halte ich vor lauter Narrenpoſſen / und ſage ſo: Daß einer eher ein Geſpenſt ſiehet / als der andere / ruͤhret nicht von der Ge - burt oder Conſtitution des Menſchen her / ſondern vom Teuffel ſelbſten / weil ſelbiger ſich dieſem und jenem Men - ſchen deutlicher zeigen wil / um ihn hie - durch zu betruͤgen. Wen er alſo nicht betruͤgen kan oder wil / dem zeiget er ſich auch nicht ſo leichtlich / alſo mag es wol ſeyn / daß unſer HErr GOtt dem Teuffel nicht zulaſſen wil / ſich euerer Hauß-Frauen zu zeigen / ſondern nur euch probieret / um zu erfahren / ob ihr im Glauben feſte ſtehen werdet oder nicht. Sein Nebenſitzer / Pfarrer auff den naͤheſten Dorffe / fragte ihn / ob denn der Teufel allezeit abſonderliche Macht von GOtt empfangen muͤſte / wenn er die Frommen anfechten wolte. Aller - dings antwortete Herr Magiſter Olitz. Man244Der verliebteMan ſiehet es dorten an dem Hiob / der Teuffel kunte ihm nichts anhaben / biß es unſer HErr GOtt zugelaſſen. So gehet es noch heut zu Tage. Ohne Gottes Willen kan uns nicht ein Haͤr - lein von unſerm Haupte fallen / und wenn wir uns auff Gott verlaſſen / und der Teufel zu uns koͤmmt / und uns in Verzweiffelung zu ſtuͤrtzen ſuchet / koͤn - nen wir ihn getroſt unter Augen treten. Jch erinnere mich / was mir ohngefehr vor 29. Jahren / als ich zu Wittenberg ſtudierte / wiederfahren. Jch hatte in meinem Penal-Jahre nach Art des da - maligen Styli, ziemlich liederlich gelebet / wol manche Woche mehr Glaͤſer Bier ausgeſoffen / als Vater Unſer gebethet. Da ich derowegen mich einſten zur Ru - he begeben / hoͤrete ich ein ſchrecklich Katzen-Gebeiſſe / welches mir immer naͤher kame / alſo daß endlich das Katzen - Scharmuͤtzel vor meinem Fenſter vor -gieng.245Erropæer. gieng. Jch / als des Dinges ſonſt unge - wohnet / erſchrack uͤber alle Maſſen ſehr zumal / da ich gewahr wurde / daß eine ſchwartze Katze / welche / in der Groͤſſe ei - nem Kalbe nicht ungleich / zum Fenſter hinein ſprang / und auff mein Bette zu - eilete / ich hatte wol in einen gantzen Jah - re nicht ſo viel gebetet / als ich dißmal thate / aber / ungeacht ich den Nahmen JESU zum oͤfftern nennete / und das Creutz Creutzweiß uͤber mich ſchlug / wolte es doch nichts verfangen / ſondern das liebe Maͤyen-Kaͤtzgen ſprang zum Fuͤſſen in mein Bette hinnein / ſatzte ſich gegen mir uͤber / hatte einen geſchriebe - nen Brieff im Maule / und ſahe mich mit unverwandten Augen an / welche denn ſo helle leuchteten / daß / ohngeacht es ſonſt ſtockfinſter in der Kammer war / ich doch alles erkennen kunte.

Wie mir bey dieſem Anblick muͤſſe zu Muthe geweſen ſeyn / kan man leichtden -246Der verliebtedencken endlich faſſete ich mir ein Hertz / wie ein Groſchen-Brod groß / und ſagte wieder das Geſpenſt; Warum verſtoͤ - reſt du mich boͤſer Geiſt ietzt in meiner Ruhe.

Das Geſpenſt ſperret das Maul auff / welches gantz voll Feuer war / und ſprach: Hier bringe ich dir deine Suͤn - den / welche du die gantze Zeit deines Le - bens / und abſonderlich dieſes vergange - ne Jahr uͤber / gethan / deren Anzahl ſo groß iſt / wie der Sand am Ufer des Meeres.

Jch antworte: Teuffel du biſt ein Luͤgen-Geiſt / wie haſtu ſo viel Suͤnden auff einen ſo kleinen Zettel bringen koͤn - nen? Der Teuffel antwortete: Die - ſes ſind nur die vornehmſten / die andern wil ich dir / ſo du es verlangeſt / alle auff ein Haar erzehlen. Mein GOtt hat mir dieſe Suͤnden alle vergeben / ſagte ich. Der Teuffel verſetzte / ja / ja / ſpitzedich247Europæer. dich nur drauff / weiſt du nicht / daß dor - ten in der Schrifft ſtehet? Wenn der Gerechte einmal ſuͤndiget / ſo ſoll aller ſeiner Gerechtigkeit ſo er zu - vor gethan hat / nicht gedacht wer - den. Jch wil dem Leſer nicht etwa ei - nem Verdruß zuverurſachen / dieſes warhafftige Geſpraͤch zwiſchen dem Satan und Magiſter nach der Ord - nung her ſetzen.

  • Mag. Haſtu denn auch geleſen? Wenn der Gottloſe ſich bekehret / ſo ſoll aller ſeiner Boßheit / die er be - gangen hat / nicht gedacht wer - den.
  • Teuf. Meyneſtu denn / daß du dich ie - mals recht bekehret haſt?
  • Mag. Freylich.
  • Teuf. Du irreſt gar weit.
  • Mag. Warum?
  • Teuf. Habe ich dir nicht allezeit bey dei - ner Bekehrung allerhand Gedan -Mcken248Der verliebtecken eingegeben / welche deine An - dacht verhindert / und deine Buße nur Heucheley geweſen.
  • Mag. Daß du mir bey meiner Bekeh - rung boͤſe Gedancken eingegeben / davon weiß ich nicht / und ſolte es auch gleich geſchehen ſeyn / ſo werde ich doch ſolche mit fleißigem Gebet ieder - zeit wiederum vertrieben haben.
  • Teuf. Habe ich dich nicht in deiner An - dacht zum Gebet immer verſtoͤret / und die fremde Gedancken einge - geben. Jch verſichere / dich daß du die Zeit deines Lebens nicht ein Va - ter Unſer mit rechter gebuͤhrenter Andacht gebetet.
  • Mag. Jch ſehe wohl / du ſucheſt mich in Verzweiffelung zu bringen / da ich doch weiß: Wo die Suͤnde maͤch - tig worden iſt / da iſt GOttes - Gnade noch viel maͤchtiger.
Teuf -249Europæer.
  • Teuf. Ja traue nur darauff / du wirſt es ſchondermaleins erfahren.

Hierauff / ſagte Herr Magiſter Olitz / wurde ich ungedultig / und ſprach wieder das Geſpenſt: Jch gebiete dir im Namen meines und deines HErrn JEſu / daß du dich von mir wegma - cheſt. Alsbald verſchwand das Ge - ſpenſt / alſo daß mir nach der Zeit nichts mehr vorkommen / ließ aber einen ſol - chen ſtarcken Geruch hinter ſich als 200. Bauern / wenn ſie von der Kirchmeß nach Hauſe gehen. Alſo muß man den Teuffel mit ſtarcken Glauben ver - achten und nichts darnach fragen / ob er einem gleich die Hoͤlle heiß machet / und zur Verzweifflung bringen wil / denn wenn man dem Teuffel nur einmal nachgiebet / ſo gedencket er gewonnen zu haben / dannenhero er allezeit mit ſo ſchrecklicher Geſtalt erſcheinet / umM 2uns /250Der verliebteuns / wennwir nicht nach ſeiner Pfeiffen tantzen wollen / einzubilden / er koͤnne ietzt mit uns nach ſeinem Gefallen ma - chen was er wolle / aber es iſt gar weit gefehlet. Denn der Teufel kan einem / ohne GOttes Zulaſſung / nicht ein boͤß Wort geben. Alexander fragte / was denn davon zuhalten / wenn bisweilen Geſpenſte kaͤmen / und einem einen rei - nen Schatz (wenn man ihme folgen wolte) anbaͤten? Gar nichts / antwor - tete der Herr Magiſter. Denn ob wir Menſchen gleich dencken: Der Teufel meynet es mit uns gut / indem er uns Geld darbitet / ſo ſiehet doch der Satan mehrentheils hierauff / und gie - bet das Geld ſolchen Leuten / von denen er weiß / daß ſie ſolches nicht wol anle - gen werden / wie der gleichen Exempel hin und wieder in denen Buͤchern zu finden. Gott hat gantz andere Mittel die Seinigen reich zu machen / und darffden251Europæer. den Teufel darzu nicht gebrauchen. U - ber dieß ſetzte ein ſolcher / welcher einem Geſpenſte folge / den wahren Gott auff die Seite / und hingegen ſein Vertrau - en auff den Teuffel / dahero man denn gar offte erfahren / daß ſolche Leute ſchlechten Lohn / und an ſtatt des Geldes den Todt bekommen haben; Daß aber der Teuffel bißweilen einen paßiren laͤſ - ſet / welchen er ohne dem ſchon in ſeiner Gewalt hat / geſchiehet deswegen / daß er als ein ſchlauer Politicuntz, andere anzukoͤrren gedencket.

Denn der Teuffel hat gar ſonder - bare Maximen, ſein Reich zu vermeh - ren / von welchen nicht die geringſte das Reichthum. Denn es heiſſet wohl recht: Opes irritamenta malorum. De - rowegen kan der Herr Magiſter Sper - ling nicht beſſer thun / als daß er den Teu - fel / wenn er ihn zu erſchrecken pfleget /M 3nur252Der Verliebtenur mit Verachtung abweiſet / denn weil er ein hochmuͤthiger Geiſt iſt / kan er ſolche nicht leiden. Mons. de Cloy verſetzte / und ſagte: Wenn denn der Teufel die Leute in Leibes und See - len-Gefahr zu bringen ſuchet / woher koͤmmpt es denn / daß der Satan zum oͤfftern in Geſtalt eines Kobelts / (wie man ſpricht /) denen Leuten allerhand Dienſte thut? Herr Magiſter Olitz antwortete: Dieſes geſchicht eben auch darum / damit er die Leute ankoͤrnen moͤge / daß ſie ihm trauen / und gar nicht aus einer guten Meinung. Gleich wie auch zum oͤfftern der Teufel durch ſeine Werckzeuge / die Hexen / denẽ Leu - ten auff Befragen Diebſtaͤhle und an - dere verborgene Sachen offenbaret / nur damit ſie ihr Vertrauen auff ihn ſetzen / und die Verbrecher deſto eher in ſeine Compagnie kommen moͤgen / den - cken alſo die Leute / der Teufelſey biß -wei -253Europæer. weilen denen Menſchen gewogen. Er iſt ein rechter Simulator, und kan ſich auch in einenen Engel des Lichtes ver - ſtellen / nachdem er Perſonen vor ſich hat / welche er zu verfuͤhren trachtet. Jſt er doch wohl eher Doctor Luthern / in Geſtalt des HErrn Chriſti am Creu - tze / erſchienen. Und ob man gleich ein - wenden moͤchte / daß GOtt ie zuweilen auch ſeine heilige Engel uns zu Dienſte uͤberlaſſen koͤnte / iſt doch ſolches nicht ſo leicht zu glauben / weil die Boßheit der Menſchen nunmehro ſo groß / daß Gott uns ſolcher Bothſchafften unwuͤrdig achtet. Eine andere Sache war es im Alten Teſtamente da GOtt ſich de - nen Leuten noch eher offenbarete / als ietzund.

Aurelius / als er ſahe / daß dieſer Mann ſolche gelehrte Diſcurſe fuͤhre - te / bate er / ihm hierinne Nachricht zuM 4er -254Der verliebteertheilen / warum denn der Teufel / wenn mancher Menſch geſtorben / um - gienge / wie man es nennete: Der Ma - giſter antwortete: Der Menſch / wel - cher geſtorben / iſt entwederfromm oder gottloß geweſen. Jſt erfromm gewe - ſen / ſo tourniret der Teufel deßwegen / damit die Leute ſagen ſollen / wie auch insgemein geſchiehet: Wer haͤtte es dencken ſollen / der Menſch hat ſich in ſeinem Leben euſerlich fromm und erbar gehalten / und itzund gehet er ſo umb; und alſo verſuͤndigen ſich die Leute an ſolchen Verſtorbenen / welches dem Sa - tan ein gefunden Freſſen. Jſt der Ver - ſtorbene gottloß in ſeinem Leben gewe - ſen / ſo thut es der Teuffel deswegen / da - mit die Leute ſagen ſollen / der Menſch hat auch in ſeinem Tode keine Ruhe. Da ſiehet man wie er muß gelebet ha - ben / und alſo erlanget der Teuffel im - mer ſeinen Zweck / verſpricht denen / ſoih -255Europæer. ihnen nachfolgen / lauter guͤldene Ver - ge / da ſie hernachmals mit ihrem un - wiederbringlichen Schaden erfahren muͤſſen / daß der Satan ein rechter ver - dammter Luͤgengeiſt / wie hiervon man - che verbrannte Hexe / wenn ihr vergoͤn - net waͤre / wiederum in dieſe Welt einen Blick zu thun / reden koͤnte. Ale - xander fragte: Wie es doch kaͤme / daß der Teuffel niemand / eher als die alten Weiber betroͤge. Herr Magiſter O - litz antwortete: Erſtlich / weil die Wei - ber insgemein viel auff Aberglauben halten / welches der erſte Anfang zur Ab - goͤtterey iſt / dannenhero es auch vor Zeiten denen Kindern Jſrael unſer HErr GOtt gar ſcharff verbothen: ſie ſolten kein Zeichendeuter und Tag - wehler leiden. Zum andern / weil der Satan ſeine erſte Probe der Betruͤge - rey an unſer Groß-Mutter Eva pra - cticiret / ſuchte er noch immer / das weib -M 5liche256Der verliebteliche Geſchlecht / welches ohne dem mit bloͤdrn Verſtande begabet / uͤber den Toͤlpel zu werffen. Hier zu koͤmmt noch dieſes / daß mehrentheils das Weibes - Volck von Natur hochmuͤthig / nun iſt der Satan auch ein hochmuͤthiger Geiſt / kan alſo mit ihnen gar wohl zu rechte kommen.

Monſ. de Cloy Eheliebſte that per Spaß / als ob ſie es uͤbel auffnaͤh - me / daß man ſagte: Das Frauenzim - mer waͤre von Natur hochmuͤthig. Herr Magiſter Olitz merckte es aber ſtracks / derowegen ſagte er: Madame, ich wil nicht hoffen / daß ſie meine Worte wird uͤbel auffgenommen ha - ben / indem ich nicht geſaget: daß alle Weibes-Perſonen ſtoltz waͤren / ſondern nur / daß ihre Natur darzu inclinire / welches ich auch hieraus erweiſen kan: Als dorten die Schlange / oder vielmehrder257Europæer. der Teufel / in Geſtalt derſelben / Evam betruͤgen wolte / wuſte er keine beſſere Perſvaſoria zu gebrauchen / als / daß er von vieler Ehre ſchwatzte / welche Eva / durch Genieſſung der verbothenen Frucht erlangen wuͤrde / ſagte / ſie wuͤr - de GOtt gleich ſeyn / und was etwa der Teuffel vor Reden mehr gefuͤhret / wel - che nicht auffgezeichnet zu finden. Weil nun Eva noch in einen hoͤhern Stand ſich zu ſetzen gedachte / begieng ſich in ei - nen ſolchen Jrrthum / deßwegen wir al - le / alß ihre Nachkommen geſtraffet. De - rowegen ſage ich / daß der Hochmuth dem Frauenzimmer von Eva her ange - erbet / daß aber manche Perſon / auch ih - rer Natur zuwider / ſolchen nichtachtet / iſt billich zu loben. Der Hochmuth wird heute zu Tage vor eine Galante - rie gehalten. Da weiß manch Frauen - zimmer nicht / wenn es auff der Gaſſe gehet / wie es ſich gnugſam bruͤſten ſoll /M 6da258Der verliebteda koͤnnen manche die Schenckel ſo art - lich ſetzen / gleich denen Pferden / welche gute Bereiter gehabt.

Monſ. de Cloy fiel dem Herrn Magiſter in die Rede / ſagende: Wir ſind von unſerm Geſpenſt-Diſcurſe gantz weit abkommen / derowegen wie - derum etwas zu gedencken / moͤchte ich gerne wiſſen / was denn die Gelehrten vor Meynung von Samuelen / wel - chen dorten Saul durch das kluge Weib zu Endor hervor bringen laſſen / haben. Die meiſten Theologi / antwor - tete er / halten dafuͤr / daß es der Teuffel geweſen / welcher in Samuelis Geſtalt erſchienen / und zwar aus der Haupt - Urſache / weil es mit Huͤlffe einer Weiſ - ſagerin geſchehen.

Es wollen zwar unterſchiedliche ſolches nur bloß aus denen Wortenſchlieſ -259Europæer. ſchlieſſen: Morgen wirſtu mit dei - nen Soͤhnen mit mir ſeyn. Aber dieſes kan wol vom Tode zuverſtehen ſeyn / daß nemlich der Teuffel andeuten wollen: Saul werde Morgen mit ſei - nen Soͤhnen Samuelen im Tode Ge - ſellſchafft leiſten. Andere / welche zu behaupten gedencken / daß es der rechte Samuel geweſen / wollen es aus der Weiſſagung erweiſen / in welcher ſtracks im Anfang ſtehet: Der HErr wird dir thun / wie er durch mich geredt hat. Aber diß iſt gar ein ſchlecht Fun - dament / denn der Teuffel wil mit dieſen Worten nur ſo viel andeuten: Daß GOtt Samuelis in ſeinem Leben ge - thane Weiſſagung erfuͤllen werde / und zudem ſo iſt eines unter dieſen beyden wahr: Samuel iſt entweder durch GOttes / oder des Teuffels Hand ge - fuͤhret / dem Koͤnige Saul erſchienen. Das letzte halte ich ſchon durch mein Ar -M 7gu -260Der verliebtegument von der Zauberin vor erwieſen / und wer das erſte ſtatuiren wil / der muß wunderliche Schluͤſſe / welche in der heiligen Schrifft nicht gegruͤndet zu finden / machen. Denn ein ſolcher muß erſtlich dafuͤr halten / daß Gott die Seele Samuelis aus dem Himmel ge - laſſen / den ſchon verfaulten Leib wieder - um in ſein vormahliges eſſe geſetzet / und vor das andere zugegeben / daß die ver - einigte Seele mit dem Leibe / es iſt nicht præſumirlich / daß GOtt Samuelis Seele einen neuen Leib ſolte erſchaffen haben / viel weniger ſolches dem Teuffel zugelaſſen) durch Huͤlffe und Bemitte - lung einer Zauberin / ſich dem Koͤnige Saul offenbaren moͤgen. Was das erſte anlanget / wird ſolches mit denen klaren Worten: Der Gerechten Seelen ſind in Gottes Hand / und keine Quaalruͤhret ſie an / geleugnet. Denn es iſt nicht probabel, daß dieSee -261Europæer. Seele eines gerechten / welche ſchon der ewigen Freude theilhafftig / eine Weile / auff GOttes Zulaſſung / ſich derſelben entziehen / und uns Sterbliche beſuchen ſolte / ſondern es heiſſet: Sie haben Moſen und die Propheten. Zum ander / wenn GOtt dem Koͤnige Saul etwas offenbaren wollen / haͤtte er es eher von ſich ſelbſten / als auff Sauls Bitte / gethan. Und endlich / wenn man Sauls intention anſiehet / ſo kan gar leicht dieſer Streit eroͤrtert werden. Denn als der Koͤnig ſahe / daß ihm GOTT weder durch Traͤume / noch Propheten antwortete / und der HErr alſo von ihm gewichen / ſuchte er Huͤlffe bey dem Teuffel / und alſo iſt es gar eine wunder - liche Meynung / wenn man ſagen wil: GOtt habe Saulen lieber durch den Teuffel / als auff andere Art / antworten wollen. Es kommen zwar etliche und ſagen: Haͤtte der Teuffel den HErrnChri -262Der verliebteChriſtum koͤnnen auff die Zinne des Tempels fuͤhren / ſo koͤnte ihm viel eher zu gelaſſen ſeyn worden / dem Koͤnige Saul / Samuelen hervor zu bringen. Aber es iſt hier ein Unterſcheid zu ma - chen / der HErr Chriſtus wurde verſu - chet / als er noch auff Erden lebte / und zwar nicht nach der Goͤttlichen / ſondern Menſchlichen Natur / nach welcher er uns / die Suͤnde ausgenommen / in al - lem gleich / Samuel aber war geſtorben. Wolte gleich einer aus dem 46. Capitel Sirachs / worinnen ſtehet: Daß Sa - muel nach ſeinem Tode geweiſſaget / et - was erweiſen / ſo muͤſſen dieſe Worte Fi - guratè verſtanden werden / als wie man einem Bildniß den Namen der Per - ſon zueignet / welche damit abgebildet worden.

Unſer Europæiſcher Ritter ver - ſetzte: Jch habe mit guter Vergnuͤ -gung263Europæer. gung des Hn. Magiſters Diſcurs an - gehoͤret / und daraus verſtanden / daß er meynet: Es koͤnte die Seelen der Ge - rechten niemals wiederum aus dem Himmel zu uns auff Erden kommen / da wir denn ſo wol in Neuen / als Alten Teſtamente das Widerſpiel ſehen / als im Neuen Teſtament an denen Heili - gen / welche bey Chriſti Leiden aus denen Graͤbern geſtiegen / an dem Juͤngling zu Nain / Lazaro / ꝛc. Der Pfarrer ant - wortete: Was erſtlich die Heiligen an - langet / welche bey Chriſti Leiden auffer - ſtanden / ſo kan man hiervõ nichts gewiſ - ſes ſagen. Jch halte dafuͤr / daß dieſelben nicht lange auff der Erden blieben / ſon - dern bald wiederum nach ihrer Erſchei - nung verſchwunden / denn ſonſt wuͤrde man vieleicht ſolches als ein Miracul in denen alten Profan-Scribenten eben - fals finden / und zudem waͤre es eine wunderliche Sache / wie ich ſchon vorhiner -264Der verliebteerwehnet habe / wenn die Seelen und reſtituirten Leiber der Heiligen wie - derum in dieſe ſuͤndliche Welt gekom - men / weil ſie von neuen geſuͤndiget / gar leicht haͤtten koͤnnen verdammet wer - den / oder ſich / weil ihre Seelen ſchon einmal im Himmel geweſen / darauff verlaſſen.

Was den Juͤngling zu Nain und Lazarum betrifft / muß ich geſtehen / daß wir die Vernunfft gefangen nehmen muͤſſen / wenn wir nicht etwa mit denen Papiſten ſtatuiren wollen / daß die Seele des Lazari nach ſeinem Tode nicht alsbald in Himmel / ſondern ins Fege - feuer kommen. Es fielen noch ein und die andern Diſcurſe vor / und unter an - dern auch die Frage: Auf was vor Manier einer / welcher ſonſt nicht viel in Vermoͤgen / am beſten zu Reichthum gelangen koͤnte / von welchem ich aber inder265Europæer. der Politiſchen Wuͤndſchel-Ruthe ausfuͤhrlich handeln will.

Nachdem nun daß Kindtauf-Eſſen geendiget / begab ſich Alexander mit Aurelio wiederum zu Mons. de Cloy auff ſein Schloß / fuhr des folgenden Tages / nach genommenen Abſchiede / wiederum nach Straßburg / und ent - ſchloß ſich / innerhalb drey Tagen / nacher Wien zu reiſſen / wie er denn ſich bey Aurelio erkundigte / ob er ihm Geſell - ſchafft leiſten wolte. Dieſer ließ ſich gar leicht bereden / in Alexanders Compagnie zu verbleiben. Unter - deſſen kam der Tag zur Reiſe herbey / deßwegen denn Alexander von dem jungen Ehmann Antonio Abſchied nahm / ſich mit Aurelio und ſeinem Die - ner Friedrichen auff die Land-Kutſche ſetzte / und innerhalb zehen Tagen nach Wien gelangte.

Ale -266Der verliebte

Alexander erkundigte ſich / welches der beſte Gaſt-Hoff in dieſer Stadt / da ihm denn der guͤldene recomman - diret ward.

Jn dieſen Gaſt-Hoffe lag eben ein Cavallier / welcher ſonſt unter denen Kaͤyſerlichen Voͤlckern eine Rittmei - ſters Charge bedienet / mit dieſem machte ſich Alexander bekant / und erfuhr un - terſchiedliches / was ſich etwa ſeithero zu Wien zugetragen / unter andern als Alexander das Straßburger Frauen - zimmer ruͤhmete / und von dieſem Rittmeiſter zu wiſſen verlangte / wie das Wieniſche beſchaffen / erzehlete er fol - gende Hiſtorie. Es iſt allhier ein Frauen - zimmer / welches wol ſchoͤn und galant / aber vor etlichen Jahren in einer nicht gar weit von hier gelegenen vornehmen Stadt / ſich gar zu tieff in die Karte gu - cken laſſen / welches man ihr doch in ge - ringſten nicht anſiehet / und keiner Ur -ſach267Europæer. ſach hat / ſie deßwegen nicht zuheyꝛathen. Dieſe Madam. hatte vor einem Jahre das Gluͤck / daß ſie vor meinem Logia - ment / in welchem ich mit einem Cornet von Luͤneburgiſchen Voͤlckern lage / vor - bey gieng. Wir beyde wurden alsbald in dieſes Frauenzimmer durch das bloſſe Anſehen verliebet / der Cornet aber noch mehr als ich / welcher nicht lange ſaͤumete / ſondern ſeinen Degen ergrieff / und zum Hauß hinaus lieff / um von ferne zuerſehen / in was vor ein Hauß dieſe Perſon gehen wuͤrde. Als er es gnugſam in acht genom̃en / kam er wie - derum zuruͤck / und brachte die Zeitung: Er habe das Logiament ausgekund - ſchaffet. Nun war bey dieſem Handel ein Capitain Leutenant zugegen / mit welchem ich wettete / daß ich noch heute des Tages Gelegenheit bekom̃en wolle / mit dieſem Frauenzimmer zu ſprechen. Er kunte ſich nicht einbilden / auff wasArt268Der verliebteArt ſolches geſchehen koͤnne / ich aber gieng in eine andere Stube / nahm Fe - der und Dinte zur Hand / und ſchrieb folgenden Brieff.

Schoͤnſter Engel:

Dieſe wenige Zeilen verlangen nichts mehr / als mit deinen durch - dringenſten Augen angeſehen / und von deinem lieblichſten Munde ge - leſen zu werden. Wie denn der Verfertiger dieſes hiedurch eben - fals nur Gelegenheit ſuchet / die Ehre deiner Bekandſchafft kuͤnff - tig zu genieſſen.

Der verlangende Liebhaber.

Dieſen Brieff verſiegelte ich / und gieng ſelbſten mit dem Cornette in der Jungfer ihr Logiament hinein / um Au -gen -269Europæer. genſcheinlich die auff dem Brief gegehe - ne Antwort zu vernehmen.

Als wir ſchon unten im Hauſe ſtun - den / berathſchlagten wir unterdeſſen noch mit einander / auff was Art die U - bergebung des Briefes am beſten ge - ſchehen koͤnte / da denn der Cornet (wel. cher ſonſt in allen Sachen des Henckers Vorlauff) ſich auff eine Finde beſonne / welche ich auch ſelbſten billichte.

Unterdeſſen giengen wir eine Treppe hinan / klrpften an der erſten Stuben-Thuͤre an / da uns denn das Gluͤck alsbald die Perſon præſentir - te / welche die Principaiſte in unſer Co - medie war. Jch gieng alsbald hin / machte meine Ehrerbietung / uud uͤbdr - gab ihr den Brief / ſagende:

Es haͤtte einer von meinen guten Freunden ſelbigen heute mit von Regen - ſpurg gebracht / weil er aber muͤde von der Reiſe / und alſo ſolchen ſelbſten nichtuͤber -270Der verliebteuͤbergeben koͤnnen / mir dieſe Commiſ - ſion auffgetragen.

Das Frauenzimmer merckte nach Uberleſung dieſes Brieffes gar bald den Betrug / redete derowegen mich folgen - der Geſtalt an: Monſ. wann etwa noͤ - thig waͤre wiederum zu antworten / mit was vor Gelegenheit koͤnte ich die Ant - wort mit fort bringen. Mein Herr Camerad / weil ich (das Lachen wegen des gelungenen Poſſens verbeiſſen) auff die Seite gangen / antwortete: Be - liebet etwa Madamoſ. zu antworten / wollen wir ſchon eheſtens wiederum zu - fragen. Die Perſon ſagte: ſie wolle ſe - hen / was die Zeit geben wuͤrde.

Alſo nahmen wir Abſchied / und giengen nach Hauſe / da denn der Capi - tain-Leutenant unſer mit Verlangen erwartet / um zu vernehmen / was wir ausgerichtet / wie er ſahe / daß die Ver -rich -271Europæer. richtung gluͤcklich abgangen / kunte er ſich nicht gnugſam verwundern / und ſagte: Dieſe Manier mit einem Frau - enzimmer bekandt zu werden / will ich mir in meine Schreib-Tafel auffzeich - nen. Alexandern gefiele dieſe Er - zehlung nicht uͤbel / fragte / was denn ſonſt gutes Neues allhier paſſierte.

Der Rittmeiſter antwortete: E - ben dieſes Frauenzimmer war neulich allhier / und zwar wegen eines Rechts - Proceſſes / da ihr denn in einer Sache das Iuramentum Purgatorium, aufferleget wurde / welches ſie in Bey - ſeyn der Reichs-Hoff-Raͤthe allhier / und anderer Leute / mit einer ungemei - nen Hertzhafftigkeit ablegte / da ſie denn nach der Ablegung ſo hoͤfflich von ieder - mann tractiret wurde / daß ſich auch Leute funden / welche ſie in ihr Logia - ment begleitet / wofern es ihnen vergoͤn - net geweſen.

NAure -272Der verliebte

Aurelius ſagte: Dieſes Frauen - zimm̃er muß eine ſonderliche magneti - ſche Krafft an ſich haben.

Unterdeſſen wurde das Abend - Eſſen fertig gemacht. Man ſetzte ſich zn Tiſche / und hoͤrte bald darauff einen kleinen Scharmuͤtzel auff der Gaſſe / welcher daher entſtanden:

Es war ein Studente unvorſich - tiger weiſe mit einen bißgen Jungfer - Pinckelte begoſſen worden / da muſten es alsdenn die armen Fenſter entgelten / welche mit einer ſolchen Menge groſſer Steine begruͤſſet worden / daß ſelbige nicht viel Scheiben uͤbrig lieſſen.

Der Rittmeiſter nebſt Alexandern und Aurelio / lieff ans Fenſter / weil ſich aber der Aufflauff des Volcks bald wie - derum ſtillete / ſetzte ſich ein iedweder wiederum zu Tiſche.

Hier -273Europæer.

Hierauff fieng der Rittmeiſter al - ſo an zu reden. Dieſes Fenſterein ſchmei - ſen iſt noch nichts / gegen dem jenigen / welches ſich vor etlichen Jahren allhier zutruge.

Aurelius bat / er moͤchte es doch erzehlen.

Der Rittmeiſter fuhr fort und ſagte: Es hatte ein Kauffmann all - hier unterſchiedliche verfaͤngliche Reden wider die ſaͤmtlichen Studenten gefuͤh - ret. Dieſes wurde bald erfahren / und weil dazumal der Studierenden ſo wol von Edelleuten als andern / vornehmer und reicher Leute Soͤhnen eine ziemliche Menge ſich allhier befande / gedachten ſie ſaͤmtlich / dieſen Schimpff mit nich - ten auff ſich ſitzen zu laſſen. Derowe - gen weil ihnen wol bewuſt / wie bißwei - len in ſolchen Sachen mit Klagen wider Leute / welche ſich durch den ungerechten Mammon Freunde machen koͤnnen /N 2nicht274Der verliebtenicht zu erhalten / entſchloſſen ſie ſich / ihre Rache mit eigener Hand auszufuͤhren / werzu ihnẽ denn das Gluͤck erwuͤndſch - te Gelegenheit an die Hand gab. Denn weil einſtens ohne dem die Studenten / wegen einiger wichtiger Sache ſich ver - ſammlet / machte man ingeſamt Anſtalt / obermeldetem Kauffmann eine luſtige Fenſter-Muſic zu bringen / worzu die Schubſaͤcke die Violinen / die Steine die Seiten / die Haͤnde die Boͤgen / und die Fenſter der Klang ſeyn ſolte. Die - ſes beſchloſſene muſte auch geſchwind ins Werck gerichtet werden. Derowegen / nach dem ein iedweder ſich mit gnugſa - men Vorrath vor Steinen ver provi - antiret / marſchierte man in rechter zier - licher Ordnung nach der Wahlſtatt / nemlich / nach des Kauffmanns am Marckte gelegenen Hauſe. Es be - durffte allhier nicht viel Commando, ſondern ein iedweder grieff in Schub -ſack275Europæer. ſack / langte einen Stein nach dem an - dern hervor / und ſchoß tapffer in die Fenſter hinein / daß ich / der ich in einem gegen uͤber gelegenen Hauſe alles ſehen kunte / nicht anders ſagen kan / als daß ein iedweder ſein devoir gethan / denn die erſte Salve wurde ſo ordentlich zugleich gethan / daß niemand abnehmen kunte / wer der erſte oder letzte im werffen ge - weſen. Das Hauß war mit ſchoͤnen weiſſen Kalch beworffen / welcher aber durch dir Menge der Steine alſo her - unter fiel / daß der Staub davon mit dem vermengten Glaß / eine ſonderbare Anmuth denen Zuſehern erweckete. Dem Golde / welches mit groſſem U - berfluß an die Ercker geſchmieret / wur - de mit ſchwartzer Erd-Farbe eine zierli - che Schattirung gegeben / und vermoch - ten die nachdencklichen Spruͤche / ſo dar - an gemahlet / denen zornigen Studen - ten kein Nachdencken erwecken. Ei -N 3nes276Der verliebtenes ieden Staͤrcke im Werffen / wurde durch die Hoͤhe der Fenſter probiret / und muſten auch die Ziegel auff dem Dache ihres Herren Miſſethat tragen / und zugleich zu ſeiner Straffe dienen / weil die Stuͤcken derſelben / die herun - ter fielen / allezeit mit groſſer Ehrerbie - tung wiederum in die Fenſter geworffen wurden. Der finſtere Abend melde - te ſich allmaͤhlig an / deswegen man denn eilete die noch uͤbrigen Scheiben zu rui - niren / welches aber wegen anbrechender Nacht nicht geſchehen kunte.

Als die Studioſi abmarſchieret / kamen andere Handwercks-Leute und ſolches Geſindlein / und zerſchmieſſen das jenige vollends vom Scheiben / wel - ches die vorige Partie uͤbrig gelaſſen. Was weiter in meiner Abweſenheit vorgegangen / kan ich nicht ſagen / nur wil ich dieſes vermelden / daß ich dafuͤrhal -277Europæer. halte / daß wofern im Anfange der Kanffmann ſelbſten zu Hauſe und die Hauß-Thuͤre nicht verſchloſſen gewe - ſen / es beſchmutzt wuͤrde abgelauffen ſeyn. Von ſeiner Perſon / und deren Tractirung kan man nichts gewiſſes ſa - gen / aber ich wil einen wol verſichern / daß kein Ofen gantz blieben / die Stuͤhle waͤren zum Fenſter hinaus geſchmiſſen worden / und alles / was nur haͤtte koͤn - nen ruiniret werden / darauff gangen.

Es fraget ſich aber / ſagte Alexander, ob es recht ſey geweſen / daß man ein ſolch procedere vor genommen.

Jch wil es nicht eben billigen / ſon - dern nur einem zu bedencken geben den Frevel / welcher begangen wird / (ſo an - ders dieſer Kauffmann / welcher nur neulich geſtorben / des bezuͤchtigens ſchul dig geweſen /) wenn einer Privat-Per -N 4ſon278Der verliebteſon eine gantze Univerſitaͤt ſchimpffet. Welcher von Adel oder anderer recht - ſchaffener Kerl / der mit der Zeit Land und Leuten dienen kan / iſt ſolches zu ver - tragen ſchuldig. Wann die Studen - ten dazumal Huͤlffe zu erlangen gehof - fet / ich zweiffele / daß ſie ſich ſelbſten ge - raͤchet. Doch man ſiehet wie es heute zu Tage zugehet / und wie ich neulich zu Leiden in Holland / wahrgenommen. Wenn da ein Studente etwas gerin - ges verbuͤhret hatte / ſo ſchwatzten die Herrn Profeſſores von der Relega - tion, wenn aber ein Student ſonſt von einem Univerſitaͤts-Verwandten oder andern beleidiget ward / da war nie - mand zu Hauſe / der einem Recht ſchaf - fen wolte / da wolte man die Sache mit Injurien Proceſſen und andern ſchwer machen / damit ein armer Teuffel / der nicht viel zum beſten hatte / ſolche muſte bleiben laſſen. Was war Urſach? Manwol -279Europæer. wolte das Kalb nicht in die Augen ſchla - gen. Jch bin vor deſſen auch ein Stu - dent geweſen / aber niemalen weiß ich / daß es auff Univerſitaͤten ſo wunder - lich zugangen / als ietzund. Solte mich das Gluͤck noch zu einem Potentaten fuͤhren / allwo ich ein Wort zu ſprechen haͤtte / wie wolte ich bißweiien durch Correſpondentien von denen Univer - ſitaͤten / die in meines Herrn Lande laͤ - gen / ihr wunderlich verfahren bißwei - len vernehmen / und ihnen einen guten Leviten zu wege bringen. Es iſt heute zu Tage ein Studente ein verachtetes Lichtlein vor denen Augen der Stol - tzen / da ſoll einer ſich von denen Herren Profeſſoribus nach ihren Gefallen ſchrauben / citiren und vexiren laſſen / ohne Unterſcheid der Perſon / Standes oder Qualitaͤt. Da wiſſen ſie auff man - chen Univerſitaͤten zumal in Holland / ſo artliche Manieren einen durch re -N 5dimi -280Der verliebtedimirung der Relegation oder des Car - ceris (wie man es meines Erachtens zu meiner Zeit nennete) das Geld aus dem Beutel zulocken.

Aurelius verſetzte: Daß das Stu - denten Leben ein luſtig Leben ſeyn ſoll / habe ich von vielen gehoͤret / nun ich aber die Verdrießligkeit / welche mich unter - lauffen / vernehme / kan ich mir keine Luſt einbilden.

Die Luſt / antwortete der Rittmeiſter / ſo man auff Univerſitaͤten hat / iſt fol - gende:

Wann ein junger Menſch aus dem Nothſtall der Schule auff die Univer - ſitaͤt koͤmmt / und die Freyheit hat einen Degen zu tragen / da dencketer: Der Himmel hiengenun voller Geigen / da es doch nur bißweilen Strohfideln ſeyn; Zuvor hat er in der Schule / wenn ihm der Rector ein Kopffſtuͤck gegeben / ſol -ches281Europæer. ches vor kein Mutuum annehmen duͤrffen / ietzund aber kan er den Geber mit gleicher Muͤntze bezahlen. Zuvor hatte er in der Schule gewiſſe Stun - den / ietzund mag er ſtudieren / wenn er wil. Dieſes thut einem / welcher aller - erſt von der Schule koͤmmt / im Anfang kuͤrre. Das erſte Viertel Jahr ſitzet man und lauſchet / um die Manier auff Univerſitaͤten recht zu erlernen. Das andere Viertel Jahr faͤnget man an Collegia zu halten / und wenn man wil Exercitia zu treiben / welche einem jun - gen Menſchen im Anfang abſonderlich wolgefallen / koͤmmt in Compagnie / hat / wenn man bey Mitteln / um nichts als ſein ſtudieren und Exercitia ſich zu be - kuͤmmern / machet ſich bißweilen mit ſei - nen Landsleuten uñ andern Bekandten luſtig / und alſo lebt man immer in vol - ler Vergnuͤgung. Suchet einer ſeine Zeitvertreib bey Frauenzimmer / kanN 6er282Der verliebteer in dieſer Bekandſchafft ſchon ums Geld / und gute Worte bekommen. Bleibet alſo wol darbey / daß kein ver - gnuͤgter Leben als das Studenten Le - ben / zumal die erſten 2. Jahr / denn weñ man eine Zeitlang auff Univerſitaͤten gelebet / ſuchet mancher bißweilen ſeine Vergnuͤgung mit Reiſen in fremde Laͤnder / welches ohne Zweiffel noch ver - gnuͤglicher als das Studenten-Leben / weil man nicht immer an einem Orte ſtille liegen bleibet.

Nach geendigter Abend-Mahlzeit begab man ſich zur Ruhe. Doch erwach - te Alexander wiederum gar zeitlich / weil er willens war / mit Aurelio unter - ſchiedliche Orter in der Stadt Wien in Augenſchein zu nehmen.

Sie zogen ſich geſchwind an / weckten den Rittmeiſter ihren Schlaffgeſellen mit zugleich aus dem Schlaff / um zuver -283Europæer. vernehmen / ob er mit ihnen gehen wol - te. Dieſer ließ ſich nicht lange bitten / ſtunde aus dem Bette auff / und nach - dem er ſich angezogen / leiſtete er ihnen Geſellſchafft.

Sie giengen erſtlich in die vornehm - ſte Kirche / und als ſie ſich ein wenig dar - innen umſahen / wurden ſie eines Epita - phii gewahr / welches ſo koſtbar / daß man vor Golde nicht ſehen kunte / ob es von Holtze oder Stein gemachet. Alexan - der ehe er recht nahe hinzu kam / meyne - te nicht anders / als waͤre es eines vor - nehmen Miniſtri des Roͤmiſchen Kaͤy - ſers Denckmahl / wie es aber beym Lich - te beſehen wurde / war es eines kahlen Epitaphium.

Ey ey / gedachte unſer Sicilianiſcher Ritter / koͤnnen doch manche Leute auch nach ihren Tode ihren Pracht uñ Hoch - muth nicht laſſen. Denn in dieſen E -N 7pi -284Der verliebtepitaphio ſtunde in der Mitte des Ver - ſtorbenen ang ------- Wapen mit einem offenen Helm / gleich als ob er der vor - nehmſte von Adel in Oeſterreich gewe - ſen. Der Titul war auch ſo artlich ex - tentiret / daß man gar leicht abnehmen kunte / daß ſelbiger ihm bey ſeinem Leben viel Geld muſte gekoſtet haben / weil ſel - biger in dieſen Monument ſo ſtrictè in acht genommen worden.

Alexander lachte und ſagte zum Rittmeiſter: Es wundert mich / daß die 16. Ahnen und derer Wappen nicht darzu geſetzet. Der Rittmeiſter ant - wortete: Es iſt nicht mehr Mode / wer in der Welt Geld gnug hat / der fraget nicht viel nach anderer Leute Ahnen.

Alexander verſetzte: Es iſt nicht oh - ne / daß der / welcher Geld hat / in der Welt fortkommen kan / doch halte ich von denen jenigen noch mehr / welche(ſie285Europæer. (ſie ſeyn aus was Stande ſie wollen) entweder durch den Degen oder Fe - der ſich empor gebracht. Durch die Feder meyne ich das Studieren / denn daſſelbe giebt einem nicht allein Nutzen und Vergnuͤgung / ſondern recom - mandiret auch bey Fuͤrſten und Her - ren / und iſt gar eine ſchlechte Politica, daß etliche meynen: Wer ſonſt Mit - tel haͤtte / duͤrffte nicht ſtudieren / quaſi verò. Dieſe Politica iſt nicht ex ratione ſana genommen. Es iſt ſchlimm gnug / daß ietzund zumal un - ter denen hieſiges Landes Edelleuten ſo wenig etwas rechtſchaffenes zu ſtu - dieren ſuchen / wodurch ſie dermaleins ſich qualificiret machen koͤnten / mit gutem Gewiſſen bey einem Potenta - ten in Dienſte zu treten / aber deßwe - gen darff dieſes niemand vor ein Uni - verſale halten / und als ob es dem A - delichen Stande zuwieder lieffe / indemſel -286Der verliebte ſelbiger hierdurch viel eher in groͤſſer Anſehen kaͤme / wenn Perſonen aus ſelbigen ſich hervor zu thun ſuchten. Jn Vuͤrgerſtand kaneiner wol zumal wenn er Jura ſtudieret / in kurtzer Zeit was lernen / denn ein ſolcher Menſch leget mehrentheils ſich nur bloß allein auff das Corpus Juris, weil er ſich darvon ernehren muß / hingegen ein Edelmann muß nebſt dieſem ſtudio andere tractiren / Sprachen und Ex - ercitia treiben / welches ein anderer nicht thun darff. Wenn heutiges Tages einer von Adel gleich das Sei - nige wol verſtehet / und ſonſt nicht von guter conduit, weder in Sprachen exerciret / noch auch in fremden Landen geweſen / oder in Exercitiis (einen Soldaten abzugeben) etwas begrieffen / wird er abſonderlich bey Hofe nicht leicht Befoͤrderung erhal - ten / es ſey denn / daß ihm das guͤldeneGluͤck287Europæer. Gluͤck ſolche zu wege braͤchte. Denn es macht ſich ein Fuͤrſt und Herr auff zweyerley Art beruͤhmt. Erſtlich wenn er verſuchte Soldaten unter ſei - ner Soldateſca / und gelehrte Leute unter ſeinen Raͤthen hat. Das erſte braucht ein Potentat nur zu Krieges - Zeiten / das andere aber ſtets.

Sie ſahen ſich noch weiter in der Kir - che um / da ihnen denn allerhand Mo - numenta zu Geſichte kamen / worunter unterſchiedliche waren / deren Schrifft vor Alter nicht mehr kunten geleſen wer - den.

Alexander vexirte ſich und ſagte: Dieſe ſind vielleicht der alten Roͤmer.

Aurelius antwortete: Die Roͤmer haben ihre Leichen / zumal welche vor - nehm / nicht wie wir Teutſchen / begra - ben / ſondern verbrandt. Denn da wurde ein Hauffen Holtz in Geſtalt ei - nes Altars auffgebauet / die Leiche dar -auff288Der verliebteauffgeſetzet / und das Holtz von denen naͤheſten Anverwandten angezuͤndet. Jn das Feuer wurden unterſchiedliche Sachen / welche dem Verſtorbenen in ſeinem Leben lieb geweſen / geworffen / zum oͤfftern ſprungen auch ſeine Wei - ber mit ins Feuer.

Alexander verſetzte: Heutiges Tages haͤtte man ſich des letztern / wenn es gleich vergoͤnnet / nicht leicht zu befah - ren / weil manche Weiber (zumal die jenigen ſo alte Maͤnner haben) zum oͤff - tern gar gerne ihre Ehegatten zu Gra - betragen ſehen Jm Leichen-Proceß wiſſen ſie ſich wol offt traurig anzuſtel - len / daß man meynen ſolte / ſie koͤnten nicht getroͤſtet werden / da ſie doch durch ihr allzuhefftiges Lamentiren denen Leuten vielmehr den Argwohn an die Hand geben / daß ſie die Unreinigkeit / welche ſie vordem mit denen Maͤnnernge -289Europæer. gehabt / hiedurch zu vertuſchen ſuchten. Es ſetzet ein bekandter Autor, an einem Ort / allwo er von der alten Roͤmer ih - rer Verbrennung der Todten handelt / folgendes / woruͤber ich mich nicht gnug - ſam wundern koͤnnen: Zur Peſt-Zeit / ſchreibet er da bey denen Roͤmern viel Leichen mit einander muſten begraben werden / hielt man den Gebrauch / daß zu 10. Maͤnnern / iedesmal ein Weib - licher Coͤrper geleget wurde / und alſo die Leichnam mit einander deſto eher verbrenneten. Welches Urſach dieß ſoll geweſen ſeyn / weil die Weiber von Natur hitziger / als die Manns-Perſo - nen / und alſo deſto leichter verbren - nen; oder wie andere davon Urtheilen / ihr Fleiſch etwas feiſter und oͤhlichter iſt / die Flamme zu ernehren.

Aurelius antwortete: Daß es ge - ſchehen ſey / iſt wol nicht zu laͤugnen / aberdaß290Der verliebtedaß der Autor die ration darinne fundiren wil / weil der Weiber Natur hitziger als der Maͤnner / kan ich nicht ſehen / wie ſolches ſtatt finden koͤnnen. Denn diß iſt wol gewiß / daß manche Weibs-Perſonen von Natur hitziger als das Manns-Volck / deßwegen un - terſchiedliche Urſachen koͤnten gegeben werden / welches ich den Herren Medi - cis uͤberlaſſe / daraus folget aber nicht / was von Natur (ich rede von lebhafften Sachen) hitzig iſt / das breñt auch leicht. Jch / meinem einfaͤltigen Verſtande nach / halte davor / die Hitze des Men - ſchen beſtehe meiſtens im Gebluͤthe / wel ches ein iedweder an ſich gar leicht abneh men kan. Jſt nun dieſes wahr / wie wird mir des Verſtorbenen entſeeltes und erkaltetes Blut eine Hitze verurſachen koͤnnen / und zwar eine ſolche / welche ca - pabel waͤre / ein Feuer brennender zu machen. Nun ſagen zwar etliche / daßdie291Europæer. die Hitze eines lebendigen Menſchen - ſein Fleiſch geſchickter / feiſter und oͤhlich - ter mache / daß es alſo nach dem Tode der Flamme ein beſſer Nutriment ge - ben koͤnte / aber ich wolte vielmehr das contrarium ſtatuiren. Denn man ſiehet / daß ein Thier / welchem die Hitze in etwas benommen / viel fetter wird als das andere / und poſito, wenn das E - xempel von denen Thieren gleich nicht auff die Menſchen zu adpliciren / ſo ſlehet man doch taͤglich viel alte Leute / bey welchen die Hitze allmaͤhlig verge - het / und die Fettigkeit zunimmet. Halte ich alſo dafuͤr / daß die alten Roͤmer eine gantz andere Urſache gehabt / denn eine Sympathie kan ich im Tode zwiſchen Manns - und Weibs-Perſonen auch nicht erweiſen / ſonſten wuͤrden die Roͤ - mer wohl mehr als einen Weiblichen Coͤrper genommen haben.

Alexander verſetzte: weil ich vonder292Der verliebteder Peſt reden hoͤre / kom̃t mir in Sinn / wie dieſes Ubel ohnlaͤngſten allhier muß graſſiret haben.

Der Rittmeiſter / welcher ſeithero gantz ſtille geweſen / ſagte zu unſern Eu - ropæer: Jch moͤchte gerne eigentlich den erſten Urſprung und wunderliche Fortpflantzung der Peſt wiſſen.

Alexander verſetzte: Meine Meynung will ich demſelben wohl of - fenbahren / ob ſie aber vor recht zu halten / weiß ich ſelbſten nicht.

Der Urſprung der Peſt koͤmmt wohl zweifels ohne von den jenigen Qr - ten her / allwo ſie Jahr aus und ein nie - malen auffhoͤret / als wie zu Conſtanti - nopel und andern den Tuͤrcken zugehoͤ - rigen groſſen Staͤdten in Aſia / und wird mehrentheils durch Wahren oder Sachen / die in inficirten Haͤuſern ge - weſen / an einem andern Ort geſchlep -pet /293Europæer. pet / wie es in Wien auff dieſe Aet auch ſoll ſeyn gebracht worden. Nun ma - chen zwar die Medici viel Weſens von der Impreſſion, und wie ein Menſch den andern anſtecken koͤnne / aber dieſes alles muß recht verſtanden werden. Denn dieß glaube ich nicht / daß ein ge - ſunder Menſch welcher aus einem in - ficirten Hauſe koͤmmt / ſtracks einen andern geſunden anſtecken koͤnne / ge - ſchiehetes gleich / ſo wird der andere nicht von dem jenigen / welcher in einem infi - cirten Hauſe geweſen / angeſtecket / ſon - dern vielleicht von ſeinen Kleidern / wel - che inerwehnten Hauſe etwas in ſich ge - zogen / und den jenigen / ſo ſelbige anhat / nicht ſo dispoſt finden / ihn anzuſtecken / als etwa einen andern. Wie kan einer einem eine Kranckheit zu bringen / wel - che er ſelbſten nicht hat? Was die Im - preſſion anlanget / muß ich zwar geſte - hen / daß ſelbige in der Natur ſehr vielope -294Der verliebteoperire / daß aber ein Menſch aus bloſ - ſer Impreſſion die Peſt bekommen koͤnne / zweifele ich gar ſehr / denn ſonſt muͤſte folgen / daß / wenn einer in Ameri - ca ſich eine Impreſſion wegen der Peſt machte / muͤſſe er ſelbige alsbald an Hals bekommen. Ja ſagen etliche / man muͤſſe die Impreſſion alſo verſtehen / wenn ein Menſch ſich uͤber eine infi - cirte Perſon alterirte. Hierauff ſa - ge ich / wie viel Exempel werden allhier erzehlet / da ſich Leute vor andere / welche ſo geſund als ſie ſelbſten geweſen / entſe - tzet / und davon die Peſt bekommen. Die Augen koͤnnẽ mir hierinne keinen Bey - trag thun. Dieß iſt wohl gewiß / daß man das jenige / welches einem vor Au - gen iſt / immer beſſer in Sinn faſſet / als das / was einer ſich nur in Gedancken einbildet. Wenn dieſes ſich alſo ver - haͤlt / daß Leute durch die ſtarcke Einbil - dung die Peſt bekommen koͤnnen / ſo ſa -ge -295Europæer. ge ich / daß der jenige / welcher ſich ſtar - cke Impreſſion von der Peſt machet / ob er gleich in 10. eiſernen Thuͤren ver - ſchloſſen waͤre / dennoch die Peſt bekom - men kan / denn / was ſoll mir das Sehen helffen / es kan ſich einer wegen der Peſt ſo ſehr alteriren / wenn er gleich keine inficirte Perſon ſiehet / als der andere / welcher dergleichen Perſon ins Geſichte bekoͤmmt. Derowegen mache ich mei - nem einfaͤltigen Verſtande nach dieſen Schluß / und ſage:

Wer die Peſt bekommen kan (oder auch bekommen hat /) wenn er eine ge - ſunde Perſon vor eine inficirte angeſe - hen / bey dem hat es die Impreſſion ge - than. Nun haben wir Exempel / da es geſchehen.

So muß / der Herr Medico - rum Meynung nach / ſolches aus bloſ - ſer Impreſſion geſchehen ſeyn / undOhaͤtte296Der verliebtehaͤtte nicht geſchehen koͤnnen / wenn gleich das Anſehen einer ſolchen Perſon nicht erfolget.

Jch aber halte davor / daß die jeni - gen / welche aus bloſſer Impreſſion oh - ne Umgehung mit inficirten Perſo - nen oder einiger andern Anſteckung die Peſt bekommen / ſolche ſchon bey ſich in - nerlich gehabt / und alſo die Impreſſion ſolche nicht effectuiret / ſondern nur be - ſchleuniget / und deſto eher aus dem Lei - be heraus getrieben. Jch ſage inner - lich worunter ich verſtehe / daß das Ge - bluͤte des jenigen / welcher die Peſt durch Impreſſion bekoͤmmt / nicht in dem Moment inficiret worden / ſondern es muß ſchon zuvor angeſtecket ſeyn gewe - ſen / und durch die ſtarcke Einbildung noch hefftiger inflammiret worden / alſo / daß hernachmals daraus die Peſt entſtanden.

Hier -297Europæer.

Hierauff objiciren etliche / daß an dem Orte / wo die Peſt iſt / ohne Zwei - fel die Lufft nicht gar zu reine / welche deñ verurſachte / daß faſt alle Menſchen / weil ſie ſelbige durch den Odem an ſich zoͤgen / zu Annehmung der Peſt ge - ſchickt gemacht wuͤrden / und dan - nenhero zuweilen Leute ſtuͤrben / wel - che ſich am beſten in acht nehmen. Zu dem ſo haͤtte man obſerviret / daß bey kalten Wetter / welches die Lufft Pu - rificirte / nicht ſo viel Leute an der Peſt geſtorben / als bey warmer Witterung. Es iſt zwar wahr / es laͤſſet ſich ſolches præſumiren / aber nicht erweiſen / denn warum ſolten bey inficirung der Lufft nicht eben auch die Thiere ſterben / oder auch die inficirte Lufft immer uͤber ei - nem Orte ſchweben. Diß glaube ich wol / daß / zum Exempel in dem Hauſe / allwo die Peſt iſt / die Lufft nicht gar zu rein / aber hieraus folget nicht eben / daßO 2in298Der verliebtein der gantzen Stadt ungeſunde Lufft. Was das Wetter anlanget / thut ſolches bey Kranckheiten ſehr viel / wie man es denn auch bey geſunder Zeit ſiehet / daß an dem Tage da es truͤbe und ſehr reg - net / der Menſch nicht ſo luſtiges und hu - mors ſeyn wird / als wenn etwa hell Wetter und die Sonne ſcheinet / dahe - ro ſagen auch die Herren Medici, daß ein Patient mehrentheils nach der Sonnen Untergang ſich uͤbler befinde als am Tage. Derowegen iſt die Peſt eine wunderliche Sache / von welcher man nichts gewiſſes ſagen kan. Denn wenn ſie allhier vor 2. Jahren in ein Hauß kommen / hat ſie offt ſo ſehr darin - nen getobet / daß wenig Perſonen uͤbrig blieben. Zumal iſt die Peſt alſo beſchaf - fen / daß ſie meiſtens die naͤheſten Anver - wandten erſtlich hinweg nimmt / wel - ches wegen Gleichheit des Gebluͤts / odeꝛ verboꝛgeneꝛ Sympathia geſchehen muß.

Aure -299Europæer.

Aurelius ſagte: Es iſt gewiß / daß uns Menſchen nichts wunderlicher in der Natur vorkoͤmmt / und ſchwerer zu ergruͤnden als die Urſachen der Sympa - thiæ und antipathiæ, oder Freund-und Feindſchafft unter denen Geſchoͤpf - fen. Denn daß ſolches unſer HERR GOtt in die Natur alſo eingepflantzet / wird nicht leicht iemand leugnen / weil aber GOtt nicht unmittelbar / ſon - dern in ſeinen Geſchoͤpffen natuͤrlich wuͤrcket / muß doch dieſes auff eine na - tuͤrliche Art und Weiſe geſchehen / ob uns gleich ſolches unwiſſend. Denn wenn wir Menſchen das jenige wuͤſten / welches uns annoch in der Natur ver - borgen / wuͤrde unſer ietziges Wiſſen nur lauter Stuͤckwerck ſeyn.

Der Ritmeiſter fragte / was denn Sympathia und antipathia waͤre.

O 3Au -300Der verliebte

Aurelius antwortete: Jch wil ihm alsbald Exempel ſagen / und zwar uͤber - gehe ich mit Fleiß die Sympathiam und antipathiam zwiſchen denen Erd-Ge - waͤchſen / als von welchem bißweilen et - was geſchrieben wird / ſo ſich doch in der That anders befindet / und rede nur von denen lebhafften Dingen / und andern Sachen / als: Eine ſonderbare natuͤrli - che Freundſchafft iſt zwiſchen den Ma - gnet und Eiſen / wiewohl auch ein be - kandter Autor ſchreibet: Ob ſolten Ma - gneten gefunden werden / welche das Eiſen von ſich ſtieſſen.

Eine Feindſchafft aber iſt zwiſchen dem Waſſer und Feuer.

Kein Thier unter allen iſt lieber bey dem Menſchen / als der Hund / und wird man nicht leicht Perſonen finden / welche ſolche nicht um ſich leiden koͤn - ten. Hingegen / wie viel Leute ſind / wel -che301Europæer. che durch Anſehung einer Katze in Ohn - macht fallen.

Die Katze iſt ein abgeſagter Feind der Maͤuſe / und darff man ihr nicht weiſen / wie ſie ſelbige fangen ſoll.

Das Thier Ignevmon iſt ein Feind des Crocodils / und weiß denſel - ben mit einer ſonderbahren Manier umzubringen.

Die Spinne iſt ein Feind der Kroͤ - te.

Eine Seite von einem Wolffs-und eine von einem Schaffs-Darm ge - macht / werden nicht koͤnnen in einen Thon geſtimmet werden.

Das Thier Rhinoceros iſt ein Feind des Elephanten.

Der Stoͤſſer iſt ein Feind der Tau - ben.

Das Wieſel iſt ein Feind der Maͤu - ſe / wie auch der Jgel.

Wer hiervon weitlaͤufftig leſenO 4wil /302Der verliebtewil / der beliebe nur auffzuſchlagen: Jo - hann Baptiſtæ Portæ Magiæ Natural. Part. II. Cap. 7. allda er weitlaͤufftig von der Sympathia und antipathia ge - handelt / finden wird.

Unſer Sicilianiſcher Ritter ver - ſetzte: Was die Eigenſchafft dieſer ietzt erzehlten Thiere anlanget / darff man ſich daruͤber ſo ſehr nicht wundern / denn was zum Exempel die Feindſchafft zwi - ſchen der Katzen und Mauß anbetrifft / ſo faͤngt die Katze die Mauß nicht ſo wohl allein wegen natuͤrlicher Feind - ſchafft / ſondern ſich ihres Fleiſches an ſtatt der Nahrung zu bedienen / welches zwar bey dem Elephanten und Rhi - noceros nicht iſt. Aber dieſes iſt eine verborgene Eigenſchafft: Es wird von einem Soldaten erzehlet / daß derſelbe in einer Schlacht ſeine Naſe eingebuͤſ - ſet / und weil er ſolches vor einẽ Schand -fleck303Europæer. fleck gehalten / ſey er nach Bononien ge - zogen / und zu einem beruͤhmten Artzte gangen / welcher ihm denn eine andere fleiſcherne Naſe zu machen verſprochen / weil aber der Soldat von ſeinem eige - nen Fleiſche hierzu nichts hergeben wol - len / habe er einen ſtarcken Tagloͤhner gedinget / welcher ſo viel Fleiſch aus ſei - nem Arme heraus ſchneiden laſſen / als zu des Soldaten neuer Naſe noͤthig / dieſes ſey auch geſchehen / und das Fleiſch in gebuͤhrender Form angeheilet wor - den.

Es habe ſich aber zugetragen / daß der Soldat wiederum in ſein Vater - land nach Bruͤſſel gezogen / da ihm denn nach Verlauff eines Jahres / die Naſe einſten angefangen gantz kalt zu wer - den / und nach weniger Zeit gar abgefau - let. Als nun ein iedweder begierig ge - weſen / deſſen Urſach zu wiſſen / habe man endlich erfahren / daß faſt in demO 5Au -304Der verliebteAugenblicke / da dem Soldaten die Na - ſe kalt worden / der Tagloͤhner in Welſchland / dem das Fleiſch zugehoͤret / geſtorben.

Aurelius gab zur Antwort: Es iſt nicht auszugruͤnden / woher ſolches kom - men moͤge / man wolle denn mit etlichen ſtatuiren / daß in dem Stuͤcke Fleiſch / welches dem Tagloͤhner aus dem Arme geſchnitten worden / noch viel ſubtile Geiſterlein geblieben / welche hernach - mals zugleich mit verſtorben. Eben dergleichen Bewandniß hat es auch hie - mit: Wann nemlich Leute bißweilen wegen einer Kranckheit etwas von ih - rem Gebluͤte in einen Baum verkeilen / da denn geſaget wird / wann der Baum verdorrete / muͤſte der Menſch auch ſterben.

A propo, ſagte der Rittmeiſter / es faͤllet mir gleich ietzund eine Fragebey /305Europæer. bey / welche zwar nicht allerdings von dieſer Materie / aber doch gar ſubtile Ge - dancken machen kan: Es wird wohl ih - nen bekand ſeyn / daß in Braſſilien Leute gefunden werden / welche von Jugend auff zu ihrer Nahrung nichts als Men - ſchen-Fleiſch gebrauchen / nun bekom̃en ſie durch daſſelbe Nutriment / alſo / daß das Menſchen-Fleiſch in ihre eigene Subſtantz formiret wird. (denn von der Speiſe / die der Menſch iſſet / gehet nicht alles durch den natuͤrlichen Gang wiederum weg / ſondern aus dem beſten wird das Gebluͤte) Fraget es ſich al - ſo / wie es einmal am Juͤngſten Tage zu - gehen werde / denn aus dem Fleiſche der gefreſſenen Menſchen iſt wiederum an - ders worden / nun ſoll ein iedweder Menſch am jenem groſſen Tage mit ſei - ner eigenen Haut und Fleiſch / wie er es in dieſer Welt gehabt / wiederum be - kleidet ſeyn / wie werden alſo die Men -O 6ſchen -306Der verliebteſchen-Freſſer zu rechte kommen / denn geben ſie das gefreßene Fleiſch wieder - um / ſo bleibet an ihnen nichts. Es laͤſſet ſich zwar ein wenig wunderlich anhoͤ - ren / aber doch iſt es nichts ungereimtes / ſondern durch Warheit gemaͤß.

Aurelius verſetzte: Es iſt wahr / es laͤſſet ſich dieſe Frage wohl ventiliren / aber doch koͤmmt es endlich dahin / daß man ſagen muß / man koͤnne in Gottes Gerichte nicht ſehen.

Der Rittmeiſter antwortete: Frey - lich kan man nicht wiſſen / wie es unſer HErr GOtt an jenem groſſen Tage machen werde / und ſage ich nicht eben / daß Gott etwas unmuͤglich ſey / ſondern nur / daß uns unwiſſend / auff was Art ſolches geſchehen werde.

Alexander ſagte: Wie iſt es be - ſchaffen mit einem Ubelthaͤter / welcher wegen einer Miſſethat verbrennet wirddeſ -307Europæer. deſſen Fleiſch wird in unzaͤhlich viel Staͤublein gebrand / und dennoch wird GOtt am Juͤngſten Tage alle Staͤub - lein wiederum zuſammen bringen.

Der Rittmeiſter verſetzte: Mit ei - nem deſſen Fleiſch verbrand wird / hat es eine gantz andere Beſchaffenheit / deñ da bleibet doch die Aſche des Fleiſches vor ſich / ob ſie gleich ſich in alle Welt zer - ſtreuet / bey denen Menſchen-Freſſern aber bleibet das gefreſſene Fleiſch nicht vor ſich / ſondern wird im Magen durch die Verdauung wiederum in ander Fleiſch mutiret / wenn nemlich der Menſch davon Nahrung und Wachs - thum erlanget. Es zanckten ſich vor 2. Jahren uͤber dieſe Frage allhier 3. Je - ſuiten / daß ich nicht anders dachte / ſie wuͤrden einander bey die Koͤpffe bekom - men / endlich wurde der Streit alſo bey - geleget / daß ſie ſagten / ſie wolten es ſchon einmal im Himmel erfahren.

O 7Sol -308Der verliebte

Solche und dergleichen noch an - dere Diſcurſe wurden gefuͤhret / biß ſich endlich dieſes Edle Kleeblat wiederum nach Hauſe verfuͤgte.

Es war gleich Tiſch-Zeit / deßwe - gen ſatzte man ſich nieder / um den durch das Vormittaͤgige ſtarcke Gehenhung - rig-gemachten Magen zu vergnuͤ - gen.

Nun war gleich im Gaſthoffe ein junger Boͤhmiſcher Graff ankommen / welcher denn auch ſich mit zu Tiſche be - gab. Er hatte ſeine Liebſte bey ſich / wel - che ein jung galant Weibgen / und von ſolcher Tallie, daß man ſie noch wohl vor eine Jungfer anſehen kunte.

Gleichwie man nun uͤber den Ti - ſche den Magen mit delicaten Spei - ſen zu vergnuͤgen ſuchte / ſo trachtete hin - gegen auch ein iedweder von unſerer Compagnie dahin / den Herrn Grafenmit309Europæer. mit angenehmen Diſcurſen zu unter - halten. Aurelius ſahe demnach / daß der Graff die Hand verbunden hatte / dero - wegen fragte er ihn: Was vor einen Schaden er daran haͤtte.

Der Graff antwortete: Jch haͤtte vor 14. Tagen gar leicht um mein Leib und Leben kommen koͤnnen.

Wie ſo / verſetzte Alexander?

Der Graff gab zur Antwort: Als ich neulich in Boͤhmenreiſete / und durch einen Wald paßirte / hoͤrete ich von ferne eine Weibes-Perſon uͤberaus klaͤglich ſchreyen / ie weiter ich nun fortritte / ie naͤher kam mir ſolch Geſchrey / daß ich endlich mich bewegen ließ / dem Schall nachzufolgen.

Kaum war ich eine halbe Viertel Stunde geritten / als ich von ferne in ei - ner dicke 3. Pferde ſtehen ſahe / und wol merckte / daß ſoͤlche denen Puſchklaͤp -pern310Der verliebtepern zugehoͤrig / ließ derowegen meinen Diener vom Pferde herunter ſteigen / und ſolche abbinden / welche denn nach erlangter Freyheit / immer in die weite Welt hinein lieffen.

Die Begierde / die Herren dieſer Pferde zu ſehen / trieb mich noch ein we - nig foͤrder zu reiten / da ich ſie denn bey einer Weibes-Perſon antraff / und zwar in ſolcher Verrichtung / welche keinen ehrlichen Kerl zukoͤmmt.

Jch ruffte ihnen zu / ſie ſolten das Menſch zu frieden laſſen / aber dieſes Ruffen war die Urſach / deßwegen einer ſeinen Degen entbloͤſete / und ermeldter Perſon durch den Leib ſtieß.

Dieſer grauſame Anlick gieng mir ſo ſehr zu Hertzen / daß ich alsbald meines Dieners Carbiner hervor be - kam / und mit ſo gutem effect ſolchen loß brante / daß der eine von dieſen drey -en311Europæer. en Straſſenraͤubern die Kugel daraus in Leib bekam.

Der andere / von denen noch uͤbri - gen zweyen / ſuchte ſeines Cameraden Todt zu raͤchen / nahm ſein bey ſich ha - bend gezogen Rohr zur Hand / druckte ſolches nach mir loß / daß wofern ich mich nicht gewendet / alsbald von Pfer - de were herunter geſchoſſen worden. Doch gieng es nicht gantz ohne Scha - den ab / denn es wurde mir die lincke Hand / welche ich ietzt verbunden habe / durch die Kugel geruͤhret.

Nach dieſer empſangenen Wun - de / wurde ich ſo hitzig / daß ich meinen Sebel entbloͤſſete / uñ dem / welcher mich verwundet / einen ſolchen Hieb verſetz - te / daß er bald uͤbern Hauffen fiel / doch noch ein wenig Leben behielte. Der Dritte lieff nach denen Pferden / weil aber ſelbige nicht mehr da / kunte erſich312Der verliebteſich gar leicht die Rechnung machen / daß ihm ſein Fruͤhſtuͤck ſchon zugerichtet / de - rowegen ſuchte er durch die Flucht ſol - chem Tractament zu entgehen. Als ich dieſes gewahr wurde / eilte ich ihm nach / und wiewohl er ſich in der dicke des Waldes verſtecket / wurde er doch durch Huͤlffe meines guten Spuhrhundes ausgekundſchaffet / und als er von mir angetroffen / hieß ich ihm alsbald nieder - knien und ſeine Suͤnde GOtt abbitten / nach dem ſolches geſchehen / nahm ich mein Piſtohl aus dem Sattel / ſetzte ſol - ches dieſem Boͤſewichte an das Hertz / wie er ebenfalls bekandte / daß er ſolches manchen rechtſchaffenen Kerl gethan / und ſchoß ihn alſo todt.

Hierauff rante ich wiederum zu - ruͤcke / und von dem noch uͤbrigen zu - vernehmen / wer die getoͤdtete Weibes - Perſon geweſen. Wie ich dahin gelang -te /313Europæer. te / fragte ich denn in ſeinen Blut ſich waͤltzenden Straſſenraͤuber wegen der Weibes-Perſon. Dieſer antwortete: daß es ein Freyherrlich Fraͤulein / und von ihm und ſeinem ertoͤdteten Camera - den / eine Meile von hier / mit einer Ca - roſſe angetroffen worden / dannenhero haͤtten ſie das Fraͤuleinheraus genom - men / den Kutſcher und die Pferde nie - der gemacht / und den erlangten Raub hieher gebracht.

Ein erſchrecklich Spectackel war es. Dorten lag das ertoͤdtete Fraͤulein / das Blut war ihr haͤuffig aus der em - pfangenen Wunde uͤber den Schnee - weiſſen Leib gelauffen. Die Thraͤnen ſtunden noch in denen Augen / und der Angſt-Schweiß auff dem Geſichte. Sie muſte von uͤberaus ſchoͤner Geſtalt in ihrem Leben geweſen ſeyn / weil auch der blaſſe Todt ſelbige nicht gantz undgar314Der verliebtegar wegnehmen koͤnnen. Die ohne Zweifel im Leben ſchoͤne Augen waren durch den Todt und denen darinnen noch ſtehenden Thraͤnen / in etwas ver - dunckelt. Der Mund / deſſen Lippen die blaſſe Farbe vor die rothe vertau - ſchet / war ein wenig auffgethan / gleich - ſam als ob er auch nach ſeinem Tode wegen der an denen Straſſenraͤubern von mir veruͤbten Rache Danck ſagen wolte.

Auch der Unbarmhertzigſte haͤtte all - hier dieſem todten Bilde ſeine Thraͤnen opffern muͤſſen / wie ich denn nicht leug - nen kan / daß mir ſolche haͤuffig aus de - nen Augen gefloſſen.

Es bilde ſich nur die ſaͤmtliche Com - pagnie den Jammer ein / welchen man daruͤber empfinden muß / wenn man be - dencket / daß ein Fraͤulein von hoher Ge - burt ſich ſolchen Boͤſewichten / welchenicht315Europæer. nicht von Menſchen / ſondern Woͤlffin - nen geſaͤuget worden / ſich unterwerffen muͤſſen. Ein Frauenzimmer / woruͤber ſich die Natur als ihr Meiſterſtuͤck ſelb - ſten verwundert / wird nicht allein ihres vortreffligſten Schmuckes (der Jung - ferſchafft) beraubet / ſondern muß noch darzu dem kalten Stahl eines Moͤr - ders den Ein-und der Seele den Aus - gang verſtatten. Doch halte ich gaͤntzli - chen dafuͤr / daß wofern ich ſie ja von de - nen Straſſenraͤubern errettet / ſie nichts deſto weniger ihre keuſche Bruſt / weil ſie von unreiner Hand beruͤhret worden / gleich einer andern Lucretien mit einem Stich eroͤffnet.

Alexander verſetzte: Jch muß ge - ſtehen / daß mir dieſe Erzehlung ſehr zu Hertzen gangen / und wenn ich an des Herrn Grafens Stelle geweſen waͤre / haͤtte ich den noch uͤbrigen Boͤſewicht in Stuͤcken zerhauen.

Mey -316Der verliebte

Meynet denn Monſ. antwortete der Graf / daß ich ihm das Leben geſchen - cket / mit nichten / ſondern ich gab mei - nem Diener Befehl / daß er den Moͤr - der mit einem Piſtohl-Schuß den Garaus machen muſte.

Aber wie ergienge es weiter / fragte Aurelius?

Der Graf antwortete: Jch blieb eine Weile halten / und wuſte nicht / was ich anfangen ſolte / denn es jammerte mich / daß ſo eine hohe Perſon unbegraben lie - gen bleiben muſte / und beſorgte / es moͤchte der Leichnam bey herannahen - der Nacht von wilden Thieren gefreſ - ſen werden / derowegen reſolvirte ich mich / in das naͤchſt hinter dem Walde gelegene Staͤdtgen zu reiten / und den veruͤbten Mord anzuzeigen.

Als ich nun voran und mein Diener immer hinter mir her caloppirte / umge -317Europæer. geſchwinde aus dem Walde zu kommen hatte ich das Ungluͤck / daß meines Die - ners Pferd ſtuͤrtzte / und den vorder Schenckel entzwey brach. Wie mich dieſes muß verdroſſen haben / kan ein ie - der leicht abnehmen / iedennoch aber hatte ich bey dem Ungluͤck hinwiederum dieſes Gluͤck / daß des eines Straſſen - Raͤubers Pferd in voller Currir bey mir vorbey lieff / ich ſetzt ihm nach / in Meynung ſolches Pferd zu haſchen / und meinen Diener hiedurch wiederum beritten zu machen / und ereilete ſolches doch noch endlich / wiewol ich ihm uͤber eine halbe Stunde nachrannte. Denn ob wol mein Pferd auch ziemlich ſchnell auff denen Beinen / war ich doch dieſen Tag ſchon 6. ſtarcke Meilen geritten / alſo daß ſelbiges zimlich ermuͤdet. Zwey Pferde hatte ich zwar / aber die Nacht war ſchon vor der Thuͤre / alſo daß ich nicht wuſte / wo ich meinen Diener wie -der -318Der verliebtederum antreffen ſolte. Mein Pferd kun - te vor Mattigkeit auch nicht weiter ge - hen / derowegen wurde ich gezwungen / meine Pferde anzubinden / und mich unter einen Baum zu legen. Sonſt ſind in dieſem Wald gar ſehr viel Woͤlf - fe und Baͤhre / welche zum oͤfftern rei - ſende Leute anzufallen pflegen. Jch ver - ließ mich auff meinen wachſamen Hund zoge die Piſtohlen aus denen Hulfftern / legte ſolche neben mir / nahm meinen Hut unter dem Kopff / und fieng alſo an einzuſchlaffen.

Der Rittmeiſter / welcher uͤber der gantzen Mahlzeit noch kein eintzig Wort geredet / und mehr auff das Eſſen als Diſcurſe acht gehabt / fragte doch endlich den Grafen / nachdem er ſeinen zornigen Magen gefuͤllet / wie es unterdeſſen ſei - nem Diener ergangen ſey.

Der Graf verſetzte:

Es hatte unterdeſſen mein Die -ner319Europæer. ner wegen ſeines Herrn langen Auſſen - bleibens ſich nicht wenig bekuͤm̃ert / zu - mal da ihn die herannahende Nacht / und Furcht vor denen wilden Thieren / in Sinn kommen / iedennoch aber eben - falls wie ich / durch den Schlaff bewo - gen / ſich unter einen ſchattichten Baum geleget. Er hatte kaum eine Virtel Stunde geſchlummert / als er jaͤhling auffwachte / und gewahr wurde / daß ein Kerl ſich bemuͤhete den Sattel von dem lahmen Pferde / welches nicht weit da - von auff der Erden lag / herunter zu ſchneiden. Mein Diener Peter ge - nannt / ſprang mit ſeinem Degen her - vor / jener deswegen nicht verzagt / ſtelle - te ſich alsbald zur Gegenwehr. Da gienge es nun an ein ſtattlich ſchmeiſ - ſen / alle beyde wahren ſtarcke unterſetzte Kerl / und hielten im Anfang einander ohne angebrachten Hieb ziemlich die Wage / biß jener es endlich verſahe / undPvon320Der verliebtevon meinem Diener einen ſolchen Hieb uͤber den Kopff bekahm / daß ſelbiger biß an die Naſe geſpalten ward. Da hatte die Freude nun ein Ende. Doch wolte mein Peter dem Land-Frieden nicht weiter trauen / ſchoß den Lahmen Gaul todt / nahm den Sattel davon auf den Puckel / und marchirte / weil es ein wenig Mondenſchein / immer im Wal - de der Naſe nach / biß er endlich auff das blache Feld kam / und auff das bemeldte Staͤdtgen zu gieng / welches er auch mit Auffgang der Sonnen erreichte.

Jch vor meine Perſon hatte un - terdeſſen artliche Kurtzweil. Denn als ich wol in die 3. Stunden (welches ich aus meinem Hoſen-Seiger abnehmen kunte) geſchlaffen / erwachte endlich / und war der volle Mond nicht mehr wie zu - vor von denen mißgoͤnſtigen truͤben Wolcken in ſeinem Schein verhindertwur -321Europæer. wurde / kunte ich alles gar eigentlich ſe - hen / was um mich her im Walde vor - gieng. Die heulenden Woͤlffe und bruͤllenden Hirſche lieſſen eine ſtarcke Wald-Muſic erſchallen / welche auch den Allerbehertzten erſchrecken kunte. Die einſamen Nacht-Voͤgel ſuchten mit ihrem graſſem Geſchrey einander zuzuruffen / und der groſſe Uhu wolte auch nicht vor ſtum̃ gehalten ſeyn / ſon - dern uͤbertraff mit ſeiner ſtarcken Stim - me alle die andern Voͤgel. Die Fle - dermaͤuſe certirten um die Geſchwin - digkeit ihres Fliegens. Die ſonſt furcht - ſamen Haſen exercirten ſich im Lauf - fen / um wenn ſie auff blachen Felde von denen Windhunden angetroffen wuͤrden / ſelbigen deſto eher zu entwi - ſchen. Der ſchlaue Fuchs bemuͤhete ſich die verſchlagenen Holtz-Maͤußgen zu betruͤgen / und der kluge Marder kunte durch ſeine Geſchwindigkeit / dieP 2auff322Der verliebteauff den Baͤumen ruhenden Voͤgel / gar artlich herunter langen. Als ich nun dergeſtalt denen Thieren mit groſ - ſer vergnuͤgung zuſahe / geſchach nicht weit von mir ein ſtarcker Schuß / wel - cher mich dergeſtalt erſchreckte / daß ich nicht wuſte / ob ich in dieſem Walde ver - rathen oder verkaufft war / es waͤrete a - ber nicht lange / ſo wurde mein Schre - cken durch ſtarckes Rauſchen im Walde ziemlich vermehret / zumal da ich ge - wahr wurde / daß ein ſtarcker (ohne Zweifel von einem Wild-Diebe) ange - ſchoſſener Eber auff mich zurante. Hier hieß es wol recht / friß Vogel oder ſtirb. Mein getreuer Hund ſuchte das wilde Schwein von mich abzuhal - ten / aber vergebensweil das arme Thier (welches ich ietzund gerne / wenn es an - gienge / mit 50. Thalern wiederum le - bendig machen wolte /) einen ſolchen Hieb bekahm / daß es alſobald zur Erdentodt323Europæer. todt fiel. Jch durffte mich allhier nicht lange bedencken / was anzufangen / nahm derowegen den Sebel in die rech - te / und das eine Piſtohl in die lincke Hand / reterirte mich hinter eine ſtarcke Eiche. Der Eber ſchaumete vor Zorn / und hieb immer nach mir / alſo daß ich auch ans Bein getroffen ward / welcher Hieb aber wegen Staͤrcke der Stie - feln nicht durchgieng. Endlich erſahe ich meinen Vortel / und verſetzte den er - zuͤrneten Schweine aus vollen Kraͤfften einen Hieb zwiſchen die Ohren / aber der Sebel prallete mit großer Gewalt wie - derum zuruͤcke / gleich als ob ich auff ei - nen Harniſch gehauen. Die andern Hiebe ſo ich that / giengen auch der ge - ſtalt ohne Wirckung ab / daß nichts mehr als groſſe Stuͤcken Hartz vom Schweins-Felle herunter fielen / end - lich als mir von dem uͤbermaͤßigen Hau en der Arm gantz ſteiff worden / druckteP 3ich324Der verliebteich mein Piſtohl loß / und traff den Eber gerade in das lincke Auge / daß er als - bald zu Boden fiel / und bald darauff verreckte. Ob ich nun gleich ſahe / daß in dieſem grimmigen Thiere kein Leben mehr war / ſo erſchreckte mich doch das bloſſe Anſehen einer ſo nngeheuern Groͤſſe / daß ich es kaum wagte hinzu zu gehen / und meinen Widerſacher recht in Augenſchein zu nehmen. Doch machte ich mich hinzu und ſahe / daß der erſte Schuß / welchen das Schwein be - kommen / und durch den holen Leib gangen. Die Zaͤhne (oder wie es die Jaͤger nennen /) das Gewehr reichte ei - ne gute quer Hand aus dem Ruͤſſel her - vor / und die Haut war / ſonderlich auff dem Ruͤcken / von ſolcher Staͤrcke / daß / da ich um ſolche zu erforſchen / mit dem Piſtohl darauff ſchoß / die Kugel nur 2. Finger breit hinein gieng. Denn weil das Schwein ſehr alt / hatte das Hartzvon325Europæer. von denen Baͤumen / woran ſich dieſe Thiere / wenn ihnen der Puckel gucket / zu reiben pflegen / duꝛch die Laͤnge der Zeit ſich mit denen langen Haaren der - geſtalt vereiniget / daß ſchwerlich ein Schuß hindurch gehen kunte. Wie nun dieſes alles von mir in Augenſchein genommen / und mein Magen / weil er in 24. Stunden nichts von eſſender Wahre geſehen / ſehr zornig wuͤnſchte ich zum oͤfftern ein Stuͤck Gebratenes von dieſem Wildpret zu haben / aber nachdem dieſes nicht ſeyn kunte / ent - ſchloß ich bey mir mich / weil der Mor - gen beginnete anzubrechen / wieder auff den Weg zu machen / meinen Diener zu ſuchen / und in das oberwehnte Staͤdtlein zu reiten. Jch ſetzte mich zu Pferde / nahm meinen Raͤuberiſchen Hengſt zur Hand / und ritte immer fort / um einige Kennzeichen des ge - ſtrigen Weges anzutreffen. KaumP 4war326Der verliebtewar ich eine Virtel Stunde geritten als mein Hand-Pferd toll ward / und mir ohnverſehens den Zuͤgel aus der Hand riſſe / und in voller Currier davon lieff. War ich geſtern ſtarck gerannt / ſo blieb es vor dieſes mal auch nicht / da gieng es durch dicke durch duͤnne / da muſte mein Pferd uͤber Graͤben / Stoͤ - cker / und was ihm ſonſt in Weg kam / ſpringen. Endlich nachdem ich mich uͤber eine Stunde mit dem entloffenen Hengſte im Walde herum gejaget / er - haſchte ich ihn endlich bey einen breiten Graben / uͤber welchen er nicht zu ſprin - gen ſich getrauete.

Wie ich nun das Pferd wiederum in meiner Gewalt hatte / gedachte ich meine Sache anders zu karten / ſetzte mich derowegen auff ſelbiges / und fuͤh - rete hingegen mein eigenes / weil es ſich gantz aus dem Odem gelauffen / zurHand /327Europæer. Hand und ritte alſo immerfort. Als eine halbe Stunde vorbey gangen / kam ich auff den geſtrigen Weg / und nicht lange hernach zu meinen todten lahmen Pferd. Jch ſahe mich ein wenig um / und wurde gewahr / daß eine ermordete Perſon unweit davon im Blute lag / meynete alſo nicht anders / als daß es mein Diener waͤre / welcher von Straſ - ſen-Raͤubern erſchlagen worden. Denn die Kleider waren dem Ermordeten von Holtz-Dieben ausgezogen worden / und den Coͤrper hatten die Woͤlffe und Fuͤch - ſe die vergangene Nacht ſo zu gerichtet / daß man faſt nicht ſehen kunte / wo ein und ander Gliedmaß am Leibe geſtan - den. Dieſer grauſame Anblick verur - ſachte / daß ich mich nicht lange allhier auffhielte / ſondern durch den Wald ritte / und mich in das ſchon zum oͤfftern erwehnte Staͤdlein begab / kehrte gleich zu guten Gluͤck in eben den Gaſthof ein /P 5all -328Der verliebteallwo mein Peter lag / welcher denn ſich uͤber meine Ankunfft nicht wenig er - freuete.

Die gantze Compagnie uͤber den Tiſch hatte ein groß Vergnuͤgen aus des Grafens Erzehlung geſchoͤpffet / derowegen bedanckte ſich Alexander im Namen ihrer aller gegen den Grafen / wegen des erzehlten.

Nachdem die Mahlzeit geendi - get / und man von Tiſch auffgeſtanden / fragte der Graff unſern Sicilianiſchen Ritter / ob ihn nicht beliebte auff den A - bend nebſt ſeinen Herrn Cameraden in die von ihrer Kaͤyſerlichen Majeſtaͤt angeſtellte Comœdie und Ballet zu gehen. Alexander antwortete: Jch und meine Herren Cameraden werden nicht unterlaſſen den Herrn Grafen in die Comœdie zu begleiten.

Der Abend kam herbey / da dennder329Europæer. der Graff mit Alexandern, Aurelio und dem Rittmeiſter ſich in das Comœ - dien-Hauß begab.

Sie hatten kaum eine Virtel Stun - de gewartet / als ſich die Trompeten und Heerpaucken tapffer hoͤren lieſſen.

Hierauff kamen ihre Kaͤyſerliche Majeſtaͤt nebſt dero Gemahlin / dem Daͤniſchen und Schwediſchen Geſand - ten ſamt andern Hof-Cavallieren. Vor Jhre Kaͤyſerliche Majeſtaͤt / und dero Gemahlin waren zwey roth ſammete Stuͤle geſetzet / worauff ſie ſich nieder - lieſſen. Hinter dieſen Stuͤlen ſtunden noch zwey andere vor die beyden Ge - ſandten.

Nachdem ein iedweder von denen Hoff-Cavallieren ſeinen Platz einge - nommen / wurde erſtlich uͤberaus lieblich muſiciret / bald hernach eroͤffnete ſich das Theatrum, und præſentirte ei - nen luſtigen Baum-Garten / worinnenP 6die330Der verliebtedie Baͤume Gallieren weiſe ordentlich geſetzet waren.

Jch muß aber allhier dem Begieri - gen Leſer vermelden / daß der Jnnhalt der Comœdie in einer Vorſtellung zweyer Verliebten / welche aber einan - der die Liebe vor Schamhafftigkeit und Furcht einen Korb zu bekommen / nicht zu offenbaren getraueten / beſtunde.

Demnach trat ein Frauenzimmer Lorena genannt / auff das Theatrum, und nachdem es etlichemal hin und wie - der gangen / einen Dolch aus dem Schubſack heraus bekam / ſelbigen ent - bloͤſete / und gleichſam als voꝛ ſich folgen - de Rede fuͤhrete:

Gerechter Himmel / wie unbarm - hertzig haſtu gegen mich gehandelt / daß du mir vor 3. Tagen Gelegenheit an die Hand gegeben / mich in den allervoll - kommenſten Alexander zu verlieben. War -331EuropæerWarum haſtu denen Strahlen meiner Augen nicht Verhinderung im Weg geleget / daß ſelbige das jenige nicht er - blicket / welches die Urſache meines To - des ſeyn wird? Warum haſtu Goͤttin Venus mich in eine ſolche verzweiffelte Liebe und Jrrgarten gefuͤhret / woraus ich nicht wieder / als durch den Liebes - Faden des unvergleichlichſten Alexan - ders geleitet kommen werde? Warum haſtu in meinem Hertzen ein ſolch Lie - bes Feuer angezuͤndet / welches daſſelbe / in Ermangelung anderer Materie / endlich ſelbſten verzehret wird? Mein Hertze ſchwimmet in Thraͤnen / und mein Gemuͤthe wil ſich nicht troͤſten laſſen / denn weil ich die Liebe auch vor meinen Eltern verbergen muß / habe ich niemanden / welchen ich um Rath fra - gen kan. Doch wil ich noch etwas pro - biren / um den Zweck meiner Liebe zu erlangen / und wann mir wiſſend waͤre /P 7daß332Der verliebtedaß ich hierdurch ſelbigen nicht erreiche - te / ſolte dieſer kalte Stahl mit einem be - hertzten Stiche / meinem durch Liebe er - hitzten Gebluͤte Lufft machen. Jhr Goͤtter und Goͤttinnen / gebet nicht zu / daß ich gezwungen werde mir mein ei - gen Grab bey lebendigen Leibe zu bau - en / und durch Kraͤnckung des Gemuͤ - thes den Lebens-Faden abzuſchneiden. Meine hitzige Liebes-wunde kan durch nichts als das Sympathiſche Pflaſter einer verlangenden Gegen-Affection gekuͤhlet werden / denn ſonſt befuͤrchte ich gar ſehr / es werde der kalte Brand der Verzweiflung meinem matten Hertzen vollends den Garaus machen.

Hiemit gieng die Perſon vom Theatro weg / und wurde unterdeſſen muſiciret / biß Alexander, von wel - chem das Frauenzimmer zuvor Mel - dung gethan aufftrat. Er hatte einenbloſ -333Europæer. bloſſen Degen in der Hand / und fieng alſo an zu reden:

Die nunmehro vorbey geſtriche - ne Nacht hat m̃ich mit ſo viel boͤſen Traͤumen erſchrecket / daß ich nicht weiß was ich aus ſelbigem ſchlieſſen ſol. Mein Hertz iſt vor etlichen Tagen durch un - vermuthene Liebe eines des ſchoͤnſten Frauenzimmers allhier dergeſtalt ein - genommen worden / daß / wofern ich nicht eheſtens ein Mittel erſinne / mein Gemuͤth durch den Zweck meines Ver - langens zu befriedigen / verlange ich lie - ber in ungewiſſer Hoffnung zu ſterben / als mit Unvergnuͤgen laͤnger zu leben. Der unvergleichlichen Lorenaͤ El - tern / welche ich wegen ihrer Tochter an - ſprechen koͤnte / ſind wunderliches Ge - muͤthes / und koͤnten mir gar leicht ab - ſchlaͤgliche Antwort geben. Derowe - gen ihr Goͤtter und Goͤttinnen / theiletmir334Der verliebtemir anietzo einen guten Rath mit / wo nicht / ſo ſoll dieſer blancke Degen mir den letzten Dienſt erweiſen / und mein Hertz / welches ohne dem ſchon biß in Todt verwundet / von fernerer Quaal erloͤſen.

Nachdem auch dieſe Perſon ih - ren Abtritt genommen / verenderte ſich das Theatrum in eine wuͤſte Einoͤde / allwo nichts als lauter Sand und Steinkluͤffte.

Als nun unſere Compagnie be - gierig war zu ſehen / was weiter vorge - hen moͤchte / fieng dem Herrn Grafen ohnverſehens an die Naſe zu bluten / deßwegen er denn ſich aus dem Co - mœdien Hauſe begab / dem unſer ver - liebter Europæer alsbald folgte / und weildas Gebluͤte ſich nicht ſo geſchwind ſtillen wolte / gienge der Graff nachHau -335Europæer. Hauſe / allwo er unterſchiedliche Mit - tel davor hatte. Doch verzog ſichs wol in die 2. Stunden / eher das Bluten auf - hoͤrete / da es aber endlich nachgelaſſen / ſagte der Herr Graff zu unſern Sicilia - niſchen Ritter: Wir wollen wiederum in die Comœdie gehen. Alexander antwortete: Jch bin es gar wol zu frie - den.

Auff dem Wege erzehlete der Graf unſerm Ritter / wie er in acht genom - men / daß ein Frauenzimmer / welche er aber nicht kennete / ihn ohne unterlaß mit unverwendeten Augen angeſehen / und durch viel Seuffzen an Tag gege - ben / als ſey ſie durch ſein Anſchauen in ihn verliebet worden.

Alexander antwortete: Jch muß doch auch acht darauff haben.

Als336Der verliebte

Als derowegen der Graff mit Ale - xandern wiederum in dem Comœ - dien-Hauſe angelanget / war die Co - mœdie ſchon aus / und gleich ein Moh - ren-Ballet angangen.

Unſer Ritter ſahe nun wol die Per - ſon / von welcher der Graff geſaget hat - te / derowegen verfuͤgte er ſich in die Ge - gend / allwo dieſes Frauenzimmer ſaß / fragte einen Bekandten wegen des Na - mens dieſer Perſon / und erfuhr / daß ſie Menilda hieß / und eines vornehmen Oeſterreichiſchen von Adel Tochter waͤre.

Nechſt bey Menilda ſtund gleich ein leerer Stul / derowegen ſagte ſie zu Alexandern: Was wil Monſ. hier ſo lange ſtehen / er beliebe ſich niederzu - laſſen.

Ale -337Europæer.

Alexander erſchrack / weil er nicht vermeynet / als ein Unbekandter / von ei - nem Frauenzimmer angeredet zu wer - den / doch antwortete er endlich: Wie wol ich nicht ſonderlich vom Stehen er - muͤdet / iedennoch aber Madam. zu ge - horſamen / wil ich mich hieher ſetzen / in gewiſſer Zuverſicht / ſie werde meine Grobheit / ſo ich etwa hiemit begehe / dero eigenen Befehl zuſchreiben.

Hierauff ſetzte ſich Alexander zu Jungfer Menilda nieder / und kunte aus ihren Reden / welche ſie fuͤhrete / gnugſam abnehmen / daß der Liebes - Gott Cupido ſie mit ſeinen feurigen Pfeilen verwundet.

Alexander fragte / wie ihr dieſe Co - mœdie gefallen.

Sie verſetzte: Die Comœdie habe ſie recht vergnuͤget / zumal eine ſolcheMa -338Der verliebteMaterie darinne abgehandelt worden / welche in gemeinen Lebens-lauff gar offt vorkaͤme. Ach wie offt / ſagte ſie / ver - liebet ſich ein Frauenzimmer in einem Cavallier / und darff doch ſolches nicht mercken laſſen / auch ſich keine Hoffnung machen den Zweck der Liebe zu erlan - gen. Jch habe ſelbſten eine gute Be - kandtin / welche mit dieſer Kranckheit be - hafftet / und wird ſo bald oder auch wol gar nicht von ſolcher curiret werden / weil wieder dieſe Kranckheit ein ge - wuͤndſchter Artzt ſelbſten zugleich die Artzney iſt / und man des rechten Artzts nicht allzeit habhafftig werden kan.

Alexander gab zur Antwort: Gleichwie bißweilen das Frauenzim - mer ſich in Mannes-Perſonen verlie - bet / alſo geſchiehet es noch oͤffter / daß ein Cavallier durch das bloſſe Anſehen einer Perſon alſo bezaubert wird / daß er nicht weiß / was er anfangen ſoll.

Um339Europæer.

Um Heyrath anzuhalten unterſte - het er ſich nicht allezeit / in Meynung etwa ein Korb davon zu tragen / und gleichwol kan er auff keine andere Art den Zweck ſeiner Liebe erlangen / und gleich wie eine Manns-Perſon ſich viel feſter etwas imprimiren kan / als ein Frauenzimmer / alſo iſt auch die Liebe viel hefftiger / als bey dem Weiblichen Geſchlecht. Die tapfferſten Helden / welche vor Zeiten in denen Schlachten ihrem Feinde getroſt unter Augen gan - gen / ſind mehrentheils die verliebteſten Liebhaber geweſen / ſolches koͤnte ich mit vielen Exempeln beweiſen / wofern ich nicht verſichert waͤre / daß Madam. ohnedem meinem Worten Glauben beymaͤſſe; Fragte einer nach der Urſach / ſo koͤnte geantwortet werden / daß die je - nigen / welche großmuͤthig und tapffer / mehrentheils hitziges Gebluͤtes / und ſagen die Phyſici, daß ie hitziger Ge -bluͤt340Der verliebtebluͤt einer haͤtte / ie leichter koͤnte er durch die Liebe beweget werden / dahero man denn auch ſaͤhe / daß die jenigen / welche von melancholiſcher Conſtitution und kalten Gebluͤte ſich nicht ſo leicht ver - liebten / als die / welche von hitziger Na - tur. Man kan es dahero leicht abneh - men / weil ie juͤnger ein Menſch / ie ge - ſchickter wird er zu allen Sachen ſeyn / und abſonderlich wird ein junger Ca - vallier von etlich und zwantzig Jahren viel hefftiger lieben / als wenn ein ander / deſſen Alter ſich ſchon auff 50. Jahr er - ſtrecket / weil bey dieſen die hitzigen und kraͤfftigen Lebens-Geiſter beginnen Ab - ſchied zu nehmen / und das heran nahen - de Alter eine richtige Propheceyung des bald hernachfolgenden Todes iſt. Die jenigen / ſo ſich auff das ſtudieren legen / werden in ihrer Jugend viel eher etwas faſſen koͤnnen / als wenn ſie hernachmals ins Alter kommen / die Urſach iſt / weilein341Europæer. ein iedweder in der Jugend noch Hitze im Leibe hat / welche denn auch das Ge - hirne / ſo ſonſt mit vielen feuchten duͤn - ſten angefuͤllet iſt / ausdrucknet / daß es alſo capabler wird etwas zuverrichten / und alſo bleibet es darbey / daß die jeni - gen / welche ſich leicht zur Liebe bewegen laſſen / viel geſchickter zu allen Sachen / als die / welche wegen kalter Natur und uͤbriger Feuchtigkeit mehrentheils einen ungeſunden Magen / verdrießli - chen Kopff und unvergnuͤgliches Leben haben.

Menilda meynete nicht anders / als daß unſer verliebte Ritter das erzehlete nur deßwegen vor gebracht / um an Tag zu geben / daß er ſich ebenfalls in ihr hefftig verliebet / derowegen ſagte ſie: Weil Monſ. anietzo von der Liebe re - dete / ſo muß ich geſtehen / daß es mich nicht wenig verdrieſſet / wenn man -nes -342Der verliebtenes-Perſonen ſich offtermals ſcheuen ihre Liebe zu offenbaren / da man doch wohl weiß / daß ſie ſonſt nicht ſo ſcham - hafftig.

Alexander merckte gar bald / wor - auff es gezielet / derowegen ſagte er:

Daß ein Liebhaber ſich meiſtens ſcheuet ſeine Liebe zu offenbaren / geſchie - het darum / weil ſich ein ſolcher das jeni - ge einbildet / was etwa eine Verhinde - rung ſeiner Liebe ſeyn kan / und nicht eher ſich etwas wil mercken laſſen / biß er erfahren / daß nichts vorhanden / wel - ches ſein erwuͤnſcht Verlangen hinter - treiben koͤnne.

Nach geendigter Comœdie und Ballet / begab ſich unſere Compagnie wiederum in ihr Logiament / da denn Aurelius Alexandern fragte / waszwiſchen343Europæer. zwiſchen ihn und den ob erwehntẽ Frau - enzimmer vorgegangen. Unſer Sici - lianiſcher Ritter antwortete:

Es wundert mich gar ſehr / daß die Weibes-Perſonen ihren Begierden ſo nachhengen / und ſich ſtracks durch das bloße Anſehen einer ſonſt ihnen unbe - kandten Mannes-Perſon verlieben koͤnnen.

Meynet denn der Herr Vetter / verſetzte Aurelius / daß das Frauenzim - mer nicht eben / wie die Manns-Perſo - nen / zum oͤfftern ihre Liebes-Paſſiones fuͤhlet / ich rede nicht allein von unvereh - lichten Perſonen / ſondern auch denen jenigen / welche im Ehſtand nach fremb - der Speiſe begierig ſind / und vor eine ſonderbahre Galanterie halten / von un - verehlichten Perſonen æſtimiret zu werden. Zu Meſſina war vor zweyQJahren344Der verliebteJahren eine Perſon / welche die Natur mit ſo guter Leibes-Geſtalt begabet / daß ſie deßwegen ſehr viel Freyer hatte / wel - che aber denen Eltern nicht allerdings anſtaͤndig. Unter dieſen Freyern aber war einer / der dieſem Frauenzim̃er ſehr wohl gefiele / doch ſichs gegen denen El - tern nicht durffte mercken laſſen / weil ſelbige ihre Tochter an einen alten Wit - wer verheyrathen wolten / ſo endlich auch geſchach.

Kaum waren vier Wochen vorbey gangen / als der Alte (weil denen bejahr - ten Manns-Perſonen die Genieſſung der Liebe hoͤchſt ſchaͤdlich / und eine ge - ſchwinde Befoͤrderung zum Grabe iſt) in eine Kranckheit fiel / welche zwar nicht eben ſo gefaͤhrlich / aber doch eine Verhinderung war / ſeiner keuſchen Penelope gebuͤhrend an die Hand zu - gehen.

Dieſe345Europæer.

Dieſe war nur zum Schein vor de - nen Leuten bemuͤhet / ihren Ehmann durch Artzney-Mittel zu voriger Ge - ſundheit zubringen.

Nun war in dieſer Stadt eben der jenige / welchen ſie in ihre ledigen Jung - ferſtande mit gnaͤdigen Augen angeſe - hen / ein Doctor Medicinæ. zu dieſem ſchickte ſie mit Bitte zu ihr zu kommen. Wie ſolches geſchehen / bekam ſie ihn auf die Seite und ſagte oͤffentlich / weil ihr Mann ohne dem itzund unbaß / ſolte er ſeine Stelle vertreten.

Dieſer Medicus war ein guter Phyſicus, und hatte ſich vordem in Anatomicis, als er zu Paris in Franck - reich geweſe / zimlich geuͤbet / wolte dero - wegen dieſe erwuͤndſchte Gelegenheit bey ſeiner vormals verlangten Liebſte nicht aus denen Haͤnden laſſen / ſondern gab ſo wol dem Mann als der FrauenQ 2zu346Der verliebtezu ihren Zuſtand gar dienliche Artz - neyen.

Bothe ſich bey Cornato (denn ſo hieß der krancke) zum oͤfftern an / daß erbey ihm wachen wolte / welches jener ohne Vermerckung eines Argwohns gar gerne zugab.

Der Herr Medicus that es aber um gantz andere Urſachen / weil er alſo den Mann bey Tage und des Nachtes die Frau curirte / denn dieſe hatte ein klein Fiebergen / welches aber der ſorg - faͤltige Medicus durch gute Artzneyen / ſo er / als ein erfahrner Chymicus, ſelbſten machte / ſo weit brachte / daß an boͤſen Tage an ſtatt des Froſtesſichalle - zeit Hitze einfande / und zwar mehren - theils zur Nacht / weil ſolche Fieber in tSicilien insgemein bey denen Patien - en ſich ſolcher Zeit einfinden.

Die347Europæer.

Die Cur gieng ſehr wol von ſtatten / alſo das Herr Cornatus innerhatb 3. Wochen wiederumb ſeine vorige Ge - ſundheit erlangete / und dem fleißigen Herrn Medico mit einen dutzend Tha - ler unter Arme grieff. Dieſes war das Gratial, die andern Accidentia belieffen ſich noch hoͤher.

Alexander gab zur Antwort: O daß doch ſolche Leute in ſich ſchluͤgen / und bedaͤchten / daß ihr boͤß Vornehmen / ob es gleich vor der Welt ungeſtrafft blei - bet / dennoch unſer HErr GOTT ein anders darzu ſaget.

Aurelius ſagte: Jch muß demſelben nunmehro auch ohne fernere Weitlaͤuf - tigkeit vermelden / daß ich bey mir be - ſchloſſen mich morgendes Tages wie - derum nach Sicilien zu begeben.

Q 3Ale -348Der verliebte

Alexandern war ſolches nicht wohl gelegen / weil er alſo ins kuͤnfftige die Compagnie ſeines guten Freundes ent - rathen ſolte / iedennoch aber gab er ſich zu frieden / in Hoffnung ſelbigen bey ſeiner Ruͤckkunfft in Sicilien wiederum zu ſprechen. Der Tag zur Abreiſe kam herbey / da denn Aurelius nebſt den Ritt - meiſter (welcher ebenfalls nach Sicilien verlangte) nach genommenen Abſchied von ſeinem liebſten Alexander ſich auff die Landkutſche ſetzte / und immer zum Wieniſchen Thore hinaus fuhre.

Alſo war unſer verliebter Europæer gantz allein / und merckte den Verluſt ſeiner guten Freunde gar ſehr. Das Gedaͤchtniß Amenien und Lucretien verurſachte zum oͤfftern in ſeinem Ge - muͤthe traurige Gedancken / und ver - trieb auch ſelbige wiederum / denn ſein bißhero gefuͤhrter Lebens-Lauf kunteihm349Europæer. ihm zum oͤfftern groß Vergnuͤgen ver - urſachen.

Nun fuͤgte es ſich / daß er zu einen vornehmen Miniſter am Kaͤyſerlichen Hofe einsmals zu Gaſte geladen ward. Dieſer hatte drey Toͤchter / deren die juͤngſte nicht allein von ausbuͤndiger Schoͤnheit / ſondern auch ſehr hohen Verſtande war / alſo daß ſie in der gan - tzen Stadt Wien ein ſonderbahres Lob erworben.

Als derowegen Alexander in des ermeldten Miniſtri Behauſung ange - langet / wurde er uͤberaus hoͤfflich em - pfangen / und zur Taffel gefuͤhret. Es wurden allerhand Diſcurſe gefuͤhret / uñ unter andern referirte der Kaͤyſerliche Miniſter, daß er geſtern gewiſſe Nach - richt erhalten: Wie ſich die Stadt Straßburg an den Koͤnig in Franck - reich ſolte ergeben haben.

Q 4Ale -350Der Verliebte

Alexander kunte ſich dieſes faſt nicht einbilden / iedennoch aber weil er den Bericht von hoher Hand empfieng / ſtellete er ſolchem endlich Glauben zu.

Unter deſſen ſahe Alexander Apu - lii (ſo will ich den Kaͤyſerlichen Miniſter nennen) Tochter mit unverwandten Augen an / weil ſie ihm uͤberaus wol ge - fiele. Herr Apulius gab hierauff gar gnaue acht / dannenhero als Alexander nach geendigten Banqvet vom Apulio Abſchied nahm / und um Recommen - dation bey Jhre Kaͤyſerl. Maj. Anſu - chung that / verſprach ſein beſtes zu thun / und bath zugleich / es moͤchte unſer Si - cilianiſcher Ritter ihm eheſtens wider - um zuſprechen.

Und ſo weit habe ich meines vorneh - men Freundes Alexandri Lebens - Lauff auffzeichnen wollen / was fernervor -351Europæer. vorgegangen / und wie Alexander Apulii Tochter nach vieler ausgeſtan - denen Verdrießligkeit endlich doch noch geheyrathet / wie auch die Sicilianiſche Liebes-Geſchichte Aurelii / will ich kuͤnff - tige Oſtermeſſe in dem andern Theile dieſes Werckes in guter Ordnung ver - melden.

Der geneigte Leſer ſehe unterdeſſen dieſen Roman mit geneigten Augen an / und verſichere ſich / daß auff Erfol - gung dieſes / ich nicht manqviren wer - de / der Welt ins kuͤnfftige noch unter - ſchiedliche Politiſche Schrifften auszufertigen.

Q 6An

Anhang.

SO wird demnach der geneigte Leſer / nach Durchleſung dieſer we - nigen Bogen / erſehen haben / was Alexander vor ein fuͤr - trefflicher Ritter geſen. Wie ihm ſeine ſchoͤne Leibes - Geſtalt bey dem Frauenzim - mer angenehm / der hohe Ver - ſtang bey gelehrten Leuten be - liebt / und die kluge Großmuͤ - thigkeit bey hohen Haͤuptern teruͤhmt gemacht.

Derowegen hat auch der Autor dieſes Wercks in Er -zeh -zehlung Alexandri Lebens - Lauf / nicht allein von denen Liebes-Geſchichten Meldung gethan / ſondern auch die ver - nuͤnfftigen Diſcurſe / welche ſo wohl von ihm als andern ge - halten worden / eingemenget / damit der Leſer wegen einerley Materie nicht einen Eckel be - kommen moͤchte / und dieſer Roman / von denen jenigen / welche ſonſt nicht viel von Lie - bes-Buͤchern halten / gleich - wol moͤchte æſtimiret werden. Jch verſichere den guͤnſtigen Leſer / es wird ein iedweder wes Standes und Condition er auch ſey / doch in dieſem BuchQ 6wohlwohl etwas finden / welches ihn beluſtigen moͤchte. Und ob es auch gleich ſeyn koͤnte / daß dergleichen Geſchichte wie allhier erzehlet werden / ſich hin und her in Europa an unterſchiedlichen Orten eben - falls ſeithero zugetragen / ſo wird doch ein iedweder Ver - ſtaͤndiger wol wißẽ / daß nichts heut zu Tag geſchiehet / wel - ches ſich nicht zuvor auch ſol - te begeben haben. Und abſon - derlich hoffet der Autor / es werde dem ſaͤmtlichen Euro - pæiſchen und inſonderheit Hoch-Tugend-EdlenFrau -Frauen zim̃er in Leipzig / nicht etwa mißfallen / daß ſel - biger in ſeinem Roman zu un - terſchiedenen malen Laſter - haffte Weibes-Perſonen auf - gefuͤhret / weil er ſolches mit Fleiß gethan / in dem die Laſter / wenn ſie denen Tugenden ent - gegen geſetzet werden / dieſe ei - nen deſto groͤſſern Schein von ſich geben / es ſey denn / daß ihm dieſes in gemein vor einen Feh - ler ausgeleget wuͤrde / daß ſei - ne ungeſchickte Feder ſich un - terſtanden / die ungemeinen Tugenden und hohen Gaben / in deren Austheilung ſich die Natur vor allen andern demQ 7Hoch -Hochſchaͤtzbaren Leipzi - ger Frauenzimmer goͤn - ſtig erwieſen / durch die / auff Alexanders Befehl dieſem Roman vorgeſetzte Zuſchrifft / in der gantzen Welt auszu - breiten. Er iſt erboͤthig / wo - fern iemand deren Qvalitaͤ - ten in Zweifel ziehen ſolte / ſol - che mit gnugſamen Gruͤnden und in oͤffentlichen Druck her - aus gegebenen Lob-Schrifft zu erweiſen / wiewohl es ver - hoffentlich nicht von noͤthen ſeyn wird / weil der jenige (ſo in der weltberuͤhmten Stadt Leipzig geweſen) ein bloͤd Ge -ſichtſicht und elenden Verſtand haben muͤſte / welcher die aller - vollkom̃enſte Schoͤnheit / und uͤbermenſchlichen Verſtand des Frauenzimmers in ſelbi - ger Stadt / augenſcheinlich in Zweifel ziehen ſolte. Wider die Frembden / welche niemals das Gluͤck gehabt / mit ſol - chem Frauenzimmer umbzu - gehen / gedrauet er ſeine Mey - nung noch leichter zu behau - pten / und zu erweiſen / daß der Himmel immer an einen Ort ſtaͤrckern und guͤtigern Ein - fluß in die Gemuͤther und Lei - ber des Frauenzimmens habe / als an einen andern.

Es

Es wird ſonſt auch dieſer Roman denen jenigen / welche in frembde Laͤnder zu reiſen verlangen / guten Unterricht ertheilen. Denn wann ſie ſich nur den unvergleichlichen Si - cilianiſchen Ritter vor Augen ſtellen / und nach deſſen Bey - ſpiel in der Fremde ihr Leben anſtellen / ſo werden ſie nach verrichteter Reiſe mit groſ - ſem Nutzen wiederum in ihr Vaterland zuruͤck kehren koͤn - nen. Als Alexander in Spa - nien und Franckreich ſich auf - hielte / ſuchte er vor allen Din - gen den Staat und die Re - gierungs-Art ſelbiger Koͤnig -rei -reiche ſich in Kopff zu bringen / machte ſich mit denen Miniſtris am Hofe bekand; durch wel - che er viel Sachen erfuhre / die ſonſt von Auslaͤndern in ge - heim gehalten werden. Mit Frauenzimmer gieng er gerne umb / als bey welchen man / zumahl in Franckreich / die Sprache gar wohl begreiffen kan / doch nahm er ſich gar ſehr in acht / wohl wiſſend / daß das Frauen zimmer an manchen Orte denen Syrenen gleich / welche mit ihrer durchdrin - genden Stim̃e / denen Schiff - Leuten / wofern ſie ſich nicht ge - ſchwind aus dem Staube ma -chen /chen / einen Sturm uͤber den Hals bringen. Jhre Augen / meynete er / waͤren zum oͤfftern Baſilisken-Augen / welche mit einem eintzigen Blicke die Hertzen der Mannes-Perſo - nen vergifften / und zu unziem - licher Liebe leiden koͤnten.

Jm uͤbrigen wolle ſich der geneigte Leſer nicht etwa be - muͤhen den Autorem dieſes Werckes auszuforſchen / in - dem es ſcherlich wird koͤnnen effectuiret werden / berichte a - ber doch hiermit / daß der Au - tor ſich vor weniger Zeit inco - gnito in Leipzig auffgehalten /undund nur neulich ſich an einen ſolchen abgelegenen Ort be - geben / von welchem man auch mit der geſchwindeſten Poſt kaum in 8. Tagen Briefe er - halten kan / wird aber dennoch nicht unterlaſſen kuͤnfftige O - ſter Meſſe den andern Theil des verliebten Europaͤ - ers / nebſt der Politiſchen Wuͤndſchel-Ruthe / na - cher Leipzig zu uͤbermachen / es ſey denn / daß der langſame Abgang dieſes erſten Theiles die Ungeſchickligkeit ſeiner Fe - der an Tag gaͤbe.

Sol -

Solten ſich uͤberdieß Leute finden / welche es vor eine groſ - ſe Kunſt halten / anderer Leute Buͤcher absqve judicio zu ta - deln / ſo iſt er willens nach Art des Anno 1680. in Druck her - aus gegebenen uͤberaus Cu - rioſen und luſtigen Buͤchleins der Politiſche Maulaffe ge - nannt / den albern Maul - affen zu verfertigen / und dar - inne ſolche unverſtaͤndige Tad - ler oben an zu ſetzen / damit die gantze Welt ſehen moͤge / daß es viel leichter ſey / ein Buch zu tadeln / als zu machen / wiewol ich nicht hoffen will / daß einVer -Verſtaͤndiger von dieſem Ro - man uͤbel judiciren werde / es ſey denn ein ſolcher unter de - nen jenigen / deren Laſter in dieſem Wercke zwar nur itzo mit Waſſer-Farben abge - mahlet / und wegen heranna - hender Meſſe nicht alle haben koͤnnen beruͤhret werden / doch ins kuͤnfftige / im andern Thei - le dieſes Tractats / durch be - ſtaͤndige Oehl-Farben deutli - cher an Tag kommen moͤch - ten / damit deren Gedaͤchtniß bey der Nach-Welt weder durch Regen noch ander ſtuͤr - miſch Wetter einigen Scha - den leide.

Letz

Letzlichen vermelde ich / daß dieß Buch nicht einer von de - nen jenigen gemacht / welche es vor eine groſſe Kunſt hal - ten / die Liebes-Romane mit allerhand Schand-Poſſen / wodurch zum oͤfftern keuſche Gemuͤther geaͤrgert werden / anzufuͤllen / wer alſo ein Lieb - haber ſolcher Sachen / darff ſich dieſes Buch nicht zulegen / ſondern weiß ſich nach andern umbzuthun / deren er in allen Sprachen eine groſſe Menge finden wird.

Verbleibet unterdeſſen / wiewohl anitzo in Abweſen -heitheit / des guͤtigen Leſers gehor - ſamſter

Diener A. X.

About this transcription

TextDer verliebte Europäer, Oder Warhafftige Liebes-Roman
Author Johann Beer
Extent394 images; 42180 tokens; 8308 types; 297525 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDer verliebte Europäer, Oder Warhafftige Liebes-Roman Johann Beer. . [9] Bl., 351 S., [7] Bl. : Frontisp., Tbl. r&s. BoetiusWien1682.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Berlin SBB-PK, Yu 7681

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Roman; Belletristik; Roman; core; ready; china

Editorial statement

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:28:54Z
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ShelfmarkBerlin SBB-PK, Yu 7681
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