PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Hundert Grab-Schrifften /
Mit willen in zwey Theile (alſo daß das eine meiſt Hiſtoriſche / daß ander aber er - goͤtzliche Materien vorſtelle) getheilet / Vnd Der untadelhafften Welt zum Zeit - vertreib zugeſchicket
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Gedruckt im Jahr1662.
[2]

An den Leſer.

D / wiewoll kuͤrtz gefaſte dennoch viel in ſich hal - tende Saͤtze / den Leſer uͤber die maß ergetzen / auch zur fortleſung gleichſam unermuͤdet machen / iſt anderer zugeſchweigen / auß den Geiſt - und Sinreichen Vberſchrifften des Weltberuͤhmten Ovens klaͤrlich ab - zunehmen / dieſem in etwas nach zu ahrten / hat ein Liebhaber ſolcher ahrt Gedichte / dir mit einigen Grab - ſchrifften an die Hand zugehen / theils zur ruͤckdenckung der verjahrten Geſchichte / theils zur ſonderlichen er - goͤtzung / ſich eingefunden; Wirſtu demnach / guͤnſtiger Leſer / dieſe mit gewogenen Augen anblicken / kan es ge - ſchehen / daß in kurtzer Zeit ſich noch mehr ſehen laſſen / wo aber nicht / werden auch dieſe ſich ſelbſten begraben.

An Meiſter Klugling.

Wer ſonſt nichts anders wil als dieſe Reyme kawen /
Vnd nach des Monmus ahrt / nur wetzen ſeine klawen
An einem ſchlechten Satz; der wiſſe dieſes frey:
Ich denck als jener dacht / er ſey auch wer er ſey.
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Grab Schrifften Erſtes Theil.

1. Grab Adam.

AN ſtatt der Mutter ſchoß war mir des Hoͤchſten Hand /
Das Paradis mein Haus / die weite Welt mein Landt /
Zur ſtraffe / weil mier diß zu enge ſcheinte ſein /
Schleuͤſt dieſer ſchlechte raum den ſtoltzen Coͤrper ein.

2. Ewen.

Wie ſolte nicht ein Werck den hoͤchſten ruhm erlangen /
So zweymahl durch die Hand des Hoͤchſten iſt gegangen /
Doch drang ein ſuſſes wort mir durch den ſtolzen Sin /
Und ſturtzte mich / daß ich hieher gekommen bin.

3. Loths.

Ich eilt auß Sodoma den Flammen zuentgehen /
Und konte nicht der Brunſt der Toͤchter wiederſtehen;
Wer macht den armen Loth der ſchweren Suͤnden loß /
Ich bawte Sodoma auff meiner Toͤchter Schoß.

4. Salomons.

Die Cedern Libanons / und Ophirs Goldt und Stein /
Trug Koͤnig Salomon des Herren Tempel ein /
Die Brunſt veraͤndert ihm die Sinnen und Gebehrden /
Und ließ ihn endtlich ſelbſt des Teuͤffels Tempel werden.

5. Sanct Peters.

Hier iſt der Grabe Stein / ſo dieſen Stein beſchleuͤſt /
Der nicht mehr wie zuvor die Thraͤhnen von ſich geuͤſt /
Doch ſoll der todte Stein nicht auff das newe Weinen /
So jaget Weib und Hahn von dieſen beyden Steinen.
A ijJudas[4]Grab Schrifften Erſtes Theil.

6. Judas des Verraͤthers.

Der Strang emphing den Hals / der ſchwartze Geiſt die Seele /
Hier ruht der ſchnoͤde Reſt in einer ſchnoͤden hoͤle.
Ich bin ein Martyrer der viel gefaͤhrten ſpuͤrt /
Geldt / Teuͤffel / Pfaff und Geitz / hat mich dazu verfuͤhrt.

7. Alexanders des Groſſen.

Mier war die Welt zu klein / ich ſpielte mit der See /
Ich ſpeuͤte reichlich auß / Bluth / Fewer / Mordt und Weh;
Nun ich Geſtorben bin was nutzet mier mein Siegen /
Hier koͤnten noch bey mier viel Alexanders liegen.

8. Keyſers Nero.

Strangk / Fewer / Spies und Schwerdt / trug meine rechte Handt /
Viel Tauſendt hat mein wort in Pluto Reich geſant.
Nicht tadelt mich darumb; Sie ſolten ihm vermelden /
Daß er bereitſchafft macht fuͤr einen groſſen Helden.

9. Scevolens.

Der Irthum und Verluſt macht Scevolen bekandt /
Rohm konte nicht ſo viel als die verbrante Handt:
Die Aſche liegt alhier vermiſchet mit der Erden /
Noch will aus dieſer nicht ein ander Phoͤnix werden.

10. Curtius.

Durch dieſen weiten Schlundt wardt mit bewehrter Handt /
Der Curtius von Rohm nach Pluto reich geſant.
Wie ihn die ſchwarze ſchaar der Teuffel hab empfangen /
Erlernſtu mit der zeit / wenn du wirſt hingelangen.
Koͤnigs[5]Grab Schrifften Erſtes Theil.

11. Koͤnigs Guſtav Adolffs.

So weit alß Majellan den Circkel hat gemacht /
Hat meiner Thaten glantz auch das Gericht gebracht.
Vor Luͤtzen hat mein Muth mich in das Graß geleget /
Doch fiel ich als ein Baum der tauſent kleine ſchlaͤget.

12. Heinrichs des iiij Koͤnig in Franckreich.

Ich bin durch Schimpff und Ernſt zu meinem Reich gekommen /
in unerhoͤrter Mordt hat mier es weggenommen /
Was halff mier waß ich ließ? Waß halff waß ich gethan?
Nachdehm ein Meſſer mehr als eine Meſſe kan.

13. Koͤnig Ludewichs des xiij.

Rochelle / Perpignan / mit Briſach und Turin /
Undtdecken aller Welt / wer ich geweſen bin /
Als Richeli mein Geiſt von mier iſt weg gegangen /
So hab ich albereit zu Sterben angefangen.

14. Carl Stuarts / Koͤnig in Engellandt.

Steh Wanderßman / ſteh ſtill / und laß die Traͤnen fluͤſſen /
Ein Koͤnig liegt alhier / den Neidhart ſo gebiſſen /
Daß er ein Maͤrtrer wurd. Er muſt ſein Lebens Ziel /
Erreichen auff dem Block durchs ſcharffe Hacke-Biel.

15. Hertzogs d Alba.

Hier liegt ein Wuͤterich der nichts von Ruh gehoͤret /
Biß ihm der blaſſe Todt ein anders hat gelehret;
Er brach ihm ſeinen Hals und ſprach du muſt verbleichen /
Sonſt wurd ich dier noch ſelbſt im Wurgen muͤſſen weichen.
A iijGeneral[6]Grab Schrifften Erſtes Theil.

16. General Wallenſteins.

Hier liegt daß groſſe Haubt / ſo itzt wirdt außgelacht /
Viel wiſſen daß von mier / ſo ich vor nicht gedacht.
Dis wuſt ich / daß ein Stein nicht leicht ein Stern kan werden /
Ein Stein wie hoch er ſteigt faͤlt endlich zu der Erden.

17. Columbens.

Der Windt trieb meinen Leib / die Ehre meine Sinnen /
Des Hoͤchſten ſtarcke Handt begleitte mein beginnen /
Ich fand die Newe Weldt / und trug nicht viel davon /
Vor alle meine muͤh / iſt dieſes Grab mein Lohn.

18. Drakens / Ammiral.

In ungeſtuͤmer See erwarb ich Ruhm und Guth /
In ungeſtuͤmer See verlohr ich Geiſt und Bluth.
Ein Koͤnig mag ein Grab von Goldt und Perlen haben /
Mich hat Neptunus ſelbſt in ſeiner Schoß begraben.

19. Peter Heinſens / Ammiral.

Der Spanien betruͤbt und Hollandt hat ergetzet /
Iſt von der Freuͤnde Handt hierunter beygeſetzet /
Das Silber muſt er baldt der Staaden Haͤnde geben /
Das Bley verblieb vor ihm und bracht ihn umb das Leben.

20. Hameltons / Ammiral.

Mier gab Burgundien viel Worte wehnig Gold /
Und zwang den trewen Sinn zuſuchen frembden Soldt /
Zum Zeugnuß daß ich bloß die Zeichen wolte lieben /
So bin ich / wie du ſieſt / hier zu Sanct Thomas blieben.
Marſchals[7]Grab Schrifften Erſtes Theil.

21. Marchals d’Ancre.

Wer Hoff und Hoffnung liebt / wer Fuͤrſten Worten trawet /
Und auff der Herren Gunſt geringe grunde bawet /
Den lehret dieſe Grufft das er nicht wollgethan /
Weil auch ein Acker nicht bey Hoffe halten kan.

22. Cardinals Richelie.

Hier liegt ein Cardinal der Franckreich hat gezieret /
Und ſeine Lilien durch manches Land gefuͤhret.
Er bandt Neptunen ſelbſt / und nahm ſein Tijrus ein /
Durch ihn kan Ludewig ein Alexander ſeyn.

23. Artemiſien.

Wer Landt und See durchſtreicht / und dieſe groſſe Welt /
Ihm als ein groſſes Buch vor daß Geſichte haͤlt /
Der muß nicht wie man pflegt alhier voruͤber traben /
In dieſem Grabe liegt ein ander Grab begraben.

24. Cleopatren.

Hier liegt Cleopatra das wunder ihrer zeit /
Wer ſie geweſen iſt das weiß man weit und breit /
Ein jeder huͤte ſich viel Perlen herzubringen /
Weil ſie gewohnet iſt dieſelben zuverſchlingen.

25. Catharinen de Medices.

Gantz Franckreich liebte mich umb meines Nahmens willen /
Alß ſolte meine Handt ihr groſſes uͤbel ſtillen /
Die Hoffnung wahr umbſonſt / man fing mich an zuhaſſen /
Ich konte ſonſten nichts als nur zur Aderlaſſen.
Marien[8]Grab Schrifften Erſtes Theil.

26. Marien Stuartin.

Mier hat Eliſabeth die Freyheit weggenommen /
Ich bin durch Heng-mans Hand von meinem Leben kommen /
Was der und jener Klagt iſt mehrentheils erdacht /
Mich hat ein guther Kopff umb meinen Kopff gebracht.

27. Koͤnigin Eliſabeths.

Ich habe Crohn und Schwerdt doch keinen Man getragen /
Es mag mein Koͤnigreich von meinen Thaten ſagen /
Die Todten reden nicht / wer ehrt den faulen Leib?
Ich ſage nichts alß diß: Hier ruht ein Engliſch Weib.

28. Marien de Medices.

Die Mutter-Stadt Florentz ließ mich nicht ohne ſchmertzen.
Parieß empfing mich zwar / doch nicht mit trewen Hertzen /
Den ich zu groß gemacht / ſtieß mich in ſtrenge flucht /
Zu Coͤln hat mich der Todt nicht ungewuͤnſcht gesucht.

29. Marien Magdalenen.

Hier ruht das ſchoͤne Haupt / hier ruht die ſchoͤne Schoß /
Auß der die Lieblichkeit mit reichen Stroͤmen floß.
Nachdehm daß zarte Weib verließ den Huͤren-orden /
Sint auch die Engel ſelbſt der ſelben Buhler worden.

30. Lucretien.

Ein wolverwahrtes Loch fraß meines ruhmes Schaͤtze /
Ein Loch in meiner Bruſt gab mich deß Todes netze /
Ein Loch nicht weit von hier beſchleiſt den zarten Leib /
Drey Loͤcher ſint zuviel zufellen nur ein Weib.
Helenen. [9]Grab Schrifften Erſtes Theil[.]

31. Helenen.

Das Gifftloch hat zu Rohm viel tauſent auffgerieben /
Durch deines Helena ſindt Ihrer mehr geblieben /
Zwar jenes hat ein Man mit Roß und Schwerdt gefuͤlt /
Doch hir hat keiner nicht die geile Brunſt gestilt.

32. Tais.

Die Taiß liegt alhier / die Venus ihrer zeiten /
So aller Maͤnner Hertz vermochte zubeſtreiten /
Durch Flammen die ſie warff auß Augen Hertz und Handt /
Hat Alexander auch Perſepolis verbrandt.

33. Seneca.

Der Heiden halber Chriſt der Klugen halber Gott /
Der Roͤmer groͤſter Ruhm / de Kaͤyſer groͤſter ſpott /
Ließ hier / was Irdiſch war / beſchlieſſen dieſen Stein /
Der Sinnen trefflichkeit war dieſe Welt zu klein.

34. Cicero.

In dieſen engen Raum ward Cicero gelegt /
Der daß beruͤhmte Rom nach willen hat bewegt /
Mein Leſer ſchewe nicht daß ſchlechte Grab zu kuſſen /
Es ligt der Roͤmer Mundt zu deinen ſchleichten Fuſſen.

35. Diogenes.

Pracht / Reichthumb / falſcher Schein / wardt von mir außgelacht /
Ich habe mehr nach Ruh / alß groſſen Ruhm getracht /
Mein Wohnhauß war ein Faß / mein Becher war die Handt /
Die weite Welt mein Buch und auch mein Vaterland.
BEſopus. [10]Grab Schrifften Erſtes Theil.

36. Eſopus.

Den ungeſchickten Leib verdeckte mein verſtand /
Mein Ruhm lieff fliegende durch aller Voͤlcker Landt /
Und hab ich Zung und Mundt / Lufft Erd und See gegeben /
So muß ich billig auch auff allen Zungen leben.

37. Eraßmus.

Mein Leſer ſtelle dich zu dieſem ſchlechten Steine /
Eraßmus lieget hier / hier ſindt die wehrten Beine /
Ich ſchwere das kein Staub in dieſem Grabe liegt /
So nicht der Barberie mit macht hat obgeſiegt.

38. Lipſius.

Mich fuͤhrt die kluge Welt im Hertzen Mund und Handt /
In Flandern ruht der Leib / den Ruhm behaͤlt Brabandt /
Man lobte noch vielmehr die hoheit meiner Sinnen /
Haͤtt ich im alter nur zwey Weiber laſſen koͤnnen.

39. Opitzens.

Mich hat ein kleiner Ohrt der Teutſchen Weldt gegeben /
Der Wegen meiner wirdt mit Rohm die wette Leben /
Ich ſuche nicht zuviel ich bin genug geprieſen /
Das ich dir Venus ſelbſt im Teutſchen unterwieſen.

40. Eines Geſanten.

Mein Koͤnig ſante mich in ein beruͤhmtes Land /
Ich hofte frey zu ſein von aller Feinde Hand /
Mein hoffen war umbſonſt / der Todt hat mich erſchlagen /
Der Flegel wuſte nicht waß die Juriſten ſagen /
Eines[11]Grab Schrifften Erſtes Theil.

41. Eines ungleichen Richters.

Wer hier begraben liegt darff keiner recht bekennen /
Ein jeder huͤtet ſich fuͤr Staupen und fuͤr Brennen /
Ein Wort geht noch wol hin / doch druͤck ein Auge zu /
So ſag ich / dieſer Mann war eben ſo wie du.

42. Eines ungerechten Advocaten.

Daß ſchlechte macht ich krum / das krumme macht ich schlecht /
Die Sachen nerten micht: Verwirrung / zang und recht.
Doch wo Juſtinia wird fuͤr den Richtſtuel kommen /
So werd ich woll gewiß verblaſſen und verſtummen.

43. Eines unwiſſenden Artztes.

Des Todes Lietenant hat ſich hieher geſelt /
Nachdehm ſein Recipe viel tauſent hingefaͤlt.
Mich wundert das der Todt nicht ſeiner hat verſchonet /
Und ihm den trewen Dienſt auff andre ahrt belohnet.

44. Eines Jeſuiten.

Ich war ein Dieterich zu groſſer Herren Hertze /
Ick zuͤndte Laͤnder an / mein Hochmuth vor die Kertze /
Mein Mund der ehrte Gott / den Teuffel Hertz und Sin /
Ey Leſer rathe doch war ich geweſen bin.

45. Eines Tadelhafften Moͤnchen.

Ich Glaubt und weiß nicht wie / Ich Sang und weiß nicht waß /
Mein Teuffel war ein Buch / mein Heiligthumb ein Glaß /
Mein Todt die Faſten zeit / die Kirche meine Helle /
Ich ruffe hier zu Gott / wie vor in meiner Zelle.
B ijEines un -[12]Grab Schrifften Erſtes Theil.

46. Eines ungelahrten Dorff Prieſters.

Ein frembder in der Schrifft / ein Burger in Poſtillen /
Muß dieſen engen Raum mit ſeinem Leibe fuͤllen.
Es weint das gantze Dorff / es ſchalt in aller Ohren /
Das Bierhauß und Altar hat ſeinen Schatz verlohren.

47. Eines einfaͤltigen Schulmeiſters.

Hier liegt Hortenſius ein alt Parnaſſus Kindt /
Er wolt ein Fuͤhrer ſein und war doch ſelber blindt.
Wer auff den Grabſtein hier wird ſeine Nothturfft legen /
Dem wird die duͤrre Handt die bloſſen Backen fegen.

48. Eines Juͤden.

Die Chriſten wolten mich in keinen Zuͤnften leiden /
Ich ſolte Kauffmanſchafft und allen Handel meiden /
Die Wahrheit bringt mir itzt nicht wenige gefahr /
Mann haſte mich darumb weil ich beſchnitten war.

49. Eines Spaniers.

Hier ruht ein Ritter-Man / ein rauher Reichs-zerſtoͤrer /
Den Rom geehret hat als einen Kirchen-mehrer /
Viel mehres ſag ich nicht / was hier vor Beine liegen /
Ein wort: Die Aſſche ſtinckt nach Knoploch und nach Ziegen.

50. Eines Moren.

Kein Europeer ſoll die ſchlechte Grab-Schrifft leſen /
Vnd lachen daß ich Schwartz und Nackent bin geweſen.
Ich trug der Mutter Bild / dich kleidet Bock und Kuh /
Du biſt mehr Vieh als Menſch / ich war mehr Menſch als du.
Das
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Das ander Theil.

[14]Grab Schrifften ander Theil.

1. Eines Alchimiſten.

ICh war ein Alchimiſt / ich dachte Tag und Stunden /
Auff eine newe Kunſt deß Todes frey zu ſein /
Das was ich ſtets geſucht das hab ich nie gefunden /
Und was ich nie geſucht das ſtelt ſich ſelber ein.

2. Eines Blumiſten ſo Alchimiſterey geuͤbet.

Mein Geld blieb in der Gluth / mein Blumwerck in der Erden /
Der kummer ließ mich nicht zu einem Betler werden.
Ich ſtarb zu rechter zeit und ward gewuͤnſcht entbunden /
Die Blumen hat der Leib das Geld die Seel gefunden.

3. Eines Gehangenen Seyltaͤntzers.

Ich bin in freyer Lufft auff Stricken ſtets gegangen /
Ich ward an einem Strick in freye Lufft gehangen /
Mein Leib der nehrte ſich von Stricken und von Lufft
Nun bringt mich Lufft und Strick auch endlich in die Grufft.

4. Eines Schlaffſuchtigen.

Hier liegt ein fauller Leib / der auß dem Tage Nacht /
Und auß dem Leben Todt durch Schlaffen hat gemacht /
Auß alzugroſſer furcht das er nicht werd erwecket /
So hat er ſich alhier in dieſe Grufft verſtecket /

5. Eines Soldaten.

Ich Brante / Hieb und Stach / ich Wachte / Brach und Raubte /
Ich Jagte / Schoß und Warff / ich Drawte / Zoͤrnt und Schnaubte /
Die Arbeit die ich that iſt nicht umb ſonſt verbracht /
Sie hat mier Weg und Steg zur Hellen weit gemacht.
Eines Bau -[15]Grab Schrifften Ander Theil.

6. Eines Bauren.

Das Erdreich gab mier Brodt / das Brodt erhielt mein Leben /
Vor Brodt hab ich das Fleiſch der Erden hingegeben /
Ich Gebe woll zu viel; das Fleiſch kam auß der Erden /
Und muß auch / was es war / in kurtzen wieder werden.

7. Eines Schlavens.

Im Leben war ich Knecht im Tode bin ich frey /
Es brach des Todes-Handt die Feſſel leicht entzwey /
Die Ketten flecken nicht; ich kenne mein Gebluͤthe /
Und Sterb ein Knecht durch zwang / mit nichten von Gemuͤthe.

8. Eines Betlers.

Mein Bette / Tiſch und Stuel war dieſes weite Rund /
Zwey ſachen plagten mich: Der Magen und der Mund /
Ich wuͤnſchte nichts ſo ſehr als Ehrlich ſein Begraben /
Damit nicht hinterm Zaun mich fraͤſſen noch die Raben.

9. Pyramen und Thißben.

Es zeigt die kleine Grufft der Venus Meiſterſtuͤck /
Ein außerſehen Ziel / zerſprenget durch das Gluͤck /
Der Buhler Seel Compas / hier iſt genug bericht /
Wer kennet Pyramen und ſeine Thißbe nicht.

10. Leanders.

Die Liebe war mein Licht bey ſchwartz geferbter Nacht /
Das Feuwer das ich trug beſtrit der Wellen macht /
Ich fiel in Nerens Reich / es iſt mier nicht gelungen /
Es hat die groſſe Fluth die groſſe Gluth bezwungen.
Zweyer[16]Grab Schrifften Ander Theil.

11. Zweyer Verliebten.

Hier ſindt zwey liebende in dieſer Grufft begraben /
So lange zwahr gebuhlt / doch nie genoſſen haben.
Und rieß der grimme Todt gleich ihre hoffnung ein /
So muſte doch ihr Leib alhier vermiſchet ſeyn.

12. Eines Verliebten.

Der hier begraben liegt iſt auß der Buhler orden /
Nicht wunder dich zu ſehr / das es zur Aſchen worden /
Sein Leib war voller Gluth und voller Flammenſchein /
Wie ſollte dan der Menſch nicht Aſche worden ſeyn.

13. Der Jungferſchafft.

Viel machten viel auß mier viel Lachten nur dazu /
Ich wahr / Ich war auch nicht, jetzt lieg ich in der Ruh /
Doch will ich meinen Todt zu melden nicht verſchieben /
Ich bin durch einen Ritt im Ringelrennen blieben.

14. Einer Nonnen.

Man nahm mier meinen Schmuck und ließ mier Fleiſch und Bluth.
Man ſchnit die Locken weg und ließ mier meine Gluth.
Im bethen hat mir ſtets der Glaube wollbehaget /
Weil er vom aufferſtehn daß Fleiſches etwas ſaget.

15. Einer Alten Magt.

Ein ungebrauchtes Schloß / ein ungenutzter Heerdt /
Ein Kecher ohne Pfeil ein unbeſchritten Pferdt /
Die konten ſolte man ſie recht und woll begraben /
Bey dieſer alten Magd ein fuͤglich leichmahl haben.
Einer un -[17]Grab Schrifften Ander Theil.

16. Einer unbeſtendigen Jungfrawen.

Mein Leben endert ich nach meiner Augenblicke /
Mit unbeſtendigkeit beſchaͤmt ich daß geluͤcke.
Die groͤſte buͤberey hat mier der Todt gethan
Die weil ich dieſes Grab nicht auch veraͤndern kan.

17. Einer Luſtiegen Jungfrawen.

Hier liegt Flavia bey Tauſenden begraben /
Ihr Mund hat nie gewunſcht ein eigen Grab zu haben /
Sie hatt der Freunde Hand zu ſchreiben auff den Stein /
Gleich wie der Coͤrper wahr / ſo ſoll die Grabſtaͤt seyn.

18. Einer Verbuhlten.

Die vor geſchencktes Geld entbloͤſte Schoß und Bruſt /
Macht der ergrimte Todt / zu des Gewurmes koſt /
Ihr buhler laſt alhier die Traͤhnen-ſtroͤme flieſſen /
So kan noch mancher Wurm bey Speiſe Tranck genieſſen.

19. Eines Alten Braͤutigams.

Cupido jagte mier die Pheile nach dem Hertzen /
Er gab mier wehnig Krafft / und nicht geringe Schmertzen /
Der wille war bereit die Kraͤffte fehlten mier /
Mein Lieb Kuͤſt friſches Fleiſch / ich faule ſchon alhier.

20. Einer Alten Braut.

Mein Liebſter hieß mich Braut / und meinte nur das Geldt /
Die Peſt rieß mich von ihm und ließ ihn in der Welt /
Der Todt ſaß in der Schoß der Winter in den Beinen /
Iſt Todt und Winter hier / ſo mag ein ander weinen.
CEiner Cop -[18]Grab Schrifften Ander Theil.

21. Einer Coplerin.

Die Jugendt hab ich ſtets mit Buhlen zugebracht /
Alß nun das Alter kahm und meiner Jahre nacht /
Da ward ich Kohlen gleich / die Jungens Holtz entzuͤnden /
Die Aſche wird man noch umb dieſe gegendt finden.

22. Eines Alten greulichen Weibes.

Ein Aeffe von geſtalt ein Teuͤffel von gemuͤthe /
Ein Eule von geſchrey / ein Drache von gebluͤthe /
War dieſes alte Weib. Wer wolte woll nicht lachen /
Der Teuͤffel liegt alhier bey Eulen / Affen / Drachen.

23. Einer unzuchtigen Metzen.

Der Ottomannen Schild liegt hier in guther Ruh /
Ein jeder halte doch die duͤnne Naſe zu /
Der traͤgt kein Vortheil weg ſo lange hier verharret
Denn dieſe Leiche ſtanck eh ſie noch ward Verſcharret.

24. Eines an den groſſen Pocken geſtorbenen.

Dieß waß uns nebenſt Gold hat Indien geſchuͤcket /
Hat dieſe fromme Haut auß dieſer Welt geruͤcket /
Mein leſer ſoll es dir auch nicht alſo ergehn /
So laß den Siegelring der geilen Venus ſtehn.

25. Eines Baſtarten.

Wo meine Mutter liegt da bin ich auch begraben /
Ich wolte nechſt bey ihr mein Leich begaͤngnuß haben /
Zum Vater hett ich mich auch gerne hin verfuͤegt /
Daß wuſt ich wo er lag / und nicht wo er jetzt liegt.
Eines gei -[19]Grab Schrifften Ander Theil.

26. Eines geilen Menſchen.

Hier liegt ein geiler Mann / ſo der verkehrten Weldt /
Den grif der ſchlipffrigkeit hat kuͤnſtlich fuͤrgeſtelt /
Die Venus / daß ihr Sohn den Bogen beſſer dehne /
Nam ihr verbuhltes Glied / und gab es ihm zur ſehne.

27. Einer Hebammen.

Durch meine kluge Handt lebt eine junge Welt /
Viel waß mich jetzt betruͤbt / daß hab ich auffgestelt.
Ruͤhmt / Ruͤhmt euch Heldinen; Doch ſagt wie ſichs gebuͤhret /
Ihr habt viel abgefuͤhrt und ich viel auffgefuͤhret.

28. Einer Mutter in Kindeßnoͤthen geſtorben.

Dem ich das Leben gab der hat es mir genommen /
Ich bin durch die gebuͤhrt an dieſe Staͤtt gekommen /
Doch wil ich dieſe ſchmach nicht unbeklagt vertragen /
Ich wil es alſobald der Groſſen Mutter ſagen.

29. Einer unkeuͤſchen Ehefrawen.

Sieh erſtlich deinen Leib und den die Grab-Schrifft an /
In dehm nicht jederman alhier beſtehen kan:
Hier liegt ein geiles Weib / ſo ſchmertzlich hat gebethen /
Es ſoll kein Joſeph nicht zu ihrem Grabe treten.

30. Eines Wochen Kindes.

Ich Gruͤſte kaum die Welt und deſſen weite Pracht /
So zwang mich meine ſchuld / zu geben guthe nacht /
Das Fruͤſtuͤck hat ich kaum in meinen Mundt genommen /
Da war die Paßport mier ſchon in die Haͤnde kommen.
C ijEines ſo[20]Grab Schrifften Ander Theil.

31. Eines ſo ſeinem Weibe feind geweſen.

Mein Teuͤffel war das Weib / ihr Bette meine Helle /
Der Marter frey zu ſeyn / erwehlt ich dieſe Stelle /
Doch wo mein boͤſes Weib hier ihre Ruh erkuͤſt /
So gleuͤb ich daß mein Leib ſtets in der Hellen iſt.

32. Einer Keuͤſchen Jungfrawen.

Nicht Rede hier zuviel / entbloͤſſe dich auch nicht /
Hier ruhet Cijnthia der Keuͤſchheit helles Licht;
Den Leib / den keine Brunſt vermochte zu verſehren /
Den ſoltu / Reyſeman / auch bey den Todten ehren.

33. Eines Laſterhafften.

Die Leber iſt zu Wien / das Gliedt zu Rohm geblieben /
Das Hertz in ein einer Schlecht / und das Gehirn im Lieben /
Doch daß der Leib nicht gantz verlohren moͤchte ſein /
So leget man den Reſt hier unter dieſen Stein.

34. Eines ſo ſich an Moſt zu Tode geſoffen.

Der Schiffer wuͤnſchet ihm auff ſeiner See zu Sterben /
Der Bergman achtet nicht im Schachte zuverterben.
Der Buhler Stirbt getroſt auff ſeiner Liebſten Brust.
Hier liegt ein volles Schwein / erſticket durch den Most.

35. Eines Kupffernaͤſichten.

Es war zu meiner zeit das Kupffer hoch geacht /
Undt mancher Offentopff zu Pfennigen gemacht /
Auß furcht / ich moͤchte auch umb meine Naſe kommen /
So hab ich meinen ſitz hierunten eingenommen.
Eines pol -[21]Grab Schrifften Ander Theil.

36. Eines Pollniſchen Schutnickels.

Die Weichſel war mein Meer und Dantzig der Weldt Ende /
Da fuͤrchtte man mein Maull und haſte meine Haͤnde /
Ich Starb und war nicht recht in Charons Naggen kommen /
Da hatt ich alſobaldt den beſten Rock genommen.

37. Eines Mahlers.

Der Kunſtriß meiner Handt / ziert meines Furſten Schaͤtze /
Doch faͤlt er durch den Spruch der Himliſchen geſetze /
Die Taffel friſt der Wurm / mein Mahlwerck friſt die Zeit /
Hier wirdt der Mahler ſelbſt ein Bildt der Sterblichkeit.

38. Eines Narren.

Mit Lachen ſoll dein Mundt die kurtzen worte leſen;
Hier liegt ein luſtig Haͤupt / ſo vielen lieb geweſen /
Der Schellen kan dein Kopf kein rechter erbe ſein /
Der mangel iſt bey dir / ſie ſint dir gar zu klein.

39. Eines Hoͤrntraͤgers.

Zwey Hoͤrner liegen hier in dieſer Gruͤfft begraben /
Nicht dencket daß ein Bock hier mag die Ruh-ſtad haben /
Hier liegt ein gutter Man der Hoͤrner hat bekommen /
Nach dehm ihm die Natur das ſtoſſen hat benommen.

40. Eines Kammachers.

Nicht ſpotte daß mein Hauß ſtets voller Hoͤrner ſtundt /
Undt daß verachte Wort ernehrte meinen Mundt /
Ich ſage dir ein wort / undt biſtu noch ſo Edel /
Ich fuͤhrt es in der Handt / du aber auff dem Schedel.
C iijEines Zwer -[22]Grab Schrifften Ander Theil.

41. Eines Zwerges.

Der Eltern kleinen Leib beſamte Floh und Lauß /
Ein alte Haſelnuß war im ein weites Hauß.
Ein Wurmlein hat den Sohn im Kaͤmpffen auffgefreſſen /
Als er Sanct Gergen ſelbſt zu trotzen ſich vermeſſen.

42. Eines Ziegenners.

In ſtrenger Wanderſchafft bracht ich mein Leben hin /
Zwey Reime lehren dich wie ich geweſen bin.
Egypten / Vngern / Schweiz / Beelzebub undt Schwaben /
Hatt mich genant / Gezeigt / Ernehrt / Erwurgt / Begraben.

43. Eines Henckers.

Die Marter und der Todt / erworben mier das Brodt /
Mein Handtwerck war der Mord / mein Leben war der Todt.
Undt welcher (wer ich war) nicht gaͤntzlich kan verſtehen /
Der mag / nach mehr bericht / an Radt undt Galgen gehen.

44. Eines Diebes.

Das Fleiſch fant ſeinen raum im Kropff der ſchwarzen Raben /
Der duͤrre Knochen-reſt ſoll hier die Grabſtaͤt haben;
Undt ſo du Leſer auch nicht wilt in Luͤfften ſchweben /
So laß jedtwedem daß was Gott ihm hat gegeben.

45. Eines Hundeleins.

Das Bette macht ich mier auff meiner Jungfer Bruſt /
Mein Zunglein war ihr ſchwam / ihr Beuchlein meine Koſt /
Mein Leſer wiltu nicht der ſchlechten Leiche lachen /
So will ich dir allein die Lagerſtadt vermachen.
Einer Pa -[23]Grab Schrifften Ander Theil.

46. Einer Papegayen.

Die Frembden ehrten mich / mein Herr der war mier huld /
Daß ich Geſtorben bin iſt meine Zunge Schuld /
Ich / weil ich meiner Fraw den Titel recht gegeben /
Verlohr baldt ihre Gunſt / und auch zugleich mein Leben.

47. Einer Ganß.

Der Fluͤgel beſtes theil fuͤhrt fuͤhrt manches Furſten Handt /
Die Gurgel traget Zwirn / die Federn ehrt das Land /
Wird dieſer ſchlechte Reim auff das Privat genommen /
So iſt die Grabeſchrifft zu ihrem Coͤrper kommen.

48. Einer Fliegen.

In einer Buttermilch verlohr ich Geiſt und Leben /
Ein zarter Weiber Bauch hat mir das Grab gegeben.
Sey nicht Domitian vergoͤnne mir die Ruh '
Und ſchließ in dieſer Grufft die forder Thuͤre zu.

49. Eines Flohes.

Ein ſchwartzer Rittersman fiel durch ein weiſſes Weib /
Indehm er ohne ſcheu betrat den zarten Leib.
Doch iſt ſein alter Ruhm nicht gantz und gar vertorben /
Indehm er eben ſo wie Curtius geſtorben.

50. Eines Todtengraͤbers.

Der Bader waͤſcht ſich ſelbſt / der Schneider kan ſich kleiden /
Der Koch darff ohne Koch nicht ſeine Mahlzeit meiden.
Ich / der ich vor begrub die klugen und die Narren /
Kan nun / wie ſichs gebuͤhrt / mich ſelber nicht verſcharren.
Ex[24]

Ex eodem flore & apicula mel & aranea toxicum colligit.

About this transcription

TextHundert Grab-Schrifften
Author Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau
Extent24 images; 4022 tokens; 1657 types; 25750 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

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EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationHundert Grab-Schrifften Mit willen in zwey Theile (also daß das eine meist Historische / daß ander aber ergötzliche Materien vorstelle) getheilet / Vnd Der untadelhafften Welt zum Zeitvertreib zugeschicket Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau. . s. e.s. l1662.

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Sonstiges; core; ready; wikisource

Editorial statement

Editorial principles

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  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-13T10:42:57Z
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