PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
Reisebegleiter für Jünglinge.
Von Franz Xaver Wetzel.
1. 20. Tausend.
Ravensburg.Verlag der Dorn'schen Buchhandlung. (Fr. Alber.)
[II]

Mit Approbation des hochwürdigsten Ordinariates zu Rottenburg.

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Abschiedsgruß eines Vaters an seinen Sohn.

Den Wanderstab in deinen Händen,
Seh 'ich dich scheidend vor mir steh'n;
Willst dich, mein Sohn, zur Ferne wenden,
Und in die weite Welt nun geh'n.
So zieh' denn hin, und Gottes Segen
Begleite dich auf deinen Wegen.
Doch wo dein Herz auch immer sei,
Bleib 'deinem Vaterhaus getreu!
Kehr 'ein, wo Edle glauben, lieben,
Die frechen Spötter sollst du flieh'n,
Die Gott aus ihrer Brust getrieben,
Und die vor Erdengöttern knie'n.
Laß nimmer dir, mein Sohn, den Glauben
Durch Trug, und Hohn und Falschheit rauben!
Und wo dein Herz auch immer sei,
Es bleibe stets dem Höchsten treu!
Du mögst dein junges Herz behüten,
Das zart und sorgsam ich gehegt.
Du weißt, in schimmervolle Blüten
Wird oft des Todes Gift gelegt.
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Die Welt ist voller Arg und Tücke,
Daß nie dich Sinnenlust berücke;
Bewahr 'dich vor dem Schmerz der Reu'
Und bleib 'der Tugend immer treu!
Und solltest du hinüber dringen
Ins fremde Land voll Wanderlust,
Wo deutsche Worte nicht mehr klingen:
Erhalt 'dir deutsch die junge Brust.
Es werd' die Heimat dir zum Sterne,
Nach dem du blickst aus weiter Ferne,
Und wo dein Herz auch immer sei:
Stets bleib 'dem Vaterland getreu!
Hast du dann kühn die Welt durchstreifet,
Und kehrst ins Vaterhaus zurück,
Wenn heißes Sehnen dich ergreifet,
Zu gründen dir ein stilles Glück:
So bring 'den alten Glauben wieder
Das Sohnesherz, so treu und bieder,
Den Sinn, an Weisheit reich und neu
Die echte Tugend, Gottestreu!
(J. Hilger.)
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I. Die Zeit der Abreise.

Blutjung und ganz unerfahren ziehen manche hinaus in die Welt. Es ist ihnen zu eng daheim im niedrigen Stübchen, im kleinen Dörfchen. Sie haben gehört von großen Städten mit ihren breiten Straßen und siebenstöckigen Häusern, von feinen Herren und Damen, die in noblen Kutschen fahren oder auf englischen Ponys pfeilschnell dahinreiten, von riesigen Fabriken mit 1000 und noch mehr Arbeitern, die alle Geld wie Heu verdienen. So eine Großstadt wie Berlin, Paris oder London möchte ich doch einmal sehen, sagen sie. In Berlin und Paris gebe es ja jetzt , in London gar Millionen Menschen. Das muß ein Rennen und Jagen, Laufen und Fahren, Lärmen und Wogen sein!

Es ist wahr, die Städte nehmen riesig zu. Es gibt jetzt auf der ganzen Erde 270 Großstädte mit über 100000 Einwohnern. Im deutschen Reiche allein sind 33. Als Friedrich I. vor 200 Jahren sich die preußische Königskrone aufs Haupt setzte, zählte Berlin 18000 Einwohner. Jetzt sind dort,4 die Vorstädte mitgerechnet, 2600000. Die Schorn - steine von mehr als 5000 Fabriken ragen in die Luft. Das gesamte Arbeiterheer Berlins reicht über 600000 hinaus. Da muß doch für jeden, der gesunde Augen und starke Arme hat, Arbeit und Brot zu finden sein!

Und doch ist es nicht so. Je mehr Leute den Städten zuströmen, je mehr Arbeitskräfte zur Ver - fügung stehen, desto tiefer wird der Lohn herab - gedrückt, desto größer ist die Zahl der Arbeits - und Stellenlosen. Und erst bei flauem oder schlechtem Geschäftsgange, wenn 100 und 100 Arbeiter auf einmal entlassen werden, was dann? Allein, ohne Verdienst, ohne Bekannte und Freunde, ohne Rat und Hilfe stehen die Armen da in der großen Stadt. Die letzten ersparten Pfennige gehen zu Ende. Kein Hoffnungsstern blinkt. An mehr als hundert Thüren hat man sie kalt und trocken abge - wiesen. Was thun? Entweder heimkehren oder der Verzweiflung sich in die Arme werfen. Das ist das Schicksal von Tausenden. Jene aber sind selten, die es über sich bringen, wieder die Heimat aufzusuchen. Jene sind selten, die in ihrer Notlage vertrauensvoll an den Seel - sorger des Pfarrdorfes sich wenden und ihn um Rat und Hilfe bitten. Einmal habe ich einen solchen Brief erhalten, von einem Jünglinge, der mit 16 Jahren, gegen meinen und der Eltern Willen, nach Chemnitz gegangen war. Ein Mit - schüler hatte ihm von dort geschrieben, wie viel5 Geld er verdiene. Da packte auch unser Wilhelm seine sieben Sachen zusammen und zog in die große Stadt am Fuße des Erzgebirges. In einer Maschinen - fabrik fand er Arbeit und verdiente ganz ordentlich. Er konnte wenigstens damit leben. Aber das ging nur 3 Wochen lang. Da wurde ihm und seinem Freunde an einem Montag Morgen eröffnet, es gebe für sie keine Arbeit mehr; 200 andere Arbeiter seien schon am Samstag entlassen worden.

Die zwei bartlosen, unerfahrenen Jünglinge wandten sich nun an verschiedene andere Fabriken. Ueberall hieß es: Schon mehr als genug Leute! Nirgends fanden sie Anstellung. Erspart hatten sie auch nichts, der Lohn war zu gering gewesen, und zu betteln schämten sie sich. In dieser Not - lage setzte sich der jüngere, Wilhelm Grünauer, hin und schrieb an mich folgenden Brief:

Geehrter Herr Pfarrer!

Es sind zwar erst drei Wochen, seitdem ich meine Heimat verlassen. Aber ich bin doch schon jetzt gezwungen, Ihnen zu schreiben. Dem Vater darf ich nicht schreiben. Er war zu böse, daß ich fortging; er sagte, ich sei noch viel zu jung zum Reisen und solle ihm noch etwas helfen. Ich habe zwar hier etwas mehr verdient, als in der dortigen Buntweberei. Aber es kostet auch mehr. Alles ist teurer. Und jetzt verdiene ich gar nichts mehr. Ich und mein Freund, Karl Bittner, der ja gelernter Schlosser ist, sind am letzten Montag6 aus der Fabrik entlassen worden. Wir suchten überall Arbeit, fanden aber keine. Karl will auf die Wanderschaft gehen und an einem andern Orte sich umsehen. Weil ich kein Handwerk verstehe, also nur Handlangerdienste thun kann, so wird's wohl für mich nirgends etwas geben. Ich darf auch nicht betteln, ich schäme mich zu sehr. Darum möchte ich Sie recht herzlich bitten: Helfen Sie mir doch, daß ich wieder heim kann. Sagen Sie dem Vater, er solle mir Reisegeld schicken; ich wolle wieder dort in die Fabrik gehen und fleißig und brav sein und ihn nicht mehr verlassen, bis er damit zu - frieden sei. Auch der Stiefmutter werde ich folgen. Es hat hier keine katholische Kirche; wenigstens habe ich noch keine gefunden. Es ist alles prote - stantisch. So kann ich nicht einmal in die Kirche gehen. Ich bitte Sie also recht sehr, verlassen Sie mich nicht. Sie waren immer so gut mit mir im Religionsunterrichte. Ich muß jetzt schon Hunger leiden.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Wilhelm Grünauer.

Mit vieler Mühe brachte ich Wilhelms Vater dazu, daß er seinem Sohne verzieh und ihm Geld schickte. So kehrte er heim und ging wieder in die Fabrik. Daß seine Kameraden über den kühnen Weltumsegler sich lustig machten, war nicht zu verwundern.

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Ein anderer Jüngling hatte das Schreiner - handwerk erlernt. Mit 18 Jahren ging er nach München. Nach etwa 2 Monaten meldete er seinen Eltern, er habe in einer großen Schreinerei Arbeit gefunden, aber alle seine Mitarbeiter seien Sozial - demokraten. Sie hätten auch ihm keine Ruhe ge - lassen, bis er dem Vereine beigetreten. Der Vater schrieb dem Sohne, er solle diese Werkstätte ver - lassen und sich von der Sozialdemokratie fernhalten und in den katholischen Gesellenverein gehen. Von da an kam keine Antwort mehr. Erst etwa zehn Jahre später traf ein Brief aus Köln ein, worin der Sohn um Geld bat. Er liege krank im Spitale, schrieb er; von Gott und den Menschen habe er keine Hilfe mehr zu erwarten. Wenn der Vater ihm nicht helfe, so jage er sich eine Kugel durch den Kopf. Vier Wochen später berichtete die Spitalverwaltung den plötzlichen Hinscheid des Sohnes.

Zahllose Jünglinge rennen ins Unglück, weil sie viel zu früh das Elternhaus verlassen. Darum rufen wir allen jungen Leuten zu: Wenn ihr nicht durch die Not gezwungen seid, fortzu - gehen, so bleibet doch daheim, bis ihr das gehörige Alter erlangt habet. Laut Jahresbericht der Ge - sellschaft zur Fürsorge für die zuziehende männ - liche Jugend in Berlin waren im Jahre 1900 über 23000 Jünglinge im Alter von 14 bis 21 Jahren nur nach Berlin gekommen. Die wenigsten davon fanden Arbeit. Die Uebrigen8 gerieten ins Elend oder mußten wieder heimkehren. In den Großstädten verderben zahllose junge Leute an Leib und Seele.

Laß das Wünschen, Ringen Laufen
Nach entfernten, dunklen Zielen.
Brot ist auch daheim zu kaufen,
Zahl 'es nur mit Schweiß und Schwielen.
(Weber.)

Nie gehet gegen den Willen der Eltern in die Fremde. Das bringt weder Glück noch Segen. Ein gesetztes Alter, Reife des Geistes, Festigkeit des Charakters und Tüchtigkeit im Berufe sind notwendig, um ohne Gefährde durch die gefahrvolle Welt zu kommen und ehrlich und recht sein Brot zu verdienen. Wer noch gar jung ist, der weiß sich bei vorkommenden Schwierigkeiten nicht zu helfen und zu raten, er verliert den Mut und endet oft recht unglücklich. Wenn Verführer sich ihm nahen, so geht er ahnungslos in die Schlinge und fällt in Sünde und Verbrechen. Er ist noch nicht ge - wachsen den Gefahren des Lebens, und darum sind sie für ihn doppelt groß. Und weil er auch in der Arbeit noch wenig tüchtig ist, so findet er nur sehr schwer passende Anstellung; er irrt brot - los umher, bis ihn die Polizei wieder nach Hause bringt. Daher verlasse ja nicht zu früh die Heimat und ihr schützendes Dach. Berate Eltern und Seel - sorger vor einem so wichtigen Schritte, der schon9 tausend und tausend unerfahrene und arglose Jünglinge ins zeitliche und ewige Verderben gestürzt. Der junge Mensch hat keine Ahnung von den Ge - fahren der Welt, von der Hinterlist und Bosheit verkommener Menschen, deren Zahl Legion ist. Darum kam kein Geringerer als Jesus Christus selbst, um auch hierin der Jugend ein leuchtendes Beispiel zu geben. Die hl. Schrift hat es in jene kurzen aber inhaltreichen Worte gefaßt: Und Jesus war ihnen unterthan (Luk. 2, 51).

Warum so schweigsam das hl. Buch
Von unseres Heilands Jünglingszeit?
Es ist nicht schweigsam, es sagt genug,
Ein Wort so tief, so hoch, so weit,
Die beste der Lehren, die je geschah'n:
Und Jesus war ihnen unterthan.
War dreißig Jahre lang unterthan
Den armen Eltern zu Nazareth,
Ein Beispiel allen, die es sah'n,
Sein Leben in Arbeit und Gebet.
In Jesu Hand das Zimmermannsbeil,
Wie wurde der Welt es zum hohen Heil!
Ein Beispiel dir! O hoch hinaus,
Weit über die Kraft und Fähigkeit,
Will jedes heute; zu eng das Haus;
Wie lockt die Welt, so schön, so weit!
O Gräuel: des Hauses enge Pflicht,
O Wahn: Gehorsam und Selbstverzicht!
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O Thorheit, die der Fromme träumt,
Sich binden an der Eltern Gebot!
Wer ihnen zu lieb die Jugend versäumt,
Der ist lebendig und dennoch tot.
Ei was, gehorsam sein und unterthan?
Mit lust'gen Gesellen ein lust'ger Kumpan!
Ist niemand, der dich hindert und hält?
Du hassest der Eltern treue Hut,
Und stürmest hinaus in die weite Welt,
Und prahlest gar sehr mit Kraft und Mut,
Du willst nicht Zügel, nicht Zaum und Zucht:
So säe denn und ernte die Frucht!
Verflucht, wer Vater und Mutter nicht ehrt,
Dem Priester versaget die Pflicht;
Das hohe Beispiel, das Jesus uns lehrt,
Es wird dir zum Schreckensgericht.
Der Christ kennt keine andere Bahn,
Als Jesus ihn lehrte: Unterthan!

Vor zwei Tagen war ein Jüngling bei mir. Er hatte in einer Buchdruckerei das Schriftsetzen erlernt und war dann schon mit 17½ Jahren in die Fremde gezogen. Es ging ihm über alle Maßen schlecht. Er fand oft wochenlang keine Arbeit und mußte Hunger leiden. Weil er gar so jugendlich aussah, traute man ihm wenig Kenntnisse zu und weigerte sich, ihn einzustellen. Von den Mitarbeitern mußte er sich Milchgesicht schelten lassen, Zurück - setzung und rohe Behandlung ertragen. Oft war er daran, sein Bündel zu schnüren und als reuiger11 Sohn heimzukehren. Aber die Furcht vor dem schwer erzürnten Vater hielt ihn immer wieder zurück. So kämpfte er sich mehrere Jahre durch. Weil er das Beten nicht ganz aufgab, so half ihm der liebe Gott. Nach und nach kam es besser. Je älter er wurde, desto mehr genoß er Vertrauen. Er ward auch in seinem Berufe immer tüchtiger. Nach zehn Jahren kehrte er auf kurze Zeit nach Hause zurück. Der Vater verzieh ihm seine jugendliche Unbesonnenheit. Als er mir seine Lebensschicksale erzählt hatte, fügte er bei: Sagen Sie es nur jedem Jünglinge, er solle nicht zu früh in die Fremde gehen, sonst warten arge Enttäuschungen auf ihn. Fast alle, die ganz jung das Elternhaus verlassen, fallen dem Unglauben und der Unsitt - lichkeit anheim und müssen entsetzlich viel durchmachen.

Mensch, laß dir auf erd nichts so lieb seyn,
Daß du vergessest Gottes des Herrn deyn.

So steht auf einer uralten Stuttgarter Holz - tafel geschrieben. Der Herr will, daß der Sohn den Eltern Gehorsam erweise; Wohlergehen und langes Leben sind der Lohn dafür. Wer aber zu früh und gegen den Willen der Eltern das Haus verläßt, ist selber schuld an seinem Unglücke.

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Das Erdenglück, von Gott getrennt,
Ist lauter Schaum und eitler Dunst.
Nur wer sein Glück in Gott erkennt,
Genießt des Glückes höchste Gunst!
(W. Edelmann.)

Nur in einem Falle ist es oft notwendig, schon früh fortzugehen: wenn ein Junge die fran - zösische Sprache erlernen will. Aber da schreibe man vorher an ein katholisches Pfarramt der französischen Schweiz und lasse sich ein katholisches Pensionat oder eine katholische Familie nennen, in der man Aufnahme findet.

Leider geschieht das recht selten. Und so kommt es, daß sehr viele junge Leute in protest. Pensionate oder Familien geraten und in kurzer Zeit der religiösen Gleichgiltigkeit anheimfallen. Der Sohn eines wohlhaben - den Landwirtes aus dem badischen Schwarzwald kam im Jahre 1884 in eine protest. Anstalt der Westschweiz. Nach dem Prospekt konnten die Zög - linge ihre religiösen Pflichten erfüllen. In Wirk - lichkeit war am Sonntag von Kirchengehen keine Rede; salbungsvolle Unterweisungen und Stündler - Gebete ersetzten den kathol. Gottesdienst. Die Folge war: der Jüngling verlor seinen Glauben, heiratete später eine Protestantin und ließ seine Kinder protestantisch erziehen. So geht es in zahllosen Fällen. Es gibt in Genf und Umgebung, in Challet13 (bei La Plaine), in Collonger-Fort-l'Ecluse, in Veyrier, in Ferney, in St. Julien-en-Genévois, in Freiburg ꝛc. ausgezeichnete kathol. Pensionate. Jeder katholische Pfarrer der französischen Schweiz wird gerne Auskunft erteilen.

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2. Das Gepäck.

Wenn jemand eine Reise thut,
So kann er was erzählen.
Drum nehm 'ich meinen Schirm und Hut
Und thu 'das Reisen wählen.

Gewiß das Reisen ist gar schön und nützlich. Da sieht man andere Gegenden, Städte und Dörfer; da sieht man Berge und Thäler, Flüsse und Seen. Tausend Schönheiten und Reize der Natur erfreuen das Auge. Ueberall leuchtet uns Gottes Allmacht und Weisheit entgegen. Auch lernt man allerlei Leute kennen und sammelt reiche Kenntnisse und Erfahrungen. Der Gesichtskreis wird weiter, der Geist gebildeter, und der Charakter erhält größere Festigkeit. Drum ists gewiß gut, bei gehörigem Alter nach dem Wanderstab zu greifen und hinauszuziehen in die große Welt. Nur darf der Jüngling nicht vergessen, vor der Abreise auf die Ratschläge erfahrener Leute zu hören, und da heißt ein Rat. Nehme nur wenig Gepäck mit dir. Je geringer die Zahl der Handkoffern und15 Schachteln und Packete, die man mit sich führt, desto bequemer und leichter geht die Reise. Man bekommt ja überall ums Geld, was man braucht. Auch kostet ein Koffer, als Frachtgut geschickt, nicht viel.

Aber vier Gegenstände dürfen beim Reisegepäck niemals fehlen: Das Geld, ein Paß, einige gute Bücher und ein Festkleid.

I.

Ehedem gab es überall Klöster und christliche Herbergen. Da konnte der Wanderer auch ohne Geld übernachten und bekam zu essen und zu trinken, so viel er wollte. Und dann steckte man ihm erst noch eine Zehrung auf den Weg in die Reisetasche. So war es im Mittelalter. Selbst Martin Luther stellt ihm das ehrende Zeugnis aus: Im Papsttum war jedermann barm - herzig und mild, da gab man mit beiden Händen fröhlich und mit großer Andacht. Später wurden dann die meisten Klöster aufge - hoben und den Armen die Zufluchtsstätten ge - nommen. Nur wenige bestehen noch. Diese helfen, so viel sie können. Ich kenne ein Kapuziner - kloster es ist in Luzern , da wurden in einem einzigen Jahre 50000 Portionen Suppe ausgeteilt. Und so machen es auch die übrigen Männer - und Frauenklöster. Nur ist ihre Zahl leider zu gering. An vielen Orten giebt es gar keine mehr. Darum ist der arme Wanderer oft recht übel daran.

16

Es ist also notwendig, daß man Geld mit sich auf die Reise nehme. Nach Bedürfnis kann man dann einen Teil des Geldes gegen die Münze des betreffenden Landes umwechseln und zwar am besten bei einem Banquier. Im Geldbeutel sei jedoch nur eine geringere Summe, ebensoviel, als man für die kleineren Reiseausgaben nötig hat. Alles andere Geld verwahre man in einer inneren Kleidertasche. Nie zeige das Geld den Reisege - fährten. Vermeide es auch, unterwegs Fremden Geld zu wechseln. Lege das Kleidungsstück, in dem dein Geld sich befindet, während der Nacht unter das Kopfkissen.

II.

Der Paß ist auszustellen von der zuständigen Behörde. Derselbe wird überall abverlangt. Darum muß er gut aufbewahrt werden.

Auch Zeugnisse und Empfehlungsbriefe können einem gar oft in der Fremde kostbare Dienste leisten. Man gebe sie nie aus der Hand, sondern fertige Abschriften, die man auf Verlangen vorausschicken kann.

III.

An Büchern muß der Jüngling vor allem mitnehmen: Ein rechtes Gebetbuch und den Katechismus. Wer recht zu beten weiß, der weiß auch recht zu leben , sagt der hl. Augustinus. Was soll der junge Christ in der Kirche anfangen,17 wenn er kein Gebetbuch hat? Im Katechismus sollte jeder Jüngling alle Sonntage ein Viertel - stündchen lesen. Vor allem muß er nachsehen darin, wenn er allerlei Einwendungen gegen die Religion, Entstellungen und Verdrehungen der christlichen Lehre hört. Manchmal kann man auch den frechen Spöttern den Katechismus einfach vor - lesen und so ihre Weisheit und Wahrheitsliebe an den Pranger stellen.

Natürlich sind auch noch andere religiöse Bücher sehr zu empfehlen. Einem Jünglinge, der im Jahre 1894 nach Paris ging, hatte die Mutter die Nachfolge Christi in den Koffer gesteckt. Der Sohn kam in der Weltstadt mit sehr schlimmen Kameraden zusammen. Es fiel ihm nicht mehr ein, das goldene Büchlein zu lesen, wohl aber brauchte er die herausgerissenen Blätter beim Rasieren zum Abtrocknen des Messers. Einmal fiel sein Auge auf den Satz: Es ist besser, jetzt seine Seele von Sünden reinigen und seine Laster ablegen, als die Reinigung für die andere Welt aufsparen. Wir betrügen uns sicher selber durch die unordent - liche Liebe, die wir zu unserm Fleische tragen. Und siehe, diese Wahrheit berührte wie ein Pfeil sein Herz. Bald darnach kniete der Jüngling zu den Füßen eines Priesters, legte eine gute Beicht ab, sagte sich los von seinen schlechten Kameraden und war von da an ein Muster der Frömmigkeit und Sittenreinheit.

18

IV.

Doch das Wichtigste für jeden Wanderer ist, daß er Gott zum Begleiter und Schützer habe. Das sagt der Dichter mit den schönen Worten:

Wenn jemand in die Ferne zieht,
Aus trauter Heimat fort,
Dünkt mich der beste Abschiedsgruß:
Gott sei dein Hort!
Denn alles Zagen schweiget dann,
Der Herr ist hier wie dort,
Sein Schutz umfängt dich überall:
Gott sei dein Hort!
Er bietet seine Liebe dir,
Ja stets den sichern Port,
Wo dich kein Sturm vernichten kann:
Gott sei dein Hort!
Und seines Segens heller Strahl
Sucht dich in Süd wie Nord,
Und bringt dir allzeit lichten Tag:
Gott sei dein Hort!
Halt 'nur des Glaubens Banner hoch,
Folg 'liebend seinem Wort,
Laß hoffend stets dein Wahlspruch sein:
Gott sei mein Hort!
Dann folgt, was auch die Ferne bringt,
Dem bittern Abschiedswort
Das beste Wort des Wiederseh'ns:
Gott war dein Hort!
(Ferdinande von Brackel.)
19

Doch nur der wird Gott zum besondern Hort und Schützer haben, der in seiner Liebe wandelt, d. h. das Kleid der heiligmachenden Gnade besitzt. Das ist das Festkleid, ohne welches niemand zum himmlischen, ewigen Gastmahle Zu - tritt hat. Darum darf kein Reisender dieses Ge - wandes entbehren. Wer zum Wanderstabe greifen will, der gehe vorher mit heiligem Ernste und sorgfältiger Vorbereitung zur hl. Beicht und Kom - munion. So steigt Gott in sein Herz, schmückt es mit dem goldstrahlenden Gewande der heilig - machenden Gnade und nimmt den Wanderer in seine besondere Hut. Läßt es der Allweise in seinen unergründlichen Ratschlüssen gleichwohl zu, daß ein Unglück plötzlich ihn hinwegrafft, so ist er doch des Himmels sicher; denn er trägt ja das hochzeit - liche Kleid.

Wir haben die Eisenbahn-Unfälle eines einzigen Monats, des November 1900, zusammengestellt: es sind deren 16. Meist blieben mehrere Passa - giere tot auf dem Platze, einmal sogar 90 mit einander; viele andere wurden schwer verwundet. Und in einem einzigen Jahre, im Jahre 1896, gab es auch 984 Schiffbrüche. Wer ist sicher, daß nicht ein ähnliches Unglück ihn trifft und ganz plötzlich und unerwartet vor den Richterstuhl Gottes stellt? Trägt er aber das Kleid der heilig - machenden Gnade, ist seine Seele rein von schwerer Sünde, dann führt ihn seine Wanderung ins himmlische Vaterland, wo kein Rad mehr bricht20 und keine Brücke, wo alle menschliche Unvorsichtig - keit und Schwäche ausgeschlossen ist.

Denn wo Gott wirkt, ohn 'Zwischenmittel waltend,
Hat das natürliche Gesetz nicht Geltung.
(Dante.)

Ein ordentlicher Wanderer reist nur in an - ständiger und sauberer Kleidung. Doch weit mehr noch möge jeder dafür sorgen, daß keine schwere Schuld sein Herz verunstalte, daß sein Kleid der Seele nicht schmutzig und zerrissen, sondern licht - strahlend und goldglänzend sei, leuchtend im Strahlenglanze der Gotteskindschaft, die allein ein Anrecht giebt auf den besonderen Schutz des Herrn und auf des Himmels Erbe.

Dann folgt, was auch die Ferne bringt,
Dem bittern Abschiedswort
Das beste Wort des Wiederseh'ns:
Gott war dein Hort.
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3. Auf der Eisenbahn.

I.

Zwei junge Handelsreisende fuhren per Eisenbahn von Wien nach Prag. Sie befanden sich ganz allein in einem Rauchcoupee. Unterwegs stieg eine vornehm gekleidete, hübsche Dame ein und gesellte sich zu den beiden jungen Herrn, sich damit ent - schuldigend, daß sie eine leidenschaftliche Raucherin sei. Bald zog die Reisegefährtin ein elegantes Cigarren-Etui aus ihrer Tasche und bot es mit ausgesuchter Höflichkeit den angenehm überraschten Mitpassagieren an, die nur zu gerne zugriffen. Kurz darauf sanken sie in tiefen Schlaf. Sie er - wachten erst wieder, als der Zug in Prag einfuhr. Zugleich aber entdeckten sie zu ihrem größten Schrecken, daß ihre Geldbörse mit zusammen 8000 Mark, sowie ihre Uhren und sonstige Wertgegen - stände verschwunden waren. Auch das Frauen - zimmer war natürlich nicht mehr da. Es hatte ihnen Opium-Cigaretten zu rauchen gegeben und sie dann in ihrem betäubten Zustand ausgeplündert.

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Wer sollte es glauben, daß die Bosheit und Schlechtigkeit so weit gehen könnten? Welche Vor - sicht ist also auf der Reise von nöten! Nie nehme man von unbekannten Leuten Cigaretten an oder Süßigkeiten, sie könnten mit Schlaf - mitteln getränkt sein. Manchmal werden zu diesem Behufe auch Riechmittel angewendet; ein chloroformgetränktes Taschentuch wird wie zufällig vor das Gesicht gehalten. Also aufgepaßt!

II.

Ferner ist's gewagt, sich auf der Eisenbahn mit Unbekannten einzulassen und ihre Dienste anzunehmen. Je freund - licher und gefälliger sie sich zeigen, desto größer muß das Mißtrauen sein. Es gibt gewissenlose Agenten, die junge, unerfahrene Leute nach Amerika anwerben und dann ins Elend hineinführen. Oder sie versprechen, ihnen in einer Stadt für gute Plätze zu sorgen, lassen sich dafür natürlich zum voraus bezahlen, um dann plötzlich zu verschwinden. Diese Betrüger und Schwindler machen sehr gute Ge - schäfte, weil sich leider so viele betrügen lassen und auf die wohlmeinende Stimme wahrhaft guter Freunde nicht hören. Ein sehr talentvoller, junger Mann war auf dem Wege nach London, um dort Stellung zu suchen. Es gesellte sich in der Eisen - bahn ein älterer Herr zu ihm, war überaus freund - lich, erkundigte sich nach Beruf und Reiseziel und erbot sich sofort, gegen eine bescheidene Entschädigung23 ihm eine ganz ausgezeichnet bezahlte Stelle in einem Londoner Handelshause zu verschaffen. Der Be - trag mußte selbstverständlich sofort entrichtet werden. In London angekommen, gingen die bei - den Herrn in ein Hotel, um zu speisen und über Nacht zu bleiben; am anderen Morgen früh wollte man das Geschäft aufsuchen. Unser vertrauens - selige Sohn der Schweizerberge war ganz glück - lich, so rasch in der Weltstadt einen Platz gefunden zu haben, stand am folgenden Tage ziemlich früh auf, gieng in das Gastzimmer und wartete auf seinen Begleiter. Er wartete bis 9 Uhr, bis 10 Uhr, aber umsonst, er kam nicht. Als er sich nach dem Engländer beim Kellner erkundigte, er - klärte ihm dieser, jener Herr habe ja gestern abend schon das Hotel wieder verlassen und sei wahrschein - lich weiter gereist; es sei übrigens kein Engländer, sondern ein Deutscher. Solche Fälle wiederholen sich alle Tage.

Es ist also auf der Reise äußerste Vorsicht notwendig. Höchst selten darf man sich mit unbe - kannten Leuten näher einlassen. Man gebe weder Beruf noch Reiseziel an und lehne alle Dienste dankend ab. Auch lasse man sich in kein Hotel führen; schon mancher arglose Reisende ist dadurch ins Unglück geraten. Wer dem Handwerker - stande angehört, der gehe überhaupt nicht in die Fremde, ohne vorher in den Katho - lischen Gesellenverein einzutreten. Dann bekommt er ein Wanderbüchlein , worin sich eine24 Liste der bestehenden katholischen Gesellenvereine mit Angabe der betreffenden katholischen Vereins - präsides und der Vereinshäuser befindet. Dieser Liste ist vorgedruckt ein Allgemeines Statut des katholischen Gesellen-Vereins, eine Wanderord - nung , ferner Pflichten eines braven Mitgliedes und endlich einige Wanderregeln für die Vereins - mitglieder. Mit Hilfe dieses Büchleins findet der wandernde Handwerksbursche beinahe überall denn fast allerorten gibt es jetzt Gesellenvereine einen besorgten Vater, den Gesellenpräses, brave Freunde, ein trautes Heim und eine freundliche Herberge und meist auch passende Anstellung bei einem wackeren Meister, der vielleicht Ehrenmitglied des Gesellenvereines ist.

Nicht-Handwerker wenden sich an andere katho - lische Vereine: Jünglings , Kaufmanns - und Ar - beitervereine. Natürlich muß man Mitglied dieser Vereine sein und die Mitglied-Karte vorzeigen können. Die Vorstände dieser Vereine, die ja leicht zu erfragen sind, werden dem Vereinsbruder gerne Rat und Aufschluß geben. Wir wollen hoffen, daß nach und nach alle katholischen Vereine ein ähn - liches Wanderbüchlein erstellen, wie der katholische Gesellenverein.

Wer noch keinem Vereine angehört und in die Fremde zieht und sich da nicht mehr zu helfen weiß, der wende sich doch vertrauensvoll an einen römisch-katholischen Priester; er wird ihm gewiß gerne nach Kräften an die Hand gehen.

25

III.

Des Weitern ist zu beachten, daß man auf der Eisenbahn und in den Städten sich immer an die Beamten, also die Condukteure und Polizisten halte, so oft man eines Auf - schlusses oder Schutzes bedarf. Dies trifft besonders auch ein, wenn im Eisenbahn - oder Post - wagen glaubenswidrige oder unsittliche Gespräche geführt werden. Oft kann ein kurzes, aber ernstes Wort solch 'lose Zungen zum Schweigen bringen. Auf einer Station war ein junger Handelsreisender in den Wagen gestiegen. Kaum hatte er sich nieder - gelassen, so begann ein Trupp Soldaten die ab - scheulichsten Zoten zu reißen. Sofort erhob sich der junge Herr und rief laut, daß man es im ganzen Wagen hören konnte: Ich habe nicht ge - meint, daß ich in einen Schweinestall hineingeraten sei. Mehrere Mitreisende riefen Bravo. Die unsauberen Mäuler verstummten. Wird aber die Zurechtweisung nicht beachtet, so rufe man den Condukteur zu Hilfe. Er hat dafür zu sorgen, daß kein Fahrgast von seinen Mitpassagieren belästiget werde. Solche glaubens - und schamlose Schwätzer verdienen gar keine Schonung.

IV.

Es giebt noch andere Vorsichtsmaßregeln für die Eisenbahnfahrt, wir wollen sie kurz nennen.

1. Nie besteige oder verlasse man einen in26 Bewegung befindlichen Zug. Eine solche Unvor - sichtigkeit hat meist die entsetzlichsten Folgen.

2. Wer den Kopf zu weit zum Wagenfenster hinausstreckt, läuft Gefahr, mit einer Telegraphen - stange in unliebsame Berührung zu kommen.

3. Es empfiehlt sich, bei längeren Reisen etwas Mundvorrat mitzunehmen. Dadurch vermeidet man beträchtliche Ausgaben in den Bahnhofrestaurationen.

4. Handgepäck gebe man nur im Notfall aus der Hand, und dann vertraue man es nur Bahn - hofbediensteten an, welche dagegen eine Nummer oder Marke verabfolgen.

5. Niemals steige man in einen Zug, ohne sich durch wiederholtes Fragen vergewissert zu haben, daß es wirklich der richtige sei.

6. Man teile niemanden sein Reiseziel mit und ändere niemals seinen Reiseplan, ungeachtet aller angeblichen Vorteile, welche unbekannte Personen für diesen Fall in Aussicht stellen. Solche Aner - bieten sind recht oft nichts anderes als ein Ver - such, unerfahrene Jünglinge ins Unglück zu stürzen.

Wenn nur ein oder zwei Mitreisende im gleichen Wagen oder Coupé sich befinden, so wäre es sehr gewagt, ein Schläfchen zu halten.

7. Wenn man an einem Orte Aufenthalt hat, so entferne man sich nicht von der Station, sondern bleibe im Wartesaal bis zum Abgang des nächsten Zuges.

8. Die Zeit ist nicht dieselbe in Frankreich und in Mitteleuropa (Deutschland, Oesterreich,27 Schweiz, Italien.) Die französische Eisenbahnzeit geht 55 Minuten nach.

9. Der Zollbehandlung des Reisegepäckes muß man an der Grenze persönlich beiwohnen; sonst setzt man sich der Gefahr aus, daß es an der Grenzstation liegen bleibt.

10. In Deutschland, Oesterreich, England und anderen Ländern werden von den Eisenbahnange - stellten die Namen der Stationen nicht, immer ausgerufen. Um nicht über sein Reiseziel hinaus - zufahren, ist es geraten, sich die Zeit zu merken, zu welcher man an seinem Bestimmungsort an - kommen soll.

11. In Italien und Frankreich muß man sich früh am Bahnhofe einfinden; denn es besteht in diesen Ländern die Vorschrift, daß 5 Minuten vor Abgang des Zuges der Billetverkauf aufhört, und eine Viertelstunde vorher kein Reisegepäck mehr angenommen wird.

12. Wer in einem Gasthof übernachtet und am anderen Morgen früh abreisen will, thut gut daran, seine Rechnung am Abend vorher zu be - gleichen. Denn im letzten Augenblicke ist es nicht mehr möglich, sie zu prüfen, und gewisse Wirte benützen diese Gelegenheit, um den Fremden zu überfordern.

Nie, gar nie schlafe man mit einem unbe - kannten Menschen im gleichen Zimmer. An der Kammerthüre werde der Nachtriegel vorgeschoben. Ist das Schlafgemach nicht schließbar, so bleibe28 man nicht darin über Nacht. Eher wähle man ein anderes Gasthaus.

Auch darf sich niemand schlafen legen, ohne zuvor Umschau gehalten zu haben in den Kästen, Kommoden, unter der Bettlade ꝛc.

13. Wertgegenstände soll man nicht in einen Koffer legen, welchen man der Eisenbahn über - geben will.

14. In Italien schließe man abends die Fenster, um sich nicht der Fiebergefahr auszusetzen. Man hüte sich vor den römischen Kohlenbecken, durch welche häufig Erstickungen herbeigeführt werden.

V.

Das Reisen auf Eisenbahn und Dampfschiff ist voller Gefahren für Leib und Seele. Daher hat die Kirche ein eigenes Reisegebet, das Itinerarium, gemacht. Jn viam pacis , so beginnt es. Auf den Pfad des Friedens und der Wohlfahrt leite uns der allmächtige und barmherzige Gott, und der Engel Raphael begleite uns auf dem Wege, daß wir mit Frieden, Heil und Freude zur Heimat zurückkehren.

Es war im Jahre 1891, am 15. Juni. Der Eisenbahnzug, eine lange Reihe von Wagen, ver - ließ Basel. Es fuhren auch zwei Frauen mit aus dem Jura, die von Einsiedeln kamen. Sie beteten still für sich den Rosenkranz. Dadurch wurden sie der Gegenstand des Spottes und Hohnes ihrer Reisegesellschaft, die zum Sängerfeste nach29 Mönchenstein fuhr. Einige Augenblicke vor An - kunft auf der Brücke über die Birs kam der Schaffner und forderte die Billete. Als er die betenden Frauen erblickte, stimmte er in das Ge - lächter der Fahrgäste ein. In demselben Augen - blicke ertönt ein Krachen, die Brücke bricht zu - sammen, der Zug stürzt in die Tiefe. Unter den Leichnamen und Verwundeten, die man aus den Trümmern zog, befanden sich auch jene 2 Frauen: Die Kleider waren zersetzt und mit Blut über - ronnen, aber sie selber hatten nicht den geringsten Schaden genommen. Das Blut rührte von den übrigen Passagieren her, die ent - weder tot oder schrecklich verstümmelt waren. Einem Manne und einer Frau, die unmittelbar daneben gesessen, wurden die Beine ganz zerquetscht und zermalmt.

Der Nachmittagszug fuhr durch die unfrucht - bare Eifelgegend dahin. Es war vor zwei Jahren, im Sommer. Auf einer Station stieg ein alter, schlecht gekleideter Mann ein. Kaum saß er im Wagen, so zog er seinen Rosenkranz hervor. Die Mitreisenden spotteten. Bald merkten sie, daß er nicht gut höre. Da erlaubten sich ein paar junge Burschen einen bösen Streich. Ihr wollet nach G. ? schrie ihm einer ins Ohr. Der Alte be - jahte es lebhaft. So steiget schnell aus! Und der alte Mann verließ, so schnell er konnte, den Wagen, obwohl es nicht die gewünschte Station war. Der Zug fuhr weiter. Schallendes30 Gelächter der Insaßen! Plötzlich entgleiste der Zug, den der Greis verlassen hatte, mehrere Wagen wurden zertrümmert, von den boshaften Spöttern blieb kein einziger unverletzt.

Bete auf der Reise und empfehle dich dem Schutze Mariä und des hl. Engels. Kümmere dich nicht um den Spott der Mitreisenden. Als ich einst auf dem Vierwaldstättersee fuhr, da war auch ein alter Herr mit seinem erwachsenen Sohne auf dem Schiffe. Sie aßen zu Mittag, unterließen aber nicht, vor und nach dem Essen still für sich zu beten. Und als von Weggis her die Mittags - glocke erscholl, verrichteten beide den Engel des Herrn. Es kümmerte sie nicht, daß einige Mitreisende darob die Nase rümpften und spöttelten. Mehr lag ihnen daran, des göttlichen Wohlgefallens sich zu erfreuen und jenes Lob des Heilandes zu verdienen: Wer mich vor den Menschen bekennt, den werde ich auch vor meinen Vater bekennen, der im Himmel ist. Darum vergiß auf der Reise nicht den lieben Gott und bete hin und wieder still für dich.

Verreise nie an einem Sonn - oder Feiertag. Kann es gar nicht anders sein, so höre vorher wenigstens eine hl. Messe andächtig an. Graf Johann von Salis (ge - storben am 23. Aug. 1855) übernachtete auf einer Reise zu Verona. Um anderen Tages es war ein Mutter-Gottes-Fest die hl. Messe nicht zu versäumen, ging er erst mit dem 2. Zuge weiter. 31In der Nähe von Vicenza ertönt plötzlich ein Not - pfiff. Alle Passagiere stürzen zu den Wagen hinaus. Was sehen sie? Was hat es gegeben? Der erste Zug von Verona her war entgleist; die meisten Wagen waren zertrümmert; Tote und Sterbende und schwer Verwundete lagen zu Dutzenden auf der Erde. Es war ein entsetzlicher Anblick. Hätte Graf von Salis die hl. Messe versäumt und mit dem 1. Zuge seine Reise fortgesetzt, so wäre er jetzt wohl auch unter den Toten oder Schwerver - wundeten gelegen. Darum soll jeder Christ nur in Notfällen an Sonn - und Feiertagen reisen, vor - her aber, wenn immer möglich, zum allermindesten die hl. Messe anhören. Denn die Vernachlässigung der Messe ist eine schwere Sünde. Wer will es wagen, mit einer Todsünde auf dem Herzen sich den Gefahren der Reise auszusetzen?

Geh 'ohne Stab nicht durch den Schnee,
Geh 'ohne Steuer nicht zur See;
Geh 'ohne Gottes Geist und Wort
Niemals aus deinem Hause fort!
(Rückert.)
32
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4. Die Fußtour.

Wie ist's so schön, was der Dichter von seiner Wanderung durch den Schwarzwald singt:

Seid gegrüßt, ihr dunklen Gauen,
Seid gegrüßt mir immerdar!
Eure Tannennacht zu schauen,
Schon als Kind mein Sehnen war.
Doch das Bild, das ich mir malte,
Zauberprächtig, farbenreich,
Die Natur es überstrahlte,
Schwarzwald, dir kommt keiner gleich.
Tiefe Schluchten, stolze Höhen,
Tannendunkel, Vogelfang,
Und der Wälder Andachtswehen,
Das sich eint mit Herdenklang.
Bächlein flink in Wasserfällen
Schäumen überall zu Thal,
Spenden Labung den Forellen,
Kühlen Luft und Sonnenstrahl.
33
Wonnig ist es, froh zu wallen
Durch des Höllenthales Pfort ';
Hier lass 'alle Hoffnung fallen,
Dantes Inschrift steht nicht dort.
Waldumrauschte Felsenwände
Zieh'n der Dreisam Lauf entlang,
Reichen sich ganz nah die Hände,
Wo dem Hirsch der Sprung gelang.
Als des Thals romant'sche Stelle
Preis 'ich die Ravennaschlucht,
Ueber Felsen, Wasserfälle
Hier der Fuß den Pfad sich sucht.
Wie aus Silber hingegossen,
Glänzt der Titisee so schön,
Rings von Tannengrün umflossen,
Ruht der Schluchsee auf den Höh'n.
Mächtig ragt des Feldbergs Rücken
In das blaue Luftgezelt,
Weit wir in die Lande blicken
Bis zur Alpen Wunderwelt.
Und das biedere Schwarzwaldvölklein,
Wie ist's fröhlich, freundlich, fromm,
In dem ärmsten Hirtenhüttlein
Ist der Wand'rer froh willkomm.

Aber wer kümmert sich heute noch um die Schönheiten der Natur? Die stillen Wandrer, mit dem Ränzlein auf dem Rücken und dem Reise - stock in der Rechten, werden immer seltener. Alles34 fährt per Eisenbahn. In raschem Fluge gehts durch Ebenen und Thäler, an Bergen und Seen vorbei. Das Auge findet kaum Zeit, auch nur flüchtig die Wunder der Natur zu betrachten. Was nützt ein solches Reisen? Man schaut nicht die Blumen am Wege, hört nicht das Konzert der Vögel, erfreut sich nicht an den schönen Landschafts - bildern, hat kein Auge für Volkssitten, für das Thun und Treiben fremder Menschen. Höchstens, daß man in den Städten Halt macht und hastig die Straßen und öffentlichen Plätze, die Bilder - gallerien und Kunstsammlungen durcheilt, vor Palästen und stolzen Turmbauten einige Augenblicke verweilt, den Pferderennen und Stierkämpfen bei - wohnt und am Abend das Theater besucht. Aber der große Gottestempel der Natur mit seinen be - zaubernden Reizen und unbeschreiblichen Schön - heiten, mit seinen Wundern ohne Zahl ist so vielen zeitlebens verschlossen zum größten Schaden für Herz, Geist und Gesundheit.

Die aufmerksame Betrachtung der Natur erfüllt das Herz mit Bewunderung für Gottes Allmacht, Weisheit und Güte, mit Demut und dankbarer Liebe. Der Wille wird gestählt durch das Wundern, und der Geist mächtig angeregt zum Forschen und Denken, eine Fülle von neuen Ideen und Kenntnissen wer - den sein eigen. Daß die Fußreisen dem Körper sehr zuträglich sind, braucht wohl keines Beweises. Das fühlt jeder selbst am besten, wie wohl ihm die Bewegung thut, wie angenehm und erfrischend35 ein Gang durch Felder und Wiesen, über Berg und Thal, wie stärkend eine Tour per pedes Apostolorum. Wer geht, sagt Seume, der Dichter und Tourist, sieht von der Welt und dem Men - schenleben mehr, als wer fährt. Fahren zeigt Ohn - macht, Gehen Kraft. Der Gang ist das Ehren - vollste für den selbständigen Mann, und alles würde besser gehen, wenn man mehr gienge. In Triengen (Schweiz) lebt ein Mann, Joseph Schmidli, der schon über 90 Sommer gesehen und sich noch des besten körperlichen Wohlseins und großer, geistiger Frische erfreut. Er ist noch nie Eisenbahn gefahren, hat hingegen den weiten Weg nach Einsiedeln schon 24 Mal zu Fuß gemacht. Der älteste Mann der Neuzeit war wohl Michele Solis aus Bogosa in der Republik San Salvador, der im Jahre 1884 starb. Michele wurde 160 Jahre alt. Er lebte sehr mäßig und ging immer zu Fuß.

Drum, mein lieber Freund, lasse Schienen - strang und Eisenbahn auf der Seite und wandere auf des Schusters Rappen. Der Gewinn ist groß, besonders wenn du offene Augen hast und alles recht betrachtest und das eine und andere dir aufschreibst, vor der Reise aber Land und Leute in guten Reise - büchern studierst.

Nimm den Stab in deine Hände,
Wandre in die Welt hinaus!
Gott dir seinen Segen spende
Und Willkomm in fremdem Haus.
36
Wand're durch der Wälder Schatten,
Fröhlich über Berg und Thal,
Freue dich am Grün der Matten
Und am Morgensonnenstrahl!
Winkt ein Kirchlein dir entgegen,
Halte Rast an seiner Pfort ';
Hole dir den Reisesegen,
Und dann wand're rüstig fort!
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5. Der Bauernknecht und der Geselle.

I.

Nur nicht dienen! Lieber in die Fabrik oder in ein Geschäft oder Bureau. Die Städte wachsen, die Landbevölkerung nimmt ab. Im Jahre 1882 betrug die landwirtschaftliche Be - völkerung in Schlesien 1742841, im Jahre 1895 jedoch nur 1564085. Es haben also über 178000 Menschen in Schlesien innerhalb 13 Jahren die landwirtschaftliche Arbeit aufgegeben. In der bayerischen Pfalz haben sich im Jahre 1899 33737 Personen vom landwirtschaftlichen Betriebe losge - sagt, während die Industrie einen Zugang von 84223, der Handel einen solchen von 19874 auf - wies. Aehnlich oder noch schlimmer steht es in anderen Ländern. Allüberall klagt man über die Landflucht, die Uebervölkerung und Arbeitsnot in den Städten, und niemand weiß, wie man dieser Menschenverschiebung Einhalt thun kann. Da müssen eben unsere Jünglinge selbst zur Einsicht kommen, daß sie es auf dem Land viel schöner38 haben als in der Stadt. Da ist's doch tausend - mal gesunder. Wohl muß der Bauernknecht, besonders im Sommer und Herbst, viel und streng arbeiten. Aber seine Werkstätte ist die schönste und gesundeste: der fruchtbare Acker, die blumen - reiche Wiese, die sonnige Weinberghalde, der grüne Wald. Da lebt er bei den singenden Vögeln und weidenden Herden weit glücklicher und fröhlicher als der Städter in seinen dumpfen Winkeln, wo kein Sonnenstrahl hindringt, oder der Fabrikarbeiter, der im Staub und Oeldampf gar oft zum siechen, auszehrenden Krüppel wird. Darum sollte man nicht so verächtlich auf die Landarbeit niederblicken. Bleibe nur oder werde Bauernknecht, so bleibst du gesund an Leib und Seele. Wie mancher starke und lebensfrohe Jüngling gieng in die Stadt und kam elend und krank zurück oder starb im Spitale an den Folgen der Sünde oder des Elendes.

Freilich sind viele Bauern selber schuld, daß sie keine Arbeiter mehr finden. Sie schreien in einem fort über die Leutenot in der Landwirt - schaft. Aber ihre eigenen Söhne und Töch - ter halten sie für zu gut auf den Bauern - hof: die müssen studieren oder sonst einem höheren Berufe sich widmen. Sie klagen über die Landflucht, über den Zug in die Stadt und vergessen dabei ganz, daß ja ihre eigenen Kinder mit dem schlechten Beispiel vor - angehen. Diese schämen sich, ein Bauer, eine39 Bäuerin zu sein und zu heißen, und wenn's aus Heiraten geht, da ziehen sie erst recht das Stadt - fräulein oder den Stadtherrn der Bäuerin und dem Bauer vor. Gewöhnlich zu ihrem Unglück!

Gar manches Knopfloch ist geschmückt,
Weil manchem dies und das geglückt
Mit Klingen und mit Kielen.
Jedweder Leistung Ehr und Preis.
Der beste Orden, den ich weiß,
Ist eine Hand voll Schwielen.
(Weber.)

Auch wär 'es noch auszurechnen, wer mehr erspart: der Bauernknecht oder der städtische Ar - beiter. Der Lohn des letzteren ist vielleicht etwas größer; aber dafür braucht er mehr für Kleidung, Lebensführung und Unterhaltung. Es ist ganz interessant, welch' schöne Summen brave und genüg - same Dienstboten oft ersparen. Ich habe gelesen von einem Knechte in Württemberg, der bei seinem Tode 24000 Mark für gute Zwecke hinterließ. Ein anderer Knecht aus dem Kanton Aargau (Schweiz) besaß am Ende seines langen Lebens 19540 Fr. in Sparkassenscheinen. Beide Landarbeiter hatten sich diese großen Summen selbst erspart. Ganz jung waren sie bei guten Bauern in Dienst getreten; von kranksein wußten sie nichts; jedes Vierteljahr konnten sie den größten Teil des Lohnes in die Sparkasse legen. So kamen sie zu einem ganz40 schönen Vermögen, aus dessen Zinsen sie ihre alten Tage sorgenfrei hätten verleben können.

Vierzig Jahre lang hatte in Ebnat (Kanton St. Gallen) ein Knecht gedient und gespart. Als er anno 1894 starb, fand man zuunterst in seinem alten Koffer, wohl verwahrt und versteckt, ein Spar - kassenbüchlein im Werte von 20000 Fr.

In Servion, Kanton Waadt, wurde in den ersten Tagen des Monats Juni 1901 ein 87jähriger Knecht begraben. Seit dem 12. Lebensjahre, also während 75 Jahren, hatte er auf demselben Platze gedient. Seine Ersparnisse betrugen 27000 Fr.

Im Jänner 1874 stürzte in Freiburg (Baden) ein Knecht in einen Keller hinunter, schlug sich dabei die Hirnschale ein und starb nach einer Stunde. Dieser Mann hatte mit seinem Lohne die alte Mutter in einem Dorfe bei Offenburg voll - ständig erhalten und ihr kurz vor seinem Tode noch 30 Mark geschickt. Sie kam auch zur Be - erdigung. Als der Priester die üblichen Gebete verrichtet hatte, trat die arme Frau an das Grab ihres Sohnes und sprach unter lautem Schluchzen: Gott vergelte dir alles, mein Sohn, was du mir gethan hast! Das war die schönste Leichenrede, die dem verstorbenen Knechte konnte gehalten werden.

Darum lasset euch nicht täuschen, ihr jungen Leute, und höret auf das Wort: Bleib 'im Lande und nähre dich redlich! Man spiegelt euch größern Verdienst vor, mehr Freiheit, leichtere41 Arbeit. Das Durchschnittsresultat aber besteht darin, daß von zehn neun Auswanderer es zu gar nichts bringen, unter Not und Sorgen leben, ja sogar später der Heimatgemeinde zur Last fallen. Zudem sind die Gefahren für Gesundheit, für Glauben und Tugend in der Stadt weit größer als auf dem Lande. Der junge Mensch leidet oft entsetzlichen Schaden und geht an Leib und Seele zu Grunde. Tüchtige Leute können auch auf dem Lande vorwärts kommen, sie bringen es zu Amt und Ehren, sind überall gesucht und begehrt. Es giebt prächtige Dörfer und große Gemeinden, die einer gedeihlichen Entwicklung sich erfreuen; sie ersetzen sogar für solche, die es verlangen, wenig - stens einen Teil des Stadtlebens.

II.

Auch zum Handwerke wollen viele junge Leute nicht gehen. Entweder halten sie sich zu vornehm dafür, oder sie glauben, was jener sozial - demokratische Abgeordnete im deutschen Reichstage gesagt: Mit der Erfindung der ersten Maschine wurde das Grab für das Handwerk gegraben. Das ist aber eine ganz falsche Ansicht, die man nicht genug bekämpfen kann. Das Handwerk kann heute und wird auch in Zukunft in den meisten Zweigen seinen Mann ehrlich ernähren, voraus - gesetzt, daß die Handwerker die veränderte Lage des Handwerksstandes klar erkennen und mit be - sonnener Klugheit und großer Ausdauer den42 Forderungen der Jetztzeit gerecht zu werden suchen. Es ist ja wahr: die Großbetriebe mit ihren Maschinen und ihren größeren Geldmitteln kaufen besser und billiger ein, stellen die Erzeugnisse leichter und schneller her und setzen sie rascher und sicherer ab. Aber auch die Handwerker können sich diese Vorteile zu Nutzen machen durch gemeinsames Vorgehen: sie können Kredit - und Einkaufsgenossenschaften bilden, wie das die Bauern schon längst gethan; sie können Werk - genossenschaften bilden, welche für ihre Mit - glieder Maschinen kaufen und gegen angemessenen Preis zur Verfügung stellen; sie können zum leichteren Verkaufe der erzeugten Waaren mit einander Magazine errichten. Wenn solche ge - meinsame Verkaufstellen oder Magazine gebildet werden, in welchen der Käufer sicher ist, nur aus guten Stoffen solid gearbeitete Waaren zu er - halten, deren Hersteller er kennt, darf man dann nicht mit Gewißheit erwarten, daß gerade solche Handwerker-Magazine mit Vorliebe aufgesucht werden? Wiederum sind auch da die Bauern mit ihren verschiedenartigsten Verkaufsgenossenschaften vorausgegangen. Also Vereinigung, fester Zusammenschluß der Handwerker ist von Nöten, dann wird das Handwerk nie unter - gehen. Vor allem müssen der Lehrling und der Geselle in ihrem Handwerke sich recht tüchtig machen, und auch der Meister muß immer weiter sich ausbilden, die für sein Ge -43 werbe wichtigen technischen Fortschritte und Er - findungen kennen lernen. Stillstand ist heute mehr denn je Rückschritt.

Gerade darum ist es notwendig, daß begabte junge Leute dem Handwerkerstande sich zuwenden. Solide und tüchtige Handwerker sind immer noch weit besser gestellt, als die zahllosen Schreiber und die an die Maschine gefesselten Fabrikarbeiter, die oft selbst zur Maschine werden.

Ihr jungen Leute, schämet euch nicht, Hobel und Hammer, Spaten und Mistgabel in die Hand zu nehmen. Große Heilige sind eure Genossen. Sogar St. Joseph, der Nährvater Jesu Christi, war ein einfacher Zimmermann, und Christus selbst unterstützte ihn bis zum dreißigsten Jahre in seinem Berufe.

Willigis, Willigis, deiner Herkunft nit vergiß,

hatte der berühmte Erzbischof Willigis von Mainz, der Sohn eines Wagners, in allen Gemächern seiner bischöflichen Behausung unter ein Rad an die Wand malen lassen. Das Rad steht heute noch im Wappen der Mainzer Bischöfe.

Arbeit ist des Bürgers Zierde,
Segen ist der Mühe Preis.
Ehrt den König seine Würde,
Ehret uns der Hände Fleiß.
(Schiller.)
44

Möge nur jeder in seinem Berufe, sei es Handwerk oder Landwirtschaft, sich recht tüchtig machen. Auch darf ein jünger Mensch nicht gleich den Mut verlieren, wenn anfänglich nicht alles nach Wunsch geht. Mit Fleiß und Ausdauer er - reicht man viel. Peter Paul Rubens rieb Farben bei dem Maler van Noort. Er war zu arm, um ein Handwerk zu lernen. Aber er darbte sich jeden Pfennig vom Munde ab und kaufte daraus Leinwand und Farben. Ganz heimlich übte er sich dann im Malen. Und sein Fleiß und seine Ausdauer brachten ihn dahin, daß er einer der größten Maler wurde. Johann Stigl - mayer trat bei einem Goldschmied in die Lehre. Aber er war sehr schwach im Zeichnen. Darum benützte er jede Freistunde, um sich darin zu üben. Durch seinen eisernen Fleiß errang er in der Feiertagsschule den ersten Preis von 100 Gulden. Das spornte ihn noch mehr an. Er bildete immer weiter sich aus, wurde später Direktor der welt - berühmten Münchener Erzgießerei und schuf selbst großartige Werke. Georg Stephenson, der Erbauer der ersten Lokomotive, mußte als Jüng - ling in einem Kohlenbergwerke die niedersten Dienste verrichten. Thomas Edison verkaufte untertags Zeitungen, die Nächte aber verwandte er dazu, um das Telegraphieren zu erlernen. Später wurde er der Erfinder des Phonographen und der elektrischen Glühlampe.

So führen Beharrlichkeit und Ausdauer empor. 45Gott hilft dem redlichen Streben und belohnt eifrige Selbsthilfe mit seinem Segen. Jeder Arbeiter trägt das reichste Kapital in sich selbst. Das soll er eifrig vermehren und weise anwenden. Das Kapital besteht in der Jugendzeit, der Jugend - kraft und dem Jugendverdienst , sagt Adolf Kolping.

Bedenke, was du heute thust,
Bedenk 'auch, was du morgen mußt.
Zumeist bedenke, deinem Leben
Durch Arbeit Kern und Halt zu geben.
Ein Leben ohne Arbeit gilt
Nur was ein Nahmen ohne Bild.
(Weber.)
46
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6. In der Kaserne.

I.

General Spork, der von einem Bauernburschen zum kaiserlichen Befehlshaber avancirte, rief voll Begeisterung aus: O wie freut mich das Soldatenleben! Weniger Freude daran hatte ein Soldat in Bayern. Es wurde ihm beim Exerzieren jämmerlich schlecht. Daher bat er, austreten zu dürfen. Ach , seufzte er dann, wenn ich nur sterben könnte! Der Unteroffizier aber meinte: Ja, das glaub 'ich, so den ganzen Tag im Sarg herumfaulenzen, das thät' ihm gefallen.

Nicht jeder geht gern in die Kaserne. Es fällt ihm schwer, zu verlassen Vater und Mutter, zu verlassen die Stätte, wo seine Wiege stand, zu verlassen die Gespielen der Jugend und die Berge und Thäler seiner Heimat. Aber es muß eben doch sein. Das Vaterland ruft. Die Obrigkeit befiehlt. Da ist es am christlichen, jungen Mann, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist und zwar um Gottes Willen. Bereitwillig47 folgt er dem Rufe. Und in der Kaserne ist er bemüht, folgsam, fleißig und treu zu sein.

Nirgends in der Welt ist der Gehorsam so streng und pünktlich wie beim Soldaten. Der Ge - horsam im Kloster ist dagegen Kinderspiel. Aber der christliche Soldat gehorcht aus Liebe zu Gott; er sieht in seinem Vorgesetzten den von Gott ihm gegebenen Obern. Ganz anders freilich der Un - gläubige: Er unterwirft sich nur mit heimlicher Wut, mit stillen Flüchen und Verwünschungen. Kann sich das Vaterland in der Stunde der Ge - fahr auf solche Leute verlassen?

Auch fleißig und treu ist der christliche Soldat. In der Arbeit sieht er seine Pflicht - erfüllung, seine Bestimmung, eingedenk des Wortes: Der Mensch ist zur Arbeit geboren, wie der Vogel zum Fluge. Seiner Fahne bleibt er treu, treu bis in den Tod. So hat er es geschworen, und den Fahneneid bricht er nicht. Dulce et de - corum est, pro patria mori. Süß und ruhm - voll ist's, für's Vaterland zu sterben, sagten schon die alten Römer.

II.

Aber nicht minder treu ist der christ - liche Soldat auch seinem obersten Herrn, dem König aller Könige, von dem alle Ge - walt der Herrschenden kommt. Darum ver - gißt er auch im Soldatenrock nicht die Gebote Gottes und der hl. Kirche. Das Leben in der48 Kaserne und in einer vielleicht großen Stadt bringt dem jungen Manne viele Gefahren, von denen er früher keine Ahnung hatte. So mancher Jüngling, so mancher Bursche vom Lande, der gläubig und unverdorben das Elternhaus verließ, kehrt heim aus der Kaserne, krank an der Seele und am Leibe, glaubenslos, ein Sklave niedriger Leidenschaften. Er hat Sünden kennen gelernt, welche die kräftigsten Männer zu Grunde richten. Darum sei wachsam, willst du nicht das gleiche Schicksal teilen. Du hältst darauf, daß deine Waffen und die Knöpfe an deinem Rocke blank und sauber seien. O halte auch Leib und Seele rein! Fast in jeder größern Stadt giebt es schlechte Häuser. Geh in kein Haus, aus dem dich nicht Jedermann darf heraus - gehen sehen. Ein schlechtes Haus ist das Grab alles Lebensglückes des hoffnungsvollsten Jünglings. In jeder Kaserne giebt es verdorbene Kameraden, baar des Glaubens und der Sitte. Habe keine Freundschaft mit ihnen und fliehe ihren Umgang. Mache bei deinen Vorgesetzten Anzeige, wenn die glaubensfeindlichen und schmutzigen Reden kein Ende nehmen wollen. Ueberall giebt es leichtfertige Burschen, die der Unmäßigkeit fröhnen. Gehe nicht mit ihnen. Zwei drittel der Unglücklichen, die jedes Jahr vor dem Kriegsgerichte abgeurteilt werden, verdanken ihre oft jahrelangen Strafen der Trunkenheit. Bete jeden Morgen und Abend; gehe alle Sonn - und Feiertag in den Gottesdienst, wenn immer du kannst; empfange so oft möglich49 die hl. Sakramente der Buße und des Altares. Denke bei Versuchungen an den allgegenwärtigen Gott, der jeden Augenblick den Menschen strafen kann. Fluche nicht. Die türkischen Soldaten sind Anhänger des Halbmondes; aber nie hört man sie fluchen. Hüte dich vor schlechten Schriften. Trau 'keinem Soldaten, der über seine Vorgesetzten schmäht. Fange keine Bekanntschaft an im Soldaten - stande. Sei ein Soldat wie Moses, Josua, Gideon, David, die makkabäischen Brüder: sie waren Helden der Tugend und der Tapferkeit zugleich. Sei ein Soldat wie Sobiesky, der Polenkönig, welcher nach der Schlacht am Kahlen - berg vor dem Altare sich niederwarf und Gott dem Herrn dankte für den Sieg; wie Turenne, der am Morgen seines Sieges - und Todestages beichtete und kommunicierte; wie Ludwig Gaston de Sonis, der täglich die hl. Messe anhörte und den Heiland im Tabernakel besuchte, der wöchentlich die hl. Kommunion empfing und in voller Uniform der Fronleichnamsprozession beiwohnte, der wie selten ein Soldat die Inschrift verdiente, die auf seinem Grabsteine zu Paris steht: Miles Christi , Soldat Christi.

Vor einigen Jahren wurde ein Priester zu einem schwerkranken Hauptmann gerufen, der jedoch von der nahen Todesgefahr keine Ahnung hatte und darum die hl. Sterbsakramente nicht empfangen wollte. Da kam dem Geistlichen ein glücklicher Gedanke. Er trat vor das Bett des Kranken und50 sprach in entschiedenem Tone: Herr Hauptmann, die Kirche befiehlt es. Ja, wenn es Befehl ist, sagte der Hauptmann, dann thue ich es auch. Bereitwillig empfing er jetzt die hl. Sakra - mente. So mögest auch du, mein lieber Freund, die Gebote und Vorschriften des himmlischen und des irdischen Befehlshabers stets getreulich aus - führen! Dann bist du in Wahrheit ein Soldat Christi.

Wie könnt 'ich dein vergessen,
Ich weiß, was du mir bist,
Wenn auch die Welt ihr Liebstes
Und Bestes bald vergißt.
Ich sing 'es hell und ruf' es laut:
Mein Vaterland ist meine Braut.
Wie könnt 'ich dein vergessen,
Ich weiß, was du mir bist.
Wie könnt 'ich Gott vergessen,
Dem denk 'ich alle Zeit;
Ich bin mit dir verbunden,
Mit dir in Freud und Leid.
Ich will für dich im Kampfe steh'n,
Ich will den Weg der Tugend geh'n.
Wie könnt 'ich Gott vergessen,
Dein denk 'ich alle Zeit.
51
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7. Der Wandervogel.

O Wandern, Wandern, meine Lust,
O Wandern!
Herr Meister und Frau Meisterin,
Laßt mich im Frieden weiter zieh'n
Und wandern.

So singt gar manches junge Blut aus voller Brust und wandert von einer Stadt zur andern, von einem Ort zum andern. Nirgends bleibt er längere Zeit und kommt so weit in der Welt herum und leidet oft recht großen Schaden an Leib und Seele. Warum?

I.

Schon der Gesundheit ist es wenig zuträglich, bald da bald dort zu leben, heute diese, morgen jene Arbeit zu verrichten. Der stete Wechsel und die beständige Aufregung und Unruhe wirken schädlich auf die Nerven und beeinträchtigen das körperliche Wohlsein.

Wer den Platz häufig wechselt, der wird auch52 in seinem Berufe kaum recht tüchtig werden. Ein solcher Jüngling hat keinen Lehrmeister, der sich liebevoll und dauernd seiner annimmt und ihn einführt in all' die Geheimnisse und Kunstgriffe seines Berufes. Er spielt gleichsam mit dem Leben, und wer das thut, sagt der Dichter,

Wer mit dem Leben spielt,
Kommt nie zurecht;
Wer sich nicht selbst befiehlt,
Bleibt immer Knecht.

Der Wandervogel wird überhaupt fast überall, wo er hinkommt, mit Mißtrauen aufgenommen. Wie lange waren Sie am letzten Platze? fragte der behäbige Metzgermeister in U. einen Metzger - burschen, der um Stellung bat. Drei Monate und zwei Wochen. Und am vorletzten Platze? Ein Vierteljahr. Dann wurden die Zeug - nisse geprüft. Es stellte sich heraus, daß der Junge nirgends länger als 4-5 Monate geblieben. Ich bin gewohnt, sagte der Meister, meine Gesellen wenigstens ein paar Jahre zu behalten. Bei Ihrem Wandertriebe müßte ich fürchten, daß Sie schon nach einigen Wochen wieder davon laufen.

Endlich können auch die Ersparnisse eines solchen Lustibus kaum groß sein. Das Reisen kostet Geld; umsonst kann man nicht Eisenbahn fahren und logieren. Tage und Wochen lang wird nichts verdient, weil man auf der Wanderschaft53 sich befindet. So ist's kein Wunder, wenn der Geld - beutel die Schwindsucht bekommt, und Sparscheine und Sparkassenbüchlein spanische Dörfer sind.

II.

All' das soll doch genügen, den Platz ohne triftigen Grund nicht zu wechseln. Man bleibe im allgemeinen möglichst lange an einer Stelle und tröste sich mit dem alten, aber wahren Sprüchlein: Es ist nirgends vollkommen unter der Sonne. Die glückliche Insel ist noch nicht gefunden, wo keine Wünsche mehr übrig bleiben. Aber

Dein wahres Glück, o Menschenkind,
O glaube doch mit nichten,
Daß es erfüllte Wünsche sind,
Es sind erfüllte Pflichten.
(Weber.)

Thue redlich nur das Deine. Suche nach bestem Wissen den Willen der Vorgesetzten zu be - friedigen, und daneben lasse dir den guten Humor nicht verderben. Jedes Ding hat zwei Seiten. Betrachte alles von der besseren Seite. Ein frohes Herz ist des Menschen Leben, und die Freude macht ihn alt (Sir. 30, 22), sagt der hl. Geist.

Ich bin dein Gott! Was willst du mehr?
Faß guten Mut, nichts sei dir schwer.
54Denn wer mein göttlich Herz besitzt,
Hat alles, was ihm ewig nützt.
Die Welt vergeht, es flieht die Zeit,
Die Menschenkinder sind auf heut ',
Und alles nimmt dir einst der Tod,
Nur eins dir bleibt, nur ich, dein Gott.
(C. Wöhler.)

Damit meinen wir freilich nicht, ein junger Mann müsse immer auf demselben Fleck sitzen bleiben, unbeweglich und starr wie eine Statue. O nein, er soll auch die Welt sich ansehen und seine Kenntnisse erweitern. Nur darf der Jüng - ling nicht planlos umherirren, ohne Ziel und Zweck, ohne bestimmte Aussicht auf Arbeit und Anstellung. Namentlich möchten wir junge Leute warnen, aufs geratewohl in ferne Länder und große Städte zu gehen. Noch jüngst veröffentlichte die vortreffliche Monatschrift für Jünglinge, Die Zukunft (Einsiedeln 2. Jahrg. 4. Heft) folgen - den Brief:

Lieber Vater!

Damit Ihr nicht glaubt, daß ich Euch etwa vergessen habe, will ich Euch etwas schreiben. Es ist zwar nicht viel, das ich zu schreiben habe, was Euer gutes Vaterherz erfreuen könnte, als daß ich gesund und guter Dinge bin, und daß ich im Sinne habe, wieder zu den schönen Schweizerbergen heimzukehren.

55

Seitdem ich in Amerika bin, hat sich viel ge - ändert in mir. Ich habe das Leben kennen gelernt von allen Seiten, wie man es bei Euch in Euren heimatlichen Bergen nicht findet. Dort wohnt die Ehrlichkeit, die Liebe und das Vertrauen, und hier? Hier hauset gemeine Selbstsucht, mit Schlechtig - keit gepaart; hier hat die Sucht nach Geld und daneben das Laster ihr Zelt aufgeschlagen. Darum wehe der Jugend, deren Wille nicht stark genug ist, sich durchzukämpfen durch den Sturm der Ver - suchungen.

Die Ehrlichkeit und das Wohlwollen ist hier wohl auch zu finden, aber sie sind sehr dünn gesäet unter den Millionen von Mißgeburten. Lieber Vater! Ich habe Glück in dieser Beziehung gehabt. Ich fand Leute, deren Herz noch nicht verdorben und vergiftet ist, die mich gehalten fast wie ihr eigen Kind, und denen habe ich es zu verdanken, daß ich noch gläubig und gut bin; denn ohne Anhalt bei solchen Leuten ist einer meistens ein verlorener Mensch, wenn er noch ledig ist.

Ich kenne an die hunderte von solchen, welche jung ins Land kamen. Sie fielen in schlechte Kameradschaft, und wenn sie ein schönes Geld verdient hatten, gingen sie in die Städte und verjubelten ihr Geld bis zum letzten Heller. Nach - her auf die Straße gesetzt, mußten sie wieder der Arbeit nach. Aber sie arbeiten nur so lange, bis sie wieder einige Thaler ihr eigen nennen. Dann56 geht das liederliche Leben wieder von vornen an, und so treiben sie es einige Jahre, bis sie, an Leib und Seele ruiniert, als Trunkenbolde durch die Straßen laufen und betteln. Zur Arbeit taugen sie nichts mehr, und kein Mensch bekümmert sich um sie, wenn sie kein Geld mehr haben. Und so geht's, bis sie eines Tages auf der Straße tot aufgelesen und wie die Hunde vergraben werden. Und das sind vielfach Söhne aus guten Familien Europas. Die Angehörigen lassen durch die Zeitungen nach ihnen suchen; aber ausfindig ge - macht werden sie meistens nicht, und so werden sie endlich in den Zeitungen als verschollen erklärt. Das ist das Ende von vielen Auswanderern, welche mit der Hoffnung auf besseres Glück die Stätte ihrer Väter verlassen und dann untergehen im Sturme des Lebens.

Lieber Vater! Es ist dies nur ein Auszug von den vielen Gefahren, die einen jungen Aus - wanderer treffen. Nun lebt wohl. Auf Wiedersehen in unseren schönen Schweizerbergen! Es grüßt Euch tausendfach

Euer dankbarer Sohn
G. H.

Es giebt eine ganze Zunft von Industrie - rittern und Gaunern, welche es sich zum Geschäft machen, den Auswanderer schon unterwegs rein auszuplündern. Sie nähern sich ihm mit erheuchelter57 Freundlichkeit, verleiten ihn zum Spiele und suchen seine ganze Habe zu erhaschen. Diese Betrügereien beginnen meist in Ludwigshafen, besonders aber in Köln, Aachen und Düsseldorf. Hat der Aus - wanderer in der Hafenstadt noch Barschaft, so wissen ihn die Gauner in verrufene Häuser zu schleppen, wo er in der Regel den letzten Pfennig opfern muß.

Darum lasse man sich doch niemals mit fremden, unbekannten Personen ein, ganz besonders nicht mit solchen, welche sich als Amerikaner ausgeben und in der Regel gerade dort ansäßig sein wollen, wohin der Auswanderer begehrt. Wer nun einmal nach Amerika gehen will, der wende sich an den St. Raphael-Verein, gegründet im Jahre 1868, zum Schutze deutscher Auswanderer. Er hat in den europäischen Einschiffungshäfen und in den überseeischen Landungsplätzen von ihm be - zahlte, selbständige, zuverlässige Vertrauens - männer aufgestellt. Diese empfangen die Aus - wanderer bei ihrer Ankunft auf dem Bahnhofe, geleiten sie in solide, unter seiner Aussicht stehende Logierhäuser, überwachen ihre Einkäufe, vermitteln ihnen die Umwechslung des Geldes, führen sie zum Gottesdienst und geleiten sie an Bord des Schiffes. Das alles thun die Vertrauensmänner des St. Raphael-Vereins unentgeltlich. In New York hat der Verein sogar ein eigenes Haus, das Leo-Haus, in welchem die Auswanderer58 alle nur wünschbaren Dienste und Auskünfte er - halten. Sogar die Billets (Tikets) werden dort den Reisenden von allen Teilen Amerikas nach jedem Teile Europas und umgekehrt zu den billigsten Preisen vermittelt, und die Gelder ver - wahrt. Im Jahre 1893, so berichtete der Ver - trauensmann in New York, Rev. Nieuwenhuis, wurden im Leo-Haus über 50000 Mk. in Empfang genommen und ausbezahlt. Trotzdem lesen wir immer noch die un - glaublichsten Geschichten, wie Auswanderer durch Schwindler all' ihr Geld verlieren. Also verschaffe man sich vor der Abreise eine Empfehlungs - karte des St. Raphael-Vereins, sende sein Geld ans Leo-Haus (bei größeren Betragen durch Wechsel), wo man es bei der Ankunft erheben kann, lasse auch das Billet dort besorgen und wende sich an den Hafen - plätzen immer nur an die Vertrauens - männer des Vereines. Jeder Priester oder auch die Redaktion der Nothburga in Donau - wörth besorgt gerne Empfehlungskarten. Das Patronat für Auswanderer, das der Schweizerische Katholikenverein errichtet hat, steht mit dem Raphael - Vereine in Verbindung.

Doch ist es trotz dieser Vorsicht immer noch sehr gewagt, besonders ohne bestimmte Aussicht auf Anstellung, nach Amerika oder in andere Länder zu gehen. Es hat ja in Amerika noch Platz für Millionen, die auf dem Lande arbeiten wollen; auch Metzger und Bäcker finden oft guten Ver -59 dienst. Gleichwohl soll nur jener aus - wandern, der im fremden Lande Verwandte oder Bekannte, gute, zuverlässige Freunde hat, die seiner sich annehmen und ihm Arbeit und Verdienst in sichere Aussicht stellen. Nie, gar nie vertraue ein Jüng - ling unbekannten Personen sich an. So kamen gerade jüngst wieder viele junge Männer um ihr Geld, die von einer Schwindelfirma H. Goldstein u. Co. nach London sich anwerben ließen, wo ihnen sehr gut bezahlte Anstellungen in Kaufmannshäusern versprochen wurden. Wer nicht will betrogen werden, der kann gar nicht vor - sichtig genug sein; und wer eine gute Stelle hat, der soll sie nicht so schnell verlassen. Lieber einen Vogel in der Hand, als zehn auf dem Dache, sagt das Sprüchwort.

III.

Aber meine Arbeit ist auch gar so hart; vom frühen Morgen bis zum späten Abend muß ich mich plagen, sagst du. Da ruft dir die Dichterin Cordula Peregrina zu, dich hinweisend auf Jesus, dein schönstes Vorbild:

Ist hart dein Loos, gering dein Stand,
Die Stirn voll Schweiß, und schwer die Hand,
Mußt du dich müh'n in mancher Not
Tag aus Tag ein ums liebe Brot:
60
Dann, liebes Herz, blick 'hin auf mich,
Wie arm ich ward und nur für dich;
Wie hab 'als zartes Kind ich schon
Mich abgemüht um kargen Lohn!
War Arbeit doch mein täglich Loos,
Ich ward in Josephs Werkstatt groß,
Doch wenn der Schweiß vom Antlitz rann,
So schwang das Herz sich himmelan.
Dort ruhte es beim Vater mein,
Ihm dürft 'ja jedes Werk ich weih'n.
O mach's, wie ich! Das schwerste Loos,
Wie leicht dann wird's, der Lohn wie groß!

Man muß oft staunen, wie der Arbeiter so viel aushält und bei allen Schädlichkeiten, welchen er ausgesetzt ist, dennoch gesund bleibt. Das ist der Segen der Arbeit. Der zurückgeschlagene Schweiß, eine etwas schwer verdauliche Speise, eine kleine Erkältung, wodurch der gnädige Herr wochenlang an das Krankenlager gefesselt wird, bringt dem Arbeiter nicht das geringste Unbehagen. Die kräftigen Muskeln bewirken bei der Arbeit eine Umwandlung und Ausscheidung der im Körper angehäuften schädlichen Stoffe, so daß Krankheiten verhindert werden.

Aber die Gesellschaft ist so unange - nehm als möglich. Da soll auskommen mit diesen Leuten, wer will. Ob's nicht an61 einem anderen Orte noch ärger ist? Es kostet ja oft große Selbstüberwindung, mit seiner Umgebung im Frieden zu leben.

Sich selbst bekämpfen, ist der schwerste Krieg,
Sich selbst besiegen, ist der schönste Sieg.

Wer längere Zeit in recht widrigen Verhält - nissen gelebt hat, kann nicht bloß größere Ver - dienste für den Himmel erwerben, sondern auch in der Tugend ganz bedeutende Fortschritte machen. Als Ignatius von Loyola, der Stifter des Jesuiten - ordens, am Sterben lag, sprach er zu seinen Söhnen: Ich will beten im Himmel, auf daß ihr stets verfolgt werdet. Ein schönes Vermächtnis, möchte mancher denken. Es erfüllte sich. Niemand ist mehr gehaßt und verfolgt als die Jesuiten. Der Orden gleicht einem Nußbaum: je mehr Früchte er trägt, desto wilder schlagen böse Buben mit Prügeln auf ihn los. Um so herrlicher und größer find daher die Verdienste der Gesellschaft Jesu. So möge auch jeder Jüngling in Widerwärtig - keiten drin singen das schöne Lied:

Giebst, Herr, du mir Leiden,
Gern nehm 'ich sie all,
Die himmlischen Freuden
Erwarten mich dann.
Nur her mit dem Kreuze
Mit Nagel und Kron ';
Ein ewiger Himmel
Wird droben mein Lohn
62
Wenn ich nur sicher
Den Himmel gewinn ',
Nehm 'gern alles Widrige
Als Kaufpreis ich hin.

Ich muß zwar an diesem Platze nicht g'rad Hunger leiden, aber doch mit recht einfacher Kost mich begnügen. Der reichste Mann der Welt ist John Rockefeller in Amerika. Er hat mehr Vermögen als die Kaiser von Ruß - land und Oesterreich und noch ein halbes Dutzend Fürsten zusammen. Nun dieser Mann wird ge - wiß auch gut essen und trinken? Auf seinem Tische dürfen wohl nur die köstlichsten und ausgesuchtesten Gerichte erscheinen? Weit gefehlt! Die Nahrung des reichsten Mannes der Welt ist einfacher als die des ärmsten Gesellen: er kann nichts ge - nießen als Milch und Brot. Andere Speisen verträgt sein kranker Magen nicht. Das Einkommen dieses Milliardärs beträgt täglich über 400000 M., und seine tägliche Mahlzeit bilden ein wenig Milch und ein Stücklein Brot! Willst du nicht zufrieden sein mit deinem einfachen Tische?

Hättest du Roß und Wagen,
Dazu einen gold'nen Kragen,
Viele Diener um dich her,
Geld soviel als Sand im Meer:
Müßtest du aber Schmerzen leiden,
Würde niemand dich beneiden.

König Ludwig XI. von Frankreich ging ein - mal auf einem seiner Lustschlösser abends in die63 Küche und fand daselbst einen Knaben von 14 bis 15 Jahren, welcher den Bratspieß drehte. Der König fragte ihn: Wo bist Du her? Wie heißest Du? Wie viel verdienst Du hier? Ich bin von Berry, heiße Stephan, bin Küchenjunge und verdiene so viel als der König. Wie viel verdient denn der König? fragte Ludwig. So viel, als erbraucht; und ich verdiene auch so viel, als ich brauche , antwortete Stephan. Das gefiel dem König, und der Küchenjunge wurde zum Kammerdiener ernannt.

Ich bin jetzt schon über vier Jahre da, und es ist wirklich nicht mehr zum Aus - halten. Der Meister wird immer wunder - licher mit dem Alter, und Lohn zahlt er auch nicht viel. Ich habe schon lange ge - betet um einen anderen Platz, aber bisher nichts gefunden. Gott wird mich nicht etwa auch noch vergessen? Nein, aber deine Geduld will er ein wenig auf die Probe stellen.

Sei fleißig, fromm und hoffnungsfroh
Und warte still:
Der liebe Gott giebt, wann und wo
Und was er will.
(Weber.)

Der gute Gott , sagt der launige Wiener Hofprediger Abraham a Sancta Clara, ist mit seiner Hilfe nicht allezeit von Eilenburg, sondern oft wohl von Wartenberg. Darum müssen64 wir in unseren Gebeten Fürsten von Anhalt sein. Wenn uns die Vorsehung über Kreuznach, Bitterfeld und Dornburg führt, müssen wir uns nicht aus dem Felde schlagen lassen, sondern den Blick glaubensvoll nach Freudenberg wenden, wohin wir aber nicht gelangen werden, wenn wir uns aufhalten in Lustenau und Lauheim. Ich habe einmal ein Wirtshaus getroffen, da stund auf dem Schilde: Hotel duck 'dich! Ducke dich und harre aus! Bleibe möglichst lange auf einer Stelle. Wechsle nicht, bis du sicher bist, wirklich etwas Besseres zu erhalten. Sonst könntest du vom Regen unter die Traufe kommen.

IV.

Nur in drei Fällen muß man wechseln. Wenn ein junger Mann auf dem betreffen - den Posten auch gar nichts lernen kann, dann suche er sich einen anderen. Der Jüng - ling muß vorwärts streben, er muß in seinem Be - rufe sich mehr und mehr vervollkommnen, er muß sich ganz tüchtig zu machen suchen. Nur dann wird er es zu etwas bringen. Die Konkurrenz ist ja riesig groß auf allen Gebieten; nur Tüchtig - keit und unermüdlicher Fleiß behaupten den Platz.

Du darfst auch nicht bleiben, wenn du an Sonn - und Feiertagen deine religiösen Pflichten nicht erfüllen kannst. Jeder Arbeiter soll darauf bestehen, daß er an Sonn - und Feier -65 tagen der hl. Messe beiwohnen und die Predigt oder Christenlehre anhören darf. Was soll den armen und geplagten Gesellen aufrecht erhalten, wenn er nicht in der hl. Messe Opfersinn und Opferkraft schöpfen, wenn er nicht durch den Genuß des himmlischen Brotes sich stärken, wenn er nicht im Worte Gottes stets neue Aufmunterung und neuen Ansporn zur treuen Pflichterfüllung finden kann? Je gewissenhafter der Jüngling in Erfüll - ung seiner Pflichten gegen Gott, desto treuer und eifriger wird er auch im Dienste der Menschen sein. Darum liegt es im hohen Interesse der Vorgesetzten, daß die Untergebenen beten und in die Kirche gehen und die hl. Sakramente empfangen.

Kein junger Mensch bleibe also auf einem Platze, wo er nicht als Katholik leben und den Sonntag heilig halten kann. Wie dein Sonn - tag, so dein Sterbetag. Ist der Sonntag ein Tag der Ruhe, so wird dein Sterbetag der Ein - gang zur ewigen Ruhe sein; ist der Sonntag der Tag des Herrn, geweiht dem Dienste Gottes, so wird dein Sterbetag der Beginn der ewigen Herr - lichkeit sein.

Endlich muß jeder den Ort verlassen, wo Glaube und Unschuld bedroht sind. Wenn dich dein Auge ärgert, sagt der hl. Geist, so reiß es aus, d. h. wenn dir etwas so lieb wie dein Auge, es ist dir aber eine nächste Ge - legenheit zur Sünde, dann mußt du fliehen. 66Sonst ist der Verlust des Glaubens und der Un - schuld gewiß. Nun giebt es aber Bureaus, Werk - stätten und Fabriklokale, wo glaubenslose oder sozialdemokratische Arbeiter ihren Mitarbeitern ein - fach keine Ruhe lassen, bis sie ihren Vereinen bei - treten, ihre Schriften lesen und so den Glauben verlieren. Oder es giebt Häuser und Arbeitsstätten, wo Verführerinnen ihre arglistigen Netze spinnen, oder Verführer ihr Unwesen treiben, wo den ganzen Tag nichts als Zoten und unsittliche Spässe gehört werden, und keine Mahnung und Warnung und keine Anzeige beim Prinzipal etwas fruchtet. Da bleibt nichts anderes übrig als die Flucht. Denn wer die Gefahr liebt, kommt darin um. Das haben leider schon tausend und tausend Jüng - linge erfahren: sie haben Glaube und Unschuld verloren, weil sie den Ort der Gefahr nicht ver - ließen. Darum fort von einem solchen Platze, und wär 'der Lohn auch noch so groß, die Stellung noch so schön und angenehm. Was hast du davon, wenn du die ganze Welt gewinnst, an deiner Seele aber Schaden leidest? Ein Jüngling von 19 Jahren, dessen Herz noch rein, ist der liebenswürdigste Mensch von der Welt, sagt Rousseau, der Gottesleugner.

Wahr 'deiner Unschuld Blütenschmuck,
Du liebes, frommes, junges Blut!
Einmal verloren, nimmermehr
Wir dir beschert dies Himmelsgut.
67
Drum trachte, daß dein Herze heiß
Der schönsten Tugend schlägt und glüht,
Ein Eiland, ewigen Lenzes froh,
Wo Gottes Frieden still erblüht.
An deiner Seite weilt getreu Ein guter Engel Tag und Nacht;
Drum, was du thust, o denk daran,
Daß er, der Reine, bei dir wacht!
O hüte Ohr und Auge wohl,
Rasch bringt zum Fall der böse Feind.
O Gott, wie mocht 'es nur gescheh'n?
Der Engel aber geht und weint.
Wahr 'deiner Unschuld Blütenschmuck,
Du liebes, frommes, junges Blut!
Einmal verloren, nimmermehr
Wird dir beschert dies Himmelsgut.

Sei kein Wandervogel! Ziehe nicht unstät und ruhelos umher! Mußt du wechseln, so laß dich erst nieder, wenn du wahrhaft gut versorgt bist Ueberall aber, wo immer du weilst, halte dir den Raphael, eine ganz vortreffliche Zeitschrift für junge Leute. (Preis halbjährlich 1 M. 25 Pfg.) Jede Buchhandlung kann sie dir besorgen. Dazu abonniere eine katholische Arbeiterzeitung, welche dir Aufschluß giebt über das Leben und Treiben in der Arbeiterwelt, über neue Erfindungen und Ent - deckungen, über Unfall - und Krankenversicherung, Alters - und Sterbelassen ꝛc.

68

Ferner trete einem katholischen Vereine bei, dem Gesellen , Arbeiter - oder Kaufmanns - Vereine. Da wird man dir sagen, welche Fach - schulen und Genossenschaften dir nützen können. Da triffst du brave Kameraden; die Versammlungen sind eine Quelle der Erbauung, Belehrung und Unterhaltung; am geistlichen Vorstande des Ver - eins hast du einen wohlmeinenden und meist er - fahrenen Führer und Ratgeber. Wehe dem, der allein steht! Er wird entweder ein Sauertopf und Griesgram, oder er geht unter im Strudel der Welt. Nur im Anschluß an gleichgesinnt Freunde, im Verkehr mit braven Genossen, unter der Leitung eines tüchtigen Führers gelingt es dem Jüngling, die Unschuld und damit Frohsinn und Heiterkeit zu bewahren.

Die Unschuld bringt Freude und fröhlichen Sinn,
Sie führt dich am schönsten durchs Leben dahin,
Sie ziert dich viel besser als Silber und Gold,
Und macht dich gleich Engeln gar lieblich und hold.
Froh ist wohl das Täubchen auf ländlichem Dach,
Froh hüpfet das Lämmlein im Grünen am Bach,
Doch froher noch schlägt ein schuldloses Herz,
Es weiß nichts von Reue, von Unruh 'und Schmerz.
Ihm glänzet die Sonne noch einmal so klar,
Und gold'ner der Sterne hellfunkelnde Schar;
Die herrliche Rose ihm freundlicher lacht,
Und schöner der blauen Vergißmeinnicht Pracht.
69
Einst führet ein Engel an gütiger Hand
Dich freundlich hinüber ins bessere Land,
Wo dann dich umstrahlet ein goldener Glanz,
Und schmücket die Stirne ein Lilienkranz.
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8. Der sicherste Geleitschein.

So manchem Jüngling geht es recht schlecht in der Welt draußen. Er jammert und klagt und sucht den Grund allüberall, nur nicht bei sich selbst. Er vergißt darauf, den einzig sichern Ge - leitschein mit auf die Reise zu nehmen: Tüchtigkeit, Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Frömmig - keit.

I.

Als ein Geldmensch den berühmten Vernet bat, ihm eine Kleinigkeit ins Album zu zeichnen, erfüllte der Maler diesen Wunsch und verlangte dafür 1000 Fr. Aber Sie brauchten ja nur 5 Minuten zum Zeichnen , sagte der erschrockene Geizhals. Gewiß, erwiderte Vernet, aber ich brauchte 30 Jahre, um die Zeichnung in 5 Minuten fertig bringen zu können.

Michel Angelo arbeitete an einer Statue. Da trat ein Freund ins Atelier und sah dem Meister eine gute Weile zu. Nach einiger Zeit kam der gleiche Freund wieder. Er war ganz erstaunt, den71 Künstler immer noch an derselben Arbeit zu finden. Sie haben wohl seit meinem letzten Besuche nichts an der Statue gemacht? fragte er. Da irren Sie, entgegnete der Meister. Ich habe diesen Teil geglättet, hier etwas weggenommen, jenem Zuge mehr Weichheit gegeben, diese Lippe ausdrucksvoller gemacht und jene Muskel besser hervortreten lassen. Ganz gut, bemerkte der Besucher, aber das sind doch nur Kleinigkeiten. Mag sein, erwiderte Michel Angelo; aber vergessen Sie nicht, daß die Kleinigkeiten die Vollkommenheit aus - machen, und daß die Vollkommenheit keine Kleinigkeit ist.

So ist es in allen Dingen. Nur wer das Kleine nicht gering schätzt, wer exakt und pünktlich arbeitet, wer unermüdlich sich fortbildet in seinem Berufe, der bringt es zur Tüchtigkeit, zur Voll - kommenheit, und nur wer tüchtig ist, macht seinen Weg durch die Welt.

Rastlos vorwärts mußt du streben,
Nie ermüdet stille steh'n,
Willst du die Vollendung seh'n.
(Schiller.)

Die meisten müssen es sich selbst zuschreiben, wenn sie wochen - und monatelang keine Arbeit und Stellung finden, wenn sie nach kurzer Zeit wieder entlassen werden: es fehlt ihnen an Tüchtig - keit. Und sie sind nicht tüchtig, weil sie keinen rechten Fleiß, keinen Eifer, keine Ausdauer besitzen.

72
Beschäftigung ist manchem lieb und wert,
Gemächlich will er dies und das verrichten.
Das Tasten und das Tappen frommt mit nichten,
Nur saure Arbeit ist's, die ehrt und nährt.
(Weber.)

II.

Aber auch Bescheidenheit muß dazu kommen. Sie ist eine Frucht der Demut. Wer da weiß, daß er nichts von sich selber hat als die Sünde, daß alles Gute ein Geschenk Gottes ist, daß er jeden Augenblick ganz und gar von Gott abhängt, sollte der nicht demütig sein? Und wer wahrhaft de - mütig ist, der wird auch gegen seine Mitmenschen Bescheidenheit und Höflichkeit üben: er wird nicht gleich auffahren bei jedem unüberlegten Wort; er wird eine Mahnung oder Belehrung willig an - nehmen; er wird jedermann, insbesondere den Vor - gesetzten, artig und zuvorkommend begegnen, be - scheiden mit dem letzten Platze sich begnügen.

Der Stolz begehrt und trotzt und bäumt sich auf;
Ergebung schweigt und neigt sich und verzichtet.
Der Mensch ist ruhelos, so lang er heischt,
Doch die Entsagung macht ihn still und stark.
(Weber.)

Man erkennt den bescheidenen Jüngling gleich schon an seinem Auftreten und seiner Kleidung. Sauber und rein, einfach und geschmackvoll ist sein73 Gewand, sittig und eingezogen sein Gang und seine Haltung. Er übt, ohne es zu wollen, einen eigentümlichen Zauber auf jedermann aus und weckt sofort Vertrauen. Stolze Menschen hingegen hat niemand gern. Ihr hochfahrendes und eitles Wesen stößt überall ab; sie bilden sich ein, alles besser zu wissen und zu verstehen, als die übrige Welt, und machen infolgedessen gar oft arge Miß - griffe oder ganz verfehlte Spekulationen. So trägt der Stolze meist die Strafe in sich selbst. Er ver - liert aber auch das Wohlgefallen Gottes. Dem Demütigen giebt der Herr seine Gnade, den Stolzen verwirft er.

III.

Mit der Bescheidenheit sei strenge Redlich - keit gepaart.

Ueb 'immer Treu und Redlichkeit
Bis an dein kühles Grab,
Und welche keinen Finger breit
Von Gottes Wegen ab.
Dann wirst du, wie auf grünen Au'n,
Durchs Pilgerleben geh'n,
Dann kannst du sonder Furcht und Grau'n
Dem Tod ins Antlitz seh'n.
Dann wird die Sichel und der Pflug
Dir in der Hand so leicht;
Dann singest du beim Wasserkrug,
Als wär 'dir Wein gereicht.
74
Drum übe Treu und Redlichkeit
Bis an dein kühles Grab,
Und weiche keinen Finger breit
Von Gottes Wegen ab.

Wie schön und wahr sind die Worte des Dichters! Wie mancher Jüngling mußte eine kleine Unehrlichkeit oder Unredlichkeit schwer büßen: er hat das Vertrauen seiner Vorgesetzten verloren; er hat ein schlechtes oder gar kein Zeugnis erhalten; er hat Ehre und guten Namen für immer verwirkt und sein Glück verscherzt. Drum sei offen und grad, ehrlich und rechtschaffen! Sage gleich auf - richtig, was du nicht kannst; prahle nicht und über - treibe nichts, sonst treffen dich nachher bittere Vor - würfe. Lasse jeden Heller liegen, der nicht dir ge - hört; eigne gar nichts dir an von fremdem Gute. Es ist auch nicht recht, die kostbare Zeit zu ver - tändeln, aus Mangel an Fleiß und Pünktlichkeit den Meister in Schaden zu bringen.

Besser ein wenig mit Gerechtigkeit als viel mit Unrecht , sagt der hl. Geist. Unschuld und Frömmigkeit, Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit, das ist der wahre und größte Reichtum des Jüng - lings. Dieser macht ihn angesehen bei Gott und den Menschen.

Zu dem Kaufmann eines oberbayerischen Dorfes kam im Dezember 1899 ein junger Mensch, der Stellung in einem Geschäfte suchte. Er hatte gute Zeugnisse. Aber der Kaufmann war schon75 versehen mit Leuten. Weil der Ueberzieher des Jungen schon sehr abgetragen aussah, so erhielt er als Geschenk einen besseren. Anderen Tages erschien der Handelsbeflissene wieder im Geschäfte und überreichte dem erstaunten Kaufmann 50 Mk. in Papier: das sei noch in der Rocktasche gewesen. Der ehrliche Bursche bekam 10 Mk. Belohnung und wurde sofort angestellt im Hause.

Jean Laserre, gebürtig aus den Unter-Pyrenäen, hatte in Paris als Küchengehülfe gedient. Da verlor er seine Stelle. Eine andere fand sich nicht. Die letzten ersparten Centimes waren ver - braucht. Er war so arm, daß er von den in den Schutthaufen aufgefundenen Brotkrusten leben mußte. Eines Abends, im Mai 1896, ging der Junge über den Pont-Neuf. Da sah er ein Brief - Couvert am Boden liegen, hob es auf und fand darin 1250 Frk. in Banknoten. Am folgenden Morgen trug er das Geld zum Polizeikommissär. Dieser fuhr ihn an, warum er das Geld nicht schon gestern gebracht? Der Jüngling antwortete: Ich mußte eilen ins Nachtasyl, damit ich nicht zu spät kam; denn ich besaß keinen Sou fürs Schlafgeld.

Der Eigentümer des Geldes hatte sich bereits gemeldet. Er schenkte dem redlichen Finder 250 Fr. und sorgte dafür, daß der brave Jüngling in einer der besten Familien in Paris als Koch in Dienst kam.

Ein junger Kaufmann aus Berlin hatte eine dreijährige Gefängnisstrafe abgebüßt. Bei der Ent -76 lassung sprach der Anstaltsgeistliche zu ihm: Bleiben Sie in Zukunft streng bei der Wahrheit! Wenn ich aber wahrheitsgemäß erzähle, daß ich wegen Betruges drei Jahre im Gefängnisse saß, dann werde ich nirgends eine Stelle erhalten, meinte der Kaufmann. Der alte, erfahrene Priester sprach: Befolgen Sie nur meinen Rat; es wird Sie nicht gereuen. Der Sträfling versprach, fortan stets die Wahrheit zu sagen.

Er begab sich in ein großes Geschäftshaus in Berlin und bat um Anstellung. Wo waren Sie in der letzten Zeit? fragte der Kaufherr. In der Strafanstalt , lautete die Antwort. Wie können Sie mir das sagen? Es ist doch klar, daß ich Sie unter solchen Umständen nicht beschäftigen kann! Der Bittsteller erwiderte: Der Gefäng - nisgeistliche hat mir beim Abschied geraten, immer die Wahrheit zu sagen, und ich habe es ihm ver - sprochen. Da sprach der Großkaufmann: Weil Sie so offen und ehrlich alles bekennen, so darf ich wohl hoffen, daß Sie auch im Geschäfte redlich und treu arbeiten werden. Sie können bei mir bleiben.

Sei ehrlich und rechtschaffen. Dann wird Gott dich segnen, daß du etwas ersparen und deine armen Eltern zu Hause unterstützen kannst. Ist dies nicht notwendig, so lege dein Geld in die Sparkasse. Spare in der Zeit, so hast du in der Not. Ungerecht Gut hingegen thut niemals gut; und wer einmal durch eine kleine Ver -77 untreuung das Vertrauen eingebüßt, wird es kaum wieder gewinnen.

Geh 'treu und redlich durch die Welt,
Das ist das beste Reisegeld.

IV.

Alle diese Tugenden, Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit, Bescheidenheit und Fleiß, sie können nur gedeihen auf dem Boden eines lebendigen Glaubens und ächter, tiefer Religiosität. Im Glauben, sagt darum der Dichter,

Im Glauben liegt das ew'ge Heil,
Er sei und bleibe stets dein Teil!
Wenn dich die ganze Welt verläßt,
Halt 'nur an deinem Glauben fest.
Der Glaube sei dein Helm, dein Schild,
Der Speer, der deine Rechte füllt,
Dein Panzer, dem zweischneidig Schwert,
In jedem Kampfe siegbewährt.
(J. B. Berger.)

Lebendiger Glaube und wahre Frömmigkeit sind der mächtigste Schutzwall vor Verführung, der sicherste Halt in den Versuchungen und Leiden des Lebens, der einzig fruchtbare Boden der Tugend. Mit Gott , sagt Adolf Kolping, der Gesellenvater, mit Gott kommt man am aller -78 weitesten und geht auch den sichersten Weg: das ist eine alte Erfahrung, die sich in unserer Zeit immer wieder aufs neue bestätiget. Wer ohne Gott fortschreitet, läuft in die Irre und stürzt schließlich in Abgründe. Wer ohne Gott weise sein will, ist ein Narr, und wer meint, man könne sich auf irgend etwas verlassen in der Welt, auch wenn es sich nicht auf Gott und Gottesfurcht stützt, der ist betrogen und wird betrogen.

Darum bewahre als dein kostbarstes Gut den hl. Glauben und meide alles, was ihn zerstören oder schwächen kann: Schlechte Schriften und schlechte Gesellschaften, Mischehen und religiöse Grübeleien, den Stolz und die Unkeuschheit. Soeben erschien ein Schriftchen: Was liest der deutsche Arbeiter? Es ist ganz entsetzlich, was für Bücher und Büchlein in den Händen unserer Arbeiter sich befinden und von ihnen gelesen werden. Da muß man sich nicht Wundern, wenn zahllose Jünglinge um Glauben und Unschuld kommen. Fort mit allen schlechten Schriften! Nehme nur anerkannt gute Bücher zur Hand! Lese auch Bücher, die über den hl. Glauben handeln und die Einwürfe gegen denselben wider - legen. Höre fleißig die hl. Messe und das Wort Gottes an; empfange oft und würdig die hl. Sakra - mente und bete alle Tage, so wird Gott mit dir sein und dich hüten und schützen auf allen deinen Wegen.

79
Frei ist der Jüngling, der mit Mut
Schon früh nach Weisheit strebt,
Der freudig steht in Gottes Hut,
Dem in dem Herzen hl. Glut
Für Recht und Wahrheit lebt,
Der sich vor keinen: Weibe beugt,
Der nimmer schmeichelnd lügt,
Sein Haupt allein vor Gott verneigt,
Dem frechen Spott die Klinge zeigt,
Vom Schicksal unbesiegt.
(Edm. Behringer.)

Tüchtigkeit und Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Frömmigkeit, das ist der sicherste Geleitschein durch die Welt. Alles mit Gott und für Gott, sagten die Alten. Wo dieser Grundsatz befolgt wird, da führt der Weg zum guten Ziele.

So fahr 'mit Gott! Das ist ein schützend Wort,
Und wandre ruhig deine Pfade fort,
Und zittre nicht vor unheildrohenden Wegen.
Mit Gott! Das ist ein Wort voll reichem Segen.
Da wankt in deiner Hand kein Wanderstab,
Du schreitest sicher dann bergauf bergab,
Und findest leicht, voll Kraft und voller Gnade,
Durch Sturm und Kampf allzeit die rechten Pfade.
Mit Gott! Da wird vor keiner Nacht dir bang,
Das ist dein Licht auf jeden Abgrunds Hang,
80
Es ist in Eis und Schnee wie sonn'ge Matten,
Im Sonnenbrand wie kühler Waldesschatten,
Es hält des Heils und auch des Segens viel.
So fahr 'mit Gott! Du kommst ans rechte Ziel.
(Seidl.)
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9. Kurze Wanderregeln.

1. Bewahre die von den Eltern und Erziehern Erhaltenen guten Lehren und Ermahnungen immer im Herzen und befolge sie im Leben.

2. Alles, was der Erreichung des Lebenszieles hindernd in den Weg tritt, soll man meiden, auch auf der Wanderschaft und in der Fremde; aber alles, was zum ehrlichen Fortkommen dient, soll man zu erreichen streben. Das Wandern und Ar - beiten in der Fremde soll die nächste und letzte Schule zu einem ordentlichen Meisterstande sein. Deshalb sammle vor allen Dingen in der Fremde tüchtige Geschäfts - und Menschenkenntnisse, damit diese als unveräußerliches Kapital dir einst gute Zinsen tragen.

3. Auf der Wanderschaft und in der Fremde hast du die beste Gelegenheit, dich in deiner per - sönlichen Selbständigkeit auszubilden. Da mußt du zeigen, was du bist, was du weißt, und was du kannst.

4. Wer auf die Wanderschaft gehen will, muß bereits gute Grundsätze und einen festen Charakter haben, sonst möchte er bald in sittlicher Be -82 ziehung Schiffbruch leiden. Aus Feigheit gehen die meisten jungen Leute zu Grunde.

5. Wer wandert, soll bereits ordentliche Kennt - nisse und Fertigkeiten in seinem Gewerbe besitzen, sonst wird er von vornherein an den letzten Platz und unter die Bank gedrückt. Der Jüngling darf aber nicht mehr von sich ausgeben, als er wirklich ist. Jede Prahlerei schadet dem Prahler zumeist.

6. Sei gegen jedermann höflich und zuvor - kommend in Worten und Dienstleistungen. Den wohlerzogenen Menschen erkennt man an seinen Manieren und schätzt ihn.

Sei jedoch zurückhaltend und vorsichtig im Umgange mit Menschen, die du nicht kennst. Wer dir allzufreundlich naht, vor dem sei doppelt auf der Hut. Die Schmeichelei hat in der Regel den Schurken im eigenen Herzen. Nur wenn du einen Burschen als durchaus brav kennst, darfst du ihn zum Freunde machen.

7. Knüpfe in der Fremde keine Bekanntschaft an, ehe du das gehörige Alter erreicht und im Stande bist, eine Familie zu erhalten. Und dann heirate nur ein braves, arbeitsames, katholisches Mädchen aus guter, christlicher Familie.

8. Den wirklich wohlgesitteten Menschen erkennt man an der züchtigen Ehrbarkeit, die er gegen das weibliche Geschlecht beobachtet. Hüte dich vor der Unkeuschheit und benimm dich allezeit so, als wäre dein Gott sichtbar gegenwärtig. Der Anfang der Unkeuschheit scheint unbedeutend, der Fortgang83 ist reißend, das Ende schrecklich und fast immer unverbesserlich. Die Gesundheit des Körpers, die Ruhe des Gewissens, Seele und Seligkeit gehen verloren.

9. Gehe lieber allein und im Frieden, als mit anderen in Zank und Verdruß.

10. Sei stets mäßig in Speise und Trank, damit du gesund bleibest und fröhlich weiter kommen kannst. Gehe nicht in versteckte und gemeine Kneipen und Wirtshäuser, sondern viel lieber in ein ansehnliches und sauberes Haus. Siehe zu, daß du ein reinliches Bett bekommst und schlafe allein: lieber lege dich auf die Bank oder gar auf den Boden. Das härteste Lager für eine Nacht ist nicht so schlimm, als mitgenommene Unreinigkeit oder gar Krankheit.

Mitglieder des kath. Gesellenvereins finden fast überall Vereinshäuser oder wenigstens eine anständige Herberge.

11. Bloß auf die Tasche anderer Leute in der Welt umherreisen, ist unehrenhaft.

12. Bist du wirklich in Not geraten auf der Reise, sei es durch Krankheit oder durch lange Arbeitslosigkeit, dann wende dich an anständige Bürgersleute oder an den Pfarrer des Ortes und lege ganz offen deine bedrängte Lage dar.

13. Sei im Glücke nicht übermütig, im Unglück nie verzagt. Gott verläßt die Seinen nicht.

14. Was du nicht ändern kannst, das trage mit Geduld, bis Gott eine Aenderung vornimmt.

84

15. Da Gott dein Begleiter auf der Reise sein muß, so unterlasse niemals dein kurzes Morgen - und Abendgebet. Kommst du an einer Kirche vorüber, denke an Gott, und steht sie offen, so tritt hinein und grüße ehrerbietig Gott und seine Heiligen. Unterlasse nicht, wenn's möglich ist, des Morgens vor deiner Weiterreise eine hl. Messe zu hören und dich dem Schutze Gottes zu empfehlen. Du weißt nicht, was dir über Tag begegnen kann, aber Gott weiß es und kann allein dir alles zum Besten lenken. Lebe immer in der heilig - machenden Gnade: so ist alles, was du thust, verdienstlich für den Himmel, und du bist allezeit bereit auf den Tod.

16. Du sollst überall den Mut haben, deinen Glauben zu bekennen und zu üben. Aber gieb Rede und Antwort nur dem, der ein Recht hat, dich darüber zu fragen.

17. Verspotte und verachte keinen Menschen, der einen anderen Glauben hat als du. Hüte dich vor Zänkereien über Glaubenssachen. Sorge vor allen Dingen, daß du in deinem eigenen Glauben immer fester begründet wirst und immer treuer ihn übest. Gehe den Religionsspöttern und Glaubens - zweiflern, wo du nur kannst, aus dem Wege. Du wirst in ihrer Gesellschaft nur verlieren, nie ge - winnen.

17. Es ziemt dem Manne nicht, ein Kopf - hänger zu sein, aber herzhafte Frömmigkeit ist85 sein schönster Schmuck und sein bester Empfehl - ungsbrief.

18. Im Verkehr mit Menschen, daheim wie in der Fremde, mache nach Kräften die göttliche Regel wahr: Was du nicht willst, daß dir ge - schehe, das thue auch keinem andern. Aber alles, was ihr wollt, daß euch die Leute thun, das thut auch ihnen.

(Nach Kolping.)
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10. Reisewaffen.

Man kann bald keinen Schritt mehr thun, ohne in Religionsgespräche verwickelt zu werden; man kann kaum eine Zeitung in die Hand nehmen, ohne Angriffe auf die katholische Kirche darin zu finden. So wirst auch du, mein lieber Freund, allerlei Spöttereien gegen den Glauben zu hören bekommen. Das ist fast unvermeidlich. Eben darum muß ich dir noch einige Waffen mit - geben auf die Reise, damit du dich verteidigen kannst. Ich rate dir ja nicht, dich in Glaubens - streitigkeiten einzulassen. Aber wenn du gerade eine passende Antwort weißt, so ist es ganz gut, einen leichtfertigen Spötter heimzuschicken. Du kannst dir das Büchlein anschaffen: Segürs Ant - worten auf die Einwürfe gegen die Religion von P. H. Müller (Steyl, Missionsdruckerei.) Dann aber merke dir ein für allemal folgende zwei Punkte:

1. Es ist ungeheuer leicht, den Feinden der Kirche allerlei Lügen und Verläumdungen nachzuschwätzen und sich damit den Schein von Bildung und87 Ausklärung zu geben. Aber viel Studium und große Gelehrsamkeit sind oft nötig, um all' die Einwürfe gegen den Glauben und die Kirche zu beantworten. Darum lasse dich niemals bethören! Weißt du nichts zu sagen, so gehe zu einem Priester; er wird dir gerne über alles Aufschluß geben und deine Schwierigkeiten und Zweifel lösen.

2. Der Glaube ist eine Gnade. Diese geht verloren durch die Lauheit, den Stolz und die Unkeuschheit. Darum darfst du nie das tägliche Gebet unterlassen, nie unterlassen die Anhörung der hl. Messe und des Wortes Gottes, den Empfang der hl. Sakramente. Du mußt meiden den Stolz. Der Anfang der Hoffart ist Abfall von Gott (Sir. 10, 14). Es ist nicht möglich, alle Wahrheiten zu begreifen; ja die meisten sind für uns ein Ge - heimnis. Wir können ja mit unserm endlichen, be - schränkten Verstande unmöglich das Wesen Gottes erfassen, ein Wesen, das ewig, allwissend, allgegen - wärtig, allmächtig ist. Und doch sieht jedes Kind ein, daß es einen Gott geben muß. Denn so wahr die Uhr an der Wand nicht von selber entstanden, und das Haus sich nicht selber gemacht hat, so gewiß ist auch das große und wundervoll einge - richtete Weltgebäude nicht eines schönen Morgens von selbst dagewesen. Der es aber gemacht hat, muß allmächtig und allweise sein. Ein solches Wesen nennen wir Gott. Darum sind die wahrhaft gelehrten Männer auch demütig und beugen sich vor der Majestät Gottes. Als man den jüngst88 verstorbenen, berühmten Naturforscher Pasteur fragte, wie er als Mann der Wissenschaft ein so eifriger Katholik sein könne, antwortete er: Gerade weil ich gründlich studiert habe, erfreue ich mich des Glaubens eines bretonischen Bauern; und hätte ich noch mehr studieren können, so würde ich auch den einer bretonischen Bäuerin besitzen. (In der Bretagne sind die Leute sehr fromm und eifrig).

Vielleicht noch häufiger als der Geistesstolz führt die Unkeuschheit zum Verluste des Glaubens. Der berühmte, französische Dichter, Gelehrte und Staatsmann Chateaubriand hatte einst eine große Gesellschaft von Männern aus den höchsten Ständen um sich versammelt. Bei einem Punkte der leb - haften Unterhaltung rief Chateaubriand aus: Meine Herren! Die Hand auf's Herz und sagen Sie mir auf Ihre Ehre: Hätten Sie nicht den Mut, gläubig zu sein, wenn Sie den Mut hätten, keusch zu sein? Brich mit deiner Leidenschaft , rief ein anderer französischer Denker, Pascal, einem Ungläubigen zu, und morgen wirst du gläubig sein.

Höre nun noch einige der gebräuchlichsten Einreden und eine kurze Antwort darauf:

1. Die Religion ist eine Erfindung der Geistlichen.

Das ist gerade so gescheidt, wie wenn einer sagt: Die Eisenbahnen sind eine Erfindung der Eisenbahnbeamten. Eben erst durch die Religion sind die Priester aufgekommen, Und dann, welcher89 Priester hat die Religion erfunden, die Religion mit ihren strengen Sittenvorschriften und schweren Pflichten? Hätte die heidnische Welt die christliche Religion je angenommen, wenn ein bloßer Mensch ihr Urheber und Stifter wäre? Das glaubt doch kein vernünftiger Mensch.

2. Aber wie weiß man denn heute noch, was Christus gepredigt hat? Er lebte ja vor 2000 Jahren.

Das wissen wir aus den hl. Evangelien, was Christus gepredigt hat.

3. Sind die Evangelien auch glaub - würdig?

Ja, denn die Apostel und Jünger konnten die Wahrheit wissen. Sie waren ja drei Jahre lang beständige Zeugen von Christi Leben, und sie erzählen Thatsachen, die nicht im Verborgenen, sondern öffentlich vor allem Volke geschehen sind, Thatsachen, die in aller Munde waren, Wunder, die von Tausenden wahrgenommen wurden. Eine Täuschung ist also undenkbar, um - somehr, da die Evangelisten in ihren Erzählungen übereinstimmen.

Sie wollten die Wahrheit sagen. Sie erzählen ganz schlicht und einfach, was sie gehört und gesehen; sie erzählen gar vieles, was zu ihrer eigenen Unehre gereicht: daß sie erst selber manches nicht hätten glauben wollen, daß Thomas sogar allen Aposteln und Jüngern nicht geglaubt habe, daß Jesus sie oft getadelt, daß Petrus den Heiland90 dreimal verleugnet ꝛc. ; sie wußten, daß sie für ihr offenkundiges Zeugnis nur Verfolgung und Tod zu erwarten hatten. Nur Unvernunft oder böser Wille kann solche Männer für Lügner halten.

Sie konnten nicht einmal lügen. Was sie erzählen, hatten unzählige Juden miterlebt. Die hätten sich zweifelsohne gewehrt, wenn die Evangelisten von der Wahrheit abgewichen wären, um so mehr, da in deren Schriften das jüdische Volk als undankbar, ungläubig, gottesmörderisch bezeichnet wird.

Auch wird das Zeugnis der Evangelisten durch Heiden und Juden beglaubigt. Die ärgsten Feinde des Christentums geben die That - sachen zu, welche die Evangelien erzählen, suchen sie aber anders zu erklären, so der gelehrte Heide Celsus, der jüdische Philosoph Trypho, Gegner des Märtyrers Justin.

4. Aber sind die Evangelien nicht später verändert worden?

Das ist gar nicht möglich. Denn

a) ein Fälscher hätte, um unentdeckt zu bleiben, gleichzeitig alle Handschriften und Uebersetzungen aller Länder fälschen müssen.

b) Die hohe Ehrfurcht der Christen vor den hl. Schriften macht eine Fälschung undenkbar.

c) Eine solche wäre auch sofort entdeckt worden, weil, wie schon Justin der Martyrer (gstb. 166) berichtet, allenthalben bei den Versammlungen der Christen die hl. Schriften vorgelesen wurden.

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d) Der gegenwärtige Text der hl. Schrift stimmt mit den Schriften der Kirchenväter überein, welche viele Stellen aus den hl. Büchern anführen.

e) Endlich ist von größter Bedeutung, daß die Thatsachen des neuen Testamentes uns über - einstimmend auch in anderen Schriften des ersten Jahrhunderts überliefert werden, so durch den Juden Josephus Flavius, durch die heidnischen Schriftsteller Sueton, Tacitus und Plinius. Also ist eine Fälschung ganz ausgeschlossen.

5. Aber auf den Glauben kommt's doch nicht so an. Rechtschaffen leben ist die beste Religion.

Der Heiland war etwas anderer Ansicht. Er hat gesagt: Wer nicht glaubt, der wird verdammt werden (Mark. 16, 16). Ohne den Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen (Hebr. 11, 6). Also ist der Glaube die erste Bedingung zur Seligkeit.

Auch keine Rechtschaffenheit ist möglich ohne den Glauben. Denn rechtschaffen kann doch nur der sein, der die Gebote Gottes hält. Also muß er auch beobachten das Gebot: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du selig werden, du und dein Haus (Apg. 16, 30, 31).

6. Man hört so viel über Päpste, Bischöfe und Priester, daß man nicht mehr weiß, wem man glauben soll.

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Auch die Geistlichen sind Menschen und können sündigen. Aber recht oft werden ihnen von den Feinden der Kirche Sünden und Verbrechen einfach ange - dichtet oder gewaltig vergrößert. Man erfindet allerlei Skandalgeschichten, giebt weder Zeit noch Ort an oder verlegt sie in ferne Länder. Bis eine Be - richtigung eintrifft, hat die Lüge die Runde gemacht, und 's bleibt immer etwas hängen. So wird das Ansehen der Geistlichen untergraben, und das letzte Ziel ist die Vernichtung der Religion. Wenn man die Kirche in einem Lande zerstören will, so greift man zuerst die Priester an , sagt der gott - selige Pfarrer von Ars, Vianney. Was wird nicht alles von schlechten Päpsten gefaselt! Und doch waren von den 259 Päpsten nur ganz wenige, deren Lebenswandel Tadel verdient. Selbst Herder, ein aufgeklärter Protestant, muß bekennen: Es giebt keinen Stand auf Erden, der so ausgezeichnet wäre an Talent und Tugend, als die großartige Reihe der Päpste. Ihre Fehler würden nicht be - achtet worden sein, wären es nicht Unvollkommen - heiten der Päpste gewesen.

7. Aber einen unfehlbaren Papst kann es doch kaum geben.

Es giebt keinen Papst, der nicht sündigen, keinen, der persönlich nicht irren kann. Aber in Sachen des Glaubens muß der Papst, wenn er als oberster Lehrer der Kirche entscheidet, durch den besonderen Beistand des hl. Geistes vor Irrtum93 bewahrt werden. Denn Christus sagte ja zum ersten Papste Petrus: Du bist Petrus (d. i. Fels), und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht über - wältigen. Könnte der Papst irren im Glauben, dann hätte die Hölle ihren Zweck erreicht. Wenn Christus wollte, daß seine Lehre nicht durch die Kurzsichtigkeit und Willkür der Menschen verun - staltet werde und am Ende ganz verloren gehe, so mußte er einen solchen unfehlbaren Lehrer auf - stellen.

8. Aber von den Gebildeteren kümmert sich heute niemand mehr um Religion. Das ist nicht wahr. Es gab zu allen Zeiten und giebt heute noch hochgelehrte Männer in Menge, die zugleich gläubige und fromme Christen sind. Frei - lich ist die Zahl jener Gelehrten noch größer, die, vom Stolze verblendet, den Glauben abgeworfen. Gott zwingt eben niemanden zum Glauben.

9. Aber das ist doch zu viel verlangt, wenn man alle Sonntage in die Kirche gehen, fasten und sogar seine geheimen Sünden beichten soll.

Der Mensch ist hienieden nur Wanderer, sein Ziel ist der Himmel. Ists nun zu viel, wenn er ein Stündchen der ganzen Woche dem Heile seiner unsterblichen Seele widmet? Der brävste Mensch sündiget. Ist's nun zu viel, wenn er einmal in der Woche für seine Sünden ein wenig büßen soll?

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Der Mensch wünscht Verzeihung, wenn er gesündigt hat. Ist's nun zu viel, wenn er seine Sünden, auch die inneren, bekennen muß? Sonst könnte ja der Priester das Richteramt gar nicht ausüben.

10. Aber ewig verdammen kann uns Gott doch nicht wegen der Sünde.

Die Todsünde ist eine unendliche Beleidigung Gottes; also muß sie auch eine unendliche, d. h. immer dauernde Strafe nach sich ziehen. Denn wie Gott barmherzig ist, so muß er auch gerecht sein. Gäbe es keine Hölle, so würde die Welt zur Hölle; denn Sünde und Verbrechen würden dann so über - hand nehmen, daß es gar nicht mehr zum Aus - halten wäre.

Zahllos sind die Einwürfe, die man gegen die Religion erhebt. Aber es giebt auch immer eine Antwort darauf. Kennst du sie nicht, so lies aufklärende Bücher oder frage den Priester, damit du gewappnet bist gegen alle Angriffe. Du bist ängstlich bemüht, auf der Reise dein Geld nicht zu verlieren, in der Fremde deine Ersparnisse nicht einzubüßen. Aber weit größer muß deine Sorge sein, den Glauben zu bewahren. Denn er allein ist der sichere Führer auf den vielver - schlungenen Wegen der irdischen Wander - schaft; er ist Stab und Stütze in den Wechsel - fällen des Lebens; er ist der Leuchtturm, der uns den richtigen Pfad zum Himmel weist; er ist die Waffenrüstung, die uns95 befähiget, den guten Kampf zu kämpfen und die Krone zu erlangen.

Willst du frei und fröhlich geh'n
Durch dies Weltgetümmel,
Mußt du auf die Vöglein seh'n,
Wohnend unterm Himmel.
Wie die Vöglein haben wir
Unsern Vater droben,
Und mit ihnen wollen wir
Lieben ihn und loben.
Jacobi.
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Inhalt.

Seite

  • Abschiedsgruß eines Vaters an seinen Sohn1
  • 1. Die Zeit der Abreise3
  • 2. Das Gepäck14
  • 3. Auf der Eisenbahn21
  • 4. Die Fußtour32
  • 5. Der Bauernknecht und der Geselle37
  • 6. In der Kaserne46
  • 7. Der Wandervogel51
  • 8. Der sicherste Geleitschein70
  • 9. Kurze Wanderregeln81
  • 10. Reisewaffen86
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About this transcription

TextReisebegleiter für Jünglinge
Author Franz Xaver Wetzel
Extent106 images; 16672 tokens; 4825 types; 108631 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationReisebegleiter für Jünglinge Franz Xaver Wetzel. . DornRavensburg1901.

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Reiseliteratur; ready; dtae

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk stammt vom Projekt Digitization Lifecycle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.Anmerkungen zur Transkription:Bei der Zeichenerkennung wurde nach Vorgabe des DLC modernisiert.In Absprache mit dem MPI wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:Bogensignaturen und KustodenKolumnentitelAuf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizierung von titleParts verzichtet.Bei Textpassagen, die als Abschnittsüberschrift ausgeweisen werden können, wird auf die zusätzliche Auszeichnung des Layouts verzichtet.Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet.Weiche und harte Zeilentrennungen werden identisch als 002D übernommen. Der Zeilenumbruch selbst über lb ausgezeichnet.

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