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Kommet, ihr Kinder, höret auf Mich! die Furcht des Herrn will Jch euch lehren. (Ps. 33, 12.)
Der Christliche Vater in der modernen Welt.
Erbauungs - und Gebetbuch von Augustin Egger, Bischof von St. Gallen.
24. bis 33. Tausend.
Verlagsanstalt Benziger & Co. A. G. Typographen des hl. Apostol. Stuhles,Einsiedeln, Waldshut, Köln a / Rh.New-York, Cincinnati, Chicago,bei Benziger Brothers.
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I. Teil. Belehrungen und Erwägungen.

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Bischöfliche Empfehlungen zu Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs - und Gebetbuch von Aug. Egger, Bischof von St. Gallen.

Das Erbauungs - und Gebetbuch Der christliche Vater in der modernen Welt , ein wertvolles Geschenk der Muse des Hoch - würdigsten Herrn Bischofes Augustinus von St. Gallen, wird sich leicht Bahn brechen und rasche Verbreitung in den weitesten Kreisen finden.

Der hohe Verfasser setzt sich die so not - wendige Erneuerung und Hebung der christ - lichen Familie zum Ziele.

Der erste Teil entwickelt demgemäß in wohlgeordneter Reihenfolge, mit meister - hafter Gründlichkeit und Salbung, in klarer und volkstümlicher Darstellung die verschie -II denen Pflichten und Obliegenheiten des christ - lichen Vaters und schließt in der achtund - dreißigsten Belehrung mit dem erhabenen Vorbilde der hl. Familie zu Nazareth. Eine wirksame Beigabe sind die überall mit der Lehre verwobenen trefflichen Beispiele. Der zweite Teil enthält eine reiche Auswahl der vorzüglichsten Gebete eines katholischen Chri - sten zur Erflehung der zur treuen Erfüllung der Vaterpflichten nötigen Gnaden.

Ohne Zweifel wird die eifrige Benützung dieses den Zeitbedürfnissen in so hohem Grade entgegenkommenden Gebetbuches reichen Segen stiften. Daher empfehle ich das hand - liche Büchlein, das man trotz seiner 511 Druck - seiten bequem in der Tasche tragen kann, als treuen Freund und Ratgeber allen christ - lichen Vätern, insbesondere meinen Diöce - sanen aufs wärmste.

Joannes Fidelis, Bischof von Chur.

Das vom Hochwürdigsten Herrn Bischof von St. Gallen, Augustin Egger, verfaßte Erbauungs - und Gebetbuch Der christliche Vater in der modernen Welt wird hie -III mit empfohlen, besonders für katholische Väter.

F. -B. Gurker Ordinariat. Josef, Fürstbischof von Gurk.

.... Ich habe das Büchlein: Der christ - liche Vater in der modernen Welt vom Hochwürdigsten Herrn Bischof von St. Gallen, Augustin Egger, mit großem Interesse ge - lesen, so zwar, daß es mich jedesmal fast eine Ueberwindung kostete, die Lesung zu unterbrechen. Ich bin vollkommen über - zeugt, daß die in diesem Büchlein enthal - tenen Grundsätze und Lehren, wenn sie von allen christlichen Familienvätern Beach - tung fänden, die Welt vollständig regenerieren würden ....

Franz Maria, Bischof von Linz.

.... Ich werde nicht unterlassen, das Werkchen, das ebenso sehr seines hohen Ver - fassers würdig, als seinem Zwecke entspre - chend ist, bei demnächstiger Gelegenheit denIV Angehörigen der Diöcese, sowie der Nor - dischen deutschen Missionen angelegentlichst zu empfehlen.

Bernard, Bischof von Osnabrück und Provikar der Norddeutschen Missionen.

.... Die Einsicht in das Büchlein hat mich überzeugt, daß es eine ganz vortreffliche des Hochwürdigsten Herrn würdige Arbeit ist.

Ich will gerne zu seiner Verbreitung bei - tragen, wo es mir möglich ist.

Dr. Michael v. Kampf, Bischof von Passau.

Das Büchlein Der christliche Vater kommt den Bedürfnissen und Wünschen vieler entgegen.

In einfacher Klarheit und mit anmutiger Salbung bringt es unter steter Berücksich - tigung der modernen Verhältnisse alle jene Grundsätze und Winke für die väterliche Erziehungsaufgabe vor, welche nur zum Schaden der Familien ignoriert werden können.

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Während die Belehrungen den Vater aufklären und trösten, erziehen die Erwä - gungen ihn selbst zum Erzieher.

Die im zweiten Teile angeführten, mit dem Inhalte des ersten Teiles organisch ver - bundenen Gebete wird jeder christliche Vater immer wieder gerne verrichten, wie er auch das ganze Büchlein, nachdem er es nur ein - mal kennen gelernt, als steten Begleiter wählen und als eine empfangene Wohlthat ehren wird.

Ignatius, Bischof von Regensburg.

.... Ich möchte die ganz vortreffliche Schrift in den Händen aller christlichen Väter sehen und werde mit Freuden jede Gelegenheit benutzen, dieselbe zu empfehlen.

Hermann, Bischof von Münster.

.... Ich werde nicht ermangeln, das Büchlein Der christliche Vater in der mo - dernen Welt zu empfehlen, denn der Hoch -VI würdigste Herr Oberhirt der Diöcese St. Gallen hat durch die Herausgabe desselben unsere Erbauungslitteratur wirklich bereichert, und mit dem gediegenen Inhalt der christlichen Familie einen großen, sehr zeitgemäßen Dienst erwiesen. Die verantwortungsvollen Er - ziehungspflichten der Eltern, besonders der Väter in unserer neuen, dem Weltgeiste huldigenden Zeit werden in eingehender Weise und in edler Sprache erklärt und deren gewissenhafte Erfüllung warm aus Herz ge - legt. Ein Vater, der nach den hier em - pfohlenen Grundsätzen und Ratschlägen seine Familie leitet, wird die von allen Seiten dem Glauben und der Sittlichkeit der heranwach - senden Jugend drohenden Gefahren entfernen oder wenigstens verringern, und so einem der innigsten Wünsche des heiligen Vaters, durch die Familie die menschliche Gesellschaft zu heiligen, entsprechen. Auch zum Gebete um die Erreichung dieses wichtigen Zweckes wird der christliche Vater durch das Büchlein an - geleitet, da er mit den an die Belehrung sich anschließenden üblichen Andachten gerade die für ihn notwendigen Gnaden Gottes sich zu erbitten unterrichtet wird. Die äußere Ausstattung des Büchleins in sehr gefällig,VII und das Format gestattet es, daß der christ - liche Vater es stets bei sich tragen kann.

Ludwig Wahl, Bischof und Apostol. Vikar im königr. Sachsen.

Das Büchlein Der christliche Vater in der modernen Welt vom Hochwürdigsten Herrn Bischof Augustinus Egger von St. Gal - len, muß, wie alles, was aus der Feder des berühmten Kirchenfürsten geflossen, als ein wahres Meisterwerk bezeichnet werden. Aus - gehend von der Ueberzeugung, daß nament - lich in unseren Tagen der Mann voll und ganz von den christlichen Grundsätzen durch - drungen sein muß, enthält der I. Teil: Be - lehrungen und Erwägungen , welche in der dem hochwürdigsten Verfasser eigenen klaren, gründlichen und volkstümlichen Weise die so hohe und verantwortungsvolle Aufgabe des Vaters in salbungsvollen, tief zu Herzen gehenden Worten nach allen Seiten darlegen.

Da die Gesellschaft auf der Familie sich aufbaut und folglich von der christlichen oder unchristlichen Leitung der letztern durch das Haupt den Vater Wohl und Wehe derVIII erstern wesentlich bedingt ist, so muß dieser I. Teil als ein wertvoller Beitrag zur Hei - lung der so allgemein beklagten gesellschaft - lichen Zustände auf das wärmste begrüßt werden.

Der II. Teil: Andachtsübungen bietet neben den gewöhnlichen Gebeten eines ka - tholischen Christen wahre Perlen, wie z. B. das durch wohlthuende Kürze ausgezeichnete, herrliche Vater unser des christlichen Vaters und die Andachten für die Bruderschaft der hl. Familie.

Das Büchlein, von der löbl. Verlags - handlung prächtig ausgestattet, kann nicht genug empfohlen werden, und möchten wir jedem Hausvater zurufen: Nimm und lies und zwar alle Tage.

Anselm, Abt von Engelberg.
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Gelobt sei Jesus Christus

Vorbemerkung.

Alles ist darüber einig, daß die Menschheit in der Gegenwart an schweren Uebeln leidet. Insbesondere macht der Zerfall des religiösen und sittlichen Lebens ganz bedenkliche Fortschritte. Forscht man nach den Ur - sachen und Heilmitteln dieser Uebel, so stellt sich heraus, daß keines für sich genügt, daß der Zerfall des Familien - lebens eine Hauptursache ist, und daß eine Besserung nicht möglich ist ohne die Erneuerung der christlichen Familie. Das Haupt der Familie aber ist der Vater, und die Familie kann nicht ohne ihn, sondern nur durch ihn erneuert werden. Darum muß vor allem er selber erneuert werden. Sind die Väter, wie sie sein sollen, so wird es auch ihre Familie und bald die ganze Gesellschaft sein. Nun sind aber die meisten Väter so in das gesellschaftliche Leben hineingestellt, daß es für sie keine leichte Sache ist, ihre so hohe und wichtige Aufgabe im rechten Geiste aufzufassen und zu erfüllen. Nachfolgende Blätter sind bestimmt, den katholischen Vätern, die guten Willens sind, mit einigen Winken behilflich zu sein. Es sind nur schwache Worte, aber die Gnade Gottes möge sie zu frucht -8 baren Samenkörnern machen, ihnen die Herzen der Väter öffnen und sie für die Erneuerung der Familie und das Heil der unsterblichen Seelen reichliche Früchte bringen lassen!

Sollten auch Mütter dieses Buch zur Hand nehmen, so mögen sie folgendes bedenken:

Ich habe überall nur auf die am meisten vor - kommenden Fehler und Mängel der Väter Rücksicht genommen und bei den Müttern das Bessere voraus - gesetzt. Es ist aber kaum zu bezweifeln, daß auch viele Mütter ihre Schwächen und Unvollkommenheiten haben, die ebenfalls einer guten Erziehung hinderlich sind. Es wäre darum gefehlt, wenn sie dieses Buch bloß benutzten, um dem Gatten und Vater lieblose Vorhalte zu machen. Sie sollen zuerst ihr eigenes Gewissen erforschen, und dann darauf hinarbeiten daß die beiderseits vorkommenden Fehler gemeinsam in Liebe und mit gutem Willen gebessert werden.

Möge sich unter den Sorgen und Kümmernissen der Erziehung an beiden das Wort des Psalmisten er - füllen: Da sie hingingen, zu streuen ihren Samen, da weinten sie, aber sie kommen zurück mit Jubel tragend ihre Garben. (Ps. 125, 6.)

Augustinus Egger, Bischof.
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1. Zweck dieses Buches.

Man wird kaum einen Vater finden, der nicht die Wohlfahrt seiner Kinder von Herzen wünscht. Dagegen giebt es um so mehr Väter, welche nicht alles thun, was zur Erfüllung dieses Wunsches notwendig ist. Es ist nicht immer böser Wille, wenn manche ihre Vaterpflichten nicht genügend erfüllen. Gar oft fehlt die nötige Erkenntnis der erhabenen Pflichten und der schweren Verantwortung eines christlichen Vaters. Da können einige Belehrungen oft gute Aufnahme finden und viel Gutes stiften. Für solche Väter ist dieses Büchlein bestimmt. Ich zähle die Leser desselben weder zu den vollkommenen noch zu den mindesten unter den christlichen Vätern. Ich wende mich an solche, die einer Nachhilfe bedürftig sind, dieselbe aber auch annehmen.

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Zunächst will dieses Büchlein belehren. Alles will gelernt sein. Der Gelehrte, der Künstler, der Kaufmann, der Handwerker, fast alle Handarbeiter bedürfen einer beson - deren Vorbereitung und Anleitung, um in ihrem Berufe tüchtig zu werden. Aus diesem Grunde hält man heutzutage Kurse ab für ganz specielle Zweige der Landwirtschaft, der häuslichen und gewerblichen Arbeiten u. s. w. Einem ganz Unkundigen würde man nicht einmal einen Garten, einen Wald oder Weinberg zur Besorgung anvertrauen. Nun giebt es aber eine Kunst, welche viel höher steht, als alle diese weltlichen Künste und Gewerbe. Man hat sie von alters her die Kunst der Künste genannt, weil sie von allen die schwierigste und wichtigste ist. Es ist das die christliche Erziehung der Kinder.

Wie keine Gelehrten vom Himmel fallen, so auch keine fertigen Erzieher. Nun weiß jedermann, auf welchem Wege man allein zur Gelehrsamkeit gelangt, während man vielfach meint, daß die Fähigkeit, seine Kin - der gut zu erziehen, von selbst kommen sollte. Hunderte kommen in den Fall, Vaterpflichten erfüllen zu sollen, ohne je ein Wort über Erziehung vernommen zu haben, ohne auch11 nur einen Augenblick darüber nachgedacht zu haben, was dieser hohe Beruf von ihnen erfordere. Ist es da zu verwundern, wenn manche in der Ausübung dieses Berufes nicht glücklich sind?

Auch Väter mit gutem Willen können ganz ahnungslos Mißgriffe begehen, die viel - leicht als unbedeutend erscheinen, aber hun - dert - und tausendmal begangen werden, und allmählich doch nachteilige Folgen nach sich ziehen. Ein einziges belehrendes Wort könnte oft mit solchen Mißgriffen auch deren Folgen verhüten. Wenn ein Vater in diesem Büch - lein einem einzigen Winke begegnet, der ihn angeht, so ist ihm damit die Lesung des - selben reichlich vergolten.

Das Büchlein wendet sich an den christ - lichen Vater in der modernen Welt . Es giebt heutzutage Hindernisse der christlichen Erziehung, es giebt Gefahren für den Glau - ben und die Tugend der jungen Christen, die vor nicht langer Zeit noch nahezu un - bekannt waren. Sie werden auch jetzt noch von vielen Vätern gering angeschlagen oder gar nicht beachtet, aber zum großen Schaden für ihre Kinder. Was hilft es, wenn ein Vater für seine Person das Nötige zur12 Wohlfahrt seiner Kinder zu thun glaubt, aber gewisse schlimme Einflüsse der Welt übersieht, die wieder untergraben, was er mühsam aufgebaut hat? Mancher Vater schaut den heutigen Weltlauf viel gleich - gültiger oder wenigstens harmloser an, als für ihn und seine Kinder gut ist. Auch in dieser Hinsicht kann die eine oder andere Belehrung in diesem Büchlein für manchen Vater von großer Wichtigkeit sein.

Den Belehrungen sind Gebete beigefügt. Wenn es genügte, gute Bücher bloß zu lesen, so würde es viel besser aussehen unter den katholischen Christen, als es wirklich der Fall ist, und dieses Büchlein wäre wohl gar nicht geschrieben worden. Mit der Erkenntnis der elterlichen Pflichten und der heutigen Gefahren für die christliche Jugend ist es noch nicht gethan. Von da bis zur wirklichen Ausführung ist ein Weg, der ziemlich lang und beschwerlich ist. Aus der gewonnenen Einsicht müssen gute Vorsätze hervorgehen, diese müssen den besonderen Verhältnissen angepaßt, öfters erneuert und durch Gebet geheiliget werden. Der Gebetsteil dieses Büch - leins enthält nicht alles, was ein Vater in den verschiedenen Lagen des Lebens Gott zu13 sagen hat, und von ihm verlangen soll. Er will auch nicht mehr sein, als eine An - leitung für den Vater, mit deren Hilfe er für seine Anliegen beten lernen soll. Gebets - formulare sind nur für das gemeinsame Gebet eine Notwendigkeit, für den Privat - gebrauch sind sie nur ein Notbehelf, welcher jenen das Beten ermöglichen und erleichtern soll, welche es nicht verstehen, ohne äußere Nachhilfe aus ihrem Herzen mit Gott zu reden. Vor Gott haben die schönen Worte in den Gebetbüchern noch keinen Wert, son - dern erst das, was mit ihrer Nachhilfe aus dem Herzen des Betenden kommt. Das Gebetbuch ist ein Führer beim Gebete, den man brauchen soll, so lange man seiner be - darf. Freilich können ihn viele zeitlebens nicht ganz entbehren, aber doch sollten alle sich bemühen, wenigstens hie und da ohne äußeres Hilfsmittel nur mit den Eingebun - gen ihres eigenen Herzens ihre Sorgen und Anliegen Gott vorzutragen.

Ein Teil der Gebete dieses Büchleins ist für die gewöhnlichen Gebetsanlässe des Christen bestimmt, von den übrigen mag man das eine oder andere benutzen, nachdem man einiges im belehrenden Teile gelesen14 hat, sodann gebrauche man sie an Sonn - und Feiertagen in der Kirche oder zu Hause, be - sonders bei Nachmittagsandachten, bei dem Empfang der hl. Sakramente, auch bei häus - lichen Anliegen und Sorgen, mitunter ge - meinsam mit der ganzen Familie. Zur Er - leichterung wird am Schlusse jedes Abschnittes auf eine Stelle im Gebetsteile verwiesen, welche als Anleitung dienen kann, das Ge - lesene im Gebete vor dem Herrn weiter zu erwägen und Ihm anzuempfehlen.

2. Die Vaterwürde.

Der hl. Paulus läßt alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden von dem himm - lischen Vater herstammen. (Eph. 3,15.) Gott ist der Vater aller Wesen, Grund aller Frucht - barkeit. Er allein besitzt die nie versiegende Quelle der Fülle des Lebens sowohl im Himmel, wo Er das ewige Leben zeugt, als auf Erden, wo Er den Menschenkindern den Geist des Lebens einhaucht. Der irdische Vater ist sein Werkzeug, durch welches Er dem Kinde das Dasein geben und erhalten will, er ist sein Stellvertreter, der dem Kinde in seinem Namen gebietet, er ist ein irdisches15 Abbild seiner göttlichen Hoheit durch die Würde und das Ansehen im Familienkreise.

Um die Erhabenheit, die Gott der irdischen Vaterschaft zugedacht hatte, zu würdigen, müssen wir erwägen, wie Er sie anfänglich erhöhte, und wie Er sie nach dem Falle er - neuerte. Welches wäre die Stellung des Vaters gewesen ohne den Sündenfall? Das Glück des Paradieses, welches Gott den Menschen bestimmte, die Sünde aber raubte, ist unserem Verständnis so ferne, daß wir es nur durch die spärlichen Strahlen erkennen, mit welchen die göttliche Offenbarung es beleuchtet. Ohne die Sünde würden jeden - falls auch die traurigen Folgen der Sünde nicht da sein, die böse Begierlichkeit, die vielen Leiden und Gebrechen des Leibes und der Seele, der Tod und die Verwesung. Die Nachkommen Adams wären in dem näm - lichen glückseligen Zustande geboren worden, in welchem er selber in das Dasein getreten ist. Wie schön und süß und edel sich da das Familienleben mit allen Beziehungen zwischen Vater und Kindern hätte gestal - ten müssen, übersteigt unsere Begriffe, die der rauhen jetzigen Wirklichkeit entnommen sind. Von dem Ideal der edeln Männlichkeit,16 der Kraft, der Würde, der Heiligkeit und Liebe, welches in einem sündelosen Va - ter zur Wirklichkeit geworden wäre, vermö - gen wir uns keine Vorstellung zu machen, und ebenso wenig von dem Glücke einer Familie, in welcher es keine ungezogenen Kinder, sondern nur Engel in Menschen - gestalt, keine Verdrießlichkeiten, keine Sorgen, keine Krankheiten, keine Trennung durch den Tod, sondern lauter Unschuld und Tugend, Freude und Friede und gegenseitige Liebe giebt. Wie überaus erhaben und selig wäre da der Vater in der Mitte der Seinigen ge - wesen, und wie hätte jede neue Generation die Würde und das Glück des Stammvaters steigern müssen!

Diese selige Zukunft hing von der Be - dingung ab, daß die Freiheitsprobe gut be - standen würde. Mit dem Sündenfalle er - losch der Lichtglanz dieses höheren Daseins, mit der Unschuld schwand auch die Glück - seligkeit dahin, die Auen des Paradieses versanken in unnahbare Fernen, und über der untergegangenen Seligkeit schloß sich die rauhe Decke dieser mit dem Fluche belegten Erde. Adam wurde der unglückliche Stamm - vater eines unglücklichen Geschlechtes, welchem17 er die Sünde und ihre Folgen als traurige Erbschaft hinterließ. Das Urteil über Adam ging auch über auf seine Söhne, die wieder Väter wurden. Die Vaterschaft war zum verwilderten Baume geworden, der ausge - artete und verdorbene Früchte trug. Und je mehr das Heidentum den wahren Gott vergaß, desto mehr wurde auch das irdische Abbild des himmlischen Vaters verunstaltet. Besonders bemerkenswert ist es, daß das Heidentum einen Hauptzug der Vaterschaft, die väterliche Liebe, immer mehr zurücktreten ließ, so daß der Vater bei den meisten Völkern zum grausamen Despoten, oder besser gesagt zum reißenden Tiere herabgewürdiget wurde. Haben doch die gebildetsten Völker des Alter - tums dem Vater das Recht eingeräumt, nach Belieben über Leben und Tod seines Kindes zu entscheiden.

Als das Christentum auftrat, war es, wie wenn nach einer langen, bangen Nacht die Sonne aufgeht, und neues Licht und neues Leben verbreitet. Dieses neue Licht ergoß sich auch verklärend über das Familien - leben. Vater, Mutter und Kind mußten sofort eine neue und höhere Würde erlangen, als man im Menschen das Ebenbild Gottes18 und den Erben des Himmels kennen lernte. Die natürliche Vaterschaft, welche, von dem verdorbenen Samen Adams her, wild fort - wucherte, wurde durch das heilige Sakrament der Ehe in das Reich der Gnade emporge - hoben. Sie kann und soll aus der über - natürlichen Lebensquelle des neuen Adam, welcher Christus ist, neues, höheres Leben schöpfen, und ein Geschlecht hervorbringen, welches nicht aus dem Geblüte, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott ge - boren ist. (Joh. 1, 13.) Den ersten Keim des neuen Gottesreiches bildete die heilige Fa - milie zu Nazareth, das Vorbild aller christ - lichen Familien.

Die Heiligung der Familie war eine Hauptaufgabe des Christentums. Gleich von Anfang an hat die Kirche den Geist und das Leben der Familie erneuert, und solchen Glaubensmut und solche Tugendkraft in die Herzen der Eltern gelegt, daß den heiligen Vätern Generationen heiliger Kinder nicht bloß im tugendhaften Leben, sondern in den blutigen Martertod nachfolgten.

So ist die Vaterschaft in Christus gehei - liget und ihre Würde wiederhergestellt wor -19 den. So viel Unvollkommenes auch den christlichen Vätern anhaften mag, der Vater - name ist und bleibt geadelt. Von allen Namen, die Menschen tragen können, hat der Name Vater den besten Klang, mag nun sein Träger Arbeiter oder König sein. Wo immer es gilt, etwas Großes und Ehrwürdiges zu be - zeichnen, muß man diesen Namen entlehnen. Wollen die Völker ihres gekrönten Ober - hauptes mit Ehrfurcht gedenken, so nennen sie es Landesvater, und den Retter aus schwerer Not begrüßen sie als Vater des Vaterlandes. Die Kirche nennt jene großen Männer, welche in den gewaltigen geistigen Kämpfen für sie eingestanden sind, Kirchenvä - ter, und ihr sichtbares Oberhaupt heißt Hei - liger Vater . Wenden wir uns im Gebete an den höchsten Herrn des Himmels und der Erde selber, so reden wir Ihn nach der Anleitung seines eingebornen Sohnes als Vater an.

Selbstverständlich dürfen die Inhaber dieses erhabenen und ehrwürdigen Vater - namens nicht die letzten sein, welche ihn hochschätzen. Sie müssen ihm Ehre zu ma - chen suchen durch ihre Pflichttreue und ih - ren Wandel. Es ist ein neues Heidentum im Anzuge, welches schon angefangen hat,20 die christliche Vaterwürde zu verdunkeln, das väterliche Ansehen zu erschüttern. Die Väter dürfen nur dann hoffen, in unserer Zeit bei ihren Kindern Achtung und Ehrfurcht für ihre Würde zu finden, wenn sie diese Würde selber als Christen hochschätzen und in Ehren halten.

(Gebet zum hl. Joseph. Seite 482.)

3. Die Vaterpflichten.

Von den Pflichten des Vaters handelt eigentlich das ganze Büchlein. An dieser Stelle sollen nur die Uebersicht und die richtige Auffassung derselben angeführt werden.

Die Sorge für Leben und Ge - sundheit des Kindes beginnt erheblich früher, als manche zu vermuten scheinen. In dem Sponsalienunterricht der deutsch-schwei - zerischen Diöcesen heißt es: Ein gottes - fürchtiger und sittenreiner Wandel der Ehe - gatten trägt auch dazu bei, daß sie an Körper und Geist gesunde Kinder erhalten. Insbe - sondere stellen die Beobachtungen in allen Ländern heraus, daß die Zahl der siechen und blödsinnigen Kinder zum großen Teil von dem Genusse geistiger Getränke seitens21 der Eltern abhängig ist. Die alten Karthager hatten ein Gesetz, nach welchem Eheleute zur Zeit ihres ehelichen Umganges nur Wasser trinken durften. Wo dieser Wink beobachtet wird, werden die Kinder viel weniger An - lagen zum körperlichen und geistigen Siechtum auf die Welt bringen.

Der Vater soll auch, so viel an ihm ist, Sorge tragen, daß nicht schwere Arbeit, Ge - nuß geistiger Getränke, oder heftige Ge - mütsbewegungen seitens der Mutter dem noch ungebornen Kinde Schaden bringen. Dasselbe gilt für die Zeit, in der das Kind von der Mutter genährt wird.

Die Sorge für den täglichen Un - terhalt der Kinder wird von der Großzahl der Väter als die schwerste Last empfunden. Aber trotz der Ausnahmen, die leider vor - kommen, wird diese Vaterpflicht im allgemei - nen vielleicht noch am besten erfüllt. Wo es in diesem Punkte fehlt, da ist der fatale Wirtshausbesuch daran schuld. Die Lieder - lichkeit und Verschwendung sind auch für den ledigen Mann Sünde, aber sie werden zur himmelschreienden Sünde für den Familien - vater, der sein Geld in das Wirtshaus trägt, und die Sorge für Nahrung und Kleidung22 der Seinigen vernachlässiget. Wehe solchen Vätern! Der Rabe und der Geier, der Tiger und der Löwe sind vor Gott ihre Ankläger, denn diese, so gefräßig sie sind, tragen wenigstens den Raub in ihre Ne - ster, in ihre Höhlen, um die Jungen zu nähren.

Die Sorge für das künftige Aus - kommen der Kinder erfordert zwei Dinge. Einmal sollen die Kinder durch Unterricht und besondere Ausbildung befähiget werden, daß sie in irgend einem Berufe später ihr Auskommen selber finden können. Das zweite Hilfsmittel für ihr Fortkommen ist eine an - gemessene Erbschaft. Der mittellose Vater suche durch Sparsamkeit wenigstens etwas anzusammeln und für seine Kinder zurück - zulegen. Wenn ihm dieses ohne sein Ver - schulden nicht gelingt, so sorge er dafür, daß er jedenfalls seinen Kindern die kostbaren - ter eines guten Namens und des Segens Got - tes als Erbe hinterlassen kann. Der Reiche braucht für seine Kinder nicht zum Geizhalse zu werden. Will er, daß der Reichtum den Kindern zur Wohlfahrt diene, so mache er, daß sie keinen Heller ungerechten Gutes von ihm erben, und daß auf ihrem Erbe jener23 Segen ruht, den christliches Wohlthun auf den irdischen Besitz herabzieht.

Die sittliche Erziehung soll nach den Begriffen der heutigen Welt das Kind zu einem guten Menschen, zu einem brauch - baren Mitgliede der menschlichen Gesellschaft erziehen. Ein gewisses Maß sittlicher Tugen - den ist unentbehrlich auch für die irdische Wohlfahrt. Laster und Verbrechen machen den Thäter und seine Umgebung unglücklich, während die Tugend Freude und Friede er - langt und austeilt. Schon die irdischen Rück - sichten verlangen somit, daß man die Kinder zu guten Menschen erziehe. Aber das Christen - tum hat von der sittlichen Erziehung eine wesentlich höhere Auffassung, indem es das sittliche Leben des Menschen mit dem gött - lichen Gesetze und der ewigen Bestimmung des Menschen in Zusammenhang bringt. Die sittliche Erziehung im christlichen Sinne des Wortes muß darum sich stützen auf die religiöse Erziehung, welche das Kind zum Glauben und zur Gottesver - ehrung, zur Gottesfurcht und zum Streben nach dem Himmel anleitet. Ohne religiöse Grundlage kann die Sittlichkeit nicht bestehen. Wenn man Gott und den Himmel außer24 acht läßt, so bleiben nur mehr irdische Beweggründe für das Handeln, zeitliche Vor - und Nachteile. Und diese können dem Menschen nie sittliche Festigkeit verleihen. Denn wenn es zeitliche Opfer kostet, gut zu sein, oder wenn die Sünde Genuß und Gewinn verspricht, wenn sie als einzige Retterin aus schwerer Verlegenheit er - scheint, wie wird dann derjenige der Ver - suchung widerstehen, dem der Glaube und die Furcht Gottes fehlen? Die tägliche Er - fahrung macht jede Antwort auf diese Frage überflüssig, sie zeigt genügend den Zusammen - hang zwischen Unglauben und Gewissenlosig - keit. Ganz anders gestaltet sich die sittliche Probe für denjenigen, der die Ueberzeugung hat: Ich habe über mir einen ewigen Ge - setzgeber, der mit allwissendem Auge mich beobachtet, und einst als unbestechlicher Rich - ter alle meine Gedanken, Worte und Hand - lungen richten wird. Auf mich wartet ein ewiges Leben in der Freude oder in der Qual. Die Entscheidung liegt in meiner Hand, und ich wäre ein großer Thor, wenn ich für die Befriedigung eines Augenblickes die ewige Glückseligkeit verscherzen und der Hölle schuldig werden wollte.

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Ohne Religiosität keine wahre Sittlich - keit, ohne Sittlichkeit keine irdische Wohl - fahrt, das ist ein Lebensgesetz, über welches man in der Erziehung niemals hinauskom - men kann, und dessen Verletzung sich immer selber straft.

Das bisher Gesagte hat seine Geltung, wenn man nur auf die irdische Bestimmung des Menschen und auf die Bedingungen schaut, unter denen allein die Erziehung ihr irdisches Ziel erreichen kann. Schon hie - für erweisen sich Religion und Sittlichkeit als unentbehrlich. Ordnung, Friede, Glück und Zufriedenheit, die höchsten Güter dieses irdischen Lebens, können nicht bestehen ohne die Sittlichkeit, die auf Religiosität gegrün - det ist. Aber es liegt auf der Hand, daß die religiöse und sittliche Erziehung ihr eigent - liches Ziel über dieser sichtbaren Welt hat. Der Mensch ist für die Ewigkeit geschaffen, dort ist seine wahre Bestimmung, dort darum auch das eigentliche Ziel der Erziehung, dorther stammen auch die Beweggründe, welche christliche Eltern zur eifrigen Erfül - lung ihrer Pflichten nötigen.

( Zum Eingang und Kyrie in der dritten Meßan - dacht. Seite 347.)

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4. Vaterpflichten. (Fortsetzung.)

(Beweggründe derselben.)

Alles, was den gewöhnlichen Christen antreiben soll, für seine Seele zu sorgen, gilt doppelt für die Eltern. Denn diese haben nicht bloß für ihr eigenes Heil zu sorgen. Wenn sie selber in den Himmel wollen, so müssen sie auch die Kinder für den Himmel erziehen. Die Liebe zu den Kindern und das Bewußtsein der eigenen Verantwortung bilden gleich starke Beweggründe für treue Erfüllung der Elternpflichten.

Der Vater hat den natürlichen Wunsch, daß seine Kinder auf Erden Reichtum, Glück und Ansehen erlangen. Er darf und soll sich bemühen, ihnen zu dieser irdischen Glück - seligkeit zu verhelfen. Aber ist das alles? Ist das die Hauptsache? Wie lange dauert das, und was folgt nachher? Alles Irdische, Reichtum und Ehre auf der einen, Armut und Niedrigkeit auf der andern Seite ver - lieren ihre Bedeutung, sie verschwinden wie ein Nichts, wenn man sie mit der Ewig - keit zusammenhält. Alles Süße und Bittere auf Erden ist flüchtig und vergänglich, es gleicht den Erquickungen und Beschwerden27 einer kurzen Reise. Himmel und Hölle aber sind ewig, sie sind es auch für das Kind, welches dem Vater anvertraut ist, und wohin es kommt, da wird es ewig bleiben. Welche Blindheit eines Vaters, welches Verbrechen an dem Kinde, wenn der Vater alles auf - bietet, seinem Kinde eine angenehme Reise in die Ewigkeit zu verschaffen, aber sich nicht darum kümmert, ob die Reise zu einem guten oder schlimmen Ziele führt! Ein Vater, der an die Ewigkeit glaubt, und sein Kind lieb hat, muß den festen Entschluß im Herzen haben: Was es auch kosten mag, mein Kind soll nicht ewig unglücklich werden, ich will alles thun, damit es seine ewige Bestimmung nicht verfehlt, ich will sorgen, daß es nach diesem kurzen Leben in den Himmel kommt.

So müßte ein christlicher Vater reden, wenn das ewige Heil und das zeitliche Glück des Kindes einander entgegenstehen würden. Er müßte unbedenklich das vergängliche Gut für das ewige zum Opfer bringen. Es er - giebt sich aber schon aus dem bisher Gesagten, daß ein solcher Widerspruch nicht vorhan - den ist, daß im Gegenteil die Sorge für die Seele das erste Erfordernis für die irdische Wohlfahrt ist. Für die Erziehung gilt ganz28 besonders das Wort des göttlichen Heilandes: Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und dieses alles wird euch hinzu gegeben werden. (Matth. 6,33.) Werden die Kin - der für den Himmel erzogen, so bewahrt man sie dadurch vor jenen Fehlern, durch welche heut - zutage so viele Kinder leichtsinnig sich selber unglücklich machen. Werden die Kinder für den Himmel erzogen, so werden sie fähig, die un - vermeidlichen Uebel dieses Lebens mit Mut und Trost zu ertragen, sie besitzen in ihrem Gott - vertrauen und in ihrer Hoffnung einen in - nern Frieden, den die Wechselfälle des Lebens nicht zerstören können. Werden die Kinder für den Himmel erzogen, so wird der Herr nach seiner Verheißung auch das übrige hin - zugeben, Er wird seinen Segen auf sie herab - senden, und ihnen so viel Glück und Frieden geben, als ihnen heilsam ist. Werden die Kinder für den Himmel erzogen, so werden sie also auch für die zeitliche Glückseligkeit erzogen, so weit eine solche überhaupt auf Erden zu finden ist. Ein Vater, der Glauben hat und sein Kind liebt, kann somit unmöglich darüber im Zweifel sein, was er vor allem andern und mit allen Kräften anzustreben hat. Seine erste und größte Sorge muß sein:29 Das ewige Glück seines Kindes im Himmel. Die Liebe zu der unsterblichen Seele des Kin - des muß jeden christlichen Vater nötigen, diese um jeden Preis zu retten.

Zu der Vaterliebe tritt als weiterer Be - weggrund die Verantwortung. Der Name Gott, sagt Schiller, weckt einen ernsten Nachbar auf, sein Name ist Richter. Damit hat er den Punkt getroffen, von dem der Unglaube der einen und die Gewissen - haftigkeit der andern ihren Ausgang nehmen. Die einen leugnen Gott, weil ihnen der Richter unbequem ist, die andern werden durch ihren Glauben an Gott genötiget, es mit ihren Pflichten ernst zu nehmen. Gott steht über uns als unser Gesetzgeber und Richter, wir sind seine Unterthanen, sein Wille ist unser Gesetz, und sein Richterspruch entscheidet über unser Heil in der Ewigkeit.

Gott hat dem Vater eine hohe Würde verliehen, ihn auf einen Vertrauensposten berufen, aber der hohen Berufung entspricht auch eine strenge Verantwortung. Der himm - lische Vater legt dem irdischen Vater ein schwaches, unbehilfliches Geschöpf, welches aber ein Ebenbild Gottes ist und eine un - sterbliche Seele hat, in seine Hände und giebt30 ihm den Auftrag, ihm Ernährer und Erzieher, Wächter und Beschützer zu sein. Nimm dieses Knäblein und nähre es mir, ich will dir deinen Lohn geben. (II. Mos. 2, 9.) So sprach die Tochter Pharaos zu der Mutter des Moses. So spricht die göttliche Vor - sehung zu Vater und Mutter, wenn ihnen ein Kind geschenkt wird. Nimm dieses Kind, und sorge ihm für Nahrung und Kleidung, erziehe es zu einem guten Christen, mache, daß du einen guten Lohn verdienst, wenn Ich es zurückverlange! Einst kommt der Tag, an dem das Kind von dem himmlischen Vater heimberufen wird. Erscheint es rein und heilig vor seinem Gott und Schöpfer, so macht Er es zu seinem Erben, zum Teil - nehmer an seiner Herrlichkeit. Aber auch die, welchen Er das Kind anvertraute, wer - den nicht vergessen, Er wird ihnen ihren Lohn geben. Wer Seelen für den Himmel erzieht, der ist würdig, selber in den Him - mel einzugehen. Je größer die Sorgen und Mühen, die Treue und Hingebung des Vaters, der Mutter gewesen sind, desto größer ist auch ihre Seligkeit. Das Glück des durch sie geretteten Kindes wird für sie in alle Ewigkeit ein Himmel in dem Himmel sein.

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Aber wenn die Kinder nicht in den Him - mel kommen, wie steht es dann mit den Eltern? Wie die ewige Wahrheit uns ver - sichert, wird der Richter über Leben und Tod einst beim allgemeinen Gerichte an viele die Worte richten: Weichet von Mir, ihr Ver - fluchten, in das ewige Feuer! (Matth. 25, 41.) Schreckliche Worte für jene, welchen sie gelten, nicht minder schrecklich für deren Väter und Mütter. Man sollte meinen, der Himmel müsse für solche Eltern aufhören, Himmel zu sein, wenn sie allein in denselben eingehen müssen ohne die Begleitschaft ihrer auf ewig verlorenen Kinder. Aber, ob sie allein ohne ihre Kinder Einlaß in den Himmel finden, das ist erst noch eine große und ernste Frage. Der Richter straft nicht bloß die Sünder, sondern auch die, welche an ihrem Verder - ben mitschuldig sind, und da stehen mei - stens die Eltern in der vordersten Reihe. Schon hienieden läßt sich bei Tausenden von Sündern leicht ersehen, daß ein Teil der Schuld auf ihre Eltern fällt. Beim letzten Gerichte wird das noch gründlicher unter - sucht und aller Welt offenbar werden. Es ist ein entsetzlicher Gedanke, daß Kinder vor dem ewigen Richter und vor den geöffneten32 Pforten der Hölle ihre Eltern als Ursache ihres Verderbens anklagen. Und doch ist nicht zu bezweifeln, daß dieses unzähligen Eltern wirklich begegnen wird. Dürfen Eltern auf den Himmel hoffen, wenn sie daran schuld sind, daß ihre Kinder ihn verfehlen? Der Apostel Paulus sagt: Wer für die Seinigen nicht Sorge trägt, der hat den Glauben ver - leugnet, er ist schlechter als ein Ungläubiger. (I. Tim. 5, 8.) Pflichtvergessene Eltern werden also vor dem ewigen Richter noch weniger bestehen, als Ungläubige.

Sind das nicht furchtbar ernste Wahr - heiten? Jeder Vater soll bedenken: Mein Kind wird nach einer kurzen Zahl von Jahren in die Ewigkeit hinübertreten. Es wird entweder in den Himmel oder in die Hölle kommen. Sein ewiges Los liegt zum größten Teil in meiner Hand, und ich bin für seine Seele vor Gott verantwortlich. Versäume ich meine Pflicht, so gefährde ich sein Heil, und seine Seele wird von mir gefordert wer - den! Wer kann das beherzigen, ohne daß ihn sein Glaube und seine Liebe zu dem Entschlusse drängen: Ich will nicht bloß meine Pflicht thun, ich will alles aufbieten, was mir mit der Gnade Gottes überhaupt mög -33 lich ist, ich will um jeden Preis das ewige Heil meines Kindes sicher stellen.

Der heilige Hieronymus war in bestän - diger heilsamer Furcht vor den Posaunen, die ihn zum Weltgerichte aufwecken werden. Wie viel mehr sollen jene dieses großen Tages ge - denken, welche nicht bloß für die eigene Seele, sondern auch für ihnen anvertraute Seelen Rechenschaft geben müssen! In der heiligen Schrift heißt es: In allen deinen Werken denke an die letzten Dinge, so wirst du in Ewigkeit nicht sündigen. (Pred. 7, 40.) Wenn ein christlicher Vater an die letzten Dinge denkt, so wird auch er seine Vaterpflichten nicht vernachlässigen.

( Zum Staffelgebet in der dritten Meßandacht. Seite 345.)

5. Vatersorgen.

Die Natur der Sache hat dem Worte Sorge einen Doppelsinn gegeben. Wer für etwas zu sorgen hat, d. h. etwas ausführen oder überwachen muß, der wird auch Sorgen (Kummer und Unruhe) haben, wenn er anders seiner Pflichten bewußt ist. Ein Seelsorger ohne Sorgen kann nie ein guter Seelsorger sein. Ebenso werden dem gewissenhaften34 Familienvater seine Pflichten zu Sorgen wer - den. Er soll seinen Kindern zum zeitlichen und ewigen Glücke verhelfen, aber der Er - reichung dieses Zieles stehen eine Menge von Hindernissen und Schwierigkeiten entgegen, welche die eifrigsten Bemühungen vereiteln können. Wie der Bauer erst dann die Sorgen los wird, wenn er das Korn in der Scheune hat, so hört für den Vater die Unsicherheit und Gefahr erst dann auf, wenn das Ziel erreicht ist. Leider giebt es auch Väter genug, welche sich ihre Sorgen sehr leicht machen, aber sie sind um dieses ihr scheinbares Glück nicht zu beneiden. Denn die Erfahrung zeigt, daß eine derartige Sorglosigkeit zur Quelle von Sorgen wird, für die es später keinen Trost mehr giebt.

Schon die Erwerbung des tägli - chen Unterhaltes für die Familie ist fast allgemein mit großen Sorgen verbunden. Es müssen ja weitaus die meisten Väter im Schweiße ihres Angesichtes mit der Arbeit ihrer Hände das tägliche Brot für sich und ihre Familie erringen. Die eigentlichen Nah - rungssorgen werden immer allgemeiner und drückender und klopfen immer lauter auch an die Thüre des Bauern und des Handwerkers. 35Das Auskommen zahlloser Familien beruht auf den zwei gesunden Armen des Vaters, und wenn diese durch Krankheit oder Ar - beitslosigkeit zur Unthätigkeit verurteilt wer - den, so kehren Armut und Not im Hause ein. Krankheiten und Todesfälle in der Fa - milie, Mißwachs und Hagelschlag, Stockungen von Gewerbe und Handel, Krieg und andere allgemeine Heimsuchungen gehören immer zu den möglichen Dingen. Die einen oder andern kehren nicht selten bei uns ein, sie werden von allen empfunden, aber auf nie - mand drücken sie schwerer, als auf die Väter und Mütter. Wenn es dem Vater gelingt, mit Gottes Hilfe seine Familie ehrlich durch - zubringen, so geschieht es jedenfalls nur unter mannigfachen täglichen Sorgen. Diese Sorgen werden nicht vermindert, wenn er auf die Zukunft schaut. Werden seine Kräfte aus - halten, bis die Kinder fähig sind, sich selber zu helfen? Wird es ihm gelingen, ihnen ein ehrliches Auskommen zu verschaffen?

Es giebt nur eine kleine Minderzahl von Vätern, welche sich nicht mit diesen Sorgen plagen müssen. Die übrigen sind sehr übel daran, wenn sie sich nicht zu einer christlichen Auffassung ihrer Lage zu erheben vermögen. 36Wenn sie die Sache bloß irdisch auffassen, so wird es sie erbittern, daß sie zu lebens - länglicher Not verurteilt sind, während andere neben ihnen schwelgen können, es wird sie schmerzen, daß sie ihren Kindern nur das nackte Leben und eine abhängige Lebens - stellung hinterlassen können, während bei andern mühelos Reichtum und Ueberfluß auf die Kinder übergehen. Wie nahe liegen da Neid und Mißgunst gegen fremdes Glück, und Unzufriedenheit und Groll über sein eigenes Schicksal! Durch eine unchristliche Auffassung des Lebens werden die täglichen Sorgen des gemeinen Mannes eigentlich ver - giftet und zur Unerträglichkeit gesteigert. Wehe ihm und seiner Familie, wenn er in dem gleichen unchristlichen Geiste sich dieser Sorgen zu entledigen sucht, indem er in halber Verzweiflung sich in den sinnlichen Genuß stürzt, oder die Faust ballt zum Umsturz der bestehenden Gesellschaft. Diese Verirrung ist heutzutage so begreiflich, daß man sie mehr beklagen als anklagen muß. Sie ist doppelt bemitleidenswert, weil der wahre Trost so nahe liegt.

Es sind viel weniger die äußern Ver - hältnisse, welche den Menschen glücklich oder37 unglücklich machen, als die innern Gesin - nungen. Schon wenn ich an die Ver - gänglichkeit alles Irdischen denke, so werde ich die Verschiedenheit der irdischen Le - bensstellung nicht zu hoch anschlagen. Sie dauert ja nur einen Augenblick und hat im Grunde nicht viel mehr Bedeutung als die Verschiedenheit der Theaterrollen. Wenn ich an die Vorsehung glaube, so weiß ich, daß nicht der Zufall den Nachbar an seine und mich an meine Stelle gesetzt hat, sondern der himmlische Vater, der mit mir die besten Absichten hat, und mit väterlicher Liebe für mich besorgt ist. Wenn ich auf den Himmel hoffe, so erhebt mich diese Hoff - nung über Freuden und Leiden dieses ver - gänglichen Lebens. Neid und Mißgunst er - scheinen mir als Thorheit, und ich bin mit meinem Lebenslauf zufrieden, wenn ich ihn nur als Weg zum ewigen Ziel betrach - ten kann.

Jeder gläubige Christ muß das Leben so anschauen, und wer diese Gesinnungen hat, wird mitten unter den schweren Sor - gen dieses Lebens zufriedener und getrösteter sein, als der Millionär mit den Anschauungen des modernen Heidentums.

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Damit ist deutlich genug gesagt, worin der geplagte Familienvater mit seinen zeit - lichen Sorgen Trost suchen soll. Er muß an die Vorsehung glauben und auf den Himmel hoffen. Seine Arbeiten und Sorgen sind ein Tagwerk, das ihm der himmlische Hausvater aufgelegt hat, und für welches ihm schon der Lohn im Himmel bereit liegt. Der Herr des Himmels betrachtet die Kinder als seine eigenen, den Vater als seinen Stellvertreter, Er will beide segnen und beschützen, und alles muß gut gehen, wenn sie sich seines Segens und Schutzes nicht unwürdig machen. Darum soll der Vater mit den Seinigen beten und arbeiten. Er soll arbeiten, d. h. das Seinige thun in Thätigkeit, Mäßigkeit und Sparsamkeit und tugendhaftem Wandel, und er soll beten, d. h. mit Furcht und Ver - trauen zu Gott aufschauen, Ihn verehren, um seine Hilfe bitten und auf seinen Segen hoffen. Dann darf er getrost allen Sorgen und ungewissen Wechselfällen des Lebens entgegenschauen, der Herr wird ihn nicht verlassen, und in jeder Lage ihm und den Seinigen Schützer und Helfer sein. Und wenn mit der Zahl der Kinder auch die Sorgen zu wachsen scheinen, in ein Haus, wo man39 betet und arbeitet, wird jedes neue Kind auch einen Zuwachs an Segen Gottes bringen. Auch der gottesfürchtigsten Familie bleiben Kreuz und Leiden, die einmal von diesem Leben untrennbar sind, nicht erspart. Aber immer wird Gott mit seinem Troste und seiner Hilfe ihr nahe sein. Immer wird der fromme und gläubige Vater auch in bedrängter Lage mit Tobias zu den Seinigen sagen können: Wir führen zwar ein armes Leben, aber wir werden viele Güter haben, wenn wir Gott fürchten und seine Gebote halten. (Tob. 4, 23.)

Mit dieser tröstlichen Lehre von der Vor - sehung vergleiche man die Verzweiflung des Unglaubens. David Strauß, selber ein be - kannter Ungläubiger, schildert dieselbe mit folgenden erschütternden Worten: Der Weg - fall des Vorsehungsglaubens gehört in der That zu den empfindlichsten Einbußen, die mit der Lossagung von dem christlichen Kirchen - glauben verbunden sind. Man sieht sich in die ungeheure Weltmaschine mit ihren eisernen gezahnten Rädern, die sich sausend umschwin - gen, ihren schweren Hämmern und Stampfern, die zermalmend niederfallen, in dieses ganze furchtbare Getriebe wehr - und hilflos hinein -40 gestellt, keinen Augenblick sicher, bei einer unvorsichtigen Bewegung von einem Rade erfaßt und zerrissen, von einem Hammer zerschmettert zu werden. Dieses Gefühl des Preisgegebenseins ist wirklich entsetzlich. Man kann die Trostlosigkeit des Unglaubens nicht ergreifender darthun, als es hier ein Ungläubiger selber thut. Wenn du, der du dieses liesest, auch arm bist, bewahre den Glauben an die Vorsehung, die Hoffnung auf den Himmel, und du bist reich genug und kannst auch deine Kinder reich machen.

( Der Glaube an die Vorsehung. Seite 491.)

6. Vatersorgen. (Fortsetzung.)

(Die Gefahren des Heiles.)

Noch mehr muß die religiöse und sittliche Erziehung dem christlichen Vater ein Gegenstand der Sorgen sein. Es gilt, das Kind für den Himmel zu erziehen. Aber es ist noch nicht sicher, daß es dort - hin gelangen wird. Schon die Möglichkeit, daß es sein ewiges Ziel verfehlen kann, ist für den Vater ein genügender Grund zur Besorgnis. Diese Besorgnis muß noch größer werden, wenn er auf die Schwierigkeiten und41 Hindernisse einer guten Erziehung schaut, auf die Gefahren und Versuchungen, denen das Kind entgegengeht, auf die mannigfachen Klippen, an welchen das Heil seiner Seele scheitern kann. Wir alle müssen für unsere eigene Seele das Wort des heiligen Paulus beherzigen: Wirket euer Heil mit Furcht und Zittern. (Phil. 2, 12.) Der Vater, dem es ernst ist mit dem ewigen Heil seiner Kinder, muß diese Mahnung des Apostels auch auf die Erziehung anwenden.

Es wird noch mehrfach Gelegenheit geben, diesen Gegenstand näher zu erwägen. An dieser Stelle mag es genügen, darauf hinzu - weisen, wie die religiöse und sittliche Erziehung heutzutage viel schwieriger ist als ehemals.

Es hat eine Zeit gegeben, wo die häus - liche Erziehung sozusagen von allen Seiten unterstützt, und von keiner Seite erschwert wurde. Die Kinder wuchsen auf unter den Augen der Eltern, sie standen bis zur Voll - jährigkeit unter ihrer unmittelbaren Ueber - wachung und Leitung. Kirche, Schule und Familie waren von dem gleichen christlichen Geiste beseelt und wirkten in Erziehung und Unterricht einträchtig zusammen. Gefahren für den Glauben des jungen Christen gab42 es sozusagen keine, und den sittlichen Ge - fahren, die ebenfalls viel seltener waren, standen die kräftigsten Schutzwehren entgegen. Gefährliche Schriften, Gelegenheiten zu Ver - gnügen und Genuß, insbesondere das Wirts - haus und die vielen weltlichen Feste und Aus - flüge waren seltene, in manchen Gegenden unbekannte Dinge. Dagegen war die öffent - liche Meinung in der Gemeinde durchdrungen vom Geiste des Glaubens und eine strenge Sittenrichterin. Sitte und Herkommen bil - deten eine Schutzwehr gegen sittengefährliche Ausschreitungen, verhüteten Aergernisse oder bestraften sie empfindlich, und wurden so maßgebend für den Wandel des jungen Ge - schlechtes. So wurden die Kinder erzogen durch die Kirche, die Schule, den guten Geist und die Sitten ihrer Umgebung, sie wuchsen heran zu gläubigen Christen, lernten ihre religiösen Pflichten erfüllen, beflissen sich eines eingezogenen, tugendhaften Wandels, ge - horchten und dienten noch erwachsen ihren Eltern, ohne daß von diesen zur Erziehung derselben viel mehr erfordert wurde, als das gute Beispiel. Wo alles für den gleichen Zweck zusammenwirkt, da wird das Ziel viel leichter und sicherer erreicht. So war43 es mehr oder weniger in den Tagen unserer Väter, in der sogenannten guten alten Zeit.

Wie ganz anders sieht es jetzt aus! Es ist, als ob eine dämonische Gewalt den har - monischen Bau der Jugenderziehung in hun - dert Stücke auseinander gesprengt hätte. Die meisten Väter sind nicht mehr bei ihren Kin - dern, sie müssen ihrer Arbeit, ihren Geschäften nachgehen, und wenn sie frei sind, suchen sie lieber das Wirtshaus auf, als ihren häus - lichen Herd. Die Schule, wo die Kinder viele Jahre lang die meiste Zeit zubringen, kümmert sich von Gesetzeswegen nicht mehr um Reli - gionsunterricht und religiöse Erziehung und an manchen Orten muß man sogar zufrieden sein, wenn sie nur dabei bleibt und nicht noch nachteilig wirkt. Die Kinder verlassen das El - ternhaus lange bevor die Erziehung abgeschlos - sen ist, um ihr Brot zu verdienen oder in die Lehre zu treten. Die Welt ist überschwemmt mit glaubens - und sittenfeindlichen Schriften, die allzuoft auch der Jugend in die Hände geraten. Noch näher liegen die Aergernisse religiöser Gleichgültigkeit, das Beispiel, die Gelegenheit, die Versuchung leichtsinnigen Lebensgenusses. Damit hält gleichen Schritt das Sinken des elterlichen Ansehens, die all -44 zufrühe Selbständigkeit des Kindes, welches vielfach sein eigener Herr wird, bevor es erzogen ist, und mitten in die Gefahren der Welt hineingestellt ist, bevor es denselben gewachsen ist. Man möchte wieder über die junge Generation ausrufen, wie einst der heilige Augustin zur Zeit des Unterganges der römischen Civilisation über eine Schar junger Christen ausrief: Mache sie, o Herr, aus Kindern zu Greisen! Um ohne Schaden durch die Welt zu kommen, sollten sie im zarten Alter schon die Erfahrung, die Vor - sicht und die Festigkeit des gereiften Alters besitzen.

Dieses Bild trifft glücklicherweise nicht überall vollständig zu, aber es ist die Signatur der neuen Zeit, ist an vielen Orten bereits verwirklicht und fast an allen Orten im Wer - den begriffen. Kann man da die Kinder auch noch für den Himmel erziehen? Können die Eltern so auf sie einwirken, daß sie unter solchen Verhältnissen den Glauben und die Tugend bewahren und zu guten Christen heranwachsen? Es ist schwer, diese Frage mit einem einzigen Worte zu beantworten. Sicher ist, daß es in der heutigen Welt wim - melt von verwahrlosten Kindern und von45 jungen Christen, welche den Gefahren der Welt erliegen, sobald sie in dieselben hinein - geraten. Sicher ist, daß zu diesen Unglück - lichen die Kinder aller gleichgültigen und nach - lässigen Eltern gehören, und daß, wie die Er - fahrung sattsam zeigt, jede Versäumnis in der häuslichen Erziehung später ihre schlimmen Früchte trägt. Sicher ist, daß es für die Eltern viel schwieriger und mühevoller ist, ihre Kinder für Gott und den Himmel zu erziehen, als dieses in früheren Zeiten der Fall war, und daß darum alle Kinder, deren Eltern ihre hohe Aufgabe nicht ernst genug nehmen, in der größten Gefahr sind. Sicher ist aber auch, daß unsere heilige Religion ei - nen unerschöpflichen Reichtum an Hilfsmitteln für alle heilsbegierigen Seelen und für alle eifrigen Eltern besitzt, und daß es in der Welt keine Gefahren giebt, welche mit Hilfe derselben nicht überwunden werden können. Sicher ist, daß die Christen der ersten Jahr - hunderte in einer noch schlimmeren Welt ihre Kinder so erziehen konnten, daß sie mitten unter den Greueln des Heidentums in be - wundernswerter Unschuld aufwuchsen und als Helden für den Glauben in den Tod gingen. Sicher ist, daß unsere Religion auch46 heute noch dieselbe übernatürliche Kraft und Hilfe besitzt und für alle bereit hält, welche sie im Ernste gebrauchen wollen. Sicher ist, daß ein gläubiger und eifriger Vater im - mer noch mehr Macht über seine Kinder hat, als die ganze Welt, und daß er sie jetzt noch zu guten und standhaften Christen erziehen kann, wenn er sich in Wort und That, in Ueberzeugung und Leben an den Wahlspruch des israelitischen Heerführers Josue hält: Ich und mein Haus, wir wol - len dem Herrn dienen. (Jos. 24, 15.)

Ein Vater mag neben den Kindern auch an die Kindeskinder und die spätere Nachkommenschaft denken. Er kann der Stammvater einer weitverzweigten Fa - milie werden, welche in einer Reihe von Generationen Jahrhunderte lang fortbesteht. Sein Blut und sein Name lebt in seinen Nachkommen fort, und er muß den Wunsch haben, daß sie auf Erden Wohlfahrt und Achtung finden, und einst zum ewigen Glücke gelangen. Es wäre für ihn sehr schmerzlich, wenn er ahnen könnte, daß sein Same als Unkraut auf Erden fortwuchern werde, in Elend und Not und sittlicher Verkommen - heit, beladen mit der Verachtung der Mit -47 menschen, und unwürdig des ewigen Glückes im Jenseits.

Aber hier handelt es sich nicht bloß um Furcht und Hoffnung und leere Wünsche, son - dern um die eigene Verantwortung des Vaters für das Los seiner Nachkommenschaft. Mit einer sorgfältigen Erziehung seiner Kinder kann er den Glauben und die Gottesfurcht in seiner Familie auf Generationen hin be - festigen, und so der Urheber ihres zeitlichen und ewigen Glückes werden. Aber auch die Sünden, die er als Vater begeht, seien es auch nur Unterlassungssünden, können über seinem Grabe noch in den Enkeln und Ur - enkeln fortwirken und Verderben stiften. Die Nachwirkungen einer guten oder schlechten Erziehung lassen sich gar nicht überschauen und berechnen; sie können sich erstrecken bis an das Ende der Welt.

Alles Gute oder Böse im Leben des Vaters kann zum Segen oder Fluche werden für seine Nachkommen, und sie wie ein Stern des Glückes oder wie ein dunkles Verhäng - nis begleiten. Denn es steht geschrieben, daß der Herr Barmherzigkeit übe bis ins tau - sendste Glied, aber auch, daß Er vergelte der Väter Missethat an den Kindern und Kindes -48 kindern bis ins dritte und vierte Glied. (II. Mos. 34, 7.) Und der Psalmist ruft den - tern das aufmunternde Wort Zu: Der From - men Geschlecht wird gesegnet. (Ps. 111,2.)

( Zum Evangelium in der dritten Meßandacht. S. 352.)

7. Vaterfreuden.

Für den Vater giebt es Freuden des Frühlings und Freuden des Herbstes, Freu - den der Gegenwart und der Zukunft. Die gegenwärtigen sind die Freuden des Familienlebens. Die heilige Schrift schildert das Glück des tugendhaften Vaters im Kreise der Seinigen mit den begeisterten Worten: Glückselig alle, die den Herrn fürchten, die da wandeln auf seinen Wegen. Denn von der Arbeit deiner Hände wirst du essen: Heil dir, es wird dir gut gehen. Dein Weib ist wie ein fruchtbarer Weinstock an den Wänden deines Hauses; deine Kin - der sitzen im Umkreise deines Tisches wie junge Sprößlinge des Oelbaums. Siehe, also wird der Mann gesegnet, der den Herrn fürchtet! Der Herr segne dich aus Sion, und lasse dir sehen das Glück Jerusalems alle Tage deines Lebens. (Ps. 127, 1 5.)

Der heilige Sänger scheint bei diesem Lob - lied auf das Familienglück besonders den49 Bauer und Arbeiter im Auge zu haben, welche essen von der Arbeit ihrer Hände. Er preist ein Glück, welches sie mit den Königen gemeinsam haben, und in der Regel besser ge - nießen können als diese. Die eigentliche Stätte der Freude und des Glückes für den Familien - vater soll der Kreis der Seinigen sein. Er soll nicht bloß mit seinen zwei Armen, son - dern auch mit seinem Herzen der Familie angehören. Wie er die Lasten und Sorgen des Lebens für sie tragen muß, so soll er auch seine Freuden mit ihr teilen, und die Familie, der Gegenstand seiner Sorgen, soll auch die Quelle seiner Freuden sein. Wenn schon der Gärtner an den Blumen seine Freude hat, die unter seiner Pflege aufblühen, wie viel mehr der Vater an seinen Kindern! Wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein. (Matth. 6, 21.) Der Schatz des Vaters können nur seine Kinder sein. Darum sollte sein Herz immer bei ihnen weilen, und wenn das Joch der Arbeit fällt, soll ihn die Vater - liebe in ihre Mitte führen, und der Umgang mit ihnen soll ihm zur Herzensfreude werden. Die alten Römer kannten zwei heilige Stätten, den häuslichen Herd und den Altar, und an die - sen beiden schöpften sie Begeisterung für die50 Werke des Friedens und des Krieges. Für den christlichen Vater sind beide Stätten noch heiliger und ehrwürdiger geworden, er soll noch lieber an denselben weilen.

Leider gleichen heutzutage viele Väter kurzsichtigen Wanderern, welche schmachtend durch die Wüste ziehen. Die grünende Oase mit der frischen Quelle beachten sie nicht, so nahe sie ihnen auch ist. Dafür kaufen sie sich um hohen Preis trübes, schlammiges und ungesundes Wasser. Es ist himmeltraurig, daß die Familienfreuden für so viele Väter eine verschüttete Quelle sind, von deren süßen Wassern sie keine Ahnung haben. Auf dieser armseligen Erde erblühen den geplagten Sterb - lichen ohnehin nicht so viele Freuden. Warum müssen gerade die nächsten, die wohlfeilsten, die edelsten und reinsten so vielfach unbenutzt, oft gänzlich unbekannt bleiben!

Die Sage erzählt von Vampiren, welche den Menschen im Schlafe das Blut aussaugen, und sie so langsam entkräften und töten. Ein solcher Vampir bedroht heutzutage das Glück und die Existenz der Familie, und sein Name ist Wirtshaus. Dieses entzieht der Familie das Geld, und bringt über Tau - sende Dürftigkeit und Not, zuletzt völlige51 Verarmung. Das Wirtshaus entzieht der Familie das Herz des Vaters, welches lieber anderswo als bei den Seinen weilt. Es ist da, wo sein Schatz ist, im Wirtshaus. Das Wirtshaus macht die Wohnstube der Seinigen gerade zur Zeit der Erholung zum öden Gemach, weil der Vater fehlt, ohne den die Mutter in gewissem Sinne Witwe und die Kinder Waisen sind. Es erübrigt nur noch, um das Elend voll zu machen, daß der Vater halb oder ganz betrunken zu der vernach - lässigten, vielleicht hungernden, Familie heim - kehrt und sie ärgert und mißhandelt.

Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn viele Väter für ihre Kinder halbfremde Menschen sind, denen diese keine innige An - hänglichkeit, kein volles Zutrauen entgegen - bringen, die sie vielleicht sogar als pol - ternde Störer des häuslichen Friedens fürchten und fliehen. Das erklärt manche betrübende Erscheinung im Familienleben, das Sinken des väterlichen Ansehens, die Bitterkeit und Unzufriedenheit der Mutter, die Roheit und Ungezogenheit der Kinder, die Unordnung, die Zerfahrenheit und freudelose Oede im Hause, welche alle Familienglieder lang - weilt und forttreibt, die Kälte, den Trotz,52 den Undank bei einem Teile der reiferen Jugend.

Der Vater muß in der heutigen Zeit allzuviel notgedrungen seiner Familie ferne bleiben. Das läßt sich nicht ändern, aber um so mehr sollte er bei ihr sein, wenn er nicht gehindert ist. Junge Väter sind mei - stens nicht allein schuld, wenn sie sich an den Wirtshausbesuch gewöhnt haben. Man hat sie dazu erzogen. Es kostet ein Opfer, lieb - gewonnene Angewöhnungen zu ändern. Die Unterhaltung zu Hause mag ihnen gegenüber den Wirtshausfreuden anfänglich vorkom - men wie ein Gericht, das nicht gesalzen ist. Der Geschmack an den einfachen und edlen Freuden der Familie kann bei solchen nur nach und nach kommen, wird aber nicht aus - bleiben. So ist es mit allem Heilsamen und Guten. Immer gilt das Wort: Wer Mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst. (Luk. 9, 23.) Christus läßt uns zuerst die Bitterkeit des Opfers kosten, die Süßigkeit folgt erst nach, ist dann aber beseligend und bleibend. Der Teufel macht es umgekehrt. Er reicht zuerst die süße Lockspeise, und wenn die armen Opfer angebissen haben, so über - läßt er sie ihrem Schicksale.

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Die Freuden des Herbstes genießt der Vater, wenn die Früchte der Erzie - hung heranreifen. Wie glücklich ist ein Vater, wenn er sein Tagwerk vollbracht hat, und der Erfolg ihm zeigt, daß er seine Sache gut gemacht hat! Die Kinder sind wohl - erzogen und unterrichtet, sie finden ihr gutes Auskommen, sie sind die Freude und die Ehre ihres Vaters, voll dankbarer Gesinnung gegen ihn, stets bereit, ihm nach Bedürfnis die erwiesenen Wohlthaten dankbar wieder - zuvergelten. Vielleicht erfüllt der Herr an ihm den Segenswunsch des heiligen Sängers: Der Herr lasse dir sehen die Kinder deiner Kinder und Frieden über Israel! (Ps. 127, 6.) Beneidenswertes Alter eines solchen Vaters! Bei der Hinfälligkeit, die über ihn kommt, tröstet ihn das Aufblühen des ausgestreuten guten Samens, die Liebe und Dankbarkeit und das Glück der Seinigen. Und kommt es zur Trennung, so nimmt er die Hoffnung mit in das Grab, die dem frommen Tobias er - füllt wurde: Seine ganze Verwandtschaft und sein ganzes Geschlecht verharrte in gutem Leben und heiligem Wandel, also daß sie sowohl Gott als den Menschen und allen Bewohnern des Landes angenehm waren. (Tob. 14, 17.)

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Die Trennung ist nur eine zeitweilige. Er geht voran durch die dunkle Pforte in die lichte Heimat. Die andern werden der Reihe nach ihm folgen. Jeder neue Ankömmling aus seinem Stamme wird von ihm freudig begrüßt, und wird seiner Seligkeit neuen Zuwachs bringen. Wenn sein Geschlecht Jahrhunderte fortdauert, er wird am Throne Gottes sein Fürbitter sein, auf daß alle Glie - der desselben zu demselben ewigen Glücke gelangen. Erst wenn der letzte seiner Nach - kommen glücklich das Ziel erreicht hat, wer - den seine Vaterfreuden vollkommen sein und ewig dauern. Siehe, also wird der Mann gesegnet, der den Herrn fürchtet! (Ps. 127, 4.)

Es läge nahe, hier auch den Schmerz des Vaters zu schildern, wenn seine Arbeit für das diesseitige und jenseitige Leben miß - lungen ist. Nicht alle Väter sind schuld an dem Verderben ihrer Kinder. Aber Gott weiß, wie viele keine Entschuldigung haben. Wenn jede Selbstanklage bitter ist, so kann doch keine bitterer sein, als die Selbstan - klage des Vaters. Ich bin selber schuld, daß meine Kinder böse Wege wandeln, daß sie in Elend und Verachtung leben, ich bin selber schuld, daß sie mir mit Undank begegnen,55 mich verachten und verstoßen, ich bin selber schuld an ihrem ewigen Verderben. Wahr - lich, wenn es sonst keine Hölle gäbe, eine solche Selbstanklage wäre Hölle genug. Ich will dieses Bild nicht weiter ausmalen. Es giebt keine Farben, die dazu schwarz genug sind. Das Kapitel von dem Lachen und Weinen des Vaters ist ja ohnehin uner - schöpflich. Darum breche ich es ab mit einer Erinnerung, die mir einst in einem alten Buche begegnete: Als du geboren wur - dest, weintest du, und die Deinigen lächel - ten. Lebe so, daß, wenn es zum Sterben kömmt, du lächeln kannst und die Deini - gen weinen.

(Bete den besonderen Segen für Hausväter nach der heiligen Kommunion. Seite 392.)

8. Der christliche Vater.

Vaterwürde, Vaterpflichten, Vatersorgen, Vaterfreuden jeder Mensch, der nicht ganz roh ist, wird diesen Worten einen tiefen Sinn unterlegen. Aber die Bedeutung dieser Worte wird doch bei den einzelnen verschie - den sein, sie wird in ihrem Werte steigen und fallen, je nachdem ihre religiösen An - schauungen beschaffen sind.

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Manche reden in schönen Worten von Religion, von den Vorzügen und der Not - wendigkeit der Religion, aber sie denken sich dabei etwas ganz anderes, als die christliche Religion. Bei näherer Prüfung stellt sich heraus, daß sie wohl die Religion als ein Bedürfnis des menschlichen Herzens aner - kennen, daß sie aber in Bezug auf die Be - friedigung dieses Bedürfnisses sehr genüg - sam sind. Für sie handelt es sich nicht um religiöse Wahrheiten und allgemein verbind - liche Gesetze, sondern um Gefühle und religiöse Vorstellungen, die jeder sich selbst bilden kann, wie es ihm zusagt, und die darum bei dem einen so, bei dem andern anders beschaffen sind, und nach Gutfinden gewechselt werden können. Es handelt sich in ihren Augen nur darum, daß diese religiösen Vorstellun - gen dem menschlichen Herzen Befriedigung, einige Erhebung und Erbauung zu bie - ten vermögen. Manche halten sich schon für religiös, wenn sie, ohne irgendwie bestimmte religiöse Anschauungen zu ha - ben, sich durch einen Gesang, eine Grab - rede u. s. w. zu edleren Gefühlen und einigen verschwommenen Ahnungen anregen lassen.

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Es ist klar, daß eine solche Religiosität nur jenen genügen kann, welche ihren Blick auf das irdische Dasein beschränken. Wer aber höher hinaufschaut, und an ein künf - tiges Leben in der andern Welt denkt, der kann sich mit einer solchen Religion bloßer Gefühle und selbstgemachter Vorstellungen nicht zufrieden geben. Es drängt ihn zu erfahren, wie es im Jenseits aussieht, und was er thun muß, um dort an einen guten Ort zu gelangen. Mit selbstgemachten Ein - bildungen, mit unverbürgten Vermutungen über das Schicksal der Seele nach dem Tode ist ihm nicht geholfen. Diese können die Seele höchstens bis an die Pforten des Jen - seits beruhigen, aber welches Unglück und Entsetzen, wenn sie sich dort als Täusch - ung herausstellen! Wenn der Satz, jeder könne glauben, was er wolle, bedeuten soll, es sei gleichgültig, was ein jeder glaube, so erweist er sich da als große Thorheit. Angesichts der Ewigkeit heißt er so viel als: Jeder kann sich selber zum besten halten, sich selber betrügen, wenn er will. Es handelt sich offenbar nicht darum, was wir glauben wollen, sondern was wir glauben müssen, d. h. es handelt sich um die Wahrheit. Wir58 können nur ruhig sein, wenn wir diese ganz und sicher besitzen.

Wie aber kommen wir zu dieser Wahr - heit? Nicht durch Menschen, welche dieselbe wohl ahnen, aber nicht mit Sicherheit ermit - teln können. Das beweisen die Unsicherheit, die Widersprüche, die Verworrenheit der menschlichen Ansichten. Als Plato, der große Weltweise der Griechen, diese Frage erörterte, sagte er: Mir dünkt es das beste, ruhig abzuwarten, bis einer kommt und uns belehrt, wie wir uns gegen Gott und die Menschen zu verhalten haben. Damit hat Plato, einer der weisesten Sterblichen, die Unfähigkeit des menschlichen Erkennens und die Notwendig - keit einer göttlichen Offenbarung ausgespro - chen. Diese Offenbarung ist uns gebracht worden durch Jesus Christus. Durch Ihn, der sich als den Sohn des Allerhöchsten aus - gewiesen hat, erfuhr die Menschheit klar und bestimmt und zweifellos sicher, was sie von Gott und der jenseitigen Welt und dem Wege dorthin zu wissen braucht.

Es ist klar, daß die Bekenner der Lehre Christi sich durch ihre Ueberzeugung zu einem ganz anderen Leben und Streben verpflichtet sehen, als jene, die sich ohne Religion oder59 mit einer selbstgemachten Religion zu behelfen suchen. Ebenso muß jedermann einleuchten, daß die Erziehung der Kinder und die Pflich - ten des Vaters in wesentlich anderem Lichte erscheinen, je nachdem sie im christlichen oder in einem diesem entgegengesetzten Sinne aufgefaßt werden. Es ist für jeden Vater wichtig, diese Gegensätze zwischen Christen - tum und Welt in der Erziehung wohl zu beachten.

Der erste Gegensatz besteht in Bezug auf das Ziel der Erziehung. Einem gläu - bigen Christen braucht man nicht lange zu beweisen, daß die Hauptaufgabe der Erzieh - ung darin besteht, den Kindern zu dem ewigen Glücke zu verhelfen, und daß die Sorge für ihr irdisches Fortkommen zwar auch Pflicht ist, aber bei weitem nicht die gleiche Bedeutung hat. Christus hat das Programm der christ - lichen Erziehung ausgesprochen, indem Er sagte: Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet? (Luk. 9, 25.) Die mo - derne Welt, soweit sie den Boden der gött - lichen Offenbarung verlassen hat, schaut die Sache umgekehrt an. Ihr Sinnen und Streben ist so auf die irdischen und vergänglichen Dinge60 gerichtet, als ob es etwas Höheres und Ewi - ges gar nicht gäbe. Dieser Weltsinn wirkt auch auf die Erziehung ein und hat zur Folge, daß man die Hauptsorge darauf verwendet, die Kinder für das irdische Leben gut zu erziehen, und daß die Sorge für das ewige Heil der Kinder davor zurücktritt, wohl auch ganz beiseite gesetzt wird. Auch Eltern, die nicht ungläubig sind, bringen oft sorg - los ihre Kinder in Häuser oder Anstalten, die wohl für ihr irdisches Fortkommen dien - lich sein mögen, wo aber ihr Seelenheil ernst - lich gefährdet ist.

Der zweite Gegensatz zwischen christlicher und moderner Erziehung ist der zwischen christlicher Zucht und weltlicher Verweichlichung. Nach der Lehre der Offenbarung sind die Folgen des Sünden - falles auch in dem Kinde vorhanden in der bösen Begierlichkeit. Es ist eine der Haupt - aufgaben der christlichen Erziehung, die an - ererbten verkehrten Anlagen und Neigungen des Kindes zu verbessern. Darum wendet das Christentum das Gesetz der Selbstbe - herrschung auch auf die Erziehung an. Die elterliche Zucht übt dieselbe aus, weil der Wille des Kindes hiefür noch zu schwach ist,61 sie unterdrückt die schlimmen Regungen, pflegt die guten, und hält so gute Ordnung mit den äußern und den Gemütsbewegungen des Kindes, damit dieses, wenn es den Ge - brauch seines freien Willens erlangt, seinen sittlichen Zustand wie ein wohlgeordnetes Reich zur Selbstregierung übernehmen kann.

Die moderne Welt glaubt nicht an den Sündenfall, darum auch nicht an eine anererbte Verdorbenheit in der Natur des Kindes. Da - rum hat die Erziehung auch keine verkehrten Anlagen in demselben zu bekämpfen. Dieser Irrtum leistet jener falschen Erziehung we - sentlichen Vorschub, welche von einer ernsten Zucht nichts mehr weiß, welche die Kinder verzärtelt und verweichlichet, welche gerade die Sinnlichkeit und den Eigensinn großzieht, welche gezügelt werden sollten. Wer so er - zogen wird, gelangt gar nie in den vollen Besitz seiner sittlichen Freiheit, indem er von seinen nie bekämpften, und darum über - mächtig gewordenen Neigungen beherrscht wird, statt daß er, wie es sein sollte, über sie herrscht.

Der dritte Gegensatz zwischen Christen - tum und moderner Welt in der Erziehung bezieht sich auf das Verhältnis zwischen62 Religion und Sittlichkeit. Sittlich erziehen, d. h. die Kinder mit einem gewissen Maße bürgerlicher Tugenden ausstatten, will auch die Welt, aber sie irrt sich in Bezug auf die Erfordernisse. Das Christentum bietet dem sittlichen Leben und der sittlichen Er - ziehung das feste und zuverlässige Fundament erstens in seinen Glaubenslehren, welche den Christen mit den stärksten Beweggründen (Allwissenheit und Gerechtigkeit Gottes, ewi - ger Lohn, ewige Strafe) vom Bösen ab - schrecken und zum Guten antreiben, und zweitens in der göttlichen Gnade, welche den Christen mit Licht und Kraft von Oben zum Guten befähiget.

Die Welt glaubt dieses christliche Funda - ment der Sittlichkeit entbehren zu können, sie will gut erziehen nur mit natürlichen Beweggründen und nur mit natürlichen Mitteln. Bis zu einem gewissen Punkte mag das auch scheinbar gelingen, bis nämlich der junge Mensch unabhängig wird, und die Versuchungen und Kämpfe des Lebens ihn auf die Probe stellen. Da zeigt es sich dann bald, daß man in der Erziehung falsch ge - rechnet hat, und der ganze sittliche Bau nur auf Sand gebaut war. Die Baumeister hatten63 vergessen, daß der Anfang der Weisheit die Furcht Gottes ist. (Ps. 110, 10.)

Man sehe sich um in der heutigen Welt, man beobachte, wie erzogen wird, und welche Früchte die Erziehung trägt, und man wird nicht lange darüber im Zweifel sein, wer die Erziehung richtiger auffaßt, das Christen - tum oder die moderne Welt. Die Kinder nach den richtigen Grundsätzen erziehen, und ihnen zu dem wahren Glücke verhelfen, kann nur der christliche Vater. Aber auch für ihn gilt das Wort des heiligen Pacian: Christ ist mein Name, katholisch mein Zuname.

( Zum Credo in der dritten Meßandacht. Seite 353.)

9. Der katholische Vater.

Der heilige Paulus bemerkt den Ephe - siern, der Herr habe Apostel, Hirten und Lehrer verordnet, damit wir nicht mehr Kin - der seien, die (wie Meereswellen) hin - und herfluten und von jedem Winde der Lehre hin - und hergetrieben werden durch die Schalkheit der Menschen, durch die arglistigen Kunstgriffe der Verführung zum Irrtume. (Eph. 4, 14.) Es genügt nicht, daß Gott den Menschen die Wahrheit offenbarte, es bedarf64 auch einer von Gott eingesetzten Autorität, welche die Offenbarungslehre unter gött - lichem Beistande unverändert forterhält, und ohne Irrtum auslegt und verkündet. Diese Autorität haben wir in der von Christus gestifteten und vom heiligen Geiste geleiteten Kirche. Sie heißt die römische Kirche, weil ihr Oberhaupt als Nach - folger des heiligen Petrus Bischof von Rom ist; sie heißt die katholische oder allgemeine, weil sie für alle Zeiten und Völker bestimmt, und über alle Erdteile ausgebreitet ist; sie heißt die apostolische, weil ihre Vorsteher Nachfolger der Apostel sind, und sie ihre Lehren und Gnadenmittel von den Aposteln erhalten hat; sie ist heilig, weil ihr Stifter, ihre Lehre, ihre Sakramente heilig sind, und sie zu allen Zeiten heilige Mitglieder hatte; sie ist einig, weil sie immer und überall dieselbe Lehre, dasselbe Opfer und dieselben Sakramente und ein gemeinsames Oberhaupt hat. Ohne diese Merkmale könnte sie nicht die wahre von Jesus Christus gestiftete Kirche sein. Da sie dieselben aber besitzt und all - ein besitzt, so erweist sie sich dadurch mit Ausschluß aller andern als die alleinige wahre Kirche.

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Wie notwendig diese Kirche ist, wird unleug - bar dargethan durch die Art, wie Dutzende von Sekten, die sich von der Kirche trennten, mit den geoffenbarten Wahrheiten und den gött - lichen Gnadenmitteln umgegangen sind, und durch die Verirrungen, in welche sie dabei hineingeraten sind. Jede dieser vielen Irr - lehren machte ihre Anhänger nach dem Worte des heiligen Paulus wieder zu Kindern, zu Meereswellen, die unsicher hin - und herflu - ten und von jedem Winde der Lehre hin - und hergetrieben werden. Nicht besser, wenn möglich noch schlimmer, ist es in der moder - nen Welt, die von einer göttlichen Offen - barung nichts mehr wissen will. Wo noch ein Steinchen religiöser Ueberzeugung vorhanden ist, wird es von diesen unruhigen Wellen der einander widersprechenden und immer wech - selnden Meinungen allmählich zu Sand zerrie - ben, und die ganze Bewegung treibt sichtlich dem allgemeinen Zweifel und Unglauben zu.

Mitten unter diesem Wechsel und Wider - spruch menschlicher Meinungen steht die Kirche da wie der Fels, der von Wogen umbraust wird. Die menschlichen Ansichten kommen und gehen, erheben sich und sinken wieder, wie die Wogen des Meeres, die Kirche aber verkün -66 det unentwegt die unveränderte und volle Wahrheit, die ihr von Christus übergeben wurde. Sie beweist damit, daß sie wirklich jene Kirche ist, welche Christus auf einen Felsen gegründet hat. (Matth. 16, 18.)

Als einst viele Jünger den göttlichen Hei - land verließen, sprach Er zu den Zwölfen: Wollt auch ihr weggehen? Und Simon Petrus antwortete Ihm: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Und wir haben geglaubt und erkannt, daß Du bist Christus, der Sohn Gottes. (Joh. 6, 67 70) In der Welt, wie sie einmal ist, tritt auch an manche Katholiken die Frage heran: Wollt auch ihr hinweggehen? Viele sind leichtsinnig genug, der Kirche den Rücken zu kehren und die Wege der Welt zu wandeln. Wer aber erwägt, um was es sich handelt, wo die Wahrheit nicht sein kann, und wo sie sein muß, der wird mit Petrus antwor - ten: Wohin sollen wir gehen? Das Heil meiner Seele darf ich nicht solchen anver - trauen, die selber nicht wissen, woran sie sind, und die lästern, was sie nicht verstehen. Nur Christus und seine Kirche können mir genügende Sicherheit für mein Heil in der Ewigkeit bieten. Die Entscheidung zwischen67 Himmel und Hölle ist mir zu ernst, die Ewigkeit zu lang, als daß ich da blindlings und aufs Geratewohl wählen dürfte. Darum will ich in Ueberzeugung und Leben ein Glied der katholischen Kirche sein.

Wenn jeder Christ um des Heiles seiner Seele willen so reden muß, so noch mehr der Vater, weil er nicht bloß für seine Seele, sondern auch für die Seelen seiner Kinder verantwortlich ist. Die ganze Aufgabe des Vaters ist eigentlich darin gelegen, daß er seine Kinder zu guten Christen macht. Bringt er das zu stande, so werden sie auch tugend - hafte Menschen und gute Bürger sein, und mit dem ewigen wird auch das zeitliche Ziel der Erziehung erreicht werden.

Die Kirche will aber dem Vater nicht bloß Pflichten auflegen, sondern ihm auch kräftige Hilfe leisten. Die Kirche ist selber die erste Erzieherin in der Welt und hat seit bald zweitausend Jahren diese Arbeit im großen besorgt. Wenn die Eltern sich treu an sie anschließen, so stellt sie ihnen gewissermaßen ihr Lehr -, Priester - und Hirtenamt zur Ver - fügung, um das große Werk der elterlichen Erziehung zu fördern und zu einem guten Ziele zu führen.

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Das kirchliche Lehramt wirkt bei der Erziehung mit durch die Erteilung des Re - ligionsunterrichtes. Unterricht und Erziehung gehören zusammen und müssen ein Ganzes bilden. Wenn Religionslehrer und Eltern einander in die Hände arbeiten, so werden trotz der zu kurzen Zeit, und trotz mancherlei Hindernissen Religion und Glaube im Her - zen des Kindes gepflegt und befestiget wer - den können. Bei dem von der Kirche ge - sendeten Religionslehrer wissen die Eltern, was er ihren Kindern beibringt, außerhalb der Kirche haben sie keine Sicherheit mehr, ob Christus oder Antichristus gelehrt wird.

Auch das Priesteramt steht in innigen Beziehungen zu der elterlichen Erziehung. Durch das heilige Sakrament der Ehe erhal - ten die Eltern eine überaus wichtige und kostbare Standesgnade. Durch die heilige Taufe wird das Kind ein Glied der Kirche, Miterbe Christi, Bürger des Himmels. Die Teilnahme am Gottesdienst, der Empfang der heiligen Sakramente sind wichtig für die Eltern, um Gnade und Aneiferung für ihre wichtige Aufgabe zu bekommen, sie sind wich - tig für die Kinder, damit sie nicht bloß in die Kenntnis, sondern auch in die Uebung69 der Religion eingeführt werden, damit sie nicht bloß äußerlich gut erzogen, sondern auch innerlich geheiliget werden.

Das Hirtenamt der Kirche ist eigentlich das Amt der Erziehung in Bezug auf die ganze Gemeinschaft der Gläubigen. In der Seelsorge soll es die Eltern selber zu treuer Pflichterfüllung anregen, dieselbe überwachen und unterstützen. In der heutigen Welt, wo so viele Dinge einer guten Erziehung entgegenwirken, und so wenige sie befördern, ist es von der größten Bedeutung, daß Seel - sorger und Eltern treu zusammenwirken. Bei der reiferen Jugend wird dieses Zu - sammenhalten das unerläßliche Erfordernis sein, um sie auf dem rechten Wege zu be - halten. Erwägt man, was die Kirche den Eltern zur Erfüllung ihrer Aufgabe für Hilfe bietet, so möchte man meinen, daß sie nur für sie da sei. Insbesondere den Eltern gilt das Wort des heiligen Paulus: Alles ist euer, sei es Paulus oder Apollo oder Ke - phas, alles ist euer, ihr aber seid Christi. (I. Kor. 3, 22.)

Je bessere Katholiken die Eltern sind, je mehr sie sich an die Kirche anschließen, desto stärker und glücklicher werden sie in70 der Erziehung sein. Denn alsdann bemühen sie sich nicht bloß mit ihrer eigenen mensch - lichen Kraft und Einsicht, sondern die Stell - vertreterin Desjenigen, der die Welt über - wunden hat, wird ihnen dann mit ihrer erprobten Weisheit und mit ihrer weltüber - windenden Kraft ratend und helfend zur Seite stehen. Als das Volk Israel durch die Wüste in das gelobte Land zog, leitete eine bald dunkle, bald feurige Säule seine Schritte. Dieser Zug Israels durch die Wüste ist ein Sinnbild un - serer eigenen Wanderschaft durch dieses Leben. Das wandernde Volk sind wir; die Feuer - säule ist die Kirche. Diese ist es, die den der Ewigkeit zuwandernden Geschlechtern bald ernst mahnend, bald tröstend und auf - munternd den rechten Weg zeigt. Der selige Pfarrer Vianney von Ars hat gesagt: Ich habe schon viele kennen gelernt, die es ge - reut hat, sich von Christus und seiner Kirche losgesagt zu haben, aber noch keinen einzigen, den es gereut hat, Ihm und der Kirche treu geblieben zu sein.

Wir nennen die katholische Kirche eine Mutter, weil sie alle durch Christus erlösten Seelen als ihre Kinder umfaßt und liebt, weil sie mit mütterlicher Sorgfalt und un -71 ermüdlichem Eifer alle zu retten sucht, weil sie mit unbegrenzter Hingebung die verlornen Kinder aufsucht, die getreuen überwacht und pflegt, bis sie in die ewige Heimat einge - gangen sind. Der Liebe der Mutter soll die Liebe der Kinder entsprechen. Der Katholik soll seine Kirche wie eine Mutter lieben und hochschätzen, er soll als treuer Sohn ihr ge - horsam sein, für ihre Rechte einstehen, an ihren Bedrängnissen und Sorgen lebhaften Anteil nehmen und ihr helfen und beistehen, so gut er es vermag. Alle können das durch frommes Gebet für die Anliegen der Kirche, und den meisten ist es auch möglich, für die vielen Bedürfnisse der Kirche in der einzelnen Gemeinde, im Bistum, in den in - und aus - ländischen Missionen und in Bezug auf ihr Oberhaupt ihr Scherflein beizutragen. Es handelt sich nicht um die Größe der Gaben, sondern um die Liebe zur Kirche, die sich in denselben ausspricht. Christus wäre mächtig genug, um seiner Kirche auch auf andere Weise zu helfen, aber Er will in ihren Nöten und Anliegen den Katholiken Gelegenheit geben, sich als liebende Kinder einer liebe - vollen Mutter zu zeigen.

(Bete die Ablaßgebete nach der hl. Kommunion. S. 394.)

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10. Das heilige Sakrament der Ehe.

Der heilige Paulus hat es als den Grund - gedanken des Christentums bezeichnet, daß alles in Christus erneuert werde. (Eph. 1, 10.) Die Tiefe und Erhabenheit dieses Gedankens wird uns ein wenig näher gerückt, wenn wir betrachten, wie Christus die Ehe erneuert hat. Dieselbe verdankt Ihm eine dreifache Erhöhung, eine sociale, sittliche und religiöse.

Die sociale Bedeutung der christ - lichen Ehe. Von den sieben Sakramenten, welche Christus eingesetzt hat, sind fünf be - stimmt, allen Gläubigen ohne Unterschied von der Geburt bis zum Tode die beson - deren Gnaden zu vermitteln, deren sie in den verschiedenen Lagen des Lebens für ihr Heil bedürfen. Die beiden übrigen Sakra - mente, die Priesterweihe und Ehe, haben eine Bestimmung, die über das persönliche Heilsbedürfnis hinausgeht, sie sollen den Mitgliedern der beiden wichtigsten Stände im neuen Gottesreiche besondere Standes - gnaden verleihen. Der eine dieser beiden Stände soll am Altar, der andere am häus - lichen Herde für die Forterhaltung des Rei - ches Gottes wirksam sein. Wenn schon den73 Völkern der Heiden Herd und Altar die hei - ligsten Stätten waren, wenn die Losung für Herd und Altar sie zu begeisterter Opfer - willigkeit entflammte, so haben diese beiden Stätten im Reiche Christi eine noch viel höhere Bedeutung erlangt.

Priestertum und Ehe sind die beiden Quellen, aus welchen das natürliche und übernatürliche Leben in der Kirche her - vorgeht und fortwährend erneuert wird. Auf dem Altare wird das Opfer gefeiert, vom Altare aus ergießen sich die Ströme der sakramentalen Gnaden, ertönt der Ruf des Wortes Gottes. Von ihm aus gehen Erbauung, Heiligung und Gnade auf alle Glieder der kirchlichen Gemeinschaft, um alle im Glauben zu einigen, alle Gläubigen zu heiligen, um alle Geheiligten durch die Pforten des Himmels zum ewigen Leben einzuführen. Die unentbehrliche Voraus - setzung dieser kirchlichen Heilsthätigkeit ist das Priestertum und der ununterbrochene Fortbestand desselben. Christus hat dafür vorgesorgt durch das Sakrament der Weihe, welches alle Vollmachten, die Er den Apo - steln gegeben hat, auf ihre Nachfolger über - trägt, und ihnen neben der Gewalt eine74 besondere Standesgnade verleiht. Die Träger des Priesteramtes gehen vorüber, aber ihr Amt mit seiner höhern Macht und Gnade lebt fort in den neuen Trägern, auf welche es durch die Weihe übergeht.

Diesem so erhabenen und überaus wich - tigen Priesterstande hat Christus den Ehestand insofern an die Seite gestellt, daß Er auch für ihn ein Sakrament zur Vermittlung einer besonderen Standesgnade eingesetzt hat. Hier ist die Quelle des natürlichen, dort des über - natürlichen Lebens. Herd und Altar, Priester - stand und Ehestand, beide verhalten sich wie Geburt und Wiedergeburt. Am häuslichen Herde wird der Mensch für das irdische Leben geboren, am Fuße des Altares wird der Christ als solcher für das ewige Leben wie - dergeboren. In der Erziehung sollen die Priester und die Eltern in demselben Geiste für denselben Zweck zusammenwirken. Das Ziel des Reiches Gottes könnte nicht erreicht werden, wenn nicht auch die Ehe, der häus - liche Herd, die Erziehung demselben zustreben würden. Was vermöchte die Kirche ohne die Familie? Darum haben Ehe und Fa - milie schon von Anfang an in dem Plane des Reiches Gottes die ihnen gebührende75 Stellung erhalten. Sie sind nicht bloß ein weltlich Ding , wie Luther meinte. Der heilige Paulus betrachtet die Ehe als ein Abbild der Verbindung zwischen Christus und seiner Kirche, sie soll eine Kirche im Fleische sein (Hettinger), weil die Eltern eine Art priesterlicher Aufgabe haben, dem Reiche Gottes Söhne und Töchter zu schenken, und so mitzuwirken zu dem Ausbau der großen Stadt Gottes auf Erden. Darum hat Christus nicht den jungfräulichen Stand, den Er doch so hoch gepriesen hat, sondern den Ehestand durch die sakramentale Würde ausgezeichnet.

Die sittliche Höhe der christlichen Ehe. Der Stand der Ehe war nach dem Sündenfalle einer tiefen Entwürdigung an - heimgefallen, und selbst das mosaische Gesetz vermochte nicht, alle Entstellungen zu be - seitigen. Es war Christus allein möglich, sie in ihrer Reinheit wieder herzustellen. Er verlieh ihr wieder die Einheit, so daß sie nur zwischen zwei Personen, Mann und Weib, bestehen kann, Er erklärte ihre Unauflöslich - keit, so daß sie bis zum Tode des einen Gatten unauflöslich fortbesteht, Er verlangte ihre Heiligkeit in gegenseitiger Treue und Liebe,76 in Reinheit und Gottesfurcht. Diese drei Eigenschaften haben die christliche Ehe hoch erhoben über den Sumpf sittlicher Ver - kommenheit, in welchen sie in der Zeit vor Christus versunken war. Er hat damit der Begierlichkeit des Fleisches ein Joch aufge - legt, welches diese schwer findet, aber doch trägt und tragen muß, so weit Christus regiert. Es ist das nicht der letzte Beweis für die göttliche Macht, die im Christentum lebt, daß es mit dieser Reform der Ehe durchzu - dringen vermochte.

Auf dem Boden des Christentums war diese Erneuerung der Ehe unerläßlich. Ohne dieselbe hätte sie ihrer Stellung im Reiche Gottes unmöglich entsprechen können. Ohne Einheit der Ehe ist kein Familienleben mög - lich, ohne die Unauflöslichkeit hat die Treue der Gatten und die Erziehung der Kinder kei - nen festen Halt, ohne Heiligkeit wird sie auch weder für die Gatten noch für die Kinder Früchte des Heiles bringen können. Sobald an dem Gesetze gerüttelt wird, welches Chri - stus für die Ehe aufgestellt hat, sinkt sie wieder von der Höhe herab, auf die sie Christus erhoben hat, und verliert den Charakter eines heiligen Standes und einer Heilsanstalt.

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Die religiöse Erhebung der Ehe. Diese liegt in dem sakramentalen Charakter und der sakramentalen Gnade, die sie in Christus erlangt hat. Der Abschluß der Ehe ist ein Sakrament, und die Wirkung dessel - ben ist nicht bloß eine vorübergehende, son - dern es heiliget den Stand, in den man durch dasselbe eintritt, für die ganze Dauer der Ehe, es verleiht eine besondere Standes - gnade, die fortwirken soll, so lange die Pflich - ten des Standes bestehen. Diese Auffassung der Ehe ist ebenso ernst als tröstlich und erhebend. Es ist für gebrechliche Menschen nichts Leichtes, sich im Kampfe gegen das Böse und in der Erfüllung der Pflichten auf der Höhe zu erhalten, auf welcher Christus und die Kirche die Eheleute haben wollen. Aber es ist erhebend, seinen Stand im Reiche Gottes so hochgestellt zu sehen, es ist er - mutigend, in den Versuchungen des Lebens, bei der Erfüllung der Standespflichten an die besondere Standesgnade denken zu kön - nen. Freilich wird diese so wichtige und so wirksame Standesgnade von vielen christlichen Eheleuten allzuwenig gewürdiget. Aber wem es ernst ist mit seinem Glauben und seinen Pflichten, der wird sich dieser Gnade freuen,78 auf sie vertrauen und sie fleißig im Gebete erneuern. Sollte sie durch eine schwere Sünde unwirksam werden, so darf er nicht säumen, sich mit Gott zu versöhnen, damit sie in seinem Herzen wieder auflebt und aufs neue wirksam wird.

Die Anwendungen, die sich aus dem Ge - sagten für den christlichen Vater, für seine hohe Stellung, seine schweren Pflichten, die ihm zur Verfügung stehenden Gnaden er - geben, sind nicht schwer zu machen. Die Würde und die Anforderungen seines Stan - des sind hoch, zu hoch für fleischlich gesinnte Menschen, aber sie bestehen einmal, und sie sind auch erreichbar für ihn, wenn er guten Willens ist. Er entschließe sich, ein christlicher Gatte und Vater zu sein, er glaube an die Gnade seines Standes, bete um ihre Vermehrung und wirke derselben getreu mit. Dann wird auch er, wie der heilige Paulus und alle, welche ernstlich das Ihrige thun, sagen können: Ich vermag alles in Dem, der mich stärkt. (Phil. 4, 13.)

Es ist sehr wichtig, nicht bloß an diese hohe Bedeutung des Ehesakramentes und des Ehestandes zu glauben, sondern sich auch öfters daran zu erinnern. Eine passende79 Gelegenheit hiefür ist der Empfang der hei - ligen Sakramente. Insbesondere sollten Gatte und Gattin am Jahrestage ihrer Trauung oder am folgenden Sonntage dieselben ge - meinsam empfangen, um mit gereinigtem Herzen, vereiniget mit Christus, auch unter sich den heiligen Bund neu zu bekräftigen und die Standesgnade und gute Vorsätze ge - meinsam zu erneuern.

Sollten solche dieses Buch zur Hand neh - men, die noch nicht Gatten und Väter sind, aber sich berufen glauben, es zu werden, so mögen sie beherzigen, welche ernste Vor - bereitung dem Antritt eines so wichtigen und heiligen Standes vorausgehen muß, und sollen vorsorgen, daß sie mit reinem Gewissen, heilsamen Entschließungen, Gottesfurcht und Gottvertrauen an den Altar treten, um die Segnungen und Gnaden, die der Herr für sie bereit hat, in reichstem Maße zu empfangen.

(Bete den besonderen Segen für Väter nach der heiligen Kommunion. Seite 392.)

11. Gatte und Gattin.

Um ein christlicher Vater zu werden, muß man zuerst ein christlicher Gatte sein. Nur80 der Christ kann als Gatte glücklich sein und ein glücklicher Vater werden. Am Hochzeits - tage führt der Bräutigam seine Braut mit den freudigsten Hoffnungen an den Altar. Sie ist die Erkorene seines Herzens, deren Besitz ihn glücklich macht. Wenn er auch an die Sorgen und Mühen des Lebens denkt, so beruhigt ihn ein Blick auf seine Lebens - gefährtin, welche ihm dieselben versüßen wird. Ist ihm auch das Wort bekannt, wel - ches den Ehestand einen Wehestand nennt, so läßt er sich doch von dem schlimmsten Weh nichts träumen, er glaubt nicht, daß je Abneigung und Zwietracht ihre Herzen auseinander reißen und den Bund, den sie schließen, zu einer Kette machen könnten, die beide an hoffnungsloses Elend fesselt. Und doch, wie oft trifft das leider zu, was man am Traualtare nicht für möglich hält!

Das Gesetz, nach welchem Ehen und Fa - milien glücklich oder unglücklich werden, ist ausgesprochen in dem Worte des Herrn: Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und dieses alles wird euch hin - zugegeben werden. (Matth. 6, 33.) Suchen die Ehegatten zuerst das Reich Gottes, d. h. fürchten sie Gott, wandeln sie nach seinem81 Gesetze, sorgen sie vor allem für das Heil ihrer Seele, so wird zwar die Erde nicht aufhören, auch für sie ein Jammerthal zu sein, aber es wird ihnen weder am natürlichen noch am übernatürlichen Troste gebrechen, sie wer - den auch in bescheidenen Verhältnissen ein zufriedenes Leben führen können, und jeden - falls werden sie vor selbstverschuldetem Elend bewahrt bleiben. Kreuz und Leiden, die von Gott kommen, sind für Christen immer noch erträglich, aber schwer, erdrückend schwer sind die Leiden, die man selbst verschuldet hat. Besonders im Ehestand pflegt die Strafe der Schuld auf dem Fuße nachzufolgen. Jede Abweichung vom Gesetze Gottes, welche Ehegatten sich erlauben, rächt sich selbst durch die schlimmen Folgen, die leider auch den unschuldigen Teil und die Kinder treffen. Es würde keine zwiespältigen Ehen, keine selbstverschuldete Armut geben, mehr als die Hälfte der häuslichen Mißverhältnisse würde von der Erde verschwinden, wenn alle Ehe - gatten zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suchen würden.

Vergißt der Mann das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, so ist es seine Schuld, wenn er an dem Weibe nicht hat, was es82 ihm nach den Absichten Gottes sein soll. Bei der Erschaffung der Eva sprach Gott: Lasset Uns ihm eine Gehilfin machen, die ihm gleich sei. (I. Mos. 2, 18.) Dem Mann ist es bestimmt, mit vieler Arbeit, im Schweiße seines Angesichtes das Brot zu erwerben. Das Weib, obgleich der schwächere Teil, ist von Natur aus befähiget und berufen für die Besorgung des Hauswesens und der Kinder. Sie kann und soll aber auch dem Manne noch in höherem Sinne Gehilfin sein. Nicht bloß hat sie in ihrem Gemütsleben einen großen Reichtum von Mitteln, um dem Manne auch unter niederem Dache eine an - genehme Stätte zu bereiten, ihm die rauhe Wirklichkeit mit Teilnahme, Aufmunterung und Trost zu versüßen, sondern sie soll nach den Absichten Gottes ihm auch eine Gehilfin sein, das höchste Ziel im Jenseits zu erreichen.

Wenn das geschehen soll, so darf sie ihm aber weder bloßes Spielzeug noch Sklavin sein, sondern die würdige Hausfrau, die er als Christ liebt und in Ehren hält, gegen die er als christlicher Ehemann getreulich alle seine Pflichten erfüllt. Nur ein christlicher Gatte kann seine Gattin glücklich machen und durch sie glücklich werden. Das Glück83 beider steht und fällt mit den Tugenden der Arbeitsamkeit, Sparsamkeit, Mäßigkeit, Ge - duld, Sanftmut, Treue, Gewissenhaftigkeit und Gottesfurcht. In der heiligen Schrift wird als Pflicht des Gatten gegen die Gattin insbesondere die Liebe betont, und mit Grund, weil die Erfüllung dieser einen Pflicht die aller andern in sich schließt. Adam sagte: Der Mann wird seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhan - gen, und sie werden zwei sein in einem Fleische. (I. Mos. 2, 24.) In höherem Sinne schreibt der heilige Paulus: Männer, liebet euere Weiber, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat. So sollen auch die Männer ihre Weiber lie - ben, wie ihren eigenen Leib. Wer sein Weib liebt, der liebt sich selbst. Denn niemand hat je sein eigenes Fleisch gehaßt, sondern er nährt und pflegt es, wie auch Christus die Kirche. (Eph. 5, 25. 28.) Während man die Worte Adams auf die sinnliche Liebe beziehen kann, faßt der heilige Paulus die Gattenliebe als eine sittliche Pflicht auf. Meistens ist es die sinnliche Zuneigung, welche die Gatten zusammenführt, sie darf und soll auch bei der Wahl mitsprechen, aber sie ist84 nicht geeignet, für alle Zukunft die treue Erfüllung der Gattenpflichten zu verbürgen. Mag die Leidenschaft im Anfang noch so feurig sein, im Laufe der Zeit erkaltet sie, wie auch die Reize, welche sie weckten, ver - gänglich sind. Das sinnliche Wohlgefallen muß zur gegenseitigen Achtung erhoben, die natürliche Zuneigung zur sittlichen Pflicht, zur christlichen Tugend verklärt werden. Denn die Pflichten müssen erfüllt werden, wenn auch die natürlichen Neigungen schweigen oder gar widerstreben sollten.

Die Liebe des Gatten muß sich auf einem doppelten Gebiete bewähren. In irdischer Beziehung soll der Ehemann für die nötigen Lebensbedürfnisse sorgen, seiner Gattin mit Achtung und Liebe begegnen, und in gesun - den und kranken Tagen sich um sie kümmern, wie um sich selbst. Sind sie ja zwei in ei - nem Fleische, und niemand hasset sein eigenes Fleisch. Das Gebot des Herrn: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst , ist hier im strengsten Sinne zu nehmen.

Dieses Gebot wird verletzt von jenen Männern, welche den Ertrag ihrer Arbeit in das Wirtshaus tragen, statt für die Be - dürfnisse der Haushaltung zu sorgen. Die85 Liebe eines solchen Gatten ist eine parteiische, denn seinem Leibe läßt er zu viel zukom - men, zum Nachteile der Gesundheit, und der andern Hälfte entzieht er das Notwendige. Was seine Gurgel unnötig und im Ueber - maß bekommt, müssen sein Weib, seine Fa - milie mit Entbehrung entgelten. Heißt das die Gattin lieben, wie seinen eigenen Leib? Was wird der Herr, in dessen Namen der heilige Paulus redete, einst zu einem solchen Manne sagen, wenn die Stunde der Rechen - schaft kommen wird!

Viele Gatten sind auch karg mit jenen Liebeserweisen gegen die Gattin, welche nichts kosten, überhaupt nichts erfordern, als ein wenig Liebe und guten Willen gegen sie. Was sollte natürlicher und selbstverständlicher sein, als daß der Mann die freien Stunden, deren vielleicht nur wenige sind, dem Um - gange mit seiner Lebensgefährtin widme! Wenn er das versäumt, so kann er kaum eine echte Liebe zu ihr haben. Denn es steht geschrieben: Wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein. Manche Männer ge - wöhnen sich auch an, nur in polterndem Tone etwas von ihr zu verlangen, sie beim Kom - men und Gehen kaum zu grüßen, ihr selten86 nur ein freundliches Gesicht zu zeigen. Wohl erfährt der Mann vielfach das Leben von seiner rauhen Seite, und sein Gemüt wird leicht davon beeinflußt, aber das ist nicht der rechte Weg, es die Gattin wissen zu lassen. Ein solcher Mann hat keine Ahnung, wie viel Freude, Ermutigung und Trost er sei - nem Weibe und durch sie sich selber mit ein paar freundlichen Worten bereiten könnte. Die Frau fühlt sich als den schwächeren Teil, als abhängig, hat ein weiches, empfindliches Gemüt, sie wird gekränkt und niedergedrückt, wenn ihr die ihr gebührende Achtung und Liebe im Umgang entzogen wird. Ein sol - cher Mann ist selber schuld, wenn ihr Herz sich vor ihm verschließt, und ihr Umgang kalt und ungemütlich wird. Er hat den Schlüssel zu ihrem Herzen in seinen Händen. Er zeige ihr, daß er lieber bei ihr ist, als anderswo, er bezeige ihr ein wenig Achtung und Liebe, indem er ihr einige freundliche Worte gönnt, indem er in seinen Kümmernissen bei ihr Ermunterung sucht, statt sie im Unmute an - zupoltern. Oft schlummert im Herzen der frommen Gattin eine Fülle von Trost und Lebensmut, welche der starke Mann bei sich selber nicht findet. Es steht geschrieben:87 Einer trage des andern Last. (Gal. 6, 2.) Was dem einen Gatten fehlt, hat Gott dem andern gegeben. Sie können und sollen sich die Last erleichtern, auch mit Trost und Auf - munterung. Es ist traurig, daß viele diese Quelle der Ermutigung sich selber verschließen.

Diese Pflichten des Mannes gegen die Frau werden von dem heiligen Paulus in ein noch helleres Licht gestellt, indem er dem Gatten Christus selber als Vorbild vor Augen hält. Er soll sein Weib lieben, wie Christus seine Kirche liebt, er soll sie nähren und pflegen, wie Christus seine Kirche. (Eph. 5, 25. 28.) Wie hat Christus seine Kirche geliebt, was hat Er für sie gethan? Er hat sich für sie da - hingegeben, Er hat alles für sie geopfert. Er hat ihr das Wort gegeben und hält es auch, bei ihr zu bleiben, bis an das Ende der Welt. Wo immer die Kirche ihr Zelt aufschlägt, und sei es noch so armselig, da kommt Er und weilt bei ihr im Tabernakel. Er nährt sie und ihre Kinder mit seinem eigenen Fleische und Blute, Er hat ihr den ganzen Reichtum des Erlösungswerkes für die große Haushaltung des Reiches Gottes übergeben. Er steht ihr bei in guten und schlimmen Tagen mit seiner ganzen gött -88 lichen Macht. Auch im Himmel, auf dem Throne seiner Herrlichkeit, umjubelt von den himmlischen Heerscharen:, scheint Er nur an seine Braut auf Erden zu denken, nur sie zu lie - ben, nur für sie zu leben. So ist Christus nach dem heiligen Paulus das Vorbild des christ - lichen Ehemannes und zugleich der künftige Richter desselben. Wie gleichen Ihm die Wirtshausmänner der heutigen Zeit? Was wird Er einst zu diesen sagen? Wir wissen es bereits, Er hat es zum voraus durch sei - nen Diener Paulus verkünden lassen: Wenn jemand für die Seinigen und besonders für die Hausgenossen nicht Sorge trägt, der hat den Glauben verleugnet, er ist schlechter als ein Ungläubiger. (I. Tim. 5, 8)

(Epistel in der ersten Meßandacht. Seite 293.)

12. Gatte und Gattin. (Fortsetzung.)

(Gegenseitige Heiligung.)

Ein anderes, höheres Gebiet, auf dem sich die Gattenliebe bewähren soll, ist das der gegenseitigen Heiligung. Wenn christliche Eheleute einander wirklich lieben, so muß ihr erster und höchster Wunsch dahin gehen, daß sie miteinander in den Himmel kom - men. Ist es ihnen ernst mit diesem Wunsche,89 so werden sie auch Eifer haben, einander des Himmels immer würdiger zu machen, sich gegenseitig die Erlangung desselben im - mer mehr zu sichern, mit andern Worten: Es muß ihre erste Sorge sein, einander gegenseitig zu heiligen.

So selbstverständlich diese gegenseitige Heiligung unter Christen sein sollte, so selten ist die Uebung derselben. Und doch würde durch sie eine Menge von Uebeln und Elend von der Ehe ferngehalten. Sie allein ist im stande, die christliche Ehe zur eigentlichen Höhe der Würde und des Glückes zu erhe - ben, welche ihr Christus zugedacht hat. Wo gegen diese gegenseitige Heiligung gefrevelt wird, da muß es meistens schon in diesem Leben bitter gebüßt werden. Ich will ein wenig näher auf die Sache eingehen.

Alle Ehegatten sind schwache Menschen, und wenn auch die erste Liebe die beider - seitigen Gebrechen übersehen mag, nach und nach giebt der eine und der andere Teil gewisse Rücksichten auf und zeigt sich, wie er ist; gleichzeitig gelangt man beiderseits zu einer nüchternern Anschauung und so kommt es, daß man manches aneinander sieht, was man vorher nicht gesehen hat,90 und auch jetzt lieber nicht sehen möchte. Gar oft sind diese unliebsamen Entdeckungen der Ausgangspunkt von neuen Fehlern und von Störungen des ehelichen Friedens, die sich bis zur Unheilbarkeit weiter entwickeln kön - nen. Kommt es auch nicht so weit, so ist es doch unvermeidlich, daß jeder Fehler des Mannes oder der Frau das gute Einver - nehmen und das Glück der Ehe mehr oder weniger beeinträchtiget.

Bei der innigen Lebensgemeinschaft zwischen den beiden Gatten ist es ganz natürlich, daß die Gatten einander ge - genseitig besser oder schlimmer machen. Ge - wisse Fehler des einen Teiles werden auf den andern Teil wirken mit der Macht des bösen Beispieles, des Aergernisses, z. B. ihn zur Lauheit, zur religiösen Gleichgül - tigkeit oder zu sittlichen Fehlern verleiten, andere Fehler werden den Zorn, die Eifer - sucht, die Erbitterung und Abneigung auf der anderen Seite herausfordern. Umgekehrt können die Gatten einander auch in Wort und Beispiel zum Guten aufmuntern und aneifern und so einander Führer zum Himmel werden.

Wenn einst der Tod die beiden Gatten voneinander scheidet, so werden sie nicht91 mehr die gleichen sein, wie im Anfange ihrer Ehe. Entweder haben sie einander auf dem Wege zum Himmel vorwärts oder rückwärts gebracht, und bei dem Gerichte des zuerst ster - benden Teiles findet auch schon eine halbe Ab - rechnung statt für den überlebenden Teil. Wel - cher Trost für diesen, wenn er am Grabe un - ter den Schmerzen der Trennung zu sich selber sagen kann: Ich habe gewissenhaft und nach meinen Kräften beigetragen, daß diese Seele an einen guten Ort gelangte, und sie hat das Ihrige auch an mir gethan, daß ich hoffen darf, ihr einst dorthin zu folgen. Solche Gedanken benehmen den Thränen ihre Bitter - keit und lösen den Schmerz auf in trostvolles Hoffen. Ganz anders steht es bei dem, der mit Grund besorgen muß, daß er dem Ver - storbenen ein Anlaß zu vielen Sünden, ein Hindernis des Heiles gewesen, und so ihm und sich selbst das Gericht erschwert habe.

Wie sollen sich die Gatten heiligen? Zu - nächst durch die Geduld. Jeder natürliche Mangel, jeder sittliche Fehler des einen Tei - les ist eine widerwärtige Last für den andern. Aber diese liegt jetzt einmal auf ihm, sie läßt sich nicht abschütteln, und mit Ungeduld und Toben wird sie nicht erleichtert. Wenn92 er Geduld übt, so wird er für sich selber nicht sündigen, der Fehler des Gatten wird ihm sogar Anlaß zur Tugendübung, dient ihm also zum wahren Besten, und wenn etwas zur Besserung des Fehlers führen kann, so ist es Geduld und Nachsicht. Der Ge - duldige reizt und verletzt den Fehlenden nicht durch Zornausbrüche, er hat die Kraft zu schweigen, mit seinen Mahnungen den rech - ten Augenblick abzuwarten, wo er sie mit Liebe und Wohlwollen anbringen kann, und sie mit gutem Willen aufgenommen werden. Sobald der gute Wille zur Besserung vor - handen ist, ist der Fehler nicht mehr ein schuldbarer Fehler, sondern eine Schwäche, an deren Heilung beide gemeinsam arbeiten sollen. Wohin es führt, wenn man solche Fehler nicht mit Geduld behandelt, können alle aus Erfahrung wissen.

Das andere Mittel gegenseitiger Heiligung ist das gute Beispiel. Das andächtige Gebet, die zarte Gewissenhaftigkeit, leben - diger Glaube und ungeheuchelte Gottesfurcht, Feindesliebe und Versöhnlichkeit wirken mit der Kraft einer lebendigen Predigt. Es ist fast nicht denkbar, daß das fortgesetzte auf - erbauliche Beispiel des einen Teiles ohne93 Eindruck auf den anderen bleibe. Anfäng - lich wird es vielleicht als Vorwurf empfun - den, aber es wird zum Nachdenken veran - lassen und mit der Gnade Gottes wird die Zeit nicht ausbleiben, wo es zur Nachfolge antreibt und ermutiget.

Diese Mittel der Heiligung sind von Be - deutung, wenn sie nur von einem Teile angewendet werden. Immer noch gilt das Wort des Apostels Paulus: Wie weißt du, Weib, ob du den Mann nicht zum Heile führen werdest? Oder wie weißt du, Mann, ob du das Weib nicht zum Heile führen werdest? (I. Kor. 7, 16.) Kein Teil darf darum ermüden in der Erbauung des andern, wenn auch der Erfolg auf sich warten läßt. Um so wirksamer aber wird die Erbauung selbstver - ständlich sein, wenn sie eine gegenseitige ist, wenn beide Teile von Glauben und Gottes - furcht erfüllt sind. Wenn die Flammen lebendigen Glaubens und heiligen Eifers aus zwei Herzen auflodern und in eine zusammenschlagen, so facht die eine die andere an, und es ist nicht auffallend, wenn sie einander Tag für Tag mehr heiligen, und miteinander zu jener Höhe der Tugend und Heiligkeit emporsteigen, die wir an94 heiligen Eheleuten aus allen Ständen be - wundern.

Falls auch Eheleute nicht so hoch steigen, sondern auf der Stufe des gewöhnlichen christlichen Lebens stehen bleiben, wenn sie Glauben haben, Gott fürchten und seine Gebote halten, beten und arbeiten, Geduld miteinander haben, Mahnungen gegenseitig in Liebe geben und annehmen, so werden sie einander zur Aufmunterung und Stärkung im Guten dienen, einander dem Himmel näher bringen und auch auf Erden glück - lich machen. Bei einem solchen Leben werden nicht bloß beide Gatten gute Christen sein, sondern sie kennen einander auch als solche, und das ist das Fundament der ehelichen Treue und des gegenseitigen Vertrauens. Wer Gott fürchtet, wird auch dem Gatten treu sein, und wer die Gottesfurcht seines Gatten kennt, wird von ihm keine Untreue besorgen. Die Gottesfurcht hält sowohl die Untreue als die Eifersucht, diese unheimlichen Feinde des ehelichen Friedens, von ihrem Hause fern.

Auch unter christlichen Eheleuten kann es zeitweilige Mißverständnisse geben, aber die Furcht Gottes führt sie bald wieder mit einer95 Art Nötigung zusammen. Schon das an - dächtige Beten des Vater unsers (fünfte Bitte), das Abendgebet wird den Zwist wie - der ausgleichen und der nächste Empfang der heiligen Sakramente den Frieden neu besiegeln. Eheleute, die in der Furcht Gottes geeint sind, können durch irdische Kleinig - keiten und ihre eigenen Schwachheiten nie weit auseinander gerissen werden. In den wechselnden Schicksalen dieses Lebens werden sie einander in ihren christlichen Gesinnungen den Balsam des Trostes für die Leiden und die echte Würze für die Freuden gegen - seitig darreichen. Wenn von irgend jemand, so gilt von solchen Eheleuten: Geteilter Schmerz ist halber Schmerz, geteilte Freude doppelte Freude.

Aus der Gottesfurcht beider Gatten kann und soll das innere Glück der Ehe in der Treue und Liebe, in der Uebereinstimmung ihrer Wünsche und Bestrebungen, in der gleichen Hoffnung, in gegenseitigem Troste herauswachsen. Und wenn ein Ehepaar in dieser Weise den Herrn fürchtet und Ihm dient, so kann ihm auch der Segen des Allerhöchsten nicht fehlen, den Er schon durch den Psalmisten verheißen: Siehe, so wird96 der Mann gesegnet, der den Herrn fürchtet. (Ps. 127, 4.)

Aus dem Gesagten ist auch zu ersehen, wie wichtig es für den Mann ist, eine christlich gesinnte und tugendhafte Frau zu bekommen, und wie viel für die höchsten Zwecke des ehelichen Lebens verloren ist, wenn die Gat - ten nicht gleichen Glaubens sind. Der hei - lige Ambrosius hat ein wahres Wort ge - sprochen, nach welchem unendlich vieles für Zeit und Ewigkeit entschieden wird, als er sagte: Bei der Ehe handelt es sich vor allem um die Religion. Tertullian führt diesen Gedanken etwas weiter aus: Mit - sammen beten sie, gehen sie zur Kirche, knien sie am Tische des Herrn, mitsammen sind sie in der Trübsal, mitsammen in der Freude. Will eines in das tägliche Opfer gehen, wird es vom andern nicht verspottet, will eines seine frommen Gewohnheiten im Hause betreiben, wird es vom andern nicht gestört. Es schämt sich keines vor dem an - dern, offen das Kreuz zu machen, offen das Gebet zu verrichten, ungeniert Gott zu die - nen. Dies das Glück einer Ehe, welche die Kirche heiliget, das Meßopfer bekräftiget, der Segen des Sakramentes besiegelt. So97 tragen zwei Christen das eheliche Joch, die eines Glaubens, einer Hoffnung, des - selben Taufgelöbnisses, derselben Kirchenge - meinschaft, eines und desselben Gottesdienstes sind. Dessen aber freut sich Christus, der Herr, deshalb sendet Er ihnen auch vom Himmel seinen Frieden ins Haus, ja Er selbst kehrt bei ihnen ein, um da, wo zwei in seinem Namen beisammen sind, in ihrer Mitte zu sein. Wo aber Er ist, da ist der Böse nicht. So Tertullian (in der Uebersetzung von Stolberg.)

(Gebet um Erneuerung der Standesgnade. Seite 446.)

13. Die Mutter.

Das Weib steht als Gattin schon hoch, aber erst als Mutter erlangt es seine volle Bedeutung. Die Würde, die Pflichten, die Sorgen und Freuden der Mutter stehen hin - ter denen des Vaters nicht zurück. Die Würde des Weibes hat durch den Sündenfall noch mehr gelitten als die des Mannes und ist bei den Völkern der Heiden in Schmach und Erniedrigung völlig begraben worden. Um so mehr ist seine tiefgesunkene Würde durch das Christentum wieder erhöhet und befestiget worden. Als Jungfrau und Gattin hat es98 wieder einen Ehrenplatz in der christlichen Gesellschaft erhalten, aber als Mutter ist es am höchsten gestiegen. Jenes Glied des Menschengeschlechtes, welches die erhabensten Vorzüge und die größte Würde vor allen Sterblichen auszeichnen, ist eine Mutter, die Mutter Gottes, das liebenswürdige Vorbild aller christlichen Mütter.

Die Pflichten der Mutter sind um so umfassender, je inniger die Natur Mutter und Kind verbunden hat. Ich berühre die - selben hier nur insoweit, als auch der Vater sie im Auge behalten muß. Die Pflichten der Mutter beginnen schon vor der Geburt des Kindes. Wenn sie während der Schwanger - schaft durch heftige Gemütsbewegungen, z. B. Zorn oder Schrecken aufgeregt wird, oder geistige Getränke genießt, wirkt das gar leicht nachteilig auf das Kind, belastet es mit ge - wissen Schwächen und Gebrechen, die ihm lebenslänglich bleiben. Das Gleiche gilt von der Zeit, in der das Kind von der Mutter genährt wird. Es ist Thatsache, daß heftige Aufregungen, so wie auch geistige Getränke nicht selten die Muttermilch vergiften, und darum soll sie auch nach solchen Vorkomm - nissen dem Kinde nicht gereicht werden. Auch99 die Gemütsanlagen des Kindes werden in dieser Zeit von der Mutter beeinflußt. Hei - lige Mütter können edle Anlagen, andere die Keime schlimmer Neigungen in das Herz des Kindes pflanzen, welche sich erst später offenbaren. Darum soll eine Mutter wäh - rend dieser Zeit um ihres Kindes willen sich selber zu heiligen suchen und sich und ihr Kind den heiligen Müttern, namentlich der heiligsten unter ihnen, recht oft anempfehlen. Es ist Pflicht des Vaters, die Mutter wäh - rend dieser Zeit von schädlichen Anstrengun - gen abzuhalten, ihr heftige Aufregungen zu ersparen und allem vorzubeugen, was ihr und dem Kinde schaden könnte.

Zur vernünftigen körperlichen Pflege ge - hört auch, daß die Kinder schon in den ersten Jahren an Einfachheit in Kleidung und Nahrung gewöhnt werden, daß sie in nichts verweichlicht, so weit thunlich in allem ab - gehärtet werden, und daß namentlich Nasche - reien dem Kinde fern bleiben. Damit ist nicht bloß für die körperliche Kraft und Ge - sundheit sehr vieles gewonnen, sondern auch für die Erziehung. Auch in diesem Punkte wird der vernünftige Rat und die Mitwirkung des Vaters vielfach unentbehrlich sein.

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Mit der mütterlichen Pflege des Körpers eng verflochten sind die ersten Anfänge der mütterlichen Erziehung. Diese kann kaum zu früh begonnen werden. Gewisse ange - borne, verkehrte Anlagen, z. B. eigensinniges Wesen, werden um so leichter und glücklicher beseitigt, je früher Hand angelegt wird. Auch mit der religiösen Erziehung muß man sich nach dem Gange der natürlichen Ent - wicklung richten und darum recht frühe an - fangen. Die Blume mit ihrer bunten Farben - pracht mußte einen Teil ihrer Entwicklung in der unscheinbaren verschlossenen Knospe durchmachen. So muß das Geistesleben des Kindes nicht erst bei seiner vollen Entfal - tung gepflegt werden, sondern schon dazumal, wenn es noch Knospe ist. Die Entfaltung des Gemütslebens geht der kindlichen Denk - thätigkeit lange voraus. Lange bevor das Kind fähig ist, religiöse Wahrheiten mit dem Verstande zu erfassen, vermag es solche mit kindlichem Gemüte zu ahnen und religiöse Eindrücke auf die Seele wirken zu lassen. Diese erste religiöse Erziehung ist das Geheim - nis der frommen Mutter. Wie das Kind an ihrer Brust seine Nahrung findet, so strömen die frommen Gesinnungen ihres101 Herzens als heilige Ahnungen und Gefühle in das Herz des Kindes über als die ersten, zarten Keime künftiger Frömmigkeit und Gottesfurcht. Man weiß kaum, mit welchen Worten und Zeichen diese seelische Einwir - kung vermittelt wird. Wir können die Vor - gänge in der geschlossenen Blumenknospe auch nicht belauschen, wir sehen hier wie dort erst die entfaltete Blume. Diese ersten und frühesten Eindrücke sind von der größten Bedeutung. Wo sie vernachlässigt oder nach - träglich zerstört werden, wird später kein Unterricht sie ganz zu ersetzen vermögen. Denn die Gemütsbildung hat, wie alles in der Entwicklung des Menschen, ihre Zeit, die nur einmal kommt und bald vorübergeht, wie die Blütezeit des Frühlings.

In dieser ersten Zeit ist die Mutter die Hauptperson für die religiöse und sittliche Erziehung. Der Einfluß des Vaters ist schon von Anfang an nicht gleichgültig, muß sich aber erst nach und nach mehr geltend machen, um schließlich bei der heranreifenden Jugend in den Vordergrund zu treten. Was ich darüber zu sagen gedenke, ist auf Väter be - rechnet, die durch ihren Beruf gehindert sind, sich viel mit ihren Kindern abzugeben. Es102 dürfte das bei weitaus den meisten der Fall sein. Der Mangel an Zeit berechtigt keinen Vater, die Erziehung der Kinder allein der Mutter zu überlassen. Denn der Mangel an Zeit hindert keinen Vater, noch recht vieles für die Erziehung seiner Kinder zu thun. Mit der Mitwirkung des Vaters läßt sich auch unter schwierigen Umständen von der Erziehung alles hoffen, ohne die väterliche Unterstützung ist die Wirksamkeit der besten Mutter zur Hälfte gelähmt, und es ist alles zu befürchten.

Vorausbedingung eines guten Erfolges aber ist, daß Vater und Mutter selber gute Christen seien, daß sie beide Eifer haben, ihre Kinder auch zu solchen zu machen, und daß sie mit vereinten Kräften zusammen - wirken.

(Bete von der Andacht zur heiligen Familie Nr. 2. Seite 443.)

14. Das Kind.

Was ist hilfloser als das kleine neuge - borne Wesen in der Wiege? Es ist so schwach und hilflos, daß es ohne fortgesetzte, sorg - same Pflege gar nicht bestehen kann. Darum hat der Schöpfer seinen Eltern jene natür - liche Liebe eingepflanzt, mit welcher sie in103 dem Kinde ihr eigenes Fleisch und Blut lie - ben, und für seine Wohlfahrt zu jedem Opfer bereit sind. Ist die sorgen - und mühevolle Pflege des Kindes fast ausschließlich die Sache der Mutter, so ist es auch der Lieb - ling des Vaters, der erste Gegenstand seiner Hoffnungen und Wünsche. Die natürliche Elternliebe, obschon vom Schöpfer herstam - mend und sehr wichtig für die menschliche Gesellschaftsordnung, ist arger Verirrungen fähig und für sich allein ein schlechter Rat - geber. Sie kann in blinde Zuneigung aus - arten, welche in dem Kinde nur das Fleisch liebt, alles Höhere übersieht und das Kind verzärtelt und verweichlicht. Diese sogenannte Affenliebe der Eltern macht die Erziehung zu einem Kultus der Sinnlichkeit und des Eigen - willens in dem Kinde und kann alsdann nur schlimme Früchte tragen.

Die natürliche Vater - und Mutterliebe muß zur christlichen, auf dem Glauben ge - gründeten Liebe verklärt werden, wenn sie dem richtigen Ziele mit den richtigen Mitteln zustreben soll. Das Kind ist ein Geschenk Gottes, für welches Ihm die Eltern einst Rechenschaft geben müssen, es ist ein Eben - bild Gottes, das durch die Folgen der Sünde104 gelitten hat, und unter Mithilfe der Er - ziehung in seiner Reinheit wieder hergestellt werden soll, es ist ein Erbe des Himmels, dem die Eltern den Weg zum Himmel zei - gen sollen. Als der berühmte Origenes noch ein kleines Kind war, küßte sein Vater, der heilige Martyrer Leonidas, dem schlafenden Knaben oft ehrerbietig die Brust. Er dachte dabei an die heiligmachende Gnade, welche in dem Kinde wohnte, und verehrte in ihm einen Tempel des heiligen Geistes. Das ist das allein Große und Wichtige, was die Eltern in ihrem Kinde betrachten sollen.

Ob dem Kinde ein kurzes oder langes Leben beschieden sei, was ihm für eine Zu - kunft bevorstehe, ob es auf seinem Gange durch das Leben hoch oder nieder stehen, in Ueberfluß oder Mangel leben werde, das ist nicht die Hauptfrage. Alle Eltern wünschen ihren Kindern eine glückliche Zukunft, sie sollen auch für eine solche das Ihrige thun, aber sie werden es hierin am weitesten brin - gen, wenn sie diese Dinge in christlichem Sinne auffassen. Viele Kinder scheiden schon im zarten Alter aus diesem Leben, der Schmerz der Eltern ist natürlich und erlaubt, aber einige christliche Gedanken sind bei solchen105 Anlässen ebenso geziemend als heilsam. Es ist nur Einer, der weiß, was bei längerem Leben aus dem Kinde geworden wäre, was ihm alles begegnet wäre, welches Ende es genommen hätte; dieser Eine liebt das Kind mehr als Vater und Mutter es lieben kön - nen, Er ist ja selber sein Vater, und dieser Eine hat für gut gefunden, das Kind in seiner Unschuld hinwegzunehmen und ihm das ewige Leben zu schenken. Abraham war bereit, dem Herrn seinen einzigen Sohn zum Opfer zu bringen. Christliche Eltern sollen dieses Opfer, wenn es der Herr von ihnen verlangt, dadurch heiligen, daß sie sich vor dem Ratschlusse der Vorsehung beugen und mit demselben beruhigen.

Christliche Eltern sollen alles thun, um dem Kinde das hohe Gut körperlicher Ge - sundheit und Kraft zu sichern. Aber gerade darin werden sie sicherer gehen mit der christlichen Erziehungsweise, weil diese zu - gleich die vernünftige ist. Die Behand - lung des Kindes soll nicht nach den Lau - nen desselben eingerichtet werden, sondern den Erfordernissen einer naturgemäßen Le - bensweise und einer mäßigen Abhärtung entsprechen.

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Die Zukunft des Kindes sollen die Eltern der göttlichen Vorsehung anempfehlen, und dann ruhig das Ihrige für dessen irdische Wohlfahrt thun. Auch bei einem andern, noch näher liegenden Punkt sollen sie nach oben schauen. Oft genügt alle Wachsam - keit der Eltern nicht, um Unglücksfälle zu verhüten, welche Kindern begegnen oder durch diese veranlaßt werden. Christliche Eltern wissen, daß ihr Kind einen beson - deren Schutzengel hat, und diesen sollen sie für das Kind und statt des Kindes anrufen. Je mehr man ihm Vertrauen zeigt, desto mehr verdient man seine Hilfeleistung.

Wichtiger als die Gedanken über die zeit - liche Wohlfahrt sind andere Erwägungen, die dem christlichen Vater nahe liegen, wenn er auf seinen kleinen Liebling niederschaut. Was wird aus diesem Kinde werden? Der gute und der ungeratene Sohn späterer Jahre, der künftige Verbrecher und der kommende Heilige, der einstige Erbe des Himmels und der Genosse der Verdammten in der Hölle liegen gleich harmlos in der Wiege und kön - nen in dieser Zeit noch nicht voneinander unterschieden werden. Alle die entsetzlichen Scheusale der Vergangenheit und Gegenwart107 sind einst solche unschuldige Kinder gewesen. Was wird aus diesem Kinde werden? Noch ist alles zu hoffen, aber auch alles zu fürchten. An dem Tage, wo Kaiser Karl V. in Gent getauft wurde, machte der Hofnarr dem kaiserlichen Prinzen einen Obstkern zum Geschenke mit dem Spruche:

Ein Samenkorn in der Erden
Dir, Wiegenkind, ist es gleich,
Aus beiden kann noch was werden,
Die Keime ruhen in euch.

Aus dem Kinde wurde ein großer Herrscher und aus dem Kern ein großer Baum, den Karl besonders lieb hatte.

Noch ist die Saat in dem kleinen Kinde nicht aufgegangen, und erst in der Folge wird man sehen, was als Weizen und was als Unkraut aufwächst. Ist diese Unge - wißheit, diese Möglichkeit eines schlimmen Ausganges nicht qualvoll für das Herz eines christlichen Vaters, einer christlichen Mutter? Wo kann es Hoffnung und Trost finden? Nächst Gott am meisten bei sich selber. Gott hat das zeitliche und ewige Los der Kinder zum großen, zum größten Teil in die Hände der Eltern gelegt. Durch eine gute christliche Erziehung wird das Heil des Kindes in der108 Regel ziemlich sicher gestellt, während jeder Mangel und Fehler in der Erziehung den guten Ausgang gefährdet. Solche Gedanken dürfen bei christlichen Eltern nicht bloß frucht - lose Erwägungen bleiben. Sie müssen zu einem festen und wirksamen Entschlüsse für das Leben heranreifen. Man erzählt von der frommen Anthusa, der Mutter des hei - ligen Johannes Chrysostomus, sie habe, als man ihr den neugebornen Johannes in die Arme legte, ausgerufen: Dieses Kind soll ein Heiliger werden!

Und der fromme Graf Friedrich Leopold Stolberg schreibt: Es ist mein tägliches inbrünstiges Gebet, und ich setze mich nicht eher zur Arbeit hin, als bis ich dieses Gebet verrichtet habe, daß meine Kinder mir die ernste Verantwortung der Sterbestunde er - leichtern, daß sie in allem ihrem Sinnen und Thun nur die Ehre Gottes und das Heil ihrer Seelen vor Augen haben, daß sie Jesum Christum und seine heilige Kirche über alles lieb haben, und dem Nächsten in Demut vor Gott so viel Gutes erweisen, als in ihren Kräften steht. Und diese Pflicht des Gebetes für die Kinder tritt mir besonders lebhaft vor die Seele an den jährlich wiederkehrenden109 Gedenktagen, an den lieblichen, einfachen Familienfesten, die wir gemeinsam feiern, und auf die ich mich stets schon im voraus freue.

(Bete ein Vater unser mit der gleichen Absicht wie Stolberg.)

15. Die christliche Familie.

Der Vater kann seine Aufgabe nicht als Einzelperson erfüllen, wie etwa ein Lehrer oder Handwerksmeister, sondern als Haupt einer Gesellschaft, der Familie. Diese wird begründet durch die Ehe, erweitert durch die daraus hervorgehenden Kinder, auch wohl durch Anverwandte und Dienstboten. Alle Glieder der Familie, von ihrem Haupte an bis zum Dienstboten herab, dürfen dem Zwecke der Erziehung nicht hinderlich, sie müssen ihm förderlich sein. Wenn ein mitwirken - des Element hinter seiner Aufgabe zurück - bleibt, oder ein schlimmer Einfluß die guten durchkreuzt, so ist das Werk der Erziehung schon gefährdet.

Die Familie ist die von Gott und der Natur aufgestellte Erziehungsanstalt. In ihrem Schoße soll die seelische Entwicklung des Kindes in ähnlicher Weise vor sich gehen,110 wie die vorausgehende leibliche. Der zarte Körper des Kindes tritt erst an das Tages - licht, wenn er fähig ist, Luft und Licht und die Einflüsse der Außenwelt zu ertragen. So soll auch die verschlossene Knospe des Ge - müts - und Geisteslebens im engen Kreise der Familie ihre erste Entwicklung durch - machen. Unter der sorgsamen Obhut und Pflege der Familie, im stillen Frieden des häuslichen Herdes soll der junge Weltbürger zum wohlerzogenen Menschen, zum guten Christen heranreifen. Den Stürmen und Versuchungen des Lebens soll er nicht aus - gesetzt werden, bis er denselben gewachsen ist.

Was die Familie zur christlichen Familie, zur Erziehungsanstalt für das Reich Gottes macht, das ist der Geist des Glaubens, der christliche Geist, der sie durchdringen und beherrschen soll, und sodann die christliche Lebensordnung, welche Gebet und Arbeit und Erholung, das gesamte häusliche Leben nach den Grundsätzen des Christentums ge - staltet. Dieser Geist soll alle beherrschen, dieser Ordnung sollen alle sich fügen. In der christlichen Familie muß Gott der Haus - vater sein, der irdische Vater ist nur sein erster Diener, der mit der ganzen Familie sich vor111 Ihm in Ehrfurcht beugt, zu Ihm mit Ver - trauen betet Vater unser , seine Gebote gehorsam und gewissenhaft beobachtet.

In einer solchen Familie ist für eine gute Erziehung wohl gesorgt; da atmet die Seele des Kindes gesunde Luft ein, den Geist des Glaubens, der Frömmigkeit, der Gottes - furcht; da wird es nicht bloß mit Worten, sondern vielmehr durch den alles beherrschen - den christlichen Geist, durch das gottesfürch - tige Leben herangebildet. Das Kind wird weniger erzogen durch das, was man zu ihm sagt, als durch das, was es fortwährend an andern wahrnimmt, durch die guten Ein - drücke des täglichen Lebens. Es ist in der rechten Atmosphäre, um zum Christen her - anzuwachsen, der bei dem Hinaustritt in die Welt nicht wie ein schwankendes Rohr von jedem Winde hin - und hergetrieben wird, sondern selbständig in der Welt dasteht, stark und unabhängig durch den Glauben, das Gewissen und die Gottesfurcht in seinem Innern.

Von einer christlichen Familienordnung und Erziehung ist nicht bloß das Wohl des Einzelnen, sondern der Gesamtheit abhängig. Von der Familie erhält der Staat seine Bür -112 ger, die Kirche ihre Gläubigen. Nur wenn die Familie das leistet, was sie soll, kann es mit den beiden über ihr stehenden Gesellschaf - ten gut bestellt sein. In Bezug auf die bür - gerliche Gesellschaft bemerkt P. A. M. Weiß: Wenn es nicht gelingt, die Ueberzeugung allgemein zu machen, daß das Heil der Ge - sellschaft vor allem von der Heilung und Heiligung der Familie abhängt, dann ist es kaum der Mühe wert, über die Lösung der socialen Frage ein Wort zu verlieren. In Bezug auf die Kirche bemerkt ein anderer Kenner des Volkslebens, A. Kolping: Pre - diget und unterrichtet an Einzelnen so viel ihr wollt, wenn das Familienleben die gute Aussaat nicht in Schutz und Pflege nimmt, wird euere aufgewandte Mühe meist wie Wasser im Sande verrinnen. Ja, ich weiß nicht, ob für das Gedeihen der Religion noch Hoffnung ist, wenn diese kostbare Gottesgabe nicht in dem keuschen Schoße tüchtiger Fa - milien gehegt und bewahrt wird. Und bei - des zusammenfassend sagt der Heilige Vater Leo XIII.: Je fester die Tugend in den Fa - milien gegründet ist, je eifriger die Eltern die Seelen der Kinder durch Wort und Bei - spiel nach den Grundsätzen der Religion bilden113 und erziehen, desto größere Vorteile wer - den daraus für die gesamte Gesellschaft er - wachsen.

Leider sind Familienleben und Erziehung heutzutage weit entfernt, ihrer hohen Auf - gabe zu entsprechen. Darüber wird allgemein geklagt, und es kann sich nur darum handeln, die Ursachen zu erkennen und die richtigen Heilmittel anzuwenden. Zunächst wird das Familienleben geschädigt durch das heutige Erwerbsleben. Mit Ausnahme von bäuer - lichen Kreisen, die immer enger werden, werden die meisten Väter durch ihre Berufs - arbeiten fast den ganzen Tag von ihren Fa - milien ferngehalten. Oft ist das selbst bei der Mutter der Fall, und noch öfter bei den heranwachsenden Kindern. Vielfach sind es nur noch das Essen und die Nachtruhe, welche die Familien unter einem Dache vereinigen.

Eine weitere Gefahr liegt in der Un - beständigkeit des Wohnsitzes. Die Seßhaftig - keit, die den Mann an die Scholle seiner Heimat bindet, ein eigenes Haus, mag es noch so niedrig sein, sind wichtig für das Gedeihen und die Solidität einer Familie. Die Sitten der Heimat, die Beziehungen zu Verwandten und Bekannten, die Familien -114 traditionen machen schon einen wichtigen Teil der Erziehung aus. Wer aber durch die Wogen des modernen Verkehrslebens von der ererbten Scholle weggeschwemmt wird, verliert alle diese Vorteile für Familienleben und Erziehung. Wo er weilt, da ist er ein Fremdling, selbst am häuslichen Herde, der nicht ihm gehört, und den er oft genug wechselt.

Tritt dazu noch Dürftigkeit, so ist die Gefahr noch größer. Der Christ darf die Armut, wenigstens die unverschuldete, nicht tadeln, sie ist ja in Christus geadelt worden. Aber für die Familie und die Erziehung hat sie ihre Gefahren, so gut wie der Reichtum. Ein solcher Mann und Familienvater ist ohne Heimat, der er fremd ist, ohne Vergangen - heit, von der er nichts ererbt hat, ohne Zu - kunft, für die er nichts zurücklegt, er lebt Tag für Tag von der Hand in den Mund. Es braucht nur noch die Religion zu fehlen, dann weiß man, was aus einem solchen Vater und seiner Familie werden wird. Heutzutage arbeitet alles darauf hin, diese Volksklasse täglich zu vergrößern.

Das Einzige, was eine solche Familie noch zusammenhalten und retten kann, ist115 die Religion. Es giebt immer noch Familien, bei welchen der Glaube über alles Ungemach des Lebens und über alle Hindernisse trium - phiert, die Familienglieder einigt, aufmun - tert, stärkt, nach oben erhebt und auch die Er - ziehung zu einem guten Ziele führt. Das sind Familien wie die des Tobias in der Verban - nung zu Ninive, dreifacher Ehre wert im Ver - gleich zu denen, welche das Glück mehr begün - stigt hat. Aber es giebt auch Schiffbrüchige in Bezug auf die zeitliche und ewige Wohlfahrt, und wer will sie zählen?

Ein sehr weitgehender Zerfall des Fa - milienlebens ist durch die Gesetzgebung vor - bereitet worden, indem sie die Ehe, so viel an ihr ist, ihres religiösen Charakters ent - kleidet, die Ehescheidung eingeführt und über - aus leicht gemacht hat. Für einstweilen hat der christliche Sinn im Volke die schlimmen Folgen da und dort noch aufgehalten. Mehr verbreitet sind die gemischten Ehen, eine Frucht der religiösen Gleichgültigkeit und eine allzufruchtbare Wurzel derselben.

Auch wo die genannten Uebelstände nicht vorhanden sind, werden die Familien von den Verkehrtheiten des modernen Lebens beeinflußt. Wir leben in einer Zeit des116 Leichtsinns, der Zerstreuung, der Genußsucht und Verweichlichung, der religiösen Gleich - gültigkeit und des Unglaubens. Wo sind die Familien, die von diesen Einflüssen ganz unberührt bleiben? Am einen Orte geht es abwärts mit den häuslichen Andachten und dem religiösen Leben überhaupt, am andern mit dem sittlichen Ernst und der häuslichen Zucht, mit der Genügsamkeit und Einfachheit, hier wird dem Luxus, dort der Genußsucht gehuldigt, und Lauheit und religiöse Gleichgültigkeit regiert an beiden Orten. Wer kann das ersetzen oder gut machen, was in den Familien fehlt? Viele Eltern glauben alles für die religiöse Er - ziehung gethan zu haben, wenn sie ihre Kin - der in den Religionsunterricht schicken. Wie kurz ist dieser im Vergleich zum übrigen Schulunterricht, der ihn nicht unterstützt, und zu der übrigen Zeit, in der die Kinder nicht an ihn denken! Würde man eine Pflanze nur einige Stunden in der Woche an die Sonne stellen, so müßte sie verkümmern, und nicht besser geht es mit der Religiosität der Kinder, wenn der Religionsunterricht von den Eltern nicht unterstützt und im elterlichen Hause in das Leben übergeführt wird.

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Glücklich der Vater, der diese Zeilen lesen kann, ohne denken zu müssen, daß sie ihn und seine Familie etwas angehen! Aber leider werden nur wenige in diesem benei - denswerten Falle sein. Viele Familien leiden bereits schwer unter diesen verderblichen Ein - flüssen der modernen Welt, und mehr oder weniger sind von denselben alle bedroht. Es wurde bereits bemerkt, daß die gute Erzieh - ung davon abhängig ist, wie die Familie und das Familienleben beschaffen sind. Der christliche Geist und die christliche Lebens - ordnung in der Familie sind unerläßlich für eine gute Erziehung. Ein einziger Mangel, ein einziger schlimmer Einfluß kann alle übrigen Bemühungen und Anstrengungen vereiteln. Wenn der christliche Vater sein Kind gut erziehen will, so darf er nicht bloß auf das Kind schauen, sondern zuerst muß er sehen, wie es mit ihm selber und seinem ganzen Hause steht und da die christliche Ordnung herstellen. Es giebt Hindernisse der christlichen Erziehung, die sich beseitigen lassen, und diese müssen ohne Rücksicht ent - fernt werden. Andere sind mit einer ge - wissen Notwendigkeit gegeben, wie z. B. die vielfache Abwesenheit des Vaters, und diese118 muß man suchen unschädlich zu machen. Die Ordnung des Familienlebens ist hauptsäch - lich von der kräftigen Mitwirkung des Vaters abhängig, und in dieser Hinsicht darf ihm kein Opfer zu schwer sein. Möge jeder Vater, der dieses Buch liest, die vielen Winke, die es ihm giebt, nicht bloß lesen, sondern auch beherzigen und ausführen.

(Das Vater unser des christlichen Vaters. Seite 448.)

16. Die erste religiöse Erziehung.

Die erste Erziehung, wie sie hier ver - standen wird, umfaßt jene Zeit, in welcher Verstand und Wille des Kindes noch un - selbständig sind, so daß es aufs Wort glaubt, was die Mutter oder der Vater sagt, und sich in vollständiger Abhängigkeit von der Autorität der Eltern fühlt. Die zweite Periode der Erziehung beginnt mit dem Zeitpunkte, in dem es als zweckmäßig erscheint, dem Kinde auf die Frage Warum? eine Antwort zu geben. Dieser Zeitpunkt tritt in belebten Ortschaften früher ein als in abgelegenen Thälern, wird aber nirgends lange auf sich warten lassen, wenn die Kinder ein paar Jahre die Schule besucht haben. Die erste119 Erziehung fällt in der Hauptsache der Mutter zu, aber die Mitwirkung des Vaters ist für einen guten Erfolg unentbehrlich.

Zunächst handelt es sich um die erste re - ligiöse Erziehung. Von dieser gilt insbeson - dere das Wort Quintilians: Was wir in unseren ersten Kinderjahren empfangen, das halten wir sehr fest, gleichwie die Wolle ihre erste Farbe nicht fahren läßt. Die ersten und nachhaltigsten religiösen Eindrücke soll das Kind, wie bereits bemerkt wurde (Nr. 13), auf dem Schoße der Mutter empfangen. Einer frommen Mutter braucht man darüber keine Belehrungen zu geben. Es gilt hier das Wort des heiligen Augustin: Liebe, und dann thue, was du willst. Liebt sie Gott und liebt sie ihr Kind, so wird es ihr Herzensangelegenheit sein, ihr Kind mit Gott bekannt zu machen. Sie wird nicht mit Katechismus-Ausdrücken anfangen, sondern viel einfacher, in der Sprache des Mutter - herzens, welche auch dem kleinen Kinde schon verständlich ist.

Von nicht geringer Bedeutung sind die religiösen Bilder in der Wohnstube. An würdigen religiösen Bildern für die Wohnungen auch wenig Bemittelter ist kein120 Mangel mehr. Ein Hausaltar wirkt noch erbaulicher. Ebenso eine Krippe in der Weihnachtszeit. Diese soll nicht verdrängt werden durch den Weihnachtsbaum, der we - nigstens nicht christlich ist, wenn ich ihn im übrigen nicht gerade tadeln will. Diese Bil - der ziehen alsbald die Aufmerksamkeit des Kindes auf sich, wenn sein Geistesleben auf - zudämmern anfängt. Mit neugierigem In - teresse hört es die Aufklärungen, die man ihm darüber giebt. Begierig nimmt seine Einbildungskraft diese religiösen Vorstellun - gen in sich auf, nicht ohne daß sie auch auf Herz und Gemüt hinüberwirken. Das ist der erste Religionsunterricht, den die Mutter erweitern soll, so weit die Empfänglichkeit des Kindes zunimmt.

Ein weiteres Mittel bilden die tägli - chen Andachten in der Familie. Das Kind ist Zeuge, wie Vater und Mutter und alle Anwesenden ehrerbietig und andächtig mit jemand reden, den es nicht sieht. Es ahnt ein liebenswürdiges Geheimnis, und die nachherigen Belehrungen der Mutter werden sicher tiefen Eindruck machen, die entsprechenden religiösen Gefühle wachrufen und zur Folge haben, daß das Kind eben -121 falls gerne und ehrerbietig mitbetet, so weit es dazu fähig ist.

Besucht das Kind die Schule und den Religionsunterricht, so hören die Pflich - ten der Eltern in diesem Punkte nicht auf, sie müssen nur den Umständen angepaßt wer - den. Die Eltern müssen zeigen, daß sie den Religionsunterricht für etwas Wichtiges an - sehen, dann wird das Kind ebenfalls dieser Ansicht sein. Sie sollen nachsehen, ob es bei demselben aufmerksam und fleißig ist, und keine Nachlässigkeit dulden. Sie sollen, so weit dieses möglich ist, die Kinder selber abfragen, ihnen nach Bedürfnis nachhelfen, namentlich wenn sie schwach begabt sind. Für talentlose Kin - der ist die Mutter ohne weiteres der beste Religionslehrer.

Kommt die Zeit für die erste Beicht und die erste Kommunion, so soll diese Nachhilfe in erhöhtem Maße stattfinden. Es handelt sich da nicht bloß um den Unter - richt, sondern um die Vorbereitung des Her - zens, und da ist die Mitwirkung der Eltern von noch größerer Bedeutung. Eltern können das meiste beitragen, um bei diesen Anlässen eine recht nachhaltige Einwirkung auf das religiöse Leben der Kinder auszuüben. Der122 erstmalige Empfang dieser beiden Sakramente ist von Bedeutung für die ganze Zukunft.

Es ist eine Pflichtvergessenheit, wenn sich die Eltern um den Religionsunterricht gar nicht kümmern. Plutarch, ein heidnischer Schriftsteller, hat gesagt: Ich kann nicht umhin, jene Eltern zu tadeln, welche glauben, alles gethan zu haben, wenn sie ihre Kinder den Lehrern überlassen, und sich nicht weiter um die Sache kümmern. So spricht ein Heide. Christus aber richtet an die Eltern das Wort: Lasset die Kleinen zu Mir kom - men! Was wird Er einst zu jenen Eltern sagen, die gar nicht auf diesen Ruf achten, wenigstens dann nicht, wenn Er ihn als Lehrer erhebt?

Der wichtigste Punkt in der religiösen Erziehung auf dieser Stufe ist die genaue Einhaltung einer religiösen Tagesord - nung und das gute Beispiel der El - tern und Hausgenossen. Am Morgen und Abend und bei Tische soll regelmäßig gebetet werden, und die Eltern sollen den Kindern als Muster voranleuchten. Das ist der beste Unterricht über das Gebet, die beste Anleitung zur Uebung des Gebetes. Ohne diese wird der Unterricht über das Gebet123 kaum etwas nützen, er kann sogar schaden, indem das Kind durch den Widerspruch zwi - schen Lehre und Leben schon in jungen Jah - ren zu einem bloß toten Glauben gelangt, der wohl kaum je wieder lebendig wird.

Sehr heilsam wirkt es auch, wenn die Jahrestage der Taufe, Firmung und ersten heiligen Kommunion der Familienangehöri - gen in religiösem Sinne begangen werden, wie es Stolberg zu thun pflegte. (Siehe Nr. 14.) Auch beim Todestage von lieben Angehörigen ist das Gleiche zu empfehlen. Bei Leiden und Krankheiten in der Familie soll man mit den Kindern ebenfalls zum Gebete seine Zuflucht nehmen.

Unter den Mitteln der religiösen Erzieh - ung sollten Strafen und Züchtigungen, so notwendig sie in anderer Hinsicht auch sein mögen, nicht vorkommen müssen. Das Kind soll durch innere Beweggründe bestimmt werden, in diesem Punkte seine Pflicht zu thun. Strafen wirken hier meistens schädlich, indem sie Abneigung gegen das Heiligste schaffen, sie sind in Bezug auf das Lernen oft ungerecht, wenn sie schwächere Kinder treffen, und bei einer geordneten Erziehung werden sie auch meistens entbehrlich sein.

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Sie sollen jedenfalls nur zur Anwendung kommen, wenn gewisse Umstände, z. B. die Rücksicht auf andere Kinder, dieses unver - meidlich machen. Diese Bemerkung gilt nicht von Strafen für Ungezogenheiten, die auf dem Kirchwege, in der Kirche, beim Gebete vorkommen. Diese können und sollen ge - ahndet werden. Was aber, wie alles Re - ligiöse, die Liebe zur Voraussetzung hat, was im Herzen und Gemüte seine Wurzeln haben muß, kann mit Schlägen nicht eingepflanzt werden. Diese werden auch gar nicht nötig sein, wenn von Anfang an richtig erzogen wird.

(Bete von der zweiten Besuchung Nr. 4. Seite 435.)

17. Die erste Erziehung zur Sittlichkeit.

Die Aufgabe der sittlichen Erziehung ist, die angebornen Verkehrtheiten des Kindes zu bekämpfen, und dasselbe in einer seinem Alter angemessenen Weise zur Uebung des Guten anzuhalten. Auch bei dem unmündi - gen, unzurechnungsfähigen Kinde muß allem gewehrt werden, was bei dem reiferen Kinde und dem erwachsenen Menschen Sünde ist. 125Gewisse Unarten wie Eigensinn, Ungehor - sam, sodann Naschen, Lügen, Zornaus - brüche, die Wiederholung roher Redensarten u. dgl. dürfen auch in ihren ersten Anfängen nicht geduldet werden. Sie sind bei dem kleinen Kinde freilich noch keine Sünden, aber es sind die ersten Offenbarungen ge - fährlicher Leidenschaften, die jetzt noch leicht unterdrückt werden können. Wenn man sie schon in dieser Zeit bekämpft, so erweist man dem Kinde eine sehr große Wohlthat. Es wird später viel leichter und sicherer den Weg der Tugend wandeln. Diese inneren Feinde werden ihm dann viel weniger Ver - suchungen und Kämpfe bereiten. Schon Seneka, ein heidnischer Weiser, hat gesagt: Leicht ist es, die noch zarten Gemüter zu leiten und zu lenken; dagegen ist es sehr schwer, Laster auszurotten, die mit uns aufgewachsen sind. Und der weise Mann in der heiligen Schrift giebt die Mahnung: Leite im An - fang den Knaben zum Wege der Tugend, er wird dann, auch wenn er älter wird, nicht davon abweichen. (Sprichw. 22, 6.)

Die Hauptsache ist die Gewöhnung an pünktlichen Gehorsam. In ihm ist alles andere schon enthalten, was die sittliche Er -126 ziehung erfordert. Denn immer und bei allem handelt es sich um Befehle und Ver - bote, welche das Kind zu beachten hat. Aber das richtige Befehlen ist eine große Kunst. Man verlange nicht zu viel, man mache nicht zu viele Worte, wiederhole nicht immer den gleichen Befehl. Jedoch darf man nicht nachgeben, das Kind soll wissen, daß, was befohlen ist, ohne weiters auch gethan wer - den muß. Hat man dem Kinde dieses Be - wußtsein beigebracht, so wird es gehorsam sein, und es handelt sich dann nur noch darum, es vernünftig zu leiten.

Wenn das Kind sich gut hält, so sei man mit dem Lobe nicht verschwenderisch, und mit Belohnungen sparsam. Dieselben sind nicht ausgeschlossen, aber man sehe sich vor, daß man damit das Kind nicht verziehe. Es ist bald geschehen, daß das Kind nur um einer Art Eigennutzes willen gehorcht, und das darf nicht sein. Ist es auch für höhere Beweggründe noch wenig zugänglich, so muß doch für diese der Raum in seinem Herzen offen bleiben. Der Wille der Eltern und in moralischen Dingen der Wille Gottes müssen ihm jetzt schon als Beweggrund des Gehor - sams vorschweben.

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Ist das Kind ungehorsam, so mag es für einmal mit einer Zurechtweisung abgehen. Im Wiederholungsfalle muß Züchtigung erfolgen. Nicht immer kann man diese schon Strafe nennen, weil das Kind vielleicht noch nicht schuldbar ist. Aber dem Zwecke der sittlichen Erziehung dient die Züchtigung doch. Diese hat ja selbst bei der Dressur der Tiere ihre Wirkung, um so mehr bei dem Kinde mit seinem aufdämmernden Geistes - leben. Die Züchtigung sei eine stufenweise, Alleinlassen, Entziehung eines kleinen Ver - gnügens, dann eines größeren. Mit be - schämenden Strafen sei man sparsam und vorsichtig, sonst schwächen sie leicht das Ehr - gefühl. Das letzte Auskunftmittel ist die Rute, niemals wende man Ohrfeigen und ähn - liche die Gesundheit gefährdende Mittel an. Gewisse angeborne Verkehrtheiten, z. B. der Starrsinn, können oft auf anderem Wege als mit der Rute gar nicht geheilt werden. Auch das Ableugnen eines Fehlers, alle Lügen überhaupt sollen unnachsichtlich mit der Rute gestraft werden.

Beim Strafen sind auch die natürlichen Eigenschaften der Kinder zu berücksichtigen. Schwächliche Kinder, furchtsame Mädchen sind128 anders zu behandeln als mutwillige Wild - fänge. Die Strafe soll nie im Zorne vollzogen werden. Sie wird in diesem Falle selten richtig abgemessen werden, und wird dafür um so siche - rer vom Kinde als Werk des unbeherrschten Zornes verstanden und empfunden und so ihren eigentlichen Zweck verfehlen. Am besten wir - ken die Strafen, wenn Vater und Mutter sie gemeinsam festsetzen und der Vater sie voll - zieht. Das verhütet manche Mißgriffe, er - höht den Respekt vor beiden gewaltig und befestigt das Bewußtsein, daß nichts übrig bleibt, als gehorchen und brav sein.

Wenn die Rute rechtzeitig und vernünf - tig, aber kräftig gehandhabt wird, so wird sie bald entbehrlich werden. Wenn bei Kindern von zehn bis zwölf Jahren noch derartige Strafen angewendet werden müssen, so ist das ein Zeichen, daß in der vorausgehenden Erziehung gefehlt worden ist.

Es ist Pflicht der Eltern, auch in diesen Jahren schon sorgfältig zu wachen, daß die Kinder durch nichts geärgert werden, weder durch Bilder und Bücher, die sie nichts angehen, noch durch Tischgespräche, bei denen man sich nicht in acht nimmt, noch durch Dienstboten, Gespielen u. s. w., denen zu129 gut getraut wird. Gottlose und rohe Reden, Fluchworte, eigentlich jede Sünde ist ein Aergernis für die Kinder, am schlimmsten aber wirkt, was die Schamhaftigkeit ver - letzt. Manche Eltern sind viel zu sorglos in der Meinung, die Kinder verstehen noch nichts. Gesetzt es sei so, so sind sie we - nigstens neugierig und haben ein gutes Gedächtnis. Was sie sehen und hören, be - halten sie in ihrem Innern als eine Art Brennstoff, in welchen später einmal der Funke einer aufwachenden Leidenschaft fällt und daran eine verhängnisvolle Nahrung findet. Schon der heidnische Dichter Juvenal hat erklärt, daß man dem Kinde heilige Ehr - furcht schulde. Der göttliche Heiland hat noch ungleich schärfer geurteilt, da Er sagte: Wer ein einziges aus diesen Klei - nen, die an Mich glauben, ärgert, dem wäre es besser, daß ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er in die Tiefe des Mee - res versenkt würde. (Matth. 18, 6.) Die El - tern mögen bedenken, daß sie ihre Pflicht noch nicht erfüllt haben, wenn sie selber kein Aergernis geben, sie müssen auch die Aerger - nisse anderer von ihren Kindern fernhalten.

( Zum Gloria in der dritten Meßandacht. Seite 348.)

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18. Die Mitwirkung des Vaters bei der ersten Erziehung.

Auch wenn der Vater meistens abwesend sein muß, so kann er doch zur religiösen und sittlichen Erziehung vieles beitragen, und seine Mitwirkung ist von der größten Wich - tigkeit. Zunächst hat der Vater die Pflicht, sich selber mit der Erziehung abzu - geben, so weit es ihm möglich ist. Es ist der Vater, welchem Moses die Wei - sung giebt: Die Vorschriften, die ich dir heute gegeben, sollen bleiben in deinem Her - zen und du sollst sie mitteilen deinen Kindern beim Sitzen in deinem Hause, beim Gehen, auf dem Wege, beim Schlafengehen und beim Aufstehen. (V. Mos. 6, 6.) Und der heilige Paulus ruft ebenfalls den Vätern zu: Ihr Väter, erziehet euere Kinder in der Lehre und Zucht des Herrn. (Eph. 6, 4.) Die Pflicht der Erziehung ist dem Vater auferlegt, was er kann, muß er selber thun, und im wei - teren wenigstens mittelbar mithelfen.

Aufmunterung und Stärkung der Mutter. Der heilige Sänger ruft dem Manne zu: Dein Weib ist wie ein frucht -131 barer Weinstock an den Wänden deines Hau - ses. (Ps. 127, 3.) Ein solcher fruchtbarer Wein - stock ist jede fromme Mutter auch in der Erziehung der Kinder. Sie vermag vieles zu erreichen, auch wenn vieles ihr hinderlich ist. Aber der Weinstock bedarf einer Stütze, an der er emporranken kann. Nur dann können seine Früchte das Sonnenlicht ge - nießen und gehörig ausreifen. Auch der Weinstock an den Wänden deines Hau - ses bedarf einer solchen Stütze, und die mußt du, Gatte und Vater, für die Mutter selber sein.

Du mußt ihre Stütze sein zunächst in dem zeitlichen Haushalte. Wenn der Vater nach Kräften für seine Familie sorgt, so ist das eine große Stärkung für die Mutter. Sie wird mit viel mehr Mut und Leichtigkeit ihren Arbeiten und Pflichten obliegen, als wenn sie von dem Verdruß und den Sorgen niedergedrückt wird, welche die Sorglosigkeit des Vaters ihr verursacht. Ohne diese Stütze erlahmt gar bald die Kraft des Weinstockes und seine Zweige sinken in den Staub. Un - mut und Kleinmut überwältigen die ver - lassene Mutter, so daß sie auch ihre Pflichten nur nachlässig und gezwungen erfüllt.

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Du mußt die Stütze der Mutter sein auch auf dem religiösen und sittlichen Gebiete. Es ist oben (Nr. 16) die Rede gewesen von der gegenseitigen Heiligung der Eheleute. Das dort Gesagte hat seine Geltung auch in Bezug auf die Elternpflichten und die Erzieh - ung. Wenn der Vater ein eifriger Christ ist, wenn ihm an einer guten Erziehung seiner Kin - der viel gelegen ist, wenn er in diesem Geiste die Mutter aufmuntert und aneifert, so hat er für die Erziehung schon viel gethan, ohne daß er sich selber mit seinen Kindern abge - geben hat. Er hat den fruchtbaren Wein - stock an den Wänden seines Hauses durch seine moralische Kraft emporgehoben und bewirkt, daß die Mutter jeden Morgen mit neuem Mut, neuem Eifer und neuer Freude an das mühsame Werk der Erziehung geht.

Das Beispiel des Vaters. Je seltener die Kinder den Vater sehen, desto schärfer wird er von ihnen beobachtet. Das gute Beispiel der Mutter ist selbstverständ - lich nicht weniger notwendig als das des Va - ters, aber letzteres macht aus mehr als einem Grunde größeren Eindruck. Er kann mit seinem Benehmen die Kinder mächtig er - bauen, aber auch unverantwortlich ärgern. 133Nehmen wir als Beispiel die häuslichen An - dachten. Ein Vater, der ehrerbietig und andächtig betet, macht einen überwältigen - den Eindruck auf die Kinderherzen. Sein Beispiel wirkt tiefer und nachhaltiger, als alle Mahnungen und Belehrungen es ver - mögen. Wenn aber ein Vater beim Gebete sich nicht als Christ zu benehmen weiß, so ist er es, der seinem Kinde das erste Aerger - nis giebt, er ist es, der dem frommen Sinne des Kindes die erste Wunde versetzt, er ist es, der damit gleichzeitig das Kind in seiner unbegrenzten Verehrung vor seinem Vater irre macht.

Die Unterstützung der Mutter. Die Kinder müssen in dem Bewußtsein er - halten bleiben, daß Vater und Mutter nur eine Meinung und einen Willen haben. Verschiedene Ansichten zwischen beiden dür - fen nie in Gegenwart der Kinder erörtert werden. Am wenigsten darf das der Fall sein in Bezug auf die Behandlung der Kin - der selber. Alles das muß notwendig unter vier Augen bereiniget werden.

Dagegen soll sich der Vater von Zeit zu Zeit in Gegenwart der Kinder bei der Mutter erkundigen über das Betragen der Kinder,134 ihr Beten, Gehorchen, Lernen u. s. w., und nach Verdienst Lob und Tadel austeilen. Damit befestigt er gleichzeitig das Ansehen der Mutter und sein eigenes, und wenn er auch abwesend ist, so wird schon die Erin - nerung an ihn die Kinder zu einem guten Verhalten anspornen.

Es ist nicht notwendig, daß der Vater bei solchen Anlässen den Kindern gegenüber viele Worte mache. Eine kurze Bemerkung beim rechten Anlaß mit gehörigem Nachdruck angebracht, ist wirksamer als ein Strom von Worten. Beda Weber erzählt, sein Vater habe bei der ersten heiligen Kommunion nur ein Wort, aber voller Rührung an ihn ge - richtet: Vergiß es nicht . Dieses einzige Wort habe einen unauslöschlichen Eindruck auf ihn gemacht.

Das Gesagte gilt auch von den Zurecht - weisungen und Strafen. Die Mutter soll auch nicht überflüssige Worte machen, aber sie muß notwendig jeden Tag in manchen Din - gen mahnen und tadeln. Die Rügen und Strafen des Vaters aber dürfen nie alltäg - lich werden, sonst verfehlen sie ihren Zweck. Es seien ihrer so wenige, aber sie seien so nachdrücklich, daß das Kind sie nach Jahren135 noch an den Fingern herzählen kann. Un - umgängliches Erfordernis aber ist, daß sie nicht in der Aufregung stattfinden. Sie müs - sen reiflich überlegt, wohlberechnet sein, dann läßt sich mit wenigen und seltenen Schlägen viel jugendliche Verkehrtheit hinausklopfen.

Im übrigen muß sich der Vater befleißen, seinen Kindern stets ein freundliches Gesicht zu zeigen. Die Liebe des Vaters soll so oft als möglich den Kindern offenbar werden und Gegenliebe erwecken. Der Gesandte einer auswärtigen Macht traf einst Hein - rich IV. an, wie er auf dem Boden kroch, und seinen Kindern als Reitpferd diente. Heinrich sagte zu dem Gesandten: Hier bin ich nicht König, sondern Vater. Für gewöhnlich wird es genügen, wenn der Vater nur halb so weit geht. Der heitere Umgang mit den Seinigen ist nicht bloß eine wohlthuende und doch wohlfeile Erquickung in den Sorgen des alltäglichen Lebens, er hat auch seine Bedeutung für die Zukunft. Denn bald kommt die Zeit, in welcher der Vater die Liebe und Anhänglichkeit seiner Kin - der besitzen muß, wenn er seine Vaterpflichten mit Nutzen erfüllen soll. (Bete das tägliche Ver - einsgebet der christlichen Familie. Seite 282.)

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19. Die Zweite Periode der Erziehung.

Das Kind ist in den ersten Jahren nicht bloß dem Körper nach unfähig, sich selber zu helfen, es steht auch mit seiner Seele un - ter Vormundschaft. Es kann sich wohl der Sinne bedienen, und das Leben der Seele dämmert allmählich auf, aber so lange es den vollen Gebrauch der Vernunft und des freien Willens nicht besitzt, steht es in geisti - ger Abhängigkeit von seinen Erziehern. Ihr Wort ist ihm Wahrheit, es glaubt, was sie sa - gen, ihr Wille ist ihm Gesetz, es muß gern oder ungern demselben sich fügen. Schon in dieser Zeit läßt sich vieles für die Erziehung thun, wie im vorausgehenden angedeutet wurde. Aber während das Kind noch abhängig ist, muß man schon jene Zeit im Auge haben, in der es frei und sein eigener Herr sein wird.

Zunächst geht im Kinde selber eine Ver - änderung vor. Es fängt an zu denken, und beschäftigt sich auch mit den Gründen von dem, was ihm befohlen wird. Es erlangt den Gebrauch des freien Willens und von dort an ist sein Gehorsam etwas ganz an -137 deres, als es z. B. die Folgsamkeit ist, zu welcher man ein Tier dressiert hat. Der Gehorsam des größer werdenden Kindes ist wie sein Ungehorsam ein Akt des freien Willens, welcher auf innerer Ueberlegung beruht. Die Erziehung muß vorsorgen, daß das Kind, wenn es diese Reife erlangt hat, nicht mehr bloß aus äußerem Zwang ge - horcht, sondern aus inneren Beweggründen, daß es mit dem freien Willen dabei ist.

Denn rasch kommen die Jahre, in denen der elterliche Zwang aufhört. Das Kind verläßt oft frühe das Vaterhaus, um zu arbeiten, oder es lebt ganz getrennt von den Eltern, ist mitten in einer Welt voll Gefahren und Versuchungen sich selbst überlassen. Da wird es nur dann gute Wege wandeln, wenn es sich selbst aus freiem Willen dazu ent - schließt. Es ist die Aufgabe der elterlichen Erziehung, die Kinder so auf diese Zukunft vorzubereiten, daß sie, wenn diese Umstände eintreten, die Probe gut bestehen.

Wenn in der ersten Zeit der Erziehung die Mutter die Hauptperson ist, so muß in der folgenden Zeit der Vater in den Vor - dergrund treten. Bei den Mädchen vermag die Mutter allenfalls noch auszureichen, aber138 anders verhält es sich beim Knaben und Jünglinge. Da ist das Eingreifen des Vaters unentbehrlich, und ich berücksichtige darum im nachfolgenden vorzugsweise das Ver - hältnis von Vater und Sohn.

Nicht jeder Vater ist in dieser Periode der Erziehung seiner Aufgabe gewachsen. Manchen fehlt das nötige Ansehen bei den Kindern, und dann können sie auch auf die - selben nicht den gehörigen Einfluß ausüben. Die Hindernisse des väterlichen Ansehens können von innen oder von außen kommen. Wohl niemals wie in unserer Zeit wird alle geistliche und weltliche Autorität bekämpft und herabgesetzt. Man betrachtet die Obern nicht mehr, wie es unsere Religion verlangt, als Stellvertreter Gottes, und darum fehlt auch die gebührende Ehrfurcht. Die Ursache die - ses autoritätslosen Geistes liegt in der Ab - nahme der christlichen Gesinnungen, und die Wirkung liegt darin, daß jeder glaubt, selber alles am besten zu verstehen, und nur seinem eigenen Urteile, seinem eigenen Kopfe fol - gen will.

Dieser Geist macht sich bereits fühlbar bis in die Kinderstube herab. Viel früher als ehedem sind die Kinder den elterlichen139 Befehlen gegenüber bereit mit ihrem: Wa - rum? Immer größer wird die Zahl halb - erwachsener Kinder, welche den Eltern schon über den Kopf gewachsen sind. Die Beleh - rungen und Mahnungen der Eltern machen bei solchen Kindern keinen Eindruck, und kindlichen Gehorsam finden sie keinen mehr, höchstens noch einen erzwungenen. Das liegt in dem Zuge unserer Zeit.

Doch wäre es unrichtig, wenn man diese traurigen Erscheinungen nur auf Rechnung der neuen Zeitverhältnisse setzen wollte. Diese äußeren Umstände sind in der Regel nur da gefährlich und verderblich, wo es auch im Innern fehlt. Es giebt leider allzuviele Väter, welche durch ihre eigene Schuld das Ansehen bei ihren Kindern eingebüßt haben. Es fehlen ihnen die Eigenschaften, die ein Vater haben muß, sie versäumen das, was ein Vater thun muß, und sie üben das, was ein Vater nicht thun darf, wenn er Einfluß auf seine Kinder haben und von ihnen als Stellver - treter Gottes geehrt werden soll. Darum muß die Erörterung über diesen Abschnitt der Erziehung bei dem Vater selber beginnen.

( Zum Kirchengebet in der dritten Meßandacht. Seite 349.)

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20. Das väterliche Ansehen.

Es ist ein Unterschied zwischen Autorität und Autorität, je nachdem sie auf der Macht des Zwanges oder auf der freiwilligen Unter - werfung der Gehorchenden beruht. Die welt - liche Obrigkeit regiert durch ihre Gewalt, indem sie die Zahlung der Abgaben und die Beobachtung der Gesetze erzwingt. Die Au - torität der Kirche dagegen ist eine geistige, auch sie befiehlt, auch sie bestraft, aber mit geistlichen Strafen, es fehlt der äußere Zwang, man ist nicht genötigt, ihr anzugehören und ihr unterthan zu sein. Wenn sie Glauben und Gehorsam findet, so geschieht es durch die Ueberzeugung und freien Willen ihrer Angehörigen.

Der christliche Vater muß beide Arten von Autorität in sich vereinigen. Anfäng - lich ist er die allgebietende Macht in der Familie, gegen welche es keinen Widerstand giebt, und in gewissen Dingen muß er diese unumschränkte Gewalt bis an das Ende festhalten. Aber diese Art von väterlichem Ansehen reicht nicht aus. Es kommt die Zeit, in welcher der Vater mit dem bloßen141 Zwang wenig oder nichts mehr ausrichtet. Da bedarf er seinen Kindern gegenüber eines moralischen Ansehens, das in gewissem Sinne demjenigen ähnlich ist, welches die Kirche bei ihren Gläubigen besitzt. Die Kinder sollen dem Vater glauben und ihm gehorchen, auch ohne Zwang, aus innerer Ueberzeugung und freiem Willen. Nur so kann das Werk der Erziehung zu einem guten Ende geführt werden.

Dieses moralische Ansehen des Vaters läßt sich, wie das in seiner Natur liegt, nicht erzwingen. Es setzt voraus, daß die Kinder den Vater nicht bloß fürchten, sondern auch lieben, und daß sie hohe Achtung vor ihm haben. Nur dann werden sie seine Beleh - rungen, Mahnungen und Warnungen mit Glauben und Vertrauen aufnehmen, nur dann werden sie sich seinem Willen fügen, auch wenn sie nicht mehr dazu genötigt werden können.

Diese so notwendige Liebe und Acht - ung kann der Vater nur dadurch erlangen, daß er sich ihrer würdig macht. Ein Vater, der so wenig als möglich bei seiner Familie verweilt, der ihr selten freundlich begegnet, viel eher poltert und schimpft, so daß die142 Kinder oft zittern bei seiner Heimkehr, der darf nicht erstaunt sein, wenn er nicht zärt - lich geliebt wird, wenn er in den Herzen seiner Kinder ein halber Fremdling bleibt.

Merken die Kinder erst, daß der Vater nicht für das Hauswesen sorgt, daß die Mutter über ihn klagt, oder wenigstens seinet - wegen in Kummer und Sorgen seufzt, daß der Vater zu viel trinkt, mit der Mutter zankt, in Zorn - und Fluchworte ausbricht, im religiösen Leben sich Blößen giebt, so sagt den Kindern das natürliche Gefühl und der Katechismus, was davon zu halten sei. Wenn solche Dinge öfter wiederkehren, so wird das die Ehrfurcht der Kinder vor dem Vater ertöten, und es wird höchstens noch die Furcht übrig bleiben. Einem solchen Vater fehlt die Liebe und Achtung der Kin - der, und damit das nötige Ansehen, der mo - ralische Einfluß, er ist unfähig, gegen die reifere Jugend seine Vaterpflichten zu er - füllen.

Soll der Vater sich des nötigen morali - schen Ansehens erfreuen, so muß er sich schon von Anfang an der Liebe und Zuneigung der Seinigen versichern. Mutter und Kinder sollen ihn so lieben, daß sie ihn vermissen,143 wenn er fort ist, daß sie sich sehnen nach seiner Heimkehr, sich freuen, wenn er da ist, und sie sollen diese Freude auch so oft ge - nießen können, als es die Umstände erlau - ben. Die Stimmung der Mutter gegen den Vater wird, ohne daß sie es weiß und will, von den Kindern schon aus ihren Mienen und ihrem Benehmen herausgelesen, und wird auch auf sie übergehen. Darum ist ein inniges Verhältnis zwischen Gatte und Gat - tin das beste Mittel, dem Vater auch die Liebe der Kinder zu sichern. Auch ist es wichtig, daß der Liebe zum Vater eine religiöse Weihe gegeben werde. Die Kinder sollen angehal - ten werden, täglich für den Vater zu beten, und sie sollen auch merken können, daß der Vater dieses Gebet für ihn zu schätzen weiß.

Immer aber bleibe der Vater sich bewußt, wie feinfühlig die Kinder sind in Bezug auf die Fehler des Vaters. Jeder Christ hat Gründe, seine Fehler zu verbessern. Der Vater hat deren noch mehr, indem jeder seiner Fehler ein Hindernis ist für das ihm so not - wendige Ansehen bei seinen Kindern. Jeder Vater, namentlich der angehende Vater soll darum seine Mängel und Schwächen zu kennen suchen, und wenn er sie bisher nicht seines144 eigenen Heiles wegen zu bessern sich entschloß, so soll er in Zukunft um seiner Kinder willen Hand an das Werk legen. Er muß zuerst sich selber erziehen. Will er mit seiner Er - ziehung der Kinder guten Fortgang haben, so muß er ihr mit der Selbsterziehung immer um einige Schritte voraus sein. Dieser Punkt muß noch wiederholt berührt werden.

Die Würde und das Ansehen des christli - chen Vaters beruht aber vor allem darauf, daß er in seiner Familie der Stellvertreter Gottes ist. Die Kinder lernen das im Katechismus, aber das genügt nicht, auch der Vater muß von diesem Bewußtsein durchdrungen sein. Alle Glieder der Familie müssen ihr gegen - seitiges Verhältnis im Sinne und Geiste des Christentums auffassen. Der Vater findet darin die stärksten Beweggründe für die Erfül - lung seiner Pflichten. Und wenn die Kinder im Vater den Stellvertreter Gottes erkennen, so werden sie ihn lieben und ehren und ihm gehorchen, nicht bloß aus natürlicher Neigung, sondern weil Gott es will, von Gewissens wegen. Dem Vater soll darum die Pflege echter Religiosität in seiner Familie vor allem am Herzen liegen. Sein väterliches Ansehen ist nur der Schatten von der Ehre des Aller -145 höchsten. Je mehr die Kinder angehalten wer - den, Gott zu ehren, desto weniger werden sie die Ehre ihres leiblichen Vaters vergessen. In der guten alten Zeit, als noch der Hausvater als Hauspriester seiner Familie vorbetete und vorlas, war es mit seinem Ansehen als Haus - herr gut bestellt. In diesem Amte, meint der protestantische Professor Riehl, dem ganzen Hause vorzubeten , steckt mehr Ehre, Rang und Herrscherrecht, als in einer ganzen Samm - lung von Titeln und Orden. Selbst allfäl - lige Fehler des Vaters vermögen dann nicht die schuldige Achtung auszulöschen, weil diese auf ein höheres Fundament, auf die Gottes - furcht gegründet ist. Auch hier gilt das Wort: Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und dieses alles wird euch hinzugegeben werden . (Matth. 6, 33.) Wollt ihr, daß die Kinder euch ehren, so müßt ihr sie zuerst durch euer Beispiel an - leiten, Gott zu ehren.

( Zur Opferung in der dritten Meßandacht. Seite 354.)

21. Liebe und Ernst, Belehrung und Zwang.

Das Geheimnis eines guten Obern liegt darin, daß es ihm gelingt, zu gleicher Zeit146 geliebt und gefürchtet zu werden, sich pünkt - lichen Gehorsam und aufrichtiges Zutrauen miteinander zu erwerben. Das ist besonders für den Vater notwendig, wenn er seiner Aufgabe bis an das Ende gewachsen sein will. Ist er bloß gütig und mild, so fehlt der Respekt, der Sohn wächst bald, wie man sagt, dem Vater über den Kopf und fragt nichts mehr nach ihm. Der Hohepriester Heli war ein frommer und gerechter Mann, aber ein allzugutmütiger Vater, und mit seiner Güte hat er seinem ganzen Hause den Untergang bereitet. Aber auch mit der ein - seitigen und übertriebenen Strenge geht es nicht. Man kann mit ihr wohl Ordnung im Hause handhaben, aber es regiert bloß die Furcht, das Herz wird dem Vater ent - fremdet, es fehlt das Zutrauen. Während der Sohn sich äußerlich beugt, emancipiert er sich innerlich, und mit dem äußeren Zwang hört meistens auch der Einfluß des Vaters auf.

Zunächst handelt es sich um die richtige Verbindung von Liebe und Ernst. Diese muß schon von Anfang vorhanden sein. Voraus - gehen muß die Liebe, und soweit sie genügt, braucht es keine Strenge. Auch wenn Fehler vorkommen, kann man es anfänglich mit147 wohlwollenden Mahnungen und Zurechtwei - sungen probieren. Aber wenn das nicht hilft, so muß der Ernst angewendet werden. Man verfahre auch da stufenweise, und wende schärfere Züchtigungen erst an, wenn die leichteren ohne Erfolg geblieben sind. Aber nie gebe man nach, bis das Kind sich fügt. Nach Austrag der Sache kann man ihm wieder das alte Wohlwollen zeigen, bis der Ernst neuerdings notwendig wird. Auf diese Weise merkt das Kind, daß man es liebt, daß man ihm nur ungern, nur notge - drungen wehthut. Es wird mit der notwen - digen Furcht erfüllt, ohne daß die Liebe und das Zutrauen darunter leiden.

Aehnlich steht es mit dem richtigen Ver - hältnis zwischen Belehrung und Befehl, Frei - heit und Zwang. Der Vater soll Herr im Hause sein, und in gewissen Punkten darf er das absolute Regiment gar nie aufgeben. In Bezug auf die kleineren Kinder versteht sich das von selbst, aber auch die heranwach - senden und erwachsenen Kinder müssen ihm unbedingt unterthan sein, soweit es sich um die Beobachtung einer christlichen Hausord - nung, das rechtzeitige Heimkommen und um die Schließung des Hauses am Abend, die148 Meidung sittengefährlichen Umganges u. dgl. handelt. Auch in ökonomischen Dingen soll sich der Vater von den Kindern nicht abhängig machen, bis in sein hundertstes Jahr. Es ist heutzutage oft schwer, die väterlichen Rechte so zu handhaben. Nur jene Väter werden das vermögen, welche dieselben schon vom Kinde in der Wiege an in vernünftiger aber beharrlicher Weise ausüben.

Aber mit dem einseitigen Zwange geht es nicht. Man erzieht die Kinder nicht für den Zwang, sondern für die Freiheit. Der Dichter von Dreizehnlinden sagt treffend:

Freiheit sei der Zweck des Zwanges,
Wie man eine Rebe bindet,
Daß sie, statt in Staub zu kriechen,
Froh sich in die Lüfte windet.

Der Zwang hört mit der Zeit auf, das Kind steht unabhängig, oder wenn man will, ver - lassen in der Welt da, und hat seinen freien Willen. Daß es ihn gut gebrauche, ist das Ziel, das man in der Erziehung anstreben soll. Daß es, auch frei geworden, noch Be - lehrung und Rat von den Eltern annehme, ist für sein Heil von großer Wichtigkeit. Man darf nicht versäumen, es in der häuslichen Erziehung auf diese Zeit vorzubereiten.

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Dazu können besonders zwei Dinge bei - tragen. Das erste ist die Belehrung über die Gründe des Gehorsams. Das kleine Kind braucht keine solche Belehrung, und auch die größeren müssen wissen, daß der elterliche Wille und Befehl Grund genug ist zum Ge - horchen. Aber allmählich denkt das Kind doch über die Befehle nach, und man muß ver - hüten, daß es dieselben als willkürliche ansieht, man muß vorsorgen, daß es selber das als gut erkennt, was es aus Gehorsam thun muß, und daß so auch sein freier Wille da - bei ist, und daß er dabei bleibt, wenn das Befehlen und Gehorchen aufhört. Ist das Kind selbständig geworden, so handelt es nach seinen eigenen inneren Beweggrün - den, und nur, wenn man ihm während der Erziehung die Beweggründe für das Gute eingepflanzt und zu seiner Ueberzeugung ge - macht hat, ist es fähig, gute Entschlüsse zu fassen und auszuführen.

Das zweite, was notwendig ist, ist die allmähliche Gewöhnung an den Gebrauch der Freiheit. Der plötzliche unvermittelte Uebergang von einer strengen Zucht im Vaterhause zur völligen Unabhängigkeit in der Welt draußen ist für die meisten ge -150 fährlich und bedenklich. Ein kleines Kind lernt das Gehen nur durch wiederholte Versuche, bei denen man es zuerst hält, allmählich mehr sich selbst überläßt, nur noch seine faux pas überwacht und unschädlich macht, bis es dazu kommt, seinen Körper selber im Gleichgewichte zu erhalten. Aehnlich muß der junge Christ, bevor er in die Welt hinaustritt, angeleitet werden, auf eigenen Füßen zu stehen und ohne sittliche Schwankungen seinen Weg zu gehen. Es ist selbstverständlich zu berück - sichtigen, wie früh und wie weit der Sohn sich selbst überlassen wird. Einen künftigen Institutszögling braucht man noch nicht in den Genuß der Freiheit einzuführen, wohl aber den jungen Akademiker und den aus - wärts untergebrachten Lehrling. Der Vater giebt dabei die Zügel der häuslichen Zucht nicht aus der Hand, aber er gestattet dem Sohne etwas mehr Freiheit, um zu probieren, wie er mit ihr umzugehen weiß, und wenn es gut geht, kann er den freien Spielraum er - weitern. Auch wenn er die Probe nicht ganz besteht, ist es besser, es geschehe das unter den Augen und der Zucht des Vaters, der nachhelfen kann, als erst dann, wenn niemand mehr den Schwankenden unterstützt. Der151 Jüngling soll so einigermaßen an den guten Gebrauch der Freiheit gewöhnt werden, be - vor er sie ganz bekommt. Bei unreifen und unselbständigen jungen Leuten soll man den Hinaustritt in die Welt so lange als mög - lich hinausschieben.

Wird die häusliche Erziehung nach den an - gegebenen Grundsätzen eingerichtet, so ist zu hoffen, daß der Vater die Erziehung noch fortsetzen könne, auch wenn der Sohn in der Ferne ist. Denn wenn der Sohn die Liebe, das Zutrauen, die Verehrung gegen seinen Vater mit sich fortnimmt, so wird er auch in der Fremde für väterliche Belehrungen und Mahnungen ein empfängliches Herz bewahren.

( Zur Kommunion in der dritten Meßandacht. Seite 363.)

22. Die Erziehung zur Gewissen - haftigkeit.

Das Gewissen ist das Bewußtsein des Menschen, daß er für sein Thun und Lassen vor Gott verantwortlich ist. Es verlangt vom Menschen, daß er thue, was Gott gebietet, und unterlasse, was Er verbietet. Es sagt auch dem Menschen, was als Gottes Wille, als göttliches Gesetz befolgt werden soll, und152 wird darum auch die Stimme Gottes im Menschen genannt. Das Gewissen ist zu - frieden, wenn der Mensch ihm folgt, es be - unruhigt und peinigt den, der ihm entgegen - handelt.

Das Gewissen bildet den Mittelpunkt des religiösen und sittlichen Lebens. Es schöpft seine Kraft aus der religiösen Ueberzeugung, und es regiert das sittliche Leben mit allen seinen Handlungen. Je lebendiger der re - ligiöse Glaube ist, desto größer ist auch die Macht des Gewissens, und je lauter das Gewissen redet, desto eher wird der Wille ihm folgen. Man kann sagen: Das Ge - wissen ist der Mensch, oder noch besser: Das Gewissen ist der Christ, d. h. der Christ ist gut oder schlecht, je nachdem es mit seinem Gewissen bestellt ist. Man kann sagen, daß von der Herrschaft des Gewissens der Zustand der menschlichen Gesellschaft ab - hängig ist. So weit es Gehör findet, werden Tugend und Gerechtigkeit geübt, und Fa - milien und Völker befinden sich wohl dabei. Fängt man an, es allgemeiner zu mißachten und zu verwirren, so beginnt der Zerfall der Sitten, und hat unleidliche Zustände in seinem Gefolge. Die Geschichte des Gewissens153 ist die Geschichte des Menschen und der Menschheit.

Alle Menschen haben ein Gewissen, so gut sie Verstand und freien Willen haben. Es ist ihnen angeboren, und sie können es nie los werden. Aber es kann durch Irr - tümer mißleitet, und durch fortgesetztes Sün - digen abgestumpft, oft auch absichtlich vom menschlichen Leichtsinn überhört werden. Da - rum redet es anders in dem unwissenden Heiden, und anders in dem wohlunterrich - teten Christen, anders in der Seele des Frommen und anders in dem verstockten Sünder. Ja im gleichen Herzen wird es oft kaum gehört in der Stunde sinnlichen Uebermutes, wenn aber eine Todesgefahr naht, bricht es sofort wieder mit überwäl - tigender Macht hervor. Der gleiche Mensch kann sich ein Gewissen daraus machen, einen Groschen zu stehlen, aber keines, der Ehre des Nächsten unheilbaren Schaden zuzufügen. Das Gewissen kann den Gerechten peinigen wegen geringer Fehler, während oft der Gottlose bei all seiner Bosheit ruhig zu sein scheint. Das meiste hängt davon ab, wie das Gewissen in der Erziehung behan - delt wird.

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Das Gewissen muß in einem bestimmten Zeitpunkt den Erzieher ablösen, d. h. der junge Christ, der in den Kinderjahren ganz von seinem Erzieher geleitet wird, reift all - mählich zur Selbständigkeit heran, der be - stimmende Einfluß des Erziehers tritt immer mehr zurück, und was an seine Stelle treten soll, kann nur das Gewissen sein. Wenn der Jüngling der Erziehung entwachsen ist, muß er von innen heraus, durch sein Ge - wissen regiert werden. Das Gewissen so zu bilden, daß es den erwachsenen Christen kräftig und sicher den guten Weg leitet, muß das Hauptziel der religiösen und sitt - lichen Erziehung sein.

Bis zu einem gewissen Punkte bietet diese Pflege des kindlichen Gewissens keine Schwierigkeiten. Tertullian hat gesagt, daß die Seele von Natur aus eine Christin sei. Jeder Erzieher kann die Erfahrung machen, wie wahr dieses Wort ist. Das Kind ist für jene religiösen Wahrheiten, welche be - sonders auf das Gewissen einwirken (Eigen - schaften Gottes, Lohn und Strafe), so em - pfänglich, als ob sie ihm angeboren wären. Auch die Unterscheidung von gut und bös, so weit sie für das sittliche Leben des Kindes155 in Betracht fällt, bietet keine Schwierigkeiten. Es faßt alles das sehr leicht auf. Auch ist sein Gewissen zart. Unverdorbene Kinder sind mehr geneigt, etwas für Sünde zu hal - ten, was keine Sünde ist, als umgekehrt.

So weit es sich also um bloße Belehrung handelt, ist es gar nicht schwer, dem Kinde zu einem richtigen und zarten Gewissen zu ver - helfen. Aber nun kommt die andere Seite, die leider fast überall zu wünschen übrig läßt. Das Kind beobachtet das Benehmen seiner Umgebung, und da kommt der alte Spruch zur Geltung: Worte belehren, Bei - spiele reißen hin . Wenn die Belehrung, die es durch den Unterricht für sein Gewissen erhalten hat, in dem Betragen der Haus - genossen ihre Bestätigung findet, wenn alle Angehörigen nach den Forderungen des Ge - wissens handeln, so wird alles gut gehen. Das Rind wird durch das Beispiel noch mehr als durch die Belehrung gewissenhaft und fest im Guten werden, es wird aus Flüchtig - keit, aber kaum mit Wissen und Willen feh - len. Die Macht des guten Beispieles ist nir - gends größer, als bei Kindern.

Wenn aber das Kind die Forderungen des Gewissens kennt, und dann Zeuge ist,156 wie Eltern und Hausgenossen gegen dieselben fehlen, so muß das seiner zarten Gewissen - haftigkeit eine tötliche Wunde versetzen. Die - ser Widerspruch zwischen Lehre und Leben verwirrt sein Gewissen, aber die Verwirrung wird sich bald dahin abklären, daß es un - bewußt zum Schlusse gelangt: Diese Dinge sind nicht so ernst zu nehmen, was die El - tern für erlaubt halten, ist auch mir erlaubt. So bildet sich im Herzen des Kindes schon eine gefälschte Sittenlehre, ein gefälschtes Gewissen, gefälscht durch das böse Beispiel der Eltern. Dieser traurige Fall tritt ein, wenn diese es mit der Wahrheitsliebe, der Redlichkeit, dem Beten, der Heilighaltung des Namens Gottes, der Beobachtung der Kirchengebote u. s. w. nicht genau nehmen. Diesem Umstande ist es unter anderem zu - zuschreiben, daß Verleumdung und Ehrab - schneidung wie ein unheilbares Erbübel unter dem gläubigen Volke sich fortpflanzen. Die Kinder hören in einem fort von solchen Dingen reden, sie lernen dieselben mit der Muttersprache, sie wachsen mit ihnen auf; es steht zwar im Katechismus, daß das Sünde sei, aber das böse Beispiel hat das Gewissen stumpf gemacht, die Jungen machen157 sich noch weniger daraus, als die Alten. Aehnlich wirken alle Fehler, welche die Kin - der an den Eltern beobachten.

Es ist unendlich traurig, daß so mancher Vater durch sein Benehmen oder seine Reden, oft mit lachendem Mund, geschehe es nun herzlos oder gedankenlos, den zarten Duft von dem Gewissen seines Kindes abstreift, und ihm, der Vater seinem eigenen unschul - digen Kinde, ein in den meisten Fällen un - heilbares Aergernis giebt. Denn in diesen Jahren und von dieser Seite dringt das Aergernis tief in die Seele des Kindes hin - ein. Wenn das Gewissen schon bei seiner ersten Entfaltung durch die Erzieher selber abgestumpft wird, so wird es kaum jemals kräftig und entschieden genug werden, um dem jungen Christen, wenn er selbständig geworden ist, als Kompaß durch das Leben zu dienen. Den Beweis liefern die Legionen von Jünglingen, welche nach einer solchen Erziehung in die Gefahren der Welt hin - austreten und bald in denselben Schiffbruch leiden.

Wer diese Dinge überlegt, wird begreifen, warum der göttliche Heiland über das Aerger - nis der Kleinen ein so erschütterndes Wehe 158ausgerufen hat. Und wer nur ein wenig Glauben hat, wird zittern bei dem Gedan - ken, daß dieses Wehe auch ihm gelten könnte. Es ist vorhin bemerkt worden, daß die Fehler des Vaters sein väterliches Ansehen bei den Kindern schwächen, und er darum die Kinder nur gut erziehen könne, wenn er in erster Linie sich selbst erziehe. Hier ist ein weiterer Grund für diese Selbsterziehung. Das Beispiel des Vaters übt eine solche Macht auf die Kinder aus, daß es ihnen mit einer gewissen Notwendigkeit entweder zum Falle oder zur Auferstehung gereichen wird. Ein christlicher Vater, der es mit den Geboten Gottes und der Kirche genau nimmt, der sich im reli - giösen und sittlichen Leben, im Reden und Handeln gewissenhaft nach denselben richtet, der ist Tag für Tag eine lebendige Predigt, eine beständige Erbauung für seine Kinder. Dieses Beispiel wird wirken, ohne daß es noch vieler Mahnungen und Strafen bedarf. Aber ohne dasselbe ist das ganze Werk der Erziehung gefährdet. Nun wird aber kein Vater ganz ohne Fehler sein, und da bleibt nichts übrig, als sie eifrig zu bekämpfen. Bei der Gewissenserforschung, bei der Beicht prüfe er gewissenhaft das Beispiel, welches159 er den Kindern gegeben hat, und gehe nicht oberflächlich darüber weg. Wenn es mit dem Vorsatz der Besserung nicht leicht gehen will, so sage er zu sich selbst im Hinblick auf die Folgen und die Verantwortung: Du bist Vater, es muß sein, um deiner Kin - der willen.

Das gute Beispiel ist nicht das einzige Mittel, um die Kinder zur Gewissenhaftig - keit zu erziehen. Oft giebt es Gelegenheit, die Kinder zu mahnen, zu belehren, zu - rechtzuweisen. Bei solchen Anlässen soll man nicht bloß auf zeitliche Beweggründe, wie Schande und Ehre, Lohn und Strafe, Glück und Unglück u. dgl. hinweisen, um die Kinder vom Bösen abzuschrecken. Man betone vielmehr jene Beweggründe, welche wie die Erinnerung an die Allwissenheit Gottes geeignet sind, auf das Gewissen ein - zuwirken, und zur Uebung des Guten auch in der Verborgenheit und im Innern an - zutreiben.

Auch bei Zurechtweisungen und Strafen muß man die Bildung des Gewissens im Auge behalten. Es wirkt übel auf das Ge - wissen des Kindes, wenn man über sittliche Verfehlungen, z. B. Lügen, Fluchworte u. dgl.160 leicht hinweggeht, dagegen ganz unabsicht - liche Fehler, z. B. das Zerbrechen eines Geschirres ungleich ernster nimmt, während es vom sittlichen Standpunkte aus gerade umgekehrt sein sollte.

Endlich haben wir in unserer Religion zwei vortreffliche Mittel, um die kindliche Gewissenhaftigkeit zu pflegen. Das eine ist die tägliche Gewissenserforschung beim Abend - gebet. Dieser tägliche Einblick in sein In - neres, verbunden mit Reue und Vorsatz, ist für das sittliche Leben von hohem Wert. Die geistliche Polizei, sagt Alban Stolz, im Innern des Menschen wird dadurch wachsam und bekommt scharfe Augen. Das Gewissen ist da Richter über den vergan - genen Tag und Gesetzgeber für den folgen - den. Die Selbsterkenntnis, der Wille der Besserung, ein wachsames und ein gutes Gewissen sind nicht leicht möglich ohne dieses Tugendmittel. Die Bedeutung des - selben wird nur noch übertroffen durch die der Beicht. Diese greift noch tiefer in das Ge - wissen ein und bringt noch segensreichere Wirkungen hervor. Da lernt das Kind vor den Augen des Allwissenden noch ernster sein Gewissen prüfen und ordnen. Es ist161 sehr zu empfehlen, daß der Vater durch Wort und Beispiel die Kinder zur fleißigen und ernstlichen Benutzung dieser beiden Tugend - mittel aufmuntere. Oben wurde gesagt: Das Gewissen ist der Christ. Man kann mit dem gleichen Rechte sagen: Das Gewissen ist der christliche Vater, d. h. er kann nur dann gut erziehen, wenn er selber durch und durch gewissenhaft ist. Und ebenso wahr ist: Das Gewissen ist der christliche Sohn, er wird nur dann gut ausfallen, wenn er zur Ge - wissenhaftigkeit erzogen wird.

(Bete von der Andacht zur heiligen Familie Nr. 1 Seite 442.)

23. Die spätere Erziehung zur Religiosität.

Das gute Beispiel der Eltern ist von ent - scheidender Bedeutung für die richtige Bild - ung des Gewissens in dem Kinde. Aber so mächtig auch die Wirkung dieses Beispieles ist, so ist es für das Kind doch nur eine Erbauung und Stärkung, die von außen kommt, ungefähr wie der Sonnenschein die äußere Bedingung für die Entfaltung der Frühlingsblüten ist. Das eigentliche Leben der Blüte kommt aus der Wurzel, und die162 Kraft des Gewissens beruht auf der Reli - giosität, dem Glauben und der Gottesfurcht. Es ist stark oder schwach, wachsam oder ein - geschlummert, wie diese es sind. Eine zu - verlässige Gewissenhaftigkeit ist nicht mög - lich ohne wahre Religiosität. Sollen die Kinder erstere besitzen, so muß man sie auch für letztere erziehen. (Vergleiche Artikel 3 und 8.)

Das Hauptsächliche über die erste reli - giöse Erziehung ist bereits (Artikel 16 und 18) kurz angegeben worden. Was neu hinzu - kommt, ist der Umstand, daß mit den Jahren die Mitwirkung des Vaters immer notwen - diger wird. Die heilige Monika hatte mit der ersten Erziehung guten Erfolg bei ihrem Sohne Augustin, obschon der Vater nicht mit - wirkte, eher ein Hindernis war. Als Knabe schon, so erzählt der heilige Augustin selber, hatte ich gehört von dem ewigen Leben, das uns verheißen ist durch die Erniedri - gung seines Sohnes, und ich ward mit dem Zeichen seines Kreuzes bezeichnet. Wir wa - ren gläubig. Ich, die Mutter und das ganze Haus, nur der Vater nicht. Aber er konnte die einwirkende Kraft der mütterlichen Fröm - migkeit nicht dahin abschwächen, daß ich so163 wenig glaubte, als er. Denn die Mutter überzeugte mich, daß Du, o Gott, mein Va - ter bist, mehr als mein leiblicher Vater. (Bekenntnisse I, 11.)

Aber bald kam die Zeit, von der Augustin bekennt: Keines ihrer (der Mutter) Worte stieg in mein Herz hinab, so daß ich es be - folgt hätte. Der Anfang war gut, aber wo der Vater hätte eingreifen sollen, war eine Lücke und die Mutter allein vermochte nicht, ihren Sohn von seinen Verirrungen zurückzuhalten.

Das gute Beispiel des Vaters in Erfül - lung der religiösen Pflichten, im häuslichen Gebete, im Kirchenbesuch, im Empfang der heiligen Sakramente wird um so unentbehr - licher, je größer die Kinder werden. Er soll aber neben dem guten Beispiel auch so viel als möglich selber bei der religiösen Erzieh - ung mitwirken. Auch wenn er viel beschäf - tigt ist, kann er sich dann und wann er - kundigen, wie die Kinder den Katechismus lernen, wie sie in seiner Abwesenheit beten u. s. w., und geeignete Mahnungen und Auf - munterungen geben. An Sonn - und Feier - tagen sollen die größeren Kinder über Predigt und Christenlehre abgefragt werden. Das164 nötigt sie, aufmerksam zu sein, und damit lernen sie, religiöse Vorträge verstehen und auffassen. Es wird sehr erbauen, wenn er hie und da, namentlich vor höheren Festen, den Seinigen etwas Erbauliches vorliest, oder vorlesen läßt, und daran einige heilsame Er - innerungen knüpft. Was Gott durch Mo - ses im alten Bunde vorgeschrieben hat, gilt auch für christliche Väter: Erzähle deinen horchenden Kindern und Enkeln, wie oft Ich die Aegypter schlug und was Ich für Wun - der an ihnen that. Gebiete deinen Söhnen, daß sie mein Wort halten, und alles erfüllen, was in diesem Gesetze geschrieben steht. Wenn du am Osterfeste das ungesäuerte Brot issest, so erkläre den Deinigen: dies geschieht dafür, was der Herr uns gethan, als wir auszogen aus dem Aegypterlande. Fragen dich dereinstens deine Kinder, was diese Vor - schriften, Ceremonien und Satzungen bedeu - ten, so antworte ihnen. (II. Mos. 10: 2, 13, 8.) Gott wollte, und Er will es noch, daß durch solche Belehrungen des Vaters die Religion zur Familientradition werde, die sich von den Vätern auf die Söhne vererbt.

An ihm ist es auch, bei vorkommenden Verfehlungen den Schuldigen den nötigen165 Ernst zu zeigen. Es soll das möglichst eindring - lich, aber auch möglichst würdig geschehen. Als Student brachte ich einmal meine Fe - rien in einem gutkatholischen Hause der West - schweiz zu. Wir saßen an einem Sonntage beim Mittagstische, als sich die Thüre öffnete, und der älteste Sohn des Hauses eintrat, der in Deutschland studiert hatte und nun in die Ferien heimkehrte. Ich sah, wie die Mienen des Vaters sich plötzlich verfinsterten, und noch ehe der Sohn die Thüre geschlossen hatte, rief er ihm entgegen: Wo bist du in der Messe gewesen? Der Sohn stammelte einige Entschuldigungen: Die Post (es war vor der Zeit der Eisenbahnen) sei um sechs Uhr von B. abgefahren, und sie hätten sich umsonst bemüht, vorher einer Messe beizu - wohnen. Der Vater verweigerte dem Sohne die Hand zum Willkomm, redete per Sie mit ihm, und ließ ihn bei Tische bedienen, wie man einen Fremden im Hotel bedient. Es brauchte die Vermittlung der Mutter, bis der Jüng - ling am anderen Tage vom Vater wieder als Sohn des Hauses behandelt und mit Du angeredet wurde. Ich habe noch wenige Scenen erlebt, die mich so tief ergriffen haben, wie diese Lektion eines Vaters an seinen Sohn.

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Wenn die Kinder größer werden, fangen sie an, über manches, was sie beobachten, sich ihre Gedanken zu machen. Sie sehen, wie verschiedene Religionen nebeneinander bestehen, wie manche katholische Christen ihre religiösen Pflichten vernachlässigen, selbst irreligiöse, kirchenfeindliche, ungläubige Ge - sinnungen an den Tag legen. Namentlich die Söhne können in der Schule, in der Werk - statt und in der Kaserne religiös und sitt - lich verkommene Kameraden an ihrer Seite haben, sie können gottlose Schriften in die Hand bekommen, und dadurch mit ihrem Glauben und religiösen Leben in ernste Ge - fahren hineingeraten. Jedermann weiß, daß eine große Zahl junger Christen diesen An - fechtungen erliegt.

Was kann und soll der Vater da thun? Eigentlich muß die ganze religiöse Erziehung dahin zielen, den Jüngling für diese meistens unvermeidliche Probe zu stärken. Er soll im Glauben gut unterrichtet und zu einem religiösen Leben angehalten werden. Im väterlichen Hause halte man schlechte Schrif - ten und schlimme Kameraden ferne, und überlasse den jungen Christen nicht zu früh den Gefahren der Welt. Man belehre ihn167 beizeiten über die kommenden Gefahren, damit er nicht arglos und unvorsichtig jeder - mann Vertrauen schenkt. Nicht jeder Vater ist unterrichtet genug, um allen künftigen An - griffen auf den Glauben zum voraus zu begeg - nen, aber jeder christliche Vater kann und soll Ansehen genug haben, um seinen Sohn mit Liebe und Treue und Anhänglichkeit gegen Christus und seine Kirche und mit Mißtrauen gegen ihre Feinde und Lästerer zu erfüllen. Auch soll der Sohn angewiesen werden, bei all - fällig entstehenden Zweifeln beim Seelsorger Belehrung zu suchen, und in der Fremde, wenn immer möglich, einem katholischen Vereine beizutreten. Durch letzteres bekommt jeder Jüngling mehr Halt und Festigkeit für Ueberzeugung und Leben. Wehe dem, der allein ist! (Pred. 4, 10.) Der Umgang mit gutgesinnten Altersgenossen dient dem Jüng - ling zur Stärkung. Aber er ist in großer Ge - fahr, wenn er in der Welt allein dasteht.

Aber bei aller Anwendung dieser äußeren Mittel kann immer noch etwas fehlen, was gerade die Hauptsache ist. Gott gebe, daß ich es klar und eindringlich darlegen kann, und von dem Leser verstanden werde.

( Zur Epistel in der dritten Meßandacht. Seite 350.)

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24. Der Geist des Glaubens.

Die heranwachsende katholische Jugend hat Glauben und zeigt denselben auch nach außen, so lange sie in einer katholischen Um - gebung ist. Wenn aber die äußeren Ver - hältnisse sich ändern, so sieht man bei vielen, daß ihr Glaube nur ein schwindsüchtiger Glaube ist. Sie werden nachlässig im Ge - bete und in der Erfüllung ihrer übrigen religiösen Pflichten, sobald sie nicht mehr mit der Herde laufen können. Die Menschen - furcht ist stärker als die Gottesfurcht, es fehlt der Mut, den Glauben in Wort und That zu bekennen, auch wo es sich nur um einige schiefe Blicke handelt. Der Glaube muß zurücktreten hinter zeitlichen Interessen, handelt es sich z. B. um eine vorteilhafte Heirat, so läßt man sich leicht zu Schritten herbei, die einer Verleugnung des Glaubens gleichkommen. Und doch wollen die meisten nicht ungläubig sein. Aber was ist das für ein Glaube? So war es nicht, als die macha - bäischen Jünglinge sich eher in Stücke hauen ließen, als daß sie Schweinefleisch aßen. So war es nicht bei den Kindern der Martyrer, welche wie Pankratius und Vitus, Agnes169 und Lucia vor den Richtern und Henkern ihren Katechismus beherzter aufsagten, als unsere Jugend in der Christenlehre.

Warum ist das jetzt anders? Die mensch - liche Natur ist nicht schwächer und die Kraft der Gnade nicht geringer als in den ersten Zeiten. Aber der Glaube ist bei der heutigen Jugend vielmehr etwas Angelerntes, als etwas Eingelegtes. Und die Ursache liegt darin, daß bald in den meisten katholischen Familien zwar nicht gerade der Glaube, wohl aber der Geist des Glaubens fehlt. Insbe - sondere ist das beim Vater häufig der Fall.

Der Geist des Glaubens ist die tiefe und lebendige Ueberzeugung von den Wahrhei - ten der Religion, so daß man sie nicht bloß als wahr gelten läßt, sondern von ihnen ganz durchdrungen und im Denken und Le - ben beherrscht wird. Wer den Geist des Glaubens hat, bemißt seine Gedanken, Worte und Werke so nach den Regeln des Glau - bens, wie wir unsere Rechnungen nach dem Einmaleins richten. Wenn das wahr ist, was wir glauben, so müssen wir doch sicher die Dinge darnach beurteilen und uns dar - nach verhalten. Nichts kann selbstverständ - licher und natürlicher sein, als das.

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Und doch sind viele Männer von diesem Geiste des Glaubens sehr weit entfernt. Sie wissen oder sollen und können wissen, was Christus sagt über die Sorge für seine Seele, über die Vergänglichkeit des Irdischen, über das Gebet, über die Wahrheitsliebe, über den Stolz und Ehrgeiz, die Verletzun - gen der Nächstenliebe u. s. w. Sie leugnen diese Dinge auch nicht, aber im einen und anderen Punkte fehlen sie nicht bloß, sondern lassen sich von Anschauungen und Bestre - bungen leiten, die denen des Evangeliums geradezu widersprechen. Die Zerstreuungen des Lebens, die herrschenden Anschauungen der Welt, irgendwelche verkehrte Neigungen haben ihr christliches Bewußtsein gefälscht, so daß sie allfällig den Glauben haben, aber nicht den Geist des Glaubens, sondern that - sächlich vom Geiste des Eigennutzes, des Ehr - geizes, vom Geiste der Welt regiert werden.

Niemand kann den Geist verleugnen, der ihn erfüllt, auch der Vater vor seinen Kindern nicht. Wenn nichts wäre, als die Tischgespräche, so würde in denselben der Geist des Vaters hinreichend zum Ausdruck kommen und auf die Kinder einwirken. Was er von der Vorsehung denkt bei Unglücks -171 fällen, wie er die religiösen Pflichten auf - faßt und erfüllt, wie er die Kirche liebt, wie hoch er das Ewige und das Zeitliche an - schlägt, wie er lieblose Urteile, Feindesliebe beurteilt und übt, u. a.m., das merken die Kinder, das macht Eindruck auf die Kinder, und ohne daß es der Vater nur merkt, ist sein Geist der ihrige geworden.

Nur wenn der Vater den Geist des Glau - bens hat, kann er ihn den Kindern mitteilen, und nur dann wird das geistige Fundament der Erziehung festbegründet sein. In der heu - tigen Zeit ist es freilich für Männer nichts Leichtes, den Geist des Glaubens zu bewah - ren und von Zeit zu Zeit wieder zu erneuern. Hie und da die Zerstreuungen mit der Ein - samkeit vertauschen, in den religiösen Uebun - gen eifrig sein, religiöse Schriften lesen, geistliche Uebungen machen, das wären nicht unwirksame Mittel, wenn man sich nur zum Gebrauche derselben aufraffen würde. Die Sache ist es wert, denn in keinem Punkte muß die Selbsterziehung der Erziehung so notwendig vorausgehen, wie hier. Wer sel - ber kein Feuer hat, kann niemals andere entflammen. Wie können Kinder eifrig wer - den, wenn sie laue Eltern haben?

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Zur Aufmunterung folgt hier ein Bei - spiel. Am 28. Dezember 1863 starb in Angoulême der Oberst Paqueron, das Mu - ster eines katholischen Vaters. Er konnte dieses nur sein, weil er auch durch und durch ein gläubiger Christ war. Seine eigenen Aeußerungen mögen seine Gesinnungen dar - legen. Nach einer glücklichen, aber kurzen Ehe verlor er seine Gattin, und der Schmerz darüber haftete lebenslänglich in seiner Seele. Als er viele Jahre später eine militärische Sendung nach Afrika erhielt, schrieb er: Wohin ich auch gehen werde, ich werde Gott überall und meine Gattin nirgends mehr finden. Aber schon an ihrem Sterbe - bette hatte er gebetet: Du, o Gott, hast unseren Wunsch in deiner ewigen Weisheit nicht erfüllt, Du weißt besser als wir, was uns nötig ist, und so muß ich trotz meines Schmerzes Dir Dank sagen auch für die so entsetzlich schwere Heimsuchung. Er suchte Linderung des Schmerzes in angestrengter Arbeit: Nichts kann mich gegen den Schmerz verteidigen, als die Macht der Regelmäßig - keit. Ich muß meine Natur mit Eisenban - den an die Pflicht schmieden und sie in un - durchbrechliche Schranken der Thätigkeit ein -173 zwängen. Wenn klare Grundsätze gut auf das Verhalten des Menschen einwirken, so ist es umgekehrt auch wahr, daß die Thätigkeit des Menschen ganz gewaltig auf seine Ge - danken und Gefühle zurückwirkt. Wer gut lebt, wird unfehlbar auch seine Ideen und Gefühle immer mehr veredeln und läutern. Seien wir also standhaft im Handeln.

Doch war ihm die Thätigkeit nicht bloß ein Mittel zur Betäubung des Schmerzes, sondern eine Pflicht gegen Gott. In mei - ner Todesstunde wird mir all die Zeit, die ich auf Erden zugebracht, wie ein Blitz er - scheinen. Ich muß mich beeilen, sie gut zu gebrauchen. Was muß ich dazu thun? Ueber meine Pflichten klar werden, und mir Mühe geben, sie immer besser zu erfüllen. Meine Pflichten sind zahlreich. Als Christ muß ich Christus und seine Lehre betrachten, sein Beispiel befolgen und mir Mühe geben, Ihn über alles und aus allen Kräften meiner Seele zu lieben. Als Vater muß ich für meine Kinder sorgen, ich bin verpflichtet, sie mit Ernst und Milde zu erziehen und ihnen von frühester Jugend an die größte Ehr - furcht und Liebe gegen unsere heilige Re - ligion einzuflößen. Als Hausherr muß ich174 sowohl über Dienstboten als Kinder in gei - stiger und körperlicher Hinsicht wachen, sie mit Güte behandeln, ihre Fehler mit Geduld ertragen. Als Beamter des Staates habe ich alle Pflichten meines Amtes zu erfüllen, mich davor zu hüten, daß ich von meinen Vorgesetzten übel rede, dagegen mich ihrem Willen von Herzen zu unterwerfen und sie aufrichtig hochzuschätzen. Das ist so unge - fähr die Summe meiner Pflichten aber ist eine davon, die ich ganz und stets erfüllt hätte? Wer es nicht versteht, der Sklave seiner Pflicht zu sein, wird niemals Herr seiner Leidenschaften; man herrscht hier nur, sofern man sich dort unterwirft! Nun bin ich wieder bei meinen Arbeiten und mei - nem Pulver, so schrieb er nach der Rück - kehr aus Afrika, und ziehe Gott in meine Arbeiten hinein. Meine Fabriken bringen noch etwas Besseres, als Pulver hervor nämlich meine ewige Glorie. Die kleinsten Dinge mit den erhabensten Absichten verrich - ten, das heißt sein Leben zugleich angenehm machen und es heiligen. O wie gut ist der liebe Gott!

Trotz seines Eifers für die Thätigkeit fanden die religiösen Uebungen in seiner175 Tagesordnung ihre gebührende Stelle. Er begann den Tag, indem er eine Stunde lang betete und in der heiligen Schrift las. Und er beschloß ihn mit der Gewissenserforschung und dem Lesen zweier Kapitel aus dem Evan - gelium. Paqueron bemerkt: Wissenschaft, ja; Kunst, ja; Handel, auch wohl; ich will ja das alles auch, aber mit all dem und vor allem dem will ich Brot, ich habe Hunger nach dem Brote des Lebens. Wo unser Heiland nicht ist, da ersticke ich; und mit einer Sache, für die man Gott nicht interes - sieren kann, mag ich meine Zeit nicht ver - lieren. Den Trost seines Lebens fand er in der heiligen Kommunion. Wie streng er sich selber beurteilte, ergiebt sich daraus, daß er sich Vorwürfe machte, weil er zu hastig die Gelegenheit ergriff, einen zeitlichen Gewinn zu machen. Ein anderes Mal ta - delt er sich, daß er bei Erfüllung seiner Amtspflichten zu sehr auf den materiellen Vorteil sieht, den er für seine Kinder daraus zu ziehen gedenkt. Man wird es nicht auf - fallend finden, daß ein solcher Mann mit Hintansetzung aller Menschenfurcht und mit kühner Verachtung aller Spötter überall als Christ und Katholik auftrat, und als solcher176 auch Achtung und selbst Bewunderung ern - tete. Eine Zeit lang war er in La Rochelle. Manche von den einflußreichsten Protestan - ten sagten: Ach wären alle Katholiken, wie dieser Colonel, so wären wir morgen katholisch. Wenn er an einem Freitag eine Einladung erhielt, so ließen auch Protestan - ten nur Fastenspeisen auftragen, und wo er hinkam, verstummte jedes Wort, welches sein religiöses Gefühl hätte verletzen können. Der dortige Bischof sagte: Der Colonel ist mein bestes Argument gegen die Protestan - ten. Er hat noch etwas anderers als seine Artillerie von Bronze zu seiner Verfügung, er richtet nach allen Seiten seine Tugen - den, die fähig sind, unsere schlimmsten Feinde zu schlagen. Und doch disputierte Paqueron nie. Sein Grundsatz war: Streiten wir nicht mit Worten, leben wir gut. Das Licht der guten Werke erleuchtet jeden und beleidigt keinen.

Dieser seltene Mann besaß den Geist des Glaubens, und wenn er damit als Mann in der Welt viele erbaute, so hat er als Vater und Erzieher ihn unschwer auch sei - nen Kindern eingeflößt. Am Sterbebette seiner Gattin hatte er das Gelöbnis gemacht,177 Witwer zu bleiben und sich ganz dem Wohle seiner Kinder zu weihen, und er ist dem - selben mit aller Treue nachgekommen. Wer Kinder erziehen will, sagt er, muß vorab selbst ein Heiliger werden. Gott hat zwei Perlen in des Kindes Seele gelegt, den Gehorsam und die Reinheit. Wehe jenem, der ihm eine derselben raubt, er tötet da - durch unfehlbar den künftigen Mann im Kinde. Er leitete seine Kinder selber zum Gebete an, und er, der Artillerieoffizier, gab ihnen selber Unterricht im Katechismus und der biblischen Geschichte. Als sein Sohn Karl in Paris am Collège de France und an der polytechnischen Schule studierte, führte er mit ihm einen ausgedehnten Briefwechsel, in welchem er das Werk der Erziehung fort - setzte. Einige Stellen mögen zeigen, wie er seine Aufgabe erfüllte. Ich glaube, daß alle meine Pflichten als Vater sich auf diese eine zurückführen lassen: die Interessen Got - tes in dem Herzen meines Sohnes zu ver - teidigen, denn so werde ich zugleich die Rechte Gottes, die Rechte meines Sohnes und meine eigenen väterlichen Rechte schützen.

Dann warnt er ihn vor Menschenfurcht in der schlechten Atmosphäre des Poly -178 technikums: Pflanze sofort deine Fahne hoch auf, damit man wisse, wer du bist. Nach 48 Stunden darf kein einziger deiner Mit - schüler darüber im Zweifel sein oder dich um deine Gesinnung fragen müssen. Das ist das einzige Mittel, eine falsche Stellung zu vermeiden. Sei Christ, einfach, aber frei. Vor allem keine Schwachheit. Wer die Ehre hat, Christ zu sein, braucht nicht um Nach - sicht oder Duldung für seine Ueberzeugung zu betteln, er hat das Recht, Respekt zu for - dern. Fürchte dich nicht, als Sonderling zu gelten. Seit mehr als vierzig Jahren bin ich ein solcher Sonderling, und doch haben weder Gott noch die Menschen mich dieses entgelten lassen.

Gegen die Mutlosigkeit muntert er ihn durch sein Beispiel auf. Auch ich habe die Erschlaffung der Seele erfahren, liebes Kind; mit natürlicher Kraft siegt man dabei nicht ob. Wenn mich dieser innerliche Kleinmut erfaßte, hatte ich ein unfehlbares Mittel, aber nur dieses eine, ich erschloß mein Herz dem Beichtvater und empfing darauf die heilige Kommunion. Glaubst du, daß ich ohne die heilige Kommunion mein ödes Leben mit seinen Verlusten in der Vergangenheit und179 den Bitterkeiten in der Gegenwart ertragen würde?

Ueber den Geist des Glaubens schreibt er ihm folgendes: Hüten wir uns vor den wechselnden Eindrücken der wechselnden Stun - den. Unsere Väter waren stark und wider - standsfähig in der Seele, weil sie weniger unsichere Ideen und einen festeren Glauben hatten, weniger lebhaft, dafür aber tiefer empfanden. Ihr Leben beruhte auf unwandel - baren Grundsätzen und die Windstöße der Trübsale gingen über sie dahin, ohne sie zu erschüttern. Ihre Devise war das aposto - lische: Ich kann alles in Dem, der mich stärkt . Heute haben wir uns von Gott abgetrennt, wir sind auf unsere eigene Erbärmlichkeit angewiesen und daher zugleich eitel und furchtsam. Wir beginnen übermü - tig und enden kläglich. Der geringste Hauch wirft uns zu Boden und fegt uns weg ... Wir sind große Kinder ohne die Unschuld der Jugend und die Weisheit der grauen Haare. O seien wir stärker und fester als diese Zeit, trennen wir unser Herz nie los von unserem Glauben, von unserer Hoff - nung und unserer Pflicht. Glaube, Hoffnung und treue Pflichterfüllung, d. h. die thätige180 Liebe, das sind die drei Anker, die dem Le - ben Stetigkeit, Sicherheit und Größe ver - leihen.

Auf Paquerons Grab stehen die Worte: Ein wackerer christlicher Soldat. Man hätte hinzufügen können: Ein wackerer christ - licher Vater. Man betrachtet den Soldaten - stand als denjenigen, der dem christlichen Le - ben am meisten Schwierigkeiten bereitet. Um so mehr soll das Beispiel dieses Mannes den Vätern in anderen Ständen, die weniger Hindernisse bieten, zur Aufmunterung dienen.

(Bete die Andacht zu Ehren des heiligen Geistes . Seite 463.)

25. Temperament und Charakter.

In der sittlichen Erziehung müssen die natürlichen Anlagen des Gemütes berück - sichtigt werden, welche man in dem Namen Temperament zusammenzufassen pflegt. Unter dem Temperament versteht man die Beschaf - fenheit des Gemütes, insofern dieselbe von der Beschaffenheit des Körpers abhängig ist. Mitunter wird das Wort Naturell im glei - chen Sinne gebraucht. Der eine ist feurig und aufbrausend, der andere kalt und lang - sam, dieser vorzugsweise heiter gestimmt,181 jener ist ernst und gedankenvoll. Man kann sich leicht überzeuget!, daß diese Gemüts - stimmungen nicht rein seelischer Natur sind, sondern mit gewissen Zuständen des Kör - pers zusammenhangen, und in den Augen, den Mienen, in den Bewegungen und selbst in dem Bau des Körpers sich zu erkennen geben.

Der Ausdruck Temperament, Mischung, wird hier gebraucht, weil man früher die nicht ganz zutreffende Ansicht hatte, daß die Gemütsäußerungen durch die Mischung der Säfte des Körpers bestimmt werden. Wer sich rasch entschließt, lebhaft angreift, aber nicht beharrlich ist, wurde Sanguiniker ge - nannt, weil man ihm leichtes und rasches Blut zuschrieb. Als Choleriker galt der, welcher viel Galle hat und mit Feuer und Energie eine Sache angreift und durchführt. Der Mann mit schwarzer Galle und schwerem Blute, der infolgedessen tiefsinnig, ernst und menschenscheu ist, wurde als Melancholiker bezeichnet. Dem Phlegmatiker mit seinem Zuge zur Bedächtlichkeit und Ruhe schrieb man ein langsames, träges Blut zu. Diese Temperamente kommen in der Wirklichkeit nicht rein vor, sondern in ungleicher Mischung,182 in welcher bald das eine, bald das andere vorherrschen kann.

Was man sich von den Temperamenten bei der Erziehung zu merken hat, ist folgen - des: In der Gemütsbeschaffenheit, welche Temperament genannt wird, ist schon ziem - lich gegeben, welches die Hauptleidenschaft ist, die später aufwachen und den Menschen beherrschen wird, wenn sie nicht zuerst von der Erziehung und später vom freien Willen darniedergehalten wird. Bald ist die Anlage zum Zorn vorherrschend, bald zur Trägheit, zum Trübsinn, zum Leichtsinn, zum Eigen - sinn und Hochmut. Es handelt sich nicht darum, das angeborne Temperament zu unter - drücken, sondern dasselbe, so weit notwendig, zu verbessern und richtig zu bilden. Ob man von Natur aus mehr zum Frohsinn oder zum Ernst geneigt sei, ob man feuriger oder bedächtiger angelegt sei, jeder soll die Natur behalten, die ihm der Schöpfer gegeben hat. Man kann mit jeder ein guter Christ und selbst ein Heiliger werden. Selbst die Heiligen haben ihre angebornen Gemütsanlagen nicht verleugnet, sondern veredelt und verklärt. Es giebt ja manche Heilige, welche Scherz und Heiterkeit geliebt und geübt haben.

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Aber das darf nie vergessen werden, daß infolge der Sünde meistens in dem Tempera - mente die Keime gefährlicher Leidenschaften vorhanden sind. Diese müssen die Eltern aufmerksam beobachten, und sobald sie die vorherrschende Neigung eines Kindes kennen, sollen sie die ganze Erziehung darauf be - rechnen, in diesem Punkte künftigen sittlichen Unordnungen vorzubeugen. Wem es ernst ist mit der Besserung seiner selbst, der muß immer auf seinen Hauptfehler schauen, und wer gut erziehen will, muß immer die vor - herrschende Neigung des Kindes im Auge behalten.

Mit dem Temperament wird häufig der Charakter zusammengestellt. Das Tem - perament ist Naturanlage, der Charakter ist die durch Erziehung und eigene Angewöhnung gebildete Willensrichtung, nach welcher der Mensch in der Regel sein Handeln einrichtet. Wer den Charakter eines Menschen kennt, kann mit einiger Sicherheit voraussehen, wie er sich bei gewissen sittlichen Proben verhalten wird, ob er in Zorn ausbricht oder seine Aufregung beherrscht, ob er unbestechlich ist oder nicht, ob er gerade und redlich handelt, sei es auch zum eigenen Schaden, oder für184 sein Interesse unerlaubte Mittel gebraucht, ob seine Zunge aufrichtig redet oder lügt und heuchelt, ob er feig ist, oder Mut hat, ob er gegebenen Falls die Versuchungen des Fleisches und der Sinnlichkeit überwindet oder von ihnen überwunden wird, ob er mit starrem Eigensinn oder gewissenhafter Ueber - legung zu Werke geht, ob er unbarmherzig oder mit Mitleid gegen andere verfährt, ob er im Unglück fest und mutig dasteht oder zusammenbricht.

Je nachdem die herrschende Willensrich - tung des Mannes beschaffen ist, nennt man seinen Charakter einen guten oder schlechten. Der gute Charakter ist schön und edel, der schlechte ist immer häßlich. Gewissermaßen noch verächtlicher ist der Mann, wenn er cha - rakterlos ist, d. h. wenn er gar keine feste Willensrichtung hat, sondern in seinem Wol - len und Thun von der Laune, von augen - blicklichen Umständen, von den Eingebungen der Triebe und Neigungen abhängt. Zum guten Charakter gehört nicht bloß, daß die Richtung des Willens eine gute sei, das letztere ist auch im braven Kinde der Fall, und doch redet man bei ihm noch nicht von Charakter, sondern die gute Willensrichtung185 muß eine feste sein, so daß keine Anfechtung ihn erschüttern kann. Den Gerechten, der unentwegt im Sinne beharrt, so singt der heidnische Dichter Horatius, bringt nichts von seinem festen Entschlusse ab, weder der Ungestüm des Volkes, welches etwas Un - rechtes verlangt, noch die drohende Miene des Tyrannen, noch der gewaltige Sturm, der Herrscher des empörten Meeres, noch der Blitz, der vom Himmel niederzuckt. Wenn der Weltenbau zusammenstürzt, kön - nen ihn die Ruinen bedecken, aber nicht einschüchtern.

In ähnlicher Weise hat der alte Görres in sich selbst den festen Charakter geschildert: Kein König ist reich genug, mir meine gute Ueberzeugung abzukaufen; die Höfe haben nichts, um mir dafür die Ruhe meines Ge - wissens abzutauschen; die Unabhängigkeit meines Geistes und die Unbescholtenheit mei - nes Charakters, wenn sich auch Käufer dazu gefunden, wäre mir um keinen Preis feil gewesen. Ich beuge mich vor Gott und seinem Willen, vor der Majestät der Wahr - heit und Sittlichkeit, vor dem Rechte und der Gerechtigkeit, aber nimmer vor der Will - kür und rohen Gewalt, in welchen Formen186 sie mir auch entgegentreten möge. Ob sie drohend oder lockend, von oben oder von unten an mich komme, ich werde ihr keinen Ein - fluß auf meine Ueberzeugung gestatten. Da - rum bin ich auch ganz unbesorgt, was die Zukunft bringen möge.

Es ist eine bekannte und allgemeine Klage, daß es heutzutage an Männern, d. h. an Männern von Charakter fehle. Wenn diese Behauptung auch nicht wörtlich zutrifft, so ist doch die Zahl charaktervoller Männer viel zu klein, um dem Verderben Einhalt zu thun, welches immer drohender über den Staat und alle Klassen der heutigen Gesellschaft hereinbricht infolge der zunehmenden Cha - rakterlosigkeit. Es ist auch leicht einzusehen, warum das so kommt und so kommen muß. Das Temperament ist angeboren, der Cha - rakter muß gebildet werden, und nichts fehlt so sehr in unserer Zeit, als die Charakter - bildung, d. h. die sittliche Erziehung im Geiste des Christentums, und zwar vorab bei der männlichen Jugend.

Der Charakter des Mannes beruht auf zwei Dingen, auf der Herrschaft des Geistes über die Leidenschaften und Begierden und auf dem Handeln nach Grundsätzen, d. h. in187 der freiwilligen Befolgung eines höheren Gesetzes. Die Herrschaft über sich selbst soll der junge Christ erlangen zuerst durch eine christlich ernste Zucht in der Erziehung, und nachher durch freiwillige Selbstverleugnung. Der Gärtner schneidet die wilden Schmarotzer - zweige vom jungen Baume weg, weil sie nutzlos an dessen guten Säften zehren, und gerade dadurch erhöht er die Lebenskraft des Baumes. So muß der Vater die übeln Anlagen im Knaben und Jüngling bekäm - pfen und gleichzeitig die Keime des Guten in ihm wecken und pflegen. Diese Abgewöhnung des Bösen und Angewöhnung an das Gute ist eine kostbare Frucht der guten Erziehung und erleichtert es dem Jüngling ungemein, wenn er selbständig wird, sich selber zu be - herrschen. Um Charakter zu besitzen, muß der junge Mann die Kraft haben, seinem Eigenwillen und seinen unordentlichen Be - gierden Nein zu sagen, er muß fähig sein, nach der Weisung Christi Selbstverleug - nung zu üben, wann und wo die Pflicht es erfordert. Eine gute Erziehung und eigene Anstrengung können den Charakter so bil - den, daß die Fehler des Temperamentes nicht mehr bemerkt werden. Der heilige Franz188 von Sales hatte ein sehr aufbrausendes Tem - perament, und doch ist er ein Muster der Sanftmut geworden. Der heilige Ignatius wurde ein seltener Meister in dem überleg - ten und besonnen Handeln, während sein Temperament eher zum Gegenteil geneigt war. Das ist die sittliche Seite der Charakter - bildung. Dieselbe ist unentbehrlich, aber für sich noch nicht genügend.

Der echte Charakter handelt nicht bloß nach den Angewöhnungen der Erziehung, sondern nach Grundsätzen. Er handelt nach den Forderungen des Gewissens, welches aus einer festen religiösen Ueberzeugung seine Kraft schöpft. Religion und Gewissen, diese sind es, welche den Charakter über alles menschliche Schwanken erheben und ihn zuver - lässig und unerschütterlich machen, und ihn von menschlicher Einseitigkeit befreien. Ein solcher Charakter bildet die harmonische Ver - bindung scheinbar entgegengesetzter Tugen - den. Man findet auch bei den Heiden Charaktere, die etwas Großes an sich ha - ben, aber nie fehlt auch ein Zug der Ein - seitigkeit und Härte. Anders ist es bei den christlichen Heiligen. die Martyrer ha - ben ihren Charakter nach allen Seiten be -189 währt, sie haben mit Heldenmut die grau - samsten Qualen erduldet, und ebenso ent - schieden die verführerischen Lockungen und die glänzenden Anerbietungen abgewiesen, mit denen man ihnen nahte, sie haben auch den Haß und Groll überwunden, so daß sie mit Gebetsseufzern für ihre Ver - folger auf den Lippen ihr Leben aus - hauchten.

Die unüberwindliche Standhaftigkeit gegen - über von schreckenden wie lockenden Versuch - ungen beruht auf dem Glauben. Das ist der Sieg, sagt der hl. Johannes, der die Welt überwindet, unser Glaube. (I. Joh. 5, 4.) Vor dreihundert Jahren während der reli - giösen Wirren in den Niederlanden wurde der Spanier Karl von Spinola um seines Glaubens willen durch langsames Verbren - nen gemartert. Der protestantische Statt - halter Prinz Heinrich von Nassau konnte diesem Heldenmute seine Anerkennung nicht versagen und bemerkte bei einem Gastmahle: Ich kenne andere Leute, und es sitzen solche hier am Tische, die wollte ich mit einem brennenden Strohwisch aus einer Religion in die andere jagen. Leider giebt es heutzutage Katholiken genug, von welchen man dasselbe190 sagen kann, nicht bloß in Bezug auf den Glauben, sondern in Bezug auf alle Tugenden und Pflichten. Die Ursache ergiebt sich leicht aus dem Gesagten. Es fehlt vielfach an der richtigen Charakterbildung. Wer als Mann von Charakter in der heutigen Welt dastehen soll, muß so erzogen werden, daß ihm beim Abschluß der Erziehung die Macht der Selbst - beherrschung und eine feste religiöse Ueber - zeugung zu Gebote stehen. Das ist der Sieg, der die Welt überwindet, unser Glaube. (I. Joh. 5, 4.) Wer Mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst. (Matth. 16, 24.) Das Himmelreich leidet Gewalt und nur die Ge - walt brauchen, reißen es an sich. (Matth. 11, 12.) Das sind Sätze der göttlichen Offenbarung, Gesetze für das christliche Leben und die christliche Erziehung, von deren Beobachtung aller gute Erfolg abhängig ist.

Aber Erziehung und Leben lassen sich nicht trennen, und der Sohn wird weit mehr vom Beispiel als von den Worten des Va - ters erzogen. Darum darf kein Vater unter - lassen, nachzuforschen, wie es mit seinem eigenen Charakter aussieht.

(Verrichte die Andacht für die heilige Fastenzeit . Seite 459.)

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26. Jüngling und Mann.

Die Jugend muß austoben, pflegt man oft zu sagen. Mache sie, o Herr, aus Kin - dern zu Greisen , so sagte einst der heilige Augustin. Diese zwei Sätze scheinen nicht zusammenzupassen, und doch sind beide rich - tig, und eine gute Erziehung muß es ver - stehen, beide am rechten Orte zur Geltung zu bringen.

Alles, was jung ist, was im Wachstum begriffen ist, wird durch ein inneres Be - dürfnis zur Bewegung angespornt. Die klei - nen Kinder machen ganz unbewußt so man - nigfache Sprünge und Bewegungen, als ob jeder Muskel, jede Faser an ihnen ihr besonderes Exercitium brauche, um sich ge - hörig zu entwickeln. Diese Unruhe tritt nach und nach auch im Gemüts - und Geistesleben zu Tage und sucht ihre Befriedigung in allerlei Spiel und Mutwillen. Die Gegen - stände wechseln mit den Jahren, aber das Bedürfnis der Bewegung, des Spiels, der unterhaltenden Beschäftigung dauert fort. Die größte Anstrengung, wenn sie freiwillig ist, ist Erholung, unthätige Ruhe, Lang -192 weile ist unerträgliche Qual. Man betrachtet mit Vergnügen die possierlichen Sprünge junger Tiere, und es wäre ein Erziehungs - fehler, wenn man ein ganz ähnliches Be - dürfnis dem Kindes - und Jugendalter ver - argen wollte. Wem die unschuldigen Freu - den der Jugend verkümmert werden, der muß es später büßen in seinem Gemüts - leben, nicht selten leidet er sogar Schaden in seiner sittlichen Ausbildung.

Es handelt sich nur darum, den Tummel - platz für diesen jugendlichen Uebermut in der richtigen Weise abzugrenzen. Bei dem Kinde und Knaben bietet das keine beson - deren Schwierigkeiten. Die Hauptsache ist, dar - auf zu achten, daß sie dabei nicht mit schlim - men Kindern beisammen sind. Viel schwie - riger ist es, namentlich heutzutage, dem Jüng - ling die passende Gelegenheit zu geben, sich in Lust und Freude zu ergehen. Früher durfte man das den Jünglingen selber überlassen. Falls auch der Mutwille hie und da etwas zu weit ging, so führte er doch nicht zu sitt - licher Verdorbenheit, und wenn die soge - nannten Flegeljahre vorüber waren, hat sich oft der übermütigste Jüngling zum wackersten Manne entwickelt.

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Anders steht es leider in unserer Zeit. In jeder größeren Ortschaft giebt es junge Leute, die schon sehr frühe in religiöser und sittlicher Hinsicht grundverdorben sind. Diese wirken mit ihrem Umgang auf die guten Kameraden, wie faule Aepfel auf frische, wenn sie in einem Korbe beisammen sind. Da ist es Gewissenssache der Eltern, vorsichtig zu sein. Der zweite Uebelstand unserer Zeit ist der fast allgemein gewordene Aberglaube, daß man nicht heiter und fröh - lich sein könne ohne Trinken und Wirts - hausbesuch. Sobald Jünglinge sich diesem Vergnügen zuwenden, ist für sie, wie die Erfahrung zeigt, alles zu fürchten.

Und doch soll der Jüngling seine Erho - lung haben, er darf sich nicht langweilen, z. B. am Sonntag Nachmittag soll sein Ge - müt nicht unbefriedigt bleiben. Am besten ist es, wenn man ihm in der Familie selber in Bezug auf Unterhaltung, Spiel und Lek - türe das Passende bieten kann, und er da - mit zufrieden ist. Besteht am Orte ein Jünglings-Verein oder ein verwandter katho - lischer Verein, so kann er da unter Alters - genossen und der nötigen Aufsicht sich am besten unterhalten und erholen. Auch in den194 Schulferien der Studenten darf sich keiner langweilen. Etwas Handarbeit, leichtere Lek - türe, Fußtouren, Leibesübungen, wo es an - geht, Jagen und Fischen, Liebhabereien wie besondere Sammlungen von Pflanzen u. s. w., Zeichnen, Musik, alles kann zweckdienlich sein, nur kein Müßiggang, kein Wirtshaus und keine schlechten Kameraden.

Was die Studienanstalten anbelangt, so können nur solche mit Pensionaten in diesem Punkte genügend entsprechen. Da fehlt weder der Tummelplatz noch die an - gemessene Beaufsichtigung. Außerhalb hat der Student zu wenig und zu viel: es fehlt ihm meistens die geeignete Gelegenheit zur Erholung, dafür nahen ihm schnell die Ge - fahren des Studentenlebens.

Die Jugend muß austoben. Es ist wichtig für die Charakterbildung, daß man der jugendlichen Beweglichkeit und Heiter - keit den angemessenen Spielraum gestatte. Manche müssen freilich notgedrungen schon in der Jugend den Ernst des Lebens erfahren und auf viele Jugendfreuden verzichten, und auch das kann sein Gutes haben. Mancher ist durch harte Geschicke in der Jugend zum hervorragenden Manne erzogen worden. Aber195 dann soll der junge Mensch wissen, daß nicht menschliche Willkür, sondern ein höherer Wille es so gefügt hat, und er soll lernen, sich als Christ in seine Tage zu finden. Dann wird er früher und besser als die übrigen zum Manne werden.

Es wäre freilich wünschenswert, die jun - gen Leute könnten recht lange Kinder blei - ben. Kindlich sollten alle bleiben ihr Leben lang, und kindisch in manchen Dingen sind auch die meisten Erwachsenen noch. Aber trotzdem erlangt der Wunsch des heiligen Augustin in unserer Zeit immer mehr Be - rechtigung: Mache sie, o Herr, aus Kindern zu Greisen. Der junge Christ sollte gar oft an sittlicher Reife seinem Alter voraus - eilen können, er sollte schon in jungen Jah - ren die Besonnenheit und Festigkeit des reiferen Alters besitzen. Die Welt bietet dem Jüngling in Bezug auf Umgang, Unter - haltung, Vergnügen und Genüsse manches dar, was einen bezaubernden Reiz für ihn hat. Aber die Schlange lauert unter dem Grase und darum verlangt sein Heil, daß er mit männ - licher Selbstbeherrschung daran vorbeigehe. Manche kommen in früher Jugend unter Leute, die alles Heilige verspotten, die196 schmutzig denken, schmutzig reden und selber schmutzig sind. Und bei diesen andauernden Aergernissen sollen sie, die selber jung sind, die selber ihre Anfechtungen haben, kalt bleiben wie Greise, und wie erprobte Män - ner für ihre Gottesfurcht Spott und Hohn zu ertragen wissen! Ja, wahrlich bei vielen thut die Bitte not: Mache sie, o Herr, aus Kindern zu Greisen.

Ich möchte aber dieses Wort nicht bloß an Gott den Herrn, sondern auch an den christlichen Vater richten. Ihm ist von Gott der Auftrag geworden, den Sohn zum Manne zu erziehen. Alles, was bisher in diesem Buche gesagt wurde, soll hiefür als Auf - munterung und Anleitung dienen, und alles, was noch folgen wird, ist auf das gleiche Ziel gerichtet. Die erste Anforderung aber an den Vater ist immer die, er soll sich vorsehen, daß man ihm nicht das Wort entgegenhalten kann: Arzt, heile dich selbst . (Luk. 4, 23.)

(Verrichte die Andacht an Weihnachten . Seite 454.)

27. Die Ideale.

Das Thun und Lassen eines jeden, sagt P. A. M. Weiß, ist der genaue Ausdruck des Ideals, das er von sich selbst geschaffen hat. 197Frage einen Menschen, was er von sich hält, und du weißt, wie er sich verhält. Unter Ideal versteht man die Vorstellung einer Sache, wie sie sein sollte, eine Art Muster - bild in der Seele, von welchem aber die Wirklichkeit oft weit absteht. Man denke an die Ideale von Glück, Tugend, Heiligkeit, die man sich wohl im Geiste vorstellt, aber selten genug thatsächlich erreicht. Man kann sich auch falsche Ideale bilden, und in diesen liegt eine große Gefahr. Denn alle Menschen jagen einem Ideale, d. h. der wahren oder erträumten Vorstellung von irgend einem Gute nach. Das Verlangen und die Hoff - nung, ein wirkliches oder eingebildetes Gut zu bekommen, bilden die Triebfeder des ganzen Strebens und Lebens in der mensch - lichen Gesellschaft. Insbesondere ist die Ju - gend geneigt, sich von Idealen begeistern und hinreißen zu lassen, und alles hängt da - von ab, daß ihre Ideale die richtigen seien.

Gelingt es, den Jüngling für Hohes und Edles, Wissenschaft, Tugend, Wohl der Kirche und des Vaterlandes zu begeistern, so be - darf er keines weiteren Anspornes mehr, kein Opfer ist ihm zu schwer, kein Hinder - nis zu groß, er bedarf nur eines Zügels für198 seinen jugendlichen Ungestüm. Aber wenn er sich für ein falsches, von den Leidenschaften eingegebenes Ideal ereifert, und sei dieses noch so trügerisch und verderblich, so ist er blind für alle Gegenvorstellungen, unzu - gänglich für alle Mahnungen, er läßt sich von dem gleichen Ungestüm auf die Bahn des Verderbens fortreißen. Es ist darum von der größten Wichtigkeit, daß die ganze Erziehung den Knaben und Jüngling auf die richtigen Ideale hinwende, und die ver - kehrten von ihm fernhalte.

Ein belehrendes Beispiel bietet in dieser Hinsicht der heilige Augustin. Sein Vater Patricius, damals noch ein Heide, war ent - zückt über die genialen Anlagen seines Soh - nes, er wollte alles daran setzen, ihn zum großen Redner, zum berühmten Manne her - anzubilden. Das Herz des Sohnes war bald von Ehrgeiz entflammt, und dieser hat ihm seine trügerischen Ideale vorgespiegelt. Sein ganzes Streben ging dahin, sich vor allen auszuzeichnen, überall der erste zu sein. Aber bald suchte er diese Auszeichnung nicht bloß im Guten, sondern auch im Bösen. Das falsche Ideal des Ehrgeizes hat wie ein Irrlicht ihn in den Sumpf der Unsittlichkeit199 hineingeführt. Augustin selber sagt darüber in seinen Bekenntnissen: Ich war schon so weit in der Verblendung, daß ich im Kreise meiner Genossen errötete, wenn diese prah - lend ihre Schandthaten erzählten, und auf die schändlichsten am meisten stolz waren, während ich noch nicht so lasterhaft war. Ich wurde sittenloser, um nicht versöhnt zu werden, und wenn ich den schlimmsten in den Ausschweifungen nicht gleichkam, so gab ich vor, manches gethan zu haben, was nicht so war. Ich fürchtete, als einfältig zu gelten, wenn ich unschuldiger war, als meine Ge - nossen. (Bekenntnisse II. 3.) An einer anderen Stelle sagt Augustin: Einer ruft: Lasset uns das thun! Und alle folgen, jeder schämt sich, nicht ausgeschämt zu sein. (Bek. II.)

Die unseligen verkehrten Ideale, welche der Hochmut den Jünglingen vorzaubert, werden auch heutzutage in der Erziehung viel zu we - nig beachtet, namentlich bei den Studierenden. Hunderte fangen an zu rauchen, obschon es ihrer Natur widerstrebt, aus purem Hoch - mut; sie trinken und trinken zu viel, nicht weil das für sie ein Vergnügen ist, sondern um sich vor den andern auszuzeichnen; sie wollen aus demselben Grunde bei sittenlosen200 und gottlosen Reden nicht die letzten sein, wenn sie auch anfänglich mit pochendem Her - zen mitmachen. Das falsche Ideal des Stolzes führt seine jugendlichen Opfer mit einer Art tyrannischer Gewalt in die Verirrung hin - ein, die dann freilich bald genug zur süßen Gewohnheit wird.

Aber der Ehrgeiz ist es nicht allein, wel - cher den Jüngling mit falschen Idealen bethört, auch die Wollust, die Genußsucht, alle Leidenschaften im menschlichen Herzen sind ebenso erfinderisch an Truggebilden, die sie ihm als Ideale vorhalten. Und wenn der Jüngling an dieselben glaubt, so wird ihn niemand davon abhalten können, denselben nachzujagen. Immer bleibt es bei dem oben angeführten Worte: Das Thun und Lassen ist der genaue Ausdruck des Ideals, das er von sich selbst geschaffen hat.

Der hl. Augustin ist ein seltenes Muster dafür, wie falsche Ideale aufgegeben und das wahre gesucht und verwirklicht werden soll. Noch ganz berauscht von Ehrgeiz las er eine Schrift des heidnischen Redners Cicero. Diese öffnete ihm die Augen über die Eitelkeit und Thorheit des Ehrgeizes, und erfüllte ihn mit glühender Sehnsucht nach der Wahrheit.

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Sein bisheriges Ideal war damit wie ein Irrlicht erloschen, und dreizehn Jahre ging er dem neuen nach, er forschte unablässig nach Wahrheit und Seelenfrieden, er klopfte oft am unrechten Orte an, aber mit Gottes Gnade fand er endlich doch, was er so schmerz - lich vermißte. Zur Belehrung für andere beschrieb er seine langen Irrfahrten in seinen Bekenntnissen. Auf der ersten Seite deutete er sein neues Ideal, das ihn ewig beglücken sollte, mit den Worten an: Unser Herz ist unruhig, bis es ruhen wird in Dir, o Gott!

Viele gehen in die Irre, wie Augustin, aber wenige kehren zurück wie er. Darum muß der christliche Vater beizeiten seinem Sohne das wahre Ideal des Christen tief einpflanzen, und sorgen, daß die falschen keine Gewalt über ihn bekommen. Unser Herz ist unruhig, bis es ruhen wird in Gott. Gelingt es, den Jüngling für Religion und Tugend, für Gott und den Himmel zu be - geistern, so werden die Ideale, welche ihm die Leidenschaften vorgaukeln, erbleichen und ihren Reiz verlieren. Er hat einen sicheren Kompaß für das Leben. Fehlt ihm aber die Liebe und Begeisterung für das Höchste,202 so werden Sinn und Herz von etwas nied - rigerem eingenommen und in die Irre ge - führt werden. Zwei Jünglinge können auf derselben Schulbank sitzen und zu den näm - lichen schönen Hoffnungen berechtigen. Wenn sie sich nach Jahren wieder begegnen, ist aus dem einen ein edler, charaktervoller Mann, aus dem anderen ein verkommenes Subjekt geworden. Jeder hatte dem Ideale seiner Jugend nachgejagt.

(Verrichte die Andacht zur österlichen Zeit . S. 469.)

28. Die Klugheit.

Die christliche Sittenlehre redet von vier Kardinal - oder Haupttugenden. Es sind das die Klugheit, die Gerechtigkeit, die Mäßig - keit und der Starkmut. Sie werden Kar - dinaltugenden genannt, weil die übrigen Tugenden auf ihnen als ihrem Angelpunkte ruhen, wie die Thüre sich in den Angeln bewegt. Sie regeln und befestigen die übrigen Tugenden, die in gewisser Weise von ihnen abhängig sind. So bedarf der Eifer für die Ehre Gottes der Klugheit, die Freigebig - keit muß den Forderungen der Gerechtig - keit den Vorzug lassen, die Abtötung muß203 der Mäßigung gehorchen, alle Tugenden be - dürfen des Starkmutes.

Die Klugheit zeigt sich darin, daß man die für die Erreichung eines Zweckes taug - lichen Mittel anwendet. Es giebt auch eine irdische Klugheit, z. B. die des Kaufmannes, des Feldherrn, wenn sie mit Einsicht und Verständnis ihr Ziel anstreben. Es ist aber nicht mehr Klugheit, sondern verwerfliche Arglist und Gewissenlosigkeit, wenn entweder der Zweck, den man anstrebt, oder die Mittel, die man anwendet, verwerflich sind. Es wäre ein Mißbrauch des Wortes Klugheit, wenn man es auch von dem Betrüger oder Verräter gebrauchen wollte.

Eine höhere Bedeutung erlangt die Klug - heit als sittliche Tugend, welche das Seelen - heil als Zweck im Auge hat, und die für die Erreichung desselben tauglichen Mit - tel anwendet. Zu dieser Tugend muntert uns der göttliche Heiland auf mit den Worten: Seid klug, wie die Schlangen. (Matth. 10, 16.) Er zeigt uns diese Tugend im Gleichnisse von den Jungfrauen, die alle zehn zum Hochzeitmahl gelangen wollten, von denen aber nur fünf sich als klug erwiesen, indem sie zur rechten Zeit für das Oel in den Lampen204 sorgten. Die andern fünf wollten den Zweck auch erreichen, versäumten aber unkluger - weise die Anwendung des Mittels, und wur - den darum ausgeschlossen. (Matth. 25.) Die Klugheit verlangt von jedem Christen, daß er wie die fünf klugen Jungfrauen zuerst für das sorge, was sein ewiges Heil erfor - dert, also die Sünde und die Gelegenheit zur Sünde meide, über den Zustand seines Gewissens wache, treu Gott diene und seine Pflichten erfülle, für die ungewisse Stunde der Rechenschaft sich bereit halte.

Der göttliche Heiland hat einmal geklagt: Die Kinder dieser Welt sind klüger, als die Kinder des Lichtes. (Luk. 16, 8.) Die Kinder dieser Welt streben nur nach vergänglichen Dingen, Reichtümern, Ehren und Genüssen. Aber sie wenden dabei viel mehr Wachsam - keit, Vorsicht und Klugheit an, als die mei - sten Christen für die Erlangung der ewigen Güter des Himmels aufbieten. Wie viele Christen gleichen den fünf thörichten Jung - frauen, indem sie, wie diese, den Ruf des Herrn unvorbereitet, in den Schlaf der Gleich - gültigkeit versunken, abwarten!

Es ist Sache der christlichen Erziehung, den jungen Christen zu dieser Tugend der205 Klugheit zu verhelfen. Das eigene Beispiel der Eltern wird dabei ziemlich entscheidend sein. Wenn sie selber wachen und bereit sind, wie der Herr es verlangt, so werden die Kinder dadurch mehr zur wahren Klug - heit angeleitet, als alle Belehrung es vermag.

Die Erziehung muß die Kinder auch zur Klugheit in den einzelnen Vorkomm - nissen des Lebens führen. Die Klugheit verlangt, daß man mit Besonnenheit und Ueberlegung urteile, rede und handle. Die Jugend ist geneigt zu raschen, unüber - legten Entschließungen und die heutige Zeit befördert das anmaßende Vertrauen auf die eigene Einsicht. Mancher Jüngling fangt an, dem Spiel und Trunke sich zu ergeben, bedenkliche Freundschaften und Bekanntschaf - ten anzuknüpfen. Er thut es in jugend - licher Unbesonnenheit, und würde niemals dazu kommen, wenn er am Anfange das Ende voraussehen würde. Das Sprüchwort lautet: Vorgethan und nachbedacht, hat schon manches Leid gebracht. Und schon der heidnische Weise Solon hat gesagt: Bei allem, was du thust, bedenke das Ende . Es ist schon viel gewonnen, wenn man den Jüngling nur dahin belehren kann, daß jede206 Sache zwei Seiten hat, und man darum überlegen muß, bevor man handelt. Ihn zur Besonnenheit und Vorsicht anzuleiten, ist Sache der Erziehung.

Damit hängt die weitere Forderung der Klugheit zusammen, daß man in jeder wich - tigen Sache Rat suche und Rat an - nehme. Die Bischöfe und Fürsten haben ihre Ratgeber, ohne deren Anhörung sie nichts von Bedeutung ausführen. Aber nicht bloß sie haben guten Rat notwendig. Der Jüngling ist des Rates um so bedürftiger, weil ihm die Erfahrung fehlt, weil die Wünsche seines Herzens ihn leicht befangen machen, und weil jeder in eigener Sache häufig sich selber ein unzuverlässiger Rat - geber ist. Die Empfänglichkeit für guten Rat ist aber eine Eigenschaft, die dem Jüng - ling durch eine verständige Erziehung bei - gebracht werden soll.

Die Klugheit verlangt ferner, daß man die Mittel anwende, welche der Zweck verlangt. Eine mangelhafte Erziehung ist schuld daran, wenn manche in zeitlichen und ewigen Angelegenheiten gleich lau und lang - sam und nachlässig sind. Das Hinausschie - ben von Dingen, die doch geschehen müssen,207 das Zögern, der halbe Wille, das halbe Thun bei Dingen, die man nicht gerne an - greift, sind für das Seelenheil und für das ir - dische Fortkommen von dem größten Nachteil. Solche Leute gleichen Schiffern, welche bereits im Schifflein sitzen, aber die Ruder nicht zur Hand nehmen, während die Wellen den Kahn bereits weiter treiben. Man macht Vorsätze bei der Beicht, aber es wird nichts aus denselben. Man macht Pläne in zeitlichen Dingen, aber sie werden nur halb oder zu spät ausgeführt. Was du thust, das thue, und thue es ganz. Wenn man einmal weiß, was man will, so soll man ohne Zögern mit Klugheit und Energie auch alle geeigneten Mittel in Anwendung bringen. Das ist der Grundsatz, der allein den Menschen und Christen vorwärts bringt, und zu dem da - rum der Jüngling von Jugend auf erzogen werden muß.

Es ist eine der schönsten Zierden für den Jüngling, wenn er diese Klugheit und Be - sonnenheit auch im Reden zeigt. Ober - flächliches Räsonnieren und Absprechen liegt im Zuge der Zeit, die Jugend hat ohnehin das Herz bald auf der Zunge. Da kann ein Jüngling, den man unbewacht gehen208 läßt, leicht zum seichten Schwätzer werden, der mehr sagt, als er weiß und versteht, der es mit der Wahrheit nicht genau nimmt, der sich mit seiner vorschnellen Zunge viele Verlegenheiten bereitet, in denen sein Feh - ler sich selbst bestraft. Ueberlegung und Be - sonnenheit im Reden ist von Bedeutung für den sittlichen Charakter, aber auch für die Achtung und das Zutrauen der Mitmenschen, die über einen Schwätzer mindestens die Achseln zucken.

Die Klugheit, die Stütze der übrigen Tu - genden, muß selber wieder von ihnen unter - stützt werden. Insbesondere hat sie zu ihrer Voraussetzung ein gewisses Maß von Be - scheidenheit, Demut und Selbsterkennt - nis. Es muß schon in der Erziehung vor - gesorgt werden, daß der Jüngling nicht durch thörichtes Selbstvertrauen verblendet wird. Die Welt ist voll von warnenden Beispielen, an denen der Vater dem Jüngling zeigen kann, wohin Unbesonnenheit, Unbelehrbarkeit und zu großes Selbstvertrauen führen. Ebenso giebt es Gelegenheiten genug, dem Sohn seine eigene Unerfahrenheit zum Bewußtsein zu bringen.

Als Salomon zur Regierung gelangte, betete er in einem Gesichte zu Gott: Gott209 und Herr, Du hast deinen Knecht zum König gemacht, und ich bin doch nur ein schwacher Jüngling und weiß weder meinen Ausgang, noch meinen Eingang. Du wollest darum deinem Knechte ein gelehriges Herz geben. Und der Herr sprach zu Salomon: Weil du solches begehrt und nicht gebeten hast um langes Leben, noch um Reichtum, sondern um Weisheit gebeten hast, so habe Ich dir gethan nach deinem Worte, und dir ein wei - ses und verständiges Herz gegeben, so daß deinesgleichen nicht vor dir gewesen, noch nach dir aufstehen wird. Aber auch das, um was du nicht gebeten, habe Ich dir gege - ben: Reichtum und Ehre, so daß niemand dei - nesgleichen gewesen unter allen Königen in den vorigen Tagen. (III. Kön. 3, 7. ff.)

Wenn man den Jüngling so erzieht, daß er in wichtigen Anliegen so betet, wie Salomon, dann Heil ihm! Dann wird ihm die wahre Klugheit nicht fehlen, er wird nicht bloß in den höchsten und ewigen Angelegenheiten zu jenen klugen Dienern gehören, die der Herr se - lig preist (Matth. 24, 26.), sondern er darf hoffen, der Herr werde ihm, wie einst Salomon, auch das geben, um was er nicht gebeten hat.

(Verrichte die Andacht zum heiligen Geiste . S. 461.)

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29. Die Gerechtigkeit.

Die Gerechtigkeit, ebenfalls eine Kar - dinaltugend, giebt und läßt jedem das Seine. Der Christ ist Glied eines öffentlichen Ge - meinwesens, und als solches giebt er dem Kaiser, was des Kaisers ist, Steuer wem Steuer, Zoll wem Zoll, Ehrfurcht wem Ehr - furcht gebührt, und das nicht nur um der Strafe willen, sondern auch um des Ge - wissens willen. (Röm. 13, 5. 7.) Das ist nach der Lehre Christi und seines Apostels die Gerechtigkeit gegenüber dem öffentlichen Ge - meinwesen, zu dem man gehört, und diese Gerechtigkeit wird die legale, die gesetz - liche genannt. Der Christ muß aber die Gerechtigkeit auch üben gegen seine Mit - menschen, indem er ihnen in Bezug auf Hab und Gut, Leib und Leben, Ehre und guten Namen giebt und läßt, was ihnen gebührt. Es ist das die ausgleichende Gerechtig - keit. Wer diese verletzt, ist zur Rückerstattung oder zur Genugthuung verpflichtet. Man redet auch von einer austeilenden Gerechtig - keit. Diese muß von den Obrigkeiten, den Beamten und Richtern geübt werden, indem211 sie die Untergebenen gerecht regieren und richten. Diese Gerechtigkeit liegt aber auch jedem Bürger ob, so weit er bei den öffent - lichen Angelegenheiten mitzusprechen hat. Wer seine Bürgerpflichten bei Wahlen und Abstimmungen entweder nicht erfüllt, oder nicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt, der wird im Gewissen mitverant - wortlich für das Unrecht und Unheil, das er mitverschuldet hat.

Das ist die dreifache Gerechtigkeit, die unter den Menschen gegenseitig geübt wer - den muß. Wer aber wahrhaft gerecht sein will, der muß nicht bloß den Menschen, son - dern auch, und zwar zuerst Gott geben, was Gottes ist. Die Gerechtigkeit gegen Gott verlangt den Glauben an sein Wort, die Beobachtung seines Gesetzes. Wer das Ge - setz Gottes in allem erfüllt, der wird gerecht in dem Sinne der heiligen Schrift, welche häufig Gerechtigkeit und Heiligkeit einander gleichstellt. Die Gerechtigkeit gegen Gott, vor Gott und wegen Gott ist das Funda - ment der Gerechtigkeit unter den Menschen. Das Bewußtsein, daß Gott unser oberster Gesetzgeber und Richter ist, die Furcht vor seinem Gerichte, der Wille, vor Ihm gut zu212 bestehen, das nötigt Beamte, Richter und Bürger zu unbestechlicher Gerechtigkeit ohne Ansehen der Person, das schützt Leben, Ehre und Eigentum des Einzelnen, das bewirkt, daß Verbrechen nicht bloß gestraft, sondern verhütet werden. Wenn aber die Menschen die Schuldigkeit gegen Gott außer acht setzen, so wankt und stürzt auch die Rechtsordnung in Staat und Gesellschaft, es schwinden Treue und Redlichkeit, die öffentliche Sicherheit, das Vertrauen und der Friede, man zittert vor Gewaltthaten von oben, vor Verbrechen von unten, es regiert nur noch das Recht des Arglistigeren, des Frecheren und des Stärkeren.

Das Christentum kennt noch etwas Höhe - res als die Gerechtigkeit, welche einfach jedem das Seine giebt, es ist das die Liebe, welche weiter geht, indem sie Unrecht geduldig leidet, dem Nächsten auch von dem Ihrigen giebt. Aber die Gerechtigkeit ist die erste Bedin - gung für die Aufrechthaltung der Ord - nung in der Welt, und darum müssen die Rechtspflichten vor den Liebespflichten er - füllt werden. Die Gerechtigkeit ist die eigentliche Zierde des christlichen Mannes. Der schönste Ehrentitel eines Mannes liegt213 darin, daß er als Biedermann dasteht und geachtet wird, den weder das eigene In - teresse, noch Zu - oder Abneigung, noch Furcht oder Schaden von dem Wege der Gerechtig - keit abzubringen vermögen. Von zwei Eid - genossen der alten Zeit wird erzählt, sie hätten einen Markenstreit gehabt. Als der Gerichtstag kam, hatte der eine fast seine ganze Heuernte liegen. Er ging zu seinem Widerpart und ersuchte ihn, auch seine Rechts - gründe den Richtern vorzulegen. Dieser ent - ledigte sich des Auftrages so gut, daß er am Abend seinem Nachbar anzeigen konnte, er habe abwesend den Prozeß gewonnen. Dagegen hatte der selige Bruder Klaus be - obachtet, daß den ungerechten Richtern ihre Sprüche wie Schwefelflammen aus dem Munde kamen, und er wollte sich darum nie zum Rich - ter wählen lassen. Die ersten Christen haben sich durch die grausamsten Verfolgungen nicht abhalten lassen, mit Steuern und Abgaben, im Kriegsdienste und als Beamte ihre Pflich - ten gegen die Staatsgewalt auf das treueste zu erfüllen. Nur gehorchten sie Gott mehr als den Menschen. Aber das war gerade das Fundament ihrer Treue. Das erkannte auch Kaiser Constantius Chlorus, der Vater214 Konstantin des Großen, obschon er ein Heide war. Als Diocletian seine Verfolgungsedikte gegen die Christen erließ, versammelte Con - stantius seinen Hofstaat, in dem sich viele Christen befanden, und ließ die Edikte vor - lesen, aber nur um diese auf die Probe zu stellen. Die Christen, welche fest blieben, behielt er in seinem Dienste, und die feigen entließ er, weil er der ganz richtigen An - sicht war, daß wer Gott treu sei, es auch gegen seinen irdischen Herrn sein werde, wer aber seinen Gott verlasse, auch für ir - dische Treue keine Gewähr biete.

Was unserer Zeit fehlt, das ist der echte, christliche Biedermann. Wo aber soll der - selbe herkommen? Nur aus der christlichen Familie, dort muß er erzogen werden. Dort muß die Furcht Gottes als das Fundament der Gerechtigkeit schon in das Herz des Knaben gepflanzt werden. Sodann muß der christliche Vater den Sinn für Gerechtigkeit und noch früher das Gefühl der Gerechtigkeit wecken und pflegen. Das Gesetz der Gerechtigkeit schlum - mert schon in der Brust des Kindes, und bei einer guten Erziehung erwacht es schon sehr frühe zum Rechtsgefühl und nach und nach zum Rechtsbewußtsein. Der Vater ist215 in seiner Familie der Sachwalter der Ge - rechtigkeit. Er handhabt die austeilende Gerechtigkeit, wenn er als Haupt der Fa - milie unparteiisch nach Verdienen belohnt und bestraft. Er erzieht zur legalen Gerech - tigkeit, wenn er das elterliche Ansehen und das Ansehen der Seelsorger und Lehrer wahrt, und strenge auf das paulinische Wort hält: Ehrfurcht, wem Ehrfurcht gebührt . Er muß den Kindern auch die ausgleichende Gerechtigkeit einpflanzen, indem er bei ihren Spielen und ihrem kleinen Tauschhandel unter sich oder nach außen auch nicht die kleinste Unredlichkeit ungestraft durchgehen läßt, an den Kindern überhaupt nichts duldet, was auch nur den Schein eines Unrechtes oder einer Gewaltthat an sich hat. So wird in der Kinderstube schon die Gerechtigkeit gepflegt, welche der Jüngling und Mann später in den Versuchungen des Lebens er - proben muß.

Was aber gar nie fehlen darf, das ist das gute Beispiel des Vaters. Dieser muß durch und durch ein gerechter Mann, ein Bieder - mann sein, im privaten wie im öffentlichen Leben, im Reden wie im Handeln. Dann wird der Sohn als Knabe und Jüngling216 mit Ehrfurcht zum Vater aufschauen und unschwer von ihm Biederkeit lernen. Fehlt aber dem Charakter des Vaters diese Zu - verlässigkeit und Biederkeit, so wird ihm der Sohn seine krummen Wege bald abgelauscht haben und davon die Anwendung auf sich selber machen. Es wird kaum eine andere Sache geben, in der sich wie hier das Sprich - wort bewährt: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamme.

(Verrichte die Andacht zum hl. Joseph . Seite 482.)

30. Die Mäßigkeit.

Mäßig ist im allgemeinen derjenige, der in allem das richtige Maß einhält. Es giebt selbst manche lobenswerte und heilsame Ueb - ungen, bei denen das Maßhalten notwendig ist, und die Uebertreibung tadelnswert wird. Das ist der Fall beim Almosengeben, Fasten, bei äußern Gebetsübungen und Bußwerken, bei denen es ein Zuwenig und ein Zuviel geben kann, und deren lichtiges Maß den persönlichen Verhältnissen angemessen wer - den muß.

Doch denkt man bei dem Worte Mäßig - keit vorzugsweise an die sinnliche Lust, ins -217 besondere die Gaumenlust, welche durch diese Tugend in eine vernünftige Ordnung ge - bracht werden soll. Speise und Trank sind Bedürfnis, und darum muß man dem sinn - lichen Verlangen darnach Rechnung tragen, aber dieses Verlangen ist durch die Sünde in Unordnung geraten, und darum darf man ihm nicht ohne Vorbehalt willfahren, son - dern muß wissen Maß zu halten. Nur wo die Mäßigkeit regiert, kann ein höheres sitt - liches Leben gedeihen, nur da offenbart sich die geistige Würde, welche den Menschen über das Tier erhebt. Darum flößt auch nicht leicht eine andere Tugend den Menschen so leicht Achtung ein wie die Mäßigkeit. Wegen ihrer hohen Bedeutung für das sitt - liche Leben wird die Mäßigkeit ebenfalls den Kardinaltugenden beigezählt.

Die Erziehung zur Mäßigkeit im Genusse von Speise fällt schon in die Kinderjahre, und ist ebenso wichtig für die körperliche Gesundheit, wie für das sittliche Gedeihen. Die Kinder müssen schon frühe angehalten werden, nur zur bestimmten Zeit, d. h. bei Tische zu essen. Sie sollen essen, was auf den Tisch gebracht wird, und, sofern sie ge - sund sind, nie etwas anderes als Ersatz218 bekommen. Die Nahrung sei genügend, aber zur Gefräßigkeit soll man nicht erziehen. Ebensowenig zur Feinschmeckerei und zum Hang nach Naschereien. Auch halte man schon frühe auf Wohlanständigkeit bei Tische. In allem, was das Essen und die Eßlust anbelangt, wird der in der Familie herr - schende Ton und das Beispiel der Erwachse - nen so ziemlich ausschlaggebend sein. Je ein - facher und anständiger es in der Familie hergeht, desto besser ist es für die Gesundheit und die sittliche Erziehung der Kinder.

Schwieriger ist die Erziehung zur Mäßig - keit im Trinken, zur Nüchternheit. Der Ge - nuß geistiger Getränke hat in unserem Jahr - hundert stetig an Ausbreitung gewonnen, und Hunderttausenden Hab und Gut, Ge - sundheit und Leben geraubt. Er ist eine der Hauptursachen der heute herrschenden Cha - rakterlosigkeit, des Zerfalles der Familien, der Verwahrlosung in der Erziehung.

Zunächst ist es durchaus unstatthaft, schon den Kindern geistige Getränke zu gestatten. Für diese sind sie Gift im vollen und buch - stäblichen Sinne des Wortes. Auch darüber besteht kein Zweifel, daß ein junger Mensch gesünder bleibt, körperlich und geistig tüchtiger219 wird, ein längeres und glücklicheres Leben zu erwarten hat, wenn er auf den Genuß geistiger Getränke gänzlich verzichtet. Aber wie die Dinge einmal liegen, darf ich nicht mit der allgemeinen Zumutung kommen, die Söhne für die gänzliche Enthaltung zu erziehen. Die Erziehung zur Mäßigkeit dagegen darf nirgends fehlen, obschon sie in ihrer Art schwieriger ist. Da handelt es sich um eine ernste Gewissenspflicht, von deren Erfüllung das zeitliche und ewige Wohl der Kinder und Kindeskinder abhängen kann.

Der Vater suche den Sohn vor allem mit Abscheu vor Unmäßigkeit und Trunkenheit zu erfüllen. Der Sohn kann als Student u. s. w. in Kreise kommen, in denen die christliche Sittenlehre geradezu auf den Kopf gestellt wird. Man trinkt und betrinkt sich nicht bloß aus sinnlicher Lust, sondern aus purem Hochmut, einer sucht den andern zu überbieten, und wer es am weitesten treibt, der wird als Sieger gefeiert. Was da an Gesundheit, Talent und Charakter und Le - bensglück auf die sinnloseste Weise zerstört wird, läßt sich gar nicht berechnen.

Ein christlicher Vater darf nicht unter - lassen, seinem Sohne über solchen Unsinn bei -220 zeiten die Augen zu öffnen. Die heidnischen Spartaner pflegten alle Jahre einmal ihre Sklaven, Heloten genannt, betrunken zu ma - chen und sie dann ihren Söhnen zu zeigen, damit diese mit einem lebhaften Abscheu vor der Trunkenheit erfüllt würden. Heutzutage wird es leider jedem Vater ein leichtes sein, seinen Sohn auf Sklaven der Trunksucht auf - merksam zu machen, an denen sich ersehen läßt, wie dieses Laster den Menschen ent - würdiget und der Verachtung der Menschen preisgiebt, wie es Wohlstand und Gesund - heit untergräbt, Schuldige und Unschuldige miteinander in das tiefste Elend stürzt.

Viele Jünglinge lassen sich zum Bösen hinreißen nicht sowohl durch den Hang nach dem sinnlichen Genuß, als vielmehr durch ein mißleitetes Ehrgefühl. Das ist, wie oben bemerkt wurde, besonders häufig beim Trin - ken der Fall. Das Gefühl für Ehre steht dem Jüngling wohl an, aber er muß ange - leitet werden, die Ehre nicht in der Schande zu suchen, sie nicht mit seinem Lebensglücke zu bezahlen, sondern jene Ehre anzustre - ben, welche vor den vernünftigen Menschen und vor Gott als Ehre gilt, jene Ehre, welche andauert und das Herz beglückt. 221 Brüder, ruft der heilige Paulus, wer sich rühmen will, der rühme sich im Herrn. (I. Kor. 10, 17.)

Unzählige sind heutzutage von dem un - glücklichen Aberglauben befangen, daß es keine Erholung und Unterhaltung geben könne, ohne daß getrunken werde. Die edel - sten und wohlfeilsten Vergnügen, Natur - betrachtung, Spaziergänge, Unterhaltung mit Musik, Gesang und Lektüre müssen bei vielen vor dem rohsinnlichen Genuß zurücktreten. Man hat keinen Sinn für Vergnügen, wenn nicht der Alkohol die Würze liefert. Auch da fehlt es vielfach an der Erziehung. An dieser ist es, den jungen Menschen für edlere Vergnügen fähig und empfänglich zu machen. Daß das Beispiel des Vaters in diesem Punkte von entscheidender Bedeutung ist, braucht nicht erst gesagt zu werden. Die Krebse beschlossen einmal, wie die Fabel er - zählt, die leidige Gewohnheit des Rückwärts - gehens abzulegen. Schon wollten sie die jungen Krebse anhalten, vorwärts zu gehen. Diese aber verlangten, daß die alten es ihnen vormachten.

Die Hauptbeweggründe für die Mäßig - keit müssen aber in der christlichen Glaubens -222 und Sittenlehre gesucht werden. Christus, unser Gesetzgeber und Richter, verlangt, daß wir die Begierden unserem freien Willen, und diesen den Geboten Gottes unterwer - fen. Nur auf diesem Wege können wir den Frieden der Seele, die Ruhe des Gewissens, das ewige Heil unserer unsterblichen Seele erlangen. In diesem Punkte steht also mit der zeitlichen Wohlfahrt auch das ewige Heil auf dem Spiele. Und darum darf kein christlicher Vater und kein christlicher Jüng - ling Bedenken tragen, seine sinnlichen Ge - nüsse nach dem Gesetze Christi zu ordnen, der zu uns allen gesagt hat: Wer Mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst. (Matth. 16, 24.)

( Zur Opferung in der zweiten Meßandacht. Seite. 330.)

31. Der Starkmut.

Die Klugheit lehrt, wie der gute Zweck mit den richtigen Mitteln angestrebt werden soll. Die Mäßigkeit soll die Herrschaft des freien Willens über die sinnlichen Begierden her - stellen, die Gerechtigkeit uns dazu bringen, gegen andere unsere Schuldigkeit zu thun. Diese drei Kardinaltugenden bedürfen aber noch einer vierten als ihrer schützenden223 Bundesgenossin. Schon Job hat das irdische Leben des Menschen einen Kampf genannt, und das sittliche Leben verdient diesen Na - men insbesondere. Das Himmelreich leidet Gewalt, sagt Christus, und nur die Gewalt brauchen, reißen es an sich. (Matth. 11, 12.) Es giebt Gefahren aller Art zu bestehen, zahllose Uebel zu erdulden, der Christ muß mit sei - nem eigenen Fleisch und Herzen kämpfen, und die Tugend, welche dazu befähigt, ist der Starkmut.

Der christliche Starkmut läßt sich leiten von der Klugheit und Gerechtigkeit. Er sucht die Gefahr nicht absichtlich auf, ver - gißt nicht die Vorsicht und Wachsamkeit, aber, wenn es sein muß, so steht er mit Kraft und Entschiedenheit ein für Wahrheit, Gerechtigkeit und Seelenheil. Der Starkmut ist hochherzig. Wenn es die Pflicht verlangt, so opfert er unbedenklich auch das Teuerste. Der Perserkönig Sapor verlangte von Hor - misdas, einem vornehmen Jüngling, daß er Christus verleugne. Da dieser sich weigerte, wurde er aller seiner Güter beraubt und mußte, nur mit einem Stück Leinwand be - kleidet, Kamele treiben und Kot führen. Eines Tages machte ihm der König neue224 Anerbietungen, und sagte: Faß doch endlich von deinem Trotze ab und entsage dem Zim - mermannssohn. Hormisdas antwortete: Behalte deine Geschenke, wenn ich sie mit dem Abfall von meinem Glauben bezahlen soll.

Der Starkmut ist ausdauernd und be - harrlich. Von Robert Bruce, einem schot - tischen König, wird erzählt, er habe nach zehn verlornen Schlachten sich auf der Flucht mutlos zur Erde niedergeworfen. Da beobach - tete er eine Ameise, die in eine kleine Sand - grube gefallen war, und vergeblich sich be - mühte, wieder herauszukommen. War sie halb oben, so fiel sie immer wieder zurück, aber immer fing sie ihre Anstrengungen wie - der von neuem an. Bruce betrachtete sie auf - merksam, bereits zählte er zehn vereitelte Ver - suche, aber mit dem elften kam sie glücklich heraus. Bruce ließ sich dadurch ermutigen, nach zehnfacher Niederlage sein Glück noch einmal zu versuchen, er fing den Krieg von neuem an, und auch ihm wendete das Glück sich fortan zu. Was dieses Tierchen für sein kurzes Leben, dieser König für eine vergäng - liche Krone gethan, das muß der Christ um so mehr beachten, wo es sich um die höchsten225 Güter, um sein Heil handelt. Er darf nicht ermatten im Kampfe mit Welt, Fleisch und Satan, bis der Sieg errungen ist.

Der Starkmut ist energisch und geduldig zugleich. Die Geduld ist nicht Schwäche, sondern gerade in ihr offenbart sich das höchste Maß von Mut und Kraft. Die Geschichte kennt keine größeren Helden als die christlichen Martyrer. Ihr Kampf war nichts anderes, als ein schweres Dulden, aber ein staunens - wertes, ein heldenmütiges Dulden. Mit ei - nem einzigen Worte hätten sie Marter und Qual und den nahenden Tod mit Lust und Freude vertauschen können. Aber das Wort wurde nicht gesprochen. Sie bluteten und starben, aber sie blieben unbesiegt. Ist das nicht bewunderungswürdiger Starkmut?

Doch ist nach dem Worte des Dichters jener der tapferste, der sich selbst besiegt. Die Herrschaft über sich selbst erfordert wohl das höchste Maß von Starkmut. Als ein junger Edelmann den heiligen Franz von Sales geraume Zeit in empörender Weise beschimpfte, blieb der Heilige ganz gelassen und erwiderte keine Silbe. Als man sich dar - über verwunderte, sagte er: Meine Zunge und ich, wir haben einen unverletzlichen Vertrag226 gemacht. Wir sind übereingekommen, daß, während mein Herz aufgeregt ist, meine Zunge kein Wort rede. In einem andern Falle sagte er zu dem Beleidiger: Wenn Sie mir auch ein Auge ausstechen würden, würde ich Sie mit dem andern liebend an - sehen.

Wo ist aber der Starkmut des heutigen Geschlechtes? Wo ist die Ausdauer und Beharrlichkeit in den Versuchungen und Käm - pfen, die uns von Welt, Fleisch und Satan bereitet werden? Wo ist die Hochherzigkeit, welche vergängliche Güter für höhere opfert, wenn z. B., um aus vielen Fällen nur einen zu nennen, eine unkirchliche Ehe zeitliche Vorteile verspricht? Wo sind der Mut und die Geduld im Bekenntnisse des Glaubens? Einige Spottreden vermögen heutzutage oft mehr, als in den ersten Zeiten Scheiterhau - fen und Schwert. Gott der Allwissende kennt jene, die heute noch bereit und fähig sind, starkmütig zu kämpfen, aber wenn man über die Christen in der heutigen Welt hin - schaut, so vermißt man fast nichts so sehr, wie den Starkmut. Die Erziehung ist daran nicht unschuldig, und darum muß auch die Besserung von ihr ausgehen.

227

Der Starkmut kann nur das Ergebnis der gesamten Erziehung sein, wenn diese durch und durch christlich ist. Ganz beson - ders aber sind zwei Punkte von Wichtigkeit. Goethe fragte einmal, welche Erziehungsart die beste sei, und fand, es sei das die der Hydrioten (Bewohner einer griechischen In - sel). Diese kühnen Seefahrer nehmen schon ihre kleinen Knaben mit auf die Schiffe und lassen sie mithelfen, was sie können. Für das, was sie leisten, haben sie Anteil am Gewinn. So kümmern sie sich emsig um den Schiffsdienst, um Handel, Tausch und Beute, und so wachsen sie heran zu den tüch - tigsten Küsten - und Seefahrern, zu den klüg - sten Handelsleuten, zu den verwegensten Kriegern und Seeräubern.

Diese Vorzüge der jungen Hydrioten sind auch poetisch verherrlicht worden, und ein christlicher Dichter macht davon die Anwen - dung auf die christliche Erziehung in folgen - den Versen:

Ich war ein kleiner Knabe, stand fest kaum auf dem Bein,
Da nahm mich schon mein Vater zur Kirche mit hinein,
Er lehrte fromm mich beten, den Blick zu Gott ge - wandt.
Und gab den Katechismus mir mahnend in die Hand.
228
Er lehrte Gott mich fürchten, Ihn lieben treu und fest,
Weil Gott verlasse keinen, der Ihn nicht erst verläßt.
Er selbst blieb mir zur Seite oft unverdrossen stehn,
Und wollt 'mich beten hören, die Hände falten sehn.
Er hieß mich stets den Glauben bekennen ohne Scheu,
Bekennen frei und offen, vor wem es immer sei;
Er hieß mich treu und tapfer zur Fahne Christi stehn,
Dann dürft 'ich unserm Herrgott getrost ins Auge sehn.
Das mußt 'ich ihm geloben, ich schwur ihm's in das Grab.
Mein Wort, es ist mir heilig, davon geh ich nicht ab.
(Hammer, Der christliche Vater , Seite 26.)

Wird der Sohn von Kindheit an durch Wort und Beispiel der Eltern angeleitet, stets und in allem nach Glauben und Ge - wissen zu denken, zu reden und zu handeln, lehrt man ihn von Jugend auf, nicht den Lau - nen und den Neigungen zu folgen, sondern den Forderungen der Klugheit, Gerechtigkeit und Mäßigkeit, so wird mit ihm auch der christliche Starkmut heranwachsen und groß werden. In den Versuchungen des Lebens weiß er, was er zu thun hat, und er ist gewohnt, es ohne Zaudern zu thun. Der christliche Starkmut, zu dem er erzogen wor - den, bewahrt ihn vor schwacher Nachgie - bigkeit gegen seine Begierden, vor feiger Menschenfurcht, vor unmännlicher Zaghaftig - keit in Prüfungen und Heimsuchungen.

229

Sodann ist zu beachten, daß wir ein beson - deres Sakrament des Starkmutes haben in der heiligen Firmung. Dieser verdankten die Martyrer ihre unbesiegbare Standhaftigkeit, unsere Vorväter ihre Glaubenstreue, und durch diese wird heute noch der junge Christ zum Streiter Christi gesalbt und mit der Waffen - rüstung des Glaubens ausgerüstet. Die El - tern sollen nur sorgen, daß er sie würdig empfängt, blank und rein bewahrt, sich von Jugend auf in diesen Waffen übt, damit er, wenn die ernste Zeit des Kampfes kommt, nicht vor dem Feinde steht, wie ein Unkun - diger, der seine Waffen nicht zu gebrauchen weiß.

(Bete zum heiligen Geiste um die Erneuerung der Firmungsgnade. Seite 461.)

32. Die Keuschheit.

O wie schön ist ein keusches Geschlecht im Tugendglanze, unsterblich ist sein Anden - ken, und ewig triumphiert es mit der Sie - geskrone. (Weish. 4, 1. 2.) Was der zarte Duft und die Farbenpracht für die Blume, das ist die Keuschheit und Unversehrtheit für die Jugend. Das entgegengesetzte Laster ver - sengt wie ein Gifthauch die jugendliche Frische230 und Schönheit, nagt wie ein Wurm an der Gesundheit des Körpers und den Fähigkeiten des Geistes, zerstört die jugendliche Heiterkeit und gar oft das ganze Lebensglück.

Es ist ein großes Glück für die Kinder, wenn sie in diesem Punkte möglichst lange unwissend bleiben. Cäsar und Tacitus be - richten mit Anerkennung, daß diese Unwissen - heit bei den alten Deutschen bis in das zwanzigste Jahr gedauert habe. Heutzutage dürfen sich die Eltern leider bei weitem nicht mehr so lange mit der Unwissenheit der Kin - der trösten. Dafür hat der Schöpfer selber der Keuschheit einen anderen Wächter an die Seite gestellt in der Schamhaftig - keit. Hirscher sagt: Die Schamhaftigkeit regt sich, wo immer etwas gethan oder ge - duldet werden soll, was unserer höheren Na - tur, was unserem heiligen Selbstgefühl, was der Bewahrung unserer heiligen Würde ent - weder wirklich oder vermeintlich entgegen - tritt. Diese Schamhaftigkeit muß in dem Kinde gepflegt werden, lange bevor es für dasselbe Gefahren der Keuschheit giebt. Man halte es von der ersten Kindheit dazu an, in Kleidung und Gebärden züchtig und sitt - sam zu sein, es soll aber auch alles anständig231 und ehrbar sein, was es im Hause bei Tag und bei Nacht zu sehen und zu hören be - kommt. Beginnt der Verkehr mit anderen Kindern, so sorge man vor, daß es nicht mit verdorbenen Kindern spiele, nicht mit ihnen einsame Orte aufsuche, nicht ohne Aufsicht bade u. s. w. Es giebt heutzutage so viele Kinder, bei denen die Bosheit dem Alter vorauseilt, daß man in der Vorsicht und Wachsamkeit nicht zu weit gehen kann. Man frage sich, was man thun würde, um seine Kinder vor der Ansteckung mit einer ekel - haften Krankheit durch andere Kinder zu be - wahren, und bedenke, daß es sich hier noch um Wichtigeres handelt.

Im Knaben - und Jünglingsalter ist große Gefahr, daß unsittliche Reden von Kamera - den und mehr oder weniger schlüpferige Un - terhaltungsschriften die jugendliche Phantasie verunreinigen. Es ist das ein großes Un - glück für jeden Jüngling, weil dadurch sein Sinn für das Hohe und Edle und Heilige abgestumpft, seine Einbildungskraft und sein Gedächtnis in den Kot der Gemeinheit hinabgezogen wird, und ihm zahllose Ver - suchungen bereitet werden, welche ohne diese Reden und Bücher ihm erspart blieben. Der232 heilige Augustin hat sich später bitter darüber beklagt, daß er in der Jugend in diesen Be - ziehungen nicht genügend überwacht wurde. Es sind das grausame Eltern, welche über diese Gefahren sorglos hinweggehen.

Aber einmal kommen die Versuchungen doch; auch diese Tugend muß in Anfechtun - gen bewährt werden. Es ist Sache der Er - ziehung, den jungen Christen daraufhin zu stärken. Die Tugend der Keuschheit kann nur dadurch sichergestellt werden, daß alle anderen Tugenden sie in ihre Mitte nehmen, und gleichsam einen Zaun oder Wall um sie bilden. Besitzt der junge Christ Glauben und Gottesfurcht, Gewissenhaftigkeit und Frömmigkeit, ein gewisses Maß von Selbst - verleugnung, ist sein äußerer Wandel sitt - sam und ehrbar, so werden diese Tugenden den Feinden der Herzensreinheit den Zugang verwehren. Neben dem guten religiösen Fundamente ist die Angewöhnung an die Selbstbeherrschung und Selbstüberwindung auch in anderen Dingen besonders wichtig. Die Verweichlichung in Bezug auf Nahrung, Kleidung und Schlaf hat schon oft auch für diesen Punkt die schlimmsten Wirkungen ge - habt. Wohl das erste Bewahrungs - und233 Heilmittel ist aber der Empfang des Buß - sakramentes, wenn er von heiligem Ernste begleitet ist.

Verläßt der Jüngling das Vaterhaus, oder kommt er wenigstens in Verkehr mit der Welt, so ist es Pflicht des Vaters, ihn schon vorher darauf vorzubereiten. Vielleicht, d. h. unter sehr günstigen Verhältnissen, war es bis zu diesem Zeitpunkte gar nicht notwen - dig, daß der Vater über diesen Punkt sich äußere, jetzt aber muß er die Gefahren er - messen, die dem Sohne entgegentreten, und ihnen vorbauen. Der Sohn soll unsaubere Reden, Späße und Handlungen verabscheuen, er soll die Kraft haben, nach dieser Ueber - zeugung zu handeln, und den Mut, sich da - für verspotten zu lassen. Es wird vielleicht nicht lange gehen, so wird der Spott der Achtung Platz machen. Der junge Christ in der Welt muß vorsichtig sein im Umgang mit dem weiblichen Geschlechte. In diesen Jahren soll er mit Job sagen: Ich habe mit meinen Augen einen Bund gemacht, daß ich nicht einmal einen Gedanken hätte an eine Jungfrau. (Job 31, 1.) Zwecklose Liebe - leien und Bekanntschaften ziehen den Geist ab von den Studien oder der Berufsbildung,234 sie bilden eine große sittliche Gefahr, und ha - ben schon oft genug dem Jüngling die ganze Zukunft verdorben. Eine Bekanntschaft kommt noch früh genug, wenn es sich um die Eingehung einer Ehe handelt. Er wird in der Wahl einer Lebensgefährtin und im Le - ben mit ihr um so glücklicher sein, wenn er vorher seine Begierden beherrschte und wie der junge Tobias unbefleckt an Leib und Seele in die Ehe tritt. Glücklich der Sohn, wenn er vom Vater in diesen Gesinnungen genügend befestigt wird.

Der junge Tobias wurde von einem Engel in die Fremde begleitet, und dieser hat ihm auch seine Braut ausgesucht. Auch der junge Christ hat einen solchen Engel als Beglei - ter. Tobias entließ beide mit dem Segens - wunsche: Reiset glücklich, Gott sei auf euerem Wege, und sein Engel begleite euch! Und die Mutter tröstete er mit den Worten: Ich glaube, daß ein guter Engel Gottes ihn begleitet und alles wohl richtet, was um ihn geschieht, also daß er mit Freuden zu uns zurückkehren wird . (Tob. 5, 21. 27.) Ein Vater, der Glauben hat, wird wie der alte Tobias den Sohn seinem Engel anempfehlen, und den Sohn anleiten, daß er den Engel235 verehrt, ihm vertraut und gehorcht, wie es der junge Tobias zu seinem überaus großen Glücke so musterhaft gethan hat.

(Verrichte für dich und deine Kinder die Andacht zum heiligen Schutzengel . Seite 484.)

33. Gemütsruhe und Zufriedenheit.

Die Zufriedenheit ist nicht bloß ein Glück, wie viele meinen, sondern sie kann ebenso sehr eine Kunst, oder noch besser eine Tu - gend genannt werden. Nicht die äußern Glücksgüter schaffen die Zufriedenheit, sie können wohl als Bausteine dazu dienen, aber der eigentliche Baumeister wohnt im Innern des Menschen. Es ist sogar anzunehmen, daß die Zufriedenheit in bescheidenen Ver - hältnissen viel häufiger vorkommt, als da, wo Glanz und Ueberfluß herrscht. Die Zu - friedenheit ist zu einem großen Teile von der Erziehung abhängig. Nicht jeder Vater kann seinen Kindern große Schätze und Titel hinterlassen, aber jeder soll sich bemühen, dieselben zur Zufriedenheit anzuleiten und zu erziehen.

Die Zufriedenheit ist eine ruhige Stim - mung der Seele, welche durch keinerlei hef - tige Wünsche gestört wird. Diese Seelenruhe236 ist abhängig einerseits von der Beschaffen - heit des Gemütes, anderseits von den rich - tigen Grundsätzen und Anschauungen. Das Gemüt ist der Sitz der Leidenschaften und Begierden, des Zornes, des Neides, des Ver - langens nach Ruhm und Ehre, nach den Reichtümern und den sinnlichen Genüssen des Lebens. Wenn eine dieser Leidenschaf - ten zur Herrschaft gelangt, so ist es vorbei mit Gemütsruhe und Zufriedenheit. Denn jede Leidenschaft ist unersättlich, sie treibt den Menschen mit ihren unbefriedigten Wün - schen ruhelos umher, sie jagt der Befriedi - gung nach, selbst wenn diese vor ihr flieht, selbst wenn der Genuß sie unglücklich macht. Ein Geiziger, ein Ehrgeiziger, ein Genuß - mensch kann niemals zur Gemütsruhe und Zufriedenheit gelangen, jeden Morgen wacht er auf mit seiner Leidenschaft, die ihm aufs neue Leiden schafft.

Das erste Erfordernis der Zufriedenheit ist darum die sittliche Erziehung nach den Grundsätzen des Christentums. Die verkehr - ten Neigungen müssen im Kinde schon durch eine christlich-ernste Zucht bekämpft werden. Es darf keine zur Leidenschaft werden und über den Willen die Oberhand gewinnen. 237Wenn der junge Christ selbständig wird, soll er nicht der Sklave einer Neigung sein, son - dern er soll sie alle unter der Gewalt seines freien Willens haben. Insbesondere ist auf zwei Punkte wohl zu achten. Man bekämpfe jedes Gefühl des Neides gegenüber von Bessergestellten, und man lehre das Kind von Jugend auf, genügsam zu sein. Wer sich mit dem bescheidet, was er hat, auch wenn es wenig ist, und andern, die mehr haben, das Ihrige gönnen mag, der ist neidlos und genügsam, und damit mehr befähigt für Zu - friedenheit und wahres Glück, als der Reiche mit ungezügelten Begierden. Christliche El - tern sollen das beachten in Bezug auf Vergnügen, Kleidung und Lebensart. Sie sollen in nichts über Stand und Vermögen hinausgehen, und die Kinder anleiten, da - mit zufrieden zu sein, ohne andere zu be - neiden.

Die heidnischen Weisen lehrten Zufrie - denheit und Genügsamkeit, indem sie das Verlangen nach Reichtum, Genuß und Ruhm als Thorheit verspotteten. Es war das wohl richtig, was sie über diese thörichten Lei - denschaften sagten, aber eigentliche Seelen - ruhe und Zufriedenheit vermochten sie da -238 mit niemand zu geben, dazu bedarf es der Lehren und Grundsätze des Christentums.

Hieher gehört vor allem die Lehre von Gott, als dem Vater aller Menschen, der einem jeden giebt, was ihm gebührt und ihm zum Heile dient. Schon die Kinder sollen angeleitet werden, auf seine Güte zu ver - trauen, seine Ratschlüsse anzubeten, Freude und Leid mit kindlicher Ergebung aus sei - ner Hand anzunehmen. Der Glaube an die Vorsehung des himmlischen Vaters, das Ver - trauen auf seine Weisheit und Liebe ver - süßen auch das Unglück und lassen Mut - losigkeit und Unzufriedenheit auch in schweren Stunden nicht aufkommen.

Sodann lehre man die Kinder, daß es noch viel höhere Güter giebt, als irdisches Gut und sinnliche Genüsse, und daß dieselben allen zugänglich sind. Die Reinheit des Herzens, die Ruhe des Gewissens, der Friede mit Gott, der Besitz der heiligmachenden Gnade, der göttlichen Lehren und Geheim - nisse des Christentums sind Güter, vor wel - chen alles Geld und alle Genüsse der Welt wie nichts sind. Diese höheren Güter sollen sie hochschätzen und lieben und sorgfältig bewahren, und Gott dafür danken, dann239 sind sie reich genug. Denn dann werden nach der Verheißung des Herrn ihnen alle Dinge zum Besten gereichen.

Niemand kann auf Erden alles haben, was er wünscht, und insofern giebt es auf Erden keinen einzigen, der wirklich zufrie - den ist. Es kann nicht anders sein. Denn wie der heilige Augustin sagt, ist das mensch - liche Herz unruhig, bis es ruhen wird in Gott. Aber wir Christen haben für das, was uns fehlt, einen Ersatz in der christlichen Hoff - nung. Diese zeigt uns ein ewiges und un - endliches Glück im Himmel. Was uns auf Erden fehlt, ist eitel und vergänglich, was uns im Himmel winkt, wird uns auf ewig vollkommen zufrieden machen. Ohne die Hoffnung auf den Himmel giebt es keine Zufriedenheit, wem es aber mit dieser Hoff - nung ernst ist, was hat der noch weiter - tig, um schon in diesem Jammerthale frohen Mutes zu sein?

Wenn Eltern diese christlichen Gesin - nungen wirklich im Herzen haben, so wird es sich fast von selber geben, daß sie bei hun - dert und hundert freudigen und widrigen Vorkommnissen im Leben auch in diesem Geiste reden und handeln. So werden die240 Kinder ebenfalls lernen, die irdischen Vor - kommnisse auf Gott und den Himmel zu beziehen und das eine Notwendige allein anderen voranzustellen. Diese Gesinnungen werden sie über die irdischen Anschauungen erheben, und ihnen Trost und Zufriedenheit verleihen, wenn auch manche ihrer irdischen Wünsche unerfüllt bleiben.

Diese auf religiöse Ueberzeugung gegrün - dete Zufriedenheit ist wohl nie so gefährdet gewesen, wie heutzutage. Es geht ein Zug der Unzufriedenheit, des Neides und des Klassenhasses durch die Welt, der auch solche mit sich fortreißt, die gar keinen Mangel lei - den, und der jenen, die wirklich bedrängt sind, das Leben erst recht schwer und bitter macht. Dieser Zug der Unzufriedenheit hat seine Wurzel in dem Unglauben, in dem Abfall vom Christentum. Es ist darum um so drin - gender und notwendiger, daß der junge Christ beim Eintritt in die Welt nicht bloß gläubig sei, sondern daß er auch gelernt habe, die irdischen Dinge, Reichtum und Ar - mut als Christ anzuschauen, und daß er im Vertrauen auf Gott, in der Hoffnung auf den Himmel, in der christlichen Zufriedenheit mit seinem Lose fest gegründet sei. Auch241 der Vater, der keine irdischen Schätze hat, ahme den Tobias nach, der zu seinem Sohne sagte: Fürchte dich nicht, mein Sohn, wir führen zwar ein armes Leben, aber wir werden viele Güter erhalten, wenn wir Gott fürchten und alle Sünde meiden und Gutes thun. Wir sind Kinder der Hei - ligen und erwarten jenes Leben, welches Gott denen geben wird, welche ihren Glau - ben niemals von Ihm abwenden. (Tob. 2, 18; 4, 23.)

(Siehe Der Glaube an die Vorsehung . Seite 486.)

34. Wahl des Standes und Berufes.

Der Mensch ist zur Arbeit geboren und zwar zur Arbeit, die der menschlichen Ge - sellschaft nützlich ist. Er empfängt von die - ser geistige und leibliche Nahrung und soll durch nützliche Gegenleistungen seine Schuld an dieselbe abtragen. Diese Leistungen setzen durchschnittlich einen bestimmten Stand und Beruf voraus. Deshalb hat jeder die Pflicht, irgend einen passenden Berufsstand zu er - greifen.

Für die große Masse der Menschen wird wohl immer die Notwendigkeit bestehen, sich242 mit ihrer Hände Arbeit den nötigen Lebens - unterhalt zu verschaffen. Daraus erwächst für sie die Pflicht, irgend ein Handwerk, ein Gewerbe, eine Kunst zu erlernen, durch die es ihnen möglich wird, sich und ihre Familien gehörig zu ernähren. Aber auch diejenigen, welche durch Reichtum aller Sorgen für den Unterhalt enthoben sind, sollen sich einer angemessenen Beschäftigung hingeben, durch welche sie nützliche Glieder der Gesellschaft werden.

Die menschliche Gesellschaft hat auch höhere geistige und sittliche Bedürfnisse in Bezug auf Kunst und Wissenschaft und Re - ligion. Diese können nur durch besondere Stände und Berufsarten befriedigt werden, für welche die entsprechende geistige Anlage und eine längere Vorbereitung erfordert wer - den. In der Kirche haben wir nach göttlicher Anordnung den Priester - und Laienstand, bei letzterem besteht der Unterschied zwischen dem ledigen und Ehestand, während an den ersteren der Ordensstand sich anlehnt.

In welchen Stand und Beruf soll der junge Christ eintreten? Und wer soll wäh - len? In Bezug auf die eben genannten kirchlichen Stände gilt das Wort des heiligen243 Paulus: Wie Gott einen jeden berufen hat, also wandle er. (I. Kor. 7, 17.) Nicht jeder ist zum Priester - und Ordensstand be - stimmt. Es wird da ein besonderer Beruf vorausgesetzt, der von Gott kommt. Eltern sollen die Kinder so erziehen, daß der höhere Beruf, wenn er vorhanden ist, nicht durch Lauheit und Weltsinn in der Erziehung er - stickt wird, im übrigen aber die Wahl den Kindern überlassen. Sie mögen ihren Be - ruf prüfen, aber sie dürfen ihn nicht hin - dern. Die gleiche Freiheit will die Kirche auch in Bezug auf die Wahl des Ehestan - des gewahrt wissen. Die Eltern können raten und warnen, besonders wenn es sich um die Wahl einer unpassenden Person handelt, aber besser thun sie, wenn sie schon in der vorausgehenden Erziehung einer ge - fehlten Wahl vorzubeugen suchen. Lehrt man die Kinder beizeiten, in solchen Dingen an die Vorsehung und den Willen Gottes zu denken, erzieht man sie zur Gottesfurcht und zu den übrigen Tugenden, von denen schon die Rede war, belehrt man sie, bevor es zu Bekanntschaften kommt, über die Nach - teile gemischter oder gar ungültiger Ehen, so werden sie sich viel weniger zu unglück -244 lichen Schritten fortreißen lassen. Die Wahl des Standes ist häufig der Anlaß, bei dem die vorausgegangene Erziehung ihre Probe besteht, oder auch nicht besteht.

Die Standeswahl der Kinder ist so folgen - reich für Zeit und Ewigkeit, daß die Eltern dieselbe schon lange vorher zum Gegenstande ihrer Sorgen und Gebete machen sollen. Die - selbe muß einen der Zielpunkte bilden, der bei der ganzen späteren Erziehung beständig im Auge behalten wird.

Etwas anders verhält es sich, wenn nur die Auswahl eines Berufes als Broterwerb in Frage kommt. Da ist eine stärkere Beteiligung bei der Wahl seitens der Eltern zulässig und meistens auch notwendig. Zwar soll auch da das Kind zu keinem Beruf genötigt werden, gegen den es mit Widerwillen erfüllt ist. Seine freie Zustimmung soll in keinem Falle fehlen. Im übrigen aber fällt die Wahl meistens schon in jenes Alter des Kindes, in dem seine eigene Einsicht zu einer richtigen Wahl noch nicht genügt.

Die Eltern müssen auf der einen Seite die körperlichen und geistigen Anlagen des Kindes berücksichtigen, auf der andern die äußern Umstände des Vermögens, der Aus -245 sichten für das gute Fortkommen, und nicht zuletzt auch die Vor - und Nachteile für das religiöse und sittliche Leben in Betracht ziehen, und darnach sich gewissenhaft ein Urteil bil - den. Meistens wird das Kind sich ohne Schwierigkeiten demselben fügen.

Heutzutage wird vielfach dadurch gefehlt, daß man zu hoch hinaus will. Man klagt mit Grund darüber, daß für die niedrigeren und mühsameren Verrichtungen, so nützlich und notwendig sie der Gesellschaft auch sein mögen, sich kaum mehr die nötigen Kräfte finden. Das bißchen Schulbildung und der große Dünkel macht viele zu vornehm und gelehrt, um sich mit solchen niedrigen Arbeiten abzu - geben. Alles drängt sich zu höheren und beque - meren Stellungen. Man will lieber in einer Beamtenstube oder einem Geschäfte leichte Arbeit finden und nebenbei das Herrchen spielen, als sich einem Berufe zuwenden, der den Mann noch nährt, bei dem man aber schwielige Hände bekommt.

Heutzutage sind gewisse Berufsarten so übersetzt, daß der Ertrag der Arbeit allzusehr herabgedrückt wird, und der einzelne sein Auskommen kaum mehr findet, bei andern bleiben zahlreiche Bewerber ohne Anstellung246 und Arbeit. Es wäre höchst unklug, seinen Sohn für einen solchen Beruf zu bestimmen. Lieber in die Ferne mit ihm, und sei es noch so weit, wenn man ihn an einem Orte zu - verlässig unterbringen kann, wo die Arbeit den Mann noch sucht und ernährt.

Auch soll der Sohn sorgfältig für seinen künftigen Beruf erzogen werden. Er braucht hiefür manche Kenntnisse, die ihm die Schule nicht bietet, die aber vielleicht auf anderem Wege ergänzt werden können. Jedenfalls lehre man ihn früh, die Dinge praktisch an - zuschauen und anzufassen und den gesunden Menschenverstand zu gebrauchen. Das ist not - wendiger als manche Schulkenntnisse, so we - nig diese zu verachten sind. Man bewahre den Jüngling in Bezug auf Kleidung, Ge - nüsse und Bedürfnisse vor Angewöhnungen, die ihm später zu viel kosten. Wer sich nicht an das Rauchen, den Wirtshausbesuch u. dgl. gewöhnt, der hat vor andern ein beträcht - liches Kapital voraus, weil seine Ausga - ben geringer sind. Der junge Mann muß früh rechnen lernen, die Ausgaben nach den Einnahmen richten, sparsam und genügsam sein, das ist eines der ersten Erfordernisse, um mit Ehren durch die Welt zu kommen.

247

Auch in der Berufsbildung der Töchter wird vielfach gefehlt. Wer die Mittel dazu aufbringt, giebt ihnen eine Institutsbildung, die an sich nicht verwerflich wäre, wenn man nicht nachher diese jungen Mädchen zu Hause dem Kleiderluxus und einem beschäftigten Müßiggang überließe. Wenn solche nicht angehalten werden, in Küche und Arbeits - zimmer und im ganzen Hause die Hände wie Mägde und den Kopf wie Hausfrauen zu gebrauchen, so werden sie für die künf - tigen Männer bloße Zierpflanzen sein, die viel kosten und nichts nützen.

In den unbemittelten Volksklassen begeht man einen ähnlichen Fehler. Man kann die jungen Mädchen nicht früh genug zum Ver - dienen in Fabriken u. s. w. anhalten, ohne daß sie das Kochen und die übrigen Haus - geschäfte lernen. Es wäre ungleich besser, wenn sie als Mägde dienen würden, sei es auch um geringeren Lohn, und so die Fähig - keit erlangten, eine Haushaltung zu führen. Jedenfalls versündigt man sich an ihrer Zu - kunft, wenn man ihnen die Vorbildung zur Hausfrau ganz vorenthält. Schon manche Ehe ist unglücklich ausgefallen, schon mancher Ehemann hat sich an das Wirtshausleben248 gewöhnt, viele Familien sind verarmt und zu Grunde gegangen, bei denen der erste Anfang des Uebels in der Unfähigkeit der jungen Hausfrau zu suchen ist.

Bei einer großen Zahl verursacht die Berufswahl wenig Kopfzerbrechen. Sie müs - sen das Brot suchen, wo und sobald sie es finden, und die Vermutung spricht dafür, daß sie zeitlebens als Arbeiter, Dienstboten, Angestellte in abhängiger Stellung bleiben werden.

Auch diese müssen für ihren Stand er - zogen werden. Man soll sorgen, daß sie die Selbstachtung und die Achtung ihres Stan - des nicht verlieren. Vor Gott, vor vernünf - tigen Menschen und angesichts der Ewigkeit ist es ganz einerlei, welchem Stande der Mensch angehört, wenn er nur das, was er sein will und sein soll, recht ist. Eine brave Nähterin in ihrer Dachkammer ist achtens - werter als eine eitle Fürstin, und nicht selten auch noch glücklicher. Hier gilt das Wort von Oskar von Redwitz:

Und ob ich wie die Sonne glüh ',
Ob ich ein kalter Nebelschein,
Ob ich wie Schiras Rosen blüh ',
Ob ich ein arm Waldblümelein,
249
S'ist alles gleich vor Gottes Sinn,
Und nichts ist groß und nichts ist klein,
Wenn ich nur das, was ich soll sein,
Auch recht im Geiste Gottes bin.

Für Leute, denen alle Mittel für einen Hausstand fehlen, ist es ein Glück, wenn sie sich schon frühzeitig aller Heiratsgedanken entschlagen. Es wäre ihnen kaum möglich, den Kindern eine gute Erziehung und ein freudiges Dasein zu schenken, und sich selber ersparen sie viele Trübsale und eine große Verantwortung.

Kinder, welche eine solche Zukunft vor sich haben, bedürfen einer doppelt sorgfälti - gen religiösen und sittlichen Erziehung. Sie gehen vielen Gefahren und Hindernissen ihres Heiles entgegen. Sie sind vielfach gehindert in Erfüllung ihrer religiösen Pflichten, werden oft durch diejenigen, von denen sie abhängig sind, geärgert und angefochten. Obschon im Irdischen unselbständig, müssen sie in Bezug auf Religion und Sittlichkeit große Festig - keit besitzen. Es ist das nicht unmöglich, es kommt sogar mehr vor, als der Anschein vermuten läßt. Es ist bei allen möglich, wenn sie gut erzogen wurden. Solche ver - borgene Seelen, deren Kämpfe, und deren250 Treue die Welt nicht kennt, werden einst am großen Gerichtstage vor Fürsten und Königinnen den Vorrang haben, und den Martyrern und Bekennern der ersten Jahr - hunderte würdig an die Seite gestellt werden. Alle armen Eltern sollen sorgen, daß ihre Kinder auch unter diesen seien.

(Erwecke in Bezug auf die göttliche Vorsehung Glaube, Vertrauen, Ergebung.)

35. Schule und Fremde.

Beruf und Berufsbildung führen viele Kinder schon frühzeitig aus dem elterlichen Hause weg an eine Schulanstalt, in eine Werkstatt oder Fabrik. Dieser Punkt ist schon wiederholt berührt worden, weil man ihn bei der ganzen Erziehung im Auge behalten muß. Die Sache ist aber so wichtig, daß sie noch einer besonderen Erinnerung wert ist. Manche katholische Väter schauen viel zu ein - seitig auf das, was das irdische Fortkommen zu fördern scheint, und gehen zu sorglos über die religiöse und sittliche Seite der Ange - legenheit hinweg. Wenn irgendwo, ist hier das Wort des Herrn wohl zu beachten: Suchet zuerst das Reich Gottes und seine251 Gerechtigkeit, und dieses alles wird euch hin - zugegeben werden. (Matth. 6, 33.)

In Bezug auf Schulanstalten giebt es Dinge, von denen im Programm und Regle - ment der Anstalten wenig wahrzunehmen ist, und die doch vielen Zöglingen verhängnis - voll werden. Ich will ein warnendes Bei - spiel aus alter Zeit anführen, von welchem alle Väter Vorsicht lernen mögen. Der hei - lige Augustin wurde als zwölfjähriger Knabe an eine Schule in Madaura geschickt, und schildert in seinen Bekenntnissen, was er dort erlebte, und was ihm daraus für Folgen erwuchsen.

Zunächst beklagt sich Augustin, daß er wohl Unterricht in den Schulfächern erhielt, daß aber für seine Erziehung nichts gethan wurde. Man nahm es sehr genau mit Feh - lern gegen die Rechtschreibung, aber um die Fehler im Leben kümmerte sich niemand. Man hielt große Dinge auf eine korrekte Aussprache, auf eine fließende Redeweise, aber man achtete nicht darauf, ob die Schü - ler ärgerliche Reden führten, und ahndete es noch weniger. Die natürliche Folge hie - von war, daß die Schüler die Regeln der Grammatik ernster nahmen, als die Vor -252 schriften des Sittengesetzes, und während sie in der Schule Fortschritte machten, im sitt - lichen Leben rückwärts kamen.

Ferner tadelt es Augustin, daß die Schü - ler in der Schule schlüpferige Dichter in die Hände bekamen, und auch außer der Schule mit Vorliebe solche lasen. Augustin vergleicht die schönen Verse der Dichter mit einem kunstreichen Becher, in welchem ihnen ein berauschender Trank gereicht wurde. Ich habe mit Lust getrunken, sagt Augustin, und deswegen wurde ich ein hoffnungsvoller Schüler genannt. Aber so entzündete sich das Feuer der Leidenschaft in mir, so daß meine Jugend, wie zwischen Felsen und Ab - gründen fortgerissen, in die Tiefe schändlicher Laster versank. Augustin schildert in sei - nem Schicksale auch das manches hoffnungs - vollen Jünglings unserer Tage. Es ist über - aus gefährlich, wenn Schüler dieses Alters in Bezug auf die Lektüre mißleitet werden, oder auch nur ohne Aufsicht sich selbst über - lassen sind.

Es kann Anstalten geben, deren Leitern und Lehrern man durchaus nichts Ungehö - riges vorzuwerfen im Falle ist, und wo die Schüler doch verdorben werden. Wo die253 religiöse und sittliche Erziehung zurücktritt, und alles Gewicht auf die Ausführung des Unterrichtsprogramms gelegt wird, da wer - den die Zügel der Erziehung, welche der Hand der Lehrer entgleiten, von den Schü - lern selber aufgegriffen. Es bildet sich eine von Schule und Lehrern unabhängige öffent - liche Meinung der Schülerwelt, ein gewisser Studentengeist, der in diesen Kreisen eine unbedingte Herrschaft ausübt. Wendet er sich gegen einen Lehrer, so ist sein Ansehen und sein Einfluß gebrochen. Billiget und verherrlichet er gewisse vom Schulreglement verbotene Dinge, so gilt jeder Ungehor - sam gegen die Schulgesetze als Helden - that. Greift er Religion und Sittlichkeit an, so schämt sich der einzelne Schüler seiner religiösen Gesinnungen und Hand - lungen, und wetteifert mit den andern in den Sünden, die hier Ruhm ernten. Der neue Ankömmling beugt sich vor diesem Studentengeist anfänglich aus Schüchternheit und mit innerem Widerstreben, bald aber ist er mit Lust dabei, und allmählich macht er sich selber zum Träger und Beförderer dieses Studentengeistes. Was dieser für eine tyran - nische Herrschaft ausübt, ergiebt sich aus254 dem Umstand, daß viele Studentenverbin - dungen auf den Universitäten zum Hohne auf alle Vernunft und Moral den selbst - mörderischen Trinkzwang und die Duellge - setze viel strenger beobachten, als die meisten Christen die Gebote Gottes und der Kirche befolgen.

Auch Augustin hat sich in Madaura vor der Macht dieses Studentengeistes ge - beugt. Es ist bereits (Nr. 27) bemerkt wor - den, wie er und seine Genossen einander in Schlechtigkeiten zu überbieten suchten, und aus Prahlerei Schandthaten erdichteten, die sie nicht einmal begangen hatten. Augustin plünderte mit ihnen einen Obstbaum, dessen Früchte sie nicht wollten und nicht brauchten, bloß weil keiner zurückbleiben wollte. Er bemerkt zu diesem Fall: Einer sagt: Lasset uns das und das thun! Und alle folgen, je - der schämt sich, nicht ausgeschämt zu sein! Und von sich selber sagte er: Ich wurde sittenloser, um nicht verhöhnt zu werden. Ich fürchtete, als einfältig zu gelten, wenn ich unschuldiger war, als meine Genossen.

Ein jeder schämte sich, nicht ausgeschämt zu sein. Dieser unglückselige Wahn lebt immer wieder auf und behauptet sich in ge -255 wissen Studentenkreisen auch heutzutage als Gesetz. Wenn ein christlicher Vater seinen unmündigen Sohn solchen Einflüssen bloß - stellt, so heißt das ihn in die Höhle des Löwen schicken, von der gesagt wird, daß wohl Tritte hinein, aber keine heraus führen. Der Vater weiß, wie es mit dem Sohne steht, da er ihn an die Anstalt schickt, aber er weiß nicht, wie er von derselben wieder - kehren wird.

In der Werkstatt, Fabrik und Kaserne wird gar oft der Geist der Kameraden ein ganz ähnlicher sein. So weit der Vater die freie Wahl hat, sehe er sich wohl vor, wo er seinen Sohn unterbringt. Sonst ist er vor Gott für dessen Seele verantwort - lich. Leider kann da nicht jeder frei wählen. Darum muß man alles aufbieten, um die Kinder so zu erziehen, daß sie den kom - menden Versuchungen gewachsen sind. Auch suche man ihnen in der Fremde allen mög - lichen Schutz zukommen zu lassen, durch die dortigen Seelsorger, durch wohlwollende Ver - wandte oder Freunde, durch einen katho - lischen Verein. Und der Vater nehme sich seiner in der Fremde an, wie der Oberst Paqueron. (Nr. 24.) Bei unvermeidlichen256 Gefahren dürfen Vater und Sohn auf Gott vertrauen. Wenn beide das Ihrige thun, so wird sich auch unter den schwierigsten Verhältnissen das Wort des hl. Apostels Johannes an die jungen Christen der ersten Zeit immer wieder aufs neue bewähren: Meine Kindlein, Der in euch ist, ist stärker als der, der in der Welt ist. (I. Joh. 4, 4.)

( Andacht zur heiligen Familie Nr. 1. Seite 442.)

36. Die Bürgerpflichten.

Der Mann ist nicht bloß Vater, sondern auch Christ und Bürger. Er hat darum neben seinen Pflichten gegen die Familie auch solche gegen die Kirche, die Gemeinde und den Staat. Von den Pflichten gegen die Kirche ist be - reits Erwähnung geschehen (Nr. 9), sie fallen auch mittelbar bei der ganzen religiösen Er - ziehung in Betracht; hier handelt es sich noch darum, die bürgerlichen kurz zu be - sprechen.

Die erste Pflicht des Mannes gegen Ge - meinde und Vaterland ist die treue Erfüll - ung seiner Vaterpflichten. Das ganze Volk gliedert sich in Gemeinden, diese bestehen aus Familien, und wenn alle Väter gut für257 ihre Haushaltung sorgen, ihre Familie recht regieren und die Kinder christlich erziehen würden, so würde es auch mit Gemeinde und Volk gut bestellt sein. Die Großzahl der Uebel, welche diese belasten, hat ihre Wurzel in den Schäden des Familienlebens. Wenn ein Vater sich durch Politik und Beamtungen zur Vernachlässigung seiner Familie verlei - ten läßt, so ist das nicht bloß ein Unrecht gegen Gott und die Seinigen, sondern auch gegen das öffentliche Gemeinwesen, welches seine Dienste wahrscheinlich teuer bezahlen muß.

In Bezug auf die eigentlichen Bürger - pflichten erinnere ich an das Beispiel und die Worte des seligen Nikolaus von Flüe. Man kann die Liebe zum Vaterlande und die Pflichten gegen dasselbe nicht schöner darstellen, als er sie gelehrt und geübt hat.

1. Den Verteidigern des Vater - landes ruft er zu: Wenn es fürs Vater - land gilt, und man euere Freiheit mit Ge - walt angreift, so wehret euch auch mit Ge - walt, und verfechtet männlich das Vaterland und euere Freiheit. Des Soldaten Ehre ist, im Kampfe tapfer und unerschrocken sein, im Siege aber mild, nüchtern, großmütig258 und uneigennützig. Welch eine Schande ist es für den Kriegsmann, den Feind besiegen, und hernach den Lastern feig unterliegen!

Diese Mahnungen gab der selige Niko - laus noch als Weltmann und Soldat. Seine Reden machten um so mehr Eindruck, als er selbst ein ebenso mutiger Krieger wie frommer Christ war, der keine Gefahr, wenn es not that, fürchtete, und mehrere hitzige Treffen mitmachte. Auch als Krieger im Felde scheute er sich nicht, den Rosenkranz in der Hand zu haben. Es gelang ihm, manche Grausamkeiten zu verhindern. So rettete er das Kloster St. Katharinenthal, in welchem sich die Oesterreicher verschanzt hatten, und das von den Eidgenossen bereits angezündet war.

2. Weiter sagt der selige Nikolaus: Der Obrigkeit sollt ihr den Gehorsam treu und christlich leisten. Der hei - lige Paulus nennt die Obrigkeit Gottes Dienerin und erklärt, wer sich ihr widersetze, der widersetze sich der Anordnung Gottes! denn es gebe keine Gewalt, außer von Gott, und die, welche bestehe, sei von Gott ange - ordnet. Darum, fährt der heilige Paulus weiter, ist es euere Pflicht, unterthan zu259 sein, nicht nur um der Strafe willen, son - dern auch um des Gewissens willen. Gebet also jedem, was ihr schuldig seid: Steuer wem Steuer, Zoll wem Zoll, Ehrfurcht wem Ehrfurcht gebührt. (Röm. 13, 1 7.) Das sind Grundsätze der göttlichen Offenbarung und sie bilden das Fundament der öffentlichen Ordnung, ohne welches diese nicht bestehen kann. Diese christliche Anschauung von der Obrigkeit als Gottes Stellvertreterin wird heutzutage zum Nachteile der öffentlichen Wohlfahrt von den Bürgern vielfach miß - achtet, sonst müßten sie bei der Wahl von Beamten gewissenhafter zu Werke gehen.

Aber auch die Träger der obrigkeitlichen Gewalt dürfen nicht vergessen, daß sie Stell - vertreter Gottes sind und Ihm für ihre Amtsverwaltung einst Rechenschaft geben müssen. Wenn diese Wahrheit übersehen wird, so hat das drei Uebelstände im Gefolge, die dem Staate und den Gemeinden großen Schaden bringen. Die erste schlimme Folge ist Aemtersucht und ehrgeiziges Strebertum. Das Amt soll den Mann suchen, und nicht der Mann das Amt. Wer an die Verant - wortung vor Gott glaubt und denkt, der wird die Aemter mehr fürchten als suchen. 260Der selige Nikolaus hat darum nur ungern öffentliche Aemter bekleidet und sich von denselben zurückgezogen, sobald er konnte. Der zweite Nachteil besteht darin, daß Be - amte und Obrigkeiten, die sich nicht als Stellvertreter Gottes betrachten, und nicht an die Verantwortung vor Ihm denken, auch nicht nach dem Gesetze Gottes regieren, son - dern nach ihrem eigenen Gutdünken, und so oft Willkür und Unrecht an die Stelle des Rech - tes setzen. Drittens sind solche Beamte oft Feiglinge ihren Wählern gegenüber. Der Mann mit christlichen Gesinnungen fürch - tet Gott und sonst niemand, er verwaltet sein Amt so, wie er es vor Gott verant - worten kann, ihm ist nicht an Menschengunst, sondern an einem guten Gewissen gelegen. Wenn es sein muß, so zieht er vor, eher als Mann von Ehre und Gewissen wieder abzutreten, als durch feige Gewissenlosigkeit in Gunst zu bleiben. Wer aber diesen christ - lichen Geist nicht hat, der ist besorgt um die Gunst der Wähler, diese bestimmt ihn mehr als der Gedanke an Gott und Gewissen, er ist im stande, zum großen Schaden des Ge - meinwesens vor den verderblichsten Miß - bräuchen die Augen zuzudrücken.

261

3. Der selige Nikolaus sagt ferner: Den gemeinen Nutzen sollt ihr bieder befördern helfen. Dem gemeinen Nutzen steht der Eigennutz, das eigene In - teresse feindselig gegenüber. In öffentlichen Angelegenheiten führen gar viele das große Wort, welche zu allerletzt an den gemeinen Nutzen denken. Was sie treibt, ist persön - licher Ehrgeiz, persönliches Interesse, per - sönliche Leidenschaft und Parteibefangenheit. Der Christ muß sich als Bürger von allen die - sen untergeordneten und unberechtigten Rück - sichten und Absichten loszumachen wissen, er muß mit Gott und seinem Gewissen aus - machen, was dem gemeinen Nutzen ent - spricht und ohne Eigennutz wie ohne Men - schenfurcht dafür einstehen. Ein paar verstän - dige Männer, welche ernstlich und aufrichtig nur den gemeinen Nutzen wollen und anstreben, und nicht ihr eigenes Interesse suchen, können ihren Gemeinden sehr viel nützen, und selbst, wenn diese verwahrlost sind, ihnen wieder aufhelfen. Wer auf den eigenen Nutzen verzichtet, der hat ein viel besseres Auge für den gemeinen Nutzen . Mögen sie vielleicht momentan verkannt werden, so werden sie doch nach und nach Gehör und262 Verständnis finden, und mit der Zeit wer - den auch die heilsamen Wirkungen eintreten.

Die Beförderung des gemeinen Nutzens geht aber noch über die strikten Bürgerpflich - ten hinaus. Der christliche Mann muß nach Vermögen das öffentliche Wohl befördern durch freiwillige Beiträge für gute Zwecke, durch seine Beteiligung beim Vereinswesen, er soll auch unter seinen Nachbarn ein be - reitwilliger Helfer, ein treuer Ratgeber, - tigenfalls ein kluger Friedensstifter sein. Der Wert des Mannes und Bürgers bemißt sich nicht nach dem Lärm, den er macht, sondern nach seinen guten Absichten, seinem stillen guten Wirken. Der Engländer Carlyle ruft aus: O die edlen und stillen Männer, die hie und da vorkommen, jeder in seinem Ge - biete still denkend, still wirkend, still helfend, von denen keine Zeitung meldet, sie sind das Salz der Erde.

Ein Mann, der das Gute will, wird die Gelegenheit dazu immer finden, wie der se - lige Nikolaus. Wenn er Gott fürchtet und nicht Menschengunst sucht, so wird ihm auch die Achtung zukommen, die ihm gebührt. Die Ehre verfolgte den seligen Nikolaus, der vor ihr floh, sogar in die Einsamkeit. Und263 wenn der Vater sich bemüht, selber ein wacke - rer christlicher Patriot und gemeinnütziger Bürger zu sein, so ist dies das beste Mittel, auch seinen Sohn zu einem solchen zu er - ziehen.

(Dritte Meßandacht: Vor der Wandlung . S. 357.)

37. Es will Abend werden.

Der Lebenslauf des Menschen wird von den Dichtern oft mit den rasch dahineilenden Tageszeiten verglichen.

Das zarte Kind ist ein heiterer Morgen,
Ihm liegen noch ferne die brennenden Sorgen,
Es hüpfet so froh und atmet so leicht,
Wenn durch die Zweige der Morgenwind streicht.
Der Jüngling glüht in der Mittagsschwüle,
Es woget und dränget des Lebens Fülle
Und will aus den Banden und Schranken los,
Und sucht der Unendlichkeit weiten Schoß.
Zum Abend neigt sich des Mannes Leben.
Denn bald ermattet, erkaltet das Streben,
Es sehnet das müde Herz sich nach Ruh ',
Es eilen die Kräfte der Neige zu.
Sieh 'da ereilet die Nacht nun den Alten!
Des Busens Gefühle, sie stocken, erkalten.
Die Kräfte schwinden, die müden Glieder,
Sie legen zum Schlafe des Grabes sich nieder.

Für den Vater rückt der Stundenzeiger mit schnellen Schritten vorwärts. Wenn die264 Kinder anfangen wie junge Oelbaumpflan - zen um den Tisch zu stehen (Ps. 127.), und immer größer werden, so hat der Vater die Mittagshöhe seines Lebens überschritten, und es geht schneller oder langsamer dem Abend zu. Wenn ihn die Hand des Todes nicht vor der Zeit hinwegrafft, so macht sich die Unbeständigkeit alles Irdischen in seiner Um - gebung und an ihm selber schrittweise im - mer deutlicher bemerkbar. Das eigentliche Familienleben mit den Freuden und Sor - gen der Erziehung geht rasch vorüber, die Kinder werden versorgt, suchen anderswo ihr Auskommen, der Tod lichtet die Zahl der Angehörigen, und ehe man sichs versieht, ist die Familie nicht mehr da, der häusliche Herd ist verschwunden wie ein Hirtenzelt, wel - ches man nach kurzem Aufenthalt zusammen - rollt. Die Aufgabe des Vaters ist gut oder übel erfüllt, er ist ein alternder Baum, der dasteht, bis ein Sturm oder Entkräftung ihn zum Falle bringen. Das ist der Gang des Lebens, von dem keiner ausgenommen ist.

Aber wie die Tage verschieden sind, so sind es auch die Abende. Bald strahlt die Sonne den ganzen Tag am wolkenlosen Himmel und scheidet am Abend wie eine265 Königin, die ins Brautgemach geht, bald hüllt sie sich am Abend erst in finsteres Ge - wölk, oder auf trübe Nebeltage, auf Gewitter - stürme folgt ein lichter Abend. So geht es in der Natur, so im Leben der Menschen. Ein Vater verlebt den Abend seines Lebens in gemächlicher Ruhe und Zufriedenheit, ein anderer in Kummer und Entbehrung. Der eine sonnt sich in dem Wohlergehen und der Tugend seiner Kinder, ist glücklich durch ihre Verehrung und Dankbarkeit, der andere muß sehen, wie seine Nachkommen eigentlich nur die Not des Lebens von ihm ererbt haben, oder er muß seufzen über den Undank und die Schande, die er für seine einstigen Mühen und Sorgen erntet.

Was soll man zu einem so trüben Le - bensabende eines Vaters sagen? Es läßt sich kaum etwas anderes sagen, als was der göttliche Heiland von sich selbst gesagt hat: Ich muß wirken, so lange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wir - ken kann. (Joh. 9, 4.) Jeder Mensch, so auch der Vater kann sein irdisches Tagwerk nur einmal vollbringen, und was er am Mittag versäumt hat, kann er am Abend und in der Nacht nicht mehr nachholen. Darum soll266 jeder Vater, so lange es noch Zeit ist, wohl beherzigen, was das für eine Qual sein muß, wenn man am Abend des Lebens erfährt, daß das Tagwerk mißlungen ist, daß man einen bösen Samen auf der Erde zurückläßt, der vielleicht manche Menschenalter hindurch schlimme Früchte tragen wird. Freilich be - halten auch guterzogene Kinder ihren freien Willen und können später üble Wege wan - deln. Daraus folgt allerdings, daß nicht jeder Vater an der Ausartung seiner Kin - der schuld ist, aber auch das folgt daraus, daß der christliche Vater mit doppeltem Eifer seine Pflichten erfüllen soll, um die Möglichkeit eines Mißerfolges möglichst in die Ferne zu rücken. Wie viel da von dem Vater abhängt, ergiebt sich aus dem Worte des weisen Sirach: Lobe gar kei - nen Menschen vor seinem Tode, weil der Mann aus seinen Söhnen erkannt wird. (Sir. 11, 30.)

Sollte das Tagwerk des Vaters auch seine Mängel haben, und sein Gewissen und die Früchte der Erziehung ihn nicht beruhigen, so suche er wenigstens für sich noch die eilfte Stunde zu benutzen, um im Frieden mit Gott von hinnen zu scheiden. Sünder und schwache267 Menschen sind alle, aber Gott hat auch Barm - herzigkeit für alle. Es ist ein Zeichen seiner Barmherzigkeit, wenn Er der hereinbrechen - den Nacht dunkle Schatten des Abends vor - aussendet. Er will damit Sünder und Ge - rechte mahnen, sich in Bereitschaft zu setzen, mit großer Demut und eben so großem Ver - trauen die Bitte an den Herrn zu richten: Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich schon geneigt. (Luk. 24, 29.)

Der gerechte Tobias lebte, nachdem er wieder sehend geworden, noch zweiundvier - zig Jahre in Freude und Furcht des Herrn, und sah noch die Kinder seiner Enkel. Hun - dert und zwei Jahre alt, schied er hin im Frieden und in der Voraussicht, daß seine Nachkommen in gutem Leben und heiligem Wandel verharren werden. Nach einem trü - ben Tage war das ein langer und heiterer Lebensabend.

Kürzer, aber wenn möglich noch beseli - gender, war er für die heilige Monika. Nach - dem der heilige Augustin in Mailand an Ostern die heilige Taufe empfangen hatte, trat er mit seiner Mutter die Rückreise nach Afrika an. An einem lieblichen Maiabend268 betrachteten sie in Ostia, an einem Fenster stehend, den duftigen Blütenflor, das vor ihnen ausgebreitete Meer und den klaren Himmel mit seinen zahllosen Gestirnen. Die Erinnerungen an die stürmische und trübe Vergangenheit und das Glück der Gegenwart drängten sich zusammen und erhoben ihre Seelen über diese sichtbare Welt hinauf zu dem Orte, wo sie in der Anschauung des lebendigen Gottes ein noch höheres Glück zu finden hofften. Ihre Unterhaltung dar - über gehört zu dem Erhabensten, was je sterbliche Menschen über Gott gedacht haben. Am Schlusse sagte die heilige Monika zu Augustin: Für mich hat das Leben keinen Reiz mehr, mein Sohn. Ich weiß nicht, was ich noch hienieden zu thun habe, nach - dem meine süßeste Hoffnung, mein höchster Wunsch, dich als katholischen Christen zu sehen, wider alle Erwartung in Erfüllung ging. Gott gewährt mir die Gnade, dich als seinen Diener zu sehen, der für Ihn alles irdische Glück verachtet. Was soll ich hier noch? Fünf Tage nachher wurde Mo - nika von einem Fieber befallen, und am neunten Tage ihrer Krankheit schied sie aus diesem Leben. Welch überaus wonnevoller269 Abend nach einem Tage voller Stürme, Kum - mer, Schmerz und Thränen!

Möge jedem Vater, der dieses Buch zur Hand nimmt, ein ähnlicher Lebensabend be - schieden sein! Ohne Sorgen und Mühen, ohne Kummer und Angst kann keiner sein Tagwerk vollbringen, aber Gott gebe, daß er am Ende desselben mit dem greisen Si - meon getröstet ausrufen kann: Nun, o Herr, entlassest Du deinen Diener im Frieden! (Luk. 2, 29.)

( Vorbereitung auf den Tod . Seite 494.)

38. Christus und die hl. Familie.

Jesus Christus, der Sohn Gottes und unser Erlöser ist der Erzieher der Mensch - heit. Die junge Pflanze, welche Menschen - seele heißt, kann sich nur entfalten, nur hoffnungsvoll erblühen im Lichte seiner Wahrheit und Gnade. Ohne diese kann keine Tugend gedeihen, kein Herz den Frie - den finden, das Wohl der Menschheit weder hier noch jenseits erreicht werden. Immer wird als Programm der christlichen Erzie - hung das Wort des Herrn gelten müssen: Lasset die Kleinen zu Mir kommen und270 wehret es ihnen nicht, denn ihrer ist das Himmelreich. (Mark. 16, 14.)

Der christliche Vater ist der Stellvertreter, der Diener, das Werkzeug für diesen großen Erzieher. Er soll seine Aufgabe für Chri - stus und mit seiner Hilfe erfüllen. Alles, was man über die Erziehung sagen kann, muß seinen Ausgangs - und Endpunkt in Christus haben. Christus ist es, der dem Vater seine Würde verleiht, Er legt ihm seine Pflichten auf und zieht ihn einst darüber zur Rechen - schaft. In den Vatersorgen kann er den wahren Trost nur in Christus finden, nur in Ihm die echten Vaterfreuden genießen. Von Christus bekommt er die Standesgnade des Ehesakramentes, von Ihm empfängt er die richtigen Grundsätze der Erziehung, Chri - stus stellt ihm die Kirche mit ihrer ganzen erziehenden Macht und allen ihren Gnaden - mitteln zur Verfügung.

Christus vertraut dem Vater das Kind an als Erben seines Reiches, damit er es für den Himmel erziehe. Das Kind ist ein Rebzweig an dem Weinstocke, welcher Chri - stus ist, und der Vater ist von Ihm bestellt als Weingärtner, diesen Zweig zu beschnei - den und zu pflegen, damit er blühe und271 gedeihe und Früchte bringe für das ewige Leben. Christus soll der Hausvater sein in der Familie, und der Vater als sein Ver - walter sein Gesetz handhaben, in seinem Geiste schalten und walten. Christus ist das Vorbild für jegliche Tugend, zu welcher der Vater sein Kind erziehen soll, und seine ganze Aufgabe besteht darin, es zu einem würdigen Ebenbilde Christi zu erziehen. Chri - stus ist aber auch das Vorbild des Vaters, und dieser kann seiner Aufgabe nur genü - gen, wenn er sich bemüht, Ihm ähnlich zu werden, indem er zuerst sich selber erzieht. In Christus muß der Vater den rechten Geist, den Eifer der Liebe, den Geist des Glaubens, die Einsicht und Klugheit, das richtige Maß von Milde und Ernst suchen.

Christus ist für den christlichen Vater der Gesetzgeber und Richter, er muß darum in allem darauf denken, seinen Willen zu er - füllen. Christus ist sein eigentlicher Lehrer in der Erziehung, und bei Ihm muß er diese Kunst der Künste lernen. Dieses Buch soll nur ein schwaches Hilfsmittel hiefür sein. Beim Lesen soll sich der Vater in die Ge - genwart seines Herrn und Richters versetzen, und vor seinen Augen zu erforschen suchen,272 was von ihm verlangt wird, und wie er seine Aufgabe erfüllen soll.

Christus ist für den christlichen Vater der Weg, die Wahrheit und das Leben. Es handelt sich nicht bloß um das Lesen, um das Kennen und Wissen, sondern um die Gnade, die übernatürliche Einsicht und Kraft, ohne welche die Menschen nichts ver - mögen. Was der christliche Vater in die - sem Buche liest, soll jedesmal nur ein Weck - ruf, eine Einleitung zur Hauptsache sein, zur aufrichtigen Unterredung mit Christus vom Herzen zum Herzen. Er soll sich stets vom Lesen zum Beten wenden, sei es in innerer Unterhaltung mit Christus und den Heiligen, sei es mit einem andächtigen Vater unser, sei es mittels Benutzung des nachfolgenden Gebets - teiles. Auch für die Erziehung gilt der Satz: Wer recht betet, der kann auch recht leben. Wer in Glauben und Demut bei Christus die Gnaden sucht, die er als Vater nötig hat, der wird fähig werden, seine Vater - pflichten zu erfüllen, und wird auch auf die Vaterfreuden hier und jenseits hoffen dürfen.

Christus soll dem Vater aber nicht bloß als Kinderfreund, sondern auch als göttliches Kind vor Augen schweben. Wir können an273 dieses Kind nicht denken, ohne daß wir auch Maria und Joseph an seiner Seite sehen. Da haben wir die heilige Familie vor uns, das erhabene Vorbild für jede christliche Familie, die Vereinigung der heiligsten Per - sonen, welche die Macht und den Willen haben, der christlichen Familie und dem Fa - milienvater die größte Hilfe zu bieten. Papst Leo XIII. sagt: Es haben die Familien - väter in dem heiligen Joseph das sprechendste Vorbild väterlicher Wachsamkeit und Klug - heit; es haben die Mütter an Maria, der seligsten Jungfrau und Gottesgebärerin, ein herrliches Spiegelbild der Liebe, der Sittsam - keit, demütigen Sinnes, vollkommenster Treue; die Söhne haben an Jesus, der zu Nazareth jenen unterthänig war, ein himmlisches Mu - ster des Gehorsams, welches sie bewundern, be - trachten, nachahmen sollen. (Breve v. 14. Juni 1892.)

Der heilige Vater wünscht, daß alle katholischen Familien dem frommen Verein von der heiligen Familie in Nazareth beitreten. Das Bild der heiligen Familie soll in jeder Haushaltung aufgestellt sein, um alle zur Verehrung, An - rufung und Nachahmung derselben einzu - laden. Die christlichen Familien sollen sich der274 heiligen Familie in einem besonderen Akte weihen, täglich gemeinsam vor ihrem Bilde ein Gebet verrichten und eifrig bestrebt sein, die Tugenden nachzuahmen, in welchen die heilige Familie allen voranleuchtet. Den Mitgliedern des Vereins sind vom Heiligen Vater zahlreiche Ablässe verliehen worden.

Es wird hauptsächlich von den christlichen Vätern abhängen, ob diese Anregung des Heiligen Vaters gute Aufnahme findet und entsprechende gute Früchte trägt. Er ver - langt nicht viel, aber das Wenige kann zu einem fruchtbaren Samenkorn werden, wo immer es in gutes Erdreich fällt. Mögen recht viele katholische Familienväter täglich mit den Ihrigen zu der heiligen Familie aufblicken, um ihren Schutz zu erflehen, um sich an ihrem Beispiele aufzumuntern und sie nachzuahmen! Mögen alle katholischen Fami - lien nach dem Vorbilde der hl. Familie die Be - drängnisse dieses Lebens glücklich bestehen, und nach der vorübergehenden irdischen Prüfung sich im Himmel zu einem ewigen und unaus - sprechlichen Glücke wieder zusammen finden!

( Weihegebet des Vereins christl. Familien . Seite 440.)

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Um was immer ihr den Vater in meinem Namen bitten werdet, das will Jch thun. (Joh. 14, 13.)
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II. Teil. Andachtsübungen.

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Die täglichen Gebete.

Morgengebet.

Beim Aufstehen und Ankleiden mache das Kreuz - zeichen und bete:

Im Namen meines gekreuzigten Herrn Jesu Christi stehe ich auf, der mich erlöst hat mit seinem kostbaren Blute.

Füge während des Ankleidens noch andere Gebete bei, die du auswendig kannst. Auch sage zu dir selber: Wozu hat mir Gott diesen Tag geschenkt? Er kann der letzte meines Lebens sein. Dann bete kniend:

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

1. Anbetung.

Allerheiligste Dreifaltigkeit! ich bete Dich an mit allen Engeln und Heiligen des Him - mels. Heilig, heilig, heilig! Ehre sei dem278 Vater, Ehre sei dem Sohne, Ehre sei dem heiligen Geiste.

2. Glaube, Hoffnung, Liebe.

O mein Gott, ich glaube an Dich, weil Du die ewige Wahrheit bist. O mein Gott, ich hoffe auf Dich, weil Du allmächtig, un - endlich gütig und getreu bist. O mein Gott, ich liebe Dich über alles, weil Du das höchste Gut und aller Liebe würdig bist.

1) Jedesmal 7 Jahre und 7 Quadragenen Ab - laß. 2) Vollkommener Ablaß einmal im Monat an einem beliebigen Tage, nach Beicht, Kommunion, Gebet nach Meinung des Papstes, wenn einen Monat lang täglich gebetet. 3) Vollkommener Ablaß in der Sterbestunde. Benedikt XIV., 28. Jan. 1756.

Zur Gewinnung vorstehender Ablässe ist keine be - stimmte Gebetsformel vorgeschrieben; nur müssen die besondern Beweggründe jeder der drei göttlichen Tu - genden darin ausgedrückt sein.

3. Dank und gute Meinung.

Ich danke Dir, mein himmlischer Vater, für alle Wohlthaten, insbesondere, daß Du mir diesen neuen Tag verliehen hast. Zu deiner Ehre will ich heute beten, arbeiten und leiden, und ich vereinige alles mit den Gebeten, Arbeiten und Leiden unseres Herrn Jesu Christi. Ich empfehle mich in alle279 heiligen Meßopfer und will alle Ablässe ge - winnen, welche ich heute gewinnen kann.

4. Bitte an den göttlichen Heiland.

Göttlicher Heiland! segne mich und alle Menschen, besonders jene, für welche ich zu beten schuldig bin. Verschließe uns in dein liebevolles Herz, und beschütze uns gegen alle Feinde und Gefahren. Verleihe Gnade den Lebenden, Hilfe den Sterbenden, die ewige Ruhe allen Abgestorbenen.

5. Gebet zu Maria und den Heiligen.

O Maria, ohne Sünde empfangen, bitte für uns, die wir zu dir unsere Zuflucht nehmen.

(Einmal täglich 100 Tage Ablaß. Leo XIII, 15. März 1884.)

Heilige Schutzengel, heilige Namens - patrone, alle Heiligen Gottes, bittet für uns!

6. Segenswunsch.

Es segne uns der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der heilige Geist, Er behüte uns vor allen Uebeln des Leibes und der Seele und führe uns zum ewigen280 Leben. Und die Seelen aller Abgestorbenen mögen durch die Barmherzigkeit Gottes im Frieden ruhen. Amen.

Abendgebet.

1. Anbetung.

Allerheiligste Dreifaltigkeit! ich bete Dich an mit allen Engeln und Heiligen des Him - mels. Heilig, heilig, heilig! Ehre sei dem Vater, Ehre sei dem Sohne, Ehre sei dem heiligen Geiste.

2. Glaube, Hoffnung, Liebe.

O mein Gott, ich glaube an Dich, weil Du die ewige Wahrheit bist. O mein Gott, ich hoffe auf Dich, weil Du allmächtig, unendlich gütig und getreu bist. O mein Gott, ich liebe Dich über alles, weil Du das höchste Gut und aller Liebe würdig bist.

3. Danksagung.

Ich danke Dir, mein himmlischer Vater, für alle Gnaden und Wohlthaten, welche Du mir heute erwiesen hast. Leider bin ich wieder undankbar und ungehorsam ge - gen Dich gewesen. Hilf mir, daß ich alle281 Sünden, die ich heute begangen habe, recht erkennen und bereuen kann.

Mache eine kurze Gewissenserforschung und erwecke Reue und Leid.

4. Reue und Leid.

Diese und alle Sünden meines ganzen Lebens sind mir herzlich leid, weil ich Dich, das höchste Gut, meinen besten Vater und größten Wohlthäter, damit beleidigt habe. Um des Blutes Jesu Christi willen, sei mir armen Sünder gnädig und barmherzig, und gieb mir die Gnade, mein Leben zu bessern und Dich nicht mehr zu beleidigen.

5. Bitte an den göttlichen Heiland.

Göttlicher Heiland, segne mich und alle Menschen, besonders jene, für welche ich zu beten schuldig bin. Verschließe uns in dein liebevolles Herz, und beschütze uns gegen alle Feinde und Gefahren. Verleihe Gnade den Lebenden, Hilfe den Sterbenden, die ewige Ruhe allen Abgestorbenen.

6. Gebet zu Maria und den Heiligen.

O Maria, ohne Sünde empfangen, bitte für uns, die wir zu dir unsere Zuflucht nehmen.

282

Heilige Schutzengel, heilige Namens - patrone, alle Heiligen Gottes, bittet für uns!

7. Segenswunsch.

Es segne uns der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der heilige Geist, Er behüte uns vor allen Uebeln des Leibes und der Seele und führe uns zum ewigen Leben. Und die Seelen aller Abgestorbenen ruhen durch die Barmherzigkeit Gottes im Frieden. Amen.

Bete ein Vater unser und den Glauben, besprenge dich mit Weihwasser und gehe mit aller Sittsamkeit zur Ruhe. Beim Auskleiden und bis zum Einschlafen denke an die Kranken, Sterbenden und Abgestorbenen und bete für sie.

Tägliches Gebet des Vereins der christlichen Familien.

(Vor dem Bilde der heiligen Familie zu verrichten.)

O liebreichster Jesu, der Du durch deine erhabenen Tugenden und das Beispiel dei - nes verborgenen Lebens die von Dir hier auf Erden auserwählte Familie geheiliget hast, schaue gnädig herab auf unsere Familie, die hier zu deinen Füßen niedergeworfen, Dich um deine Gnade fleht. Gedenke, daß sie283 Dir gehört, weil sie sich in besonderer Weise Dir geweiht und geopfert hat. Schütze sie gnädig, rette sie aus Gefahren, komm ihr zu Hilfe in allen Nöten, verleihe ihr die Gnade, in der Nachfolge deiner heiligen Familie immerdar zu verharren, damit sie während ihres irdischen Lebens in deinem Dienste und in deiner Liebe treu bleibe, und einst im Himmel Dich loben könne in Ewigkeit.

O Maria, süßeste Mutter, wir flehen dich um deinen Schutz an in der sicheren Ueber - zeugung, daß dein eingeborner göttlicher Sohn deine Bitten erhören wird.

Und auch du, glorreicher Patriarch, hei - liger Joseph, komme durch deine mächtige Vermittelung zu Hilfe, und übergieb unsere Bitten Jesu Christo durch die Hände Mariens.

(Jedesmal 300 Tage Ablaß. Leo XIII., 20. Juni 1892.)

Schutzgebetlein zu Ehren der heiligen Familie.

Jesus, Maria, Joseph, erleuchtet uns, helfet uns, rettet uns!

(Einmal im Tage 200 Tage Ablaß. Leo XIII., 20. Juni 1892.)

284

Jesus, Maria und Joseph! Euch schenke ich mein Herz und meine Seele.

Jesus, Maria und Joseph! stehet mir bei im letzten Todeskampfe.

Jesus, Maria und Joseph! möge meine Seele mit Euch im Frieden scheiden.

(Jedesmal 300 Tage Ablaß. Pius VII., 28. April 1807.)

Beim Stundenschlag.

O Gott, verleihe uns eine selige Stunde zum Leben und zum Sterben. Durch Christum, unsern Herrn. Amen.

Um eine glückselige Sterbstunde.

Durch deine heilige letzte Angst und schwere Verlassenheit, o gütigster Jesu! wir bitten Dich, verlasse uns niemals, besonders nicht in der Stunde unseres Absterbens. Amen.

Vaterlegen über die Kinder.

Ich befehle dich (euch) in den Schutz des allmächtigen Gottes, in die Obhut der selig - sten Jungfrau, in die Wache der heiligen Schutzengel und in den Schirm aller lieben Heiligen.

285
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Meßandachten.

Erste Meßandacht,

welche als Anleitung dient, an den einzelnen Gebeten und Verrichtungen des Priesters am Altare andäch - tigen Anteil zu nehmen.

Die nachfolgenden Gebete werden außer jenem bei der Wandlung alle vom Priester am Al - tare gebetet. Die veränderlichen Teile sind entnommen aus der Messe zu Ehren der heiligen Fa - milie. Jene Teile, welche beim feierlichen Amte ge - sungen werden, sind deutsch und lateinisch nebeneinander gestellt, und sollen nebst den beigefügten Erklärungen es möglich machen, dem Priester bei den einzelnen Tei - len der heiligen Messe mit Verständnis und Andacht zu folgen.

Vormesse. Das Staffelgebet.

Der Priester betet an den Stufen des Altares den Psalm 42, in welchem die Sehnsucht nach dem wür - digen Umgang mit Gott in seinem Heiligtum ausge - sprochen wird, worauf der Priester und der Altardiener,286 letzterer als Stellvertreter des Volkes, das Sündenbe - kenntnis ablegen. Der Psalm 42 wird bei Totenmessen ausgelassen.

Priester. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen. Ich werde kommen zu Gottes Altar.

Diener. Zu Gott, der meine Jugend erfreut.

Psalm 42.

Pr. Schaffe mir Recht, o Gott, und ent - scheide meine Sache wider das unheilige Volk: von dem ungerechten und arglistigen Manne rette mich.

D. Denn Du, o Gott, bist meine Stärke! Warum hast Du mich verworfen, und warum gehe ich trauernd einher, da der Feind mich plaget?

Pr. Sende dein Licht und deine Wahr - heit: sie werden mich leiten und führen auf deinen heiligen Berg und in deine Hütten.

D. Und ich werde kommen zu Gottes Altar: zu Gott, der meine Jugend erfreut.

Pr. Ich werde Dich loben auf der Harfe, o Gott, mein Gott! Warum bist du traurig, meine Seele, und warum betrübest du mich?

287

D. Hoffe auf Gott; denn ich werde Ihm noch danken, Er ist das Heil meines Ange - sichtes und mein Gott.

Pr. Ehre sei dem Vater u. s. w.

D. Wie es war im Anfang u. s. w.

Pr. Ich werde kommen zu Gottes Altar.

D. Zu Gott, der meine Jugend erfreut.

Pr. Unsere Hilfe ist in dem Namen des Herrn.

D. Welcher Himmel und Erde erschaf - fen hat.

Pr. Ich bekenne u. s. w.

D. Es erbarme sich deiner der allmäch - tige Gott, Er verzeihe deine Sünden und führe dich zum ewigen Leben.

Pr. Amen.

D. Ich bekenne dem allmächtigen Gott, der hl., allzeit reinen Jungfrau Maria, dem hl. Erzengel Michael, dem hl. Johannes dem Täu - fer, den hl. Aposteln Petrus und Paulus, allen Heiligen und dir, o Vater, daß ich gar sehr ge - sündigt habe in Gedanken, Worten und Wer - ken: durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine sehr große Schuld. Deshalb bitte ich die heilige, allzeit reine Jungfrau Maria, den heiligen Erzengel Michael, den heiligen Johannes den Täufer, die heiligen288 Apostel Petrus und Paulus, alle Heiligen, und dich, o Vater, zu bitten für mich bei dem Herrn, unserm Gott.

Pr. Es erbarme sich euer der allmächtige Gott, Er verzeihe euere Sünden und führe euch zum ewigen Leben.

D. Amen.

Pr. Nachlassung , Verzeihung und Ver - gebung unserer Sünden gewähre uns der allmächtige und barmherzige Herr.

D. Amen.

Pr. O Gott, wende Dich wieder zu uns und belebe uns.

D. Und dein Volk wird sich in Dir er - freuen.

Pr. Erzeige uns, o Herr, deine Barm - herzigkeit.

D. Und dein Heil verleihe uns.

Pr. Herr, erhöre mein Gebet.

D. Und laß mein Rufen zu Dir kommen.

Pr. Der Herr sei mit euch.

D. Und mit deinem Geiste.

Pr. Laßt uns beten!

Während er die Altarstufen hinaufsteigt:

Nimm hinweg von uns, wir bitten Dich, o Herr, unsere Missethaten, auf daß wir289 mit reinem Herzen in das Allerheiligste ein - zugehen verdienen, durch Christus, unsern Herrn. Amen.

Zum Altare geneigt und denselben küssend:

Wir bitten Dich, o Herr, durch die Ver - dienste deiner Heiligen, deren Reliquien hier sind, so wie aller Heiligen, daß Du mir ver - zeihen mögest alle meine Sünden. Amen.

Bei dem feierlichen Gottesdienste beräuchert nun der Priester den Altar. Dieser Gebrauch stammt schon aus den apostolischen Zeiten und ist ein schö - nes Bild des Gebetes. Der Weihrauch verzehrt sich auf der Glut und steigt zum Himmel auf, süßen Wohlge - ruch verbreitend. Ebenso soll das Gebet aus einem von Liebe entflammten Herzen kommen, das sich völlig an Gott hingiebt. Der Altar soll umhüllt sein von den Wolken des Gebetes der Gläubigen, die zum Himmel aufsteigen und die Wolken durchdringen. Auch der Priester wird beräuchert, weil sein Herz und das Herz eines jeden, der an seinem Opfer teilnimmt, ein geistiger Opferaltar sein soll.

Der Eingang. (Introitus.)

Der Eingang wechselt nach den Festen und Zeiten; er ist meistens der heiligen Schrift entnommen und drückt in kurzen Worten den Grundgedanken der kirch - lichen Tagesfeier aus. Von dem ersten Worte des Ein - ganges hat man für manche Sonntage, z. B. Oculi, Lætare, und manche besondere Messen, z. B. Rorate im Advent, und Requiem für die Abgestorbenen, ihren290 Namen hergenommen. Der Eingang der oben bezeich - neten Messe lautet:

Es frohlockt vor Freude der Vater des Gerechten; freuen mögen sich dein Vater und deine Mutter, und es frohlocke, die dich ge - boren hat. (Sprichw. 23, 24.)

Wie lieblich sind deine Wohnungen, Du Herr der Heerscharen! Es sehnet und schmach - tet meine Seele nach den Vorhöfen des Herrn. (Ps. 83, 1.)

Ehre sei dem Vater u. s. w. Es froh - locket u. s. w. wird wiederholt.

Kyrie eleison.

Diese griechischen Worte kommen schon in der hei - ligen Schrift vor. Sie sind ein Gebetsruf an die hei - ligste Dreifaltigkeit, der sich ganz passend an den Ein - gang anreiht.

Pr. Herr, erbarme Dich unser.

D. Herr, erbarme Dich unser.

Pr. Herr, erbarme Dich unser.

D. Christe, erbarme Dich unser.

Pr. Christe, erbarme Dich unser.

D. Christe, erbarme Dich unser.

Pr. Herr, erbarme Dich unser.

D. Herr, erbarme Dich unser.

Pr. Herr, erbarme Dich unser.

291

Gloria.

Die ersten Worte dieses Lobgesanges wurden von den Engeln gesungen bei der Geburt Christi, und haben schon in den ersten Jahrhunderten die jetzige Erwei - terung gefunden. Wie einst in Bethlehem erscheint Christus auch auf dem Altare, um den Frieden zu brin - gen. Das Gloria wird als Freudengesang in den Messen, bei denen Trauer oder Buße den Grundgedanken bilden, ausgelassen.

Gloria in excelsisEhre sei Gott in der
Deo, et in terra paxHöhe und auf Erden
hominibus bonæ vo -Friede den Menschen,
luntatis. Laudamusdie guten Willens sind.
te. Benedicimus te. Wir loben Dich. Wir
Adoramus te. Glo -preisen Dich. Wir be -
rificamus te. Gratiasten Dich an. Wir
agimus tibi prop -verherrlichen Dich.
ter magnam glo -Wir danken Dir we -
riam tuam. Dominegen deiner großen
Deus, Rex cœlestis,Herrlichkeit. Herr
Deus Pater omni -Gott, himmlischer -
potens! Dominenig, Gott, allmächti -
Fili unigenite, Jesuger Vater! Herr
Christe! DomineJesu Christe, Du ein -
Deus, agnus Dei,geborner Sohn, Herr
filius Patris! QuiGott, Lamm Gottes,
tollis peccata mun -Sohn des Vaters! Der
292
di, miserere nobis. Du hinwegnimmst die
Qui tollis peccataSünden der Welt, er -
mundi, suscipe de -barme Dich unser! Der
precationem no -Du hinwegnimmst die
stram. Qui sedes adSünden der Welt,
dexteram Patris, mi -nimm unser Gebet an.
serere nobis. Quo -Der Du sitzest zur
niam tu solus san -Rechten des Vaters,
ctus, tu solus Do -erbarme Dich unser.
minus, tu solusDenn Du allein bist
altissimus, Jesuheilig, Du allein der
Christe, cum sanctoHerr, Du allein der
Spiritu in gloriaHöchste, o Jesu Chri -
Dei Patris. Amen. ste, mit dem heiligen
Geist in der Herrlich -
keit Gottes des Va -
ters. Amen.

Kollekte oder Kirchengebet.

Nach dem Gloria küßt der Priester den Altar, und wendet sich zu dem Volke mit dem Gruße: Der Herr sei mit euch! Durch das Küssen des Altars drückt der Priester seine Verbindung mit Christus aus, und von Ihm bringt er dem Volke diesen Segensgruß.

Dieses Gebet heißt Kollekte oder Sammelgebet, weil der Priester im Namen des Volkes vor Gott hintritt, um Ihm die Anliegen aller Gläubigen in einem Gebete vorzu - tragen. Deswegen betet sie der Priester immer in der Mehr -293 zahl. Diese Gebete sind nach Zahl und Inhalt verschieden. In jeder Messe kommen an drei Stellen solche Gebete vor: Nach dem Gloria, vor der Präfation und nach der Kommunion. Die Kollekten schließen meistens mit den Worten: Durch unsern Herrn Jesum Christum, deinen Sohn, welcher mit Dir lebt und regiert in Einig - keit des heiligen Geistes, Gott von Ewigkeit zu Ewig - keit. Amen. Die Kirche betet so im Hinblick auf die Verheißungen, die dem Gebete im Namen Jesu gegeben sind. Das Volk spricht Amen , um damit seine Zu - stimmung zu den Gebeten des Priesters zu geben.

Lasset uns beten.

Herr Jesu Christe, der Du Maria und Joseph unterthan gewesen und das häus - liche Leben mit den erhabensten Tugenden geheiliget hast: gieb, daß wir mit dem Bei - stande beider, durch das Beispiel deiner hei - ligen Familie erbaut, ihrer ewigen Gemein - schaft teilhaftig werden, der Du mit Gott dem Vater in der Gemeinschaft des heiligen Geistes lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Die Epistel.

An dieser Stelle folgt eine Lesung aus der heiligen Schrift des Alten oder Neuen Testamentes, mit Aus - schluß der Evangelien. Da die Lesungen aus den Brie - fen der Apostel am häufigsten vorkommen, so nennt294 man diese Lesung Epistel, das heißt Brief. In den ersten Zeiten wurde sie vom Lektor auf einem erhöhten Punkte gelesen; gegenwärtig liest sie bei dem feierlichen Gottesdienste der Subdiakon. Das Volk antwortet am Ende derselben: Deo gratias, Gott sei Dank! um seine Dankbarkeit für die göttliche Offenbarung aus - zudrücken.

Lesung aus dem Briefe des heiligen Apostels Paulus an die Kolosser. (3, 12 17.)

So ziehet nun an als Gottes Auserwählte, Heilige und Geliebte, herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Geduld. Ertraget einander und verzeihet einander, wenn je - mand Klage hat wider den andern: wie der Herr euch verziehen hat, so auch ihr! Vor allem diesem aber habet die Liebe, welche ist das Band der Vollkommenheit. Und der Friede Christi herrsche freudig in euerem Herzen, zu welchem ihr auch berufen seid in einem Leibe, und seid dankbar. Das Wort Christi wohne reichlich in euch mit aller Weisheit. Lehret und ermahnet einander mit Psalmen und Lobliedern und geistlichen Gesängen, und singet Gott mit Dankbarkeit in euerem Herzen. Alles, was ihr thuet in Wort oder Werk, das thuet alles im Namen des Herrn Jesu Christi und danket Gott, und dem Vater durch Ihn.

295

Graduale und Sequenz.

Das Graduale hat seinen Namen daher, daß es ursprünglich gesungen wurde, während die Geistlichkeit die Stufen (gradus) zu jenem Orte hinaufstieg, an dem das Evangelium gesungen wurde. Es drückt die Ge - sinnungen und Gefühle aus, welche die Epistel in uns hervorbringen soll und ist nach der Tagesfeier ver - schieden.

An Ostern, Pfingsten, am Fronleichnamsfeste, am Feste der schmerzhaften Mutter und in den Messen für Verstorbene schließt sich hier ein Kirchengesang an, der Sequenz genannt wird, z. B. bei den zwei letzt - genannten Anlässen das Stabat mater und Dies iræ.

Graduale. Um eines habe ich den Herrn gebeten, und wiederum verlange ich es, daß ich weile im Hause des Herrn alle Tage meines Lebens. (Ps. 26, 4.)

. Selig sind, die in deinem Hause woh - nen, Herr, in alle Ewigkeit loben sie Dich, (Ps. 83, 5.) Alleluja, Alleluja.

. Du bist wahrhaftig ein verborgener König, Gott, Israels Erlöser. Alleluja.

Das Evangelium.

In den übrigen Büchern der heiligen Schrift reden die Gesandten Gottes, in den Evangelien dagegen sein eingeborner Sohn. Darum wird auch die Lesung des296 Abschnittes aus den Evangelien in der heiligen Messe mit vielen Feierlichkeiten umgeben. Beim Beginne der Lesung erhebt sich das Volk, Priester und Gläubige be - zeichnen sich mit dem Kreuzzeichen auf Stirne, Mund und Brust, bei der feierlichen Messe wird das Evan - gelium vom Diakon gelesen, es werden brennende Kerzen getragen und das Evangelienbuch, sowie am Schlusse auch der Priester incensiert.

An das Evangelium schloß sich in früheren Zeiten an Sonn - und Festtagen die Predigt an: jetzt wird sie man - cherorts zu einer andern Zeit gehalten. Bis nach der Pre - digt durften in der ersten Zeit auch die Katechumenen, die erst im Glauben unterrichtet wurden, selbst Juden und Hei - den dem Gottesdienste beiwohnen, daher dieser vorbe - reitende Teil auch Katechumenenmesse hieß, während die Teilnahme an der eigentlichen Opferhandlung nur den Gläubigen gestattet wurde.

Pr. Der Herr sei mit euch.

D. Und mit deinem Geiste.

Pr. Das folgende ist aus dem heiligen Evangelium nach Lukas. (2, 42 52.)

D. Ehre sei Dir, o Herr.

Als Jesus zwölf Jahre alt war, reisten sie wie gewöhnlich zum Feste nach Jerusa - lem. Und da sie am Ende der Festtage wieder zurückkehrten, blieb der Knabe Jesus in Jerusalem, ohne daß seine Eltern es wußten. Da sie aber meinten, Er sei bei der Reisegesellschaft, so machten sie eine Tag - reise, und suchten Ihn unter den Verwandten297 und Bekannten. Und da sie Ihn nicht fan - den, kehrten sie nach Jerusalem zurück, und suchten Ihn. Und es geschah nach drei Ta - gen fanden sie Ihn im Tempel, sitzend unter den Lehrern, wie Er ihnen zuhörte, und sie fragte. Und es erstaunten alle, die Ihn hör - ten, über seinen Verstand und seine Antwor - ten. Und als sie Ihn sahen, wunderten sie sich, und seine Mutter sprach zu Ihm: Kind, wa - rum hast Du uns das gethan? Siehe, dein Vater und ich haben Dich mit Schmerzen gesucht! Und Er sprach zu ihnen: Warum habet ihr Mich gesucht? Wußtet ihr nicht, daß Ich in dem sein muß, was meines Vaters ist? Sie aber verstanden die Rede nicht, die Er zu ihnen sagte. Und Er zog mit ihnen hinab, und kam nach Nazareth, und war ihnen unterthan. Und seine Mutter bewahrte alle diese Worte in ihrem Herzen. Und Jesus nahm zu an Weisheit und Alter und Gnade bei Gott und den Menschen.

D. Lob sei Dir, o Christus!

Pr. Durch die Worte des Evangeliums mögen unsere Sünden getilgt werden.

Credo.

Das Credo ist das Glaubensbekenntnis, wie es auf der ersten allgemeinen Kirchenversammlung zu298 Nicäa (325) und auf der zu Konstantinopel (381) er - weitert worden ist. Es faßt in wenig Worten die Geheimnisse der christlichen Glaubenslehre zusammen. In der heiligen Messe bildet es den Uebergang von der Vormesse, deren Frucht es in ein gemeinsames Be - kenntnis zusammenfaßt, zu der eigentlichen Opferhand - lung, welcher dieses gemeinsame Bekenntnis des Glau - bens von Priester und Volk zur Grundlage dienen soll. Das Credo wird nicht an allen Tagen, sondern nur an Sonntagen, an den Festen des Herrn und an bestimm - ten Heiligenfesten gebetet.

Credo in unumIch glaube an einen
Deum Patrem omni -Gott, den allmächti -
potentem, factoremgen Vater, den Schö -
cœli et terræ, visi -pfer Himmels und der
bilium omnium etErde, aller sichtbaren
invisibilium. Et inund unsichtbaren Din -
unum Dominum Je -ge. Und an einen
sum Christum, Fi -Herrn Jesum Chri -
lium Dei unigenitumstum, den eingebor -
et ex Patre natumnen Sohn Gottes, der
ante omnia sæcula:aus dem Vater vor
Deum de Deo, lu -allen Zeiten (von
men de lumine, De -ewig her) geboren ist,
um verum de DeoGott von Gott, Licht
vero: genitum, nonvom Lichte, wahrer
factum, consubstan -Gott vom wahren
tialem Patri, perGott, geboren, nicht
quem omnia factaerschaffen, gleichen
299
sunt. Qui propterWesens mit dem Va -
nos homines etter, durch welchen
propter nostram sa -alles erschaffen ist:
lutem descendit de welcher wegen uns
cœlis. Et incarna -Menschen und wegen
tus est de Spirituunseres Heiles vom
sancto ex Maria Vir -Himmel herabgestie -
gine et homo factusgen ist und Fleisch
est (sacerdos genuaangenommen hat
flectit.) Crucifixus eti -durch den heiligen
am pro nobis subGeist aus Maria,
Pontio Pilato, pas -der Jungfrau, und
sus et sepultus est. Mensch geworden ist
Et resurrexit tertia(der Priester beugt die
die secundum scrip -Knie.) Er ist auch
turas. Et ascenditfür uns gekreuzigt
in cœlum, sedet adworden unter Pon -
dexteram Patris. Ettius Pilatus, hat ge -
iterum venturus estlitten und ist begra -
cum gloria judi -ben worden. Und Er
care vivos et mor -ist am dritten Tage
tuos, cujus regniwieder auferstanden
non erit finis. Etnach der Schrift und
in Spiritum sanctum,ist aufgefahren in den
Dominum et vivifi -Himmel, sitzet zur
cantem, qui ex Pa -Rechten des Vaters
tre Filioque proce -und wird wieder -
300
dit, qui cum Patrekommen mit Herrlich -
et Filio simul ado -keit zu richten die
ratur et conglorifi -Lebendigen und die
catur, qui locutusToten, und seines Rei -
est per Prophetas. ches wird kein Ende
Et unam sanctam,sein. Ich glaube auch
catholicam et apo -an den heiligen Geist,
stolicam Ecclesiam. den Herrn und Leben -
Confiteor unum bap -digmacher, der vom
tisma in remissio -Vater und Sohn
nem peccatorum. Etausgeht, der mit
expecto resurrectio -Vater und Sohn zu -
nem mortuorum etgleich angebetet und
vitam venturi -mitverherrlicht wird,
culi. Amen. der gesprochen hat
durch die Propheten.
Ich glaube auch an
Eine, heilige, katho -
lische und aposto -
lische Kirche. Ich be -
kenne Eine Taufe
zur Nachlassung der
Sünden und erwarte
die Auferstehung der
Toten und ein ewi -
ges zukünftiges Leben.
Amen.
301

Erster Hauptteil der heiligen Messe.

Die Opferung.

Dieser Teil dient der eigentlichen sakramentalen Opferhandlung äußerlich und innerlich als Vorberei - tung. Während das Offertorium gesungen wurde, trugen früher die Gläubigen ihre Opfergaben zum Al - tare, welche nicht bloß für dieses Opfer, sondern für kirchliche Bedürfnisse überhaupt bestimmt waren. Von diesem Gebrauche her stammen die sogenannten Toten - opfer, die Opfer an Festtagen, das Opfern von Kerzen bei besondern Anlässen und die Meßstipendien.

Dann folgt die Darbringung von Brot und Wein, welch letzterer mit etwas Wasser vermischt ist. Die Gebete und Gebräuche, welche diese Darbringung be - gleiten und derselben folgen, sollen die Vereinigung der Herzen mit dem Opfer auf dem Altare, die geistige Hingabe mit den Gott wohlfälligen Gesinnungen er - wecken und ausdrücken. Die Räucherung, die beim feier - lichen Gottesdienste hier vorkommt, hat dieselbe Be - deutung, die bereits angegeben worden.

Offertorium.

Die Eltern brachten Jesus nach Jeru - salem, um Ihn dem Herrn darzustellen. (Luk. 2, 22.)

Opferung des Brotes.

Nimm auf, heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott, dieses unbefleckte Opfer, welches302 ich, dein unwürdiger Diener, Dir, meinem lebendigen und wahren Gott, darbringe für meine unzähligen Sünden, Beleidigungen und Nachlässigkeiten, und für alle Anwesen - den, sowie auch für alle gläubigen Christen, Lebende und Hingeschiedene, auf daß es mir und ihnen förderlich sei zum ewigen Leben.

Bei der Mischung des Weines mit Wasser.

O Gott, der Du die Würde des mensch - lichen Wesens wunderbar gebildet, und wunderbarer erneuert hast: verleihe uns durch das Geheimnis dieses Wassers und Weines, der Göttlichkeit dessen teilhaftig zu werden, der sich gewürdiget hat, an unserer Mensch - heit teilzunehmen, Jesus Christus, dein Sohn, unser Herr, der mit Dir lebt und re - giert in der Einigkeit des heiligen Geistes, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Bei der Darbringung des Kelches.

Wir bringen Dir dar, o Herr, den Kelch des Heiles und flehen zu deiner Milde, daß er im Angesichte deiner göttlichen Majestät zu unserem und zum Heile der ganzen Welt303 mit lieblichem Gernche emporsteigen möge. Amen.

Im Geiste der Demut und mit zerknirsch - tem Herzen mögen wir aufgenommen wer - den, von Dir, o Herr, und so möge heute vor deinem Angesichte unser Opfer werden, daß es Dir gefalle, Herr, unser Gott!

Komm, Heiligmacher, allmächtiger, ewiger Gott, und segne dieses Opfer, das deinem heiligen Namen bereitet ist.

Bei der Händewaschung.

Mit den Unschuldigen will ich meine Hände waschen, und um deinen Altar sein, o Herr!

Damit ich höre die Stimme des Lobes, und erzähle alle deine Wunder.

Herr, ich liebe die Zierde deines Hauses und den Ort der Wohnung deiner Herrlichkeit.

Laß nicht zu Grunde gehen mit den Gottlosen, o Gott, meine Seele, und mit den Männern des Blutes mein Leben, in deren Händen Ungerechtigkeit ist, deren Rechte ge - füllt ist mit Geschenken.

Ich aber bin gewandelt in meiner Un - schuld, darum erlöse mich, und erbarme Dich meiner.

304

Mein Fuß ist gestanden auf rechtem Wege, in den Versammlungen will ich Dich loben, o Herr!

Ehre sei dem Vater u. s. w.

In der Mitte des Altares.

Nimm auf, heilige Dreifaltigkeit, dieses Opfer, das wir Dir darbringen ob des Ge - dächtnisses des Leidens, der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu Christi, unseres Herrn, und zur Ehre der heiligen Jungfrau Maria und des heiligen Johannes des Täufers und der heiligen Apostel Petrus und Pau - lus, und dieser und aller Heiligen, auf daß es jenen gedeihe zur Ehre, uns aber zum Heile und jene für uns bitten mögen im Himmel, deren Andenken wir feiern auf Erden, durch denselben Christus, unsern Herrn. Amen.

Wenn sich der Priester zum Volke wendet.

Pr. Betet Brüder, damit mein und euer Opfer wohlgefällig werde bei Gott, dem allmächtigen Vater.

D. Der Herr nehme dies Opfer von deinen Händen an zum Lob und Preis seines heiligen Namens, sowie auch zum305 Nutzen für uns und seine ganze heilige Kirche. Pr. Amen.

Stille Gebete.

Wir bringen Dir, o Herr, das Opfer der Versöhnung dar, indem wir Dich flehentlich bitten, Du mögest um der Fürsprache der jungfräulichen Gottesgebärerin und des hei - ligen Joseph willen unsere Familien in dei - nem Frieden und in deiner Gnade befestigen, durch unsern Herrn Jesum Christum, deinen Sohn, welcher mit Dir in der Gemeinschaft des heiligen Geistes lebt und regiert.

Die Präfation mit dem Sanktus.
S. Per omnia -Pr. Von Ewigkeit
cula sæculorum. zu Ewigkeit.
M. Amen. D. Amen.
S. Dominus vo -Pr. Der Herr sei
biscum. mit euch.
M. Et cum spirituD. Und mit deinem
tuo. Geiste.
S. Sursum corda. Pr. Erhebet die
Herzen.
M. Habemus adD. Wir haben sie
Dominum. zum Herrn erhoben.
306
S. Gratias aga -Pr. Lasset uns Dank
mus Domino Deosagen dem Herrn, un -
nostro. serm Gott.
M. Dignum et ju -D. Es ist würdig
stum est. und recht.
S. Vere dignum etPr. Wahrlich ist es
justum est, æquumwürdig und recht, bil -
et salutare, noslig und heilsam, daß
tibi semper et ubi -wir Dir immer und
que gratias agere,überall Dank sagen,
Domine sancte, Pa -o heiliger Herr, all -
ter omnipotens, æ -mächtiger Vater, ewi -
terne Deus: perger Gott! durch Chri -
Christum, Dominumstum, unsern Herrn.
nostrum. Per quemDurch Ihn loben die
majestatem tuamEngel deine Majestät,
laudant Angeli, ado -beten an die Herr -
rant Dominationes,schaften, zittern die
tremunt Potestates. Mächte. Die Himmel
Cœli cœelorumqueund die Kräfte der
virtutes ac beataHimmel und die se -
Seraphim socia ex -ligen Seraphim prei -
ultatione concele -sen Dich in gemein -
brant. Cum quibussamem Frohlocken.
et nostras voces utDaß Du mit ihnen
admitti jubeas de -auch unsere Bitten
precamur: suppliciwollest zu Dir kom -
307
confessione dicen -men lassen, flehen wir,
tes:indem wir in demü -
tigem Bekenntnisse
sprechen:
Sanctus, sanctus,Heilig, heilig, hei -
sanctus Dominuslig, ist der Herr Gott
Deus Sabaoth. der Heerscharen.
Pleni sunt cœliVoll sind Himmel
et terra gloria tua. und Erde von deiner
Herrlichkeit.
Hosanna in ex -Hosanna in der
celsis! BenedictusHöhe! Gepriesen sei,
qui venit in nomineDer da kommt im
Domini! HosannaNamen des Herrn!
in excelsis! Hosanna in der Höhe!

Zweiter Hauptteil der hl. Messe.

Der Kanon.

Nachdem die Opfergaben und die Herzen vorbe - reitet sind, folgt nun die eigentliche Opferhandlung. Dieser Teil der heiligen Messe, Kanon oder Regel ge - nannt, weil er sich immer gleich bleibt, wird stille gebetet, zum Zeichen, daß hier ein Geheimnis verwal - tet wird. Bei der heiligen Wandlung werden Brot und Wein in den Leib und in das Blut Jesu Christi verwandelt, der sein blutiges Opfer auf unblutige Weise erneuert, und sich selber aufopfert als Anbetungs -, Dank -, Sühn - und Bittopfer.

308

Vor der Wandlung vereinige deine Anliegen und die Fürbitten für die Lebenden mit dem heiligen Opfer; bei der Wandlung bete Jesus Christus an und opfere sein Fleisch und Blut dem himmlischen Vater auf; nach der Wandlung gedenke der Abgestorbenen.

Dich also, huldreichster Vater, bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn, unsern Herrn, und flehen in Demut, daß Du wohl - gefällig aufnehmest und segnest diese Gaben, diese Geschenke, diese heiligen Opfer, die wir Dir besonders darbringen für deine hei - lige katholische Kirche, auf daß Du diese im Frieden erhalten, beschützen, einigen und re - gieren wollest, zugleich mit deinem Diener, unserm Papste N. und unserm Bischof N., und allen Rechtgläubigen und Pflegern des katholischen Glaubens.

Gedenke, o Herr, deiner Diener und Dienerinnen N. und N. (hier erinnere dich an jene, welche du besonders in das heilige Opfer empfehlen willst), und aller Umstehen - den, deren Glaube und Andacht Dir be - kannt ist, für welche wir Dir darbrin - gen, oder welche Dir darbringen dieses Opfer des Lobes, für sich und all die Ih - rigen, für die Erlösung ihrer Seelen, für die Hoffnung ihres Heils und ihrer Rettung, und die ihre Bitten Dir vortragen, Dir, dem309 ewigen, lebendigen und wahren Gott, in Gemeinschaft und in Verehrung des Anden - kens besonders der glorreichen, allzeit jung - fräulichen Maria, der Mutter unseres Gottes und Herrn Jesus Christus, aber auch deiner heiligen Apostel und Martyrer und aller dei - ner Heiligen, durch deren Verdienste und Bitten Du uns verleihen mögest, daß wir in allem durch die Hilfe deines Schutzes be - schirmt werden, durch denselben Christus, unsern Herrn. Amen.

Dieses Opfer also unseres Dienstes, aber auch deiner ganzen Familie, nimm, wir bit - ten Dich, o Herr, wohlgefällig auf, und ordne unsere Tage im Frieden, und laß uns von der ewigen Verdammnis befreit und der Herde deiner Auserwählten beigezählt werden, durch Jesus Christus, unsern Herrn. Amen.

Bei der heiligen Wandlung.

Es schweige alles sterbliche Fleisch und harre mit Furcht und Zittern, und kein ir - discher Gedanke soll in demselben sein! Denn der König der Könige, der Herr der Herr - schenden, Christus, unser Gott erscheint, um geopfert zu werden und sich den Gläubigen als Speise hinzugeben! Es nahen die Chöre310 der Engel mit den Mächten und Herrschaf - ten, den Cherubim und Seraphim, verhüllend ihr Antlitz und lobsingend: Alleluja! Alle - luja! Alleluja! (Aus der Liturgie des hl. Jakobus.)

Bei der Aufhebung der hl. Hostie.

Jesus, ich glaube an Dich; Jesus, ich hoffe auf Dich; Jesus, ich liebe Dich; Jesus, ich bete Dich an und danke Dir!

Bei der Aufhebung des Kelches.

Jesus, sei mir gnädig; Jesus, sei mir barmherzig; Jesus, verzeihe mir meine Sünden!

Nach der Wandlung.

So sind wir denn auch eingedenk, Herr, wir, deine Diener, und auch dein heiliges Volk, des so heiligen Leidens desselben Chri - stus, deines Sohnes, unseres Herrn, so wie auch seiner Auferstehung von den Toten, wie auch der glorreichen Auffahrt in den Himmel, und bringen deiner erhabenen Ma - jestät von deinen Gaben und Geschenken ein reines Opfer, ein heiliges Opfer, ein unbe - flecktes Opfer, das heilige Brot des ewigen Le - bens, und den Kelch des beständigen Heiles.

Auf dieses würdige Dich herabzuschauen mit versöhntem und freundlichem Blicke, und311 es wohlgefällig aufzunehmen, wie Du Dich gewürdiget hast, wohlgefällig aufzunehmen die Gaben deines gerechten Dieners Abel und das Opfer deines Patriarchen Abraham, und das Dir dein Hoherpriester Melchisedech dargebracht, ein heiliges Opfer, eine unbe - fleckte Gabe.

Flehentlich bitten wir Dich, allmächtiger Gott, laß dieses Opfer durch die Hände deines heiligen Engels hinauftragen auf deinen erhabenen Altar, vor das Angesicht deiner göttlichen Majestät, auf daß wir alle, die aus dieser Gemeinschaft des Altares den hochheiligen Leib und das hochheilige Blut deines Sohnes empfangen werden, mit allem himmlischen Segen, und mit Gnade erfüllt werden mögen, durch denselben Christus, unsern Herrn. Amen.

Gedenke auch, o Herr, deiner Diener und Dienerinnen N. und N., die uns vorausgegangen sind mit dem Zeichen des Glaubens und schlafen den Schlummer des Friedens. (Hier gedenke der Abgestorbenen, für welche du zu beten schuldig bist.) Ihnen, o Herr, und allen in Christus Ruhenden verleihe, wir bitten Dich, den Ort der Er - quickung, des Lichtes und des Friedens,312 durch denselben Christus, unsern Herrn. Amen.

Auch uns Sündern, deinen Dienern, würdige Dich, da wir auf die Menge dei - ner Erbarmungen hoffen, Anteil und Ge - meinschaft zu verleihen mit deinen heiligen Aposteln und Martyrern und allen deinen Heiligen; nimm uns auf in deren Gesell - schaft, indem Du nicht auf unser Verdienst schauest, sondern Barmherzigkeit uns erzei - gest, durch Christus, unsern Herrn. Amen.

Dritter Hauptteil der hl. Messe.

Die heilige Kommunion.

Das Vater unser steht am Beginne dieses Tei - les der heiligen Messe, und soll da mit der größten Zuversicht gebetet werden, wo Christus als Hoherprie - ster und hochheiliges Opfer zugegen ist. Den Mittel - punkt für die weiteren Gebete bildet die Kommunion des Priesters, welcher sie teils als Vorbereitung, teils als Danksagung dienen. In den ersten Zeiten kommunizierten die Anwesenden mit dem Priester. Vor - her empfingen sie den Friedenskuß, der jetzt nur noch bei dem feierlichen Gottesdienst dem assistierenden Kle - rus erteilt wird, und während der Kommunion der Gläubigen wurden Stellen aus den Psalmen gesungen, die davon den Namen Kommunion jetzt noch haben. Die Kirche ermahnt die Gläubigen, welche nicht wirk - lich kommunizieren, dies wenigstens geistiger Weise zu thun. In den Messen für die Abgestorbenen wird313 der Segen am Schlusse nicht erteilt, was andeuten soll, daß die Frucht dieses Opfers hauptsächlich den Abgestorbenen zugewendet werde. Ebenso wird das Evangelium des heiligen Johannes durch ein anderes ersetzt, wenn auf denselben Tag zwei Evan - gelien, z. B. ein sonntägliches und ein festtägliches zu - sammentreffen.

Das Pater noster.
S. Per omnia -Pr. Von Ewigkeit
cula sæculorum. zu Ewigkeit.
M. Amen. D. Amen.
Oremus. Lasset uns beten.
Præceptis saluta -Durch heilsame Vor -
ribus moniti et divi -schriften ermuntert
na institutione for -und durch göttlichen
mati audemus di -Unterricht belehrt,
cere:wagen wir zu sagen:
Pater noster, quiVater unser, der
es in cœlis, sancti -Du bist in dem Him -
ficetur nomen tuum,mel, geheiliget werde
adveniat regnumdein Name, zukom -
tuum, fiat voluntasme uns dein Reich,
tua sicut in cœlo etdein Wille geschehe
in terra. Panem no -wie im Himmel also
strum quotidianumauch auf Erden. Un -
da nobis hodie, etser tägliches Brot gieb
dimitte nobis debitauns heute, und ver -
nostra, sicut et nosgieb uns unsere Schul -
314
dimittimus debito -den, wie auch wir ver -
ribus nostris. Etgeben unsern Schuldi -
ne nos inducas ingern. Und führe uns
tentationem. nicht in Versuchung.
M. Sed libera nosD. Sondern erlöse
a malo. uns von dem Uebel.
S. Amen. Pr. Amen.

Befreie uns, wir bitten Dich, o Herr, von allen Uebeln, vergangenen, gegenwär - tigen, zukünftigen, und durch die Fürbitte der seligen und glorreichen, allzeit jungfräu - lichen Gottesmutter Maria, mit deinen hei - ligen Aposteln Petrus und Paulus und An - dreas und allen Heiligen, gieb gnädig in unsern Tagen Frieden, auf daß wir durch die Hilfe deiner Barmherzigkeit unterstützt, sowohl von Sünden immer frei, als auch vor aller Verwirrung sicher seien, durch den - selben Jesus Christus, unsern Herrn, dei - nen Sohn, welcher mit Dir lebt und regiert in der Einigkeit des heiligen Geistes

S. Per omnia -Pr. Von Ewigkeit
cula sæculorum. zu Ewigkeit.
M. Amen. D. Amen.
S. Pax Domini sitPr. Der Friede des
semper vobiscum. Herrn sei immer mit
euch.
315
M. Et cum spirituD. Und mit deinem
tuo. Geiste.

Der Priester läßt einen Teil der Hostie in den Kelch fallen.

Diese Vermischung und Weihung des Leibes und Blutes unseres Herrn Jesus Christus werde uns, die wir davon empfan - gen, zum ewigen Leben. Amen.

Agnus Bei.

O Du Lamm Gottes, das Du hinweg - nimmst die Sünden der Welt, erbarme Dich unser!

O Du Lamm Gottes ꝛc., erbarme Dich unser!

O Du Lamm Gottes ꝛc., gieb uns den Frieden!

Kommuniongebete.

Herr Jesus Christus, der Du deinen Aposteln gesagt hast: den Frieden hinter - lasse Ich euch, meinen Frieden gebe Ich euch: schaue nicht auf meine Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche, und verleihe ihr nach deinem Willen Frieden und Einigkeit, der Du lebst und regierst Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Herr Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, der Du nach dem Willen des Vaters,316 unter Mitwirkung des heiligen Geistes, durch deinen Tod die Welt wieder belebt hast: befreie mich durch diesen deinen hochheiligen Leib und dein hochheiliges Blut von allen meinen Ungerechtigkeiten und von allen Ue - beln und mache, daß ich allzeit deinen Ge - boten anhange, und lasse nicht zu, daß ich je von Dir geschieden werde, der Du mit demselben Gott dem Vater und dem heiligen Geiste lebst und regierst ꝛc. Amen.

Der Empfang deines Leibes, Herr Jesus Christus, den ich Unwürdiger zu genießen wage, gereiche mir nicht zum Gerichte und zur Verdammung, sondern gedeihe mir nach deiner Milde zum Schutz - und Heilmittel für Seele und Leib, der Du lebst und regierst mit Gott dem Vater in Einigkeit des hl. Geistes Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Das Brot vom Himmel will ich empfan - gen und den Namen des Herrn anrufen.

O Herr, ich bin nicht würdig, daß Du eingehst unter mein Dach: sondern sprich nur ein Wort, so wird gesund meine Seele.

(Dreimal.)

Der Leib unseres Herrn Jesu Christi bewahre meine Seele zum ewigen Leben. Amen.

317

Was soll ich dem Herrn geben für al - les, was Er mir gegeben? Den Kelch des Heiles will ich empfangen, und den Namen des Herrn anrufen, und vor meinen Fein - den werde ich gerettet sein.

Das Blut unseres Herrn Jesu Christi be - wahre meine Seele zum ewigen Leben. Amen.

Was wir mit dem Munde empfangen, Herr, das mögen wir erfassen mit reinem Geiste, und die Gabe in der Zeit werde uns ein Heilmittel für die Ewigkeit!

Dein Leib, o Herr, den ich empfangen, und das Blut, das ich getrunken, bleibe in meinem Innersten, und Du gewähre, daß in mir keine Makel der Sünden zurückbleibe, nachdem mich neu belebt haben die reinen und heiligen Geheimnisse, der Du lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Zur Kommunion.

Und Er zog mit ihnen hinab, und kam nach Nazareth, und Er war ihnen unterthan. (Luk. 2, 51.)

Kirchengebet nach der hl. Kommunion.

Lasset uns beten.

Bewirke, o Herr Jesus, daß wir, die Du mit den himmlischen Geheimnissen stärkest,318 das Beispiel deiner heiligen Familie eifrig nachahmen, und daß in der Stunde unseres Todes die glorreiche Jungfrau, deine Mut - ter, mit dem heiligen Joseph uns entgegen - komme und wir von Dir in die ewigen Wohnungen aufgenommen zu werden wür - dig erfunden werden, der Du lebst und re - gierst mit Gott dem Vater in der Gemein - schaft des heiligen Geistes von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Pr. Der Herr sei mit euch.

D. Und mit deinem Geiste.

Pr. Gehet, die Messe ist vollendet.

Oder: Pr. Lasset uns den Herrn preisen.

D. Gott sei Dank.

In den Totenmessen.

Pr. Sie mögen ruhen im Frieden.

D. Amen.

O heilige Dreifaltigkeit, es möge Dir der Dienst meiner Unterwürfigkeit gefallen, und verleihe, daß das Opfer, das ich Un - würdiger vor den Augen deiner göttlichen Majestät dargebracht habe, Dir wohlgefällig, mir aber und allen, für welche ich es dar - brachte, durch deine Erbarmung heilsam sei: durch Christum, unsern Herrn. Amen.

319

Pr. (segnet das Volk).

Es segne euch (mich) der allmächtige Gott Vater und Sohn und heiliger Geist.

D. Amen.

Pr. Der Herr sei mit euch.

D. Und mit deinem Geiste.

Pr. Anfang des Evangeliums nach dem heiligen Johannes.

D. Ehre sei Dir, o Herr!

Im Anfange war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dieses war im Anfange bei Gott. Alles ist durch dasselbe gemacht worden, und ohne dasselbe wurde nichts gemacht, was gemacht worden ist. In Ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtete in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen. Es war ein Mensch von Gott ge - sandt, der hieß Johannes. Dieser kam zum Zeugnisse, damit er Zeugnis von dem Lichte gäbe, auf daß alle durch ihn glauben möch - ten. Er war nicht das Licht, sondern er sollte Zeugnis von dem Lichte geben. Die - ses war das wahre Licht, welches alle Men - schen, die in diese Welt kommen, erleuchtet. Es war in der Welt, und die Welt ist durch320 dasselbe gemacht worden, aber die Welt hat Ihn nicht erkannt. Er kam in sein Eigen - tum, und die Seinigen nahmen Ihn nicht auf. Allen aber, die Ihn aufnahmen, gab Er Macht, Kinder Gottes zu werden, denen nämlich, die an seinen Namen glauben, welche nicht aus dem Geblüte, nicht aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt: und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit als des Eingebornen vom Va - ter, voll der Gnade und Wahrheit. (Jo - hannes 1, 1 14.)

D. Gott sei Dank.

[figure]
321

Zweite Meßandacht.

Diese Meßandacht soll als Anleitung dienen, durch die Teilnahme am heiligen Meßopfer die notwendigen Gnaden für das eigene Seelenheil zu erlangen.

Es ist sehr zu empfehlen, daß du diese Gebete lang - sam verrichtest und bei jedem Satze ein wenig betrach - tend verweilest. Es schadet nichts, wenn schon nicht alle Gebete ganz gelesen werden. Gott schaut nicht auf die Zahl deiner Gebetsworte in deinem Gebetbuche, sondern auf die Gesinnungen in deinem Herzen.

Vorbereitung.

Ich will hintreten zu dem Al - tare Gottes, zu Gott, der meine Jugend erfreut. (Ps. 42, 4.)

O göttlicher Heiland! ich glaube, daß Du in der heiligen Messe das Opfer des Kreuzes auf unblutige Weise erneuerst; ich begrüße Dich als meinen Hohenpriester, mei - nen Mittler beim Vater; ich weiß, daß ich nirgends und bei keinem Anlasse den himm - lischen Vater so vollkommen ehren, und für mich so reichliche Gnaden erlangen kann, wie in der würdigen Teilnahme an deinem heiligen Opfer.

Darum wage ich armseliges Geschöpf voll Sünden und Gebrechen, vor Dir zu322 erscheinen, ich komme mit den Gesinnungen der Demut und Reue, voll Verlangen nach deiner Gnade, voll Vertrauen auf deine Liebe, und will an deinem heiligen Opfer teilneh - men, um:

1. Durch Dich und mit Dir deinen Vater anzubeten und zu verherrlichen,

2. das Andenken deines Leidens und Sterbens zu feiern,

3. für alle allgemeinen und besonderen Wohlthaten zu danken,

4. durch Dich für meine vielen Sünden und Sündenstrafen Genugthuung zu leisten,

5. durch dein Opfer und deine Verdienste Gnade und Hilfe zu erlangen (für mich, für andere, in dieser Versuchung ...., diesen Leiden ...., dieser Entscheidung ....).

Zum Staffelgebet.

Mit deinem Diener David rufe ich zu Dir, o Herr: Der Sünden meiner Jugend und meiner Unachtsamkeit gedenke nicht. Nach deiner Barmherzig - keit gedenke meiner, um deiner Güte willen, o Herr! (Ps. 24, 7.)

Viele Fehler an mir erkenne ich selber, aber dein allwissendes Auge sieht noch viele,323 die ich nicht beachte. Wie manche habe ich begangen mit lachendem Munde, wo ich über mich hätte weinen sollen! Wohin komme ich, wenn die Sünden meiner Jugend und meiner Unachtsamkeit noch weiter mein Herz beflecken?

Uederdenke einen Augenblick die Sünden seit der letzten Beicht und dann sprich:

O mein göttlicher Erlöser! Einst auf Erden wandelnd, hast Du die reuigen Sün - der liebevoll aufgenommen, ihnen ihre Sün - den nachgelassen und die Gnade der Besse - rung verliehen, Dich sogar mit ihnen zu Tische gesetzt. Ich komme zu Dir als reumütiger Sünder, nimm auch mich gnädig auf, reinige meine Seele, laß mich würdig teilnehmen an deinem himmlischen Gastmahle, und erhalte mich in deiner Gnade. Amen.

Zum Eingang und Kyrie.

Kommet, lasset uns anbeten und niederfallen, und meinen vor dem Herrn, der uns gemacht hat. Denn Er ist der Herr, unser Gott, und wir sind das Volk desselben und die Schafe seiner Herde. (Ps. 94, 6, 7.)

324

Herr, erbarme Dich unser! Du hast meine Seele nach deinem Ebenbild erschaffen, mache sie Dir immer ähnlicher in Gnade und Hei - ligkeit, und gestatte nicht, daß dein Bild in mir durch Sünden verunstaltet werde.

Christus, erbarme Dich unser! Du hast meine Seele mit deinem kostbaren Blute er - löst, beschütze sie gegen alle ihre Feinde, und erhalte sie immerdar in deiner Wahrheit und Liebe.

Herr, erbarme Dich unser! O heiliger Geist, Du hast meine Seele in der heiligen Taufe geheiliget und zu deinem Tempel ge - macht, erfülle sie ganz mit deiner Gnade und laß nicht zu, daß mit der Sünde der Greuel der Verwüstung über diesen deinen Tempel komme.

Zum Gloria.

Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind. (Luk. 2, 14.) Was die Engel in Bethlehem ge - sungen, das setzen sie in ewigen Jubelliedern im Himmel fort, und alle geretteten Seelen, welche in den Himmel eingehen, stimmen ein in diese Lobpreisungen des lebendigen325 Gottes. Auch ich hoffe einst dort mitzujubeln, aber ich muß schon auf Erden Gott verherr - lichen, wenn ich dieses Glück erlangen soll. Ich will es thun, nicht bloß mit wenigen schwachen Worten, sondern mit allen meinen Gedanken, Worten und Werken, mit meinen Arbeiten, Leiden und Ueberwindungen. Alles diene zur größern Ehre Gottes in Verei - nigung mit dem Lobe aller Geschöpfe im Himmel und auf Erden und mit dem Opfer, in welchem Christus auf dem Altare seinem Vater die höchste Ehre erweist. Alles, was ich zur Verherrlichung Gottes thun kann, ist nur ein einziger schwacher Ton in dem großen Jubelgesang aller Geschöpfe, aber ich hoffe doch, Gott werde mir dafür um der Verdienste Christi willen hienieden den Frie - den des Herzens schenken, und mir gestat - ten, Ihn einst im Himmel mit allen Aus - erwählten in vollkommenerer Weise zu loben und zu preisen. Amen.

Zu den Kirchengebeten.

Wahrlich, wahrlich, sage Ich euch, wenn ihr den Vater in meinem Na - men um etwas bitten werdet, wird es euch gegeben. Bisher habt ihr326 um nichts in meinem Namen ge - beten. Bittet, so werdet ihr em - pfangen, auf daß euere Freude vollkommen werde. (Joh. 16, 23. 24.) Un - ser Vater im Himmel hat überflüssige Hilfe für uns armselige Menschen bereit, und seine Liebe will uns gerne erhören und uns hel - fen, wenn wir, wie es Kindern geziemt, Ihn darum bitten mögen. Sein göttlicher Sohn hat uns beten gelehrt und dem Gebete in seinem Namen die trostreichsten Verheißun - gen gegeben. In der heiligen Messe erscheint Er in unserer Mitte, um als unser Für - sprecher selber unsere Bitten und Anliegen seinem Vater vorzutragen.

Hier überdenke, welche besondere Gnade oder Hilfe du für dich oder andere in dieser heiligen Messe er - langen willst und sprich:

Ich vereinige meine Bitten mit denen des Priesters und der ganzen Kirche und mit dem Opfer Jesu Christi auf dem Al - tare. Ich hoffe, o himmlischer Vater, was meine Unwürdigkeit nicht verdient, von Dir zu erlangen durch Jesum Christum, deinen Sohn, unsern Herrn, welcher mit Dir in der Einigkeit des heiligen Geistes lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

327

Insbesondere bitte ich um die Gnade, so würdig und andächtig diesem heiligen Opfer beizuwohnen, daß ich reich an Trost und Segen von dannen gehen kann. Amen.

Zur Epistel.

Wer aus Gott ist, der höret Gottes Wort. (Joh. 8, 47.) Christus hat die Apostel ausgesendet, um den Menschen seine himmlische Lehre zu verkünden. Mir macht Er sie bekannt durch die Diener seiner Kirche im christlichen Unterrichte und durch die Verkündigung des Wortes Gottes.

Wenn ich ein Kind Gottes sein will, so muß ich das Wort Gottes mit Freude und Eifer vernehmen. Wenn ich in den Him - mel kommen will, so muß ich in den Lehren und Geboten, die mich dorthin führen sollen, wohl unterrichtet sein. Darum will ich das Wort Gottes recht hochschätzen und Gott da - für dankbar sein, ich will es fleißig und aufmerksam anhören, und alles thun, damit es bei mir gute Früchte bringt.

Göttlicher Heiland! verleihe mir die Gnade, daß ich deine himmlische Lehre recht verstehe, unverlierbar meiner Seele einpräge und im Leben treu befolge. Amen.

328

Zum Evangelium.

Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. (Joh. 14, 6.) Wer Mir nachfolgt, der wandelt nicht in der Finsternis. (Joh. 8, 12.)

O Herr Jesus Christus! Ich bin fest überzeugt, daß Du der Sohn Gottes bist und jedes Wort, das Du gesprochen hast, ewige Wahrheit ist. In diesem Glauben will ich leben und sterben.

Aber die Welt ist voll von Gefahren für den Glauben, und viele, die einst an Dich glaubten und Dich liebten, sind verführt wor - den und von Dir abgefallen. Ich habe allen Grund, mich vor diesen Gefahren und mei - ner eigenen Schwachheit zu fürchten. Ich will alles sorgfältig fliehen, was dem Glau - ben schaden kann, ich will mich im Glau - ben gut unterrichten lassen, ihn recht hoch - schätzen, ihn fleißig erwecken und üben. Aber das kann ich nur, wenn deine Gnade mich erleuchtet und stärkt. Deine Apostel sind durch die Herabkunft des heiligen Geistes aus schwachen, furchtsamen Menschen große Leuchten des Glaubens geworden. Ich bitte recht demütig, daß der heilige Geist den329 wahren, festen und lebendigen Glauben in meiner Seele erhalten und befestigen möge. Amen.

Zum Credo.

Wer mich vor den Menschen be - kennen wird, den will Ich auch be - kennen vor meinem Vater, der im Himmel ist. (Matth. 10, 32.)

Als schwacher Mensch fürchte ich Spott und Verfolgung, und ich würde fallen wie Petrus, wenn es nur auf meine Kraft an - kommen würde. Aber Du hast mir in der heiligen Firmung die Gnade eines starken Glaubens und eines mutigen Bekenntnisses gegeben. Wenn ich die unnötigen Gefah - ren meide, auf die Gnade vertraue und ihr treu mitwirke, so bin ich stärker als die ganze Welt. Wenn ich bedenke, daß Du mit allen Heiligen und Martyrern vom Him - mel auf mich herabschaust, daß Du am jüng - sten Tage die mutigen Bekenner des Glau - bens vor aller Welt ehren und die Feiglinge und Abtrünnigen beschämen und bestrafen wirst, so muß ich allen Spott einfältiger Menschen verachten und entschlossen deine göttliche Lehre zeitlebens ohne Scheu vor330 allen Menschen in Wort und Werk beken - nen. Wenn ich auch alles, selbst das Leben opfern müßte, will ich doch mit Herz und Mund den heiligen Glauben festhalten und laut bekennen: Ich glaube an Gott Vater u. s. w.

Zur Opferung.

Ein Opfer vor Gott ist ein zer - knirschter Geist; ein zermalmtes und gedemütigtes Herz wirst Du, o Gott, nicht verachten. Dann wirst Du annehmen das Opfer der Ge - rechtigkeit. (Ps. 50, 19. 21.)

O himmlischer Vater! Der Priester opfert Dir Brot und Wein auf, welche in den heiligen Leib und das heilige Blut Jesu Christi verwandelt werden sollen. Kostbar und heilig ist wohl die Opfergabe, aber auch die Herzen sollen rein sein, welche an dem Opfer Teil haben wollen, und rein die Hände, welche es darbringen. Leider muß ich nun bekennen, daß meine begangenen Sünden groß und zahlreich sind, und daß ich jetzt noch in meinem Herzen viele Wünsche und Begierden habe, welche auf nichtige und eitle, selbst auf sündhafte Dinge gerichtet331 sind und die mich zeitlich und ewig unglück - lich machen würden, wenn ich ihnen folgen wollte. Bei all dieser Unordnung in meinem Herzen kann ich Dir doch bei diesem Opfer wohlgefällig werden, wenn ich meine un - geordneten Wünsche und Begierden selber zu einem Opfer mache, welches ich aus Liebe Dir darbringe.

Hier überdenke ein wenig, welche von deinen Wünschen oder Vergnügen Christus mißfallen und für deine Seele gefährlich sind. Wovor dich dein Seelenführer oder deine Eltern schon gewarnt haben, was dich am meisten beunruhigen würde, wenn du nächstens sterben müßtest, das wähle als Opfer aus und bete:

Weil ich Dir, o himmlischer Vater, nichts Gutes anbieten kann, so will ich aus Liebe zu Dir wenigstens meine Anhänglichkeit an das Böse und Verkehrte opfern, ich will das Unkraut dieser bösen Begierde ..., dieses leichtsinnigen Vergnügens ... aus meinem Herzen reißen und zu meinem Opfer machen, welches ich mit dem Opfer deines göttlichen Sohnes vereinige. Ich weiß, daß solche Ueberwindungen Dir angenehm und mir höchst heilsam sind. Gieb mir die Gnade, dieses Opfer nicht bloß jetzt anzubieten, sondern im Leben wirklich zu vollbringen332 und dem gemachten Vorsatze treu zu bleiben. Möchte ich doch bei jeder heiligen Messe ein solches Opfer auf den Altar legen und möchte so mein Herz immer reiner und schöner, dem Herzen deines Sohnes immer ähnlicher werden, bis dein allheiliges Auge nichts Mißfälliges mehr an mir findet! Unter - dessen ist es mein Trost, daß ein zerknirsch - ter Geist vor Dir als wohlgefälliges Opfer gilt, daß Du ein zermalmtes und gedemü - tigtes Herz nicht verachtest und von ihm das Opfer der Gerechtigkeit annimmst, daß Du den guten Willen der Schwachen barmherzig ansiehst und gerne mit deiner Gnade stärken willst. Amen.

Zur Präfation und Sanktus.

Danket allzeit für alles Gott, dem Vater im Namen unseres Herrn Jesu Christi. (Eph. 5, 20.)

Ueberdenke ein wenig die unendliche Liebe und Freigebigkeit Gottes gegen dich, denke an die Wohl - thaten der Erschaffung, Erlösung und Heiligung, an die unzähligen Gaben für Leib und Seele, die dir täg - lich zukommen, an die große Langmut und Geduld mit der Gott deine Sünden, deinen Undank und deine Untreue erträgt, an das Wunder der göttlichen Liebe in der heiligen Messe; unter diesen zahllosen Wohl -333 thaten denke besonders an jene, für welche du noch nie Dank gesagt hast, oder welche dir erst neuestens zu - gekommen sind, und bete mit der Kirche:

Wahrlich, es ist würdig und recht, billig und heilsam, daß wir Dir immer und über - all Dank sagen, o heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott! durch Christum, unsern Herrn. Durch Ihn loben die Engel deine Majestät, beten an die Herrschaften, zittern die Mächte. Die Himmel und die Kräfte der Himmel und die seligen Seraphim prei - sen Dich in gemeinsamem Frohlocken. Daß Du mit ihren auch unsere Gebete des Lobes wollest zu Dir kommen lassen, flehen wir, in - dem wir in demütigem Bekenntnisse sprechen:

Heilig, heilig, heilig, ist der Herr Gott der Heerscharen. Voll sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit. Hosanna in der Höhe! Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosanna in der Höhe!

Vor der heiligen Wandlung.

Und ich hörte die Zahl der Be - zeichneten: Hundertvierundvier - zigtausend Bezeichnete aus allen Stämmen der Kinder Israels. Nach diesem sah ich eine große Schar, die334 niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen und Völ - kern und Sprachen; sie standen vor dem Throne und vor dem Lamme, angethan mit weißen Kleidern und sie hatten Palmen in den Händen. Und sie riefen mit starker Stimme: Heil unserm Gott, der auf dem Throne sitzt und dem Lamme. Und alle Engel standen rings um den Thron und um die Aeltesten und um die vier lebenden Wesen und fielen vor dem Throne auf ihr Angesicht nieder und beteten Gott an und sprachen: Amen! Lob und Herrlichkeit und Weisheit und Dank, Ehre und Macht und Kraft sei unserm Gott in alle Ewigkeit. Amen. (Geh. Offenb. Joh. 7, 4., 9. -12.)

Bei der heiligen Wandlung fällt für die Augen des Glaubens der Schleier, welcher uns den Himmel verhüllt. Es naht der König der Könige, der Herr der Herrschenden, Christus, unser Gott; es naht das Lamm, welches für uns getötet worden, welches uns für Gott erkauft hat mit seinem Blute (Off. 5, 9); Es naht, um sich für uns zu opfern und den Gläu - bigen als Speise zu geben. Dasselbe begleiten die Chöre der Engel, mit den Mächten und Herrschaften, Cherubim und Seraphim, ihr Antlitz verhüllend und dem335 Herrn lobsingend: Alleluja! Alleluja! Alleluja! (Litur - gie des hl. Jakobus)

Bereits hat uns die Kirche angeleitet, in den Lob - gesang der Engel einzustimmen (beim Sanktus), jetzt bringt sie uns auch die Heiligen in Erinnerung, damit wir ihre Ehrfurcht und Andacht nachahmen, und durch deren Verdienste und Fürbitten vor dem Herrn eher Wohlgefallen und Erhörung finden.

Der Anleitung der Kirche folgend:

1. Erinnere Dich nochmals der Anliegen und Per - sonen, für welche du durch das heilige Opfer Gnade und Hilfe erlangen willst: gedenke insbesondere des Papstes, der Bischöfe und Priester, deiner Eltern und Angehörigen, derer, für welche du zu beten schuldig bist oder versprochen hast; gedenke auch deiner eigenen Anliegen der Seele und des Leibes.

2. Empfiehl diese Anliegen und Bitten der seligsten Jungfrau Maria, den Aposteln und Martyrern, Be - kennern und Jungfrauen, insbesondere den Heiligen, deren Fest eben gefeiert wird, den Landes -, Kirchen - und Namenspatronen, den Fürsprechern in besondern Anliegen, und dann bete:

Glorwürdige Jungfrau Maria, ihr alle Heiligen und Freunde Gottes, die ihr all - zeit im Himmel den himmlischen Vater und das unbefleckte Lamm Gottes anschauet, liebet und lobet und von Ihm wiederge - liebt werdet, kommet nur unwürdigem Sün - der zu Hilfe, indem ihr meine Bitten und Huldigungen, vereinigt mit eueren Verdiensten und Bitten, auf eueren reinen Händen dem336 Herrn darbringt, und nur so Gnade und Erhörung verschafft. Amen.

Bei der heiligen Wandlung.

So oft ihr dieses Brot esset und diesen Kelch trinket, sollt ihr den Tod des Herrn verkünden, bis Er kommt. (I. Kor. 11, 26.)

Die heilige Wandlung ist der Augenblick, in dem das Erlösungsopfer auf dem Kalvarienberg unblutiger Weise erneuert wird. Gesang und Gebet verstummen, nur das Herz soll beten, es sollen in ihm die Gesin - nungen des Glaubens, der Hoffnung und Liebe, der Dankbarkeit und Reue lebendig werden, und bloß in - nerlich, ohne Worte, oder auch mit folgenden kurzen Gebeten gegen den göttlichen Heiland ausgesprochen werden:

O Jesus, ich glaube an Dich, ich hoffe auf Dich, ich liebe Dich, ich bete Dich an, ich danke Dir, ich bitte Dich um Verzeihung, ich bitte Dich um Erbarmen.

O Jesus, ich bringe dein heiliges Fleisch und Blut dem himmlischen Vater dar als Opfer des Lobes und der Anbetung, der Danksagung, als Versöhnungs - und Bitt - opfer.

Oder auch: O Jesus, Dir lebe ich! O Je - sus, Dir sterbe ich! O Jesus, dein bin ich tot und lebendig!

337

O Jesus, sei mir gnädig! O Jesus, sei mir barmherzig! O Jesus, verzeihe mir meine Sünden!

Dich liebt, o Gott, mein ganzes Herz,
Und ist mir das der größte Schmerz.
Daß ich erzürnt, Dich, höchstes Gut,
Ach, wasche mich in deinem Blut!

Nach der heiligen Wandlung.

Wir haben einen Fürsprecher beim Vater, Jesum Christum, den Gerechten. (I. Joh. 2, 1.)

Nach der heiligen Wandlung setze die bei derselben begonnenen inneren Gebetsübungen noch eine Weile fort. Beherzige, wie der himmlische Vater mit Wohl - gefallen auf dieses reine und heilige Opfer hernieder - schaut, wie Er seinem geliebten Sohne nichts versagen kann, wie die Engel und Heiligen das Geheimnis auf dem Altare anbetend bewundern und ihre Bitten mit den unsrigen und dem Opfer Christi vereinigen. Bedenke ferner, wie für die Kirche und die Gläubigen eine Fülle von Gnade und Trost in diesem Opfer an - geboten wird, wie die leidenden Seelen im Reinigungs - ort sehnsüchtig emporschauen und darauf warten, daß auch ihnen eine Erquickung zugewendet werde. Er - wecke den Glauben an das Mittleramt Jesu Christi in diesem heiligen Opfer, fasse ein großes Vertrauen auf seine Macht und Liebe und lasse Ihn als Fürsprecher für dich und andere zum Vater reden.

338

Zunächst gedenke der Abgestorbenen, für welche du zu beten eine besondere Schuldigkeit hast, und bete dann:

Diesen, o Herr, und allen in Christus Ruhenden mögest Du, so flehen wir, gnädig verleihen den Ort der Erquickung, des Lich - tes und des Friedens. Durch denselben Christus, unsern Herrn. Amen.

Sodann fasse noch einmal alle Bitten für dich, deine Mitchristen und die ganze Kirche zusammen, und lege sie in die Hände unseres Hohenpriesters auf dem Altare, damit Er sie dem Vater vortrage. In diesen Gesinnungen stimme ein in das Gebet, welches Chri - stus uns selber gelehrt hat, bete dasselbe vereint mit der Kirche, vereint mit dem gegenwärtigen Erlöser, indem du voll Vertrauen zu dem himmlischen Vater rufst:

Durch heilsame Vorschriften ermuntert und durch göttlichen Unterricht belehrt, wagen wir zu sagen: Vater unser u. s. w.

Nachher: Befreie uns, wir bitten Dich, o Herr, von allen Uebeln, den vergangenen, gegenwärtigen, zukünftigen, und durch die Fürbitte der seligen und glorreichen, allzeit jungfräulichen Gottesmutter Maria, mit dei - nen heiligen Aposteln Petrus und Paulus und Andreas und allen Heiligen, gieb gnä - dig in unseren Tagen Frieden, auf daß wir durch die Hilfe deiner Barmherzigkeit unter -339 stützt, sowohl von Sünden immer frei, als auch vor aller Verwirrung sicher seien, durch denselben Jesus Christus, unsern Herrn, deinen Sohn, welcher mit Dir lebt und re - giert in der Einigkeit des heiligen Geistes von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Zur Kommunion.

Herr, bleibe bei uns; denn es wird Abend, und der Tag hat sich schon geneigt. (Luk. 24, 29.)

Die seligen Augenblicke der Gemein - schaft mit dem Himmel und dem Herrn des Himmels nahen schon ihrem Ende. Jesus Christus vollendet sein Opfer, die Engel und Heiligen ziehen sich zurück und setzen die Anbetung des Herrn im Himmel fort; der geöffnete Himmel schließt sich wieder über mir, ich bleibe zurück auf dieser arm - seligen Erde, umgeben von Gefahren und Versuchungen, selber schwach, unerfahren und zum Bösen geneigt. Es ist, als ob die Sonne meines geistigen Lebens untergehe und mich allein in der Nacht dieses Erdenlebens zurücklasse, wo der rechte Weg schwer zu finden ist, und viele Feinde meiner Seele nachstellen.

340

Darum flehe ich mit den Jüngern im Evangelium zu meinem göttlichen Erlöser: Herr, bleibe bei mir; denn es wird Abend, und der Tag hat sich schon geneigt. Ich weiß, daß dein heiligstes Fleisch und Blut eine Nahrung der Seele ist zum ewigen Leben. Es ist mein ernstlicher Wille, sie so oft zu empfangen, als es mein Seelen - heil erfordert, und meine Seelenführer es mir anempfehlen. Ich will mich jedesmal so würdig als möglich dazu vorbereiten, um Dich mit reinem Herzen zu empfangen und des ganzen Reichtums deiner Gnaden teilhaftig zu werden.

Jetzt bitte ich Dich, Du mögest wenig - stens geistiger Weise in meine Seele kommen. Kaum werde ich die Kirche verlassen haben, so nahen mir wieder Zerstreuungen, Versuch - ungen und Gefahren, in meinem eigenen Herzen wachen Leichtsinn und verkehrte Be - gierden wieder auf, und wie bald ist es geschehen, daß ich alle frommen Gesinnun - gen, die jetzt meine Seele erfüllen, vergesse, und Dich neuerdings beleidige! Wie leicht kann dem ersten Fehler der zweite folgen, und dann bin ich in Gefahr, von Dir und meinem Heile weit, sehr weit weggeführt zu341 werden. Wie viele irren so ab vom rechten Weg, ohne daß sie wieder umkehren!

Darum bitte ich Dich recht inständig: Herr, bleibe bei mir; denn es wird Abend. Gieb mir himmlisches Licht, übernatürliche Kraft mit auf meinen Weg, komme selber in mein Herz und begleite mich auf den dunkeln Pfaden dieses Lebens in den Ver - suchungen und Gefahren, die auf mich war - ten, bewahre Du mich heute und die kom - mende Woche vor Verirrungen und Fehl - tritten, und erhalte mich in deiner Wahrheit und Gnade.

Es ist mein sehnlichster Wunsch, daß ich bei dem nächsten heiligen Opfer, an dem ich Teil nehmen werde, nicht mit neuen Sünden befleckt vor Dir erscheine, sondern an Glau - ben und Tugend, Gottesfurcht und Fröm - migkeit reicher sein möge. Und wenn einst die Stunde des letzten Abendmahles auch für mich kommt, so sei meiner Seele in Wahr - heit eine Wegzehrung auf dem Wege in das ewige Leben.

O welches Glück, wenn ich, Dich im Herzen tragend, einst dieser Erde den Rücken kehre, in die Gemeinschaft der Engel und Heiligen, die Dich auf die Erde herabbe -342 gleiten, eintreten und mit ihnen in den Himmel eingehen kann! Darum, o Herr, bleibe bei mir und mache mich würdig, einen seligen Lebensabend zu erlangen. Amen.

Zum Segen.

Und während Er sie segnete, schied Er von ihnen und fuhr in den Himmel. Und sie beteten Ihn an und kehrten nach Jeru - salem mit großer Freude zurück. (Luk. 24, 51.)

Das Erscheinen des göttlichen Heilandes unter sei - nen Jüngern nach der Auferstehung hat mit seinem Verweilen auf dem Altare viele Aehnlichkeit. Wie die Apostel beglückt Er auch uns zu bestimmten Zeiten mit seiner Gegenwart. Wie bei der Himmelfahrt den Jüngern, so will Er am Schlusse der heiligen Opfer - handlung auch dir seinen Segen zurücklassen. Der Segen durch die geweihte Hand des Priesters hat eine große Kraft, aber die Wirkung bei dir ist abhängig von deinen andächtigen Gesinnungen, deinem Glauben und Vertrauen. Suche dieser Wirkung teilhaftig zu werden, indem du mit Andacht betest:

O mein göttlicher Heiland! Ich danke Dir von ganzem Herzen für die Ehre und das Glück der Teilnahme an deinem heiligen Opfer und für die empfangenen Gnaden. Ich möchte mit dem Patriarchen Jakob sa -343 gen: Ich entlasse Dich nicht, bevor Du mich gesegnet hast. (I. Mos. 32, 26.)

Blicke herab auf die Vorsätze, die ich halten soll, die Schwachheiten und Verkehrt - heiten, die nur anhaften, die Versuchungen, die mich bedrohen; blicke herab auf meine Eltern und Angehörigen, alle Mitchristen und die ganze Kirche, die deiner Gnade und Hilfe in so vielen Dingen bedürfen, gieße über uns alle aus die Fülle deines Segens, deiner Kraft und Stärke, damit wir Dir treu dienen, die Versuchungen überwinden, die Leiden geduldig ertragen, deine Gnade und deinen Frieden im Herzen bewahren, und damit uns so alle Dinge zum besten dienen mögen.

Es segne uns der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der heilige Geist. Amen.

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344

Dritte Meßandacht.

In derselben wird besonders auf die Anliegen der christlichen Familie Bezug genommen.

Vorbereitung.

Vater, die Stunde ist gekom - men, verherrliche deinen Sohn, damit dein Sohn Dich verherrliche, so wie Du Ihm die Macht gegeben hast über alles Fleisch, damit Er allen, die Du Ihm gegeben hast, das ewige Leben gebe. (Joh. 17, 1. 2.)

Göttlicher Heiland Jesus Christus! Du hast am Kreuze dein Blut vergossen und den bittersten Tod erduldet, um die unsterb - lichen Seelen von dem ewigen Verderben zu erretten. Die gleiche unendliche Liebe hat Dich bewogen, das heilige Opfer der Messe einzusetzen und in demselben zum Heile der Menschen das blutige Opfer am Kreuze in unblutiger Weise zu erneuern. Ich gedenke nun diesem heiligen Opfer mit möglichster Andacht beizuwohnen, und möchte an demselben Teil nehmen mit den näm - lichen Gesinnungen, in welchen Du selber es dem himmlischen Vater darbringst. Ich will mit demselben:

345

1. Das Andenken deines Leidens und Sterbens feiern;

2. Gott, dem Vater, die höchste Verehrung und Anbetung erweisen;

3. Dank sagen für das Glück des wahren Glaubens und alle Wohlthaten des Christen - tums;

4. Genugthuung leisten für den Undank, die Nachlässigkeit und den Mißbrauch, wo - durch die Menschen sich dieser größten Gna - dengaben unwürdig machen;

5. bitten und flehen, daß alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen und selig werden, daß insbesondere meine An - gehörigen zum ewigen Leben geführt werden.

Zum Staffelgebet.

Von meinen verborgenen Sün - den reinige mich und der fremden wegen schone deines Dieners. (Ps. 18, 14.)

Mit jedem Worte und mit jeder Hand - lung kann ich einzelne oder viele erbauen oder ärgern; eine Pflichtversäumnis oder ein Aergernis von meiner Seite kann für eine jugendliche Seele den Ausschlag zu ihrem Verderben geben. Solche Sünden werden346 oft gering geachtet oder schnell vergessen, und doch werden sie von Gott so hoch angerech - net und strenge bestraft.

Ueberlege, ob du die Vaterpflichten oder ähnliche Verpflichtungen in Bezug auf das Seelenheil anderer vernachlässiget habest, ob andere schon durch dich ge - ärgert worden, ob irgendwie schon eine Seele durch dich Schaden gelitten habe. Prüfe deine Worte und Handlungen in diesem Punkte genau, und dann bete:

Von meinen verborgenen Sünden reinige mich, und der fremden wegen schone deines Dieners. Ich zittere bei dem Gedanken, ich könnte einer Seele, für die Du, o mein Hei - land, dein kostbares Blut vergossen hast, durch Saumseligkeit oder Aergernis Schaden zugefügt haben. Wie würde ich beim Ge - richte dastehen, wenn eine einzige Seele un - ter den Verworfenen mich anklagen würde, daß ich ihr Unglück mitverschuldet habe! Ja, eine einzige fremde Sünde, die verborgen und ungesühnt geblieben, könnte mir ver - hängnisvoll werden. Darum bereue ich von Herzen alles, was ich bewußt oder unbewußt gegen das Seelenheil anderer gefehlt habe, ich will mich vor allen Sünden dieser Art gewissenhaft hüten. Ich bitte Dich, Du wollest mir alle begangenen Sünden ver - zeihen, mich vor künftigen bewahren und347 den Schaden, welchen ich unsterblichen See - len zugefügt habe, durch die wunderbare Wirksamkeit deiner Gnade wieder gut machen und heilen. Amen.

Zum Eingang und Kyrie.

Zukomme uns dein Reich. (Matth. 6, 10.) Laß deine Kirche über die ganze Erde sich ausbreiten, laß deine Gnade und Wahr - heit alle Herzen in Besitz nehmen und regieren, auf daß alle Dich erkennen, Dir dienen und ewig selig werden.

Herr, erbarme Dich unser! Himmlischer Vater, von dem alle Vaterschaft herkömmt, erbarme Dich der Eltern, gieb ihnen Einsicht und Kraft, ihre schweren Pflichten so zu er - füllen, daß sie einst ihre Verantwortung gut bestehen und mit ihren Kindern ewig selig werden.

Christus, erbarme Dich unser! Göttlicher Heiland, Hoherpriester des neuen Bundes, von dem alle Priestergewalt herstammt, sende Arbeiter in deine Ernte, die eifrig deine Lehre verkünden, würdig deine Gna - den spenden, und in deiner Kraft dein Reich auf Erden forterhalten und aus - breiten.

348

Herr, erbarme Dich unser! Heiliger Geist, Geist der Wahrheit und der Liebe, erwecke in allen, die etwas für das Reich Gottes thun können, den Eifer der Heiligen, welcher aus freiwilliger Liebe arbeitet und opfert, um Seelen für den Himmel zu gewinnen.

Zum Gloria.

Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind. (Luk. 2, 14.)

Dieser Lobgesang der Engel macht in dem Opfer der heiligen Messe Tag für Tag seinen Gang um den Erdkreis.

Möge er auch überall seinen Wiederhall finden in allen katholischen Herzen und in allen katholischen Familien in dem andäch - tigen Morgengebete, welches sie zum Himmel senden, und in der Teilnahme am heiligen Opfer, soweit diese möglich ist.

Mägen am Sonntage alle Gläubigen miteinstimmen in dieses Loblied, indem sie den Tag des Herrn gewissenhaft heiligen und dem Herrn in seinem heiligen Tempel die schuldige Ehre erweisen!

Möge dafür in alle andächtigen Herzen und in alle frommen Familien der Friede349 Gottes herniedersteigen, und der Segen des Allmächtigen für Leib und Seele ihnen zu teil werden!

Zum Kirchengebet.

Ich ermahne vor allen Din - gen, daß Bitten, Gebete, Fürbit - ten und Danksagungen geschehen für alle Menschen, für Könige und alle Obrigkeiten, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Denn dieses ist gut und wohlgefällig vor Gott, un - serm Heiland, welcher will, daß alle Menschen selig werden und zur Erkenntnis der Wahrheit ge - langen. (I. Tim. 2, 1. -4.)

Diese Mahnung befolgend, welche Du uns durch deinen Apostel gegeben hast, ru - fen wir zu Dir: Blicke herab auf die un - sterblichen Seelen, welche Du mit deinem kostbaren Blute erlöst hast: siehe an die Ge - fahren, welche ihr Heil bedrohen, und komme ihnen zu Hilfe mit deiner Gnade.

Du willst, daß die Gläubigen bei diesem Werke der Rettung der Seelen mitwirken. Darum erneuere in ihnen den Geist des350 Glaubens und der Liebe, damit die dafür Berufenen mit ihren Arbeiten das Seelen - heil ihrer Mitmenschen fördern, und alle andern in eifrigem und beharrlichem Gebete die Gnaden vom Himmel herabziehen, welche Du für die Rettung aller in Bereitschaft hast, und den Seelen durch das Mittel des Gebetes zukommen lassen willst. Du willst ja, daß alle Menschen selig werden, darum gieb uns selber Anregung und Eifer, das zu thun, was dafür durch uns geschehen soll.

Zur Epistel.

Ein Säemann ging aus, seinen Samen zu säen. Der Same ist das Wort Gottes. (Luk. 8, 5. 11.)

Wie auf dem Ackerfelde Ernte auf Ernte folgt, so folgen sich die Geschlechter der Menschen im Laufe der Jahrhunderte. Und Du, o göttlicher Heiland, bist der himm - lische Säemann, indem Du in die Herzen jedes neuen Geschlechtes den Samen deiner göttlichen Lehre streuest und so dein Reich auf Erden forterhältst. Als Mittel hiefür gebrauchst Du den christlichen Unterricht der Jugend.

Du weißt, wie schwer es in unsern Ta - gen geworden ist, diesen Unterricht mit gutem351 Erfolge zu erteilen, die Kinder in deine Wahrheit einzuführen, im Glauben zu be - festigen, sie zum Leben nach dem Glauben anzuleiten. Bei gar vielen stirbt der aus - gestreute Samen nach kurzer Blüte wieder ab und bringt keine Frucht.

Aber doch sind diese unschuldigen Kinder - seelen noch kein ausgetretener Weg, kein dor - niger oder felsiger Boden, sondern edles Erd - reich, welches der heilige Geist selber mit seiner Gnade durchdrungen und fruchtbar ge - macht hat. Darum kann und soll der Same deines Wortes in ihnen Wurzel fassen und erstarken, daß er in den nachher kommenden Anfechtungen nicht zu Grunde gehe.

Wir bitten Dich, erbarme Dich dieser Seelen, die Dir selber so teuer sind, und erfülle die Seelsorger und Eltern und alle, welche ihnen helfen können und sollen, mit Einsicht und Eifer, die christliche Jugend nach deinen Absichten zu unterrichten und zu erziehen, unterstütze ihre Bemühungen mit deiner Gnade, so daß mitten in einer bösen Welt ein Geschlecht heranwachse, wel - ches den heiligen Glauben treu bewahrt und Dir dient in aller Gottesfurcht und Fröm - migkeit. Amen.

352

Zum Evangelium.

Als aber die Leute schliefen, kam der Feind und säete Unkraut mitten unter den Weizen. (Matth. 1, 3. 25.)

O göttlicher Heiland! Wohl wird der Same deiner göttlichen Lehre durch deine Kirche ausgestreut, aber auch der Same des Unkrautes wird in Wort und Schrift so thätig verbreitet, wie noch nie, so lange dein Reich auf Erden besteht. Unzählige lassen sich dadurch bethören, werden schwach im Glauben, oder fallen gänzlich ab, und die - ses Elend droht sich auf ihre Kinder und Kindeskinder fortzupflanzen.

Du lassest nach deinen geheimnisvollen Ratschlüssen Weizen und Unkraut neben - einander wachsen bis zur Zeit der Ernte, aber Du hast doch Wehe ausgerufen über alle, welche Aergernisse verschulden, und willst, daß wir sie zu verhindern suchen. Darum halte Du jene vom Schlafe ab, welche über die Familien und Gemeinden wachen sollen, damit der Feind nicht Unkraut säen kann. Lehre alle Gläubigen für sich, und alle - ter und Mütter für die ihnen Anvertrauten353 besorgt sein, daß keine Aergernisse deren Glauben oder Tugend Schaden bringen. Erfülle uns alle mit jenem lebendigen Glauben und jenem heiligen Tugendeifer, welcher die ersten Christen befähigt hat, mitten unter der Verderbtheit des Heiden - tums ein reines und heiliges Leben zu führen und Dir bis in den Tod treu zu bleiben.

Zum Credo.

Das ist der Sieg, der die Welt überwindet, unser Glaube. (I. Joh. 5, 4.)

Die Apostel, so wenige ihrer waren, ha - ben im Glauben die Welt erobert; die Martyrer haben alle feindlichen Mächte be - siegt durch den Glauben; die Kirche hat seit bald zweitausend Jahren alle ihre Feinde überwunden durch den Glauben ihrer Die - ner und Bekenner. Darum sollen auch wir uns dieser weltüberwindenden Macht des Glaubens bedienen. Mögen unser viele oder wenige sein, wenn wir glauben und den Glauben in Wort und That bekennen, so wird er auch in uns die Welt überwin - den. Wir wollen mit Dank gegen Gott, der uns zum Glauben berufen hat, vor354 Jesus Christus, unserm Heerführer, vor den Aposteln und Martyrern, unseren glorreichen Vorbildern, vor den Glaubensboten, die uns den wahren Glauben gebracht haben, vor unseren frommen Vorvätern, die ihn treu bewahrt und uns überliefert haben, und vor der Welt, die uns dafür verspotten mag, unser Bekenntnis des Glaubens ablegen, indem wir sagen: Ich glaube u. s. w.

Zur Opferung.

Ich ersetze an meinem Fleische, was an den Leiden Christi für sei - nen Leib, welcher die Kirche ist, mangelt. (Kol. 1, 24.)

Göttlicher Heiland, Jesus Christus! Als Du am Kreuze ausriefest: Es ist vollbracht! war die ungeheure Schuld der Menschheit durch dein unendlich kostbares Opfer ge - sühnt, und wir Menschen können dem Werte dieses deines Opfers nichts hinzufügen. Aber wie Du es auf dem Altare erneuerst, um uns desselben teilhaftig zu machen, so sollen wir Menschen es nachahmen, um für diese Teilnahme würdig und fähig zu wer - den. Wir sollen aus Liebe zu Dir die bösen355 Begierden überwinden, die Leiden dieses Lebens geduldig ertragen, und so geistiger Weise mit Dir gekreuziget werden.

Verleihe uns allen die Gnade, Dir auf dem Wege der Selbstverleugnung und des Kreuzes getreu nachzufolgen. Erbarme Dich insbesondere unserer jungen Christen, welchen Ueberwindung und Selbstbeherrschung zu ihrem Heile so notwendig sind. Siehe an, wie Unzählige von der Welt zum Leichtsinn, zur Weichlichkeit und zur Genußsucht ver - führt werden und darin zu Grunde gehen. Um deines für sie vergossenen Blutes willen bitten wir Dich, erneuere in ihnen den Geist, mir dem Du die Kinder der Martyrer ge - lehrt hast, Welt, Fleisch und Satan zu über - winden. Lehre sie, ihre eitlen Begierden zu opfern, um bei Dir die wahren und beseli - genden Güter und Freuden zu finden.

Dein Diener Paulus hat seine Arbeiten und Leiden nicht nur für sich, sondern für die Wohlfahrt der Kirche aufgeopfert, und es ist nur billig und recht, daß ich sein Bei - spiel wenigstens im kleinen nachahme.

Hier überlege, ob Du durch persönliche Bemühun - gen, oder durch Beiträge, oder wenigstens durch Gebet etwas für das Seelenheil anderer thun kannst und willst356 Nimm dir etwas Bestimmtes vor, was du hiefür thun oder opfern willst, und bete:

Dieses kleine Opfer bringe ich Dir dar in dem Geiste, in welchem der heilige Pau - lus seine Kräfte und sein Leben in deinem Dienste geopfert hat. Ich lege es als Scherflein meiner Armut auf den Altar und bitte Dich, daß Du es gnädig aufnehmen, mit deinem Opfer vereinigen und zur Förderung deines Reiches segnen mögest. Amen.

Zur Präfation und Sanktus.

Dank sei Gott für seine unaus - sprechliche Gabe. (II. Kor. 9, 15.)

Diese unaussprechliche Gabe bist Du sel - ber, o mein Heiland mit deinem heiligen Opfer, deiner himmlischen Lehre, dem Reich - tum deiner Gnaden und Verdienste. Ewiger Dank sei Dir, daß Du uns Unwürdige zu Kindern der katholischen Kirche berufen hast, daß Du uns zur Teilnahme an deinem Opfer und allen Gnadenmitteln so liebevoll einladest und es uns so leicht gemacht hast, mit denselben das Heil unserer Seele zu er - langen und zu sichern.

Seit in diesem Lande das erste Kreuz aufgerichtet, das erste Opfer dargebracht357 wurde, ist jedes geweihte Gotteshaus eine reichlich fließende Quelle lebendigen Wassers für alle heilsbedürftigen Seelen. Wie viel Gnade und Heil haben unsere frommen Vorväter in einer langen Reihe von Ge - schlechtern darin gefunden, und wie viel wird auch uns angeboten! O daß doch alle diese unaussprechliche Gabe recht hochschätzen und benützen möchten! Wir haben allen Grund, mit den Gesinnungen herzlicher Dankbarkeit zu wiederholen, was man schon vor tausend Jahren am Grabe des hl. Gallus gesungen hat:

Wahrhaftig billig und recht, würdig und heilsam ist es, Dir immer und überall Dank zu sagen, allmächtiger, ewiger Gott, und ins - besondere Dich zu bitten, daß Du uns die Gnade verleihest, der Lehre getreu zu folgen, die der hl. Gallus durch sein Wort verkündet und durch sein Leben erfüllt hat, damit wir durch sein Beispiel und seine Verdienste bei deiner Barmherzigkeit Hilfe erlangen mögen, durch Christus, unsern Herrn. Amen.

Vor der Wandlung.

Es wird kommen der Herr, mein Gott, und alle Heiligen mit Ihm. (Zach. 14, 5.)

358

Einst wirst Du, o Herr, mit deinen Hei - ligen herniedersteigen, den Lohn zu geben deinen Knechten, den Propheten und den Heiligen, und denen, die deinen Namen fürchten, den Kleinen und Großen und aus - zurotten die, welche die Erde verderbt haben. (Offenb. 11, 18.) Jetzt kommst Du auf unsere Altäre herab als das Lamm Gottes, welches hinwegnimmt die Sünden der Welt, und deine Heiligen begleiten Dich, um zu ersetzen, was an unserer Anbetung und an unserem Flehen mangelhaft ist.

O liebevoller Erlöser, der Du Dich neuer - dings für uns opfern willst, o ihr glücklichen Himmelsbewohner, die ihr in ungetrübter Sicherheit euch freuet und dem Herrn Lob singet, werfet einen Blick des Mitleids auf uns armselige Menschenkinder in diesem Jammerthale. Viele von uns seufzen in Armut, Krankheiten und anderem Elend, oder ringen mit dem Tode; auf Unzähligen lastet noch viel schlimmeres geistiges Elend, sie liegen gefangen in den Fesseln des Irr - tumes, des Lasters, ihrer eigenen Verblen - dung; viele, die jetzt noch fromm und un - schuldig sind, werden durch die Arglist der Welt und ihren eigenen Leichtsinn bald in359 das gleiche Elend hineingeraten. Wie viele, die deinen Namen tragen, sind lau, gleich - gültig und pflichtvergessen gegen Dich und ihr eigene Seele! Und jene, welche Dich nicht verlassen, wie schwach und unvollkom - men sind sie, wie selten sind die Liebe und der Opfergeist für deine heilige Sache, wie vieles wird versäumt, was für die Rettung der Seelen geschehen könnte und sollte!

In dem heiligen Opfer auf dem Altare wird die Heilquelle zur Heilung all unserer Uebel geöffnet, aber gerade diese Uebel machen uns des dargebotenen Heiles un - würdig. Darum wenden wir uns an euch, ihr Seligen des Himmels, die ihr Freunde Christi und auch unsere Freunde seid. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns arme Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Absterbens. Heilige Engel, heiliger Joseph, ihr heiligen Landes - und Kirchenpatrone, ihr seligen Vorfahren, helfet uns den Herrn des Himmels verherrlichen, traget Ihm für uns unsere Bitten und Anliegen vor, damit wir durch euere Vermittlung an diesem Opfer würdig Teil nehmen, und damit durch das - selbe Gnade und Segen über uns kommen mögen. Amen.

360

Bei der Wandlung.

Erwecke den Glauben, daß der Heiland das gleiche Opfer auf dem Altare erneuert, welches Er am Kreuze vollbracht hat. Opfere es mit Christus dem himm - lischen Vater auf zur Anbetung, zur Danksagung, zur Genugthuung und als Bittopfer. Erwecke ein leben - diges Verlangen, daß die unendlichen Gnaden dieses heiligen Opfers dir und allen Menschen zu gute kom - men mögen.

Nach der Wandlung.

Versetze dich im Geiste auf den Kalvarienberg und betrachte die Personen, welche mit heiligen und heil - samen Gesinnungen Zeugen vom Leiden und Tode des Heilandes waren. Sie sind Vorbilder für unser Ver - halten bei der unblutigen Erneuerung des Kreuzopfers und zugleich Stellvertreter der Menschenklassen, deren wir in der heiligen Messe gedenken sollen. Sie werden hier angeführt, nicht damit du dich mit allen in einer Messe, sondern unter Berücksichtigung der besonderen Anliegen und Bedürfnisse abwechselnd beschäftigest. Darum lies und beherzige bei jeder heiligen Messe nur einen oder zwei der nachfolgenden Punkte.

1. Der heidnische Hauptmann ist bei dem Tode des Heilandes gläubig geworden und rief aus: Wahrlich, dieser Mensch war Gottes Sohn. (Matth. 27, 54.) Er gelangte zum Glauben, wo die Pharisäer, die doch ungleich besser unterrichtet waren, nur verstockter wurden. Er ist beim Kreuze der Stellvertreter jener, die zwar irren, aber ohne ihr Verschulden und mit einem Herzen, das empfänglich ist für die Wahrheit. 361Solcher giebt es unter den Christen und Nichtchristen eine große Zahl, und diese empfehle nun im allgemei - nen oder einzelne unter ihnen besonders dem Herrn an und bitte, daß sie von der Barmherzigkeit Gottes kraft der Verdienste und des Opfers Jesu Christi durch äußere Belehrung und innere Erleuchtung, wie der Hauptmann, zur Erkenntnis der Wahrheit geführt wer - den. Bete dafür ein oder mehrere Vater unser, wie es die Zeit erlaubt.

2. Von den zwei Schächern stirbt der eine un - bußfertig, der andere bekehrt sich und wird gerettet. Bewundere die Barmherzigkeit Gottes und die wunder - baren Wege seiner Gnade, aber zittere auch bei dem Gedanken, wie der Mensch seinem Heile ganz nahe, doch durch seine eigene Schuld verloren gehen kann, und umgekehrt oft am Rande des Verderbens noch Ret - tung findet. Auch du kannst mithelfen, daß Sünder durch Gottes Barmherzigkeit auf den Weg des Heiles geführt werden und daß den Sterbenden die Gnade eines glückseligen Todes zu teil wird. Opfere das Lei - den und das Blut des Erlösers auf zum Heile der jetzt Sterbenden und der geistig Toten, der Sünder, damit beide das ewige Leben erlangen. Bete dafür ein oder mehrere Vater unser.

3. Den Fuß des Kreuzes umfaßt die Büßerin Magdalena. Obschon ihre Sünden schon vergeben sind, ist sie durchdrungen vom Schmerze der Liebesreue und von Dankbarkeit und Mitleiden gegen ihren Erlöser am Kreuze. Alle Christen sollten von diesen Gesin - nungen gegen den Heiland erfüllt sein. Aber auch unter den Gläubigen fehlt vielfach der Abscheu vor der Sünde, der wahre Bußgeist, die Liebe und Dankbarkeit gegen den Heiland. Sie wollen nur der Hölle entrinnen und sorgen auch dafür noch nachlässig genug. Darum ist auch ihr Gebet so lau, ihr Leben so fehlerhaft, ihre362 Reue so kalt, ihre Besserung so selten, ihr Heil so ge - fährdet. Bringe dem Herrn das Opfer auf dem Altare dar, um bußfertige Gesinnungen und dankbare Liebe gegen Christus für dich und alle Mitchristen zu erlangen. Bete dafür wie oben.

4. Die Gerechten in der Vorhölle warteten mit Sehnsucht auf die Vollendung des Opfers auf dem Kalvarienberge, und sobald es vollbracht war, stieg der Erlöser zu ihnen herab, um ihnen die Erlösung anzukünden. Auch jetzt warten die armen Seelen mit großem Verlangen darauf, ob ihnen jemand von dem Opfer auf dem Altare Trost und Erquickung zuwenden wolle. Mit ein wenig Liebe kannst du ihnen viel Hilfe bringen, die sie dir im Himmel reichlich wieder vergelten werden. Opfere die heilige Messe für sie als Opfer der Genugthuung auf, besonders für jene, welchen du zu helfen schuldig bist, und bete wie oben.

5. Der heilige Johannes ist der einzige unter den Aposteln, der es wagte, seinen göttlichen Meister auf den Kalvarienberg zu begleiten und Zeuge seines Todes zu sein. Es war seine Liebe, die ihm diesen Mut verlieh: diese Liebe wurde in ihm so stark und mutig, als er beim letzten Abendmahle an der Brust des Herrn ruhte, unter dem Kreuze hat sie neue Stär - kung gefunden, und so ist er der Apostel der Liebe ge - worden.

Altar und Kreuz sind die Stätten, wo die Flamme der heiligen Liebe, der Liebe zu Christus und zu den unsterblichen Seelen entflammt werden muß. Würden alle, die noch Glauben haben, dort von Liebe und Seeleneifer sich entflammen lassen, die Welt würde bald anders und besser werden. Bitte den Herrn durch den heiligen Johannes, durch alle seine Nachahmer im Eifer der Liebe, durch das Opfer auf dem Altare, er möge363 in dir und allen Mitchristen die Liebe Christi und den Eifer der Seelen entflammen, damit alle mit Freuden die Opfer bringen, welche die Ehre Gottes und das Heil der Seelen erfordern. Bete dafür wie oben.

6. Die göttliche Mutter Maria hat bei dem Leiden ihres Sohnes am schmerzlichsten mitgelitten und ist so die schmerzhafte Mutter, aber zugleich auch unsere Mutter geworden.

Bitten wir sie zunächst für uns selber um einen Funken ihrer liebe zu ihrem göttlichen Sohne und zu ihren armseligen Kindern auf Erden.

Suchen wir durch ihre milde Fürsprache bei ihrem Sohne für unsere Bitten und Anliegen Erhörung zu erlangen.

Empfehlen wir ihr insbesondere vertrauensvoll jene Anliegen und Personen, bei welchen die Hoffnung auf Rettung, menschlicher Weise angesehen sehr gering ist. Denn sie ist die Mutter der Barmherzigkeit, des Lebens Süßigkeit und unsere Hoffnung. Bete wie oben.

Zur Kommunion.

Du sendest deinen Geist, und sie werden geschaffen, und Du er - neuerst das Angesicht der Erde. (Ps. 103, 30.)

Göttlicher Heiland, Jesus Christus! Als Du bei der Himmelfahrt deine Apostel allein zurückließest, hast Du ihnen deinen heiligen Geist versprochen und gesendet. Die trost - reichen Augenblicke, in denen Du als unser Hoherpriester und als unser Opfer auf dem364 Altare weilest, nahen nun auch ihrem Ende, und wir bitten Dich recht inständig, daß Du den heiligen Geist, der Eins ist mit Dir und dem Vater, auch in unsere Herzen senden wollest.

Sende deinen Geist den Hirten und Dienern deiner Kirche, auf daß sie mit der Erleuchtung und dem Eifer der Apostel dein Wort verkünden, deine Gnade spen - den, deine Schafe führen und leiten, und daß so durch sie dein Reich auf Erden sich überall ausbreite und über alle Feinde triumphiere.

Sende deinen Geist den Eltern, damit sie ihre Kinder erziehen für die Erkenntnis und Liebe Gottes, für das ewige Leben im Himmel, damit so die jungen Christen die Gefahren ihres Heiles in dieser bösen Welt glücklich überwinden.

Sende deinen Geist aus und erleuchte und entflamme durch denselben recht viele Her - zen, daß sie nach ihren Kräften in den Ge - sinnungen freiwilliger Liebe dein Reich aus - breiten und das Heil der unsterblichen Seelen befördern.

Sende deinen Geist in die Herzen der christlichen Jugend, damit Er sie erhalte in365 deiner Wahrheit, sie erfülle mit Gottesfurcht und Frömmigkeit und ihr helfe, Welt, Fleisch und Satan zu besiegen.

Sende deinen Geist uns armen Sündern insgesamt, besonders allen Irrenden und Un - gläubigen. So viel Unordnung und Armse - ligkeit und Elend an uns armen Geschöpfen ist, sende deinen Geist aus, und die Herzen werden neu geschaffen, und das Angesicht der Erde wird erneuert werden.

Sende deinen Geist aus über alles Fleisch, damit am großen Auferstehungs - tage, wenn unsere Gebeine vom Geiste neu belebt werden, wir uns erheben als Tempel des heiligen Geistes, um Dich mit allen Heiligen anzuschauen und zu loben in Ewig - keit. Amen.

Zum Segen.

Der Herr segnet alle, die Ihn fürchten, Kleine und Große. Der Herr wird euch noch mehr segnen, euch und euere Kinder. Gesegnet seid ihr von dem Herrn, der Him - mel und Erde gemacht hat. (Ps. 113, 21. -23.)

Gieße, o Herr, durch die Hand des Priesters deinen Segen aus über uns und366 unsere Angehörigen, über die ganze Ge - meinde. Segne unsere guten Vorsätze und Absichten, segne die Anstrengungen und Mühen aller derer, welche an dem Heile der Seelen arbeiten. Dein Segen begleite uns alle diesen ganzen Tag, damit wir die Sünde meiden, mit gutem Erfolg arbeiten, an Tugenden und Verdiensten reicher werden, bis wir wieder vor Dir erscheinen, neuen und noch größeren Segens würdig wer - den. Mögen wir alle einst auch am Ge - richtstage zu den Gesegneten deines Vaters gezählt und in den Himmel aufgenommen werden. Darum bitten wir Dich, darnach streben wir, darauf hoffen wir durch deine großen Verdienste und deine unendliche Barmherzigkeit.

Es segne uns der allmächtige Gott, der Vater und der Sohn und der heilige Geist. Amen.

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Bußandacht.

1. Vorbereitungsgebet.

Versetze dich in die Gegenwart Gottes, erwecke den Glauben an Gericht und Ewigkeit, erin - nere dich im allgemeinen an deine Sünden - schuld, an die Barmherzigkeit Gottes, die sich im heiligen Bußsakrament offenbart, an dein Bedürfnis nach der Gnade des heiligen Geistes und bete dann demütig und vertrauensvoll:

O barmherziger Gott, ich sage Dir Dank aus dem Grunde meines Herzens, daß Du mich nicht wegen meiner großen Nachlässig - keit in noch größere Sünden hast fallen lassen, und mich in diesem elenden Zu - stande meiner Seele nicht aus diesem Le - ben abgerufen hast; wenn ich auch bisher sehr undankbar gegen Dich war, nehme ich mir nunmehr fest vor, eingedenk deiner vie - len und großen Wohlthaten Dich zu loben und zu preisen und Dir treu zu dienen.

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Erleuchte mich, o Herr, der Du alle meine Wege kennst, und meine Fußtritte beobachtest. Komme, o wahres Licht, vertreibe die Finster - nis aus meinem Herzen, damit ich erkenne, was Dir an mir mißfällig ist, und alle meine Sünden mit zerknirschtem Herzen beweine, recht beichte, und mich ernstlich bessern möge.

Nimm mein Bekenntnis gnädig auf, und sei mir gnädig, gütigster Herr Jesu Christe, den ich Sünder nicht einmal zu nennen wür - dig bin, da ich Dich so schwer und oft be - leidiget habe durch meine Schuld, meine Schuld, meine größte Schuld. Ich werfe mich flehentlich vor Dir nieder, o unendliche Güte, ganz verwirrt und beschämt und wage nicht mein Angesicht zu Dir zu erheben, denn meiner Sünden sind viele geworden und liegen auf meiner Seele als eine drückende Last. Aber Du, barmherzigster Jesu, sei mir armen Sünder gnädig. Züchtige mich nicht in deinem Grimm, o Herr, und verwirf mich nicht vor deinem Angesicht, o guter Jesu, der Du gesagt hast: Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe. Nimm mich wieder auf, da ich Buße thue und reumütig zu Dir zurückkehre. Du bist mein Erlöser, Du mein Gott, und369 ich dein Diener, wenn auch bisher ein böser, ein unwürdiger und sündhafter. Aber ver - schone mich, o guter Jesu, der Du am Kreuze gestorben bist, um die Sünder selig zu ma - chen. Wohin soll ich fliehen, außer zu Dir, meine Hoffnung und mein Heil? Wenn Du mich verstoßest, wer wird mich aufnehmen, welchen Helfer kann ich noch aufsuchen? Erbarme Dich meiner, gütigster Herr, und ver - schmähe nicht das zerknirschte und gedemü - tigte Herz deines Dieners. Verleihe mir eine wahre und vollkommene Reue über meine Sünden, daß ich sie mit tiefem See - lenschmerz verabscheue. Sende, barmherzig - ster Gott, um der Verdienste der unbefleckten Jungfrau Maria und aller Heiligen willen, dein Licht in meine Seele, daß es mir alle Fehler offenbare, welche ich bereuen und beichten soll. Stehe mir bei mit deiner Gnade, daß ich sie vollständig, demütig und mit wahrem Reueschmerz dem Priester, deinem Stellvertreter, anzeige, und eine vollkommene Vergebung aller Sünden von deiner unend - lichen Güte erlangen möge.

O mildeste Jungfrau, liebenswürdigste Mutter Jesu Christi, meines Erlösers, habe Mitleid mit mir, und bitte für mich bei Jesus,370 deinem Sohne, meinem Herrn. Erbitte mir Verzeihung der Sünden, Besserung des Le - bens, die Rettung meiner Seele.

Auch euch flehe ich darum an, heiliger Schutzengel, ihr heiligen Patrone, ihr Vorbil - der in der wahren Buße, heiliger Petrus, hei - lige Magdalena, alle Heiligen Gottes ins - gesamt. Bittet für mich armen Sünder, der ich jetzt Buße thun, meine Sünden bekennen und mich bessern will.

Erlaubt es die Zeit, so bete noch einige Vater unser mit Rücksicht auf jene Fehler, die besonders schwer auf deinem Gewissen lasten, oder welche du zunächst bereuen und bessern sollst.

2. Gewissenserforschung.

Personen, welche täglich das Gewissen erforschen und öfters beichten, brauchen für die Vorbereitung zur Beicht keinen sogenannten Beichtspiegel. Die Erforschung wird ihnen viel weniger Mühe machen, als Reue und Vorsatz. Ueberhaupt sollte jeder wohlunterrichtete Christ sich auf die schweren Sünden leicht besinnen können. Aber viele lassen sich auch bei der heiligsten Handlung und in Sachen ihres eigenen Seelenheiles von der Lauheit und dem Leichtsinn so sehr beherrschen, daß leider eine Unzahl von schweren Sünden nicht recht oder gar nicht erforscht und infolgedessen auch nicht gebeichtet wird. Für solche, die seltener beichten, ist es darum ratsam, dann und wann nachfolgenden Beicht - spiegel zu durchgehen. Bei der Unterscheidung zwischen läßlichen und Todsünden kommt vieles auf die jedes -371 maligen Umstände an. Die Sünden, welche in der Regel als schwere anzusehen sind, oder die oft vor - kommen, und welche doch nicht selten übersehen werden, sind durch größeren Druck unterschieden.

Gegen das erste Gebot Gottes.

Hast du dein Morgen -, Abend - und Tisch - gebet unandächtig verrichtet? oder unter - lassen? warum? wie oft ungefähr?

Hast du bei dem Empfange der heiligen Sakramente nie mit Wis - sen und Willen Fehler begangen?

Hast du Glaubenszweifel frei - willig unterhalten? über welche Leh - ren? oder versäumt dir Belehrung zu ver - schaffen? Hast du glaubenswidrige Schriften und Blätter gelesen? andern zum Lesen gegeben? auch jungen Leuten? Hast du solche Gesellschaf - ten besucht? solche Unterhaltungen frei - willig angehört, selbst dabei mitgeholfen?

Hast du abergläubischen Dingen, Wahr - sagen u. dgl. Glauben geschenkt? andere dazu veranlaßt?

Gegen das zweite Gebot Gottes.

Hast du heilige Namen unehrerbietig oder unnütz ausgesprochen? dieselben372 aus Zorn und Ungeduld zum Flu - chen mißbraucht? ist das eine Gewohn - heitssünde?

Hast du unnütz oder falsch ge - schworen? in welcher Absicht?

Hast du bei widrigen Ereignis - sen wider Gott gemurrt? Hast du über heilige Dinge gespottet? die Uebungen der Frömmigkeit lächer - lich gemacht?

Hast du Gott etwas versprochen und es nicht gehalten?

Gegen das dritte Gebot Gottes und das erste und zweite Kirchen - gebot.

Hast du an Sonn - und Feierta - gen ohne Not und rechtmäßige Erlaubnis gearbeitet? auch an - dere arbeiten lassen? Wie oft?

Hast du an diesen Tagen aus ei - gener Schuld die heilige Messe nicht angehört? andere ohne Not daran gehindert? sie mutwillig zum Weg - bleiben verleitet? Wie oft? hast du die Predigt und Christenlehre fleißig angehört? Auch die Untergebenen dazu angehalten?

373

Wie hast du dich in der Kirche betragen?

Wie hast du die übrige Zeit an Sonn - und Feiertagen zugebracht?

Gegen das vierte Gebot Gottes.

Bist du als Kind gegen die El - tern ungehorsam und trotzig gewesen?

Hast du sie verspottet, Böses über sie ausgesagt, sie schwer beleidiget, ihnen den Tod gewünscht?

Hast du sie im Alter unehrerbietig behan - delt, ihre Ermahnungen verachtet, sie in der Not nicht unterstützt?

Hast du als Dienstbote oder Arbei - ter deine Pflichten gegen die Herrschaften gewissenhaft erfüllt?

Wie hast du dich gegen ältere Leute be - nommen?

Hast du dich gegen geistliche oder welt - liche Obern durch Ungehorsam oder Unehr - erbietigkeit verfehlt?

Wie hast du als Vater oder Mut - ter deine Pflichten erfüllt?

Hast du nie notwendige Mahnungen und Strafen versäumt? nie die Kinder durch374 Worte oder Handlungen geärgert? führst du die notwendige Aufsicht über Kinder und Dienstboten in Bezug auf den Kirchenbesuch, ihren Wandel im Hause und außer dem Hause, bei Tag und bei Nacht?

Hast du Zurechtweisungen und Mahnun - gen gegeben, wie es deine Pflicht war?

Gegen das fünfte Gebot Gottes.

Hast du Haß gegen andere ge - tragen? die Aussöhnung verweigert? in dieser Stimmung die heiligen Sakramente empfangen?

Hast du andern den Tod, oder sonst etwas Uebles gewünscht? dich über ihr Unglück gefreut, sie um ihr Glück beneidet?

Hast du Streit und Zank gestiftet? im Hader mit andern gelebt?

Hast du Dienstboten u. s. w. hart und roh behandelt? Jemand am Leibe geschädiget?

Bist du gegen Arme und Notleidende hartherzig gewesen?

Hast du jemand Aergernis ge - geben? durch was? in welcher Sünde? auch Kindern?

375

Hast du jemand zur Sünde verleitet? zu welcher? oder dich sonst fremder Sünden schuldig gemacht?

Gegen das sechste und neunte Gebot Gottes.

Hast du dich versündiget durch frei - willige sündhafte Gedanken, Begierden, Blicke und wie oft? wie oft durch Re - den, Lieder, unschickliche Kleidung und Possen? Wie viele wurden dadurch geärgert?

Hast du gefährliche Bücher gelesen? Hast du Vergnügen aufgesucht (Tanz, Theater u. dgl. ), die deiner Seele schadeten?

Hast du in Werken gegen dieses Ge - bot gefehlt? wie oft ist dieses geschehen? Kennst du die Umstände, die angezeigt wer - den müssen? Sind Aergernisse, häuslicher Un - friede, zeitlicher Schaden und andere Nach - teile aus der Sünde erwachsen, welche du zu verantworten hast?

Gegen das siebente und zehnte Gebot Gottes.

Hast du dem Nächsten etwas genommen, oder zu Grunde gerichtet, Gefundenes nicht376 zurückgegeben? Hast du dir Betrügereien, Fälschungen, Unredlichkeiten, Verun - treuungen erlaubt? Bis zu welchem Be - trage? Hast du leichtsinnig Schulden ge - macht oder solche nicht nach Verabredung bezahlt?

Hast du durch Trunk und Spiel, Luxus und Kleiderpracht dich und die Deinigen in Not gebracht, oder Dritt - leute geschädiget? Hast du bei unredlichen Handlungen andere unterstützt, oder sie gar dazu aufgemuntert und angeleitet? Hast du Arbeitern und Dienstboten den Lohn vorenthalten, Witwen und Wai - sen ungerecht ausgebeutet, von Armen Wu - cherzinsen gefordert? Hast du dein Ver - mögen unredlich versteuert? Hast du noch alte Ungerechtigkeiten gut zu machen? Hast du den Willen und freiwillige Begierden unterhalten, eine dieser Ungerechtigkeiten zu begehen? Hast du anderen ihre zeitlichen Güter mißgönnt?

Gegen das achte Gebot Gottes.

Hast du gelogen aus Scherz, aus Not, zum Schaden des Nächsten? Hast du fremde Fehler bekannt gemacht? Hast du377 Verleumdungen über andere ausge - streut? Hast du damit den Nächsten an der Ehre oder zugleich am Verdienste oder Ge - werbe geschädiget? Hast du nie geschwie - gen, wo du etwas den Eltern oder Vor - gesetzten anzuzeigen schuldig warst? Hast du durch Ohrenblasen Haß und Unfrieden gestiftet? Hast du falsches Zeugnis gegeben und was hatte es für Folgen? Hast du andere beschimpft? Was bist du in Be - zug auf alle diese Sünden dem Nächsten für Genugthuung schuldig? Hast du dich verfehlt durch falschen Argwohn und freventliches Urteil?

Gegen die Kirchengebote.

Hast du an verbotenen Tagen Fleisch gegessen? Thatest du dieses aus Gleich - gültigkeit oder Menschenfurcht? Hast du eine kirchlich verbotene Ehe eingegangen? Hast du kirchliche Hindernisse verheimlicht oder unter unrichtigen Vorgaben Dispense nachgesucht?

Obschon in vorstehendem die meisten Sünden enthalten sind, so erforsche dich doch noch über die sieben Hauptsünden, die Hoffart, den Geiz, die Unkeuschheit, den378 Neid, die Unmäßigkeit, den Zorn und die Trägheit, besonders über jene unter ihnen, zu der du am meisten versucht wirst.

Ebenso erforsche dich über deine beson - dern Standespflichten im ledigen oder Ehestande, als Hausvater oder Haus - mutter, Beamter, Geschäftsmann, Handwer - ker, Dienstbote, Arbeiter.

3. Reue und Leid.

Suche zuerst die Gesinnungen der Reue in dir zu erwecken, bevor du die Reue in Worten aussprichst. Beherzige auf der einen Seite die Liebe und Liebens - würdigkeit deines Gottes, die Wohlthaten der Erschaf - fung, Erlösung und Heiligung, das Glück der Gerech - ten hier und im Jenseits; auf der anderen Seite be - trachte die Abscheulichkeit, die Bosheit und den Undank, die in der Sünde liegen, das Elend und die schreckliche Gefahr des Verweilens in der Sünde, den Ernst der letzten Dinge.

Wenn dann Schmerz und Beschämung und heilsame Furcht deine Seele ergreifen, so erwecke in dir das Vertrauen auf Gottes Erbarmen und die Verdienste Jesu Christi und fasse einen kräftigen Vorsatz, dein Leben zu bessern. Nimm dir je nach der Beschaffen - heit deiner Sünden den büßenden Petrus, den verlor - nen Sohn, Magdalena oder den reumütigen Schächer zum Vorbilde, und erst wenn du wirklichen Reueschmerz und den ernstlichen Willen der Besserung im Herzen gefaßt hast, sprich dies mit folgenden Worten aus:

379

Allmächtiger, barmherziger Gott, zu Dir komme ich, wie der verlorne Sohn und sage: Vater, ich habe gesündigt und bin nicht mehr wert, dein Kind zu heißen. Alle meine Sün - den sind mir von Herzen leid:

weil sie so abscheulich sind und Dir so sehr mißfallen,

weil ich dafür viele Strafen verdient habe, besonders aber,

weil ich Dich, den höchsten Herrn Him - mels und der Erde, meinen besten Vater und größten Wohlthäter dadurch beleidiget habe,

weil ich durch meine Sünden auch schuld gewesen bin an dem bitteren Leiden und Sterben deines eingebornen Sohnes, unseres Herrn Jesu Christi.

Gütigster Vater, Du willst nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe. So erbarme Dich meiner nach deiner großen Barmherzigkeit, und nach der Menge deiner Erbarmungen tilge aus meine Missethaten. Um des Blutes Jesu Christi willen sei mir armen Sünder gnädig und barmherzig und gieb mir die Gnade, mein Leben zu bessern und Dich nicht mehr zu beleidigen.

380

Die Zeit bis zur Beicht benutze zum Gebete um wahren Bußgeist und Lebensbesserung, zur Betrachtung der letzten Dinge, zur Auffindung der Mittel für die Ausführung deiner Vorsätze.

4. Nach der Beicht.

O süßester Jesu! Ich danke Dir von ganzem Herzen für die große Barmherzig - keit, die Du mir jetzt erwiesen hast. Von nun an will ich Dir getreu und beharrlich dienen, stets nach deinen Geboten wandeln und lieber sterben, als Dich wieder verlassen. Gieb mir deine Gnade zur Erfüllung dieses meines Vorsatzes. Amen.

Mußt du bald kommunizieren, so bereite dich auf die heilige Kommunion vor. Sonst verrichte die auf - erlegte Buße, soweit dieses geschehen kann, und dann bete:

O gütigster Jesu! Segne meinen Ver - stand, damit alle bösen und unnützen Ge - danken aus demselben verbannt werden, und nur gute Gedanken, heilige Anmutungen und fromme Begierden in meinem Geiste Zu - gang finden.

Segne mein Herz, damit die göttliche Liebe und alle die heiligen Empfindungen, von welchen dein Herz durchdrungen war,381 auch mein Herz erfüllen und ganz durchdrin - gen mögen.

Segne meinen Willen, damit derselbe in allem mit dem deinigen übereinstimme und Welt, Fleisch und Satan siegreich widerstehen möge.

Segne meinen Leib und alle meine Sinne, damit sie gereiniget und geheiliget werden und in Zukunft Werkzeuge der Buße und guter Werke sein mögen. Amen.

Wenn es dir ernst ist, die bei der Beicht gemach - ten Vorsätze und Versprechungen zu halten, so mußt du 1) öfters diese Vorsätze erneuern (am Morgen) und dich über die Haltung derselben erforschen (am Abend), 2) fleißig und eifrig beten, daß Gott dir Licht und Kraft zur Besserung verleihe, 3) die Gelegenheiten mei - den, in denen du bisher gefallen bist, 4) dich in der Selbstverleugnung üben. Das Himmelreich leidet Ge - walt, und nur die Gewalt brauchen, reißen es an sich. (Matth. 11, 12.) Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. (Matth. 26, 41.) Niemand wird gekrönt, er habe denn gesetzmäßig gekämpft. (II. Tim. 2, 5.)

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Kommunionandacht.

Vorerinnerung.

Die heilige Kommunion ist die erhabenste und segensreichste Handlung des Christen, weil er da nicht bloß irgend eine besondere Gnade, sondern den Ursprung aller Gnaden, den göttlichen Er - löser selber in sein Herz aufnimmt.

Die Wirkungen der würdigen Kommunion sind vorzüglich folgende: 1. Vermehrung der heiligmachen - den Gnade, 2. Schwächung der bösen Neigungen und Kraft zum Wachstum im Guten, 3. Tilgung der läß - lichen Sünden und Bewahrung vor Todsünden, 4. das Unterpfand der künftigen Auferstehung und des ewigen Lebens. Jesus Christus selbst hat uns die Versicherung gegeben: Wahrlich, wahrlich sage Ich euch, wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht essen und sein Blut nicht trinken werdet, so werdet ihr das Leben nicht in euch haben. Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und Ich werde ihn am jüngsten Tage auferwecken. (Joh. 6, 54.)

Diese Gnaden werden dem zu teil, der die heilige Kommunion würdig empfängt. Die würdige Kom - munion erfordert eine rechte Vorbereitung sowohl dem Leibe als der Seele nach. In Bezug auf den383 Leib gehört dazu, daß man von Mitternacht an nüch - tern sei (außer in einer gefährlichen Krankheit), und daß man reinlich und anständig gekleidet in der Kirche erscheine.

Für die Seele besteht die erste Bedingung einer würdigen Kommunion in der Reinigkeit des Gewissens, d. h. darin, daß man von allen schweren Sün - den frei und somit im Stande der Gnade sei. Läß - liche Sünden machen die Kommunion nicht unwürdig, doch soll man sich auch so viel möglich von diesen reinigen, damit die Gnade im Herzen ungehinderter wirken kann. Wer aber wissentlich in einer Todsünde kommuniziert, begeht eine sehr schwere Sünde, einen erschrecklichen Gottesraub, wie Judas, und ißt sich das Gericht und die Verdammnis hinein. Der heilige Apostel Paulus hat darum die ernste Mahnung ge - geben: Der Mensch prüfe sich selbst, und so esse er von diesem Brote und trinke aus diesem Kelche. Denn wer unwürdig ißt und trinkt, der ißt und trinkt sich das Gericht, indem er den Leib des Herrn nicht unter - scheidet. (I. Kor. 11, 28.) Die unwürdige Kommunion ist das Unheilvollste und zugleich Thörichteste, was von einem Christen verschuldet werden kann. Da - rum sei gewissenhaft bei der vorausgehenden Beicht. Wenn du würdig beichtest, so kannst du auch würdig kommunizieren.

Zur Vorbereitung der Seele gehört weiter die An - dacht des Herzens, d. i. die Uebung des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe und der Begierde nach der Vereinigung mit Jesus Christus. Man bedient sich hiefür der sog. Kommuniongebete. Wer dazu fähig ist, soll suchen, diese Vorbereitung ohne Gebet - buch aus seinem Herzen zu machen. Wer sich eines Gebetbuches bedient, lese wenig, langsam, mit Ueber - legung. Besonders bei dieser heiligen Handlung gilt384 das Wort: Wenn ihr betet, so sollet ihr nicht viel reden. (Matth. 6, 7.) Für diesen Zweck können auch die vorausgehenden Andachten vor und bei der heiligen Messe und die unten folgende Besuchung des heiligsten Altarssakramentes benutzt werden.

Die Zeit nach der heiligen Kommunion ist die kostbarste im Leben des Christen, und soll darum wohl benutzt werden. Nach kurzer Erweckung des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe verwende man die Zeit für die Uebungen der Anbetung, Verdemüti - gung und Reue, der Danksagung und des Vertrauens, der Erneuerung der Vorsätze und der vertraulichen Bitte für sich und andere. Um diese so wertvollen Augenblicke recht gut benutzen zu können, sollte man sich schon vorher auf dieselben vorbereiten, namentlich in Bezug auf die Anliegen, welche man dem im Herzen gegenwärtigen Heilande vortragen will.

Den Tag der heiligen Kommunion suche man so viel möglich gesammelt und mit frommen Uebungen zu - zubringen.

Vor der heiligen Kommunion.

Glaube.

O Jesu, mein Erlöser! ich glaube festig - lich, daß Du in dem hochheiligen Sakramente des Altars wahrhaft und wesentlich gegen - wärtig bist mit Fleisch und Blut, mit Leib und Seele, mit Menschheit und Gottheit. Und wenn ich Dich schon darin mit meinen leiblichen Augen nicht sehen kann, so glaube385 ich es dennoch so kräftig, daß ich mit deiner Gnade darauf sterben wollte, denn, o ewige Wahrheit! Du hast es gesagt: das ist Mein Leib, das ist Mein Blut, und was Du ge - sagt hast, das bleibt ewig wahr.

Erlaubt es die Zeit, so kannst du den Glauben noch durch andere Uebungen erwecken: a. Betrachte ein Wort der heiligen Schrift über dieses heiligste Sakrament, wie du solche in diesem Buche bei den Vor - bereitungen auf die heilige Messe findest; b. danke Gott, daß Er dich zum wahren Glauben, insbeson - dere zum Glauben an dieses hl. Geheimnis berufen hat; c. erinnere dich an die Gefahren und Versuchun - gen, die diesen deinen Glauben bedrohen können; mache darauf hin deine Vorsätze, und bitte Gott um seinen Beistand; d. lege das Versprechen ab, immer nach diesem Glauben zu leben, besonders in der Hei - ligung des Sonntages, in der Teilnahme am Gottes - dienste, so oft du in der Kirche erscheinest. Füge noch ein und das andere Vater unser bei um einen wahren, festen und lebendigen Glauben.

Hoffnung.

Getreuester Heiland, freigebigster Gott, da Du Dich selbst ganz und gar mir geben willst, was soll ich von Dir nicht hoffen? Du kennst meine Schwachheiten und meine Bedürfnisse, Du kannst und willst mir hel - fen, Du hast es versprochen und ladest mich dazu ein. Gütigster Jesu! gestützt auf dein386 untrügliches Wort, komme ich mit der tröst - lichen Zuversicht, Du werdest mich Armen ohne Hilfe und Trost von Dir nicht ent - lassen, sondern meine Seele mit Gnaden stärken, sie so reich und schön machen, daß sie Dir gänzlich gefalle.

Uebe die Hoffnung noch besonders in folgenden Punkten:

a. Stelle dir die Liebe des göttlichen Hei - landes zu dir vor, die Verheißungen, die Er gegeben, die Einladung, die Er an dich richtet, und den Reich - tum von Gnaden in diesem heiligen Sakramente und gründe darauf deine Hoffnung; b. blicke auf deine verkehrten Neigungen und Schwachheiten und nahe dich Christus wie ein Kranker dem Arzte, ein Unglücklicher seinem Retter; c. erinnere dich, wie die Heiligen aller Jahrhunderte nach diesem Ge - heimnisse verlangt haben und was sie in demselben für Gnaden erlangt haben, und freue dich, daß die - selben auch dir angeboten werden; d. denke an deinen Hauptfehler, gegen welchen dir die Hilfe der Gnade am notwendigsten ist, und erwecke in Bezug auf diesen Hoffnung und Vertrauen; e. mache insbesondere den Vorsatz, auch sonst diese Hoffnung fleißig zu üben und in jeder Gefahr und Versuchung des täg - lichen Lebens dich sogleich voll Vertrauen an Christus zu wenden. Bete ein oder mehrere Vater unser um eine demütige, vertrauensvolle, sehnsüchtige Hoffnung.

Liebe und Begierde.

O Gott meines Herzens! Dich liebe ich über alles aus meiner ganzen Seele, aus387 meinem ganzen Gemüte und aus allen meinen Kräften, weil Du würdig bist über alles geliebt zu werden. Aus Antrieb dieser Liebe verlangt mein Herz sich mit Dir zu verei - nigen, und ganz dein eigen zu sein. Komme, liebreichster Jesu! nimm dasselbe vollkom - men ein. Mache damit, was Du willst, es ist nicht mehr mein, sondern dein. Ja, in Dir allein soll es leben, Dich allein soll es lieben und loben in Ewigkeit. Komm, o mein Jesu, komm!

Weitere Uebungen der Liebe: a. erinnere dich, wie Christus zur Rechten des Vaters von dem gan - zen Himmel verherrlicht wird, und doch dein armseliges Herz als Wohnung nicht verschmäht; b. überblicke die Wohlthaten, welche Er dir aus reiner, uneigennützi - ger Liebe zukommen ließ, und übe Akte der Dankbar - keit und Gegenliebe; c. erinnere dich an deine Unehr - erbietigkeiten und deinen Undank gegen Christus, deine vielen Sünden und Ungerechtigkeiten, und erfülle dein Herz mit jener Beschämung und Reue, die von der wahren Liebe eingegeben werden; d. bringe Chri - stus als Opfer der Liebe deine guten Vorsätze, die kommenden Arbeiten und Leiden und auch einige frei - willige Werke der Selbstverleugnung dar. Bete einige Vater unser um eine innige, reumütige, opferwillige Liebe zu Christus.

Bei der heiligen Kommunion.

Vermeide auf der einen Seite sorgfältigst jede freiwillige Zerstreuung, und auf der andern ebenso388 jede Ueberanstrengung oder Erzwungenheit in der An - dacht. Suche vielmehr mit aller Ruhe gläubig daran zu denken, was Heiliges du vornimmst, und demütig, vertrauensvoll, mit kindlichem Sinn den Heiland zu erwarten und zu empfangen. Du mußt Ihm nichts entgegenbringen als ein reines und empfängliches Herz, das weitere ist dann Sache seiner Freigebigkeit. Bitte den heiligen Schutzengel, in diesen heiligen Augenblicken jede Zerstreuung und Versuchung von dir ferne zu halten. Beim Gange zur Kommunionbank, an dersel - ben und bei der Rückkehr betrachte die Worte, mit denen die heilige Kommunion gespendet wird: O Herr, (übe den Glauben und die Anbetung) ich bin nicht würdig, daß Du eingehest unter mein Dach (hier erwecke Reue und Demut), sondern sprich nur ein Wort, so wird gesund meine Seele, (erwecke Vertrauen und Sehnsucht).

Nach der heiligen Kommunion.

Betrachte, was oben vor der heiligen Kommunion empfohlen worden. Begrüße Jesum Christum nicht bloß mit dem Munde, sondern mit gerührtem Herzen ungefähr also:

O liebreichster Jesu! nun habe ich ge - funden, was ich gesucht habe, nämlich Dich, meinen einzigen Trost, meine einzige Hoff - nung, den einzigen Schatz meiner Seele. Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.

O mein Jesu! woher kommt mir dieses, daß Du, mein großer Gott, Dich würdigest, zu mir zu kommen!

389

O mein Jesu! ich bete Dich an, als mei - nen Herrn und Gott, als meinen Erlöser und Seligmacher.

O mein Jesu! ich sage Dir unendlichen Dank, daß Du Dich gewürdiget hast, bei mir einzukehren, und mich mit deinem Fleische und Blute zu speisen.

O mein Jesu! ich opfere Dir auf mei - nen Leib und meine Seele und alles, was ich habe und bin, zu deinem heiligen Dienste.

O mein Jesu! bleibe bei mir mit deiner Gnade, und stärke mich durch die Kraft dieses heiligen Sakramentes jetzt und in der Stunde des Todes.

O heiliges Gastmahl, in welchem wir Christus empfangen und das Andenken sei - nes Leidens feiern. Das Herz wird darin mit Gnade erfüllt, und uns gegeben das Unterpfand der künftigen Herrlichkeit.

Bete Jesum Christum in dir an, danke Ihm, er - wecke den Glauben, die Hoffnung und die Liebe, opfere Ihm dich und all das deinige auf, erneuere deine Vor - sätze, trage Ihm deine Anliegen und Bitten für dich und andere vertraulich vor. Thue das bloß innerlich oder im folgenden und ähnlichen Gebeten.

Sieben Worte zum göttlichen Heilande.

1. Ich weiß, o Herr Jesu Christe, daß ich ein großer Sünder bin. Ich würde ver -390 zagen, wenn ich nicht schon lange wüßte, wie barmherzig Du alle Sünder aufnimmst, und auch mich nicht zurückweisest. Ich danke Dir für deine übergroße Huld.

2. Ich bin jetzt im Frieden mit meinem Nächsten. Ich will alle Beleidigungen ver - gessen, da Du mir meine viel größere Schuld so gnädig verziehen hast. Ich preise von Herzensgrund deine Liebe und Güte.

3. Ich betrachte dein Leiden am Kreuze für mich armen Sünder, deine Herrlichkeit im Himmel und daneben deine armselige Wohnung in meinem Herzen. Ich werde ganz beschämt wegen deiner Herablassung und meiner Armseligkeit, aber auch ganz selig, wegen meines unverdienten Glückes, das mir in der Vereinigung mit Dir zu teil ge - worden ist.

4. Ich werfe mich ehrfurchtsvoll nieder vor deiner Majestät und bete Dich an mit aller Demut und Ehrerbietigkeit, deren ich fähig bin. Ich vereinige meine armselige Huldigung mit den Lobpreisungen der himm - lischen Heerscharen.

5. Ich will, o Herr Jesu Christe, mit deiner Gnade mein Leben bessern und nach deinem Wort und Beispiel einrichten. Gieb391 mir die Liebe zu Dir, erhalte und vermehre sie in mir, und ich bin reich und glücklich genug.

Hier erneuere deine Vorsätze und bitte den Heiland um seine Gnade.

6. O Herr Jesu Christe! Du Stärke der Schwachen, Du Helfer der Armen und Elenden, Du kennst meine Anliegen und Bedürfnisse besser als ich selber. Sei Du in denselben meine Hilfe und mein Trost.

Hier trage dem Heilande deine Bitten und An - liegen vor.

7. Du hast Dich, o Herr Jesu Christe, mir ganz und gar geschenkt. Ich schenke Dir dafür mein Herz, meine Seele mit allen ihren Kräften, mein Leben mit allen Arbeiten, Leiden und Ueberwindungen. Es ist das nur eine armselige Gegengabe, aber es ist alles, was ich habe. Heilige es und weihe es durch die Vereinigung mit deinen unendlichen Ver - diensten.

Hier bringe Christus alle deine guten Werke, Leiden und Ueberwindungen als Opfer dar.

Gebet des heiligen Ignatius.

Seele Christi, heilige mich.
Leib Christi, mache selig mich.
Blut Christi, tränke mich.
392Wasser der Seite Christi, wasche mich.
Leiden Christi, stärke mich.
O gütiger Jesu, erhöre mich.
In deine Wunden verberge mich.
Von Dir laß nimmer scheiden mich.
Vor dem bösen Feind beschirme mich.
In meiner Todesstunde rufe mich,
Zu Dir zu kommen heiße mich,
Mit deinen Heiligen zu loben Dich
In deinem Reiche ewiglich. Amen.

1) Jedesmal 300 Tage Ablaß. 2) 7 Jahre Ablaß einmal täglich für alle Gläubigen, welche es nach Empfang der heiligen Kommunion beten. 3) Voll - kommener Ablaß einmal im Monat an einem be - liebigen Tage, wenn einen Monat lang täglich wenig - stens einmal gebetet. Bedingungen: Beicht, Kommu - nion, Kirchenbesuch, Gebet nach Meinung des Papstes. Pius IX., 9. Januar 1854.

Besonderer Segen nach der Kommunion für Hausväter.

Du hast, o Jesu, alle Wohnungen, in welche Du während deines irdischen Lebens einkehrtest, mit einer besonderen Gnade be - glückt; heute bist Du auch bei mir einge - kehrt; ich besitze Dich nun, und werde Dich nicht entlassen, bis Du mich gesegnet hast. Oeffne deshalb deine segensreiche Hand,393 und erfülle meine arme Seele, und die mir anvertraute Wohnung mit deinen himm - lischen Gaben. Vertreibe aus meinem Hause allen Zorn und Hader, alles Mißtrauen und allen Unfrieden; wende gnädig alles Uebel ab, das uns an Leib oder Seele schaden könnte.

O freigebigster Jesu! Laß meinem Hause durch deine Gegenwart Heil widerfahren, und teile deine Gnaden ebenso reichlich mit, wie Du sie in dem Hause des Zachäus, des Matthäus, der Martha und bei der Hochzeit zu Kana mitgeteilt hast. Dir übergebe ich gänzlich mich und die Meinigen; schalte und walte, herrsche und regiere über alles nach deinem Wohlgefallen. Gieb uns die täg - liche Nahrung, gieb Frieden und Eintracht, gieb Geduld in Widerwärtigkeiten, Bestän - digkeit in deinem Dienste und in deiner Gnade; gieb mir Eifer und Wachsamkeit in der Sorge für die Meinigen, bewahre sie vor Aergernis und Verführung, laß alle wachsen in der Gottesfurcht und Tugend, gieb uns endlich, daß wir nach einem wohl - vorbereiteten Tode in die Wohnungen der Auserwählten und zu deiner glückseligen Anschauung gelangen mögen. Amen.

394

Ablaßgebete.

Durch die Freigebigkeit der Kirche ist es möglich gemacht, fast bei jeder heiligen Kommunion unter irgend einen, Titel einen vollkommenen Ablaß zu gewinnen. Die christliche Liebe zu sich selber und zu den armen Seelen erlaubt dem Christen nicht, diese Gelegenheit unbenutzt zu lassen. Darum folgen hier noch Ablaßge - bete, welche nebst Erfüllung der übrigen Bedingungen in der Regel für Erlangung eines vollkommenen Ab - lasses gefordert werden.

1. O Gott! Du höchster Hirt und Vater der Gläubigen! der Du durch deinen Geist den ganzen Leib deiner Kirche leitest und heiligest, und durch Jesum Christum die Herr - lichkeit deines Namens allen Völkern kund gemacht hast, erhalte und befördere das Werk deiner Erbarmung, damit deine Kirche wachse in allem Guten, und sich ausbreite über die ganze Erde, und in dem Bekenntnisse deines Namens standhaft verharre.

Vater unser. Ave Maria.

2. Höchster und ewiger Hirt Jesus Chri - stus, wir empfehlen Dir unsern Heiligen Vater, den Papst N. N., deinen Stellver - treter auf Erden. Erhöre seine Gebete und erfülle seine Wünsche, die deine Ehre und das Beste der Kirche bezwecken. Leite, er -395 leuchte, stärke, verteidige und unterstütze ihn, damit er der Kirche jederzeit würdig vor - stehe.

Vater unser. Ave Maria.

3. O Gott, der Du den Frieden giebst und die Einigkeit liebst, verleihe allen christ - lichen Regenten und Obrigkeiten, deinen Dienern, vollkommene Eintracht im Guten, entferne alle Kriege, Unruhen und Zwistig - keiten, damit deine Gläubigen in voller Freiheit des Glaubens und im Frieden Dir dienen mögen.

Vater unser. Ave Maria.

4. Allmächtiger, ewiger Gott! der Du alle Seelen zur Seligkeit berufest, und nicht willst, daß eine verloren gehe, siehe gnädig herab auf die Seelen, welche noch in den Banden der Unwissenheit und des Irrtums gefangen sind. Verleihe den Christen, daß sie alle Spaltungen aufheben, alle Irrtümer ablegen, zur Einheit in deiner Wahrheit zurückkehren, und durch treue Befolgung dei - ner Gebote das ewige Leben erlangen.

Vater unser. Ave Maria.

5. Allmächtiger, ewiger Gott! erzeige Dich gnädig und barmherzig gegen dein ganzes christliches Volk; bekehre die Sünder,396 stärke die Angefochtenen, tröste die Betrüb - ten, erhalte die Gerechten und Frommen, erbarme Dich der Elenden und Notleiden - den, damit sie alle durch deine Gnade erleuch - tet, geheiliget, gestärkt und getröstet werden und zur ewigen Seligkeit gelangen mögen.

Vater unser. Ave Maria. Glaube.

Aufopferung.

O Gott der Erbarmungen! nimm auf unser Gebet, das wir nach unseren schwachen Kräften zur Erlangung des Ablasses ver - richtet haben. Laß uns durch deine unend - liche Güte desselben teilhaftig werden. Er - setze Du, was uns von den strengen Buß - übungen der ersten Christen abgeht, durch die unendlichen Verdienste deines Sohnes Jesu Christi und die Fürbitte der allerselig - sten Jungfrau Maria und aller Heiligen. Laß uns künftig von der Last der Sünde befreit, Dir treu dienen und in deiner Gnade bis ans Ende standhaft verharren, durch Je - sum Christum, unsern Herrn. Amen.

Vor dem Bilde des Gekreuzigten.

Siehe, o mein geliebter und gütiger Je - sus, in deiner heiligsten Gegenwart werfe397 ich mich nieder und bitte Dich mit lebendig - stem Eifer: präge tief ein in mein Herz die Gefühle des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe, des Schmerzes über meine Sünden und des Vorsatzes, Dich nicht mehr zu be - leidigen; indem ich mit aller Liebe und allem Mitleid deine heiligen fünf Wunden betrachte, zunächst mir vor die Seele führend, was von Dir, o mein Jesus, der heilige Prophet David gesagt hat: Sie haben durchbohrt meine Hände und meine Füße; alle meine Gebeine haben sie gezählt. (Ps. 21, 17. 18.)

Vollkommener Ablaß, wenn man dieses Ge - bet vor irgend einem Bilde des Gekreuzig - ten andächtig verrichtet. Bedingungen: Beichte, Kom - munion, und eine Zeit lang frommes Gebet nach Mei - nung des Papstes. Pius IX., 31. Juli 1858.

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Verschiedene Andachten.

Zur heiligen Fastenzeit.

Stationenandacht.

V. und A. Ich arme elende Kreatur werfe mich nieder zur Erde, und in tiefster Demut bete ich Dich an als meinen Gott und Herrn. Ich glaube an Dich, o unfehlbare, ewige Wahrheit! ich hoffe auf Dich, o unermeßliche, hilfreiche Barmherzigkeit! ich liebe Dich aus dem Grunde meiner Seele über alles, o un - endliche, aller Liebe würdigste Gütigkeit! Und eben aus diesem Beweggründe reut es mich von ganzem Herzen, daß ich Dich, o höchstes Gut, jemals beleidiget habe. Von nun an will ich hassen und verabscheuen alle Sünden und jede böse Gelegenheit, da ich jetzt zu deiner größeren Ehre, zur Nachfolge Mariä, der schmerzhaften Mutter, wie auch jener Heiligen, welche Dich auf den Kalvarien -399 berg begleitet haben, den heiligen Kreuz - weg antrete und die dabei verliehenen Ablässe zu gewinnen gedenke, den ersten für mich selbst, die übrigen für jene Seelen im Fegfeuer, gegen welche ich die meiste Schuldigkeit habe.

Erste Station.

V. Jesus wird von Pilatus zum Tode des Kreuzes verurteilt.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, ganz unschuldig zum grausa - men Tode des Kreuzes verurteilt! aus Liebe zu Dir bereue und beweine ich meine Sünden. Sei mir ein gnädiger Richter und verurteile mich nicht zum ewigen Tode. Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines allerheiligsten Leidens!

Zweite Station.

V. Jesus nimmt das schwere Kreuz auf seine Schultern.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und benedeien Dich;

400

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, Du nimmst ganz geduldig das Kreuz auf Dich; aus Liebe zu Dir unterwerfe ich mich dem Kreuze und will es tragen nach deinem Willen. Stärke und tröste mich in allem Kreuz und aller Widerwärtigkeit. Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines aller - heiligsten Leidens!

Dritte Station.

V. Jesus fällt das erste Mal unter dem Kreuze.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, Du fällst mit dem schweren Kreuze; meine Sünden haben Dich niederge - drückt; ach! ich verabscheue nun alle. Erhalte mich, daß ich in keine schwere Sünde falle, son - dern in aller Demut Dir diene. Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines allerheiligsten Leidens!

401
Vierte Station.

V. Jesus begegnet seiner betrübten Mutter.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und benedeien Dich:

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, mit dem Kreuze beladen, begeg - nest Du deiner schmerzvollen Mutter; herzli - ches Mitleid trage ich gegen Dich mit Maria. Durch die Fürbitte dieser schmerzhaften Mutter gieb mir eine standhafte Liebe. Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines allerheiligsten Leidens!

Fünfte Station.

V. Simon von Cyrene hilft Jesu das Kreuz tragen.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, Simon hilft aus Zwang Dir das Kreuz tragen; mit Dir will ich ge - duldig leiden und nehme das Kreuz auf mich.

402

Ich hoffe auf deine Gnade, laß mich nicht unterliegen. Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines allerheiligsten Leidens!

Sechste Station.

V. Veronika reicht Jesu das Schweißtuch dar.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, dem Veronika den Schleier ihres Hauptes als ein Schweißtuch überreicht, dein blutiges Angesicht bewegt mein Herz zur Liebe und zum Mitleid. Drücke dein Leiden und deine Wunden tief in mein Herz. Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines allerheiligsten Leidens!

Siebente Station.

V. Jesus fällt das zweite Mal unter dem Kreuze.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und benedeien Dich;

403

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, Du fällst wieder mit dem Kreuze, und ich beweine wieder meine Sünden und ver - werfe die Last derselben. Gieb, daß ich dein süßes Joch beharrlich trage. Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines allerheiligsten Leidens!

Achte Station.

V. Jesus redet an die weinenden Töch - ter von Jerusalem.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, mit den Töchtern von Sion be - weine ich deine Schmerzen und meine Sünden; denn ich liebe Dich, o mein Heiland! Gieb mir wahre Reue und Leid und Verzeihung. Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines allerheiligsten Leidens!

404
Neunte Station.

V. Jesus fällt das dritte Mal unter dem schweren Kreuze.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, nach dem dritten Fall liegst Du auf der Erde; ich armer Sünder verde - mütige mich aufs tiefste vor deinem heiligen Angesichte; denn wegen meiner Sünden bin ich nicht würdig, Dich anzusehen. O Jesu, erbarme Dich meiner. Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines allerheiligsten Leidens!

Zehnte Station.

V. Jesus wird seiner Kleider beraubt.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, deiner Kleider beraubt und mit bitterem Tranke getränket! Deine Un -405 schuld und Reinigkeit verleiden mir alle Sün - den und Eitelkeit. Gieb mir das Kleid der Gnade und Ehrbarkeit, die Tugenden der Reinigkeit und Mäßigkeit. Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines allerheiligsten Leidens!

Elfte Station.

V. Jesus wird aufs schmerzlichste an das Kreuz genagelt.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, wie hart bist Du aus Kreuz genagelt! O Liebe, ich liebe Dich; o Schmerz meines Jesu, durchdringe mich! O Jesu, gieb, daß ich mein Fleisch kreuzige mit allen bösen Gelüsten. Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines allerheiligsten Leidens!

406
Zwölfte Station.

V. Jesus wird erhöht und stirbt am Kreuze.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, Du stirbst an dem Kreuze für mich. Ich glaube an Dich, ich hoffe auf Dich, ich liebe Dich, ich bete Dich an und danke Dir. O Jesu, gedenke meiner in deinem Reiche, und gieb mir ein glückseliges Ende. Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme Dich unser,

V. Und sei uns gnädig wegen deines allerheiligsten Leidens!

Dreizehnte Station.

V. Der Leichnam Jesu wird vom Kreuze abgenommen und in den Schoß Mariä gelegt.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, Du liegst im Schoße deiner be - trübten Mutter. Ich küsse mit ihr deine heiligen Wunden aus wahrer Liebe. Gieb,407 daß ich mit Dir bis in den Tod gehorsam werde. Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines allerheiligsten Leidens!

Vierzehnte Station.

V. Der Leichnam Jesu wird in das Grab gelegt.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast Du die ganze Welt erlöst

V. O Jesu, nach deinem Leiden und Sterben ins Grab gelegt! ich schenke Dir mein Herz. Reinige es und verbleibe in demselben durch deine Gnade und Liebe in Ewigkeit. Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines allerheiligsten Leidens!

Aufopferung.

V. u. A. O gütigster Jesu, nun sage ich Dir Dank für die große Barmherzigkeit, 408 welche Du mir in Verrichtung dieses Kreuz - weges verliehen hast. Ich opfere Dir den - selben auf, zur Verehrung deines bitteren Leidens und Sterbens, zur Verzeihung mei - ner begangenen Sünden und zur Nachlas - sung der wohlverdienten Strafen; zur Hilfe und zum Troste der armen Seelen in den Leiden des Fegfeuers. Endlich bitte ich Dich demütig, o Jesu, Du wollest alle meine Schritte und Tritte leiten auf dem Wege des ewigen Heiles, und so dein heiligstes Blut dein kostbares Leiden und Sterben an mei - ner armen Seele nicht lassen verloren gehen, sondern dieselbe in die ewige Freude und Seligkeit aufnehmen, wo Du mit dem Vater und dem heiligen Geiste lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Auslegung des Vater unser und des englischen Grußes.

Das Vater unser vereinigt alle Vorzüge eines Ge - betes in sich. Es ist heilig und ehrwürdig durch seinen Ursprung, einfach in seinen Worten und doch überaus erhaben nach seinem Inhalte, geweiht durch den from - men Gebrauch vieler Jahrhunderte, ein vorzügliches Mittel, sowohl gemeinsam mit andern zu beten, als jedes besondere Anliegen Gott vorzutragen. Darum wird es so allgemein gebraucht im Hause Gottes, im Familienkreise und im stillen Kämmerlein.

409

Wenn viele Christen dasselbe ohne Andacht her - sagen und so den Herrn bloß mit den Lippen preisen, so liegt der Grund nicht im Gebete und nicht in der öfteren Wiederholung desselben. Im Himmel ertönt ewig das Heilig, heilig, heilig, ohne daß diese Worte leer oder veraltet werden, weil sie einer ewig frischen Liebe und Begeisterung zum Ausdrucke dienen. Wer den Geist des Gebetes hat, wird niemals bloß Worte hersagen oder repetieren, sondern beten, auch wenn er dieselben Gebete öfters wiederholt.

Das andächtige Beten des Vater unser wird um vieles erleichtert, wenn man sich bemüht, betrachtend seinen Inhalt zu erfassen. Nachstehende Andacht soll als Hilfsmittel dienen, mit den Worten die entspre - chenden Gesinnungen zu verbinden, in allbekannte Gebetsformeln seine eigenen Anliegen und Bedürfnisse hineinzulegen, um so im Gebete aufrichtig und von Herzen mit Gott zu reden. Wer jeden Sonntag eine einzige Bitte betrachtend durchgeht, wird davon nicht geringen Gewinn haben.

Es ist sehr zu empfehlen, dann und wann das Ge - bet des Herrn langsam zu beten, und bei jeder Bitte etwas inne zu halten, um auch ohne Buch deren In - halt zu beherzigen.

Das Gesagte gilt auch von allen andern mündlichen Gebeten, besonders von dem englischen Gruße, der na - mentlich im heiligen Rosenkranz als geeignetes Mittel dient, die Geheimnisse der Erlösung zu betrachten.

Vater unser, der Du bist im Himmel.

Erwägungen: Sehet, spricht der hei - lige Johannes, welche Liebe uns der Vater erwiesen hat, daß wir Kinder Gottes heißen410 und sind. (I. Joh. 3, 1.) Der hl. Chrysostomus ruft aus: O welches Uebermaß der gött - lichen Menschenfreundlichkeit, und welche Fülle der Ehre für uns; erwäge und staune, Ge - liebter, über den unaussprechlichen Reichtum der Güte Gottes, indem Er uns gestattet, Ihn Vater zu nennen. Der Irdische darf den Himmlischen, der Sterbliche den Unsterblichen, der, welcher gestern noch Staub war, darf den Vater nennen, der von Ewigkeit her Gott ist.

Obschon Gott an allen Orten gegenwärtig ist, so will doch Jesus Christus, daß wir uns bei dem Gebete daran erinnern, daß Er im Himmel seine Herrlichkeit offenbart, dort von den Engeln und Heiligen ehrfurchtsvoll an - gebetet wird, und daß dort Jesus Christus als unser Mittler und Fürsprecher zu seiner Rech - ten sitzt.

Anmutung. O Herr des Himmels! mit heiliger Freude rede ich Dich als Vater an. In der Einfalt meines Herzens will ich Dir meine Ehrfurcht, Liebe und Dankbarkeit darbringen und Dir meine Sorgen und Leiden klagen. Ich habe ein großes Vertrauen auf den süßen Vaternamen, mit dem ich Dich anreden darf, auf deine unermeßliche Liebe und Güte, auf411 die Verdienste deines Sohnes, auf die Für - bitte der Engel und Heiligen. Würdige mich, mit meinen schwachen Seufzern miteinzustim - men in die reinen und unbefleckten Lobprei - sungen der seligen Himmelsbewohner.

Geheiliget werde dein Name.

Erwägungen: Der Name Gottes soll im Munde der Menschen dazu dienen, Gott zu loben und zu verherrlichen und Segen und Gnade von oben herabzuziehen. Wenn du wirklich Gott als deinen Vater liebst, so muß dir sein Name heilig sein, du mußt ihn ehr - furchtsvoll gebrauchen, mutvoll vor den Men - schen bekennen, in allem deinem Thun und Lassen seine Ehre zu fördern suchen. Du mußt wünschen, daß dieser Name von allen Men - schen erkannt und geheiliget werde, dich freuen über alles, was zu seiner Ehre geschieht, trauern über alle Gotteslästerungen und Beleidigungen Gottes. Wie vieles hast du in dieser Hinsicht dir selber vorzuwerfen? Wie vieles geschieht in der Welt gegen die Ehre des Allerhöch - sten? Bringe diese erste Bitte Gott jedesmal dar zur Sühnung dieser Sünden und zur Er - langung einer großen Ehrfurcht vor dem heili - gen Namen Gottes für dich und andere.

412

Anmutung. Mache, o Herr, daß wir Dich im Geiste und in der Wahrheit anbeten, daß wir deinen Namen, der furchtbar und heilig ist, bekennen vor den Menschen, daß alle Völ - ker Dich erkennen und kommen, vor Dir an - zubeten, daß alle Dich loben und verherrlichen in deinen Werken und deinen hl. Namen prei - sen, der lobwürdig und erhaben ist in Ewigkeit.

Zukomme uns dein Reich.

Erwägungen. Das Reich Gottes ist in uns, wenn wir an Christus und seine Lehre glauben, wenn wir frei von schweren Sünden im Stande der Gnade leben, wenn wir Gottes Gebote beobachten und Ihn lieben und ehren. Das Reich Gottes ist um uns in der Kirche Jesu Christi. Wir müssen uns freuen, Kinder dieses Reiches zu sein, und den Herrn bitten, daß Er alle unsterblichen Seelen dieses Glückes teilhaftig machen möge. Das Reich Gottes ist über uns in der ewigen Seligkeit, dem höch - sten Ziele unserer Hoffnung, wofür alles an - dere nur Vorbereitung ist. Bete diese Worte nie, ohne wenigstens in einer dieser drei Beziehun - gen an das Reich Gottes zu denken, und für dich oder andere um seine Förderung zu bitten.

Anmutung. Zukomme uns dein Reich,413 welches nicht von dieser Welt ist, welches ist Gerechtigkeit und Friede und Freude im hei - ligen Geiste. Führe alle Menschen zur Wahr - heit und Gerechtigkeit, welche ist in Jesus Christus, und erhalte und befestige sie darin. Hilf uns jetzt und allzeit, daß wir in diesem Lande der Verbannung nicht zu Grunde gehen, sondern jetzt in deiner Gnade leben und nach glücklich vollbrachter Pilgerschaft zu Dir in dein ewiges Reich gelangen mögen. Gieb uns Eifer und Kraft, damit wir keine Mühe und Anstrengung scheuen, um der Seligkeit des Himmels teilhaftig zu werden.

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden.

Erwägungen. Der Wille des Herrn soll geschehen: an uns. Wir sollen in Leiden den Glauben an das Walten der göttlichen Vor - sehung erwecken, durch welche alles zu unserm Besten angeordnet wird und mit Christus sa - gen: Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe. In diesem Vertrauen und dieser Ergebung liegt die tröstlichste Erquickung für das bekümmerte Herz. Der Wille Gottes soll geschehen durch uns, indem wir seine Ge - bote beobachten. Wer den Willen des Herrn414 erfüllt, der ist heilig und gerecht, schon glück - lich hienieden durch die Ruhe des Gewissens, und ewig selig in der anderen Welt. Nichts geht auf Erden über den Seelenfrieden des Gerechten. Wie viele Uebel würden aus der Welt verschwinden, wenn alle dem Herrn ge - horchten, wie die Bewohner des Himmels? Die Erde würde gewissermaßen zum Himmel werden, die Menschen würden Gott als ihren Vater ehren, und Er sie als seine geliebten Kinder segnen. Denke bei diesen Bitten an deine Leiden, deine Vorsätze, Versuchungen, erwecke die Gesinnungen der Ergebung, der Reue, des Gehorsams, der Treue und des Eifers für Gottes Ehre, und bitte um die hiezu notwendige Gnade für dich und andere.

Anmutung. Alle Wesen im Himmel und auf Erden gehorchen jedem Winke deines heiligen Willens. Nur wir armselige Men - schen nehmen uns heraus, zum eigenen Scha - den Dir zu widerstreben. Rotte in uns aus diesen bösen Willen und lehre uns deinen Wil - len thun, wie ihn die Engel im Himmel thun. Thue an mir und durch mich, o Herr, was wohlgefällig ist vor Dir, durch Jesum Christum, deinen lieben Sohn, welcher vom Himmel her - abgestiegen ist, um deinen Willen zu thun.

415

Gieb uns heute unser tägliches Brot.

Erwägungen. Leben und Gesundheit, Ehre und Glück, alles, was wir an Leib und Seele notwendig haben, kommt von der Hand des Herrn. Unsere Bemühungen haben nur dann Erfolg, wenn der Herr dazu Segen und Gedeihen giebt. Niemand auf Erden kann uns des morgigen Tages versichern, Gott aber will heute und morgen unser gütiger Vater sein. Erwecke oft den Glauben, daß du ohne Gott nichts vermagst, in jeder Lage aber auf seine Hilfe rechnen kannst, wenn du den altchristlichen Spruch befolgst, der da lautet: Bete und arbeite. Denke bei dieser Bitte an deine zeitlichen Sorgen und Bedürf - nisse; bedenke aber zugleich, daß nicht bloß dein Leib, sondern auch deine Seele der Speise be - dürftig ist.

Anmutung. Aller Augen hoffen auf Dich, o Herr, und Du giebst ihnen Speise zur rech - ten Zeit. Du öffnest deine Hand, und er - füllest alle Wesen mit Segen. Der Du die hungrigen Raben speisest, gieb mir und allen Menschen, was sie zum Leben nötig haben, Gesundheit, Speise und Trank, ein frohes Gemüt und ein großes Vertrauen auf Dich.

416

Speise mich auch mit dem Brote des Le - bens, und tränke mich mit den Wassern deiner Gnade. Gieb mir das wahre Himmelsbrot, dein Fleisch, welches wahrhaftig eine Speise, dein Blut, welches wahrhaft ein Trank ist, damit ich in der Kraft dieser Speise wandle bis zu deinem heiligen Berge, und einst ge - würdiget werde zu essen und zu trinken an deinem Tische in deinem Reiche.

Vergieb uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Erwägungen. Bei dieser Bitte soll der Christ an seine begangenen Sünden denken. Auch wer im Stande der Gnade sich befindet, hat manche kleinere Sünden auf sich. Diese Bitte kann zu deren Nachlassung führen unter zwei Bedingungen: 1. daß sie von einer voll - kommenen Reue begleitet ist, 2. daß man ebenfalls allen Beleidigern verzeiht. Viele Christen beherzigen viel zu wenig das Wort des Herrn: Wenn ihr nicht vergebet, so wird euch euer Vater im Himmel auch euere Sünden nicht vergeben. Der wahre Diener Christi wird diese Bitte nie beten, ohne Reue über seine Sünden, namentlich über jene, die erst begangen worden, oder die ihn am meisten417 beunruhigen, und ohne alle freiwillige Abneigung und allen Haß aus seinem Herzen zu entfernen.

Anmutung. Gedenke deiner Erbarmun - gen, o Herr, und deiner Barmherzigkeit, die von Ewigkeit ist. Der Vergehungen meiner Jugend und meiner unbewußten Sünden gedenke nicht, sondern um deines Namens willen sei gnädig meinen Sünden, denn ihrer sind viele. Da Du deine Huld uns erzeigtest, da wir noch Sünder waren, vergeben auch wir unsern Brüdern: denn wir wissen, daß Du, himmlischer Vater, auch gegen uns barm - herzig bist, wenn wir ihnen verzeihen. Gott sei mir armen Sünder gnädig!

Und führe uns nicht in Versuchung.

Erwägungen. Die Versuchungen zur Sünde kommen nicht von Gott, sondern von Welt, Fleisch und Satan. Gott läßt aber die - selben zu: 1. um uns in der Demut zu erhal - ten, 2. um unsere Treue zu prüfen und unsere Untreue zu strafen, 3. um unseren Tugendeifer und unsere Verdienste zu vermehren. Die Ver - suchungen gereichen uns nicht zum Schaden, sondern zum Heile, wenn wir 1. uns nicht frei - willig in die Gefahr begeben, 2. eifrig beten418 und fleißig die heiligen Sakramente empfan - gen, 3. treu und beharrlich kämpfen. Erinnere dich bei dieser Bitte an jene Versuchungen, die dir schon oft gefährlich wurden.

Anmutung. Bete mit Kaiser Karl dem Großen: Ich bitte Dich, o Herr, Du wollest allen Nachstellungen meiner sichtbaren und un - sichtbaren Feinde kräftig widerstehen und mich armen Sünder, der ich sonst niemand, als Dich, zu meinem Beschützer habe, um meiner Sünden willen nicht verstoßen und verlassen, sondern von aller Bosheit, welcher ich gedient, und leider noch diene, auch von allen Nachstellun - gen meiner sichtbaren und unsichtbaren Feinde um der Ehre deines heiligsten Namens willen erretten. Erfülle auch an mir deine Verheiß - ung: Selig der Mann, der die Prüfung aus - haltet, denn wenn er bewährt erfunden wor - den, wird er die Krone des Lebens erlangen.

Sondern erlöse uns von dem Uebel.

Erwägungen. Einzig wahre Uebel sind nur die ewige Verdammnis und das, was zu derselben führt, Unglaube, Sünde, ein unglück - seliger Tod. Bitte um Abwendung dieser Uebel, um die zur Erlangung der Seligkeit notwendi - gen Gnaden, besonders um eine glückselige419 Sterbestunde und thue das deinige, um dieses Glückes teilhaftig zu werden. Man kann bei dieser Bitte auch um Abwendung zeitlicher Uebel bitten, doch nicht ohne Ergebung in Gottes Willen und mit vollem Vertrauen auf seine Anordnungen.

Anmutung. Bewahre, o Herr, meine Seele vor der Nacht des Unglaubens, dem Verderben der Sünde, dem Tode der ewigen Verdammnis. Erhalte mich durch deine Gnade unter der Zahl der Kinder Gottes, und führe mich am letzten Ende ein in die Mitte dei - ner Auserwählten. Wende auch gnädig von uns ab die vielen zeitlichen Uebel, die wir um unserer Sünden willen verdient ha - ben und erlöse die armen Seelen von ihren Peinen.

Amen. Ja, Vater, so geschehe es. Ich vereinige meine Bitten mit denen aller Ge - rechten auf Erden und aller Heiligen im Him - mel, und lege sie vor deinem Throne nieder, voll Vertrauen auf deine Verheißungen, auf deine Liebe und Barmherzigkeit und die Ver - dienste Jesu Christi. Es geschehe um deines Sohnes und deiner Auserwählten willen. Sie alle mögen zu meinem Flehen sagen: Amen!

420

Der englische Gruß.

Gegrüßet seist du. Wer spricht diese Worte? Der Erzengel Gabriel. Zu wem? zur allerseligsten Jungfrau Maria. Diese Worte bezeugen tiefe Ehrfurcht; der Erzengel war Maria diese Ehrfurcht schuldig; denn sie sollte die Mutter seines Königs, seine Königin werden. Welche Ehre für Maria! O heilige Jungfrau, ich wünsche dir Glück zu dieser Ehre, deren du dich durch deine Tugend so würdig erzeigt hast. Gegrüßet seist du auch von mir als meine Königin, als meine Mutter, als die Mutter meines Herrn! Es ist billig, daß ich dich in tiefster Ehr - furcht grüße, da selbst ein Engel vor dir sich gedemütiget hat! Wenn ich sage: Gegrüßet seist du! so vereinige ich mich mit dem Him - mel und mit der Erde; denn allüberall tönt dir dieser schöne Gruß entgegen!

Maria! O der schöne Name Maria! der liebenswürdige, trostreiche Name! Ueberall wird er mit Freude wiederholt. Maria! die - ser süße Name ist die Stütze der Schwachen, der Trost der Betrübten, die Hoffnung der Sünder, die letzte Hilfe der Sterbenden! Maria! Der Name Maria bedeutet Meeresstern. Sie hilft421 uns an den Klippen dieses Lebens glücklich vor - beizukommen. Maria bedeutet Herrin, Köni - gin, und ist sie es nicht in der That? Maria bedeutet Erleuchterin, und ist uns nicht durch sie das Licht der Welt gekommen? O Maria, sei mein Stern, meine Königin, meine Leuchte!

Du bist voll der Gnade! Ihr Geist war voll der Gnade, voll Licht und Erkenntnis; ihr Herz war voll Gnaden, voll Liebe und hei - ligen Verlangens; ihr jungfräulicher Leib war voll Gnaden, voll Reinheit und Heiligkeit! Du bist voll der Gnade! Die Sünde konnte keinen Platz in ihr finden. O unbefleckte Jungfrau! Alles in dir ist Gnade, nichts ist Sünde! Du bist voll der Gnaden von dem Augenblicke deiner unbefleckten Empfängnis an, und durch deine treue Mitwirkung erhiel - test du später jenes reichliche, überfließende Maß von Gnaden, von dem in der hl. Schrift die Rede ist. In dem Geheimnisse der heiligen Menschwerdung besaßest du den Urquell aller Gnaden selbst. Du bist voll der Gnaden! Maria wurde mit Gnaden überhäuft auch für uns, als unsere mächtige Fürbitterin. Ich will recht oft zu dieser heiligen Quelle eilen, damit die belebenden Ströme der Gnade auch auf mich übergehen.

422

Der Herr ist mit dir! Er ist in allen gerechten Seelen, aber auf noch viel vor - züglichere Weise in Maria, dem gerechtesten und vollkommensten aller Geschöpfe. Er ist mit ihr als der Tochter des Vaters, der Mutter des Sohnes, der Braut des heiligen Geistes. Der Herr ist mit dir; Er ist immer mit dir; Er war immer mit dir, weil nie eine Sünde Ihn nötigte, sich von dir zu entfernen. O mein Gott! sei immer mit mir, und laß nicht zu, daß ich jemals durch eine Sünde mich von Dir trenne!

Du bist gebenedeit unter den Wei - bern. Maria verkündet selbst in ihrem Lobgesange, daß von nun an alle Geschlechter sie selig preisen werden; und wirklich seit jenen Tagen und überall äußert sich auf alle mögliche Weise die innige Verehrung und Liebe ihrer Kinder. Welches Weib wurde je geehrt, wie Maria! Aber welches ist auch dieser Ehre je so würdig gewesen!

Und gebenedeit ist die Frucht dei - nes Leibes Jesus. Jesus! göttlicher Name, den der Engel vom Himmel brachte! Jesus, der Retter der Welt, Jesus, der Sohn des Allerhöchsten, ist auch der Sohn Mariä, die Frucht ihres Leibes. Jesus sei423 gebenedeit, gebenedeit im Himmel, gebenedeit auf Erden! O Jesus, ich preise Dich, ich liebe Dich, ich bete Dich an!

Heilige Maria, Mutter Gottes! Ich wünsche dir Glück, und freue mich, daß du die Mutter Jesu, die Mutter Gottes bist. Du bist die Mutter der Barmherzigkeit und auch unsere Mutter.

Bitte für uns arme Sünder! Uns armseligen Menschen, schwach und sündhaft, täglich bedroht von Leiden, Gefahren und Versuchungen, unwürdig um unsertwillen Er - hörung zu finden, wende deine barmherzigen Augen zu, und sei unsere Fürsprecherin bei deinem Sohne

Jetzt in den Bedrängnissen und Ge - fahren des heutigen Tages, besonders in die - sen ... und diesen ... Anliegen,

Und in der Stunde unseres Ab - sterbens. Komme uns alsdann entgegen mit den Scharen der Engel, entreiße unsere Seelen der bittern Angst und großen Gefahr und trage sie in die Seligkeit des Paradieses. Amen.

Das allgemeine Gebet.

Allmächtiger, ewiger Gott, Herr himm - lischer Vater! siehe an mit den Augen deiner424 unergründlichen Barmherzigkeit unsern Jam - mer, Elend und Not. Erbarme Dich über alle Christgläubigen, für welche dein eingeborner Sohn, unser Herr und Heiland, Jesus Chri - stus, in die Hände der Sünder freiwillig ge - kommen ist, und sein kostbares Blut am Stamme des heiligen Kreuzes vergossen hat. Durch diesen Herrn Jesum wende ab, gnä - digster Vater, die wohlverdienten Strafen, gegenwärtige und zukünftige Gefahren, schädliche Empörung, Krieg, Teuerung, Krankheiten und betrübte, armselige Zeiten. Erleuchte auch und stärke in allem Guten die geistlichen und weltlichen Vorsteher und Regenten, damit sie alles befördern, was zu deiner göttlichen Ehre, zu unserem Heile zum allgemeinen Frieden und zur Wohlfahrt der ganzen Christenheit gedeihen mag. Ver - leihe uns, o Gott des Friedens, rechte Verei - nigung im Glauben, ohne alle Spaltung und Trennung. Bekehre unsere Herzen zur wah - ren Buße und Besserung unsers Lebens. Zünde an in uns das Feuer deiner Liebe; gieb uns einen Hunger und Eifer zu aller Ge - rechtigkeit, damit wir als gehorsame Kinder im Leben und Sterben Dir angenehm und wohl - gefällig seien. Wir bitten auch, wie Du willst,425 o Gott, daß wir bitten sollen, für unsere Freunde und Feinde, für Gesunde und Kranke für alle betrübten und elenden Christen, für Lebendige und Abgestorbene. Dir, o Herr, sei für immer empfohlen unser Thun und Lassen, unser Handel und Wandel, unser Le - ben und Sterben. Laß uns deine Gnade hier genießen und dort mit allen Auserwählten erlangen, daß wir in ewiger Freude und Se - ligkeit Dich loben, ehren und preisen mögen. Das verleihe uns, o Herr, himmlischer Vater, durch Jesum Christum, deinen lieben Sohn, unsern Herrn und Heiland, welcher mit Dir und dem hl. Geiste als gleicher Gott lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Die offene Schuld.

Ich, armer sündiger Mensch, widersage dem bösen Feinde, allen seinen Eingebungen, Rat und That. Ich glaube an Gott den Va - ter, an Gott den Sohn und an Gott den heiligen Geist. Ich glaube auch gänzlich alles, was die katholische Kirche zu glauben vor - stellt. Mit diesem heiligen katholischen Glau - ben bekenne ich Gott, dem Allmächtigen, Maria, der hochwürdigen Mutter, allen lieben Heiligen, und gebe mich schuldig, daß ich von426 meinen kindlichen Tagen an bis auf diese Stunde oft und viel gesündiget habe, mit Gedanken, Worten und Werken und Unter - lassung vieles Guten: wie denn solches alles geschehen ist, heimlich oder öffentlich, wis - sentlich oder unwissentlich, wider die zehn Gebote, in den sieben Hauptsünden, an den fünf Sinnen meines Leibes, wider Gott, wider meinen Nächsten und wider das Heil meiner armen Seele. Alle meine Sünden sind mir leid und reuen mich von Herzen. Da - rum bitte ich Dich demütig, ewiger, barm - herziger Gott! Du wollest mir deine gött - liche Gnade verleihen und mein Leben fristen so lange, bis ich hier alle meine Sünden möge beichten und büßen, deine göttliche Huld er - werben und nach diesem elenden Leben die ewige Freude und Seligkeit erlangen. Des - halb klopfe ich an mein sündiges Herz, und spreche mit dem öffentlichen Sünder: O Gott, sei mir armen Sünder gnädig! Amen.

Zwei Besuchungen des allerheiligsten Altarssakramentes.

Christus verweilt unter Brotsgestalten im Ta - bernakel, damit wir fleißig Ihm unsere Liebe und Verehrung darbringen und in allen Anliegen und427 Nöten vertrauensvoll bei Ihm Hilfe suchen. Ein katholischer Christ soll aus Liebe zu Christus und zu seiner Seele oft seinen göttlichen Freund und Hel - fer im Tabernakel besuchen. Wer es an Wochen - tagen nicht kann, wird doch an Sonntagen einige Au - genblicke erübrigen können. Die Punkte der nachfol - genden Besuchung sollen nur als Beispiel dienen, wie man auf einfache und leichte, und doch gnadenreiche Weise mit Christus im Tabernakel umgehen kann. Wer an einer offenen Kirche vorbeigeht, sollte nicht unterlassen, wenigstens eine solche oder ähnliche Begrüßung an den göttlichen Heiland zu richten. Auch können sie als Nachmittagsandachten gebraucht werden.

Die erste Besuchung mag als Beispiel dienen, wie man bei dieser Andacht die Geheimnisse der Erlösung verehren kann, die zweite, wie man sich in verschie - denen Anliegen vertraulich an den göttlichen Heiland wenden soll.

Erste Besuchung.

1.

O Jesus, ich bete Dich an, als den mensch - gewordenen Gott unter Brotsgestalten. Ich danke Dir, daß Du unsere Natur ange - nommen hast und unter uns wohnen willst. Ich bitte Dich um Verzeihung für alle Un - ehrerbietigkeiten und allen Unglauben, wo - mit die Menschen Dich in dem heiligsten Geheimnisse der Menschwerdung be - leidigen. Ich opfere Dir auf meine Gebete und guten Werke und die der ganzen Ge - meinschaft der Heiligen zur Verherrlichung428 deiner Menschwerdung und zur Förderung des Glaubens an deine Macht und Gottheit. Amen.

2.

O Jesus, mein hier gegenwärtiger Hei - land! Ich bete Dich an in den Geheim - nissen deiner Kindheit und Jugend - zeit. Ich danke Dir, daß Du als Kind und Jüngling unser Vorbild werden und für unser Heil viele Opfer bringen wolltest. Ich bitte Dich um Verzeihung für die Sünden meiner Kinder - und Jugendjahre, sowie für alle Beleidigungen, welche Dir von der Jugend je sind zugefügt worden und noch zugefügt werden. Ich opfere Dir auf meine geringen Werke, vereinigt mit denen aller frommen und heiligen Kinder, um deine heilige Kindheit zu ehren und allen Kindern und jungen Christen von Dir Segen und Gnade zu erflehen. Amen.

3.

O Jesus, ich bete Dich an als meinen göttlichen Lehrer, wie Du es einst ge - wesen während deines Wandels auf Erden und noch bist in der katholischen Kirche. Ich danke Dir, daß Du uns die ewigen429 Wahrheiten vom Himmel gebracht hast und durch deine Kirche verkünden lassest. Ich bitte Dich um Verzeihung für meine eigene Gleichgültigkeit in Beherzigung deiner gött - lichen Lehre, sowie für die Geringschätzung und Vernachlässigung deines Wortes durch so viele Gläubige. Ich opfere Dir auf meine geringen guten Werke in Vereinigung mit den Mühen und Arbeiten der Apostel, der Glaubensboten und eifrigen Seelsorger, um Dich als unsern göttlichen Lehrer an - zubeten und Dich zu bitten, daß Du die Verkünder deines Wortes erleuchtest und stärkest, die Gläubigen erfüllest mit Verlangen nach deiner beseligenden Lehre und alle Men - schen zur Erkenntnis der Wahrheit führen mögest. Amen.

4.

O Jesus, im heiligsten Altarssakramente gegenwärtig, ich bete Dich an als unsern Hohenpriester, der Du beim letzten Abend - mahl dieses heiligste Geheimnis für uns eingesetzt hast. Ich danke Dir für die unendliche Liebe, mit der Du es einsetztest, und für die große Geduld und Langmut, Barmherzigkeit und Güte, welche Du fort - während in demselben übest gegen mich und430 alle sündigen Menschen. Ich bitte Dich um Verzeihung für alle Unbilden, allen Un - dank und alle Gleichgültigkeit, die Du in diesem Sakramente der Liebe von mir und andern erfahren mußt. Ich opfere Dir auf meine geringen Gebete, Arbeiten, Lei - den und Ueberwindungen, in Vereinigung mit den Gebeten und guten Werken aller Heiligen, um Dich in diesem Geheimnisse zu verherrlichen und für uns unwürdige Christen um Gnade zu bitten. Erfülle doch, ich bitte Dich darum, alle Herzen mit heiligem Eifer an deinem heiligen Opfer fleißig Teil zu nehmen, dein Fleisch und Blut würdig zu genießen, Dich oft hier andächtig zu be - grüßen. Amen.

5.

O Jesus, hier unter Brotsgestalten ge - genwärtig, ich bete Dich an als meinen göttlichen Erlöser in dem Geheimnis deines Leidens und Sterbens. Ich danke Dir für die unendliche Liebe, mit der Du Dich zu unserem Heile am Kreuze geopfert hast. Ich bitte Dich um Verzeihung für alle Sünden, mit denen wir dein Leiden mitverschuldet haben, und für allen Undank und alle Gleichgültigkeit, durch die wir ge -431 gen Dich, unsern gekreuzigten Heiland, ge - fehlt haben. Ich opfere Dir auf meine Leiden und Ueberwindungen, Sorgen und Kümmernisse, in Vereinigung mit den Pei - nen der Martyrer und den Opfern aller Heiligen, um Dich als unsern gekreuzigten Erlöser zu verherrlichen und zu bitten, daß Du unsere Seelen in deinem heiligsten Blute rein waschen und selig machen mögest. Amen.

6.

O Jesus, im heiligsten Sakramente, ich bete Dich an als König und Herrn zur Rechten des Vaters. Ich danke Dir, daß Du auf dem Throne deiner Herrlichkeit unser gedenkest, uns liebest, für uns sorgst, uns in diesem Geheimnisse sogar mit deiner Gegenwart beglückest. Ich bitte Dich um Verzeihung für alle Sünden und Beleidigun - gen, die dein allwissendes Auge täglich auf dieser Erde beobachtet, auf die Du täglich so freigebig deine Gaben und Gnaden her - niedersendest. Ich opfere Dir auf meine geringen guten Werke in Vereinigung mit allen guten Werken und Verdiensten der ganzen Gemeinschaft der Heiligen, um Dir in diesem Geheimnisse als unserem König432 und Gott zu huldigen und Dich um die Ausbreitung deines Reiches auf Erden zu bitten. Amen.

7.

O Jesus, ich bete Dich an im heiligsten Sakramente als meinen künftigen Richter. Ich danke Dir, daß Du deine Barm - herzigkeit vor deiner Gerechtigkeit offen - barest, und bevor Du als strenger Richter kommst, als barmherziger Erlöser unter uns weilen willst. Ich bitte Dich um Ver - zeihung für meine und der ganzen Welt Sünden, welche deine Gerechtigkeit zur Strafe herausfordern. Ich opfere Dir auf meine geringen guten Werke in Vereinigung mit den Verdiensten deiner Auserwählten zur An - betung deiner Barmherzigkeit, zur Besänf - tigung deiner Gerechtigkeit, zur Erlangung eines gnädigen Richterspruches für mich und alle von Dir erlösten Seelen und der Zu - lassung zu deiner beseligenden Gemeinschaft im ewigen Leben. Amen.

Zum Schlusse erwecke jedesmal die

geistliche Kommunion.

O Jesus! Ich glaube, daß Du im hei - ligsten Sakramente gegenwärtig bist. Ich hoffe auf deine Liebe und Barmherzigkeit.

433

Ich liebe Dich von ganzem Herzen. Ich bereue alle meine Sünden. Ich ver - lange, Dich in meiner Seele zu empfangen. O Herr, ich bin nicht würdig, daß Du eingehst unter mein Dach, sondern sprich nur ein Wort, so wird gesund meine Seele.

Zweite Besuchung.

1.

O Jesus im heiligsten Sakramente! Ich begrüße Dich mit großem Vertrauen als Helfer in meinen Nöten. Du rufest uns liebevoll zu: Kommet alle zu Mir, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken. Du kennst die Leiden und Sorgen, die auf mir lasten, und weißt auch, wie gering meine Kräfte sind. Du weißt viel besser als ich, was mir zum Heile dient. Darum überlasse ich alles vertrauens - voll deiner Weisheit und Liebe. Wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber, doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Willst Du, daß ich Dir mein klei - nes Kreuz nachtrage, nachdem Du mir dein großes Kreuz vorangetragen hast, so geschehe dein Wille. Gieb mir nur Kraft und Trost, Dir auf dem Wege des Kreuzes nachzufolgen,434 und mache, daß mein Leiden Dir zur Ehre und meiner Seele zum Heile gereiche. Amen.

2.

O Jesus im heiligsten Sakramente! Ich fliehe zu Dir wie ein Kind zu seinem Vater in den Versuchungen, von denen meine Seele angefochten wird. Aus Liebe zu mir hast Du Dich so weit erniedrigt, daß der Versucher auch Dir nahen konnte, Du hast ihn für mich besiegt und seine Macht ge - brochen, Du bist hier gegenwärtig, um mir zu helfen, ebenfalls Welt, Fleisch und Satan zu überwinden. Blicke mitleidig herab auf die Größe der Gefahr und meiner Schwäche, er - fülle meine Seele mit Abscheu vor der Sünde, mit himmlischen Gesinnungen, mit Mut und Kraft, um dem Versucher auf das Haupt zu treten, um alle seine Fallstricke zu zerreißen und Dir treu zu bleiben. Komm Du selber in mein Herz, stehe mir bei in der Versuchung, dann brauche ich keinen Feind zu fürchten, denn Du wirst für mich kämpfen und siegen. Amen.

3.

O Jesus im heiligsten Sakramente! Du hast uns dieses Geheimnis hinterlassen als ein Andenken deines Todes. Wenn ich deines435 schmerzlichen Leidens und Sterbens gedenke, werde ich auch erinnert an meine eigene To - desstunde. Wie hilflos und geängstiget wird meine arme Seele in dieser Stunde voll Schre - cken und Gefahren sein! Ich bitte Dich um dei - nes für mich vergossenen Blutes willen, stärke alsdann meine Seele durch den würdigen Ge - nuß deines Fleisches und Blutes, hilf mir im letzten Kampfe und nimm mich auf in die selige Gesellschaft deiner Auserwählten, damit ich Dich, den ich jetzt im Glauben unter Brotsge - stalten anbete, im Himmel von Angesicht zu Angesicht ewig schauen und lobpreisen kann. Amen.

4.

Für Eltern.

O Jesus im heiligsten Sakramente! Die Liebe, welche Du im Evangelium gegen die Kinder getragen, erfüllt jetzt noch dein Herz, und auch uns rufest Du zu: Lasset die Klei - nen zu Mir kommen! Gerne folge ich dieser Einladung; denn mein Herz wird schwer geängstiget, wenn ich hinblicke auf den Wert einer unschuldigen Kinderseele, auf die Gefahren, welche sie bedrohen, auf meine Unfähigkeit für Erfüllung meiner Pflichten, auf die einstige Verantwortung vor deinem436 Richterstuhle. Darum lege ich meine Kinder in deine Hände, übergebe sie Dir als Eigen - tum, stelle sie ganz unter deinen Schutz und Schirm. Ich will nur dein Diener und Stell - vertreter sein, der in deinem Namen und Auftrage und mit deinem Beistande für die Kinder sorgt. Ich will so oft als möglich hier er - scheinen, um von Dir Segen und Gnade für Er - füllung meiner Elternpflichten zu empfangen, um bei Dir Trost und Aufmunterung in mei - nen Sorgen und Kümmernissen zu suchen. Entlasse mich niemals ohne neue Gnade und neuen Trost, segne jedesmal mich und meine Kinder, daß wir miteinander den Weg des Hei - les wandeln und einst miteinander zu deiner seiligen Anschauung gelangen mögen. Amen.

Geistliche Kommunion wie oben.

In ähnlicher Weise kann und soll der gläubige Christ über alle eigenen und fremden Anliegen und Bedürf - nisse mit dem göttlichen Heilande im Tabernakel sich unterhalten.

Litanei vom heiligsten Namen Jesu.

(Einmal täglich 300 Tage Ablaß. Leo XIII., 16. Januar 1886.)

Herr, erbarme Dich unser! Christus, erbarme Dich unser! Herr, erbarme Dich unser!

Jesus, höre uns! Jesus, erhöre uns!

437

Gott Vater vom Himmel, erbarme Dich unser!

Gott Sohn, Erlöser der Welt,*)Erbarme Dich unser! Gott heiliger Geist,

Heilige Dreifaltigkeit, ein einiger Gott,

Jesu, Du Sohn des lebendigen Gottes,

Jesu, Du Abglanz des Vaters,

Jesu, Du Klarheit des ewigen Lichtes,

Jesu, Du König der Herrlichkeit,

Jesu, Du Sonne der Gerechtigkeit,

Jesu, Du Sohn der Jungfrau Maria,

Du liebenswürdigster Jesu,

Du wunderbarer Jesu,

Jesu, Du starker Gott,

Jesu, Du Vater des zukünftigen Lebens,

Jesu, Du göttlicher Ratgeber,

Du mächtigster Jesu,

Du geduldigster Jesu,

Du gehorsamster Jesu,

Jesu, sanftmütig und demütig von Herzen,

Jesu, Du Liebhaber der Keuschheit,

Jesu, unser Liebhaber,

Jesu, Du Gott des Friedens,

Jesu, Du Urheber des Lebens,

Jesu, Du Vorbild der Tugenden.

Jesu, Du Eiferer der Seelen,

Jesu, unser Gott,

438

Jesu, unsere Zuflucht, erbarme Dich unser!

Jesu, Du Vater der Armen,*)Erbarme Dich unser! Jesu, Du Schatz der Gläubigen,

Jesu, Du guter Hirte,

Jesu, Du wahres Licht,

Jesu, Du ewige Weisheit,

Jesu, Du unendliche Güte,

Jesu, unser Weg und unser Leben,

Jesu, Du Freude der Engel,

Jesu, Du König der Patriarchen,

Jesu, Du Meister der Apostel,

Jesu, Du Lehrer der Evangelisten,

Jesu, Du Stärke der Martyrer,

Jesu, Du Licht der Bekenner,

Jesu, Du Reinheit der Jungfrauen,

Jesu, Du Krone aller Heiligen,

Sei uns gnädig, verschone uns, o Jesu!

Sei uns gnädig, erhöre uns, o Jesu!

Von allem Uebel, erlöse uns, o Jesu!

Von aller Sünde,*)erlöse uns, o Jesu! Von deinem Zorne,

Von den Nachstellungen des Teufels,

Von dem Geiste der Unlauterkeit,

Von dem ewigen Tode,

Von der Vernachlässigung deiner heiligen Einsprechungen,

439

Durch das Geheimnis deiner heiligen Mensch - werdung, erlöse uns, o Jesu!

Durch deine Geburt,*)Erlöse uns, o Jesu! Durch deine Kindheit,

Durch dein heiligstes Leben,

Durch deine Arbeiten und Mühen,

Durch deine Todesangst und dein Leiden,

Durch dein Kreuz und deine Verlassenheit,

Durch deine Schmerzen und Wunden,

Durch deinen Tod und dein Begräbnis,

Durch deine Auferstehung,

Durch deine Himmelfahrt,

Durch deine Freuden,

Durch deine Herrlichkeit,

O Du Lamm Gottes, das Du hinwegnimmst die Sünden der Welt, verschone uns, o Jesu!

O Du Lamm Gottes ꝛc., erhöre uns, o Jesu!

O Du Lamm Gottes ꝛc., erbarme Dich unser o Jesu!

Jesu, höre uns! Jesu, erhöre uns!

Herr, erbarme Dich unser!

Christus, erbarme Dich unser!

Herr, erbarme Dich unser!

Vater unser.

440

Lasset uns beten.

Herr Jesus Christus, der Du gesagt hast: Bittet, und ihr werdet empfangen; suchet, und ihr werdet finden; klopfet an, und es wird euch aufgethan werden; verleihe, wir bitten Dich, uns Flehenden die Glut deiner göttlichen Liebe, damit wir Dich von ganzem Herzen, mit Wort und Werk lieben und nie - mals aufhören Dich zu loben.

Gieb, o Herr, daß wir die Ehrfurcht und Liebe gegen deinen heiligen Namen allezeit bewahren, da deine Vorsehung niemals die - jenigen verläßt, welche Du in deiner Liebe befestiget hast; der Du lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Weihegebet, durch welches die christlichen Familien sich der heiligen Familie weihen.

(Am Tage der Aufnahme und bei der Erneuerung, insbesonders am Jahrestage der Aufnahme.)

O Jesu, unser liebenswürdigster Heiland, der Du vom Himmel gesandt worden, um die Welt durch deine Lehre und dein Bei - spiel zu erleuchten, Du hast den größten Teil deines irdischen Lebens in dem beschei -441 denen Hause zu Nazareth zubringen und Maria und Joseph unterthan sein wollen. Dadurch hast Du diese Familie geheiliget, und zum Vorbild für alle christlichen Fami - lien gemacht. O nimm gnädig auf die Weihe dieser unserer Familie, welche sich jetzt gänzlich Dir übergiebt. Sei Du ihr Schutz und Schirm, befestige sie in der heiligen Furcht vor Dir, im Frieden und in der Eintracht christlicher Liebe, damit sie dem göttlichen Vorbilde deiner heiligen Familie ähnlich werde, und alle Glieder der - selben ohne Ausnahme die ewige Seligkeit erlangen.

O Maria, du allerliebste Mutter Jesu Christi und unsere Mutter, bewirke du in deiner Güte und Milde, daß Jesus diese unsere Weihe gnädig aufnehme und uns seine Gnaden und seine Segnungen spende.

O Joseph, heiligster Beschützer Jesu und Mariä, komme uns zu Hilfe mit deiner Fürsprache in allen Anliegen des Leibes und der Seele, auf daß wir mit Dir und der seligsten Jungfrau Maria dem göttlichen Erlöser Jesus Christus Lob und Dank erstatten können in alle Ewig - keit.

442

Andacht zu der heiligen Familie.

1. Zu Jesus.

Göttlicher Heiland, Jesus Christus, Leh - rer der ewigen Wahrheit, Du hast uns zum wahren Glauben berufen, Du hast uns den - selben durch die heilige Taufe in das Herz gepflanzt, du läßt uns auch deine beseli - gende Lehre durch die katholische Kirche verkünden, wir bitten Dich, bewirke durch deine Gnade, daß die Kinder im Glauben gut unterrichtet werden, daß die Gläubigen fleißig dein Wort anhören, daß so alle deine Wahr - heit erkennen, treu festhalten, bekennen und befolgen und zum ewigen Leben gelangen.

Göttlicher Heiland, Du bist unser Hoher - priester und unser Mittler beim Vater, wir nehmen uns vor, täglich unsere Seele im andächtigen Gebete zu stärken, wir wol - len fleißig an deinem heiligen Opfer Teil nehmen, namentlich am Sonntag in dei - nem heiligen Tempel vereint mit Dir dem Vater die höchste Ehre erweisen. Wir bit - ten Dich, hilf uns allen, diesen Vorsätzen treu zu bleiben, verleihe uns, unseren Fa -443 milien und allen Mitchristen die Fülle der Gnade und des Segens.

Göttlicher Heiland, Jesus Christus, als guter Hirte leitest und führest Du uns durch dein Evangelium, durch die Kirche und ihre Gebote auf dem Wege des Heiles, und wir wollen Dir und deiner Kirche wil - ligen Gehorsam leisten. Verhüte gnädig, daß jemand unter uns als verlorenes Schaf von Dir abirre; führe die irrenden Schafe zurück, und mache, daß wir alle, wenn Du einst als Richter kommen wirst, zu deiner Rechten stehen können. Vater unser.

2. Zu Maria.

O Maria, du wunderbare Mutter, wir grüßen dich in deinen Mutterfreuden mit dem göttlichen Kinde. Nimm auch uns, insbesondere die jungen Christen, als deine Kinder an; wende ihnen mit mütterlicher Liebe deinen Schutz und deine Fürsprache zu, erhalte sie in der Unschuld und Gottes - furcht, wehre Aergernisse und Gefahren von ihnen ab, daß sie nach dem Vorbilde deines göttlichen Sohnes zunehmen wie an Alter, so an Weisheit und Gnade bei Gott und den Menschen.

444

O Maria, schmerzhafte Mutter, wir grüßen dich in deinen Muttersorgen während der Kindheit deines göttlichen Soh - nes, wir bemitleiden dich in deinem unaus - sprechlichen Leid bei seinem Tode am Kreuze. Wir bitten dich, erflehe allen Eltern einigen Anteil an dieser aufopfernden Liebe, damit sie ihre heiligen Pflichten opferwillig und treu erfüllen, in Kummer und Sorgen ver - trauensvoll nach oben schauen und wie du durch Leiden und Opfer zur Freude und Seligkeit gelangen.

O Maria, erhabene Himmelskönigin, wir grüßen dich in deiner Herrlichkeit als Mutter der Barmherzigkeit, des Lebens Süßigkeit und unsere Hoffnung. Erflehe auch uns jenen himmlischen Sinn, der das Ver - gängliche verachtet und das Ewige aufsucht, damit die Eltern ihre Kinder erziehen nicht für die Eitelkeit der Welt, sondern für das ewige Glück im Himmel; komme zu Hilfe den jungen Christen am Scheidewege des Lebens, insbesondere in der Standeswahl, damit sie nicht irdischer Dinge wegen den Weg zum Himmel verfehlen; nimm uns alle unter deinen mütterlichen Schutz, damit du allen nach diesem elenden Leben zeigen kannst445 Jesum, die gebenedeite Frucht deines Leibes. Vater unser.

3. Zum heiligen Joseph.

Heiliger Joseph, du herrliches Vorbild eines christlichen Hausvaters, erflehe allen - tern die Gnade, daß sie nach deinem Vorbilde die Ihrigen lieben, in treuer Hingebung für ihr geistiges und leibliches Wohl sorgen, gerne in ihrer Mitte verweilen, ihnen in allem ein erbauliches Beispiel geben, auch eine gute Haus - ordnung halten, Freude und Dank an ihren Kindern erleben und dereinst mit ihnen zum Genusse der ewigen Seligkeit gelangen.

Heiliger Joseph, obschon zu einer hohen Würde berufen, mußtest du in Niedrigkeit und Armut, unter vielen Sorgen und Küm - mernissen deine Tage verleben. Du hast dich in allen Prüfungen treu bewährt, in der Entsagung, im Gottvertrauen, in der Zufriedenheit und Genüg - samkeit, und bist dadurch ein großer Hei - liger geworden. Erflehe uns allen die Gnade, dein Beispiel nachzuahmen, mit unserem Stande zufrieden zu sein, in Mangel und Not auf Gott zu vertrauen, im Ueberflusse Mäßigkeit und Wohlthätigkeit zu üben, da -446 mit wir die Rechenschaft gut bestehen und mit unseren Sorgen auf Erden ein ewiges Glück verdienen.

Heiliger Joseph, als Pflegevater Jesu Christi hast du Ihm die ganze Liebe deines Herzens zugewendet, du hast mit unent - wegter Hingebung und Treue für Ihn und seine Mutter gesorgt. Bitte den Herrn, daß Er auch unter uns einen solchen Eifer der Liebe für die Ebenbilder Jesu Christi, für die unsterblichen Seelen wachrufe, alle Gleich - gültigkeit gegen fremdes Seelenheil aus den Herzen verbanne, insbesondere in unserer Bruderschaft alles anrege, unterstütze und segne, was nach den Absichten des Erlösers geschehen soll, um den christlichen Unterricht zu befördern, die Jugend im Glauben und in der Tugend zu befestigen und unsere Fami - lien der heiligen Familie in Nazareth ähnlich zu machen. Vater unser.

Gebet um Erneuerung der Standesgnade.

O mein Gott, ich befinde mich durch die - gung deiner Vorsehung in einem Stande voller Sorgen und Verantwortung. In deiner großen Güte hast Du mir beim Eintritt in den Ehestand eine besondere sakramentale Standesgnade447 verliehen, und ich sage Dir dafür von Herzen Dank. Wenn ich gerade jetzt vor Dir Rechen - schaft ablegen müßte über die empfangenen Gnaden und die übernommenen Pflichten, so hätte ich allen Grund vor deiner Ge - rechtigkeit zu zittern. Ich bitte Dich de - mütig um Verzeihung für alle Untreue und Nachlässigkeit in Erfüllung meiner Standes - pflichten. Es ist mein ernstlicher Wille, in den Jahren, die Du mir noch schenkest, Dir getreuer zu dienen. Erneuere nur in mir die Gnade, die ich zur Erfüllung meiner Gatten - und Vaterpflichten von Dir empfan - gen habe.

Gieb, daß ich mit meiner Gattin in Frieden, Liebe und Treue zusammenlebe, ge - treulich für sie sorge und von ihr unterstützt werde, sie durch meinen christlichen Wandel erbaue, und von ihr mich zum Guten an - leiten lasse, daß wir einander aufmuntern und trösten in den Sorgen dieses Lebens, und uns gegenseitig Führer zum Himmel werden.

Auf die Kinder, die Du mir anvertraut hast, kann ich nur mit beklommenem Herzen schauen, und zwar um so mehr, je lieber sie mir sind. Wie kostbar sind ihre unsterb -448 lichen Seelen! Wie groß sind die Gefah - ren, denen sie entgegen gehen! Wie viel braucht es, bis sie allen Gefahren in die - ser Welt und dem ewigen Verderben ent - ronnen und in ewiger Sicherheit bei Dir im Himmel sind. Wie groß sind meine Pflichten als Vater dieser Kinder, wie schwer meine Verantwortung, wie gering meine Einsicht und Kraft! Um der Ver - dienste Jesu Christi willen, der diese Kin - der mit seinem Blute erlöst, und mir die Gnade des Ehesakramentes verliehen hat, bitte ich Dich, o himmlischer Vater, mein Vater und Vater dieser Kinder, gieb mir alle Einsicht und Kraft und allen Eifer, die ich als christlicher Vater nötig habe, um mit all den Meinigen zum ewigen Leben zu gelangen. Amen.

Das Vater unser des christlichen Vaters.

Vater unser, der Du bist im Himmel. O Herr des Himmels! mit hei - liger Freude rede ich Dich als Vater an. Ich bitte Dich, auch in meinem Hause als Herr und Vater zu regieren, ich übergebe Dir alles, was ich besitze, empfehle mich und meine Familie in den Schutz deiner Allmacht449 und Liebe, und will Dir mit den Meinigen in aller Treue dienen.

Geheiliget werde dein Name. Gieb, o Herr, daß dein anbetungswür - diger Name in meinem Hause von allen immer mit Ehrfurcht gebraucht, und niemals entheiliget werde, daß wir ihn vor den Men - schen bekennen, und daß wir im täglichen Gebete durch den andächtigen Gebrauch des - selben Dich verherrlichen und deine Gnade und deinen Segen auf uns herabziehen.

Zukomme uns dein Reich. Erhalte mich und die Meinigen in dem wahren Glau - ben und in der Treue gegen Christus und die Kirche, wohne und regiere in unsern Herzen und in unserer Familie mit deiner Gnade, und nimm uns alle nach diesem vergänglichen Leben auf in das Reich deiner himmlischen Herrlichkeit.

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden. Thue an mir und meiner Familie, was Dir wohl - gefällig ist, ich nehme Freude und Leid mit Vertrauen aus deiner Hand an. Verleihe nur, daß wir nie durch die Sünde deinem heiligen Willen zuwiderhandeln, sondern stets - fort so eifrig Dir dienen, wie es die Engel des Himmels thun.

450

Gieb uns heute unser tägliches Brot. Ich empfehle Leben und Gesundheit, irdisches Fortkommen und Wohlfahrt von mir und den Meinigen dem Schütze deiner Weis - heit und Liebe. Verleihe gnädig, daß wir alle in diesem Leben hungern und dürsten nach dem Worte deiner Wahrheit, nach den Wassern der Gnade, nach dem wahren Him - melsbrot, und daß einst im andern Leben wir alle, Eltern und Kinder würdig werden, mit allen Heiligen zu Tische zu sitzen in deinem himmlischen Reiche.

Vergieb uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Gedenke deiner Erbar - mungen, o Herr, und deiner Barmherzig - keit, die von Ewigkeit ist. Der Vergehungen meiner Jugend und meiner unbewußten Sün - den gedenke nicht und strafe sie nicht an mei - nen Kindern und Nachkommen. Sei barm - herzig gegen mich armen Sünder und erzeige auch meinen Kindern immer deine Barm - herzigkeit. Aus Dankbarkeit gegen dein Er - barmen verzeihe ich allen meinen Beleidi - gern von ganzem Herzen.

Und führe uns nicht in Versuch - ung. Immer sind wir durch Versuchungen451 von innen und außen bedroht und Du, o Herr, bist unsere einzige Hilfe. Ich empfehle Dir insbesondere die unerfahrenen Kinder in den Gefahren des Lebens. Erhalte sie in heiliger Furcht, in Demut und Wachsamkeit, damit sie sich selber mißtrauen, so viel mög - lich die Gefahren fliehen, tapfer streiten gegen die Feinde ihres Heiles und einst die Sie - geskrone erlangen.

Sondern erlöse uns von dem Uebel. Bewahre, o Herr, meine Seele und alle mir anvertrauten Seelen vor der Nacht des Unglaubens, vor dem Verderben der Sünde, dem Tode der ewigen Verdammnis. Um deiner unendlichen Barmherzigkeit und der Verdienste Jesu Christi willen bitte ich Dich, gestatte nicht, daß am großen Gerichts - tage eines von meinen Kindern oder Ange - hörigen auf der linken Seite stehen muß, oder daß ich als Vater von Dir, meinem Richter, als schuldig erfunden werde.

Amen. Ja, Vater, es geschehe. Ihr seligen Himmelsbewohner, saget Amen zu meinen Bitten mit euerer Fürbitte; göttlicher Heiland, sage Amen mit deinen unendlichen Verdiensten, damit auch der Vater auf dem Himmelsthrone mit seinem Amen sie gnädig erhöre. Amen

452

Die Festzeiten des Kirchenjahres.

Das katholische Kirchenjahr mit seinen Festen und Festkreisen führt uns die ganze Geschichte der Erlösung vor Augen. Es beginnt mit der Erinnerung an die Zeit vor Christus im Advent, hieran reiht sich die Weih - nachtszeit zur Feier des Andenkens an die Menschwer - dung, Geburt und Jugend des Erlösers, die vierzigtägige Fasten zur Betrachtung des Leidens Jesu, die Ostern - und Pfingstzeit zur Erinnerung an die Verherrlichung des Erlösers und die Gründung der Kirche, das Fronleichnamsfest samt Oktav zur Verehrung des hei - ligsten Altarsgeheimnisses, die Sonntage nach Pfingsten als Hinweis auf die Wirksamkeit des Reiches Gottes auf Erden und der Schluß des Kirchenjahres mit den Festen Allerheiligen und Allerseelen zur Erinnerung an das Jenseits, die Gemeinschaft der Heiligen und das Weltgericht. Die Festzeiten des Kirchenjahres stehen auch mit dem Leben der Natur in sinnvoller Uebereinstim - mung. Mit Weihnachten beginnt das Tageslicht zu wachsen, Ostern fällt in die Frühlingszeit, mit dem Herbst in der Natur fällt das Ende des Kirchenjahres, die Erinnerung an das Weltende zusammen. Suche auch du dein Inneres mit diesem geheimnisvollen Leben der Kirche in Einklang zu setzen, indem du die Wohlthaten der Erlösung betrachtest, Gott dafür dankst, sie zu be - nutzen suchst, wie es jede Festzeit dir nahe legt. Wer regelmäßig den heiligen Rosenkranz betet, mag nach den kirchlichen Festkreisen mit dem freudenreichen, schmer - zenreichen und glorreichen Rosenkranz abwechseln. Suche mindestens mit einer kurzen Andacht, wenn es nicht täg - lich geschehen kann, doch an Sonn - und Festtagen an dieser geistigen Wiederholung der Erlösungsgeschichte teil zu nehmen.

453

Kurze Adventandacht.

1. Barmherziger Gott, Du hast gleich nach dem Falle unserer Stammeltern einen Erlöser verheißen, und diese Verheißung hat in die Finsternis und die Schatten des Todes, welche die Menschen infolge der Sünde um - nachteten, wie ein tröstlicher Hoffnungsstern hineingeleuchtet. Erleuchte auch unsere Herzen, verscheuche die Nacht des Irrtums und der Sünde aus denselben, gieb uns den Eifer wahrer Buße und Lebensbesserung, damit wir gewürdigt werden, gnadenreiche Weihnach - ten zu feiern. Vater unser. Ave Maria.

2. Tauet ihr Himmel von oben, die Wol - ken mögen regnen den Gerechten, die Erde thue sich auf und sprosse den Heiland. So haben die Gerechten des alten Bundes ihre Sehnsucht nach dem Erlöser ausgesprochen. Wir danken Dir, o Herr, daß Du in der Fülle der Zeiten den Erlöser gesendet hast und seine Wohlthaten uns genießen lassest. Gieb, daß wir diese großen Segnungen immer treu benutzen, und uns nie derselben unwürdig erweisen. Vater unser. Ave Maria.

3. Die allzeit reine und unbefleckte Jungfrau war der Morgenstern, welcher den beginnenden454 Tag der Erlösung ankündete. Wie hast Du, o heiligster Gott, Maria mit unermeßlichen Gnaden ausgestattet, bis sie würdig erfunden wurde, deinen Sohn in ihren Schoß aufzu - nehmen! Schaffe auch unsere Herzen um mit deiner Gnade, damit sie eine würdige Woh - nung seien für den Herrn, wenn Er in der heiligen Kommunion bei uns Einkehr nimmt. Vater unser. Ave Maria. Glaube.

. Tauet, ihr Himmel von oben, die Wol - ken mögen regnen den Gerechten.

. Die Erde thue sich auf und sprosse den Heiland.

Kirchengebet.

O Gott, der Du uns durch die jährliche Er - wartung unserer Erlösung erfreuest, verleihe uns, daß wir deinen eingebornen Sohn, den wir als Erlöser mit Freuden aufnehmen, zuver - sichtlich anschauen mögen, wenn Er als Richter kommen wird, durch denselben Christum ꝛc. A.

Andacht an Weihnachten.

1. Mit derselben Liebe, mit welcher Dir, o göttliches Kind, Joseph und Maria in der Krippe eine Lagerstätte bereiteten, möchte ich Dir mein Herz als Wohnung anbieten. Komme, o liebreichster Jesu, reinige es, heilige es, und455 hilf mir, es in Zukunft vor jeder Befleckung zu bewahren. Vater unser. Ave Maria.

2. Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind. So haben die Engel bei deiner Geburt gesungen, o göttliches Kind. Ich möchte mein ganzes Leben in einen solchen Lobgesang umwandeln. Ich werfe alle Selbstsucht und Eitelkeit von mir, und will beten und arbeiten, leiden und überwinden in der einzigen Absicht, etwas beizutragen zur Ehre Gottes in der Höhe und zum Frieden unter den Menschen auf Erden. Vater unser. Ave Maria.

3. Wegen ihrer Unschuld und Frömmigkeit hast Du, mein Heiland, die armen Hirten durch einen Engel zu der Krippe eingeladen, und sie haben Dir bei all ihrer Armut durch ihren from - men Eifer große Freude gemacht. Verleihe mir die Gnade, mit derselben Einfalt des Glau - bens, derselben Andacht und Ehrfurcht vor deinen Altären zu erscheinen, um Dich da unter den Brotsgestalten so würdig zu verehren, wie sie Dich als schwaches Kind in der Krippe ver - ehrt und angebetet haben. Vater unser. Ave.

4. Göttliches Kind Jesu, die Weisen aus dem Morgenlande ließen sich mit staunens - wertem Vertrauen und Gehorsam vom Sterne456 zu Dir führen und haben mit aller Freude ihres Herzens Dir ihre Gaben dargebracht. Gieb, daß auch wir gerne und fleißig vor deinem Ange - sichte erscheinen und Dir bereitwillig opfern, was durch die Gaben der Weisen angedeutet wird, die Liebe unserer Herzen, eine wahre gott - innige Andacht und großmütige Abtötung un - serer verkehrten Neigungen; nimm von uns diese Opfergaben gnädig an. Vater unser. Ave.

5. Auf göttliche Eingebung kamen Simeon und Anna in den Tempel und wurden des größten Glückes teilhaftig, nach dem sie auf Erden vorlangten, vor ihrem Ende noch den Erlöser zu schauen. Gieb, daß auch wir den göttlichen Einsprechungen gerne Gehör schen - ken, und verleihe uns die Gnade, vor unserem Tode den göttlichen Heiland würdig empfan - gen zu können. Vater unser. Ave Maria.

. Und das Wort ist Fleisch geworden. Alleluja.

. Und hat unter uns gewohnt. Alleluja.

Kirchengebet.

Verleihe, allmächtiger Gott, daß uns, welche die Knechtschaft unter dem Joche der Sünde hält, deines Eingebornen neue Geburt im Fleische befreien möge. Durch Christum ꝛc. A.

457

Andacht für die heilige Fastenzeit.

1. Göttlicher Heiland, deine schreckliche Todesangst am Oelberg war die große Reue und Leid für die Sünden der ganzen Mensch - heit. Auch meine Sünden haben dein Leiden und deine Trauer vermehrt. Ich bitte Dich, mir einen rechten Schmerz über meine Sünden in die Seele zu legen, damit ich mich losmache von allen bösen Gewohnheiten, meine Fehl - tritte beweine und büße, würdig beichte und Dir in Zukunft treu diene. Vater unser. Ave Maria.

2. Herr Jesus Christus, Du hast die ent - ehrende und schmerzliche Pein der Geißlung ausgehalten, um für die Sünden der Weichlich - keit und Unkeuschheit an unserer Statt zu büßen. Ich habe die Streiche verdient, die auf Dich fallen. Ich bitte Dich mit wahrem Reueschmerz um Verzeihung. Ich will anfan - gen, gemäß deinem Gebote mein Fleisch zu kreuzigen und die Reinheit des Leibes und der Seele über alles hoch zu schätzen und mit größter Sorgfalt zu bewachen. Hilf mir in die - ser Fastenzeit zu deiner Ehre und zu meinem Heile diese kleinen Abtötungen (nenne sie) treu zu üben. Vater unser. Ave Maria.

3. Die Soldaten haben Dich, o mein Hei -458 land, in der grausamsten Weise mißhandelt und verspottet und Dir eine Dornenkrone auf das Haupt gedrückt. Meine Sünden des Stol - zes und der Eitelkeit sind die spitzigen Dornen dieser schrecklichen Krone. Ich stehe beschämt vor Dir, der Schuldige vor dem Unschuldigen. Ach verleihe mir doch den Geist wahrer De - mut und hilf mir, meine Gedanken und Be - gierden, meine Worte und mein Benehmen von dem traurigen Uebel der Hoffart zu rei - nigen. Vater unser. Ave Maria.

4. Auf deinem schmerzlichen Gange zum Kalvarienberg büßest Du für allen Kleinmut, für die Ungeduld und das Murren wider Gott, dessen sich die Menschen im Leiden so oft schul - dig machen. Ich will mein Kreuz geduldig tra - gen als Buße für meine Sünden, ich will es tragen, um damit den Himmel zu verdienen, ich will es tragen aus Liebe zu Dir. Gieb mir nur Kraft und Stärke, Dir mutig nachzufol - gen. Vater unser. Ave Maria.

5. Am Kreuze erduldest Du, o mein Hei - land, den schrecklichsten Tod, um mich von dem ewigen Tode zu erlösen und mir den leiblichen Tod tröstlich und leicht zu machen. Ich flüchte für meine Todesstunde mit meiner Seele in dein heiligstes Herz. Dort bin ich sicher459 vor meinen Feinden, dort finde ich Trost und Gnade, dort kann ich nicht verlorengehen. Um deines bitteren Leidens und Sterbens willen verleihe mir die Gnade einer glückseligen Sterb - stunde. Vater unser. Ave Maria. Glaube.

. Erbarme Dich meiner, o Jesu, erbarme Dich meiner.

. Und sei mir gnädig wegen deines allerheiligsten Leidens.

Gebet.

Allmächtiger, ewiger Gott, nach dessen Wil - len unser Erlöser Fleisch angenommen und dem Kreuze sich unterworfen hat, verleihe gnädig, daß wir sein Dulden auch an uns erweisen, und an seiner Auferstehung teil zu nehmen gewür - digt werden. Durch Christum ꝛc. Amen.

Andacht für die österliche Zeit.

1. Mit heiliger Freude, o Jesu, gedenke ich deiner glorreichen Rückkehr aus dem Grabe. Du hast den Tod und die Hölle überwunden, Dustehst vor uns als der gewaltige Gott, der Macht hat über Leben und Tod, der sein Leben ablegen und wieder nehmen kann. Wir werfen uns nie - der vor deiner Majestät und beten Dich an als unsern Herrn und Gott. Vater unser. Ave.

2. Glorreicher Erlöser! Mit deiner Auf -460 erstehung hast Du deine Weissagungen erfüllt, und Dich als göttlichen Lehrer vor aller Welt ausgewiesen. Wir erneuern vor Dir das Ge - lübde unseres Herzens, deine Lehre fest zu glauben und standhaft zu bekennen. Vermehre in uns die Gnade des Glaubens. Vater unser. Ave Maria.

3. Göttlicher Heiland! Dein großer Apostel ruft uns zu: Lasset uns Ostern halten, nicht im alten Sauerteige, nicht im Sauerteige der Bosheit, sondern im ungesäuerten Brote der Reinheit und Wahrheit. (I Kor. 5.) Ja, wir wol - len mit unseren Seelen auferstehen aus dem Grabe der Sünde zu einem neuen und heiligen Leben. Verleihe uns allen die Gnade, mit dem würdigen Empfang der heiligen Sakramente in dieser österlichen Zeit dafür einen guten Grund zu legen. Vater unser. Ave Maria.

4. Abermals ruft der Apostel: Wenn ihr mit Christus auferstanden seid, so suchet, was droben ist, wo Christus ist, der zur Rechten des Vaters sitzt. Was droben ist, habet im Sinn, nicht was auf Erden. (Kol. 3, 2.) Nein, wir dür - fen unser Herz nicht an diese vergänglichen Dinge hängen, die eine Beute des Todes sind. Verklärter Erlöser, gieße uns Sehnsucht und Verlangen in die Seele nach der ewigen Glück -461 seligkeit, in welche Du uns vorausgegangen bist. Vater unser. Ave Maria.

5. Du hast, o Jesu, den Tod auch für uns überwunden. Auch wir werden einst alle auf - erstehen, aber nicht alle werden verklärt wer - den. Die glückselige Auferstehung sei der erste Gegenstand unserer Sorgen und Wünsche. Du, o mein Heiland, gestatte nicht, daß wir, die wir Glieder sind an deinem geheimnisvollen Leibe, von Dir getrennt werden und des ewigen Lebens verlustig gehen. Belebe uns mit deiner Gnade, wie der Weinstock die Rebzweige be - lebt. Vater unser. Ave Maria. Glaube.

. In deiner Auferstehung, Herr Jesus Christus, Alleluja.

. Werden Himmel und Erde erfreut. Allel.

Kirchengebet.

O Gott, der Du durch deinen Eingebornen den Tod besiegt und uns den Eingang zum ewi - gen Leben wieder aufgeschlossen hast, hilf uns unsere Wünsche, die Du in zuvorkommender Gnade uns einflößest, mit deinem Beistande zu erreichen. Durch Christum ꝛc. Amen.

Andacht zu Ehren des hl. Geistes.

1. Allmächtiger, ewiger Gott, Du hast der Kirche deinen heiligen Geist versprochen und462 gesendet, damit Er sie belebe, wie die Seele den Leib belebt. Siehe herab auf die Hirten und Schafe in deiner Kirche, auf die Verfolgun - gen und Bedrängnisse der einen, die Gefahren und Versuchungen der andern, und erneuere in der Gemeinschaft der Gläubigen jenen Geist, der die ersten Christen so heilig und stark ge - macht hat. Wir bitten Dich darum um der Verdienste Jesu Christi, deines Sohnes willen. Vater unser. Ave Maria.

2. Blicke hin, o himmlischer Vater, auf die unzähligen unsterblichen Seelen, die Du nach deinem Ebenbilde erschaffen und für den Him - mel bestimmt hast, die aber in der Finsternis des Irrtums und der Sünde schmachten. Sende dei - nen Geist aus, um das Angesicht der Erde zu erneuern. Oeffne die Herzen der Sünder und Irrenden für deine Gnade und Wahrheit, er - wecke Männer mit apostolischem Geiste, welche sie hinführen zum Glauben und Gehorsam in deiner Kirche, damit auf Erden ein Hirt und eine Herde werde, und alle das ewige Leben erlangen. Vater unser. Ave Maria.

3. Ich muß Dir, o himmlischer Vater, die Schwäche und Verkehrtheit meines Herzens klagen, welches so geneigt zum Bösen, so lang - sam und nachlässig zum Guten ist. Sende mir463 deinen heiligen Geist, daß Er meinen Verstand erleuchte, den Willen antreibe und stärke, mein Herz reinige, heilige und entflamme mit hei - liger Liebe zu Dir. Verleihe gnädig, daß dein heiliger Geist den siebenfachen Strom seiner Gnade über mich ausgieße, mich im Gebete mit Andacht, im Leiden mit Ergebung, in der Ver - suchung mit Stärke, bei der Arbeit mit Eifer und guten Absichten erfülle und im Leben und Sterben mein Helfer und Tröster sei. Gieb mir, daß ich niemals durch die Sünde Ihn aus meinem Herzen vertreibe, noch durch Nach - lässigkeit oder bösen Willen dem Wirken sei - ner Gnade hinderlich sei. Vater unser. Ave Maria. Glaube.

. Sende deinen Geist aus und sie wer - den neugeschaffen;

. Und Du wirst das Angesicht der Erde erneuern.

Kirchengebet.

O Gott, der Du die Herzen deiner Gläu - bigen durch die Erleuchtung des heiligen Geistes belehret hast, verleihe uns die Gnade, daß wir durch eben denselben Geist verstehen, was recht ist, und uns allzeit seines Trostes erfreuen mögen. Durch Jesum Christum, unsern Herrn. Amen.

464

Andacht zu Ehren der seligsten Jung - frau Maria.

(Nach dem heiligen Augustin.)

1.

O du allerseligste Jungfrau, das schwache menschliche Geschlecht, welches durch dich wie - der Zutritt erlangt hat zu dem, was es durch die Sünde verloren hatte, ist niemals im stande, dich gebührend zu verherrlichen. Nimm an diese geringe und deinen Verdiensten nicht ange - messene Danksagung; trage unsere Gebete in das Heiligtum, in welchem Gott seine Barm - herzigkeit ausübt, und bringe uns aus dem - selben die Gnade der Versöhnung. Uebergieb Ihm, was wir darbringen, erlange, um was wir bitten, verschaffe uns Sühnung un - serer Fehler, und was wir mangelhaft vor - bringen, mache du rein und gut. Wir haben niemand, der mehr Verdienste hätte, den Zorn des Richters zu versöhnen, als dich, die du würdig gewesen, die Mutter unseres Erlösers und Richters zu sein. Vater unser. Ave Maria.

2. So komme nun zu Hilfe den Armen, stärke die Kleinmütigen, erquicke die Betrüb - ten und Elenden, bitte für das Volk, verwende465 dich für die Priester und Ordensleute, gedenke besonders auch des frommen Frauengeschlech - tes, lasse alle die, welche dich anrufen, auch die Macht deiner Fürbitte erfahren, habe Mit - leid mit den Betrübten, sei uns allen gnädig, die wir noch fern von der himmlischen Heimat auf der Pilgerschaft begriffen sind. Weil du immer vor dem Angesichte des Allmächtigen stehst, der dich so reichlich begnadigt hat, so lasse unsere Seufzer vor deinen Sohn gelangen und bitte Ihn für uns arme Sünder. Vater unser. Ave Maria.

3. Wir sind hier auf Erden noch in vielerlei Trübsal. Man verfolgt uns, man übt gegen uns Unrecht, man schmäht uns, wir leiden Unge - mach, wir sind im Elende, du aber bist im Him - mel, erhaben über alle Chöre der Engel und Heiligen; du folgst dem Lamme, wo Es hingeht, du bist die Königin der Jungfrauen und aller keuschen Seelen, welche sich abgewendet von den Lüsten des Fleisches und die Welt und ihre Eitelkeit verschmäht haben. Du führest sie zu dem Brunnen, aus dem die Wasser des ewigen Lebens strömen und wandelst mit ihnen unter den Herrlichkeiten des Paradieses. Du, die du in solcher Wonne und Seligkeit ewig dich freuest, wende deine barmherzigen Augen466 auf uns, die wir in Jammer und Elend leben, und hilf uns, die wir zu dir um Hilfe rufen. Vater unser. Ave Maria. Glaube.

Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin, verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern erlöse uns allzeit von allen Gefahren, o glorreiche und gebenedeite Jungfrau, unsere Frau, un - sere Mittlerin, unsere Fürsprecherin, versöhne uns mit deinem Sohne, empfehle uns deinem Sohne, stelle uns vor deinem Sohne.

. Bitt für uns, heilige Gottesgebärerin.

. Auf daß wir würdig werden der Ver - heißungen Christi.

Kirchengebet.

Wir bitten Dich, o Herr, gieße deine Gnade in unsere Herzen, auf daß wir, die wir die Menschwerdung Christi, deines Sohnes er - kannt haben, durch sein Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung gebracht werden. Durch Christum, unsern Herrn. Amen.

Zu Ehren der unbefleckten Empfängnis Mariä.

1. Ganz schon bist du, meine Freundin, und eine Makel ist nicht an dir. Als Tochter des Vaters, als Mutter des Sohnes, als Braut467 des hl. Geistes bist du, o Jungfrau, von jeder Befleckung durch die Erbsünde bewahrt geblie - ben. Wir freuen uns und preisen Gott wegen der Reinheit und Schönheit, mit welcher der Herr dich schon im Anfange ausgezeichnet hat.

In der heiligen Taufe hat der Herr auch unsere Seele gereinigt und ausgestattet mit dem hochzeitlichen Kleide der Gnade und Unschuld. Aber ach, wie oft und schwer haben wir das - selbe befleckt, wie sind wir in beständiger Ge - fahr, dasselbe ganz zu verlieren! Habe Mitleid mit uns, erflehe den Reinen die Bewahrung der Unschuld, den Sündern die Wiederver - söhnung mit Gott, allen den Besitz der heilig - machenden Gnade im Leben und Sterben.

Vater unser. Gegrüßt seist.

2. Es sprach der Herr zur Schlange: Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, deinem Samen und ihrem Samen; sie wird dir den Kopf zertreten. Nie ist dir, o reine Jungfrau, die Versuchung des Satans gefährlich geworden, niemals regte sich in dei - nem Herzen die böse Begierlichkeit, nie hat der Schatten einer wirklichen Sünde deine reine Seele befleckt. Du bist die starke Frau, strahlend im ungetrübten Glanze der Heiligkeit, siegreich den Fuß auf das Haupt der Schlange setzend.

468

Wir blicken auf zu dir voll Bewunderung dei - ner Schönheit, voll Vertrauen auf deine Macht und Liebe. Du weißt, wie Welt, Fleisch und Satan uns versuchen, wie viele Kämpfe und Gefahren wir bestehen müssen, bevor unser Heil gesichert ist. O erhabene Schlangentreterin! bitt'für uns, streit'für uns, beschütze uns gegen unsere Feinde und erwirb uns die Gnade der Treue im Kampfe und der Standhaftigkeit bis an das Ende.

Vater unser. Gegrüßt seist.

3. Du bist voll der Gnade, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Weibern. Rein bist du, o Jungfrau, aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen, rein bist du durch das Leben gewandelt und rein zu Gott zurück - gekehrt. Die Fülle der Gnaden, mit welcher dich der Herr im Anfange ausgestattet hat, wurde immer noch vermehrt und hat herrliche Früchte getragen. Alles, was du auf Erden gethan und gelitten hast, ist dir zum Gewinn geworden, zur Erhöhung deiner Tugenden und Verdienste, welche dich zur Königin aller Heiligen machen. Hilf uns, daß wir die dargebotenen Gnaden nach deinem Vorbilde treu benutzen und so Tag für Tag in den Mühen und Sorgen dieses Lebens wachsen in der Gnade und Heiligkeit469 und Verdienste sammeln für das ewige Leben. Vater unser. Gegrüßt seist.

Andacht zu der schmerzhaften Mutter.

1. Die Weissagung Simeons.

Mitten unter deinen Mutterfreuden wurden dir durch den Mund Simeons die künftigen Lei - den vorhergesagt. Von diesem Augenblicke an hast du das Schwert der Schmerzen in deiner Seele gefühlt, hast du im Geiste das schmerz - liche Opfer gebracht und dich gehorsam und er - geben den Ratschlüssen der göttlichen Vorseh - ung unterworfen. So ist für dich diese Weis - sagung die Quelle vieler Leiden, aber auch großer Verdienste geworden. Um dieser deiner Verdienste willen erwirb uns die Gnade, in allen Prüfungen der Gegenwart und Zukunft unseren Willen vollkommen mit dem göttlichen zu vereinigen. Vater unser. Gegrüßt seist.

2. Die Flucht nach Aegypten.

Zu den Leiden der Dürftigkeit im Stalle zu Bethlehem, welche deiner mütterlichen Liebe so schwer fielen, kamen noch die Gefahren und Beschwerden der eiligen Flucht in ein fremdes Land. Du aber, o Maria, bist gläubig und ge - horsam den Weg gewandelt, den dich der Herr470 führen wollte, du hast dich mit kindlichem Ver - trauen seiner Führung überlassen und bist so die Mutter der heiligen Hoffnung geworden. - gen auch wir durch deine Fürsprache die Gnade erlangen, im Leiden gläubig zu Gott aufzu - schauen, auszuharren im Gehorsam und im Gottvertrauen, bis wir durch die Rettung aus der Not getröstet werden. Vater unser. Gegrüßt seist.

3. Der Verlust des zwölfjährigen Jesus.

Von allen Sorgen eines Mutterherzens ist dir, o Maria, nur eine erspart worden, jene, welche von den Fehlern der Kinder herrührt. Auch als Mutter eines göttlichen Sohnes muß - test du drei Tage lang um Ihn in banger Sorge schweben. Wir haben herzliches Mitleid mit diesem Kummer deines liebevollen Herzens und bitten um der Verdienste willen, die du damit erworben hast, daß wir alle nach deinem Vor - bilde, die Eltern gegen ihre Kinder, Vorgesetzte gegen ihre Untergebenen, unsere Pflichten mit aller Treue, Sorgfalt und Wachsamkeit erfül - len mögen. Vater unser. Gegrüßt seist.

4. Die Begegnung auf dem Kreuzwege.

Welcher Schmerz für dich, die Mutter des leidenden Heilandes, den Sohn auf seinem Lei -471 denswege zu sehen in der Mitte roher Kriegs - knechte, entstellt durch entsetzliche Mißhandlun - gen, mit der Dornenkrone auf dem Haupte, fast erliegend unter der Last des Kreuzes, gleich ei - nem Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird! O Schmerz, um so bitterer, je größer die Liebe war! Um dieser Bitterkeit deines Herzens wil - len erflehe mir die Gnade, Kreuz und Leiden mit jenen heiligen Gesinnungen Gott aufzu - opfern, mit denen dein Sohn das schwere Kreuz getragen hat und mit denen du an seinem Leiden teil genommen hast. Vater un - ser. Gegrüßt seist.

5. Jesus stirbt am Kreuze.

Die Schrecken und Qualen des Kreuzto - des Jesu, sind der teure Preis, um den wir erlöst worden sind und der mit unnennba - rem Schmerze eingegraben wurde in das Herz seiner Mutter. Da bist du, o Maria, die schmerzhafte Mutter geworden, die Köni - gin der Martyrer, eine Martyrin der Liebe zu deinem Sohne am Kreuze und zu deinen arm - seligen Kindern auf Erden. Um dieses Marter - tumes der Liebe willen erflehe uns eine recht innige Liebe zu deinem Sohne, daß wir dank - bar das Andenken seines Leidens feiern, ehr -472 erbietig mit seinen heiligen Geheimnissen um - gehen, mit großem Schmerze die Sünden be - reuen und büßen und in der Gemeinschaft sei - ner Gnade leben und sterben mögen. Vater unser. Gegrüßt seist.

6. Die Kreuzabnahme.

O schmerzhafte Mutter Maria! Dein Sohn, den du einst als holdseliges Kind an dein Herz drücktest, der auf deinem Schoße schlummerte, derselbe liegt wieder auf deinem Schoße, Er schlummert wieder an deinem Herzen, aber es ist der Schlummer des Todes. Du kannst nur noch den kalten Leichnam, ein Opfer der grausamsten Qualen, in deine Arme schließen. Du bist in Wahrheit eine Mutter der Schmer - zen, denn groß wie das Meer ist deine Bitter - keit und wir tragen herzliches Mitleiden mit dir. Sei auch uns eine liebende Mutter in der To - desstunde, wenn alle Lebensfreude mit Angst und Bitterkeit enden wird. Sei alsdann unsere Mutter und Trösterin und laß uns in deinen Armen und an deinem Herzen ruhen. Vater unser. Gegrüßt seist.

7. Das Begräbnis Jesu.

Jeder Schritt auf dem Leidenswege dient zur Vermehrung des Leidens. Jetzt wirst du von dei -473 nem Sohne gänzlich getrennt. Sein Leichnam wird deinem Anblicke und deiner Umarmung entzogen und in das Grab gelegt. Du harrest aus in der Prüfung, du trinkst mutvoll den Kelch der Bitterkeit bis auf die Neige, aber die Nacht der Leiden geht vorüber, und es naht der Jubel des Ostermorgens, welcher dich für immer selig und glücklich macht. O blicke huldvoll hernieder auf uns, deine armseligen Kinder, die wir noch unter Sorgen und Kümmernissen der Nacht des Grabes zuwandern. Erflehe uns jene Hoffnung, welche dich aufrecht erhalten hat in den schwer - sten Prüfungen und lasse sie auch für uns erfüllt werden in dem Genuß der ewigen Freuden. Vater unser. Gegrüßt seist.

Zu Ehren der Aufnahme Mariens in den Himmel.

1. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter. Längst hast du, o lie - benswürdige Mutter und Jungfrau, uns ver - lassen, aber immerfort ertönt die Stimme dei - nes Lobes von Meer zu Meer und von Jahrhun - dert zu Jahrhundert. Immerfort rufen deine Kinder zu dir, um dich zu preisen als erhabene Himmels-Königin und anzurufen als die liebe - volle Mutter der Gnaden. Nimm auch mich auf474 in den Kreis deiner kindlichen Verehrer, ich will nicht müde werden, mit der ganzen Christen - heit zu rufen:

Gegrüßt seist.

2. Großes hat an mir gethan, der da mäch - tig ist, und heilig ist sein Name. Schon auf Er - den warst du, o Maria, die allzeit reine, gnaden - volle Jungfrau und Mutter Gottes, aber noch im Gewande der Niedrigkeit einer Magd des Herrn; jetzt sind die Leiden vorüber, Tod und Vergänglichkeit besiegt, du thronst als erha - bene Himmelskönigin an der Seite deines Soh - nes, erhöht über alle Engel und Heiligen, ge - krönt mit Ehre und Herrlichkeit. Wir huldigen dir mit Jubel und Freude als unserer Königin. Nimm an den Tribut unserer Liebe und Dank - barkeit, wenn wir zu dir rufen:

Gegrüßt seist.

3. Er ist barmherzig von Geschlecht zu Geschlecht denen, die Ihn fürchten. Auf Er - den warst du, o Maria, ein Kind der Gnade, ausgestattet mit allen Gaben und Gnaden des Himmels; erhöht zur Königin des Himmels bist du für uns die Mutter der Gnade. Wie der Herr durch dich uns den Erlöser schenken wollte, so will Er durch deine mütterliche Hand denen seine Gnaden schenken, welche auf deine Für -475 bitte vertrauen. Wir freuen uns, dich als Mutter zu haben, o mächtige und huldvolle Himmelskönigin! Höre auf unser Flehen und sei unsere Mittlerin bei deinem göttlichen Sohne. Gegrüßt seist.

Die lauretanische Litanei.

(Jedesmal 300 Tage Ablaß. Pius VII, 30. Sept. 1817.)

Herr, erbarme Dich unser! Christus, erbarme Dich unser! Herr, erbarme Dich unser!

Christus, höre uns! Christus, erhöre uns!

Gott Vater vom Himmel, erbarme Dich unser!

Gott Sohn, Erlöser der Welt, erbarme Dich unser!

Gott heiliger Geist, erbarme Dich unser!

Heilige Dreifaltigkeit, ein einiger Gott, er - barme Dich unser!

Heilige Maria, bitte für uns!

Heilige Gottesgebärerin, bitte für uns!

Heilige Jungfrau aller Jungfrauen, bitte für uns!

Mutter Christi, bitte für uns!

Mutter der göttlichen Gnade, bitte für uns!

Du allerreinste Mutter, bitte für uns!

Du allerkeuscheste Mutter, bitte für uns!

Du ungeschwächte Mutter, bitte für uns!

Du unbefleckte Mutter, bitte für uns!

476

Du liebliche Mutter, bitte für uns!

Du wunderbare Mutter,*)Bitte für uns! Du Mutter des Schöpfers,

Du Mutter des Erlösers,

Du allerweiseste Jungfrau,

Du ehrwürdige Jungfrau,

Du lobwürdige Jungfrau,

Du mächtige Jungfrau,

Du gütige Jungfrau,

Du getreue Jungfrau,

Du Spiegel der Gerechtigkeit,

Du Sitz der Weisheit,

Du Ursache unserer Freude,

Du geistliches Gefäß,

Du ehrwürdiges Gefäß,

Du vortreffliches Gefäß der Andacht,

Du geistliche Rose,

Du Turm Davids,

Du elfenbeinerner Turm,

Du goldenes Haus,

Du Arche des Bundes,

Du Pforte des Himmels,

Du Morgenstern,

Du Heil der Kranken,

Du Zuflucht der Sünder,

Du Trösterin der Betrübten,

477

Du Helferin der Christen, bitte für uns!

Du Königin der Engel,*)Bitte für uns! Du Königin der Patriarchen,

Du Königin der Propheten,

Du Königin der Apostel,

Du Königin der Martyrer,

Du Königin der Bekenner,

Du Königin der Jungfrauen,

Du Königin aller Heiligen,

Du Königin, ohne Makel der Erbsünde em - pfangen,

Du Königin des heiligen Rosenkranzes,

O Du Lamm Gottes, das Du hinwegnimmst die Sünden der Welt, verschone uns, o Herr!

O Du Lamm Gottes, das Du hinwegnimmst die Sünden der Welt, erhöre uns, o Herr!

O Du Lamm Gottes, das Du hinwegnimmst die Sünden der Welt, erbarme Dich unser, o Herr!

Christus, höre uns!

Christus, erhöre uns!

Herr, erbarme Dich unser!

Christus, erbarme Dich unser!

Herr, erbarme Dich unser! Vater unser.

478

. Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin; verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern erlöse uns jederzeit von allen Gefahren, o du glorwürdige und gebenedeite Jungfrau, unsere Frau, unsere Mittlerin, unsere Fürsprecherin! versöhne uns mit deinem Sohne, empfiehl uns deinem Sohne, stelle uns vor deinem Sohne.

. Bitt für uns, o heilige Gottesgebärerin!

. Auf daß wir würdig werden der Ver - heißungen Christi.

. Wir bitten Dich, o Herr, gieße deine Gnade in unsere Herzen, auf daß wir, die wir durch des Engels Verkündigung die Mensch - werdung Christi, deines Sohnes erkannt haben, durch sein Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung geführt werden; durch den - selben Christum, unsern Herrn. Amen.

. Bitt für uns, o allerseligster Joseph!

. Auf daß wir würdig werden der Ver - heißungen Christi.

. Wir bitten Dich, o Herr, laß uns durch die Verdienste des Bräutigams deiner heiligsten Gebärerin geholfen werden, damit, was unser Vermögen nicht erhalten kann, uns durch seine Fürbitte geschenkt werde; der Du lebst und re - gierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

479

Das andächtige Beten des hl. Rosenkranzes.

1.

Die Teilnahme der Laien an den kirchlichen Tag - zeiten, die in den ersten Jahrhunderten vielfach vorkam, hatte ihre großen Schwierigkeiten und hat sich darum nach und nach verloren. Als Ersatz hiefür wurden schon seit den ersten Zeiten einige mündliche Gebete, die allen geläufig waren, z. B. das Vater unser, Ehre sei u. s. w. von den Gläubigen in einer bestimmten Anzahl wiederholt. Zum Abzählen bediente man sich kleiner Steine oder Körner, die man später häufig, an eine Schnur gefaßt, am Halse trug. Unter den verschiedenen Gebetsweisen, die so verrichtet wurden, hat jene an Aus - breitung und Dauer alle anderen übertroffen, welche der hl. Dominikus einführte und welche gewöhnlich Rosen - kranz genannt wird. Für drei Rosenkränze zusammen ist die Bezeichnung Psalter gebräuchlich, weil, wie schon bemerkt, solche Gebetsweisen einen Ersatz für das Psalmengebet bilden sollen. Im Rosenkranze sind die schönsten Gebete und die wichtigsten Geheimnisse der Er - lösung gleich Rosen zu einem lieblichen Kranze verbun - den; diese Gebetsweise ist geheiligt durch den frommen Gebrauch vieler Jahrhunderte; manche Ereignisse in der Kirchengeschichte und mehrere Feste des Kirchenjahres zeu - gen von den durch sie erlangten Erhörungen und daraus erklärt es sich, daß der Rosenkranz eine der gewöhnlich - sten Andachten beim öffentlichen und häuslichen Gottes - dienste geworden ist.

2. Der heilige Rosenkranz ist bestimmt, gleichzeitig für das betrachtende und das Bittgebet als das einfachste Hilfsmittel zu dienen. Die fünfzehn Geheimnisse des Rosenkranzes enthalten einen kurzen Abriß der Er - lösungsgeschichte, wir betrachten sie in der from -480 men Unterhaltung mit der göttlichen Mutter, die einst an diesen Ereignissen den innigsten Anteil genommen hat. Wir sollen dabei je nach dem Gegenstande und nach den Bedürfnissen unseres Herzens die Gefühle der Freude, des Dankes, der Liebe, des Mitleidens, der Reue u. s. w. und entsprechende gute Vorsätze erwecken. bei dem Geheimnis der Dornenkrönung kannst du dieses Leiden des Erlösers betrachten, mit welchem Er büßt für die Eitelkeit und den Stolz der Menschen; du er - forschest dich dabei über deine eigenen Sünden des Hoch - mutes, die auch Dornen zu dieser Krone geliefert haben, du bereuest sie, bittest den Heiland um Verzeihung und um die Gnade einer herzlichen Demut. Aehnlich bei den andern Geheimnissen. Es kann sicher keine leichtere und einfachere Art geben, die Geschichte der Erlösung zu be - trachten und unserem Gemüte und Willen nahe zu bringen.

3. Der hl. Rosenkranz enthält ferner Bitten, die unmittelbar an Gott und Anrufungen, die an Maria gerichtet sind. In diese Bitten und Anrufungen können wir alle eigenen und fremden Anliegen des Leibes und der Seele hineinlegen, welche immer uns am Herzen liegen mögen, sei es, daß wir die ganze Andacht in der nämlichen Absicht aufopfern oder bei jedem Absatz an ein beson - deres Anliegen denken wollen. Auf diese Weise kannst du die verschiedenen Tugenden, deine Standespflichten, deine häuslichen Anliegen, Versuchungen, Sorgen und Leiden, Kranke, Sterbende und Abgestorbene zum Gegenstand deiner Bitten machen. Wenn du überhaupt fähig bist, zu beten, so wird es dir nie an Anliegen fehlen, die du bei diesem Gebete Gott und Maria vortragen kannst.

4. Leider wird der Rosenkranz mitunter in einer Weise gebetet, welche mit seinem herrlichen Inhalte, mit den an ihn geknüpften erhebenden Erinnerungen und mit dem Zweck und der Würde des Gebetes über - haupt nicht im Einklange steht. Aber die Nachlässigkeit481 mancher Beter darf nicht dem Gebete selber zur Last gelegt werden. Der Rosenkranz wird eine der heilsamsten Gebetsweisen sein, wenn die Betenden sich bemühen:

a. am Anfange sich zu sammeln, freiwil - lige Zerstreuungen zu vermeiden, die Worte langsam und so viel als möglich mit Ueber - legung auszusprechen, wie das bei dem Ge - bete überhaupt zu geschehen hat;

b. in der oben angegebenen Weise die Ge - heimnisse des Rosenkranzes zu betrachten und stets die Andacht für bestimmte Gebets - anliegen aufzuopfern.

5. Früher war der hl. Rosenkranz eine regelmäßige Abendandacht in den Familien. Wenn dies ge - genwärtig auch nicht überall möglich ist, sollte er wenig - stens an den Vorabenden von Sonn - und Festtagen nicht versäumt werden. Der eifrige Christ wird auch sonst manche Gelegenheit finden, ihn zu beten, z. B. wenn er allein auf dem Wege ist, bei Kranken wachen muß u. s. w.

In neuerer Zeit wurde der sog. lebendige Ro - senkranz von den Päpsten genehmigt, empfohlen und mit Ablässen ausgestattet und hat namentlich durch den Verein des Gebetsapostolates eine große Verbreitung erlangt. Bei dieser Uebung werden die verschiedenen Absätze von verschiedenen Personen gebetet. Damit die bewilligten Ablässe gewonnen werden, wird erfordert:

a. daß entsprechend den fünfzehn Geheimnissen des Rosenkranzes je fünfzehn Personen sich zu dieser Uebung verbinden;

b. daß jede Person den ihr zugeteilten Absatz oder Zehner pünktlich betet und das betreffende Geheimnis dabei betrachtet.

c. daß die fünfzehn Geheimnisse unter den Teil - nehmern jeden Monat durch das Los neu verteilt werden.

482
Aufopferung.

O du glorwürdige und wunderbare Mutter Gottes, Maria! diesen heiligen Rosenkranz (diese zwei heiligen Rosenkränze, diesen Psalter) opfern wir dir auf, zuvörderst deinem geliebten Sohne Jesu Christo zu Lob und Ehre, (für alle Brüder und Schwestern der heiligen Bruderschaft) für Leben - dige und Abgestorbene und für alle Anliegen der ganzen Christenheit.

Gebete zu den Heiligen Gottes.

Zum hl. Joseph.

1. Heiliger Joseph, einst Beschützer der hei - ligen Familie, siehe, die kleine Haushaltung in Nazareth, die dir anvertraut war, hat sich jetzt erweitert zur großen Gemeinschaft der katho - lischen Kirche, welche dich als ihren besonderen Patron und Fürsprecher verehrt und anruft. Erflehe ihr Hilfe und Trost in ihren schweren Anliegen und Bedrängnissen. Vater unser. Ave Maria.

2. Heiliger Joseph, dem einst das göttliche Kind Jesu anvertraut war, blicke huldvoll her - ab auf die christliche Jugend, welche nach dem Ebenbilde deines göttlichen Pflegesohnes ge - schaffen, durch die Taufe geheiligt und für den Himmel berufen ist; bitte für sie zu Jesus Chri -483 stus, daß alle Eltern nach deinem Vorbilde ihre Pflichten gegen die Kinder treu erfüllen, und alle Kinder vor den Aergernissen der Welt be - wahrt bleiben und wie dein Pflegesohn zuneh - men wie an Alter so an Weisheit und Liebens - würdigkeit vor Gott und den Menschen. Vater unser. Ave Maria.

3. Heiliger Joseph, für die dir anvertraute Familie hast du auf Erden schwere Sorgen und Kümmernisse ertragen und dafür nun große Macht im Himmel erlangt. Wir empfehlen dir mit vollem Vertrauen unser Hab und Gut, un - sere Ehre und Gesundheit, unsere häuslichen Sorgen und Anliegen. Erwirb uns durch deine Fürbitte, daß wir in Frieden und Eintracht le - ben, im Glücke mäßig, im Unglücke standhaft seien und Glück und Unglück uns zum Heile dienen, wie einst deiner heiligen Familie in Nazareth. Vater unser. Ave Maria.

4. Heiliger Joseph, dir war es verliehen, den göttlichen Erlöser nicht bloß zu sehen, son - dern auf den Armen zu tragen und an das Herz zu drücken. Erwirb mir die Gnade, so ehrerbie - tig und liebevoll mit Ihm umzugehen wie du, insbesondere in der heiligen Kommunion Ihn recht würdig und wohlvorbereitet zu empfan - gen. Vater unser. Ave Maria.

484

5. Heiliger Joseph, dir wurde das hohe Glück zu teil, in den Armen Jesu und Mariä zu sterben. Ich erwähle dich zu meinem Patron und Fürsprecher für die Todesstunde. Komme mir zu Hilfe mit deiner Fürbitte, damit ich wohlvorbereitet unter dem Schutze meines Er - lösers und seiner Mutter den Tod des Gerech - ten sterbe. Vater unser. Ave Maria. Glaube.

Siehe, den treuen und klugen Diener, wel - chen der Herr über sein Haus gesetzt hat.

. Ehre und Reichtümer sind in sei - nem Hause.

. Und seine Gerechtigkeit bleibet auf ewig.

Lasset uns beten.

O Gott, der Du in deiner unergründlichen Vorsehung den hl. Joseph als den Verlobten deiner allerseligsten Mutter auszuwählen Dich gewürdigt hast, verleihe gnädig, daß wir den, welchen wir als Schutzpatron auf Erden ver - ehren, als Fürsprecher im Himmel haben mögen, der Du lebst und regierst in Ewigkeit. Amen.

Zum hl. Schutzengel.

1. Heiliger Schutzengel, ich danke dir für die Liebe und Treue, mit der du mich von meiner Kindheit an bewacht und beschützt hast. Be -485 wahre mich heute und jederzeit vor Unglück und Schaden, besonders vor unvorhergesehener Lebensgefahr. Vater unser. Ave Maria.

2. Heiliger Schutzengel, leider habe ich bis - her deine guten Einsprechungen vielfach nicht beachtet und dich durch meine Sünden und Nachlässigkeiten betrübt. Ich nehme mir vor, in Zukunft williger auf dich zu hören. Lasse nicht ab, mich im Gebete aufzumuntern, in der Gefahr zu warnen, im Kampfe zu stärken, im Leiden zu trösten. Vater unser. Ave Maria.

3. Heiliger Schutzengel, mir an die Seite ge - geben, um mich in den Himmel zu führen, ich empfehle mich dir an für die verhängnisvolle Stunde meine Todes. Mahne mich, daß ich mich rechtzeitig vorbereite, halte den Versucher von mir ferne, erwirb mir den Beistand Gottes und seiner Heiligen, stehe mir bei im Gerichte und trage meine Seele in die Seligkeit des Paradie - ses. Vater unser. Ave Maria.

Engel Gottes, der du mein Beschützer bist, erleuchte mich, bewahre mich, leite und regiere mich, der ich dir von der göttlichen Vorsehung anvertraut bin.

. Er hat seinen Engeln deinetwegen befohlen.

486

. Daß sie dich bewachen auf allen deinen Wegen.

Lasset uns beten.

O Gott, der Du in unaussprechlicher Vor - sehung deine heiligen Engel zu unserm Schutze zu senden Dich gewürdigt hast, verleihe uns Bittenden, daß wir durch ihren Schutz immer - dar behütet werden und uns ihrer Gemein - schaft ewig freuen mögen. Durch Jesum Christum, unsern Herrn. Amen.

Der Glaube an die Vorsehung.

Der göttliche Heiland versichert uns mit trostreichen Worten, daß der himmlische Vater alles zu unserem Besten anordne und mit väterlicher Liebe um uns be - sorgt sei. Der Christ soll diese Lehre nicht bloß glauben, sondern auch in den Freuden und Leiden seines täglichen Lebens beherzigen und auf sich selber anwenden. Er soll das ganze irdische Leben im Geiste des Glaubens auf - fassen, in allen Ereignissen die Hand des Herrn erkennen, ihre Winke befolgen, für ihre Gaben dankbar sein, ihre Züchtigungen ergeben und vertrauensvoll annehmen. Dann wird er in jeder Lage, selbst im größten Unglücke, die ruhige Fassung, selbst freudigen Mut jederzeit be - wahren. Die Christen würden unzählige Leiden leichter ertragen, wenn sie den Glauben an die Vorsehung nicht als vergrabenes Talent in sich herumtragen würden. Viele wären nicht untergegangen in Kleinmut und Ver - zweiflung, wenn sie nicht vorher diesen so trostreichen Glauben verloren hätten. Eltern sollen jede Gelegenheit benutzen, um die Lehre von der Vorsehung, durch welche das wechselvolle Erdenleben mit dem Schimmer himm -487 lischen Trostes verklärt wird, ihren Kindern recht tief und unauslöschlich einzuprägen.

Bei einem glücklichen Ereignisse:

Danket dem Herrn, denn Er ist gut; denn in Ewigkeit währet seine Barmherzigkeit. (Ps. 117, 1.); oder: Was soll ich dem Herrn vergel - ten für alles, was Er mir gegeben hat? (Ps. 115, 3.) oder wenigstens das altchristliche Gott sei Dank!

Bei einem Verluste:

Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen. Wie es dem Herrn gefallen hat, also ist es geschehen. Der Name des Herrn sei gebenedeit. (Job 2, 21.)

Bei selbstverschuldetem Unglücke:

Wir leiden mit Recht; denn wir empfan - gen, was wir verdient haben. Dieser aber (Christus) hat nichts Böses gethan. (Luk. 23, 41.)

Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu Ihm sagen; Vater, ich habe gesündigt wider den Himmel und vor Dir. (Luk. 15, 18.)

In Armut und zeitlichen Sorgen:

Alle Haare eueres Hauptes sind gezählt, es fällt keines von euerem Haupte ohne den Willen meines Vaters, der im Himmel ist.

Fürchte dich nicht mein Sohn: wir führen488 zwar ein armes Leben, aber wir werden viele Güter haben, wenn wir Gott fürchten und alle Sünden meiden und Gutes thun. (Tob. 1, 23.)

Gieb uns heute unser tägliches Brot.

Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich.

Bei Heimsuchungen jeder Art:

Was Gott thut, ist wohlgethan.

Denen, die Gott lieben, gereichen alle Dinge zum Besten.

Auf Dich, o Herr, habe ich gehofft, ich werde ewig nicht zu Schanden werden.

Wer Mir nachfolgen will, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge Mir nach.

Selig sind die Trauernden und Weinen - den, denn sie werden getröstet werden.

Selig der Mensch, den Gott gezüchtiget; darum verschmähe die Züchtigung des Herrn nicht; denn Er verwundet und heilt, Er schlägt und seine Hände machen gesund. (Job 5, 17.)

Gebet um Gottes Schutz und Gnade in gesunden und kranken Tagen.

Herr, unser Gott, Du hast uns zur Freude und Glückseligkeit erschaffen, aber durch die Sünde ist der Keim des Todes in uns gelegt und489 nach dem Gesetze unserer Sterblichkeit wird bald das eine Glied unserer Familie, bald ein anderes von einer Krankheit heimgesucht wer - den, und früher oder später alle durch den Tod in die andere Welt hinübertreten. Wir unter - werfen uns zum voraus deinen Ratschlüssen. Du bist unser Vater und was Du uns senden wirst, das nehmen wir an mit Ergebung und Ver - trauen. Doch flehen wir zu Dir um deines einge - bornen Sohnes willen, verfahre nicht mit uns nach unsern Missethaten, sondern nach deiner großen Barmherzigkeit. Bewahre unser Haus vor ansteckenden Seuchen und schweren Krank - heiten. Erhalte in unserer Familie und Ver - wandtschaft den Kindern ihre Eltern, bis für ihr zeitliches und ewiges Wohl hinreichend ge - sorgt ist. Gieb, daß die Krankheiten, die Du uns senden wirst, so von uns ertragen werden, daß sie Dir zur Ehre und uns zum Heile dienen; daß die Kranken durch Geduld, die Gesunden durch Liebe Verdienste sammeln. Bewahre uns alle vor einem jähen und unvorhergesehenen Tode. Gieb, daß wir beständig wachen und bereit seien auf deine Ankunft. Laß alle vor ihrem Abschei - den bei guter Besinnung und würdig die heili - gen Sakramente empfangen, die zeitlichen An - gelegenheiten ordnen, jedes Unrecht gut ma -490 chen, mit den Feinden sich aussöhnen, so daß sie in der letzten Stunde freudig und getrost dei - nem Rufe folgen können und das ewige Leben erlangen.

Vor und bei den Versuchungen.

Wie manche Vorsätze bleiben unausgeführt, auch wenn sie ernst gemeint sind? Wie mancher einst gute Christ fällt langsam und unmerklich der religiösen Gleich - gültigkeit anheim oder wird der Sklave einer lasterhaften Gewohnheit für sein ganzes weiteres Leben? Wie viel - fach kommt diese Ausartung namentlich bei jungen Leuten vor? Dieselbe beginnt meistens mit der Untreue in kleinen Dingen, mit dem Fall in Versuchungen des täglichen Lebens, die viel zu wenig beachtet werden. Zwei Dinge sind auch jenem, der guten Willen hat, notwendig, um in jeder Versuchung standhaft zu bleiben. Das erste ist das Gebet, von welchem schon geredet worden; immer soll der Christ das demütige Bewußtsein seiner Schwä - chen und Versuchungen zum Gebete mitbringen; das zweite sind gute Gedanken. Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet. Es kommt alles darauf an, wie der Feind dich antrifft, gesammelt oder zerstreut, mit irdischen oder himmlischen Gedanken im Herzen. Die Erinnerung an eine ewige Wahrheit kann den Christen unüberwindlich machen in der schwersten Versuchung, ohne eine solche kann er dem leichtesten Angriffe er - liegen. Würde ein Christ recht beherzigen, was er glaubt, so könnte er fast nicht sündigen. Wer sich bemüht, im täglichen Leben so oft als möglich an höhere Wahrheiten sich zu erinnern, bewahrt sich selber vor schweren Fehltrit - ten und erleichtert sich den Sieg in hundert Anfechtungen.

Auch da müssen die Eltern sich bemühen, den Glauben und das Gewissen ihrer Kinder zu wecken und zu stärken. 491Sie allein können ihren Kindern diesen Dienst erweisen, der für sie so unendlich notwendig und wichtig ist. Die geeigneten Mittel sind folgende:

a. Die fleißige Erweckung der drei göttlichen Tugenden, des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Diese bilden das Fundament des ganzen sittlich-religiö - sen Lebens. Jede Uebung einer dieser Tugenden erhebt die Seele über das Irdische und verleiht ihr eine innere sittliche Stärkung. Es giebt ganz kurze Formeln, diese Tugenden zu erwecken, aber man sollte sich nicht auf sie beschränken, sondern bei einer Pflichterfüllung, Ver - suchung, Heimsuchung die Uebung gerade dem Anlasse anpassen. Erwecke sie oft wie bei dem Morgengebete oder wie unten folgt.

b. Die öftere Erinnerung an die Eigenschaften Gottes, Allgegenwart, Allwissenheit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Weisheit u. s. w. und an die letzten Dinge, Tod, Gericht, Himmel und Hölle. Es geht leichter, wenn namentlich Kinder regelmäßig nur an eine bestimmte Wahrheit erinnert werden, z. B. die Gegenwart Gottes. Diese wird auf diese Weise ihrer Seele tiefer eingeprägt und ist für sich allein im stande, das Gewissen wach zu halten.

Uebung des Glaubens.

O Gott, ich glaube an deine heilige Ge - genwart, deine ewige Gerechtigkeit, die Strafen der Hölle, des Fegfeuers, die Freuden des Himmels u. s. w.

Uebung der Hoffnung.

Ich baue und vertraue auf deine Barm - herzigkeit und Liebe, deine Verheißungen, den492 Namen und die Verdienste Jesu Christi in die - ser Versuchung ..., in diesen Leiden ... in diesem Geschäfte ... O Herr, laß mich nicht zu Schanden werden.

Uebung der Liebe.

Dir, o Gott, zuliebe will ich diese Arbeit voll - bringen, dieses Leiden ertragen, diese Ueber - windung mir auferlegen, diese Sünden meiden, diese Pflicht erfüllen. Mein Herr und Gott! Nimm alles von mir, was mich trennt von Dir! Gieb alles mir, was mich führt zu Dir! Nimm mich mir, und gieb mich Dir!

In Versuchungen.

Wie sollte ich es wagen, ein solches Uebel zu thun vor den Augen meines Gottes!

Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet.

Lieber sterben, als sündigen!

Herr, eile mir zu helfen!

In allen deinen Werken denke an die letzten Dinge und du wirst in Ewigkeit nicht sündigen.

Das Himmelreich leidet Gewalt und nur die Gewalt brauchen, reißen es an sich.

493

Gegen die Anwandlungen der Menschenfurcht.

Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit und dieses alles wird euch hinzu - gegeben werden. Fürchtet euch nicht vor de - nen, welche den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet vielmehr denje - nigen, welcher sowohl den Leib als die Seele in die Hölle stürzen kann.

Wer mich vor den Menschen bekennt, den werde ich auch bekennen vor meinem Vater, der im Himmel ist.

Selig seid ihr, wenn euch die Menschen has - sen und euch ausstoßen und schmähen und euch ächten als Böse um des Menschensohnes willen. Freuet euch an jenem Tage und frohlocket; denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel.

Lieber will ich verachtet sein im Hause mei - nes Gottes, als wohnen in den Wohnungen der Sünder.

Nach einem begangenen Fehltritt.

Vergieb uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unsern Schuldnern.

O Herr, sei mir armen Sünder gnädig!

Gott will nicht den Tod den Sünders, son - dern daß er sich bekehre und lebe.

494

Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen.

O Jesus, sei mir gnädig! O Jesus, sei mir barmherzig! O Jesus, verzeih mir meine Sünden!

Dich liebt, o Gott, mein ganzes Herz.
Und ist mir das der größte Schmerz,
Daß ich erzürnt, Dich höchstes Gut,
Ach wasche mich in deinem Blut!

Die Vorbereitung auf den Tod.

Dieses Leben ist nur die Vorhalle zur Ewigkeit, in welcher wir einige Augenblicke uns vorbereiten können zum Uebertritt in die andere Welt, der mit dem Tode stattfindet. Darum soll das ganze Leben eine Vorbe - reitung auf den Tod sein. Nimm dir wenigstens die Mühe, von Zeit zu Zeit, z. B. alle Monate, oder beim Empfange der heiligen Sakramente an diese ernste und alles entscheidende Stunde zu denken und einige Augen - blicke zur Vorbereitung zu verwenden. Vielleicht ist von dem Opfer einer Stunde und einer kleinen Ueberwin - dung das Heil deiner Seele in der Ewigkeit abhängig. Dann und wann eine Stunde ernster Todesbetrachtung, um gut zu sterben und ewig selig zu werden, wer wollte sich das gereuen lassen?

1. Betrachtung über den Tod.

Stelle dir den Heiland vor, wie Er sagt: Der Menschensohn wird zu einer Stunde kommen, da ihr es nicht meinet. (Luk. 12, 40.)

495

Was heißt sterben?

Sterben heißt alles verlassen, was man auf Erden geliebt hat, Eltern, Geschwister, Kin - der, Freunde, Hab und Gut, Aemter und Ehren. Alles das muß ich beim Tode zurücklassen. Ich kann nicht das Geringste mit mir nehmen. Will ich mein Herz an solche vergängliche Dinge hängen? Darf ich um ihretwillen die Ewig - keit vergessen oder gar das Heil der Seele we - gen ihnen aufs Spiel setzen? Das darf nie und nimmer geschehen. Aber ist es nicht doch geschehen? Ich sterbe heißt meine Seele wird vom Leibe getrennt. Dieser letztere ohne Gefühl, ohne Bewegung, fällt rasch der Verwesung anheim, wird eine Speise der Wür - mer. Ist es nicht Thorheit, diese Speise des To - des allzusehr zu lieben und zu pflegen, den niedrigen Begierden nachzugeben und ihnen selbst das Heil der Seele zu opfern? Was habe ich bisher gethan? Was will ich in Zukunft thun?

Sterben heißt die Entscheidung für die ganze Ewigkeit bestehen. Man stirbt nur einmal und die Entscheidung ist unwiderruflich. Wie der Tod, so das Los in der Ewigkeit. Ich habe nun die Wahl entweder alles zu gewinnen,496 oder alles zu verlieren; so lange ich atme, kann ich die Entscheidung so oder so wenden, aber mit dem Augenblicke des Todes hört jedes Schwan - ken auf. Wie der Baum fällt, so bleibt er lie - gen. Was habe ich Wichtigeres zu thun, als besorgt zu sein, daß diese unwiderrufliche Ent - scheidung eine gute sei?

Wann und wie werde ich sterben?

Ich weiß, daß dieser Augenblick, der über mein Los in der Ewigkeit entscheidet, kommen wird. Aber wann, vielleicht schneller, als ich es denke. Das Urteil des Todes ist über mich gefällt, der Vollzug kann jeden Augenblick stattfinden. Wird sich der Tod vorher ankünden? Werde ich einige Tage oder wenigstens einige Stunden haben, um mich auf diesen verhängnisvollen Uebergang vorzubereiten? Wird mein Tod sanft oder gewaltsam sein? Wird er allmäh - lich herankommen oder mich gewaltsam überra - schen? Werde ich die Gnadenmittel der Re - ligion empfangen können? Werde ich die Besinnung haben und noch meine Angelegen - heiten ordnen können? Auf alle diese Fra - gen weiß ich keine Antwort und der Herr will mir darüber keine Aufschlüsse geben. Er sagt bloß: Wachet und seid bereit, denn ihr wisset nicht, zu welcher Stunde der Herr kommen wird.

497

Bin ich bereit, jetzt zu sterben.

Wie steht es mit dem Zustande meines Ge - wissens? Bin ich wohl im Stande der Gnade? Oder muß ich annehmen, daß Todsünden auf mir lasten? Habe ich noch ungültige Beichten in Ordnung zu bringen? Aerger - nisse gut zu machen? Feindschaften auszu - gleichen? Ungerechtes Gut zurückzustel - len? Habe ich irgend eine sündhafte An - hänglichkeit im Herzen, die mir das Sterben schwer machen würde? Wie werde ich wün - schen gelebt zu haben, wenn ich vor dem An - gesichte Gottes stehe? Wie steht es mit mei - nen zeitlichen Angelegenheiten? Würde Schaden oder Unordnung entstehen, wenn ich plötzlich sterben würde?

Ziehe alle diese Fragen in ernste Ueberleg - ung, beantworte sie dir gewissenhaft, knüpfe daran die entsprechenden Entschließungen und säume nicht mit der Ausführung. Denn viel - leicht beschäftigest du dich zum letztenmal mit dem Gedanken an den Tod, bevor der Tod wirk - lich kommt. Dann erwecke in nachfolgender Weise die Gesinnungen, welche im Sterben dein Herz erfüllen sollen.

498

2. Geistliches Testament.

Im Namen der allerheiligsten Dreifaltig - keit, des Vaters, des Sohnes und des hei - ligen Geistes. Amen.

Ich N. N. übergebe meine Seele Gott, meinem Schöpfer und meinen Leib der Erde, von dem er genommen ist.

Ich verlasse freiwillig alle Güter und Freu - den dieser Welt und dieses Lebens, wann der Herr mich ruft.

Ich bereue aufrichtig und von ganzem Herzen alle Sünden meines ganzen Lebens und verabscheue sie vor allem deswegen, weil sie Dir, o Gott, mißfallen.

Ich verzeihe von Herzen allen Beleidi - gern, damit Du, o Gott, auch nur alle meine Beleidigungen verzeihest.

Ich glaube an den dreieinigen Gott, den Vater, den Sohn und den heiligen Geist, mei - nen Erschaffer, Erlöser und Heiligmacher. Ich glaube auch festiglich alles, was die heilige, apostolische, römisch-katholische Kirche zu glau - ben vorstellt und verlange, in diesem wahren Glauben zu leben und zu sterben.

Ich hoffe zuversichtlich von der unendlichen Güte Gottes und um der Verdienste meines499 Erlösers willen Verzeihung meiner Sünden, Gnade zum Guten und das ewige Leben.

Ich liebe meinen Gott aus ganzem Herzen, aus ganzem Gemüte und aus allen meinen Kräften. Ich unterwerfe mich ganz und voll - kommen dem heiligsten, weisesten und anbe - tungswürdigsten Willen Gottes zum Leben und zum Sterben und bin bereit, alles von Dir, o Gott, anzunehmen, was deine Weisheit und Liebe über mich verfügen mag.

Ich empfehle meinen Leib und meine Seele in die heilsamen Wunden und das liebevolle Herz meines Erlösers, in den Schutz der glor - würdigsten Jungfrau und Mutter Gottes Maria, des hl. Joseph, meines hl. Schutzengels, meiner Namenspatrone und aller Heiligen, welche ich bitte, daß sie mir beistehen wollen in der Stunde des Todes.

Meine letzten Worte sollen sein: Jesus, Maria, Joseph! stehet mir bei! Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist!

Weil ich aber vielleicht im Sterben diese Worte nicht mehr auszusprechen vermag, so spreche ich sie heute aus mit der Meinung, daß sie für den Augenblick des Todes gelten sollen und rufe deshalb mit aller Andacht, Ergebung und Liebe: Jesus, Maria und Joseph! stehet500 mir bei! Vater in deine Hände empfehle ich meinen Geist!

3. Gebet um eine glückselige Sterbstunde.

O mein Gott, ich werfe mich vor dem Throne deiner anbetungswürdigen Majestät nieder, und flehe Dich um die letzte und höchste aller Gnaden an, um eine glückselige Sterbstunde. Allerdings habe ich von dem Leben, das Du mir verliehen hast, oft einen schlechten Gebrauch gemacht; aber dessenungeachtet bitte ich Dich: schenke mir die Gnade, mein Leben gut zu be - schließen und in deiner Liebe zu sterben.

Laß mich sterben wie die hl. Patriarchen und ohne Klagen dieses Thränenthal verlassen, um in meinem Vaterland ewige Ruhe zu genießen.

Laß mich sterben, wie der hl. Joseph gestor - ben ist, in den Armen Jesu und Mariä, unter Anrufung dieser süßen Namen, die ich in alle Ewigkeit zu loben und zu preisen hoffe!

Laß mich sterben, wie die allerseligste Jung - frau Maria, vor Liebe glühend, entflammt von heiliger Sehnsucht, mich mit dem einzigen Ge - genstande all meiner Liebe zu vereinigen!

Laß mich sterben, wie Jesus am Kreuze in den lebhaftesten Gefühlen des Abscheues gegen die Sünde, der Liebe zu meinem himm -501 lischen Vater und der Ergebung in seinen Willen.

Ewiger Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist; erzeige an mir deine Barm - herzigkeit!

Jesu, der Du aus Liebe für mich ge - storben bist, verleihe mir die Gnade, in dei - ner Liebe zu sterben!

O Maria, Mutter meines Erlösers, bitte für mich, jetzt und in der Stunde meines Todes.

Heiliger Engel des Herrn, treuer Hüter meiner Seele, große Heilige, die Gott mir zu Beschützern gegeben, verlasset mich nicht in der Stunde meines Todes!

Heiliger Joseph, erlange mir durch deine mächtige Fürsprache die Gnade, daß ich den Tod des Gerechten sterbe! Amen.

Die armen Seelen im Fegfeuer.

Es ist ein heiliger und heilsamer Gedanke, so steht schon in den Schriften des allen Bundes zu lesen, für die Verstorbenen zu beten, damit sie von ihren Sünden erlöst werden. (II. Mach. 12, 46.) Im neuen Bunde finden wir überall diese Lehre ausgesprochen. Das all - gemeine Konzil von Lyon im Jahre 1274 z. B. erklärt, daß den nicht völlig geläuterten Seelen zur Linderung der Strafen im Reinigungsorte die Fürbitten der auf Erden lebenden Gläubigen nützen, nämlich die Meßopfer, Gebete, Almosen und andere Werke der Frömmigkeit,502 welche von Gläubigen für andere Gläubigen nach dem Gebrauche der Kirche verrichtet zu werden pflegen.

Alle, welche im Stande der Gnade sterben, sind Erben des Himmels, aber Gottes Gerechtigkeit, die auch über jedes unnütze Wort Rechenschaft fordert, kann ihnen denselben erst öffnen, wenn sie von jeder Makel rein geworden sind. Wir gehören mit diesen büßenden Seelen derselben Gemeinschaft der Heiligen an und die Liebe und Barmherzigkeit Gottes hat es uns möglich gemacht, ihnen zu Hilfe zu kommen und ihnen Linderung und Abkürzung ihrer Peinen zu verschaffen. Erinnere dich besonders an deine verstorbenen Angehörigen, an die jüngst Dahingeschiedenen, an alle jene, für welche du aus irgend einem Grunde zu beten schuldig bist. Verbinde ein kurzes Gebet für sie mit deinen täglichen Andachten, mit jedem Kirchenbesuch! gedenke ihrer beim Anblicke des Kirchho - fes, in besonderer Weise am Samstag und während dem ihnen geweihten Monat November. Erbarmet euch mei - ner, erbarmet euch meiner, wenigstens ihr meine Freunde.

Kirchengebete für die Verstorbenen.

Zu beten am Allerseelentage, beim Gräberbesuch, bei Gedächtnissen und Jahrzeiten, sowie einige Zeit hindurch täglich nach dem Tode eines Angehörigen.

Befreie mich, o Herr, von dem ewigen Tode an jenem schrecklichen Tage:

Wenn Himmel und Erde erschüttert werden.

Da Du kommen wirst, die Welt zu richten mit Feuer.

Zitternd stehe ich da und fürchte mich, da die Rechenschaft kommt und der künftige Zorn:

Wenn Himmel und Erde erschüttert werden.

503

O jener Tag, ein Tag des Zornes, des Elendes und Jammers, ein Tag, der über - aus bitter ist:

Da Du kommen wirst, die Welt zu richten mit Feuer.

Herr, gieb ihnen die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihnen.

Befreie mich, o Herr, von dem ewigen Tode an jenem schrecklichen Tage:

Wenn Himmel und Erde erschüttert werden.

. Lasset uns beten für die abgestorbenen Christgläubigen.

. Herr, gieb ihnen die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihnen.

. Laß sie ruhen im Frieden.

. Amen.

Antiphon. Wenn Du, o Herr, gedenken wolltest der Missethaten, wer könnte dann be - stehen, o Herr?

Psalm 129.

Aus der Tiefe rufe ich zu Dir, o Gott, Herr, erhöre mein Gebet!

Laß dein Ohr doch achten auf meines Flehens Stimme.

Wenn Du, o Herr, gedenken wolltest der Missethaten, wer könnte dann bestehen, o Herr?

504

Aber bei Dir ist die Vergebung, o Herr, und um deines Gesetzes willen vertraue ich auf Dich.

Meine Seele harret auf sein Wort, meine Seele hoffet auf den Herrn.

Von der Morgenwache bis in die Nacht hoffe Israel auf den Herrn.

Denn bei dem Herrn ist Erbarmung und bei Ihm überreiche Erlösung.

Und Er wird Israel erlösen von allen sei - nen Missethaten.

Herr, gieb ihnen die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihnen.

Antiphon. Wenn Du, o Herr, gedenken wolltest der Missethaten, wer könnte dann bestehen, o Herr?

. Herr, erbarme Dich unser!

. Christus, erbarme Dich unser!

. Herr, erbarme Dich unser!

Vater unser.

. Und führe uns nicht in Versuchung.

. Sondern erlöse uns von dem Uebel.

. Aus dem Orte der Reinigung.

. Erlöse, o Herr, ihre Seelen.

. Laß sie ruhen im Frieden.

. Amen.

. Herr, erhöre unser Gebet,

. Und laß unser Rufen zu Dir kommen.

505

Gebet.

Für verstorbene Seelsorger. O Gott, der Du unter den apostolischen Priestern dei - nen Diener N. mit der priesterlichen Würde bekleidet hast, wir bitten Dich, verleihe, daß er auch in der Ewigkeit ihrer Gemeinschaft beige - zählt werde, durch Christum, unsern Herrn. A.

Für verstorbene Eltern. O Gott, der Du uns befohlen hast, Vater und Mutter zu eh - ren, erbarme Dich nach deiner Milde der Seelen meines Vaters und meiner Mutter, vergieb ihnen ihre Sünden und laß mich sie wieder sehen in der Freude ewiger Herrlichkeit, durch Jesum Christum, unsern Herrn. Amen.

Für verstorbene Verwandte und Freunde. O Gott, Du Ausspender der Gna - den und Liebhaber des menschlichen Geschlech - tes, wir flehen zu deiner Milde, daß Du die See - len unserer verstorbenen Brüder und Schwe - stern, Verwandten und Wohlthäter, die aus dieser Zeitlichkeit abgeschieden sind, durch die Fürbitte der seligen, allzeit jungfräulichen Mutter Maria und aller Heiligen zur Gemein - schaft der ewigen Seligkeit wollest gelangen, lassen, durch Jesum Christum ꝛc. Amen.

Für Stifter und Wohlthäter. O Gott,506 wir empfehlen deiner Liebe die Seelen derjeni - gen, die durch milde Stiftungen deine Ehre und das Wohl ihrer Brüder so werkthätig beför - dert haben. Vergilt ihnen mit ewigen Gütern, was sie an ihren notleidenden Brüdern selbst ge - than, und laß sie in ewiger Seligkeit die Schätze genießen, die sie in den Werken der Liebe im Himmel sich hinterlegt haben. Darum bitten wir Dich durch Christum, unsern Herrn. Amen.

Für jeden Verstorbenen. Erlöse, o Herr, die Seele deines Dieners (Dienerin), da - mit sie, die der Welt abgestorben, nur Dir lebe. Tilge Du nach deiner unendlichen Barmherzig - keit die Sünden, welche sie in ihrem Wandel auf Erden durch menschliche Schwachheit be - gangen, durch Christum, unsern Herrn. Amen.

Für alle abgestorbenen Christ gläu - bigen. O Gott, Schöpfer und Erlöser aller Gläubigen, verleihe den Seelen deiner Diener und Dienerinnen Verzeihung ihrer Sünden, da - mit sie die gnädige Nachlassung, welche sie all - zeit verlangt haben, durch unsere frommen Für - bitten erlangen mögen. Durch Christum ꝛc. A.

. Herr, gieb ihnen die ewige Ruhe.

. Und das ewige Licht leuchte ihnen.

. Laß sie ruhen im Frieden.

. Amen.

507

Auf dem Gottesacker.

Seid gegrüßt, ihr gläubigen Seelen alle, de - ren Leichname hier und überall im Erdreiche begraben ruhen. Unser lieber Herr Jesus Chri - stus, welcher uns mit seinem kostbaren Blute erlöst hat, der wolle euch alle, die ihr noch an dem Orte der Läuterung aufgehalten und ge - reiniget werdet, gnädig daraus befreien und unter die Scharen der Engel und Auserwähl - ten aufnehmen.

Wollet alsdann auch unser eingedenk sein, die wir noch in diesem Jammerthale leben, und den Herrn für uns bitten, daß auch wir nach ei - nem seligen Absterben zu euch gelangen und mit euch in der ewigen Glorie gekrönt werden.

. Herr, gehe nicht ins Gericht mit den Seelen deiner Diener.

. Denn kein Mensch wird vor deinen Augen gerecht erfunden.

O Herr Jesus Christus, das Heil und die Er - lösung der christgläubigen Seelen, der Du nicht gekommen bist, die Seelen verloren gehen zu las - sen, sondern zu erretten und dein Leben zur Ret - tung für viele dahinzugehen, wir rufen flehent - lich zu deiner unendlichen Milde und Barmher - zigkeit, daß Du die Seelen aller abgestorbenen Christgläubigen, die noch im Reinigungsorte508 leiden, gnädig und erbarmungsvoll ansehen mögest, daß, wenn sie auch nicht unverdient ihre Qualen leiden, durch deine mildeste Barmher - zigkeit erlöst werden. Dein Erbarmen möge den Seelen zu Hilfe kommen, die Du mit deinem kostbaren Blute erlöst hast, und um der Ver - dienste der seligsten Jungfrau Maria und aller Heiligen willen ihnen gnädig sein, sie von ihren Peinen befreien, mit dem Kleide der herrlichen Unsterblichkeit bekleiden und in die Freuden des Paradieses aufnehmen, der Du mit dem Vater und dem heiligen Geiste lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Ihr christgläubigen Seelen, deren Gebeine hier und allenthalben im süßen Namen Jesu Christi begraben sind, es segne euch Gott der Vater, es erlöse euch Gott der Sohn, es tröste euch Gott der heilige Geist. Gott der Herr gebe euch die ewige Ruhe durch das bittere Leiden und Sterben seines geliebten Sohnes, unseres Herrn Jesu Christi, Maria und die himmlischen Heerscharen mögen bitten für euch. Ihr lieben christlichen Seelen bittet Gott auch für mich armen Sünder. Amen.

509

Inhalts-Verzeichnis.

Seite

  • Vorbemerkungen5

I. Teil. Belehrungen und Erwägungen.

  • Zweck dieses Buches9
  • Die Vaterwürde14
  • Die Vaterpflichten20
  • Vatersorgen33
  • Vaterfreuden48
  • Der christliche Hausvater55
  • Der katholische Vater63
  • Das heilige Sakrament der Ehe72
  • Gatte und Gattin79
  • Die Mutter97
  • Das Kind102
  • Die christliche Familie109
  • Die erste religiöse Erziehung118
  • Die erste Erziehung zur Sittlichkeit124
  • Die Mitwirkung des Vaters bei der ersten Er - ziehung130
  • Die zweite Periode der Erziehung136
  • Das väterliche Ansehen140
  • Liebe und Ernst, Belehrung und Zwang145
  • Die Erziehung zur Gewissenhaftigkeit151
  • Die spätere Erziehung zur Religiosität161
  • Der Geist des Glaubens168
  • Temperament und Charakter180
  • Jüngling und Mann191
  • Die Ideale196
  • Die Klugheit202
  • Die Gerechtigkeit210
  • 510Die Mäßigkeit216
  • Der Starkmut222
  • Die Keuschheit229
  • Gemütsruhe und Zufriedenheit235
  • Wahl des Standes und Berufes241
  • Schule und Fremde250
  • Die Bürgerpflichten256
  • Es will Abend werden263
  • Christus und die heilige Familie269

II. Teil. Andachtsübungen.

  • Die täglichen Gebete277
  • Morgengebet277
  • Abendgebet280
  • Tägliches Gebet des Vereins der christl. Familien282
  • Meßandachten285
  • Erste Meßandacht285
  • Zweite Meßandacht321
  • Dritte Meßandacht344
  • Bußandacht367
  • Vorbereitungsgebet367
  • Gewissenserforschung370
  • Reue und Leid378
  • Nach der Beicht380
  • Kommunionandacht382
  • Vor der heiligen Kommunion384
  • Bei der heiligen Kommunion386
  • Nach der heiligen Kommunion388
  • Verschiedene Andachten398
  • Zur heiligen Fastenzeit (Stationenandacht) 398
  • Auslegung des Vater unser und des englischen Grußes407
  • Zwei Besuchungen des allerheiligsten Altar - Sakramentes426
  • 511Litanei vom heiligsten Namen Jesu436
  • Weihegebet, durch welches die christlichen Fa - milien sich der heiligen Familie weihen440
  • Andacht zu der heiligen Familie442
  • Gebet um Erneuerung der Standesgnade446
  • Das Vater unser des christlichen Vaters448
  • Die Festzeiten des Kirchenjahres452
  • Adventandacht453
  • Andacht an Weihnachten454
  • Andacht für die heilige Fastenzeit457
  • Andacht für die österliche Zeit459
  • Andacht zu Ehren des heiligen Geistes461
  • Andacht zu Ehren der seligsten Jungfrau Maria464
  • Andacht zu Ehren der unbefleckten Empfängnis Maria466
  • Andacht zu der schmerzhaften Mutter469
  • Andacht zu Ehren der Aufnahme Mariens in den Himmel473
  • Die lauretanische Litanei475
  • Das andächtige Beten des heiligen Rosenkranzes479
  • Gebete zu den Heiligen Gottes482
  • Zum heiligen Joseph482
  • Zum heiligen Schutzengel484
  • Der Glaube an die Vorsehung486
  • Gebet um Gottes Schutz und Gnade in gesunden und kranken Tagen488
  • Vor und bei den Versuchungen490
  • Die Vorbereitung auf den Tod494
  • Betrachtung über den Tod494
  • Geistliches Testament[498]
  • Gebet um eine glückselige Sterbstunde500
  • Die armen Seelen im Fegfeuer501
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About this transcription

TextDer christliche Vater in der modernen Welt
Author Augustinus Egger
Extent532 images; 86146 tokens; 10969 types; 565190 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDer christliche Vater in der modernen Welt Erbauungs- und Gebetbuch Augustinus Egger. . 1895.

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Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Theologie; ready; dtae

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk stammt vom Projekt Digitization Lifecycle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.Anmerkungen zur Transkription:Bei der Zeichenerkennung wurde nach Vorgabe des DLC modernisiert.In Absprache mit dem MPI wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:Bogensignaturen und KustodenKolumnentitelAuf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizierung von titleParts verzichtet.Bei Textpassagen, die als Abschnittsüberschrift ausgeweisen werden können, wird auf die zusätzliche Auszeichnung des Layouts verzichtet.Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet.Weiche und harte Zeilentrennungen werden identisch als 002D übernommen. Der Zeilenumbruch selbst über lb ausgezeichnet.

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  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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