PRIMS Full-text transcription (HTML)
Exempel Der unveraͤnderlichen Vor - ſehung Gottes.
Unter einer anmutigen und ausfuͤhrlichen Hiſtori vom Keuſchen Joſeph in Egypten / Ja - cobs Sohn.
Vorgeſtellt So wol aus Heiliger als anderer Hebreer / Egyptier / Perſer / und Araber Schrifſten und hergebrachter Sag / erſtlich
Daſelbſt drucktsHieronimus Grisenius. Beym Autore und Verleger zu finden. M. DC. LXVII.

Der Wohlgebornen Frauen / Frauen A. E. M. V. E. G. V. S. Seiner gnaͤdigen Frauen Eignet dieſes unterthaͤnigſt zu Dero unterthaͤnigſt gehorſamer Diener Samuel Greifnſon vom Hirſchfeld.

[1]

An den Leſer.

GRoßguͤnſtiger lieber Leſer / ich ha - be von vielen ſo hohen als nidern Stands - Perfonen die gern in der Bibel leſen / wuͤnſchen hoͤren / ſie wolten daß Joſephs Hiſtori etwas weitlaͤuffiger beſchrieben waͤre / weil dann nun der Juͤdiſche Geſchichtſchreiber Joſephus und andere Hebreer mehr / neben dem Mahume - tiſten / als Tuͤrcken / Perſern / Arabern und E - gyptiern / auch die Griechiſche und Armeniſche Chriſten viel ſeltzame Sachen von Joſephs Le - ben haben / die ſich nicht in der Bibel befinden; Als habc ich aus demſelben / was heiliger Schrifft nicht zu wider laufft / zuſammen getragen / und in diß Buch verfaſſt / denen ſo die Hiſtori Joſepbs ſo gern leſen / damit zu dienen / doch muß ich ge - ſtehen daß ich auch viel Dings / ſo gar zu fabel - hafftig lautet / als unnuͤtze Maͤhrlein ausgelaſſen; Solte aber diß Wercklein beliebt werden / ſo koͤnte man im Leben des Abendtheurlichen Mu - ſai (ſo in Egypten Joſephs Schaffner geweſen) einbringen / was diß Orts mit Fleiß außgelaſſen worden. Jndeſſen gehab ſich der Leſer wol / und nehme vor lieb.

A ijJn -2.[2]

Jnhalt dieſes Buchs.

DEmnach GOtt der Allmaͤchtig in ſeinem allerweiſeſten Rath be - ſchloſſen / das Geſchlecht Jacobs / ſo Er ihm vor allen andern Menſchen zu ſeinem Volck erwaͤhlet / aus der Cha - naneer Land in Egypten zuverſetzen / daß es ſich biß zur wider Außfuͤhrung durch Moyſen beſchehẽ / darinn vermeh - ren ſolte; Hat Er ſolche Vorſetzung durch ein allgemeine Wehrung die ſei - nes Volcks Ertzvattern den Jacob in Egypten zwingen muſte / ins Werck ſetzen wollen; Damit aber Jacob und ſeine Kinder zu ihrer Ankunfft auch Un - terſchleiff und Lebens-Mittel finden moͤchten hat die Goͤttliche ohnveraͤn - derliche Vorſehung Jacobs liebſten Sohn Joſeph dem ſeine Bruͤder ver - kaufften / vor ihm her geſandt / und dem - ſelben Mittel an die Hand gegeben / dardurch er den Jacob: ſeine Kinder / Kindes-Kinder und ſich ſelbſten ver - ſorgen koͤnnen; Wie es nun ihme Joſeph ergangen / biß alles dem Goͤttlichen Willen nach zu Faden geſchlagen wor - deu / ſolches wird in dieſem Buch einfaͤl - tig erzehlt.

Jo -3.[3]

Joſeph an Momum und Zoilum.

JHr artliche Geſpanen / wann weder Krafft noch Safft an mir iſt / ſo werdet ihr wenig an einem ſolchen doͤr - ren Bein zu nagen finden; Ein Hund thut ja faſt naͤrriſch / wann er ligt / und mit Unruhe und auffgeſperꝛtem Rachen nach magern Mucken ſchnappet / ſei[ne]n heißhungerigen Appetir zuſtillen / wann er Gelegenheit hat / ein rechtſchaffenes Wild zu ſeiner Erſaͤttigung zufangen; Derowegen wann ihr mich eurer Ge - wonheit nach nicht ungezopfft laſſen koͤnnet / ſo macht mich nur ſtrachs an - ders / damit ich mich deſto beſſer doͤrffe ſehen laſſen; Setzet auch gleich darzu / ob Kuben oder meine uͤbrige neun Bruͤ - der / welche gantz widereinander waren / dem Willen Gottes und deſſen Vorſe - hung folg gethan / als ich verkaufft wor - den; Alsdannn wird mein Author la - chen / daß ihr Sachen einbringt / die ei - gentlich zu keiner Hiſtori / ſondern in die Schulgehoͤren.

A iijDeß4.[4]

Des keuſchen Joſephs in Aegypten Lebens-Be - ſchreibung.

GLeich wie der Apffel nit weit vom Stamm faͤllt / alſo ſchlaͤgt kein Zweig aus ſeiner Art! Niemalen hat eine Taube einen Raben geboren / noch ein Nachteul eine Nachtigall gehaͤgt / ob zwar beyde von der Nacht ihren Namen herfuͤhren; Der Sara ſeltene Schoͤnheit war ſo beruͤhmt und vortrefflich / daß ſich auch Koͤnige: Nemlich der maͤchtige Pha - rao in Egypten und Abimelech der zu Gerara in Paleſtina darinn vernarre - ten! Wo haͤtte dann ein haͤßliches Ur - Encklein von ihr herkommen koͤnnen? Vornemlich aus einer ſolchen Mutter wie Rahel geweſen / um welcher himm -liſchen5.[5]liſchen Schoͤnheit wegen / Jacob gantze vierzehen Jaͤhrige: ob zwar freywillige / jedoch ſehr beſchwerliche Dienſtbarkeit gedultet; Warum aber das Geſchlecht Thare (welcher Abrahams Vatter ge - weſen / und von den Arabern Aſſar ge - nennt wird /) allein vor allen andern Menſchen ſo damalen gelebt / mit ſo ver - wunderlicher Schoͤnheit begabt gewe - ſen / davon ſagen die Araber / Perſer / und Chaldeer Naturkuͤndiger neben ihren Geſchichtbuͤchern dieſes; Daß obge - meldter Thare oder Aſar ein uͤberaus kuͤnſtlicher Bildhauer: Und deswegen bey dem groſſen Nimbrod in Dienſten ſehr beliebt / und zugleich ſeiner Goͤtzen Tempelwarter oder Pfleger geweſt ſeye; Der haͤtte ſo vollkommene ſchoͤne Bil - der verfertigt und unter Handen gehabt / daß ſich viel die ſie nur angeſehen / im erſten Anblick darein verliebt: und wei - len deſſen Haußfrau / Abrahams Mut - ter (aus welchen Geſchlecht auch Sara / Rebecca und Rahel entſproſſen /) dieſe Bilder ſtetig vor Augen geſehen / ſeyenA iiijdurch6.[6]durch ihre hefftige Einbildungen alle ihre Kinder denſelben an der Geſtalt aͤhnlich worden; Welche geraubte Schoͤnheit ihrem Geſchlecht biß ins vierdte Glied (ob es zwar auff der Liæ Seiten zeitlicher verhimpelt worden) angeklebt; Unter allen aber ſeye Joſeph der Sohn Jacobs der Kern und Aus - bund darvon: Und zwar ſo unaus - ſprechlich ſchoͤn geweſen / daß ſeine Schoͤnheit auch die hoͤchſte Schoͤnheit eines jeden Engels uͤbertroffen; Sol - ches nun iſt der Araber / Perſer und Me - ſopotamier Meinung von Joſephs Schoͤnheit; Es wird auch davor ge - halten / daß die Goͤtzen Labans ſo durch die Rahel wegen ihrer Raritet und ſon - derbahren Schoͤnheit ihrem Vatter ge - ſtohlen: Und nachmals durch den Ja - cob bey Sichem unter eine Aich begra - ben worden / ein ſonderbares Kunſt - und Meiſterſtuck des Aſars: Und die groͤſte Urſach beydes der Rahel und des Jo - ſephs Schoͤnheit geweſen ſeyen / weil Jo - ſephs und der Rahel Mutter dieſelbegeliebt:7.[7]geliebt: und im Anbeten ſolche ſtetigs vor Augen gehabt haben;

Aber uͤber dieſe hohe Gaab der Schoͤnheit / hat GOtt den Joſeph noch weit reichlicher geſegnet; So / daß man ihn wegen ſeiner Vortrefflichkeit wol den Edelſten Koͤnig: und wegen ſeiner Schoͤnheit daß er in dem herꝛlichſten Pallaſt wohnete / vergleichen moͤgen; Er hatte vollkommene Schoͤnheit von der Mutter / und eben ſo viel Verſtand von ſeinem Vatter auff ſich geerbet; Wolcher in ſeinen bluͤhenden Fruͤhlings - Jahren anzeigte was er vor Fruͤchte bringen wuͤrde; Ja ſein Verſtand war damalen bereits ſo hoch / ſcharff und faͤ - hig; Sein Gedaͤchtnuß ſo gut und ſtarck: und ſein Kopff etwas geſchwind zubegreiffen / ſo fertig? Daß ſchwerlich ein Urtheil zufaͤllen / ob dieſe ſeine innerli - che Gaben? oder die aͤuſerliche Geſtalt ſeines Leibs am verwunderlichſten zu - ſchaͤtzen? Dahero hat er gleich in ſeiner Jugend gefaſſt / was ſeinen Altvaͤttern[i]n ihrem mannlichen Alter zubegreiffenA vſchwer8.[8]ſchwer gefallen / er gruͤndet allen natuͤr - lichen Dingen nach / und kam in kuͤrtze ſo weit / daß man ihn billich ein Vorbild des weiſen Salomonis nennen mag; Erwar ein guter Aſtronomus und Ma - thematicus, und verſtunde die Magia oder vielmehr die Philoſophia naturalis vollkommen neben dem Ackerbau? Der Menſchen und Thier Eigenſchafften wuſte er / und konte derſelben Gebrechen durch Artzneymittel leichtlich helffen / wie dann auch ſeine Bruͤder von dergleichen Wiſſenſchafften bey ihnen haͤtten taͤg - lich Philoſophirten / aber ihme alleſa - men bey weitem das Waſſer nicht rei - chen konten / wie wol er deren eilff hatte.

Darbey ware er ſehr demuͤtig / fromb / auffrichtig / redſprechig / freundiich und holdſeliger Geberden / von den Laſtern wuſte er ſo gar nichts / daß er auch ihre Namen nicht verſtunde; Und ob zwar damal noch kein geſchriebene Geſetz vor - handen / darnach jeder zu leben haͤtte; So war er doch vom guͤtigen Himmel ſo erſchaffen: Und durch das Geſetz derNa -9.[9]Natur alſo unterwieſen / daß er nichts anders als Tugend wuͤrckte; Jn ſol - chem Stand befliſſe er ſich wie er ſeinem Vatter wol bedienen: Jhm vor Zorn und Sorg ſeyn: Und deſſen Haab ver - mehren helffen moͤchte / wordurch er den erwarb / daß ihn Ja[c]ob deſto hertzlicher liebte / ihne auch / weil ſich die Lieb nicht verbergen laͤſſt / mit einem ſchoͤnen bund - geſtickten Rock verehrte; Er lieſſe ihn ungern aus dem Geſicht / weil er ſeiner abgeſtorbenen Mutter der unvergleich - lichen Rahel / die Jacob ſo inniglich ge - liebt / im Angeſicht zwar etwas andet; an der Schoͤnheit ſelbſt / ſie aber hun - dertfaͤltig uͤbertraff. Gleich wie nun dem alten Patriarchen das Hertz im Leib vor Lieb auffhupffte / wann er ſeinen Joſeph vor ihm ſahe; Alſo lieff hinge - gen der Lia die Gall uͤber / wann ſie ihn nur erblickte; Keiner andern Urſachen halber / als darum / weil keiner von ihren Soͤhnen beym Vatter ſo ſchaͤtzbar war.

Endlich erbte ſolcher ſtieffmuͤtterliche Neid auch auff ſeine Stieffbruͤder / ſodaß10.[10]daß ſeine vollkommene Tugenden und Schoͤnheit nichts anders als einen ge - treuen liebreichen Vatter; Und hinge - gen an der Lia und ſeinen zehen Bruͤdern eilff abgeſagte Feind erworben / welches er doch niemalen gemerckt / weil er ſich eingebildet / es ſey ein jedes ſo Edel und auffrichtig geartet / wie er ſelbſten. Je mehr aber ſeine Tugenden von ſeinen mißgoͤnſtigen Bruͤdern beneidet wur - den / umb ſo viel deſto mehr wuͤrden ſol - che hingegen nicht allein von ſeinem Vatter ſondern auch von GOtt ſelbſt zum hoͤchſten beliebt; Dann der Him - mel offenbahrte ihm[i]m Traum / was vor eines Gluͤcks er ſich zu deroſelben Belohnung vor ſeinen Bruͤdern ins kuͤnfftig zugetroͤſten haͤtte; Wordurch er zugleich Anlaß bek[a]m / den Außlegun - gen der Traͤum obzuligen / deren Be - deutungen nachzuſinnen / und was ihm daran noch abgieng / von ſeinem Vat - ter zulernen; Sein erſter Traum den er ſeinen Vatter in Gegenwart ſeiner Bruͤder (zwar mehr von kurtzweil undWun -11.[11]Wunders wegen / daß einem ſo ſeltzame Ding im Schlaff vorkommen / als daß es ihm was ſonderlichs bedeuten ſolte /) erzehlte / war dieſes.

Mir traͤumte (ſagte er:) Als ich neu - lich mit meinen Bruͤderen in der Ernd war / und neben ihnen meine Nachtruhe hielte / es haͤtten ſich meiner Bruͤder Garben vor den meinigen die auffrecht geſtanden / von ſich ſelbſten zur Erden ge - neigt und nidergeworffen / gleichſamb als ob ſie die Meinige anbeteten; Dieſes bedeutet die / antwortet Jacob / daß du der beſte unter deinen Bruͤdern ſeyeſt / und in angefangenen Tugenden ſtand - hafftig verharꝛen werdeſt / weil deine Garben auch auffrechtig ſtehen blieben / daß deiner Bruͤder Garben aber nider - gefallen / und die deinige angebetet / be - deut ihnen nichts anders / als daß ſie erſtlich vom Tugendweeg abweichen: Eine unverantwortliche That begehen: Und alsdann in ihrem hoͤchſten Kum - mer dich in deinem Gluͤck und Wol - ſtand um Huͤlff und Gnad anflehenwer -12.[12]werden; Hieruͤber wurden die Bruͤ - der Joſephs viel unwilliger / als uͤber den Rock den ihn der Vatter hiebevor hat machen laſſen; Und als ſie in Ab - weſenheit Joſephs und ihres Vattern uͤber dieſen Traum und ſeine Auslegung murꝛeten / und ihre neidige Gemuͤhter noch mehr untereinander zu aͤrgerer Verbitterung hetzten; Sagte Judas (welches ein dapfferer verſtaͤndiger / und mit allerhand Tugenden wolbegabter Mann: Auch dem Joſeph nicht ſo gar verboſt abhold war) zu den uͤbrigen / es ſeye ein groſſe Thorheit an Traͤum glau - ben / weniger ſich ihrentwegen entweder zubekuͤmmern oder zuerfreuen; Joſeph haͤtte halt um ſelbige Zeit helffen ein - erndten / und wormit er des Tags um - gangen / das ſeye ihm des Nachts im Schlaff vorkommen; Daß nun der Vatter ein Prophezeyhung daraus ma - che / da muͤſſe man ihn reden laſſen / ſein Alter ehren und ihm zugeben;

Ruben antwortet hierauff / es pflege ihm ſelbſten dergleichen zuwiderfahrenwie13.[13]wie dem Joſeph; Dannals er erſt kuͤrtz - lich zu Sichem geweſen / die Waid zu - beſichtigen / haͤtte ihm getraͤumt als wann ihm etliche Fuͤchs und Leoparten das beſte Lamb aus ſeines Vatters Herd alldorten hinweg genommen / und in die Wildnuß gefuͤhrt / er haͤtte ſich zwar ge - waltig widerſetzt und doch nichts erhal - ten moͤgen; Als er aber durch die Wild - nuß kommen / haͤtte er ohngefehr daſſelbe Land wider angetroffen / aber nicht mehr gekant / dieweil es gantz guͤldene Woll getragen / ihn haͤtte gedeucht / daß er ſelb - ſten ein gut Kleid von ſolcher Woll be - kommen; Solte er nun aus dergleichen Poſſen ein kuͤnfftiges ſchlieſſen / ſo muͤſte er geſtehen / daß er billich vor ein Thoren zuhalten ſeye; Sintemal er ſich wol einbilden koͤnne / daß ihm dieſer Traum nicht vorkommen ſeyn moͤchte / wann er ſelbige Taͤg nicht vor die Herd geſorgt / und ſeine Zeit anderswo als auff derſel - ben Waid zugebracht haͤtte; Und eben alſo waͤre es auch mit Joſephs Traum beſchaffen.

Aſer /14.[14]

Aſer / Gad / Nephtalin und Dann / widerſprachen dieſen Beyden / und ſag - ten / wann ſchon die Traͤum nichtig und ohne Bedeutungen ſeynd / ſo wird je - doch ein als den andern weg der Jun - cker Joſeph vom Vatter uns allen vor - gezogen / und ſein einige Perſon von ihm mehr geliebt / als wir alle miteinander / welches uns zu hoͤchſtem Schimpſſ ge - reicht; Endlich giengen ihre Verſam - lung voneinander / ein jeder zwar mit un - ruhigem Hertzen; Der eine lieſſe es bey dem alten Groll / Neid und Mißgunſt verbleiben / der ander aber / ſonderlich der Maͤgd Soͤhne / wurden verbitterter.

Als aber die Ernd ein End hatte / und Jacob ſein gantzes Hauß durch ein herꝛ - liche Mahlzeit / die man bey uns die Erndganß nennet / nach gehabter Arbeit ergetzet / und ſich darbey ſehr froͤlich er - zeigt / erzehlet ihm Joſeph / welcher ſich ehender des Himmels Fall als ſeiner Bruͤder Neid verſehen haͤtte / widerum einen andern Traum / den er dieſelbe Nacht gehabt / nemblich daß Sonn /Mond15.[15]Mond und eilff Sterne ſich vom Him - mel gelaſſen: vor ſeinen Fuͤſſen gedemuͤ - tiget: und ihne angebetet haͤtten / der alte Jacob ſagte hierauff / dieſer Traum be - deutet dir weit ein groͤſſers als der vori - ge / dann ſihe / es wird die Zeit kommen / daß du nicht allein uͤber deine Bruͤder erhoͤhet / ſondern auch von Vatter und Mutter ſelbſten geehrt / und gleichſam angebetet wirſt werden; Mich zwar (haͤngt er ferner daran) wird hoͤchlich erfreuen / wann ich die Ehr habe / dich in ſolchem gluͤckſeligem Stand zu ſehen / und wolte GOtt daß dieſe ſeine Goͤttli - che Vorſehung nur bald ins Werck ge - ſetzt wurde / dieweil ich gewiß weiß / daß ſolches geſchehen muß; Um wie viel ſich nun Jacob wegen Joſe[p]hs kuͤnfftiger Hochheit erfreuet / um ſo v[ie]l deſto heffti - ger betruͤbteu ſich hingegen ſeine andere Kinder; Ja ihre ohne das genugſam vergallte Gemuͤhter wurden ſo erboſt / daß ihnen weder Eſſen noch Trincken ſchmeckte / ſondern ſie ſtunden nach und nach von der Tafel auff und verfuͤgten ſich in ihre Huͤtten.

Jacob16.[16]

Jacob vermuhte wol aus ihrem Un - willen was die Glock geſchlagen / und daß ſie ſeinen liebſten Sohn ſolch herꝛ - lich Gluͤck mißgonneten; Doch kont er ſchwerlich glauben / daß die Perſon Joſephs von einigem Menſchen in der Welt / geſchweige von ſeinen leiblichen Bruͤdern mit einem ſolchen Haß und Neid angefochten werden koͤnte / wie ſie ſchon gegen ihm gefaſſt hatten; Joſeph aber der keinem Frembden / geſchweige ſeinen Bruͤdern etwas Boͤſes zutrauete / hielte davor daß ſie deswegen ſo fruͤhe Feyrabend gemacht / damit ſie am Mor - gen deſto fruͤher ſich mit dem Viehe auff die Waid begeben moͤchten.

Die zehen Bruͤder ſchieden den Mor - gen von dannen / ohne daß einiger ſeinen Unmuth im geringſten hatte blicken laſ - ſen / ſie beſchirmten jhrer Gewonheit nach den Vatter / empfiengen ſeinen Se - gen und befohlen dem Joſeph ſeiner wol zupflegen; Aber ſo bald ſie ſich allein drauſſen auff dem Feld befanden / erhub ſich ihre Klag! Ah! ſagte Gad / ſollenwir17.[17]wir dann erleben daß wir unſers Bru - dern Sclaven werden muͤſſen? Ha! antwortet Aſar / ſiheſt du dann nicht / daß wirs allbereit ſeyn? Sitzt er nicht ſchon daheim beym Vatter zu Jun - ckern / als wann er Perlen ſchwitzen und Gold hofieren werde? Wird er nicht ſchon gehalten wie der groͤſte Printz von der Welt? Was mangelt / daß ſein eiteler Traum noch nicht erfuͤllt ſeye? Er hat ihn vielleicht darum erdichtet und erzehlet / damit wir auch wiſſen wie er von uns geehrt ſeyn wolle; Freylich mel - det der Dann / iſt ſein Traum ſchon er - fuͤllt worden / es wird ja keiner unter euch allen ſo alber ſeyn / der nicht in acht ge - nommen habe / was maſſen ihn unſer Vatter bereits vor laͤngſt in ſeinem Her - tzen mehr geehrt und angebetet / als ſonſt etwas in der Welt! Nephtalin bracht ſeine Wahr auch zu Marckt / und ſagte: Was gilts / wo ihn nicht unſer Vatter zu ſeinem einigen Erben erklaͤrt und uns ausſtoͤſt / oder mit unſern Kindern gar zu Joſephs Sclaven macht / damit desJun -18.[18]Junckern Traum wahr werde. Judas antwortet ihm / er ſolte ein beſſers vom Vatter gedencken / ſie waͤren alle ſo wol als Joſeph aus ſeinen Lenden geboren / er wuͤrde als ein ehrlicher auffrechter Mann ein ſolche Ungerechtigkeit an ſei - nem eignem Gebluͤt nicht veruͤben / noch ihm zur Schand in der Gruben nachſa - gen laſſen; Wer weiß? antwortet Dan / was geſchiehet? Haben wir nicht Ex - empel genug am Jſmael / dem gleiches widerfahren? Dergleichen Streich ſeynd nichts neues bey unſerm Ge - ſchlecht und Vorvattern geweſen; Ob nun zwar Ruben der Aeltiſte und Be - redteſte unter ihnen vorgewendet / daß jenes aus Willen und Antrieb der Sa - ræ geſchehen; Die Rahel Joſephs Mut - ter waͤre hingegen todt / die ihrige aber noch alle im Leben / die den Vatter wol anders bereden wuͤrden; Benebens auch die Bedeut - und Auslegung der Traͤume hoͤniſch genug verlacht / ihre Gemuͤhter anders zu biegen / ſo hat er doch nichts ausgerichtet / ſintemal dieſevier19.[19]vier Maͤgd Soͤhne die uͤbrige uͤber - ſchryen; Mit vorgeben / es ſey ja bekant genug / wie ihr Vatter mit ihrem Groß - Vatter und ſeinem leiblichen Bruder gehandelt / in dem er beyde betrogen / und den Vaͤtterlichen Segen der einem an - dern von Rechts wegen gebuͤhrt / zuſamt den Recht der erſten Geburt auff ſich ſelbſt gewendet; Doͤrffte nun ein Kind ſich kein Gewiſſen machen / mit ſeinem Vattern und Bruder ſo zu ſpielen / ſo wuͤrde es ſich auch nicht ſcheuen / ins kuͤnfftig ſeine eigene Kinder mit gleicher Muͤntz zubezahlen / man wuſte wol / was geſtalt er den Laban ſeinen Schwer / der ihm doch ſo viel guts erwieſen / beruͤckt / als er ihme deſſen meiſte Haab durch un - loͤbliche Mittel gantz vortelhafftig abge - zwackt; Was ſie wol vermeinten daß Joſeph anders daheim thue / und ſtetig bey dem Vatter zu ſitzen habe / als der - gleichen Stuͤck zu lernen / dardurch er ſie kuͤnfftig um ihr Erbtheil bringen moͤge; So ſie zwar nicht dem Vatter zur Schand: Sondern ſich zur Vorſich -tigkeit20.[20]tigkeit auffzumuntern gemeldet haben wolten; Was gilts / wann wir heim kommen / und nicht anders zur Sachen thun / wo nicht dem Joſeph endlich auch traͤumt / wie er 11. Stern auffſetze und mit Sonn und Mon darnach kugele;

Ruben / Judas und Levi hielten zwar Widerpart und verfochten ihres Vat - tern gepflogene Haͤndel nach Muͤglich - keit / in dem ſie alles was Jacob gethan / der Weiber Anſtifftungen zulegten / wel - cher Huͤlff Joſeph aber beraubt waͤre; Es waͤre aber alles vergeblich / dann dieſe Reden der uͤbrigen Bruͤdern ohne das vergallte / neidige und mißguͤnſtige Her - tzen durch Mißtrauen dem Joſeph noch gehaͤſſiger machte; Alſo daß ſie endlich beſchloſſen / ſich mit der Menge Viehe nach Sichem auff die jenige gute Waid zubegeben / die Ruben hiebevor ausge - ſpehet hatte / um ſich allda ſo lang auff - zuhalten / biß ſie ſehen was ihr Vatter thun wolte / und ob er allein mit dem Jo - ſeph wuͤrde hauſen wollen / auff welchen Fall / wann geſchehen ſolte was ſie un -noͤtig21.[21]noͤtig vermuhteten / ſie ſchon den beſten Theil der Herd in ihrem Gewalt haͤtten.

Alſo lieſſen ſich dieſe Gebruͤdere durch Eifer / Neid / Haß / Mißgunſt / Zorn und Mißtrauen umbtreiben / und zogen mit ihren Herden in das Waidreiche Land Sichem.

Jndeſſen gedachten weder Jacob noch Joſeph an gar nichts boͤſes / ſondeꝛn Joſeph muſte dem Alten ſeinen Traum noch eins erzehlen / und hingegen die Außlegung darvor widerum anhoͤren; Gewißlich liebſter Sohn ſagte Jacob / ich verſichere dich eigentlich / daß du zu einem groſſen Herꝛn wirſt werden; Aber alsdann ſey mir und deinen Bruͤdern behuͤlfflich / wann wir anders nach Ver - hångnuß GOttes deiner Huͤlff bedoͤrf - fen und dich darum anlangen werden; Dieſe Wort redet der Alte ſo beweglich: Endet ſie mit einem ſo inbruͤnſtigen Vaͤtterlichen Kuß: Und ſahe ſeinen Sohn darauff ſo andaͤchtig an / daß ſich Joſeph (weil er ſeinen Vatter ohne das mehr als ſich ſelbſten liebte) desBWei -22.[22]Weinens nicht enthalten konte / welches dann ſeiner Antwort ein gute Weil den Paß allerdings verſperꝛte / dannoch er ſich aber wider erholet / ſagte er / hertzlieb - ſter Vatter / nimmermehr gedencke / daß ich zugeben werde / daß deine graue Haar ſich vor mir buͤcken ſollen etwas bittweiß zubegehrn / wann ich anderer Geſtalt dein Anligen und wie dir zu helf - fen ſey errahten kan; Und ſolte ich gleich den Thron der Aſſirier beſitzen; So werde ich doch als ein getreues Kind dei - nes Alters Troſt verbleiben / ſo lang mir GOtt die Ehr und Gnad verleyhet / dich auff dieſer Welt zubedienen.

Nach vielen dergleichen Geſpraͤchen / hat Jacob den Joſeph geſegnet / ihne GOtt befohlen und zu der kuͤnfftigen Wuͤrdigkeit / als wann er ſie ſchon vor Augen ſehe / alles Gluͤck und Heyl hertz - lich angewuͤnſcht; auch auff ſein bittli - ches Begehren unterrichtet / wie er einen jeden Traum der etwas bedeute / leicht - lich auslegen koͤnne; Welche Kunſt er dann wegen ſeines klugen Verſtandsund23.[23]und hlerzu geneigten angebornen guten Art nicht allein mit geringer Muͤhe gleich begriffen / ſondern auch nachge - hends durch ſein eigenes ſcharpffes Nachſinnen ſo weit gebracht / daß in gantz Egypten / auch unter den allerwei - ſeſten keiner ſeines gleichen zu finden ge - weſen.

Der ſpate Abend kam dieſen Beyden viel fruͤher als ſonſten / weil ihnen ihr liebreich Geſpraͤch den Tag ſo unver - merckt gekuͤrtzt hatte; Sie waͤren auch der dunckelen Nacht ſelbſt noch nicht ge - wahr worden / wann Lia nicht zu ihnen getretten waͤr / anzeigende / daß die Soͤhn mit dem Viehe noch nicht ankommen / dieſe fragte zugleich ob ſie nicht wuͤſten / warum ſie wider ihr Gewonheit ſo ſpat ausblieben? Oder wohin ſie ſich doch mit der Herd begeben haben moͤchten; Weilen aber keiner von ihnen Beyden weder die Urſach ihres Ausbleibens noch den Ort da ſie ſich befinden moͤchten / ausſinnen koͤnnen; Haben ſie die Nacht an ſtatt des Schlaffs mit Unruhe undB ijSor -24.[24]Sorgen ſo betruͤbt zugebracht / als er - goͤtzlich ihnen der Tag zuvor gefallen.

Den folgenden Morgen vermehrte ſich dieſe Traurigkeit im gantzen Hauß / je eine Sohnsfrau fragte die andere / ob ſie nicht beym Abſchied ihres Manns vernommen / wohin ſie ſich miteinander zuverfuͤgen gewillt geweſen; Keine un - ter allen aber konte Nachricht geben als Rubens Liebſte / dann dieſe ſagte / ihr Haußwirth haͤtte ſich ohnlaͤngſt verneh - men laſſen / daß er in der Sichemiter Gegend ein ſolche hertzliche Waid ange - troffen / daß immer Schad ſeye / wann man dieſelbe ohnnuͤtzlich verderben lieſſe / hielte alſo davor / daß ihre Maͤnner ſich ohn Zweiffel dorten uͤber auffhalten muͤſten / vornemlich weil ſie den Kern des beſten Viehes bey ſich haͤtten.

Der bekuͤmmerte Jacob / ermaß die Naͤhe des Wegs / und erkante ohn - ſchwer / daß ſeine Soͤhn / wann ſie gleich - wol dort geweidet haͤtten / wol widerum daheim ſeyn koͤnnen / dann er dazumal zu Sieima / welches die Hebreer Su -choth25.[25]choth nennen / gewohnet / von welchem Ort es einen nicht ſo gar fernen Weg nach Sichem hat.

Darauff hin haben ihm nicht weni - ger ſein eigene Sorgen als ſein und ſei - ner Soͤhne Weiber und deren jungen Kinder unauffhoͤrlich Weheklagen in - ſtaͤndig eingerahten / daß er hinſchicken und erkundigen laſſen ſolte / ob ſie villeicht durch die Arabiſche Raͤuber angegriffen und weggefuͤhrt worden / oder ob ihnen ſonſt ein ander Ungluͤck begegnet waͤre; Joſepho dem Klugen / und zwar da - mals nur ſibenzehen jaͤhrigen Juͤngling wurde dieſe Verꝛichtung auffgetragen; Und damit er deſto eilender ein gute Bottſchafft zu ruck bringen: Oder wañ villeicht Gefahr vorhanden / deſto ge - ſchwinder entfliehen koͤnte / wuͤrde ihm ſeines Vattern beſter und ſchnelleſter Laͤuffer von Perſiſcher Art / den er aus Meſopotamia mit ſich gebracht hatte / untergeben / auff welchem er mit dem Segen Jacobs verſehen / der Herde Spur nachſtriche / ſeine geliebte BruͤderB iijzu -26.[26]zu ſuchen; Welche er auch gegen Ve - ſperzeit mit ſamt der Herd ehender / und zwar in ſo gutem Stand angetroffen / als ihn zuvor feine all zu groſſe Sorg und vor ſie habende Bekuͤmmernuß glauben laſſen; Maſſen ihn ſolcher ge - wuͤnſchte Anblick hertzlich erfreuete / als wann er jetzo die propheceyte Herꝛlichkeit haͤtt antretten ſollen.

Seine Bruͤder hingegen / als ſie ihn von weitem ſahen / ſprachen untereinan - der; Ach ſchauet: Dort kommt unſer Printz! Wolan legt euch nider und er - fuͤllet ſeine Traͤum; Sehet doch um Gottes Willen / der Juncker Traͤumer hat ſich auf unſers Vattern beſtes Pferd geſetzt / damit er unſere Ehrerbietung de - ſto Majeſtaͤtiſcher empfahen moͤchte! En warum ſitzen wir doch nicht alle auff un - ſeren Schindmerꝛen / damit ſie ſich gleich wie die Garben in ſeiner Phantaſey ge - than / vor dem ſeinigen neigen: Und wir zugleich dieſen gewaltigen Kerl mit an - beten moͤchten! Zwar warum nicht? Dann diß iſt der jenige dem Sonn undMond27.[27]Mond zugefallen vom Himmel ſteigen und ſich zu ſeinen Fuͤſſen legen! Diß iſt der Groſſe / von dem Vatter und Mut - ter erzittern / weil ſie nicht wiſſen / wie ſie ihn genug ehren ſollen; Ja der iſts! Den wir alle ſamt unſeren Kindern als Sclaven zu dienen vom Himmel zuge - eignet ſeyn! Villeicht komt er jetzt dar - umb in ſeinem bunden Rock ſo ſtattlich auffgebutzt / und ſo praͤchtig beritten da - her / uns ſeinen leibeignen Knechten ſcharffe Befelch zuertheilen / und zugleich die Pflicht des Gehorſams und ſchuldi - ger Unterthaͤnigkeit von uns zu empfa - hen? Ja: (hencken ſie ferner daran /) ehe wir dir zu Gebot ſtehen wollen / ehe ſoll dein bundter Fuͤrſten-Rock / in wel - chem du gleichſam Koͤniglich prangeſt / mit Blut beſudelt: Und dein ſtoltzer Leib von unſers Vattern Angeſicht hinweg geriſſen: Und in den innerſten Schlund der Erden verborgen werden; Und die - ſes ſey der Ayd den wir wollen geſchwo - ren haben.

B iiijSie28.[28]

Sie haben auch ſolches zu halten ſich hoch verpfaͤndet / doch etliche nicht des Willens ſolches ins Werck ſetzen zu helf - fen / ſondern darum / dieweil ſie von den Zornigſten hierzu gemuͤſſigt wurden / vornemlich der dapffere Ruben / welcher auff alle Mittel und weg gedachte / wie er dem Joſeph das Leben erhalten: Und ihn wider zu ſeinem Vatter ſchaffen moͤchte; Hat ihnen derowegen gleich Anfangs gerahten / ſie ſolten gar keine Hand an ihn legen / dann mit ſolchem Brudermord wuͤrden ſie GOtt zum hoͤchſten beleidigen / ihren alten Vatter auch zu todt kraͤncken / und ihnen ſelbſt einen im̃erwehrenden nagenden Wurm ihres boͤſen Gewiſſens erwecken; Dem - nach aber weder ihre zornige Ohren ihn hoͤren: Noch ihre ergrimte Gemuͤhter ſich anders lencken laſſen wolten / ſtellet er ſich als waͤre er anders Sinns / und zwar ihrer Meinung worden / ſagte de - rowegen / ihr lieben Bruͤder / wann es ja nicht anders ſeyn ſoll / ſo muͤſſen wir gleichwol auch mit der Sach behutſamum -29.[29]umgehen / und ſich nicht ůbereilen / dann ihn hier bey der Herd hinzurichten iſt nit rathſam / weilen wir von unſern Knech - ten moͤchten verrahten werden; Laſſet uns rathſchlagen / was Todts und an welchem Ort er ſterben ſoll; Mit nich - ten / ſagten die andere / er muß auff der Stell dran / dann laſſen wir dieſe Ge - legenheit aus Handen / ſo wird die Ver - hångnus keine mehr ſo gut goͤnnen / ſon - dern verſchaffen / daß wir als Gebunde - ne unter ſeinem Gewalt ſitzen: Und in harter Dienſtbarkeit kuͤnfftig unſeren ſaumſeligen Verzug bereuen muͤſſen.

Ruben / als er ihre Hartnaͤckigkeit und blutdurſtige Entſchlieſſung ſahe / antwortet / mein Meinung iſt ja nicht / daß man weder ihn ſelbſt noch dieſe Ge - legenheit aus Handen gehen laſſen: Sondern ſich vor der That weißlich be - rahten ſolle / damit die Sach alſo kluͤg - lich angegriffen und vollendet werde / daß ſie kuͤnfftig verſchwigen bleibe / und uns kein Schand oder Nachtheil brin -B vgen30.[30]gen moͤge / dann ihr wiſſet all / daß eilen nie kein gut thaͤt.

Eben damal kam Joſeph zu ihnen ge - ritten / er ſtig vom Pferd und neiget ſich gantz Ehrerbietiglich gegen ihnen / ver - meldet zum allererſten des Vattern Gruß und Segen / folgends wie bekuͤm - mert er ihrentwegen daheim ſåſſe / weil er nicht wuͤſte wo ſie waͤren / und ob es ih - nen wol oder uͤbel gienge; Hertzlich be - ſorgende es moͤchte ihnen villeicht ein Ungluͤck begegnet ſeyn; Haͤtte ihn dero - wegen geſchickt / zuvernemen.

Mit dem / und zwar ehe er ſeine Red vollenden konte / banden ſie ihn an / Si - meon muſte ihn binden und verwahren weilen er der ſtaͤrckſte unter allen war; Sie aber tratten beyſeits vom Ruben ferner zuvernemen / was er dann nun vermeinte das jetzo weiters zu thun ſey; Demſelben war nichts hoͤhers angele - gen / als wie er den frommen Joſeph da - von bringen mochte / und muſte doch be - ſorgen / wann er von neuem vor deſſen Leben reden wuͤrde / daß ſeiner Bruͤdergrim -31.[31]grimmige Gemuͤhter (die einmal dem Joſeph obgemeldten Ayd geſchworen / und ihn von der Koſt zu thun feſtiglich beſchloſſen hattẽ /) auch mit einem neuen Muth entzuͤndet werden doͤrffen / dar - durch Joſeph gleich im ſelben Augen - blick von ihnen haͤtte getoͤdtet werden koͤnnen; Hat derowegen ſeine Red fol - gender Geſtalt eingerichtet.

Hertzliebe Bruͤder / ſagt er / wann die Soͤhne Jacobs ins kuͤnfftig ein Ungluͤck treffen ſolte / ſo wuͤrde Ruben gewißlich nicht leer ausgehen! Wann die Kinder Jſrael zu Joſephs Sclaven werden ſol - ten; So wuͤrden ich und die Meinige ohn Zweifel ſeiner Dienſtbarkeit nicht entrinnen moͤgen / dann es heiſſet gleiche Bruͤder gleiche Kappen; Und ſolte es dahin kommen was ihr beſorgt / und ihm unſer Vatter ſelbſt weiſſaget (ob ich zwar nichts auff naͤrriſche Traͤum halte) ſo waͤre ich wol thorecht / wann ich ein beſſers hoffen wuͤrde / als mit euch uͤber einen Kamm geſchoren zu werden; Fin - de derowegen das beſte Mittel zu ſeyn /B vjd 32.[32]daß wir ihn aus dem Weg raumen; uns ſelbſten Sicherheit vor ihm ver - ſchaffen / und alſo durch ſein Verderben unſerem eignen Ungluͤck vorkommen; Jch werde keinem unter euch rahten / daß er ein gifftige Schlang im Buſen auff - erziehe / damit ſie ihn hernach erwuͤrgen ſolle / weil jeder unter euch mein lieber Bruder iſt! Warum wolte ich dann den gaͤntzlichen Untergang unſer aller Freyheit haͤgen / wann ich Mittel und Gelegenheit ſehe / uns ſamtlich ſolcher Gefahr zuentreiſſen? Daß ich aber ge - rahten habe / man ſoll kein Hand anle - gen: ſolches iſt noch mein Meinung! Aber man muß mich recht verſtehen: Dann toͤdten wir ihn ſelbſten / ſo begehen wir ein Bruder-Mord mit eignen Haͤn - den / und wird das unſchuldig Blut uͤber uns gen Himmel ſchreyen; Jn dem wir aber der Geſtalt unſern Vattern ſeines liebſten Kinds berauben / ſo nemmen wir[ihm]e auch zugleich ſein Leben / in dem wir ihn durch ſolche That in groſſes Hertzen - leyd: und durch ſolches Hertzenleyd ſeinEhr -33.[33]Ehrwuͤrdige graue Haar vorſetzlich in die Grube foͤrdern / welche That auch bey den wildeſten Voͤlckern die GOtt nicht kennen / verhaſſt: und uns und unſern Nachkoͤmlingen ein ewige Schand ſeyn wuͤrde; Das allergreulichſte aber iſt diß / daß wir den jenigen verderben / den GOtt ſelbſt liebt und ihne allen Segen und ſo groſſe Hochheit verſprochen; Und zwar / ſo thaͤten wir ſolches aus einer gar boͤſen Urſach (welches noch abſcheulicher und ſtraͤfflicher waͤre /) nemlich ausbloſ - ſen Neid und Haß / welche Laſter GOtt mißfallen / ja uͤber diß / waͤre ſolche Suͤnd groͤſſer als der Todtſchlag keins / weil wir uns ſeine erſchroͤckliche Straff kein Ex - empel ſeyn laſſen! Wie meinet ihr wol / hertzallerliebſte Bruͤder / wann wir ihm eigenhaͤndig das Leben genommen ha - ben werden / welches wir ihm nimmer - mehr wider zu geben vermoͤgen / wie haͤn - ckermaͤſſig uns hernach unſere eigne Ge - wiſſen martern und peinigen wuͤrden / wann ſchon der grundguͤtige Gott ſelb - ſten ſtillſchwige / und um unſerer VaͤtterFrom -34.[34]Fromkeit willen uͤberſehe? (Ruben ſah[e]wol daß er keinen von ſeinen Bruͤdern hiermit bewoͤgte / dann ſie ſahen alle ſtuͤr - miſch und moͤrderiſch aus / grißgram - ten / und biſſen die Zaͤhn auffeinander / mit groſſer Ungedult; Derowegen len - cket er ſeine Red auff folgenden Schlag hinaus.) Dieſes alles liebe Bruͤder / bring ich nicht darum vor euere Ohren / daß ihr den Joſeph mir und euch zum HErꝛn behalten ſollet; Sondern des - wegen: Damit wir ſo wol auſſer ſeiner Herꝛſchafft und Dienſtbarkeit nach un - ſerer Altvaͤtter Herkommen in Freyheit leben: Als auch unſere Haͤnd von ſei - nem unſchuldigen Blut rein und unbe - fleckt behalten moͤgen / und in alle Weg uns weißlich vorſehen ſollen / damit wir unſere Handlungen vor GOtt und der gantzen Erbarn Welt / wo nicht verant - worten / doch wenigſt beſchoͤnen koͤnnen; Was Rahts dann nun hertzliebſte Bruͤder? Wir haben einmal ein Ayd geſchworen zu ſeinem Verderben / der muß gehalten ſeyn / ſo lieb uns der jenig[e]Gott35.[35]GOtt iſt / der unſerem Beginnen den heutigen gantzen Tag zuſihet / auch zu - vor unſere Gedancken wuſte / ehe dieſelbe in unſere Hertzen geſtigen / ſolche auch ſamt der That zu ſeiner Zeit richten wird! Wolan dann nun liebe Bruͤder; Welche Tiger-Art hat Jacob geboren / dem liebſten Sohn Jſraels den erſten toͤdtlichen Streich zugeben? Nein: Nein: Das ſey ferne / daß wir ſich an GOtt / an unſerm Vatter und an unſe - rem Bruder dergeſtalt vergriffen! Jch weiß ein beſſern Raht / den Joſeph an Ort und End zubringen / daß er ſeines Vattern Angeſicht nimmer mehr ſehen: und jedoch unſerm Ayd genug geſchehen ſolle; Zabulon du weiſt die Wolffs - grube / ſo wir dieſer Tagen hier nechſt im Wald / miteinander gefunden haben / in dieſelbe wollen wir ihn ſtecken / ſo iſt er ſchon unſerem Ayd gemeß im Abgrund der Erden verborgen / darinnen wollen wir ihn andere Vaͤtter / Muͤtter und Bruͤder ſuchen laſſen / die ihn Ehren und anbeten moͤgen ſo lang ſie wollen / oderbiß36.[36]biß er ſelbſt in ſolcher Herꝛlichkeit ver - reckt; Gefaͤllt euch dann dieſer Vor - ſchlag nicht / ſo will ich ihn in eine ſolche ferne Wildnuß fuͤhren / da er entweder den Raͤubern oder den Wilden Thieren zu theil werden muß; So bleiben unſe - re Haͤnde ſeines Todtes halber un - ſchuldig.

Der erſte Vorſchlag den frommen Joſeph in die Grub zu werffen ward be - liebt / und als ein rechtmaͤſſige Verfah - rung und kluge Erfindung gelobt; Zu - gleich auch dem Ruben / Judæ Simeo - ne und Zabulon auffgetragen / ſolch Ur - thel zu vollziehen; Weilen aber ihr Ayd auch in ſich hielte / Joſephs koſtbarlichen Rock / der ſchier die groͤſte Urſach und zwar der Anfang ihrer Feindſchafft ge - weſen / mit Blut zubeſprengen; Haben ſie ihm denſelben ausgezogen / aus Zorn zimlich zerꝛiſſen / und in dem Blut eines jungen Zigenboͤckleins / ſo ſie zu dem End geſchlachtet / herum geſudelt; Jn - deſſen nun dieſe ihre Rach am Rock uͤb - ten / wie die Hund an den Steinen zuthun37.[37]thun pflegen / wann ſie den / ſo ſie damit geworffen / nicht beſchaͤdigen moͤgen / fuͤhrten jene vier den Joſeph zu der Gru - ben / und lieſſen ihn mit Seilern ohne ſeine Beſchaͤdigung hinunter; Ruben aber war bey ſich ſelbſt bedacht / ihme ohne ſeiner Bruͤder wiſſen noch ſelbige Nacht wider heraus zu helffen und ſei - nem Vatter heimzubringen.

Er danckte GOtt heimlich in ſeinem Hertzen / daß er ihm ſolchen Einfall ver - liehen und Gnad gegeben / daß ihm ſeine Bruͤder gefolgt haͤtten; Derſelbe Tag duncke ihn laͤnger zu ſeyn als ſonſt zween / weil ihn ſo hertzlich verlangt / ſein Vor - haben ins Werck zuſetzen; Er gieng eintzig hinweg / mit Vorwand ein beſſere Waid zuſuchen / aber ſein Verlangen war eintzig die finſtere Nacht: Jn wel - cher er die Vorhabende Erꝛettung ſeines Brudern ins Werck ſetzen moͤchte;

Nach ſeinem Abſchied kamen unver - ſehens etliche verirꝛte Jſmaeliter ſo Kauffmanſchafft halber aus Arabia in Egypten zogen / zu der Herd / keiner an -dern38.[38]dern Urſachen halber / als wider nach dem rechten Weg zufragen; Denſelben verkaufften ſie aus Rath Judæ ihren Bruder Joſeph umb dreiſſig ſilberne Pfenning in ewige Dienſtbarkeit / weil ſie davor hielten / es waͤre beſſer vor ſie / der jenige wuͤrde ſelbſten ein Sclav / deſ - ſen Sclaven zu werden ſie beſorgten; Jedoch mit dieſen austruͤcklichen Be - ding und Vorbehalt / daß ſie ihn ſo weit muͤglich aus dem Land fuͤhren: Und alsdann an den ferneſten Orten der Er - den wider verhandlen moͤchten; Neph - talin / ſo ein ſchneller Fußganger war / zeigte ihnen wider den rechten Weg / ſie waren aber kaum etlich Meilen fortkom - men / da kame die Bruͤder Joſephs alle ein Reu an / als ſie nemlich bedachten / was vor ein ſchlimmes Stuͤck ſie ihren Bruder erwieſen hatten.

Rubens verdruͤßlicher Tag ſtriche mit hin vorbey / und die wuͤnſchende Nacht herzu; Da er dann nicht ver - ſaumt hatte / einen mittelmaͤſſigen Tzi - nar Baum oder Platanum abzuhauen /und39.[39]und mit Stuͤmling deſſen Aeſten: oder wo ihm die Natur keine gegeben / mit eingeſchlagenen Naͤgeln / gleich wie einer Laiter / zum ſteigen bequem zumachen; Damit verfuͤgte er ſich zu der Wolff - oder Leopartengruben / dem jenigen wi - der heraus zuhelffen / den er kurtz zuvor ſelbſt hinein zuſetzen gemuͤſſigt worden; Er legte ſich zur Gruben auff die Erd nider / und ſchrye hinein; Joſeph lieb - ſter Bruder! Jhme antwortet aber nur der betruͤgliche Widerhall / mit eben den Worten / die er in deſſen Abgrund ge - ſchryen hatte; Ruben ruffte nochmals dieſelbige Wort / mit einer viel kraͤffti - gern Stimm; Echo aber thaͤt derglei - chen; Ruben ſchrye von aller Macht und was er erſchreyen konte / Bruder ſchlaͤffſt du? Darauff ward er auch ge - fragt ob er ſchlaffe; Er widerholet ſolch Geſchrey zu vielen malen; Echo aber unterließ nicht / ihme eben ſo unverdruͤß - lich von Joſephs wegen zu antworten / als offt er ſeinethalben ſo beweglich frag - te. Der Zorn und die Lieb ſeynd zwarzwo40.[40]zwo widerwaͤrtige: jedoch einsfalls ei - nige: und ſo beſchaffene Gemuͤhts-Be - wegungen / ſonderlich wann eins von beyden viel zu hefftig iſt / daß ſie den Men - ſchen gantz aus ſich ſelbſt bringen / und deſſen Verſtand alſo verfinſtern / daß er endlich nicht mehr weiß was er thut[;]Alſo geſchahe dem redlichen Ruben da - mals auch / er wurde bey der Gruben ſo beſtuͤrtzt / daß er nicht mehr wuſte wie er dran war; Er wuſte nicht ob Joſeph oder deſſen Geiſt mit ihm redet / weil er ſo willige Antwort empfieng / und ſich doch nicht darein richten konte / zumalen an nichts wenigers als an den natuͤrli - chen Widerſchall gedachte; Stehet alſo noch darum zu zancken / ob ihm damals ein Antwort kein Antwort: Oder kein Antwort / ein Antwort geweſen ſey? Zum letzten ſchrye er / ach Bruder ſag mir (gleichſam als ob die Todte redeten) biſt du todt? Das / was er foͤrchte / und ihn wider antworte nicht zu hoͤren begehrte / fafſeten ſeine Ohren am allererſten / nem - lich das letzte Wort! Ach! ſagte er / biſtdu41.[41]du todt! Ach warum bin ich dann nicht vor dich geſtorben? Von der Qual die ſein Hertz damals beruͤhrt / von dem Heu - len das er dannenhero anfieng / und biß an den anbrechenden Tag triebe: Nicht weniger von dem jaͤmmerlichen Her - tzens-Schmertzen / den er dieſelbe gantze Nacht uͤbertragen / kan ich der Urſachen wegen nichts ſchreiben / weil ſich mein ei - gene mitleidenliche Threnen mit der Dinten meiner elenden Feder vermi - ſchen: Was mein ſchwaches Vermoͤ - gen hiervon zu ſchreiben vornehme / zu leſen unduͤchtig machen: Und alſo den Frevel meines Beginnens ſtraffen wuͤr - den! Ja er / der ehrliche Ruben / wurde endlich ſo ohngehalten / daß er wegen der Unſchuld Joſephs / den er todt zu ſeyn ſchaͤtzte / ſo wol wider GOtt und den guͤ - tigen Himmel / die ſolchen unſchuldigen Todt verhaͤngt / als wider ſeine Bruͤder murꝛete / auch von allen nicht beym be - ſten redete; Er vorfluchte Sonn / Mond / Stern und alle Garben / und kame in ſolcher Weiß zu ſeinen Bruͤdern als ih -nen42.[42]neneben die Morgenroͤthe einen neuen Tāg verkuͤndigte.

O ihr Moͤrder! Jhr Schelmen und Dieb / ſchrye er auff / welcher hoͤlliſche Geiſt hat euch gerahten / euren unſchul - digen Bruder umbzubringen? O ihr Ehr und Gottes vergeſſene Schaͤnder des gantzen Stammes der redlichen Hebreer / welcher Verſtoſſene Engel zeucht euch durch dieſe That nach ſich in den Abgrund des ewigen Feuers? Was iſts doch vor ein Beſtia / oder viel mehr vor ein Teufel / der ſo verwegen geweſen iſt / auch nur in Sinn zunemmen / an der Unſchuld ſelbſten ein ſolche Mordthat zubegehen? Ach! Du gerechte Sonn! Haſt du dieſen ſchroͤcklichen Mord ge - ſter zugeſehen / und wilſt heut die Moͤr - der dannoch wider beſcheinen? Ach Mond! Hier fielen ihm Judas und Le - vi / auch Jſſaſchar und andere mehr in die Red / und ſagten: Hoͤr Bruder was fangſt du vor ein Jammer an? Wir haben den Joſeph mit dem Leben laſſen darvon kommen;

Ruben43.[43]

Ruben aber verſtunde ſie haͤtten ihm das Leben genommen / dann er war gantz nicht bey ſich ſelbſt; Ach! ſagt er / was habt ihr gethan? Was ſein Traum boͤ - ſes bedeutet von den Garben / habt ihr euch zur hoͤchſten Schand erfuͤllt; Was er ihm aber guts verheiſſen / deſſen / ſamt ſeines unſchuldigen Lebens / habt ihr ihn beraubt wie andere Schelmen.

Als er aber endlich verſtunde / daß er noch lebte / ihme auch zur Beſtaͤttigung deſſen von ſeinen Bruͤdern das aus ihm erloͤſte Geld vorgewieſen wurde; Spie - he er auffs Geld / und ſagte / ihr habt uͤbel gethan / daß ihr den unſchuldigen verkaufft habt / aber zu geſchehenen Sa - chen ſoll man das Beſte reden; Beſſer verkaufft als ermord; GOtt wird den Joſeph nicht verlaſſen / und ich verſichere euch / daß / wann ſchon alle lebendige Creaturen dieſe eure Schalckheit ver - ſchweigen / daß doch endlich die Stein reden und eure Verbrechen an Tag bringen werden; Wie troͤſten wir aber indeſſen unſern alten Vatter? Und wieleinen44.[44]leinen wir den Argwohn ab / mit wel - chem er und die gantze erbare Welt uns belegen wird? Sagen wir die War - heit / ſo kriegen wir einen ungnaͤdigen Vatter; Und ſehen ihn wegen ſeines Sohns Dienſtbarkeit auch in ewigen Kummer; Sagen wir dann den Jo - ſeph todt / ſo reden wir wie die Luͤgner / machen uns des Mords verdaͤchtig / und bringen gleichwol den Vatter in das groͤſte Hertzenleid; Darum rath jeder was zu thun ſey?

Erſt damal wuͤnſchte ein jeder von Hertzen / daß Joſeph von ihnen ohnbe - leidigt: Und noch vorhanden waͤre / oder daß ſie den geſtrigen Tag Rubens Red behertzigt haͤtten; Aber vergeblich. Sie bereueten zwar ihre That / und fien - gen an zu weinen wie die Weiber; Da - mit war aber weder ihren Vatter / noch dem Joſeph / noch ihnen ſelbſt geholffen; Ruben war am beſten getroͤſt und bey ſich ſelber / weil er unſchuldig und den jenigen noch lebendig wuſte / deſſen ver - meinten Todt er kurtz zuvor betauret:Und45.[45]Und ſein Hertz die gantze Nacht uͤber genugſam ausgelert hatte; Ja er war gegen ſeinen Bruͤdern gleichſam froͤlich zuſchaͤtzen / weil ſein Gewiſſen ſein eigen Unſchuld bezeugte.

Endlich hielten ſie davor es waͤre beſ - ſer gelogen / und den Vatter wegen Jo - ſephs Todt in ein kurtzes Leidweſen: Als die Warheit geſagt / und ihn ſeiner Dienſtbarkeit halber in ein ewige Sorg: (welche haͤrter zuertragen als die Dienſt - barkeit ſelber) ſich ſelbſten aber in ein immerwehrende Schand geſetzt; Es ſeye ſagten ſie / wol ehe einem Vatter ein lieber Sohn geſtorben / er ſeye darum nicht gleich hernach gefahren / ſondern das Leid haͤtte nach und nach mit der Zeit auffgehoͤret. Krafft dieſes Schluſ - ſes / hielten ſie vors Beſte / den Vatter zubereden / Joſeph waͤre von den Wil - den Thieren zerꝛiſſen worden; Sie zer - fleiſchten zu ſolchem End in Mangel an - derer Jnſtrumenten mit ihren Schaͤ - ferſtaͤben dem unſchuldigen koͤſtlichen Pferd / worauff Joſeph zu ihnen kom -Cmen /46.[46]men / ſeine hindere Schenckel als wanns die Woͤlff ſo zugerichtet haͤtten / damit derſelbe ſtumme Zeuge ihr Lugengedicht deſto glaubwuͤrdiger machen ſolt; Ge - gen der Nacht fuͤhrten ſie es ohnfern an ihres Vattern Wohnung / und lieſſens ſeine Begierd zur Krippen / ſeinem Stall zutreiben / um ihren Vatter die erſte Poſt von Joſephs Untergang zu brin - gen; Den Tag hernach folgten Jſſa - ſchar und Zabulon mit dem blutigen Rock welchen ſie ſelbſt aus Neid zerreiſ - ſen helffen / unter die That auff die un - ſchuldige Thier legten; Was Geſtalt aber Jacob dieſe Pottſchafft angehoͤrt / iſt muͤglicher zugedencken als zu ſchrei - ben! Ach! ſagte er / ihr betruͤgliche Traͤum / ihr falſche omina; Und du ver - logene Aſtrologia! Warum habt ihr mich zum Lugner gemacht? Jſt diß die Herꝛlichkeit / die ihr meinem Sohn ver - ſprochen? Ach Joſeph! Du haſt zwar Herꝛlichkeit genug im Schloß Abraha / aber an ſtatt / daß ich und deine Bruͤder dich Ehren / und unſerer gehabten Hoff -nung47.[47]nung nach / ſich deines Gluͤcks erfreuen haͤtten ſollen; Sihe ſo muͤſſen wir det - nen fruͤhzeitigen / und zwar ſehr erbaͤrm - lichen Todt beweinen! Er truckte den weiland ſchoͤnen / nunmehr aber zerꝛiſſe - nen Rock / welcher vom Blut noch bund - ter worden war / an ſeine Bruſt / und kuͤſte an ſtatt ſeines Sohns das ankle - bende Zuͤgenblut ſo inniglich / als wann es von ſeinem eignen Gebluͤt da geweſt waͤre; Ach! ſagte er zu ſelbigen Rock / du haſt mich erfreut / als dich Joſeph trug / nunmehr aber bringſt du mir eben ſo groſſen Schmertzen / weil wir beyde ſei - ner beraubt ſeyn muͤſſen; Alſo wuͤrde Jacob mit ſeines liebſten Sohns Roͤck betrogen / weil er hiebevor ſeinen Vatter auch mit ſeines liebſten Sohns Rock betrogen hatte; Wir wollen aber vor dißmal den Alten Jacob in ſeiner Trau - rigkeit laſſen / und hoͤren / wie es dem frommen Joſeph unter den Jſmaeliten gangen.

Dieſelbe Carawan oder reiſende Ge - ſellſchafft war kaum den VorkaͤuffernC ijaus48.[48]aus dem Geſicht / als ſie anfienge von des erkaufften Schoͤnheit zu reden / und ſich zuverwundern / daß dem Kaͤuffer um einen ſo ſchlechten Preiß ein ſolcher ho - her Werth zugeſtanden waͤre; Jeder Vornemſte wolte den Joſeph entwe - der allein / oder doch ſeinen gewiſen Theil an ihm haben; Etliche wolten ihn dem Kaͤuffer vierfach bezahlen / er aber goͤn - nete ihn gar keinen / ſondern wolte ihn als ſein erkaufftes Gut allein behalten; Alſo daß ſich dieſe Geſellſchafft nicht al - lein Joſephs wegen entzweyet / ſondern entdreyet oder wol gar entvieret; Dann die uͤbrige und zwar der mehrere Theil ſagten / der Kaͤuffer haͤtte ihn nicht ſich wie andere ſeine Wahr zur Cara - wan gebracht / er haͤtte ihn auch nicht auff einem offenen Marckt / oder wo ſonſt eine Niderlag der Handelſchafft ſeye: Sondern als die gantze Geſell - ſchafft verirꝛt geweſt / erkaufft; Gleich wie nun ein jede Carawan in aller Ge - fahr vor einen Mann zu ſtehen pflege / und jeder der ſich dabey befinde auff al -len49.[49]len widrigen Fall bey gemeinem Un - gluͤck ſein eigen Unheil gewaͤrtig ſeyn muͤſte; Alſo waͤre auch billich / daß die gantze Geſellſchafft an dem jenigen Gluͤck ſo jhnen die Goͤtter ohnverſehens beſchert / theil haͤtten; Wie? ſagten ſie ferner / wann wir an ſtatt der Verkaͤuffer in unſerer Verirꝛung Raͤuber antrof - fen / die uns ſelbſt angepackt und ver - kaufft haͤtten; Wuͤrde uns alsdann der Kaͤuffer erꝛettet / und uns den erlittenen Schaden wider erſetzt haben? Wir ſeynd alle ſo wol als der Kaͤuffer den ver - druͤßlichen Jrꝛweg umgangen / gerad als wann wir darzu verbannet und ver - hext worden waͤren; Warum ſoll er dann allein den Nutzen um ſeiner kahlen ausgelegten 30. Lari wegen davon ha - ben / und beſitzen was ſonſt mit 300. Tumain nicht zubezahlen iſt? Jn Sum - ma die Kerl wurden gantz ſchwuͤrig un - tereinander; Es waͤre auch zum Blut - vergieſſen kommen / wofern ſie nicht die Gegenwart einer groſſen Schaar Raͤu - ber ſo die Carawan wolte angreiffen /C iijeinig50.[50]einig gemacht haͤtte / um ſich zu forder iſt gegen dieſelbe tapffer zu wehren / damit ſie ſelbſt nicht zu Sclaven wuͤrden; Als ſie aber ſahen / daß der Raͤuber wol ze - hen gegen ihrer einen waren / ſchetzten ſie ſich verlohren / und lieſſen ihren Muht ſamt den Waffen ſincken.

Jn ſolcher Angſt ſchrye ein liſtiger / und vieler Sprachen kuͤndiger Elamit Muſai genannt (welcher wegen ſeines geſchwinden Kopffs und anderer Wiſ - ſenſchafften halber / gleichſamb vor ein Wunder der Welt gehalten: Ja eben ſo verſchmitzt / als Joſeph ſchoͤn geſchetzt worden / (man ſolte geſchwind dem Er - kaufften das Koͤniglich Kleid / ſo ſie dem Pharao zuverehren bey ſich haͤtten / an - ziehen / auch ihne auff das beſte gezierte Pferd ſetzen / und im uͤbrigen niemand kein Wort reden / ſo verhoffe er zuver - ſchaffen / daß die gantze Carawan ohne Verluſt eines eintzigen Haars davon kommen ſolte; Jhm wurde ſtrax ge - folgt / auch dem Joſeph ein Cron auff - geſetzt / und verguͤlte Bogen und Pfeil indie51.[51]die Haͤnd gegeben (welche Kleinodia die Kauffleut / ſo wol als das obgemelt Koͤ - niglich Kleid dem Pharao verehren wolten) nicht zwar daß jemand in ſol - cher eil gewuſt haͤtte / was es abgeben ſolte / ſondern darum / dieweil des Ela - miten Klugheit der gantzen Geſellſchafft genug bekant war;

Derſelbe rennet den Raͤubern in deſ - ſen Sporenſtreichs entgegen / und ſchrye uͤberlaut / O ihr Menſchenkinder / der groſſe Gott Apollo / welcher die Sonn und das Feuer regiert / iſt in menſchlicher Geſtalt bey uns zugegen / und laſſt euch ankuͤnden / daß er euch wuͤrdige ſeine himmliſche Geſtalt zuſehen; Und von ihm zubegehren / was etwan ins kuͤnfftig jeder gern haben moͤchte; Befihlet auch ernſtlich ihr ſolt alſobalden zu ihm kom - men;

Dieſes war den Raͤuberiſchen Bar - baren ein ſeltzamer Gruß / ſie fragten ſonſt ſo wenig nach den Goͤttern / als be - gierig ſie waren gute Beuten zu machen / und muſten ſich doch gleichwol vor deſ -C iiijſen52.[52]ſen Gegenwart entſetzen / welcher wie ſie beredt waren / kurtz zuvor Sodoma und Gomorra mit Stumpff und Still ver - brand haͤtte; Jhre raͤuberiſche Gewiſſen erwachten / ſie hufften zu ruck und ſcheue - ten ſich zuerſcheinen; Hingegen verfolg - te der liſtige Elamit ſeine Pottſchafft und trang auff ihre Erſcheinung um ſo viel deſto mehr / um wie viel er vermerck - te / daß ſie forchtſamer wurden; Erzeh - lende daß Apollo die gantze bey ſich ha - bende Geſellſchafft zu lauter Stum - men gemacht / weil ſie ihn nicht der Ge - buͤhr nach begruͤſt haͤtten / mit einem Wort / er wuſte ſich ſo artlich zuſtellen / und brachte es ſo weit / daß dieſe aber - glaubige Leut ihn wider an ſeinen Apol - linen (von welchem ſie Gluͤck hofften und Ungluͤck beſorgten) zu ruck ſchickten / ihme zuvermelden / daß die Vornemſte aus ihnen kommen wuͤrden ihm ſeine heilige Schuchſohlen zukuͤſſen / wann er ſolches nur vergoͤnnen wolte.

Muſai thaͤt was ſie und er begehrten / er fande den Joſeph in KoͤniglichemSchmuck53.[53]Schmuck zu Pferd ſitzen / deſſen er ohn - angeſehen der groſſen Gefahr / bey ſich ſelbſt lachen: und geſtehen muſte / wann er von dem Poſſen nichts wuſte und wie die Raͤuber uͤberredt waͤren / daß er den erkaufften ſelbſt mit Forcht und Zittern angebetet haͤtte; Und die Warheit zu - bekennen / ſo war Joſephs Geſtalt mehr als uͤberirꝛdiſch / ja gleichſam Goͤttlich; Niemand konte ſagen / ob der Koͤnigliche Schmuck die Perſon / oder die ſchoͤne Perſon den koͤſtlichẽ Schmuck ſchmuͤck - te; Muſai befahle allein / es ſolte nie - mand ſo lieb ihm ſein Leben waͤre / eini - ges Wort nicht reden / er wolte gleich wi - der kommen und die Sach zu gutem End bringen / ritte demnach wider ſchnell zu den Raͤubern und ſagte / der groſſe GOtt Apollo haͤtte ſie begnaͤdigt ſeine Schuch zu kuͤſſen; Wendet ſich darauff wider zu ruck / ihme aber folgte der gantze Hauff.

Die Carawan hatte dem Joſeph von hinderwerts mit einem halben Ring umgeben / welches mehrentheils Naba -C vtheer54.[54]theer oder Jſmaeliten / unter denſelben aber auch viel Elamiten / Meder / Par - ter / Meſopotamier und Chaldeer wa - ren / und mitten zwiſchen ihnen hielte Jo - ſeph gantz alleinig wie ein koͤſtlich Edel - ſtein in Eiſen gefaſſt / welches ein Ma - jeſtaͤtiſch und fremdes Anſehen gabe; Und ſchiene / als wann dieſer Gott vom Himmel kommen waͤre / allerhand Na - tionen zuverſamlen; Wie andaͤchtig aber die Raͤuber jhre Ceremonien gegen jhme verꝛichteten / und was vor ſeltzame Gaben und Gnaden ſie von ihm gebet - ten / ſolches werde ich im Leben Muſai geliebts GOtt / welcher damals des ge - dichten Apolli Mercurius geweſen / er - zehlen; Diß wolte ich allein noch ſagen; Wann Joſeph ſeine Bruͤder unter ih - nen geſehen haͤtte / ihne anbeten / wie die Raͤuber damals thaͤten / daß er fich wol einbilden und glauben moͤgen / diß waͤre die jenige Herꝛlichkeit davon ihm ge - traumt und ſein Vatter geweiſſagt hat - te / weil dieſe Herꝛlichkeit gleich wie ein Traum vergieng und nicht laͤnger tau -rete /55.[55]rete / als biß die Raͤuber durch ſolchen Betrug abgefertigt waren; Sintemal Joſeph gleich hernach die Gottheit ſamt dem Zierrath ablegen muſte; Doch gab er in ſolchem Habit den Raͤubern Be - felch / daß ſie der Hirten in ſelbiger Ge - gend verſchonen ſolten / damit er ſeine Bruͤder vor ihnen verſicherte.

Kaum war dieſe Gefahr uͤberſtan - den / da war der erſte Zanck unter der Caraban um ihren Erretter wider vor - handen; Keiner kan glauben wie hitzig und verbittert ſie um ihn geſtritten / er wuſte dann zuvor / wie hefftig die Orien - taliſche Voͤlcker die Schoͤnheiten der jungen Knaben lieben; Zwar nicht alle als abſcheuliche Sodamiten / ſonder nur darum / damit ſie ihre Augen in deren Anſchanungen / wie wir mit den ſchoͤnen Blumen oder Edelgeſteinen thun / belu - ſtigen moͤgen; Weil dann die auslaͤn - diſche Schoͤnheit Joſephs mehr als uͤbermenſchlich geſchetzt wurde / auch der angehabte Habit ſolche denſelben Tag verdoppelt haͤtte / ſo war der Zanck undC vjEifer56.[56]Eifer um ihn deſto groͤſſer; Ja wann gemeldter kluge Elamit Muſai / der die Raͤuber durch unſern Joſeph betrogen / nicht vorhanden geweſt waͤre / ſo haͤtte die gantze Geſellſchafft untereinander ſich ſelbſt auffgeopffert; Dieſer wurde zum willkuͤhrlichen Richter erbetten und legt durch folgende Red allen Zanck bey:

Liebſte Freund / ſagte er / daß die gan - tze Carawan Theil an dem Erkaufften habe; Erſcheint daraus / dieweil wir heut alle durch ihn errettet worden; Es will ſich nicht gebuͤhren / daß ein eintzele Privat Perſon von uns den jenigen be - herꝛſche / welchen die Goͤtter wie man heut geſehen / allein zu dem End geſchickt haben / uns alle durch ihn zuerhalttn; Der Erkauffte waͤre ſeiner vorigen Frey - heit wuͤrdig / dieweil die gantze Geſell - ſchafft ihme ſo wol um ihr eigne Freyheit als um ihr Hab zu dancken ſchuldig; Aber ſein Rath und Ausſpruch waͤre dieſer; Die Carawan ſolte aus gemei - nem Seckel dem Kaͤuffer 30. Lari wi - dergeben / hernach den Erkaufften als eingemein57.[57]gemein Gut behalten / und unterwegs aus gemeinem Seckel ſpeiſen; Sie waͤ - ren noch nicht in Sicherheit / und koͤnte wol kommen daß ſie ſeiner wie heut ge - ſchehen / wider bedoͤrfften; Kommen ſie dann in Egypten / ſo konten ſie ihne ent - weder dem Phharaone oder ſonſt einem groſſen Herꝛn da man ſchmieren muͤſte / als ein groſſe Raritaͤt verehren / oder ihn ſonſt mit groſſem Nutz verkauffen; Die - ſer Vorſchlag wurde beliebt / weilen Jo - ſeph keinem unter ihnen allein / ſondern der gantzen Geſellſchafft zugeſprochen worden; Wann auch des Richters Ur - thel anders als eben auff dieſen Schlag gefallen waͤre; So haͤtten die uͤbrige den Richter und den jenigen dem er den Jo - ſeph zuerkandt / aus Eiferſucht und Miß - gunſt todt geſchlagen;

Allein der Kaͤuffer beſchwerte ſich und wendte vor / er haͤtte gleichwol den Jo - ſeph dardurch ſie erhalten worden / er - kaufft / und wann er ſolches nicht ge - than / und ſie des Joſephs gemangelt haͤtten / ſo waͤren ſie ohn Zweifel alle vonden58.[58]den Raͤubern gepluͤndert und zu Leib - eignen gemacht worden; Derowegen die Carawan ſonſt niemand als ihm ih - re Wolfarth zu dancken; Nun aber ſey das der Danck vor ſeine Wolthat / daß man ihm ſein erkaufftes Gut nem - me / welches ſie ſelbſten 300. Tumain werth zu ſeyn geſchaͤtzt haͤtten; Wolle derowegen verhoffen / die Carawan wer - de dem Urthel eines ſo unbillichen Rich - ters nicht folgen / ſondern vielmehr be - dacht ſeyn / wie ſie ihn Kaͤuffern wider - gelten moͤchten / was ihnen heut vor Hail durch ihn und ſein erkaufftes Gut wi - derfahren ſey; Muſai antwortet ihm / wann es ſo redens gilt / ſo wird der Danck um unſere Erhaltung ſonſt nie - mand als mir zuſtehen / davor ich zwar keine Vergeltung begehre / weil jeder ſchuldig iſt / ſich ſelbſt und uns alle nach Muͤglichkeit zu erhalten / die Erfindung / wie man den Råubern durch den Er - kaufften eine Naſe drehen ſolte / war mein / alſo daß man dir keinen Danck drumb ſchuldig iſt / auch nicht daß duden59.[59]den Erkaufften gekaufft haft / dann haͤt - teſt du ihn nicht gekaufft / ſo haͤtte ihn ſonſt ein jeder um ein ſo lauſig Geld wol nicht dahinden gelaſſen; Jn dem er uns von allen Goͤttern zu unſerer Erhaltung zugeſchickt worden. Hoffe derowegen ich habe recht und billich geurthelt / und du die Carawan keiner Undanckbarkeit zubeſchuldigen. Hierauff wurde Mu - ſai von allen gelobt und ihm gewonnen gegeben / auch ſein Urthel alſobald voll - zogen / wie ſaur auch der Kaͤuffer drein ſahe.

Hieraus ſiehet man des guͤtigen Got - tes Vorſehung und Sorg vor die jenige ſo er beſchirmen will / dann hierdurch iſt Joſeph nicht allein von den Knaben - ſchaͤndern / in welcher Gewalt und Vie - hiſches Beginnen er haͤtte gerahten koͤn - nen / behuͤtet: Sondern auch verſchafft worden / daß die Carawan unterwegs ſeiner als eines Fuͤrſten pflegte; entwe[-]der weil ſie ſeine Schoͤnheit biß in Egyp - ten unverſehrt zuerhalten entſchloſſen / um ihn deſto hoͤher anzuwerden; Oderweil60.[60]weil ſie ſamtlich ſolche Schoͤnheit eben ſo hoch ehrten als hertzlich ſie die liebten; Der Abendtheurliche Muſai ſagte zum Joſeph aus der Chiromantia / du haſt 11. Bruͤder / alſo daß eurer Zwoͤlff ſeynd / und uͤber 13. Jahr wirſt du an - fahen zu zweyen zu werden / alſo daß dein Vatter auch dreyzehen / und mit dir ſelbſt vierzehen Soͤhn haben wird: Als - dann komt Muſai wider zu dir / deſſen erbarme dich / und verzeihe mir / daß ich gerahten hab / dich nicht frey zugeben / ſondern zuverſchencken / oder wider zu - verkauffen; Jch habs um deines beſten willen gethan / dann du biſt darzu verſe - hen / daß du durch Dienſtbarkeit zu groſ - ſer Herꝛlichkeit kommen ſolleſt; Dann wie du im End deiner Dienſtbarkeit ge - halten wirſt werden / das iſt dir heut im Anfang derſelbigen / als du wie ein Gott angebetet wurdeſt / von der Goͤttlichen Vorſehung als wie in einem Spiegel angezeigt worden.

Als nun die Reiß vollendet und die Carawan in der Koͤniglichen Reſidentz -Stadt61.[61]Stadt Thebe ankommen / war ihr erſtes Geſchaͤfft dem Pharao die Geſchenck zu præſentirn / warunter Joſeph ihrer und aller Welt Meinung nach / vor das principaliſte Stuͤck geſchaͤtzt wuͤrde; Aber Pharao war ein abgelebter eyfer - ſichtiger Herꝛ / der deſſen ſeltene Schoͤn - heit mehr haſſet als er der alten geitzigen Art nach die Barſchafft liebet; Er bil - det ſich ein / daß ſein ehrwuͤrdig Alter bey ſeinem Frauen-Zimmer ſchlecht æſtimirt werden moͤchte / wann daſſelbe die Goͤtt - liche Schoͤnheit ſeines Geſchencks er - blicken wuͤrde; Auffs wenigſt / gedachte er / leiden meine Weiber oder Toͤchtere ſeiner wegen / wo nicht am Leib / doch we - nigſt in den Gedancken an ihrer Keuſch - heit Schiffbruch; Laſſe ich ihn dann Muͤnchen / ſo wird ihr Schmertz deſto groͤſſer ſeyn / dieweil ſie ſeiner nicht genieſ - ſen koͤnnen / und weder doch ein als den andern Weg in Feuer leben muͤſten; Bedanckte ſich derowegen der Geſchenck und ſchenckt doch den geſchenckten Jo - ſeph den Kauffleuten wider / welche ſichver -62.[62]verwunderten / weil ſie nicht wuſten / warum es geſchehe / biß ihnen Muſai aus dem Traum halff. Als er ſagte: Man muͤſte ihn bey Wittwern oder jungen Wittiben und nicht bey alten Maͤnnern ans Geld bringen.

Dem Potiphar aber / des Pharaons damaligem Kuchenmeiſter welcher ein ausbuͤndiger Phiſiognomiſt war / be - liebte Joſeph viel beſſer / als ihm Muſai ſolchen zuverkauffen anbotte; Darum muſte er ihn auch um ſo viel deſto theurer bezahlen / wann er ihn anders haben wolte; Er ließ ſich aber hierzu kein Geld tauren; Als dieſer von dem Muſai ver - nommen / daß Joſeph von dem edelſten Geſchlecht der Hebreer / Erbaren und in allen Tugenden und Kuͤnſten / vornem - lich aber in der Wiſſenſchafft wol Hauß zu halten / aufferzogen worden waͤre / (wie dann jeder Kramer ſein Wahr lobt / und Muſai ſolches vor ein Meiſter konte / wiewol es Joſeph nicht bedorffte) hat er ihm noch mehrers gefallen / und ihn nicht wie andere ſeine Sclaven / ſon -dern63.[63]dern als ſeinen eigenen Sohn zu halten befohlen; Um fruͤhe zuerfahren / ob ſeine Art mit der Phiſiognomi uͤberein ſtim - me; Und ob ſeine Schenckel auch ſtarck genug ſeyen / ſo gute Sach zuertragen / als er ihm anzuthun gedachte. Er / der Potiphar war damals ein fuͤnfftzig jaͤh - riger Wittwer / weil ihm ſein Gemahlin an Niderkunfft ſeiner einzigen dieſer Zeit nur anderhalb jaͤhrigen Tochter geſtor - ben war; Und weil er wegen einer ſel - tzamen Prophezeyung worauff die alte Egyptier jederzeit viel gehalten / nicht mehr zu heurahten entſchloſſen / gedachte er mit Geſind zu hauſen; Demnach ihm aber bißhero ſonſt an nichts gemanglet / als an einem getreuen Kerl der ſeine Haußhaltung kluͤglich fuͤhre / als hat er ſolche dem Joſeyh vertraut / und ihn uͤber alles ſein Geſind geſetzt / auch verordnet / daß er benebens die Hierologlyphick (welche man damahlen nicht jedem auff die Naß bande / weil alle Egyptiſche Kuͤnſte / Wiſſenſchafften und Geheim -nuſſen64.[64]nuſſen darinnen begriffen und verbor - ben lagen) lernen ſolte.

Die gute Art Joſephs ſchickte ſich in dieſen Sattel ſo gerecht / als wann er ihm angegoſſen worden waͤre; Man ſahe gleich was ſein Gegenwart fruch - tete / ja / als das erſte Jahr voruͤber war / merckte Potiphar handgreifflich / daß er in ſo kurtzer Zeit mehr vorgeſchlagen hat - te / als ſonſt in zehen Jahren beſchehen moͤgen; Und gleich wie Joſeph ſeines Herꝛn Guͤter vermehrete / alſo ſamlet er auch ihm einen mercklichen Schatz der Kuͤnſt und Wiſſenſchafften; So / daß er ſich nicht ſcheuen doͤrffte / auch mit den Gelehrtiſten in Egypten zu diſputirn / weilen er gleich ſo bald deren Sprach be - griffen: Als ſeinem Herꝛn gewiſen hat - te / wie nutzlich er den Kauffſchilling von ihn ausgelegt;

Bey ſelbigem wurde er dahero je laͤn - ger je lieber / vor ſich ſelbſt aber und gegen jederman je laͤnger je demuͤtiger / holdſe - liger und freundlicher; Er trug zwar zum Zeichen habender Bottmaͤſſigkeittaͤg -65.[65]taͤglich ein Hutbeitſche in Handen / ſeiner untergebenen Faulheit mit Streichen ſtraffen zu laſſen / wie dann damals ein Gewonheit war; Sein eigen Exempel und liebliche Wort oder Vermahnun - gen aber vermochten mehr / als der jeni - gen Schaͤrpffe / die ſeines gleichen Stell zuvertretten hatten; So / daß auch dem Potiphar ſo lang Joſeph bey ihm gewe - ſen / kein einiger Sclav entloffen / ſondern auch die Freye gewuͤnſcht / unter Joſephs Befelch in Dienſten zu ſeyn.

Dahero vermehrten ſich unter ſeiner Verwaltung die Reichthumb ſeines Herꝛen augenſcheinlich; Sintemalen durch ſeine kluge Anſtalten die Gemuͤh - ter aller Dienenden gleichſam in einen Model gegoſſen (oder vielmehr ſo zu re - den / bezaubert worden / ſonſt auff nichts als auff ſeines Herꝛn Nutzen zugeden - cken; Darum ſagt die Heilig Schrifft nicht unrecht / daß GOtt den Potiphar um Joſephs willen geſegnet hab / dann ihm das Gluͤck zur ſelben Zeit gleichſam zu Thuͤren und Fenſtern hinein gefallen.

Als66.[66]

Als ſich nun Potiphars Hab der Ge - ſtalt zuſehens vermehrte / da vermehrten ſich auch ſeine Freund / und verlangte je - derman ſeine Gunſt und Verwand - ſchafft zu haben; Dahero hat ſich zwi - ſchen ihme und des Koͤniglichen Hoff - meiſters Dochter / der anmuhtigen Se - licha / die Mutter halber aus Koͤnigli - chem Stammen geboren war / ein Heu - rath angeſponnen / welcher auch gleich von beyderſeits Freundſchafft beliebt und eingangen worden; Weilen der Braut Eltern des Potiphars florirende Reichthum: Potiphar aber die Ehr ſo ihm aus ſolchem Heurath folgte / an - geſehen; Die Braut ſelbſten aber wol - te ſich mit einem ſechtzigjaͤhrigen Herꝛn ſchwerlich vermaͤhlen laſſen / als die viel - mehr einen Jungen verlangte.

Dem Joſeph wurden dieſe Heimlich - keiten von ſeinem Herꝛn vertrauet mit Vorwand das Beſte dabey zu rahten / in Ernſt und Warheit aber ſich als ein Unterhaͤndler gebrauchen zulaſſen; Jo - ſeph ſahe zwar wol daß dieſe Ehe demPoti -67.[67]Potiphar nicht vortraͤglich ſeyn konte / weil es ein ungleicher Zeug zuſammen war / ſich aber ihm zuwider ſetzen / dunck - te ihn unrathſam ſein / dieweil er ſeines Herꝛn Willen wuſte / der ſich allbereit ſtellete / wie alle alte vergeckte Buhler zu - thun pflegen / wann ſie den Narꝛn an ir - gends einer Schoͤnheit gefreſſen haben / und den Haſen lauffen laſſen; Uber das hatte Joſeph Wind bekommen / daß Potiphar hiebevor beym Trunck geſagt / er wuͤnſche nichts mehrers als daß ſeine Tochter ihr vollkommen Alter haͤtte / ſo damal eine Eilff Jahr alt war / ſo wolte er ſie ſonſt niemand als ſeinem Joſeph zum Gemahl goͤnnen / er ſelbſt aber ledigs Stands ſterben / damit er ihn und ſeine Tochter zu deſto reichern Erben hinter - laſſen moͤchte; Solte er nun dieſe bevor - ſtehende Ehe widerrahten / ſo wuͤrde es ihm uͤbel ausſchlagen / und Potiphar aus allerley Argwohn bewogen / ihme an ſtatt eines liebreichen Schwers zu ei - nem grauſamen Tyrannen werden; Als welcher wol wuſte / daß Joſeph hinter -bracht68.[68]bracht worden / weſſen er ſich wegen ſein und ſeiner Tochter Vereheligung ver - nemmen laſſen. Derowegen lobte er Joſeph Potiphars Vorhaben / und ver - hieſſe / die Selicha gewinnen zu helffen.

Er bekam darauff von ſeinem Herꝛn Vefelch / ſo beſchaffene Schanckungen an ſie verfertigen zulaſſen / und ihro ſei - netwegen neben gebuͤhrenden Ehrbezeu - gungen zu uͤberliefern / wie er ſelbſten ver - meinet / daß es am beſten und wolſtaͤn - digſten vor ihn ſeye; Alſo wurde Jo - ſeph zum Buhler ehe er verliebt ward / die jenige zuerleffeln / deren er nicht be - gehrte; Er gebotte ſeiner Witz zuſam - men / ſeinem gethanen Verſprechen ein Genuͤgen zu thun; Und griff in ſeines Herꝛn Seckel / der Geliebten wegen Po - tiphars ins Hertz zu greiffen; Sein Hoͤff - lichkeit und Schoͤnheit war ſo willkom - men: Und ſein artliche Reden bahneten die Bahn ſo eben; Daß die Sach ſo wol nach ſeines Herꝛn als bey derſeits Verwandten / aber nicht nach der Bꝛaut Wunſch von ſtatten gieng; Als welchelieber69.[69]lieber geſehen haͤtte / daß entweder Jo - ſeph ſelbſt Potiphar geweſen oder doch wen gſt ſein Kopff auff ihres Hochzeiters Leib geſtanden waͤre; Dennoch aber die Geliebte bey den boͤſen Naͤchten deren ſie ſich bey ihrem Alten verſahe / der gu - ten Taͤg / die ihr Joſephs Gegenwart verſuͤſſen kuͤnde / ſich getroͤſtete / brachte der Cupler das Jawort vor ſeinen Her - ren: vor ſich ſelbſt aber das Hertz der ſchoͤnen Selichaͤ deſto leichtlicher dar - von; Maſſen kurtz hernach das Beyla - ger mit dem Potiphar vollzogen wur - de.

Jm Anfang dieſer Ehe gieng es gleich wie es pflegt / wann man daͤs doͤr - re Holtz oben auffs gruͤne legt; das Hochzeitliche Feſt war noch nicht ver - uͤber / als Selicha anfieng / den Joſeph mit ſpielenden Augen anzuſehen / und durch liebreitzende Plag genugſam zu - verſtehen zugeben / welchen ſie mit ſol - cher Vermaͤhlung gemeint haͤtte; Jo - ſeph aber / deſſen angebohrne Art ohne daß in Gluͤck und Widerwertigkeit ohn -Dver -70.[70]veraͤndert verbliebe / erzeigte ſich auch dißfalls gantz kaltſinnnig; und ließ ſich anſehen als wann er nicht daß geringſte von ihrem Anligen merckte; Sie aber gedachte bey ihr ſelbſt / dieſer Menſch thut wie ein Stockfiſch / dem gleich gilt / ob man ihn klopfft oder in Rofenwaſſer einweichet / weil ſein Sinn Knechtiſch und deß Befehlens gewohnt iſt; beſorg - te derowegen / wann ſie anders etwas von ihm genieſſen wolte / ſo muͤſte ſie ihm auch mit austruͤcklichen Worten anbefehlen / das er ſie lieben und um - fahen ſolte / warvor ſie ſich noch zur Zeit ſchaͤmte; aber die Lieb lernte ſie hernach noch wohl andere Griff / damit ſie doch gleichwohl nichts ausrichtete; indeſſen geried ihr Hertz je laͤnger je mehr in voͤlli - ge Liebesflammen / welche ſie nicht mehr zuertragen: Geſchweige zuverbergen ver - mochte; ſpinntiſirt derohalben auff alle Mittel und Weg / wie ſie die Sach am ſchlaueſten angehen ſolte / damit ſie zu ihrem Zweck gelangen koͤnnte.

Zuvorderiſt wolte ſie ſich ihres Ehe -herrn71.[71]herrn zu ihr tragenden guten Vertrau - ens verſichern / welches durch inbruͤnſti - ge Liebsbezeugungen zuwegen gebracht werden muͤſte; damit wann ſie es mit Verfolgung ihrer loſen Liebe vielleicht ſo grob machte / daß auch die Bauren den Boſſen merckten / dannoch ihr Mann ein anders von ihr glaubte; De - rowegen machte ſie ſich zutaͤppiſcher bey ihm als ſie niemahl zuthuen im Sinn gehabt; und damit ſie ſolches deſto leich - ter ankaͤme / kuͤſte ſie den Potiphar am hertzlichſten / wann ſie von den Liebsbe - wegungen gegen dem Joſeph am aller - meiſten angefochten wurde; Alſo genoſ - ſe Potiphar die jenige liebreiche Anmuh - tungen / die einzig auff den Joſeph ge - richtet waren; und indem er ſolcher Ge - ſtalt ſein elende Schuldigkeit abrichtete / machte er ſich ſelbſt zum Hanrey; Je - doch hatte er hiedurch die allerbeſte Er - getzungen in ſeiner Ehe! Nemblich / wañ ihn ſein Liebſte im arm: den Joſeph aber im Hertzen hatte; dergeſtalt ſtall ſie dem Potiphar das Hertz ab / daß er in ſeinemD ijSinn72.[72]Sinn die herrlichſte Schloͤſſer auff ſei - ner Frauen Froͤmmigkeit bauete / es wa - ren in Warheit aber nur eleude Funda - menta / auff welchen Joſephs kuͤnfftig Gefaͤngnuß beſtunde.

Demnach Selicha nun ihr Sach ſo weit gebracht / das ſie ſich ihres Manns Mißtrauens und Eiferſucht halber / ge - nugſam verſichert zu ſeyn befande; ge - dachte ſie ſich auch ihrer eignen Qual / darinn ſie Joſephs Schoͤnheit geſetzt / dermaleins abzuhelffen; und das Feuer ſo deſſen Gegenward taͤglich vermehrt / aus der rechten Quell zu leſchen / weil ihr Mann viel zu fruͤhe zu ſolchem Ge - ſchaͤfft gebohren war; ein mahl ſie nahm das Hertz / dem Joſeph mit austruͤckli - chen Wortẽ zu ſagen wo ſie der Schuch truͤckte / weil er die Liebes-Blick ihrer Hertzen Rauberiſchen Augen ſo der Verliebten beſte und bequemſte Sprach iſt / nicht verſtehen wolte; zu ſolchem En - de erſpaͤhete ſie dieſe Gelegenheit.

Sie butzte ſich auffs beſte / und muͤſ - ſigt den Potiphar / mit ihr in ſeinemNeuen73.[73]Neuen Luſtgarten zu ſpatziren / eben als Joſeph dem neuen Gaͤrtner anzeigte; wie er ordentliche Austheilungen ma - chen: und alles anſtellen ſolte / damit ſein Herr ſo wohl mit dem Garten als dem Gaͤrtner zufrieden ſeye / und beydes Luſt und Nutz von ihrer Arbeit habe; Selicha aber gieng mit Verwilligung ihres Eheherrn den vorgenommenen Abweg / als wolte ſie heimlich verrichten / worzu wir Menſchen beyderley Ge - ſchlechts von Natur keine Zuſeher zube - gehren pflegen; das iſt / ſich etwas leich - ter zu machen; aber in Warheit ſo haͤtte ſie lieber ein Buͤrde auff ſich genom̃en / welche juſt ſo ſchwer als Joſeph geweſt waͤre; worzu man zwar auch keine Zeu - gen erbittet; ihr Meinung aber war vor dißmahl dem Joſeph offentlich anzuzei - gen / was er von ihr verdachter weiß nicht verſtehen wolte; es fuͤgte ſich ſo art - lich / das ſie ihn gerad hinder einer Zeil Tzinar-Baum antraff / eine Meßſchnur in Handen habende / um zu ſehen / wie ſolcher Luſtgang ordentlicher zu machenD iijwaͤre;74.[74]waͤre; Ach! ſagte ſie / miſſe dar vor mei - ne Liebes-Schmertzen / und wiſſe das al - les dir zugefallen geſchiehet / was ich meinen Mann vor Guͤnſte bezeuge. Lieb - ſter ſey nicht mehr gegen mir wie du dich bißher / ꝛc. Joſeph bedanckte ſich gegen ihr / weil eben der Gaͤrtner kam / als haͤtte ſie ihme ſonſt ein guten Abend ge - wuͤnſcht / alſo das Selicha vermeinte / er thaͤt ſolches darum / damit der Gaͤrt - ner nicht mercken ſolte was ſie ſuchte; ſintemahl ſie damahl Joſephs hohen Verſtand und Klugheit eben ſo wohl er - kundigt / als ſeine Schoͤnheit betrachtet hatte / und ihn dahero vor keinem Stockſiſch mehr halten konte; gleich - wohl wuſte ſie nicht eigentlich wie ſie dran war! Wie ſie aber die folgende Taͤg auff ihre beſtaͤndige Liebes-Blick vom Joſeph kein Gegenbezeugung eini - ger Lieb verſpuͤhrte; ſahe ſie wohl das ihr Anwurff nichts eranglet / ſondeꝛn daß ſie nur leer Stroh getroſchen hatte; und weil ſie ihr einbildet er muͤſſe ſie auch im Garten nicht verſtanden haben / als ent -ſchloſſe75.[75]ſchloſſe ſie ſich die aller deutlichſte Sprach zu gebrauchen / damit man auch dem groͤbſten Menſchen in der Welt ein ſo koͤſtliche Wahr / die ſie zu haben glaubte / anbieten koͤnte; ſie paſte nur auff / biß Potiphar den gantzen Tag bey Hof ſeyn muſte / alsdann getraute ſie ſchon zu recht zu kommen.

Als ſolche erwuͤnſchte Zeit kam / zierte ſie ſich auffs beſte / und ließ den Joſeph zu ſich kommen; ſo bald ſahe ſie ihn nicht an; ſo bald ward auch ihr Angeſicht ſo roth wie ein gluͤende Kohl / und bald wider ſo blaß als ein weiß Tuch: Alſo daß Joſeph aus ſolcher Veraͤnderung wohl leſen konte / was ihr Meinung war? Wann ſie gleich kein einzigs Wort gered haͤtte; Ach Joſeph! ſagte ſie mit einem hertzbrechenden Seuffzen / nach dem ſie ihn zuvor ein gute weil mit hoͤchſter Andacht angeſchauet. Du haſt mich vor deinen Herrn erworben; Aber wiſſe / das mein Hertz ſich dir vermaͤhlt hat! Ach Liebſtes mein! Wann du ſeit derſelben Zeit weder meiner Liebbezeu -D iiijgen -76.[76]genden Seuffzen wargenommen: noch meinen Augen die dich / ſeither als ſie dich das erſte mahl erblickt / wie einen Gott angebetet / nicht haſt glauben wol - len; Ach! warum haſt du dann neuli - chen meinen austruͤckenlichen teutſchen Worten im Garten nicht vertraut? Nun es mag ſeyn / du habeſt ſie auch nicht verſtanden; derohalben ſo faͤllt je - tzunder die jenige ſo deine Gebieterin ſeyn ſolte / dem jenigen der mir zu Gehorſam - men ſchuldig / zu Fuͤſſen / dich eben ſo de - muͤtig bittend als hertzlich liebend / du wolleſt mit denen Schmertzen die deinet - wegen getragen werden / ein Mitleiden haben / und mir deinen Troſt gedeyen laſſen; ſolche Red beſchloſſe ſie mit Wei - nen / dieweil ſie wohl wuſte / daß die Weibliche Traͤhnen beſſer die Hertzen der Mannsbilder zur Lieb erweichen: Als ihr feuriger Zorn dieſelbe als ein Zunder zuentzuͤnden bequem waͤren / Joſephs Schamhafftes Angeſicht ent - ferbte ſich / als ſeine keuſche Ohren dieſe unverſchaͤmte Wort hoͤren muſten; erſtelte77.[77]ſtelte ſich anders als ſie verhoffte / und antwortet; Ach! hochgebiedente Frau / mich wundert wie ihr belieben mag / de - ren Knecht ſo hoͤniſch zuſchertzen / ſo ihr zu nichts nutzt / mich aber in meinem Elend ſchmertzet; ich kan mir nichts au - ders einbilden / als daß ſie gedenckt mich durch ſolches Beginnen in meines Herrn Ungnad zubringen; beliebt ihr aber die Treu ſo ich meinem Herren zu leiſten ſchuldig bin / auch allbereit biß uͤber ze - hen Jahr lang wuͤrcklich im Werck er - wieſen habe; auff die Prob zuſetzen; ſo kan es ja auff ein andern Weg geſche - hen; ich ſehe mein hochgebiedente Frau vor ſo ehrlich / treu und redlich an / daß ich nichts anders glauben kan / als daß ihr dero Vorbringen kein Ernſt ſey; ſol - te es aber / ſo Gott ewiglich nicht in mein Hertz kommen laſſen wolle / daß ichs glaube / oder das dero Redlichkeit und Tugendhafftem Gemuͤth ich ſolches an - zuvertrauen gedencken doͤrffte. Ja ihr ernſtlicher Will ſeyn / ſo ſeye ſie veꝛſichert / daß / ehe ich ſolche Untreu an meinenD vHerrn78.[78]Herrn begehen wolte / daß ich ehe tau - ſend Toͤdt lidte; wornach ſie ſich / ſie hab im Sinn was ſie wolle / zurichten weiß. Damit gieng er anderwerts ſeine Ge - ſchaͤfften zuverrichten / ſie aber verblieb ſo beſtuͤrtzt ſitzen / daß ſie nicht wuſte wer ſie war.

Ach! ſagte ſie nach ſeinem Abſchied / ach! ich Elende! wohin bringt mich doch die Lieb oder vielmehr mein Ver - haͤngnuß? O grauſame Verhaͤngnuß! was iſt das? Einen Leibeignen Sclaven um ſolche Sachen zubitten und nicht erhoͤrt zu werden / deren Genuß die E - delſte Juͤngling deß gantzen Egypten wuͤnſchen: Ja ſich darum ſchlagen: und ſolche zu erlangen / Leib und Leben wagen doͤrfften! O Joſeph du grauſa - mer Tyrann / wie haſt du doch das Hertz in deiner eignen Sclaverey ein ſolche Dam / die ſich anmaſſen darff / Gewalt uͤber dein Leben zuhaben / ſo greulich zu martern? Wann du weiſt / daß ich maͤchtig genug bin / die dein Freyheit oder den Todt zu ſchencken /warum79.[79]warum biſt du dann ſo dum / daß du nicht das Beſte erwoͤhleſt? Oder pran - geſt du vielleicht damit / daß du mich deine Gebieterin doch als ein Knecht im Gefaͤngniß der Lieb toͤdten kanſt? Ach nein / nein Joſeph! du biſt nicht ſo ſchroͤcklich; du biſt nicht ſo unverſtaͤn - dig; du biſt auch nicht ſo Unmenſchlich! Sondern mein Verhaͤngnuß iſt un - gluͤckſelig! Weil du ſelbſt nicht weiſt wie du dran biſt; indem mein ſchaͤdlich - ſter Feind / das verhaſſte Mißtrauen / noch zur Zeit uns beyden den Paß zur Vergnuͤgung verlegt.

Sie haͤtte noch mehr dergleichen Liebsboſſen vorgebracht / wann ſie nicht geſehen / das ſich in einem Eck hinder den Tapeten etwas geregt; Derowegen ſchlug ſie ihre Augen unter / trucknet ih - re zarte Wangen und gieng ſo ſcham - hafftig als erſchrocken hin / zu ſehen wer da vorhanden waͤre? Der ſo wohl ihrer Liebes Klag als des Joſephs abſchlaͤgi - ge Antwort angehoͤret hatte; Als ſie den Teppich zuruck gezogen / da war es zuDvjih -80.[80]ihrem beſten Gluͤck ſonſt niemand als ihrer Mutter Schweſter und Poti - phars des Heliopolitaniſchen hohen Prieſters Tochter die ſchoͤne und unver - gleichliche Jungfrau Aſanath!

Zu deren ſagte Selicha mit bebender Stimm; Ach Schweſter! ich ſihe jetzt wohl daß die ſtumme Waͤnd auch Oh - ren haben; Ja! antwortet Aſaneth / dann ſonſt haͤtte ich nicht gehoͤret daß ihr buhlet! O wehe Schweſter was will das werden / wann ihr euch durch ſolche Thorheit verleiten laſſen wollet / euers Liebſten Knecht anzubeten wie ich ver - nommen? Selicha haͤtte gern gelaͤug - net / und vorgebracht / daß ſie den Jo - ſeph nur verſucht / wann ſie ſich in ihren letzten Diſcurs / den ſie allein mit ſich ſelbſt gefuͤhrt / nicht ſo weit verhauen haͤtte; weil ſie aber ſahe / daß ihr Aſaneth die Hand im Sack erwiſcht / fiel ſie ihr um den Hals / kuͤſte ſie und ſagte / Ach! hertzliebſte Schweſter / ihr habt die Wuͤrckung der ungeſtuͤmen Lieb noch nicht erfahren / ſoltet ihr aber die Schoͤn -heit81.[81]heit Joſephs ſehen / wuͤrdet ihr euch der Lieb vielweniger als ich entſchlagen koͤn - nen?

Sein Angeſicht hab ich zwar nicht geſehen / aber wohl ſeine Stimm gehoͤ - ret / die gefiehl mir ſchon nicht uͤbel / weil ſie auff Erbarkeit ziehlet! Ach Schwe - ſter! ich bitte ſchauet zu was ihr thut / damit unſerm Geſchlecht durch euch kein Schandfleck angehenckt werde; wiſt ihr nicht das dieſer Kerleuer Sclav iſt? Warum wolt ihr ihn dann zum Herrn uͤber euch ſetzen? Frau Schwe - ſter ich bitte euch / verſprecht mir von ſol - cher Thorheit abzuſtehen / oder ich ver - ſichere euch / daß ich auffhoͤren werde / euer Baaß zu ſeyn; Selicha konte nichts als Seufftzen und Weinen an ſtatt der Antwort herfuͤr bringen / daß es gleichſam das Anſehen hatte / als wolte ſie gantz in Thraͤnen zerflieſſen / alſo daß die ehrliche Aſanet ſelbſt ein hertzlichs Mitleiden mit ihr haben mu - ſte; und weil ſie aus ſolchem Leidweſen ohnſchwer abnehmen konte / wie weit ſieD vijſich82.[82]ſich in dieſer Lieb bereits verdiefft; ge - dachte ſie andere Mittel vorzunehmen / ſie wider zurecht zu bringen; ſagt dero - wegen zu ihr; nun wohlan Schweſter / handelt vernuͤnfftig / ich bin nicht kom - men euch uͤberlaͤſtig zu ſeyn / ſondern an - zuzeigen / daß etliche unſerer Baaſen / deren Maͤnner mit dem Koͤnig ausrei - ten ſollen / ſich Morgen auff den Mit - tag bey euch einfinden werden / zuſehen wie ſich die neue Haushaltung zu euch ſchickt / habt ihr alsdann Saltz und Brod zum beſten / ſo wollen wir damit verlieb nehmen.

Die Tugendreiche Aſanet / welche tauſendmahl mehr Verſtand und Schoͤnheiten als Jahr auff ſich hatte / verfuͤgte ſich alſobald zu ihren Schwe - ſtern und andern der Selichæ vertrau - ten Geſpielen und Freundinnen / erzeh - lende an was vor einem Fieber ihre Baaß kranck lege; und in welcher Ge - ſtalt ſie dieſelbe angetroffen und wider verlaſſen haͤtte; Nun rahtet zu: ſagte ſie ferner / was bey der Sach zu thun ſeye? Jch83.[83]Jch zwar hab mich und euch auff den Morgenden Mittag Jmbs bey ihr zu Gaſt geladen / weil euere Maͤnner ohne das nicht anheimiſch ſeyn werden / um die Gelegenheit zuergreiffen / ſie von ih - rem ſchaͤndlichen Beginnen abzuſchre - cken; weiß aber ein andere ein beſſer Mit - tel hier zu / ſo laſſe ſie es hoͤren; dieſe Wei - ber konten ſich nicht genug verwundern / das Selicha die ledigs Stands allweg das Lob einer frommen Damen behal - ten / ſich nun allererſt da ſie verheurath / dergeſtalt in ein Knecht vernarren ſolte; unglaublich aber kam es ihnen vor / das ein Leibeigner Juͤngling durch ſeiner ge - bietenten Frauen ſeltene Schoͤnheit und ſo freundlichs Zuſprechen / wie Aſanet erzehlet / nicht zur Gegenlieb ſolte bewegt worden ſeyn! Sie belobten der Aſanet Vorſchlag / und ſtelten ſich auff die be - ſtimte Zeit bey der Selicha ein / eben als ihre Maͤnner mit dem Pharaone aus - geritten waren / ſich am Ufer des Nils mit dem Fiſchfang zu beluſtigen; wor -bey84.[84]bey Potiphar Ambts wegen auch ſeyn muſte.

Selicha hatte auf ihre Gaͤſt Fuͤrſtlich zugeruͤſtet / und dieſelbe alle zur Tafel ge - noͤhtigt / ehe eine von ihnen ihr wegen ſo ſchaͤndlicher Lieb etwas haͤtte zuſprechen moͤgen / - weil ſie ihr zuvor wohl eingebil - det / ſie werde ein Puff Joſephs halber aushalten muͤſſen; ſie hatte einer jegli - chen Frauen ſo wohl als auch der aus - buͤndigen Jungfrauen Aſanet ein ſchaͤrffer Meſſer als ein Scharſach ne - ben den Deller legen: Und als die Mahl - zeit voruͤber war / jeglicher ein Citron richen laſſen / mit Verſprechen / welche die ihrige zum erſten geſchelet haben wuͤrde / die ſolte einen ſchoͤnen Ring / den ſie vom Finger nahm und auff die Tafel legte / gewonnen haben; als ſie nun im beſten Schelen waren / tratt Jo - ſeph aus Befehl ſeiner Frauen unver - ſehens ins Gemach / in einem Seide - nen Sommerkleid / darinnen man ihm das meiſte ſeiner ſchneweiſſen Arm / ein guten Theil der Bruſt: und die Knievon85.[85]von dem Mittel Theil der Schenckel an biß auff die halbe Waden ſehen kon - te; in der einen Hand hatte er ein vergul - tes Handbecken / und in der andern die Gießkande / denen Damen das Hand - waſſer zubringen; die alle ihre Augen auff ihn warffen; ſie erſtarreten ob ſeiner unglaublichen Schoͤnheit dermaſſen / daß keine mehr wuſte was ſie thaͤt / ja ſie wurden ſo gar entzuckt / daß (indem ſie dieſen holdſeligen Anblick beſchaue - ten und gleichwohl den Ring zugewin - nen eilents fortſcheleten) ſich jede / aus - genommen die Selicha ſelbſt nicht / in die Finger ſchnitte / daß das Blut her - nach floß; Selicha ſagt / was bedeut das / warum zerſchneidet ihr eure Haͤnd? Es gilt den Citronen! die Weiber ſag - ten / warum bezaubert uns dieſes Juͤng - lings Geſtalt / daß wir ſo aus uns ſelbſt kommen ſeynd? So recht! ſagte Seli - cha / ſo ſehe ich wohl / eure blutige Del - lertuͤcher ſollen Zeugen ſeyn und mich beurkunden / daß kein Weiblich Bild den Joſeph ohnverletzt anſehen koͤnne;Jch86.[86]Jch zwar hab mich nicht geſchnitten ſon - dern den Ring gewonnen; wañ ihr jetzt ſchon in die Finger hauet / da ihr ihn kaum anſehet / wie meinet ihr wohl daß eure Hertzen zerhackt wuͤrden / wann ihr taͤglich um ihn weret wie ich? Keine kun - te ihr hierauff antworten / auch die keu - ſche Aſanet ſelbſt nicht! Als welche ſich vor allen Weibern an Fingern am aller - meiſten: und in ihrem Hertzen mehr als Selicha ſelbſt verwund befand; ſie kam aber gegen den Weibern zurechnen / ſehr unſchuldig ins Gelag / dann die Wei - ber verwunderten nur die Geſtalt: Aſa - net aber die Tugend deß Joſephs / als welchen ſie hatte reden hoͤren / und wu - ſte was hinder ihm ſtacke; Solche ſelten Tugend / war der Aſanet ein Urſach und gleichſam ein Koͤder / auch ſeine Schoͤn - heit beſſer als andere zubetrachten / und folgents gar anzubeiſſen.

Selicha ließ zwar den Joſeph das Handwaſſer reichen / die jenige Finger zu waſchen / die ſeine Schoͤnheit zer - ſchnitten hatte / ihr Eiferſucht aber ge -ſtattet87.[87]ſtattet den Verwunden nicht / daß ſie etwas mit ihm haͤtten reden doͤrffen / ſondern er muſte ſich anderwerts hinpa - cken; ſo bald aber die Weiber wider hin - weg waren / fienge ſie das alte Lied wi - der mit ihm an / wo ſie es den vorigen Tag gelaſſen hatte; welches Geſang in Joſephs Ohren viel uͤbler klange als die Stimm ſeiner Bruͤder / wie ſie ſagten wir wollen dich in ewige Dienſtbarkeit verkauffen.

Joſeph: ſagte ſie / du muſt mich als deine Gebieterin reden hoͤren / wann du mir deine Ohren nicht als einer Liebha - berin goͤnſt; du weiſt das ich Gewalt hab / dich lebendig oder todt zulaſſen / wann ich deren eins von meinem Mann nur mit einem Winck begehre; auch du ſelbſt muſt bekennen / daß du mir zuge - horſamen ſchuldig biſt; warum ſolte dann nicht dein Schuldigkeit ſeyn / we - nigſt zuvernehmen was ich zubefehlen hab / oder auff das jenig zu antworten / was ich dich frage; ſag mir derowegen zuvorderſt liebſter Joſeph / biſt du vonStein88.[88]Stein oder Stahl oder von der Art eines wilden Thiers? das du dich eines ſchwachen Weibsbildes nicht erbarmen kanſt / welches du ſelbſt durch deine Schoͤnheit und herrliche Tugenden in die aͤuſerſte Noth haſt gebracht / du haſt geſter eine nichtige Ausred vorgewand / als wann du fuͤrchteſt / ich wolte dich probieren / auch darauff gered / als wañ ich / nachdem ich die Prob befinden moͤch - te / dich in deines Herren Ungnad zu - bringen gedaͤchte; ach liebſter Joſeph! woher komt dir ſolche Furcht? Jch ver - ſichere dich deß Widerſpiels und ſchwe - re dir beym Oſyrim und Jſim / das ich deine Schoͤnheit / Geſchicklichkeit und Adeliche Tugenden hoͤher liebe / dann ſonſt etwas in der Welt! Liebſter Jo - ſeph das iſts mit einem Wort ſo du haſt wiſſen ſollen; und mein Begehren (wie - wohl ich dir befehlen koͤnte) iſt hingegen / daß du mich mit gleicher Lieb und Treu hinwider zu meinen verſprecheſt.

Joſeph ſtunde gantz verſtumt da / und wuͤnſchte daß er noch in ſeiner Wolffs -gruben89.[89]gruben geſeſſen were / worin er zwar kei - nen andern Troſt gehabt / als Hungers zu ſterben; er konte in der Selicha An - geſicht wohl ſehen / wie Zorn und Lieb in ihrem Gemuͤth rumorten / er wuſte aber nicht ſo gleich Mittel zu finden / wie er dieſen beyden auff einmahl entgehen moͤchte; er ſahe wohl / wann er ihrem Zorn entrinnen wolte / das er ſich ihrer Lieb unterwerffen muͤſte / ſolches aber zu thun war ihm ungelegen; dann er ehe hundert Toͤdt gelitten haͤtte / als ſolche Suͤnd wider GOtt: und ſolche Untreu wider ſeinen Herren zubegehen.

Er wolte ſich derowegen mit einer mittelmaͤſſigen Antwort behelffen / zu ſehen ob er ſich vielleicht noch dißmahl aushelffen moͤchte / ſonderlich wann er ſein erdichtes Mißtrauen widerum vor - ſchuͤtzete; er ſagte mit demuͤtiger Refe - rentz; hochgebiedente gnaͤdige Frau / daß diſſelbige ſich wuͤrdigt / mir einige Tugenden zuzulegen / und ſich verneh - men laſſen / mir deßwegen vor andern ihren Dienern deſto gnaͤdiger zu ſeyn /deſſen90.[90]deſſen habe ich mich billich zubedancken und freylich Urſach mit unterthaͤniger gegen Treu und Lieb ſolche gnaͤdige Neigung widerum gehorſamlich zuver - dienen; was aber die uͤbrige Schertz - wort anbelangt / damit mein hochgebie - dente Frau abermahl ihr Kurtzweil hat; da iſt mein unterthaͤnige Schuldigkeit / dieſelbe um ſo viel deſto lieber zu gedul - ten / wann ich weiß das ſich mein hoch - gebiedente Frau damit delectirt; vor - nemlich / dieweil ich ihr Hoch-Adelich Gemuͤht alſo Tugendreich beſchaffen zu ſeyn vermeine / das kein andere als Eheliche Gedancken hinein kom̃en moͤ - gen; habe ich aber meiner hochgebieden - ten Frauen vielleicht Urſach geben / zu verſuchen und zuſehen was hinder ihrem Diener ſtecke; ſo muͤſte ichs auch dahin geſielt ſeyn laſſen; Jndeſſen wird man verhoffentlich in alle Weg mich zu allen ihren Dienſten fromm / getreu und auff - rechtig finden.

Was? Schriehe Selicha auff / hab ich dir nicht klar genug geſagt / was ichvon91.[91]von dir haben wolle? Deine Gegenlieb iſts / damit du mir am beſten dienen kanſt / hab ich dich bey den Oſyrim und Jſim nicht genugſam meiner inbruͤnſti - gen Lieb verſichert / welche deine Tugen - den werht ſeyn / was wilt du mehr?

Ach hochgebiedente Frau / antwor - tet Joſeph / ſie eriñere ſich das ſie ſolchen Eyd auch meinem Herren geſchworen / ihn Ehliche Treu zu leiſten / der muß zu - vorderſt gehalten ſeyn / wann ſie anders auch haben will / daß man ihr fuͤrderhin Glauben zuſtellen ſoll; Darneben bitte ich gehorſamlich / ſie laſſe mich in den Tugenden verharren / die ſie ihrem Vor - geben nach an mir erſehen / und ſo hoch liebet / damit ich ihrer Lieb nicht unwuͤr - dig geſchaͤtzt werde; wann ich ſolche Tu - genden wider Verhoffen verſchertzen ſolte; Selicha vermochte dieſe Wort weder zu heben noch zu legen / weil ſie ſich gefangen fande; ſie wuſte kein Ant - wort zu geben / ſondern ſaß dort wie ein geſchnitzt Bild / endlich bewegten die hefftige Liebes-Schmertzen ihr Gemuͤthdermaſſen92.[92]dermaſſen / daß ſie in ein Ohnmacht dorthin ſanck; Joſeph wolte ſie nicht an - ruͤhren / ſondern ruffte ihren zweyen Kammer Jungfern (welche beyde um ihrer Frauen Bulerey wuſten; und im Vorzimmer auffwarteten) mit Ver - melden daß ihrer Frauen uͤbel worden waͤre; er aber gieng ſeins Wegs und danckte GOtt / daß er auch vor dißmal gluͤcklich entronnen.

Als Selicha wider zu ſich ſelbſt kom - men / brachten ſie ihre Jungfern zu Bett; Joſephs Verachtung war nicht ſtarck genug / ihre Lieb in Haß zuverwandlen; dann da erhub ſich erſt ihre Liebes - Klag / Ach! ſagte ſie / ihr Goͤtter / war - um habt ihr doch dieſem Menſchen ei - nen ſolchen ſchoͤnen Leib: und hingegen ein Diamantmes Hertz gegeben / daß er ſo gar keine Lieb erkennen: noch ſich uͤber mich Elende erbarmen kan? Nein / nein / Joſeph: du biſt ſonſt gantz vollkom̃en / warum wolte dann der Himmel dir ein ſteinern Hertz geben haben? Dein Edle Seel iſts / die mir den Garaus macht /weil93.[93]weil ſie nichts anders als Recht thun kan / und von allen Laſtern ſo weit als die helle Sonn von der Erden entfer - net iſt; ja Joſeph! du haſt recht / und deiner Tugend gemeß geredet / als du mich des Eyds den ich meinem Gemahl geſchworen / erinnerſte; du haſt wohl ge - betten / als du begehrteſt / ich ſolte dich in deiner Tugend verharren laſſen; A - ber ach allerliebſter Joſeph; wie gehets aber mir armen Weib in deſſen? Ach! gedencke doch das diß kein Lob der Tu - gend ſeyn wird / wann man von dir ſagt / du habeſt ein ſchwaches Weibsbild ge - toͤdtet! Aber doch will ich lieber ſterben / dieweil du es ſo haben wilſt / als ohne Genieſſung deiner Lieb noch laͤnger le - ben; Kaum hatte ſie dieſe Meinung ge - red / da kame ſie wider auff ein andern Schrod / was! Tugenden? Sagte ſie / gehorſam ſolt ſein groͤſte Tugend ſeyn damit er mir verbunden iſt: Aber ſein Ungehorſam / und daß darmit man unſchuldige Leut ermordet / ſeynd keine Tugenden; Dieſer Moͤrder verwundetEzuvor94.[94]zuvor mit ſeiner Schoͤnheit / und als - dann toͤdtet er erſt mit ſeiner Unbarm - hertzigkeit; O ihr Goͤtter! Warum habt ihr ihm nicht ſeine Schoͤnheit genom - men ehe ich ihn geſehen / oder ſeyn Hertz von Himmliſchen Tugenden ausge - lehrt / damit ſein Himmliſche Schoͤn - heit auch zugenieſſen geweſt waͤre? Alſo hatte Selichaverwirrete Haͤndel / bald lobt ſie / bald ſchalte ſie den Joſeph / und ſtelte ſich ſo ſeltzam / daß ihre beyde Kam - mer Jungfern vermeinten / ſie ſey aller - dings im Kopff verruckt / wie dann die Verliebte ohne daß bisweilen in ihrem Verſtand nicht ſo gar richtig ſeyn. Sie ſprachen ihr zu ſo gut ſie konten / und wieſen ſie zur Gedult / mit angehencktem Troſt / er wuͤrde noch wohl zugewinnen ſeyn / der Baum fall nicht ſo gleich von wenig Streichen; was koͤſtlich ſey / koſte auch viel Muͤhe ſolches zubekommen; je laͤnger er ſich wehre / je laͤnger werde er heenach beſtaͤndig bleiben; es ſey kein Stahl ſo hart / er werde mit der Zeit durchboret; man muͤſſe nicht gleich ver -zwei -95.[95]zweifeln / ſondern die Sach der Zeit be - fehlen / welche einen Menſchen bald zu - veraͤndern pflege; Alſo wurde Selicha durch ſolches Zuſprechen zwar etwas zu - frieden / aber zugleich auch angefriſcht / ihre Liebes-Reizungen auff den Joſeph ſo lang loßgehen zu laſſen / bis ſie ihn endlich uͤberwinde.

Sie muthete ihren bey den Jungfern zu / das Beſte vor ſie beym Joſeph zure - den / damit er deſto leichter zugewinnen ſeyn moͤchte / aber ſie wolten die Com - miſſion nicht auff ſich nehmen / weil es ihnen als Jungfrauen uͤbel anſtuͤnde; weil ſie dann nun ſahe / daß ihr Heil / oder vielmehr ihr Unheil ferner zuſuchen auff ihr allein beruhete; ſpintiſirte ſie Tag und Nacht / und machte allerhand Garn und Strick zum Vorrath fertig / ihn damit endlich zuberuͤcken; Sie hatte ſich ihm zugefallen vielmahl auffs herr - lichſt gebutzt / und darbey weder der Schminck (ſo ſie zwar noch nicht be - dorffte) noch des guten Geruchs / oder etwas anders vergeſſen / ſo zum Wol -E ijluſt96.[96]luſt anreitzen konte; weil aber ſolches al - les nichts gefruchtet / wolte ſie es einmal auch nackend mit ihm probieren / ob viel - leicht ihr bloſſer Kreidenweiſſer Leib zu wuͤrcken vermoͤchte / was ihr ſchoͤne Klei - der und anderer Geſchmuck nicht ge - koͤnt / ſie verblieb derowegen im Bette liegen / und beredet ihren Mann ihr Kopfthue ihr wehe / wiewohl ihr Kranck - heit im Hertzen ſtacke.

Als nun erlich Tag hernach ein herr - lich Feſt gehalten werden ſolte / dabey Potiphar Ambrswegen nothwendig ſeyn muſte / gedachte ſie ſolche heilige Zeit zu ihrem Gottloſen Vorhaben anzu - wenden / weils ihr ſo bequem ſiel / ihren beſten Anſchlag werckſtellig zu machen; ihren Potiphar / der ſchier nie vom Bet - te kam / und groß Mitleiden gegen ſei - nem lieben Weib bezeugte; batt ſie / er wolte doch dem Joſeph befehlen / das wann ſie etwan in ſeiner Abweſenheit Schwachheit halber jemand bedoͤrffte / daß er ihr mit Huͤlff beyſpringen ſolte; ſolches geſchahe; Joſeph aber gedachte;wann97.[97]wann du wuͤſteſt / worzu mich dein Weib brauchen will / ſo wuͤrdeſt du mir das Widerſpiel befehlen; doch ſchwieg er ſtill / uͤnd aͤngſtigt ſich wegen des kuͤnfftigen Streits den er angehen ſolte / dermaſſen / das ihm alle Haar gen Berg ſtunden; er hub ſeine Augen gen Him̃el und ſein Hertz zu GOtt / bey ſich ſelbſt feufſtzende: Ach du GOtt meiner Vaͤt - ter / Abrham / Jfaac und Jacobs / ich bitte dich hertzlich / laſſe mich dieſen Tag nicht zu Truͤmern gehen; Sihe HErr! Jch ſetze mir veſtiglich vor / ehe tauſend - mahl zu ſterben als dich zu erzoͤrnen; die - ſen meinen gerechten Vorſatz / HErr! erhalte und ſtaͤrcke in mir / damit ich deinetwegen dapffer kaͤmpffe / und mir deinem Beyſtand meine Feind / die mich deiner Gnad durch die Suͤnd berauben wollen / Ritterlich uͤberwinden moͤge; Mit dieſem Gebet und ſtarcken Vorſatz gewaffnet / erwartet der Edle Held / wann ihm ſeine Liebhaberin oder viel - mehr ſeine Feindin die Schlacht anzu - gehen befehlen wuͤrde.

E iijPoti -98.[98]

Potiphar war noch nicht uͤber ein Stund lang hinweg / als Selicha nach dem Joſeph ſchickte; welcher demſelben Tag ſchoͤn geziert auffziehen muſte / weil es ein Feſt-tag war; Solcher Auffzug verdoppelte nicht allein ſeine Schoͤnheit / ſondern auch der Selicha Liebes-Be - gierdten; Er erſchiene mit einem unwil - ligen Gehorſam welches er nie gethan hatte / dieweil er dienete; und fand die Selicha auff einem Bette liegen in ſol - cher Poſtur / wie man die Venus ſelbſt dey uns zu mahlen pflegt; Nur ihr Kopf war mit etlichen Kleinodien: Der Hals ſambt den Armen mit Perlen: und die Finger mit koͤſtlichen Ringen geziert / ſonſt aber war ihr gantzer Leib nackent / und mit einem Leibfarben Seidenen Teppich bedeckt; der ſo duͤn und durch - ſichtig war / daß man ihre Schneeweiſ - ſe Haut und alle Gliedmaſſen eigentlich dardurch ſehen konte; der Buſen war nur ſo weit bloß; daß man ihre harte Bruͤſt / die ſo weiß als Alabaſter ſchie - nen / eben halber nackent in die Hoͤheſtar -99.[99]ſtartzen ſahe / und damit dieſe annemli - che Augenweid deſto Luſtreitzen der waͤre / waren die Umhaͤng zierlich auffgebun - den / der gantze Lufft mit lieblichem Ge - ruch erfuͤllt / und um und um alles mit Roſenblettern und andern wohlrichen - den ſo Blumen als Zweygen beſtreuet; alſo das alles zuſammen einen anmuh - tigen Anblick und Augenluſt / abgabe; Joſeph thaͤt ſein gewoͤhnliche Ehrbezeu - gung / und begehrt unterthaͤnig zuver - nehmen was ſein gebiedente Frau zube - fehlen beliebte / wiewohl er zuvor wohl wuſte was ſie verlangte; ſie antwortet / daß ſie Vorhabens geweſt waͤre / ein wenig auffzuſtehen; und weil ihre Jung - fern ſie allein nicht erheben moͤgen / het - te ſie ihm ruffen laͤſſen ihnen zu helffen; weil ſie aber nun noch ein we[i]lgen wolt liegen bleiben / ſo koͤnte er noch ein wenig verziehen / und unterdeſſen wohl ein biß - gen niderſitzen; Sie lieſſe ſich wohl im geringſten deß jenigen nicht mercken was ſie in Sinn hatte / damit ſie den Joſeph nicht gleich Anfangs ſcheuE iiijmach -100.[100]machte; ſie wolte zuvor ſeine Jugend durch ihr Anſchauung welches auch die aͤltiſte Graͤißen in Harniſch jagen moͤ - gen / Feur fangen laſſen; zu ſolchem End bewegte ſie die Decke ſo artlich / daß ihr Buſam offt gantz bloß zu ſehen war / und vergaß darneben nicht / dem Jo - ſeph zugleich nach und nach mit Liebrei - tzenden Blicken ihrer ſchoͤnen Augen / ſo gleichſam vor Begierde funckelten / zu - zuſetzen; zwar kan man leicht die Rech - nung machen / weil Joſeph auch Fleiſch und Blut hatte / daß er in dieſem Han - del von demſelben auch mercklich muß angefochten worden ſeyn! Weil er aus ſchuldigem Reſpect ſein gnaͤdige Frau anſehen muſte und ihr den Rucken nicht kehren dorffte; Aber ſein Vorſatz from zu ſeyn / uͤberwand doch!

Als es die Selicha nun Zeit ſeyn dunckte / gieng auff empfangene Loſung die eine Kammer-Jungfer hinweg / und gleich hernach / wurde die ander geſchickt die erſte zu holen / ſie blieben aber beyde aus / weil ſie wuſten was ihrer FrauenWill101.[101]Will war; Joſeph wolte ihnen folgen / aber vergeblich / dann weil Selicha ſchrye / ob ſie dann all von ihr lauffen wolten? muſte er bleiben. Ach! ſagte ſie himmliſcher Engel / wilſt du mir dañ auch nicht mehr goͤnnen / dein ſchoͤnes Angeſicht zu ſehen? Joſeph ſchwieg vor Scham ſtockſtill; Sie aber ſchaͤmte ſich deſto weniger / indem ſie ſich herum warff / und dem Joſeph ein zimlich un - verſchaͤmtes Einſehen machte; Wie Jo - ſeph; fuhr ſie weiter fort; wird dann die gebiedente Frau im Haus deßhalber ohnwuͤrdig geacht / mit ihr zu reden / weil ſie ſich gegen dir mehr als ein dienſt - bare Magd demuͤtigt? Gib mir aus ſchuldigem Gehorſam Antwort / wann du mich nicht wuͤrdigen wilſt / mit mir als mit einer Verliebten zureden: Jo - ſeph antwortet / gnaͤdige Frau / wann ihr Begehren ſo zimlich und tugendlich: oder deroſelben mein Antwort ſo ange - nehm waͤr / als ehrlich mir zuthun und zu reden gebuͤhrt / ſo haͤtte ich ſo lang nicht geſchwiegen / ſondern waͤre wansE vmuͤg -102.[102]muͤglich ſeyn koͤnte / mit dem Werck ſelbſt / das ſie ſuchet hernach gefolgt; dieweil ich aber ein ſchlechten Ruhm ſihe / deſſen wir ſich hierdurch wuͤrdig machten; hat mich Rahtſamer zuſeyn gedunckt / daß ich der Tugend und Er - barkeit mehr als dem Gehorſam folge; welche mich from ſeyn und ſchweigen heiſſen. Hertzallerliebſter Joſeph / ant - wortet Selicha / du ſchuͤtzeſt Ehr und Tugend vor / welche doch nur im Wahn beſtehen / ja es iſt nur ein unnutzliches Spiegelfechten; Schau nur / wann du gleich aller Welt Tugenden haͤtteſt / ſo werden ſie dir doch nicht anſtehen / oder zu deiner Befuͤrderung an dir warge - nommen werden / und alſo dir nichts helffen koͤnnen / weil du ein Leibeigner Knecht biſt; wann du aber nach mei - nem Willen lebeſt / welches du ohne das zuthun ſchuldig biſt / ſo kan ich dich frey und gluͤckſelig machen / welches dir dei - ne Tugenden nicht leiſten koͤnnen; blei - beſt du mir aber widerſpaͤnſtig / und machſt durch deine Hartnaͤckige Ver -weige -103.[103]weigerung daß ich dir endlich widerwer - tig werde / und mein Hertzliche Liebe in greulichen Haß verwandle; ſo weiſt du wohl / das ich Mittel uͤbrig hab / mich an dir erſchroͤcklich zu raͤchen / darvor dich alle deine Tugenden nicht werden beſchuͤtzen koͤnnen; Schaue hertzliebſter Joſeph / hier iſt doch die allerſchoͤnſte Gelegenheit uns mit allem Wolluſt in Geheim zu ergetzen; alſo das wir uns vor das gluͤckſeligſte Paar in der Welt ſchetzen koͤnten / wann du nur dein Gluͤck erkennen: und demſelben dancken wol - teſt / indem es dich ſo freundlich durch meine inbruͤnſtige Lieb begruͤſſet; Die - ſes alles brachte ſie mit ſolchen bewoͤgli - chen und Luſtreitzenden Geberden vor / das ſie auch den Saturnum ſelbſ[t in]her - ten ergeylen koͤnnen / zu ihr wie ein jun - ger Satyrus auffs Bette zu ſpringen; Jch kan mir auch wohl einbilden / daß manchen der diß liſt / bey ſich ſelbſt ge - denckt; alſo! diß waͤre ein ſtattlich Freſ - ſen vor mich geweſen.

E vjAber104.[104]

Aber der keuſche Joſeph hatte einen viel Tugendlichern Sinn / er antwortet; gnaͤdige hochgebiedente Frau / ich weiß wohl das ich ein armer verkauffter Knecht bin / aber eben darumb muß ich mich um ſo viel deſto mehr befleiſſen / deſto reicher an Tugenden zu ſeyn; ich weiß wohl / daß ich meiner hochgebie - deneen Frauen in Unterthaͤnigkeit zu ge - horſamen ſchuldig bin; aber darneben iſt mir auch nicht verborgen / daß ſich mein Gehorſam nicht weiter erſtreckt / als in billichen Dingen / und nicht in ſol - chen Sachen die meinem Herren zum Schimpff gereichen; und wann mich ſchon die Tngenden zu nichts befuͤrdern (wann ich anders derſelben etliche habe) ſo mutzen ſie doch meinem Herren / in dem ſie mich lernen ihme treu zu ſeyn / worzu er mich vornemlich erkaufft hat; Die an - getrohete Rach / bekuͤmmert mich zwar; aber mein hochgebiedente Frau beliebe zu wiſſen / das der Todt ſelbſt mich ſo hoch nicht erſchroͤcken kan / zu Erhaltung meines Lebens ein ſolche Miſſethat zubege -105.[105]begehen / deren ich nicht verſichert waͤre / daß ſie nur ein einige Stund verſchwie - gen bleibt.

Alle dieſe Wort waren der Selicha wie lauter Blitz und Donnerſchlag / bis auff das letzte / aus welchem ſie ſchloß / Joſeph ſorgte nur es moͤchte nicht ver - ſchwiegen bleiben / im uͤbrigen aber waͤre er ſchon ſo viel als gewonnen; ſagte de - rowegen / was? Verſchwiegen? da laß mich vor ſorgen / ſetze dieſe unnuͤtze Sorg bey ſeits / und laſſe uns unſere Fruͤhlings - Jahr mit Freuden genieſſen; ich weiß es ſchon zuverbergen / das es niemand innen wird.

Joſeph antwortet / nun geſetzt / gnaͤ - dige Frau daß es niemand innen wird / wie ſie ſagt; werden aber nach vollbrach - ter That auch unſere Gewiſſen ſchwei - gen? Wuͤrden ſie uns nicht ſo Tags / ſo Nachts Henckermaͤſſig peinigen? Da - mit doch die Befleckung ihres Ehebet - tes / wie hertzlich auch die Reu ſeyn moͤch - te / nimmermehr / ausgetilgt werden koͤnte; kaͤme ſolche begangne Suͤnd abeꝛE vijan106.[106]an Tag / ſo waͤre der Jammer nur deſto aͤrger; Eur: Gnaden bedencken nur / was vor groſſen Spott / Schimpff und Schand Jhro / ihrem Eheherrn und ih - rer gantzen vornehmen Freundſchafft zuſtuͤnde? Haltet derowegen euerem Eheherren die verpflichte Eheliche Treu / und verſchertzet euer geruhig reines Ge - wiſſen nicht ſo liderlich durch eines ſo kurtzwehrenden Wolluſts oder vielmehr Unluſts Willen / welcher ſonſt nichts als ein ewigs Hertzenleid nach ſich ſchlep - pet: Wann ſie ſich nicht nach dem jeni - gen ſoͤhnet / was Jhro nicht gebuͤhrt / und ihr ohne daß zu bekommen ohn - muͤglich / ſo wird ſie dieſe boͤſe Anfech - tung bald daͤmpfen; Will auch zu ſol - chem End meiner gebiedenten Frauen nicht laͤnger verbergen / daß ich keines Weibs werth bin / weil ich in meiner Jugend durch Unfall verlohren / was zu ſolchem Handel erfordert wird / ſolte aber meine Schoͤnheit / welche Euer Gnaden ſich an mir einbildet / ein Urſach ihres Leidens ſeyn / wie ſie vorgeben / ſoweiß107.[107]weiß ich Mittel ſolche dergeſtalt zuſchaͤn - den / daß ſie derſelben bald vergeſſen werden / dabey mein hochgebiedente Frau verſpuͤhren kan / wie hertzlich ich ſie gleichwohl liebe. Hierauff ſchwieg Jo - ſeph ſtill / und hoffte er haͤtte ſie genug bewegt / entweder in ſich ſelbſt zu gehen / und ihr ein Gewiſſen zu machen / oder ihn wegen ſeiner vorgewandten Unduͤch - tigkeit zuverwerffen.

Aber weit gefehlt / die Lieb hat ſchaͤrf - fere Augen / Ach! liebſter Joſeph / ſagte ſie / du wendeſt vor die Tugend ſey der Zweck nach dem du ſtrebeſt / und ſchaͤ - meſt dich doch nicht zu liegen auff daß du mich betriegen moͤgeſt; Die zarte Milch - haar deiner Roſenſarben Wangen / da - mit ſich die Korallen rothe Lippen zuzieh - ren beginnen / bezeugen mir viel ein an - ders: ſie ſchwieg darauff ſtill / alſo daß Joſeph nicht abnehmen kunte / was ſie weiters Sinns war / Joſeph aber redet auch nichts mehr,

Nahe an ihrem Bette ſtund ein ge - deckter Tiſch mit allerhand Confect undkoͤſtli -108.[108]koͤſtlichen Waſſern auch ſonſt ſtarcken Getraͤncken ſo bald truncken machen / - berſtelt / welches Selicha zugerichtet / entweder den Joſeph mit dem Trunck zubedeuben / oder nach vollbrachter Lie - bes Freud ſich mit einander dabey zuer - getzen; ſie befahl dem Joſeph ein Mar - zaban von dorther ihr zu langen; er reichte es ihr mit gewoͤhnlicher Ehrer - bietung; aber an ſtatt das ſie nach dem Marzaban greiffen ſollen / wurden ihre Liebs-begierten ſo hefftig / das ſie ihn beym Mantel erwiſchte / ihn zu ſich auffs Bette zuziehen / zugleich mit heiſſen Thraͤnen bittend / er wolte ſich doch nur ein bißgen zu ihr ſetzen; Joſeph aber der ſtaͤrcker war als ſie / auch wohl wuſte / das niemand lang im Feuer ſitzen ſolte / er wolte ſich dann verbrennen / entriſſe ſich aus ihrem zarten Armen (in welchen ſie gleichwohl ſeinen Mantel behielte) und lieffe aus dem Zimmer hinweg.

Was vor ein Krieg diß Weib nach Joſephs Abſchied mit ihr ſelbſt wegen der vermeinten Verachtung angefan -gen /109.[109]gen / muß nur jeder bey ſich ſelbſt erach - ten / dann damahls weder ich noch ſonſt jemand bey ihr geweſen / der es nachſa - gen koͤnte; aber man kan leichtlich ge - dencken wie es hergangen ſey? Dann als ihr beyde Kammer-Jungfern wider zu ihr kommen / zerriſſe ſie eben aus grim - migem Zorn an deſſen unſchuldigem Mantel / der ſich ſelbſt keiner Straff ſchuldig machen wollen; und hatte ſchon ihre ſchoͤne Haarlocken ausgezer - ret; auch ihr eigen Angeſicht jaͤmmer - lich zerkratzt; ſie ſahe aus wie ein hoͤlli - ſche Furi / wiewohl man ſie kurtz zuvor der Venus ſelbſt haͤtt vergleichen moͤ - gen! Sie tobet wie ein wuͤttiger Hund / und fluchte allen Goͤttern viel aͤrger als ein Fuhrmann dems nicht hotten will; alſo das ſich ihre Jungfern daruͤber ent - ſetzten / und genug zuthun hatten / ſie wider ein wenig zu ſich ſelbſt zu bringen.

Als Potiphar gegen Abend nach Haus kam / und ſein Weib in ſolchem Stand fande / hat er / wie jeder ſich ein - bilden kan / vor Schroͤcken gewißlichnicht110.[110]nicht lachen moͤgen; er fragte ſein hertz - liebſte Frau um die Urſach; ſie aber be - ſchuldigte den Unſchuldigen deß jenigen was ſie ſelbſt begangen hatte; Ach! ſag - te ſie / hertzliebſter Eheherr! der leichtfer - tige Hebreer! der Schelm und der Eh - rendieb! dem du ſo viel Guts gethan und alles das Deinige vertraut haſt; Schaue doch um der Goͤtter willen! dieſer Vogel und Ertzboͤſewicht! als er vermerckte / daß ich meinen Jungfern erlaubt / von mir zu gehen / weil ich ein wenig zu ſchlaffen getraute / kommt; nemlich zu mir! zu einem kranckẽ Weib! zu der Frauen im Haus! und welches das aͤrgſte iſt / zu ſeines Herren Ehe - frauen! und wolte dein reines Ehebette an einem ſo heiligen Feſttag! mit einem ſchaͤndlichen Ehbruch beſudlen; als wann du nicht Maͤgd genug haͤtteſt / ſei - ne Viehiſche Brunſt zu leſchen! Ja! als er mich nicht willig fande; wolte er mich nothzuͤchtigen! und indem ich mich da - pfer wehrede / mein und deine Ehr zu er - halten; hat er mich / und hingegen ichſeinen111.[111]ſeinen Schelmen Diebs Mandel ſo zu gerichtet / wie du hier vor Augen ſiheſt! Jſt das der Danck / den du um ihn ver - dienet? Jſt das ein Stuͤck ſeiner From - keit / die du ihm jederzeit zugetraut? und iſt daß die Treu deren du dich allwegen zu ihm verſehen haſt? Deine Gutthaten haben den undanckbarn Vogel erſtlich zum Junckern: Und endlich ſo geil ge - macht / das er ſich auch deiner Ehrlichen Frauen nicht enthalten moͤgen; Nun wohlan / ich hab das Meinig gethan / als ein Ehrliche Frau / dir aber will ge - buͤhren / daß du gegen ihm wie ein Ehr - liebender Mann thuſt / der vor ſein Ehr eifert.

Ob Potiphar damahl auch zornig uͤber den Joſeph worden ſeye / bedarff keiner Frag; ſo viel war an ihm / wann er durch dieſe Begebenheit nicht zugleich erfahren haͤtte / was vor ein getreu / ehr - lich / from und Tugendſame Frau ſein Liebſte ſey / ſo haͤtte er ihn gleich zu Streichplaͤtzlein zerſeblen laſſen; aber er kitzelt ſich mit ſeiner Frauen Fromm -keit112.[112]keit innerlich / wie die hoͤltzerne Puppen lachen / das er nicht zoͤrnen kunte; ha! ſagte er zu ſich ſelbſt / wie ſeynd doch die Menſchliche Urthel ſo blind und betro - gen / ich hab aus meines getreuen Weibs Geſicht urtheilen wollen / als wann ſie den Joſeph mit Buhleriſchen Augen anſehe / und hat mich gedunckt / als wañ er ſolches nicht in Acht naͤhme; aber jetzt ſehe ich wohl / der ſchlimme Geſell hat ſie geliebt / und ſie hat hingegen ſich ſeiner nicht angenommen; Ach die Goͤt ter wollen mir mein Fehler verzeihen daß ich ſo argwoͤhniſch gegen einem ſol - chen frommen Weib geweſen; Sey zu frieden liebſter Schatz / ich will dich beſ - ſer in Ehren halten als noch nie (ſagt er in ſeinem Hertzen) dann haſt du dich ei - nes ſolchen ſchoͤnen Juͤnglings wie Jo - ſeph einer iſt / enthalten koͤnnen / ſo wirſt du endlich auch die Goͤtter ſelbſt (wie meinen eignen argwoͤhniſchen Augen widerfahren iſt) zu Luͤgnern machen; Mit dem lieff er uͤber ſeinem geheimen Schreibtiſch / der in ſeinem Kavetſtund113.[113]ſtund / und langte heraus eine Prophe - ceyung ſo ihm ein Oracul geben / als er nach Abgang ſeiner erſten Gemahlin ſich wider zu verheurathen entſchloſſen. Und deswegen Raths fragte / daß lau - tet alſo.

Greiff Potiphar zur zweyten Ehe
So find er nichts als Ach und Wehe
So offt als er der Liebe pflegt /
So viel er auch der Hoͤrner traͤgt /
Doch wird es ſo ſub til zugehn
Daß eres ſelbſt nicht kan verſtehn.

O verlogener Apollo / ſagt er / wer wird mich nun zum Hanrey machen koͤnnen / wann es Joſeph der ſchoͤnſte in der Welt nicht zuthun vermoͤcht hat; der Gauch wuſte aber nicht / das Seli - cha allzeit wann er ſie im Arm gehalten / an Joſeph gedacht / und das jenig ſo ihr von ihm geſchahe / vom Joſephs wegen / den ſie ihr an ſeiner Statt eingebildet / angenommen hatte; er zerriß dieſe Weiſ - ſagung und ſagte / weil niemand ſein eigner Richter ſeyn ſoll / ſo ſolte man den Joſeph ins Gefaͤngniß fuͤhren / er wolte der Sach ſchon Rath ſchaffen.

Zu114.[114]

Zu derſelben Zeit hatte es faſt eine Beſchaffenheit mit den Gefaͤngnuſſen in Egypten wie mit den Zuchthaͤuſern jetziger Zeit / der Koͤnig hatte in jeder groſſen Stadt oder Provinz ſeines Lands eins / rund herum mit hohen Mauren umgeben / daß kein Gefang - ner oder Gefangne ausreiſſen kunte; in - wendig mit Werckſtaͤtten vor allerley Handwercksleut verſehen; ſolche wur - den den Kerckermeiſtern auff etliche Jahr um ein gewiſſen Zinß verlaſſen / wann nun Perſonen in ſolche geriethen / die reich: die Mißhandlungen aber nicht groß waren / ſo muſten ſie dem Kerker - meiſter Koſtgelt geben und dorfften nichts arbeiten; waren es aber Arme / deren ſich niemand erbarmt / noch die Koſt vor ſie bezahlte / ſo muſten ſie dem Kerckermeiſter arbeiten daß ihnen die Schwarte kracht / doch nach geſtalt - ſam ihres Verbrechens / und nachdem ſie verdammt waren oder zu arbeiten vermochten; etliche Ubelthaͤter wurden auff ewig: etliche aber die ſich geringerver -115.[115]verſuͤndigt hatten / nur auff etliche Jahr dahin verurthelt / wie auff eine Gallera; und weil dieſes beydes dem Koͤnig und Kerckermeiſter bey weitem mehr ein - trug / als dem Scharffrichter / wurden wenig Ubelthaͤter mit dem Todt ge - ſtrafft / es gieng aber in dieſem Gefaͤng - nuſſen ſo ſcharff her / daß theils Gefang - nen ein ſchneller Todt viel ertraͤglicher geweſt waͤre / als ein ſo elende Verzoͤge - rung ihres Lebens; So bald ein Ge - fangner in ein ſolch Gefaͤngnuß kam / ſo hatte der ſo ihn ſetzen laſſen / kein Ge - walt mehr uͤber ihn / ſondern nur der Koͤ - nig / der nach und nach das Verbre - chen auff der Gefangnen Freund oder des Klaͤgers Anſuchen examinirn: und ferner geſchehen diß was recht war; und weil Joſeph kein Handwerck kunte / mu - ſte er als ein Schmiedknecht den Ham - mer fuͤhren / ſeine Koſt bis zu Austrag der Sach zu gewinnen; Er gedachte bey ſich ſelbſt / diß iſt ein billich Urthel Got - tes / das meine Schoͤnheit im Kohlen / Rauch und Staub verderbe / und meinezarte116.[116]zarte Haͤnd wie Horn werden; weil ſie mich bißher in alles Ungluͤck gefuͤhrt.

Niemand verwundert ſich mehr / daß Joſeph dieſer Urſachen halber ſolte ge - fangen geſetzt worden ſeyn / als eben die unvergleichliche Aſanet; weil ſie ſelbſt viel ein anders ſo wohl von der Selicha als dem Joſeph wuſte! Sie kunte[ni]cht erſinnen / wie es doch zugangen ſey[n mu -]- ſte / daß dieſe beyde ſo bald ihre Neigun - gen: Nemlich die Selicha ihre hefftige Lieb in Haß: und hingegen Joſeph ſei - ne Keuſchheit in bruͤnſtige Geilheit ver - aͤndert haͤtte / wiewohl ſie ihres gleichen an ſcharpffem Verſtand in Egypten nicht hatte; die Begierde den Verlauff zu wiſſen trieben ſie dahin / ihre Baaß die Bettlaͤgerige Selicha zu beſuchen; mehr unterm Schein ihr ſchuldig Mit - leiden zubezeugen / als ſich mercken zu laſſen / warum ſie mit ihrem verbunde - nen Finger und verwunden Hertzen hin kaͤme.

Hertzliebſte Frau Schweſter / ſagte ſie bey ihrer Ankunfft / unter andern zurSelicha;117.[117]Selicha; mir gehet dero Zuſtand um ſo viel deſto mehr zu Hertzen / weil ich ver - nehme / das ſie nicht aus dem Bette kommen / ſeithero ich die Ehr gehabt / mit ihren neulichden Mittag Jmbs zu - halten; ob ich zwar nicht hoffen will / daß unſer Gegenwart deroſelben zu Un - muth oder Zorn: und alſo auch zu dieſer K[ra]nckheit ſelbſt Urſach gegeben habe. Ach nein hertzliebſte Jungfer Schweſter antwortet Selicha / unſer Joſeph iſt die Urſach meiner Kranckheit / welcher mich dieſer Tagen ſo hoch erzoͤrnet / das mir die Gall in alle Glieder geloffen! Wie ſo? ſagte Aſaneth / ich hatte vermeinet ihr neulicher Diſcurs / den ich hinder den Tapeten vernommen / hatte mich genug - ſam verſichert; das mein geehrte Frau Schweſter ſich in Ewigkeit nicht uͤber ihn erzuͤrnen koͤnte? Jch weiß nicht wie ich die Sach verſtehen ſoll? Was! ver - ſtehen? ſuhr Selicha heraus; Laſt mich zu frieden / ich verſtehe wohl wie ihrs ver - ſtehen wollet? habt ihr damahl nicht ſelbſt geſagt; ich ſolte auffhoͤren ihn zuFlieben /118.[118]lieben / oder ihr wollet auffhoͤren meine Baaß zu ſeyn? Ey nun dem / weil ich derowegen euch gefolgt hab / und ihn / (euch meinen Haß gegen ihm zu bezeu - gen) ins Gefaͤngniß gebracht / ſo haltet euer Wort: bleibet meine Baaß wie vor; bekuͤmmert euch um keinen leibeig - nen Knecht; laſſet das unnoͤhtige Nach - gruͤblen bleiben; und helfft vielmehr durch Stillſchweigen das unſerer Freundſchafft kein Schandfleck ange - haͤnckt werde / wie ihr mich neulich ſelbſt erinnert habt / das ich thun ſolte; Aſa - neth vernahm ohnſchwer was die Glock geſchlagen / und wuſte doch nicht eigent - lich / wie es mit dem Joſeph hergangen ſeyn moͤchte / dorffte auch nicht fragen / damit ſie ſich nicht argwoͤhniſch machte; Sie unterhielte vor dißmahl ihre Baaß mit andern angenehmen Reden / bis ſie ihrem freundlichen Abſchied nahm und Joſephs Unſchuld halber voll Kummer und Hertzenleid nach Haus gieng.

Dieſes Fraͤulein war ſo vermoͤglich als ſchoͤn und tugendreich; dann ſie hat -te als119.[119]te als ein einzige Erbin / ihres Vattern Schaͤtze (der ein alter Witber war) in vollkommenen Gewalt; Alſo daß ſie die Edelgeſtein: geſchweige das Gold und Silber / mit Seßten auszumeſſen ver - mochte; Sie hielte ſich in Thebe auff / ihres Vattern Reichthum zu huͤten; der Vatter ſelbſt aber wohnet ſolche zuver - mehren / als ein hoher Prieſter zu Heli - opolis / und war bey dem Pharaone / als ein Mann an dem viel gelegen / in hoͤchſten Gnaden.

Dieſes ihr Vermoͤgen: oder beſſer zu ſagen / den Uberfluß verhandenen Schaͤtz und Reichthum griff ſie an / nicht zwar ſo grob oder unbeſonnen / als ein junges Ding von zwoͤlff Jahren thuen moͤchte (wie ſie damahl war) das nicht weißworzu die Baarſchafft nutzet / ſondern ſo geſparſamlich als ihr die Lieb zulieſe / und ſo kluͤglich / als ſie vermein - te / daß ihr zu Erkundigung der War - heit vonnoͤthen waͤre; ſie wolte einmahl wiſſen wie Selicha mit dem Joſeph ge - ſpielt haͤtte / deme ſie ihr Hertz wegen ſei -F ijner120.[120]ner ſcheinbarlichen Tugenden: Wie Selicha ihm das ihrige wegen ſeiner Schoͤnheit geſchenckt hatte; immer Schad waͤre es / ſagte ſie zu ſich ſelbſten; wann der ſchoͤnſte Spiegel aller Tugen - den durch laͤſterliche Verlaͤumtungen ſolte untertruckt und zu Schanden wer - den; was? wann man das geſtattet / ſo moͤchte es dahin kommen / daß die Tu - genden endlich auch ſelbſt durch die La - ſter zerſcheidert wuͤrden; Nichts! ich will wagen was mir die Goͤtter hierzu ver - liehen haben; und nahm damit ein ſchoͤn paar Armband vor die eine: und ein koͤſtliche Stirnfpange vor die andere der Selichæ Kammer-Jungfern; mit denſelben ſchmirte ſie die eine nach der andern / bis ſie alles Haarklein erfuhr / wie man mit dem ſo frommen als ſchoͤ - nen Joſeph verfahren waͤre; aber deſſen Unſchuld an Tag zu bringen wolte ihr nicht geziemen / wieviel ſie auch Kalen - der daruͤber machte und die Sach uͤber - ſchlug; dañ erſtlich lag ihr die nahe Ver - wandſchafft der Selichæ im Weg / de -ren121.[121]ren ſie ſich ſchaͤmen haͤtte muͤſſen / wann die Warheit in jedermans Ohr kom̃en waͤre; So wolte ihr auch nicht gebuͤh - ren / das ſie als ein Fraͤulein von Koͤ - niglichem Stammen ſich eines Scla - vens annehme; drittens wann ſie gleich alles thaͤt / was ſie haͤtte thun koͤnnen / ihn ſeiner Tugend wegen frey zu ma - chen / ſo haͤtte doch jederman geurtheilt ſolches waͤre ſeiner Schoͤnheit und nicht ſeiner Tugend wegen beſchehen; andern theils tribulirte ſie die hertzliche Lieb und das Mitleiden ſo ſie wegen ſeiner Un - ſchuld trug / alſo das ſie nicht wuſte / weſſen ſie ſich entſchlieſſen ſolte; Derge - ſtalt wurde ihr Hertz gleichſam wie ein Schiff vom Nord und Sudwind zu gleich angegriſſen und beſtuͤrmt; End - lich verpetſchierte ſie hundert Tumin ne - ben einem Brieff an dem Kerckermei - ſter / und lieſſe ihm denſelben durch ein vierdte Perſon zu eignen Handen lief - fern; der Jnhalt deſſen lautet alſo.

Wann du das Geſchlecht Pharao - nis deiner Schuldigkeit nach in EhrenF iijhaͤltſt /122.[122]haͤlſt / ſo wirſt du dieſem Brieff mit Un - terthaͤnigkeit empfahen / und demſelben gehorſam biſt nachleben; als welcher von einer Perſon aus Koͤniglichem Ge - bluͤt erkohren / dir zugeſchickt wird; wel - che dich zu dem End ihres Gruſſes wuͤr - digt / daß du den gefangenen Joſeph Potiphars des groſſen Kuchenmeiſters Knecht in der Gefaͤngniß alſo ehrlich halten ſolleſt / daß weder er ſelber noch jemand anders von ſeinetwegen / wann er ſeiner Unſchuld halber kuͤnfftig wider freygelaſſen wird / uͤber dich zu klagen habe; dann ſolche Klag muͤſteſt du mit Hergehung deines Kopffs verantwor - ten; weil dir hiebey hundert Tumin ge - ſchickt werden / damit du ihn deſto beſſer verpfiegen und aller Arbeit entlaſſen koͤn - teſt; doch ſolſt du dieſes vor jederman auch dem Gefangnen ſelbſt heimlich halten / deme du alſo gehorſamlich nach - zuleben wiſſen wirſt.

Dieſes war dem Kerckermeiſter ein ſeltzam Freſſen / dieweil keinem ſeiner Zunfft dergleichen niemahl begegnet / erkunte123.[123]kunte nicht weniger thun als gehorſa - men / dann ein ſolch groſſes Gelt ſo ihm geſchickt worden / bezeugte genugſam / daß die Perſon die ihm geſchrieben / kein kleiner Hans ſeyn muͤſte; derowegen nahm er den Joſeph wider aus der Schmiden / und ſetzte ihn zu ſich an ſeine Tafel / das es weder Potiphar noch ſein Ehrliche Frau niemahl erfuhr.

Jndeſſen lag Selicha noch zu Bett / und wurde in Ernſt ſo kranck / als ſie ſich zuvor geſtelt hatte; ja es wurde mit ihr von Tag zu Tag je laͤnger je aͤrger / weil ſie der Zorn / die Lieb / der Eifer / die Rach / die Reu und die Furcht / daß ih - re Schelmſtuck an Tag kommen moͤch - ten / ſchroͤcklich aͤngſtigten / und je laͤnger je mehr ſchwaͤchten; keinen andern als dieſen ſchlechten Troſt hatte ſie / als daß Joſeph ſein Lebtag keinem andern Weibsbild zu theil werden koͤnte / weil er ſo warm ſaſſe; die Aertzt fiengen allge - mach an / an ihrem Leben zuverzweifeln: ſie ſahen zwar wohl das dieſe[K]ranckheit an einem innerlichen Anliegen des be -F iiijkuͤm -124.[124]kuͤmmerten Gemuͤths gienge / Poti - phar aber muſte der Selicha glauben / welche vorwand / daß ſie ſich ſo greulich uͤber Joſephs unehrlichs Zumuthen er - zoͤrnet / und ſolches noch nicht vertauen koͤnte; hierdurch wuꝛde er gereitzt und er - bittert an Joſeph unbilliche Rach zu - ben / welchen er billicher haͤtte loß laſſen ſollen; Aber ſo ſehr trachtet er nicht nach Joſephs Leben / ſo ſehr bemuͤhet ſich hin - gegen Aſaneth daſſelbe zu erhalten; als dieſe vom Potiphar vernahm was er ge - ſinnet war / kunte ſie ſich nicht enthalten / ihm unter Augen zu ſagen / das ſie ver - mercke / Joſeph ſey unſchuldig; mit Bitt / er wolle ſich nicht uͤbereylen / da - mit er der ſpatten Reu und der Goͤtter Zorn / ſo ihm das unſchuldige Blut auff den Hals buͤrden wuͤrde / kuͤnfftig uͤberhaben waͤre; er folte die Sach ſte - hen laſſen wie ſie ſtuͤnde / und noch ein Zeitlang zuſehen; ſie beſorge ohne daß / wann er dem Joſeph das Leben zu neh - men unt[erſ]tehen wuͤrde / daß ein ander Facit heraus kommen doͤrffte; das Le -ben125.[125]ben waͤre Edel / und ſolches zu erhalten / wuͤrde Joſeph vor ſich das Beſte re - den.

Durch dieſe dunckele zweydeutige Sprach ſetzte Aſaneth dem Potiphar ein Flohe ins Ohr / weil er ſie anders verſtunde als ſie Aſaneth gemeinet; dañ er hatte zwar mit Joſephs Wiſſen aber doch mit deſſen hoͤchſtem Mißfallen und Abwarnen hiebevor etliche Koͤnigliche Guͤter zu ſich gezwackt / davon bildet ſich Potiphar ein / haͤtte Aſaneth Wind / und mit ihrer Red dahin gedeutet / daß Joſeph aus der Schul ſchwatzen: und ihn in Ungluͤck bringen wuͤrde / wann er ſehe / daß ihm ans Leben gieng; was Raths dann? hertzliebſte Fraͤulein Schweſter / ſagte er zur Aſaneth; mir gebuͤhrt gleichwohl ein als den andern Weg mein Anſehen zu erhalten / und kan man ſolche Laſter deren Joſeph be - zuͤchtigt wird / und woruͤber Selicha Tag und Nacht Rach ſchreyet / mit Eh - ren nicht ungeſtrafft hingehen laſſen; Aſaneth antwortet / er koͤnte die SachF vver -126.[126]verzoͤgern und ſich doch ſtellen als wann er Joſeps Todt ſuchte / nur die Selicha zu befriedigen; ſie wuſte das dem Jo - ſeph Unrecht geſchehe / und beſorgte / wie ſie zuvor erinnert / das der gantzen Freundſchafft ein groſſer Schimpff wi - derfahren moͤchte / wann es an den Bind-Rimen gehen werde.

Aſaneth machte hierdurch den Poti - phar ſo verwirret / daß er nicht wuſte was er thun ſolte / dann ihn die entfrem - te Koͤnigliche Guͤter grauſam angſtig - ten / darvor ihn Joſeph ſo treulich ge - warnet hatte; gleichwohl muſte er nach altem Gebrauch der Egyptier ihme ſchrifftlich notificiren / aus was Urſach er ins Gefangniß geſetzt worden waͤre; ſolches thaͤt er durch folgenden Brieff.

Nach Herkommen und Gewonheit des Lands Egypten / wird dem gefang - nen Joſeph / Potiphars des Koͤnigli - chen Kuchenmeiſters erkaufften Knecht hiemit angedeutet / daß er angeklagt: und deswegen in das Gefaͤngniß ge - worffen worden ſeye / weil er durchGeil -127.[127]Geilheit bewegt / ſeines Herrn Liebſte zu nothzwaͤngen ſich unterſtanden / und durch ſolche Verfahrung dieſelbe Ehr - liebende zarte Frau deꝛmaſſen erſchroͤckt / erzoͤrnt und durch ihre gewaltige Ge - genwehr abgemattet habe / das ſie noch dieſe Stund zu Bettliegen: und ſich ih - res Lebens verwegen muß; weswegen er dann vor nechſtkuͤnfftigẽ ſtrengen Hals - gericht / als ein Nothzwaͤnger / Ehren - dieb und Moͤrder angeklagt werden ſolle; zuvor aber kan er nach angeregtem Landsbrauch hierauff ſeine ſchrifftliche Entſchuldigung einſchicken / damit er ſich keiner Ubereilung zu beklagen habe.

Als dieſer verfertigt war / zeigte er ihn der Aſaneth / welche ihr belieben lieſſe / daß er dem Joſeph geſchickt wuͤrde; a - ber Joſephs Antwort darauff war dieſe.

Was die Bezuͤchtigung anbelangt / damit Joſeph des Koͤniglichen groſſen Kuchenmeiſters erkauffter Knecht belegt wird / iſt der Beklagte ſolch Laſter be - gangen zu haben nicht geſtaͤndig / ſon -F vjdern128.[128]dern bezeugt beym hoͤchſten Gott / daß er aller dings unſchuldig ſeye; wie dann ſein voriges Leben ſeine Neigung zur Keuſchheit genugſam bezeuge; Daß er aber ſeine gnaͤdige Frau erzoͤrnt haben moͤchte / ſey ihm leid / und hoffe nicht das ſie deswegen am Leben Schaden leiden ſolle; Maſſen dem gantzen Haus Poti - phars genugſam bekant ſeye / das ſein gebiedente Frau etlich Tag zuvor kranck gelegen / Ehe ſie den Nothzwang auff ihn ausgeben; er befehle die Sach dem hoͤchſten Gott / der werde ſeine Unſchuld und das er ſich allzeit wohl und ehrlich in ſeines Herren Dienſten gehalten / ver - hoffentlich genugſam an Tag thuen wann es vor dem ſtrengen Halsgericht zur Verantwortung kommen ſolte.

Potiphar communicirt der Aſaneth dieſe Antwort / und fragte ſie / was ſie weiters bedeuchte; ſie ſagte / er koͤnte wohl ſehen daß Joſeph ſonderlich ſeiner Liebſten Kranckheit halber ein gerechte Sach haben muͤſte / als die zuvor ſchwach geweſen / ehe ſie den Joſeph an -geklagt /129.[129]geklagt / item weil er um keine Gnad be - te / ſondern ſo getroſt vor Gericht ſich zu verthaͤtigen entſchloſſen; er ſolte wohl er - wegen was Joſeph darunter verſtehen moͤchte / das er meldet ſein Unſchuld weis daß er ſich allzeit redlich gehalten / werde vor Gericht an Tag kommen / ihre Meinung waͤre / er ſolte die Sach auff die Wagebanck ſchieben ſo lang er koͤnte / und den Goͤttern dancken / daß Joſeph die Mittel und ſolche Freund nicht haͤtte / dardurch er ſelbſt zur End - ſchafft tringen moͤchte; indeſſen ſolte er Potiphar wegen ſeines Verzugs die Selicha unterhalten wie er koͤnte; ſol - chem Rath hat Potiphar zu folgen be - ſchloſſen.

Aſaneth aber betrachtet vor ſich ſelbſt aus Joſephs Antwort deſſen Ehrliebend und Tugendreiches Gemuͤth deſto mehr / und wurde ihm um ſo viel deſto holder / weil er kein einzig Wort von dem jeni - gen lauffen laſſen / ſo der Selicha zur Schand: dem Potiphar zum Schmer - tzen und ihme ſelbſt zu ſeiner ErledigungF vijhette130.[130]haͤtte dienen moͤgen; und in dem ſie ſich neben ſeiner Tugend auch ſeiner Schoͤn - heit erinnerte / konte ſie ſich nichts anders einbilden / als es muͤſte etwas Goͤtt - lichs an ihm ſeyn; Jn Summa ſie wur - de je laͤnger je verliebter / und bejammer - te / das ſie das Gluͤck nicht gehabt / ihn ehender zu ſehen / als wie er ihr das Handwaſſer gab / oder ihn ehender zu hoͤren / als da ſie hinder der Tapezerey ſtnnde und ihn nicht ſehen kunte; dann ſie gedachte; wann ich ihn ehender ge - kant haͤtte / ſo muͤſte es mit ſeinem Un - fal ſo weit nicht kommen ſeyn; ich wolte ihn der Selicha ſchon bey zeiten aus den Zaͤhnen gezogen haben.

Dieſes Fraͤulein haſſte die Laſter ſo ſehr / das ſie die Selicha nimmermehr in ihrem Bettlager beſucht hatte / wann es nicht um Joſephs Wolfahrt wegen beſchehen waͤre / welche ihr anlag / wie ihr eigne; Sie hatte durch Verehrun - gen uñ holdſelige Converſation die Her - tzen der Selichæ beyden Kam̃er-Jung - fern dermaſſen gewoñen und eingenom -men /131.[131]men / daß ſie alles von ihnen erfahren konte; was ſie wegen Joſephs nur wiſ - ſen wolte; ſie nahm jede abſonderlich vor / und redet mit jeder inſonderheit in Geheim ſo vertreulich / das ſie endlich offenhertzig heraus beichteten / was maſ - ſen jede eben ſo ſehr in den Joſeph ver - liebt waͤre als Aſaneth ſelbſten; die eine erzehlte ihr auch / wann Joſeph zum Todt verdammt werden ſolte / das ſie ihn alsdann als eine Jungfer vor ihren Ehegemahl loßbitten wolte; die ander aber unverhielte ihr nicht / daß Selicha uͤber den Verzug Potiphars gantz un - willig ſeye / weil er den Joſeph von der Koſt thun zulaſſen ſo langſam umgieng; doch haͤtte ſie neulich aus Joſephs Ant - wort die er dem Potiphar aus dem Ge - faͤngniß geſchickt / widerum ein neue Hoffnung ſeine Liebe noch zu erhalten / geſchoͤpfft / weil er ſich in derſelben nicht vernehmen laſſen / was ſie ihm zugemuh - tet; haͤtte auch an den Joſeph geſchrie - ben / weil ſie aber wider ein abſchlaͤgige Antwort bekommen / haͤtte ſie ihr denBrieff132.[132]Brieff geben zuverbrennen / und ſich voꝛ - geſetzt / den Joſeph im Gefaͤngniß mit Gifft hinrichten zulaſſen; ſehet um der Goͤtter willen gnaͤdigſtes Fraͤulein / was ihr Joſeph vor ein Antwort geſchickt / daraus ſie alles abnehmen kan / wie es ſtehet; mit dem zog ſie Joſephs Brieff aus dem Sack / und gab ihn der Aſa - neth zu leſen / der lautet alſo.

Hochgebiedente gnaͤdige Frau ꝛc. Demnach ihr hochgeehrtes Brieflein mir zu handen kommen / hab ich ſolches gehorſamlich eroͤffnet / unterthaͤnig zu - vernehmen / was deroſelben mir gnaͤdig zubefehlen geliebte; ohn verhalte darauf hin zu gehorſamer Wider-antwort / daß ich annoch bleibe wie ich vor war / auſer daß ich jetzo aus euers Eheherren getreu - em Diener zu einem ſchwartzẽ Schmied - knecht worden bin; dann was dero gnaͤ - digs Anerbieten und zugleich ihr ſcharffe Betrohung anbelangt / welche ins Werck geſetzt werden ſollen je nachdem ich mich bequemen werde; darauff wol - le mein hochgebiedente Frau zur Nach -richt133.[133]richt verſichert ſeyn / das ehe die gerech - te Sonn ihren gewoͤhnlichen Weg: als Joſeph die Tugend deren er ſich einmahl ergeben / verlaſſen werde; es wird mich auch weder dero Bitt und Verheiſſung nach dero Befehlch und Betrohung be - waͤgen / anders zuthun oder zu ſeyn als wie es erſtbemeldte Tugend haben will; als welche mein eintzige Liebſte iſt / von deren ich auch biß in Todt nicht zuwei - chen entſchloſſen; wolle derowegen mein hochgebiedente Frau an mich zu ſchrei - ben auffhoͤren / weil ſolche Brief nichts anders vermoͤgen zuthun / als das der - mahlen einer beſorglich einem Wider - wertigen in die Haͤnd kommen: und auf einmahl verrathen moͤchte / was ich meinem Herrn und Frauen zu unter - thenigen Ehren biß ins Grab zuver - ſchweigen vorgenommen.

Nach dem Aſaneth dieſen Brief ge - leſen / ſteckte ſie ihn gleich zu ihren ſchnee - weiſſen Bruͤſten / haͤtte ihn aber zuvor lieber gekuͤſt / der Selichæ Jungfer aber wolte ihn wider haben / mit Vorwandtihn134.[134]ihn in ihrer Frauen Befehlch nach zuver - brennen / zu welchem End ſie ſolchen em - pfangen haͤtte; gnaͤdigſtes Fraͤulein / ſagte ſie / wann auskommt daß ich ihn nicht ins Feuer werffe / ſo habe ich alles Gluͤck und Heil bey meiner Frauen ver - ſchertzt / und muß darzu ſorgen / wann er in andere Hand kommt / daß mein Frau dardurch in die aͤuſſerſte Ungele - genheit gerahten kan; Aſaneth antwor - tet / Jungfer ich bin eurer Frauen naͤher verwand als ihr / werde derowegen auch um ſo viel deſto mehr vor ihre Ehr ſor - gen; was aber die vermuthliche Ver - ſchertzung eurer Wohlfahrt anbelangt / ſo verſprech ich euch hiemit bey Fuͤrſtli - chen Worten / euch vor allen Schaden Buͤrg zu ſeyn / der euch hieraus entſte - hen moͤchte / die Kammer Jungfer zog die Achſel ein wie ein Mann thut wann er muß geſchehen laſſen ein Ding das nicht nach ſeinen Willen geht.

Aſaneth verfuͤgte ſich heim / und ſchetz - te / das ſie deſſelben Tag mehr gefiſcht haͤtte / als alle Haͤringsfanger in gantzEngel -135.[135]Engelland und Holland in taufend Jahren thun moͤchten; ſie kunte dieſelbe Nacht den Brief nicht mehr als hundert mahl leſen / weil ſie ihn mehr als hundert tauſend mahl kuͤſſen muſte; Ach! ſagte ſie / nimmermehr haͤtte ich glauben koͤn - nen / daß ein Manns-Perſon von ſol - chen verwunderlichen Beſchaffenheiten in der Welt lebe! Ehe ſie aber denſelben Brief genugſam behertzigt hatte / ſchickte ſie ein andern an den Kerckermeiſter fol - genden Jnhalts.

Die jenige Perſon / welche dir neu - lich den Joſeph wohlzuhalten befohlen / und dir zu ſolchem End die Nothdurfft an Gelt geſchickt; berichtet dich in Ge - heim / daß eben demſelben Joſeph nach - geſtellt wird ihn im Gefaͤngniß mit Gifft hinzurichten / wirſt derowegen ihn zu warnen und auch ſelbſt vor ſolcher ſchaͤndlichen Mordthat zu ſeyn wiſſen; damit du kuͤnfftig aller ſchweren Ver - antwortung ſo dir hieraus entſtehen moͤchten / entuͤbrigt ſeyeſt; dann wo du es uͤberſiheſt das ſolch boͤs Vornehmenins136.[136]ins Werck geſtellt wuͤrde; ſo muͤſte ich ſein unſchuldig Blut von deinen Haͤn - den fordern / weil er dir zuverwahren und nicht toͤdten zu laſſen anvertrauet iſt.

Die holdfelige Beywohnung des Tu - genthafften Joſephs hatte ihm den Kerckermeiſter ſo gewogen und guͤnſtig gemacht / das er demſelben nicht nur die - ſen Brief: ſondern auch den vorigen wiewohl es ihm verbotten war / com - municirte, auch nicht verhielte was vor ein Summa Gelts er ſeinet wegen em - pfangen haͤtte; Joſeph aber konte nicht ausſinnen / wer ſich ſeiner ſo treulich an - naͤhme / weil er mit keiner Perſon von Koͤnigl. Stammen ſonderlich bekant war; er geried zwar in den Wahn / es muͤſt jemand groſſes ſeyn / dem ſein Un - ſchuld bekant waͤre / und wuſte darneben doch gewiß / das ſonſt niemand von der Selichæ Haͤndel Wiſſenſchafft haben konte / als ihre beyde Jungfern welche aber weder die Mittelhatten / ſeinet we - gen ſo viel zu ſpendiren noch das Hertzfaſſen137.[137]faſſen dorfften / ſich vor Leut von Koͤnig - lichen Gebluͤth auszugeben; derowegen wandte er ſich zu GOtt / und danckte ihm vor ſeine Vorſorg und zugeſchickte Huͤlff zuvorderiſt / mit andaͤchtigem Ge - bet / die Goͤttliche Allmacht wolte gnaͤ - dig geruhen die jenige Perſon die ſich uͤber ihn erbarmt haͤtte / mit tauſendfaͤl - tigen Belohnungen zu ergetzen;

Demnach er nun aus Gutthat der Aſaneth in ſeiner Gefaͤngniß ſo uͤber zwey gantzer Jahr wehrete / dergeſtalt ein geruheſam Leben zu fuͤhren hatte; wolte er die edle Zeit nicht unnuͤtzlich zu - bringen / ſondern uͤbte ſich mit Huͤlff und beſſerer Unterweiſſung eines alten Sternſehers (der noch daſſelbe Jahr in der Gefaͤngniß ſtarb / wie er ihm ſelbſt propheceyt hatte) widerum in der Aſtro - nomia und Aſtrologia / mit welchen Wiſſenſchafften er ſich wegẽ Potiphars groſſen Haus und Feltgeſchaͤfften etlich Jahr her wenig bekuͤmmert; er ſtelte ihm ſelbſt ſo wohl als ſeinem Vatter deſſen Geburtsſtund er noch wuſte / dieNa -138.[138]Nativitaͤt / und wurde gewahr / daß ihm ſelbſt ein groß Gluͤck: ſeinem Vat - ter aber die Verſetzung in ein ander Land vorſtunde; erſchloſſe auch aus des Himmelslauff ein kuͤnfftige fruchtbare Zeit / und fande gleich hernach eben ein ſo groſſe Teurung angetrohet; er ſtellte vielen Gefangnen / ſich zu uͤben / ihre Nativitaͤten / ſagte aber nicht alles was ihnen begegnen ſolte / damit er die Un - gluͤckſelige nicht erſchreckte / die Gluͤckſe - lige aber nicht hoffaͤrtig machte; item als ihme der Kerckermeiſter die Geburt - ſtund Pharaonis wie auch der Selichæ anzeigte prognoſticirte er / daß beyde noch ſelbiges Jahr ſterben wuͤrden / ja er nennete ſo gar den Tag / welches alles eingetroffen / und wurde an ſtatt des Verſtorbenen / der hiebevor den Joſeph nicht haben wolte / deſſen Sohn Tmaus zum Koͤnig erwoͤhlet; die Selicha aber nachdem ſie bey anderthalb Jahren ge - ſachtet und gantz ausgedorret / verreckte endlich in Verzweyfelung / auff den Tag den Joſeph zuvor angezeiget hatte. Muſte139.[139]Muſte alſo ſo wohl das Koͤnigliche als Potiphars Haus abſonderlich die halb - jaͤhrige Traur anlegen / ſo die ſchoͤne Aſaneth auch betraff / in welcher Zeit weder in Civil noch in Malefitz Sachen nichts gehandelt zu werden pflegte; da - hero ſich Joſephs Gefangenſchafft deſto laͤnger verzoͤgerte.

Gleich hernach kamen auch ins Ge - faͤngniß der Obriſte Beck und der Mundſchenck des Koͤnigs / jener zwar / weil an Tag kommen war / daß er dem Pharaone umb viel Fruͤchte betrogen / dieſer aber weil er dem jungen Koͤnig Waſſer vor Wein eingeſchenckt hatte; dann der Koͤnig hielte davor / wann ers mit Fleiß gethan / ſo haͤtte er das Leben verfallen / weil ein Privat Perſon ſo mit dem Koͤnig nicht ſchertzen ſolte; waͤre es aber aus Uberſehen geſchehen / ſo ſeye es eben ſo ſtraffbar / dann wann eines Mundſchencken Fleiß nicht groͤſſer ſeye / den Koͤnig zubedienen ſo koͤnte ein an - dermahl von deſſen widerwertig eben ſo bald ein Flaͤſche vergifftet: und ſolcherTranck140.[140]Tranck hernach dem Koͤnig zu feinem Tod gereicht werden; darum ſolte ein Mundſchenck in ſeinem Ambt vorſichti - ger ſeyn / welche Vorſichtigkeit ihnen durch Exemplariſche Straff einge - pflantzt werden muͤſte.

Damahl dichtet Aſaneth / wie ſie den Joſeph loß machen moͤchte / weil ſein groͤſte Verfolgerin die Selicha todt war; ſie entſchloſſe ſich zwar ihre bey der Koͤnigl. Croͤnung (bey welcher ihr Herr Vatter auch erſcheinen: und dem Pha - raone das Diadema auffſetzen muſte / welches froͤliche Feſt gemeiniglich auff die geendigte Traur zu folgen pflegte (vom Pharao loßzubitten; und muſte doch bekennen / daß es ihr uͤbel anſtaͤn - dig ſeyn: und den Leuten Urſach geben wuͤrde / nicht beym beſten von ihr zure - den; wann ſie nemblich dem jenigen Guts thaͤte / der ihre Baaß zu unehrli - chem Beyſchlaff haͤtte noͤhtigen wollen; hingegen trug ſie ein groſſes Mitleiden mit ſeiner Unſchuld / und taurete ſie / daß ſeine Tugenden ſo eingeſpert ſeyn: undnicht141.[141]nicht vor aller Welt leuchten ſolten; ge - ſchweige jetzt der Liebsbegierden die ſie hatte / den Joſeph wider zu ſehen und ſeine Schoͤnheit recht zubetrachten; ein - mahl ſie ſtund an und in der Waag / nicht wiſſent / wie ſie den Handel immer mehr ankarten ſolte / das ſie ihm an boͤ - ſen Nachklang ihrer und ihrer Freund - ſchafft Ehren zu Joſephs Nutzen hin - auͤs fuͤhren moͤchte!

Sie nahm die beyde Kammer-Jung - fern in ihre Dienſte / die hiebevor der Selicha auffgewartet hatten / damit ſie ſich ihrer / wann es vielleicht unvonnoͤh - ten ſeyn moͤchte / des Joſephs Unſchuld an Tag zu bringen / als Zeugen bedie - nen moͤchte; dem Joſeph ſelbſt aber ſchickte ſie wider durch eine vierdte Per - ſon alle Zugehoͤr zu einem neuen Kleid von Veilblauen Adlaß mit weiſſen Blu - men / an den Kerckermeiſter / auch etwas an Gelt / nemlich ſo viel als ſie vermei - net / daß er noch biß zur Koͤnigl. Croͤ - nung vonnoͤhten haben moͤchte.

Unterdeſſen hatte Joſeph mit ſeinemGneuen142.[142]neuen Tiſchgenoſſen dem Koͤniglichen Mundſchencken Kundſchafft gemacht / welcher ſich nach geſtaltſame ſeines da - mahligen Zuſtands offt mit ihme ergetz - te / der erzehlte ihm einsmals ſeinen Traum / der ihm dieſelbe Nacht vorkom - men war; mich deuchte / ſagte er / ich ſe - he vor mir einen Weinſtock ſtehen / mit dreyen Reben / der bluͤhete und trug Frucht; als die Trauben reiff waren / truckte ich den Safft in des Koͤnigs Be - cher / und gab ihm demſelben in die Hand / der Koͤnig tranck / ich aber er - wachte / und wurde gewahr / daß es nur ein naͤrriſcher Traum geweſen; Joſeph antwortet / der Traum war nicht naͤr - riſch / ſondern er iſt eine gewiſſe Bedeu - tung deiner Erledigung; der Weinſtock bedeutet dein Gefaͤngnuß / als welche auch ein Stockhaus wird genennet / die drey fruchtbare Reben aber / die aus dem Weinſtock gewachſen / bedeuten drey Tag / nach welcher Verflieſſung du auch widerum aus der Gefaͤngniß kom - men: und in dein vorigs Ambt geſetztwirſt;143.[143]wirſt; alsdann gedencke meiner Un - ſchuld / derentwegen ich hier gefangen bin; dann ich weiß daß dir ſolches alles ohnfehlbar begegnen wird; der Mund - ſchenck verſprach dem Joſeph / wann ihm die Goͤtter wider in des Koͤnigs Gnad huͤlffen / ſeiner alsdann einge - denck zu ſeyn.

Der Obriſte Hofbeck oder Piſtorey - Verwalter aber ſtunde und hoͤꝛete alles / derowegen ruckte er ſein Kapp und ſag - te; Nun wohlan mir hat dieſe Nacht auch ein Traum getraͤumet / deſſen Aus - legung ich wohl wiſſen moͤchte; Joſeph der ihm kurtz zuvor ſein Nativitaͤt ge - ſtellt / und noch nicht offenbahret hatte / weſſen er ſich zuverſehen / antwortet: wohl; ſag her / der erzehlte darauff / daß ihm getraumt / als wann er aus Pha - raonis Getreidt drey Koͤrb voll Brod gebachen: ſelbige auff ſeinen Kopff ge - faſſt und nach Hof getragen haͤtte / un - terwegs aber haͤtten ihn die Voͤgel des Himmels angefallen / und ihme aus den Koͤrben gefreſſen was ſie nur gewoͤlt /G ijwelches144.[144]welches er auch nicht erwehren moͤgen; da ſagte Joſeph ich wolte dir zwar gern was Guts verkuͤnden / aber dein Traum bedeut ein anders; nemlich die Fruͤchten Pharaonis daraus du Brod gebachen / ſo die Voͤgel gefreſſen / bedeuten das du ſeine Fruͤchten nicht laͤnger genieſſen werdeſt / die drey Koͤrb aber bedeuten drey Taͤg / nach welchen du an Galgen gehaͤnckt wirſt / und alsdann werden die Voͤgel auff deinen Kopff ſitzen und dein Fleiſch verzehren / denen du ſolches nicht verwehren wirſt koͤnnen; wie Joſeph geſagt / alſo geſchahe es / dann am drit - ten Tag begieng der Koͤnig ſeinen Ge - burts-Tag / an welchem er alle Ge - faͤngniß von den Gefangnen zimlich leu - terte / und unter andern auch den Mundſchencken wider begnaͤdigt und an ſein Ambt ſetzet / den Obriſten Pfiſte reyverwalter aber als einen uͤberzeugten Dieb an Galgen haͤngen lieſſe; aber Jo - ſeph muſte neben andern mehr ſitzen blei - ben bis auff weitern Beſcheid.

Der Kerckermeiſter ſahe wohl / dasſich145.[145]ſich die Zahl ſeiner Gefangnen mercklich minderte und noch mehr mindern wuͤr - de / wann die Croͤnung Pharaonis be - ſchehe; derowegen thaͤt eꝛ ſich um leibeig - ne Knecht um / den Abgang der Gefang - nen zu erſetzen / damit die Werckſtaͤtte ſeiner Gefaͤngniß nicht leer ſtuͤnden von welchen er trefflichen Profit hatte; er er - kauffte noch denſelben Tag unterſchied - liche Leibeigne / unter welchen Muſai der kluge Elamit auch war / der hiebevor den Joſeph zu einem Apollo der Raͤu - ber gemacht hatte.

Er kante den Joſeph gleich und erin - nerte ihn was ſich hiebevor bey der Ca - rawan mit ihm zugetragen / Joſeph aber hatte noch alles in friſcher Gedaͤchtniß als Muſai ſelbſten / ſie klagten einander ihr Noth und erzehlte je einer den an - dern was ſich ſeither mit jedem von ih - nen zugetragen / bis ſie in dieſer Gefaͤng - niß wider zuſammen kommen; ihr eini - ger Troſt beſtunde auff ihrer eignen Pro - phecey / welche jedem den Ausgang ſei - nes Ungluͤcks und den Anfang hoͤchſterG iijGluͤck -146.[146]Gluͤckſeligkeit verkuͤndete; Muſai ſagte zum Joſeph / mein Herr ihr muͤſſet ein - mahl in balde zu einem groſſen Herrn und Rëgenten werden / oder Egypten wird mit ſamt ſeiner gantzen Nachbar - ſchafft in funfzehen Jahren untergehen / Joſeph antwortet / diß ſey allzu frey ge - red; Muſa[i]aber ſagte / zeigt mir euer Hand / und als Joſeph folgte. Muſai aber diſſelbe nur ein wenig beſchaute / ſch[r]ye er vor Freuden auff; ehe ein Woch vergehet / mein Herr / ſo werdet ihr uͤber vorigs Gluͤck / das ich euch ge - ſaͤgt habe / die aller vortrefflichſte Dam in gantz Egypten in euꝛen Armen haben; aber alsdann gedencke auch meiner als deines getreuen Dieners.

Joſeph haͤtte ſich einbilden koͤnnen / der Kerl ſey unſinnig worden / wann deſ - ſen Reden mit ſeiner Nativitaͤt nicht - berein geſtimt: zumahlen auch eingetꝛof - fen haͤtten / was ihm Muſai vor drey - zehen Jahren geſagt; darum ſagte er zu ihm er wuͤnſchte gluͤckſelig zu ſeyn / da - mit er ihme Muſai ſeine gute Gewogen -heit:147.[147]heit: und das jenige was er ſeinetwegen bey der Carawan gethan / erwidern koͤn - te; bis nun ſolche Gluͤckſeligkeit heꝛkomt / ſagte er weiters / muͤſſen wir ſich liebſter Muſai zu unſerem Elend gedulten.

Nunmehr verfloß die Zeit der Koͤ - niglichen Traur / und naͤhert ſich hinge - gen der beſtimte Tag zur Croͤnung / auff welches Feſt man am Koͤniglichen Hof auch Koͤniglich zuruͤſtete; alle Tag ka - men etliche Fuͤrſten des Reichs nach Thebe / ihre Schuldigkeit abzulegen; zu welchem Ende auch ſonſt alles rennet und lieff was nur den Koͤnig ein wenig angieng! Allein die Aſaneth gedachte mehr an die Erledigung Joſephs als an die Croͤnung des Koͤnigs / der doch viel groͤſſer / und ihr viel naͤher verwandt war als der Gefangne; einmahl ſie ge - dachte bey jedermans Unruhe ihr Ge - muͤth zur Ruhe: und ihren Liebſten auff freyen Fuß zuſtellen / ſolte es auch koſten was es wolte! Jch hab geſagt / bey je - dermans Unruhe; das iſt zuverſtehen / daß damahl auch der Koͤnig ſelbſt keinG iiijRuhe148.[148]Ruhe hatte / als welcher dieſelbe Zeit - ber nach altem Gebrauch und Herkom - men ſeiner Vorfahren geſchaͤfftig war / die unſterbliche Goͤtter zu bitten und mit Opffern zuverſoͤhnen / daß ſie ihm zu ſei - ner kuͤnfftigen Reichs-Verwaltung Gluͤck und Heilverleihen: und offenba - ren wolten / wie er wohl und gluͤcklich regieren ſolte.

Auff ſolche Opffer und Gebet hatte er die Nacht hernach einen Traum mit ſamt der Bedeutung im Schlaff geſe - hen / welchen er den Fuͤrſten und Wei - ſen ſeines Reichs vor ſeiner Croͤnung Krafft alter Gewonheit zuerzehlẽ ſchul - dig war / damit ſie denſelbigen ausle - gen: und aus ſeiner Bedeutung wiſſen koͤnten was groſſes in Zeit ſeiner Koͤnig - lichen Regierung ſich zutragen moͤchte; derohalben erzehlet er den Traum / aber die Bedeutung war ihm allerdings aus - gefallen; und was das Schlimſte war / ſo wolte ſich auch keiner unter allen ſo Geiſt: als Weltlichen Reichs-Staͤn - den: Noch unter denen hierzu verordne -ten149.[149]ten Caldeern finden / der ſich unterſte - hendoͤrffen / denſelben auszulegen; ohne welche Auslegung die Croͤnung ihren Fortgang nicht haben konte / weil die al - te Egyptier welche viel auff Traͤum und Waarſagungen hielten / gemeiniglich einen andern Koͤnig zu erwaͤhlen pfleg - ten / wann des bereits erwaͤhlten Traum kein Gluͤck anzeigte; welches zwar in mehr als zwey hundert Jahren nicht einmahl geſchahe / weil die Ausleger ge - meiniglich ſchmeichelten / und des[neuen]Koͤnigs Gunſt zu erla[ngen nur von]kuͤnfftiger Gluͤckſeligkeit p[rophezeyeten;]Das aber ein Traum / ich[ſage ein Koͤ -]nigl. erſter Traum / an de[m viel gelegen]zu ſeyn geſchetzt wurde / ni[cht auſgelegt]haͤtte werden koͤnnen / ſolche[s war nie -]mahl erhoͤret worden weil Eg[ypten ge -]ſtanden; als welches zu allen Zeit[en Leut]genug gehabt / ſo von Bedeutung[der]Traͤum allweg ihren richtigen Beſch[eid]geben konten; welches ſo wohl den er - waͤhlten Koͤnig als die Reichs-Staͤnde ſo gewaltig beſtuͤrtzte / daß keiner mehrG ywuſte /150.[150]wuſte / was anzufahen rathſam waͤre; einer dachte diß der ander jenes / und wolte doch keiner ſagen was er ge - dachte.

Jn ſolcher Verwirrung tratt des Koͤnigs Mundſchenck herfuͤr der kuͤrtz - lich aus dem Kercker kommen war / und nach dem er ſein gebuͤhrende Reſerentz gemacht / erzehlte er was ihm und dem Beckerey-Verwalter neulich im Ge - faͤngniß getraͤumt: auch was Geſtalt[ein edl]er Hebreer / der des Obriſten[Kuchenmeiſters]Potiphars erkauffter[Knecht waͤre /]dieſelbe Traͤum ausge -[legt: item daß]ſolche Auslegung gleich -[ſam um kein]Stund gefehlt haͤtte; maſ -[ſen er wieder in]Koͤnigl: Gnad und Dien -[ſte: der Ob]riſte Becker aber an Galgen[kommen ſe]ye / und noch daran hange /[ſich zu Er]fuͤllung ſeines Traums von den[Rabe]n freſſen zu laſſen.

Alſobald wurde ein Koͤniglicher Wagen geſchickt / den Joſeph zu holen / welchen eben Muſai das erſte mahl bar - biꝛte / da ſahe man um ſo viel deſto mehꝛ /daß151.[151]daß ſeine Schoͤnheit im Gefaͤngniß nicht ab / ſondern vielmehr zugenom̃en hatte; weil ſie durch Vorſorg der Aſa - neth weder durch Wind oder Sonnen - ſchein: auch nicht durch Hunger oder Durſt: vielweniger durch Arbeit Ver - letzung gelitten; der Kercker meiſter er - ſchrack und ſorgte Joſeph wuͤrde auff die Fleiſchbanck gefuͤhrt; aber Muſai der allerdings nach der Elamiten Art ein offenhertzigen Teu[tſchen Sinn hat -]te / und ſonſt ein art[licher Kerl war]lachte: und ſagte zum J[oſeph]an das Gluͤck iſt vorhand〈…〉〈…〉 nur auch bald theilhafftig〈…〉〈…〉 wann dir eine Dam auffſt〈…〉〈…〉 du / ſo nim ſie nur gleich〈…〉〈…〉 dann es kan dir dein Lebtag〈…〉〈…〉 werden; zu ſeinem Herren den Ke〈…〉〈…〉 meiſter aber / der unwillig uͤber ihn〈…〉〈…〉 ſagte er / wann Joſeph heint ſtirbt / od〈…〉〈…〉 wider ins Gefaͤngniß zu dir gefuͤhrt wird; ſo laß mich morgen entweder auch hencken / oder wann dich der Strick tauret / mich die Arbeit vorG vjzween152.[152]zween Knecht verrichtrn; aber ich glau - be / wann Joſeph thut was ich ihm an - vertraue / ſo werde ich dir nicht mehr uͤber ein paar Stund zu Gebott ſtehen doͤrffen.

Eben damahls war auch Aſaneth auff ihren koͤſtlichen Wagen geſeſſen / mit Vorſatz dem Koͤnig ein gluͤckſelige Regierung zu wuͤnſchen (weil ſie ver - meinet die Croͤnung ſey ſchon geſchehen /〈…〉〈…〉 Zeit darzu / bereits〈…〉〈…〉 zugleich ihren Joſeph〈…〉〈…〉 ſchickte es ſich wunder -〈…〉〈…〉 ſie beyde zugleich an der〈…〉〈…〉 ten ankamen; keines von〈…〉〈…〉 wuſte ſich in dieſe unver -〈…〉〈…〉 verſehene Zuſammenkunfft〈…〉〈…〉; Joſeph kante wohl der ver -〈…〉〈…〉 enen Selichæ Jungfern / er muſte〈…〉〈…〉 aber uͤber deß Muſai Weiſſagung〈…〉〈…〉 erwundern / weil die jenige deren dieſe dieneten / ein Kleid an hatte wie er! ſein Angeſicht verrieth gleichſam die innerli - liche Freud ſeines Hertzens und die un - zweifentliche Hoffnung die ihm Muſaieinge -153.[153]eingeſteckt; ihr Begruͤſſung war ſtum / weil ſie ſich beyde nur entroͤhteten; es ſchiene als wann Joſephs ſchamhaffte Roͤhte im erſten Anblick die unvergleich - liche Aſaneth als einen kuͤnfftigen Ge - mahl gruͤſſete / welche hingegen nichts anders thun koͤnte / als mit gleicher Farb ihres Liebſten Schoͤnheit zu dan - cken / und ihre Lieb zubezeugen; wie ih - nen beyden damahl das Hertz gehuͤpfft bilde ihm jeder ſelber ein.

Joſeph wurde gleich vor den Koͤnig gebracht / ob deſſen anſehenlichen Ge - ſtalt ſich ſo wohl der Koͤnig ſelbſt als alle Fuͤrſten verwunderten / er wuſte ſich mit Egyptiſcher Ehrbezeugung wohl zube - helffen / weil er dieſelbe Ceremonien hie - bevor ſo wohl beym Potiphar als in der Gefaͤngniß gelernet; ſolche ſeine Refe - rentz machte ſeine Schoͤnheit viel anmu - tiger / und nach dem dergleichen Dings abgelegt war / fieng der Reichs-Cantzler nachfolgender Geſtalt zu reden an.

Lieber Juͤngling / uns iſt angezeigt worden / du habeſt die Gab von denG vijGoͤt -154.[154]Goͤtttern Traͤum auszulegen / wie du dann ſolches an des Koͤnigs Mund - ſchencken und Beckerey-Verwaltern er - wieſen haſt; weil mir dann nun auch ein Traum vorkommen iſt / deſſen Ausle - gung man gern wuͤſte / hat man dich ho - len laſſen; wirſt demnach den Traum in Gegenwart deß Koͤnigs erzehlen hoͤren / und deſſen Bedeutung zueroͤffnen wiſ - ſen; vor welches / wann du die Warheit ſageſt / dir neben einer Koͤniglichen Ver - ehrung dein vorige Freyheit geſchenckt werden ſoll. Joſeph neigte ſich gar zier - lich und ſagte; wohl: Mein Herr belie - be den Traum zuerzehlen / ſo wird deſſen Diener gehorſamlich hoͤren / und verneh - men ob ſeine Auslegung in deſſen Macht ſtehe.

Darauff fuhr der Reichs-Cantzler fort und ſagte / mir traumte ich ſtuͤnde am Ufer deß Nili / wo dieſer Fluß am breitſten iſt; da ſtiegen ſieben fetter Och - ſen nach einander aus dem Waſſer / de - nen folgten auf dem Fuß nach ſieben an - dere eben ſo mager und heßliche Ochſenals155.[155]als ſchoͤn und feiſt die erſten waren; end - liche ſahe ich daß die Mageren die Feiſten fraſſen und davon doch nicht deſto fetter wurden; woruͤber ich mich ſo entſatzte / daß ich daruͤber erwachte; kaum war ich aber wider eingeſchlaffen; ſihe / da ſa - he ich ſieben vollkommne Aeher mit reif - fen Fruͤchten auffs reichlichſt angefuͤllt / dieſelbe wurden von ſieben magern Aeh - ren / die kein einzigs Koͤrnlein in ſich hat - ten / verſchlungen / und verblieben dieſel - be doͤrre Aeher jedoch eben ſo duͤn und durchſichtig als zuvor; gleichſam als wañ ſie nichts von den Saamenreichen Aehren in ſich geſchluckt haͤtten; weiſt du nun die Bedeutung hieruͤber? ſo laſ - ſe ſie hoͤren.

Mein Herr antwortet Joſeph / die - ſes iſt ein Traum eines Koͤnigs in Egy - pten: mein Herr vergeb mir / wann ich irre; hat dieſer Traum meinem Herren getraͤumt ſo hat ihm Gott nicht allein offenbahrt / das er Egypten beherrſchen ſoll; ſondern auch das wichtige nicht ver - halten / ſo unter ſeiner Regierung geſche -hen156.[156]hen wird; damit er deßwegen bey Zeiten weißliche Vorſehung thue / und Land und Leut im Wolſtand erhalte.

Potiphar der hohe Prieſter von Heli - opolis winckte dem Joſeph / mit der Hand ſtillzuſchweigen; nachdem ſolches geſchehen / muſten alle umbſtehende Reichs-Staͤnd / bis auff ihn den hohen Priſter / den Reichs-Cantzler / Reichs - Marſchallen und Reichs-Schatzmei - ſtern abtretten; Alsdann ſagte der Koͤ - nig ſelbſt zum Joſeph / Juͤngling du haſt Recht / daß dieſer Traum einem Koͤnig in Egypten zuſtehe! Aber nun ſag mir wie haſt du aus dem Traum wiſſen koͤnnen / den dir der Reichs-Cantz - ler als ſein eigen erzehlet / daß er mir ge - traͤumt hat? Joſeph antwortet / Groß - maͤchtigſter Koͤnig / mir wurde geſagt / der Traͤumende ſey am Fluß Nila wo er am breitſten ſey / geſtanden; der Fluß Nilus bedeutet die Herrlichkeit Egypten Lands / das Stehen des Traͤumenden aber die Meiſterſchafft und Beobach - tung daruͤber; welchem derowegen die -ſer157.[157]ſer Traum getraͤumt hat / der iſt oder wird Herr in Egypten!

Nun wohlan ſagt der Koͤnig ferner / ſo ſag mir dar was bedeuten die Ochſen und Aeher beydes Feiſte und Magere? Großmaͤchtigſter Koͤnig / antwortet Jo - ſeph / dieſes braucht kein groſſe Kunſt; Der Nilus gibt Egypten Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit / je nachdem er ſich ergeuſt; ſeynd uns erſtlich ſieben fette Ochſen aus demſelben geſtiegen / ſo wird er auch ſieben fette fruchtbare Jahr ge - ben; ſeynd ſieben magere Ochſen gefolgt / ſo die ſieben fette gefreſſen / ſo werden auch nach den ſieben fruchtbarn Jahren ſieben hungrige Jahr kommen / die allen Vorrath der ſieben guten Jahr auffrei - ben; Die ſieben magere und fette Aehr haben ein gleiche Bedeutung / und kuͤn - den an / daß ſolches eigentlich von der Frucht: und Unfruchtbarkeit zu verſte - hen ſeye / auch das es gewißlich und zwar gar bald geſchehen werde; Darum ſehe mein Herr der Koͤnig ſich um und laß ſuchen nach einem klugen Mann / derſich158.[158]ſich alſo in dieſe Zeiten zu ſchicken / und Anordnung zu thun weiß / daß beydes Land und Leut in Wolſtand erhalten: Meines Herren des Koͤnigs Zepter / Cron und Thron in ihrer alten Herrlich - keit beſtaͤttigt: und zumahlen auch zu hoͤherer Gluͤckſeligkeit und Reichthu - men erhaben und befoͤrdert werden moͤchte / weil die kuͤnfftige Zeiten gar wunderlich fallen werden.

Joſeph muſte abtretten und doch gleich wider erſcheinen / zu dem ſagte der Koͤnig; wir haben ſo wohl aus deiner Weisheit und Wiſſenſchafft: als auch aus deinem offenhertzigen Gemuͤt ge - nugſame Hoffnung geſchoͤpfft / du wer - deſt die Stell des jenigen am beſten ver - tretten koͤnnen / den du uns zu ſuchen ge - rathen haſt; Darum nun ſo ſihe / wir uͤbergeben dir des Reichs Siegel und mit demſelben allen Gewalt uͤber gantz Egypten! nichts wird mein Perſon von ſich behalten / als den Koͤniglichen Ti - tul: Zepter / Corn und Thron; hier ſte - hen di[e]vornemſte des Reichs dir zu Ge -bott /159.[159]bott / und glauben du werdeſt ſolchen Gewalt den wir dir geben / nicht miß - brauchen / ſondern zu unſerer Nation auffnehmen: Nutzen und Erhaltung anwenden; als welcher Gluͤckſeligkeit du dich alsdann auch ſelbſt zuerfreuen haſt / vornemlich wann du ihr alſo vor - ſteheſt / wie wir ein Vertrauen zu dir ha - ben.

Hierauff neigte ſich Joſeph gantz de - muͤtig; er bedanckt ſich erſtlich deß gu - ten zu ihm tragenden Vertrauens / und verſichert ſeinen ſchuldigen Gehorſam / auffrichtige Treu und emſigen Fleiß / ſo er bey dem Koͤnig und dem Reich im Werck zubezeugen verhoffte; Allein ſag - te er; es wird der gerechten Cron eines ſo Großmaͤchtigſten Koͤnigs uͤbel an - ſtaͤndig ſeyn; wann ſie von einem der Ehebruchs halbeꝛ beſchꝛeyet und befaͤng - nuſt worden ſeye / bedient wuͤrde; batte derohalben unterthaͤnigſt / der Koͤnig wolte geruhen ihme ein halbe Stund zu ſchencken / welche Zeit genug ſeye / ſei - ne gerechte Sach zuverhoͤren und nachdem160.[160]dem ſein Unſchuld am Tag lege / ihn of - fentlich vor unſchuldig ausruffen zulaſ - ſen / damit die Koͤnigliche Cron ins kuͤnf - tig ſeinetwegen kein Nachred gedulten muͤſte / als haͤtte ſie ſich mit liderlichen Leuten beholffen und ſich dardurch be - fleckt; er haͤtte zwar ein Schreiben bey ſich ſo der Selicha eigne Hand waͤre; er getraute aber / wann man deren beyde Jungfern verhoͤrete / die er darunten im Koͤniglichen Hof geſehen haͤtte / ſo wuͤr - den ſie ſeiner Unſchuld ſo genugſam Be - zeugniß geben koͤnnen / daß man des an - geregten Schreibens nicht bedoͤrffte.

Jn ſelbigem Augenblick wurden aus Koͤniglichen Befehlch Potiphar der Obriſt Kuchenmeiſter als Klaͤger / und die bemeldte beyde Jungfern als Zeu - gen beſchickt; Der Kuchenmeiſter / wie wohl er nach dem Tod ſeiner Frauen ein anders erfahren / beharrete darauff / daß Joſeph durch vorgehabten gewalt - thaͤtigen Nothzwang ſein Frau er - ſchreckt und zum Tod gefuͤrdert haͤtte; beyde Jungfern aber bezeugten das Wi -der -161.[161]derſpiel; ihr Zeugnus aber verwarff Po - tiphar / und ſagte ſie moͤchten vielleicht hiebevor mit dem Joſeph gebuhlet: und ſich unterred haben / ihm durch ſolche er - dichte Ausſag davon zu helffen / indem nun Potiphar dieſen beyden Jungfern ihr Ehr zugleich zunehmen ſchiene / wur - den ſie ſo erzoͤrnet / daß ſie ſich auff das Fraͤulein Aſaneth berufften / als welche eben ſo wohl vom Handel wuͤſte als ſie beyde ſelbſten; ſie wurde gleich geholet zu erzehlen was ſie vor Nachricht hier - von haͤtte / welches nicht ohne Jungfraͤu - liche Schamhafftigkeit geſchahe; ſie wi - ſe auch das Schreiben / ſo Joſeph hie - bevor der Selicha aus dem Gefaͤngniß geſchickt; Joſeph aber legte der Selicha Schreiben vor / auff welches er damals geantwortet / das lautet von Wort zu Wort.

Joſeph wann du deine Weißheit ge - brauchen wilt / ſo kanſt du mir und dir helffen / und gluͤckſelig leben; du haſt er - fahren das ich Gewalt gehabt / dich ins Gefaͤngniß zu bringen; derowegen kanſtdu162.[162]du dir nunmehr deſto leichter einbilden / daß ich auch maͤchtig genug ſeye / dir eben ſo bald deinen Tod als deine Wi - dererledigung ins Werck zu richten; kurtz geꝛedt liebſteꝛ Menſch / ich bitte dich / bequeme dich nach meinem Verlangen / und genieſſe alle Gnad und Wolfahrt von mir / oder halte dich widrigen fals verſichert / daß du einen abſcheulichen Geferten der jenigen im Grab abgeben muſt / daran du deine liebliche Beywoh - nung im Leben mißgoͤnnet haſt; ſchick mir dein Antwort und erwege wol was dir nutz oder ſchaͤdlich ſeye.

Jch will mich aber nicht lang mit die - ſen Proceß auffhalten / noch jeder Par - they Reden und Gegenreden beſchrei - ben / dann der Koͤnig und die Hoͤchſte des Reichs eileten ſelbſt darvon / weil ſie die Croͤnung gern bald ins Werck ge - ſetzt ſehen moͤchten / doch gebuͤhrt mir zu melden / daß auff einmal der Selicha Boßheit (welche auch begehrt gehabt / man ſolte den Joſeph als ein Urſacher ihres Todts lebendig mit ihr vergraben) und163.[163]und Joſephs Unſchuld ſo wohl als des Kuchenmeiſters Thorheit aus allen Umſtaͤnden und gewiſſen Zeugnuſſen Sonnenklar an Tag kam; Dem Ku - chenmeiſter ward ein groſſer Verweiß geben / weil er den Joſeph ſo lang um Unſchuld ſitzen laſſen / ihm ſein Ambt ge - nommen / aber aus Vorbitt Joſephs / weil er ihm viel guts gethan / ehe er die Selicha hatte / nicht weiter geſtrafft / hierauff wurde dem Joſeph ſein Gewalt beſtaͤttiget / und ſich ſehr verwundert / daß er und Aſaneth in Kleidern von ei - ner Farb bey dieſer wunderbarlichen Begebenheit auffziehen ſolten; Der Koͤnig ſelbſt ſagte zum Hohenprieſter Potiphar diß waͤre ein gut Omen / wañ ſein / ſeiner Tochter und Joſephs Will einſtimmte / ein Heyrath zwiſchen Bey - den zu ſtifften / ja er ſagte / es waͤre noͤthig den Joſeph durch einen ſolchen Heyrath dem Koͤnigreich Egypten zuverbinden / damit er ihm deſto treuer verbliebe; Demnach nun Joſeph ſolches ange - zeigt wurde / und er in allweg ſeinen un -terthaͤ -164.[164]terthaͤnigen Gehorſamb erzeigte / auch Potiphar nichts liebers als Joſephs Verwandſchafft und Freundſchafft wuͤnſchte; Aſaneth aber ſich lieber als lang Heu laden lieſſe / als Freude der Heurath alſo gleich beſchloſſen / mit hoͤchſter Zufriedenheit des Koͤnigs / des Obriſten Prieſters Potiphars / aller Reichsfuͤrſten und inſonderheit des un - vergleichlichen ſchoͤnen jungen Paars ſo Eheleut werden ſolten.

Hierauff erklungen die Trompeten und erſchalleten alle andere Muſicaliſche Jnſtrumenten / die man bey Koͤnigl. Hoͤfen zu ſolchen Feſten zugebrauchen pflegt / mit hoͤchſter Freud-Bezeugung deß Volcks! Jn Summa alles war froͤlich / bey dieſer Croͤnung nur der ge - weſene Kuchenmeiſter Potiphar nicht; der gieng herum wie Hanrey zu thun pflegen / wann ſie innen werden / das ſie ihre Weiber mit Hirſchgewey bekroͤnet / und ſich doch nicht raͤchen koͤnnen; dann erſt damahl verſtund er das Oracul, und konte doch nichts anders als dem Jo -ſeph165.[165]ſeph in ſeinem Hertzen Danck ſagen und ihm Gluͤck wuͤnſchen; Derſelbe aber war damal nicht gegen dem Muſai geſinnet wie der Mundſchenck gegen ihm Joſeph geweſen; dann er lieſſe ihn alſobald aus dem Gefaͤngnus holen / er - barlich bekleiden und ihne auffwarten; Jhn ſo wol gegenwaͤrtiger Freud / als kuͤnfftigen Gluͤcks theilhafftig zu ma - chen.

Mithin gieng die Koͤniglich Croͤ - nung fort; bey welcher unter andern Zierlichkeiten dieſe nicht die geringſte war / daß man dem neuen Koͤnig (nach dem man ihn auff den Thron geſetzt; ſein Haubt mit dem Diadema geziert / und mit Uberreichung des Koͤnigſtabs den Namen Pharao gegeben hatte /) auch des Reichs Sigill an Hals henck - te; Wie dann noch heutiges Tags bey den Koͤnigen in Perfia loͤblich; Als ſolches geſchehen / ruffte Pharao in ſei - ner M[aj]eſtaͤt ſitzend / den Joſeph zu ſich (welcher mit den allerwolſtaͤndigſten Geberden vor ihme niderkniet) PharaoHſagte /166.[166]ſagte / wir haben dir des Reichs Sigill ſamt allem Gewalt anvertraut / dero - wegen wird dirs hiemit ſolenniter uͤber - geben; Name darauff die guͤldene oder vielmehr Edelgeſteinerne Ketten / an wel - chem das Sigill hienge / vom Hals / und henckte es dem Joſeph an; Sagende / gleich wie ich fuͤrohin Pharao heiſſe / al - ſo ſolſt du kuͤnfftig Pſonthow Phana - chon genennt werden; Befleiſſe dich de - rowegen deiner Weißheit nach ſo regie - ren zuhelffen / daß weder die Goͤtter noch die Voͤlcker der Egyptiſchen Cron an uns etwas zu tadelen finden moͤgen.

Gleich auff vollendte Croͤnungs-Ce - remonien hat Potiphar der Obriſte Prieſter von Heliopolis ſeine Wunder - ſchoͤne Tochter die unvergleichliche Aſa - neth dem Joſeph in Gegenwart des Koͤnigs und aller Reichsſtaͤnd offentlich vermaͤhlet / ohnangeſehen dieſe Beyd[e]niemal kein Wort miteinander geredet; Es geſchahe aber darum ſo ſch[nell]/ da - mit man beydes dem Volck und dem Joſeph ſelbſt des Koͤnigs zu ihm tra -gen -167.[167]gende allergnaͤdigſte Neigung bezeugen: und zumahlen auch dieſe hochzeitliche Freud das herꝛliche Feſt der Koͤniglichen Croͤnung verdoppeln helffen moͤchte;

Als nun Joſeph nach Vollendung dergleichen Gepraͤngs ſich ſo wol in die Reichsgeſchaͤffte als ſein eigne Hauß - haltung zu ſchicken begunte; Sagte er zu ſeinem Muſai: Nun wolan liebſter Freund / du ſaheſt mich in einer Wolffs - gruben: Jetzt ſiheſt du mich in groͤſter Herꝛlichkeit! Du haſt mich und die gantze Carawan von Raͤubern errettet; Jch aber hab dich aus deiner Gefan - genſchafft erloͤſet; Pharao hat mich wegen meiner Propheceyung groß ge - macht / ich aber will dich um deiner Waarſagung halber nicht verachten / ſondern nach Vermoͤgen tractirn / und gleich wie mich Pharao mit einer Ge - mahlin verſorgt / alſo will ich dir hinge - gen zwo geben / wann es dir anders ge - faͤllig iſt; Jch werde / ob zwar unwuͤr - dig / ein Pſonthom Phanachon Phara - onis genannt / wann du wilſt / ſo ſeye einH ijPſon -168.[168]Pſonthom Mechon des Joſephs; Si - he ich gebe dir die Wahl / wilſt du das Elend bauen helffen und bey mir ſeyn / was ich bey dem Koͤnig bin / ſo will ich dir ſeyn / wie ich gern haͤtte / das mir der Koͤnig waͤre; Wilt du aber nicht / ſo will ich dich mit Zehr - und Verehrung alſo heimfertigen / daß du zu frieden ſeyn ſolleſt.

Die Treuhertzigkeit Joſephs gefiel dem Muſai beſſer als ſeine angebottene Gnad ſelbſten; Er ſagte / liebſter Herꝛ / deſſen danckbarliche Erkantnuß meiner wenigen Dienſte verbind mich eben ſo hoch / demſelben getreulich zu dienen / als noͤhtig mir iſt / die gnaͤdig anerbottene Gnad und Gutthaten mit unterthaͤni - ger Danckbarkeit anzunemmen; Mein Herꝛ ſchaffe mit mir nach ſeinem gnaͤdi - gen Belieben / weil mein gehorſamer Vorſatz iſt / ehender in ſeinen Dienſten zu ſterben / als auſſerhalb denſelben groß zu werden; Maſſen ich denſelben unter - thaͤnig verſichere / daß ich veſtiglich glau - be / mein hoͤchſte Gluͤckſeligkeit beſtehedar -169.[169]darinn: Wann ich meinen Herꝛn ge - treulich diene; Weil ich gewißlich weiß / daß mich die unſterbliche Goͤtter zu ſonſt nichts als zu ſeinen Dienſten gewidmet haben.

Demnach wurden dem Muſai der Selichæ: Jetzo der Aſaneth beyde Cam - mer-Jungfern (ſo damals nach altem heidniſchem Gebrauch ein groſſe Ehr war /) vermaͤhlt; Und ihm zugleich Jo - ſephs Haußhaltung anvertraut; Alſo daß jetzo Muſai beym Joſeph war / was hiebevor Joſeph bey Potipharn dem ge - weſenen Koͤniglichen Kuchenmeiſter ge - weſen; Joſeph ſelbſt aber / behalff ſich allein mit ſeiner lieben Aſaneth / wiewol alle andere groſſe Herren zur ſelbigen Zeit gantze Kuppel ſo Ehe-als Kebs - Weiber zu nemmen pflegten; Welches ihm nicht allein bey der Aſaneth ein groͤſ - ſere Liebe: Sondern auch bey ihrem Vatter und allem Volck ein groſſe Gunſt brachte.

Von dem an befliſſe er ſich allein der Reichsgeſchaͤfften / und lieſſe den MuſaiH iijſein170.[170]ſein eigne Haußhaltung verwalten / er kleidet ſich nach Koͤniglichem Befelch in Purpur / und reiſet Egypten durch und durch; an bequemen Oertern Frucht - haͤuſer zubauen und Getraid auffzu - ſchuͤtten / ohne das der gemeine Poͤfel wuſte / zu welchem End ſolches geſchahe; Die fruchtbare Jahr erzeigten ſich ſo reich und uͤberfluͤſſig / daß kaum Korn - ſchuͤtten genug vor den Koͤnig gebaut werden konten / alles Getraid ſo Joſeph zuſamm brachte / unter Tach zubringen; Andere aber / ſo der Egyptiſchen Frucht - barkeit alle Jahr verſichert: oder viel - mehr gewohnet waren / gedachten nicht daran / was dieſes neuen Regenten Be - ginnen bedeuten moͤchte / weil ſie jaͤhrlich ein gute Ernd zu hoffen haͤtten.

Alſo baute Joſeph fort und fort Kornhaͤuſer / kauffte Getraid und ſpielte auf das kuͤnfftige: ſo gar daß er auch na - he des Koͤnigs Schatzkam̃er eroͤdete / mit hoͤchſtem Mißfallen der alten Reichs - Raͤhte / als welche ein beſſers zu wiſſen ſich einbildeten: Er machte ein neueOrd -171.[171]Ordnung im gantzen Land / daß[nem]lich bey Leibsſtraff nicht die gering[ſte]Fruͤchten ſo der Menſch genieſſen koͤnte und ſich auffheben lieſſen / vor das Vie - he verfuͤttert: Sondern aller Uberfluß in des Koͤnigs Scheuren (deren er im Koͤnigreich genug auffrichten lieſſe) um landlaͤuffigen: und zwar damals ſehr wolfeilen Preiß / geliefert werden mu - ſten / dardurch brachte er neben den Koͤ - niglichen Pfachten oder Guͤldfruͤchten in den ſieben fruchtbaren Jahren ein ſolche Menge von allerhand Getraid zu - ſammen / daß man gantz Egypten halb Elen hoch damit uͤberſtreuen moͤgen; Hingegen aber flohen die Koͤnigliche Schaͤtze aus / alſo daß ſchier kein Klei - nod / oder etwas das Seltzamkeit oder alters halber hoch geſchaͤtzt wurde / ge - ſchweige der Gaͤng - und Geben-Sorten / mehr uͤbrig verbliebe; Und wie Joſeph dem Koͤnig hauſete / alſo hauſet hinge - gen Muſai dem Joſeph und ſeinem Schwervatter dem alten Hohen-Prie - ſter Potiphar.

H iiijDa -172.[172]

Damal hielte jedermann / dem die[F]ruchtbarkeit Egypten bekant war / das Beginnen ihres Pſonthom Phant - chons vor ein eitele Thorheit; Ja! ſagte der gemeine Poͤfel unter ſich ſelbſten / wir wollen gern ſehen und erleben / zu was End der Koͤnig ſeine und des Reichs Schaͤtze durch dieſen Fremdling dergeſtalt vernarꝛen laͤſſt? Er vermeint gewißlich der Nil[u]s werde austrock - nen? Oder der Himmel werde dem Erdreich ſeine Fruchtbarkeit entziehen? Andere aber ſagten: Er hat vielleicht im Sinn / Schloͤſſer mit Fruͤchten auffzu - bauen / und die Mauren anſtatt Stein / Sand und Kalchs mit Getraid zu ma - chen / damit man in Zeit der Faulheit oder der ohnnoͤtigen Noht von den Waͤnden Nahrung nemmen koͤnte! Noch waren andere die ſchertzten hoͤh - niſch / man muͤſte Leut haben / die das Geld wider unter den gemeinen Mann bringen / es moͤchte ſonſt vielleicht in des Koͤnigs Schatzkammer verſporen; Ja die Reden des Einen und des Andernlieffen173.[173]lieffen ſo ſeltzam untereinander / daß es endlich zu einer Rebellion hinaus gelof - fen waͤre / wann die wolfeile Zeit nicht bald auffgehoͤret haͤtte.

Aber ſchaue: Urploͤtzlich erſchiene Mangel ſonſt nirgends als an allen Or - ten; Welches ein ſchroͤcklich und ſonſt allerdings ungewoͤhnlich Ding im Land ware!

Ehe aber ſolche Theurung einriſſe / hatte GOtt den Joſeph mit zweyen jungen Soͤhnen: nemlich dem Manaſ - ſe und Ephraim geſegnet / welche ihm zu ehren alſo genennet wurden / weil ihr Vatter vermittelſt deſſen Gnad ſeines vorigen Lands nunmehr vergeſſen: und wider in ſeine vorige Freyheit geſetzt war; Derſelbe hatte ſeiner Gemahlin die Warheit von dem einigen ewigen GOtt offenbahrt / welche ihr Vatter der Obriſte Prieſter Potiphar vor maͤnnig - lich als ein hohe Geheimniß verborgen hielte / damit folche heilige Wiſſenſchafft nicht unter das gemeine Volck kaͤme / und alſo die Perlen vor die Saͤu ge -H vworffen174.[174]worffen wuͤrden; Dann damal war der Gebrauch / daß man das Volck im Ge - horſam zubehalten / mit Abgoͤtterey / fal - ſchem Gottesdienſt und Aberglauben abſpeiſete; Derohalben gewan Aſa - neth ihren Joſeph je laͤnger je lieber / ſo wol darum / dieweil er ſie zur Erkantnuß Gottes gebracht; als auch / daß ſich ihre Reichthum und Barſchafft wider - um mit tauſentfaltigem Wucher gleich im Anfang der Theurung vermehrte / welche Muſai aus Befelch Joſephs in der wolfeilen Zeit um wolfeile Fruͤchten zu ſolchem End ausgeſehet hatte.

Jm Anfang ſolcher Theurung er - ſchienen nicht nur die Egyptier zu Thebe vor ihrem Pharao / ſondern auch alle benachbarte Voͤlcker Getraid zu kauf - fen / die der Koͤnig alle zum Joſeph ſchick - te; Welcher das erſt und ander Jahr der Theurung um erkauffte Fruͤchten gemuͤntzte alles Gold und Silber zu - ſammen brachte ſo das gantze Land ver - mochte! Jm dritten Jahr gieng es an die herꝛlichſte Schaͤtz und Kleinodia / dieetwann /175.[175]etwann / wie man zu ſagen pflegt / hinter neun Schloſſen verborgen lagen; Jo - ſeph h[at]te in der wolfeilen Zeit vier Ein - hoͤrner aus Mangel Gold und Silbers zu Geld gemacht / und um erkauffte Fruͤcht ausgeben / welche nicht die ge - ringſte Zier und Raritaͤt des Koͤnigli - chen Schatzes geweſen; Aber ehe vier Jahr herum giengen / liefferte er derſel - ben 12. in die Schatzkammer; Und al - ſo geſchahe es mit allen feltenen Sachen! Ja er liefferte in dreyen Jahren in des Reichs und des Koͤnigs Schatz wider hundertmal mehr / als er zuvor in ſiben Jahren ſeiner Neider Meinung nach aus demſelben vernarꝛethatte; Jndeſ - ſen wurde der Hunger je laͤnger je groͤſ - ſer; Dann entweders ergoſſe ſich der Nilus nicht / das Land zubefeuchtigen / oder er uͤberſchwembt und verderbte al - les; Jn den benachbarten Landen aber / war weniger Stern als in Egypten ſelbſten.

An einem Morgen fruͤhe als Joſeph mit ſeiner Liebſten auff ihrer LigerſtattH jyſprachte /176.[176]ſprachte / und mit ſeinen Soͤhnen ſchertz - te / kam Muſai eilends ins Zimmer ge - loffen und ſagte; Herꝛ! die leichtfertige Voͤgel die Chaltheer die Schelmen / ſo meinen Herꝛn hiebevor in der Wolffs - grube gehabt / und der Carawan ver - kaufft haben / ſeynd all Neun und noch einer darzu vorhanden / Getraid zu kauffen; Will mein Herꝛ / ſo will ich den Blutdieben allen miteinander die Haͤls zerbrechen / und dich an den Maͤußkoͤpffen dergeſtalt raͤchen / daß ſie der Teuffel holen ſoll.

Liebſter Muſai / antwortet Joſeph / du haſt dich bißher in allen deinen Wer - cken als ein weiſer Mann erwieſen / nun aber wilſt du das Widerſpiel von dir bezeugen! Weiſt du nicht / daß ſich ein Weiſer nicht durch den Zorn: viel we - niger durch ein gehlinge Rach uͤberwin - den laſſen ſoll? Haſt du nicht gehoͤrt (als du mich zu einem GOtt gemacht hatteſt) das ich den Raͤubern keinen an - dern Befelch gegeben / als daß ſie deren ſo mich verkaufften / verſchonen ſolten? Was177.[177]Was haͤtten wir dann nun vor Ehr darvon / wann wir denen durch Entzie - hung einer Hand voll Bluts / das Le - ben nemmen / die ich hiebevor zu dem End vor den Raͤubern erhalten; damit man die Vorſehung Gottes deſto handgreifflicher ſpuͤren moͤge; Weiſt du nicht mehr / daß ſie mich zu deiner und der Carawan Erhaltung verkaufft ha - ben? Dann du muſt geſtehen / wann ich damal nicht bey der Carawan ge - weſt / und durch dich zu einem GOtt ge - macht worden waͤre / daß euch alle die Arabiſche Raͤuber gefangen und in ewi - ge Dienſtbarkeit verkaufft haͤtten; Diß iſt aber noch das Geringſte / daß ſie ge - than haben / wann du bedencken wilſt / daß ſie mich durch ihre Verkauffung auch zu dieſer Manier gegenwaͤrtiger Hochheit / und dich zugleich zu deinem Gluͤck befoͤrdert! Darum ſtehet uns beſſer an / ihnen zu dancken als ſie zu ſtraffen;

Nun erkenne ich erſt recht / ſagt Mu - ſai / daß mein Herꝛ mehr als ein Menſchſeye!178.[178]ſeye! Und iſt er nicht ſelbſt ein GOtt / ſo iſt er jedoch ohne Zweiffel den hoͤchſten Goͤttern nahe verwand! Jn dem deine Hochheit der gemeinen Menſchen ge - woͤhnliche Gemuͤhts-Neigungen mit himmliſchen Tugenden uͤbertrifft! O ihr unſterbliche Goͤtter! Mein und al - ler Menſchen Sinn ſchaͤtzt ſichs vor ein Gluͤck und abſonderliche Beſeligung / wann wir uns an unſeren abgeſagten Feinden raͤchen koͤnnen; Aber jetzt ler - ne ich durch eure eigne Exempel / daß un - ſer elende Art irꝛdiſch und viehiſch / die eurige aber gantz himmliſch ſeye!

Jch glaube daß Muſai den Joſeph angebettet: wann er ihm nicht befoh - len haͤtte / daß er hingehen und die An - koͤmling ſeiner Verhoͤr getroͤſten folte: Gehe hin / ſagt er zum Muſai / es ſeynd meine leibliche Bruͤder / deſſen du dich aber nicht mercken laſſen / noch derglei - chen thun ſolleſt / daß du ſie kenneſt biß daß ich dir wincke / alsdann kanſt du ih - nen einreiben was ſie an mir begangen:doch179.[179]doch dergeſtalt / daß ſie nicht mercken koͤnnen / daß ich der Verkauffte ſey.

Joſeph zierte ſich koͤſtlicher / als er ſonſt taͤglich zu thun gewohnt war / nicht zwar aus Hoffart / oder darum daß er ſeinen Bruͤdern ſeine Herꝛlichkeit wolte ſehen laſſen / ſondern daß ſie ihn deſto we - niger kennen ſolten; Er tratte daher gleichſam in Koͤniglichem Schmuck / und die Viele ſeiner wolbekleideten Die - ner vergroͤſſerten ihres Herꝛn Hochheit.

Jn ſolcher Geſtaltvernahm er durch den Muſai ſeinen Dollmetſchen in Cal - daiſcher Sprach erſtlich ihr Anbringen / daß ſie nemlich kommen waͤren Getraid zu kauffen / und dann Zweytens ihr Bit - te / welche demuͤtig genug war / ihn zu - bewegen / daß er ihnen ſolches um bare Bezahlung ausfolgen zu laſſen belieben wolte.

Er aber fragte weß Lands / Stands und Weſens ſie ſeyen / und nach dem ſie derichtet / daß ſie alle Bruͤder waͤren / und ihren Vatter zu Sicima wohnen haͤtten; Kehret er ihre Antwort geradum180.[180]um und ſagte / man kan an euren Ange - ſichtern ſehen / was ihr vor Bruͤder ſeyd / in dem unter ſo vielen nicht Zween dem Dritten gleich ſehen? Verraͤhter und ein zuſammen geloffenes Hudelmanns Geſind ſeyd ihr / das des Reichs vorraͤh - tigen Fruͤchten nachſtellet / und dieſelbe zu ſich zu reiſſen erkundigt: Jhr begehrt des Lands Ruhe und Wolfahrt zu zer - ſtoͤren / und ſo wol dem Koͤnig an ſeinem Leben / als Egypten an ſeinem Wolſtand zu ſchaden; Deßwegen ſeyd ihr her - kommen / und nicht Fruͤchten zu kauffen; Fort / fort mit der Lumpenburſch / man ſetze ſie dergeſtalt / damit man aller Ge - fahr vor ihnen verſichert ſeye.

Ruben lieſſe ſich ſo geſchwind nicht erſchroͤcken / ſondern that mit ſamt ſeinen andern Bruͤdern einen demuͤtigen Fuß - fall / und ſagte: Herꝛ: die Ungleichheit unſerer Angeſichter kommet von unſern unterſchiedlichen Muͤttern her / welches mit nichten hindert / daß wir mit eines einzigen Vattern: und zwar eines ſol - chen ehrlichen Manns Sohne ſeyen deſ -ſen181.[181]ſen Tugenden / fromme Auffrichtigkeit und namhafftes Vermoͤgen weder ſei - nem Edlen Herkommen: noch der Zahl ſeiner vielen Kinder etwas bevor gibt; Wir ſeynd als auff einen freyen Marckt hieher kommen / wie andere ehrliche Kauffleut / der Gutthat Pharaonis zu - genieſſen / welcher wie uns geſagt wor - den / auch den wildeſten Barbaren Ge - traid ums Geld zukommen laͤſſt; Ste - hen derowegen in unterthaͤniger Zuver - ſicht mein Herꝛ werde uns gleich andern Frembdlingen ſolche hohe Koͤnigliche Gnad neben der Freyheit die allen Kauffleuten gegoͤnnet werde / auch guaͤ - dig gedeyen laſſen;

Joſeph antwortet / wie doͤrfft ihr euch doch einbilden / den jenigenzubetriegen / deſſen Augen die unſterbliche Goͤtter er - leuchten? Seyd ihr wol ſo kuͤhn / mich eines Jrꝛthumbs zubeſchuldigen / wann ich ſage / daß ihr boßhafftige Buben in der Haut ſeyd; Wie koͤnt ihr mir das jenige laͤugnen / das ich an euren Stir - nen angeſchrieben ſihe? Nemlich diß:daß182.[182]daß ihr entweder ein groß Schelmen - ſtuͤck begangen: oder eins zubegehen noch im Sinn habt;

Als Muſaͤi ihnen dieſe Meinung vor - gehalten / zumalen vom Joſeph einen Wunck bekommen; Sagte er ferner als vor ſich in Chaldeiſcher Sprach; Mein Herꝛredet warhafftig / und nun ſehe ich / daß ihm die unſterbliche Goͤtter nichts verbergen; Dann ich weiß mich zuerinnern / daß ich euch mehr geſehen / nemlich vor ungefehr 20. Jahren / als ich mit einer Carawan aus Arabia auff hieherwerts bey Sichem vorbey reiſete / da ihr uns einen ſchoͤnen Juͤngling ver - kaufft; So daß ich glauben muß / daß ihr rechte Verraͤhter / oder doch auffs wenigſt Menſchendieb und ein ſolches Geſind ſeyet / vor welchen ſich billich vor - zuſehen; Jch kan auch ſolches vor mei - nem Herꝛn nicht verbergen / ſondern wer - de es ihm anzeigen muͤſſen / damit er ſich darnach zu richten weiß.

Jm ſelben Augenblick erblaſten ihre Angeſichter das ſie ausſahen wie dieTodte;183.[183]Todte; ihr Zittern bekante die That / wiewohl Ruben der ihr Redner war / mit einem Eid beteuren konte / das er weder den Muſai noch die Carawan niemahls nicht geſehen; Ach ſagte er zu ſeinen Bruͤdern auff Hebreiſch / damit es Joſeph und Muſai nicht verſtehen ſol - ten; diß habt ihr an unſerem frommen Bruder Joſeph verſchuldet; hab ich euch nicht gleich damahls geſagt / wann ſchon alle lebendige Creaturen euer laͤ - ſterliche That verſchweigen / ſo wuͤrden doch die Stein reden / und Rach uͤber euch ſchreyen! Ach unſers Ehrlichen al - ten Vatters! der durch ſeiner Kinder Bosheit bey ſo hohem Alter in ſolch E - lend geſetzt wird! Den Muſai aber bate er ſeinem Herren anzuzeigen / ihr unter - thaͤnige Bittwere / er wolte belieben je - mand von ſeinen Leuten auff ihren Co - ſten mit ihnen ins Land Canaan nach Sicima zu ſchicken / der wuͤrde finden daß ſie alle eines Ehrlichen Manns / Ja - cob genant / Soͤhne ſeyen / welcher ne - ben ihrem juͤngſten Bruder ſo Benja - min hieſſe / daheim ſaͤſſe und ſich faſt zutodt184.[184]todt vor ſie ſorgen wuͤrde; er waͤre ohne das wegen Abgang ihres zwoͤlfften Bruders ſo Joſeph geheiſſen / hoͤchſtens betruͤbt / ſolte nun noch ein Creutz darzu kommen / ſo muͤſte er gar ſterben; Mit deſſen elenden Stand und hohem Alter er ein Mitleiden haben ſolte; Joſeph a - ber als er vernommen / daß ſein Vatter neben dem Benjamin noch lebten / wolte den Muſai als Dollmetſchen nicht wei - ter hoͤren / ſondern befahl ſeine Bruͤder ins Gefaͤngniß zu fuͤhren / bis er Gele - genheit haͤtte ſie wider vorzunehmen.

Nach dreyen Tagen lieſſe er ſie wider vor ſich kommen / und hielte ihnen vor / daß er von ſeinem Dollmetſchen verſtan - den / was maſſen ihr Begehren waͤre / man ſolte jemand auff ihren Coſten mit ihnen in ihr Vatterland ſchicken / der die Warheit ihrentwegen erkundige / ſol - ches aber waͤre ihm ungelegen; vornem - lich weil er Dollmetſch hiebevor ſelbſt ge - ſehen / daß ſie einen Juͤngling verkaufft haͤtten / derowegen er billich auch in Sorgen ſtehen muͤſte / ſie moͤchtens dem jenigen den er mitſchicken wuͤrde / nichtviel185.[185]viel beſſer machen; Doch weil ihn daſſel - be was ſie ſonſt gehandelt / nichts ange - he / ſo begehre er ſie auch deswegen nicht zu rechtfertigen; ſie koͤnten ihn aber auch nicht verdencken wann er ihnen ſolcher That halber deſto weniger trauete; wañ ſie aber ja ein ſo gerechte Sach haͤtten wie ſie ſagten / und von Ehrlichem Her - kommen waͤren / ſo ſolten ſie ihren juͤng - ſten Bruder / welchen ſie ihrem Vorge - ben noch daheim beym Vatter gelaſſen / mit ihnen in Egypten bringen / dabey wolte er abnehmen das ſie Waar geſagt haͤtten und Ehrliche Leut ſeyen; Jn deſ - ſen aber bis das ſolches geſchehe / wolte er einen aus ihnen bis zu ihrer Wider - kunfft bey ſich zum Pfand behalten; Er lieſſe auch gleich zu ſolchem End den Si - meon vor ihren Augen hinweg nehmen und ins Gefaͤngniß fuͤhren.

Da erhub ſich erſt ein groſſe Klag un - ter ihnen; merckt ihr? S[agt Ruben]auff Hebreiſch / das die b[illiche Rach]Gottes / ſo wegen der ſchroͤ[cklichen That /]die ihr an unſerm unſchul[en frommen][Bruder]186.[186]Bruder begangen / uͤber uns kommt? Jetzt koͤnt ihr augenſcheinlich ſehen / das wir ſeinetwegen geſtrafft werden / indem wir darum vor unehrliche Leut gehalten werden / weil ihr ihn verkaufft habt; Ach! das Gott erbarm / hab ich euch nicht genug abgemahnet und gewarnet? Nun ſo die Goͤttliche Straff / ſo ſelten ausbleibt / euch uͤberfaͤllt / ſehet ſo muß unſer unſchuldiger Ehrlicher alter Vat - ter ſo wohl als ich und Benjamin mit euch eben ſo unſchuldig leiden / als bil - lich jetzt Simeon gebunden wird / weil er hiebevor den frommen Joſeph! aus eurem Befehlch auch ſolcher Geſtalt ge - bunden; die Bruͤder aͤngſtigten ſich ſo ſehr / heuleten und bereueten ihre Miß - handlung dermaſſen / daß Joſeph aus Bruͤderlichem Mitleiden und einge - pflantzter Liebe / ſich des Weinens kaum enthalten konte; ſondern ſich von ſeinen[traurigen]Bruͤdern begeben muſte / als[ihnen Ruben]eben wider ein Hertz zu -[ſprach / und ſa]gte; die Reu waͤre zu ſpat[und dem from]men Joſeph damit weniggeholf -187.[187]geholffen / ſie ſolten derowegen dieſe Heimſuchung Gottes mit Gedult uͤber - ſtehen; Andere ſo damahls ihnen zuſa - hen / und ihre Sprach nicht verſtunden / vermeinten ſie quelten ſich nur um den Simeon / den ſie gefangen hinterlaſſen muſten. Demnach gab ihnen Muſai von allerhand Getreidt zu kauffen ſo viel ſie wolten und fortbringen konten / und ſtieß jedem ſein ausgegeben Gelt wider in ſeine Saͤck / wie ihm Joſeph befohlen hatte / wormit ſie ſich dann auff den Weg machten / Simeon aber wurde im Gefaͤngniß leidenlich gehalten.

Sie erzehlten ihrem Vatter alles was ſich mit ihnen in Egypten begeben / daß man ſie nemlich vor Kundſchaffter und Verraͤhter gehalten haͤtte / und was ſie deswegen vor ein Accord mit dem Koͤnigl. Verweſer eingehen muͤſ - ſen; aber von dem / das dorten bekant und ihnen vorgeruckt worden ſeye / was maſſen ſie hiebevor einen Juͤngling ver - kaufft / wuſten ſie fein ſtill zu ſchweigen / mit Bitt ihr Vatter wolte doch denBen -188.[188]Benjamin ohnverweilt mit ſchicken / da - mit ſie bey zeiten mehr Getreidt bekom - men: und den Simeon je ehender je beſ - ſer wider erledigen moͤchten.

Dem Jacob aber gefiehl der Handel gar nicht / vornemlich als jeder ſein aus - geben Gelt wider in den Saͤcken gefun - den; Ach! ſagte er / dieſe Ding geſche - hen mit einem gefaͤhrlichen Auffſatz / mich um meine liebſte Kinder vollends zu bringen; Der Joſeph iſt euert halber umkommen / den Simeon habt ihr viel - leicht durch Unvorſichtigkeit verſchertzt / und nun wolt ihr mich auch des Benja - mins berauben: damit ihr meine graue Haar vollends in die Gruben bringen moͤget; Jch will ehr des Simeons manglen / wiewohl mir deſſen Gefaͤng - niß leid iſt / als den Benjamin in Ge - fahr ſetzen / deſſelben auch beraubt zu werden; hauſet derowegen wie ihr koͤnt / ich ſchicke einmahl den Benjamin nicht weg.

Solche Meinung beſtund / bis die er - kauffte Fruͤchte faſt allerdings auffge -zehrt191.[191]ckungen / den Joſeph damit zuverehren / daß er ihnen deſto gnaͤdiger waͤre / ſo da beſtunden in Sachen ſo Canaan her - vor brachte und in Egypten ſelten wa - ren; Nemlich Balſam / Gewuͤrtz / Spe - cerey / Roſinen / Feigen und Honig; Alſo fertigt er ſie weinend ab / und ſprach ihnen wol hundert guter Segen nach; Die Soͤhne aber waren ſo bekuͤmmert um den Vatter / er um ſie / wẽil ſie be - ſorgten er moͤchte ſich wegen ihrer Hin - reiß ſo ſehr betruͤben / daß er endlich aus Hertzenleid daruͤber kranck werden / und vor ihrer Widerkunfft ſterben moͤchte.

Sie langten gluͤcklich zu Thebe an / und kehrten in Joſephs Behauſung ein / damit ſie vor allen Dingen mit dem Muſai reden / und ſich wegen des Gelds ſo ſie wider in ihren Saͤcken gehabt ent - ſchuldigen moͤchten; Mein Herꝛ / ſag - ten ſie zu ihm / wir haben alle das Geld / ſo wir neulich um Fruͤchten gaben / wi - derum in unſeren Saͤcken gefunden; Seynd derowegen hier eingekehrt / ſol - ches wider zuerſtatten / und zugleich eue -J ijrem192.[192]rem Prinzen etliche geringe Verehrun - gen wegen unſers Vattern zu uͤber - antworten / Muſai ſagte / was das Geld anlange / wuͤſte er ſich nicht zuerinnern / das ers in ſeiner Rechnung jemals ge - manglet; Was die Verehrung betreffe / konten ſie ſolche bey Ankunfft ſeines Herrn uͤberreichen / indeſſen wolle er ih - ren Bruder Simeon zu ihnen kommen laſſen / weil er ſehe / daß ſie ihren juͤngſten Bruder bey ſich haͤtten / weßwegen jener da behalten worden waͤre.

Joſeph war damal in des Koͤnigs hoͤchſten Gnaden / weil er nicht allein deſſen Reich vor allen benachbarten Voͤlckern in Wolſtand erhielte / und die Unterthanen vorm Hunger errettete / auch die Koͤnigliche Schaͤtze durch ſei - nen weißlichen Fruchthandel reichlich vermehrte; Sondern auch wegen an - derer ſeiner verwunderlichen Tugenden; Der Koͤnig wuſte nicht zuerſinnen / wor - mit er ſich doch nur danckbar genug ge - gen ihm bezeugen ſolte? Nichts unter - lieſſe er ihm zugefallen zu thun / nur daßer193.[193]er ihm nicht die Koͤnigliche Cron auff - ſetzte: Er ſagte offt zu ihm: Nun Pſon - thom Phanechon / oͤffne uns doch / war - mit wir dein getreue Dienſte genugſam vermoͤgen und erwidern moͤgen / damit wir der Undanckbarkeit nicht beſchul - digt werden; Joſephs beſcheidene ant - wort lautet aber gemeiniglich alſo: Mein Herꝛ der Koͤnig lebe lang / aus welches Miltigkeit ich zu deſſen ferneren Dienſten mehr als genug vergnuͤgt lebe; Kein Minut vergieng / in welcher er nicht einen Gnadenblick vom Koͤnig erhielte; Und hingegen verfloß kein Augenblick / in welchen nicht dem Koͤnig / ſeiner Schatzkammer und dem Reich durch Joſephs Weißheit etwas guts wider - fuhr; Der Koͤnig hat ihn ſo reich ge - macht und dergeſtalt erhoben / daß ihm mehrers zu thun nicht muͤglich war; Hingegen thaͤt er gegen dem Koͤnig und den Unterthanen durch ſeine Vorſich - tigkeit ſo viel / daß man von einem Gott / geſchweige von einem Menſchen nicht mehr haͤtte begehren moͤgen; Jn Sum -J iijma194.[194]ma er war des Koͤnigs Augapffel und zugleich der jenig der ſeinen Beſchuͤtzer beſchuͤtzte; Die Moren und Araber ſo den Vorrath des Egyptiſchen Getraids durch Krieg mit Gewalt wegholen wol - ten / hat er ſo weißlich umgefuͤhrt: zum Theil erſchreckt und zum Theil ſo kuͤnſt - lich gelenckt / daß ſie nicht allein kein Schwerd nicht zucken / ſondern noch vor ein Gluͤck ſchaͤtzen muſten / wann man ihnen das umbs Geld zukommen lieſſe / was ſie zuvor durch Waffen zuerobern im Sinn hatten / dardurch dann die Schaͤtz Aſiæ und Africæ in die Aegypti - ſche Schatzkammer zuſammen floſſen; Alſo daß Egypten damals ſeines glei - chen Koͤnigreich weder an Macht der Mannſchafft: oder Geldmitteln noch Proviant in der Welt nicht hatte; und ſolches alles wuſte er vor dißmal ſonſt niemand als ſeinem Pſonthom Phana - chon zu dancken.

Jch will aber hiervon nichts weiters melden / ſondern erzehlen / wie Joſeph ſeine Bruͤder tractirt habe; So balder195.[195]er vom Koͤnig nach Hauß kame / meldet ſie Muſai bey ihm an / mit Bericht daß ſie neben etlichen Geſchancken auch ih - ren juͤngſten Bruder mit ſich gebracht haͤtten; Joſeph ſetzte ſich an ſeinen ge - woͤhnlichen Ort der Verhoͤr / welcher von Gold Perlen und Edelgeſteinen ſchimmerte; Er lieſſe ſeine Gebruͤder vor ſich kommen / und nach dem ſie ihres Vattern Gruß: item ihre fernere Wer - bung / daß man ihnen mehr Getraid Zu - kommen laſſen wolte / ſamt den Vereh - rungen abgelegt / fragte er ſie wie ihr al - ter Vatter lebe / und ob diß ihr juͤngſter Bruder ſeye? Nach dem er nun genug - ſamen Beſcheid daruͤber empfangen / ſagte er / GOtt thut Vorſehung in al - len Dingen / und hilfft denen zu aller Zeit die ſich auff ihn verlaſſen; Und demnach ich ſehe / daß ihr eines ehrlichen Manns Kinder ſeyd / ſo ſollet ihr nicht allein heut ſeinetwegen an meiner Tafel geſpeiſet werden / ſondern auch des Ge - traids halber eurer Bitt gewehret ſeyn; Hierauff entwiche er ſchnell / dann ſeineJ iiijThre -196.[196]Threnen wolten ſich nicht mehr halten laſſen.

Bey der Nachtmalzeit brauchte er eine Tafel von ablenger Rundung / er ſelbſten ſaſſe oben an ſeiner Liebſten der Aſaneth lincken Seiten / an ſeiner lin - cken Hand aber faſſe Ruben und alſo die andere Bruͤder nach ihm herum / wie ſie in ſeines Vattern Hauß zu ſitzen pflegten / alſo daß Benjamin an ſeiner Liebſten rechten Seiten zu ſitzen kam; Muſai aber / der die Stell eines Vor - ſchneiders und zugleich eines Dolmet - ſchen vertratte / befand ſich unten zwi - ſchen den Soͤhnen der Liæ und der bey - den Maͤgd Soͤhnen; Da mangelts nichts was zu einer Fuͤrſtl. Tafel gehoͤ - rete / dann Joſeph auch aus lauter Gold und Silber ſpeiſet. Alſo daß ſich dieſe Bruͤder gar wol ſeyn lieſſen / weil ſie nicht wuſten / was man ihn Morgen vor ein Zech machen wuͤrde / ſonderlich wur - de dem Benjamin von der Aſaneth wol zugeſprochen / welche ſich gluͤckſeligſchaͤtzte /197.[197]ſchaͤtzte / daß ſie ihren Schwager ſo nahe bey ſich hatte / ihme Guts zu thun.

Joſeph redete nicht viel / nicht zwar ſein Anſehen zu erhalten / ſondern weil er ſorgen muſte / das Weinen und Re - den moͤchten ihme zuſammen brechen; Muſai aber und Aſaneth unterhielten die Bruͤder deren Geſpraͤch von nichts anders handelte / als wie betruͤbt ſie ih - ren alten Vatter wegen ihrer und ſon - derlich des Benjamins Abreiß / zu Haus verlaſſen / als welcher dieſen am hertzlich - ſten liebte; endlich als ihnen die Koͤpff vom Trunck etwas erwaͤrmt: und ſie vom Muſai angeſtimmt worden / be - jammerten ſie auch den Abgang ihres Brudern Joſephs / und lieſſen Wort lauffen / daraus abzunehmen war / wie ungern ihn ihr Vatter verlohren; und daß ſie ſeit ſeines Veꝛluſts in ihrer Haus - haltung wenig Stern gehabt haͤtten / weil ihr Vatter nunmehr die gantze Welt nicht mehr achtete; Aſaneth er - freuete ſich trefflich das ſie ſo viel Tu - gendliche Verwandte an ihrer TafelJ vhatte;198.[198]hatte; und konte ſchier nicht glauben / daß ſo anſehenliche dapffere Leut ihren Liebſten hiebevor ſo Verraͤhterlich ver - kaufft haben ſolten; Endlich machte ſie den Schluß bey ihr ſelbſten / das ſie von der Goͤttlichen Vorſehung hierzu ge - muͤſſigt worden waͤren / damit Joſephs Tugenden der gantzen Welt offenbahr: und ſo wohl ſie als das Egyptiſche Koͤ - nigreich durch ihn erhalten wuͤrden.

Joſeph dorffte wie gemeldt / nicht viel mit ihnen reden / er haͤtte ſich ihnen dann offenbahren wollen / ſolches aber erſetzte Muſai; nach geendigtem Nacht - Jmbs (von welchem alle eileten / Jo - ſeph damit er ſich nicht verriehte; Aſa - neth aber damit ſie ihre Verehrungen ſo ſie ihren Schwaͤgern geben wolte / noch verfertigen laſſen: Muſai das er ſeines Herrn Befehlch zu Werck richt: und endlich Joſephs Bruͤder auff daß ſie ihre Reiß deſto fruͤher angehen kon - ten (kuͤndet ihnen Muſai an / daß die Anſtalt ſchon gemacht waͤre / ihre Saͤck mit Getreidt zu fuͤllen / damit ſie amMor -199.[199]Morgen fruͤhe abreiſen koͤnten / weil ſein Herr verſpuͤhrthaͤtte / daß ſie wegen ih - res Vattern heim eileten; Auch haͤtte ihm ſein Herꝛ befohlen / ſie ſolten ihren Vatter ſeinethalber gruͤſſen / und ihm wegen der geſchickten Geſchancke dan - cken / mit Anerbietung / wann er vor ſich und die Seinige kuͤnfftig mehr Fruͤch - ten beduͤrfftig ſeye / ſolten ihnen ſolche unverweigerlich vor andern gegoͤnnet und ausgefolgt werden.

Wie nun jederman ſchlaffen war / ſteckte Muſai einem jeden ſein Gelt wi - der in Sack / dem Benjamin aber des Joſephs Trinckgeſchir darzu / wormit ſie ſo bald der Morgenſtern im Oſten herfuͤr flackerte / gleichſam ſingent da - von zogen / weil ſie ſo wohl den Simeon als den Benjamin vor welchen ihr Vat - ter ſo hertzlich ſorgete / mit ſamt einer ſo herrlichen anzahl Getreidts daher bꝛach - ten; Aber Sommer botz Gluͤck! Jhr Freud wehret nicht lang; dann Muſai eilet mit ſeines Herren Leibquardi wel - che in 24. Reutern einer Liberey beſtun -J vjde /200.[200]de / hernach / und erdappte ſie eben als ſie um den Mittag bey einem Waſſer - fluß fuͤtterten; Holla ihr leichtfertige Dieb / ſchrye er ſie an / iſt das die Danck - barkeit die ihr meinem Herren vor ſeine erwieſene Gutthaten erzeigt? Hat euch euer Vatter geſchickt / den jenigen zube - ſtehlen / der euch ſo freundlich gaſtirt? Oder iſts der Gebrauch in eurem Land / daß man Ehrliche Leut die jemand ſo guthertzig bewuͤrthen / ſo belohnet wie ihr thut? Geſchwind gebt uns den Dieb ſamt dem Diebſtahl wider heraus / o - der wir wollen euch alle miteinander auff der Stelle niderſeblen.

Mein Gott! antwortet Ruben / was bedeut das / wir haben ſich verhoffent - lich nicht anders gehalten als wie redli - che Biderleut; koͤnnen auch nicht erſin - nen was die Urſach eines ſolchen ge - ſchwinden Uberfalls ſeye? Sein Herr hat uns Geſtern als Ehrliche Leut be - funden / und als liebe Gaͤſt gnaͤdig tractirt / wir hoffen nimmermehr / daß er uns jetzt anders ſuchen oder findenwer -201.[201]werde; Mein Herr verfahre doch ſachte / bis wir wiſſen was ſein Meinung iſt?

Schaͤlck / Boͤſewicht und Dieb ſeyd ihr / antwortet Muſai / ihr habt meinen Herren beſtohlen uud ihm ſein liebſtes Kleinod / nemlich ſein Trinckgeſchir ent - wendet / wormit er zu weiſſagen pflegte; Ach ſchaͤmt euch ihr leichtfertige Leut / das ihr ſo gar aller euch erzeugten Ehr: Gutthat und Gaſtfreygebigkeit vergeſ - ſet / und euch mit einem ſolchen ſchaͤnd - lichen Diebſtahl beflecken moͤcht; Pfui ihr Schelmen / ich hab doch gleich am erſten mahl meinem Herren geſagt / was ihr vor liderliche Kunden ſeyet; kein gut Haar iſt an euch; warum hat er euch doch nicht damal gleich alſobald allſam - men an den liechten Galgen laſſen auff - haͤncken / ſo waͤren wir und unſere Pferd jetzt der Muͤhe euch nachzujagen uͤberhoden geweſen; Jn Sum̃a Mu - ſaiwuſte ſich ſo erzoͤrnt zu ſtellen und die Sach ſo grauſam zu machen / daß den Soͤhnen Jacobs alle Haar gen Berg ſtunden. Doch waren Ruben / Judasund202.[202]und Levi ſo dapffere: und in aller Ge - fahr ſo gehertzte Maͤnner / das ſie gleich - wohl die Sach noch nicht verlohren ga - ben / ſondern ſagten dem Muſai unters Geſicht / wann er etwas hinter ihnen zu ſuchen befuͤgt waͤre / ſo ſolte ers gleich - wohl thun / ſie aber unterdeſſen unge - ſchaͤnd laſſen; Ja die gantze Geſellſchafft der Bruͤder wurde endlich ſo kuͤhn / daß ſie ſelbſt den Jenigen in Todt verdam - ten / hinter welchem ein Diebſtahl gefun - den wuͤrde / weil fie ſich alle ſicher wu - ſten; Als ſolches beyderſeits angenom - men ward / fande Muſai den Becher endlich beym Benjamin / den er ſelbſten zu ſolchem End hinter ihn verſteckt hatte.

Da ſahe man Wunder / wie die ver - laſſene und uͤberzeugte Hebreer ihre Klei - der zerriſſen und ein jaͤmmerlichs Leider: und Eydeney Geſchrey anfiengen; A - ber dem Muſai giengs zu einem Ohr hinein und zum andern wider heraus; Er lieſſe einmal den Benjamin binden und nacher Thebe fuͤhren / wiewohl erihn203.[203]ihn wegen ſeines Herren viel lieber ge - kuͤſt haͤtte; zu den andern aber ſagt er / ihr moͤgt euers Wegs fahren wohin ihr wolt; dañ weil ihr weder meinen Herrn noch ſonſt jemands beleidigt / wird man euch auch nicht wie den Schuldigen ſtraffen; Aber dieſer Dieb muß noch Heut hangen / damit er Morgen den Koͤnig ſelbſt nicht auch beſtihlt.

Darauff machte ſich Muſai und Jo - ſephs Leibquardi mit dem Benjamin darvon; die Hebreer aber ſtunden dort und ſchlugen die Haͤnd uͤberm Koͤpffen zuſammen / das es wohl ein jaͤmmerli - cher Anblick anzuſehen war und ein Stein haͤt erbarmen moͤgen / endlich pacten ſie auch auff / hernach zu folgen / des Vorſatzes mit ihrem unſchuldig en Benjamin zu leben und zu ſterben / weil ſie ohne ihn vor ihres Vattern Ange - ſicht ohne das nicht mehr zu erſcheinen getrauten.

Jhnen wurde gegoͤnnet vor dem Jo - ſeph zu kommen / welcher in gewoͤhnli - cher Herrlichkeit auff ſeinem Stuhl ſaſ -ſe /204.[204]ſe / darauff er in allen vorfallenden Be - gebenheiten Vorhoͤr und Rechtlichen Beſcheid zu ertheilen pflegte.

Muſai ſtunde da als ein Klaͤger wi - der den Diebſtahl des unſchuldigen Benjamins; des beklagten Bruͤder a - ber baten um Gnad / weil ſie ſonſt nichts anders vorzuſchuͤtzen wuſten; ſie waren zwar ſeiner Unſchuld ſo weit daß Ben - jamin zu keiner Dieberey aufferzogen worden waͤre / genugſam verſichert; wer haͤtte ſich aber erkuͤhnen doͤrffen / beydes Klaͤgern und Richtern in wel - cher Gewalt ſie waren / Luͤgen zuſtraf - fen / ſonderlich weil der Diebſtahl hin - ter ihm gefunden worden.

Jn deſſen aber fiel Joſephs Beſcheid allem Anſehen nach gar gerecht / nem - lich das Benjamin als der Thaͤter wie ein offentlicher und uͤberzeugter Dieb mit dem Strang vom Leben zum Todt gerichtet: Seine Bruͤder aber die ſich als Ehrliche Leut an niemand vergriffen / unter Koͤniglichen Paß und Geleid frey ſicher und ungehindert ſamt ihrererkauff -205.[205]erkaufften Wahr widerum nach Haus ſich verfuͤgen ſollen.

Mich wundert ſelber wie Joſeph da - mal ſeiner Bruͤder Wehemuth ohne Vergieſſung der Zaͤhren anſehen und ertragen moͤgen; dann es war nach aus - geſprochenem Urthel ein ſolch erbaͤrm - lichs Spectaeul an ihnen zu ſehen / daß es auch ein Diamantines Hertz haͤtte erweichen koͤnnen; etliche rupfften Haar und Bard aus / andere aber zerriſſen ih - re Kleider zu Fetzen / und thaten als wol - ten ſie verzweifeln; Judas aber erklaͤrte ſich vor den Beklagten zu ſterben / deme der Ehrliche Ruben nachfolgte / uͤber - laut auff Hebreiſch auffſchreyende / Ach Joſeph! um wie viel ſeliger biſt du wedeꝛ wir! Ach du ſeyeſt todt oder lebendig / ſo biſt du doch des Schmertzens uͤberho - ben / indem du nicht weiſt / daß dein Bruder ſo unſchuldig eines ſolchen ſchaͤndlichen Todts ſtirbt: Ach Jam̃er! O wehe! du elender alter Vatter; Ach Jacob wie Schelmiſch wirſt du deiner liebſten from̃en und unſchuldigen Kin -der206.[206]der beraubt! Ach wer gibt mir daß ich von deinetwegen vor ſie ſterbe? Ja er wand ſich hin und her / und that nicht anders als wann er von Sinnen kom - men wolte.

Joſeph aber ſagte zu ihnen / ihr wer - det weder mich noch die Egyptiſche Cron einiger Ungerechtigkeit nicht bezeihen koͤnnen; dieweil ich ein ſolch Urthel ge - faͤllt / das die Billichkeit ſelbſt und des Lands Geſetz erfordert; ich zwar hab euch zu eurer Herkunfft als mein eigne Freund und liebſte Gaͤſt empfangen; ich hab euch Getreidt folgen laſſen wie ihrs nur begehrt; ich habe euch an mein und meiner Gemahlin Seiten uͤber meiner Tafel geſpeiſet / und euch ſolche Ehr er - wieſen / die ich wohl ſonſt manchen Fuͤr - ſten nicht haͤtte gedeyen laſſen; Ja uͤber - haubt davon zu reden / ſo habe ich gegen euch Fremdlingen mehr gethan / als mei - ner Hochheit zuſtehet / einem Jnlaͤndi - ſchen widerfahren zulaſſen / nur darum / dieweil ich vernommen / daß ihr einen Ehrlichen alten Vatter habt; Aber nunſehet207.[207]ſehet wie habt ihr mich ſo ſchaͤndlich be - trogen; oder anders zu reden / wie habt ihr meiner Gnad und Gutwilligkeit ſo uͤbel gelohnet; noch dannoch ſo laſſe ich euch alle die ich unſchuldig zu ſeyn ver - meine / frey ledig ausgehen; will euch auch unter Koͤniglichen Geleidt ſicher heimſchaffen aber der Dieb ſo mich be - ſtohlen / muß hangen und ſolten ſeiner Haͤls tauſend ſeyn; dann es iſt nicht Herkommens in Egypten / ſolch Laſter ungeſtrafft hingehen zulaſſen; Alſo ſtel - te ſich Joſeph den unſchuldigen liebſten Bruder zu ſtraffen / und die Schuldige ſo ihn hiebevor beleidigt / freyzugeben.

Alle zehen Bruͤder fielen vor ihm zur Erden nider / als er ſeine Red geendet hatte / Judas aber ein anſehenlicher Mann / thaͤt das Wort und ſagte; Herr dein Urthel iſt untadelhafft / du haſt auch den Gewalt von Gott ſolches zu vollziehen; Aber gnaͤdiger Herr / wiſ - ſe daß du zugleich unſeren alten unſchul - digen Vatter mit dem ſchuldigen Thaͤ - ter toͤdteſt; und alſo den Schuldigenſamt208.[208]ſamt dem Unſchuldigen umbringeſt / mein Herr kan ermeſſen wie Hertzbre - chent ein Vatter von ſeinem liebſten Kind ſolche Zeitung vernimt? Wann er ſelbſt anders bereits auch ein Vatter worden iſt; Wir zwar werden ſich nim - mermehr unterſtehen unſerm Vatter den Todt Bemjamins zu berichten / die - weil wir nichts gewiſſers wiſſen / als daß wir ihm mit ſolcher Poſt zugleich das Leben nehmen werden; darum ſo erwei - ſe doch deine Barmhertzigkeit an unſe - ren alten Tugendreichen Vatter / wann du je unſern Bruder ſelbſten deren un - wuͤrdig zu ſeyn erkenneſt; deine in den Laͤndern erſchollene groſſe Gnad und Guͤtigkeit durch welche du die Voͤlcker in dieſer theuren Zeit beym Leben erhaͤl - teſt / wuͤrde vor unvollkommen geſchetzt werden / wann du einſten Ubertrettung halber zween toͤdteſt; und zwar einen ſolchen Ehrlichen alten Mann / deſſen Tugenden nicht weniger als ſein hohes Alter Verwunderens und aller Ehren wuͤrdig: Was Lob gnaͤdiger Herrwird209.[209]wird es dir bringen / wann man ſagen wird / du haͤtteſt unſern Vatter zwar durch deine Gutthat vorm Todt des Hungers errettet / aber hernach durch allzuſcharffe Folg der Gerechtigkeit ihne zu einem viel erbaͤrmlichern Sterben be - fuͤrdert? Wird ſolche Nachred nicht den Ruhm deiner Gutthaͤtigkeit ver - duncklen? Welcher Loͤbl: Nachruhm aber hingegen deſto Glorwuͤrdiger in al - ler Welt ausgebreitet wird / wann du unſerm Bruder Gnad erweiſeſt; ſinte - mahl man alsdann wird ſagen / du ha - beſt beydes das Leben geſchenckt und er - halten; Eya gnaͤd ger Herr erbarme dich uͤber unſern unſchuldigen Vatter und ſchenck ihm ſeinen Sohn wider; Wilt du aber ja das der Gerechtigkeit und den Geſetzen des Lands ein Genuͤ - gen geſchehe; So mildere dein gerechtes Urthel alſo das unſer Bruder in ewiger Dienſtbarkeit verbleiben muͤſſe / alsdañ ſo nim mich oder ein andern aus uns an ſeine Stell an; Jch zwar als ein ſtar - cker Mann / will dir beſſer als dieſerſchwa -210.[210]chwache Juͤngling dienen koͤnnen; Jſt aber die Straff mit Gelt zu buͤſſen; ſihe Herr ſo wollen wir was wir vermoͤgen daran wenden / damit wir durch unſers Bruders Leben auch zugleich unſern Vattern vorm Todt erretten; Herr ge - brauche dich deines rechtmaͤſſigen Ge - walds zum Heil der Armen / die dich ſo flehentlich darum anruffen; durch Gut - that naͤherſt du dich zu Gott; und in groͤſſere Gnad und Barmhertzigkeit du uns Elenden erweiſt / je mehr machſt du dich Gott gleichfoͤrmig; welcher dir ſol - che Edle Tugend (darum wir und un - ſer alter Vatter Gott fleiſſig bitten wol - len) wohlbelohnen wird.

Wie kan ich den Unſchuldigen ſtraf - fen und den Schuldigen ledig laſſen? ſagte Joſeph; Jſt euer Vatter ein ſo Tugendliebender Mann wie ihr vor - gebt / ſo wird er wohl zu frieden ſeyn / wann die Laſter an einen ungerahtenen Kindern geſtrafft werden; Jn deſſen konte Ruben nicht auffhoͤren zu ſchmeh - len / und ſeinen Bruͤdern die That amJo -211.[211]Joſeph begangen / auffzurupffen / wel - che nichts anders als Heulen konten; als er nun muthmaſſete / Joſeph wuͤrde mit ſeinen Urthel verfahren; ſagte er zum Joſeph; Herr ich hab dir den Be - cher geſtohlen / und denſelben unſerem Bruder heimlich auffgeſattelt / in Mei - nung ihn alſo unvermerckt davon zu - bringen / darum ſo ſtraffe mich und laſ - ſe den unſchuldigen Juͤngling lauffen; da antwortet Joſeph ſo will ich beyde auffhaͤncken laſſen / damit ich des Recht - ſchuldigen nicht verfehle / denn hinder Jenem iſt der Diebſtahl gefunden wor - den / und du haſt den Diebſtahl gethan zu haben ſelbſt bekant. Der Haͤler iſt ſo gut als der Stehler; da brach ihm doch ſein Hertz / daß er ſich nicht laͤnger ent - halten: noch einig Wort mehr reden konte / auſſer daß er noch ſeine Leut mochte abtretten heiſſen. Als ſolche hin - weg / fieng er inniglich an zu weinen und ſagte auff Hebreiſch zu ihnen.

Die Tugend und Gottesfurcht die ihr neben der Lieb zu eurem Bruderſchei -212.[212]ſcheinen laſſet / iſt groͤſſer als ich mir ein - gebildet hab! Jch bin Joſeph euer Bru - der / den ihr den Jßmaeliten verkaufft habt / und hab wollen erfahren ob ihr auch mit dem Benjamin wie mit mir handlen: Oder ihn ſonſt in Noͤten ver - laſſen wollet; Weil ich euch aber redlich und auffrichtig gegen ihm zu ſeyn be - funden ſehet! So vergeb ich euch alles das jenig / wormit ihr euch wider mich vergriffen zu haben vermeinet; Dann ich bin deſſen nunmehr genugſam verſi - chert / daß euer boͤſer Rahtſchlag mich zu verderben / nicht aus Trieb angebor - ner boͤſen Eigenſchafft entſprungen: Sondern durch die Goͤttliche Vorſe - hung alſo verordnet worden / damit ich zu dieſer hohen Wuͤrde gelangen: und euch und die eurige in dieſer groſſen Theurung erhalten moͤge; Will dero - wegen daß keiner von euch der vergan - genen Zeit / und was ihr gethan habt / anderer Geſtalt mehr gedencke / er wolle den GOtt darum dancken / daß er euch den Einfall mich zuverkauffen in Sinngeben213.[213]geben habe; Daß mein Vatter noch lebe / habe ich bereits von euch mit hertzli - cher Freud vernommen / derowegen ſol - let ihr morgen unverzuͤglich widerum zu ihme ziehen / und ihm verkuͤnden was ihr bey mir geſehen und gehoͤrt habt / da - mit er ſich wegen euers langen Ausblei - bens nicht zu ſehr bekuͤmmere / ſondern ſich wegen meiner Wolfart erfreuen moͤge.

Als er ſolches geſagt / hat er ſeine Bruͤ - der nacheinander empfangen und ſon - derlich den Benjamin hertzlich gekuͤſſet; Sie hingegen weineten und giengen in ſich ſelber / daß ſie mit Verkauffung ei - nes ſo frommen Brudern ſo uͤbel ge - handelt haͤtten; Keiner war froͤlicher als Ruben und Benjamin; Joſeph aber troͤſtet die uͤbrige / und ſagte es ſol - te ſich keiner der geſchehenen Ding mehr erinnern; Weder ſich damit zubetruͤ - ben oder deswegen ſich zu ſchaͤmen / noch ſich darmit zuerſchrecken; Weil alles aus gnaͤdiger Ordnung und Vorſeh - ung Gottes geſchehen waͤre: Sie ſoltenKviel -214.[214]vielmehr froͤlich ſeyn / und ſich feines Gluͤcks theilhafftig machen; Aus dem jenigen was er ihnen und den ihrigen guts zu thun gedaͤchte / wuͤrden ſie ohn - ſchwer verſpuͤren / wie gruͤndlich er ihre Mißhandlung vergeſſen haͤtte; Aber ſeine Gutwilligkeit war ihnen ein inner - liche Pein; Alſo daß ſie ſchier nicht auff - hoͤren kunten zu ſchluchſen / biß ſie end - lich Joſeph damit ſtillen muſte / als er ſagte; Wann ſie zu weinen nicht auff - hoͤreten / ſo muͤſte er daraus abnehmen / daß ſie darum ſich uͤbel gehuͤben / weil ſie ihm ſein Gluͤck und Herꝛlichkeit miß - goͤnneten.

Jn dem kam die holdſelige Aſaneth mit ihren zweyen jungen Soͤhnen / ihre Schwaͤger willkommen zuheiſſen / wel - chen ſie zugleich zwoͤlff Feyerkleider nemlich dem Benjamin zwey und ſonſt jedem eins zum Willkom verehrte; Nur diß manglet ihr / die Freud uͤber ih - re Ankunfft genugſam zubezeugen / daß ſie nicht ſelbſt mit ihnen recht reden kon - te / aber ihr aͤltiſtes Soͤhnlein Manaſſeswuſte215.[215]wuſte gar artlich zu dolmetſchen / als welches ein eignen Præceptor hatte / die Hebreiſche und Chaldeiſche Spra - chen zu lernen / kaum hatten ſie ihre neue Kleider angezogen / da folgte der Jmbs / und zwar viel Fuͤrſtlicher als den vori - gen Abend / dann als Pharao erfuhr / daß Joſephs Bruͤder ankommen / hat er nicht allein viel Speiſen und koͤſtliche Getraͤnck ſo vor ſeine Koͤnigliche Tafel bereitet waren / ſondern auch ſeine Mu - ſicanten hinſchicken: und dem Joſeph ſagen laſſen / daß er ſeinen Bruͤdern zu - ſprechen wolle / ſolche Koͤnigliche Begnaͤ - digungs-Traetamenten froͤlich zuge - nieſſen.

Dieſer Potentat erfreuete ſich recht - ſchaffen / daß ihm dermal eins die lang - gewuͤnſchte Gelegenheit zuſtunde / dem Joſeph zu weiſen / wie danckbarlich er ſeine gute Dienſt erkennete; Und daß er ſich nichts lieſſe tauren / wann er nur wuͤſte daß ſolches zu Joſephs angenem - men Gefallen angewendet wuͤrde; Er ließ nicht allein etliche Wagen voll al -K ijlerhand216.[216]lerhand Proviant: Sondern auch ſilbern und guͤldene Geſchirꝛ und ande - re koͤſtliche Sachen zuruͤſten / Joſephs Bruͤder und ſeinen Vatter damit zube - ſchencken; Ja er machte auch die An - ordnung / daß zwoͤlff Reutter von ſeiner Leibquardi ſolche Verehrungen ſampt den Soͤhnen Jacobs nach Sicima be - gleiten ſolten; Den Jacob ſelbſten wuͤnſchte er viel armer zu ſeyn als er war / nur darum / damit er ihn dem Jo - ſeph zu Ehren und Gefallen reich ma - chen koͤnte; Jndeſſen ließ Joſeph auch nicht unterwegen ſeinen Bruͤdern guͤt - lich zu thun; und ſie ſeine Herꝛlichkeit und Hochheit ſehen und genieſſen zu - laſſen;

Zur ſelben Zeit war ſchier kein Hauß in Egypten / ja bey nahe kein Zimmer in welchem nicht ihres Fuͤrſten Pſonthom Phanechons Bildnus neben des Koͤ - nigs zufinden war / dann ein jeder ehrte und liebte den Joſeph wie den Koͤnig ſelbſt; Den Koͤnig zwar als ihr ange - born und erwaͤhltes Oberhaupt / denPſon -217.[217]Pſonthom Phanechon aber als ihren Vatter / Heiland und Erhalter; Etliche die da wiſſen wie es zu unſerer Zeit bey Hoff hergehet / moͤchten ſich villeicht ein - bilden / Joſeph ſeye aus Eifer und Miß - gunſt der andern hohen Haͤupter und Fuͤrſten des Reichs beneidigt worden; Aber weit gefehlet / er verhielte ſich gegen jedermann dergeſtalten / daß niemand nichts anders konte / als ihn lieb haben; Ja die Egyptier ſo zwar damals neben den Phoͤniciern vor die kluͤgſte Leut in der Welt gehalten worden / haͤtten ihn mit Verwilligung Pharaonis und al - ler groſſen Herꝛn vor einen GOtt ange - betet / warzu dann Potiphar ſein Schwervatter zimlich geneigt war / und hierzu mit hoͤchſtem Fleiß anſchierte / wann Joſeph nicht mit allem Ernſt dar - wider geweſt waͤre; Dann er ſagte man ſolte nur den jenigen GOtt ehren / der ihn offenbahrt haͤtte / wie Egypten und die benachbarte Laͤnder in dieſen Miß - Jahren zuerhalten ſeyen.

Jch melde jetzt wie die Egyptier denK iijJo -218.[218]Jofeph geſchaͤtzt und gehalten haben / da ich doch billich zu folg einer ordentlichen Hiſtori erzehlen ſolte / wie er ſeiner Bruͤ - der gepflegt / welche ich dort beym Wol - leben ſitzen laſſe / als wolte ich ihrer ver - geſſen; Damit gib ich aber mein Un - vermoͤglichkeit zuverſtehen / ein Geſchicht recht ordentlich zubeſchreiben; Der Le - ſer mag hieraus urtheilen / daß / gleich wie ich in dieſem Stuͤck fehle / alſo laſſe ich auch viel andere merckwuͤrdige Um - ſtaͤnd aus / die zu der Hiſtori taugen / ſonderlich viel Sachen davon die Per - ſianer und andere Orientaliſche Voͤl - cker Nachricht haben; Jch geſtehe es! Aber was ſoll mir ſo viel Dings das ſo fabelhafftig lautet? Jch hab ohne das aus der Perſianer Sachen mehr herein flicken muͤſſen als die Bibel in ſich haͤlt / aber ich hoffe / ich ſey entſchuldigt / weil ich vielmehr was ſie vom Joſeph und ſeinem Leben vorgeben / ausgelaſſen: Als ich beſchrieben habe; Jndeſſen bilde ihm der guͤnſtige Leſer ſelbſt ein / wie es bey Joſephs Jmbs hergangen ſeynmoͤchte?219.[219]moͤchte? Dann da manglet nichts; daß man den groͤſten Monarchen von der Welt zu tractirn ſich ſchaͤmen doͤrf - fen: Man kan ja wol gedencken / daß ſie bey dieſer ſchoͤnen Gelegenheit ſo wohl Pharaonis als Jacobs Geſundheit ge - truncken haben werden; Jtem nach dem die Bruͤder die Herꝛlichkeit Jo - ſephs / und ſein treuhertziges Gemuͤt ge - ſehen / auch durch den Schall der Trom - peten und andere Muſicaliſche Seiten - ſpiel und Jnſtrumenten (geſchweige des guten Truncks den ſie hatten / und der Extra-ordinari Freud / die ſie aus ihrer und Joſephs wunderbarlichen Bege - benheit ſchoͤpfften) ſeynd beluſtigt wor - den / daß ſie ohn Zweiffel auch ein erba - res Taͤntzel gethan / darauff die Juden ohne das viel haͤlten; Doch kan ſeyn das auch etliche das truncken Elend be - weineten; Diß und anders mehr wie es moͤchte hergangen ſeyn / bilde ihm ein jeder nur ſelbſt ein ſo gut er kan / und nach ſeinem Belieben / dann ich finde nichts davon geſchrieben / ſo bin ich auchK iiijnicht220.[220]nicht ſelbſt dabey geweſen / daß ich alles ſo ſpecificè haͤtte anmercken und be - ſchreiben koͤnnen; Und wann ich ſchon dabey geweſt und oben an geſeſſen waͤre / ſo haͤtte ich mich doch ohn Zweifel ſo bald als ſonſt einer ſo blind Stern voll geſoffen / daß ich mich gleich des andern Tags alles deſſen was geſchehen waͤre / nicht mehr / geſchweige jetzt da ſchon uͤber 3390. Jahr ſeither verfloſſen / zuerin - nern gewuſt haͤtte; Dann ich kenne meine doͤrre Leber gar zu wol. Diß will ich einem jeden zum Beſchluß dieſer Mahlzeit noch eroͤffnen / daß Joſeph mit ſeinen Bruͤdern uͤberein kame / daß ſie ihr em Vatter nicht ſagen ſolten / was maſſen ſie ihn verkaufft haͤtten / dann er ſorgte der Alte moͤchte ſonſt ſchellig uͤber ſie werden / und ihnen allen Vaͤtterlichen Segen entziehen; Er wolte ſeines Orts fuͤrbringen / nach dem er vom Pferd kommen und den wilden Thieren (ſo wol ſeine Bruͤder bedeuten moͤgen) ent - runnen / ſeye er in der Jſmaeliter Haͤnd gerahten / ſo ihn in Egypten verkauffthaͤt -221.[221]haͤtten; Auff ſolche treuhertzige Erklaͤ - rung ſtellten ſich ſeine Bruͤder wie alle volle Kerl / die ihre Gutthaͤter vor Lieb frcſſen wollen; Und weinten wie alte Weiber. Den hellen Tag ſo folgen wuͤrde / hatte die Morgenroͤhte ſo bald nicht angezeigt / als die Koͤnigliche Be - ſchenckungen ankamen / damit Pharao Joſephs Vattern und ſeine Bruͤder zu - verehren beliebte; Da ſtunden Waͤgen / Cameel und Tromedari beladen / zu - ſamt dem Koͤniglichen Geleit zur Reiß fertig / in Canaan zubezeugen wiewol Egyptus dem Joſeph geneigt waͤre: Die vom geſtrigen Trunck noch daͤmi - ſche Gebruͤder erſuchten den Joſcph de - muͤtig / er wolte ſich ihres Vattern und ihrer ſelbſt wegen um ſolche hohe Koͤaig - liche Gnad und reichliche Gaben bedan - cken / weil ſie als ſchlechte Hirtenleut mit ſchlechter Hoͤfflichkeit verſehen waͤren / und kein Kramanziß machen koͤnten; Er nam die Verrichtung gutwillig auff ſich / und befahl hingegen ſeinen Bruͤ - dern beym Fruͤhſtuͤck / als er ihnen ſeinK veigne222.[222]eigne reichliche Geſchenck uͤberliefern lieſſe / daß ſie ehiſtes wegen der theuren Zeit / welche noch fuͤnff Jahr tauren wuͤrde / mit Vatter und Mutter ſampt Weib und Kindern zu ihm kaͤmen: und ſo wol ſeiner Hochheit ſich erfreuen: als ſeiner Reichthum genieſſen ſolten; wor - durch ſie dem Hunger / der in ſolcher Zeit noch viel Leut auffreiben wuͤrde / am be - ſten entfliehen koͤnten.

Alſo rerſten ſie unter Koͤniglichem Geleid in Gottes Nahmen dahin und brachten in kurtzer Zeit ihrem Vatter die froͤliche Potſchafft / daß Joſeph nicht al - lein noch lebte / ſondern auch nach dem Koͤnig der groͤſte Herr in Egypten ſeye; Solches bezeugten neben ihnen nicht al - lein die anſehenliche Geſchenck und mit - kommende Convoy / ſondern es hatte auch Jacob ſeit ſeiner Soͤhne Hinreiß ſeine Bekuͤmmernus zuerleichtern das Nativiteten Buch ſein und ſeiner Kin - der auffgeſchlagen / und den Traum Jo - ſephs in beſſers Bedencken gezogen; dar - aus er unſchwer muthmaſſen konte /was223.[223]was mit ihm und ſeinem Haus vor eine Veraͤnderung obhanden waͤre; darum glaubt er ſeinen Soͤhnen deſto veſter / und begab ſich / nach dem ſie ein paar Tag ausgeraſtet / auff die Reiß ſeinen liebſten Sohn Joſeph noch vor ſeinem End zu ſehen; Jetzt ſahe er erſt daß gleich wie eilff Stern ſamt Sonn und Mond dreyzehen machten / alſo auch / das ſol - che dreyzehen Jahr bedeutet hatten / nach welcher Verflieſſung Joſeph zu ſolcher Herrlichkeit gelangen ſolte; dann im ſie - benzehenden Jahr ſeines Alters wurde Joſeph verlohren / und im dreyſigſten wurde er Obriſter Regent in Egypten / welche Wuͤrde er damahls als Jacob zu ihm zog / ſchon neun Jahr getragen hatte.

Jacob verwundert ſich uͤber die groſ - ſe Guͤte und gnaͤdige Vorſehung Got - tes / welche ein Zeitlang ſich anſehen laſ - ſen / als haͤtte Gott ſeiner gantz vergeſſen / und als er unterwegs zum Bruñen des Eyds gelangte / hat er daſelbſt Gott ge - opffert / und gebetten ihm anzuzeigen /K vjob224.[224]ob dieſe ſeine Reiß nicht wider deſſen gnaͤ - digſten Willen waͤre / dann er beſorgte ſein Geſchlecht moͤchte die Egyptiſche Fruchtbarkeit ins kuͤnfftig ſo hoch belie - ben / das ſie alldorten verbleiben: und das Land Canaan / ſo ihnen Gott ver - ſprochen / nicht beſitzen moͤchten.

Aber Gott der Allmaͤchtig erſchiene ihm dieſelbige Nacht im Traum / und nach dem er ihm zweymahl mit Nah - men geruffen / offenbahrte er ihme / daß er darum gegenwertig ſeye / ihn und die ſeinige in Egypten zum Joſeph / den er beynahe eben ſo groß als den Koͤnig ſelbſt gemacht / zu begleiten; bey ihme Joſeph wuͤrde er zu beſtimter Zeit mit Todt abgehen / und alsdann von ſeinen Kindern in ſeiner Vaͤtter Begraͤbniß herrlich begraben werden; Joſephs Ge - ſchlecht wuͤrde lange Zeit in Herrſchafft und Gewalt ſchweben / aus welchem kuͤnfftig ein Fuͤrſt entſprieſſen werde / der das verſprochene Land mit Kriegs - Gewalt einnehmen: und unter ſein des Jacobs Geſchlecht austheilen werde.

Judas225.[225]

Judas zohe mit ſtarcken Tagreiſen voran / und verkuͤndet dem Joſeph ſei - nes Vattern Ankunfft / deren er ſich hoͤchlich erfreuet / und ihm mit Fuͤrſtli - chem Pracht entgegen zoge / bis zur Stadt Heroum; da beydes Jacob und Joſeph vor groſſer uͤbermaͤſſiger Freud fchier vergangen waͤren; das Geſchlecht Jacobs verwundert ſich nicht ſo ſehr / uͤber die Herrlichkeit und Hochheit Jo - ſephs / als die Egyptier uͤber das Ehr - wuͤrdig Alter Jacobs und die Menge ſeiner anſehenlichen Soͤhne und Enckel; deren damahlen mit ſamt dem Joſeph und dem Vatter ſelbſten bey ſiebenzig Seelen beyeinander waren; Der Pa - triarch ſelbſten war in ſo hohem Alter noch zimlich vermoͤglich / und mit einem Violbraunen Rock bekleidet / uͤber deſ - ſen Bruſt bis auff den Nabel ſich ſein Silberweiſſer Bart ausbreitete; und weil die Farb ſeines Angeſichts noch ſo Lebhafft: die Lippen noch ſo roth: und ſeine Augen noch ſo klarwaren / als ei - nes dreyfig Jaͤhrigen Manns / gab ihmſol -226.[226]ſolche eigne Ziert ein anmuhtigs Anſe - hen; Joſeph lieſſe ihn auff ſeinem koͤſtli - chen Wagen neben ſeiner Aſaneth und zweyen jungen Soͤhnen Ephraim und Mannaſſe ſachte hernach folgen / er aber ritte auff feinen Handpferdten mit fuͤnff ſeiner Bruͤder voran / dem Koͤnig ſeines Vattern und deſſen gantzen Geſchlechts Ankunfft zuberichten; welcher ſich ſo hoch daruͤber erfreute / als von ihm ſelbſt ein angebohrner Freund nach Haus kommen waͤre; dahero fragte er dẽ Joſeph gleich was ihr Handthierung ſeye / und wie er ſie in ſeinem Reich am beſten accommodiren moͤchte daß ſie bleiben koͤnten; Da antwortet Joſeph ſehr weißlich / daß es Leut waͤren / die mit der Viehezucht ſich zuernehren ge - wohnt waͤren; uud koͤnte ihnen der Koͤ - nig kein groͤſſere Gnad thun / als wann er zulieſſe / daß ſie Hirten verbleiben moͤchten. Hierdurch brachte Joſeph zwey Ding zu wegen; erſtlich daß ſie al - lein beyeinander wohnen und ihrem Vatter deſto beſſer miteinander vorſte -hen227.[227]hen koͤnten; und zweytens / das ſie alſo von den Egyptiern abgeſondert keinen Unwillen wider einander ſchoͤpffen moͤchten; Als welche vom Viehe ſich zu naͤhren und ſolches ſchlachten zu ſehen vor ein ſchroͤckliche Sach hielten / weil ſie ſolches damahls anzubeten pflegten. Und nach dem Jacob ſelbſt den Koͤnig gruͤſſete / iſt ihm und den ſeinigen zu He - liopolis zu wohnen gegoͤnnet worden / alwo Joſeph ſeinen Schwervatter und von ſeiner Gemahlin die mehriſte ligen - de Guͤtter hatte; der Koͤnig verwundert ſich uͤber Jacobs hohes Alter und anſe - henliche Perſon; und nach dem er ein Zeit lang mit ihme Sprach gehalten / hat er ihn und ſeine Kinder wider mit Koͤniglichen Geſchencken begabt / und in Joſephs Behauſung aus ſeiner Kuͤ - chen ſpeiſen laſſen / auch dem Joſeph be - fohlen / daß er ihnen ein Anzahl Getreids aus ſeinen Kornhaͤuſern verehren ſolte / damit ſie in Zeitwehrender Teurung kein Mangel haͤtten; Nach ſolchem hat ſie Joſ[e]ph wie auch ſeinen Schwervat -ter228.[228]ter noch etlich Tag bey ſich behalten / und Fuͤrſtlich tractirt / zu letzt aber nach Heliopolis geſetzt / und nach des Koͤnigs Befehlch mit aller Nothdurfft wohl verſehen.

Jn deſſen vermehrte ſich die Theurung je laͤnger je mehr / und war ein elender Jammer in der Welt / Joſeph aber gab niemand kein Getreidt als um paar Gelt / und als ſolches auch nach und nach um Fruͤchten zu des Koͤnigs und Joſephs Handen kommen war / muſten ſilberne und guͤldene Geſchirr / allerhand Klei - nodien / Perlen und Edelgeſtein / die ſonſt viel Jahr lang wohl auffgehebt worden / hervor; alſo daß beynahe kein guͤldner noch ſilberner Fingerring im Land verblieb / welcher nicht dem Pha - rao zu Theil wurde; es mochte aber al - les nichts erklecken / alſo das die arme Leut ihr Leben vorm Hunger zu erretten / in den fuͤnff letzten Jahren erſtlich ihr Vieh und ligende Guͤter: Ja endlich ihre eigne Leiber zu ewiger Dienſtbar - keit um Proviant dem Joſeph verkauff -ten;229.[229]ten; Derohalben wurde der Koͤnig ein Herr uͤber alles was ſich in Egypten be - fand; nur die Prieſter darunter auch Joſephs Verwandten verſtanden wer - den / behielten ihre vorige Freyheit und Aecker; hingegen hatte Joſeph die gan - tze Menge des Volcks bis ſich die grau - ſame Teurung endigte / zu ſpeiſen; wolte er anders die jenige ſo er dem Koͤnig vor Eigen erkaufft hatte / nicht Hungers ſterben laſſen; er beſtellt hin und wider Proviant-Verwalter und ließ jedem Taͤglich die bloſſe Nothdurfft reichen / gleichſam wie man jetziger Zeit den Sol - daten ihr Commißbrod gibt; darvor muſten ſie dem Koͤnig Staͤdt / Schloͤſ - ſer und hohe Thuͤrn bauen und beveſti - gen / Waſſerleitungen und Fiſchweyer graben / und andere Arbeiten verrichten / weil man ſie zur ſelben Zeit zum Acker - bau vergeblich gebraucht haͤtte.

So bald ſich aber die Theurung en - det / und der Nilus ſeiner vorigen Art nach ſich ergoſſen: und das Land zur Fruchtbarkeit genugſam befeuchtig hat -te;230.[230]te; war Joſeph ſchon im Land herum gezogen und hatte dem Volck wider Ackerfelder ausgetheilt. Alſo und der Geſtalten; er richtet alle Guͤter zu unver - aͤnderlichen Maͤyerhoͤfen und ſtellet ſie des Koͤnigs eignen Leuten zu / mit dem Geding / das ſie ſolche als ihr Eigen - thum einhaben / nutzen / nieſſen und bau - ent hingegen aber alle Jahr den fuͤnfften Theil von dem jenigen daß ſie erziehen wuͤrden / in des Koͤnigs Kornhaͤuſer lieffern ſolten; in aller Maß und Form / wie man noch heutigs Tags den Bau - ern die Landguͤther zuverleihen pflegt. Hierdurch ward beydes dem Koͤnig und dem Volck mercklich geholffen / dieſen zwar / weil es wider unverſehens zu ligen - den Guͤtern kam / jenem aber / daß er und ſeine Nachkoͤmling zu ewigem Zei - ten ein ſo groſſen Nutz alle Jahr zu hof - fen hatte.

Nach dieſer ſo Muͤhſeligen als Loͤbl. Verrichtungen lebte Joſeph mit ſeiner Liebſten in ſolchem Ehrenſtand bis an ſein End mit hoͤchſter Vergnuͤgung / ſodas231.[231]das ihm kein einzigs Ungluͤck mehr zu - handen ſtieß / auſer daß ihm ſein Vatter / zwar des Lebens und verdruͤßlichen Al - ters ſatt / mit Todt abgieng; nach dem er ihm zuvor ſiebenzehen Jahr in Egy - pten reichlich verpflegt und verſorgt hat - te; dieſer ſetzte Joſephs zween Soͤhn zu Erbenein und rechnet ſie unter ſeine Kin - der / befahl auch ſeinen Soͤhnen durch ein Teſtament; daß ſie ins kuͤnfftig mit ihnen beyden das Land Canaan ſo ih - nen Gott verſprochen / um Joſephs Gutthat willen / theilen ſolten; Als ihn aber ſeine Soͤhne nach ſeinem Begeh - ren und auff Pharaonis Verwilli - gung nacher Hebron begraben hatten / wolten ſie mit dem Joſeph nicht wider zuruck in Egypten ziehen / dann ſie be - ſorgten er moͤchte ihnen erſt nach ihres Vatters Todt eintrencken / was ſie hie - bevor an ihm verſchuldet haͤtten; dero - wegen that Ruben folgende Red bey der Begraͤbnus zum Joſeph.

Herr Bruder / ſagte er / ich kan dir nicht verhalten / das die Furcht der bil -lichen232.[232]lichen Rach und Straff / damit du ge - genwertige deine Bruͤder / um ihrer hie - bevor an dir veruͤbter Mißhandlung willen nach unſers Vattern ſeel. Todt belegen moͤchteſt / ſie ſo erſchroͤckt und verzagt gemacht habe / das ſie Beden - ckens tragen widerum mit dir in Egy - pten zu kehren; und wenn du des Wil - lens waͤreſt / ihnen zuwidergelten / was ſie an dir verdienet haben / ſo waͤre mir ſolches eben ſo unmuͤglich zuertragen / als hefftig mich ihre Ubelthat die ſie an dir begangen / hiebevor geſchmertzet hat; Muͤſte derowegen / damit ich ſolch E - lend an ihnen nicht anſehen doͤrffte / der Erſte ſeyn / der ſich auch aus deinen Au - gen verliert; wiewohl mir ſchwer fallen wird / einen ſo herrlichen und lieben Bru - der zuverlaſſen; gleichwohl aber muͤſſen wir als erkantliche danckbare Leut geſte - hen / das du uns ſibenzehen gantzer Jahr lang ꝛc. Hier wolte Ruben des Joſephs Gutthaten erzehlen / und wegen ſein und ſeiner Bruͤder ſich deꝛſelbigen bedancken; aber Joſeph fiel ihm in die Rede undſagte!233.[233]ſagte! Jn den ſiebenzehen Jahren wer - det ihr nichts anders als mein Bruͤder - liche Lieb und Treu gegen euch verſpuͤhrt haben / und daß ich vorlaͤngſt alles was geſchehen iſt / der Goͤttlichen Vorſehung und nicht einiger Bosheit die in euch ſte - cken moͤchte / zugeſchrieben habe; War - um wollet ihr dann wider den Willen Gottes jetzt ſo boͤslich von mir weichen? Warlich hierdurch werdet ihr ſelbſt euch zu ewigem Spott / den Egyptiern und aller Welt offenbahren / was ich euch zu Ehren vor unſerem lieben Vatter ſeel. bis in ſein Grab verſchwiegen habe; um die Gutthaten / die ich euch erwieſen / will ich mir nicht dancken: noch euch oder mir auffrupffen oder vorrucken laſ - ſen; dann alles was ihr genoſſen habt / iſt aus Guͤte und Vorſehung Gottes geſchehen; Wir wollen derowegen dar - von nicht reden / ſondern ihr muͤſt diß hoͤren und wiſſen / daß wir einander jetzt naͤher als hiebevor verbunden und zu - gethan ſeynd! Dann ihr koͤnt nicht laͤug - nen / daß man beyde Soͤhne Manaſſeund234.[234]und Ephraim in euere Zahl auffgenom - men worden; Werdet ihr ſie nun in Egypten verlaſſen: und euch von mir und ihnen trennen wollen; ſo widerſtrebt ihr Gottes Willen und euers Vattern Befelch / den ihr zu halten Eidlich ge - ſchworen habt! dardurch werdet ihr euch beydes der Goͤttlichen Verheiſſung und des Vaͤtterlichen Segens / das Land Ca - naan zubeſitzen unwuͤrdig machen; Jch zwar hab Mittel genug / meine Soͤhne auch ohne euere Huͤlff zu Egyptiſchen Fuͤrſten zu hinterlaſſen / denen an Macht ſich an euch und den eurigen zu raͤchen nicht manglen wuͤrde / wann ihr gleich mitten in Canaan ſaͤſet; Aber wie ge - ſchahe dardurch den Goͤttlichen Willen und vaͤtterlichen Befelch ein Genugen? Ey nun wolan dann ihr liebe Bruͤder / ſo ſetzet derowegen alles Mißtrauen bey - ſeits / und bedenckt vielmehr / daß meine Kinder bey toͤdtlichem Hintritt unſers lieben Vattern ſeel. auch ihres Vatters entſetzt worden / weil er ſie in ſeinem Te - ſtament mir genommen[:]und zu ſeinen Kindern: euch aber zu Bruͤdern gemachthat;235.[235]hat; Was meinet ihr wol / das unſer Vatter ſeel. anders dardurch verſtandẽ haben wolle / als daß ich an ſtatt ſeiner eurer aller Vatter und Verpfleger waͤ - re? Hierauff nun ſo ſchwoͤre ich euch / bey dem GOtt meiner Vaͤtter / A - braham / Jſaac und Jacobs / daß ich mich in alle weg und auff alle Faͤhl gegen euch nicht allein als ein getreuer Bruder ſondern auch als ein liebreicher Vatter bezeugen! und euch nach mei - nem Vermoͤgen nicht anders als meine leibliche Soͤhne halten will; Wann ihr mir aber weder Trauen: noch Glauben zuſtellen: ſondern euch von meinen Kin - dern entaͤuſſern und mich alſo wie ihr vorhabt / verlaſſen wollet; So bezeuge ich hiemit offentlich vor Gott / vor aller Welt und vor den gegenwaͤrtigen Graͤ - bern unſerer Vaͤtter / daß ich an allen dem Unheil / ſo euch hieraus entſtehen wird / kein Schuld haben will; Als Jo - ſeph auffhoͤrete zu reden / fiengen ſeine Bruͤder an zu weinen / und verſprachen nicht allein bey ihm zu bleiben / ſondern ihme auch allen Kindlichen Gehorſamzu236.[236]zu erweiſen / welches alles ſie mit einem Eydſchwur bekraͤfftigten.

Alſo brachte ſie Joſeph wiederumb zuruck mit ſich in Egypten / und lebte bey Jhnen in Ru - he und Fried / biß er das 110. Jahr ſeines Alters erreichte; Warhafftig ein Mann mit eben ſo wunderbarlichem Gluͤck als ſeltenen Tugenden begabt! Der ſeinen groſſen Gewalt nicht anders als recht / wohl / ehrlich und ohntadelhafft ge - braucht hat / die Egyptier nanten ihn ein fremb - den Vatter und Erhalter ihres eignen Vatter - lands / damit ſie aber mit deſſen Gebeinen nach ſeinen Todt keine Abgoͤtterey treiben koͤnten / in dem ſie ſchon ſeine Fußſtapffen bey ſeinem Leben als eines Jrrdiſchen Gottes kuͤſſten / befahle er ſo wol ſeinen Bruͤdern als ihren und ſeinen Kin - dern / daß ſie ſeinen Coͤrper nicht gleich nach Hebron begraben: Sondern nach ſeinen Abſter - ben bey ſich behalten: Und wann ſie kuͤnfftig das Cananeiſch Land einnehmen wuͤrden / die Gebein mit ſich fuͤhren: Und zu ſeinen Vaͤttern begra - ben ſolten; welches dann es erſt uͤber 400. Jahr hernach beſchehen iſt.

Darumb ihr Menſchenkinder / nach dem ihr Joſephs Hiſtori geleſen habt / ſo lernet euch der unveraͤnderlichen Vorſehung Gottes vertrau - en; mit Verſicherung / daß der himliſche Schluß durch ſonſt nichts geaͤndert wird; Alß wann ein demuͤtig buͤſſender Bekenner begangener Suͤn - den durch hertzliche Thraͤnen von der unendlichẽ und grundloſen Barmhertzigkeit Gottes Gnad erlangt. ENDE.

About this transcription

TextExempel Der unveränderlichen Vorsehung Gottes
Author Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
Extent242 images; 34035 tokens; 6658 types; 235522 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationExempel Der unveränderlichen Vorsehung Gottes Unter einer anmutigen und ausführlichen Histori vom Keuschen Joseph in Egypten/ Jacobs Sohn Hans Jakob Christoffel von GrimmelshausenSamuel Greifnson vom Hirschfeld . . 236 S. GriseniusNürnberg1667.

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Badische Landesbibliothek Karlsruhe BLB, KK 437

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Roman; Belletristik; Roman; core; ready; china

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:31:02Z
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Holding LibraryBadische Landesbibliothek Karlsruhe
ShelfmarkBLB, KK 437
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