PRIMS Full-text transcription (HTML)
Durch Gebet und Arbeit verherrlichten sie Gott und heiligten sich selbst. (S. Bonaventura)
[I]
Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte.
Vorträge über christliche Ehe und Erziehung von Gall Jos. Hug, Domkapitular in St. Gallen.
Mit einem Anhang von Krankengebeten nach Cochem.
Zweite, vielfach vermehrte Auflage.
Viertes bis Fünftes Tausend.
Mit oberhirtlicher Empfehlung.
Freiburg (Schweiz)Universitäts-Buchhandlung (B. Veith)1896
[II]
[III]

IMPRIMATUR

Friburgi Helvetiorum die 26 Decembris anno 1895.

J. V. Pellerin, Vic. Gen.

Empfehlung.

Nachstehende Predigten des hochw. Herrn Domkustos G. J. Hug behandeln, wie schon ihr Titel andeutet, einen Gegenstand, dessen große Bedeutung allgemein anerkannt ist. Sie sind von kirchlichem Geiste durchdrungen, ge - haltvoll, praktisch und eindringlich und daher sehr geeignet, zur Erneuerung des Familienlebens und der Erziehung beantragen. Wir ertheilen darum denselben gerne unsere Approbation und Empfehlung und wünschen denselben die weiteste Verbreitung.

St. Gallen, den 24. Dezember 1895.

Augustinus Bischof.
IV

Vorwort.

Etwas mehr als die Hälfte dieser Vorträge erschien vor 15 Jahren im Druck; war aber nur für enger Kreise berechnet und bestimmt; gleichwohl verirrten sich auch manche Exemplare ins Anstand. So war die Auf - lage bald vergriffen und die Nachfragen wurden mit der Zeit immer zahlreicher. Das war für den Verfasser eine trostreiche Aufmunterung eine zweite vermehrte Auflage vorzubereiten; das verlangt auch die von feindlichen Mächten immer heftiger bestürmte christliche Familie.

Denn diese jüdisch-liberale Zeitströmung macht die klare und kräftige Entwicklung all' jener geoffenbarten Wahrheiten nothwendig, welche einzig und all ein den Menschen aus der Tiefe des Fleisches und der Sinnlich - keit auf die Lichthöhen des übernatürlichen Lebens empor - zuheben und so die christliche Familie vor Verderbnis; und Auflösung zu bewahren vermögen. Wie nämlich am Char - freitag die Synagoge mit dem irregeleiteten Volke vor dem Palaste des römischen Landpflegers Pilatus lärmte und schrie: Kreuzige ihn! , so lärmt und schreit sie heute mit ihrem allezeit getreuen Heergefolge Dem buntscheckigen Liberalismus vor dem Throne des allmächtigen alle Freiheiten verschlingenden Staates: Kreuzige die christ - liche Kirche! Kreuzige die christliche Staatsordnung! Kreuzige die christliche Familie!

V

Auf der großen Weltbühne andere Schauspieler, aber das gleiche Trauerspiel!

Im alten Bunde wurden die Juden, wenn sie den Weg der Gebote Gottes verlassen hatten, von den Philistern bedrängt, bekriegt, besiegt; jetzt haben sie durch Gottes Zulassung und Fügung die Rolle der Philister gegen jene Völker übernommen, welche im privaten und öffentlichen Leben von Christus und der Kirche abgefallen sind. Was daher der edle Graf Friedrich Leopold von Stollberg am 17. Mai 1808 über die damaligen Verhält - nisse schrieb, das gilt heute von den socialen vielleicht noch mehr als den politischem Jetzt muß alles rückgängig sein, auf daß es vorgängig werden könne, im Kleinen wie im Großen. Was wird im ganzen Geäder der Verhält - nisse nicht noch geschehen müssen, auf daß es einleuchtend werde, wohin die erste Lüge, wie man in der Philosophie den ersten Irrthum nennt, führt und führen müße. Ehe man zum Worte Gottes zurückkehrt, wird es noch ganz anders kommen. Ich sehe es kommen und obschon mir die Haut schaudert, jauchzet doch mein innerstes. Das tägliche ununterbrochene Studium eines Buches giebt Aufschluß über Alles und bewährt dieses Buch als Gottes Wort. Stollberg, Entwicklungsgang von Janssen, zweite Auflage, S. 367.

So Stollberg, als er, um seine Religionsgeschichte zu schreiben, die hl. Bücher des alten Bundes studierte und betrachtete.

Also zum Worte Gottes, zur geoffenbarten Wahrheit zurückkehren, zum Vorbild der christlichen Familie, zur hl. Familie von Nazareth! Mit noch so zierlichen Redens -VI arten und geistreichen Gedanken der rein natürlichen Welt - anschauung, wenn sie auch durch irgend einen Bibelspruch noch einen pietistischen Anhauch haben, ist für die Erhal - tung und Wiederherstellung der christlichen Familie zum wenigsten nichts geleistet.

Wenn nun dies Buch in vielen Familien als Haus - freund aufgenommen, berathen, befolgt wird, und so gute Familien noch glücklicher macht, die Bedrohten rettet, die Zerütteten wiederherstellt, die Jugend auf dem Wege des Glaubens und der Unschuld bewahrt, die zum Ehestande Berufenen zum würdigen Empfange des hl. Sakramentes der Ehe anleitet, so kann ich die hl. Familie von Na - zareth für ihre Liebe und Güte gegen die christlichen Familien und gegen mich nie genug loben und preisen.

St. Gallen, am Feste der unbefleckten Empfängniß der allerseligsten Jungfrau und Mutter Gottes Maria. 1895.

Der Verfasser.
VII

Inhaltsverzeichniß.

Vorwort. Inhaltsverzeichniß Seite

  • I. Der allgemeine fromme Verein der christl. Familie1
  • II. Die Mutterwürde8
  • III. Die Vaterwürde und ihre Gefahren16
  • IV. Das Opfer der Mutter26
  • V. Die Vatermacht35
  • VI. Die Unschuld der Weg zur Ehe46
  • VII. Die Bewachung der Kinder55
  • VIII. Die Bekanntschaften, eine heilige Ehrensache der Familie64
  • IX. Wie wird die Bekanntschaft eine Ehrensache der Familie74
  • X. Die Ehe ein heiliges Sakrament83
  • XI. Die christliche Ehe ist unauflöslich94
  • XII. Empfang des heiligen Sakramentes der Ehe105
  • XIII. Das Hochzeitsgewand der Brautleute am Altar114
  • XIV. Die Ehe, ein Abbild der Vereinigung Christi und der Kirche eheliche Liebe und Treue124
  • XV. Die Gewalt der Kirche betr. Ehehindernisse und die Verwandtschaftsehen133
  • XVI. Kampf der Päpste für die Heiligkeit der Ehe146
  • XVII. Taufe, besonders Kindertaufe157
  • XVIII. Die Aufgabe der Erziehung168
  • XIX. Christus das Vorbild bei Erziehung der Kinder178
  • XX. Erziehung und Liebe188
  • XXI. Erziehung und Gehorsam197
  • XXII. Erziehung und Ruthe206
  • XXIII. Erziehung und Abtödtung218
  • VIIIXXIV. Begriff und Schule der Ehrfurcht228
  • XXV. Erziehung und Ehrfurcht235
  • XXVI. Erziehung und Keuschheit245
  • XXVII. Erziehung und Beicht255
  • XXVIII. Keuschheit und Kommunion265
  • XXIX. Tischgebet276
  • XXX. Besuch des Gottesdienstes285
  • XXXI. Familie und Prüfungen Gottes292
  • XXXII. Erziehung und Familienfreuden302
  • XXXIII. Geschwisterliebe312
  • XXXIV. Stand und Beruf322
  • XXXV. Art und Weise der Standeswahl332
  • XXXVI. Standeswahl und Ehe342
  • XXXVII. Christliche Familie und Arbeiter, 1. Theil353
  • XXXVIII. Christliche Familie und Arbeiter, 2. Theil363
  • XXXIX. Ehe und Tod373
  • Anhang von Gebeten387 403
1

I. Der allgemeine fromme Verein der christlichen Familie.

Die hochheilige Familie von Nazareth muß eine ganz außerordentliche Bedeutung haben, denn schon in der heiligen Schrift wird sie uns oft und in den mannigfaltigsten Lebensverhältnissen erwähnt und an die Spitze des Evan - geliums gestellt. Der hl. Matthäus beginnt sein Evange - lium mit den Worten: Buch der Abstammung Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams. Dann zählt er die Stammväter Christi auf und schließt mit den Worten: Jacob aber zeugte Joseph den Mann Marias, von welcher geboren ist Jesus, welcher Christus genannt wird.

Also am Anfang der frohen Botschaft haben wir die heilige Familie in ihrer ganzen Herrlichkeit. Wiefern? Während nämlich der heilige Matthäus bei Aufzählung der Stammväter immer das Wort zeugte gebraucht: Abraham zeugte den Isaak, David der König zeugte Salomon, Jacob aber zeugte den Joseph, läßt er auf einmal dies Wort ausfallen und nennt Joseph den Mann Marias, von welcher geboren wurde Jesus, der genannt wird Christus. Zu welchem Zwecke? Um die jungfräuliche Mutterwürde Marias zu verkünden. Da ist gar kein Zweifel möglich; denn gleich berichtet er, wie Joseph Maria entlassen wollte und dann vom Engel über das Geheimniß der Menschwerdung Christi belehrt wurde. Joseph, Sohn Davids, fürchte dich2 nicht, Maria dein Weib zu dir zu nehmen; denn was in ihr ist erzeugt worden, das ist vom heiligen Geiste.

Dann sehen wir die heilige Familie auf der Reise nach Bethlehem; sehen sie im Stalle, wo der Sohn Gottes als Menschensohn geboren und von den Hirten und den Königen angebetet wird. Dann treffen nur nach der Erzäh - lung des Evangeliums die heilige Familie im Tempel, wo das göttliche Kind nach dem Gesetze dem himmlischen Vater dargebracht wird; bald nachher auf der Flucht nach Aegypten, später auf der Heimkehr nach Nazareth, dann über die Osterzeit im Tempel zu Jerusalem, endlich im stillen Hause zu Nazareth, wo das göttliche Kind seinen Eltern unterthan war und mit ihnen in stiller Einsamkeit arbeitete und betete. Während der ersten Zeit des öffent - lichen Gebens Jesu wird die heilige Familie zum letzten Male erwähnt. Als er nämlich in der Synagoge seiner Vaterstadt lehrte, verwunderten sich alle und sprachen: Woher kommt diesem solche Weisheit und Wunderkraft, ist dieses nicht des Zimmermanns Sohn? heißt nicht seine Mutter Maria? (Matth. XIII. 55.) So wurde Christus der Herr, als er dreißig Jahre alt war, allgemein für einen Sohn Josephs gehalten.

Aber warum wollte der Gottmensch, aus der Jung - frau geboren, dennoch für einen Sohn Josephs gehalten werden? warum wollte er wie ein gewöhnliches Kind in der Familie aufwachsen? Die heiligen Väter haben von alters her verschiedene Gründe aufgeführt. Wie es die Zeit - verhältnisse verlangen, bleibe ich nur bei dem stehen, was der heilige Thomas bemerkt: Die Mutter des Herrn war mit Joseph vermählt und Jungfrau, weil in ihrer Person die Jungfräulichkeit und die Ehe geehrt wird gegen Irr - lehrer, welche auf die Jungfräulichkeit oder auf die Ehe schmähen. Die Ehe und mit ihr die Familie war zur Zeit Christi so furchtbar zerfallen, daß man an ihrer Wieder -3 herstellung verzweifeln mußte; die Ehe und die Familie wurde seither vielfach angegriffen und wird besonders heute als die Feindin des gesellschaftlichen Glückes herabgewürdigt; der Haß gegen Christus und seine Kirche hat die christliche Ehe aus dem öffentlichen Leben durch die Civilehe ver - drängt; aber auch mit dieser Civilehe werden die Fortschritte der Revolution da und dort aufräumen, wie der Sturm den Schnee von den Dächern wegwirbelt.

Da sehet ihr wieder die Allmacht und Weisheit Gottes im Geheimnisse der Menschwerdung Christi. Die Weis - heit. Der Sohn Gottes durch den heiligen Geist empfangen, geboren aus der Jungfrau, wollte in seiner Demuth, daß seine jungfräuliche Mutter mit einem Manne vermählt sei und so längere Zeit als ein gewöhnliches Weib erscheine, wollte selber in den Augen der Welt als Kind dieser Eltern aufwachsen, wollte noch im Anfange seines öffentlichen Lebens als Sohn Josephs angesehen werden, nur um der Ehe und der Familie wunderbaren, übernatürlichen Adel und Hoheit zu verleihen.

Aber auch die Allmacht. Denn einerseits hat er alles so geleitet, daß zur rechten Zeit die jungfräuliche Mutter - würde Marias bekannt und geglaubt wurde, anderseits aber hat er die Hoheit und Würde der Ehe der Obhut seiner unzerstörbaren Kirche anvertraut. Wie daher die Revolution in ihrem Ansturme gegen die Kirche da und dort Verwüstungen anrichten, aber die Kirche nicht zer - stören kann, so mag es ihr auch gelingen, die christliche Ehe herabzuwürdigen, da und dort aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen oder gar unmöglich zu machen aber niemals dieselbe aus der Welt zu verbannen.

Um nun einerseits diese entsetzlichen Strafgerichte Gottes voll uns abzuwenden, anderseits den christlichen Adel der Ehe und der Familie zu bewahren was haben wir zu thun? Jede christliche Familie soll die heilige Familie4 verehren und nach Kräften nachahmen, verehren den heiligen Joseph, den Pflegevater Jesu Christi, verehren die makel - reine Jungfrau in ihrer jungfräulichen Mutterwürde, an - beten das göttliche Kind. Das thun wir so oft, als wir den freudenreichen Rosenkranz beten und betrachten. Denn in diesen ersten fünf Geheimnissen ist ja die Geschichte der heiligen Familie enthalten. Also verehren, aber auch nach - ahmen. Denn die heilige Familie ist nicht bloß der Adel, sondern auch das Vorbild der christlichen Ehe und Familie. Denn Christus der Herr wollte nicht bloß die einzelnen erlösen und heiligen, und ihnen ein Beispiel geben, sondern er wollte auch die Familie als Familie und durch die Familie die ganze menschliche Gesellschaft aus dem Sumpfe trauriger Verirrungen auf die Lichthöhen christlicher Voll - kommenheit führen. Hiefür war auch ein leuchtendes Vor - bild nothwendig in der heiligen Familie von Nazareth. Wenn nun auch die Verehrung und Nachahmung der heiligen Familie uralt wie das Evangelium, das die heiligen Apostel auf der ganzen Welt verkündet haben, so ist doch diese Andacht erst in unsern Tagen zur vollen Blüthe gelangt; denn die heilige Kirche nimmt aus ihrem unermäßlichen Schatze je nach den Zeitbedürfnissen Neues und Altes hervor.

Wer will leugnen, daß gerade die Familie heute vie - len und großen Gefahren ausgesetzt ist. Das heutige Er - werbsleben und die Unbeständigkeit des Wohnsitzes der ärmeren Klasse sind, an und für sich, die kleinsten Gefahren. Denn die göttliche Vorsehung, welche diese Uebelstände einmal zugelassen, darf doch nicht zugeben, daß Fami - lien, welche eines guten Willens sind, dadurch geschädigt werden. Die eigentlichen Gefahren liegen viel tiefer; liegen im Verstande, mit einem falschen Begriffe von der Ehe und ihrer Heiligkeit, liegen im Herzen mit seinen Leidenschaften, liegen in der Zerstreuungssucht im Bunde mit der Genußsucht. Nicht wahr, je weniger die Familienglieder an Werktagen5 in Folge der Arbeit bei einander sein können, desto mehr sollten sie am Sonntage mit einander sich freuen. Das verlangt doch die gegenseitige Liebe der Eltern und Kinder und der Geschwister. Und doch und doch! So finden denn so viele sogar scheinbar noch gute Katholiken keine Freude mehr in der Familie; Wirthshaus, Vereine, Aus - flüge, Theater, Unterhaltungen aller Art haben die Familie mit Langweile erfüllt und diese ist ein überaus böser Geist. Was thut da die heilige Kirche? Sie stellt uns die heilige Familie vor Augen, damit wir dieselbe mit neuem Eifer verehren und nachahmen. Darum betet sie: Herr Jesus Christus, der du Maria und Joseph unterthan, das Familien - leben mit unaussprechlichen Tugenden geheiligt hast, mache, daß wir mit beider Hilfe durch die Beispiele deiner hl. Familie unterrichtet werden, und ihre ewige Gemeinschaft erlangen. Wozu also die hl. Familie verehren? Durch die Gnade Jesu Christi gestärkt, mit der Hilfe von Maria und Joseph sollen wir die Tugenden der heiligen Familie betrachten, nachahmen, um so an der Herrlichkeit dieser Familie im Himmel unsern Antheil zu haben.

Um diese Andacht recht zu pflegen, wünscht der heilige Vater, daß der allgemeine fromme Verein der christlichen Familien, zu Ehren der heiligen Familie von Nazareth in der ganzen Kirche eingeführt werde. Also schon wieder ein neuer Verein, während nur deren, wie überlaut be - klagt wird, schon zu viele haben. Nur getrost, denn es handelt sich da um keim Verein, wo Comitesitzungen, beson - dere Versammlungen, Wirthshaus, Ausflüge, Theater, Abend - unterhaltungen die Familienglieder auseinanderreißen und zerstreuen, es handelt sich um keinen Verein, wo der Eintritt schon viel Geld kostet, wo man dem Vorstande bei diesem und jenem Anlasse Geschenke zu machen hat; sondern um einen Verein, der mit den altehrwürdigen Bruderschaften viel Aehnlichkeit hat und den ersten von6 Gott selbst gegründeten Verein, die Familie nämlich, er - halten, beglücken und heiligen soll.

Was soll zu diesem Zwecke geschehen? Vor einem Bilde der heiligen Familie weiht sich die Familie der heiligen Familie von Nazareth und betet vor demselben wenigstens täglich ein Mal, wenn möglich Abends, gemein - schaftlich. Das ist die Hauptsache. Warum?

Für's Erste werden Jesus, Maria und Joseph die ihr geweihten Familien besonders beschützen und liebe - voll pflegen, und das umsomehr, je andächtiger sie verehrt, je vollkommener sie nachgeahmt werden. Welche Bedeutung das für unser ewiges Heil hat, wisset ihr Alle. Und das zweite? Die Familienglieder sollen sich wenigstens einmal täglich, wenn möglich Abends, zum gemeinsamen Gebete ver - sammeln. In den ersten Rundschreiben über den hl. Rosen - kranz mahnte der hl. Vater, doch dahin zu wirken, daß der Abendrosenkranz, wo er aus den Familien verschwunden, doch wieder gebetet werde. Was setzt das voraus? Die Familienglieder sollen, soweit es immer möglich ist, wenig - stens Abends bei einander sein. Das verlangt das Bei - spiel der hl. Familie. Denn betrachtet nur den Bericht des Evangeliums. Als Jesus zwölf Jahre alt war, gingen sie, wie gewöhnlich, zum Feste nach Jerusalem. Maria war nicht verpflichtet auf das Opferfest nach Jerusalem zu gehen; aber sie wollte sich von ihrem göttlichen Kinde und dem hl. Joseph nicht ohne Nothwendigkeit trennen.

Da, christliche Familie, ist dein Vorbild. Der Werktag mit seinen Arbeiten mag dich auseinander halten vom Morgen bis zum Abend; aber der Sonntag soll dich wieder ver - einen. Wo der Kindergottesdienst ein nothwendiges Uebel geworden, können die Eltern allerdings nicht mit den Kindern zur Kirche gehen; aber ihr, die ihr größer ge - worden, gehet, soweit es die nothwendigen Hausgeschäfte er - lauben, mit einander, um hier gleichsam familienweise zu beten. 7Kehret mit einander heim, um den Sonntag im Familienkreise zuzubringen und dort die unschuldigen Freuden zu genießen.

Also keine Leidenschaft, keine Zerstreuungssucht darf die Einheit der Familie verletzen und das Zusammen - leben stören, sondern nur der Vater im Himmel hat das Recht, das eine oder andere Familienglied für kürzere oder längere Zeit oder für immer da oder dorthin zu rufen, wie er auch seinen göttlichen Sohn, den zwölfjährigen Knaben Jesu, ohne Wissen von Maria und Joseph im Tempel zurückbehielt. Das beweist auch das Beispiel Christi. Denn im Tempel wiedergefunden, ging er mit seinen Eltern nach Nazareth, war ihnen unterthan, arbeitete und betete mit ihnen, freute sich in ihrer Gesellschaft, bis zum 30. Jahre, wo er öffentlich auftrat und für einen Sohn Josephs gehalten wurde. So lange das göttliche Beispiel nicht nachgeahmt wird, ist ein Familienleben überhaupt nicht möglich. In dieser Beziehung verspricht der fromme Verein der christlichen Familien viele Früchte zu bringen. Denn seiner Natur nach zerstreut er nicht, wie die meisten Vereine, sondern sammelt nach der Art und Weise der alterhrwürdigen Bruderschaften.

So verehrt denn diese heilige Familie von Nazareth mit neuem Eifer und folget ihrem Beispiel: Eltern und Kinder und Geschwister seid doch bei einander so oft und so lange ihr könnt; betet mit einander, arbeitet so weit möglich bei einander, gehet mit einander zur Kirche, kehret mit einander heim, freuet euch mit einander im Herrn, wenn auch in einer ärmlichen Wohnung. Aber warum denn das Mit einander so betonen? Ein wie weit ver - breitetes Uebel ist doch das Ohne einander! Nur mit einander werdet ihr unter dem Schutze von Jesus, Maria und Joseph den Engeln ein Schauspiel werden und bald im Himmel mit einander ewig frohlocken familienweise.

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II. Die Mutterwürde.

Wie am Schluße, so auch im Anfang ihres Jahres führt uns die heilige Kirche das jüngste Gericht vor Augen, damit wir vom Schlafe aufwachen, den Ernst des Lebens erkennen, unsern Herrn Jesus Christus anziehen und im Lichte der Gottseligkeit ehrbar leben. Denn nahe ist mit der heiligen Weihnacht unser Heil und nicht bloß für den Einzelnen, sondern auch für die Familie. Denn Jesus Christus ist uns zwar aus einer Jungfrau geboren, aber diese jungfräuliche Mutter ist doch mit einem Manne ver - mählt. Warum? Aus vielen Gründen gebe ich nur einen an: Die heilige Familie von Nazareth soll das Vorbild der christlichen Familien werden. Denn Jesus Christus ist gekommen nicht bloß die Einzelnen zu erlösen, sondern auch die Familie wieder herzustellen. So komme ich denn auf die christliche Familie und Erziehung zu sprechen, um über diesen Gegenstand euch nach und nach die wichtigsten Wahrheiten zu entwickeln. In dieser hl. Adventszeit rede ich von der Würde und Macht des Vaters, von der Würde und dem Opfer der Mutter. Was ich von der Mutter sage, dürfen und sollen auch die Männer wissen und um - gekehrt, und was ich beiden sage, soll auch die Jugend, wenn sie ihr Unglück nicht durch die Ehe vollenden will, tief beherzigen. Weil wir alle den Anfang unserer Würde der heiligen Mutter Gottes verdanken, beginne ich heute mit der Würde der christlichen Mutter und werde darauf die Vaterwürde behandeln. Die Nothwendigkeit diese Wahr - heiten eindringlicher zu verkünden, bezeugen uns die Be - strebungen, christliche Müttervereine zu gründen. Ob und9 in wie fern diese nützlich oder gar nothwendig seien, will ich nicht untersuchen; aber soviel ist mir sonnenklar, daß nur die tiefe Kenntniß und Verehrung Mariens die für die Rettung und Heiligung der Familie geeigneten Mütter uns geben kann. Daher will ich diese Wahrheit behandeln: In der Würde der Mutter Gottes erkennt die christliche Mutter auch ihre Würde.

Als die Fülle der Zeit gekommen war, wurde der Erzengel Gabriel zur Jungfrau Maria gesandt. Er begrüßte sie im Auftrage Gottes: Gegrüßt seist du voll der Gnaden, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Weibern. Als Maria über dieses Lob erschrack, beruhigte sie der Engel: Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade gefunden bei Gott. In diesen wenigen Worten habet ihr die wunderbare Heiligkeit der Jungfrau. Aber das ist nicht ihre höchste Auszeichnung, sondern nur die nothwendige Vorbereitung, daß ein Geschöpf eine Art gött - licher Würde erhalte. Denn betrachtet nur die Botschaft des Engels. Er will nämlich sagen: Wundere dich nicht, daß Gott dir eine solche Gnadenfülle gegeben hat; fürchte dich nicht, als könnte da eine Täuschung sein; vor allem mußt du die Gnadenvolle sein. Denn siehe du wirst em - pfangen in deinem Leibe und einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus heißen. Dieser wird groß sein und der Sohn des Allerhöchsten genannt werden und seines Reiches wird kein Ende sein. Als dann die Gnaden - volle fragte wie das möglich sei, da sie mit dem heiligen Joseph in unversehrter Jungfräulichkeit zu leben gelobt habe, sprach der Engel: Der heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Allerhöchsten dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das aus dir geboren werden soll, Sohn Gottes genannt werden. Siehe ich bin eine Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Worte. Als die Jungfrau diese Worte gesprochen, geschah was der hl. 10Johannes berichtet: Das Wort ist Fleisch geworden. Wer ist dies Wort? Der hl. Johannes antwortet selbst: Im Anfange war das Wort; das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Dies Wort, dieser Gott, dieser wahre Sohn Gottes ist also Fleisch geworden. Wo? Du wirst empfangen in deinem Leibe; was aus dir geboren werden soll, wird Sohn Gottes genannt werden. (Luc. 1, Joh. 1.) O Abgründe der Liebe und Barmherzigkeit Gottes!

Das erste Weib, ein Wunderwerk Gottes, will sein wie Gott selbst und wird die Mutter aller Sünden und bringt über ihr Geschlecht soviel Bosheit und Verach - tung und Schmach, daß der heilige Geist im Buche des Predigers sagen mußte: Einen Mann habe ich unter tausenden gefunden; ein Weib habe ich unter Allen nicht gefunden. Barmherzigkeit Gottes, die du aus Erbarmen mit dem zertretenen Weibe eine segnest, damit alle in ihr gesegnet werden! Heiliger Geist, anbeten können wir deine Liebe, aber niemals begreifen dein größtes Wunderwerk, die wunderbarliche Mutter, die Jungfrau und Mutter zugleich!

Was ist nun unsere wahre Würde? Die Ver - einigung mit Gott. Je inniger aber diese Vereinigung, desto höher die Würde. Wie aber unter den Menschen jede Verbindung gleichsam ein Schatten ist gegen die Vereini - gung der Mutter mit ihrem Kinde, ebenso verschwindet jede Vereinigung mit Gott, sobald sie mit der Mutter - würde der wunderbaren Mutter verglichen werden soll. Denn zu allen Heiligen spricht Jesus Christus: Ihr seid meine Freunde; zu Maria, du bist meine Mutter. Dem Fleische nach stehe ich in weit innigerer Beziehung und Blutsverwandtschaft zu dir als jedes andere Kind zu seiner Mutter. Denn wie ich im Himmel nur einen Vater, so habe ich auf Erden nur eine Mutter.

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Weil nun eine innigere Einheit des Geschöpfes, ohne daß es aufhört eine Person zu sein, mit Gott unmöglich ist, so besitzt auch Maria, als Mutter Gottes, unter allen Geschöpfen die höchste Würde.

Da nun habet ihr auch den Ursprung jeder andern Würde. Warum ist sie ohne Erbsünde empfangen? Das Blut der Erlösung durfte nur aus dem reinsten Schooße genommen werden. Warum ist sie, die Gnadenvolle, schöner als der Himmel? Damit der Sohn Gottes in ihr eine würdige Wohnung finde. Du bist gebenedeit unter den Weibern! Aber, denket ihr vielleicht, fast etwas un - geduldig geworden, was hat denn dies Wunderwerk Gottes mit der Würde der christlichen Mütter gemein - sam? Sehet einmal und betrachtet die Erbarmung Gottes! Im alten Bunde war eine Mutter, welche nur das Wort des Propheten kannte: Siehe die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären und sein Name wird Emmanuel sein. Der Glaube an diese kommende wunderbarliche Mutter ließ sie ihre eigene Mutterwürde ahnen. Wie nämlich die Sonne hoch am Himmel auf diese Erde leuchtet, daß wir die Herrlichkeit Gottes in der ganzen Schöpfung erkennen, so leuchtet auch dies Geheim - niß jungfräulicher Mutterwürde, daß die natürliche Hoheit einer jeden Mutter in ihrem wahren Lichte erscheint. Denn betrachtet nur jene Heldenmutter des alten Bundes. Als sie nämlich mit ihren sieben Söhnen vor dem Tyrann Antiochus stand und jeden ermunterte, lieber alle Qualen zu dulden, als die Gebote zu übertreten, sprach sie: Nicht ich habe euch Geist, Seele und Leben gegeben, und nicht ich selbst habe Glied an Glied gefügt, sondern der Schöpfer der Welt, der den Menschen bei seiner Erzeugung bildet. (Machab. I. II, c. VII, 22.)

Also erhebet euch einmal über Fleisch und Blut, während gemeine Menschen Possen reißen, blicket mit heiliger12 Scheu auf die christlichen Mütter hin. Warum? Lasset uns den Menschen machen nach unserm Ebenbilde. So sprach Gott im Paradies, bildete Adam, hauchte ihm die unsterbliche Seele ein, bildete Eva. Lasset uns den Menschen machen, spricht heute noch der Schöpfer aller Dinge; oder noch besser, jenes erste Schöpfungswort tönt und wirkt fort durch alle Jahrhunderte. So schafft denn Gott allem heute noch das Leben und die Seele mit all' ihren Fähigkeiten und er allem fügt Glied an Glied. Was muß er deßhalb von uns verlangen? Heilige Ehrfurcht vor seiner nahen Majestät; Ehrfurcht vor dem Werke seiner Hände; heilige Scheu vor der Werkstatt, wo er arbeitet und sein Werk vollenden will.

Wie groß ist doch die Mutterwürde auf dem erhabenen Standpunkte der Offenbarung, des Glaubens, der göttlichen Wahrheit! Darum sage ich: Erhebet euch über die Gemeinheit dieser Welt; entsetzet euch über ihre Zoten und Greuel, über Ausschweifungen und Rohheiten, wodurch sie den Schöpfer aller Dinge in der Mutter oder in der auf - wachsenden Jungfrau verhöhnt und mißhandelt und so des ewigen Feuers sich schuldig machen muß; erhebet euch himmelhoch über diese Gemeinheiten einer unzüchtigen Welt, über die Rohheiten leichtsinniger Männer und zittert voll Scheu und Ehrfurcht in der Nähe der göttlichen Majestät; glaubt wenigstens so viel, als jene machabäische Mutter und lebet darnach.

Das nun sollte genügen, um in aller Ehrbarkeit und Ehrfurcht zu wandeln und doch ist das nur ein schwacher Anfang. Denn im neuen Bunde ist uns der heilige Geist gegeben, daß er in uns wohne und Leib und Seele in seinen Tempel verwandle. Wenn er auch allen Kindern Gottes gegeben ist, so wird er doch der christlichen Mutter besonders mitgetheilt. Aber woher kannst du das wissen? Aus dem Geheimnisse der Menschwerdung Jesu Christi. 13Denn an der Spitze des neuen Bundes steht eine Jung - frau wie das Morgenroth des werdenden Tages; über diese Jungfrau, welche nach den Gesetzen der Natur nicht Mutter werden kann, kommt der hl. Geist mit seiner ganzen Herrlichkeit, daß sie in ihrer jungfräulichen Schöne die wunderbarliche Mutter Gottes wird.

Wenn ihr doch das Geheimniß der Menschwerdung Jesu Christi tiefer betrachtet, wie würdet ihr bitterlich weinen über die Bildung und Erziehung und die Grund - sätze der christusfernen Welt, wo die Mutter, lange bevor sie Mutter wird, ihre Würde und Hoheit verlieren muß. Ist man ja so tief gesunken, daß sogenannte Gelehrte die Mutter nur das menschliche Mutterthier nennen. Mit dem Abfalle von Jesus Christus und seiner Kirche greifen diese abscheulichen Irrthümer immer mehr und mehr um sich und tragen ihre Verwüstung nicht bloß in das Heilig - thum der Mutterwürde, sondern sogar in den Tempel der Unschuld heranwachsender Mädchen. Daher ist es hohe Zeit, das Geheimniß der Menschwerdung Jesu Christi nach allen Seiten zu entwickeln, die Herrlichkeit der Mutter Gottes zu verkünden und euch auf das Vorbild der heiligen Familie hinzuweisen.

Unbefleckt empfangene Jungfrau, jungfräuliche Mutter Gottes, dir gelobe ich es feierlich, diese Geheimnisse hier zu entwickeln, ohne Furcht in das Leben einzugreifen, damit zu deiner Verherrlichung die Würde der christlichen Mutter und die Unschuld der Jugend immer schöner sich entfalte. Aber Mutter des ewigen Wortes gib du mir das rechte Wort und diesen deinen Kindern das rechte Verständniß und den guten Willen!

So blicket denn alle auf die wunderbarliche Mutter, das Vorbild aller Mütter, welche in den Himmel gelangen. Sie hatte die Fülle des heiligen Geistes in sich!

Euch, christliche Jungfrauen, ist der heilige Geist ge -14 geben worden in der heiligen Taufe, noch reichlicher in der heiligen Firmung, und wird euch durch den Empfang der heiligen Sakramente der Buße und des Altars immer gnadenreicher mitgetheilt. Wenn ihr dann ganz unbefleckt und rein in den Ehestand tretet, wird durch das heilige Sakrament der Ehe die Gnaden des heiligen Geistes euch noch reichlicher verliehen; wenn ihr dann nach den Plänen Gottes anfanget, Mutter zu werden, wird euer Leib erst recht ein Tempel des heiligen Geistes. Preiset und ver - herrlichet deswegen Gott in euerem Leibe, daß ihr dieser hohen Würde theilhaftig werdet. An wen soll ich mich da zuerst wenden?

An euch, meine lieben Männer. Welche Ehrfurcht sollet ihr vor der Mutter haben! Welche heilige Scheu vor dem heiligen Geiste, der in ihr wohnt, vor dem Schöpfer aller Dinge, der in ihr schafft und bildet! Welche Vorsicht in Werken, in Worten, in Mienen, um das Werk Gottes nicht in seinen Anfängen zu zerstören. Mein Freund, lasse das Licht dieser Wahrheit in deiner Seele leuchten und anstatt in den Wirthshäusern, in leichtfertigen Gesellschaften, beim Zeitungslesen zu versimpeln, erforsche doch ernstlich einmal dein Gewissen, bevor am Tage des Zornes der Schöpfer aller Dinge Rache an dir nehmen wird.

Und ihr alle, machet es wie der hl. Felix v. Canbli - zio. Dieser verehrte besonders die Geburt Christi aus der wunderbarlichen Mutter. Sah er dann eine Frau, die bald Mutter werden sollte, hatte er die größte Achtung vor ihr und verehrte in ihr die wunderbarliche Mutter auf ihrer Reise nach Bethlehem. Wenn es alle so machten wie viele Zoten und Possen, die eigentlich nur eine Ver - höhnung Gottes und der wunderbarlichen Mutter sind, würden dann auf einmal aufhören! Aber wenn wir Töchter, die noch nicht verehelicht sind, in diesem Zustande15 sehen? Wollte Gott ich müßte auf diese Dinge nicht ant - worten und könnte einfach sagen: Unter Katholiken kommt das gar nicht vor ; weil aber beim wachsenden Leichtsinn diese Aergernisse immer mehr überhand nehmen, muß ich doch einen Wink geben. Wenn ihr also eine solche Tochter sehet, so weinet über ihre Sünden und Aergernisse, bittet und betet zu Gott, daß doch die Gefallene in ihrem Leicht - sinne nicht bis in die Hölle hinabfalle, und in eueren Familien seid wahrhaft Väter und Mütter, daß nicht auch eure Töchter bei eurer Nachlässigkeit aus dem Leichtsinne in die Sünde und aus der Sünde in diese Schande gerathen zum Aergernisse Vieler und zur eigenen Schmach am jüngsten Tage.

Doch das angedeutet zu haben, soll genügen, um euch nicht minder wichtige Wahrheiten an das Herz zu legen und zwar denen, welchen Gott diese Mutterwürde schon gegeben hat oder erst verleihen will. Weil Maria Mutter Gottes werden sollte, blieb sie vor der Erbsünde ganz ver - schont und war vom ersten Augenblicke ihres Daseins an ganz schön und heilig; aber sie selbst wirkte mit der Gnade mit, daß sie an Tugend und Heiligkeit täglich Fort - schritte machte, bis sie durch den hl. Geist endlich die wunderbare Mutter geworden.

Euch nun, die schon Mütter seid oder es noch werdet, hat Gott durch die hl. Taufe die Erbsünde weggenommen und die Gnade gegeben, damit ihr die bösen Neigungen bekämpfet, unschuldig lebet, um der ganzen wahren Mutter - würde theilhaftig zu werden. Da nun gilt euch das Wort: Traget und verherrlichet Gott in euerem Leibe! Aller - dings vor allem in eurer Seele, daß ihr vor jeder Sünde frei bleibet; aber dazu auch in euerem Leibe, daß ihr diese Wohnung des hl. Geistes und diese Werkstätte des Schöpfers aller Dinge nicht durch die Sünde verwüstet, sondern durch Nüchternheit, durch einfache, gesunde Kleidung, durch Keusch -16 heit immer schöner machet. Diese Wahrheiten könnet ihr nicht vergessen, so lange ihr die Geheimnisse des freuden - reichen Rosenkranzes betet und betrachtet; ihr dürft sie nicht vergessen, wollet ihr euere Würde und mit ihr eure Seligkeit nicht verlieren. Wunderbarliche Mutter! Siehe, ohne die Gnade deines göttlichen Sohnes sind meine Worte nur leerer Schall. Flehe daher du selbst zu ihm: Er möge doch jeder Mutter ein Herz nach deinem Herzen geben, daß sie voll Hoheit und Würde in der Familie da - stehe, geliebt vom Manne, verehrt von den Kindern, den Engeln und den Menschen ein Schauspiel. Wunderbarliche Mutter, bitte deinen göttlichen Sohn, er möge den Jung - frauen ein Herz nach deinem Herzen geben, daß sie die jungfräuliche Würde und Hoheit unverletzt bewahren, bis du sie für die Mutterwürde am Altare vorbereitest. Wunder - barliche Mutter, bitt 'für uns, daß nicht bloß die Mutter in dir ihre Würde finde, sondern wir Alle in den Erbar - mungen deines Herzens das ewige Leben erlangen.

III. Die Vaterwürde und ihre Gefahren.

Der Heiland ist uns aus der Jungfrau geboren, und da erkennt die christliche Mutter ihre Würde; aber diese Jungfrau ist mit einem Manne namens Joseph vermählt, und da erkennt der christliche Vater sein Ansehen.

Der Heiland redet (Luc. XII. vom treuen und klugen Hausvater, den der Herr über seine Familie gesetzt hat. Wenn auch diese Worte zunächst von den Bischöfen gelten, so werden sie doch von der hl. Kirche mit viel mehr Recht auf den hl. Joseph angewandt. Die katholische Kirche ist allerdings die große Familie Gottes; denn ihre17 frommen Kinder sind zugleich Kinder Gottes, aber noch weit mehr ist die hl. Familie von Nazareth, die Familie Gottes, denn der Sohn der Jungfrau ist ja zugleich der wahre Sohn Gottes. Wer nun war über diese Familie gesetzt? Der hl. Joseph von Gott auserwählt und bestimmt zum Manne Mariens. Wenn er auch an Würde, an Gnade und Heiligkeit die Mutter Gottes nicht erreichte, so über - ragte er sie doch durch seine Oberherrlichkeit in der Familie. Denn er war ja recht eigentlich der Stellver - treter des himmlischen Vaters, dem Jesus und Maria unterthan waren. Welche Fülle von Gnade und Heilig - keit mit dieser Würde verbunden war, können wir vielleicht ahnen, aber niemals begreifen.

Warum ist uns diese Wundergestalt gegeben? (Es sind viele Gründe, aber einer ist gewiß auch folgender: Im Geheimniße der Menschwerdung Jesu Christi soll der christliche Vater seine Würde wieder erkennen und jene Ehrfurcht finden, welche der Sohn Gottes seinem Pflege - vater bezeugte. Sehet nur! Ueber wen soll der christliche Vater nach den Anordnungen Gottes gestellt werden? Ich frage nicht, über wen er gar oft gestellt werde, sondern über wen er gesetzt werden soll. Denn wir sind nur zu oft nicht das, was wir nach dem Willen Gottes eben sein sollten, sondern was unsere Leidenschaften verlangen. Ueber wen sollte also der christliche Vater gesetzt sein? Oder mit wem sollte sich der Jüngling am Altare vermählen? Nicht mit einem Mädchen, das eine mehr oder weniger traurige Vergangenheit hinter sich hat, sondern mit einer Jungfrau, die Jungfrau ist, nicht bloß vor den Menschen, sondern auch vor Gott.

Wenn du, christlicher Jüngling, mit einer solchen Jungfrau vor dem Altare kniest, redet dich Gott der Vater gleichsam mit folgenden Worten an: Siehe, diese Jungfrau habe ich nach meinem Ebenbilde erschaffen; die18 Kraft und Schönheit ihrer Jugend, ihr Gemüth mit all' den edlen Gefühlen, ihr Geist mit dem klaren Verstande und dem guten Willen ist mein Werk. Siehe, diese Jung - frau gehört auch meinem göttlichen Sohne; denn er hat sie, als sie verloren war, mit seinem Blute erkauft. Sie gehört dem hl. Geiste; denn er hat sie schon in der hl. Taufe zu seinem Tempel geweiht. Diese Jungfrau ist unser ausschließliches Eigenthum, das nie durch die Sünde verunstaltet, sondern durch die Tugend immer schöner ge - worden. So spricht gleichsam Gott der Vater und fügt dann bei: Siehe, wir treten dir einen Theil unserer Rechte ab: übergeben sie dir, damit sie in deinem Hause die reine, unbefleckte Werkstätte des Schöpfers aller Dinge werde. Sie wird deine trostreiche Hilfe sein; du aber wirst unsere Stelle an ihr vertreten.

Wohlan, christliche Jünglinge und Väter, betrachtet ihr diese Wahrheiten auch hie und da, um eure Würde zu begreifen und Gott dafür zu danken, oder lebt ihr nur so in den Tag hinein? Und doch ist das erst der Anfang der Würde, zu der euch Gott berufen hat. Denn am Altare seid ihr erst Männer, aber noch nicht Väter. Was erst, wenn euch das erste Kind entgegenlacht! Ist das nicht die Fortsetzung eurer Person? Müßet ihr nicht mit dem ägyptischen Joseph dankbar sagen: Es sind meine Söhne und Töchter, die mir Gott auf dieser Erde ge - geben hat. Und welche Kinder? Allerdings nicht der wahre Sohn Gottes, wie er aus der Jungfrau dem hl. Joseph geschenkt wurde; aber doch Ebenbilder Gottes, wie sie seit dem Sündenfalle unter Thränen und Schmerzen zur Welt kommen; angenommene Kinder und Erben Gottes und Mitbrüder Jesu Christi, wie sie euch in der Taufe aus dem Wasser und dem hl. Geiste wiedergeboren werden. Nicht wahr, eine ganz außerordentliche Würde, wenn ihr wie der hl. Joseph den Sohn Gottes in euer Haus auf -19 nehmen und darin verpflegen könntet? Wohlan, was sagt dieser Sohn Gottes? Wer ein Kind, wie dieses, in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf. (Match. XVIII.) Wer also aus Liebe zu Jesus Christus ein Kind aufnimmt, für dessen Leib und Seele zu sorgen, der beherbergt den göttlichen Heiland unter seinem Dache. So oft euch daher Gott, der Schöpfer aller Dinge, ein Kind schenkt, sagt er euch: Nimm dies Kleine an aus Liebe zu mir; und du nimmst meinen eingebornen Sohn in dein Haus! Aber noch mehr! Euer Haus ist eine Woh - nung der Engel. Ihre Engel schauen alle Zeit das Ant - litz meines Vaters, der im Himmel ist, so der göttliche Kinderfreund. Darum, christliche Väter, schauet euch heute Mittag euere Haushaltung an! Betrachtet die Mutter, die euch Gott gegeben, als seine Werkstätte und als einen Tempel des hl. Geistes, beherziget was sie euch zu Liebe schon gethan und gelitten, betet an die Güte Gottes, der euch eine solche Hoheit gegeben. Dann betrachtet die Kinder! Je mehr ihrer sind, desto größer eure Würde. Denn, so viel Kinder, so viel Schutzengel; so viel Kinder, so viel mal wohnt Jesus Christus in euerem Hause.

Was seid ihr aber in Mitte der Familie, in Mitte dieser hl. Schutzengel?

In den ältesten Zeiten war der Familienvater der eigentliche Priester. So opferte Noa nach der Sündfluth, so opferte Abraham. Als dann später das eigentliche Priesterthum des alten und neuen Bundes gestiftet wurde, ging zwar diese Opfergewalt für den Vater verloren, aber nicht die hohe Würde, die ihm Anvertrauten zum gemein - samen Gebete zu versammeln. Wohl mochte der hl. Joseph zittern, als er mit Jesus und Maria nicht bloß gemein - sam beten durfte, sondern als Hausvater die Hausandachten zu leiten hatte; er that es aber gleichwohl, um den Willen Gottes zu erfüllen.

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Das nun, christliche Hausväter, ist derart eure Würde, daß der hl. Augustin euch nicht bloß die Priester, sondern sogar die Bischöfe der Familie nennt. Wenn nämlich der hl. Petrus alle Gläubigen ein auserwähltes Geschlecht und ein königliches Priesterthum nennt, so gilt das ganz be - sonders von euch. Aber mit dieser Würde ist die hl. Ver - pflichtung verbunden für die gewissenhafte Abhaltung der Hausandachten zu sorgen. Kommt mir da nicht mit dem Vorwande, das sei unmöglich. Das mag Ausnahme sein, aber niemals Regel.

Oder soll etwa die Mutter beten? Freilich soll sie beten und viel beten und den ganzen Tag bei ihren Ar - beiten beten, und beten, wenn sie die Kleinen in's Bett legt; aber bei den gemeinsamen Andachten soll der Vater beten; denn der Vater ist der Priester des Hauses und nicht die Mutter. Wenn ihr diese Würde zur Geltung bringet, werden die Kinder leicht mit Ehrfurcht gegen euch erfüllt; der Segen Gottes wird nicht ausbleiben und viele Aergerniße weniger sein.

Nehmet nur eines! Jeden Abend versammelt ihr zur bestimmten Zeit die Haushaltung das ist der beste Verein aller Vereine. Bei diesem Vereine habet ihr keine andern nothwendig, ohne diesen aber helfen euch alle andern nichts. Dann betet ihr das Abendgebet, und wenn's euch die Zeit erlaubt, den Rosenkranz und nachher geht alles gleichzeitig zu Bette, die größern und kleinern Kinder und zuletzt Vater und Mutter, in diesem Falle wie viel tausend Todsünden würden nur in dieser Pfarrei jeden Monat oder vielleicht jede Woche weniger vorkommen, wie viel Schande würde der Jugend, und den Familien wie viel Elend erspart?

Oder wollet ihr etwa sagen, das sei nicht mehr Sitte. Das wäre wohl das Traurigste. Denn welche Väter und Mütter müßten wir da erst nach zwanzig Jahren21 haben, wenn die Gerechtigkeet Gottes uns so lange verschonte? Das ist nicht mehr Sitte! Dann, dann liebe Väter, dann bei der hohen Würde, die euch Gott gegeben hat, bei der schweren Verantwortung, die ihr mit in die Ewigkeit nehmet, bei der Himmelskrone, die dem treuen Hausvater bestimmt ist, bei den ewigen Peinen, die den treulosen Verwalter treffen, bei eueren Kindern, bereu Glück und Unglück für Zeit und Ewigkeit zum größten Theile in eurer Hand liegt, bei den heiligen Schutzengeln, welche in euren Familien mit den Kindern beten, bei jener Freude in der Ewigkeit, wenn ihr mit der Mutter und mit den Kindern wieder eine Familie bildet vor dem Trone Gottes und des Lammes aber auch bei jenem Jammer, wenn ihr am Gerichtstage auseinander gerissen oder mit einander in die ewigen Flammen solltet geworfen werden bei all' dem, liebe, liebe Väter bitte und beschwöre ich euch in der Liebe und Zärtlichkeit Jesu Christi, seid Väter nach dem Beispiele des hl. Joseph, seid wieder Priester in den Familien, und wie Bischöfe, feiert mit Allen den gemeinsamen Hausgottesdienst.

Wenn euch diese Sprache vielleicht kühn erscheint, ist denn die volle Wahrheit nicht immer kühn? Wenn euch diese Sprache streng erscheint, werdet ihr an jenem so thränen - reichen Tage auch noch dieser Ansicht sein?

Die Liebe zu den Seelen und zu den Familien, wenn ihr Gott irgendwie die Gabe des Wortes gibt, kennt keine andere Sprache.

Zwei Gefahren bedrohen die Vaterwürde, eine mehr allgemeine und eine besondere, welche aber aus der ersten hervorgeht. Die allgemeine Gefahr ist der Abfall von Jesus Christus, der immer allgemeiner wird. Das ist über - aus traurig; aber ebenso traurig, daß so viele noch gläubige Katholiken bei der Einrichtung des Lebens und der Familie nicht auf Jesus Christus und die heilige Familie hin -22 schauen, sondern nach dem Beispiele und den Grundsätzen der Welt sich regeln. Werdet ihr in jeder Familie katho - lische Erbauungsbücher finden? Und wenn ihr sie noch findet, wohl noch in einem verborgenen Winkel. Da - gegen werdet ihr ohne viel Suchen allerlei Bücher und Zeitschriften finden, welche den Glauben offen oder ver - steckt angreifen. Was ist die Folge davon? Vater, Mutter und Kinder verlieren nach und nach den Begriff von der christlichen Vaterwürde.

Gut, denkst du vielleicht, der Vater steht ja von der Natur aus über Mutter und Kinder, und das wird so bleiben, auch wenn es keine Christen mehr gibt.

Wird es so bleiben, was verlangt denn dieser Wider - christ seit Jahr und Tag? Die Befreiung des Weibes von der Hoheit des Mannes und den heiligen Banden der unauflöslichen Ehe und dazu die frühzeitige Befreiung der Kinder vom Vater.

Das nun ist die allgemeine Gefahr, welche, je weniger wir daran denken, nur um so drohender wird. Verbannet daher aus euren Familien alle Schriften und Bücher, welche von Jesus Christus, von der hl. Familie, vom Papste, von der Kirche nichts wissen wollen oder gar darüber spotten. Ja, über die hl. Kirche! Oder wer verkündet heute noch die hl. Familie und ihr Beispiel? Die katholische Kirche allein. Wer sichert den Glauben an die Gottheit Jesu Christi, an die hl. Familie gegen all' die offenen und versteckten Feinde? Die Bischöfe unter dem unfehlbaren Papste. Darum, liebe Väter, fliehet doch alle Verbindungen, wo die katholische Kirche nicht geliebt wird; und wenn in euerem Hause christusfeindliche Schriften und Bücher sich finden, räumet damit auf, heute noch; seid nicht wie ein Schilfrohr, das von jedem Winde hin und her bewegt wird, sondern im Bewußtsein euerer Würde seid unerschütterlich, unverwüstlich wie ein Granit - felsen im Wintersturm.

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Denn aus dieser allgemeinen Gefahr entsteht nur zu leicht eine besondere für euch wie für eure Söhne, die nach euch Väter werden sollen. Wenn nämlich viele den Glauben nicht ganz verlieren, so werden sie doch darin gleichgültig, leichsinniger im Besuche des Gottesdienstes, nachläßig im Empfang der hl. Sakramente. So bekommt die Sinnlichkeit nur zu leicht und zu oft die Oberhand.

Was aber ist die Folge hievon zunächst für die Jüng - linge? Wie die Jungfrau, wenn sie eine Mutter voll Hoheit und Würde werden will, von Jugend auf in aller Unschuld und Nüchternheit zu leben hat, so auch der auf - wachsende Jüngling, wenn er der Vaterwürde theilhaftig werden will. Warum gab Gott dem hl. Joseph eine so wunderbare Würde in der hl. Familie? Weil er von Kind - heit an wie die aufgehende Sonne an Schönheit und Klarheit zunahm; dies Vorbild hat Gott euch gegeben, liebe Jünglinge. Allerdings könnet ihr in Sünden und Ausschweifungen, in Genuß und Trunksucht Väter werden; aber ist da noch eine Würde möglich? Daher wandelt in aller Unschuld und Nüchternheit und Frömmigkeit und jede Tochter, welche für ihre Unschuld nicht wie für ihren Augapfel besorgt ist, fliehet auf hundert Stunden weit. Denn der Anfang eurer Würde ist ja die Unschuld der Braut. Wenn ihr euch aber in eurer Sinnlichkeit mit jenen abgebet, die euch aufsuchen, die durch die Eitelkeit, und Frechheit ihres Gesichtes, ihres Leibes, ihrer Stellung, ihres Ganges, ihrer Kleidung eure Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen versuchen, welche immer bei Tanz und Genüssen sein wollen, werdet ihr nicht bloß ohne Würde bleiben, sondern wie der heilige Geist sagt, werden Jammer und Fäulniß euer Lohn sein, und ihr werdet zur großen Warnung dienen und aus der Zahl der Lebendigen genommen werden! (Sir. XIX. 2. 3.) Doch, das soll heute für euch genügen; es wird schon Gelegenheit geben, wo ich einzelne Punkte genauer behandeln kann.

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Dafür muß ich noch ein Wort sagen über die besondere Gefahr, welche die Väter in ihrer Würde bedroht. Je größer die Würde, desto mehr muß sie mit Selbstverläug - nung und Tugend verbunden sein.

Wenn ihr nun, liebe Väter, in diesen betrübten, arm - seligen Zeiten schwach im Glauben und nachlässig in Er - füllung der religiösen Pflichten werdet, so wird die Sinn - lichkeit erwachen und Viele zur Vernachlässigung der Arbeit, zur Trunksucht, zur Rohheit, vielleicht gar zur Untreue gegen die Gattin führen. Wo wird dann die zertretene Vaterwürde noch Ehrfurcht finden? Um diese Gefahr von euch abzuwenden höret doch fleißig und aufmerksam das Wort Gottes. Denn ohne daß ihr in die Geheimnisse des Glaubens tiefer eingeweiht, und von Zeit zu Zeit für die Ausübung eueres hohen Amtes begeistert werdet, wie wollet ihr als Bischöfe in der Familie walten? Es ist aber auch Lieb - lingssache eines wahrhaft männlichen Geistes vom Gelehrten an bis zum einfachen Bauern hinab die großen Wahrheiten des Evangeliums nicht bloß zu ertragen, sondern zu lieben. Aber höret nicht bloß fleißig und aufmerksam das Wort Gottes, sondern in euren Familien leset und betrachtet wieder jenes wahrhaft goldene Buch von Goffine, oder eine Legende, oder die Erbauungsbücher von Cochem.

Damit ihr aber die Sinnlichkeit beherrschet, empfanget doch hie und da die heiligen Sakramente. Saget ja nicht, das sei nur Sache der Frauen. Ja es ist ihre Sache und wehe jenen Männern, welche ihre Würde längst verloren haben, wenn ihre Frauen nicht durch den Empfang der hl. Sakramente sich stärkten, um ihr Kreuz geduldig zu tragen; weil aber der Vater an Würde die Mutter über - trifft, sollte das ebenso sehr, ja noch weit mehr seine Sache sein. Christliche Väter, lasset euch nicht irre führen, durch die Grundsätze, wie sie jetzt in der Welt gelten; lasset euch nicht täuschen durch Beispiele, wie man sie allerorts25 findet, Euer Beispiel ist die heilige Familie mit dem hl. Joseph an der Spitze.

So werdet ihr Männer und Väter wie der vielselige Nikolaus von der Flüeh. Von ihm heißt es in den Pro - zeßakten: Nikolaus vermählte sich mit einer ehrbaren Jungfrau aus dem Volke, mit Namen Dorothea Wißling; mit dieser lebte er in bester christlicher Frömmigkeit, in ehelicher Keuschheit, Treue und Ehrbarkeit. Als dann der Heilige von ihr und den zehn Kindern nach zwanzig - jähriger Ehe voll Frieden und Glück und Segen Abschied nahm, sprach die betrübte Frau: O mein Gott, von dir hab 'ich ihn empfangen; nie war ich seiner würdig; daher kann ich dir nie genug für das Glück und die Ehre danken, daß ich so viele Jahre an seiner Seite leben konnte. Wer war diese Dorothea? Vor der Ehe eine gottselige Jung - frau, in der Ehe eine keusche Mutter im schönsten Tugend - schmuck. Aber bei all' ihren Tugenden glaubte sie sich nicht würdig, einen Nikolaus als Mann an ihrer Seite zu haben. Wie groß war die Vaterwürde des Vielseligen in seinem Tugendglanze, wie tief die entsprechende Ehrfurcht seiner Gattin und Kinder! Wie glücklich die Familien wo solche Väter! Aber wie unglücklich jene Häuser, wo schon die kleinen Kinder sagen: Mein Vater kommt mit einem Rausch nach Hause, schlägt uns und die Mutter, füllt das Haus mit Flüchen, ißt am Freitag Fleisch, geht am Sonn - tag nicht in die Kirche.

Arme Mutter, noch ärmere Kinder! Wenn euer Vater schon seine Würde vergißt und entehrt, so verachtet ihn doch nicht; er ist ja immer noch Vater, wenn auch ein höchst unglücklicher; betet und bittet für ihn, daß er doch nicht ewig unglücklich werde. Wenn ihr nun selbst diesen Vätern noch Ehrfurcht schuldig seid, wie solltet ihr erst gegen jene gesinnt sein, welche bei allerlei Schwächen dennoch redlich bemüht sind, nach dem Vorbilde des hl. Joseph an euch Stellvertreter Gottes zu sein.

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Zum Schlusse empfehle ich dir, o hl. Joseph, Bräu - tigam der unbefleckt empfangenen Jungfrau, Nährvater Jesu Christi, Haupt der hl. Familie, all' die Jünglinge dieser Pfarrei, führe du sie auf dem Wege der Unschuld, daß sie würdig werden, die Vaterwürde aus der Hand Gottes zu empfangen. Dir empfehle ich all' die Väter, welche Gott über seine Familien gesetzt hat. Wenn sie ihre hohe Würde vergessen, führe du sie auf bessere Wege; wenn sie nach deinem Vorbilde leben, erhalte du sie im Guten.

IV. Das Opfer der Mutter.

Seitdem die Jungfrau die wunderbarliche Mutter Gottes geworden, wird auch die christliche Mutter hoch - verehrt als die Werkstätte des Schöpfers aller Dinge, als die Wohnung des hl. Geistes. Das ist, christliche Mütter, eure Würde, die um so größer wird, je mehr ihr von Jugend auf Gott in euerem Leibe traget und verherrlichet in aller Nüchternheit und Keuschheit. Das ist für euch um so nothwendiger, als euere Natur viel zarter gebildet als die des Mannes, durch Ausschweifungen viel grauen - voller und für die Kinder viel verhängnißvoller verwüstet wird.

Aber mit dieser Würde sind viele und schwere Opfer verbunden. Da wir nun in diesen Tagen die liebe Mutter Gottes betrachten, wie sie ihre armen Bequemlichkeiten in Nazareth verläßt, mit dem hl. Joseph nach dem fernen Bethlehem reist, dort kein Obdach findet, in einem Stall übernachtet, den unter dem Jubelgesang der Engel gebo - renen Heiland in die Krippe legt, bald darauf nach Ae -27 gypten flieht, so ist die Zeit wie gemacht, das Opfer der christlichen Mutter zu betrachten, und euer Herz für die hochwichtigen Wahrheiten ganz besonders empfänglich.

Das Opfer der christlichen Mutter ist ein zweifaches, nämlich das Opfer des Gehorsams gegen den Mann und das Opfer der Schmerzen und Entbehrung für die Kinder.

Der hl. Evangelist Matth. (c. II. 43) erzählt fol - gendes: Da erschien der Engel dem Herrn dem Joseph im Schlaf und sprach: Steh 'auf und nimm das Kind und seine Mutter und fliehe nach Aegypten und bleibe all da, bis ich dir's sage. Denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu tödten. Da stand er auf, nahm das Kind und seine Mutter in der Nacht und zog fort nach Aegypten. So erzählt das Evangelium. Wem erscheint der Engel? Dem hl. Joseph. Warum nicht der Mutter Gottes? Uebertraf sie ihren Bräutigam nicht hundertfach an Würde und Heiligkeit? Aber dennoch war nicht sie das Haupt der hl. Familie, sondern der hl. Joseph.

Oder hätte der Engel den Befehl Gottes nicht beiden mit - theilen können? Das wollte Gott nicht; denn es war ein großes Beispiel nothwendig, wie die Mutter ihrem Manne gehorsam sein soll.

Denn betrachtet nur den Auftrag des Engels. Nimm das Kind und seine Mutter und fliehe nach Aegypten. Was that er? Er stand auf, weckte die jungfräuliche Mutter und sprach: Soeben erschien mir der Engel des Herrn und gebot mir, mit dir und dem Kinde nach Aegypten zu fliehen. Steh auf, nimm das Allernothwendigste und folge mir gleich; denn in dieser Nacht noch haben wir die Reise anzutreten. Fühlte sich Maria etwa verletzt, daß der Engel nicht ihr erschienen? Oder machte sie etwa wohl - begründete Einwendungen: Du hast dich im Schlafe wohl getäuscht; du siehst einen Traum für eine Engelserschei - nung an. Oder das Ding hat nicht so Eile; gönne28 mir und dem Kinde die Nachtruhe; dann kann ich für die weite Reise das Nothwendigste noch bereiten. Sprach sie etwa so? Bei weitem nicht. Auch sie stand gleich auf, nicht bloß ohne Widerrede, sondern in freudigem Gehorsam und floh in dunkler Nacht an der Seite ihres Mannes. Sollte dies Beispiel nicht genügen? Allerdings; weil aber Gott weiß, wie schwer oft das Opfer des Gehorsams, wollte er das Vorbild so vollkommen als möglich machen, daß keine Widerrede möglich ist. Als nämlich die Zeit der Heimkehr aus Aegypten gekommen war, erschien der Engel wieder dem hl. Joseph und nicht der Mutter Gottes: und Joseph gab den Befehl zur Heimkehr und Maria war ihm wieder gehorsam.

Warum also, christliche Mütter, sollt ihr eueren Männern unterthan sein? Nicht weil sie stärker, nicht weil sie von Natur aus zum Befehlen wie gemacht sind, nicht weil ihr der schwächere Theil, der sich dem stärkern Theile anschmiegt, ja nicht einmal den Frieden zu er - halten und die Liebe der Männer euch zu bewahren, sondern wollet ihr wahrhaft christliche Mütter und große Frauen sein, bringet das Opfer des Gehorsams im Hin - blick auf das Vorbild der allezeit reinen Gottesmutter Maria. Das aber ist keine Erniedrigung für euch, sondern Adel und Hoheit. Sehet nur! Wem war Maria auf's Wort gehorsam? Dem hl. Joseph, der an Würde, Weis - heit und Heiligkeit so tief unter ihr stand. Aber wem war sie eigentlich gehorsam? Gott selbst. Denn Gott leitete durch den hl. Joseph seine Familie. Und heute noch will er durch die Väter die Familien regieren. Wenn ihr daher dem Manne nach dem Vorbilde Mariens gehorsam seid, so unterwerfet ihr euch Gott selbst. Damit aber die Frauen so gehorsam sein können und dürfen, so vergesset liebe Männer doch niemals, daß der hl. Joseph euer Vor - bild und daß ihr deßhalb von euern Gattinnen nur das verlangen dürfet, was recht ist vor Gott.

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Gott sei Dank, daß noch so viele Mütter das Opfer des Gehorsams tagtäglich bringen und oft in solchen Ver - hältnissen, daß man diese Wunder der Gnade wirklich an - staunen muß. Daß es aber auch so viele giebt, welche in ihren Launen von keinem Opfer des Gehorsams etwas wissen wollen, vielleicht gar boshaft ungehorsam sind, ist aller Thränen werth. Denn mit diesem Familienunglück ist die größte Gefahr ewiger Verdammniß verbunden. Oder glaubet ihr etwa dies Beispiel gelte nicht für uns? Jesus fing an zu thun und zu lehren! Er wollte näm - lich zuerst ein Beispiel geben; und dann erst lehren: Wer diesem Beispiele nicht nachfolge, werde verloren gehen. So mit der Familie. Auch hier kommt zuerst das Bei - spiel von Joseph und Maria und der ganzen hl. Familie. Dann aber mahnt Jesus Christus durch seinen hl. Apostel Paulus: Ihr Weiber seid unterthan euern Männern, wie sich's geziemt im Herrn. Damit euch aber dies Opfer des Gehorsams nicht zu schwer werde, fügt er bei: Ihr Männer liebet euere Weiber und seid nicht bitter gegen sie. (Col. III., 18. 19.) Wenn euch daher dieses Opfer hie und da schwer fallen sollte, denket an die wunderbarliche Mutter und betet zu ihr. Dann werden euch sogar die schweren Opfer nicht bloß leicht, sondern sogar angenehm werden. Wendet doch euere Augen nie von der schmerz - haften Mutter ab; denn nur in diesem Falle könnet ihr auch das zweite Opfer bringen: nämlich das Opfer der Schmerzen und Entbehrungen für euere Kinder.

Seit dem Sündenfalle ist die Mutter ohne Schmerz und Entbehrung gar nicht mehr möglich. Denn mit der Sünde geht von Geschlecht zu Geschlecht die Ausführung des göttlichen Strafgesetzes: Ich will vervielfältigen deine Beschwerden und in Schmerzen sollst du Kinder gebären. (Gen. III. 16.) Die Welt mag die Erbsünde leugnen, aber dieses Gesetz kann sie nicht aufheben; die Medicin30 mag ihrer Fortschritte sich rühmen; aber die durch die Sünde verwüstete Natur wird sie nie dem Gesetze der Schmerzen entreißen. Die Menschen mögen auf ihre Wissenschaft sich viel einbilden; aber von Beschwerden und Entbehrung werden sie die Mutter nie befreien. Nur die Jungfrau, welche schon im Paradies der gefallenen Eva versprochen wurde, war frei vom Fluche der Sünde und daher auch frei vom Gesetze der Schmerzen. Aber je größer ihr Jubel war, als sie in himmlischer Jungfräulich - keit den Heiland gebar, desto größer sollten ihre beiden gerade dieses göttlichen Kindes wegen für sie werden.

Daher feiern wir sie als die Königin der Märtyrer, welche als die schmerzhafte Mutter unter dem Kreuze ihres Sohnes steht. Das ist die Vollendung all' ihrer Schmerzen und Entbehrungen! Um in einem Stalle das göttliche Kind in eine Krippe zu legen, muß sie ihre arme Wohnung ver - lassen und eine lange Reise machen, um den Heiland dem Tode zu entreißen, muß sie aus dem Vaterlande fliehen, um als jungfräuliche Mutter desto leichter gehalten zu werden muß sie den hl. Joseph durch den Tod verlieren und allein mit ihrem göttlichen Sohne die Verfolgung und Schmach des öffentlichen Lebens theilen; um unsere Mutter zu werden, mußte sie unter dem Kreuze Jesu stehen. Warum mußte die Unbeflecktempfangene als jungfräuliche Mutter nach dem Willen Gottes diese Opfer der Schmerzen und der Entbehrungen bringen? Aus vielen Gründen gebe ich nur einen an: damit ihr, christliche Mütter, ein Beispiel habet, wie auch ihr leiden und entbehren sollet.

Wo immer noch dieser Glaube lebendig und wirk - sam ist, welch 'erhebende Opferbeispiele in den Familien! Im Hinblick auf die schmerzhafte Mutter flieht und haßt die kathol. Mutter jede Sünde, welche die Ordnung der Natur umwälzt, sie will entweder in jungfräulicher Ehe leben oder aber als Mutter, so oft der Ruf Gottes an31 sie ergeht, das Opfer der Schmerzen bringen. Aber mitten im christlichen Volke wie traurig sieht es dort aus, wo man diese Geheimnisse nicht mehr glaubt oder oft nicht mehr betrachtet und beherziget! Diese Frauen, welche nur Frauen sein wollen in Freuden und Ge - nüssen, aber ja nicht Mutter in Schmerz und Entbehrung! Diese armen Frauen, welche nur in's heidnische Rom paßten, wo schwer zu entscheiden war, ob die Ausschwei - fungen in oder außer der Ehe größer waren! Da gilt auch das Wort: Den Heiden wird's am Gerichtstage erträglicher ergehen als diesem Geschlechte, das nur die Freude sucht, den Schmerz aber flieht, das nur die Ge - nüsse liebt, aber von Entbehrungen nichts wissen will.

Und doch sind diese Entbehrungen vielleicht noch das größere Opfer, als die Schmerzen; denn diese sind vor - übergehend, jene aber dauern gewöhnlich das ganze Leben hindurch.

Blicket nur auf euer Vorbild hin: Nimm das Kind und seine Mutter und fliehe nach Aegypten. Und er floh in der gleichen Nacht. Wo war also die Mutter? Beim Kinde und das Kind bei der Mutter und beide im Hause des hl. Joseph. Durchgehet nur das ganze Leben Jesu Christi; allüberall ist seine Mutter bei ihm: bei ihm in Aegypten, ferne vom Vaterlande, bei ihm in Nazareth in der stillen Arbeiterwohnung, bei ihm unter dem Kreuze. Wie sie von ihrem Sohne nicht zu trennen, so auch nicht von seinen Leiden und Schmerzen.

Wohin also, christliche Mutter, gehöret ihr? In die Familie, in die Kirche, unter das Kreuz, zu euern Kindern: an jedem andern Orte leidet euere Würde und Hoheit Schaden und werden euere Pflichten vernachlässiget. Ihr gehöret zu eueren Kindern und euere Kinder gehören zu euch. Gott hat in euer Herz eine zarte Liebe gelegt, welche sprichwörtlich geworden, genügen sollte, jedes Opfer für32 euere Kinder zu bringen; weil aber der Leichtsinn, die Ge - nußsucht, die Eitelkeit diese natürliche Liebe oft derart schwächen, daß die Mutter ihre Kinder und oft ihre kranken Kinder bei den Freuden vergißt, oder nicht zu denselben heimkehren mag, hat uns Gott das Beispiel seiner Mutter gegeben.

Wenn nun der Familienengel in der Nacht oder auch bei Tag den Eltern etwas zu melden hätte, wo müßte er oft nicht bloß die Väter, sondern sogar die Mütter suchen? Wo? Bei welchem Besuche? In welchem Wirthshause? In welcher Gesellschaft? In welchem Zustande wird er sie antreffen?

Aber ich habe ja für die Kinder eine Magd. Aber bist du deshalb nicht mehr Mutter, und die Mutter Gottes nicht mehr dein Vorbild? Darfst du deswegen den Genüssen, der Ruhe dich hingeben oder deine Zeit mit Klavierspiel und mit Lesen von Modejournalen und Ro - manen todtschlagen? Wenn nun die geplagte christliche Magd zum Himmel steigt und die Mutter in den ewigen Abgrund begraben wird? Aber meine Kinder sind ja schon größer. Gut, darfst du deßwegen den Freuden und Bequemlichkeiten nachgehen? Ich rede da gar nicht von dem Aergerniß, das eine solche Mutter ihren Kindern gibt; denn schon die Kinder verlangen von der Mutter mehr Opfersinn als von dem Vater; aber um alles andere zu übergehen auf das Beispiel Mariens wollen wir Hinblicken. Warum ging Maria mit ihrem göttlichen Sohne und dem hl. Joseph alljährlich auf das Osterfest nach Jerusalem, obwohl sie nicht dazu verpflichtet war? Aller - dings um Gott im Tempel anzubeten; aber christliche Mütter sehet ihr da nicht euer Vorbild? Auch ihr sollet bei euern Kindern sein, auch wenn diese größer geworden; aber nicht um zu genießen, sondern um euer Opfer zu vollenden.

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Das scheint eigenthümlich, aber schau einmal, ob unsere Vorbilder das nicht verlangen. An allen Leiden des öffentlichen Lebens ihres Sohnes nahm Maria den innigsten Antheil; aber die Verklärung auf Tabor schaute sie nicht. Warum? Die Mutter soll und muß entbehren, sonst ist sie keine Mutter im Sinne und Geiste Jesu Christi. Unter dem Kreuze steht Maria; aber mit dem Heilande darf sie nicht gen Himmel fahren. Warum? Die Mutter soll nicht bloß entbehren, sondern auch leiden, will sie eine Mutter nach dem Evangelium Jesu Christi sein.

Wenn ihr nun etwa glaubet, daß ich übertreibe, so betet den Psalter und betrachtet die einzelnen Geheimniße und wendet sie auf eure Verhältniße an. Dann werdet ihr aber auch begreifen, welch 'ungeheuren Gefahren die Familie jetzt ausgesetzt ist und warum ich rede, wie ich rede oder besser, warum das Geheimniß der Menschwer - dung Jesu Christi laut seine Stimme erhebt. Wisset ihr, warum man in früher Zeit so viele, viele Mütter hatte, voll Würde und Opfergeist? Väter und Mütter waren nicht in Gesellschaft zu suchen, Söhne und Töchter kneipten nicht herum, waren nicht in zahllosen Vereinen, gaben den Eltern noch kein Kostgeld; sondern alle waren unter dem Schutze des Familienengels bei einander, beteten Abends gemeinsam den Rosenkranz, betrachteten die Geheimniße und gingen dann unter dem Walten des hl. Engels zur Ruhe. Aber heute? Ach, ich darf nicht daran denken! Denn wenn Gott nicht durch das äußerste Elend gar viele Menschen zur Besinnung bringt, wird es noch viel schlimmer kommen. Ich rede jetzt nur von den Müttern. Welche Aussichten für die Zukunft haben wir also bezüglich der Mütter?

Ich gebe nun gerne zu, es gibt noch viele Jung - frauen voll kerngesunder Frömmigkeit; aber gibt es nicht auch Mädchen, welche, bevor sie der Schule entlassen,34 schon über die Priester spötteln? Und Predigt und Christenlehre? Wie manche gehen aus Leichtsinn nicht? Wie wenige nehmen sich die Wahrheiten wirklich zu Herzen? Wie vielen ist die Kirche nur der Ort, ihre Eitelkeit zu entfalten? Es ist lange nicht alles Gold, was glänzt.

Und die sollen Mütter werden voll Opfergeist? Wie viele Mädchen werden durch eine falsche Erziehung zur Genußsucht, zur Eitelkeit, zur Frühreife, zum beschäf - tigten Müssiggange eigentlich dressiert, und diese sollen Mütter werden voll Opfergeist!

Aber das hl. Sakrament der Buße? Wie viele die es nothwendig haben, empfangen es nicht? Wie manche empfangen es, aber so schlecht vorbereitet, das sie besser nicht gingen? Und dann erst so manche Bekanntschaften in Sünden und Ausschweifungen auf Tanzböden und bei Trinkgelagen; ferner alle diese Leidenschaften, denen so Viele nicht bloß widerstandslos, sondern sogar freudig sich hingeben. Und alle diese sollen Mütter werden voll Opfergeist?

Wohl bekämpfe ich da Lieblingsleidenschaften, welche beim herrschenden Leichtsinne in Vielen unbesiegbar zu sein scheinen; allein die Guten werden doch aufmerksam gemacht und gestärkt, und manche sonst verlorene Seele wird ge - rettet, wenn nicht heute doch später, und wäre es erst zur Zeit des Unglückes. Woher habe ich diese trostreiche Hoffnung? Nicht ich rede eigentlich zu euch, sondern das Geheimniß der Menschwerdung Jesu Christi; dies Geheim - niß aber übt einen solchen Zauber auf die Seelen, theilt ihnen, auch den verlorensten, so viel Gnaden mit, daß alle Guten gestärkt und viele Sünder wirklich gerettet werden. Daher wird aber auch über die Unbußfertigen an jenem so thränenreichen Tage das furchtbarste Weh hereinbrechen. Betrachtet daher alle diese Geheimnisse während der heilg. Weihnachtszeit und betet, damit eure Familien der hl. Familie immer gleichförmiger werden.

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Zum Schluße wend 'ich mich an dich, göttlicher Hei - land. Um des Geheimnisses deiner Menschwerdung aus der jungfräulichen Mutter willen, stärke und segne diese wahrhaft katholischen Mütter, daß sie ihre Würde immer bewahren und bis zu ihrem seligen Hinscheiden das Opfer des Gehorsams, der Entbehrung und Schmerzen freudig darbringen; lasse aber den leichtsinnigen und genußsüchtigen Müttern keine Ruhe, bis sie mit deiner schmerzhaften Mutter unter dem Kreuze stehen, um in aufrichtiger Buße ihre Seelen zu retten und die Aergernisse wieder gut zu machen. Um deiner Geburt aus der Jungfrau willen leite die Männer, daß sie von ihren Gattinen nicht zu schwere Opfer verlangen; beschütze die unschuldigen Jungfrauen, daß sie in deiner Gnade ausharren, erschüttere du die ver - dorbenen Töchter, daß sie aufrichtige Buße wirken; wollen sie aber das nicht, laße sie nicht in den Ehestand treten; es ist ja doch besser sie gehen allein verloren, als mit Kindern. Göttliches Kind, lehre du alle Kinder, die Mutter zu ehren ihrer Würde wegen, ihr dankbar zu sein, ihrer Opfer wegen.

Jesus, Maria und Joseph, gebet doch dem Einzelnen wie jeder Familie eine gnadenreiche Weihnacht!

V. Die Vatermacht.

Nachdem das Evangelium die Ereigniße bei der Dar - stellung Jesu im Tempel erzählt hat, berichtet es, wie Maria und Joseph mit dem Kinde nach Nazareth zurück - kehrten. Dort waltete Joseph als Hausvater; unter seiner Leitung erstarkte das göttliche Kind, ward voll Weisheit36 und Gnade. Dies bietet mir den Anlaß dar, noch ein Wort über die Vatermacht zu sagen.

Groß ist eure Würde in der Oberherrlichkeit über Gattin und Kinder, in deren Mitte ihr wie Bischöfe da - stehet. Weil aber eine Würde ohne Macht bedeutungslos ist, so müßet ihr eine der Würde entsprechende Gewalt besitzen. Da nun bitte ich alle, ob Väter oder Mütter, ob Söhne oder Töchter, diesem Gegenstande eure volle Aufmerksamkeit zu schenken. Denn soll die Familie und die Erziehung nicht immer mehr in Brüche gehen, müssen wir nicht bloß Mütter, sondern vor allem Väter haben. Daher wollen wir jetzt die Machtstellung des Vaters in bezug auf das leibliche und geistige Wohl der Fa - milie betrachten.

Gott, als der Schöpfer aller Dinge und der Vater aller Menschen, hat die unbeschränkte Macht, Alles zu erhalten und Alle zu ernähren. Sobald er daher einen Mann als seinen Stellvertreter über eine Familie setzt, muß er ihm auch von dieser Macht etwas mittheilen. Daher seht ihr auch den hl. Joseph, wie er die Mutter und das Kind nimmt, durch die Flucht nach Aegypten sie dem Tode zu entreißen, und wie er in seiner Werkstätte arbeitet, die ihm anvertraute Familie zu ernähren. Weil aber der Einzelne oft zu wenig Macht besitzt, um seine Familie zu beschützen, und zu erhalten, hat es Gott gefügt, daß Millionen Väter zu einer Familie, welche man das Vaterland nennt, sich vereiniget haben. Daher ist denn auch die Liebe zum Vaterlande mit der Liebe zur Familie jedem Menschen angeboren, und diese Liebe wächst in dem Grade als die Familie vom Vaterlande den von Gott gewollten Schutz und Schirm findet, muß aber auch erkalten, sobald ihre höchsten Güter unter dem Vorwande des Vaterlandes in Gefahr kommen.

Damit ist natürlich keineswegs gesagt, daß der Vater37 Alles vom Vaterlande erwarte und selbst nichts thue, sondern vielmehr ist klar und ausgemacht, daß er zuerst für das leibliche Wohl der Familie zu sorgen habe. Blicket daher in der Familie um euch. Ihr sehet lauter schwache Wesen, die bittend nach euch die Hände ausstrecken. Ver - langt nicht die Mutter, von Arbeit und Nachtwachen ab - gemüdet Brod und Kleidung und eine warme Stube? Die Kinder lachen euch zwar entgegen, aber bitten sie nicht um Milch und Brod?

Daher habet ihr nicht bloß das Recht zu arbeiten und den nothwendigen Unterhalt der Familie zu verdienen, sondern sogar die hl. Pflicht. Ihr gehöret nicht mit gott - vergessenen Männern in die Wirthshäuser, in alle Vereine, sondern mit dem hl. Joseph in die Werkstatt. Ich weiß zwar wohl, daß in diesen Zeiten, wo der große Reichthum einzelner Weniger auf himmelschreiende Weise den furcht - barsten Umwälzungen ruft, wo Gott durch Erscheinungen in der Natur und durch diesen Wirrwarr im Völkerleben wie zum letzten Male warnt*)Siehe Rundschr. Leo XIII. Ueber die Arbeiterfrage., daß in dieser traurigen Zeit gar mancher Vater seine Familie nur mühsam durchbringen kann, weiß ich zwar wohl; aber wenn ihr wirklich arbeitet, den Segen Gottes anflehet, euch und die Familie von der Genußsucht fern haltet, könnet ihr doch das Allernoth - wendigste immer noch aufbringen. Aber da bedenket auch, wie unglücklich jene Väter, welche entweder gar nicht arbeiten oder in Saus und Braus und Spiel mehr ver - brauchen als sie verdienen und Weib und Kind darben lassen! Ist das nicht ein Verbrechen gegen Gott, dessen Stellvertreter sie sind? Nicht ein Verbrechen gegen die Gattin, deren Herz sie allzufrüh brechen? Nicht eine him - melschreiende Sünde gegen die Kinder, welche sie, anstatt wie den Heiland aufzunehmen, mißhandeln wie ein Stück Holz. Und doch handelt es sich erst um das leibliche Wohl38 der Familie! Diese Kinder, wenn sie wegen Elend und Noth frühzeitig sterben, kommen doch in den Himmel; was aber, wenn ihre Seele in solchen Familien von Sünde zu Sünde stürzt, bis sie ewig verloren geht? Christliche Familie, wo bist du denn hingekommen? Immer mehr Familien und Rettungs - und Besserungsanstalten für die Jugend; allüberall und täglich werden neue noth - wendig; es fehlt das Geld, all' die verdorbenen Knaben und Mädchen unterzubringen; und erst jenes sittliche Ver - derben, das in den Familien entweder ganz verborgen bleibt oder nie recht an's Licht kommt. Christliche Familie, wo bist du denn hingekommen? Wohl hast du von außen mit großen Gefahren zu kämpfen; aber dein größtes Un - glück, aller Thränen werth, ist in deinem Schooße. Wie viele Mütter, nicht Mütter, sondern Puppen, Sünderinnen! Und die Väter, welche nicht bloß für das leibliche Wohl der Kinder sorgen, sondern auch die Lehrer, Erzieher, die Könige, die Priester der Familie sein sollten, haben gar oft ihre Macht vergessen, sind oft nicht Väter, sondern Taugenichtse, vielleicht Verbrecher! Wenn ich daher mit allem Nachdrucke von der Vatermacht rede, wundert euch nicht. Ihr habet also die Macht und daher auch die Pflicht, für das zeitliche Wohl der Familie zu sorgen, aber noch weit mehr gilt das, wenn es sich um das geistige Wohl der euch Anvertrauten handelt.

Da nun habet Ihr vor Allem die Macht zu lehren und zu erziehen. Gott ist die Wahrheit und deshalb der oberste Lehrmeister aller Menschen. In dem Augenblicke aber wo er Euch Kinder schenkt, verleiht er Euch die Macht, dieselben in seinen Wahrheiten und in seinen Geboten zu belehren. Obwohl nämlich Gott im alten Bunde das Priesterthum eingesetzt hatte, zu opfern und das Volk zu lehren, sprach er gleichwohl durch Moses zu allen Vätern: (V Mos. VI. 6) Und es sollen diese Worte, die ich dir39 heute gebiete, in deinem Herzen sein und du sollst sie deinen Kindern einschärfen und betrachten, wenn du in deinem Hause sitzest.

Was that also der hl. Joseph als Vater, den der Herr über seine Familie setzte? Die Gebote und Lehren Gottes trug er in seinem Herzen, betrachtete sie, um sie dem göttlichen Sohne, der Jungfrau mittheilen zu können. Aber war denn Jesus Christus nicht die Weisheit des Vaters? Allerdings, aber diese innere Weisheit, welche nicht zunehmen konnte, offenbarte sich mit den Jahren immer herrlicher nach Außen. (S. Th. p. III, q. VII ar. 12 ad 3) Daher berichtet der Evangelist: Er war voll Weisheit, und nahm zu an Weisheit vor Gott und den Menschen. Daher konnte er sich, um das wunderbare Geheimniß seiner Menschwerdung aus der Jungfrau noch zu verbergen, um ferner die hl. Familie zum vollkommenen Vorbilde für die christliche Familie zu machen, von seinem Pflegevater wie ein anderes Kind unterrichten lassen. Wollet ihr also in den Himmel kommen, so blicket hin auf den hl. Joseph und erkennt eure Macht, welche keine Gewalt dieser Welt euch beschränken darf, so lange ihr dieselbe nicht mißbrauchet, um eure Kinder in Sünde und Irrthum zu stürzen.

Ich stelle mir also den christlichen Vater wenigstens am Sonntag also vor: Er hat seine Kinder um sich ver - sammelt: fragt sie über das, was sie in Predigt oder Christenlehre gehört, zeigt ihnen, wie sie das im täglichen Leben zu befolgen haben. Dann nimmt er den Katechis - mus zur Hand, frägt die Schulkinder, hilft ihrem Ver - ständnisse nach. Dann verlangt er, daß die größern Kinder in einem Erbauungsbuche wenigstens eine Zeit lang aufmerksam lesen, um in der hl. Religion immer besser unterrichtet zu werden. Denn Gott hat Euch nicht bloß diese Macht gegeben, sondern damit die strenge Verpflich - tung verbunden, so seine Stellvertreter in der Familie zu sein. 40Was wollet ihr gegen diese Anordnung Gottes vorbringen? Nicht wahr, die Wirthschaften, die Gesellschaften, das Spiel sind kurzweiliger? Ob aber, wenn Gott die verlorenen Kinder aus eurer Hand zurückverlangt, die Hölle auch kurz - weiliger sein wird, als der Himmel? Aber ich kann ja die Kinder nicht unterrichten; ich weiß ja selbst von der Religion sehr wenig. Aber warum bist du in's Heiligthum der Familie eingedrungen? Warum nicht wenigstens jetzt noch das Versäumte nachholen durch auf - merksames Anhören der Predigt und Christenlehre; durch das Lesen guter Bücher?

Aber ich lehre doch meine Kinder nichts Schlechtes, bringe sie doch nicht um den Glauben. Ja dieser Miß - brauch der Vatermacht fehlte noch, um in die Hölle zu versinken, bodenlos. Beherziget doch diese Wahrheiten in den Tagen der Barmherzigkeit, bevor der große und schreck - liche Tag des Herrn über einen jeden hereinbricht.

Bevor ich aber diesen Punkt verlasse, muß ich noch etwas berühren. Allerdings ist der Vater an Gottesstelle der Religionslehrer in der Familie; aber gleichzeitig ist er auch berechtigt und verpflichtet, die Kinder in andern Sachen zu belehren. Aber wozu haben wir denn die Schule? Die Schule ist nur die Magd der Familie; einer Magd überläßt man aber nicht alles ganz und gar, ohne irgend welches Nachsehen, besonders nicht die Kinder. Da nun, wenn ihr immer mehr an Ansehen verlieret, seid ihr selbst schuld! Immer nur Schule; alles nur Schule, noch einmal nur Schule in allen nur möglichen Formen, als wären die Kinder dem Vater nur gegeben, nur in die Schule zu gehen; daher kommt denn diese Jugend nach und nach zur Ansicht: Ich verdanke dem Vater eigentlich gar nichts, sondern alles der Schule. Ich mache euch da nur auf eine Gefahr aufmerksam, die um so größer wird, je weniger sie beachtet wird.

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Aber was sollen wir denn thun? Wir verstehen ja kaum, was heute Alles gelehrt wird. Was ihr thun sollet? fraget eure Kinder, was sie denn in der Schule auch hören und lernen, schaut euch ihre Schriften an, lasset sie eine Geschichte lesen und euch dann erzählen; lasset sie die Predigt schreiben, gebt ihnen eine Rechnung auf, be - lehret sie, wie sie diese und jene Arbeit zu machen haben. Der Vater ist der von Gott bestimmte Lehrer, ohne den die Schulen vieles verderben, aber selten etwas dauerhaft Gutes stiften kann. Der Vater ist der beste Schulrath, der mit der Mutter am sichersten entscheiden kann, was seine Kinder in der Schule wirklich gewinnen oder auch nicht, oder gar an Verstand und Einsicht, an Gemüth und Ge - sundheit oder vielleicht an Religion und Sittsamkeit verlieren.

Doch was nützen am Ende alle Kenntniße wenn das Kind dabei in Folge ungezügelter Leidenschaften verwildert? Dann habt ihr von Gott die Macht erhalten, euere Kinder zu leiten und zu führen, zu warnen, zu strafen, damit sie an Gnade zunehmen vor Gott und den Menschen, nach dem Vorbilde des göttlichen Knaben unter der Führung des hl. Joseph.

Wohl haben die Mütter euch da behülflich zu sein; aber ihr habet von Gott derart die Macht und die Gewalt erhalten, daß die Hauptverantwortung auf euch lastet. Denn das Weib ist nur die Gehilfin des Mannes, wie Gott schon im Paradiese gesprochen. Wo immer diese Ordnung Gottes in der Natur nicht beobachtet wird, und die Mutter die Hauptrolle spielt, da geht es im besten Falle lange nicht so gut, als wenn der Vater nach dem Willen Gottes seine Macht milde und stark entfaltet. Denn die Ordnung Gottes und der Natur, läßt sich nicht unge - rächt umkehren, selbst in Frankreich nicht, wo man die Mutter oft oben an stellen muß, weil dort die wahrhaft christlichen Väter immer seltener werden.

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Wie aber steht's heute mit dieser Vatermacht? Sie ist wie ein durchlöchertes Schiff auf stürmischer See: das eindringende Wasser beschleuniget mit jedem Augenblicke dessen Untergang. Oder saget, was verkündet man all - überall? Die Unabhängigkeit von der Kirche, ich frage ihr nichts darnach; die Unabhängigkeit vom Papste; ich frage ihm nichts darnach; die Unabhängigkeit vom Evan - gelium, von Jesus Christus; ich frage ihm nichts darnach; die Unabhängigkeit von Gott; ich gehe nach meiner per - sönlichen Ueberzeugung. Aber warum sollen die Kinder in diesem Falle dem Vater noch etwas darnach fragen? Ist etwa sein Wort ansehnlicher als das Evangelium? Sein Befehl wichtiger als die zehn Gebote? Seine Macht größer, als die Allmacht Gottes? Seine Ruthe schmerzlicher, als die Hölle? Oder glaubt ihr etwa, wenn euere Söhne und Töchter solche Grundsätze lesen und hören, solche Beispiele sehen, glaubt ihr etwa, es werde ihnen nicht schwindelig! Oder wenn es eine Ehre ist, ja Fort - schritt und Bildung bedeutet, so früh als möglich über Priester, Bischöfe, Papst, Kirche, über das Evangelium, ja über Jesus Christus selbst zu spotten warum sollte es wenigstens nicht eine ebenso große Ehre sein, den leiblichen Vater auf Gleiche Art zu behandeln? Wer da keine Gefahr sieht, sollte wahrlich nicht in dieser Zeit leben. Denn sein Geist ist viel zu klein, um die Gewalt des Umsturzes nur von ferne zu ahnen. Man hat da gut klagen über Unbändig - keit, Kostgängerei und Fortlaufen der Kinder: Die ge - rufenen Geister sind schaarenweise da und werden durch keine Klagen, durch keine Gesetze, durch keine Polizei, durch keine nüchterne Sittlichkeitspredigt gebannt; da hilft nur mehr die katholische Kirche durch wahrhaft große, wahr - haft apostolische Männer, welche die nothwendige Freiheit des Wortes und der That zum Heile der Familie und des Vaterlandes sich einfach nehmen, ohne irgendwo an - zufragen.

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Was habet ihr da zu thun, christliche Väter? Ver - bannet aus euern Familien alle Bücher, welche die katho - lische Kirche anfeinden. Machet doch euere ganze Macht geltend, daß euere Kinder von zartester Kindheit an, die heilige katholische Kirche lieben und als die Stellvertreterin Gottes auf Erden betrachten, daß sie wirklich katholisch leben in Gehorsam, in Gebet, in Unschuld, im öftern Empfange der hl. Sakramente; da stehet hoch auf der Warte, um allüberall Alles, was das katholische Gefühl der Kinder verletzen oder schwächen kann, ferne von ihnen zu halten. Denn auf den Trümmern der Confessionen kann nie und nimmer das wahre Menschenthum sich erheben, sondern nur eine nie gesehene, aber täglich wachsende Barbarei des Wuchers, der Habsucht, der Unzucht, des Ehebruches, der Grausamkeit, des Mordes auf dem Trümmerhaufen der Vater - und Mutterwürde und der ganzen christlichen Familie. Welche Aussichten haben wir nun da für die Zukunft? Wie es noch viele Jungfrauen von kerngesunder Frömmigkeit gibt, so auch viele Jünglinge, welche treu zur Kirche halten, den Gottesdienst fleißig besuchen, in Nüchternheit und Unschuld beten und arbeiten. Diese sind in Zukunft die Träger der christlichen Familie.

Aber so viele Jünglinge? Sie gehen selten zur Kirche und dann noch, um herum zu gaffen; am Vormit - tage vielleicht noch in der Kirche, am Nachmittag im Wirthshaus bis spät in die Nacht; sie trinken viel, arbeiten wenig; leben vielleicht in Unzucht und Verführung, spotten vielleicht über Religion. Und sie sollen einst Väter werden? Nein, nicht Väter voll hoher Würde, sondern würde - lose Burschen, welche über ihr Weib die wohlverdiente Geißel schwingen; nicht Väter voll Macht und Ansehen, sondern ein fürchterliches Aergerniß für die unschuldigen Kinder! Die sollen die Kleinen lehren? Die sollen Söhne und Töchter für Gott erziehen? Die sollen den44 Kleinen zur rechten Zeit das Brod der Wahrheit brechen und sie haben keines, wollen keines haben, haben sogar Eckel davor! Großer Gott, wie langmüthig bist du in deiner Barmherzigkeit, wie unergründlich in deinen Gerichten! Oder glaubst du etwa in deinem Leichtsinne, daß ich über - treibe? Fraget die Thränen mancher Mütter, was ant - worten sie euch? Fraget die Sünden, die Ausschwei - fungen, die Verbrechen der Jugend, was antworten sie euch? Fraget so manche Familien, ohne Gebet vom Morgen früh bis abends spät was antworten sie euch?

Fraget so manche Familien, wo die Kinder ihrer Mutter, der heiligen, katholischen Kirche entrißen werden was antworten sie euch?

Doch wenden wir unser Auge weg von diesem Jammerbild menschlichen Elendes und schauet wieder auf die heilige Familie von Nazareth. Denn sie ist unser Vor - bild für Vater, Mutter und Kinder und die ganze Haus - haltung. Soweit sind wir wirkliche Christen, als wir dem göttlichen Heilande gleichförmig werden, und der Haus - vater, insofern er seine Würde und Macht nach dem Vor - bilde des hl. Joseph zur Geltung bringt, nur insoweit kann er auf die Gnade und den Segen Gottes in der Familie und auf die Herrlichkeit im Himmel hoffen.

Je unähnlicher aber ein Vater dem hl. Joseph ge - worden, desto größer muß das Unglück in der Familie und in der Ewigkeit werden.

Ich weiß warum ich so rede; denn ich kenne die Gefahren für Eltern und Kinder und Dienstboten. Ich weiß, warum ich so rede; denn da drinnen blutet es so oft seit Jahr und Tag und blutet immer mehr. Denn nirgends ist der Glaube, die Unschuld, das christliche Leben ohne große Gefahren, nur die Familie ist noch die letzte Zufluchtsstätte aber nur dann, wenn der Vater seine Macht und Würde geltend macht, und die Mutter der45 jungfräulichen Mutter ähnlich wird sonst aber wird selbst die Familie eine Brutstätte der Sünden und Greuel und jeglichen Unheiles.

So erforschet denn, christliche Väter, am Schluße des Jahres ernstlich euer Gewissen, und wenn vielleicht Manches in Unordnung, so thuet Buße, und beginnet das neue Jahr als wahrhaft christliche Vater; wenn ihr aber bis jetzt nach dem Vorbilde des hl. Joseph gute und treue Haushalter waret, so danket Gott und bittet um die Gnade der Beharrlichkeit.

Ihr aber, Mütter, Söhne und Töchter, habet ihr etwa Väter, die in Wahrheit nicht Väter sind? Lasset euch durch ihr Beispiel nicht irre leiten, sonst gehet ihr mit ihnen verloren. Je weniger Sicherheit euch die Familie bietet, desto inniger schließet euch an die katho - lische Kirche und an ihre Priester an. So werdet ihr den Glauben und die Unschuld bewahren um für die Bekehrung des unglücklichen Vaters zu beten. Bei all' dem aber folgt dem Vater in aller Ehrfurcht, so lange der Glaube und die Tugend nicht in Gefahr kommen. Aber welche Ehrfurcht schuldet ihr erst dem Vater, der wirklich an euch Vater ist! Danket dem Herrn alle Tage, für diese große Gnade; ihr könnet ihm ja niemals genug danken.

Jesus, Maria und Joseph, euch empfehle ich diese Vorträge über die Würde und Macht des Vaters; über die Würde und das Opfer der Mutter; sorget doch ihr, daß am Schluße des Jahres dieser Same allüberall auf gutes Erdreich falle und dann im neuen Jahre hundert - fältige Frucht hervorbringe: hiefür sorget doch ihr, Jesus, Maria und Joseph!

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VI. Die Unschuld der Weg zur Ehe.

Wenn auch der hl. Joseph nach der Größe seiner Würde und Heiligkeit von jeher in der katholischen Kirche gefeiert wurde, so ist doch seine Verehrung in unserer Zeit ganz besonders verbreitet und vermehrt worden. Da sehet ihr die Vorsehung Gottes, welche für neue Krankheiten auch neue Heilmittel dem Menschen anbietet. Allerdings ist Jesus Christus das eigentliche Vorbild, dem wir ähnlich werden sollen, aber für uns arme und kurzsichtige Menschen ist das nicht genug. Denn in allen nur möglichen Verhält - nissen konnte er uns nicht selbst das Beispiel geben. Da - mit deshalb die Menschen ein Vorbild haben, wie sie vor und in der Ehe zu leben haben, wählte er den hl. Joseph zu seinem Nährvater und zum Bräutigam seiner jung - fräulichen Mutter. Das ist die tiefe Bedeutung der hl. Familie von Nazareth für alle Zeiten.

Ich wende mich da zunächst an die Jugend, welche nur zu oft glaubt, sie komme nur in den Ehestand, wenn sie recht früh daran denke und mehr oder weniger der Ausgelassenheit und der Gefallsucht sich ergebe. Das nun ist eine arge Täuschung, an welcher nur der Satan seine Freude hat, um recht viele Seelen in's ewige Feuer zu stürzen. Denn Niemand war heiliger, Niemand dachte weniger an eine Vermählung, als Maria und Joseph und doch wurden sie durch die wunderbare Vorsehung Gottes zum heiligen Ehebunde vereint. Daher ist die Unschuld der von Gott bestimmte Weg zur Ehe.

Bevor ich mit der Unschuld und der Gottseligkeit der Jugend beginne, weise ich auf einen Umstand hin, der in47 diesen Sachen und Träumereien gar oft eine verhängnis - volle Rolle spielt auf die Armuth. Wie nämlich Ver - mögen leicht zur Ehe führt, so scheint die Armuth ein Hinderniß zu sein. Ist das wirklich wahr?

Was lehrt uns die heilige Familie? Der hl. Joseph war aus dem königlichen Geschlechte Davids und verdiente doch als Zimmermann mit rauher Handarbeit mühsam sein tägliches Brod. Und Maria? Auch sie ward aus dem Geschlechte Davids, aber ebenso arm wie Joseph. Woher wissen wir das? In Bethlehem finden sie kein Obdach. Bei der Darstellung Jesu opfern sie wie die Armen ein Paar Turteltauben. Aber wozu diese Armuth nach dem Rathschluße Gottes? Allerdings auch zur Verherr - lichung der Armuth, welche kein Gegenstand der Verach - tung, sondern der Ehrfurcht sein soll, dann aber auch, zum Troste und Belehrung der armen Jugend. Denn, wenn ihr auch arm seid, könnet ihr dennoch von Gott für die Ehe berufen und bestimmt sein; bleibet nur arm in Ehren, in Unschuld, und Gott führt euch zum Ziele. Aber ent - ehret die Armuth niemals durch die Sünde, sonst wird die Schande und vielleicht dazu noch eine unglückliche Ehe euer Unglück vollenden. Bleibet also wie Maria und Joseph arm in aller Unschuld, und Gott führt euch zur Ehe, wenn ihr dazu wirklich berufen seid.

Aber, denket ihr vielleicht, wenn wir so still in Un - schuld und Gottseligkeit leben, wie ist da eine Bekannt - schaft möglich oder gar eine Heirath? Die Sünde und eine unglückliche Ehe ist allerdings nicht leicht möglich; aber warum nicht eine glückliche Vermählung? Lasset ein - mal diese falschen Ansichten der Welt fahren und betrachtet die Wahrheit in den Geheimnißen Gottes.

Wer war denn Maria? Eine Tochter aus dem Hause Davids; bis zu ihrem 14. Jahre im Tempel auf - erzogen, war sie so rein, so heilig, daß sie nicht bloß an48 keinen Mann und keine Ehe dachte, sondern Gott sogar die Jungfräulichkeit gelobte. Wie nun die hochheilige Dreifaltigkeit dies Wunderwerk der Gnade sah, hielt sie nach unserer Anschauung gleichsam Rath, und Gott der Vater sprach zu seinem Sohne: Siehe, diese Jungfrau schön! Die ganze Herrlichkeit der Gnade und der natür - lichen Schöne habe ich ihrer Seele und ihrem Leibe mit - getheilt, so viel bei einem Geschöpfe nur möglich ist: sie hat durch ein Gelübde ihren Leib und ihre Seele mir geschenkt, beide für immer rein und jungfräulich zu erhalten. Siehe, die Fülle der Zeit ist gekommen, wo du als Menschensohn auf der Welt erscheinen sollst, um die Menschheit zu erlösen; diese Jungfrau soll deine Mutter sein, daß du durch die Ueberschattung des hl. Geistes aus und in ihr Mensch werdest!

So sprach Gott der Vater.

Ich bin bereit, war die Antwort des Sohnes, und schrecke nicht zurück vor dem Schooße dieser gnadenreichen Jungfrau. Und ich will sie überschatten, sprach der hl. Geist, damit das ewige Wort aus der Jungfrau geboren werde. Nun bleibt noch eine Sorge, begann wieder der himmlische Vater, du mußt als hilfloses Kind in die Welt eintreten, das Geheimniß deiner Empfängniß und Geburt aus der Jungfrau soll für viele Jahre verborgen bleiben. Wo nun finden wir für deine Mutter einen Mann, damit deine und ihre Ehre unversehrt bleibe? Wo finden wir für die Jahre deiner Kindheit einen Nähr - vater und Beschützer?

Was glaubt ihr wohl, mochten die zwei göttlichen Personen Gott dem Vater antworten? Die Mutter deines Sohnes, begann der hl. Geist, ist also meine Braut; ich soll ihren Leib und ihre Seele so verklären, daß sie nach der Geburt deines Sohnes eine unversehrte Jungfrau ist, wie jetzt, wo sie die Freude der Engel geworden. Um49 ihre Ehre vor den Menschen zu schützen, gib ihr einen Mann einen Jüngling, so keusch und jungfräulich, daß er ihr zwar die eheliche Treue für immer gelobt als ihr wirklicher Mann, aber so rein und himmlisch mit ihr lebt, wie die Engel vor deinem Angesichte wandeln. Nicht bloß seine Seele sei jungfräulich, frei von allen nur irgend wie bösen Gedanken, sondern auch sein Leib sei mehr himm - lisch als irdisch, mehr Verklärung als Fleisch, frei von jeder Sinnlichkeit. Meine Braut sei im stillen Hause wie auf der belebten Gasse, in der volkreichen Stadt, wie in der einsamen Wüste, bei Tag und bei Nacht, so sicher, so getrost, so ruhig bei ihm, als wäre der reinste Seraph an ihrer Seite. Wo ist dieser Engel im Fleische? Ich will ihm alle Gnadenschätze mittheilen, ihn erleuchten, daß er das Geheimniß der Menschwerdung deines Sohnes begreift, so weit es einem Menschen möglich ist.

Nicht wahr, so mochten die drei göttlichen Personen, um nach unserer Anschauung zu reden, mit einander rath - schlagen. Dann endlich sprach der Sohn Gottes: Wir kennen ihn ja von Ewigkeit her diesen Sohn David's, der nicht wie sein Ahnherr als König auf dem Throne sitzt, sondern als Zimmermann sein Brod in der Werkstatt verdient.

Joseph ist sein Name, das heißt wachsender Sohn, gewachsen ist sein Leib zur vollen Kraft und Schönheit des Mannes, verklärt durch den Glanz vollendeter Jungfräu - lichkeit; gewachsen ist seine Seele im Glauben an meine Menschwerdung, in der Hoffnung auf die nahe Erlösung, verklärt ist sie im Strahlenglanze aller Tugenden. Er denkt zwar nicht bloß an keine Ehe, sondern hat das Ge - lübde ewiger Jungfräulichkeit gemacht, aber gerade des - wegen sei er der wahre Mann meiner jungfräulichen Mutter und mein Pflegevater; wie ich vor dem Schooß der Jungfrau nicht zurückschrecke, so schäme ich mich nicht,50 vor den Menschen als der Sohn Josephs angesehen zu werden.

Das nach unserer Anschauung der Rath und die Entscheidung der heiligsten Dreifaltigkeit. Wohlan nun, glaubet ihr an dieses Geheimniß? Warum denn so thö - richt und so verblendet sein, als könntet ihr nach einer Jugend voll Unschuld und Gottseligkeit nicht in den Ehe - stand treten? Glaubet ihr aber nicht daran, so glaubet ihr auch nicht an das Geheimniß der Menschwerdung des Sohnes Gottes und könnet nicht selig werden.

Denn um selig zu werden, ist uns kein anderer Name gegeben als der Name Jesus. Im Glauben an diese Geheimnisse frage ich nun euch Alle: Kann eine Jung - frau so rein, so himmlisch sein wie Maria? Und doch war sie für den Ehestand berufen. Kann ein Jüngling so unschuldig und gottselig sein wie der hl. Joseph? Und doch war auch er für den Ehestand berufen und wurde von Gott wunderbar hineingeführt.

Wie weit kommen wir doch in der Verwirrung aller Begriffe, wenn wir die Geheimnisse der Religion nicht mehr glauben oder nicht mehr beherzigen? Oder saget ein - mal, wenn von diesen Jünglingen und Jungfrauen, welche den Gottesdienst fleißig besuchen und die heiligen Sakramente hie und da würdig empfangen, welche bei gründ - licher Frömmigkeit die Freuden und Genüße der Welt und die Eitelkeit des Gewandes fliehen, welche allüberall in Unschuld und Ehrbarkeit des Leibes wandeln, wenn von diesen keine für den Ehestand berufen sind welche fürchterliche Aussicht für die Zukunft; aber auch welch 'trostreiche Hoffnung, wenn solche Jünglinge und Jung - frauen einst Väter und Mütter werden, und in ihren Familien die heilige Familie von Nazareth wieder auflebt!

Nein, solche Seelen gehören nicht Alle in's Kloster oder in den ledigen Stand, bei weitem nicht; da -51 für bürgt die heilige Familie von Nazareth, dafür bürgt die Vorsehung Gottes. Denn wehe der Gesellschaft, wehe der Kirche, wenn nur eine leichtsinnige Jugend, welche den Gottesdienst versäumt, und die heiligen Sakramente selten und dann noch unwürdig empfängt, wenn eine Jugend, welche in Ungehorsam und Ungebundenheit, in Eitelkeit und Gefallsucht, in Tanz und Spiel, in Wein und Bier, in Unzucht und Ausgelassenheit, für die Ehe reif geworden ist, wenn eine solche Jugend für den Ehestand berufen wäre wehe dann der Kirche, wehe der Gesellschaft! Denn das kommende Geschlecht leidet durch die Sünde bevor es das Licht der Welt erblickt, um dann am Lichte der Sonne in der Nacht der Aergerniße und der Sünde ganz zu verkümmern. Eine solche Jugend, wenn sie nicht vorher würdige Früchte der Buße bringt, kann von Gott unmöglich für den Ehestand berufen sein. Zulassen kann er schon solch unbußfertige Sünder aber wollen kann er sie nicht. Denn durch die Wahl seiner Mutter und seines Pflegevaters, welche ehelich mit ein - ander verbunden waren, hat Jesus Christus gleich anfangs klar und bestimmt verkündet, welche Jünglinge und welche Jungfrauen im neuen Bunde für die Ehe von Gott be - stimmt sind. Wohl weiß ich, daß Manche über diese göttliche Lebensweisheit nur lachen und in ihrem Leicht - sinne, in ihrer Sinneslust auf ganz andern Wegen in den Ehestand sich drängen, aber wenn einst euere Familie voll Zank und Streit, voll Unglück und Ehebruch, voll unge - rathener Kinder, oder wenn ihr unverheirathet in Armuth und Schande jammert, werdet ihr dann noch lachen?

Daher gilt denn heute viel mehr als im alten Bunde (Sir. XXVI. 3.) Ein gutes Weib ein gutes Loos; sie wird dem Gottesfürchtigen zu Theil und dem Manne um seiner guten Werke willen gegeben. Wer ist das gute Weib? Jene Jungfrau, welche in aller Unschuld und52 Züchtigkeit, in aller Frömmigkeit und Demuth aufwächst, welche ihr Herz vor aller Begierlichkeit und Genußsucht bewahrt, welche, ferne von Eitelkeit und Gefallsucht nicht unter die Ausgelassenen sich mengt, und nicht in der Ge - sellschaft der Männer und Jünglinge zu treffen ist. Ist sie etwa für ein Kloster bestimmt? Und wenn auch, wäre es ein Unglück? Manche mögen allerdings wirklich diesen Beruf haben; aber gar Viele sind von Gott für gottes - fürchtige Männer bestimmt. Sie wird dem Gottesfürch - tigen zu Theil.

Wer sind diese Gottesfürchtigen?

Jünglinge, welche immer die Sünde fürchten. Sind sie für den Ehestand berufen, so gibt ihnen Gott eine Jungfrau, von welcher der heilige Geist sagt: Wie die aufgehende Sonne an Gottes hohem Himmel, so ist die Schönheit des guten Weibes zur Zierde des Hauses! Welche Schönheit? Wohl redet der hl. Geist auch von der leiblichen Schönheit in den besten Jahren, die der glänzenden Lampe auf dem hl. Leuchter gleicht; allein die besten Jahre gehen vorbei und mit ihnen welkt diese Schön - heit! aber wie die aufgehende Sonne strahlt immer mehr die Schönheit der Zucht und Scham, der Sanftmuth und Geduld, strahlt immer herrlicher die wahre Frömmigkeit und Opferliebe über das ganze Haus mit den sich mehren - den Kindern. Gnade über Gnade ein heiliges und scham - haftes Weib. Sie wird dem Gottesfürchtigen zu Theil!

Was bleibt dir also übrig, christliche Jugend, wenn du von Gott für die Ehe berufen sein und darin einst dem Glück finden willst?

Christlicher Jüngling! Suche dem hl. Joseph immer ähnlicher zu werden, dann wird Gott selbst dir eine Braut besorgen, welche in deinem Hause Gnade über Gnade sein wird.

Christliche Jungfrau! Strebe der Jungfrau schön53 nachzufolgen, in Demuth und Reinheit, in Bescheidenheit und Frömmigkeit und Gott wird dir für einen Bräu - tigam sorgen, welcher dem hl. Joseph nachfolgt.

Aber, denket ihr vielleicht, warum werden denn so viele junge Leute, welche gute Schulen besuchten, welche die heiligen Sakramente recht oft empfangen, dennoch nur zu oft wie vom Wirbel erfaßt, und in den Abgrund der Sünde oder einer unglücklichen Ehe fortgerissen? Es fehlt ihnen das Auge, welches ihre Seele und Leidenschaften durchschaut, es fehlt ihnen die Hand, welche sie fest anfaßt und leitet; wenn ihnen aber jenes Auge und diese Hand nicht fehlt, so ent - ziehen sie sich dem scharfen Blicke und der starken Leitung. Zufrieden bei einer Art süßlicher Andacht oder bei allerlei äußern Uebungen, unbekümmert um scheinbar unschuldige aber in Wirklichkeit sehr gefährlichen Zuneigungen, lassen sie ihre Leidenschaften motten, bis deren Feuer so - bald es eine Oeffnung findet, qualmend hervorbricht und ihre Hochzeitsfeier oder ihre Schande umwirbelt. Darum, christliche Jugend, laß dich warnen und warnen zur rechten Zeit, laß dich warnen von einem Priester, der unter Jammergestalten zertretener Unschuld in den Woh - nungen unglücklicher Familien reden gelernt hat, wie er jetzt zu dir spricht.

Aber, denket ihr vielleicht, auf dem Wege der wahren Unschuld nicht zur Ehe gelangen? Wie konnten Maria und Joseph sich finden, da doch beide das Gelübde ewiger Jungfräulichkeit abgelegt hatten? Gott, der sie für ein - ander bestimmt hatte, brachte sie zusammen. Der hl. Tho - mas (p. III. q. 29. ar. 1) bemerkt, daß Maria von dem hl. Geist erleuchtet und geführt wurde, den hl. Joseph zu ihrem Manne zu nehmen, in der festen Ueberzeugung, ihre Jungfräulichkeit werde unversehrt bleiben. Daher betet die Kirche: Gott, der du durch deine unaussprech - liche Vorsehung den seligen Joseph zum Bräutigam deines54 allerseligsten Mutter zu erwählen dich gewürdiget hast, verleihe, daß wir ihn, den wir als Beschützer auf Erden verehren, im Himmel als Fürbitter zu haben verdienen.

Gott selbst hat also durch eine ganz wunderbare Vor - sehung, welche kein Verstand begreifen, keine Rede dar - stellen kann, den hl. Joseph der unbefleckt empfangenen Jungfrau zum Manne auserwählt und gegeben. Die Art und Weise, wie Gott beide zusammenführte, wird in der heiligen Schrift nicht erwähnt; nur die Legende, welche aber nicht Gegenstand des göttlichen Glaubens ist, erzählt uns Folgendes:

Als Maria im Tempel vierzehn Jahre alt geworden, wollte sie dort bleiben, Gott allein lieben, wie sie es durch das Gelübde der Jungfräulichkeit versprochen. Ihre Ver - wandten, worunter der hl. Priester Zacharias, drangen aber auf ihre Verehelichung. Aller Widerstand der zarten Jungfrau half nichts. Der hohe Priester Abiathor fragte Jehovah, wer denn der glückliche Bräutigam sein soll. Der göttliche Ausspruch lautete: Und ein Reis wird hervor - kommen aus der Wurzel Jesse und eine Blume aufgehen aus seiner Wurzel. (Is. XI., 1.) Nun ließen die Priester alle Jünglinge aus dem Stamme Davids kommen. Jeder mußte einen dürren Oelzweig vor dem Altare niederlegen. Derjenige, dessen Zweig in der Nacht zu grünen anfängt, soll die Jungfrau heimführen. Doch keiner grünte. Die Priester beteten wieder, und Gott gab ihnen zu verstehen, der für die Jungfrau bestimmte Jüngling sein noch nicht gekommen. Man suchte wieder und fand den hl. Joseph. Wie derselbe seinen Zweig vor dem Altar niederlegte, fing derselbe gleich zu blühen an. (Josephi-Buch von Ott).

Ob nun Gott auf diese oder eine andere Weise beide zusammengeführt, daran liegt nichts, uns genügt die Wahrheit: Gott hat Maria und Joseph, welche in ihrer Jungfräulichkeit von keiner Ehe etwas wissen wollten,55 durch eine wunderbare Vorsehung mit einander dennoch verbunden.

Welche Schwierigkeiten möget ihr noch haben? Etwa daß Gott nicht für euch und für euere Verehelichung sorge? Allerdings wenn ihr durch Sünde und Ausschweifungen euch den Weg zur Ehe bahnet, kann Gott nicht mit euch sein; wenn ihr aber in aller Unschuld, in wahrer Frömmigkeit wandelt, nicht bloß vor den Menschen, sondern auch vor dem Himmel, so wird Gott euch wunderbar leiten, wie Maria und Joseph, wie Tobias und Sara.

Folget also Maria und Joseph in der Unschuld, em - pfehlet euch ihrem Schutze und Schirm dann wird euch die Vorsehung Gottes falls ihr wirklich berufen seid derart leiten, daß ihr auf dem Wege der Unschuld zu einer glücklichen Ehe in den Himmel gelanget.

VII. Die Bewachung der Kinder.

Die Unschuld ist also der von Gott gewollte Weg zur Ehe. Daß nun die Jugend die Pfade der Unschuld wandle, liegt den Eltern die heilige Pflicht ob, ihre Kin - der zu bewachen. Damit ihr nun Alle den ganzen Ernst dieser Wahrheit auffasset, wollen wir an der Hand des hl. Evangelisten Lucas sehen, wie die Eltern ihre Kinder zu bewachen, und wie die Kinder sich da zu fügen haben.

Und da sie am Ende der Festtage wieder zurückkehrten blieb der Knabe Jesus in Jerusalem, ohne daß es seine Eltern wußten. Da sie aber meinten, er sei bei der Reisegesellschaft, so machten sie eine Tagreise und suchten ihn unter den Bekannten und Verwandten (Luc. II. 44.) So berichtet das Evangelium des hl. Lucas.

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Aber, denket ihr, wie konnte denn Jesus zurückbleiben, ohne daß es die Eltern bemerkten? Sie mußten also doch den Knaben nicht recht im Auge behalten haben? Das Evangelium löst diese Frage: Sie meinten, er sei bei der Reisegesellschaft. Es war nämlich Sitte, daß die Wallfahrer sich nach Geschlecht und Alter vereinigten und so die Reise mit einander machten. So konnte also auch der Knabe Jesus sich seinen Altersgenossen anschließen und doch so im Tempel zurückbleiben, ohne daß Maria und Joseph nur eine Ahnung davon hatten. Weil sie ihn daher bei der Reisegesellschaft glaubten, waren sie am ersten Tage ihrer Heimreise ganz beruhigt.

Wenn also euere Knaben und Jünglinge in guter Gesellschaft ihresgleichen sind, wenn euere Töchter bei andern sittsamen Mädchen und Jungfrauen sich aufhalten, dürfet auch ihr beruhigt sein. Aber wenn es Abend gewor - den? Seien sie dann wo immer, auch in der besten Gesellschaft, wenn sie nicht heimkommen, suchet sie. Denn mit Anbruch der Nacht dürfen sie euch nicht mehr ferne sein. Blicket nur hin auf Maria und Joseph! Als sie Abends in das Dorf gekommen, wo die verschiedenen Ab - theilungen der Reisegesellschaft sich wieder trafen, suchten sie gleich bei den Verwandten und Bekannten nach ihrem Kinde. War es denn bei diesen nicht gut aufgehoben? Freilich; aber sie waren die Vorbilder aller christlichen Eltern, deren Kinder auch bei Bekannten und Verwandten oft gar nicht versorgt sind, sondern den größten Gefahren ausgesetzt. Aber noch ein Zweites: Maria und Joseph hatten alle Gründe zu glauben, der Knabe Jesu sei wirklich in der Reisegesellschaft, und gleichwohl war er nicht dabei.

Väter! Mütter! habet auch ihr immer alle Gründe zu glauben, daß euere Kinder wirklich dort seien, wo ihr sie zu sein glaubt, oder sind nicht oft Gründe vorhanden, sie ganz anderswo zu suchen? Oder siehst denn du allein an57 deinem Sohne, an deiner Tochter lauter Licht der Wahr - heit und der Tugend, während doch die Lüge und die Sünde sie bereits umnachtet? Und doch suchet ihr sie nicht, und wenn ihr vielleicht einmal suchet und nicht gleich findet, was dann?

Oder glaubet ihr diejenigen, bei welchen euere Kinder etwa sind, könnten dadurch beleidiget werden? Eitler Vor - wand! Konnten nicht Maria und Joseph auch so sagen und dennoch suchten sie das Kind bei ihren Bekannten und Verwandten. Habet ihr den Knaben nicht gesehen? So lautet die Frage und wird immer ängstlicher gestellt, bis endlich beide nicht mehr reden, sondern nur schluchzen können.

Oder weinet und trauert ihr nicht, wenn ihr das Liebste auf Erden verlieret? Der Knabe Jesus war für Maria und Joseph die einzige Freude, der einzige Trost, die einzige Liebe ohne ihn waren sie schlimmer bestellt als die Engel ohne Gott und die Welt ohne Sonne. Aber was denn thun? Sie kehrten nach Jerusalem zurück und suchten ihn.

Aber wozu denn diese Mühsal? Sie konnten ja denken: Der Knabe ist Gott; er wird den Weg schon finden; es kann ihm ja nichts Böses begegnen; wir wollen hier warten, bis er kommt. So rechnet der kalte Verstand; aber das Herz mit seiner Liebe kann sich damit nicht zu - frieden geben. Diese Liebe will das Kind, und wagt das scheinbar Unmögliche, dasselbe so bald als möglich zu finden und wieder zu besitzen!

Christliche Eltern! Wenn ihr in der Bewachung euerer Kinder vielleicht bequem und gleichgültig seid, selbst dann, wenn die Schlangen der Verführung und der Leidenschaften dieselben tödtlich vergiften, betrachtet das heiligste Ehepaar, das Vorbild aller Väter und Mütter, welche in den Himmel gelangen betrachtet Maria und Joseph auf58 ihrer Rückreise nach Jerusalem. Rechts und links späht ihr thränengefülltes Auge nach dem Knaben: Habet ihr ihn nicht gesehen, nichts von ihm gehört? So schluchzen sie jeden Wanderer an, so weinen sie vor jedem Hause, in allen Dörfern und Flecken an der Landstraße. Und erst in Jerusalem! Dort gingen sie wohl zuerst in die Herberge keine Auskunft. Sie gehen in den Tempel; dort finden sie ihn mitten unter den Lehrern.

Kind, warum hast du uns das gethan? Siehe dein Vater und ich suchen dich mit Schmerzen. Diese Worte der jungfräulichen Mutter sind nicht Worte des Tadels, sondern des Schmerzens.

Warum hast du uns das gethan? Warum ließ der göttliche Knabe über Mutter und Pflegevater, welche er doch so innig liebte, diese Betrübniß kommen? Aus Liebe zu Allen, welche Väter und Mütter werden, damit ihr ein Beispiel habet, mit welcher Sorgfalt, mit welchem Kummer und Schmerz ihr euere Kinder bewachen und aufsuchen sollet. Aber wenn ihr dennoch euere Pflichten vernachläßiget, welche furchtbare Verantwortung nehmet ihr mit in die Ewigkeit?

Aber wir müssen unsere Kinder nicht suchen; wir wissen ja, wo sie sind; sie sagen es uns jedesmal, bevor sie fortgehen. Gut, aber sagen sie euch jedesmal die Wahrheit? Wenn sie's etwa machen wie jene Töchter, welche ihrem Vater vorgaben, sie wollen ein Mission besuchen und dafür auf den Tanzplatz gingen! Was dann!

Doch gut, die Kinder sollen wirklich dort sein, wo ihr sie glaubet. Aber wisset ihr auch, wer noch mehr dort ist? Wisset ihr auch was dort gelesen, geredet, ge - sungen, gespielet, getrunken, gethan wird? Wisset ihr das auch? Und wenn nicht, wie könnet ihr denn bei all' diesen Aergernissen, die täglich allüberall vorkommen, beruhiget sein? Und wenn diese Söhne und Töchter am Abend59 nicht zu Hause sind, seid ihr dennoch beruhiget? Warum denn nicht nachfragen, nachschauen wo sie etwa seien, in welcher Gesellschaft, mit wem sie etwa bis in die Nähe des Hauses kommen?

Ich frage sie jedesmal entweder am Abend oder doch am Morgen, wenn ich etwa bei ihrer Heimkehr schon schlafe? Gut, aber wie viel Mal wirst du angelogen werden?

Sagten etwa Maria und Joseph auch: Wir wollen warten bis er kommt und ihn dann fragen, wo er gewesen sei. Er ist ja die Heiligkeit selbst, und kann nicht verführt werden; er ist die Allmacht selbst und es kann ihm kein Leid widerfahren; er ist die Wahrheit selbst und wird uns auch die Wahrheit sagen. Nein, nein, nichts von all' dem; sondern nach Jerusalem geht die Reise zurück.

Aber deine Söhne? deine Töchter? Sie sind nicht die Heiligkeit, sondern voll der gefährlichsten Leidenschaften; nicht die Allmacht, sondern die Schwäche. Oder wenn euer Kind unglücklich wird, entschuldiget ihr seinen Fall nicht mit der Schwäche, mit einem schwachen Augenblicke, mit dem Bei - spiele Anderer, die auch gesündigt haben? Aber ist das nicht gerade euere Verurtheilung? Denn, obwohl ihr also die Gefahren kennet, wollet ihr dennoch nicht nachschauen, nicht nachfragen, nicht suchen, nicht wachen. Aber meine Kinder sind ja meistens zu Hause. So lange sie noch klein, mag die Sorge nicht so groß sein; aber wenn sie einmal größer geworden? Sind sie allein zu Haus? Schauet ihr bei Nacht auch hie und da nach, ob sie noch zu Hause sind? Ob sie allein sind? In dieser Beziehung gibt der hl. Geist schon im Buche Sirach Winke und Belehrung. Zuerst mahnt er, eine Tochter, welche nicht eingezogen ist, besonders bei Nacht in strenger Hut zu halten; dann spricht er ganz allgemein, eine Tochter60 verursacht dem Vater heimliches Nachtwachen und die Sorge für sie raubt ihm den Schlaf, daß sie nicht im Vater - hause entehrt werde und ihren Vater nicht zum Gespötte seiner Feinde und zum Gespräche der Stadt mache. (Si - rach 26 und 42).

Oder glaubet ihr etwa, das sei denn doch zu viel verlangt? Das machet mit dem hl. Geiste aus, wenn ihr in die Ewigkeit hinüberkommet; ich habe euch die Wahrheit zu verkünden und zwar die ganze. Aber was kann denn in meinem Hause Böses geschehen? Das weiß ich nicht; mir genügt das Wort des hl. Geistes, der von Ewigkeit her alle Familien überschaut hat. Eine Tochter verursacht dem Vater heimliches Nachtwachen. Warum? Damit sie nicht im Vaterhaus in Sünde und Elend falle.

Aber meine Tochter ist brav, war in guten Schulen, in einem Institut, ist in guten Vereinen, steht auch bei Geistlichen in Achtung. Meinetwegen; aber bei alldem ist sie eine Tochter mit allen Schwächen, vielleicht noch etwas eitler als viele andere, und der hl. Geist macht keine Ausnahme, wenn er sagt: Eine Tochter verursacht dem Vater heimliches Wachen.

Wenn nun Gott diese Fürsorge von dir in deinem Hause verlangt, was erst wenn deine Kinder außer dem Hause, wenn sie in der Fremde sind als Dienstboten, Lehrlinge, Fabrikarbeiter, als Zöglinge auf diesen und jenen Anstalten! Da nun könnet ihr allerdings nicht per - sönlich Nachschau halten, aber was thun? Wäre es zu - viel oder nur das allernothwendigste verlangt, wenn euere Söhne und Töchter beim Eintritt in eine Pfarrei sich dem Seelsorger zu stellen hätten, wenn ihr nachfragtet, wie es in der Familie stehe, in deren Mitte sie leben, ob sie auch den Gottesdienst fleißig besuchen, in welche Gesellschaft sie gehen, wie es in den Fabriken hergehe, wo sie arbeiten,61 welch 'ein Geist herrsche in Schulen und Anstalten, welche sie ihrer Ausbildung wegen zu besuchen haben, wenn ihr diesem nachfragtet, wäre das zu viel oder nur das Allernothwendigste verlangt? Oder denket ihr etwa, dies alles verursache zu viel Mühe und Arbeit? Aber, saget einmal, wer aus euch machte schon unter Thränen und Angst eine mühsame Tagreise wie Maria und Joseph? Wer aus euch brachte jemals eine Nacht zu wie Maria und Joseph als sie an jenem Abende das göttliche Kind nicht mehr hatten? Wer weinte und betete jemals nur eine halbe Stunde für seine Kinder, welche in später Nacht noch nicht heimgekommen waren? Wer ging nur einige hundert Schritte vom Hause weg, um wenigstens zu sehen, woher sie etwa kommen und in welcher Gesellschaft? Ach Gott, wie wirds so vielen Eltern sammt ihren Kindern in der Ewigkeit ergehen? Sie wollen dem Beispiele von Maria und Joseph nicht folgen und werden daher keinen Antheil haben an Gottes Herrlichkeit.

Die Eltern haben also die schwerste Verpflichtung, über ihre Kinder zu wachen, wenn auch allerlei Mißhellig - keiten damit verbunden sind. Diese Sorge kann viel Böses verhindern, aber nicht alles, wenn nicht auch die Jugend das Ihrige thut. Was nun diese zu thun habe, wird uns klar aus der Antwort des göttlichen Knaben Jesus.

Betrachtet also die Antwort des göttlichen Knaben: Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meines Vaters ist? Das sind Worte nicht des Tadels, sondern der Belehrung und des Trostes. Was will denn der Heiland damit sagen? In euerer Liebe suchet ihr mich mit Schmerzen; aber ihr hättet nicht so betrübt sein sollen; denn ihr wisset doch, wie ich euch gehorsam bin, wie ich aber in Allem den Willen meines himmlischen Vaters und all jene Thaten ausführen soll, welche er mir62 aufgetragen hat. Es war nun der Zeitpunkt gekommen, wo ich nach seinem Willen meine Weisheit zum ersten Male offenbaren sollte, damit die Menschen auf meine Predigt vorbereitet werden. Ohne euer Wissen bin ich zurückgeblieben, damit ihr wisset, im großen Werke der Erlösung dürfe ich nicht auf euch hören, sondern nur auf meinen himmlischen Vater. Endlich solltet ihr in euerem Kummer und Aengstlich Suhen das Vorbild werden für alle Eltern. Das die Bedeutung seiner Worte.

Dann ging er mit ihnen nach Nazareth und war ihnen unterthan.

Ich habe euch ein Beispiel gegeben; folget mir nach. So, christliche Jünglinge und Jungfrauen, ruft euch der göttliche Heiland zu; ihr aber schauet nach, in wie fern ihr Christen seid oder nicht. Durch die heilige Taufe seid ihr allerdings Christen geworden; aber wenn ihr dem göttlichen Heilande nicht nachfolgt, seid ihr nicht mehr seine Schüler und das unauslöschliche Merkmal der heiligen Taufe wird wie ein Centnerstein, der die Seele nur tiefer in den Abgrund der Hölle versenken wird.

Jesus Christus ist immer bei Maria und Joseph; ist immer dort wo sie es wünschen; nur wenn der himmlische Vater selbst ruft, handelt er gegen die augenblicklichen Wünsche seiner Eltern. Ich sage gegen die augenblicklichen Wünsche, denn auch Maria und Joseph waren ja bereit, allen Anordnungen des himmlischen Vaters sich vollkommen zu unterwerfen, sobald sie seinen Willen erkannten.

Was folgt nun hieraus für die christliche Jugend? Also dürfet ihr nirgends hingehen, wo die Eltern es nicht haben wollten und ihr sollet dort sein, wo sie es verlangen. Wenn sie euch in die Kirche schicken, gehet in die Kirche, aber nicht spazieren, noch viel weniger in die Wirthshäuser; wenn sie euch ein Haus, eine Gesellschaft verbieten, gehet nicht hin; sie wollen euch Abends frühzeitig zu Hause haben63 und im Bette bevor sie selbst gehen füget euch. So bleibet ihr vor Verführung und Sünde und Schande leichter bewahrt.

Aber wem liegt alles daran, daß ihr in den Tagen euerer Jugend diese göttliche Ordnung durchbrechet? Wem liegt alles daran, daß ihr gegen den Willen der Eltern und der Vorgesetzten nicht die Kirche, sondern Wirthshäuser und Tanzplätze besuchet, daß ihr nicht in gute, sondern in zweideutige Häuser gehet, bei Nacht nicht zu Hause seid, sondern herumschwärmet; wem liegt Alles daran, daß ihr gegen den Willen der Eltern oder der Vorgesetzten allerlei Leute ins Haus ziehet ganze Nächte mit ein - ander zubringet? Wer ist für dies alles besorgt? Der Teufel. In dieser Auflehnung kann dann mancher Jüng - ling und manche Jungfrau sagen: Wisset ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was des Teufels ist. Denn ent - weder mit Jesus Christus durch den Gehorsam in dem sein was des Vaters ist, oder durch den Ungehorsam in dem was des Teufels ist ein drittes ist nicht möglich. Saget nun, ist es noch auffallend, wenn so manche Söhne und Töchter alles Gefühl für Ehre und Scham verlieren, tief fallen, unglücklich heirathen, in alles Elend stürzen ist das noch auffallend oder ganz natürlich?

Oder willst du etwa sagen: Es ist meinen Eltern gleichgültig wo ich bin, wann ich heimkomme, wer bei mir im Hause ist; sie fragen mich höchstens: Wo warst du? Wann bist du heimgekommen? Ich kann antworten was ich will; man forscht nicht nach, ob dem wirklich so sei oder nicht. Arme Jugend! Arme Eltern! Unglückliches Vaterhaus! Wo keine Spur mehr ist von der heiligen Familie, da folgt Sturz über Sturz immer tiefer ins Elend der Sünde, der Schande, der Armuth, der Verzweiflung. Es mag vielleicht noch etwas äußerer Anstand vorhanden sein; vielleicht noch hie64 und da ein Kirchenbesuch; aber im Innern ist lauter Fäul - niß und Leichenmoder.

Darum christliche Eltern, fanget doch mit neuem Eifer an, euere Kinder immer und allüberall zu bewachen, ihnen nachzufragen, sie aufzusuchen, wo es immer noth - wendig ist; denn nur so könnet ihr hoffen, daß sie nicht frühzeitig an Leib und Seele verdorben werden, sondern in aller Unschuld aufblühen, euch und sich selbst zum Glück und Heil. Ihr aber, Jünglinge, Jungfrauen, gehet doch euern Eltern und Vorgesetzten nicht aus den Augen, ent - ziehet euch nicht ihrer Wachsamkeit, außer wenn Gott der Herr es von euch verlangt, oder was Gott verhüten möge, wenn euere Eltern und Vorgesetzte schlecht an euch handeln wollten. In diesem Falle fliehet die Eltern, fliehet die Vorgesetzten und suchet anderswo ein Obdach.

Damit ihr dann diese Wahrheiten immer besser ver - stehet, euch tiefer einpräget, vollkommener darnach lebet, so betet und betrachtet doch oft das Geheimniß: Den du, o Jungfrau, im Tempel gefunden hast. Denn so werdet ihr vom göttlichen Heiland in Gnaden gestärkt, unter dem Schutz und Schirm der jungfräulichen Mutter Maria und des hl. Pflegevaters Joseph auf Erden dem Beispiele der heiligen Familie so nachfolgen, daß ihr dieselbe dort oben bald finden werdet, um euch immerdar zu freuen in der Gesellschaft von Jesu, Maria und Joseph.

VIII. Die Bekanntschaften, eine heilige Ehrensache der Familie.

Wenn das Familienleben überall in Ordnung wäre, wenn die Eltern ihre Pflichten kennten und erfüllten, so65 würde mehr als genügen was ich über die Bewachung der Jugend sagte. Weil aber Mißbräuche, Unsitten ein - geschlichen, welche das Recht der Sitten und Gebräuche sich anmaßen, muß ich noch mehr in das Einzelne ein - gehen.

In diesen Unsitten rechne ich die sogenannten Bekannt - schaften, welche vor der Ehe eine so große und nur zu oft für Zeit und Ewigkeit eine so unglückliche Rolle spielen. Damit nun die Jugend vor vielgestaltigem Elende bewahrt bleibe, muß die Bekanntschaft eine heilige Familiensache sein.

Was ist denn eine Bekanntschaft? Da sind manche mit der Antwort bald fertig: Bekanntschaft ist ein Ver - hältniß zweier Personen verschiedenen Geschlechts, die sich lieben, miteinander Ausflüge machen, zum Tanze gehen, Abends spät heimkommen, einen großen Theil der Nacht allein bei einander sind. Mag sein, aber diese können nicht Ehrensache der Familie werden, sondern nur ihre Schmach und Schande. Das sind nämlich nur nächste Gelegenheiten zur Sünde.

Aber, denkst du vielleicht, das ist nun einmal vielfach Sitte und Gewohnheit; desto beklagenswerther ist das, sag ich mit dem hl. Chrysostomus (Homilia 12, No. 6, in 1. Cor.), weil es der Teufel zur Gewohnheit gemacht. Weil nämlich die Ehe eine heilige Sache, ein Glück für unsere Gesellschaft, ein Rettungsmittel gegen die Unzucht, führt er in anderer Weise jegliche Unzucht wieder ein. Von was redet der hl. Chrysostomus? Von einer Un - sitte, welche damals die Hochzeitsfeier begleitete, und nur einen Abend und eine Nacht dauerte. Was erst würde er von diesem Herumtreiben junger Leute sagen, welche nicht nur einen Abend und eine Nacht so allein beisammen sind, sondern hundert und abermal hundert? Würde er nicht voll Schmerz und Trauer, voll Unwille66 und Zorn ausrufen: Der Teufel hat diesem Treiben den Stempel der Gewohnheit und Sitte aufgedrückt. Von diesen Bekanntschaften kann also nicht die Rede sein.

Aber was ist denn eine Bekanntschaft. Ein Ver - hältniß zweier ledigen Personen, welche sich bald ehelichen können und wirklich sich ehelichen wollen. Sich ehelichen können. Also nicht diese Kinder von 14 bis 16 Jahren, welche durch die Schule, durch die Erziehung, früh reif geworden, nicht diese Kränklichen, welche übermorgen schon an der Auszehrung sterben, nicht die Leichtfertigen, welche eine Familie unmöglich ernähren und die Kinder nicht erziehen können; nicht diese, welche durch die Bande des Blutes und der Verschwägerung einander zu nahe stehen, nicht solche, welche verschiedener Religion sind. Denn alle diese können sich nicht heirathen, ohne gewöhnlich in großes, unheilbares Unglück zu fallen. Sich ehelichen können! Personen, welche an Leib und Seele so beschaffen sind, daß sie vor Gott und der Kirche glückliche Eheleute und Väter und Mütter werden können. Sich ehelichen können und zwar nicht erst nach vier, fünf und sechs und mehr Jahren, sondern bald.

Aber ebenso wichtig ist der zweite Punkt, daß solche Leute sich wirklich Heirathen wollen. Denn es gibt eben nur zu viele Verhältnisse, wo das eine oder andere oder vielleicht gar beide gar nicht an die Ehe denken, sondern nur an die eigentliche Sinnenlust. Oder gibt es heute, wo in Folge der Arbeit und Verbindungsmittel die Leute so untereinander gewürfelt werden, nicht gar viele Burschen, welche bald da bald dort arbeiten und überall eine Weibs - person haben müssen, und nur zu oft auch finden? Gibt's nicht andere, welche mit jedem Mädchen anbinden? Aber gibt's nicht auch Mädchen, die an jeden sich hängen?

Aber denket ihr vielleicht, wenn auch diese beiden Leute sich wirklich ehelichen können und wollen, scheint es67 doch sonderbar, wie ihr Verhältniß eine Ehrensache der Familie sein kann. Sehet einmal! Ist es für jede Familie nicht eine Ehre, Söhne und Töchter erzogen zu haben, welche mit Liebeleien sich nicht frühzeitig abgeben, sondern ihre sinnliche Natur so in der Gewalt haben, daß sie zu - warten, bis der von Gott und der Natur bestimmte Zeitpunkt für den Eintritt in den Ehestand gekommen ist? Das ist eine Ehre und ein Glück zugleich: Ein Glück, weil Gott ihnen solche Kinder gegeben; eine Ehre, weil die Erzieh - ung dies Geschenk ansgebildet hat. Daher freuen sich die Eltern, wenn ihre fromme Tochter von einem wackern Jüngling geliebt ist, und wenn ihr gottesfürchtiger Sohn an gefallsüchtigen Puppen mit Verachtung vorübergeht, und eine sittsame Jungfrau liebt, die beten und arbeiten kann.

Aber noch mehr, ihr betrachtet es als Ehrensache, daß euer Namen und eure Tugend auf dieser Welt fortleben nicht bloß in den Kindern, sondern auch in den kommenden Geschlechtern. Denn wir wollen nicht bloß für den Himmel, sondern auch für diese Welt, jeder in seiner Art, unsterblich sein. Was nun gibt und befestigt euch diese Hoffnung? Eben dies Verhältniß, das zu einer glücklichen Ehe, und dadurch zu neuen Verbindungen und Verwandt - schaften führen soll. Diese Verbindungen aber sind wieder eine Ehrensache nicht bloß des Sohnes und der Tochter, sondern der ganzen Familie. Oder rühmt man sich denn nicht, mit guten und frommen und edeln Menschen ver - wandt und befreundet zu sein.

Und endlich noch ein Umstand, der, obwohl von großer Bedeutung, dennoch oft gar nicht berücksichtigt wird; aber gerade deswegen muß ich die ganze Wahrheit verkünden. Denn eingelebte Mißbräuche werden nicht auf einmal gehoben, und die Wunden des Familienlebens nicht auf einmal geheilt und gar nie, wenn wir nicht wie der barm - herzige Samariter Essig und Oel verwenden, und zwar soviel Essig als nothwendig ist.

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Was will ich denn sagen? Ihr wisset doch, wie man von manchen zu behaupten pflegt: Die müssen eben einander heirathen. Wohl wird das oft mit Unrecht be - hauptet, aber doch leicht geglaubt. Das ist nun ein sehr böses Zeichen. Warum? Ich sage den Grund mit be - trübtem Herzen.

Die Leichtfertigkeit, mit der man einerseits solche Reden ausstreut und anderseits als glaubwürdig aufnimmt, beweist ja die allgemein verbreitete Ansicht, daß diese Bekanntschaften ein gewisses Gebot vielfach zu vergessen scheinen. Wie es daher für jede anständige Familie Trauer und Schande ist, wenn es mit ihren Söhnen und Töchtern nicht mehr in Ordnung, so muß es auch eine Ehre und Aus - zeichnung und Freude sein, wenn die Braut mit wohlver - dientem Jungfraukranze am Altare kniet. Ihr möget also diese Bekanntschaften betrachten wie ihr wollet, ihr könnet nur zu dem Schluße kommen: Die Bekanntschaft soll eine Ehrensache der Familie sein. Diese Familienangelegen - heit ist aber zudem noch eine heilige.

Wer etwa diese Behauptung nach Sitte der Welt als übertrieben oder gar lächerlich finden sollte, der beher - zige einmal, was ich zu sagen habe. Diese Ehrensache der Familie ist eine heilige in Rücksicht auf die Braut - leute und den Zweck der Bekanntschaft.

Nehmet zuerst diese beiden jungen Leute. Ihr kennet wohl alle die Geschichte vom jungen Tobias und der Sara. Tobias ehrte seine Eltern alle Tage seines Lebens, hütete sich vor aller Unkeuschheit, hatte Gott in seinem Herzen, und lobte ihn zu aller Zeit. Sara mischte sich nie unter die Tanzenden und Muthwilligen, hielte ihre Seele rein vor aller Begierlichkeit, begehrte nie einen Mann; und wenn sie auch sieben Männer nacheinander hatte, so nahm sie dieselben nicht aus Lust, sondern aus Furcht, gegen den Willen Gottes zu handeln; diese, ihrer unwür -69 dig starben jeweilen plötzlich in der ersten Brautnacht. In all' ihrem Unglücke lobte sie Gott, zufrieden und geduldig wie Job.

Diese zwei nun führte der Erzengel Raphael zusammen.

Obwohl schon ehelich verbunden, blieben sie doch drei Nächte ganz enthaltsam, und beteten miteinander. Denn, sprach Tobias, wir sind Kinder der Heiligen und dürfen nicht zusammenkommen, wie die Heiden, welche Gott nicht kennen. Da nun habet ihr das Bild der Jünglinge und Jungfrauen, welche eine ernstliche Bekanntschaft mit einander anfangen. Oder ist das zu viel verlangt? Tobias und Sara hatten nicht Christus den Gekreuzigten, nicht die jungfräuliche Mutter Maria, nicht den hl. Joseph, nicht Millionen Heilige als Vorbilder, nicht die katholische Kirche, nicht die hl. Sakramente, nicht diesen Gottesdienst sondern sie glaubten nur an den kommenden Erlöser; ja sie konnten nicht einmal im Tempel zu Jerusalem beten, sondern lebten während der Gefangenschaft mitten unter Heiden und allen nur möglichen Aergernissen, und doch waren sie so enthaltsam, so unschuldig, so fromm.

Wenn nun die christliche Jugend nur so enthaltsam, so fromm wie die jüdische im alten Bunde, ist das zu viel oder zu wenig verlangt? Wenn daher christliche Jüng - linge und Jungfrauen eine Bekanntschaft anfangen, sollen sie zu einander in Wahrheit sagen können: Wir sind Kinder der Heiligen, fromm und brav sind unsere Eltern, wir sind Kinder der katholischen Kirche, geheiliget, gestärkt, genährt mit den heiligen Sakramenten, berufen, heilig zu werden nach dem Vorbilde Christi. Wenn wir daher dies Verhältniß anknüpfen, wollen wir zusammenkommen nicht wie Heiden, welche weder Gott noch seine Gebote kennen, sondern nur ihre Gelüste; nicht wie so viele Christen, welche durch ihre Ausschweifungen Gott und den Glauben ver - läugnen; sondern wir wollen zusammenkommen, als70 reine, unbefleckte Glieder am Leibe Christi, um uns gegen - seitig gegen die Sünde und die Aergernisse zu beschützen, zum Guten aufzumuntern und, wenn es der Wille Gottes ist, wollen wir nach einer Bekanntschaft voll Unschuld und Sittsamkeit uns ehelich verbinden, wie Maria und Joseph und wie Christus mit seiner Kirche vereint ist.

So sollen christliche Jungfrauen und Jünglinge in den Tagen der Bekanntschaft miteinander reden und handeln. Das, und das, allein ist eine Bekanntschaft, wie sie unter Katholiken möglich, gestattet und geboten ist. So aber wird sie in Wahrheit eine heilige Ehrensache der Familie.

Da nun sehet ihr wieder, wie Christus alles adelt, heiliget, verklärt. Auf diesen Lichthöhen der Wahrheit und des Glaubens können und dürfen und sollen die zartesten und schwierigsten Punkte der Familie nach dem Beispiele der heiligen Väter behandelt werden; das ist überall noth - wendig. So nothwendig es aber auch sein mag, so ist auch viel Verständniß dafür vorhanden. Denn als ich vielleicht den zartesten Punkt, die Mutterwürde voll diesen Lichthöhen aus beleuchtete, da drückten mir so manche Männer ihre Freude und ihren Dank dafür aus. Be - greiflich. Denn auf diesen Höhen athmet die edel ange - legte Seele gleichsam reine Himmelsluft und fühlt sich in die Nähe der Engel versetzt.

Deshalb dringet noch tiefer in den Gegenstand, den ich jetzt behandle. Die Bekanntschaften sollen also eine heilige Ehrensache der Familie sein. Denn das verlangt auch ihr Zweck. Ihr Hauptzweck nämlich ist nicht, sich gegenseitig kennen zu lernen; denn diese Kenntniß soll schon vorher gewonnen sein, um nöthigenfalls noch ergänzt zu werden. Warum denn? Diese Verhältnisse beruhen auf gegenseitiger Liebe; diese sieht nur die Vorzüge, welche sie noch vergrößert, ist aber gewöhnlich ganz oder halb blind gegen Leidenschaften, Fehler und Sünden. Saget71 nur einer Verliebten; Dein Bursche ist ein Trinker, ein Spieler, ein Geizhals, ein Raufbold, ein Unzüchtiger, ein Religionsspötter, was wird sie euch antworten? Alle haben gute und böse Leüte, und wenn auch etwas daran ist, wird er schon besser werden, sobald wir einmal ver - heirathet sind. Ich will damit nicht behaupten, daß eine vernünftige Bekanntschaft nicht etwas beitragen könne, sich gegenseitig besser kennen zu lernen, aber dies wird immer Nebensache bleiben.

Denn auch das ist nicht zu vergessen. Solche Leute verbergen sich gegenseitig ihre schwache Seite und lassen nur die schöne hervortreten.

Es geht ungefähr wie mit einer Fabrikarbeiterin; diese glänzt am Sonntage in ihrer Eitelkeit wie ein reiches Fräulein; aber in welchem Gewande erscheint sie am Mon - tag in der Fabrik? Geht es nicht auch so, wenn auf die Sonntage der Bekanntschaft, wo man sich gegenseitig täuscht, die Werktage der Ehe folgen, wo man sich gibt, wie man wirklich ist.

Was ist denn ihr eigentlicher Zweck? Die Vorbe - reitung für den würdigen Empfang des hl. Sakramentes der Ehe, um die göttliche Gnade reichlich zu empfangen. Denn so gnadenreich wird im allgemeinen das hl. Sakra - ment als die Bekanntschaft unschuldig und mackellos war. Oder glaubet ihr etwa nach einer vieljährigen Bekannt - schaft, wo Greuel auf Greuel sich häuften, wo man die hl. Sakramente ohne aufrichtiges Bekenntniß oder ohne ernstlichen Vorsatz der Besserung unwürdig empfängt, werde man auf einmal vor der Hochzeit aufrichtig beichten, oder seine Sünden von Herzen verabscheuen?

So wird auch das hl. Sakrament der Ehe nur zu oft entweiht. Wenn dann in so vielen Ehen der eigent - liche Fluch zu herrschen scheint, und Glück und Segen fehlt, ist das noch auffallend oder ganz natürlich? Denn, sprach72 der Erzengel Raphael zu Tobias: Ueber jene, welche so in den Ehestand treten, daß sie Gott von sich und ihrem Herzen ausschließen und ihre Wohllust pflegen, wie Roß und Maulthier, welche keinen Verstand haben über solche hat der Teufel Gewalt. Um daher diesem Unglücke vorzubeugen, und den Gnadenreichthum Gottes als himm - lische Aussteuer zu erhalten, sorgt doch, daß ferne vom Geiste der Unlauterkeit jede Bekanntschaft eine heilige Ehrensache der Familie sei und bleibe.

Denn nur so könnet ihr später in der Familie Würde und Hoheit bewahren. Denn diese erste reine Liebe im Strahlenglanze der Jungfräulichkeit ist wie die aufgehende Sonne, welche später am Himmel der Familie als Mit - tagssonne leuchtet und endlich euren Uebergang in die Ewigkeit wie mit glühendem Abendroth verklärt. Wenn aber diese erste Liebe nicht Liebe war, sondern Haß im Dunkel der Ausschweifung; wenn dieser Haß, den die Sinnlichkeit als Liebe sich vorlügt, zwei Tempel des hl. Geistes durch Unlauterkeit verwüstet hat, wenn vielleicht das erste Kind der lebende Zeuge trauriger Verirrungen ist, wo dann eure Würde und Hoheit als Väter und Mütter? Wo? Die Bekanntschaft ist also eine heilige Ehrensache der Familie: unter dem Dache des Vaterhauses, vor den Augen der Eltern und Geschwister soll das Liebes - paar in der schönsten Blüthe der reinsten Jungfräulichkeit für den Hochzeitstag heranreifen den Engeln und den Menschen ein Schauspiel.

So gerne ich auf dieser Lichthöhe mit diesen Gedanken schließen möchte, muß ich vorher noch mit dem menschlichen Elende rechnen. Ja menschliches Elend! Denn Christen, Katholiken vergessen im Taumel der Leidenschaft ihren Adel in der Herrlichkeit der heiligmachenden Gnade und der Unschuld, stürzen in den Tagen der Bekanntschaft in die Gruben der Unreinigkeit. Und das ist wohl aller73 Thränen werth, aber das Traurigste von allem Traurigen? Sie lügen sich gegenseitig an, das sei keine Sünde. Was soll ich diesen Verblendeten sagen?

Was einst der göttliche Heiland den Pharisäern: Ich aber sage euch, viele werden vom Aufgang und Niedergang kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreiche ruhen; die Söhne des Reiches aber werden in die äußersten Finsternisse geworfen; dort wird Heulen und Zähneknirschen sein. Die Juden nämlich durch Abraham und die Beschneidung Söhne des Reiches werden ihres Unglaubens wegen verworfen, die Heiden hingegen kommen, glauben, werden selig.

In welcher Beziehung diese Worte zur Ehe und zur Bekanntschaft stehen, zeigt Cardinal Massaia. Dieser, vier - zig Jahre lang Missionär in Afrika, der erste Bischof der Gallas, von Leo XIII. zum Cardinal ernannt, veröffent - lichte 1885 einen Brief über die Ehescheidung. Darin zieht er einen Vergleich zwischen den christlichen Sekten Abessiniens einerseits, wo infolge der Ehescheidung das Sittenverderben und die Zügellosigkeit alles verwüstet, und dem Heidenstamme der Gallas anderseits, wo in Folge der Heiligkeit der Ehe das Weib unverletzlich, die Frau geachtet und die Tochter unbefleckt zur Ehe gelangt.

Also ein Heidenstamm, Barbaren ohne Christus, ohne Kirche, ohne Schule, ohne Bildung, und doch gelangt jede Tochter unbefleckt in den Ehestand. Diese Heiden werden Christen, Söhne des Reiches, gelangen in den Himmel, aber so viele Katholiken? Nicht wahr ich muß dieses Trauerbild nicht weiter ausmalen?

Also entweder die Bekanntschaft zur heiligen Ehrensache der Familie machen und selig werden oder ! Wählet in den Tagen eurer Jugend, aber wählet zu eurem ewigen Heile. Wer immer aber durch sündhafte Verhältnisse sündenbefleckt geworden, durch Unglück und Angst vielleicht74 niedergebeugt und der Verzweiflung nahe, der gehe zum Priester, offenbare ihm sein Elend mit dem besten Vorsatze, alle bösen Gelegenheiten zu meiden, um wenigstens als Büßer mit den Reinen noch selig zu werden.

IX. Wie wird die Bekanntschaft eine Ehrensache der Familie.

Die Bekanntschaft soll eine heilige Ehrensache der Familie sein. So wird die Unschuld der Weg zur Ehe. Zu diesem Adel sind alle, welche sich verehelichen, von Gott berufen; aber auch hier sind nicht alle auser - wählt, sondern gar viele entehren ihren Adel, verscherzen ihr Glück. Denn wie jene Arbeiter im Evangelium stehen viele müßig da, sie thun nichts, um ihre Bekanntschaft zur heiligen Ehrensache der Familie zu gestalten, ja viele thun sogar alles, um das Maaß ihrer Sünden und ihres Un - glückes voll zu machen.

Daher denn die Frage, was ist zu thun, daß die Be - kanntschaft eine hl. Ehrensache der Familie werde und bleibe? Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet, denn der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach. In diesen Worten Christi ist so ziemlich alles enthalten. Wachen ist vorzüglich die Pflicht der Eltern und Vorge - setzten, beten und betrachten vorzüglich Sache der Jugend. Daher wollen wir sehen, was erstens Eltern und Vorge - setzte und zweitens die Jugend zu thun habe.

Die Bekanntschaften sind eine heilige Ehrensache der Familie. Also sind sie nicht allein ein Verhältniß zwischen zwei Personen, sondern auch eigentliche Familienangelegen -75 heit, womit die Ehre und das Glück von Vater und Mutter und Geschwistern, von Freunden und Bekannten auf's innigste verflochten ist. Was folgt hieraus? Also muß auch jede Bekanntschaft Familiensache bleiben, und darf niemals in eine Art von Heimlichkeiten ausarten. Hiefür nun zu sorgen ist vor allem eure Pflicht Väter und Mütter. Ihr habet eine Tochter: ein Jüngling will sie heirathen, und besucht sie in der Woche ein, zwei Mal, gut, aber wo? wie lange seid ihr in der Stube bei ein - ander, gehet ihr nicht zu Bette, bis eure Tochter auch schläft? Betrachtet ihr es als eine Ehrensache, den künf - tigen Schwiegersohn aus dem Hause zu begleiten? Lasset ihr eure Tochter mit ihrem Liebhaber nirgends hingehen, es sei denn in Familiengesellschaft.

Ihr habet einen Sohn, der zu einer Jungfrau geht: Haltet ihr Nachschau, ob dieses Verhältniß auch als Familiensache gehalten wird? Und wenn nicht, lasset ihr ihn nicht mehr hingehen?

Aber, denket ihr, das ist nun einmal nicht Sitte, so werden die wenigsten Bekanntschaften gehalten. Warum? Weil ihr diese Verhältnisse nicht als Familiensache betrachtet, sondern als Angelegenheit dieser zwei jungen Leute. Des - halb sieht es aber auch aus, wie es vielfach aussieht. Wohl berühre ich unangenehm, weil ich diese Lebensfreuden der Jugend angreife; weil sie aber nur zu oft Anlaß der Sünde werden, muß es doch sein. Wenn ich euch sagte, es darf überhaupt keine Bekanntschaft mehr geben, dann könntet ihr zürnen; wenn ich aber sage, ihr habet zu wachen und zu sorgen, daß für die Ehre des Hauses, für die Bewahrung der Unschuld, für das Glück der künftigen Ehe diese zwei Leute nur im Schooße der Familie mit - einander verkehren, wer kann mir da grollen, als diejeni - gen, welchen Sünde und Bekanntschaft als das Gleiche gilt?

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Oder glaubet ihr etwa, die Sache sei doch nicht so gefährlich. Ach Gott, denket an euere Erfahrungen und dabei klaget ihr selbst, daß es von Jahr zu Jahr schlimmer werde. Und dann soll's nicht gefährlich sein. Ueberall gilt des Herrn Wort, aber hier tausendfach: Willig ist der Geist, aber das Fleisch ist schwach. Und wenn gar oft selbst der Geist nicht mehr für das Gute willig sondern boshaft und dann soll keine Gefahr sein! Wenn man nur Tauf - und Ehe - und Familienbücher in den Pfarreien durchgeht, welch 'tief eingewurzeltes und weitverbreitetes Verbrechen! Wer zählt diese Betrogenen, die jammern, verzweifeln? Wer zählt diese Auszehrigen, welche die Ausschweifung für den Tod frühreif gemacht? Und Selbstmord? Und wenn Gott am Ende der Tage jenes fürchterliche Buch öffnet in dem alles enthalten und dann soll's nicht gefährlich sein!

Aber meine Kinder sind unschuldig und brav . Gut, das freut mich. Dann werden sie von selbst die Bekanntschaft zur Ehrensache der Familie machen, und wenn ihr Abends zu Bette gehen wolltet, werden sie sagen: Bleibet noch einige Augenblicke bei uns, sonst machen auch wir Feierabend, denn wir wollen nicht allein bei einander sein. Wenn sie aber von dieser Familiensache nichts mehr wissen wollen, sondern allerlei, oft sogar fromme Schliche suchen, um allein reden und handeln zu können, dann kommet mir ja nicht mit ihrer Unschuld, mit ihrer Frömmigkeit selbst dann nicht, wenn sie weit und breit als die frömmsten geachtet sind. Dann gilt hundertfach die Mahnung des hl. Geistes: Eine Tochter verursacht dem Vater heimliches Wachen und die Sorge um sie raubt ihm den Schlaf. Denn, wenn ihr dann nicht wachet und sorget und kämpfet, daß die Bekanntschaft wahre und ganze Familiensache bleibe, werdet ihr nicht bloß an der Schande und dem Unglücke der Kinder die Hauptschuld tragen, sondern seid77 auch in äußerster Gefahr, den Himmel zu verschlafen, während die wachenden Kinder durch ihre Ausgelassenheit die Hölle sich öffnen. Warum? Ihre Ausschweifungen stehen vor Gott als fremde Sünden auch auf euerer Rech - nung. Denn, während die Eltern schliefen, kam der Teufel und säete Unkraut. Denn dieser ist, wie der große Bischof Fénelon bemerkt, bei diesen Zusammenkünften der Dritte im Bund. Wenn nämlich bei der aufgeregten Sinnlichkeit diese wüste Liebe oder besser dieser Haß von der einen Seite Alles verlangt und von der andern nichts verweigert wie gewinnreich wird sein Spiel ausfallen? Also zu wachen habt ihr und zu sorgen, daß diese jungen Leute immer mit und in der Familie seien, und niemals sich selbst über - lassen. Die gleiche Pflicht haben auch Herrschaften und Vorgesetzte ihren Dienstboten und Arbeitern gegenüber. Aber was haben nun Söhne und Töchter zu thun?

Vor allem dürfet ihr eine Bekanntschaft niemals den Eltern verheimlichen. Ist sie gut, warum verbergen, ist sie schlecht, warum ein Todsündenleben führen? Oder ist die Bekanntschaft eine Schande? Ebensowenig als die Heirath, vorausgesetzt, daß sie eine hl. Ehrensache der Familie sei. Warum also verheimlichen? Warum? Wollet ihr vielleicht Eheleute werden, bevor ihr die Kinderschuhe abgelegt? Aber dann ist der Widerstand der Eltern euer Lebensglück. Aber wir wollen ja noch nicht heirathen, sondern nur Bekanntschaft haben. Aber das kann so wenig Sache der Kinder sein, als die Ehe selbst. Wenn ich heute diesen Punkt wieder andeute, weiß ich warum. Dieser Gegenstand berührt nämlich nicht bloß Vater und Mutter und die herangereifte Jugend, welche an den Ehe - stand denkt, sondern auch Alle, welche in und außer der Schule an der Erziehung der Jugend arbeiten. Wer das nicht einsieht, oder vielleicht glaubt, ich sollte hierüber gar nichts sagen, oder wenigstens nicht so tief in's Leben greifen,78 der kennt weder die Jugend nach dieser Seite, noch viel weniger die Aufgabe und die Verantwortlichkeit des katho - lischen Predigers! Doch weiter!

Warum also verheimlichen? Ist der Bursche viel - leicht ein Trunkenbold, der gerne blauen Montag macht, ein leichtfertiger Mensch, der den Altar selten oder niemals sieht, oder so ein herumfahrender Ritter, der schon überall angebunden, ein dahergelaufener Mensch, von dem man nichts Bestimmtes weiß; oder ist das Mädchen eine eitle Puppe, eine Tänzerin, ein leichtfertiges Mensch ohne Gebet, ohne tiefreligiösen Grund, oder vielleicht eine gebildete Tochter, die eine Magd braucht, bevor sie verheirathet ist? Wenn euch da die Eltern von keiner Bekanntschaft etwas wissen wollen, so ist das euer Lebensglück.

Warum also verheimlichen? Die Eltern werden uns nicht mehr beieinander lassen. Aber das ist ja die Rettung euerer Unschuld, die Hoffnung auf eine glückliche Ehe.

Warum also verheimlichen? Ich weiß wohl, daß die Eltern auch unvernünftiger Weise gegen eine Bekannt - schaft und die Eingehung der Ehe sein können; aber diese Fälle sind gar selten, und auch dann seid mit ihnen offen, wollet ihr unschuldig und nicht sündenbefleckt den Hoch - zeitstag erleben. Denn seid ihr zur Ehe berufen, werdet ihr trotz Schwierigkeiten dennoch zusammenkommen, wie Tobias und Sara und zwar noch früh genug. Denn es kann euch ergehen wie den Zugvögeln, welche im Früh - ling bei ihrer frühen Ankunft oft noch in Schneegestöber hineingerathen.

Also ganz offen sollet ihr mit den Eltern sein und zwar von Anfang an, und euch dann gehorsamst in die von ihnen verlangte christliche Hausordnung fügen.

Damit ihr nun dies um so leichter thuet, habet Ehr - furcht vor einander, daß ihr voll heiliger Scheu einander ferne bleibet, bis ihr endlich am Altare verbunden werdet,79 wie Christus mit seiner Kirche vereinigt ist und bleibt. Wie das möglich? Diese Jugend, diese Schönheit, dieser Leib, diese Seele sollen niemals die wüste Begierlichkeit in euch erwecken, sondern euch gegenseitig mit Hochachtung und Ehrfurcht erfüllen. Denn dieser Leib mit seiner jugend - lichen Schönheit und Kraft, diese Seele mit ihren Vor - zügen ist Eigenthum Gott des Vaters; denn er hat sie erschaffen; ist Eigenthum Gott des Sohnes; denn er hat sie aus der Knechtschaft Satans erkauft und mit seinem Blute gekennzeichnet: ist Eigenthum Gott des hl. Geistes; denn er hat sie zu seinem Tempel geweiht. Daher sollet ihr die einzige Furcht haben, dieses Eigenthum des drei - einigen Gottes durch eine Sünde irgendwie zu schädigen; und die einzige Sorge, an Leib und Seele unbefleckt und rein am Altare den vollen Segen des dreieinigen Gottes zu erhalten.

In diesem Glauben, in dieser gegenseitigen Ehrfurcht, wachet, wachet über Gedanken und Begierden, über euere Regungen und Blicke, über euere Worte und Handlungen. Denn wenn auch die Seele willig, ist doch das Fleisch schwach. Oft artet bei anfänglich frommen Seelen die Frömmigkeit in sinnliche Liebe und Zuneigung und Freund - schaft aus, daß nicht mehr der Weihrauch der Tugend, sondern der Qualm der Sinnlichkeit zum Himmel empor - steigt. Wie groß wird diese Gefahr erst bei Bekannt - schaften?

Seid daher offen gegen Eltern und Vorgesetzte, habet gegenseitige Ehrfurcht, wachet aber sorget auch, daß euch die hilfreiche Gnade Gottes reichlich gegeben werde.

Daher betet; und wenn ihr vorher viel gebetet, betet jetzt noch mehr; denket nicht an die Eitelkeit des Gewandes, nicht an den Schmuck der Haare, nicht an die Gestalt des Leibes, nicht an die Freuden der Ausflüge,80 oder Gesellschaft, sondern denket an das Gebet, damit ihr auf dem schlüpfrigen Wege nicht ausgleitet. Daher betet und empfanget oft und würdig die hl. Sakramente. Wenn ihr bis zur Bekanntschaft die Unschuld bewahrt, oder nach der ersten Sünde nicht mehr gefallen seid, so verdanket ihr das dem Gebete, und den hl. Sakramenten. Doch erst jetzt tritt die Gefahr in ihrer ganzen Größe an euch heran, selbst dann, wenn ihr wachtsame und brave Eltern habet, wenn aber die Eltern nachlässig und ihr leicht - fertig, was dann erst? Die tägliche Erfahrung ruft zu laut, als daß ich da nur ein Wort zu sagen habe.

Daher sollet ihr nicht bloß oft die hl. Sakramente empfangen, sondern noch dazu, wenn ihr vor der Bekannt - schaft, bald da bald dort gebeichtet habet, euch einen be - ständigen Beichtvater wählen. Diesem nun saget gleich anfangs: Ich will eine Bekanntschaft anfangen. Aber das sage ich nicht gerne! Warum? Es ist ja keine Sünde noch eine Schande, es ist doch leichter, jetzt das zu sagen, als später vielleicht schwere Sünden zu beichten. Ja bei dem Leichtsinn, der vielfach nicht bloß bei der Jugend, sondern auch bei Eltern und Vorgesetzten sich findet, ist das oft die einzige Rettung. Nicht wahr, aus Unkenntniß oder Sinnenlust oder Sorge für ein Unterkommen fangen Viele Bekanntschaft an mit Andersgläubigen, oder mit nahen Verwandten, oder mit schlechten Leuten, oder gar mit Geschiedenen. Wenn nun diese das Glück und die Gnade haben, einem erfahrenen und klugen Beichtvater gleich im Anfange dies mitzutheilen, so werden viele vor Sünde und Elend und ewiger Verdammniß bewahrt bleiben; wenn sie aber ein solches Verhältniß längere Zeit verheimlichen, wird die Leidenschaft so gewaltig, daß sie angesichts der offenen Hölle der sichern Verdammniß den - noch heirathen wollten. Wenn euch also ein Beichtvater eine solche Bekanntschaft nicht eingehen läßt, ist ja das81 euer Lebensglück, ist aber das Verhältniß gut und recht, die Ehe erlaubt, wird auch gewiß kein verständiger Beicht - vater dagegen sein. Aber er wird mir sagen: wir dürfen nicht allein bei einander sein. Nein, nicht der Beichtvater, sondern dein Herr und Gott durch ihn.

Aber ich gehe überhaupt zu keinem, der in diesem Punkte mit mir genau ist und das von mir verlangt. Dann magst du auch die Verzeihung deiner Sünden nie - mals erlangen, selbst wenn dir die Lossprechung jedesmal gegeben wird.

Aber das ist nicht möglich, denkst du bei dir. Nicht möglich? Sehet einmal! Dieses allein Beieinander - sein ist gewöhnlich die nächste freiwillige Gelegenheit zur Sünde. Wenn du aber diese Gelegenheit nicht meiden willst, so ist auch kein Vorsatz der Besserung vorhanden; wo aber der Vorsatz fehlt, da ist auch keine Reue, und wo keine Reue, da ist niemals eine Nachlassung der Sünden möglich, selbst dann nicht, wenn der hl. Petrus selbst die Lossprechung gäbe.

Daher gehe ich noch weiter und sage: wenn ihr das Unglück habet, in eine schwere Sünde zu fallen, so gehet nie zu einem Beichtvater, der euch vielleicht einen recht schönen Zuspruch gibt, dabei aber von euch nicht mit allem Ernste verlangt, daß ihr nicht allein bei einander seid. Denn ihr beide seid in großer Gefahr ewiger Verdammniß: Der Beichtvater, weil er das Allernothwendigste nicht von euch verlangt; ihr, weil ihr ruhig in der nächsten Gelegenheit zur Sünde fortlebet, und vielleicht schon am Communionstag wieder in die alte Sünde zurückfallet. Wenn ihr aber mit euerem Beichtvater in allem aufrichtig seid und seinen Räthen folget, und er euch alle nothwendigen Mittel angibt die Sünde zu meiden, so werdet ihr dann durch die würdige heilige Communion wieder so gestärkt, daß ihr wenigstens wieder für einige Zeit euere Bekannt -82 schaft mit Leichtigkeit als heilige Ehrensache der Familie fortführet.

Oder wird die Gnade Gottes durch all unser Wirken niemals diesen Triumph über die Bosheit des Fleisches und seiner Gelüste davon tragen? Die Gnade fehlt Nie - mandem, denn alle sind berufen; aber so viele fehlen der Gnade, denn wenige sind auserwählt. So wird auch, was ich über die Bekanntschaften sagte, wohl für manche nicht bloß verloren sein, sondern ihre Verantwortung in der Ewigkeit nur noch größer machen. Denn der Knecht, welcher den Willen seines Herrn kennt und ihn gleichwohl nicht thut, verdient doppelte Streiche. Aber in so manchen Herzen und Familien wird der Widerhall dieser Worte noch lange forttönen, und, wenn auch nicht jede Bekannt - schaft heilige Ehrensache der Familie wird, so doch die eine und andere; und wenn viele nicht heilig werden, so wird doch manches Sündenmaaß nicht zum Ueber - laufen voll.

Was soll ich nun zum Schlusse sagen? Es wundern sich vielleicht einige, daß ich derart in's einzelne einge - gangen bin. Allein am Tage der Ewigkeit wird sich niemand mehr darüber aufhalten. Denn dort werden so viele ihr Sündenelend damit zu entschuldigen suchen, daß wir Priester nicht nach dem Beispiele der hl. Väter über schwierige Punkte die volle Wahrheit verkündet, sondern aus allerlei Rücksichten geschwiegen haben. Wird diese Entschuldigung die Rettung der Sünder und damit unsere Verurtheilung sein, oder werden beide verloren gehen? Daher bitte und beschwöre ich euch alle in der Liebe und Zärtlichkeit Jesu Christi, euch liebe Eltern und Vorgesetzte, dann euch, die ihr jetzt Bekanntschaften unterhaltet oder früher oder später anfangen werdet, euch alle bitte und beschwöre ich beim Glücke der Familie, bei der Unschuld der Jugend, beim Blute Jesu Christi, das ihren Leib und83 ihre Seele ziert bei der Segensfülle des heiligen Sakra - mentes der Ehe, bei der Herrlichkeit des Himmels, bei all' diesen Früchten und Segnungen einer keuschen unbe - fleckten Bekanntschaft bitte und beschwöre ich euch alle aber auch bei der Schande der Familie, beim Sünden - elende des verwüsteten Leibes, bei der Gefahr durch un - würdigen Empfang des hl. Sakramentes der Ehe einen Gottesraub zu begehen, beim Fluche einer unglück - lichen Ehe, welche an die Sündenkette der Jugend stets neue Ringe schmiedet, bei der fürchterlichen Gefahr ewiger Verdammniß für die wachende Jugend und die schlafenden Eltern bei all diesem Fluch und diesen Gefahren un - reiner Bekanntschaften bitte und beschwöre ich euch alle in der Liebe und Zärtlichkeit Jesu Christi: sorget doch mit allen nur möglichen Mitteln, daß die Bekanntschaften für euere Familien immer mehr eine hl. Ehrensache werden und bleiben.

X. Die Ehe ein hl. Sakrament.

Jesus wurde für ein Sohn Josephs gehalten. So meldet das Evangelium, aber nicht Jesus war ein Sohn Josephs : Denn von Ewigkeit her der eingeborne Sohn Gott des Vaters, war er in der Zeit durch die Ueber - schattung des hl. Geistes Menschensohn aus der Jungfrau geboren. Er wurde aber für den Sohn Josephs gehalten. Denn Maria und Joseph lebten in wahrer, wenn auch jungfräulicher Ehe. Daher nennt auch die heilige Schrift den hl. Joseph den Mann Mariens.

Ihr wisset nun alle, wie diese jungfräuliche Ehe, diese heilige Familie von Nazareth das Vorbild der christ -84 lichen Familie geworden ist. Wie aber, denket ihr vielleicht, ist es denn bei der menschlichen Schwäche möglich, daß jede Familie gleichsam ein Abbild dieser hl. Familie werden kann. In seiner Liebe und Weisheit hat Jesus Christus für den neuen Bund die Ehe zu einem gnaden - reichen Vertrage, zu einem heiligen Sakramente gemacht. Warum ich unter dem Schutz und Schirm der hl. Familie diese Wahrheit behandle, und mir so den Weg immer tiefer ins Heiligthum der Familie bahne, habe ich unter Anderem diese Gründe.

Schon vor 15 Jahren mahnte Leo XIII. in seinem Rundschreiben über die Ehe die Bischöfe und durch sie alle Priester, sie sollen doch, so viel als ihre Anstrengung und ihr Ansehen vermöge, dahin wirken, daß die Glaubens - lehre über die Ehe ganz unverfälscht bei den Völkern be - wahrt bleibe. Der zweite Grund seid ihr selbst. Denn so oft ihr glaubet, es werden große, tief ins Leben ein - greifende Wahrheiten behandelt, erscheint ihr auch zahl - reicher und werdet ganz Aug 'und Ohr. Daß nun die Ehe eine brennende Tagesfrage, und die Begriffsverwir - rung eine unglaubliche geworden, sagen und jammern alle. Wenn ich daher die christliche Wahrheit nach und nach tiefer und allseitiger entwickle, und an die Operation von Krebsgeschwüren mich wage, mag das vielleicht da und dort wehe thun; soll aber der Einzelne, die Familie, die Völker nicht zu Grunde gehen, ist eine gründliche Entwicklung dieser Wahrheiten durchaus nothwendig. Für heute bleibe ich bei der oben angedeuteten Wahrheit stehen und sage: Christus hat die Ehe zu einem heiligen Sakramente gemacht und die Sorge für dieselbe der hl. katholischen Kirche anvertraut und zwar

1) als der Verwalterin der hl. Sakramente,

2) als der tauglichsten Beschützerin der Ehe.

Die Kirche hat ein unveräußerliches Recht auf die85 hl. Sakramente. Oder kommt es jemandem von der Welt und wär's ein Kaiser in den Sinn; die hl. Sakramente der Buße und des Altars zu verwalten. Wenn also die Ehe ein hl. Sakrament geworden, so hat die Kirche ein Recht darauf, wie auf das Sakrament der Buße. Daß nun die Ehe wirklich ein hl. Sakrament sei, will ich nicht eigentlich beweisen, denn ich rede zu Katholiken; vielmehr möchte ich andeuten, wie sie ein hl. Sakrament sei. Denn dies ist für das Verständniß schwieriger Punkte heute außerordentlich wichtig.

Bis zum Ausbruche der Reformation war der Glaube an die Ehe als Sakrament ziemlich unangefochten geblieben; als dann dies hl. Sakrament mit andern geleugnet wurde, prüfte das hl. Concilium von Trient, was die hl. Väter, die Concilien, die Ueberlieferung aller Zeiten geglaubt hatten und verkündete dann den von den Aposteln erhaltenen Glauben in folgenden Worten: Wenn jemand behauptet, die Ehe sei nicht wahrhaft und eigentlich eines von den 7 Sakramenten des neuen Bundes, von Christus dem Herrn eingesetzt, sondern von Menschen in der Kirche er - funden und verleihe keine Gnade, der sei ausgeschlossen.

Was lehrt also der hl. Geist? Die Ehe ist wahr - haft ein hl. Sakrament, von Christus eingesetzt und ver - leiht Gnade. Nicht die Menschen haben das erfunden, sondern die hl. Väter hahen nur treu bewahrt und über - liefert, was sie von den Aposteln erhalten. Um nun diese geoffenbarte Wahrheit für unsere Zeit recht zu verstehen, müssen wir bei der Ehe den Vertrag und das Sakrament wohl unterscheiden und dann sehen, in welchem Verhält - nisse sie zu einander stehen.

Was ist denn ein Vertrag? Im Allgemeinen eine Uebereinkunft zwischen zwei oder mehreren Personen, welche in Bezug auf eine bestimmte Sache sich gegenseitig ver - pflichten. Ihr gebet z. B. einem Meister einen Sohn in86 die Lehre; ihr verpflichtet euch das Lehrgeld zu bezahlen und ihm das Kind für eine bestimmte Zeit zu überlassen; er aber macht sich verbindlich, für euern Sohn zu sorgen wie für sein Kind, und ihn das Handwerk gründlich zu lehren.

Was ist nun die Ehe? Auch ein Vertrag; denn die Brautleute verpflichten sich gegenseitig zu den Pflichten und Rechten des ehelichen Lebens. Damit ihr euch aber verpflichten könnet, müsset ihr euch verpflichten wollen und diesen Willen durch Zeichen kundgeben. Nicht wahr? Daher fragt dann die Kirche die Brautleute, ob sie einander aus freiem Willen als Eheleute annehmen wollen.

Dieser Vertrag nun ist vor allem ein natürlicher; warum? Er wurde geschlossen, bevor nur irgend eine Gesellschaft bestand, bevor nur irgend ein kirchliches oder bürgerliches Gesetz war, oder besser nur sein konnte. Nicht wahr? Er wurde ja geschlossen zwischen Adam und Eva, beruhte in der Verschiedenheit ihres Geschlechtes, in ihrer Bestimmung, die Stammeltern des Menschengeschlechtes zu werden.

Aber war dieser Vertrag nicht zugleich ein göttlicher? Freilich. Denn im Paradies erscheint Gott nicht bloß als der Erschaffer Evas, sondern auch als der erste Braut - führer. Denn er selbst führt Eva zum Adam und segnet beide. Daß Adam diese That Gottes verstand, bezeugt seine Rede: Das ist nun Bein von meinem Bein, Fleisch von meinem Fleische. Darum wird der Mensch seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe an - hangen, und es werden zwei in einem Fleische sein. (Gen. 2, 23.) Was bedeutet also diese Gegenwart Gottes, der die erste Braut dem ersten Bräutigam zuführt, und beide segnet. Will er nur dies erste Paar segnen? Will er etwa später den Ehevertrag der menschlichen Willkür überlassen, oder für alle Zeiten an eine sittliche Ordnung87 binden? Adam selbst antwortet: Der Mann wird Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen. Adam hatte nicht Vater und Mutter, daher gilt dies Wort den kommenden Geschlechtern, die wie Adam an diesen göttlichen Vertrag gebunden sind, so lange Gott nicht anders verfügt. Das erklärt und bestätigt der Heiland selbst, in den Worten: Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen. So ist denn die Ehe ein natürlich-göttlicher Vertrag zwischen Mann und Weib zur unauflöslichen Lebensgemeinschaft. So war es bis auf Christus; seither aber ist die Ehe ein natürlich-göttlicher - sakramentaler Vertrag.

Diese Wahrheit nun betrachtet etwas tiefer, um euch gegen Irrthümer zu schützen. Es gibt nämlich Katholiken, welche glauben, die Ehe sei allerdings ein Vertrag, aber a auch ohne Sakrament eine gültige Ehe; dazu komme dann als eine Art Schmuck - und Zierart das hl. Sakrament. Das nun ist ein verderblicher Irrthum. Denn die Ehe ist ein hl. Sakrament; die Ehe aber nichts anderes als dieser natürlich-göttliche Vertrag. Also ist eben dieser Vertrag auch das hl. Sakrament. Diese uralte Wahrheit verkündete Pius IX. in seiner Allocution v. 27. Sept. 1852 mit folgen - den Worten: Jeder Katholik weiß, daß die Ehe wahrhaft und eigentlich eines der 7 Sakramente des neuen Bundes von Christi eingesetzt ist, daß es also unter den Gläubigen keine Ehe geben kann, die nicht zu gleicher Zeit im Sakrament ist, und daß also jede andere Verbindung zwischen Mann und Weib außerhalb des Sakramentes ein abscheuliches und verderbliches Con - kubinat ist das von der Kirche ausdrücklich verdammt wird, und daß folglich das Sakrament vom Ehebunde niemals getrennt werden kann. Die gleiche Wahr - heit verkündet Leo XIII. in seinem Rundschreiben über die Ehe und verlangt, daß sie allüberall gepredigt werde.

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Da nun habet ihr die göttliche Wahrheit über das Verhältniß des Ehevertrages zum hl. Sakrament. Ihr könnet also diesen Vertrag vom hl. Sakramente ebenso wenig trennen, als die Wärme vom Feuer. Wenn ihr also die Ehe unter einander abschließet, so ist gerade dieser Abschluß das hl. Sakrament oder es ist dann gar keine Ehe vor Gott und der Kirche, sondern ein abscheu - liches Conkubinat, d. h. ein unzüchtiges Zusammenleben. Was hat also Christus mit der vorchristlichen Ehe gethan? Sie zur Würde eines hl. Sakramentes erhoben, indem er sie zu einem gnadenreichen Vertrage machte. Welche Gnaden mit diesem hl. Sakramente verbunden, unter welchen Be - dingungen sie mitgetheilt werden, wollen wir später sehen.

Aber was folgt nun aus den entwickelten Wahrheiten? Die Kirche hat als Verwalterin der hl. Sakramente auch auf die Ehe ein unveräußerliches Recht. Das ist die ewige Rechtsordnung Gottes, welche von ungeweihter Hand nur zum Verderben der Seelen, zur Auflösung der Familie, zur Vernichtung der Gesellschaft verletzt werden kann. Aber hat denn die weltliche Gewalt gar nichts zu sagen? Schon der hl. Thomas (c. g. l. IV. 7) hat die richtige Antwort gegeben: Freilich, insofern sich die Ehe auf das zeitliche Wohl der Völker bezieht.

Aber, denket ihr vielleicht so dürfen wir ja nicht mehr auf's Rathhaus gehen der Civilehe wegen. Das nun weniger. In Rom hat man ähnliche Gesetze wie bei uns; dort werden die Gläubigen ermahnt, die Gesetze zu beachten, aber nachher wie Brautleute getrennt zu leben, bis sie den sakramentalischen Ehevertrag in der Kirche ab - geschlossen, auch Leo XIII. verlangt in seinem Rund - schreiben, daß die Gläubigen diesen Gesetzen allüberall nachkommen: Damit die Wirkungen der Ehe nach allen Seiten hin gewahrt seien und den Kindern kein Nachtheil erwachse. Da sehet die Weisheit und Ruhe der katho -89 lischen Kirche, welche dem Kampfe mit der weltlichen Ge - walt, die auch von Gott ist, so lang als möglich auszu - weichen sucht.

Damit ihr in dieser Sache ganz klar werdet nur noch einen Vergleich. Stirbt euch jemand, so müßet ihr beim Civilstand Anzeige machen, und euch den Schein holen, wann der Verstorbene beerdigt werden dürfe. Ob ihr dann eine kirchliche oder bürgerliche Beerdigung ver - langet, läßt euch das Gesetz vollkommen frei.

So gehet auch mit der Braut auf das Rathhaus nicht in der Absicht, den von Christus gewollten sakra - mentalischen Ehevertrag abzuschließen; denn das verlangt kein weltliches Gesetz und kann es nicht verlangen; sondern in der Absicht, die von der bürgerlichen Gesellschaft vor - geschriebenen Bedingungen zu erfüllen; denn sonst würde euere in Christo und der Kirche geschlossene Ehe vom Staat nicht anerkannt und euere Kinder nicht als eheliche gelten. Was ihr hernach thuet, um das kümmert sich kein weltliches Gesetz, wohl aber die katholische Kirche, die sich ebenso wenig ändert als das Gesetz Jesu Christi; die katholische Kirche, welche mit ihrer gottgeweihten Jung - frauhand, die einzige Verwalterin dieses hl. Sakramentes ist, und zugleich die tauglichste Beschützerin der Ehe.

Die Ehe ist eine Einrichtung Gottes für alle Zeiten, für alle Orte, für alle Menschen. Damit will ich natür - lich nicht behaupten, daß jeder Mensch zur Ehe verpflichtet sei sondern nur, daß er ein Recht darauf habe, so lange er nicht durch das Gelübde der Keuschheit darauf verzichtet, oder aus irgend einem Grunde untauglich ist, dies Recht zu beanspruchen. Die Ehe ist somit kein Vertrag, der auf den Eigenthümlichkeiten dieser oder jener Nation beruht, sondern in der Natur des Menschen und der beiden Ge - schlechter begründet ist. Wer kann daher diese Ordnung Gottes am besten bewachen? Jene Gesellschaft, welche90 alle Völker zu umfassen bestimmt ist, die katholische Kirche. Den so ist auch das Eherecht allüberall eines und dasselbe wie auch Gott und Christus überall dieselben sind. Und die Folge? So nur behält die Ehe ihren rein menschlichen und durch Christus verklärten Charakter bei und nimmt nicht je nach Verschiedenheit der Völker und der weltlichen Gesetze wieder andere Farbe und Gestalt an.

Doch was red 'ich da von der natürlichen Bestim - mung und Schönheit der Ehe; betrachtet vielmehr ihren übernatürlichen Adel und ihre gnadenreiche Schöne. Gilt hier nicht die ebenso alte als immer neue Wahrheit, ausge - sprochen von einem der größten Denker dieses Jahrhun - derts, Graf de Maistre: Die Sittlichkeit der Menschheit findet nur Sicherheit in den Händen des Alten im Vatikan. Sehet nur! Wie die ganze Geschichte bis auf den heutigen Tag allüberall, auch bei uns mit lauter Stimme bezeugt, ist die Sittlichkeit oder auch die Vollkommenheit der Ein - zelnen, der Familien, ja ganzer Völker von der Heiligkeit oder dem Zerfalle der Ehe bedingt. Was nun, glaubet ihr, ist vor allem nothwendig, daß die Ehr die sittliche Würde des Menschen bewahre und mehre? Der Glaube an dies heilige Sakrament muß unversehrt und rein be - wahrt und eindringlich gepredigt werden, und was ist hie - für nothwendig? Eine göttliche, unfehlbare Autorität, welche mit keinem Irrthum, mit keiner Leidenschaft je einen Vergleich allschließen kann. Was ist deßhalb ferner noth - wendig? Ein Prophet wie Johannes der Täufer; der auch dem Könige zuruft: Es ist dir nicht erlaubt, deines Bruders Weib zu haben! Ein Prophet der unerschrocken ruft: Wenn ihr euch scheiden lasset und bei Lebzeiten des anderen Theiles euch wieder verheirathet, seid ihr nicht mehr Eheleute, sondern Ehebrecher auf dem Wege in's ewige Feuer!

Aber warum diese Autorität? Dieser Prophet? Es91 handelt sich da um eine Leidenschaft, welche einmal ent - fesselt, den Verstand verwirrt, das Urtheil trübt, die Erin - nerung auslöscht, den Willen schwächt, Pflichten und Rechte mit Füßen zertritt, die zartesten Bande zerreißt, die Hölle bevölkert; es handelt sich um eine Leidenschaft, welche gegen alles ausschlägt, was ihr nur irgendwie in den Weg tritt, welche das blutige Haupt des Propheten sogar beim Gastmahle auftischt. Wer vermag da noch die ganze Wahrheit zu beschützen? Wer wagt sie ohne Rück - halt, ohne Schleier ganz zu enthüllen? Wer vermag wenigstens die Auserwählten noch auf dem Himmelswege zu bewahren? Die katholische Kirche allein; einzig der hl. Vater. Denn sie allein haben eine unfehlbare Lehr - gewalt; nur wenn sie in Sachen des Glaubens und der Sitte das letzte Wort gesprochen haben beugt sich die katholische Welt vor Gott und der einmal geoffenbarten Wahr - heit. Und mit vollem Recht. Da müsset ihr nämlich noch einen ganz eigenthümlichen Umstand beachten, um die un - endliche Weisheit Jesu Christi in der ganzen Heilsordnung immer mehr zu bewundern.

Er hat nämlich die Beschützung der Ehe einem Hohenpriester und einem Priesterthum übergeben, denen die Ehelosigkeit als heilige Pflicht auferlegt ist. Da nun habet ihr das Spiel der Leidenschaften nicht zu fürchten. Warum denn? Wir dürfen ja keine Weiber nehmen; haben deßhalb mit keinen zu leben und können keine ent - lassen. Daher kann uns nicht einmal die Versuchung kommen, an der ewigen Weltordnung Gottes zu rütteln, oder auch nur rütteln zu lassen. Um die Bedeutung dieser Thatsache zu verstehen, werfet einen Blick auf die griechische Kirche.

Sobald sie sich von Rom getrennt hatte, verlor sie nach und nach Ansehen und Macht, daß sie die Ehelosig - keit der Geistlichen und damit die Heiligkeit der Ehe nicht92 mehr behaupten konnte. Welche Ausdehnung dies Uebel im Laufe der Zeit genommen, beklagte Fürst Cusa, als er vor etwa 35 Jahren in der Ständeversammlung der Moldau-Walachai folgendes sprach: Die Familie und mithin die Gesellschaft kann nur unter der Bedingung be - stehen, daß die Ehe kein Spiel sei, in dem die Brautleute sich nehmen und trennen unter den eitelsten Vorwänden. Welchen Namen soll man jenen Frauenzimmern beilegen, welche am Morgen sich scheiden und am Abend wieder heirathen, welche in ihrem zartesten Alter die Reihe jener Verbindungen durchgemacht haben, welche ein kirchliches oder vielmehr bis zum Uebermaaße nachsichtiges und schwaches Gesetz duldet? Durch diese Ehescheidung wird die öffentliche Sittlichkeit verletzt, die Erziehung der Kinder vernachläßiget. So Fürst Cusa.

Wohin ist also die griechische Kirche gekommen? Die Ehe ist nur mehr ein Spiel. Was trennt die Eheleute? Die eitelsten Vorwände. Aber wie? Scheiden am Morgen abends wieder heirathen. Wer treibt's derart? Etwa ausgereifte und ältere Sünder und Wüstlinge? Mädchen im zarten Alter. Wer ist verletzt? Die öffentliche Sitt - lichkeit. Aber, besitzen denn die Griechen nicht die 7 heiligen Sakramente? Allerdings! Glauben sie nicht an Himmel und Hölle? Freilich. Haben sie nicht die zehn Gebote und das Evangelium? Auch das. Aber was fehlt ihnen denn? Sie haben nicht den Alten im Vatikan, in dessen Händen die Sittlichkeit der Menschen ihre Sicherheit findet und finden muß, Ja, ja, finden muß!

Sehet einmal! Das dl. Sakrament der Ehe ist eine wahre Lebensfrage für die Kirche. Denn so lange Mann und Weib dies hl. Sakrament nach Gottes Anordnung empfangen, können sie aller Tröstungen der hl. Religion bis zum christlichen Begräbniß und zum Opfer für die Abgestorbenen theilhaftig werden; sollte die Jugend so ver -93 dorben werden, daß sie von keinem sakramentalen Ehever - trag etwas wissen wollte, müßte diesen Unglücklichen, so lange sie in diesem Elende bleiben, jedes heilige Sakra - ment, jede Segnung verweigert werden.

Und woher endlich die Priester nehmen? Oder soll ans den Sümpfen des Unglaubens und der Greuel aller Art ein jungfräuliches Priesterthum emporblühen? Was ist daher dieser Weltkampf um das hl. Sakrament der Ehe? Der Kampf um Sein oder Nichtsein der Kirche. Daher muß sie die unbesiegbare Beschützerin dieses hl. Sakramentes sein und bleiben. Denn wie die ganze Kirche unerschütterlich fest begründet ist auf den hl. Petrus und seinen Nachfolger, auf den Alten im Vatikan, so ruht sicher gegen alle Gewalt der Welt und der Hölle in der päpstlichen Hand die Sittlichkeit der Menschen mit der Heiligkeit der sakramentalen Ehe. Wie dann die Päpste von jeher für die Heiligkeit der Ehe gekämpft haben, will ich später einmal auseinandersetzen. Denn dieser Kampf ist so großartig, daß man unwillkürlich ausruft: Wahr - haft der Papst, dieser Alte im Vatikan, muß der Statt - halter Jesu Christi des großen und wahren Gottes sein.

Ihr aber bewahret mit der Gnade diesen Glauben unverfälscht und rein; empfehlet euch dem Schutze der hl. Familie, daß ihr bei der jetzigen Verwirrung aller Begriffe doch nicht vom Irrthum angesteckt werdet. Wachet und betet; denn auch über euch kann die Versuchung der ent - fesselten Leidenschaft hereinbrechen. Beobachtet einerseits die Verfügungen der weltlichen Gesetze; denn das könnt ihr mit ruhigem Gewissen thun; anderseits aber sucht die Gnade Gottes, wo sie zu finden ist, in Christo und seiner Kirche; denn sonst wäre euere Verbindung vor Gott keine Ehe, sondern ein trauriges Sündenleben, der Vorbote ewiger Verdammniß. Wenn ihr so nach dem Beispiel unserer Väter vor Gott und der Kirche den gnadenreichen94 Ehebund abschließet, dann wird euere Ehe, wie die Ver - mählung Josephs (p. III. qu. 29 art. 1) mit Maria ein Vorbild der Verbindung Christi mit seiner Kirche war, in der Nachfolge der hl. Familie ein Abbild der gleichen Verbindung werden, bis ihr den göttlichen Heiland für die Wunder seiner Liebe und Weisheit im Himmel loben und preisen könnet.

XI. Die christliche Ehe ist unauflöslich.

Ihr wisset nun wie die Ehe derart ein Sakrament ist, daß sie unter den Gläubigen notwendig ein Sakrament sein muß, und wenn das nicht der Fall, daß sie nur ein verabscheuungswürdiges Conkubinat d. h. ein unzüchtiges Zusammenleben ist.

Ihr habet nun die vollste Freiheit, euch zu verehe - lichen oder nicht; aber nach Eingehung der Ehe liegt es auch in euerer Hand, dieselbe wieder aufzulösen, wie etwa einen weltlichen Vertrag? Bei weitem nicht. Denn wie ihr diese von Gott hergestellte Verbindung des Leibes mit der Seele nicht durch Selbstmord auflösen dürfet, ebenso wenig dürfet ihr dies vom dreieinigen Gotte geschlungene Eheband eigenmächtig zerreißen. Beides müßt ihr Gott überlassen, der dem Tode diese Aufgabe gegeben hat. So will ich denn die Glaubenslehre von der Unauflöslichkeit der christlichen Ehe in folgenden zwei Punkten behandeln: 1) Die Ehe ist nach Gottes Anordnung unauflöslich, 2) und zwar zum Wohle der Menschen.

Betrachtet vor allem die Ehe in ihrer Einsetzung durch Gott. Denn die Natur der Dinge wird am leichtesten in ihrem Ursprunge erkannt. Gott erschuf nur zwei, Mann95 und Weib. Also darf der Mann nur ein Weib haben zur unauflöslichen Lebensgesellschaft. Denn diese zwei sind Eins in einem Fleische, nachdem sie eins geworden in gegenseitiger Liebe. Daher sprach Adam: Der Mensch wird Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe an - hangen und es werden zwei in einem Fleische sein. Dies Urtheil Adams bestätigt Christus in jener Unterredung mit den Pharisäern: Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen. Gott hat somit im Paradiese die Ehe zu einem unauflöslichen Lebensbunde gemacht, daß kein Mensch diese göttliche Ordnung stören darf.

Stellet euch dies erste Ehepaar einmal vor, so schön so heilig, daß die Unschuld im Glanze der heiligmachenden Gnade auch das Gewand ihres Leibes war; wo daher noch keine Leidenschaft und keine Begierlichkeit sich fand, da konnte diese Unauflöslichkeit auch mit keiner Schwierig - keit verbunden sein. Als aber nach der Sünde das Gewand der heiligmachenden Gnade von der Seele wie vom Leibe weg - fiel und die Stammeltern in der Scham über die Erwachung der Sinnlichkeit sich Schürzen machten, da waren allerdings die Träger der Ehe andere geworden; aber die Unauflös - lichkeit der Lebensgesellschaft blieb dieselbe. Aber hat denn Gott nicht durch Moses den Juden erlaubt, der Frau den Scheidebrief zu geben und eine andere zu heirathen? Um einerseits diese Erlaubniß Gottes und anderseits das Gesetz des neuen Bundes recht zu verstehen, betrachtet nun jene berühmte Unterredung des Heilandes mit den Pharisäern.

Diese kamen einmal, um ihn in einem Worte zu fangen. Sie thaten deßhalb sehr fromm und frugen: Ist es einem Manne erlaubt, sein Weib um jeder Ursache willen zu entlassen? (Math. 19, 3 9.) Betrachtet wohl diese Frage! Die Pharisäer fragen nicht, ob der Mann aus dieser oder jener Ursache, sondern aus jedem Grunde sein Weib96 entlassen dürfe. Auf diese Frage antwortet Christus. Zuerst erzählt er die Schöpfung der Stammeltern, dann die Rede Adams und schließt: So sind sie also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was Gott verbunden, soll der Mensch nicht trennen.

Aber hiemit waren die Pharisäer nicht zufrieden und frugen weiter: Warum hat denn Moses befohlen, einen Scheidebrief zu geben und das Weib zu entlassen? Schon glauben die Pharisäer, den Heiland als einen Feind des Gesetzes ausposaunen zu können; allein die ewige Weisheit welche durch Moses gesprochen, findet auch für diese Heuchler die richtige Antwort: Moses hat euerer Herzens - härtigkeit wegen euch erlaubt, euere Weiber zu entlassen, aber im Anfange war es nicht so. Im Anfange also war der Ehebund unauflöslich; weil ihr aber so hart und gefühllos wäret, hat euch Moses erlaubt, euere Weiber zu entlassen, aber ja nicht jeder Ursache willen, wie ihr glaubet, sondern nur wenn das Weib eine Ehebrecherin geworden. Denn betrachtet nur was der Heiland beifügt: Ich aber sage euch, wer immer sein Weib entläßt, es sei denn um des Ehebruches willen, und eine andere heirathet, der bricht die Ehe, und wer die Geschiedene nimmt, der bricht die Ehe.

Also um des Ehebruches willen, aber täuschet euch da ja nicht. Das ist nur die Erklärung des mosaischen Gesetzes, welches die Scheidung nicht jeder Ursache, sondern nur des Ehebruches wegen gestattete; für den neuen Bund gilt ein ganz anderes Gesetz, das der Heiland beim hl. Lucas (16, 16 u. s. w.) feierlich verkündet. Ihr aber be - haltet für diese Zeit der Verwirrung aller Begriffe, der Auflösung aller Familienverhältnisse ein jedes Wort.

Das Gesetz und die Propheten reichen bis auf Johannes; von da an wird die frohe Botschaft des Reiches Gottes verkündet, und jeder wendet Gewalt an,97 es zu erlangen. Das Gesetz Moses mit der Erlaubniß der Scheidung und Wiederverheiratung im Falle des Ehe - bruches geht also bis auf Johannes den Täufer. Von Johannes findet die Hartherzigkeit nicht mehr Nachsicht sondern muß mit Gewalt überwunden werden.

Wie lautet daher für den neuen Bund das Ehegesetz? Christus verkündetes allsogleich: Ein jeder, der sein Weib entläßt und eine andere heirathet, der bricht die Ehe; wer eine vom Manne Geschiedene heirathet, der bricht die Ehe. Wo ist da noch eine Ausnahme zu finden? Ein jeder, der sein Weib entlaßt und eine andere heirathet, der bricht die Ehe! Ein jeder, der eine Geschiedene heirathet, der bricht die Ehe!

Wer sagt das? Kein Bischof, kein Papst, keine katholische Kirche, sondern Christus der große und wahre Gott, der Richter über die Lebendigen und Todten. Wer hat das Gesetz aufgestellt? Kein Syllabus, kein Conzil, sondern Christus, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden. Ein jeder! Vergesset das nicht! Und das ist nicht einmal das ganze Gesetz.

Denn beherziget nur, was Christus in seiner göttlichen Vollmacht weiter verordnet. Ich aber sage euch, daß ein jeder, der ein Weib mit Begierde ansieht, schon die Ehe mit ihr gebrochen hat in seinem Herzen. (Math. 5, 28). Auch da gebet wohl Acht auf jedes Wort. Ein jeder! Wenn du also mit freiwilliger Begierde auf andere hinschauest, was entschuldigt dich? Nicht das Alter, nicht die Krankheit, nicht die Armuth, nicht die Trunksucht, nicht der Zorn, ja nicht einmal die Untreue deines Mannes oder deiner Frau. Ein jeder, eine jede, eine jede, ein jeder!

Wenn aber diese freiwillige Begierde schon ein Ehe - bruch, was erst die That, was erst nach der Scheidung die Wiederverheirathung. Da erscheint der Ehebruch nicht98 mehr eine nur so vorübergehende That, sondern als blei - bender Zustand, als ein öffentliches Aergerniß, das diese Unglücklichen vom Empfange der hl. Sakramente, von der kirchlichen Beerdigung ausschließt.

Oder glaubet ihr etwa, diese Worte Christi seien nicht so aufzufassen? Wenn bei so viel Klarheit noch irgend ein Zweifel möglich wäre, geben uns die hl. Apostel die Erklärung. Was lehrt uns der hl. Paulus? (1 C. VII. 10.) Denen, welche verheirathet sind, gebiete nicht ich, sondern der Herr, daß das Weib sich nicht vom Manne scheide. Wenn sie aber geschieden ist, so bleibe sie ehelos oder ver - söhne sich mit ihrem Manne. Auch der Mann entlasse sein Weib nicht. Aber was ist sie, wenn sie bei Lebzeiten des Mannes sich zu einem andern gesellt? Eine Ehe - brecherin. (R. VII. 3.)

Aber warum redet der hl. Paulus vom Scheiden, wenn doch die Wiederverheirathung Ehebruch ist? Jenes Scheiden löst nie und nimmer das Eheband, sondern trennt nur zeitweise die Eheleute, wenn ihre Bosheit das Zusammenleben zu schwierig macht.

Wie wird's aber den Ehebrechern in der Ewigkeit ergehen? Bis zur Hölle geht ihre Sünde antwortet Job. (XXIV, 8.) Denn die Ehebrecher werden das Reich Christi nicht sehen, sondern ihr Antheil ist im Pfuhle, der mit Feuer und Schwefel brennt, welches der andere Tod ist. (Apac. XXI. 8.) Das ist die Anordnung Christi für den neuen Bund, keine Macht der Welt kann nur einen Buchstaben davon wegnehmen, so wenig als sie den Himmel öffnen und die Hölle verschließen kann. Der Mensch mag darüber spotten und lachen, oder auf ein menschliches Gesetz gestützt über das Ehegesetz Christi sich hinwegsetzen; aber die Hölle brennt fort und weitet und tiefet sich aus, um all' die Gräuelhaften, ob Männer oder Weiber, ob Burschen oder Dirnen, ob Alte oder Junge in Feuer und Schwefel zu verschlingen.

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Wohl verkünde ich da ernste Wahrheiten, aber ich muß es thun, im Auftrage dessen, der da spricht; Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden, lehret sie alles halten, was ich euch befohlen; wohl verkünde ich da erschütternde Wahrheiten, aber ich muß es thun aus Mitleid mit jenen, welche sich scheiden lassen und sich wieder verehelichen und so als Ehebrecher der Hölle ent - gegentaumeln; wohl verkünde ich da furchtbare Wahrheiten, aber ich muß es thun, aus Liebe zu Euch, damit ihr zur Zeit der Versuchung nicht wanket, und auch andere vor der Hölle bewahrt, ich muß es thun, denn diese Unauf - löslichkeit der Ehe gereicht dem Menschen zum Wohle.

Wie die Unauflöslichkeit der Ehe zum Heile der Men - schen gereiche, darüber kann ich natürlich nur die nothwen - digsten Andeutungen geben. Nehmen wir zuerst diese jungen Braut - und Eheleute. Von was liest man in den Ge - schichten? Von ewiger Liebe. Von was reden diese Ver - liebten? Von ewiger Treue. Was steht am Schluße so vieler Briefe? Wieder ewige Liebe und Treue. Reden sie etwa am Hochzeitstage von Scheidung und Wiederver - heirathung nach einigen Jahren? Vor diesem Gedanken schrecken sie zurück.

Was beweisen diese und ähnliche Erscheinungen? Die eheliche Liebe kennt ihrer Natur nach nie und nimmer eine Scheidung; nur in diesem Glauben ist sie glücklich und zufrieden, lebt und erstarkt sie. Wer nun sichert diese zarten Gefühle und diese heiligen Rechte der Natur? Christus, wenn er nicht bloß die Scheidung und Wieder - verheirathung verbietet, sondern sogar die ehebrecherischen Blicke. Wie lange halten und arbeiten diese Eheleute im Frieden zusammen? So lange das unauflösliche Band in ewiger Treue sie umschlingt. Sobald aber die Leiden - schaft erwacht und der Gedanke an die nur mögliche Schei - dung und Wiederverheirathung lebendiger wird, dann öffne100 sich ein Riß, der sich ausklüftet, bis endlich Eltern und Kinder im Abgrunde versinken.

Ja, ja, an die Kinder denket! Wenn noch unerzogene Kinder am Grabe frühverstorbener Eltern weinen, das ist überaus traurig, aber noch viel trauriger, wenn Vater und Mutter nach der Scheidung wieder heirathen. Welche nimmt der Vater, die Mutter verwünschend? Welche nimmt die Mutter, dem Vater fluchend? Wie geht's diesen Würm - chen in der neuen Haushaltung, wo nicht der Segen der Ehe waltet, sondern der Fluch des Ehebruches haust? Wie wird's diesen Kleinen nicht bei der Stiefmutter, sondern bei der Ehebrecherin, nicht beim Stiefvater, sondern beim Ehebrecher ergehen? Oder sollen die Gemeinden diese Kinder in den Waisenhäusern versorgen? Wir sind durch Christus und seine Kirche auf eine Höhe der Sitte gelangt, daß wir von diesem Unglücke der Kinder uns jetzt noch keine klare Vorstellung machen können.

Damit wir also diese Gesittung ja nicht verlieren, haben wir den Kampf für die göttliche Rechtsordnung heldenmüthig zu kämpfen, und den Sachen ihre wahren Namen wieder zu geben. Denn Rücksicht ist hier nicht Klugheit und Vorsicht, sondern Feigheit und Verrath. Rückt nämlich der Barbar in voller Schlachtordnung heran, so donnern ihm die schweren Geschütze entgegen, wenn auch nervenschwache Personen darob klagen und lieber einen sentimentalen Gesang hörten.

Gut, erwidert die Welt, aber wenn die erste Liebe erkaltet, die Ehe unglücklich wird, die Leute sich nicht trennen dürfen, oder nach der Scheidung nicht mehr hei - rathen können, ist das nicht grausam und hart? Was ist da zu antworten? So lange die Maschine mit ihrer furchtbaren Triebkraft die Bahn einhereilt, ist alles in Ordnung: sobald sie aber an einem festen Punkt anstößt, oder über das Geleise fährt, werden die Verwüstungen101 furchtbar. So liegt auch in der Sinnlichkeit des Menschen eine wilde Gewalt, und sobald sie die Schranken der sittlichen Ordnung durchbricht, werden die Verwüstungen grauenvoll. In dieser Beziehung schreibt Cardinal Massaia der die Folgen der Ehescheidungen unter den christlichen Sekten Abessyniens mit eigenen Augen gesehen: Wo keine christliche Ehe, kann keine Familie sein; daher keine Erziehung, keine Treue, keine Gerechtigkeit, sondern Eigen - nutz, Unordnung, Barbarei und das schönste Land wird ein Wald voll Räuber.

Soll nun Gott dem sinnlichen Menschen die Freiheit lassen, durch die Befriedigung seiner Gelüste sich selbst und andere in namenloses Unglück zu stürzen? Des - halb spricht er zum Menschen: Siehe, wenn du nicht die Gnade hast, außer der Ehe jungfräulich zu leben, so trete in den Ehestand: aber wenn du dennoch deine Freuden anderswo suchen willst, so magst du für den Augenblick nach deinen Gelüsten leben, aber für den Ehe - bruch wirst du ewig in der Hölle jammern.

Dieser ewige Feuerwirbel allein vermag die Leiden - schaft innert der Grenzen der sittlichen Ordnung zu bannen; sobald ihr aber derselben Spielraum gewährt, greift sie unbändig um sich. Wo daher Sitte und Gesetz die Zer - reißung des Ehebandes gestatten, da nimmt das Uebel furchtbar zu, lockert die Ehe und zerfrißt wie ein Krebs - schaden Familie und Gesellschaft.

520 Jahre waren nach Erbauung Roms verflossen als dort unter allgemeiner Mißbilligung die erste Schei - dung vorkam. Bald jedoch nahm das Uebel derart über - wand, daß Seneca schreiben konnte: Gibt es noch irgend eine Frau, welche der Ehescheidung sich schämt? Sie zeigen sich in der Oeffentlichkeit, um zu heirathen und sie heirathen der Scheidung wegen. Man fürchtete dieselbe, solange sie selten war, weil es aber keine Gerichtsverhand -102 lungen ohne Ehescheidung mehr gibt, so haben sie üben gelernt, was sie so oft gehört. (de benef. l. III. 16.) Die Scheidung ist also kein Heilmittel für die Leidenschaft, sondern nur ein fürchterliches Gift in die Wunde der Familie und Gesellschaft.

Oder glaubet ihr etwa, unsere Zeit habe das nicht zu fürchten? Kann es, wie Juvenal von den Römern schreibt, heute keine Männer mehr geben, welche keine Frau, sondern nur ein Gesicht suchen. Hat dieses drei Runzeln, werden die Zähne dunkler und die Augen kleiner, heißt es gleich: Schnüre das Bündelchen und geh '. (Satyra 6, v. 142.)

Oder wird etwa die Leidenschaft die Schranken der sittlichen Ordnung heute nicht so weit durchbrechen? Beherziget folgendes: Wenn auch das ganze öffentliche Leben von Christus abgewichen ist, so zehrt es doch heute noch von der Wahrheit und dem Geiste Christi, wie auch der verlorene Sohn in Ausschweifungen die väterliche Erbschaft verschleuderte. Aber wartet nur, bis dies christ - liche Erbgut ganz aufgezehrt ist und mit ihm die letzte Scham und Scheu verloren und das begierliche Fleisch in den vollkommenen Besitz seiner vermeintlichen Rechte gelangt ist, dann könnt ihr Dinge hören und sehen, daß euch Sehen und Hören vergehen wird.

Schon vor 30 Jahren zählte man in Preußen jähr - lich 5000 Ehescheidungsprozesse, ebensoviel gab es in den Vereinigten Staaten Amerikas; schon vor 30 Jahren bildeten sich dort Genossenschaften der freien Liebe, wo man die Ehe nach Belieben schließt und auflöst und die Kinder der Gemeinde übergibt: dort blüht die Sekte der Mormonen mit ihrer Vielweiberei.

Doch was rede ich vom Auslande. Stehen wir nicht vor der thränenreichen Thatsache, daß unser Vaterland in Sachen der Ehescheidungen in wenigen Jahren alle andern103 Länder weit überholt hat. Schon vor fünf Jahren, also während 14 Jahren unserer bürgerlichen Ehe waren 16331 Ehescheidungsklagen gerichtlich erledigt worden. Darunter wie viele Urtheile auf gänzliche Scheidung? 13132. Also über 26,000 Geschiedene! wenn nun von diesen nur 20000 wieder geheirathet haben! Welch 'ein Abgrund von Elend und Zerüttung von Sünde und Gräuel! Wie weit mag seit den letzten 5 Jahren die Wüste sich hinausgedehnt haben!

Wohl schlagen tiefer blickende Männer aller Richtungen entsetzt die Hände ob den Häuptern zusammen und denken auf Abhilfe; aber so lange nicht das Ehe - und Sitten - gesetz Christi ganz und voll zur Geltung kommt, so lange die Schule nicht wieder christlich geworden, geht Familie und Gesellschaft nur schneller oder langsamer der Auflösung entgegen. Denn die Leidenschaft betrachtet alle Zugeständ - nisse nur als Abschlagsumme und ruhet nicht, bis sie end - lich ohne Schranken schalten und walten kann. *)Der liberale Staat, so lange er nicht reumüthig wie der verlorene Sohn zum Vater heimkehrt, und das will und kann er nicht, ohne sich selbst aufzugeben wird naturnothwendig immer mehr nach links gedrängt, mit der Heerfolge der Gemäßigten, bis er von seinem Sohne, dem Sozialismus totgeschlagen wird. Dann tobt der Kampf nur mehr zwischen Katholizismus und Sozialismus; aber Christus der Herr wird mit und für seine Kirche den Riesen - kampf siegreich auskämpfen, und wie einst auf den Ruinen des heid - nischen Römerreiches auf den Trümmern des liberalen Staates die christliche Gesellschaftsordnung wieder aufrichten.

Saget nun, ist es nicht eine außerordentliche Liebe Gottes, daß er rundweg erklärt: Du darfst das Eheband niemals zerreißen, du darfst bei Lebzeiten des andern Theiles niemals heirathen und wenn du meiner Weltord - nung dich nicht unterwirfst, wirst du nach einigen Augen - blicken als Ehebrecher den ewigen Flammen übergeben. Ist das nicht eine große Liebe und Güte Gottes!

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Aber, sagt man, diese lebenslängliche Verpflichtung ist doch eine unerträgliche Last. Gut, sind wir nicht ver - pflichtet, die Gebote lebenslänglich zu beobachten, sind nicht oft schwere Kämpfe damit verbunden? Nehmet nur arme Leute, welche das ganze Jahr armselig leben, viel - leicht oft hungern, während vor ihren Augen die Reichen im Ueberfluße schwelgen. Da nun sagt so ein hungriger Mensch auf einmal: Ich halte es nicht mehr länger aus, ich fühle einen unwiderstehlichen Drang, den Reichen zu erschlagen, zu berauben. Würden die Gerichte die Aus - rede gelten lassen und den Mörder und Räuber freisprechen? Und dann soll der allheilige Gott der Ehebrecher wegen sein Eyegesetz aufheben oder das höllische Feuer auslöschen?

Endlich aber beherziget, was die hl. Väter lehren. Unmögliches verlangt Gott nicht, und wenn er Schwieriges auferlegt, gibt er die Gnade, es zu thun oder zu ertragen. So hat Christus zwar die Unauflöslichkeit der Ehe wieder hergestellt, aber dafür die Ehe auch zum hl. Sakramente gemacht, damit die Eheleute die Kraft haben, bis in den Tod einander treu zu bleiben.

Zum Schluße nur noch zwei Winke. Christliche Jünglinge und Jungfrauen, nehmet euch in diesen Tagen wohl in Acht, wem ihr die Hand zum ewigen Bunde reichet. Wo nicht lebendiger Glaube, wo nicht tiefkatho - lisches Leben sich findet, sondern nur diese armselige Bil - dung, diese Manieren der Welt, nur ein bischen Geld oder Gestalt oder Geschäft: da ziehet eure Hand recht - zeitig zurück, wollet ihr dieselbe nicht verbrennen und viel - leicht für immer und ewig.

Ihr alle aber, die ihr schon in den Ehestand getreten, erneuert doch täglich die Gnade, welche durch das hl. Ehe - Sakrament in euch ist; betet, daß Gott sie euch täglich vermehre. Denn in dieser Zeit unerhörter Gräuel und105 Aergernisse kann auch über euch die Versuchung kommen, auf der breiten Heerstraße zu wandeln. Mit jener sakra - mentalen Gnade kämpfet die ersten Versuchungen und Ge - danken und Begierden und Regungen siegreich nieder: so wird euere Ehe ein Abbild der Vereinigung Christi mit seiner Kirche zu euerem und euerer Kinder Heil.

XII. Empfang des hl. Sakramentes der Ehe.

Die Ehe ist also nach der Anordnung Christi ein sakramentaler Vertrag zwischen Mann und Weib zur un - auflöslichen ehelichen Lebensgemeinschaft.

Man predigt so oft, wie man die hl. Sakramente der Buße und des Altars zu empfangen habe. Das ist heilsam und nothwendig; aber ebenso nothwendig und heilsam ist die Predigt über den Empfang des heiligen Ehesakramentes.

Weil nun dieser Gegenstand so wichtig und inhaltsreich, kann ich denselben heute nur theilweise behandeln, aber doch immerhin so, daß jedermann klar wird, wie die Braut - leute mit hl. Scheu und Ehrfurcht im Tempel zu erscheinen haben, um den Ehevertrag vor Gott und der Kirche ab - zuschließen.

Denn dieser Vertrag ist heilig 1) an und für sich 2) in der sakramentalen Gnade.

Ich könnte mich sehr kurz fassen, der Ehevertrag ist ein hl. Sakrament und zwar so, daß der hl. Thomas von Aquin (in Ep. ad. Eph. C. V L. 10) dasselbe mit der Taufe mit der Firmung und dem hl. Altarssakrament zu den vier größten zählt.

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Also ist auch der Ehevertrag heilig wie die übrigen Sakramente. Weil es sich aber um eine Wahrheit handelt, von deren genauen Kenntniß das zeitliche und ewige Wohl Vieler abhängt, habet ihr ein Recht auf die volle Entwicklung derselben, und diesem Rechte[ entspricht] meine Pflicht, die Wahrheit[ lichtvoll] vor euer Auge zu stellen.

Nach der Anordnung der hl. Kirche, welche von Christus zur Behüterin und Wächterin der Ehe bestimmt worden, sollen die Brautleute vor ihrem Seelsorger und zwei Zeugen die Ehe schließen, nur so ist unter Katholiken eine rechtmäßige Ehe möglich. So erscheint ihr denn am Altare Gottes vor dem Priester, um vor dem allmächtigen Gott die Ehe einzugehen. Er ist euer Zeuge. Was fragt euch der Priester am Altare? Ich frage euch jetzt vor Gott dem Allmächtigen und allen Anwesenden. (Rit. Rom. Sang.) Welch 'ein Wort! Vor Gott dem Allmächtigen, welcher anwesend ist wie die Zeugen, welche ihr Gespiel nennet. Was fragt der Priester den Bräutigam? Nehmet ihr diese hier gegenwärtige Braut zu euerer[ rechtmäßigen] Ehefrau an und wollet ihr euch gegen dieselbe jeder Zeit betragen, wie es Gott in seinem hl. Gesetze befohlen hat? Aehnlich fragt er die Braut in Bezug auf den Bräutigam; vor wem? Vor dem dreieinigen Gotte, und ihr ant - wortet: Ja und reichet einander die Hand zum ewigen Bunde! Vor wem? Vor dem dreieinigen Gotte und seinem Gesalbten Jesus Christus. Sobald beide dies Ja vor dem allmächtigen Gotte ausgesprochen habet ihr auch das hl. Sakrament der Ehe empfangen.

Was nun ist die nächste Folge hievon? Der hl. Paulus antwortet: Das Weib hat keine Macht über ihren Leib, sondern ihr Mann. Ebenso hat auch der Mann kein Recht über seinen Leib, sondern das Weib. (I Corr. VII, 3.) Was will das sagen? Der hl. Chry - sostomus erklärt diese Stelle wunderschön. (H. XIX, in107 I. C. VII, u 1) Keines ist Herr über seinen Leib, sondern in dieser Beziehung Unterthan des andern. Will dich daher eine Person zum Ehebruche verführen, so sage ihr: Das ist nicht mein Leib, sondern der gehört der Gattin. Wollen dagegen Männer die Keuschheit der Frau zum Falle bringen, soll sie antworten: Dieser Leib gehört nicht mir, sondern dem Manne.

Aber wie ist das möglich? Wie könnet ihr gegen - seitig zu solchen Hoheitsrechten gelangen? Gehört denn der Leib durch die Erschaffung, durch die Erlösung, durch die Heiligung nicht dem dreieinigen Gott? Freilich. Aber wie kann denn der hl. Chrysostomus sagen: Der Leib des Weibes gehört dem Manne, er hat ein hl. Recht darauf? Hat er etwa zu viel gesagt? Er hat die reinste Wahr - heit ausgesprochen; aber eine Wahrheit, welche die Braut wie die Eheleute mit Furcht und Zittern erfüllen soll.

Sehet einmal! Ihr erscheinet am Altare nicht bloß um unter euch vor Gott einen Vertrag zu schließen, sondern sogar mit dem dreieinigen Gott. Wie so? Siehe, spricht gleichsam Gott zum Bräutigam, siehe, der Leib dieser Braut gehört mir, ich habe ihn erschaffen, gebildet; er gehört meinem göttlichen Sohne, der ihn mit seinem Blute erlöst und erkauft hat; er gehört dem hl. Geiste, der ihn schon bei der hl. Taufe zu seinem Tempel geweiht hat: Du hast bis jetzt Ehrfurcht und Scheu vor ihm ge - habt, um ja nicht unser göttliches Eigenthumsrecht irgend wie zu verletzen; aber siehe von jetzt an trete ich dir von unsern Hoheitsrechten so viel ab, daß diese Braut die Mutter glücklicher Kinder werden kann, Aehnlich sagt der allmächtige Gott zur Braut, um ihr das entsprechende Eigenthumsrecht über den Leib ihres Bräutigams abzu - treten. Aber so haben wir jene Handlungen nie aufge - faßt. Mag wohl sein. Denn je weniger wir nach dem Beispiele der Väter den Rosenkranz andächtig beten und108 tiefer betrachten, und je mehr wir fade Bücher und Schriften und Blätterchen durchlesen, desto gedankenloser werden wir Tag für Tag. Aber ob wir daran denken oder nicht, das ändert die Sache nicht, setzt uns aber der Gefahr ewiger Verdammniß aus. Gott tritt also Rechte ab, das ist die eine Seite des Ver - trages. Wo ist die andere? Der allmächtige Gott fragt euch durch den Priester: Wollet ihr nach meiner Anord - nung die Ehe eingehen? Wollet ihr vom Rechte, das ich euch abtrete, nur nach meinen Geboten Gebrauch machen? Und ihr antwortet? Ja! Was heißt das? Wir wollen einander die eheliche Treue halten in allen Versuchungen, wir wollen in aller Liebe bis zum Tode vereinigt bleiben wie Christus mit seiner Kirche verbunden ist; wir wollen in ehelicher Keuschheit miteinander leben, wie es Kindern der Heiligen geziemt; wir wollen unsere Kinder als Glieder der einen hl. katholischen Kirche für den Himmel erziehen.

Das ist die andere Seite des Vertrages, den euere Schutzengel für euch unterschreiben; er bleibt aufbewahrt für den Gerichtstag, um einst im Himmel euere Freude zu sein oder was Gott verhüten möge in der Hölle das ewige Feuer zu nähren.

Saget nun selbst, ist es noch auffallend, daß manche Braut am Altare weint, oder ist es nicht vielmehr unbegreiflich, daß nicht alle weinen? Doch was sag 'ich weinen? Warum nicht beben im Angesichte Gottes, der dem Menschen feierlich Hoheitsrechte abtritt, um ihn über deren Gebrauch bald zur Rechenschaft zu ziehen nach dem Wortlaute des Vertrages? Welches Brautpaar sollte nicht wie jener Zöllner weit hinten im Tempel stehen bleiben, ausrufen: Herr, Gott, sei mir armer Sünder gnädig! Wer sollte nicht zittern? Der Gedankenlose, der Leichtfertige, der Sinnenmensch, der Ungläubige aber ist das nicht wie ein Vorzeichen ewiger Verdammniß?109 Wem sollte da nicht bangen? Es fürchtet der Gerechte; aber er verzagt nicht: denn Gott erscheint nicht bloß, diesen Vertrag mit den Brautleuten abzuschließen, sondern auch ihnen reichliche Gnade mitzutheilen, denselben genau und gewissenhaft zu erfüllen.

Nach der Lehre des hl. Apostel Paulus, nach der einstimmigen Ueberlieferung der hl. Väter ist die christliche Ehe das Abbild der Vereinigung Christi mit seiner Kirche. Wie daher Christus und die Kirche in ihrer Vereinigung das Licht der Welt und das Salz der Erde sind, welcher sie alle Wahrheit und Gnade vermitteln, so bringen Mann und Weib in ihrer sakramentalen Verbindung in ihre häusliche Welt ein übernatürliches Lebenselement, das auf alle Verhältnisse des Familienlebens einen segensreichen Einfluß ausübt. (Rive p. 113.) Was ist die Folge hievon? Vom Altare aus führt in jede christliche Familie ein dreiarmiger Gnadenstrom, solange er durch das Tod - sündenleben der Eheleute in seiner Strömung nicht gehindert wird. So wird die Herrlichkeit des Ehevertrages durch den Gnadenreichthum vollendet.

Um nun diese ebenso erhabene als trostreiche Wahr - heit klar zu verstehen und für das Leben zu verwerthen, betrachtet sie in jenem Lichte, welches der hl. Geist in der Kirchenversammlung von Trient, über dieselbe so reichlich ausgegossen hat.

Diese Gnade nämlich vervollkommnet und befestigt nach der Lehre jener hl. Kirchenversammlung die natürliche Liebe der Ehegatten. Ihr alle, die ihr nicht mehr in den Tagen der Bekanntschaft lebet, wo die sinnliche Liebe in ihrer Gewalt nur zu oft alle Schranken der Gebote durch - bricht, ihr alle, die ihr schon Jahre lang im Ehestand gelebt, wo Alter oder Mühsal oder Sorgen und Kummer euch die Schönheit und Kraft der Jugend weggenommen, wo ihr durch die gegenseitigen Leidenschaften und Sünden110 einander vielleicht oft überdrüssig werdet, nicht wahr, ihr Alle wisset aus eigener Erfahrung, wie nothwendig ihr die Gnade habet, um in der vertragsgemäßen Liebe auszu - harren. Und diese Gnade wirkt heute noch ihre Wunder.

Alban Stolz (Wand und Sand S. 244) erzählt aus der Neuzeit ein rührendes Beispiel. In einem Städtchen Bayerns lebte ein kinderloses Ehebar. Beide konnten bei schönem Vermögen glücklich sein; allein der Mann, ein Trunkenbold, beschimpfte und mißhandelte im Rausche sein braves Weib. Anfänglich machte die Frau bescheidene Vorstellungen. Alles umsonst. Nachher schwieg sie als fromme Dulderin. Eines Sonntags kam der Mann voll - getrunken heim, fing an sein Weib zu schlagen, an den Haaren zu zerren, auf sie einzuschlagen, bis das Blut in Strömen floß. Das Opfer schwieg; aber desto lauter schrie die Blutlache. Erschüttert fällt der Mann vor der totschwachen Frau in die Knie mit den Worten: Verzeihe mir, ich will alles thun, was du nur verlangst. Die Frau, sobald sie wieder reden konnte, antwortete: Lieber Mann, Alles sei dir verziehen; nur um das eine bitt 'ich dich; gehe mir nicht mehr in das Wirthshaus; ich will dir, soviel dir beliebt Getränke bringen; wir wollen uns gewiß gut miteinander unterhalten. Von jenem Augenblicke an lebte der Mann, wie er vor dem allmächtigen Gott am Altare versprochen hatte.

Wer nun konnte dieses Weib in jener Liebe erhalten welche nicht bloß keine Gegenliebe empfängt, sondern nur Schmähung und Schläge, und welche dabei nicht klagt, und murrt, sondern betet, leidet, schweigt? Die Gnade des hl. Sakramentes hielt diese Liebesflamme hoch über vielen Wassern. Wenn auch solche Wunderbeispiele viel - leicht etwas selten, wie viel tausend und abertausend gewöhnliche!

Sehet nur! Die Schönheit verbleicht, das Alter111 kommt; aber die Liebe bleibt; die Kraft verschwindet, die Schwäche tritt ein, aber die Liebe bleibt; die Gesundheit flieht, Krankheiten kommen, aber die Liebe bleibt; die ersten Monate, wo man nur Vorzüge sah, die ersten Jahre, wo Kummer und Sorgen noch nicht so groß, sind vorbei; es kommt die Zeit, wo die beiderseitigen Schwächen und Leidenschaften mit ihren Unbilden offenbar und lästig werden, wo mit der Zahl der Kinder auch die Kümmer - nisse wachsen; aber die Liebe bleibt und wird inniger. Wie wollt ihr mir dies alles erklären? Die Gnade Gottes hat am Altare die Natur und die Liebe verklärt.

Und damit auch die Unauflöslichkeit der Ehe und die eheliche Treu befestigt. Das ist die zweite Gnade. Auch diesen Segen könnt ihr im katholischen Volke betrachten. Denn die Unauflöslichkeit der Ehe wird mitten unter tausend Irrthümern nicht nur geglaubt, sondern auch mitten unter großen Versuchungen treu festgehalten. Warum gibt es so wenige Katholiken, welche bei Lebzeiten des andern Theiles wieder heirathen. Doch, was sage ich, Katholiken? Nein, die meisten dieser Unglücklichen sind kaum dem Namen nach katholisch und haben wohl schon bei der ersten Heirath Fluch und Unsegen sich auf - geladen. Des ist eine Wahrheit, welche viel zu wenig gepredigt und von einer Großzahl sonst guter Katholiken entweder nicht gewußt, oder nicht recht verstanden wird. Deshalb wollen wir dieselbe das nächste Mal näher be - trachten. Also weiter. Wenn auch die eheliche Treue viel - fach verletzt werden mag, warum nicht viel mehr? Warum sind viele Eheleute von derartigen Versuchungen ihr ganzes Leben lang vollkommen frei? Warum überwinden andere die heftigsten Versuchungen wie Susanna im Garten? Und wenn manche fallen, warum stehen sie bald wieder auf, um ihr ganzes Leben hindurch Buße zu thun? Alles kommt voll der Gnade des hl. Sakramentes. Wenn112 ihr daher dieselbe nur recht gebrauchet, so könnet ihr nicht bloß in unverletzter Treue und Liebe bis zum Tode aus - harren, sondern in euerem Stande sogar heilig werden.

Denn sie ist endlich gegeben, euch zu heiligen. Denn dies hl. Sakrament vermehrt die heiligmachende Gnade und gibt das Recht auf alle jene Gnaden, welche die Eheleute für ihre Heiligung nothwendig haben. Denn das vergesset doch nie! Wir sind nicht auf der Welt, um in diesen oder jenen Stand einzutreten, sondern um Gott zu dienen und dadurch ewig selig zu werden. Die ein - zelnen Stände sind für uns nur Mittel, die ewige Selig - keit im Dienste Gottes zu erlangen So treuet ihr auch in den Ehestand, um Gott zu dienen, und euch zu heiligen. Wenn aber mit diesem Stande viele und große Gefahren und Versuchungen und Mühseligkeiten und schwere Pflichten verbunden, so gibt euch Gott am Altare alle jene Gnaden, die nothwendig sind, jene Gefahren zu bestehen, jene Versuchungen zu überwinden, jene Mühselig - keiten zu tragen, jene Pflichten zu erfüllen. Diesen Triumph der Gnade könnt ihr immer noch in so vielen christlichen Familien betrachten. Die Mutter fürchtet nicht den Kinder - segen, nährt sich kümmerlich, daß die kleinen weniger darben; arbeitet bei Tag; bei Nacht wacht sie beim kleinsten; sie vergißt ihre Schmerzen in der Sorge für den Gatten und die Kinder; sie steht mit Maria unter dem Kreuze voll Geduld und Zufriedenheit, in Gebet und Flehen. Und wenn auch die Ungeduld sich regt, und der Mißmuth sie niederbeugen will sie betet, und von der Gnade gestärkt steht sie wieder auf. Sie ist noch nicht vollkommen, aber auf dem Wege der Vollkommenheit. Der Vater arbeitet im Schweiße seines Angesichts, für den Haushalt zu sorgen, er kennt nicht die Wirthshäuser, sondern Kirche und Familie; er wartet nicht bis Ostern die hl. Sakra - mente zu empfangen, sondern von Zeit zu Zeit stärkt er113 sich mit dem Brote des Lebens; in der Familie, um mit dem hl. Augustin zu reden, waltet er wie ein Bischof und Lehrer: so wachsen die Kinder auf als Lieblinge Gottes, mit der Aussicht, eine fromme, sittsame Jugend zu werden. Das ist der Triumph der Gnade, welche Jesus Christus am Altäre Euch verliehen hat durch das hl. Sakrament der Ehe und immerdar in euere Familie fortströmen läßt.

Also welch 'ein feierlicher Augenblick, wo ihr das hl. Sakrament empfanget. Ihr erscheint vor Gott dem All - mächtigen, der nicht bloß Zeuge ist, wie ihr den Ehebund miteinander schließet, wo er euch einen Theil seiner Hoheits - rechte abtritt, ihr aber versprechet, dieselben heilig zu gebrau - chen. Endlich gibt er euch die Fülle seines Segens und seiner Gnade, um nach seinem Gesetze im Ehestande zu leben und denselben zu einem treuen Abbild der Vereini - gung Christi mit seiner Kirche gestalten zu können.

Wenn auch aus dieser einzig wahren, und deshalb so großartigen Anschauung der Ehe die Folgerungen für das Leben gegeben zu sein scheinen, so muß ich doch deren tiefere Entwicklung noch kurze Zeit verschieben; für heute sage ich nur den Eheleuten: Ihr Alle, die ihr einst am Altare nicht den Unsegen, sondern die Gnade des heiligen Ehesakramentes empfangen habet, betet demüthig mit dem Zöllner: Gott sei mir armen Sünder gnädig, vermehre uns Tag für Tag die sakramentale Ehegnade, damit unsere Familie immer mehr die Kirche im Kleinen werde, schön, herrlich, rein, unbefleckt in allen Gliedern, um bald ganz in's himmlische Jerusalem versetzt zu werden.

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XIII. Das Hochzeitsgewand der Brautleute am Altar.

Ihr wisset nun, wie Christus der Herr in seiner wunderbaren Güte die Ehe zu einem überaus gnadenreichen Vertrag gemacht, um die Eheleute zu heiligen und ihren Bund zu einem Bild seiner Vereinigung mit der Kirche zu machen. Ist dies Wunder für brave Eheleute nicht wie ein Unterpfand der ewigen Seligkeit?

Ich sage für brave Eheleute. Denn wollen die Brautleute jenen Gnadenreichthum erhalten, müssen sie vor dem Altare im Hochzeitsgewand der hl. Gnade erscheinen, wenn sie aber bei den vielfachen Gefahren der Gegen - wart, wie jener Geladene im Evangelium, ohne hochzeit - liches Gewand erscheinen, ist nur Unsegen und Fluch ihr trauriger Antheil.

Ich sage also zuerst, um die Gnade des hl. Sakra - mentes zu empfangen, müssen die Brautleute im Hochzeits - gewand der hl. Gnade erscheinen. Es geht da nämlich ungefähr wie bei jenem Hochzeitsmahle, das der König seinem Sohne bereitete. Dieser König tritt in den Fest - saal, sich die Gäste anzuschauen; wer hochzeitlich bekleidet ist, darf an die reichbesetzte Tafel sich setzen, die andern aber werden gebunden und in die äußerste Finsterniß hinaus - geworfen.

Wenn ihr nun diese irdische Hochzeit feiert, seid ihr auch eingeladen, am reichbesetzten Gnadentische des Herrn zu erscheinen und euch dort für euer ganzes eheliches Leben zu stärken aber wie gekleidet?

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Auf den Hochzeitstag bereitet ihr das schönste Kleid; Die Armen thun mehr als ihre Noth erlaubt; die Reichen treiben's weiter, als der christliche Anstand es gestattet. Aber seid oder waret ihr auch alle so bekümmert um das hochzeitliche Gewand der Seele? Ihr erscheint vor dem allmächtigen Gott, aber wie gekleidet? Ihr schließet mit ihm einen Vertrag, aber wie gekleidet? Ja, wie gekleidet! Da müßt ihr nothwendig im Hochzeitsgewand der heilig - machenden Gnade erscheinen.

Was ist also durchaus nothwendig? Daß ihr wenigstens frei seid von jeder schweren Sünde. Entweder müßet ihr an den Altar treten mit dem unbefleckten Taufgewand der Unschuld oder, wenn ihr dasselbe durch Todsünden ver - unreiniget habet, es zuerst reinigen im hl. Sakramente der Buße. Oder saget einmal, wenn die Braut am Hoch - zeitsmorgen in einem befleckten und zerissenen Kleide mit dem Bräutigam gehen wollte, würde dieser nicht als beschimpft und verhöhnt sich ansehen und die Braut von sich stoßen? Wer wollte ihm nicht Recht geben? Doch so frech und ausgeschämt ist keine.

Gut. Aber wo ist unsere Ehrfurcht, wenn es sich um den allmächtigen Gott handelt, oder darf man vor ihm sündenbefleckt in Abscheu und Greuel erscheinen? Was würde und müßte er euch sagen? Freund, wie bist du hereingekommen ohne hochzeitliches Gewand? Bindet ihm Hände und Füße und werft ihn hinaus in die äußersten Finsternisse, da wird Heulen und Zähneknirschen sein. Was will das in diesem Falle sagen? Gebunden mit den Ketten der Sünden, ein Sklave Satans bedeckt mit dem Unrath der Greuel wagt er vor mir zu erscheinen, das hl. Sakrament zu entweihen. Noch dunkler und schwärzer sollen die Finsternisse seiner Sünde werden, in dieser Nacht soll Unglück und Elend sein Ehebett umschweben, bis er entweder aufrichtige Buße wirkt, oder wenn er das116 nicht thun will, bis er von den ewigen Finsternissen ver - schlungen wird.

Also frei von jeder Todsünde sollen die Brautleute am Altare erscheinen; das ist durchaus nothwendig, um die Gnade des hl. Sakramentes zu empfangen, aber noch nicht genug, um dessen ganzen vollen Segen zu gewinnen. Denn je reiner das Herz auch von läßlichen Sünden, je schöner im Tugendglanze, je reiner die Absicht, mit welcher ihr in den Ehestand tretet, desto reicher die Gnadenfülle, welche euch zu theil wird. Aber warum glaubet ihr wohl, zählt die katholische Kirche so viele hl. Väter und Mütter? Weil sie ebenso viele hl. Brautleute hatte.

Wer also immer in den Ehestand tritt, hat vor dem Altar im Hochzeitsgewand der hl. Gnade zu erscheinen. Wenn aber gar viele mit Sündenunrath bedeckt, dieses hl. Sakrament empfangen und entweihen, ist das zwar über - aus traurig und verhängnißvoll, aber bei den Gefahren der Zeit nicht so auffallend. Ich will euch daher jetzt auf die wichtigsten davon hinweisen, daß niemand wegen Unkenntniß verloren geht.

Die erste Gefahr ist eine Jugend, welche man mehr oder weniger in Gottvergessenheit verlebt, schon vor den Tagen der eigentlichen Bekanntschaft. Ich rede da nicht einmal von jener Frühreife, welche, sonst nur in südlichen Ländern üblich, bei uns in Folge einer falschen Erziehung, der Schulverhältnisse, in Folge der Genußsucht, der Kleider - hoffahrt, der Lesewuth, der Aergernisse in und außer der Familie, wenn nicht früher, doch mit dem 13. und 14. Jahre immer häufiger zu werden beginnt; also das will ich nur angedeutet haben; aber schon mit dem 14. und 15., gar oft mit dem 16. und 17. Jahre wird der Glaube schwächer, die Andacht, der Gehorsam, die Zucht nimmt ab; das tägliche Gebet hört auf, die hl. Sakramente werden vernachläßiget, die Warnungen und Bitten der117 Beichtväter verachtet, der Gottesdienst wird unterlassen, die Christenlehre versäumt, man geht in leichtfertige Ge - sellschaften, schwärmt bei Nacht herum, ergibt, sich der Eitelkeit, der Gefallsucht, der Genußsucht, zu wüsten Reden in und außer den Geschäften kommen wüste Thaten. Die Sünde wird oft Gewohnheit, bevor man nur recht sündigen kann. Wenn dann solche Leute eine Bekanntschaft anfangen, wie wird das enden? Am Hochzeitstage nur zu oft mit einem dreifachen Gottesraube und vielleicht mit der ewigen Finsterniß in der Todesstunde.

Doch setzet den Fall, die Jugend vor der Bekannt - schaft sei nicht so böse, vielleicht sogar gut verlebt, zu was wird das Verhältniß führen? Wenn es nicht als hl. Ehrensache der Familie gehalten wird, gestaltet es sich zu einer langen und schweren Sündenkette. Denn wie ein mit dem Leben erfahrener Gelehrter bemerkt alle Entschul - digungen und Beschönigungen helfen da nichts; das ist Flittergold, welches einen Abgrund von Sünden und Un - sittlichkeiten verhüllt. (Rive, Ehe, S. 36.) Das nun ist freilich aller Thränen werth, aber noch lange nicht das Traurigste. Denn wie beichten solche Leute, wenn sie zur Seltenheit noch gehen? Verschweigen sie nicht oft ihre Sünden, oder ihren wahren Zustand? Und wenn sie noch aufrichtig sind, verabscheuen sie ihre Sünde? Und wenn sie noch irgend welche Neue aus Furcht vor der Hölle haben, wie steht's mit dem Vorsatze und dem ernstlichen Willen, die böse Gelegenheit zu fliehen und nie mehr allein beieinander zu sein? Dieser mag unter hundert Fällen wohl neunzig mal fehlen. Und die Folge? Der Empfang der hl. Sakramente der Buße und des Altars wird zum Gottesraub und ein Abgrund ruft dem andern.

Nach einem, zwei, drei oder noch mehr Jahren eines so traurigen Lebens folgt endlich der Hochzeitstag, wo die hl. Sakramente wieder empfangen werden sollten. Es ist118 allerdings wahr, die nächste Gelegenheit zur Sünde hört jetzt auf; denn diese Leute dürfen und müssen jetzt allein mit einander arbeiten und wohnen; aber ist damit alles schon in Ordnung? Nein. Denn deswegen ist die Beicht noch lange nicht aufrichtig, sondern die Sünden können doch verschwiegen bleiben; deswegen ist die wahre Reue doch ein schweres Stück Arbeit, welche diesen leicht - fertigen Seelen nicht so leicht gelingt. Denn was Jahre lang ihre Freude war, jetzt als größtes Unglück von Herzen verabscheuen und hassen ist doch kein Kinderspiel.

Was nun ist nur zu oft die Folge hievon? So er - scheinen diese Unglücklichen am Altare ohne hochzeitliches Gewand, im veralteten Unrath aller nur möglichen Sünden und Ausschweifungen. Diesen nun, welche bis anhin in die Hoheitsrechte Gottes eingegriffen, jetzt ohne Reue über so viel Greuel frech vor ihm erscheinen, was muß diesen der höchste König Himmels und der Erde sagen? Freund, wie bist du ohne hochzeitliches Kleid hiehergekommen? Hinaus in die äußerste Finsterniß!

Welch 'ein Hochzeitstag mit einem dreifachen Gottes - raub! Nach der ungültigen Beicht, nach der gottesräu - berischen Communion wird noch das hl. Sakrament der Ehe entweiht. Mit einem dreifachen Gottesraube beginnt man den Ehestand, und Jahr und Jahrzehnte schleppt man vielleicht diesen Fluch durch's Leben, nimmt ihn viel - leicht mit hinüber in die unglückliche Ewigkeit. Wenn es dann so manche Ehe gibt, ohne Frieden, ohne Treue, ohne Segen, ohne Glück; so manche Ehen, wo die Gatten sich das Haus in eine Hölle verwandeln, wo die Kinder miß - rathen, wo ein Unstern über allem zu walten scheint, so hat dies Alles in dieser Entheiligung der hl. Sakramente nur zu oft seinen Grund.

Deshalb bitte ich euch Alle, die ihr schon im Ehe - stande seid, fragt euch doch: Wie erschienen wir vor119 dem Altare? Nahmen wir die Jugendsünden mit in den Ehestand? Lasten sie heute noch auf uns? Wenn ja, thuet jetzt Buße, thuet sogleich Buße, um wenigstens jetzt noch den Gnadenreichthum des hl. Sakramentes der Ehe zu empfangen.

Das ist nun eine Gefahr, welche die Menschen immer mehr oder weniger bedroht hat. Aber heute kommt eine zweite.

Da ist z. B. wenigstens dem Namen nach ein katholisches Brautpaar. Die Braut hat vielleicht noch ein bischen Glauben, hat bisher um die Uebungen der Religion wenigstens äußerlich noch ein wenig sich bekümmert; der Bräutigam ist längst ganz über den Glauben hinaus; vom Gottesdienst ist bei ihm keine Rede mehr. Was gilt ihm und vielleicht auch ihr die kirchliche Ehe? Ist das eine übliche Sitte? Ist's Heuchelei, ist's Kommödie? Oder etwa Poesie zur Prosa der Civilehe? Möglich, daß es etwas von allem ist. Was thun? Man geht vielleicht noch in den Beichtstuhl, nicht um die Verzeihung der Sünden zu erhalten, sondern eine Formalität zu erfüllen; man erscheint am Altar, nicht um Gnade zu erhalten, sondern um der nun einmal noch üblichen Sitte nachzu - kommen. Der Priester empfängt das Versprechen der Brautleute, spricht die Worte des Segens über sie; die Feier ist beendet; das junge Ehepaar geht aus der Kirche mit dem entweihten Segen, der sich in einen Fluch ver - wandelt, geht aus der Kirche zu den Freuden des Hoch - zeitsmahles, da ist alles fröhlich und heiter, Toaste voll Schmeichelei und Segenswünsche fallen, die Musik spielt fröhliche Weisen, aber die Schutzengel trauern. Und mit der Gesellschaft frohlockt wer? Der Erzfeind alles Guten und Freund alles Bösen. Wenn dann später in solchen Familien mancherlei Unglücke, der Ehebruch einzieht, wenn vielleicht Scheidung und Wiederverheiratung erfolgt, ist120 das noch auffallend oder leicht erklärbar? Diese Ge - fahr wird um so drohender, je mehr die religiöse Gleich - gültigkeit und der eigentliche Unglaube ihre Verwüstungen ausdehnt.

Endlich ist noch eine Gefahr. Wenn alljährlich die Ehesatzungen verlesen werden, so höret ihr, wie die katho - lische Kirche ihr Verbot der gemischten Ehe auf die über - wiegenden Gründe der Religion, des Seelenheiles, des ehelichen Glückes und der Erfahrung stützt. Wenn die Brautleute das Versprechen ablegen, all' ihre Kinder ohne Ausnahme im katholischen Glauben zu erziehen, so gibt zwar die Kirche bei überwiegenden Gründen aber auch dann nur ungerne Dispens vom Verbote. Warum noch ungern? Diese Dispens kann nämlich die Natur der gemischten Ehe nicht ändern, deren Uebelstände nicht entfernen, ebensowenig als sie bei nahen Verwandtschafts - graben die rächenden Gesetze der Natur aufheben kann.

Aber wie manche Söhne und Töchter, sogar fromm sein wollende, kümmern sich um diese Gesetze der Kirche rein bichts? Warum sage ich fromm sein wollende? Ob nämlich die Frömmigkeit der Töchter Schein oder Wirklichkeit, Wahrheit oder Heuchelei, die gesunde Frucht eines kräftigen Glaubens oder eine Seifenblase der Ge - fühlsduselei, offenbart sich vor Allem, wenn es sich um die Eingehung und Heilighaltung einer Bekanntschaft, um den Abschluß der Ehe handelt.

Was geschieht aber, leider Gott nur zu oft, wenn eine katholische Tochter mit einem Protestanten, einem Stündler, einem Altkatholik sich verehelicht? Die katho - lische Kindererziehung können oder wollen sie nicht ver - sprechen. Dispens können sie nicht erhalten, aber geheirathet muß doch sein geheirathet. Ist das etwa eine Kleinig - keit? Das ist nach den Entscheidungen der katholischen Kirche eine Sünde wider den Glauben, und wer sie begeht,121 ist der Exkommunikation verfallen. Wollen solche Sünder sich später mit der Kirche aussöhnen, so haben sie sich zuerst ihrem Pfarrer zu stellen; dieser kann sie mit Voll - macht des Bischofs von der Exkommunikation lossprechen und erst dann können sie beichten und die hl. Communion empfangen.

Warum sage und betone ich das? Damit in Zukunft sich niemand entschuldige, er habe diese Entscheidung der katholischen Kirche nicht gewußt, und damit jedermann wisse, welch 'große Sünde er begehe, wenn er gegen die Gesetze der Kirche eine Mischehe eingeht.

Kann mit dieser Sünde der Segen und die Gnade Gottes im hl. Ehesakramente verbunden sein? Urtheilet selbst im Lichte des Glaubens aber ja nicht im Dunkel[ religiöser] Gleichgültigkeit, nicht im Rausche der Leidenschaft. Wenn daher ein großer Theil der Scheidungen und Wieder - verheirathungen auf solche Mischehen fällt, ist das einer - seits einem denkenden Katholiken nicht sonderbar, ander - seits aber wieder ein schlagender Beweis für die Weis - heit der katholischen Kirche, wenn sie ihre Stimme immer lauter und ernster gegen die Eingehung solcher Ehen erhebt.

Um aber die ganze Größe all' dieser Gefahren irgend wie zu ahnen, müssen wir die Geschichte des Reiches Gottes in ihrer ganzen Tiefe auffassen. Satan nämlich war von jeher der geschworene Feind des menschgewordenen Gottes, der uns erlöst hat, und da er ihn aus dem Throne seiner Herrlichkeit zur Rechten seines Vaters nicht mehr erreichen kann, so verfolgt er ihn in seinen Abbildern auf Erden und besonders in der Ehe, dem Bilde der Mensch - werdung und der Vereinigung Christi mit seiner Kirche. Sobald daher der Sohn Gottes in seinem Reiche die Ehe zu einem hl. Sakramente d. h. zu einer Quelle der Gnaden erhebt, welche über Mann und Weib und Kinder sich er -122 gießen, so beginnt auch Satan in seinem Reiche sofort den Kampf, um die Ehe zu entwürdigen, die Familie zu verderben. Denn er weiß, daß nirgends größeres Unheil gestiftet werden kann als hier, wo Natur und Gnade sich so innig durchdringen und wo die ersten Anfänge des menschlichen Daseins liegen. Daher suchte er von den Tagen der Apostel an alle nur möglichen Irrthümer und Gräuel wider die Heiligkeit der Ehe zu verbreiten. (Rive 201) Was aber bis anhin mehr lose, mehr zerstreut, mehr ört - lich war, das ist heute von einer kühnen, christusfeindlichen Partei zum System erhoben, und wird von allen Dächern verkündet, in allen Tonarten gesungen, vielerorts in den namenlosen Gräueln der Prostitution geübt.

So wird dann kommen der Tag, wo in irgend einer Weltstadt, in irgend einem Lande, unter dem Hohngelächter Satans die letzten Spuren der Ehe verschwinden, wo das Weib von der betagten Frau bis zum zarten Mädchen herab heulen und wehklagen wird, wo unter der Herrschaft des Schreckens und unter dem Schrecken der Unzucht flieht, was noch fliehen kann, kommen wird der Tag, wo dies reine Menschenthum für einige Zeit in Blut und Raub und Schändung hausen wird wie die Brüderlichkeit vor bald einem Jahrhundert in Frankreich. Denn im Abfalle von Gott, im Hasse gegen Christus wird der Christ kein Barbar wie der Heide sondern grausamer, wilder als Tiger und Hyäne.

So lange aber Satan die Greuel der Irrthümer noch nicht mit der Macht des Sittenverderbens, noch nicht mit den Thränen und dem Blute des schwachen Geschlechts vollkommen verbinden kann, da bietet er alles auf, daß die noch gläubigen Brautleute im Zustande der Todsünde das hl. Sakrament entweihen und so ihr Haus auf Gottes Fluch aufbauen.

Wem nun gelten diese ernsten und tiefen Wahrheiten,123 welche ihr heute gehört? Allen, aber nicht Allen auf die gleiche Weise. Sie gelten euch, christliche Jünglinge und Jungfrauen: fanget doch nie eine Bekanntschaft an, wo ihr nicht nach den Vorschriften der hl. Kirche in die Ehe ein - treten könntet; wenn ihr aber nach den Gesetzen der Kirche Heirathen könntet, jedoch auf dem langen Wege zum Altare das Taufgewand verlieren müßtet, so löset dieses Verhält - niß gleich auf. Denn es ist für euch besser mit dem Taufkleid unverheirathet in den Himmel zu gelangen, als totsünden - befleckt in Gefahr zu sein, nach einer unglücklichen Ehe vielleicht noch mit Kindern in die Hölle zu stürzen. Wenn aber manche mich hören, welche vielleicht bis anhin traurig gelebt und doch über kurz oder lang das hl. Sakrament der Ehe empfangen wollen, so thuet Buße, aufrichtige wahre Buße, und von heute an begehet keine Tod - sünde mehr.

Wem gelten diese Wahrheiten? All' jenen Eheleuten, welche ohne Buße, ohne Reue mit ihren Jugendsünden auch den Fluch Gottes in die Ehe gebracht haben. Thuet Buße, thuet aber sogleich Buße, um wenigstens jetzt noch den Gnadenreichthum der Ehe von Gottes Erbarmung zu erhalten. Wenn euch aber die Sprache der Aufrichtigkeit und der Reue fehlt, so lasset euch von der gnadenvollen Mutter Gottes, von euern Schutzengeln und hl. Namens - patronen zum göttlichen Heilande führen, damit er euch die Zunge löse, und ihr dann im hl. Bußsakramente die Sprache der Reue und der Aufrichtigkeit recht sprechet und nach Verzeihung der Sünden der dreiarmige Gnadenstrom in euere Familie hineinströme.

Wem gelten diese Wahrheiten? Allen auch denen, welche von der Ehe gar nichts wissen wollen und jung - fräulich zu leben gedenken. Aber wie ist das möglich? Ihr sollet es machen wie das Volk, das die Wunder Christi immer weiter verbreitete: so sollet auch ihr diese124 Wahrheiten bei Zeit und Gelegenheit andern mittheilen; ja ihr könnet leicht in Fälle kommen, wo ihr dieselben nicht bloß Söhnen und Töchtern und Brautleuten, sondern sogar Verheirateten zurufen sollet. Ob verheirathet oder nicht, haben wir alle Gott zu danken für das heilige Sakrament der Ehe und für die darauf gegründete christ - liche Familie.

Ob verheirathet oder nicht, sollen wir zu Gott, der seine Allmacht besonders durch Schonen und Erbarmen offenbart, täglich beten: Er möge doch seine und seines Gesalbten Feinde demüthigen, daß jene Tage des Blutes und der Thränen nicht bloß nicht über uns, sondern über gar kein Volk, über gar keine Stadt hereinbrechen, sondern daß alle ein ruhiges und stilles Leben führen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit, und so nach dem Willen Gottes zur ewigen Glückseligkeit gelangen.

XIV. Die Ehe, ein Abbild der Vereinigung Christi und der Kirche eheliche Liebe und Treue.

Maria war mit Joseph, wenn auch in jungfräulicher doch in wahrer Ehe vermählt. Diese Geheimnisvollste aller Ehen behandelt jener große hl. Thomas mit der ihm eigentlichen Klarheit und Tiefe au einigen Stellen seiner unsterblichen Werte (p. III. q. 29; in Mth. E. I) und wenn er nach den Gründen fragt, warum Maria mit Joseph vermählt war, findet er auch einen in der Beziehung dieser Ehe zur hl. Kirche; denn durch sie wird die Kirche gleichsam vorgebildet; denn auch die Kirche ist Jungfrau und mit einem Manne, mit Christus vermählt.

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Wie nun die jungfräuliche Vermählung Marias mit Joseph das Vorbild der Vereinigung Christi mit seiner Kirche ist, so muß die christliche Ehe das Abbild jener Vereinigung sein. So wird die Ehe zum großen Geheim - niß in Christo und in der Kirche. Um dies Geheimniß so weit nothwendig, recht zu verstehen, erkläre ich die Epistel (Eph. V.) aus der Brautmesse und mache die ehe - liche Liebe und Treue zum Mittelpunkt des Ganzen.

Betrachtet nun nach der Lehre des hl. Paulus die gegenseitige Verbindung und Liebe Christi und seiner Kirche. Christus ist das Haupt der Kirche, diese sein Leib. Er selbst aber der Erlöser dieses Leibes. Er hat seine Kirche geliebt und seinen Vater im Himmel durch die Mensch - werdung gleichsam verlassen und verlassen seine Mutter die Synagoge, um sich für seine Braut hinzugeben, die - selbe in der Wassertaufe durch das Wort des Lebens zu heiligen und sich dieselbe ohne Mackel und Mängel herr - lich darzustellen. So hat er sich mit seiner Braut für immer vermählt. Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an's Ende der Welt. Ganz natürlich. Oder ist denn das Haupt nicht dort, wo der Leib?

Die Liebe und Treue der Kirche zu Christus könnet ihr wie mit leiblichen Augen sehen und betrachten. Sie offenbart sich, wie der hl. Paulus schreibt, in Gehorsam, in Unterwürfigkeit. Was hat die Kirche nur für die Heiligkeit der Ehe bis auf diese Stunde schon gekämpft und gelitten? Warum leidet sie heute so viel in ihrem Oberhaupte, in ihren Bischöfen und Priestern, in so vielen frommen Seelen? Warum fließt das Martyrblut ihrer edelsten Kinder heute noch? Warum will sie lieber noch weit mehr leiden, als mit der Welt und den Irrthümern der Neuzeit sich aussöhnen? Warum? Die Braut Jesu Christi liebt ihren Bräutigam so innig, so treu, daß sie lieber alles leiden will, als ihren Blick nur irgendwie126 auf einen andern werfen oder nur irgendwie auf das Wort eines andern hören. Sie kennt nur einen Bräutigam, indem sie als Braut ganz aufgeht, nur ein Haupt, dem sie als Leib ganz unterworfen ist. Das ist das Vorbild christ - licher Ehe, welche diese geheimnisvolle Verbindung im Leben darstellen soll, um so das große Geheimniß in Christo und der Kirche zu werden.

Daher sagt denn der hl. Paulus, der Mann ist das Haupt des Weibes, wie Christus das Haupt der Kirche; aber wie die Kirche Christus unterworfen, so seien es die Frauen den Männern. Männer, liebet euere Weiber, wie Christus seine Kirche geliebt. Weiber, liebet euere Männer, daß ihr ihnen gehorcht wie die Kirche Christo.

Männer liebet euere Weiber wie Christus seine Kirche geliebt. Was suchte Christus? Nicht seinen Ruhm, nicht seine Bequemlichkeit, nicht Genüsse, nicht Reichthümer sondern in Schmach, in Armuth, in Verachtung, in Blut, in Wunden suchte er seine Braut; heiligte sie, um in ewiger Vermählung bei ihr zu bleiben. Aber hat er denn selber gar keine Freude? Eine unendliche; aber diese ist das Glück seiner Braut und ihrer Kinder in der Herrlichkeit des Himmels: seine Freude ist die Liebe, der Gehorsam, der Opfergeist seiner Braut und ihre Mutterliebe zu all' den Millionen Kindern, ihre Ausdauer, ihre Geduld in zahllosen Leiden.

Männer liebet euere Weiber wie Christus seine Kirche geliebt. Suchet also nicht euern Vortheil, nicht Geld, nicht Genüsse, sondern einzig und allein das Wohl euerer Weiber. Vergesset daher nicht die Worte des hl. Chry - sostomus: Die Genossin deines Lebens, die Mutter deiner Kinder, den Grund und die Gelegenheit jeglicher Freude darfst du nicht mit Furcht und Drohungen an dich binden, sondern mit Liebe und Wohlwollen. Deswegen sei sie dir unterworfen, daß sie um so mehr geliebt werde. (Chrys. in Eph. V.)

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Wenn ihr nun gegen euere Weiber so gesinnt seid, werden diese auch gegen euch sich verhalten, wie die Kirche gegen Christus, daß euere Familien gleichsam die katho - lische Kirche im Kleinen wird. Denn, christliche Frauen, beherziget die Worte des hl. Chrysostomus: Deswegen läßt euch Gott von den Männern geliebt werden, damit ihr desto besser gehorchet. Denn euch gilt das Wort: wie die Kirche Christo unterworfen, sollen die, Frauen ihren Männern unterthänig sein. Was ist denn dieser Gehorsam der Kirche? Die zärtlichste Liebe, welche einerseits nichts fürchtet, als durch Ungehorsam ihrem Bräutigam zu miß - fallen, anderseits aber alles aufbietet, dessen Willen auf's vollkommenste zu erfüllen. Das soll auch euere Liebe gegen euere Männer sein.

Erhebet euch doch wenigstens einen Augenblick über all' dies Elend des ehelichen Lebens, diese Streitigkeiten diese Reibereien, diese Lieblosigkeiten und betrachtet zu welcher Liebe und Freundschaft ihr berufen seid und wie ihr darin bei manigfachem Elende doch so leicht glücklich sein könntet.

Um nämlich dies große Geheimniß in Christo und seiner Kirche noch tiefer zu erklären, mahnt der hl. Paulus ferner: Die Männer müssen ihre Weiber lieben wie ihren eigenen Leib. Wer sein Weib liebt, liebt sich selbst. Denn niemand haßt sein eigenes Fleisch, sondern nährt und pflegt dasselbe wie auch Christus seine Kirche.

Wie also die Natur uns antreibt, uns selbst zu lieben, für unsern Leib zu sorgen, so zwingt auch die eheliche Gemeinschaft den andern Theil als sein Fleisch und Blut zu betrachten, zu lieben, zu pflegen. In dieser Liebe ver - lasset ihr Vater und Mutter, gebet alle Verbindungen auf, werdet Eines mit einer Person, die euch früher ganz un - bekannt war. Euere Eltern und Geschwister zürnen euch nicht ob dieser Liebe, welche alles andere zu vergessen128 scheint, sondern werden vielmehr betrübt, wenn euere Ehe kein Abbild der Vereinigung Christi mit seiner Kirche.

Ihr alle, die ihr nach jenen Flitterwochen vielleicht viel Unfrieden erlebtet, erhebet euch jetzt einige Augen -[ blicke] über dies menschliche Elend und betrachtet diese Liebe in ihren Früchten.

Sie ist die Mutter der Eintracht, die so lieblich ist, daß der hl. Geist davon spricht: In drei Dingen gefällt sich mein Geist: Eintracht unter Brüdern, die Liebe des Nächsten, und Mann und Weib die gut übereinstimmen. (Eccl. XXV, 1 u. 2) Eintracht! Nach einem und demselben Dinge trachten, das gleiche Ziel verfolgen! Was will das Haupt? Das Glück des Leibes. Und der Leib? Das Wohl des Hauptes. Haupt und Leib wollen ein und das - selbe. Denn sie bilden nur ein Ganzes und so ist kein Widerstreit ihrer Vortheile möglich. So in den Familien, wo die gottgewollte eheliche Liebe waltet. Daher dann jener Friede, wo eines die Last des andern trägt. Denn die wahre Liebe ist ja geduldig. Sie muß zwar oft warnen und mahnen, aber sie duldet.

An wen soll ich da erinnern. Es duldete jener Philosoph Sokrates, dessen Weib Xantippe ihrer Zanksucht wegen zum Sprichworte geworden bis auf den heutigen Tag. Sokrates war ein Heide.

Der alte Tobias duldete und betete und seufzte, als sein zorniges Weib über sein Unglück, seine Frömmigkeit, seine Almosen spottete. Tobias war ein Jude. Eine hl. Monika lebte in großer Liebe und großem Frieden mit ihrem zornmüthigen Manne und bekehrte ihn durch das Beispiel ihrer Liebe zum Christenthum. Eine Johanna Rodriguez duldete von ihrem Manne jahrelang Schläge und Mißhandlungen aller Art und opferte alles für dessen Bekehrung auf. Reumüthig starb er in ihren Armen. Aber, denket ihr vielleicht in solchen und ähnlichen Fällen129 gestattet die katholische Kirche doch auch das Getrenntleben der Gatten. Allerdings, aber mit blutendem Herzen, und macht es den Getrenntlebenden zur Gewissenspflicht, ihre Leidenschaften zu bändigen, um mit einander friedlich leben zu können. Denn, vergesset es doch nie, wenn nur eines eine wahrhaft gründliche Frömmigkeit hätte, würde niemals auch nur eine augenblickliche Trennung erfolgen, ebenso - wenig als die Kirche der Leiden und Verfolgungen wegen auch nur einen Augenblick von Jesus Christus sich entfernt.

Betrachtet nur ein wahrhaft katholisches Weib: Keine, die von Frömmigkeit redet, sondern sie übt, keine, die euch schön redet, den Mann in allem beschuldiget, während sie eine halbe Heilige ist sondern eine solche, welche nicht heuchlerisch, sondern wirklich in sich nur Sünde und Elend erblickt, ja nehmet ein solches Weib: Ihr Mann ist alles ein Trinker, ein Spieler, ein Rasender und vielleicht noch mehr nur kein Gatte, nur kein Vater; aber dieses Weib läuft euch nicht vom Manne weg, geht zu keinem Advokaten, erscheint vor keinem Vermittler sondern spricht: Ich will unter dem Kreuze stehen, wie die schmerzhafte Mutter, ich will büßen für meine Sünden, ich will durch Liebe und Geduld und Gebet meinen Mann auf bessere Wege bringen; um dafür Licht und Kraft zu erhalten, will ich öfters die hl. Sakramente empfangen aber scheiden auch nur für einen Augenblick werde ich nie und nimmer.

Wer spricht so? Die wahre Frömmigkeit. Alles andere ist mehr oder weniger Schein, geeignet die zu täuschen, welche von der ächten Frömmigkeit und der Ver - stellungskunst gewisser Leute keine Ahnung haben.

Aber kann es denn nicht auch eine wahre Frömmigkeit geben, welche das Kreuz des Unfriedens nicht mehr tragen kann und Scheidung verlangt? Hierüber will ich nicht entscheiden; aber so viel muß ich doch bemerken: haben130 solche Eheleute nur noch einen Schatten von Frömmigkeit und katholischem Leben, so werden sie nicht beruhiget sein, wenn sie bloß durch das weltliche Gericht getrennt sind, sondern ihre Hauptsorge wird sein, von der hl. Kirche die Erlaubnis; für das Getrenntleben zu erhalten. Denn wer immer in dieser Sache um die Verordnungen der Kirche sich nicht kümmert, ihren Mahnungen vielleicht widersteht, wandelt den Weg der Todsünde, wohin aber dieser führt, wisset ihr alle.

Nicht wahr, angesichts der katholischen Kirche von solchen Sachen nur reden zu müssen, ist schon überaus traurig; wenn aber in Trunksucht, in Streit und Zank und Schlägen, in Haß und Toben wenn in all diesem Aergerniß für die Kinder die Ehe vom Abbilde der Ver - einigung Christi mit seiner Kirche zum Vorbild der Hölle verwüstet wird ist das nicht noch viel trauriger? Und doch noch lange nicht das Traurigste. Denn wie weit gehen oft diese Verirrungen? Wenn die Kirche zwar von Christus sich nicht ganz trennte, dabei aber einem Muha - med gleiche Verehrung zollte welch ein unnatürliches Verbrechen! Aber was ist denn der Ehebruch? Du magst vielleicht äußerlich mit deinem Gatten oder deiner Gattin noch zusammenleben, noch irgend welche eheliche Liebe haben aber wenn du diese Liebe, dies Herz, diesen Leib mit andern theilest, gleicht denn deine Sünde nicht dem Ab - falle der Kirche von ihrem göttlichen Bräutigam und ihre Hingabe an einen Betrüger? So verglichen schon die Propheten den Abfall von Gott und den Götzendienst mit dem Ehebruch. Wenn aber erst diese Sünde die letzte menschliche Regung erstickt, das letzte Roth der Scham verwischt, aus dem Dunkel heraustritt, wie ein Mittags - teufel einherschreitet in Scheidung und Wiederverheirathung oder in ähnlichen Greueln ihre Orgien feiert wahr - haft da würde einem hl. Chrysostomus bei allem Fluß131 seiner Rede doch das Wort fehlen, da würde jenem großen hl. Chrysologus im Feuer der Rede auf einmal die Stimme versagen da würde vielleicht jener gewaltige Bischof und Kirchenvater von Nazians ausrufen: Nur das ewige Wort, das in der Fülle der Zeit Fleisch ge - worden, wird und kann die für solche Greuel nothwendige Beredsamkeit am jüngsten Tag entfalten, daß selbst die Engelchöre und die Heiligen erzittern bei jenen Worten: Weichet von mir, ihr Verfluchten ins ewige Feuer.

Verblendung der Menschen! Wie nahe das Glück den Eheleuten in der kath. Kirche! Vor euch steht sie sichtbar, strahlend die Braut Jesu Christi, vor euch steht sie iu ihrer Liebe und Treue gegen ihren göttlichen Bräu - tigam. Das ist euer Vorbild, ihr könnet es nicht aus den Augen verlieren. Aber auch die hl. Familie von Naza - reth muß euch stets gegenwartig sein. Warum? Der ganze Weihnachtskreis mit all seinen Festen bewegt sich um dieselbe wie um den gottgegebenen Mittelpunkt; so viele Feste der Mutter Gottes und des hl. Joseph ver - setzen uns in jenes Heiligthum von Nazareth. Auch den freudenreichen Rosenkranz betet ihr. Was sind jene Geheimnisse? Die Geschichte der hl. Familie, vom hl. Geiste in ein wunderbares Schauspiel von fünf Akten zusammengefaßt! Betrachtet daher diese Geheimnisse oft, besonders zur Zeit der Gefahr und der Versuchung, damit ihr in der Nachahmung der hl. Familie in ehelicher Liebe und Treue mit einander verbunden bleibet, wie Christus mit seiner Kirche vereiniget ist. Wie nahe das Glück Ehe - leuten in der katholischen Kirche! Und dieses Glück wie gesichert! Denn auf der Felsenhöhe der tiefsten Glaubens - wahrheiten ist die christliche Ehe und Familie aufgebaut und mitten im Felsen strahlt die Gnadenquelle für Eltern und Kinder unversiegbar. Keine Macht der Welt ragt da hinauf. Da mag die glaubensarme und deßwegen trostlose132 Gesellschaft für die Ehe alle nur möglichen Formen er - finden oder auch die letzte Form derselben zerschlagen: so lange es eine katholische Kirche giebt, eben so lange ist auch deren Abbild zu finden.

Damit ist natürlich nicht gesagt, daß die einzelnen Ehen nicht in Gefahr daß sie nicht auf die traurigste Weise verwüstet und zerrissen werden können aber daran sind die Eheleute selber Schuld, indem sie ihren Leiden - schaften freien Lauf gestatten. Trachtet daher in den Tagen euerer Jugend nach einer gründlichen Frömmigkeit voll lebendigen Glaubens, voll Demuth, voll Selbstverleugnung, voll Gehorsam im Strahlenglanze der Jungfräulichkeit. Mit angelernten Uebungen, mit einer süßlich sentimentalen Andacht, mit frommen Romanen und Liebeleien ist da nichts gethan das heißt nur mit Zucker einen Strom eindämmen. Trachtet nach jener wahren Frömmigkeit in gegenseitiger Liebe und Geduld ihr, die ihr schon im Ehestande lebet, damit euere Familie in der Nachfolge der hl. Familie von Nazareth ein Abbild der Vereinigung Christi mit seiner Kirche werde.

Wie nahe das Glück den katholischen Eheleuten! Ich will das Geheimniß Gottes vor euch nicht verbergen (Sap. VI.) Diese Worte aus dem Buche der Weisheit, führt S. Thomas (in Eph. V, lect. X) an, wenn er das Geheimniß der Ehe erklärt. Ich habe euch das Geheim - niß nicht verborgen und durfte es nicht verbergen. Was ist also der Mann? Gleichsam ein zweiter Christus. Und das Weib? Wie eine zweite katholische Kirche. Und ihre Ehe? Ein Abbild der Vereinigung Christi mit seiner Kirche, ein großes Geheimniß. Und euere Kinder? Die Himmelsfrucht dieser Liebe und Vereinigung. Ich will das Geheimniß Gottes vor euch nicht verbergen. Welch ein Heiligthum der Familie!

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XV. Die Gewalt der Kirche betr. Ehehindernisse und die Verwandtschaftsehen.

Wir bestehen aus Leib und Seele; beide wollen glücklich sein, sowohl auf dieser Welt, als in der Ewigkeit. Weil aber in Folge der Sünde uns der Himmel ver - schlossen und die Erde ein Jammerthal geworden ist, kam der Sohn Gottes, nicht bloß um den Himmel wieder zu öffnen, sondern auch das zeitliche Elend zu mindern oder ganz zu heben. Daher sehet ihr denn, wie er nicht bloß die Wahrheit lehrt, die Sünden verzeiht, die hl. Sakra - mente einsetzt, das Opfer am Kreuze darbringt, sondern auch wie er die Krankheiten und Gebrechen der Menschen heilt, ihnen Winke gibt, wie sie auch für dies Leben glücklich sein können.

Auf ähnliche Weise handelt auch die katholische Kirche. Denn sie ist nur der auf Erden fortlebende und fort - wirkende Christus. Diese Muttersorge der hl. Kirche könne ihr im hl. Sakrament der Ehe betrachten. Denn sie will die Eheleute durch dies hl. Sakrament nicht bloß heiligen, und für den Himmel vorbereiten, sondern so weit es möglich ist, auch für diese Welt glücklich machen. Um deß - halb alles zu entfernen, was das eheliche Glück stören könnte, hat sie Ehehindernisse aufgestellt, dispensirt aber auch in gewissen Fällen davon. Da nun komme ich auf einen Gegenstand, dessen Verständniß so vielen fehlt, ob - wohl er von außerordentlicher Wichtigkeit und Bedeutung ist. Viele, wenn sie nicht gleich heirathen können, glauben, die Laune des Pfarrers sei daran Schuld, während es sich um ein hl. Recht der Kirche handelt, bei dessen Gebrauch134 sie eine wahrhaft göttliche Weisheit entfaltet. Ich kann natürlich heute nicht von allen Ehehindernissen reden; es ist aber auch nicht nothwendig. Daher will ich denn nur das Verbot der Ehen zwischen nahen Verwandten näher beleuchten. Daher rede ich: 1. vom Rechte der Kirche, Ehehindernisse überhaupt aufzustellen und davon zu dis - pensiren; 2. von der Weisheit der Kirche im Verbote der Verwandtschaftsehen.

Die Ehe ist von Jesus Christus zu Würde eines hl. Sakramentes erhoben worden. Also hat die Kirche Gewalt über die Ehe, wie über jedes andere hl. Sakrament. Jesus Christus hat nur die Einheit und Unauflöslichkeit näher bestimmt, so daß die Kirche in diesen Punkten nie - mals eine Abänderung treffen oder gestatten kann; dagegen hat er es ihrer Weisheit überlassen, andere Bestimmungen zu treffen, je nachdem die mannigfaltigen Verhältnisse von Zeit und Ort, von einzelnen Menschen, von Familien, oder auch ganzer Völker es verlangen sollten.

Von dieser Gewalt machte auch die Kirche wirklich Gebrauch, ohne daß es in den ersten Jahrhunderten Jemanden eingefallen wäre, über Anmaßung zu klagen. Wenn nun auch schon in den apostolischen Zeiten die Priesterweihe als Ehehinderniß aufgestellt wurde, müßet ihr euch doch die Sache nicht so vorstellen, als hätte die hl. Kirche so auf einmal eine vollständige Ehegesetzgebung gemacht. Das ist niemals ihre Sache. Denn sie wirft ihre Gesetze niemals unter das christliche Volk, sondern ihre Bestimmungen wachsen gleichsam aus dem Glauben und den Sitten des Volkes heraus. Will nur ein Beispiel anführen. Wie der hl. Augustin (de civit. Dei XV, 16) berichtet, war zu seiner Zeit noch kein ausdrückliches Gesetz, welches die Ehen zwischen Geschwisterkindern verbot; aber dennoch verabscheute man nach damaliger Sitte dergleichen Ehen fast wie die Ehen unter Geschwistern.

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Welche Bedeutung hatte diese Gewohnheit in Ehe - sachen? Der hl. Augustin (ibd) sagt: Wenn es unrecht ist, aus Habsucht die Grenzen der Aecker zu überschreiten, wie viel mehr ist es unrecht, aus Fleischeslust die Grenze der Sitte zu unterwühlen. Was will er mit diesen Worten? Es ist ein Unrecht, wenn ihr das siebente Gebot aus Habsucht übertretet und euch fremdes Eigen - thum anmaßet; aber es ist ein noch viel größeres Unrecht wenn aus Fleischeslust Geschwisterkinder gegen die Sitte sich ehelichen. Als aber diese Sitte nicht mehr stark genug war, kamen die eigentlichen Gesetze und Verordnungen, welche die Verwandtschaftlichen nach und nach bis zum siebenten Grade verhinderten und verboten.

An wen aber wandte man sich in all' diesen Fragen und Schwierigkeiten? An den Stellvertreter Jesu Christi in Rom. So verlangten die Bischöfe Frankreich's gegen Ende des vierten Jahrhunderts vom damaligen Papste Siricius Auskunft, wie es nach Uebung und Recht mit den Verwandtschaftsehen zu halten sei. Als der Glaube in England und Deutschland verkündet wurde, wandten sich die Missionäre und Bischöfe an die damaligen Päpste mit der Anfrage, welche Geltung die Ehehindernisse unter den bekehrten Völkern habe.

Was folgt nun aus diesen und ähnlichen Thatsachen? Die Ehegesetze der Kirche wurden früher beobachtet, als geschrieben, und erst eingeschärft, als man anfing, die Sitte außer Acht zu lassen. Weil aber dem Papste die ganze Fülle der Binde - und Lösegewalt übergeben ist, lag auch in all diesen Sachen die Entscheidung bei ihm. Die Kirche hat also von alten Zeiten her Ehehindernisse auf - gestellt, aber auch davon dispensirt.

Gregor II. erlaubte den neubekehrten Deutschen, im fünften und sechsten und siebenten Grade der Blutsverwandt - schaft zu heirathen; Gregor III. hob diese Dispens wieder136 auf, indem er an den hl. Bonifaz schrieb: Wir beschließen, daß sie die Abstammung berücksichtigen bis auf den siebenten Grad. Als erste eigentliche Dispens gilt gewöhnlich die, welche Innocenz III. dem Kaiser Otto IV. bewilligte, im fünften Grade der Blutsverwandtschaft. (1207.) Der Papst wurde von allen Seiten gebeten und bestürmt; die wich - tigsten Gründe wurden geltend gemacht. Und doch ließ sich der hl. Vater erst nach langer Zeit und trotz der wichtigsten Gründe nur äußerst ungerne, wie gezwungen und nur unter schweren Bedingungen zur Dispens be - wegen. Der Kaiser mußte zwei große Klöster stiften, reiche Almosen geben, der Kirche seinen Schutz versprechen. Die Aebte von Clugny und Ateaun mußten sich verpflichten, die Gebete und Bußwerke ihrer Ordensleute zu verdoppeln, um die der Kirchenzucht geschlagene Wunde zu heilen. Da nun sehet ihr auch den Ursprung und die Bedeutung der Dispensgelder. Es gibt so unwissende Katholiken, welche meinen, es handle sich da um einige Franken, man müsse dem Pfarrer nur ein Goldstück geben, damit gehe es schon Dispensen werden nicht gekauft und nicht verkauft, sondern gratis ab - gegeben Aber wozu denn Geld? Das ist gleichsam eine Buße für die der Kirchenzucht geschlagene Wunde. Wenn aber die Kirche in dieser Beziehung nicht mehr so strenge ist wie früher, liegt der Grund in der Schwäche und Gleichgültigkeit ihrer Kinder. Sie will den glimmenden Docht nicht ganz auslöschen. Aber wozu dies Geld? So kann nur jener Katholik fragen, der von der Geschichte der Missionen, der Anstalten, der zahllosen Liebeswerke seiner Kirche nichts weiß, oder auch nichts wissen will.

Die hl. Kirche übte also von jeher das Recht, Ehe - hindernisse aufzustellen und auch davon zu dispensiren. Bis zum Ausbruch der Reformation war sie in ruhigem Besitze dieses Rechtes; denn es kam niemanden in den137 Sinn, dasselbe irgendwie anzugreifen. Ja diese kirchliche Gesetzgebung war in die bürgerlichen Bücher der ganzen christlichen Welt übergangen. Als dann das hl. Sakra - ment der Ehe geleugnet und als ein weltlich Ding erklärt wurde, mußte natürlich auch jene Gewalt der Kirche weg - geleugnet werden, Daher mußte denn die hl. Kirchen - versammlung von Trient die Sache genauer untersuchen, und erklärte dann, es sei eine göttlich geoffenbarte Glaubens - wahrheit, daß die Kirche von sich aus Ehehindernisse auf - stellen und davon dispensiren könne, und daß die Kirche in der wirklichen Aufstellung nicht geirrt habe.

Wenn wir also Katholiken bleiben und auch katholisch handeln wollen, ist für uns die Sache ausgemacht und bestimmt. Denn nicht bloß die alte Sitte und Uebung von jeher, sondern der hl. Geist selbst verkündet uns diese Gewalt der Kirche. Uns bleibt nur mehr die demüthige Unterwerfung unter dieselbe. Dies wird uns um so leichter, wenn wir den weisen Gebrauch dieser Gewalt betrachten.

Wenn ich nun von der Weisheit der Kirche im Ver - bote der Verwandtschaftsehen rede, thue ich es nicht, um die Kirche zu rechtfertigen; denn der erste und letzte Grund etwas für gut und wahr und weise und ersprießlich zu halten, soll für uns der Entscheid der heiligen Kirche sein. Katholisch nämlich ist nur folgende Art Beweisführung: Die Kirche hat so entschieden, also ist es wahr; die Kirche hat es so verordnet, also ist es gut. Wenn ich daher diesen Punkt gleichwohl berühre, thue ich es nur, um die Schwachen zu belehren, und alle zu be - stimmen, sich den Anordnungen der Kirche bereitwilligst zu fügen. Geht die Blutsverwandtschaft und Verschwägerung aus der Ehe hervor, so sind die Verwandten und Ver - schwägerten bis zum vierten Grade verhindert, sich zu ehe - lichen, und zwar so, daß nach der Verordnung der hl. 138Kirchenversammlung von Trient im zweiten Grade der Blutsverwandtschaft nie dispensirt werden soll, außer bei großen Fürsten und auch das nur dann, wenn es sich um das allgemeine Wohl des Vaterlandes handelt. In den übrigen Graden soll selten und aus wichtigen Gründen Dispens gegeben werden. Was ich nun zu sagen habe, gilt natürlich um so mehr, je näher die Verwandtschaft, gilt um so weniger, je ent - fernter sie geworden. Was mag also die Kirche zu dieser Handlungsweise bestimmen?

Vor allem sociale oder gesellschaftliche Gründe. Wie so? Sehet einmal. Schon der hl. Augustin redet in seinem unsterblichen Werke über die Stadt Gottes von diesem Punkte (XVI, 16). Die Menschheit soll nach dem Plane Gottes und nach den Absichten der Kirche eine Familie bleiben, wie sie auch von einem Vater abstammt, und was die Sünde zerrissen, soll die Liebe wieder an - knüpfen und verbinden. Und ein Mittel sollte unter andern auch die Ehe sein. Daher ist sie für die Menschheit eine wahre Pflanzschule der Liebe, der Vereinigung, der Ver - brüderung. Wie das? Wenn du eine Person ehelichst, der du bis jetzt ganz ferne gestanden, werden ihre Eltern ihre Brüder und Schwestern, ihre Freunde und Verwandte gleichsam auch deine Eltern, deine Brüder, deine Schwestern, deine Freunde und Verwandten. Ist das nicht trostreich in den Tagen des Glückes wie des Unglückes? Wenn du aber aus deiner Verwandtschaft heirathest, wo sind deine neuen Freunde? Wo deine neuen Brüder und Schwestern? Warum willst du wie eine Schnecke dich in dein enges Haus eindeckeln? Warum willst du dies weite Feld der Liebe einschränken? Warum dich stets in derselben Freund - schaft bewegen, während dem du durch eine fremde Gattin ganze Schaaren neuer Freunde haben kannst? (Chrys. h. 34, n. 4, in I. Cor.) Urtheilet nun selbst, meint es die139 Kirche nicht gut und weise mit uns, mit unsern Familien, mit unsern Nachkommen, wenn sie uns zwingen will, den Kreis unserer Freundschaft und Verwandtschaft immer weiter auszudehnen?

Wenn euch das nicht genügt, so betrachtet einmal die Ordnung der Sitten. Da nun sind verschiedene Punkte wohl zu beachten. Warum wird die Sünde der Unzucht mit nahen Verwandten als abscheulicher angesehen und von weltlichen Gesetzen auch schärfer bestraft? Wer hat dies gelehrt? Warum findet sich diese Anschauung und dies Gefühl allüberall? Die Natur selbst ruft überall wie mit lauter Stimme: Das geht zu stark gegen meine Gesetze; das ist eine zu greuliche Verletzung jener Pietät und Ehrfurcht, welche ihr diesen Verwandten schuldet. Aber was hat denn das mit diesen Ehen zu thun? Der große Denker Augustinus hat es ausgesprochen (ibd): Es liegt in der menschlichen Schamhaftigkeit ein natür - liches, lobenswerthes Gefühl, das sich der ehelichen Ver - bindung mit denen enthält, welchen es um der Verwandt - schaft willen eine gewisse Verehrung und Pietät schuldet. Ein natürliches Gefühl! Bemerket wohl diesen Ausdruck! Wir haben es von der Natur ererbt; die christliche Reli - gion hat es nur ausgebildet, nur empfindsamer und feiner gemacht. Selbst unchristliche Schriftsteller, wie Montes - quieu, geben ihm Ausdruck in den Worten: Diese Gründe sind so mächtig und so natürlich, daß sie beinahe über die ganze Erde, unabhängig von jeder Mittheilung, sich geltend gemacht haben. (Esprit des lois XXVI, 24.)

Was ist also die katholische Kirche? Die Wächterin der Natur, die Beschützerin ihrer Rechte und ihrer zartesten Gefühle! Der Engel Gottes, der über die Sittlich - keit im Heiligthum der Familie Wache hält. Sehet einmal was in dieser Beziehung der hl. 140Thomas (II. II. 9, 154, a. 9) bemerkt:Blutsverwandte Personen stehen nothwendig in vielfachem Verkehre, deßhalb wäre die Gelegenheit zur Verführung zu groß, wenn die Ehe unter ihnen erlaubt wäre, und die Menschen unsittlich. Darum scheint im alten Bunde besonders die Ehe der - jenigen Personen verboten zu sein, die nothwendig zu - sammen wohnen müssen. Beachtet wohl diese Wahrheit, um die weise Fürsorge der Kirche nicht bloß zu verstehen sondern zu würdigen. Ihr wisset es wohl, in wie viel - fachem Verkehre die Verwandtschaften stehen und häufig stehen müssen! Ihr arbeitet mit einander, helfet einander, machet gegenseitig Besuche und mit einander Ausflüge, wohnet unter demselben Dache, müsset häufig allein bei einander sein in Folge von Krankheiten und Geschäften und Besuchen. Wenn nun bei solchen Anlässen, trotz der natürlichen Ehrfurcht vor dem verwandten Blute, trotz der Heiligkeit der Ehe, trotz des Schutzes, den man nach göttlichem und natürlichem Rechte bei Verwandten finden muß, dennoch die zartesten Gefühle oft ver - letzt und die hl. Rechte zertreten werden, was würde erst geschehen bei der Aussicht, daß man sich gegenseitig ehelichen könne? O, wäre das Uebertreibung, wie glück - lich wären wir! Aber es ist nicht einmal die ganze Wahr - heit. Montesquieu behauptet geradezu: Man müßte durch Eheverbote eine unübersteigliche Schranke zwischen den beiden Geschlechtern aufrichten, um jede Art Sittenver - derben zu verhüten. (XXVI, 14.)

Ja noch weit mehr. Als in der französischen Revo - lution nicht bloß die katholische Religion, mit den letzten Spuren des Christenthums vernichtet schien, sondern sogar Gott im Himmel abgeschafft und abgesetzt war, soweit es die menschlichen Gesetze vermochten, konnte die Stimme der Natur doch nicht vollkommen erstickt werden, wenn auch die Menschen wie wilde Bestien geworden zu sein schienen. 141Als nämlich damals die Bestimmungen betreffend Ver - wandtschaftsehen getroffen wurden, bemerkte Gillet in seinem Berichte: Es ist von Interesse für die Gesellschaft, daß die Vertraulichkeit in den Familien keine Gelegenheit werde für verbrecherische Verführungen, Anschläge und Eifersucht, da vielmehr in der Familie die Sitte und Zucht, wie in ihrer natürlichen Zufluchtsstätte dienen soll. (23 ventose an. XI). Wenn nun selbst die Gottlosigkeit für die Wahrheit Zeugniß ablegen muß, was ist denn von jenen Katholiken zu halten, welche gleich lästern und schimpfen und drohen, wenn ihnen eine Dispens ver - weigert wird? Kämpfen sie nicht gegen ihre Kirche, ja gegen die Natur selbst und ihre unverwüstlichen Hoheits - rechte? Es mag nun allerdings wahr sein, daß dieser Grund nicht bei allen Familien eintrifft; allein die Kirche schaut bei ihrer Gesetzgebung, wie jede andere Gesellschaft, nicht auf die Einzelnen, sondern auf das allgemeine Wohl, um die Unschuld und Keuschheit, soviel an ihr liegt, in allen Familien zu erhalten.

Aber noch ganz Anderes beabsichtigt die hl. Kirche. Beobachtet nur einen Punkt, dessen Mißachtung schon so viel Thränen in unglücklichen Ehen verursacht hat und immer noch hervorbringt.

Als was nämlich betrachten so häufig Eltern und junge Leute die Ehe? Als ein Geschäft, um schnell reich oder noch reicher zu werden. Da gibt es nun nahe verwandte Familien, welche Geld und Vermögen nicht aus ihrem Zauberkreis herauslassen wollen. Was thun? Man verschachert eine Tochter all ihren Vetter, damit ja zusammenbleibe, was ihre Eltern ererbt und auf jede Weise zusammengeschachert haben. Trotz des kirchlichen Verbotes kommen solche Fälle vor. Wenn aber die Habsucht und der Geiz alle Wege offen und frei142 hätten, was würde dann erst geschehen? Welche Aus - schreitungen? Und dann murrt und klagt man noch, wenn die katholische Kirche nicht allen Launen nachkommen will: wenn sie für die freie Selbstbestimmung des Men - schen in seiner wichtigsten Lebenssache alle Vorsichtsmaßregeln trifft und nur wie gezwungen, um größere Aergernisse zu verhüten, hie und da nachgibt! Und dann murrt man noch!

Sollte aber die Erweiterung der Freundschaft, die Verbrüderung der Familien, die Gefahren der Sittlichkeit, die zartesten Gefühle der Natur, die Freiheit der Ehe nicht genügen, um die Weisheit der Kirche zu verstehen, so betrachtet endlich noch die natürliche Ordnung der Dinge. Während nämlich die Leidenschaft der katholischen Kirche vorwirft, sie verletze die Rechte der Natur, zeigt die ungetrübte Vernunft, wie gerade die Ordnung der Natur durch die Kirche Gottes beschützt und erhalten bleibt. Und das muß auch so sein. Denn der gleiche Gott, wel - cher die Gesetze und die ganze Natur wie in den Leib und das Blut des Menschen gelegt hat, der hat auch durch seine hl. Kirche das Gesetz für das sittliche Leben verkündet. Es kann natürlich hier nicht der Ort sein, diesen Punkt tiefer und allseitiger zu entwickeln; nur was die Erfahrung lehrt, will ich andeuten.

Es können allerdings aus allen Ehen Kinder mit allerlei Gebrechen abstammen, besonders wenn die Eltern unvernünftig handeln, sich der Trunksucht, dem Zorne, der Wohllust oder Leidenschaften hingeben; aber die Beobach - tung und Erfahrung lehrt, daß dies bei Verwandtschafts - ehen weit mehr der Fall, ja daß selbst gesunde Kinder geistig und körperlich noch kräftiger sein würden, wenn ihre Eltern nicht verwandt wären. Diese Erfahrung hat143 ihren Ausdruck im bekannten Sprichwort gefunden: Keine Erben, oder Verderben, oder früh sterben. Solch 'traurige Erfahrungen zeigt die Beob - achtung besonders in Bezug auf Taubstumme, Blödsinnige und Geistesschwache. Je öfter diese Gesetze der Natur und der Kirche in einer Familie übertreten werden, desto trauriger sind die Folgen bis zum gänzlichen Verderben und Aussterben. In dieser Beziehung erhebt de Maistre, einer der größten Denker der Neuzeit, warnend und bittend seine Stimme betreff der Verwandtschaftsehen der Könige und Fürsten, mit einem Freimuthe, der an die Propheten des alten Bundes erinnert. Er wünscht, sein Mahnruf möchte ein lautes Echo finden in den Hallen der Königspalaste und in den Säälen des Vatikans, daß die Fürsten keine derartige Dispens mehr verlangen, und die Päpste keine mehr geben.

Und doch droht die Ausnahme immer mehr wieder Gesetz zu werden! Mit Geschwisterkindern soll nur bei Fürsten dispensirt werden und nur dann, wenn das öffentliche Wohl ge - fährdet ist sonst aber gar nie! So lautet die Vorschrift der Kirche! Aber heut zu Tage? Da sind so viele Bettler Fürsten geworden! Und oft welche Fürsten? Ich weiß wohl, daß nahe Verwandte ganz ehrfurchtsvoll um Dispens bitten und auch zufrieden sind, wenn dieselbe verweigert wird; aber wie oft und wie traurig gilt auch jenes Wort: Man muß nur schlecht sein, um Dispens zu erhalten oder wir heirathen civil.

Oder ist es nicht traurig und aller Thränen werth, wenn Zucht und Sitte unter den nächsten Verwandten der - art gesunken, daß nur die Ehe den Sünden und Aerger - nissen ein Ende macht. Ist es nicht überaus kläglich, wenn man mit der Civilehe droht, falls keine Dispens144 gegeben werde! Denn was will das sagen? Meine Leidenschaft ist so groß, meine Sinnlichkeit so unbändig, mein Wille so schwach, mein Glauben und mein katho - lisches Leben so verlottert, daß wenn die Kirche mir nicht erlaubt, was selbst die Natur verbietet, will ich von ihren Gnaden und Sakramenten auch nichts mehr wissen; ich will ohne Kirche leben und ohne sie in die Ewigkeit hin - über. Heirathen will ich, alles andere hat für mich keine Bedeutung. Das ist mehr oder weniger die Sprache der - jenigen, welche Dispens der hl. Kirche abtrotzen. Handelt es sich da um das Wohl der Völker, oder ausschließlich um den Triumph des Fleisches oder den Sieg der Habsucht?

Wenn nun euch die Anwendungen fürs Leben aus dem Gesagten klar sein sollen, will ich doch die wichtigsten Punkte noch berühren. Für's erste fanget nie eine Bekannt - schaft an und duldet keine zwischen Leuten, welche im zweiten Grade blutsverwandt, oder im ersten Grade ver - schwägert, oder mit andern Worten, zwischen Geschwister - kindern und Schwager und Schwägerin. Den Anfängen nämlich muß man widerstehen, sonst wird das Heilmittel zu spät bereitet. Das ist die Aufgabe der Eltern wie der Jugend, wenn ihr nicht erfahren wollet, wie unselig das Wort: Man muß nur schlecht sein um Dis - pens zu erhalten! Aber wenn ihr etwa im dritten Grade verwandt seid? Auch hier ist noch viele Vorsicht nothwendig. Wenn nämlich die Natur hier nicht mehr so traurig sich zu rächen pflegt, ist doch nicht jede Befürchtung grundlos, wenn vielleicht weniger wegen der Ehe, doch wegen der Sittlichkeit in den Familien. Was daher thun? Fraget den Seelsorger um Rath, leget ihm euere Gründe auseinander, und er wird euch die rechte Antwort geben, und daran haltet euch. Aber er wird sagen: Nein! Gut! wenn er auch wirklich abrathet, was dann? Erspart er dir nicht ein Unglück? Wenn er aber einverstanden,145 ist das für dich nicht ein großer Trost? Denn er schaut einzig und allein auf jene Gründe, welche die hl. Kirche bestimmen, Dispens zu ertheilen.

Was dann endlich den vierten Grad betrifft, ist Dis - pens noch leichter zu erhalten. Denn die Gefahren sind schon in den meisten Fällen sehr klein geworden. Aber immerhin habet ihr die heiligste Pflicht, auch diese schon entfernte Verwandtschaft anzugeben, ob man euch darum frage oder nicht. Denn ohne Dispens wäre die Ehe eben ungültig. In dieser Beziehung habet ihr vollkommen auf - richtig zu sein. Denn der Seelsorger kann ja oft nicht wissen, ob und wie ihr miteinander verwandt seid, besonders in den entfernteren Graden. In all' diesen Fällen ist es durchaus nothwendig, daß ihr zuerst zum jeweiligen Pfarrer geht und nachher auf's Rathhaus. Denn ihr könnet ja nicht wissen, ob ihr Dispens erhaltet oder nicht; und wenn ihr sie erhaltet, kann es ziemlich lange gehen, wenn nach Rom berichtet werden muß.

Bei all' dem aber vergesset nie: wenn auch der hl. Vater vom kirchlichen Verbote dispensieren kann, kann er doch niemals die Gesetze der Natur auch nur für einen Augenblick aufheben. Daher rächt sich denn auch die Natur, trotz der Dispens, in so vielen Verwandtschaftsehen.

Die Welt ist ja groß, die Menschen zahllos: suchet euch daher Frauen und nehmet euch Männer, wo Fleisch und Blut voll Natur aus für den Segen Gottes und der Kirche empfänglich ist. Lasset euch dabei nicht täuschen, indem ihr etwa saget: Diese und diese haben doch auch Dispens erhalten und sind glücklich. Haben Dispens erhalten! Weißt du alle Gründe? Hast du die gleichen? Sind glücklich! vielleicht nach außen; aber wie viel Unglück deckt oft der äußere Schein? Und wenn sie auch wirklich glücklich sind, wird's dir auch so146 ergehen, oder wirst du der weit größern Zahl der Un - glücklichen beigezählt werden?

Endlich vergesset auch Folgendes nicht. Die Gründe, welche ihr angebt, um Dispens zu erhalten, müssen wahr sein; ihr habet dem Seelsorger auf seine Fragen gewissen - haft zu antworten. Warum? Wenn ihr in dieser Sache nicht mit der Wahrheit umgehet, so ist eine allfällige Dis - pens ungültig und die Ehe ist keine Ehe, sondern ein fort - gesetztes Sündenleben. Aber wenn ich in diesem Unglücke bin, was hab 'ich dann zu thun? Rede mit deinem Beichtvater oder deinem Seelsorger; es wird dir auch in diesem Falle noch geholfen werden.

Präget euch diese Wahrheiten recht tief ein: handelt darnach und haltet nach euern Kräften auch Andere dazu an. Aber noch mehr. Das Gebot der Kirche soll euch auf's neue belehren, mit welcher Weisheit und Mutterliebe die hl. Kirche für unser ewiges und zeitliches Wohl besorgt ist. Daher sollen wir ihren Anordnungen uns bereit - willig fügen, um das zu erreichen, was sie uns geben will die zeitliche und ewige Wohlfahrt.

XIV. Kampf der Päpste für die Heiligkeit der Ehe.

Ihr wisset, wie das katholische Bewußtsein von der christlichen Ehe vielfach bedroht ist, wie Scheidung und Wiederverheirathung d. h. Ehebruch in Gesetzesform immer häufiger wird, wie katholische Brautleute mit bloßer Civil - ehe oft Jahre lang in Unzucht dahinleben. Ihr wisset aber auch, wie ich diese Irrthümer und Verirrungen gegen die von Christus geoffenbarte Wahrheit und sittliche147 Ordnung ohne Rückhalt verkündet habe. So leicht es nun ist, die Unauflöslichkeit und Heiligkeit der Ehe zu beweisen, ebenso schwierig ist es, dieselbe als Gesetz geltend zu machen im Sturme der heftigsten Leidenschaften, wo die Grundwellen sittlicher Verkommenheit emporsteigen und das Schifflein Petri bedrohen. Was in dieser Beziehung ein - zelne Priester und Bischöfe gethan, gelitten, geduldet, oft bis zum blutigen Martyrium, will ich übergehen und nur auf den Riesenkampf der Päpste für die Heiligkeit der Ehe hinweisen.

Warum rede ich nur vom Papste? Jener tiefe Denker de Maistre gibt den Grund an, wenn er sagt: Die ganze Macht der Kirche würde nichts sein, wenn sie nicht im Papste zusammengefaßt wäre. Denn Bischöfe und Priester, so viel sie auch wagen, sind ihren Königen und Fürsten und Obrigkeiten gegenüber ohnmächtig. Um das große Werk der Ehe nicht bloß anzufangen, vorzu - bereiten, sondern auch durchzuführen bedurfte es des Papstes, des Statthalters Jesu Christi, der einerseits die Fülle des hl. Geistes besitzt, anderseits aber durch seine weltliche Herrschaft von allen unabhängig ist. So fügt denn de Maistre bei: Es genügt im Allgemeinen zu be - merken, daß die Päpste gekämpft haben und allein ohne Unterlaß kämpfen konnten, um auf dem Throne die Rein - heit und Unauflöslichkeit der Ehe festzuhalten, und daß sie schon aus diesem Grunde allein an die Spitze der Wohl - thäther der Menschen gesetzt zu werden verdienen. Doch für unsere Zeit genügt diese Bemerkung nicht, obwohl sie von einem der tiefsten Denker herkommt. Wir wollen und müssen einzelne Beispiele betrachten und so den tieferen Grund dieses allgemeinen Kampfes gegen das Papstthum zu finden suchen.

Schon der hl. Hieronymus erzählt uns ein Beispiel eiserner Festigkeit, womit die Päpste das christliche Gesetz148 zur Ausführung brachten. (Ad ocean ep. 78.) Fabiola, eine der vornehmsten Frauen Roms, hatte einen durch seine Laster unerträglichen Mann. Noch unbekannt von der Strenge des Evangeliums ließ sie sich von ihm scheiden und heirathete wieder. Was that Fabiola? wird sie lästern über die Härte des Papstes, der auch gar keine Rücksicht kenne? Wird sie pochen, sie werde es mit Gott schon einmal ausmachen? Wird sie vielleicht gar von der Kirche abfallen und sich über alles mit Spott und Hohn hin - wegsetzen? Das überläßt sie denen, deren Gott der Bauch, denen, deren hochstes Glück die Befriedigung der niedrigsten Gelüste. Obwohl sie nach den römischen Gesetzen wieder heirathen kann, steht sie dennoch vor der Kirchenthüre im Bußkleid, bereut ihre That als Ehebruch, vor dem ganzen Volke steht sie schweigend, mit bloßem Haupte, mit auf - gelösten Haaren, mit niedergeschlagenen Augen. Bischof, Priester und Volk weinen bei diesem Anblicke. Das war ein Ereigniß für die neubekehrten Heiden, welche auf diese Weise die Unbeugsamkeit der Kirche erkannten. Was that Fabiola nachher? Wieder in die Kirchengemeinschaft auf - genommen, widmete sie ihr Leben nur der Buße und Wohlthätigkeit, gab Alles den Armen, stiftete das erste Krankenhospital, worin sie selbst die Unglücklichen bediente. Wie manche mag es heute geben, welche dieser Fabiola in der Sünde nachfolgten; aber wo sind diejenigen, welche mit ihr Buße thun? und doch ist das nothwendig, wollen sie nicht in das ewige Feuer der Ehebrecher stürzen!

Alls diesem Beispiele glaubet ihr wohl ahnen zu können, was die Päpste im Laufe der Zeit gethan haben; aber wenn ihr euch die großen Kämpfe vorstellet, wie sie nur einmal in einem Jahrtausend vorkommen, ist das alles wie nichts gegen die Wirklichkeit, wie ein sanfter Morgenwind im Vergleiche zum Meeressturm.

Betrachtet nur die Geschichte des Königs Lothar im149 Frankenland. Dieser heirathete 856 Theutberge; aber Walrade, mit welcher er schon vorher unzüchtig gelebt hatte, nahm ihn derart ein, daß er beschloß seine Gattin zu entlassen. Selbst Bischöfe waren ihm behilflich, und die Synode von Aachen löste die Ehe auf, der König heirathete Walrade und ließ sie feierlich krönen.

Damals war Nikolaus I. Papst, ein Mann wie der Prophet Elias, der Schrecken der Sünder, die Freude der Gerechten. Zu ihm nahm die verstoßene Königin ihre Zuflucht, aber auch Lothar wandte sich nach Rom. Der Papst ließ durch zwei Gesandte in Metz eine Untersuchungs - synode halten. Aber durch List und Ränke brachte es der König mit seinen ihm ergebenen Bischöfen dahin, daß seine Ehe mit Walrade auch hier anerkannt wurde. Nikolaus aber erklärte diese Beschlüsse für null und nichtig, die erste Ehe für gültig und unauflösbar, und entsetzte zwei Erzbischöfe ihres Amtes. Der Bruder Lothars, Kaiser Ludwig, führte ein Kriegsheer nach Rom, hauste darin wie die Sarazenen, welche damals in Italien eingebrochen waren und Stadt um Stadt eroberten: ohne Speise und Trank blieb der Papst zwei Tage in der Peterskirche. Der Kaiser erkrankte plötzlich, söhnte sich mit dem Papste aus und zog mit seinem Kriegsheere weg. Indessen bat die unglückliche Königin selbst um Scheidung, allein der Papst konnte auf ihr Gesuch nicht eingehen und mahnte sie zur Sündhaftigkeit. Als alle Versuche fehlschlugen, belegte er endlich den königlichen Ehebrecher mit dem Banne. Bald darauf starb der große Papst, aber nicht das Papstthum. Denn sein Nachfolger Adrian II. führte den gleichen Kampf nach den gleichen Grundsätzen. 869 schien der König bessere Gesinnung annehmen zu wollen und zog nach Italien, um sich mit dem Papste auszusöhnen. Auf die Erklärung, er habe mit Walrade seit dem Spruche Nikolaus I. keinen Umgang mehr gepflogen, wurde er in150 den Kirchenverband wieder aufgenommen. Während der hl. Messe reichte ihm Adrian in der Peterskirche die hl. Communion mit den Worten: Wenn du seit dem Spruche des Papstes Nikolaus mit Walrade nicht mehr im Ehebruch gelebt, auch fest entschlossen bist, nicht mehr mit ihr Um - gang zu pflegen, so tritt voll Vertrauen herzu und em - pfange das hl. Sakrament. Der König that's. So hatte der Papst gesiegt. Aber gleich nachher zeigte der König seine geheuchelte Bekehrung, indem er die Hoffnung aus - sprach, Walrade doch noch heirathen zu dürfen. Allein der Zorn Gottes erreichte den Ehebrecher. Denn bald nach - her starb er mit den meisten seines Gefolges an einem bösartigen Fieber im fremden Lande. Alle betrachteten diesen unerwarteten Tod als ein gerechtes Strafgericht Gottes über den Schänder der hl. Sakramente des Altars und der Ehe. So handelte der Papst vor 1000 Jahren.

Doch betrachtet nun etwas genauer diesen Kampf der Wahrheit und der Sitte gegen die vereinigte Macht der Waffen und der Fleischeslust. Wer will seine rechtmäßige Gattin verstoßen und eine andere heirathen? Kein Bettler, der keine Bedeutung hat, kein Reicher, der nicht wenig zu fürchten, sondern ein König, der einen Kaiser zum Bruder hat. Wer soll da nicht fürchten, nicht ein Auge zudrücken? Nicht schweigen, wenn er im Herzen das Unrecht auch nicht billiget? So sind dann wirklich Bischöfe und Erzbischöfe dem Könige behilflich; aber auf einmal ertönt die Stimme des großen Propheten: Es ist dir nicht erlaubt! Denn für dich, den König, wie für deinen geringsten Unterthan gilt die Heiligkeit der Ehe; das ewige Feuer brennt für den Ehebrecher auf dem Throne ebensolange und noch viel grimmiger, als für den Wüstling ohne Haus und Hof.

Aber, hl. Vater, verwüsten die Söhne Muhameds nicht Italien? Wer wird dich beschützen, wenn auch christliche151 Fürsten deine Feinde sind? Um diese zu gewinnen, solltest du doch ein Auge zudrücken. Das ist Verrath an meiner Sendung. Aber der christliche Kaiser zieht mit einem Kriegsheer in deine Stadt, überall Mord und Plünde - rung; die Kirchen werden gleich verächtlichen Hütten be - handelt, du selbst im Tempel eingeschlossen vergißest ob dem Jammer über dein Volk deinen Hunger, deine Todesgefahr. Warum denn das Band einer un - glücklichen Ehe nicht lösen? Ist es nicht besser, der wohllüstige König, der doch im Ehebruch lebt, heirathe die Ehebrecherin, als daß die ganze Christenheit so viel leide und die Kirche selbst untergehe eines Weiber wegen? Nicht wahr, gerade so rechnet menschliche Klugheit heute wie damals denn sie fürchtet bei der Ohnmacht des Fleisches die Gefahr des Augenblickes. Aber der hl. Vater? Sehet die größten Helden aller Jahrhunderte! Mögen die Söhne Muhameds von Süden und die christlichen Heere vom Norden her diese hl. Stadt bedrängen, dem Erdboden gleichmachen sie gehen zu Grunde auf dem Felsen, den Christus hingelegt, damit die Heiligkeit der Ehe ebensowenig wie der Felsen selbst überwältigt werden kann. Aber, hl. Vater, wenn alle diese Schrecken dich nicht wankend machen, siehe die verstoßene Königin kommt selbst zu dir, bittet und beschwört dich unter einem Thränen - strom, doch das unglückliche Eheband zu lösen. Rührt dich nicht diese Jammergestalt und erschüttern dich nicht diese Thränen? Wenn so manche die Großthaten, die eiserne Festigkeit, die Heldensprache der großen Päpste unserer Zeit nicht verstehen, so denket an diese ehernen Gestalten vergangener Jahrhunderte. Groß und tief haben sie ein Herz, nicht wie gewöhnliche Menschen, denen sinn - liche Liebe als Gemüth und Herz gilt, oder denen ihr Eigennutz, ihre Selbstsucht als Friedenliebe erscheint, sondern wie ein Statthalter Christi, der über die Sünder152 und die Unglücklichen weint wie einst Christus über Jeru - salem. So weint Nikolaus mit der unglücklichen Königin, aber ihrem Wunsche kann er nicht willfahren, sondern spricht zu ihr: habe Geduld, harre aus: du mußt mit mir kämpfen für das Gesetz Jesu Christi, für die Heiligkeit der Ehe, für die Ehre deines Geschlechtes. Denn sobald die Männer nach ihrer Lust euch verstoßen oder andere nehmen können, wie elend, wie verächtlich, wie gemein euere Person, euere Stellung? Theuberge, getröstet und muthigt, harrte in ihrem Unglücke aus.

Aber können denn die Päpste nicht nachgeben? Den Ehebruch können sie niemals billigen, sondern stets ver - dammen, auch wenn er im Modegewand der Civilehe auf - tritt aber den reumüthigen Ehebrecher nehmen sie auf wie der Vater den verlorenen Sohn. So wird auch Lothar vom Vater der Christenheit wieder in Gnaden auf - genommen. Doch seine Besserung ist Heuchelei; Gott aber läßt seiner nicht spotten, läßt nicht ungestraft seinen Statt - halter verfolgen, die Heiligkeit der Ehe schänden, die hl. Sakramente mißbrauchen; wenn die Zeit der Barmherzig - keit unbenutzt vorbeigegangen, beginnen die Gerichte seiner Gerechtigkeit. Der Ehebrecher mit seinen Gehilfen sieht sein Vaterland nicht wieder, und die ganze Christenheit ruft entsetzt aus: Da sehet den Finger Gottes! Dies traurige Ende sollen alle beherzigen, besonders aber die - jenigen welche von der Leidenschaft geblendet in Verhält - nissen leben, welche vor Gott keine Ehe sind auch für sie kommt das Ende!

Wenn wir in gewöhnlichen Zeiten lebten, wo ein einfaches Wort für die Bekehrung der Sünder und für die Beharrlichkeit der Gerechten ausreichte, so dürfte ich hier vielleicht abbrechen; da wir aber in Verhältnissen sind, wo wir die Propheten des alten Bundes und jene großen hl. Kirchenväter wir einen Ephrem von Syrien, einen hl. 153Gregor von Nazianz, einen hl. Chrysostomus von Anti - ochia von Tag zu Tag nothwendiger haben, so muß ich nothwendig noch ein Beispiel anführen und zwar wieder einen König. Philipp August, König von Frankreich, wollte 1193 seine edle Gattin Ingeburga verstoßen und eine andere heirathen. Als seine Höflinge die Ehe wirklich als ungültig erklärten, rief die unglückliche Königin: Böses Frankreich! Böses Frankreich! Rom! Rom! Was be - zeugen diese Worte? Also war Rom schon damals die Zufluchtsstätte aller Unglücklichen, die Hilfe aller Verstoßenen, die Rächerin der geschändeten Ehe. Rom! Rom! Inge - burga täuschte sich nicht; denn 20 Jahre führten die Päpste den Kampf für sie wider den königlichen Ehebrecher.

Jener große Papst Innocenz III. schrieb an seinen Gesandten in Frankreich: wir setzen, wenn es sein soll, unser Blut an Wahrheit und Recht und wollen mit Gottes Hilfe hier nichts durch Täuschung oder zum Scherze beginnen. Unser Blut setzen wir daran? Woran? An die Heiligkeit der Ehe. Nicht zum Scherze, nicht zum Scheine führen wir den Kampf, sondern im hl. Ernste. Und welch 'ein Ernst! Ueber ganz Frankreich spricht der Vater der Christenheit das Interdict aus: Kein Gottes - dienst wird mehr gehalten, keine Glocke mehr geläutet, kein hl. Sakrament mehr gespendet, mit Ausnahme der Taufe und der Sterbesakramente. Der König gerieth in Wuth, und rief das denkwürdige Wort: Ich will ein Ungläu - biger werden; wie glücklich war Saladin; er hatte keinen Papst!

Wer war denn Saladin? Ein Großsultan, glücklich in Krieg und Frieden; der konnte sich Weiber nehmen so viel er wollte; denn er hatte keinen Papst; ihm stand kein Nikolaus, kein Innocenz, kein Gregor, kein Pius, kein Leo als Statthalter Christi gegenüber als Felsen, an dem die Wogenbrandung der Leidenschaft sich bricht. Wie154 glücklich war Saladin, er hatte keinen Papst! Was wäre also aus den christlichen Fürsten ohne Papst geworden? Wie der Großtürke hätten sie längst ihren Harem mit Weibern angefüllt und nach ihrem Beispiele würde ein jeder nach Vermögen und Lust sich Weiber nehmen und wieder verstoßen.

Wem also, ich wende mich an euch, christliche Frauen und Mütter und Töchter wem also habet ihr euere Würde und eueren Adel zu verdanken? Wer setzte Gut und Blut daran, daß ihr nicht eine verächtliche Waare geworden seid? Wer trotzte auf schwachem Schifflein allen Stürmen und Wettern für euere Ehre? Der Statt - halter Jesu Christi in Rom! Und wenn außerhalb der katholischen Kirche das Weib noch ein menschenwürdiges Dasein genießt, so ist es dafür dem hl. Vater zum Danke verpflichtet. Warum? Das Beispiel der katholischen Kirche wirkte segnend weit über ihre Grenzen hinaus. Denn im Angesichte dieser leuchtenden Sonne der Wahr - heit und der Gerechtigkeit, der Heiligkeit und der Keusch - heit wagt es die Finsterniß der Lüge, der Unzucht, des Ehebruches noch nicht recht, aus ihren Schlupfwinkeln her - vorzubrechen.

So verdienen die Päpste, wie de Maistre bemerkt, schon aus diesem Grunde an die Spitze der Wohlthäter der Menschheit gestellt zu werden.

Aber begreifet ihr denn auch, warum dies sinnliche Fleisch, das schon vor der Ehe oft thierisch lebt und ge - nießt, das in der Ehe keine Schranken kennt, das von allen verbotenen Bäumen die Frucht genießt, das im Garten Gottes die Blumen zertritt; begreifet ihr nun, warum dies Fleisch sich ärgert am Statthalter Christi? Begreift ihr nun, warum dieses Fleisch tobt und rast im Kampfe gegen die Machtfülle des hl. Vaters und mit Philipp ausruft: Ich will ein Ungläubiger werden, wie155 glücklich war Saladin, er hatte keinen Papst! Begreifet ihr nun, warum dieses Fleisch keine Ruhe findet, bis es ungestört ein Saladin sein kann?

Ich sage ungestört. Denn was jenen Königen noch nicht möglich war, das ist heute in einem gewissen Sinne jedem Bettler leicht erreichbar. Denn nach bürgerlichen Gesetzen kann er sich von seinem Weibe trennen, und er und sie können sich mit andern wieder verheirathen, aber nicht ungestört. Denn im Namen und Auftrag Christi läßt der hl. Vater die sittliche Weltordnung verkünden mit den Worten des Gottmenschen: Ein jeder, der sein Weib entläßt und eine andere heirathet, der bricht die Ehe, und wer eine vom Mann Geschiedene heirathet, der bricht die Ehe. Und die Ehebrecher werden das Reich Gottes nicht sehen.

Aber was beweisen uns all' diese kämpfe der Kirche durch alle Jahrhunderte? Warum ist sie so unbeugsam? Warum ließ sie zur Zeit der Reformation als die Wogen in das Schifflein Petri hineinschlugen, Heinrich VIII. von England eher abfallen, als daß sie ihm die Auflösung der Ehe und die Verheirathung mit jener Anna gestattet hätte? Welchen Vortheil hat sie denn? Leiden und Ver - folgungen, Armuth und Elend, Blut und Wunden. Setzet einmal den unmöglichen Fall, Leo der XIII. würde etwa Folgendes verkünden: Ich sehe, wie die Menschheit große Fortschritte gemacht hat, und wie mit diesem Fortschritte die Unauflöslichkeit der Ehe nicht mehr bestehen kann; da - her ist es in Zukunft gestattet, aus wichtigen Gründen die Ehe aufzulösen, und beide dürfen mit ruhigem Gewissen mit andern sich wieder verheirathen. Welch 'ein Jubel auf der ganzen Welt! Der Ungläubigste glaubte auf einmal an die Unfehlbarkeit des Papstes. Hosanna, tönt's von allen Seiten, Hosanna dem größten Papste, Hosanna der Kirche, dieser Freundin des Menschengeschlechtes!

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Warum denn nicht nachgeben? Warum Krieg statt Frieden? Was beweist dies alles? Die christliche Ehe ist der lebende Zeuge für die Heiligkeit der Kirche, die lieber alles duldet, als nur einen Finger breit von Gottes Wegen abweichen; sie ist der lebendige Zeuge für die Gött - lichkeit der Kirche, welche arm und waffenlos alle Macht und Grausamkeit des Fleisches überwunden hat, und heute noch bekämpft und besiegt. Sie fürchtet nicht Könige und Kaiser, nicht Kriegsheere und Flotten, nicht Christen und Türken, nicht die geheimen Gesellschaften und ihre Droh - ungen, nicht die öffentliche Meinung und ihren Blödsinn sondern eines verstoßenen Weibes wegen tritt sie in den Kampf mit der ganzen Welt und mit den Pforten der Hölle, um die Heiligkeit der Ehe zu beschützen und damit Familie und Gesellschaft vor der Auflösung zu bewahren.

Präget euch diese Wahrheiten tief ein; denn in gegen - wärtiger Zeit kann das katholische Bewußtsein so leicht geschwächt werden, und wenn dann die Leidenschaft erwacht, wird das Sündenelend bald voll. Redet euern Söhnen und Töchtern oft von diesen Wahrheiten, besonders den Töchtern. Denn die Frömmigkeit dieser geht bei allem äußern Schein nur zu oft und zu schnell im Feuer der Leidenschaft in Rauch auf, sobald sie nur irgend wie Aus - sicht haben, zu heirathen. So werden dann unglückliche oder sündhafte oder gar ungültige Ehen geschlossen.

Wenn ihr aber, um mit Leo XIII. zu reden, höchst Unglückliche kennt, welche von Begierlichkeit entbrannt und hingerissen und ihres Heiles gänzlich uneingedenk in sünd - hafter Weise zusammenleben, ohne durch das Band einer rechtsmäßigen Ehe verbunden zu sein, so suchet doch auf jede Weise dahin zu wirken, daß diese Unglücklichen aller Unglücklichsten Buße thun, den Gesetzen Gottes und der Kirche sich fügen, und so dem ewigen Verderben entrissen werden.

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Mögen diese Worte etwas beitragen, daß wir wachsen in der Liebe und Begeisterung für die hl. Kirche und den hl. Vater, daß wir in treuer Anhänglichkeit an die Braut Christi in den Stürmen der Gegenwart unsere eigene Seele retten, viele unglückliche Sünder zur wahren Buße bestimmen und so für den Himmel gewinnen.

XVII. Taufe, besonders Kindertaufe.

Die Frucht der Ehe sind die Kinder. Da diese mit der Erbsünde befleckt das Licht der Sonne erblicken, müssen sie im hl. Sakramente der Taufe gereiniget und geheiliget, Kinder und Erben Gottes werden. Bei der wachsenden Gefahr, den Glauben an dies hl. Sakrament zu verlieren, bei der großen Gleichgültigkeit, welche die Taufe der Kinder zu lange verschiebt, ist es durchaus nothwendig, dies Ge - heimniß einmal tiefer zu entwickeln.

Zuerst rede ich natürlich vom Wesen der Taufe und dann von der Taufe der Neugebornen. Da sage ich mit dem hl. Augustinus: Für diese Kleinen müssen wir um so nachdrücklicher reden, als sie es für sich selbst nicht können. So bin ich denn so recht der Anwalt dieser kleinen, die mit Thränen an das Licht kommen, und so mit der ganzen Schöpfung nach Erlösung seufzen.

Was ist also die Taufe? Sie ist das Sakrament der Wiedergeburt durch das Wasser im Worte des Lebens. Wenn der Mensch durch die leibliche Geburt in's Dasein tritt, so begegnet er an der Schwelle des Lebens einer neuen Ordnung der Dinge. Wie er nämlich durch seine fleischliche Abstammung die Sünde und den Fluch Adams158 geerbt, so muß er durch eine geistige Wiedergeburt diesem Elende entrissen, und Christo dem geistigen Stammvater des Menschengeschlechts einverleibt werden. Das nun ge - schieht im hl. Sakramente der Taufe durch den hl. Geist und das in der Taufe Christi geheiligte Wasser, welches der Taufende über den Täufling gießt und dabei die Worte spricht: Ich taufe dich im Namen des Vaters, und des Sohnes und des hl. Geistes.

Aber ist das wirklich nothwendig? Der vornehme Nikodemus, ein Pharisäer, kam aus Furcht vor den Juden Nachts zu dem göttlichen Heilande. Er war also nicht gerade ein Held, aber doch heilsbegierig. Deshalb nahm ihn der Heiland liebevoll auf, um mit der Zeit noch einen Helden aus ihm zu machen. Im Verlaufe der Unterredung sprach er zu ihm: Wahrlich, wahrlich sag 'ich dir, wenn jemand nicht neu geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.

Nikodemus faßte diese Worte fleischlich auf und sagte: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist. Christus antwortet: Wahrlich, wahrlich sag 'ich dir, wenn jemand nicht wieder geboren wird, aus dem Wasser und dem hl. Geiste, so kann er in das Reich Gottes nicht ein - gehen. (Joh. III. 3.)

Wenn auch diese Worte klar sind, so will ich doch die Worte des hl. Augustinus noch beifügen: Du verstehst eine fleischliche Geburt, aber aus dem Wasser und dem hl. Geiste muß der Mensch wegen des Reiches Gottes geboren werden. Wenn jemand wegen der zeitlichen Erb - schaft des menschlichen Vaters, aus dem Schooße der Mutter geboren wird, so wird er wegen der ewigen Erb - schaft Gott des Vaters aus dem Schooße der Kirche wieder - geboren. Der dem Tode geweihte Vater zeugt durch seine Gattin einen Sohn, der ihm nachfolgen soll; Gott aber zeugt durch die Kirche Söhne, die ihm nicht nachfolgen, sondern bei ihm bleiben sollen. (Tract. XIII. in Joh.)

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Aber warum wählte der Heiland gerade das Wasser? Die hl. Väter geben viele tiefsinnige Gründe an, allein ich kann dieselben hier nicht alle aufführen. Denn hier ist nicht der Ort, für eine gelehrte Abhandlung, sondern nur für die allen nothwendige Erklärung dieses Geheim - nisses.

Also nur eines. In der Religion der Juden wie der Heiden galt das Wasser als Reinigungsmittel, als werde durch die leibliche Waschung im Schmerze über begangene Missethat auch die Seele vor der Gottheit gereiniget. Dieser Zug ist in die Menschennatur hinein - gelegt durch Gott den Vater, diesen Zug hat Gott der Sohn in der Erlösung geheiliget, und es dem hl. Geiste übergeben, im Wasser das sündenbefleckte Menschenkind rein zu waschen und zu einem Kinde Gottes umzugestalten.

Aber ist denn ohne die Taufe die Erreichung des ewigen Lebens wirklich nicht möglich? Urtheilet nun selbst, aber ja nicht gegen die ausführliche Lehre Christi. Erwachsene, welche glauben und getauft zu werden ver - langen, aber vor dem Empfang der Taufe wegsterben, werden durch diese Begierdtaufe gerettet, oder durch die Bluttaufe, wenn sie ihr Blut für Christus vergießen; aber ist den kleinen Kindern auch eine Begierdtaufe möglich? Wenn sie daher ohne diese Wiedergeburt wegsterben, werden sie niemals den Himmel besitzen. Da mag eine falsche Sentimentalität wimmern wie sie will, hilft alles nichts.

Aber werden denn diese Kinder verdammt? Die Ansichten der Gottesgelehrten sind da sehr verschieden und die Kirche hat noch nichts entschieden; ich aber habe euch nicht die Meinung der Gelehrten, sondern die Glaubens - wahrheiten zu verkünden. Nur so viel ist sicher und aus - gemacht: Ungetaufte Kinder kommen nicht in den Himmel zur Anschauung Gottes von Angesicht zu Angesicht.

Wenn ich nun da gleich gewisse Mißbräuche berühren160 könnte, so will ich doch an der Hand des hl. Chrysosto - mus noch tiefer in das Taufgeheimniß eindringen. Denn bevor wir Thaten verlangen können, muß der Verstand von der Wahrheit überzeugt, der Wille erwärmt und be - geistert sein.

Der Zug der Israeliten durch das rothe Meer wird voll der hl. Schrift und von allen Vätern und von der ganzen Kirche als Vorbild der Taufe angesehen. So schreibt der hl. Paulus an die Gemeinde zu Corinth: Ich will euch nicht vorenthalten, daß unsere Väter Alle unter der Wolke waren, und Alle durch das Meer gingen, und Alle in Moses durch die Wolke und in dem Meere getauft wurden, und Alle dieselbe geistige Speise aßen, und Alle denselben geistigen Trank tranken, sie tranken nämlich Alle aus dem geistigen Felsen, der ihnen folgte, und der Felsen war Christus. (I. C. X, 1 4.)

Als einst der hl. Chrysostomus eine besondere und ziemlich lange Predigt über diese Stelle des hl. Paulus hielt, (T III. Mauriner) fragte er zuerst, warum wieder - holt der hl. Paulus so oft das Wort Alle . Dieser Zug durch das rothe Meer ist ein Vorbild der Taufe. Wie dort alle durch das Meer ziehen mußten, so sollen im neuen Bunde alle der Taufgnade theilhaftig werden. Dort Wasser, hier Wasser, dort steigen Alle in das Wasser; hier ebenso: dort werden sie durch das Wasser von der Knechtschaft Aegyptens befreit; hier von der Sünde, von der Abgötterei; dort wird Pharao versenkt, hier der Teufel; dort ertrinken die Aegypter, hier wird der alte sündenbeladene Mensch begraben; von der Sklaverei be - freit, erhielten jene die Freiheit, auch wir, aber eine viel schönere, die Freiheit der Kinder Gottes.

Aber wie wurden die Juden in Moses getauft? Als keiner wagte, die trockene Meeresstraße zu betreten, ging Moses voraus und alle folgten ihm muthig. Christus161 aber ist uns auf dem Himmelswege nicht bloß vorange - gangen, sondern in seinem Leiden und Sterben blutüber - ronnen, ließ er sein göttliches Taufblut gleichsam in das Taufwasser strömen, um damit, so viel von ihm abhängt, alle Menschen von der Sünde zu reinigen, dem ewigen Verderben zu entreißen, mit dem Strahlenglanz der gött - lichen Gnade, dieser übernatürlichen Ausstrahlung der Schönheit Gottes, zu verklären, und so für den Eintritt in den Himmel mit dem Hochzeitsgewande zu schmücken. Wie sehr das sein Herzenswunsch war, bezeugte er mit den Worten: Ich muß mich mit einer Taufe taufen lassen, und wie drängt es mich, bis es vollbracht ist. (Luc. VII. 50)

Doch wir folgen Christus nicht nur wie die Juden dem Moses, sondern wir sind wirklich auf seinen Namen getauft, und nicht bloß in seinem, sondern auch im Namen des Vaters und des hl. Geistes. Warum wählte Christus diese Form? Wir sollen wissen, woher die hl. Taufe diese Wunderkraft besitzt. Vom Vater, der seinen Sohn in die Welt gesandt, vom Sohne, der die Taufe eingesetzt und mit seinem Blute fruchtbar und wirksam gemacht, vom hl. Geiste, der, wie das Wasser äußerlich den Menschen reiniget, innerlich die Seele wäscht und heiliget; so haben wir denn nicht die Taufe des Johannes, nicht die Taufe eines Menschen, sondern die Taufe des dreieinigen Gottes. Wie wir daher schon durch die Erschaffung Eigenthum Gottes, so noch weit mehr durch diese Wiedergeburt aus dem Wasser und dem hl. Geiste.

Damit wir aber jetzt schon Kinder und Hausgenossen Gottes die Vollendung der himmlischen Herrlichkeit er - langen, ist die Taufe nur der große Anfang neuer Gnaden - wunder ähnlich wie beim Zuge durchs rothe Meer. Alle nämlich aßen dieselbe geistige Speise, das Manna vom Himmel, und du, ruft der hl. Chrysostomus, und du ge - nießest nach der Taufe das Fleisch deines Erlösers: Alle162 tranken denselben geistigen Trank, das Wasser aus dem Felsen, und nach der Taufe trinkst du das Blut deines Gottes und Erlösers.

Aber wiedergeboren aus dem Wasser und dem hl. Geiste als Kinder Gottes, gereiniget von der Erbschuld, im Besitze aller Gnadenmittel sind nur damit schon gerettet? Was thaten die Israeliten nach dem Zuge durch das rothe Meer? Sie sündigten vielfach. Deßhalb bemerkt der hl. Paulus; In der That kamen von 600,000 Männern, welche durch das Meer gezogen waren, nur Josue und Kaleb in das gelobte Land. Alles dies, bemerkt der hl. Paulus, wider - fuhr ihnen zum Vorbilde, d. h. zum warnenden Beispiele für uns, die wir in den letzten Zeiten leben. Warum dies warnende Vorbild? Wenn wir auch durch die Taufe rein gewaschen, Kinder Gottes geworden sind, so lebt doch in den Getauften noch die Sinnlichkeit. Deshalb haben wir im Kampfe gegen die Begierlichkeit der sinn - lichen Natur ein reines, unschuldiges Leben zu führen, sonst hilft uns weder die Taufe, noch die Theilnahme an den Geheimnissen, noch irgend etwas anderes sondern wir gehen in der Wüste dieser Welt elendiglich zu Grunde.

Aber warum diese Wahrheiten so betonen? Vor allem, daß wir selbst mit der Gnade Gottes den guten Kampf gegen die Begierlichkeit und all' die bösen Neigungen sieg - reich auskämpfen, den von den Vätern erhaltenen Glauben mitten unter tausenderlei Gefahren unverletzt bewahren und auch den Neugebornen gegenüber darnach handeln.

Ihr wisset doch Alle, wie der Unglaube, wie das sog. Reformerthum immer weiter um sich greift, wie die Gottheit Christi, die hl. Taufe auf die frechste Weise ge - leugnet wird, wie religiöse Gleichgültigkeit auch viele Katholiken bedroht und schon manche von der Kirche los - gerissen hat.

Daher ist das Auftauchen zahlloser Sekten ganz163 natürlich und zum Theil ein gutes Zeichen. Warum? Die Christusgläubigen Elemente außer der katholischen Kirche, um nicht von der Strömung nach links mitgerissen zu werden, sammeln sich. So bewahren sie wenigstens das noch, was ihre Väter zur Zeit des Abfalles an Wahrheit und Gnade aus den Schatzkammern der Kirche mitgenommen haben. Das ist ein Lebenszeichen der un - verwüstlich katholischen Natur der Menschenseele. So werden viele Kinder noch gültig getauft und fliegen in den Tagen ihrer Unschuld in den Himmel als Glieder des geheimnißvollen Leibes Christi der einen heiligen katho - lischen Kirche. Denn wie nur ein Gott, so auch nur eine Taufe, nur ein Christus, nur eine Kirche. Wer daher immer gültig getauft ist, der ist und bleibt Katholik, so lange er nicht die Kirche verläßt und so dem Unglauben oder einer Sekte anheimfällt.

Aber wie lange darf man mit der Taufe der Neu - gebornen zuwarten? Etwa Wochen und Monate? Da könnte ich einfach auf den römischen Katechismus hin - weisen. Dieser auf Befehl des hl. Papstes Pius V. her - ausgegeben, lehrt nämlich, daß diejenigen, welche ihre Kleinen länger als die Nothwendigkeit verlangt, der Tauf - gnade entbehren lassen, sich einer schweren Sünde schuldig machen. Also kein Vorwand, sondern nur die Nothwendig - keit, aber eine wirkliche, kann die Verschiebung der Taufe entschuldigen.

Allein um euch von der Influenza der rein bürger - lichen Luftströmungen zu bewahren, wollen wir aus alter Zeit einen glorreichen Martyrer und lichtvollen Lehrer, wie der hl. Augustin ihn nennt, berathe und mit ihm ein afrikanisches Concil von 66 Bischöfen. Wer ist dieser? Der hl. Cyprian, Bischof von Carthago, gestorben als Martyrer im Jahre 258.

Ein gewisser Priester, Fidus mit Namen, war damals164 der Ansicht, man solle die Kinder nicht am ersten oder zweiten Tage nach ihrer Geburt taufen, sondern erst am achten Tage nach dem Vorbilde der jüdischen Beschneidung. Er fragte den hl. Cyprian um seine Meinung.

Was folgt hieraus? Also brachte man damals wie heute, wo der Glaube noch lebendig, die Kinder am ersten oder zweiten Tage nach der Geburt zur hl. Taufe. Welche Verschiebung verlangt Fidus? Etwa von Wochen und Monaten? Von einigen Tagen. Dafür glaubte er zwei Gründe zu haben: er stützte sich nämlich auf die Zeit der jüdischen Beschneidung und meinte dazu, das Kind sei in den ersten Tagen nach der Geburt unrein.

Wie wird die Antwort lauten? Der hl. Cyprian brachte die Sache in einer Versammlung von 66 Bischöfen zur Sprache, und schrieb dann dem Priester Fidus: Keiner war deiner Ansicht, keiner; sondern im Gegentheile urtheilten wir alle, keinem gebornen Menschen dürfe die Barmherzigkeit und Gnade Gottes verweigert werden. (Lib. III. ep. 8. edit. Erasmi Basel 1525). Also nicht bis auf den 8. Tag warten, sondern wie der hl. Augustin, welcher diesen Entscheid anführt, scharfsinnig bemerkt, an jedem Tage soll man dem Neugebornen zu Hilfe eilen, damit er nicht ewig verloren gehe; denn gleich vom Mutterschooße weg sind die Kinder für die Taufgnade fähig. (l. III. C. de merit. et remiss peccat.)

Doch kehren wir zum hl. Cyprian zurück? Warum also am ersten oder zweiten Tage nach der Geburt taufen? Da der Menschensohn nicht gekommen ist, die Seelen zu verderben, sondern zu retten, so darf was von uns abhängt, keine Seele verloren gehen. Aber ist denn diese Gefahr bei Verschiebung der Taufe wirklich vorhanden? Die Taufe ist die reinste Gnade Gottes, welche diese Kleinen unmöglich verdienen können. So kommt dann, wie der hl. Augustin bemerkt (Contr. Ep. Pelag. l. II, C: 6.) das165 Kind frommer Eltern oft nicht zur Taufe, wohl aber das Kind der Feinde Christi; eine keusche Mutter beweint das Kind, das die Taufe nicht erlangen konnte und nimmt das ausgesetzte Kind einer Dirne an und läßt dasselbe taufen.

Ist es daher nicht die heiligste Pflicht christlicher Eltern ihre Kinder so bald als möglich taufen zu lassen? Wenn sie aber damit nicht bloß Tage sondern Wochen und Monate zuwarten, sind diese Kinder nicht in beständiger Gefahr, ohne die Taufgnade wegzusterben? Wenn aber dieser Trauerfall nicht eintritt, sondern das Kind endlich doch zur Taufe gelangt, ist dann die Verantwortung der Eltern vor Gott weniger groß? Und welche Erziehung haben dann diese Kinder zu erwarten oder besser zu be - fürchten? Urtheilet selbst. Und wenn dann die rein bürgerliche, religionslose Schule das Unglück noch vollendet?

Doch kehren wir zum hl. Cyprian zurück, um in seiner erhabenen Weltanschauung uns einmal wieder recht hoch über alles Menschliche zu erheben. Das Kind ist in den ersten Tagen nach der Geburt noch unrein; des - halb schickt es sich nicht, ihm in der Taufe den Friedens - kuß zu geben. So meinte Fidus. Was antwortete ihm Cyprian? Wenn auch das Kind erst neugeboren, so ist es doch nicht so beschaffen, daß jemand bei Verleihung der Gnade und des Friedens sich schämen soll, dasselbe zu küssen. Warum? Denn beim Küssen des Kindes soll ein jeder nach seiner Frömmigkeit die noch frischen Hände Gottes sich denken, welche wir in dem neugebildeten und soeben gebornen Menschen gleichsam küssen, wenn wir das umarmen, was Gott gemacht.

Welche Erhabenheit der Auffassung! Dort, wo der Sinnenmensch Possen reißt, und eine falsche Frömmigkeit sich beleidigt zeigt, da erhebt sich die reine Seele im Adlerfluge des Glaubens je nach der Schwungkraft ihrer166 wahren Frömmigkeit in die Lichthöhen des Himmels, schaut Gottes allmächtige Hand, wie sie das Kind bildet und formt, und dem Sonnenlichte schenkt. Dann schaut sie an Neugebornen die noch frischen Spuren der all - mächtigen Hand, welche ihr Werk in der Wiedergeburt des Kindes aus dem Wasser und dem hl. Geiste sofort vollenden will sofort.

Wenn diese erhabene Weltanschauung über das Wirken Gottes in der natürlichen wie übernatürlichen Ordnung allgemein wäre, so hätte kein Kind lange auf die Taufe zu warten, und gleichzeitig würden zahllose Greuel und Ausschweifungen in und außer der Ehe auf einmal ver - schwinden. Denn der Gerechte lebt nach den Grundsätzen des Glaubens. Je heftiger und schlauer daher die christ - liche Weltanschauung heute angegriffen wird, desto noth - wendiger ist es geworden, die hl. Väter alter Zeiten reden zu lassen, damit wenigstens die Auserwählten gerettet werden.

Aber das Gesetz der Beschneidung am achten Tage? Der achte Tag war das Vorbild des ersten nach dem Sabath, an welchem Christus von den Todten auferstehen und den hl. Geist senden sollte, um uns die geistige Be - schneidung im hl. Sakrament der Taufe zu geben. So ist denn heute für die Neugebornen der erste Tag schon der achte, und noch weit mehr der zweite, der dritte. Zu - dem bemerkt der hl. Cyprian, verdienen diese Kleinen um so mehr unsere Hilfe und Gottes Erbarmen, als sie im ersten Augenblicke nach der Geburt mit Klagen und Thränen bitten.

Woher diese Thränen? Von der ersten Sünde, welche auf alle übergeht und so alle dem Gesetze der Schmerzen unterwirft. Was sind daher diese ersten Thränen? Gleichsam ein Bitten, ein Flehen, um durch unsere Hilfe im hl. Sakramente der Taufe die Gnade Gottes sofort zu erlangen.

167

Manche meinen, ich sei doch zu wenig maßvoll und vorsichtig und schonlich. Allein ich will nicht schonlicher, vorsichtiger, maßvoller sein als die hl. Väter, besonders heute als Anwalt ungetaufter Kinder. Und wenn erst die Seelen jener Kinder, welche durch die Schuld und Sorglosigkeit ihrer Eltern ohne Taufe weggestorben, hier erscheinen könnten, wie würden sie klagen? Würden sie die Schuld mehr auf die Eltern oder auf uns Priester werfen? Würden sie vielleicht uns vorwerfen: Unter dem Vorwande, diese und jene nicht abzustoßen, habet ihr die volle Wahrheit nicht verkündigt, nicht die Sprache der Väter geredet, so habet ihr jene nicht gewonnen, uns aber dem Verderben überlassen. Würden sie etwa derart klagen?

Wer deshalb da eine andere Rücksicht kennt, als das Wohl dieser hilflosen Würmchen, ist der gefährlichste Kinderfeind. Wenn daher der hl. Cyprian, gleich hoch gefeiert durch die Heiligkeit seines Lebens, durch den Ruhm des Martyriums, durch die Tiefe der Wissenschaft, durch den Zauber seines Gemüthes, durch die Gewalt seiner Rede hier über diesen Gegenstand predigte, so würde der Boden dieses Domes von unsern Thränen befeuchtet. Deshalb christliche Eltern rufe ich euch zu: habet doch Mitleid mit den Neugebornen! Gott der Vater will das Kind heute schon zu seinem Kinde, Gott der Sohn zu seinem Bruder, der hl. Geist zu seinem Tempel machen heute schon. Wer wollte ihm diese Freundschaft des dreieinigen Gottes verschieben, das Himmelsthor verschlossen halten und das nicht bloß Tage, sondern Wochen und Monate lang? Wäre das nicht eine verächtliche Behandlung des dreieinigen Gottes, ein entsetzliches Spiel mit dem Kinde?

Aber zu welchem Danke sind wir Alle für die erhaltene Taufgnade Gott dem Herrn verpflichtet? Wir konnten ja dieselbe gar nicht verdienen; wir konnten uns nicht so christliche, brave, vielbesorgte Eltern geben. Aber welches168 ist der schönste Dank? Lebet unsträflich als vielgeliebte Kinder Gottes, als Glieder am geheimnisvollen Leibe Christi. Welches der schönste Dank? Wandelt als lebendige Tempel des hl. Geistes und verherrlichet Gott in euerem Leib und in euerer Seele, durch Unschuld und Reinheit. Und die Folge hievon? Wie Felsen werdet ihr dastehen wider den Ansturm der Leidenschaften der Versuchungen, der religiösen Gleichgültigkeit, des Unglaubens, und mit aller Entschiedenheit allüberall dahin wirken, daß die Neu - gebornen nach alter Vätersitte sobald als möglich durch die Taufgnade Kinder Gottes und Erben des Himmels werden. Hiefür gebe uns den reichlichen Segen der dreieinige Gott, der Vater, der Sohn, der hl. Geist.

XVIII. Die Aufgabe der Erziehung.

Wenn nun auch die Kinder in der hl. Taufe von der Erbsünde gereinigt und durch die heiligmachende Gnade Kinder Gottes geworden sind, so sind sie doch nicht frei von der Begierlichkeit des Fleisches und allerlei bösen Neigungen; diese müssen bald bekämpft werden; die guten Anlagen sind im Keime vorhanden, müssen aber bald ent - wickelt werden. Das wird Aufgabe der Erziehung sein. Wenn ich daher auf die Erziehung zu sprechen komme, werde ich nicht die verschiedenen Methoden behandeln, all' die Tagesmeinungen berühren, sondern einfach die ewigen Grundsätze der Natur, des Evangeliums und der katholischen Kirche entwickeln, dabei aber auf diejenigen, denen Christus wieder ein Aergerniß geworden, mehr oder weniger zu sprechen kommen. Für heute nun behandle ich folgende zwei Fragen:

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  • 1) Was ist denn Erziehung überhaupt?
  • 2) In welcher Verbindung steht sie im Allgemeinen zu Jesus Christus?

Was heißt also erziehen? Erziehen heißt alle guten Anlagen des Menschen pflegen, üben, entwickeln, daß die - selben sich vollkommen entfalten, um den Menschen aus - zurüsten für das irdische Leben und für die Ewigkeit vor - zubereiten.

Ihr habet also die guten Anlagen der Kleinen zu entwickeln. Daß auch die Pflege des Leibes zur Erziehung gehört, versteht sich von selbst. Wie aber Eltern oder Vor - gesetzte durch entsprechende Nahrung und Kleidung, durch Reinlichkeit, durch Arbeit für die leibliche Entwicklung der Kinder zu sorgen haben, will ich für heute übergehen, und nur die Erziehung der Seele und ihrer Anlagen etwas näher betrachten.

Da nun lasset euch nicht täuschen, durch eine ober - flächliche Wissenschaft, welche träumt, der Fortschritt liege schon im Kinde, man dürfe ruhig zusehen, wie es sich selbst entwickle. Das ist wahr von den Thieren, welche bei gesunder Nahrung und Luft ohne unser Zuthun zu ihrer naturgemäßen Kraft und Schönheit gelangen; wollen wir sie dann für unsern Dienst gebrauchen, haben wir sie nur noch zu dressiren. Aber so könnet ihr mit euern Kindern nicht verfahren, obwohl es vielfach so geübt wird. Denn diese polizeiliche Dressur läßt im Herzen die ganze Barbarei der Leidenschaft, welche früher oder später aus - bricht wie ein wilder Bergbach.

Wollet ihr also erziehen, so habet ihr die edlen An - lagen des Kindes zu üben, zu entwickeln. Es ist da ähn - lich wie bei der Rebe. Man schneidet, bindet, bricht sie, aber das bringt keine Trauben, sondern dient nur zur fruchtbaren Entwicklung des Rebstockes, der selbst wachsen, blühen und Frucht bringen muß. Da nun habet ihr die170 einzig richtige Art und Weise der Erziehung. Denn diese ist gerade so viel werth, als das Kind dabei thätig ist. Ihr gebet den Anstoß von Außen; die Entwicklung kommt von Innen heraus. Wenn ihr zum Beispiel den Verstand des Kindes zu früh mit schwierigen Sachen oder mit einem bunten Allerlei überladet, so erziehet ihr frühreife Stölzlinge, aber den Verstand entwickelt ihr nicht, sondern schlaget ihn gleichsam wie todt. Daher können dann solche Leute allerdings lesen, vielleicht noch etwas mehr oder weniger unsinniges oder oberflächliches Zeug reden oder schreiben, aber wirklich denken werden sie niemals und sollten sie hundert Jahre alt werden. Solcher Beispiele ist heute die Welt voll. *)Moderne gemeinschädliche Ueberfütterung der Schule!

Das gleiche sage ich von der Erziehung des Willens. Es handelt sich da nicht um lange Predigten über Gehor - sam, Friedfertigkeit, Geduld, Schamhaftigkeit, sondern um die Uebung des Willens in diesen Tugenden. Ihr habet nämlich die Kinder anzuhalten, daß sie wirklich gehorsam, liebevoll, demüthig, schamhaft in allem und überall handeln und so durch wiederholte Handlungen zur guten Gewohn - heit gelangen.

Aber wofür habet ihr die Kinder derart zu entwickeln, zu erziehen? Für das zeitliche und ewige Vaterland.

Ja für das irdische Vaterland, damit einst vor ihren Fingern die Kassen, vor ihrem Auge die Unschuld, vor ihrer Zunge die Ehre, vor ihrem Spotte die Religion, vor ihrer Herrschsucht die Freiheit gesichert sei. Ja für das irdische Vaterland, damit die Zuchthäuser, die Besser - ungsanstalten, die Irrenhäuser immer leerer werden und jenes Glück, welches nach der Erbsünde in Christo Jesu noch möglich ist, uns erhalten bleibe.

Aber gerade deswegen habet ihr euere Kinder vor171 allem für das ewige Vaterland heranzuziehen. Denn auch hier gilt Gottes Wort: Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und alles übrige wird euch umsonst beige - geben. Wenn ihr nämlich euere Kinder nur für diese Welt und nach den Grundsätzen des Zeitgeistes erziehet, werden sie schon für dieses Leben unglücklich, wenn ihr aber die Jugend für den Himmel erziehet, nach den Grundsätzen Jesu Christi, werden sie das ewige Leben erlangen und irdisches Glück wird als Beigabe umsonst gegeben. Wer daher nicht für den Himmel erzieht, erzieht überhaupt gar nicht; denn als schwacher Mensch versucht er das Unmögliche, den Umsturz der ewigen Weltordnung Gottes.

Wenn ihr endlich bei der Erziehung Glück haben wollet, so vergesset doch nie, daß der Mensch verdorben zur Welt kommt mit mannigfaltigen Anlagen zum Bösen. Auch da täuscht sich die Welt, der Christus ein Aergerniß geworden. Sie leugnet nämlich die Erbsünde und um dies leichter zu thun die Verdorbenheit der Natur. Daher will sie das Kind ruhig aufwachsen lassen, mit allem was in ihm liegt und keimt. Ist das nicht die Zer - störung jeder Erziehung? Ist das nicht der Anfang der gebildeten Barbarei? Denn diese bösen Neigun - gen kann Niemand leugnen, als wer die Arbeit scheut, dieselben in den Kindern zu bekämpfen, oder wer nicht den Muth hat, denselben in der eigenen Person zu widerstehen. Freilich wenn Ehebruch, Unzucht, Verführung, Schändung der eigenen Person, Trunksucht, feiner Betrug keine Sünde und Schmach des Menschen mehr ist, sondern ein Bedürf - niß der unverdorbenen Natur, und diese gesunde Sinnlich - keit in mannigfacher Form gefeiert wird, dafür aber der kindliche Glaube, die Frömmigkeit des Jünglings, die Unschuld der Jungfrau, die Treue der Eheleute ein Gegenstand des Spottes wird dann lasse man nur den Leidenschaften freien Spielraum ihr aber beginnt erst172 recht den hl. Kampf gegen die bösen Neigungen der Kinder, damit bei diesem Andrang der neuen Barbarei euere Söhne einst für den Glauben und euere Töchter für ihre Unschuld bis aufs Blut zu kämpfen bereit sind.

Was ist also eigentlich die Erziehung? Ein Kampf wider die Barbarei der Leidenschaft und der Sünde. Denn täuschet euch nicht, die Bildung und der Fortschritt der Einzelnen wie der Völker ist unendlich erhaben über Telegraph und Eisenbahn, über Dampfschiffe und Fabriken, über Kanonen und Kriegsheere, über Schulgebäude und Spitäler, unendlich erhaben über Moden, Complimente, Verbeugungen, über Lesen und Schreiben, über die Kennt - nisse der neuen und alten Sprachen, über Chemie, Physik, Vaterlandskunde und wie dies Zeug alles heißen mag. Denn bei all dem kann die Barbarei der Leidenschaften und der Sitten bestehen. Die Barbarei der Unzucht, welche die Jugend verwüstet und die Familie zerstört, die Barbarei der Genußsucht, welche die Familie in Elend und Jammer stürzt, die Barbarei der Habsucht, welche auf feine Art die Gesellschaft ausbeutet und die Armen zu Feinden derselben macht, die Barbarei der Herrschsucht, welche den Staat zum Götzen erhebt und ihm alle Rechte und Freiheiten der Einzelnen, der Familien, der Genossen - schaften, ja der Kirche selbst als Brandopfer auf den Altar hinlegt, die Barbarei der Herrschsucht, welche gar oft muthwillig die Brandfackel des Krieges unter sonst friedliche Völker wirft endlich die Barbarei des Eigen - nutzes, der Verleumdung, des Hasses, der Gottlosigkeit, der Hartherzigkeit die Barbarei aller Leidenschaften und Sünden. Gegen dies Unglück sichert uns einzig jene Erziehung, welche den Verstand durch die Wahrheit gegen die Lüge beschützt und das sittliche Leben über die Ge - meinheit der Leidenschaft und der Sünde erhebt, damit es wie eine Rose schön aufgehe im Wohlgeruche aller173 Tugenden. Diese Erziehung ist aber nur möglich in Jesus Christus.

Die Erziehung, welche die bösen Keime im Menschen ausrottet und die edlen Anlagen entwickelt und so das Kind wirklich adelt, ist nur in Jesu Christo möglich d. h. die Erziehung muß eine christliche sein.

De Maistre, einer der tiefsten Denker neuerer Zeit schrieb an eine christliche Mutter betreff ihrer gut erzogenen Kinder: Wenn die Tugend in ihnen tiefe Wurzel gefaßt, wenn das Laster dieselben immer unverwundbar findet, wenn sie in der Gesellschaft mit jeder Waffe ausgerüstet erscheinen so verdanken sie das Ihrem Muthe, mit dem Sie den falschen Anschauungen Ihres Jahrhunderts widersprochen und Ihren Kindern eine vorzüglich religiöse Erziehung gegeben haben. Die neuen Marktschreier, welche den Namen der Philosophie in einen bösen Ruf bringen, haben ganz andere Erziehungsmethoden angegeben, sie haben uns vor Allem anempfohlen, die ersten Jahre des Menschen nicht dem Priester anzuvertrauen. Einer von ihnen be - hauptet sogar, man dürfe den Kindern nicht von Gott reden, ein Unsinn der bereits an die Tollheit grenzt. So de Maistre.

Zwei Punkte berührt der tiefe Denker. Vorab lobt er die Mutter, daß sie den Kindern eine durchaus religiöse Erziehung gegeben hat unbekümmert um die Grundsätze und den Spott der Welt; denn nur so sind ihre Kinder sittlich und brav geworden. Dann tadelt er jene Markt - schreier, die nach Art der Quacksalber ihre unfehlbaren Mittel ausschreien die unchristlichen Grundsätze der Erziehung für Schule und Haus. Seit den Tagen de Maistre's ist's wahrscheinlich nicht besser geworden. Denn immer mehr sucht man die Jugend von Priester und Religion zu trennen. Welch 'ein Glück aber eine solche Erziehung schon für die Welt sei, verkündet die Gegen -174 wart, und wird die geschulte und gebildete Barbarei der Zukunft erst vollkommen darthun und auch den Unver - ständigen und Boshaften klar machen, daß ohne Religion, ohne Christus unsern Gott und Heiland keine Erziehung möglich sei.

Um diese Wahrheit zu verstehen, ist keine Wissenschaft nothwendig, es genügt der unverbildete Verstand. Ohne Tugend kein sittliches Leben, ohne sittliches Leben keine Erziehung, keine Erziehung sondern nur die Barbarei der Leidenschaft und der Sünde. Den Beweis habet ihr im ersten Theile gehört und könnet ihn trauriger Weise im täglichen Leben sehen und betrachten. Wenn jemand ein Trunkenbold, ein Geizhals, ein roher Mensch, ein Ehe - brecher, ein Dieb, ein Spötter, so sagt man gar oft: Er hatte eben keine Erziehung, oder was noch schlimmer, eine schlechte. Das sittliche Leben aber und die Tugend sind ohne Religion unmöglich. Daher muß die Erziehung nothwendig religiös und christlich sein. Wohl schwefelt man heute von Erziehung, Bildung, Schule auf den Trümmern der Confessionen, zwar nicht, wie man mit einem Anflug von Gelehrsamkeit sagt, ohne Religion, aber ohne Confession. Aber das ist ein Widerspruch in sich selbst, ein Rechnen ohne 1 X l, das sind Behauptungen, für solche welche noch nicht zwischen Rechts und Links unterscheiden können.

Was ist denn Confession? Confession bedeutet auf ordentlich deutsch Bekenntniß gewisser religiöser Anschauun - gen und Grundsätze, welche sich auf die Verehrung Gottes beziehen; wo also die religiösen Grundsätze fehlen, da ist auch keine Confession mehr, da ist keine Religion mehr möglich, so wenig als ohne Gold eine goldene Kette. Eine Erziehung, eine Bildung, eine Schule ohne Confession ist daher eine Erziehung, eine Bildung, eine Schule ohne Religion überhaupt.

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Daher scheinen viele nur die Religion zu haben, auf feine oder grobe Weise jede Religion aus der Welt zu schaffen und damit auch jede Erziehung. Denn dringt nur etwas tiefer in diesen hochwichtigen Gegenstand ein. Was ist also die Erziehung? Die Entwicklung aller edlen Anlagen des Menschen und damit die Befriedigung seiner rechtmäßigen Bedürfnisse. Was ist nun die vorzüglichste Anlage des Menschen und sein tiefstes Bedürfniß? Reli - gion und Gottesverehrung und noch einmal Gottesvereh - rung und Religion. Tertullian aus alter Zeit lehrt diese Allen so leicht erkennbare und doch so tiefe Wahrheit. Er frägt nämlich eine Seele, die nicht in Schulen gebildet, nicht in Büchern bewandert, er frägt die ungebildete, unwissende Seele jener Leute, die von der Gasse, von den Straßenecken, aus der Werkstatt herkommen, er frägt sie über Gott. Nachdem diese ungebildete Seele ihm geantwortet, ruft er aus: O menschliche Seele, von Natur aus christlich!

Was will er hiermit sagen? Tritt sie etwa rein ins Dasein? Nein. Bringt sie einen angebornen Reichthum voll Kenntniß zur Welt? Nein. Aber diese Seele hat ein natürliches Bedürfnis nach Gott, ihn zu erkennen, ihn zu lieben, ihn zu besitzen; diese Seele findet ihre Freude im fleischgewordenen Worte, diese kindliche Seele frohlockt im Glauben, daß Gott selbst ein Kind geworden. Die Seele ist von Natur aus christlich; Gott hat sie für Christus erschaffen und wie sie nur im Namen Jesu selig werden kann, so findet sie ihre Ruhe, ihren Frieden, ihren Adel und ihre Hoheit nur im Ein - gebornen vom Vater.

Diese gleiche Wahrheit verkündet der Heiland, wenn er sagt: Lasset die Kleinen zu mir kommen und wehret es ihnen nicht. Wehret es ihnen nicht! Sehet, diese Kleinen haben ein Bedürfniß nach mir, sie fühlen sich zu mir hingezogen; lasset sie kommen, haltet sie nicht zurück.

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Und heute noch? Warum sind die Kleinen dem Priester so anhänglich? Sie betrachten ihn als den Mann, der dem göttlichen Heilande am nächsten steht und die hl. Bedürfnisse ihrer Seele befriediget. Das ist auch in den Landgemeinden bei allen Schwierigkeiten die himm - lische Poesie des Seelsorgerlebens! Was müssen nur aus all diesen Erscheinungen schließen? Also ist das tiefste, heiligste, natürlichste Bedürfnis der Seele, Gott und sein Gesalbter Jesus Christus die Religion. Was ist daher eine Erziehung ohne Gott und seinen Gesalbten Christus? Eine Verkennung des Menschen, eine Verkümmerung der Seele, eine Mißachtung ihrer hl. Ansprüche, eine unwür - dige Dressur, eine Verkehrung und Verwüstung des gan - zen Menschen.

Man wettert heute in Wort und Schrift so gewaltig gegen Alkohol, Fusel, Genußsucht, Entheiligung der Sonn - tage man ruft den Gesetzen, alles recht und gut. Aber was ist weit gefährlicher als Fusel und Alkohol, als Trunksucht und Tanz, als Entweihung der Sonntage durch Genußsucht und Arbeit was ist weit gefährlicher? Eine Erziehung ohne Gott und seinen eingebornen Sohn Jesus Christus, eine Schule auf den Trümmern der Con - fessionen! Oder ist das Elend, über welches alle jammern nicht vielfach die Folge einer mehr oder weniger unchrist - lichen Erziehung und Bildung? Sollen die Ströme in der Ebene nicht alles überfluten, muß man die Wild - bäche im Hochgebirge verbauen, damit sie nicht zu viel Geschieb in die Ebene wälzen. Wollet ihr, daß diese trüben Wildbäche der Leidenschaften nicht groß werden, nicht Land und Volk verwüsten, verbauet sie in ihren Anfängen, d. h. durch eine tiefe, wahrhaft christliche Erziehung, bändiget diese Leidenschaften in den zarten Kinderseelen. Das ist die Hauptaufgabe Aller, welche an der Bildung und Erziehung der Jugend zu arbeiten haben. Daher177 möchte ich mit denjenigen, welche diese Wahrheit nicht verstehen oder nicht begreifen wollen, und doch an der Bildung der Jugend arbeiten, wahrlich nicht vor Gottes Richterstuhl Red 'und Antwort geben.

Ihr möget also die Erziehung betrachten wie ihr wollet, immer bildet die Religion die Grundlage. Aber nehmet auch den letzten Endzweck der Erziehung. Ihr müßet nämlich euere Kinder für den Himmel heranbilden. Denn sie sind geboren, nicht Schätze zu sammeln, Aemter zu bekleiden, Gelehrte zu werden, eine gute Parthie zu machen, die Freuden dieser Welt zu genießen sondern Gott zu dienen und selig zu werden ist ihre Bestimmung. Gebet ihnen durch eine falsche Erziehung alle Freuden dieser Welt mit ihrer Gleichgültigkeit, mit ihrem Unglauben oder mit ihrer verschleierten Verkommenheit sie werden euch und euere Erziehung bald ewig verfluchen. Denn sie können nur in Jesus Christus selig werden. Daher müssen sie wachsen in der Lehre, in der Liebe, in der Ehrfurcht, im Gehorsam, in der Heiligkeit Jesu Christi und zwar in allen Stücken; daß sie aber wachsen, habet ihr durch die Erziehung auch beizutragen.

Daß wir diese einzig richtigen Grundsätze der Bil - dung und Erziehung klar verstehen und von jedem Irr - thum rein erhalten, möge uns erleuchten das fleischge - wordene Wort voll der Wahrheit; daß wir dieselbe überall muthig bekennen und vertheidigen und in der Erziehung darnach handeln, möge uns stärken das fleischgewordene Wort voll der Gnade.

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XIX. Christus das Vorbild bei Erziehung der Kinder.

Je mehr der Mensch auf allen Gebieten ohne Jesus Christus fertig werden will, desto nothwendiger ist es ge - worden, ihm bei jedem Anlasse zuzurufen: Das ist rein unmöglich, außer wenn ihr aus dem zeitlichen Unglück in's ewige Feuer stürzen wollet: das bringet ihr fertig ohne Jesus Christus den großen und wahren Gott aber sonst gar nichts. Damit nun die Erziehung und Ent - wicklung euerer Kinder für ihr zeitliches und ewiges Heil gelinge, ist das göttliche Kind selbst das Vorbild, dem die Kinder ähnlich werden sollen. Ihr habet deßhalb durch die Erziehung dahin zu wirken, daß die Kinder dem Vor - bilde des göttlichen Kindes gleichförmig werden.

Lasset uns den Menschen machen nach unserem Bilde. So sprach Gott und bildete das erste Menschen - paar, das an Leib und Seele vollkommen vor ihm stand, als sein treues Abbild. Lasset uns den Menschen bilden nach Gottes Ebenbild, daß er ihm so ähnlich werde als unser Elend es gestattet. So lautet der oberste Grundsatz jeder wahren Erziehung. Zu diesem Zwecke sind die Leidenschaften zu bekämpfen und die edeln An - lagen zu entwickeln. Gott ist also das Vorbild, dessen Abbild durch die Erziehung geliefert werden soll. Nach dem Sündenfalle, der Leib und Seele so furchtbar ver - wüstete, ist diese Aufgabe schwierig geworden. Wie fürchter - lich es mit der Erziehung der gebildeten Heiden aussah, will ich um so weniger andeuten, als ich euch einmal ein Bild vom Zustand der alten Römer und Griechen ent -179 worfen habe. *)Glaube und Vernunft S. 55.Dabei ist noch zu bemerken, daß die allen Heiden von einer konfessionslosen Bildung und Er - ziehung nichts wußten für solche Kindersprüche war ihr Verstand noch nicht verdunkelt oder verkrüppelt genug sie kannten nur den wahren Gott nicht und damit das Vorbild eines menschenwürdigen Daseins und Lebens.

Damit aber nicht das ganze Menschengeschlecht in seiner Bildung verwildere, wählte sich Gott das Juden - volk aus, sich ihm zu offenbaren und den Samen für eine bessere Zukunft aufzubewahren. Diesem rief er vom Berge Sinai: Ihr sollet mir sein ein heilig Volk. Um diesen Zweck zu erreichen, gab er die Gebote, verhieß den Erlöser, sandte von Zeit zu Zeit große Propheten. Aber bei all' diesen Erziehungsmitteln blieben die Juden so sinnlich, wurden oft so schlecht, so verdorben, so gottlos, daß Gott der Herr oft die Ruthe gebrauchte. So seufzten die Aus - erwählten: Thauet ihr Himmel den Gerechten und die Erde sprosse den Erlöser. Den Gerechten selbst kam es fast unmöglich vor, das Ebenbild Gottes in sich wieder herzustellen; nur die Hoffnung auf den Erlöser ließ sie nicht muthlos werden. Diese Hoffnung ist längst erfüllt: denn das Wort ist Fleisch geworden, hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen voll der Gnade und der Wahrheit, die Herrlichkeit des Eingebornen vom Vater.

Das ist nun das Vorbild, auf das ihr hinschauen sollet, wollet ihr nicht bloß Menschen erziehen, welche nur zu oft Scheusale werden, sondern Christen, welche das Ebenbild Gottes in sich tragen. Ob dieser wahre und ewige Sohn Gottes, aus der Jungfrau Menschensohn geworden, wirklich das Vorbild sei, dürfen wir wahrhaft keinen Augenblick bezweifeln. Oder warum ist er ein Kind geworden? Warum ging er mit Maria und Joseph180 in den Tempel? Warum war er ihnen unterthan? Warum nahm er mit den Jahren zu an Gnade und Weisheit? Gilt nicht auch hier sein Wort: Ich habe euch ein Bei - spiel gegeben ; Willst du mein Schüler sein, folge mir nach. Will also die Jugend selig werden, so muß sie wie die Erwachsenen dem Sohne Gottes gleichförmig werden. Hiefür besorgt zu sein, christliche Eltern, ist euere Pflicht, euere Aufgabe und zwar derart, daß die hl. Kirche diese Pflicht den Pathen auferlegt, wenn ihr sterben oder euch nachlässig erweisen solltet.

Wie glücklich seid ihr und euere Kinder, sobald ihr euer Glück verstehet und zu gebrauchen wisset. Denn sobald es sich um ein Vorbild handelt, gilt das Wort: Für die Jugend ist nur das Beste gut genug! Nun kann man allerdings streiten, wer der größte Feldherr, oder Redner, oder Dichter, oder Maler, oder Philosoph gewesen, sobald man aber fragt: Wer war der voll - kommenste Mensch? so müssen vor einer Persönlich - keit alle in den Hintergrund treten, wie vor der Morgen - sonne alle Sterne verschwinden. Was sind nämlich alle Menschen? Sünder. Wer da sagt, er sei ohne Sünde, der ist ein Lügner, die Wahrheit ist nicht in ihm. Selbst die Heiligen sind dieser Regel unterworfen, es gibt nur eine Ausnahme, nämlich die seligste Jungfrau Maria, und diese ist nur deßhalb ausgenommen, weil sie die wahre Mutter des Gottmenschen ist und deßwegen nach ihrem göttlichen Sohne unser erstes Vorbild. Daher hat denn dieser Menschensohn nicht bloß keine Unvoll - kommenheit, sondern er kann auch keine haben, weil er zugleich der Sohn Gottes ist.

Oder ist vielleicht dies Vorbild zu vollendet, zu erhaben, unerreichbar und deßhalb auch unbrauchbar? Ich hörte selbst einmal so ungelehrte Gelehrte, welche die Gottheit frech leugneten und dabei mit philosophischer181 Miene bemerkten: Wenn Christus bloßer Mensch ist, so kann er unser Vorbild sein; aber nicht wenn er Gott ist. Wahrlich, mit dem Glauben scheinen diese Leute auch den natürlichen Verstand nach und nach zu verlieren. Oder wenn die Schüler das Schönschreiben, das Zeichnen, das Malen, die Redekunst erlernen sollen, gibt man ihnen etwa Muster und Vorlagen voll Fehler und Mängel mit dem Bemerken: So weit könnt ihr's etwa bringen, aber nicht weiter; der Spatz fliegt nicht mit dem Adler. Nicht wahr, solche Leute würde man für halb närrisch anschauen! Aber wenn es sich und die Erziehung handelt, um die Entwicklung aller edlen Anlagen, um die Heran - bildung des Kindes nicht bloß für diese Spanne Zeit, sondern für die lange Ewigkeit, da soll auf einmal jedes Vorbild gut genug sein? Da soll der Grundsatz gelten: Je unvollkommener desto besser, desto brauchbarer; je vollkommener desto schlechter, desto unbrauchbarer! Wo liegt da der tiefere Grund?

Die schönsten Vorlagen für Schreiben, Zeichnen, Malen legen der sinnlichen Natur keine Opfer auf; die herrlichsten Bilder in der Rede , Dicht - und Tonkunst verlangen nicht die Abtötung der bösen Neigungen, sondern gestatten, so lange wenigstens der äußere Anstand nicht zu grob verletzt wird, den Gelüsten freien Raum; ja selbst diese Dichter und Schriftsteller und Redner und Staatsmänner, welche man als Vorbilder gebrauchen will, lassen der gesunden Sinnlichkeit so viel Spielraum, daß sie gewisse Gebote Gottes nicht zu fürchten hat. Das Evangelium Christi ist gewichen dem Evangelium der fünf Sinne! Aber jenes Vorbild, das der himm - lische Vater uns gegeben, als er sprach: Das ist mein geliebter Sohn, den sollet ihr hören, jenes Vorbild, das von zarter Kindheit auf an Weisheit und Gnade zunahm vor Gott und den Menschen, dies einzige Vorbild einer182 menschenwürdigen Erziehung, will das Kind nach dem Ebenbilde Gottes bilden und wird keine Befriedigung der bösen Neigungen nur von ferne gestatten, sondern ruft überlaut: Verläugne dich selbst; kreuzige das Fleisch mit all' seiner Begierlichkeit! Das ist der einzige wahre Grund, warum Jesus Christus nicht mehr das Vorbild der Jugend sein soll; aber das ist gerade wiederum der Grund, warum er es sein muß, soll nicht das Fleisch mit seiner Begierlichkeit den Menschen zum Barbar machen.

Wer das Vorbild kann ja von keinem erreicht werden. Wer sagt denn Ja . Wer kann denn die Vollkommenheit des himmlischen Vaters erreichen? Und doch sagt der Heiland, seid vollkommen wie euer Vater im Himmel. Das ist auch gar nicht nothwendig. Aber so weit kann jeder dem Menschensohne gleichförmig werden, daß er für Zeit und Ewigkeit glücklich wird.

Das nun ist nicht schwer und braucht kein tiefes Forschen, was man zu thun und nicht zu thun habe. Da brauchet ihr den Kindern keine Gelehrsamkeit mühsam beizubringen, sondern sie einfach auf ein lebendiges Vor - bild hinzuweisen, auf ein Kind, dem nichts Menschliches ferne geblieben außer die Sünde ganz allein und die richtige Antwort für euere Kinder wird euch niemals fehlen. Will nur ewige Andeutungen machen.

Was lieben die Kinder? Die Sinnlichkeit im Essen und Trinken, in Spielen und Genüssen aller Art. Das Christkindlein liegt in der Krippe. Ich habe euch ein Beispiel gegeben. Was lieben die Kinder, besonders die Mädchen? Eitles Gewand! Das Christkindlein, in arme Windeln gewickelt, liegt auf Heu. Ich habe euch ein Beispiel gegeben. Was lieben die Kinder? Den Eigen - sinn, den Ungehorsam. Der Knabe Jesu war ihnen unterthan. Ich habe euch ein Beispiel gegeben. Was183 liebt die Jugend? Die Abwesenheit der Eltern, die Sonntagsgenüsse. Oft sogar die Vernachlässigung des Gottesdienstes. Der Knabe Jesu ging mit Maria und Joseph in den Tempel. Ich habe euch ein Beispiel ge - geben. Was liebt die Jugend nur zu oft? Die Sünde. Und Jesus Christus? Wer aus euch kann mich einer Sünde beschuldigen? Ich habe euch ein Beispiel ge - geben.

Aber denkst du vielleicht, das ist alles recht und gut, für unsere Kinder sogar nothwendig; aber für diesen Unterricht haben doch die Geistlichen zu sorgen. Aber nicht allein, nicht zuerst. Denn ihr, christliche Eltern, ihr habet die Kinder Jahre lang, bevor wir sie in die Hände bekommen. Der Heiland ladet diese Kleinen zu sich und ihr wollet ihnen nichts vom Jesukindlein sagen? Ihr wollet sie nicht anhalten, nach diesem gött - lichen Beispiele zu beten, zu gehorchen, zu entbehren, be - scheiden und eingezogen zu handeln? Warum ist er denn ein so kleines Kind geworden? Warum hat er das menschliche Elend von zarter Kindheit an getragen? und ihr wollet dies Beispiel den Kleinen verbergen, vorenthalten?

Oder verstehen sie es nicht? Ein Kind versteht ein Kind, so weit es nothwendig ist. Die Kleinen nennen euch Vater und Mutter; kennen sie die tiefe Bedeutung dieser Worte? und doch mit welcher Liebe und An - hänglichkeit sprechen sie diese Namen aus! Warum das Christkindlein für ihr zartes Alter nicht verstehen? Erleuchtet es doch jeden Menschen, der in diese Welt kommt und besonders diese Kleinen in den Glanzjahren ihrer Taufunschuld.

Wer daher seine Kinder nicht so bald als möglich auf dies göttliche Vorbild hinweist, der ist, um wenig zu sagen, ein jämmerlich unwissender Christ und Erzieher. 184Denn betrachtet nur noch Folgendes. Schon ein alter Heide gab den Rath, in seinem Thun und Lassen sich so zu benehmen, als ob man in Gegenwart eines ehrwür - digen Mannes stände, denn so werde man alles Unge - ziemende und Gemeine fliehen.

Welche Bedeutung wird daher das Bild Jesu Christi im Geist und Herz des Menschen haben? Denn dies göttliche Kind ist in seiner Allgegenwart überall, sieht in seiner Allwissenheit Alles. Wenn nun der Eingeborne vom Vater in seiner verklärten Menschennatur sichtbar vor uns stände, wer würde wagen, etwas Unrechtes, Un - sittliches nur zu denken? Wer? Warum also den Glauben an die Allgegenwart und Allwissenheit des göttlichen Kindes nicht in jedem Kinde so früh als mög - lich recht lebendig machen und erhalten? Das ist um so nothwendiger, als ihr ja nicht immer bei euern Kindern sein könnet und, wenn ihr noch bei ihnen seid, nicht sehet was in ihrem Innern vorgeht.

Und doch ist dies alles nur wie ein schwacher Anfang! Denn dies alles ist mehr Unterricht als Erziehung und doch ist die Erziehung die Hauptsache. Ihre ganze Kunst beruht eigentlich auf dem einfachen Satze: Durch wieder - holte Handlungen kommt man zur Gewohnheit. Nicht daß man hie und da das Gemeine und Wüste fliehe, sondern immer; nicht daß man nur vor ordentlichen Leuten bescheiden und sittsam handle, sondern auch wenn man allein ist, oder durch Zufall für den Augenblick in böser Gesellschaft sich befindet: Das soll die Erziehung bewirken. Daher muß das göttliche Kind so recht in Mitte der Familie sein, und die Eltern haben die hl. Pflicht, ihre Kinder anzuleiten und anzuhalten, all ihre Gedanken und Reden, all ihr Thun und Lassen so nach dem Beispiel des all - wissenden, göttlichen Kindes einzurichten, daß ihnen diese Handlungsweise zur unverwüstlichen Gewohnheit wird zur zweiten Natur.

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Da nun möget ihr einmal begreifen, wie wenig der Religionsunterricht nützt, wenn nicht Alle, denen Kinder so oder so anvertraut sind, mitwirken, wenn wenigstens nicht die Familie ein wahres Heiligthum wird und bleibt. Denn durch den Religionsunterricht in der Schule werden zwar alle so weit unterrichtet, daß sie das Nothwendigste wenigstens wissen könnten und sollten aber werden sie in der Nachfolge Christi auch so gestärkt, daß sie selig werden?

Ich will euch nur den Sachverhalt vorlegen, und dann urtheilet selbst.

Die kleinen Schulkinder haben jede Woche eine Stunde Religionsunterricht, die größern zwei. Diese Kinder sind oft von andern Unterrichtsstunden ermüdet, verurtheilt, ganze Fuder von Gelehrsamkeit zu verschlingen, daneben mitten in allerlei Zerstreuungen, vielleicht von schlechten Kindern, von jungen Spöttern umgeben, mit 13 14 Jahren, wenn nicht schon früher, voll erwachter Leidenschaften, viele schon in der ganzen Frühreife des Leibes und der Seele; zu Hause wenig oder kein Gebet, kein Unterricht, keine Fragen über Religionsunterricht, vielleicht noch gefährliche Schriften, Bilder, Reden über Geld, Gewinn, Geschäft, über Moden, Theater, Tänze, Liebschaften, Ehen; in der Schule kein christliches Zeichen. Wer denkt da nicht unwillkürlich an das Gleich - niß vom Sämann? In diesen Religionsstunden wie viel Samen fällt neben den Weg? Viele Kinder hören das göttliche Wort; aber es kommt der Teufel und nimmt es ihnen. Wie viel Samen fällt auf felsigen Boden! Viele Kinder nehmen den Unterricht mit Freuden auf; er schlägt in ihnen keine Wurzeln: so fallen sie früher oder später zur Zeit der Versuchung in Sünde und Elend! Wie viel Samen fällt endlich zwischen die Dornen, zwischen die Leidenschaften, wo er bald erstickt? Das ist bei186 einer Unzahl von Kindern der Fall. Hier liegt also eine ungeheure Gefahr für die Jugend und für die Zukunft dieser Stadt und Pfarrei; eine Gefahr um so größer, als viele noch gutgesinnte aber kurzsichtige Katholiken dieselbe gar nicht zu ahnen scheinen.

Wer wird diese Gefahr, wenn nicht heben, doch weniger drohend machen? Nicht der Religionsunterricht. Denn mehr ist nicht möglich. Nicht die Schule; denn sie wird ihr Angesicht nicht so bald ändern. Nicht all' unsere Vereine; denn diese beschäftigen sich nicht mit der Erziehung der Kinder. Woher kann die Rettung noch kommen? Von der christlichen Familie von euch, christliche Väter und Mütter! Ihr Väter, Lehrer und Priester der Familie, ihr habet euere Kinder auf das göttliche Kind hinzuweisen, ihr habet sie zu unterrichten in den Religionswahrheiten, in der biblischen Geschichte ihr habet zu sorgen, daß euere Kinder nach dem Bei - spiele des göttlichen Knaben ihr Leben einrichten. Euere Gehülfin hiebei euere Gehülfin verstehet wohl, ist die Mutter. Wenn ihr dem Wirthshause, den Vereinen, den Gesellschaften, den Theatern, den Bällen ferne bleibet, wenn ihr wenigstens am Sonntag einige Stunden den Kindern widmet, ist das leicht möglich. Wer aber in dieser zerrissenen, oberflächlichen, gedankenlosen, genuß - süchtigen Zeit nicht die Familie zum Mittelpunkt einer tief religiösen Erziehung macht, der ist in großer Gefahr mit seinen Kindern für Zeit und Ewigkeit ins Unglück zu stürzen.

Warum verkünde ich diese Wahrheiten? Mich er - barmet die Jugend, die Familie, mir graut vor der Zukunft! Warum verkünde ich diese Wahrheiten? Ich möchte die Verantwortung nicht tragen, das Grundübel nicht in seiner Wurzel bloßgelegt und das einzige Heil - mittel angegeben zu haben.

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Ihr habet also die heilige Pflicht, in euerer Familie Alles zu thun, daß euere Kinder nach dem Vorbilde des göttlichen Knaben aufwachsen. Die Vernachlässigung dieser Pflicht ist eine um so größere Schuld, als die Kinder so leicht für die Liebe Jesu Christi eigentlich be - geistert werden. Gott, ein Kind in der Krippe, ein Kind auf der Flucht, ein Kind voll Gehorsam in Naza - reth, ein Kind voll Andacht im Tempel, Gott, der Menschensohn, der die kleinen zu sich ruft, segnet, ihnen den Himmel verspricht; der Menschensohn der am Kreuze stirbt, aus Liebe zu allen, zu allen Kindern und zu jedem Einzelnen: wenn diese göttliche Person in Menschengestalt von einem Kinde nicht glühend geliebt wird, so muß dasselbe wahrhaft verdorben sein, bevor es nur verdorben werden kann. In dieser Liebe wird die Nachfolge Christi leicht und in der Nachfolge Christi die Erziehung, die Entwicklung des Kindes zu seiner vollen Himmelsschöne.

Aber wehe all' denen, welchen dies Geheimniß ver - borgen ist. Denn da erfüllt sich das Wort des heiligen Paulus: Verflucht, wer unsern Herrn Jesum Christum nicht liebt! Wer aber liebt ihn nicht? Gewiß jene Eltern, welche es ihren Kindern wehren, zum Heiland zu gehen, jene Eltern, welche dies göttliche Vorbild ihren Kindern vorenthalten; jene Familie, wo die Kleinen von Jesus Christus gar nichts oder gar wenig hören, jene Familie, wo das Christkindlein den Kindern Geschenke bringt aber ein Christkindlein, durch den Unglauben seiner göttlichen Majestät und Herrlichkeit entkleidet!

Verflucht wer unsern Herrn Jesum Christum nicht liebt. O, dies Brandmal des Fluches auf so mancher Haus - thür! Auf der Kainsstirne der ganzen christusfeindlichen Zeit. Denn je mehr sie für die Bildung und Erziehung und Schulung des Kindes zu arbeiten scheint, desto gott - loser, verkommener, frecher, ungehorsamer, unzüchtiger188 wird die Jugend von Tag zu Tag! Wenn das nicht Gottes Fluch ist, wo ist er dann noch zu treffen! Sollte aber dieser Fluch wie ein böser Geist in einer Familie hausen, so thuet doch Buße in dieser hl. Zeit, sorget doch daß auf Weihnacht das Christkindlein mit seinem Segen in euer Haus einziehe und darin wohne mit der Herr - lichkeit des Eingebornen vom Vater voll der Gnade und der Wahrheit. Wo der Heiland schon in Mitte der Familie von allen geliebt, angebetet und nachgeahm wird, dort lasset (Philip. IV. ) euer Anliegen in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden; damit die Herrlichkeit des Eingebornen vom Vater im Tugendglanze euerer Kinder immer schöner und voller leuchte, und der Friede Gottes, der allen Begriff über - steigt, euere Herzen und eueren Sinn beschirme in Christo Jesu.

XX. Erziehung und Liebe.

Geliebteste, lasset uns einander lieben, denn die Liebe ist aus Gott. So mahnt der hl. Johannes die Gläubigen (I. Joh. IV., 7.) Diese Nächstenliebe aus Gott ist nicht diese Sentimentalität, dieser Gefühlsdusel, dieser Welt - schmerz eines Geschlechtes, dem die Gottheit Christi ein Aergerniß geworden oder das Evangelium in seinem richtigen Verständniß ein verschlossenes Buch; sondern diese Nächstenliebe aus Gott ist nach dem hl. Johannes jenes thatkräftige Wohlwollen, das die Werke des Teufels, die Sünde zerstört, die Gebote Gottes beobachtet, dem Nächsten nach Kräften beisteht, ihn zeitlich und ewig glücklich zu machen. Wenn nun diese Liebe auch Pflicht189 Aller gegen Alle ist, so doch besonders der Eltern und Aller, welche an der Erziehung der Jugend zu arbeiten haben. Was ist denn Erziehung? Der Kampf wider die Bar - barei der Leidenschaften, die Entwicklung aller guten Anlagen; das Vorbild, dem das Kind ähnlich werden soll, ist das göttliche Kind. Wie die Verhältnisse heute liegen, ist diese einzig wahre und menschenwürdige Er - ziehung Hauptaufgabe der Familie geworden. Damit diese Erziehung gelinge, soll die Liebe der Mittelpunkt derselben sein. Um diese Wahrheit zu verstehen, betrachten wir das Kind in seinem ersten Dasein, dann in seinem Beruf für die Gesellschaft und in seiner geistigen Ent - wicklung.

Was ist dies zarte Kind? Eine Frucht der Liebe des Vaters und der Mutter. Wenn die Ehe nicht un - glücklich ist, so wächst das Kind in der Liebe auf wie der Baum in der Luft. Denn im Herzen des Kindes treffen sich die Strahlen der Vater - und Mutterliebe; an der Wiege des Kindes liebt der Gatte die Gattin und die Mutter ihren Mann inniger und beide lieben ihr Kind. Und dies zarte Kind, was lernet es zuerst? Die Liebe, das werkthätige Wohlwollen. Was bedeutet sein erstes Lächeln? Die Liebe zum Vater, zur Mutter, zu andern, deren Wohlwollen es ahnt und fühlt. Wenn es die Zeit erlaubte, wollte ich hier das Schönste und Lieblichste aus den Dichtungen der alten Griechen ausführlich er - zählen, jenen Abschied des Helden Hektor (Ilias VI. 475) von seiner Gattin Andromache, wie er dabei sein kleines Söhnchen auf den Händen schaukelt, zu den Göttern für dessen Heil betet, wie er dann dasselbe auf die Arme seiner Mutter legt, und diese das Kind an ihre Brust drückt, lächelnd mit Thränen im Auge. Allein ich muß eilen; denn ich darf durch die Länge des Vortrages nicht ermüden, ich darf eilen; denn unsere erste Erinnerung190 ist diese von Gott selbst im Heiligthum der Familie an - gezündete Liebesflamme.

Aber was folgt hieraus für euch, christliche Eltern? Vor allem, daß ihr einander aufrichtig liebet. Denn sonst verkümmert euer Kind vor der Geburt und stirbt nach - her ganz ab in euerm Zank und Streit, in euerer gegen - seitigen Abneigung. Was folgt noch mehr? Ihr wisset, daß viele trübe Stunden auch über junge Eheleute kommen, wo sie mißmuthig, traurig, niedergeschlagen, zornig, unwillig werden. Lasset das euere kleinen Kinder niemals fühlen, sie können ja noch nicht unterscheiden und deßhalb glauben sie leicht, sie seien euch nicht mehr lieb. Endlich übergebt doch in den ersten Jahren euere Kinder, so wenig als möglich, fremden Händen. Denn je mehr ihr selbst euch mit ihnen abgebet, je mehr ihr selbst bei Tag und Nacht für sie sorget, je mehr ihr selbst sie heranziehet und ihnen Freude machet desto mehr wächst die gegenseitige Liebe, in deren Wärme euch das Kind aufgeht wie die Rosenknospe im Sonnenstrahl.

So wird dies Kind immer größer. Es ist nicht für die Familie allem, sondern auch für große Gesellschaft be - rufen. Daher muß sein Sinn und seine Befähigung für das gesellschaftliche Leben ausgebildet werden.

Worauf beruht dies gesellschaftliche Leben? Auf der Befolgung der Mahnung des hl. Johannes: Geliebteste lasset uns einander lieben oder wie der hl. Paulus mahnt (Gal. V. 6.) Dienet einander durch die Liebe des Geistes. Es gibt gewisse Manieren und Anstands - regeln, mit deren Kenntniß und Uebung ihr euch in jeder Gesellschaft anständig bewegen könnet; aber das ist eitel Schein und Flitter. Denn das gesellschaftliche Leben beruht nicht auf einigen Komplimenten und Schmeicheleien, das mag genügen für einen Besuch, für einen Ausflug, für eine Abendunterhaltung, für einen Tanz, für Neu -191 jahrswünsche; aber im öffentlichen Leben kommt der täg - liche Verkehr in Handel und Wandel, die Berührung mit den manigfaltigsten Charaktern; da kommt oft ein Kampf zwischen deinem Vortheil und dem des Nächsten; da kommt das ganze öffentliche Leben mit all seinen Dornen und Hacken ohne Zahl. Wer nun besähiget euch, in dieser Gesellschaft zu leben zu eurem Heil und zum Wohle des Nächsten? Jene Liebe allein, welche den Eigennutz, den Krämergeist, diesen Todfeind jeder geord - neten Gesellschaft tödtet; jene Liebe allein, welche Un - recht und Sünde muthig bekämpft, aber die Ungerechten und die Sünder zu retten sucht; jene Liebe allein, welche wenn sie auch Unrecht leidet, geduldig bleibt, Zorn und Haß ferne hält, oder in den ersten Keimen erstickt.

Damit nun das Kind für diese Liebe heranwachse, will ich auf einige Uebelstände und Verpflichtungen auf - merksam machen.

Nicht wahr, zwischen einzelnen Familien waltet oft Spannung, Feindschaft; es entstehen Zwistigkeiten, Prozesse. Was geschieht nun oft? Vor den Kleinen bespricht man den Haß und die Feindschaft, läßt seinen Zorn aus über wirkliches oder vermeintliches Unrecht. Das ist vom Bösen für die Erziehung. Denn die reine Luft der Liebe wird verpestet und die Kinder solcher Familien wachsen in gegenseitiger Abneigung auf.

Gibt es ferner nicht auch Mütter, welche ihren Kinden den Umgang mit andern Kindern nur deßwegen ver - bieten, weil deren Mutter ihnen verhaßt ist? So ver - kümmert bei diesen Weiberlaunen manches Kind in der Blüthe seines Lebens und tritt mit dem Eigennutz, mit der Unverträglichkeit aber nicht mit der Liebe, nicht mit der Geduld in die Gesellschaft. Ja wenn ihr euerem Kinde den Umgang mit einem schlechten Kinde zu ver - bieten habet, seid dann noch vorsichtig und saget etwa:192 Siehe, jenes Kind ist ein böses; es thut diese Sünde: du darfst nicht mit ihm gehen, sonst wirst auch du böse; aber bete für dasselbe täglich ein Vater-unser zum Christ - kindlein, damit es wieder brav werde. So nährt ihr im Kinde den Haß gegen die Sünde und zugleich die wahre Liebe gegen die Sünder.

Wollet ihr, daß die Kinder in der reinen Atmosphäre der Liebe für das öffentliche Leben heranreifen, so haltet doch diese unreinen Ausdünstungen der Politik von euerer Wohnung ferne. Ich gehöre keiner politischen Partei an, sondern nur Gott und der Kirche und dem Vater - lande, aber allen Parteien habe ich bis heute das Evan - gelium Jesu Christi verkündet und gezeigt die Herrlich - keit der Braut Christi frei von Ketten im Strahlenglanze himmlischer Freiheit. So hab ich mir die für einen Priester unschätzbare volle und ganze Freiheit des Wortes bewahrt bis auf den heutigen Tag. Politische Parteien gab es immer, und wird auch immer solche geben; das ist an und für sich kein Unglück; aber ein großes Unglück, daß die christliche Liebe und Achtung gegen den Gegner vielfach vergessen ist, daß der politische Haß den Gegner nur zu oft bekleckst bis zur Verletzung und Vernichtung des natürlichen Anstandes.

Das nun ist überaus traurig und für das öffentliche Wohl verderblich; wenn aber erst solche Dinge vor den Kindern verhandelt werden, wie unheilvoll wirkt das für die Entwicklung derselben? Hasdrubal nahm seinen neunjährigen Sohn Hannibal an den Altar der Götter und ließ ihn dort tötlichen und ewigen Haß gegen die Römer schwören. Wenn auch das jetzt in den Familien nicht gerade vorkommt, so werden doch, um wenig zu sagen, durch unvorsichtiges Reden, die Keime des poli - tischen Hasses in gar viele Kinderherzen hineingelegt.

Ja, wenn ich noch weiter gehen muß, soll ein jeder193 mein Wort wohl überlegen, bevor er mir Uebertreibung vorwirft. Denn was ich sage, hängt zusammen wie die Ringe einer Kette, Fast in jeder Familie gibt es politische Zeitungen. Was die neben der täglichen Verbrecherchronik, neben mehr oder weniger unglücklichen Witzen und Anekdoten und allerlei Liebesgeschichten und Ankündigungen was alles für den Geist des Kindes nur zu oft die gleiche Bedeutung hat, wie eine giftige Sumpfung oder verunreinigtes Quellwasser für den Leib was diese sonst auch in politischer Beziehung bringen, wissen wir alle; wie politische oder auch geschäftliche Gegner in allen Lagern da wegkommen, wissen wir alle. Wenn man den offenen oder versteckten Haß und Eigen - nutz und Neid aus all diesen Blättern destillieren könnte, das würde ein ungeheures Quantum Fusel geben und diesen trinken zahllose Kinder!

Daher, christliche Eltern, haltet doch all diese Blätter aller Farben fern von euern Kindern, auch wenn die - selben 14, 15 Jahre alt geworden. Und wenn sie mit 20 Jahren noch keine Zeitung gelesen, so haben sie rein nichts verloren. Aber das ist streng! Aber ist es nicht so? Aber das ist neu! Aber ist es nicht wahr? Aber die gute Presse! Aber für die Kinder gibt es nur eine gute Presse: Das Evangelium des gött - lichen Kindes. Denn nur so wird Eigennutz und Haß und Gefühlsduselei und Schwärmerei in ihren Herzen erstickt und das Feuer der göttlichen Liebe, welche das Christkindlein vom Himmel gebracht, in ihrer Seele zur hellen Flamme angefacht. In dieser Liebe reifen sie dann nicht bloß für die bürgerliche Gesellschaft heran, sondern finden auch das Gedeihen für ihre geistige Ent - wicklung.

Wir haben das Kind in seinem ersten Dasein, dann in seiner Bestimmung für die Gesellschaft betrachtet: über -194 all bildet die Liebe den Mittelpunkt der Erziehung; das gleiche ist bei der geistigen Entwicklung der Fall.

Ihr müsset das Kind nach dem Vorbilde des gött - lichen Kindes heranziehen. Ihr habet also euern Kindern das Leben des Christkindleins zu erzählen, ihnen die noth - wendigsten Glaubens - und Sittenlehren beizubringen, einzuprägen aber genügt das? Genügt euch das trockene Wort, oder wollet und müsset ihr für dasselbe begeistert, entflammt werden? Das gilt noch weit mehr von den Kindern. Diese Liebe zum göttlichen Kinde, diese Begeisterung für die Wahrheiten des Glaubens könnet ihr ihnen desto leichter beibringen, je aufrichtiger ihr sie liebet und je zärtlicher ihr von ihnen geliebt werdet. Deßwegen geht selten ganz verloren, was das Ansehen des Vaters und die Liebe der Mutter in das Kinderherz gepflanzt hat. Wenn ich verlorene Söhne und Töchter oft fragte: Was sagten deine Eltern, als du in die Fremde gingest? Sei doch brav! Und jetzt? Da rollten die hellen Thränen über das Angesicht.

Begreifet ihr nun, warum Satan zuerst durch un - selige Bekanntschaft und dann durch Zank und Streit, durch Ehebruch und Scheidungen und Wiederverheirathung diese erste und letzte Stätte der Liebe zerstören will?

Wenn ihr dann etwa euere Kinder für ihre Bildung weiter zu schicken habet, so sorget doch, daß sie diese Liebe in der Person ihrer Lehrer wieder finden. Wenn ihr nur an die Liebe des hl. Columban gegen seinen Schüler Gallus und an die Liebe dieses Schülers gegen seinen hl. Lehrer deutet, an die Liebe der Söhne des hl. Gallus in jener gefeierten Klosterschule gegen ihre Schüler und an die Begeisterung jener Jugend gegen ihre Lehrer, und dann jener großen Männer der Heiligkeit, der Wissenschaft, der Kunst euch erinnert, so werdet ihr wohl195 begreifen, von welcher Bedeutung die Liebe für die Er - ziehung und Bildung der Jugend ist. Daher sprach selbst Rousseau bei all' seinen falschen Grundsätzen: Es ist schwer, daß eine Erziehung, an welche das Herz gebunden ist, für immer verloren sei.

Doch wendet euern Blick himmelwärts. Gott der Vater will uns für den Himmel erziehen was thut er? So sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingebornen Sohn gesandt. Was that das fleischgewordene Wort, uns für den Glauben zu gewinnen, für den Himmel zu erziehen? Er hat uns geliebt bis zum Tod am Kreuze. Was thaten die hl. Apostel? Mit dem Liebes - jünger liebten sie alle Menschen und erwiesen sich als Diener ungeheuchelter Liebe. (II. C. IV. 6.) So habet ihr euere Kinder zu lieben und diese sollen wissen, daß sie euch lieb sind. Wohl sagt man von manchem ver - dorbenen Kinde: Es weiß eben, daß es lieb ist.

Allein schütten wir das Kind nicht mit dem Bade aus! Es gibt nämlich eine falsche Liebe, welche allen Launen und Gelüsten des Kindes willfahrt, eine Liebe wo das Kind befiehlt und die Eltern gehorchen. Sobald ein Kind nun weiß, daß es so geliebt, oder um das richtige Wort zu gebrauchen, gehaßt wird, verwildert es natürlich, um die Geißel für Vater und Mutter zu werden. Sobald aber die Kinder wissen, daß ihr für ihr zeitliches und ewiges Wohl ängstlich besorgt und bereit seid, jedes Opfer hiefür zu bringen, daß ihr aber im Falle des Ungehorsams und der Sünde auch die Ruthe in Bereitschaft haltet, ist das für sie ein kräftiger Ansporn dem göttlichen Kinde wirklich nachzufolgen, und zugleich nothwendig für einen entscheidenden Punkt der Erziehung nämlich für die Oeffnung und Erschließung des Herzens.

Wer immer an der Erziehung der Jugend gearbeitet,196 und nicht etwa bloß hölzernen Unterricht gegeben und den Gehalt dafür eingezogen hat, kennt die Bedeutung dieser Erziehung des Herzens. Denn das Kind soll offen, treu - herzig, durchsichtig werden, daß es kein Geheimniß in sich verschließt. Wo aber die Erziehung das nicht leistet, verschließt sich das Kind in sich selbst und das meistens mit seinen Leidenschaften und Sünden, wird einsam, sucht die Winkel, flieht die Gesellschaft, wird voll Heuchelei und Lüge ist vielleicht mit 10 Jahren schon ein ab - geriebener Diplomat. Woher diese traurige Erscheinung? Die Belehrung hat vielleicht den Verstand mit allerlei Material bereichert, aber die Erziehung hat das Herz nicht geöffnet.

Wer nun hat den Schlüssel zum Herzen? Die Liebe allein. Man muß lieben und fühlen, daß man geliebt wird, dann öffnet sich das Herz von selbst. Da schaut wieder auf den göttlichen Heiland. Warum stürzt M. Magdalena, die öffentliche Sünderin, mitten während des Festmahles vor den Augen der Pharisäer dem Hei - land zu Füßen? Der Heiland liebt die Sünder und sie liebt den Heiland. Diese Liebe öffnet die Abgründe ihres Herzens und vertreibt daraus die sieben Teufel der Sünde. Wenn nun eine Sünderin in der Vollblüthe ihres Lebens aber auch in der Tiefe ihrer Verkommenheit ihr Herz in der Liebe öffnet, wie viel mehr ein Kind, das noch in keine schwere Sünde gefallen und wenn auch doch an dieselbe noch nicht gewohnt ist?

Darum bitte und beschwöre ich euch alle, die ihr an der Erziehung der Jugend arbeitet, liebet doch die Kinder mit jener Liebe, die aus Gott stammt. Denn hievon hängt nicht bloß ihr zeitliches Glück, sondern oft das Los der Ewigkeit ab. Ach! wie viele die nie auf - richtig geliebt werden! Sie haben vielleicht Vater und Mutter kaum gekannt und wurden unter fremden Leuten197 hin und hergeworfen, und wo sie leiblich noch irgendwie versorgt waren, wurden sie vielleicht um Glaube oder Unschuld betrogen. Andere kannten Vater und Mutter; aber diese lebten im Kriege und hatten kein Herz für ihre Kinder. Wenn solche später geliebt werden, werden sie nur zu oft geliebt nicht in der Liebe, welche von Gott stammt, sondern aus Sinnenlust: So stürzen sie nur um so tiefer in die Abgründe der Sünde und der Verkommenheit, der Angst und Verwirrung, des Elendes und des Jammers vielleicht der Verzweiflung!

Wenn solche Seelen mich hören, verzaget nicht. Denn jene Liebe, welche das göttliche Kind vom Himmel gebracht, welche der Liebesjünger mit den übrigen Aposteln nicht bloß gepredigt, sondern geübt, wird heute noch vom katholischen Priesterthum nicht bloß verkündet, sondern auch geübt, je nach dem Gnadenmaße, das der Einzelne von Gott empfangen hat. Ich kenne das menschliche Elend; deßhalb suche ich das gepreßte Herz zu erweitern; ich kenne das menschliche Elend, deßhalb bitte und be - schwöre ich euch noch einmal, euch christliche Eltern, dann euch Alle, welche ihr an der Erziehung arbeitet: Liebet die Kinder, daß sie in der Liebe aufwachsen; sorget, daß sie zunehmen in der Liebe des Nächsten, in der Liebe des göttlichen Kindes und so mit uns für den Himmel heranreifen durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus.

XXI. Erziehung und Gehorsam.

Die thatkräftige, ernste Liebe, welche alles aufbietet, um das Kind dem göttlichen Kinde ähnlich zu gestalten,198 ist so recht der Mittelpunkt der wahren Erziehung. Wenn dieser Gegenstand an und für sich sympatisch in Allen die manigfaltigsten Gefühle erweckt und in vielen einer eigentlichen Begeisterung gerufen, so ist mir dies nur der Beweis, daß ihr ein großes Verlangen nach der tiefen Entwicklung der ernsten Glaubenswahrheiten habet und deßwegen mit meiner Redefreiheit auch einverstanden seid.

Was ich nun über den Gehorsam zu sagen habe, ist allerdings nicht so anziehend und lieblich, aber doch von außerordentlicher Bedeutung und Tragweite, besonders jetzt, wo der Empörungsschwindel sich immer mehr der aufwachsenden Jugend bemächtigt, und so viele Eltern es nicht verstehen oder nichts thun, um zum Gehorsam zu erzielen. Daher will ich zuerst einige Worte an die Jugend und dann zum Schlusse an die Eltern richten.

Was ist denn Gehorsam? Da müssen wir klar sein. Denn die meisten Irrthümer kommen aus dem Mangel klarer Begriffe. Gehorsam ist die freiwillige Unterwerf - ung des Willens unter die Auktorität, welche das Recht hat, uns zu befehlen. So ist der Wanderer, der dem Räuber sein Geld gibt, nicht gehorsam, sondern weicht einfach der Gewalt. So sind auch Kinder, welche in die Ord - nung sich zwar fügen, aber innerlich widerstreben, nicht eigentlich gehorsam, und verwildern früher oder später. Wenn ihr also den Gehorsam übet, so thuet ihr nicht bloß äußerlich, sondern wollet auch im Herzen, was die Eltern von euch verlangen.

Betrachte nun, christliches Kind, dein göttliches Vor - bild. Und er zog mit ihnen hinab und kam nach Naza - reth und war ihnen unterthan. (L. II. 51.) So berichtet das Evangelium. Wer also war unterthan? Der Knabe Jesus. Wer ist unterthan? Jesus Christus, allmächtig wie Gott der Vater, ist unterthan Maria und Joseph, die schwach wie andere Menschen, Jesus Christus all -199 wissend wie Gott ist unterthan Maria und Joseph, denen die Gegenwart beinahe so dunkel wie die Zukunft; Jesus Christus der Schöpfer des Himmels und der Erde ist zwei Geschöpfen unterthan! Unterthan war ihnen der Sohn Gottes!

Wenn also Kinder auch weiser, angesehener, frömmer als ihre Eltern, bleiben sie doch Kinder und sind Gehor - sam schuldig. Was soll ich erst von diesen sagen, welche unwissend, unerfahren, aber im Hochmuthe ihrer Flegel - jahre nicht mehr gehorchen wollen? Christen dem Namen nach, in Wirklichkeit Heiden! Oder wollet ihr etwa sagen: Der Gehorsam verlangt zu große Opfer! Be - trachtet euer Vorbild. Und er zog mit ihnen hinab und kam nach Nazareth. Der zwölfjährige Knabe blieb ohne Wissen seiner Eltern im Tempel zurück, weil es so der Wille seines himmlischen Vaters war; er blieb überaus gerne, weil er am liebsten im Hause seines Vaters war.

Konnte er nicht für immer in Jerusalem wohnen? Nicht täglich im Tempel beten und bei den Lehrern weilen? Konnte er sich auf diese Weise nicht glänzend auf sein öffentliches Leben vorbereiten? Konnte er die Annehmlich - keiten Jerusalems nicht in der unschuldigsten Weise genießen? Und doch verläßt er diesen Tempel, an den er wie angewachsen; verläßt die Herrlichkeit und Schönheit Jeru - salems, geht nach dem verachteten Nazareth, woher nach allgemeiner Ansicht nichts gutes kommen konnte. Aber wußte er denn nicht, daß er gerade deßwegen bei seinem öffentlichen Auftreten verachtet sein werde? Und doch geht er mit Maria und Joseph nach Nazareth. Warum? Er war unterthan, wenn auch große Opfer, ja Spott und Hohn mit dem Gehorsam verbunden waren.

Wo also findet ihr den Sohn Gottes? Im verach - teten Nazareth, in der Werkstatt des hl. Joseph, nicht als müßigen Zuschauer, sondern als thätigen Gehilfen200 Aber ist diese Arbeit nicht gemein, nicht hart für den Sohn Gottes? Wo der Gehorsam ruft, das hört das Gemeine und Harte auf, und es beginnt der wahre Adel und die wahre Größe.

Aber wußte er denn nicht, daß er bei seinem öffent - lichen Auftreten für einen Zimmermannssohn gehalten werde, und daß gerade deßwegen sich viele an ihm ärgern, wußte er das nicht? Aber warum denn gleichwohl neben dem hl. Joseph als Zimmermann arbeiten? Er war ihnen unterthan! Und wie lang?

Christliche Jünglinge und Jungfrauen, die ihr mit 15 und 16 Jahren von den Banden des Gehorsams euch frei träumt, und dabei doch auf dem Himmelsweg zu wandeln glaubet, verlasset wenigstens für einen Augenblick dies große Irrenhaus, welches man Welt heißt, und tretet in die einzige Hochschule der Weisheit, in die Werk - statt von Nazareth, betrachtet den Sohn Gottes, wie er als Menschensohn zum Jünglinge, zum Mann heranreift, Maria und Joseph noch unterthan ist. Wie lange? Bis zum dreißigsten Jahr, wo er nach dem Willen seines himmlischen Vaters das öffentliche Leben beginnt. So lange ist er gehorsam in der Werkstatt!

Warum? Etwa um der Spott seiner Zeitgenossen zu werden als armer Zimmermann? Oder zum Zeit - vertreib? Oder daß heute die Jugend über den Gehor - sam sich lustig mache? Man sollte es fast glauben, wenn man an die Verwüstung der Familie denkt. Und doch befiehlt und bittet Jesus Christus: Folge mir nach. Wenn mir jemand dienen will, der folge mir nach und wo ich bin, da soll auch mein Diener sein. (Joh. XII. 25) Wer also wird bei ihm sein in der Herrlichkeit des Himmels? Seine Diener. Wollet ihr aber seine Diener sein, müßt ihr ihm nachfolgen, müßt ihr in den Jugendjahren nach seinem Beispiele leben in allem gehorsam gegen euere Eltern.

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Mit was wollet ihr euch da noch länger ausreden? willst du etwa sagen: Diese und jene gehen auch ins Wirthshaus, kehren auch spät in der Nacht heim, besuchen auch keine Christenlehre und fragen dabei den Eltern nichts darnach; diese und jene haben auch ihre Kleider und Tänze und Feste und Bekanntschaften und fragen da - bei ihren Eltern auch nichts darnach. Verblendete Jugend! Gott gibt dir seinen eingebornen Sohn zum Vorbilde und du wagst deinem Schöpfer und Herrn und Richter zu antworten: Diesen will ich nicht zum Vorbilde: ich richte mein Leben ein wie jener unbändige Bursche, wie dies freche Mädchen. Nicht wahr, für Heiden wäre eine solche Sprache wüst und sündhaft aber im Munde der christlichen Jugend! Ist sie da nicht eine Art Gottes - lästerung?

Aber ich rede ja nicht so! Das fehlte noch. Aber handelst du nicht so? Arme Jugend! So folgt Sturz über Sturz von Abgrund zu Abgrund.

Oder wollet ihr euch noch länger mit dem Opfer des Gehorsams entschuldigen? Müsset ihr etwa die Herrlichkeit Jerusalems verlassen und vielleicht in einem verächtlichen Städtchen wohnen? Und wenn auch, der Sohn Gottes ist vorangegangen.

Wenn der reichste Jüngling in einer armseligen Werkstatt mühevoll zu arbeiten und die vornehmste Tochter in der Küche die gemeinsten Arbeiten zu verrichten hätte, dürfet ihr klagen, oder den Gehorsam anstünden? Als armer Zimmermann arbeitet der Sohn Gottes aus Gehor - sam! Aber ich bin schon bald zwanzig Jahre alt. Bist du? Also gerade alt genug, um so recht zu verstehen, daß du noch lange gehorsam sein sollst. Aber ist es denn keine Schande, wenn so große Kinder noch gehorsam sind? Wo Gott vorausgeht, ist das Nachfolgen der höchste Ruhm. Man wird mich auslachen. Wer? Leute, welche202 von Jesus Christus nichts wissen, oder in ihrer Bosheit nichts wissen wollen.

Das sollte genügen. Denn der wahre Christ fragt ein - fach: Was verlangt das Beispiel Christi von mir und dann weiß er augenblicklich, was er zu thun hat. Weil aber der Freiheitsschwindel Lucifers immer mehr die Familien verwüstet, und die Hölle zu bevölkern droht, so dringet noch etwas tiefer in das Geheimniß des Gehorsams.

Ich muß in dem sein, was meines Vaters ist. So spricht Jesus, als er im Tempel von Maria und Joseph gefunden wird. Was will er damit sagen? Ich muß in allem den Willen meines Vaters thun. Er wollte, daß ich ohne euer Wissen hier im Tempel zurückbleibe; jetzt will er, daß ich nach Nazareth gehe und euch dort in allem unterthan sei. Denn ihr vertretet ja seine Stelle an mir.

So, christliche Jugend, mußt auch du gesinnt sein. Denn auch du sollst in der Person deiner Eltern Gott selbst gehorsam sein. Daher ist der Gehorsam gegen die Eltern Gehorsam gegen Gott der höchste Ruhm und der schönste Adel des Menschen. Denn was ist eigentlich der Gehorsam in seinem tiefsten Wesen betrachtet! Aller - dings die Unterwerfung des Willens unter die Auktorität aber zugleich der glorreichste Sieg: Der Sieg über sich selbst, über die und Begierden!

So erstarkt denn der Wille durch den Gehorsam wie zu einem gewaltigen Krieger und einem unbesiegbaren Feldherrn im Kampfe gegen alles Böse und Schlechte und Gemeine und in der Ausführung edler Großthaten. Vor etwa 34 Jahren sprach einer der größten Redner Frankreichs auf der Kanzel von Notre Dame folgendes, wenn auch für die Bildung der Gegenwart beschämendes, doch allzuwahres Wort: Die Männer fehlen der Gesellschaft, weil den Männern die Willenskraft fehlt, und es fehlt den203 Männern die Willenskraft, weil den Kindern der Gehor - sam fehlt. (Felix) Diese zu frühe Unabhängigkeit in der Familie, in der Schule, im Verkehr mit der Welt schafft niemals Männer und Frauen, baut nicht auf, sondern reißt nieder, was Gott Großartiges in uns erschaffen: Männer und Frauen mit 15 Jahren aber mit 40 Jahren noch Burschen und Mädchen, das ist die Frucht der heutigen Erziehung, welche die Willenskraft in die Unabhängigkeit von Vater und Mutter, von Priester und Kirche setzt. Wollten wir daher von der Ewigkeit absehen und nur auf die natürliche Entwicklung des Willens schauen, so wären wir dem Menschensohn für das Beispiel des Gehorsams zu unendlichem Danke verpflichtet.

Aber da sehet ihr auch wieder, wie oberflächlich die wichtigsten Fragen behandelt, oder besser, mißhandelt werden, und wie nothwendig es deßhalb war, daß Gott einen Wundermann von Gelehrsamkeit auf den Stuhl des hl. Petrus erhob. Dieser Wundermann erkannte seine Auf - gabe und rief schon vor 16 Jahren diesem gelehrten Jahrhundert zu: Du hast keine Philosophie mehr gehe wieder in die Schule zum großen hl. Philosophen von Aquin. Mit diesen Worten will ich weniger eine Großthat Leo XIII. verherrlichen, als euch auf den nahen und ganzen Bankerott dieser un - und widerchristlichen Er - ziehung und Bildung hinweisen, damit ihr und euere Kinder wenigstens nicht euer ganzes sittliches und geistiges Vermögen dabei verlieret.

Aber dieser Gehorsam, durch dessen Uebung der Wille zu einer königlichen Gewalt und Herrschaft gelangt, ist mit vielen Kämpfen und Opfern verbunden. Denn von Natur aus sind wir alle zur Empörung geneigt. Was daher thun? Christus ist nicht bloß der Weg d. h. unser Vorbild, sondern auch das Leben. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Dieses Leben findet ihr204 in der würdigen hl. Communion. Von einem einsichtigen Beichtvater geleitet, durch das Brod des Herrn gestärkt, werdet ihr in den schwierigsten Verhältnissen den Gehor - sam üben. Von welch 'außerordentlicher Bedeutung diese hl. Sakramente für die Erziehung der Jugend sind, werde ich später entwickeln. Indessen will ich euch, Väter und Mütter, nur Folgendes sagen: Wenn ihr schulpflichtige oder schon größere Kinder habet, welche trotzig, ungebunden werden, so klaget euere Noth einem erfahrenen Beichtvater und übergebet dann euere Kinder seiner Leitung. Das ist in den meisten Fällen die einzige und beste Rettungsanstalt, wenn Vater und Mutter das Ihrige dabei auch thun. Damit komme ich zum Schlusse, was ihr zu thun habet, damit euere Kinder im Gehorsam aufwachsen.

Gar oft ist der Ungehorsam der Kinder eine größere Sünde für die Eltern als für die Kinder. Maria und Joseph behielten den Knaben Jesu in der Werkstatt, in bescheidenen Verhältnissen, ihr aber verhätschelt so häufig die Kinder, gewöhnt sie an Genußsucht, an Hoffahrt, lehrt sie über ihren Stand hinaustrachten und die Folge davon? So nähret ihr in ihnen den Geist der Unzu - friedenheit und ziehet groß den Teufel der Empörung, des Ungehorsams. Der hl. Joseph hatte die tiefste Ehr - furcht vor der Würde und Hoheit Mariens, und Maria war voll gleicher Ehrfurcht vor der Würde und Macht des hl. Joseph ihm unterthan. Wohlan, ihr Väter, achtet ihr euere Gattinnen als die Werkstätte des lebendigen Gottes, liebet ihr sie wie euern eigenen Leib?

Und ihr Mutter, achtet ihr euere Männer als euer Haupt, als die Bischöfe, die Lehrer, die Könige der Familie? Seid ihr ihnen in Liebe unterthan wie die Kirche Christo? Seid ihr so gegen einander gesinnt, daß die Kinder von euerer gegenseitigen Ehrfurcht auch Gehorsam lernen und Ehrfurcht? Oder verachtet ihr205 einander? Verlästert ihr euch gegenseitig vielleicht vor oder gar bei den Kindern? Oder machet ihr euch durch Trunksucht, durch Haß und Feindschaft, durch Streit und Zank, durch Sünde und Laster selbst verächtlich? Auch so traurigen Eltern sollten freilich Kinder gehorsam sein, so lange dies ohne Sünde möglich ist; wenn sie aber ungehorsam, ungebunden werden und in alle Laster hinein - fallen; werden dann solche Kinder oder solche Eltern tiefer in die Hölle stürzen? Urtheilet selbst.

Aber begreifet ihr nun auch Alle, warum ich jene Predigten über Vater - und Mutterwürde, über die Be - kanntschaft als einer hl. Ehrenfache der Familie, über die Heiligkeit und Hoheit der Ehe nothwendig vorausschicken mußte? Denn alle Klagelieder und Jammerpredigten über den Zerfall der Erziehung und Familie helfen rein nichts; alle Moralpredigten über Elternpflichten verschallen wirkungslos, so lange in den Eltern nicht das lebendige Bewußtsein der Vater - und Mutterwürde in den tiefen Geheimnissen der Natur und der Gnade und der Offen - barung geweckt und wach erhalten wird.

Wenn ihr nun, christliche Eltern, im Bewußtsein dieser Würde und Hoheit vor euern Kindern wandelt, ist für den Gehorsam schon vieles, wenn auch nicht alles gethan. Denn ihr sollet nach der Mahnung des heiligen Geistes handeln: Lasse ihm seinen Willen nicht in der Jugend. Wem? Deinem Sohne, deiner Tochter. Beuge seinen Nacken und schmeidige seine Lenden. Nie und nimmer dürfet ihr gestatten, daß die Kinder ihren Willen durch - setzen, nach ihren Launen handeln. Sobald sie weinen oder gar murren, wenn nicht nach ihrem Willen geschieht, so tröstet sie ja nicht, gebet ihnen ja keinen Zucker sondern nehmt die feste Ruthe in die Hand. Folgen sie nicht gerne, so versprecht ihnen im Falle des Gehorsams ja nicht eine Freude, oder einen Genuß sonst wird206 die Genußsucht einst alles verwüsten; und du wirst dich nicht vor deinem Sohne, vor deiner Tochter fürchten. Gestatte doch nie, daß unter den Kindern eines den Herrscher spiele, oder daß euere Kinder den Dienstboten befehlen sonst sind 14 jährige Knaben und Mädchen eigentliche Tyrannen!

Lasse ihm seinen Willen nicht in der Jugend! Sie haben ihren Willen euch und durch euch Gott zu unter - werfen. Aber hieraus folgt auch, daß ihr von euern Kindern nie etwas gegen den Willen und die Gebote Gottes und der Kirche verlangen dürfet. So habet ihr den Willen des Kindes Tag für Tag zu üben und zwar um so häufiger, um so ernster, um so nachdrücklicher, als ein Kind von Natur aus mehr zum Eigensinn geneigt ist; so habet ihr den Willen des Kindes zu üben, indem ihr dasselbe auf das göttliche Kind hinweiset, dem es ähn - lich werden soll, auf seine ewige Bestimmung, welche nur in Gehorsam erreicht wird.

Was ihr heute gehört, bewahrt es in euerm Herzen; überlegt und betrachtet es oft und handelt darnach: Dann werden euere Kinder wie an Alter so auch an Weisheit und Gnade zunehmen vor Gott und den Menschen und euere Familie wird immer mehr ein schöneres Abbild der hl. Familie von Nazareth. Diese Gnade gebe uns durch die Fürbitte der allerseligsten Jungfrau Maria und des hl. Joseph Jesus Christus, der dem Fleische nach aus den Vätern stammt, aber Gott ist über alles hoch - gelobt in Ewigkeit.

XXII. Erziehung und Ruthe.

Die Ruthe rechtzeitig gebrauchen, deutete ich im letzten Vortrage an. Dies Mittel wirkte einst Wunder207 seit aber falsche Grundsätze und eine Affenliebe dieselbe vielerorts verdrängt haben, wird sie nur zu oft von den Kindern gegen die Eltern gebraucht. Und doch verlangt gerade die wahre Liebe nach der Ruthe. Daher sagt der hl. Geist im Buche Sirach: Wer seinen Sohn liebt, halt ihn beständig unter der Ruthe. Die Ruthe beein - trächtigt also die Liebe nicht bloß nicht, sondern die Liebe bindet die Ruthe an die Wand und nimmt sie rechtzeitig in die Hand.

Weil nun in diesem Punkte unglaublich viel gefehlt und gesündigt wird, sollen die Aussprüche des hl. Geistes uns drei Fragen beantworten:

1) Soll man die Ruthe überhaupt gebrauchen?

2) Wie soll man sie gebrauchen?

3) Was soll man damit bestrafen?

Die erste Frage ist bald gelöst. Denn im Buche der Sprichwörter mahnt der hl. Geist: Entziehe einem Knaben die Züchtigung nicht; denn wenn du ihn mit der Ruthe schlägst, wird er nicht sterben. Schlägst du ihn mit der Ruthe, wirst du seine Seele von der Hölle er - lösen. (Prov. XXIII. 13.) geachtet wohl die Worte, welche der hl. Geist gewählt hat. Also entziehe einem Kinde die Züchtigung nicht entziehe. Also be - trachtet Gott die Züchtigung als Wohlthat, welche man den Kindern ebenso wenig als die nothwendige Nahrung entziehen darf. Er wird nicht sterben! d. h. die Ruthe vernünftig gebraucht, wird seinem Leibe nicht schaden und seine Seele vor Todsünden und so vor dem ewigen Tode in der Hölle bewahren.

Denn, sagt der hl. Geist, die Thorheit ist fest - gebunden an das Herz des Knaben; aber die Zuchtruthe treibt sie davon. (Prov. XXII.) Wenn aber die heilige Schrift von Knaben redet, so dürfet ihr ja nicht glauben, daß sie die Mädchen verschollt wissen wolle. Wenn näm -208 lich die Knaben im Allgemeinen die Ruthe vielleicht etwas nothwendiger haben als die Mädchen, sind dann diese lauter Engel? Die Thorheit ist also festgebunden an das Herz der Knaben und der Mädchen; aber die Zuchtruthe treibt sie davon. Wenn nämlich euere Kinder trotz Mahnen und Warnen und Drohen dennoch lügen, sich unschamhaft be - tragen, stehlen, trotzig antworten, zu spät heimkehren, vor Zorn Dargebotenes zurückstoßen, die Thüre zuschlagen, auf den Boden stampfen, über Geschwister boshaft herfallen, fluchen, den Katechismus nicht lernen, den Gottesdienst versäumen dann ist die Thorheit an ihr Herz ge - bunden und nur mit der Rute könnt ihr sie noch weg - treiben. Und wenn ihr das unterlasset, so könnt ihr euch leicht sehr schwer versündigen und die Rache Gottes über euere Familien herausfordern.

Ihr erinnert euch doch auf der biblischen Geschichte noch an jenen alten Heli, der seine beiden boshaften Söhne zwar mahnte, aber nicht bestrafte. Entschädigte ihn sein graues Haar oder das Alter der Söhne? Durch den Propheten Samuel ließ ihm Gott den Untergang seines Hauses verkünden. Warum? Weil er wußte, daß seine Söhne Schändliches thaten und er sie nicht bestrafte. So vielen beide Söhne in der Schlacht und bei der Nach - richt von ihrem Tod starb auch der schwache Vater in Folge eines unglücklichen Falles. Beherziget das wohl; denn Gott und sein Gesetz sind seit jenen Tagen sich gleich geblieben. Beherzigt das wohl. Denn wenn ihr die Ruthe sparet, hasset ihr euere Kinder. (Prov. XIII.) Denn so werdet ihr mitschuldig an allem Bösen, das euere Kinder später thun, an allem Verderben, das über sie hereinbricht. So werden, wie der hl. Chrysostomus sagt, Eltern, welche ihre Kinder nicht in strenger Zucht halten und nicht den Gott schuldigen Dienst von ihnen verlangen wie Heli Kindermörder. Aber erschlug denn Heli seine209 Söhne? Durch seine Nachlässigkeit in ihrer Bestrafung beraubte er sie der Hilfe Gottes, daß sie wie waffen - und wehrlos von den Feinden getötet wurden. So stürzte er nicht blos die Söhne, sondern auch sie selbst ins Ver - derben. (t. III. p. 318 Mauriner.)

Nicht wahr, ihr hörtet oder laset dieser Tage, wie jüngst in Berlin ein gewisser Kuhn wegen Raubmord zum Tode verurtheilt wurde. Vor der Hinrichtung durfte er noch seine Mutter empfangen. Diese wollte ihm wei - nend um den Hals fallen, er aber wehrte es ihr und sprach schluchzend:Mutter, wenn du mich bestraft hättest, als ich zum ersten Male gestohlene Eier heimbrachte, so müßte ich morgen nicht das Schaffot besteigen. Ein wahrer und gerechter Vorwurf, aber auch ein schrecklicher und furchtbarer! Wenn ihr zur unrechten Zeit die Ruthe spart was wird auf euren Kindern endlich werden? Welche Verantwortung nehmt ihr mit in die Ewigkeit?

Dieser überaus traurige Fall machte auf mich einen so tiefen Eindruck, daß ich mich wie gezwungen fühlte, diese Wahrheiten einmal einläßlicher und eindringlicher zu behandeln. Wohl wird dieser Gegenstand auch in den Müttervereinen zur Sprache kommen, aber nicht wenige, sondern alle Mutter, und nicht bloß die Mütter, sondern vor Allem die Väter, und nicht bloß Väter und Mütter, sondern Alle, welche in den Ehestand zu treten gedenken, sollen mit der Bedeutung der Ruthe vertraut sein. Aber noch mehr! Was denn? Auch ihr, auch ihr heran - wachsende Söhne und Töchter, auch ihr sollet wissen, welche Macht Vater und Mutter über euch haben und welche Pflicht, davon Gebrauch zu machen, wenn es noth - wendig werden sollte. Wem das Gesagte wie das Fol - gende als unpassend, oder zu strenge, oder nicht zeitgemäß vorkommt, der mache es mit dem hl. Geiste aus, dessen Lehren ich entwickle.

210

Aber klagt da ein Vater, jammert eine Mutter: Aber meine Söhne und Töchter laufen mir davon, wenn ich zur Ruthe greifen wollte. Aber ist das vielleicht eine Folge jener Nachlässigkeit mit der ihr früher die Ruthe spartet? Ist das nicht die gerechte Strafe euerer Saum - seligkeit. Doch sei dem, wie ihm wolle, ihr habet die Pflicht, im Nothfalle mit der Ruthe Zucht und Ordnung aufrecht zu erhalten; wenn auch dann Sohn und Tochter davonlaufen, lasset sie laufen und betet für sie, daß der verlorene Sohn, die verlorene Tochter beim Hüten der Schweine das Elend erkenne und reumüthig ins Vaterhaus heimkehre. Daß ihr also zu strafen habet, unterliegt keinem Zweifel. Aber wie ist zu bestrafen?

Wenn der hl. Geist Ruthe und Züchtigung empfiehlt, warnt er gleichzeitig vor unvernünftigem Prügeln und Strafen. Denn beides ist Sünde, nicht strafen und nicht auf die rechte Weise. Die hl. Schrift redet zunächst von der Ruthe, welche bei den Kleinern vollkommen genügt; Größere mag man, wie's selbst die feinen Athener thaten, mit einem spanischen Rohre oder Riemen bestrafen. In dieser Beziehung sagt die hl. Schrift: Striemen reinigen vom Bösen, und Schläge, welche in das Innerste des Leibes eindringen. (Prov. XX.) Aber hütet euch wohl, mit dem ersten besten Stück Holz auf die Kinder zu schlagen, oder auf Körpertheile, wo die Gesundheit ge - fährdet wird.

Ferner hütet euch, gleichsam den ganzen Tag zu lärmen und zu schlagen. Zum Vorbilde nehmt euch da den Künstler, der aus Gold oder Silber ein Bild ver - fertigen will. Er hämmert nicht immer auf das edle Metall, sondern nur solange es roh, ungeformt, unbieg - sam; nachher drückt er dasselbe oder glättet es sanft. Ist das Kind unbeugsam, ist die Ruthe nothwendig; nachher genügt ein ernstes Wort, ein Fasten, ein Spielverbot. 211Denn vergesset nie, die Ruthe ist nicht das einzige Straf - mittel.

Wenn ihr aber strafen müsset, so strafet doch nie im Zorn, unter Fluchen und Schmähreden. Ich begreife wohl, das Eltern oft im hl. Zorn aufflammen wie der Heiland, als er mit Stricken die Käufer und Verkäufer aus dem Tempel trieb oder in längerer Rede den Schrift - gelehrten und Pharisäern achtzehn Mal zurief. Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer! Das ist ein hl. Zorn, von dem die hl. Schrift sagt: Zürnet, aber sündiget nicht. Je größer daher die verschiedenen Sünden kleiner oder auch erwachsener Kinder, desto mehr dürfet ihr im hl. Zorn aufflammen und die Ruthe mit kräftiger Hand führen aber nie mit Fluchen und Verwünschen begleiten. Denn in diesem Falle ist die Züchtigung nicht bloß vergeblich, sondern schädlich.

In einem Städtchen der Diverse Lüttich weinte und heulte einst ein Knabe, der sich von Hause verirrt hatte Gute Leute wollten ihn heimführen und fragten ihn des - halb: Wie heißt dein Vater? Satan. Deine Mutter? Satan. Dein Haus? Satanshaus. Gehörte dieser Knabe etwa einer Familie, in welcher, wie heute im tiefsten Dunkel geheimer Gesellschaften, Satan verehrt wurde? Nein, nein! Aber Vater und Mutter waren äußerst zornmüthig. Kam der Mann Abends benebelt heim, fuhr ihn die Frau an: Du bist ein wahrer[ Satan]. Bestrafte sie in ihrem Zorn den Knaben, tobte sie: Dein Vater ist Satan, du bist ein Satanskind. Wenn der Zorn seinen Höhepunkt erreicht hatte, tönte es voll allen Seiten: Ein ächtes Satans - haus. Diese Stammtafel und Ortsbeschreibung hatte der Knabe unter den Schlägen von Vater und Mutter gelernt. Nicht wahr, so grauenvoll sieht es wohl selten in einer Familie aus, aber welche Worte, welche Flüche, welche Verwünschungen haben Kinder oft wegen kleinster Fehler oder Versehen von ihren Eltern zu hören?

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Deshalb mahnt der hl. Paulus: Väter, erbittert euere Kinder nicht, damit sie nicht muthlos werden. (Col. III. 21.) Erbittert sie nicht durch unvernünftigen Zorn, durch Schmähworte, durch zu harte oder gar un - gerechte Strafe, sonst werden sie muthlos, verlieren die Liebe zu euch, jedenfalls die Achtung und verfallen in eine verhängnißvolle Gleichgültigkeit und Verbissenheit.

Wenn ihr aber die Kinder mit Ruhe, mit Ernst, ich möchte sagen mit Würde bestrafet, so dürfet ihr einen wichtigen Punkt nicht vergessen. Vater und Mutter sollen, in der Bestrafung einig sein, besonders wenn die Kinder nicht auf der gleichen Ehe stammen. Wenn nämlich ein Kind glaubt, es werde nur deswegen so häufig und so hart bestraft, weil das sein Stiefvater, seine Stiefmutter, dann ist es um seine Erziehung regelmäßig geschehen. Wer daher, sei es Vater oder Mutter, nach dem Tode des ersten Gatten eine zweite Ehe eingehen will und schon Kinder hat, der mag es tausend Mal überlegen, mit wem eine zweite Ehe für die jetzigen und vielleicht für die noch zu erwartenden Kinder glücklich sein könnte. Aber nicht bloß Vater und Mutter sollen in der Bestrafung der Kinder einig sein, sondern auch Alle, welche so oder anders zur Familie gehören. So darf ein bestraftes Kind nie Zuflucht und Trost und Zucker finden bei einer Magd, oder Großmutter, oder Tante oder Base das hieße die Kinder gründlich verderben.

Aber sind denn, wie angedeutet worden, erwachsene Söhne und Töchter auch noch zu bestrafen? Warum denn nicht, wenn sie es verdienen? Christliche Väter, behauptet jenes Ansehen und jene Macht des Vaters, wo - von ich seiner Zeit ein Bild euch entworfen, und ihr könnt das 20jährige Kind noch ebenso leicht strafen wie das kleine, und die Strafe wird ebenso heilsam werden.

Vor Jahren erzählte mir ein berühmter Missionar213 folgende Thatsache. Im Elsaß hörte ein Vater bei einer Mission, wie man auch erwachsene Söhne und Töchter zu bestrafen habe. Er hatte zwei etwas leichtfertige Töchter; als diese die Mission in der Nachbargemeinde besuchen wollten, freute er sich und ließ sie getrost hingehen. Als sie spät in der Nacht ganz erhitzt heimkehrten, sprach der Vater voll hl. Zornes: Nicht von der Mission kommt ihr, sondern vom Tanze. Als sie erschrocken die Wahr - heit gestanden, nahm er einen Riemen und stäubte sie ge - hörig durch, daß er am Morgen glaubte, zu weit gegangen zu sein. Deswegen legte er den Fall einem Missionar vor, der ihm sagte: Nein, nein, nicht zu viel, Sie haben es ganz recht gemacht.

Christliche Eltern, vergesset das nicht, denn auch ihr könnet in diese Nothlage kommen, wenn ihr in euerem Hause Zucht und Ordnung aufrecht erhalten und Söhne und Töchter vor zeitlichem und ewigem Unglücke bewahren wollet. Damit wir nun diese Pflicht immer klarer ver - stehen, komme ich jetzt zur Beantwortung der dritten Frage: Was ist zu bestrafen?

Aber das wissen Alle. Und doch wird in dieser Hinsicht so viel gesündigt zum Verderben der Jugend. Seht nur!

Von allem darf nichts Gutes bestraft werden. Aber das ist ja unmöglich. Unmöglich? Wenn ein Kind am Freitag kein Fleisch essen, am Sonntag nicht ohne Noth arbeiten, dafür aber den Gottesdienst fleißig besuchen, die hl. Sakramente oft empfangen, vor und nach Tisch beten will, darf man es deswegen anfahren, hart behandeln oder gar mit der Ruthe schlagen? Wenn man ein größeres Mädchen seiner Sittsamkeit wegen mit Strafen bedroht oder schlägt, Tag des Herrn, wie groß und schrecklich in seinem Augenblicke, wo die Flammenruthe Gottes daher - blitzt im Donner der Verurtheilungsworte: Weichet von214 mir in das ewige Feuer! Wohl hören mich diese Un - glücklichen nicht, aber desto unglücklicher für sie ist die schreckliche, Nacht der Ewigkeit.

Also das Gute darf nie bestraft werden. Dann nehmet euch wohl in Acht, bloßer Gebrechen wegen die Ruthe zu gebrauchen. Ein Kind kann nicht recht laufen: es wird geschlagen, weil es in seinem Elende zu spät kommt. Ein anderes kann in seiner Schwäche nicht nach den Launen der Eltern arbeiten, und wird deswegen ge - züchtigt. Ein drittes ist schwachen Geistes und begreift deshalb alles sehr langsam und manches gar nicht: darf es deswegen in oder außer der Schule geprügelt werden oder verdienen all diese Gebrechen Erbarmen und Mitleid?

Endlich haben die Kinder allerlei Unvollkommenheiten, welche mehr oder weniger freiwillig sind. Fast alle sind zerstreut und flatterhaft, vergeßlich und schwatzhaft, zu Lärm und Spiel geneigt. Dies sollt ihr ihnen allerdings abgewöhnen, aber deswegen keine Ruthe an ihnen zer - schlagen. Ist ein Kind flatterhaft, so lasset es erst nach Vollendung der Arbeit spielen, ist es unbeholfen, so machet ihm die Sache vor, bis es darin irgendwie gewandt ist. Eine Beschämung, ein kleines Fasten, ein bischen Haus - arrest kann auch vom Guten sein. Nicht wahr, es ist doch nicht so selbstverständlich, was der Ruthe und der Züchtigung ruft? Wenn auch das auf den Bisherigen klar, müssen wir gleichwohl noch einen hochwichtigen Punkt betrachten.

Von der Sünde nämlich sollet ihr das Schädliche und Schimpfliche wohl unterscheiden. Es giebt nämlich Dinge, welche Schaden und Schande bringen, und doch nicht Sünde sind, z. B. ein Verstoß gegen den Anstand, eine unvorsichtige Rede, das Zerbrechen eines Geschirres, das Alles wird oft sehr schwer bestraft, während offenbare Todsünden kaum getadelt werden. Was ist die Folge hier -215 von? Weil die Kinder alles nach der Strafe beurtheilen, werden ihre Gewissen gefälscht. So ist man mit siebzehn, achtzehn Jahren in jeder Gesellschaft recht artig, in dem Complimentemachen zu Hause wie der Fisch im Wasser, aber dabei an Leib und Seele vielleicht verdorben, in religiösen Uebungen ein Fremdling wie die Rebe auf den Hochalpen. Hiermit will ich natürlich nicht sagen, daß man den Kindern diese Unarten gestatten solle. Das sei ferne von mir. Im Gegentheile sollet ihr dieselben ihnen mit allem Ernste abgewöhnen; aber dabei vergesset ja nicht, daß nur die Sünde eine eigentliche Strafe verdient und zwar eine verschiedene, je nach ihrer Größe.

Aber wie himmelweit ist die Handlungsweise Vieler von diesem Grundsatze entfernt! Wenn durch die Sünde großer oder kleiner Kinder Schande und Schaden über eine Familie kommt, warum so viel Zorn, so viel Un - willen, so viel Toben, so viel Schläge? Etwa wegen der Sünde, wegen der Beleidigung Gottes, wegen der verlorenen Unschuld? Bei weitem nicht. Nur von Schande und Schaden kommt dieser Sturm. Werden auf diese Weise Söhne und Töchter gebessert, oder nur vorsichtiger im Sündigen? So ist denn die größte Sünde des öffent - lichen Lebens, der bürgerlichen Gesellschaft, welche um Gott sich rein nichts kümmert und seine ewigen Hoheits - rechte verkennt und fein oder grob bespötteln und ver - höhnen läßt, auch vielfach Familiensünde geworden. Wie gut ist Gott? Denn auch in dieser Gegenwart straft er nur langsam, läßt immer heller leuchten die Blitze und immer mächtiger rollen die Donner seiner Gerichte, damit die Völker und ihre Regierungen wieder zum Verstande kommen und er nicht gezwungen werde, die gewaltige, große und volle Schale seines Ingrimmes über sie aus - zuschütten.

Oder, um alles Andere zu übergehen, ist es etwa216 eine Kleinigkeit, wenn die Eltern ihre Kinder der Sünde wegen nicht mehr züchtigen? Höret nur, was schon in alter Zeit jener große hl. Chrysostomus mit der ihm eigenthümlichen Gewalt den Eltern auf Herz legte. (Hom. in Viduæ elig. t. III, p. 311 n. 7.) Gott befiehl dir, nicht bloß deine Kinder zu erziehen und zu züchtigen, sondern er hilft dir sogar bei diesem Werke. Wie? Durch Moses verkündet er: Wer seinem Vater oder seiner Mutter flucht, soll sterben. (Exod. XXI 17.) Siehe, welche Furcht er ihnen einjagt, welche Schrecken er ihnen vor Augen stellt! Welche gewaltige Macht er in deine Hand legt! Wenn nun wir, während Gott nicht einmal das Leben jener Kinder, welche die Ehrfurcht gegen die Eltern schwer ver - letzten, verschont, wenn nun wir, während Gott von unsern Kindern schwer beleidigt wird, nicht einmal zürnen welche Entschuldigung können wir vorbringen? Den, der dich übermüthigt behandelt, zu töten, weigere ich mich nicht, spricht Gott der Herr, du aber wagst den, der meine Gesetze frech übertritt, nicht einmal mit einem Worte zu betrüben. Verdient das auch Verzeihung? Bedenke doch, daß, wer gegen Gott sich auflehnt, noch weit mehr gegen die Eltern, gegen sein eigenes Seelenheil freveln will. So der hl. Chrysostomus. Nicht wahr, das ist doch etwas ganz Anderes, als die rein bürgerliche Moral von heute? Als Gefühlsduselei?

Sünden also habet ihr an euern Kindern zu bestrafen, und wenn ihr das unterlasset oder nicht auf die rechte Weise thuet, so könnet ihr euch an euern Kindern und gegen Gott schwer versündigen. Vergesset daher nie die Mahnung des hl. Geistes: Wer seinen Sohn lieb hat, hält in beständig unter der Ruthe, daß er zuletzt Freude an ihm erlebe, und nicht an die Thüre der Nachbarn klopfen muß. (Sirach XXX.)

Die Wiege ruft der Ruthe, doch schlagen sollet ihr217 euere Kinder selten; aber sie sollen wissen, daß die Ruthe der Lohn der Sünde, wie die Hölle die Strafe des un - bußfertigen Sünders ist.

So werdet ihr sie unter der Ruthe haben, nicht aus Zorn, nicht aus Rache, sondern in der wahren Liebe zu Gott und zu euerem Kinde. Und die Folge hievon? Sie werden euere Freude. Wenn ihr aber nicht so handelt, so verkündet euch der gleiche hl. Geist die düstere Zukunft. Ihr werdet an die Thüre des Nachbarn zu klopfen haben.

Diese wenige Worte bilden den Inhalt von abermal - tausend Tragödien, wo ein schwacher oder gar religions - loser Vater, eine blinde oder gar gottvergessene Mutter, ein frecher Sohn oder eine ausgelassene Tochter die Haupt - rolle spielen. An fremde Thüren klopfen, nach verlorenen Söhnen und Töchtern fragen; an fremde Thüren klopfen, den Kummer auszuweinen, Trost zu suchen; an fremde Thüren klopfen, gegen Mißhandlungen Sicherheit, oder im Elend ein Stück Brot zu finden.

Wenn daher dein Kind und du selbst dir lieb, so gebrauche die Ruthe zur rechten Zeit und in der rechten Weise. Wenn ihr aber die Ruthe selten in die Hand nehmen wollet, so sorget mit allen Kräften, daß die Kleinen in der Furcht Gottes, in der Liebe zum göttlichen Kinde aufwachsen, den Himmel als ihre Heimat, diese Erde als ihren Verbannungsort betrachten, alle Güter und Freuden und Genüsse dieser Welt wie Gassenkot ver - achten und nach der Herrlichkeit des Himmels sich sehnen: Wenn ihr unter dem Walten der hl. Schutzengel euere Kinder so erziehet, dann wird die Liebe und Furcht Gottes, die Verachtung dieser Welt und das Heimweh nach dem Himmel den Gebrauch der Ruthe zur Seltenheit machen. Denn so wird euere Familie ein Abbild der hl. Familie von Nazareth, wo für die Ruthe kein Platz war.

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Hl. Joseph, Pflegevater Jesu, hl. makellose Jungfrau Maria, Mutter Jesu, bittet für uns, daß unser menschen - freundliche Gott und Erlöser diese Gnade und dies Glück einer jeden Familie verleihe.

XXIII. Erziehung und Abtödtung.

Während die Leute schliefen, kam der Feind und säete Unkraut. Diese Leute sind nach Erklärung der hl. Väter die Vorgesetzten geistlichen und weltlichen Standes. Wenn diese nicht wachen, sondern nachläßig handeln, kommt der Feind, säet den schlechten Samen und bald wuchert das Unkraut der Sünde empor. Das gilt auch von den Eltern bei Erziehung ihrer Kinder.

Freilich liegt der Samen des Unkrautes die Sinn - lichkeit in Folge der Erbsünde schon in der Natur des Kindes; allein der Feind pflegt diesen Samen, erregt diese Sinnlichkeit, und wenn die Eltern nicht wachen, stehen sie auf einmal vor einem unbändigen Sohn, einer ausgelassenen Tochter. Warum? Während sie vielleicht manches für die christliche Erziehung ihrer Kinder thaten, übersahen sie dabei: Die Abtödtung und die Selbstver - leugnung. Um euch die Wichtigkeit dieser Aufgabe klar zu machen, rede ich zuerst von der Nothwendigkeit und dann der Art und Weise der Abtödtung bei der Erziehung.

Was ist denn Abtödtung und Selbstverlaugnung? Mit dem Apostel Paulus fühlen alle ein anderes Gesetz in ihren Gliedern und ein anderes in ihrem Geist: jenes andere Gesetz find die Neigungen zum Bösen; diese gleichen zwar kleinen, aber wilden Tieren; verweigern wir ihnen die Nahrung, so ertödten wir sie allmälig. 219Das ist die Abtödtung. Diese Neigungen bilden den sinn - lichen Theil unserer Natur. Wenn wir nun dieser zurufen: Du bist gar nicht sinnlich und, wenn du noch sinnlich sein willst, so darfst du nicht mehr nach deiner Sinnlich - keit handeln, so verleugnen wir dieselbe nach der Mah - nung Jesu Christi. Diese Kunst der Selbstverleugnung und Abtödtung ist auf dem Gebiete der Erziehung heut - zutage fast ganz verloren gegangen, und wo sie noch geübt wird, ist das nur um Ueberwindung vieler Schwie - rigkeiten möglich.

Oder was sehen die Kinder oft an ihren Eltern? An größern Geschwistern? An Verwandten und Be - kannten? Welche Beispiele der Genußsucht, der Feigheit, der Trägheit, der Ausschweifungen? Da stehen wir schrecklich tief. Vor einigen Jahren wurde in einer katholischen Schweizer Stadt ein Theaterstück aufgeführt, das selbst für die Erwachsenen mit größten Gefahren verbunden ist, ganz geeignet, die schlimmsten Leidenschaften fürchterlich aufzuregen. Um ein volles Haus zu erhalten wurde gestattet, je einen Repräsentanten der häuslichen Jugend gratis ins Theater zu führen. Um Erwachsene für ein gefährliches Spiel zahlreich zu gewinnen, ist man bereit, in den Herzen der Jugend das gefährliche Feuer anzuzünden: Ein katholisches Blatt trägt diese Einladung in katholische Familien! Ist das Kurzsichtigkeit, Gedanken - losigkeit, Geldliebe oder alles zusammen?

Es ist jedenfalls ein Zeichen, wie bei der Erzie - hung der Jugend nicht bloß die christliche Weltanschauung, sondern sogar der gesunde Menschenverstand vielfach Schiffbruch gelitten; wie man zum Verderben der Jugend auffordern darf, ohne einen allgemeinen Sturm des Un - willens fürchten zu müssen. Und das geschieht an jenem Holze, welches, ich sage nicht wirklich grün ist aber doch als solches gelten will.

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Wie weit sind wir gekommen? Der Feind säet Unkraut, nicht während die Leute schlafen, sondern ruhig zusehen, nicht während sie ruhig zusehen, sondern sogar mithelfen. Was ist daher schreiende Nothwendigkeit ge - worden? Ohne Rücksicht auf allerlei Parteien und Zei - tungen, ohne Rückhalt für die eigene Person auf die all - gemeine Gefahr hinzuweisen, die Kunst der christlichen Selbstverläugnung bei der Erziehung mit apostolischem Freimuthe zu verkünden.

Denn sollen euere Kinder in der Nachfolge Jesu Christi für den Himmel heranreifen und nicht durch Pflege der Sinnlichkeit für die Hölle heranfaulen, ist die beständige Abtödtung und Selbstverleugnung die Grundbedingung. Oder warum mahnt der Heiland: Willst du mein Schüler sein, nimm das Kreuz auf dich, verleugne dich selbst und folge mir nach. Warum mahnt der hl. Paulus: Pfleget nicht die Sinnlichkeit zu Erregung der Lüste, sondern ziehet an unsern Herrn Jesum Christum! Traget die Abtödtung Christi an euerm Leibe. Oder gilt dies Gesetz nicht für die Kinder, nicht für die Jugend? Der Antheil des Heilandes in seiner Kindheit und Jugend ist Armuth, Entbehrung, Verfolgung, Flucht, zurück - gezogenes Leben bei anstrengender Arbeit in der Werkstatt seines Nährvaters. Er hatte diese Mittel der Abtödtung nicht nothwendig; denn er war die Heiligkeit selbst; aber wir hatten dies Beispiel überaus nothwendig, denn nur wenige wollen die Nothwendigkeit der Abtödtung begreifen

Daher, christliche Eltern, habet ihr die heiligste Pflicht, in den zarten Kindern die Sinnlichkeit zu bekämpfen, dieselben an Entsagung und Entbehrung zu gewöhnen, damit die bösen Lüste nicht erregt werden. So werden sie dann in ihrer Jugend und im reifern Alter euere Freude und euer Trost werden und bleiben. Denn im Glanze der Unschuld und im Wohlgeruche aller Tugenden werden sie selbst die Freude der Engel sein.

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Wenn aber die Abtödtung nicht geübt wird, so werden wir immer mehr und mehr wie Sodoma. Warum ver - sanken jene Städte immer tiefer in Sünde und Laster, bis sie endlich unter gottgesandtem Feuerregen von der Erde verschlungen wurden in einem Augenblick? Den Grund und die Veranlassung gibt der Prophet Ezechiel an (XVI 49) Sodoma hatte Ueberfluß an zeitlichen Gütern, an Speis und Trank: so ergaben sich die Bewohner dem Fraß und der Völlerei; in dieser Genußsucht wuchs die Jugend heran: so erwachten all die bösen Gelüste, die sie in ihrem Ueber - muthe befriedigten; die Töchter waren ohne Arbeit und Sorge ungefähr wie es heute so viele Töchter gibt, deren größter Lebensgedanke ist: Etwas Klavierklimpern und schrecklich viel Putz, Tanz und Gesellschaft, Roman und Liebschaften.

Endlich dürfet ihr nicht vergessen: Das Lebensglück des Einzelnen hängt nicht davon ab, was er besitzt und genießt, sondern was er entbehren kann. Je größer die Bedürfnisse, desto leichter kommt Unzufriedenheit und damit das Unglück. So lange eine Tochter mit einfachem Gewande zufrieden, ist sie auch glücklich, sobald sie aber modesüchtig geworden, um sich Gestalt und Form zu geben und fremde Augen auf sich zu ziehen, ist die Zufriedenheit und der Frohsinn fort, und die Unzufrieden - heit und das Murren und Klagen eingezogen.

Was ist daher eine durchaus nothwendige Aufgabe nicht bloß der christlichen, sondern jeder nur irgendwie vernünftigen Erziehung? Gewöhnt die Kinder schon in den ersten Jahren an jede Art von Enthaltsamkeit und Abtödtung und Selbstverleugnung, daß sie einst mit dem[ Völkerlehre] sagen können: Ich habe gelernt, wie's immer mit mir steht, zufrieden zu sein und mich mit dem was ich habe zu begnügen. (Philipp. IV. 11.) Wenn ihr in Wahrheit so reden könnet, was fehlt noch zu euerem222 Glücke? Nichts. Denn nur der Zufriedene ist glücklich. Bist du mit der Armuth zufrieden, bist du auch glücklich; bist du im Ueberfluß unzufrieden, bist du doch unglücklich. Damit also dies wahre Glück möglich werde, muß die Jugend von Kindheit an in jeder Art Abtödtung und Selbstverläugnung geübt werden. Aber wie hat dies zu geschehen?

Wenn ich nun auf scheinbare Kleinigkeiten zu sprechen komme, so vergesset nicht, daß in der Erziehung auch das Kleinste eine große Bedeutung hat, und wartet mit dem Urtheil bis zum Schlusse. Wollet ihr also die Kinder in der Abtödtung üben, so dürfet ihr ihren Körper nicht ver - zärteln, sondern äußerlich abhärten. Denn in einem ver - weichlichten Körper erwacht die Sinnlichkeit zu früh und zu gewaltig, während die Abtödtung den Körper in das Tugendjoch hineinfügt, bevor noch der Tugendsinn erwacht.

Lasset daher die Kinder nicht in allzuwarmen und allzuweichem Federbette schlafen, hüllet sie im Winter nicht ganz ein, haltet sie nicht in allzuwarmen Stuben. Im Sommer lasset sie die Kleider nicht so wegwerfen; kleidet sie nicht so leicht und so kurz, daß vielleicht noch Scham und Anstand verletzt wird. Sie sollen Kälte und Hitze ertragen lernen.

Was den Schlaf betrifft, bemerke ich nur soviel: Abends sorget, daß die Kinder früh ins Bett gehen und duldet durchaus nicht, daß sie bis tief in der Nacht bei Spiel oder Schmausereien oder sonstigen Lustbarkeiten zugegen seien, oder gar außer dem Hause Freude und Erholung suchen, sonst wird das Schulkind schon zum Nachtschwärmer; am Morgen soweit das Alter des Kindes es immer gestattet, sollen sie gleichzeitig aufstehen nicht wach im Bette bleiben, sich waschen mit kaltem Wasser und nach dem Morgengebet gleichzeitig beim Essen erscheinen.

223

Kleinigkeiten! Aber Kleinigkeiten deren Vernach - lässigung vielen kurzsichtigen und nachlässigen Eltern später große Thränen ausgepreßt hat.

Ein anderes Mittel, die Sinnlichkeit zu bekämpfen und die Abtödtung zu üben ist die Arbeit. Den Beweis habt ihr im bekannten Sprichwort: Müßigang ist aller Laster Anfang die Laster aber kommen alle aus der Sinnlichkeit heraus. Daher klaget vor den Kindern nie über die Beschwerlichkeit der Arbeit, lobet nie das Nichts - thun und die Gemächtichkeit. Bedienet euere Kinder nie wo sie sich selbst helfen können; gestattet auch das den Dienstboten nicht; ferner halte sie zu allerlei Arbeiten an in und außer dem Hause. Das ist der wahre Turnplatz besonders für Mädchen, welchen alles andere Turnen die zarte Scham mehr oder weniger abstreift. So viele Kinder werden auf den Schulbänken, in Instituten 15 und 16 und noch mehr Jahre alt haben vieles gelernt, was sie nie brauchen nur nicht das allernothwendigste, das Arbeiten; dabei frühreif, vornehm, verweichlicht ge - worden, sind sie gegen ihre Leidenschaften nicht mehr widerstandsfähig.

Aber wozu haben wir denn Mägde? Doch nicht um die Kinder zu verweichlichen und die Gesundheit armer Dienstmädchen durch übermäßige Anstrengung zu ver - derben? Wozu denn? Daß sie euch und den Kindern bei der Arbeit behülflich seien. Aber diese Arbeiten schicken sich doch nicht für uns und unsere Kinder! Gibts eine Mutter vornehmer als die Mutter Gottes, gibts einen Vater vornehmer als der hl. Joseph, aus dem königlichen Hause Davids, gibt's ein Kind vornehmer als das gött - liche Kind? Und diese alle, welch 'gemeinen Arbeiten haben sie sich unterzogen! Daher sehen wir auch, wie, ich will nicht sagen heilige, sondern nur wahrhaft fromme Seelen aus den höchsten Ständen ihre größte Freude an den224 gemeinsten Arbeiten hatten. Wo aber der Glaube an Christus verschwunden, oder wo bei äußerlichen Formen der Frömmigkeit der wahre christliche Geist fehlt, scheinen jene Arbeiten manchen Leuten ihrer Stellung und ihrem Adel nicht mehr zu entsprechen. Die wahren Begriffe des Adels und der Größe haben wir vielfach verloren und daher auch die wirksamsten Mittel der Abtödtung und Selbstverleugnung. Arbeit ist also ein vortreffliches Mittel, die Kinder in der Abtödtung zu üben; aber ebenso heilsam und nothwendig die Mäßigkeit in Speis und Trank, die Bescheidenheit in der Kleidung.

Weil nämlich, wie der hl. Paulus (R. III, 14) lehrt, nichts die Sinnlichkeit zur Erregung böser Gelüste derart pflegt, wie die Unmäßigkeit im Essen und Trinken, hat die Erziehung diesem Punkte eine besondere Aufmerk - samkeit zu schenken. Nur wenige aber nothwendige An - deutungen. In Bezug auf Genuß von Speis und Trank muß feste Ordnung und Zeit bestimmt sein. Gesunde Kinder sollen sich mit der Mahlzeit am Morgen, Mittag und Abend begnügen; daneben kann man ihnen am Vor - und Nachmittag noch ein Stück Brot geben. Alles andere ist vom Bösen und für die Zukunft des Kindes verhäng - nißvoll.

Wenn euch die Kinder diese oder jene Speise oder Leckereien ertrotzen wollen, so gebet doch niemals nach. Ferner hütet euch, die Sinnlichkeit durch die Sinnlichkeit zu besiegen, wie es kurzsichtige Eltern oder Basen nur zu oft thun. Ein Kind ist nicht fleißig, hat Abscheu vor einer Arbeit, macht ein saures Gesicht: Da ist die Ruthe oder Fasten nothwendig; aber dafür verspricht man dem Kinde, wenn es brav und artig sei was? Zucker und Süßigkeiten! Daß heißt den Teufel durch den Teufel austreiben, die Sinnlichkeit durch die Sinnlichkeit bekämpfen. Diese Kinder, welche um ihr Leckermaul zu befriedigen, sich225 in einem Punkt überwinden, werden einst große Jünglinge und Männer, edle Töchter und Frauen sein nicht wahr?

Das Gleiche gilt vom Gewande, das der Gefallsucht, der Sinnlichkeit, der Frühreife zu rufen pflegt.

Redet nie vor den Kindern von Kleidern und Moden; lobet nie andere der Kleider wegen, und wollten euere Kinder das thun, duldet es durchaus nicht; macht sie auf - merksam auf die Dummheit derjenigen, welche mehr zu sein glauben, weil sie einen schönern Fetzen als andere tragen. Adel und wahre Größe ist nicht Geld und Reichthum, nicht Mode und Gewand, nicht Palast und Einrichtung, nicht Amt und Würde, sondern die Groß - thaten des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe in der Nachfolge Christi, der von der Krippe an bis zum Kreuz das Vorbild der Entsagung und der Abtödtung und der Selbstverleugnung geworden.

Daher versprechet den Kindern nie ein neues, noch viel weniger ein schönes Kleid, wenn sie brav seien. Denn das Kleid darf nie eine Belohnung der Tugend sein, sonst wird es in den Augen des Kindes werthvoll, und größer geworden trotzt es auch das Gewand ab, vielleicht unter Androhung, das Elternhaus zu verlassen. Nie vor - sichtig genug könnet ihr da sein, besonders den Mädchen gegenüber; denn mit diesen scheint so oft schon in der Wiege zu liegen, jedenfalls im Kinderwägelchen zu sitzen wer? Der Modeteufel.

Wenn dann euere Söhne und Töchter mit 16, 17 Jahren oder schon früher unbändig werden, wenn ihre Leidenschaften nach allen Seiten herauszüngeln wie Flammen auf einem brennenden Hause, habet ihr gut sagen: Wir schickten sie doch in die Kirche und Schule, wir hielten sie zum Beten an Gut, aber wie hast du mit ihnen Morgens und Abends Ordnung gehalten? Wo, wie und wann hast du sie zur Arbeit angehalten? Die Kinder226 mußten beten. Gut. Aber hast du nicht ihren Leib ver - weichlichet? Hast du nicht die Sinnlichkeit durch thörichte Reden, durch Unordnung in Speise und Trank, durch eitles Gewand geweckt?

Aber das hat nicht geschadet; sie waren ja so ein - gezogen. Nicht geschadet. Warum sind 10 und 1l jährige Kinder oft schon so verwildert? Ihre Leidenschaften wurden nie abgetödtet. Nicht geschadet? Das Unkraut der künftigen Ausschweifung wuchert schon in ihrer Seele; mit 13 und 14 Jahren beneiden sie die Größern um den vollen Lustbecher sind vielleicht schon in ein tiefes, wenn auch noch verborgenes sittliches Elend versunken. Mit 17 Jahren sind sie am Ziele ihrer Gelüste, unbe - kümmert um das zeitliche Elend, das ihrer wartet, unbe - kümmert um den Himmel, der ihnen entflieht, unbekümmert um die Hölle, die unter ihren Füßen gähnt. Väter, Mütter, ihr jammert und weint vielleicht, daß euere Söhne und Töchter in ihren Leidenschaften und Gelüsten unbändig geworden wie Roß und Maulthier warum habet ihr ihnen in den Tagen zartester Kindheit nicht die Zügel der Abtödtung und der Selbstüberwindung und der Entsagung angelegt und fest in der Hand gehalten?

Und wie leicht ist es auf christlichem Boden, die Kinder zur Abtödtung und Entsagung anzuhalten! Steht nicht vor ihrem Auge das Vorbild des göttlichen Kindes? Ist das Kinderherz nicht wie geschaffen für die Liebe des göttlichen Heilandes? Drängt diese Liebe nicht zur Ent - behrung, zur Entsagung? Aus der Liebe Christi flammt die Nächstenliebe empor und verlangt diese Liebe nicht manche Opfer und Entbehrung in Bezug auf Freuden und Genüsse, auf Speise und Trank, auf Kleidung und Moden verlangt sie nicht diese Opfer für die Bekeh - rung der Heiden, für Rettung der gefährdeten Unschuld, für die Unterstützung würdiger Armen? Aber die Kinder227 müssen hiefür erzogen werden und daß sie leicht dafür gewonnen werden, hat Christus gesorgt durch sein Beispiel von der Krippe bis zum Kreuze, und vom Kreuze an, wo seine Braut auf der Seitenwunde hervorging, bis auf den heutigen Tag durch die Gnadenherrlichkeit seiner hl. katholischen Kirche. Endlich will ich zum Schlusse noch auf die natürlichste Schule der Abtödtung und Entsagung hinweisen auf Armuth und Leiden. In der Schule der Leiden sind wir Alle; in der Schule der Armuth die Meisten und wie die Verhältnisse liegen, werden noch weit mehr in diese beiden Schulen hineinkommen, wenn die Auserwählten gerettet werden sollen.

Was nun thun, ihr Armen, ihr Geplagten? Haltet euere Kinder an, daß sie aus der Noth gerne eine Tugend machen. Gehet deshalb selbst mit dem guten Beispiele voraus; klagt nie über Armuth, beneidet ja nicht die Reichen, sondern saget mit Tobias zu euern Kindern: Fürchtet nicht, wir führen zwar ein armes Leben; aber wir werden viel des Guten haben, wenn wir Gott fürchten, ferne bleiben von jeder Sünde und Gutes thun. Richtet daher die Augen nicht auf Güter, die ihr nicht haben könnet.

So saget euern Kindern, ihr ohne Kapitalien und Aktien, aber auch ohne Geiz und ohne Habsucht: Fürchtet Gott, fliehet die Sünde; liebet die Tugend und die Armuth, diese Braut Christi von der Krippe bis zum Kreuze, Gott wird euch segnen: aber schauet nicht auf Güter, die ihr nicht haben könnet: nicht auf Geld, das euch fern liegt; nicht auf Genüsse, auf Tanz, auf Spiel, auf Theater, auf Ausflüge, die nicht euer Antheil nicht auf Kleider, die euer Stand nicht tragen darf, nicht auf Kleider und Moden, woran nur ein Schädel ohne Inhalt Freude hat.

So lehret euere Kinder; aber mit der vollen Vatermacht und dem ganzen Opfersinn der Mutter stehet dafür ein, daß euere Kinder so leben und die Abtödtung Christi an228 ihrem Leibe tragen. Wenn sie aber dennoch Ansprüche machen, welche mit der Armuth sich nicht vertragen, so gebet doch niemals nach; denn sonst seid ihr mitschuldig am vollständigen Ruin der Familie wie am ewigen ver - derben der Kinder. Pfleget daher der Sinnlichkeit nicht zur Erregung der Gelüste, sondern kreuziget das Fleisch und seine Begierlichkeit in euch und in euern Kindern, damit wir dem Bilde des Gottmenschen ähnlich geworden, am großen Erntetage aufgenommen werden unter die Zahl der Auserwählten.

XXIV. Begriff und Schule der Ehrfurcht.

Ehrfurcht! Respekt! Heilige Scheu! Schöne Worte, deren herrlicher Inhalt aber vielfach verloren. So klagt man ja sogar in der Presse, daß Anstand und Sitte und guter Ton in allen Gesellschaftskreisen immer mehr ver - schwinde und der Gemeinheit weiche. Das wundert mich gar nicht, aber das ist mir auffallend, daß bei dieser Ver - nachlässigung der häuslichen Erziehung, bei dieser Ent - christlichung der Schule mitten unter tausenderlei Aerger - nissen das Uebel nicht schon größer geworden. Denn ohne Ehrfurcht kommt der Mensch auf allen Schulen nur als geschulter Barbar heraus. Daher ist es wohl an der Zeit das Wort Erweiset Ehrfurcht, wem Ehrfurcht gebührt (R XIII. 7), in alle Gesellschaftskreis hinein zu rufen. Ehrfurcht aber kann nur erweisen, wer in und zur Ehr - furcht erzogen worden. Um diesen Gegenstand gründlich und für das Leben nutzbringend zu entwickeln, fragen wir zuerst: Was ist denn Ehrfurcht? Welches ist die Schule der Ehrfurcht?

229

Obwohl wir leichter fühlen als sagen, was Ehrfurcht ist, so hat doch jener tiefe und scharfe Denker der heilige Thomas (II. II. art. 3) dieselbe genau bestimmt und erklärt. Er spricht zunächst von der Aeußerung der Ehr - furcht, nämlich von der Ehre, welche man einem erweist. Diese Ehre ist eine Art Zeugniß der Tugend dessen, welchen man ehrt. Und deswegen ist die Tugend allein der würdige Gegenstand der Ehre. Man muß jedoch wissen, daß einer nicht bloß der persönlichen Tugend halber geehrt werden kann, sondern auch wegen der Auszeich - nung eines andern. So werden Fürsten und Vorgesetzte geehrt, weil sie die Stelle Gottes vertreten, auch wenn sie böse sind. Auf gleiche Weise sind Eltern und Herr - schaften zu ehren, weil sie an der Würde Gottes Theil haben, welcher Vater und Herr Aller ist. So der hl. Thomas. Der Grund der Ehrenbezeugung ist also ent - weder die persönliche Tugend des Geehrten, oder dann die Würde, die er von Gott erhalten. Daß aber jemand zugleich wegen seiner Tugend und wegen der von Gott erhaltenen Auszeichnung geehrt werden kann, ist klar. Denn so viele Eltern und Vorgesetzte verbinden ja mit der Würde die Tugend.

Wenn wir aber jemanden äußerlich ehren, so muß auch im Herzen etwas sein sonst ist alles nur Heuchelei und angelernte Complimentmacherei, wie sie in jeder Art Hofluft und im Sumpfe der Selbstsucht und des Eigen - nutzes zu gedeihen pflegt. Was muß dan in unserm Herzen sein? Die Ehrfurcht. Also ist auch der Grund der Ehrfurcht der gleiche wie der Ehrenbezeugung. Ihr könnet also nur Ehrfurcht haben vor einem Menschen, der durch seine Tugend oder seine Würde oder durch beides Gott ähnlich ist; ihr könnt also nur Ehrfurcht haben vor der Tugend, vor der Heiligkeit, vor Würde und Hoheit wie sie von Gott ausstrahlen. Diese Ehrfurcht ist230 dann ein Staunen, eine hl. Scheu, Freude, Liebe, Bewun - derung, kindliche Furcht beim Anblick einer wahren Größe. Die Ehrfurcht ist also nichts Irdisches, sondern etwas Himmlisches, nichts Menschliches, sondern etwas Göttliches, nichts Weltliches, sondern etwas Religiöses. So wagt wohl niemand zu sagen: Ehret meinen Reichthum, meine Kleider, meine Pferde, meine Gewaltthat. Wenn aber einer dennoch wegen solchen oder gleichwertigen Dingen z. B. wegen wichtigthuender Geschäftelei, wegen Treiberei in Politik und Vereinen, wegen modernem Bildungskram, wegen schriftstellerischen Kleinigkeiten, wegen Zeitungslobhudeleien Ehrfurcht verlangt ist der nicht ein Thor und für was für Thoren hält er andere? Da täusche sich nur Niemand, als hätten die Menschen, wenn sie auch solcher Thorheiten wegen aus selbstsüchtigen Beweggründen äußerlich jemandem Ehrfurcht erweisen, nicht einen unfehlbaren Instinkt für wahre innere Ehr - furcht oder auch Verachtung.

Welches ist nun die Schule dieser Ehrfurcht?

Der gelehrte Protestant Guizot that einst den berühmt gewordenen Ausspruch: Die katholische Kirche ist die größte und herrlichste Schule der Ehrfurcht, welche die Welt jemals gesehen hat.

Warum ist die katholische Kirche die größte Schule der Ehrfurcht? Weil sie die wahre und erhabenste Religion ist und eine ganz besondere Fähigkeit besitzt, die Menschen mit der Religion zu durchdringen und so mit Ehrfurcht zu erfüllen vor Gott und vor allem, was mit Gott ver - bunden und verwandt ist.

Was zeigt die Religion dem Kinde? Gott in seiner Herrlichkeit, in seiner Allmacht und Weisheit, in seiner Güte und Langmuth, in seinen Erbarmungen wie in seiner Gerechtigkeit. Was zeigt die Religion dem Kinde? Die Schöpfung Gottes vom Gestein an bis hinauf zum231 Menschen, dem Ebenbilde des dreieinigen Gottes. Was ist die Folge hievon? Die Seele des Kindes wird mit hl. Scheu und Furcht vor Gott erfüllt; es fällt nieder und betet an; so wird die Ehrfurcht Anbetung. In dieser Anbetung Gottes erscheinen die Menschen dem Kinde als Ebenbilder Gottes und um so ehrwürdiger, je ähnlicher sie Gott geworden und erfüllen so die Kinder - seele mit Ehrfurcht.

Aber welche Religion kann diese Ehrfurcht am leich - testen geben und immer schöner in den Herzen entfalten! Man macht heute so gewaltigen Lärm mit dem Anschauungs - unterricht in der Schule; nun, der ist so alt wie das Menschengeschlecht, und der göttliche Heiland hat demselben in seiner katholischen Kirche die höchste Vollendung gegeben und so die größte und heiligste Schule der Ehrfurcht er - richtet. Betrachtet also die von Christus gestiftete Schule der Ehrfurcht! Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen als die Herrlichkeit des Eingebornen vom Vater voll der Gnade und der Wahrheit, und von seiner Fülle haben wir alle empfangen Gnade über Gnade. So erzählt der heilige Johannes die Menschwerdung Jesu Christi und sein stetes Fortleben in der katholischen Kirche. Es kommt Weihnacht; Gott mit uns im Stalle von Bethlehem; denn Gott ist in der Person Christi ein Kind geworden; es kommt Ostern; Gott mit uns auf Golgatha; denn Gott selbst hat am Kreuze seine Arme ausgestreckt; es kommt das Fronleichnamsfest; Gott mit uns; denn Gott selbst ist uns gegeben unter den Gestalten des Brodes; wir werfen uns auf die Knie, wenn er in feierlicher Prozession durch Gassen und Straßen zieht. So oft ihr in die Kirche geht, was verkünden euch die Altäre mit ihrem Schmucke, was die brennenden Kerzen und das ewige Licht, was der ernste feierliche Gesang, dem nichts Weltliches, Pro -232 fanes, Opernmäßiges beigemischt wird was verkündet euch das alles: Gott mit uns im allerheiligsten Altars - sakramente, fallet nieder, betet an voll Ehrfurcht!

Wenn ihr nun euere Kinder in diesem Glauben er - ziehet, wie tief, wie unverwüstlich muß nicht die Ehrfurcht in ihr Herz eingepflanzt werden? Und doch ist das bei weitem nicht alles. Denn Gott ist nicht bloß so in un - mittelbarer Nähe, sondern durch die hl. Sakramente will er sich auf's innigste mit uns vereinigen. Diese Gnaden - mittel haben zwar alle die Kraft, uns mit hl. Ehrfurcht zu erfüllen aber doch ganz besonders das hl. Altarssakra - ment in der hl. Communion. Erinnert euch einmal an jenen Freudentag, wo ihr durch eilte reumüthige Beichte das Herz von allen Sünden der Kindheit gereiniget, wo ihr die Gnade und Herrlichkeit Gottes so recht in euch gefühlt, wo ihr voll Ehrfurcht und Freude die hei - mathliche Pfarrkirche betratet mit welcher Ehrfurcht, mit welcher Scheu, mit welcher Anbetung traten wir an jenem weißen Sonntage zum ersten Male an die Com - munionbank? Mit welcher Anbetung schauten wir Gott an in der hl. Hostie? Mit welcher Ehrfurcht begrüßten wir im Herzen den göttlichen Heiland? Schauten wir uns gegenseitig nicht voll Ehrfurcht an? Deutet nur an diesen großen Tag und ihr begreifet, wie die katholische Kirche die größte und heiligste Schule der Ehrfurcht ist.

Das ist das einfache und doch so tiefe Geheimniß katholischer Erziehung. Aber diese Erziehung hat noch andere Mittel. Wie sie nämlich in Jesus Christus uns die Nähe Gottes zeigt, so zeigt sie in der sichtbaren Kirche die Majestät Christi: Die sichtbare Kirche erscheint als Mutter in der Zartheit himmlischer Mutterliebe; Christus aber erscheint in der Herrlichkeit göttlicher Majestät: So verschmelzen sich im Kinderherz die Liebe zur Kirche und die Ehrfurcht vor Christus zu einem233 neuen Gefühle der Verehrung und dieses wendet sich nicht gegen etwas, das man nicht sehen, nicht hören, nicht greifen kann sonst wäre das für die Erziehung wie werthlos sondern gegen erhabene Personen, welche die Stelle des Gottmenschen vertreten.

In dieser Zeit, wo die Großen sich selbst erniedrigen und ihre Sendungen von Oben vergessen, wo so viele Throne in wenigen Augenblicken einstürzen, um die meisten ihrer Herren für immer zu begraben, in dieser Zeit, wo alles wackelt und nichts fest dasteht, wo über Nacht das mächtigste Reich zusammenstürzen kann in dieser Zeit, wo Gemeinheit und Niedertracht vielfach zur vollen Herrschaft gelangt sind: In dieser Zeit führt die katho - lische Schule und Erziehung die Jugend hinweg über diesen traurigen Anblick von Kriegsheeren und Kanonen, von Ruinen und Trümmern, von Hunger und Elend, von Schlachten und Gemetzel, führt sie hinweg über Jammerfiguren des Unglaubens, der Sittenlosigkeit, der Habsucht, des Eigennutzes und zeigt ihr dafür eine hehre Gestalt, einen 80 jährigen Greis: Auch dieser hat Land und Volk verloren, sucht wie Noa's Taube eine trockene sichere Stelle und findet sie nicht; aber nur desto großartiger erhebt sich diese Majestät wie einst Noa's Arche über die Fluth und wie unsere Alpenfirnen über ein herbstliches Nebelmeer: Vor dieser Majestät beugt sich die katholische Welt voll Ehrfurcht beugt sich selbst der Ungläubige, der Heide, der Türke, der noch einen Sinn für das Erhabene und Große in der geistigen Welt bewahrt hat.

Aber nur wenige haben das Glück, denjenigen zu sehen, gegen welchen die Pforten der Hölle zur Ohn - macht verdammt sind die wenigsten haben das Glück, am Ostertage oder am Feste der Fürstapostel auf dem Petersplatze mit 100,000 Menschen zu knieen und in234 geisterhafter Stille der tiefsten Ehrfurcht den Segen des hl. Vaters vom Balkon der Peterskirche zu empfangen. Und doch soll die katholische Kirche die größte und heiligste Schule der Ehrfurcht auf der ganzen Welt sein und bleiben.

Daher muß die Herrlichkeit Gottes diese Kinder - herzen ganz in der Nähe berühren und zwar durch lebende Personen, welche Antheil haben an der Sendung Jesu Christi. So kommen denn nach dem hl. Vater die Bischöfe, diese Nachfolger der Apostel als Hirten über einzelne Theile der einen großen Herde Jesu Christi: Welch 'ungeheuchelte, naturwüchsige Ehrfurcht nicht bloß die Kinder vor dem Bischöfe haben, sondern auch das gläubige, durch kein Wirthshausleben verdorbene Volk, das vom Bischof weder Ehre noch Auszeichnung noch andere zeitliche Vortheile erwartet das wissen diejenigen, welche das Glück hatten, mit diesem edelsten Theile näher zu verkehren.

Aber auch das genügt noch nicht, denn der Bischof ist der Jugend eine noch zu fern stehende Person; sie muß täglich in der Ehrfurcht erzogen werden. Daher soll sie auch täglich mit dem Priester Gottes in Berührung kommen. Daher werden Priester vom Bischöfe in einzelne Gemeinden gesendet. Wenn nun ein Priester mit seiner Würde, welche ihn hoch über alle irdische Herrlichkeit er - hebt, noch einen wahrhaft priesterlichen Wandel verbindet, werden dann die Kinder nicht mit heiliger Ehrfurcht erfüllt? Denn mit der Anbetung Christi lernen sie Ehrfurcht und Verehrung gegen seine Priester und fühlen sich dabei nicht kleiner, sondern größer, nicht verdemüthiget, sondern gehoben, und Vater und Mutter sehen die schönen Früchte dieser Ehrfurcht und Verehrung. Und dann diese religionslose Schule, deren bloßer Bestand schon eine Verachtung Gottes und der hl. Kirche! Diese moderne Schule! 235 Wie sie nicht auf einmal zur Herrschaft gelangt ist, so wird sie auch nur durch einen langen aber steten Kampf auf ihrer Stellung verdrängt werden.

So hat denn Guizot wirklich Recht, wenn er die katholische Kirche die größte und heiligste Schule der Ehr - furcht nennt: Habet also selbst Ehrfurcht vor Gott, vor Christus, vor seiner hl. Kirche, vor dem Papste, dem Bischof, dem Priester; und zeiget diese Ehrfurcht vor euern Kindern und Geschwistern: So wird euch am Tage der Rechenschaft die Verantwortung für euere Haushal - tung leichter werden in den Erbarmungen Gottes.

XXV. Erziehung und Ehrfurcht.

Die Ehrfurcht ist eine hl. Scheu vor Gott, vor dessen Größe und Majestät, dann vor jeder Tugend und Aus - zeichnung, welche von Gott kommen und den Menschen Gott ähnlich machen. Mit dieser hl. Scheu ist eine Freude, ein Staunen, eilte Bewunderung der Seele verbunden, eine Sehnsucht, den Gegenstand dieser hl. Scheu zu ehren, eine kindliche Furcht, derselben etwas Unwürdiges zu thun. Die katholische Kirche ist die größte und heiligste Schule der Ehrfurcht, die es je auf der Welt gegeben hat. Denn in ihr steigt die Herrlichkeit Gottes in Christus, in den hl. Sakramenten, in dem Priesterthum vom Himmel herab vor die Augen des Kindes und dann in dessen Seele: So wird die Ehrfurcht vor Gott im Kinde geweckt und mit ihr jede andere.

Jetzt wollen wir einen Schritt weiter gehen, und sehen,236 welche Bedeutung die Ehrfurcht für die Erziehung habe. Zu diesem Zwecke behandle ich folgende zwei Punkte:

1) Mit der Ehrfurcht kommt die Erziehung,

2) aber ohne dieselbe die Barbarei.

Mit der Ehrfurcht kommt also die Erziehung oder die Ehrfurcht macht die Erziehung erst möglich. Was bedeutet denn eigentlich das Wort erziehen ? Fast in allen Sprachen ist seine Grundbedeutung in die Höhe ziehen, heben. Das ist wirklich die Hauptarbeit der wahren Erziehung, das Kind auf die naturgemäße Höhe der Menschen - und Christenwürde zu bringen. Die Er - ziehung ist also wie ein Aufflug der Seele von der Welt zu Gott, vom Gemeinen zum Erhabenen, von der Sünde zur Tugend, von der Unvollkommenheit zur Vollendung. Die Ehrfurcht nun, von Gott in die Seele gelegt, wird in ihr zur Kraft, welche sie auf jene Höhe der Voll - kommenheit hinaufführt. Sehet einmal.

Die Erziehung darf das Kind nicht nach Schablonen, nicht nach den glänzenden Irrthümern einer gottlosen Schule behandeln, sondern nach den wahren und berechtigten Be - dürfnissen, welche Gott in dessen Seele gelegt hat. Ein solches Bedürfniß und damit auch ein Gesetz der Erziehung ist die Ehrfurcht, und dies Gesetz kann ohne das tiefste Verderben der Jugend nicht verletzt werden. Betrachtet nur das Kind in seinen ersten Jahren. Redet ihm von Gott, der die Welt erschaffen, von Christus, der in der Krippe liegt, vom Schutzengel, der die Kinder beschützt, vom Himmel, der die frommen Kinder erwartet: die Ehr - furcht äußert sich unwillkürlich im Staunen der Augen, im Falten der Händlein, im Gebete der Lippen. Hat ferner das Kind nicht ein wahres Bedürfnis, den Eltern die Huldigungen seiner Ehrfurcht darzubringen? Welch 'heilige Scheu hat es vor dem Priester? Welche Ehrfurcht vor der Kirche? Daher hören die Kinder so gerne Geschichten237 von außerordentlichen Personen und Thaten; sie scheinen dabei kaum mehr athmen zu dürfen, um nicht die feier - liche Stille der hl. Ehrfurcht zu unterbrechen. Das ist weniger Befriedigung der Neugierde als der Ehrfurcht, welche in ihrem innersten Wesen religiös und himmlisch und göttlich ist.

Als einst ein Knabe auf einer von Lehrschwestern geleiteten Kleinkinderschule in die confessionslose, rein bürgerliche Schule kam, sagte er nach einigen Tagen: Aber, Mutter, wir hören nicht mehr so schöne Geschichten wie bei der Schwester. Aber hörte der Knabe denn keine Geschichten mehr? Freilich, aber nicht mehr religiöse, sondern rein bürgerliche, und so blieb sein tiefstes Bedürf - niß der Ehrfurcht unbefriedigt; statt Brod erhielt er Steine.

Die ältern Leute auf uns können da auf Erfahrung reden. Als wir vor 50 Jahren die Schule zu besuchen hatten, war die biblische Geschichte sozusagen das einzige Buch, mit dem wir uns beschäftigten. Mit welcher Freude lasen wir Kinder das alte Testament? Die ausführliche Geschichte des ägyptischen Joseph, den Heldentod der machabäischen Mutter und ihrer Söhne und die Kämpfe und den Heldentod der Machabäer für Gott und Vater - land. Wir lasen die gleiche Geschichte hundert Mal. Warum? Immer schöner traten jene Gestalten vor unsern Geist; wir hatten das Bedürfniß, ihnen die Huldigungen unserer Ehrfurcht darzubringen.

Aber warum hat Gott uns dies Bedürfniß gegeben? Wenn ihr das Leben eines großen Menschen mit all seinen Tugenden und Großthaten leset und betrachtet, tönt es nicht in der mit Ehrfurcht erfüllten Seele: Das ist die Größe, die Würde, der Adel des Menschen! Auf! Das ist auch dein Beruf; du darfst diese Größe nicht bloß verehren, du mußt sie auch erreichen. Auf! Verlasse diese238 Niederungen des gewöhnlichen Lebens, und steige auf die Höhen der Tugend, des Adels! Wohlan, ist nicht dies der Eindruck einer jeden wahren Größe auf jede noch unverdorbene Seele? Das ist eine Wahrheit, die wir Alle schon erfahren und gefühlt haben; wer sie nicht mehr versteht, muß verzweifelt tief herabgekommen sein. Ob und wie weit man dies Grundgesetz der wahren Erziehung vergessen hat oder nicht beachtet, will ich nicht berühren; aber hieraus wird hoffentlich manchem klar, mit welcher Unwissenheit, mit welcher Oberflächlichkeit heute über Er - ziehung und Bildung der Jugend vielfach geschrieben und geredet wird. Und doch ist die Kinderwelt nicht so eine Art Versuchsfeld! Mir genügt indessen diese Wahrheit: Ehrfurchtsvolle Kinder haben ein unwiderstehliches Be - dürfniß, das, wovor sie Ehrfurcht haben, auch zu er - reichen.

Was folgt nun hieraus für euch, christliche Eltern, für Alle, die sich irgendwie mit der Erziehung zu be - schäftigen haben? Setzet einmal den eigenthümlichen Fall. Wenn ihr den schönsten Menschen gefunden, der je war, und ihr könnet die ganze Schönheit und Kraft seiner Gestalt auch euern Kindern mittheilen, falls ihr ihnen den - selben nur recht oft sehen lasset: würdet ihr das nicht mit aller Sorgfalt thun, so oft es nur möglich wäre? Wenn ihr ihnen auf gleiche Weise die Seelengröße, den Geistesadel, die Herzensschöne eines hl. Paulus, eines hl. Chrysostomus, eines hl. Aloysius, eines hl. Vinzenz von Paul, einer hl. Cäcilia, Agatha, Agnes, einer hl. Catharina von Siena geben könntet, wie würdet ihr frohlocken? Wohlan nun, was ich da sage, ist kein Traum, keine Täuschung, keine bloße Voraussetzung, sondern Wahrheit, Wirklichkeit. Zeigt euern Kindern nur was wirklich groß, wirklich erhaben, heilig und göttlich ist, haltet sie an, dies Alles mit Ehrfurcht zu verehren und diese Größe, dieser239 Adel, diese Heiligkeit wird euere Kinder nach ihrem Vor - bilde umgestalten und bilden.

Also weg mit allen Büchern, wo nur von Möbeln, von Pflanzen, von Thieren die Rede, wo langweilige, inhaltsarme Geschichten mit einer ganz nüchternen Moral erzählt werden, weg aus der Kinderwelt mit allen Büchern und Schriften und Gemälden, wo nicht die Herrlichkeit Gottes wiederstrahlt, also weg auf der Kinderwelt jede Unterhaltung, wo Geld und Reichthum und Kleider und Moden und Menschenlob und Genuß die Hauptrolle spielen weg damit sonst geht die Ehrfurcht weg.

Aber das ist noch lange nicht genug. Denn euere Kinder sehen und hören eben auch viel Gemeines, Böses, Schlechtes und Niederträchtiges; gegen dies Alles müsset ihr ihnen Verachtung und Abscheu einpflanzen. So wird euer Kind wahrhaft groß und schön und herrlich und adelig werden, weil es das Große und Göttliche gesehen und verehrt hat, aber auch verachtet und verabscheut jede Gemeinheit.

Soll ich euch nun von diesen Schülern der Ehrfurcht irgend ein Bild entwerfen? Ihre Gedanken fliehen das Gemeine, und suchen das Erhabene; ihre Gefühle verab - scheuen das Niedrige, und lieben das Göttliche; ihr Wille strebt nach oben, wo die Tugend, wo die Vollkommenheit des Menschen und des Christen. Wenn dann mit diesem Adel der Jüngling später die Vaterwürde verbindet und wie ein Bischof in der Familie waltet, wenn die Jung - frau mit dieser Hoheit die Mutterwürde vermählt und in Mitte der Kinderschaar ihre Opferliebe entfaltet welch 'zaubervolles Schauspiel, welch eine Schule der Ehrfurcht für das werdende Geschlecht! Wenn ferner solch' ein Mann im Dienste des Vaterlandes oder der Kirche mit seinem Adel Aemter und Würden verbindet, welche An - muth in der Würde, und welche Bescheidenheit in der240 Größe! Ja selbst wenn er im hl. Zorne gegen Sünde und Unordnung sich erheben muß, wie einst der Heiland, als er mit Stricken die Tempelschänder vor sich her jagte entfaltet er nur Hoheit und Würde. Diese Männer sind wirklich groß, und haben deshalb nicht nothwendig, sich aufzublähen und mit Kleinigkeiten zu prahlen, Zeitungslob zu betteln, wie es die kleinen Gern Groß treiben; sie sind wirklich groß und suchen deshalb nicht Würden, nicht Aemter, nicht Auszeichnungen; sondern sie müssen vielmehr gesucht werden und gestoßen und ge - drängt, bis sie ein Amt, eine Stelle übernehmen; sie sind wirklich groß, und kennen deßhalb keine Schmeichelei und Kriecherei, sondern auch Großen und Mächtigen und Reichen und Vornehmen gegenüber bewahren sie sich die volle Freiheit des Wortes und der That sie sind wirklich groß und verkehren am liebsten mit Armen, mit Niedern, mit Verlassenen, mit gewöhnlichen Arbeitern und verlieren dabei nichts an Adel, sondern gewinnen nur an Hoheit.

Doch, um viele andere Züge zu übergehen, wessen ist dies Bild? Ist es nicht das Bild Gottes, nicht das Bild Christi, von der Ehrfurcht in der Menschenseele ausgemalt? Wenn daher die Jugend allgemein und kräftig in der Ehrfurcht erzogen wird, welche Umwand - lung muß in den Familien, in den Gemeinden, in den Völkern vor sich gehen? Damit wir nun noch tiefer in diesen so hochwichtigen Gegenstand eindringen, wollen wir die Erziehung ohne Ehrfurcht betrachten wenn eine solche überhaupt möglich ist.

Was ist denn der Gegensatz der Ehrfurcht? Die Verachtung. Wer keine Ehrfurcht mehr hat vor Gott, vor Christus, vor der hl. Kirche, vor den hl. Sakramenten, vor den Priestern, vor den Eltern, vor Tuend und Recht, der ist vielleicht einige Augenblicke gegen dies Alles gleich -241 gültig, aber bald kommt die Verachtung, dann der Spott, endlich der Haß.

Damit nun eine Erziehung ohne Ehrfurcht sei, ist es gar nicht nothwendig, vor dem Kinde über Religion und Glaube, über Titte und Tugend, über Kirche und Priester spöttisch die Lippen zu verziehen, oder zu lästern oder dem aufwachsenden Kinde zu sagen: Verachte, ver - höhne, verspotte, wie es in dieser traurigen Zeit nur zu oft vorkommt, sondern um sie die Verachtung zu lehren, genügt es, wenn ihr sie nicht in der Ehrfurcht auferziehet, wie es ja auch für den Unglauben der aufwachsenden Jugend hinreicht, wenn man ihr von der Gottheit Christi einfach nichts mehr sagt. Was in dieser Beziehung ge - sündigt wird, ist unglaublich und kann nur in der Kurz - sichtigkeit der Katholiken irgendwelche Entschuldigung finden.

Die katholische Kirche ist die größte und heiligste Schule der Ehrfurcht. Für diese Wahrheit mußte der gelehrte Guizot Zeugniß ablegen. Wo daher diese Kirche in ihrer Freiheit beschränkt wird, wo katholische Schulen nicht mehr möglich sind, dort schwindet allmählig die Ehr - furcht, auch wenn der äußere Schein der alten Ordnung sich noch einige Zeit erhalten kann. Das ist das Trau - rigste. Denn, wären die Folgen wie beim Hagelwetter im Augenblick Allen sichtbar, würden selbst den Blinden die Augen geöffnet, und auch dem Feiglinge würde der Heldenmuth kommen, so aber gehen wir einer Zeit ent - gegen, daß wir den Spätgeborenen wie zur Fabel werden. Denn euere Kinder können in Bezug auf euch selbst, auf die Geistlichen, auf die Kirche, in Bezug auf den Gottes - dienst, den Empfang der hl. Sakramente, in Bezug auf die Tugenden des Glaubens, der Mäßigkeit, des Gehor - sams, der Sittsamkeit, in Bezug auf Recht und Gesetz der bürgerlichen Gesellschaft nicht gleichgültig bleiben, sie242 müssen sich nach und nach ein Urtheil darüber bilden, und dies Alles entweder verachten oder verehren.

Weil aber im Herzen das Streben nach Größe und Auszeichnung immer noch bleibt, vollzieht sich in diesen Unglücklichen eine furchtbare Umwälzung von oben nach unten. Denn je mehr ein Mensch das Gute und Er - habene verachtet, desto mehr huldigt er dem Bösen und Gemeinen und wird so ein Barbar, bereit die Welt mit Trümmern zu erfüllen. In Italien sind Gesellschaften, welche auf ihrer Fahne das Bild des Satans haben und mit dieser Fahne erschienen sie öffentlich. Der Satanskult der geheimen Gesellschaften ist eine ausgemachte Thatsache.

Aber so weit ist es bei uns noch nicht gekommen. In der Oeffentlichkeit allerdings nicht was im Dunkel da und dort geschehen mag, weiß ich nicht. Aber die Ehrfurcht vor allem Göttlichen schwindet auch bei uns und wie weit dies Uebel sich ausbreiten wird weiß Gott. Gleiche Ursachen und Systeme haben auch die gleichen Wirkungen, nur kommen diese nicht überall gleich schnell und bleiben dem oberflächlichen oder vertrauens - seligen Menschen ziemlich lange verborgen.

Um aber diese gemeinsame Gefahr Aller besser zu verstehen, betrachtet nur einzelne Fälle aus dem gewöhn - lichen Leben. Nehmet also einen Jüngling, der ohne Ehrfurcht Herangewachsen: Er verachtet den Priester; dafür hört er auf jeden dahergelaufenen Spötter; er verachtet den Jüngling, welcher fleißig den Gottesdienst besucht, und Abends ohne Wirthshausbesuch frühzeitig zu Hause ist; dafür geht er mit schlechten Kameraden, welche dem Gottesdienste ferne bleiben, sich voll trinken und die Nächte durchschwärmen; er verachtet Vater und Mutter, überhäuft sie mit Schmähreden, verläßt sie im Alter, in der Armuth; er verachtet die züchtige Jungfrau, die nichts Ungeziemendes duldet, und sucht und findet schlechte Mäd -243 chen, welche die Ehrfurcht vor der Jungfräulichkeit längst verloren haben; er verachtet am Ende Alles, die Gebote Gottes und der Kirche, geistliche und weltliche Obrigkeit und all ihre Anordnungen, Vater und Mutter, Bruder und Schwester, Gattin und Kinder und jeden Menschen, der in Christo noch gottselig leben will. Was wird erst geschehen, wenn ein Mädchen ohne Ehrfurcht aufwächst? Die Verwüstung ist so tief, so grauenvoll, die Scham - losigkeit oft so frech, daß ich kein Wort darüber verlieren darf. Denn euch Allen bin ich auch Ehrfurcht schuldig; und beim Anblicke solcher Greuel wird die Zunge wie gelähmt, nur das Auge kann noch weinen, wenn der Schmerz nicht etwas zu groß geworden.

Dafür vergleichet lieber den Schüler der Ehrfurcht mit dem Schüler der Verachtung. Jener schaut ehrfurchts - voll aufwärts zum Himmel, dieser auf die Erde und auf - wärts nur, um zu spotten; jener wird in seiner Ehrfurcht für alles Heilige und Göttliche warm begeistert und strebt immer höher und höher, um jene göttliche Majestät end - lich zu erlangen und ihr Bild vollkommener in seine Seele zu drücken. Das ist Excelsior! Immer höher und höher, immer erhabener und erhaben. Dieser aber ent - fernt sich in seiner Verachtung von Allem, was Größe und Heiligkeit und Gerechtigkeit heißt, und nähert sich immer mehr und mehr dem Abgrunde der sittlichen Ver - sunkenheit; er wollte Alles erniedrigen, hat nur sich selbst erniedrigt; er hat Alles verspottet und verachtet, aber die Tugend und Heiligkeit und Gerechtigkeit und die großen Männer und Frauen sind noch unversehrt in ihrer Schöne und Majestät; er aber ist ein Gegenstand der Verachtung geworden. Da hilft keine Feinheit der Mode, des Welt - toues, des sogenannten Anstandes; über all diesen glänzenden Firniß lagert sich dennoch die Nacht der Gemeinheit ähn - lich wie bei aller Kunst der Moden und der Schmücke244 das traurige Alter einer gefallsüchtigen Frau dennoch sicht - bar bleibt und dazu noch ekelhaft wird, während es sonst ein Gegenstand der Ehrfurcht wäre.

Die Ehrfurcht kann durch nichts ersetzt werden wie die Kraft und die Schönheit der Jugend; während aber diese mit den Jahren altert und schwindet, entfaltet jene mit dem Alter nur voller ihre Schönheit. Das einfache Hirtenmädchen, das nur eine Winterschule besuchte, aber in Ehrfurcht erzogen ist, und am Sonntag in alter Tracht den Rosenkranz in der Hand in das einfache Kirchlein geht, ist voll Adel und Hoheit; aber gemein die vornehme Institutstochter, die, ohne Ehrfurcht aufgewachsen, den Sonntag nur für die volle Entfaltung ihrer Modepracht zu gebrauchen pflegt. Der Hirt auf hoher Alp singt voll Ehrfurcht sein letztes Ave in die Nacht hinein, und wie seine Alp die Thaldünste überragt in reiner Himmelsluft, so steht er hoch erhaben über dem vornehmen Stadtsohn, der, ohne Ehrfurcht erzogen, zur gleichen Stunde eine unglückliche Person aufsucht.

Darum, Jünglinge, Jungfrauen, fraget euch ernstlich, wie es mit euerer Ehrfurcht stehe. Wenn in und außer der Schule manches versäumt worden ein bischen Religionsunterricht genügt bei weitem nicht so holet das Versäumte selbst nach. Wie? Höret aufmerksam und fleißig das Wort Gottes in Predigt und Christen - lehre, meidet leichtfertige Gesellschaften, und suchet ernste und gottesfürchtige, werfet weg alle faden Geschichts - bücher und Schriften leset wieder Bücher ernsten, religiösen Inhaltes nehmet die biblische Geschichte zur Hand und die Legende. Ich weiß es hat hier viele edel angelegte Seelen; lasset euch heute begeistern, hin - reißen: das ist ja euer Adel, euere Hoheit euer Glück.

245

XXVI. Erziehung und Keuschheit.

Wenn auch der Verstand des Kindes durch den Glauben erleuchtet, der Wille durch den Gehorsam gestählt, das Herz in seinen edelsten Gefühlen durch die Liebe er - wärmt und erschlossen ist, wenn dann dies Kind in seiner Ehrfurcht vor Gott und der Kirche, vor den Eltern und den Vorgesetzten, in seiner Ehrfurcht vor den Armen und Unglücklichen, vor Tugend und Recht selbst ein Gegen - stand der Ehrfurcht geworden, so fehlt diesem Meister - werke göttlicher Gnade und menschlicher Erziehungskunst noch der Glanz und die Verklärung der in der Versu - chung erprobten Unschuld und Reinigkeit des Leibes und der Seele. Daß nun die Jugend diesen Kampf, wo das Fleisch wieder den Geist gelüstet, unter der Führung der Eltern und Vorgesetzten siegreich durch - kämpfe, hat Christus in seiner hl. katholischen Kirche mit verschwenderischer Freigebigkeit gesorgt. Wie wichtig diese Wahrheiten für das Heil der Kinder und der reiferen Jugend, für das Glück der Eltern und der Familie, für die öffentliche Ordnung und Sittlichkeit, das ist wohl allen klar. Deshalb empfehle ich euerem Gebete die Entwicklung dieser Wahrheiten, daß ich dieselben dar - stellen kann, wie die Verherrlichung Christi und seiner Braut, endlich unser Aller zeitliches und ewiges Wohl es verlangt. So haben wir dann die selige Hoffnung, daß Alle im Glanze der Unschuld und der Reinigkeit Gott und den Menschen lieb geworden, heranreifen für die himmlische Herrlichkeit. Heute nun behandle ich zuerst die Gefahr der Jugend und dann die entsprechende Pflicht der Eltern und der Vorgesetzten.

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Der Heiland wurde nach 40tägigem Fasten von Satan in der Wüste versucht. Von Innen konnte er nicht versucht werden; denn er war und ist ja die Heilig - keit selbst, nur von Außen war eine Versuchung möglich. Diese Versuchung wollte er zulassen, um uns in Allem ähnlich zu werden. Denn an jeden Menschen tritt die Versuchung, die Krisis heran früher oder später, von Innen und von Außen, und das ist auch die große Gefahr der Jugend.

Betrachtet nun zuerst die Gefahr von Innen. Die Schönheit der Seele strahlt durch den Leib; denn beide sind zur Einheit der Person verbunden. Die Natur hat das Wachsthum des Leibes beinahe ganz übernommen, so daß die Erziehung sehr wenig damit zu thun hätte, wenn der Leib nicht eine sehr leicht verwundbare Stelle hätte. Und das ist? Die Sinnlichkeit, die Begierlichkeit des Fleisches, das wider den Geist gelüstet. Beim Erwachen dieser Leidenschaften kommt für das Kind, für die Jugend die Entscheidung, ob der Weg der Sünde oder des Lasters, des Glückes oder des Unglückes eingeschlagen werde.

Betrachtet das Kind in seinem zartesten Alter: Die Gedanken, die Wünsche, die Einbildungskraft, die Blicke, das Antlitz ist noch ruhig, rein, schön, daß die Unschuld der Seele durch den reinen Leib zu strahlen scheint, wie die Sonne durch ein reines Glas. Allein diese Unschuld ist noch mehr ein Zauber, eine Schönheit als eine Tugend; denn es fehlt ihr die Siegespalme der überwundenen Versuchung. Doch diese Versuchung kommt, und in dieser ausgelassenen Zeit gewöhnlich viel früher, als in den Gesetzen der Natur zu liegen scheint. Wie das?

In diesem zarten Leibe, der bisan im tiefsten Frieden mit der Seele lebte, zeigen sich neue Erscheinungen, regt sich eine neue Begierlichkeit. Das Kind in seinen Reden247 so einfältig und kindlich, wird versteckter, vorsichtiger; es ahnt Geheimnisse, und möchte seine eigene Natur und die ganze Umgebung um das letzte Wort fragen: Deshalb forscht es nach den Reden und Handlungen seiner Eltern, seiner größern Geschwister, seiner Umgebung. Das ist der verhängnißvolle Zeitpunkt, wo das Gesetz in den Gliedern wider das Gesetz des Geistes sich aufzulehnen beginnt. Wäre das nicht schon eine ungeheuere Gefahr? Oder gilt hier nicht das Wort des hl. Ambrosius: Leicht halten wir uns von andern Lastern frei, aber dieser Feind liegt in uns hinter Schloß und Riegel; diesen Feind tragen wir mit uns. (Ad. Eustach. Ep. 22.) So wird das Kinderherz der Kampfplatz, wo die Leidenschaften sich herumschlagen und die Neugierde ein immer weiteres Feld sich sucht.

Ist dieser Hausfeind nicht stark genug, die reine Seele zu trüben, zu beflecken? Allerdings und dazu findet er noch Bundesgenossen von Außen. Denn be - trachtet nur die Umgebung des Kindes, wo es so oft Antwort auf Fragen findet, welche es noch nicht stellen kann. Denn es ist zwar traurig, aber doch wahr: Bei der Großzahl der Jugend wird die böse Lust von Außen geweckt und das oft lange bevor die Reife der Natur es zu verlangen scheint.

Nehmet zuerst das Elternhaus. Wie unvorsichtig sind oft Eltern vor ihren Kindern? Unvorsichtig im Reden, im Handeln unvorsichtig bei Tag und bei Nacht. Werden vor Kindern nicht allerlei Aergernisse, Liebschaften, Heirathen, Tänze, Moden weit und breit verhandelt? Eine bloße Andeutung kann schon Zündstoff werden. Betrachtet noch mehr das Elternhaus! Es ist Abend, Nacht geworden: Kinder schwärmen noch außer dem Hause herum, oder das eine liegt auf dieser Bank, das andere dort, in jenem Winkel langweilen sich andere;248 Vater und Mutter, größere Geschwister sind vielleicht in Vereinen, in Abendunterhaltungen abwesend oder im Hause mit allem Möglichen beschäftigt, nur nicht mit den Kindern: So könnet ihr die Kinder nicht überwachen und mit der Nacht entwickelt sich auch deren Nachtseite. Aber noch mehr. Die Kinder gehen ins Bett; herrscht da Zucht und Ehrbarkeit? Welche schlafen in derselben Kammer? Wie gekleidet oder auch nicht gekleidet erscheinen sie am Morgen? Mit der natürlichen Scham geht da oft Zucht und Ehrbarkeit verloren.

Aber noch nicht genug. Welche Kalender habet ihr? Welche Geschichten, welche Witze sind darin? Welche Zeitungen habet ihr? Welche Aergernisse berichten diese? Selbst unter den Anzeigen kommt oft manches vor, das für die Kinder wie tötliches Gift wirkt. Als ich sagte, man sollte der Schuljugend gar keine Zeitung in der Hand dulden, machten manche große Augen, aber ich wiederhole das heute wieder, wenn auch aus einem ganz andern Grunde. Ferner, welche Bücher kommen denn in die Hände der Jugend? Oder ist diese Gefahr bei uns nicht vorhanden? Sind wir zu weit von der großen Welt weg? Oder ist die Sinnenlust mit der Neugierde nicht auch in unserer Jugend?

Wer da wissen will, welch 'verhängnisvollen Einfluß das moderne Schulsystem auf die geschlechtliche Frühreife ausübe, der lese die historisch-politischen Blätter von 1876 und traurige Erscheinungen werden ihm leicht zu er - klären sein. Schon vor Jahren wurden bei Buchhändlern der Stadt New-York über 15,000 Briefe aufgefunden, worin unzüchtige Schriften bestellt waren. Von wem waren diese Briefe? Von wem? Von Schülern und Schülerinnen auf dem ganzen Lande, von Schülern und Schülerinnen der konfessionslosen Schule. Und in Deutsch - land? Da rühmt man sich ja auch, von schändlichen249 Werken 30 und 40 und noch mehr tausend Exemplare an den Mann gebracht zu haben. Kann solch' ein Schand - buch nicht auch in die Hände der Kinder gelangen? Und wenn dein Sohn, deine Tochter in der Fremde weilt? Auf einer Schule? In einem Institute? Und wie werden oft durch Packpapier, durch Geschirre lüsterne Bilder, freche Zoten und Witze in die abgelegenen Häuser verbreitet? Das Geheimniß der Bosheit hat System in die Ver - führung hineingebracht, unser Geschlecht von zu viel Licht geblendet, sieht das Verderben nicht mehr will mit offenen Augen nicht mehr sehen. Gefahren in der Familie, Gefahren außer dem Elternhaus für das Kind wie für die reifere Jugend.

Dein Kind ist nicht immer allein; es kommt mit andern in Berührung, bald mit gleich alten, bald mit ältern: Wenn nun unter diesen nur Eines ist, das von der Sünde schon angesteckt welche Gefahr für dein Kind, das vielleicht sündiget, bevor es sündigen kann. Wie häufig gerathen Kinder in die Hände erwachsener Verführer!

Aber, setzen wir den trostreichen Fall, das Kind sei 15, 16 Jahre alt geworden, ohne je in eine Gefahr ge - kommen zu sein. Was hört und sieht es jetzt in den Verschiedenen Geschäften, Fabriken, Werkstätten, Familien? Man glaubt oft eine Tochter in einer gut kathol. Familie untergebracht zu haben und es haust ein alter oder junger Verführer darin. Man redet viel von den Ge - fahren der Fabrikarbeiter und vergißt dabei die bösen Geister, welche den Dienstboten sich nahen. So kommt dann für viele, viele Jünglinge und Jungfrauen schon mit 15, 16 Jahren der Satan der Sinnenlust, gaukelt ihnen um den Preis der Sünde alle Freuden dieser Welt vor. Das ist dann der Höhepunkt der Gefahr und der Versuchung, wenn die Sünde nicht schon ihren nächtlichen Einzug in das jugendliche Herz gehalten hat.

250

Da nun sehet ihr die Versuchung, die Krisis, die entscheidende Wendung schon in der Kindheit, oder in der etwas reifern Jugend. Nun kommt die Frage, welche Mittel haben wir also, um dieser Krisis eine glückliche Wendung zu geben? Für heute will ich nur von der entsprechende Pflicht der Eltern etwas sagen.

Mit der ersten Sünde ist auch die Begierlichkeit in das Fleisch gefahren; mit der Erbsünde wird sie fort - gepflanzt von Geschlecht zu Geschlecht. Damit aber der Mensch den Kampf gegen die Fleischeslust leichter führe, hat ihm Gott das Schamgefühl eingepflanzt. So deckten sich schon die Stammeltern gleich nach der ersten Sünde mit Feigenblättern. Obwohl nun der Mensch aller Sünden sich schämt, so erötet er doch besonders wegen der Unlauterkeit. Daher ist denn auch die Scham un - zertrennlich mit der Reinigkeit verbunden, und die Worte Scham und Keuschheit werden oft gebraucht, um die gleiche Tugend der Reinigkeit zu bezeichnen. Das war schon jenem heidnischen Philosophen Aristoteles klar, und nach ihm hat der hl. Thomas diese Wahrheiten noch tiefer entwickelt (II. II. q. 151 art. 4.)

Wollet ihr daher euere Kinder in der Unschuld be - wahren, erhaltet sie schamhaft und zwar von den ersten Jahren ihres Daseins an. Aber was thun? Ihr müsset selbst vor euren Kindern in aller Sittsamkeit wandeln; seid daher von ihnen immer vollständig angekleidet, daß jedermann euch sehen darf; alles was ihr vor den Kindern thuet, sei rein, sei unbefleckt, und was ihr vor mir nicht thun dürfet, thuet auch niemals vor einem zwei - oder drei - oder vierjährigen Kinde. Aber, sagt man, das ist denn doch zu strenge, darauf geben die Kinder gar nicht acht, das verstehen sie gar nicht. So reden viele gedankenlose Christen; aber die alten Heiden hatten den richtigen Grundsatz: Reverentia puero habeatur! Vor dem251 Kinde muß man Ehrfurcht haben und sich in Obacht nehmen! Aber sie verstehen das Gesagte nicht. Mag sein, aber sie sprechen es nach, kommen zu andern Kindern, die schon mehr verstehen und erhalten vielleicht die Erklärung. Sie verstehen das Gesehene nicht. Mag sein, aber sie ahmen es nach, allerdings im Anfang ohne Sünde aber dabei geht die Scham verloren. So hat man dann jene frühreifen Kinder, welche oft mit 10, mit 12 Jahren wissen und treiben, was unsere heidnischen Vorfahren mit 20 Jahren noch nicht kannten.

Aber früher oder später werden sie doch Alles er - fahren. Früher oder später? Ist das etwa gleichgültig? Je früher desto schlimmer, je später desto besser. Denn je zarter die hl. Scham ausgebildet, je stärker das Gnadenleben entwickelt, je mehr der Verstand im Glauben erleuchtet, je reiner das Herz durch das hl. Sakrament der Buße, je stärker der Wille durch die hl. Communion, desto entschiedener wird die Jugend zur Zeit der Ver - suchung und Gefahr ausrufen: Weiche von mir Satan!

Daher haltet doch von euern Kindern alles ferne, wodurch die hl. Scham geschwächt werden könnte. Keine Vorsicht ist da zu groß. Ein junger Mensch pflegte nach seiner Bekehrung warnend zu erzählen, daß in seiner Kindheit einer seiner Kameraden in der Schule auf eine den Anstand sehr verletzende Weise bestraft worden sei. Dieser Vorfall habe sein Schamgefühl derart verletzt, daß dieser Augenblick der Anfang all seiner sittlichen Verir - rungen geworden sei. Um was handelte es sich? Um eine Bestrafung. Sollte diese nicht auch andere vom Bösen abschrecken? Allerdings: aber der Anstand wurde dabei verletzt, und mit ihm das Schamgefühl, mit diesem die Unschuld. Wenn nun eine Bestrafung so verhängnis - voll werden kann was erst andere Sachen? Deshalb will und muß ich da besondere Winke geben. Kleidet die252 Kinder nicht neben einander auf und an; lasset sie nur ganz gekleidet umherlaufen und vor andern erscheinen, duldet an ihnen nie eine Kleidung, die nicht ehrbar genug, denket an die Ewigkeit, wo die Eltern zur Rechenschaft gezogen werden über gewisse zu kurze Röcklein; wenn die Kinder im Liegen, im Sitzen, im Stehen, im Spielen, im Laufen, die Schamhaftigkeit irgendwie verletzen, tadelt sie unverzüglich und wenn das nicht hilft, straft sie nur strenge.

Aber den Kindern fällt dabei nichts Böses ein, durch Tadeln und Strafen macht man sich nur aufmerk - sam. Ja, auf Erklärung darf man sich nicht einlassen, sondern hat einfach zu sagen: So was darf man vor Gott dem Herrn, vor dem hl. Schutzengel nicht thun; solche Kinder straft Gott. Wenn ihr so erfahret, stärket ihr das Schamgefühl, gebet demselben einen solchen Zartsinn, daß es später vor jeder Verletzung zurückbebt, bei jedem zweideutigen Worte errötet, bei jedem unreinen Gedanken zittert, den Verführer wegstößt wie Christus den Satan in der Wüste. Wenn ihr so handelt, wird kein schamloses Kind Jammer und Elend über euch bringen, sondern ein keusches Geschlecht mit seinem Tugendlanze euer Alter erfreuen und erquicken.

Wer aus euch wollte nicht Kinder haben wie der fromme Oliver, Gründer von St. Sulpice war. Als zarter Knabe war er wie eine Himmelsblume der Gnade und der christlichen Erziehung verklärt mit der schönsten Farbe hl. Scham. Denn betrachtet nur einen Zug aus seiner Kindheit. Eines Tages badete er sich in einem Flusse und übte sich im Schwimmen. Um ein wenig auszuruhen wollte er an das gegenüberliegende Ufer gelangen. Matt und fast unfähig, sich über dem Wasser zu halten, kam er dort an; da bemerkte er in der Nähe Leute. Wiewohl er das anständige Schwimmkleid trug, scheute er sich doch in solchem Zustande sich sehen zu lassen. Schnell kehrte253 er um und schwamm nicht ohne Lebensgefahr dem andern Ufer zu. In der Mitte des Flusses verließen ihn die Kräfte und er begann zu sinken. Zum Glücke kam sein Fuß auf einen Pfahl der verborgen unter dem Wasser hervorragte so wurde er wie an der Hand seines hl. Schutzengels wunderbar gerettet. Wollet ihr solche Kinder haben? Thuet und meidet alles, was ich euch angedeutet. Nicht als wäre das Alles; aber doch ein großer Anfang.

Denn seine Verklärung findet das Kind und die Jugend und das ganze Menschengeschlecht erst im tiefen und im ganzen Geheimnisse der Erlösung durch den Gott - menschen. Wollet ihr solche Kinder haben? Das ist im Allgemeinen gar keine Frage; im Allgemeinen; denn es gibt auch da noch Ausnahmen, wenn auch ebenso seltene als überaus traurige.

Wer aber die Arbeit scheuen sollte, der denke an das Beispiel der frommen Magd und Dienerin Isabella Ubedia. Ihre Gebieterin, eine sehr vornehme Matrone Ursula Gusmania wurde 1397 auf Befehl des Königs Peter von Castilien in Spanien auf einen Scheiterhaufen ver - brannt. Als sie vor Schmerzen sich stark bewegte und ihr Gewand in Unordnung kam und so ihr nackter Fuß sichtbar wurde, da sprang die hochherzige Jungfrau selbst in das Feuer, hielt das aufgelöste Gewand ihrer Gebieterin fest zusammen und zwar so lange, bis sie selbst mit der Matrone verbrannt war. Diese Magd wollte lieber sterben, als ihre Gebieterin weniger schamhaft sterben lassen. (Rosae Drexell p. 546).

An wen soll ich mich zuerst wenden? Wer soll denn wachen und sorgen, daß die schönste der Farben die Farbe der hl. Scham die irdische Schöne der Jugend überirdisch verkäre? Vor allem, ihr christliche Eltern, in eueren Familien. Und wenn das oft mit viel Mühen und Wachen verbunden ist, so steht ihr noch lange nicht254 mit Ubedia im Feuer. Aber unsere Kinder gehen in die Schule, kommen in diese und jene Häuser, spielen da und dort, mit 14, 15 Jahren müssen sie auch helfen das Brod verdienen und gewöhnlich außer dem Elternhause: In allen diesen Verhältnissen habet ihr durch kein Feuer zu gehen, um die Kleider euerer Kinder zu ordnen wohl aber nachzufragen, nachzuforschen, ob die zarte Scham nicht verletzt und abgestumpft werde. Das kann euch niemand zürnen, als diejenigen, welche weder die Welt noch die Jugend kennen, oder mit gewissen Sachen es nicht genau nehmen, oder gar auf Verführung losgehen. In dieser Angelegenheit haben alle, welche mit der Jugend in Berührung kommen, euch mit Rat und That beizustehen und gegen alles zu eifern, wodurch das Schamgefühl geschwächt werden könnte.

Ihr kennet nun die Gefahr des Kindes und der Jugend; die Begierlichkeit des Fleisches erwacht und be - ginnt wider den Geist zu gelüsten. Zu dieser innern Gefahr kommt die Versuchung von Außen, Gefahren im Hause, Gefahren außer der Familie. Um all' diese mannig - faltigen Gefahren zu beschwören, haben Eltern und Vor - gesetzte, endlich Alle die heilige Pflicht, das Schamgefühl des Kindes zart auszubilden und alles ferne zu halten, wodurch dasselbe irgendwie geschwächt werden könnte. Helfet dem Kinde, helfet der Jugend so die Versuchungen überwinden und die Engel Gottes kommen auch zu euch und werden euch dienen, bis euch der himmlische Vater mit dem Siegeskranze im Himmel krönen wird.

255

XXVII. Erziehung und Beicht.

Es kommt für die Jugend die Stunde, wo das Fleisch sich wider den Geist empört und die Versuchung von außen die innere Gefahr geradezu verhängnißvoll macht. Damit die Jugend diese Versuchungen überwinden könne, haben Eltern, Lehrer, Vorgesetzte die hl. Pflicht, das natürliche Schamgefühl der Kinder zu stärken. Aber das genügt noch lange nicht. Was denn thun? Etwa die Gefahr leugnen und die Natur des Kindes mit all' ihren Trieben als unschuldig, als ungefährlich hinstellen? Aber dies ist krasse Unwissenheit und der sichere Ruin der Jugend. Oder das Heil von der rein menschlichen Bildung erwarten? Aber bei all' ihrer Bildung versanken die Heiden in die schändlichsten Laster.

Oder ist es etwa in der Neuzeit anders geworden? Der christliche Botschafter, ein Methodistenblatt, berichtete schon vor Jahren, über die Jugend der konfessionslosen Schule Amerikas folgendes: Es ist eine bekannte That - sache, daß unter der amerikanischen Jugend die Unsittlich - keit in einer erschreckenden Weise herrscht und immer mehr zunimmt. Knaben und Mädchen unterhalten sich miteinander über Dinge, über welche bei ihnen noch Unschuld und Unkenntniß herrschen sollte. Nur wenige gibt es, die eine Ahnung haben von der Sittenlosigkeit der Jugend. So ein Methodistenblatt. Also genügt auch heute keine Schul - bildung und am allerwenigsten die konfessionslose, um ein reines Geschlecht heranzubilden. Sollen wir denn ver - zweifeln und mit der Welt ausrufen: Die Reinigkeit ist unmöglich, es gibt keine unbefleckten Seelen. Niemals! Denn, wenn auch das Menschenherz zum Bösen geneigt,256 von Jugend auf, wenn auch Aergernisse und Verführung von allen Zeiten ihre Netze auswerfen, so gibt es doch immer noch viele viele Seelen, welche sich und ihren Leib von jeder Befleckung rein erhalten es wachsen und gedeihen noch immer Lilien unter den Dornen.

Wie ist das möglich? Christus hat in seiner hl. Kirche alle Mittel niedergelegt, um ein reines Geschlecht heranzubilden. Wie er nämlich die Apostel auf Tabor führte, ihnen seine Herrlichkeit zu zeigen, so führt er heute noch die Jugend auf den hohen Berg der Verklärung unbefleckter Reinheit des Leibes und der Seele, führt sie hinauf im Lichte übernatürlicher Erleuchtung und Beleh - rung, führt sie hinauf in der Kraft himmlischer Gnade. Für heute bleibe ich beim ersten Punkte stehen nämlich bei der Belehrung. Diese ist zweifach, eine allgemeine und dann eine ganz besondere im Sakrament der Buße.

Ich gebrauche absichtlich das Wort Belehrung ; denn ich denke da nicht ausschließlich an Predigt und Christenlehre und den eigentlichen Religionsunterricht, sondern an jede Art Belehrung, zu welcher auch Eltern, Lehrer, Vorgesetzte, herangereifte Leute zum Heile der Jugend berufen sind.

Wohl weiß auch die bloße Vernunft vieles zu sagen zum Lobe der Menschenwürde, der Reinheit des Leibes und der Seele; aber dies alles kennt auch die katholische Kirche und dazu führt sie die Jugend bei - seits auf den hohen Berg, wo der Glaube in seiner ganzen Herrlichkeit strahlt und im Lichte dieses Glaubens leuchtet das Antlitz der Jugend und ihr Leib wie die Sonne und erlangt ein Gewand der Unschuld weiß wie Schnee. So wird dann die Jugend nicht nur belehrt, sondern auch begeistert, hingerissen was durchaus noth - wendig ist. Denn, wo diese Begeisterung in der Jugend fehlt, da mangelt so ziemlich alles, und wer diese Begeiste -257 rung nicht zu wecken vermag, der sollte sich mit der Jugend gar nicht abgeben; denn all' seine Arbeiten werden so ziemlich verlorene Liebesmühe sein.

Was lehrt uns denn der Glaube, um nicht bloß die Jugend, sondern auch alle Menschen für die Reinheit des Leibes und der Seele zu begeistern? Der hl. Paulus verkündet es (I. Cor. VI. 15) wisset ihr nicht, daß euere Leiber Glieder Christi sind, daß euere Glieder ein Tempel des hl. Geistes sind, der in euch, den ihr von Gott habet und daß ihr nicht euch selbst gehöret? Der Leib ist nicht für die Unlauterkeit, sondern für den Herrn. Denn ihr seid um einen theuren Preis erkauft. Verherrlichet und traget Gott in euerem Leibe!

Was will der hl. Paulus mit diesen Worten sagen? Nicht bloß euere Seele ist Gott geweiht und durch die Gnade geheiliget, sondern auch euer Leib hat eine höhere Weihe, einen himmlischen Adel. Denn er ist mit dem Blute Christi erkauft, durch die hl. Taufe als Glied in den geheimnißvollen Leib Christi eingefügt worden, daher wohnt der hl. Geist nicht bloß in euerer Seele, sondern auch in euern Gliedern, welche der lebendige Tempel des hl. Geistes geworden sind. Aber was folgt auf diesem Adel des Leibes? Der hl. Paulus selbst zieht den Schluß: Fliehet die Unreinigkeit; verherrlichet und traget Gott in euerem Leibe. Also nicht bloß in der Seele sollet ihr Gott tragen, sondern auch im Leibe, nicht bloß mit der Seele sollet ihr Gott verherrlichen durch Glaube, Hoffnung und Liebe, sondern auch mit dem Leibe durch Unschuld und Reinigkeit. Wohlan, christliche Eltern, wenn euere Kinder in diesem Glauben heranwachsen, werden sie dann ihren Leib nicht als Glied Christi, nicht als Tempel des hl. Geistes hochachten und heilig halten und aus - schmücken mit der Herrlichkeit der Unschuld und Reinigkeit?

Oder, warum glaubt ihr, fällt die Jugend so häufig,258 so leichtsinnig, so ohne Gewissensbisse in die Arme der Verführung, oder in die Gewalt der eigenen Begierlichkeit? Warum öffnen so viele durch ihr eitles Gewand, durch die Frechheit des Blickes und der Rede, durch den Leicht - sinn des Umganges alle Thore dieses Tempels? Schwäche und Leichtsinn und böse Beispiele sind gewiß auch daran schuld, aber ein Hauptgrund ist gewöhnlich auch dieser: Diese jungen Leute kennen nicht die Würde ihres Leibes, sie betrachten ihn nicht als Tempel des hl. Geistes, nicht als ein Glied am geheimnisvollen Leibe Christi, sie sehen an ihm nicht das Blut Christi, welches die Wonne der Engel und der Schrecken der bösen Geister ist, sondern nur die Jugend, nur die eingebildete Schönheit, welche Freude und Genüsse verlangt.

Aber woher kommt diese traurige Erscheinung? Die Eltern haben ihre Kinder nicht unterrichtet; sie selbst hatten vielleicht nicht einmal eine Ahnung von diesem Himmelsadel des Leibes. Und wir Priester wir wagen es vielleicht aus tausenderlei Rücksichten auch nicht, die volle Wahrheit zu verkünden, in alte Geschwüre zu schneiden oder es fehlt uns die Tiefe der Wissenschaft, um die Herrlichkeit der Unschuld zu entfalten, oder die Begeiste - rung, um vor allem die Jugend zu entflammen zum hl. Kampf für die Bewahrung der Unschuld und Reinheit des Leibes und der Seele; oder es fehlt uns die Zeit und die Ruhe, um das rechte Wort zu finden. Ich weiß es nicht. Betet, daß Gott der Herr euch Priester sende, die durch die kunstgerechte Entwicklung der tiefen Glaubens - wahrheiten diese Söhne und Töchter und euch alle für Unschuld und Reinigkeit begeistern, die großartigen That - sachen und hinreißenden Beispiele euch vor die Augen stellen und so das Feuer hl. Begeisterung immer mehr ent - flammen. Diese sollen euch hinweisen auf den Sohn Gottes, der nur auf einer Jungfrau geboren sein wollte,259 dann auf die makellose Mutter Gottes, die Jungfrau der Jungfrauen, auf die Maiandacht, auf das Rosenkranzgebet, wo ihr Bild in seiner ganzen Schöne vor unsere Augen tritt. So werdet ihr denn alle, von hl. Begeisterung hin - gerissen, euere Kinder, euere kleineren Geschwister warnen, belehren, aufmuntern, daß sie schön wie Lilien aufwachsen und Lilien bleiben mitten unter den Dornen.

Doch wir haben noch ganz andere Vorbilder, die uns näher stehen, Vorbilder, die auch mit der Erbsünde in diese Welt eingetreten sind, und deshalb mit der ver - dorbenen Natur zu kämpfen hatten. Denket nur an eine hl. Agnes, welche, um ihre Jungfrauschöne zu bewahren mit dreizehn Jahren freudiger in den grausamsten Tod ging, als andere zum fröhlichen Tanze; denket an eine hl. Potamia, welche lieber in ihrem Gewande langsam in siedendes Oel gesenkt werden wollte, als schnell aber ohne Gewand; denket an einen hl. Stanislaus Kostka, der ohnmächtig wurde, wenn nur ein zweideutiges Wort ge - sprochen wurde; dann redet eueren Kindern von der un - aussprechlichen Herrlichkeit, die Gott den reinen Seelen und dem unbefleckten Leibe bereitet hat. So werdet ihr die Jugend leicht begeistern, in aller Zucht und Ehrbar - keit zu wandeln.

Aber noch eines, das vergesset weder für euch noch für die Kinder besonders zur Zeit der Gefahr und der Versuchung. Die Unreinen werden das Reich Gottes nicht sehen, sondern die ewige Pein erdulden. Diese Wahrheit muß allen tief eingeprägt werden. Denn gar viele werden nur auf Furcht vor der Hölle von der Sünde zurückgehalten.

Das nun ist die allgemeine Belehrung, an der alle je nach ihrer Stellung und ihren Fähigkeiten theilnehmen können, und die auch an viele zugleich gerichtet werden kann. Wenn nun auch diese Wahrheiten in der rechten Weise260 entwickelt, geeignet sind, die Jugend für die Bewahrung der Reinheit des Leibes und der Seele zu begeistern, so reichen sie doch bei der Größe des menschlichen Elends im All - gemeinen nicht aus, sondern es ist noch eine ganz beson - dere Belehrung nothwendig.

Christus, der einerseits mit seiner Menschenfreund - lichkeit alle im Himmel haben will, anderseits aber die großen Gefahren der Sinnlichkeit kennt, will alle nur möglichen Mittel der Heiligung und Rettung uns an die Hand geben. Es ist nothwendig, die Kinder zu bewachen und ihr Schamgefühl zur vollen Zartheit zu entwickeln. Allein gar manches entzieht sich der Wachsamkeit. Denn die Gefahren sind ja nicht bloß äußere, sondern auch innere, und selbst die äußern bleiben oft lange ver - borgen. Denn schon die Kinder verheimlichen aus Furcht oder Scham allerlei. Belehrung ist nothwendig; allein oft muß eine Stimme ertönen, welche nur einem Kinde vernehmbar ist im tiefsten Heiligthum seines Herzens. Warum das? Schon das Kind ist oft in mancherlei Gefahren, hat allerlei Gedanken, Wünsche, Begierden. Es fühlt das Bedürfniß, all' das zu offenbaren. Aber wem? Den Eltern? Es schämt oder fürchtet sich. Dem Lehrer? Es fehlt das wahre Vertrauen besonders in der reli - gionslosen Schule. Beim Seelsorger. Aber es scheint ihm das vollkommene Geheimniß zu fehlen; auch Furcht und Scham spielen mit. Und doch hat das Kind ein Bedürfniß, sich ganz zu offenbaren; es hat keine Ruhe, bis es von jemanden sichere Auskunft hat, ob es auf dem Himmelswege sei oder nicht. Wo nun findet es eine Seele, die rein, edel, verschwiegen, erfahren, erleuchtet, voll Mitleid und Menschenfreundlichkeit ist, eine Seele, die es nicht einmal, sondern 100 Mal um Rath fragen darf und kann? Diesen Führer und Rathgeber findet das Kind in seinen ersten Gefahren, findet die Jugend im261 gefährlichsten Zeitpunkt des Lebens im Beichtvater. Denn im Auftrage Christi soll er im hl. Sakramente der Buße das Elend aller Menschen anhören; aber besonders der Jugend soll er zurufen: Kommt alle zu mir; kommet ihr Kinder, die Stunde der Gefahr hat vielleicht schon ge - schlagen; komme reifere Jugend, schon brennt die Begier - lichkeit, schon droht die Verführung; kommet, offenbaret den ganzen Sturm, der drinnen und draußen tobet, daß ihr nicht bloß auf dem Berge der Verklärung bleibet, sondern immer schöner werdet. Kommet, fürchtet euch nicht; denn ihr tretet hier in das Heiligthum eines un - durchdringlichen Geheimnisses, in ein hl. Dunkel, aus dem von euerem Elende niemals etwas an das Licht kommen wird.

So tritt dies hl. Sakrament vor die Augen des Kindes und der Jugend. Was ist die natürliche Folge? Das Kind, die Jugend offenbart die Gefahr und bleibt vor der Sünde bewahrt. Ja, wenn noch keine besondere Versuchung da ist, sieht der erfahrene Beichtvater in den Falten der Seele die drohende Gefahr und kann ihr vorbauen.

Das ist die außerordentliche Tragweite der hl. Beicht für die Erziehung. Denn da kann und muß der Jugend Manches gesagt werden, was man im Religionsunterrichte nicht mittheilen kann. Denn hier muß jede Seele nach ihren Kenntnissen, nach ihren Versuchungen, nach ihren Sünden behandelt werden. Endlich hat diese Belehrung noch einen ganz andern Werth. Bei jedem andern Unter - richte sind immer Manche zerstreut, oder wenden die Wahrheiten auf andere an, anstatt auf sich selbst, wie es in Predigt und Christenlehre oft vorkommt aber in der hl. Beicht kannst du nicht wohl zerstreut sein, nicht an andere denken; denn alle Worte sind dir und deinen Bedürfnissen angepaßt. Daher habe ich die unerschütter -262 liche Ueberzeugung, daß die Jugend, so lange sie dieses hl. Sakrament in der rechten Weise empfängt, entweder in gar keine schwere Sünde fällt, oder, wenn mehr aus Unkenntniß, oder aus Uebereilung, oder aus Furcht etwas vorgekommen ist sie doch von der eigentlichen Ver - wüstung des Lasters verschont bleiben wird.

Aber, denket ihr vielleicht, warum verirren sich den - noch kath. Söhne und Töchter oft in so trauriger Weise? Christus hat uns die Gnadenmittel gegeben, aber der Jugend die Freiheit gelassen. Wenn daher junge Leute das hl. Sakrament nicht zur rechten Zeit oder in der rechten Weise empfangen, oder um die Mahnungen und Warnungen des Beichtvaters sich nicht kümmern, ist es leicht zu erklären, wenn sie mit andern den Weg des Fleisches wandeln. Denn solche Leute suchen auch keine Aufmunterung zum Muthe, zur Ausdauer im hl. Kampfe für den Besitz oder die Wiedereroberung der Reinheit.

Darum betrachtet neue Vortheile dieses hl. Sakra - mentes nicht bloß für die Jugend, sondern auch für das reifere Alter. Manche nämlich werden nur zu oft ganz kleinmüthig, muthlos, niedergeschlagen. Warum? Die innern Versuchungen werden heftiger, das Fleisch ge - lüstet immer mehr wider den Geist, und so kann durch das Zusammentreffen voll allerlei Umständen ein wahr - haft unheimlicher Sturm sich erheben. Dazu werden böse Beispiele immer gefährlicher, die Gefahren von Außen immer drohender: So gibt es denn Stunden, wo der Widerstand unmöglich zu sein scheint, wo manche wie mit Zaubermacht zur Sünde sich hingerissen fühlen. Wo sie in solchen Zeiten die Siegeskraft finden, will ich das nächste Mal sagen; aber Muth und Vertrauen und Hoff - nung flößt ihnen der Beichtvater ein.

Denn was wird er Dir sagen? Siehe, mein Kind, sei doch nie verzagt. Denn Gott läßt dich niemals263 über deine Kräfte versucht werden; dein hl. Engel steht an deiner Seite; die makellose Mutter Gottes kämpft mit dir und streitet für dich: denke an die Himmelskrone, welche dir schon entgegenstrahlt! Verliere den Muth nicht, und du wirst die Unschuld nickt verlieren! Denke nur an die hl. Agnes das 13jährige Kind. Ihrer Kleider beraubt ward sie in ein Haus der Verführung und der Sünde gestellt. Gott aber läßt ihr das Haar wunderbar wachsen, ihren jungfräulichen Leib zu decken, und den ersten Jüngling, welcher ihr naht, läßt er todt zu ihren Füßen hinstürzen. So wird Gott auch dich retten am Tage der Versuchung und in der Nacht der Aerger - nisse; aber vertraue auf ihn, und sollte rohe Gewalt dich überwältigen, wirst du im Heldenkampf die Unschuld doch nicht verlieren sondern vermehren. So und auf ähnliche Weise entflammt ein guter Beichtvater die ver - zagten Seelen zu neuem Kampfe, und führt sie von Sieg zu Sieg.

Wer könnte daher die Kinder zählen, welche mit Hilfe dieses hl. Sakramentes aufblüten, schöner als die Lilien? Wer die Jünglinge und Jungfrauen, die Männer und Frauen, welche mit hl. Begeisterung erfüllt die schwierigsten Kämpfe siegreich bestanden, oder vielleicht auf einem großen Sündenelend sich wieder herausge - arbeitet haben? Aber wie viele vortreffliche Priester sind auch gerade deswegen ein Gegenstand des Hasses und der Verfolgung geworden?

Zum Schlusse nun wende ich mich vor Allem an euch, christliche Eltern. Belehret euere Kinder selbst wie ich im ersten Theile angedeutet; dann flößet ihnen eine hohe Achtung vor dem hl. Bußsakramente ein; spottet nie über solche, die oft beichten und doch traurig leben. Gott wird einst urtheilen. Gehet den Kindern mit gutem Beispiele des öftern Empfanges der hl. Sa -264 kramente voraus. Wenn euch ein Schulkind ungehorsam, trotzig wird, so nehmet es mit zur hl. Beicht; saget dem Beichtvater: Jetzt kommt mein Knabe, mein Mädchen so und so und in den meisten Fällen wird dein Kind gerettet sein. Hilft das nicht, so gehe mit deinem Schul - kinde zu einem erfahrenen Geistlichen, klage ihm all' deine Noth und das Elend des Kindes, und es wird dir ge - holfen werden falls deine Familie in Ordnung ist. Das ist die vorzüglichste Rettungsanstalt, wie eine reiche Erfahrung mir bis heute bewiesen hat. Je mehr diese von den einen verkannt von den andern verspottet wird, desto mehr mag dieser rein bürgerliche, moderne, von Gott und Christus abgefallene Staat an die Grün - dung rein bürgerlicher Anstalten denken; diese werden so viel Heil und Rettung bringen als die confessionslose rein bürgerliche Schule. Wenn dann euere Kinder der Schule entlassen sind, dann schicket sie doch oft zur hl. Beicht, damit der Feind nicht das Unkraut säe und die ganze Erziehung verwüste; schicket sie oder noch besser, nehmet sie mit zur hl. Beicht, besonders wenn sie an - fangen, nicht mehr gerne zu beten, sich eitel und gefall - süchtig zu kleiden, euch grob zu begegnen, oder spät heim - zukehren.

Endlich wende ich mich an euch, christliche Jüng - linge und Jungfrauen. Was will der Beichtvater mit euch thun? Was der Heiland mit Petrus, Jacobus und Johannes. Er will euch bei seite führen, weg von allen Menschen, von allen Büchern und Schriften und Reden und Gelegenheiten, wo euere Unschuld gefährdet ist; er will euch auf den hohen Berg führen, wo ihr mit reiner Seele schon hier die Herrlichkeit Gottes sehet, wo ihr im Frieden, im Jubel, in der Unschuld der Seele euch Hütten bauen werdet, um dort zu ver - kosten, wie süß der Herr ist. Die leuchtende Wolke der265 Gnade und Güte und der Menschenfreundlichkeit unseres großen Gottes und Erlösers wird euch umschweben und aus der Lichtwolke höret ihr die Stimme Gottes des Vaters: Das ist mein geliebtes Kind, das ich aus Liebe an Kindesstatt angenommen; an ihm habe ich mein Wohlgefallen; denn sein Taufgewand leuchtet weiß wie der Schnee, und sein Angesicht wie die Sonne in der Schönheit der Unschuld.

Möget ihr Alle diese Worte aufnehmen als das Unterpfand meiner aufrichtigsten Liebe gegen euch Alle besonders aber gegen die reifere Jugend. Möge Gott diese Worte derart segnen, daß wir Alle miteinander durch die Verdienste Christi unseres großen Gottes und Erlösers und durch die Fürbitte seiner makellosen Mutter auf den Tabor ewiger Verklärung gelangen.

XXVIII. Keuschheit und Kommunion.

Als der Heiland einmal einen Teufel ausgetrieben hatte, staunte das Volk, die Pharisäer aber lästerten, in der Macht Belzebubs treibe er die Teufel aus. Dann suchte er diese Unglücklichen zu belehren, wie das unmög - lich sei, da Satan gewiß nicht an der Zerstörung seiner Herrschaft arbeite; weil er daher in der Macht Gottes die Teufel austreibe, sei offenbar auch das Reich Gottes gekommen. Dann zeigte er ihnen die Gewalt Satans, der den Menschen so lange in ruhigem Besitze hat, bis ein Stärkerer über ihn kommt und ihm die Beute ab - nimmt. Aber wenn Satan auch vertrieben ist, hat er keine Ruhe; er nimmt andere Geister zur Hilfe, um266 wieder in die Seele einzudringen; gelingt ihm das, so werden die letzten Dinge des Menschen ärger als die ersten.

So geschieht es heute immer noch. Denn durch die hl. Taufe wird der Mensch der Herrschaft Satans ent - rissen und durch die hl. Gnade ein Kind Gottes; aber der böse Geist sucht später dies Kind, diesen Jüngling, diese Jungfrau wieder in Besitz zu nehmen; gelingt ihm das mit Hilfe der Fleischeslust, so werden die letzten Dinge dieser Menschen ärger als die ersten. Damit das nicht geschehe, hat Christus in seiner hl. Kirche die Schätze göttlicher Wahrheiten und das hl. Bußsakrament nieder - gelegt. Allein um einen Weg zu gehen, brauchen wir nicht bloß Licht, sondern auch Kraft. Diese nun finden wir in der hl. Kommunion, im Genusse des Fleisches und Blutes Jesu Christi und so wird es leicht, die Verwüstung der Unlauterkeit von uns ferne zu halten.

Um diese Wahrheiten anschaulicher und eindringlicher zu erklären, nehme ich ein Ereigniß des alten Bundes zu Hilfe. Ihr wisset, wie einst der Würgengel in Aegypten herumzog um Mitternacht, und die Erstgeburt der Aegypter erwürgte und so alle Familien mit Trauer und Jammer erfüllte. So geht heute der Würgengel der Unlauterkeit herum, und sucht in der Nacht der Fleischeslust und der Aergernisse und sündhafter Verbindung die Erziehung zu verwüsten, die Jugend zu verderben, die Seelen zu ver - unreinigen, die Familien mit Jammer und Elend und Thränen zu erfüllen. Ihr wisset aber auch, wie die Häuser der Israeliten, deren Thüren mit dem Blute des Osterlammes bestrichen waren, vor dem Unglücke bewahrt blieben. So muß auch heute noch an jenen Leibern, welche in der hl. Kommunion mit dem Blute des göttlichen Oster - lammes bezeichnet sind, der Würgengel vorbeigehen. Diese Wahrheiten behandle ich in diesen zwei Punkten:

267

1) Der Würgengel der Fleischeslust verwüstet die Erziehung und die Jugend.

2) Aber das Blut des göttlichen Osterlammes schreckt ihn davon ab.

Wenn ich über die Verwüstung, welche die Unreinig - keit über die Erziehung und die Jugend bringt, etwas sagen muß so will ich kurz sein; denn die Sache ist überaus traurig aber etwas muß ich wenigstens an - deuten, um zu warnen.

Die Seele der Erziehung ist Religion und Frömmig - keit. So lange nun die Jugend rein bleibt, liebt sie die Religion und die Erfüllung ihrer Pflichten, hat Freude am Gebete, am Kirchenbesuch, am Empfang der heiligen Sakramente; aber in dem Augenblicke, wo sie von der Unreinigkeit befleckt wird, nimmt die Freude am Gebete und die Liebe zur Frömmigkeit ab. Man geht noch der Sitte gemäß zur Kirche, aber weniger um zu beten, als um zu sehen und gesehen zu werden. So wird der Glaube geschwächt und geht oft ganz verloren.

Solange nämlich die Jugend in Unschuld wandelt, ihre Freuden im Elternhause genießt, ist der Glaube mit all seinen Wahrheiten ihr Trost und ihre Freude, und es ist ihr rein unbegreiflich, wie diese göttlichen Wahrheiten Widerspruch finden. Sobald aber die Unlauterkeit in das Herz dringt, wird der Glaube verdunkelt. Warum? Fleisch und Evangelium kommen in Widerspruch; jenes genießt in Sünden dieses ruft: Die Unreinen stürzen in das ewige Feuer! So kommt dann der Zweifel, dann der Spott, dann der Unglaube: das ist oft die ganze Philo - sophie junger und alter Sünder.

Und die weitere Folge? Ihr wisset noch, welche Be - deutung die Ehrfurcht für die Erziehung, für die Jugend, für alle Menschen hat. So lange die Jugend in Rein - heit wandelt, haßt und verachtet sie alles Gemeine, Nieder -268 trächtige und Wüste, und steigt wie die aufgehende Sonne auf die Mittagshöhe der Unschuld und der Herrlichkeit; aber in dem Augenblicke, wo sie ein Raub der Fleischeslust geworden, wird sie gemein und frech und ausgelassen. Betrachtet nur diese erst sechzehn , achtzehnjährigen Burschen und Mädchen, wenn sie der bösen Lust nicht mehr wider - stehen. Wo ist ihre Ehrfurcht vor Gott? Sie thun vor seinen Augen, was sie einem braven Menschen nicht ein - mal sagen dürften. Wo ihre Ehrfurcht vor dem Leibe, diesem Tempel des hl. Geistes? Er ist ein Werkzeug geworden für das, was unter Christen nicht einmal ge - nannt werden soll. Wo die Ehrfurcht vor den Eltern? Der Vater warnt, befiehlt, es weint und jammert die Mutter: aber der Sohn und die Tochter schlagen fluchend die Thüre zu, wild rollt ihr Auge, ihre Stimme kreischt; sie verlassen das Vaterhaus, ihr Brod selbst zu verdienen, d. h. in ungezügelter Lust leben zu können.

Kann eine solche Jugend noch liebenswürdig sein? Ihr könnt über sie weinen aber zu ihr hingezogen fühlet ihr euch nicht mehr. Denn, wo keine Ehrfurcht mehr, da ist auch die Liebe und das Herz durch die Sünde verwüstet. Ihr wisset noch, wie die Erziehung das Kind lieben und durch die Liebe sein Herz öffnen soll. So lange nun das Kind in Unschuld aufwächst, ebenso lange glänzt in seinem Auge das Feuer der reinsten Liebe, und leuchtet die Klarheit der edelsten Offenheit. Ob eine solche Jugend liebenswürdiger durch die Reinheit ihrer Liebe, oder durch den Zauber ihrer Offenheit, oder durch den Glanz der kampferprobten Unschuld, daß ist nicht leicht zu entscheiden; nur himmlisch wohl wird es einem in der Nähe einer solchen Seele, denn sie ist wie der Wieder - schein himmlischer Herrlichkeit.

Aber nehmet nun einen Jüngling, eine Jungfrau, welche der Würgengel der Unlauterkeit, der unreinen Liebe269 erfaßt hat. Haben denn diese kein Herz mehr, keine Liebe? Freilich, aber nur für die Sünde, nur für die Ausschwei - fung, nur für einen traurigen Menschen aber nicht für Vater und Mutter und Geschwister nicht für den Schutzengel, nicht für die makellose Mutter Gottes, nicht für den gekreuzigten Heiland. Der Vater trauert und der Sohn lacht, die Mutter weint und die Tochter spottet. So kann mancher Vater mit dem Patriarch Jakob jammern: Ein wildes Thier hat meinen Sohn Joseph zerrissen. Das wilde Thier der Unlauterkeit zerreißt meinen Sohn, zerreißt meine Tochter. Ja, ja, zerreißt. Denn es bleibt nichts mehr von der alten Schönheit und Anmuth.

Denn wie die reine Seele das Bedürfnis hat, mit der vollsten Offenheit sich zu offenbaren, so wird die un - reine Jugend heimtückisch, verschlossen, verlogen, daß der Sohn Gottes in seiner Menschenfreundlichkeit auch nicht ein Wort der Wahrheit herausbrächte. Da ist es oft, als hätte der Vater der Lüge mit sieben Geistern Besitz von einer unzüchtigen Seele genommen. Wer mit solch 'un - glücklichen Seelen nur einmal in Berührung kam, um an ihrer Bekehrung zu arbeiten, aber all seine Versuche ver - eitelt sah, der möchte, von Schmerz zerrissen, Klagelieder singen wie einst der Prophet Jeremias über die Ver - wüstung der Stadt Jerusalem und das Elend ihrer Be - wohner. Denn, wo es sich nicht mehr um die eine oder andere Sünde handelt, welche vielleicht mehr eine Folge der Schwäche oder Ueberraschung als eine That der Bos - heit ist, sondern um eine Gewohnheit, um das eigentliche Laster, das in Leib und Seele haust, da ist der Wille schwach und matt und kraftlos geworden, die Sinnenlust regiert ohne Widerstand und wenn dann erst noch Krankheiten des Leibes oder der Seele oder des Gemüthes hinzukommen, oder Alles miteinander? Ich könnte da Beispiele anführen, die ich selbst gesehen, einen Jüngling,270 der auf seiner Fahrt nach Pfäffers in einem Eisenbahn - wagen sich zu mir heranschlich tiefe Geistesstörung lag auf seinem Angesicht wie finstere Nacht. Ach, seufzte er, ich bin selbst daran Schuld; ich habe meinen Leib nicht heilig gehalten, sondern mißbraucht ich könnte Töchter anführen, die bei all ihren wüsten Krankheiten doch keine Spur von Reue und gutem Willem zeigten; doch was ich über diese traurige Verwüstung angedeutet, soll genügen zur Warnung zur Warnung für die Un - schuldigen, daß sie vor diesem Würgengel sich hüten, zur Warnung für die Sünder, daß sie wie Maria Magdalena die bösen Geister der Sünde noch zur rechten Zeit aus ihrer Seele verbannen. Damit aber Alle, Schuldige wie Unschuldige, voll Muth und Vertrauen werden, will ich nun zeigen, wie durch das Blut des göttlichen Oster - lammes dieser Würgengel voll uns ferne gehalten werde.

Als Pharao trotz aller Plagen sein Herz verhärtete und das Volk Israel nicht ausziehen ließ, da beschloß Gott den Tod aller Erstgeburt. Um Israel vor diesem Unglücke zu bewahren, befahl er dem Moses, jede Familie solle ein Lamm schlachten, essen, dessen Blut mit Ysop an die Oberschwelle und die Pfosten der Hausthüre sprengen. Warum? Gott werde in jener Nacht in Aegypten herum - gehen und die Erstgeburt schlagen, wo immer aber das Blut an der Thürschwelle gesehen werde, da werde der Verderber nicht in das Haus kommen, sondern vorbei - gehen. (II. Mos. XII.) In jener Nacht wurde wirklich die Erstgeburt in jedem Hause der Aegypter getötet, nur Israel blieb verschont. Zum Andenken an dies Ereigniß mußten dann die Israeliten zur Osterzeit jedes Jahr ein Lamm schlachten und essen. Das that auch der Heiland mit fernen Aposteln am Vorabende seines Leidens es war das Abendroth des untergehenden alten Bundes; dann opferte er sich selbst, das wahre Opferlamm unter den271 Gestalten des Brodes und des Weines, und gab sich selbst als Speise hin das ist das Morgenroth des auf - steigenden neuen Bundes und am folgenden Tage opferte er sich in Menschengestalt am hl. Kreuze. Dieses wahre Osterlamm wird täglich auf unsern Altären ge - opfert, und wir essen sein Fleisch und trinken sein Blut.

In Folge dieser Geheimnisse also strahlt unser Leib geröthet vom Blute Christi, das den Würgengel der Un - lauterkeit ferne zu halten bestimmt ist. Da sehet die Weisheit der Kirche. Wenn die Kinder zwölf, dreizehn Jahre alt geworden, und ihre Sinnlichkeit zu erwachen beginnt, die Gefahren von Außen größer werden, dann nimmt sie dieselben sorgfältiger in die Hand, führt sie ein in die tiefsten Glaubensgeheimnisse und bereitet sie vor für den schönsten Tag ihres Lebens, damit sie ge - röthet mit dem Blute des Lammes die Begierlichkeit ihres Fleisches und die Aergernisse der Welt siegreich überwinden. Warum denn nicht? Wer ist nämlich stärker, der Mann oder sein Schatten? Was war das Osterlamm und sein Blut? Ein Schatten. Wer aber die Wirklichkeit? Das Lamm Gottes und sein Blut. Wenn nun das Blut eines Lammes, weil es das Vor - bild des göttlichen Blutes war, kräftig genug war, den Verderber von Israels Häusern ferne zu halten, welche Wunder der Allmacht wird erst das göttliche Blut wirken, um den Würgengel der Unlauterkeit von dem lebendigen Tempel des hl. Geistes abzuschrecken? Denn Alle, welche diese hochheiligen Geheimnisse feiern, sollen wie Löwen muthig und stark vom Tische des Herrn weggehen, um den Kampf mit allen Feinden der Unschuld siegreich zu führen.

Denn beherziget nur die Worte des Propheten Zacha - rias (Cap. IX). Nachdem er die Ankunft des Erlösers vorherverkündet und den Segen seines Reiches geschildert,272 fragt er hochbegeistert: Was ist sein Gut und seine Schöne? Das Getreide der Auserwählten und der Wein, aus dem Jungfrauen sprossen? Was ist das Getreide der Auserwählten? Das Fleisch Christi, das die Seelen stärkt und den Leib heiliget. Was ist dieser Wein? Der heilige Kelch seines Blutes, der die Jugend berauscht und begeistert, den hl. Kampf für ihre Unschuld auch gegen sieben böse Geister und alle Verführer siegreich zu schlagen.

Das könnt ihr täglich bestätiget sehen. Oder warum haßt die Welt diejenigen, welche die hl. Kommunion öfter empfangen? Sie weiß nur zu gut, daß an all diesen der Würgengel vorbeigehen muß. Wenn man ferner die - jenigen, welche anfangen, mit dieser Sünde sich zu ver - unreinigen, welche in bösen Gelegenheiten leben, unerlaubte Verbindungen unterhalten, wenn man solche und ähnliche Sünder und Sünderinnen fragte, warum geht ihr so selten zur hl. Kommunion was müßten sie im Falle der Aufrichtigkeit darauf antworten? Wollten wir die hl. Kommunion öfter und würdig empfangen, müßten wir mit der Sinnenlust, mit verdorbenen Menschen einen Kampf auf Tod und Leben anfangen und durchkämpfen, müßten wir mit dieser Lieblingssünde ernstlich brechen. Denn ein unreiner Leib und das jungfräuliche Fleisch und Blut des Gottmenschen vertragen sich nicht. So müßten diese Sünder antworten, wenn sie aufrichtig sein wollten und müßten leider Gott noch beifügen für jetzt denken wir noch an keine gründliche Bekehrung für jetzt wollen wir noch nicht gesunden, für jetzt wollen wir noch nicht als vielgeliebte Kinder Gottes, wie es Heiligen ziemt, in Unschuld wandeln, deshalb bleiben wir jetzt dem Tische des Herrn ferne (ad. Eph. V). Doch was führe ich den Beweis aus dem täglichen Leben in seinen trau - rigen Erscheinungen, während großartige Beispiele und Thatsachen zur Verfügung stehen.

273

Denken wir an jene hl. Agnes. Warum steht sie mit dreizehn Jahren vor dem Richter? Was ist ihr Verbrechen? Sie will nicht in den Ehestand treten, sondern ihrem göttlichen Bräutigam in unversehrter Jungfräulichkeit anhangen. Man verspricht ihr Reich - thümer und Ehren sie bleibt standhaft; sie wanket nicht; sie steht mitten im Feuer und bleibt unversehrt wie ihre Jungfräulichkeit in der Gluth der Verfolgung; man schlägt ihr das Haupt ab, und sie fliegt mit der Doppelpalme der Jungfräulichkeit und des Martyriums zu den Höhen des Himmels.

Woher all' diese Wunder? Sie selbst gibt die Er - klärung mit den Worten: Honig und Milch habe ich von seinem Munde erhalten und sein Blut hat meine Wangen geziert, und so hat er in mein Antlitz ein Zeichen gesetzt, daß ich keinen andern Liebhaber zulasse. (Cf. Off. S. Agnes.) Was ist Milch und Honig? Die Süßigkeit göttlicher Gnade und Tröstung, welche sie in der hl. Communion gleichsam auf den Wunden Christi empfangen. Daher sind ihr selbst die erlaubten Welt - freuden Ekel und Bitterkeit. Sein Blut hat meine Wangen geziert. Wie ist das möglich? In der heiligen Kommunion habe ich dasselbe empfangen; es durchdrang gleichsam meinen Leib und gab ihm die überirdische Schönheit und Anmuth, und die Kraft dieses Blutes ver - scheucht jeden Würgengel von meiner Seele und meinem Leibe. Oder warum sank jener freche Jüngling vor ihren Füßen plötzlich zusammen. Aus dem mit dem Blute Christi gerötheten Antlitze der Jungfrau traf es ihn wie ein Blitzstrahl.

Wohlan nun, christliche Söhne und Töchter, wenn ihr Alle wie die hl. Agnes die hl. Communion empfinget, wenn ihr sagen könntet: Honig und Milch hab 'ich aus seinem Munde empfangen, und sein Blut röthet meine274 Wangen, müßten euere Eltern, die vielleicht in ferner Heimat und euch beim Abschiede so ernstlich sagten: Seid doch brav? müßten diese Eltern euretwegen jemals in Angst sein? Oder würdet ihr nicht jede Ver - suchung überwinden, jeden Verführer abweisen? Die Begierlichkeit bezähmen? Vor jeder Gesellschaft, wo euere Unschuld in Gefahr kommt, zurückschrecken? Würden nicht Satan selbst und andere böse Geister, welche heute die Welt zum Verderben der Seelen durchstreifen an euch entsetzt und erschrocken vorübergehen? Warum denn nicht? Denn die Kraft des göttlichen Blutes ist ewig dieselbe; nur der Leichtsinn oder die Bosheit des Menschen kann dessen Wirksamkeit beschränken oder ganz verhindern, oder gar durch Mißbrauch die himmlischen Güter in töt - liches Gift verwandeln. So ist denn heute noch wahr, was der hl. Cyrill in alter Zeit mit den großen Vätern der hl. Kirche gelehrt: Die hl. Communion beruhiget das tobende Gesetz unserer Glieder, kräftiget die Frömmig - keit, löschet aus die Begierlichkeit.

Sehet, das Gesetz unserer Glieder ist die Sinnlich - keit. Ihr könnt das Schamgefühl der Kinder stärken, Aergernisse verhüten, die Kinder belehren; aber dies durch die Erbsünde kranke Fleisch heilen, die tobende Sinnlich - keit beruhigen, der Seele die nöthige Widerstandskraft geben das wirkt Christus allem durch die hl. Com - munion. Das ist so wahr und so ausgemacht, daß selbst ein durch Ausschweifungen verdorbenes Fleisch durch die öftere hl Communion wieder geheilt werden kann. Oder was thaten von jeher Männer von Wissenschaft, von Er - fahrung, von Heiligkeit? All' den Sündern, die gar tief in diesem Sündenelende lagen, sich aber ernstlich bekehren wollten, gaben sie den Rath der öfteren hl. Communion. Und die Folge davon? Das unreine Feuer löschte wieder aus, und Leib und Seele erhielt wieder den Frieden und275 die Ruhe und die Schöne der Reinigkeit. Wenn aber der unreine Geist aus einem Leibe, den er vielleicht durch die Sünde jahrelang ruhig besaß, auf einmal weichen muß und nicht mehr zurückkehren kann, auch wenn er sieben ärgere Geister zu Hilfe nimmt, um so viel mehr wird er vor jenem Leibe zurückschrecken, dessen Wangen von der ersten hl. Communion an das Blut Christi röthet und ziert. Denn zitternd fliehen die bösen Geister, wenn sie das Blut des Erlösers erblicken; die Engel aber eilen freudig herbei. (Chrys. hom. 46 n. 3, 4 in Joh.)

Aber warum fallen denn immer so viele? Der Würgengel geht nicht zu ihnen, so wenig als der Graben zu dem, der hineinfällt; im Gegentheil, er will an ihnen vorbeiziehen, aber so viele rufen ihn selbst, wischen durch ihre Leidenschaften, durch den Verkehr mit Unreinen, end - lich durch Sünden das Blut Christi gleichsam aus. Ist das nicht aller Thränen werth? Wird es Sodoma am Gerichtstage nicht erträglicher ergehen als diesen Unglück - lichen? Auch diejenigen, welche außer der katholischen Kirche sich Christen nennen, aber unrein leben und nicht wahre Buße wirken, werden in die Hölle versinken aber weit tiefer solch 'traurige Katholiken, welche im Besitze aller Gnadenmittel vor der Unlauterkeit sich nicht bewahrten, oder davon nicht geheilt werden wollten, oder nicht den Muth dazu hatten.

Deswegen rufe ich aus der Tiefe meines Herzens in diese so zahlreiche Versammlung: Muth, Vertrauen! Denn wohl manch 'armer Sünder hört mich. Vertraue dich der kräftigen und kundigen Hand eines Beichtvaters an und laß dich dann dort an der Communionbank mit dem Blute des göttlichen Osterlammes bezeichnen und du bist gerettet. Selig, daß ihr dies Wort Gottes angehört, noch seliger, wenn ihr dasselbe für euch und Andere in euerem Herzen bewahret und betrachtet unaussprechlich276 selig, wenn ihr darnach lebet und so in der Reinigkeit des Leibes und der Seele zur seligsten Anschauung Gottes gelanget.

XXIX. Tischgebet.

Als einmal 4000 Männer mit Weibern und Kindern beim göttlichen Heilande drei Tage ausharrten, um sich belehren und Stumme, Blinde, Lahme und Kranke aller Art heilen zu lassen, und am dritten Tage die Nahrungs - mittel ausgingen, da hatte Christus Erbarmen mit dem Volke, speiste und sättigte dasselbe mit sieben Broden und einigen Fischlein so wunderbar, daß die übrig gebliebenen Stücklein noch sieben Körbe anfüllten. (Math. XIV. 20.)

Aber wie wirkte er dies Wunder? Er schaute gen Himmel, woher jede gute Gabe kommt und dankte deshalb dem Vater; dann segnete er Brod und Fisch, d. h. er betete, daß die wenigen Brode so an Ausdehnung und Kraft gewinnen, um damit die Volksmenge voll - kommen zu sättigen. Aber ist er denn als Sohn Gottes nicht allmächtig wie der Vater? Warum denn noch danken und beten, anstatt in aller Selbstherrlichkeit zu handeln? Als Menschensohn wollte er uns ein Beispiel geben, was wir beim Genusse der Nahrung zu thun haben. Was denn? Zum Himmel emporblicken, Gott danken für die Gaben, ihn um den göttlichen Segen anflehen. Das ist Sache des Tischgebetes, das in einer christlichen Familie nicht fehlen darf. Da die Familienglieder am Morgen fast nie, am Abend vielleicht selten, wohl aber beim Essen regelmäßig alle bei einander sind, so ist das Tischgebet wohl das einzige, welches Tag für Tag von allen gemein -277 sam verrichtet werden kann. Es hat aber auch eine außer - ordentlich tiefe Bedeutung.

Es ist nämlich der lebendig gewordene Glaube, daß Speis und Trank eine Gabe Gottes ist. Betrachtet in dieser Beziehung den Ps. 146, V. 7 sq. Singet dem Herrn mit Danksagung und lobsinget unserm Gott mit der Harfe! Wozu diese Aufforderung? Etwa weil Gott der unermeß - liche Ocean aller Vollkommenheit und aller Schöne ist? Oder weil er diese Erde gebildet und die Himmelsräume mit Gestirnen ausgeschmückt? Eine ganz andere Antwort gibt der Psalmist. Er decket den Himmel mit Wolken und bereitet Regen der Erde. Er läßt wachsen Gras auf den Bergen und Kräuter zum Dienste der Menschen; er gibt dem Vieh seine Speise und den jungen Raben, die zu ihm rufen. Daher die Frage des Dulders Job: Wer bereitet dem Raben seine Speise, wenn seine Jungen zu Gott schreien und unstät sind, weil sie nicht zu essen haben. (Job XXXVIII.) Daher sagt der Psalmist so schön: Aller Augen warten auf dich, Herr, und du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit; du thuest auf deine Hand und sättigest alles Lebendige mit Segen.(Ps. 144, V. 15.)

Zu wem also ruft der junge Rabe in seinem Hunger? Zu Gott dem Herrn. Das thut er allerdings unbewußt, wie alle Vögel des Himmels, wie alle Thiere des Fest - landes, wie alle Fische in den Gewässern; naturnothwendig, unbewußt warten die Augen der gesammten Thierwelt auf den Herrn, um zur rechten Zeit Speise zu erhalten: und dann soll die Krone der Schöpfung, der König und Herr der Thierwelt, der Mensch, dessen Gestalt zum Aufblick nach dem Himmel geschaffen, dessen Geist die Urquelle aller Güte und alles Segens erkennt, dann soll der Mensch allein nicht himmelwärts blicken, soll allein nicht zum Herrn um Nahrung rufen soll allein ihm nicht mit Danksagung lobsingen? Urtheilet selbst!

278

Was ist also der sogen. gute Ton, kein Tischgebet mehr zu machen? Ich sage absichtlich guter Ton . Denn dies Gebet hie und da auslassen, gehört jedenfalls zu den kleinsten Fehlern, wovon ich nicht einmal rede; aber jahraus, jahrein an reichlicher oder auch gewöhnlicher Tafel sitzen und niemals beten, vielleicht dazu noch murren und klagen, daß man nicht mehr und bessere Speisen habe was ist das? Ist das nicht eine Art thatsäch - liche Leugnung, daß Wachsen und Gedeihen, daß die Früchte der Erde von Gott herkommen, ist das nicht eine Art Verherrlichung der Mutter Natur, oder auch des goldenen Kalbes? Dies Kalb und die Mutter Natur, sind sie da nicht an die Stelle des lebendigen Gottes getreten?

Um aber noch tiefer in diese Wahrheit einzudringen und die leichtsinnige Oberflächlichkeit einer gebildeten und ungebildeten Welt zu begreifen, betrachtet ein Ereigniß aus dem Leben des Völkerapostels. Als der hl. Paulus mit Barnabas nach Lystra kam und dort einen Mann heilte, der von Geburt an lahm war, da glaubte das Volk, die beiden seien Götter, und war im Begriff, ihnen zu opfern. (Act. Ap. XIV 7 sq.) Da erhob sich der hl. Paulus und sprach: Ihr Männer warum thut ihr das? Auch wir sind Menschen wie ihr. Wir verkünden euch, daß ihr euch von diesen Richtigkeiten, diesen eitlen Götzenbildern zu dem lebendigen Gotte bekehren sollet, der gemacht hat den Himmel und die Erde und das Meer und Alles, was darin ist.

Hat dann Gott nach der Schöpfung Alles dem Zu - falle und den Naturkräften überlassen? So blödsinnig waren nicht einmal die alten Heiden. Denn sie verehrten eine Göttin, Ceres, Demeter genannt, welche für das Ge - deihen der Früchte besorgt war, und deswegen als eine milde, segenbringende Göttin und Ernährerin der Menschen279 verherrlicht wurde. Doch wollen wir uns nicht vom hl. Paulus zu den Heiden verirren. Was sagte also der Völkerlehrer weiter?

In den vergangenen Zeiten ließ Gott alle Völker ihre eigenen Wege wandeln, d. h. er sandte ihnen keine Propheten wie den Juden, sondern ließ sie auf dem Wege der Abgötterei und der Ausschweifungen einherirren. Aber hat er denn gar nicht für sie gesorgt? Er ließ sich doch nicht unbezeugt. Aber wie bezeugte er den Heiden sein Dasein, seine Macht, seine Güte, seine Herrlichkeit? Wirkte er etwa außerordentliche Wunder? Nichts von all' dem; sondern erspendete Wohlthat vom Himmel aus, gab Segen und fruchtbare Zeiten, erfüllte die Herzen mit Speise und Freude. So wunderbar also waltet Gott in der Natur, so läßt er die Jahreszeiten aufeinander - folgen, so wechselt er Sonnenschein mit Regen und Thau, eine solche Menge Früchte von mannigfaltiger Güte und Schönheit läßt er wachsen und reifen, und erfüllt auf diese Weise unsere Herzen mit Speise und Freude, daß diese Naturerscheinungen für die Heiden genügten, um den wahren, lebendigen und ewigen Gott zu erkennen. Und dann sollte der Christ diese Hand Gottes nicht er - kennen!

Und dann sollte er zu diesem ewigen Gott nicht beten um die Früchte der Erde! Und dann sollte der Christ alle Tage diese Gaben Gottes genießen, ohne je an den himmlischen Vater zu denken, ohne je ein Wort des Dankes auszusprechen! Wenn ein Kind so gegen seine Eltern handelte, würde das auch zum guten Tone gehören? Was aber unter Menschen Unverschämtheit, das soll Gott gegenüber Anstand sein!

Aber wir haben auch Andersgläubige bei Tische, Gut. Was folgt hieraus? Andersgläubige; also doch Gläubige. Also glauben sie, was einst der hl. Paulus280 in Lystra predigte Gott spendet Wohlthat vom Himmel aus, gibt Regen und fruchtbare Zeiten; er erfüllt mit Speise und Freude unsere Herzen. Wenn du also bei Tisch? nicht betest, um diese nicht zu beleidigen, so thust du ihnen damit die ärgste Schmach an; denn in Sachen der Religion stellest du sie weit unter die alten Heiden. Wie so? Wenn Staatsmänner, wie jener edle Aristides, wenn Philosophen, wie Plato und Sokrates, Heiden des alten Athen, an deiner Tafel erschienen, würden sie den ersten Wein auf den Boden schütten als Opfergabe für ihre falschen Götter und so ihr Tischgebet verrichten und du, der aufgeklärte Christ und gebildete Katholik! Wenn dann diese alten Heiden dich fragten: Warum schaust du nicht gen Himmel? Warum kommt kein Gebet über deine Lippen? Warum hast du keinen Opferwein für die Gottheit? Hat nicht eine menschenfreundliche Göttin all' diese Gaben uns geschenkt? Machte sie nicht die Erde unfruchtbar, bis der oberste Gott ihren Zorn beschwichtigte?

Was wollte da so ein urwüchsiger Zögling einer konfessionslosen Schule der Neuzeit einem urwüchsigen Heiden des alten Athens oder Roms antworten? Es gibt keine Gottheit, von welcher das Wachsthum und Ge - deihen der Früchte der Erde abhängig ist; über diesen Glauben der alten Heidenwelt wie des Christenthums sind wir mit unserer Wissenschaft längst hinaus. Was würde dann jener lebensfrohe, heidnische Dichter Horatius, wenn er sich nicht widersprechen wollte, dir antworten? Wie ich mit keinem Gottlosen auf dem gleichen Schiffe sein will, um nicht mit ihm vom Zorne der Götter ge - troffen zu werden, so will ich auch nicht mit dir an der gleichen Tafel sitzen.

Aber warum mit den alten Heiden die Christen be - schämen? Wohl waren die letzten Ausläufer der heidnischen281 Irrthümer überaus traurig wie der Selbstmord ganzer Völker allein heute rede ich nicht von den letzen Aus - läufern und selbst diese waren nicht so verhängnißvoll, wie der Wahnsinn eines vom gekreuzigten Gotte abge - fallenen Geschlechtes. Denn je höher der Adel, von dem du in die Gemeinheit versinkst, desto trauriger dein Fall.

Was ist also diese Unsitte, jahraus, jahrein zu essen, zu trinken, zu genießen, ohne nur einmal an Gott den Herrn zu denken, ohne nur einmal ihm zu danken? Die Erscheinung einer schweren Krankheit, das Zeichen eines traurigen Seelenzustandes, das gilt aber, ich betone es noch einmal, nicht von jenen, welche nur hie und da dies Gebet vernachlässigen, sondern von jenen, welche dasselbe grundsätzlich nicht üben.

Werden denn diese überhaupt noch beten? Die Religion solcher Leute sind gewöhnlich die Zahlen. Aber wenn Gott der Herr dir alle bis auf die Nullen streicht? Aber wenn eine Umwälzung Paläste, Banken, Geschäfte, Millionen fortschwemmt wie ein reißender Strom Bäume, Häuser und Ställe und Herden fortwirbelt? Wenn die Mißjahre immer häufiger und schlimmer werden? Denn Gott kann doch über ein undankbares, von ihm abgefallenes Geschlecht das Füllhorn seines Segens nicht immer ausgießen, wenn die Verehrung der Mutter Natur und die Anbetung des goldenen Kalbes ihre Verwüstungen nach unten und oben, nach rechts und links nicht immer weiter ausdehnen soll. Was ist also das Tischgebet, so unbedeutend es an und für sich zu sein scheint? Eine beständige Uebung des Glaubens, daß Gott der einzige Herr über die ganze Natur mit all ihren Kräften und Erscheinungen und Früchten; die Leugnung aber all dieser trostreichen und tiefen Wahrheiten ist die grundsätzliche Vernachlässigung dieses Gebetes.

Aber das ist noch lange nicht die ganze Bedeutung282 dieser Andacht. Denn was nützt uns die Speise, wenn sie uns nicht sättiget und kräftiget und gesund erhält? Das aber hängt wieder vom Segen Gottes ab, der mit Wenigem, wie mit Vielem, ja sogar mit Nichts die Seinen ernährt und stärkt. Deshalb betet die Kirche in ihrem Tischgebete: Herr, segne uns und diese deine Gaben, welche wir von deiner Freigebigkeit empfangen werden. Segne uns! Segne den Leib, daß er in der rechten Verfassung die Nahrung empfange und verarbeit und so gestärkt werde; segne die Seele, daß sie die Sinnenlust bezähme. Segne diese deine Gaben! Wozu? Leute, welche die Hungerjahre im Anfange dieses Jahrhunderts durchmachten, erzählten mir oft, auch nach reichlichem Essen hätten sie immer noch gehungert. Warum? Es war eben kein Segen Gottes dabei.

Um das recht zu verstehen, betrachtet das Wunder der Brodvermehrung. Weiber und Kinder nicht gerechnet, zählte die Volksmenge bei 4000 Männer. Schon drei Tage harren sie beim Heilande aus; wenn sie ungespeiset heimkehren, werden sie auf dem Wege verschmachten; den Jüngern scheint es unmöglich, für diese Menge Brod genug zu erhalten. Was thut Christus? Er segnet sieben Brode und zwei Fische; das Volk ißt, wird satt und von den übrig gebliebenen Stücklein werden noch sieben Körbe voll.

Was bewirkt also der Segen Gottes? Einige Brode, sonst von wenigen Hungrigen gleich verschlungen, reichen hin, um Tausende zu sättigen und nachher noch sieben Körbe zu füllen. Warum diese sieben Körbe? Zum Zeichen, daß Alle wirklich gesättigt waren und gestärkt, die Heimreise glücklich zu vollenden. Das ist der Segen Gottes über Speis und Trank, und um diesen Segen haben wir zu bitten. Um ihn aber voll und ganz zu er - halten, was weiter thun?

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Auch da antwortet das Evangelium. Oder warum erbarmt sich der Heiland des Volkes? Schon drei Tage harren sie bei mir auf und haben nichts zu essen. Mit solcher Lieb und Luft weilten sie also beim Heiland und hörten seine Predigt, so waren sie um die Kranken be - sorgt, damit sie alle geheilt würden daß sie Speis und Trank vergaßen und an das Ausgehen der Nahrungs - mittel nicht einmal dachten. Wollet ihr also den Segen Gottes verdienen, harret aus beim göttlichen Heilande, indem ihr die Gebote Gottes und der Kirche gewissenhaft haltet.

Aber, denkest du vielleicht bei dir, solche, welche das nicht thun, sammeln große Reichthümer, und ich bin arm und jene schmausen wie der reiche Prasser und ich gleiche so etwas dem armen Lazarus. Gut; aber diese Reichen können sie mehr essen und trinken wie du? Haben sie einen Magen groß wie das Heidelberger Faß? Das nicht, aber sie haben feinere Speisen. Gut; aber wer braucht die Bäder und den Arzt mehr, du oder sie? Und wenn bald die Tage kommen, wo sich wieder erfüllt das Wort des Apostels Jakobus: Jetzt heulet ihr Reichen, wer ist dann besser daran, diese oder du armer Knecht, arme Magd oder arme Mutter, armer Vater? Wer ist dann besser daran? Und erst die Ewig - keit? Kommen nach dem Urtheil Christi die Armen oder die Reichen leichter in den Himmel? Daher kommt uns ein Armer, der beim Anblick des Reichen jammert, vor wie ein Maulthier, das ohne Last leicht den Berg hinauf - trabt, aber sich beim Anblick eines zweiten Maulthieres, das schwer beladen kaum hinaufzukeuchen vermag, sich selbst als unglücklich beklagt. Und von was hängt am Ende die Kraft von Speis und Trank ab? Etwa von der Feinheit derselben? Aber warum erreichten die alten Mönche in der Wüste bei Kräutern und Wurzeln ein Alter von über einem Jahrhundert?

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Wem das heutige Evangelium nicht genügt, der be - trachte noch ein Ereigniß des alten Bundes. Als in Folge einer dreijährigen Dürre eine furchtbare Hungersnoth über Israel kam, ging der Prophet Elias auf Befehl Gottes nach Sarepta ins Land der Sidonier, wo eine Wittwe für seinen Unterhalt sorgen sollte. Da er zum Thore der Stadt kam, sah er ein Weib, eine Wittwe, die Holz auflas, und er sprach zu ihr: Gib mir ein wenig Wasser, daß ich trinke, und bring mir, ich bitte dich, einen Bissen Brod in deiner Hand. Was antwortete sie? So wahr der Herr, dein Gott lebt, ich habe kein Brod, außer eine Hand voll Mehl im Topfe und ein wenig Oel im Kruge; ich lese ein paar Stücke Holz auf, es zu bereiten für mich und meinen Sohn, auf daß wir noch einmal essen und hernach vor Hunger sterben. Welche Noth - lage: noch einmal etwas Brod bereiten und dann hungern und dann sterben, und diesen letzten Bissen sollte sie noch mit einem Fremdling theilen! Fürchte dich nicht, sprach der Prophet, thue, wie du gesagt; aber mache mir von dem Mehl zuerst einen kleinen Kuchen. Denn so spricht der Herr, der Gott Israels: der Mehltopf soll nicht ab - nehmen und der Oelkrug nicht leer werden bis zum Tage, an dem der Herr Regen geben wird über das Land. Und in der That nahm der Mehltopf nicht ab und der Oelkrug ward nicht leerer. Das der Segen Gottes, der mit Wenigem Viele und für lange Zeit erhalten und nähren kann. (l. III, reg. XVII.)

Oder sind das etwa Wunder göttlichen Segens? Freilich; aber der gleiche Gott wirkt das gleiche Wunder heute noch, sobald es seine göttliche Weisheit für gut findet, und wirklich finden wir im Leben der Heiligen Gottes durch alle Jahrhunderte solche Segenswunder in Menge; der gleiche Gott gibt heute noch seinen vollen Segen Allen, die ihn darum bitten, ihm dafür danken285 und in der treuen Beobachtung der Gebote bei ihm ausharren. Wenn mich daher solche hören, die bisan von keinem Tischgebet etwas wissen wollten, so bitte und beschwöre ich sie, Gott dem Herrn gegenüber doch etwas Anstand zu lernen und zu üben. Sollte aber eine Familie so unglücklich sein, daß ein gemeinsames Tischgebet nicht einmal geduldet wird, dann sollen doch die, welche den Glauben noch bewahrt haben, für sich im Stillen etwas beten, damit der Segen nicht nach und nach ganz dem Unsegen und dem Fluche weiche. Ihr Alle aber, die ihr die Sitte frommer Ahnen noch bewahrt habet, haltet daran fester als je, und so weit euer Einfluß reicht, sorget, daß sie auch dort, wo sie längst verschwunden, wieder ihren segensreichen Einzug halte.

Wenn ihr so familienweise mit euern Dienstboten und Arbeitern betet und beim reichlich oder ärmlich be - setzten Tische sitzet, dann blicket himmelwärts, wo die Gerechten und Frommen an jener wonniglichen Tafelrunde Gottes ewig frohlocken, und betet mit der hl. Kirche: Zur Mahlzeit des ewigen Lebens führe uns der König der ewigen Herrlichkeit und mache uns theilhaftig der himm - lischen Tafelrunde.

XXX. Besuch des Gottesdienstes.

Die christliche Familie ist verpflichtet, nicht bloß Haus - andachten zu halten, zu denen auch das Tischgebet gehört, sondern auch den öffentlichen Gottesdienst zu besuchen. Ich betone christliche Familie ; denn nicht bloß der Einzelne ist verpflichtet, sondern so weit möglich die Familie als Familie. Damit wir diese Wahrheit klar auffassen286 und dann darnach handeln, wollen wir das Beispiel der hl. Familie betrachten. Es war bei den Juden strenge Vorschrift für die Männer, jede Ostern nach dem Tempel in Jerusalem zu wallfahren. Die Frauen waren diesem Gesetze nicht unterworfen, durften aber die Feier doch auch mitmachen. So ging denn Maria auch mit Joseph. Aber warum geht auch der zwölfjährige Knabe? Was prediget er in dieser Gesellschaft mit Maria und Joseph? Ich habe euch ein Beispiel gegeben, und nicht bloß ich sondern auch meine Mutter, mein Pflegevater! Wir haben euch ein Beispiel gegeben! Die ganze christliche Familie gehört in die Kirche zum Gottesdienste: nicht bloß die Eltern dahin und die Kinder dorthin, sondern alle sollen soweit möglich, in der gleichen Kirche wieder eine Familie bilden wie im Vaterhaus. So ruft und mahnt das Beispiel der hl. Familie.

In Pfarreien nun, wo der Kindergottesdienst wegen Mangel an Raum ein nothwendiges Uebel geworden ist, kann dies Beispiel nicht vollkommen nachgeahmt werden; aber da sollen die Eltern ihre größeren Söhne und Töchter mitnehmen, mit ihnen beten, mit ihnen das Wort Gottes anhören, mit ihnen wieder heimkehren. Das ist der einzige Verein, welcher für die Familie nicht bloß ohne Gefahr, sondern voll Segen ist. Das betone ich immer mehr, je krankhafter das Vereinswesen zu werden droht. Denn auch gute Vereine entfremden oft junge Leute der Familie, führen sie der Genußsucht in die Arme, auch gute Vereine gewöhnen sie an späte Heimkehr, diesen Anfang und Anlaß vielfachen Verderbens. Darum sage ich: Haltet doch fest an dem durch den gemeinsamen Gottesdienst geheiligten Familienverein.

Aber, denket ihr vielleicht, wie ist es denn möglich, daß die ganze Familie dem Gottesdienste beiwohnen kann? Nehmen wir zuerst jene Fälle aus, wo es wirklich un -287 möglich ist. Kleine Kinder können nicht gehen, ebenso Kranke, Schwache, Arme, denen die nothwendigen Kleider fehlen, solche, die gar zu weit von der Kirche entfernt sind. Endlich muß in den meisten Familien jemand zu Hause bleiben; aber diese sollen, wenn es möglich ist, einem Frühgottesdienste beiwohnen.

Was nun wollen die andern vorbringen, um zu[ Hause] zu bleiben? Um dem Beispiele der hl. Familie nicht nachzufolgen? Es ist mir unbequem. Ich muß früh aufstehen, bin am Samstag abend müde, am Sonntag morgen hab ich alle Hände voll Arbeit. Gut, es ist also unbequem. Aber betrachtet nur die hl. Familie. Für die Reise braucht sie acht Tage; eine Woche bleibt sie in Jerusalem, um das ganze Osterfest zu feiern. War das bequem für die Mutter Gottes und das göttliche Kind? Bequem für den hl. Joseph, der auf der weiten Reise für beide zu sorgen hatte? Ich habe euch ein Beispiel gegeben. 15 Tage nicht bloß nicht arbeiten, sondern die Kosten der Reise tragen, war das bequem? Hätte nicht die Mutter Gottes sagen können: Ich will das Haus bewachen, euch bei der Heimkehr für die nothwendige Erfrischung sorgen; ich bin ja ohnehin nicht verpflichtet am Feste theilzunehmen. Warum sprach und handelte die makellose Jungfrau nicht so? Wie, christliche Mütter, wollet ihr euch dies Beispiel zurecht legen?

Dürfet ihr euch am Sonntag von der Familie trennen, ohne wichtigen Grund zu Hause bleiben? Aber ich schicke die Kinder? Der Knabe Jesus ging mit dem hl. Joseph auch nach Jerusalem, blieb deßhalb seine Mutter zurück? Aber ich wollte schon gehen, wenn nur der Mann oder die größern Kinder mir am Sonntag morgen[ behilflich] wären. Aber wenn dies vernachlässiget wird, wenn der Vater oder die größern Kinder zu bequem oder zu leichtsinnig geworden, wenn die größern Kinder288 den ganzen Morgen für ihre Trägheit oder ihre Eitelkeit brauchen, wo ist dann noch die christliche Familie? Denn wenn schon einzelne Glieder der Familie fleißig den Gottesdienst besuchen, die andern denselben aber aus eigener Schuld versäumen, so habet ihr wohl einzelne Christen, aber noch lange keine christliche Familie. Daher werden auch Einzelne selig werden aber die ganze Familie wird nicht zur hl. Familie in den Himmel gelangen.

Doch lassen wir das und betrachten wir lieber die hl. Familie von Nazareth. Da sie also jedes Jahr 15 Tage opferten, um die Osterfeier mitzumachen, mit welchem Eifer wird sie den Sabbath gefeiert haben? Da war keine Spur von Arbeit aber fleißiger Besuch der Syna - goge, um zu beten und die Erklärung der hl. Schrift an - zuhören.

Konnten Maria und Joseph zu Hause nicht das gött - liche Kind anbeten? Es war ja in ihrer Mitte, nicht im Tempel, nicht in der Synagoge. Warum also nicht zu Hause anbeten oder in Gottes freier Natur? Ich habe euch ein Beispiel gegeben. Allerdings sollet ihr zu Hause beten, wenn ihr den Gottesdienst nicht besuchen könnet; wer aber aus Nachlässigkeit nicht in die Kirche geht, wird auch zu Hause nicht beten. Ich könnte da auch noch entwickeln, in welch 'einfacher bescheidener Kleidung die jungfräuliche Mutter im Hause Gottes erschien: allein das würde doch nichts nützen; denn Personen, welche nur der Hoffahrt wegen in die Kirche kommen, haben für solche Wahrheiten ein viel zu kleines Gehirn, und die andern haben das gar nicht nothwendig. Daher will ich lieber einen andern Punkt aufgreifen.

Der Besuch des jüdischen Gottesdienstes war eine beständige Demüthigung für Jesus, Maria und Joseph. Warum? Der Knabe Jesus ist der wahre Sohn Gottes und doch betet er im Tempel, als wäre er wie ein anderes289 Kind den Versuchungen ausgesetzt; Maria ist die makel - lose Jungfrau und Mutter, der hl. Joseph ist ihr an Heiligkeit ähnlich geworden, und doch beten sie beide im Hause Gottes, als wären sie Sünder wie die übrigen Menschen. Die ganze hl. Familie ist wie der Himmel auf Erden und doch betet sie, als wäre sie voll Elend und Sünde wie andere. Warum verlangt der himmlische Vater dies außerordentliche Opfer der Selbstverläugnung und Demuth? Damit die christliche Familie ihre Sonn - tagspflicht genau und klar erkenne, aber auch gewissenhaft erfülle. Ich habe euch ein Beispiel gegeben. Und doch wollen so viele Familien dies Beispiel nicht verstehen, nicht befolgen, trotz des zeitlichen Elendes und trotz der Verwüstungen der Sünde!

Großer Gott! Wie traurig werden so viele Familien in der Ewigkeit auseinandergerissen, oder auch ganz in den Abgründen verschwinden, mit Ausnahme der Kleinen, welche in den Tagen der Unschuld zu sterben das Glück hatten. Wenn aber durch deine Barmherzigkeit manche vor dem Tode noch würdige Früchte der Buße bringen, wie viel Unglück wohnt doch in solchen Häusern, und wie geht dein Unsegen oft so tragisch von Geschlecht zu Ge - schlecht, bis der letzte Sprößling im Unglück verschwindet! Barmherziger Gott! Laß doch alle Familien das Ge - heimniß deiner Familie wieder verstehen, wieder befolgen! Habe doch Geduld mit vielen Familien, welche noch nicht erkennen, was ihnen zum Frieden dient.

Warum denn nicht den Gottesdienst besuchen? Willst du etwa sagen: Ich habe das Opfer der hl. Messe nicht nothwendig, ich weiß schon lange, was in Predigt und Christenlehre vorkommt. Gut, ich will dir noch vielmehr zugeben. Du sollst ohne Versuchungen, ohne Gefahren sein, rein, unbefleckt wie ein heute getauftes Kind, du sollst alle Geheimnisse des Glaubens viel besser verstehen als290 der Papst, du sollst keine falschen und verschrobenen An - sichten haben, wie dies bei Gebildeten und Ungebildeten sonst nicht selten der Fall und doch gehörst auch du mit deiner Familie am Sonntag in die Kirche. Warum? Ich begründe das nicht mit dem Kirchengebote, das uns schwer verpflichtet, einer hl. Messe beizuwohnen, nicht mit der gegenseitigen Erbauung nicht mit dem Segen des göttlichen Wortes aber auf das Beispiel der hl. Familie will ich einzig und allein hinweisen.

Wußten die Hohenpriester und Schriftgelehrten, daß der Messias erschienen und aus der Jungfrau geboren sei? Kaum verstanden sie die Weissagungen der Propheten, deren Erfüllung war ihnen ganz unbekannt. Aber wer wußte dies alles? Maria und Joseph und doch hören sie die Predigt der Priester! Und bei ihnen ist Christus, die ewige Weisheit des Vaters und hört auf das Wort armseliger Menschen. Wo ist ein Vater weise wie der hl. Joseph? Wo eine Mutter gotterleuchtet wie Maria? Wo ein Jüngling voll der Gnade und der Weisheit wie der göttliche Knabe? Wo eine Familie, in welcher die Weisheit, die Wahrheit, die Heiligkeit leibhaftig wohnt? Zeiget mir eine solche, und auch diese hat dem Gottes - dienste beizuwohnen, das Wort Gottes anzuhören. Da können wir unmöglich vorbeikommen. Warum? Entweder müssen wir die hl. Familie oder wenigstens ihre Bedeutung für die christliche Familie leugnen, und dann sind wir keine Christen mehr, oder wir müssen mit der katholischen Kirche an diese hl. Familie glauben und ihrem Beispiele gerne oder ungerne nachfolgen. Warum denn nicht?

Denn betrachtet nur in kurzen Zügen die Würde und Auszeichnung, zu der wir berufen, von der aber so viele gar nichts wissen wollen. Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, ist in der hl. Familie mit der ganzen Herr - lichkeit des Himmels erschienen, und doch steht diese291 Familie im Tempel, um die matten Lichtstrahlen des alten Bundes zu betrachten; Christus, das Lamm Gottes, das blutige und unblutige Opfer der ganzen Welt, ist mitten in der hl. [Familie] und doch nimmt diese Antheil an den Opfern des alten Bundes! Und dann sollte es für eine katholische Familie langweilig oder entehrend sein, diese Himmelssonne im katholischen Tempel zu be - trachten! Und dann sollte es für eine christliche Familie langweilig oder gar eine Schande sein, das Lamm Gottes auf unsern Altären anzubeten, es dem himmlischen Vater voll Staunen und Ehrfurcht im Opfer der hl. Messe darzubringen? Für die hl. [Familie] waren die Schatten und Vorbilder des alten Bundes eine große Freude; aber für die katholische Familie soll diese Mittagssonne des Himmels mit all ihrer unbegreiflichen Herrlichkeit zur Langweile werden zum Eckel, zum Ueberdrusse! Wenn dann solche Familien immer tiefer fallen, bis sie den Glauben ganz verlieren, ist das nicht ein wohlverdientes Strafgericht Gottes und welche Vorbedeutung für die Ewigkeit?

Darum, christliche Väter, wende ich mich an euch: Ist der Sonntag von eurer Familie bisan recht gefeiert worden, so haltet daran fest mit unbeugsamer Strenge, auch gegen erwachsene Söhne und Töchter. Wo aber die Feier bisan ist vernachlässigt worden, da schaffet Ordnung. Wo aber die Väter das nicht thun, sollen die Mütter dafür einstehen; wo aber Vater und Mutter das vernach - lässigen, da sollen Söhne und Töchter diesem verderblichen Beispiele ja nicht folgen, sondern den Gottesdienst fleißig besuchen und für die Bekehrung ihrer unglücklichen Eltern beten beten wie jenes fromme Kind, das auf den Altar stieg, an die Thür des Tabernakels klopfte und für seine schlechten Eltern den Heiland um Gnade und Barmherzigkeit bat.

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Zum Schlusse empfehle ich all euere Familien dem Schutze des hl. Joseph, daß er in jeder Familie Haus - vater sei. Ihr aber sollet das Beispiel der hl. Familie immer vor Augen haben. Besuchet dabei fleißig den Gottesdienst, so weit möglich familienweise, wenn das nicht möglich, so besuche doch das eine oder andere den Frühgottesdienst und wenn auch das nicht möglich, so saget es doch der ganzen Familie, um das Aergerniß zu verhüten und betet zu Hause um so mehr und um so andächtiger. So habet ihr die seligste Hoffnung, unter dem Schütze des hl. Joseph im Himmel einst das Wieder - sehen zu feiern familienweise.

XXXI. Familie und Prüfungen Gottes.

Auch von der hl. Familie gilt, was Christus den Jüngern auf dem Wege nach Emaus sagte: Mußte nicht Christus das leiden, so in seine Herrlichkeit einzugehen? Denn nach den ewigen Planen Gottes sollte Christus der Mann der Schmerzen werden, um für seine menschliche Natur die Herrlichkeit des Himmels zu verdienen, für unsere Sünden genug zu thun, uns ein Beispiel zu geben.

So mußte auch die hl. Familie leiden, um den Himmel sich zu verdienen, um zu büßen für sündhafte Familien, um der christlichen Familie in Kreuz und Leiden ein Vorbild zu werden. Wie nämlich der einzelne Christ seinem Gott und Erlöser das Kreuz nachzutragen hat, so die christliche Familie der hl. Familie. Dieses Geheimniß sollet ihr in den Geschicken der hl. Familie zu euerem Heile immer besser verstehen. Zu diesem Zwecke behandle293 ich folgende zwei Wahrheiten: Seid ihr fromm, will euch Gott durch beiden der hl. Familie ähnlicher machen, seid ihr aber böse, will er euch zur hl. Familie zurückführen.

Die beiden der hl. Familie sind so bekannt, daß nur wenige Andeutungen genügen. Denket zuerst an die Armuth. Joseph, ein Nachkomme jener großen Könige David und Salomon und doch ein Zimmermann, der nicht durch andere ein großes Geschäft betreibt, sondern selbst mühsam arbeitet, um das tägliche Brod zu verdienen. Oder ist er durch die Verehelichung mit Maria wohl - habend geworden? Kaum. Denn die nächsten Verwandten in Bethlehem schämten sich ihrer Armuth und geben ihnen nicht einmal den harten Boden ihres Hauses als Nacht - lager. Und doch ist der Augenblick da, wo dies ärmste Ehepaar durch den sichtbaren Besitz aller Reichthümer des Himmels und der Erde in der Geburt des Sohnes Gottes auf der Jungfrau beglückt werden soll.

Das Glück kommt und mit ihm eine größere Armuth. Denn das Kind liegt in der Krippe. Wohl fühlt Maria nicht die beiden und Schmerzen einer gewöhnlichen Mutter und ihre Jungfräulichkeit leidet keinen Schaden, sondern wird nur um so verklärter wie die Natur durch die auf - steigende Sonne; aber dafür ist sie arm und verlassen und verachtet wie nicht leicht eine andere Mutter. Oder wenn ihr auch arm und geplagt seid, findet ihr in solchen Zeiten nicht immer mitleidige Hilfe dieser oder jener Art? Nur Maria und Joseph werden in ihrer Vaterstadt von Allen abgewiesen und finden endlich Obdach in einem Stalle, der ihrer Armuth sich nicht schämt und kein Geld von ihnen verlangt.

Aber opfern die drei Könige nicht Gold, Weihrauch und Myrrhen? Und doch besteht die Opfergabe bei der Darstellung Jesu im Tempel auf einem Paar Tauben.

Bald darauf erscheint der Engel dem hl. Joseph294 mitten in der Nacht: Nimm das Kind und seine Mutter, fliehe nach Aegypten; bleibe dort, bis ich es dir sage: denn Herodes strebt dem Kinde nach dem Leben. Welch 'ein Befehl? Nimm das Kind, nimm die Mutter, die zarte Jungfrau; mitten in der Nacht brich auf, fliehe; denn die Mörder sind schon bereit, das Kind zu morden. Wohin. In ein Land, wo keine Freunde, sondern nur Feinde der Juden. Wie lange dort bleiben? Auf un - bestimmte Zeit. Und die Leiden der Flucht? Soweit die Gegend bewohnt ist, muß die hl. Familie die Menschen fliehen, um nicht in die Hände der Mörder zu fallen; dann kommt die Wüste mit den unabsehbaren Sandflächen. Aegypten ist erreicht, aber die Armuth bleibt. Ohne Ob - dach, ohne Geld finden sie endlich das Nothwendigste durch die Händerarbeit des hl. Joseph und die Milde guter Menschen.

Ist es etwa später in Nazareth besser geworden? Der göttliche Heiland war seinem Nährvater bei der Arbeit behilflich. So ärgerten sich die Juden bei seinem Auftreten; denn sie glaubten, ein Zimmermannssohn, der wegen Armuth nicht die Prophetenschule besucht, sondern in der Werkstatt gearbeitet habe, könne doch die heilige Schrift nicht verstehen. Aber noch mehr! Warum stirbt der hl. Joseph und wird die Mutter Gottes Wittwe? Warum nimmt sie allein Antheil an den Leiden ihres gött - lichen Sohnes bis unter das Kreuz? Warum überlebt sie ihren Mann, ihren Sohn? Warum bleibt sie nach der Himmelfahrt noch etwa 24 Jahre in diesem Jammer - thale? Fraget doch nicht, wenigstens ihr nicht, christliche Mütter. Denn, wenn auch schwere Prüfungen für ganze Familien bestimmt sind, so kommen doch die größten Schmerzen gewöhnlich über die Mutter. Ich habe euch ein Beispiel gegeben. Wer? Christus selbst durch die hl. Familie. Wem? Allen christlichen Familien aller295 Zeiten. Wozu? Damit alle Familien der hl. Familie durch Leiden ähnlicher werde.

Deshalb durchgehet nur alle Jahrhunderte, nirgends findet ihr eine wahrhaft fromme Familie, welche nicht auf dem Becher der Leiden getrunken und heute noch trinkt. Jene Familien, deren Mütter in der Kirche als Heilige verehrt werden, will ich nicht erwähnen, aber aus dem Leben der hl. M. Anna von Jesu, die Lilie von Quito genannt, ein rührendes Beispiel anführen. M. Anna, von Pius IX. heilig gesprochen, hatte eine junge Nichte Johanna Caso, welche ihr zur Erziehung übergeben wurde. Diese machte in der Tugend so herrliche Fortschritte, daß sie das Gelübde ewiger Jungfräulichkeit ablegen wollte. Ihre Tante hielt sie davon ab mit der Versicherung, sie sei für den Ehestand berufen. Wirklich verehelichte sie sich mit einem durch Adel wie durch Frömmigkeit gleich ausgezeichneten Mann. Gott schenkte ihnen fünf Kinder, welche in Unschuld und Frömmigkeit aufwuchsen. Wie ein Engel wachte Johanna über ihre Familie; sie war immer durch Gebet mit Gott vereinigt, züchtigte ihren Leib durch Fasten, Bußgürtel, Geiselstreiche. Gegen Arme und Kranke hatte sie die wunderbarste Liebe. Hörte sie, daß Reisende von Räubern erschlagen worden, wurde sie zur Heldin, suchte die Leichen mit Lebensgefahr auf, sie zu beerdigen.

Habet ihr da nicht jenes heilige, starke Weib, von welchem der hl. Geist redet? Nicht eine Familie als Abbild der hl. Familie? konnte je eine Haushaltung würdiger sein, vor zeitlichem Unglücke bewahrt zu bleiben? Und doch verliert ihr Vater bei Ausübung seines Amtes sein Vermögen und befindet sich zuletzt im Kerker. Sie leidet mit ihrer Familie große Verluste, und mitten in allem Unglücke verliert sie ihre einzige Trösterin; denn die Lilie von Quito wird in dem Himmel verpflanzt. 296Um noch größeren Gefahren zu entgehen und die Ver - luste wieder gut zu machen, mußte sie sich auf das Land begeben.

Mitten in so mannigfachem Unglücke machte Johanna solche Fortschritte in der Vollkommenheit, daß sie den Gatten inständig bat, mit ihren zwei Töchtern in ein Kloster gehen zu dürfen. Natürlich folgte eine abschlägige Antwort. Wohlan, sprach sie prophetisch, du willst mich nicht ziehen lassen: aber wisse, noch ein Kind werde ich dir schenken und dabei sterben. Gerade 33 Jahre alt eilte sie mit ihrem blinde, das die Nothtaufe erhalten hatte, in den Himmel. Welch ein Schlag für einen jungen Mann und fünf Kinder, solch 'eine Mutter und Gattin zu verlieren.

Möget ihr also vor der Ehe fromm leben und dann als christliche Eheleute gottselig wandeln, mögen euere Kinder unschuldig sein, auch in den Tagen der reifern Jugend: Heimsuchungen Gottes werden dennoch über euch kommen und zwar zu euerm Heile. Denn desto glänzen - der die Tugend wie die Krone, je mehr die Familie im Glutofen der Leiden geprüft und gereinigt wird.

Oder wann betet ihr oft und viel und andächtig? Zur Zeit der Leiden. Wann wendet ihr euch so recht kindlich an Gott? Zur Zeit der Trübsal. Wo enfaltet die Geduld ihre Größe? In Armuth und in Krankheit, in Schmach und Verfolgung. Wer schlingt das Band der Liebe fester um die Familienglieder? Unglück.

Darum, christliche Jugend, wandle in Unschuld vor und während der Bekanntschaft, um in Reinheit des Leibes und der Seele vor dem Altare zu erscheinen; denn nur so werdet ihr in der Ehe leicht den Weg des Kreuzes wandeln bis zur Verklärung im ewigen Vaterland.

Das ist die Lichtseite des Lebens, wo man auch im Dunkel des Unglückes von Herrlichkeit zu Herrlichkeit297 wandelt im Lichte des Glaubens und am Stabe der Hoff - nung auf den nahen Himmel; es gibt aber auch eine Nachtseite, wo man in der Finsterniß der Sünde und der Ausschweifungen schon vor der Ehe und nachher in der Ehe sein Glück und Vergnügen sucht, und dem ewigen Verderben gar oft familienweise entgegentaumelt. Um nun solche Familien zur hl. Familie zurückzuführen und für den Tag der Ewigkeit zu retten, läßt Gott in seiner Barmherzigkeit über dieselben Leiden und Unglück herein - brechen.

Wie frühzeitig und leichtfertig man Bekanntschaften anknüpfe, beklagte ich schon oft. Es ist ja, als wären wir auf der Welt, nicht um Gott zu dienen und selig zu werden, sondern um Liebschaften zu unterhalten, in den Ehestand zu treten und dabei nicht nach den Geboten Gottes, sondern nach der Fleischeslust zu leben, als gäbe es nach diesem Leben keine Rechenschaft und keine Ewig - keit. Gut; denkst du vielleicht, wenn wir auch viel sündigen, beichten wir doch wieder, wenigsten zur öster - lichen Zeit. Aber was beichtest du denn? Vielleicht etwas Ungehorsam gegen die Eltern, etwas Zerstreuung im Gebete, etwas Ungeduld, etwas Fluchen? Aber wo bleibt deine sündhafte Bekanntschaft mit Allem, was drum und dran hängt? Doch wenn du auch dies noch auf - richtig bekennst, wo ist dein fester Vorsatz, diese Gelegen - heit zur Sünde zu meiden? Was aber das für eine Bedeutung habe, sagt dir der Erzengel Raphael in jenen bekannten Worten an den jungen Tobias: Höre mich, ich will dir diejenigen anzeigen, über welche der Teufel Gewalt hat; über jene nämlich, welche so in den Ehestand treten, daß sie Gott von sich und ihrem Herzen aus - schließen und ihrer Wohllust also pflegen, wie Roß und Maulthier, welche keinen Verstand haben; über diese hat der Teufel Gewalt. (Tob. VI 7.)

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Beachtet wohl diese Worte. Durch jede schwere Sünde schließen wir Gott von unserem Herzen aus. Wie Viele thun das, bevor sie nur eine Bekanntschaft anfangen können? Thun das durch Unzucht, Diebstahl, Vernach - lässigung des Gottesdienstes, und stürzen sich gerade des - wegen in abscheuliche Verhältnisse? Wenn dann solche nach vielfältigem Mißbrauch der hl. Sakramente in den Ehestand treten, mit dem Teufel als Begleiter, muß dann nicht Unglück über Unglück kommen? Denn der Teufel führt Elend herbei auf Haß gegen die Menschen, daß sie Gott fluchen; Gott aber läßt das Unglück geschehen, da - mit den verblendeten Familien die Augen wieder auf - gehen. Doch setzet den tröstlichen Fall, solche Sünder bekehren sich vor Eingehung der Ehe aufrichtig, haben sie deswegen die zeitlichen Strafen schon abgebüßt? Bei weitem nicht. Daher gilt denn jedes Wort: Wer vor der Ehe Sünden säet, wird in der Ehe die Strafe ernten. Oder, denkst du vielleicht, wenn auch über gottselige Ehe - leute, die Gott nie schwer beleidigten, mannigfaches Unglück hereinbricht, warum soll ich nicht nach meinen Gelüsten leben. Ich kann ja den Drangsalen doch nicht zuvor - kommen.

Zwei Herren bieten euch Arbeit an; der eine giebt euch als Lohn Nahrung, Kleidung und noch Geld dazu, der andere aber rein nichts: Gehet ihr nun zu diesem zweiten, weil einmal gearbeitet sein muß? So einfältig sind wir nicht. Aber wenn es sich um die Seele, um die Ewigkeit handelt, dann werden Viele auf einmal wie stumpfsinnig.

Sehet nur! Unglück kommt über fromme Eheleute und ihre unschuldigen Kinder; das ist keine Zuchtruthe, welche für die Bekehrung arbeitet, oder Schläge für frühere Ausschweifungen austheilt. Daher ist diese Familie geduldig wie die hl. Familie von Nazareth und verdient alle Tage299 eine unaussprechliche Herrlichkeit für den Himmel; ihr Auge weint, aber ihr Herz ist voll göttlichen Trostes.

Aber jene Familie, wo die Eheleute die Jugend - sünden als Aussteuer mit sich brachten, wo die Gebote Gottes von Eltern und Kindern bis zur Stunde muth - willig übertreten werden? Auch sie ist im Unglücke; auch sie leidet; aber für die Ewigkeit hat sie kein Ver - dienst davon, so lange sie in Todsünden dahinlebt. Sie leidet und murrt gegen Gott und die Menschen: sie leidet und flucht und lästert eines wirft die Schuld auf das andere. Denn an das Unglück von Armuth oder Elend oder Krankheit oder Schande hängt sich der Teufel des Unfriedens. Oder ist es nicht vielfach so?

Aber es gibt doch auch Familien, die nichts weniger als ein Abbild der hl. Familie sind, und doch mit Reich - thum und Glück gesegnet sind. Ich weiß es nicht; aber vor einigen Jahren traf ich sehr oft mit einem kranken armen Familienvater zusammen, der bei einer sehr reichen und scheinbar überglücklichen Familie Knecht gewesen war. Was sagte dieser? Wenn ich schon die Reichthümer jenes Hauses haben könnte, aber das Elend, welches darin verborgen ist, mitnehmen müßte, ich wollte nichts davon wissen.

Wenn ihr also in den Familien Unglück habet, fraget euch heute: Welche Jugend, welche Bekanntschaft ging der Ehe voraus? Habe ich vor Eingehung der Ehe wirklich aufrichtig und reumüthig gebeichtet? Oder ist dies Unglück der Gnadenruf Gottes, aus der fernen Gegend endlich wie der verlorene Sohn reumüthig zum Vater heimzukehren? Wem gelten diese Wahrheiten?

Aber noch weiter müssen wir gehen. Denn an die Sünden der Jugend und der Bekanntschaften reihen sich gar häufig die Sünden der Ehe, und da muß Gott doppeltes Unglück senden, wenn die christliche Ordnung300 in der Familie wieder hergestellt werden soll. Wenn nun auch jede Todsünde dem Zorne Gottes ruft, wenn besonders die Vernachlässigung der christlichen Erziehung und die Gleichgültigkeit in der Bewachung kleiner und erwachsener Kinder für Eltern und Kinder zur grau - samen Zuchtruthe wird, so gibt es doch gewisse Sünden, welchen Gott zeitliches Unglück ganz besonders angedroht hat. Dahin gehört die Sonntagsentheiligung durch Arbeit, durch Vernachlässigung des Gottesdienstes, durch Genuß - sucht, durch Sünden aller Art. Denn beherziget nur, was Gott schon durch den Propheten Jeremias (XVII 27) androht: Wenn ihr nicht auf mich höret, daß ihr den Sabbath heiliget, so will ich ein Feuer in Jerusalem anzünden, das die Häuser fressen und nicht löschen soll

Warum nicht die Stadt , sondern die Häuser ? Gott droht zunächst den einzelnen Familien. Wie er nämlich ganze Völker bis zur Vernichtung züchtiget, daß sie den Sabbath wieder halten ein trauriges Beispiel haben wir heute an Frankreich so die einzelnen Familien, bis sie verderben oder zur hl. Familie zurück - kehren.

Da nun fraget euch: Wie steht es mit der Arbeit am Sonntage und mit dem Besuche des Gottesdienstes? Scheint dir etwa Trägheit, Bequemlichkeit, Wirthshaus - und Vereinsleben in der Nacht auf den Sonntag Grund genug, nicht vor dem Altare Gottes zu erscheinen? Wie Viele haben eine gründliche, einschneidende Predigt noth - wendig, bleiben dennoch gleichgültig ferne und versimpeln und versinken so immer trauriger und verhängnißvoller? Wenn ferner die Genußsucht den Sonntag nicht noch weit mehr entheiliget, wem haben wir das zu verdanken? Wahrlich nicht dem guten Willen so vieler, sondern der Verdienstlosigkeit, dem Elende, der Armuth. Und diese müssen noch größer werden, bis manche Familien den301 Weg zur hl. Familie wiederfinden. Denn so lange bei dieser Verdienstlosigkeit, bei diesen Aussichten in die Zu - kunft der Sonntag Vielen nur der Genußsucht zu dienen hat, was würde geschehen, wenn die Noth weniger drückend, die Zukunft nicht so düster wäre?

Anstatt deshalb zu klagen und zu murren über schlimme Zeiten, fragen wir uns ernstlich: Sind wir nicht selbst daran schuld? Waren nicht gewinnreiche Beschäftigungen nur zu oft Gelegenheit zur Jugend - verführung, zu traurigen Bekanntschaften und Ehen, zum Ehebruch, zu Ausschreitungen aller Art? Es gibt eine Nemesis, sagten die alten Heiden, im Lichte der Vernunft, d. h. christlich gesprochen: Gott entfaltet die Strenge seiner Gerechtigkeit schon auf dieser Welt, um verlorene Söhne und Familien wieder heimwärts zu führen und die Auserwählten vor Verführung zu bewähren. Zu diesem Zwecke braucht er nicht Wunder zu wirken, sondern ein hochmüthiges Geschlecht nur sich selbst zu überlassen. Daher gilt wie im Leben des einzelnen, so im Leben der Familie und der Völker das bekannte Sprüchwort: Womit man sündiget, damit wird man bestraft.

Wohl spötteln gar Viele über diese Wahrheiten, aber desto nothwendiger ist es geworden, dieselben eindring - licher zu verkünden, daß sie nicht allgemein vergessen und damit die Schleußen des Verderbens nicht breiter geöffnet werden.

Fraget daher bei jedem Familienunglück; Sind wir nicht selbst daran schuld? Riefen nicht unsere Sünden dem Zorne Gottes? Wie lebten wir vor der Ehe? Versündigten wir uns nicht schwer gegen die Eltern? Wie leben wir in der Ehe? Wie heiligen wir die Tage des Herrn? Tragen wir durch unsere Sorglosigkeit nicht die Hauptschuld an der Sünde und Schande der Söhne302 und Töchter? Halten wir dir eheliche Treue? Besitzen wir kein ungerechtes Gut? Haben wir nie Arbeiter und Dienstboten hart behandelt, ihnen den Lohn herabgedrückt? So und ähnlich fraget euch: aber machet einander keine Vorwürfe, wenn ihr euch schuldig findet, sondern kehret in Reue und Buße zur hl. Familie zurück, reumüthig und demüthig und Gott wird euch gnädig und barmherzig sein. Findet ihr euch aber unschuldig, so vergesset nicht das Wort: Mußte nicht Christus das leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen? Mußte nicht die hl. Familie das leiden und so in ihre Herrlichkeit eingehen?

Darum, mein göttlicher Heiland, durch die Fürbitte von Maria und Joseph erhalte doch alle wahrhaft christ - lichen Familien in deiner Gnade, daß sie durch Geduld in Leiden deiner Familie immer ähnlicher werden. O mein Jesu, laß doch dein Leiden und Sterben an schlechten Familien nicht verloren gehen, sondern durch die Fürbitte von Maria und Joseph leite sie im Unglücke derart, daß sie deine hl. Familie wiederfinden. Jesus, Maria und Joseph seid doch mit uns Allen, daß wir Alle in den Leiden dieser Welt würdige Früchte der Buße bringen, uns Verdienste für den Himmel sammeln und so würdig werden, in euerer Gesellschaft ewig glückselig zu sein.

XXXII. Erziehung und Familienfreuden.

Die Freude hat für das Glück der Familie und für die Erziehung eine ganz außerordentliche Bedeutung. Des - wegen will ich über diesen Gegenstand etwas sagen und zwar an der Hand des hl. Paulus, der also mahnt:303 Freuet euch allezeit im Herrn und euere Bescheidenheit sei allen Menschen offenbar. (Phil. IV. 5). In diesen Worten ist so ziemlich alles enthalten nämlich, daß man 1. sich freuen darf und soll, 2. aber auch die Art und Weise dieser Freude.

Was ist denn Freude? Denn um etwas zu verstehen, müssen wir klare und bestimmte Begriffe davon haben. Was ist also Freude? Der Jubel der Seele über ein gegenwärtiges Gut, das sie besitzt und genießt. So er - klärten schon die Philosophen Griechenlands und nach ihnen der Engel der Schule die Freude. So jubelten Zacharias und Elisabeth über den Besitz des vom Engel verheißenen Wunderknaben und über die wiedererlangte Sprache. Aus diesem Begriff der Freuden ist klar, daß sie ganz besonders Eigenthum der Kinder und der Jugend ist. Denn die schweren Sorgen des Lebens und das Un - glück der Sünde ist diesen in der Regel noch fremd.

Aber freut sich denn die Jugend nicht gar oft an traurigen Ausschweifungen? Ich kann diese Freude nur mit dem Jubel jenes Bettlers vergleichen, der im Irrsinn an seiner vermeintlichen Königswürde sich freut. So ist auch der Sünder, ob jung oder alt, nur um so trauriger bestellt, je mehr er sich in seinen Ausschweifungen belustiget. Ja belustiget. Denn ich will das edle Wort sich freuen nicht mißbrauchet, wo das Wort sich belustigen um so besser paßt, als es mit Lust verwandt ist und die Sünder selbst sagen es war lustig und manche ihre Sünde mit dem Ausdrucke entschuldigen ich bin eben lustig.

So geb 'ich dem griechischen Weltweisen Demokrit Recht, wenn er sagt: Wenn das Herz der Kleinen 100 Thore hätte wie Theben, so lasset die Freude herein zu allen 100 Thoren, damit sie aus dem Garten der Jugend recht viel Gutes mit sich nehmen in das Ackerfeld männ - licher Thätigkeit und damit, wenn die Haare sich dunkler304 färben, nicht auch der heiterer Sinn sich trübe und schwärze. Nach diesem Grundsatze dürfen wir um so ge - troster handeln, als auch der hl. Geist denselben lehrt mit den Worten: Freue dich in deiner Jugend, und wohl - gemuth sei dein Herz in deinen jungen Tagen, denn die Freude im Herrn ist ja unsere Stärke und die Heiterkeit des Herzens ein unerschöpflicher Schatz der Heiligkeit (Ecc. XI. 95). In diesem Punkte sind wir wohl alle einig, aber sobald wir auf die Art und Weise der Freude kommen, beginnen auch die Schwierigkeiten.

Die Grundregeln giebt uns der hl. Geist in den Worten: Euere Bescheidenheit sei allen Menschen offen - bar. Er fordert zur Freude auf, knüpfte aber daran die Bedingungen der Bescheidenheit. Worin besteht diese? Nach dem hl. Thomas und den alten Philosophen darin, daß wir in allem das richtige Maaß halten, wie es Sitte und Gewohnheit und die Würde des Menschen, wie es das Gesetz Gottes und unsere Verhältnisse verlangen. (I. II. III. q. 160).

Daher habet ihr vor allem zu sorgen, daß die Freuden auf kluge Weise beschränkt werden und besonders die Kinder an Kleinigkeiten sich freuen Denn je beschei - dener das Freudenmaß desto glücklicher und froher die Kinderwelt und die Jugend. Um aber von diesen allge - meinen Grundsätzen mehr zum einzelnen herabzusteigen, muß ich vor allem folgendes bemerken. Lasset Kinder nie an Freuden theilnehmen, welche nur Erwachsenen zu - kommen. Dahin gehören[ größere] Reisen und Ausflüge, der Besuch weltlicher Feste, welche nicht gerade am Wohn - orte abgehalten werden, dahin gehören Tanz, Hochzeits - feste, Theater, im allgemeinen der Besuch der Wirths - häuser. Warum? Wenn nämlich die Kinder schon die Freuden der Erwachsenen genießen; welche Ansprüche werden sie im reiferen Alter machen? Ich rede da gar305 nicht von Reden, welche oft Sitte und Anstand verletzen, von Handlungen, welche für Kinder Aergernisse sind, von Kleidungen, welche die Kinder reizen, sondern nur von der Sinnlichkeit, welche über die Reife des Alters gepflegt und aufgeregt wird; von der Einfalt, die verloren geht, von der Sittsamkeit, die verletzt wird. Solche Freuden sind für Knaben verderblich, für Mädchen geradezu ver - hängnißvoll.

Machet also den Kindern Freude, aber wie es ihrem Alter ziemt, machet ihnen Freude aber nur im Hause, nur in der Familie. Das ist die goldene Regel, alles andere nur eine äußerst seltene und nothwendige Ausnahme wenn es überhaupt eine Ausnahme geben darf. Man klagt so viel über Abnahme des Familiensinnes, über die Auflösung der Familie, über das Verschwinden der Haus - freuden. Wie weit dies Uebel um sich gegriffen krebs - artig, wollen wir nicht untersuchen, aber nach den Ursachen und den Heilmitteln dieser Krankheit forschen.

Sorget also vor allem, daß euere Kinder von zarter Kindheit an die Familie lieb gewinnen. Da nun kommen jene Lehren in Anwendung, welche ich seiner Zeit bei der Behandlung der Liebe in der Erziehung entwickelt habe. Ihr müßt euere Kinder wahrhaft lieben, damit sie euch lieben: ihr müsset ihnen die Familie angenehm machen, damit sie dieselbe lieb gewinnen; ihr sollet die Geschwister - liebe pflegen, damit die Kinder miteinander sich freuen. So werden sie im Vaterhaus ihre Freude finden und damit zufrieden sein.

Aber christliche Eltern, ihr sollet auch mit dem Bei - spiele vorausgehen. Hiemit komme ich auf einen Punkt, welcher das Nachdenken aller ernsten um das Familien - wohl besorgter Männer verdient. Wenn der hl. Paulus nicht sagte, man habe die Wahrheit, auch wenn sie unge - legen komme, dennoch zu vekündern, so würde ich schweigen. 306Denn was ich zu sagen habe, wird wohl nicht allen ge - nehm sein.

Was denn? Wohl ist der Vater hie und da ge - zwungen, eine Freude außerhalb der Familie zu genießen; aber das wird auch nicht schaden. Aber wenn er glaubt, er müsse täglich im Wirthshaus sitzen, oder es sei nicht Sonntag, wenn er nicht spät heimkommt, oder ohne ihn könne kein Fest gehalten werden; wenn vielleicht die Frau auch alles mitmacht, ihre Freuden außer dem Hause sucht, die Kinder Tag und Nacht der Magd überläßt und dabei vielleicht Mitglied des Müttervereins ist wundert ihr euch, wenn die Kinder von Familienfreuden keine Ahnung haben? Aber noch mehr. Es giebt viele gute Vereine, deren Zweck an und für sich sehr zu loben; aber vergesset nicht, auch die besten Vereine sind in der Regel eine Gefahr für die Familie. Von den schlechten rede ich nicht einmal, auch nicht von jenen, welche ihre Versamm - lungen in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag halten also nur eines. Diese Vereine haben im Winter etwa eine Abend - oder besser Nachtunterhaltung im Sommer ihre Ausflüge; dazu werden die Ehren - mitglieder mit ihren Angehörigen eingeladen. Der Vater geht, nimmt seine Frau oder größern Söhne und Töchter mit sich oder diese alle und läßt die Kleinern zu Hause und weil er Ehrenmitglied von verschiedenen Vereinen ist muß er eben um Niemanden zu beleidigen, oft gehen; dann wird zu Hause erzählt, wie schön, wie unterhaltend es war: Und dann, und dann wundert man sich noch, wenn schon die Kleinen die Freuden überall suchen, und wenn der reifen Jugend das Vater - haus wie zum Kerker geworden!

Oder willst du sagen, bei dieser Zeitströmung sei das nicht zu ändern? Aber sind wir denn verurtheilt, an der Auflösung der Familie mit eigener Hand zu arbeiten! 307Unter dem Scheine des Guten Unheil zu stiften? Das wäre ja eine Lästerung auf die Vorsehung. Also muß sich das ändern lassen; aber nicht nur viel Männermuth, sondern auch viel Gnade von oben ist dazu nothwendig. Doch genug hievon, um noch andere wichtige Punkte zu berühren.

Wie viele Anlässe habet ihr, um den Kindern in euerm Hause besondere Freuden zu bereiten? Es ist Namenstag von Vater oder Mutter. Feiert denselben in der Familie; es kommt das Fest des hl. Nikolaus; lasset ihn euern Kindern Geschenke bringen: oder wo diese Sitte voll Poesie verschwunden, so feiert Weihnachten mit dem Christbaum aber in der Familie. Wie sehr ich da überhaupt eine zeitgemäße Wahrheit behandle, bezeugen die protestantischen Stimmen aus Basel, welche den ge - meinsamen Weihnachtsbaum der armen Kinder verwerfen und verlangen, daß man die Gaben deren Eltern gebe für eine Familienfreude, für ein Familienfest. Es giebt gewisse Gefahren, ich möchte sagen wie Schlangen unter Blumen, welche vorurtheilsfreie Männer aller Reli - gionen wie heransfühlen, und auch den Muth haben zu verkünden, obwohl sie für den Augenblick vielleicht nur ein mitleidvolles Lächeln als Anerkennung finden. Was liegt daran? Mit der Zeit siegt doch die Wahrheit; aber vorher kann, leider Gott, noch vieles zu Grunde gehen. Also freuet euch in der Familie mit einander. Sind die Kleinen damit nicht zufrieden, so ist es schon gefehlt, murren die Größern, so sind sie schon verdorben, oder in[ äußerster] Gefahr, es zu werden. Wenn ihr daher euern Kindern eine Freude versprechet, so sei es regelmäßig eine Familienfreude, wo alle beieinander sind, sei es im Hause oder in Gottes freier Natur.

Damit aber euere Bescheidenheit allen Menschen offenbar werde, sind noch verschiedene Umstände zu berück -308 sichtigen. Dahin gehören die Vermögensverhältnisse. Seid ihr arm, freuet euch wie es sich Armen ziemt: habet ihr einige Franken, so gehören sie nicht der Freude, sondern den nothwendigen Bedürfnissen, habet ihr Vermögen, sollen eure Kinder das Elend der Armen nicht vergessen, sind Mißjahre und verdienstarme Zeiten, so gestattet den Kindern weniger Freude. Warum? Denn Gott selbst schränkt ja die Freude ein. Die ganze Kunst aber zu leben und zu erziehen besteht darin, daß wir die Absicht Gottes verstehen und darnach handeln.

Endlich dürfet ihr auch die jeweilige Lage der Kirche nicht vergessen: sie bildet ja mit dem hl. Vater an der Spitze die große Volksfamilie Gottes. Mit dem kranken Familienvater trauert die ganze Familie; ist ein Kind unglücklich, trauern die Geschwister mit ihm. In dieser Beziehung christliche Eltern, wirket auf eure Kinder durch Wort und Beispiel. Durch euer Beispiel, indem ihr in dieser Zeit ernster seid und euch diese und jene Freude versaget; durch euer Wort, indem ihr euern Kindern von der unglücklichen Lage des hl. Vaters, von der Ver - folgung der Kirche, vom Elend der Heidenkinder erzählet und sie auffordert, einer Freude zu entsagen, um dort zu helfen, wo die Noth am größten.

Aber die Kleinen verstehen das nicht? Freilich, eben so gut wie Pius IX. als kleines Kind es verstand, als Pius VI. im Kerker war. Es ist nur eine Mutter noth - wendig wie er eine hatte. Aber das paßt nicht für die Kleinen? Wir wollen ihren Frohsinn nicht stören? Aber wenn 6 8 jährige Kinder beim Unglück ihrer Eltern wie bei deren Glücke jubeln, werdet ihr das in Ordnung finden?

Da nun wende ich mich besonders an euch christliche Jünglinge und Jungfrauen. Auch ihr sollet euch freuen; aber auch euere Bescheidenheit sei offenbar allen Menschen und zwar nicht jene Bescheidenheit, welche fruchtbare Jahre309 und das Glück der Kirche erlaubt, sondern jene Beschei - denheit, welche die ärmliche Lage und die Trauer der Kirche verlangt. Denn ihr seid Kinder der Braut Christi, jener Mutter, welche heute nicht für die Ruhe ihres Da - seins, sondern gleichsam für die Erhaltung ihres Lebens zu kämpfen hat. Freilich müsset ihr kein Trauergewand bereit halten, um ihre Leiche zum Friedhof zu begleiten; denn in der Würde ihres Alters und in der Kraft ihrer Jugend überlebt sie die Stürme der Jahrtausende; aber frohlocken dürfet ihr auch nicht, wenn sie weint, nicht jubeln, wenn sie trauert, noch viel weniger lustig sein, wenn sie aus 1000 Wunden blutet. Wenn in dieser Beziehung vielleicht manches zu wünschen übrig bleibt, so trägt daran eine große Schuld, ich weiß nicht ob eine gewisse Furcht oder Klugheit oder Berechnung oder Unwissenheit, in Folge deren die wahre Lage des hl. Vaters, die bodenlose Ver - worfenheit der italienischen Revolution bei uns in Wort und Schrift ziemlich armselig oder auch gar nicht behandelt wird.

Doch sei dem wie wolle, christliche Jugend, für die Freude bist du geboren, aber beherzige in welcher Zeit. An Moses habet ihr ein Beispiel (Heb. XI. 24 28). Moses von seiner Mutter am Ufer des Nils ausgesetzt, von der Königstochter aufgefunden, wurde nicht nach dem Befehl des Königs getödtet, sondern am Hofe auferzogen. Als er groß geworden, verneinte er im Glauben, daß er der Sohn der Tochter des Pharao sei und wollte lieber mit dem Volke Gottes Drangsal leiden als zeitliche Freuden der Sünde haben; für größern Reichthum als die Schätze Aegyptens hielt er die Schmach Christi; denn er sah auf die Schmach Christi. Wenn auch diese Worte des hl. Paulus für unsere Zeit eine vielseitige Bedeutung haben, so will ich sie doch nur aus unsern Gegenstand be - ziehen. Moses am Hof des Königs, das Volk in Knecht -310 schaft, er in Freuden, seine Brüder in Elend. Weil er an Gott und dessen Verheißungen glaubt, bekennt er offen, daß er kein Sohn der Tochter Pharaos, sondern des vom König so hartbedrängten Volkes sei. Mit diesem Volke will er lieber leiden, als bei dessen Feinden sich freuen. Die Schmach Christi war ihm ein größerer Reichthum als alle Schätze Aegyptens. Wer war dieser Christus? Das Volk Israel als Vorbild Christi, der auch einige Zeit verbannt in Aegypten lebte.

Wir nun haben nicht das Vorbild Christi, sondern die Braut Christi und diese unsere Mutter weint in Aegypten bedruckt und geknechtet und geschlagen, ihr Pharao ist die Revolution. Wohlan christliche Jugend, rührt dich nicht Moses 'Beispiel? Willst du nicht wenigstens die Freuden der Sünden meiden? Während deine Mutter um dein Gebet bittet, kannst du durch deine Belustigungen dem Zorn Gottes rufen? Während Jesus Christus in der Person seines Statthalters, beraubt und ausgeplündert und verhöhnt, dich um ein Almosen bittet, kannst du dein Geld an die traurigen Freuden der Eitelkeit und der Ausschweifungen, an Mitgenossen der Sünde werfen? Oder im Vorbeigehen gesagt bezahlst du mit teurem Gelde eine Zeitung, welche im Chor der Revolution gegen die Braut Christi bald fein, bald grob mitlästert? Oder hilfst du einem solchen Reformblatt sonst auf eine Weise? Mir kommt es vor, als gehe klare tiefe Einsicht und männliche Thatkraft und grundsätzliche Entschiedenheit immer mehr verloren. Doch ich will bei der Sache bleiben.

Also christliche Jugend, deine Freude sei jetzt mit der Kirche, deiner Mutter zu trauern, wie Moses mit seinem Volke duldete. Versparet euern Jubel auf jenen Tag, wo die Braut Christi aus Aegypten zieht und dem Statthalter Christi die Ketten fallen, und Pharao mit seiner Reiterei im roten Meere versinkt wie ein Felsblock.

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Euere Bescheidenheit sei allen Menschen offenbar. Denn betrachtet nur noch, was der hl. Geist schon im alten Bunde lehrt: Freue dich Jüngling in deiner Jugend und laße dein Herz guter Dinge sein; aber wisse, daß Gott dich über all' das vor sein Gericht ziehen wird. (Prediger XI. 9) Wenn ihr euch freuet über das Böse und über die ärgsten Dinge frohlockt (prov. II. ) wird Gott in den Städten Judas und in den Straßen Jeru - salems die Stimme der Freude und des Jubels ver - stummen machen.

Also guter Dinge sein, sich freuen in den Tagen der Kindheit! Verschaffet euern Kindern diese Freuden in euerer Familie, aber wie es euere Verhältnisse[ erstatten] und die Lage der Kirche erlaubt. Saget ihnen, Gott werde sie einst über all' das vor sein Gericht ziehen.

Also Freude guter Dinge sein christliche Jugend aber nicht vergessen, es kommt auch hierüber das Gericht. Also Freude aber nie über das Böse, nie über die ärgsten Dinge, sonst kommt nicht bloß das schreckliche Gericht nach dem Tode, sondern Gott wird jetzt schon die Stimme des Jubels verstummen machen in den Städten Judas, in den Straßen Jerusalems. Wie oft erlebten wir das schon, wenn nicht in eigener Person doch im Jammer der Mitmenschen? Wenn so ein Krieg irgendwo ausbrach, wo Väter und Söhne unter einem Thränenstrom von Gattin und Mutter und Schwester und Braut sich trennten, Dörfer und Städte trauerten und weinten und mit Todesangst von Schlachten hörten, ungewiß über das Los der Ihrigen und erst das Land, wo die Heeresmassen mit Kanonendonner sich be - grüßten, und auf den Schlachtfeldern bei 30, 40 und noch mehr Tausenden von Toten und Verwundeten herum - lagen; verwüstet die Fluren, in Flammen die Dörfer, auf der Flucht die Familien, Städte ringsum eingeschlossen,312 mitten im Kugelregen, von Brandsäulen bedroht oder wenn die Cholera da und dort mit allen Schrecken der Verwüstung einzog! Ich will verstummen machen die Stimme der Freude in den Städten Judas und in den Straßen Jerusalems.

Und im Privatleben? wie manche erfahren das Ge - richt Gottes? Vielleicht hören mich solche, welche in ihrer Jugend am Bösen sich freuten, über die ärgsten Dinge frohlockten jetzt leben sie vielleicht in unglück - licher Ehe, in Streit und Zank in Armuth und Elend oder schleppen ihre Tage in Armuth und Krankheit und Siechthum dahin.

Deßhalb rufe ich euch zu: Freuet euch im Herrn allezeit und euere Bescheidenheit sei allen Menschen offen - bar; so wird der Friede Gottes, der allen Begriff über - steigt, euere Herzen beschirmen und euern Sinn in Christo Jesu.

XXXIII. Geschwisterliebe

Da tausenderlei Uebelstände an der Auflösung der Familie arbeiten, ist es nothwendig, auf all' das hinzu - weisen, was Gott zu deren Rettung und Erhaltung so väterlich bestimmt hat. Hiezu gehören die Kinder, welche als Brüder und Schwester friedlich zusammen wohnen und einander Ehrfurcht und Liebe schuldig sind. Von dieser gegenseitigen Ehrfurcht und Liebe der Ge - schwister will ich heute einiges sagen und ihr möget selbst urtheilen, welche Bedeutung das für eine Familie hat.

Was nun zuerst die Ehrfurcht betrifft, so lehrt schon jener große hl. Thomas von Aquin (II. II. q. 154 art. 9)313 daß die Verwandten überhaupt einander Ehrfurcht schuldig sind. Je näher die Verwandtschaft, desto größer soll die Ehrfurcht sein. Welch 'heilige Scheu sollen daher Geschwister vor einander haben? Denn ihr seid Ebenbilder und Kinder Gottes und dazu noch sozusagen das gleiche Fleisch und Blut. Was verlangt diese Ehr - furcht? Meidet alles, was die hl. Scheu irgendwie ver - letzen könnte. Freilich haben in den Tagen der Schmerzen Geschwister einander zu verpflegen; aber in den Tagen der Gesundheit sollet ihr in hl. Scheu alles Unanständige vor einander meiden, daß euer Wort, euere Kleidung, euer Blick, euere Handlungen bescheiden und sittsam seien.

Damit aber die Kinder in dieser Ehrfurcht aufwachsen, sorget auch ihr dafür, christliche Eltern. Wie sind die Kleineren gekleidet, wenn sie am Morgen in die Stube kommen? Wie werden sie am Abend zu Bette gebracht? Wer schläft in der gleichen Kammer oder im gleichen Bette? Vergesset ja nicht, die Sorglosigkeit der Eltern ist häufiger als man glaubt die Ursache des sittlichen Unglückes der Kinder.

Aber, denkst du, was liegt daran, wenn wir zu Hause in diesem Punkte nicht so ängstlich sind? Was daran liegt? Die gegenseitige Ehrfurcht wird verletzt. Was daran liegt? Bald wird aus dem Familienkreise die Scham verloren gehen. Wenn ihr aber in dieser Ehr - furcht vor einander aufwachset und mit einander lebet, wird das Schamgefühl so zart gebildet, daß ihr auch vor Anderen nie etwas Unanständiges zulasset und bei allen Versuchungen wieder rein in die Familie zurückkehrt, um in der gegenseitigen Ehrfurcht wieder neue Kraft für neue Kämpfe zu finden.

Aber, denket ihr vielleicht, in welcher Verbindung steht denn diese Ehrfurcht mit der gegenseitigen Sittsam - keit? Schon jener große Kirchenlehrer, der hl. Thomas314 hat uns die Antwort auf diese Frage gegeben. Die Un - zucht, sagt er, ist unter Verwandten eine viel größere Sünde als zwischen Nichtverwandten. Warum? Der natürlichen Ehrfurcht wegen, die sie sich gegenseitig schuldig sind. Wenn aber die schuldige Ehrfurcht gerade diese Sünde besonders verabscheut und flieht, so verlangt sie von der andern Seite nothwendig die Verklärung zarter Scham und Sittsamkeit. So war es, wie Valerius Maxi - mus berichtet (II. II. q. 154 art. 9) bei den alten Heiden nicht gestattet, daß Vater und Sohn miteinander baden. Also regt sich auch in einem verkommenen Geschlechte immer noch der Adel der Natur, und was Gotteshand in das Menschenherz geschrieben, kann nie vollkommen von der Leidenschaft ausgewischt werden. Denn wie nur der Tote nicht mehr athmet, so hat auch nur der Ver - dammte keine edle Regung mehr.

Die hl. Schrift erzählt auf ihren ersten Blättern ein eigenthümliches Beispiel (Gen. c. IX. 21 sq). Als Noe von der ihm noch unbekannten Kraft des Weines übermannt in seiner Hütte emblößt lag, sah ihn sein Sohn Cham und er vergaß so sehr der schuldigen Ehrfurcht, daß er ihn nicht bloß nicht zudeckte, sondern die Sache seinen Brüdern meldete. Diese voll zarter Ehrsucht legten einen Mantel auf ihre Schultern, gingen rücklings hin, und deckten ihren Vater zu. Als dieser vom Weine erwachte, und das Geschehene vernahm, sprach er empört den Fluch über Cham und den Segen über Sem und Japhet. Wohl handelt es sich hier zunächst um die Ehrfurcht der Kinder vor den Eltern; aber bemerkt der hl. Thomas (ib.) die gleiche Ehrfurcht schulden wir jenen, welche von den gleichen Eltern ihren nahen Ursprung haben. Also ist das vor allem die heiligste Pflicht der Geschwister.

Deßhalb, christliche Eltern, gebet wohl acht, was ihr vor euern Kindern thut und redet, und ihr, die ihr Ge -315 schwister seid, vergesset nie, was ihr den Kleinen und euch selbst schuldig seid. Doch diese Andeutungen sollen genügen, daß ihr die tiefe Bedeutung dieses Gegenstandes recht versteht, und selbst mancherlei Schlüsse und Folge - rungen daraus ziehet. Denn nur dann, wenn ihr nicht bloß zuhöret, sondern den Gedankengang verfolget, die Wahrheiten betrachtet, daraus Schlüsse zieht, fällt der Same des göttlichen Wortes nicht auf steinichten Grund, sondern in tiefe gute Erde, um hundertfältige Frucht zu bringen.

Habet also Ehrfurcht vor einander und liebet ein - ander! Liebet einander, Brüder, Schwestern, liebet einander! Wer ruft euch derart zu? Allerdings auch Gott durch seinen Gesalbten Jesus Christus; aber auch euere Natur und alle Gefühle des Herzens rufen wie mit lauter Stimme: Liebet einander, und liebet einander zärtlicher, inniger als andere Menschen. Denn durch die gemein - same Abstammung seid ihr aufs innigste miteinander ver - bunden, verknüpft, gleichsam verwachsen. So ist denn wie der hl. Thomas bemerkt (ib. ari. 8) diese Liebe fester und beständiger, als jede andere Nächstenliebe, weil sie n der Natur selbst ihren Ursprung und ihre Wurzeln hat.

Daß nun diese Liebe Gott sehr angenehm sei, muß ich nicht einmal andeuten. Oder warum weilte Christus so gerne in Bethanien bei Lazarus, Maria und Martha? Er wollte die Geschwisterliebe durch seine Gegenwart heiligen und will in jedem Hause wohnen, wo Geschwister gottselig leben und gegenseitig sich aufrichtig lieben. So ist es denn überaus gut und lieblich, wenn Brüder in Liebe zusammenwohnen. Denn wo Christus mit Ge - schwistern unter einem Dache wohnt, da ist wohl im Ueberflusse der Segen des Vaters und der Friede und die Freude des hl. Geistes. Denn gehen wir tiefer in das Geheimniß der Geschwisterliebe ein. Sie ist näm -316 lich kein leeres Gefühl, sondern ein beständiges, that - kräftiges Opferleben. Denn die wahre Liebe will ja den Geliebten nur Gutes thun.

Also werdet ihr in dieser Liebe mit einander und für einander arbeiten, und wenn es sein muß, auch leiden. Mit einander arbeiten zu Hause, in den Fabriken mit einander arbeiten. Der Bruder wird die Schwester bei sich haben, ihre Unschuld zu beschützen; die Schwester wird beim Bruder sein, daß er nicht mit fremden Mäd - chen ausgelassen werde. Saget einmal selbst, wie viel Sünde, wie viel Elend, wie viele unglückliche Ehen, wie viel Schande wäre nur auf diese Weise allüberall unge - zählten Familien erspart geblieben? Gott will also nicht bloß durch seine Gnade, sondern sogar durch die Gewalt der Natur zahllose Jünglinge und Jungfrauen retten; wenn aber diese nicht bloß der Gnade, sondern auch den zartesten Regungen des Herzens widerstehen, so kann wahrhaft nur Ruine auf Ruine sich häufen in der über - natürlichen wie in der natürlichen Ordnung. Denn jede Sünde ist am Ende die Umwälzung in der natürlichen Ordnung und viel jammervoller und tragischer, als der rauchende Trümmerhaufen einer ehemals herrlichen Stadt.

So arbeitet denn mit einander, aber auch für ein - ander. Bleibet bei den Eltern, bis Gott euch in den Ehestand ruft, oder ein Beruf euch vom Vaterhaus trennt. Was ihr durch euere Arbeit verdienet, gehört zunächst den Eltern und durch sie der ganzen Familie und keines lege für die Genußsucht etwas bei Seite.

So findet ihr auch euere Freude und Erholung im Vaterhaus und habet kein Bedürfniß nach Vereinen, wo das Familienleben tödtlich verwundet wird, so werdet ihr auch den Modeteufel ferne halten, der mit seiner Putz - und Gefallsucht so viel Armuth und Zwietracht in die Familien bringt. Kommt dann die Zeit der Theilung,317 so lasset die Liebe theilen, damit ihr vielleicht dem Leibe nach getrennt, doch der Seele nach vereinigt bleibet. Wie viele Greuel der Zwietracht, der Feindschaft, des Hasses, der Ausschweifungen, der Schmach, der Schande blieben der Familie ferne!

So arbeitet denn mit und für einander; freuet euch mit einander im Schoße der Familie. Wenn aber Tage kommen, die euch nicht gefallen, leidet auch mit einander und bringet gegenseitig Opfer, denket an den ägyptischen Joseph, der zur Zeit der Hungersnoth nicht bloß für den Vater sorgte, der ihn zärtlich liebte, sondern auch für seine Brüder, die ihn verkauft hatten. Denket an die jugendliche Schwester des Moses. Als nach dem Befehle Pharaos alle Knäblein der Juden in den Nil sollten ge - worfen werden, verbarg Moses 'Mutter den kleinen drei Monate lang. Aber auf die Länge ging es nicht mehr. Da legte sie das Knäblein in ein Binsenkörblein und setzte es in das Geröhr am Ufer des Flusses. Seine Schwester, eine blühende Tochter, war in der Nähe, den Kleinen womöglich zu retten. Die vielen Wasser der Verfolgung, der Angst, der Gefahr, konnten das Feuer ihrer Liebe nicht auslöschen. Als dann Pharaos Tochter vorbei kam, das Körblein bemerkte, dasselbe holen ließ und darin ein weinendes Kind sah, sprach sie: Das ist eines von den Kindern der Hebräer. Gleich stand bei ihr die Schwester des Kleinen, muthig wie eine Löwin, welche ihre Jungen in Gefahr sieht und sprach zur Königs - tochter: Soll ich ein hebräisches Weib holen, welches den Kleinen aufnimmt und pflegt? Kaum hatte sie das Jawort gehört, war sie schon zu ihrer Mutter geeilt und Moses war durch die Liebe seiner Schwester wieder an der Mutterbrust.

Schon ans dem Bisherigen ist klar, wie viel Böses ihr verhindern, wie viel Gutes ihr befördern könnet,318 wenn ihr scheinbar nur für das zeitliche Wohl der Ge - schwister besorgt seid. Doch dies alles ist nur wie ein kleiner Anfang. Sehet nur. Geschwister sind oft sehr verschiedenen Alters, daß ein Bruder, eine Schwester an den Kleinen gleichsam Vater - oder Mutterstelle vertreten kann. Wenn ihr nun diese Kleinen wahrhaft liebet, so werdet ihr dieselben in der Religion unterrichten, ihnen[ behilflich] sein, daß sie die biblische Geschichte und den Katechismus recht verstehen und lernen. Allerdings ist das zunächst Aufgabe der Eltern; aber wenn ihr in dieser Sache gleichgültig seid, wo ist denn euere Geschwister - liebe? Oder ist das etwa nicht nothwendig? Noch heute erinnere ich mich so gerne an jene schönsten Stunden, wo ich während eines Jahres eine Kinderschaar auf die erste hl. Kommunion vorbereiten konnte. Darunter waren natürlich auch einige schwach an Geist oder an gutem Willen. Was thun? Wenn das Kind ältere Geschwister hatte, ließ ich einen Bruder oder eine Schwester kommen und sagte: Siehe, so steht's mit deinem Bruder, mit deiner Schwester; du mußt dieses Kind so und so nach - nehmen. Sie thaten es mit dem glücklichsten Erfolge.

Wenn aber die Schulen konfessionslos? Oder spielt da nicht alles zusammen, daß die Kinder konfessionslos, d. h. religionslos aufwachsen? Denn wer keine Confession hat, hat auch keine Religion. Oder wie will derjenige Gott verehren, der gar keine Wahrheiten festhält, welche sich auf Gott beziehen? Das ist gerade so unmöglich als eine fremde Sprache reden, von der du kein einziges Wort kennst. Was wird da die Kinder retten? Vielleicht etwas mehr oder weniger Religionslehre in der Schule und in der Kinderkapelle? Ohne die Autorität des Vaters, ohne die Sorge der Mutter, ohne die Geschwister - liebe, welche die Familie in ein Heiligthum verwandeln, werden kaum die Ueberbleibsel gerettet werden. Aber319 was erst, wenn religiöse Gleichgültigkeit und Kälte wie böse Geister auch in der Familie hausen? Oder wenn das Familienleben durch das hundertköpfige Ungeheuer der Genußsucht und durch Ehescheidungen todtgeschlagen wird! Wer Ohren hat zu hören, der höre, wer Augen hat zu sehen, der sehe.

Oder zieht die Verblendung nicht immer weitere Kreise? Oder giebt es nicht abermal tausende, welche wie Schriftgelehrte und Pharisäer die Predigt Christi nicht verstehen wollen? Je weiter aber dies Uebel um sich greifen sollte, desto herrlicher kann sich die Geschwister - liebe entfalten, wenn auch oft wie eine Lilie unter den Dornen. Oder giebt es nicht Familien, wo ein Sohn, wo eine Tochter Irrwege wandelt? Da ist es denn Aufgabe der Geschwister zu bitten; zu mahnen, zu warnen, zu beschwören und zu beten. Denn die Bekehrung ist ein Wunderwerk der göttlichen Gnade, wie die Heilung des Aussätzigen und des kranken Knechtes eine That gött - licher Allmacht.

Um daher das Unglück ferne zu halten, oder wieder abzuwenden, haltet die Hausandachten. Wohl ist das zu - nächst Sache der Eltern; aber die größern Kinder sollen ihnen dabei behülflich sein oder falls die Eltern gleich - gültig sind selbst diese Andacht halten. Eine Schwester soll gleichsam Mutter, und gleichsam Vater ein Bruder sein.

Das ist doppelt nothwendig, wenn der Vater oder die Mutter gestorben. Wenn dann so eine Tochter wie eine Mutter den Vater tröstet und ihre Geschwister besorgt, oder wenn so ein Sohn wie ein Vater an der Seite seiner Mutter und Geschwister steht, wird die Wunde, welche der Tod von Vater und Mutter geschlagen, nicht so stark ge - fühlt, und die Familie wird durch das Band der Geschwister - liebe zusammengehalten. Wo immer so schöne Verhält - nisse, sollte nicht leicht an die Eingehung einer zweiten320 Ehe gedacht werden. Denn von einem zweiten Vater, einer zweiten Mutter kann diese herrliche Harmonie leicht durch schrille Mißtöne gestört werden. Wenn aber ein Sohn oder eine Tochter an die Ehe denkt, und die Eltern schon gestorben sind oder alt und schwach geworden, die Aufsicht nicht mehr führen können, sollen die Geschwister zur Zeit der Bekanntschaft die Schutzengel ihres Bruders oder ihrer Schwester sein, und die künftigen Eheleute nicht allein beieinander lassen.

Das, das ist die wahre Bruderschaft, betet die Kirche in den Tagzeiten hl. Martyrer, welche Geschwister waren, das ist die wahre Bruderschaft und Bruderliebe, welche niemals im Kampfe verletzt werden konnte. Sie ver - gossen ihr Blut und folgten dem Herrn, sie verachteten den Königspalast und gelangten zum himmlischen Reiche Wie gut und lieblich, wenn Brüder einträchtig zusammen - wohnen.

Seid daher Brüder und Schwestern nicht bloß dem Fleische und Blute nach, nicht bloß in dieser natürlichen Liebe und Sorge für das zeitliche Wohl, sondern seid auch Brüder und Schwestern der Gnade nach, in der Hoffnung auf das ewige Leben; seid Brüder und Schwe - stern im Kampfe gegen die Versuchungen, gegen die Aergernisse, gegen die Verführer, daß ja keines auf Ab - wege sich verirre, sondern ihr Alle in Liebe und Ein - tracht den Himmelspfad wandelt. Das ist die wahre Bruderschaft, von Gott selbst am sechsten Tage der Schöpfung gestiftet und von Jesus Christus geadelt und geheiliget im Hause des Lazarus; ihre Satzungen sind von Gotteshand in die Herzen der Geschwister unverwüst - lich hineingeschrieben; deshalb hat sie auch die Stürme von sechs Jahrtausenden überlebt, unzerstörbar ein Werk göttlicher Allmacht und Menschenfreundlichkeit. Das ist die wahre Bruderschaft, von der alle andern ihren Namen321 erhalten. Wer daher immer die Pflichten dieser ersten Bruderschaft nicht erfüllt, wer in derselben sich nicht heimisch fühlt und seine Freuden anderswo sucht, der wird auch keiner andern Bruderschaft Ehre machen.

Oder wollet ihr etwa sagen, in dieser Bruderschaft werde doch das Leben für junge Leute langweilig. Aber seit wann sind wir denn der Kurzweil wegen auf der Welt seit wann? Langweilig? Und doch sagt der hl. Geist: Wie gut und lieblich, wenn Brüder zusammen - wohnen. Langweilig? Ja, für die Leidenschaft, welche die Marksteine der Nüchternheit, der Bescheidenheit, der Sittsamkeit umstürzt, aber niemals für eine edle Seele, deren Bescheidenheit in der Freude Gott und den Men - schen offenbar. Langweilig? Aber wer sagt denn, daß den Geschwistern Unterhaltung und Spiel und Spazier - gang verboten sei? Machet euch nur diese wahre Bruderschaft in gegenseitiger Ehrfurcht und Liebe so an - genehm als möglich, und es wird euch nirgends wohl sein als in der Familie.

Oder ist diese Wahrheit für unsere Zeit zu strenge, zu extrem; sollte man etwa so eine Art Mittelantrag, eine Versöhnung versuchen? Leidenschaft und Feigheit stellen so Mittelanträge, um der Herrschaft der Wahr - heit wenigstens theilweise sich zu entziehen; die Wahrheit aber kann dieselben niemals annehmen. Denn die Halb - Wahrheiten, der Halb-Glaube, die Halb-Großmuth sind Ballast mittelmäßiger Seelen, welche dasjenige Mäßigung nennen, was nur Feigheit und Ohnmacht ist. Denn man hat am Ende eben nicht den Muth, vor dem schmutzigen Götzen, der sogenannten öffentlichen Meinung, vorbeizu - gehen wie Tell vor Geßlers Hut und einer bösen Nei - gung alles rundweg abzuschlagen.

Gerne gebe ich zu, daß die Heilighaltung dieser ersten wahren Bruderschaft dem sinnlichen Menschen viele322 Opfer auferlegt, besonders heute, wo die Meisten ihr Heim außer die Familie verlegen und überall Freude suchen, nur nicht am häuslichen Herde, heute, wo deshalb die Gewalt der bösen Beispiele außerordentlich stark geworden, das Alles gebe ich zu und muß es leider Gott zugeben aber folgt daraus, daß wir von der allgemeinen Strö - mung uns sollen fortreißen lassen? Wenn in der Stadt viel hundert Häuser brennen, zündest du das deinige auch an oder suchst du es zu retten? Nur in stetem Kampfe gegen die Leidenschaften, gegen die Aergernisse können wir den Himmel erobern; denn dieser leidet nach Christi Ausspruch Gewalt.

Was wird also die Familie durch die gegenseitige Ehrfurcht und Liebe der Geschwister? Eine Feste auf hohem Felsen wo jeder feindliche Angriff abprallt. Ein zweites Eden wohin die Schlange des christusfeindlichen Zeitgeistes nicht schleichen kann. Denn diese wahre Bruder - schaft hat in der Ehrfurcht und Liebe der Geschwister weder Gewalt noch List zu befürchten.

Mögen doch diese Wahrheiten etwas beitragen, daß unter dem Walten der hl. Familienengel diese wahre Bruderschaft, wo sie noch besteht, erhalten bleibe, wo sie in Gefahr, wieder gesichert wo sie verschwunden, wieder eingeführt werde. So werden dann die Geschwister in gegenseitiger Ehrfurcht und Liebe mit und für einander den guten Kampf kämpfen und nach Verachtung dieser Welt das himmlische Reich erlangen.

XXXIV. Stand und Beruf.

Wie der Hausvater Arbeiter in seinen Weinberg zur Arbeit einladet, ihnen Lohn verspricht und am Abende323 ausbezahlt, so ladet der himmlische Vater alle Menschen ein, ihm zu dienen, um am Abende dieses Leben das Himmelreich als Lohn zu erhalten. Wenn nun auch Alle Gott dienen sollen, so doch nicht Alle auf dieselbe Art und Weise; denn Gott beruft den Einen zu diesem, den Andern zu jenem Stande. Wenn der Knabe zum Jüngling, das Mädchen zur Jungfrau herangewachsen so ergeht an sie der Ruf Gottes: Tritt in diesen Stand, erfülle dessen Pflichten nach meinen Geboten und ich will dir geben, was billig ist. So können Geschwister nicht immer im Vaterhaus bleiben; welche aber der Raum trennt, soll die Liebe vereinen.

Ihr wisset nun selbst, mit welchem Leichtsinne so viele in Sachen der Standeswahl oft vorangehen und so ihr zeitliches und ewiges Heil auf's Spiel setzen. Daher will ich einmal über Stand und Beruf, über die Standeswahl und deren Wichtigkeit, über die Art und Weise, eine richtige Standeswahl zu treffen, die noth - wendigsten Wahrheiten entwickeln. Heute beantworte ich folgende Fragen: Was versteht man unter Stand, was unter Beruf, welche Wichtigkeit hat die Standeswahl?

Was versteht man also unter Stand? Stand be - zeichnet, wie schon das Wort andeutet, ein stehendes, dauerndes Verhältniß, in welchem der einzelne Mensch der Gesellschaft gegenüber sich befindet. Die Standeswahl setzt den jungen Menschen wie einen jungen Baum in ein bestimmtes Erdreich, damit er dort bleibe und Früchte trage für diese Welt und die Ewigkeit. Allerdings ist der Mensch nicht wie der Baum an eine bestimmte Stelle gebunden, sondern er darf in manchen Fällen seinen Stand ganz ändern, obwohl dies selten zu seinem Heile gereicht. Indessen gibt es auch Stände, wo gar keine Aenderung möglich ist. So bleiben die Eheleute im Ehe - stande, bis Gott der Herr das Eine oder Andere ab -324 beruft. Wer in den Priesterstand getreten, kann darin der Schule, den Missionen, der Seelsorge sich weihen aber seinen Stand kann er nicht ändern er bleibt Priester.

Die verschiedenen Stände haben einen bestimmten Kreis von Thätigkeiten und Verpflichtungen. Nehmet z. B. den Bauernstand, welcher die Grundlage aller übrigen Stände bildet und die Kraft eines Volkes aus - macht, was hat er zu thun? Für sich und für alle Andern muß er der Natur Nahrung und Kleidung ab - ringen. So sind den die einzelnen Stände wie die Glieder der Gesellschaft, welche dem Leibe vergleichbar ist. Wie nun der Leib wohl bestellt ist, so lange jedes Glied gesund seinen Verrichtungen nachkommt, aber auch krank wird und hinsiecht, sobald nur ein Glied kränkelt, so ist auch die ganze Gesellschaft wohl bestellt, so lange jeder Stand das ist, was er nach seiner Bestimmung sein soll; sobald aber nur ein Stand seine von Gott be - stimmte Ordnung verletzt, leidet auch das ganze Volk. Wenn daher heute die Gesellschaft einem Leibe mit Brüchen und verrenkten Gliedern vergleichbar ist, so kommt das vom krankhaften Zustande der einzelnen Stände, welche nur mehr genießen, aber nicht mehr arbeiten, nur mehr sich bereichern, aber nicht mehr mit - theilen wollen, welche nur Rechte kennen, aber keine Pflichten. Daher sind denn auch so wenige mit ihrem Stande zufrieden; denn die Begierlichkeit ist eben immer viel größer als der wirkliche Reichthum, als der Genuß und die Ehre des Augenblickes, und nur wenige vielleicht denken in ihrem Stande an den Beruf.

Was ist denn Beruf? Verschiedene Rufe ergehen an uns und zu verschiedenen Zeiten. Es ruft das Ge - wissen und es kann niemals ganz verstummen; dazu ruft Gott oft mächtig in die Seele: Was stehest du müssig325 da? oder warum verweilst du in dieser bösen Gesell - schaft? Warum zauderst du mit deiner Bekehrung? Es ist schon die elfte und letzte Stunde; geh 'auch du in meinen Weinberg und ich will dir geben, was billig ist. Und wenn diese Stimme nicht verstanden wird, so ruft er oft durch allerlei Unglück, durch Krankheiten, durch Armuth, durch Todesfälle, durch die Schande, diese Be - gleiterin der Sünde.

Aber, denket ihr, was hat denn das mit Stand und Beruf gemein? Alles. Denn betrachtet nur die einfachen Worte: Vater unser, der du bist im Himmel. Gott ist unser Vater durch die Erschaffung wie durch seine Vor - sehung, mit welcher er die Einzelnen wie ganze Völker leitet und regiert. Daher schon (Sap. XIV 12): Deine Vorsehung leitet Alles und mit großer Ehrfurcht regierst du uns. Was ist also das ganze Menschengeschlecht? Eine große Familie, deren Hausvater Gott der Herr. Soll aber in einer Familie Ordnung herrschen, muß der Vater jedem Kinde seine Arbeit und Beschäftigung an - weisen. Also wird auch Gott einen jeden Menschen zu einem bestimmten Stande bestimmen und zur rechten Zeit auch berufen. Wir aber müssen diesem Rufe als gute Kinder bereitwillig folgen.

Wie haben wir uns diese Leitung Gottes vorzu - stellen? Er überblickt von Ewigkeit her alle Orte und Zeiten, alle Familien und Völker; die Bedürfnisse und Nöthen aller Zeiten, Krieg und Frieden, Hunger und Ueberfluß; von Ewigkeit her sieht er die Heiden in den Schatten des Todes und der Sünde, die Christen im Lichte des Glaubens und der Tugend oder auch in der Macht der Sünde und des Verderbens; er sieht all die kommenden Geschlechter mit ihren Vätern und Müttern, ihren Söhnen und Töchtern. Was thut er nun? Er bildet den Leib des werdenden Menschen, gibt ihm einen326 Geist mit mannigfachen Anlagen und läßt Leib und Seele nach seinen ewigen Absichten sich entwickeln. Wenn dann der Augenblick gekommen, ergeht an diesen Menschen der Ruf Gottes: Dich hab ich bestimmt, ein frommer Vater zu werden in einer stillen Bauernhütte, dich zu einer armen Mutter mit dem Opfergeiste Jesu Christi: dich hab ich auserwählt, in der Welt jungfräulich zu leben und Vielen Gutes zu thun; du sollst in der stillen Ein - samkeit eines stillen Klosters beten und Buße thun; dich habe ich bestimmt, barmherzige Schwester zu werden, um unter Barbaren ausgesetzte Kinder zu sammeln, dann in Waisenhäusern zu pflegen und in der Schule für das Himmelreich heranzubilden. Dich hab ich zum Priester - thum berufen, daß du in einer einfachen Landgemeinde die guten Leute den Himmelsweg hinaufführest dich hab ich zum großen Feldherrn auserwählt, um den vollen Kelch meines Zornes über sündige Völker auszuschütten; gehet auch ihr in meinen Weinberg und ich will euch geben, was billig ist.

So ergeht der Ruf Gottes an alle Menschen je nach dem Stande, für welchen sie berufen sind; im Lichte der Gnade erkennt der Mensch diesen Ruf. Das ist der Beruf.

Stand und Beruf sind also im Grunde nichts Anderes als die besondere Lebensaufgabe, welche Gott jedem einzelnen Menschen aufgiebt. Den allgemeinen Beruf, Gott zu dienen und zu verherrlichen, haben schon die Kinder, bevor sie nur von Stand und Beruf einen Begriff haben, bevor sie nur an die Standeswahl denken können; dieser allgemeine Beruf wird dann durch die Standeswahl und die damit verbundene Lebensaufgabe nur näher bestimmt und begrenzt. Hieraus folgt aber auch die Wichtigkeit und Bedeutung der Standeswahl für die ganze Ewigkeit.

327

Aber was hat denn die Ewigkeit mit meinem Stand und Beruf zu thun? Ich habe bei meiner Standeswahl einzig darauf zu sehen, wie ich auf dieser Welt am besten durchkomme, ohne viel Arbeit mein Brot verdiene und reich werde, wie ich zu Ehren und Aemtern gelange und das Leben mit all' seinen Freuden vollkommen genieße. So denkt und handelt die Welt und rennt so in das sichere Verderben schon für diese kurze Zeit. Denn be - trachtet nur Stand und Beruf im Lichte der christlichen Lebensweisheit.

Was ist denn unsere Bestimmung? Gott zu dienen und so unsere Seele zu retten und selig zu werden; um Gott zu dienen und selig zu werden, müssen wir die Gebote halten nach dem Worte Christi: Willst du zum Leben eingehen, halte die Gebote. Allerdings sind die Gebote Gottes immer und überall die gleichen; aber deren Beobachtung ist nicht in jedem Stande gleich schwierig: denn nicht jedem Stande legen sie gleich viele und gleich schwierige Verpflichtungen auf.

Nehmet zuerst nur die Vorbereitung zum Stand und Beruf. Sind da überall gleich große Gefahren? Ob dein Sohn und deine Tochter in deinem Hause oder in der großen Welt da draußen sich für die Zukunft vor - bereite ist das gleichgültig? Wenn dein Sohn und deine Tochter mitten unter feinen oder groben Aerger - nissen für ihren Beruf sich einige Armseligkeiten von Bildung und Kenntnissen erwerben, werden sie nicht regel - mäßig um Glaube und Sitte betrogen? Man hat ja Beispiele. Diese unglücklichen Leute mögen noch einen gewissen äußern Anstand meinetwegen feine Manieren besitzen, aber nirgends in der hl. Schrift steht geschrieben, daß Anstand und Manieren hinreichen, um selig zu werden, sondern überall wird der Glaube und die gewissenhafte Beobachtung der Gebote auch des sechsten und siebenten verlangt.

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Was folgt nun hieraus zunächst für euch, christ - liche Eltern? Also dürfet ihr niemals gestatten, daß euere Kinder sich einen Stand erwählen, auf welchen sie sich nicht vorbereiten können, ohne an Glaube und Tugend und Frömmigkeit sichern Schaden zu leiden. Und wenn ihr dies dennoch gestattet oder sie gar dazu anhaltet, so versündiget ihr euch schwer an eueren Kindern, und ihre verlorenen Seelen wird Gott einst von euch zurück - verlangen.

Wenn nun Himmel und Hölle schon so enge mit der Vorbereitung verbunden sind, was sollen wir erst vom eigentlichen Stande und von der Ausübung des Berufes hoffen oder fürchten? Alle Stände sind von Gott angeordnet und in jedem Stande kann man heilig und selig werden; aber dennoch ist nicht jeder Stand für Jeden und nicht Jeder kann in jedem Stande mit gleicher Leichtigkeit sein letztes Ziel erreichen. Wenn du in der Welt unverheirathet und jungfräulich bleiben sollst, wirst du im Ehestande nicht so leicht in den Himmel kommen; wenn du für einen Orden bestimmt bist, so wirst du in der Welt dein Heil nicht so leicht wirken; aber wenn dich Gott in der Welt haben will, wird der Orden dein Un - glück werden; wenn du für die Ehe berufen, wirst du unverheiratet den Himmel nicht leicht finden. Ob du ein Handwerk lernst oder in den Gelehrtenstand tretest, ob du mit diesem Jüngling oder mit jener Tochter dich verheirathest, ist für dein Seelenheil von entscheidender Bedeutung.

Aber wie ist das möglich? Betrachtet nur kurz die einzelnen Stände in Bezug auf ihre Gefahren und Ver - suchungen. je höher einer steht als Beamter, ein je ausgedehnteres Geschäft einer als Kaufmann oder als Fabrikant führt, desto größer wird die Versuchung zum Ehrgeiz, zur Habsucht, zum Stolz. Es handelt sich da329 nicht um eigentlichen Diebstahl das ist Sache armer Teufel sondern um ungerechte Herabdrückung des Lohnes, um einen Betrug. Andere Stände sind wieder mit andern Gefahren und Versuchungen verbunden. Da - mit das Geschäft gehe, damit man in Ehre und Ansehen steige, will man es Allen treffen, opfert von seinen katholischen Grundsätzen, von seinem christlichen Leben. Wie viele werden durch sündhafte oder unglückliche Hei - rathen gleichgültig, ungläubig, Ehebrecher oder gar Mörder? Daher sagte schon der hl. Gregor von Nazianz: Wer sich in seinem Berufe irrt, der wird sein ganzes Leben hin - durch von einem Irrthum in den andern fallen und sich am Ende selbst in seiner Hoffnung auf den Himmel ge - täuscht haben. (Ort. XXIII.) Warum? Hier gilt das Wort des Propheten Jesaias (Kap. XXX 1): Wehe euch, ihr abtrünnigen Kinder, die ihr Rathschläge aus - führt, aber nicht aus mir, die ihr ein Gewebe anzettelt, aber nicht in meinem Geiste. Wie ist diese Drohung zu verstehen? Gott ist der Hausvater der großen Menschen - familie; als solcher weist er jedem Kinde seine Stellung und seine Beschäftigung an. Wenn wir da nicht der Stimme Gottes folgen, sondern unserer Leidenschaft nach - gehen, so zetteln wir ein Gewebe an wider den Willen Gottes und sind Abtrünnige und diesen ruft Gott sein Wehe euch! entgegen und fügt bei: Wenn das Elend über euch hereinbricht und das Verderben wie Ungewitter euch überfällt, dann will ich eurer spotten und lachen zu eurem Untergange, darum, weil ihr nicht geachtet auf meinen Rath.

Aber wo liegt der tiefere Grund von all diesen Wahrheiten? Nehmen wir unsere verdorbene Natur nicht in jeden Stand hinein? Freilich. Hat nicht jeder Stand viele Versuchungen? Auch das. Damit wir aber die verdorbene Natur in Schranken halten und die Ver -330 suchungen besiegen, bedürfen wir in jedem Stande be - sonderer Gnaden, die man Standesgnade nennt. Aber ist denn Gott nicht gütig und freigebig und das gegen Alle? Allerdings; aber bei all dem ist ein großer Unter - schied zwischen Gnade und Gnade wie zwischen Stern und Stern und die Freigebigkeit Gottes hat viele Grade. Wenn du nämlich den Stand erwählest, den Gott für dich bestimmt hat,[ erhältst] du reichlich all jene Gnaden, welche er mit diesem Berufe verbunden hat, damit du darin ganz leicht dein ewiges Heil wirken könnest; wenn du aber dem Rufe Gottes nicht folgest, und dir nach deinem Eigensinn einen Beruf erwählest, nach deinem Starrsinn eine verbotene Ehe eingehest, wirst du all jene Gnaden nicht erhalten und so schwerlich dein Heil wirken. Geschieht dir etwa Unrecht? Darfst du dich beklagen?

Aber heißt es denn nicht, wenn du nicht berufen bist, mache dich berufen. Wenn man also auch in der Standeswahl gefehlt hat, so kann man doch die Gnade Gottes reichlich erhalten. Was ist da zu bemerken? Freilich soll man den Leichtsinn bei der Standeswahl herzlich beweinen, Gott nur Verzeihung und Gnade bitten und so Verzeihung und Gnade finden; aber wie selten wird das der Fall sein? Nehmet nur den Ehestand! Wie Manche führt da Geld und Wollust und Leichtsinn und Uebermuth und Eigensinn zusammen, die nach Gottes Plan nie hätten zusammen kommen sollen? Sie sind nicht berufen, aber machen sie sich etwa berufen oder stürzen sie gewöhnlich von Irrthum zu Irrthum, von Sünde zu Sünde, von der Abneigung zum Ehebruche, zum Unfrieden, zum Krieg, zur Scheidung, zur Wieder - verheirathung? Wohin werden sie aus all diesen Ver - irrungen einst hinstürzen, und vielleicht ihre Kinder mit ins Verderben reißen?

Hiermit will ich natürlich nicht gesagt haben, daß331 Alle, welche den rechten Beruf gewählt haben, deswegen schon in den Himmel kommen; denn gar Viele miß - brauchen die Standesgnaden und rennen so in's ewige Verderben; aber den Zusammenhang zwischen Beruf und Ewigkeit wollte ich zeigen.

Nun noch ein Wort an die, welche schon gewählt haben. Habet ihr vielleicht unglücklich gewählt? Habet ihr den Beruf verfehlt? Wer in diesem Un - glücke sein sollte, der trage das Unglück im Geiste der Buße und der Reue und er wird Gnade und Barmherzig - keit finden und seine Seele retten. Das will ich besonders denen gesagt haben, welche von der Leidenschaft geblendet, durch Schmeichelreden und falsche Versprechen und Schwüre betrogen, im Leichtsinne der Jugend eine unglückliche Ehe eingegangen sind: Für dies Unglück waret ihr nicht be - rufen von Gott, ihr habet euch selbst hineingestürzt, viel - leicht trotz Warnung der Eltern, der Freunde, der Seel - sorger. Traget nun dies Unglück in Geduld, in Reue und Schmerz über die Verirrungen der Jugend und betet und betet um Gnade und Stärke von Oben, ferner um Erleichterung der unglücklichen Lage. So werdet ihr wenigstens euere Seele retten und vor weiteren Verirrungen bewahrt bleiben, wenn auch jener Wehestand nie ganz ge - hoben wird. Warum sag ich das? In Folge unglück - licher Wahl gibt es viel mehr unglückliche Ehen, als man gewöhnlich zu glauben pflegt; ich will die Unglücklichen, so weit möglich, trösten und die Jugend gewarnt haben.

Das zweite Wort gilt denen, welche den von Gott gewollten Stand und Beruf wirklich gewählt haben. Wenn ihr auch so glücklich waret, so seid ihr deswegen noch nicht im Himmel, sondern erst im Weinberge, um im Kampfe gegen die Versuchungen und gegen die Ge - fahren des Heiles und in gewissenhafter Erfüllung der332 Standespflichten die Last und Hitze des Tages zu tragen und so den Himmel zu verdienen. Um aber im Guten auszuharren, betet doch Tag für Tag um die Vermeh - rung all jener Gnaden, welche Gott mit euerem Stande verbunden hat. Wer aber bisan seine Standes - und Berufspflichten schwer vernachlässigt und verletzt hat, an den ergeht in elfter und letzter Stunde der Ruf Gottes: Thue Buße, sei jetzt eifrig in Erfüllung deiner Standes - pflichten und ich will auch dir den Zehner des Himmels - reiches geben.

So glaube ich, Allen das gesagt zu haben, was Jedem nach seinem Berufe und seinen Verhältnissen zum Heile nothwendig ist; mögen doch Alle von der Gnade gestärkt das befolgen und ihres Berufes würdig wandeln, um in den Erbarmungen Gottes bald den auserwählten Schaaren im Himmel beigezählt zu werden.

XXXV. Art und Weise der Standeswahl.

Stand und Beruf sind nur die besondere Lebensauf - gabe durch deren Erfüllung wir Gott zu dienen und so unsere Seele für die Ewigkeit zu retten haben. Gott als der Hausvater des ganzen Menschengeschlechtes giebt einem jeden diese Lebensaufgabe, und ein jeder, der eines guten Willens, sehen und hören will, kann dieselbe erkennen. Denn, wenn dieselbe oft längere Zeit ein Geheimniß ist, so ist es uns doch gegeben, dies Geheimniß des Reiches Gottes zu durchschauen und so unsern Gott gewollten Beruf zu erkennen. Daher denn die Frage, was haben wir bei der Standeswahl zu thun, um den wahren Beruf333 zu erkennen? Wir haben in heiliger Gleichmüthigkeit 1) uns selbst 2) gottesfürchtige Nachgeber und 3) Gott selbst anzufragen.

Wer also in seiner Standeswahl glücklich sein will, der soll zuerst sich selbst fragen und zwar in hl. Gleich - müthigkeit. Worin besteht denn diese Gleichmüthigkeit? Sehet, unser Herz soll einer empfindlichen Wage gleichen, deren Zünglein, so lange kein Gewicht in die Schale gelegt wird, weder nach dieser noch jener Seite hinausragt sondern unbeweglich bleibt. Was will das sagen? Wir sind einzig auf der Welt, um Gott zu dienen und selig zu werden; deswegen soll unsere Seele gegen die einzelnen Stände gleichgültig sein, um dann jenen zu wählen, in welchem wir unser Heil am sichersten wirken. Wie nämlich das Zünglein der Wage sich auf jene Seite wendet, wo das Gewicht in die Schale fällt, so darf auch unser Herz sich nur nach jenem Stande hinneigen, wo das Gewicht der wahren Gründe ist. Das ist die Gleichmüthigkeit der Seele.

Sobald daher die Jugend bei der Standeswahl nicht mehr auf ihr ewiges Ziel hinschaut, sondern nur auf Geld und Ehre und Wohlleben, sobald sie sich nur fragt: wo und wie kann ich schnell reich werden? Welcher Stand verspricht mir die größten Ehren, bietet die meisten Ge - nüsse? Wo und wie komme ich dazu, meine Leiden - schaften am schnellsten zu befriedigen? Sobald ein Jüng - ling, eine Jungfrau sich so fragt, ist die nothwendige Gleichmüthigkeit verloren und eine glückliche Standeswahl rein unmöglich.

Wollet ihr daher glücklich wählen, sollet ihr im Gleichmuth der Seele aufrichtig sagen können: Rede Herr, dein Diener hört; Herr, was willst du, daß ich thue; siehe ich bin bereit? Ob ich dabei arm bleibe oder reich werde, ob mein Leben mühevoll oder leicht, ob mein334 Stand angesehen oder verachtet, ob Genüsse oder Ent - behrung mein Antheil an all dem liegt nur gar nichts, nur deinen Willen thue mir kund, daß ich denselben er - fülle und so den Himmel verdienen kann.

Das ist wahre Gleichmuth des Herzens und in dieser Seelenstimmung prüfet vor allem euch selbst. Denn Gott hat uns den Verstand gegeben, daß er wie ein Licht uns voranleuchte. Saget euch dann aufrichtig: Der und der, die und die bin ich; das sind meine Anlagen, meine Neigungen; das meine Vergangenheit, das meine Haupt - leidenschaft; das meine Gefahr. Dann frage dich: Welchen Einfluß übt die Welt auf mich? Habe ich irgend welche Selbstständigkeit? Bin ich nur an das Ja nicht aber an das Nein gewohnt? Dann betrachte den Stand, in den du treten willst, seine Gefahren, seine Verpflich - tungen, seine Schwierigkeiten, vergleiche dies alles mit deinen Anlagen, deinen Leidenschaften, deinem bisherigen Leben, und wenn du dir sagen mußt: Dieser Himmels - weg ist für mich zu steil, zu dornig, da komme ich nicht vorwärts , so ist er nicht für dich und das um so weniger, je mehr er deiner Leidenschaft schmeichelt. Wenn du aber glaubst, du könntest bei deinen Anlagen und Kennt - nissen und Neigungen dein ewiges Heil in einem Berufe wirken, so traue dir noch nicht, sondern frage andere um Rath.

Also andere um Rath fragen; aber da ist viele Vor - sicht nothwendig; denn es giebt unberufene Rathgeber. Dahin gehören gottlose Menschen. Daher mahnt der hl. Geist im Buche Sirach (37, 12) Mit einem Menschen, der keine Religion hat, rathschlage niemals! Denn das wäre gleich thöricht als wenn du mit einem Weibe über ihre Nebenbuhlerin und mit einem Furchtsamen über Krieg dich berathen wolltest. Doch zu diesen Unberufenen zählet nicht blos; Leute ohne Religion, sondern auch alle335 jene, welche von der Wichtigkeit der Standeswahl keine Ahnung haben. Denn wer immer euern Beruf nicht mit euerem Seelenheile in Verbindung bringt, der ist ein schlechter Rathgeber. Warum? Ganz irdisch gesinnt, kennen sie nur irdische Vortheile, nur zeitliche Rücksichten; sie kennen nur Geld und wiederum Geld, nur Ehre und wiederum Ehre, nur Genuß und wiederum Genuß. Nach welch 'verderblichen Grundsätzen werden solche Leute dir rathen?

Ferner fraget nie solche um Rath, denen euere Standeswahl zeitlichen Vortheil bringt oder auch Schaden. Denn wie oft haben solche Leute nur ihren Vortheil im Auge aber nicht dein Wohl. So spielen z. B. Familien - vortheile und allerlei Abmachungen auf wahrhaft tragische Weise in die Heirathen hinein; so werden Gewissen und Tugend und Glück und der Himmel vergessen und ge - opfert, wenn nur Geld und Gut und Ehre und Ansehen bewahrt und befördert sind.

Unter den unberufenen Rathgebern zählet nun end - lich diejenigen, welche aus Unkenntniß oder Vorurtheil über einen Beruf kein richtiges Urtheil zu fällen im Stande sind. Es will zum Beispiel ein Jüngling Priester werden: Unerfahrene Leute rathen's ihm an, weil er dann ein be - quemes Leben habe; mit Vorurtheilen Behaftete rathen es ihm ab, weil dieser Stand in den Augen der Welt ver - achtet sei. An wen von diesen kann sich da dieser Jüng - ling halten? An Keinen. Denn beide rathen ihm nach ganz falschen Grundsätzen.

Aber an wen sollen wir uns denn halten? Der hl. Geist antwortet (Sirach 37). Halte dich beständig an einen hl. Mann, von dem du weist, daß er die Furcht Gottes vor Augen hat. Das ist ein außerordentlich wichtiger Punkt. Warum? Dieser gottesfürchtige Mann schaut nur auf deine Anlagen, deine Vorzüge, deine Tugenden336 aber auch auf deine Leidenschaften, deine Schwächen, deine Sünden, vergleicht dies alles mit den Pflichten und Ge - fahren des zu wählenden Berufes, und je nachdem er dann dein ewiges Heil gesichert oder gefährdet glaubt wird er entscheiden.

Aber warum soll dieser Mann die Furcht Gottes vor Augen haben? Es gibt oft sehr schwierige Fälle, wo man sich durch den gegebenen Rath bei Manchen ver - feindet. Es kann z. B. Familien geben, welche durchaus ver - langen, daß ihr Sohn, ihre Tochter in einen gewissen Stand eintrete, oder mit einer bestimmten Person sich ver - eheliche und doch wäre diese Heirath und jener Stand das sichere Verderben der Kinder. Wen hast du also um Rath zu fragen? Männer, welche sich um das Ge - rede und Urtheil, ja selbst um die Feindschaft der Men - schen gar nichts kümmern, sondern Gott allein fürchten und nur um dein zeitliches und ewiges Glück bekümmert sind.

Unter diesen Männern sollte doch dein Beichtvater die erste Stelle einnehmen. Du hast ihm ja seit langer Zeit dein Herz erschlossen und seiner Führung dich an - vertraut. Wenn der dir nicht rathen kann, wer soll dir noch rathen? Denn Gott wird ihn führen, daß er auch dich führen kann. Aber gerade hier sehen wir so oft die Verblendung der Jugend. Denn immer erfüllen sich noch die Worte, welche einst der Heiland zum Judenvolke gesprochen: Das Herz dieses Volkes ist verstockt, sie hören schwer mit den Ohren und verschließen ihre Augen, damit sie nicht etwa sehen mit den Augen, nicht hören mit den Ohren und nicht verstehen mit dem Herzen und sich nicht bekehrten: sie sehen und sehen doch nicht, sie hören und hören doch nicht. (Matth. XIII. 15, 13.)

Wie sollen wir das verstehen? Viele wissen, daß sie da oder dort klare und bestimmte Auskunft über ihre Standeswahl erhalten, aber sie gehen nicht, aus Furcht337 es möchte ihrer Leidenschaft nicht entsprochen werden; viele werden in einer Christenlehre, in einer Predigt, im Beichtstuhle oder im Krankenbett gründlich unterrichtet; aber es kommt der Teufel, es kommt die Versuchung, es tobt die Leidenschaft, es lärmt ein Verführer der gute Rath ist vergessen und man rennt in das Verderben durch eine sündhafte, unglückliche Standeswahl. Daher rufe ich euch die Mahnung des hl. Geistes noch einmal zu: Halte dich beständig an einen hl. Mann, von dem du weißt, daß er die Furcht Gottes vor Augen hat.

Solange ihr fromme christliche Eltern habet, sind sie die natürlichsten Nachgeber. Denn sie haben euch erzogen, sie haben zu wachen, daß euere Erziehung durch eine glückliche Standeswahl abgeschlossen werde. Wohl können Eltern aus Habsucht und Geiz und Ruhmsucht und reli - giöser Gleichgültigkeit in Bezug auf die Standeswahl ihrer Kinder einen höchst verderblichen und sündhaften Einfluß ausüben und in diesem Falle dürfen die Kinder durchaus nicht gehorchen und sollten sie für den Augenblick auch vieles zu leiden haben allein diese Fälle sind im Allgemeinen doch selten. Hingegen kommt es sehr häufig vor, daß Söhne und Töchter hinter dem Rücken ihrer Eltern sündhafte Verhältnisse unter - halten und dann von der Leidenschaft geblendet trotz allem Warnen der Eltern in einen Stand treten, zu dem sie nicht berufen sind und so statt den Segen des vierten Gebotes nur Unheil zum Lebensbegleiter haben. Wer Ohren hat zu hören, der höre. Doch, wenn ihr in guter Treue bei guten Menschen euch berathet, wenn ihr auf die wohlmeinende Stimme christlicher Eltern höret, so vergesset doch nicht, was der hl. Geist noch weiter sagt: Aber bei all diesem rufe den Allerhöchsten an, daß er deine Schritte nach der Wahrheit lenke. (Sir. 37.)

Frage Gott um Rath und er wird dir Auskunft338 geben. Als die Jünger die Parabel nicht recht ver - standen hatten, baten sie den Heiland um die Erklärung, und er gab ihnen sogleich die gewünschte Auskunft. Wenn die andern Zuhörer den gleichen guten Willen gehabt hätten, würden auch sie gefragt und weitere Belehrung erhalten haben; weil sie aber mit offenen Augen nicht sehen wollten, so konnten sie auch aus eigener Schuld das Geheimniß vom Reiche Gottes nicht verstehen. Fraget Gott den Herrn auch um euern Stand und Beruf, und er wird euch Auskunft geben. Niemand darf erwarten, auf ganz außerordentliche Weise berufen zu werden wie z. B. die Apostel oder andere große Heilige; das sind Gnaden - wunder, worauf niemand Anspruch hat. Dagegen er - leuchtet Gott einen Jeden mit seiner Gnade, giebt ihm gute Rathgeber an die Hand, fügt die äußern Umstände oft derart, daß man wie an der Hand des hl. Schutz - engels in seinen gottgewollten Stand hineingeführt wird. Da nun kommt die Frage, was wir zu thun haben, um dieser Leitung und Führung Gottes theilhaftig zu werden.

Je reiner das Fenster, desto leichter dringt der Sonnenstrahl in das Zimmer, je trüber dasselbe, desto dunkler die Wohnung. Die Seele ist wie ein Glas, wie ein Spiegel, wodurch der Strahl göttlicher Gnade dringt. Daher sollet ihr besonders zur Zeit der Standeswahl die Seele ganz rein erhalten; daher ist dann, wenn nicht allen, doch den meisten eine gute Generalbeicht sehr anzu - rathen. Oder, christliche Jugend, glaubst du, Gott werde auch einem sündenbefleckten Herzen sich mittheilen? Diese Wahrheit habet ihr euch um so tiefer einzuprägen, als die Standeswahl gewöhnlich in jene Zeit fällt, wo die Leidenschaften das junge Leben am heftigsten erschüttern und bewegen. Wenn dann so junge Leute vom Kleide der Unschuld kaum mehr einen Fetzen haben und keine Reue darüber empfinden, wenn sie nur von Hoffart,339 von Habsucht, von Sinnenlust sich treiben lassen, wenn sie vielleicht gar im Glauben schwankend geworden, werden sie dann nicht dorthin kommen, wo ihre Leiden - schaft gelüstet aber nicht, wo Gott sie haben will?

Wohl weiß ich, daß es manchem lieber wäre, wenn ich gegen gewisse Leidenschaften und Sünden nicht so oft und nicht so eindringlich meine Stimme erhöbe. Aber mit dem heiligen Chrysostomus kann ich nicht anders handeln. Denn mit ihm glaube ich, daß vielleicht nur wenige von allen, die so zahlreich zur Predigt kommen und so gespannt zuhören, an diesen Sünden und Leiden - schaften krank sind diese wenigen sollen gesund werden damit aber die Gesunden in dieser ungesunden Luft gesund bleiben, bedürfen sie der Arznei der großen Wahrheiten; denn nur so bleiben sie vor dem Verderben bewahrt, wenn nicht alle, doch gewiß ein großer Theil.

Wer also in seiner Standeswahl die Erleuchtung Gottes haben will, der bewahre sein Herz rein von schwerer Sünde, und wenn er[ dasselbe] befleckt hat, soll er würdige Früchte der Buße bringen. Diese Reinheit des Herzens ist um so nothwendiger, als einer guten Standeswahl eifriges Gebet vorangehen muß. Denn nur das Gebet des Gerechten dringt durch die Wolken.

Daß aber das Gebet zur Zeit der Standeswahl besonders notwendig, sollte jetzt klar sein. Denn einer - seits handelt es sich um den Beruf, der mit unserm Seelenheile aufs innigste verbunden, anderseits aber suchen die Welt, die Leidenschaften und Satan uns auf falsche Bahnen zu führen. Wenn nämlich Satan uns immer anfeindet, so sind es doch besondere Zeitpunkte, wo er dem Menschen mit aller Schlauheit und Wuth sich nähert. Zuerst in der Jugend, wo die Prüfung, die Krisis, die Entscheidung kommt, ob die Unschuld das Werk der Erziehung verklären, oder aber die Unlauterkeit340 dasselbe verwüsten soll; dann kommt er wieder mit großer Gewalt und List zur Standeswahl; denn bringt er dich mit Hilfe deiner Leidenschaft und durch die Verführung

schlechter Menschen in den verfehlten Beruf, so glaubt er den letzten Kampf auf dem Totenbette schon gewonnen zu haben, kommst du aber in den gottgewollten Stand, fürchtet er mit Recht, auch jener letzte Kampf sei für ihn verkoren. Daher betet und betet vor der Standeswahl; betet um Licht, daß die Nebel sich zerstreuen und der Weg des Lebens sich zeiget betet um Kraft, der Leiden - schaft zu widerstehen, Gott zu folgen und das Opfer zu bringen. Betet, denn Gott versagt ja seinen guten Geist denen nicht, die ihn darum bitten.

Um aber dieses Gebet wirksamer zu machen, ver - bindet damit den öftern Empfang der hl. Sakramente und nach jeder hl. Communion betet zum göttlichen Hei - land, daß er euch die Ansichten seines Herzes mittheile, daß er euch stärke, um Gott das Opfer zu bringen. Das sollen besonders jene jungen Leute thun, welche in Folge einer sündhaften Bekanntschaft in großer Gefahr sind, eine unglückliche oder gar verbotene Ehe einzugehen. Der Kampf wird dann noch schwer genug sein.

Um aber dieses Alles thun zu können, stellet hie und da eine ernste Betrachtung an. Stellet euch vor, ihr lieget auf dem Totenbette, um nach einigen Augenblicken vor Gottes Richterstuhl zu erscheinen, dann fraget euch: Wie werde ich in jenem Augenblicke urtheilen? Welche Standeswahl wird dann mein Wunsch sein?

Werde ich dann froh sein, nach meinem Eigensinn gehandelt und Eltern und Seelsorgern schnippische und grobe Antwort gegeben zu haben? Was werde ich dann von dieser Leidenschaft denken, die mich einzig und allein in diesen Stand gebracht? Wie werde ich vor Gott da - stehen? Vor Gott, dessen Ruf ich verachte, um nach341 meinen Gelüsten zu handeln? So überleget und betrachtet bei euch selbst, und es wird euch gegeben werden, das Geheimniß eueres Berufes zu verstehen.

Aber, meinst du vielleicht, das sind so Gedanken für Leute, die an das Kloster denken, aber nicht für Jüng - linge, die in der Welt draußen sich des Lebens freuen, nicht für Jungfrauen, welche ganze Nächte durchsingen, durchtanzen, an Liebschaft und Hochzeit denken. So! Wisset ihr, für wen diese Arbeit ist? Für alle, welche, ernstlich daran denken, in den Himmel zu kommen. Aber nach diesen Grundsätzen werden wir alle in ein Kloster treten! Hat keine Gefahr; denn Gott selbst hat die ver - schiedenen Stände zum Wohl der Gesellschaft angeordnet und wird daher auch sorgen, daß alle gehörig vertreten sind und wenn sie es nicht sind, fehlt es nicht an Gott, sondern an uns Menschen. Hat keine Gefahr. Denn ich stehe durchaus nicht im Rufe eines Klosterfrauen - machers das überlaß ich Gott dem Herrn und doch verkünde ich diese Grundsätze und, wenn man mich um Rath fragt, handle ich auch darnach, ob dann jemand in der Welt bleibe oder ins Kloster trete, sich diesem oder jenem Berufe widme, ledig bleibe oder in den Ehestand trete, mit dieser oder jener Person sich vereheliche, ist mir ganz gleich, wenn nur der Wille Gottes ge - schieht und so die Wahl nach Gottes Willen getroffen wird.

Aber eine solche Standeswahl könnte von mir große Opfer verlangen. Mag sein, aber Gott ist dir nahe mit seiner Gnade. Zudem leidet das Himmelreich Ge - walt, und willst du keine Gewalt brauchen, willst du ja selbst vom Erbrecht auf den Himmel nichts wissen.

Aber meine Freiheit? Ich bin da zu stark ge - bunden; ich darf nicht mehr nach Herzenslust wählen, sondern muß mich dem Willen Gottes unterwerfen. Das342 ist eine uralte Geschichte und wird so bleiben, so lange wir Geschöpfe und Gott unser Schöpfer und Herr. Könnet ihr von euern Freiheit einen bessern Gebrauch machen, als wenn ihr euch in allem Gott unterwerfet und so ewig selig werdet? Oder können wir unsere Freiheit verderblicher mißbrauchen, als wenn wir unbekümmert um den Willen Gottes nach unseren Leidenschaften, nach eigenem Willen die breite Straße des Verderbens einhertaumeln? Urtheilet selbst und dann thuet was euch vernünftig scheint. Mögen diese Worte überall auf gutes Erdreich fallen! So werden die, welche noch zu wählen haben, nach Gottes Willen wählen, die, welche dabei zu rathen haben, nach den wahren Grundsätzen guten Rath ertheilen und Alle in ihrem Stande hundertfältige Früchte für das ewige Leben hervorbringen.

XXXVI. Standeswahl und Ehe.

Ich zeigte also in zwei Vorträgen, wie Stand und Beruf eigentlich nichts anderes sei, als die besondere Lebensaufgabe, welche Gott einem jeden Menschen be - stimmt, und wie daher von der richtigen Erkenntniß und Wahl des Berufes auch unser zeitliches und ewiges Heil bedingt sei. Um zu einer glücklichen Wahl zu gelangen, soll man sich selbst fragen d. h. schauen, welche An - lagen, Talente, Neigung man habe, dann soll man Eltern, Seelsorger, erfahrene und fromme und ganz uneigen - nützige Leute um Rath angehen endlich soll man auch Gott noch fragen durch demüthiges und beharrliches Gebet. Diese Punkte hat man, um richtig und glücklich343 zu wählen, bei jeder Standeswahl zu beachten. Also auch bei der Wahl des Ehestandes. Weil aber hier die heftigsten Leidenschaften oft mitspielen, die Vernunft trüben, die klarsten Begriffe verwirren, will ich die An - wendung der allgemeinen Grundsätze in diesen besonderen Fällen noch entwickeln. So könnet ihr euch leichter zurecht - finden und auch Andern guten Rath ertheilen. Wer Ohren hat zu hören, der höre. (Luc. VIII.)

Wohl denkt Mancher, über diesen Gegenstand sollte ich eigentlich gar nicht reden. Denn der Teufel und die Leidenschaften werden diesen Samen wohl unfruchtbar machen, und zudem laute ein Sprichwort: Was zu - sammengehört, kommt doch zusammen. Das Erste befürchte ich auch bei gar Vielen und deswegen rufe ich mit dem Heilande: Wer Ohren hat zu hören, der höre. Was dann das Sprichwort, diese Heirathsphilosophie der verblendeten Jugend betrifft, so muß ich doch einige Be - merkungen machen.

Ihr könnt zweifach zusammengehören, zur Belohnung oder zur Bestrafung. Gott hat dich entweder gar nicht für die Ehe bestimmt, oder er verlangt deine Verehe - lichung mit dieser oder jener Person. Eltern, Freunde, Seelsorger, dein Gewissen, Gott selbst warnt dich vor einer bestimmten Ehe: du unterhälst aber gleichwohl die Bekanntschaft, heirathest wirst unglücklich ihr seid zusammengekommen, nicht weil ihr nach dem Willen Gottes, sondern wegen euerer Bosheit zur Strafe zu - sammengehöret. Und wie viel tausend solcher Ehen hat es leider allüberall! Was aber nach Gottes Plan zum Segen und Heil zusammengehört, kommt doch zusammen, wenn auch kurzsichtige Menschen manchmal in guten Treuen Schwierigkeiten bereiten. Wer Ohren hat zu hören, der höre. Aber was hab ich denn zu thun, um eine glück - liche Wahl zu treffen?

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Zuerst kommt die Frage: Bin ich überhaupt für den Ehestand berufen? Oder versteht sich das etwa von selbst? Bei weitem nicht. Denn Gott will in der Welt den Priester - und den Ordensstand in den Klöstern nicht bloß erhalten, sondern vermehrt wissen und vor Allem in der kommenden Zeit; denn wenn die Verweltlichung der Schule, der Ehe, der Gesellschaft, wenn die Herrschaft des Kapitals und der Maschinen, wenn die Gewalt und der Völkerhaß durch die Ruinen menschlichen Glückes Blut und Thränen strömen läßt: dann wird in den Erbarmungen Gottes eine neue Ordnung von der Höhe herabsteigen und dann werden in allen Verhältnissen des öffentlichen wie Privatlebens Millionen und Millionen jungfräulicher, gottgeweihter Hände nothwendig sein. So gerne ich diese großen Gedanken auch in Bezug auf die Mission unter den Heiden weiter entwickelte, muß ich doch bei dieser Andeutung stehen bleiben. Wenn wir also von Gottes Weltplanen, zu deren Ausführung er jungfräuliche Hände braucht, absehen wollen giebt es immer noch Viele, welche für den Ehestand nicht berufen sind.

Dahin gehören alle Jene, welche körperlich so schwach sind, daß die Ehe ihr baldiger Tod wird Solche haben mit einem gewissenhaften Arzte sich zu berathen. Wer ferner so unwissend, so verdorben, so gleichgültig, daß er für die Erziehung der Kinder untauglich, ist ebenso wenig für die Ehe berufen als ein Blinder zum Bergführer. Wie aber dieser nach einer glücklichen Staaroperation Bergführer werden kann, so können auch jene nach gründ - licher Bekehrung für die Ehe berufen sein. Wenn aber der Leib gesund und die Seele mit den nothwendigen Tugenden und Kenntnissen ausgerüstet, wer ist dann im Allgemeinen für den Ehestand berufen?

Ich halte mich da an die Aussprüche des hl. Geistes in den Schriften des alten und neuen Bundes. So schreibt345 der hl. Paulus (l. Kor. VII): Ich sage aber den Un - verheiratheten und Wittwen, es ist ihnen gut, wenn sie so bleiben, wie auch ich. Wenn sie aber nicht enthaltsam sind, so sollen sie heirathen; denn es ist besser heirathen als brennen. Wem gilt das? Den Unverheiratheten und Wittwen, aber nicht den Geschiedenen. Nicht den Geschiedenen. Denn nach dem gleichen Völker - lehrer ist in diesem Falle bei Lebzeiten beider Theile keine neue Ehe, sondern nur ein Ehebruch möglich. Denn wer geschieden, bleibt doch bis zum Tode des andern Theiles nach Gottes Gesetz verheirathet.

Was sagt also der hl. Paulus den Unverheiratheten und den Wittwen, aber nicht den Geschiedenen? Wenn Ledige und Wittwen außer der Ehe die Keuschheit kaum bewahren können, sollen sie heirathen. Doch abgesehen von den Schwierigkeiten, die Sinnlichkeit zu überwinden, kommt der Beruf zur Ehe noch von ganz anderer Seite.

Es ist nicht gut für den Menschen, daß er allein sei. Laßt uns ihm eine Gehilfin machen, die ihm ähn - lich sei. (Gen. II 18.) So sprach Gott, schuf die Eva, gab sie dem Adam zum Weibe als ihm ähnliche Gehilfin. Wer nun hat diese Hilfe nothwendig? In der Regel Alle, welche in der Welt draußen den verschiedenen Berufsarten sich widmen. Man kann nicht immer bei den Eltern bleiben, die Geschwister trennen sich, man fängt ein eigenes Geschäft an. Da nun kommt das Be - dürfniß nach einer Gehilfin, mit der man wie eine mora - lische Person wird, um jenes Glück zu finden, von dem der hl. Geist redet: Wer ein gutes Weib findet, findet ein Gut, dessen Werth Schätzen gleicht, die weit von den äußersten Grenzen der Erde herkommen. Er legt den Grund zu seinem Wohlstand; er wird Freude schöpfen von dem Herrn und die Jahre seines Lebens in Friede zubringen. (Sirach Kap. 37.)

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Wollet ihr aber im Ehestande dieses Gut, diesen Wohlstand, diese Freude von Gott, diesen Frieden des Lebens finden, so genügt es nicht zu wissen, daß ihr überhaupt für den Ehestand berufen seid, sondern ihr müßt auch die rechte, von Gott euch bestimmte Person finden. Was nun zu diesem Zwecke vom Jüngling wie von der Jungfrau zu thun ist, will ich zuerst zeigen. Eine Jungfrau ist besser als die andere. (Sirach 36.) So ist auch ein Jüngling besser als der andere. Da - mit ihr aber das Beste findet, wählet nach folgenden Regeln.

Fürs erste sei euere Wahl frei. Lasset euch keine Braut, keinen Bräutigam aufschwatzen: Deshalb hütet euch vor Leuten, die glauben, sie müßten jedem Jüng - ling eine Braut suchen, vor Leuten, die sich in reichere Familien einschleichen und diesen Familien jenen Herrn anrathen und diesem Herrn jenes Fräulein. Wenn aber Eltern oder gottesfürchtige und uneigennützige Rathgeber euch eine Person abrathen, dann folget in der Regel. Denn es ist leicht zu erkennen, daß diese oder jene Person nicht für dich passe. Wenn aber diese gleichen dir eine bestimmte Person aufdrängen wollten und du fühltest keine Liebe zu ihr so darfst du nie und nimmer folgen.

Um aber bis zum Altare frei zu bleiben, wandelt in den Tagen der Jugend und der Bekanntschaft in aller Unschuld. So könnet ihr am Altare noch Nein sagen und in schöner Jungfräulichkeit vor Gott und der Welt erscheinen. Wenn aber die unglückliche Braut drängt, wenn der Bräutigam an sein versprechen sich erinnert, wenn Eltern und Familien stoßen, wenn vielleicht an die Stelle der sinnlichen Liebe indessen Ekel und Widerwillen getreten und doch nur die Heirath die Ehre vor der Welt noch irgendwie retten kann, ist dann die Wahl schließ - lich auch noch frei?

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Um vor diesem Unglücke bewahrt zu bleiben, schauet, bevor ihr mit Jemandem anbindet, auf bewährte Tugend und Frömmigkeit. In dieser Beziehung giebt uns der[ Patriarch] Abraham ein herrliches Beispiel. Er wohnte im Lande der Chananiter, die schlecht und verdorben waren. Um daher für seinen Sohn Isaak eine gottesfürchtige Jungfrau als Gattin zu finden, sandte er seinen Knecht Eliezer weit weg nach Mesopotamien. Durch eine be - sondere Fügung Gottes begegnete ihm dort Rebecca, gleich schön durch die Anmuth ihres Leibes wie durch die Unschuld ihrer Seele und wurde Isaaks Frau. Warum handelte Abraham derart? Er wußte aus der Ueber - lieferung, wie einst die frommen Söhne Seths mit den schönen, aber verdorbenen Menschentöchtern sich verbanden, wie dadurch das ganze Menschengeschlecht so voll Bosheit wurde, daß Gott dasselbe durch die Sündfluth vernichtete.

Wer Ohren hat zu hören, der höre! Wie viele Eltern, welche sich spottwenig kümmern, mit wem ihre Söhne und Töchter ein Verhältniß anfangen, während doch der hl. Geist mahnt: Hast du eine Tochter, so verhei - rathe sie an einen verständigen, d. h. gottesfürchtigen und tugendhaften Mann. (Sir. 8.) Wie viele eitle, gefall - süchtige, sinnliche, heirathslustige Mädchen, welche Bekannt - schaft anfangen, ohne nur zu fragen, ob einer katholisch oder reformirt oder gar nichts sei, ob ledig oder ge - schieden oder nicht einmal geschieden. Ich will der Frömmigkeit der Töchter nicht zu nahe treten, aber in der Regel ist es gut, keiner zu trauen, bis sie gewisse Versuchungen bestanden hat: und auch dann ist Vor - sicht noch nicht überflüssig. Wer Ohren hat zu hören, der hat mich verstanden ich darf und will nicht mehr hierüber sagen.

Aber leider Gott giebt es eben auch Jünglinge und Männer, welche ebenbürtig neben jenen Mädchen stehen348 daher so viel Unglück der Sünde und der Schande. Daher so viele Kinder, deren Vater nicht im Taufbuche steht, daher so viel gezwungene Ehen, wo die Liebe längst erloschen daher so viele Häuser voll Ach und Weh. Wer Ohren hat zu hören, der höre.

Die gegebenen Winke betreffen das, was Beide zu thun haben, um eine glückliche Wahl zu treffen. Nun auch noch einige Punkte, auf welche der Jüngling und die Jungfrau besondere zu achten haben. Was ich aber den Jungfrauen zuerst sage, das sollen auch die Jüng - linge beherzigen und umgekehrt, das sollen aber auch die Eltern im Herzen bewahren und zur gelegenen Zeit darnach handeln.

Also, christliche Jungfrauen, fanget nie eine Bekannt - schaft an mit Wirthshaussitzern, mit Trunkenbolden, mit Arbeitern, die am Montag noch nicht recht bei sich sind. Mit einem solchen, mahnt der hl. Paulus (l. Cor. 7), sollet ihr keine Gemeinschaft haben, nicht einmal mit ihm essen. Und ihr wollet jahrelang mit Solchen Bekannt - schaft haben und welche? Und dann mit einander heirathen! Wer keine Ohren hat zu hören, der hat doch Augen zu sehen, wie es einer Frau an der Seite eines Trunkenboldes ergeht! Desgleichen hütet euch vor Müssiggängern; denn eine faule Hand wirkt Armuth; vor Prozeßkrämern; denn manche Zunge hat wackere Frauen dessen beraubt, was sie erarbeitet hatten (Prov. 26, Sir. 20). Fliehet Alle, welche mit der schönsten Tugend eueres Geschlechtes es nicht genau nehmen. Wenn ihr aber so handeln wollet, so müsset ihr selbst in aller Sittsamkeit wandeln und niemals mit den Welttöchtern glauben, ihr müsset um jeden Preis in den Ehestand treten wollet ihr die gefährlichste Krisis eueres Lebens glücklich bestehen, müsset ihr Alle etwas voll der hl. Agatha haben, deren Fest wir heute feiern.

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Ausgezeichnet durch den Adel der Geburt, durch den Zauber ihrer Schönheit, durch die Lieblichkeit ihrer Sitten, galt ihr die Liebe und der Dienst Christi als der höchste Adel. Stolz auf diesen Adel als Braut Christi weist sie die Hand des Prätors von sich, besiegt alle Angriffe eines schlechten Weibes, giebt ihren Leib allen Qualen hin läßt ihre Schönheit untergehen auf der Folter, unter Fackeln, unter Messern, die ihre Heldenbrust ver - wüsten auf Scherben und glühenden Kohlen, bis sie halbtod in den Kerker geworfen mit der Doppelpalme des[ Martyriums] und der Jungfräulichkeit in den Himmel eilt und in himmlischer Verklärung dem Lamme folgt, wohin es immer geht.

So sei der Dienst Christi dein Adel, christliche Jung - frau dein einziger Adel und dieser Adel dein einziger Stolz, und in diesem Stolze weise mit Verachtung alle jene zurück, welche mit giftigem Hauch, mit wüsten Händen der Himmelschöne unversehrter Unschuld nahen wollen. Wo dieser Adel die Seele verklärt und das Herz himmelwärts hebt, da wird dieser Name des gött - lichen Wortes tausendfältige Frucht bringen und dich, wenn du für den Ehestand berufen bist, vor einer un - glücklichen Wahl bewahren.

Aber, christliche Jünglinge, denket ihr vielleicht warum redest du heute so lange mit den Jungfrauen? Wenn das Bild der hl. Agatha mir vor Augen schwebt darf ich das schon etwas länger thun wenn nur so das Erdreich tief durchfurcht ist und der Same bei Vielen in gutes Erdreich fällt. Indessen hab ich euch nicht vergessen und will daher euch jetzt die nothwendigsten Winke in Kürze geben.

Vor Allem hütet euch vor den Frechen, welche mit jedem Burschen bereit sind, Wirthshaus, Tanz und Gesell - schaft dem stillen Vaterhaus und der Kirche vorzuziehen. 350Denn die Freche macht dem Gatten Schande. Hütet euch vor Hoffärtigen, Putzsüchtigen, die jede Mode mitmachen. Denn abgesehen von dem, was ein solches Weib den Mann kostet, haben solche Personen gewöhnlich keinen Ueberfluß an Verstand. Endlich hütet euch vor einer zornmüthigen, zänkischen, rechthaberischen Person. Denn, sagt der hl. Geist, besser ist zu wohnen in einem wüsten Lande bei Löwen und Drachen als zusammen mit einer zornmüthigen, boshaften und zänkischen Frau. Sie ist wie ein beständig durchtraufendes Dach am Tage des Frostes. (Prov. 31.)

So wählet denn unter Solchen, die eueres Glaubens sind und dazu in Einfachheit und Arbeitsamkeit gottselig leben, eine Person, welche in Folge ihrer Bescheidenheit und Zurückgezogenheit und ihrer Erfahrung und Uebung in allen häuslichen Arbeiten für ein geordnetes und schönes Familienleben paßt. Wohl wird eine solche Wahl in Folge des Lebens in der Schule, in Instituten, in Fabriken, in Geschäften, in Vereinen immer schwieriger; aber gleichwohl gilt heute noch das Wort des hl. Geistes: Eine rechte Frau erbaut ihr Haus, eine thörichte reißt sogar das erbaute mit ihren Händen nieder. Die An - muth eines emsigen Weibes macht Freude ihrem Gatten und giebt Mark seinem Gebeine.

Früher wußten die Mütter nicht so viel Zeug wie heute, aber gescheidter waren sie und gesunder an Leib und Seele, obwohl sie das Turnen nicht verstanden und ihre Mädchen gewiß nicht dafür hergegeben hätten. So weit sind wir gekommen, daß man Krebsschäden und Brüche am sozialen Leibe nicht blos nicht mehr erkennt, sondern sogar als Zeichen gesunden Lebens betrachtet. Ich kann mich da nicht tiefer hineinlassen, sondern sage nur: Wer Ohren hat zu hören, der höre.

Aber, denket ihr vielleicht, wenn man bei der Wahl351 einer Ehehälfte auf so viel Dinge zu schauen hat, so wird ja die Verehelichung fast unmöglich. Das nun folgt nicht hieraus, sondern nur, daß die Mehrzahl in dieser hochwichtigen Angelegenheit ihres Lebens mit unglaub - lichem Leichtsinn vorangehen. Und gerade deswegen will ich beide Theile noch auf andere Punkte aufmerksam machen.

Die äußern Lebensverhältnisse beider seien so ziem - lich gleich. Dahin gehört das Vermögen; wenn der ärmere Theil einen etwas reicheren bekommt, ist das gut aber ein zu großer Abstand ist gefährlich; ebenso ist großer Abstand betreff des Alters regelmäßig vom Bösen. In beider Beziehung stellt uns der hl. Hieronymus die junge Wittwe Marzella als Muster hin. Der reiche, vornehme und alte Cercalis wollte sie heirathen und sie zur Erbin all seiner Güter einsetzen. Ihrer thörichten Mutter, welche sie zu dieser Ehe bestürmen wollte, ant - wortete sie einer Christin würdig: Wenn ich nicht be - schlossen hätte, meine Tage in eheloser Keuschheit zu verleben, so würde ich mir einen Mann suchen und nicht eine Erbschaft. Findet diese Heilige heute viele Nach - ahmer oder wird auch heute noch wie zur Zeit des hl. Hieronymus die Ehe vielfach als Krämergeschäft betrachtet? Daher sollen Personen, welche Geld haben, auf der Hut sein, ob sie noch jung oder schon älter. Denn bei dieser Bildung findet das Geld immer mehr seine feurigen Liebhaber.

Aber hat denn Reichthum und, was ich bald ver - gessen hätte, Schönheit gar keine Bedeutung? Heirathe niemals eine Person blos ihres Reichthums, blos ihrer Schönheit wegen. Wenn Mehrere gleich brav und gottes - fürchtig sind, magst du dich für die Reichere und Schönere entscheiden, wie auch Jakob die anmuthige Rachel der triefäugigen Lia vorzog. Aber höret doch auf die Stimme352 des hl. Geistes: Schau nicht auf die Gestalt des Weibes und begehre keine Ehefrau blos ihrer Schönheit wegen. Warum? Wenn auch die Ausdrucksweise nicht zu der vielfach verschwommenen, sentimentalen, charakter - losen Sprache der Gegenwart paßt, so redet doch der Geist Gottes, wenn er im Buche der Sprichwörter sagt: Eine schöne, aber thörichte Frau ist wie ein Schwein mit einem goldenen Ringe in der Nase. Betrüglich die Anmuth und eitel die Schönheit: ein Weib, das den Herrn fürchtet, wird gelobt werden. (Prov. 11, 31; Sir. Kap. 25 und 30.) Wie Viele hören nicht auf diese Warnung und stürzen in das eheliche oder auch außer - eheliche Unglück? Wer Ohren hat zu hören, der höre.

Doch ich will schließen, nachdem ich vielleicht schon zu lange über einen Punkt geredet, wo nur Wenige in den Tagen der Leidenschaft zu folgen bereit sind und lieber unglücklich werden wollen. Wenn etwa so unglückliche Eheleute mich gehört, so traget das Kreuz im Geiste der Buße und sorget, daß euere Kinder nicht auch unglücklich werden. Väter und Mütter und Vorgesetzte ihr nehmet in dieser Beziehung eine schwere Verantwortung in die Ewigkeit. Du aber, liebe Jugend, die du heute dies Wort gerne gehört, falle doch nicht ab zur Zeit der Ver - suchung; lasse den Samen dieses göttlichen Wortes nicht in den Wollüsten des Lebens ersticken, sondern behalte ihn in einem sehr guten Herzen für dich selbst und für andere. So werdet ihr, so weit es in diesem Thränenthal mög - lich, nach einer guten Standeswahl hier glücklich sein und nach dieser Verbindung wird dann die wunderbar - liche Mutter, die gütige und milde und süße Jungfrau Maria uns zeigen die gebenedeite Frucht ihres Leibes, Jesus.

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XXXVII. Christliche Familie und Arbeiter. I.

Wenn auch der Hauptmann, welcher nach dem Be - richte des hl. Matthäus (VIII. 5) zum Heiland kam, ein Heide war, so ist er doch ein herrliches Beispiel für christliche Herrschaften. Denn für seinen kranken Knecht hat er so viel Achtung und Liebe und Sorge, daß er selbst geht, um ihm die Gesundheit durch ein Wunder zu erhalten. Die Knechte ihrerseits hatten für den Herrn so viel Ehrfurcht und Liebe, daß sie ihm auf das Wort folgten. Wir haben einen Heiden vor uns, der aber gegen alle Begriffe seines Volkes Grundsätze wie eine christliche Familie hatte. Denn in dieser gehören Dienstboten und Arbeiter in mancher Beziehung auch zum Ganzen wie Söhne und Töchter.

Welche Stellung haben nun all diese Arbeiter in der christlichen Familie? Ihr begreift wohl alle, wie die Beantwortung dieser Frage ein großes Stück Sozialpolitik in sich schließt, ich behandle aber nur das, was für unsere Verhältnisse besonders nothwendig ist. Dann bitte ich alle, diese Wahrheiten sich tief einzuprägen und oft zu beherzigen. Denn zahllose Seelen gehen nur deshalb verloren, weil die zwischen der Familie und den Arbeitern von Gott gewollte Ordnung nicht heilig gehalten wird.

Die Grundlage nun von allem bildet die gegenseitige Achtung. Daher rede ich heute von der Achtung, welche die christliche Familie dem Arbeiter und der Arbeiter der christlichen Familie schuldet.

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So gerne ich wie früher einfach auf das Beispiel der hl. Familie hindeutete, so ist mir das heute nicht möglich. Denn bei seiner Armuth konnte der hl. Joseph nicht bloß keine Arbeiter anstellen, sondern er mußte zufrieden sein, daß er nicht bei einem andern Meister zu arbeiten ge - zwungen war. Aber da sehet ihr wieder die Weisheit Christi, der in seinem Erlösungswerk nichts vergessen hat, was zum Heile der Menschen nützlich und nothwendig. Denn er hat es durch den hl. Geist geleitet, daß seine Apostel diesen Punkt nicht bloß berührten, sondern daß der hl. Paulus eines Sklaven wegen einen besondern Brief schreiben mußte.

In Ephesus nämlich war ein reicher Christ, Namens Philemon. Mit diesem und seinem Hause war der hl. Paulus ganz besonders befreundet. Onesimus ein Sklave bestahl nun seinen Herrn Philemon, flüchtete nach Rom, wo er den hl. Paulus aufsuchte und durch ihn Christ wurde. Obwohl der Völkerapostel den Sklaven in seinem Kerker ganz gut brauchen konnte, schickte er denselben gleich - wohl seinem Herrn zurück. Damit er aber gnädig auf - genommen würde, gab er ihm ein kleines Begleitschreiben mit, welches vom hl. Geist eingegeben wie die hl. Evan - gelien unter die Schriften des neuen Bundes gezählt wird. Das that der Völkerlehrer, damit die Heiden ja nicht glauben, das Christenthum wolle die Sklaven durch Gewalt und Mißachtung aller Eigentumsrechte befreien.

Wie sehr dieser kleine Brief von Herrschaften und Arbeitern zu[ beherzigen] ist, beweist schon der Umstand, daß der hl. Chrysosthomus uns darüber drei Homilien hinterlassen hat! Betrachten wir nun zuerst den Haupt - inhalt des Briefes. Zuerst lobt der hl. Paulus den Philemon wegen des Glaubens und dann wegen der Liebe gegen die bedrängten Christen. Dann fährt er wörtlich fort: Ich bitte dich für meinen Sohn, den ich355 in meinen Banden gezeugt habe, für Onesimus, der dir unnütz war, jetzt aber dir und mir nützlich ist, den ich dir zurückgesandt habe, du aber nimm ihn auf, als wären es meine Eingeweide. (10 12.) Wer redet so? Der greise Völkerapostel in Kerker und Banden. Für wen? Für einen Sklaven und Dieb. Wie nennt er ihn? Er ist mein Sohn; denn in meinen Banden habe ich ihn für Jesus Christus gewonnen. Wie sollst du ihn auf - nehmen? Wie meine Eingeweide wie mich selbst. Also welche Achtung und Ehrfurcht sollst du vor ihm haben? Oder vor dem Arbeiter, der in deinem Hause, in deiner Fabrik, auf deinem Felde arbeitet welche Ehrfurcht sollst du vor im haben christliche Familie? Wie vor dem heiligen Paulus, der, nachdem er mehr gethan und gelitten als alle Apostel, in seinem Greisen - alter ein Schauspiel den Menschen und den Engeln, in Kerker und Banden die Krone des Märtyrerthums und die volle Herrlichkeit des Himmels erwartet. Oder ist diese Auslegung etwa zu kühn? Aber warum schreibt denn der hl. Paulus an Philemon: Wenn du mich für deinen Mitgenossen hältst, so nimm ihn auf wie mich! (17) Aber wie ist das möglich? Onesimus, der Sklave, der Weltapostel Paulus! Onesimus ist mein vielgeliebter Bruder, und daher bekommst du statt des Knechtes, der dir entlaufen, einen Bruder, der dir in Christo Jesu gleichförmig geworden.

Aber wie ist das möglich? Diese Gleichstellung des reichen Herrn Philemon und des armen Sklaven One - simus! Fraget den gleichen hl. Paulus (Gal. III. 26) Da ist weder Sklave noch Freier, denn ihr seid alle eins in Christo Jesu! ihr seid alle Kinder Gottes durch den Glauben; denn ihr alle, die ihr getauft seid, habet Christum angezogen.

Weder Sklave noch Freier! Warum nennt er gegen356 den Weltton zuerst den Sklaven. Wird sich die stolze Welt nicht darob ärgern? Das ist ihm gleichgültig, aber wissen soll sie, daß bei Jesus Christus der Sklave so viel gilt als der Freie, die Magd soviel als die Dame, und der Knecht soviel als der Herr. Warum? Durch die Taufe seid ihr vielgeliebte Kinder Gottes und Brüder Jesu Christi. Welcher Adel gilt also vor Jesus Christus? Etwa Geld oder Kapitalien? Etwa Banken oder Fabriken? Etwa Aemter und Würde? Das ist ihm wie ein Kinder - spielzeug. Was ist vor ihm gemein und verächtlich? Etwa Armuth oder Abhängigkeit? Etwa mühsame Arbeit oder Verachtung? Aber das ist ja nach dem Beispiele Jesu Christi und der hl. Familie gerade der Adel des neuen Bundes. Oder macht etwa die katholische Kirche einen Unterschied? Es mag viele Katholiken geben, die nicht nach dem Evangelium, sondern nach den Grundsätzen der Welt leben und das goldene Kalb in den Reichen ver - herrlichen; aber die Kirche als Kirche kennt nur den Adel den uns Jesus Christus gebracht. Als daher der hl. Chrysosthomus dies Begleitschreiben des hl. Paulus er - klärte, rief er voll Begeisterung: Auch die Kirche weiß nichts von einem Unterschiede zwischen Herr und Sklave, den Werth oder Unwerth bestimmt sie nach guten oder bösen Thaten. (Cf. h. II. 1 in Philem.) Um so adeliger wird daher ein jeder, als er Christo ähnlicher ist; aber auch um so gemeiner, je unähnlicher er diesem göttlichen Vor - bilde geworden.

Erforschet nur euer Gewissen, ihr zunächst, die ihr Arbeiter in euerer Familie, in eueren Geschäften und Fabriken habet! Achtet und ehret ihr alle diese Knechte und Mägde, all diese Lehrlinge und Gesellen und Lehr - töchter, all diese Sticker und Fädlerinnen, all diese Tag - löhner und wie sie immer heißen achtet und ehret ihr sie als euere ebenbürtigen Brüder und Schwestern in357 Christo Jesu, habet ihr vor ihnen Ehrfurcht? Wie redet ihr von ihnen mit Hochachtung oder etwa verächtlich? Was erlauben sich oft größere oder kleinere Kinder gegen Dienstboten?

Oder willst du etwa sagen meine Arbeiter sind schlecht und verdorben; ich kann ja vor ihnen keine Ehr - furcht haben. Ob du vielleicht daran auch Schuld bist? Was du mit solchen zu thun hast, wollen wir das nächste Mal sehen. Für heute nur so viel: Auch solch 'verdor - benen Arbeiter schuldest du noch Ehrfurcht; denn sie waren einst vielgeliebte Kinder Gottes, können es wieder werden, sind heute noch Ebenbilder Gottes und zu dieser Ehrfurcht schuldest du ihnen tiefgefühltes Mitleid.

Aber, denkest du vielleicht, warum redest du so lange von der Ehrfurcht, welche die Familie dem Arbeiter schuldet? Weißt du denn nicht, daß diese ohnehin schon stolz und kaum mehr zu leiten sind? Daß die Arbeiter oft nicht sind, wie sie sein sollten, ist mir schon bekannt; daß aber viele Herrschaften und Familien auch nicht so unschuldig sind, wie sie vorgeben, ist eben nur zu oft auch traurige Wahrheit. Doch wollen wir indessen diesen Punkt übergehen und auf die Arbeiter kommen.

Bevor ich jene Ehrfurcht erkläre, welche ihr Arbeiter der Familie schuldet, muß ich noch Weniges vorausschicken. Ihr alle, die ihr das Brot in fremden Familien verdienet oder esset, vergesset niemals euere Würde, bewahret und mehret dieselbe durch ein gottseliges Leben. Denn sobald ihr durch Genußsucht, durch Aus - schweifungen, durch Trunksucht euch selbst verächtlich machet, werden wahrhaft christliche Familien euch zwar nicht ver - achten, aber in ihren Häusern und Geschäften nicht mehr dulden. Und dann ein zweites! Sollen die Arbeitgeber euch achten, so müsset ihr euch gegenseitig als Brüder und Schwestern in Christo Jesu, als Kinder und Erben Gottes358 achten und lieben. Wenn aber manche Arbeiter sich gegen - seitig verachten, wenn andere ihre Würde und den Adel der Mitarbeiter derart vergessen, daß sie durch ein ge - wisses Laster in Wort und That alles verwüsten können solche noch auf die Anerkennung ihrer Würde und Hoheit Anspruch machen? Urtheilet nur selbst.

Mehr als ein Viertel Jahrhundert stehe ich nun mehr oder weniger im öffentlichen Leben; verkehrte fast ausschließlich mit armen und geplagten Leuten und wenn ich sage, daß ich seit dreizehn Jahren mit 12000 Kranken aus dem Arbeiterstand nur im Kantonsspital mich unterhielt, so greife ich gewiß nicht zu hoch. Aber gerade deswegen habe ich nicht bloß das Recht, sondern auch die hl. Pflicht, mit der Fackel des Evangeliums gewisse Nacht - seiten des Lebens zu beleuchten und meine Stimme warnend und bittend in alle Schichten der Gesellschaft ertönen zu lassen. Wenn mir dann manche eine gewisse Vorliebe gegen die große Masse der Armen und Geplagten und Mühseligen zum Vorwurfe machen, so rühme mich dessen so lange der Glaube besteht: Der Gottmensch lebte von der Krippe bis zum Kreuze in Armuth, in Mühsal, in Verachtung. Aber gerade deswegen wird das geplagte Arbeitervolk mir auch nicht zürnen, wenn ich ihm seine Stellung zu den Herrschaften und Reichen erkläre. Darum sag ich noch einmal: Christliche Arbeiter und Arbeite - rinnen, habet doch vor einander Ehrfurcht, auf daß auch euere Vorgesetzten vor euch Ehrfurcht zu haben wie ge - zwungen sind.

Aber das ist noch lange nicht genug. Denn wie die Obern euch zu achten haben, so sollet auch ihr gegen sie Ehrfurcht tragen. Das nun ist leicht. Denn hier gilt alles, was ich anfangs sagte. Auch ihr sollet nämlich euere Arbeitgeber als Kinder und Erben Gottes, als euere Brüder in Christo Jesu betrachten. Aber wenn es Juden359 sind vielleicht Feinde Christi? Es sind Ebenbilder Gottes, Nachkommen des Auserwählten Volkes, aus dem unser Erlöser dem Fleische nach stammt, in ihrer Zer - streuung die lebendigen Zeugen der Wahrheit unseres Glaubens; auch sie sind zum Glauben und zur hl. Taufe und zur Kindschaft Gottes in Christo Jesu berufen.

Aber noch weit mehr. Denn betrachtet einmal die Lehre und Mahnung des hl. Paulus: Knechte, gehorchet den leiblichen Herren in der Einfalt eueres Herzens gleich - sam wie Christo, nicht als Augendiener um Menschen zu gefallen, sondern als Diener Gottes, die den Willen Gottes thun von Herzen und mit gutem Willen dienen, gleich - sam dem Herrn und nicht den Menschen. (Eph. VI. 5 7). Bleiben wir einige Augenblicke bei dieser Mahnung des hl. Paulus stehen. Also wie Gott, wie Christo. Daher mit aller Ehrfurcht (I. P. Set. II. 18). Denn ihr dienet eigent - lich nicht den Menschen sondern Gott; ihr erfüllet eigent - lich nicht den Willen eines Menschen, sondern den Willen Christi. In welcher Eigenschaft ihr also immer im Dienste anderer arbeitet, überall sollet ihr in eueren Vorgesetzten und Herrschaften weniger die Menschen als Gott selbst erblicken.

Aber wie ist das möglich? Die Vorsehung Gottes, welche unsere Geschicke bis in das Kleinste leitet, hat es theils gefügt, theils zugelassen, daß so viele Menschen ihr Brod im Dienste der Reichen und der Herren zu verdienen und zu essen haben. So werden die Arbeiter eigentlich Diener Gottes, und während sie für diese Welt vielleicht ein armseliges Leben fristen, sammeln sie sich unermeßliche Reichthümer für den Himmel. Denn der hl. Paulus fügt bei: Ihr wisset, daß jeder, was er Gutes thut, vom Herrn zurückempfängt, sei er Sklave oder Freier. Was immer ihr also im Dienste der Menschen aus Liebe zu Gott thuet, für das werdet ihr vielleicht hier schlecht be -360 zahlt, aber im Himmel überreichlich belohnt werden. Da - her denn die wiederholte Mahnung: Wollet nicht Diener der Menschen werden. (I. Cor. VII.) Diese Worte gelten nach der Auslegung des hl. Chrysosthomus (h. XIX. n. 4 in I. Cor.) nicht bloß den Knechten und Dienern sondern auch den Herrschaften. Aber wie fragt er, kann denn der Knecht nicht Knecht sein? Wenn er alles wegen Gott thut, und kein Augendiener ist. Wer aber nicht Knecht ist, wird ein Knecht, sobald er aus Habsucht oder Ehr - geiz oder Sinnlichkeit eine böse That vollbringt. Betrachte nur Joseph in Putiphars Haus! Er war Knecht aber nicht der Menschen, und deßhalb im Dienste der Freieste von allen Freien. Deßhalb gehorchte er seiner Herrin nicht, als sie zur Unzucht ihn verleiten wollte. Dieses Weib hingegen war keine Magd und doch unfreier als jede Magd, als sie ihrem Diener schmeichelte aber von ihm abgewiesen wurde.

Wer ist da wahrhaft frei? Der keusche Joseph, welcher dem ungestümen Verlangen seiner Herrin widersteht. Wer ist da Sklave? Die Herrin, welche in den Fesseln ihrer Leidenschaften die Schande sucht, und von ihrem Knechte abgewiesen wird. Das, christliche Arbeiter, ihr möget abhängig sein wie immer, ist euere Würde und Hoheit, vor welcher selbst der Gottlose und der Verführer und die Verführerin Ehrfurcht haben muß. Seid also mit euerer Lage, wenn sie auch drückend sein sollte, doch nie unzufrieden, sondern füget euch geduldig in die Anordnungen Gottes. Christliche Arbeiter, habet Ehrfurcht vor einander, kommet eueren Vorgesetzten mit Ehrfurcht entgegen; wer aber über euch steht, der soll euch ehren als ebenbürtige Brüder in Christo Jesu. In dieser gegenseitigen Ehrfurcht werden dann alle Glück und Heil finden.

Zum Schlusse nun kehre ich zum Anfange zurück,361 zu jenem heidnischen Hauptmann. Da dieser für die kranken Knechte so besorgt war, wird er dieselben in ge - sunden Tagen gewiß auch gut gehalten haben? Das nun ist die hl. Pflicht aller Herrschaften. Dazu gehört vor allem, daß dem Arbeiter der gerecht? Lohn bezahlt werde. So schwierig es nun auch heute ist, in einzelnen Fällen die Lohnverhältnisse genau zu bestimmen, so darf man doch nie Armuth und Elend mißbrauchen, um die Arbeit kaum bezahlen zu müssen, darf nie den Taglöhner betreff seines Lohnes drücken (Malach. III. 5). Denn solche Leute stellt Gott der Herr mit dem Zauberer, mit dem Ehe - brecher, mit dem Meineidigen zusammen und droht ihnen mit seinem Gerichte.

So lange nun die Arbeiter noch Christen sind, werden sie sich gedulden und auf friedlichem Wege nach bessern Umständen trachten, sobald sie aber den Glauben verloren haben, erfolgen blutige Auftritte, wie sie vor nicht langer Zeit in Belgien vorkamen.

Wenn es sich aber um Arbeiter handelt, welche in der Familie sind, wie Dienstboten, Gesellen, Lehrlinge so haben die Herrschaften noch ganz andere Pflichten. Sie haben für die Gesundheit dieser Leute dadurch zu sorgen, daß sie ihnen den nothwendigen Schlaf, die genügende Nahrung und gesunde Schlafstätte zukommen lassen. Das ist um so nothwendiger, als die Gesundheit gewöhnlich das einzige irdische Gut dieser geplagten Arbeiter ist. Oder was soll eine arme Magd anfangen, nachdem ihre Gesund - heit ruiniert ist? Da spielt der Geiz oft eine traurige Rolle, besonders wenn er noch den Mantel der Frömmigkeit anzieht. Die Geizigen mögen sich in Speis und Trank und in allen möglichen Dingen nur recht vieles versagen, damit ihr Geld nicht abnehme sondern noch wachse aber wenn sie das von ihren Dienstboten verlangen, ist es eine Sünde gegen das fünfte Gebot.

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So geht die Drohung Christi immer in Erfüllung. Ich sage euch, Viele werden vom Aufgange und Nieder - gange kommen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreiche sitzen; die Kinder des Reiches aber werden hinausgeworfen in die äußersten Finsternisse. Was will das sagen in Bezug auf unsern Gegenstand? Heiden werden wegen ihrer Güte gegen Arbeiter und Dienstboten zur Bekehrung, zum Glauben gelangen, und so in das Himmelreich kommen, während viele Christen ihrer Härte und ihres Geizes wegen in die äußerste Finsterniß geworfen werden. Wenn aber die Herrschaften so für das leibliche Wohl ihrer Dienstboten zu sorgen haben, so sollen diese aber auch mit dem, was ihnen geziemt, zufrieden sein und es nicht so bequem, nicht so schön haben wollen wie die Reichen.

Wo im lebendigen Glauben die gegenseitige Achtung und Ehrfurcht alles adelt und verklärt, genügt das Gesagte über die Sorge für das leibliche Wohl, wo aber jene Ehrfurcht fehlt, da würde auch der Prophet Malachias mit den Drohungen nichts ausrichten. Deßhalb bitte ich euch alle, ob ihr zu den Armen oder Reichen, zu den Mägden oder Damen, zu den Gesellen oder Meistern zu den Arbeitern oder Arbeitgebern gehöret, präget euch diese Wahrheiten tief in das Herz, betrachtet sie oft, handelt darnach, und auf der gegenseitigen Ehrfurcht wird das richtige Verhältniß zwischen der Familie und den Arbeitern, wo es gestört ist, wieder hergestellt, und wo es noch besteht, befestiget werden, und so werden beide Theile leichter ihr zeitliches Glück und sicher ihr ewiges Heil finden.

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XXXVIII. Christliche Familie und Arbeiter. II.

In der christlichen Gesellschaft sind Arme und Reiche, Herrschaften und Dienstboten, Arbeiter und Arbeitgeber; diese Alle sind durch die hl. Taufe Kinder Gottes ge - worden und sollen sich gegenseitig als Brüder und Schwestern in Christo Jesu voll Ehrfurcht und hl. Scheu hochachten. Diese Grundwahrheit sollte eigentlich genügen, um die Stellung der christlichen Familie zum Arbeiter zu begreifen. Da wir aber im Verständnisse der Wahrheit oft so langsam und manche Pflichten gar nicht verstehen wollen, so muß ich einzelne Punkte noch ganz besonders hervorheben.

Im letzten Vortrage gab ich die nothwendigsten Winke betreff der Sorge für das leibliche Wohl der Arbeiter. So wichtig nun diese Pflicht für die Herrschaften und Arbeitgeber, so giebt es gleichwohl noch eine andere, viel wichtigere, von deren Erfüllung nicht bloß das zeitliche Wohl der Arbeiter, sondern sogar das ewige Heil Aller bedingt ist. Und das wäre? Die gegenseitige Pflicht der christlichen Familie und der Arbeiter für ihr Seelen - heil einander behülflich zu sein.

Was ich hierüber zu sagen habe, präget euch tief ein, damit nicht auch hier in Erfüllung gehe des Herrn Wort: Viele sind berufen, aber wenige auserwählt.

Auch heute muß ich von der Familie ausgehen und zwar von denen, welche dieselbe leiten. Da nun stellt der hl. Paulus (I. Tim. V) den Hauptgrundsatz ganz allgemein auf: Wenn aber Jemand für die Seinige364 und besonders für die Hausgenossen nicht Sorge trägt, der hat den Glauben verleugnet, und ist ärger als ein Ungläubiger. Wer also für das zeitliche und ewige Wohl seiner Hausgenossen nicht sorgt, verleugnet den Glauben, wenn nicht mit Worten, doch durch sein Leben, der ist ärger als ein Heide, denn dieser ist nach dem Naturgesetz für seine Familie besorgt.

Aber woher diese Pflicht? Aus der Natur der Sache. Sehet einmal, Väter und Mütter vertrauen euch ihre Söhne und Töchter an, bald als Knechte und Mägde, bald als Lehrlinge und Gesellen, bald als Taglöhner, als Fabrikarbeiter, oder auch als Kostgänger. Ihr wisset nun, wie es so vielen Eltern wehe thut, daß sie ihre zarte Jugend aus Armuth und Noth oder auch andern Gründen nicht im Schoße der Familie behalten können. Sie ver - trauen sie euch an. Was müssen sie verlangen, da sie beim Abschied den Sohn, die Tochter mit thränen - gefülltem Auge mahnen: Bleibe doch brav, bleibe doch unschuldig! was müssen sie von euch verlangen? Daß die Unschuld der Kinder in euerem Hause, in euerer Fabrik, in euerer Gesellschaft vollkommen gesichert sei. Sobald ihr daher solche Arbeiter annehmet, übernehmet ihr auch die Sorge für ihr Seelenheil.

Aber noch höher steiget. Indem es Gott geleitet, daß ihr Arbeiter beschäftigen könnet, hat er euch zu seinen Stellvertretern an ihnen gemacht. Daher wird und muß er die Seelen all dieser Arbeiter und Arbeiterinnen einst auch aus euerer Hand zurückverlangen. Der hl. Augu - stinus (de civ. Dei. XIX 16) setzt diese Pflicht so tief - sinnig und doch so einfach auseinander, wenn er sagt: Wenn auch unsere gerechten Väter Knechte hatten, so besorgten sie doch den Hausfrieden derart, daß sie in Bezug auf die zeitlichen Güter den Stand der Söhne von dem der Knechte unterschieden, aber in Bezug auf365 Verehrung Gottes, von welchem die ewigen Güter zu hoffen sind, für alle Glieder des Hauses mit gleicher Liebe besorgt waren. Die wahren Väter sorgen für Alle in der Familie wie für ihre eigenen Kinder, daß doch Alle Gott verherrlichen und einst im Himmel besitzen mögen.

Wenn also zuerst der Vater und dann mit ihm die Familie die hl. Pflicht hat, für das Seelenheil der Arbeiter besorgt zu sein, so sollet ihr, christliche Eltern, auch bedacht sein, euere Kinder in guten Familien unterzubringen. Was euere Lehrlinge, Gesellen, Dienstboten anbelangt, geht euch der Pius-Verein durch das Lehrlingspatronat an die Hand. Aber gerade dies Patronat ist eben auch ein Beweis, daß wahrhaft christliche Familien immer seltener werden sonst wäre es ja gar nicht nothwendig und bei aller Vorsicht kommt doch mancher Sohn und besonders manche Tochter in ein Haus, wo lange nicht alles Gold ist, was glänzt. Ihr Alle aber, die ihr in Familien arbeitet, wo man wirklich für euer Seelenheil besorgt ist, wo ihr keinen Gefahren ausgesetzt seid, danket Gott täglich für diese große Gnade; wenn daneben auch manches euch mißfällt, bleibet doch in einem solchen Hause. Denn es ist doch besser, hier etwas mehr zu leiden und in den Himmel zu gelangen, als hier es bequemer und lustiger zu haben und dann in die Hölle zu stürzen.

Doch wir müssen noch mehr in das Einzelne ein - gehen. Denn, daß die Familie für das Seelenheil der Arbeiter zu sorgen habe, ist wohl Allen klar; was sie aber in Folge davon zu thun oder auch nicht zu thun habe, das scheint Manchem unbekannt zu sein. Für's erste also dürfet ihr niemals verdorbene Menschen weder in euer Haus, noch in euere Geschäfte aufnehmen. Denn so würdet ihr ja euch selbst oder euere Kinder oder andere Arbeiter den Gefahren der Aergernisse und Verführung aussetzen. Da könnet ihr nie strenge und vorsichtig genug366 sein, besonders mit solchen, welche von Ort zu Ort her - umziehen und ihrer Liederlichkeit wegen nirgends geduldet werden und mit solchen Söhnen und besonders mit solchen Töchtern, welche gegen den Willen der Eltern das Vater - haus verlassen haben. Wenn aber ein Familienglied oder ein Arbeiter bemerkt, daß ein schlechter Mensch sich ein - geschlichen, machet sofort Anzeige, um Aergernisse zu ver - hüten. Besser den Brand verhindern als löschen!

Da ihr nun die hl. Pflicht habet, verdorbene Arbeiter ferne zu halten, welch furchtbare Verantwortung, wenn die Familie selbst die Brutstätte der Sünde wird! Wenn Armuth und Elend und Noth und Unerfahrenheit und Sinnlichkeit des Arbeiters, der Arbeiterin mißbraucht wird, welch greuliches Aergerniß! Wo ist eine Meerestiefe tief genug für solch heimtückische Verführer, daß sie den Mühlstein am Halse hinunter versenkt werden! Oder sind Verführungen, wie sie Putiphars Weib mit dem keuschen Joseph versuchte seltener geworden! Wie viele Töchter im Dienste oder in der Lehre sind nicht mehr sicher vor den Vätern und Söhnen der betreffenden Familie? Und wenn auch nicht immer böse Werke vorkommen, wie zweideutig, wie gefährlich wird nur zu oft geredet und gehandelt! Wenn in irgend einem Hause solch schreckliche Unordnung sein sollte, räume auf, räume heute noch auf, räume in elfter Stunde noch auf, bevor Gottes Zorn über dein Haus losbricht wie einst über Sodoma.

Daß keine Aergernisse kommen, ist nothwendig, aber noch lange nicht genug. Denn die Arbeiter sollen in der Familie das gute Beispiel des täglichen Gebetes, des fleißigen Kirchenbesuches, der Heiligung des Sonntags, der guten Sitte und Ehrbarkeit vor Augen haben. Ihr brauchet ihnen keine Predigten zu halten, euer Bei - spiel ist das wirksamste Wort. Aber auch ihr Dienst - boten, Gesellen, Lehrlinge, Kostgänger habet der Familie367 gegenüber die ganz gleichen Pflichten. Denn auch euch Wehe, wenn ihr Aergerniß gebet, besonders den Kindern des Hauses. Damit nun dies Alles in Ordnung komme und bleibe, ist die Wachsamkeit der Vater und Mutter nothwendig.

Ihr habet in euerem Hause Knechte, Mägde, Lehr - jungen, Gesellen, Lehrtöchter oder Kostgänger wie ver - kehren diese mit einander und mit euern Söhnen und Töchtern? Und diese mit jenen? Wo sind sie bei Nacht? Wäre jedes in seinem Zimmer, in seinem Bette zu treffen? Suchen sie nicht, bei Tage allein beieinander zu sein? Von solchen Leuten werden ja Kinder schon in zarter Jugend zur Sünde mißbraucht, und klagen dann später bitter über die Sorglosigkeit der Eltern. Gebet ihr auch Acht, ob euere Dienstboten und Gesellen und Lehrlinge den Gottesdienst fleißig besuchen, die hl. Sakramente empfangen? ob sie nicht in schlechte Vereine eintreten? welche Bekanntschaften sie anfangen oder unterhalten. Aber was soll ich sagen, wenn die Leute nicht in deinem Hause arbeiten und wohnen, sondern in der Fabrik oder bei einem Bau oder sonstwo beschäftiget sind?

Auch da ist Aufsicht nothwendig und doppelt strenge, wo beide Geschlechter miteinander arbeiten, seien die Arbeiter ledig oder verheiratet; je weniger zahlreich die Arbeiter, desto wachsamer muß die Bewachung sein. Oder was verlangen denn all diese Aergernisse, all diese Sünden, all das Unglück, das bald da, bald dort mehr oder weniger aus dem Dunkel in die Oeffentlichkeit tritt? Was ver - langt die Angst der Mutter und der Kummer des Vaters, oder die Eifersucht einer unglücklichen Frau? Was ver - langt der Leichtsinn der Jugend? Strenge Aufsicht.

Oder ist das schwierig? Mag sein aber gerade deswegen auch nothwendig. Was übrigens manche gute Familie zu Stande bringt, wird auch für Andere keine368 Unmöglichkeit sein. Gebet ihr ferner auch Acht, ob nicht vor der Zeit Einzelne sich in Arbeitslokale einschleichen oder Abends unter diesem oder jenem Vorwande allein zurückbleiben? Sind die Säle im Namen der Sittlich - keit oder der Unschuld für Alle gleichzeitig geöffnet, aber auch geschlossen?

Oder willst du etwa sagen: Ich betrachte meine Arbeiter nur als Bürger, ich bin zufrieden, wenn sie ihre Arbeit gut machen; um alles Andere kümmere ich mich nicht. Schon gut. Aber wenn diese Bürger einst zur Hölle fahren in deiner Gesellschaft, wo wird dann der Christ, der Katholik im Himmel ein Plätzchen finden? Oder wenn der Katholik verdammt wird, wo wird dann der Bürger selig werden? Die Neilzeit mag, um das böse Gewissen zu beschwichtigen, den Menschen von der Wiege an bis zum Grabe, in der Schule, bei Ein - gehung der Ehe, bei der Beerdigung nur als Bürger betrachten und behandeln, um den Christen aber ganz unbekümmert sein; Gott jedoch weiß von dieser Unter - scheidung rein nichts sondern er nimmt die ganze Person, daß der Bürger mit dem Christ und der Christ mit dem Bürger ewig verdammt oder ewig selig wird. Das, das ist die Wahrheit, der wir uns zu unterwerfen und nach der wir zu leben, zu handeln haben, unbe - kümmert um das gelehrte Kauderwelsch einer christus - feindlichen und Gott fernen Zeitströmung.

Aber denkst du vielleicht, wir können doch nicht überall sein. Das verlangt auch Niemand, aber kannst du nicht brave und zuverlässige Aufseher bestellen, kannst du oder die Deinen nicht hie und da selbst nachsehen? Kannst du nicht einzelne Arbeiter über die Ordnung oder Unordnung befragen? Aber diese decken sich ihre Schande gegenseitig zu. Das nun wäre allerdings traurig und die sicherste Straße in die Hölle hinab. Denn, christliche369 Arbeiter, ihr habet die hl. Pflicht, den Herrschaften zu sagen, wie es unter euch stehe, wie euere Unschuld oder euer Glaube bedroht werde. Das gleiche habet, ihr zu thun, wenn ihr in der Familie selbst Versuchungen aus - gesetzt werdet. Ob dann für den Augenblick Zank und Streit entstehe an dem liegt nichts wenn nur Alle für den Tag der Ewigkeit gerettet werden. Wir sind gewohnt, nicht bloß im öffentlichen, sondern auch im Privatleben aus Klugheit tausenderlei Rücksichten zu nehmen, und übersehen dabei nur zu oft aus Feigheit die eine nothwendige Rücksicht auf die Ewigkeit.

Oder wollt ihr sagen: Die Anzeige hilft doch nichts. Hast du schon einen Versuch gemacht? Warum denn sagen: Es hilft doch nichts. Wenn ihr aber jemals an einem Orte arbeiten solltet, wo man über Glaube und Sitte und Scham nur spottet, wo keine Aufsicht waltet, wo keine Anzeige hilft, wo ihr in Folge der eigenen Schwäche in großen Gefahren seid, oder, was Gott verhüten möge, wo du vielleicht seit langer Zeit in Sünde und Ehebruch gelebt: dann eilet aus Sodoma morgens früh, wie Lot, bevor Schwefel und Feuer vom Himmel fällt. Und wenn ihr dann keine Arbeit habet für den Augenblick, so bettelt und wenn ihr keine mehr findet, so gehet in das Armenhaus. Denn so ent - rinnst du doch jenem ärmsten Armenhaus, wo Satan das Scepter über die Ungläubigen, über die Spötter, über die Unzüchtigen schwingt.

Welcher Gedanke, welche Vorstellung! Welche Ewig - keit für Arme und Reiche, für Herrschaften und Dienst - boten, für Arbeitgeber und Arbeiter, für Aufseher und Untergebene Welche Ewigkeit, nachdem nicht bloß die Gebote Gottes, sondern sogar das Naturgesetz verletzt wurde! Da stürzen sie hinab, unglückliche Töchter: die einen wurden im Dienste verführt, andere während der370 Lehrzeit, wieder andere sind mit 16, 17 Jahren in Arbeitslokalen Ehebrecherinnen geworden, ihre Verführer liegen schon drunten, oder stürzen nach und der fürchter - liche, ewige Gruß? Sei verflucht! Du bist allem die Schuld an meinem Verderben: ich kam unschuldig zu dir; deinen Schmeicheleien, deinen Drohungen erlag ich; ich wollte mich bekehren, du lachtest nur; mich erschütterte das Wort Gottes, du höhntest darüber; ich wollte beichten, du spottetest sei verflucht versinke in die Untiefen!

Sei verflucht, lautet der Gegengruß unter dem Hohn - gelächter der Hölle. Warum ließest du dich verführen? Warum bist du keine Märtyrin geworden für deine Un - schuld? Warum machtest du keine Anzeige bei der Herr - schaft, bei meiner Frau? Ich hätte mich bekehrt! Ver - sinke in die Untiefen! Doch der Anblick bleibt in alle Ewigkeit bleibt er. Denn was auf Erden die Sünde zum Genuß und zur Lust verbunden, das schmiedet die Verdammniß zur Pein und Strafe ewiglich zusammen. Steiget im Geiste hinab in diese ewigen Flammen! Sehet Männer, sehet Jünglinge! Ungläubig sind sie geworden, die einen als Lehrlinge, andere als Gesellen, als Knechte, als Fabrikarbeiter. Unzüchtige, Ehebrecher sind sie geworden durch gefallsüchtige, ausgelassene Mäd - chen! Sie stürzen hinab, treffen zusammen mit den Ur - hebern und Mitgenossen ihres traurigen Lebens. Und der Gruß? Sei verflucht! Du gabst mir schlechte Bücher und Schriften in die Hand, du höhntest über die Religion, du hieltest mich ab von dem Besuche des Gottesdienstes, vom Empfange der hl. Sakramente, du führtest mich in schlechte Gesellschaften! Du reiztest meine Begierlichkeit durch deine Frechheit. Sei ver - flucht. Sei verflucht, so tönt der Gegengruß durch die ewigen Flammen. Warum widerstandest du nicht? Warum erinnertest du mich nicht an die ewigen Wahrheiten? 371 Und nachstürzen all die Familien, welche ihren Gewinn zählten und in Genußsucht lebten und ihre Arbeiter die Gebete Gottes übertreten ließen oder gar noch dazu ver - führten! Sie stürzen nach und versinken in die tiefsten Untiefen! Seid verflucht! tönt's ihnen von allen Seiten entgegen und durch alle Ewigkeit wiederhallt der Verzweiflungsruf.

Meine lieben Zuhörer wohin denken wir! An wen soll ich mich zuerst wenden in der Angst und Küm - merniß der Seele? Wohin, wohin denkst du, christ - liche Tochter, wenn du das Vaterhaus verlassest, blutjung, um anderswo etwas zu lernen, zu arbeiten, dein Brod zu verdienen? Wohin denkst du, wenn Versuchungen kommen? Wohin, wenn der Beichtvater dich warnt und bittet und beschwört? Und ihr Jünglinge, Lehrjungen, Gesellen, Fabrikarbeiter, Taglöhner ihr Alle, die ihr in Ab - hängigkeit von Andern euer Brod verdient wo denket ihr hin? Lachet ihr vielleicht bei der Arbeit über das Wort Gottes? Was sagten schon so manche Arbeiter auf ihrem Todbette? All' euer Predigten, all, euer Wirken hilft nichts, so lange in den Arbeitslokalen von ledigen wie Verheiratheten beiderlei Geschlechts so ge - redet wird.

Und ihr, christliche Herrschaften, Familien, wo denket ihr hin, wenn im Heiligthum der Familie Dienstboten und Arbeiter Glauben oder Unschuld verlieren? Euer Haus sollte für diese Geplagten wie ein Tempel sein und wird für sie wie ein Ort der Verführung, der Sünde, des Unglücks! Wo denket ihr hin? Wenn Jemand für die Seinigen und besonders für die Hausgenossen nicht sorgt, hat er den Glauben verleugnet und ist ärger als ein Heide. Wer also für die Hausgenossen nicht sorgt, ärger als ein Heide wer aber für dieselben nicht bloß nicht sorgt, sondern sogar Anlaß zur Sünde, zum Ver -372 derben gibt was wird dieser erst sein? Christliche Herrschaften und Familien, wo denket ihr hin? wo denket ihr hin? Seid ihr Väter oder Mütter, Söhne oder Töchter, denket ihr an den Abend des Lebens, wo kein Ansehen der Person vor Gottes Richterstuhl gelten wird? Denket ihr an die Ewigkeit mit dem Denar des Himmelreiches, oder mit dem Feuer des Ab - grundes?

Oder zürnen mir vielleicht Manche, daß ich diesen Gegenstand mit dem Lichte der Ewigkeit beleuchte? Denn manches Auge, in Sünden schwach geworden, erträgt das Licht nicht mehr. Aber wehe mir, wenn ich das Evan - gelium nicht predige muß ich mit dem hl. Paulus sagen und wehe mir, wenn ich es nicht predige, wie es unsere Zeit verlangt, ich könnte das weder vor Gott, noch vor den Menschen verantworten.

Oder lasset einmal das Herz reden! So viele be - sorgte Väter und Mütter, welche in Deutschland oder in unserm weitern Vaterlande leben und ihre Kinder hier in Arbeit haben würden sie mir für diese Rede nicht mit den Lippen sondern mit thränenvollem Auge danken? Antwortet, ihr Söhne und Töchter, die ihr euere Eltern in naher oder weiter Ferne habet! Oder ihr Väter und Mütter, die ihr vielleicht auch Söhne und Töchter in der Fremde habet, wie froh wäret ihr, wenn diese Wahrheiten euern Kindern und ihren Herrschaften mit allem Nachdruck aus Herz gelegt würden? Ja oder nein! Ist es nicht so! Ihr müßtet ja kein Herz haben für euere Kinder, für euer Liebstes auf Erden. Und wenn ich daher heute bewegter als sonst zu euch gesprochen, so wundert euch nicht denn der Kummer, die Angst, die Liebe, die Begeisterung so vieler Vater - und Mutter - herzen hat sich gleichsam in diesem Herzen wie Strahlen in einem Brennpunkte gesammelt, und mir all die Ge -373 danken und Worte auf die Lippen gelegt. Möge daher dies Wort, wie es tief aus tausend Herzen kommt, auch recht tief in tausend Herzen gedrungen sein und zur Be - wahrung oder Wiederherstellung der christlichen Familie dienen. So wird die Familie ein Heiligthum, wo Alle in Christo Jesu als ebenbürtige Brüder und Schwestern einander hochschätzen, ein zweites Vaterhaus, wo für das leibliche Wohl der Dienstboten und Arbeiter väterlich und mütterlich gesorgt wird, wie ein Paradies, wo die süßen Familienfreuden ferne vom armseligen Wirthshausleben von Allen genossen werden je nach ihrem Stande, ein Tempel, wo Alle in Heiligkeit und Gottseligkeit für den Himmel heranreifen, Söhne und Töchter der Herrschaft mit den Söhnen und Töchtern jener Eltern, die vielleicht schon hinübergegangen sind oder in der Ferne um ihre Kinder in der Fremde besorgt weinen. Aber so geht denn auch in Erfüllung das Wort des hl. Augustinus: Die wahren Väter sorgen für Alle in der Familie wie für ihre eigenen Kinder, daß doch Alle Gott verherrlichen und einst im Himmel besitzen mögen.

Vergl. Rundschreiben Leo XIII. über die Arbeiterfrage, Vorträge vom gleichen Verfasser. Ingenbohl (Schwyz) 1894.

XXXIX. Ehe und Tod.

(Allerseelentag).

Wenn auch die Ehe durch Jesus Christus derart ge - heiliget worden ist, daß sie in der Heiligkeit und Liebe der Gatten ein glückliches Abbild der Vereinigung Christi mit seiner Kirche werden soll, so hat doch dieser innigste374 geheimnißvollste Lebensbund keinen Bestand, sondern eilt mit jedem Augenblicke seiner Auflösung entgegen. Oder was verkünden all diese Lichtlein? Das ewige Licht leuchte ihnen. Wem? Meinem Gatten, meinen Eltern, meinem Sohne, meiner Tochter. Was verkündet dies Trauergewand? Dies nasse Auge? Dies Gebet? Der Schmuck der Gräber? Die Auflösung der Familie durch den Tod! Was ruft euch der Friedhof voller Grabhügel zu? Dies Alles ruft mit dem hl. Paulus: Das je - doch, Brüder, sag 'ich, die Zeit ist kurz. Mitten im Leben sind wir vom Tode umgeben.

Damit ihr nun Alle täglich an diese Wahrheiten er - innert werdet, will ich sie mit einem Gegenstande ver - binden, welcher so oft der Jugend als reinstes Glück in trügerischer Ferne erscheint, auf den Eltern aber ebenso oft als schweres Kreuz lastet. Und das wäre? Die Ehe. Das nun mag euch auffallend erscheinen. Denn wer steht dem Tode ferner, als die Jungfrau im Braut - schmuck? Was hat der Bräutigam mit der Todtenfahne zu thun? Wie stimmt das Hochzeitslied zum« Requiem æternam »? Der Tod, voll Schrecken, voll Trauer, voll Kälte, wie paßt er zum Feuer, zur Freude, zum Jubel, der Brautleute? Und doch ist da die innigste Ver - bindung und Verwandtschaft, denn: 1. erinnert die Ehe an den Tod; 2. der Tod aber mahnt, die Ehe heilig zu halten.

Die Ehe erinnert an den Tod. Denn schon der Völkerlehrer mahnt die Gläubigen: Das jedoch sag 'ich, Brüder, die Zeit ist kurz; es erübriget nur, daß die, welche Weiber haben, seien, als hätten sie keine. So verbindet er die Ehe mit dem Tod. Diese Verbindung nun schwebe euch täglich vor Augen. Denn was soll die Ehe sein? Ein Abbild der Vereinigung Christi mit seiner Kirche. Diese Form der Vermählung aber bleibt375 nicht immer; denn sie ist für die Kirche voll der Leiden und der Schmerzen. Daher wird dann kommen jener große Tag des Herrn, wo die Posaune all den Todten ruft, wo der letzte Papst im Thale Josaphat erscheint, die Schlüssel des Himmelreiches wieder in die Hände des großen und wahren Gottes zurückzugeben: dann werden die Thränen von den Augen der Braut Christi abgetrocknet, ihr das Brautkleid ewiger Verklärung angezogen, daß sie unter den Jubelklängen der neun Engelchöre mit all ihren frommen und heiligen Kindern am ewigen Hochzeitsmahle des Lammes theilnehme. Was prediget nun diese Ver - wandlung? Wenn ihr auch in Glück und Frieden mit einander lebet, umgeben von guten Kindern, die Zeit ist kurz, ein Augenblick und ihr seid von einander getrennt, um zu werden und zu bleiben wie die Engel des Himmels.

An diese Wahrheit erinnert euch die Kirche, wenn ihr am Altare kniet und einander die Hände reichet zum ehelichen Bunde. Denn die Ermahnung an die Braut - leute schließt ja mit den Worten: Daß euch beide nichts Anderes scheide, als der Tod allein. Denket ferner an jenes schöne Gebet über die Braut, welches also schließt: Sie sei mit himmlischen Lehren ausgerüstet, gesegnet mit guten Kindern, standhaft in den Prüfungen, damit sie beide an ihren Kindern Freude und ein glückliches Alter erleben, und einst zur Ruhe der Auserwählten Gottes im Himmel gelangen. Alter, Tod, ewige Ruhe, dies Alles schwebt vor euren Augen, wenn das Hoch - zeitsgewand euere Jugend, euere Schönheit, euere Kraft verklärt. Feiert nur Hochzeit, so freudig ihr wollet; aber zwischen Braut und Bräutigam steht voll Ernst der Tod, flüstert beiden zu: Dies Band, das ihr heute ge - knüpft, darf und kann Niemand lösen; nur ich habe von Gott die Vollmacht, euch nach wenigen Augenblicken wieder376 zu trennen. Es kann da gar keine Ausnahme geben, seit ich mit Furcht und Zittern in die hl. Familie von Nazareth eintreten mußte, um auch dort, wo ich kein Recht hatte, meines Amtes zu walten. So spricht der Tod, und das Familienleben bezeugt die Wahrheit seiner Aus - sage. Sehet einmal!

An was erinnert euch die Geburt des ersten Kindes, wenn ihr beide dieselbe erlebet? An Gottes Wort: In Schmerzen wirst du Kinder gebären. Daher wird auch das Andere für euch Wahrheit werden: Du bist Staub und sollst zum Staube wiederkehren. Und sind nicht schon jene Leiden und Schmerzen ein Versuch des Todes, dem Manne die[ Gattin] zu nehmen! Die Mutter war ihm noch zu stark, aber nicht das Kind. Denn sehet nur um euch! Es gibt ja so wenige Familien, welchen der Tod nicht kleine Kinder weggenommen. Oder was be - deuten denn jene Reihen kleiner Kreuze auf dem Fried - hof? Adam und Eva schauten zuerst die Schrecken des Todes auf dem Antlitz des frommen Abel; das war für sie das furchtbarste Memento mori Denk 'an den Tod! Und wenn ihr den Tod nicht geschaut im ge - brochenen Auge euerer Eltern, was verkündet euch dies Kind, dessen Seele die Herrlichkeit Gottes anschaut? Denk 'an den Tod! Bald werdet ihr mir nachfolgen; lebet so, daß wir in der ewigen Ruhe einander wieder finden.

Und diese Jugend, und diese Kinder, die euch der Tod noch übrig gelassen, was predigen sie euch? Es ist da wie am Rheine draußen. Dort stößt eine Welle die andere vorwärts, immer neue Wasser kommen und strömen endlich in's Meer, dort ihre Ruhe zu finden. Wo sind jene Kinder und jene Jugend, welche heute vor zehn Jahren diese vorderen Bänke füllten? Wie weit seid ihr schon über diesen Kreuzgang hinweggedrängt von den nachkommenden Geschlechtern? Und diese werden wieder377 gestoßen, bis ihr Alle im Meere der Ewigkeit verschwunden seid. Was ruft euch daher die heranwachsende Jugend, was rufen euch diese Söhne und Töchter, durch welche ihr vielleicht schon Großeltern geworden, zu? Wir wollen auch wieder Geld und Gut, Kleidung und Nahrung, Felder und Obdach, für so Viele hat die Welt nicht Platz. Denk 'an den Tod!

Nicht wahr, ihr pflanzet neben einem alten Baum einen jungen; dieser wächst auf, bis jener zusammenbricht. O, ihr alternden Bäume, Gott hat diese jungen Pflanzen neben euch hingepflanzt. Ihr seid schon wie überflüssig geworden und stehet dem jungen Baume hindernd zur Seite! Ob ihr noch etwas jünger oder schon alt, er ist für euch wie eine Trauerweide auf euerem Grabe. Die Zeit ist kurz; denk 'an den Tod! Er ist ja bereits euer Familiengast geworden, und wird nicht mehr von euerem Tische weggehen, so lange er noch Leben findet. Ihr möget euch noch mit einigen Jährchen vertrösten, ihr möget noch fleißig Geld sammeln, als hättet ihr immer mit einander zu leben, ihr möget die Gedanken an die baldige Trennung aus dem Sinne schlagen: der Tod ist und bleibt euer Hausgast, schleicht unheimlich in den Räumen umher, holt euch ein zweites, eilt drittes Kind, vielleicht gar einen Jüngling, eilte Jungfrau, die schönste Hoffnung euerer Zukunft.

Und wenn euch dies Alles noch nicht genügt, wie viel Schmerzen und Leiden und Krankheiten sind mit der Ehe verbunden? Jene Mühsal des Fleisches, von welcher der hl. Paulus redet. Dachtet ihr auch schon ernstlicher darüber nach? Woher dies Alles? Wer bleicht das Haar, oder reißt es aus? Der Tod. Wer wirft die Runzeln in's Angesicht und die Schatten des Alters? Der Tod. Wer gibt der Lunge den Husten, dem Blute die Schwäche? Der Tod. Wer wirft an jedes Glied all' dies Weh, all'378 diese Gebrechen? Der Tod. Wenn daher deine Gattin leidet, kränkelt, was ruft sie dir zu? Siehe, der Tod, arbeitet in mir; ich weiß nicht, wann er seine Arbeit voll - endet, uns von einander zu scheiden.

Aber das ist doch gar zu traurig! Darüber will ich mit euch nicht rechten; aber saget einmal ist es denn in Wirklichkeit nicht so? Ist das nicht unser Leben, oder besser unser langsamer Tod? Ruft's nicht von allen Seiten und Ecken und Enden? Die Zeit ist kurz, denk 'an den Tod! Ob ihr diese Stimme vernehmet oder nicht, sie rufet dennoch; ob ihr die Schatten des Todes sehet oder nicht, in euerer Familie stehet dennoch jener Knochenmann in der Hand die schlagbereite Sense. Es ist wahrhaft, als hätte Gott nur deswegen die Lebens - gemeinschaft der Ehe angeordnet, damit wir Alle nach - drücklichst und immerfort an den Tod erinnert würden.

Wenn aber der Tod schon das Eine oder Andere vielleicht in der Vollkraft und Blüthe des Lebens weg - gerissen hat, was soll ich dann erst sagen? Da steht ein Mann mit den Kindern am Grabe der Mutter der Tod flüstert ihm in's Ohr: Siehe, einen Theil von dir hab 'ich schon in's Grab geworfen; morgen werd' ich auch den andern nachholen. Und wenn die Mutter ihren todten Gatten betrachtet, läuft nicht auch der Todesschauer über ihren Leib? Denn sie waren ja nur mehr Zwei in Einem Fleische. Steckt nicht der Tod verborgen in ihrem Trauergewand? Was erst, wenn ein zweiter Vater, eine zweite Mutter in's Haus eingetreten? Denn diese zweite Vermählung ruft ja überlaut: Wo ist der Vater, wo ist die Mutter dieser Kinder? Das erste Band ist durch den Tod zerissen, haltet euch nur bereit, auch dies zweite hat er schon in seiner Hand.

Ihr möget also die Ehe und die Familie betrachten, wie ihr immer wollet, ihr werdet immer an den Tod379 erinnert. Wenn euch das aber nicht genügt, wenn ihr etwa glaubet, ihr seid wenigstens noch für viele Jahre gesichert, ihr müsset erst noch für euere Kinder sorgen, ihr seid noch jung und stark gehet heute nur auf den Friedhof, betrachtet dort all die Gräber, schauet nach, ob der Tod Erbarmen habe mit kleinen Kindern, mit der Jugend der Eheleute, oder ob er nicht vielmehr bald den Vater, bald die Mutter, bald beide den zarten Kindern entreiße; ob er nicht die Ehe oft trenne, bevor sie nur recht geschlossen ist; ob er nicht für die Mutter und ihr erstes Kind das gleiche Grab öffne. Da nun öffnet nur die Augen und der Tod steht vor euch in seiner wahren Gestalt, thränenlos, ohne Mitleid, ohne Er - barmen.

So also hat Gott das menschliche Leben eingerichtet, daß wir den Tod unmöglich vergessen können. Das ist ein Werk unendlicher Barmherzigkeit. Denn, wenn auch der Mensch in seiner Leidenschaft Gott und die Kirche Himmel und Hölle vergessen kann, hat er doch immer mit dem Tode zu rechnen, der sicher kommt, und zwar wie ein Dieb in der Nacht, wenn man gar nicht daran denkt. Daher mahnt er denn euch, die Ehe heilig zu halten.

Das aber sage ich euch, Brüder, die Zeit ist kurz; es erübriget nur, daß die, welche Weiber haben, seien, als hätten sie keine. (I. C. VII. 29.)

Die Zeit ist kurz, und doppelt kurz für Eheleute. Denn, wenn ihr in den Ehestand tretet, sind schon viele Jahre eueres Lebens vorbei, vielleicht der dritte Theil, oder gar die Hälfte: sind aber nur wenige vorbei, werden diese frühen Ehen die Gehilfen des Todes, um die kurze Lebenszeit noch mehr abzukürzen. Wie manche allzujunge Frau seufzte schon auf ihrem Sterbebette: Ach hätte ich doch dem Pfarrer gefolgt; aber die Thränen halfen nichts; der Tod hielt seine Beute zu fest.

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Die Zeit ist kurz, kürzet sie einander nicht noch mehr ab; rufet doch dem Tode nicht muthwillig. Wenn näm - lich statt Geduld Zorn, statt Liebe Haß, statt Frieden Streit unter euch herrscht; wenn ihr euern Leidenschaften Alles gestattet, den Schultern mehr aufladet als sie zu tragen vermögen; wenn die Genußsucht und die Sinnlich - keit Alles beherrscht und verlangt, heißt das nicht, das Leben einander muthwillig abkürzen? Wäre das möglich, wenn ihr nur irgendwie an den Tod dächtet? Die Zeit ist kurz, ruft der Tod jeden Augenblick, machet diese kurze Zeit nicht noch selbst kürzer, verbittert sie einander nicht, sondern liebet einander, wie Christus seine Kirche, und die Kirche Christus liebt; seid Väter voll Würde und Hoheit, wie der hl. Joseph; seid Mütter voll Würde und Opferliebe, wie die Mutter Gottes. Denn ich stelle euch im nächsten Augenblick vor den Richter - stuhl des allwissenden und allgerechten Gottes.

So mahnt euch der Tod, christliche Eltern, und wendet sich von euch weg an euere Söhne und Töchter, die nur zu oft nicht bloß die Gebote Gottes vergessen, sondern sogar die zartesten Gefühle und Regungen der Natur schänden, um euch und sich selbst diese kurze Zeit recht bitter und noch kürzer zu machen. O! wie lange noch christliche Jugend, wollen so manche aus euch gedanken - los durch die Welt gehen, um bald in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen? Wie lange noch soll dieser Allerseelentag spurlos an so manchem vorübergehen? Wie lange noch wollet ihr mitten im Modergeruch des Todes den Tod vergessen? Die Verbindung von Vater und Mutter verkündet euch den Tod; die grauen Haare des Vaters und die Runzeln der Mutter zeigen euch den Tod; das Grab des Vaters oder der Mutter oder auch der Altersgenossen verkünden euch den Tod den schnellen, den unsichern, den plötzlichen Tod.

381

Denn, wenn ihr heute die Gräber betrachtet, fraget nur: Wie ist denn dieser, wie ist denn jene gestorben? Und bei sehr vielen lautet die Antwort: Plötzlich, un - erwartet, unversehen. Warum wollet ihr gleichwohl durch ein ausgelassenes Leben den Tod derjenigen beschleunigen, durch welche euch die Allmacht Gottes dies Leben ge - schenkt hat? Warum einer Bekanntschaft, einer Hochzeit wegen Vater und Mutter den Tod wünschen? Wäret ihr unsterblich, könntet ihr immer und ewig in diesen wüsten Freuden leben: dies Verbrechen wäre unnatür - lich, doch der Tod grinst euch an, nimmt euere Leiden - schaften und Ausschweifungen zu Gehülfen; vor Vater und Mutter sinkst du vielleicht ins frühe Grab, oder folgest ihnen schnell nach wider Erwarten! Ach, wie so oft opfert ihr euerer Leidenschaft das Glück der Eltern, den Frieden der Seele, die Unschuld des Leibes, die Hoffnung auf den Himmel. Diese Leidenschaft soll euch zur Ehe führen? Schwebt euch nicht diese vor Augen? Die Ehe aber er - innert euch von allen Seiten an den Tod mit all seinen Schrecken. Ist nun diese Handlungsweise Leichtsinn oder Dummheit, oder Verblendung, oder Bosheit, oder Leiden - schaft, oder alles zusammen? Oder glaubet ihr nur an den Tod für andere, nicht aber für euch?

Oder wird er dich verschonen, bis du die wüste Jugendrechnung mit deinem Gotte geordnet haben wirst? Zeiget mir einmal den Vertrag, den ihr mit ihm ge - schlossen! Was bleibt euch übrig? Vater und Mutter zu ehren, daß ihre Ehe lange glücklich bleibe, und es euch gut ergehe, und ihr lange lebet auf Erden. Was bleibt euch übrig? Nach dem Vorbilde von Joseph und Maria zu leben in den Tagen der Jugend und nach ihrem Vorbilde unbefleckt und rein in den Ehestand zu treten. Dann wird der Tod auch in der Ehe euer Lehr - meister sein, daß ihr denselben einst nicht zu fürchten382 habet, sondern mit dem hl. Paulus sagen könnet: Ich wünsche aufgelöst zu werden und bei Christo zu sein.

Denn betrachtet nur tiefer das Wort des Völker - lehrers. Die Zeit ist kurz, es erübriget nur, daß die, welche Weiber haben, seien, als hätten sie keine, und die welche weinen, als weinten sie nicht, und die, welche sich freuen, als freuten sie sich nicht, und die, welche taufen, als besäßen sie nicht, und die, welche diese Welt gebrau - chen, als brauchten sie dieselbe nicht. Denn die Gestalt dieser Welt vergeht. So der hl. Paulus. Daß er aber dies alles zunächst von der Ehe verstanden wissen will, ist schon daraus klar, daß er im ganzen Kapitel nur von der Jungfräulichkeit und der Ehe redet. Betrachtet also das Einzelne! An was mahnt also der Tod die Eheleute? Lebet so, als wäret ihr nicht verheiratet! Was will das sagen? Liebet doch nicht zu sehr diese Schönheit der ersten Jahre, sonst wird die eheliche Liebe unbeständig wie diese Schönheit. Noch viel weniger traget diese Schönheit irgendwie zur Schau. Denn der Tod ziert euern Leib unbemerkt für die letzte Stunde, bald lang - samer, bald schneller, bald wie in einem Augenblick. Er nimmt euch die Zähne des Mundes, den Schmuck des Hauptes, er bleicht euere Wangen, er wirft die Runzeln auf euer Gesicht, trübt die Augen, bückt die Gestalt. Wenn man diese jungen Eheleute nach zwei bis drei Jahren zum ersten Mal wiedersieht welche Verände - rung! Wo ist diese Jugend? Wo diese Anmuth? Wo diese Lieblichkeit? Der blühende Baum steht bereits wie mit falben Blättern ganz ernst da. Deshalb mahnt und warnt euch der Tod: Lasset euch durch diese Schönheit nicht bethören, nicht gefangen nehmen, hängt euer Herz nicht daran. Denn sonst geht die Treue und Liebe mit dieser Schönheit unbemerkt verloren. Liebet vielmehr die Schönheit der Seele, welche nicht altert, sondern immer jugendlicher wird.

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Aber noch mehr! Ihr wisset ja, mit welch 'mannig faltigen Wechselfällen Ehe und Familie verbunden sind. Wie oft weinet ihr in Schmerz und Leiden? Seid doch wie diejenigen, welche nicht weinen! Denn nach einigen Augenblicken macht der Tod all diesem Elende ein Ende. Wenn aber Anlässe der Freude und des Jubels kommen, wenn euch Gott Glücksgüter gegeben hat, daß ihr euch freuen könnet, seid doch wie diejenigen, denen keine Freude vergönnt ist. Denn nach einigen Augenblicken hat der Tod euch alles geraubt, und es bleibt euch nur noch das Grab. Aber dürfen wir denn nicht kaufen und erwerben, wenigstens für unsere Kinder? Freilich; aber auch da ruft der Tod: Seid nicht so besorgt um diese zeitlichen Güter; ihr seid für den Himmel bestimmt. Euere Kinder haben auch wieder Verstand und gesunde Glieder auch sie eilen dem Grabe zu. Die Gestalt dieser Welt vergeht.

Wohlan, wenn ihr euch mit diesen Gedanken alle Tage vertrauter machet, wie viel Zucht und Gehorsam und Ehrbarkeit unter der Jugend! Wie heilig die Vorberei - tungen auf den Ehestand: Wie heilig die Ehe selbst! Wenn ihr aber euere Familie mit dem Vorbilde, mit der hl. Familie von Nazareth, vergleichet, wie werdet ihr vor dem Angesicht Gottes bestehen?

Wie wird es um die bestellt sein, welche uns vor - ausgegangen sind? Wo werden diese sein? Um nur von der Familie zu reden, könnet ihr glauben, daß sie nach dem Tode sogleich in die Herrlichkeit Gottes eingegangen sind? War die Ehe euerer Eltern ein treues Abbild der hl. Familie und der Vereinigung Christi mit seiner Kirche? War euer Vater in der Familie wie ein zweiter Christus oder wie der hl. Joseph, voll Würde und Hoheit? War die Mutter rein und makellos und gehorsam, wie die Kirche oder die Mutter Gottes, voll Würde und Opfer -384 liebe? Wenn auch ihre Vorbereitung auf die Ehe rein und makellos war, wenn sie die eheliche Treue unverletzt bewahrten, wenn sie euch in der Furcht Gottes erzogen, und in der Stunde der Gefahr ängstlich bewachten, wie viel Ungeduld, Unzufriedenheit, Wortwechsel mögen doch vorgekommen sein? Und wie wenig haben sie das bereut? Wie wenig sich gebessert? Wie wenig dafür Buße gethan? Bis sie den letzten Heller bezahlt, können sie nicht ein - gehen in die Herrlichkeit Gottes.

Was erst, wenn ihre Jugend vielleicht eine recht un - glückliche war; wenn die Religion in der Familie kaum zu finden war; wenn's mit der ehelichen Treue nicht so genau herging; wenn die Nachlässigkeit der Eltern an euern Sünden mitschuldig war; wenn sie vielleicht erst auf dem Todtbette ihre Sünden aufrichtig beichteten und wahrhaft bereuten, was dann? Durch ein Wunder gött - licher Barmherzigkeit sind sie dann allerdings vor dem ewigen Feuer bewahrt worden, aber welch 'ungeheure Schuld zeitlicher Strafen haben sie jetzt noch im Fegfeuer abzubüßen?

Was rufen sie euch daher zu? Erbarmet euch unser, wenigstens ihr, unsere Kinder! Durch euern Ungehorsam euern Trotz, euere Unbändigkeit traget ihr viel Schuld an unsern Leiden. Als der Seelsorger euch warnte und bat und beschwor und leiten wollte, hättet ihr ihm folgen sollen; ihr aber suchtet ihm auf jede Weise auszuweichen und zu entfliehen, und so habet ihr euere und unsere Sündenschuld verhundertfacht. Thuet wenigstens jetzt Buße und verkürzet uns doch die Zeit dieser unsäglichen Schmerzen durch Gebet und Abtötung und gute Werke! Lebet doch in aller Buße und Heiligkeit, daß nicht auch ihr nur für einige Augenblicke an diesen Ort der Qual hinkommet!

Wohl seid ihr heute zahlreich hier versammelt, manche385 sind aus fremden Pfarreien hier, um zu beten auf dem Grabe ihrer Eltern und Ahnen; wohl beten heute so manche vielleicht nach längerer Zeit wieder ein Vaterunser, aber was ihr heute thuet, warum in eueren Familien nicht täglich thun? Denn, wenn ihr auch die Verstorbenen vergessen könntet, so dürfet und könnet ihr doch euch selbst nicht vergessen, und euere Zukunft.

Ihr wisset wohl, wie viel vor der Ehe und in der - selben täglich noch gesündigt wird, wenn nicht durch große doch durch kleine Sünden. Ihr wisset nun, was euere Familie nach dem Vorbilde der hl. Familie sein soll, und wie weit wir noch von diesem Ziele entfernt sind. Der Tod hält euch schon fest in seinen Händen; das geöffnete Grab kann morgen schon über euch sich schließen. Aller - dings wird die hl. Kirche euch nicht vergessen, sondern täglich für euch opfern und beten. Aber euere Kinder werden sie das auch thun? Ja, wenn ihr ihnen mit dem guten Beispiele vorangehet und sie von zarter Jugend an zum Gebete für die Abgestorbenen anhaltet; wenn ihr aber glaubet, mit diesem Nachmittag sei alles so ziemlich abgethan, die Begleitung der Leichen sei die Hauptsache, das Gebet dabei sei nicht mehr Sitte der gebildeten Welt, so werden euere Kinder vielleicht so gebildet, daß Himmel und Fegfeuer ihnen verschlossen bleiben. Was wird ihnen dann offen stehen? Wer wird dann für euch beten?

Ihr wisset es besser als ich, wie viel in dieser Beziehung allüberall gesündiget wird. Wie viele gehen heute auf die Gräber, und dann das ganze Jahr nicht mehr oder selten? Wie viele oder wie wenige werden morgen dem Opfer für die Verstorben beiwohnen und dann wieder die Gräber besuchen? Die kleine Zahl opfert den Morgen den Hingeschiedenen, damit diese bald erlöst werden; die Masse eilt den Geschäften nach, da -386 mit ihr der Tod recht viel Geld wegnehme. Und doch hat der Tod die Loose über uns alle geschüttelt. Wie viele sind bis zum nächsten Allerseelentag auf Erwachsene schon gefallen? Auf welche Väter? Auf welche Mütter? Auf welche Brautleute? Auf welche Greise? Auf welche Jünglinge und Jungfrauen? Auf welche Priester? Wir wissen es nicht. Denn der Greis und die Greisin wird ihm vielleicht entrinnen; aber nicht der Jüngling und die Jungfrau; Eltern mit erwachsenen Kindern werden vielleicht verschont, aber weggerissen wird die Mutter von ihren Kleinen. Daher soll gerade diese Unsicherheit uns be - stimmen, der Warnung und Mahnung des Todes zu folgen. Dann wird die Ehe ein treues Abbild der hl. Familie und der Bereinigung Christi und seiner Kirche, und jede Familie eine kleine Kirche mit täglichen Gottes - dienst, zur Anbetung des dreieinigen Gottes, zu euerem Heile und zum Troste der armen Seelen. So brauchet ihr den Tod nicht mehr zu fürchten, und sollet ihr im Feg - feuer noch Einiges abzubüßen haben, so wird doch ein frommes und dankbares Geschlecht in euerm Hause, in dieser Kirche und auf euerem Grabe mit der katholischen Kirche täglich beten: Herr, gieb ihnen die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihnen! Amen.

387

Anhang.

Aus P. M. v. Cochem's Großem Baumgarten .

Gebet zu Jesus, Maria und Joseph um ein seliges Ende.

O Ihr drei allerheiligsten und in Ewigkeit gebene - deitesten Personen, Jesus, Maria und Joseph, ich grüße, ehre und preise Euch und erfreue mich von Herzen über Eure große Tugend und Heiligkeit. Wenn ich Eure süßen Namen höre, so freut sich mein Herz, und mein Gemüth wird in Liebe gegen Euch entzündet. Denn Ihr seid meine herzliebsten Freunde und meine sicherste Zuflucht in all' meinen Nöthen und Anliegen. O Ihr meine mächtigsten Nothhelfer, Jesus, Maria und Joseph, ich rufe Euch von Grund meines Herzens an und bitte Euch demüthig um Hilfe und Beistand in all' meinen Aengsten und Gebrechen. O Jesus, Maria und Joseph, ich befehle Euch meinen Leib und meine Seele an, Euch stelle ich anheim mein Thun und Lassen, Euch sei mein Leben und Sterben an - vertraut. In Eure heiligen Hände und in Eure Obhut stelle ich mein letztes Stündlein, von dem die ganze Ewigkeit abhängt. Bei Euren süßen Namen, durch Eure herzliche Liebe und durch alle Freuden und Leiden, so Ihr miteinander auf Erden durchlebt habet, bitte ich Euch, verlasset mich doch nicht in dieser meiner höchsten Noth, sondern stehet mir treulich bei als wahre und mächtige Freunde. In Eurer lieben Gegenwart und unter Eurem Schutz und Schirm begehre ich zu sterben, und Eure süßen Namen begehre ich alsdann anzurufen. Und weil ich es dann vielleicht nicht mehr vermag, so388 rufe ich Euch jetzt dafür an und spreche mit Herz und Mund: Jesus, Maria und Joseph stehet mir bei; Jesus, Maria und Joseph, verlasset mich nicht; Jesus, Maria und Joseph, in Eure Hände befehle ich meinen Geist.

Drei Danksagungen zu Christus am Kreuze.

Von der hl. Mechtild.

1. O Du unschuldiges Lamm Gottes, herzliebster Jesu, ich danke für die entsetzliche Pein, so Du littest, als Du am hl. Kreuze also unbarmherzig ausgespannt wurdest, daß man alle Deine Glieder zählen konnte. Um dieses Schmerzes willen bitte ich Dich, daß Du mir verzeihest, was ich jemals mit meinen Gliedern gegen Dich ge - sündiget habe. Amen.

2. O Du sanftmüthiges Lamm Gottes, herzliebster Jesu, von Grund meines Herzens danke ich Dir für die unaussprechlichen Schmerzen, die Du auf dem Calvarien - berg littest, als man Deine hl. Hände und Füße so un - barmherzig an das Kreuz nagelte, daß Dein hl. Herz in Deinem Leibe darob erbebte. Durch diese großen Schmerzen und durch die hl. Wunden Deiner Hände und Füße bitte ich Dich, Du wollest mir Alles verzeihen, was ich jemals durch meine Bequemlichkeit gegen Dich gesündigt habe. Amen.

3. O Du unschuldiges Lamm Gottes, herzliebster Jesus, ich danke Dir für den bittern Durst, den Du am heiligen Kreuze erlittest, als Du mit lechzender Zunge riefest: Mich dürstet, und doch kein Mensch Dir auch nur ein Tröpflein Wasser reichte, sondern nur Essig und Galle Dir gegeben wurde. Ich bitte Dich, Du wollest diesen bittern Durst Deinem lieben Vater aufopfern für alle Sünden, die ich durch ungebändigtes Gelüste beim Essen und Trinken begangen habe. Amen.

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Gruß zu den hl. fünf Wunden.

Von der hl. Mechtild.

Seid gegrüßt, ihr heilsamen Wunden Jesu Christi in der Allmacht des Vaters, der euch uns geschenkt hat. Seid gegrüßt in der Weisheit des Sohnes, der euch er - litten hat. Seid gegrüßt in der Liebe des hl. Geistes, der durch euch das Werk unserer Erlösung vollendet hat. In euch verberge ich mich, damit ich durch euch von allem Uebel bewahrt werde. Amen.

Gruß zum Herzen Jesu.

Von der hl. Mechtild.

Sei gegrüßt, o süßestes Herz Jesu Christi in der göttlichen Gütigkeit, durch die du bist ein Bronnen und Ursprung alles Guten. Sei gegrüßt, o allergütigstes Herz Jesu Christi in dem Ueberfluß aller Gnaden, die von dir ausgeflossen sind und noch ausfließen in alle frommen und heiligen Seelen. Sei gegrüßt, o mildestes Herz Jesu Christi in der süßesten Lieblichkeit, mit der du so oft aus dem Meere deiner göttlichen Wonne die andächtigen Herzen erquickt und getröstet hast. Ich bitte dich, du wollest für mich erstatten, was ich im Dienste Gottes und in der Ausübung des Guten versäumt habe. Amen.

Bund mit Maria.

O seligste Mutter Maria, Du treueste Freundin derer, die Dich lieben, Du weißt, daß ich Dich liebe und all' meinen Trost und meine Hoffnung nächst Gott auf Dich gesetzt habe. Obwohl ich wegen meines sündhaften Lebens nicht würdig bin, Dein Kind zu sein, erneuere ich dennoch den Bund der Liebe zu Dir, aus Liebe und Be -390 gierde, Dir zu dienen und in Deinen mütterlichen Schutz aufgenommen zu werden. In der Gegenwart Gottes und meines hl. Schutzengels erwähle ich Dich wiederum zu meiner lieben Mutter und Fürsprecherin. Damit keine Gewalt des Feindes mich von Dir könne scheiden, schenke und opfere ich mich Dir ganz zu Deinem Dienste, und gleichsam mit meinem eigenen Blute verschreibe ich Dir meinen Leib und meine Seele und will all' meine Lebtage Deine Ehre nach Möglichkeit befördern. Lasse Dir, o Maria, meine Treue gefallen und nimm mich Unwürdigen zu Deinem Kinde an. Schließe mich in dein mütterliches Herz und setze mich in die Zahl derer, die Du besonders liebest und beschützest, damit ich in allen meinen An - liegen eine sichere Zuflucht zu Dir habe, und einst in Deinen heiligen Händen wie ein Kind in seiner Mutter Schooß meinen Geist aufgebe. Amen.

Gebet zu Maria.

O Du glorwürdigste, heiligste und allzeit unbefleckte Jungfrau Maria, Du Mutter unseres Herrn Jesu Christi, Du Königin der Welt und Herrscherin aller Wesen, die Du Niemand verlassest, Niemand verachtest, auch Niemand, der zu Dir mit bußfertigem Herzen kommt, ungetröstet entlassest, verachte doch auch mich nicht trotz meiner un - zähligen und schweren Sünden. Verstoße mich nicht wegen der Härte und Unreinigkeit meines Herzens, sondern erhöre mich armen Sünder, der ich meine Hoff - nung in Deine Barmherzigkeit gesetzt habe. Komme mir zu Hilfe in allen meinen Anfechtungen und Bedräng - nissen. Verleihe mir Kraft wider alle Versuchungen der Welt, des Fleisches und des Teufels. Erlange mir von Deinem Sohne Verzeihung aller Sünden, Besserung des Lebens, Gelegenheit zu wahrer Buße, Erlösung von allem391 Uebel des Leibes und der Seele und in meinen letzten Stunden sei mir eine treue Helferin. Errette meine arme Seele, wie auch die Seelen meiner lieben Eltern, Brüder, Schwestern, Freunde, Wohlthäter und aller derer, für die zu beten ich schuldig bin, von der ewigen Finster - niß und von allem Verderben: durch die Güte und Barm - herzigkeit Deines Sohnes Jesu Christi. Amen.

Tägliches Gebet zum hl. Joseph.

Aus dem innersten Grund meines Herzens grüße ich Dich, lieber hl. Joseph, und sage Gott Dank, daß er Dich zum würdigsten Pflegevater seines Sohnes und zum keuschen Bräutigam der allerseligsten Jungfrau auserwählt hat. O hl. Joseph, ich erinnere Dich an die unaussprech - liche Liebe und Freude, die Dir durch die Gegenwart Jesu und Mariä und durch ihren herzlichen Verkehr mit Dir zu Theil wurde, und bitte Dich durch alle Liebe und alles Leid, so Du mit diesen Beiden durchgelebt hast, Du wollest mir die Gnade erbitten, weder durch Freuden noch Leiden von der Liebe Jesu und Mariä je getrennt zu werden. Amen.

Gebet der Eltern für ihre Kinder.

Herr, Gott, himmlischer Vater, der Du mir in Deiner Güte Kinder geschenkt hast, ich danke Dir für diese Gnade und erbiete mich, sie zu Deiner Ehre zu erziehen. Ich befehle sie in Deinen göttlichen Schutz und verschließe sie in Dein väterliches Herz, damit sie vor aller Sünde und Schande behütet werden. Ich bitte Dich, o himmlischer Vater, Du wollest meiner Kinder Vater sein und mir helfen, sie zu erziehen und zu ernähren. Verleihe mir die Gnade, daß ich ihnen mit einem guten Beispiele vorangehe und sie in aller Tugend und Fröm - migkeit unterweise. Verleihe auch ihnen reiche Gnade,392 daß sie die Tugend des Gehorsams üben und fromme Kinder werden mögen, damit Du und ich Freude an ihnen erleben und großes Gefallen an ihnen haben können. Ich opfere Dir auf alle Sorge und Mühe, die ich mit ihnen habe und bitte Dich, Du wollest diese zu Deiner Ehre und meinem Heile gereichen lassen. Amen.

Gebet für einen Kranken.

[Barmherziger] Gott, der Du nach Deiner Mildigkeit Dich aller Leidenden erbarmest, siehe mit den Augen Deiner Barmherzigkeit gnädig auf diesen armen Kranken, der in so großen Schmerzen zu Dir seufzet und Dich von Herzen um Hülfe anruft. Erbarme Dich seiner und stehe ihm bei in seiner Noth. Mit den Peinen Deines vielgeliebten Sohnes vereinige ich Alles, was er vom ersten Augenblick seiner Krankheit an Leib und Seele gelitten hat und künftig noch leiden wird, und opfere es Dir auf zu Deiner Ehre und zum Heile seiner Seele. Verleihe dem armen Leidenden eine tiefe Erkenntniß, mit welch 'großer Liebe Du ihm sein Kreuz zubereitet habest und wie großen Lohn Du ihm dafür zu geben bereit seiest, damit er diese Krankheit mit desto größerer Geduld ertrage und sich von ganzem Herzen in Deinen heiligen Willen ergebe. Endlich bitte ich Dich, o barmherziger Vater, durch das bittere Leiden und Sterben Deines Sohnes, Du wollest ihm, wofern es nicht wider Deinen göttlichen Willen ist, seine Schmerzen erleichtern und die frühere Gesundheit wieder schenken, damit er Dir noch länger dienen und sein Heil vermehren möge. Amen.

Gebet für die verstorbenen Eltern.

Allerhöchster himmlischer Vater, der Du uns befohlen hast, unsere Eltern zu ehren, ich bitte Dich für die armen393 Seelen meines lieben Vaters und meiner lieben Mutter, die vielleicht noch meinetwegen in den furchtbaren Flam - men des Fegefeuers weilen. O Du barmherziger Vater, erbarme Dich über meine lieben Eltern und verzeihe ihnen die Sünden, die sie wider Dich begangen haben. Erlasse ihnen die schweren Strafen, die sie Dir noch schulden, reinige ihre Seelen von den noch übrigen Makeln. Durch das bittere Leiden Deines lieben Sohnes Jesu Christi und die Verdienste und Bußwerke aller Heiligen erlöse sie aus den grimmigen Flammen des Reinigungsortes und führe sie in die Herrlichkeit des himmlischen Paradieses. Amen.

Gebete zum Gebrauche der Kranken.

Morgengebet.

Mein liebster Gott, ich sage Dir herzlichen Dank, daß Du mir diese Nacht das Leben bewahrt hast, und ich opfere Dir Alles auf, was ich diese Nacht gelitten habe. Ich befehle mich heute in Deinen väterlichen Schutz und übergebe mich ganz in Deinen göttlichen Willen. Gleichwie sich mein liebster Jesus auf seinem harten Todesbette Dir hat aufgeopfert, also opfere ich Dir auch meinen Leib und meine betrübte Seele; mache mit diesen beiden, was Dir am wohlgefälligsten und mir am seligsten ist. Denn sie sind Dein eigen, Dir habe ich sie ganz geschenkt. Von ganzem Herzen erbiete ich mich, Alles zu leiden, was Du mir diesen Tag zuschicken wirst. Verleihe mir nur Geduld in meinem Kreuze, und verleihe, daß Alles, was ich leide, zu Deiner Ehre und meinem Heil gereiche. Amen.

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Zum Schutzengel.

Ich grüße Dich, o mein lieber Schutzengel, und danke Dir, daß Du diese Nacht bei mir gewacht hast. Ich bitte Dich, Du wollest mir heute zu Dienste sein, und Alles, was ich an Leib und Seele leiden werde, in den Himmel tragen. Wenn ich während des Tages ver - gessen sollte, mein Leiden Gott aufzuopfern, so wolle Du es an meiner statt stündlich der heiligsten Dreifaltigkeit darbringen. Amen.

Bündniß mit Gott.

O Gott, Du weißt, daß ich jetzt nicht viel beten kann; darum soll mein Herz erstatten, was mein Mund nicht vermag. Deswegen mache ich diesen Bund mit Dir. So oft heute mein Puls schlagen wird, so oft begehre ich Dich anzubeten und zu loben. So oft ich Athem schöpfen werde, so oft begehre ich Reu und Leid über meine Sünden zu erwecken. So oft ich heue Schmerzen empfinde, so oft bitte ich Dich um die Verzeihung meiner Sünden. So oft mein Herz schlagen wird, eben so oft wünsche ich, Dich von Herzen zu lieben. Ich bitte Dich daher inständig, Du wollest diesen meinen Willen für das Werk annehmen und dieses Alles vor Dir gültig sein lassen, wenn ich schon nie mehr daran dächte. Amen.

Abendgebet.

Ich bete Dich an und grüße Dich, o allerheiligste Dreifaltigkeit, und von Grund meines Herzens sage ich Dir Dank für alle Wohlthaten, die Du mir heute er - wiesen, wie auch für alle Schmerzen, die Du mir heute zugeschickt hast. Gleichwie mein liebster Jesus am Kreuze Dir für alle Schmerzen gedankt hat, also möchte ich Dir danken. Ich opfere Dir Alles auf, was ich heute an395 Leib und Seele gelitten habe, und bitte Dich um Ver - zeihung, daß ich es nicht mit wahrer Geduld gelitten habe. Ich befehle mich diese Nacht in Deinen göttlichen Schutz und bitte Dich, Du wollest mir gnädig eine ruhige Nacht verleihen. Amen.

Zum Schutzengel.

Ich danke Dir, mein lieber Schutzengel, daß Du heute über mich gewacht und all' meine Schmerzen in den Himmel getragen hast. Der liebe Jesus wolle Dein Lohn sein und Dir alle Deine Treue reichlich vergelten. Ich bitte Dich wiederum, Du wollest diese Nacht bei mir wachen und Dich zu meinem Haupte niedersetzen, damit ich durch Dich vor allem Uebel bewahrt werde. Amen.

Schlafgebetlein.

Wenn ein Kranker nicht schlafen kann, so lasse er sich folgendes Gebetlein vorlesen, das Christus die heilige Gertrud gelehrt als eines, das ihm sehr angenehm sei.

Süßester Jesus, ich bitte Dich durch die unendliche Liebe, mit der Du von Ewigkeit her im Schooße Deines himmlischen Vaters ruhest, ich bitte Dich durch die lieb - selige Ruhe, mit der Du im reinsten Schooße Deiner jungfräulichen Mutter wohntest, ich bitte Dich durch die herzliche Freude, mit der Du in allen Dich liebenden Seelen weilest, Du wollest mir ein wenig Ruhe verleihen, nicht zu meinem Nutzen oder Troste, sondern zu Deinem Lob und zu Deiner Ehre, damit die matten Glieder meines Leibes etwas mögen gestärkt werden. Amen.

Gebet vor der Beicht.

O Vater der Barmherzigkeit und Gott aller Güte, der Du durch den Mund des Propheten gesprochen hast:396 Ich begehre nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe, ich bitte Dich durch diese unergründ - liche Liebe, verleihe mir die Gnade, daß ich mich wahr - haft bekehre und das ewige Leben erlange. Du weißt es, o mein Gott, ob ich von dieser Krankheit wieder auf - komme, oder daran sterben werde. Und so begehre ich denn jetzt das hl. Sakrament der Buße mit solcher De - muth, mit solcher Zerknirschung meines Herzens zu empfangen, wie ich es all' meine Lebtage noch nie besser gethan habe. Darum falle ich im Geiste demüthig nieder vor Deiner göttlichen Majestät und bitte Deine unend - liche Barmherzigkeit, Du wollest mir Gnade verleihen, dieses hl. Sakrament so zu empfangen, wie Du selber willst, daß ich es empfangen soll.

O gütigster, barmherzigster Gott, ich bitte Dich durch das bittere Leiden und Sterben Jesu Christi und durch die Verdienste der lieben Mutter Gottes und aller Hei - ligen, gieb mir doch eine klare und aufrichtige Erkenntniß meiner Sünden, gieb mir doch eine tiefe und schmerzliche Reue über alle meine Missethaten, gieb mir doch einen rechtlichen und standhaften Vorsatz, mich zu bessern, gieb mir die Kraft und Gnade, alle und jede meiner Sünden so deutlich und vollständig zu beichten, als wenn ich vor Deinem göttlichen Thron kniete und Dir selbst beichten sollte. O Du gütigster Gott, wenn dies vielleicht meine letzte Beicht sein sollte, so verleihe mir doch dazu so viel Gnade, daß sie auch die allerkräftigste sein möge, so ich all' meine Lebtage gethan habe. Amen.

Reue und Vorsatz.

O Herr der Ewigkeit, unendlicher Gott, Du bist ge - recht, Du bist die Heiligkeit selbst, und Deine Majestät kann nicht die kleinste Sünde ungestraft lassen. Du weißt alles Böse das ich gethan habe: und Du wirst einst in397 dem Augenblicke da ich sterbe, Du wirst vielleicht sehr bald schon strenges Gericht halten über meine Sünden. Wie vielfältiger und schwerer Strafen muß ich also nach so vielen Sünden gewärtig sein! wie viel Böses habe ich über mich gebracht, durch meinen Leichtsinn und die Verkehrtheit meines Herzens! Wehe mir, wenn ich mit einer Todsünde in die andere Welt hinüberginge auch nur mit einer einzigen! Dann wäre ich ohne Ret - tung auf ewig den schauerlichen Peinen des höllischen Feuers übergeben im Wohnort der Verdammten.

Heiligste Dreifaltigkeit, ich bekenne vor Dir meine Schuld, meine unzähligen Sünden, ich bitte Dich um Deiner Barmherzigkeit, um Deiner unendlichen Liebe willen erbarme Dich meiner, vergieb mir das Böse, so ich ge - than, bevor Du mich abrufst, um mich unwiederruflich zu richten.

Ja um Deiner unendlichen Liebe willen. O, warum stand Deine Liebe nicht immer vor meiner Seele! wie war es möglich, daß ich derselben so oft und oft so lange ver - gaß! Du bist es, o Gott, der mich zuerst geliebt hat, der mich geliebt hat mit ewiger Liebe. Aus Liebe hast Du mir das Leben gegeben, aus Liebe seit dem ersten Augenblick meines Daseins väterlich Sorge getragen für mich. Aus Liebe zu mir schlechtem Geschöpfe willst Du, daß ich einst bei Dir ewig glücklich sei; Deiner Liebe ver - danke ich es, daß ich der hl. Kirche angehöre, die mich zum ewigen Leben führt. Herr ich bereue es von ganzem Herzen, daß ich Dich so oft beleidigte, Dich, der mir so viel gegeben hat, und mir ewige Herrlichkeit noch geben will.

Herr Jesus Christus, Erlöser aller Menschen und mein Erlöser, Du hast aus Liebe zu mir Dein Leben ein - gesetzt. Du hast mich geliebt und Dich selber für mich hingegeben, Du hast mich geliebt und all Dein Blut ver -398 gossen, um mich rein zu waschen von meinen Sünden. Ach Herr, wie schwere Marter hast Du auf Dich ge - nommen, um mich von der ewigen Marter zu bewahren, wie hart und wie theuer ist meine Seele erkauft! Sohn Gottes, Du mein Erlöser, Du mein einziger wahrer Freund, ich liebe Dich aus ganzem Herzen, weil Du mich so sehr geliebt hast, darum schmerzt es mich tief, das ich Deinem hl. Willen oft so ungehorsam war, und ich bereue aufrichtig Alles und Jedes, wodurch ich Deine Gebote übertreten habe. Ich bin fest entschlossen in Zukunft nicht nur jede Todsünde, sondern auch jede andere freiwil - lige läßliche Sünde sorgfältig zu meiden. Entschieden und beharrlich will ich alle Mittel anwenden, deren ich bedarf, um von der Sünde frei zu bleiben und Deine heiligen Gebote treu zu halten. Dazu aber bedarf ich Deiner Gnade, versage sie mir nicht, um der Liebe Deines Herzens willen. Amen.

Gebet nach der Beicht.

Nun mein gütigster Gott habe ich meine Beicht ver - richtet und alle meine Sünden Deinem priesterlichen Stell - vertreter geoffenbaret. So hoffe ich auch nun, Du werdest mir verziehen haben und meiner Sünden nimmer wollen gedenken. Dafür will ich Dir in Ewigkeit Dank sagen. Wenn ich vielleicht etwas vergessen, oder nicht recht ge - macht hätte, so möge das Dein süßestes Herz verbessern und ergänzen. Ich nehme mir ernstlich vor, Dich in meinem Leben nie mehr zu erzürnen, sondern bis zu meinem letzten Augenblick Dir treu zu bleiben. Bewahre mich hinfür vor allen Anfechtungen und Versuchungen oder stärke mich recht, daß ich sie immer überwinde, damit ich im Stande der Gnade bleibe und in Deiner Liebe leben und sterben möge. Amen.

399

Gebet vor der Communion.

O, mein herzlichster Jesu, ich armer, kranker Mensch begehre Dich jetzt mit aller Andacht zu empfangen, damit ich meine arme Seele stärke und zum Wege in die Ewig - keit bereit mache.

O, mein Heiland, ich glaube fest, daß Du in diesem hochheiligen Sakramente mit Fleisch und Blut gegenwärtig bist, und daß ich Dich meinen lieben Gott wahrhaftig darin empfange. Ich glaube auch, daß durch den würdigen Genuß Deines hl. Fleisches und Blutes meine Seele ge - speist werde und Deine göttliche Gnade im reichsten Maße empfange. So komme denn zu mir, mein liebster Jesu, denn mein armes Herz verlanget sehr nach Dir. Speise meine kranke Seele mit Deinem hl. Fleische und tränke sie mit Deinem hl. Blute.

Aber, o liebster Heiland, wie darf ich so kühn sein, Dich in meinem armseligen Herz aufzunehmen, da ich Deiner doch ganz und gar unwürdig bin! Du bist der unendliche Gott, vor dessen Majestät auch die hl. Engel erzittern und ich bin ein armer Erdenwurm, erfüllt mit Sünden und Elend. Aber Du hast ja selbst gesagt: Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. So will ich denn mit aller Demuth Dich empfangen, da - mit meine arme Seele und mein kranker Leib auf einmal gesund werden. Darum schlage ich an meine sündige Brust und spreche mit herzlicher Reue: O Herr Jesu ich bin Deiner nicht würdig. Ich bin nicht würdig, o Du höchster Gott, Dich zu empfangen, weil mein Herz voller Sündenmakel ist. Ich bitte Dich aber, o Jesu, wasche mein unreines Herz mit Deinen bittern Thränen, reinige es mit Deinem blutigen Todesschweiß und besprenge es mit Deinem rosenfarbenen Blut, das Du in Deiner Geißelung, Dornenkrönung und Kreuzigung vergossen hast. 400Durch die Schmerzen Deines heiligen Leidens und Sterbens mache mein sündiges Herz ganz rein, schön und heilig, damit du mit Freuden darin wohnen mögest. Amen.

Gebet nach der Communion.

O süßester Jesu, o gütigster Jesu, woher kommt mir diese Gnade, daß Du mich heimsuchest? wie hab 'ich es um Dich verdient, daß Du bei mir armen Sünder ein - kehrst? Ich grüße Dich, ich preise Dich, ich bete Dich an und mit herzlicher Liebe heiße ich Dich willkommen.

O mein liebreichster Jesu, weil ich Dich nun wahr - haftig bei mir habe, so will ich Dir meine Noth ver - traulich klagen, und all' mein Elend zuversichtlich offen - baren.

Siehe, mein herzliebster Heiland, was für ein armes Geschöpf ich bin, siehe wie elend und krank an Leib und Seele. O mein Jesu, Niemand kann mir besser helfen als Du, Du bist ein Arzt über alle Aerzte, Du weißt am besten wo es mir mangelt, und wie mir am ehesten könnte geholfen werden. Siehe, ich liege vor Dir, gleich jenem Gelähmten, von dem Dein hl. Evangelium erzählt, und mit solchem hoffnungsfreudigen Vertrauen, wie er ge - habt, als er dich anflehte, bitte auch ich Dich um Hilfe. So sprich denn auch zu mir jenes trostreiche Wort: Sei ge - trost mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben; stehe auf von deinem Bette und wandle. Erweise an mir Deine große Barmherzigkeit und durch die Kraft Deines aller - heiligsten Leibes heile die Schwachheit meines kranken Leibes. Ist es aber nicht in Deinem göttlichen Willen gelegen, daß mein Leib gesunde, so wirst Du doch gewiß meine Seele von dem vielen Sündenelend befreien, womit sie behaftet ist.

O du kostbares Fleisch meines Herrn Jesu Christi,401 stärke meine Seele und gieb ihr Kraft wider die Anfech - tungen des bösen Feindes. O du hoched'les Blut meines Herrn Jesu Christi, besprenge meine Seele und reinige sie von aller Unsauberkeit der Sünde.

Ach mein gütigster Jesu, verleihe mir durch den Genuß deines allerheiligsten Sakramentes vollkommene Verzeihung meiner Sünden und gänzliche Nachlassung der verdienten Strafen. Und wenn vielleicht dies meine letzte Communion sein sollte, so lasse sie meiner armen Seele zur kräftigen Wegspeise gereichen, damit sie den gefährlichen Weg in der Ewigkeit sicher wandle und gegen alle Angriffe des bösen Feindes gestärkt sei. Amen.

Drei Gebete für Sterbende.

(Aus dem Rituale Rom.)

1. O Herr Jesu Christe, durch deinen hl. Todes - kampf und durch Dein inbrünstiges Gebet, das Du am Oelberge für uns gebetet hast, als Dein Schweiß blutig zur Erde niederrann, bitten wir Dich, Du wolltest diesen blutigen Schweiß Deinem himmlischen Vater aufopfern wider die vielen Sünden dieses Kranken und wolltest ihn in der Stunde seines Todes erlösen von allen Beängsti - gungen und Pein, die er für seine Sünden verdient zu haben fürchtet: Der Du mit dem Vater und dem hl. Geiste als gleicher Gott lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Herr, erbarme Dich unser, Christe erbarme Dich unser.
Herr, erbarme Dich unser. Vater unser. Ave Maria.

2. O Herr Jesu Christe, der Du Dich gewürdigt hast, für uns am Kreuze zu sterben, wir bitten Dich, daß Du alle Bitterkeiten Deiner Leiden am Kreuze, besonders die Pein, die Du erduldetest, als Deine heiligste Seele aus Deinem heiligsten Leibe schied, für die arme Seele402 dieses Deines Dieners Deinem himmlischen Vater auf - opfern wollest. Befreie ihn in der Stunde des Todes von allen Peinen und Strafen, die er für seine Sünden ver - dient zu haben fürchtet: Der Du mit dem Vater und dem hl. Geiste als gleicher Gott lebst und regierst von Ewig - keit zu Ewigkeit. Amen.

Herr erbarme Dich unser u. s. w. Vater unser. Ave Maria. 3. O Herr Jesu Christe, der Du durch den Mund des Propheten gesagt hast: Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum dich erbarmungsvoll an mich gezogen, wir bitten Dich, Du wollest dieselbe Liebe, die Dich vom Himmel zur Erde niederzog, um die Bitterkeiten aller Leiden zu erdulden, Deinem himmlischen Vater für die Seele dieses Deines Dieners aufopfern. Befreie ihn von allen Strafen und Peinen, die er für seine Sünden verdient zu haben fürchtet, und rette seine Seele in der Stunde ihres Scheidens. Oeffne ihm die Pforte des Lebens und lasse ihn mit Deinen Heiligen in ewiger Herrlichkeit sich freuen. Ja, mildreichster Herr Jesu, der Du uns mit Deinem kostbaren Blute erlöset hast, er - barme Dich der Seele dieses Deines Dieners und würdige Dich, sie einzuführen in die ewig blühenden und lieblichen Wohnorte des Paradieses, damit sie Dir lebe in unvergänglicher Liebe: Der Du mit dem Vater und dem hl. Geiste als gleicher Gott lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Herr erbarme Dich unser u. s. w. Vater unser. Ave Maria

Kurze Gebete, dem Sterbenden einzusprechen.

Erbarme Dich meiner, o Gott, nach Deiner großen Barmherzigkeit.

Auf Dich, o Herr, habe ich gehofft, in Ewigkeit werde ich nicht zu Schanden werden.

403

Herr, merke auf meine Hilfe, Herr eile mir zu helfen. In Deine Hände, o Herr, befehle ich meinen Geist; Du hast mich erlöst, o Herr, Gott der Wahrheit.

Jesus, Maria, Joseph, Euch schenke ich mein Herz, meinen Leib, meine Seele.

Jesus, Maria, Joseph, stehet mir bei in meinem Todeskampfe!

Jesus, Maria, Joseph, mit Euch möge meine Seele von hinnen scheiden im Frieden. Amen.

404
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About this transcription

TextDie christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte
Author Gallus Joseph Hug
Extent422 images; 111580 tokens; 11808 types; 724003 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDie christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte Vorträge über christliche Ehe und Erziehung Gallus Joseph Hug. . Freiburg (Schweiz)1896.

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Theologie; ready; dtae

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk stammt vom Projekt Digitization Lifecycle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.Anmerkungen zur Transkription:Bei der Zeichenerkennung wurde nach Vorgabe des DLC modernisiert.In Absprache mit dem MPI wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:Bogensignaturen und KustodenKolumnentitelAuf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizierung von titleParts verzichtet.Bei Textpassagen, die als Abschnittsüberschrift ausgeweisen werden können, wird auf die zusätzliche Auszeichnung des Layouts verzichtet.Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet.Weiche und harte Zeilentrennungen werden identisch als 002D übernommen. Der Zeilenumbruch selbst über lb ausgezeichnet.

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