PRIMS Full-text transcription (HTML)
Der Nationalſtaat und die Volkswirtſchaftspolitik.
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Freiburg i. B. und Leipzig,1895. Akademiſche Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr(Paul Siebeck).

Druck von C. A. Wagner in Freiburg i. B.

Vorbemerkung.

Nicht die Zuſtimmung, ſondern der Widerſpruch, welchen die nachſtehenden Ausführungen bei vielen ihrer Hörer fanden, veranlaßten mich, ſie zu veröffentlichen. Sachlich Neues werden ſie Fachgenoſſen wie Andern nur in Einzelheiten bringen, und in welchem ſpeziellen Sinn allein ſie den Anſpruch auf das Prä - dikat der Wiſſenſchaftlichkeit erheben, ergiebt ſich aus der Veranlaſſung ihres Entſtehens. Eine Antrittsrede bietet eben Gelegenheit zur offenen Darlegung und Rechtfertigung des per - ſönlichen und inſoweit subjektiven Standpunktes bei der Be - urteilung volkswirtſchaftlicher Erſcheinungen. Die Ausfüh - rungen S. 20 24 hatte ich mit Rückſicht auf Zeit und Hörer - kreis fortgelaſſen, andere mögen beim Sprechen eine andere Form angenommen haben. Zu den Darlegungen im Eingang iſt zu bemerken, daß die Vorgänge hier naturgemäß weſentlich vereinfacht gegenüber der Wirklichkeit dargeſtellt werden. Die Zeit von 1871 1885 zeigt in den einzelnen Kreiſen und Ge - meinden Weſtpreußens keine einheitlichen, ſondern charakteriſtiſch wechſelnde Bevölkerungsbewegungen, die keineswegs durchweg ſo durchſichtig ſind wie die herausgegriffenen Beiſpiele. Die Ten - denz, welche an dieſen zu veranſchaulichen verſucht iſt, wird in anderen Fällen durch andere Momente durchkreuzt. Darauf werde ich demnächſt ausführlicher an anderem Ort zurückkommen. Daß die Reſultate, welche dieſe Zahlen bieten können, auf un - ſichereren Füßen ſtehen als diejenigen, welche die verdienſtlichen Veröffentlichungen mehrerer Schüler Neumanns uns über die Nationalitätsverhältniſſe in Poſen und Weſtpreußen geliefert haben, liegt auf der Hand. Aber in Ermangelung korrekten Materials müſſen wir uns vorerſt mit ihnen begnügen, zumal die Erſcheinungen, welche ſie veranſchaulichen, uns in ihren Hauptzügen bereits aus den ländlichen Enqueten der letzten Jahre bekannt ſind.

Freiburg, Mai 1895.

Max Weber.

1

Die Faſſung meines Themas verſpricht weit mehr als ich heute halten kann und will. Was ich beabſichtige, iſt zunächſt: an einem Beiſpiel die Rolle zu veranſchaulichen, welche die phyſiſchen und pſychiſchen Raſſendifferenzen zwiſchen Nationalitäten im ökonomiſchen Kampf ums Daſein ſpielen. Daran möchte ich einige Betrachtungen über die Stellung der auf nationaler Grund - lage ruhenden Staatsweſen wie es das unſrige iſt im Rahmen der volkswirtſchaftspolitiſchen Betrachtung knüpfen. Jch wähle für jenes Beiſpiel einen Kreis von Vorgängen, die örtlich fern von uns ſich abſpielen, aber ſeit einem Jahrzehnt die öffentliche Aufmerkſamkeit wiederholt erregt haben und bitte Sie, mir in die Oſtmarken des Reiches, auf das platte Land der preußi - ſchen Provinz Weſtpreußen zu folgen. Dieſer Schauplatz ver - bindet die Eigenſchaft eines nationalen Grenzlandes mit unge - wöhnlich ſchroffen Unterſchieden der ökonomiſchen und ſozialen Exiſtenzbedingungen, und dies empfiehlt ihn für unſeren Zweck. Jch kann leider nicht umhin, Jhre Geduld zunächſt für eine Reihe trockener Daten in Anſpruch zu nehmen.

Die Provinz umſchließt in ihren Landdiſtrikten Gegenſätze von dreierlei Art.

Zunächſt außerordentliche Verſchiedenheiten in der Güte des Ackerbodens: von den Zuckerrübenböden der Weichſel - ebene bis auf die ſandige kaſſubiſche Höhe liegen Unterſchiede in der Steuerreinertragsſchätzung um das 10 - und 20fache. SelbſtWeber, Nationalſtaat. 12die Kreisdurchſchnitte ſchwanken zwiſchen und 33⅔ Mk. pro ha.

Gegenſätze ferner in der sozialen Schichtung der Be - völkerung, die dieſen Boden bebaut. Wie im Oſten überhaupt, kennen auch hier die amtlichen Aufnahmen neben der Land - gemeinde eine zweite dem Süden unbekannte Form der kommu - nalen Einheit: den Gutsbezirk . Und dem entſprechend heben ſich im Landſchaftsbilde zwiſchen den Dörfern der Bauern die Rittergüter ab, die Sitze der Klaſſe, welche dem Oſten ſein ſoziales Gepräge giebt: der Junker , Herrenhöfe, umgeben von den einſtöckigen Kathen, welche der Gutsherr nebſt Acker - ſtücken und Weide den Tagelöhnern anweiſt, die das Jahr über zur Arbeit auf dem Hofe verpflichtet ſind. Etwa je zur Hälfte iſt die Fläche der Provinz zwiſchen beide verteilt. Aber in den einzelnen Regionen ſchwankt der Anteil der Gutsbezirke von wenigen Prozenten bis zu der Fläche der Kreiſe.

Endlich innerhalb dieſer dergeſtalt in zweifacher Art ſozial geſchichteten Bevölkerung der dritte Gegenſatz: derjenige der Nationalitäten. Und auch die nationale Zuſammenſetzung der Bevölkerung der einzelnen Gemeindeeinheiten iſt regional eine verſchiedene. Dieſe Verſchiedenheit iſt es, welche uns inter - eſſiert. Dichter wird das Polentum zunächſt natürlich mit Annäherung an die Grenze. Es nimmt aber ferner, wie jede Sprachenkarte zeigt, zu mit abnehmender Güte des Bodens. Das wird man nicht überall mit Unrecht zunächſt hiſto - riſch erklären wollen aus der Art der deutſchen Okkupation, welche zuerſt das fruchtbare Weichſelthal überflutete. Allein wenn man nun weiter fragt: welche sozialen Schichten ſind auf dem Lande die Träger des Deutſchtums und des Polen -3 tums? ſo zeigen uns die Ziffern der bisher zuletzt publi - zierten1) Gemeindelexikon Berlin 1887. Bevölkerungsaufnahme von 1885 ein merkwürdiges Bild. Aus dieſer Aufnahme können wir zwar die nationale Zuſammen - ſetzung der Gemeinden nicht direkt, wohl aber wenn wir uns mit einer nur annähernden Richtigkeit der Ziffern zufrieden geben indirekt entnehmen: durch das Mittelglied der Kon - feſſion, die innerhalb des für uns in Betracht kommenden national gemiſchten Gebietes mit der Nationalität bis auf wenige Prozente zuſammentrifft. Scheiden wir die ökonomiſchen Kategorien der Bauerndörfer und der Rittergüter in den ein - zelnen Gegenden, indem wir ſie, gleichfalls ungenau, mit den Kommunaleinheiten2)Für die ſoziale Schichtung iſt dieſe Verwaltungseinteilung dennoch charakteriſtiſcher als die Zugrundlegung der Betriebs - verteilung. Jn der Ebene ſind Gutsbetriebe unter 100, auf der Höhe Bauernbetriebe über 200 Hektar nichts ſeltenes. der Landgemeinden bezw. Gutsbezirken identi - fizieren, ſo zeigt ſich, daß ſie ſich je nach der Bodengüte in Bezug auf ihre nationale Zuſammenſetzung entgegengeſetzt von einander verhalten: in den fruchtbaren Kreiſen ſind die Katholiken, d. h. die Polen, relativ am ſtärkſten auf den Gütern und die Evangeliſchen, d. h. die Deutſchen, in den Dörfern zu finden, und gerade umgekehrt ſteht es in den Kreiſen mit ſchlechtem Boden. Faßt man z. B. die Kreiſe mit unter fünf Mark Durchſchnittsſteuerreinertrag pro Hektar zuſammen, ſo ſind in den Dörfern nur 35,5 %, auf den Gütern 50,2 % Evangeliſche, nimmt man dagegen die Kreisgruppe, welche 10 bis 15 Mark Durchſchnittsſteuerreinertrag pro Hektar umfaßt, ſo ſind die Evangeliſchen in den Dörfern mit 60,7 %, auf den Gütern1*4nur mit 42,1 % beteiligt. Wie kommt das? Warum ſind in der Ebene die Güter, auf der Höhe die Dörfer die Sammel - becken des Polentums? Eins ſieht man alsbald: die Polen haben die Tendenz ſich in der ökonomiſch und ſozial niedrigſt ſtehenden Schicht der Bevölkerung an - zuſammeln. Auf den guten Böden, zumal der Weichſelebene, ſtand der Bauer in ſeiner Lebenshaltung ſtets über dem Guts - tagelöhner, auf den ſchlechten Böden dagegen, die rationell nur im Großen zu bewirtſchaften waren, war das Rittergut der Träger der Kultur und damit des Deutſchtums, die kümmerlichen Kleinbauern ſtehen dort in ihrer Lebenſhaltung noch heute unter den Gutstagelöhnern. Wüßten wir das nicht ohnehin der Altersaufbau der Bevölkerung ließe es uns vermuthen. Steigt man in den Dörfern von der Ebene zum Höhenrücken hinauf, ſo ſteigt der Anteil der Kinder unter 14 Jahren von 35 36 % mit abnehmender Bodengüte bis auf 40 41 %, und wenn man damit die Güter vergleicht, ſo iſt in der Ebene der Anteil der Kinder größer als in den Dörfern, ſteigt nach der Höhe zu, aber langſamer als in den Dörfern, und bleibt auf der - ſelben hinter ihnen zurück. Die große Kinderzahl heftet ſich hier wie überall an die Ferſen der niedrigen Lebenshaltung, welche die Erwägungen der Fürſorge für die Zukunft erſtickt. Wirt - ſchaftliche Kultur, relative Höhe der Lebenshaltung und Deutſch - tum ſind in Weſtpreußen identiſch.

Und doch konkurrieren beide Nationalitäten ſeit Jahr - hunderten auf demſelben Boden unter weſentlich gleichen Chancen mit einander. Worin iſt alſo jene Scheidung begründet? Man iſt alsbald verſucht, an eine auf phyſiſchen und pſychiſchen Raſſen - qualitäten beruhende Verſchiedenheit der Anpaſſungsfähig -5 keit der beiden Nationalitäten an die verſchiedenen ökonomiſchen und ſozialen Exiſtenzbedingungen zu glauben. Und in der That iſt dies der Grund, der Beweis dafür liegt in der Tendenz, welche in der Verſchiebung der Bevölkerung und der Nationalitäten zu Tage tritt und welche zugleich das Ver - hängnißvolle jener verſchiedenen Anpaſſungsfähigkeit für das Deutſchtum des Oſtens erkennen läßt.

Es ſtehen uns zur Beobachtung der Verſchiebungen in den einzelnen Gemeinden allerdings nur die Zahlen von 1871 bis 1885 zum Vergleich zur Verfügung, und dieſe laſſen uns den Anfang einer Entwicklung erſt undeutlich erkennen, die ſich ſeit - her nach allem, was wir wiſſen, außerordentlich verſtärkt fort - ſetzt. Die Deutlichkeit des Zahlenbildes leidet ja überdies naturgemäß durch die notgedrungene, aber nicht ganz genaue Gleich - ſetzung von Konfeſſion und Nationalität einerſeits, Verwaltungs - einteilung und ſozialer Gliederung andererſeits. Allein trotzdem ſehen wir das, worauf es ankommt, deutlich genug. Die Land - bevölkerung der Provinz, wie diejenige großer Teile des Oſtens überhaupt, zeigte während des Zeitraumes von 1880 1885 eine Tendenz zur Abnahme: in Weſtpreußen betrug ſie 12 700 Köpfe, d. h., während die Bevölkerung des Reiches ſich um etwa 3½ % vermehrt hat, verminderte ſie ſich um 1¼ %. Auch dieſe Erſcheinung, wie die bisher beſprochenen, verteilt ſich aber ungleich: in manchen Kreiſen ſteht ihr eine Zunahme der Landbevölkerung gegenüber. Und zwar iſt die Art, wie ſich beide verteilen, recht eigentümlich. Nehmen wir zunächſt die verſchiedenen Bodenqualitäten, ſo wird Jeder vermuten: die Abnahme wird am ſtärkſten die schlechteſten Böden betroffen haben, wo unter dem Druck der ſinkenden Preiſe der Nahrungs -6 ſpielraum zuerſt zu eng werden mußte. Sieht man ſich die Zahlen an, ſo zeigt ſich: das Umgekehrte iſt der Fall: gerade eine Reihe der geſegnetſten Kreiſe: Stuhm und Marienwerder z. B. mit rund 15 17 Mark Durchſchnittsreinertrag, hatten den ſtärkſten Abfluß: 7 8 %, während auf der Höhe die Kreiſe Konitz, Tuchel mit 5 6 Mark Reinertrag mit die ſtärkſte ſchon ſeit 1871 konſtante Vermehrung erlebten. Man ſucht nach Erklärung und fragt zunächſt: welche ſozialen Schichten ſind es, denen einerſeits jener Abfluß entſtammte, und denen andererſeits dieſe Vermehrung zu Gute kam? Sieht man ſich die Kreiſe mit ſtarken Verminderungsziffern an, Stuhm, Marienwerder, Roſenberg, ſo ſind es durchweg ſolche, in denen der große Grundbeſitz beſonders ſtark herrſcht, und betrachtet man nun weiter die Gutsbezirke der ganzen Provinz zuſammen, ſo kommen, trotzdem ſie 1880 auf derſelben Bodenfläche ohnehin eine um zwei Drittel geringere Volkszahl aufwieſen als die Dörfer, doch faſt ¾ der Verminderung der Landbevölkerung, über 9000 Köpfe, auf ſie allein: ihre Bevölkerung hat um etwa 3¾ % ab - genommen. Aber auch innerhalb der Güter iſt dieſe Ab - nahme wieder verſchieden verteilt, teilweiſe fand Zunahme ſtatt, und wenn man die Gegenden mit ſtarker Abnahme der Guts - bevölkerung ausſondert, ſo zeigt ſich: gerade die Güter auf guten Böden haben einen beſonders ſtarken Abfluß erlebt.

Die Zunahme der Bevölkerung dagegen, welche auf den ſchlechten Böden der Höhe ſtattfand, iſt vornehmlich den Dörfern zu Gute gekommen, und gerade den Dörfern auf schlechten Böden am ſtärkſten, im Gegenſatz zu den Dörfern der Ebene. Abnahme der Tagelöhner der Güter auf den beſten Böden, Zunahme der Bauern auf den schlechten7 alſo iſt die Tendenz. Um was es ſich dabei handelt und wie das zu erklären iſt, wird klar, wenn man ſchließlich auch hier fragt: wie ſich die Nationalitäten zu dieſen Verſchiebungen verhalten.

Das Polentum im Oſten ſchien in der erſten Hälfte des Jahrhunderts langſam und ſtetig zurückgedrängt zu werden, ſeit den 60iger Jahren aber iſt es, wie bekannt, ebenſo langſam und ſtetig im Vordringen begriffen. Das letztere ergeben für Weſt - preußen die Spracherhebungen trotz ihrer mangelhaften Grund - lagen doch auf das Deutlichſte. Nun kann die Verſchiebung einer Nationalitätengrenze auf zweierlei, grundſätzlich zu ſchei - dende, Arten ſich vollziehen. Einmal ſo, daß nationalen Minderheiten im national gemiſchten Gebiet Sprache und Sitte der Mehrheit allmählich oktroyiert wird, daß ſie aufgeſogen werden. Auch dieſe Erſcheinung findet ſich im Oſten: ſie vollzieht ſich ſtatiſtiſch nachweisbar an den Deutſchen katholiſcher Konfeſſion. Das kirchliche Band iſt hier ſtärker als das nationale, Reminiszenzen aus dem Kulturkampf ſpielen mit, und der Mangel eines deutſch erzogenen Klerus läßt ſie der nationalen Kulturgemeinſchaft verloren gehen. Wichtiger aber und für uns intereſſanter iſt die zweite Form der Nationalitätenver - ſchiebung: die ökonomiſche Verdrängung. Dieſe liegt hier vor. Prüft man die Verſchiebungen des Anteils der Kon - feſſionen in den ländlichen Gemeindeeinheiten 1871 1885, ſo zeigt ſich: der Abfluß der Gutstagelöhner iſt regelmäßig mit einer rela - tiven Abnahme des Proteſtantismus in der Ebene, die Zunahme der Dorfbevölkerung auf der Höhe mit einer relativen Zunahme des Katholizismus verknüpft1)Z. B. hatten die Gutsbezirke des Kreiſes Stuhm 1871 1885 einen Bevölkerungsrückgang um 6,7 %, der Anteil der Proteſtanten. Es ſind vornehmlich deutſche8 Tagelöhner, die aus den Gegenden mit hoher Kultur abziehen, es ſind vornehmlich polniſch Bauern, die in den Gegenden mit tiefem Kulturſtand ſich ver - mehren.

Beide Vorgänge aber der Abzug hier, die Vermehrung dort führen in letzter Linie auf einen und denſelben Grund zurück: die niedrigeren Anſprüche an die Lebenshaltung in materieller teils, teils in ideeller Beziehung , welche der ſlawiſchen Raſſe von der Natur auf den Weg gegeben oder im Ver - laufe ihrer Vergangenheit angezüchtet ſind, verhalfen ihr zum Siege.

Warum ziehen die deutſchen Tagelöhner ab? Nicht mate - rielle Gründe ſind es: nicht aus den Gegenden mit niedrigem Lohnniveau und nicht aus den ſchlecht gelohnten Arbeiter - kategorien rekrutiert ſich der Abzug; kaum eine Situation iſt materiell geſicherter als die eines Jnſtmanns auf den öſtlichen Gütern. Auch nicht die vielberufene Sehnſucht nach den Ver - gnügungen der Großſtadt. Sie iſt ein Grund für das planloſe Wegwandern des jungen Nachwuchſes, aber nicht für den Abzug altgedienter Tagelöhnerfamilien, und warum erwacht jene Sucht gerade da unter den Leuten, wo der Großbeſitz vorherrſcht, warum können wir nachweiſen, daß die Abwanderung der Tagelöhner ab - nimmt, je mehr das Bauerndorf die Phyſionomie der Land - ſchaft beherrſcht? Dies iſt es: zwiſchen den Gutskomplexen der Heimat giebt es für den Tagelöhner nur Herren und Knechte, und für ſeine Nachfahren im fernſten Glied nur die Ausſicht, nach der Gutsglocke auf fremdem Boden zu ſcharwerken. Jn1)an der chriſtlichen Bevölkerung ging von 33,4 auf 31,3 zurück. Die Dörfer der Kreiſe Konitz und Tuchel hatten + 8 %, der Anteil der Katholiken ſteig von 84,7 auf 86,0 %.9 dem dumpfen, halbbewußten Drang in die Ferne liegt ein Moment eines primitiven Jdealismus verborgen. Wer es nicht zu entziffern vermag, der kennt den Zauber der Freiheit nicht. Jn der That: ſelten berührt uns heute ihr Geiſt in der Stille der Bücherſtube. Verblichen ſind die naiv freiheitlichen Jdeale unſerer frühen Jugend, und manche von uns ſind vorzeitig alt und allzu klug geworden und glauben, einer der urwüchſigſten Triebe der Menſchenbruſt ſei mit den Schlagworten einer nieder - gehenden politiſchen und wirtſchaftspolitiſchen Anſchauung zu Grabe getragen worden.

Es iſt ein maſſenpſychologiſcher Vorgang: die deutſchen Landarbeiter vermögen ſich den sozialen Lebensbedingungen ihrer Heimat nicht mehr anzupaſſen. Über ihr Selbſtbewußt - ſein klagen uns Berichte der Gutsherrn aus Weſtpreußen. Das alte patriarchaliſche Gutshinterſaſſen-Verhältnis, welches den Tage - löhner als einen anteilsberechtigten Kleinwirt mit den landwirt - ſchaftlichen Produktionsintereſſen unmittelbar verknüpfte, ſchwindet. Die Saiſonarbeit in den Rübenbezirken fordert Saiſonarbeiter und Geldlohn. Eine rein proletariſche Exiſtenz ſteht ihnen in Ausſicht, aber ohne die Möglichkeit jenes kraftvollen Aufſchwungs zur ökono - miſchen Selbſtſtändigkeit, welche das in den Städten örtlich zu - ſammengeſchloſſene Jnduſtrieproletariat mit Selbſtbewußtſein er - füllt. Dieſen Exiſtenzbedingungen ſich zu fügen vermögen die - jenigen beſſer, welche an die Stelle der Deutſchen treten, die polniſchen Wanderarbeiter, Nomadenzüge, welche durch Agenten in Rußland geworben im Frühjahr zu Zehntauſenden über die Grenze kommen, im Herbſt wieder abziehen. Zuerſt im Gefolge der Zuckerrübe, welche den Landwirtſchaftsbetrieb in ein Saiſongewerbe ver - wandelt, treten ſie auf, dann allgemein, weil man an Arbeiter -10 wohnungen, Armenlaſten, ſozialen Verpflichtungen ſpart, weil ſie ferner als Ausländer prekär geſtellt und deshalb in der Hand des Beſitzers ſind. Der ökonomiſche Todeskampf des alten preußi - ſchen Junkertums vollzieht ſich unter dieſen Begleiterſcheinungen. Auf den Zuckerrübengütern tritt an die Stelle des patriarchaliſch ſchaltenden Gutsherrn ein Stand induſtrieller Geſchäftsleute, und auf der Höhe bröckelt unter dem Druck der landwirtſchaft - lichen Notlage das Areal der Güter von außen her ab, Parzellen - pächter - und Kleinbauernkolonieen entſtehen auf ihren Außen - ſchlägen. Die ökonomiſchen Fundamente der Machtſtellung des alten Grundadels ſchwinden, er ſelbſt wird zu etwas anderem, als er war.

Und weshalb ſind es die polniſchen Bauern, die an Terrain gewinnen? Jſt es ihre überlegene ökonomiſche Jntelligenz oder Kapitalkraft? Es iſt vielmehr das Gegenteil von beiden. Unter einem Klima und auf einem Boden, welche neben extenſiver Vieh - zucht weſentlich Getreide - und Kartoffelproduktion geſtatten, iſt hier Derjenige am wenigſten durch die Ungunſt des Marktes be - droht, der ſeine Produkte dahin bringt, wo ſie durch den Preis - ſturz am wenigſten entwertet werden: in ſeinen eigenen Magen: der für ſeinen Eigenbedarf produziert. Und wiederum iſt Derjenige begünſtigt, der ſeinen Eigenbedarf am niedrigſten be - meſſen kann, die geringſten Anſprüche an die Lebenshaltung in phyſiſcher und ideeller Beziehung macht. Der polniſche Klein - bauer im Oſten iſt ein Typus ſehr abweichender Art von dem geſchäftigen Zwergbauerntum, welches Sie hier in der geſegneten Rheinebene durch Handelsgewächſbau und Gartenkultur ſich an die Städte angliedern ſehen. Der polniſche Kleinbauer gewinnt an Boden, weil er gewiſſermaßen das Gras vom Boden frißt,11 nicht trotz, ſondern wegen ſeiner tiefſtehenden phyſiſchen und geiſtigen Lebensgewohnheiten.

Ein Ausleſeprozeß alſo ſcheint es zu ſein, den wir ſich vollziehen ſehen. Beide Nationalitäten ſind in die gleichen Exiſtenzbedingungen ſeit langer Zeit hineingeſtellt. Die Folge war nicht, daß ſie, wie der Vulgärmaterialismus ſich vorſtellt, die gleichen phyſiſchen und pſychiſchen Qualitäten annahmen, ſondern daß die eine der andern weicht, daß diejenige ſiegt, welche die größere Anpaſſungsfähigkeit an die gegebenen ökonomiſchen und ſozialen Lebensbedingungen beſitzt.

Dieſe verſchiedene Anpaſſungsfähigkeit ſelbſt bringen ſie, ſo ſcheint es, als feſte Größe mit, ſie könnte vielleicht im Verlaufe generationenlanger Züchtungsprozeſſe ſo, wie ſie in Jahrtauſenden entſtanden ſein mag, wieder verſchoben werden, aber für die Erwägungen der Gegenwart iſt ſie ein Moment, mit welchem wir als gegeben zu rechnen haben1)Jch glaube kaum, bemerken zu müſſen, daß die naturwiſſen - ſchaftlichen Streitfragen über die Tragweite des Selektionsprinzipes, überhaupt die naturwiſſenſchaftliche Verwendung des Be - griffes der Züchtung und alle Erörterungen, die ſich daran auf jenem, mir fremden Gebiete knüpfen, für die obigen Bemerkungen irrelevant ſind. Der Begriff der Ausleſe iſt heute ebenſo Ge - meingut, wie etwa die heliocentriſche Hypotheſe, und der Gedanke der Menſchen - Züchtung gehört ſchon dem platoniſchen Staat an. Beide Begriffe ſind z. B. ſchon von F. A. Lange in ſeiner Arbeiterfrage verwendet und bei uns längſt derart heimiſch, daß ein Mißverſtänd - nis ihres Sinnes für Niemand, der unſere Litteratur kennt, möglich iſt. Schwieriger iſt die Frage, wieweit den neueſten, geiſtreichen, aber nach Methode und ſachlichen Ergebniſſen erhebliche Bedenken erregenden, in mancher Uebertreibung zweifellos verfehlten Verſuchen der Anthro - pologen, die Tragweite des Ausleſegeſichtspunktes im Sinne Darwins.

Nicht immer das ſehen wir ſchlägt, wie die Opti -12 miſten unter uns meinen, die Ausleſe im freien Spiel der Kräfte zugunſten der ökonomiſch höher entwickelten oder veranlagten Nationalität aus. Die Menſchengeſchichte kennt den Sieg von niedriger entwickelten Typen der Menſchlichkeit und das Abſterben hoher Blüthen des Geiſtes - und Gemütslebens, wenn die menſch - liche Gemeinſchaft, welche deren Träger war, die Anpaſſungs - fähigkeit an ihre Lebensbedingungen verlor, es ſei ihrer ſozialen Organiſation oder ihrer Raſſenqualitäten wegen. Jn unſrem Fall iſt es die Umgeſtaltung der landwirtſchaftlichen Betriebs - formen und die gewaltige Kriſis der Landwirtſchaft, welche der in ihrer ökonomiſchen Entwicklung tiefer ſtehenden Nationalität zum Siege verhilft. Parallel mit einander wirken der empor - gezüchtete Rübenanbau und die Unrentabilität der Abſatzproduktion von Cerealien nach der gleichen Richtung: der erſtere züchtet die polniſchen Saiſonarbeiter, die letztere die polniſchen Kleinbauern.

Blicken wir zurück auf die erörterten Thatſachen, ſo bin ich, wie ich gern bekenne, völlig außer ſtande, theoretiſch die Tragweite der etwa daraus zu entnehmenden allgemeinen Ge -1)und Weismanns auch auf dem Boden der ökonomiſchen Forſchung zu verbreitern, dauernder Wert zukommt. Trotzdem verdienen z. B. die Schriften von Otto Ammon ( Die natürliche Ausleſe beim Menſchen . Die Geſellſchaftsordnung und ihre natürlichen Grund - lagen ) jedenfalls mehr Aufmerkſamkeit als ihnen zu Teil wird, unbeſchadet aller zu machender Vorbehalte. Ein Fehler der meiſten von naturwiſſenſchaftlicher Seite gelieferten Beiträge zur Beleuch - tung der Fragen unſerer Wiſſenſchaft liegt in dem verfehlten Ehr - geiz, vor allen Dingen den Sozialismus widerlegen zu wollen[. ]Jm Eifer dieſes Zweckes wird aus der vermeintlichen naturwiſſen - ſchaftlichen Theorie der Geſellſchaftsordnung unwillkürlich eine Apo - logie derſelben.13 ſichtspunkte zu entwickeln. Die unendlich ſchwierige und zur Zeit ſicherlich nicht zu löſende Frage, wo die Grenze für die Variabilität phyſiſcher und pſychiſcher Qualitäten einer Bevölkerung unter dem Einfluß der Lebensverhältniſſe, in die ſie geſtellt wird, liegt, wage ich nicht auch nur anzurühren.

Unwillkürlich fragt dagegen jeder vor allen Dingen: was kann und ſoll hier geſchehen?

Geſtatten Sie aber, daß ich es unterlaſſe, bei dieſer Ge - legenheit ausführlicher darüber zu ſprechen, und mich begnüge, kurz die beiden Forderungen anzudeuten, die m. E. vom Stand - punkt des Deutſchtums zu ſtellen ſind und thatſächlich mit wach - ſender Einmütigkeit geſtellt werden. Die eine iſt: Schließung der öſtlichen Grenze. Sie war verwirklicht unter dem Fürſten Bismarck und iſt nach ſeinem Rücktritt 1890 wieder beſeitigt worden; dauernde Anſiedlung blieb den Fremdlingen verſagt, aber als Wanderarbeiter wurden ſie zugelaſſen. Ein klaſſen - bewußter Großgrundbeſitzer an der Spitze Preußens ſchloß ſie aus im Jntereſſe der Erhaltung unſerer Nationalität und der verhaßte Gegner der Agrarier ließ ſie zu im Jntereſſe der Großgrundbeſitzer, welche allein von ihrem Zuzug Vorteil haben: nicht immer, das zeigt ſich, entſcheidet der ökonomiſche Klaſſen - ſtandpunkt in Dingen der Wirtſchaftspolitik, hier war es der Umſtand, daß das Steuerruder des Staates aus einer ſtarken Hand in eine ſchwächere fiel. Die andere Forderung iſt: ſyſtematiſcher Bodenankauf ſeitens des Staates, alſo Erweiterung des Domänenbeſitzes einerſeits, und ſyſtematiſche Koloniſation deutſcher Bauern auf geeigneten Böden, namentlich auf geeigneten Domänen, andererſeits. Großbetriebe, welche nur auf Koſten des Deutſchtums zu erhalten ſind, ſind vom Standpunkt der Nation14 werth, daß ſie zu Grunde gehen, und ſie ſich ſelbſt überlaſſen heißt im Wege der allmählichen Abparzellierung exiſtenzunfähige ſlaviſche Hungerkolonien entſtehen laſſen. Und nicht nur das Jntereſſe an der Hemmung der ſlaviſchen Flut ruft nach der Ueberführung bedeutender Teile des öſtlichen Bodens in die Hand des Staates, ſondern auch die vernichtende Kritik, welche die Grund - beſitzer ſelbſt an dem Fortbeſtand ihres Privateigentums üben durch das Verlangen, in Geſtalt des Getreidemonopols und einer Kontribution von ½ Milliarde jährlich ihnen das Riſiko, die Selbſtverantwortlichkeit für ihren Beſitz, ſeinen einzigen Recht - fertigungsgrund, abzunehmen1)Jene Forderung ſtellt jetzt in dem gleichen Gedankenzu - ſammenhang inſbeſondere auch Profeſſor Schmoller in ſeinem Jahr - buch. Jn der That iſt derjenige Teil des Großgrundbeſitzerſtandes, deſſen Erhaltung als landwirtſchaftlicher Betriebſleiter ſtaatlich von Wert iſt, vielfach nur als Domänenpächter, nicht als Eigentümer zu halten. Allerdings bin ich der Anſicht, daß der Bodenankauf nur in organiſcher Verbindung mit einer Koloniſation geeigneter Domänen einen dauernden Sinn hat, derart alſo, daß ein Teil des öſtlichen Bodens die Hände des Staates durchläuft und während er ſich in dieſen befindet, eine energiſche Meliorationskur mit ſtaatlichen Krediten durchmacht. Die Schwierigkeit, mit welcher die Anſiedlungskommiſſion zu ringen hat, iſt abgeſehen von der Belaſtung mit der Nachkur der angeſetzten Koloniſten, welche nebſt ihren Stundungsgeſuchen nach einiger Zeit beſſer dem etwas hartherzigeren gewöhnlichen Fiſkus überantwortet würden, darin begründet, daß die angekauften Güter zum großen Teil beſſer erſt ein Jahrzehnt ſich in einer ſolchen Kur in der Hand von Domönenpächtern befänden. Jetzt muß die Melio - ration Hals über Kopf im Wege der Adminiſtration mit großen Verluſten ausgeführt werden, während ſicherlich zahlreiche Domänen zur alsbaldigen Koloniſation geeignet wären. Die durch dieſe Schwierigkeiten veranlaßte Langſamkeit des Verfahrens rechtfertigt.

Allein, wie geſagt, nicht dieſe praktiſche Frage der preußi -15 ſchen Agrarpolitik möchte ich heute beſprechen. Jch möchte viel - mehr an die Thatſache anknüpfen, daß eine ſolche Frage bei uns Allen überhaupt entſteht, daß wir das Deutſchtum des Oſtens als ſolches für etwas halten, das geſchützt werden und für deſſen Schutz auch die Wirtſchaftspolitik des Staates in die Schranken treten ſoll. Es iſt der Umſtand, daß unſer Staatsweſen ein Nationalſtaat iſt, welcher uns das Recht zu dieſer Forderung empfinden läßt.

Wie verhält ſich aber die volkswirtſchaftspolitiſche Betrach - tung dazu? Sind für ſie derartige nationaliſtiſche Werturteile Vorurteile, deren ſie ſich ſorgſam zu entledigen hat, um ihren eigenen Wertmaßſtab, unbeeinflußt durch Gefühlsreflexe, an die ökonomiſchen Thatſachen legen zu können? Und welches iſt dieſer eigene Wertmaßſtab der Volkswirtſchaftspolitik? Dieſer Frage möchte ich in einigen weiteren Ueberlegungen näher zu kommen verſuchen.

Auch unter dem Schein des Friedens , das zeigte ſich1)freilich Hans Delbrücks Urteil über deſſen nationalpolitiſche Wir - kung in ſeinen verſchiedenen bekannten Artikeln in den Preuß. Jahrbüchern keineswegs. Schon die mechaniſche Berechnung unter Vergleichung der Zahl der begründeten Bauernhöfe mit der Zahl der Polen iſt für Niemand, der ſich das Kulturwerk der Koloniſation an Ort und Stelle betrachtet hat, beweiskräftig; wenige Dörfer mit je ein Dutzend deutſchen Höfen germaniſieren eventuell mehrere Quadratmeilen, natürlich vorausgeſetzt, daß der proletariſche Nach - ſchub aus dem Oſten abgedämmt wird und daß man nicht, indem man die Abbröckelung und den Zerfall des Großbeſitzes im Uebrigen ſich ſelbſt und dem durch die Rentengutsgeſetze noch weiter entbun - denen freien Spiel der Kräfte allein überläßt, dem Faß, in welches man ſchöpft, den Boden ausſchlägt.16 uns, geht der ökonomiſche Kampf der Nationalitäten ſeinen Gang. Nicht im offenen Streit werden die deutſchen Bauern und Tag - löhner des Oſtens durch politiſch überlegene Feinde von der Scholle geſtoßen: im ſtillen und öden Ringen des ökonomiſchen Alltagslebens ziehen ſie einer tieferſtehenden Raſſe gegenüber den Kürzeren, verlaſſen die Heimat und gehen dem Untertauchen in eine dunkle Zukunft entgegen. Es gibt keinen Frieden auch im wirtſchaftlichen Kampf ums Daſein; nur wer jenen Schein des Friedens für die Wahrheit nimmt, kann glauben, daß aus dem Schoße der Zukunft für unſere Nachfahren Frieden und Lebens - genuß erſtehen werde. Wir wiſſen es ja: die Volkswirtſchafts - politik iſt der vulgären Auffaſſung ein Sinnen über Rezepten für die Beglückung der Welt die Beſſerung der Luſtbilanz des Menſchendaſeins iſt für ſie das einzig verſtändliche Ziel unſerer Arbeit. Allein: ſchon der dunkle Ernſt des Bevölke - rungsproblems hindert uns, Eudämoniſten zu ſein, Frieden und Menſchenglück im Schoße der Zukunft verborgen zu wähnen und zu glauben, daß anders als im harten Kampf des Menſchen mit dem Menſchen der Ellenbogenraum im irdiſchen Daſein werde gewonnen werden.

Es giebt ſicherlich keine volkswirtſchaftspolitiſche Arbeit auf anderer als altruiſtiſcher Grundlage. Die Früchte alles wirtſchafts - und ſozialpolitiſchen Strebens der Gegenwart kommen in ihrer ge - waltigen Ueberzahl nicht der lebenden Generation, ſondern der künf - tigen zugute. Unſere Arbeit iſt und kann, wenn ſie einen Sinn behalten ſoll, nur ſein wollen Fürſorge für die Zukunft, für unſere Nachfahren. Aber es giebt auch keine volks - wirtſchaftspolitiſche Arbeit auf der Grundlage optimiſtiſcher Glückshoffnungen. Für den Traum von Frieden und Menſchen -17 glück ſteht über der Pforte der unbekannten Zukunft der Men - ſchengeſchichte: lasciate ogni speranza.

Nicht wie die Menſchen der Zukunft ſich befinden, ſon - dern wie ſie sein werden, iſt die Frage, die uns beim Denken über das Grab der eigenen Generation hinaus bewegt, die auch in Wahrheit jeder wirtſchaftspolitiſchen Arbeit zugrunde liegt. Nicht das Wohlbefinden der Menſchen, ſondern diejenigen Eigenſchaften möchten wir in ihnen emporzüchten, mit welchen wir die Em - pfindung verbinden, daß ſie menſchliche Größe und den Adel unſerer Natur ausmachen.

Abwechſelnd hat man in der Volkswirtſchaftslehre das techniſch-ökonomiſche Problem der Gütererzeugung und das Pro - blem der Güterverteilung, der sozialen Gerechtigkeit , als Wert - maßſtäbe in den Vordergrund gerückt oder auch naiv identifiziert und über beiden erhob ſich doch immer wieder, halb unbewußt und dennoch alles beherrſchend, die Erkenntnis, daß eine Wiſſen - ſchaft vom Menſchen, und das iſt die Volkswirtſchaftslehre, vor allem nach der Qualität der Menſchen fragt, welche durch jene ökonomiſchen und ſozialen Daſeinsbedingungen herangezüchtet werden. Und hier hüten wir uns vor einer Jlluſion.

Die Volkswirtſchaftslehre als erklärende und analyſierende Wiſſenſchaft iſt international, allein ſobald ſie Werturteile fällt, iſt ſie gebunden an diejenige Ausprägung des Menſchen - tums, die wir in unſerem eigenen Weſen finden. Sie iſt es oft gerade dann am meiſten, wenn wir unſerer eigenen Haut am meiſten entronnen zu ſein glauben. Und um ein etwas phantaſtiſches Bild zu brauchen vermöchten wir nach Jahr - tauſenden dem Grab zu entſteigen, ſo wären es die fernen Spuren unſeres eigenen Weſens, nach denen wir im Antlitz desWeber, Nationalſtaat. 218Zukunftsgeſchlechts forſchen würden. Auch unſre höchſten und letzten irdiſchen Jdeale ſind wandelbar und vergänglich. Wir können ſie der Zukunft nicht aufzwingen wollen. Aber wir können wollen, daß ſie in unſerer Art die Art ihrer eigenen Ahnen erkennt. Wir, mit unſerer Arbeit und unſerem Weſen, wollen die Vorfahren des Zukunftsgeſchlechts ſein.

Die Volkswirtſchaftspolitik eines deutſchen Staatsweſens, ebenſo wie der Wertmaßſtab des deutſchen volkswirtſchaftlichen Theoretikers können deshalb nur deutſche ſein.

Jſt dem vielleicht anders, ſeit die ökonomiſche Entwicklung über die nationalen Grenzen hinaus eine umfaſſende Wirtſchafts - gemeinſchaft der Nationen herzuſtellen begann? Jſt jener natio - naliſtiſche Beurteilungsmaßſtab ebenſo wie der Nationalegois - mus in der Volkswirtſchaftspolitik ſeitdem zum alten Eiſen zu werfen? Ja, iſt denn der Kampf für die ökonomiſche Selbſt - behauptung, für das eigene Weib und Kind überwunden, ſeit die Familie ihrer einſtigen Funktionen als Produktionsgemeinſchaft entkleidet und verflochten iſt in den Kreis der volkswirtſchaftlichen Gemeinſchaft? Wir wiſſen, es iſt nicht der Fall: dieſer Kampf hat andere Formen angenommen, Formen, von denen ſich noch fragen ließe, ob ſie als eine Milderung und nicht viel - mehr als eine Verinnerlichung und Verſchärfung anzuſehen ſeien. So iſt auch die volkswirtſchaftliche Gemeinſchaft nur eine andere Form des Ringens der Nationen miteinander, und eine ſolche, welche den Kampf für die Behauptung der eigenen Kultur nicht gemildert, ſondern erſchwert hat, weil ſie materiellen Jnte - reſſen im eigenen Schoße der Nation als Bundesgenoſſen gegen deren Zukunft in die Schranken ruft.

Nicht Frieden und Menſchenglück haben wir unſeren Nach -19 fahren mit auf den Weg zu geben, ſondern den ewigen Kampf um die Erhaltung und Emporzüchtung unſerer nationalen Art. Und wir dürfen uns nicht der optimiſtiſchen Hoffnung hingeben, daß mit der höchſtmöglichen Entfaltung wirtſchaftlicher Kultur bei uns die Arbeit gethan ſei und die Ausleſe im freien und friedlichen ökonomiſchen Kampfe dem höher entwickelten Typus alsdann von ſelbſt zum Siege verhelfen werde.

Nicht in erſter Linie für die Art der volkswirtſchaftlichen Organiſation, die wir ihnen überliefern, werden unſere Nachfahren uns vor der Geſchichte verantwortlich machen, ſondern für das Maß des Ellenbogenraums, den wir ihnen in der Welt erringen und hinterlaſſen. Machtkämpfe ſind in letzter Linie auch die ökonomiſchen Entwicklungsprozeſſe, die Machtintereſſen der Nation ſind, wo ſie in Frage geſtellt ſind, die letzten und entſcheidenden Jntereſſen, in deren Dienſt ihre Wirtſchaftspolitik ſich zu ſtellen hat, die Wiſſenſchaft von der Volkswirtſchaftspolitik iſt eine politiſche Wiſſenſchaft. Sie iſt eine Dienerin der Politik, nicht der Tagespolitik der jeweils herrſchenden Machthaber und Klaſſen, ſondern der dauernden machtpolitiſchen Jntereſſen der Nation. Und der Nationalſtaat iſt uns nicht ein unbeſtimmtes Etwas, welches man um ſo höher zu ſtellen glaubt, je mehr man ſein Weſen in myſtiſches Dunkel hüllt, ſondern die weltliche Macht - organiſation der Nation, und in dieſem Nationalſtaat iſt für uns der letzte Wertmaßſtab auch der volkswirtſchaftlichen Betrach - tung die Staatsraiſon . Sie bedeutet uns nicht, wie ein ſelt - ſames Mißverſtändnis glaubt: Staatshülfe ſtatt der Selbſt - hülfe , ſtaatliche Reglementierung des Wirtſchaftslebens ſtatt des freien Spiels der wirtſchaftlichen Kräfte, ſondern wir wollen mit dieſem Schlagwort die Forderung erheben, daß für die Fragen2*20der deutſchen Volkswirtſchaftspolitik, auch für die Frage unter an - deren, ob und wieweit der Staat in das Wirtſchaftsleben eingreifen oder ob und wenn er vielmehr die ökonomiſchen Kräfte der Nation zu eigener freier Entfaltung losbinden und ihre Schranken niederreißen ſolle, im einzelnen Falle das letzte und entſcheidende Votum den ökonomiſchen und politiſchen Machtintereſſen unſerer Nation und ihres Trägers, des deutſchen Nationalſtaates, zuſtehen ſoll.

War es etwa überflüſſig, an dieſe ſcheinbaren Selbſtverſtänd - lichkeiten zu erinnern? oder doch, daß gerade ein jüngerer Ver - treter der ökonomiſchen Wiſſenſchaften daran erinnerte? Jch glaube nicht, denn es ſcheint, daß gerade unſere Generation dieſe einfachſten Urteilsgrundlagen nicht ſelten am leichteſten aus den Augen verliert. Wir ſind Zeugen, wie ihr Jntereſſe für die Fragen, die gerade unſere Wiſſenſchaft bewegen, in unge - ahntem Maße wächſt. Auf allen Gebieten finden wir die ökono - miſche Betrachtungsweiſe im Vordringen. Sozialpolitik an Stelle der Politik, ökonomiſche Machtverhältniſſe an Stelle der Rechts - verhältniſſe, Kultur - und Wirtſchaftsgeſchichte an Stelle politiſcher Geſchichte treten in den Vordergrund der Betrachtung. Jn her - vorragenden Werken unſerer hiſtoriſchen Kollegen finden wir da, wo uns früher von den Kriegsthaten unſerer Vorfahren erzählt wurde, heute den Unhold des Mutterrechtes ſich in die Breite dehnen und die Hunnenſchlacht auf den katalauniſchen Feldern in einen Nebenſatz gedrängt. Die Jurisprudenz glaubte das Selbſt - gefühl eines unſerer geiſtreichſten Theoretiker als eine Magd der Nationalökonomie bezeichnen zu können. Und Eines iſt ja wahr: auch in die Jurisprudenz drang die ökonomiſche Form der Betrachtung, ſelbſt in ihrem Jntimum, in den Handbüchern21 der Pandektiſten beginnt es hie und da leiſe ökonomiſch zu ſpuken; und in den Urteilen der Gerichte finden wir nicht ſelten, wo die juriſtiſchen Begriffe zu Ende gingen, ſogenannte wirtſchaft - liche Geſichtspunkte an die Stelle geſetzt, kurz, um das halb vorwurfsvolle Wort eines juriſtiſchen Kollegen zu gebrauchen: wir ſind in die Mode gekommen . Eine Betrachtungs - weiſe, welche ſich ſo ſelbſtbewußt Bahn bricht, geräth in die Gefahr gewiſſer Jlluſionen und einer Ueberſchätzung der Trag - weite der eigenen Geſichtspunkte, einer Ueberſchätzung zumal in einer ganz beſtimmten Richtung. Wie die Verbreiterung des Stoffes der philoſophiſchen Betrachtung, welche ſich ſchon äußerlich darin kenntlich macht, daß wir heute vielfach die alten Lehrſtühle der Philoſophie den Händen z. B. hervorragender Phyſio - logen anvertraut finden, unter uns Laien vielfach zu der Meinung geführt hat, als ſeien die alten Fragen nach dem Weſen des menſchlichen Erkennens nicht mehr die letzten und centralen Pro - bleme der Philoſophie, ſo hat ſich in den Köpfen der aufwach - ſenden Generation auch die Vorſtellung gebildet, als ſei Dank der Arbeit der nationalökonomiſchen Wiſſenſchaft nicht nur die Erkenntnis des Weſens der menſchlichen Gemeinſchaften gewaltig erweitert, ſondern auch der Maßſtab, an welchem wir in letzter Linie die Erſcheinungen bewerten, ein völlig neuer geworden, als ſei die politiſche Oekonomie in der Lage, ihrem eigenen Stoff eigenartige Jdeale zu entnehmen. Die optiſche Täuſchung, als gäbe es ſelbſtändige ökonomiſche oder sozialpolitiſche Jdeale, wird freilich als ſolche klar, ſobald man an der Hand der Litteratur unſerer Wiſſenſchaft dieſe eigenen Grundlagen der Bewertung zu ermitteln ſucht. Ein Chaos von Wertmaßſtäben teils eudämoniſtiſcher, teils ethiſcher Art, oft beider in unklarer22 Jdentifikation, tritt uns entgegen. Werturteile werden überall unbefangen gefällt und ein Verzicht auf die Beurteilung der ökonomiſchen Erſcheinungen bedeutete ja in der That den Verzicht auf eben diejenige Leiſtung, die man von uns verlangt. Aber nicht die Regel, ſondern faſt die Ausnahme iſt es, daß der Urteilende Andere und ſich ſelbſt ins Klare ſetzt über den letzten ſubjektiven Kern ſeiner Urteile, eben über die Jdeale, von welchen aus er zur Beurteilung der beobachteten Vorgänge ſchreitet: die bewußte Selbſtkontrolle fehlt, die inneren Widerſprüche des Urteils kommen dem Schriftſteller nicht zum Bewußtſein und, wo er ſein ſpezifiſch ökonomiſches Prinzip der Beurteilung allgemein zu formuliren ſucht, fällt er in vage Unbeſtimmtheiten. Jn Wahrheit ſind es keine eigenartigen und ſelbſtgewonnenen, ſondern die alten allgemeinen Typen menſchlicher Jdeale, die wir auch in den Stoff unſerer Wiſſenſchaft hineintragen. Nur wer ausſchließlich das rein platoniſche Jntereſſe des Tech - nologen oder wer umgekehrt die aktuellen Jntereſſen einer be - ſtimmten, ſei es herrſchenden oder beherrſchten Klaſſe zu Grunde legt, kann jenem Stoffe ſelbſt einen eigenen Maßſtab zu ſeiner Beurteilung entnehmen wollen.

Und ſollte es ſo ganz unnötig ſein, daß gerade wir Jünger der deutſchen hiſtoriſchen Schule uns dieſe überaus einfachen Wahrheiten vor Augen führen? Gerade wir verfallen leicht einer ſpeziellen Jlluſion: derjenigen, uns des eigenen bewußten Wert - urteiles überhaupt enthalten zu können. Die Folge iſt freilich, wie man ſich leicht überzeugen kann, nicht, daß wir einem entſprechenden Vorſatze treu bleiben, ſondern daß wir unkontrollierten Jnſtinkten, Sympathien und Antipathien, ver - fallen. Und noch leichter widerfährt es uns, daß der Punkt,23 von welchem wir bei der Analyſe und Erklärung der volks - wirtſchaftlichen Vorgänge ausgingen, unbewußt auch beſtimmend wird für unſer Urteil darüber. Vielleicht werden gerade wir uns davor zu bewahren haben, daß diejenigen großen Eigen - ſchaften der toten und lebenden Meiſter unſerer Schule, denen ſie und die Wiſſenſchaft ihre Erfolge verdanken, ſich bei uns nicht in Fehler verwandeln. Zweierlei verſchiedene Ausgangs - punkte der Betrachtung kommen praktiſch hauptſächlich in Betracht:

Entweder wir blicken auf die ökonomiſche Entwicklung vor - nehmlich von oben her: von der Höhe der Verwaltungsge - ſchichte großer deutſcher Staaten aus, deren Verwaltung und Verhalten in ökonomiſchen und ſozialen Dingen wir in ſeiner Geneſis verfolgen, und unfreiwillig werden wir ihre Apo - logeten. Wenn um bei unſerem Beiſpiel zu bleiben die Verwaltung ſich entſchließt, die öſtliche Grenze zu ſchließen, ſo werden wir geneigt und imſtande ſein, darin den Abſchluß einer hiſtoriſchen Entwicklungsreihe zu finden, welche im Gefolge großer Reminiscenzen der Vergangenheit dem heutigen Staate hohe Aufgaben im Jntereſſe der Kulturpflege der eigenen Nation ſtellt, und unterbleibt jener Entſchluß, ſo liegt uns die Er - kenntnis näher, daß derartige radikale Eingriffe teils unnötig, teils den heutigen Anſchauungen nicht mehr entſprechend ſeien.

Oder aber: wir betrachten die ökonomiſche Entwicklung mehr von unten aus, ſehen das große Schauſpiel, wie aus dem Chaos ökonomiſcher Jntereſſenkonflikte ſich die Emanzipations - kämpfe aufſteigender Klaſſen abheben, beobachten, wie die öko - nomiſche Machtlage ſich zu ihren Gunſten verſchiebt und unbewußt nehmen wir Partei für die, welche aufſteigen, weil ſie die Stärkeren ſind oder zu werden beginnen. Eben dadurch,24 daß ſie ſiegen, ſcheinen ſie ja zu beweiſen, daß ſie einen ökonomiſch höher ſtehenden Typus des Menſchentums darſtellen: allzuleicht beherrſcht den Hiſtoriker die Vorſtellung, daß der Sieg der höher entwickelten Elemente im Kampfe ſelbſtverſtändlich und das Unter - liegen im Daſeinskampf Symptom der Rückſtändigkeit ſei. Und jedes neue der zahlreichen Symptome jener Machtverſchie - bung bietet ihm dann nicht nur deshalb eine Genugthuung, weil es ſeine Beobachtungen beſtätigt, ſondern halb unbewußt empfindet er es wie einen perſönlichen Triumph: die Geſchichte löſt die Wechſel ein, welche er auf ſie zog. Die Widerſtände, welche jene Entwicklung findet, beobachtet er, ohne es zu wiſſen, mit einer gewiſſen Animoſität, ſie erſcheinen ihm, ungewollt, nicht einfach als naturgemäße Ausflüſſe ſelbſtverſtändlicher Jntereſſen - vertretung, ſondern gewiſſermaßen als Auflehnung gegen das Urteil der Geſchichte , wie es der Hiſtoriker formulierte. Die Kritik, welche wir auch an Vorgängen zu üben haben, die uns als das unreflektierte Ergebnis geſchichtlicher Entwicklungs - tendenzen erſcheinen, verläßt uns dann gerade da, wo wir ihrer am nötigſten bedürfen. Allzunahe liegt ja für uns ohnehin die Verſuchung, das Gefolge des Siegers im ökonomiſchen Machtkampf zu bilden und dabei zu vergeſſen, daß ökonomiſche Macht und Beruf zur politiſchen Leitung der Nation nicht immer zuſammenfallen.

Denn und damit werden wir zu einer letzten Reihe von Betrachtungen mehr praktiſch-politiſcher Art geführt an jenem politiſchen Wertmaßſtab, der uns ökonomiſchen Nationaliſten der für uns einzig ſouveräne iſt, meſſen wir auch die Klaſſen, welche die Leitung der Nation in der Hand haben25 oder erſtreben. Wir fragen nach ihrer politiſchen Reife, das heißt nach ihrem Verſtändnis und ihrer jeweiligen Befähigung, die dauernden ökonomiſchen und politiſchen Machtintereſſen der Nation über alle anderen Erwägungen zu ſtellen. Eine Gunſt des Schickſals für die Nation iſt es, wenn die naive Jdenti - fikation der Jntereſſen der eigenen Klaſſe mit denen der All - gemeinheit den dauernden Machtintereſſen auch der letzteren ent - ſpricht. Und es iſt andererſeits auch eine der Täuſchungen, welche auf der modernen Ueberſchätzung des Oekonomiſchen im ge - wöhnlichen Sinne des Wortes beruhen, wenn man meint, daß die politiſchen Gemeingefühle eine Belaſtungsprobe durch ab - weichende ökonomiſche Tagesintereſſen nicht vertrügen, womöglichſt ſelbſt nur eine Widerſpiegelung des ökonomiſchen Unterbaues jener wandelbaren Jntereſſenlage ſeien. Das trifft nur in Zeiten fundamentaler ſozialer Umſchichtung annähernd zu. Eins nur iſt wahr: bei Nationen, welchen die Abhängigkeit ihrer ökonomiſchen Blüte von ihrer politiſchen Machtlage nicht, wie der engliſchen, täglich vor Augen geführt wird, wohnen die Jnſtinkte für dieſe ſpezifiſch politiſchen Jntereſſen nicht, wenigſtens nicht in der Regel, in den breiten Maſſen der Nation, die mit der Not des Tages zu ringen haben, es wäre ungerecht, ſie von ihnen zu be - anſpruchen. Jn großen Momenten, im Fall des Krieges, tritt auch ihnen die Bedeutung der nationalen Macht vor die Seele, dann zeigt ſich, daß der nationale Staat auf urwüchſigen pſycho - logiſchen Unterlagen auch bei den breiten ökonomiſch beherrſchten Schichten der Nation ruht und keineswegs nur ein Ueber - bau , die Organiſation der ökonomiſch herrſchenden Klaſſen iſt. Allein in normalen Zeiten ſinkt dieſer politiſche Jnſtinkt bei der Maſſe unter die Schwelle des Bewußtſeins. Dann iſt es26 die ſpezifiſche Funktion der ökonomiſch und politiſch leitenden Schichten, Träger des politiſchen Sinnes zu ſein, der einzige Grund, der politiſch ihr Vorhandenſein zu rechtfertigen vermag.

Die Erlangung ökonomiſcher Macht iſt es zu allen Zeiten geweſen, welche bei einer Klaſſe die Vorſtellung ihrer Anwart - ſchaft auf die politiſche Leitung entſtehen ließ. Gefährlich und auf die Dauer mit dem Jntereſſe der Nation unvereinbar iſt es, wenn eine ökonomiſch ſinkende Klaſſe die politiſche Herrſchaft in der Hand hält. Aber gefährlicher noch iſt es, wenn Klaſſen, zu denen hin ſich die ökonomiſche Macht und damit die Anwartschaft auf die politiſche Herrſchaft bewegt, politiſch noch nicht reif ſind zur Leitung des Staates. Beides bedroht Deutſchland zur Zeit und iſt in Wahrheit der Schlüſſel für die derzeitigen Gefahren unſerer Lage. Und auch die Umſchichtungen der ſozialen Struktur des Oſtens, mit denen die im Eingang beſprochenen Erſcheinungen zuſammenhängen, gehören in dieſen größeren Zuſammenhang.

Bis in die Gegenwart hinein hat im preußiſchen Staat die Dynaſtie politiſch ſich auf den Stand der preußiſchen Junker geſtützt. Gegen ihn zwar, aber doch auch nur mit ihm, hat ſie den preußiſchen Staat geſchaffen. Jch weiß es wohl, daß der Name der Junker ſüddeutſchen Ohren unfreundlich klingt. Man wird vielleicht finden, ich ſpräche eine preußiſche Sprache, wenn ich ein Wort zu ihren Gunſten ſage. Jch wüßte nicht. Noch heute führen in Preußen für jenen Stand viele Wege zu Einfluß und Macht, viele Wege auch an das Ohr des Mon - archen, die nicht jedem Staatsbürger ſich ebnen; er hat dieſe Macht nicht immer ſo gebraucht, wie er es vor der Geſchichte verantworten kann, und ich ſehe nicht ein, weſhalb ein bürger - licher Gelehrter ihn lieben ſollte. Allein trotz alledem war die27 Kraft ſeiner politiſchen Jnſtinkte eins der gewaltigſten Kapitalien, welche im Dienſt der Machtintereſſen des Staates verwendet werden konnten. Sie haben ihre Arbeit geleiſtet und liegen heute im ökonomiſchen Todeskampf, aus dem keine Wirtſchaftspolitik des Staates ſie zu ihrem alten ſozialen Charakter zurückführen könnte. Und auch die Aufgaben der Gegenwart ſind andere, als ſolche, die von ihnen gelöſt werden könnten. Ein Vierteljahrhundert ſtand an der Spitze Deutſchlands der letzte und größte der Junker, und die Tragik, welche ſeiner ſtaatsmänniſchen Laufbahn neben ihrer unvergleichlichen Größe anhaftete und die ſich heute noch immer dem Blick Vieler entzieht, wird die Zukunft wohl darin finden, daß unter ihm das Werk ſeiner Hände, die Nation, der er die Einheit gab, langſam und unwiderſtehlich ihre ökonomiſche Struktur veränderte und eine andere wurde, ein Volk, das andere Ordnungen fordern mußte, als ſolche, die er ihm geben und denen ſeine cäſariſche Natur ſich einfügen konnte. Jm letzten Grund iſt eben dies es geweſen, was das teilweiſe Scheitern ſeines Lebenswerkes herbeigeführt hat. Denn dieſes Lebenswerk hätte doch nicht nur zur äußeren, ſondern auch zur inneren Einigung der Nation führen ſollen und jeder von uns weiß: das iſt nicht erreicht. Es konnte mit ſeinen Mitteln nicht erreicht werden. Und als er im Winter letzten Jahres, umſtrickt von der Huld ſeines Monarchen, in die geſchmückte Reichs - hauptſtadt einzog, da ich weiß es wohl gab es viele, welche ſo empfanden, als öffne der Sachſenwald wie ein moderner Kyffhäuſer ſeine Tiefen. Allein nicht Alle haben dieſe Empfindung geteilt. Denn es ſchien, als ſei in der Luft des Januartages der kalte Hauch geſchichtlicher Vergänglichkeit zu ſpüren. Uns überkam ein eigenartig beklemmendes Gefühl, als28 ob ein Geiſt herniederſtiege aus einer großen Vergangenheit und wandelte unter einer neuen Generation durch eine ihm fremd gewordene Welt.

Die Gutshöfe des Oſtens waren die Stützpunkte der über das Land dislocirten herrſchenden Klaſſe Preußens, der ſoziale Anſchlußpunkt des Beamtentums, aber unaufhaltſam rückt mit ihrem Zerfall, mit dem Schwinden des ſozialen Charakters des alten Grundadels, der Schwerpunkt der politiſchen Jntelli - genz in die Städte. Dieſe Verſchiebung iſt das entſcheidende politiſche Moment der agrariſchen Entwicklung des Oſtens.

Welches aber ſind die Hände, in welche jene politiſche Funktion des Junkertums hinübergleitet und wie ſteht es mit ihrem politiſchen Beruf?

Jch bin ein Mitglied der bürgerlichen Klaſſen, fühle mich als ſolches und bin erzogen in ihren Anſchauungen und Jdealen. Allein es iſt der Beruf gerade unſerer Wiſſenſchaft, zu ſagen, was ungern gehört wird, nach oben, nach unten, und auch der eigenen Klaſſe, und wenn ich mich frage, ob das Bürger - tum Deutſchlands heute reif iſt, die politiſch leitende Klaſſe der Nation zu ſein, ſo vermag ich heute nicht dieſe Frage zu bejahen. Nicht aus eigener Kraft des Bürgertums iſt der deutſche Staat geſchaffen worden, und als er geſchaffen war, ſtand an der Spitze der Nation jene Cäſarengeſtalt aus anderem als bürger - lichem Holze. Große machtpolitiſche Aufgaben wurden der Nation nicht abermals geſtellt, weit ſpäter erſt, ſchüchtern und halb widerwillig, begann eine überſeeiſche Machtpolitik , die dieſen Namen nicht verdient.

Und nachdem ſo die Einheit der Nation errungen war und ihre politiſche Sättigung feſtſtand, kam über das aufwachſende29 erfolgſtrunkene und friedensdurſtige Geſchlecht des deutſchen Bürgertums ein eigenartig unhiſtoriſcher und unpolitiſcher Geiſt. Die deutſche Geſchichte ſchien zu Ende. Die Gegenwart war die volle Erfüllung der vergangenen Jahrtauſende, wer wollte fragen, ob die Zukunft anders urteilen möchte? Die Beſcheidenheit verbot ja ſo ſchien es der Weltgeſchichte, zur Tagesordnung ihres alltäglichen Verlaufes überzugehen über dieſe Erfolge der deutſchen Nation. Heute ſind wir nüchtern geworden, es ziemt uns der Verſuch, den Schleier der Jlluſionen zu lüften, der uns die Stellung unſerer Generation in der hiſtoriſchen Entwicklung des Vaterlandes verhüllt. Und es ſcheint mir, daß wir dann anders urteilen. An unſerer Wiege ſtand der ſchwerſte Fluch, den die Geſchichte einem Geſchlecht als An - gebinde mit auf den Weg zu geben vermag: das harte Schickſal des politiſchen Epigonentums.

Schaut uns nicht eben jetzt, wohin wir blicken im Vater - land, ſein kümmerliches Antlitz entgegen? Jn den Vorgängen der letzten Monate, welche bürgerliche Politiker in erſter Reihe zu verantworten haben, in allzu Vielem, was in den letzten Tagen im deutſchen Parlament und in Manchem, was zu ihm geſprochen wurde, erkannten diejenigen von uns, denen die Fähigkeit des Haſſes gegen das Kleine geblieben iſt, mit der Leidenſchaft zorniger Trauer das kleinliche Treiben politiſcher Epigonen. Die gewaltige Sonne, welche im Zenith Deutſchlands ſtand und den deutſchen Namen in die fernſten Winkel der Erde leuchten ließ, war, ſo ſcheint es faſt, zu groß für uns und hat die langſam ſich entwickelnde politiſche Urteilsfähigkeit des Bürgertums ausgebrannt. Denn was erleben wir an ihm?

Nur allzu offenkundig ſehnt ſich ein Teil des Großbürgertums30 nach dem Erſcheinen eines neuen Cäſar, der ſie ſchirme nach unten gegen aufſteigende Volksklaſſen nach oben gegen ſozial - politiſche Anwandlungen, deren ihnen die deutſchen Dynaſtien verdächtig ſind.

Und ein anderer Teil iſt längſt verſunken in jene poli - tiſche Spießbürgerei, aus welcher die breiten Schichten des Kleinbürgerthums noch niemals erwacht ſind. Schon als nach den Einheitskriegen die erſten Anfänge poſitiver politiſcher Auf - gaben der Nation nahe traten, der Gedanke einer überſeeiſchen Expanſion, da fehlte ihm ſelbſt jenes einfachſte ökonomiſche Verſtändnis, welches ihm geſagt hätte, was es für den Handel Deutſchlands in fernen Meeren bedeutet, wenn an den Küſten umher die deutſchen Fahnen wehen.

Nicht ökonomiſche Gründe, auch nicht die vielberufene Jntereſſenpolitik , welche andere Nationen in nicht geringerem Maße kennen als wir, ſind Schuld an der politiſchen Unreife breiter Schichten des deutſchen Bürgertums, der Grund liegt in ſeiner unpolitiſchen Vergangenheit, darin daß die politiſche Er - ziehungsarbeit eines Jahrhunderts ſich nicht in einem Jahrzehnt nachholen ließ und daß die Herrſchaft eines großen Mannes nicht immer ein Mittel politiſcher Erziehung iſt. Und die ernſte Frage für die politiſche Zukunft des deutſchen Bürger - tums iſt jetzt: ob es nicht nunmehr zu spät iſt, ſie nachzuholen. Kein ökonomiſches Moment kann ſie erſetzen.

Werden andere Klaſſen die Träger einer politiſch größeren Zukunft ſein? Selbſtbewußt meldet ſich das moderne Proletariat als Erbe der bürgerlichen Jdeale. Wie ſteht es mit ſeiner Anwartschaft auf die politiſche Leitung der Nation?

Wer heute der deutſchen Arbeiterklaſſe ſagen würde, ſie ſei31 politiſch reif oder auf dem Weg zur politiſchen Reife, der wäre ein Schmeichler und ſtrebte nach der fragwürdigen Krone der Popularität.

Oekonomiſch ſind die höchſten Schichten der deutſchen Arbeiterklaſſe weit reifer, als der Egoismus der beſitzenden Klaſſen zugeben möchte, und mit Recht fordert ſie die Freiheit, auch in der Form des offenen organiſierten ökonomiſchen Machtkampfes ihre Jntereſſen zu vertreten. Politiſch iſt ſie unendlich unreifer, als eine Journaliſtenclique, welche ihre Führung monopoliſieren möchte, ſie glauben machen will. Gern ſpielt man in den Kreiſen dieſer deklaſſierten Bourgeois mit den Reminiscenzen aus der Zeit vor 100 Jahren man hat damit in der That erreicht, daß hier und da ängſtliche Gemüter in ihnen die geiſtigen Nach - kommen der Männer des Konvents erblicken. Allein ſie ſind unendlich harmloſer, als ſie ſelbſt ſich erſcheinen, es lebt in ihnen kein Funke jener katilinariſchen Energie der That, aber freilich auch kein Hauch der gewaltigen nationalen Leidenſchaft, die in den Räumen des Konventes wehten. Kümmerliche politiſche Kleinmeiſter ſind ſie, es fehlen ihnen die großen Macht - inſtinkte einer zur politiſchen Führung berufenen Klaſſe. Nicht nur die Jntereſſenten des Kapitals, wie man die Arbeiter glauben macht, ſind heute politiſche Gegner ihrer Mitherrſchaft im Staate. Wenig Spuren der Jntereſſengemeinſchaft mit dem Kapital fänden ſie bei Durchforſchung der deutſchen Gelehrtenſtuben. Aber: wir fragen auch ſie nach ihrer politiſchen Reife, und weil es für eine große Nation nichts Vernichtenderes giebt, als die Leitung durch ein politiſch unerzogenes Spießbürgertum, und weil das deutſche Proletariat dieſen Charakter noch nicht ver - loren hat, deshalb ſind wir ſeine politiſchen Gegner. Und weshalb32 iſt das Proletariat Englands und Frankreichs zum Teil anders geartet? Nicht nur die ältere ökonomiſche Erziehungsarbeit, welche der organiſierte Jntereſſenkampf der engliſchen Arbeiter - ſchaft an ihr vollzogen hat, iſt der Grund: es iſt vor allem wiederum ein politiſches Moment: die Reſonanz der Weltmachtſtellung, welche den Staat ſtetig vor große macht - politiſche Aufgaben ſtellt und den einzelnen in eine chroniſche politiſche Schulung nimmt, die er bei uns nur, wenn die Grenzen bedroht ſind, akut empfängt. Entſcheidend iſt auch für unſere Entwicklung, ob eine große Politik uns wieder die Bedeutung der großen politiſchen Machtfragen vor Augen zu ſtellen ver - mag. Wir müſſen begreifen, daß die Einigung Deutſchlands ein Jugendſtreich war, den die Nation auf ihre alten Tage beging und ſeiner Koſtſpieligkeit halber beſſer unterlaſſen hätte, wenn ſie der Abſchluß und nicht der Ausgangspunkt einer deutſchen Weltmachtpolitik ſein ſollte.

Das Drohende unſerer Situation aber iſt: daß die bür - gerlichen Klaſſen als Träger der Machtintereſſen der Nation zu verwelken ſcheinen und noch keine Anzeichen dafür vorhanden ſind, daß die Arbeiterſchaft reif zu werden beginnt, an ihre Stelle zu treten.

Nicht wie diejenigen glauben, welche hypnotiſiert in die Tiefen der Geſellſchaft ſtarren, bei den Maſſen liegt die Gefahr. Nicht eine Frage nach der ökonomiſchen Lage der Be - herrſchten, ſondern die vielmehr nach der politiſchen Quali - fikation der herrſchenden und aufſteigenden Klaſſen iſt auch der letzte Jnhalt des sozialpolitiſchen Problems. Nicht Weltbeglückung iſt der Zweck unſerer ſozialpolitiſchen Arbeit, ſondern die ſoziale Einigung der Nation, welche die moderne33 ökonomiſche Entwicklung ſprengte, für die ſchweren Kämpfe der Zukunft. Gelänge es in der That, eine Arbeiterariſtokratie zu ſchaffen, welche Trägerin des politiſchen Sinnes wäre, den wir heute an der Arbeiterbewegung vermiſſen, dann erſt möge der Speer, für welchen der Arm des Bürgertums noch immer nicht ſtark genug zu werden ſcheint, auf jene breiteren Schultern abgelegt werden. Bis dahin ſcheint es noch ein weiter Weg.

Für jetzt aber ſehen wir Eines: eine ungeheure politiſche Erziehungsarbeit iſt zu leiſten und keine ernſtere Pflicht beſteht für uns, als, ein Jeder in ſeinem kleinen Kreiſe, uns eben dieſer Aufgabe bewußt zu ſein: an der politiſchen Erziehung unſerer Nation mitzuarbeiten, welche das letzte Ziel auch gerade unſerer Wiſſenſchaft bleiben muß. Die ökonomiſche Entwicklung der Uebergangsperioden bedroht die natürlichen politiſchen Jnſtinkte mit Zerſetzung; es wäre ein Unglück, wenn auch die ökonomiſche Wiſſenſchaft dem gleichen Ziele zuſtrebte, indem ſie einen weichen Eudämonismus, wenn auch in noch ſo vergeiſtigter Form, hinter der Jlluſion ſelbſtändiger sozialpolitiſcher Jdeale züchtete.

Freilich dürfen deshalb gerade wir wohl daran erinnern, daß es das Gegenteil von politiſcher Erziehung iſt, wenn man ein Mißtrauensvotum gegen die friedliche ſoziale Zukunft der Nation in Paragraphen zu formulieren ſucht, oder wenn das brachium saeculare nach der Hand der Kirche greift zur Stütze zeitlicher Autoritäten. Aber das Gegenteil von politiſcher Er - ziehung bekundet auch das ſchablonenhafte Gekläff jenes ſtets an - wachſenden Chorus der wenn mir der Ausdruck verziehen wird Wald - und Wieſen-Sozialpolitiker, und ebenſo jene menſchlich liebenswürdige und achtungswerte, dennoch aber un - ſäglich ſpießbürgerliche Erweichung des Gemütes, welche poli -34 tiſche Jdeale durch ethiſche erſetzen zu können meint und dieſe wieder harmlos mit optimiſtiſchen Glückshoffnungen identi - fiziert.

Auch angeſichts der gewaltigen Not der Maſſen der Nation, welche das geſchärfte ſoziale Gewiſſen der neuen Gene - ration belaſtet, müſſen wir aufrichtig bekennen: ſchwerer noch laſtet auf uns heute das Bewußtſein unſerer Verantwortlichkeit vor der Geſchichte. Nicht unſerer Generation iſt beſchieden zu ſehen, ob der Kampf, den wir führen, Früchte trug, ob ſich die Nach - welt zu uns als ihren Ahnen bekennt. Es wird uns nicht ge - lingen, den Fluch zu bannen, unter dem wir ſtehen: Nachgeborene zu ſein einer politiſch großen Zeit, es müßte denn ſein, daß wir verſtünden, etwas Anderes zu werden: Vorläufer einer größeren. Wird das unſer Platz in der Geſchichte ſein? Jch weiß es nicht und ſage nur: es iſt das Recht der Jugend, zu ſich ſelbſt und ihren Jdealen zu ſtehen. Und nicht die Jahre ſind es, die den Menſchen zum Greiſe machen: jung iſt er, ſo[ -] lange er mit den großen Leidenſchaften, welche die Natur in uns legte, zu empfinden vermag. Und ſo damit laſſen Sie mich ſchließen ſo ſind es nicht die Jahrtauſende einer ruhm - reichen Geſchichte, unter deren Laſt eine große Nation altert. Sie bleibt jung, wenn ſie die Fähigkeit und den Mut hat, ſich zu ſich ſelbſt und den großen Jnſtinkten, die ihr gegeben ſind, zu bekennen, und wenn ihre führenden Schichten ſich hinauf - zuheben vermögen in die harte und klare Luft, in welcher die nüchterne Arbeit der deutſchen Politik gedeiht, die aber auch durchweht iſt von der ernſten Herrlichkeit des nationalen Em - pfindens.

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TextDer Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik
Author Max Weber
Extent40 images; 8604 tokens; 2779 types; 65499 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

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Bibliographic informationDer Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik Akademische Antrittsrede Max Weber. . J. C. B. MohrFreiburg (Breisgau)Leipzig1895.

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LanguageGerman
ClassificationWissenschaft; Politik; ready; wikisource

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