Das erste bis zweiundzwanzigste Tausend dieses Buches ist im Sommer 1915 in der Spamerschen Buchdruckerei zu Leipzig gedruckt worden.
Alle Rechte auch das der Übersetzung, vorbehalten.
Bisher ist keine Lebensbeschreibung bekannt geworden, die nur annähernd mit solcher Ausführlichkeit wie die folgende Biographie des Meister Johann Dietz von dem bürgerlichen Leben in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts bis hin zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen Kunde brächte. Der Abdruck der alten Handschrift stellt deshalb ein kulturgeschichtliches Denkmal dar.
Meister Johann Dietz gehört als Barbier zur Innung. Mag er noch so weit in der Welt herumgekommen sein: ihm teilte sich sein Leben – ganz nach Handwerksbrauch – in seine Lehrjahre, in die Zeit des Reisens und endlich in seine Meisterschaft, die zeitlich mit seiner Ehe zusammenfiel. Der rechte Barbier, der zugleich ein rechter Chirurg war, blieb, so lange er lebte, ein Meister.
Damals nahm der gelehrte Medikus noch keine chirurgischen Operationen vor. Das war Sache eben des Barbiers. Zwischen dem studierten Doktor, der die Kranken innerlich kurierte, und dem Barbier, der das Amt des Chirurgen versah, war die ärztliche Wissenschaft geteilt. Freilich mußte der Barbier im Notfall auch seinen gelehrten Kollegen, wohl oder übel, vertreten; denn ein Barbier war meistens schneller zu erreichen als die Herren Doktoren.
Der Chirurg hatte an Universitäten noch nichts zu studieren. Er ging in die Barbierstube zum Meister in die Lehre. Er lernte die Kunden bedienen und den Bader verachten, der’s nicht wagen sollte, irgendwem den Bart zu putzen oder gar einen Schröpfkopf zu setzen. Kam der Lehrling zu einem Meister, der seine Sache verstand, so war’s sein Glück. Der Geselle suchte dann bei einem neuen Herrn Stellung, bediente wieder die Kunden, zog vom zweiten Meister zum dritten, um endlich die rechte Ausbildung als Wundarzt im Kriege und im Felde zu suchen. Denn der Krieg, der täglich neue Aufgaben dem Feldscher stellte, war die beste Schule des Chirurgen.
Diesen regelrechten Weg, die große Kunst zu lernen, ist Dietz gegangen. Er hat als Feldscher den Zug der Brandenburger nach Ungarn mitgemacht, als die Festung Ofen erobert wurde, er fuhr als Schiffsarzt mit den Walfischfängern ins Eismeer, und daß er eine Zeitlang, als er schon ausgelernt, in Berlin bei einem ausgezeichneten und erfahrenen Meister, einem sehr berühmten Chirurgen, bei Herrn Andreas Horch, dem Regiments-Chirurgus der kurfürstlich Brandenburgischen Leibgarde zu Fuß, gedient, war sein ganz besonderer Gewinn.
Rund hundert Taler reichten aus, um das Lehrgeld zu zahlen. Dann stand Dietz auf eigenen Füßen. Er hat es zu einer wohlbehäbigen bürgerlichen Existenz gebracht.
Als Meister Dietz das siebzigste Jahr erreicht, fing er an, sein Leben aufzuzeichnen. Ein Erlebnis reihte er ans andere, ohne Sorge um strenge Chronologie. Eine Geschichte rief ihm die zweite ins Gedächtnis zurück, und lässig machte er wieder einen Nachtrag. Aber so alt der Mann geworden – sein Temperament bricht mehr als einmal hervor. Sehr glaublich, daß dieser impulsive Herr mit seiner Umgebung in Konflikt geriet! Dennoch war es ein Mann, der rechtlich dachte und es in keinem Falle vergaß, aufzuzeichnen, wann wieder einmal die Strafe Gottes den Bösen erreicht.
Machte aber Meister Dietz eine Dummheit – was öfters vorkam – er schrieb sie auch auf; und hatte er sich durch die Sucht nach Geld verleiten lassen, war er durch sträflichen Leichtsinn in Lebensgefahr geraten: ihm hat der liebe Gott noch immer geholfen!
Meister Dietz gewann ein ganz eigenes Verhältnis zu Gott, der ihn niemals verlassen, wenn er ihn brauchte; am Nordpol nicht, und in Ungarn nicht, wo es den Brandenburgern so jämmerlich erging, wo sie hinstarben und hungern mußten, als sie dem Kaiser halfen, den Türken zu verjagen. – So war es damals! – was die Soldaten auf dem Marsche nach Ungarn und im Lager vor Ofen litten, darüber schweigen die Kriegsberichte der Generale. Haben die hohen Offiziere doch alle den weiten Blick des Feldherrn. Ihnen verlohnt es nicht, Alltägliches, was eben des Krieges Brauch, noch besonders zu vermelden. Dem gemeinen Mann, dem Meister Dietz, prägten sich nebensächliche Einzelheiten ins Gedächtnis, sie waren ihm auch so wichtig, daß er sie in seiner köstlich-naiven Art aufzeichnete.
Das ganze Leben zog an dem Siebzigjährigen vorüber. Er war kein abgelebter, seniler Mann. Noch als Einundsiebzigjähriger ließ er taufen! Und nichts hat er bei seiner Niederschrift verschwiegen; alle Leute noch dazu mit ihrem vollen Namen genannt!
Diese Lebensbeschreibung darf für ein Dokument bürgerlicher Zustände gelten, für eine neue Quelle, die unsere Kenntnis wesentlich bereichert. Wo Meister Dietz die kleinen und kleinsten Züge mit besonderer Liebe festgehalten, hat sein Lebensbild vom Anfang bis zum Ende die große Anschaulichkeit und die überzeugende Treue, so daß die handelnden Personen fast körperliche Gegenwart gewinnen. Es steht ein rundes, farbensattes Bild jener Tage, wie sie der Bürger erlebt, vor uns; jener Tage, als der Große Kurfürst noch regierte, als der prächtige König Friedrich I. glänzend Hof hielt, und dann der karge Friedrich Wilhelm I., nicht immer zur Freude der Untertanen, sein strenges Regiment geführt.
Der königlichen Bibliothek zu Berlin, die in entgegenkommendster Weise den Abdruck der Handschrift gestattete, bleibe ich zu aufrichtigstem Dank verpflichtet. Die königliche Bibliothek, das königliche Kupferstichkabinett zu Berlin und das Städtische Museum zu Halle gestatteten auch auf das freundlichste die Benutzung ihrer Sammlungen, so daß dieser Veröffentlichung eine Reihe authentischer Bilder aus jener Zeit beigefügt werden konnte. Ebenso habe ich dem königlichen Geheimen Staatsarchiv zu Berlin und den hochwürdigen Pfarrämtern der Kirchen zu St. Moritz in Halle und St. Laurentii auf Neumarkt in Halle für die mir gewährte Einsicht in ihre Akten und Bücher zu danken.
Berlin-Steglitz, im September 1914.
E. C.
die getreue von ihm selbst gemachte Beschreibung seines Lebens / item alles dessen / was er wider die Türken / am Nordpol / in deutschen Gauen und Gassen / unter Soldaten / Räubern und Bürgern / Jungfern und Ge - / spenstern endlich in seiner Vaterstadt Halle mit zweien Frauen erfahren / und so auf dieser Welt ins - gesamt hat leiden müssen
Weil ich bei Erzählung einiger Dinge, so mir begegnet und ich selbst mit Augen gesehen, ja mehrenteils erfahren und leiden müssen, von vielen guten Freunden ersuchet worden, solches nacheinander aufzuschreiben, so habe ich bei müßigen Stunden, GOtt zuförderst zum Preis vor seine gnädige und wunderbarliche Erhaltung, meinem Nächsten, der solches lieset, zum Dienst, Lehre und Warnung, zu wahrer Gottesfurcht und vertrauen auf GOtt, sonder eiteln Ruhm, das sei ferne – nicht uns Herr, nicht uns, sondern Deinem Namen sei Lob, Preis und Ehr! – solches hiemit, soviel mir beigefallen, und ich mich noch entsinnen können, thun wollen.
Fürwahr, GOtt, Du bist ein wunderbarer GOtt und führest auch die Deinen wunderbar über allen menschlichen Verstand. Denn da ich allhie in Halle neben meinem itzigen Hause und etwa zwei oder drei Ellen, durch die Wand zu rechnen, von der Stelle, da ich itzo schlafe und nach GOttes willen sterben werde, geboren (war anno 1665, den 18. Decembris im Zeichen der Jungfrau) und in der Moritz-Kirche, da ich bei die funfzehen Jahr ein Acht-Mann gewesen, mit dem Namen Johannes (das ist: ein Huld - und Gnadenreicher) bin benennet worden, da ich so viel tausend Meilen über Meer und Land gezogen und dennoch wieder hieher kommen: fürwahr, das hat GOtt gethan.
Mein Vater, Johann Dietz, war ein Seiler dabei Fütter-Innungsmeister und ein wohlverdienter Rathmann, Kirchvater und Bierinspektor allhie, welcher in vielen Verrichtungen und wichtigen Angelegenheiten der Stadt und des Raths nach dem König und Hof verschicket wurde, und in seiner Expedition allezeit glücklich gewesen. Derohalben ihn auch Ein Hoch-Edler Rath bedauret und nicht gern vermisset, da ich, als er itzt im zweiundsiebenzigsten Jahr seines Alters sterben wollte, von ihm an Einen Edlen Rath, Urlaub und Abschied von selbigem zu nehmen, geschicket wurde, nächst, Dank zu sagen, und zugleich zu bitten: daß nach seinem Tode nichts möchte versiegelt und inventieret werden; weil er bereits seine Frau per testamentum zur völligen Besitzerin gemacht, seiner Kinder halb disponieret, und Specifikation hinterlassen. So auch geschehen.
Als durch welches mein Angeben der seeligen Mutter viel geraten, wir in Ruhe bei der Nahrung erhalten und viele Unkosten und Mühe ersparen konnten; obgleich vieler Verdruß angeschienen, indem drei Brüder, zwei Schwester-Männer und Bruders-Kinder, und zwei Parteien vorhanden; sind dennoch ohne einigen Prozeß und verdrüßliche Weitläuftigkeit auseinander gesetzet worden; und, die Soldaten geheiratet, haben nichts ausrichten können.
Die Mutter seelige, Maria Magdalena, geborene Nitzsche, war eine Seilers-Tochter vom Neumarkte. Ihr Vater hieß Martin Nitzsche; sonst ein reicher Mann, wann er nicht all das Seinige (wegen Mißtrauen zu der dritten
Frau, welche ihn als seine Magd zu heiraten, listig bestrickt; hernach aber, da sie ins Gut gekommen, wenig Gutes gethan. NB. Wie es denn zu gehen pfleget!) in die Erde vergraben, und ehe nichts sagen wollen, ohnerachtet alles Bittens, bis ihm die Sprache drüber verfallen und er also gestorben.
Was dieselbe Nacht für ein Ungeheuer und Poltern im Hause gewesen, ist nicht zu beschreiben. Es hat kein Mensch im Haus mehr bleiben wollen, bis der seelige Vater einen Schatzgräber kommen lassen, welcher die Wünschelrute im ganzen Haus hat umbgeführet, aber allemal, wann sie in’n Garten kommen, unter einem Apfelbaum mit Gewalt niedergeschlagen. Da denn unter selbigem Baum in der Nacht zwischen elf und zwölf Uhr sie angefangen zu graben, was geschicht? Ein greulich Gespenst, in des Vergrabers Gestalt, stellet sich gleich da hin, siehet zu und lehnet sich auf das Gegatter. Darüber die alle, mit sambt meinem seeligen Vater, erschrocken und stillschweigend über Hals und Kopf, mit sambt dem Schatzgräber, davongelaufen und sich in die Stube verriegelt, nicht wissend, was nun anzufangen. Die andere Nacht gehet es gleich so. Da denn der Schatzgräber auf eine gewisse Konjunktion wartet und wieder anfanget. Befinden aber, daß der Schatz wohl sechs Ellen weitergerücket. Worauf der Schatzgräber vorgegeben: daß der Schatz bereits besessen, und müßte er ins Gebürge reisen und eine gewisse Wurzel dazu holen. Er soll aber noch wiederkommen! Und ist zu vermuten, daß derselbige ein heimlich Verständnis mit der Stiefmutter gehabt, oder des Nachtes über die niedrigen Wände gestiegen und das Geld geholet. Summa: es war weg, und alles stille. – Darum hüte sich jeder vor dergleichen Stricken und Bannerei, dabei der heiligste Name GOttes gemißbrauchet wird, so dann nichtes übrig bleibet, als ein böses Gewissen, wie viel Exempel bezeigen.
Nachdem aber der seeligen Mutter, nach des Vaters Tode, bei ihrem hohen Alter von siebenzig Jahren zu schwer gefallen, die Haushaltung, Handel und Nahrung fortzutreiben, hat sie mir befohlen: mich nach einem guten Gesellen umbzusehen, der mit Gelegenheit die ledige Tochter im Hause heiratete, und also die Handlung und Handwerk in gutem Zustande fortgetrieben würde; hat auch zugleich benennet: daß einer in Sietsch, bei Landsberg, bei seinem Bruder Pohlen, gelobet würde.
Des andern Tages drauf habe ich ein Pferd genommen und habe diesen Pohlen gefunden. Als ich ihn gefraget: ob er einen Bruder hätte, der ein Seilergeselle, und wo er wär? hat er mit: ja, und daß er etwa im Stall oder Scheune wär, geantwortet und ihn gerufen.
Als derselbe barfuß, wie es aufm Dorf gehet, kam, haben sie mich in die Stube geführet, worauf ich meine Wort angebracht und ihm gesaget: weil dabei Handlung, daß er Schreibens und Lesens erfahren sein müßte. Er aber auf alles: „ Ja, ja! “geantwortet. Da er doch solches nicht gekonnt, sondern erst lernen müssen. – Und muß man hieraus sonderlich GOttes Providenz sehen, und wann einen Menschen das Glück sucht!
Kurz, er kam rein und wußte sich so wohl in die Mutter als an die Tochter zu schicken, daß im halben Jahr Hochzeit in meinem Haus gemachet wurde. Und ich mir bei solcher Hochzeit, weil ich tranchieren mußte, einen Truthahn auf der Gabel, und ein wenig Wein im Kopf hatte, den linken Daumen halb glatt abhiebe, daß er in dem Braten liegen blieb. Und ohne Zweifel vor ein Stück Truthahn mitgefressen wurde, weil ich ohnvermerkt gleich ein Serviett umb den Finger und Hand gewunden, wiewohl mit großem Schmerz, und wohl vierzehen Tage zu kuren hatte, ehe ein Stück ordentlich wieder angeheilet. Da hieß es recht: „ Arzt, hilf dir selbst! “
Nun, als die Hochzeit vorbei und Herr Pohle sich in festen und sichern Standt gesetzet sahe, da kehrete sich das Blatt, und war er nicht mehr Joseph, sondern Herr im Haus, und mußte alles nach seinem Willen gehen, wie es pfleget so zu gehen! Daher denn nichts als Klagen von der Mutter und endlich von der Schwester an mich gebracht. Da war nichts als weinen und lamentieren, welches wohl auch nicht anderst sein konnte; denn vorhero hatte Mutter und Tochter nach eigen Gefallen, nun aber nach dem Mann zu leben. Dahero ich manche Bekümmernis in meinem Herzen empfunden. Steuern, Wehren, Zureden und Vermahnen an der Mutter, Tochter und Mann half weniger, als nichtes, und wollte jedes recht haben. Ich hatte mich deswegen an meiner Mutter durch allzu hartes Zureden sehr versündiget, da ich freilich wegen ihres hohen Alters (da sie meist wunderlich und eigensinnig werden) billig sollte Geduld mit ihr haben? wie sie denn, da wir eigensinnige, schreiigte Kinder waren, uns nicht gleich wegwerfen, sondern auch viel Geduld und schlaflose Nächte haben müssen. Nur war bei diesen Zänkereien zu bedauren, daß durch Ärgernis, Gram und schrecken der Frau zwei oder drei Kinder sturben.
Endlich verkaufte die Mutter Herrn Pohlen das Haus und Werkzeug, so er vorher in Pacht hatte; bezahlete die Erben, vermutlich mit unserm eigenen Gelde, indem die seelige Frau aus der Nahrung wohl mochte was Rechtes gesammlet haben. Da ward es ganz stille. Die seelige Mutter teilete das Geld, Mobilien und alles, gab sich zur Ruhe, bekam einen schmerzhaften Schaden an der Brust, welcher, wie wohl ich an ihr allen Fleiß thate, dennoch nicht zu dämpfen, sondern nur der Schmerz einigermaßen zu lindern. Daran sie endlich starb im zweiundachtzigsten Jahr ihres Alters.
Nun komme ich an meine Auferziehung zu gedenken. – Und war ich unter sieben Kindern der dritte Sohn; hatte aber von Jugend auf gleich das Malheur, da alle meine Brüder und übrigen Kinder schwarz und rauhe Haut und Köpfe hatten, ich hingegen schlosweiße Haar und Haut hatt’; dahero mein seeliger Vater immer sagte: ich wäre nicht sein Kind, derohalb mich auch nicht achtete. (NB. Bis ich ins zwanzigste und vierundzwanzigste Jahr kam, da sich die Ähnlichkeit accurat und beßer, als bei den andern, befunden!) Gnug, ich mußte das in meiner Jugend wohl entgelten. Ich war der verachtete und wurde von den andern übel bezunamet und aus einem Winkel in’n andern gestoßen. Wenn die Mutter mich nicht geliebet und mir den Rücken gehalten, wär es mir noch übeler ergangen. Und ist der wunderbaren Güte GOttes zu danken, daß ich in mancherlei Gefahr und Schlägen bin erhalten worden.
Einsmals, da beide, Vater und Mutter, des Nachts zur Hochzeit gewesen, und alles mitgelaufen, nur ich allein zu Hause, und zwar bei verlöschetem Licht, gelassen, habe ich durch heftiges Weinen und Schreien endlich die Stubenthüre gefunden; bin im Haus hin - und hergekrochen und endlich auf dem Boden, hinter einer alten Feuermaure, schlafend mich befunden. Wie leicht hätt ich in einen Brunnen, derer zwei mit alten Brettern im Hause zugedeckt, oder in’n Keller fallen können! Was aber vor Not und Lamentieren gewesen, als die Eltern mich fast die halbe Nacht gesucht und nicht finden können, ist nicht zu sagen. – Und sollten billig Eltern auf ihre Kinder beßer achthaben!
Ganzer vierzehen Tage habe ich blind an’n Pocken gelegen, vielmals das hitzige Fieber, aber niemals das kalte gehabt.
Einsmals hatte ein Bauer sein Pferd in unserm Stall, und ich will mit andern Jungen selbiges streichen. Das Pferd schmeißt mit beiden Beinen hinten aus, hat mich in die Höhe, und gegenüber, auf einen kleinen Boden geworfen; davon die Rippen im Leib gebrochen, und ich eine große Krankheit litte.
Sonst ware ich von einem stillen humor; und weil ich überall so verachtet, triebe mich solches zum fleißigen Gebet und vertrauen auf GOtt. Liebte die Einsamkeit; malete und schriebe fleißig, welches von Jugend auf geliebet und von mir selbst gelernet.
Einsmals, an einem Neujahrstage, da ich in Einsamkeit zu GOtt betete: GOtt sollte uns auch ein glückseelig Jahr bescheren, kam mein Bruder, Meister Paul, welcher sehr wild war und mich sehr verführete. Nahm mich unter andere Jungen mit, welche unten auf dem Alten Markt mit den Schlitten fuhren, und einen Zank mit den Hall-Jungen hatten, und sich nicht von dem Platze treiben laßen wollten. Schwenkten wir ihnen mit Gewalt zu, und wurfen ein Hallmägdlein rücklings über den Haufen, welche gleich tot war. Jeder retirierte sich nach Hause, vor Schrecken halbtot. Allein die Scharwache holete uns alle, bis auf der vornehmen Leute Kinder, so dabei waren. Ich wurde mit noch zweien ins Gefängnis geworfen und hart verwahret. Obgleich mein Vater Kaution machen wollte, half es nichts. Ich mußte kümmerlich so lange sitzen, bis das Mädgen durch Dokter und Barbier außer Lebensgefahr gebracht. Inzwischen ließen diese Leute weidlich draufgehen, welches mein Vater alles bezahlen mußte, und neun bis zehen Thaler kostete. Die andern redeten sich mit meinem Bruder los, zum Teil hatten sie kein Vermögen.
Noch das ärgeste war, daß von dem Schreck und Alteration ich in eine hitzige Krankheit fiel, welche sich endlich resolvierete und ein groß apostema unter dem linken Arm auswarf; bei welchem von neuem viel Schmerz und Kosten hatte.
Dieses vermehrete den Verdruß bei Vater und Geschwistern, daß ich auch bei aller Gelegenheit viel Schmach hatte. Jedoch ihnen öfters gesaget: „ Ich bin euer Joseph, ihr werdet einmal alle zu mir kommen und Hülfe bei mir suchen. “so auch hernach wohl eingetroffen ist, wie folget.
Endlich, ich hatte kaum das vierzehente Jahr erreichet, so wollte mich der Vater zum Seiler-Handwerk gebrauchen. War aber schwach und hatte keine Lust dazu, wiewohl ich’s etliche mal versuchte.
Wollte mich der Vater im Haus nicht mehr leiden, sagete einen Abend zu mir mit harten Worten: „ Du mußt fort, erwähle dir heute, was du werden wilt. “– (Umb die Zeit, anno 1680, starb der Administrator allhier, und nahm der Kurfürst von Brandenburg, Friedrich Wilhelm, die Stadt und Land mit Soldaten ein. ) – Da ging die Herzensangst, Trauren, Weinen und Beten die Nacht an! GOtt sollte mir doch anzeigen, was zu erwählen, daß ich Ihm und meinen Nächsten dienen und mein Brot haben könnte!
Siehe; so habe dieselbe ganze Nacht mit Barbiersachen zu thun gehabt und von Medizin geträumet. Als woraus ich geschlossen: es wäre dies der Zweck.
Als nun des morgenden Tages gefraget wird: was ich resolvieret? die Antwort war: ich wollte ein Barbier werden. Sahe mich der Vater stürmisch an, ja, sagte gleich: „ Wer hat dir das in’n Kopf gesetzet? du meinest, weil solche gute, faule Tage haben? wenn’s kein Geld kostete! Wo will ich’s hernehmen? “– Drauf ich ihm gesaget: „ Es würden sich wohl Mittel dazu finden, und sollte er
die hundert Thaler dazu nehmen, welche meine seelige Großmutter mir vermacht, und er so lange selbige genutzt und keine Intresse davon geben dürfen. “– Auf welche Vorstellung der Vater sehr böse gethan; durchaus es nicht gewollt. Durch der Mutter beweglich Zureden aber es geschehen lassen. Mit Herrn Schobern, dem Vetter, auf siebenzig Thaler accordieret, so ich auch ins Erbe conferieren müssen.
Ueber einige Tage mußte ich ausziehen, und zwar allein zum Barbier-Herrn gehen, und es vierzehen Tage versuchen. So mir alles wohlgefiel, indem man gemeiniglich die Versucher karessieret und ihnen allen Willen läßet. So ging’s mir auch. Kurz, ich resolvierete: beständig dabei zu bleiben, es möchte gehen, wie es wolle.
Wurde bei Herrn Georg Schobern anno 1681 (von welchem ich hernach seine Tochter geheiratet) aufgedinget. Anfangs ging es gut, obgleich bei der damaligen wohlfeilen Zeit, – ein Scheffel Korn sieben Groschen galt – schmal gnug, alle morgen mit ein Stücklein eitel Brot abgespeiset, und Kofent oder Wasser trinken mußte; so ich zu Hause nicht gewohnet war.
Mit dem Barbieren ging es anfangs schwer her, maßen ich einsmals einen Bauer ins Kinn geschnitten, und darüber eine Maulschelle bekam, daß ich wohl vier Wochen taub davon gewesen. Der Ochsenziemer hielt auch nicht feste an der Handquehle, bei welcher ich auf einem kleinen Lädchen pflegte zu sitzen. Ich verkettelte selbigen immer auf eine Vorsorge, daß ich entfliehen konnte, ehe er solchen losbekam.
Einsmals, abends, spielete mein Herr mit einem Advokaten Weiseken im Brett, weil ich aber den Tag im Garten Mist gekarret und sehr müde gewesen, setze ich mich auf mein Lädchen und schlafe ein. Darüber mir, salvo honore, ein starker Ton entfähret. Weil ich aber solches gewahr wurde und mich gleich aufs marschieren legte, reißt der Herr nach der Krabatsche. Ich aber zur Thür hinaus und schmeiß die Thür hinter mir stark zu. Und weil es ohndem eine starke Thür, die von selbst zufiel, und er, mit dem Kopf voran, hinter mir drein will, schmeißet ihm die Thür dermaßen vorn Kopf, daß er rücklings zurück in die Stube prallet. Da erhub sich ein Geschrei. Ich aber die Treppen hinauf, zum Kapfloch naus, aufs Dach und hinter die Feuermauer. Da war ihnen bange. Meineten, ich würde den Hals stürzen zum Firste herunter. Mußten mir die besten Wort geben. Allein ich kam dieselbe ganze Nacht nicht herunter, bis die Sache verglichen, und der Herr sich schämen mußte.
Es war auch aus der Weise, daß sie mit mir, als einem Vetter, der siebenzig Thaler und ein Bett Lehrgeld gab, so hart umbgingen.
Ich mußte der Magd alles Wasser und Holz in die Küche tragen, Feuer anmachen, Wasser holen, Holz hacken und was dergleichen. – Doch, es ist alles zerronnen, und nun gehet die Tochter betteln, die damals nicht unsanft niedertreten mußte, und mir manchen Puckel voll Schläge gemacht und viel geärgert. Er aber starb jählings, von einer heißen Blutwurst, indem er kurz vorher gesaget und sich vernehmen lassen: Er wollte seinen Kopf nicht sanft legen, er hätte mich dann aus der Stadt gebracht, ehe ich ein Barbier hier werden wollte, wie künftig folget.
Das Wasserschleppen verdroß mich am allermeisten. Mit zwei Hosen auf die Straße zu gehen! Und hatt schon bis ins dritte Jahr viel vornehme Leute zu bedienen und zu verbinden, wie ich dann würklich, zwei vornehme Jungfern zu verbinden, von ihm geschickt wurde, welche würkliche bubones und Pestbeulen an sich hatten, und andre mehr; so ich aber damals nicht verstand. So halfterte ich mich endlich von dem Wasserholen los, auf die Art: Ich thät, als stolperte ich mit den beiden vollen Wasserhosen und goß’s also über den ganzen Saal und Haus, daß alles schwamm. Da war Not! Und ich durfte von der Zeit an kein Wasser mehr holen.
Inmittelst nahm die Contagion allhie in Halle anno 1682 überhand, daß Tages funfzig, sechszig und mehr jählings dahinsturben. Tages waren die Bürger, vornehme und gering, im Weinkeller in gutem Vertrauen (wie damals war) beisammen, ergötzten sich mit gutem Wein, so nicht teuer, wann sie abends auseinander gingen, war dieser und der schon tot und von den bösen Männern hinausgeschleppet in ein groß Loch, hinten auf dem Gottesacker.
Das war von der damaligen Obrigkeit und Rath zu rühmen: die gute Anstalten, welche waren, die Armen und Verlaßenen zu versorgen mit Essen und Trinken, Predigern, Medicis und Chirurgis, Notarien und Testamentmachern. Und obgleich hie und da die Gassen mit Brettern verschlagen, ringsumb die Stadt mit Soldaten besetzet, daß keiner aus - und einkönnte, waren Märkte an den äußern Wassergraben angeleget, an denen Contre-Eskarpen, und das Geld, ehe es genommen, ins Wasser geworfen und abgewaschen wurde, daß keiner doch Not litte, oder verhungern durfte, war anno 1682.
Ich hatte einen Kamrad in der Lehre, eines Born-Meisters John, dessen Vaters Haus am Schulberge schon rein ausgestorben und äußerlich zugeschlossen war, daß keiner einkommen sollte. Das lüsternde Gemüth der Jugend bracht uns beide dahin, daß, da wir sollten in
die Kirche gehen, wir ins Haus über eine Schlippe und Planke stiegen. Und da finden wir in dem ausgestorbenen Haus: Speck, Butter, Mehl, Tier, Fleisch und alles gnung. So er auch wohl gewußt. Da ging es mit uns an ein Sieden und Braten, denn wir wurden gar knapp erhalten; wir buken so viel Pfannkuchen, Eierfladen etc. und schleppten’s mit heim, daß wir wohl vierzehen Tage davon essen konnten. Und schadete uns, gottlob, nicht das Geringste, und wurde es auch niemand gewahr.
Einsmals wurde ich wieder von bösen Buben, unter der Predigt auf Schrittschuh zu fahren, gelocket; denn sonst durften wir gar nicht aus dem Hause. Ich hatte mein Mäntelchen von Regen-Berkan umb und lief über Eis nach Gimritz, allwa ich hinbestellet war, aber meine Kompagnie nicht sahe. Daher ich weiter ging, übers Eis, und drüber neinfiel, bis über den Hals. Es ging kümmerlich zu, daß ich wieder rauskam. Doch alles pfützen-naß, daß’s im Augenblick, wie ein Harnisch, gefroren. Ich legt es aufs Laufen, umb näher zu kommen über den Rechen. Allein die äußere Wachte hatte acht auf mich, und kriegte mich bald beim Leib. Und weil damals bei Überlaufen Lebensstrafe geleget, wurde ich in ihre Wachtstube gebracht, welches mir zwar eines Teils, wegen der warmen Stube, wohlgefiel, anders Teils mir Angst ausbrach, wann ich hörete, daß ich bald an’n Stab sollte gebracht werden.
Ich sanne der Sache hin und her, konnte aber kein Mittel finden, los zu kommen. Endlich gab ich vor: meine Notdurft zu thun. Es wollte der Unteroffizier nichts hören. Endlich gab er’s zu. Hieß aber zwei Soldaten, mich naus führen, welche sich nichts arges zu mir versahen und indeß ein Pfeifchen Toback anschlugen, derweil ich meine Reise mit dem Mantel so beschönigte; als flohe ich davon, immer nach der Stadt zu. Die Soldaten konnten sich so bald nicht helfen, liefen und schoben die Schweinersfedern mit Geschrei hinter mir her. Allein umbsonst. Ich war weg und davon, da ich gar bald umbs Leben oder in groß Unglück geraten können. – Darum dies die Warnung nach der Lehre Sirachs: daß man nicht bösen Buben folgen, und in die Kirche gehen solle.
Weilen nun die Peste gar sehr überhand nahm und erbärmlich anzusehen, wie die Gassen leer, die Häuser zu, hie und da Zetergeschrei und rasende Leute oben in Thüren und Fenstern, sich itzt herunterstürzen, stunden, auch nichts mehr zu thun war, und kein Mensch arbeitete, noch barbierete, hieß mich mein Herr auch weggehen.
Insonderheit weil meine Eltern bereits aus der Stadt naus, an die Heide in einem Weinberge eine Hütte gebauet, Keller gegraben, sich logieret hatten, auch viel von meines Herrn Kunden, welche ich barbieren mußte, sich hinausbegeben, praktizierte ich mich auch hinaus und bedienete meinen Vater und andere, verdienete etwas und machte den Leuten Arzenei. Insonderheit machte ich eine Pestessenz, welche approbieret, uns und viele Leute, nächst GOtt, erhalten. Denn der Vater jedem einen halben Löffel des morgens gab.
Und ob ich gleich durch vieles Einsammlen des Giftes die Pest würklich auf diese Art bekam: daß, da ich und mein Bruder, der Mutter einen Karpen in Cröllwitz zu holen, geschickt wurden, daselbst aber keinen Menschen im Dorfe befunden, oben bei dem Damm aber ein Lager von Kranken und miserabeln Kindern und Leuten antrafen, endlich bei ziemlichem Winde übers Wasser fuhren und Karpen bekamen; zugleich ich auch von Schröcken und Entsetzen die Pest mit nach Hause brachte.
Sahe mir solches mein Vater gleich an, weil ich heftig Kopfwehe, ganz erblasset und krank war. Er gab mir gleich einen Löffel voll von meiner gemachten Pestessenz ein; brachte mich in der Stille auf den Boden, und schloß zu, daß kein Mensch zu mir sollte, umb zu sehen, wie es werden würde. Darauf ich angefangen zu rasen. Weil ich aber nirgends hinkonnte, auch die Kräfte nicht hatte, so hat die Stärke der Arznei auf eine Blutstürzung getrieben, daß das Blut zu Maul und Nasen heftig geflossen; ich mich im Blute herum - und auf dem Boden gewälzet; endlich vermattet, in tiefen Schlaf gefallen. War zwei Tage. In welcher Zeit der Vater oft nachgesehen, ob ich noch lebete. Da er nun vermerket, daß ich erwachet, verständig geredet und zu essen gefordert, hat er mir eine Suppen von fetter Rindfleischbrühe gebracht. Habe ich mich nach und nach wieder erholet. – Sonst hat von uns niemand etwas hernach angestoßen.
Wir brachten indeß unsere Zeit zu mit Beten, Singen und Lesen, divertierten uns mit Spazieren in’n Weinbergen und anderm bis die Contagion aufhörete, da wir wieder heim, und ich zu meinem Herrn ging, und vollends auslernete. Da es noch einige Schwierigkeit gab, indem selbiger wollte, daß ich die Zeit nachlernen sollte, weil ich nicht bei ihm gewesen. Allein es wurde ihm nicht statuieret. Doch mußte ich solchergestalt drei und ein halbes Jahr lernen und stehen, auch viel nachbezahlen, das ich nicht verschuldet.
Endlich wurde ich losgesprochen. Und das war drei oder vier Wochen nach Michel 1684 und gegen den Winter, da alle conditiones besetzet waren. Doch es half nichts, ich mußte fort.
Man ließ mir ein neu Kleid machen von Tuch, die Elle funfzehen oder sechszehen Groschen. Bekam sechs Hembden und Halstücher. Item zehen Thaler Reisegeld.
Ich bekam zwar eine Rekommendation nach Eisenberg, wollte aber, weil es ein kleiner Ort und nicht viel Verdienst, solches nicht annehmen, sondern dingete mich auf eine Kutsche auf Berlin. Da denn die Mutter weinete und öfters sagete: „ Du lieber Sohn, wie wird dir’s nun gehen, du reisest dahin und kennest niemand nicht. “– Da ich sie denn getröstet: „ Ja, Mutter, der GOtt, der so viel tausend Menschen in der Frembde erhält, wird vor mich auch sorgen. “– Der Vater solches hörende, sagte: „ wann du den Glauben hast, so reise mit Frieden. “
Des andern Tages, umb elf Uhr, so zog ich in GOttes Namen aus, und ging der Vater mit mir bis in die Hausthüre mit diesem Spruch: „ Dein lebelang habe GOtt vor Augen und im Herzen und hüte dich, daß du in keine Sünde willigest noch wider GOttes Gebot thust, so wird dir’s wohl gehen. “– Die seelige Mutter und Schwestern aber gingen mit mir bis an’n „ Grünen Hof “. Unter vielem Weinen nahmen sie auch Abschied und gingen nach Haus, ich aber in die weite Welt.
Aber, ach leider, wir waren kaum den halben Weg, so war meines Vaters Vermahnung vergessen und wär durch ein böses Weibesstück, das mit auf der Kutsche war, verführet worden! Wir kamen in ein Wirtshaus mitten im Walde, der Schmerberg genannt, des Nachtes zu bleiben. Da war weder zu beißen, noch zu brocken; kein Brot, sauer Bier, kein Stroh; daß wir also bei den Pferden auf’m Miste liegen mußten. Und da legte sich dieses freche Weibesbild zu mir mit vielen Karessen; ohne Zweifel, mich umb das bischen Geld zu bringen, so ich bei mir hatte; welches auch gewiß geschehen, wann ich meine Ficken nicht so wohl aus Vorsorge verwahret; wie sie denn würklich mich schon befühlet hatte. Ich konnte auf den schönen Betten, auch wegen Gestankes, nicht schlafen, stund auf, mit vielem Zurückdenken, und trat in das Thor, welches hinten und vorne offen stund. Ehe ich’s mich im Finstern versahe, kombt ein groß Thier (so ohnfehlbar von den großen Huhu, oder Eulen, muß gewesen sein) geflogen, mit solcher Gewalt, daß ich vor Schreck über’n Haufen, fast in eine Ohnmacht fiel. Denn ich nicht anderst meinete: es wäre der leibhafte Teufel. Und GOtt ließe es zu, daß ich mich wieder aufrappte, wie wohl erschröcklich timide und niedergeschlagen, erblasset und krank. Das lose Weibesstück macht’ sich immer wieder an mich. Aber ich konnte sie nicht mehr ansehen, solche Reu hatte ich.
Endlich kamen wir zu Berlin an; und ich hatte nun die größte Bekümmernis, wie ich unterkommen wollte. Denn ich war noch sehr blöde und hatte das Herze nicht, anzusprechen. Ich mag mit Wahrheit sagen, daß ich das Barbiers-Haus, in welches Thür ich zwei schon alte Gesellen stehen sahe, wohl zehenmal bin vorbeigangen, ehe ich ansprach und nach dem Oberältesten, bei welchem man sich pfleget einzuschreiben, fragete. Endlich wagte ich’s. Und da war der Herr selbst mit dazugekommen, welcher selbst durch seinen Jungen mich ließ bei dem Oberältesten, seinen Schwager Danckquart, hinbringen, mich einzuschreiben. Er sagte aber dem Jungen etwas ins Ohr, daß ich sollte zu ihm geleget werden, so auch geschahe, weil bei diesem Herrn Schubart ein Geselle gerne wegreisen wollte, und außer Zeit kein frembd Gesell da war.
Ich hielt dies gleich für ein gut Omen, Kondition zu bekommen. So auch geschahe. Denn, als mich der Herr probieret, und ich ihn selbst barbieren mußte, bot er mir Kondition an, weil sein Gesell wegreisete. Ich nahm dies mit Dank an. Jedoch war das salarium schlecht, wöchentlich sechs Groschen, weil es hieß: wann ich mich beßerte, sollte ich mehr bekommen.
Ich war froh und dankte GOtt, war fleißig und behäglich, blieb zu Hause. Insonderheit hatt’ ich deswegen Gunst von der Frauen, weil ich ihr zur Hand ging und Ehre erzeigete, welches sie gerne; und sie den Mann reich gemacht hatte.
Und siehe, da war Zank und Hader zwischen ihnen; also tötlich, daß auch einsmals der Mann im Zorn mit einem großen Messer auf die Frau losfiel und ihr ohnfähr einen tötlichen Stich in die Brust gegeben hätte, wo ich nicht dazwischen gesprungen und ihn daran verhindert hätte. Die Verbitterung wurd darauf noch größer und zur Klage gesuchter Ehescheidung. Ich mußte selbst zeugen darüber. Allein es wurde nichts draus, als daß sie sich einander das Herz abfraßen und ihr schön Geld dem Richter und Advokaten zuwendeten. Durch welchen Zustand der Mann je länger, je lieder - und verdrüßlicher geworden und in die ärgsten Spiel - und Bordellhäuser aus Verdruß liefe: Welches die Frau, weil sie fleißig drauf spionierte, alles erfuhr und sie noch mehr zum Eifer reizte. Da ging es an ein neu Zanken und Vorwerfen. Denn rappte sich der Mann zusammen und lief wieder fort. Ihre alte, fromme Mutter hatt’ das größte Herzeleid und Betrübnis. Ich aber beider Gunst, welche mir endlich wohl zustatten kam, indem mir ein sonderlich Unglück wieder aufs neue zugestossen.
Ich hatte viel Kunden an diesem weitläuftigen Ort zu bedienen und mußte mich wohl tummlen, wenn ich wollte fertig werden. Deswegen, die Zeit zu gewinnen, ich Winterszeit aus der Lappstrasse in die Fischergasse übers Eis, ein Liedlein singende, ging, in guten
Gedanken. Hatten die Fischer, mitten auf der Spree, eine große Wune, zum Fischen, gehauen, welche selbige Nacht wiedrum etwas zugefroren und beschneiet war, also daß ich’s nicht sehen konnte. Ehe ich’s mir versahe, lag ich darinnen, bis über Hals und Kopf. Der starke Zug nach den Mühlen hätte mich schier ertränket und ersauft, wann nicht mein Berkaner Mantel Wind gefasset und mich oben erhalten. Unter der großen Arbeit, wieder heraus zu kommen, war nichts als: JEsus, JEsus, ach JEsus, mein GOtt, hilf mir! mein Gedanke. Endlich war ein Stück Bauholz mit eingefroren. Daran half ich mir wieder raus. Da war kein Mensch, der es gesehen oder mir helfen können. Da stund ich erfroren, beharnischt. Ach, aber das schlimbste: das silberne Becken, die silberne Flasche mit samt dem Scheerbeutel und silberbeschlagenem Messer war weg; über hundert Thaler wert, was nun zu machen?
Ich lief teils aus Kälte, teils aus großer Angst vollends über, in die Fischergasse zu dem Fischer, den ich barbieren wollte. Es war der Hoffischer Schütz, ein recht braver, wackerer Mann, welcher mich herzlich bedaurete, mir seinen Pelz zum wärmen, aber wenig Trost zu den verlorenen Sachen gab.
Er beordert drei Fischergesellen, welchen ich einen Thaler versprach. Die suchten mit langen Stangen und vorgesatzten Hamen. Und war’n Glück, daß die Flasche noch voll Wasser und also gleich gesunken war; welche sie zum ersten durch den Hamen rausbrachten. Mit dem Becken und Sack ging es länger her; denn er vom Strom fortgetrieben war; doch brachten sie ihn auch raus.
Wer war froher als ich, der durch GOttes Gnade und Wunderhand Leben und Gut errettet sahe? Ich dankte den Leuten, und der Fischmeister zahlet’ gleich den Thaler vor mich.
Indeß, weil sich die Sache verweilet, hatte ein Kunde über den andern geschickt, weil sie alle ihre gewisse Stunden hatten.
Darum der Herr sehr auf mich zornig war und fluchte. Als ich ihm aber klagte, wie mir es gegangen, bekam ich statt Mitleiden Strafwort: ob ich nicht darum Brücken und Stege hätte, warum mich dieser und jener über das Eis geführet? Summa: da war schlechter Trost; ich es nur auf Bitten und gute Wort legen mußte.
Kaum hatte ich vierzehen Tagen das Meine treulich verricht, so bekam ich aus diesem Schrecken und Alteration das hitzige Fieber, und so heftig, daß ich auch gleich die erstere Nacht anfangen zu rasen, und das so fort. Da hat mir die Frau, sonderlich ihre alte, ehrliche Altmärkerin, die Mutter, (welcher ich auch nachgehends die Augen noch zugedrücket bei ihrem schweren, doch seeligen Ende) viel Gutes gethan, daß sie fleißig nach mir gesehen, einen Doktor gehalten und Suppen gemacht.
Bei dieser wohlseeligen Frau habe ich oftmals meine Gedanken und Vernunft zusammengefaßt und nicht begreifen mögen, warum die sonst fromme, gottesfürchtige und ehrliebende Matrone so ein gar schwer Ende genommen, indem solche ganzer acht Tage mit ach und wehe, ja gar an ihrer Seeligkeit zweifelnde, so schwer gestorben, doch endlich mit reichem Trost, kurz vor ihrem Ende beschüttet. – Wie gleichfalls dem seeligen Herrn Magister Nicolai bei hiesiger Moritz-Kirche in meiner Gegenwart auch wiederfahren.
Allein, Vernunft schweige und stehe still! Denn, HErr, wie gar unbegreiflich seind Deine Wege und unerforschlich Deine Gericht. Ist dieser Zeit Leiden nicht wert der Herrlichkeit? Und müssen wir durch viel Trübsal ins Reich GOttes eingehen, ei, so ist’s der Mühe wert, daß wir hie noch eine kleine Zeit leiden, die Liverei des HErrn Jesu anziehen und unserm Heiland ähnlich werden müssen! – Darum wundere hich nicht meine Seele, daß oft die allerruchlosesten, bösen Menschen so sanft, und wie ein Lamm, ohne Schmerz, ohne Pein, wie man gemeiniglich dahie von solchen Leuten saget, abscheiden.
Gewiß, wann es recht zugehet, so ist der Tod als die Sündenstrafe und Auflösung des Leibes von der Seele, als zweien so fest verbundenen Freunden, insgemein allen Menschen grausam, bitter und schwer. Wie mir dann unter vielen hunderten, die ich sterben gesehen, nur zwei erinnerlich, die da bei ihrem Sterben so freudig waren und so inniglich frohlocketen, als wann sie itzt mit der Schönsten zur Hochzeit und Tanz gehen sollten. Aber, das sind rara exempla.
Aber wiedrum zu mir selbst zu kommen, so währete meine Krankheit bis in die vierte Woche. Bei sothanem Verzug mich der Herr nicht im Hause behalten wollte. Und mußte ich bei meiner seeligen Frau Muhme, welche eine Trabanten-Frau war, kriechen. Die Medikamenten vor mich bekam sie aus der Hof-Apothek. Wie denn der höchstseelige Kurfürst Friedrich Wilhelm dergleichen schöne Veranstaltungen gemacht; freie Doctores und Chirurgi gehalten wurden.
Nach vielen erlittenen Umbständen lernete ich wieder essen und etwas kriechen an der Wand. Mein Herr Schubart kam auch und besahe, ob ich bald wieder Dienste thun könnte. Denn er mich wohl vermisset.
Sobald ich nur ein bischen fortkonnte, mußte ich wieder zu ihm in Diensten. Da wollte es anfangs schwer hergehen, und mußte mich oft an die Wände halten, so meine Kunden jammerte; daher sie mir viel Gutes erwiesen, bis ich wiedrum erstarcket und zu völliger Gesundheit durch GOttes Gnade kam.
Ich dienete bei dem Herrn übers Jahr, ohne daß er an die Verbesserung meines Lohns gedachte; daher ich eine mir zugeschickte Rekommendation nach der Festung Spandau annahm. Es war wohl meinem Herrn nicht gelegen; doch blieb er mit der Frau mein Freund; wie Folge zeiget.
In Spandau kam ich bei zwei alte Leute. Der Herr war etliche siebenzig Jahr. Und hatten einen einzigen Sohn in der Frembde und zur See. Und weil ich in meinen Lehrjahren fleißig in Büchern studieret, auch von allen collectanea geschrieben, auch bei meinem vorigen Herrn in Berlin, was ich nicht können, als in Aderlaß und anderen Handgriffen unterwiesen worden, daher schon prästanda thun konnte, überließ mir mein alter Herr alles zu dirigieren. Bekam auch in kurzem mehr Kunden und zu thun. Daher ich wie ein Kind und van allen Leuten selbiges Ortes, sonderlich von den Jungfrauen, lieb und wert gehalten war, daß fast keine Hochzeit, Lustbarkeit und Gastgebot, wo ich nicht dabei war; so gar, daß auch der Jungfrauen etliche sich umb mich, in meiner Abwesenheit, gezanket und geschlagen hatten, weil einige übel, die andern wohl von mir räsonnieret.
Es könnte auch sein, daß sie es getroffen; denn ich ward durch die allzugroße Bekanntschaft fast liederlich und ward zu sehr verführet.
Insonderheit liebte ich die Musik, wie ich denn selbst oft den Jungfern auf meiner Guitarre, oder der Violin, pflegte vorzuspielen. Dadurch wurden die Kunstpfeifer-Gesellen meine gute Kamraden und Duz-Brüder. Also, daß ich oft des Nachts bei ihnen aufm Thurm bliebe und Wache hielte. Statt daß mein Herr vermeinete: ich läge in seinem Hause und Bette, vagierete ich mit denselbigen auf der Gasse oder sonst in guter Gesellschaft; darüber es auch manches mal harte Schläge gab und nicht ohne Gefahr des Lebens zuging.
Einsmals, als ich bei hellem Mondschein zu Hause gehen wollte und bei des Stadtrichters Haus, welcher drei erwachsene und eine Priesters-Tochter vom Lande bei sich hatte, vorbeigehen mußte, lagen diese Nymphen noch im Fenster im Unterstockwerk. Welche, sobald sie mich erkenneten, riefen sie mich an und hielten Gespräch mit mir, welches so lange währete, bis sie mich nötigten, bei ihnen zu kommen. Als sie aber die Thür aufmachen wollten, hatte der sorgfältige Vater die Töchter und Jungfrauen verwahret, und die Thür fest zugeschlossen. Dennoch fanden sie Gelegenheit, mich diese Nacht zu beherbergen, massen sie mir ein Bettuch und Handquehle herunter ließen, welche ich mußte umb den Leib binden. Kurz, sie zogen mich alle vier hinauf zu sich, und ich half auch etwas.
Was das vor ein Lachen und Kurzweil gab, ist nicht zu sagen. Bald legte ich mich in dies, bald in jenes Bette; das denn ohne Lachen, Geschrei und Getös nicht zuginge. Welches der alte Herr Stadtrichter gehöret. Daher er mit brennendem Wachsstock und Klimpern der Schlüssel daherkombt. Die Mädgen, in tausend Angst, wissen nichts zu thun, als mich tief bei sich ins Bett zu verbergen. Mir war gleichwohl auch bei der Sache nicht wohl zu Muthe. Und hätte gar leicht aus der Kurzweil was Arges werden können!
Nun, der Vater kombt mit dem Hauptschlüssel hereingetreten, suchet umb und fraget: „ Was habt ihr denn vor, daß ihr so lärmet, wen habt ihr bei euch? “ Die Jungfern Töchter wußten dies mit sonderer Manier anzudrehen, daß der gute Vater wiederum seinen Weg ging. Wer war froher, als ich?
Machte mich derhalb auf die Fahrt, wo ich rein kommen war, auch wieder naus zu seglen.
Wann ich gleich oftermals der guten Intention war,
mich von solcher Gelegenheit loszumachen, aber – ich konnte nicht. Denn sie mir keine Ruhe ließen und des Abends mich ausholeten und anklopften. Darüber meine alte Hausfrau sehr schalt; auch der alte Herr mich oft selbst mitnahm.
Es war ein Apotheker daselbst, der bat mich bei meinem Herrn los auf zwei Tage, mit ihm zu reisen; ohne daß ich erfahren können, wohin. Die Kutsche kam vor die Thür, und wir fuhren den ganzen Tag, bis es finster wurde, durch die Wälder. Endlich gelangten wir in dem Wald in ein schön Lustschloß.
Da wurden wir aufs herrlichste empfangen von Frauenzimmern und wohl bei der Tafel traktieret. Zudem erhub sich hinter dem Schirm eine köstliche Lauten-Musik mit Singen. Nach Tische aber ging es zum Tanz. Ich wußte nicht, mit wem ich’s zu thun hatte. Endlich setzte ich mich bei eine, welche sich am freundlichsten gegen mich stellete, und erfuhr von ihr: daß die eine ihrer Befreundinnen des Apothekers Liebste wäre, sie aber mit mir in Spandau bekannt worden und mich gerne mit dabei sehen wollen. Ich bedankete mich vor die sonderbare Ehre, aber es war mir nicht umbs Herz. Denn ich wäre lieber davongewesen, wohl sehend, daß es lauter Fangeisen und Netz waren. Doch mußte mir’s so gefallen lassen, und im besten Rausch von Wein mich lassen zu Bett bringen. Da ich denn allein in ein Zimmer, und jener auch allein, in die kurfürstlichen Betten logieret wurden, was selbige Nacht ferner passieret, kann ich nicht sagen; denn ich etwas trunken gewesen, und die Ehrbarkeit es nicht zuläßt.
Des Morgens hatte ich meinen Aufwecker und glühenden Wein mit dem besten Konfekt ec. Des Vormittages erlustigten wir uns mit Jagen und Hetzen bis Mittag, da die Mahlzeit noch herrlicher war. Endlich wieder Musik und Tanz bis gegen Abend. Da trieb ich mit Gewalt zum abreisen, welches sie sehr wunderte, und uns lieber länger dabehalten. – Die Freude war aus, und wir fuhren selbigen Abend wiedrum heim.
Ich erfuhr sodann das ganze Absehen, wie es lauter Fallen gewesen. Darum ein junger Mensch sich wohl vor dem Frauenvolk zu hüten und in acht zu nehmen hat, daß er nicht bestricket wird, welches ich auch darum beschreibe zur Warnung.
Ich war in meiner Kondition sieben Vierteljahr mit mehr dergleichen Aventüren, so ich nicht erzählen will, beschäftigt; jedoch sehr glücklich im Kurieren, und wurde öfters, als ein junger Mensch, zu Kranken geholet, wann niemand helfen konnte.
Sonderlich fiel damals die ungerische Haupt-Krankheit ein, da die Herrn Doctores die Aderlaß’ verordneten und dann Wein und Trinken verboten. Ich aber ließ keinen zur Ader, ließ ein Gläschen guten Wein trinken, brauchte confortantia und alexipharmaca. Meine Patienten wurden besser. Die andern starben weg. – Daher ich auch einsmals bei eine honette Jungfer, sie in ihrer Krankheit zu bedienen, geholet wurde, welche, wann sie sterben sollte, mir ein gut Stück Geld vermachen, blieb sie aber leben, mich gnung beschenken wollte; versprach sie. Aber sie blieb leben und beschenkte mich gut.
Nach Verfließung der Zeit wurde ich als Feldscher, mit nach Ungern zu gehen, angenommen bei der Artillerie unterm Herrn Obrist Weilern, dessen Herr Vater, Generalmajor Weiler, selbiger Zeit Kommandant auf der Veste Spandau war und alles zu regulieren hatte. Denn es wurden vom höchstseeligen Kurfürst Friedrich Wilhelm zum Türkenkriege zwölftausend Mann anno 1686 an Infanterie, Kavallerie und Artillerie gesandt, ohne Volontärs und Troß.
Ich mußte mich dabei zum Felde rüsten mit einem Pferd und Medikamenten, als wozu mir gegeben worden [fehlt nähere Angabe].
Deswegen reisete ich nach Berlin mit dem Pferd gegen Abend und kehrete des Nachts bei meiner Muhme Schwester ein, welche auf der Dorothee-Stadt in einem Brauhaus, wie sie da haben, alleine mit einer Magd wohnete. Sie ließ mir was zu essen machen und machte mir ein Bett in der Stube, zwischen dem Ofen und die Stubenthür. Sie schlief auch mit der Magd in der großen Stube.
Als ich mich gegen elf Uhr zu Bette geleget, und sie auch eingeschlafen waren, hörete ich ein grausam Tornieren im Haus, welches meine Furcht vermehrete, weil im Stall, da ich das Pferd abgesattelt und gefüttert, es bei dem Heu langen gegrauset, alle Haar ihm zu Berge gestanden, und das Pferd übelgethan, gebrauset und weder fressen noch saufen wollen. Das Gepolter im Haus währete ziemlich lange, bis endlich etwas zur Treppen herunterkam, über das Haus, im Hof zu plumpen anfing. Ich wußte, daß sonst kein Mensch im Hause war. Deswegen die Furcht und Angst sich mehrete. Aus dem Hof kam es rein in die Küche. Und war, als wie es einheizte; maßen ich das Geraschel im Ofen hörete. Ich schwitzte vor Angst und wußte nicht, was ich machen sollte. Die Licht waren inzwischen ausgegangen. – Ich rufte und schrie, sie zu wecken. Aber nichts. Endlich kam es aus der Küche, ging die Stubenthüre vorbei und nach der Hausthür, welche aufging und wieder stark zugeschlagen wurde. Ich hörete, daß es an der Stubenthür grappelte, als könnte es den Drücker nicht finden. Sogleich machte es die Stubenthür auf, so stark, daß die Thür an mein Bett prallete.
Hier war nicht länger zu liegen möglich. Und hatte ich vorher gebetet, was ich mußte, so thate ich Flüche, welche ich sonst nicht gethan. Damit sprang ich aus dem Bette und schlug die Thür mit Gewalt wieder zu. Ging bei die Frau Muhme, kriegete sie beim Arm und weckte sie endlich auf, welche sagte: „ Was ist denn, was ist denn? “– „ Ach, Frau Muhme, ich weiß nicht, ob der Teufel oder seine Großmutter im Hause ist. Ich kann nicht bleiben! “– Und wem sollte nicht Angst sein, wenn zu Mitternacht, ohne Licht, das Gespenste so die Thüre aufprellet und über ihm schnaubet, wie ein Ochse, wenn es auch gleich der beherzteste Mensch von der Welt wäre?
Allein die Frau Muhme seelig mußte schon die Sache wissen, weil sie sagte: „ Je, Herr Vetter, sei er doch stille, es wird ihm nichts thun. “– Ich sagte: „ Ei, das ist mir ungelegen, ich könnte den Tod von’n Schrecken haben. “
Die Magd schlief immer fort. Ich kriegete sie bei einem Bein, zog so lange, bis sie aufgewachet und zwei Licht angezündet hatte. Unter währendem Anzünden des Lichtes fuhr ein schwartzer Nebel in der Stube hin und her. Weiter haben wir nichts gesehen.
Ich habe hernach der Sache nachgedacht, daß es omina und Vorspiel meines ungerischen bevorstehenden Feldzuges gewesen. Und hätte mich vor selbigem warnen lassen sollen, wie ich in Spandau gethan, als ich einsmals mit den Kunstpiepern (so da Wache halten mußten) auf dem Thurm geschlafen, mein’n Rock, Degen und Stock an die Wand gehenket; als sie des Morgens in der Kirche zu läuten anfingen, fing auch mein Rock, Stock und Degen, wie auch das Bette, an, sich heftig zu bewegen, daß ich vermeinet: der Thurm fiel den Augenblick ein. Da rappte ich meine Sachen in der Geschwindigkeit zusammen und lief nackend herunter!
Warum flohe ich auch nicht vor diesem gefährlichen Marsche, da es mir so übel und erbärmlich ging? Doch es sollte so sein. GOtt wollte mich auch dies erfahren lassen, daß ich erzählen sollte, was der HErr an meiner Seelen gethan.
Kurz darauf gingen wir im Beisein des Kurfürstens in Berlin durch die Mustrung. Als es aber an mich kam und der General (der brav und unerhöret fluchen konnte, dessen Stamm und Kinder alle ausgerottet und vergangen, wie die Spreu vom Winde, sind) mich sahe, und es eben sehr regnete, da meine sonst schöne und aufgekrauseten Haar wie die Rattenschwänze umb dem Kopfe hingen, und ich ganz erfroren und miserabel aussahe, hat der General mit harter Stimme mich bald davongejaget; sagte: „ Welcher Teufel hat dich hergebracht? Du, du wirst keine große Thaten thun, weg mit dir! “– Da mich denn der Medicus und Regiments - Chirurgus, welche mich examinieret hatten, vertraten und sprachen: „ Ihro Excellenz, ob er gleich jung ist, er wird wohl bestehen. “– Drauf mußte ich fortrücken, und mein Nam wurde eingeschrieben, und bekamen wir Geld.
Der Marsch ging über Frankfurt und Krossen. Bis dahin der Kurfürst uns (weil er zwar ein großer Liebhaber der Soldaten, aber doch in seiner Ordnung war) begleitete. Die Zelt wurden aufgeschlagen und ein formales Lager drei Tage gehalten. Das Bier und Wasser in dem Städtchen wurde vom Viehe und so viel Menschen ganz ausgesoffen, daß nichts mehr zu bekommen war, und wir von weitem es holen mußten. Endlich wurde zum Marsch geblasen und die Stücke zum Abschied alle gelöset.
Der wohlseelige Kurfürst, als ein liebreicher, tapferer Held, nahm vor der Fronte von uns allen Abschied, zwar mit Thränen, und sagte: „ Nun ziehet hin, ihr
Kinder, in GOttes Namen! Ich werde euch nicht alle wiedersehen! “– So auch wohl eingetroffen. Maßen von zwölftausend Mann, ohne Weiber, Kinder, Knechte und freie Leute nicht dreitausend wiederkamen.
Ich war damals ganz verdurst’t, als die Stücke anfänglich gelöset worden. Hatte auf dem Pferd ein klein Lägel Bier zu trinken vorm Kopf. Mein Pferd war das Schießen nicht gewohnet und ging mit mir durch, wie ein Holländer. Da war kein Haltens. Weil im Trinken den Zügel fallen lassen, so hatte es seinen freien Lauf. Das Lägel flohe mir umb den Kopf herum, weil ich solches nicht fallen lassen wollen. Und konnte ich mich kaum auf der Mähre erhalten, weil ich mit den Sporn auch zu nahe kommen war. Dies gab zwar bei allen ein groß Gelächter. Ich kam aber drüber umb mein Bier.
Der Marsch ging vorder etwas durch Polen, da die Bauern alle entlaufen waren; etwa einen Stummen oder Blinden oder alte Frau im Dorfe gelassen; das Ihrige in die Erde, in große Löcher mit Stroh ausgesetzet, und sonst verstecket hatten; deren wir etliche, und darinnen viel Vorrat, befunden; daß wir schlachteten und aßen, was wir funden. Da ging die Not schon an.
Doch besserhin trafen wir in einigen Dörfern die Leute in schlechtem Zustand an. Anstatt der Fenster in der Stube war Rindesblase für; der Backofen in der Stube; Kühe und Kalb, Schweine und Hund, Wirt und Frau lag da alles untereinander; vor Rauch in der Stube konnte man sich nicht aufrichten; Branntwein und, salvo honore, Läuse war’n gnug; und trunk man den Branntwein aus Baßgläsern; wann sich der Bauer vollgesoffen hatte, kroch er in den Backofen. Summa: die Leute lebeten wie das Viehe.
Durch die Schleßingen über Breslau ging es besser nach Troppau zu. Ich lag eine Meil von Breslau zwei Tage in einem großen Dorf bei einem reichen Ochsenhändler im Quartier, welches unser Fourier vor sich und mich ausgemacht. Die Leute hatten kein Kind, sondern eine Schwesters-Tochter, ein fein Mägdlein. Und traktierten uns über allmaßen wohl mit Wildbret, ungrischen Wein und Konfekt. Und waren sehr liebreich mit mir, sonderlich die Jungfer, mit welcher ich spielete. Und glaube: wann ich länger dageblieben, ich hätte geheiratet; weil es die Alten wohl zufrieden waren und mir eine Barbierstube in Preßel (Breslau) erkauft hätten, wie es bereits geredet worden.
Doch es mußte geschieden sein. Und wäre es bald so traurig zugegangen, als bei dem erstern Abmarsch aus Berlin, da ein gewiß Frauenzimmer, eines Predigers Tochter, so nachgehends einen vornehmen Bürger in Spandau geheiratet hat, mir ihr ganz Vermögen an goldenen Ketten, Perlen und Ringen zum Valet auf die Reise in der Hand anbote, mit Thränen bittend: ich sollte es ihrentwegen annehmen und mir dafür gutes thun. – O Thorheit von dem Frauenvolk über alle Thorheit! Es konnte ihr doch dafür nichtes werden, maßen ich dahin ging, und so ich ja wiederkäme, sie nicht heiraten konnte. Welches ich ihr oft gesaget. „ O behüte GOtt, sagte ich, wie sollte ich eine Waise berauben, nehme sie ihre Sache, behalte sie und reise heim! “– Sie aber weinete. So sollte ich dach nur das grünseidenausgenähete Serviett zu ihrem Andenken mitnehmen. So ich endlich annehmen wollte. Aber unser Regiments-Bäcker riß mir’s weg und schalt mich, daß ich das Gold nicht annahm. – Diese Person war diejenige, so mit bei der Lust auf dem kurfürstlichen Waldschloß gewesen. Und reisete wider meinen Willen bis Frankfurt. So groß waren ihre Affekten, daß sie sich nachgehends umb meinetwillen in einem Born ertränken wollen.
Nun wieder auf den Marsch zu kommen. Ging es fort durch Mähren über die Alpen und Jablunka, welches ein festes Blockhaus, und man hat über zwei Meiln Morast, darüber Blockdamm, auf beiden Seiten Holz und Morast; ist sehr unsicher zu reisen.
Und habe ich dabei im Gebürge viel von Rübezahl hören sagen, und eine Nacht an demselbigen gelegen. Es ist nicht ohne, daß etwas daran sein muß, daß ein verbanneter Waldgeist oder der Teufel sein Spiel hat. Denn ich selbst mit meinen Ohren gehöret, da wir im Haus des Nachts aufm Stroh gelegen, daß zu Mitternacht ein erschröcklich Geräusch und Getane, von Pferden, Hunden und Jagen vor dem Hause etliche mal vorbeigegangen. Es sagten die Leute, dies war alle Nacht und ihnen nichts neues. Erzähleten auch sonst viele Dinge von dem Rübezahl, wie er die Leute vexiere und über die, so ihm spotteten, Gewitter machen könnte etc. So ich an seinen Ort stelle, ob’s wahr ist.
Als wir hinter Trentschin kamen, wurde ich krank. Und weil wir keine Wagen mehr bekamen, band man mich also krank auf mein Pferd mit Binden. Und das ging nun so da fort bis nachts, da wir entweder ins Quartier kamen, oder im freien Feld liegen mußten.
In den Quartieren hatte ich meine Not mit den herumschweifenden Pfaffen und Katholiken, welche mich durchaus vor meinem Ende bekehren wollten, welches, wie sie sagten, mir gewiß. Denn der Tod mir aus den Augen sähe, und ich es nicht lange mehr machen würde. Alsdenn würde ich hier als ein Viehe auf dem Anger begraben. Ich sollte mich zur rechten, wahren Kirche noch wenden! So wollten sie mich hie in Verpflegung behalten. Und, so ich wieder gesund, wollten sie mich auf ihre Kosten nachschicken, wie ich denn auch hörete, daß ich dableiben sollte. Allein, ich bate himmelhoch, man sollte mich nicht dalassen. GOtt möchte es mit mir nach seinem Willen schicken. Und obwohl ich mit denen Paters, wegen großer Schwachheit, nicht viel reden, sondern ihnen lallend weidliche Kappen und abschlägige Antwort gab, blieben sie doch nicht von mir, so oft ich an einen andern Ort kam.
Mußte also etliche dreißig bis vierzig Meiln mich fortschleppen lassen, da meine Kamraden mir mit nichts als frischen Äpfeln speiseten, und ins Maul steckten, und mit Wasser tränkten, bis mir der barmherzige GOtt wiedrum nach und nach stärckete und Kräfte gab, meine Dienste zu thun.
Viele von uns mußten über dieser Krankheit ins Gras beißen und bekamen Ungern nicht zu sehen.
Wie ich denn noch dazu das Malheur hatte, da wir bei Kremnitz, Schemnitz u. s. w., und wo die Dörfer und Städte mit Festung bedeckt waren, einigemal Wagen bekamen, und ich (noch was matt und Reißen im Leibe) mich auf dem Wagen krümmende saß, vorne bei der Deichsel, und wir fuhren eben durch ein Wasser bis an die Naben, da sprang der Nagel, und der Vorderwagen hub sich los; da lag ich wieder mit dem Kopf im Wasser, weil ich jählingen, mit andern, vom Wagen stürzte. Es half nichts, bis wir wieder auf dem Wagen sitzend uns an der Sonne trocknen können.
Unter Gran gingen wir über eine Schiffbrücke, unter Donnern der Kanonen von der hohen Festung. Da gab es wieder guten Wein und Meth.
Sonst haben wir wohl hernach dreißig und mehr Meiln marschieret, kein Dorf oder Stadt angetroffen, oft aber Horden, da Familien in der Erde, wie wilde Leute, wohneten, welche sich vom Jagen und Fischen, wie die Tartern, erhalten; roh und geschunden, ersturbnes Fleisch essen; wie die Zigeuner auch thun. Deren wir etliche tausend unter Leopoldstadt in einem Wall verschanzet angetroffen, so dem Kaiser vor Sold wider den Türken, bald auch dem Türken dienen. Sie lassen sich aber von niemand kommandieren, sondern führen ihr eigen Kommando. Wie sie denn eigene General, Obristen und Gerichte halten und keinen Eingriff leiden. Haben ihre eigenen Priester, lassen sich taufen, wann sie erwachsen, und zwar in denen Flüssen, da sie dreimal niedergetauchet werden. Ihre Trauung ist ebenfalls sonderlich, maßen Vater und Mutter, oder die nächsten Freunde, die Braut dem Bräutigam zuführen, wann sie vorher in einem Fluß ganz nackend gebadet und mit Zweigen oder Blumen bestreuet und beschenket ist. Sie halten unter sich ein streng Gericht und fackeln nicht lange, den Kopf herunter zu hauen, oder totzuschießen, wie ich denn selbst gesehen, daß sie einsmals unter sich uneins worden, Feuer in ihrer Schanze angezündet und bei großem Zetergeschrei einander totgemacht, daß die Köpfe und Körper zu ihrem Wall heruntergekollert. Denn unser Lager stunde dicht dabei. Sobald ein Pferd von uns sturbe, welches gar oft geschahe, maßen wir gar keines behielten, tranchiereten sie es gleich und machten sich lustig dabei.
Sonsten lag zur selbigen Zeit das sonst schöne Ungern gar wüste. Und war, wie oben gedacht, über dreißig und mehr Meiln kein Stadt noch Dorf, und manneshoch Gras, daß wir uns oft den Weg öffenen mußten, von denen verstöreten Städten und Dörfern lief das Land voller wilden Hunde, welche Menschen und Vieh, gleich denen Wölfen, anpackten, ja die toten Körper aus der Erde auf den Walstätten und sonsten kratzeten. wie ich eben durch solche in große Lebensgefahr gekommen; wie bald soll erzählet werden.
Waitzen, das schöne Städtlein, lag ganz zerstöret und verbrannt; die Menschen weggeführet. Neuhäusel war nun erst wieder erobert; aber noch nicht reparieret.
Hier mußte ich mit den Kranken und dem Pulvermagazin auf die Donau flößen, welche von beiden Seiten der Donau immer von Türken chargieret wurden. Allein wegen der Breite und wegen des schnellen Fluß’ sie uns nichts thun können; wie wohl wir manches mal aufm Sand sitzen blieben. Auf dem Donaustrom giebet es einen großen Strudel, der alles, was ihm zu nahe kombt, Schiff und Menschen, verschlinget; dafür wir uns zu hüten pflegten.
Als wir nun näher, unter bereits von Kaiserlichen und Bayern belagerte Veste Ofen, als auf welches der Donaustrom geradezu zwischen Pest lauft, da wurde aus der Stadt stark Feuer mit Stücken auf die Flotten gemacht. Es traf uns aber keine Kugel; und war entweder zu kurz oder zu lang. Doch mußten unser Leut arbeiten aus Macht, daß wir rechter Hand an das Kaiserliche Lager ans Land kamen. Unser Lager uns nahe bei den Kaiserlichen auf einer Höhe angewiesen und ausgelastet wurde.
Hier war ich alleine, hatte kein Geld und kein’n Proviant. Unsere Armee stunde jenseit der Donau. Deswegen ich mich resolvierete: über die Schiffbrücke bei Pest zu ihnen zu gehen. Ich hatte mir aber nicht eingebildet, daß es über eine Meil war.
Da geschahe es, daß ein solcher Tropp Hunde, welches wohl zweihundert waren, von den Bergen auf mich mit großer Furie gelaufen kamen. Darüber ich in große Angst kam. Mich aber bald auf meines seeligen Vaters List, wodurch er sich ehemals vor den Wölfen beschützet, besanne. Den Rock auszog, um mich gürtete, den Hut ins Maul nahm und also auf die Hunde zukroch. Die Hunde stutzten anfangs, fingen an zu bellen und liefen wieder zurück, den Berg hinauf. Wer war froher, als ich, daß mich GOtt errettet hatte von dieser Gefahr?
Gewiß, es war eine große Unbesonnenheit, daß ich mich alleine solcher Gefahr exponieret, weil die Türken da stark streifeten. Ich kam aber aus dieser in eine neue Not. Denn, ob ich wohl unser Lager stehen sahe, konnte ich doch nicht zu ihnen, wegen des Morastes und der Teiche, kommen. So ermüdet war ich, daß ich mich gerade gegenüber an einem Berg lagerte.
Siehe, da hub sich das Lager auf und, wie gebräuchlich, zum Schreck der Türken, ward vollkommene Salve aus Stücken und Mosketen, wie selbige noch damals geführet wurden, gegeben. Da regnete es von Kugeln umb mich, daß ich nicht wußte, wo aus noch ein. Doch ich mußte aushalten. Und traf mich, gottlob, keine. Denn es war alles in die Höhe gehalten.
Endlich kam das Volk über eine Furt, welche ich nicht finden können, herüber und ich fände mich bei meine Offizierer. That Rapport van meinen Kranken, kriegte Geld und ging mit ins Lager.
Des andern Tages mußten unsere Leute in die Approchen, Batterien zu machen. Ich mußte mit, zwar eben zu der Zeit, da die Kaiserlichen und Bayern eine Attack gethan und die Wasserstadt eingenommen.
Mein GOtt, was war da vor ein Geschrei und
Lamentieren von den Blessierten von allerhand Nationen. Etlichen waren die Arme, Beine weg, etlichen die Köpfe entzwei, die untern Kinn weg, daß die Zunge da hing. Wann sie so mir, auf den Zeltstangen entgegen getragen wurden und schrieen erbärmlich: „ Ach, mach mich tot! Stecht mich tot ec. “, da dacht ich: Daß GOtt erbarme, gehet’s hier so zu? wärest du davongeblieben, wie dich dein Vater gewarnet hat.
Manch größerer würde schrecken und grauen, als ich in die Approchen hineinkam. Da gingen die Kugeln und pfiffen umb und neben mir, da sahe ich, wie hie und da einer nach dem andern umbfiel und schrie. Da hieß es: „ Feldscher! “von dem und dem,, „ raus verbinde! und solltu auch drüber totgeschossen werden! “ Wie es denn etlichen begegnet.
Unsere eine Batterie von sechszehen halben und dreiviertel Kartaunen wurde in einer Nacht fertig und nur sechszehen Personen dabei totgeschossen und blessieret. – Und da mußte ich auch bleiben. Setzte mich auf ein’n Rasen hinterm Schanzkorb. Es aber ein Konstabel, mein Landesmann, sahe, führete mich da weg und in das Pulvermagazin, so als ein Keller in die Erde gegraben, mit Bohlen und Rasen, stark abhängend, bedecket, damit, wann Bomben fielen, sie hinterwärts abkolleren und keinen Schaden thun können. Er sagte: auf dem Rasen, da ich erst saß, wäre keine Stunde zuvor General Schöneckens [Schöning] Kammerdiener mit einem Falkonett totgeschossen worden. – Alleine bei dem Pulver schiene es mir viel gefährlicher. Denn, wenn ungefähr Feuer in solches kombt, gehet alles drauf. Derowegen ich auch da nicht pernoktierete, sondern mich auf eine große Lafette setzte. Und obgleich diese großen Geschütz oftmals des Tages, Nachtes aber die Morsel und Bomben gelöset wurden, konnte ich doch vor Müdigkeit dabei schlafen.
Noch eine Batterie von zwölf Kanonen wurde auch gleich fertig und besatzt. Und obgleich die Türken oftermals ausfielen und auf unsere Batterieen mit großem Geschrei kamen, wurden sie doch von unserer Reserve und Bedeckern tapfer zurückgeschlagen und mit den scharfen Sensen an Stangen und Gewehr dergestalt empfangen, daß ihrer wenig den Rückweg fanden.
Außer einmal, da es die ganze Nacht regnete und unsere Leute mit der Lunte auf die Mosketen nicht konnten zum Feuer kommen, wurden zweihundert Mann gleich nieder - und die Köpfe runtergehauen. Unter welchen auch war der tapfere Obristleutnant Löschbrandt und viele bekannte Offizier. Kamen auch so weit über die Pallisaden und Graben gesprungen, daß sie uns etliche Stück vernagelten; so aber bald wieder ausgebohret.
Und dieser Verlust scharf von uns gerächet wurde, daß sich die Türken vor den Brandenburgern, als dem Teufel, forchten. Wurden also der Kaiserlichen Spottrede, so sie anfangs, als wir ankamen, hatten, nämlich: „ Siehe, da kommen die geputzten brandenburger Dreßel-Puppen her, was werden sie doch vor Thaten thun? “ec. ledig.
Denn als wir auf der andern Seite, ins freie Feld, die dritte Batterie aufgeführet, worauf zwei Schmiedeessen, und die Kugeln alle glühend in die Stücke geladen und gleich in die Stadt geschossen wurden, ohne Unterlaß, ging hie und da, wo die glühenden Kugeln waren angekommen, Feuer auf. So aber von den Türken, welches ein stark, untersatztes, arbeitsames Volk ist, bald gedämpfet. Wann sie die Kugeln haschen gewollt und sich die Hände verbrannt, sagten sie: „ Das war brandenburger Kugel. “ Sie schickten sie uns aber redlich zu unserm Schaden wieder raus und schossen so heftig auf diese unsere Feldbatterie, daß sich nichtes sehen lassen dürfen. Wie denn einst auch ein vornehmer Marquis, so wider alle Warnung nicht das Blendeisen, da man pflegt durchzusehen, zum Rekognoszieren gebrauchen wollte, sondern, seine Courage sehen zu lassen, frei über die Schanze sahe, augenblicklich durch den Kopf geschossen dalag.
Ich saß abermals da, in einem tiefgegrabenen Loch, mit Bohlen und Rasen vor den Bomben bedeckt, auf der Seite an der Thür, da fast alle Augenblick die Falkonett-Kugeln zur Thür herein, bei mir vorbei, in die Wand pflitzten. Bomben trafen gleichfalls unser Bollwerk, walzeten aber herunter, ehe sie schlugen.
Anfanges wußte ich nicht, was das zu bedeuten, wann die Schildwachten: „ Feuer, Feuer! “ruften. Jedermann lief ein wenig auf die Seite und fiel gleich auf die Erde. Allein ich blieb stehen, bis ich es auch gewahr wurde, worum es geschah. Denn die Bombe, wann sie fällt, wühlet erst ein Loch in die Erde, so lange der Zünder brennt; hernach thut sie ihren Effekt und schmeißet die äußern Stücke mit solcher Gewalt umb sich, etwas in die Höhe, mit grausamem Brummen und Pfeifen, daß alles, was sie so antrifft, zerschmettert wird. – Es ist eine Lust’s zu sehen in der Nacht, da es gemeiniglich gespielet wird. Sie steigen, wie ein Raket, oftmals so hoch, daß man das Feuer davon nicht mehr siehet; und dann fallen sie jählingen mit Singen und Pfeifen zu ihrem bestimmten Ort in die Stadt, oder sonst, da sich öfters nach dem Effekt ein jämmerlich Geheul und Geschrei erhoben.
Als eins zu Mittage, etwa ein oder zwei Uhr, der spanische Ingenieur einen Feuerballen von seinem hohen Berge, drauf er seinen Kessel hatte, in die Stadt spielete, und so glücklich das ganze türkische Magazin traf, daß im Augenblick mit erschröcklichem Krachen selbiges
aufging, sind etliche dreißig Ellen Mauer übern Haufen und in die Luft mit mehr als fünfhundert Menschen geflogen. Und die ganze Luft war verfinstert. Mit Steinen und Erde Menschen umbherflohen. Ich hatte eben an der Wasserstadt-Mauer, an welcher lange, starke Bohlen zur Sicherheit angelehnet waren, die Wache. Meinete nicht anders: Himmel und Erde ging’ unter. Ich retirierte mich mit andern unter die Bohlen. Und konnte keiner in halber Stunde vor Staub, Dreck, Steinen und Dampf sehen, auch nicht erfahren, was es eigentlich gewesen; obwohl das unerhörete Zetergeschrei der Türken in der Stadt solches einigermaßen anzeigete.
Da war es Zeit zu stürmen. Und hätten sie damals die Festung im Augenblick bekommen können, da wir hernach noch sechs Wochen dafür lagen, viel Volk verloren, und die Leute zuschanden gemacht worden. Allein die General konnten mit dem Herzog von Lothringen, welcher en chef kommandierete, nicht einig werden.
Dannenher die Türken sich bald wieder rekolligierten. Nacht und Tag wiedrum befestigten und heftigen Widerstand thaten. Maßen sie uns fünfmal im Sturm, nach Legung der Bresche, zurückgetrieben und abgeschlagen. Obwohl unsere Generalität gütige Aufforderung und Pardon thate, nach Kriegesgebrauch, wurden sie nur verbitterter. Hielten uns vor Hunde, welche die Festung nur anbelleten. Machten mit denen vielen Franzosen, so darinnen waren, immer neue Anstalten und Kriegesliste, mit Schwefel, Pulver und Stanksäcken insonderheit; so auch die Weiber mit Gabeln unter unsere stürmende Soldaten warfen, daß sie ganz verbrenneten und sich zu funfzigen und hunderten, ganz nackend, schwarz und verbrennt, aus Angst in die daran fließende Donau gestürzet.
Viel Mienen hatten sie auch gemacht. Wie noch mehr verborgene in der Stadt hernach mit sambt Kirchen und Gebäuden aufgingen. Wann unsere Leut vermeineten, einen okkupierten Platz zu bestehen, flohen sie unversehns in die Luft. Wie das erbärmlich anzusehen, da etliche gar verschüttet und verfallen, etliche mit einem Arm oder Bein, bei etlichen nur die Haare rausguckten!
Und muß ich dies an unsern Brandenburgern sonders rühmen, daß, da die andern in denen Stürmen und Attacken bereitest repussieret, die brandenburgischen Soldaten dennoch oben, auf der Bresche zwischen den Mauren gestanden, mit den Hüten gewinket und geschrieen: „ Avancieret, avancieret wieder, Brüder! “
Es ist nicht ohne, daß bei solcher Courage mancher tapferer Soldat und Offizier ins Gras beißen müssen; wie den beiden Gebrüderen, Herrn Grafen von Dohna, von uns ergangen; da einer des andern Tod zu rächen, auch totgeschossen wurde. Welches alles ich vom Berge mit meinen Augen gesehen.
Mittlerweile wurde ich abermals krank und bekam die rote Ruhr, so heftig, daß jedermann, ich selbst, meinete: ich müßte an dieser schmerzhaften Krankheit sterben. Ich lag im Zelt mit alten Lumpen und Säcken bedecket. Keine Arznei wollte helfen. Konnte gar nichts essen, obwohl sonst Schmal-Hans unter vielen regierete.
Ich hatte aber aus Vorsorge auf das Künftige von allerhand Viktualien, welche wir auf dem Marsch überflüssig hatten und die von den andern weggeworfen wurden, fleißig in unserm Rüstkarrn – da die Feldkiste in geführet wurde NB. – fleißig aufgehoben und den Vorrat bisher gar nicht angegriffen. Es wollte mir aber kein Essen zu Leibe. (Es kame mir aber hernach zustatten, als die Not größer ward.)
Nun, ich lag so da in meinem Zelt und erwartet mein
seelig Ende. War sehr matt und schwach; ganz verlassen und hatte keinen, der mir ein’n Trunk Wasser, so ich teuer bezahlen mußte, holete. Da ging ohngefähr ein Musketier vorbei, der hatte ein hölzern Spießchen mit sauren Gurken. Ich rufte und schrie: „ Freund, geb’ mir auch was, ich will’s bezahlen! “– Allein er wollte nicht; sagte: „ Wollt ihr was haben, holet’s im kaiserlichen Lager an der Donau. “
Ich raffte mich zusammen; alle Kräfte bot ich auf; so großen Appetit zu den Gurken hatte ich. Mehr kriechend, als gehende, kam ich zu den Marketendern an der Donau, welche ganze Faß voll hatten. Ließ mir erst vor fünf Ungrisch bald einen Hut voll geben, welchen ich mit solcher Begierde aufaße, daß ich noch vor zwei Ungrisch forderte. Da ward es mir gar kalt im Leibe.
Und ich machte mich wieder auf die Heimreise nach dem Lager, gänzlich vermeinend, es würde nun mein Letztes sein. Kam ins Zelt. Da war einer von meinen Kamraden, welcher mich fragte: wo ich gewesen, indem er vermeinet, mich nicht wieder zu finden. Ich sagete ihm, was geschehen. „ Nun, sagte er, das ist der Nagel zur Sterbekiste, mache dich nun fertig. “
Ich legte mich und bat ihn, mich zuzudecken. So er auch that, so gut er konnte. Denn er war gewiß noch ein treuer Freund, so mich vorhin durch Äpfel erhalten, in dem Marsch. Ich ihm aber seinen durchschossenen Arm kurieret hatte. So bald ich mich geleget, bin ich in Schlaf verfallen. Da er gemeinet, ich war tot. Und habe sechs bis acht Stunden geschlafen.
Da war es, als wäre ich neugeboren. Der Schmerz und Durchfall hatte aufgehöret; die Hitze war weg, in summa, ich wurde gesund.
Das laß mir ein NB. sein: was die Natur mit Begier suchet, ist ihre Arznei! – Es hat zwar dies seine Raison; weil die Krankheit sehr hitzig und alle Teile relancierende etc., die eingemachten Gurken aber kühlend und adstringierend. – Doch mag ich dies Rezept nicht in mein Rezeptbuch schreiben, wie jener Doktor: Sauerkraut vor das Fieber!
Wir mußten unser Lager verändern, weil wir sehr weit abgelegen, jedoch der Feind uns mit Stücken erreichen konnte, daß die Kugeln durch unser Lager oft kollerten, und einsmals einem von uns, als er meinete, die Kugel mit dem Fuß aufzuhalten, den Schuhe und ein Stück vom Bein mit wegnahm. Wiewohl, wir in dem andern Lager noch viel näher kamen, daß der Feind in unsere Versammlung, Betstunden und Sonntages-Andachten, welche unter einem aufgezognen Gezelt vor der Trommel oder einem Feldtisch mit größester Andacht gehalten, das Abendmahl ausgespendet und insgesambt Beicht gehöret und absolvieret wurde, mit Stücken schoß, daß Zelt und Stangen (einsmals aber zwei Pferde und keine Menschen) übern Haufen geschossen wurden.
Wir stunden gleich an kaiserlicher Reiterei auf einem hohen Berge mit unserer Artillerie. Mein Zelt fast zuletzt an der Reiterei.
Und hatte ich mein Bette, statt des Stroh, welches wir nicht hatten, von Hecken und Dornen einer halben Elle hoch von der Erde gemacht. Und das war sehr gut; weil die andern, so platt auf der Erde lagen, meist sturben. Das Unterbette waren alte Säcke, - das Oberbette alte Zelt. – Es war doch besser, als wie wir oft unter freiem Himmel liegen mußten, da der Sattel mein Kopfkissen, und das Pferd, das Nachtes zu grasen, ans Bein gebunden; zumal an Bergen ich öfters des Morgens halb mit dem Leib im Wasser gelegen hatte, und doch gut schliefe.
Unser ganzes Lager diesseits der Donau wurde mit einem Tranchéement, halb Pieken tief, umbfasset, weil sich der Feind, zweimalhunderttausend Mann, hie und da auf dem Gebürge sehen ließ, die Stadt zu entsetzen.
Ohngefähr den dritten Tag, da wir unser Lager bezogen und Tranchéen vor uns gemacht und eine Wagenburg umb die Artillerie geschlagen, waren die eingerückten Schweden, deren etliche Regimenter bei den Sachsen stunden, mit ihrem tiefen Graben noch nicht fertig; welches dem Feind verraten war. Deshalb sie des morgens frühe, als es kaum dämmerte, mit ihrer ganzen Armee durch diese Öffnung uns ins Lager gingen.
Ich hörete also zuerst Appell, hernach Lärm von der Reiterei blasen. Ich aus dem Zelt raus und sahe: siehe, da kam die ganze türkische Armee, wie ein Bienenschwarm, immer in der Aue zwischen den Bergen, mit erschröcklichem Geschrei, wie sie pflegen, konfus, ohne Ordnung, außer: ein alter Aga mit bloßem Säbel in der Hand voran, immer durchs Lager durch, was sie antrafen, mußte über die Klinge. Ehe sich unsere Leute resolvieren und setzen konnten, blieb mancher aufm Platz, unversehens.
Als aber von dem Herzog von Lothringen fünf Regimenter, erstlich Kürassier und dann vier Regimenter Infanterie, vor das Loch gestellet und mit Stücken unter die Türken gespielet wurde, von beiden Seiten ganze Lagen und Salven unter sie gegeben, da waren, die noch draußen, im Augenblicke fort, ohne die mit Pferd und Mann gefallen. Man verfolgete den Feind. Die aber drinnen waren, deren wenigstens sechs - bis achttausend, stießen auf die Bayern und Wallonen, welche einen Graben und Brustwehr in Eil aufgeworfen. Da fielen die Türken wie die Fliegen. Und sind nicht mehr als etwa sechshundert in die Stadt, wie wohle alle beschädiget, kommen. Als die übrigen Türken in dem Lager so hart auf die Bayerischen und Wallonen gestoßen, sind sie wieder zurück, und auch in unser Lager gekommen, wollten gern wieder über die Tranchéen naus. War aber unmöglich. Maßen diesseits die aufgeworfene Erde eine große Tiefe machte, daß Mann und Pferd den Hals stürzete und mit den Pieken vollends totgestochen wurde. Da ging es an ein schießen und Metzlen, daß nicht einer davon kam!
Sie waren so verbaset und irre, daß ich selbest gesehen, daß sie dasaßen aufm Pferd, hatten zwar den Säbel in der Hand, doch die Hände übereinander geschlagen, ihre Augen gen Himmel gerichtet, und ließen sich so totschießen, wurde auch keiner bei dem Leben gelassen, sondern alle massakrieret und meist die Haut abgezogen, das Fett ausgebraten und die membra virilia abgeschnitten und große Säcke voll gedörret und aufbehalten. Als woraus die allerkostbareste mumia gemacht wird. Sie wurden auch meistens aufgeschnitten und die Eingeweide durchsuchet, ob etwa, wie ehemals, Dukaten verschlucket gefunden würden.
Es wurde bei der großen Hitze, die Tages in diesem Land ist, (des Nachtes aber sehr kalt, daher die meisten Krankheiten und das Sterben der Deutschen kombt, sonderlich wann sie bloß auf der Erde liegen und die kalten Dämpfe in’n Leib dringen, welche die rote Ruhr mit dem jungen ungrischen Wein erregen) es wurde, sage ich, von der Hitze, von dem Braten und den aufgeschnittenen toten Körpern von Menschen und Pferden so ein Gestank und Gift, maßen alle Gassen im Lager volllagen, daß niemand bleiben konnte. Dahero die ungrischen Bauren und Tolpatschen gezwungen wurden, große Löcher zu graben und die Körper übereinander zu werfen und zuzuscharren.
Ich hätte mein Glück bei diesem Zustand machen können, so ich in meinem Zelte geblieben, bei welchem zwei Bassen (welches vornehme General untern Türken) totgeschossen wurden; welche ich in dem Tumult ganz wohl hätte ins Zelte ziehen und plündern können. Allein das Schröcken war im Anfang groß; weil keiner wußte, wie es ablaufen würde. Daher jedermann sich retirierte. Ich auch in unsere Wagenburg lief. Und da die Türken schwadronenweis auch auf uns stießen, ich weidlich mit gehauenen Kugeln unter selbige schoß. Unser Obrist und Obristleutenant verboten zwar, nicht ehe zu schießen, bis das Weiße im Auge zu sehn. Aber da war kein Haltens und Kommandierens, sondern es brennete los, wer nur kannte. Unser Obrist wollte gar die Stück umbkehren und ins Lager richten; allein er bekam dafür eine starke Reprimande.
Ich mußte hernach ansehen, daß zwei oder drei kaiserliche Reiter (denn wir dicht dabeistunden) die beiden Bassen bei meinem Zelte auszogen und an Goldbörschen und anderm gute Beute machten. Ich kam dazu und wollte auch mit teilnehmen, weil es in unserm Lager und meinem Gezelt. Allein die Kerl gechten mich, als einen jungen Menschen, mit auf die Brust gesetztem Stilett bald davon, sagende: „ Du etc. wir haben die totgeschossen, und du wolltest Beute haben? “
Inzwischen hatten vorgedachte Kürassier-Regimenter, als der General Heißler und Dünewald, als berühmbte Helden, den Feind verfolget und weidlich scharmutzieret.
Als er sich des vierten Tages drauf mit seiner ganzen Armee, hundertfunfzigtausend stark, in Form eines halben Mondes, in Schlachtordnung auf der andern Seite des Lagers, auf einem Berg, sehr vorteilhaft gestellet (indem durchaus vor seinem ganzen Lager eine große jählinge Tiefe und gleichsam Natur-Veste, daß ihm nicht beizukommen; auf welche Höhe sie große und viele Stück
gepflanzet, die weidlich hernach auf uns losgingen), gleich wurden von jedem Regiment durch die ganze Armee fünf Kompagnieen mit sambt Reiterei und Artillerie kommandieret, dem Feind entgegen zu rücken, ins Feld. Gleichfalls Schlachtordnung und das Treffen in drei Linien gestellet. Die Artillerie, unter welcher ich auch war, in die Mitte, bedecket.
Drei Tage lagen wir so gegen einander. Und war lustig anzusehen und zu hören, wie Trompeten, Pauken, Trommeln und Schalmeien untereinander gingen; die Stück und Granaten bisweil donnerten. Die Volontärs und was Courage sehen lassen wollte, forderten einander raus, auf den Platz. Sie mußten aber alle erst bei der Generalität umb Erlaubnis ansuchen, und dann ging es auf einander los. Die Türken braviereten bisweil ein, zwei oder drei mit ihren Pferd und Säbeln; und dann kamen ein, zwei oder drei von unsern, gingen auf solche los mit Pistol und Pallasch; da denn bald dieser, bald jener vom Pferde fiel. Doch muß ich mich verwundern, wie geschwind die Türken mit ihrem Pferd und Säbel waren; ob sie wohl auch Pistolen führen und selbige löseten, so waren sie doch gemeiniglich ungewiß. Hingegen, wann unsere sich verschossen und gefehlet hatten, waren sie, wie der Blitz, mit dem Pferd da, den Kopf runtergezogen, mit dem Säbel solchen von der Erde aufhebend und mit sich zum Triumph nehmende.
Den dritten Tag, etwa umb ein Uhr, ging ihr rechter Flügel auf unsern linken Flügel los, welche am nahesten bei der Stadt waren, welche alles mitsehen konnte; viele Zeichen sie gaben und gerne Succurs oder Entsatz haben wollten. Da ging das Treffen mit erschröcklichem Geschrei an und konnte man vor Dampf und Feuer, wiewohl ich am Berge lag und zusahe, nicht viel sehen. Allein unser linker Flügel wurde mit solcher Forsche angegriffen, daß, wo ihm nicht vom andern Treffen oder Avant-Garde einige Regimenter Kürassierer zugekommen, sie ganz gewiß hätten weichen müssen.
Das Treffen nahm überhand, und fochten beiderseits desperat, daß also die ganzen Armeen fochten. Da war nichts, als Donner, Blitz, Rauch, Geschrei, Trommeln, Lärmen und Trompeten. Die Stücke, mit Kartätschen geladen, spieleten mit Macht darunter und wurden bald hie, bald da hergezogen, nachdem sich der Feind gewendet hatte. Mir ward sehr angst bei der Sache, weil man nicht wußte, wohin das Glück sich wendete.
Nach einer oder fünfviertel Stunden fing der Feind an, zu weichen und suchte die Berge, mit Verlassung einiger Stücke und erschröcklichen Toten, welche zwar unserseites auch nicht fehleten. Und da alles untereinander lag, einige tot, einige halbtot und nur blessieret.
Mein guter Kamrad kam bei mir auf die Walstatt. Funden unter andern einen Tartar mit einem großen Bart; lag auf dem Rücken; streckte alle vier von sich, sein’n Köcher und Pfeil’ bei sich liegend; welcher heftig krunkset’ und stöhnete. Mein Kamrad nahm sein dreieckigt Stilett, so sie damals führeten nach spanischer Manier, stach solches dem alten Tartarn durch die Brust; und weil dieser alte, harte Brustknochen hatte, brach es mitten entzwei. Mein Tage habe ich keinen erbostern Menschen gesehen, als den. Er nahm das Heft mit übrigem und schmiß es mit solcher Gewalt dem Alten vor den Kopf, daß er augenblicklich starb. Ich lachte ihn aber aus: ob er sich an einem schon Toten rächen wollte?
Unsere Armee verfolgete den Feind auf das Gebürge über eine Meil Weges. Da satzten sich die Türken und kam’s wiedrum zu einem harten Treffen.
Indeß blieb die Belagerung stehen. Obwohl der Feind etliche mal in dem Treffen ausgefallen, wurden sie doch tapfer zurückgeklopft von bayerischer Seite, welche die innere Festung und Burg belagert, als an welcher Seite das erste Treffen geschahe. Bei der Gelegenheit und bei dem zurückgeschlagenen Ausfall ein Teil von der bereits gesprengeten Burg einbekommen und Posto mit dreihundert Mann gefasset ward. Die Türken hatten indeß so viel Reis-Holz und Stroh darumgeleget und diese Mannschaft zu Tode geschmauchet, daß sie sich teils selbst herunter und den Hals gestürzet.
Bei dem Zustande, da die Feind geschlagen und wieder ein neu Treffen oben geschehen sein sollte, darin die Unsern victorisieret, ließ ich der Thorheit meiner Jugend abermals unbedachten Lauf, suchte reich zu werden und wäre, wo mich GOtt nicht sonderlich erhalten, bald umb Leib und Leben gekommen.
Ich hatt’ mich nämlich, weil ich Freiheit hatte, auf den Weg gemacht, wo das Treffen vorgegangen; und kam dahin, wo abermals viel Tote und Blessierte von Pferd und Menschen übereinander lagen. Ich hatte einen mit einem grünen Sammet-Pelz mit silbernen Knöppen vor mir, ihn auszuziehen; wie andere thaten. Da er aber anfing, ungerisch zu reden und noch lebete, ließ ich ihn liegen und packete einen andern an, welchen ich vor einen Türken hielte, weil er silberbeschlagene Köcher und Pfeil’, silberbeschlagenen Säbel hatte, so ich nahm, und eben nach der Goldbörse suchte.
Da ward ein Zetergeschrei. Ich sahe mich umb. Da war alles voll Türken und Tartern, welche den Plündernden die Köpfe runtersäbelten, sie auch bei den Haaren übers Pferd wurfen; denn die Türken und Tartern sind starke Leute. Es würde mir gleichso gegangen sein, wenn ich nicht gleich alles von mir geschmissen und es aufs Laufen gelegt. Zu meinem Glück ich einen Damm antraf, auf beiden Seiten mit Bruch und Morast, zu welchem ich hinuntersprang und mich nieder, in’n
Bruch, auf mein Angesicht legte und kuckete, wo es hinaus wollte. Da ging die völlige türkische Armee vorbei, über den Damm, weil sie unsere Leute repussieret und zurückgetrieben hatten.
Da mag jedermann gedenken, wie mir zu Muthe gewesen, alle Augenblick des Todes, oder ewig gefangen zu sein! Da grauete mir vor meiner Thorheit und gedachte: Wärestu diesmal davon, willst dein Tage nicht wieder nach Beute gehen!
Nach einer langen Zeit hörete ich groß Schießen und wie der Deutschen Heerpauken klingen, welche immer näher kamen. Endlich wurde ich gewahr, daß die Türken zurücke und die Unsern hinterher kamen. Da kroch ich wieder hervor, wie ein halbtoter Mensch, resolvierte auch gleich: zurück und nach dem Lager zu gehen, in welchem ich von unserm Obristleutnant übel empfangen wurde.
Der Feind ward wohl vier - oder fünfmal hart geschlagen, ehe sie das Feld gänzlich verlassen und sich über die Esseker Brücke retirieren wollten, so aber noch von den Kaiserlichen verfolget und große Leute gemacht wurde.
Wir mußten wieder in unser erstes Lager und sahen im Vorbeimarschieren, daß bei hellem Tage die Türken ausgefallen und wohl drei - bis vierhundert Weiber, so an der Donau, unten an der Wasserstadt, gewaschen und getreuget, von uns gefangen und, erschröcklich schreiend, in die Stadt geschleppet hatten.
Es ging in die elfte Wochen, daß wir da lagen; und war an keine Übergabe gedacht. Ich hatte selbige Zeit viel zu thun, wenig Ruhe und brachte die Stiefeln nicht Tages als Nachtes von’n Füßen. Dahero ich auch itzo das Zucken und Reißen, wann ander Wetter werden will, herleite.
Ehe sich ein Mensch vermutet, wurden von jedem Regiment und Kampagnieen, so wohl von Infanterie, als Kavallerie, sonderlich Granadierer, gewisse Mannschaften kommandieret, mit Pulver und Blei versehen, kriegeten auch Wein und Branntwein zu trinken. Daraus ich gewiß schloß: es ginge zum Hauptsturm. Welches auch geschahe.
Es war just umb ein Uhr bei hellem Wetter mittages, da die Türken pflegten zu schlafen oder zu essen. Und hatten sich’s am wenigsten versehen, als die Unsern in der größten Stille, ohne einigen Schuß, die Bresche erstiegen. Und es van bayerischer Seite gleichso veranstaltet war.
Ich war auf einem Berge, nicht fern, auf dem Gesicht liegend, und konnte alles eigentlich mit ansehen. So bald die ersten Gewehr losgingen, da wurde Lärmen und ging alles über und über mit Stücken, Granaten und Steinwerfen, Schießen und Hauen; sogar die türkischen Weiber und Kinder, auch die Juden, derer viel darin waren, trugen zu und wehreten sich desperat auf der Bresche; also daß die Toten auf derselbigen über zwei Ellen übereinander lagen. Es half aber nichtes. Sie mußten daran glauben. Sie mochten nun sich wehren und schreien, wie sie wollten, die Stadt war erstiegen.
Da ward das Kind im Mutterleibe nicht geschonet. Alles, was angetroffen ward, mußte sterben. Wie ich denn mit Augen gesehen, als ich auch vom Berge über die Bresche in die Stadt gedrungen, daß Weiber dagelegen und die gelöseten Pistolen noch in der Hand haltend, teils bloße Säbel. So aber nackend ausgezogen, die Leiber mit Partisanen durchstochen, durch die Geburt; die Leiber aufgerissen, daß die noch nicht gebornen Kinder herausgefallen; welches mich am meisten gejammert. Nackete Kinder von ein bis zwei Jahren aufgespießet und an die Mauren geschmissen wurden! – Ich bin erstaunet, was da ist vorgegangen, daß auch Menschen viel grausamer, als Bestien gegen einander sich bezeigeten.
Die zwei Kommandanten, welcher einer blind gewesen, waren totgeschossen; und lag der letzte auf dem Markt an einer Moschee mit vielen Türken, ohne Gewehr, umbgeben, welchen nichts gethan wurde, sondern nur gefangen weggebracht wurden.
Was in der Furie nicht totgemachet, oder von Juden und Christen nicht verstecket, hatte sich auf die Burg retirieret, welche sich noch zwei Tage hielte und tapfer wehrete, bis kapitulieret wurde und sie sich als Kriegegefangene ergeben mußten.
Ich war kaum eine halbe Stunde mit Plündern in der Stadt, da stund sie in Feuer. Ob es von Türken oder Christen angeleget, weiß ich nicht. Aber Schade, über Schade, daß die schöne Stadt und kostbare Beute, so vom ganzen Lande zu verwahren eingelegt, so schändlich verbrennen mußte!
Es ging von dem Feuer eine Miene an, welche die Türken in der Stadt gemacht, mit erschröcklichem Erdbeben, daß vor Staub und Rauch niemand sehen und hören konnte. Es war das Geschrei: der Feind wäre hinten eingebrochen und machte alles nieder! Die Menge der Menschen drängeten aus Schrecken nach der äußern Maure, an welche sie mich auch mit Gewalt hindrangen; einige sprangen über die Mauer und stürzten Hals und Bein. Ich hatte mich mit vieler Beute behängen und wollte aushalten; es möchte mir auch gehen, wie GOtt wolle.
Endlich wurd es wieder stille und wurde gesaget: daß die schönste Kirche, welche die Christen noch erbauet, von den Türken aber zur Moschee gemacht, durch eine Miene aufgeflogen. Ich wollte doch gleichwohl nicht mehr trauen und mich mit meiner Beute davonmachen. Als ich eben einen Keller, wo es oben brannte, vorbeiginge, da eine alte Mutter mit zwei wunderschönen Töchtern auf mich zugekrochen kam; mich nach ihrer Mode umb die Füße fassend, weinende, auf ihre Sprache, welche ich nicht verstund, umb Schutz und ihr Leben baten. Ich sahe sie an. Sie waren schön und langgewachsen, eine von zwölf, die andere etwa von achtzehen Jahren. Als ich ihnen weisete, sie sollten sich an meinen Rock halten, thaten sie das, hinter einander her und mit mir über die Bresche ins Lager gehende.
Ich gedachte lange, was ich mit ihnen machen wollte. Aber diese Sorge war vergebens. Denn sobald ich solche in mein Zelt gebracht, ihnen Essen und Trinken vorgesetzt, so sie aber nicht gewollt, hatte der General Schöneck, der uns kommandierete, davon Nachricht bekommen, daß ich schöne Türkin’n rausgebracht. Ließ mir befehlen: ich sollte solche an ihn gleich schicken, sie zu verwahren. – Das mußte ich thun und war meine schöne Beute los.
Sie wurden mit heraus, mit vielen andern vornehmen Türken und reichen Juden bis nach Berlin gebracht. Allda ich sie wiedrum bei der Garde als Feldscher zu kurieren und zu verbinden hatte. Sie ließen sich hernach taufen und wurden vornehme verheiratet.
Ich ging hernach noch einmal in die Stadt Ofen. Aber es war nichts zu thun, weil alles in Brand war. Und war dieses mein Fehler: daß ich mich, als ein junger Mensch, nicht mit mehrern andern kameradet und allein war. Denn wann ich gleich was kriegete, war mir es zu schwer; oder andere nahmen es mir wieder mit Gewalt. Wie ich denn zwei schöne Ochsen und ein Pferd bekam; im Herausführen sie mir wieder abgenommen wurden von Kaiserlichen, welche wie der Teufel waren und hätten mich drüber totstechen sollen.
Ich kam in ein Haus, da fande ich ein Säckchen voll geschnittener Steine, Karniol; wovon ich noch etliche habe. Item, in einen Keller; und als ich visitierte, stund ein großer, langer Türk hinter der Thür. Er war erschrocken; ich noch mehr; er hätte mich leicht totmachen können: so bat er aber mit Zeichen umb sein Leben. Ich ließ ihn gehen und er lief davon.
Dies war also die konsiderabele Belagerung und Einnahm der Stadt Ofen und was dabei arrivieret, soviel ich mich noch besinnen kann.
Sonst ist noch merkwürdig, daß bei Ofen drei warme Bäder sind. Eines, das Kaiserbad, welches noch herrlich gebauet und nicht ruinieret. Aus einem Zappen oder Hahn kombt kochsiedendheiß Wasser, in welchem man Eier kochen und Hühner abbrühen kann; der andere Zappen aber eiskalt Wasser giebet. Welches den Türken sehr gelegen; maßen sie sich alle Tage baden, reinigen, die Haar an denen pudendis, sowohl Mannes - als Weibespersonen, abscheeren müssen nach ihrem Alkoran. Daher sie in allen Häusern Badestuben oder laufende Wasser haben. Aber keine Glocken leiden. Daher Morgens frühe, Mittages und Abends ein Knabe auf ihren Moscheen ausschreiet: „ Allah, Allah, Allah “; das soll heißen: „ GOtt, Du bist allein GOtt von Ewigkeit. “
Ich muß sagen, daß die Türken in ihrer Religion besser, als teils Christen sein; denn sie fallen tages dreimal auf ihr Angesicht; sonderlich, wo sie Wasser finden, waschen sie sich und beten zu GOtt. Auch darf keiner, der nicht beschnitten, bei Leib und Leben in ihre Moscheen kommen; und müssen sie ihre Schuhe ausziehen,
wann sie neingehen wollen. Sie trinken keinen Wein, sondern Meth und Wasser; und wo je einer Wein heimlich trinket, und es gewahr wird, er öffentlich gepeitschet wird. Der Diebstahl wird hart bestraft. Und mag einer so viel Weiber nehmen, als er ernähren kann; kann er sie aber nicht ernähren und wird geklaget, muß er ihr einen Scheidebrief und Geld geben, sie frei - und loslassen; dargegen hat er über Leib und Leben über sie zu herrschen; sie darf nicht unbedeckt ausgehen und sich sehen lassen.
Wie mir denn von einem Feldscher erzählet – welcher bei dem Gesandten von Holland gewesen, da er einen Türken an einem gefährlichen Schaden kurieret, der Türk aber ihn sehr lieb gewonnen und oft mit nach Hause genommen, aber kein Frauenzimmer je gesehen – daß der Feldscher von dem Türken begehret’: er sollte ihm doch seine Frauens zeigen. Der Türk ihm solches versprochen, mit sich in die Höhe, in ein Gemach oder Stube geführet, da sechs schöne Frauenspersonen mitten in der Stube, die Füße kreuzweis unter sich, auf einem Teppich gesessen; gestickt und genähet haben; sich aber blöde und erschrocken erzeiget.
Darauf der Türke gesaget: „ Komm mit mir, ich will dir mehr zeigen. “ Ihn bei der Hand eine Treppen heruntergeführet und einen verriegelten Laden aufgemacht und heißen, neinsehn. Weil es finster gewesen, habe er nichts sehen, aber wohl was rasseln hören im Stroh, worauf der Türke noch einen Laden aufgemacht und es helle worden. Habe er ein grausames Spektakul gesehen, indem eine ganz nackete Weibesperson, ganz wild die Haar umb sich hängend, an einer Kette, bei einem aufgehangenen, halbabgefressenen Körper gelegen. Darüber er sehr erschrocken, zurückgefahren und gefraget: was das wäre?
Der Türke ihm gesaget: dies wäre auch eine von seinen Frauen, welche mit einem Renegaten (es sind Türken, die erst Christen gewesen), der da hinge, gehuret, welchen er ertappet und totgestochen, dahier gehangen. Diese müßte aber so lange davon fressen, bis sie verhungerte.
Dergleichen Grausamkeiten werden mehr mit den Weibern vorgenommen. Und haben sie sich wohl zu hüten, denn die Türken sehr jaloux sind.
Ferner. Von unserm Zurückmarsch ist zu berichten, daß die deutschen alliirten Armeen, wie schon gemeldt, den flüchtigen Feind bis hinter Essek verfolget (und unterschiedene, harte Scharmützel vorgingen), welcher aber keinen Stand hielte und sich endlich Griechisch-Weißenburg zum Retirade-Platz machte; daß dies Jahr, weil es schon in ultimo Novembris bis Decembris war, nichts mehr zu thun.
Wir gingen also zurück auf die Festung Komorn. Und weil unsere Pferde alle tot waren, kauften unsere General Schönick, Barfus und Marwitz vor unsere Gelder lauter ungrische Ochsen, welche die Artillerie zogen, unter welcher auch viel eroberte türkische Stück und Mörsel waren, unter andern ein kurbrandenburgisches, so vor alten Zeiten verloren gegangen. Sind noch in Berlin zu sehen.
Wir kampireten bei Komorn auf einer Insul unter Zelten drei Wochen zum Equipieren, da es bereits anfing stark zu schneien. Doch waren wir kleines Häuflein so freudig, daß es wieder nach Hause ging, daß öfters des Morgens, wann die lustige Artillerie-Reveille geschlagen wurde, wir vorm Zelt im Schnee tanzeten, ob wir gleich kein Brot und Geld hatten, weil uns die nachstreifenden Partein den Paß abgeschnitten. Und wir in drei bis vier Tagen kein Brod noch Geld kriegeten und großen Hunger leiden mußten. Denn die Ungern gaben uns nichts, und nicht ein’n Trunk Wasser, ohne Geld;
und wann wir hätten sterben sollen! Sie fraßen selber Pferdefleisch Wie ich denn selbsten welches mit Sauerkraut aße, welches, wann ich’s nicht gewußt, mir ganz wohl schmackte, nur daß es sehr rot und schaumig aussahe.
Es sturben von uns hier viel Leute und litten Hunger. Weshalb ich mich auf ein Mittel bedachte, und zu etlichen Konstabeln sagte: sie sollten mitgehen, daß wir was zu essen bekämen. – Sie lachten mich aus: und wäre ein Narre, indem alles verwüst, kein Dorf auf dreißig Meiln oder Stadt anzutreffen! – Ich tröstete sie aber und sagte: sie sollten mir nur folgen und jeder ein’n Sack zu sich nehmen. – So sie endlich thaten.
Ich hatte nämlich, sowohl im Raus - als Reinmarsche in der Einöde (allwo das Gras manneshoch gewesen und viel Männer und Soldatenweiber, mit sambt ihren Kindern aufm Buckel, von der penetranten Hitze vermattet und verschmachtet auf den Kopf, unterm Marschieren, dahingestürzet und tot gewesen) wahrgenommen, daß viel fischreiche Teiche so ausgetreuget, daß man die häufigen Fische in die Höhe springen sehen. Wir gingen ohngefähr anderthalb Meiln vom Lager und fanden solche. Da zog ich meine Kleider aus und das Hembde, bande den Hals und Ärmel zu, welches die andern auch thaten, und also strichen wir mit dem weiten Teil des Hembdes den Teich durch und bekamen so viel Fische, daß wir in drei Säcken gnung zu tragen hatten.
Als ich aus dem Teich kam, war ich ganz schwarz von Blutigeln. Die andern aber nicht. Ich wußte nicht, was ich thun sollte? wann ich sie abriß, liessen sie die Köpfe stecken. Denn ich wußte damals die Kunst nicht: wenn man ihn’n ein wenig Salz, Asche oder heiße Erde aufstreuet, sie gleich gehen lassen. Doch vermeinete: wann sie in ein ander Wasser kämen, sie wegfallen würden. Welches zwar geschehen. Allein ich hätte schier das Leben darüber verloren, indem ich ohn’ Fähre in die daran fließende Donau gesprungen, welche mich durch ihren schnellen Lauf und Wirbeln vom Ufer dergestalt risse, daß durch alle Macht und Schwimmen ich kaum selbiges wieder erlangen konnte. Ich kam endlich raus und dankte GOtt, der mich abermals erhalten.
Wir trugen unsere Fische nach dem Lager, machten sie rein, kerbeten solche und bestreueten sie scharf mit Salz. Fingen in unsern Küchlöchern, welche wir groß und tief vor unserm Zelt gegraben, an zu braten, auf grünen Weidestecken. Da das die andern im Lager rochen, kam alles herzugelaufen, auch unsere Offizierer. Denn der Hunger that wehe! Wir gaben davon, wem wir wollten, etliche verkauften wir und kauften uns ein wenig Brot und Wein, so wir aber nicht viel durften trinken, weil er jung war und die Ruhr kausierete. Das war eine köstliche Mahlzeit im Hunger! – Daher mir auch diese Konstabeln so gut waren und mir von allem gaben.
Wie sie denn einsmals acht gehabt, daß der Kühe - und Ochsenhirte des Morgens solche aus - und Nachts wieder über die Schiffbrücke in die Festung treibet. Sie in den hohen Bruch oder das Gras gehen, ohne daß es der Hirte außen von’n Bergen sehen kann, einem Ochsen ein Seil über die Hörner werfen und im Bruche anpfähleten. Wie des Abends die andern Ochsen auf des Hirten Blasen raus - und nach ihrer Gewohnheit in die Festung gegangen, und die Brücken aufgezogen waren (der Hirt aber vermeinet, daß er seine Ochsen all hätte), machen sich diese in’n Bruch, schlagen den Ochsen vorn Kopf, ziehen das Fell ab, welches sie mit den Eingeweiden begraben - und das Fleisch, in Stück zerteilet, ins Lager gebracht und heimlich verborgen ward.
Ich lag bereits im Zelt und schlief, als gerufen ward: „ Feldscher! “da mir ein Stück von dreißig Pfund aufn Hals gewurfen wurd. Ich merkte gleich, was das bedeutet. Nahm und verwahret es unter mein’m Lager, wo ich ein Fäßchen vergraben und stetig Fleisch mit Salz und Wacholderbeer stehen hatte.
Die Sonne hatte kaum das Erdreich wiedrum gegrüßet, als bereitest zwei Kommissarien mit vielen Ungern und Offizierern das Lager und auch unsers durchsuchten. Und wurde gesaget: wo es gefunden würde, der sollte hangen! Da war wieder ’s Lachen zu verbeißen. Zu allem Glücke fanden sie nichts, und ich konnte hernach meinen Braten mit Ruhe essen, von welchem ich keinen Schlucken bekam.
Noch ein Avis begegnete mir daselbst. Als das Lager aufgehoben und die Zelt weggenommen waren, suchte ich so mit dem Stock, wo des Obristen Gezelt gestanden. Da fand ich eine lange Stiletten - oder Degenklinge. Ich dachte, es zu nichts bessers, als einem Bratenspieß zu gebrauchen, welches auch geschehen.
Als ich hernach in meinem Loch sitze und brate (denn von selbigem hielt ich viel), welches denn roch und des Obristen Diener, welcher auch gern ein Stück davon gehabt hätte, herzugelocket. Als er sich dabei gesetzet, wird er der Degenklinge und des Bratspießes gewahr.
Die erste Frag war: „ Wo habt ihr den Stilett bekommen? Er ist mir gestohlen und zerschlagen worden. “– Ich sagte; wie ich dazu gekommen und machte mir anfanges nichts aus der Sache. Als aber ein Unteroffizierer mich ins Verhör holete und mir die Sache scharf vorgeleget ward, ich möchte mich ausreden und exkusieren, wie ich wollte, mußte ich den Bagatell’ mit anderthalb Thaler bezahlen oder gleich in Arrest.
Ich gab’s hin, mit Leid und Verdruß, und erfuhr in dreien Tagen, daß selbiger Diener, so sich vor das Geld lustig gemacht und ungerischen jungen Wein dafür gesoffen, vor großem Schmerz auf dem Pferdemist gestorben war.
Diese Festung Komorn lieget zwischen zweien Wasserströmen im Triangel; sehr fest und noch niemals von’n Türken eingenommen; hat eine lange Schiffbrücke, über welche man zu derselbigen gehen muß; und lag ein klein Städtlein, wie ein Dorf, dabei. Hat gute Weide und Fischerei. Und habe ich mein Tage keine größern Karpen und Stör, als da, gesehen. Der Karpen einer wurde auf einem Wagen geführet, auf dem Markte mit Beilen zerhauen und, wie das Ochsenfleisch, verkauft, ingleichen die Stör, so ich erschrecklich groß im Wasser an Ketten liegen gesehen.
An der Waag hätte ich im Hinmarsch auch bald mein Leben verloren. Denn ich ritte des Nachts mit einer Partei, den streifenden Feind zu rekognoszieren; war ganz still und dürft keiner ein laut Wort reden, auch keine Lunte sehen lassen. Und als ich auf dem Pferde aus Müdigkeit eingeschlafen, geht zwar das Pferd mit dem andern Tropp. Als es aber Wasser, nämlich die Waag, schimmern siehet, und dürstig ist, gehet es aus dem Weg ins Wasser, fällt gleich mit dem Vorderleib in’n Schlamm, deß die Waag voll ist, daß ich bald heruntergestürzet und drüber erwache. Hier hielte ich armer Ritter wieder und konnte nicht wieder herauskommen, hört und sahe auch keinen Menschen umb mich. Endlich half sich das Pferd mit allen Kräften, als es sich satt gesoffen. – Nun wohin, dachte ich, im Finstern? Doch ließ ich dem Pferd den Zaum, welches stark zutrabete und ordentlicher Weise wiedrum zum Tropp kam.
Wir gingen fast den Weg zurück, welchen wir hinaus gezogen. In Mähren war es sehr unsicher. Und durfte sich keiner zwanzig Schritt aus dem Wege machen, ward befohlen; denn die Leute gleich totgeschossen und ausgezogen worden. Wie nicht weniger bei dem Fouragieren es gefährlich herging, da wohl zwanzig Schüsse nach uns geschahen, als ich einsmals mit gewesen. Deswegen auch die Galgen überall vollhingen; alle nackend und bloß.
Wir kamen wieder vor Breslau in eben das vorige Dorf zu liegen, wo mir’s so wohl gegangen. Und waren diese guten Leut uns weit entgegen gegangen. Derer erste Frage gewesen: ob ich, der Feldscher, noch lebete? Und als sie mich sahen, erfreueten sie sich sehr. Doch beklageten sie mich auch, daß ich nicht mehr in dem Stande, wollten mich gerne wieder ins Quartier haben. Allein der Obristleutenant behielt es vor sich. Doch baten sie sich bei selbigem aus, daß ich mit ihnen speisen mußte. Und thaten mir alles Gutes. Es blieb auch die Abrede, daß ich wiederkommen sollte, welches auch in etlichen Jahren geschähe, – aber zu späte, – denn die Jungfer schon geheiratet hatte.
Hinter Krossen, und also zehen Meiln von Frankfurt, mußten wir in großen Dörfern ganzer vier Wochen liegen, und Quarantäne halten. Durften in keine Stadt. Denn wir hatten die ungrische Krankheit gleich einer Peste an’n Hals. Und sturben täglich viel Leute von uns, daß erbärmlich war unser Zustand. Denn Geld kriegeten wir nicht. Kleider und Hembden waren abgerissen bei mir. Ob ich gleich die Kranken warten und ihn’n eingeben mußte und sie gesund machen, war ich doch so voll Ungeziefer, daß ich des Nachtes keine Ruhe hatte. Dieserhalb ganz splitternacket des Nachts ins Heu kroche, daß ich nur Ruhe hatte.
Endlich kam Ordre, daß wir sollten abmarschieren nach Berlin. Allein da durften wir uns Tages nicht sehen lassen, sondern mußten ausser den Thoren, aufm Stellplatz, logieren. Da kriegten wir etwas Geld und unsern Abschied, Damit wander hin!
Ich kam noch einigermaßen wohl zurecht. Denn ich hatte meinen Kuffer in Berlin bei meinem alten Herrn auf dem Molckenmarkt stehen lassen, mit einem guten Kleid und einigen Hembden und Wäsche. Das alt warf ich in die Spree. Damit ging ich unter alte Bekannte, welche mich an den Herrn Ober-Stabs-Feldscher Horchen in Kondition brachten.
Da waren unser drei, vier Gesellen, unter welchen ich der andere war. Sie hatten mich alle lieb und wert und vertraueten mir alles, insonderheit unser Lazarett und Kurbaracken, darin wir die Franziser hatten; welche häßliche Krankheit damals in Berlin sehr gemein, und ich viel Geld bei verdienete; und die Medicamenta bekamen wir aus der Schloß-Apotheca.
Unter vielen hatte ich einen Geheimbten Rath zu bedienen, welcher mir öfters seine Maladei klagete. Wie ich ihm aber die ganze Krankheit auslegete, und wie es müßte kurieret werden, gab er sich ohne Bedenken in die Kur. Jedoch verbot er mir auf Leib und Leben, es nicht jemand wissen zu lassen; auch seine Leute und Diener durften es nicht wissen. Denn keine Frau hatte er nicht; er speisete täglich bei der kurfürstlichen Tafel und war zugleich sein Tranchikant. Und mußte also die ganze Kur kompendiöse angestellet werden. Zu dem Ende kochte ich alle Tränke und trug sie mit sambt Pillen und was dazu gehöret, alles zu. Das schwereste war nur, einen Schwitzkasten anzustellen. Und da machte ich diese Invention: nämlich, ich kehrete einen beschlagenen Stuhl umb, legte ein Brettchen drauf, drauf mußte sich der Herr ganz nacket setzen, unter ihm machte ich mit spiritus vini in einem Näppchen Feuer, umb ihn hängete ich erstlich sein Betttuch, wohl vierfach, und darnach seinen Mantel mit Sammet, steckte es mit Nadeln zu. Da saß Herr Urian und mußte so lange schwitzen, als er es ausdauren konnte. Denn legte ich ihn in sein Bett, gab ihm was Stärk-Morsellen und ging davon.
Zuletzt aber wär ich mit sambt dem Herrn bald unglücklich gewesen, indem etwan das Feuer zu stark mochte an’n Leib kommen, und er mit dem Stuhl hin und wieder, oder mit den Beinen das Näppchen mit dem brennenden Branntwein umbstößet. Da war alles voll Feuer unter ihm und brennete alles. Da hätte man einen springen und tanzen sehen können in der Stube herum. Ich hatte zu wehren gnung, daß kein größer Schade geschehn. Da war er gesund, und ich bekam stattliche Belohnung.
Dieser Geheimbte Rath hatte eine große Bibliothek. Und als ich ihn einsten barbieret und die vielen Bücher sahe, fragete ich: was sie mit den vielen Büchern machten, sie könnten solche doch nimmer durchlesen? – „ Ei, sagte er, das sind nicht viel, wann ihr fertig, will ich euch mehr zeigen; ob ich wohl solche nicht durchlese, so schlage ich doch nach, wann was vorkombt. “– Als ich mit Barbieren fertig, schloß er ein Nebengemach auf, da wohl dreimal mehr Bücher, von der Erde bis ans Deck voll Bücher, waren. Ich verwunderte mich noch mehr. Da sagte der Herr: „ Nun nennt mir ein Buch, das ich nicht habe. “– Ich sagete zu ihm: ich hätte viel gehöret von dem Theophrasto Paracelso. – Da sahe mich
der Herr an und sagte: „ Ei, das ist ein Hexenmeister und ein verkehreter Teufelsbanner gewesen! “– Weil ich bestund: er hätte viel gute chirurgische und medizinische Sachen, möchte ihn gerne lesen, da gab er mir alle fünf Teile mit nach Hause. Ich nahm solche mit großen Freuden untern Mantel und vermeinte, einen großen Schatz zu haben.
Ich kaufte mir gleich ein Pfund Licht’ und studierete des Nachtes so fleißig, daß ich bald zum Narren drüber worden, Sonderlich wie ich an die sigilla und magischen Spiegel kam und tief in Gedanken saß, da fing sich mein Degen und an der Wand alles zu regen an, die ganze Stube ging mit mir umb. weil es in Mitternacht war,. fürchtet’ ich mich und kroch ins Bette.
Meine Kamraden fragten mich: warum ich so bald käme wider meine Gewohnheit? – Der eine sagte: „ Er fürcht sich, daß seine Liebste ihn wird auf dem Bock holen lassen. “ (Denn sie wußten von der Sache in Spandau. ) – Der andere, welcher ein Preuße war, sagte: „ Wirklich, es pfleget in Preußen oft zu geschehen, daß welche auf dem Bock geholet werden; sie wollen oder wollen nicht. “
Als wir kaum aufgehöret zu reden und nun schlafen wollten, stoßet was etlichemal an die Thür. Der Preuße ruft: „ Herein, herein! “ Meinet: daß es etwa ein Patient wäre, deren wir oft des Nachts bekamen. Als aber niemand hereinkam und es immer an der Thür nettelte, befiehlet er den Jungen, welche bei uns lagen, aufzumachen. Dies geschehen, siehe, da kombt ein großer, schwarzer Bock herein, welcher meckert und blökete.
Wir waren alle sehr erschrocken und meineten anfanges: es wäre der lebendige Teufel und krochen unters Bette, weil wir aber in die Länge nicht sahen, daß etwas geschahe und das Blöken fortwährete, mußten die Jungen Licht anzünden. Da sahen wir, daß es ein rechter Bock war. Wollten aber doch nicht wohl trauen, weil aber der Bock je länger, je mehr furchtsam ward, auf Tisch und Bänke sprang und gerne wär wieder hinausgewesen, trieben unsere Jungen allerhand Muthwillen, steckten ihm eine alte Allongen-Parück übern Kopf, machten ihm eine Klemm an’n Schwanz und prügelten ihn mit dem Ochsenziemer zum Haus hinaus.
Ich hatte mich aber nachgehends wieder übers theophrastische Buch gemacht und unter andern gefunden: ein Siegel von unterschiednem Metall in einer gewissen Stunde zu giessen und gewisse signa und characteres drein zu graben, wer das an sich trüge, mit ein’m grünseidenen Faden auf der Brust, bloßer Haut, der würde glücklich sein in allem, bei großen Herrn, Frauenzimmerspielen und dergleichen.
Ha, dacht ich, das ist eins vor dich! Machte mich also gleich drüber, goß und stach in vorgeschriebenen Stunden und Konjunkten nach dem Kalender, welchen ich fleißig zur Hand nahm, und hängete das schöne Kleinod an’n Hals.
Von Stund an ging mir alles konträr, ich möchte auch vornehmen, was ich wollte! Ja, die Leute wurden mir so feind, daß ich auch meinen Abschied vom Herrn bekam (NB. so weiß der Teufel die arme Jugend zu verführen!), zu welchem in specie verhalf, daß mein Herr jaloux worden.
Nämlich: zuvor, ehe dies geschehen, war mein Kamrad, welcher sonst den General Schöneck barbieren mußte – weil er nicht jeden leiden konnte und viele wieder weggejaget – nach desselben Gütern, zu den Patienten, verreiset. Da schickte der General und wollte barbieret sein. Mein Herr befiehlet mir, solches zu thun, und zu ezküsieren, weil jener auf dessen Gütern.
Es war mir nicht viel drum zu thun und hätte lieber einen andern hingesandt, weil er so wunderlich. Doch faßte ich mir einen Muth, steckte zwei Musketier-Scheermesser zu mir und gedachte, ihn so zu putzen, daß er mich nicht wieder verlangen sollte.
Als ich in sein Palais kam, stunden auf dem Saal, vor der Stube, viele Obristen und Oberoffizierer und Soldaten. Der Kammerdiener, so ein Schneider und sehr lang war, fragte: was ich wollte, ob ich den General rasieren wollte? – Ich sagte: „ Ja. “– Er meldte mich. – Denn hieß es: „ Rein! “– Ich machte mein Kompliment von meinem Herrn und hieß ihn „ Ihro Excellenz. “– „ Was – lenz, was – lenz? Ich bin kein Schulmeister oder Kirchenrat, ich bin Generalleutnant. So heißt mich! “– Ich bückte mich und bat, zu exküsieren. – Er fragte ferner: ob’ ich bei Horchen diene? wo ich vorhin gewesen etc? als inmittelst der Kammerdiener eine große, silberne Wanne mit Wasser und Seife ihm vorhielte, da er auf einen großen Stuhl sich gelehnet. Ich griff ihn weidlich an und hurtig; wie wenn ich einen Bauern vor mir hätte. Das gefiel ihm wohl. Griff ihm deshalb mit dem Scheermesser noch besser auf die Haut, zog steif an, mit langen Strichen, und wurde bald fertig. – „ Ei, “sagte er, „ warum seid ihr nicht eher zu mir gekommen? “– Ich sagte: daß ich mit in Ungern gewesen. – Er fragte: wie mir’s da gegangen? – „ Herr Generalleutnant “, sagt’ ich, „ wissen selbst am besten unsern Zustand; doch bin ich darin unglücklich, weil ich sehr krank gewesen, indeß mir alles aus der Karre gestohlen und ich nun nichts habe, denn fünf Monat Sold stehen noch; und wann ich die hätte, könnte ich mir helfen und ein Kleid schaffen. Bitte, Sie wollen mich gnädig an Herrn von Grumbkow rekommandieren, zumahl Sie die schöne Türkin’n von mir bekommen. “– „ Ich will’s thun, sagte der Herr, ob’s viel helfen wird, weiß ich nicht. “
Darauf er selbst ein klein französisch Billet schrieb und es mir gab, mit Befehl: ich sollte wiederkommen. – So auch geschehen.
Diesen Abend brachte ich das Billet noch an den Herrn Ober-Hofmarschall von Grumbkow, da wohl zwanzig Leute aufwarteten und einer nach dem andern gefraget wurde.
Die Reihe an mich kam. Ich stellete meine Not, so gut ich konnte, vor und bat umb mein’n stehenden Sold; berufte mich auf den Herrn General. – Allein, da half alles nichts. Er schmiß mir den Zettel vor die Füße und sagte: ich müßte warten, es wären wohl andere da, die es nötiger brauchten und besser verdienet hätten.
Ich ging mit Betrübnis zu meinem alten und ersten Herrn, so gleich über wohnete, und klagte es ihm. Welcher mich vertröstet’: ich sollte eine Stunde verziehen; dessen Geheim - Secretarius käme in die Stube und ließ sich barbieren; er wollte schon ein gut Wort vor mich reden; ich sollte ihm nur einen Dukaten davon versprechen; er würde mir bald helfen. – So auch geschehen.
Denn, da er kam und sich den Vortrag gefallen ließ, nahm er das Billet zu sich, stecket es abends wieder unter die expeditiones und that eine gute Vorstellung, daß er den Herrn von Grumbkow gewinnet, und er, an den Kriegeskassierer zu bezahlen, unterschreibt. – Wer war froher als ich?
Da er mir das Billet wieder also zustellen ließ, bezahlete gleich einen Dukaten, was zugesaget. Und ferner damit zum Kriegskassierer Kannengießer, welchen ich vormals zu barbieren gehabt.
Allein, da war es wieder feste verwahret, und hieß es: „ Ist kein Geld in der Kasse, ihr müßt warten. “– Als ich aber den guldenen Schlüssel wieder suchte und einen Dukaten versprach, da war es offen, und hieß: „ Ich muß es vorschießen, kombt morgen umb neun her, so sollt ihr’s haben. “
Alle Stunden wurden mir zu lang, ehe neun Uhr kamen. Ich versäumete nichts und bekam, nach Abzug eines Dukaten, alle meinen Sold, an fünfundsiebenzig Thaler, lauter brandenburgische Sechs-Pfennige; hatte alle Ficken und Taschen voll; und hatt’ mein Tage nicht so viel Geld gehabt, daß ich, erfreuet, es meinem Herrn Horchen nicht verschweigen konnte.
Der stund und sahe mich an: „ Was habt ihr bekommen? “– „ Mein Geld! “sagte ich. – „ wie ist das zugegangen? “– Als ich ihm aber vom General sagte, satzte er seinen Hut auf, steckte seinen Degen an, lief und sagte: „ Ich hab mein’m Kurfürst nun dreißig Jahr gedienet, habe so viel Geld stehen, kann nichts bekommen, und so ein Kerl nimbts mir vor der Nase weg! “
Ich hätte auch gleich fort gemußt, als er wiederkam und nichts erhalten, wann der General Barfus zur selben Zeit nicht in Berlin gewesen, und sich von keinem, als mir, barbieren ließ und allezeit sechszehen Groschen die Woche zweimal gab. Denn er war ein großer, ansehnlicher Mann. Und hatten sich die vorigen Barbier allezeit entsetzet, gezittert und hatten müssen ohnverricht wieder weggehen; wie er mir selbst gesaget, daß es Herrn Wirbachen und zweien Gesellen so ergangen.
Dies mochte auch wohl zu meines Herrn Jalousie Ursache sein, weil er erfahren, daß ich so viel Geld verdienet. So ihm zwar nicht zum Schaden, nach ihn anginge, weil wir das frei hatten, neben unsern Diensten. Gnug ich mußte fort!
Doch machte ich mir auch nicht viel daraus, weil ich nun brav Geld und ein neu Kleid und Wäsche aufm Rumpfe hatte.
Ich reisete auf der Post nach Magdeburg, allwo mir auf der Breiten Straße eine schöne Kondition versprochen war. Allein das Blatt mußte sich wenden, daß ich solche nicht bekam.
Da ich nun sahe, daß solcher Gestalt alles den Krebsgang ginge, dachte ich zurück; zumal ich mir alle Sachen zu Sinnen zog; wie auch noch. Ging deshalb in die Domkirche da eben Herr Oberprediger Wincklern von dem Vertrauen auf GOtt predigte, und wie schwer sich ein Mensch an GOtt versündigte, wann er von GOtt ab, sich zu etwas Irdisches wendete und sein Vertrauen darauf satzte; wie der Satan ofte den Menschen alle Reiche der Welt vormalete, aber es nur ein Dampf und Schattenwerk, dahinter gar nichts, als Sorge, Angst, Furcht und böses Gewissen etc.
Ich dachte: wie kann der Mann so eigentlich von deinem Zustand wissen und sagen? Es ist eine sonderliche Schickung, daß du itzt in die Kirche gekommen mit solchen und dergleichen Bereuungs-Geoanken, daß ich mich an GOtt schwerlich versündiget, von ihm abgegangen, mein Vertrauen auf solchen Dreck gesetzet; an mein Siegel, so ich noch anhängend, gedenkende, gleich resolvierend: es nicht mehr zu thun! Griff in’n Busen, riß es vom Halse los und schmiß es auf der Breiten Straße in tiefen Schlamm. – Da ward mein Gemüthe wiedrum freudiger und leicht.
Derowegen ich umb GOttes willen alle Jugend und Menschen warne: sich vor solchen Büchern und Dingen zu hüten, ja nimmermehr von dem lieben GOtt abzusetzen und sein Vertrauen auf Menschen oder allerhand Teufels-Gaukelei zu setzen. Es gehet auf die Letzt überaus böse und gefährlich hinaus, wie ich denn viele gekannt, da es ein schlecht Ende genommen, die solche Hexerei gebraucht.
Und hätte mich GOttes Huld nicht daraus gerissen, wer weiß, wie es mir unter so vielen, folgenden, gefährlichen Umbständen noch ergangen? GOtt sei gepreiset dafür!
Ich reisete von Magdeburg nach Halberstadt, allwo ich mich, Gebrauch nach, einlegete und bei Herrn Roppern kam. Wegen schlechter Traktamenten aber mich in ein Wirtshaus da logierete; weil böse Wetter und Weg einfiel’n und ich nicht von dannen konnte. In meinem Wirtshause waren zwei feine Jungfraun, welche auch nach Braunschweig wollten. Kunnten aber keine Gelegenheit antreffen, bis wir eigene Fuhre mietheten und teuer bezahlen mußten.
Wir reiseten miteinander fort. Und hätten die liebe Jungfern gerne gesehen, ich hätte mich familiärer mit sie gemacht und überall vor sie bezahlet. Denn sie wohl nicht viel zum besten hatten, wie sich dies auswies, als uns die erste Nacht die Wirtin des Morgens um viel Garn beschuldigte, das ihr wegkommen. Ich machte meinen Kuffer gleich auf und wurde auch vor unschuldig erkannt. Mit meinen Frauenzimmern aber hielt es was härter, bis der Gerichtsfrone kam und ihre Kuffer mit Gewalt öffnete. Aber sie mochten es unter der Zeit wieder von sich geworfen haben und wollten hernach Satisfaktion vor ihre Beschimpfung lange haben. Doch ich war neutral, verwahrete meinen Kuffer nachts unter mein’m Kopfstreu und die Ficken band ich zu, wie ich allezeit auf Reisen that. Meine Sachen abends ordentlich zusammen und verwahret legte, den Kuffer selber auf und von der Kutsche trug. So durfte ich nicht klagen, wie andere: Ach, wo ist mein Degen, wo ist mein Hut, Handschuh, Schuhschnallen; ja Mantel und Schuhe ist weg! – Und so habe ich auf den vielfältigen Reisen nichts verloren.
Endlich kamen wir in Braunschweig ein. Und ich separieret mich von meinen Frauenzimmern in ein ander Wirtshaus und erkundete mich nach Gelegenheit nach Hamburg oder Hannover.
Da hatte ich die Gelegenheit versäumet und mußte zufrieden sein, daß Bauern mit Wagen, welche Getreidig und anders gebracht, mich wollten mitnehmen. Ich machte den Accord. Aber die Bauren wollten nicht von dem guten Bier und Bräuhahn.
Indessen kombt ein’ Weibesperson, wollte auch mitfahren, Ließ indeß ihren Kober bei den Bauren. Wollte bald wiederkommen, hatte nur etwas zu thun. – Wir warten lange. Aber das Weibesbild kam nicht wieder. Die Bauren wollten fort, fluchten und machten den Kober auf. Da fanden sie drin ein Kind, sauber eingewickelt! das hatte einen Zuckerbüschel im Mäulchen. Die Bauren erschraken über all Maßen, wohl wissend, daß die Posse mehrmals gespielet und das Weibesvolk nicht wiederkam. Machten nicht viel Wesens und hingen den Kober an einen vor der Thür stehenden Wagen und laureten fleißig auf, ob jemand den Kober abnehmen würde. Siehe, da kommen zwei Soldaten; geschwind mit dem Kober vom Wagen untern Mantel! Meineten, etwas Guts zu essen drin zu finden; wie mehrmals mochte geschehen sein, Waren aber greulich betrogen.
Sobald der Kober weg, mußte ich mit den Bauren über Hals und Kopf fortreisen. Die Bauren waren froh, soffen sich Mittages so voll und lachten und lärmeten den ganzen Tag davon, fuhren bis in die Nacht und brachen ein Rad vor meinem Wagen entzwei, gleich am Dorfe, wo die Bauren heime waren. Könnte wohl mit Fleiß also angestellet sein, daß sie mich nicht wollten weiter bringen!
Was zu thun? Ich lamentierte. Aber die Bauren lachten mich aus: ich sollte bei ihnen bleiben. – Ich gedachte: diesmal mit Bauren gefahren und nicht wieder! – Sie wiesen mich in die Schänke oder Krug. Da führe diese Nacht umb zwei Uhr die Post vorbei, da könnte ich mitfahren. – So auch geschahe.
Und waren zwei Postwagen, weil es nach der Messe war, voll Hamburger Kauf - und andere Leute, bei welchen ich eine gute honneur fand. Denn weil ich auf der Reise sie barbierete und Parücken accommodirte, hielten sie mich fast in allem frei. Hatten schönen Wein und Branntwein bei sich, gut Gebackens etc., von welchem ich all bekam. Die Herrn führeten unterwegens solche kluge Diskurse, daß’s eine Lust, sie anzuhören; und bei den Bauren nicht passieret; so wohl hatte ich es getroffen.
In Hannover legten wir uns in ein vornehmes Wirtshaus ein und wurden herrlich traktieret.
Als aber der Postillion blies, wieder fortzureisen, da zog jeder seinen Beutel, vor die Mahlzeit acht Groschen, nach unserer Münz, zu geben. Der Wirt kam und nahm von jedem seine Portion. Allein einer, der ohne Zweifel ein abgedankter Offizier von Adel möchte sein und große Erfahrung aus seinen Diskursen hören ließ, der saß immer still. „ Nun, Herr, sagte der Wirt, als er ihm lange zugesehen, will er nicht auch Geld vor die Mahlzeit geben? “– Er sahe ihn lachend an und sagt: „ Ich habe kein Geld. “– Der Wirt sagte: „ Ei, Herr, vexieret mich nicht länger, sie sitzen schon auf. “– „ Ich habe kein Geld! “sprach er. – „ Je, warum setzet ihr euch unter die honetten Leute und speiset mit? “– Der Herr, gab ihm drauf eine dichte Maulschelle: „ Du Hundsfutt, sagte er, meinstu, daß ich darum nicht honnête homme und brav Kerl bin, wenn ich gleich kein Geld habe? “– Der Wirt kriegete
ihn wieder bei dem Kopf, rufte seine Leute, und wurde eine Schlägerei, daß die andern all von’n Posten wieder herzukamen und die wahre Ursache erkannten. Zogen sie ihren Beutel und bezahleten vor den Frembden, wie auch den ganzen Weg, welcher ihn’n dafür alle Höflichkeit erwies und gewiß die ganze Kompagnie mit vielen, klugen Diskursen unterhielt, und, wie ich hernach vernommen, in Hamburg, da er sein Gut und Freunde hatte, reichliche Vergeltung gethan.
Von Hannover gingen wir per posta nach Celle und besahen das schöne Schloß und fürstliche Lusthaus; und weiter nach Lüneburg, besahen das schöne Salzwesen und verwunderten uns über die schiefstehenden und hangenden Thürme, als wann sie itzt fallen wollten.
Kamen nach Harburg. Speiseten da abermals herrlich und fuhren endlich mit Schiff nach Hamburg, da alles voller Schiff aufm Wege lag. Ich verwunderte mich überaus. Denn ich mein Tag keines gesehen.
Endlich, wie wir an den Bohm [Baum] kamen und unsere Kuffer ausgesetzet wurden, da hätte man sehen sollen: was Volk! Einer packte meinen Kuffer hie, der andere dort an und wollten mit fort. Da ich zu wehren gnug hatte! Da sie aber sahen, daß ich vorsichtiger war, gaben sie gute Wort und baten: mich vor ein Trinkgeld in ein gut Wirtshaus zu bringen.
Ich accordirete erst. Denn das muß man thun. sonst pressen sie hernach viel mehr! Ich wurde nebenst einem Studios, welcher mit auf der Post gewesen, gewarnet: mitzugehen und wohl acht zu haben; sonst wären sie mit dem Kuffer fort! – wir thaten’s auch. Und wurden endlichen durch viele Straßen auf den Neuen Markt in ein arges Hur-Haus gebracht.
Ich sahe gleich mit meinem Bruder Studio, was da passierete. Denn die Dingerchen kamen eine nach der anderen und machten ihr Kompliment. Ich wäre mit dem Studenten gerne wieder weggewesen. Aber, wohin gleich? – Wir ließen uns eine verschlossene Kammer zum logieren geben und stelleten uns, wie die dummen Gänse; ließen kein Geld und nichts sehen; und mußte allezeit einer zu Hause bleiben, wann der andre ausging, damit wir nicht umb das Unsrige kamen; denn ich und der Studios hatten viel Geld im Kuffer. NB!
Zeit und Weile wurd uns lang, ehe jener ein hospitium fand, und ich mich einlegen konnte bei die Barbier, wie gebräuchlich. Endlich geschahe es an einem Tage.
Und ich kam zum Raths-Barbierer, einem alten Mann und Frau; hatten eine einige, erwachsene Tochter.
Ich war kaum zwei Tage dort, daß mir der alte Mann nicht die Gelegenheit anbote, indem er alt und seine Frau alt und sie der Tochter die Barbier-Stube mit allem übergeben wollten, wann sie einen guten Menschen, wie sie mich dafür ansähen, dazu bekommen könnten. Unter seinen Gesellen wäre keiner; denn sie wären liederliche Kerl in Saufen und Spielen, welches sie von mir nicht sähen etc.
Ich gab zur Antwort: Das könnte wohl angehen; wiewohl, ich war noch jung und müßte noch was erfahren. – „ Wohl, sagte der alte Herr, es muß auch nicht gleich sein. “– Ich machte mich auf der alten Mutter Geheiß an die Tochter, zu hören. Allein die war nach der Hamburger Art so ’ne Put’, daß ich nicht wußte, wie ich mit ihr daran war. Doch machte ich mir nicht viel draus.
Acht Tage darnach bekam ich Rekommandation, ich weiß nicht, von wem, nach Itzehoe in Holstein an ein’n Regiments-Feldscher unter dem König von Dänemark. Und weil es eine austrägliche Kondition war, wollte ich selbige nicht ausschlagen und nahm es an.
Als ich solches meinem alten Herrn vermeldete, war er nicht wohl damit zufrieden. Hätten mich gerne länger bei sich behalten und wollten den ältesten Gesellen meinethalben abschaffen. Welches ich nicht thun wollte, einen andern vertreiben. Ich mußte ihm versprechen, im halben Jahr wieder zu kommen. Und da sollte unsere Sache gewiß werden. Und damit ging es fort. Ich nahm Abschied und setzte mich auf die Elbe auf ein Schmack-Schiff, umb mit nach Glückstadt und dann nach Itzehoe zu fahren.
Ich war mein Tag nicht viel zu Wasser gewesen. Als wir einen Sturm bekamen, ging es auf dem kleinen Schiff übel her und durcheinander. Das Weibesvolk ward krank, und mir ward übel. Doch mußten wir aushalten bis nach Glückstadt, welches eine Festung und schöne Stadt, dichte an der Elbe und nicht fern von der See, daß, wenn der Wind nord-west und Sturm, fast das Wasser über die Mauren steigt; wie damals auch geschehen.
Von Glückstadt reisete nach Crempe, so auch eine Festung war. Von dar aufm Wagen nach Itzehoe, zu meinem neuen Herrn, so ein alter siebenzigjähriger Mann war und sich auf gute Gesellen verlassen mußte, wie denn in Wahrheit sagen muß, daß unter drei Gesellen alles auf mich ankam.
Und weil ich wohlbelesen in meinen Lehrjahrn, auch in Ungern und bei der Garde in Berlin Erfahrung hatte, ging alles gut mit innerlichen und äußerlichen Kuren. Also, daß alles an Unter - und Oberoffizieren Liebe und Vertrauen auf mich hatte; sogar der Generalmajor Fuchs und der Obrist Ellenberger NB. hatten mich wert.
Darüber mein alter Regiments-Feldscher, Christoph Eberhardt bei Prinz Christians Regiment, so neunzehenhundert Mann stark, ward ganz jaloux auf mich. Jedoch durfte er sich’s nicht merken lassen. Zumal da ich keine von seinen drei erwachsenen Töchtern begehrte zu heiraten. Denn sie waren nicht wohlerzogen, verfressen und versoffen, Müßiggänger, wiewohl eine umb die andere sich suchte, bei mir beliebt zu machen; sogar, daß sie sich oft, umb mein Bett zu machen, zankten; vorgebend: es röche daraus gut! Ja, die Mutter legte es auf allerhand List und holete mich aus dem Bett zu ihren Töchtern, welche krank sein sollten; und zur Probe ich nur meine Hände auf ihren Leib legen sollte. Allein ich wußte von der Sache nichts und stellete mich dummer, als eine Gans. Daher die sonst listige Frau oft pflegte zu sagen: sie hätte so manchen Menschen ausgeforschet, aber aus mir könnte sie nicht klug werden.
Es mußt an nichts fehlen. Essen und Trinken, sonderlich Franzbranntwein, war gnug. Und hatt’ mein Herr und Frau täglich nur zwei Rausch. Daher auch Armut folgete, ob er gleich alle Monat über siebenzig Thaler bekam. Wann er des Morgens nicht Franzbranntwein getrunken, zitterte er und konnte nicht das Geringste verrichten, bis er ein Schopp-Gläschen voll einhatte. Da ging’s gut. – Also siehet man, wie eine böse Gewohnheit zur andern Natur wird, wie ferner soll erzählet werden.
In solcher ihrer Sauf-Armut wollten sie doch gleichwohl gern groß angesehen sein und mitmachen, wie es der Landesgebrauch, jährlich einen oder zwei Ochsen und fünf bis sechs Schweine einzuschlachten, davon die Leute nach dortiger Art das ganze Jahr haushalten mit Grützwürsten, Grabenbraten, so ein gedämpft Fleisch, Pökelfleisch geräuchert etc. Daß man also das ganze Jahr selten etwas frisch Fleisch einkauft; ausgenommen an Federviehe und Fischen, so häufig da sind.
Und weil also selbige gewahrgenommen, daß ich ziemlichen Vorrat an Gelde hatte, ließen sie nicht nach, ich mußte ihn’n vierzig Thaler lehnen, so sie mir zu allem Dank in kurzer Zeit wiederzugeben in einem Brief zusagten. Aber nichts weniger war das ihr Ernst. Denn das thaten sie in der Absicht, mich zu binden und nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen und nichts wiederzugeben! NB.
Ich wartet’ der Zeit lange vergebens. Aber nichts. Und hätten gern mehr gehabt! Und weil sie wohl sahen, daß ich nicht anbeißen und den Jungfrauen spendieren wollte, gab es etliche Mal Irrungen, daß ich endlich der Sache überdrüssig wurde und auf hartes Anmahnen bei dem Obristen und General klagte. Welche gleich dem Regiments-Quartiermeister befehlen ließen: alle Monat die Hälfte seiner Traktamenten mir zu geben, und ihm droheten: gar das Regiment abzunehmen! Da war alles gar aus. Jeder im Haus sähe mich über die Achsel an. Das war ich nicht gewohnt, und reuete mich, mir mit eigenem Gelde solches erkauft zu haben.
Weil ich den Herrn Generalmajor Fuchs zu bedienen hatte, und er viel auf mich hielt, kam ich mit selbigem in sonderbare Vertraulichkeit, sonderlich, als ich ihm aus meines Vaters schreiben referieret: wie er einesmals mit einem Leutenant Fuchs auf der Insel Rügen von den Schweden gefangen und zusammen mit der Kette geschlossen, auch hängen sollen, weil sie mit einer Partei denen Schweden großen Schaden gethan hatten etc. – „ Das bin ich gewesen, sagte er. Ei, ei, ist das euer Vater? Ich soll euch wieder Gutes thun; sagt nur womit? Ihr sollt das Regiment haben und dem Alten etwas davon geben. “– Ich wollte aber nicht den Alten kränken. – Ferner: „ Ich will euch eine Fähndrich-Stelle und meine Base (das war seine Haushalterin, sonst eine feine Person von Ansehen) geben. “– „ Ach, mein Herr General, ich bin noch zu jung, sagt ich, und changiere meine Profession nicht. “
Endlich fügte sich’s, daß der König von Dänemark achttausend Mann zum damaligen Franzosenkrieg nach England schickte. Mein Obrist Ellenberger ging auch mit der Hälfte des Regiments als Brigadier mit; und ich wurde auch dazu angenommen, mit über zu gehen.
Und da ich solches mittlerweil an meinen Vater berichtet, und er mich väterlich, davon abzustehen, geraten
hatte, weil es sehr gefährlich aussahe mit dem Krieg, folgete ich seiner Vermahnung (NB. Welches alle Kinder zu ihrem Wohlergehen thun sollen!) und machte mich von der Sache solcher Gestalt los: Es war ein dänischer Chirurgus, mit Namen Hans Lundt, dem viel drum zu thun war; der bezahlete mir meine angeschaffte Feldkiste wohl und ging an meiner Stelle mit. Er kam aber übers Jahr nacket und bloß wieder maßen ihn auf der Rückreise die französischen Kaper gefangen und ihm alles genommen hatten. – Dem Obrist Ellenberger (von welchem ich meinen Abschied mit Hand und Siegel noch zeigen kann) aber, wurde der Kopf abgeschlagen, weil er Dixmuyden ohne Not übergeben und Hochverrats beschuldiget worden. – Ich dankte hienach GOtt, daß ich meinem Vater gefolget hatte.
Inmittelst, weil, wie vorgedacht, mit dem alten Regiments-Feldscher kein Auskommen mehr war, und ich weg wollte, wollte mich der General nicht vom Regiment lassen. Weil vier Kompagnien von selbigem in der Festung Crempe lagen, mußte ich dahin und kriegte meine monatlichen Traktamente von jeder Kompagnien richtig, was aber extra war, oder wenn sich die Soldaten selbst verwundt, mußte mir bezahlet werden.
Da ging es wieder gut. Und war ich bei dem Kommandanten sehr wohl angesehen, wie auch bei allen Offizieren. NB. Denn wer was kann, den hält man wert, den ungeschicketen niemand begehrt! Ich hatte mein gut Quartier, gute Leute, die mich warteten mit Bettwärmen, mittages mit Speisen, und mich mit Wäsche versorgeten, wie ein Kind, umb billig Geld.
Ich ging fleißig in die Kirche und hörete GOttes Wort. Sonderlich, wann Herr Matthias von Kronhelm predigte, ich gar selten ohne Thränen aus der Kirche ging. Denn dieser Mann aus großer Trübsals-Probe und Erfahrung mit einem durchdringenden Geist und Gebet predigte. Denn er war in Kopenhagen vornehmer Priester gewesen, hatte aber das Unglück erlitten, einen Bettler tot zu schlagen, weil der Bettler selbigen, als er Mittages von der Treppe zu Tisch gehen will, ungestüm anfällt und mit Gewalt Geld von ihm erzwingen wollen, er mit seinem in Händen habenden Stock einmal so gefährlich an’n Kopf schlaget, daß er gleich tot bleibet. Darüber er zwar nicht als ein würklicher, vorsätzlicher Totschläger war angesehen, jedoch wegen Ärgernis auf diese Pönitenz-Pfarre rausgesendet worden.
Ich konnte aber auch hier nicht lange ohne Anfechtung und Versuchung bleiben. Maßen ein gewiß Frauenzimmer, oder Gastwirts-Tochter, einen Narren an mir gefressen und alle Gelegenheit gesucht, mit mir bekannt zu werden; etliche mal an mich geschicket, endlich aber selbst sich in’n Finger geschnitten und, solchen zu verbinden, zu mir kam. Und das war so die Gelegenheit. Und die Bekanntschaft ward so groß, daß sie ohne mich, und ich ohne sie nicht wohl sein können.
Dies merkte meine Wirtin, wollte es gern verhindern, weil sie selbst zwei erwachsene Töchter hatte. Schloß und verriegelte nachts die Thüren. Allein es war keine Mauer so hoch, daß ich nicht konnte zu meiner Gespielin kommen, da ihrer mehr bei einander waren und wir allerhand Kurzweil trieben.
Unter andern war eine Stadtrichters-Tochter, welche mehr männlich als Weibes-Geschlechts, wie mir die andern vor wahrhaftig vertraueten. Deshalb gern bei die Jungfern war und selbige bei sich hatte. Aber sie wollten ihrer nicht, weil sie so übel und einen Bart umbs Maul hatte. – wie ich in Breslau dergleichen wahrhaftig gefunden.
Hingegen war ein Soldat unter meinen Kompagnien, so sieben Jahr vor einen Soldaten passieret, endlich aber offenbar wurde.
Die Gastwirts-Tochter mit ihrer Mutter thaten mir zwar alles Gutes; wie es aber endlich aufs Heiraten hinauslief, gedachte ich: cave! Denn es war mir prognostizieret: ich sollte mich vor Frauenvolk wohl in acht nehmen; denn all meine größte Fatalität würde darin bestehen! – Aber es ist leider gnug erfolget, wie künftige Zeit lehret und ich erfahren müssen.
Mittlerweile hatte ich konsiderabele Blessuren und Patienten, die durch und durch, auch durch die Lunge, und weidewund mit breitem Degen gestochen und gehauen waren durch beide Tafeln der Hirnschalen (welche Umbstände gar zu lang hier sein möchten), und kurierete sie innerlich und äußerlich glücklich. Und wußte man zu selbiger Zeit von keinem Doktor. Daher alles auf mich ankam, auch die sectiones und Besichtigungen. Auf mein und des Regiments-Feldscher – etwa in des Auditeurs und im Beisein etlicher Oberoffizierer – auf unsern Bericht, sage ich, auf Leben und Tod gesprochen wurde.
Ich habe mein Tage dergleichen Tortur, damit die Delinquenten zum Bekenntnis gebracht wurden, nie gesehen. Indem solchen die Hände und Beine gebunden, über die Kniee oder Beine gespannet, und einen Stock durchgestecket, item einen Strick mit dreien oder vier Knoten umb den Kopf mit einem Prügel zugerädelt und immer besser angezogen. Auf die Weis sie alles herausbrachten. Und dies hießen sie den polnischen Bock. Und gewiß, sie lagen da, wie ein Klotz und wurden mit den Beinen umbgestoßen, wie ein Klump; sie verkehreten die Augen im Kopf, wurden ganz dumm und bekennten alles; sie brummten, wie ein Ochse.
Der König von Dänemark hatte damals dem Herzog von Holstein sein Land inne. Dadurch bekam er Streit und setzte sich in Kriegsverfassung. Unsere Bataillion mußten heraus und nach Oldesloe, welches ein Paß nach Lübeck und Hamburg, zwischen der Trave und Morast gelegen. Weil es aber Berge umb sich hat, so ihm schädlich, mußten wohl sechstausend Mann dran arbeiten, die Berge abzukarren und eine Festung draus zu machen. Das wollten Hamburg, Lübeck und andere, auch Lüneburg, Hannover, nicht leiden. Weil die Sache in Güte durch Kommissarien nicht gehoben werden konnte, rückten zwölftausend Schweden und Lüneburgische gegen uns ins Feld. Da gab sich der König von Dänemark bei solchem Ernst und mußte ganz Holstein dem Fürsten restituieren und den Festungsbau in Oldesloe nachlassen.
Mittlerweil hatte ich ein gut Quartier bei einem Barbier, wo die Hamburger Post wechselte, und speisete ich täglich bei den Frembden mit und accommodierte selbige. Welches dem Wirt wohl gefiele und er mir allen willen ließ.
Mein Kleid war nicht viel mehr Nutz. Und weil ich an Gelde keinen Mangel hatte, und Lübeck nur vier Meiln davon war, ein lustiger Weg, machte ich mich auf die Reise bei schönem Wetter. Und ob ich wohl Gelegenheit zu fahren gnug hatte, wollte ich doch lieber gehen und das Postgeld menagieren. Aber es bekam mir sehr übel.
Hinwärts ging es sehr gut, und hatte die pläsierlichste Reise, unterwegens trank ich Milch bei den Bauren.
Als ich nun an die Stadt kam, hatten die Lübecker eben ihr Schießen vor dem Thor, da ich einmußte. Sie zogen mit großer Solennität auf. Und der König ist
geleitet, mit einer güldenen Kette umb den Hals. Hinter und vor ihm sprangen allerhand verkleidete, nackete mit Leinwand bemalete Indianer, Mohren, Türken und Courtisanen her, welche vor dem großen Getümmel des Volks Platz machten, hinter ihm zog die Schützenkompagnie und sechs Stück mit ihren Konstables. War schön anzusehen. Das beste vor mich war, daß ich etliche, große Butterpretzeln, welche sie ohn Zweifel verschüttet hatten, fand. Ich war ihr’ bedürftig, weil ich hungrig geworden. Ich satzte mich hin, ließ mir Bier geben, sahe lange zu und konnte die Mahlzeit ersparen bis abends.
Ich legte mich in ein Wirtshaus an’n Markt, ließ mir eine eigene Stube geben und speisete da. Drei Tage besahe ich die Stadt und den Schiffhafen, die Häuser wohl und das Frauenszimmer, welches schön und Tücher überm Kopf träget, wie in Hamburg, so sie noch schöner machet und artig stellet, sonderlich wann ihr lispelnde, artige Rede dazukombt. Summa: es gefiel mir sehr wohl. – Ich kaufte alles zum neuen Kleide und ließ mir’s ordentlich einpacken.
Damit machte ich mich wieder auf die pedes, ohne daß ich Fuhrn genug haben konnte. Aber ich wollte das Geld sparen und war schier umb alles, etliche dreißig Thaller, und umbs Leben gekommen. So gehts, wenn man so gar genau will sein!
Ich hatte im Ausgehen des rechten Weges gefehlet und war zu weit auf die rechte Hand in’n Plönischen Wald gekommen. Und weil ich keinen Menschen auf diesem öden Weg antraf, den ich fragen konnte, ging ich immer so fort den ganzen Tag. Vermeinete, ein Dorf anzutreffen. Aber nein. Es wurd finster. Ich war müde und erschröcklich durstig, konnte aber kein Wasser erlangen. (NB. Da habe ich auch erfahren, was Durst vor eine erschröckliche Pein ist.) Ich aß das Laub von’n Bäumen – aber es wollte nicht helfen. Bald fiel ich dahin vor Mattigkeit, bald mußte ich wieder aufstehen, schrie immer: „ Ach GOtt, ach wie hastu mich wieder in so groß Elend kommen lassen’ ich muß vor Durst sterben! “– Meine Zunge war an meinen Gaumen geklebet. Und ich konnte nicht mehr gehen. Nacht war es. Und die wilden Thiere, sonderlich Wölfe, die es in dieser Wildnis viel gab, hörete ich laufen und bellen. Summa: ich war in großer Not. Betete zu GOtt und bereuete meine Thorheit, sonderlich die oft geschehene Trunk-Verschwendung.
Ich zog meinen Rock aus, legte das Bündel unter den Kopf und deckte mich mit dem Rock zu, weil es nachts kalt wurde. Aber umbsonst; ich konnte vor Angst nicht liegen, gedachte alle Augenblick: itzt fällt dich ein Wolf oder Bär an. Doch schien es, als wann GOtt mich stärkete, weil ich wieder gehen konnte.
Und fand einen hohen Zaun. Deß war ich froh. Gedachte, es müsse nun ein Dorf nicht weit sein. Allein es war ein Wildzaun, der durch den Wald ginge, und eine Grenzscheidung. Denn weil ich über den Zaun, und es wieder morgen und dämmrig wurde, sahe, war drüben eine entsetzliche Tiefe, daß (wenn ich wär übergestiegen, wie ich wollte) ich Hals und Bein gebrochen hätte.
Ich ging lange, aber der Zaun wollte kein Ende nehmen, bis es etwas Tag wurde. Und sahe durch den Zaun, weit hinein, einen Bornschwengel und zugleich einen Schlag durch den Zaun gehen.
Ich ward für Freuden ganz stark und eilete, dazu zu kommen, meinen unsäglichen Durst mit Wasser zu stillen. Aber, da ich dahinkam, war kein Eimer dran; viel weniger Wasser im Trog! Das gar Wenige schöpfte ich mit der Hand, und leckete es fast aus den Händen. Doch ward ich des größten Durstes los.
Weil ich nun sehr müde und diese ganze Nacht nicht geschlafen hatte, stund nicht weit davon eine offene Scheune; ich gedachte in derselbigen sicher zu sein und ein wenig zu schlafen, bis es vollends Tag würde. – Da hatten sich eine Rotte wilde Schweine, die Körner aufzulesen, in diese Scheune gefunden, welche mir mit solcher Furie entgegenschnarchten und - schossen, daß ich vor Schrecken bald übern Haufen gefallen. Ich erholete mich aber und suchte nach einer Leiter mit der Hand, umb damit auf den Bansen zu kommen und sicher zu schlafen. Da fand ich eine und steig hinauf.
Kaum hatte ich oben zwei oder drei Schritte gethan, mochte ich einen Kerl aufs Bein getreten haben. Der fuhr auf und sagte: „ Wer ist da, wer ist da? “– Ich war aber stockstille und verbansete mich in’n Winkel unters Dach. Konnte aber nicht schlafen und sorgete: was das vor ein Kerl gewesen?
Der herankommende Tag schiene etwas durch die Dachscheiben, da hube ich meinen Kopf in die Höhe, wurde gewahr, daß vier Kerl mit Flinten und Gewehr dalagen. Ich kroch zitternd und bebend noch weiter unters Dach und verbarg mich unters Stroh. Endlich war ich eingeschlafen vor großer Müdigkeit.
Als ich erwachete, machte ich einen ziemlichen langen Hals, umb zu sehen, ob die Kerl noch da. Aber sie waren fort.
Da machte ich mich auch runter und ginge in das dabeigelegene Darf, in die Schänke. Ließ mir eine Suppe und Eier kochen, einen Krug Bier oder zwei geben. Da fragten mich die Leut: wo ich so frühe gewesen und herkäme? – Ich sagte ihn’n den ganzen Verloff, auch wie es mir in der Scheune mit den Kerln gegangen. Da sagten sie: „ Herr, er hat von Glück zu sagen; denn es sind Mörder und Spitzbuben, die hier herum schweifen, viele Leute beraubet und etliche gar tot geschossen. “– Damit lief er zur Thür hinaus und machte Lärm im Dorf.
Einige kamen zu mir und wollten durchaus wissen: wer ich war, und möchte etwa auch einer von der Bande sein und das Pack jemand abgenommen haben! – Ich verantwortet mich mit allem Glimpf und Bescheidenheit und durfte nicht viel trotzen; sonst würde ich übel ankommen sein.
Als sie aber meine Unschuld erkannten, ließen sie mich gehen und trugen ein Mitleiden mit mir, sonderlich die Weiber, versprachen auch: mich wieder auf den rechten Weg, von welchem ich wohl vier Meiln irre gegangen, zu bringen. Sie machten mir ein Lager hinterm Tisch. Meinen Pack untern Kopf. Da schlief und ruhet’ ich eine feine Weil. Ließ mir mehr zu trinken geben. Nahm meinen Wegweiser und zog aus. Als er mich nun auf den rechten Weg vermeinet gebracht zu haben, schied er nach einem Rekompens van mir. Und ich immer sachte fort, weil ich noch müde war.
Ohngefähr eine Meil von Oldesloe will ich mich unter einem Haselstrauch niedersetzen und lege ohngefähr die Hand zuerst hin und komme mit der rechten Hand auf eine Fieber-Schlange, dern des Orts gar viel sind. Das Thierchen beißt mich gleich durch den Finger, daß ich überlaut schrei, indem solches mir so wehe that, als wann mir ein Degen in’n Leib ginge.
Doch resolvierete mich gleich, in Augenblick, eingedenk zu sein, gelesen zu haben aus dem Crollio und andern: wie eben die gleiche Schlange ihr angehauchtes Gift müße wieder ausziehen; gleich wie bei den tollen Hunden, Wölfen, Mücken, Bienen und dergleichen. – Schmeiße mit dem Degen und der Scheide die giftige Natter tot und wickelte sie in mein Schnupftuch, welches mein Glück war! Sonst hätte sterben müssen, wie es dasiger Orten Viehe und Menschen wiederfähret. – Und siehet man hieraus abermals die sonderbare Providenz des allsehenden GOttes, der da versuchen läßt, aber nicht über unser Vermögen; sondern schafft, daß die Versuchung so ein Ende gewinnet, daß wir’s können ertragen. Seinem heiligen Namen sei Lob, Preis, Dank und Ehre allein!
Von Stund an, als mich die Schlange gebissen, schwoll mir der Arm bis an die Achsel, und ging mir nicht, wie dem heiligen Apostel Paulo, deme zu Verwundrung der Leute nichts widerfuhr. Ich sahe, daß der Arm zusehends schwall und der Schmerz zunahm. Suchte allerhand Kräuter wider Gift und band sie auf die Hand und Arm. Aber es half nichts. Und mußte mich gedulden, bis ich in mein Quartier kam.
Der Wirt, Herr Rebent, fragte gleich: was mir widerfahren? weil ich wie eine Leiche ausgesehen. Ich klagte ihm meine Not; kurz, gab ihm die Schlange, abzuziehen und mir das Fett und die Leber ausgebraten zu bringen. So er auch that. Indeß hatte ich ein gut Teil von Theriak aus meiner Feldkiste eingenommen, als er mir den Tiegel mit der ausgebratenen Leber und Fett ins Bette brachte. Ich schmierte damit meinen Arm und Hand recht durch, deckete mich zu und war eingeschlafen. Nach drei oder vier Stunden wache ich auf und war zu großer Verwunderung aller, so fleißig nach mir gesehen, Geschwulst und Schmerz weg. – Das war eine geschwinde Kur, welche die Leute dort anmerkten!
Es begegnete mir da noch viel Merkwürdiges mit Bein - und Armbrüchen etc., welches aber möchte zu lang sein.
Eins aber nur zu schreiben: so war ein junger Reuter unterm Obrist Aderkaß (welcher bei einem Bäcken vor einen Bäckknecht war) im Wasserholen aufm Eis, vorm Brunn, mit dem Wasser hart aufs Gesäß gefallen. Welches er zwar anfangs nicht groß geachtet. Als es aber sehr geschwollen und schmerzhaft, ward sein Regiments-Feldscher geholet, welcher vermeinet:
die Sache nicht viel zu bedeuten habe. Wieder wegreisete und mich bat, indeß resolventia aufzulegen.
Alleine, es ward je länger, je schlimmer; welches ich berichte.
Da kamen zwei alte Regiments-Feldscher nebenst noch einem und deliberierten: ob der Schaden zu öffnen oder nicht? Denn es war der Backen, salvo honore, wie eine Pauke, so dick und prallich. Die meisten resolvierten: den Schaden aufzuschneiden. So ich aber widerriete. Und sollten sie sich nicht die Verantwortung machen; denn, sobald sie das thun, würde der Patiente sterben. So auch geschahe. Aber ich wußte es daher, weil ich versucht hatte, mit einer Lanzett zu öffnen. Als mir aber heftiger Wind und Blut entgegenging, machte ich mein Loch geschwind wieder zu.
Nun, es half nichts. Der Patient wurd auf den Tisch geleget, und mein Alter schnitte mit einem Messer eine viertel Ell tief den Schaden auf. Da war Wind und Blut, auch zugleich das Leben hin. Die Leute sahen einander an und wußten nicht, wie ihn’n geschehen. Doch hieß es, wie hie von einem französischen Herrn Doktor: „ Ist er gestorben, so lasse man ihn begraben. “
Allein der Obrist hatte es von den dabeiseinden Offizieren erfahren, daß ein junger Feldscher solches widerraten und zuvor gesaget. Da wollte der Obriste mit einer Not von denen den Kerl bezahlet haben. – Wie es noch abgelaufen, habe ich nicht erfahren.
Von da gingen wir nach Rendsburg, solches zu befestigen. Kampiereten in sandigtem Felde. Von dar nach Flensburg und endlich nach Kopenhagen.
Nachdem aber das Holsteinische weg war, woraus wir unser beste Gelder zogen und den Monatsold richtig bekamen, fing es an, zu halten. Worauf ich meinen Adieu nahm und wieder nach Hamburg ging.
Ich kam und sprach meinem alten Patron wieder zu, wie verlassen. Allein hier war es ganz anders. Die Tochter verheiratet, an einen Kaufmannsdiener. Und die Eltern hatten nun keine Lust, zu übergeben, sondern die Barbierstube mit allem zu verkaufen. Bedaureten auch mich, daß ich nicht mehr in dem Stande und so sein, wo ich denn meine schöne Haar, welche mir sonst, wie eine Parück gekrauset, bis in’n Rücken gegangen, hingethan? und was mehr war. – Ich sagte: unter Soldaten, da ging es nicht anders zu.
Macht kurz mein’n Abschied und legte mich auf Vorsatzen in einen Keller, da täglich viel Frembde und Holländer speiseten, und sie logiereten oben. Da hatte ich gnug zu thun mit Barbieren, Verbinden und Aderlassen, daß ich nicht alles verzehrete und gut lebete.
In diesem Wirtshaus logiereten drei Holländer aus Rotterdam, so leibliche Brüder waren und Johann Pitersen, Piter Pitersen und Karsten Pitersen hießen, führeten des Lord Wilhelms Bastiaenszen Schiffe von Rotterdam. Diese hatten Kommission, in Hamburg Leute anzunehmen und Provisie vor die drei Schiff zu kaufen. Weil ich aber sie barbierete und abends eine Pfeif Tobak mit ihn’n rauchte, boten sie mir an: ob ich wollte mit zu schiff reisen, vorn Meister? Sie wollten mir monatlich zwölf Thaler, freie Kost und Kiste geben.
Ich resolvieret gleich und nahm es an. Sie zahleten mir auch gleich zwölf Thaler voraus, dafür ich eine Kiste mit Medikamenten kaufte.
Damit ging es los in acht Tagen immer die Elbe nauf nach Rotterdam zu. Von dar ins Eismeer.
Ehe wir aber dahin kamen, kriegeten wir in der Nordsee ein’n erschröcklichen Sturm,’ also, daß alles über
und über ging und ofte das Schiff mit Wellen bedeckte, daß man meinete: alles würde in Grund gehen. Die Wellen stiegen himmelan und fielen im Augenblick wieder in die Tiefe, daß einem die Haar aufm Kopf sauseten und in die Höhe stiegen.
Mein Schiff hieß: „ Die Hoffnung von Rotterdam “und hatte sechzundzwanzig Stücke und fünfundvierzig Leute auf. Die Stück rissen sich einigemal los (mit sambt die Kisten) und fuhren mit all den Kerln untereinander von einem Bord zum andern. Ich selbst rädelte mich mit einem Strick an’n Mast, weil ich weder sitzen, liegen oder stehen konnte. – Da war Not und Angst. Da war nicht einer, wenn er auch dreißig Jahr zur See gefahren, der nicht see - und totkrank gewesen. Ich wußte nicht mehr, wer ich und wo ich war, ganz dumm, mit stetem Brechen und unter sich machen, salvo honore.
Wir mußten alle Segel einnehmen; und da spielete das wütende Meer mit unserm Schiff und warf es von einer Seite zur andern. Da war ein Geschrei und Arbeit oben, daß einem die Haar zu Berge stunden. Zuletzt kam ein grausames Donnern und Blitzen, so auf der See viel heftiger als aufm Lande ist, dazu. Das währete so drei, bis in die vierte Stunde.
Weil ich nun sehr krank war und von mir selbst nichts mehr wußte, hatten sie mich in meine Koje oder Hängematte, so an vier Zipfeln bei dem Mast hing, geleget. Da wurde ich recht in der Luft gewieget, bisweiln, wann eine große Woge ans Schiff schlug, schleuderte ich an den Mast, daß mir die Rippen wehe thaten. Es half nichts. Ich sollte andern helfen und konnte mir selbst mit keinem Finger helfen! Da lag ich als ein armer Wurm. Doch kam der Kapitän etliche mal zu mir, gab mir was ein und tröstet mich: es würde bald besser werden.
Endlich ward es wieder Moy-Wetter und die See und Wind höreten auf mit Wüten. Da wurd Gebet geläutet und geschrieen. Ich konnte aber nicht aufstehen. Nachdem, zum Schaffen oder Essen geläutet. Aber da grauete mir vor, wenn ich’s nur roche. Denn die Kambuse, oder Feuerherd, stund nicht weit von meiner Matte. – Ich besann mich endlich auf eine Mixtur von spiritus vitrioli, Viol-Zaft und frisch Wasser. Das machte ich mir, und that mir gut, bis ich wieder zurecht war.
Wir fuhren wohl drei Wochen, ehe wir ins Eis kommen konnten; denn es war fest geschlossen, daß wir ganz hoch, fast bis Grönland, welches mit Amerika grenzet, segeln mußten.
Da waren unsere beiden andern Schiff von uns weg und wir alleine. – Gingen ins Eis. Das lag von beiden Seiten des Schiffs, wie große Berge, ganz blau, wie Kupferwasser, und so tief im Wasser. Wir legten unser Schiff an dergleichen Eisberg, welcher wohl eine halbe Meil in die Länge und Breite hatte, an mit einem Eis-Anker.
Wir hatten kaum zwei Stunden gelegen, schrie die Wachte: „ Wal, Wal! “ Da ward ein Getümmel. Jeder lief an sein Werk und setzten die Schaluppen auf die See, so am Schiff hingen, und sprangen je sechs Mann nebenst einem Harpunier in eine. Damit ging’s los auf einen großen Walfisch, welcher ohnfern in See lag und aus seinem Kopf durch zwei Röhren hoch, wie manches Haus, blies, mit solchem Gebrause, daß man’s weit hören kunnte. Die Schaluppen eileten mit, wie ein Pfeil, dem Fisch von hinterwärts zu. Denn vorwärts dürfen sie ihm nicht kommen; denn er mit Gewalt umb sich schmeißet und gleich fortgehet; denn er den Menschen sehr fürchtet und vor ihm fliehet; wie hernach folget.
Wann sie nun dichte an ihn in der Geschwindigkeit gestrichen, so stehet vorne auf der Kaue ein Harpunier. Ist ein Mann, der mit einem scharfen, spitzigen, stählernen Pfeil, so an einer dreielligten Stange festgemacht und wohl sechs Pfund schwer ist, den Walfisch mit der größten und gewissesten Force in’n Leib wirft. An der Stange ist die Leine fest gemacht, welche mitten in der Schaluppe ganz ordentlich in Reff geleget, daß selbige sich nicht verwirren kann, so bald der Fisch den Wurf fühlet, (ob es ihm wohl nicht wehe thun kann, denn es nur äußerlich, durch die Haut und ins Fett, welches wohl eine halbe Elle dick, gehet) so fähret er mit der geschwindesten Gewalt in die Tiefe fort, und öfters wohl eine viertel Meil unter Wasser oder Eis. Weil aber das Thier grausam groß, fett und hitzig, kann es von dem schnellen Lauf und starker Bewegung nicht lange unter
See bleiben, sondern kombt an einem andern Orte wieder heraus und holet Atem, blaset gewaltig das Wasser wieder durch die zwei Röhren zum Kopf heraus. Indessen müssen die Schaluppen mit den Leinen immer hinterherlaufen; so schnell, daß öfters der Bord, worauf die Leine läuft, rauchet und anbrennet; da einer mit Seewasser löschen muß, wann sich aber die Leine verwirret, über Verhoffen, haben sie ein Beil da liegen, gleich die Leine abzuhauen. Sonst werden die Leute mit der Schaluppe im Augenblick vom Fische ins tiefe Meer gezogen. Wie dergleichen Exempel viel geschehen.
Wann nun der Fisch zum zweiten Mal, wie gedacht, sich oben wieder sehen lasset, da sind diese Leute in den andern Schaluppen schon nachgefahren und parat. Und so er noch frisch, geben sie ihm noch eine Harpun. Da er denn wohl weidlich umb sich schmeisset, daß niemand ihm zu nahe kommen darf, sonst schmeißt er mit den Schwanz, welcher ihm die Quer, und nicht wie anderen Fischen, gehet, auch mit denen Seitflarren, alles in Grund und Boden. Endlich gehet er wieder fort.
Weil ihm aber die vielen Leinen, so oft zwei bis drei Zentner, zu schwer, so kombt er bald wieder rauf. Da sind sie denn wieder parat mit all’n Schaluppen, haben Lanzen, oder neunellige Stangen, daran vorn stählerne, spitzige und scharfe, zweischneidende Messer festgemacht. Damit stechen sie dem Fisch tief ins Eingeweide, so er in den Leinen ermüdet und etwas still lieget.
Wann er das fühlet, da geht’s wieder an; und schmeißt und brauset er grausam umb sich, daß kein Mensch an ihm darf, und die ganze See umb ihm schäumet.
Haben sie ihn nun glücklich gelänzet und die innerlichen viscera, als Lunge, Leber, Magen, Gedärme etc. getroffen, (welches ein Zeichen, wann er statt des Wassers Blut ausblaset, daß öfters die Leute, so umb ihn arbeiten, über und über blutig) sodenn stirbet er bald. Wo aber das nicht, haben sie noch lange mit ihm, und wohl öfters ein ganz Etmal, das ist einen Tag, zu thun.
Wann er sich nun verblutet hat, davon die ganze See daherumb gefärbet wird, wird er matt und leget sich auf die Seite, wie andere Fische. Dann machen sie ihm ein Loch durch den Schwanz, daran sie ein Seil festmachen; item einen großen Haken mit dem Seil ins Maul. Und damit winden sie ihn, wann er an das Schiff ist, in die Höhe, etwas außer Wasser. Liegt er aber weit vom Schiff, so muß entweder das Schiff nach ihm fahren, oder es müssen alle sechs Schaluppen vorspannen, mit sechsunddreißig Ruderknechten, und den Fisch nach und nach an das Schiff bugsieren. Das geht langsam.
Wann selbiger nun, wie gedacht, etwas in die Höhe an das Schiff gewunden, so springen sechs oder acht Kerl nunter, auf ihn, mit großen, scharfen Messern, einer Elle lang; schneiden damit all das Fette und Speck, wie es heißt, los, welches ins Schiff gewunden, oben, auf einem Tisch, mit großen Messern zerhacket wird und in ein’n Leinwand-Schlauch gethan; dadurch in’n untern Schiffsraum in die Faß oder Kardelen geleitet wird, derer öfters sechzig Tonnen oder Kardels von einem Fisch voll gemachet werden.
Wann der Speck auf einer Seite des Fisches herunter, kentern sie ihn auf die andere Seite, bis alles ab.
Das Fleisch und Knochen bleiben liegen; und ist’s ein Fressen vor die weissen Bäre, welche nebenst denen großen Seemöven häufig herzugeschwommen kommen; welche es von weitem riechen; darüber sie aber totgeschossen und ihnen die weißen, schönen Pelze ausgezogen werden.
Wann das Fett herunter ist, so wird dem Fisch sein Hals oder Rachen ausgeschnitten, welches die Barten oder Zähne heißen, derer in seinem Rachen wohl fünfhundert Stück dicht aneinander, mit schwarzen, langen Pferdhaaren bewachsen, stehen. Wann sich der Hals aufsperret, diese Barten auch auseinander gehen; wann sich aber der Rachen zuthut, gehen sie wieder übereinander, wie ein Frauenfächer von dem allweisen Schöpfer Himmels und der Erden benaturet, dazu (wie ich nämlich selbst erforschen wollen), damit dies Thier sich doch nähre, daß es so eine schröckliche Größe von dreißig bis vierzig, ja sechzig langen Ellen und so viel Fettigkeit erlange. Ich habe mir lassen seinen Magen aufschneiden und ganze Pietzen von dem inwendigen chymo ausschöpfen. Solches habe ich mit Fleiß durchsucht und nichts als kleine, schwarze Seekrabben, oder Krebslein, item kleine Fische, auch ziemliche große befunden. Also dienen obige Barten, mit Haarn bewachsen, dem Fisch zu seinem Netz und Fang, wie ein Netz. Denn so er den großen, erschröcklich weiten Rachen aufsperret, kann er dreißig, vierzig und mehr Tonnen See fassen. In demselbigen wimmelt alles gleichsam voll solcher Krabben und Fischlein. So er nun das Maul voll hat, macht er’s wieder zu und bläset das Wasser durch die beiden Röhren wieder von sich. Der Fang aber der Fische und Krebse kann nicht durch die Haare und Barten und wird sodann in den Magen geschlucket. Und das ist seine Speise.
Diese Barten, an deren einer zwei bis drei starke Kerl tragen müssen, werden mit großen Beilen aus des Fisches Kinnbacken gehauen. Und ist’s eigentlich das Fischbein, so daraus geschnitten und sehr teuer verkauft wird, sind gestalt, wie eine Sensenklinge.
Wir haben die erst’re Reise neun Walfische und ein’n Nordkaper gefangen, von welchem etwas Sonderliches folget. Ist also ein großer Reichtum auf dem Schiff gewesen, da ein Fisch alle Unkosten reichlich bezahlen kann und noch was übrig bleibet.
Es ist aber der Fang allezeit auf diese Weise; und wundert mich: daß so viel Legenden die Sache ganz anders beschreiben; als wenn Tonnen ausgeworfen, daß er mit spiele; item, daß solcher mit Stücken geschossen; ist
alles nichts; daß er an die Schiff käme etc. Sintemal, wie oben gedacht, das Thier die Menschen sehr scheuet und weit sehen kann, ob es wohl sehr kleine Augen hat.
Einsmals in schönem, hellen Wetter, ob es wohl in unsern Landen Mitternacht sein möchte, (denn da von Junii bis Septembris allezeit Tag ist; und man nicht anders Tag und Nacht unterscheidet, als wenn die Sonne, so allezeit gesehen – aber der Mond und Stern wegen der Sonne Glanz nicht gesehen wird – im Osten, Norden, Westen oder Süden stehet; und wann die Sonne einmal umbgelaufen, ein Etmal heißet) wie nämlich unsere Leute von der vielen Arbeit geschlafen, habe ich eine Leine, sehr lang, wohl vierzig bis fünfzig Lachter, ans Schiff festgemacht und eine Schaluppe angebunden; mich darein gesetzet und so ins Meer schwimmen lassen; umb Seemöven, sind große Eisvögel, größer als weiße Gänse, zu fangen, welche gerne Speck fressen, deshalb auch häufig zu dem geschlachten Walfisch kommen, auch zu dem etwa vom Schwertfisch erlegten, welcher mit dem Walfisch kämpfet, unter solchen läuft und mit seinem großen, scharfen Schwert (welches er auf dem Rücken hat, so in der See weit gesehen wird und blinket) ihm den Bauch aufschneidet und ihn also tötet. Die Möwen verraten’s, daß den Walfisch die Fischer finden. Oder er auch an’n Strand getrieben wird. Da die Leute im äußersten Norden-Lande, Finnen und Lappen, von dem Thran essen, brennen und vom Gebein und Rippen sich Häuser bauen.
Als ich nun so in der Schaluppe, weit vom Schiff entfernet, saß und an einer Angel den Eisvögeln Speck vorwarf und sie fangete (wiewohl man solche wegen Thranigkeit nicht essen kann), da kombt dicht bei meiner Schalupp ein greulich großer Walfisch in die Höhe. Deß erschrak ich sehr. Kriegte meine Leine und zog mich in Eil nach dem Schiff. Sobald mich aber der Fisch gewahr wurde, ging er durch, wie ein Holländer. Kam aber bald mit noch einem weiblichen hervor. Diese beiden begatten sich ordentlich, wie ein Mensch. Und habe lange zugesehen, daß der eine sich aufn Rücken, an den andern und etliche mal unter den andern geleget, und also gespielet haben. Es ist zu verwundern, daß das Weiblein ein ordentlich membrum und Brüste hat, woran zwei Junge saugen und oft neben her gehn. Das Männlein aber hat sein membrum virile vier bis fünf Ellen lang und seine testiculos, so aber inwendig befunden werden. Es ist zwar streitbar, daß das sperma ceti eigentlich vom Walfisch komme. Allein ich glaube es, wann mir nicht ein besser Grund erwiesen wird, indem zu solcher Zeit, wann sich der Walfisch in dieser kühlen Eis-See begattet, (weil er wegen seiner Größe und Hitze solches in der heißen West-See nicht verrichten kann) sie ganz voller fettigtem Samen schwimmet, welcher dem Fisch entgehet. Ich habe solchen an der Sonne getrücknet und eben so schulbrich und fettig befunden. – Es müßte denn sein, daß das sperma ceti von einem andern Fisch und anders zubereitet würde.
Wiedrum ein andermal, als die Sonne in Mitternacht gestanden, erhub sich nicht weit vom Schiff ein erschröcklich Geräusch, und sahe ich’s mit großem Schnauben dick, schwarz, wie große Kufen, übereinander hergewalzet kommen, welche sich hoch, wie Schlangen, über der See herwalzeten waren sehr lang und wohl funfzehen bis achtzehen Ellen, und dicke, größer als Merseburger Kufen, hatten vorn aufm Kopf schneeweiße, gedrehete Hörner, von drei, vier bis fünf Ellen ohngefähr. Diese rauscheten also das Schiff vorbei. Und sagten die erfahrnen Leute, daß es See-Einhörner wären.
Ich habe nach der Zeit mehr gesehen, von einer andern Art, so Köpfe, wie Schweine, hatten, und allerhand Töne von sich gaben, wann es wollte Sturm werden.
Eine artige Lust hatten wir mit einem weißen Bär, welcher mit zwei Jungen auf dem Eise daherkam, an das Schiff, zu dem toten Walfisch oder Kreng, wie sie es heißen. Mochte solches von weitem gerochen haben. Und weil er nicht gleich dazu konnte, vor dem Schiff, so wollte er, mit einer Not, hinauf. Die Jungen folgeten ihm auf dem Fuß.
Wir sahen ihm lange zu, wie er sich bemühete, und doch nicht wohl konnte. Darüber er oft gebrummet. Als wir ihm aber mit einem Bootshaken auf die Näse stießen, ward er gar bös und grimmig.
Weil er nun sehr groß, fast wie ein Pferd, war, und einen schönen weißen Pelz anhatte, dünkte uns wohl der Mühe wert zu sein: solchen zu fangen, und nicht zu schießen; damit der Pelz ja kein Loch bekäme; worauf sie sonderlich sehen.
Der Kapitän hieß acht Boots - oder Ruderknechte mit Haken und einer Strickschlinge hinunter zu dem Burschen steigen, welcher sich sogleich, wie ein Mann, auf die zwei Hinterpfoten entgegensetzte und die Stangen und Gabeln mit den Vorderpfoten von sich schmisse, daß es klapperte, und sich immer umb, nach den Jungen, sahe, welche stets hinter ihm waren. Der Streit währete lange, bis ein Bootsknecht ihm die Strickschlinge übern Kopf warf, mit einer Gabel, und sie ihn anfingen zu würgen. Da wollte er den Strick entzweibeißen; konnte es aber nicht. Da legete er’s aufs Laufen; alleine diese Kerl würgeten ihn hart und schlugen ihm öfters mit Gewalt aufn Kopf, daß er ganz dumm ward. Die Jungen waren indeß davongelaufen. Sie schleppten und würgeten den Bär bis ans Schiff, da er mit einer Winde aufgezogen und geschlachtet ward.
Einiges Fleisch von’n Pfoten und Keulen gebraten, hat mir ganz wohl geschmecket.
Die Häute aber, derer wir mehr bekamen, wurden in einem Sacke mit Sägespähnen, wie die Seehunde-Leder auch, gar getrampelt, welches die Leute thun mußten, wann sie bei gutem Wetter sonst nichts zu thun hatten.
Wiewohl sie sonsten bei dergleichen Wetter auf dem Schiff allerhand Komödien untereinander spieleten; und der Kommandeur solches oft selbst anordnete, umb daß sich das Volk bewegen, lustig sein und solcher Gestalt vorm Scharbock (welcher in der See van der dicken, salzigen Luft, von der Kälte und von harter und gesalzener, alten Speise und purem Wassertrinken herkombt) präkavieren sollte. Da hätte man sehen sollen, wann sie auf dem Schiff alte Segel, vor Wände, aufgemacht, was vor Händel die Holländer, welches ohndem ein Schalksvolk ist, gemacht, von allerhand Historien und Kurzweil, daß ich, der Kommandeur und Offizier uns fast zu Schanden gelacht hätten.
Sonst halten es die Holländer auf ihren Schiffen sehr accurat, rein und strenge. Wer was thut wider ihre Ordnung und Gesetz, fluchet, sich schläget, mit dem Messer sticht oder schneidt, wie sie pflegen zu thun – gleich das Messer durch den Hut stoßen und damit einander aufs Leder gehen – oder ohne Not nicht zum Gebet kommet: da ist gleich Standrecht über ihm gehalten, das Urtel gesprochen und an ihm exequieret wird: entweder vor dem Mast von allen mit einem Stück starken Tau oder Zeil, so viel Schlage, als ihm zuerkannt, auf die angezogenen Broken, oder er vors bloße Gatt geschlagen wird, oder auf ein oder zwei Monat Sold gestraft, oder gar mit einem Seil etliche mal in die See geworfen wird.
Es darf kein Mensch aufm Schiff sein’n Behuf thun; es sei denn, daß er sehr krank ist, sondern muß hinaus, auf den Schiffborden, treten, mit einer Hand die Hosen und mit der andern ein festgemachtes Tau, sich anzuhalten, ergreifen, obgleich das Schiff im vollen Segeln hin - und herschwanket. Welches mir wohl eins der größten Anliegens gewesen, bis ich solches von dem Kommandeur erlaubet bekommen, in seiner Kajüte auf das gemachte Privet zu gehen, welches mir aber zuweiln übel abgewaschen, und ich pfütznaß herauskam; weil, wenn das Schiff mit seinem Hinterteil jählings in die Tiefe fiel, die See zum Gatt, oder Loch, in die Höhe quetschte; darum mußte ich den Vorteil wohl in acht nehmen.
Ich hatte es sonsten gut bei den Leuten. Insonderheit hielte der Kommandeur viel von mir; also, daß er nichts thate, er fragete mich darum. Er gab mir Rotterdamer Bier, Wein, Branntwein, Konfekturen. Und höreten mich überaus gerne diskurieren. Wollten mir ofte nachreden; aber sie konnten nicht.
Den Kajüt-Wächter, welches seiner Schwester Sohn war, hatte ich nebenst dem Koch auf meiner Seite; welche mir manchen guten Bissen und Trunk zubrachten. Aufs Letzte ward ich so kühne, wann der Kommandeur den Rücken wendete, daß ich selbst in die Kajüt lief und mir einzapfte, was ich wollte.
Sonsten aber stund bei dem großen Mast ein groß Faß, in die Höhe angebunden, mit Wasser, das oft stinkend und voll kleiner Würmer war, zum allgemein’n Trank. Und oben, auf Stangen, lag Zwieback gnug, welcher zerschlagen und eingeweichet werden mußte in Wasser. Sonsten konnte man es nicht essen, so hart und schimmlig war es. Alle Wochen aßen wir wohl dreimal in Wasser gekochte Grütz, Erbsen, Linsen, Stockfisch, eingesalzen Rindfleisch, Schweine - und Hammelfleisch und Speck und viel Butter.
Wann sie aßen, und war windig; mußte allezeit einer die Back, das war eine hölzerne, große Schüssel, halten. Sie lagen alle an der platten Erde; mußte jeder seinen holzen Löffel bei sich tragen; denn sie alles mit der Hand oder Löffel essen und wenig Messer gebrauchen. Wann nun die Back bald aus, und der sie für das Schwanken des Schiffs gehalten, stehet, daß seine Portion gnug, schreiet er: „ Lentz, lentz! “– Da hören sie alle auf einmal auf.
Kommen ohne Gebet, und gehen ohne Gebet weg. Außer, des Abends gerufen und geläutet wird zum Gebet. Und da muß jeder herzu, oder wird gestraft. Des Morgens geschiehet solches auch. Darnach wird zum Essen gerufen. Der Beter oder Kommandierer oder der Meister halten das Gebet und wird Sonn - und Festtages das Evangelium sambt der Auslegung deutlich vorgelesen.
Nun habe ich öfters bei mir erwogen, daß es dem allmächtigen GOtt gefällig, daß Er auf der Erden nicht allein, sondern auch im wilden, wüsten Meer mit Menschenzungen gelobet und gepreiset, sein heiliger Name angerufen und verherrlichet werde, welches wahrhaftig mit solcher Inbrunst und Andacht geschiehet, als wohl nicht auf der Erde; weil die Not öfters sehr groß und ihnen allen der Tod alle Augenblick unter so vieler Gefahr gedräuet wird. Hier hat David schon von im Psalm gesungen: „ Herr Zebaoth, die Himmel und das Meer loben Dich und preisen Deine große Güte, Du schaffest sichere Wege im Meer ec. “
Jawohl, sichere Wege! Denn die Schiffer und Steuerleute durch ihre Instrumenten, die Höhe der Sonnen, die Landkarten, den Kompaß und Grundlot gar eigentlich wissen, wo sie sind und wo sie fahren sollen. Ich bin mit dem Steuermann wohl drangewesen; und wollte mir’s lernen; aber die Kunst war mir zu weitläuftig.
Und hatte sonst zu thun gnug mit den Leuten, mit Flicken und Waschen, welches jeder selbst thun muß, will er vor Ungeziefer, derer erschröcklich viel und groß immer die Masten hinauflaufen, sich retten. Da nimbt man die schwarze Wäsche in eine Balje oder Faß, giesset süß Wasser drauf (denn Seewasser kann man weder trinken noch damit waschen), dann schmieret man das Zeug mit Seifen und tritt mit barfüßen Beinen den Wust raus; wann das oft gethan, denn spület man es in Seewasser aus und hängets im Schiff auf; so im Augenblick trucken. Denn man glaubet’s kaum, wie die Seeluft dick, salzig und austrucknet; daher es einen immer hungert.
Und hab ich in Wahrheit oft den rohen Stockfisch auf dem Anker geklopfet und mit dem größten Appetit gessen. Dazu wohl mit geholfen hat, daß – auf Einraten eines guten Freundes – ich wohl sechszehen Kannen Franzwein mit eingeriebenem Meerrettich mitnahm und davon täglich, vor den Scharbock, zwei Gläser trank. Ich muß’s in Wahrheit diesem Mittel, nebenst GOtt, zuschreiben, daß ich vor dem Scharbock präservieret. Die andern alle waren dran siech und konnten durch kein Mittel kurieret werden, als bis wir in Spitzbergen, welches außer Zweifel am äussersten Ende Americae und unterm Nordpol gelegen, den daselbst wachsenden Schlath und Erfrischung bekamen,
Derohalb, und weil wir unser Schiff so bald glücklich und reich gnug beladen, auch daß die Zeit der Monatgelder denen Leuten zuwachsen sollte, machten wir uns aus dem Eis süd-nord und höreten unterweges ein grausames Gebrüll, gleich eines Kalbes, auf zwei Meiln. Unsere Leute mutmaßten: es wäre ein Nordkaper, oder großer Fisch. Da wir mit dem Schiff herzugesegelt, war es also ein großer Fisch, aber ganz anders gestalt, als ein Walfisch. Unser Kapitän wollte anfangs die Mühe nicht dran wenden, weil er nicht großen Nutz gäbe. Jedoch ließ er sich bereden. Und setzten die Schaluppen aus; gaben dem Fisch eine Harpun und wollten ihn länzen. Allein der Fisch wehrete sich grausam, sperrte etliche Mal seinen großen Rachen auf, als wollte er sie alle verschlingen. Nach langem Geschrei und Arbeit ward er doch getötet.
Dieser Fisch gab wenig Nutzen, außer das wenige Speck. Allein es war etwas Besonders, daß er auf seiner dicken, schwarzen Haut viele hundert, ja tausend elfenbeinerne, gedrehete Schneckhäuser so fest sitzen hatte, daß sie tief mußten ausgeschnitten werden. Sie waren größer, als ein groß Schneckenhaus. Ich habe selbige wohl sechs bis acht Wochen behalten, wann ich sie in die Sonne brachte, so kroch ein Wurm heraus, gleich einer Schnecke, zog sich auch wieder ein. Und glaube ich: dies sei eine Art von Seeläusen, welche sich in des Fisches Haut setzen und nach und nach so feste einwachsen.
Wir gingen also unsern Kurs nach den Spitzbergen zu. Unterwegens schwamm ein großer Bär in der See, wohl hundert Meiln von Land und Eis. Diesen Braten wollten wir nicht aus den Händen lassen. Setzten deshalb die Schaluppen ins Meer und ruderten auf den Bär los, welcher gern ausgezogen, aber viel zu langsam gegen unsere Geschwindigkeit fortkonnte. Er wollte sich anfangs wehren; tappte mit den Pfoten nach den Schaluppen, selbige umb zu reißen; aber sie klopften ihm auf die Finger; endlich warfen sie ihm die Schlinge umb den Hals und da mußte er vor allen drei Schaluppen hertrecken, er wollte oder wollte nicht, nach dem Schiff zu; da kriegte er so viel Schläge mit den Fußhölzern, auf welchen Weg er trecken mußte! Das Volk aber sang dazu ein Liedlein.
Als sie den Bär ans Schiff gebracht hatten, wurde er mit der Schlinge umb den Hals so hinaufgewunden, daß er notwendig erworgen mußte mit seinem schweren Körper.
Allein, als er über Bord ins Schiff geworfen wurde, und eine gute Zeit vor tot gelegen, so richtet’ er sich mit einmal wieder auf, und – auf die Leute los! Da hätte man sollen sehen, wie alles Volk in die Wände, das ist in die Strickleitern am großen Mast, hinaufliefe (ich selbst mußte mich also retirieren), bis daß der Kommandeur aus der Kajüt mit einer Flinte kam und den Bär durch den Kopf schoß. Da war die Komödie aus und wurde er geschlacht, sein weiß Kleid ausgezogen und er gegessen.
Ohngefähr schreit die Wachte auf dem großen Mastkorb: „ Land, Land! “ Da wurd jeder froh; machten die Anker zurecht und liefen unter einem Sturm zwischen die Klippen ins Waigat ein. Wir wurfen die Anker und setzten die Schaluppen ins Meer. Das erste war, daß wir die Kranken an Land brachten, welche wie das Viehe zum Teil mit dem Maul das Schlath, welches eine Art Kraut, fast wie das Löffelkraut, van der Erde fraßen und in drei Tagen alle gesund wurden.
Wir hatten Mangel an frischem Wasser. Deshalb wir Reviere suchten und fanden, welche von dem Schneetau entstehen, der von den hohen Felsen häufig und mit großem Brausen herabfällt und große Ströme macht.
Ich habe mit Erstaunen gesehen, was für unbeschreibliche Menge von allerhand Vögeln, wilden Gänsen, Enten, Fasan, Papagei, Eisvögeln und vielhundertlei mehr, auf den Klippen, Eiländern und kleinen Insuln waren. Deshalb unsere Leute zur Erfrischung auf den Inselchen die Eier holeten und aßen. Probireten selbige aber erstlich auf Wasser, die da schwammen und untersunken. Die aßen wir alle Tage, gekocht, sauergemacht, auf Butter geschlagen. Wir schossen auch viel Gänse, Enten und Vögel zum essen.
Wir kriegeten jeder eine Flinte, Pulver und Schrot, ich auch; und hatte der Kommandeur meine selbst geladen; vielleicht zur Kurzweil, und nicht aus böser Meinung, doppelte Ladung gegeben, welches mich gar bald zum jämmerlichen Tode gebracht hätte. Denn, da ich auf einen hohen Felsen, dicht am Meer, den Vögeln recht nahe zu kommen, geklettert, und kaum so viel Raum, mit den Füßen zu stehen, hatte, unter mir aber eine unendliche Tiefe ins Meer war, zog ich auf ein’n Tropp Vögel los. Das Ding gab mir aber einen solchen Schlag an’n Kopf, daß ich anfing zu taumeln, zu allem Glück aber mit den Händen den Felsen und Geröll fasse; sonst wäre ich ohnfehlbar den Felsen hinuntergestürzet ins Meer, und wär meines Gebeins nichts ganz geblieben; wie es meiner Flinte ergangen, welche den Felsen hinunter in tausend Stücke zerschmettert. Ich danke abermals GOtt vor gnädige Erhaltung und steig vom Felsen, wollte nicht mehr Vögel schießen.
Einige von unsern Leuten kamen und sagten: sie hätten am Seestrande, an Felsen, Walrossen gesehen. Dessen der Kommandeur froh war und gleich die Mannschaft auf vier Schaluppen mit Flinten und Äxten mitnahm, mich auch, wann etwa einer verwundet, wie es bei des Thieres Fang zu geschehen pfleget, ihn zu verbinden.
Wir kamen an den Ort, wo drei grausame Thiere beisammen lagen. Sie hatten Köpfe, wie Ochsen, aber wohl dreimal so groß, gräßliche Augen, einen Bart, auf jeder Seite einen großen, langen, weißen Zahn, so das beste Elfenbein, und einer wohl drei bis vier Pfund und mehr wiegt. Der Leib ist groß, dick, schwarz und stark, wie die größte Bierkufe. Hat vorne zwei große Flarren, womit er sich fort rudert, aufm Lande aber damit forthutschet. Hinten ist er gestalt mit einem Schwanz, wie ein Seehund.
Sobald sie uns sahen, dreheten und hutschten sie nach dem Meer. Allein unsere Leute waren ihn’n gleich auf dem Hals, schlugen sie, ohne sich vor ihrem Gebrüll und Geblöke zu fürchten, mit großen Knütteln und Hebbäumen in Hals und Genick (welches sie nicht vertragen können), ja schossen endlich selbige durch den Kopf, daß nicht einer davon kam. Sie wurden da gleich abgezogen, das Fett und Zähne ausgehauen und ins Schiff gebracht.
Denn ging es auf die Rehenjaged. Und wurden unser zweiundzwanzig Mann mit Flinten, Kugeln und Pulver dazu kommandieret. Die andern mußten auf dem Schiff bleiben mit der Ordre: daß, wo wir uns ja sollten im Lande verirren, sie mit einem Stückschuß ein Zeichen uns geben sollten.
Wir nahmen einen Kompaß mit und Proviant, Branntwein ec. und gingen weit ins Land ein, bis wir gleichsam in einer Aue, wo das Schlath, wovon oben gemeldet, wie Gras, da, wo von den von’n Felsen herabfallenden Schneewassern ein Strom gemacht, gewachsen. Da stunden wohl zweihundert solche Thiere, welche in Größe eines Esels und grau mit langen, zottlichten Haaren und Ohren, wie Eselsohren; tiefe Augen, darüber lange Haar gewachsen; gespaltene Füsse, wie ein Hirsch und Rennthier (wovon hernach), ohne Schwanz, nur ein’n Sturz hatten und auch keine Hörner, wie die Rennthiere.
Diese stunden da beisammen und weideten sich. Der Kommandeur hieß uns alle ausziehen und das Rauche rauskehren, auch die Mützen. So mußten wir mit den geladenen Flinten auf solche loskriechen, von allen Seiten. Es sollte aber keiner schießen, er hätte denn zuvor geschossen. Ich hatte mich mit meiner Flinte hinter einen Stein gekrochen, und kamen mir die graulichen Thiere so dicht auf den Hals, daß sie mich anschnarchten. Und lief keins vor uns weg. Bis endlich der Kommandeur anschlug und schießen wollte. Als ihm aber die Flinte wohl dreimal versaget, wollte ich nicht länger warten und schoß drein mit Kugeln und gehauenen Kugeln. Davon einer gleich zur Erden stürzte, der andere aber im rechten Lauf, bei der Hüft, getroffen war, davon er rumhinkete. Sie liefen darum nicht, noch scheueten sich. Da ging es an ein Schießen, umb und umb, daß wohl acht bis neun Stück fielen. Der Kommandeur wollte sich immer zerreißen. Noch mehr aber wurde er heftig bös, als er sähe, daß ich aufsprang und das lahme Thier, das immer nahe bei mir herumging, beim Halse kriegete und ihm mit meinem großen, holländischen Messer die Gurgel abstieß. Da warden die Thiere scheu und liefen mit schnellem Lauf fort!
Der Kommandeur fluchte sehr auf mich, daß ich ihm den Kram verdorben; sonst hätte er sie alle bekommen wollen. Allein ich lachte drüber, fragend: was er mit so vielen machen wollen? – Er aber sagte: es war das delikateste Wildbret; könnte es in Tonnen salzen und die Fell teuer verkaufen. – Doch mußte er sich gnügen lassen, was da war. Vier und vier packten eins auf stangen und Bootshaken und trugen’s nach dem Schiff. Gab Ordre: wieder zu kommen! – Ich und der Kommandeur blieben allein und gingen, die Thier wieder zu suchen; allein, wir fanden solche nicht wieder. Und weil es allzeit Tag war, waren wir wohl drei Tage ins Land hinein; fanden lauter Einöden, kein Bäumlein oder Sträuchlein, außer oftgedachten Schlath, als wovon die Thiere und Vögel sich nähren und so fett werden.
Ich ward fast ohnmächtig, so weit zu gehen; und die pochette war auch all, mit dem Branntwein und Toback; deshalb ich mich oft mit meiner Flint niedersetzte; der Kommandeur aber nicht; denn er war ein junger, starker Mann und der Strapatze gewohnt.
Als er sahe über dem Revier, wodurch wir waten könnten, einen großen Bär stehen, wollte er durchaus hinüber und selbigen totschießen; und ich sollte mit. Ich hatte gnug zu wehren und zu warnen, indem ich ihme vorstellete: ich war kein guter Schütz, und er könnte fehlen, da kostet’s unser beider Leben. – Endlich ließ er’s bleiben und ging mit mir fort, den Berg hinauf, nach der See sehende.
Aber ich konnte nicht mehr vor Mattigkeit und fiel immer übern Haufen. Da nahm er seinen Hut voll Wasser, so da vom Berge lief, und begoß mich; wollte mir zu trinken geben davon. Allein es ging mir, wie jenem Schneidergesellen, der da geschrieen hatte: „ Mester, Brot, Brot! “– Denn ich war ganz verschmacht vor Hunger.
Als ich nun so am Berge liegen blieb und er mich nicht weiter bringen kunnte, lief er auf den Berg und schoß die Flinte los, den andern Losung zu geben.
Es ware auch kaum eine Stunde, da waren die andern wieder bei uns und brachten ’ne pochette, Branntwein, Wein und Tobak. Wir saßen da und speiseten und tranken, so gut wir’s hatten. Und da wurd’s besser mit mir, daß ich wieder marschieren kunnte nach dem Schiff. Da war indessen von dem Wild gebraten und gesotten, so lange es währete, und schmeckete uns trefflich schön.
Zudem konnten wir auch schöne Fische angeln; zumal die frischen Butt, oder Schollen, mit einer dreizinkigten Gabel stechen: zumal wann Ebbe, wohe das Meer wohl eine gute halbe Meil eingefallen; und konnte man weit ins Meer gehen, Muscheln suchen und Krabben. Hingegens, wann nach sieben Stunden Flut kam, gleichsam gewalzet, richten sich die Schiff wieder in die Höhe, welche in der Ebbe auf der Seite und im Sande liegen.
Nach Verfliessung einer Zeit hoben wir unsere Anker und gingen in See, längstens der Küste hin. Weil es schön, hell Wetter, konnten wir weit ins platte Land sehen. Sahen aber nichts, als dann und wann weiße Hasen, weiße Füchse und viel Vögel. Unter andern war einer – viel größer, als der große Truthahn – am Seestrand, war ganz rauch, wie ein Schaf, und schreiete immer erschröcklich graß in die See hinein. Ich wurd berichtet (und mir auch der Name benennet): daß seine Federn sehr kostbar und dem Könige gebracht werden müßten.
Wir entdeckten im Lande weit hinein etliche Berge, welche, da die Sonne auf schien, wie pures Silber und Gold blitzten und schimmerten.
Ich lag dem Kapitän sehr an, daß wir dahin und sehen wollten, was das wär? Ihm dabei erzählete: wie ich in Kopenhagen gehöret, daß der König etliche Schiff ausgerüstet, die nordischen Länder zu erkundigen; und einer davon dergleichen Silberberg angetroffen, in dieser Höhe, davon er ein ganzes Schiff voll eingeladen und nach Kopenhagen gebracht. Vermeinet’, es wäre lauter Silbersand. Als es aber der König probieren lassen, konnte nichts draus gemacht werden. Worüber der Schiffer ausgelacht und verhöhnet worden. So er sich zu Gemüth genommen und sich ins Meer gestürzet; seine Gesellen sich aber zerstreuet hätten. Nach langer Zeit kombt ein erfahrner Alchimiste über das etwa Zurückgebliebene und machet das herrlichste Silber draus. Worauf der König erkundigen läßt: ob noch ein Schiffer oder Mann da wäre, der den Ort gewußt? Aber da war keiner zu finden mehr. Deshalb andere Schiff mit großen
Kosten wären ausgeschicket worden; hätten aber niemals dergleichen wieder gefunden.
Allein, alles Zureden ungeacht, wollte der Kommandeur nicht dahin, weil viel gefährliche Klippen da herum und auch ein Seestrudel, welcher zu gewissen Stunden die See gewaltig in sich und alles, was ihm zu nahe kombt, verschlinget. Dergleichen in diesem Meer viel sind. Ich auch mutmaße, daß davon Ebbe und Flut herkommen müsse.
Wir stiegen zwar ans Land, uns auf die Heimreise mit frischem Wasser zu versorgen, weil da Quellen waren. – Es war eben der Ort, allwo die Holländer unterschiedenemal versuchet, über Winters zu bleiben, und sähe man noch die rudera von Bauwerk, Wände und Füllmund, aber sie haben’s niemals prästieren können, weil die Leute alle jämmerlich gestorben, von Gespenstern, Geistern und Bären erschröcklich geplaget, endlich vom Scharbock krumm-zusammengewachsen und tot gefunden worden. Also ist nicht möglich, daß da Menschen leben können im Winter vor großer Kälte, Schnee und Finsternis, welche sich zu Ende des Septembris anhebet und währet bis in medio Aprilis.
Besser aber nach Süden und Westen hinunter, ist es besser und nach West-Indien, welches eigentlich das rechte Grönland benennet wird. Da wohnen Leute; wild und sehr klein; nähren sich vom Fischen und Jagen; haben ihre Wohnung in der Erde; fressen die toten Walfisch, wenn, wie oben gemeldt, solche vom Schwertfisch getötet und an Land getrieben werden; saufen und fressen Fischthran. Und dies Grönland ist ein fußfestes Land mit Amerika: wie ich ebenfalls Spitzbergen dafür halte; ist mehrenteils unerkannt, weil es hoch am Nord - Polo und wegen großer Kälte und Finsternis niemand vor Eis hinkommen kann.
Wir machten uns segelfertig, nachdem wir da ziemlich gefischet und uns wohl erfrischet. Gingen mit einem Südwesten-Wind in See, willens nach dem Cap del nord zu segeln. Allein der Wind wurde uns zu stark und konträr, daß – ohne erachtet alles Lavieren – wir nach Island ganz verschlagen wurden. Nun war es wohl unsere Reise nicht; allein gezwungen von Wind und Wetter liefen wir in eine Bay ein.
Sobald wir da Anker geworfen, kamen die Leutchen mit Kanoes (welches kleine Schiff von Baumrinden, mit Thiersehnen zusammengenähet; in etlichen nur ein einiger Mensch sitzen kann; und tragen solchen, wohin er will) zu uns ans Schiff, brachten uns Milch und frische Fische und dergleichen; waren sehr gütig und freundlich mit uns.
Unser Dolmetscher redete viel mit ihnen, wie wir an Land gestiegen, von des Landes Beschaffenheit und von dem brennenden Berg, so mitten auf dieser großen Insel nebenst vielen Bergen lieget, als man von Ferne sehen kann. Er brennete aber diesmal nicht. Und geschähe solches nur zu gewissen Zeiten, wann der Teufel Seelen brächte. Denn sie ganz gewiß dafür halten, daß da die Hölle sei. wie sie denn sagten: daß oft grausames Geheule und Stimmen sich hören ließen.
Die Leutchen sind sehr abergläubig: erkennen zwar GOtt, den Allmächtigen, Schöpfer Himmels und der Erden, und haben auch ihre Priester, aber dabei sehr abgöttische; machen sich aus allem etwas. – Wir handelten viel gedörret Fische, Lachs, Rekel und dergleichen von ihnen. Aber Geld wollten sie nicht nehmen; sondern allerlei Schnallen, Spiegel, Gürtel, Leinwand, alte Kleider und dergleichen.
Als der Wind gut wurde, segelten wir ab, immer nordost an, und sahen in acht Tagen zur Rechten Land, das Nordkap. Und obwohl wir schon ein reich beladen Schiff hatten, wollte doch der Kommandeur noch vor sich handeln, sonderlich weil es noch Zeit war, und er den Schiffleuten, welche meistens seine Freunde, Gevattern, Vettern und dergleichen waren, völliges Monatgeld zuwenden wollte.
Wir gingen derohalben immer weiter und bis ins Weiße Meer, ja gar bis Nowaja Semlja, da wir wider willen vom Winde getrieben wurden. Setzeten bisweilen Volk an Land, allwo der Kommandeur selbst mitging und alles wohl erkundigte, weil kein Schiff sonst an Land kommen und mit den Leuten handeln durfte; es mußte alles im Verstohlenen und behutsam geschehen; denn der Zar das bei Leib und Leben verboten und da gewisse Vögte am Seestrande hielte. Es geschähe aber doch; und handelten wir von den Leuten schöne Zobel und ganze Dächer von andern Thierhäuten.
Da habe ich erstaunet über das Volk, welches sehr klein, und die Köpfe ganz in’n Schultern stecken; tragen Köcher und Bogen - und lange Schuhe von Rennthieren; item alle ihre Kleider, Mütze und Strümpfe sind von Rennthieren; das Rauche auswendig; und konnte ich keinen Unterscheid unter Mannes - und Weibespersonen erkennen; dann sie einerlei Habit anhatten; ausgenommen: die Frauens ein’n Gürtel umb den Leib hatten, daran viel Tändlei, als Ringlein, Moscheln, Schnecken und dergleichen; das Mannesvolk aber gemeinlich, nebenst Köcher und Pfeilen, ein’n Pfeil an sich stecken hatte. Sie fahren mit ihren Rennthieren, welche wie ein Hirsch gestalt, wie ein Blitz davon, derer drei bis vier vor eine Koje gespannet; sind ganz zahm; und machen davon Butter und Käse, wie bei uns von Kühen. Ihre Häuser sind meist in der Erde, etliche aber in Wäldern auf Schleifen gebauet. Sind im Lande bald hie, bald da und halten keine kommune Dörfer, sondern leben flecker-weise; daher sie auch nicht groß der Herrschaft achten, sondern fliehen davon, Wir gaben ihnen bisweil aus der pochette Branntwein und Tobak, welches eine angenehme Sache bei ihnen war. Dargegen brachten sie uns Milch und Käse von Rennthieren, gedörrte Fisch und geräuchert Aal und Lachs, Felle gnung, auch Fischbein und anders; daß also unser Kommandeur sich wohlbesackte; wir auch viel handelten.
Damit gingen wir fort, rückwärts, und trafen unsere beiden Kamraden, Wilhelm Bastiaenszens Schiffe, am Nordkap im Hafen an, welche schon lange auf uns gewartet hatten und sich sehr erfreueten.
Wir gastiereten etliche Mal einander und gingen alle drei aus dem Hafen, immer südwest ins Meer.
Meines Kommandeurs Bruder war krank. Und wurde ich etliche Mal zu demselbigen mit der Schaluppe geholet. Ward auch wieder gesund, und war ein alter seeerfahrner Mann, unser Schout by Nacht, wie sie es heißen.
Wir kamen auf die Höhe und bei die Insul Jütland, allwo der Hering gefangen wird; so ich auch vielmals zugesehen. Denn umb selbige Zeit streicht der Hering, viel tausend Tonnen beisammen, ganz oben auf der See, springen bisweiln auf einmal über sich, da es einen Blitz von der Sonne giebet, als wann es wetterleuchtete. Und da sind die Herings-Buysen oder Fischer, je zwei oder vier hinter ihn’n her mit ihrem Netz und streichen soviel zusammen, daß alle Schiff voll werden. Damit fahren sie ans Land; schneiden die Kröpfe aus, salzen sie ein und pressen sie in Tonnen. Von dannen sie nach Holland geschafft werden.
Das Salz machen sie auf dieser Insul also: es sind in der Nordsee viele Salzquellen, wie durch das ganze Meer; da geben die Leute acht auf und graben neben der See große Teiche; wann nun Flut in der See, so tritt die See dahin nein; in der Ebbe machen sie den Damm wieder zu und lassen’s so stehen, bis durch die Sonnenhitze das Salz gewürket wird. Dergleichen Teiche haben sie viel. Etliche aber kochen’s gar mit Torf, wie in Holstein, Engeland und Dänemark nicht viel Holz und sehr teuer ist.
Wir hatten einen starken Süd-West-Wind. Da lag ein groß frantzösisch Schiff, so damals Orlog mit Holland hatten, gegen uns. Die Wache vom Mast sahe ihm von weitem und schreit: „ Frembd Schepp, frembd Schepp! “
Da kamen alle Mann oben und sahen gleich: daß es ein frantzösisch Schiff war durch den Kieker oder Perspektiv. Der wurf anfänglich dänische Flaggen aus, uns damit sicher zu locken; denn er vor dem Wind lag und nicht zu uns kommen konnte. – Der Kapitän sagte gleich: „ Das ist Feind, ein Gaudieb und Jean Barth! “, welches damals der berühmbte Seeräuber war. Er hatte hinten ein ganz vergüldetes Schiff, so in der Sonne sehr blitzte, und wohl drei - bis vierhundert Mann mit dreißig oder mehr Kanonen aufm Fregatt.
Unsere Makkers, oder Kamraden, rochen gleichfalls den Braten, gaben einander Zeichen und legten sich im halben Mond zusammen, immer lavierend, daß wir nicht zu jenen wollten. Indessen wurde alle unser Volk mit Ober - und Untergewehr versehen. Die Konstabel brachten die Stück zum Gatt, scharf geladen. Umb den Schiffbord wurden Hölzer aufgesteckt, und die starken, gepichten Tau, als eine Brustwehre, ringsumb angebunden. In summa: es war alles fertig zum Schlagen.
Ich sollte und mußte in’n Raum, unten ins Schiff, in die Pulverkammer; weil, sagte der Kommandeur, der Mester der nötigste zum Verbinden sei. Ich konnte aber da nicht lange dauren, weil es mir zu gefährlich schien, und die Leute mit dem Pulver und Lunte hin - und widerliefen.
Als der Franzmann nun sahe, daß er mit alle seiner Bemühung nicht konnte zu uns kommen, wir auch durchaus nicht zu ihm wollten, schoß er unterschiedene Mal auf uns und warf französische Flagge aus. Schoß auch und traf unsern Besanmast, daß alles donnerte und übern Haufen fiel. Wir schenkten ihm auch nichts; konnten aber mit unsern eisernen Stückn so weit nicht langen.
Wir brachten so den Tag vollends mit ihm zu, bis es begann, dämmrig zu werden. Da ließ unser Schout by Nacht eine Rakete steigen und setzte hinten aufs Schiff eine brennende Laterne und segelte also seitwärts Windes Norden zu. Wir hinten nach und kamen also im Düstern vom Feinde in der Geschwindigkeit weg. Denn wohl zu glauben: wann er uns aufn Hals gekommen, er uns bezwungen und alles genommen hätte! Wie wir hernach in Holland erfahren, daß es andern nach uns geschehen ist.
Inzwischen war der Wind so gewaltig, und der Sturm so heftig, daß die Wellen immer himmelan stiegen und das Meer vor dem Schiff, wie lauter Feuer und Flammen, brannte, wie es in der Nacht so pfleget von den Salzteilchen auszusehen. Wir mußten endlich die Segel einziehen. Da wurd das Schiff mit Gewalt immer näher an die nordischen Klippen geworfen, daß wir alle Augenblick vermeineten: Schiffbruch zu leiden, und alle ersaufen müßten, weil die Felsen da sehr hoch im Meer liegen und kein Strand ist, wie wir vor Augen sahen. Wir befahlen uns alle GOtt und arbeiteten aus ganzer Macht, von den Felsen und Klippen zu kommen,
welche ich gar eigentlich sahe, dicht am Schiff, wann die See dünete. Der grausame wind wurf die ankommenden Seewellen dergestalt an die Felsen, daß sie wohl funfzehen bis zwanzig Ellen, wie Feuerfunken, umbstobn.
Unsern Makkers, oder Kamraden, ging es nicht besser; doch waren wir nicht mehr beisammen, sondern voneinander gestreuet. Und waren halbtote Leute bei diesem Elend; zumalen wir alle Augenblick: „ Reff! “schreien mußten; sonst war das Schiff auf die Felsen gelaufen.
Ich sahe mit Schröcken immer etwas Großes und Grünes, wie Moos, als ein’n Berg, oder Stück Land, bei unserm Schiff herschwimmen, das Schiff mochte sich wenden und fahren, wie es wollte. Was es gewesen, weiß ich noch nicht. Andere, die es auch sahen, wußten’s auch nicht. Etliche vermeineten: es wäre ein treibend Stück Land. Etliche hielten es vor ein Gespenst oder See-Geist.
Endlich half der liebe GOtt, daß uns Wind und Wellen in eine Bucht vor dem Wind zwischen die Felsen schmissen. Da ließen wir einen Anker fallen. Der war aber wie ein Faden zerrissen und weg. Die Wogen trieben uns mit Gewalt besser hinein. Da ließen wir den andern Anker fallen. Allein, der riß auch, wie ein Blitz, weg. Da ward ein groß Geschrei aufm Schiff; und sahen, alle Augenblick das Schiff scheitern und zu Grund gehen. Doch wurfen wir den Notanker ins Meer; der hielte, daß das Schiff zitterte mit Stängen und Masten, wir brachten noch mehr große Haken zur rechten und linken Seite aus. Da lag das Schiff, still. – Wir danketen und lobten GOtt inniglich, der uns so gnädig erhalten hatte, in einer Betstunde.
Als das Meer wieder still wurde, holeten wir unsere Anker wieder ein. Und ward mit einem Stückschuß angezeiget, wo wir waren. Und kamen auch alle drei behalten wieder zusammen. Dies war ohngefähr oberhalb Bergen in Norwegen.
Wir repariereten unser Schiff, weil es in dem gewaltigen Sturm sehr leck geworden und brachten die Zeit mit Fischen und wilde Gänse - und Entenschießen zu. Ich habe mein Tag nicht mehr Fisch, als in der Baye, gesehen. Ganze Klumper gingen miteinander. Sonderlich der Hai, von welches Haut die rauhen Messerstiel und Säbelscheiden gemacht werden. Dies ist ein Fisch, etwa vier bis fünf Ellen lang, schwarz, fast wie ein Karpen gestalt, doch mit einer aufgeworfenen Schnautze. Er ist ein großer Raubfisch und frißt alles, was ihm vorkombt, aber keinen einzigen von denen, die ihn immer da begleiten und umb ihn continue bei großer Menge herschwimmen, wie ich mit Augen vom Schiff gesehen habe. Er ist von der Kapazität, wann ein Mensch sich badet, oder sonst in die See fället, selbem einen Arm oder Fuß abzubeißen; so scharfe Zähn hat er.
Unser Kommandeur handelte noch viel Stockfisch, welcher da häufig gefangen und auf Leinen in der Luft getreuget und dann zu uns gebracht wird. Da sind ganze Scheunen voll, wie bei uns Getreidig.
Wir machten uns alle drei wieder fertig auf die Heimreise und huben bei Moyen-Wetter die Anker auf, segelten immer die nordische Küste, allwo es schrecklich viel kleine Inseln hat, her und trafen aufm Sand in der Sonne viel Seehunde an, welche da spieleten und sich sonneten. Da mußten vier Schaluppen mit Volk hin. Und schlugen wohl hundertundfunfzig tot; welche sie alle auf das Schiff brachten, die Haut abzogen und das Fett absonderlich thaten; das heißt Berger Thran, und ist besser als andrer. Als sie da ihre Arbeit mit den Hunden hatten, bliebe ich mit Willen im Schiff. Die Thiere wurden hineingeschmissen, übereinander. Und wurden etliche wieder lebendig, welche da rumkrochen und walzten, umb sich
bissen, wie die Hunde, und quiekten und murreten. Ich wußte nicht, was ich machen sollte und mußte mich retirieren, bis die Leute an Bord kamen und sie vollends totschlugen und zurechtmacheten. Sie sind ziemlich groß, wie das große Kalb, und sehen artig aus, bunt, mit einem runden Köpfchen, hellen Augen und kurzen Öhrchen; vorne zwei Flarren, damit sie rudern und fortrutschen; hinten wie ein Fisch mit dem Schwanz, doch kolbig und spitz.
Wir segleten Jütland vorbei und stachen nach England über, den Texel vorbei nach Rotterdam, allwo unsere Herrschaft schon von uns Nachricht hatte; uns mit Branntwein und Wein, item Bier den Willkommen geben ließ. Und wurden wohl gespeiset; dabei sich etliche wohl besoffen hatten. Wir blieben noch eine Nacht auf dem Schiff. Des andern Tages bekamen wir unser Monatgeld, und ich noch von jedem gefangenen Fisch einen Reichsthaler unsers Geldes.
Mir wurde gesaget: wann ich übers Jahr wieder mitreisen wollte, sollte ich hier, oder wieder in Hamburg, im vorigen Keller, sein. So ich versprochen. – Ich nahm meine Sachen und ging mit ins Wirtshaus, da die meisten logiereten von unserm Volk.
Ich wollte anfangs mit nach Spanien gehen; weil aber damals alles bunt herging, bedacht ich mich wieder: es war teuer zehren, daß ich resolvierte: mit einem Schiff wieder nach Hamburg zu gehen. So auch andern Tags geschahe.
Ich legte mich wieder zu meinem alten Wirte in’n Keller, welcher sich freuete und mich wert hatte. Es ging nach der alten Weise. Und verdienete ich mehr, als ich verzehren that und hatte dabei meinen Willen.
Im Frühejahr kam mein Kommandeur mit seinen Brüdern ordentlich wieder, und war froh, daß ich noch da war. Er ließ gleich Wein langen und warb mich wieder. Ich mußte vor die andern beiden Schiff auch Meisters schaffen. Mein Schiff, „ Die Hoffnung “, war ganz neu reparieret und geputzt, lag auf der Reede vor Hamburg.
Als wir uns equipieret und Leute genug hatten, gingen wir den 15. Mai an Bord und fuhren die Elbe hinauf, Stade und Glückstadt vorbei, wo wir die Segel streichen mußten, mit drei Schüssen.
Gleich noch auf der Elbe hatten wir Sturm und konträren Wind. Deshalb wir in Ritzebüttel zwei Tage stille anlegen mußten. Denn es die Elbe hinauf viel Sandbänke giebet, und Tonnen an Ketten schwimmen, daß die Lotsen danach fahren können, welche allein das Schiff, auf ihre Gefahr, dirigieren und dafür ein Gewisses bekommen. Hier war eine Warte und Feuerthurm, darnach sich die Schiff in See richten, daß sie nicht stranden; des Nachtes mit brennenden Pechkränzen.
Als sich der Wind wieder geleget, gingen wir wieder in See. Da es anfanges mir wieder ganz schoplich im Leibe ward. Aber weil ich nüchtern auf die See kam und, nach der Lehre, nur eine Handvoll Seewasser, wornach man sich gleich brechen muß, genommen hatte, ging es bald über.
Wir fuhren einen ganzen Monat und wohl vierzehen Tage, ehe wir ins Eis kommen konnten; denn es war überall feste und alles beleget. Wir schwärmten da lange herum, sahen und höreten keinen Walfisch. Endlich funden wir eine große Öffnung und drangen mit unserm Schiff hinein. Und fingen in einer Zeit von drei Wochen fünf Walfisch und fanden einen toten, bei welchem viel Gestank, Eisvögel und Bären waren.
Unser Kommandeur, der ein geitziger, hitziger Mann war, wollte immer mehr haben und war nicht vergnüget. Drange deshalb immer, je tiefer und weiter ins Eis, ob es ihm schon etliche mal widerraten. Es half aber nichts. Denn er fleißig Wein und Branntwein trank, wie unser Küfer auch that. Dies war eigentlich unser Böttcher – der’n wir zwei hatten – ein Deutscher, hatte aber wohl dreißig Jahr zur See gefahren, sonst ein nützlicher Mann, der uns auch das Leben und Schiff erhielt. Wie folget.
Der Küfer ward sehr krank; es wollte gar keine Arznei anschlagen, lange Zeit, und wäre unfehlbar, wie dem Zimmermann geschahe, gestorben. Ich besann mich endlich und fragte ihn: ob er keinen Branntwein mehr hätte? – Er that einen tiefen Seufzer und sagte: „ Nein. “– „ Ha, ha, sagte ich, das wird eure Krankheit sein. “– Ging hin und holete ein Gläschen von meinem, so er mit großer Begierde austrank. Der Kommandeur fragte mich: warum ich dem Küfer nicht helfen könnte? – Ich sagt: sein Branntwein sei alle, und das ist seine Krankheit. – „ Nun, sagte er, wenn’s daran mangelt, ich will eine Flasche euch geben, davon könnet ihr ihm allemal eine Portion reichen, daß er’s nicht auf einmal aussaufe; ich brauche ihn nötig. “– Dies geschehen, ward mein Küfer bald wieder gesund! Also siehet man, was die Gewohnheit thut.
Der Zimmermann aber mußte dran glauben und starb aufm Schiff an einer verzehrenden Krankheit und lag lange. Ich bin vielmal bei ihm gewesen, und hab ihn seines Todes erinnert und zum fleißigen Gebet vermahnet; wie der Kommandeur und andere auch thaten. Allein, er wollte von nichts wissen und war ein Atheiste, deshalb er auch niehe zum Gebet kam. Lebte also wie ein Esel, starb wie ein Esel und ward begraben wie ein Esel. Denn, ehe man sich’s versahe, lag er tot in seiner Koje. Man machte nicht groß Kompliment, trug ihn oben aufs Schiff, band ihn auf ein Brett und faßten ihrer vier oder mehr an, sangen dazu: „ Hory fond, hory fond, hory fee “– damit schoben sie ihn über Bord ins Meer. Damit schwamm er hin. Ob ihn die Bär’n oder Seehunde gefressen, weiß ich nicht. Aber sein Gespenst ist vielmals aufm Schiff gesehen worden. Davon ich itzo nicht philosophieren will.
Wir gerieten unvermutet mit dem Schiff und Eis, woran wir lagen, in einen Seezug, welcher uns je tiefer und tiefer an den Nordpol, zu äußerst, hineinbrachte: Wie der Steuermann berichtet, in neunzig Grad. Ehe wir es uns versahen, war die Luft ganz dick und dämmrig, daß man sie greifen möchte, waren umb und umb befroren, daß auf viel Meiln nicht eine Handvoll aus der See geschöpfet werden kunnte. Wir sahen keine Sonne, noch Mond noch Stern. Und regete sich kein Wind noch Luft.
Das währete ganzer vier Wochen. Wir sahen einander traurig an. Der Kommandeur, welcher an diesem Unglück schuld war, ließ sich nicht mehr sehen; befürchtet’: sie möchten ihn über Bord werfen. – Einer bedaurete sein Weib, der andere seine Kinder und ich meinen Geiz und Vorwitz, daß ich das andere Mal nicht davongeblieben. Da war Not! In summa: jeder sahe hier keine Rettung, und glaubte: wir müßten alle verfrieren, verhungern und umbkommen!
Ich glaube, daß wohl sein Tage kein Schiff soweit hinein an’n Nordpol gekommen. Die Leute sahen schon aus als halbtot, waren ganz verdutzt und brachten die ganze Zeit zu mit Schlafen. Daher sie vom Scharbock sehr erkrankten. Es wurde Rechnung von unserm Vorrat und Proviant gemacht und die Portionen ausgeteilet, so lange es währen konnte. Die Zeit zur Heimreise verlief nachgerade. Ach, GOtt! was war da Jammern und Klagen! Und konnte kein Mensch, als GOtt, Rat und Hilfe schaffen, zu dem wir herzlich beteten und ruften.
Da ich einsmals in solchen betrübten Gedanken mit dem Steuermann auf Bord hin - und widerging, und wir unsern Zustand einander klageten, solches mit Seufzen und Gebet vereinet hatten, sahe der Steuermann in die Höhe nach der Schifffahne und sagte: „ Wann uns der liebe Herr den Wind geben wollte, der konnte uns, nächst GOtt, helfen! “– Ob es nun wohl meines Erachtens ganz schwach war, wehete es doch immer stärker und stärker. Da erhub sich ein Krachen des Eises, als wann große Kartaunen gelöset würden. Und siehe! das Eis brach umb unser Schiff und machte eine Öffnung – erstlich von drei bis vier Lachtern; endlich mehr und mehr eine große Weite. Da rief der Steuermann: „ Alle Mannen baben! “
Da kamen die Leute, als vom Schlaf, sahen gleich in die Höhe nach dem Wind und schrieen: „ GOtt, Lob und Dank! Dei leiwe Herr will uns helpe! “– Griffen damit an ihre Arbeit.
Von dem Geschrei und Gepolter kam der Kommandeur auch hervor und schrie: „ Segel bei, Segel bei! “– Der Steuermann aber: „ Nicht alles! wir sind nicht buten Eis; darzu ist Gefahr, daß wir nicht auf ein’n Eisberg mit den Schepp racken! “– Allein, des Kommandeurs Befehl zufolge, wurden alle Segel beigesatzt.
Die Öffnung ward immer größer, und das Schiff, so vom Eis losgearbeitet war, ging immer schneller fort. Jedermann freuete sich, daß wir aus diesem Labyrinth gekommen. Deswegen wurd Betstunde gehalten, GOtt gedanket; und ward den Leuten zu essen und Branntwein gegeben.
Ich stund eben vor der Kambuse und rauchete aus einer langen Pfeife Toback, als das Schiff, in einem jählings gefallenen Nebel, auf einen scharfen Eisberg mit
dem Vörder-Bug rannte, und ein Loch ins Schiff, also groß als eine Merseburger Bier-Kufe, daß Masten und Stänge erschütterten und ich auf den Rücken mit meiner Tobackpfeife fiel. Ich hörete gleich das Rauschen des Wassers ins Schiff. Da hieß es: „ Daß GOtt erbarme, daß GOtt erbarme! Nun ist Schiff und alles verloren! “– Jeder rappete, was ihm lieb war, zusammen und stieg über Bord in die Schaluppen – denn das Schiff fing an zu sinken. Da war wieder Not!
„ Ach, Herr GOtt, dachte ich, hilf mir diesmal davon; ich will mein Tag nicht wiederkommen! “– Damit nahm ich meinen Beutel mit zwei Hembden, meine Bücher und einige Zwiebackbrot und stieg auch über Bord.
Da kam der Küfer (wovon ich oben gedacht, welchen ich mit Branntwein kurieret hatte) und schrie laut: „ Manne, as ju dem Hüs von Holland een Eid hefft schworen, dat Schepp nie to verlaade, blievt do! un zündt mi Licht an, in’n Rum, do to siehen, ob dem Schepp noch to helpe! “– Worauf das Volk wieder zurück ins Schiff sprang und ihm Licht anzündete. Damit er unten stieg. Kam aber bald wieder und sprach: „ Well, dat Schepp is to rette. “
Da brachten sie die schweren Stück und Sachen auf die gute Seite des Schiffs, zogen alle Segel ein und legten das Schiff an, mit einem großen Haken, an einen Eisberg; setzten zwei Pumpen ins Schiff, an welchen Tag und Nacht sechszehen Mann plumpen mußten; da kam das Loch des Schiffes außer Wasser, und wir wurden durch GOttes Gnade erhalten.
Der Kommandeur hatte sich indeß in seine Kajüt versteckt und verschlossen, aus Furcht vor dem Volk; weil er an diesem Unglück, wider alle Warnung, schuld hatte. Welcher sich auch, wie ich hernach von ihm hörete, wann das Schiff nicht wär erhalten worden, resolvieret: es in die Luft zu sprengen.
Er schickete durch seinen Vetter, den Kajüt-Wächter – das Volt wieder zu versöhnen – Bier, Franzbranntwein, Wein und alles gnug, es auszuteilen. Endlich kam er selbst herfür und exküsieret’ sich auf alle Weise.
Die Zimmerleute und Schiemänner mußten das Loch wieder mit Bohlen, Werg und Teer zumachen. Das währete drei Tage. Hernach legten wir den Kurs ins offne Meer.
Aber da gab es wieder große Gefahr, indem die Eisschollen, welche an der Kante liegen, durch die Gewalt des Windes und der Wellen ans Schiff so hart geschmissen worden, daß die Spähne, als hätte sie ein Zimmermann abgehauen, davonflogen. Hier mußten die Leute mit dem Eishaken scharf wehren. Ich half selbsten, so gut ich konnte. Endlich kamen wir heraus, in die offne See, und danketen GOtt in einer Bet - und Singstunde, daß uns dei leiwe HErr beholen hatte.
Ich bekam von dem großen Schreck, Angst und Alteration, so mir in den Darmen geschlagen, erschröcklich’n Schmerz, daß ich nicht wußte, was ich anfangen sollte. Ich brauchte alles, womit ich sonst andern den Wurm kurieret; aber nichts wollte helfen, bis der Kommandeur zu mir kam und fragte: „ Mester, wat schort ju? “– Ich sagts ihn. – „ Ju bindt een Mester, und kunt ju silbst nit helfe? legt ju warmen Strundt ub. “ (Weil ihm dergleichen in See bekannt. ) – Ich that solches, von stund an hatte ich Linderung, und half mir.
Wir legten unsern Kurs südwest an und bekamen in sechs Tagen die nordische Küsten ins Gesicht. Unterwegs war schön Wetter und mäßiger Wind. Und hatten sich viel Seehunde da gelagert, viel schwammen noch in See, nicht anders, als badende Hall-Jungen mit den Köpfen anzusehen. Sie schlugen eine gute Part tot und brachten sie ans Schiff.
Als wir die äußersten nordischen Inseln erreichet, liefen wir in einen schönen, gelegenen Hafen, allwo fünfundsiebenzig Schiffe mit zwei Convoyers lagen und unserer lange gewartet. Und weil sie uns verloren geachtet, war die Freude desto größer, als sie uns sahen, hießen uns von jedem Schiff mit drei Stücken, mit Trompeten und Pauken willkommen. Unsere Makkers waren auch schon da.
Ich setzte mich, umb alles wohl zu sehen, welches gar schön ließ, da sie die schönen Flaggen und Wimpel in’n Schiffen weihen ließen, in eine an dem Hinterteil des Schiffes hangende Schaluppe, unter welcher gleich ein sechspfundiges Stück zum Gatt ginge.
Als wir uns nun vor den Willkommen bedankten, und der Kapitän befohlen, die Stück im Vorderteil des Schiffs zu lösen, lauft ein böser Bube mit der Lunte hinter, wo ich sitze – sollte vielleicht ein Possen heißen – und zündet das Stück an. Weil aber die Schalupp nicht hoch gnug über das Stück, reissen die Leinen von der Gewalt, und fahre ich mit sambt der Schaluppe in See. Ich wußte nicht von mir selbst, wie mir geschehen. Doch gab mir solches einen Stich in’n Kopf, als wenn ich mit einem Degen durchstochen.
Die andern sehen das Unglück, kommen gleich, mich zu retten, und ziehen mich heraus, halbtot, legen mich in meine Hängematte. – Da war mein Gehöre weg; worüber ich mich sehr betrübte.
Ich brauchte zwar allerhand Mittel; aber half nichts. Und währete solches wohl vierzehen Tage, ehe ich mich resolvierete und einen deutschen Meister von’n andern Schiff zu mir holen ließ, welcher mir die Ader auf dem Arm öffnen und viel Blut weglassen mußte. Da war es, als wenn mir ein Fell von’n Ohren weggezogen ward; und fand sich mein Gehör wieder. – GOtt sei dafür Lob und Preis gesaget!
Die Schiff lagen da vier Wochen und warteten, bis immer mehr dazukamen; weil es in der See unsicher und Orlog war; daher wir convoiieret werden mußten.
Inzwischen, die Zeit zu passieren, fuhren wir oft ans Land, die Insul Lappen zu besehen. Die Leutchen, so Lappländer, teils Finnen, waren klein von Person, mit Rennthierhäuten bekleidet; die Männer hatten Mützen auf, mit ganz kurzen weißen oder grauen Bärten; die Weiber auch Mützen, wie die Männer, doch hinten zwei Zöpfe, alle eine schnatternde Stimme, wie die Enten, hatten. Brachten uns Milch, Butter und Käse, auch frische Fische von Kabeljau, Rekel, Aal, Dorsch, Lachs und dergleichen, item frische Butt oder Schollen. Thaten sehr freundlich uns alles Gutes. Stunden immer, sahen uns an und huben die Hände auf, sonderlich das Frauenvolk.
Ich kehret oft bei ihrem Priester ein, welcher drei Töchter hatte und mir gar durch den Dolmetscher zumutete: ich sollte dableiben und eine heiraten. Sie konnten sich unerhöret freundlich zu mir setzen, strichen mir die Backen und brachten zu essen, was sie hatten – sonderlich von ihrem Kuchen, oder Brot, welches von dörren Fischen zwischen zwei Steinen gemahlen mit Milch und etwas anders vermenget, und auf heißen Steinen so gebacken wird; es schmecket sehr gut im Anfang; man isset sich’s aber bald ekel. Milch und frischgeschlacht Hammelfleisch, item gedörret Fleisch war die Menge.
Weil es nun zeitlich Nacht wird in Septembri und endlichen die Sonne nur täglich ein oder zwei Stunden scheinet, da es sonst allezeit Nacht ist, so sammlen sie das Fett, und aus den Lebern derer Fische und vom Walfisch Thran, und von Seehunden. Das brennen sie statt des Öls und Lichts. Und lobte es der Priester trefflich, als wenn kein besser Land wäre. Und jeder seinen eigenen Sarg in der Kirche hat.
Sie hatten auch eine kleine Kirche, von holz zusammengesetzet, wie bei uns, sans comparaison, die großen Schweinkoben. Da gingen sie zusammen und beteten auf ihren Angesichtern, wann der Priester ihn’n zuvor, stehend vor einem Tisch, auf ihre Sprache hatte vorgeprediget. Sonst waren sie sehr andächtig und, wie sie sagten, kürzlich zum christlichen Glauben bekehret, zuvor aber pure Heiden und der Zauberei sehr ergeben, daß man von ihnen sagte: sie könnten Wind machen, wie sie wollten, wie ich denn mit Augen gesehen, daß sie mit ihren Jollen (darin sie sitzen und fischen mit einem langen Seil von Bast, daran Haken gemacht sind, wohl sechs bis acht Fische, ziemlich groß, auf einmal herauszerren, ehe sie solche aber losmachen, mit einem hölzern Schlägel, so an den Jollen hänget, totschlagen und an einen andern Seil hinten nachschleppen) recht gegen den Wind mit ihrem Segel fahren. Und so wird der Stockfisch alle gefangen, an Bastleinen getreuget und große Scheunen voll sind, davon den Vögten und an die Landvögte kontribuieret wird: ingleichen auch allerhand Thierfelle und ganze Tonnen voll rote und schwarze Beeren eingemacht, derer es auf dieser Insel erschrecklich viel giebet; und in Wahrheit eine rechte Erquickung und Stärkung ist, die wir wohl genossen.
Daher es auch allda viel Vögel giebet, an Fasanen, Rebhühnern, wilden Tauben und dergleichen, die wir geschossen und gessen. Diese rote Beer ist wie eine Erdbeer; aber viel größer und wachset auf Sträuchlein, einer Ellen hoch, sehr häufig.
Ich bin einsmals, um dieser Beern und Vögels willen, auf die Gebürge an der See ganz allein gestiegen, da ich mich kaum der großen Vögel, als ich Beeren pflückte, mit dem Stecken erwehren kunnte; denn sie mir immer nach den Kopf fuhren und heftig schrieen,’ ohne Zweifel hatten sie Junge, oder Eier, und wollten mich nicht herzulassen.
Als ich mich satt gessen hatte, stieg ich noch höher auf den Felsen an der See, so mich däuchte, daß die Felsen über die untern Wolken gingen. Denn ich wurde bei hellem, klaren Wetter ganz naß, und war wie ein Nebel umb mich und unter mir; bald aber wieder klar. Ich sahe sehr weit ins Meer. Und kam mir vor: daß vom Strand das Meer, gleich einem Berg, immer höher und höher war, und in der Ferne eine kleine Rundung hatte.
Ich satzte mich auf den Absatz der Klippe nieder und betrachtete tief die göttliche Allmacht, Weisheit, Gütigkeit, daß dieses große Wundergebäude alles umb der Menschen willen zum Preis seines heiligen Namens erschaffen. Insonderheit betrachtet’ ich die unaussprechliche Liebe GOttes, wie er den armen, gefallenen Menschen durch sich selbst in Jesu Christo (der selbst von dem Vater ist, wie Johannes schreibt, in der Menschwerdung und in der Jungfrau Maria durch seinen Geist in einer heiligen Empfindlichkeit im Blut und Leibe der Jungfrau Maria als wahrer Mensch geboren) wiedrum von des Teufels Tyrannei erlöset. Denn als GOtt konnte die GOttheit nicht leiden, es mutzte ein Mensch sein, und zwar ein vollkommener Mensch, der in Gerechtigkeit und Heiligkeit dargestellet und der Gerechtigkeit GOttes könnte ein Gnüge thun.
Denn da GOtt, der Herr, statt der abgefallenen Engel, sich ein ander Geschöpf, nämlich den Menschen, ihme gleich, erschaffen hatte, und seine Lust, wie ein künstlicher Meister, an seinem gemachten Meisterstücke, wann es ihm wohl gerät, hat, und sich sehr betrübet und erzörnet, wann jemand selbiges verderbet und ruinieret; also auch der Herr, unser GOtt, seine Lust hatte an dem unschuldigen Menschen, der seinen heiligen Namen erkannte, in Gerechtigkeit und Heiligkeit als GOttes Spiegel vor ihm stunde.
Verdroß es den Teufel sehr, gönnete dem Menschen solche große Seeligkeit nicht; setzte nicht einmal, sondern ohne Zweifel mehrmal an den Menschen durch listige, lügenhafte Überredung, bis er ihn zu Falle gebracht. Nun konnte die Gerechtigkeit GOttes nicht anders, als nach dem Fall den Tod und Strafe kommen zu lassen.
Die unermeßliche Liebe GOttes und seine Barmherzigkeit bat gleichsam für GOttes Geschöpf, das verderbt’ und gefallene menschliche Geschlecht, und fand gleich aus sich selbst Rat, solchem Schaden, dem Teufel zum Trotz, wieder zu helfen.
Jedoch in der Ordnung: daß sie seinem Wort und dem durch seinen Sohn, Jesum Christum, uns geoffenbarten seinen Willen folgen, sich an denselbigen und sein heiliges Verdienst mit wahrem lebendigen Glauben halten sollen. Und ob sie schon dem Tod herhalten und in der Erde verfaulen müßten, dienet solches zu einer Purifikation und Erneurung, für GOttes allerheiligstes Angesicht dermal zu kommen. Dann kein Unreines kann GOtt schauen; item, das Weizenkörnlein bringet keine Frucht, es muß gleichsam erst verwesen und in die Erde kommen.
Hier konnte ich das große Geheimnis der heiligen Dreieinigkeit mir vorstellen. Hier bekam ich Licht, wie es einigermaßen mit der Wundergeburt Jesu könnte sein. Doch will ich meine Hand auf den Mund legen und nicht mehr davon schreiben und sprechen mit Paulo: „ Wie gar unerforschlich und unbegreiflich, Herr, sind Deine Wege, o welch eine Tiefe etc. “
Bei dieser hohen Spekulation fuhr dicht bei mir aus einem Loch oder Kluft ein erschröcklich großer Adler mit großem Gereusche aus, in die Luft übers Meer. Ich erschrak, daß ich fast des Todes war; zumal er mich fast mit seinen weitausbreitenden Flügeln angestoßen.
Ich vermeinet’ nicht anders: es war der leidige Teufel, welchen es verdrossen, daß ich in diesem hohen Geheimnis spekulieret hatte. Jedoch sahe ich ihm lange nach und bedachte: daß es ein würklicher Adler (welches daherum viel giebt) war.
Hier brach ich ab und stieg den Felsen herunter an das Schiffe und that meine Verrichtung.
Einsmals ging ich mit einem ganzen Quartel des Schiffsvolk, uns auf der Insul umbzusehen. Und als wir uns wohl satt in Beeren gessen und Vögel geschossen hatten, kamen wir an ein Felsenloch. Da war ein großer Stein, welchen wohl vier Männer nicht bewegen kunnten, vorgeleget.
Die Leute waren kurios und rissen den Stein übern Haufen und krochen hinein. Da fanden sie einen Menschen inne, der wenig bedeckt war, außer die Scham. Wir konnten anfangs nicht erraten, was das wäre. Dabei war aber ein Bootsknecht, der die Sprache verstunde. Als wir den Mann herauszerreten und fragten: was er da machte, gab er zu verstehen, und wies hin an die Seelande: sie hätten ihn darein gefangen gesetzet, und sollte ihm der Kopf mit einem Beil abgehauen werden, weil er Ehebruch begangen.
Wir gaben ihm zu verstehen: er sollte mit uns. – Deß war er froh; fiel vor uns auf die Erde und lief getrost mit.
Als wir ihn auf das Schiff brachten, war es dem Kommandeur sehr angenehm. Ließ ihm zu essen und trinken reichen, und ins Tauen-Gatt thun. Denn er fürchtet: die Leute von der Insul würden ihn suchen. Welches auch geschahe. Und wohl fünfzig Leute und
der Priester kamen und wollten den Kerl von uns par force haben. Wir leugneten aber. – Sie blieben dabei: er wäre bei uns. – Unser Kommandeur gab ihn’n frei: zu suchen auf dem Schiff, wohl wissend, daß sie ihn unter dem vielen Tauwerk nicht würden finden.
Nach langem Suchen blieben sie doch dabei. Welches zu verwundern, unter so vielen Schiffen, deß gewiß zu sein! Und halte ich selbst dafür: daß diese Leute Zauberer sind, jedoch, so strenge Justiz halten. Sie sagten uns zuletzt: wann wir den Kerl nicht würden von uns thun und ins Meer werfen, würden wir alle umbkommen. – Wir lachten drüber’ allein es wäre bald geschehen.
Denn, als wir den vierten Tag drauf mit der ganzen Flotte aus dem Hafen in See gingen, bekamen wir bald starken Wind und instehenden Sturm, in welchem die Schiff alle auseinander, einer hie -, der andere dahinging. Unser Schiff war vornhin schwer und nicht wohl besegelt, weshalb wir immer Bruder-Letzt waren. Der Sturm ward je länger, je heftiger. Also, daß wir mußten die Segel einnehmen.
Da ward das Schiff von Wind und Wellen bald unten, bald die quer geschmissen. Und weil das Schiff von dem Schleudern sehr leck wurde, konnte ich nicht mehr unten bleiben, mit Angst anzusehen, wie das Wasser durch das Schiff rann. Ich mußte mich gleichwohl oben anbinden, wollte ich nicht über Hals und Kopf stürzen. Meine schönen Haar flogen mir immer umb den Kopf herum und stunden mir zu Berge. Ehe man sich’s versahe, kam eine Woge oder Welle nach der anderen und überschwemmete das Schiff; als wenn’s uns auf einmal versaufen wollte. Da bet’t, wer beten kann etc.
Zuletzt schlug unser Mast über ein, mit Donnern und Prasselen. Da fiel der Muth allen. Wir meineten: bald unser Ende zu sehen. Doch war es noch ein Trost, daß wir mitten in See und nicht stranden konnten.
Das Volk wollte mit einer Not den Lappen in See schmeißen. Aber der Kommandeur hatte ihn bei sich in die Kajüt versteckt. Sonst hätte er dran gemußt.
Der Sturm währete bis in’n vierten Tag und wollte kein Ende nehmen. Da nun sich der Wind und Wellen ein wenig legten, kunnten wir nicht segeln, weil wir keinen Mast hatten. Unsere Makkers, das vermerkend, so uns nicht verlassen wollten, spanneten ihre beiden Schiff vor und damit schleppten sie uns wieder nach Norwegen zu. Allwo wir in ’ner Bay vor Anker legten. Gleich alle sechs Schaluppen mit Volk aussetzten, welche einen Mast aus dem Walde oben abhauen und zum Berg herunter ans Schiff stürzen mußten; denn da ist erschröcklicher Wald.
Es ging in Geschwindigkeit zu, daß der Mast aufgebracht und das Schiff ausgebessert wurde und wir bald wieder zu segeln kamen.
Unter Jütland wollten wir über nach Holland setzen; aber der Wind war uns contra. Daß diese drei Schiff resolviereten: in die Elbe nach Hamburg (weil sie ohnedem ihre Thran handlung da hatten) einzulaufen; und schieden die Convoyers mit den andern aus.
Wir kreuzten eine Weil vor der Elbe, umb einen Lotsmann zu erwarten So endlich kam. Und ihme die Schiff übergeben wurden. Denn sie mußten behutsam nach den Tonnen fahren. Bei Glückstadt und Stade mußten wir streichen und Zoll geben.
Endlich kamen wir vor Hamburg mit Freuden, unter Lösung etlicher Stücke, an und danke ich GOtt vor gnädige Erhaltung. – Durfte mir auch niemand mehr von der Seereise sagen.
Den andern Tag bekamen wir unser Geld, und ging ein jeder wohin er wollte; ich wieder in mein alt Ouartier und besuchte dann meine alten Freunde, insonderheit Herrn Heinrichen, meinen Vetter, so auf der Mühlenbrücke dienete, an welchem Orte ich sonderlich
Zutritt, wegen der Frau, hatte, so eine Mecklenburgerin, und gerne hochdeutsch reden gehöret; item bei Herrn Schmeißern aus Halle, welcher in der opera, spielete und sang, aber mich bald zum Unglück verführet hätte, maßen er mich überredete: mit ihm nach Ottensen, welches ein Dorf bei Hamburg und voller Hurhäuser, zu gehen. So ich zwar mitging. Als ich aber den Zustand gewahr ward, schlich ich mich heimlich davon. Er war die Nacht dageblieben und hatte des Morgens weder Geld noch Kleider. Denn sie hatten’s ihm genommen und ihn herausgestoßen. Er wollte hernach klagen. Aber nichts. – „ Warum seid ihr ’nein gegangen? Wer hat’s gethan? “, – Ich lachte ihn darnach aus.
Ich gedachte Kondition in Hamburg zu bekommen. Legte mich deshalb ein und kam bei dem Raths-Barbier Herrn Jessen. Denn der alte war gestorben. Ich hatte es recht gut, und der Herr hielt viel auf mich wegen meiner Wissenschaft; schickte mich bei die Patienten. Ohne, daß sonst in Hamburg nicht schlecht gespeiset wird, hatten wir immer das schönste Essen, und nach dem Essen griff die Frau in die Ficken nach den Würfeln; wer das wenigste warf, mußte Wein zahlens; summa: es ging gut.
Und ich war lange da, weil mich der Herr nicht weglassen wollte, bis ein gewisser Regiments-Feldscher vom Nordischen Draguner-Regiment, unterm König von Dänemark, zu meinem Herrn kam; denn sie waren gute Brüder und Freunde. Welchem er von mir möchte gesagt haben. Der machte gleich einen mir wohlanständigen Accord mit mir, nahm mich auf seine Chaise immer nach Ütersen zu.
Ich verwunderte mich, daß ich die Nacht mit ihm auf einen großen Edelhof kam und eine kohlschwarze, wohlgekleidete Frau und drei schwarzgelbe Kinder fand. Es ging alles herrlich zu. Ich hatte nicht vermeinet: daß
dies meines Herrn Gansbergers Frau wäre, bis er mit ihr zu Bette ging. Und ich in ein ander schön Zimmer und Bett gebracht wurde, welches ganz voller schönem Obst lag, welches ich wohl genoß, als ein seltsames Konfekt.
Des Morgens entdeckte er mir sein Anliegen: weil er diese, seine Frau, am Königlichen Hofe, als Mohrin, geheiratet und mit derselben dieses Gut von der Königin geschenkt bekommen, müßte er geraume Zeit nach Kopenhagen an’n Königlichen Hof, und wüßte nicht, wann er wiederkommen möchte, müßte deswegen einen verständigen Menschen bei dem Regiment haben, darauf er sich verlassen könnte. Mein Geld könnte ich alle Monat bei dem Regiments-Ouartier-Meister gegen Quittung holen; die medicamenta könnte ich aus dieser Kiste und zu mir nehmen; dem andern Gesellen und Jungen habe er schon befohlen, mir zu folgen. Stellete es mir frei: ob ich mir ein Pferd selbst kaufen, oder eins aus seinem Stall nehmen wollte. – Welches letzte ich in Bedenken zog und mir selbst einen dänischen Klepper vor sechsundzwanzig Thaler auf sein gut’ Raten kaufte.
Mein Obriste war der Baron Löwenthal, ein junger, galanter Herr, mit welchem ich wohl zurechtkam, wie auch mit den andern Offizieren, welche mich lieb und wert hatten und immer mit sich nahmen; außer: mit den Dragunern konnte ich nicht reden, als durch einen Dolmetscher. Ich bekam mein Quartier allein in Ütersen bei einem Barbier. Ich mußte alle acht Tage die Quartier besuchen, welche drei Meiln auseinander lagen. Die hielten mich überall frei, daß ich nichts verzehren durfte.
So vorsichtig war ich, daß ich meinen Kuffer mit dem Gelde, das ich noch hatte, in Hamburg versiegelt ließ stehen. Nämlich: mein Vater hatte mich, kurz vor meiner Reise in See, berichtet: daß er unglücklich in der Handlung mit Hering und Korn gewesen, daher wäre er über fünf - bis sechshundert Thaler schuldig und wisse nicht zu bezahlen, wäre in großer Angst. – Welches mir sehr zu Herzen ging. Ich hatte
wohl fünfhundert Thaler im Vorrat gesammlet. Davon packte ich vierhundert in einen Beutel mit einem Brief. Bat: mir zu antworten, daß, wann ich von der Reise wiederkäme, ich den Brief fände, ob er das Geld richtig bekommen hätte.
Es war mein Glück, daß ich in Hamburg es ins Postbuch einschreiben und mir einen Zettel darüber geben ließe; sonst hätte, meine Tage, keinen Groschen wiederbekommen! Denn, da ich aus der See letztmals kam, fragte ich nach Briefen. Aber, es waren keine da. Ich schrieb meinem Vater: ob er das Geld umb die Zeit bekommen? – Er antwortet’ mir cito: keinen Heller noch Brief gesehen zu haben.
Ich gleich nach der Post. Zeigete den Brief und meinen Postzettel. Berief mich auf das Buch. So sich befand. Da sagte der Postmeister: „ Der Herr muß sein Geld haben; er habe nur ein wenig Geduld. “– Es währete kaum vierzehen Tage, so schrieb mir mein Vater: nun hätten sie ihm das Geld, sambt dem Brief, erst gebracht. – Und hieß: man hätte nicht gewußt, an wen es wäre. – O, Bosheit!
Doch war es eben zu der nötigsten Zeit meinem Vater gekommen, so mir die seelige Mutter öfters gesaget, mit Zeigung des Beutelchens, das sie aus großer Not gerettet und augenscheinlich hernach geholfen.
Ich wurde einsmals in dieser neuen Station geholet, da war ein Draguner vom Bären grausam zugericht. – Er will des Nachtes mit etlichen andern in der Schenke die Kälber mausen. Und kommen zu seinem Unglück des Abends Bär-Leute dahin, daß der Wirt die Kälber anderstwohin, die Bäre aber los (damit sie fressen könnten) in eben den Stall, wo die Kälber gestanden, gethan werden. Die Draguner wissen nicht anders, denn daß die Kälber noch da stehen. Schlagen des Nachtes ein Feld ein. Da dieser hineinkriecht und weidlich umb sich, nach den Kälbern, tappet, endlich einen Bär beim Kopf krieget. Der Bär, riechende, daß es ein Frembder ist, ziehet ihm fast das Fell übern Kopf, daß er heftig anhebt zu schreien, bis der Wirt und Bär-Leute ihme kümmerlich das Leben retten. Die andern beiden laufen indeß davon. – Ich hatte viel mit dem Kerl zu thun und etliche mal zu heften.
Hiebei fällt mir noch ein, was mir in Itzehoe begegnet und schwerlich jemand glauben wird, da ich’s doch wahrhaftig mit Augen gesehen und mit Händen betasten müssen.
Es war ein kommandierender Major von unserm Regiment daselbst, dessen Frau den armen Leuten wenig Gutes im Quartier erwies. Als dieselbe abends bei Dämmrigen in’n Hof gehet, fällt sie ein Wolf an in ihrem Hof, reißt sie übern Haufen und hat ihr fast
das ganze Gesicht zerrissen. Die Leute kommen durch ihr Geschrei dazu, wie der Wolf wieder hinten über die Gartenwand springet. Es laufen viel Soldaten nach: aber nichts gesehen. Ich mußte hinkommen und sie verbinden und Aderlassen.
Da kam der Major Herbst zu Haus und fluchte: er wollt’es dem Wolf bezahlen! – Legte deswegen gezogen Gewehr mit Antimonien-Kugeln in stete Bereitschaft.
Kaum waren acht Tage vorbei, da kombt Herr Urian wieder über die Wand. Der Major, gleich gerufen, schießet den Wolf, daß er sich über und über kebbelt.
Da ist eine große Menge Volks zugelaufen; trieben den Werwolf vor sich her mit Spießen und Stangen, vor meiner Thür vorbei. Solches habe ich mit meinen Augen gesehen, sie schossen auch auf ihn; aber nichts. Sie haben ihn getrieben bis zur Stadt hinaus, und da ist er ihn’n untern Händen weggekommen.
Man wollte zwar sagen, sie hätten eine alte Frau im Bett angetroffen, welche in die Lende geschossen gewesen. Aber, weil ich’s nicht selbst gesehen, lasse ich’s stehen. – Es wurden da dergleichen wunderliche, teufelische Verwandlungen oft erzählet. Ich habe aber solches nicht begreifen können, ob es Wahrheit.
Das aber glaube ich, und kombt auch mit der Schrift überein, daß gleichwie GOtt im Geist; Glauben und Wahrheit bei den Kindern des Lichtes würket; also einigermaßen der Teufel in Unglauben, Lügen und Finsternis bei gottlosen, bösen Menschen falsche Vorstellungen machen kann. Der Teufel ist ein Geist und kann nicht anders, als in dem Geist der Bosheit würken und falsche Vorstellungen und impressiones bei den Leuten, die da Hexen heißen, machen; derer es allhier und im Mecklenburgischen noch viel tausend giebet. Welches die vielen Brandsäulen gnug anzeigen. Und werden die Leute, so fürwahr auch kluge, gelehrte Leute da seind, nicht so thorig handlen: unschuldige Menschen ohne gnugsame Überzeugung lassen verbrennen und hinrichten.
Und was auch wäre, daß sie durch die magia naturalis würkten und keine Verbindnis mit dem Teufel hätten – gnug, daß sie, die sogenannten Hexen, durch die Eingebung ihres innerlich bösen Geistes, die natürlichen Sachen zu ihres armen Nächsten Leib, Kinder und Viehe Schaden gebrauchen und deswegen den Tod verdienet haben. Also dürfte man den Hexenprozeß nicht gar wegwerfen.
Meine obige Meinung zu beweisen, will ich dies mit anführen: Es ist in Giebichenstein allhie von den Dörfern eine beschuldigte Hexe ins Gefängnis geleget worden. Und als eben die Zeit umb Walpurgis mit eingelaufen, kombt der damalige Ambtmann mit andern in die Stube, da sie gefangen an Ketten lieget, und saget: „ Marthe, Marthe, heute werdet ihr nicht mitkönnen auf den Blockersberg. “– „ Ju, ju, sagt die Frau, Herr Ambtmann, ich komme doch mit. “– „ Ihr dumme Frau, sagt der Ambtmann, ihr seid ja angeschlossen. “– „ Ich komme doch mit, sagt die Frau, umb zwölf Uhr! “ Der Ambtmann und Konsorten setzen sich aus Kuriosität, rauchen Toback und gesehen genau: just umb die Zeit ist die Frau im Schlaf, daß sie schnarchet; und fänget auf dem Stroh an zu hüppeln und zu juchen, als wenn sie auf dem Tanz wäre und das treibet sie ’ne lange Weile, bis sie ermüdet aus dem Schlaf aufwacht. Der Ambtmann fraget sie: „ Nun, seid ihr dagewesen? “– „ Ja, spricht sie, ich bin dagewesen, recht lustig; die und die, der und der war auch da. “ Und hat da viel erzählet. – Also siehet man, daß alles in einer bösen und teufelischen Imagination und falschem, bösen Aberglauben bestehet. Diese Frau ist noch im Gefängnis, wegen langwüriger Inquisition, gestorben.
Nun wieder auf mein propos zu kommen; so bekam ich mein Quartier nach Pinneberg, nicht weit von Hamburg, bei einem Bauer. Und weil er ein junger Anfänger war und keine Betten überlei hatte, mußte ich mit in seinem Bette liegen. Nämlich er, der Wirt, in der Mitte, ich an einem, und die Frau am andern Ende. Ich machte mir daraus nichts, weil es feine, rendliche, junge Leute waren. Denn ich habe mein Tage keinen Wirt gekränket, oder Verdruß und das Leben schwer gemacht (wie mir itzt widerfähret in meinem Alter), sondern die Leute haben oft geweinet, wann ich aus dem Quartier gezogen. Daher ich auch allen Willen hatte, und sie mir viel Gutes thaten. Bei diesem Wirt regierete ich alles im Hause und auf dem Felde, sie hatten keine Kinder, sondern Vater und Mutter zu verpflegen.
Hier bekam ich einen gefährlichen Patienten, welcher mir viel schlaflose Nächte machte. Es hatte nämlich ein Kerl mit seinem membro Bosheit getrieben und, als solches hart geschwollen, es zugebunden, daß es schwarz worden, und es niemand sagen wollen; endlich schneidt er’s gar ab. Da wurde ich geholet, als er da im Blute lag. Doch brachte ich ihn wieder zurecht. Allein mit tausend Sorgen. Wie ich jederzeit hatte für meine Patienten und fleißig zu GOtt betete, umb Glück zur Kur. Und gewiß, ich meine Patienten in den größten, gefährlichen Zuständen auch zur wahren Buße und Gebet, auch im Sterben, vermahnet. Und gewiß, die Krankheit, Wunden und der Tod kommen von der Sünde und sind eine Strafe der Sünde. Soll nun GOtt zur Genesung helfen, als der rechte Arzt des Leibes und der Seele, so muß es mit Buße, Glauben und Gebet erlanget werden. Wie ich denn hierinnen Wunder gesehen und erfahren: daß ohnmögliche Dinge für andern, doch sind möglich geworden. Wie ich vor mich gar viel Exempel, auch hier
in Halle, anführen könnte, wenn’s meine Sache. Allein, wo sind itzo solche Leut?
Hier wurd ein’m Kornett von unsern zwei Tambours alles gestohlen; in Hamburg verkauft. Und hatten sich nach Sachsen retirieret. Wovon sie den einen wiederbrachten. Er wurde nach Kriegesrecht ins Feld an’n Galgen gehenket, und mußte das ganze Regiment mit an die Hamburger Straße zur Exekution ausrücken. Da der Henker den Strick umb den Hals zu lang gemacht, wollte der Gehenkte wieder herunterfallen. Deshalb sie ihn wieder herunterließen und den Strick besser zurechtmachten.
Da stund der arme Sünder unter dem Galgen und taumelte, wie ein Trunkener; war fast ganz tot und schon erstickt.
Da schrieen die Kerl aufn Pferden und alle Draguner: „ Ei, was ist das? – auf ihre nordische Sprache – er hat nun sein Recht ausgestanden! “ Und wollten durchaus nicht zugeben, daß er wieder aufgezogen werden sollte; zogen die Pistolen und wollten den Henker totschießen.
Da hatten die Oberoffizierer zu thun gnug, mit bloßem Degen die Leute in Ruhe zu bringen, daß der in Geschwindigkeit konnte wieder aufgezogen und gehänget werden. – Es kamen nachgehends noch zwei andere wegen Diebstahls an diesen Galgen. Er stund gleich am Hamburger Weg.
Als ich nun meiner Verrichtung halber nach Hamburg geritten und mich bei guten Freunden bis Thorschließen verspätet hatte (weil mir der öftere Weg wohl bekannt), ritt ich fort, wider alle Warnung: daß es auf dem Wege unsicher war, weil vor kurzer Zeit da ein’m Barbiergesellen in dem beiliegenden Busch die Gurgel darumb abgeschnitten, weil ihn ein gewiß Frauenmensch nicht hatte heiraten wollen, und er mit ihr in Liebe gelebet. Die Hunde hatten ihn bis auf die Knochen gefressen. An den beigelegenen Scheermessern und Lanzetten erkannt man, daß es der verlorne Barbiergeselle gewesen.
Als es unterwegens ganz finster geworden, ließ ich meinem Pferd freien Gang, der ihm bekannt war, und ich ohngefähr an den Ort des Gerichts kam. Stund mein Pferd mit eins, brausete und wollte stracks umbkehren. Ich erschrak und wußte nicht, was das war? Ich sporete das Pferd wieder auf den rechten Weg. Aber nein, es wollte nicht fort. Ich zog eine Pistole raus und gab Feuer, nach Soldaten-Gebrauch, und da sahe ich im Dämmrigen, als wenn etliche Kerl in der Luft sich regeten. Ich sahe genauer zu. Da war ich bei dem Galgen. Da kam mir ein Grauen an und ritt linker Hand einen andern Weg zu meinem Quartier.
Des andern Tages erfuhr ich: daß diese Nacht die Diebe vom Galgen gestohlen wären. – Also soll man sich warnen lassen, des Abends nicht auszureisen, sondern lieber bleiben, wo man ist; denn die Nacht ist niemands Freund.
Ich erinnere mich hiebei zum Preise meines GOttes nicht zu verschweigen, daß, als ich noch in der Veste Crempe lag, und einiger Verrichtung halber zu Fuße nach Glückstadt zwei Meiln gegangen, ich mich auch in die Nacht verspätet hatte. Und da ich vor die Festung kame, war sie schon zu und die Brücken aufgezogen. Da kein Mensch mehr herein - und rauskonnte, mußte ich in finsterer Nacht herumwandern. Und weil es da voll Wassergräben ist, wo die Bauren mit ihren Springestöcken (als in den Marschländern daselbst gebräuchlich) überspringen, konnte ich nicht nüber. Zurückgehen wollte ich nicht. Sahe ich von ferne ein Licht auf dem Berge, wozu ich kommen konnte. Meinete: es müßte ein Dorf da sein. Aber es war ein klein Hirtenhäuslein, da das Licht durch die Laden gesehen wurde.
Ich klopfte an die Fensterladen etliche mal an. Der Mann that, als höre er’s nicht. Endlich fragete er stark: „ Wat is denn buten? “– Ich sagt: „ Ach, lieber Freund, ich habe mich verirret, laßt mich doch diese Nacht in eurem Haus liegen. “– „ Ei wat, sagte er, wie machen nich open, wer weeß, wer ju bindt? “– Ich antwortet: „ Ich bin der Feldscher aus Crempe und habe mich verspätet. “– „ Wat bin ju? warumb bin ju nich drin blieven? “– Die Frau war im Wochenbette und redete dem Mann zu: er sollte mich einlassen. Worauf er mir aufmachte, und ich mit ihm zur Stube eingehen mußte.
Da sahe die Frau mit einem langen Hals aus dem Bett. Und als sie merkten: daß ich nicht so ein Kerl, wie sie anfangs gemeinet, fragten sie mich: ob ich etwas essen wollte? – Ich sagt: ja, wollt es gerne bezahlen. – Da kam die Frau aus dem Bett und machte mir eine gute Kofent-Suppe mit Eiern, item gekochte Eier und geräucherte Wurst und einen Krug ihres guten Kofentes. Welches mir überaus wohl that; denn ich hatte mich hungrig und durstig gelaufen. Ich fing an, den Leuten etwas zu erzählen. Denn sie höreten die hochdeutsche Sprache gern, sonderlich die Frau, welche jung und wohlgestalt. Endlich machten sie mir auch eine Streu in die Stube. Und als ich die Vergnüglichkeit der Leutchen sahe, wünschte ich mir bei mir selbst: GOtt möchte mir doch auch einmal ein solches Hüttchen und Vergnügen geben. (NB. Und hat Er mir’s hernach drei - ja vierfach aus Gnaden zugewandt; wie hernach folget. Da gedenke ich dran. Darum: sollte man nicht meinen, daß GOtt oft solche Seufzer in Gnaden erhöret und sie ihm angenehm sind?) Des Morgens stund ich auf, und da war wieder meine Suppe und Butterbrot. Und wollten keine Bezahlung annehmen.
Von Pinneberg mußte ich wieder nach Ütersen. Und da hatte ich immer des Nachtes gefährliche Reisen zu den Patienten auf den Dämmen (womit das ganze Land daherum umbgeben, und die sehr hoch sind; wann der Wind nord-west stürmet, treibt’s so hoch, daß oft die Dämme brechen; und das Wasser wohl fünf bis sechs Elln höher als das Land,’ und die Leute in großer Gefahr sind; Nacht und Tag ist deswegen Wachte), daß ich nicht Lust hatte, länger zu bleiben.
Indeß trug sich zu, daß der General-Leutenant Demini nach Ütersen kam, dem Herrn Geheimbten Rath von Buchwald, oder vielmehr dessen Liebste – weil der Herr nicht zu Haus und ein alter Herr war, und sie sehr schön – eine Visite zu geben. Als aber ohngefähr der Geheimbte Rath zu Hause kombt und diesen vornehmen Gast findet, waren sie beiderseits darüber erschrocken. Jedoch mußte ihm alle Ehre mit köstlichem Wein und Gastieren erwiesen werden.
Als nun der General Abschied nehmen will, und der Wein und Alteration ihm möchte irr gemacht haben, und will vor der Thür, da ein hoher Tritt, hinten ohne Lehne (wie da gebräuchlich vor den größten und schönsten Häusern ist), Komplimenten mit Scharren und Bücken machen, fällt er hinterrücks herunter und stürzt sich eine große Wunde ins Haupt. Rühret ihn auch zugleich der Schlag, daß er sprachlos, ohne Verstand, wieder ins Haus getragen worden.
Da war das Geschrei nach dem Feldscher! Und wurde ich gleich geholet und mir von allen Zeiten zugeschrieen: ich sollte Hülfe thun.
Erstlich öffnete ich ihm eine Ader auf dem rechten Arm; ließ das Blut wohl laufen. Hernach schor ich ihm
das Haupt ganz kahl; verband seine Wunde; und mußten sie mir lebendige Hühner bringen, denen that ich einen langen Schnitt und reiß sie vollends voneinander; legt es ihm also, mit Blut und allem, warm übern Kopf; und das geschahe so oft, als die Hühner kalt geworden. Gab ihm auch etliche mal spiritum salis armoniaci anisatum und pulverem antispasmaticum. Endlich legte ich Kräuter-Säcke, in Wein gekocht, oft warm über.
Da fing der Patiente etwas wieder an zu lallen und regte die Arme wieder, kriegte mich bei der Hand und sagte zum Obristen à part: „ O Feldscher, gut Mann, (denn er war ein Franzos) sollt nicht von mir. “
Weil er nun ein sehr reicher Herr und viel an ihm gelegen war, hielten sie vor ratsam, dazu auch Doctores zu gebrauchen, welche gleich mit einer Kutsche, vier Pferd, mußten kommen, aus Hamburg geholet.
Selbige fragten mich umb alle Umbstände, und was ich für ihn gebrauchet. So ich that. Sie hießen’s gut und gaben mir von ihren Medikamenten, ihm alle Stund davon einzugeben. Sie exküsierten sich aber gleich: sie könnten ihrer Patienten halber nicht lange von Hamburg bleiben.
Da wurde resolvieret: den Herrn General in eine groß Kutsche mit Betten, nebenst mir, und beide Doctores auch in eine, und die Diener und Lakaien auf Postwagen nach Hamburg zu bringen.
Ich entschuldigte mich wegen meiner Dienste. Aber es half nichts. Und mußte das Regiment von andern Barbieren verpfleget werden. Und meine Traktamenten sollten doch fort mir gezahlet werden. Ich ließ mir’s gefallen. Doch befahl ich: meine zwei Pferde wohl in acht zu nehmen.
Wir kamen in Hamburg aufm Burenstab bei einem Trakteur zu logieren. Und da hatte ich’s wieder recht gut. Denn ich wurde von des Herrn Tafel gespeiset und schlief des Nachtes in einem Schlage-Bette ins Generals Gemach, wenn ihm etwas fehlete, bei ihm zu sein, einzugeben und die Glieder zu reiben und zu schmieren, daß er in vierzehen Wochen vollkommen wieder zurecht kam.
Es war ein portugiesischer reicher Jude in Hamburg, Texera genannt, welcher fast täglich bei meinen Herrn kam und mit ihm spielete, umb ganze Haufen Gold, nebenst andern. Der speisete oft mit meinem Herrn. Und als der Koch einsmals Schleien-Fisch mit ’ner gelben Rahmbrühe gemacht, und es dem Juden vortrefflich geschmecket hatte, spricht er zu seinem Koch: „ Du machest mir nie so gut Essen. “– Der Koch kombt und fraget unsern Koch. Dieser sagt’s seinem Herrn, daß es Schlei’ gewesen.
Da fänget der Jude an, sich zu verfluchen und speiet, denn sie dürfen keinen Fisch ohne Schuppen essen; doch es war geschehen; und trauete er nicht mehr.
Des Judens Diener, deren wohl vier bis fünf, waren stetig bei uns. Und weil wir nicht viel zu thun hatten, so spieleten wir auch, entweder mit Karten oder Würfel, sie kriegeten mich auch einmal dazu. Und verlor ich in einem Ritt vierzig Thaler. Es wurd mir ganz grün und gehl vor den Augen, und wußte ich nicht, wie mir geschach. Weil ich Vorrat hatte, setzte ich desperat wieder an und gewann mein Geld alle wieder, bis auf sechszehen Groschen. Ich warf noch sechszehen Groschen, zu vertrinken, hin und sagte mich aus. Habe auch mein Tage nicht wieder umb Geld gespielet; denn ich gesehen, wie solches arm und desperat machet, Wunden und Tod bringet.
Man pfleget zwar zu sagen: man habe sein Lebetag keinen reichen Spieler gesehen. Ich habe aber in Hamburg einen gesehen, der mehr als sechszigtausend Thaler durch Spielen gewonnen. – Doch halte ich das gewinnsüchtige Spielen vor einen Diebstahl, auch wider das neunte und zehente Gebot: „ Du solt nicht begehren etc. “ Darumb habe ich jeder Zeit die Jugend vor solcher bösen Gewohnheit gewarnet.
Zwei von diesen Juden-Dienern wurden so treuherzig und bekannt mit mir, daß sie mich immer umb unsere christliche Lehre frageten. Und als ich denselbigen einfältig (so gut ich gewußt) die christliche Lehre anpreisete, aus dem Propheten Daniel und andern erwies, daß der verheißene Messias gekommen, und wie große Verheißung wir in unserm Herrn Christo hätten, und ich ihnen bewies aus der Schrift und Psalmen (darauf sie viel halten), insonderheit den Spruch: „ Es wird das Zepter von Juda nicht entwendet werden, bis daß der Held kombt etc. “– da huben sie an, bitterlich zu weinen und sagten: „ O, was glückliche Leut seid ihr, da ihr von Jugend auf dies gelehret seid. “
Sie sagten mir im Vertrauen: sie wollten auch Christen werden. Wie sie es machen sollten? – Ich gab ihn’n den Rat: sie sollten zu dem Doktor N. N. gehen, der würde sie ferner sagen, was zu thun? – Nur baten sie: daß es verschwiegen blieb; denn sie gleich weggestossen und groß Drangsal leiden müßten! – Sie sind auch nachgehends, wie ich erfahren habe, beide getaufet worden.
Ich ging fast täglich naus vor das Altonaer Thor und legte mich bei gutem Wetter auf die Reperbahn, umb das schöne Glockenspiel anzuhören.
Da satzte sich zu mir ein Mann, dessen Name vergessen; er war sonst ein Handelsmann mit
Porzellan; hießen ihn den Krug-Köper.
Der erzählete mir, als wir in einen geistlichen Diskurs kamen, wunderbare Sachen, wie er nämlich aufm Bohm gefangen gesessen, weil er von’n Predigern verklaget, umb seiner Lehre willen. Denn er ginge in Hamburg umb, und würde auch zu den Kranken geholet, daß er sie gesund betete. Ja er triebe auch durch seinen Glauben und den Herrn Jesum die Teufel aus, wie er mir etliche Kuren erzählete, sonderlich an einer Makkers Tochter, darüber er viel Versuchung ausgestanden, wie der Teufel sein Kind zur Luke runterstürzen wollen, und er ihm Trotz geboten, und dergleichen. Da er auf dem Bohm gesessen, wäre ein Delinquent unter andern da geschlossen gesessen, welcher ganz desperieret und verzweifelt an seiner Seeligkeit. Welchen er aus GOttes Wort und mittels eines glühenden Ringes bekehret, den er zum Zeichen der Wahrheit mit bloßen Händen, unverletzt, aus dem Feuer genommen, und damit bezeuget, daß GOtt nicht wolle den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe. So auch den armen Menschen mit vielen Umbständen zurechtgebracht etc.
Auf dieser Reperbahne war eine lange, große Reitsäule gebauet, worauf man sich setzen konnte und nach dem Ringel stach. Dahinaus gingen oft die Barbier-Gesellen mit mir. Da ich aber einmal runter geschleudert und solchen harten Schlag vom herumbgehenden Bohm an’n Kopf bekommen, daß ich lange das Aufstehen vergessen, kam ich nicht wieder dahin, hingegen ging ich mit meiner Herrschaft alle Woche zweimal in die Opera, welche schön war anzusehen.
Als ich nun vierzehen Wochen mit dem General in Hamburg gewesen, und er ganz gesund worden, ersuchte ich umb meine Dimission. Der Herr wollte lange nichts davon hören. Endlich fragete er bei fernerm Anhalten: was mir bei ihm fehlete? – Ich schützte vor: ich hätte ’nen alten Vater und Mutter; die wollten mich gerne nach Hause haben und verheiraten. Als auch die Wahrheit war. Denn mir’s mein Vater oft geschrieben hatte. – Der General sagte: „ Was wollt ihr in eurem Bettellande machen? Hier ist’s besser. Ich will euch versorgen und ein beständig Regiment geben. “– Ich bedankte mich vor das gnädige Anerbieten und wollte absolut nach Hause. – Endlich ward er bös, schrieb mir einen Zettel oder Assignation an Texera seine banco; und den Abschied mußte mir der Obrist geben und Glück auf die Reise wünschen.
Ich nahm den französischen Zettel und trug ihn an den Ort. Da ich in die großen Zimmer kam, bin ich erstaunet über alles Geld, so in großen Säcken und Kästen sortieret da stund. Der Kassierer nahm meinen Zettel und fing an, zu zählen. Ich gedachte: „ Wird er nicht bald aufhören? “– Aber er zählete immer fort, bis es hundert Thaler an lauter dänischen Kronen waren. „ Da ist sein Geld! “sagte er. – Ich strich’s ein und bedankte mich nochmals bei dem General vor das viele Geld.
Damit reisete ich fort, nach Ütersen zu. Und war mein Herr auch wieder zu Haus gekommen, welcher mir meine Traktamente, so gut, als ab ich da gewesen, auch auszahlen ließ. Ich packte mein Geld und Sachen in einen Kuffer ein; gab ihn auf die Post.
Ich aber setzte mich auf mein Pferd, nahm das andere zur Hand, umb zu wechseln, ritt immer über die Lüneburger Heide, ganz alleine, nach Halle zu.
Als ich über kam, war eine große Freude bei meinen Eltern.
Unterwegens aber, in Magdeburg, traf ich meinen Bruder an, welches mir der Kaufmann, Herr Rathmann Köppen, sagte und uns beide zu Gaste bate, zusammen über Tische setzte.
Aber mein Bruder kannte mich nicht, bis ihn Herr Köppe fragte: wo sein Bruder, der Barbier, wäre? endlich: ob er mich wohl kennete? – Da merkte er’s, daß ich es wäre und fiel mir umb den Hals.
Aber ich gab ihm eine dichte Reprimande wegen seines Übelverhaltens, wie mir geschrieben.
Ich verschaffte ihm einen guten Meister, einen Sattler, und gab ihm etwas Geld (das bei ihm keinen Grund hatte) und vermahnete ihn zu allem Guten. Aber er that nicht lang gut und ging wieder unter die Soldaten, da ihn der Vater doch zweimal schon losgemacht. Und half kein Raten noch vermahnen, bis es ihm auf sein Alter mit Armut im Elend eingetroffen, was ich ihm vielfältig prognostizieret.
Mein seeliger Vater hatte aus Vorsorge vor mich eine Barbierstube, nämlich die Grünewaldische, vor mich von der Erben erkauft und etliche vierzig Thaler draufgegeben. Auch wollte er gerne, daß ich ein Mägdlein, nach seinem Gefallen, nämlich Heintzens Tochter am Markt, heiraten sollte.
Allein die Barbierer, sonderlich mein eigener Lehrherr, der mein Vetter, wollten mich durchaus in Halle nicht wissen; weil sie befürchten: ich möchte ihn’n mehr Abbruch in der Nahrung thun, als ein Frembder. Denn ich glaube: daß unter keiner Profession mehr Nahrungsneid, als damals unter den Barbierern. Deswegen verschrieben sie einen, Namens Elias Geißlern, aus Leipzig und verkauften ihm heimlich die Barbierstube, in Gerichten aber vorgebende, sie hätten das Näherrecht vor einem Frembden nach ihrer Ordnung.
Mußte ich also zurückstehen, obwohl ich zu allen praestandis mich erbot und gute Wort verlor. Es half aber nichts. Ich mußte wieder fort aus Halle. – Allein, es bekam beiden, den Barbierern und dem Käufer sehr übel. Und hat man augenscheinlich GOttes Strafe gesehen, wie folget.
Ich hatte eine Muhme in Merseburg, die Frau Steuer-Sekretarien, welche zu Hofe wohl dran ware. Selbige rekommandieret mich bei dem Herzog und Herzogin. Zugleich hatte sie mit vorgeben: ich könnte ihr Kammermädgen, welches sie sehr lieb hatten, und bereits dreißig Jahr, aber wohl auf dreitausend Thaler zusammengebracht, heiraten.
Die Station war, alle Jahr zweihundert Thaler, ein Frei-Brauen, zwei Klaftern Holz, freie Wohnung und eine Frei-Barbierstube in Merseburg unter dem Prädikat als Hof - und Reise-Barbier. Denn ihren Hofbarbier, den alten Krantzen, wollten sie nicht abschaffen.
Ich nahm also diese Kondition an und kam nach Hofe. Ich muß gestehen, daß mich die Herrschaft und alle lieb und wert hielten.
Aber der alte Hofbarbier sahe mich nicht gerne und hatte die Geheimbten Räthe, als Brandtstein und Bünau, so viel zu sagen hatten, auf seiner Seite. Welche auch durchaus verhinderten, wie oft der Herzog und Herzogin
ihn’n befohlen, meine Bestallung auszufertigen. Aber es geschahe nicht. Und durften sie mir expresse unter die Augen sagen: ich kriegte es nicht; denn der Herzog habe so Leute gnug und dürfe keine neue Bestallung machen. – Ich dachte bei mir: „ So sind Fürsten und Herren auch ihrer Diener und Räthe Sklaven und können nicht thun, was sie wollen. “
Dieses sagte ich dem Herzog und der Herzogin wieder, welche sehr eiferten und es nochmals ernstlich befehlen ließen. Aber es wurd nichts draus.
Indessen lief ein Jahr hin und ich sollte meinem Kammermädgen, welche mir alle ersinnliche Liebe und Wohlthat erwies, Versprechung thun, sie zu heiraten. Denn würde sich schon alles geben! – Ich sagte aber: „ Nein; wann ich nicht schwarz auf weiß und des Fürstens Kammerverschreibung bekomme, verspreche ich mich gar nicht. Denn, wann es nicht gewiß wird, wie es scheinet, kann ich mich hinwenden, wo ich mein Glück finde, was würde ihr damit geholfen sein, wann ich eine Frau, und sie einen Mann ohn Brot und Subsistenz hätte? “– Sie wollte aber nichts davon hören. Stellete immer Gastgebot und Reisen auf die fürstlichen Güter mit mir an. Aber ich nahm mich in acht.
Sie wußten alle am Hof, daß ich kein starker Trinker war; deshalb sie es so angestellet, mir immer weidlich zuzusaufen. Wie ich denn täglich bei dem Kammertisch oder bei dem Frauenzimmer speisete und ihn’n allen allerhand auf gut hallische, deutsche Mode Kurzweil machte, von alten Geschichten redete, endlich gar einen Zigeuner abgab und ihnen die gute Wahrheit unter einer Manier sagte. Einiges eintraf. Daher sie alle die Wahrheit wissen wollten. Und bringen es auch gar vor die Herzogin, daß ich allen, auch denen beiden Prinzen, in die Hand und Gesicht die zukünftigen Fälle gesaget.
Die Herzogin ließ mich bald rufen umb dieses. Da bedachte ich erst die Thorheit und den Scherz, welcher mir gereuete.
Die Fürstin fragte gleich mit ernstlicher Miene: „ Dietz, ihr habt ja meinen Prinzen in die Hand wahrgesaget. Ich will es wissen etc. “– Ich sagte: „ Ihro Durchlaucht, es ist nur Scherz gewesen. “– „ Was? sagte sie, mit fürstlichen Prinzen muß man nicht Scherz treiben; sagt, was ist’s? etc. “– Ich sagte: „ Ich sehe wohl, daß die Prinzen schwacher Konstitution und viel Anstoß haben würden “, und dergleichen. – Aber sie wollte alles wissen, was gesaget. – Doch ich entschuldigte mich, so gut ich konnte: man müßte nicht darauf bauen; denn es nur mit der Chiromantie bloßes Mutmaßen und keine Gewißheit sei.
Aber es ist nachgehends wohl eingetroffen, wie ich gesaget hatte.
Es war eine Sängerin, die spielete zugleich auf der Laute, eines Sprachmeisters Tochter, am Hof, welche der Herzog liebte. Von welcher, wenn’s erlaubt wäre, und hier mein Werk, eine ganze Romaine könnte gemacht werden. Selbige hatte mich gern umb und bei sich; jedoch durften wir’s nicht merken lassen, sonst wäre ich in Ungnaden gekommen.
Inzwischen verlief immer eine Zeit nach der andern und aus meiner Bestallung wurde nichts (ob ich’s gleich dem Herzog etliche mal klagte), bis sie mich einmal, aus Anstiftung, mit dem Weintrunk und Gesundheiten dazu kriegeten. Ich entschuldigte mich: ich könne nicht, und würde ein’n Exceß begehen. – Aber es half nichts, bis ich mir, salvo honore, übergab und totkrank weggetragen wurde ins Mädgens Zimmer. Da legten sie mich in ihre Betten die Nacht. Aber es wurd nicht besser und mußte mich von Hof begeben bei meine Frau Muhme. Da speiete ich etliche Tage Blut. Und die Herzogin hielt mir ihren Medicum vierzehen Tage.
Weil ich nun das Hofleben überdrüssig und keine Gewißheit bekam, resolvierete ich: die von Leipzig mir zugesandte Rekommandation, da ich alle Jahr zweihundert Thaler und mehr verdienen konnte, anzunehmen.
Ich setzte mich demnach stille auf ein gemiethet Pferd und ritte immer nach Leipzig zu.
Ich war kaum fünf Tage bei meinem Herrn gewesen, so kam der Kammerdiener Nester vom Fürsten, schalt mich und sagte: worum ich heimlich von Hofe gegangen? Der Herzog wäre sehr ungnädig und wollte durchaus: ich sollte wieder nüber. – Allein ich sagte ihm alles mein Anliegen, und daß ich’s zu keiner Bestallung bringen könne. – Er sagte: man müsse keinen Fürsten forcieren; es würde geschehen. – Doch wollte ich nicht trauen.
Da sendete der Herzog einen Reitenden mit einem Brief an’n Rath: mich bis weitere Ordre in Arrest zu nehmen! – Worauf der Bürgermeister Steger, welchen ich zu barbieren hatte, zu meinem Herrn schickte: was das vor ein Geselle wäre? – Mein Herr war selbst bei ihn und saget’s: „ Der Sie barbierete. “– Da mußte ich zu ihm kommen. – Er fragete: was ich mit dem Fürsten von Merseburg zu thun?
Da habe ich selbigem die ganze Jache erzählet, und daß mit dieser Kondition ich nach Hof’ gekommen, und die Person dergestalt heiraten gewollt. Weil aber der Herzog solches nicht bewerkstelliget, hätte ich, als ein junger Mensch, meine fortune weiter suchen müssen. – Der Herr Burgermeister billigte meine Sache und sagte: wann der Herzog mir aber sein Versprechen hielt’, ob ich wieder
nüber wollte? – „ Ja, sagte ich, sobald die Versichrung kombt, will ich wieder nüber. “– Damit war er zufrieden und wollte nomine senatus dem Herzog antworten lassen. Er warnete mich aber: nicht vors Thor, oder an die Grenze zu kommen; hier sollte mir niemand was thun.
Also war ich in Leipzig zwei Jahr. Erstlich ein Jahr bei Herrn Bacherten und ein Jahr bei Herrn Schneidern.
Nachdem wollte mir Herr Bachert eine Barbierstube, Wagners, helfen kaufen und mir vielleicht eine von seinen Töchtern geben. Denn er sagte vielmals: wäre Schade, wenn ich in einen klein’n Ort sollte kommen. – Aber, es zerschlug sich; weil sie sehr teuer.
Denn nahm ich ein Rekommandation-Schreiben aus Breslau, bei Herrn Wetzeln [Welzel?] auf der Schweinschen [Schweidnitzer] Gasse an, als wohin ich mit der Botenkutsche fuhr. Ich hatte da auch schönen Verdienst und machte Parücken dabei.
Es war an der Ohlau. Des Abends satzte ich mich ans Wasser mit meiner Guitarr, oder Violin, und brachte dadurch schlesiger Jungfern ziemlich zusammen, auf ein freundlich Gespräch. Wie ich denn eine reiche Kretschmers - oder Bierbrauers-Tochter mit der Eltern willen, bei welchen ich wohlstund und alles Gutes genoß, heiraten wollte. Da es aber zum treffen kam, hatte sich das Fell schon verkauft. Dies verdroß mich sehr, daß ich auch keine Lust mehr zu bleiben hatte. Da inzwischen ich gleichwohl meine alte Liebste vom ungrischen Marsch vor Breslau besuchte, aber sie schon verheiratet befand.
Breslau ist sonst ein schöner Ort; und viel zu sehen von Katholiken, ihre Klöster, Prozessionen, Messen, heilige Grab, allerhand Komödien von Christi Geburt und Sterben, wie sich da die Leut geißlen und mit dem Kreuz schleppen ec. Aber, große Verführung vor junge Leute von Weibesmenschen! – Denn da mich mein Landesmann von Dölitz gerade Hand mitnahm in ein Weinhaus oben, waren zwei Weibesstück mit ihrer Mutter, so gut mittranken und - aßen, was wir vors Geld holen ließen. Kam in der Nacht ein großer Lärmen an die Thür, und wollten die Thür aufschlagen. Die Menscher sahen nunter und fragten: was sie wollten? – Sie schrieen: „ Macht auf, oder wir schlagen die Thür ein; es sind zwei Kerl oben, die müssen wir haben! “– Das Mensch, erschrocken, sagte: „ Die ganze Wache ist da, mir müssen aufmachen. “– Da war uns beiden angst. Und verkrochen uns zu oberst aufm Boden unter große Fässer. – Sie kamen rein, durchsuchten alles, fanden uns aber zum großen Glücke nicht. Denn wir hätten müssen bei der großen Werbung Soldaten werden.
Ein andres Mal wurde ich wieder verführet von sieben Barbiergesellen. Denn sie hingen alle an mir, wie die Kletten, und waren teils bekannt, weil ich ihnen in Leipzig collegia chirurgica deutsch gelesen. Und meine sonderliche philosophiam vor mich, hatte ich ihnen bekannt gemacht. Nämlich: daß die Komplexionen bei einem Menschen nichts hießen, oder nicht vollkommen statuieret werden können; hingegen aber nach dem theophrastischen und andern principiis von Salz, Schwefel und mercurio, da alles in der ganzen Welt von zusammengesetzet, ja der allmächtige GOtt selbst in drei Personen verherrlichet wird, also auch der Mensch nebenst Geist, Seele und Leib, aus
sulphur und mercurius bestehe, darum viel gewisser und profitabler, des Menschen Geblüt, Leben, Gesundheit, Wunden, Krankheit und Tod daraus herzuleiten, wie die Erfahrnheit, durch die chymia, solches klar bezeige ec.
Ich brachte ihnen auch meine andere philosophiam bei. Nämlich: daß die Universal-Heil-Kur der Menschen hauptsächlich in denen vegetabilibus, Kräutern, Gewächs und Bäumen verborgen; weil selbige mit dem menschlichen Leib und Geblüt konform. Die mineralia aber selbigen zu hart, storrig, korrosivisch und mehrenteils gefährlich und tötlich, wenn sie von denen Unerfahrnen gemacht: ja, wenn sie auch noch so wohl präparieret, dennoch bedenklich wären und etwas Schlimmes hinter sich ließen. Ich machte ihnen weitläuftig das Argument, daß unsere ersten Eltern, Adam und Eva, von einem Baum die Sünde in das ganze menschliche Geschlecht gebracht. Von der Sünde käm der Tod und alle Krankheiten des Menschen, nach der Schrift. Nun Christus, unser Heil und Seeligkeit, als der rechte Samariter und Arzt zu helfen, habe nach der ewigen Vorsehung GOttes am Holz des Kreuzes müssen leiden und sterben, uns dadurch wiedrum von den Sündenwunden zu heilen, auch so viel Kraft und Vermögen in die Bäume, Wurzeln und Kräuter geleget, daß ich dafür halte: Wann wir die erstre Erkenntnis vor dem Fall noch hätten (und nicht verloren), die Kräuter, Blumen und Stauden in ihrer rechten Zeit und Stunde zu kolligieren, wir würden damit große miracula, erweisen. Wie man teils itzo noch an einigen, ungelehrten Leuten mit höchster Verwunderung siehet, was sie thun.
Wie ich denn selbst augenscheinlich gesehen und per sympathiam et antipathiam einige Kräuter und Bäume probieret und viel Wunder damit ausgerichtet; wär zu berichten, wenn es die Zeit und Raum wollte leiden. Wie aber das zugehe, und wie sie würken, ist über meinen Horizont. Vermutlich aber geschiehet solches durch die abwechselnde particulae.
Obig gemeldte Barbiergesellen führeten mich auf ein Dorf, Alt-Scheitnig genannt, in den Kretscham, oder Wirtshaus, da es lustig mit Tanzen und Musik mit unzähligen Handwerksburschen zuging.
Wir tranken und essen im Kabinett mit Frieden. Als sie aber das Bier in die Köpfe bekamen, so wollten sie auch tanzen. Insonderheit hatten wir einen Barbiergesellen bei uns, welcher im Tanzen informierete. Diesen regeten sie an: sich auch sehen zu lassen.
Sobald er angefangen, seinen Franz-Tanz zu thun, stunden zwar erstlich die andern alle stille und sahen mit Verwundrung, wie er seine Sprünge that, eine Weile zu. Es war ihn’n aber zu lang worden. Deswegen sie unsers Tänzers Jungfer ein Bein stelleten. Da ging der Lärmen und Schlägerei in einem Augenblick an, und fuhr alles über - und durcheinander.
Doch der Wirt und seine Bauren machten Friede, und wir behielten den Platz; weil der Wirt einen guten Kunden an uns hatte.
Als es begunnte dämmrig zu werden, machten wir uns auch auf die Heimfahrt. Wir mußten über einen langen Damm, auf beiden Seiten mit der Oder und Ohlau umbgeben.
Dafür hatten sich die Bursche gelagert und laureten auf uns. Sobald wir ankamen, sprungen sie uns entgegen mit Degen, Prügel und Stangen. Endlich sollte sich Mann für Mann schlagen. Und steckte mir einer gleich den bloßen Degen in die Erde vor die Nase. Mit andern ging es auch so. Ehe wir’s uns aber versahen, schmissen sie von hinten mit Knüttel und Prügeln drein, daß niemand wußte, wer Koch oder Kellner war. Jeder wehrete sich seiner Haut, so gut er konnte. Ein Soldat hieb mich
mit einem Säbel zweimal übern Kopf, wie noch zu sehen, daß mir das Blut häufig übers Gesicht lief. Einen Badergesellen stach ich hingegen hinten durch die Backen. Einige wurden gehauen und gestochen. Einen von uns, mit seinem schönen, neuen Kleid, wurfen sie ins Wasser. Summa: es war ein greulich Blutbad, und waren fast alle verwundt. Da schrieen die Weiber und Kinder und alles, bis das Geschrei in die Stadt kam. Da schickte der Rath fast eine Kompagnie Soldaten und nahm alles in Arrest.
wir aber hatten uns mit zwei Kähnen auf den Thum, über die Oder, retirieret, auf meinen Rat. Legten uns ins Wirtshaus, verbanden uns unsere Wunden, speiseten und trunken, ließen uns nichts anfechten. Der Ausgesandte brachte uns die Nachricht, daß jene alle aufs Hey und in die Gefängnis geleget wären.
Unsere Herrn waren verlegen und schickten einen Boten über den andern: wir sollten heimkommen.
Allein, da war kein Trauen, bis der Schützentag anging, da zu diesem Thor ein grausamer Tumult, wie in Lübeck bei dem Schießen, war. Da drungen wir mit zum Thor hinein, wurden aber übel von unsern Herrn empfangen.
Doch schützten wir uns damit bei dem Rath, welcher uns auch wollte holen lassen, daß wir einen Advokaten annahmen; vorstelleten: wie uns jene geweglauret und angefallen. – Jene mußten alle Kaution machen, wollten sie los, und die Sache kam zum weitläuftigen Prozeß, worüber ich noch davongereiset.
Ich satzte mich mit meinem Kuffer auf einen Breslauer Kahn und fuhr auf der Oder durch die Schlesien nach Berlin. Unterwegens hatte ich auch Lebensgefahr, beim in der Oder baden. Wann ich nicht so gut schwimmen gekonnt, wäre es geschehen! – Unterwegens nahmen wir Bier auf und hatten Musikanten bis Berlin.
In Berlin legte ich mich in ein Wirtshaus in der Grünstraß bei die Frau Grünauen, so noch eine Tochter zu Hause hatte, so gar ekel und ihr kein Mann gut gnug, deshalb sie auch wohl dreißig Jahr erreichet hatte. Doch weil ich sie karessierte und ihr alle Ehrenbezeigung that, galte ich gar viel bei ihr und ihrer Mutter. Insonderheit, weil ich sie beide am Fieber kurierete. Deshalb ich in kurzem in großen Beruf kam, und täglich viel Leute Arznei bei mir holeten, auch mich: „ Herr Dokter! “hießen. Ja, ich mußte Urin, salvo honore, besehen, und schwatzte den Leuten so viel vor, bis etwas eintraf, vor Geld. Des Morgens, ehe ich aufstund, waren schon drei bis vier Leute auf mich wartend. Und verdienete ich soviel Geld, als ich je gebrauchte. – Ich hatte die Gnade, daß ich zunächst der Kammer und Bette schlief, da die Jungfer und ihre Mutter lag, welche mir noch zur Dankbarkeit wegen der Kur einen schönen goldenen Ring, einen Wachsstock und silbernen, großen Löffel, so ich noch habe, schenketen.
Es logierten die Holländer und Hamburger Kaufleute da und speiseten da, mit welchen ich braschen oder schwatzen konnte. Deshalb über Tisch ihnen vorschneiden und sie accommodieren mußte; weil kein Wirt da war, und sie mich dafür hielten. Deshalb ich alles frei hatte.
Einsmals speisete ein Frauenzimmer mit der schwarzen Florkapp über Tisch mit, die ich nicht kannte. Die Jungfer und ihre Frau Mutter lachten immer. Ich wußte nicht: was das hieß?
Nach Essens aber entdeckte sich die Person, und es war meine alte Liebste aus Spandau. Ich erschrak über sie; wußte nicht, was das bedeute? – Da sagte sie: sie hätte erfahren, daß ich da sei; aus Verlangen, mich wiederzusehen, wäre sie herkommen, weil sie ohndem Freunde wären. – Ich ließ mir es gefallen, bezeigete ihr alle Ehre, fragte sie: wie ihr’s ginge? – „ Wohl, sagte sie, ich habe Herrn Eberlein und drei Kinder mit ihm “. – Deß erfreuete ich mich. – Sie blieb des Nachtes da bei der Jungfer, und des Morgens reisete sie wieder nach Spandau. Und habe ich sie nie wieder gesehen.
Mittlerweile kam mein Vater nach Berlin zu mir und gab den Rat (weil doch zu Hofe so manches erlanget und praktizieret würde), ob es nicht anginge: eine Frei-Hofbarbierstube in Halle vor mich zu erhalten. Er hätte ja so manches bei dem Herrn Geheimbten Rath Fuchs durchgebracht.
Ich ließ mir’s gefallen. Und ließ er bei Herrn Katschen, welcher damals noch ein schlechter Advokat war, nachgehends aber der vornehmbste Geheimbte Rath wurde, ein Supplikat verfertigen. Damit wanderten wir fort, beim Geheimbten Rath Fuchs.
Als er aber, gleich zugegen, unser Anbringen hörete, fuhr er uns greulich an: „ Ei, was? sagte er, die Leute in Halle haben eine privilegierte Innung. Man kann ihn’n nichts nehmen und andern geben. Ihr seid ein junger Mensch, könnt euch noch was versuchen. “– Da half kein Remonstrieren. Wir mußten wieder fortgehen, wie die Katze von’n Taubenschlag. Das war recht. Wollte GOtt, es wäre noch so ec. – Da war unser Muth weggefallen. Und mein Vater reisete wieder nach Hause.
Es könnte sein, daß der Herr Geheimbte Rath, oder ein anderer, mich bei Ihro Durchläuchten dem Herrn-Meister in Sonnenburg, unsers Königes Herrn Bruder, vorgeschlagen. Gnung, der Herr Schmieling, welcher sein Kammerdiener und gerne weg wollte, ließ mich zu sich
rufen und trug mir die Kondition an, so ich nicht ausschlagen wollte, sondern reisete mit ihm.
Und da kam ich an’n zweiten Hof. Ich wartet dem Herrn auf und machte mein unterthänigstes Kompliment und so war es gut. Ich hatte täglich meine Aufwartung, Essen und Trinken und alles vollauf. Des Mittages speiseten wir umb drei, vier Uhr; des Nachts umb zwölf, ein Uhr; legten uns abends vor Müdigkeit in des Herrn Wolfes-Pelz oder sonst wohin, wo wir konnten, wie die Schweine. Und stunden auch des Morgens also ungebetet wieder auf. Und dann in die Küche und zum Keller. Bisweilen gingen wir auf die Jaged. So ging es alle Tage.
Einsmals kamen die Bauren und beschwereten sich über einen großen Bär, welcher ihn’n die Bienstöcke und Kälber, Hühner, Gänse und dergleichen holete.
Die Bauren mußten fort, uns die Spur zu zeigen. Da war’n Herr Markgraf Albrecht und Christian Ludwig mit dabei, welche sich ein groß Pläsier da machten. Wir funden endlich den Bär im Bruch liegen, mitten im Wasser.
Wir machten Kähne zusammen und brachten die Hunde nüber. Aber der Bär ließ keinen an sich (bis man ihm Feuer gnung auf den Puckel warf), nach welchen er mit den Zähnen biß und sie wegschlug, endlich aber herauskam und ins Wasser plumpte. Da waren sie über ihm her, wohl zwei Stunden, bis sie’s müde wurden. Da schoßen sie ihm durch den Kopf, zumal er sie alle mit dem Kahn umbgeworfen hatte. Da war die Komödie aus.
Die Bauren aber mußten den Bär vors Königes Küche zum Weihnachtsbraten bringen.
Der ganze Hof wurd krank am Durchfall. Da mußte ich meine Probe thun. Es starb mir aber nicht einer. Erstlich gab ich ihn’n eine dosis rhabarbara und hernach mußten sie viel warmen Thee trinken etc. etc.
Weil nun der Markgraf Schmielingen nicht wollte weglassen, zwei Kammerdiener, oder ich, ihm kein Nutze war (zumal ich nicht mit nach Italien wollte), so ließ er mir gnädig vorschlagen: in seinen Städten einer hinter Küstrin Freiheit zu nehmen und zu wohnen, wo ich wollte. – Aber ich bedankte mich und bat nur umb gnädige Rekommandation an Ihro Kurfürstliche Durchlaucht, in Halle eine Hof-Barbierstube mir zu konzedieren. – So auch geschahe. Damit reisete ich wieder nach Berlin zu.
Ich verfertigte mir selbst ein Supplikat, so gut ich konnte, weil ich keinem Prokurator mehr trauen wollte. Denn sie mich und meinen Vater umb manchen Dukaten und Gulden geschwänzet und lauter Wind dafür gemacht, so jedem zur Warnung hersetze.
Es deuchte mich solches Supplikat ziemlich wohlgeraten zu sein. Ich wartete dem Herrn Geheimbten Rath Eberhard von Danckelmann auf, da er von Hofe kam und etwas widriges begegnet sein mußte, wie es denn solchen Herrn oft gehet. Ich überreichte ihm das Supplikat, als er aus der Kutsche trat, und ich warten sollte, bis er mich gefraget; denn das ist gebräuchlich. So bekam ich auch vor dies versehen meinen decem; denn er fuhr mich grausam an und stoßete mich zurück, daß ich gerne die Supplik wieder aufhube und betrübet nach Hause ginge.
Ich klagte solches meinem alten, bekannten Freunde, Herrn Pechtolten. Der tröstet mich und sagte: es widerfuhr mir nicht allein, deswegen wäre es nicht verlorend; der Baum fiel nicht auf einen Hieb; er wollte mir aber den Rat geben, ich sollte indeß, die Sache abzuwarten,
drei Kompagnieen von seiner Schwiegermutter vor die Belohnung besorgen; es würde sich indeß weisen. – War gewiß ein guter Rat, wie erfolget.
Und bekam ich bei dieser Bedienung unterschiedene Gelegenheiten und vornehme Kuren, so mich rekommandiereten. Insonderheit den Herrn von Canitz, welchen an gefährlichem Augenschaden, den Kommandant Hacken an bösem Fuß und andere mehr kurierete. So mir alle unter ihrer Hand und Siegel attestiereten.
In specie wollte mir Herr Rath Horche, wegen seines Vaters, von welchem ich oft an ihn in die Schweiz schreiben müssen, item der Geheimbte Rath Krug wohl, welche immer bei dem Herrn von Danckelmann waren und mich eben zu der Zeit mit dem Supplikat bestellet hatten, weil sie da waren.
Es war wohl dreiviertel Jahr vergangen, da dies geschahe. Ich gab dem Diener einen Gulden und informierte ihn; das er auch gethan. Und da der Geheimbte Rath das Supplikat gelesen, fänget er überlaut an zu lachen. Diese zwei wollen nicht fragen; aber der Herr von Danckelmann saget selbst: „ Der Mensch ist ein Feldscher hier, bittet umb eine Hof-Barbierstube in Halle und hat das Supplikat selbst gemacht. “
Diese beide sagten: daß sie mich wohl kenneten, ich hätte bereitest gute Erfahrung, und die Barbier in Halle hätten mich zu keiner Barbierstube lassen wollen, sondern wieder abgetrieben. – „ Was? sagt der Herr, abgetrieben? Sagt ihm, er soll morgen neun Uhr vors Kurfürsten Gemach sein! “
Ach, wie konnte ich die Nacht so eifrig beten und war froh, daß’s bald neun Uhr war, da ich mit vielen Leuten vors kurfürstliche Gemach stund.
Der höchstseelige König kam heraus mit dem Herrn von Danckelmann, gab allen Leuten Bescheid, mir aber sagte er: „ Ihr sollt’s haben, wie gebeten. “ Der
höchstseelige König sähe mich an, damit machte ich mein demütig Kompliment.
Ich fragte nach etlichen Tagen in der Lehens-Kanzlei nach. Aber es war noch nicht ausgefertiget. Nach etlichen Tagen sahe ich wieder zu. Da war es fertig und zwar so schön, als ich’s selbst nicht verlanget: daß ich eine Barbierstube in Halle mit allen Recht und Gerechtigkeiten gleich denen andern und vorigen Hofbarbieren exercieren, Jungen lehren und Gesellen fördern sollte. – Dies Patent mußte ich vor dreizehen Thaler bezahlen und noch ein Reskript an’n Rath vor einen Thaler funfzehen Groschen, vermöge dessen alles Ernstes befohlen: mich dabei zu schützen und, meinem Selbst-Erbieten nach, aufm Rathaus, in pleno, mit Zufordern der Barbierer und zweier Doctores, examinieren zu lassen.
Damit nahm ich meinen Abschied und reisete just den Weihnachts-Heilig-Abend nach Halle. Gleich wie ich die Straße hinunter nach meinem Vater gehen wollte, trug man mir eine Leiche entgegen. Da ich fragete, erfuhr ich: daß es der Barbier Herr Watzlau wäre. Und hatte ich wenig drauf gedacht, daß das meine Frau werden sollte.
Ich kam zu meinem Vater ins Haus und war erstlich Freude. Sie wurden’s aber bald satt, daß ich mich einmiethet’ am Sau-Markt in der Banlrosen ihrem Haus, jährlich vor zweiunddreißig Thaler, vor eine Stube und Kammer soviel bezahlen mußte!
Indeß wohnete ich etliche Wochen bei dem Vater und sollicitierte fleißig beim Rath, das Examen vorzunehmen. Der Rath ließ die Barbierer wohl drei -, viermal dazu fordern. Aber sie kamen nicht. Und das war eine große faute von ihnen. Und wär besser gewesen, wann sie mich mit examinieret und solche Dinge gefraget, die ich nicht wohl beantworten können. Denn das ist möglich, daß einer so viel fragen, als zehn nicht beantworten können. Aber, es mußte sich alles so schicken, daß es in contumaciam ergehen mußte und die Herrn Doctores mir vortreffliche attesta vom examine gaben. Der ganze Rath war zugegen und ein jeder kuriös, zu hören – teils auf der Barbierer Seite, teils auf meiner Seite. Da sollte wohl mancher die Nase davon halten, ehe er durch diese Klippen ginge! Doch ich kam gut weg und hing meine Becken gleich aus.
Und, wie es denn zu gehen pfleget, hatte ich, als was Neues, großen Zulauf und mußte Gesellen und Jungen annehmen. War anno 1694.
Die Barbierinnung kriegete hierauf solchen scharfen Befehl, bei gänzlicher Kassation aller ihrer privilegiorum, wo sie mich turbieren oder nicht einnehmen wollten. Worauf sie mich zur Innung bitten und meine Session anweisen thäten.
Es war gleich zur Zeit, daß die hiesige Friedrichs-Universität inaugurieret wurde in Halle. Da wurd alles voll Volk, Studenten und Frembde, daß ich in einem Viertel-Jahr meine ganze Hausmiethe profitierte.
Es wurden vier Ehrenpforten, nach den vier Salzbrunnen, auf dem Markt erbauet; als felsenhoch darauf die Sonne, oder ein fliegend Pferd, oder Neptun und dergleichen. Darunter floß kontinuierlich, durch die Kunst, Wasser herab und stunden die preußischen Riesen auf jeden Seiten. Inwendig waren Chöre mit allerhand Instrumenten, Sängern und Pauken und Trompeten. Und war überaus prächtig anzusehen, als der liebe, höchstseelige König bei hellem Mittag einzog, da ein heller Stern erschien zu höchster Glorie des Königes. Es waren auch vier Weinbrunnen am Markt erbauet, herrlich! Daraus auf vier Stunden Wein lief und jeder trank, wer da konnte. Auch wurd Geld ausgeworfen; in summa: in Halle ging damals ein Licht und Freude auf in dem Herrn, und war kein Winkel in der Stadt, der nicht gesucht und bebauet worden. – Aber nun hat uns der Herr, wegen unserer übermachten Sünde betrübet und niedergeschlagen. GOtt erbarme sich’s!
Kaum hatte ich mich mit meiner Haushaltung eingericht, da kam ein Donnerschlag übeler Sache vor mich aus Berlin. Nämlich: es hatten die Barbierer doch nicht geruhet und einen Eingang bei dem Herrn Geheimbten Rath Fuchs gefunden. Denn der Herr von Danckelmann ohnverschuldet in Ungnad gekommen war.
Da wurde ein Allergnädigstes Reskript versiegelt, nebenst der offnen Beilage, in meine Hände gebracht, des scharfen Befehls: ich sollte alsofort meine Becken einziehen, zuvörderst aber, præsitis præstandis, mich mit einer erblichen Barbierstube ankaufen und mich überall mit der Barbier-Innung vergleichen, widrigen Falls alles niederlegen.
„ Mein GOtt, dachte ich, wie wird dir dein bischen Brot so schwer und sauer gemacht. Mancher Lumpenhund, der nichts versucht, als bei der Mutter fressen und saufen, und nur eine Pfeife Toback schmauchen lernen, fähret in sein Glück, wie der Bauer in die Stiebeln! “
Doch, was sollte ich machen? – Die Barbier hatten schon Nachricht davon. Und war’s zu meinem Glück nicht ihnen, sondern mir insinuieret.
Ich war an Flüssen sehr krank und konnte aus keinem Auge sehen. Dennoch war kein ander Mittel, ich mußte selbst fort. Ich setzte mich auf die geschwinde Post. Es regnete und schneiete untereinander. Ich legte mich in meinem Mantel platt in die Post und ließ Tag und Nacht immer hinfahren.
Da stärkte mich GOtt wunderlich. Ich hatte Rekommandation
vom Herrn Professor Gasserten; aber half so viel, als nichts; oder war mir vielmehr konträr und gab mir schlechten Trost.
Ich hin zum Geheimbten Rath von Fuchs. Aber der würzte mich schlecht ab, daß ich gern wieder fortlief. Ich ließ ein Supplikat machen. Aber die Vorstellung war auch umbsonst. Daß also alle Hoffnung verloren war! Ich flehete und seufzete zu GOtt, meine Hülfe, Trost und Rat, und der Herr erhörete mich von seinem heiligen Thron.
Denn, da ich des Morgens ausging, in die Krieges-Kanzlei, umb zu sehen, wie’s stünde, ward ich berichtet: es wäre bereits ein hartes Dekret wieder mich abgefasset. – Ich gleich hin zu meinem Herrn Advokat, Herrn Katschen. Der sagte: wann er mir sollte einen Rat geben, wäre es dieser, daß ich hinausging auf des Herrn Geheimbten Rath von Fuchsen Gut nach Malchow. Da ließ er sich gut sprechen und wäre itzo draußen.
Ich machte mich auf den Weg, obwohl ich ihn nicht wußte und man vor Schnee und Wind kein Auge aufthun können. GOtt ist es bekannt, was auf diesem Weg vor Seufzen, ja Thränen geschahen. Es kame hinter mir eine Kutsche, auf welche ich mich vor Müdigkeit setzte und einschlief. Als ich von einem harten Stoß erwachte, sahe ich von fern ein Dorf und Schloß vor mir liegen, welches ich glaubte, Malchow zu sein.
Ich von der Kutsche querfeldein in’n Schnee. Zu meinem Glück stehet der Geheimbte Rath im Fenster; erkennt mich, daher gewatet kommen; befiehlet gleich seinem Diener, herunter zu gehen: was ich wolle?
Ich demütigte mich und bat, den Herrn Geheimbten Rath zu sprechen. Ich mußte hinauf zu ihm kommen. Da hätte man sehen sollen, wie demütig und bittseelig ich meine Sache vorstellete; wie sauer es mir geworden; was’ mich gekostet; und wie mich die Barbier vertrieben und mir keine Barbierstube zukommen lassen wollen ec.
Der Geheimbte Rath sahe mich an; endlich sagte er: „ Ja, wann ich die schon ergangen und naufgesandten Reskripte wieder zurück hätte, so könnte man euch doch helfen. “– Ich sagte mit großer Freudigkeit: „ Hier sind sie, Ihro Excellenz “. Gab ihm den noch versiegelten Befehl in die Hand. – „ Das ist euer Glück. Wo seid ihr dazu kommen? “– Ich sagte: „ Es hat sich ohngefähr so zugetragen. “– „ Nun, sagte er, kombt morgen, neun Uhr, an mein Haus, da sollt ihr eure Sache gut finden. “– Ich wünschete alles, was ich wußte mit Reverenzen.
Er befahl seinem Diener: mich gegenüber in sein Wirtshaus zu bringen und alimentieren zu lassen. Die Nacht wurde, nach Essen und Trinken, ohne Entgelt in ein schön Bett geleget.
Des Morgens war es besser Wetter, und ging ich mit vielen Freuden und Lobe GOttes wieder nach Berlin. Just umb neun Uhr war ich da.
Der Herr Geheimbte Rath hatte eben mit andern Leuten im Haus was zu thun. Da er mich sahe, kommittierte er gleich dem Geheimen Secretario meine Sache mit Kassation des Ergangenen und hartem Befehl: mich im geringsten nicht zu turbieren oder zu hindern, sondern bei dem Allergnädigsten Patente mich zu lassen. Das war wieder ein harter Donnerschlag vor die Barbier. Und wußten nicht, woher er kam! Hiemit ließen sie mich eine Weil ruhig sitzen.
Inmittelst hatte der Leipziger Barbier Straubel, welcher die Mansbergerische Witwe und Tochter bei sich hatte, (welcher die Barbierstube gehörete, so die Barbier mir vormals nicht lassen gewollt, und an Geißlern, ohne alles Recht, verkaufet und das Geld zu sich genommen) einen großen Prozeß angefangen und gewonnen, daß die Barbier, ohne die großen Prozeß-Kosten, dreihundert
Thaler der Mansbergerischen Tochter vor ihre Barbierstube (so sie vermeinet, erloschen und vergessen zu sein) restituieren und Geißlern hernach eine neue Barbierstube mit großen Kosten konfirmieren lassen mußten. – Da kriegeten sie ihren ungetreuen Lohn vor mich bezahlt!
Es konnte sein, daß meinem Lehrherrn, der mich so sehr verfolgete, als er itzt an einer warm gegessenen Rotwurst sterben sollte, das Gewissen aufwachte. Denn er hatte immer gerufen: „ Ach, wo ist Dietz, ach, wo ist Dietz? Laßt Dietzen kommen, daß ich ihm meine Barbierstube gebe. “– Aber, das war zu spät. Denn das wollte nun niemand hören, noch wegen ihres eigenen Intresses wissen. Summa: er starb und das Seine ist alles zerstreuet, daß seine Tochter itzt betteln gehen muß; wie vor Augen.
Weil die Leute sahen, daß ich Ruhe hatte und meine Barbierstube gut forttriebe, (denn zuvor hieß es: er muß wieder fort; wie es denn gehet, daß sich böse Leute über ander Unglück freuen!) da hatte ich Not mit freien. Denn bisher hatte ich über Jahr und Tag so Haus gehalten ohne Frau. Dahero sich allerhand Frauensvolk Gelegenheit machten.
Insonderheit lag mir die Frau Bäckermeister Lietzkau, als meine Pathe, sehr an: ich sollte die Frau Watzlauen heiraten. Ob sie wohl drei Kinder, hätte sie doch das schöne Haus, ihre Barbierstube, und wann ihr Vater stürbe, kriegte sie nach wohl zweitausend Thaler. Ich hörete alles dies mit kalten Ohren an und dachte weit höher hinaus. Denn ich wohl Rathsherrn-Töchter bekommen konnte.
In Eisleben wurde mir eines Schöffens Tochter, welche bei ihrem Vormund war, zu heiraten rekommandieret. Ich reisete dahin. Und da ich bei dem Herrn Vormund kam, welcher Wein schänkte, hatte ich gute Gelegenheit, ein Glas Wein zu fordern, welches mir die Jungfer holen mußte.
Da fand ich bald Gelegenheit, mit ihr zu reden und mein Anliegen zu verstehen zu geben. sie schlug’s eben nicht aus und schob es auf ihren Vormund, Herrn Stadtrichter Graßhoffen, welcher endlich selbst hereinkam und sich zu mir setzte. Fragte mich: woher ich wär? – Ich verhielt ihm keine Sache, und daß ich von seiner Jungfer Pflegtochter gehöret und sie gerne sehen wollen, weil ich willens, zu heiraten. – Der Mann bedankte sich; und wollten sie die Sache miteinander überlegen. In vierzehen Tagen wollten sie nach Halle kommen, sich der Sache bei ihrem Freund, dem Sieber, erkunden und mich holen lassen. – Damit mußte ich vor diesmal hinreisen.
In vierzehen Tagen drauf kommen die Leute bei dem Sieber, welcher aber mir und meinen Eltern – ich weiß nicht, aus was vor Freundschaft – übele rekommandieret; daß sie gleich wieder fortreisen.
Dieser Sieber ward hernach der Unzucht mit Knaben beschuldiget. Welches ihm sein ganz Vermögen kostete; und starb.
Der liebe GOtt möchte es so versehen haben, daß ich, nach so vielen, guten Gelegenheiten und Wahlen, eine arme Witfrau mit drei kleinen, unerzogenen Kindern sollte aufbringen und erhalten. Denn, ob ich wohl viel Gelegenheiten hatte, die profitabel gnung, wurde ich doch durch Weiber gefangen.
Die vorgemeldte Frau Pathe ließ nicht nach, anzuwerben vor die Frau Watzlauen. Welches ohne Zweifel so angestellet, daß sie mich einmal in ihren Garten bate. Und da war schon gemeldte Witwe. Mit welcher ich leicht ins Gespräch kam. Und sie mich bei einem Trunk Wein dermaßen bestrickten, daß’s auf einmal klar wurde. NB. Da hieß es: jählinge Sprünge geraten nicht wohl (wie das leider erfolget); auch: Weiber-Freiten werden selten gut; man saget: die Nachtigall habe wohl einen schönen Gesang, sei aber ein dummer Vogel, der sich leicht fangen lasse.
So ging es mir. Denn ich gab ihr ein groß Schaustück; sie mir aber einen Ring. Da war ich gebunden in eine Sklaverei, davon ich, wie ich die rechten Umbstände der Frau erfuhr, gerne wäre wieder los gewesen. Aber sie wollte durchaus nicht. Sonderlich, da ich meinem Vater davon sagte, fragt’ er: „ Was willtu mit der bösen Frau und Kindern machen? Es ist nichts ihre, sondern den Kindern; dazu ist viel Schuld da; und hat übele, zankigte Geschwister und Freunde. “– Und das traf alles ein. Aber es war zu spät. Ich stund lange mit der Vollziehung an und wollte lieber so bleiben. Wäre besser gewesen!
Aber, ach leider, ich wurde nun von allen Seiten beredet und mir die Sache so süß vorgepfiffen. Ja, mein Vater selbst sagte: „ Was willtu nun machen? Es ist geschehen; du kommest nicht von ihr los und dürfts nicht heiraten. Die beste Hoffnung ist zu GOtt, vielleicht wird’s besser, oder sie stirbt bald. “– Aber alle, diese Rechnungen schlugen fehl.
Doch gab sie in der Erst gute Wort, karessierte mich und that treffliche Vorschläge, wie sie durch eine Ehestiftung mir alles zuwenden und den Kindern was Gewisses aussetzen wollte von ihres Vaters großem Vermögen, wie sie vorgaben.
Ich wollte also, wie Recht, die Ehestiftung vor der Hochzeit haben. Aber, da wurden hundert Exküsen vorgestellet von ihrem Kurator Doktor de Wedigen, und es immer von einer Zeit zur andern ausgesetzet. Zuletzt wurde, bei großer Verheißung, es bis gleich nach der Hochzeit aufgeschoben. Und da war ich vollends recht gefangen. War anno 1694 am 3. Decembris.
Die Hochzeit wurde inmittelst angestellet, und ich ließ mich aufbieten. Als der Hochzeittag herbeikam (welcher Tag eine unglückliche Konjunktion hatte: denn der Mond stand im Zeichen des Skorpions, und Saturnus mit dem Mercurio im Gesechsterscheine. Als ich nach dem Kalender sähe, erschrak ich; jedoch muß man GOtt mehr vertrauen, dacht ich), da war kein Groschen Geld; und mußte ich wohl vier bis sechs Wochen zuvor Mehl und Brot ins Haus schaffen; auch die Kundschaft selbst barbieren, sonst wären sie vollends alle weggegangen; summa: es kam alles auf mich und mein Geld an. Und mußte die ganze Hochzeit auf meine Kosten ausrichten; außer: mein Vater schenkete mir dazu sechs Hasen, so ich in’n Keller in Verwahrung bringen wollte. Aber meine Liebste hielt es vor besser, sie ins Haus, in die Luft, zu hängen, und daß es ein’n Staat vor den Leuten machte, daß wir Hasen hatten. Noch selbigen Tag kombt ein Bettelmann und stoßet sie alle sechs herunter und nimbt sie fein sauber mit weg. Da hatten wir keine Hasen und mußten sie aufs teuerste in der Stadt zusammensuchen. Das war eins. Denn ich wollte mich mit der Hochzeit sehen lassen und hatte Barones, einen Grafen, zwei Professores, einige aus dem Rath und Priester, auch viel vornehme Leute gebeten; da ich von manchem sechs bis acht Thaler zum Geschenke, von ihrer Freundschaft aber, von einigen, sechzehen Groschen bekam! Doch war ich zufrieden und wartete vor den Tischen selbst mit auf. Meine Braut aber saß in größter Gala über Tisch.
Nach der Hochzeit ging das böse Wetter schon an. Da hatte ich’s hie und da ihren Freunden nicht recht gemacht und gnug Ehre angethan! – Da ließ mir ihr Vater, bei dem sie mich verkleinert hatten, sagen: das Haus wäre sein, und er wollte mich draus haben und nicht ruhen, bis er mich zum Thor ausgetrieben! – Die Schwester, die Frau Hans-Jochim, ließ sagen: sie wollte ihre schuldigen hundertundfunfzig Thaler haben; ingleichen die andere Schwester, die Frau Schüren, ihren Wechsel von hundert Thalern. – Den Apotheker hatten sie auch aufgebracht. Der wollte sechsundzwanzig Thaler vor Arznei haben. Und ich weiß nicht, was mehr von mir gefordert!
Ich lachte drüber und sahe, daß ich betrogen. Die Frau war in Angst und Not und wendete sich zu mir mit guten Worten: ich sollte helfen! Denn sie wußte, daß ich neunhundert Thaler Geld mitgebracht. Ich schlug mich ins Mittel und bezahlete alle Schuld.
Weil auch das Haus sehr baufällig und die Balkenköpfe alle verfaulet waren (von der übeln Wirtschaft, da kein Eigentümer nach dem Dach gesehen; man mußte befürchten: es möchte mit eins einmal herunterschießen), da machte ich mir drüber und zog neue Balken ein und bauete das Haus aus, führete im Hofe, zur linken und rechten Hand, neue Gebäude auf; weil die alten immer dräueten einzufallen, und die Nachbaren mich dazu antrieben. Summa: ich habe nach und nach vierzehenhundert Thaler in das alte Haus verbauet und hätte, wo es GOtt nicht sonderlich verhütet und mich aus Gnaden wunderlich erhalten, den Hals drüber gestürtzet. Indem, als das Hintergebäude über der Küche gerichtet, und unten noch viel Bruchsteine zum Mauren übereinander lagen, laufe ich – nach meinem Gebrauch – oben über. Und das Brett ist alt, morsch, bricht auf einmal. Und ich falle drei Stock hoch hinunter. Weiß aber diese Stunde nicht, wie ich die quer auf einen Balken zu sitzen kommen. Denn, wo ich vollends hinunter auf die Steine gefallen, wär meines Gebeins nichts ganz geblieben.
Ich schrieb auch GOtt zum Lob einen Vers, so noch zu sehen, an: „ Dennoch bleibe ich stets, mein treuer GOtt, denn Du hilfest mir in aller meiner Not, daß ich nicht kommen bin allhie zum schnellen Tod, noch in Schande und Spott. “
Es war auch ein alter Stall im Hofe, darin stund
eine Rolle. Den wollte die Frau durchaus nicht wegreißen lassen; weil das Haus noch nicht auf mich geschrieben. Der Stall war mir immer bedenklich, weil er dicht in Fischers Scheune, die hinten, quer vor dem Hof, gebauet, und keine Sonne dafür hereinkonnte. Und ahnte mir, wann einmal Feuer in dem Stall und Fischers Scheune möchte auskommen, wie hernach würklich geschähe, wäre in meinem Haus keine Rettung. – Ich machte es aber so künstlich und sägete etliche alte Säulen vollends heimlich ab und stoßete den alten Bettel bei einem Winde, und mit ’ner langen Leine gezogen, vollends übern Haufen. Aber sie wollt es nicht wohl glauben, daß der Stall eingefallen. – Aber es war sehr gut; wie folget.
Nun, ich hatte die Schulden bezahlet, das Haus gebauet und gebessert, sie und die Kinder ernähret, und war kein Mensch, der mir ein’n Heller wiedergeben wollte, Hatte im Hause auch nicht viel zu befehlen, weil es bis dato noch nicht auf mich geschrieben war, nahm die Frau auch die Miethe ein. Und mußte ich sechsundzwanzig Groschen als Bürger ohne Haus geben! Das Ding verdroß mich sehr. Und konnte weder Tag noch Nacht ruhen. Und grämete mich, daß ich wie ein Schatten und nicht je gut wurde. Und das war meiner Frauen und ihrer Freunde größte Freud, daß ich nun sterben und reisen konnte, wann ich wollte. Da war kein Erbarmen, keine Liebe und Dank. Und mußte doch bei solcher schlafen, auch wohl ihre Kinder bögen und warten (wann sie und die Magd, etwa in der Mühle oder bei ihren Leuten, da sie continue hinlief, zu thun hatte), daß ich auch aus Ungeduld manches Mal mit der Rute schlug. Da hatte ich vollends Totschläge begangen und wurd dessen beschuldiget! – Über diesem übeln Zustand kam ich ganz von mir selbst und hörete des Nachtes Stimmen rufen, ganz deutlich und stark: „ Es ist alles aus! “– Aber es war noch nicht aus; es ging erstlich recht an!
Denn, ob mir wohl in der gemachten Ehestiftung das Haus (so viel nämlich davon ihres) loco dotis, zugeschrieben, und die bezahleten Schulden und Baukosten mir statt baaren Geldes als Kauf - Summa angerechnet, so hieß es doch immer: „ Es ist das meinige und meinen Kindern “, bis ich endlich hinter den Betrug des Advokatens kam: daß nur der vierte Teil am Haus der Frauen war.
Nun, was sollte ich thun? Ich saß einmal in der Bredouille drinnen und mußte aus zwei Bösen eins erwählen. Ich klagete im Berggericht auf mein ausgelegetes Geld, Baukosten und alimenta vor die Kinder und wollte nicht länger so in communione sein.
Da war der Henker gar los! Und wollten mich alle tot haben! Ließen mir durch mein Gesinde ins Haus sagen: ein toller Hund lief nicht über neun Tage, sie wollten nicht ruhen, bis sie mich zum Thor ausgebracht! – NB. Und ich lebe noch, gottlob! sie aber sind alle tot; und haben mich ihre Weiber und Kinder zur Hülfe gebraucht.
Der alte Herr Schwiegervater nahm gleich die Kinder weg, zu sich, weil sie aber da keine Wartung hatten, verdarben die Kinder in Läusen und bösen Grind. Da sie aber mit einer Schmiersalbe drüber kamen, sturb das eine Kind.
Weil nun dies Kindes Teil auf meine Frau verfället, hatten sie den bösen Anschlag gemacht: daß alles auf die Begräbniskosten gehen sollte und nichts übrig bleiben. Deswegen das Kind von drei Jahren in Taffent und köstliches Nesteltuch, item die Weiber und Mägde, gekleidet.
Weil ich das erfuhr (denn die Mutter wußte gar nicht, daß das Kind gestorben), stellete ich das bei dem Rath für, welcher gleich anbefehlen ließ: das Kind zum Begräbnis der leiblichen Mutter ins Haus zu schicken. – weil sie aber halsstarrig und es durchaus nicht thun wollten, mußte die Scharwacht solches thun. Das war ein großes Spektakul.
Ich ließ aber doch das Kind mit Ceremonien begraben. Und kostete mir sechsundzwanzig Thaler.
Von alle diesem Schrecken und Alteration, welche die Mutter hievon hatte, konnte freilich das dritte kleine Kind, welches sie noch an der Brust soge, nichtes Gutes bekommen. Bekam derhalb die böse Seuche, worin es drei Wochen mit großem Jammer zubrachte – und starb auch.
Da wurden die Leut ganz rasend auf mich. Und wollte mich meiner Frauen Bruder hinterm Tisch bei der Barbierinnung durchstoßen mit dem bloßen Degen. So aber noch verhindert wurde.
Inzwischen wurde den Vormündern und Schwiegervater gerichtlich anbefohlen: binnen vierzehen Tagen mich ex communione zu setzen und mein ausgelegtes Geld zu bezahlen oder der Ezekution, Tax und Subhastation zu gewarten.
Die Vormünder hatten noch einige silberne Becher und anderst vor die Kinder in der Teilung zu sich genommen, welches sie auf Anregen des Vaters und der Freunde verkauften und an mich, zum Prozeß, verwandten. Mit Briefen von acht bis neun Bogen gegen mich einkamen! Es half aber nichts und blieb bei der Exekution; währete wohl Jahr und Tag; endlich wurde das Haus angeschlagen.
Und ich bot zum ersten tausend Thaler baar Geld. Das war ihn’n lange nicht gnung. Schickten viel Juden und andere Leute, solches zu kaufen, ins Haus. Aber, es wollte niemand anbeißen und sich drein melieren.
Weil sich aber kein besserer Käufer fand, zogen sie den Wolfpelz aus und zogen den Fuchspelz an, persuadierten mich durch ihren klugen und listigen Advokaten, Licentiaten Rudloffen, zum Vergleich. Welcher also eingerichtet war: daß der Schwiegervater, Georg Schober, und Kindesvormunde nunmehr wollten geschehen lassen, daß ich das Haus vor die gebotenen tausend Thaler behalten, mich aber mit der Frau sollte vergleichen und die Stieftochter bis ins vierzehente Jahr franko erziehen, auch bei ihrer Verheiratung ihr hundert Thaler geben sollte, neben dem, was ihr von der Barbierstube nebenst künftigen Kindern zukäme.
Dies nahm ich an; und ward froh, daß ich nur zum Gelde und Ruhe kam.
Indeß war meine Frau hohen Leibes und war kein Tag, da sie nicht Zank mit ihren Geschwistern hatte. Darum ich sie auch bat und warnete: sie sollte doch zu Hause bleiben und sich vor den Ihrigen hüten; weil sie nicht gerne wollten, daß ich Kinder unter ihr Erb bringen sollte.
Allein meine Frau folgete mir nicht und lief täglich hin. Da denn bei der höchsten Zeit, des Abends, sie sich abermals bei dem Vater gezanket, und sie sie gar aus dem Hause gestoßen hatten. Die Frau in Grimm und Finstern zu Hause läuft und in der Schmeerstraße, am „ Güldenen Schloß “, über die Gosse und eine Bohle stürzet, über und über. Davon sie mir aber nichts saget, sondern über Wehen klagete.
Ich lasse die Wehemutter gleich holen und da war alles gut. Die harte Geburt währete bis in’n dritten Tag. Da fragete ich die Weiber, die ich hatte lassen dazu holen, als die seelige Frau Doktor Knauten und Rathsmeistern Zeisingen: warum es so lang würde, es stünde gewiß nicht recht? – Da sagten die Weiber: „ Herr Dietz, wir können es ihm nicht verhalten; das Kind ist tot; und will er seine Frau beim Leben erhalten, so muß er Herrn Dorn, der die Frucht rausnimbt, lassen holen. “ Ich ward sehr erschrocken und wußte nicht, was zu thun? Doch resolvierte ich mich und sagte: „ Wann es denn nicht anders sein soll und kann, was Dorn kann, kann ich auch. “
Die Weiber fielen mir umb den Hals und baten sehr: ich sollte bald machen, es wäre fast umb die Frau geschehen.
Ich legte die Hand an und versuchte, wie die Frucht stünde. So stund es mit der linken Achsel und Arm verkehret in. Und war wegen der Dunst, welche allzeit bei toten Kindern ist, weder zu wenden noch zu regen. Sie hatten ihm bereitest fast den Arm abgerissen. Ich fassete ein dazu geschicktes, spitziges Messerlein in meine rechte Hand, unter den Zeiger, so vorhero mit warmen Ölen und Bier glatt gemacht, zwang mich damit zwischen die Frucht ein und eröffnete dem Kinde Brust und Leib „. Da gingen die Winde weg; und war die Frucht, zusammengefallen, leicht herauszubringen.
Da lag nun mein erster Sohn, im Mutterleib geopfert, und ich hatte meine Hände in seinem Blut gewaschen. – O, großer GOtt, Du weißt es, wie mir zu Gemüth war!
Doch waren sie alle froh, daß die Frau erhalten, welche ich durch fleißiges Schmieren und Heilen und Wachen ganz gesund machte. Mir aber von ihr nachgehends überaus böse vergolten ward. Doch hatte ich mein Gewissen gerettet.
Gleich nach diesem actus kamen ihre Schwestern und Freunde (die solches hatten zugericht), sonderlich die seelige Frau Hans-Jochim, welche statt des Trostes grobe Reprochen gab. Ich bedachte mich aber kurz und kriegete sie beim Arm zu packen, führete sie mit Gewalt, sie wollte oder wollte nicht, zur Stube und Hause hinaus. So wohl artig anzusehen gewesen! Denn sie hatte wegen des Podagra große Filzschuhe an. Da gab es Schelten und Schmähen, auch wenn ich vorüberging. So ich all mit Stillschweigen leiden mußte.
Meine Frau wurde kurz drauf wieder schwanger mit einer Tochter, welche drei Jahr alt wurde; und starb an einem auszehrenden Fieber. Es war ein liebes Kind, sehr klug, aber dabei auch eigenwillig. Wenn es was haben wollte, so bekam es nichts, und wurde mit der Rute geschlagen; wann es sich am größten erzürnet, gab man ihr zu trinken. Davon die Krankheit kam.
Und mag ich wohl sagen, daß es nicht groß von ihr in acht genommen wurde. Denn sie war oder bliebe nicht viel zu Hause. Ich mochte eifern, wie ich wollte. Einsmals fiel das Kind in ein Kellerloch und stak bis unter die Arm drin, daß ich es rauszog, und wohl lang dort gestecket hatte. Einsmals war es einen ganzen Tag verloren, bis es meine Eltern aufgerappet. Denn sie hatten es sehr lieb. Doch ihre Liebe schadete dem Kind mehr, weil sie ihm Wein, Branntwein und alles gaben. Insonderheit aß es gerne Bücklinge.
Ich brauchte ihr hernach zwei Doctores, als Herren Geheimbten Rath Hoffmann und Stahlen. Aber Menschenhülf ist kein Nutze. Sie starb. Und als ich mit zur Leiche ging, war’s nicht anders, als wenn mir ein Stück vom Herzen gerissen. Denn ferner alle Hoffnung zu Kindern verloren. War auch nicht zu wünschen. Denn sie auch dies seelige Kind nicht stillen konnte, weil da keine Milch mehr war.
Einsmals wollten wir solche herbeizwingen, und ich verschrieb ihr ein Milchpulver, durch den Jungen in der Apothek zu holen. Weil nun unter anderm semen tiliae mit verschrieben, nimbt der Apothekerjunge grana tilli dafür, so ein starker, hitziger, tötlicher Gift ist.
Ich hieß es in der Milch kochen; der Junge aber will naschen und nimbt einen Löffel. Da kam er als ein unsinniger Mensch in die Stube und schrie: „ Daß GOtt erbarme! ich muß sterben; das brennt, das brennt! “ Hielte das Maul zu. – Ich fragte: was er gemacht? – Da er mir’s sagte, mußte er stetig kalt Wasser saufen und sich bald zu Tode purgieren.
Da fing die Frau auch an, zu schreien: „ Ja, ja, das hat mir gegolten, – er hat mir’s wollen geben und mich umbbringen damit, mich los zu werden! “– Und da blieb sie bei und bracht es in der ganzen Stadt und hernach im Consistorio vor: ich wollte sie umbbringen!
Alleine, GOtt bewahre mich dafür, mir ein solch böses Gewissen zu machen, oder zu thun, wie mir einmal (als ich auch mit ihr klagete) ein Vornehmer Rat gab und sagte: ich sollte es auch so machen, wie der Kramer S.; ich würde ja auch wohl Pillen machen können, daß ich die böse Frau loswürde. – Ich sagte aber: „ Nein, besser hier gelitten, als ein böses Gewissen. “– Ebenfalls ein anderer Barbier gab mir einen Rat: die Frau umbzubringen, daß es kein Mensch gewahr würde. – Allein ich folgete und gedachte an die Lehr der Katholiken, welche glauben: wer hier auf der Welt eine böse Frau hat, der komme nicht ins Fegefeuer.
Ich hatte mich kaum ein wenig zur Ruhe und in Ordnung gesetzet, da entstund den 15. Martii 1703 frühe umb zwei Uhr (wie ich vorher bei Abreißung des Stalles ominieret) in Fischers Scheune und Stall eine erschröckliche Feuersbrunst. Denn Fischers hatten früh nach Eilenburg fahren wollen und mochten mit dem Licht dem Stroh oder Futter zu nahe kommen sein und es nicht löschen können; weil sie bereits alles herausgeräumet, als sie auf der Gasse vor meinem Kammerfenster anklopften und schrieen: „ Herr Dietz, Herr Dietz, es ist Feuer in seinem Hof! “
Ich im Hembde raus. Als ich die Hofthür aufmachte, konnte ich vor Glut nicht stehen. Ich gleich so auf die Gasse und schrei umb Hülfe. Denn es wußt es noch niemand, weil der Thürmer das Feuer vor den Häusern nicht sehen gekonnt, bis es oben über brannte. Ich weckte meine Leute und nahm mein bischen Geld untern Arm und eine lebendige Ziege an’n Strick, geh zu meinem Vater und schrei immer: „ Feuer, Feuer! “– Denn die Leut wollten nicht wach werden.
Unterdessen nahm die Glut überhand. Ging alles auf mein Haus los und brannten meine beiden Hinterhäuser lichterlohe, auch das Stroh in’n Betten. Meine beiden großen Jungen schleppten alles in’n Keller, welcher eine eiserne Thür hatt’.
Endlich kam das Volk bei mir, lauter Strohhöfer und kein’ Halloren. Die kletterten auf die Dächer mit nassen Säcken, Gießen und Spritzen. Ich zündte viel Licht an und ließ Wasser tragen. Als ich aber auf den Gang kam und das erschröckliche Feuer sahe, und sahe, daß alles würde drauf gehen, sagete ich laut: „ Nun, Herr, Du hast es mir gegeben, willtu es wieder nehmen, so geschehe Dein Wille; Deinem heiligen Namen sei Ehre und Preis. “– Den Augenblick war es, als ob die Feuersflammen in’n Arm genommen und hinter sich, von meinem Haus, geschmissen wurden. NB.
Und, gleichwie GOtt ein GOtt der Ordnung und nichts ohne ordentliche Mittel und Wege thut, so geschahe es hier auch, daß beide Thore zur linken und zur rechten Hand im „ Güldenen Rade “aufgemacht, dadurch die Flammen vom durchreißenden Wind (so allezeit bei Feuer) hinterwärts, nach dem Garten, getrieben, und dadurch meine Gebäude gerettet wurden. – Zuletzt brannte unten noch das Stroh im Sekret heftig, so aber auch gedämpft.
Als es bei mir keine Not mehr hatte, eilete ich meinen Nachbarn zu Hülfe, derer Hintergebäude zu beiden Seiten bereits in voller Flamme stunden. Ich ließ große Haken anlegen und trachtete zum meisten, die Giebel und Wände ins Feuer zu zerren und stoßen; welches auch vortrefflich das Feuer dämpfte. Ingleichen, daß wer da konnte, mußte Erde und Sand ins Feuer schütten. Dies hilft besser, als Wasser, wie die Erfahrung hie lehrete, daß durch die Gnade GOttes das Feuer gedämpft wurde.
Allein, dem Fuhrmann Fischern brannte alles weg und einigen Nachbaren die Hintergebäu.
Dabei war ein gottloser Mann, eines Gerichtsfronens Lohn, Paul Döhring, der trat des Morgens auf seine Brandstätte und schreit: „ Daß doch der Teufel nicht alles geholet rc. “– Aber er nahm bettelarm ein Ende mit Schrecken.
Hie muß noch konstatieren: wann ich nicht den alten Stall (wie vor gedacht) in Zeiten weggerissen, wäre ich gänzlich abgebrannt und hätte keine Rettung dazwischen geschehn können, weil er dicht in Fischers Stall ging. – Über das Feuer mußten viel schwören. Ich auch: wo es zum ersten gesehen? – Aber Fischer und seine Leute schworen sich los. – Aber sie sind alle gestorben und bald darauf verdorben.
Nach dem Brande wollte dieser Daniel Fischer wieder aufbauen; zwar wieder einen Stall und Scheune; weil er zwei Hufen Acker hatte. Allein, es wurde ihm von der Regierung inhibieret: keine Scheune zu bauen.
So sagte er: „ Was soll mir’s, wann ich keine Scheune bauen soll? Ich will es lieber verkaufen. “– Anfangs hatte ich keine Lust dazu. Allein meine Frau sahe wieder und sagte: diese vortreffliche Gelegenheit zum Hause käme mein Tage nicht wieder. – Ich überlegte die Sache. Befand: daß Weiberrat nicht allezeit zu verwerfen. Traf demnach einen Handel überhaupt, wie alles stund und lag, vor siebenhundert und drei und zwanzig Thaler baar Geld, vor Platz, Röhr-Wasser, Garten und eine darangehende Darre. War anno 1704.
Es fehleten mir zu dieser summa noch hundert Thaler. Besann mich, daß der seelige Herr Kammer-Rath Dreißig auf Caunitzens Hochzeit, da ich sie mit Tranchieren wohl accomodieret, mir teuer versprachen: wann ich was benötiget, mir zu helfen. Ging deshalb zu ihm und sprach ihn drum an. – Allein er fragete: worauf ich’s haben wollte? – „ Ach, nein, sagte er, ihm auf keinen Wechsel, wann er Pfand hat. “– Ich erinnerte ihn seines Versprechens. – Aber er sagte: hätte das lange vergessen, – wenn ich Pfand hätte! – Ich sagte: ich hätt wohl noch einige alte Pinkeltöpfe; wenn er die haben wollte? – „ Geht, geht! “sagte er. – Also ist auf der Leute Versprechen sich nicht zu verlassen.
Ich ging zu Herrn Alexander Drachstädten. Der guckte oben zum Gatter herunter und fragete: was ich wollte? – Ich sagte: „ Geld, hundert Thaler! “– „ Je, sagte er, wer will ihm was lehnen? Ist ja nichts sein; sondern seiner Frau. Die bringe er her! “– So schlimm war ich blamieret von der Frau und ihren Leuten! Ich brachte die Frau mit. – Aber er sagte: itzt habe er kein Geld.
Denn besann ich mich auf meinen Vetter Heinrichen aufm Neumarkt. Der gab mir’s den Augenblick.
Damit bezahlete ich den Brandplatz und ließ den Kauf gleich, ohne daß jemand es groß erfuhr, confirmieren. Das war klug. Denn, wenn ich damit lange gezaudert hätte, so hätte ich nichts davon gekrieget. Denn die Nachbaren wollten’s alle haben und sich drein teilen, weil es ihn’n allen gelegen; sonderlich Herr Hoffmann im „ Güldenen Rade “, welcher das Näherrecht suchte, weil es vor dreißig Jahren von seinem Gasthof, von Worthalter Lindtnern, mit landesherrlichem Konsens separieret; auf der andern Seite packte der Kartenmacher Johann Händel die Darre an, so von seinem Hause verkauft.
Also hatte ich zwei schwere Prozesse und inhibitiones, drei Jahr lang, welche mir wohl zweihundert Thaler, jenen aber wohl sechshundert Thaler kosteten; und sie Schulden auf ihre Häuser machten. Sie hatten einen Advokaten, der hieß Doktor Gerbt. Welchen Herr Magister Nicolai (den ich an der Moritz-Kirche zu barbieren hatte und es ihm klagte) einmal vornahm und redete diesem Doktor ins Gewissen: daß es nicht recht, und unverantwortlich, Nachbarn und Freunde im Prozeß so lange zu führen und aufzuhalten, weil ich erbötig: mein Geld wieder zu nehmen, vom Prozeß los zu kommen. Denn sie ließen mir keine Ruhe. Und mit der Frau hatte ich auch immerzu Prozeß und zu klagen.
Allein dieser Gerbt hatte sich hoch vermessen, bei Schelmschelten und Galgenhängen: Hoffmann sollte den Platz bekommen; ich aber kein’n Heller Geld wieder!
Allein es weisete sich ganz anders aus, und mir ward das Recht von der Regierung zuerkannt, welche sich des Prozeß annahm und (meinem Erbieten nach) Hoffmannen befahl: in vierzehen Tagen das Geld mit allen Unkosten mir zu erstatten, oder den Prozeß sub pœna præclusionis zu kassieren. Sollte er sich erklären. Welches er nicht that; auch nicht wollte; denn er hatte kein Geld und suchte nur mir so was abzuzwingen.
Noch bekam ich den dritten Prozeß mit diesem Hoffmann. Denn die Königin von Portugal ging hier durch; und mußte die ganze Bürgerschaft Parade machen. Darunter ich auch, als Korpural mit dem Spieß im Viertel unter Hoffmannen, welcher Hauptmann war.
Es regnete den selbigen ganzen Tag, bis die Nacht umb ein Uhr, da sich die Bürgerschaft meist alle vorm Klausthore verlief. Hoffmann und Konsorten waren bei Glasers Christeln meist trunken. Ich kam mit seeligem Riehnau unschuldig und wollte zusehen, was draus werden sollte, weil die Bürger sich verloffen. Da fuhren sie am Thor auf mich los, als wenn ich auch fortgehen wollte. Hoffmann und Konsorten kam dazu und fand Gelegenheit, sich an mir zu rächen. Sprang auf mich los und schrie: „ Schlaget zu, schlaget zu auf den Hundsfutt! Der Rebelle, der Mamelucke &c. “– Ich hatte mich gnung zu wehren; rufte Zeugen an, daß mir unrecht und zuviel geschähe. Des andern Tages nahm ich Doktor Dürfeldten, so nur mit einer Hand geboren, an und verklagte diese drei. Ich ließ vier Zeugen eidlich abhören. Da movierete sich der ganze Rath und alle Hauptleute und Oberoffizier dargegen. Allein es half nichts. Herr Bergrath König gab endlich den Abschied: es wären die Bürger keine besoldeten Soldaten, derhalb so strenge nicht gebunden, viel weniger aber mit Schimpf und Schlägen zu traktieren; derohalben mir Beklagte allenthalben zuviel und unrecht gethan und mit fünf Mark zu bestrafen, alle Unkosten zu erstatten, mich mit Abbitte und Ehrenerklärung versehen sollten. – Mußten das thun und sechsundzwanzig Thaler Unkosten wiedergeben. Die wurden bezahlet.
Allein, daß ich meinen Doktor Dürfeldten alle Tage zu traktieren, der nicht allein kam, sondern Herrn Höringen mitbrachte! Deß ich ganz satt wurde und zu ihm sagte: „ Herr Doktor, wenn will das einmal ein Ende nehmen? Es währet nun drei Jahr, und versieren mir noch in Beweis und Gegenbeweis! Das wird in zehen Jahren nicht aus! “– „ Was? sagte er, Herr Dietz, meinet er, es so gleich zum Ende zu bringen? Mein Studieren kostet mich dreitausend Thaler. Ich muß auch erst was davon haben! Gnug, er soll den Prozeß gewinnen, “– Aber ich machte der Pauke ein Loch und offerierete mich (wie obengemeldt) zur Abtretung gegen Erstattung meines Kaufgeldes und der Unkosten. Welches sehr weislich. Und ich einen jeden will, sich vor Prozessen zu hüten, warnen. Denn jedes lateinische Wort kostet mich, wie jener Bauer sagte, hundert Thaler. Denn ich zu sieben Prozessen auf einmal gezwungen und alle gewonnen hatte.
Inmittelst diesen mußte ich mit meiner eigenen Frauen den meisten Streit haben. Wenn ich meinete, es am besten mit ihr zu meinen, ward der Teufel los.
Ich war auf der Leipziger Messe gewesen und hatte, unter anderm einen Fuchspelz gekaufet. Weil er etwas gelegen, wollte ich selbigen ausklopfen von Motten im Hause. Hatten die Studios einige Kurzweil und fasseten mit an’n Pelz an. Die Frau auch. Ich hatte ein dünn Stöcklein zum klopfen und scherzte: „ Ich fisch in meines Herrn Teich “und schlug jedem ein wenig auf die Hand. Die Frau auch. Das verdroß ihr. Fuhr auf mich los. Fasset’ den Stock. Brach ihn entzwei und schlug mich mit den Stücken immer umb den Kopf rum. – Ich sagte: „ Soll das Ernst sein? “– „ Ja, ja, sagte sie, du gottloser Mann, warum schlägestu mich? “– Als sie aber nicht wollte nachlassen, nahm ich den Pelz und warf ihn über sie und bekam einen andern Stock in die Hand und klopfte den Pelz auf ihr recht aus. – Das gab ein groß Gelächter; welches ihr noch mehr verdroß. Lief gleich zu ihren Freunden. Nahm einen Advokaten an und verklagte mich bei dem Consistorio und wollte geschieden sein und alimenta, fein viel, haben. Aber es wurde nichts draus.
Indeß erfuhr ich, daß ihr Vater, aus Beredung ihrer und der andern, sonderlich der Frau Schüren, so aus Erfurt einen gescheueten Advokaten mitgebracht, eine Donation errichtet, kraft welcher alle dessen Geld und Vermögen unter seine andern Kinder und Kindeskinder vermacht, meine Frau aber – damit ich ja nichts von ihr bekommen sollte – pure ausgesetzet und mit keinem Heller, als wenn sie kein Kind wäre, bedacht. (Da sie doch die ganze Nacht, als er gestorben, mit Geldzählen zu thun gehabt, und er ein ziemliches verlassen mußte!)
Ich beklagte mich hierüber bei dem Bergrath König und gab noch bei Leben eine Protestation ein. Aber der Mann meinete es gut mit mir und sagte: „ Was wollt ihr machen? Ich riete euch, ihr wendet keinen Heller dran; denn es ist ein böser Zusammenhang. Behalt’t, was ihr habt und befehlet es GOtt. Es geschicht euch freilich unrecht. GOtt kann und wird euch an andern Ort dafür segnen. “– Welches auch NB. wahrhaftig erfolget, nachdem mich GOtt so wunderbarlich gesegnet, da ich selber nicht weiß, wo es hergekommen. Sonderlich mußte der schröckliche Brand dazu helfen, auch mir Licht und Sonne (nach welcher ich mich vorhero so herzlich gesehnet und, umb einen Garten zu haben, gewünschet) geben. – Und habe ich in der That erfahren, daß diejenigen, welche unrechtmäßiges Erbe an sich ziehen, keinen Segen haben und verderben. Maßen auch hier eingetroffen. Und diese Leute zum Teil mich nachgehends umb Hülfe ansprechen müssen.
Endlich wurde der Schwiegervater, Herr Schober, sehr krank; denn er nun sechsundachtzig Jahr alt war. Als ich solches erfuhr (denn sie sagten’s mir nicht), so fassete ich mir einen Muth und wollte ihn nicht in Unversöhnlichkeit sterben lassen. Denn sie hatten mich erschröcklich verleumbdet bei ihm und alle Bosheit ersonnen.
Ich kam, ehe sich’s jemand versehen, zu ihm in die Stube. Deß er sich erschrack. Jedoch endlich die Hand reichete. Ich setzte mich vor ihm aufs Bette und stellete ihm mit Betrübnis vor, wie daß ich so unschuldig bei ihm verkleinert und leiden müßte. Er glaubete endlich solcher Falschheit. Fing an zu weinen und sagte: „ Nun, Herr Sohn, es ist geschehen; ich und ihr seid betrogen; ich wollte es gerne umbstoßen; aber ich kann nicht; sie haben’s so fest mit ihrem Erfurter Advokaten verknüpft; (schlug die Hände zusammen:) ich habe nun nichts mehr, als den Segen, den wird euch GOtt geben! “– Hub damit seine rechte Hand über mir auf und fing laut an: „ Der HErr segne euch und behüte euch; der HErr erleuchte sein Angesicht über euch und sei euch gnädig; der HErr erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Friede. Amen! “
Darauf ich und er weineten. Abschied von ihm nahm und ihn nicht wieder gesehn habe.
Das war also mein recht Erbteil und hat mich, GOtt sei Preis, zehenmal mehr gesegnet, als sie mir genommen.
Als er gestorben, wollte ich mit den Abend hingehen. Aber sie machten mir die Thür vor der Nase zu. Ich
meinete: ich würde wenigstens eine vollkommene Trauer bekommen. Aber nichts weniger. Wurde ich mit List hintergangen! Denn, als ich einmal den Kaufmann Nebelthauen zu der Zeit barbierete, passet meine Frau das ab und kam dahin, in’n Laden: „ Herr Gevatter, sagte sie, laß er doch meinen Mann zur Trauer aussuchen, was er will. “– Der Kaufmann, der hernach bankerott und mich mit fünfhundert Thalern in groß Unglück gebracht, legte mir gleich vom besten Tuch und Trauer vor; mir zur Wahl. Ich nahm von mittler Sorte, wie mein Gebrauch. Das wurde abgeschnitten und zum Schneider gebracht. Ich fuhr zwar mit zum Begräbnis; aber zur Mahlzeit wollte mich niemand nötigen; deshalb ich nach Hause ging. Lange Zeit darnach schickete mir der Kaufmann einen Auszug von sechsundzwanzig Thalern, darauf meine Frau zehen Thaler bezahlet. Das übrige sollte und mußte ich bezahlen! Denn sie wandte vor: hätte nur dreißig Thaler vor sich und ihre Tochter bekommen, und sie wurde ganz und gar aus dem Erbe gesetzet. – War anno 1705.
Einige Zeit drauf ward die Frau Hans-Jochim auch krank an der Wassersucht sambt ihrem Herrn. Mußten viel ausstehen und war keine Hoffnung da. Weil wir nun viel Verdruß und Ärgernis miteinander gehabt, ging ich etlichemal hin, mich mit ihnen zu versöhnen. Aber konnte nicht vor sie kommen, weil sie solches verboten hatten, Starben also beide hin.
Es ward dem vielen Kaffee - und Theetrinken Schelte gegeben. Wie ich mehr Exempel an hohen Personen gesehen, und sie gewarnet. Aber sie lachten mich aus und sagten: die Dokter müßten das besser verstehen! – Aber die Erfahrung gab’s, daß sie zeitlich dahin stürben.
Ingleichen starb auch meiner Frauen Schwiegermutter vom ersten Mann, die alte Watzlauen, umb welcher willen ich viel Verdruß gehabt. Denn meine Frau ihr viel zugeschleppet, was ich eingeschlachtet hatte. Darum will ich nimmermehr einem Menschen raten: nicht in eine große Familie, Geschwister und Anhang zu heiraten, – denn es thut kein gut!
Meine Frau lief kontinuierlich zu ihren Freunden, welche ihr alle übele Ratschläge wider mich, auch ihr gut Essen und Trinken, Thee und Kaffee stetig vorsetzten. Darüber mein Essen veracht’t und sie davonblieb! Bald hatte die Hochzeit, bald die Kindtaufen, bald war die krank, oder war sonst was. Da wurde sie stetig gerufen und blieb bis nachts umb elf und zwölf Uhr außen, oder die ganze Nacht. Ohne, was mir auf Gevatterschaften und Hochzeiten ging, welches ich ihr geben mußte, wollte ich Friede haben. Und wurde doch den ganzen Tag unter allem Dreschen vor den ärgesten Geizteufel und gottlosesten Mann unter der Sonne ausgeschrieen von ihr!
Das that sie aus einer besondern Absicht, weil sie schon eine alte Frau, und meinete: wann sie sterben sollte, sollte ich keine bekommen; und gönnete es keiner andern! – Und ich muß gestehen, daß mir’s übele bláme gemacht; Schaden gethan.
Einsmals beklagte ich mich (weil ich mir bei solchen Umbständen nicht mehr zu helfen wußte) bei einem Rechtsklugen, welchen ich zu barbieren,’ sagte mir: weil sich die Frau gar nicht wollte bändigen lassen und mir zur Hand gehen, ich sollte sie einmal recht durchkarbatschen, indeß die Kastigation wäre zu lässig, wann eine Frau mit Worten nicht wollte folgen.
Ich warnete sie derhalben oft: sie sollte mir’s nicht zu bunt machen, und mich des Nachts nicht aus meiner Ruhe, bei so spätem Ausbleiben, stören; denn ich mich des Tages müde arbeiten und laufen müßte. – War ihre Antwort: sie ging zu ihren Kindern und Freunden und an keine böse Örter. – Und half weiter nichts.
Sie war gleich den Abend drauf bis umb zwölf Uhr weg. Endlich kam sie, mit zwei Dieners begleitet. Da sie weidlich angeschmissen, machten sie ihren Adieu. Ich aber machte stillschweigend im Finstern die Thür auf (so sie schon gewohnet), machte auch so die Thür wieder zu, und fing an zu karbatschen, recht! Da ward ein Zetergeschrei im Haus, daß alles zulief. Ich aber geschwind in mein Bette.
Da hieß es: „ was ist ihr denn, Frau Dietzen, geschehen? “ Denn sie sahen keinen Menschen bei ihr und
das Haus mit blindem Schloß war zu. – „ Der Schelm, der Dieb, der Mörder, mein Mann, hat mich so zerschlagen! “– Ich, das hörend, sprang aus dem Bette raus: „ Was sagestu? Ich nicht, das irre Ding, so bei Nacht spuken gehet, hat es gethan! Siehestu, ich habe dich lange gnug dafür gewarnet! “– Aber sie wollte den Text nicht hören, sondern zog und riß zum Keller hinaus, wo sie war hergekommen.
Des Morgens ging ihr ganzer Rat zusammen, nahmen einen argen Advokaten an, und ließ sich bei meinem lieben Kollegen, Herrn Schwendern, besichtigen. Welcher ihr ein Attestat gab, als wann sie unter Mördern gewesen. Das war falsch.
Wir wurden durch ihre eingegebene erschröckliche Klage, so mir schriftlich zugesandt, ins Konsistorium zitieret. Inmittelst käme sie nicht wieder ins Haus. Und mußte ich bei zwei Gesellen, zwei Jungen und einer Magd kochen und alles sein, und doch meine Profession dabei verrichten! Überdies hatte ich den schweren Bau aufm Halse. Daß ich – mit Wahrheit ich’s bezeuge – die Last aufn Hals getragen, an mein Elend zu denken, sind mir die Thränen von’n Wangen geloffen.
Sie hatte Doktor Dürfeldten, so mir vor gedienet, wider mich. Und ich hatt Licentiaten Bertram. Gleich war auch Magister Luppens Termin mit seiner Frau.
Diese beiden Advokaten satzten sich gegeneinander, wir alle beide stunden als Narren. Denn, wie species facti hergesaget wurde, gab es ein groß Gelächter, daß ihnen die Bäuche schüttelten. Die beiden Advokaten thaten sehr bös gegeneinander. Sonderlich Licentiat Bertram stampfte mit harten Worten mit den Füßen, daß es mehr einer Komödie ähnlich war. Als wir einen Abtritt nehmen mußten, waren die Advokaten die besten Freunde und lachten selbst drüber, daß sie es so herrlich gemacht.
Die kluge, gescheuete Frau merkte wohl, daß ihr aufgewandt Geld verloren und nicht viel aus der Sache werden würde. Deshalb sie sich wieder anschmeichelte und zu einem meiner Bekannten, der mir’s wieder sagen mußte, sagt: es wäre schade umb mich, daß ich so ein braver Mann, gegen andere Männer, und nur so ein’n närrischen Kopf hätte. – Allein, der Henker möchte nicht so’n närrischen Kopf haben bei den Umbständen!
Wir wurden zum Abschied reingerufen, welcher lautet’: es sollte die Frau des Nachtes und Tages zu Hause bleiben, ihrem Ehemann gebührend an die Hand gehen, auch seiner nichts wider des Mannes Willen vornehmen, aus dem Brauhaus bleiben und in allem sich, als einer tugendsamen, christlichen Ehefrau gebühret, bezeigen; der Mann aber, als mit dem schwachen Werkzeuge, Geduld haben, und nicht gleich mit Schlägen dreinschlagen. Der erste, so ferner Ursache zum Zanken gäbe, solle seine Strafe wissen, vor diesmal wiedrum sollten wir friedlich zusammenleben, und die Frau zu Hause gehen. Inmaßen die Ehescheidung, gestalten Sachen nach, nicht stattfände. – Dergleichen Abschied haben wir wohl dreimal miteinander bekommen.
Aber, was es mich vor Geld kostet’, ist nicht zu sagen! Denn es meistens darauf auskam, daß sie mir hernach mit guten Worten die Unkosten abgebettelt.
Vor diesmal gingen wir auch miteinander wieder heim. Und die Leut sagten: „ O, ihr Leute, seid einander wert; behaltet’s Geld und thut euch dafür was zu gute, das ist besser; itzt einen Karpen und ’ne Kanne Wein zur neuen Hochzeit! “– Das that ich auch, kaufte gleich einen Karpen und ließ Wein holen. Da war’s eine Zeitlang wieder gut.
Wann ich Sommerszeit, des Abends bis umb elf und zwölf Uhr im Garten und bei einer alten Scheune Löcher vorbei mußte, höreten wir allemal ein hart und laut Gestöhne, wie ein kranker Mensch pfleget zu stöhnen. Ich sagte zu meiner Frau: „ Höre, was ist das? “– schickte auch hin zu Jonas Herolden, welchem die Scheune war: ob jemand darin, der krank wäre? – Er, ließ aber sagen: wüßte von nichts; denn die Scheune in drei Jahren nicht gebraucht noch aufgemacht worden.
Als ich das Stöhnen wieder hörete, sagte ich zu ihr: „ Hier stehet was versetzet in; ich muß die Scheune kaufen. “
Ging auch des Morgens hin und erhandelte solche vor zweihundertsechzig Thaler. Denn es war noch gut, brauchbar Holz und Dachziegel auf. Darauf trieb ich den Bau fort; denn ich hatte mich dem publico verbunden, bei zwanzig Thaler jährlicher strafe ein bürgerliches kontribuables Haus auf die erkaufte Brandstelle zu bauen.
Ich reisete nach Naumburg und kaufte vor etliche achtzig Thaler Holz. Macht meine eigene Risse, wie die Häuser werden sollten. Brach die Scheune, sambt der Darre, selbst mit Taglöhnern und meinen Jungen ab. Baute durch GOttes Hilfe und Gnade zwei Häuser drauf. Als ich die Keller graben ließ, sonderlich unter Zimmermanns Hause, wo die alte Scheune gestanden, hatte ich einen Taglöhner, seine Frau, Tochter und Sohn.
Weil ich damals in meiner Profession viel zu thun hatte und immer davongehen mußte, befahl ich der Frau: allzeit dabei zu sein. Denn ich vermutet ganz gewiß: es müßte da was stehen! – Aber die Frau war weggegangen und hatte nicht gethan, was ich ihr befohlen. Unterdessen hatten die Leute das Nest gefunden und ausgenommen. Fort waren sie alle mit eins.
Als ich vom Baron Enden zu Hause kam, war das mein erstes, daß ich hinging. Aber es war kein Mensch dabei. Da ich fragete: „ Wo sind die Leut? “war die Antwort, wie gemeiniglich: „ Ich weiß nicht. “– Ich steig in das Loch, fand den Ort gleich, wo es gestanden, welches wie eine große Kanne mit Henkeln in die Wand geformet, daß man’s ganz eigentlich sahe. Ich laurete immer: ob sie wiederkämen? Aber sie blieben alle außen, wie das Röhrwasser! Hatten sich aus der Stadt gleich fortgemacht, das Lohn im Stich gelassen, und wusste kein Mensch, wohin?
Hierüber gab es neuen Disput mit meiner Frau, welche mir die Magd aufredete; so ohndem eine leichtfertige Hure war, mit einem studioso theologiae W., so nun ein Prediger worden durch seine patronos, es gehalten. Diese Magd tat mir alles zuwider, auf Anhetzen, und wollte bei dem Bau gar nichts tun. Ich wollte mich nicht mit ihr schlagen. Darauf war es angesehen. Klagte es meinem Vater. Selbiger gab mir den kürzsten Rat: ich sollte ihr den Lohn geben und sie fortjagen.
Das that ich an einem Donnerstage umb acht Uhr. Eben, als die Leute und meine Frau in die Kirche gingen, legte ich das Geld, ihr’n Lohn, aufn Tisch und sagte ihr: „ Weil ihr mir kein gut thut, da ist euer Lohn und gehet! “– „ Ich – – auf euer Geld; ich will meine Zeit ausdienen! “– Der Zorn übereilete mich auf diese grobe Rede: „ Was darfestu, Hure, auf mein Geld – –? “schlug sie damit aufs Maul, daß ihr davon die Nase blutete. Mit welchem Blut sie sich nicht allein über und über beschmierete, daß sie wie ein graß Teufel aussähe, sondern auch heftig schreiete.
Meine Frau schrie ihr zu: „ Hurre, loff so zum Rathsmeister! “ Trat auch auf die Gasse, da die Leute stehen blieben: „ Sehet, was das vor ein Mann! wie hat er das Mensch mörderlich zugericht ec. “
Die Magd wollte auf dies Geheiß fortreißen, und ich wollte sie so nicht gehen lassen. Das war also ein Geziehe und Gereiße lange rum. Bis die Magd doch loskam und hinten, durch das neue Gebäude, zu seeligem Herrn Rathsmeister Knorren ins Haus lief und mich heulend anklagete.
Als er sie aber sahe, meint der gute Mann: der Hals wäre ab. Rief: „ Gehet, gehet! laßt euch verbinden! “– Ich ging auch gleich hin zu ihm und stellete die eigentliche Beschaffenheit der Sache vor. – Aber, da war kein Gehör: „ Fort, fort mit euch; ich kenn euch schon! “– So schwarz war ich von meiner Frau und den Ihren bei ihm gemacht! – Ich sagte: „ Wie können sie mich verdammen, ehe sie mich hören? “– „ Nun, sagte er, so saget. “– Ich repetierte die ganze Sache, wie sie mir begegnet, und ihr nur die Nase blutete; denn sie wäre eine böse, vollblütige Hure und wär schwanger. – „ Kombt nach der Predigt vor die Rathsstube “, sagte er.
Ich that das. Da ließen sie mich stehen, bis’s bald zwölf war. Aber die Glocke war schon über mir gegossen.
Dann mußte ich neinkommen. Und hieß’s, ohne alles Einwenden: „ Ihr sollt ins Gehorsam! “– Ich protestierete und berief mich auf meine Possession [Profession?]. – Aber sie stunden auf und gingen davon und ließen mich stehen.
Die Stockmeister und Knechte, denen es befohlen war, brauchten wenig Gnade. Ich mußte fort ins Gehorsam. Und verschlossen mich, als wenn ich der ärgeste Dieb!
Mein Vater, als ein Rathsglied, wollte mich bei seeligem Herrn Rathsmeister Knorren, welcher damals am Regiment, losbitten und Kaution machen. Konnte es aber nicht erhalten; weil ich, als ein böser, gottloser Mann von meiner Frauen Seite schwarz gemacht, erst zahm werden müßte, wie er gemeinet. Mein Vater hatte ihm gesaget: „ Er hat auch Kinder; wer weiß, wie es ihm gehet? “ NB. Also mußte ich die Nacht und einen Tag sitzen, was mich das gekränket, ist nicht zu sagen!
Aber die Regierung hatte das Procedieren erfahren und übel verwiesen. Darauf ließen sie mich los, und sollte ich mich noch bedanken und angeloben! Aber ich that das nicht. Und gewiß, wo ich die Magd noch im Hause angetroffen, hätte ich sie tot gemacht. So voller Grimm war ich.
Noch eine andere Fatalität widerfuhr mir kurz drauf. Nämlich: ich hatte etliche studiosus medicinae im Hause, auch zwei große Barbierjungen. Die fangen einen großen, schwarzen Hund im Hofe und halten ihn etliche Tage mit Milch auf, ihn zu anatomieren.
Da sie ihn hervorbringen, frage ich: wo der Hund herkomme? wem er gehörete? – Sie sagten: es wäre ein Bauernhund und in’n Hof gekommen. – Ich denke: „ Es hat nicht viel zu bedeuten. “– Sie anatomieren den Hund und ich gehe dazu und weise ihnen die venas lacteas und andere viscera.
Zu allem Unglück tragen die Jungen den toten Hund vor Meister Ditrichs Kot in die Halle. Der Meister kombt eben raus und besiehet den Hund. Machet gleich Lärm und saget: es wär sein Hund. – Forschet nach, wer die Jungen gewesen.
Nun war der eine Student die Miethe schuldig, darum ich ihn hart mahnen mußte. Der drohet: es sollte mir gereuen! – Macht einen Zettel, schreibt drauf: wer einen großen, schwarzen Hund verloren, der wäre in Herrn Dietzens Haus totgemacht und geschlachtet worden, und Herr Dietz wäre selbst dabeigewesen.
Der Meister, welcher in Herrn Rathmeister Möschels und Picks Kot war, läuft mit dem Zettel zu sein’n Herrn, welche alsogleich eine harte Denunziation beim Magistrat wider mich eingeben. So auch gleich wider mich inquirieren gewollt.
Ich nahm Herrn Licentiaten Lüdicken an. Der machte eine Vorstellung contra inquisitionem an die hiesige Regierung und brachte Befehl an’n Rath: daß nicht mit der Inquisition wider mich zu verfahren sei; sondern, wann der Meister, wegen seines Intress’, was suchen wollte, müßte er solches als ordentliche Klage bei dem Berggericht thun.
Der Mann ließ nicht nach und gab eine Klage von vier Bogen durch Herrn Licentiaten Möscheln ein und nannte zugleich sechs Zeugen zum Verhör, daß der Hund vierzig Thaler wert gewesen.
Hierauf wurde Termin angestellet und erkannt: würde Kläger erweisen, daß der Hund quaestionis vierzig Thaler wert gewesen und er von mir entwandt, so erginge in der ferner, was Recht wär. – Hierauf stellete er seine Zeugen auf und ließ sie schwören: ob der Hund nicht sei ins Wasser gegangen und Steine geholet? ob er nicht ein Schwein gehaschet und gehalten? und dergleichen läppisch Ding mehr. Auch führete er Beweis durch den Zettel und trieb mich aufs Gewissen. – Die Zeugen hatten wenig oder nichts ausgesaget.
Und weil sich verständige Leute der Sache annahmen: daß’s nicht recht, umb einen Hund so viel Eid und Geld aufzuwenden, fuhr endlich der seelige Rath König in der Sache durch und gab dem Hallmeister eine starke Reprimande und sagte zu mir: „ Was wollt ihr ihm gutwillig vor den Hund geben? “– Ich sagete (nur von der bösen Sache los zu kommen): „ Zwei Thaler. “– Der Rath fragete: „ Wollt ihr’s nehmen? wo nicht, sollt ihr nichts bekommen. “– „ Nu ja, sagte der Hallmeister, das wär nicht recht. Der Prozeß kost mich sechzundzwanzig Reichsthaler. “– „ Und wann er euch hundert Thaler kostet, so wärt ihr’s wert, warum fanget ihr solche Hundeprozesse an? “– „ Zwanzig Thaler will ich han! “sagte Ditrich. – „ Nicht zwanzig Pfennige mehr! sagte ich; wir wollen’s noch ein Jahr miteinander versuchen, ihr böser Mann! was kann ich vor euren Hund? “– Sein Advokat ging zur Thür hinaus. Meiner auch. Denn sie sahen, daß der Richter zornig war. Ich legte die zwei Reichsthaler aufn Tisch. Er nahm sie endlich weg. Da war der Hunde-Prozeß aus. Aber es ging dem Mann nicht wohl mit seiner ganzen Familie. Denn er war ein Prahlhans und Flucher, verarmete ganz und starb.
In währender Zeit hatte ich die Häuser fertiggebauet und von Fischers Platz Hofraum dazu gegeben; ordentlich mit Hintergebäuden und Ställen. Auch noch in der Schmeerstraße, übers Thor weg, das dritte Haus separat erbauet.
Und zu verwundern: von allen drei Häusern, als die gerichtet wurden, wie gebräuchlich, bei des Zimmermanns Oration alle drei Gläser, so jedes ein Nösel Wein, ausgetrunken, runtergeschmissen, ganz und unverletzt geblieben! Wie auch ein besoffner Zimmermann drei Stock heruntergefallen, geschwenket und mit den Armen unten behängen blieben; keinen Schaden genommen.
Gleich, als die Häuser fertig, so kamen die Schweden in Sachsen. Da flüchtet alles, was flüchten konnte – das war anno 1706 – nach Halle, und ich kriegete alle Winkel voll teuer gnung bezahlet in mein’n neuerbaueten Häusern. Darauf bekam ich zehenjährige Freiheit und funfzehen Thaler pro cento (welche ich zwar erstlich mußte auswürken durch den Herrn von Dieskau), weil ich auf wüste Scheunen-Stellen gebauet.
Diese drei Häuser vermiethete ich wohl vier bis fünf Jahr. Hernach verkaufte ich solche, noch ehe die böse Zeit kam. Zimmermanns vor elfhundert Thaler baar, Fritschens vor siebenhundert Thaler, und vor Hedermanns nutzte ich wohl tausend Thaler.
Da kam ich durch die große Gnade GOttes wunderbarlich zu Brot (welches mir sehr mißgönnet worden), sonderlich wann ich Patienten hatte, die was einbrachten, zu funfzig, sechzig und mehr Thalern! Hatte auch immer Jungen bei Jungen, die mir bald konnten vor Geselln dienen, und doch viel Lehrgeld und ein Bette, oder der Frau zehen Thaler dafür, gaben. Welches sie alles vor sich genommen und hernach ihren Kindern zugewandt, wollte doch damit nicht zufrieden sein, wollte lieber alles vor sich haben. Sonderlich, da sie mir in die Büchs gesehen, daß mich GOtt so reichlich gesegnet hatte.
Das machte mir lauter Zank, Verfolgung, Nachstellung und Herzeleid. Darum rat ich: nimmer einer Frau sein Vermögen zu offenbaren! werden hochmütig, übermütig, trotzig und stolz.
Und glaube ich wahrhaftig, wann ich ein lustiger Bruder gewesen und alles verfressen und versoffen, nichts zu Rat gehalten, hätte ich bei meiner Frau und anderen Leuten, und noch die Stunde, nicht so viel leiden und ausstehen dürfen. Denn meine Frau, da sie den Segen GOttes bei mir gewahr wurde, wollte durchaus haben: ich sollte ihr alles aufn Todesfall vermachen, weil ich keine Kinder hatte. – Denn sie meinete ganz gewiß, ich müßte ehe sterben.
Zu welchem Ende sie denn einmal zusammen zu einem klugen Mann gefahren (als ich krank lag) etliche Meiln, und lassen mir Nativität stellen. Der Mann gehet von sie weg in eine Kammer, allein. Als er aber wieder herauskombt saget er: „ Junge Frau, ich kann euch keinen guten Trost geben. Ihr müßt eher fort, und euer Mann überlebet euch. “– Das war wie ein Donnerschlag ins Herz gewesen; maßen sie alle, und ihre Tochter, drüber erschrocken. Sie wurde auch von Stund an kränklich, hustete und kriegete einen starken Vorfall und Blutstürzung, daß ich in der Nacht Herrn Hofrath Stahlen holen müßen, der ihr das pulverem sympatheticum und einen weißen Kieselstein, vor die Stirn, gebraucht und geholfen.
Ich hatte die Stieftochter, dem Vergleich gemäß, bisher zu allem Guten erzogen; sie von Ungeziefer und bösem Grind geheilet; schreiben und lesen gelernet; darüber ich manchen Krieg und wenig Dank bekommen. Sie war dreizehen und ein halbes Jahr alt; aber stark und männlich; begunnte mit den Gesellen und Jungen zu scherzen. Ich gedachte an Sirachs Lehre: „ Berate deine Tochter, wann sie mannbar ist ec. “
Es mußte sich aber wunderlich zutragen, daß Herr Kamla, ein junger Barbier, mit mir in der Heide, Kräuter zu sammlen, mit sein und meinen Jungen ging.
Da er mir unterwegens erzählete, wie er von GOtt so wunderbarlich geführet, erhalten und zu einer Barbierstube gekommen und sie bezahlet, da er doch kein Geld, und ein armes Kind gewesen ec.
Bei diesem sagte er: hätte noch einen guten Freund, itzo in Augsburg, der ohnlängst an ihn geschrieben, auch vor ihn zu sorgen, wenn etwa eine Gelegenheit sich ereigenete. Wies mir auch den Brief. – Ich fragte: „ Was ist es vor ein Mensch, verstehet er auch was? “– „ Ja, sagte er, ist schon sechs Jahr aus der Lehr; hat auch hier bei Gardwichen gedienet; er kennt ihn wohl. “– „ Nun, sagte ich, ich habe eine Stieftochter, die ist fast mannbar, hat auch ihres Vaters Barbierstube, und ich will ihr noch hundert Thaler Geld mitgeben, ob ihr wohl nicht mehr, als fünfundsiebenzig Thaler Vaterteil zukombt. Das kann er ihme schreiben; ob’s ihm anstehet; so kann er mir davon Versichrung machen. “
In vierzehen Tagen war schon ein Brief von ihm da mit der größten Obligation und Danksagung. Bat: ich möchte doch auf seine Kosten seine künftige Liebste lassen abmalen, weil er solche niemaln gesehen. – Ich sagte der Mutter und Tochter nicht, zu was Ende solches geschahe. Aber der Maler, Herr Rode, der seine Kunst recht wohl hatte, und sie gegen die Augsburger Maler wollte sehen lassen und sie auf gut italienisch hatte machen wollen, war darauf verfallen, daß sie, wie eine Mohrin, mit großen Lippen worden war. Ich trug anfangs Bedenken, solches naus zu schicken. Aber weil es einmal dawar und die Sache keinen Verzug litte, that ich’s. Zumal die Frau diese Barbierstube, wider meinen Willen, und da solche mir von Rechtswegen zugekommen, zum Verkauf gerichtlich anschlagen lassen, worauf Rolle, der Einnehmer, bereitest vor seinen Vetter fünfhundert Thaler geboten.
Als nun der Bräutigam, Johann Gabriel Schmidt in Augsburg, das schöne Bild ansichtig wird, schüttelt er den Kopf und mag solchen Schatz nicht. – Ich hatte ihm aber beteuerlich geschrieben: das Original wäre weit besser. – Drauf zeiget er das Konterfei etlichen Kunstmalern, so gleichfalls beteuren: der Maler hätte gefehlet. Und reden ihm zu.
Darauf schickte er sein Bildnis: eine viertel Elle, in Silber eingefaßt, unter Glas, sehr schön, item einen schönen Ring und silberbeschlagenes Buch, auch vierzig Thaler zur Assekuration und zur Muthung bei der Barbierinnung, so ich seinethalben anwarb.
Aber sie wollten’s nicht annehmen und sagten: die Barbierstube wär verfallen und mit mir verfreiet. So ich auf meine Kosten durch Urtel und Recht ausmachte. Ich trieb auch gleich die Subhastation der Barbierstube zurück, daß sie abgenommen wurde.
Als ich nun bei einem Abend der Mutter und Tochter, welche von nichts wußten, den schönen Ring, Buch und Porträt zeigete, zugleich fragete: ob sie diesen zum Liebsten haben wollte? stunden sie beide ganz starr und sahen mich an; wußten nicht, was sie sagen sollten; denn es war eben Widerwille, wie fort, gewesen.
Ich hielt ihn’n eine scharfe Predigt: daß ich es dennoch gut meine und vor ihre Wohlfahrt sorgete, ob sie mich gleich sehr ärgerten, quäleten und alles Böse von mir redeten; GOtt aber, der würde mich schützen, helfen und auch in dieser Sache Glück geben; sagte: „ Nun, nimm hin, GOtt gebe dir seinen Segen! “ Womit ich ihnen die Sachen gab.
Tochter und Mutter fielen mir umb den Hals und weineten. Baten: ihnen zu verzeihen; wollten’s nicht mehr thun; das hätten sie nimmermehr in mir gedacht! – Waren fröhlich und konnten das Bild nicht gnug ansehen.
Worauf ich gleich meinen Ring mit sechs Demanten, etliche Dukaten mit einem Brief nach Augsburg sendete. – Und damit war die Verheiratung richtig.
Er schrieb mir, die höchste Obligation und Vergeltung zu erweisen (aber leider konträr), auch daß er in länger als sechszehen Wochen wegen seines Vorteils und Geldeinnahme nicht kommen könnte. Welches hernach wohl ein Halbjahr währt’. Indeß machte ich den Prozeß aus, muthete vor ihn, und miethete eine Barbierstube, so sie noch haben, in der Galgstraße.
Endlich kam der seelige Schmidt in mein Haus. Da hätte man sollen sehen, was vor Freude auf beiden Teilen war. Und thaten, als ob sie lange beisammen gewohnet. Und diese Liebe ist auch beständig bis ans Ende geblieben.
Ich that sie beide zusammen in meine kleine Stube, wie ein paar Kanarie-Vägel. Und machten gleich Anstalt, zum Meisterwerden und Hochzeit. So alles wohl und bald von statten ging in meinem Haus. Jedermann lobte das gute Werk, so ich gestiftet hatte.
Aber die Freude währete nicht lange. Denn da die Mutter lieber alles der Tochter zuschleppen, und ich das nicht leiden wollte, ging der Hader wieder an.
Mutter und Tochter und die lieben Freunde beredeten seeligen Schmidt dazu, daß er einen schweren Prozeß mit mir anfing: nomine seiner Frau mein Haus zu vindizieren. Schickte mir wohl acht Bogen zu, darin er mich eines Betruges, Hinterlist und Verletzung im Hauskauf beschuldigte; es wäre mit solchem Kauf nicht ordentlich durch Taxation und Subhastation zugangen; weniger mit dem decreto Magistratus versehen; und also null und nichtig das Haus so wohlfeil an mich gebracht.
Und, vorwahr, es sähe alles schlimm und langwürig mit uns aus; denn er hatte einen guten Advokat, Doktor Beyeren.
Allein, ich rüstete mich auch auf das beste. Suchte alles hervor, was er und die Tochter mich gekostet und ich auf sie gewandt; item Bau -, Prozeß-Kosten; summa, was ich nur liquidieren kunnte. Welches ihm zuerkannt wurde: vorhero zu bezahlen! Da erschrak er und wurde krank vor Gram. Denn sein Gewissen plagete ihn und ließ ihm keine Ruhe. Deshalb er zu meinem Beichtvater, Herrn Magister Nicolai, gesendet und zu ihm lassen kommen, mit Bitte: mich dahin zu vermögen, den Prozeß aufzuheben und zu vergeben.
Ich erfreuete mich herzlich drüber, als mir der Pastor solches anzeigete, daß GOtt sein Herz gefunden. Zur Versöhnung, welches bei mir gleich gesagt und gethan, ja aus freiem Willen, vierzig Thaler seinem Kinde, womit sie schwanger war, zum Pathengelde versprach. So ich auch gehalten. Denn sie war vierzehen und ein viertel Jahr alt, als sie den ersten Sohn bekam. Und dennoch hieß es von der Mutter, und blamierete mich, daß ich der Tochter das bischen Brot nicht geben, sondern sie so bald verstoßen! – Allein es geschahe solches aus göttlicher Schickung, Zank und übele Suiten zu verhindern.
Von obenangeführetem Herrn Magister Nicolai soll ich dies nicht vorbeigehen: Da derselbige wegen Ärgernis und schlechter Wartung ein kaltes Fieber bekam, seiner Ambtsverrichtung halber selbiges gerne los sein wollte, braucht ihm der Medicus china de china-Latwerge, wofür ich ihn oft gewarnet. Denn ich viel gefährliche und tötliche Würkungen gesehen. – Aber es half kein Warnen.
Das Fieber blieb zwar aus; und war ihm in die Glieder getrieben. Endlich schwall er an Händen und Füßen; welches auch durch den Schweiß weggebracht wurde. Allein, fiel bald darauf in eine hitzige Krankheit, worin er phantasierte und ganz an seiner Seeligkeit desperierte. Ich war Tag und Nacht bei ihm; denn er konnte mich wohl leiden.
Einsmals war der Paroxysmus sehr heftig: „ Ach, mein GOtt, mein GOtt und Herre, itzt muß ich fort, für Deinen heiligen Thron und Dein gerechtes Gericht! Ach, wie will ich bestehen vor Dir? Ich bin zwar von Dir zu Deinem Knecht und Seelenhirten eingesetzt; ach, leider! ach, leider! ich bin’s nicht treu gewesen, und das Verlorene wird itzt von meiner Hand gefordert ec. Ach, ach, wie will ich bestehen? “– Das trieb er im Beisein zweier Prediger, so ihm zwar heftig Trost zusprachen, aber nicht viel effektuierten, eine lange Zeit fort, bis er sich umb -, an die Wand, kehrete und ward ganz stille und schlief bei zwei oder drei Stunden ein.
Da er erwachte und sich wieder umbkehrete, war er von Herzen freudig und fröhlich, lobte und preisete GOtt für seine Gnade, die er ihm widerfahren lassen. „ Nun habe ich die Herrlichkeit, sprach er, wie werde ich doch so fröhlich sein, werd singen mit den Engelein und mit der auserwählten Schaar; ewig, ewig, ewig (das saget er oft) schauen Dein Antlitz klar. “– Hiemit schickete er sich zum Tode und schloß seine Augen zu, so ich ihm vollends zudrückte. – Und dachte bei mir selbst: „ Wann das am grünen Holz geschiehet, was will am dürren werden? “ Denn es war ein frommer, eifriger Mann und rechter Prediger.
Ich wandte mich hierauf zu denen beiden Herrn, als Herrn Magister Schumann, so Diaconus, und Herrn Magister Ockeln, so Adjunctus war, und sagte: „ GOtt lasse mich sterben den Tod dies’ Gerechten. Ich kondoliere sie deshalb dieses Verlusts und wünsche dem Herrn Magister
Schumann des Seeligen Stelle als Pastor, und Herrn Magister Ockeln dessen Diakonats-Stelle zu bekleiden. “– Sie bedankten sich.
Aber der Herr Magister Ockel wollte nichts davon hören; denn er sagte: einige von denen Acht-Männern wollten ihn nicht. – Aber er wußte eine bessere Rekommandation vom Herrn Rathsmeister Ockeln, in die Markt-Kirche.
Herr Magister Schumann wurde ins Pastorat erwählet, welcher nicht lange zuvor von Mücheln hieher sich an Herrn Doktor Gerbten, so damals Vorsteher war, addressieret, umb eine Gastpredigt zu thun, sich hören zu lassen; weil der damalige Pastor Reichhelm (so sonst ein galanter Mann und Poet war, nicht orgeln und singen hören konnte) einen Substituten begehrete, aber nichts von seinem Gehalt ablassen wollte. Daher die Herrn Acht-Männer viel Sorge hatten und Herrn Schumann gerne behalten wollten. Wurden endlich auf Vorschlag eines Mannes deß einig: Herrn Magister Reichhelm, so tausend Thaler vor seinen gänzlichen Abtritt gefordert, die zu geben. Das war jenem und diesem eben recht. Aber die Kirche hat es empfunden, bis dato. – Wiewohl es dem guten Herrn Magister Reichhelm übelergangen; denn er wurde ein Ambtmann zu Wansleben und war sehr unglücklich bei seiner Intention, kam in große Schulden, Arrest und starb bald.
Von obigen Herrn Geistlichen habe ich in meinem müheseeligen Ehestand viel erlitten, allein durch Angeben und Verleitung meiner Frauen und ihres Schwiegersohns und Freunden. Denn solche sich bei den guten Männern zu thun und sie teils mit Geschenken, teils durch die Verwandtschaft so zu insinuieren, mich aber schwarz zu machen und allen Rat wider mich zu holen wußten, daß ich, wenn ich ins Konsistorium nach Magdeburg zu Fuß gangen, sie aber, als meine Hirten, auf Karossen vor mir her, oder bei mir her fuhren (wie bei Herrn Magister Schumanns Zeiten), ich vielmals geseufzet und meinen Gedanken drüber Raum gegeben, daß ich bei meinem Recht das größte Unrecht haben müßte.
Deshalb ich bei solcher Bewandtnis auch kein Vertrauen, als Beichtväter, zu sie hatte und andere annahm. Darüber sie mich beim Confistorio verklagten; aber zur Antwort bekamen: die Beichtväter müßten sich gegen ihre Beichtkinder unparteilich halten und so aufführen, daß sie könnten ein gut Vertrauen gegen sie haben. NB.
Sonderlich machte Herr Magister Schwentzel mir das Leben schwer und sauer und gab der Frau allen Rat wider mich, weil die Weiber mit einander verwandt waren, und der Schwiegersohn, so oft er brauete, Bier ins Haus sendete. Das war ein rechter Mann! Mich aber hieß er einen Nichtswürdigen unter meine Augen!
Wir sind leider nun vierundzwanzig Jahr mit harter Einquartierung beleget worden. Und da habe ich auch viel Drangsal von Soldaten, Unteroffizieren und deren Weiber ausgestanden.
Insonderheit, weil mich meine Frau und ihr Schwiegersohn bei den Predigern, und in der ganzen Stadt, vor einen sehr reichen Mann von vielen tausend Thalern ausgeschrieen. Daher die Soldaten bei mir alles vollauf haben wollten. Wann das nun nicht erfolgete, thaten sie mir allen Tort und Herzeleid. Und ist nicht zu beschreiben, wie sie mich gequälet haben und noch quälen.
Alter Schelm! alter Spitzbube! alter Racker! alter, verfluchter Geizteufel! sind meine besten Titul; meine Kinder werden von ihren Kindern gestoßen und geschlagen; alles unter der Hand weg; die Stuben vom starken Einheitzen in Brand gesteckt; den Garten verwüst und die Bäume mit Urin, ja damit den Boden und Stube überschwembt; salvo honore vor meine Stuben hofieret, vor und in die Küche, vor den Ofen, da ich ihnen habe einheitzen und darein knieen müssen; Spiegel und Ofen zersprengt; Schüssel und Topf entzweigeschlagen, zum Fenster nausgeworfen; aus meiner Küche mit Gewalt andere genommen, und was ihnen angestanden von kupfernen und irdenen Tiegeln und Töpfen und Feuerzeug; die Betten des Morgens lassen aus dem Hause tragen, Federn ausrappen etc. Trotz, daß ich ein Wort sagen dürfen, gleich mit dem Pallasch überloffen!
Sechsundzwanzig Hühner und Truthühner sind mir in einer Nacht gestohlen, die Köpfe in’n Garten geschmissen; wie ich hernach erfahren: Kindtauf dabei gemacht!
Einen Monat habe ich ihnen Holz, Öl, Salz, Essig, Pfeffer, Schwefel etc. in großer Menge geben müssen. Davon haben sie so viel Vorrat gesammlet, daß sie den andern Monat gnug gehabt. Da haben sie Geld vor Servis zwanzig Groschen und mehr des Monats erpreßt, wann ich Friede und Ruhe haben wollen.
Sind nicht zufrieden gewesen mit guten Bette und Kammer; sondern habe sie in meine Wohnstube einlegen müssen. Da haben sie ihre gewaschene Hosen und Stipulet etc. zum Fenster ausgehangen und, salvo honore, zur Dankbarkeit, wann ich ihnen bei Gelegenheit der Meisterstück der Barbier Wein, Bier und Braten gab, mitten in die Stube hofieret und die Fenster eingeschlagen; wie der Unteroffizier Wangenheim mir gethan. Aber auch nun sein’n Lohn bekommen! Wie es insgemein von GOtt gestraft wird. Sonst ist und hilft kein Klagen und will niemand helfen.
Dieser Wangenheim lag bei mir in Quartier. Und wann er von der Wach heimkam, setzte er sich, sans façon, zu mir an’n Tisch und fraß ohne Ersättigung alles weg.
Weil ich nun einen schönen Karpen von drei Pfund gekauft und mir eine Freude gemacht, mit meinen Leuten allein davon zu essen, sagte ich zu meiner Frau: „ Weil Wangenheim mit den andern auf der Wache, so komm du beizeiten aus der Kirche, damit wir essen, ehe der Fresser zu Hause kombt. “
Allein die Frau hatte es vergessen, oder that es aus Trotz: blieb außen. Ich sahe nach meinem Heimkommen lange nach ihr. Endlich kam sie mit der Frau Wernerothen in gutem Gespräch; und blieben am Röhrkasten stehen und schwatzten. Mich verdroß das; rief und winkete. Aber sie kehret sich an nichts. Endlich kam sie fein pathetisch, wie ihr Gebrauch, geschritten; zog sich erst lange aus.
Ich sagte: „ Ich habe nun gebeten, du solt beizeit zu Hause kommen, daß wir essen, ehe der Kerl kombt! Du folgest auch in keinem Stück! GOtt wird dich finden! “– Da hub sich solch Wetter mit der Frau an, dergleichen noch nie gewesen, daß ich aus Ungeduld und Übereilung hintappe auf die Seite und schlage ihr die Mütze vom Kopf. Es verlohnete sich aber nicht die Mühe und wär ein Aufheben gewesen, wann sie gleich recht durchgeprügelt worden; welches ich zwar nicht billige, noch vor Recht achte; allein die Frau hatte nicht Ursache, darüber so zu lärmen.
Sie riß die Haube vom Kopf und die Haar auseinander, verstellete ihr Angesicht gräßlich und sagte: „ Nun, nun, darauf habe ich lange gewart’t. Nun soll dir’s übel gehen! Die Kappe ist dir schon zugeschnitten! “ (Nämlich bei Pastor Schwentzels,) Lief damit zum Haus hinaus zu ihrer Tochter.
Inzwischen kam der Soldat zu Haus, daß ich den schönen Karpen auch vor Ärgernis nicht essen konnte.
Ich hatte mir diese Sache so böse nicht vorgestellet, als sie wurde zusammengedrehet. Denn sie kam bei dem Consistorio ein und macht die Sache so groß, daß sie ihres Lebens keine Nacht sicher wäre; führte viel unwahre und nie erdachte Umbstände durch ihren lieben Herrn Doktor Krimpffen, welcher wohl ein paar Kleider von ihr bekommen (durch ein’n Rat von Herrn Schmidten), an. Der trieb die Sache so hoch – weil sie eine alte, kranke Frau, und nicht nach Magdeburg reisen könnte – sie durch drei Kommissarien, so sie vorschlug und ihre Patrone waren (weil sie Herr Schmidt zu barbieren hatte), auszumachen und die Ehescheidung zu erkennen.
Da saß ich armer Mann wiedrum ohne Frau in vieler Arbeit, Essenkochen, Sorge und großen Geldkosten. Wann ich meinete, mein Bischen mit Ruh zu essen, auch weil sie noch bei mir am Tisch saß, und ich meinete am besten mit ihr dran zu sein, kam der Gerichtsfrone und brachte mir ein Pack Klagebriefe von ihr. – Was mich das vor Geld und Gram kostete, ist nicht zu beschreiben! Wäre kein Wunder, ich wäre blutarm geworden! Mit welchem sie auch getrotzet. Denn sie wußte, daß ich karg und genau war. Wollten mich damit zur Raison bringen, wie sie gerühmet. Allein, GOtt, auf den ich mein Vertrauen gesatzet, erhielt mich doch bis dato.
Nun, diese drei Kommissarien waren: Herr Rath Bodinus, Herr Rath Heineccius und Herr Rathsmeister Mathesius. Die stelleten Termin in Herrn Heinecciu Wohnung an.
Ich hatte Herrn Dokter Greiffen angenommen, wie aber der Termin kam, die letzte Stunde, wollte er nicht mit; weil er unmöglich, wegen anderer Verrichtung, könnte; ich sollte nur allein gehen und die Beschaffenheit der Sache sagen; es hätte alles nichts zu bedeuten. Drauf wagte ich’s.
Dokter Krimpff wiederholete seine vortrefflichen Sachen und brachte noch mehr dazu und drange auf die Ehescheidung.
Die Herrn Kommissarien, sonderlich Rath Heineccius, der das Wort führete, wußte des Doktor Krimpffs falsches Angeben nacheinander trefflich zu exaggerieren und mir vorzuhalten; da es auf die Passage kam: ich ginge alle Tage zum Saufen in die Wirtshäuser; es wär besser, daß ich zu Hause blieb und ein geistlich Buch oder die Bibel in die Hand nähme ec. – Ich antwortete darauf: ich müßte wohl manches Mal aus chagrin und Verdrüßlichkeit meines Lebens unter Leute gehen, daß ich nicht gar verzagte; ich söff mich aber nicht voll, daß sie mich unterwegens aus der Kutsche verlören und ich das Haus nicht finden könnte, wie wohl ehemals auf dem geistlichen Lerchenfang passieret. Ihro Hochwürden könne auch nicht allezeit bei’n Büchern sitzen!
Ei, was hatte ich übel geredet! Der Herr stund auf, machte das Fenster auf, stund und sagte: er wollte mit der verdrüßlichen Kommission nichts mehr zu thun haben. – Herr Rath Bodinus lachte desto mehr; immer, daß ihm der Bauch schütterte. Dem war es recht; jener aber desto verbitterter. Der Rathsmeister aber sahe ganz sauer auf mich.
Sie und ihr Advokat bestunden auf der Ehescheidung und trotzeten recht auf mich los, daß ich endlich, aus Ungeduld, als ich drüber gefraget wurde: ob ich wollte geschieden sein? sagte: ich suchte keine Ehescheidung; hätte mein Kreuz so lange getragen; wollte sie aber geschieden sein, und mir nicht zur Hand gehen, so möchte sie sich scheiden.
Das Wort brachte mich ins Unglück! Denn sie hatten’s lange gern gehöret! Deshalb der Doktor Krimpff laut zu dem Secretario rufte: „ Aufgeschrieben! Dies wollen wir aktuieret haben, um Bericht abzustatten. “– Nun hatten sie, was sie lange gesucht und haben wollen. Maßen die Herrn Kommissarien keinen guten Bericht vor mich gemacht, und daß ich selbst die Ehescheidung mit trotzigen Worten begehret, geschrieben.
Das Konsistorium zitierete drauf uns beide nach Magdeburg. Sie wollte nicht hin und stellete sich ganz krank. Aber es half ihr nichts. Sie mußte selbst nunter. – Da war sie so fix, daß sie bei alle Konsistorial-Räthe lief und Rekommandation hatte von Weibern hie und aus Magdeburg, sonderlich der Frau Salomonen, daß: wo ich vor dem Termin hinkam bei die Herrn Räthe, da war sie schon gewesen! Wie ich sie denn oft auf der Straße antraf, ihr einen guten Morgen und Rede anbot. Aber sie sahe wie in ein’ Leere aus und antwortet mir nicht, bis endlich der Termin ankam.
Da verfuhren die Advokaten mündlich gegeneinander. Aber Sentenz war schon über mich beschlossen. Wir sollten auf ein Jahr von Tisch und Bett voneinander geschieden sein; ich sollte ihr alle Wochen dreißig Groschen alimenta geben.
Denn sie hatte mich erschröcklich reich gemacht; säß in ihrem Haus und Gütern, nähm draus viel Geld. Das war die Ursache, daß mir so viel zuerkannt worden, mit Herausgebung ihrer Tisch - und Bettenkisten und Kasten. Und ’s war gleich mit der Exekution an’n Bergrath kommittieret. Da half kein Kläglichthun, kein Bitten, kein Flehen, kein Vorstellen und nichts.
Reisete also mit Betrübnis meiner Seelen von Magdeburg nach Halle, da noch selbigen Tag der Gerichtsfrone mit den Knechten ausräumeten. Da hätte man sollen sehen, was das vor ein Ausgeschleppe, auch teils meiner Möbeln, war, daß ich gleich des Todes sein mögen. Wie ich denn auch würklich krank wurde und mich ins Bett legete. Nun meineten sie, mich von der Welt bald zu vertilgen! Aber ich betete zu GOtt, dem Allerhöchsten, der meines Jammers ein Ende machen sollte und schickte mich zur Geduld, welche aber in die Länge schwach wurde. Sonderlich, wenn der Gerichtsfrone kam und holete vor sie wöchentlich dreißig Groschen.
Überdies war das das Größte: ich kunnte nicht ruhen, es sei denn, daß ich alle Tage oder Abend einmal vor ihrem Quartier bei Herrn Hoßen, wo sie sich eingemietet hatte, vorbeiginge oder sie sähe, oder ins Haus ging und nach ihr fragete; daß ich glaube: es war uns ein Poß’n gemacht. So ihr auch geschehen; wie sie mir nachgehends erzählete! – Auch so ich sonst, wie oft ich sieben oder acht Wochen nach Berlin in Kommission des Raths, oder Bürger -, oder Brauerschaft verreisete (manchen schönen Thaler alle Tage verdienete!), sie auch nicht hatte ruhig zurückebleiben können, wann ich nicht bei ihr war; deshalb sie mir die obligantsten Briefe schrieb. – Und wann wir zusammenwaren, kunnten wir uns keinen Tag gar selten vertragen!
Wiewohl, dieses kam mehrenteils wegen ihrer übeln Konduite, losen Rede und kontinuirlichem aus dem Haus laufen, zu ihren Kindern und ins Brauhaus. Daß ich dieserhalb auch einmal einen harten Streit mit ihr hatte, welchen zwar Herr Pastor Schwentzel (wie ich ihn drum bate) hätte legen können; aber nein: konträr; er machte übel ärger!
Denn sie war mir in drei Tagen nicht ins Haus gekommen und mit ihrer Tochter im Brauhaus gewesen. Deshalb ich einsmals, abends umb elf Uhr, bei ihrer Tochter Haus ging und unter dem Laden alle Wort hören konnte, wie ich herhalten mußte. Ich konnte es nicht länger anhören und sprach: „ Wenn du nach deinem Hause gingest und wartest deinem Beruf, wäre besser, als daß
du da liegest auf der Bank! “– Gleich kamen zwei oder drei Nachttöpfe voll über mich von oben herab, daß ich mich retirieren mußte.
Ich ging zum Magistrat und beklagte mich dessen. Da wurd Schmidten seeligem anbefohlen: die Frau nicht aufzuhalten, sondern nach ihrem Haus zu weisen. – Allein es geschahe nicht.
Ich ging zu Herrn Pastor Schwentzeln und stellete ihm vor: er würde es in seinem Hirtenambt zu verantworten haben, wenn er auch dies, sein Schaf und Beichtkind, so in der Irre und bei alle ihrem übeln Beginnen ließ, mit Ernst ihr nicht zuredete und beständige Aussöhnung unter uns stiftete, wie sein Ambt erfordere.
„ Ich will’s thun, sagte er, und einen Tag euch beide holen lassen. “– Aber, es währete sehr lange, ehe es geschahe. Endlich ließ er uns mit dem Küster umb zwei Uhr zu sich rufen. Die Frau ging gleich umb ein Uhr vor mir hin. Als ich umb zwei kam, saß meine Frau bei ihm an’n Tisch. Ich ließ mich anmelden. Aber er ließ mich lang vor dem Hause außen stehen. Mich verdroß das, daß ich sollte als ein Acht-Mann draußen, wie ein Junge, lange stehen. Ließ ihm sagen: ob ich vorkommen sollte, oder nicht?
Nach langer Weile kam der Herr Pastor heraus und, nach seiner Gewohnheit, schlug er die Hände voneinander und sagete: „ Ja, ich habe zwar seiner Frau zugeredet; aber sie will von nichts hören, sondern soll die Sache bei dem Consistorio ausgemacht werden; denn sie will Geld ham; er soll ihr alle Woche was Gewisses geben. “ (Aber die Sache ward da erst fabrizieret!)
„ So, sagte ich, Herr Pastor, habe ich darum so lange stehen müssen? Ich vermeinete: er sollte mich gegen sie auch hören und durch Zureden ein Friedensmann sein. Aber so ist der Sache schlecht geholfen. Adieu! “
Darnach ging es an das Klagen im Consistorio. Aber sie erhielt das Mal nichts, wiewohl es auch zur Kommission kam, da Herr Konsistorialrath Francke und Kommissionsrath Mantey traktiereten: ihr wöchentlich ein Gewisses zu geben. – Aber, gnade GOtt! wann Eheleute sollen durch Kommission auseinandergesetzt werden! Es kostet viel Geld, werden arm und hilft nichts, wann ich das letztere Mal nicht in die Ehescheidung gewilliget, hätte sie eben nichts ausgericht und mir nichts gethan. Aber da hatte ich’s versehen und mußte weidlich herhalten.
Wir hielten selbige Ehescheidung achtzehen Wochen aus, bis daß Herr Konsistorialrath Schubert nach Halle kam. Ob es ohngefähr, oder deshalb, weiß ich nicht. Der ließ mich zu sich holen, befragte mich umb die ganze Sache: wie alles zugegangen, daß eine Ehescheidung zugelassen und erkannt, da doch keine Ursache vorhanden? Er habe aus den Akten keine rationes befunden; sei deswegen nicht zufrieden, daß solches in seiner Abwesenheit geschehen.
Ich sagte ihm die ganze Sache und beklagete mich herzlich über die Gewalt und Tyrannei meiner Frau und der Gerichtspersonen; wie sie alles genommen, und ich wöchentlich so viel geben müßte.
„ Ei, sagte er, das ist unbillig; ich kann es in meinem Gewissen nicht verantworten, und keiner. Ich werde darum reden, wenn ich nach Magdeburg ins Konsistorium komme. “
Es währete etwa vierzehen Tage, so kam ein Reskript von dem Consistorio an den hiesigen Herrn Konsistorialrath Heineccium: es hatte das Konsistorium die Ehescheidung des Johann Dietzen und seiner Frau nochmals in Erwägung gebracht und die Versöhnung unter ihnen beiden zu intentieren gemeinet; deshalb sie selbigem hiemit freundlich kommittiereten, solches fördersambst unter ihnen beiden vorzunehmen, damit diese beiden alten Eheleute zusammengebracht werden möchten.
Der Herr Konsistorialrath hier behielt den Befehl lange verschwiegen an sich. Vermutlich, daß mein Schwiegersohn, Herr Schmidt, so ihn zu barbieren hatte, es verhindert. Weil mir’s aber von Magdeburg advisieret wurde, hielte ich umb Termin an. So aber langweilig zuging. Endlich mußte es geschehen.
Meine Frau hatte übele Zeit gehabt und schlaflose Nächte. Ihre vormalige Ehre und Bequemlichkeit hatte sie nicht. Und das Gewissen, welches ein schneller Zeuge wider den Menschen, hatte sie stetig beängstiget. Daher sie lieber bei mir gewesen. Ich ingleichen. Deshalb es in solchem Termin nicht viel Zuredens gebrauchte; außer einige Punkte zu accordieren: daß ich ihr sollte alle Vierteljahr drei Thaler geben.
Also ging sie, zu jedermanns Verwundrung, mit mir heim. Aber die Sachen, so sie wegtragen lassen, bekam ich nicht alle wieder; sondern die Tochter. Auch bettelte sie mir die Miethe ab. Und ist wahr, wann sie nur ein gut Wort gab, bekam sie alles. – Dies war der letzte Kampf, außer einem, nicht zu vergessen, welcher zwar lange zuvor geschahe.
Nämlich: meiner Frau Schwester, die Frau Schüren aus Erfurt, hatte auch etwa Streit mit ihrem Mann gehabt. Kam deswegen nach Halle zu mir ins Haus und an’n Tisch; wohl drei Wochen. Ich mochte sie auch gerne leiden. Und da machten sie beide allerlei Tändlei; als: Schmelzblumen, Wachsblumen und - Bilder. Und brannte einsmals viel Holz auf dem Herd, welches unnütz und ich mein Tag nicht wohl leiden können und viel Zank gemacht.
Ich fragete in aller Güte: was das viele Feuer vergeblich brennete? – Die beiden Weiber empfunden dies gleich übel, schalten und höhneten mich drüber aus: ob ich darauf verhungert wäre, wäre Schand und Spott vor mich, so großen Hofbalbier; und was dergleichen loser Wind mehr war. – Mein Kopf stund auch nicht recht; sagte: „ Ihr Weiber, halt’t das Maul! “ Damit ging ich fort von ihn’n. – Sie aber beide hinter mir her mit Schelten. Das wollte kein Aufhören haben. – Ich sagte: „ Wo ihr nicht geht und stillschweiget, ich will euch zerpeitschen! “– Potz, hunderttausend! da war Öl ins Feuer kommen! Hatten sie nicht gescholten, so ging’s erst an, ohne Maß! – Ich ward auch bös und kriege meinen Ochsenziemer und schlage drein; immer eine umb die andere; bis sie beide zum Haus ausliefen.
Das war wieder ein Unglück vor mich und kostet mich dreißig Thaler. Und wäre kein Wunder, ich wäre ein blutarmer Mann bei so viel erlittenem Schaden und Prozeß-Kosten. Denn sie nahmen Doktor Dürfeldten wider mich an. Ingleichen, der Schüren ihr Mann machte eine große Denunziation und Forderung an’n Rath. Die Herrn Skribenten auf dem Rathause waren auch gleich fix, Geld zu verdienen und Inquisition anzustellen.
Aber ich kam mit einem Schreiben bei der Regierung ein, welche damals noch hier war, aber bald hernach nach Magdeburg verleget wurde. Da würden mir sechs Thaler Straf, der Schüren aber: mir eine Abbitte und Ehrenerklärung zu thun, auferlegt und wir verabschiedet. Ich erlegte meine sechs Thaler. Aber die Frau Schüren reisete ohne Abschied zum Thor hinaus.
Einige Zeit hernach starb unser allergnädigster, lieber König zum höchsten Leiden des ganzen Landes. Denn man damals schon leicht gedenken kunnte, wie es uns gehen würde. Ich wußte die elende und trübseelige Zeit vorher wohl, und sagte es andern. Und selbst habe ich mich nicht draus gerettet; wiewohl ich Gelegenheit dazu hatte, diesem allen zu entfliehen.
Da ging mir ein neues Unglückswetter überm Kopf auf. Denn die Barbierinnung wollte durchaus: ich sollte meine erhaltene und bisher gebrauchte Hofbarbier-Stelle ab - und niederlegen; weil der König tot und kein Hofbarbier nötig.
Die Sache kam erstlich vor die Regierung, welche es an’n itzt regierenden König verwies, ob derselbige mir mein privilegium renovieren und mich zum Hofbarbier von neuem annehmen wollte? Die Sache war durch Handbriefe übel rekommandieret (durch Veranlassung der Barbier), daß ich in Berlin nirgends Gehör funde; ja selbst die, an welche ich von Herrn Professor Gasserten rekommandieret wurde, wegen des Herrn Präsident von Danckelmanns, waren wider mich.
Ich kam wieder in große Angst und Sorgen und gedachte bei mir: „ Wie gehet’s dir doch so gar übel in der Welt; der Herr hat dein vergessen und will dich immer in Sorgen und Kummer dein lebelang bleiben lassen, Wie gehet’s doch manchem bösen, unnützen Buben, der nichts erfahren, nichts gelernet, denn Fressen und Saufen und Tobackrauchen, sonst gar keine Konduite hat, so wohl; sie werden alt bei guten Tagen, wissen von keinem Unglück noch Verfolgung; jedermann träget zu; und werden groß geacht’t. Und dir wird dein bischen Brot so schwer und sauer gemacht! Wie hastu es bei GOtt so grob gemacht und das verdienet? “– Bald tröstete ich mich auch wieder, daß es je keinem anders hat ergangen, welchen GOtt geliebet, und daß die Auserwählten die größte Verfolgung leiden müssen; ja, das sei eben die rechte Livrei; daran der Herr Jesus die seinen kenne und von dem andern rohen Welthaufen, der heute blühet, morgen verdorret, unterscheide und absondere!
Mit diesen und dergleichen Gedanken ängstigete ich mich die ganze Nacht. Des Morgens, als ich mein eifriges
Gebet verrichtet, ging ich nach der Lehns-Kanzlei, wo Herrn Geheimbten Rath Katschen sein Herr Bruder als Lehnsrath war. Der kannte mich wohl.
Unterwegens war ich sehr traurig und niedergeschlagen und konnte mich nichts Gutes versehen. Denn, wie vorgemeldt, war alles abgeschlagen. Da begegneten mir in dem kleinen Gäßchen, wo ich durchgehen mußte, die Kurrend-Jungen. Sechs stunden gleich vor mir stille (gleichwie ihr Gebrauch vor den Häusern) und fingen mit vollem hals an zu singen: „ Wer hofft in GOtt und dem vertraut, wird nimmermehr zu Schanden, und wer auf diesem Felsen baut, ob ihm gleich steht zu Handen etc. “
Dieses gab mir einen gewaltigen Trost, Freude und herzliche Zuversicht zu GOtt, daß ich bei mir selber sprach: „ Ei nun, mein GOtt, nun hat’s keine Not; GOtt wird mir helfen! “– Und hieß wohl recht bei mir: „ Der Mensch glaubete den Worten! “ Und mag ich wohl mit Wahrheit, GOtt zum Ruhm und Preis, ewigen Dank sagen. Daß mich dies geschehen, in vieler Angst und Betrübnis meiner Seelen, hat mich kräftig aufgerichtet. Allermaßen in diesem und vielem andern die Wahrheit, Allwissenheit, Gütigkeit und Vorsorge des liebreichen GOttes sich wahrhaftig bezeiget hat.
Denn da ich in die Lehns-Kanzlei kam, sagte mir zwar der Herr Katsch, daß meine Sache nicht gut stünde; stund auf mit noch einem Herrn, der ein Mitleiden mit mir hatte, und wollten mir in der geheimen Audienz das Dekret wider mich zeigen.
Als sie so in den Akten suchten, kam der Herr Ober-Hof-Marschall von Printzen, ein großer, ansehnlicher, langer Herr und Premier beim König, mit pathetischen Schritten und satzte sich gleich vor die Tafel. Die andern erschraken und liefen submiß davon und ließen mich ganz erschrocken stehen. Der Herr sahe mich an. Als ich mich ein wenig erholet, machte ich eine Reverenz und sagte: „ Hoch - und Wohlgeborner Herr, Ew. Excellenz wollen nicht ungnädig sein, daß Sie mich hie finden. Ich habe von Ihro höchstseeligen Majestät die Gnade und das Prädikat eines Hofbarbieres in Halle wegen meiner treuen Dienste gehabt. Und nun Ihro Majestät höchstseelig abgegangen, wollen mich die dortigen Barbier wieder vertreiben. Also bitte ich umb allergnädigste Konfirmation. “
Der Herr sahe mich stetig an, sprach unter währender Rede: „ Ja, ja, ja! “und nickte mit dem Kopfe; zuletzt sprach er: „ Ihr sollt es haben. “ Rief den Lehnsrath und kommittierte ihm gleich die Konfirmation, welche weit besser, als die erste war. Ich bückte mich vor ihm, dankte und wünschete ihm alles Gutes. – Der Mann hatte mich auch so perfekt kennen lern’n, wie ich denn vielmals commissiones bei ihm hatte, daß er mich gleich mit Namen nennete.
Die Barbier aber waren nicht wohl zufrieden, daß ihre böse Intention abermals fehlgeschlagen! – Doch mußte ich noch zwei oder drei harte Gänge mit ihnen gehen. Darum will ich niemand raten: wider eine Innung, oder Handwerk, sich einzudringen, wie ich thun mußte, und das Hofbarbier-Prädikat suchen, wollte ich anderst in Halle mein Brot gewinnen.
Der erste Kampf war noch umb die Obermeisterstelle. Da nach Absterben mich die Reihe traf, da wähleten sie Herrn Schwendern und gingen mich vorbei. Sagten, oder meineten: ich wär ein Frei-Meister. – Ihnen das zu benehmen und dem Schimpf zu wehren (weil ich mein Examen so wohl, als sie, ausgestanden), kam ich bei Hofe ein, welcher decidierete: daß ich schlechterdings ihr Obermeister sein müßte, weil ein Hofbarbier vom König, sie aber von sich dependiereten. – Mußten’s also geschehen lassen.
Der andere Krieg mit ihnen war, daß ich meine Hofbarbier-Gerechtigkeit an Johann Gottlieb Gerbern übergab. Weil ich vermeinete: meine Frau würde noch nicht sterben, indem sie sich ganze Tragekörbe voll Kräuter bringen ließ. Sie huste zwar und wurf erschröcklich aus, daß ich ihr eine Stube allein gab. Doch wurde mir meine Haushaltung mit Jungen und Gesellen sehr schwer. Deshalb ich gedachte, mich in Ruhe zu setzen. Ich erlangete es zwar, daß ich die Barbierstube transferieren konnte, gegen funfzig Thaler, wie sehr sich die Barbierer dargegensetzten.
Allein weil Gerber so sehr zauderte und mich drei Jahr aufhielt (und ihm noch fünfzig Thaler nachlassen mußte!), suchten die Barbier sich an mir zu rächen. Wozu sie diese Gelegenheit bekamen:
Ich hatte nämlich währender Zeit, als ich Obermeister war, Herrn Stecheysen seinem Lehrjungen, der würklich bei ihm ausgelernet, auf sein Bitten und Schwören, daß er’s niemand sagen wollte, die Lehrbriefe gegeben; weil selbiger Anfechtung von einem Soldatenweibe hatte, mit welcher er etwa mochte zu thun gehabt haben, und es also in der Still ohne der ganzen Innung Wissen wollte geschehen lassen. Jedoch erlegte er die Gebühren, so ich berechnet, und versprach mir ein’n Rekompens. – Zum andern ich einem Jungen aus Gera, welcher bei seinem leiblichen Bruder Philippi in Halle würklich die Jahr ausgestanden hatt’, eines Barbieres Sohn, auf großes Lamentieren seiner Mutter (umb daß er in frembden Landen könnte fortkommen und nicht etwa zu verbotenen Mitteln zu greifen und unter die Spitzbuben zu geraten) vor die Gebühr, so ich ebenfalls der Innung berechnet, einen Lehrbrief gab.
Bei den Innungsmeistern mich mein eigen’n Bruders Sohn, welcher eben in Gera war (und ich selbigen neun Jahr erzogen, die Barbierkunst umbsonst erlernet, gekleidet und erhalten!), erstmals verraten. Indem er, wie er’s gesehen, sagte: „ Das ist meines Vetters Hand und falsch! “auch Philippin solches anhero berichtet und an Müllern. Dieser an Harnischen, welcher damals mein Feind. Weil ich ihm achthundert Thaler zu seinem Hauskauf gelehnet, mit allem guten Rat dabei beigestanden und seine Frau helfen heiraten. Aber, weil ich das Geld wieder gefordert, er mein Feind wurde!
Diese nun alle, mitsambt meinem Schwiegersohn, machten die Glocke über mir. Und war Stecheysen der erste, so es sagete von seinem Jungen und wider mich zeugete. Herr Harnisch aber, so hin und wieder bei die Herrn Rathsmeister, sonderlich bei Herrn Rathsmeister Kosten, wohlangesehen, befragte sich allen Rat und trieb die Sache am heftigsten wider mich.
Es half kein Bitten noch Flehen, ob ich gleich bei versammleter Innung in meinem Haus bat: ich hätte das, ob es auch gleich aus guter Meinung und Überredung geschehen, versehen und peccieret; erkennte meinen Fehler und wollt ihnen fünfzig Thaler in die Lade zur Strafe erlegen; Herr Werneroth seelig habe wohl dreien die Briefe, ohn der Innung Beisein, gegeben; das Geld wäre ja hier berechnet und niemand betrogen umb einen Pfennig! – Aber es half alles nichts. Ich mußte einen Abtritt nehmen und da hörete ich hinter der Thür, wie sie mich berateten und das böse Urtel fälleten. Unter allem gab Herr Bornmeister Schwartz den größten Druck, welcher sagte: es wäre ein Verbrechen, so der Obrigkeit nicht könnte verschwiegen werden und müßte man solches an’n Rath denunzieren. – Das war die rechte Falle, mein Unglück.
Worauf sie gleich auseinander und zum Advokaten, Herrn Dokter Greiff, gingen, welchen ich vorhero allezeit an die Barbierinnung rekommandieret und ihm viel Geld zugewandt. Deswegen ich eine gute Hoffnung zu selbigem hatte. Und er mir auch versprach: die Sache zu deprecieren. – Allein, nichts weniger! Er machte die Denunziation so scharf gegen mich, als’ immer sein konnte. Ja, er hatte selbst gesaget: ich hätte ihm einsmals Geld vor die Innung bezahlet und etwas, weiß nicht, ob zwei Thaler oder sechszehen Groschen, davon behalten! Da er mir doch selbiges wieder zurück, in meinen Hut, als ein Gratial, seinethalben gegeben!
Dies, als ich solches erfuhr, kränkete mich sehr. Als ich ihn eben bei meines Schwagers Pohlens Thür antraf, sagte ich zu ihm: „ Ei, Herr Doktor, Herr Doktor, was hat er mit mir gemacht? Sind das seine Verheißungen, die er mir gethan? Daß GOtt erbarme! “– Hierauf konnte er kein Wort antworten und schwieg stille, schlug den Kopf nieder. Wurde kurz drauf krank und starb in weniger Zeit.
Als die Denunziation vor einen gewissen Rathsmeister in die Rathsversammlung gebracht worden, soll derselbige solche zwischen die Finger über der Tafel in die Höhe gehalten haben (wie mir glaubwürdig gesaget ist) mit diesen Worten: „ Hier haben wir den Dietzium einmal! “– Als ich das alles erfuhr, konnte ich mir die Rechnung leicht machen, wie mir’s gehen, und was vor Schimpf und Schaden ich leiden würde. Es machte mir große Angst; denn sie es vor ein crimen falsi, so mit der Landesverweisung bestraft würde, ausgaben und übergroß machten!
Kein Mensch gab mir guten Rat und hieß: „ Hilf dir selbst! “
Ich machte mich auf die Beine und lief bis nach Dölau, da ich ganz ermüdet mich in’n Wald legete und dachte, die Post zu erwarten. Allein, die Post war schon vorbei. Ich war abermals in großer Kümmernis, so GOtt bekannt, kunnte und wußte mir nicht zu raten. Bären und Löwen wollte ich nicht in die Klauen fallen, so lange zu warten, bis die Post wieder käme, war auch nicht ratsam. Doch resolvierte ich mich und ging wieder nach Halle.
Die Barbier hatten indeß gewütet und es bei dem Rath soweit gebracht, daß sie ihre Lade und Gerät durch den Ausreiter und einen Barbier von mir abholen ließen, weil sie bei mir nicht mehr wollten zusammenkommen.
Ein Edler Rath hätte der ganzen Sache bald abhelfen können, wann sie sich mir und meiner, als eines alten Bürgers, der sich umb sie und umb die Stadt wohlverdienet hatte, hätten wollen annehmen. Aber, ach nein! konträr! Sie machten’s nicht so, wie ich, da ich dem Herrn Rathsmeister Bertram seeligem von zwanzig Mann Exekution, so er im Haus hatte, loshalf.
Deshalb ging ich zu Herrn Rathsmeister Kosten ins Haus. Als er aber just zum Fenster aussahe, machte ich mein demütig Kompliment und bat sehr: sich meiner, wegen des begangenen Fehlers, anzunehmen. – Aber er sagte: „ Ihr seid klug gnug; was gehet mich das an? sehet ihr zu! “ Schmiß damit das Fenster zu. – Bei Herrn Doktor Reimerschen, welcher sonst viel gilt bei dem Rath, ging ich auch, so mein Herr Gevatter und zur Hochzeit und Kindtaufen bei mir sein müssen. Bei Herrn Licentiaten Knorren ging ich. – War aber alles nichts. Da war nicht einer, der vor mir bitten, oder sich meiner annehmen gewollt. Ich schrieb einen Brief, gar wehemütig, meinen geringen Fehler zu entschuldigen. Aber nichts bei dem Herrn Präsident, der mir sonst wohl gewollt, weil ich ihm sein Glück bei dieser Stadt vorher prognostizieret und gesaget.
So gehet es in der Welt; Freunde in der Not, gehen vierundzwanzig auf ein Lot; doch besser meinet es GOtt; die andern sind’s nur bei Wein, Geld und Brot.
Weil ich nun hier in der Klemme war (ein jeder schon jubilierte, wie mir’s gehen würde!), resolvierte mich derhalben kurz: aus zwei Bösen eins zu wählen und mich lieber in Berlin unter gnädige Strafe zu submittieren, als hier mich unter meinen Feinden zerren und beschimpfen zu lassen.
Setzte mich auf die geschwinde Post nach Berlin. Ich hatte eben auf dem Nebelthauischen Konkurs von 1720, so noch bis dato währet, vierhundert Thaler an Dukaten gehoben, so ich mit meinem eigenen Gelde sechs Jahr teuer gnug verintressieren müssen. Diese nahm ich mit und behielt wenig davon übrig. Ich nahm in Berlin bei Herrn Sekretär Zieglern eigene stube, speisete im Hause mit ihm bei seinem künftigen Herrn Schwiegervater [Lücke]; und Herr Ziegler war mein Konsulent, weil er sonderlich bei dem Kadetten und Herrn Geheimbten Rath von Katsch, bei welchem diese Sache gehörig, wohl dran war. Wir verfertigten ein Supplikat, stelleten die Sache unschuldig vor und baten umb Gnade und Abolition, damit ich nicht beschimpft würde. Ich stellete auch zugleich vor, daß ich meine Barbierstube an Gerbern übergeben und ohnedem dem Barbierambt und der Obermeisterstelle resignieren würde.
Indeß lebte ich in Berlin wohl und ließ weidlich draufgehen; mehr aus Desperation. Mein Advokat nahm auch die Dukaten.
Meine Frau war, wie ich wegreisete schon krank und gedachte ich nicht: sie lebendig wieder zu finden. Sie machte sich aber aus meinem Unglück nicht viel; au contraire. „ Das hat er von seinem Geitz, ich habe es längst gedacht! “sagte sie. – Und ihr seeliger Schwiegersohn that, als ging es ihn nicht an; wiewohl er die Extremität verhüten konnte, so knipp er heimlich.
Die Zeit währete mir in Berlin zu lang und kostbar. Deswegen ich nach Hause reisete. Da hatten die Barbier meine Jungen und Gesellen, teils durch List, teils durch Überreden, weggetrieben, daß die Kunden alle zerstreuet; einer hie, der andere da war. Die Frau hatte inmittelst auch Kisten und Kasten zu ihrer Tochter räumen lassen, weil sie gesehen, daß es zum Sterben ging.
Es ist nicht zu beschreiben, wie erbittert die Barbier waren, als sie höreten, daß ich in Berlin Abolition suchte, und sie hier ihr Müthchen an mir nicht kühlen und den Skribenten und dem Herrn Syndikus die Braten aus den Zähnen gerückt wurden. Wie sie mir nachgehends selbst geklaget!
Sie machten ihr recht Meisterstück mit Gegenvorstellung und Berichten auf mein Supplikat, so sie sich in Abschrift hatten bringen lassen. Insonderheit hatte mich der Herr Syndikus, welcher allererst seinen Dienst vor tausend Thaler erlanget, über alle Maße als den allergottlosesten, leichtfertigsten und sehr, sehr reichen Mann angegeben mit allerhand andern Beschuldigung (auf der Barbierer ihr Verhetzen), daß beim Hof-Kriminal aller Dinge darauf reflektieret und mir die Strafe weit höher gesatzet wurde, als ich vermeinet, und endlich mir nach Halle geschickt wurde, eben als ich krank lag. Welches kein Wunder, ich wäre des Todes gewesen!
Nun, was wollte ich thun? Ich erkannte, daß ich’s mit meinen großen Sünden verdienet und GOtt aus dem Geschirr getreten; und war nicht unschuldig. Vergoß deswegen viel Thränen, sowohl auf der Rückreise, als sonsten. Schickte mich deshalb mit dem König David zur Geduld. Suchte mein Geld zusammen und schickte es auf der Post nach Berlin. Mein Herr Konsulent wollte auch noch einmal schröpfen, da ich ihm schon so manchen schönen Dukat gegeben hatte. Hier mußte ich auch dem Herrn Syndico, Secretariis und Ausreiter Zins bringen. Und bedaureten doch: daß ich ihnen einen schönen Braten aus den Zähnen genommen!
Alles, was in der Sache hier ergangen, mußte versiegelt nach Berlin in die ewige Vergessenheit gesandt werden. Zwei aus dem Rath, nämlich Herr Doktor Reimers und Redel, mußten bei Ablegung und Übergabe meiner Rechnung bei versamleter Barbierinnung mit sein; als worumb ich selbst supplizieret. Mußten mich überhaupt quittieren und erklären: daß sie ferner nichts als Ehre und Gutes zu sagen wüßten an mir.
Die Barbier aber hatten das nicht vermeinet: daß sie sich durch meine Sache Schaden und Unglück in’n Pelz setzten, und da sie meineten, mich zu stürzen, selbst
in die Grube gefallen. Denn sie irritierten durch ihr vieles Schreiben und Vorstellungen wegen meiner den Hof so sehr, und kam der König hinter alles dadurch, was ein Junge einzuschreiben, loszusprechen, vor die Lehrbriefe und Geburtsbriefe geben müßte; und wie viel es trug und was vor Unterschleif von den Obermeistern, von andern, geklaget; daß sie nun alle ihre Briefe, so sie sonst selbst gaben und besiegelten, entweder vom Rath, oder von Berlin nehmen müssen. So gehet es! NB.
Noch ein ander Abenteuer begegnete mir etlich Jahr zuvor; deß soll ich nicht vergessen. – Ich hatte einem Bauer in Passendorf damit gedienet, weil sein Stiefbruder in Erfurt verstorben und sie ihm wegen der Erbschaft mit zehen Thalern da abgewiesen. Damit wollte er nicht zufrieden sein; weil, seinem Vorgeben nach, keine andere Erben, als er, verhanden; wiewohl der verstorbene durch Notarien und Zeugen einige Legata vermacht; Zeugen und Notarien aber waren selbst heres mobiliaris mit. Er hieß Otto, hatte einen feuerroten Kopf und war sonst ein Schäfer gewesen. Ließ sich immer bei mir barbieren. Der kam zu mir und klagete, wie es ihm ginge. Bat mich, weil ich einen reichen Schwager in Erfurt hätte, der Kaution machen könnte: ich sollte mit ihm reisen. Er wollte mir – nebenst freier Kost und Fuhr – zehen Thaler davor geben. Ich bedachte mich, weil mich mein Schwager ohnedem oft gebeten: einmal zu ihm zu kommen, also versprach ich, solches zu thun.
Die Kutsche kam vor die Thür. Wir fuhren glücklich nach Erfurt und legten uns in „ Die Propheten “. Mein Schwager aber nahm mich ins Haus und that mir alles Gutes.
Ich ging mit dem Bauer zum Präsident, welches einer von Adel war, eben das Podager und das Bein auf einem Stuhl hatte. Er sähe mich vor einen erfahrnen Advokaten an. Ich war aber nur ein schlechter Barbier. Doch wußte ich meine Wort so vorzubringen, daß er’s glaubete: ich war ein Advokat. Sagte derohalb: „ Die Sache läßt sich hören. Das Testament oder Vermächtnis kann nicht bestehen. Wann er Kaution auf so viel will machen, sollen die Leut alles rausgeben. Komm er morgen mit seinem Kaventen aufs Rathaus! Da soll ferner ergehen, was Recht ist. “
Ich vermochte meinen Herrn Schwager Schüren gleich zur Kaution; doch mußte ich ihm Gegenkaution machen und ihn schadlos halten.
Damit kommen wir an aufs Rathaus. Wir mußten gleich neinkommen, und nicht so lange stehen, wie hie. Da brachte ich meine Wort mit dem Bauer nochmals vor. Das wurde alles aufgeschrieben und mußten hernach Abtritt nehmen. Beim Hereinkommen sagte der Präses, so hinter der Tafel auf einem erhabenen Thron mit einem güldenen Zepter saß, und die Rathsherrn umb ihn, zu beiden Seiten: „ Wir haben die Sache erwogen, daß die Erbschaft soll gegen Kaution ausgehändiget werden, wo ist der Kavent?. Sieh da! Herr Schür! Will er kavieren? “– „ Ja, sagte er, ist mein Schwager. “– „ Nun, so lege er die Finger auf den Zepter. “– Da mußte er anloben: wann ein näherer Erbe oder Anspruch sich finden möchte, sollte alles restituieret werden. – Mein Bauer lachte heimlich und dachte: „ Hinten umbs Dorf! “
Damit wurde gleich bei der Execution anbefohlen: die Sachen auszuhändigen. Die Leute wollten erst nicht. Aber der Bauer verstund das Handwerk und spendierte den Knechten und Ausreutern brave und brauchte den güldenen und silbern Schlüssel. Daß also die Sachen durch die Execution bald rausgebracht und alles dem Bauer gegeben wurde.
Da war der Bauer froh und sagte zu mir: „ Nun wollen wir uns erst was zu gute thun hier. “– Allein ich sagte: „ Hier ist nun nicht lange zu warten, spannet an. Wir wollen fort; denn der hinkende Bote möchte hinterher kommen! “– Als auch geschahe. Denn sie hatten uns in allen Wirtshäusern aufgesucht. Und wir waren fort! – Hier hieß es mit mir recht: „ Was deines Ambtes nicht ist, da laß deinen Vorwitz “. Denn ich das größte Unglück davon hätte haben können.
Denn nach zwei Jahren kam des verstorbenen leiblicher Bruder, ein langer Soldat von Stettin, so unter hiesiges Regiment vertauscht worden. Selbiger fraget nach seines verstorbenen Bruders Erbe. Sie weisen selbigen aber von Erfurt zu mir und zum Bauer nach Passendorf. Der Bauer, als ein listiger Gast, wie rot Köpfe gemeiniglich, verträget sich mit dem Bruder, so gut er kann, beim Trunk; giebet ihm auch dreißig Thaler und beredet ihn, daß er muß mit ins Ambt gehen und sich lossagen, weil er sich mit seinem Bruder verglichen hätte. Verschweigen aber, daß sein völliges Erbe in guter Sub-Hypothek (wie ihm der Bruder versprochen, daß er’s allezeit finden könnte, sonst aber im Soldaten-Stand drum kommen möchte) bestehen bleiben sollte.
NB. Darum nimmermehr einem zu raten: daß er sich in Gerichten, oder schriftlich von einer Sache lossagen, oder sich unterschreiben solle, wann er vorhero nicht gnugsam befriediget oder versichert ist.
Was geschicht unterdessen? – Stirbt der Bauer und seine Frau. Da der Soldat seine dreißig Thaler verzehret hat, kombt er wieder und will mehr holen. Des Bauers Sohn und Kinder wollen von nichts wissen. Der Soldat trotzet und pocht, wie sie pflegen. Des verstorbenen Erben rufen gleich die andern Bauern, welche den Soldaten zur Thür nausschmeissen. Der Soldat wußte keinen andern Rat und kombt zu mir. Bate mich, weil ich doch damals in Erfurt zu dem Gelde und Erbschaft geholfen: ich sollt’es im Ambte attestieren, weil sie von nichts wissen wollten.
Deß kunnte ich mich nicht wohl entbrechen. Ging mit hinaus. Als ich im Ambt in Gegenwart des Herrn von Goldstein die Sache proponierte, umb welche Zeit solches geschehen, fand sich’s im Gerichtsbuch, daß der Soldat mit seinem Stiefbruder in Gerichten erschienen und er sich von allem losgesagt und mit ihnen von Grund aus verglichen. „ Also, sagte der Herr von Goldstein, ist in der Sache weiter nichts zu thun. Die Leute sind beide tot. Überdies ist das Gut ohnedem mit Schulden beschweret und da wenig zu hoffen. “– Der Soldat gehabte sich dabei sehr übel. Bald fluchte er auf seinen Bruder, daß er ihn betrogen, bald weinete er.
Ich tröstete ihn auf dem Reinwege und sagte: er sollte sich das nicht so wundern lassen. Mich hätte auch ein Gevatter und Freund, mit dem ich es doch so gut gemeinet, umb fünfhundert Thaler mit einem Wechsel betrogen. Die Frau hätte den Wechsel mit unterschrieben, selbe hatte ihrem Vorgeben nach dreitausend Thaler eingebracht, hatte zu bezahlen und wollte doch nicht bezahlen, machte allerhand Diffikultäten und sagte itzt: ihr Kurator wäre nicht bei Verstande und was dergleichen Ausflüchte. Ich wäre deshalb zweimal in der harten Kälte nach Berlin gewesen; aber nichts anders erhalten als: ich sollt es durchs Recht, weil ich’s einmal darin gebracht, ausmachen. – So ich auch gethan. Das dritte Urtel nun hätte ich mitgebracht: die Frau sollte Kapital,, Intresse und alle Unkosten bezahlen. Nun ich sie wollte satzen lassen und aufs Rathaus bringen, machte sie sich totkrank etc.
Der Soldat fragete, was das vor Leute wären, die so gottlos handeln. – „ Es ist ein Kaufmann Nebelthau, und hat wohl sechszehntausend Thaler bankrottieret, “sagte ich. – Er meinet: kenne sie wohl, wollte hingehen und sehen, ob die Frau wahrhaftig krank sei, oder nicht. – Ich ließ es geschehen.
Der Soldat gehet hin, findet zu seinem und meinem Unglück die Haus - und Stubenthür offen, gehet grade ein, satzet sich an’n Tisch, wo die Frau ist, welche aber, sobald der Soldat kombt, ins Bett hüpfet. Der Soldat sitzt da, langet sein Tobak-Pfeifchen und Zunder und rauchet eins da am Tisch. Die Frau kann keinen Tobak leiden, lamentieret und schreiet. Sie fragen den Soldaten: was er will und wer ihn hergeschickt? – Der spricht: „ Es kann euch gleichviel thun; ich will sehen, ob ihr krank seid, warum wollt ihr den ehrlichen Mann, Dietzen, betrügen, da er euch doch soviel Geld baar an Zweidrittel-Stücken hie auf den Tisch gezählet? “– „ So hat euch Dietz hergeschickt? Wir hören’s nun wohl. Nun, nun! “– Darauf fanget der Sohn und das Gesinde an zu laufen nach dem Herrn Rathmeister Kosten, welches ihr Konsulent und ihrer wohl genossen, zum Herrn Obrist Kleist, welcher zu allem Glück auf der Bärenhatze gewesen, zum Herrn Auditeur Meyern, welcher mich ließ zu sich rufen. – Ich meinete aber: es wäre wegen meines Bruders Sohn, so Soldat werden sollte, und ging nicht hin.
Der Soldat hatte gemerket, daß die Sache nicht gut ginge, weil das so ein Gelaufe ist, und gehet seinen Weg nach Kalbe, wo er in Quartier lag. Des Morgens umb neun Uhr schickte der Obrist einen Unteroffizier Lampen ins Haus: ich sollte gleich zum Obristen kommen. Ich wußte von nichts und sagte: „ Was soll ich da machen? “– „ Das werd’t ihr wohl sehen. “– Ich sagte: „ So gehet, ich will gleich nachkommen. “– „ Nein, sagte er, ihr müßt gleich mit mir. “– Ich mußte mit fortzellern.
Als ich bei dem Obristen kam, saß er auf einem großen Sessel, hinterwärts die Obristin stund bei ihm. „ Welcher Teufel hat euch befohlen, meines Königes Soldaten bei unschuldigen, kranken Personen zur Exekution zu gebrauchen? Ihr wäret wert, daß man euch in Ketten und Banden nach Spandau brächte! Und da sollt ihr auch hin! Ich will es an meinen König berichten; denn ihr habt hiedurch ein crimen Majestatis begangen &c. “
Ich ließ ihn wohl ausreden und als er nichts mehr wußte, fing ich auch an und sagte: „ Mein Herr Obrist, wie kommen sie dazu, daß Sie mich solcher Sache beschuldigen, wovon ich gar nichts weiß? Es ist der Soldat von sich selbst hingegangen. Erzählete die ganze Konnexion. Hat der soldat was gethan, was gehet das mich an? “
Er wollte wieder hart reden und sagete: es wäre nicht wahr, wollte schon hinterkommen!
Ich sagte ihm aber: „ Herr Obrist, ich verlasse mich auf GOtt, meine gerechte Sache und den König, welcher mir von ihm nicht wird lassen zuviel geschehen. Ich bin Ihro Königlichen Majestät Hof-Barbier, habe des Königs Herrn Vater und Großvater lange untern Soldaten als Feldscher gedienet und weiß wohl, wie man mit Soldaten muß umbgehen. Thun Sie mir zuviel, ich weiß: ich habe einen gnädigen König, der wird’s rechten. “
Darauf zog er gelindere Saiten auf und fragete: wie der Kerl hieß und wo er in Quartier läg?
„ Ich weiß nicht, sagte ich, doch habe ich im Ambt gehöret, daß er Otto heiße. “
Da waren Unteroffizierer, die sageten: daß er in Kalbe läg. – Da wurden gleich zwei kommandieret, die mußten ihn holen.
Als sie ihn gebracht und vor des Obristen Quartier vorbeigebracht haben, soll der Obrist zu ihm gesagt haben: „ Bistu der Vogel, welcher die Leute auf des Balbiers Befehl exequieret? “– „ Ich bin kein Vogel, Herr Obrist, sondern ein alter, ehrlicher Soldat und habe auch niemand exequieret. “– „ Bringet ihn auf die Hauptwache! Ich will dir wohl kriegen! “– Der arme Kerl saß vierzehen Tage auf der Hauptwache, ehe er einmal verhöret wurde.
Unterdessen hatte es die ganze Stadt erfahren und legeten die Sache so gefährlich aus, daß einem angst und bange wurd. Da waren wenig, die mir das nicht gönneten; „ Da, da! Das sehen wir gern! “
Und fürwahr, es war mir nicht wohl bei der Sache. Denn der Obrist trieb alles mit Gewalt, und hatte ich deswegen große Angst in meiner Seele. Ich rufte und betete aber zu GOtt, und der Herr erhörete mich und half auch aus der Not, daß ich nicht in ihre Löwenklauen kam!
Denn, da endlich ein Verhör angestellet und der Kerl drum befraget wurde: ab ihn der Barbier hingeschickt und zu solchem veranlasset? blieb er beständig dabei und sagte: nein, er wäre von selbst hingegangen und hätte niemand nichts gethan.
Darauf mußte ich auch kommen; und sagten mir: der Kerl hätte breit bekannt, daß ich ihm solches geheißen. – „ Otto, sagte ich, könnt ihr das mit gutem Gewissen sagen? “– „ Nein, sagte er, ich bin von selbst gegangen und habe niemand was gethan. “– Da schrie der eine Leutnant: „ Schlagt zu! “– Die zwei Unteroffizierer hoben die Stöcke auf und wollten loskeilen. Aber der andere Oberoffizier war verständiger und winkte mit der Hand; denn der Soldat movierete sich, daß ihm unrecht geschähe.
Damit war das Verhör und Sache zum Ende und kam der Soldat gleich los. – Der Herr Obrist aber kam selbst in Arrest und Ungnade.
NB. Das that GOtt; und konnte man augenscheinlich sehen, daß seine Hand mit im Spiel. Der Herr Obrist wollte nur fünfhundert Thaler von mir haben, hernach zweihundert, zuletzt ließ er bei meinem Schwiegersohn (welcher mich durchaus bereden wollen) nur mein Selbsterbieten suchen. Allein, ich gab ihm zur Antwort: wenn der Herr Obrist mir würde zu den fünfhundert Thalern helfen, wollte ich ihm fünfzig von geben! – Aber es ward nichts draus.
Nun wiedrum zum Ende und Absterben meiner Frau zu kommen. So ward dieselbige sehr elend, wiewohl ihr der Schwiegersohn und Tochter alles, was sie nur konnten, thaten. Ihre Beine brachen alle beide auf; und sie wurf stinkende Materie in großer Menge aus, daß niemand sonst bei ihr bleiben konnte, wiewohl sie ihre eigene Wartfrau stetig hatte.
Zuletzt (weiß ich nicht, worum sie das that) rufte mich zu sich. So schwach, als sie war, richtete sich auf, zog mich zu sich, umbfaßte mich so hart, daß ich nimmer von ihr vermeinet, daß sie so viel Kräfte hätte und sagte: „ Ach Mann, zu tausend guter Nacht; mein lieber Mann, vergieb! Habe ich was nicht recht gethan, ist mir’s leid von Herzen. Böse Leut haben mich dazu gebracht. Sollte ich nun noch leben, ich wollte es besser machen! Aber nun ist’s geschehen. Lasse es meinen Kindern nicht entgelten. “
Damit schickte sie sich zum Tode und verschied auch selbige Nacht.
Ich ließe sie ehrlich mit Kutschen begraben und gab ihrer Tochter zehen Thaler zur Trauer, wie auch dem Gesinde Trauer.
Ich mag wohl sagen, so sehr übele Zeit ich bei ihr hatte, so nahe ging mir doch ihr Absterben, daß ich viel Thränen über sie vergoß. Und wäre zu wünschen gewesen, wenn ich auch nun ein alter Mann: sie wäre in Friede
und Ruhe, wie sie wohl haben konnte, bei mir geblieben. Denn sie war sonst eine geschickte, kluge Frau und vortreffliche Köchin, daß sich die Barbierinnung allezeit freuete, wann sie bei mir sollten gespeiset werden, so selbiger Zeit, weil ich Obermeister war, gar oft geschahe.
Ich und meine Leute im Haus vermeineten, weil sie bei ihrem Leben keiner andern rein zu kommen gönnen wollen, sie würde spuken. Aber es hat sich, gottlob! nichtes gereget.
Nun räumete die Frau Schmidten vollends aus, was sie noch etwa gelassen hatte, und gab mir von altem Geräte und Betten, auch Besen, was sie wollte, von meiner Frauen und meiner Mägde in die dreiunddreißigjähriges Spinnen und Würken, was sie wollte! Denn meine Frau war zweiundsiebenzig und ein halbes Jahr, als sie starb, und hatte was sammlen können. Starb anno 1726 den 11. Augusti nachts umb ein viertel auf vier Uhr.
Ich war zweiundsechzig Jahr alt, als meine Frau gestorben, und hatte bei mir viel Überlegung: ob ich wieder heiraten wollte oder nicht; zumal, wann ich gedachte an meinen vorigen Ehestand, so ging mir die Graue an.
Auch fanden sich gute Freunde, so vermeinet, von diesem Braten auch ein gut Stück zu bekommen. Machten mir entsetzlich die Graue: nicht wieder in den Bauer zu kriechen, woraus ich einmal gekommen. Ich lebete und könnte leben in meiner größten Vergnüglichkeit, jedermann würde mich flattieren, lieben und zu Gebot stehen, wäre mein eigener Herr und könnte ruhig von meinem Intresse leben. Dahingegen, so ich ein ander Weib nähme, müßte ich gewarten, wie sie einschlüge. Stelleten sich vorhero
wie die Engel und frommen Seelen: wann sie aber ins Nest, wären sie ärger, als der Teufel und beissende Hunde, und gäben kein gut Wort von sich. Zudem wäre ich schon ein alter Mann und würde die wenige Wollust bald vergehen, und die Frau sich nach einem andern umbsehen, der frembden Samen würde in meinen Acker säen, frembde Eier in mein Nest und Erbe legen.
Nun waren das solche Dinge, so bei itzigen Zeiten gar oft und viel gänge und gebe.
Insonderheit warnete mich der Freund, ein vornehmer Mann: ich sollte mich wohl in acht nehmen, nicht wieder unter eine große Familie und Anhang zu heiraten, wo ich ja wollte heiraten! – So ich zwar oft selbst, aus meiner eigenen Erfahrung, andern geraten. Denn da ist nichts als Laufen, eine Schwester zur andern, zur Mutter, zum Vater, Vetter und Bruder; da ist immer Gevatterstehen, Hochzeitgehen, Spazierenfahren, Gastreien und das Kostgeld; zu geschweigen: der Klatsch und Drescherei und Verleitung zur Hoffart. Da hat die die Adrigäng, die hat die Spitzen, den Rock, das Kleid: „ Das muß ich auch haben! “– Die lebet so kommode, sie hat alle Tage zweimal ihren Thee oder Kaffee, ein gut Glas Wein und guten Kuchen oder Zwieback: „ Das muß ich auch haben! “– „ Wer wollte so leben? es bleibet alles in der Welt, Geld und Gut kombt alle Tage! “– das wären die tröstlichen Worte, welche eine der anderen zuspräche. „ Und sollte gleich nichts übrig bleiben, und der Mann oder Kinder an’n Bettelstab geraten, so muß es spazierengefahren und kommode gelebt sein! “
Und wissen nicht, daß der Teufel seine Werkstatt bei dieser Wollust hätte, solche Leute dadurch in Sicherheit aus einer Sünde in die andere und Gefahr ihrer Seelen satzte. Auch wann solche Leute einmal es gewohnet, sie nicht davon könnten gebracht werden. Wie man an dergleichen Weibern sähe, die das Almosen genössen; doch nicht davon ließen!
Am allermeisten hat mir das in der Seele gekränkt und am meisten zur Resolution gebracht, daß meiner Brüder Kinder (da es überhaupt nicht gut angewandt), auch meine Schwäger, sich bereits rühmeten: „ Das Haus ist mein, gewiß gnug! “– „ Meines Vettern Geld wird uns nicht entlaufen! “– „ Mein Lohn ist der Universalerbe! “– „ So viel tausend, tausend Thaler hat er! “– Und was dergleichen ungefangene Fische und nahrhafte Vögel mehr waren!
Alle wollten sie von mir haben. Aber keiner that mir was Gutes, sondern redeten noch wohl das Ärgeste von mir, oder hetzten andere Leute an.
Wann ich jemand gehabt, der sich meiner angenommen, oder ich mich zu ihnen halten können im Vertrauen – alle diese obigen, wahrhaftigen, so beschaffenen Vorbildungen derer itzigen Zustände hätten mich vom Heiraten ganz zurückgehalten.
Welches, nachgehends besser bedacht, der allerbeste Vorschlag, den ich mir selbsten machte (denn kein Mensch gab mir Rat, außer eigenem Interesse), war wohl dieser, dem hätte folgen sollen, nämlich: ich bekam eine Berufung nach’n Zerbster Hof; hätte folgen sollen: in Regard, daß ich durch mein bischen baares Vermögen mich mit Länderei ankaufen, eine profitable Heirat thun und bei Hof eine gute Bedienung haben können. So hätte ich vergnüget und in Ruhe leben mögen.
Denn ich wahrhaftig die elende Zeit und Drangsal in unserm Lande vorhergesehen und andern gesaget und lang zuvor gewarnet; aber, mich selbst nicht draus gezogen, wie ich wohl gekonnt; denn ich kein Kind und niemand hatte.
Meine vorige Frau hatte mich unter allen Leuten in der ganzen Stadt stinkend gemacht und so übel ausgeschrieen, daß, ich nimmer keine andere Frau bekommen sollte. Denn sie gönnete es keiner, ins Haus zu kommen, und hatte all ihr Dichten und Trachten drauf gerichtet, daß ich steinalt bei ihr werden, oder vor ihr sterben sollte. Dessenohngeachtet ließen sich doch viele antragen. Aber gemeiniglich hatte es einen Haken. Darunter eine war, so ein Hufeisen verloren, mir fünftausend Thaler zufreien wollte. Aber das wollte ich nicht thun und mich prostituieren. Ich gedachte mich also gar wohl in acht zu nehmen.
Aber wider alles vermuten war ich von einer einfältigen Manier gefangen. Der Frau Reinhardin, im „ Grünen Helm “, war ihr Mann verstorben, und sie in großer Schuld und Unrichtigkeit verlassen. Ich wurde ersuchet: ihr Kurator zu werden, welches ich auch that und ihr treulich beistund, ihre Sache dermaßen einrichtet und ordnete, daß es zu keinem Konkurs kam, wie’s die Herrn NB. Advokaten schon hatten eingefädet und sich drauf gespitzet, noch sie aus dem Gasthofe bringen konnten.
Dies erkannten alle Menschen, auch die Gerichte und Advokaten, welche mich lieber davongehabt. Die Frau erkannte dies auch und that mir viel Gutes, daß ich mehr bei ihr, als in meinem Hause, darin ich wenig Freude bei meiner Frauen Leben hatte.
Inzwischen stirbt gegenüber der Seilermeister Andres Müller, ein junger Mann, der verließ eine junge Witwe von fünfundzwanzig Jahren und einen Sohn von fünf Jahren, sie war Bäckermeister Reisen Tochter am Markt. Diese Witwe hatte viel Verdruß von ihres Mannes Mutter, bei welcher sie im Hause zur Miethe war. Als selbige siehet, daß ... [Der Handschrift fehlt mindestens ein Blatt!] ... eine öffentliche Abbitte und Ehrenerklärung thun und sechs Mark Strafe erlegen. Das war’s alles, und hatte der Prozeß ein Ende.
Weil er aber gedrohet und sich verschworen hatte: er wollte sie erstechen, so nahm ich sie noch vor der Hochzeit in mein Haus, war anno 1727, den 5. Junii. Ich machte alles auf meine Kosten zu einer köstlichen Mahlzeit bereit, bate viel vornehme Leute, auch das ganze Kirchen-Kollegium und Priester dazu, nahm kein Geschenke. Aber Pastor Schwentzel kam nicht.
Wir lebeten zwei Jahr miteinander, und wollte sich kein Erbe zeigen. Da war schon ein Lamentieren: wann sie keine Kinder hätte, würden meine Freunde ihr alles nehmen, daß ich gnug zu reden hatte.
Endlich, anno 1729, gab uns der liebe GOtt einen Sohn, den ließ ich Johann Carl Anton nennen. Aber Herr Magister Roth hatte ihn nur Johann Anton getaufet, weil er gesaget: es ginge mehr nicht an. Seine Pathen waren der Großvater Herr Carl Andres Reise, Herr Doktor Anton Christoph Reimers und die Frau Doktor Deutschbeinin. Ich nahm keine Geschenke an.
Nach zweien Jahren, als den 24. Julii 1731, bescherete uns GOtt wieder eine Tochter, welche in der heiligen Taufe genennet wurde: Johanna Magdalena. Ihre Pathen waren: die Frau Rathmann Dreißigen, die Frau Loßin und Herr Borchardt, der Kaufmann. Im Widder geborn.
Anno 1734, den 4. Augusti, gab mir GOtt wieder eine Tochter, welche in der heiligen Taufe den Namen empfing: Christiana Dorothea. Ihre Pathen sind Christiana Sophia, Herrn Stadtpräsident Schäffers Eheliebste, Herr Hofrath Doktor Michael Alberti, die Frau Pastor Struenseen. In der Wage geboren. (NB. Johann Anton ist geboren anno 1729, den 25. Augusti, im Zeichen der Jungfrau.)
Bei diesen actis habe ich auch observieret, daß es nicht ratsam sei, große und vornehme Gevattern zu bitten. Ob sie sich gleich anfanges gut stellen, so achten sie doch hernach weder der Kinder noch der Eltern, wann man, gleich wie ich, kein Gevatter - oder Pathengeld im geringsten genommen. Meine Frau wollt es nicht haben. Aber nun habe ich’s erfahren, daß’s nicht gut thut. Lieber seinesgleichen, geringe Leute genommen! Denn das heilige Werk thut ein jedweder gern, wann’s nichts kostet. Aber wo der Teufel den Geldmißbrauch dazu bringet, ist das heilige Werk jedem ein Widerwille.
Anno 1737 befände sich meine Frau abermals schwanger; war aber dabei sehr böse und eigensinnig, daß ein harter Zank unter uns entstanden.
Anno 1737 hat uns GOtt abermals eine Tochter gegeben, den 2. Aprilis, in Zeichen des Stiers, welche in der heiligen Taufe benennet worden: Tabea Friederika. Ihre Pathen sind gewesen: Paul Andreas Förster, Frau Maria Magdalena Pohlen und Jungfrau Johanna Elisabeth Reißin, nunc vero Frau Falkenbergin ...
Anno 1738 bin ich gestorben, meines Alters zweiundsiebenzig Jahr, zwei Monat.
Meister Johann Dietz hat seine Biographie nicht ganz allein für sich geschrieben. Er hatte einen lehrhaften Zweck im Auge und setzte an manche Stelle, die ihm beachtlich schien, weil sie eine Lebenserfahrung brachte, ein großes Nota bene! Vielleicht hat Dietz daran gedacht, seine Lebensgeschichte zu veröffentlichen und starb darüber weg.
Allerdings konnte das Manuskript, wie es vorliegt, damals schwerlich gedruckt werden. Denn es ist zu indiskret. Dietz hat mit viel zu großer Unbefangenheit über sich und seine lieben Mitbürger geschrieben; er hat viel zu viel Namen genannt: Advokaten, Geistliche und Herren vom Rat, und hat einzelnen eine Charakteristik mit auf den Weg gegeben, die – eben weil sie treffend war – seinerzeit verletzen mußte! Diese Namen heute zu streichen, ist nicht nötig. Generationen sind darüber hinweggegangen, wer über diese alten Hallenser Familien und über die Zustände der Stadt nähere Nachricht verlangt, findet sie bei Johann Christoph von Dreyhaupt in der „ Beschreibung des Saal-Creyses “(Halle 1755) und sei auch auf Gustav Frd. Hertzbergs „ Geschichte der Stadt Halle a. d. Saale “(Halle 1889 – 93) verwiesen.
Und wer etwa zufällig in Christian Reuters famoser Lügengeschichte, in: „ Schelmuffskys wahrhaftiger, curiöser und sehr gefährlicher Reisebeschreibung zu Wasser und Lande “nachblättern sollte, wird dort einen „ berühmten Feldscher “finden, „ welcher auch wacker wollte gereiset sein “. – Christian Reuter ist in Kütten, das dicht bei Halle, ungefähr nördlich von der Stadt gelegen ist, im gleichen Jahre wie Meister Dietz geboren. Als Reuter seinen Roman, zu dem ihm – wie bekannt – lebende Personen Modell gestanden, in den Jahren 1696 / 97 erscheinen ließ, war er über Halle und Leipzig mit keinem Schritt hinausgekommen. Ich will nun nicht sagen, daß Dietz jener berühmte und wacker gereiste Feldscher im Schelmuffsky sei. Denn auch andere Barbiere sind nach Handwerksbrauch gereist. Aber ich behaupte erst recht nicht: daß Dietz der im Schelmuffsky verewigte Barbier etwa nicht sei. Denn freilich ist er ein ganz klein wenig mehr in der Welt herumgekommen, als seine meisten Zunftkollegen.
Es ist ein Wagnis, die Autobiographie des Barbiers in die gefährliche Nähe von Reuters großartiger Lügendichtung zu rücken. Aber: Reuters Roman und Dietzens Lebensbeschreibung sind beide aus der gleichen bürgerlichen Sphäre geflossen, wenn Reuter auch mehr den Ton der Kneipe festgehalten, wenn Reuter auch die Wirklichkeit hinter satirischen Zutaten, hinter grotesken Übertreibungen mit seinen faustdicken Lügen versteckte. Der Chirurgus Dietz hat sich des langen Messers, das sein gleichaltriger Landsmann meisterlich zu handhaben verstand, nicht bedient. Akten und Urkunden sind vorhanden, um wichtige Abschnitte aus dem Leben des Barbiers einer genauen Nachprüfung zu unterziehen. Im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin finden sich die Verfügungen des Geheimen Rats, was die unteren Instanzen, die Dietz sehr häufig bemühte, verordneten, wird in den Archiven von Halle und Magdeburg zu suchen sein. Mir kam es nicht darauf an, die Akten auszuschöpfen.
Der Leser, der sich für die wirtschaftlichen Fragen jener Zeit interessiert, sei schließlich noch auf mein Buch – Ernst Consentius „ Alt-Berlin Anno 1740 “2. Auflage, Berlin 1911 – verwiesen; das ihn über die ökonomischen Zustände etwa im Todesjahre des Meister Dietz eingehender unterrichtet.
Die Handschrift, die ich ihrem ganzen Umfange nach zum Abdruck gebracht habe, kann nicht für die eigenhändige Niederschrift des Meister Dietz gelten, vielmehr handelt es sich um eine gleichzeitige Abschrift, der das Titelblatt fortgerissen ist. Dies Manuskript stellt einen schlechten Quartband von 173 beschriebenen Blättern dar. Der Schreiber hat manches sinnwidrig entstellt. Bei dem Zustande der Satzeinteilung, bei der mangelnden Interpungierung und bei der sehr willkürlichen Schreibung in sächsischem Dialekt würde ein diplomatischer, buchstabengetreuer Abdruck die Lesbarkeit erheblich erschwert haben. An mehr als einer Stelle ist der Sinn überhaupt nur durch Konjekturen zu erschließen. Doch möchte mit einer umständlichen Liste, wo ich in Einzelheiten von dem Originale abgewichen bin, der Mehrzahl der Leser wenig gedient sein. Wer daran ein Interesse nimmt, findet die Handschrift selbst auf der Königlichen Bibliothek zu Berlin, wo sie unter der Signatur: – Nic. 229. 4° – verwahrt wird.
Das Manuskript ist aus Friedrich Nicolais Besitz an die Königliche Bibliothek zu Berlin gekommen. Der ramponierte, zerstoßene, schmutzige Band trägt noch jetzt, auf der Innenseite des Deckels, das Exlibris des einstigen Besitzers: „ Friederici Nicolai et Amicorum “, und auf diesem Exlibris die alte Nicolaische Bibliotheksnummer: „ M. S.3 “.
Daß die äußerlich sehr unscheinbare, schlechte Handschrift bei Lessings Freunde Nicolai eine Unterkunft gefunden, hat sie aller Wahrscheinlichkeit nach vor dem Untergänge gerettet. Das ist ein artiger Zufall. Denn ein Freund der Literatur, die aus den Kreisen des Handwerks kommt, ist Nicolai niemals gewesen!
Ein Freund Nicolais, der dessen beträchtliche Bibliothek benutzte, wie es die liberale Bestimmung von Nicolais Bücherzeichen wünschte, hatte seinerzeit Freude an unserer Handschrift. Er schrieb sich ein paar Episoden ab und heftete seine Blätter an einen umfangreichen Folianten, der den Titel führt: „ Annales Berolino Marchici 965 – 1740 “. Auch diese Handschrift ist heute im Besitze der Königlichen Bibliothek zu Berlin: – Ms. boruss. fol. 29 –. Die letzten Seiten dieses dicken Manuskriptes bringen einen kurzen Auszug aus des Meister Johann Dietz’ Lebensbeschreibung mit der treffenden Überschrift: „ Zur Brandenburgischen Geschichte zu Ende des 17ten Seculi “.
Seite 14. Fütterinnungsmeister; die seit 1162 privilegierte Innung der Futterer oder Fütterer ist für Halle eigentümlich. Sie sollte ursprünglich dazu dienen, daß der Hofstaat des Erzbischofs genügend Hafer und Rauchfutter in Halle fände. Mit der Innung der Fütterer war das Zeilergewerk vereinigt.
S. 21 Humor = Feuchtigkeit. „ Die Medici und Physici pflegen bey dem Menschen vier Grund-Feuchtigkeiten, und daher rührende Temperamente zu zehlen, als die Sangvinische, Phlegmatische, Cholerische und Melancholische, Constitution und Complexion, also, daß zwar alle Menschen diese 4. Grund-Feuchtigkeiten bey sich haben, jeden noch eine von denselben zu prædominiren und vorzuwalten pflege. “
S. 24. „ Während der Lehrzeit muß der Lehrjunge die Aufwartung in dem Hause nicht nur seinem Meister und dessen Eheweib, sondern auch den Gesellen leisten. Bey zunfftmäßigen Handwercken wird ein Lehrjunge, wenn er seinen Geburts-Brief beygebracht, vor offener Lade aufgedungen, wobey er neben der Gebühr, gewöhnlich das halbe Lehrgeld erlegen muß wenn er ordentlich ausgelernet, und seine Lehrjahre gehörig ausgestanden, auch das übrige Lehrgeld bezahlet, wird er von seinem Meister vor offener Lade loßgesprochen, und so wird er ein Geselle, ist aber gemeiniglich gehalten bey seinem Meister noch eine Zeitlang in der Arbeit stehen zu bleiben, wenn ein Lehrjung aus der Lehr entlaufft, fragt sich ob er von neuen anfangen, oder allein die ermanglende Zeit nachdienen soll. Das letzte, als in Rechten und der Billigkeit gegründet, wird von den meisten angenommen, es wäre denn, daß bey dem Handwerck ein anderes beständig herkommen wäre. Wenn ein Junge losgesprochen wird, bekommt er einen Lehrbrief, als ein Zeugniß, daß er seine Lehrjahre richtig überstanden, ohne welches er zu dem Meisterrecht nicht mag gelassen werden. “
S. 24. Kofent = „ ein geringes, schwaches Bier, welches entstehet, indem man nach geschöpftem Biere, frisches Wasser auf die in dem Möschbottich befindlichen Träbern giesset; daher es auch Nachbier, Halbbier, Afterbier, Dünnbier, und weil manche Personen es gerne bey den Mahlzeiten trinken, Tischbier genannt wird. “
S. 25. Kapfloch = Kappfenster; ein Fenster, das aus einem schrägabfallenden Dache herausgebaut ist.
S. 28. Schlippe = „ der enge Raum, so in einigen Städten zwischen den Häusern gelassen wird, die Traufen und Gossen darein zu führen, und in Feuersgefahr bessere Gegenwehr thun zu können. “
S. 28. Berkan = von Kamel - oder Ziegenhaaren gewebtes Zeug.
S. 29. Schweinsfeder = „ Gewehr, so vormals die Mußketier geführt. Es bestehet aus einem etwa 5. Fuß langen runden Schafft, an beyden Enden mit Eisen zugespitzt, und in der Mitte mit einem Haaken, darauf bey dem Feurgeben die Mußkete geleget, sonst aber auch die Schweinsfedern gebrauchet werden, sich in Eil gegen den Einbruch der Reuterey zu bedecken. “
S. 34. Behäglich = angenehm, gefällig; ein behäglicher Mensch = einer, der mit allem zufrieden ist, der leicht befriedigt werden kann.
S. 36. Hame = „ ein etwas tieffes an einer Stangen befestigtes Netz, womit man meistentheils nur die bereits gefangene Fische aus dem Fischkasten ausfischet. “
S. 40. Hauptschlüssel = „ derjenige künstlich verfertigte und abgepaßte Schlüssel, der alle Zimmer im Hause schliesset. “
S. 42. Konfekt = „ was von Früchten, Gewächsen, Wurtzeln, Rinden u. d. g. mit Zucker überzogen, oder eingemachet, und in allerhand artigen, kunst-reichen Formen und Figuren bey vornehmen Gastereyen aufgetragen wird. “
S. 43. „ Das Ungarische Fieber hat gleich den anderen bösen Fiebern die Art, daß es hefftig, ansteckend, anhaltend, und noch dieses voraus, daß es mit unleidlichen Kopff - und Magen-Schmertzen begleitet ist. “ Confortantia = stärkende Arzneien; Alexipharmaca = Gegengifte.
S. 43. Marsch nach Ungarn, Belagerung Ofens. – Von den zahlreichen Schilderungen aus der Zeit selbst nenne ich:
Warhaffte, und ausführliche Beschreibung der hungarischen königlichen Haupt - und Residentz-Stadt Ofen ... Wie auch derselben von Ihr. Röm. Käys. Maj. Leopolds deß Ersten, unter Anführung dero General-Lieutenants Hertzogs von Lothringen Anno 1684. Belägerung ... Sambt einem auzführlichen Tage-Register, was bey dero zweyten Velägerung Anno 1686. unter hoch - ermeldten Hertzogs von Lothringen Commando merckwürdiges von Tag zu Tag vorgelauffen ... durch I. W. G. N. Franckfurt am Mäyn ... [ohne Jahr].
Diarium, oder: Kurtze und warhaffte Erzehl - und Beschreibung alles dessen, was sich bey der Beläger - und glücklicher emportir - und Eroberung ... der Haupt-Vestung Ofen täglich begeben und zugetragen ... Gedruckt im Jahr 1686.
Sieghaffte teutsche Waffen, oder außfürlicher Bericht von der mit vielen Blut überwundenen Stadt Ofen ... Nach den wienerischen Brieffen accourat zum Druck befodert. Praage im 1686. Jahre.
Ferner: K. W. v. Schöning, Des Generalfeldmarschalls Hans Adam v. Schöning auf Tamsel Leben und Kriegsthaten, Berlin 1837.
S. 48. „ Er gehet durch, wie ein Holländer, sagt man im gemeinen Leben von einer Person, welche schnell flüchtig wird, besonders von Soldaten; vermuthlich wegen der schlechten Neigung und Geschicklichkeit dieser Nation zum Landkriege. “
S. 48. Besser = weiter, besserhin = weiterhin.
S. 48. Baßgläser oder Paßgläser = „ eine Art hoher Trinkgläser, welche mit Reifen versehen sind, welche Reifen, so wie der zwischen zwei Reifen eingeschlossene Raum, ein Paß genannt werden. “
S. 49. Fourier = „ ein Unter-Officirer, welcher das Commis-Brodt empfänget, und selbiges austheilet. Er macht Quartier vor die Compagnie, theilt die Billete aus, und träget in den Garnisonen Sorge, daß jeder Bürger seinem Soldaten Bett, Dach und Gemach, Süß und Sauer, Feuer und Licht gebe. “
S. 50. Blockhäuser = „ höltzerne Batterien auf Rollen oder Schiffe geleget, daß man sie mit leichten Stücken besetzen, und entweder auff dem Wasser oder in den Contrescarpen und Contre-Approchen unversehens auffführen; und in des Feindes Arbeit spielen kan. “
S. 53. Neuhäusel an der Neutra, seit 1663 im Besitz der Türken, wurde am 19. Kugust 1685, nachdem es über einen Monat belagert war, von den Christen erstürmt und wiedererobert.
S. 53. Am 4. Juli (n. St.) 1686 traf die Hauptmacht der Brandenburger vor Ofen ein, und zwar jenseits der Stadt auf dem linken Donau-Ufer. Am 5. Juli gingen sie über die Schiffbrücke und nahmen ein Lager direkt vor Ofen.
S. 55. Die Wasser - oder Judenstadt, eine an der Donau gelegene Vorstadt von Ofen, war von den Türken ohne ernstlichen Widerstand geräumt worden und bereits seit dem 24. Juni 1686 im Besitz der Belagerer. Allerdings waren die Christen genötigt, später wiederholt ihre gewonnene Stellung gegen türkische Ausfalle aus dem höher gelegenen Ofen zu verteidigen.
S. 57. Eine ganze Kartaune schießt eine Kugel von 48 Pfund; ihr Kernschuß reicht 500 Schritt weit, wenn die Kartaune wagrecht liegt; im Bogen schießt sie viel weiter. Eine ganze Kartaune wiegt 70-80 Zentner. Zu einer dreiviertel Kartaune gehören eiserne Kugeln von 26 Pfund und zu einer halben Kartaune, die 50-60 Zentner wiegt, solche von 24 Pfund. Die ganzen und die dreiviertel Kartaunen werden zum Bresche schießen benutzt, nicht häufig in den Festungen selbst, weil sie zu sehr erschüttern.
S. 57. Der Konstabel bedient die Kanonen und hat die Kanoniere unter sich.
S. 57. Falkonet = ein langes und dünnes Geschütz; schießt eine Kugel von anderthalb Pfund.
S. 58. Vernageln = in das Zündloch einen starken Nagel schlagen und so das Stück unbrauchbar machen.
S. 59. Der spanische Ingenieur, Don Gonzales, traf am 15. Juli 1686 beim Belagerungsheer ein. Am 22. Juli flog ein türkisches Pulvermagazin in die Luft.
S. 59. Kessel = „ derjenige tieffe und verwahrete Ort, wohin die Feuer-Mörser gepflanzet werden. “
S. 62. Über den Tod der beiden Grafen Dohna vgl. Canitz’ „ Gedichte “(Leipzig u. Berlin 1727) 3. 178 ff. – Carl Emil Graf zu Dohna fiel beim Sturm am 4. Juli, sein jüngerer Bruder Dietrich am 17. Juli 1686.
S. 64. Ungrisch = „ kleine Scheide-Müntze in Ungarn, deren 150. einen Thaler ausmachen. “
S. 65. Sauerkraut gegen Fieber:
(Wilhelm Bornemann „ plattdeutsche Gedichte “– Berlin 1816 – II. S. 139.)
S. 66. Schwedische Auxiliar-Truppen trafen erst am 21. August 1686 im Lager ein. Der hier geschilderte Versuch der Türken, den Ring der Belagerungstruppen zu durchbrechen und frische Streitkräfte in die Festung zu werfen, wird vielleicht auf den 14. August zu verlegen sein.
S. 66. Aga = „ der Janitscharen General oder obrister Befehlshaber, von einer sehr grossen Gewalt, und hohem Ansehen. Es bemercket dieses Wort eigentlich einen Herrn oder Befehlshaber. “
S. 67. Mumia; Ärzte und Apotheker verwandten in zahlreichen Krankheitsfällen, sowohl innerlich als äußerlich, Mumie; besonders geschätzt war die Mumie, die von Missetätern, die frisch vom Galgen kamen, zubereitet wurde. „ Das ist die gerecht und trefftigest Mumia: der Leib deß Menschen, der nicht eins natürlichen Todes stirbt, sonder eines unnatürlichen Todes stirbt, mit gesunkenem Leib, und ohne Kranckheiten, vnd ehe ihme darzu wehe ist. “
S. 67. Tolpatschen, „ so Heisset die Infanterie oder die Fuß-Knechte der Hungarn. “
S. 75. Die Erstürmung Ofens geschah am 2. Sept. (n. St.) 1686.
S. 77. An der einen gefangenen Türkin nahm später August der Starke, König von Polen und Kurfürst von Sachsen, ein galantes Interesse. Ihren und seinen Sohn machte er zum Grafen Rutowsky und verheiratete dann die Türkin mit dem Obristleutnant von Spiegel.
S. 80. Grausames Spektakul; vgl. „ Erzählungen der Königin von Navarra “(Heptameron) 32. Geschichte; aus ihr nahm Friedrich Leopold Stalberg den Stoff zu seiner Ballade: „ Die Büßende “.
S. 93. Theophrastisches Siegel; vgl. Paracelsus „ Bücher und Schrifften “, Basel 1589-91, Appendix d. 10. Teils S. 67ff.
S. 94. Excellenz; diesen Titel beanspruchten anfangs die Kaiser für sich, später die Fürsten und endlich Gesandte. Im 17. Jahrhundert wurde der Titel Ministern und Generalen zugestanden. Aber auch Doktoren und Professoren nannten sich auf Grund ihres Diploms: viri excellentissimi. Sie sind die sogenannten „ Schul-Excellenzen “.
S. 95. „ Einem Zahlmeister schriebe man über seine Thüre: Date et dabitur vobis; Gebet so wird euch gegeben; denn wer bezahlt seyn wolte, musste ihm zuvor die Hände salben, oder vielmehr füllen. “
S. 104. Hospitium = „ Herberge und Ort, allwo jemand seine Stuben und Quartier hat. “
S. 105. Schmack-Schiff – „ Smak-Ship, ein Holländisch Fahr-Zeug, hinten und forne breit, welches auch auf beyden Seiten Schmerdter führet. Die grösten können 12. biß 16. die kleinesten aber 2. biß 4. Lasten laden. “
S. 113. Die jahrelangen Streitigkeiten zwischen den Königen von Dänemark und den Herzögen von Schleswig-Holstein schienen ein Ende zu nehmen, als Christian Albrecht – geb. 1641, gest. 1694 –, der seit 1659 Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorp war, sich 1667 mit einer Tochter des Dänenkönigs Friedlich III. verheiratete. Aber Friedlich III. starb bereits 1670 und sein Nachfolger, Christian V., verlangte wieder die unumschränkte Herrschaft in Schleswig-Holstein und betrachtete seinen Schwager, den Herzog, als seinen Lehnsmann. 1684 besetzte Dänemark den gottorpschen Anteil von Schleswig. Jedoch mußte sich Christian V. trotz militärischer Erfolge dem Willen des Altonaer Kongresses, auf dem auch Brandenburg vertreten war, fügen und im Vergleich von 1689 dem Herzog Christian Albrecht seine Länder und Rechte zurückgeben.
S. 117. Die Banse = ein Teil der Scheune; rechts und links van der Tenne heißt der Raum: die Banse, wo das Getreide in Garben aufgeschobert oder gebanset wird.
S. 118. In Oswaldi Crollii „ Basilica chymica “(Leipzig 1634) wird die Ansicht vorgetragen: „ venenum in natura ubi summum, ibi plerumque et medicinam latere. “
S. 119. Theriak – „ eine herrliche Artzney, und Schweißtreibend Mittel, wider allen Gifft, und gifftige ansteckende Kranckheiten; ist sonderlich gut wider gifftiger Thiere Bisse, Gehirn-Beschwerungen, Convulliones, Blehungen, Magen-Beschwerungen, und üble Dauung; äuser - und innerlich. “
S. 123. Fahrt mit den Walfischfängern. Zum vergleiche sei auf: Friderich Martens „ Spitzbergische oder Groenlandische Reise Beschreibung, gethan im Jahr 1671 “(Hamburg 1675) ver - wiesen, Auch Martens machte die Fahrt ins Eismeer als Schiffsarzt. Vergleiche ferner: C. G. Zorgdragers „ Alte und neue Grönländische Fischerei und Wallfischfang “(Leipzig 1723).
S. 123. „ Meister heißet auff den Schiffen der Barbier oder Wund-Artzt. “
S. 126. Kaue = ein hohles, meist enges Behältnis.
S. 130. Legenden vom Walfischfang: „ Der Indianer rudert mit seinem Schifflein auff des Walfisches Rücken, hernach springt er ihm geschwinde auff den Nacken, und schlägt ihm alsofort einen spitzigen Pflock in der Nasen-Löcher einem, scheust also mit dem Fisch zu Grunde, welcher sich greulich stellet, und gleichsam Unsinnig ist, der Indianer aber sitzet vest auff seinem Pferd, und schlägt ihm in das andere Nasenloch dergleichen Pfahl, dadurch wird dem Fisch der Athem genommen, springt hernach wieder in seinen Nacken, und läst das Seil weit genug schiessen biß der Walfisch vertobet und müde wird, zeucht ihn also sanffte ans Land, alda er wegen seiner Ungeschicklichkeit bald liegen bleibt, und todt geschlagen wird, hernach theilen sie ihn in Stücken. “– „ Die Samojeden fangen die Wallfische folgender gestalt. Es setzen sich ihrer 20. oder 24. in eine Nache, haben ein langes Seil, von zwey, oder drey hundert Klafftern, daran ein Hake. Den werffen sie mit sonderbahrer Geschicklichkeit, wann sie ihm nahe genug kommen seyn, in den Leib des Walfisches, und rudern darnach geschwinde zu dem Lande. Wann nun der Wallfisch fühlet, daß er verletzt ist, lässet er sich führen, folget dem Seil, welches die Leute, wann sie auffs Land kommen, mit Gewalt zu sich ziehen, und folget der Walfisch also gutwillig, biß er gar auffs truckene Land kampt. Wenn darnach die Flut des Meers abgelauffen, schlagen und schiessen sie ihn vollends zu tode und zerhacken ihn zu Stücken. Wann aber die Flut wieder anleufft, hefften sie das übrige theil mit Seilern an, daß es mit der Flut des Meers nicht kan hinweg fliessen. “
S. 133. Sperma Ceti „ ist ein gantz weisses, weiches, zartes und fettes Wesen, das gleichsam aus viel kleinen Schupen oder Scheiben bestehet, eines fetten und schleimichten Geschmacks und ölichten Geruchs ist. Vor diesem hielten es die meisten für den Saamen des Wallfisches, daher es auch Sperma Ceti genennet wurde, andere für die Milch des Wallfisches. Allein, diese Meinungen halten den Stich nicht, indem der Wallrath nichts anders, als das Gehirne von dem Wallfische. Hier aber ist zu mercken, daß diese Materie, oder der so genannte Wallrath, nur von dem männlichen Geschlechte der Wallfische herkommt, indem das Gehirn von den weiblichen Fischen zu flüßig, und zum Trahne und Brennöle tauglicher ist. – Das Wallrath führet viel Oel und ein wenig flüchtiges Saltz. Es zertheilet und lindert, auch wird es unter die Pomaden genommen, die Haut gelinde und glatt zu machen: ingleichen unter die Pflaster und Salben, die harten Brüste weich zu machen; ferner unter die Clystire wider die rothe Ruhr, und unter die Mutter-Clystire, zum Lindern und Erweichen. Bisweilen wird es auch eingegeben, und zwar von einem halben, bis auf zwey gantze Scrupel schwer, die Schärffe auf der Brust zu mildern: denn es eine gute Brust-Artzney ist. Das Wallrath hat eine sehr zeitheilende und dabey Schmertzstillende Krafft. Viele schreiben ihm auch eine geilmachende Eigenschafft zu, so daß man van den Franckfurtern schreibet, daß sie auch deßwegen den rohen Wallrath auf Brod, wie Butter essen sollen. “
S. 136. Fleisch von Eisbären: „ Ihr Fleisch ist weißlich und feist, wie Schaf-Fleisch, sein Geschmack aber wolt ich nicht versuchen, dann ich mich befürchte, frühzeitig grau zu werden, wie daß die Schiff-Leute davor halten, daß, wer davon isset, bald grau wird “– sagt Martens; vgl. oben.
S. 141. Waigat = Hinlopen Straße auf Spitzbergen. „ Diese Strasse wird der Waigat genennet, weil die Südwinde allda hefftig wehen. Dieses Waigat ist wohl zu unterscheiden von demjenigen bei Nowaja Semlja. “
S. 141. Revier = fahrbare Wasserstraße, Fjord.
S. 146. Silbersand; vgl. „ Ausführliche Beschreibung ... Grönlands ... durch S von V. “ (Nürnberg 1679) S. 74f.
S. 148. Füllmund = Grund oder Grundbau eines Gebäudes, einer Mauer usw.
S. 149. Rekel = eingesalzene, getrocknete lange Streifen, die aus der Haut und dem Fett einer Art Schollen geschnitten sind.
S. 151. Schout by Nacht = auf Kriegsschiffen der Contre-Admiral. Schout = obrigkeitliche Person in den niederländischen Städten.
S. 152. Jean Barth (1651 – 1702), der Sohn eines Fischers aus Dünkirchen, war ein gefürchteter Korsarenführer und stieg in französischen Diensten bis zum Admiral auf.
S. 153. Besanmast = bei Dreimastern der hinterste Mast.
S. 159. Mittel gegen Seekrankheit: „ Die besten Mittel vor diese Kranckheit achte ich starcke Gewürtz im Munde gekauet, dergleichen seynd Cimmet, Neglein, Galgant, Ingber, Muskatnuß und dergleichen, viele meinen die Kranckheit mit Fasten zu vertreiben, welches doch vergebens. Etliche trincken See-Wasser, meynen davon sich zu brechen, welches doch nicht das See-Wasser macht, sondern der Widerwillen. “
S. 165. Der Schiemann hat die Aufsicht über die Pumpen.
S. 165. Strundt = Kot, Dreck jederlei Art.
S. 186. Kornett = „ Ober-Officirer zu Pferd, welcher die Standarte einer Compagnie führet. “
S. 192. Texera’s ansehnliches Hamburger Haus lag am Jungfernstieg.
S. 199. Dietzens Bruder; vermutlich Gottfried Dietz, der unterm Obristen Hans Heinrich v. Katte, und zwar in der Kompagnie des Rittmeisters de Castelnau, zwölf Jahre als Reiter gedient hatte. Auf sein Verlangen erhielt er am 18. Januar 1709 in Maastricht seinen Abschied. später diente Gottfried Dietz beim Korps Gens d’Armes einundsechzig Monate als Gemeiner unterm Obrist-Wachtmeister Joachim Friedrich von Jeetze, der ihm die erbetene Dimission, da er schwachheits - und krankheitshalber zu ferneren Kriegsdiensten untüchtig war, im Quartier Zielenzig am 15. April 1724 erteilte. Der alte Mann wurde in die Maison de Charité in Berlin aufgenommen. – Nach des Barbiers Tode suchte Gottfried Dietz einen sehr aussichtslosen Prozeß gegen die Witwe seines Bruders wegen seines väterlichen und mütterlichen Erbteiles, sowie wegen eines Vermächtnisses, das ihm angeblich im Testament des Johann Dietz ausgesetzt sein sollte, anzustrengen. (Königl. Geh. Staatsarchiv z. Berlin K. 52, 159 j.)
S. 200. Näherrecht = Vorkaufsrecht.
S. 200. Herzog Christian d. Ältere (geb. 1615, gest. 1691), ein Sohn des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen, wurde 1653 Administrator des Hochstifts Merseburg. Nach dem Tode seines Vaters (1656) erhielt er außer Merseburg die Niederlausitz, sowie die Städte und Ämter Delitzsch, Zörbig, Bitterfeld, Dobrilugk und Finsterwalde. Er war der Stifter der Linie Sachsen-Merseburg, die 1738 erlosch, von seinen elf Kindern überlebten ihn vier, darunter sein Sohn Herzog Christian der Jüngere (geb. 1653, gest. 1694). Christian d. Jüngere hatte sieben Kinder, von denen ihn nur zwei überlebten. Am Hofe Christians d. J. hielt sich Dietz auf.
S. 203. Romaine „ seynd allerhand verliebte Geschichte und Erzehlungen derer Götter, Helden, hohen Standes - auch anderer Personen mit allerhand heimlichen und wundernswürdigen Liebes-Intriguen angefüllet, entweder ertichtet, oder wahrhafftig, übersetzet oder selbst ausgefertiget, worinnen das Frauenzimmer zu ihrer Gemüths Ergötzung und Auspolirung der recht reinen und Hochteutschen Sprache zu lesen pfleget. Man findet deren von unzehliger Menge, die neuesten sind des Herrn von Lohensteins, des von Ziegler, der Madm. Scudery, Talanders, Menantes u. a. m. “
S. 208. Theophrastisches Prinzip; vgl. Paracessus › Bücher und Schrifften ‹, Basel 1589-91 z. B. 5. Teil S. 142: „ Der ganz Leib, das ist, all Cörper der Welt, so je und je gsein sind, und biß an den leisten werden, seind in drey ding gesetzt, Sal, Mercurium und Sulphur ... “
S. 215. Zum Herrn-Meister des Johanniterordens in Sonnenburg wurde am 22. Februar 1693 Karl Philipp, Markgraf zu Brandenburg (geb. 1673, gest. 1695 in Turin) gewählt. Karl Philipp stammte, wie die Markgrafen Albrecht und Christian Ludwig, aus der zweiten Ehe des Großen Kurfürsten mit der Herzogin Dorothea von Holstein-Glücksburg. Über Karl Philipps fernere Schicksale vgl. Julius Friedländer „ Markgraf Karl Philipp v. Brandenburg u. die Gräfin Salmour “(Berlin 1881).
S. 242. Milchpulver; Grana tilli oder grana tiglia = höllische Feigen, purgieren oben und unten und werden von den Ärzten wegen ihrer starken Wirkung selten verschrieben. – Das Versehen des unerfahrenen Apothekerjungen ist bei der üblichen, abkürzenden Schreibung der Rezepte zu verstehen. Denn granum bedeutet das kleinste medizinische Gewicht und heißt auch dasselbe wie: semen = ein Samenkorn. – Der Samen des Lindenbaumes (semen tiliae) für sich allein, hatte wohl nicht die gewünschte Wirkung, doch hielt man dafür, daß Lindenblüten, in Milch gesotten und getrunken, den Säugenden die Milch vermehren.
S. 247. Königin von Portugal; Maria Anna von Österreich (geb. 1683, gest. 1754), Tochter Kaiser Leopolds I., wurde mit Johann V. von Portugal, dem rex fidelissimus (reg, 1706 bis 1750), vermählt und traf 1708 in Lissabon ein.
S. 251. Dietz hatte dem Kaufmann Georg Andreas Nebelthau in der Ostermesse 1720 gegen einen Wechsel, den Nebelthau und Frau „ in solidum “ausgestellt hatten, 500 Taler vorgestreckt. Aber Nebelthau zahlte zur Michaelismesse 1720 nicht, wie er sollte. Am 15. Januar 1721 brachte Dietz deshalb einen Arrest in Höhe dieser 500 Taler auf des Kaufmanns Hab und Gut aus. – Nebelthaus Schulden betrugen damals 13 747 Tl. 14 Gr. 3 Pf., denen an Aktiven höchstens 8420 Tl. gegenüberstanden. (Königl. Geh. Staatsarchiv z. Berlin R. 52, 144a.)
S. 252. Teetrinken – Wassersucht; der gelehrte Arzt Janus Abraham a Gehema vertrat z. B. die Ansicht, daß das Teegetränk die Wassersucht nicht verursache, sie vielmehr vertreibe.
S. 254. Blindes Schloß = Schloß ohne Klinke, das nur mit dem Schlüssel geöffnet werden kann.
S. 256. „ Wer einen Schatz findet auf seinem Boden, behält ihn nach gemeinen Rechten vor sich allein. Findet er ihn auf eines andern Boden zufälliger Weise, so theilet er ihn mit dem Eigenthümer; hat er aber darnach gesuchet, so hat er nichts daran zu fordern, als was der Eigenthümer ihm vor seine Mühe geben will. “
S. 260. Gehorsam = „ leidliches Gefängniß, wodurch die Widerspenstigen zum Gehorsam gebracht werden. “
S. 260. Angeloben = Urfehde schwören, d. h. eidlich versprechen, sich wegen des erlittenen Gefängnisses nicht zu rächen.
S. 263. Schweden 1706 in Sachsen; von Polen her, wo er Stanislaus Lesczinski zum Könige hatte wählen lassen (1704), war Karl XII. weiter nach Kursachsen eingefallen und hatte das Land besetzt. Im Frieden zu Altranstädt (1706) mußte August d. Starke auf die polnische Krone verzichten. Das schwedische Heer nahm in Sachsen Quartier.
S. 266. Muthung; „ heisset bey dem Handwerck um Erlangung des Meisterrechts Ansuchung thun, wobey ein gewisser Muth-Groschen erleget wird. Die Muthung geschiehet ein oder mehr mahle, nachdem es bey dem Handwerck hergebracht. “– „ Wenn einer Meister werden will, so muß er zuforderst seine Geburts - und Lehrbriefe beybringen, und die erforderte Wanderjahre vollbracht haben, wenn dieses richtig, so thut er die Muthung. Alsdenn macht er sein Meisterstück, mit gewissen Umständen, die nach Beschaffenheit der Handwercke nicht einerley sind, und wenn er damit bestanden, wird er als ein Meister aufgenommen und erkannt, daß er befugt ist Gesellen zu fördern, und Lehrjungen aufzudingen. Hiebey müssen gewisse Mahlzeiten und Zechen gegeben werden, so daß die Kosten bey solchen Fällen ziemlich hoch lauffen, sonderlich wenn einer auf eine freye Hand Meister wird, da er alles, was so wohl vor die Meisterschafft, in die Amts-Lade, als nach dem Herkommen, in den Gotteskasten, oder sonst zu milden Sachen verordnet, völlig erlegen muß: dahingegen einer, der auf die Meisterin muthet, d. i. durch Heyrath mit eines Meisters Wlttben zur Meisterschaft gelangen will, in ein und anderem einen Nachlaß zu geniessen hat. “
S. 273. „ Service vor die Soldaten bestehet in Saltz und Sauer, Holtz und Licht, Tach und Fach. “
S. 276. Lerchenfang; Magister Laukhard sagt: „ Tag und Nacht auf den Strich ging, Mädchen wie Lerchen fing und ihnen die Taille verdarb “.
S. 283. Die Regierung, das Konsistorium usw. wurden nach Magdeburg verlegt, als Magdeburg 1714 an Stelle von Halle zur Landeshauptstadt erklärt wurde. Das war natürlich ein Verlust für Halle. Aber zu Beginn der Regierung Friedrich Wilhelms I. sah sich Halle überdies gezwungen, infolge seiner schlechten Finanzwirtschaft – die nicht allein von Kriegskontributionen aus der Wallensteinschen Zeit herrührte – den Bankrott zu erklären. Dadurch wurden zahlreiche Gläubiger der Stadt sehr schwer getroffen und der Geschäftsverkehr stark beschränkt.
S. 289. Zacharias Schmartz war zugleich Frei-Meister bei den Barbieren.
S. 292. Kadett = der jüngste unter den Brüdern.
S. 294. Amt als Syndikus für 1000 Taler erlangt. Unter der Regierung Friedrich Wilhelms I. fand zum Vorteil der Rekrutenkasse, aus der besonders die „ langen Kerle “angeschafft wurden, ein regelrechter Verkauf der städtischen Ämter an den Meistbietenden statt. Auf die Fähigkeiten des Bewerbers wurde nicht immer das entscheidende Gewicht gelegt; die Höhe der Zahlung gab wiederholt den Ausschlag. Syndikus in Halle wurde 1727 Friedrich August Tentzel.
S. 311. Johann Anton, des Meisters Dietz einziger Sohn, starb als Candidatus juris mit 22 Jahren am 13. Dezember 1750. (Totenregister der St. Moritz-Kirche zu Halle).
Trauregister der Kirche St. Laurentii auf Neumarkt in Halle. Vom Jahre 1660, Monat November:
„ Den 20. seind copulirt worden Meister Hans Dietz, Bürger von Oschitz, Bürger vnd Seiler in Stad Halle, vnd Jungfer Magdalena, Meister Martin Nitzschens, Bürgers vnd Seilers alhier eheleibliche Tochter. Ihnen seind zu Kirchen und Strassen gefolget: Richter Caspar Heise, Richter Guntzel,*)Guntzel Kühne; vgl. „ Neumarktisches Jubelzeugniß “1747 S. 95. Paul Dietz, Hanß Bühr, und andere Nachbarn mehr. Die Hochzeit war in Moritz Hennigers newerbauwetem Hause gegen den Rahtskeller über. “
Taufregister der St. Moritz-Kirche zu Halle. Vom Jahre 1665:
„ Die 3. Advent Woche. Mittewoche, den 20. Decembris, hat Meister Hanß Tietze, ein Seyler, einen Sohn Johannis täufen laßen; die Pathen seind Meister Lorents Wilde, ein Seyler, Frau Maria, Meister Martin Nietzschen Seylers Weib, Meister Zacharias Ließkau, ein Becker. “
Totenregister der Kirche St. Laurent “auf Neumarkt in Halle. Vom Jahre 1680:
„ Den 18. Januarii, Sonntag 2. post Epiph. Meister Martin Nietzschen, Seiler, ætatis 69. Jahr; iteratus conjux 42. Jahr. “
[Berlin, 26. Nooembei 1693] Johann Dietz bittet beim Geheimen Rat um den Titel eines Hofbarbiers und um die Konzession, seinen Beruf als Barbier in Halle ausüben zu dürfen. Eigenhändig. Original. Kgl. Geh. Staatzarchiv zu Berlin R. 52, 76.
„ Durchläuchtigster Großmächtigster Churfürst, Gnädigster Herr;
Ew. Churfürstl. Durchl. gebe Ich in unterthänigsten Gehorsam zu vernehmen, Waßmasen ich schon vor 12 Jahren, die Barbier Kunst in Halle erlernet, und Zeithero die Kunst der chyurgiæ so wol bey Ihro König!. Majest. zu Dennemarcken unter der Militz, bey dem Herrn Staaten von Hollandt, und den auch bey Ihro Churfl. Durchl. zu Brandenburg bey der Ungerischen Feldt - Artillerie und Leib - Guardte zu Fuß, umb mercklich excoliret, Also daß ich nächst Gott dem Vatterlandt könte schuldigen nutzen, mit meiner profesion leisten; Wann dann Gnädigster Churfürst und Herr, Ich insonderheit gerne meinen lieben Eltern in Halle, in ihrenn hohen Alter assisentz thun wolte und alda daß Bürgerrecht zu erlangen entschloßen, Ich aber sehe, welcher maßen, die aldortigen Barbierer eine geschloßene Zahl, und ohne eine vacante Stelle sie Niemandt ein nehmen wollen, Ohne erachtet, die Statt Halle anitzo, durch die vonn Ew. Churfl. Durchl. zum höchsten Ruhm, undt Geteyen der Stat, angelegete Universitæt, populœser wirdt, undt sich also mehr Barbierer, undt gute Wundtärtzte daselbst erhalten können, Alß gelanget mein Untertänigstes Flehen, und Geborsambstes Bitten, an Ewer Churfl. Durchl. Sie geruhen Gnädigst mich alß ein Landes Kindt, mit Dero Gnade an zu sehenn, u. damit ich nach außgestandenen Examine, gleich anderen, meine wol erlernete profession meinen lieben Eltern zum Trost, den Vatterland zu Nutzen, ungehintert daselbst treiben möge, ohne maßgeben nur den Tit: alß Hoff-Barbier, wie hiebevor bey anderen professionen, alß Apotheckern, Zimmerleuten, undt Schustern etc., schon eingeführet, Gnädigst bey zu legen. Zweyfele nicht Gnädigster Erhörung, Undt werde vor solche Hoch Churfl. Gnade mit hohen Danck und Unterthänigster Treye ersterben.
Ew. Churfl. Durchl. Unterthänigster und Gehorsambster Knächt Johann Dietz m. p. Stud. chyrurgiæ. “
[Berlin, Dezember 1693] Johann Dietz überreicht dem Geheimen Rat seine Zeugnisse und bittet nochmals um die Konzession: als Hofbarbier in Halle sein Handwerk als ein Glied der Barbier-Innung treiben zu dürfen. Eigenhändig. Original a. a. O.
„ ... Ew. Churfürstl. Durchl, haben auff Untertänigstes eingereichtes Suplicatum, von 26. Nov. belangent die Begnadigung eines Hoff-Barbier Tituls in Halle Gnädigst decrediret, dem Beweiß und Capacität Meiner, in chirurgischen Wißenschafften vor erst bey zu bringen. Wann dann Gnädigster Churfürst undt Herr, auß diesem bey liegenden Attestata und recommendationes der berühmbten Doct. undt Chyrurgis alhier in Berlin, sambt andern nicht gemeinen Curen hohen Beweiß, auch denen 4 guten Feldscheer Abschieden solches gnungsam erhellet, ohne daß ich mit Sr. Fürstl. Hoheit, Printz Carlis, auch Hertzog Christians von Merseburgs (alß an welchen Höffen ich mich eine Zeitlang auffgehalten) Hoffstatt, meine qualitat mehres beweisen könnte. Der Herr von Canitz, Herr von der Lühe, Hr. Rath Cannengießer, und viele andere, bey welchen ich gute Curen verrichtet, könnens auch bezeugen, Über diß muß ich mich nach, in Halle gewöhnlichen Examine, nach embfangener Gnade unter werffen. Alß gelanget noch mahlen an Ew. Churfl. Durchl. mein Unterthänigstes Bitten und flehen, Sie geruhen Gnädigst mich mit solchen Praedioat und Hoff-Barbier Tituls in Halle zu begnadigen, Damit ich nicht wieder in die Frembde verstossen werden möge, sondern meine wol erlernete Profession alda ungehintert in Barbieres Junfft treibenn und gleich andern Jungen zu lernen, Gesellen zu fördernn. Ich werde mich alßdenn bey Ew. Churfl. Durchl. Auffwartung in Halle fleißig halten, und sambt meinen lieben Eltern Ew. Churfl. Durchl. von Gott ein langes Leben und glückl. Regirung bitten und vor solche Hoch Churfl. Gnade ersterben ...
Johann Dietz m. p. Stud. Chirurg. “
Cölln a. d. Spree, 19. / 29. Dezember 1693. Erstens: Johann Dietzens Bestallung als Hofbarbier in Halle. – Zweitens: Reskript des Geheimen Rats an die Magdeburgische Regierung zu Halle, ihn bei seinem Patente zu schützen. – Beide Entwürfe zusammen unterschrieben von Eberhard Freiherrn v. Danckelmann. A. a. O.
„ Demnach Sr. Chfl. Dchl. zu Brandenburg, Unserm Gnädigsten Herrn Johan Dietzens gute wißenschafft und erfahrenheit in der Chirurgie unterthanigst angerühmet, solches auch von ihm durch vielbeglaubte Attestataund gute Curen, so wol in Auswertigen alß Dero eigenen Diensten, alß Feldtscheer, mit mehrem dargethan und bestättiget worden; Alß haben Höchstgedachte Se. C. D. denselben trafst dieses zu Dero Hoff-Balbier zu Halle Gnädigst angenommen und bestellet.
Also und dergestalt, daß er bey Deroselben anwesenheit zu Halle alß Hoff-Balbier mit auffwarten, was ihm desfals, gleich andern Hoff-Balbierern zu thun, oblieget oder auffgegeben wirdt, treulich und fleißig verrichten, sich zu solchem ende daselbst bürgerlich niederlaßen, in die dortige Balbier-Innung mit aufgenommen werden, und alle derselben gerechtigkeiten, alß, jungen zu lehren, gesellen zu fördern, gleich denen andern Balbierern, mit zu genießen und im übrigen vor einen Churfürstlichen Hoff-Balbier gehalten und tractiret werden solle.
Wornach sich Männiglich gehorsambst zu achten und absonderlich Dero Regierung zu Halle den Impetranten bey diesem Gnädigsten Patent gebührendt zu schützen. Urkündtlich etc.
Cölln etc. d. 19 / 29 Dec: 1693. “ „ Friederich der III. Churfürst etc.
Wir haben auff unterthänigstes anhalten Johan Dietzens, wegen seiner sonderbahren capacität in der Chirurgie, denselben zu Unserm Hoff-Balbier in Halle vermittelst eines Gnädigsten Patents, so er euch vorzeigen wirdt, bestellet. Wiewohl Wir Unß nun nicht versehen, daß dem Impetranten von der dortigen Balbier-Zunfft, wegen deßen einnehmung noch sonsten einige schwürigkeit werde gemacht werden, So haben Wir euch doch allenfals hiemit Gnädigst anbefehlen wollen, dieselbe in Zeiten abzulehnen, zumahlen Wir Unß an die vorige Innungs-Zahl anjtzo, da die Universität daselbst auffgerichtet und die stadt mehr peupliret, so genau nicht binden können. Dem examini, welchem er sich, so wie gebräuchlich, gerne unterwirfft, können der dortige stadt - wie auch Landt - Pysicus mit beywohnen, damit er seine capacität desto beßer zeigen könne. Seindt etc. Geben Cölln etc. d. 19 / 29 Dec: 1693. “
Oranienburg, 14. / 24. März 1694. Reskript des Geheimen Rats an die Magdeburgische Regierung:
Johann Dietz soll Hofbarbier in Halle sein und den Rang eines solchen genießen, seine Aufnahme in die Barbier-Innung aber nur praestitis praestandis geschehen, ohne daß er jedoch vom Barbiergewerk übervorteilt werde. Entwurf unterschrieben von Paul v. Fuchs. A. a. O.
Cölln a. d. Spree, 2. / 12. April 1694. Ersten “: Reskript des Geheimen Rats an die Magdeburgische Regierung: weil aus dem Bericht des Magistrats zu Halle zu ersehen, daß sich die Barbier-Innung sehr ungebührlich betragen habe, der Hofbarbier Dietz aber bei dem abgehaltenen Examen gar wohl bestanden, darüber ein rühmliches Zeugnis erhalten und sich also zur Ausübung seiner Kunst genügend legitimiert, so ist dem Barbier-Gewerk anzudeuten, daß es den Dietz zum Mitmeister annimmt und wegen Ankaufs einer ledigen Barbierstube (oder dergleichen beschwerlicher Verpflichtungen) nicht weiter in ihn dringt, und zwar mit der Verwarnung, daß die Privilegien der Innung, falls sie sich ungehorsam bezeige, aufgehoben werden sollen. –
Zweitens: Reskript des Geheimen Rats an den Magistrat zu Halle, dem Abschrift des Reskriptes vom 2. / 12. Kpril 1694 an die Regierung mitgeteilt und weiter (in Erledigung des Berichtes des Magistrats vom 23. Februar 1694) eröffnet wird, daß an dieser Verordnung bei dem Ungehorsam des Barbier-Gewerks mit aller Schärfe und Nachdruck werde festgehalten werden. – Beide Entwürfe zusammen unterschrieben von Paul v. Fuch “. A. a. O.
Cölln a. d. Spree, 14. / 24. Novemb. 1694. Reskript des Geheimen Rats an die Magdeburgische Regierung:
Dietzens Privileg als Hofbarbier kann nur für ein privilegium personale gelten und nicht über sein Leben hinaus ausgedehnt werden. Wie es jedoch hinsichtlich seiner Witwe nach seinem Tode zu halten sei, darüber soll die Magdeburgische Regierung ihren gutachtlichen Bericht einsenden. Entwurf unterschrieben von Paul v. Fuchs. A. a. O.
Trauregister der St. Moritz-Kirche zu Halle. Vom Jahre 1694:
„ Dominica 24. post Trinit. Herr Johann Dietz, Churfürstl. Brandenb. Hoff-Barbirer, und Frau Elisabeth, Herrn Augusti Watzlauens, vornehmen Bürgers und Barbirers alhier, seligen, nachgelassene Witbe.
Testes: Herr Wortthalter de Wedig sponsi paris
Copuliret in dieser Kirchen den 3. Decembris hora 9. matut. “
Trauregister der St. Moritz-Kirche zu Halle. vom Jahre 1700;
„ Fer. III. Pascha. Herr Johann Gabriel Schmiedt, Bürger und Chirurgus alhier, und Jungfrau Rosina Elisabeth, Herrn Augusti Watzlaus, gewesenen Bürgers und Chirurgi alhier, seeligen, hinterlassene eheleibliche Tochter.
Testes: Herr Acht-Mann Dietz und Deßen Filius, Chirurgus.
Copuliret in dieser Kirchen den 29. Aprilis zu Mittage umb 12. Uhr. “
Lehnin, 30. April 1709.
Reskript des Geheimen Rats an die Magdeburgische Regierung: auf die Beschwerde der Barbierer, daß Dietz gegen ihre Artikel die Obermeisterstelle für sich beanspruche, das Nötige zu verfügen und mit Nachdruck dahin zu sehen, daß Dietz seinen Freibrief nicht mißbrauche und mehr, als ihm zukomme, prätendiere. Entwurf unterzeichnet von M. L. von Printzen. Königliches Geheimes Staatsarchiv zu Berlin. R. 52, 159 k.
Goltzow, 13. Sept. 1709. Reskript des Geheimen Rats an die Magdeburgische Regierung:
auf die weitere Beschwerde der Barbierer über Dietz, „ wegen affectirter Obergewercksstelle “, sollen Supplikanten ohne Wettläufigkeit nach Inhalt der Verordnung vom 30. April a. c. durch Verfügung klaglos gestellt werden. Entwurf unterzeichnet von M. L. von Printzen. A. a. O.
Trauregister der St. Moritz-Kirche zu Halle. Vom Jahre 1709:
„ Dominica 18. post Trinit. Fest. Michaelis Meister Johann Pohle, Bürger und Seiler alhier, und Jungfrau Anna Catharina, Herrn Johann Dietzens, Eines Hochedlen und Hochweisen Raths alhier, wie auch Fütter-Innungs-Meisters und wohlverordnet gewesenen Acht-Mannes bey dieser St. Moritz-Kirche, hinterlaßene eheleibliche jüngste Tochter.
Testes: Herr Dietz, Chirurgus. Meister Chr. Kellner.
Copuliret in dieser Kirchen den 14. Octobris zu Mittage um 11. Uhr. “
Halle, 13. Dezember 1709. Bericht der Magdeburgischen Regierung an den Geheimen Rat wegen der Streitigkeiten der Barbier-Innung und des Dietz um die Obermeisterstelle. Abschrift. Königliches Geheimes Staatsarchiv zu Berlin R. 52, 159 k.
„ ... Alß anfänglich Johann Diez sich [unterm 30. Januar 1707] bey der hiesigen Regierung über die Gewerken der Barbierer beschweret, daß sie ihm ... nicht die Ober-Meisterstelle conferiren wolten ... mit Bitte dieser Innung zu befehlen, bey Abgang eines Obergewerkens ihm nicht vorbey zu gehen, sondern weil ihn die Ordnung träffe ihn zum Obergewerken zu bestellen ... So haben Wir die gebetene Verordnung an die Barbier-Innung zwar ergehen laßen, es hat aber dieselbe ... einen andern, Nahmens Schwender, zum Obergewerken erwehlet, darüber Johann Diez ... Klage geführet, und nebst einem Cassirungs Befehl, einen termin ausgewürket, vor welchen die Barbierer ... hauptsächlich dieses mit vorgestellet, daß es in dieser sache nicht auf die Succession sondern auf die election ankähme und daß sie nicht schuldig wären, dergleichen Leuthe, so aus Gnaden ein Privilegium erhalten, zu Obergewerken zu erwehlen. Als nun endlich nach vielen hin und wiederschreiben, und auf die von Diezen eingegebene Ungehorsams Beschuldigung erkandt worden:
Daß ... die Barbierer durch Bestellung eines Syndici sich ad acta zu legitimiren, und auff anderweit vorgehende Ladung auf die ... Imploration sub poena oonfessi et oonvicti sich einzu laßen, auch weil sie solches in diesem termino nicht gethan, die dadurch verursachte Unkosten ... Imploranten zu erstatten schuldig.
So haben zwar die Barbierer dawieder Leuterung eingewandt, es ist aber dieselbe 2. mahl rejiciret und auf Diezens Ansuchen ein anderweitiger termin angesezet worden, da dann darauf die Barbierer sich inzwischen einer ... Appelation an ... Dero Tribunal angemaßet, da wir dann ... am 19. Nov. 1707, daß voriges Decret nur ein interlocut und auf die Einlaßung erkandt worden, ... berichtet. Es haben aber die Barbierer ... gar keine processus insinuiret, dahero dann auf Diezens Ungehorsams Beschuldigung ... solche appellation gestalten Sachen nach pro non devoluta erklähret und die Barbierer in die expensas retardati processus condemniret worden.
Darauff hat Dieze einen anderweitigen termin, die Barbierer aber restitutionem gesuchet, worüber zwar ein termin angesezet, es ist aber solcher, auf der Barbierer Ansuchen, in ein Verfahren verwandelt worden, deßen terminos sie aber nicht abgewarttet, dahero dann Diez sie Ungehorsams beschuldiget, und einen termin ad publi cationem Decreti ausgebracht, darinn dann erkandt worden:
... es ... hätte die gesuchte restitutio in integrum nicht statt, es wären auch Beklagte dem Kläger die expensas retardati processus ... zu erstatten schuldig. Nach Eröffnung dieses Abschiedes hat Diez anderweits gebeten, einen termin zu der denen Barbierern sofort per Decretum zuerkandten Einlaßung anzusezen, welches auch geschehen; und hat die Regierung nachdem die Parteien mit 2. abgewechselten Schrifften ihre Notturfft verhandelt, folgendergestalt verabschiedet:
Daß Implorant ... aniezo, da ihn die Ordnung getroffen, zum Obergewerke zu bestellen, und ihm niemand vorzuziehen, Imploraten ihm auch ... alle ... Unkosten ... zu erstatten schuldig.
Wieder diesen Abschied haben zwar die Barbierer Leuterung eingewandt, welche auch angenommen, und darüber eine Veranlaßung zum Verfahren und auswertigen Erkäntnis gemachet worden, es hat aber die Facultät zu Jena ... den ieztangezogenen Abschied pure confirmiret ...
Als die Barbierer wieder dieses Urthel querelam nullitatis angestellet eventualiter auch davon an ... Dero Ober Appeilations Gerichte appelliret, und darüber ein gewöhnliches Verfahren veranlaßet worden, mit der condition, daß die Barbierer nach Anweisung der Neuen Processordnung die in solchen Fällen übliche ... 50 Thlr. in casum succumbentiæ erlegen solten; so haben sie solche 50 Thlr. nicht entrichtet, sondern ihnen selbige zu erlaßen, und dabey wegen ihrer eventualiter erhobenen appellation zu berichten, gebeten. Dahingegen Diez dieselbe Ungehorsams beschuldiget, und um publication eines Decreti gebeten, wozu ein termin angesezet, und in demselben erkandt worden:
Daß das ergriffene remedium nullitatis pro non interposito zuachten, ... auch Imploraten die expensas dieser Instanz ... zu erstatten schuldig.
Ob nun wohl die Barbierer wieder diesen Abschied das remedium leuterationis ergriffen, so haben wir doch solche Leuterung wegen Mangel erheblicher gravaminum rejiciren müßen, endlich aber, da die Barbierer derselben ferner inhæriret, auch allenfalls super admissibilitate appellationis erkennen zu laßen gebeten, einen terminum inrotulationis angesezet. Es haben aber die Barbierer sich inzwischen an E. Königl. Mayt. gewendet und ein ... Rescript de dato den 30. April. 1709 erhalten, darinn E. Königl. Mayt .... befohlen:
Dieserhalb so fort die Notturfft zu verfügen, und insonderheit mit Nachdruk dahin zu sehen, daß ermelter Diez seines Freybriefes sich nicht mißbrauchen, noch ein mehrers als ihm zu kähme prætendiren müste.
Wie nun endlich nach verschiedenen an beyden Seiten geschehenen Vorstellungen die Acta nach Erffurth zum rechtlichen Außspruch verschiket worden, so hat die dortige Facultät darinn folgender maßen gesprochen:
Daß die formalia leuterationis zu recht beständig seyn, Merita anbelangend, aus denen Actis so viel erhellet, daß es einwendens ungehindert bey dem am 23 Mart. c. a. befindlichen Abschiede nochmals verbleibe.
Es haben zwar die Barbierer von diesem Urthel ... an ... Dero Tribunal anderweits ... appelliret und umb Apostolos gebeten, weil aber die Erffurtische Facultät in denen angeführten rationibus decidendi solche für unzuläßig erkandt, wir auch selbige rationes in denen Acten und Rechten gegründet befinden, so haben mir die gebetenen Apostolos zu ertheilen, billig Bedenken tragen müßen, dahero wir an deren Stelle den Verlauff der Sache und des Processes ... hierdurch vorzustellen nötig gefunden ... “
Halle, 3. Januar 1710. Memorial der Barbier-Innung an den Geheimen Rat, der gebeten wird, während des noch anhängigen Prozesses wegen der Obermeisterstelle den Innungsartikeln, die sich auf die Wahl des Obergewerken beziehen, eine von der Innung gewünschte Deklaration zu geben und damit den Prozeß niederzuschlagen. Abschrift. A. a. O.
Cölln a. d. Spree, 24. Januar 1710. Reskript des Geheimen Rats an die Magdeburgische Regierung: sie solle, wegen der von der Innung verlangten Deklaration der Artikel, über die eigentliche Beschaffenheit der Sache berichten und ihr unmaßgebliches Gutachten einsenden. Entwurf unterschrieben von M. L. von Printzen. A. a. O.
Halle, 17. März 1710. Die Magdeburgische Regierung berichtet an den Geheimen Rat entsprechend dem Reskripte vom 24. Januar a. c.; nimmt Bezug auf Dietzens Bestallung als Hofbarbier vom 19. / 29. Dezemb, 1693, auf ihren eigenen Bericht in der Sache vom 13. Dezember 1709, sowie auf das Memorial der Barbier-Innung vom 3. Januar 1710 und gibt ihre Gutachten ab. – Dieser Bericht wurde von der Barbier-Innung mit einem Memorial vom 10. Mai 1710 an den Geheimen Rat eingereicht und kam erst am 10. Juli 1710 dort zur Vorlage. – Original. A. a. O.
„ ... Ew. Königl. Maytt. haben Diezen zum Frey-Gewerken Allergnädigst angenommen, und ihm alle der Barbierinnung zustehende Freyheiten Allergnädigst verstattet, die Barbier-Gewerke aber vermeinen, daß ... solche Gerechtigkeit auf die Obergewerkschafft nicht zu extendiren. Wie nun Ew. Königl Maytt. so wohl gemelten Diezens als der Barbierer Privilegia interpretiren wollen, solches müßen Dero Allergnädigstem Guthfinden wir unsers Orts lediglich unterwerffen ... “
Halle, 22. April 1710. Memorial an den Geheimen Rat von Johann Dietz, der bittet, die Barbierer mit ihrer gesuchten Deklaration der Innungsartikel abzuweisen und an die Magdeburgische Regierung zu reskribieren, ihn bei seinen Rechten zu schützen. Unterschrift von Dietz. Original. A. a. O.
„ ... Euer Königl. Majestæt haben mich wegen treu geleisteter Feldtschers Dienste Anno 1693 zu Dero Hoff-Barbier in Halle und da die Vniuersitæt auffgerichtet worden allergnädigst angenommen, und Krafft Dero Königl. Allergnädigsten Patenten, und ernstlichen Rescripta mir alle der hiesigen Barbierer Rechte und Gerechtigkeiten allergnädigst geschencket. Wannhero ich nunmehr in die 16 Jahre von denen hiesigen Barbierern nach ausgestandenen Examine vor ihren Mitgewircken auff und angenommen und incorporiret, auch mir gerichtlich versprochen, all derer Innungs Recht und Gewohnheit wiederfahren zu laßen. Nachdem aber nach und nach der Barbierer Ober-Meister abgestorben, und endlich solche Stelle per successionem durch Uhralter Obseruanz vermöge deßen alle vorigen Hoff-Barbier, ohne daß sie Examina ausgestanden, Ober-Meister gewesen, an mich gekommen, die Barbierer aber aus puren Haß und Neidt, welchen sie gegen alle diejenigen haben, so von Ew. Königl. Majestät sonderbahre Priuilegien erhalten, mir solche Ehren-Stelle, und dero Nutzungen, wieder die Magdeb. Policey Cap: 26 § 13 ihre eigene Ordnungs Articulos 55 § 4. und alle Rechte nicht gönnen wollen, sondern mir zum Dort, und allen Priuilegirten zum Præjutiz einen nach mir folgenden Gewircken, wieder Dero Magdeburgische Regierungs vorher gethanen inhibition, mir vorgezogen, und zum Ober-Meister gemacht. Dannenhero ich nach Inhalt ob angezogenen allergnädigsten Priuigiorum und Reseriptorum wegen solcher Neurung und Unbilligkeit um Hülffe und Schutz angesuchet, die Barbierer aber aus ferneren Trotz und Renitentz, welches zwar Ew. Königl. Majestät ihnen Anno 1694 durch ein Allergnädigstes Rescript bey Verlust ihrer Priuilegiorum und Bestraffung ihrer Person ernstl. untersaget und verbothen, dennoch ohnerachtet es ihnen in geringsten nichts verschlagen kan, solches mir nicht wiederfahren laßen, sondern mich in einen langwierigen und kostbahren Process, zu welchen ich ihnen selbst beizutragen gezwungen, verwickelt, welchen ich aber binnen 4 Jahren durch Gottes und Ew. Maj. Gnade und Rechte, durch zwey Urtel und alle instantien der Rechte optiniret und die Barbierer ihrer vorsätzlichen Malitz halber in die Unkosten des Processes contentiret [condemniret]. Entlich da sie an Ew. Königl. Majestæt höchste Appellations Gerichte allerunterthänigst appellation eingewandt, ist solche, nach Abstattung eines Pflichtmäßigen Berichts, unter den 18 Febr. a. c. gäntzlich abgeschlagen, hingegen an Dero Magdeburg Regierung allergnädigst befohlen worden, in der Sache denen Rechten gemäß wieder die Barbierer [zu erkennen. Aber die Barbierer haben] nicht acquisseiren, sondern mich wieder in Unkosten und Schaden setzen wollen, maßen sie und ihr verschlagener Aduocat, daß sie kein ferneres Remedium suspensivum gewust, unter der Hand bey. Ew. Königl. Maj. nun allerirst, da ich Ius ex iudicatis quæsitum durch lange Zeit und große Kosten erlanget, um declaration ihrer Innungs Articul, welche allerdinges klar, und in die Obseruanz gebracht, auch der Magdeburgischen Policey conform, allerunterthänigste Ansuchung gethan, und noch thun, maßen sie dadurch nichtes anders als mehrere Weitläufftig - und Gefährligkeit nicht allein vor mich, sondern auch vor alle andere, so von Ew. Königl. Majestæt priuilegiret werden, intentiren, und Dero Macht und Gnade umschrencken wollen. Zumahlen sie die Barbierer selbsten Ew. Majestät in etlichen Stücken eingreiffen, und neue Barbier Gerechtigkeiten, und Ober-Meister, wieder Ihro confimirte Ordnung machen, wie sie wollen.
Wiewohl ich nun nicht zweiffle, es werden Ew. Majestæt mich Dero einmal allergnädigst ertheilten Priuilegiorum, auch Dero ausgeführten Rechten Dero Magdeb. Policey kräfftig genießen laßen, weiln ich mich deßen in keine Wege verlustig gemacht, sondern allemal wie ich ersterbe als Dero Allerunterthänigster und gehorsamster Unterthan und Diener mit Auffbauung unterschiedener Wüsten Plätze, Häuser, und sonsten zu Ew. Majestæt hohen Respect und Intresse auffgeführet, auch in diesen Process durch 4 geschworne Zeugen überhaupt bewiesen worden, daß mir sothane Ober-Meister-Stelle und alle dero Gerechtigkeiten von Gott und denen Rechten zukommt, und gar nichts neues suche, weil es die vorigen Hoff-Barbier gehabt, es auch denen Barbierern nichts verschlägt, ob sie mich oder einen andern darzu gebrauchen; So habe doch allenfalls durch diese Allerunterthänigste Vorstellung meiner Gegener böse Intention in Zeiten ablehnen wollen, Allerunterthänigst und gehorsambst bittend, Ew. Königliche Majestät geruhen der Barbierer ungeziemtes Gesuch einer allergnädigsten Declaration gäntzlich zurück, an Dero Magdeburgische Regierung zu weisen und hingegen Dieselbe fernermit allergnädigst zu rescribiren, daß sie dem von mir erlangten jure ex indicatis quæsito und sonst gehörigen Nachdruck geben sollen, der ich ersterbe ...
Halle d. 22 April 1710 Dct: Mühlmann Allerunterthänigster und gehorsamster Johan Dietz. “
Halle, 10. Mai 1710. Memorial der Barbier-Innung, die den Bericht der Magdeburgischen Regierung vom 17. März 1710 dem Geheimen Rat einreicht und nochmals um Deklaration ihrer Artikel bittet. – Kam im Geheimen Rat erst am 10. Juli 1710 zur Vorlage. – Original. A. a. O.
Charlottenburg, 1. Juli 1710. Resolution des Geheimen Rats auf Dietzenz Supplikat vom 22. April 1710, daß das Gewerk mit seinem Gesuche abgewiesen und auf die ergangenen gerichtlichen Erkenntnisse verwiesen werden soll. Entwurf unterschrieben von Ilgen. A. a. O.
Landsberg, 27. Juli 1710. Reskript des Geheimen Rats an die Magdeburgische Regierung. Unter Bezugnahme auf deren Relation vom 17. März a. c. wird entschieden: daß die Barbier-Innung schuldig ist, den Dietz als Hofbarbier „ zu allen und jeden denen Klägern selbst zukommenden beneficiis, und fölglich zu der Obergewerckenstelle zu admittieren “; es wird weiter befohlen: den Dietz bei der Obermeisterstelle gebührend zu schützen und die Innung mit ihrem unbefugten Suchen gänzlich abzuweisen. Entwurf unterschrieben von M. L. von Printzen. A. a. O.
Berlin, 12. März 1714. Konfirmation von Dietzens Patent als Hofbarbier in Halle. Abschrift von Dietzens Hand. A. a. O.
„ Wir Friederich Wilhelm von Gottes Gnaden König in Preußen ec. ec. ec. Thun kundt und bekennen hiermit als Hertzog zu Magdeburg ec. Nachdem Uns beym Antritt Unserer Landes Regierung Unser Lieber Getreuer Johann Dietz, Hoff Barbier und itziger Ober Meister der Barbier Inung zu Halle, umb allergnädigste Confirmation, der von Unsers in Gott ruhenden Herrn Vaters, König Friederichs Mayest. Christseeligsten Andenckens unterm 19 / 29ten Decembr. Anno 1693 erhaltenen Hoff-Barbiersstelle daselbst, und darüber ertheileten Allergnädigsten Patents allerunterthänigst angelanget und gebethen, Und wir dann in Consideration seiner guten Wissenschafft und erfahrenheit in der Chirurgie auch daß er mit vielen Kosten eine Barbier Stube etabliret und über zwantzig Jahr seine Profession daselbst exerciret, solcher seiner allergehorsambsten und demüthigsten Bitte in gnaden Deferiret undt statt gegeben, Alß Confirmiren und Vestättigen wir Ihm, Johann Dietzen, sothane erlangte Hoff-Barbier Stelle und Gerechtigkeit der angelegten Barbier Stube zu Halle, also und dergestalt daß Er bey Unserer anwesenheit daselbst, als Unser Hoff-Barbier mit auffwarten was Ihm deßfals gleich andern Unsern Hoff-Barbieren zu thun oblieget, oder auffgegeben wirdt treulich und fleißig verrichten, seine Barbierstube ferner Continuiren und halten auch in dortige Barbier-Inung bestandig verbleiben und alle derselbigen Gerechtigkeiten gleich denen vorigen Hoff - und andern Barbieren ungehindert genießen und in übrigen vor Unsern Hoffbarbir gehalten und tractiret werden solle. Aus habender Macht von Obrigkeit und Landes Herrschafft wegen, Krafft dieses Unsern offenen Brieffes allermaßen Wie vor stehet, wir und Unsere Nachkomen Könige in Preußen, als Hertzoge zu Magdeburg ec. wollen Ihm auch dabey jeder Zeit allergnädigst schützen, handhaben und erhalten, Gestalt Wir dann Unserer Regierung zu Halle solches an Unserer statt gleichfalls Zu thun, und dem Impetranten wieder den Inhalt dieses Unsers allergnädigsten Patents weder von denen Barbieren noch sonsten Jemanden nicht beeinträchtigen zu laßen, hiermit allergnädigst und zu gleich ernstlich anbefehlen. Uhrkundlich unter Unserer Eigenhändigen Unterschrift und Anhangenden Lehn Siegel. Gegeben zu Berlin den 12 Martij Anno 1714 (L. S.) Fr. Wilhelm. “
Totenregister der St. Moritz-Kirche zu Halle. Vom Jahre 1720:
„ Mittwoche den 11. Decembris hora 3. ist Herrn Johann Dietzens Rath-Manns und Acht-Manns hiesiger St. Moritz Kirche auch Fütter-Innungs-Meisters hinterlassene Witbe Magdalena, welche den 8. hujus frühe um 1. Uhr gestorben, mit der gantzen Schule, unsern 3. Herren, Geläuthe, so gratis, gantzem Geläuthe zur L. Frauen und 1. Pulß zu St. Ulrich begraben; ætatis 80½ Jahr und 11. Tage. “
Das Totenregister für die Jahre 1673 – 1719 ist nicht mehr vorhanden. Der Fütterinnungsmeister Johann Dietz, der Vater des Barbiers Dietz, starb nach Angabe von Dreryhaupt (Beschreibung des Saalkreises) schon im Jahre 1707.
Halle, 25. September 1722. Dietz bittet beim Geheimen Rat, seine Hofbarbierstube dem Feldscher Johann Michel Steppin zu konferieren. Eigenhändig. Original königliches Geheimes Staatsarchiv zu Berlin R. 52; 159k.
„ ... trage ich ... vor ... daß ich nun mehro unter Dero Adlers Fliegeln 29 Jahr mein Leben bürgerl. und ehrlich in Halle ... zu gebracht und alt geworden, also daß ich wegen vieler außgestandenen travaillien, Kräncklichkeit, und Schwachheit meiner Glieder und blöden Augen bey der Profession nicht mehr wohl fort kommen kann; Dahero Ruhe begührig, mit Ew. Königl. Mayest .... Consentz, willens bin, diese mir ... verliehene Barbir-Stube, und Gerechtigkeit (weil solche ein mal von mir mit großen Kosten angeleget und in Kundtschafft gebracht worden) einen anderen geschickten Subjecto, nehmlich einen hiesigen Bürgers Sohne, und Feldtscheer Johann Michel Steppin zu über geben, alles in der qualität wie ich solches, seindt hero als ein contribuirender ordinär Bürger, bey der hiesigen Barbier Innung mit incorporiret gebraucht und genoßen ... Damit Er selbige in meinem Hauße, welches ohne dem eine uhralte Barbier Stube gewesen, continuire und ich hierunter im Alter etwas unterstützet würde. Ich zweifele darum an aller gnädigster Erhörung nicht, weil dieses Feldtschers Vatter, der alte Steppin hiebevor sein Hauß in der Halle, zu Ew. Königl. Majestät bequemlichen Saltz-Nahrung, willig abgetreten; Dabey ihm verheisen worden, sein und seiner Kinder bey Ew. Königl. Majestät in besten zu gedencken, undt ich ersterbe dafür ... “
Berlin, 14. Oktober 1722. Reskript des Geheimen Rats an die Magdeburgische Regierung, die über Dietz’ Gesuch vom 25. September a. c. gutachtlich berichten soll. Entwurf unterzeichnet von M. L. von Printzen. A. a. O.
Halle, 4. Mai 1726. Supplikat von Dietz an das Kriegs -, Hof - und Kriminal-Gericht, daß die gegen ihn angestrengte Untersuchung niedergeschlagen werde, wofür er sich erbietet, dreißig Taler zur Strafkasse zu zahlen. Original. Königliches Geheimes Staatsarchiv zu Berlin R. 52, 159 k. 1. a.
„ ... Auff inständiges Anhalten eines Armen weyland in Gera wohnhafft gewesenen Barbiers nahmens Gardthoffs nachgelaßnen Witwe umb Ausstellung eines Lehr Briefes vor ihren allhir bey seinem Stieff Bruder Nahmens Philippi in der Lehre gestandenen Sohn, habe ich als Mit-OberMeister bey der Barbier Gewerckschafft, nachdem vorhero der Frauen Begehren bey dem Convent überlegt, also zu willfahren Ihnn angerathen, welcher Meinung ich nebst einigen und andern beständig gewesen, als wodurch des armen Barbiers Sohn (deren Kinder ohnedem das beneficium haben, daß sie ohne Auffdingen können loßgesprochen werden) Wohlfarth befördert werden sollen. Welchen aber einige von denn andern und Jüngern Gewercken ad nocendum et contradicendum begierige contraire gewesen; Ich aber dennoch vor dieser Witwen Sohn einen unter meines kürtzlich verstorbnen Mit-OberMeisters Wernerohdens Nahmen auff Pergament gedruckten Lehr-Brieff, weiln wir offters wohl ehe einer vor den andern unterschrieben indem wir in einer Function standen, und das unter meiner Hand befundne und verwahrte alte Barbiers Siegel auffgedrücket, nicht weniger eine Copey von diesen Lehr Briefs auff Pappier, welches schon vormahls mit dem neuen Innungs Siegel bedrückt gewesen, unter guter Absicht, schrieb und aus fertigte und der Barbiers Witwe vor ihren Sohn damit selbiger ehrlich fortkommen möchte, gegen offerirte und erlegte 6. Rthlr. zustellte, solches Geldt auch gleich anderer meiner bey dem Ober-Meister Ambte gehabten Einnahme und was vormahls von des Gewerckens Stecheysens Lehrlinge bekommen, biß zu der mir abzunehmenden Berechnung eingetragen. Nun hätte ich mir dieses unschuldigen Beginnens halber so wenig einer Anfechtung besorget als ich mit guten Gewißen bezeugen kann, daß ich dabey keine andre Absicht gehabt als einen armen Menschen zu seiner Wohlfahrt beförderlich zu seyn, zugleich mich von dem kümmerl. Anlauffen der Witwe loß zu machen. Alleine da ich mich ohnlängstens resolviret meine Barbier Stube, mit Ew. Königlichen Majestät Allergnädigsten Consens und davor allerunterthänigst offerirten 50. Rthlr. zu Dero Rekruten Casse an einem der sich aus Sachsen anhero mit seinen Vermögen wendet, abzutredten, auch meine Ober Meister Stelle auffzugeben, und einem neuen contribuierenden Bürger Platz zu machen; So haben die Barbierer und eben deßhalb nach meiner Beängstigung sehr begierige Feinde mehrgenandten Gardthoffen und seinen Lehr Herrn Philippi an sich gezogen, daß Sie den von mir erhaltenen Lehr Brieff ihnn wieder extradiren, und dargegen Sie Ihm versprochen, einen mit der gantzen Innung Consens verfertigten zu geben, beredet; Nächstwelchem Sie eine höchst animose und verkleinerliche Denunciation bey hiesigen Magistratwieder mich zu übergeben, ob ich gleich des faoti gar nicht abredig und ihnn gestanden, daß ich hierunter einen Fehler begangen und des Wernerohdens Nahmen wie obgemeldet unterschrieben hätte, und also mit einer Geldtfreßenden und höchstschimpfflichen Inquisition mich zu ruiniren betrohet. Wann nun aber bey allem dem was geschehen ich gar nicht dolosegehandelt; sondern vielmehr aus Übereilung etwas gethan was meiner Simplicitaet zuzuschreiben; Als ersuche Ew. Königl. Mayestaet ich allerunterthänigst meinen Feinden Allergerechtsten Einhalt zu thun und an den Stadt Magistrat allhir
Daß Sie die wieder mich erhabne Untersuchung auffheben und cassiren sollen,
Allergnädigst zu rescribiren. Ich bin erböthig pro abolitione zu Ew. Königlichen Mayestaet Straff Casse nach meinen armen Vermögen Dreyßig Rthlr. zu erlegen. Dafür ersterbe ich ... “
Berlin, 8. Mai 1726. Reskript des Kriminal-Gerichts an den Magistrat zu Halle, der über Dietzens Gesuch vom 4. Mai a. c. pflichtmäßig mit Übersendung der Inquisitions-Akten berichten und mit der Inquisition einhalten soll, da sich Dietz freiwillig der Strafe unterwirft. Entwurf unterzeichnet von Christoph von Katsch. A. a. O.
Berlin, 16. Juni 1726. Bericht des Kriminal-Kollegs an den Minister Christoph von Katsch über die gegen Dietz verhandelte Inquisitions-Sache und Gutachten wegen der eventuell festzusetzenden Höhe der Strafgelder pro abolitione. Original. Unterzeichnet von Johann Philipp u. Pulian, Balthasar Conrad zum Broich, Johann Friedrich Weitzel, Johann Kaspar v. Berger, Albrecht Friedrich Hynitzsch, Karl Ludwig Krug v. Nidda, Karl v. Rodenberg, Friedrich Beurhaus, George Ulrich, Christian Ludwig v. Bär. A a. O.
Dietz sei geständig: „ vor 5. bis 6. Jahren des Barbierer Stecheysen Lehrjungen, Nahmens Christian Meisseln, auch im vorigen Jahre, einen Nahmens Johann Carl Garthoff, wieder den außdrücklichen Innungs Schluß, falsche Lehr Brieffe außgefertiget “zu haben; und zwar sei bei dem zweiten Lehrbriefe, der auf einen anderen Jungen gelautet, dessen Name von Dietz durchgehend ausradiert und dafür Garthoffs Name gesetzt und fälschlich auch des verstorbenen Obermeisters Name von Dietz darunter gesetzt worden. Das Geld für beide Lehrbriefe habe Dietz der Innung nicht berechnet.
Da Dietz geständig sei, scheine eine weitere Inquisition unnötig zu sein.
„ So viel dann hiernechst die Sache selbsten betrifft, Denunciatus das von Ihm begangene falsum, und daß Er die vor denen außgefertigten Lehr Brieffen erhobene Gel - der bißhero unterschlagen, zulänglich nicht zu entschuldigen vermag, und deßhalb, seinem, von dem Magistrat zu Halle ... auf einige Tausend Thlr., angegebenen Vermögen nach, weilen es res pessimi exempli, mit Nachdruck wohl angesehen werden mag, damit dergleichen falsa künfftig nach bleiben, und die von denen Innungen außgefertigte richtige Lehr Brieffe, bey außwärtigen Innungen nicht decrediret werden mögen,
Daß dannenhero diese Sache gegen Zweyhundert Thlr. welche der Denunciatus Johann Diez zur General-Straff Casse zu erlegen schuldig, wohl aufgehoben und aboliret werden könne, jedoch wäre Denunciatus dabey zugleich dahin anzuhalten, daß Er der Innung die für Christian Meissels Lehr Briefs empfangene 11. Thlr. heraus, die für Joh. Carl Garthoffs falschen Lehr Briefs empfangene 6. Thlr. aber diesem zurückgeben, der Obermeister Stelle künfftig sich enthalten, und nicht weniger die aufgegangene Untersuchungs Kosten bezahlen müße. Von Rechts wegen ... “
Berlin, 24. Juni 1726. Dekret für Dietz, der sich innerhalb acht Tagen erklären solle, ob er 200 Taler zur Strafkasse zahlen, die für die falschen Lehr-Briefe empfangenen Gelder zurückgeben und die Untersuchungskosten erstatten wolle, alsdann solle er abolitionem haben. Entwurf unterzeichnet von Christoph von Katsch. A. a. O.
Halle, 6. Juli 1726. Dietz erklärt sich dem Kriegs -, Hof - und Kriminal-Gericht gegenüber bereit, die ihm auferlegte Strafe von 200 Talern zu zahlen. Original. A. a. O.
„ ... erbiethe mich die zweyhundert Thaler zu zahlen, mit allerunterthänigster Bitte ... an den hiesigen Magistrat reskribiren zu laßen,
Daß ich vollkommen restituirt, an meinem guten Leimuth von Niemanden gekränckt und in meine Ehren Ämpter wieder eingesetzt seyn solle, besonders aber meiner Oberältsten OberMeister Stelle mich wieder solle zu erfreuen haben, biß ich bey der Barbier Innunge meine Rechnung in Beysein eines Deputirten aus den Magistrat den mir dazu erbitten will, abgelegt und justificirt habe.
Es wird sich dann zeigen ... daß die eingehobne 6. Rthlr. von dem Garthoffen, als auch das übrige vor des Meissels Lehr Brieffe empfangene Geld bereitst in der Barbier Innungs Lade verwahrt liegen, zum theil aber in Rechnung vor die Innung verwandt sind, Worauff ich alsdenn solches Ober Meister Ampt selbst aufgeben werde. Und da mit denn Inquisitions Acten hier Niemanden gedienet, als daß mich meine Feinde in beständiger Unruhe dadurch erhalten können, als lebe der ... Zuversicht, daß Solche Ew. Königl. Mayestät ... in dasigem Archiv reponiren zu laßen geruhen werden. Der ich ersterbe ... “
Berlin, 16. Juli 1726. Reskript des Kriegs -, Hof - und Kriminal-Gerichts an den Magistrat zu Halle, daß die gegen Dietz angestellte Inquisition aufgehoben sein soll, wenn er Quittung vorweist, daß von ihm 200 Taler zur General-Straf-Kasse gezahlt. Entwurf unterzeichnet von Christoph von Katsch. A. a. O.
„ ... Es muß aber derselbe zugleich seinem Erbiethen gemäß nachweisen, daß hie ... vor die Lehr-Brieffe eingehobene Gelder entweder bereits der Lade berechnet seyn, oder ... deren Mangel so fort baar ersetzen, und kan derselbe alsdann bey seinem Ober Meister Amt so lange bleiben, biß er die Rechnung vor einigen Magistrats Deputirten abgeleget. Wann aber dieses geschehen ... soll und muß er sein Ober Meister Amt niederlegen, doch soll ihm dieserhalb kein Vorwurff geschehen, noch es seinem sonst habenden guthen Leymuth nachtheilig seyn ... “
„ NB. Die zu dieser Sache gehörige acta ... sollen alhier bey der Geh. Registratur bleiben, und nicht remittiret werden. “
Totenregister der St. Moritz-Kirche zu Halle. Vom Jahre 1726:
„ Eodem die [Dienstags den 13. Augusti] ist Frau Elisabeth, Herrn Johann Dietzens Bürgers und Chirurgi, wie auch Acht-Manns zu S. Moritz uxor, welche den 11. dicti gestorben, ohne Ceremonien begraben worden; aetatis 76. Jahr; dedit gantze Schule. “
Trauregister der St. Moritz-Kirche zu Halle. Vom Jahre 1727:
„ Dominica Rogate. Herr Johann Dietz, Königl. Hoff-Barbierer, wie auch Gemeinheits-Meister und Acht-Mann bey der Kirchen zu St. Moritz, und Frau Maria Magdalena, Meister Johann Christian Müllers, vormahligen Bürgers und Seilers allhier hinterlassene Wittwe.
Testes: Herr Christian Burchardt Herr Gabriel Schmidt.
Copuliret in dieser Kirchen den 5. Junii 1727 Mittags um XII. Uhr.
Von Seiten der Frau Braut ist aus dem Vormundschaffts-Amte ein Zeugniß übergeben, daß sie sich mit dem Kinde erster Ehe ratione paternorum verglichen. “
Totenregister der St. Moritz-Kirche zu Halle. Vom Jahre 1738:
„ Freytags den 7. Martii ist Herr Johann Dietz, Königl. Preuß. Hoff-Balbirer, Bürger und Gemeinheits-Meister, wie auch wohlverordneter Acht-Mann bey dieser St. Moritz Kirche alhier – gestorben Dienstags den 4. dicti frühe halb. 8. Uhr – mit gewöhnlichen Ceremonien bey Kutschenfarth öffentlich zur Erden bestattet worden, und hat bey dieser Kirche das Geläuthe, Leichen-Tuch und Crucifix frey gehabt; aetatis 72. Jahr 2. Monath 2. Wochen dedit gantze Schule. “
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